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Full text of "Hygienische Rundschau 11.1901"

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Hysienische Rundschau. 


Herausgegeben 


von 


Dr. Carl Fraenkel, Dr. Max Rubner, Dr. Carl Günther, 


Prof. der Hygiene in Halle als. Geh. Med.-R., Prof. der Hygiene in Berlin. Professor in Berlin. 


Berlin 1901. 


Verlag von August Hirschwald. 


N.W. Unter den Linden 88. 


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Hygienische Rundschau. 


Herausgegeben 
von 
Dr. Carl Fraenkel, Dr. Max Rubner, Dr. Carl Günther, 
Prof. der Hygiene in Halle a./8. Geh. Med.-R., Prof. der Hygiene in Berlin. Professor in Berlin. 
XI. Jahrgang. Berlin, 1, Januar 1901. #1 


(Aus dem Neuen Allgemeinen Krankenhause zu Hamburg-Eppendorf.) 


Wachsthum der Tuberkelbacilien auf sauren Mährböden. 
Von 
Dr. med. Georg Jochmann. 


In dieser Zeitschrift (1900. No. 20) berichtete ich unter Anderem über 
die Erfahrungen, die ich mit den in neuerer Zeit bekannt gegebenen Nälhr- 
substraten für die Züchtung des Tuberkelbacillus gemacht hatte. Ich 
kam damals gelegentlich der Nachprüfung der von Ficker gemachten An- 
gaben über den Vorzug der sauren Reaktion der Tuberkulose-Nähr- 
böden zu dem Resultat, dass thatsächlich die saure Reaktion des für die 
Fortzüchtung der Tuberkelbacillen verwendeten Nährbodens das Wachsthum 
derselben ganz erheblich brgünstige. Die Rangordnung der von mir unter- 
suchten festen Nährsubstrate zur Züchtung der Tuberkelbacillen war nach ihrer 
Ertragfähigkeit folgende: saurer Glycerinagar, alkalischer Glycerinagar, saures 
Hirnseram, saurer Heydenagar, alkalischer Heydenagar. 

Nachdem für mich die Thatsache feststand, dass die saure Reaktion eine 
begünstizende Wirkung ausübe, lag es mir daran, zu untersuchen, wie weit 
man die Erhöhung des Säuregrades in den Nährböden treiben könne, um noch 
eine Ernte zu erzielen, und welches eventuell derjenige Säuregrad sei, welcher 
die günstigsten Bedingungen für die Entwickelung einer Tuberkulose-Reinkultur 
darböte. 

Ueber die Ergebnisse der in dieser Richtung angestellten Versuche möchte 
ich in Ergänzung meiner ersten Mittheilungen kurz berichten. Zur künstlichen 
Berbeiführung eines höheren Säuregrades verwendete ich eine 1 proc. Milch- 
siare. Es führte hierzu der Gedanke, dass die Milchsäure die im todten 
Muskel dominirende Säure ist, und dass bei meinen ersten, im Sinne einer 
Begünstigung der sauren Reaktion zu deutenden, Parallelversuchen mit saurem 
Glycerinagar und alkalischem Glycerinagar ein saurer Glycerinagar verwendet 
wurde, welcher den natürlichen Säuregrad des zu seiner Bereitung erforder- 
lichen Fleischwassers behalten hatte, welcher daher die Säure des todten Muskels, 
also im Wesentlichen Milchsäure enthielt. 

1 


2 Jochmann, Wachsthum der Tuberkelbacillen auf sauren Nährböden. 


Die Menge des übertragenen Materials waren 3 Oesen einer Aufschwemmung 
von Tuberkelbacillen in Peptonwasser. Die Versuchsanordnung war genau die- 
selbe wie bei den ersten Untersuchungen. 

Glycerinagar (G.-A.) mit einem Glyceringehalt von 3 pCt. wurde in 
folgenden Varietäten verwendet: 

I. G.-A. mit dem natürlichen Säuregrad des zu seiner Bereitung erforder- 
lichen Fleischwassers: äusserst üppiger Ernteertrag nach 14 tägigem Wachsthum 
bei 370, 

II. G:-A. mit demselben natürlichen Säuregrad -+ 10 Tropfen einer 1 proc. 


Milchsäurelösung auf 50 ccm . . .- . . sehr geringer Ernteertrag. 
IL. G.-A. wie I -++ 20 Tropfen einer 1 proc. Milchsäure- 
lösung auf 50 ccm. . . . kein Wachsthum. 


IV. G.-A. wie 1+ 30 Tropfen einer t proe. Milchsäure- 

lösung auf 50 ccm. 

V. G.-A. wie 1-4 50 Tropfen einer 1 proc. ` Milchsäure- 

lösung auf 50 ccm . Ko g A 

VI. G.-A. neutralisirt mit Normalsodaldsung . 2. gutes 

VII. G.-A. schwach alkalisch . SR: en K 

Es zeigte sich also, dass der natūrliche Sänregrad des mit Fleisch- 
wasser bereiteten Glycerinagar die günstigsten Chancen für ein 
möglichst kräftiges Wachsthum bietet, und dass ein weiteres künstliches Er- 
höhen des Säuregrades nicht geeignet ist, die Ertragfähigkeit des Nährbodens 
zu vergrössern, sondern im Gegentheil ungünstigere Bedingungen herbeiführt. 

In ähnlichen Variationen wurde der mit Heydennährstoff bereitete Agar 
verwendet. Bei den Versuchen, über welche ich in meiner ersten Mittheilung 
berichtete, war die Zusammensetzung desselben folgende: Nährstoff Heyden 5 g, 
Kochsalz 5 g, Glycerin 80 g, Agar-Agar 20 g, Normalsodalösung 5 ccm, 
destillirtes Wasser 1000 ccm. Lässt man die Normalsodalösung fort, se reagirt 
der Nährboden neutral. 

Heydenagar wurde geprüft: alkalisch, neutral, ferner mit einem Zusatz 
von 10, 20, 30 und 50 Tropfen 1 proc. Milchsäure auf 50 ccm. Das Ergeb- 
niss war: bestes Wachsthum bei einem Zusatz von 10 Tropfen 1 proc. Milch- 
säure, verhältnissmässig gutes bei neutraler und alkalischer Reaktion, sehr 
geringer Ertrag bei Zusatz von 20 Tropfen, kein Wachsthum bei Zusatz von 
30 und 50 Tropfen 1 proc. Milchsäure, alles berechnet auf 50 ccm. 

Weiterhin wurden eine Anzahl Blutsera in ähnlicher Weise auf ihre Er- 
tragsfähigkeit untersucht, Hammelblutserum, Rinderblutserum und Serum von 
menschlichem Blut. 

Jedes Serum erhielt einen Glycerinzusatz von 3 pCt. und wurde dann in 
erstarrtem Zustande als Nährboden verwendet, einmal: in seiner natürlichen 
Alkalescenz, dann: neutralisirt durch Zusatz der entsprechenden Tropfenzahl 
einer 1 proc. Milchsäure und ferner: mit einem Zusatz von 10 Tropfen und 
20 Tropfen der 1 proc. Milchsäure auf 50 ccm nach Herstellung des Lakmus- 
neutralpunktes. 

Dabei stellte sich heraus, dass das üppigste Wachsthum bei allen drei 
geprüften Seramnährböden dann stattfand, wenn ein Zusatz von 10 Tropfen 


Lehrbücher. 3 


Iproc. Milchsäure auf 50 cem nach Herstellung des Lakmusneutralpunktes 
erfolgt war. 

Ein ganz erstaunlich üppiges Wachsthum erhielt ich bei diesen Versuchen 
auf dem vom Menschen stammenden Blutserum, welches gelegentlich eines 
Aderlasses gewonnen worden war. Von allen von mir geprüften Tuber- 
kulose-Nährböden war dieser der ertragreichste und am schnell- 
sten producirende. 

Das Ergebniss dieser Versuchsreiben, welche meine bereits mitgetheilten 
Untersuchungen ergänzen sollten, ist demnach folgendes: 

1. Bei der Fortzächtung der Tuberkelbacillen ist ein geringer 
Säuregrad des Nährbodens von förderndem Einfluss für das Wachs- 
tham. 

2. Bei Nährböden, die mit Fleischwasser bereitet sind, bietet 
der natürliche Säuregrad des Fleischwassers die beste Chance für 
einen möglichst hohen Ernteertrag. 

3. Nährsubstrate, welche von Natur aus alkalisch oder neu- 
tral sind, werden für die Züchtung von Tuberkelbacillen nach 
Feststellung des Lakmusneutralpunktes am besten mit einem Zu- 
satz einer Iproc. Milchsäure versehen, und zwar 10 Tropfen auf 
50 ccm, also etwa 10 cem Iproc. Milchsäure auf 1 Liter der Nähr- 
lösung. Die Ertragfähigkeit wird dadurch erhöht. 


Baginsky A., Handbuch der Schulhygiene. 2. Bd. 3. Aufl. Stuttgart 1900. 
Ferdinand Enke. 10 Mk. 

Dem bereits im Oktober 1898 erschienenen 1. Band der 3. Auflage des 
vorstehend genannten Buches (siehe diese Zeitschr. 1900. S. 241) ist nunmehr 
aach der 2. (Schluss-) Band gefolgt, sodass jetzt das umfangreiche Werk voll- 
ständig vorliegt. Der 2. Band behandelt zunächst die Hygiene des Unter- 
richts, wie Unterrichtspläne, Prüfungen, Ferien, Strafen u. s. w., ferner den 
Einfluss des Unterrichts auf die Gesnndheit und die während der 
Schulzeit vornehmlich zu beobachtenden Erkrankungen der Kinder, in 
einem letzten Theile endlich die hygienische Ueberwachung der Schulen 
durch Schulbehörden und Aerzte. Dass ein so hervorragender Kinderarzt 
wie B. die Schulkrankheiten mit vollendeter Meisterschaft bearbeitet hat, 
braucht nicht besonders hervorgehoben zu werden. Aerzte wie Schulmänner 
werden aus den diesbezüglichen Kapiteln mit vielem Nutzen lernen können. 
Aach der der Hygiene des Unterrichts gewidmete Abschnitt des Buches dürfte 
des ungetheilten Beifalls der Lehrer sowohl wie der Aerzte gewiss sein. Auf 
diesem Gebiet der Schulhygiene herrschen bekanntlich noch die divergirendsten 
Meioungen und Anschauungen, und es wird noch mancher Tropfen Wasser zu 
Tbal rinnen, bis selbst in den Hauptpunkten der Unterrichtshygiene allgemeine 
Einigung erzielt ist. Man wird dem Vef. zu Dank verpflichtet sein müssen, 
dass er den Stoff so eingehend und zugleich durchaus sachlich, sine ira et 

1* 


4 Lehrbücher. 


studio, bearbeitet hat. Der letzte Abschnitt des Buches handelt, wie erwähnt, 
vom Schularzte. Hier ist, im Gegensatz zu den anderen Theilen des Werkes, 
ziemlich Alles unverändert aus der letzten Auflage hinübergenommen. Ref. 
muss das bedauern. Gerade auf schulärztlichem Gebiet hat es sich in den 
letzten Jahren überall und besonders auch in Deutschland mächtig geregt. 
Viele Städte haben musterhafte Regulative für ihre Schulärzte, die sich bereits 
durchaus bewährt haben; es hätte wohl nichts geschadet, wenn darauf und 
auf Aehnliches noch etwas vom Verf. eingegangen worden wäre. 
Aber dazu wird vielleicht Gelegenheit sich finden bei der nächsten Auf- 
lage, die wir dem Buche aufrichtig und in nicht zu ferner Zeit wünschen. 
E. v. Esmarch (Göttingen). 


Ostertag, Handbuch der Fleiachbeschau für Thierärzte, Aerzte und 
Richter. Dritte, neubearbeitete Auflage. 902 Seiten. Mit 251 in den Text 
gedruckten Abbildungen und 1 Farbentafel. Stuttgart. Verlag von Ferd. 
Enke. 1899. Preis: Mk. 20,0. 

Die bereits vier Jahre nach der zweiten erschienene dritte Auflage des 
Ostertag’schen Handbuches stellt ein bedeutend erweitertes Werk des 
Autors dar. Entsprechend den Fortschritten, die die wissenschaftliche Fleisch- 
beschau durch ergebnissreiche Forschungen zu verzeichnen hat, bat Verf. 
einige Kapitel seines in zweiter Auflage vollständig vergriffenen Handbuches 
in umfangreicher Weise ergänzen und umarbeiten müssen. 

Veranlassung haben u. a. die hochinteressanten Versuche gegeben, die 
Perroneito, sowie Verf. selbst, Reissmann, Rissling, Glage, 
Zschokke u. A. iiber die Lebenszähigkeit, das natürliche Absterben und 
die Abtödtung der Rinderfinnen angestellt haben. Diese Versuche haben 
bekanntlich zu einer Aenderung in dem Verfahren mit dem Fleische finniger 
Rinder und Kälber geführt. Auf Grund jener Versuche ist das Verfahren 
durch Ministerialerlass vom 18. November 1897 für Preussen geregelt worden. 

Die durch Nocard ermittelte Thatsache, dass Blut die Eigenschaft be- 
sitzt, sich binnen Kurzem der in ihm befindlichen Tuberkelbacillen zu 
entledigen, d. b. die Feststellung Nocard’s, dass nach der intravenösen 
Injektion von Tuberkelbacillen das Blut in 4,5 oder längestens 6 Tagen seine 
ansteckende Kraft einbüsst (Untergang und Ausscheidung der Bacillen), sowie 
die von Ostertag selbst angestellten Versuche und seine exakten Forschun- 
gen über die Lebensfähigkeit der Tuberkelbacillen und über die Uebertragung 
der Tuberkulose lassen eine bei Weitem mildere Begutachtung über den Ge- 
nuss des Fleisches von tuberkulösen Thieren zu, als sie nach dem Ministerial- 
erlass vom 26. März 1892 (für das Königreich Preussen) gestattet ist. 

Auf S. 653 seines Werkes empfiehlt O. auf Grund aller dieser Forschun- 
gen folgendes „wissenschaftlich motivirtes Verfahren mit dem Fleische von 
tuberkulösen Thieren“: 1. Das Fleisch von Thieren mit unerheblichen oder 
weniger stark ausgedehnten, lokalen rein tuberkulösen Veränderungen ist 
nach Entfernung der tuberkulösen Herde zum freien Verkehr zuzulassen. 
2. Das Fleisch von Thieren, welche mit stark ausgedehnten, aber zweifellos 
lokalen tuberkulösen Processen behaftet sind, ist unter Deklaration (auf der 


Lehrbücher. 5 


Freibank) zu verkaufen. 3. Bei abgeheilter, lediglich auf die Eingeweide 
(Lunge, Leber, Milz bezw. Nieren) beschränkter Generalisation ist das Fleisch 
je nach dem Grade der Erkrankung der Eingeweide in den freien’ Verkehr zu 
geben oder unter Deklaration zu verkaufen. 4. Sämmtliche Thiere dagegen, 
welche ausgesprochene Abmagerung oder die Zeichen einer erst vor ganz kurzer 
Zeit erfolgten Blutinfektion (Milztumor und Schwellung aller Lymphdrüsen, 
miliare Tuberkel in Lunge, Leber, Milz oder Nieren) erkennen lassen, sind 
ebenso wie Fleisch, welches mit tuberkulösen Veränderungen durchsetzt ist, 
von der Zulassung als menschliches Nahrungsmittel auszuschliessen und nur 
technisch zu verwertben. [In einer Fussnote sagt O., dass bei Thieren, 
bei welchen nur die eine oder andere, nicht aber sämmtliche Fleischlymph- 
drüsen erkrankt sind, unbedenklich das Hartenstein’sche Verfahren Platz 
greifen könne, d. b. dass in diesen Fällen nur.die Wurzelgebiete jener Lymph- 
drüsen vom Verkehr auszuschliessen seien, z. B. bei Erkrankung einer Bug- 
drüse das betr. Vorderviertel und bei Erkraukung einer Kniefaltendrüse das 
betr. Hinterviertel. Das übrige Fleisch solcher Thiere wollte Hartenstein 
nur in gekochtem oder sterilisirtem Zustande in den Verkehr geben, da auf 
demselben „ein gewisser Verdacht“ ruhe. Ostertag geht nun noch einen 
Schritt weiter; er sagt: Da wir durch eine genaue Untersuchung im Stande 
seien, uns darüber zu vergewissern, ob dieser Verdacht begründet ist, so be- 
steht kein thatsächliches Hinderniss, das üb:ige, von tuberkulösen Veränderun- 
gen freie Fleisch im rohen Zustande zu verwerthen.] 5. Das Fleisch der- 
jenigen Thiere endlich, bei welchen der lokale Charakter der Tuberkulose und 
die Unschädlichkeit des Fleisches zweifelhaft ist (namentlich beim Vorhanden- 
sein tuberkulöser Kavernen und bei beginnender Störung der Ernährung), ist 
in kleinen Stücken gründlich gekocht, oder besser durch Dampf ste- 
rilisirt dem bedingten Verkehr zu übergeben. In gleicher Weise kann das 
Maskelfleisch nach sorgfältiger Entfernung der eingeschlossenen Lymphdrüsen, 
Knochen und Gefässstämme in solchen Fällen verwerthet werden, in welchen 
lediglich die korrespondirenden Lymphdrüsen, nicht aber die Muskulatur selbst 
tuberkulöse Veränderungen zeigen. 

Das von Ostertag ad 4 seines Resume vorgeschlagene Verfahren, das 
Fleisch in den beregten Fällen in rohem Zustande zu verwerthen, findet 
im Regierungsbezirk Posen gemäss Verfügung vom 26. März 1899 des dortigen 
Regierungs-Präsidenten bereits praktische Anwendung. Man sollte meinen, 
was für den Regierungsbezirk Posen zulässig ist, kann aueh für das übrige 
Gebiet des Königreichs Preussen nicht verboten sein. Hoffentlich gelingt es 
Ostertag, der doch auf dem Gebiete der Fleischbeschau Autorität ersten 
Ranges ist, nun auch bald eine Aenderung des unzeitgemässen Ministerial- 
erlasses vom 26. März 1892, der nur von „perlsüchtigem Rindvieh“ spricht und 
die Tuberkulose der übrigen Thiergattungen vollständig unberücksichtigt lässt, 
in die Wege zu leiten. Nach diesem Ministerialerlass, der „zur Nachachtung 
für die Betheiligten angeordnet“ ist, ist „eine gesundheitsschädliche Beschaffen- 
heit des Fleisches von perlsüchtigem Rindvieh in der Regel auch dann anzu- 
nebmen, wenn das Fleisch keine Perlknoten enthält“. Von einer theilweise zu- 
lässigen Verwerthung des Fleisches von „perlsüchtigem Rindvieh* ist in dem 


6 Lehrbücher. 


Erlasse übrigens mit keinem Worte die Rede. So lange daher dieser besteht, 
dürfen „die Betheiligten“ im Königreich Preussen — mit Ausnahme des Re- 
gierungsbezirks Posen — nicht das von O. vorgeschlagene Verfahren handhaben. 

Ganz bedeutend erweitert sind auch, ausser denjenigen über verschie- 
dene Protozoenkrankheiten, die Abhandlungen über Fleischvergiftung 
und Botulismus. Abgesehen von den Forschungen von Johne, Gärtner, 
Gaffky-Paak, Poels und Dhont, van Ermengem, Flügge, Känsche, 
Holst, Kuborn, Silberschmidt, Günther haben vor allem die Unter- 
suchungen von Basenau, sowie auch die von Brieger, Kempner u. A. we- 
sentlich zur Klärung dieser dunklen Kapitel beigetragen. Den Ergebnissen 
der neuesten Forschungen gemäss sind in dem Handbuche eingehender Aetio- 
logie und Prophylaxe berücksichtigt und abgehandelt. Der Abschnitt über 
Verfälschungen von Nahrungsmitteln (Mehlzusatz zu Würsten, Färben, 
Verfälschungen von Schweineschmalz, Kaviar u. s. w.) ist erweitert und noch 
durch ein kleineres Kapitel über Verfälschung von Krabben ergänzt worden. 

Als Anhang sind die während des Druckes von den Regierungen des 
Königreichs Sachsen und des Herzogthums Braunschweig erlassenen Landes- 
gesetze über die Einführung der allgemeinen Fleischbeschau bei- 
gefügt. 

Die Zahl der Abbildungen ist um 90 vermehrt worden; sämmtliche Ab- 
bildangen von Bakterien sind nach Originalpräparaten unter Zuhilfenahme 
der Photographie oder des Zeiss’schen Zeichenapparates neu hergestellt 
worden. Mehrere farbige Abbildungen geben die Kontrastfärbungen, die für 
die Erkennung der verschiedenen Bakterienarten wichtig sind, deutlich wieder. 
Mit Rücksicht darauf, dass in Folge Rückganges der Lungenseuche vielen 
Thierärzten nicbt mehr die Gelegenheit gegeben wird, die anatomischen Ver- 
änderungen am Objekt selbst zu sehen, bat Verf. einen Theil einer mit Lungen- 
seuche behafteten Rinderlunge in den natürlichen Farben abbilden lassen; 
frische Entzündungsherde, etwas ältere Herde und ein nekrotischer Herd sind 
deutlich und naturgetreu dargestellt, und das Ganze giebt ein anschauliches 
und sehr gut gelungenes Bild ab. 

Irgend einer Empfehlung bedarf das Ostertag’sche „Handbuch“, das 
sich m. E. mit vollem Recht besser „Lehrbuch“ nennen könnte, nicht; das 
auch in der vorliegenden Auflage vortreffliche Werk des Autors empfiehlt sich 
selbst, denn es ist für die Organe, für die es laut Titelblatt geschrieben ist, 
unentbehrlich und unersetzlich. Henschel (Berlin). 


Schanz, Die Bakterien des Auges. 17. Heft der Augenärztlichen Unterrichts- 
tafeln. Herausgeg. v. H. Magnus. Breslau 1899. J. U. Kern’s Verlag (Max 
Müller). Preis: 10 Mk. 

Auf 9 Tafeln mit je 2 Abbildungen in mebrfachem Buntdruck werden 
bei einer Vergrösserung von Zeiss !/,, Immersion, Ocular 4 eine Reihe der 
wichtigsten für den Menschen pathogenen Mikroorganismen vorgeführt, soweit 
dieselben zu Krankheiten des Auges in Beziehung stehen. Ausser den 
Xerosebacillen, denen von Morax-Axenfeld und Koch-Weeks finden wir 


Infektionskrankheiten. 7 


noch Diphtberie-, Tuberkel-, Leprabacillen u. s. w., ja sogar die Colibacillen 
sind vertreten. 

Die Tafeln, von kurzem Text begleitet, sind durchweg gut ausgeführt, 
nach der Natur etwas schematisch gezeichnet und geben wohl eine richtige 
Vorstellung von den charakteristischen Eigenthümlichkeiten der einzelnen 
Bakterienarten. Sie werden namentlich beim akademischen Unterricht in vielen 
Fällen mit Nutzen Anwendung finden können. 

E. v. Esmarch (Göttingen). 


MartiusFr., Pathogenetische Grundanschauungen. Berl.klin. Wochenschr. 
1900. No. 20. S. 429. 

Der erste Abschnitt der vorliegenden, als „Säkular-Artikel“ bezeichneten, 
gedanken- und inhaltreichen Abhandlung spricht von der Tuberkulose, 
wobei der Gegensatz zwischen Infektionismus und Nosoparasitismus 
veranschaulicht wird. Ersterer fasst das Vorgehen gegen diese Krankkeit 
ausschliesslich als Bekämpfung des Krankheitserregers auf, mag diese nun 
mit Cornet gegen das getrocknete Sputum oder mit Flügge gegen die Ueber- 
tragung in der sogenannten Tropfeninfektion, der Einathmung von Sputnm- 
tröpfchen gerichtet sein. (Es wäre hier auch der neuesten Ansicht von der 
Ansteckung durch den Darm mit bacillenhaltiger Milch, Butter u. s. w. zu 
gedenken gewesen.) — Dem gegenüber kündigte Aufrecht für den damals bevor- 
stehenden internationalen medicinischen Kongress zu Paris den Nachweis an, 
dass der Tuberkelbacillus nur ein Parasit sei, „welcher in der Lunge erst 
auf untergegangenem Gewebe seine Existenz findet“. Die „kritische Disposi- 
tionslehre“ des Verf.’s steht „in praktisch-prophylaktischer Beziehung keines- 
wegs im Gegensatz zur herrschenden Infektionslehre“. Sie redet nicht dem 
Schmutze das Wort: „Und wenn wir unsere Kinder durch individuelle Hygiene 
zu physisch kräftigen Menschen heranzubilden fordern, so brauchen wir uns 
darum der Ansicht nicht zu verschliessen, dass das Herumspucken der Phthi- 
siker nicht nur widerwärtig, sondern für ihre Mitmenschen auch gefährlich 
ist. — Einseitige und beschränkte pathogenetische Anschauungen sind für den 
Gesetzgeber, der ein Seuchengesetz machen will, ebenso bedenklich, wie die 
Enge und Starrheit der Welt- und Kunstanschauung in Sachen der Lex Heinze.“ 

Im zweiten Abschnitt wird der Nachweis versucht, dass die pathogene- 
tischen Ansichten vor 100 Jahren, obwohl damals das technische Einzelwissen 
weit mangelhafter als heute war, sich „zu einer bemerkenswerthen Klarheit“ 
durchgearbeitet hatten. Als Beweis werden Hufeland’s 1795 erschienenen 
„Ideen über Pathogenie und Einfluss der Lebenskraft auf Entstebung und 
Form der Krankheiten“ augeführt. Dabei wird das anrüchige Wort „Lebens- 
kraft“ durch den modernen Begriff „specifische Zellleistung“ ersetzt. 
Nach Hufeland kann „die nämliche Krankheit unter gewissen Umständen 
und bei gewissen Subjekten kontagiös werden, die es unter anderen Umständen 
ond Subjekten nicht ist; und so kann eine Krankheit auf diesen Menschen 


8 Infektionskrankheiten. 


kontagiös wirken, auf andere nicht“. — Die Zeitgenossen Hufeland’s ent- 
behrten nicht nur der heutigen naturwissenschaftlichen Forschungsmittel der 
Heilkunde, sondern lehnten sie auch oft grundsätzlich ab. So stemmte sich selbst 
Laënnec der Benutzung mikroskopischer Forschung in der Pathologie ent- 
gegen, weil die Mikroskopie zu „absurden Konsequenzen“, zu 1 „optischen Trug- 
bildern und Spekulationen“ führen müsse. 

In einem weiteren Abschnitt wird die reine Empirie Megehaien als 
sinnlos verworfen und auf Goethe’s Wort hingewiesen, „dass eine schlechte 
Hypothese besser sei als gar keine“ (!). Ebenso wendet sich der Verf. gegen 
das „Hauptvorurtbeil“ der experimentellen Pathologie des 19. Jasrhun- 
derts, nämlich „dass alle Gesetze des pathologischen Geschehens generell und 
durch das Thierexperiment feststellbar seien“. Dem gegenüber werden Gat- 
tungsunterschiede und verschiedene Individualität als konstitutionelles Mo- 
ment hervorgehoben. 

Der letzte Abschnitt sucht einen Einklang mit Virchow’s Ansicht her- 
zustellen, wonach es keine wirklichen Allgemeinkrankheiten giebt und 
geben kann. „Ich behaupte“, hatte dieser zu Rom 1894 ausgesprochen, „dass 
kein Arzt ordnungsmässig über einen krankhaften Vorgang zu denken vermag, 
wenn er nicht im Stande ist, ihm einen Ort im Körper anzuweisen“. Die 
Cellularpathologie ist nach dem Verf. „ausgesprochene Konstitutionspatho- 
logie“. (Wie Virchow selbst sich zu dieser Auslegung seiner Cellularpatho- 
logie stellen wird, bleibt abzuwarten. Es lässt sich nicht anzweifeln, dass 
der thatsächliche Fortschritt der neueren Heilkunde darauf beruhte, dass man 
den Konstitutionsbegriff, soweit irgend angängig, bei Seite liess und ihn höch- 
stens da beibehielt, wo eine anatomische, physikalische oder chemische, bez. 
physiologische Erklärung bisher noch unmöglich schien.) Dagegen meint der 
Verf. zutreffend: „Anstatt die Krankheiten in konstitutionelle und nicht kon- 
stitutionelle einzutheilen und so einen künstlichen Gegensatz zu konstruiren, 
der nicht besteht, soll man untersuchen, welcher Art und wie gross bei jeder 
Einzelerkrankung das konstitutionelle Moment ist.“ 

Betreffs der Durchführung des pathogenetischen Gesetzes Gottstein’s, 
wonach das Verhältniss zwischen Kranklıeitsursache und Krankheitsanlage im 
Einzelfalle veränderlich ist, verweist der Verf. auf seine „Pathogenese“, deren 
beiden ersten Hefte in dieser Zeitschrift kürzlich (S.577 u. 578) besprochen wor- 
den sind. Helbig (Serkowitz). 


Pawlowsky A. D., Zur Frage der Infektion und der Immunität. Das 
Schicksal einiger (hauptsächlich pyogener) Mikrobien im Orga- 
nismus empfänglicher und immuner Thiere. Zeitschr. f. Hyg. u. 
Infektionskrankh. Bd. 33. S. 261. 

In der Ringangs gegebenen Uebersicht über die umfangreiche Literatur 
stellt der Verf. fest, dass die Frage, ob Mikroorganismen aus dem Blut 
durch die unversehrte, insbesondere keine Blutaustritte enthaltende Leber 
und Niere ausgeschieden werden, theils verneint (Wyssokowitsch), 
tbeils bejaht wird. Der Verf. stellt sich auf Grund seiner eigenen Versuche, 
die er mit den Trauben- und Kettenkokken des Eiters, dem Bac. pyocyaneus, 


Infektionskrankheiten. 9 


dem Typhus- und Diphtheriebacillus angestellt hat, unbedingt auf die letztere 
Seite. Die Mikroorganismen gelangen von ihrer Eintrittsstelle im Unter- 
hautgewebe mit dem Lymphstrom weiter und zwischen den oft von ihnen 
auseinandergedrängten Endothelzellen der Venenwand hindurch in das Blut 
und die inneren Organe. Sie sind schon .nach !/, Stunde im Blut, 
halten sich dort etwa 6—24 Stunden in allmählich abnehmender Zahl und 
verschwinden dann aus demselben, weil sie durch Leber und Nieren 
in kurzer Zeit und grossem Umfang mit Galle und Harn ausgeschieden 
werden. Diese frühzeitige Entfernung, welche ohne klinische Erscheinungen 
verläuft, nennt der Verf. die Eliminationsperiode der Infektion. In den inneren 
Organen sind die eingebrachten Mikroorganismen oft viel länger (14 Tage) 
vorhanden und sehr ungleich vertheilt. 

Nach der Erklärung des Verf.'s ist dies davon abhängig, in welchem 
Grade die Säfte der einzelnen Organe — ebenso wie das Blutserum — bak- 
terientödtende oder agglutinirende oder antitoxische Stoffe enthalten und da- 
mit auf die eingedrungenen Bakterien wirken. Die einzelnen Organe verhalten 
sich dabei sehr verschieden. Das Gleiche ist bei immunen und immunisirten 
Thieren der Fall; und zwar in erhöhtem Maasse und am meisten in den an 
Nukleinen reichen Organen, dem Knochenmark, der Milz und der Leber. Von 
der Wirkung der Zellsäfte ist das weitere Schicksal der Mikroorga- 
nismen in den einzelnen Organen abhängig: entweder 1. sie werden alsbald 
vernichtet, spurlos aufgesaugt oder schnell mit Harn und Galle ausge- 
schieden, oder 2. sie werden nur gehemmt und beeinträchtigt, dann 
kommt es zur örtlichen Vermehrung, Bildung von Herden, Nestern, Abs- 
cessen oder 8., wenn die Gegengifte fehlen, entsteht allgemeine 
septische Infektion. Die Phagocytose wird der chemischen Wirkung 
der Organsäfte gegenüber für untergeordnet erklärt. Nach dem Verf. begeben 
sich die Phagocyten nur zu den Herden und greifen nur diejenigen Mikro 
organismen an, welche durch die chemischen Kräfte bereits geschwächt sind, 
dagegen balten sie sich von den stark virulenten fern. 

Von der Einwirkung der Kälte sah der Verf. keinen nachweisbaren 
Einfluss auf den Verlauf der Infektion, dagegen gestalteten ihn Hungern 
und Alkoholismus ungünstiger, und bei Verletzungen wurden die Mikro- 
organismen stets nach der verletzten Stelle hingeführt. 

Globig (Kiel). 


Strebel, Haar- und Haarboden-Krankheiten nebst einem Mittel zu 
deren Bekämpfung. Sep.-Abdr. aus Monatsschr. f. prakt. Wasserheilkde. 
1900. H. 3. 

Strebel ist der Ansicht, dass die verschiedenen Krankheiten des 
Haarbodens hauptsächlich durch die Kämme und Bürsten der Friseure 
übertragen werden, und fordert daher mit Recht genügende Reinlichkeit und 
Desinfektion dieser Toiletten-Gegenstände. 

Der von ihm zur Reinigung des Kammes empfohlene „bygienische 
Kammreiniger“ von der Firma J. W.Zimmer in Frankfurt a.M., welcher 
ähnlich wie das Einziehen von Watte in den Kamnı wirkt, dabei aber leichter 

2 


10 Infektionskrankheiten. 


und schneller anzulegen ist, kann zweifellos als ganz zweckmässig bezeichnet 
werden; von einer eigentlichen Desinfektion kann aber kaum die Rede sein, 
selbst wenn der Reiniger mit einem Antisepticum imprägpirt wird. 

Scholtz (Breslau). 


Lebmann C. A., Eine Reise in das russische Hungergebiet. Münchener 
med. Wochenschrift. 1900. No. 14. S. 468. 

Verf. bereiste das Hungergebiet im Gouvernement Kasan und konnte 
dort insbesondere die schwersten Fälle von Skorbut, deren Zabi allein im 
Kreise Spassk auf 20000 geschätzt wurde, beobachten. Ausserdem grassirte 
Flecktyphus, der regelmässig im Winter auftritt und im Sommer erlischt, 
offenbar theils wegen der intensiven Besonnung, theils deshalb, weil die Men- 
schen beim Beginn der wärmeren Jahreszeit sich mehr im Freien aufhalten 
und nicht mehr so eng beisammen leben. Daneben herrscht Syphilis, Tra- 
chom, Tuberkulose, Malaria und eine Reihe anderer Infektionskrankheiten, 
neuerdings auch die Pest. Dieudonné (Würzburg). 


Bäumler, Zur Diagnose der durch gewerbliche Staubinhalation her- 
vorgerufenen Lungenveränderungen. Münchener med. Wochenschr. 
1900. No. 16. S. 525. 

Von grosser diagnostischer und prognostischer Wichtigkeit ist es, Fälle 
von durch Staubinhalation entstandener Lungenerkrankung ohne gleich- 
zeitig vorhandene Tuberkulose richtig zu deuten und in Fällen von langsam 
fortschreitender Tuberkulose mit gleichzeitig vorhandenen Erscheinungen von 
bindezewebiger Schrumpfung, in welchen vielleicht vor Jahren einmal Staub- 
inhalation eine Rolle gespielt hat oder in denen dies niemals der Fall ge- 
wesen ist, die indurativen Veränderungen nach ibrer Stellung im Krankheits- 
verlaufe richtig zu würdigen und prognostisch abzuschätzen. Die Erscheinun- 
gen der bindegewebigen Schrumpfung lassen sich nach B. durch die perkuto- 
risch nachweisbare Retraktion des einen oder anderen oder auch beider vor- 
deren Lungenränder in deren oberen Theilen häufig feststellen, und es ist 
daher cine genaue topographische Perkussion der betreffenden Gegend von 
grosser praktischer Bedeutung. Dieudonne (Würzburg). 


Turban K., Die Vererbung des Locus minoris resistentiae bei der 
Lungentuberkulose. Zeitschr. f. Tub. u. Heilstättenw. Bd. 1. H. 1u.2. 
Verf. war in der Lage, bei 57 tuberkulösen Familien Eltern und 
Kindern resp. mehrere Geschwister zu untersuchen und konnte dabei bei 
44 (oder 80 pCt.) die volle ausnahmslose Uebereinstimmung in der Lokalisation 
der Lungentuberkulose bei den Familiengliedern nachweisen. Da es kaum 
denkbar ist, dass es sich hier um einen Zufall handelt, so ist eine andere 
Deutung gar nicht möglich, als dass ein bestimmter Theil eines Organs sich 
als hereditär widerstandsunfähig gegenüber der tuberkulösen Invasion erweist. 
Die Bedeutung der hier mitgetheilten Beobachtungen liegt nach Verf. darin, 
dass zum ersten Male in der Frage der Heredität der Lungentuberkulose an 
die Stelle von räthselvollen Vermuthungen eine greifbare Thatsache gesetzt 


Infektionskrankheiten. 11 


wird, nämlich die Vererbung des Locus minoris resistentiae. Wenn 
diese Thatsache durch eine grössere Beobachtungsreihe bestätigt werden sollte, 
hätten wir darin allerdings einen werthvollen Beitrag zur Hereditätslehre zu 
erblicken. i Ott (Oderberg). 


Frau v. Bötticher, Die Volksheilstätte des Rothen Kreuzes für lungen- 
kranke Frauen in Gommern bei Magdeburg. Das Rothe Kreuz. 1900. 
No. 11. 

Die um die Heilstättensache, speciell um die Heilstätte bei Gommern 
so sehr verdiente Gemahlin des Oberpräsidenten und früheren Ministers von 
Bötticher giebt in diesem, auf der Delegirten-Versammlung des Vaterlän- 
dischen Frauenvereins gehaltenen Vortrag eine anschauliche Schilderung der 
Einrichtung und des Lebens in der genannten Heilstätte. Dieselbe besteht 
vorerst noch, wie auch anfangs Grabowsee, aus Döcker’schen Baracken, die 
sich in dem letzten schweren und harten Winter vorzüglich bewährt haben 
und mit ihren von aussen durch Strohmatten geschützten, von innen mit Dauer- 
brandöfen durchwärmten Räumen einen behaglichen Aufenthaltsort darboten. 
Der Bau eines festen Gebäudes ist in Angriff genommen, und die Einrich- 
tang soll derartig getroffen werden, dass bis zu 200 Kranke, nur weiblichen 
Geschlechtes, aufgenommen werden können. Trotzdem die Anstalt erst am 
1. Juli 1899 eröffnet wurde, konnte sie im vergangenen Jahre schon 131 Pat. 
aufnehmen, von denen 74 pCt. als gebessert und arbeitsfähig entlassen wurden. 
Von allen Seiten sind der Anstalt, die sich als ein Bedürfniss für die Provinz 
Sachsen erwiesen bat, reiche Gaben zugeflossen. Speciell verdient hervor- 
gehoben zu werden, dass Ihre Majestät die Deutsche Kaiserin ein Saisonfrei- 
bett für den Sommer gestiftet hat. Der Vortrag schliesst mit den Worten: 
„Wenn, im Hinblick auf das Vorbild, welches die grossartige Entwickelung 
der Schwesteranstalt des Rothen Kreuzes „Grabowsee“ genommen hat, wir 
die Hoffnung hegen, dass sich unsere Heilstätte „gleichfalls so günstig ent- 
faltet, so werden wir nicht aufhören, Herzen und Hände zu gewinnen, die 
aufbauend an diesem Liebeswerke mithelfen“. Möge diesem Streben reicher 
Erfolg beschieden sein. Ott (Oderberg). 


Guisard, La recherche du traitement de la tuberculose. L'institut 
antituberculeux d’Hauteville. L’oeuvre antitub. 1900. No. 1. 

Dass trotz so vieler darauf verwendeter Mühe noch immer nicht gefundene 
Mittel zur sicheren Bekämpfung der Tuberkulose muss nach Verf. in 
einer anderen als der jetzt meist begangenen Richtung gesucht werden. Wenn 
man erst die in der Körperbeschaffenheit selbst liegenden Gründe erkannt habe, 
warum der eine Mensch tuberkulös wird, der andere der Erkrankung wider- 
steht, wenn man erst in der Lage sein wird, auf Grund der dadurch gewonnenen 
Erkenntniss hier beeinflussend einzugreifen, dann ist das erstiebte Ziel erreicht. 
Diesem Zwecke soll das in Verbindung mit dem Sanatorium Hauteville bei Lyon 
errichtete Institut zur Tuberkulosebekämpfung dienen. Durch das hier 
gewährleistete innige Zusammenwirken der klinischen und experimentellen 
Forschung, dadurch, dass die verschiedenen reich ausgestatteten speciellen 

2° 


12 Infektionskrankheiten. 


Laboratorien, die das Institut enthält, das physiologisch-chemische, bakte- 
riologische, pathologisch-anatomische, experimentell -pharmakologische und 
therapeutische alle in dieser einen Richtung arbeiten, hofft Verf., dass das 
Institut in der Lage sein wird, uns einen erheblichen Schritt auf diesem Felde 
vorwärts zu bringen. Ott (Oderberg). 


Dumarest, Quelques details d’organisation au sanatorium d’Haute- 
ville. L’oeuvre antitub. 1900. No. 1. 

Das in Kürze zur Eröffnung kommende Sanatorium Hauteville bei 
Lyon wird die erste Heilstätte sein, welche Frankreich besitzt. Im vorliegen- 
den Aufsatz giebt der zum leitenden Arzt bestimmte Verf. eine kurze Beschrei- 
bung der Gebäude und der inneren Einrichtung; beide weichen nicht wesentlich 
von dem bei uns Gebräuchlichen ab. Dadurch, dass die beiden Flügelgebäude 
fast rechtwinkelig zum Mittelbau stehen, wird ein guter Windschutz für die 
Liegeballen erreicht; natürlichen Schutz durch Berge hat die Anstalt nur im 
Norden. Besonderer Werth wurde auf zweckmässige Einrichtung der Dampf- 
heizung gelegt. Die Heizkörper sind an den den Fenstern gegenüber liegenden 
Wänden angebracht und sollen nur durch Strahlung die Zimmer erwärmen. 
Ventilationskanäle sind der starken Staubansammlung wegen vermieden; die 
frische Luft strömt durch Oeffnungen, die unter der Decke angebracht sind, 
ein und tritt durch andere, ebenfalls hier angebrachte Oeffnungen, nachdem 
sie sich erwärmt hat, wieder aus, indem sie zugleich die Ausathmungsluft der 
Kranken mitreisst. Die Abwässer werden durch Oxydation mit Ferrozon (Eisen- 
superoxyd), das sich durch den Kontakt mit der Luft ständig von selbst er- 
neuert, geklärt und dann verrieselt. Die Anstalt ist für 70 Männer und 
40 Frauen eingerichtet, die Pflege wird zum Theil von Schwestern, zum Tbeil 
von Wärtern besorgt. In Verbindung mit der Anstalt, aber räumlich davon 
getrennt, ist ein reich ausgestattetes wissenschaftliches Institut, das „Institut 
antituberculeux“ errichtet. Dasselbe soll vereint mit der Anstalt an der wissen- 
schaftlichen Erforschung der Tuberkulose und der für ihre Bekämpfung geeig- 
neten Maassnahmen arbeiten. Bei uns in Deutschland steht man leider in 
fast allen Heilstätten diesem Punkte ziemlich ablehnend gegenüber. 

Ott (Oderberg). 


Le Gendre, Le facteur moral dans les sanatoriums et les qualites 
necessaires aux médecins qui les dirigent. L'oeuvre antitub. 1900. 
No. 1. 

Für einen der wichtigsten Punkte der Anstaltsbehandlung hält Verf. 
mit Recht die moralische Einwirkung auf den Kranken. Er wird aus seiner 
früheren, ihn meist nur ungünstig beeinflussenden Umgebung in ganz neue 
Verhältnisse versetzt, er muss mit anderen Kranken zusammenleben, was für 
ibn viel vortheilbafter ist, als der Umgang mit Gesunden. Dass er in einer 
Heilstätte, die ja nur hoffnungsvolle Fälle aufnimmt, so viele Kranke besser, 
ja geheilt werden sieht, ist geeignet, seinen Muth und seine Hoffnung zu 
beleben, seime guten Vorsätze zu kräftigen. Damit aber auch in dieser Be- 
ziehung die Anstalt ihren Zweck erfülle, muss der leitende Arzt eine Reihe 


Infektionskrankheiten. 13 


von Eigenschaften baben, die einzelne von Natur aus besitzen, manche nie 
bekommen werden, die meisten aber unter einem tüchtigen Lehrer sich an- 
eignen können. Dazu gehört, abgesehen natürlich von einer genauen Kenntniss 
der Tuberkulose und der feineren Untersuchungsmethoden. reiche Menschen- 
kenntoiss, Taktgefühl, Geduld mit Festigkeit gepaart, und endlich die Fähigkeit, 
auch die geringsten Kleinigkeiten zn beachten und zu verwerthen. 

Ott (Oderberg). 


Richet Ch., Etude historique et bibliographique sur l’emploi de la 
viande crue dans le traitement de la tuberculose. Sem. mèd. 1900. 
p- 239. 

Iu einem längeren Aufsatze bespricht Verf. die Grundlagen der von ihm 
und Hericourt empfohlenen Art der Behandlung der Tuberkulose des 
Menschen mit rohem Fleisch, zu der er nach Beobachtungen an Hunden 
gelangt ist (vergl. Sem. méd. 1899, p. 404, 1900, p. 81 u. 208). Er wendet 
sich auf das lebbafteste gegen die bisher bei dem Gebrauch des rohen Fleisches 
von allen Aerzten vertretene Anschauung, dass die Verabfolgung des genannten 
Mittels nur eine besonders kräftige und gute Ernährung, eine Ueberernährung, 
hervorrufe. Gekochtes Fleisch, obwohl ebenso leicht verdaulich und reich 
an Stickstoff, sei dennoch völlig wirkungslos, und man müsse daher annehmen, 
dass im rohen Fleisch oder im Fleischsaft, im Muskelplasma, specifische Diastasen 
oder Fermente vorhanden seien, die die „wohlthätige Eigenschaft besitzen, 
sich der tuberkulösen Infektion entgegenzustellen“. 

Bei Hunden genügen hierfür etwa 12 g rohes Fleisch täglich auf das 
Kilogramm Körpergewicht; bei Menschen sind durchschnittlich wenigstens 
600—700 g Fleisch oder 1000—1500 g Fleischsaft erforderlich. 

C. Fraenkel (Halle a. S.). 


Dönitz W., Welche Aussichten haben wir, Infektionskrankbeiten, 
insbesondere die Tuberkulose, auszurotten? Berliner klin. Wochen- 
schrift. 1400. No. 17. S. 365 u. No. 18. S. 388. 

Dönitz bespricht die durch die Fortschritte der Bakterienkunde gelie- 
ferten neuen Methoden zur Unterdrückung der Infektionskrankheiten. 
Für die Bekämpfung der Tuberkulose verspricht er sich besonders Erfolg von 
der Durchführung exakter Diagnosen bei Mensch und Thier mit Hülfe des Tu- 
berkalins, sofortiger Behandlung aller dabei reagirenden Menschen, Isolirung 
oder Schlachtung des reagirenden Viehes u. s. w. R. Abel (Hamburg). 


Sommerleld Th.. Wie schütze ich mich gegen Tuberkulose? Berlin 
1900. Oscar Coblentz. Preis: 0,60 Mk. 

Die kleine Broschüre wendet sich in volksthümlicher Darstellung an das 
grosse Publikum und will dem einzelnen die Mittel und Wege an die Hand 
geben, welche er selbst gegen die Erwerbung und Verbreitung der Tuber- 
kolose anwenden kann und muss. Der Verf. behandelt alle für den Laien 
wissenswerthen Punkte in sachgemässer und dabei, war besonders hervorge- 
hoben werden muss, doch allgemein verständlicher Form. 

Ott (Oderberg). 


14 Infektionskrankheiten. 


Moeller A., Die Lungentuberkulose und ihre Bekämpfung. Leipzig1900. 
Johann Ambrosius Barth. Preis: 0,75 Mk. 

Stüve R., Die Tuberkulose als Volkskrankheit und ihre Bekämpfung. 
Berlin 1901. A. Hirschwald. 

Zwei populär-medicinische Broschüren, dazu bestimmt, den Laien aufzu- 
klären über die Gefahr, die ihm seitens der Tuberkulose droht, sowie 
über die Art und Weise, wie er sich am besten dagegen schützen kann. Sie 
unterscheiden sich beide nicht sowohl durch ihren Inhalt — jede enthält alles, 
was der Laie hierüber wissen muss, aber auch nur das — als durch die Form. 
Während die erstere mehr den in wissenschaftlichen Werken üblichen Stil bei 
möglichster Kürze und Prägnanz zu wahren sucht, zeichnet sich die zweite 
durch flotte und lebhafte Form aus; dieselbe wird noch durch Einflechten zahl- 
reicher konkreter Beispiele für den Laien besonders anschaulich verständlich. 
Nicht zu unterschätzen für den praktischen Zweck, den sie verfolgt, ist ferner 
der Umstand, dass sie ausführlich auf die Gefahren des übermässigen Alkohol- 
genusses eingeht. Ott (Oderberg). 


Petruschky J., Vorträge zur Tuberkulose-Bekämpfung. Leipzig 1900. 
Leineweber. Preis: 1,50 Mk. 

Petruschky gehört zu den wenigen Aerzten, die sich trotz des Miss- 
erfolges des Jahres 1891 nicht der Ansicht von der Wertblosigkeit. des Koch- 
schen Heilmittels angeschlossen haben. Er hat, überzeugt von dessen Wirk- 
samkeit, das Mittel unentwegt weiter angewandt und geprüft und ist durch 
die von ihm eingeführte Modifikation seiner Anwendung, die sogenannte 
Etappenbehandlung, zu recht günstigen Resultaten gelangt. Nicht zum wenigsten 
auf seine unermüdliche Empfehlung hin beginnt die Tuberkulinbehandlung 
auch unter den praktischen Aerzten langsam und allmählich wieder Eingang 
zu finden. Um die sich dafür interessirenden Kollegen über die Methode und 
die damit erzielten Resultate zu orientiren, hat Verf. in der vorliegenden 
Broschüre seine an verschiedenen Stellen veröffentlichten Vorträge gesammelt 
herausgegeben. Er kommt zu dem Schluss, dass alle Frühformen der Tuber- 
kuluse, welche sich nur mit Hülfe des Tuberkulins diagnosticiren lassen, auch 
durch Tuberkulin heilbar sind und zwar, wie es scheint, mit Sicherheit heil- 
bar. Die möglichst allgemeine Anwendung des Tuberkulins zur Frühdiagnose 
und Frühbehandlung der Tuberkulose wäre deshalb die vollkommenste und 
dabei wohlfeilste Form des Kampfes gegen diese Seuche. Anhangsweise giebt 
Verf. eine Liste von 22 durch seine Methode seit 4—6 Jahren geheilten Fällen. 
Da man der Tuberkulinbehandlung nur noch relativ kräftige und wenig ange- 
griffene Patienten unterwerfen soll, so könnten die Heilstätten aft dadurch 
segensreich wirken, dass sie ihre Pfleglinge so umwandelten, dass man nach- 
her die Tuberkulinbehandlung ohne Bedenken und mit gutem Erfolge bei 
ihnen vornebmen könnte. Ott (Oderberg). 


Hutyra, Tuberkulinversuche bei Rindern. Zeitschr. f. Thiermed. Bd. 4. S.1. 
Wenngleich nach den zahlreichen Versuchen von Bang, Nocard, Johne, 
Hess, Guttmann, Eber, Schütz u. A. der diagnostische Werth des Tuber- 


Infektionskrankheiten. 15 


kulins nicht zu bezweifeln ist, die Erfahrung dieser Autoren aber auch gelehrt 
hat, dass zuweilen Thiere, die auf Injektion reagirt haben, bei der Obduktion 
sich trotzdem als nicht tuberkulös erwiesen und umgekehrt auch Thiere, die 
nicht reagirt haben, mit Tuberkulose behaftet befunden wurden, hat Verf. an 
156 Rindern weitere Kontrolversuche mit Tuberkulin angestellt, um zur Auf- 
klärung solcher Ergebnisse weitere Beiträge zu liefern. 

Die Versuche wurden im Auftrage des ungarischen Ackerbauministers auf 
dem Schlachthofe in Budapest ausgeführt und zwar nach einem einheitlichen 
Plane und mit besonderer Berücksichtigung der Anforderungen 
der Praxis. Die auf dem Viehmarkte zur Schlachtung angekauften Thiere 
— 70 davon gehörten der ungarisch-siebenbürgischen resp. serbischen Rasse 
an (bei dieser Rasse hat das Tuberkulin übrigens kaum vorher Anwen- 
dung gefunden) — wurden in Gruppen zu 15—35 Stück der Tuberkulininjektion 
unterzogen , die in allen Fällen nach stattgefundener Temperaturmessung 
um 8—9 Uhr Abends vorgenommen wurde. Verf. betont, dass eine ein- 
malige Temperaturaufnahme vor der Einspritzung den Anforde- 
rungen der Praxis vollkommen entspricht; eine zweimalige Auf- 
nahme ist in der Praxis, zumal bei grossen Beständen, mit zuviel Schwierig- 
keiten verknüpft, und zwischen der Morgen- und Abendtemperatur ist in der Regel 
bar ein geringer, einige Zehntelgrade betragender Unterschied. H. ist ferner 
der Meinung, dass es vollständig genügt, die nachfolgenden Auf- 
nabmen nach einem längeren Zwischenraum, wie z. B. bei seinen Ver- 
sachen in der neunten Stunde, zu beginnen und dann nicht zwei- 
sondern dreistündlich zu wiederholen. 

Hinsicbtlich der Tuberkulinreaktion sind die Verhältnisse nicht so ein- 
fach wie bei der Malleinreaktion, insofern als die Temperatur von 39,00 beim 
Rind noch nicht als Zeichen eines krankhaften Zustandes zu betrachten ist 
und die Schwankung um 1,5° noch als normal gelten kann. Diese beträcht- 
liche Schwankung, sagt Verf., wird ihren Einfluss unbedingt auf den Maassstab 
der Reaktion gelten lassen, und man beobachtet auch in der That, dass die 
Reaktion derjenigen infieirten Thiere, deren Temperatur schon vorher höher, 
esent. schon fieberhaft war, im Allgemeinen weniger auffällig ist, als wenn 
die Temperatur vorber niedrig war. 

In den der Arbeit H.’s beigefügten Tabellen sind bei den einzelnen Ver- 
suchsthieren, abgesehen von Geschlecht, Alter, Rasse derselben, die Krank- 
heitserscheinungen vor der Injektion vermerkt, dann die Temperaturen vor 
der Injektion sowie 9, 12, 15, 18, 21 und 24 Stunden nach derselben, ferner 
Krankheitserscheinungen nach der Injektion, gesammte Temperaturerhöhung 
und Sektionsbefand. Summarisch betrachtet haben hiernach mit 1,5% oder 
mehr 41 Thiere reagirt, darunter waren 38 = 98,5 pCt. tuberkulös; mit 1,0 
bis 1,4° haben 12 Stück reagirt, darunter waren 7 Stück = 58,3 pCt. tuber- 
kulös; mit 0,5—0,9 batten 17 reagirt, von denen 4 = 23.5 pCt., gar nicht 
hatten 86 reagirt, von denen 3— 8,4 pCt. tuberkulös waren. Es lässt sich 
jedoch anf dieser Grundlage der Gesundheitszustand der Thiere nur schwer 
beurtheilen, denn 28,9 pCt. der tuberkulösen Thiere hatten keine deutliche 
Reaktion gezeigt (mehr als 1,5°), andererseits entsprach der zweifelhaften 


16 Infektionskrankheiten. 


Reaktion in 58,3 pCt. der Fälle ein positiver Sektionsbefund, und in 7 Fällen 
betrug die Reaktion trotz Vorhandenseins von Tuberkulose nur 0,5—0,90 oder 
noch weniger. Temperaturerhöhung von 0,5—1,0° wurde an 7 Tbieren kon- 
statirt, deren Temperatur vorher über 39° stand, und darunter‘ waren 5 tuber- 
kulös; die Temperatur von 4 Thieren stieg aber über 40°, obwohl die absolute 
Steigerung nicht 1,50 betragen hat. Verf. betrachtet eine Steigerung 
der Temperatur über 40° bei über 11/, Jahre alten Thieren, falls 
die absolute Temperaturerhöhung 0,5° überschreitet, als positive Reaktion 
(bei jungen Kälbero kann die Temperatur auch im gesunden Zustande 40° 
übersteigen). Grosse Wichtigkeit schreibt Verf. auch dem Auftreten der 
organischen Reaktion zu, besonders dem Muskelzittern, das sich 
namentlich an den Muskeln der Kruppe und der Oberschenkel bemerkbar 
mache und ein Zeichen rasch ansteigenden Fiebers sei. 

Wird einerseits eine Temperaturerhöhung von 1,0—1,4° mitsammt der 
organischen Reaktion als positive Reaktion angesehen, so ergiebt sich aus der 
Tabelle, dass 51 Thiere reagirt haben und davon 48 Stück = 94,1 pCt. tuber- 
kulös waren. 

Die Obduktion von den mit Tuberkulin geimpften 156 Thieren hat in 
56 Fällen Tuberkulose mit Bestimmtheit nachgewiesen, und darunter haben 
reagirt: mit 1,50 oder mehr resp. mit einer Temperatursteigerung über 40° 
43 Stück, mit 1,0--1,4°-+ organischer Reaktion 5 Stück, und gar nicht 
8 Stück. Hutyra sagt in seiner Schlussfolgerung: Als tuberkulös (infi- 
cirt) ist zu betrachten: 

Jedes Thier, 

a) dessen Temperatur im Vergleich zur Temperatur vor der 
Injektion nach dem der Reaktion entsprechenden Typus um 1,5° 
oder mehr, resp. über 40°, aber hierbei mindestens um 0,5° ge- 
stiegen ist; ý 

b) dessen Temperatur sich um 1,0—1,4? erhöht und dabei Er- 
scheinungen einer organischen Reaktion aufweist. 

Dagegen liegt kein Grund zur Annahme der Tuberkulose vor, 
wenn die Temperatur höchstens um 1,4° gestiegen ist, 39,50 je- 
doch nicht überschritten hat und gleicbzeitig auch keine orga- 
nische Reaktion zu beobachten war, vorausgesetzt, dass die syste- 
matisch durchgeführte Untersuchung der betr. Thiere keine pa- 
thologischen Veränderungen nachweist, die auf Qas Vorhandengeri 
der Tuberkulose Verdacht erwecken. 

In einem Nachtrage zu seiner Arbeit berichtet Hutyra noch über Ver- 
suche mit Injektionen von Bernsteinsäure und bernsteinsaurem Natrium, 
die er an 34 Rindern angestellt hat. Viquerat hatte bekanntlich die An- 
sicht ausgesprochen, dass die Hülle des Tuberkelbacillus aus in Wasser 
unlöslichem palmitinsaurem Salz, der Körper aus in Wasser löslichem bern- 
steinsaurem Salz bestehe. Der specifisch wirksame Bestandtheil des Tuber- 
kulins wäre demnach die Bernsteinsäure, und es sollten tuberkulöse Thiere 
schon auf kleinste Dosen dieser Säure in ähnlicher Weise wie auf Tuherkulin 
reagiren. Die praktische Wichtigkeit dieser Frage liegt auf der Hand, es 


Infektionskrankheiten. 17 


liesse sich dann das Tuberkulin durch eine wässerige Lösung eines alkalischen 
bernsteinsauren Salzes ersetzen. 

1. 13 Rinder, im Alter von 2—8 Jahren, erhielten 0,10 g Bernsteinsäure 
subkutan injieirt. Bei keinem dieser Thiere stieg die Temperatur über 39°, 
während durch die Sektion bei einer Kuh verkalkte tuberkulöse Knoten in 
den intratboracalen Lymphdrüsen, bei 5 anderen Tuberkulose derselben Drüsen 
und z. Th. der Lungen nachgewiesen wurde. 

I. 12 Rinder (6 Stiere im Alter von 1!/, Jahren und 6 Kühe im Alter 
von 3—8 Jahren) erbielten subkutan je 0,20 g Bernsteinsäure. 

Die Thiere waren tuberkulös und ist deren Temperatur gestiegen. 

1. von 38,20 in der 17. Stunde auf 39.99 (Drüsen- u. Lungentub.) 
2. „ 38,40 „ „ 21 „ n 89,40 (Drüsentub.) 
3. p 8810, p 1. „4 39830( do. ) 

Bei einer Kuh stieg die Temperatur von 88,50, in der 21. Stunde auf 39,6°, 
Tuberkulose konnte bei der Sektion nicht nachgewiesen werden; bei den 
übrigen ebenfalls für gesund befundenen Thieren hat die Temperatur 39,0° 
nicht überstiegen. 

III. 9 Küben (4—7 jährig) wurden je 0,50 g bernsteinsaures Natrium 
injieirt. Auch hier fielen die Versuche negativ aus, und Hutyra kommt zu 
dem Ergebnisse, dass weder die reine Bernsteinsäure noch das bern- 
steinsaure Salz auf die tuberkulösen Thiere eine specifische Wir- 
kung ausgeübt hat. 

Mit Rücksicht darauf, dass Echinokokkusblasen ebenfalls Bernstein- 
säure enthalten und die letztere event. bei mit solchen Blasen behafteten 
Thieren eine Reaktion hervorrufen könnte, wie dies bereits Viquart erwähnt 
hat, führt Hutyra noch hierüber einige Ergebnisse an: solche Thiere er- 
hielten 0,20 g Bernsteinsäure, die Temperatur stieg von 38,20 in der 21. Stande 
auf 39, bezw. von 38,0° in der 11. Stunde auf 88,6%. Auf Injektion von 
0,40 g bernsteinsaurem Natrium stieg in der 7. Stunde die Temperatur von 
38,20 auf 39,3. 

Also auch bier konnte eine specifische Wirkung nicht fest- 
gestellt werden. Henschel (Berlin). 


Strassburger, I. Ein verändertes Sedimentirungsverfahren zum mi- 
kroskopischen Nachweise von Bakterien. II. Ueber den Nach- 
weis von Tuberkelbacillen in den Fäces. Münch. med. Wochenschr. 
1900. No. 16. $. 533. 

Um Bakterien in Flüssigkeiten, besonders schwereren, wie Urin, mit den 
gewöhnlichen Handcentrifugen leichter und vollständiger zu sedimentiren, 
empfiehlt Strassburger die betrrffenden Flüssigkeiten mit der doppelten 
Menge 96proc. Alkohol zu versetzen. Hierdurch wird das specifische 
Gewicht der Flüssigkeit natürlich erheblich verringert, und die relativ schwereren 
Bakterien setzen sich nun schon im Spitzglase nach einigen Stunden grossen- 
theils ab oder werden durch kurzes Oentrifugiren vollständig sedimentirt. 
Die Methode ist besonders empfehlenswerth bei Urin mit wenig Bakterien 
und einer geringen Menge Leukocyten, da bei stärkerem Leukocytengehalt die 

3 


18 Infektionskrankheiten. 


Bakterien beim Centrifugiren auch ohne diesen Kunstgriff durch die Eiter- 
körperchen mit niedergerissen werden. Ein geringer Eiweissgehalt des 
Urins erleichtert bei der Verdünnung desselben mit Alkohol durch die Bildung 
eines feinflockigen Niederschlages noch weiterhin die Sedimentirung, während 
ein stärkerer Eiweissgehalt in Folge des entstehenden massigen Bodensatzes stört. 
Auch zum mikroskopischen Nachweis von Bakterien, speciell Tuberkel- 
bacillen in Fäces ist die Methode gut verwendbar. Man schwemmt die 
betreffenden Fäcesmassen in Wasser auf und centrifugirt nun zunächst kurze 
Zeit in gewöhnlicher Weise. Hierdurch werden die gröberen Bestandtheile 
ausgeschleudert, während die Tuberkelbacillen u. s. w. in der Flüssigkeit sus- 
pendirt bleiben. Verdünnt man jetzt in der angegebenen Weise mit Alkohol 
und centrifugirt abermals, so klärt sich die specifisch leichte Flüssigkeit nun 
vollständig, und der Bodensatz wird vornehmlich von Bakterien gebildet. 
Scholtz (Breslau). 


Ficker, Martin, Wachsthum der Tuberkelbacillen auf sauren Gehirn- 
nährböden. Centralbl. f. Bakteriol. Bd. 27. No. 14/15. S. 504. 

Bei vergleichenden Züchtungsversuchen, die auf Genauigkeit und Zuver- 
lässigkeit Anspruch erheben sollen, ist eine möglichst gleichmässige Aussaat 
des Ausgangsmaterials als Vorbedingung zu betrachten. Da nun diese Forde- 
rung bei Anwendung der üblichen Ueberimpfungsmethoden nicht zu erfüllen 
gewesen wäre, hat Verf. sich eines neuen Verfahrens bedient. Das einer 
Tuberkelbacillenkultur entnommene Kolaniepartikelchen wird in einem 
starkwandigen, etwas Bouillon enthaltenden Reagensglase mit einem ange- 
raahten Glasstab gründlich zerrieben, bis die Flüssigkeit völlig gleichmässig 
getrübt erscheint. 

Der an erster Stelle geprüfte Hesse’sche, mit Nährstoff Heyden bereitete 
Nährboden erwies sich als nicht gerade hervorragend günstig, da auch bei 
läugerer Beobachtung kein sonderlich gutes Wachsthum statt hatte. 

Bessere Erträge waren schon von Sputumnährböden und namentlich 
von solchen mit saurer Reaktion zu erzielen. Auch saure Kartoffel- 
nährböden lieferten ausserordentlich üppige Ernten. 

Auf Blutserum, das mit Salzen nach Proskauer versetzt war, sah 
Verf. ganz beträchtliches Wachsthum. Da bei Verwendung von neutralem 
phosphorsauren Kali der sonst wahrgenommene Erfolg ausblieb, nimmt F. an, 
dass gerade die Säurewirkung des sauren phosphorsauren Kalis von 
hohem Vortheil wäre. 

Auf saurem Glycerin-Fleischwasseragar entwickelte sich die Aussaat 
schnell und stark. 

Alle diese Ergebnisse wurden jedoch gänzlich in den Schatten gestellt 
durch das geradezu glänzende Wachsthum, welches bei der Züchtung 
auf Gehirnnährböden in die Erscheinung trat. 

Hirn wurde 1—11/, Stunden in einem leeren Gefäss der Einwirkung des 
Wasserdampfes ausgesetzt, wonach es eine solche Konsistenz angenommen 
hatte, dass es unschwer in ziemlich dünne Scheiben zerlegt und diese darauf 
in Reagensgläser sowohl, wie in Glasschälchen gelegt werden konnten. Gleich- 


Infektionskrankheiten. 19 


zeitig wurden in die Röhrchen je 10, in die Schälchen je 15—20 Tropfen von 
3proc. Glycerinwasser vertheilt. Daran schloss sich dann eine zweimal je 
1, Stunde währende Sterilisation im Dampfe an. 

War schon auf diesem einfach hergestellten Substrat das Wachsthum zur 
vollen Zufriedenheit ausgefallen, so zeigten sich namentlich auch die mit 
Hirnkolatur bereiteten Nährböden als hervorragend geeignet. 

Diese letzteren bereitet man aus dem zwei- bis dreimal mittels der Fleisch- 
schneidemaschine zermahlenen, möglichst frischen Hirn, das nach viertel- 
stündigem Kochen durch ein Tuch kolirt und darauf mit Serum oder 2,5 proc. 
Agarlösung zu gleichen Theilen gemischt wird. Menschen-, Rind-, Kalbs-, 
Hammel-, Pferdehirn waren in gleich hohem Maasse geeignet, von den Serum- 
sorten in erster Linie das Pferde-, in zweiter erst das Rinderserum. 

Bereits nach Verlauf von 6—8 Tagen fand man 1!/,—2 mm im Durch- 
messer grosse Kolonien auf den genannten Nährböden, nach 20 Tagen waren 
die Erträge „maximal“ zu nennen. 

Doch war, wie Verf. betont, Vorbedingung der absolute Schutz 
vor Austrocknung, der auf einfache Art durch Aufbewahrung in einem 
von Hofmann angegebenen Kulturkasten in mustergiltiger Weise erzielt wurde. 

Vier verschiedene Stämme von Tuberkelbacillen waren in die Untersuchung 
einbezogen, bei allen vier war das Ergebniss gleich günstig. 

Ueber die Beeinflussung der morphologischen und biologischen Eigen- 
schaften, desgleichen über die Virulenz der betr. Kulturen ist ein abschliessendes 
Urtheil noch nicht zu fällen, doch sind weitere in dieser Richtung sich be- 
wegende Versuche im Gange. 

Ein Vergleich mit Kolaturnährböden von Lunge, Milz, Hoden, Leber, 
Niere, Euter und Pankreas ergab, dass diese doch hinter dem Gehirnnährboden 
erheblich an Ertragfähigkeit zurückstehen. 

Verf. fasst das gewonnene Resultat dahin zusammen, dass er einmal den 
sauren bezw. amphoteren Substraten den unbedingten Vorzug vor 
den neutral und alkalisch reagirenden geben will und zweitens die 
mit Zusatz von Agar oder Serum bereiteten sauren Gehirnnähr- 
böden in höchstem Maasse für geeignet erklärt, den Tuberkelbacillen 
hinsichtlich der Schnelligkeit und der Intensität des Wachsthums günstige 
Bedingungen zu gewähren. Schumacher (Halle a. S.). 


Rabiaowitsch L., Befund von säurefesten Tuberkelbacillen-ähnlichen 
Bakterien bei Lungengangrän. Aus dem Institut für Infektionskrank- 
heiten in Berlin. Deutsche med. Wochenschr. 1900. No. 16. S. 257. 

Bei einem Fall von chronischer Bronchitis mit Lungengangrän wurden 

im übelriechenden eitrigen Sputum und im Gangräneiter säurefeste Bakterien 

gefunden, die sich tinktoriell von echten Tuberkelbacillen nicht unterschei- 

den liessen. Bei Ausstrich auf Glycerinagar zeigten sich dagegen schon nach 

24—48 Stunden stecknadelkopfgrosse, grauweisse Kolonien, die allmählich 

zu einem sahnenförmigen Belag konfluirten und bei längerem Wachsthum bei 

Zimmertemperatur eine intensive orangegelbe Farbe annahmen. Meerschwein- 

eben, mit Reinkulturen dieser Bakterienart theils subkutan, theils intraperi- 

g* 


20 Infektionskrankheiten. 


toneal geimpft, blieben gesund und zeigten, nach 6—8 Wochen getödtet, 
keine Veränderung, dagegen erwiesen sich die Bakterien, mit steriler Butter 
zusammen injieirt, für diese Thiere pathogen. Nach dem ganzen biologischen 
Verbalten hält R. diese isolirte Bakterienart mit den früher aus Butter und 
Milch gewonnen Kulturen für identisch oder wenigstens für eine Varietät der 
letzteren. Dieudonne (Würzburg). 


Korn, Otto, Weitere Beiträge zur Kenntniss der säurefesten Bakte- 
rien. Centralbl. f. Bakteriol. 1900. Abth. I. Bd. 27. No. 14/15. S. 481. 

Bei fortgesetzten Untersuchungen von Butterproben fand Korn einen 
verzweigten säurefesten Organismus, der von seinen früher gezüchteten 
in vielen Punkten abweicht und ebenso mit den von anderen Autoren gefun- 
denen Tuberkulose-äbnlichen nicht identisch ist. Ein Hauptcharakteristikum 
seines neuen Organismus, den er in Anlehnung an Lehmann und Neumann 
Mycobacterium lacticola 3 friburgense nennt, berteht darin, dass es 
nicht gelingt, ganz analog der echten Tuberkulose, Gelatinestichkulturen bei 
Zimmertemperatur zu erhalten. Ebensowenig gedeiht der Organismus auf Agar 
bei Zimmertemperatur. Der beste Nährboden scheint Milch und Glycerinagar 
zu sein. 

Weisse Mäuse konnten selbst mit grösseren Mengen Agarkultur nicht 
ioficirt werden. Auch Tauben und Hühner gingen nicht ein. Dagegen 
zeigten sich bei Meerschweinchen und Ratten und besonders bei Kanin - 
chen nach Injektion mit Agarkulturen in die Bauchhöhle Veränderungen an 
den Organen, die von echter Tuberkulose nicht zu unterscheiden waren. 

Bei der histologischen Untersuchung von Knötchen aus der Lunge eines 
Meerschweinchens fand sich eine geringe Anzahl mehrkerniger Riesenzellen, 
die ebenfalls das genaue Bild der Tuberkulose boten; dagegen machte die 
Lunge eines inficirten Kaninchens den Eindruck einer durch Tuberkelbacillen 
hervorgerufenen Pneumonie. 

Nach den sonstigen pathologischen Eigenschaften, die der Organismus 
zeigt, scheint er in der That befähigt zu sein, typische, der echten Tuberku- 
lose gleiche histologische Veränderungen hervorbringen zu können. 

R. O. Neumann (Kiel). 


v. Haselberg, Die Abnahme der Typhuserkrankungen in Stralsund. 
Deutsche mil.-ärztl. Zeitschr. 1900. H. 3. S. 153. 

In Stralsund, das bis zum Jahre 1894 sein Gebrauchswasser den die 
Stadt umgebenden Teichen, sein Trinkwasser alten Kesselbrunnen entnahm, 
war der Typhus sowohl in der Militär- wie in der Civilbevölkerung eiue 
ausserordentlich häufige Erkrankung (1884 537 Fälle). 

Aus den Zahlen, die v. H. angiebt, geht nun mit grosser Deutlichkeit 
hervor, dass die Anlage einer neuen einwandsfreien Wasserleitung (reines See- 
wasser mit Sandfiltration) eine sofortige erhebliche Abnahme der Erkran- 
kungsziffer zur Folge hatte, und dass der Typhus jetzt in Stralsund fast voll- 
kommen verschwunden ist. Hormann (Strassburg i.Els.). 


Infektionskrankheiten. 2i 


Kübler, Zur Diagnose des Unterleibstyphus durch bakteriologische 
Urinuntersuchung. Deutsche mil.-ärztl. Zeitschr. 1500. H. 5. S. 261. 
Im Gegensatz zu der auch von Petruschky vertretenen Ansicht, dass der 
Nachweis von Typhusbacillen im Urin eine grössere diagnostische Bedeutung 
nicht besitze, verðffentlicht K. einen Fall von Typhus, in dem die Typhus- 
diagnose fast allein auf die bakteriologische Untersuchung hin gestellt 
wurde. Es handelte sich um einen Rekruten, der 23 Tage nach seiner Ein- 
stellung erkrankte. 

Der Fieberverlanf war nicht charakteristisch, Milzschwellung und Roseola 
feblten, die Entleerungen konnten nicht als ausgesprochen typhös bezeichnet 
werden; die Widal’sche Reaktion fiel nur bei einer nicht sehr starken Serum- 
verdünnung (1:50) positiv aus, die Diazoreaktion war nur vorübergehend 
nachweisbar; im Sputum fanden sich Influenzabacillen. Die Diagnose „Typhus“ 
konnte daher erst dann gestellt werden, als es im weiteren Verlauf der Krank- 
heit zweimal, am 31. und am 56. Tage. jedesmal bei Beginn einer Fieber- 
periode, gelungen war, aus dem Urin Typhusbacillen zu züchten. Dass es 
sich thatsächlich um Typhus bandelte, ergab sich durch den Nachweis der 
Ansteckungsquelle: im heimathlichen Dorf des Mannes waren Typhuserkran- 
kungen, in seinem Elternhaus „gastrisches Fieber“ vorgekommen. 

Hormann (Strassburg i. Els.). 


Hilbert, Ueber den Werth der Hankin’schen Methode zum Nach- 
weise von Typhusbacillen im Wasser. Centralbl. f. Bakteriol. Bd. 27. 
No. 14/15. S. 526. 

Hilbert fand bei Nachprüfung der Hankin’schen Methode (vergl. 
diese Zeitschr. 1900. S. 831), dass die Leistungsfähigkeit derselben bei relativ 
reinem Wasser (besonders Leitungswasser) bis an die Grenze des Möglichen 
herangeht, und es mit derselben gelingt, selbst vereinzelte Typhusbacillen 
nachzuweisen. Dagegen versagte die Methode völlig bei Verwendung des 
stark mit Bact. coli verunreinigten Pregelwassers wie überhaupt bei Material, 
in welcbem neben Typhusbacillen gleichzeitig Bact. coli vorhanden war. 

Scholtz (Breslau). 


de Simoni, Beiträge zur Morphologie und Biologie der Mucosus- 
bacillen der Ozaena und über ihre Identität mit den Pneumo- 
bacillen. Centralbl. f. Bakteriol. Bd. 26. No. 12/13 u. 14/15. S. 426 ff. 
de Simoni kommt auf Grund seiner Versuche zu folgenden Schlüssen: 
1. Unter dem Namen Mucosusbacillen der Ozaena sind Varietäten 
beschrieben worden,welche alle zu derselben Art gehören. 
2. Alle diese Varietäten lassen sich in drei Hauptgruppen zusammen- 
fassen, zwischen denen Uebergangsformen vorkommen. 
3. Der Hauptstamm aller dieser ist der Friedländer’sche Pneumo- 
bacillus, der gewöhnliche Gast der Schleimhaut der Nasen- und Rachenhöhle. 
4. Durch die Einwirkung physikalischer Agentien, z. B. von Wärme, kann 
man eine Varietät in eine andere überführen, so dass Mikroorganismen, welche 


22 Infektionskrankheiten. 


ganz verschieden von einander zu sein scheinen, in Bezug auf die Entwicke- 
lungsweise in künstlichen Nährböden identisch werden. 

5. Der Polymorphismus der genannten Bacillen ist von vielerlei Faktoren 
(Zustand der Nasenschleimhaut, Vergesellschaftung mit anderen Bakterien u.s.w.) 
abhängig. Scholtz (Breslau). 


Conradi H., Die Hyphomycetennatur des Rotzbacillus. Aus d. bakt.- 
hygien. Institut der Universität Strassburg. Zeitschr. f. Hyg. u. Infektions- 
krankh. Bd. 33. S. 161. 

Die Mikroorganismen der Tuberkulose und Diphtherie werden, weil 
sie unter gewissen Bedingungen Fäden, Aeste und Keulen bilden, schon 
länger von den eigentlichen Spaltpilzen abgetrennt und mit den Erregern der 
Aktinomykose zu einer besonderen Gruppe vereinigt. Durch E. Levy, 
H. Marx und Galli-Valerio ist neuerdings auch beim Rotzbacillus Aehn- 
liches beobachtet worden. Der Verf. hat eine Nachuntersuchung angestellt 
und unter dem zweifellos begünstigenden Einfluss des Glycerins die Befunde 
der genannten Forscher durchaus bestätigt gefunden. 

In 3—4 tägigen Glycerin-Agarkulturen, die bei 37° gehalten waren, fand 
er die gewöhnliche Stäbchenform zu einem dichten Gewirr auffällig 
langer, rankenartig um einander gewundener, verschlungener und verfilzter 
Fäden entwickelt. Bei manchen Fäden war ein deutlicher dickerer Fuss 
und eine feine, lang ausgezogene Spitze zu unterscheiden. Die in den Fäden 
auftretenden runden oder eiförmigen ungefärbten Stellen hält er für Lücken, 
Vakuolen, nicht blos wegen ihrer ungleichen Grösse’und regellosen Anordnung, 
sondern auch, weil er niemals eine Auskeimung von ihnen ausgehen und weil 
er sie unter der Einwirkung von Kaliumnitratlösung mit der Abhebung des 
Plasmas von der Bakterieninnenwand und mit seiner Zusammenziehung ver- 
schwinden, in Wasser aber an derselben Stelle wieder hervortreten sah, während 
auch das Plasma seine frühere Form wieder annahm. Das Ueberhandnehmen 
der Vakuolenbildung hält er für eine Absterbe-Erscheinung. 

Echte Verzweigung beobachtete der Verf. in hängenden Tropfen von 
Glycerin-Fleischbrühe nach 1—2 Tagen. Zunächst zeigte sich eine Vorbuch- 
tung, ein kleiner Buckel, dann ein ganz dünner Ast, der erst rechtwinkelig 
abging, später mehr im spitzen Winkel zur Richtung des Hauptstammes ver- 
lief. Endlich fand er ebenfalls vom 1.—2. Tage ab, dass sich Keulen und 
Kolben bildeten, besonders häufig an den Enden der Fäden. Auch Keulen, 
von welchen feine Aeste ausgingen, wurden bemerkt, doch lässt der Verf. es 
unentschieden, ob letztere aus den Keulen hervorgesprosst sind, oder ob der 
Faden erst nach der Astbildung die Keulenform angenommen hat. Auch im 
Thierkörper wurde die Bildung der Keulen, wenn auch von kleinerer und 
zierlicherer Art, festgestellt. Globig (Kiel). 


Tchistowitch V., Epid&mie de peste au village de Kolobovka. Ann. 
de l’Inst. Pasteur. 1900. No. 3. p. 132. 

Im Sommer 1899 brach im Dorfe Kolobowka (Bezirk Astrachan) eine 

Pestepidemie aus. Von den während des Sommers zurückgebliebenen 


Infektionskrankheiten. 23 


550 Einwohnern erkrankten vom 28. Juli bis 21. August 24 Personen, wovon 
23 starben. Die Erkrankungen zeichneten sich durch einen sehr akuten 
Verlauf aus; der Tod erfolgte schon am 2.— 4. Tage. Von den 24 Patienten 
hatten 17 Husten und reichlichen blutigen Auswurf ohne typische Pneumonie. 
Die Fälle wurden genauer bakteriologisch untersucht; dies war um so eher 
angezeigt, als eigentliche Bubonen fehlten. Die bei der Sektion der zwei 
zuletzt gestorbenen Patienten vorgenommenen Untersuchungen lieferten ein 
unzweideutiges Resultat: in den Gewebssäften, namentlich in Lunge und Milz, 
waren viele Bacillen vorhanden, welche mikroskopisch und kulturell dem 
Pesterreger entsprachen. Die Kulturen tödteten Mäuse in 2—3, Meerschwein- 
chen in 6 Tagen; Tauben waren refraktär. Die eine aus einer Maus erhal- 
tene Kultur zeigte Gasbildung; Verf. meint, es könne sich um einen Pseudo- 
Pestbacillus (warum nicht Bact. coli? Ref.) handeln. Die Kulturen und Gewebs- 
schnitte wurden von einer Anzahl Professoren in der Festung Alexander I. 
bei Kronstadt nachgeprüft und die gefundenen Mikroorganismen mit Bestimmt- 
heit als Pestbacillen anerkannt. Der eigenartige Verlauf der Epidemie, die 
pneumonische oder septische Form der Erkrankung spricht für eine gestei- 
gerte Virulenz des Krankheitserregers. — Die Herkunft der Pest konnte nicht 
festgestellt werden. Die getroffenen Vorkehrungen, um die Verbreitung 
der Erkrankung zu vermeiden, sind folgende: Vollständige Isolirung der ver- 
seuchten Ortschaft, Stellung eines 195 Werst langen Sanitätskordons mit 
nar 2 Ausgängen, Errichtung einer Quarantänestation nebst Desinfektionsraum. 
Ein Haus wurde in ein Spital umgewandelt, ein zweites diente zur Aufnahme 
verdächtiger Fälle. Die verseuchten Häuser wurden verschlossen und dann 
eingeäschert, die Nachbarhäuser desinficirt. In jedem Viertel war ein Mann 
mit der Beaufsichtigung der Einwohner betraut und musste jede neue Er- 
krankung sofort melden. Die Leichen wurden in einem besonderen Friedhof 
begraben und mit einer dicken Kalkschicht bedeckt. 4000 Personen wurden 
nach Haffkin präventiv geimpft, nur bei 40 wurde keine Injektion vorge- 
nommen. Am 12. September wurde der Kordon aufgehoben. 
Silberschmidt (Zürich). 


Sata A., ExperimentelleBeiträge zur Aetiologie und pathologischen 
Anatomie der Pest. I. Arch. f. Hyg. Bd. 87. S. 105. 

Sata’s im Hygienischen Institut zu Freiburg i. Br. ausgeführte Unter- 
suchungen über den Pestbacillus erstreckten sich auf das morphologische 
und biologische Verhalten desselben und seine Wirkung im Thierköiper unter 
besonderer Berücksichtigung der histologischen Veräudernngen. Zu den Stu- 
dien dienten vier Bacillenstämme verschiedener Provenienz. 

DieResultateder kulturellenUntersuchungen werden eingehend beschrieben. 
Sie stimmten im Wesentlichen zu den Angaben der früheren zuverlässigen Be- 
arbeiter der Frage. Die vier Stämme zeigten, abgesehen von der Virulenz, 
die verschieden war, keine nennenswerthen Differenzen unter einander. Sie 
sind nach Gram nicht färbbar, nicht eigenbeweglich, haben Kapseln weder 
in Kulturen noch im Ausstrich von Gewebssaft, dagegen in Schnittpräparaten 
meist eine helle ungefärbte Zone in ihrer Umgebung. In Milch vermehren sie 


24 Infektionskrankheiten. 


sich wenig und ohne Knagulation zu bewirken, auf Kartoffeln bilden sie flache, 
grauweisse, trockene Flecke. In Bouillon wachsen sie theils unter diffuser 
Trübung mit Bodensatzbildung, theils nur mit letzterer ohne besonders starke 
Trübung der Flüssigkeit. 

Die Experimente am Thiere sind wenig zablreich, aber sehr sorgfältig 
durchgearbeitet. Es fand sich, wechselnd je nach Virulenz der Kultur und 
Dauer des Ueberlebens, in der Hauptsache: Fibrinds-nekrotische Entzündung 
an der Impfstelle im Unterhautgewebe obne nachweisbare Eiterung; Lymph- 
adenitis mit Nekrotisirang und Bacillenverschleppung, oft auch mit Metastasen- 
bildung in den Lymphdrüsen nahe der Impfstelle, Lymphadenitis und Bacillen- 
invasion auch in den entfernt davon belegenen Lymphdrüsen; Milzvergrösse- 
rung durch Hyperämie und celluläre Hyperplasie, auch Metastasenbildung; 
multipel auftretender Zerfall der Leberzellen mit Leukocytenansammlung, 
Fibrinbildung in späteren Stadien, schliesslich Metastasenbildung in der Leber; 
parenchymatöse Degeneration in Leber, Niere, Hämorrhagien in den verschie- 
densten inneren Organen, Bildung von fibrindsen Massen mit oder ohne Bacillen 
in den Gefässen und den Gewebsräumen besonders von Leber, Milz und Lymph- 
drüsen, Peritonitis, pneumonische Infiltration der Lungen mit oder ohne Ba- 
eillenanhäufung. Bacillen von „Bläschenform“, d. h. mit bipolarer Färbung, 
finden sich in zweierlei Gestalt: einmal solche von regelmässiger Form, scharfer 
Umgrenzung und guter Tingirbarkeit überall dort im Gewebe, wo der Bacillus 
sich energisch entwickelt; zweitens solche von unregelmässiger Gestalt, auf- 
gequollenem, dickem Leibe und schwacher Tingirbarkeit im Centrum der Ba- 
eillenhaufen und in nekrotischen Theilen des Gewebes. Die letztere Form ist 
als Involutionserscheinung aufzufassen. Gewöhnlich liegt der Bacillus ausser- 
halb von Zellen. 

Die Pestinfektion beim Thiere zeigt kein einheitliches Bild. Entweder 
stellt sie sich dar als lokale Erkrankung mit allgemeiner Intoxikation und 
nur gelegentlicher, mehr nebensächlicher Verschleppung des Mikrobium in den 
Kreislauf, entsprechend dem Typus des Abdominaltyphus, oder als echte Bak- 
teriämie mit Metastasenbildung ähnlich dem Milzbrand. Seine Erklärung der 
Pest fasst Sata in folgenden Satz: Die Pest ist eine an der Infektionsstelle 
und in den hauptsächlich der Infektionspforte benachbarten Lymphdrüsen 
lokalisirte, jedoch immer durch allgemeine Intoxikationserscheinungen charak- 
terisirte Erkrankung, welche aber immer sehr grosse Neigung besitzt, allge- 
meine Verschleppung und sogar auch Vermehrung des Bacillus im Blute, sog. 
Bakteriämie mit Metastasenbildung hervorzurufen. 

Die einschlägige Literatur ist in ausgiebiger Weise berücksichtigt worden. 

R. Abel (Hamburg). 


Frosch, Die Pest im Lichte neuerer Forschungen. Berliner klin. 
Wochenschr. 1900. No. 15. S. 313 u. No. 17. S. 370. 
Der Aufsatz liefert eine Uebersicht über den Stand unserer Kenntnisse 
von der Pest. R. Abel (Hamburg). 


Infektionskrankheiten. 25 


Danysz 3., La destruction des rats par une maladie contagieuse. 
Rev. d’Hyg. 1900. No. 4. 8. 321. 

Danysz hat den von ibm entdeckten rattenpathogenen Bacillus, 
der grosse Aehnlichkeit in seinen biologischen Eigenschaften mit dem Bac. 
typhi murium zeigt, mit Erfolg zur Vernichtung der Ratten in öffentlichen 
Gebäuden und Sielen benutzt. Der Bacillus wird genau in der gleichen Weise, 
wie Loeffler sie für den Mäusetyphusbacillus ausgearbeitet hat, in Brot- 
ködern den Nagern vorgeworfen und infieirt sie nach Aufnahme in den Magen- 
darmkanal. Wie Danysz die Kulturen des Bacillus virulent macht und erhält, 
hat er in einer Arbeit in den Annales de l'Institut Pasteur, 1900, No. 4, aus- 
führlich beschrieben. Danysz giebt an, unter 100 Versuchen mit seinem 
Bacillus hätten 50 völlige Vernichtung der Ratten, 30 theilweise Beseitigung, 
20 keinen nennenswerthen Erfolg herbeigeführt. (Ref. bat-bei wiederholten 
Versuchen mit Kulturen, die Danysz ibm zur Verfügung stellte, bisweilen 
gute, bisweilen aber auch gar keine Resultate erzielt.) 

R. Abel (Hamburg). 


Silberschmidt W., Ueber 2 Fälle von Pilzmassen im unteren Thränen- 
kanälchen. Centralbl. f. Bakteriol. Abth. I. Bd. 27. No. 14/15. S. 486. 
Es gelang dem Verf. in einem Falle aus den steril entnommenen Thränen- 
konkrementen einen nur bei Bruttemperatur wachsenden, nach Gram nicht 
entfärbbaren Mikroorganismus in Reinkultur zu züchten, der bei Meer- 
schweinchen und Mäusen Eiterung zu erzeugen vermag. Er tritt meist in 
Form von kurzen, zum Theil verzweigten Stäbchen mit kolbigen Anschwellungen 
anf, seltener sieht man längere fadenförmige Gebilde und in älteren Kulturen 
auch kokkobacillenartige Formen. Da sich niemals enges Fadengewirr oder 
radiäre Anordnung zeigten, so ist Aktinomykose auszuschliessen und der 
pleomorphe Bacillus der Klasse der Streptotricheen zuzurechnen. — Das 
Material des zweiten Falles wurde zu spät untersucht, als dass dem mitge- 

theilten bakteriologischen Befunde eine Bedeutung zukommen könnte. 

H. Koeniger (Leipzig). 


Momberger, Zur Gonokokkenfärbung. Centralbl. f. Bakteriol. Bd. 27. 
Bd. 14/15. S. 538. 

Homberger empfiehlt zur Gonokokkenfärbung das Kresyl-Echt- 
violett in einer Lösung 1:10000. Die Kerue werden hierdurch schwach 
blau gefärbt, die Gonokokken roth-violett, während andere Bakterien nur ganz 
wenig oder gar nicht tingirt werden. In Folge der schwachen Kernfärbung 
sollen auch die auf den Kernen lagernden Gonokokken deutlich hervortreten. 
Für Schnittpräparate empfiehlt Homberger eine 1proc. Lösung und 
Differenzirung in Anilindl-Xylol. ; Scholtz (Breslau). 


Koch R., Dritter Bericht über die Thätigkeit der Malariaexpedition. 
Untersuchungen in Deutsch-Neu-Guinea während der Monate 
Januar und Februar 1900. Deutsche med. Wochenschr. 1900. No.17 u. 18. 
S. 281 ff. 

Nach den Beobachtungen der Expedition ist in Stephansort die 


26 Infektionskrankheiten. 


Malariafrequenz auf mindestens 25 pCt. anzunehmen. Von 21 untersuchten 
Europäern waren 12 (57,1 pCt.) malariakrank, dagegen kamen auf 240 Chi- 
nesen nur 63= 26,3 pCt. Malariakranke, auf 208 Malayen 53 — 25,3 pCt. 
und auf 264 Melanesen 29 = 10,9 pCt. Von grosser Bedeutung ist die sicher 
konstatirte Thatsache, dass die Bewohner von tropischen Malariagegenden im 
Verlaufe von wenigen Jahren eine natürliche Immunität erwerben. In 
dem Dorfe Bogadjin fand sich unter den Einwohnern, die das 5. Lebensjahr über- 
schritten hatten, kein einziger mit Malaria; unter den kleinen Kindern war die 
Krankheit dagegen um so zahlreicher zu finden, und zwar bei 80 pCt. der Kinder 
unter 2 Jahren und bei 41,6 pCt. der Kinder von 2—5 Jahren. Aebnlich war 
das Resultat in Bongeu, wo 100 pCt. der Kinder unter 2 Jahren, 46,1 pCt. 
der Kinder von 2—5 Jahren, 23,5 pCt. der Kinder von 5--10 Jahren, dagegen 
unter Personen über 10 Jahren nicht eine malariakrank war. Man muss also 
mit dem Urtheil der Malariafreiheit eines Ortes sehr vorsichtig sein. Würde 
man sich bei einer derartigen Bevölkerung damit begnügen, die Erwachsenen 
oder selbst noch die Halberwachsenen und nicht die Kinder zu untersuchen, 
so würde man voraussichtlich keine Spur von Malaria finden und zu der ganz 
irrigen Meinung geführt werden, dass man es mit einer Bevölkerung zu thun 
babe, welche überhaupt malariafrei, d. h. immun gegen Malaria ist. Genau 
so wie die in einer Malariagegend geborenen Kinder verhalten sich die Ein- 
gewanderten, sofern sie aus malariafreien Gegenden kommen. Sie werden mit 
Malaria infieirt und haben unter dem Einflusse der Krankheit so lange zu 
leiden, bis sie einen genügenden Grad von Immunität erreicht haben. Zur 
Verhütung von Recidiven empfehlen sich Dosen von je 1 g Chinin an zwei 
aufeinanderfolgenden Tagen mit 7tägigen Pausen. Wird diese Behandlung 
mindestens 2 Monate lang durchgeführt, so sind die Resultate sehr günstig. 
Dieudonné (Würzburg). 


Mayer, Zur Epidemiologie der Malaria. Deutsche mil.-ärztl.Ztschr. 1900. 
H. 10. S. 497. 

DurchVergleichung der statistischen Feststellung der Malariaerkrankungen 
in den verschiedenen europäischen Armeen, der jährlichen und monatlichen 
Zugänge, kommt M. zu folgendem Schluss: 

Durch Europa läuft eine in klimatischer, kultureller und epidemiologischer 
Beziehung wichtige Linie und zwar längs der Höhe der Pyrenäen, Cevennen, 
der Lyoner Berge, über das Rhonethal, läogs des Alpenkammes, über das 
Donauthal, längs des Karpatheukammes, von hier nördlich gegen Russland 
und sich in den Sümpfen des Dnjeprs verlierend. 

Nördlich dieser Linie ist die Malaria in den letzten 2 Jahrzehnten durch 
ausgedehnte hygienische Maassnabmen grösstentheils eine bedeutungsiose Krank- 
heit geworden, sie tritt als Tertiana auf, die grössten Erkrankungzziffern fallen 
in die Monate Mai und Juni; südlich, in den wärmeren Ländern, in denen 
vielfach noch grosse Unsauberkeit herrscht, hält sich die Malaria jedoch, auch 
trotz bygienischer Verbesserungen, noch auf hohem Stand, das Maximum der 
Erkrankung, die auch als Quartana auftritt, fällt in die Monate August und 
September. — Einzelheiten müssen im Original nachgesehen werden. 

Hormann (Strassburg i. Els.). 


Infektionskrankheiten. 27 


Auge, Reinhold, Ein Beitrag zur Chromatinfärbung der Malariapara- 
siten. Aus dem Institut für Infektionskrankheiten zu Berlin. Zeitschr. f. 
Hyg. u. Infektionskrankh. Bd. 33. S. 178. 

Der Verf. schildert die Erfahrungen, die er bei der Färbung von 
Malariaparasiten nach dem Verfahren von Romanowski- Ziemann- 
Nocht und bei Abänderungen desselben gemacht hat. Zur Wiedergabe an 
dieser Stelle sind sie nicht geeignet. Hervorzuheben ist aber, dass frische 
Präparate viel leichter und schneller färbbar siud als ältere, und 
dass der Verf. in Blutkörperchen, welche Tertianparasiten enthielten, 
unter gewissen Bedingungen des Färbeverfahrens eine eigentbümliche 
purpur- bis schwarzrothe, bald gröbere, bald feinere Tüpfelung 
fand, deren Stärke mit dem Alter der Parasiten zunabm. Da sie bei den 
Parasiten des Quartan- und Tropenfiebers nie vorkommt, so liegt der Gedanke 
nabe, sie zur Unterscheidung der verschiedenen Fieberformen zu benutzen. 
Aber wie schon Schüffner, der Aehnliches beobachtet hat, bemerkt, kann 
man die Jugendformen, bei denen dies bis jetzt schwierig ist, daran nicht 
unterscheiden; denn die Tüpfelung tritt auch bei den Tertianparasiten erst 
auf, wenn sie die Grösse von einem Drittel des rothen Blutkörperchens erreicht 
baben, oder wenn wenigstens mehrere jugendliche Ringformen gleichzeitig in 
einem Blutkörperchen sich befinden. 

Eine Tafel, welche 4 Photogramme Prof. Zettnow’s ausgezeichnet zart 
und scharf wiedergiebt, ist der Arbeit beigefügt. Globig (Kiel). 


Löwit M., Weitere Untersuchungen über die Parasiten der Leuk- 
ämie. Centralbl. f. Bakteriol. Abth. I. Bd. 27. No. 14/15. S. 508. 
Löwit macht weitere Angaben über Befunde von Amöben im Blute 
Leukämischer und stellt eine ausführliche Mittheilung für die nächste Zeit 
in Aussicht. R. Abel (Hamburg). 


Schäller, Max, I. Beitrag zur Aetiologie der Geschwülste. Centralbl. 
f. Bakteriol. Bd. 27. No. 14/15. S. 511. 

Schüller ist es nach seiner Ueberzeugung gelungen, „zunächst in einem 
Riesenzellensarkom, später auch in verschiedenen Karcinomen, einen scharf 
zu cbarakterisirenden niederen, wahrscheinlich thierischen Orga- 
nismus zu kultiviren und ihn in verschiedenen Entwickelungsphasen im Ge- 
schwulstgewebe selber nachzuweisen“. Der Organismus bildet einen meist 
rundlichen, blasigen, stark lichtbrechenden Körper von goldgelber bis 
bräunlicher Farbe und ist drei- bis mehrmal grösser als ein rothes Blut- 
körperchen. Er besteht aus einer relativ derben Hülle und einem gelblichen, 
mehr oder weniger deutlich körnigen Inhalt. 

Die beschriebenen Organismen sollen am deutlichsten in ungefärbten 
Zupfpräparaten oder Schnitten sowoh) von frischen Gewebsstücken als auch 
von Tumoren, die in Alkohol aufbewahrt wurden, hervortreten. 

Zu Kulturen wurden aus der Mitte der Tumoren sofort bei der Operation 
Stückchen entnommen und einfach in sterilen Reagensgläsern im Dunkeln bei 


28 Infektionskrankheiten. 


Körpertemperatur aufbewahrt. Hierbei soll nach Schüller das Gewebe selbst 
den Nährboden abgeben und bereits nach etwa 3 Tagen eine Vermehrung der 
Organismen eintreten. Weiterhin beobachtete Schüller an den Glaswandungen 
kleinste zartgrau oder gelblich aussehende Tröpfchen, welche aus ganzen 
Kolonien jener Organismen bestehen sollen. 
Schüller stellt eine ausführliche Publikation mit Abbildungen in Aussicht. 
Scholtz (Breslau). 


Schüller, Max, Il. Beitrag zur Kenntniss der Syphilis-Aetiologie. 
Centralbl. f. Bakteriol. Bd. 27. No. 14/15. S. 516: 

Aehnliche Organismen, wie in Geschwülsten (s. das vorige Referat), hat 
Schüller auch beiSyphilis gefunden. Ebenso wie dort, liessen sich dieselben 
auch hier am besten in ungefärbten, frischen oder in Alkohol gehärteten 
Präparaten weisen. Schüller fand sie sowohl in den primären Indura- 
tionen, wie in allen sekundären und tertiären syphilitischen Produkten, 
besonders auch bei bereditärer Syphilis. 

Auch hier gelang Schüller die Kultur jener Gebilde. 

Scholtz (Breslau). 


Pampoukis, Quelques observations sur la rage. Ann. de l’Inst. Pasteur. 
1900. No. 2. p. 111. 

Seit der Gründung des Pasteur’schen Instituts in Athen 1894 wurden 
daselbst bis Ende 1898 1300 gebissene Personen behandelt; es waren 1208 Per- 
sonen (92,8 pCt.) von Hunden, 58 (4,4 pCt.) von Katzen, 16 (1,2 pCt.) von 
verschiedenen Thieren gebissen worden, und 18 (1,3 pCt.) waren mit dem 
Mundspeichel inficirt worden. Ein 10 jähriges nicht behandeltes Kind, welches 
31 Tage nach erfolgter Bisswunde erkrankte, biss seinen Vater und starb 
2 Tage später; der Vater unterzog sich der Schutzimpfung und blieb gesund. 
Verf. erwähnt 2 Fälle von eingebildeter Wuth 2 und 5 Tage nach Beginn 
der Bebandlung; der eine Patient biss sogar seine Mutter. Am 5. Juni 1898 
wurde eine Frau von einem Hunde gebissen; 8 Tage später traten beim Thiere 
die deutlichen Symptome der Wuth auf: 2 Kinder wurden gebissen und geimpft. 
Die Frau unterzog sich nicht der Behandlung, erkrankte an Lyssa und starb 
am 71. Tage. Das Wuthgift kann also im Mundspeichel des Hundes 
8 Tage vor Auftreten der ausgesprochenen Wuth vorkommen. 

In Griechenland sind in den Jahren 1894 bis und mit 1898 43 nicht be- 
handelte Personen an Lyssa gestorben. Die Erkrankung trat ein bei 4 Per- 
sonen (9,3 pCt.) im 1. Monat, bei 23 (53,4 pCt.) im 2. und bei 16 (37,2 pCt.) im 
3. Monat nach erfolgtem Biss. Silberschmidt (Zürich). 


Thiele, Ein Fall von anscheinender Maul- und Klauenseuche beim 
Menschen. Deutsche mil.-ärztl. Zeitschr. 1900. H. 11. S. 548. 

Der von Th. in Rastatt beobachtete Fall bot folgende Erscheinungen: 
Unregelmässig gestaltete schlaffe Blasen mit graugelbem Inhalt und unregel- 
mässige Substanzverluste mit gelbem Grund auf der Lippenschleimhaut; runde 
bis linsengrosse Substanzverluste auf der Zunge, in der Schleimbaut der Wangen 


Immunität. Schutzimpfung. 29 


und des weichen Gaumens, hier mit Pseudomembranen, punktförmige Blutungen 
in der Schleimhaut des weichen Gaumens; leichte Schwellung der Unterkiefer- 
winkeldrüsen; fleckig-papulöser Ausschlag auf der Haut der Brust und des 
Bauches, starke Milzvergrösserung und hohes Fieber. 

Nach 6tägiger Lazarethbehandlung waren die Substanzverluste bis auf 
zwei geheilt, die Milz kleiner, die Temperatur normal, das Allgemeinbefinden gut. 

Es kann sich nach Th. .nur um eine Infektionskrankheit gehandelt haben, 
und als solche kommt nach den Erscheinungen nur Maul- und Klauen- 
seuche in Betracht. 

Die Ansteckungsquelle nachzuweisen machte freilich Schwierigkeiten; es 
blieb nar übrig, anzunehmen, dass der Genuss von Butter die Krankheit über- 
tragen hatte, in der Umgegend von Rastatt war Maul- und Klauenseuche ver- 
breitet, und so lag die Möglichkeit vor, dass Milch erkrankter Thiere mit zur 
Butterbereitung benutzt war. Hormann (Strassburg i. Els.). 


Malkof 6. M., Beitrag zur Frage der Agglutination der rothen Blut- 
körperchen. Aus dem Institut für Infektionskrankh. in Berlin. Deutsche 
med. Wochenschr. 1900. No. 14. S. 229. 

Die seitherigen Forschungen über das Wesen der Agglutination, so- 
wie über die Specificität derselben haben bis jetzt noch keine eindeutigen 
Resultate ergeben. Verf. machte daber weitere Versuche, die ausschliesslich 
an rothen Blutkörperchen ausgeführt wurden. Zunächst zeigte sich, dass die 
agglutinirende Eigenschaft von gegen fremdes Blut immunisirten Thieren eine 
specifische ist. So vermag das Blutserum von einem gegen Ziegenblut immu- 
pisirten Meerschweinchen nur die Erythrocyten des Ziegenblutes zu aggluti- 
niren, nicht aber diejenigen Blutsorten, welche auch durch das normale Blut- 
serum vom Meerschweinchen nicht agglutinirt werden, wie z.B. die Erythrocyten 
des Menschen- und Taubenblutes. Das normale Serum, z. B. Ziegeuserum, 
enthält eine Reihe von Substanzen, welche in Bezug auf das Blut anderer 
Tbiere eine specifische agglutinirende Wirkung ausüben. Bei dem Agglu- 
tirationsvorgange des normalen Serums, das verschiedene Arten gleichzeitig 
agglutinirt, handelt es sich nicht etwa um ein einziges Agglutinin, das gleich- 
zeitig auf verschiedene Blutarten wirkt, sondern vielmehr um das gleichzeitige 
Vorkommen verschiedener specifischer Agglutinine in dem Serum, von denen 
jedes seine specifische Affinität zu der betreffenden Blutkörperchenart hat. 
Io einem solchen normalen Serum existiren demnach so viele verschiedene 
Agglutinine, als das Serum verschiedene Species von Blutkörperchen agglu- 
tioirt. Bei der Agglutination gehen ferner nach den Versuchen vom Verf. 
die agglutinirenden Substanzen mit den rothen Blutkörperchen offenbar eine 
sehr enge Verbindung ein, und es ist die Agglutinationsreaktion als das 
Resultat einer gegenseitigen Einwirkung dieser beiden Körper, nämlich der 
specifischen agglutinirenden Substanzen des Serums und irgend einer unbe- 


30 Immunität. Schutzimpfung. 


kannten Substanz der betreffenden rothen Blutkörperchen aufeinander aufzu- 
fassen. Bei der grossen Analogie zwischen dem Agglutinationsvorgange von 
rothen Blutkörperchen und Bakterien ist wohl anzunehmen, dass hier die Ver- 
hältnisse die gleichen sind. Dieudonné (Würzburg). 


Bendix E., Zur Serodiagnose der Tuberkulose. Aus dem Laboratorium 
der I. med. Universitätsklinik in Berlin. Deutsche med. Wochenschr. 1900. 
No. 14. S. 224. 

Zur Serumreaktion ist es vor allem nöthig, homogene Reinkulturen 
des Tuberkelbacillus zu benutzen, in denen die Bacillen streng isolirt sind 
und nirgends Haufenbildung zu sehen ist. Fügt man zu einer solchen Kultur 
nur einen Tropfen Blutserum eines tuberkulös erkrankten Individuums hinzu, 
so tritt typische Agglutination ein. Das Serum von Gesunden zeigte keine 
Agglutination. Von 36 Tuberkulösen gab das Serum nur bei 2 keine Reak- 
tion, und zwar handelte es sich bier um zwei recht progressive Phthisen. 
Ueberhaupt glaubt Verf., dass die Serumreaktion bei der Tuberkulose nicht 
nur diagnostischen Werth besitzt, sondern dass aus der Intensität der Reaktion 
gewisse Rückschlüsse auf den Verlauf der Krankheit zu ziehen sind; d. h. ein 
Serum mit hohem Agglutinationswerth stammt im Allgemeinen von weniger 
floriden Phthisikern her als ein solches mit niederem Agglutinationswerth. 
Nach B. ist die Serumreaktion für die Diagnose, speciell die Frühdiagnose der 
Tuberkulose von grösstem Werthe. Dieudonne (Würzburg). 


Ball, Oskar, Untersuchungen über milzbrandfeindliche Eigenschaften 
des Hurdeorganismus. Centralbl. f. Bakteriol. Bd. 27. No. 14/15. S. 517. 
Verf. hat bereits früher (vergl. diese Zeitschr. 1900, S. 997) über eine 
Versuchsreihe berichtet, durch die er festgestellt zu haben glaubt, dass auch 
der Hundeorganismus trotz an und für sich mangelnder baktericider 
Serumwirkung doch unter Umständen mit milzbrandfeindlichen Eigen- 
schaften ausgestattet sein kann. In der gleichen Richtung haben sich nun 
weitere Untersuchungen bewegt. Verf. beschreibt fünf verschiedene Methoden, 
mittels deren es gelingt, dem ursprünglich gegen Milzbrandbacillen unwirksamen 
Hundeserum diese mangelnde Eigenschaft künstlich zu verleihen. 

Denys und Kaisin haben eine voraufzuschickende Infektion mit den 
Milzbranderregern empfohlen. 

Verf. mischt zweitens Serum und Leukocyten der gleichen Hunde, oder 
drittens solches von Kaninchen und Meerschweinchen; viertens führt Ein- 
verleibung eines Gemenges von Hundeserum mit Kaninchenserum oder Hühner- 
eiweiss zu dem erstrebten Resultat, fünftens und letztens vorübergehender Auf- 
enthalt im Körper der Ratte, des Meerschweinchens und des Kaninchens. 

Dass das Hundeserum wäbrend der kurzen Zeit des Verweilens in einem 
fremden Thierorganismus eine eingehende Veränderung und Umstimmung durch 
das seitens des fremden Versuchsthieres eventuell abgesonderte peritonitische 
Exsudat erfahren haben könnte, gilt dem Verf. für ausgeschlossen. Er kommt 
auf Grund der erhaltenen Resultate zu dem Schluss, dass eine zunächst 
nicht baktericide Flüssigkeit durch einen ebenfalls nicht erheb- 


Immunität. Schutzimpfung. 31 


lich keimfeindlich wirkenden Thierkörper, wie den des Meerschwein- 
chens z. B., doch so entscheidend beeinflusst zu werden vermag, dass 
sie nanmehr deutlich Milzbrandbacillen schwer zu schädigen und 
abzutödten im Stande ist. Wegen genauer Einzelheiten sei auf die 
Originalarbeit verwiesen, für deren Ergebnisse gewiss noch weitere Bestätigung 
als nicht unerwünscht und unnöthig zu erachten wäre. 

Schumacher (Halle a.S.). 


Terni C. et Bandi J, Nouvelle methode de preparation du vaccin 
antipesteux. Rev. d’Hyg. 1900. Bd. 22. No. 1. S. 62. 

Dem Haffkin’schen Schutzimpfungsverfahren gegen Pest sollen 
verschiedene Mängel anhaften. Guten Impfstoff liefern nur junge, virulente, 
bacillenreiche Kulturen; da die Virulenz der Pestbacillen in Reagensglaskul- 
turen schwanken kann, eignen sich nach Terni und Bandi Kulturen im Thier- 
körper besser zur Gewinnung wirksamen Impfstoffe. Die durch Haffkin’s 
Impfungen gesetzte Immunität erscheint erst spät, angeblich 10—12 Tage 
nach der Schutzinjektion. Ferner soll eine Impfung nach Haffkin, wenn 
sie während des Inkubationsstadiums ausgeführt wird, nicht den Ausbruch der 
Erkrankung verhindern, vielmehr ihren Verlauf schwerer gestalten. Die Verff. 
behaupten, eine zweckmässige, diese Uebelstände vermeidende Modifikation der 
Haffkin’schen Impfung gefunden zu haben. Ihren Impfstoff liefert der Peri- 
tonealinhalt von Kaninchen oder Meerschweinchen, die in die Bauchhöhle mit 
Pest geimpft sind nnd in der Agone getödtet werden. Das sorgfältig gesam- 
melte Peritonealexsudat wird 12 Stunden bei 37° gehalten, damit die Zahl 
der Pestbacillen in ihm noch zunimmt, gleichzeitig genau auf Reinheit kon- 
trolirt, dann zur Abtödtung der Pestkeime zwei Stunden auf 50--52° erhitzt, 
mit einer Lösung von Karbolsäure, Soda und Kochsalz je nach seinem Reich- 
thum an Bacillen in verschiedener Menge aufgeschwemmt und in diesem Zu- 
stande als Impfstoff benutzt. Mit diesem Material und daneben mit einem 
nach Haffkin’s Vorschrift bereiteten Vaccin wurden gleichartige Versuche 
an Meerschweinchen und Ratten angestellt, welche in der Arbeit wiedergegeben 
werden und die Verff. veranlassten, ihr Verfahren als das erbeblich vorzuziehende 
anzupreisen. Der neue Impfstoff schützt Ratten und Meerschweinchen, in Mengen 
von 0,1—0.2 ccm injicirt, vor einer Infektion mit der für unbebandelte Thiere 
absolut tödtlichen Pestbacillendosis. Die Schutzimpfung ist von sehr geringen 
Reizerscheinungen gefolgt, am vierten bis fünften Tage nach ihr ist die Im- 
munität der Thiere entwickelt; nach beiden Richtungen ist sie also Haffkin’s 
Impfung überlegen. Die Dauer der Schutzkraft erstreckt sich auf mehr als 
2 Monate, während Haffkin’s Impfung in den Versuchen der Autoren nicht 
so lange wirksam war. Anwendung des Impfstoffes bei Thieren, die sich im In- 
kubationsstadium der Pest befinden oder bereits die ersten Zeichen von Erkran- 
kung aufweisen, gestaltet den Verlauf der letzteren nicht nur nicht schwerer, 
sondern hält die Thiere vielmehr länger am Leben als die Kontrolthiere. Uebri- 
gens wirkte auch Haffkin’s Vacein nur dann schädlich, wenn es nach schon 
sichtbarer Erkrankung des Versuchsthieres noch zur Anwendung kam, nicht, 
wenn es im Inkubationsstadium injieirt wurde. Versuche über Anwendung 


32 Immunität. Schutzimpfung. 


des Impfstoffes in Verbindung mit Pestsernm werden in Aussicht gestellt. 
Vom Menschen soll subkutane Injektion von 11/,--21/, ccm des Impfstoffe 
ohne erhebliche örtliche oder allgemeine Reaktion gut vertragen werden, so 
dass man schneller als bei Haffkin’s Impfung eine zweite Einspritzung 
folgen lassen kann. Das Blut schutzgeimpfter Menschen soll bereits 8—10 Stun- 
den nach der ersten Injektion deutlich eutwickelungshemmende Rigenschaften 
gegenüber dem Pestbacillus gewonnen haben. Dass beim Menschen schon 
eine Injektion in der angegebenen Menge imwunisirend wirkt, schliessen die 
Verff. ausserdem daraus, dass eine zweite Impfstoffeinspritzung von keinerlei 
Reaktion gefolgt wird. R. Abel (Hamburg). 


Arloing S., De l’immunite contre le charbon symptomatique après 
V’injection du sérum préventif et du virus naturel isolés 
ou mélangés. Compt. rend. de l’acad. des scienc. 1900. T. 130. No. 15. 
p- 99. 

Die durch das Serum eines gegen Rauschbrand hochgradig aktiv immu- 
nisirten Rindes beim Hammel hervorgerufene passive Immunität dauerte 
in den Versuchen des Verf.’s nur vom 4. bis zum 8. Tage nach der Injektion. 
Es kann aber diese flüchtige Seramimmunität ohne Gefahr in eine sehr dauer- 
hafte aktive Immunität übergeführt werden dadurch, dass man den Thieren 
während des Bestehens der Serumimmunität eine tödtliche Dosis von 
frischem Virus injieir'. Eine Mischung und gleichzeitige Injektion von 
Serum und Virus war dagegen fast unwirksam und verlieh nur eine unbe- 
deutende Erhöhung der Resistenz. Diese Thatsache ist um so mehr beachtens- 
werth, als die Bacillen nachweislich vom Serum nicht getödtet werden. Verf. 
ist zu der Annahme geneigt, dass die Gifte der Bacillen vom Serum neutrali- 
sirt werden, und dass die giftfreien Bacillen unfähig sind, aktiv zu immuni- 
siren. H. Koeniger (Leipzig). 


Kodjabascheff M., L’action du sérum sanguin sur le vaccin. Ann. de 
PInst Pasteur. 1900. No. 2. p. 102. 

Verf. hat beobachtet, dass die Kuhpockenlymphe mit Beimengung 
von Blut und von Blutserum schlechtere Resultate liefert als die 
reine Lymphe. Während die letztere längere Zeit aufbewahrt werden kann, 
wird die blutig verfärbte Lymphe frühzeitig zersetzt. Seitdem die Lymphe sorg- 
fältig und rein entnommen wird, d.h. seit 1898, lauten die Resultate günstiger. 
In den Jahren 1895, 1896 und 1897 betrug die Anzahl der Erfolge bei Erst- 
impflingen und bei Revaccinirten 69, 71 und 74 pCt.; 1894 stieg die Zahl auf 
83,1 und in den 9 ersten Monaten des Jahres 1899 auf 80.5. Uebereinstimmend 
war bei den im Impfinstitut zu Sofia vorgenommenen Impfungen an Färsen seit 
1898 (es wurden 1898 40 und 1899 14 Färsen verwendet) kein einziger Miss- 
erfolg zu verzeichnen, während 1895 von 83 geimpften Thieren 27, 1896 von 
303 75 und 1897 von 139 18 Thiere unbrauchbar waren. 

Silberschmidt (Zürich). 


Bäder. Krankenpflege. Specielle sanitäre Einrichtungen. 83 


Deutschlands Heilquellen und Bäder. Herausgeg. vom Kais. Ges.-Amt 
zu Berlin 1900. Oswald Seehagen’s Verlag (Martin Hoefer). 

Für die Pariser Weltausstellung ist vom Kaiserlichen Gesundheitsamt eine 
ausführliche, mit vielen Abbildungen versehene Beschreibung sämmtlicher Heil- 
quellen und Bäder Deutschlands herausgegeben worden. Das Material 
dazu wurde durch Fragebogen gesammelt und unter Kontrole von Prof. Lassar 
in dem schön ausgestatteten Bande vereinigt. Für den praktischen Arzt bietet 
derselbe ein gutes Orientirungsmittel bei der Beantwortung der Frage, in 
welchen Kurort er seine Patienten schicken will. Das Werk wurde auf der 
Ausstellung mit dem höchsten Preis für pharmaceutische Produkte, der goldenen 
Medaille, prämiirt. Ott (Oderberg). 


von Ziemssen, Die Bedeutung ländlicher Sanatorien für die Zukunft 
der öffentlichen Krankenpflege. Zeitschr. f. Krankenpfl. 1900. No. 1. 
Durch die Eröffnung des Sanatoriums bei Harlaching, das dazu be- 
stimmt ist, die städtischen Krankenhäuser Münchens von Genesenden 
und chronisch Kranken zu entlasten, ist der Anfang gemacht worden mit 
der Erfüllung einer Forderung, die v. Ziemssen schon seit Jahren vertritt, 
nämlich der Zerlegung der grösseren Krankenhäuser in centrale Institute für 
die akuten und chirurgisch-operativen Fälle und in ländliche Heilstätten für 
chronisch Kranke und Rekonvalescenten. Wenn, was kaum zu bezweifeln ist, 
die Erfahrungen der nächsten Jahre in Harlaching günstig ausfallen, so wird 
nach des Verf.’s Ueberzeugung in Zukunft jede grössere Stadtgemeinde, welche 
vor die Nothwendigkeit eines neuen Krankenhauses gestellt ist, sich für eine 
solche Zweitheilung entscheiden müssen. Ott (Oderberg). 


Marcuse J., Die Ausstellung für Krankenpflege in Frankfurt a. M. 
Münch. med. Wochenschr. 1900. No. 12. S. 397. 

Die in Verbindung mit dem Kongress der balneologischen Gesellschaft 
vom 8.—18. März abgehaltene Ausstellung war nach vielen Richtungen 
bin anregend und erfüllte ihren Zweck, der Krankenpflege den wissen- 
schaftlichen Boden und die wissenschaftliche Bedeutung, die ihr innewobnt, 
zu verleihen. Ganz vortrefflich waren Kriegskrankenpflege und die gemein- 
nützigen Krankenpflegevereine vertreten. Dieudonne (Würzburg). 


Szalärdi M., Der gegenwärtige Stand des Findelwesens in Ungarn. 
(Auf dem im Jahre 1899 in Budapest abgehaltenen internationalen Kongress 
für Kinderschutz vorgetragen.) Deutsche Vierteljahrsschr. f. öff. Gesundheitspfl. 
Bd. 32. S. 276. 

Der im Jahre 1885 gegründete Landes-Findelhaus-Verein vom Weissen 
Kreuz in Budapenrt hat es sich zur Aufgabe gestellt, für die unehelichen und 
verlassenen Kinder zu sorgen, indem er den Müttern bald nach ihrer Nieder- 
kunft sammt ihren Kindern Zuflucht und auch später materielle Hülfe gewährt. 


34 Ernährung. 


Diesem Verein wurde im Jahre 1895 die Befugniss ertbeilt, Kinder auf Kosten 
der zuständigen Gemeinden aufnehmen zu dürfen. 

Für die Regelung der Findlingsversorgung ist in Ungarn ausschliesslich 
der Gesichtspunkt maassgebend, ob das Kind auf die öffentliche Pflege ange- 
wiesen ist oder nicht; im Uebrigen kommt weder Alter, noch Religion, noch 
Nationalität in Betracht, ja nicht einmal der Umstand, ob das Kind ehelich 
oder unehelich ist. Im Gegensatz zu den meisten Findelhäusern wird in 
Ungarn, wenn irgend möglich, das Kind mit der Mutter zusammen aufgenommen 
und beide so lange in der Anstalt verpflegt, bis das Kiod ein Gewicht von 
81/,—4 kg erreicht hat; erst dann wird das Kind in Ammenpflege auf das 
Land gegeben. In neuerer Zeit ist es ausserdem gelungen, nicht nur die 
Mütter syphilitischer Kinder, sondern alle Mütter von schwach entwickelten 
und kranken Kindern zu bewegen, die ganze Zeit der Säuglingsperiode in 
einer der eigens hierzu eingerichteten Kolonien mit dem Kinde zuzubringen, 
während welcher Zeit für sämmtliche Bedürfnisse des Kindes wie der Mutter 
gesorgt wird. Die Mutter bleibt in diesen Fällen die Amme ihres Kindes. 
Diesem Vorgehen entsprechend sind die Gesundheitsverhältnisse der Kinder 
besonders günstige, wie andererseits auch das Zusammenleben mit ihrem Kinde 
auf die Mutter moralisch günstig einwirkt. 

Ein anderer hygienischer Vorzug des ungarischen Systems liegt darin, 
dass der Gesundheitszustand der sämmtlichen in 85 Gemeinden (Kolonien) 
untergebrachten 1500 Pfleglinge durch eigene von der Anstalt honorirte Aerzte 
überwacht wird, die jeden Pflegling mindestens viermal im Jahre unvermuthet 
untersuchen. Die Mortalität der Pfleglinge war stets geringer als die Sterb- 
lichkeit der Kinder in Budapest und Umgegend überhaupt. Endlich wurden 
mit Autorisation der Regierung in verschiedenen Centren des Landes Filialen 
errichtet, die in gleicher Weise den Zweigvereinen des Weissen Kreuzes unter- 
stellt wurden. Roth (Potsdam). 


Rössing A., Ueber Fischkonserven. Zeitschr. f. analyt. Chem. 1900. 
S. 147. 

Bei einigen Dosen Fischkonserven mit Stockfisch bezw. mit Languste 
bestimmte Verf. die Menge des aus der Blechbüchse in den Inhalt übergegan- 
genen Zinns und Eisens; es fanden sich: 

0,153 g Zınnoxyd und 0,0870 g phosphorsaures Eisenoxyd 
0,0465 g G] n 0,0210 g n n 
0,1110 g n n» 0,2040 g 5 

Weitere angestellte Versuche ergaben, dass unter allen Umständen bei 
phosphorsäurehaltigem bezw. ammoniakalischem Doseninhalt eine allmähliche 
Auflösung von Zinn stattfindet, welche lediglicb von der Zeit der Aufbe- 
wahrung und der Koncentration, nicht aber von der sonstigen Beschaffenheit 
des Inhaltes abhängig ist. „Eine Gefahr für die Gesundheit in Folge abge- 
lösten und in den Inhalt übergegangenen Zinns liegt wohl kaum vor, da das 
Metall im in Wasser unlöslichen Zustande vorhanden ist, und vom Magensafte 
wohl nur Spuren gelöst werden dürften.“ 


Ernährung. 35 


Dass das Verderben von Fisch- und anderen Konserven und ihre Unver- 
käuflichkeit und Unansehnlichkeit in Folge der Einbusse ihrer frischen Farbe 
dem Büchsenmaterial zuzuschreiben ist, erscheint ausgeschlossen, ausser wenn 
in Folge sehr starker Ablösung des Zinns, bezw. schlechter Verzinnung bei 
gleichzeitiger mehrjähriger Lagerung Eisen in Lösung gegangen ist und so 
eine Verfärbung hervorgerufen hat. Um den Konserven ein frisches Aussehen 
zu bewahren, ist thunlichste Schnelligkeit und grösste Sauberkeit bei der Ver- 
arbeitung sowie hinreichende Sterilisation zu beachten. Selbstverständlich 
muss eine mehrjährige Lagerung unter allen Umständen vermieden werden. 

Wesenberg (Elberfeld). 


Möller J. und Masuyama, Ueber ein diastatisches Ferment im Hühnerei. 
Zeitschr. f. Biol. 1900. Bd. 89. S. 547. 

Im Hühnerei, speciell im Dotter, findet sich ein amylolytisches 
Enzym, das Stärke in Dextrine und Isomaltose überführt. Seine Wirk- 
samkeit ist nicht unbedeutend: 1 Liter 3 proc. Stärkelösung wird während 
24 Stunden bis zu 45 pCt. saccharificirt. E. Rost (Berlin). 


Nietner, Wirtbschaftliche und hygienische Reform des grossstädti- 
schen Milchhandels. Berl. klin. Wochenschr. 1900. No. 16. S. 855. 

Die Versorgung der Grossstädte mit Milch (Berlin bedarf täglich min- 
destens 1/3 Million Liter) verspricht durch ein in Kopenhagen geübtes, von Helm 
verbessertes Verfahren umgewälzt zu werden; es besteht in einer zweckmässigen 
Pasteurisirung (Erhitzen auf 80- 85°) in dünner Schicht unter Umrühren 
mit unmittelbar folgender starker Abkühlung bis fast zum Gefrier- 
punkt. Die Aufbewahrung und der Versand erfolgt in sterilen Gefässen, die 
mit keimfreien Eisplatten versetzt werden. Die Milch behält ihren frischen 
Geschmack, ist hygienisch vollkommen einwandsfrei und soll sich 
tage- und wochenlang frisch erhalten. 

Im künftigen Milchverkehr wird die Milch also vom Producenten an eine 
Central-Pasteurisirungs- und Kühlanlage (wie es deren um Berlin schon 
giebt) eingeliefert; hier wird sie nach ärztlicher Prüfung und unter polizei- 
licher Kontrole verarbeitet und erst von dort an die Städte weiterversandt. 
(Nach einem Vortrag des Ingenieur Helm.) E. Rost (Berlin). 


Bagiasky A., Säuglingsernährung und Säuglingskrankheiten. Berl. 
klin. Wochenschr. 1900. No. 17. S. 867. 

Dieser sehr lesenswerthe „Säkularartikel“ bringt die Ernährungsfrage 
der Säuglinge im vergangenen Jahrhundert, die zu einer immer brennenderen 
wird, jemehr die Surrogate an Stelle der Muttermilch treten, und jemehr mit dem 
Anwachsen der Grossstädte die Versorgung der Bevölkerung mit frischer Kub- 
milch erschwert ist (vergl. Nietner, diese Zeitschr. 1900. S. 174). Er tritt 
mit Biedert (diese Zeitschr. 1900. S. 893) für die Errichtung besonderer, 
der Ernährung der Kinder gewidmeter Versuchsstationen ein und betrachtet 
die Prophylaxe der mörderischsten aller Kinderkrankheiten, der Verdanungs- 
krankheiten, als die Aufgabe des neuen Jahrhunderts, wie Frankreich 


36 Ernährung. 


in Folge seiner geringen Geburtenziffer schon jetzt für günstige Ernährung des 
Kindes durch Abgabe vou sterilisirter Milch in öffentlichen Ordinationsanstalten 
u. 8. w. sorgt. E. Rost (Berlin). 


Finkelstein H. Ueber säureliebende Bacillen im Säuglingsstuhl. 
Vorläufige Mittheilung. Aus der Kinderklinik am Königl. Charite-Kranken- 
hause in Berlin. Deutsche med. Wochenschr. 1900. No. 16. S. 268. 

Durch Verwendung stark angesäuerter Nährböden liessen sich im 

Säuglingsstuhl konstant eigenartige, fadenbildende und verzweigte Mikro- 
organismen nachweisen, deren systematische Stellung noch unsicher ist. Ausser- 
dem wurden noch verschiedene Bakterienarten mit dieser Methode gefunden. 
Dieselbe besteht darin, dass man Stuhlpartikelchen in 0,5—1proc. Essigsäure- 
bouillon, der 2 pCt. Traubenzucker zugesetzt sind, einsät und nach 24—48 Stun- 
den auf Zuckeragar weiterimpft. In gewissen pathologischen Fällen trat eine 
auffallende Vermehrung der nach Gram färbbaren und säureliebenden Bak- 
terien ein, insbesondere wurde dies beobachtet bei Erkrankungen, die durch 
Infektiosität, auffallende Renitenz gegenüber diätetischer Therapie und durch 
das Vorwiegen schwerer nervöser Störungen im Symptomenbild ausgezeichnet 
waren. Ob es sich bei der Wucherung der säureliebenden Bakterien um ätio- 
logische oder um symptomatische Beziehungen handelt, liess sich noch nicht 
feststellen. Auch eine Pathogenität der Bakterien für die gewöhnlichen Ver- 
suchsthiere konnte noch nicht nachgewiesen werden; für junge Ziegen schei- 
nen die Kulturen, in grösseren Mengen verfüttert, pathogen zu sein. Ausführ- 
liche Mittheilung wird in Aussicht gestellt. Dieudonné (Würzburg). 


Lam A., Ueber den normalen refraktometrischen Werth für Butter. 
Chem.-Ztg. 1900. No. 37. S. 394. 

An der Hand einer Reihe von Butteruntersuchungen, die periodisch 
während der Jahre 1898 und 1899 vom Verf. in Rotterdam ausgeführt 
wurden, weist Verf. nach, dass der für Deutschland höchste zulässige normale 
Refraktometerwerth mit 44,2 bei 40°C. zu niedrig angenomnen ist für 
die holländische Kuhbutter. Die Untersuchung der unter amtlicher Aufsicht 
gemolkenen und verbutterten Proben ergab folgende Jahreswerthe: 


1898 1899 
Min. Mittel Max. Min. Mittel Max. 
Flüchtige Fettsäuren . . . 21,2 24,5 27,5 21,7 25,6 30,2 
Verseifungzzahl . . . . . 219 225 229 - =- — 
Refraktometer(R) Werth bei 40° 43,9 45,5 47,8 44,5 45,9 48,0 
AR für 10C.. .. . . . 0,49 052 0,56 0,51 0,52 0,55 


Nach dem Ergebniss der refraktometrischen Untersuchung würden 94 pCt. 
der vom Verf. untersuchten garantirt reinen Butterproben einer Verfälschung 
verdächtig erscheinen; er empfiehlt daher 46,0 als höchste zulässige Refrakto- 
meterzahl bei 40° für unverdächtige Butter zu betrachten, wenigstens sofern 
holländische Butterproben vorliegen. Mit der Refraktometerzahl in ziemlich 
engem Zusammenhang steht: auch die Reichert-Meissl’sche Zahl, indem 
eine niedrige R.-M.-Zahl einem hohen Brechungsindex entspricht, sodass eine 


Ernährung. 37 


Anzahl der betr. Proben auch eine auffallend niedrige Reichert-Meissl’sche 
Zahl zeigt. 

Des weiteren weist Verf. nach, dass die auf der Refraktometerskala ange- 
nommene Aenderung von 0,55 Skalentheilen pro 1° C. zu hoch ist; er selbst 
fand im Mittel nur 0,52, aber auch noch Werthe von 0,49; er empfiehlt daber 
das Thermometer, worauf die Skalentheilen statt der Temperaturgrade ange- 
bracht sind, zu vermeiden und die Refraktometerzahl immer bei 40°C. zu 
bestimmen. Noch besser, wenn auch umständlicher, wäre es wohl, diese Ab- 
lesungen bei drei verschiedenen Temperaturen (etwa bei 23, 34 und 45°C.) 
vorzunehmen und daraus die Zahl für 40°C. und die Differenz pro 1° C. zu 
berechnen. „Diese Beobachtungen mahnen ernstlich zur Vorsicht bei Beur- 
tbeilung der holländischen Butter, welche auch in Deutschland gekauft wird.“ 

Wesenberg (Elberfeld). 


Leichmann G. und v. Bazarewski S., Ueber einige in reifem Käse ge- 
fundene Milchsäurebakterien. Centralbl. f. Bakteriol. 1900. Abth. II. 
Bd. 6. No. 8—10. S. 245 ff. 

In vorliegender Arbeit werden 5 neue, im reifen Käse vorkommende 
Arten bekannt gegeben, bei deren Beschreibung aber in anerkennenswerther 
Weise anach eine Reihe schon bekannter „Milchsäurebakterien“ zum Ver- 
gleich berangezogen worden sind, sodass durch deren möglichste Zusammen- 
fassung der Ueberblick über die grosse Anzahl schon bekannter Milchsäure- 
bakterien nicht erschwert, sondern glücklicherweise eher erleichtert wird. 

Die Verff. züchteten aus Emmenthaler, Chester und Goudakäse 
4Stäbcben und 1 Streptokokkus, die sie Bacterium casei I, II, II, IV resp. 
Streptococce. casei nannten. Sämmtliche Arten zeigten im Gelatinestich- 
kanal ein üppiges Wachsthum, viel besser als an der Oberfläche, waren 
bewegungslos, färbten sich nach Gram und bildeten Milchsäure. Am 
leichtesten zersetzen sie Traubenzucker, dann erst Milchzucker, weniger leicht 
Maltose. Mannit wird ebenfalls von allen zerlegt, nur nicht vom Streptococc. 
casei. 

Eigenthümlich ist, dass sich die Organismen in Substraten ohne gähr- 
fähige Kohlenstoffe nicht vermehren, im Gegensatz zu Bact. lactis aëro- 
genes und Bact. coli, die ja bekanntlich auch in völlig zuckerfreien Nähr- 
lösungen gedeihen. 

Das Bact. casei I und II halten die Verff. unter sich und auch mit 
dem von v. Freudenreich gefundenen Bacillus a aus Emmenthaler Käse 
für vollständig identisch. Ferner weisen diese Bakterien Aehnlichkeit auf 
mit den von Weiss aus Rübenschnitzeln gezüchteten Bacterium pabuli 
acidi ] und II. Verschieden sind nur die Temperaturgrade, bei denen das 
Wachsthum sistirt, und die den „Rübenachnitzelbakterien“ zukommende Eigen- 
schaft der Fähigkeit, Rohrzucker zu vergähren, was die neu gefundenen 
Organismen nicht vermögen. 

Auch bei Bact. casei III -konnten keine durchgreifenden Unterschiede 
gegenüber den vorgenannten gefunden werden. Es steht dem Sacchero- 
bacillus pastorianus von Laer und dem Bact. pabuli acidi III nahe. 


38 Ernährung. 


Endlich wird gezeigt, dass Bact. casei IV mit dem Bact. lactis 
acidi Leichmann identisch ist, und letzteres wiederum mit dem Strepto- 
coccus casei in vielen Punkten übereinstimmt, der, der etwas kurzen Be- 
schreibung entsprechend, auch ein Kurzstäbchen sein könnte. 

So würden alle diese neuen Arten, da sie auf der Oberfläche sehr zartes 
Wachsthum zeigen, kein Gas bilden, unbeweglich sind und Rechtsmilchsäure 
hervorbringen, in allernächste Verbindung mit dem Bacterium Güntheri 
L. und N., dem Bact. lactis acidi Leichmann, dem Bacillus lactis 
Kruse und dem Bacillus acidi paralactici Kozai zu bringen sein. (Ref.) 

Zu erwähnen ist, dass nach 2jährigem Fortzüchten besonders im Stich- 
kanal ästchenartige Bildungen auftraten und auch sonst sich kleine Abwei- 
chungen zeigten. R. O. Neumann (Kiel). 


Epstein, Stanislaus, Untersuchungen über Milchsäuregährung und ihre 
praktische Verwerthung. Arch. f. Hyg. 1900. Bd. 37. S. 329. 

Nach eingehender Besprechung und Würdigung der in der Literatur vor- 
handenen Angaben über Milchsäuregährung und Käsereifung muss, be- 
sonders auf Grund der Arbeiten von v.Freudenreich, Hüppe, Olsen, Weig- 
mann, die Ansicht in den Vordergrund treten, dass die Milchsäurebakte- 
rien wohl die wichtigste Rolle bei der Reifung des Käses spielen, wenigstens 
dieselbe in die richtigen Wege leiten, im Gegensatz zu Duclaux und Cohn, 
nach deren Angaben den Tyrothrixarten bei dem Reifungspröcess eine 
grössere Rolle zuerkannt wurde. 

Da nun, wie v.Freudenreich, Hüppe und Persyn angeben, die richtige 
Milchsäuregährung für die Einleitung der richtigen Käsereifung entscheidend 
und für die Hartkäse die richtige Milchsäuregährung für den ganzen Ver- 
lauf bestimmend ist, so lag es nahe, die im Handel befindlichen „Säure- 
wecker“ einer Untersuchung zu unterziehen, in welcher Weise sie eine rich- 
tige Milchsäuregährung einzuleiten im Stande sind. 

Verf. untersuchte sechs „Säurewecker“ und ausserdem acht aus verschie- 
denen Medien gezüchtete Milchsäurebakterien auf ihre kulturellen Eigenschaften, 
ihre Stoffwechselprodukte, auf die gebildete Milchsäure und auf die Käsereifung. 

In den „Säureweckern“ fanden sich in einigen Fällen neben den Milch- 
säurebakterien auch Stäbchen ans der Subtilisgruppe, die aber zu weiteren 
Untersuchungen nicht berangezogen wurden. 

Bezeichnend ist, dass unter den Produkten der Bakterien in allen Fällen 
Milchsäure in den Vordergrund tritt, ausserdem aber noch Nebenprodukte 
gebildet werden, welche wohl auf später aus der Milch herzustellende Butter 
und Käse von bestimmendem Einfluss sind. Ausserdem ist die absolute Milch- 
säuremenge unter ganz gleichen Aussenbedingungen für die einzelnen Arten 
der Mikroorganismen sehr verschieden. 

Die zusammenfassenden Resultate sind, dass die Milchsäuregäbrungs- 
Organismen thätsächlich die Richtung der Käsereifung bestimmen und eine 
richtige Reifung einleiten und vermuthlich auch zu Ende führen können. Die 
Arten der Milchsäureerreger sind entscheidend für die Form, in welcher die 
Reifung eintritt. 


Ernährung. 39 


Im Einklang damit stehen die von Leichmann nnd v. Bazarewski 
gemachten Angaben über die gefundenen Milchsäurebakterien aus Emmenthaler, 
Chester und Goudakäse (vergl. das vorige Referat). 

R. O. Neumann (Kiel), 


Lewin L., Ueber die toxikologische Stellung der Raphiden. Deutsche 
med. Wochenschr. 1900. No. 15 u. 16. S. 237 ff. 

In botanischen und auch in medicinischen Kreisen ist die Meinung ver- 
breitet, dass die Giftwirkung gewisser Pflanzen auf deren Gebalt an Raphi- 
den, d. b. nadelförmigen Krystallbündeln von oxalsaurem Kalk, zurückzuführen 
sei, die in mit Schleim erfüllten Vakuolen eingeschlossen sind. Verf. weist 
aber nach, dass die Raphiden an sich indifferente Körper darstellen, deren 
teleologische Bedeutung nicht sein kann, grosse Thiere vom Genuss der Pflan- 
ıen, in denen sie vorkommen, abzubalten. Ueberhaupt ist nach L. weder das 
Vermeiden einer Pflanze seitens gewisser Thiere ein Kriterium ihrer Schäd- 
lichkeit, noch das Verzehrtwerden ein Zeichen ihrer Unschädlichkeit. 

Dieudonne (Würzburg). 


van Laer H., Contribution à l’etude des fermentations visqueuses. 
Recherches sur les bières à double face. Annales de l'Institut 
Pasteur. 1900. No. 2. p. 82. 

In Belgien bezeichnet man unter dem Namen „double face“ oder 
ntweeskinde“ eine Krankheit einiger Biersorten, speciell der Faros und 
Lambics, welche darin besteht, dass das Bier bei durchfallendem Licht hell 
und durchsichtig, bei auffallendem Licht hingegen milchig getrübt erscheint. 
Verf., der als Studien-Direktor des Brauerei-Instituts in Gent zahlreiche Ver- 
suche ausgeführt hat, konnte feststellen, dass die double face in enger Be- 
ziehung steht zu der schleimigen Gährung. Eine solche Veränderung 
tritt stets auf, wenn das Bier unter gewissen Bedingungen aufbewahrt wird. 
100 Flaschen Bier, welche zuerst offen und dann nach Bildung einer Kahm- 
haut gut verschlossen bei 18--20°C. gehalten wurden, wurden alle schleimig 
and zeigten deutliche „double face“; nach einem Jabre war der Inhalt nicht 
mehr fadenziehend, aber in einigen Flaschen bestand noch „double face“. 

Um den Erreger der „double face“ zu gewinnen, verwandte Verf. be- 
fallene Lambics verschiedener Herkunft, liess dieselben einige Wochen lang 
steben, überimpfte I ccm der klaren Flüssigkeit in sterilisirte Bierwürze 
gleichzeitig mit etwas abgeschwächter Hefe. Nachdem die Gährung beendigt 
war, wurde die Flüssigkeit in sterile Flaschen gegossen, die Flaschen bis oben 
gefüllt, verschlossen und bei Zimmertemperatur aufbewahrt. Viele Flaschen 
werden schleimig, mit einem zoogloeaartigen Bodensatz, daneben zeigt die 
Flüssigkeit „double face“. Der Bodensatz wird in Bierwürze übergeimpft, und 
nach 2—3 Tagen werden Platten mit Bierwürze-Gelatine angelegt. In den 
flüssigen Kulturen finden sich zahlreiche 1,7— 2,8 „ lange und 0,5—0,8 „ breite 
Stäbchen, welche eine elliptische oder eine längliche Kapsel bilden, oder deren 
Kapseln zu einer gallertigen eiereiweissartigen Masse verschmolzen sind. Die 
Stäbchen sind auch zu 2 oder in Tetraden und Sarcinenformen angeordnet, 


40 Ernährung. 


Verf. hat den von ihm untersuchten Mikroorganismus Bacillus viscosus 
bruxellensis genannt. In flüssigen Kulturen kommt es nach wenigen Tagen 
zur Schleimbildung, später verschwindet diese dickflüssige Konsistenz wieder. 
Verschiedene Bierwürzen verhalten sich nicht gleich in Bezug auf Schleim- 
bildung. Die Lambics mit „double face“ enthalten stets weniger Alkohol und 
mehr Extrakt als die gesunden; Verf. nimmt an, dass die Entwickelung der 
Hefen beeinträchtigt sei. Aus diesem Grunde werden mit Vorliebe die 
Weizenbiere, wie Lambic und Faro, von spontaner Gährung befallen, wäh- 
rend bei Biersorten, welche mit Hefe geimpft wurden, nur ausnahmsweise 
Schleimbildung mit „double face“ auftritt. — In aeroben Kulturen bildet der 
B. viscosus bruxellensis keinen Schleim, derselbe kann sogar diese Eigen- 
schaft ganz verlieren. Am günstigsten für den B. viscosus hat sich die Kultur 
in Gelatine unter einer Oelschicht erwiesen. Eine Kultur in Bierwürze, welche 
das schleimige Stadium nicht mehr aufweist, wird wiederum fadenziehend 
unter dem Einfluss von Mycod. cerevisiae oder von gewissen Schimmel- 
pilzen (Symbiose). Der Bac. visc. bruxellensis zersetzt nicht nur die 
N-haltigen Substanzen; dieser Mikroorganismus greift auch die Kohlehydrate 
an unter Bildung von Milchsäure und von anderen Säuren. 
Silberschmidt (Zürich). 


Thomas $., Die flüssige Kohlensäure des Handels. Zeitschr. f. angew. 
Chem. 1900. S. 386. 

Mehrere Proben flüssiger Kohlensäure wurden qualitativ auf An- 
wesenheit von Verunreinigungen geprüft, indem das Gas mehrere Stunden laug 
durch Jodjodkaliumlösung (schweflige Säure) durch saure Bleiacetatlösung 
(Schwefelwasserstoff) und durch koncentrirte Schwefelsäure und saure und . 
alkalische Kaliumpermanganatlösung (organische Verunreinigungen) geleitet 
wurde; in allen 5 Proben konnte irgend eine dieser 3 Verunreinigungen nicht 
gefunden werden. Wohl aber waren Wasser und Kohlenoxyd sowie Luft in 
wechselnden Mengen vorhanden: 


Wasser- Gebalt an in 
Flasche Ursprung der CO, gebalt NaOH unlösl. Gasen Natur des 
pCt. Vol. pCt. Gases 
i Aus Coke (Verfahren 
von Ozouf) 0,07 2,0 Luft 
I Natürliche 0,10 0,8 k 
HI Aus Magnesit 0,13 4,0 Kohlenoxyd 
IV Künstliche (Verfahren?) 0,03 3,4 a 
V Aus CO;-haltigen Gesteinen 0,17 5,7 Luft von 85,1 


Vol.-pCt N u. 

14,9Vol.-pCt.O. 

Weitere Versuche ergaben, dass die verunreinigenden Gase (CO und Luft) 

mit den ersten Portionen der Kohlensäure fast völlig entfernt werden, sodass 

die zurückbleibende CO, dann fast rein ist. Als alles Gas abgeblasen war, 

wurde der in den Cylindern zurückgebliebene Rest noch untersucht und Wasser 

von 0,5 g bis 517 g (auf 10 kg CO2) sowie suspendirtes Eisenoxyd von Spuren 
bis zu 3 g gefunden. Wesenberg (Elberfeld). 


Ernährung. 41 


Messinger J, Anmerkungen zur Abhandlung von W. Fresenius und 
L. Gränhut: „Kritische Untersuchungen über die Methoden zur 
quantitativen Bestimmung der Salicylsäure“. Journ. f. prakt. Chem, 
1900. S. 237. 

Fresenius und Grünhut haben gelegentlich ihrer Untersuchungen über 
die quantitative Bestimmung der Salicylsäure das Verfahren von 
Messinger und Vortmann als unbrauchbar bezeichnet (vergl. das Referat in 
dieser Zeitschr. 1900. S. 282). 

Verf. weist nun auf Grund einer Anzahl Analysen nach, dass die jodo- 
metrische Methode ohne Weiteres richtige Resultate liefert, wenn auf 1 Mol. 
Salicylsäure mindestens 6 Mol. Alkali sowie ein genügender Ueberschuss von 
Jod verwendet werden; die Umsetzung geht dann vach folgender Gleichung 
vor sich: 

og +3 NaOH +6J I A +8 NaJ +3H,0 
È a = 3 
N 600Na "FF 000Na 4 


Von 1 Mol. Salicylsäure werden also 6 Mol. Jod gebunden, analog verläuft 
der Process beim Phenol, dagegen kommen 

auf 1 Mol. Thymol 4 Mol. Jod und 

» 1 „ ANaphtold „ „ 
Zar Titration wird die stark alkalische Lösung im Wasserbade auf 60—650 


erwärmt und dann mit 5 Jodlösung unter Umschütteln bis zur dunkelbraunen 


Färbung versetzt, dann abermals auf 60— 65° gebracht und bei dieser Tempe- 
ratar mindestens 5 Minuten lang kräftig geschüttelt, bis ein zusammenge- 
ballter Niederschlag sich bildet, wäbrend die Flüssigkeit selbst klar sein 
muss; nach dem Abkühlen und Ansäuern mit verdünnter Schwefelsäure wird 
durch ein Faltenfilter gegossen, und der Niederschlag gründlich nachgewaschen. 


Im Filtrat wird das überschüssige Jod durch 5 Natriumthiosulfatlösung be- 


stimmt. 

Bei der Bestimmung von Naphtol muss die Flüssigkeit beim Jodzusatz 
auf etwa 65—70° gebracht werden, während beim Thymol die Jodirung 
schon bei gewöhnlicher Temperatur vor sicb geht. 

Wesenberg (Elberfeld). 


Wabi Fr., Ueber den Gehalt des Tabakrauches an Kohlenoxyd. 
Pflüger’s Arch. f. d. ges. Physiol. Bd. 78. S. 279. 

Den Gehalt des Tabakrauches an Kohlenoxyd ermittelte Verf. je 
nach den Versuchsbedingungen (Verrauchen mit Aspirator oder Einblasen des 
Rauches beim Selbstversuch in einen Kolben unter verschiedenen Bedin- 
gungen) zu 

0,6— 2,7 Vol.-pCt. für Tabak und 
1,9—7,6 k » Cigarren. 

Selbstversuche in einem kleinen Raume, in dem 12—15 Cigarren theils 
som Verf. selbst, theils künstlich verraucht wurden, ergaben, dass bei 31/3 


42 Desinfektion. 


bis 4stündigem Aufenthalte in einer derartigen, die Augen heftig reizenden 
Atmosphäre, deren Gebalt an Kohlenoxyd sich zu etwa 0,008 bezw. 0,02 pCt. 
berechnete, Vergiftungssymptome irgend welcher Art sich nicht zeigten, ob- 
wohl, wie aus den Blutuntersuchungen an Kaninchen hervorgeht, die gleich- 
zeitig mit Wahl in dem betreffenden Raume sich befanden, Kohlenoxyd in 
das Blut aufgenommen worden war. Bemerkenswerth ist, dass sich zum CO- 
Nachweis im Blut die Tanninprobe als empfindlicher erwies, als 
das Spektroskop, welch letzteres CO nicht mehr erkennen liess, obwohl 
die Tanninprobe deutlich positiv ausfiel. 

Aus den Versuchen geht hervor „erstens, dass Kohlenoxyd aus dem Tabak- 
rauch in das Blut aufgenommen wurde, und zweitens, was das wesentlichste 
ist, dass das hochgradig verdünnte Gas im Körper während etwa 4 Stunden 
eingeathmet keine üblen Folgezustände, geschweige denn gefährliche Vergif- 
tungen zu Stande brachte. Vom hygienischen Standpunkte aus kann man 
mithin, was den Kohlenoxydgehalt des Tabakrauches angeht, von einer Schäd- 
lichkeit des Rauchens unter den gewöhnlichen Verbältnissen nicht wohl reden. 
Wie sich die Sache gestaltet, wenn die kleine Menge Kohlenoxyd, die vom 
raucbenden Menschen unzweifelhaft eingeathmet wird, unausgesetzt zur Auf- 
nahme gelangt, müsste weiter untersucht werden.“ 

Wesenberg (Elberfeld). 


Jaehn, Ein neuer Dampf-Sterilisationsapparat. Deutsche mil.-ärztl.Zeit- 
schr. 1900. H. 7. S. 391. 

J. hat einen Apparat zur Sterilisirung von Instrumenten und Ver- 
bandsachen hergestellt, der sich für kleinere Betriebe, für die ärztliche 
Sprechstunde und auch für Feldverhältnisse eignen soll. 

Die Einrichtung wird an der Hand einer Zeichnung näher dargelegt. In 
dem Apparat werden gleichzeitig die Instrumente durch Auskochen und die 
Verbandsachen durch Dampf, der von oben nach unten strömt, keimfrei ge- 
macht. Genaue Angaben über Grösse und Preis des Apparats sind leider 
nicht gemacht. Hormann (Strassburg i. Els.). 


Poleck, Ueber die Entwickelung der Grossdesinfektion mit Form- 
aldehyd- bis zu ihrer heutigen Gestaltung. Deutsche mil.-ärztl. Zeit- 
schr. 1900. H. 6. $. 371. 

Nach einer geschichtlichen Uebersicht über die Entwickelung der 
Formaldehyddesinfektion kommt P. zu dem Schluss, dass für praktische 
Zwecke nur der sogenannte Breslauer Apparat in Frage kommt, und zeigt an 
einem Beispiel, wie die Wohnungsdesinfektion vorgenommen wird. 

Bei Cholera, Typhus und Ruhr, wo eine Verbreitung der Krankheitskeime 
pur in die nächste Umgebung des Kranken stattfindet, ist nach P.’s Ansicht 
die reine Formaldehyddesinfektion nicht am Platze; bier müsse vielmehr die 
Sterilisirung der Bettsachen und der Wäsche mit Dampf, die der Ausleerungen 
mit desinficirenden Flüssigkeiten gefordert werden; bei Erysipel, Pocken und 
Pest reiche Formaldehyd allein nicht aus, weil hier ein tieferes Eindringen 


Desinfektion. 43 


in das Krankenlager vorkomme; bei Phthise, Diphtherie, Scharlach und Influ- 
enza genüge dagegen die Oberflächendesinfektion mit Formaldehyd. (Nach 
Ansicht des Ref. muss in letzteren Fällen ebenso wie in den vorgenannten 
eine Dampfdesinfektion der Bettsachen und Wäsche erfolgen.) 

Zum Schluss weist P. auf die Nothwendigkeit der Ausbildung von ge- 
schulten Desinfektoren, die unter Oberaufsicht eines ärztlichen Sachverstän- 
digen arbeiten, hin. Hormann (Strassburg i. Els.). 


Chemische Fabrik auf Aktien (vorm. E. Schering) in Berlin. Verfahren 
zur Desinfektion mittels Formaldehyds. Patentschr. No. 110 710. 
Nach einem älteren, der Firma Schering patentirten Verfahren zur Des- 
infektion mittels Formaldehyds wurde Paraformaldehyd durch wasser- 
haltige Verbrennungsgase erhitzt und die. Heizgase so geleitet, dass sie sich 
mit den entwickelten Formaldehyddämpfen mischen mussten. Man kann nun 
nach dem nea patentirten Verfahren statt Paraformaldehyd Formaldehydlösung 
nehmen, da hierbei keine Polymerisation eintritt. Der Grund für das Aus- 
bleiben der Polymerisation soll darin liegen, dass die heissen Verbrennungs- 
gase durch ihren starken Auftrieb nach oben die Formaldehyddämpfe stark 
ansaugen, sodass keine Gasstauung zu Stande kommen kann. 
Martin (Berlin). 


Bengne, Vertheilungsrad für Trioxymethylenvergaser und dergl. 
Patentschr. No. 108 103. 

Die kleine Vorrichtung ermöglicht ein Vergasen des Trioxymethylens 
und Vertheilung der entstehenden Formaldehyddämpfe durch blosses Auf- 
setzen des Apparates auf eine brennende Lampe. Ein’ metallener Bügel, 
welcher sich auf der oberen Kante eines Lampencylinders leicht festklemmen 
lässt, trägt auf seiner Höhe ein offenes Näpfchen, so dass dieses gerade über 
der Achse des Lampencylinders sich befindet, und zwar so hoch, dass der 
Luftzug in der Lampe nicht gestört wird. Von der Mitte des Bodens des 
Näpfchens geht eine Nadel gerade nach oben, deren Spitze über den oberen 
Rand des Näpfchens hervorragt. Auf diese Spitze wird ein kleinesWindrad 
mit Flügeln aus Glimmer aufgesetzt. Die Wärme der Lampe bringt das in 
das Näpfchen gebrachte Trioxymethylen zur Vergasung und die aufsteigenden 
Dämpfe und heissen Gase der Lampe versetzen das Rädchen in Bewegung, 
wodurch eine Vertheilung der Dämpfe herbeigeführt wird. 

Martin (Berlin). 


Vellbrecht, Hände- und Hautdesinfektion mittels Seifenspiritus. 
Deutsche mil.-ärztl. Zeitschr. 1900. H. 1. S. 41. 

Vollbrecht tritt warm für die von Mikulicz eingeführte Anwendung 
des Seifenspiritus zur Desinfektion der Haut bei chirurgischen Eingriffen 
ein. Er empfiehlt diese Methode besonders für Militärlazarethe, da sie gegen- 
über der sonst üblichen Desinfektion mit Wasser und Seife, Alkohol und 
Sablimat eine erhebliche Vereinfachung und Zeitersparniss bedeute, ein grösseres 


44 Desinfektion. 


Hülfspersonal überflüssig mache und billig sei. Die erzielten Resultate sprächen 
für die Vortrefflichkeit der Methode. 

Bakteriologische Untersuchungen über die erreichte Keimfreiheit der Haut 
sind in dem Aufsatz nicht enthalten. Hormann (Strassburg i. Els.). 


Deeleman, Beitrag zur Händedesinfektion mit Dr. Schleich’s Marmor- 
staubseife. Deutsche mil.-ärztl. Zeitschr. 1900. H. 8 u. 9. S. 434 ff. 

D. suchte durch eingehende bakteriologische Prüfung festzustellen, ob 
durch die Anwendung der von Schleich empfohlenen Marmorstaubseife 
eine Keimfreiheit der Hände erreicht werde oder nicht. Er infieirte bei 
seinen Versuchen die Haut der Finger, Hände und Unterarme mit verschieden- 
artigem Material, mit Kartoffel- und Gartenerde, Panaritinm- und Abscesseiter, 
mit Reinkulturen von Staphyl. aur., Pyocyaneus und Prodigiosus, reinigte sich 
die betreffenden Stellen darauf in vorgeschriebener Weise mit Marmorstaub- 
oder Sandseife und legte dann mit Oberhauttheilchen, die er durch leises 
Abschaben gewonnen hatte, Kulturen auf Gelatine bezw. Kartoffeln an. Im 
Gegensatz zu den ungünstigen Resultaten von Krönig und Blumberg, sowie 
von Paul und Sarwey (Münch. med. Wochenschr. 1900, No. 29, 30 bezw. 
No. 27—31) kommt er dabei zu dem Schluss, dass die Schleich ’sche Seife, 
mit Marmorstaub oder Sand zubereitet, ein ausgezeichnetes Desinficiens für 
die Hände darstellt, falls nur die von Schleich gegebenen Vorschriften zu 
ihrer Anwendung genau und gründlich befolgt werden. Von einem Gebrauch 
der Seife im bakteriologischen Laboratorium räth D. jedoch ab, da durch 
kleine scharfe Marmortheilchen feine Risse der Haut hervorgebracht werden 
können. 

Um ein Verschmutzen, Hart- und Trockenwerden der Seife zu verhüten, 
muss sie in gut schliessenden Porcellan- oder Blechbüchsen aufbewahrt werden. 
D. empfiehlt zum Schluss die Verwendung der Seife in den Militärlazarethen 
und die genaue Unterweisung des Sanitätspersonals in ihrem Gebrauch. Die 
ebenfalls aufgestellte Forderung, auch die Mannschaften mit der Methode 
bekannt zu machen, ist wohl etwas zu weit gehend. 

Hormann (Strassburg i. Els.). 


Naether, Versuche über Beseitigung der Diphtheriebacillen aus der 
Mundhöhle von Rekonvalescenten. Deutsche mil.-ärztl. Ztschr. 1900. 
H. 5. S. 241. 

Da trotz Anwendung des Behring’schen Serums die Diphtberiebacillen 
oft noch lange Zeit, Monate lang. im Mundschleim von Rekonvalescenten auf- 
treten — nach Naether hauptsächlich in Folge des Vorbandenseins von viel- 
gestalteten Lakunen mit z. Th. engen Eingangspforten — und da auch Gesunde 
den Diphtheriekeim beherbergen und zur Weiterverbreitung der Krankheit bei- 
tragen können, suchte N. nach einem als Gurgelwasser brauchbaren che- 
mischen Mittel, das geeignet wäre, die Löffler’schen Stäbchen möglichst 
schnell und sicher aus dem Halsschleim zu beseitigen. 

Der Reagensglasversuch (mehrfaches Bespülen einer frisch angelegten 
Serumkultur mit der zu prüfenden Flüssigkeit) zeigte, dass zur Abtödtung der 


Statistik. 45 


Dipbtheriebacillen eine ganze Reihe chemischer Körper befähigt ist; so Lith. 
carbon. (1 pCt.), Ac. boric. (2 pCt.), Hydrarg. cyanat. (0,01 pCt.), Natr. carbon. 
(1 pCt.) und endlich käufliches (3 pCt.) Hydrogen. peroxydat., selbst in nur 
0,75 proc. Lösung. Nur mit dem letzteren Mittel wurde weiter experimentirt, da 
es weder unangenehm schmeckt noch schädlich oder theuer ist. Während es 
aber im Reagensglasversuch schon in sebr geringer Koncentration (0,0225 pCt. 
H,0,) eine grosse keimtödtende Wirkung zeigte, erwies es sich in der Praxis, 
als Gurgelwasser bei Diphtherie-Rekonvalescenten, unwirksam. Der Grund 
hierfür ist nach Naether in dem stets vorhandenen Mundschleim und Speichel 
zu suchen, der die Bacillen schützend umhällt. Die Richtigkeit dieser An- 
scbauung ergab der Reagensglasversuch: wurden die auf dem Serum auszu- 
säenden Diphtheriebacillen vorber mit Mundschleim innig vermengt, so ver- 
sagte jetzt selbst eine Spülung mit einer 10—15 proc. Lösung des käuflichen 
Hydrog. peroxydat. (—0,8—0,45 pCt. H202). Als N. aber zunächst mit einer 
schleimlösenden Flüssigkeit, Ammon. carbon. (0,5—1 proc.), und dann mit 
0,3 proc. H,O, spülte, wurde wiederum eine Abtödtung der Diphtheriestäbchen 
erreicht. Das Ammon. carbon. besitzt nach N.’s Versuchen und Tabellen eine 
ganz hervorragende mobilisirende Eigenschaft, es macht durch Lösen der 
Schleimschicht immer neue Keime frei und dadurch auch für die Einwirkung 
von Desinficientien zugänglich. f 

Auf Grund dieser seiner Versuche schlägt N. vor, Diphtherie-Rekon- 
valescenten zunächst mit Ammon. carbon. (1 pCt.) und unmittelbar darauf 
mit käuflichem Hydrog. peroxydat. (10 proc.) je 1/3 Minute gurgeln zu lassen. 
Er verkennt dabei nicht, dass auch dieses Verfahren versagen kann, dass man 
mitunter genöthigt sein wird, eine direkte Behandlung der Tovsillarlakunen 
mit stärker desinficirenden Mitteln vorzunehmen. 

Hormann (Strassburg i. Els.) 


Drouineau G., Année démographique 1898. Rev. d’Hyg. 1900. Bd. 22. 
No. 1. S. 1. 

Das Jabr 1897 hat Frankreich eine verhältnissmässig erhebliche Be- 
völkerungszunahme gebracht, aber nicht in Folge eines Ansteigens der 
Geburtenziffer, die vielmehr niedriger als 1896 war, sondern nur dank der 
ausnahmsweise geringen Mortalität. Aehnlich lagen die Dinge 1896. Im 
Jahre 1898 haben sich die Verhältnisse wieder wesentlich ungünstiger gestaltet. 
Die Geburtenziffer ist von 224 pM. auf 221 pM. gesunken, die Sterblichkeit 
von 196 pM. auf 212 pM. gestiegen. Die Zahl der Geburten übersteigt die 
der Todesfälle nur um 33 860. Wodurch die Erhöhung der Mortalität bedingt 
ist, lässt die Statistik nicht klar ersehen; Infektionskrankheiten scheinen keinen 
wesentlichen Antheil daran zu haben. 1898 kamen in 48 Departements mehr 
Todesfälle als Geburten vor, nur in 39 Departements überwog die Geburten- 
ziffer. Die Vertheilung der günstigen und ungünstigen Departements war 1898 
fast genau dieselbe wie in den Vorjahren. Geburtenüberschuss haben stets 
Bretagne, die central gelegenen Departements ausser Puy-de-Döme, ferner Paris, 


46 Statistik. 


Corsica und eine Anzahl Grenzbezirke. Gebiete, in denen die Mortalität die 
Natalität übersteigt, sind regelmässig Departement Puy-de-Döme, Theile der 
Normandie, Champagne, Provence und die Gegend um Toulouse. 

Der Jahresdurchschnitt für 1889—1898 zeigt dasselbe Bild. Der ge- 
sammte Bevölkerungszuwachs betrug in dieser Periode, die Einwanderung ab- 
gerechnet, 281 403 Köpfe, der Ueberschuss der Geburten über die Todesfälle 
7,4 pM. gegen 20 pM. in den Jahren 1879—1888. Verf. vermuthet, dass die 
Lage der Dinge für die französische Nation noch ungünstiger erscheinen wird, 
wenn man in der Statistik die eingeborenen Franzosen und die Einwanderer 
gesondert in Rechnung stellen würde. Er verlangt staatliche Maassnahmen, 
um die Mortalität möglichst niedrig zu halten, in weitestem Umfange. Ob 
damit auf die Dauer dem „Absterben der Nation“ wird Einhalt gethan werden 
können? R. Abel (Hamburg). 


Janssens E., Statistique démographique et médicale de l’agglo- 
meration bruxelloise. Bullet. de l’acad. royale de med. de Belg. 1900. 
T. 14. No. 2. p. 103. 

Aus den zahlreichen Tabellen mögen hier nur die folgenden Zahlen über 
die Sterblichkeit in Brüssel wiedergegeben werden, da dieselben für die 
Assanirung dieser Stadt sprechen. 

Von 1000 Einwohnern starben jährlich: 


1864—1873 30 1889—1893 22 

1874— 1883 25 1894—1898 18,4 

1884—1888 24 1899 17,6 

An Infektionskrankheiten starben von 10 000 Einwohnern jährlich: 
1869—1873 53,2 1884—1888 17,2 
1874—1878 23,2 1889—1893 14,7 
1879--1883 16,9 1894—1898 8,6 
1899 8,7 


Die Zahl der Geburten betrug 1899 28,1 auf 1000 Einwohner. 
Wesenberg (Elberfold). 


Maeder, Carl, Die stetige Zunahme der Krebserkrankungen in den 
letzten Jahren. Eine vergleichend-statistische Studie über die 
Frequenz derTodesfälle an Krebs und an Tuberkulose in Preussen, 
Sachsen und Baden. Aus d. hygien. Institut der Univ. Breslau. Zeit- 
schr. f. Hyg. u. Infektionskrankh. Bd. 33. S. 235. 

Dass in England der Krebs stetig häufiger wird, ist statistisch 
erwiesen. Für kleinere Bezirke in Deutschland haben Behla und Schuchardt 
das Gleiche neuerdings festgestellt. Für Preussen giebt es einen Nachweis 
über die Jahre 1881—1890 von Finkelnburg, wonach in einzelnen 
Gegenden Krebs viel häufiger als in andern ist, die Stadtbevölke- 
rung stärker als die Landbevölkerung und das weibliche Geschlecht 
stärker als das männliche daran zu leiden hat. Der Verf. hat diese 
Arbeit für die Jahre 1891—1896 fortgesetzt und ausser Preussen auch Sachsen 
und Baden in seine Untersuchung hineingezogen, weil hier der Statistik eine 


Statistik. 47 


amtliche sachverständige Todtenschau zu Grunde liegt, in Preussen aber nicht. 
Der unvermeidbaren Fehlerquellen wegen hat er die Tuberkulose zum Vergleich 
gewählt. 

Im preussischen Staat hat der Tod durch Krebs von 1891 (4,50 
auf 10000 Lebende) bis 1896 (5,52) stetig zugenommen, während Tod 
durch Tuberkulose in derselben Zeit von 26,72 auf 22,10 sich verringert 
bat. Im jährlichen Durchschoitt betrug die Zunahme des Krebstodes 0,17, 
bei den Männern 0.16, bei den Weibern 0,18 auf 10000 Lebende. Bei den 
Stadtbewohnern war die Krebssterblichkeit (1891 6,38, 1896 7,95) fast doppelt 
so gross wie bei den Landbewohnern (1891 3,26, 1896 3,86). Der Unterschied 
zwischen Männern und Weibern ist auf dem Lande erheblich kleiner als in 
der Stadt, aber eine Zunahme von Jahr zu Jahr ist hier wie dort bei beiden 
Geschlechtern vorbanden. Auch fast alle Altersklassen sind dabei betheiligt, 
am meisten freilich diejenigen von 60—80 Jahren. Bei der Tuberkulose ist 
umgekehrt auf dem Lande und in der Stadt eine Abnabme von Jahr zu Jahr 
bemerkbar, beide Geschlechter sind daran betheiligt. Es starben auf dem 
Lande und in der Stadt mehr Männer als Weiber an Tuberkulose, der Unter- 
schied ist aber in der Stadt bedeutend grösser als auf dem Lande. Auch alle 
Altersklasson baben an der Abnahme der Tuberkulose Theil. 

Ein Vergleich zwischen den einzelnen preussischen Regierungs- 
bezirken zeigt erhebliche Unterschiede: die am stärksten von Krebs 
betroffenen — Stralsund (7,98) und Schleswig (7,39) — haben eine fast doppelt 
so hohe Sterblichkeit wie die am geringsten betheiligten — Trier (3,08), 
Coblenz (3,16), Marienwerder (3,27). 

Die Reihenfolge ist gegen 1881—1890 nicht wesentlich verändert, aber 
überall hat eine Zunahme stattgefunden, und zwar beträgt die Sterblichkeit 
der Städter 1891—1896 das Doppelte von derjenigen der Landbewohner und 
selbst darüber. 

Bei der Tuberkulose sind die Unterschiede zwischen den einzelnen 
Regierungsbezirken noch grösser als beim Krebs: die geringste Sterb- 
liebkeit haben Marienwerder (13,8) und Königsberg (14,7), die höchste Köln 
(36,6), Osnabrück (36,4) und Münster (39,3). Im Allgemeinen ist auch hier 
die Stadtbevölkerung stärker betheiligt als die Landbevölkerung, meistens 
starben aber mehr Männer als Frauen daran. Ueberall hat eine Abnahme von 
1891—1896 stattgefunden. 

In den Städten mit über 100000 Einwohnern ist die Sterblichkeit an 
Krebs bedeutend grösser als in allen preussischen Städten zusammengenommen. 

Im Königreich Sachsen und im Grossherzogthum Baden verhalten sich 
die Krebstodesfälle in den verschiedenen schon angeführten Beziehungen unge- 
fäbr ebenso wie in Preussen, während eine Abnahme der Tuberkulosetodesfälle 
nicht erwiesen ist. 

Die Zunahme der Erkrankungen an Krebs muss auf einer grösseren Ver- 
breitang der Ursache des Krebses oder auf einer geringer werdenden Wider- 
standsfähigkeit der Menschen oder auf dem Zusammenwirken beider beruhen. 

Globig (Kiel). 


48 Kleinere Mittheilungen. 
Kleinere Mittheilungen. 


(G) Die Deutsche Gesellschaft für Volksbäder ladet zu einem Wett b e- 
werb behufs Erlangung einer für den öffentlichen Vortrag geeigneten Abhandlung 
über Volksbäder ein. Der erste Preis beträgt 300, der zweite 200 Mark. Das Preis- 
gericht besteht aus den Herren: Prinz von Arenberg, Reichs- und Landtagsabge- 
ordneter, Landgerichtsrath Dr. Aschrott, BürgermeisterBrinkmann, Baurath H erz- 
berg, Oberbaudirektor Hinckeldeyn, Geh. Med.-Rath Prof. Dr. R. Koch, Prof. Dr. 
O. Lassar, Geh. Ober-Med.-Rath Dr. Pistor, Geh. Ober-Med.-Rath Generalarzt Dr. 
Schaper. Programme und nähere Bedingungen sind kostenfrei von der Geschäfts- 
stelle der Gesellschaft, Berlin N.W., Karlstr. 19, zu beziehen. Die Einsendung muss 
bis zum 1. März 1901 erfolgen. 


(J) Im Oktober hatten unter 27 deutschen Städten eine höhere Sterblich- 
keit als 35,0 auf je 1000 Einwohner und aufs Jahr berechnet: 9 gegenüber 16 im 
September; eine geringere als 15 pM. hatten, wie im September, 27 Orte. Mehr Säug- 
linge als 333,3 auf je 1000 Lebendgeborene starben in 37 Orten gegen 80 im vorigen 
Monate und weniger als 200,0 in 95 gegen 50 im September. 
(Veröff. d. Kais. Ges.-A. S. 1187.) 


Stand der Seuchen. Nach den Veröffentlichungen des Kaiserlichen Gesund- 
heitsamtes. 1900. No. 49 u. 50. 

. A. Stand der Pest. I. Britisch-Ostindion. Präsidentschaft Bombay. 
28. 10.—3. 11.: 1419 Erkrankungen, 1117 Todesfälle.. Stadt Bombay. 28. 10. bis 
3. 11.: 135 Erkrankungen, 92 Todesfälle; 210 unter Pestverdacht gestorben. II. Phi- 
lippinen. Manila. 17. 9.—12. 10.: 1 Erkrankung. Uebersicht über die Pest- 
fälle: Januar bis April 1900: 180 Erkrankungen, 130 Todesfälle. Mai bis August 
1900: 72 Erkrankungen, 47 Todesfälle. September 1900: 6 Erkrankungen, 5 Todesfälle. 
II. Japan. Osaka. 21. 9.—26. 10.: 17 Erkrankungen, 13 Todesfälle. Kobe: in der 
2. Hälfte des Oktober 2 pestverdächtige Erkrankungen. IV. Queensland. Brisbane. 
14.—20. 10.: 1 Erkrankung, 1 Todesfall. V. Vereinigte Staaten von Nordame- 
rika. San Francisco. 1. 11.: 2 Todesfälle. 4. 11.: 2 Todesfälle. VI. Brasilien. 
Rio de Janeiro. 1. 10.—2. 11: 37 Erkrankungen, 25 Todesfälle. Petropolis, 
21 a Stunde von Rio de Janeiro: 1 Todesfall. 

B. Stand der Cholera. Britisch-Ostindien. Kalkutta. 21.—27. 10.: 
8 Todesfälle. 28. 10.—10. 11.: 35 Todesfälle. 

C. Pocken. I. Russland. Im Herbst dieses Jahres sind in Warschau die 
Pocken mit ungewöhnlicher Heftigkeit aufgetreten, vom 30. 9.—10. 11.: unter 2087 
Todesfällen 149 Todesfälle an Pocken. Il. Frankreich. Auch aus Paris wird 
eine erhebliche Steigerung von Erkrankungen und Todesfällen an Pocken gemeldet. 
14. 10.—17. 11.: 350 Erkrankungen und 60 Todesfälle. 

Sowohl in Warschau als auch in Paris wird seitens der Polizeibehörden 
öffentlich zur Impfung aufgefordert. Jacobitz (Halle a. S.). 


Verlag von August Hirschwald, Berlin N.W. — Druck von L. Schumacher in Berlin, 


Hygienische Rundschau. 


Herausgegeben 
von 
Dr. Carl Fraenkel, Dr. Max Rubner, Dr. Carl Günther, 
Prof. der Hygiene in Halle a./8. Geh. Med.-R., Prof. der Hygiene in Berlin. Professor in Berlin. 


XI. Jahrgang. Berlin, 15. Januar 1901. W 2. 


Verbreitung 
von Infektionserregern durch Gebrauchsgegenstände und ihre Desinfektion. 


Von 
Prof. E. von Esmarch, Göttingen. 


Ueber die Art und Weise der Verbreitung der einzelnen Infektions- 
krankheiten haben uns die Untersuchungen und Beobachtungen der letzten 
Zeit nach vieler Richtung hin Auskunft gegeben. So wissen wir, dass Cholera 
und Typhus vielfach durch Wasser, Tuberkulose und Diphtherie, auch wohl 
zweifellos Influenza durch verstäubtes, oder beim Husten, Niesen und Sprechen 
verspritztes Sputum auf Gesunde übertragen werden können. Aber die uns 
bekannten Wege werden nicht immer von den Infektionserregern betreten, 
wir baben guten Grund anzunehmen, dass oft auch auf andere Weise eine 
Uebertragung zu Stande kommt, und mancher isolirt auftretende Typhusfall 
wird beispielsweise so erklärt werden müssen. 

Als Gelegenheit zu solchen Uebertragungen werden mit vielem Grund 
manche Gebrauchsgegenstände angesehen, mit denen viele Menschen 
zugleich oder hintereinander in mehr oder weniger innige Berührung kommen; 
und die sehr wohl zu Infektionsträgern werden können, wenn die betreffenden 
Infektionserreger überhaupt im Stande sind, längere Zeit ausserhalb des 
menschlichen oder thierischen Körpers zu existiren, ohne Schaden zu leiden; 
and das trifft ja in vielen Fällen zu. 

Es sind auch schon eine Anzahl derartiger Beobachtungen gemacht. 
So sind Pocken auf weitere Entfernungen hin durch Kleidungsstücke verschleppt 
worden. An Spielsachen von Kindern, die an Diphtherie erkrankt waren, hat 
man Diphtheriebacillen gefunden, und es wäre unschwer, solche Beispiele aus 
der Literatur noch zu vermehren. 

Wie oft derartige Uebertragungen vorkommen, wie gross die Gefahr ist, 
anf diesem Wege inficirt zu werden, wird kaum allgemein zu sagen sein, es 
wird das von vielen Faktoren abhängen. Zunächst werden in den einzelnen 
Stadien der Krankheiten und je nach der Art der Infektionserreger die Sekrete 
des Kranken sehr verschieden gefährlich sein, dann wird die Reinlichkeit 

4 


50 v. Esmarch, 


des Patienten und seiner Umgebung mitsprechen. Bei manchem Kranken 
wird die Gefahr sicher sehr gering sein, wenn streng darauf geachtet wird, 
dass alles an Gebrauchsgegenständen, was mit dem Kranken in Berührung 
kommt, gleich nach dem Gebrauch ordentlich desinficirt oder sterilisirt wird. 
Dass eine solche Desinfektion von Wichtigkeit ist bei Infektionskrankheiten, 
weiss jeder Arzt und auch wohl viele Laien, und in jedem Lehrbuch der Hy- 
giene kann man lesen, dass z. B. bei Diphtherie, Scharlach, Typhus, Cholera 
die Essbestecke nach Gebrauch stets gereinigt werden, dass Speisereste ver- 
nichtet werden sollen, wenn oder ehe sie das Krankenzimmer verlassen, dass 
Thürgriffe nach dem Anfassen zu desinfieiren sind u. s. w. Dies geschieht 
denn auch wohl mehr oder weniger gründlich in vielen Fällen, in anderen 
unterbleibt es oder wird so oberflächlich gemacht, dass von einer Desinfektion 
überhaupt von vorneherein nicht die Rede sein kann. Da wird denn eine 
Weiterverschleppung jedenfalls nicht ausgeschlossen sein. Wenn ein diphtherie- 
krankes Kind einen Löffel benutzt, den nach oberflächlicher Reinigung ein 
anderes Kind wieder gebraucht, wird jeder Arzt zugeben müssen, dass dadurch 
eine Verschleppung der Krankheit leicht möglich ist. Eine solche wird auch 
noch stattfinden können, wenn das erste Kind bereits wieder vollkommen 
genesen ist; denn wir wissen ja ganz genau, dass sich Diphtherieerreger oft 
noch lange Zeit nach überstandener Krankheit im Mundspeichel in virulentem 
Zustande befinden können; und wie steht es beispielsweise mit der Tuberkulose? 
Dass Tuberkulöse virulente Tuberkelbacillen in ihrem Speichel, wenn auch 
glücklicherweise meistens nicht in so grosser Anzahl wie im Sputum beher- 
bergen, ist ebenso bekannt, und wenn ein solcher Kranker zum Essen ein Besteck 
benutzt, das nach ihm ohne ordentliche Reinigung ein anderer in den Mund 
nimmt, wird eine Uebertragung von Keimen auf letzteren jedenfalls auch nicht 
zu den Unmöglichkeiten gehören. 

Dieser Gefahr könnte in solchen Fällen wohl ziemlich sicher vorgebeugt 
werden, wenn das diphtheriegenesene Kind oder der tuberkulöse Kranke sein 
eigenes Besteck ausschliesslich für sich benutzt; aber wie oft wird das wohl 
in Wirklichkeit durchgeführt werden! Ich.kann mir denken, dass ein guter 
Hausarzt nach dieser Richtung hin das Nöthige veranlasst und auch durchsetzt, 
aber ich möchte andererseits doch glauben, dass in der Mehrzahl der Fälle 
auf diese Sachen noch nicht genug geachtet wird. Sehen wir z. B. nur ein- 
mal unsere grossen Lungenkurorte an: ich glaube nicht, dass es viele giebt, 
in denen nach jeder Mahlzeit die gesammten Bestecke gründlich desinficirt 
werden; und doch wäre das unter Umständen vielleicht ebenso wichtig, wie wenn 
sorgfältig darauf geachtet wird, dass nur sterilisirte, tuberkelbacillenfreie Milch 
oder Butter den Patienten vorgesetzt wird. Mit anderen Worten, ich glaube, 
dass es doch eine Anzahl von Gelegenheiten giebt, bei denen man eine öfter 
vorgenommene Desinfektion der üblichen Gebrauchsgegenstände für 
wünschenswerth, ja für nöthig erachten muss, und wo diese zur Zeit jedenfalls 
noch nicht mit der nöthigen Gründlichkeit geschieht, und diese Erwägungen 
haben mich bestimmt, einige Versuche darüber anzustellen, ob denn unsere 
gebräuchlichen Reinigungsmethoden dieser Objekte ausreichen, 


Verbreitung von Infektionserregern durch Gebrauchsgegenstände u.s.w. 51 


eventuell welche einfachen, möglichst praktisch verwendbaren und zugleich 
ibren Zweck sicher erfüllenden an ihre Stelle zu setzen wären. 

Mein erstes Augenmerk richtete ich auf unsere Ess- und Trinkgeräthe, 
die ja unzweifelhaft eine Gefahr im oben gedachten Sinne vorstellen. 

Dass sich ein Theil unserer Infektionserreger ausserhalb des Körpers 
längere Zeit in feuchtem und angetrocknetem Zustande lebend erhält, ist, wie 
oben erwähnt, bekannt; ich konnte dasselbe wieder nachweisen, indem ich 
Diphtheriekulturen mit Speichel verrieb und dieses Gemisch flüssig hielt oder 
an dem Rand von Wassergläsern antrocknen liess. Bis zum 4. Tage im flüssigen 
Speichel und bis zum 15. in dem angetrockneten waren die Diphtherie- 
bacillen noch als unzweifelhaft lebend durch Ueberimpfen auf Blutserum 
nachzuweisen, ja, den Prodigiosus, in derselben Weise auf den Rand eines 
Becherglases gebracht, konnte ich noch nach 3 Monaten von dort mit Erfolg 
auf Gelatine überimpfen. (Flüssiger Speichel ausserhalb des Körpers scheint 
überhaupt gelegentlich geradezu ein Nährboden für Prodigiosus zu sein, 
wenigstens beobachtete ich mehrfach, dass ein mit Prodigiosnus geimpfter 
Speichel in den nächsten Tagen deutlich roth wurde.) 

Ich untersuchte nun zunächst, wie gross der Reinigungseffekt war, wenn 
ich so beimpfte Gläser nach den in unseren Schlafzimmern und Bierwirth- 
schaften zumeist gebräuchlichen Reinigungsmethoden mit kaltem 
Wasser auswusch. Dazu wurde, da es sich hier lediglich um eine mechanische 
Reinigung handelte, nur Prodigiosusspeichel benutzt, um den Nachweis bei 
nur wenig übrigbleibenden Keimen zu erleichtern. Das Resultat war in allen 
Fällen dasselbe; ob ich nun die Gläser unter der Wasserleitung oder im Spül- 
eimer, ob ich sie durch Reiben mit der Hand, mit einem Tuch oder einer 
Bürste, mit viel oder wenig Wasser reinigte, stets waren nach der Reinigung 
noch unzählige Prodigiosuskeime an dem Glasrande haften geblieben. Dabei 
verfahr ich absichtlich möglichst gründlich, sodass sogar einmal ein Glas 
direkt unter meinen Händen zerbrach. Diese Versuche wurden alle in reich. 
licher Anzabl und mehrfach hintereinander gemacht und zwar derart, dass 
nach der Reinigung der Glasrand kräftig mit einem sterilen Schwämmchen 
abgerieben und letzteres in verflüssigte Nährgelatine gebracht wurde. Auch 
das Schwämmchen brachte allerdings nicht alle übriggebliebenen Keime her- 
unter, wie Kontrolversuche mit einem zweiten Schwämmchen ergaben. Da 
aber alle Untersuchungen so wie so positiv ausfielen, hatte solches ja nichts 
zu bedeuten. 

Wurden die Gläser nach dem Abwaschen noch mit einem besonderen, in 
den Versuchen natürlich sterilisirten Tuche trocken gerieben, so hatte dieses 
doppelte Reinigungsverfahren, das in Schlaf- und Toilettezimmern wohl die 
Regel, in Bierwirthschaften, wo die gespülten Gläser einfach zum Trocknen 
aufgehängt werden, die Ausnahme bildet, in einigen Fällen zweifellos den 
Effekt, dass sich die Keimzahl wesentlich verringerte. Vollständig wurden 
sie aber auch hierdurch niemals entfernt. 

Etwas bessere Wirkung wurde erzielt, wenn an Stelle des kalten 
Wassers warmes Wasser genommen wurde, wenn also ein Verfahren angewendet 
wurde, wie es in unseren Küchen zum Reinigen des Essgeschirres üblich ist. 

4 


52 v. Esmarch, 


War das Wasser nur lauwarm, so war der Effekt allerdings ganz unsicher, 
und nur einige Male, wenn das Prodigiosussputum noch nicht am Glase an- 
getrocknet war, also wenige Minuten nach der Infektion der Gläser schon die 
Reinigung vorgenommen wurde, konnte nach dem Abtrocknen kein Prodigiosus 
mehr nachgewiesen werden. Das Resultat änderte sich auch nicht viel, wenn 
an Stelle des lauwarmen Wassers solches von 50° trat. Es ist das eine 
Temperatur, die für die Hand eben erträglich ist und in der Küche auch wohl 
sehr häufig nicht überschritten werden wird. Wurden die Gläser darin nur 
kurz abgespült, so enthielten sie auch uach dem Abtrocknen fast stets lebende 
Prodigiosuskeime, allerdings meist in deutlich verringerter Anzahl. Eine 
sichere Abtödtung wurde dagegen erst erreicht, wenn die Gläser länger als 
5 Minuten in dem heissen Wasser lagen. 

Genau dasselbe zeigte sich, wenn an Stelle des Prodigiosusspeichels 
solcher mit Streptokokken oder Diphtheriebacillen gemischt genommen 
wurde. Nach 1, 3 und 5 Minuten langem Verweilen der Gläser in Wasser 
von 50° waren beide Arten, wenn auch in stark verminderter Zahl als lebend 
noch nachzuweisen, nach 10 Minuten aber nicht mehr. 

Da in praxi in der Küche ausser Gläsern und Tellern ja auch Essbestecke 
in der gleichen Weise gereinigt zu werden pflegen, wurden noch einige Ver- 
suche mit Gabeln ausgeführt. Es wurde dazu eine eiserne und eine Alfenid- 
gabel gewählt und zunächst festgestellt, dass an der eisernen Gabel sich 
Streptokokken- und Diphtheriespeichel wenigstens 24 Stunden, Prodigiosus 
sogar 12 Tage lebend erhält. An der Alfenidgabel konnten Diphtheriebacillen 
im Speichel angetrocknet nur bis 61/ Stunden, Streptokokken bis 8 Stunden 
lebend nachgewiesen werden, immerhin genügt diese Zeit natürlich, um ge- 
legentlich Infektionen zu bewirken, da ja wohl meistens die Essbestecke inner- 
halb dieser Zeit wieder benutzt werden. 

Dass die Reinigungsversuche mit Wasser und Abtrocknen im Uebrigen 
genau so ausfielen, wie bei den Gläsern, ist nicht wunderbar, handelt es sich 
doch dabei hauptsächlich um ein mechanisches Reinigen, das bei den Zinken 
einer Gabel vielleicht noch mehr Schwierigkeiten begegnet, als bei der leichter 
zugängigen und durchaus glatten Glasoberfläche. Zweimal wurde übrigens 
auch die Probe auf das Exempel in der Art gemacht, dass dem Dienstpersonal 
heimlicherweise eine Prodigiosusgabel zum Reinigen übergeben wurde. Beide 
Male kam sie gereinigt, aber prodigiosusbeladen zurück. Nach den mitge- 
theilten Versuchen dürfte das wohl erklärlich sein. 

Genauer möge dann noch ein Versuch angeführt werden, der mit den 
zwei Gabeln angestellt wurde, an deren Zinken tuberkulöses Sputum in 
dünner Schicht angetrocknet war. Beide Gabeln wurden in gleicher Weise 
in Wasser von 50° und zwar 5 Minuten lang liegen gelassen und sodann mit 
einem sterilen Tuche abgerieben. Dass den Gabeln nach diesem Reinigungs- 
verfahren noch Tuberkelbacillen anhafteten, konnte nachgewiesen werden, indem 
ich mit einem feuchten Schwämmchen die Zinken abrieb und das so erhal- 
tene Material auf ein Deckgläschen abdrückte; in beiden Fällen wurden auf 
dem Deckglase, wenn auch erst nach längerem Suchen, Tuberkelbacillen ge- 
funden. Dass die Bacillen noch lebend und virulent waren, bewies der Thier- 


Verbreitung von Infektionserregern durch Gebrauchsgegenständo u.s.w. 53 


versuch, der allerdings nur mit der einen Gabel gemacht wurde, und dessen 


Resultat das folgende war. 


Eine Zinke der eisernen Gabel, die 
vine Stunde vorber mit tuberkulösem Spu- 
tam infieirt war, wird einem grossen Meer- 
schweinchen (542 g) unter die Bauchhaut 
gebracht und durch Hin- und Herbewegen 
ähgerieben. Thier stirbt nach 160 Tagen. 


Darauf wird die Gabel 5 Minuten in 50° 
varmem Wasser abgespült und sodann ein 
ıweites Meerschweinchen (425 g) in glei- 
cher Weise mit der 2. Gabelzinke geimpft. 
Thier stirbt nach 27 Tagen. 


Die Gabel wird sodann noch mit einem 
sterilen Tuche abgetrocknet und mit Zinke 
3 ein drittes Meerschweinchen (462 g) ge- 
mpft. Thier stirbt nach 87 Tagen. 


Als Kontrole wird mit der inficirten, 
aber ungereinigten Alfenidgabel ein viertes 
Meerschweinchen (449 g) geimpft, nach- 
dem das Sputum 1 Stunde an der Gabel 
angetrocknet war. Thier stirbt nach 
#8 Tagen. 


| Sektionsbefund. 


Tuberkulose. Leistendrüsen, Leber, 
Milz, Lunge total verkäst. Peritonitis. 
Im käsigen Eiter nur einmal 1 Tuberkel- 
bacillus zu finden. 


Tuberkulose. Eitrige Schwarte an der 
Infektionsstelle. Rechte Inguinaldrüse 
stark vergrössert, theilweise verkäst. Im 
käsigen Eiter zahlreiche T.-B. Milz stark 
vergrössert, mit grauen stecknadelkopf- 
grossen Herden durchsetzt. Sonstiger Be- 
fund normal. 


Tuberkulose. An der Impfstelle hanf- 
korngrosse tuberkulöse Schwarte, darin 
vereinzelte T.-B. Beide Inguinaldrüsen 
stark geschwollen und verkäst, darin zahl- 
reiche T.-B. Milz stark vergrössert, brüchig. 
Lungen mit zahlreichen verkästen und 
grauen Knötchen durchsetzt. i 


Tuberkulose. An derImpfstelle mandel- 
grosse granulirende Fläche, darauf zabl- 
reiche T.-B. Leistendrüsen beiderseits 
verkäst. Milz stark vergrössert. Lungen 
zeigen zahlreiche, theils graue, theils ver- 
käste Herde. 


Nachdem durch alle diese Versuche genügend bewiesen war, dass durch 
das übliche mechanische Reinigen selbst unter Zuhilfenahme von warmem 
Wasser ein sicherer Reinigungseffekt, nämlich ein Entfernen eventuell vor- 
handener pathogener Keime nicht zu erzielen ist, wurde nach anderen wirk- 
sameren und zugleich einfachen, für die Praxis brauchbaren Reinigungsmetho- 
den gesucht. 

Das Nächstliegende war, die Wassertemperatur höher zu nehmen, und 
einige nach dieser Richtung hin angestellte Versuche ergaben denn auch aus- 
nahmslos, wenn kochendes Wasser verwendet wurde, eine sichere Ab- 
tödtung der Keime in einer Minute. (Tuberkelbacillen wurden allerdings 
nicht erprobt.) Solche hahe Temperatur hat aber für die Praxis einige Nach- 
theile, die ihre Verwendung wesentlich einschränkt. Glassachen springen 
leicht in so heissem Wasser, die Griffe der Messer und Gabeln werden ge- 
Ioekert, und das Herausholen der im Wasser liegenden Objekte muss sehr 
vorsiehtig geschehen, wenn man sich nicht die Hand verbrennen will. Des 
Weiteren war der Zusatz von chemischen Desinfektionsmitteln zum 
Wasser ins Auge zu fassen. Der grösste Theil dieser Mittel musste allerdings 
von vornherein ausscheiden; denn ein Waschwaser, das in Küchen, Restan- 
rants u.s. w. Verwendung finden soll, muss möglichst klar, durchaus ge- 
rehlos und für den höheren Organismus unschädlich sein. So kam eigent- 


5 


54 $ v. Esmarch, 


lich nur die Sodalösung in Betracht, von der wir schon wisseu, dass sie 
in erwärmtem Zustande bereits als 1—2 proc. Lösung recht gut desinficirt. 
Das zeigte sich denn auch bei den ad hoc angestellten Versuchen. 

Allerdings bei einer Wassertemperatur von 40° und 1 proc. Sodagehalt 
war selbst nach 3 Minuten weder Streptokokken- noch Diphtherie- oder Pro- 
digiosusspeichel desinfieirt; wurde dieTemperatur um10°erhöht, so war Diphtberie 
bereits nach 1 Minute getödtet, Streptokokken und Prodigiosus dagegen erst 
sicher nach 5 Minuten. Erst wenn der Sodagehalt auf das Doppelte erhöht 
wurde, also in 2 proc., 50° warmer Sodalösung, konnte auch bei letzteren 
Keimen in einer Minute eine sichere Abtödtung erzielt werden. 

Lehrreich ist in dieser Beziehung übrigens wieder eine Erfahrung aus 
der Praxis. Der recht gewissenhafte und ordentliche Laboratoriumsdiener 
pflegt die gebrauchten Glassachen im Institut, soweit sie nicht infektiös sind, 
in heisser Iproc. Sodalösung auszuwaschen, mit reinem Wasser nachzuspülen 
und sodann an der Luft trocknen zu lassen. Es wurde ihm nun mehrfach eine 
Serie von Prodigiosusspeichelgläsern zur Reinigung mit untergeschoben. Die 
gereinigten Gläser enthielten aber ungefähr zur Hälfte noch Prodigiosus. 

Was lehren uns nun alle diese bisher erwähnten Versuche? Nun, zunächst 
gewiss das Eine, dass unsere allgemein gebräuchlichen Reinigungsmethoden 
für die Ess- und Trinkgeräthe nicht ausreichen, um sie, falls sie mit infi- 
cirendem Speichel behaftet sind, davon mit Sicherheit zu befreien. Allerdings 
wird man sich vor Augen halten müssen, dass in sämmtlichen Versuchen eine 
so reichliche Infektion mit Keimen künstlich bewirkt wurde, wie sie 
wohl selbst in extremen Fällen in Wirklichkeit nie vorkommen wird, und es 
ist sehr wohl möglich, ja vielleicht wahrscheinlich, dass, wenn infektiöse 
Keime dem Speichel nur in geringer Anzahl beigemischt sind, und nur geringe 
Spuren von diesem Speichel an das Glas gelangen, eine reinliche Köchin oder 
Stubenmädchen diese Keime nach der bisher geübten Methode in der Regel 
thatsächlich entfernt. Ich wiirde auch z. B. glauben, dass ein Influenzakranker, 
ja vielleicht auch ein Diphtheritischer oder Tuberkulöser seine Krankheit 
leichter durch Husten auf Andere übertragen kann, als durch sein ungenügend 
gereinigtes Essbesteck oder Wasserglas; aber ich glaube doch auch, dass es 
ganz zweckmässig wäre, wenn in manchen Haushaltungen und namentlich 
Restaurationen mehr Sorgfalt auf die Reinigung dieser Gebrauchsgegenstände 
verwendet würde, als das bisher geschieht. Der Weg dazu ist ja in den 
obigen Versuchen gezeigt. Will man nicht kochendes und auf Kochtempe- 
ratur dauernd gebaltenes Wasser verwenden, so kann man etwas niederer tem- 
perirtes mit Sodazusatz nehmen und die Sachen dann wenigstens 5 Minuten 
in dem Wasser lassen. Als unumgänglich nöthig aber würde ich eine 
solche Reinigungsart erachten, wenn ein Familienmitglied an irgend einer 
durch Speichel übertragbaren Infektionskrankheit leidet, wie Tuberkulose, 
Diphtherie, Pneumonie, Influenza u.s.w. Es würde da ein gewissenhaft und 
bis zum letzten Verschwinden der Krankheit dauernd durchgeführtex 
Desinficiren der Gebrauchsgegenstände nach jeder Benutzung durch den 
Kranken wenigstens eben so wichtig sein, wie eine zuletzt ausgeführte allge- 
meine Desinfektion. 


Verbreitung von Infektionserregern durch Gebrauchsgegenstände u.s.w. 55 


Dasselbe gilt selbstverständlich und vielleicht in noch höherem Grade 
von Heil- und Kuranstalten oder Hotels, in welchen Infektiöse, z. B. 
Taberkalöse, untergebracht sind. Ich zweifle auch nicht, dass in manchen 
solchen Anstalten, namentlich wenn sie unter ärztlicher Leitung oder Kontrole 
steben, auf Alles das schon genügend geachtet wird, aber es dürfte doch auf 
der anderen Seite auch eine grosse Anzahl geben, in denen die Essbestecke 
nicht genügend gereinigt werden, und das Stubenmädchen täglich mit dem- 
selben Tuche von Schlafzimmer zu Schlafzimmer geht, um damit die Mund- 
spülgläser anszuwischen. Hier wäre wirklich die Forderung gerechtfertigt, dass 
zum wenigsten ein jeder Waschtisch auch ein eigenes Tuch zu diesem 
Zweck erhielte, genau wie es mit den Handtüchern ja jetzt schon allgemein 
der Brauch ist. Auch die Sitte oder vielmehr Unsitte, die in manchen Haus- 
haltungen herrscht, wäre hier zu erwäbnen, dass nach jedem Gange beim 
Essen das Mädchen um den Tisch geht und mit einem Tuche nacheinander 
die Bestecke der Speisenden abwischt. Dass dieses Verfahren nicht nur wenig 
appetitlich ist, sondern unter Umständen direkt zur Weiterverbreitung von 
Krankheiten Veranlassung geben kann, ist eigentlich selbstverständlich und 
wird durch meine Versuche noch direkt bestätigt. 

Zu den Gegenständen, welche in unseren Häusern der allgemeinsten Be- 
nutzung unterliegen, gehören ausser den besprochenen auch die Thürgriffe; 
sie werden zwar nur mit der Hand angefasst und kommen nicht wie Ess- und 
Trinkgeräthe mit dem Munde direkt in Berührung, aber wie Jedermann weiss, 
und wie noch neulich Bornträger!) so drastisch und klassisch geschildert 
hat, ist von der Hand zum Munde und umgekehrt gerade kein so ein weiter 
Weg, und so erscheint es auch ohne besonders angestellte Versuche wohl ge- 
rechtfertigt, wenn man in Krankenzimmern, in welchen infektiöse Kranke 
liegen, die Thürgriffe nur mit einem gewissen Misstrauen ansieht und sich 
ihrer mit einer gewissen Vorsicht bedient. 

In manchen Krankenhäusern wird man daher auch die Vorschrift finden, 
dass die Thürgriffe von Zeit zu Zeit desinficirt werden sollen, und Aehnliches 
wird heatzutage vielleicht in besonderen Fällen auch der Hausarzt in seiner 
Privatpraxis anordnen. Ja sogar in öffentlichen Gebäuden, wie Schulen, hat 
man bei Auftreten von Granulose z. B. eine periodische Desinfektion der 
Thürgriffe behördlicherseits vorgeschrieben. So mögen denn im Anschluss an 
die vorigen Versuche noch einige andere hier Erwähnung finden, die sich auf 
diese letztere Frage, nämlich die Thürgriffdesinfektion, beziehen. 

Das Material, aus dem Thürgriffe gemacht werden, ist ein sehr verschie- 
denes. Holz, Glas, Knochen und Metall werden wohl am meisten dazu gewählt. 
Von den ersteren Stoffen wissen wir, dass pathogene Mikroorganismen in ange- 
trocknetem Zustande sich längere Zeit virulent auf ihnen halten können. Nur 
Metalle sind nicht indifferent und bewirken nicht selten ein schnelles Absterben 
der mit ihnen in Berührung kommenden Bakterien. Allerdings verhalten sich 
die einzelnen Metalle darin sehr verschieden, und auch die Art und Weise, 


1) Bornträger, Die Hand in hygienischer Beziehung. Gesundh. 1900. No.2u.3. 
\Vergl. diese Zeitschr. 1900. S. 613. 


5* 


56 v. Esmarch, Verbreitung von Infektionserregern durch Gebrauchsgegenstände. 


wie die Bakterien mit ihnen in Berührung kommen, ist von besonderer Be- 
deutung. Es geht das aus den nachfolgenden Versuchen hervor, die mit einem 
eisernen, einem Messing- und einem Nickelgriff angestellt wurden. Wenn 
Streptokokken, Diphtheriebacillen oder Prodigiosus aus einer 
Bouillonkultur auf den eisernen Griff gebracht wurden in Form eines 
winzigen Tröpfchens, der mit der Platinöse flach ausgestrichen wurde, sodass 
er meist in einer Minute vollständig antrocknete, so erwiesen sich Strepto- 
kokken nach !/, Stunde, Diphtherie nach ®/, Stunden abgestorben, Prodi- 
giosus dagegen war in einigen Fällen noch nach 24 Stunden am Leben. 
Wurde an Stelle der flüssigen Kultur eine Dipbtherie-Blutserumkultur 
genommen, die auf dem Eisen momentan antrocknete, so waren die Bacillen noch 
am 3. Tage lebensfähig, wurde dagegen die angetrocknete Kultur 24 Stunden 
nach dem Antrocknen mit etwas Bouillon betupft, so erfolgte bereits eine 
Stunde später kein Wachsthum mehr. Nur auf einem mit Oelfarbe versehenen 
Theil des Griffes war keine schädigende Einwirkung zu bemerken. Wesentlich 
anders verhielten sich die Bakterien, wenn sie auf den Messinggriff aufge- 
bracht wurden. Aus Bouillonkulturen waren Streptokokken bereits 5 Minuten 
nach Berührung mit dem Messing, Diphtherie sogar schon nach 2 Minuten 
abgestorben, Prodigiosus konnte vereinzelt noch nach 8 Stunden, nicht mehr 
aber nach 9 Stunden als lebend nachgewiesen werden. Dagegen wuchsen 
Diphtheriebacillen wiederam noch nach 24 Stunden, Streptokokken noch nach 
12 Stunden, wenn sie nicht aus einer Bouillon-, sondern von einer Blutserum- 
resp. Agarkultur herstammten. Wurden die beimpften Stellen jedoch nach 
dem Antrocknen mit Wasser betupft, waren die Bakterien nach einer Stunde 
abgestorben. Das Nickelmetall endlich scheint keinen schädigenden Ein- 
fluss zu haben, Streptokokken wurden noch nach 6 Tagen, Diphtherie nach 
9 Tagen und zwar in unverminderter Anzahl gefunden, auch ein Anfeuchten 
mit Wasser schadete nichts, wenigstens waren Diphtheriebacillen noch 2 Tage 
darauf, ebenso wie vorher, leicht als lebend nachzuweisen. Die Versuche zeigen, 
dass, wenn Infektionsstoffe auf Thärgriffe gelangen, sie in den meisten Fällen, 
und wenn die Thür nicht gerade sehr selten benutzt wird, so lange am Leben 
bleiben, dass eine Weiterverbreitung der Infektion auf diesem Wege wohl 
möglich ist. Es dürfte also angebracht sein, wo der Verdacht einer Thürgriff- 
infektion berechtigt ist, eine Desinfektion und zwar dann natürlich recht oft 
wiederholt vorzunehmen. 

Um eine solche möglichst einfach und ungefährlich zu gestalten, babe 
ich nach dementsprechenden Mitteln gesucht und einige Versuche mit gewöhn- 
lichem Essig (6 proc.) angestellt, der ja überall leicht zu haben ist und nach 
den vorausgegangenen Versuchen mit Wasserbenetzung wenigstens bei Messing- 
griffen eine genügende Wirkung zu versprechen schien. Denn das schnelle 
Zugrundegehen der feuchten Kulturen auf dem Messing ist doch wohl zunächst 
auf eine Lösung von Metall zurückzuführen, die bei Essigbenetzang natürlich 
in erhöhtem Maasse stattfinden muss. Es zeigte sich denn auch, wie erwartet, 
dass durch einfaches feuchtes Abwischen mit einem essiggetränkten 
Tuch oder Schwamm ein Messingthürgrifl, an dem Diphtheriebacillen oder 
Streptokokken aus festen Kulturen angetrocknet waren, sicher in 3 Minuten 


Lehrbücher. 57 


desioficirt werden kann, während eine Minute nach dem Abwischen noch lebende 
Keime zu finden waren. In gleicher Weise behandelte Eisengriffe waren noch 
nach 10 Minuten, ja der Nickelgriff sogar noch nach 30 Minuten nicht desin- 
fieirt, nachdem die Spur Essigsäure, die von dem Abreiben auf dem Griff zu- 
rückblieb, natürlich längst verdunstet war. Es kann daher die Essigsäure, die 
übrigens das Messing nicht weiter beschädigte, nur für Griffe aus diesem Metall 
empfohlen werden und auch hierfür nur dann, wenn die Thür nicht in zu 
kurzen Intervallen benutzt wird. Im Uebrigen wird man wohl auf die be- 
kannten Desinficientien wie Sublimat, Karbolsäure oder Lysol zurückgreifen 
müssen. In Krankenhäusern, namentlich für die Thüren aseptischer Operations- 
räume, sowie für Abtheilungen für Infektionskranke wird man aber vielleicht 
vielfach einfacher durch Verwendung griffloser, mit dem Fuss oder Ellen- 
bogen zu Öffnender Pendelthüren die Gefahr einer Infektion von dieser Seite 
vermeiden können. 


Migsla W., System der Bakterien. Bd. II. Specielle Systematik der 
Bakterien. Jena 1900. Gustav Fischer. 1068 Seiten. 35 Abbild. 18 Tafeln. 
Preis: 30 Mk. 

Von Migula’s „System der Bakterien“, dessen erster Band in dieser 
Zeitschr. 1898, S. 924 besprochen worden ist, liegt nunmehr der zweite Band 
xor, der die „specielle Systematik der Bakterien“ behandelt. Der Verf. 
hatte ursprünglich das Ziel gehabt, möglichst alle beschriebenen Bakterien- 
arten za sammeln und in lebenden Reinkulturen mit einander zu vergleichen, 
aladaon auf Grund dieser vergleichenden Untersuchungen die Beschreibungen 
aufzustellen und die Unterschiede der einzelnen Arten genau zu präcisiren. 
Aber dieser Plan erwies sich als undurchführbar. Trotz aller Bemühungen 
war nar ein Theil der Kulturen zu erlangen, und von diesen entsprach wiede- 
mm nur ein kleiner Theil den Originalbeschreibungen wirklich: die meisten 
Arten waren entweder falsch bestimmt oder hatten sich in langjähriger Kultur 
s in ibren kulturellen Eigenschaften verändert, dass sie mit der ursprünglichen 
Beschreibung nicht im mindesten mehr übereinstimmten. ‘ 

Es blieb daher Migula nichts übrig, als seinen eigentlichen Plan aufzu- 
geben. Sein Werk musste sich darauf beschränken, die schon in der Literatur 
vorhandenen Beschreibungen der einzelnen Bakterienarten zu sammeln und 
wiederzugeben, wobei meist auf die Originaibeschreibungen zurückgegangen 
und nur dann, wenn eine bessere Schilderung vorlag, diese vorgezogen wurde. 
Leider ist so das Buch, statt eine kritische Bearbeitung der ganzen Bakterien- 
systematik zu werden, im wesentlichen auf eine Kompilation der schon vor- 
handenen Bakterienbeschreibungen herausgekommen; immerhin findet man 
zahlreiche Ergänzungen und Berichtigungen, die auf eigenen Untersuchungen 
des Verf.’s fussen, darin angebracht. 

Den Fleiss und die Sorgfalt des Autors beim Zusammentragen des riesigen 
Materiales muss man rühmend anerkennen. Eine übersichtliche Anordnung 
des Stoffes und ein gutes Register machen das Werk zu einem trefflichen 


.58 Luft. 


Nachschlagebuch. In erster Linie für den Gebrauch des Botanikers berechnet, 
rückt das Buch die den Arzt und Hygieniker interessirenden Verhältnisse der 
Pathogenität natürlich sehr in den Hintergrund. 

Ausser einer Reihe von Abbildungen im Text dienen 18 Tafeln zu je 
8 Photogrammen (von denen allerdings wohl ohne Schaden ein gut Theil 
fortfallen dürften) zur Illustration des Buches. R. Abel (Hamburg). 


Chlopin 6. W., Zwei Apparate zur Bestimmung des Sauerstoffs in 
Gasgemengen vermittels der Titrirmethode. Arch. f. Hyg. Bd. 37. 
S. 328. 

Anschliessend an eine Bd. 34 des Arch. f. Hyg. S. 71 erschienene Mit- 
theilung über die Bestimmung des Sauerstoffs in Gasgemengen (s. 
diese Zeitschr. 1899. S. 874) hat Verf. 2 Apparate konstruirt, die in vor- 
liegender Abhandlung abgebildet sind, und deren Handhabung eingehend be- 
schrieben ist. Wolf (Dresden). 


Koeniger, Hermann, Untersuchungen über die Frage der Tröpfchen- 
infektion. Aus dem hygien. Institut d. Universität Halle a. S. Zeitschr. 
f. Hyg. u. Infektionskrankh. Bd. 34. S. 119. 

Die wichtige und bemerkenswerthe Arbeit enthält eine Nachprüfung 
und Vervollständigung der bekannten Arbeiten von Flügge über die 
Luftinfektion durch Tröpfchenbildung beim Sprechen, Husten und 
Niesen (vergl. diese Zeitschr. 1898 S. 75, 1899 S. 818). 

Zunächst werden Versuche beschrieben, deren Anordnung sich im 
Wesentlichen denen von Flügge und Laschtschenko (vergl. diese Zeitschr. 
1899. S. 819) anschloss und dahin ging, dass nach zweimaliger Gurgelung 
mit keimreichen Aufschwemmungen von Kulturen des Bac. prodigiosus und 
des Wurzelbacillus in verschieden grossen Räumen (Hörsaal, Bibliothekzimmer) 
10—30 Minuten lang nach einer bestimmten Richtung gesprochen, gehustet, 
geniest und in Petrischalen, die in verschiedener Entfernung und Höhe auf- 
gestellt und sogleich oder nach Ablauf gewisser Zeiten geöffnet wurden, die 
Zahl der sich entwickelnden Kolonien bestimmt wurde. Ueber die Zahl der 
gebildeten Tröpfchen wurde nicht nur durch die bakteriologische Unter- 
suchung Aufschluss gewonnen, sondern auch durch „Besprechen“ von Glas- 
platten mit einem Ueberzug von Phenolphthalein nach vorhergegangener 
Gurgelung mit dünner Sodalösung; auch ihre Grösse wurde auf diese 
Weise sichtbar. 

Von den Ergebnissen ist Folgendes besonders hervorzuheben. Durch die 
gewöhnliche Ausathmung werden keine Tröpfchen versprüht, eben 
so wenig durch die Bildung der Vokale. Dagegen ist die Tröpfchenbildung 
besonders stark bei der Formung derjenigen Konsonanten, welche durch 
die Sprengung eines Verschlusses für die Athmungsluft am Gaumen (k), an 
der Zunge (t) und an den Lippen (p und f) entstehen und bei ihrer Verbin- 
dung mit r. Von der grösseren oder geringeren Kraft, mit welcher der Ver- 


Luft. 59 


schluss gesprengt wird, hängt der Umfang der Tröpfchenbildung ab. Es kommt 
also wesentlich auf die Art der Aussprache und die Schärfe der Kon- 
sonantenbildung an. Wie schnell und wie laut gesprochen wird, hat nur 
geringen Einfluss, und Flüstersprache kann unter Umständen viel mehr Tröpf- 
chen liefern wie laute Sprache. So erklären sich die bestehenden erheblichen 
Unterschiede zwischen den einzelnen Menschen und auch zwischen 
verschiedenen Sprachen und Mundarten. 

Bei Wiederholung der Versuche mit dem Bac. prodigiosus hatte v. Weis- 
mayr dessen Keime durch Sprechen nur auf 1 m, durch Husten nur auf 4m 
Entfernung verbreitet werden sehen, und zwar bei ruhiger Zimmerluft aus- 
schliesslich in der Richtung des Stromes der Ausathmungsluft. Diesen Befund 
konnte der Verf. nicht bestätigen, er fand vielmebr regelmässig auch bei 
leisem Sprechen die Keime bis in die Aussersten Ecken seiner Versuchs- 
räume (7 m weit) gelangt und auch bei ruhiger Luft keineswegs blos in 
der Richtung, nach welcher hin gesprochen wurde, sondern auch 
seitlich vom Sprechenden und hinter ihm. Einen wichtigen Unter- 
schied gegen Flügge beobachtete der Verf. aber insofern, als sich die 
Prodigiosaskeime in der ruhigen Zimmerluft nicht 5—6 Stunden lang, 
sondern nur 1/,—?/,, selten 1 Stunde lang schwebend erhielten. 
Er sucht dies so zu erklären, dass er sich bei seinen Versuchen die Keime 
nicht in soliden Tröpfchen enthalten, sondern an Wasserbläschen geheftet 
denkt, die wie Seifenblasen mit Luft gefüllt sind, in Folge dessen leichter 
schweben und fortgetragen werden und nach dem Platzen ihre Keime in kurzer 
Zeit zu Boden sinken lassen. Er stützt sich hierbei auf die Beobachtung, 
dass er häufig mehrere (3—5) und einige Male viele (35 und 40) Keime in 
grosser Nähe bei einander sich entwickeln sah, und nimmt an, dass sie durch 
ein einziges Tröpfchen zusammen dorthin gebracht sind. Dadurch, dass niemals 
eive Verunreinigung der Kontrolplatten mit Keimen des Prodigiosus und des 
Wurzelbacillus aus der Luft der Untersuchungsräume stattfand, schliesst der 
Verf.. dass die Keime aus den Tröpfchen durch die Luft nicht als trockene 
Stäbchen zu Boden fallen, sondern durch die Feuchtigkeit der Tröpfchen auf 
ibrer Unterlage angeklebt werden. Dass die Art der versprühten Flüssig- 
keit (bei Flügge Wasser, beim Verf. Speichel) und der Wassergehalt der. 
Luft von Einfluss hierauf sind, ist ohne Weiteres verständlich. Welche 
Bedeutung die Grösse und Schwere der einzelnen Bakterien für die 
Grösse des Umfanges ihrer Verbreitung und die Dauer ihres Aufent- 
haltes in der Luft hat, stellte der Verf. dadurch fest, dass er in seinen Ver- 
suchen ausser dem Bac. prodigiosus auch den Wurzelbacillus verwendete: 
die Keime dieses weit grösseren Bakteriums wurden nur ausnahmsweise 
auf 3 m Entfernung nachgewiesen, ihre grosse Menge kam über !/, m 
nicht binaus und war schon nach 10 Minuten aus der Luft ver- 
sebwonden. 

Die Tröpfehenbildung beim Husten und Niesen entspricht durchaus 
derjenigen beim Sprechen. Auch hier handelt es sich um die Sprengung von 
Verschlüssen der Athmungswege, nur werden bei der im Vergleich zum Sprechen 
aufgewendeten viel grösseren Kraft an den Verschlnssstellen im Kehlkopf und 


60 Wasser. 


Gaumen und von den übrigen Theilen der Mund- und Nasenhöhle noch mehr 
Tröpfchen losgerissen und zunächst auf weitere Entfernung fortgeschleudert. 
Die Daner ihres Aufenthaltes in der Luft ist von der beim Sprechen 
beobachteten nicht verschieden. 

Bei der Erörterung der Bedeutung der Tröpfchenbildung für die 
Verbreitung von Krankbheitserregern erklärt der Verf. die durch sie 
bedingte Gefahr für um so grösser, je kleiner und leichter die patho- 
genen Bakterien sind und in je grösserer Menge sie in der Mund- 
und Nasenflüssigkeit enthalten sind. Er macht darauf aufmerksam, 
dass die Eiterkokken, die Pneumokokken und die Bacillen der Pest, der Influ- 
enza und des Keuchhustens höchstens die Grösse des Bac. prodigiosns erreichen, 
die Stäbchen der Tuberkulose, der Diphtherie und des Milzbrands dieselbe 
zum Theil erheblich überschreiten. Bis auf Weiteres wird man aunehmen 
dürfen, dass jene sich wie der Bac. prodigiosus, diese mehr wie der Wurzel- 
bacillus verhalten werden. Nachgewiesenermaassen kommen in der Mund- und 
Nasenabsonderung die Pneumokokken und die Stäbchen der Tuberkulose, der 
Diphtherie und der Lepra vor, wahrscheinlich ist dies auch von den Eiter- 
kokken und den Bacillen der Influenza, der Pest und des Keuchhustens. 

Bei allen diesen Krankheiten ist als praktisches Vorbeugungsmittel 
gegen die Infektion der Luft durch Tröpfchen das Vorhalten der Hand 
oder des Taschentuches beim Husten und Niesen durchaus zweck- 
mässig. Das Sprechen müsste möglichst eingeschränkt werden; unter 
besonders schweren Umständen, wie z. B. bei Pest, kommen auch Gazeschleier 
oder Stoffmasken vor dem Munde in Betracht. Von Nutzen können aber 
auch Desinfektionen des Mundes und der Nase werden. Durch diese 
Mittel bleibt nicht nur die Luft selbst frei von Krankheitserregern, sondern 
auch alle Gegenstände der Umgebung der Kranken, auf die sie sich 
sonst niedersenken, werden vor ihnen bewahrt, und es wird zugleich da- 
für gesorgt, dass auch Bakterien, welche eine starke Austrocknung vertragen, 
nicht später wieder als Stäubchen in die Luft zurückgelangen können. In 
diesem Zusammenhauge bedeutet die Einschränkung der Tröpfchenin- 
fektion gleichzeitig eine Verringerung der Stäubcheninfektion. 

Globig (Kiel). 


Müller F., Apparat zum Schöpfen von Wasserproben aus beliebiger 
Tiefe. Zeitschr. f. angew. Chem. 1900. S. 389. 

Der vom Verf. beschriebene Apparat zum Schöpfen von Wasser- 
proben ähnelt in vielen Theilen dem bekannten v. Esmarch’schen Wasser- 
probenehmer. Der an eine Bleiplatte gelöthete Bügel hängt mittels einer 
Spiralfeder an einem Ringe der Lothleine. Die im Bügel festgeklemmte Flasche 
ist mit einem doppeltdurchbohrten Gummistopfen versehen, dessen beide Boh- 
rungen mittels eines U-förmig gebogenen Glasstabes verschlossen sind; letzterer 
sitzt an einer Kette, welche durch die Spirale hängt und mit ihrem oberen 
Ende im Ringe der Leine befestigt ist. Wird diese Vorrichtung ins Wasser 
gelassen, so wird durch einen kurzen Ruck an der Leine der Glasstöpsel aus 
dem Gummistopfen herausgezogen werden, da ja die Spiralfeder sich lang 


Wasser. 6l 


zieht, ohne dass die daranhängende träge Masse gleich nachfolgt. Nach Ent- 
fernung des Stöpsels tritt aber das Wasser durch ein in der unteren Hälfte 
der einen Bohrung des Gummistopfens befestigtes Glasrohr, das bis fast zum 
Boden der Flasche reicht, in die Flasche ein, während die Luft durch die 
andere Bohrung entweicht. Der Apparat kann vom Verf., Prof. Dr. Friedrich 
€. 6. Müller (Brandenburg a. H.) für 12 Mk. bezogen werden. 

Wesenberg (Elberfeld). 


Keenig J, Beziehungen zwischen dem Chlor- und Salpetersäure- 
gehalt in verunreinigten Brunnenwässern bewohnter Ortschaften. 
Zeitschr. f. Untersuchg. d. Nahrgs.- u. Genussm. 1900. S. 228. 

Unter Anführung von Beleganalysen kommt Verf. bezüglich der Brunnen- 
wasser-Verunreinigung in Städten durch die in den Boden gedrungenen 
häuslichen Abgäuge zu dem Schluss, „dass je nach dem Grade der Verun- 
reinigung des Wassers mit dem Gehalt an Salpetersäure auch der Gehalt 
an Chlor und Schwefelsäure bezw. deren Salzen, wenn auch nicht stets 
in genauem, gleichem Verhältnisse, so doch im Allgemeinen regelmässig an- 
wächst“. Der Gehalt an „organischen“ Stoffen dagegen zeigt grössere Unregel- 
mässigkeiten und kann in einem zweifellos verunreinigten Wasser mitunter 
gering sein; dies ist ganz abhängig von der Oxydationsfähigkeit des Bodens. 
Auch die Anzahl der Bakterien steht nicht immer im Verhältniss zu 
dem Grade der Verunreinigung. Ein einseitig hoher Gehalt an Schwefel- 
säure, Chlor- oder Salpetersäure lässt auch keinen Rückschluss auf eine Ver- 
upreinigung des Wassers zu. „Wenn aber ein Brunnenwasser neben einem 
verhältnissmässig hohen Gehalt an Salpetersäure gleichzeitig einen hohen 
Gehalt an Chlor und auch an Schwefelsäure aufweist, so kann man mit fast 
an Gewissheit grenzender Wahrscheinlichkeit schliessen, dass der Brunnen 
Zuflüsse aus entweder mit menschlichen oder thierischen Abgängen verun- 
reinigtem Boden erhält, einerlei, ob die Verunreinigung des Bodens aus neuerer 
oder früherer Zeit herrührt. Dass bei Beurtheilung dieser Frage die ört- 
lichen Verhältnisse berücksichtigt werden mössen, liegt auf der Hand“. 
„Ohne Zweifel giebt für die Beurtheilung von Grund- bezw. Brunnenwasser 
in einem gut filtrirenden Boden, der erwiesenermaassen auf 4—5 m Tiefe 
keine Bakterien mehr durchtreten lässt, die von ärztlicher Seite in den letzten 
Jahren viel geschmähte chemische Analyse viel sicherere Anhaltspunkte 
als die bakteriologische Untersuchung; letztere hat nur bei Filtrationswasser- 
werken den Vorzug, um die Wirksamkeit der Filter zu überwachen; in den 
meisten Fällen werden chemische und bakterinlogische Untersuchung Hand in 
Hand gehen müssen.“ Wesenberg (Elberfeld). 


Teclu Nic., Zur quantitativen Bestimmung des Ozons. Zeitschr. f. 
analyt. Chem. 1900. S. 103. 

Da das Ozon in der Wasserversorgung jetzt eine weitere Verwendung zu 
finden scheint, ist es wohl angebracht, hier über eine Methode zur quanti- 
tativen Bestimmung desselben zu referiren. Als Apparat benutzt Verf. 
eine Glasröhre von etwa 13,5 mm Durchmesser und 30 cm Länge, an deren 

6 


62 Wasser. Klima. 


Enden in der Richtung der Achse je eine engere Glasröhre mit Glashahn an- 
geschmolzen ist. Die eine dieser Röhren ist vor ihrer Mündung rechtwinklig 
gebogen, durch dieselbe wird das Gas, durch Druck oder Saugen, eingeleitet. 
Nach dem Füllen der Birne mit dem Gas wird die gerade engere Röhre bis 
zum Glashahn mit einer etwa 2 proc. Jodkaliumlösung gefüllt und mittels 
Gummistopfen auf ein Fläschchen von etwa 300 ccm Iohalt, das ebenfalls 
KJ-Lösung enthält, aufgesetzt; dieses Fläschchen steht durch einen Tubus mit 
einem Quecksilbergefäss in Verbindung, sodass mit Hilfe des letzteren die Jod- 
kaliamlösung in die Glasröhre leicht eingetrieben werden kann. Sind so etwa 
30—40 ccm (bei Gasen mit mehr als 10 pCt. Ozon ist eine grössere Menge 
oder eine koncentrirtere Jodkaliumlösung erforderlich) in die Untersuchungs- 
röhre eingebracht, so wird diese abgenommen und längere Zeit kräftig ge- 
schüttelt (Schüttelmaschine). Nach dem Entleeren der Röhre und Ansäuern 
v Natri- 
umthiosulfatlösung titrirt; Stärkelösung dient als Indicator; als Endreaktion gilt 
das erste Verschwinden der Blaufärbung 1 ccm der Thiosulfatlösung entspricht 
nach dem Verf.— 0,00008 g „Ozon“; (richtiger würde es wohl heissen—0,00024 g 
Ozon oder 0,00008 g „wirksamem Sauerstoff“. Ref.) 
Wesenberg (Elberfeld). 


der Flüssigkeit mit Essigsäure wird das ausgeschiedene Jod mit - 


Arago, Le dernier mot sur les caux de Paris. Les résultats de 
l'enquête officielle. Ann. d’hyg. publ. et de med. lég. 1900. Série 3. 
T. 43. p. 254. 

Das Auftreten des Typhus in Paris im Jahre 1899 bat dem Präfekten 
des Seinedepartements Anlass gegeben, die Ursache der Krankheit und die 
Wasserversorgungsverhältnisse der Stadt durch eine wissenschaftliche Kommission 
prüfen zu lassen, der die Herren Martin. Janet, Levy, Miquel, Thierry, 
Marboutin, Cambier und Le Couppey angehörten. Der jetzt erschienene 
Bericht der Kommission (Premier rapport sur les eaux des sources de l’Avre 
et de la Vanne et sur la fièvre typhoide à Paris en 1898—1899) bestätigt 
dem Referat vom Arago zufolge die Angaben und Schlussfolgerungen in den 
kürzlich in dieser Zeitschrift (1900. S. 1000) besprochenen, den gleichen Gegen- 
stand betreffenden Arbeit von Thoinot. Kübler (Berlin). 


Rubemann J., Witterung, Sonnenscheindauer und Infektionskrank- 
heiten. Berliner klin. Wochenschr. 1900. No. 17. S. 378. 

Hessler hatte bei seinen Untersuchungen kein bestimmtes Verhältniss 
zwischen Morbidität bezw. Mortalität und Sonnenschein gefunden. R. macht 
demgegenüber darauf aufmerksam, dass man nicht nur isochrone Verhältnisse 
dieser beiden Faktoren in Vergleich bringen darf, sondern auch konsekutive 
Morbiditätsergebnisse auf vorangegangene Sonnenscheindauer-Verhältnisse be- 
rechnen muss. Es vergeht stets ein gewisser Zeitraum, bis sich die auf Rech- 
nung der Sonne zu beziehende Aenderung in der Morbidität wirklich äussert 
und sich statistisch zeigen lässt. Dieudonné (Würzburg). 


Klima. Infektionskrankheiten. 63 


Grawitz, Ein Beitrag zur Frage nach der Entstehung der sogenannten 
Tropenanämie. Arch. f. Schiffs- u. Tropenhyg. Bd. 4. S. 79. 

Nachdem A. Plebn in Kamerun bei Europäern, welche noch keine 
Malaria- oder sonstige Infektion erlitten hatten, in zahlreichen rothen Blut- 
körperchen basophil sich färbende Körnchen in geringer Anzahl (3—10) nach- 
gewiesen hatte, welche er für Vorstufen des Malariaparasiten hält, hat Grawitz 
diese Ergebnisse nachgeprüft und gefunden, dass ausser hei Malariakranken 
auch bei vielen anderen Anämischen sich basophile Körnchen in rothen 
Blutkörperchen finden, besonders bei Leuten, welche in ihrem Berufe zur Auf- 
nahme von Blei Gelegenheit haben. Die Körnchen, welche sich leicht färben 
lassen. entstehen nach G. im cirkulirenden Blute unter der Einwirkung von 
protoplasmaschädigenden Giften, sie sind Degenerationserscheinungen. Gra- 
witz hält es nun für möglich, dass dieser Körncheubildung eine Bedeutung 
bei der Entstehung der Tropenanämie zukommt, also jenes Zustandes fort- 
schreitender Blässe und Schwäche bei eurepäischen Tropenbewohnern, welcher 
nicht auf irgend einer Infektion beruht, und von dem durch Eijkman und 
Grijns auf Java nachgewiesen worden ist, dass er auch nicht auf einer irgend 
pennenswerthen Verminderung der rothen Blutzellen oder des Hämoglobins 
“der des Bluteiweisses beruht. 

Zur experimentellen Verfolgung dieser Frage hat Verf. weisse Mäuse bei 
höheren Temperaturen (bis 45° C.) beobachtet und gefunden, dass durch blosse 
Finwirkung erhöhter Aussentemperatur degenerative Veränderungen in den 
rothen Blutkörperchen auftreten. Verf. zieht hieraus nicht ohne weiteres 
Schlüsse über das Verhalten des menschlichen Blutes in den Tropen, sondern will 
die Tropenärzte zu weiteren Untersuchungen auf diesem Gebiete anregen und 
giebt am Schluss seiner Arbeit einige Fingerzeige hierfür. 

Martin (Berlin). 


Schutzmaassregeln bei ansteckenden Krankheiten. Herausgegeben 
vom Verein der Medicinalbeamten des Regierungsbezirks Potsdam. Zweite 
unveränderte Auflage. Berlin 1900. Richard Schoetz. 

Das vorliegende Heftchen (30 Seiten) ist eines, dessen gute Absicht und 
Berechtigung Jeder anerkennen muss, dessen erstrebter Erfolg aber von allen 
denen leider mit Recht bezweifelt werden wird, die mit ländlichen und Ver- 
hältoissen in kleineren Städten — denn auf diese ist es doch in erster Reihe 
abgesehen — vertraut sind. Durch Vertheilung des Heftes an Polizeibehörden, 
Aerzte, Pflegepersonal, an Geistliche, Lehrer und niederes Heilpersonal soll 
diesen der Inhalt, der, wie es dem Stande und dem Wissen der Herausgeber 
entspricht, zweckdienlich und kurz und verständlich ausgedrückt ist, bekannt 
gemacht werden, damit sie gegebenen Falles nicht nur ihr eigenes Verhalten 
danach richten, sondern auch die Haushaltungsvorstände entsprechend belehren 
können. Eventuell sollen auch Sonderabdrücke bezüglich einzelner, gerade 
herrschender Krankheiten an die Hausbaltungsvorstände vertheilt werden. 

Derartige Bestrebungen sind nicht neu, und Referent hat in seiner viel- 
jährigen Stellung als Medieinalbeamter selbst wiederholt durch Vertheilung 


6* 


64 Infektionskrankheiten. 


ähnlicher Schriften zu wirken versucht, aber stets ohne merklichen Erfalg. 
Alle Versuche scheiterten an der Unwissenheit und Gleichgiltigkeit der Be- 
völkerung, und das, fürchte ich, wird auch das Ergebniss eines erneuerten 
Versuches sein. Und ganz natürlich: das Verständniss der „Schutzmauss- 
regeln“ und ihrer Ziele lässt sich einem erwachsenen und nur mit Durch- 
schnittsbildung ausgestatteten Laien nicht beibringen. Dazu ist Erziehung 
von frühester Jugend an erforderlich, viel mehr Wasser, Seife und Licht, als 
wir durchschnittlich zu verbrauchen pflegen. 

Es ist kürzlich von einer Aerztekammer angeregt worden, schwindsüch- 
tige Lehrer ihres Amtes zu entheben, weil die Gefahr der Uebertragung auf 
die Schulkinder gross sei. Man sollte diese Forderung dahin abändern, dass 
diejenigen Lehrer ihres Amtes zu entheben sind, die ihre Zöglinge nicht zu 
unterweisen verstehen, wie sie sich vor der Ansteckung zu schützen haben. 
Schüler, die so erzogen sind, würden als Erwachsene die Schutzmaassregeln 
entweder begreifen oder gar nicht nötbig haben. Allen Aerzten aber, sowie 
allen Gebildeten, die einen zuverlässigen Rathgeber über ansteckende 
Krankheiten für sich oder zur Belehrung für Andere gebrauchen, sei das 
Heftchen dringend empfohlen. Jacobson (Halberstadt). 


Marcuse, Bernhard, Ueber Leberlymphome bei Infektionskrank- 
heiten. Virch. Arch. Bd. 160. S. 186. 

In 114 Fällen von Infektionskrankheiten konnte Verf. 6l mal eine 
pathologische Vergrösserung bez. Vermehrung der kleinsten Lymph- 
knötchen im interstitiellen Lebergewebe feststellen. Diese Leber- 
lymphome, die eine Grösse bis zu 300 „ erreichen, stehen weder zur Schwere 
der Erkrankung noch zu Schwellungen des follikulären Apparates des Darmes iu 
Beziehung. Sie sind besonders häufig, aber durchaus nicht regelmässig bei 
Scharlach, Diphtherie und Typhus zu finden. Bei Scharlach und Diphtherie 
waren sie schon in den ersten Tagen der Krankheit und noch 3 Monate nach- 
ber nachzuweisen. Sie verschwinden allmählich ohne nekrobiotische Processe, 
indem an ihre Stelle eine herdförmige Wucherung des präformirten Binde- 
gewebes zu treten scheint. 

Mit den nekrotischen Herden, die bei Typhus, Scharlach und Diph- 
therie in der Leber auftreten, haben die Lymphome nichts zu thnn. 

H. Koeniger (Leipzig). 


Epstein, Alois, Ueber „faule Ecken“, d. i. geschwürige Mundwinkel 
bei Kindern. Jahrb. f. Kinderheilk. 1900. Bd. 51. S. 317. 

Der Verf. beschreibt einen im Volke gut gekannten Krankheitszustand, 
die Erosion der Mundwinkel, die in nässender Form und in mehr trocke- 
nen und fissarirten Formen auftritt. Von französischen Autoren ist die Affek- 
tion unter dem Namen „Perleche“ in die Literatur aufgenommen und wird von 
ihnen ebenso wie vom Volksglauben für kontagiös gehalten. Komplika- 
tionen dieses meist leicht zu heilenden Uebels waren bisher nicht bekannt. 
Der Verf. beobachtete fünfmal eine Infektion der Mundwinkelerosionen mit 
Diphtheriebacillen bei gleichzeitiger Rachendiphtherie. 

H. Koeniger (Leipzig). 


Infektionskrankheiten. 65 


Nasgeli, Otto, Ueber Häufigkeit, Lokalisation und Ausheilung der 
Tuberkulose nach 500 Sektionen des Zürcherischen Patholo- 
gischen Instituts. Virch. Arch. Bd. 160. S. 426. 

Aus der ausserordentlich verdienstvollen, auf sehr sorgfältigen Unter- 
suchungen beruhenden Arbeit des Verf.’s geht Folgendes hervor: Vor dem 
2. Lebensjahre ist Tuberkulose jedenfalls sehr selten (in der Statistik 
des Verf’s wurden sämmtliche 12 Neugeborene und sämmtliche 16 Kinder 
unter einem Jahre frei von Tuberkulose befunden), vom 2.—5. Jahre 
selten, aber stets letal. Vom 5.—14. Jahre treffen wir bereits ein Drittel 
der Leichen tuberkulös: ®/, der von der Krankheit Befallenen erliegen der- 
selben, das letzte Viertel besitzt latente, aber doch aktiv fortschreitende Tu- 
berkulose. Zwischen dem 14. und 18. Jahre hat die Tuberkulose bereits 
die Hälfte der Individuen ergriffen, alles sind aktive fortschreitende Processe, 
Ausheilung ist noch fast nie erfolgt. Zwischen dem 18. und 30. Alters- 
jahre ergiebt fast jede Sektion tnberkulöse Veränderungen, ®/, derselben sind 
aktiv, 1/⁄, ist bereits ausgeheilt. Vom 80. Jahre an zeigen alle Leichen 
tuberkulöse Veränderungen: Mit zunehmendem Alter verringert sich die Zahl 
der aktiven und der letalen Tuberkulosen, und in demselben Maasse steigt die 
Menge der unschuldigen ausgeheilten Veränderungen. 

Die Häufigkeit der Ausheilung der Tuberkulose, vor dem 18. Jahre 
minimal, steigt im dritten Decennium auf 1/4, im vierten auf 2/, und wächst 
dann ziemlich regelmässig bis auf ®/, im 70. Jahre. Die Häufigkeit eines 
letalen Ausganges der Tuberkulose sinkt von 100 pCt. im frühesten Kindes- 
alter konstant bis zum 18. Lebensjahre auf 29 pCt., sie steigt nochmals lang- 
sam an im dritten Decennium, erreicht im 80. Jahre noch 38 pCt. und fällt 
dann ganz langsam und regelmässig gegen das höhere Alter zu ab. 

Da die Disposition zu Tuberkulose offenbar am besten ihren Aus- 
druck findet in der Häufigkeit letaler Fälle, so ist die Disposition des Men- 
schen in der Jugend am höchsten, sie nimmt ab mit der Pubertät, wächst 
nochmals gegen das Ende des 3. Lebensdecenniums, fällt dann ganz allmäh- 
lich gegen das Alter hin. 

In dem steten Ansteigen der Zahl der aktiven und inaktiven Tuberkulosen 
son der Jugend gegen das Alter zu drückt. sich offenbar nur die stets an- 
wachsende Gelegenheit zur Infektion mit tuberkulösem Virus aus. Mit 
der Zunahme der Jahre tritt immer sicherer einmal eine Gelegenheit zur An- 
steckung ein. Das Resultat „Jeder Erwachsene ist tuberkulös“ braucht 
uns daher gar nicht so sebr zu erschrecken, es birgt vielmehr Trost und Hoff- 
nang in sich; denn da erfahrungsgemäss nicht mehr als !/;—!/, der Menschen 
der schrecklichen Krankheit zum Opfer fällt, so folgt daraus, dass weitaus 
die Mehrzahl im Stande ist, den Kampf mit der Tuberkulose siegreich durch- 
zuführen. 

Was die Lokalisation betrifft, so sind bei Weitem am häufigsten die 
Tracheobronchialdrüsen und die Lungenspitzen erkrankt, nnd es ist der Schluss 
gerechtfertigt: weitaus die meisten tuberkulösen Affektionen des menschlichen 
Körpers sind aörogenen Ursprungs. H. Koeniger (Leipzig). 


66 Infektionskrankheiten. 


Heubner, Otto, Ueber die Verhütung der Tuberkulose im Kindesalter 
in ihren Beziehungen zu Heil- und Heimstätten. Jahrb. f. Kinder- 
heilk. 1900. Bd. 51. S. 55. 

Es fragt sicb, ob es unter der Kinderwelt so viele Tuberkulöse 
giebt, dass es sich lohnt, in ähnlicher Weise wie für die Erwachsenen, an 
möglichst vielen Orten besondere, gesundheitlich günstig gelegene Heilstät- 
ten einzurichten, oder ob es vorzuziehen wäre, im Anschluss an die Kinder- 
krankenhäuser gesonderte Abtheilungen für die Tuberkulösen zu schaffen, 
wie sie ja für andere Iufektionskrankheiten schon vorhanden sind. Die Er- 
fahrungen, die man in Frankreich seit 10 Jahren mit besonderen Heilstätten 
für tuberkulös erkrankte Kinder gemacht hat, sind sehr gute und beweisen, 
dass mindestens für Grossstädte die Errichtung derartiger Heilstät- 
ten einem Bedürfniss eutspricht. 

Ganz besonders empfiehlt der Verf. ferner die Schaffung von Heim- 
stätten, um noch gesunde, aber bedrohte Kinder vor der tuberkulösen An- 
steckung oder Erkrankung zu schützen. Es kommen hier namentlich vier 
Gruppen von Kindern in Betracht, nämlich erstens die noch gesunden 
Abkömmlinge von tuberkulösen Eltern oder überhaupt aus Familien, in denen 
tuberkulöse Erwachsene sich befinden, zweitens Kinder, die in Folge ihrer 
Abstammung von schwächlichen Eltern und selbst mit einer zarten Konstitu- 
tion behaftet, besonderer gesundheitlicher Ueberwachung nnd Pflege bedürfen, 
drittens die einfach skrophulösen Kinder, soweit sie sicher gefahrlos für 
ihre Umgebung sind, und viertens die aus den Kinderkrankenhäusern ent- 
lassenen, von akuten Infektionskrankheiten genesenen und in dieser Zeit für 
die Tuberkulose besonders empfänglichen kleinen Patienten. Solche Heim- 
stätten müssten durch private Thätigkeit gemeinnütziger Verbände in grosser 
Zahl und in möglichster Nähe der Städte und Grossstädte ins Leben gerufen 
werden. H. Koeniger (Leipzig). 


Thalmann, Zur Aetiologie des Tetanus. Aus d. hygienischen Institut d. 
Univ. Leipzig. Zeitschr. f. Hyg. u. Infektionskrankh. Bd. 33. S. 387. 

Neuerdings werden auch alle scheinbar von selbst aufgetretenen 
Fälle von Tetanus ebenso wie die traumatischen aufgefasst, d.h. 
auf ein Eindringen der Erreger oder des Giftes des Tetanus von aussen zurück- 
geführt, ohne dass der Beweis, dass es sich so verhält, bis jetzt immer ge- 
führt werden kann. Dazu gehört der Nachweis der Tetanusbacillen ent- 
weder im Blut und in den inneren Organen oder an der Eingangspforte. 
Letztere kann schon bei äusseren Verletzungen, die klein oder versteckt oder 
bereits verheilt sind, schwer erkennbar sein, sie kann aber unter Umständen 
ibren Sitz auch auf Schleimhäuten haben. Der Verf. hat hierüber Ver- 
suche mit Meerschweinchen angestellt, deren wichtigste Ergebnisse folgende 
sind: Für Magen und Darm gesunder Thiere bilden Tetanuskeime 
keine Gefahr. Dies ist längst bekannt, und auch der Verf. fand es bestätigt. 
Es gilt aber auch, weno durch Abführmittel, durch reizende Stoffe, wie 
Krotonöl, spanische Fliege, spitze Glassplitter oder durch Einbringung be- 
stimmter lebender Bakterienarten vorher ausgesprochene Entzündungs- 


Infektionskrankheiten. 67 


erscheinungen hervorgerufen und durch Opium oder Verschluss des Afters 
die Tetanuskeime längere Zeit im Darm festgehalten werden. Von der Harn- 
blase aus liess sich Tetanus mit und obne gleichzeitige Verletzungen eben 
so wenig hervorrufen. Wohl aber war dies der Fall von der Mundhöhle 
aus, wenn diese oder die Zunge verletzt waren. Sie verhielten sich also ganz 
wie die äussere Haut. Bei gesunden Athmungsorganen blieb die Ein- 
athmung von Luft, in welcher zahlreiche Tetanuskeime zerstäubt waren, ohne 
Folgen. Wurde aber durch vorherige Einathmung von schwefliger Säure 
katarrhalische Entzündung erzeugt, so entstand Tetanus. Verletzun- 
gen der Nasenschleimhaut lieferten sehr gute Bedingungen für die Ent- 
wiekelung der Tetanuskeime, sei es, dass sie durch Einathmung oder 
unmittelbar dorthin gebracht wurden. Die in der Literatur nicht seltene An- 
gabe, dass durch Erkältung der Ausbruch von Tetanus befördert würde, 
fand der Verf. bei seinen Thierversuchen nicht bestätigt. Er beobachtete 
aber unter ihnen einige Fälle von chronischem Tetanus, welche ohne Krampf- 
erscheinungen in 6—7 Wochen mit Tod endeten. 

Am Schlusse wird eine Anzahl von „idiopathischen“ und „rheuma- 
tischen“ Tetanusfällen bei Menschen aus der Literatur besprochen und auf 
Grund derselben empfohlen, bei ähnlichen Erkrankungsfällen die Mundhöhle 
und die Mandeln, besonders aber die Nasenschleimhaut, deren Ver- 
letzungen sehr häufig sind, als Ringangspforte ins Auge zu fassen und 
auch an ein Eindringen des Tetanus von der Luftröhre und deren Ver- 
zweigungen her zu denken, das in einem Fall von Carbone und Perrero 
nachgewiesen worden ist. Globig (Kiel). 


Viuceazi, Livio, Ueber die Aetiologie einer otitischen Leptomenin- 
gitis. Centralbl. f. Bakteriol. Abth. I. Bd. 27. No. 16 u. 17. S. 561. 

In dem eitrigen Exsudat einer otitischen Leptomeningitis wurde 
ein lanzettfürmiger Diplokokkus in Reinkultur gefunden, der morpho- 
logisch dem Pneumokokkus sehr ähnelte, sich aber kulturell sehr wesent- 
lich von diesem unterschied. Derselbe wächst sehr üppig schon bei Zimmer- 
temperatur, bildet auf der Oberfläche der Fleischbrühe eine weisse fettige Haut, 
auf der Oberfläche der Gelatineplatte grob granulirte, feste Kolonien, auf Agar 
einen dünnen, weissen, glänzenden Ueberzug. Durch subdurale Injektion wird 
beim Kaninchen eine tödtliche Meningitis hervorgerufen. 

H. Koeniger (Leipzig). 


Scheib, Alexander, Meningitis suppurativa bedingt durch Bacterium 
lactis aörogenes. Prag. med. Wochenschr. 1900. S. 169. 

Der Verf. zeigt an einem interessanten Beispiel, wie verschieden die Aetio- 
logie der Meningitis suppurativa im Kindesalter sein kann. Es handelte 
sich um ein 8 Tage altes Mädchen, das, ohne besondere Symptome darzubieten, 
gestorben war. Die Sektion ergab eine beiderseitige Otitis media suppurativa 
und eine starke eitrige Meningitis. Im Eiter des Mittelohres, wie in dem 
der Hirnhäute liessen sich ziemlich reichliche, kurze, an den Enden abgerun- 
dete Bacillen, die theilweise intracellulär gelagert waren, nachweisen. Durch 


68 Infektionskrankheiten. 


genauere kulturelle Untersuchungen, wie durch Uebertragungen wurde fest- 
gestellt, dass es sich um das zuerst von Escherich beschriebene Bacte- 
rium lactis aörogenes handelte, dessen Unterscheidung vom Bacillus coli 
und vom Bac. pneumoniae (Friedländer), denen es mitunter ausserordent- 
lich ähnelt, im vorliegenden Falle mit Sicherheit möglich war. 
Hildebrandt (Halle a. $.). 


Fischl, Rudolf, Ueber chronisch recidivirende exsudative Anginen 
- im Kindesalter. Jahrb. f. Kinderheilk. 1900. Bd. 51. S. 326. 

Die vom Verf. besprochene Krankheit stellt eine meist unter dem ty- 
pischen Bilde der lacunären Angina verlaufende Affektion dar, 
welche im 2. Lebensjahr einsetzt und sich dann in verschiedenen oft nur 
wenige Wochen betragenden Intervallen wiederholt, um gewöhnlich mit 
Eintritt der Pubertät seltener zu werden. Man beobachtet in buntem Wechsel 
leichtere und schwerere Attaquen, die aber doch im Allgemeinen unkom- 
plieirt und günstig verlaufen. Den betroffenen Individuen muss man eine 
direkte anginöse Disposition zuschreiben, und zwar scheint diese Dispo- 
sition entschieden hereditär zu sein. In der Aetiologie spielen nicht nur 
die Streptokokken, sondern auch die Staphylo- und die Pneumokokken 
eine Rolle, und zwar bieten die einzelnen Attaquen in der Regel die gleiche 
bakterielle Ursache dar, was für eine specifische Einstellung des Rachens 
auf die Wirkung bestimmter Mikroorganismen spricht. Ob aber diese Infektions- 
erreger immer wieder von aussen zugeführt werden, oder ob nach gewisser Zeit 
eine Regeneration der Virulenz der Mundhöhlenflora erfolgt, ist schwer zu ent- 
scheiden. H. Koeniger (Leipzig). 


Herz, Robert, Ueber Gonokokkenfärbung mit Neutralroth. Prager 
med. Wochenschr. 1900. No. 10. S. 109. 

Der Verf. empfiehlt bei der Färbung der Gonokokken mit Ehrlich- 
schem Neutralroth eine !/,—1proc. wässrige Lösung zu gebrauchen, da 
man mit dieser selır schöne und klare Bilder erhält. Verfährt man nach der 
von Unna angegebenen Weise, indem man auf das nicht fixirte Sekret eine 
1/a—1proc. alkoholische Neutralrothlösung einwirken lässt, so erhält man 
zwar bei Anwesenheit zahlreicher Gonokokken recht gute Resultate, es lässt 
dagegen die Methode in zweifelhaften Fällen mit spärlichen Gonokokken oft 
im Stich. Immerbin ist es ein unzweifelhafter Vorzug dieser Art der Fär- 
bung, dass die Staphylokokken nicht mitgefärbt werden. 

Hildebrandt (Halle a. S.) 


Finkelstein H., Ueber Sepsis im frühen Kindesalter. Jahrb. f. Kinder- 
heilkunde. 1900. Bd. 51. S. 262. 

In einem auf der Deutschen Naturforscher- Versammlung 1899 erstatteten 
Referat behandelt der Verf. eingehender die Frage nach der Bedeutung des 
Verdauungstraktes als Ausgangspunkt der septischen Infektion. 
Schwere septische Erkrankungen der Säuglinge pflegen mit gastroenteri- 
tischen Symptomen einherzugehen, die sich zu choleraartigen Zuständen stei- 


Infektionskrankheiten. 69 


gern können. Es spricht jedoch nichts für die Annahme, dass die Sepsis 
ihren einzigen Ausdruck in einer Gastroenteritis finden könne. Die Mehr- 
zahl der Gastroenteritiden sind vielmehr primäre Darmerkrankun- 
gen; die häufigen schweren Allgemeinerscheinungen beruhen nicht auf einer 
Allgemeininfektion, sondern auf einer Intoxikation; die bisweilen auftretenden 
Organkomplikationen sind sekundärer, accidenteller Natur. Vom Darm aus 
scheint nur dann ein Eindringen von Bakterien in die Cirkulation 
vor sich zu gehen, wenn tiefgehende nekrotische Entzündungen oder Substanz- 
serluste vorliegen. H. Koeniger (Leipzig). 


Kraus R., und Clairmont P., Ueber experimentelle Lyssa bei Vögeln. 
Aus dem serotherapeutischen Institut in Wien. Zeitschr. f. Hyg. u. Infek- 
tionskrankh. Bd. 34. S. 1. 

Gibier hatte schon 1884 gefunden, dass Vögel wuthkrank gemacht 
werden können, dass hierbei spontane Heilungen vorkommen, und dass die 
Krankheit auf Säugethiere übertragbar ist. Die Verff. haben diese Unter- 
suchangen nachgeprüft, ergänzt und erweitert, Sie wandten immer die 
Eiobringung unter die harte Hirnbaut an und fanden, dass Hühner so- 
wohl durch Virus fixe wie durch Strassenwuth ohne wesentlichen Unterschied 
nach 4—8 Wochen mit Ataxie der Beine erkranken, die allmählich in 
Lähmung übergeht und von hinten nach vorn fortschreitend die Flü- 
gel, den Rumpf und Hals ergreift. Die Thiere sterben 1—15 Wochen 
später unter Abmagerung. Uebertragung von wuthkranken Hühnern auf an- 
dere Hühner und Kaninchen gelang nur in einem kleinen Theil der Versuche, 
manchmal mit verlängerter Inkubation. Gänse verhielten sich genau wie Hüh- 
ner, nur erkrankten sie schon nach 2—3 Wochen und starben 1—2 Wochen 
später. Bei Eulen war das Ergebniss das gleiche, nur kam es in einem 
Falle zar Genesung. Raben und Falken erkrankten nicht, ebensowenig 
ältere Tauben, doch konnten junge Tauben und ältere, welche 5 Tage 
gehungert hatten, wenigstens zum Theil wuthkrank gemacht werden. 
Auch hier kamen einzelne Heilungen vor. Blutserum und Gehirn von immunen 
Tauben hatte keinerlei schädigende Wirkung auf das Wuthgift. Die histo- 
logische Untersuchung ergab wie bei Säugethieren Ansammlung von 
Randzellen in der Umgebung der Gefässe, sie erreichte sogar, dem chro- 
nischen Verlauf entsprechend, einen sehr hohen Grad. 

Globig (Kiel). 


Passelt A., Die geographische Verbreitung des Blasenwurmleidens, 
insbesondere des Alveolarechinokokkus der Leber und dessen 
Rasuistik seit 1886. Stuttgart 1900. Ferdinand Enke. Preis: 12 Mk. 

Vorliegende Abhandlung beschäftigt sich mit der geographischen Ver- 
breitang des Blasenwurmleidens überhaupt und ganz besonders des 

Alveolarechinokokkus und der Kasuistik desselben und bildet eine 

Fortsetzung der Vierordt’schen Arbeit über den multilokulären Echinokokkus 

(Freiburg i. B. 1886, Mohr [Siebeck]), die bis zum Jahre 1886 reicht. 

Aus der reichen, mit kritischer Sichtung zusammengetragenen Kasuistik 
7 


70 Immunität. Schutzimpfung. 


des Verf.'s erhellt die grosse Rolle, welche die geographische Verbreitung 
bezüglich des Vorkommens des Alveolarechinokokkus spielt. Ländern, die ganz 
oder fast ganz von dem Blasenwurmleiden verschont blieben, stehen andere 
gegenüber, die, wie Bayern, Württemberg, Nordschweiz, Nordtirol, ein gehäuftes 
Auftreten des Alveolarechinokokkus erkennen lassen, während die hydatidose 
Form des Echinokokkus hier völlig zurücktritt. Auf der anderen Seite wurde 
in den klassischen Ländern des hydatidosen Echinokokkus, in Island, Australien, 
Mecklenburg, Neuvorpommern, Dalmatien, Argentinien, trotz eingehender Be- 
obachtung niemals ein Exemplar von Echinococcus alveolaris konstatirt. Auch 
in anderen Ländern, die vom gewöhnlichen Blasenwurmleiden heimgesucht 
werden, vermissen wir die eigenartige Form des alveolären; so wurde in Ungarn, 
in England noch niemals, in Frankreich ein ganz vereinzelter Fall gesehen. 
Manche Distrikte lassen ein scharf begrenztes herdförmiges Vorkommen beider 
Arten erkennen; so ist das Unterinnthal und Pusterthal in Tirol das Revier 
der alveolären Form, in dem noch nie ein lall der andern Form beobachtet 
wurde, während umgekehrt nördlich vom Gardasee in Südtirol ein Herd der 
hydatidosen Form festgestellt ist, in dem noch niemals die alveoläre Form 
beobachtet wurde. Ebenso konnte in einigen Gouvernements Russlands das- 
selbe antagonistische Verhalten in dem Vorkommen der beiden Arten fest- 
gestellt werden. 

Aus Arbeiten wie der vorliegenden erhellt die ausserordentliche Wich- 
tigkeit der geographisch-medicinischen Forschung nicht blos zur Gewinnung 
pathologischer und klinischer, sondern auch allgemein-hygienischer Gesichts- 
punkte. Nothwendig ist, dass jeder einzelne Fall gemeldet, dass alle in Frage 
kommenden ursächlichen Momente hinsichtlich der Beschäftigung, Lebens- 
gewohnheit, Vorkommen bei Hausthieren u. s. w. festgestellt und eine getrennte 
Statistik für beide Arten von Blasenwurmleiden sowohl beim Menschen wie 
bei Thieren erhoben wird. Roth (Potsdam). 


Nadoleczny M., Ueber das Verhalten virulenter und avirulenter 
Kulturen derselben Bakterienspecies gegenüber aktivem Blute. 
Arch. f. Hyg. Bd. 87. S. 277. 

Der Verf. liess aktives Meerschweinchen- und Kaninchenblut im 
Reagensglase auf virulente und auf avirulente Kulturen von Typhus- 
bacillen und Choleravibrionen einwirken. Die virulenten Kulturen zeigten 
sich sehr viel resistenter gegen die baktericiden Substanzen des Blutes, als 
die avirulenten. Avirulente Stämme wurden durch aktives Blut in hohem 
Grade geschädigt und namentlich im Anfang in der Entwickelung gehemmt, 
während virulente Stämme kaum im Wachsthum behindert wurden. Auf in- 
aktivirtem, d.h. 1/2 Stunde auf 55° erwärmtem Blute tritt eine wesent- 
liche Differenz in der Wachsthumsintensität nicht zu Tage. 

Die Farbe des ursprünglich hellrothen Blutes wird mit steigender Ver- 
mehrung der Bakterien in Folge des Sauerstoffkonsums durch die Bakterien 
immer dunkler. H. Kocniger (Leipzig). 


Immunität. Schutzimpfung. x T1 


Laschtschenko P., Ueber Extraktion von Alexinen aus Kaninchen- 
leukocyten mit dem Blutserum anderer Thiere. Arch. f. Hyg. 
Bd. 37. S. 290. 

Der Verf. stellte eine grössere Reihe von Versuchen an, um aus Kanin- 
chenleukocyten baktericide Stoffe zu extrahiren.: Er verwendete 
dazu namentlich das schon von van de Velde vorgeschlagene Hundeserum, 
dann aber auch die Sera anderer Thiere. Ein Hundeserum, welches einige 
Stunden bei 37° auf Kaninchenleukocyten eingewirkt hat, besitzt eine ausser- 
ordentlich gesteigerte baktericide Kraft. Dieselbe berubt auf sehr labilen, 
durch eine Temperatur von 55° zerstörbaren und durch Zusatz von destillirtem 
Wasser leicht zu schädigenden Stoffen, offenbar Alexinen. 

Die Extraktionswirkung des Hundeserums steht in keinem kausalen 
Zusammenhang zu seinen Alexinen und ebenso wenig zu seiner globuliciden 
Fäbigkeit. Denu auch inaktives Hundeserum, das keine globuliciden Eigen- 
schaften mehr besitzt und nicht zerstörend auf Leukocyten wirkt, ist doch im 
Stande, ans Leukocyten Alexine zu extrahiren. Ebenso wie das Hundeserum 
verhält sich das Serum anderer Thiere gegenüber Kaninchenleukocyten. 
Auf die Leukocyten des Meerschweinchens und des Hundes übten die an- 
gewandten Thiersera dagegen gar keine Wirkung aus. Auch durch Zer- 
störang von Kaninchenleukocyten vermittels Kochsalzlösungen war ein bak- 
tericides Extrakt nicht zu erzielen, während bei 5 Minuten langer Einwir- 
kung von Pferdeserum auf Kaninchenleukocyten ein sehr kräftiges Extrakt 
erhalten werden konnte. Verf. glaubt daher, dass die Thiersera einen speci- 
fischen Reiz auf die Kaninchenleukocyten ausüben, und dass es sich bier um 
eine vitale Sekretion von Alexinen durch die Leukocyten handelt. 

H. Koeniger (Leipzig). 


Weleminsky, Friedrich, Ueber die mechanische Gewinnung bakteri- 
cider Leukocytenstoffe. Prag. med. Wochenschr. 1900. No. 9. S. 97. 
Zur Entscheidung der Frage, ob die Leukocyten die baktericide Sub- 
stanz vorgebildet als eine Art Zymase besitzen, die einfach secernirt werden 
kann, oder ob sie dieselbe erst aus einem „Zymogen“ auf einen Reiz hin, 
bilden, wandte der Verf. folgendes Verfahren an. Es wurde die durch Ein- 
spritzung von Aleuronatbrei in die Bauchhöhle von Hunden, Kaninchen oder 
Katzen gewonnene, poly- und mononukleäre Leukocyten enthaltende Flüssig- 
keit mit physiologischer Kochsalzlösung versetzt und mit Quarzsand und einem 
Zusatze von Kieselguhr gründlich 1—11/, Stunde verrieben. Dann wurde das 
Gemenge in einem Presstuche unter 300 Atmosphären Druck ausgepresst und 
darauf centrifugirt. Diese Flüssigkeit wurde hinsichtlich ihrer baktericiden 
Wirkung auf eine Anzahl verschiedenartiger Mikroorganismen geprüft. Es 
warden nebenher stets Kontrolversuche in hinreichender Anzahl sowohl mit 
Lenkocyten-freien Gemischen von sonst gleicher Zusammensetzung, wie auch 
mit Serum angestellt. 
Von 10 derartigen Versuchen ergaben 7 insofern ein durchaus 
negatives Resultat, als die aus den Leukocyten gewonnene Press- 
flüssigkeit keinerlei baktericide Eigenschaften zeigte. Dagegen 


7* 


72 Immunität. Schutzinpfung. 


trat bei der vergleichsweisen Prüfung des zellfreien Exsudates 
nnd des Serums eine solche jedesmal mit absoluter Sicherheit auf. 

In 2 anderen Fällen dagegen verursachte der Presssaft Entwickelungs- 
hemmung, einmal sogar dem Vibrio Elvers gegenüber Abtödtung der Keime. 
Worauf dieses Verhalten in den 3 zuletzt erwähnten Versuchen beruht, ist 
nicht mit Sicherheit anzugeben. Vielleicht bat es an der Extraktionsflüssig- 
keit oder an besonderen individuellen Eigenschaften gelegen. Fügte man 
dem Presssafte geringe Mengen von Alkali hinzu, so konnte man sofort ein 
mehr oder minder starkes baktericides Verhalten wahrnehmen. 

Es sprechen diese Experimente jedenfalls dafür, dass die 
baktericide Substanz, die man bekanntlich durch den Zusatz ver- 
schiedener Agentien aus den Leukocyten gewinnen kann, erst auf 
einen äusseren Reiz hin gebildet wird. 

Hildebrandt (Halle a. S.). 


Kraus, Rudolf und Clairmont, Paul, Ueber bakteriolytische Wirkungen 
des Taubenserums. Aus d. serotherapeutischen Institut in Wien. Zeit- 
schrift f. Hyg. u. Infektionskrankh. Bd. 34. S. 39. 

Die Eigenschaft bestimmter Serumarten, bestimmte Bakterien in Kügel- 
chen zu verwandeln und dann aufzulösen, beobachtete R. Pfeiffer zuerst 
bloss innerhalb der Bauchhöhle lebender Thiere, dann aber ausnahmsweise 
bei Choleravibrionen auch im Reagensglase unter der Einwirkung 
von Cholera-Immunserum und von normalem Taubenserum — dem ein- 
zigen unter vielen Serumarten von normalen Thieren. Kraus und 
Löw fanden, dass das Taubenseram auch andere Bakterien, namentlich das 
Bacterium coli auflöste. Ueber genauere Untersuchungen dieser Eigenschaft 
berichtet die vorliegende Arbeit. 

Frisches Taubenserum verwandelt im Reagensglase bei 37°, also 
ausserhalb des Thierkörpers und ohne Mitwirkung seiner Zellen, fast regel- 
mässig die einzelnen Stäbchen des Bact. coli in Kügelchen. Nur bei 
8 unter 30 Tauben blieb diese Wirkung aus, dagegen war sie bei 7 noch in 
zehnfacher Verdünnung vorbanden. Indessen verhielt sich das Serum ein- 
zelner Thiere von dem anderer verschieden, und es waren auch Unterschiede 
zwischen ihnen im Verhalten gegen verschiedene Stämme des Bact. coli er- 
kennbar. Viel seltener und schwächer war die gleiche Wirkung auf den 
Vibrio Metschnikoff und auf Choleravibrionen, sie fehlte ganz gegen- 
über Milzbrand, dem Heubacillus, Bac. pyocyaneus und dem Fried- 
länder’schen Pneumoniebacillus. Schon das Serum neugeborener Tauben 
war wirksam. In den einzelnen Organen, wie Milz, Leber, Gehirn, Knochen- 
mark, liess sich nichts derartiges nachweisen. 

Die Verfi. beobachteten im hängenden Tropfen auf dem geheizten 
Objekttisch (37%), wie in 10—20 Minuten die einzelnen Bakterien zu- 
nächst unbeweglich wurden, dann keulenförmig anschwollen, und wie 
das Keulenende langsam Kugelform annahm, während das andere Ende 
verkümmerte. Zu völliger Auflösung kam es nicht. Mit Agglutination 
hat dieser Vorgang nichts zu thun. Dass es sich um eine Lebensäusse- 


Immunität. Schutzimpfung. 73 


rang handelt, geht daraus hervor, dass die Kügelchenbildung ausblieb, wenn 
die Kultur des Bact. coli vorher !/, Stunde auf 80° erhitzt war. Sie kam 
aber auch nicht zu Stande, wenn das Taubenserum !/, Stunde auf 60° erhitzt 
worden war. Ausser durch Erwärmung verliert es seine Bakterien-auflöseude 
Wirkung durch 24stündiges Stehen an der Luft und durch Ansäuern fast 
ganz, dagegen bleibt Abkühlung mit Eis und Einwirkung von Kohlensäure 
(durch Ersticken der Tauben) ohne Einfluss. Während Immunserum, welches 
durch Erhitzung auf 55° seine Fähigkeit, Vibrionen aufzulösen, verloren hat, 
diese wiedergewinnt, wenn es einen Zusatz von normalem Serum erhält, ist 
Aehnliches beim Taubenserum nicht der Fall. Das Serum von Meerschwein- 
chen, die mit Taubenserum in steigender Menge behandelt waren, erhielt 
hierdurch keine Bakterien-auflösenden Eigenschaften. Die Bakterien -auflö- 
senden Stoffe sind im Taubenserum nur in begrenzter Menge vorhanden, 
werden bei der Kügelchenbildung an die Bakterienzellen gebunden und ver- 
braucht. Es handelt sich also um physiologische Körper, welche an- 
geboren sind und den Alexinen nahestehen. Globig (Kiel). 


Kraus, Hugo, Ueber die prophylaktische Immunisirung kranker Kin- 
der gegen Diphtherie. Prager med. Wochenschr. 1900. No. 19. 

Da im Winter 1898—1899 in der Universitäts-Kinderklinik zu Prag 
aus Mangel an Isolirräumen verschiedentlich Hausinfektionen mit Diphtherie 
vorgekommen waren, entschloss man sich zur Anwendung prophylaktischer 
Serumiojektionen auf der Scharlach- und Masernstation des Krankenhauses. 
Während der Zeit vom September 1898 bis Januar 1999 lagen auf der Schar- 
lachabtheilung unter den übrigen Kranken 6 Kinder, die entweder an Schar- 
lach unmittelbar nach Diphtherie oder in der Anstalt während des Scharlachs 
an Diphtherie erkrankten. Diese Fälle verliefen sämmtlich letal. Im Ver- 
laufe des angegebenen Zeitraums erhielten alle in dieser Abtheilung aufge- 
nommenen Kinder (zusammen 24) mit Ausnahme von zweien, die vor Kurzem 
Diphtherie überstanden hatten, eine prophylaktische Seruminjektion. Nur eins 
von diesen Kindern, das ausserordentlich schwer an Scharlach 
darniederlag, erkrankte an Diphtherie. 

Im August 1899 erfolgte auf der Scharlachstation wieder eine Infektion 
mit Diphtherie, die von einem Kinde ihren Ausgang nahm, das kurz zuvor 
eine Diphtherieerkrankung durchgemacht hatte und jetzt ein Recidiv bekam, 
das nach Einspritzung von Serum alsbald in Genesung überging. Es wurden 
jetzt sofort die übrigen 6 auf der Abtheilung befindlichen Kinder präventiv 
behandelt. Von diesen erkrankte eins 27 Tage später an einer diphtheritischen 
Hautinfektion, die nach nochmaliger Seruminjektion rasch schwand. Im Ok- 
tober 1899 wurde die Scharlachabtheilung nach vorher erfolgter gründlicher 
Desinfektion von neuem mit Kranken belegt. Im Vertrauen auf die Wirk- 
samkeit dieser Desinfektion wurde von einer Schutzimpfung Abstand genom- 
men. Sofort erkrankten zwei Kinder an Diphtherie. Nach der 
darauf bei den übrigen 13 Kindern vorgenommenen Immunisirung 
trat keine weitere Erkrankung mehr auf. 

Auf der Masernabtheilung wurden in den Zeiträumen vom November 


T4 Immunität. Schutzimpfung. Wohnungshygiene. 


1898 bis Februar 1899 und December 1899 bis Januar 1900 47 prophylak- 
tische Injektionen ausgeführt. Es lagen während dieser beiden Perioden 
12 Kinder mit Diphtberie und Masern auf der Station. Von diesen 47 Kin- 
dern erkrankte nur eins nach 41 Tagen an einer Augendiphtherie, 
die nach nochmaliger Impfung sehr schnell in Heilung überging. 

Von weiteren 31 an Affektionen der Luftwege leidenden, unter 
dem Verdachte bestehender Diphtherie aufgenommenen Kindern, 
die alle bei ihrem Eintritt in die Klinik immunisirt wurden, 
erkrankte kein einziges an Diphtherie. 

Das Gesammtergebniss der prophylaktischen Injektion stellt sich so, dass 
von 122 injieirten Kindern, die alle der Infektion mit Diphtherie 
in hohem Maasse ausgesetzt waren, nur 3 an Diphtherie erkrank- 
ten. Bei diesen 3 Kindern, welche ausserordentlich schwer darniederlagen, 
trat die Erkrankung überdies erst sehr spät nach der Seruminjektion in Er- 
scheinung. Hildebrandt (Halle a. S.). 


Kraus, Rudolf, Besitzt die Galle Lyssavirus schädigende Eigenschaf- 
ten? Kritische Bemerkungen zu den Aufsätzen von E. J. Frantzius und 
H. Vallée. Aus d. serotherapeutischen Institut in Wien. Zeitschr. f. Hyg. 
u. Infektionskrankh. Bd. 34. S. 31. 

Die Frage wird bejaht. Nach dem Vorgange von R. Koch, der in der 
Galle Rinderpest-kranker Thiere ein immunisirendes Mittel gegen 
diese Krankheit gefunden hat, behauptete zuerst Frantzius 1898, dass die 
Galle wuthkranker Kaninchen, mit dem zerriebenen und aufgeschwemmten 
verlängerten Mark von Lyssa-Kaninchen vermischt, die Wirkung des letzteren 
aufhebe. Vallée bestätigte dies 1899 und hatte schon mit der Galle ge- 
sunder Kaninchen den gleichen Erfolg, den er nicht als antitoxisch, 
sondern als antiseptisch bezeichnete. 

Der Verf. erklärt die Versuche beider Forscher für nicht beweiskräf- 
tig, weil nach seinen und Biedl’s Untersuchungen normale Galle schon in 
der kleinsten Menge, unter die harte Hirnhaut gebracht, Kaninchen so- 
gleich oder in 24 Stunden tödtet, und weil die von ihnen angewendete 
Wuthimpfung in die vordere Augenkammer sehr unsicher ist. Gleichwohl 
fand er ihre Behauptung bestätigt, als er Wuthgift mit normaler Galle 
mischte und die letztere durch Centrifugiren und Auswaschen mit physiolo- 
gischer Kochsalzlösung wieder entfernte. Die Galle zerstört in der That 
das Wuthgift. Globig (Kiel). 


Reincke, Leitfaden für Wohnungspfleger. Hamburg 1898. Senats-Buch- 
druckerei. 

Wie wohl schon manchem unserer Leser bekannt, ist Hamburg bereits 
seit 1898 in der glücklichen Lage, ein Gesetz betreffend die Wohnungs- 
pflege zu besitzen. Um dieses Gesetz durchzuführen, sind in Hamburg 
Wohnungspfleger angestellt, und um wiederum diesen, aus Laienkreisen 


Wohnungshygiene. 75 


gewählten Pflegern eine Anleitung für ihren Beruf zu geben, hat Reincke 
eine kleine, nur 76 Seiten haltende Schrift verfasst, die in knapper, klarer 
Form Fingerzeige für die hygienische Beurtheilung der Wohnungen, sowie 
für die hygienische Benutzung derselben giebt. Das Buch ist direkt für die 
Praxis geschrieben und erfüllt seinen Zweck ganz ausgezeichnet. Es enthält 
eine Fülle beachtenswerther Rathschläge und dürfte nicht allein von Wohnungs- 
pflegern, sondern von Jedermann mit Nutzen studirt werden. Ganz besonders 
sei es auch städtischen Behörden und Korporationen als Lektüre empfohlen. 
F. v. Esmarch (Göttingen). 


Ballner F., Experimentelle Beiträge zur Methodik der Mauerfeuch- 
tigkeits-Bestimmung. Arch. f. Hyg. Bd. 37. S. 310. 

Sämmtliche bisher veröffentlichte Methoden zur Bestimmung der 
Mauerfeochtigkeit leiden daran, dass entweder zu ihrer Ausführung ein 
grösseres Instrumentarium nothwendig ist, oder dass eine längere Zeit ver- 
streichen muss, ehe sie zu Ende geführt werden können. Um diesem Uebel- 
stand abzubelfen, suchte Verf. durch stark hygroskopisch wirkende chemische 
Substanzen dem Mörtel die Feuchtigkeit zu entziehen. Am besten geeignet 
hierzu erwies sich Phosphorsäureanhydrid. Die Methode selbst ist sehr ein- 
fach. Eine abgewogene Mörtelmenge wird in einer Porzellanschale in einen 
Exsikkator gebracht und über derselben ein Schälchen mit etwa 20 g P20; 
aufgestellt. Nach 24—48 Stunden wird wieder gewogen und der Verlust als 
Wasser in Rechnung gebracht. Trotzdem die Methode, verglichen mit der von 
Lehmann und Nussbaum angegebenen, um weniges niedrigere Werthe liefert, 
dürfte sie doch wegen ihrer grossen Einfachheit bei der Bestimmung der 
Manerfeuchtigkeit za empfehlen sein. Wolf (Dresden). 


Meidinger, Wärmewirkung der Teppiche. Badische Gewerbezeitung. 1899. 
No. 46. S. 719. 

Hofrath Meidinger hat in seinem Arbeitszimmer Versuche angestellt 
über die Wirkung eines den ganzen Fussboden bedeckenden Teppichs auf 
das Absinken des Wärmegrades im geheizten Raume und fand, dass diese 
Wirkung eine verschwindend kleine war gegenüber dem nackten Fussboden. 
Meidinger folgert hieraus, dass kleine Teppichvorlagen in Hinsicht auf das 
Wohlbehagen bei ruhigem Sitzen im Raume genau die gleichen Dienste zu 
leisten vermögen wie das Belegen des ganzen Zimmers mit einem Teppich, 
und dass dieser nur ästhetischen Werth habe. 

Dieses Ergebniss darf aber nicht erweitert werden auf massive Zwischen- 
decken — wie Meidinger es thut, wenn er sagt, gross könne auch bei diesen 
die Wirkung des Teppichs nicht sein. Die Balkendecken heutiger Bauart 
stellen zumeist einen schlechten Wärmeleiter von grosser Dicke (durchschnitt- 
lich 30 cm) dar, zu denen die Dicke eines Teppichs (1/,—3 cm) in sehr nie- 
derem Verhältniss steht, während die Dicke der massiven Decken wesentlich 
geringer genommen wird (durchschnittlich 10 cm) und vielfach Stoffe zu ihnen 
gewählt werden, die eine entschieden höhere Wärmeleitung aufweisen als Holz 
oder Wolle. 


76 Wohnungshygiene. 

Ferner spricht für das Belegen der Zimmer mit Teppichen die höhere 
Wärmeaufnahnefähigkeit derselben aus Strahlung gegenüber dem glatten Holz- 
fussboden, denn die Temperatur des Zimmerbodens wird durch die Strahlung 
von der Zimmerdecke nicht unwesentlich beeinflusst, und jede Temperatur- 
steigerung des Bodens muss als besonders willkommen bezeichnet werden. 

Dem Werthe des den ganzen Boden bedeckenden Teppichs als Schall- 
dämpfer kommt ferner besonders in Miethwohnungen doch wohl mehr als 
eine ästhetische Bedeutung zu, während die Schönheit der Räume mehr ge- 
steigert werden kann durch das Legen kleinerer Teppiche in grösserer Zahl 
als durch einen den Boden völlig bedeckenden Teppich. 

2 H. Chr. Nussbaum (Hannover). 


Meidinger, Wärmewirkung der Doppelfenster. Badische Gewerbezeitung. 
1900. No. 4. S. 38. 

Hofrath Meidinger hat in seinem Wohnzimmer und in seinem Arbeits- 
zimmer Versuche darüber angestellt, ob das Anlegen von Doppelfenstern 
einen belangreichen Gewinn bedeutet in Hinsicht auf die Wärmeableitung 
aus dem Raume. Das Ergebniss aus beiden Versuchen war eine verschwin- 
dend geringe Abnahme des Wärmegrades an den verschiedenen Stellen der 
Räume nach dem Oeffnen der Doppelfenster. Hieraus wird die Schlussfolge- 
rung gezogen, dass Doppelfenster ausschliesslich für die Verminderung der Luft- 
bewegung im Raume Werth haben und daher nur dort Verwendung zu finden 
brauchen, wo Arbeitsplätze in der Nähe der Fenster sich befinden. 

Dieser verallgemeinernden und weitgehenden Schlussfolgerung aus zwei 
Versuchen muss die Berechtigung abgestritten werden. Erstens befinden sich 
diese Versuchsergebnisse im Widerspruch zu den mehrjährigen Versuchen des 
Berichterstatters mit einfach und doppelt eingeglasten Fenstern. Hier wurde 
gefunden, dass durch die zweite (im gleichen Fensterflügel angebrachte) Ein- 
glasung die Temperatur der Innenglasfläche des geheizten Raumes sich wesent- 
lich höher halten liess, so zwar, dass Schwitzwasser- und Eisblumenbil- 
dung überhaupt nie mehr eingetreten sind, während sie zuvor (bei Ostwind) 
sehr bedeutend waren, und dass die Temperaturunterschiede zwischen Fuss- 
boden und Decke nicht unwesentlich verringert wurden. (In meinen Versuchen 
wurde Wärme fast nur durch die Fensterwand zur Ableitung gebracht.) Zwei- 
tens bedeutet das Klarbleiben der Glasflächen einen hohen Gewinn an ein- 
fallendem Tageslicht während der an Licht ärmsten Jahreszeit. Drittens ver- 
mag man durch Doppelfenster (weniger durch doppelte Einglasung) das Ein- 
dringen des Geräusches von der Strasse wesentlich herabzusetzen. 

Der Werth des Doppelfensters sowohl wie der (wesentlich billigeren) 
doppelten Einglasung darf daher für die Wohnlichkeit und Gesundheit des 
Raumes m. E. als eine belangreiche bezeichnet werden. 

H. Chr. Nussbaum (Hannover). 


Heizung. TI 


Brauss Ed., Die Berechnung der Feuerungen. Ges.-Ingen. 1900. No. 2. 

Brauss weist darauf hin, dass eine rauchlose Verbrennung in gewerb- 
lichen Feuerungen nur dann erzielt werden kann, wenn ihre Anlage erstens 
den jeweilig verwendeten Brennstoffen angepasst wird, zweitens der durch 
die Höhe des Schornsteins, seiner Querschnittweite und dergl. erzielte Zug im 
richtigen Verhältniss steht zur Grösse der Rostfläche und diese wieder zu den 
Leistungen, welche von der Anlage gefordert werden. Zugleich werden Bei- 
spiele aus dem Leben gegeben, welche zeigen, dass ebensowohl eine zu gross 
wie eine zu gering gewählte Rostfläche zu starker Rauchentwickelung und 
schlechter Brennstoffausnutzung Veranlassung geben können. In jedem Einzel- 
falle ist daher eine sorgfältige Berechnung sämmtlicher in Betracht kommender 
Theile der Heizanlage als Erforderniss zu betrachten. Den Schluss der inter- 
essanten Abhandlung bildet die Ableitung der zur Berechnung dienenden Formeln. 

H. Chr. Nussbaum (Hannover). 


Gärtner, Sauerstoffgehalt in einer sogenannten geschlossenen Hei- 
zung. Gesundheits-Ingenieur. 1900. No. 7. 

Kaeferle (Hannover) und Schmidt (Dresden) waren im Jahre 1896 der 
vielfach verbreiteten Ansicht entgegengetreten, dass die sogenannten geschlosse- 
nen Arten der Niederdruckdampfheizung eine grössere Gewähr für die Dauer- 
haftigkeit ihrer Rohrleitungen und Heizkörper bieten sollen als die offenen 
Heizungsarten, weil in den geschlossenen Rohrleitungen die Luft durch Rost- 
bildang allmählich sauerstoffarm werde. Dies veranlasste Gärtner, einige 
Analysen der abgesperrten Luft zu machen; dieselben wurden nach dem 
Hempel’schen Verfahren ausgeführt und stets Doppelversuche angestellt. 

Die Analysen haben ergeben, dass in den abgesperrten Kesseln einer 
Niederdruckdampfheizung allerdings die Luft arm an Sauerstoff sein kann 
(13—1,4 und 3,5—3,7 pCt.), dass aber die Luft der Rohrleitungen, Heiz- 
körper und Gasometer in ihrem Sauerstoffgehalt nicht wesentlich hinter der 
Aussenluft zurückbleibt (17,1—19,6 pCt.). 

Man kann eben wohl einen gut gebauten Kessel luftdicht abschliessen, 
uicht aber eine ganze Heizung in allen ihren Theilen luftdicht erhalten. 

H. Chr. Nussbaum (Hannover). 


Nicolaus, Erwin, Ueber Gasheizung und den Nutzeffekt der Gasheizung. 
Gesundheits-Ingenieur. 1900. No. 10—12. 
In eingehender Weise bespricht Nicolaus die verschiedenen Gefähr- 
dungen, welche durch Gasausströmen wie durch freies Verbrennen von Gas 
. im Raume hervorgerufen werden können. Er kommt zu dem Schluss, dass 
eine gut angelegte Gasheizung neuester Art hohe Gefahren kaum hervor- 
rufen wird, doch schliesst er sich den Bestimmungen des Hamburger Senats 
an, die fordern, dass Gasheiz- und Gaskoch-Vorrichtungen mit Abzügen für 
die Verbrennungsgase zu versehen sind, sobald sie einen Gasverbrauch von 
500 Litern und mehr stündlich aufweisen. 
Auf Grund theoretischer Erwägungen und unter Benutzung der einschlä- 
gigen Literatur wird dann der Nutzeffekt einer Gasheizung mit dem von Zimmer- 


78 Ventilation. 


öfen gebräuchlicher Art (für Kohle) in Vergleich gezogen und ausgerechnet, 
dass die Kosten für Gasheizung etwa das Anderthalbfache betragen von denen 
für Kohleheizung (in Zimmeröfen). 

Diesem Schlussergebniss vermag der Berichterstatter nicht beizapflichten, 
obgleich auch ihm es aus mannigfachen Gründen erwünscht sein würde, wenn 
der Gasheizung eine wirthschaftlich derart günstige Stellung gegenüber der 
Kohleheizung eingeräumt werden könnte. Aber die Erfahrung hat in Wohn- 
gebäuden üblicher Bauart bislang gezeigt, dass unter Anwendung von Dauer- 
brandöfen brauchbarer Art die Kosten der Kohleheizung nur !/; bis 1/3 der 
Gasheizungskosten betragen (je nach den Tagespreisen der Heizstoffe und der 
Ofenbauart treten Unterschiede auf, die in den angedeuteten Grenzen liegen). 

Allerdings dürfte in Zukunft dieses Verhältniss sich mehr zu Gunsten der 
Gasbeizung neigen, wenn erstens die Gasabgabe für Heizzwecke entsprechend 
den Herstellungskosten geregelt wird und zweitens die Kosten für die Be- 
dienung der Zimmeröfen sich fühlbarer machen als heute durch das zu er- 
wartende rasche Steigen der Dienstbotenlöhne. Kann z. B. durch die Anwen- 
dung der Gasheizung und einer wenig Bedienung erfordernden Beleuchtungs- 
form ein Dienstbote gespart werden, so bedeutet das selbst für umfangreichere 
Haushaltungen bereits eine derartige Ersparniss, dass die Mehrkosten der Gas- 


heizung vollkommen aufgewogen werden. 
H. Chr. Nussbaum (Hannover). 


Fuchs, Paul, Ueber Beziehungen der Pressungen gasförmiger Körper 
an Stauflächen in hohen Geschwindigkeiten. Gesundheits-Ingenieur. 
1900. No. 3. 

Zur Bestimmung der Leistungsfähigkeit eines Verbund-Hochdruck ventila- 
tors in der Fabrik von Julius Pintsch (Finsterwalde) wurde zur Ermittelung 
der Windgeschwindigkeit in einem Gebläserohr auch ein manometrischer Wind- 
geschwindigkeitsmesser nach Recknagel-Krell herangezogen. Bei diesem 
Instrament wird bekanntlich die Geschwindigkeit (v) bewegter gasförmiger 
Körper abgeleitet aus der Messung der Staupressung und Stauunter- 
pressung, welche auf einer senkrecht zur Bewegungsrichtung der bewegten 
Gasmassen gestellten kreisrunden Platte entstehen. 

Als eine Nichtübereinstimmung der Angaben des Windgeschwindigkeits- 
messers mit dem berechneten v sich ergab, wurde das Verhältniss der 
Staupressung zur Stauunterpressung an sich festgestellt, da an- 
zunehmen war, dass dieses eine Funktion der Geschwindigkeit ist. 

Diese Annahme hat sich bestätigt; aus den Messungen ergab sich, dass 
das Verhältniss der Staupressung zur Stauunterpressung mit zunehmender Ge- 
schwindigkeit der Luft kleiner wird. 

Den Schluss der Abhandlung bilden die in Tabellen geordneten Messungs- 
ergebnisse und Angaben über die erforderlichen Aenderungen an dem mano- 
ınetrischen Windgeschwindigkeitsmesser nach Recknagel-Krell. 

H. Chr. Nussbaum (Hannover). 


Beleuchtung. Schulhygiene. Kinderpflege. 79 


Wiakler H., Pressluft-Gasglühlampe. Vortrag, gehalten auf der Jahres- 
versammlung des mittelrheinischen Vereins von Gas- und Wasserfachmännern 
zu Worms 1899. Journ. f. Gasbel. u. Wasserversorg. 1899. No. 48. S. 816. 

Um das Gasglühlicht in Wettbewerb mit der Bogenlampe bringen zu 
können, ist die Erzeugung intensiver Wärmequellen erforderlich. Dies Ziel hat 
man auf verschiedenen Wegen zu erreichen versucht: Erstens durch Erhöhung 
des Gasverbrauchs unter inniger Mischung von Gas und Luft (Denayrouze-, 
Somzee-Greason-, Kernbrenner u. a.); zweitens durch Komprimirung des Gases 
(Pintsch, Salzenberg, Hydropressgas u. a,); drittens durch Zuführung von Press- 
luftzum Gas. Neuerdings hat die Pressluftlampe von Schülke, Brandholt & Co. 
sich als eine der besten Vorrichtungen dieser Art gezeigt: sie vermeidet die 
Mängel und Schwierigkeiten des Pressgases und lässt sich verwenden sowohl 
unter Benutzung von Pressluft wie unter Erzeugung der letzteren, ohne dass 
Aenderungen an der Gasleitung erforderlich sind. 

Die der Lampe zugeführte Pressiuft verrichtet zweierlei Thätigkeiten, 
sie dient 

1. zum Oeffnen und Schliessen des Gasventils oder zum Zünden und Löschen 
des Brenners von einer Centralstelle aus, 

2. zum Speisen des Brenners und zum Erhöhen seiner Leuchtkraft. 

Die Pressluft kann auf verschiedenen Wegen erzeugt werden. In Gewerbe- 
betrieben kann jede dort angewendete bewegende Kraft dazu dienen, während 
beim Fehlen einer solchen der Druck der städtischen Wasserleitungen An- 
wendang zu finden vermag. Für grössere Betriebe empfiehlt sich die Auf- 
stellung eines kleinen Gasmotors. 

Der Gasverbrauch des Brenners schwankt zwischen 400 und 600 Litern 
in der Stande, wobei 0,8—0,10 Liter Gas die Helligkeit einer Hefnerkerze 
ergeben. 

Für den Nachtbetrieb und für einen vorübergehend auftretenden Mangel 
an Presslaft ist eine Umschaltung vorgesehen, welche gestattet, den Brenner 
als einfachen Auerbrenner (unter geringem Gasverbrauch) zu benutzen. 

H. Chr. Nussbaum (Hannover). 


Burgerstein, Leo (Wien), Rathschläge, betreffend die Herstellung und 
Einrichtung von Gebäuden für Gymnasien und Realschulen, 
unter besonderer Rücksichtnahme auf die Forderungen der Hy- 
giene. Wien, k. k. Bücherverlag. 1900. 84 Seiten mit 16 Abbildungen. 
Preis: 2 Kronen. 

Der verdienstvolle Verf. des bekannten Handbuches der Schulhygiene, 
welches er gemeinsam mit Dr. Netolitzky herausgab, hat das vorliegende 
Werkchen auf Anregung des k.k. Ministeriums für Kultus und Unterricht 
geschrieben, da die Erfahrung gelehrt hat, dass trotz der wohlbegründeten 
hygienischen Forderungen bezüglich des Schulhauses und seiner Ein- 
Tichtangen, und trotz der technischen Fortschritte auf diesem Gebiet das 
Erreichte hinter dem Erreichbaren oft genug beträchtlich zurückblieb. B. weist 
im Vorwort darauf hin, dass hieran vor Allem die geringe Sachkunde mancher 


80 Sehulhygiene. Kinderpflege. 


in Frage kommenden Faktoren schnld ist, und keineswegs in allen Fällen nur 
die Rücksicht auf die Kosten. Es ist ausser Frage, „dass manches bestehende 
Schulhaus ganz anders gesundheitsgemäss hätte gestaltet und eingerichtet 
werden können, ohne Beanspruchung grösserer als der aufgewendeten Mittel, 
manchmal auch mit geringeren, wenn bei der Planung die berechtigten Forde- 
rungen der Hygiene gebührende Beachtung gefunden hätten. Manches Schul- 
haus hätte allerdings mehr, manches beträchtlich mehr gekostet. Uebrigens 
bietet das nachstehende Programm auch Anhaltspunkte zu Ersparungen im 
Vergleich gegen bisher übliche Anlagen“. 

Der Inhalt bietet wohl mehr, als die Aufschrift verspricht; denn mit 
wenigen naheliegenden Aenderungen gelten die hier für Gymnasien und Real- 
schulen gemachten Rathschläge auch für das gesammte Volksschulwesen. 
Das grosse Stoffgebiet ist in klarer, planmässig gedrängter Darstellung so 
knapp zusammengefasst, dass ein Auszug nicht gegeben werden kann. lns- 
besondere findet sich eine Fülle bautechnischer Einzelheiten und sorgsame 
Anpassung an die Erfordernisse des Unterrichts. Bauplatz, Bauplan und Bau- 
materialien, die Raummaasse der Lehrsäle und aller Nevenräume, Beleuchtung, 
Heizung, Ventilation, Erbolungsräume und Spielplätze, endlich auch das Schul- 
mobiliar und der technische Schulbetrieb sind in 21 Kapiteln behandelt. Mehr- 
fache Literaturangaben ergänzen die Besprechung mancher minder einfacher 
Fragen, die nach Plan und Umfang der Brochüre nur in den Hauptsätzen 
dargelegt werden konnten. Ein alphabetisches Sachregister erleichtert die 
Benützung. Paul Schubert (Nürnberg). 


Häkonson-Hansen W. K. (Lehrer und Observator in Drontheim), Schulgebäude 
nach dem Pavillonsystem in Drontheim. Zeitschr. f. Schulgesund- 
heitspfl. 1900. No. 4/5. S. 206. 

Nach einleitenden Bemerkungen über die Entwickelung des Schulbau- 
wesens in Drontheim folgt genaue, mit 5 Tafeln erläuterte Beschreibung 
der neuen Schulanlage. Dabei fällt vor Allem das reiche Ausmaass für den 
Schulhof angenehm in die Augen. Auf einer Bodenfläche von 11800 qm sind 
4 zweistöckige Schulpavillons mit je 6 Lehrzimmern errichtet, die zusammen 
etwa 1000 qm Fläche bedecken. Rechnet man hierzu noch die frei stehenden 
Gebäude für Turnen- und Handarbeit. für Oberlehrer- und Hausdienerwohnung 
und für 2 Abortanlagen mit zusammen rund 500 ym, so ergiebt sich ein Ver- 
hältniss der bebauten zur unbebauten Fläche von 1:7 (annähernd). Da in 
dieser Schule 1200 Kinder unterrichtet werden, so kommen auf jedes Kind 
mehr als 8,5 qm Schulhof und gärtnerische Anlagen. Das sind ideale Ver- 
hältnisse. 

Die Heizung erfolgt durch kombinirte Niederdruck-Dampfheizung mit 
centraler Vorwärmung der Ventilationsluft. Im Kellergeschoss sind Schulbäder 
eingerichtet und die Errichtung einer Schulküche vorgesehen. Bezüglich der 
Einzelheiten muss auf das Original verwiesen werden. 

Paul Schubert (Nürnberg). 


Schulhygiene. Kinderpilege. 81 


Zellinger F. (Schulsekretär, Zürich), Die neue Verordnung, betreffend 
das Volksschulwesen des Kanton Zürich vom 7. April 1900. Zeit- 
schr. f. Schulgesundheitspfl. 1900. No. 6. S. 313. 

Folgende Punkte sind bemerkenswerth: 

Kleiderablagen sollen sich ausserhalb des Lehrzimmers befinden. 
Die Lage der Schulzimmer soll, soweit möglich, nach Osten oder Südosten 
gerichtet sein. Mehrseitige Beleuchtung ist zulässig. Es wird als Pflicht 
des Staates anerkannt, nicht nur für den Unterricht der gesunden Kinder zu 
sorgen, sondern auch für die Schwachsinnigen, körperlich Gebrechlichen, 
Verwabrlosten, Blinden, Taubstummen, Epileptischen, Skrophbu- 
lösen. Man geht so weit, auch hinsichtlich der Ernährung und Kleidung 
im Nothfalle Hilfe zu bringen. 

Die Bestimmungen über die ärztlichen Untersuchungen der Kinder ebnen 
der Einführung von Schulärzten die Wege. Der Lehrer wird verpflichtet, 
neben dem Gesundheitszustand auch auf die körperliche Reinlichkeit seiner 
Schüler zu achten und gegebenenfalls der Schulbehörde Anzeige zu machen. - 
Schriftliche Hausaufgaben sind in den drei ersten Schuljahren untersagt, in 
den folgenden mit Maass zu ertheilen. Die Turnhallen sollen täglich gründ- 
lich gereinigt werden; für die Schulzimmer bleibt es bei der bisherigen Vor- ` 
schrift, 2 mal in der Woche zu reinigen. Körperliche Züchtigung ist für Aus- 
nahmefälle zugelassen. Paul Schubert (Nürnberg). 


Pause. Zur Hygiene der Schulgebäude. Deutsche med.Wochenschr. 1900. 
No. 2. S. 43. 

Verf. zeigt an einem Beispiel die hygienischen Missstände, die in 
manchen Städten in Schulgebäuden herrschen. Die Stadt deponirt daselbst 
die verschiedensten Sachen, Federbetten, Beitstellen, alte Kleider u. s w., die 
sie sänmigen Steuerzahlern oder böswilligen Steuerhinterziehern abpfändet. 
Die Sachen stammen stets aus den lüderlichsten, verlumptesten und unrein- 
lichsten Haushaltungen und können also leicht eine Verschleppung herbeiführen. 

Dieudonné (Würzburg). 


Ceha, Michael (Kinderarzt in Berlin), Gesundheitspflege und Volks- 
kindergarten. Kindergarten, Organ des Deutschen Fröbelverbandes. 1900. 
No. 8. S. 150—156. 

Die hygienischen Aufgaben der Volkskindergärten beziehen sich auf 
gesundheitliche Ausgestaltung der Schulräume nach Grösse, Zahl, Be- 
leuchtung, Heizung, Lüftung, Abortanlage, Reinigung, Sitzbank und Spielplatz; 
ferner auf die an den Betrieb selbst zu stellenden Anforderungen, insbesondere 
mit Rücksicht auf die Sinnesorgane, auf Vermeiden von Staubentwickelung, 
leberbitzung und Abkühlung, auf richtige Vertheilung von Ruhe und Bewe- 
gung; weiterhin kommt die Verhütung der Ausbreitung ansteckender Krank- 
heiten in Betracht, und endlich das Gebiet der individuellen Hygiene. Die 
Leibespflege, die Fürsorge für günstige körperliche Entwickelung soll einen 
wesentlichen Bestandtheil der Kindergartenerziehung bilden. 

Dies Alles kann wesentlich durch zwei Anordnungen gefördert werden, 


82 Schulhygiene. Kinderpflege. 


durch die Anstellaug von Aerzten nicht nur für die Volksschulen, sondern auch 
für die Kindergärten, und durch zweckentsprechenden hygienischen Unterricht 
in den Kindergärtnerinnen-Seminarien. Paul Schubert (Nürnberg). 


Rostowzeft (Gr. Sanitätsrath des Gouvernements Moskau), Ueber die Noth- 
wendigkeit der Individualisirung der Schulbänke; eine neue 
individuelle Schulbank. Zeitschr. f. Schulgesundheitspfl. 1900. No. 6. 
S. 295. : 

Sitzhöhe, Differenz und Bankweite einer jeden Schulbank sind bekannt- 
lich den Durchschnittsmaassen der Ober- und Unterschenkel u. s. w. angepasst, 
die man an Kindern jener Körpergrösse, für welche die Schulbank bestimmt 
ist, gewonnen hat. Das einzelne Individuum aber bietet gewöhnlich mehr oder 
minder grosse Abweichungen von diesen Durchschnittsmaassen dar, und so 
passt streng genommen keine Bank in allen ihren Theilen ganz’ genau, selbst 
wenn dem Kinde seiner Gesammtlänge nach diese Banknummer zukommt. Es 
soll daher jedes Kind auf ein stellbares Rinzelsubsell gesetzt werden, dessen 
Theile dann für den gegebenen Fall sorgsam anzupassen und zu befestigen 
sind. Die Beschreibung einer für diesen Zweck konstruirten Schulbank ist 

` beigefügt und durch Grund- und Aufriss erläutert. Sie kommt im Preise auf 

10—12 Mk. 

Der Vorschlag wird wohl keine allgemeine Zustimmung finden. Die indi- 
viduellen Abweichungen im Grössenverhältniss von Rumpf und Gliedern und 
der einzelnen Extremitäten-Knochen zu einander sind bei gesunden Kindern nur 
gering und können olıne jedes Bedenken vernachlässigt werden. Wo Rhachitis, 
destruirende Gelenkentzündungen oder andere Krankheitsprocesse sinnfällige 
Abweichungen herbeigeführt haben, dort wird es leicht sein, durch die Wahl 
der nächst höheren oder niederen Banknummer Abhilfe zu schaffen. Die vom 
Verf. angestrebte grössere Genauigkeit könnte doch nur dadurch erreicht werden, 
dass die Einstellung für jedes Kind durch ein sorgsam geschultes und genau über- 
wachtes Personal erfolgte. Wollte man das jedem Lehrer selbst überlassen, 
so dürfte für diese zeitraubende Thätigkeit nur geringe Arbeitsfreudigkeit in 
der Lehrerwelt zu finden sein, vielleicht auch wenig Geschick und Subtilität. 
und so könnten die neuen Fehlerquellen leicht grösser und verhängnissvoller 
werden, als es die alten sind. Was wir jetzt vom Lehrer fordern, die Ver- 
theilung nach der Gesammtkörpergrösse, kann für eine Klasse von 60 Schülern 
binnen 5 Minuten geleistet werden. Gleichwohl unterbleibt selbst diese geringe 
Mühe in überaus zahlreichen Schulen, in denen die Kinder nur nach dem 
Augenmaass oder gar nach anderen Rücksichten vertheilt werden. 

Paul Schubert (Nürnberg). 


Herberich, Gustav (München), Gegenbemerkungen zu den kritischen 
Bemerkungen über die Münchener Thesen zur Schulreform des 
Herrn Dr. Kotelmann. Zeitschr. f. Schulgesundheitspfl. 1900. No. 4/5. 
S. 226. j 

Die Tabellen Kotelmann’s (vergl. diese Zeitschr. 1900. S. 482) werden 
als neu und sehr interessant anerkannt, ihre Beweiskraft dafür, dass die Gym- 


Schulhygiene. Kinderpflege. 83 


nasialabiturienten für das Studium von Mathematik, Naturwissenschaften und 
neueren Sprachen mindestens ebensogut vorbereitet sind wie die Realgym- 
nasiasten. wird aber mit der Begründung bestritten, dass die letztgenannten 
die Berufswahl oft ohne besondere innere Neigung treffen. Bei einer anderen 
Gruppirung der Kotelmann’schen Zahlen vermuthet der Verf. ein für die 
Realgymnasiasten günstigeres Resultat. Der Vorschlag lautet: es möge die 
Zahl der in den genannten Fächern gewonnenen ersten Noten nicht zur Zabl 
der Examinanden in eben diesen Fächern in Verhältniss gesetzt werden, sondern 
zur Zahl aller Abiturienten, einerseits der Gymnasien, andererseits der Real- 
gymoasien. Paul Schubert (Nürnberg). 


Krag (Hofrath, Dresden), Aus der schulärztlichen Praxis. Zeitschr. f. 
Schulgesundheitspfl. 1900. No. 4/5. S. 227. 

Der Bericht bezieht sich nur auf die nicht entzündlichen Augenkrank- 
heiten und umfasst 237 Kinder mit optischen Fehlern des Auges. Es fanden 
sich 59 Kurzsichtige, 113 Uebersichtige, 40 Astigmatiker, 7. Fälle mit Acco- 
modationslähmung, 15 mit Hornhautflecken und 3 mit Schichtstar. Als be- 
merkenswerth wird die hohe Ziffer der Uebersichtigen und Astigmatiker be- 
zeichnet, wobei die Redaktion der Zeitschrift mit Recht hinzufügt, dass seit 
langer Zeit die Hypermetropie als der normale Refraktionszustand des Kindes- 
auges anerkannt ist. Paul Schubert (Nürnberg). 


Geheeb, Paul (Föhr), Ein Beitrag zur Behandlung der konstitutio- 
nellen Schwäche im Kindesalter. Zeitschr. f. Schulgesundheitspfl. 
1900. No. 4/5. S. 215. 

Für kränkliche, insbesondere für skrophulöse, rhachitische und mit 
chronischen Katarrhen behaftete Kinder wird längerer, wenn möglich 
über den Winter ausgedehnter Aufenthalt an der Nordsee empfohlen, unter 
Anlehnung an die Schriften von Geh. Med.-Rath Beneke. In erster Reihe 
sind dabei Norderney und Föhr hervorgehoben, woselbst auch für den Unter- 
richt Sorge getragen ist. Paul Schubert (Nürnberg). 


Frankenhurger A. (Nürnberg), Obligatorische oder fakultative Jugend- 
spiele” Nach einem in der Kommission für Schulgesundheitspflege in 
Nürnberg erstatteten Bericht. Zeitschr. f. Schulgesundheitspfl. 1900. No. 6. 
S. 326. 

Gegenüber dem vielfach bei Lehrern und Eltern bestehenden Vorurtheil, es 
widerspreche dem Charakter einesSpieles, dasselbe pflichtmässig.einzuführen 
und gewissermaassen in den Stundenplan aufzunehmen, tritt Verf. mit aller wün- 
schenswerthen Entschiedenheit dafür ein, die Jugendspiele als einen wesentlichen 
Bestandtheil der körperlichen Erziehung aufzufassen und als solchen ganz 
ebenso, wie das Turnen, zu. dem es eine sehr wesentliche Ergänzung bildet, 
obligatorisch zu machen. Er beruft sich dabei auf das Beispiel von Braun- 
schweig und Görlitz und auf das Urtheil der Fachschriftsteller. Ausser den 
principiellen Bedenken stehen freilich zur Zeit noch schwere äussere Hinder- 
nisse im Wege, vor allem der Zeit- und der Platzmangel. Als Mindestmaass 


84 Ernährung. 


werden für den Anfang wöchentlich 2 mal je 2 Nachmittagsstunden für Jugend- 
spiele gefordert, unter Hinweis auf englische Schulen, welche täglich mehrere 
Nachmittagsstanden hierfür zur Verfügung stellen. Auch an genügenden Spiel- 
plätzen fehlt es in den grösseren Städten. Obwohl Nürnberg im vorigen Jahr 
die Gesammtfläche der für die Jugendspiele bestimmten Fläche von 10670 qm 
um 38 720 qm vermehrt hat, so berechnet Frankenburger, dass für die vor- 
handenen ca. 25000 Volksschüler selbst bei bescheidenen Ansprüchen noch 
eine weitere Vermehrung der Spielplatzfläche um das Vierfache erforderlich 
wäre. Anderwärts wird es nicht besser bestellt sein. 
Paul Schubert (Nürnberg). 


Camerer W., Die Verdauungsarbeit, ihre Grösse und ihr Einfluss 
auf den Stoffwechsel, insbesondere den Stoffwechsel des Säug- 
lings. Jahrb. f. Kinderheilk. 1900. Bd. 51. S. 26. 

Viele irrthümliche Anschauungen von Stoffwechselvorgängen haben 
ihren Grund in der einseitig chemischen Behandlung, welche diese Fragen 
meist erfahren. Eine klare Vorstellung ist nur mit Hilfe der Lehre von 
der Energie zu gewinnen. Der Einfluss der Arbeit, der äusseren sowohl 
als der Verdauungsarbeit, ist nicht immer richtig gewürdigt worden. Ab- 
gesehen von der Peristaltik, der vermehrten Herz- und Lungenarbeit bei der 
Verdauung muss die Produktion von Verdauungssäften und die chemische 
Zerlegung der Nährstoffe im Körper einen ebenso grossen Energieaufwand 
verursachen wie im Laboratorium. Genaue Messungen des Aufwandes an 
Energie, welche die Verdauung von 100 g Eiweiss, Fett, Kohlehydrat im 
Körper erfordert, scheinen vorläufig nicht möglich zu sein, doch glaubt Verf. 
diese Werthe aus verschiedenen vorliegenden Versuchsergebnissen wenigstens 
annähernd berechnen zu können. Danach muss bei der Verdauung von 
Eiweiss eiu sehr beträchtlicher Procentsatz (50—95 pCt.) der nutzbaren 
Spannungsenergie, welche Eiweiss dem Körper zuführt, für Verdauungsarbeit 
verwendet werden. Beim Fett dagegen erfordert die Verdauungsarbeit nur 
etwa 10 pCt., bei Kohlehydraten etwa 25 pCt. der zugeführten Energie. Es 
wird dadurch auch erklärlich, warum bei Ueberfütterung mit Fleisch allein 
nur ein mässiger Ansatz von Körpersubstanz erfolgt. 

H. Koeniger (Leipzig). 


Czerny Ad., Kräftige Kost. Jahrb. f. Kinderheilk. 1900. Bd. 51. S. 15. 
Die Frage einer zweckmässigen Ernährung der Kinder nach dem 
Säuglingsalter ist noch keineswegs entschieden. Der Verf. wendet sich 
namentlich gegen die Anschauung, dass Fleisch, Eier und Milch sowohl 
in gesunden wie in kranken Tagen die kräftigste und beste Nahrung dar- 
stellten, und bekämpft ihre ausschliesslicbe Anwendung. Ein Vorzug einer 
solchen eiweissreichen Nahrung vor einer gemischten Kost ist klinisch nie- 
mals zu beobachten; dagegen ist nach den Erfahrungen des Verf.’s eine 
ganze Reihe von Krankheitserscheinungen auf eine solche einseitige Er- 


Ernährung. 85 
g 


nährung zurückzuführen. Die vermeintliche „kräftige Kost“ hat nicht selten 
schlechtes Aussehen der Kinder im Gefolge; allzu reichliche Zufuhr von Milch 
bewirkt babituelle Obstipationen und Anämien, Ueberernährung mit Eiern führt 
bisweilen zu hartnäckigen Diarrhöen, überwiegende Fleischnahrung zu belästi- 
gender Harnsäureausscheidung. H. Koeniger (Leipzig). 


Beythien A., Ueber die Gesundheitsschädlichkeit bleihaltiger Ge- 
branchsgegenstände, insbesondere der Trillerpfeifen. Zeitschr. 
f. Untersuchg. d. Nahrgs.- u. Genussm. 1900. S. 221. 

Zur völligen Klarstellung der Frage, ob Bleidurch Speichelin Lösung 
übergeführt wird, stellte Verf. Versuche an bei verschiedenen Versuchsbedin- 
gungen, indem die betreffenden Bleigegenstände direkt im Munde mit dem 
Speichel in Berührung kamen, während bislang alle Autoren den Speichel in 
vitro einwirken liessen. Die Versuchsansteller kauten mindestens 2 Stunden 
lang auf Trillerpfeifen (mit 70—80 pCt. Bleigehalt) herum, theils mit normalem 
(alkalischem) Speichel, theils indem sie gleichzeitig möglichst saures Obst 
(Pflaumen und Aepfel) kauten. Von Zeit zu Zeit wurde der abgeschiedene 
Speichel in Bechergläser gespuckt und das Filtrat davon auf Blei geprüft; in 
keinem Falle war die geringste Spur Blei in gelöste Form über- 
gegangen. Dagegen enthielten die auf dem Filter zurückgebliebenen Antheile 
der Mundflüssigkeit stets 1—2 mg Blei, welches durch die Kauwirkung 
der Zähne in Form feinster Partikel mechanisch losgetreunt war; zu dieser 
Menge würde noch das an den Zähnen festhaftende Metall zuzurechnen sein. 
Diese feinen Bleitheilchen gelangen in den Verdauungstraktus und können dort 
eventuell gelöst werden. 

Um die Löslichkeit des Bleies im Magensaft zu ermitteln, behandelte Verf. 
0,1g fein geschabte Bleilegirung mit 500 cem künstlichem, aus Schweinemagen 
hergestelltem Magensaft theilweise unter Zugabe von Essigsäure bezw. Milch- 
säare bei Körpertemperatur 12 bezw. 24 Stunden lang; es war in allen Proben 
Blei in Lösung gegangen, dessen Menge je nach der Versuchsanordnung zwischen 
25 und 12,4 mg schwankte. „Ob sich die Lösungsverhältnisse im mensch- 
lichen Magen in analoger Weise gestalten werden wie hier, wo die verhält- 
nissmässig grosse Menge des Lösungsmittels von 500 ccm zur Anwendung 
gelangte. entzieht sich allerdings der Beurtheilung des Chemikers.“ 

Wesenberg (Elberfeld). 


Weimanns P., Die Hübl’sche Jodadditionsmethode Zeitschr. f. Öff. 
Chem. 1900. H. 5. S. 86. 

Trotz der von mehreren Seiten veröffentlichten zweifellosen Verbesserungen 
der Hübl’schen Jodadditionsmethode ist in der „Anweisung zur che- 
mischen Untersuchung von Fetten und Käsen“ die ursprüngliche Vorschrift 
von Hübl beibehalten worden. 

Verf. hat nun einige nach den verschiedenen Vorschriften hergestellte 
Lösungen auf ihre Haltbarkeit geprüft und gefunden, dass die von ihm selbst 
früher angegebene Lösung am besten der oxydirenden Wirkung widersteht, 
indem sie in Jahresfrist nur etwa 10 pCt. des Anfangsgehaltes an Jod verlor; 


36 Ernährung. 


die Waller’sche Lösung hatte ca. 22 pCt., die gemischte Hübl’sche Lösung 
dagegen etwa 75 pCt. verloren. Die Welmanns’sche Lösung wird nach fol- 
gender Vorschrift bereitet: 30 g Jod und 30 g Quecksilberchlorid gepulvert 
werden im Literkolben mit 500 g Eisessig übergossen und dann mit Essig- 
äther zur Marke aufgefüllt; die Waller’sche Lösung besteht bekanntlich aus 
25 g Jod, 80 g HgCl,, 50 ccm Salzsäure (spec. Gew. 1,19) mit 95 proc. 
Spiritus zum Liter gelöst. Die Welmanns’sche Lösung besitzt noch den wesent- 
lichen Vortheil, dass bei ihrer Anwendung Chloroform zur Lösung der Fette 
und Oele nicht mehr nöthig ist. 

Weitere Versuche des Verf.’s mit verschiedenen Fettproben ergaben, dass 
für die Höhe der Jodzahl der relative Jodüberschuss, die Zeitdauer und even- 
tuell auch die Temperatur von Wichtigkeit ist. 

Bei der Extraktion des Fettes aus Kakao erhält man nach dem Verjagen 
des Aethers meist zu hohe Jodzahlen, sofern man das Fett nicht bei 100-— 105° 
nachtrocknet. Welmanns führt dies auf die Anwesenheit von Akrolein 
zurück, das mit dem Fett zusammen ausgezogen wird und durch mehrstündiges 
Trocknen bei 100—105° bezw. durch Waschen mit Wasser von etwa 50° ent- 
fernt werden kann. 

So hatte Verf. die Jodzahl in Kakaoölen ermittelt z. B. 


1. Il. 
a) ohne Verjagen des Aethers . . . . zu 47,5 53,15 
b) nach FR r 3 u. Trocknen „ 35,85 36,15 


Durch Beleganalysen thut Verf. noch dar, dass bei Verwendung seiner 
Jod-Essigsäure-Essigäther-Lösung die erbaltenen Resultate sowohl unterein- 
ander als auch mit den bei Verwendung der ursprünglichen Hübl’schen 
Lösung erzielten Werthen genügend genau übereinstimmen, während bei Be- 
nutzung der Waller’schen Modifikation immer um 1—2 Einheiten niedrigere 
Werthe als nach Hübl und Welmanns erhalten werden. 

Wesenberg (Elberfeld). 


Kobrak E., Beiträge zur Kenntniss des Kaseins der Frauenmilch. 
Pflüger’s Arch. Bd. 80. S. 69. 

Zur Darstellung des Frauenmilchkaseins empfiehlt Verf. das folgende 
Verfahren, welches ohne jede Erwärmung die Abscheidung ermöglicht: Die 
durch Centrifuge vom Fett möglichst befreite Milch wird mit !/, ihres Volu- 
mens !/,, Normalessigsäure versetzt und in Pergamentschläuchen 5 Tage lang 
gegen täglich gewechseltes Chloroformwasser dialysirt. Der Inhalt der Schläuche 
wird im Becherglas absetzen gelassen und die überstehende Flüssigkeit abge- 
hebert; der Niederschlag wird auf dem Filter oder unter Centrifugiren erst mit 
Wasser, dem einige Tropfen sehr verdünnter Essigsäure zugesetzt sind, dann mit 
Alkohol und Aether gewaschen und schliesslich im Soxhlet’schen Extraktions- 
apparat völlig entfettet. Das so gewonnene Frauenmilchkasein ähnelt in seinem 
Verhalten sehr dem Kuhmilchkasein, unterscheidet sich aber von diesem z. B. 
durch das gelblich trübe opalescente Aussehen der Lösung in Alkalien, während 
Kuhkasein mehr bläulich durchscheinend ist; ausserdem beträgt die Acidität 
des Frauenkaseins kaum ein Drittel von der des Kuhkaseins. Durch wieder- 
holtes Auflösen in verdünntem Alkali und Ausfällen mit Säure wurde ein 


Ernährung. 8 


Präparat erhalten, dessen Acidität sich nur noch wenig von der des Kuhkaseins 
unterschied, und welches auch aus den alkalischen Lösungen durch Säure 
nicht mehr, wie anfangs, in feinen, gallertartigen, sondern in derben, dem Kuh- 
kasein ähnlichen Flocken ausfiel. Wesenberg (Elberfeld). 


juckenack A., Beitrag zur Kenntniss des „fadenziehenden Brotes“. 
Zeitschr. f. analyt. Chem. 1900. S. 73. 

Verf. beobachtete an Schwarzbroten einer Bäckerei, dass dieselben eine 
im hoben Grade fadenziehende Krume hatten; diese Erscheinung war der- 
artig, dass sich beim Auseinanderziehen der Krume weisse, seidenartig glänzende, 
Spinnfäden gleichende, zum Theil mehrere Decimeter lange Fäden bildeten. 
Das Brot hatte zugleich einen unangenehmen, aromatischen Geruch und war 
in Folge der klebrig nassen, viskösen Beschaffenheit der Krume ungeniessbar. 
Als Ursache wurde, wie schon von verschiedenen Autoren, der Bacillus 
mesentericus fuscus Flügge ermittelt, den Verf. auch in normalem Roggen- 
mehl fand. In der Regel werden die im Mehl etwa anwesenden Kartoffel- 
bacillen, welche der Backofenhitze auch an der Peripherie der Krume wider- 
stehen, nicht im Stande sein, das fertige Brot als verdorben bezw. gesundheits- 
schädlich erscheinen zu lassen; erst wenn durch feuchte und dumpfe Lagerung 
des Mehles diese Bakterien sich stark vermehrt haben, wird das mit dem betref- 
fenden Mehl gebackene Brot schon nach 24 Stunden den typischen Charakter der 
Brotkrankheit zeigen. Bei Graham-, Schrot- und ähnlichem porösen Brot findet 
man in der Krume neben den das Fadenziehen verursachenden Bakterien viel- 
fach noch andere Bakterien und Schimmelpilzwucherungen, welche, mit Aus- 
nahme der Kartoffelbacillen, aus der Luft stammen; namentlich die Schimmel- 
pilze scheinen befähigt zu sein, wenige im Brot primär vorhandene faden- 
ziehende Kartoffelbacillen, bezw. deren Kolonien, weiter auszubreiten und so 
eine mit den Schimmelpilzwucherungen Schritt haltende Infektion der ganzen 
Krume zu verursacben. Die nach dem Genuss des stark fadenziehenden Brotes 
an Menschen und Thieren beobachteten Krankheitserscheinungen sind wahr- 
scheinlich auf Zersetzungsprodukte zurückzuführen. 

Da nach den bisher vorliegenden Beobachtungen die Ursachen der Brot- 
krankheit durch verschiedene äussere Verhältnisse begünstigt werden können, 
so empfieblt sich beim Auftreten der Erscheinung eine Besichtigung der Ge- 
schäftsräume sowie der Geräthschaften und des verarbeiteten Materials. 

Wesenberg (Elberfeld). 


Keesig J., Zur Frage der unbeschränkten Zulässigkeit des Stärke- 
syrups für die Bereitung von Nahrungsmitteln. Zeitschr. f. Unter- 
suchg. d. Nahrungs- u. Genussm. 1900. S. 217. 

In der vorliegenden Abhandlung spricht sich Verf. für die Deklarations- 
pflicht bei der Verwendung des Stärkesyrups zur Bereitung von Frucht- 
säften, Gelées, Marmeladen und Pasten u.s. w. aus folgenden Gründen aus: 

Das Verhalten des Rohrzuckers und des Dextrins gegen die Enzyme u.s.w. 
ist ein verschiedenes; mögen diese Unterschiede auch nicht gross sein, so ver- 


88 Ernährung. 


dienen sie doch immerhin Berücksichtigung. Ferner ist Stärkezucker und 
Stärkesyrup im Handel wesentlich billiger als Rohrzucker. 

Stärkezucker und Stärkesyrup besitzen eine 3—4mal geringere Süsskraft 
als Rohrzucker; in vielen Fällen wird aber gerade die Süssigkeit eines Nahrungs- 
mittels hoch geschätzt und bevorzugt. Sollte aber der Stärkesyrup wirklich 
ein Vorzug sein, dann kann der Angabezwang dem Fabrikanten nur Vortheile 
bieten. Der Stärkesyrup begünstigt bei den Fruchtsäften die Anwendung einer 
thunlichst geringen Menge des eigentlich werthvollen Antbeiles, nämlich des 
Fruchtsaftes selbst. Geringe Mengen Stärkesyrup neben Rohrzucker (5—10 
Syrup auf 100 Rohrzucker) verhindern nämlich ein späteres Auskrystallisiren 
des Rohrzuckers, sie gestatten ein sogen. „kaltes Mischen“; das Nichtaus- 
krystallisireo des Rohrzuckers kann aber auch erreicht werden, wenn man 
auf dieselbe Menge Rohrzucker eine grössere Menge Fruchtsaft nimmt und 
beide zusammen dick einkocht; in Folge der billigeren Herstellung wird 
natürlich das „kalte Mischen“ vorgezogen. Die Anwendung des Stärkesyrups 
bei den Fruchtsäften lässt weiter behufs Erzielung einer gleichen Dickflüssigkeit 
eines Fruchtsaftes die Verwendung einer geringeren Stoffmenge überhaupt zu; 
denn Rohrzucker- und Stärkesyruplösungen von gleichem Trockensubstanz- 
gehalt zeigen eine sehr verschiedene Dick- oder Zähflüssigkeit; dieselbe ist 
bei den Lösungen des Stärkezuckers bei 50—60 pCt. Gehalt nicht unbedeutend 
grösser als bei Rohrzuckerlösungen. Wesenberg (Elberfeld). 


Beythien A., Bohrisch P. und Deiter J., Beiträge zur chemischen Unter- 
suchung des Thees. Zeitschr. f. Untersuchg. d. Nahrgs.- u. Genussm. 
1900. S. 145. 

Die Verff. untersuchten 130 Theeproben, die in Dresden zu den ver- 
schiedensten Preisen (von 1,50 Mk. das Pfund an) dem Kleinhandel ent- 
nommen waren. Die Prüfung erstreckte sich auf 1. fremde Blätter durch 
pharmakognostisch-mikroskopische Untersuchung der eingeweichten und auf- 
gerollten Blätter, 2. mineralische Beschwerung durch die Aschenbestimmung; 
3. fremde Farbstoffe durch Untersuchung des kalten wässerigen Auszuges; 
4. Anwesenheit gebrauchten Thees durch Bestimmung des Extraktes, der wasser- 
löslichen Asche, durch die Silbernitratprobe auf Catechu u.s.w. Die Be- 
stimmung des Theins erfolgte nur in Verdachtsfällen. 

Zur Methodik ist zu bemerken, dass Verff. die Extraktbestimmungen meist 
durch Auskochen von 3 g feingepulvertem Thee, welcher in kreisförmig ge- 
schnittene Leinwandstücke von 20 cm Durchmesser sackartig eingebunden war, 
bestimmten. Eine Anzahl solcher Säckchen wurden mit Bezeichnung versehen, 
gemeinsam unter Öfterer Erneuerung des Wassers in einem Kochtopf ausge- 
kocht, bis die Flüssigkeit nicht mehr gefärbt war; die Beutelchen wurden 
dann getrocknet und die Theeblätter abermals gewogen. Die Differenz unter 
Berücksichtigung des Wassergehaltes der betreffenden Theeprobe ist der Extrakt- 
gehalt; so gelingt es am einfachsten, Massenuntersuchungen zu bewältigen. 

Sehr bewährt hat sich bei der Extraktbestimmung der von B. Fischer 
1889 empfohlene, verhältnissmässig sehr einfache Apparat, der hier kurz mit 
beschrieben werden soll, da er eine weitere Verbreitung wohl verdient: Eine 


Ernährung. 89 


Glasröhre von etwa 30 mm lichter Weite wird an einer Seite bis auf 15 mm 
Weite verjüngt; hindurch wird ein engeres Glasrohr geführt und mit einer 
gewogenen Menge Watte festgedrückt, sodass beide Röhren fest zusammen- 
halten. Das engere Rohr ragt etwa 10 cm in die weitere Röhre (die etwa 
15 cm lang ist) hinein und ist unten zu einer Spitze ausgezogen; dicht über 
dieser Spitze befinden sich 2 Löcher seitlich angebracht. Auf das weitere 
Rohr wird dann ein Rückflusskühler aufgesetzt, dessen Abflussrohr etwas bei- 
seite gebogen ist, aamit die abtropfende Flüssigkeit nicht direkt in das engere 
Rohr gelangt, sondern in den Raum zwischen beiden Rohren. Der ganze 
Apparat wird auf einen Kolben gesetzt. Die Wasserdämpfe steigen durch die 
beiden Oeffnungen des dünnen Rohres in die Höbe und nach der Kondensation 
fiesst das Wasser über das Theepulver und durch die Watte in den Kolben 
zurück. Die Differenz von Watte + Thee vor und nach der etwa 8—10 Stunden 
währenden Extraktion ist Extrakt. 

Das Ergebniss der Untersuchungen war, dass, trotz des auffallend billigen 
Preises der meisten Sorten, keine einzige Probe verfälscht war. Verff. 
halten es für wahrscheinlich, dass in den Ursprungsländern China und be- 
sonders Ceylon neuerdings andere Varietäten der Theestaude angebaut werden, 
welche grössere Erträge einer allerdings weniger werthvollen Waare liefern. 

Irgend ein Verhältniss zwischen dem Preise, für den einzig immer noch 
der Geschmack maassgebend ist, zur Menge des Extraktes, oder der Gesammt- 
asche bezw. der wasserlöslichen Asche konnte nicht gefunden werden. 

Die erhaltenen Werthe waren 

Mittel Minimum Maximum 


für Extrakt . . . . 835,08 29,53 44,75 
Gesammtasche . . . 5,8 5,3 6,4 
wasserlösliche Asche . 3,1 2,1 4,0 


Wesenberg (Elberfeld). 


Bernträger H., Ueber den Nachweis der Borsäure in Boraten. Zeitschr. 
f. analyt. Chem. 1900. S. 92. 

Zum Nachweis der freien Borsäure neben Boraten benutzt Verf. die 
folgenden Unterschiede: 

Auf einem Platinblech erhitzt, färbt freie Borsäure die Flamme des Bunsen- 
brenners direkt grün; Borate thun das nicht. 

Dagegen färben Borate beim Erhitzen mit Flusssäure allein, oder mit 
Ammonnitrat und Salmiak (hellgrün) oder mit Schwefelsäure und Salzsäure, 
Schwefelsäure und Salpetersäure, Salzsäure und Salpetersäure die Bnnsenflamme 
schön grün, und zwar tritt die Färbung sofort und weit intensiver auf, als bei 
der bekannten Prüfung mit Schwefelsäure und Alkohol. 

Im Wasserstoffapparat oder mit Salzsäure oder Salpetersäure oder Schwefel- 
säare allein erhitzt, färben Borate die Flamme nicht grün. 

Wesenberg (Elberfeld). 


90 Desinfektion. 


Neumann 0., Vergleichende Untersuchungen über die Desinfektions- 
kraft von „Creolin Pearson“, „Izal“, „Jeyes’ Fluid“ und einiger 
anderer Desinfektionsmittel. Chem.-Ztg. 1900. No. 37. S. 390. 

Die vorliegenden Desinfektionsversuche wurden in fast rein wässe- 
rigen Flüssigkeiten vorgenommen, da nur 10 ccm Bouillon auf 500 ccm dest. 
Wasser zugesetzt wurden; abgeimpft wurde in Bouillon bezw. (bei Cholera) in 
Peptonwasser, wobei auf eine Verdünnung des Desinficiens auf mindestens 
1 : 20 000 geachtet wurde. 

Typhus wurde abgetödtet: durch Creolin „Pearson“ bei 1:150 inner- 
halb !/; Stunde; bei 1:250 und 1:300 zwischen 1/,—1/,, 1:400 zwischen 1 und 
2 Stunden, bei stärkeren Verdünnungen (1:500) erfolgte innerhalb 24 Stunden 
keine Abtödtung. Jeyes’ Fluid: 1:250 innerhalb !/, Stunde, 1:300 in 
3!,—t/2, 1: 400 in 3—6 Stunden Abtödtung, schwächere Lösungen in 24 Stunden 
wirkungslos. Izal 1:150 in !/, Stunde, 1:150 in 1/,—1/,, 1:800 in 1/, bis 
1 Stunde, 1:400 zwischen 3—6 Stunden; schwächere Lösungen wirkungslos. 

Cholera. Creolin „Pearson“ tödtete ab bei 1:2000 innerhalb 15 Mi- 
nuten, 1:2500 in 1/,—!/,, 1:3000 in 1/,—1, 1:4000 in 3—6 Stunden, wäh- 
rend 1:5000 nach 24 Stunden noch nicht abgetödtet hatte. Jeyes’ Fluid: 
1:1000 Abtödtung innerhalb !/, Stunde, 1: 1500 in 1/,—!/, Stunde, 1: 2000 
und 1:3000 in 1—2, 1:4000 zwischen 3—6 Stunden; 1:5000 wirkungslos. 
Izal: 1:2000 Abtödtung innerhalb !/, Stunde, 1:2500 zwischen !/, und 1/3, 
1 : 3000 und 1 : 4000 zwischen 2 und 3 und 1: 5000 zwischen 6 und 12 Stunden. 

Milzbrandsporen. Durch Creolin „Pearson“ 1:25 innerhalb !/,, 
1:50 und 1:75 zwischen !/, und 1, 1:100 zwischen 3 und 6 Stunden abge- 
tödtet, bei 1:150 auch nach 24 Stunden noch lebend. Izal wirkte 1:25 in 
1/, 1:50 in 3—6, 1:75 in 6—12, 1:100 in 12—24 Stunden abtödtend, 
bei 1:150 aber nach 24 Stunden noch nicht. 

Schmutzwasser war durch Creolin „Pearson“ 1:25 nach 1—2, 
1:50 und 1:75 nach 3—6, 1: 100 nach 12—24 Stunden keimfrei, schwächere 
Lösungen wirkungslos. Creolin „Adler“ wirkte bei 1:25 und 1:50 erst 
nach 8—6, 1:75 nach 12—24 Stunden abtödtend, schwächere Lösungen hatten 
nach 24 Stunden noch nicht abgetödtet. Izal hatte sterilisirend gewirkt bei 
1:25 in 2—3, 1:50 in 6—12, 1:75 und 1: 100 in 12—24 Stunden, während 
1:150 auch nach 24 Stunden noch nicht abgetödtet hatte. 

Wesentlich ungünstiger gestalteten sich die Ergebnisse, wenn die Lösung 
des Desinficiens auf 14 stündige schräge Agarkulturen (Typhus) gegossen, und 
wenn dann in bestimmten Intervallen vom Rasen abgeimpft wurde. Creolin 
„Pearson“ zeigte nach 1/, Stunde noch Wachsthum beim Uebergiessen mit 
einer Lösung von 1:50 und 1:75; bei 1:100 und 1:150 erfolgte Abtödtung 
zwischen 3 und 6 Stunden, bei 1:250 erst später. Creolin „Gerschung und 
Miller“ verhielt sich bei den Koncentrationen 1:50 und 1:75 wie Pearson’s 
Creolin, bei 1: 100 erfolgte aber innerhalb 6 Stunden noch keine Abtödtung; 
noch weniger wirkte Creolin „Loewenstein & Co.“, welches bei 1:50 
selbst nach 6 Stunden Einwirkung noch keine Schädigung des Typhus er- 
kennen liess. Jeyes’ Fluid hatte bei 1:75 innerhalb !/,, bei 1: 100 inner- 
halb 1 Stunde abgetödtet, während schwächere Lösungen nach 6 Stunden noch 


Desinfektion. a1 


nicht desinficirt hatten. Formalin: 1:50 innerhalb !/, Stunde, 1:75 inner- 
halb 1, 1:100 zwischen 3 und 6 Stunden ist Abtödtung erfolgt. 1zal: die 
Kultur ist abgestorben durch 1:50 in !/,, 1:75 in 1 Stunde, durch 1: 100 
aber nach 6 Stunden noch nicht abgetödtet. 

Zur Prüfung von Sporenmaterial auf seine Widerstandsfähig- 
keit gegen strömenden Wasserdampf giebt Verf. noch einen kleinen 
Apparat an, der den Koch'schen Dampftopf ersetzen soll: 

EinGlasrohr von etwa 35mmWeite ist am oberen Ende mittels Gummiastopfen, 
der 2 Bohrangen (für Thermometer bezw. Platinglasstab) besitzt, verschlossen; 
durch den unteren Stopfen ist ein engeres (25 mm) Glasrohr derart eingeführt, 
dass vom oberen Stopfen noch ein Spielraum für den Durchtritt des Dampfes 
vorhanden ist; dieses mittlere Rohr ist mittels schwach gebogenen Rohres mit 
dem Dampfentwickelungskolben (etwa 1/, Liter Inhalt) verbunden. Der Dampf 
streicht im inneren Rohr an dem in dieses hineingeschobenen Thermometer 
uod den Sporenpraben vorbei, geht dann in das Mantelrohr, um am untern 
Kautschukstopfen durch ein enges Röhrchen wieder auszutreten. 

Wesenberg (Elberfeld). 


Raab 0., Ueber die Wirkung fluorescirender Stoffe auf Infusorien. 
Zeitschr. f. Biol. 1900. Bd. 39. S. 524. 

Bei Versuchen mit salzsaurem Akridin beobachtete Verf. eine raschere 
Abtödtung der in der Lösung befindlichen Infusorien (Paramaecium cau- 
datum), wenn die Flüssigkeit im direkten Sonnenlicht oder im zerstreuten 
Tageslicht sich befand, als wenn sie im Dunkeln aufbewahrt wurde; dieselbe Er- 
scheinung zeigte sich beim Eosin, Metbylphosphin und Chinin, welche mit den 
Akridinlösungen eine starke Fluorescenz gemein haben, während bei nicht 
faorescirenden Substanzen das Licht ohne Einfluss war. Aus den Versuchen, 
welche zur Lösung der Frage, ob die Fluorescenz die Ursache dieser Erschei- 
nungen sei, angestellt wurden, ergiebt sich, „dass nicht das Fluorescenz- 
licht selbst für Paramäcien schädlich ist, sondern die Erzeugung der 
Fluorescenz“; diesen Vorgang wird man sich so vorzustellen haben, „dass das 
einfallende Licht einen Theil seiner Energie dazu abgiebt, die Moleküle in 
Schwingung zu versetzen, und dass diese ihrerseits rückwärts neue Vibrationen 
im Aether auslösen, die uns als Fluorescenzlicht zur Erscheinung kommen“; 
es vermögen also wahrscheinlich „fluorescirende Körper die Energie der Licht- 
strahlen in lebende chemische Energie umzusetzen“; und zwar wirken die- 
jenigen Strahlen, welche die Fluorescenz am stärksten erregen. 

Untersachungen über den Einfluss der Fluorescenz auf Bakterien ergaben 
bislang keine abschliessenden Resultate. 

Dass die Fluorescenz auch im thierischen Organismus eine Rolle, wenn 
auch nur in viel geringerer Stärke, spielt, hält Verf. für wahrscheinlich. 

Wesenberg (Elberfeld). 


92 Medicinalwesen. 


Bohata A. und Hausenbichler A., Sanitätsbericht des österreichischen 
Küstenlandes für die Jahre 1895 bis 1897. 265 Seiten. 4°. Triest 1899. 
Verlag des k. k. Landes-Sanitätsrathes. - 

Die erhöhte Aufmerksamkeit, welche seit Jahrzehnten der Sanitätspflege 
zugewandt wird, hat im Küstenlande gleichfalls Früchte getragen. Deutlich 
zeigt sich dies bei der Durchführung der Maassnahmen gegen die Weltseuchen, 
1895 und 1896 gegen die Cholera, 1897 gegen die Pest, welche bei dem 
maritimen Charakter des Landes eine besondere Bedeutung beansprucht. So 
ist die Zahl der Desinfektionsapparate von 50 im Jahre 1894 auf 65 stabile 
oder mobile und 23 improvisirte gestiegen. 

Auf dem Gebiete der Assanirung war, abgesehen von Pola, ein wesent- 
licher Fortschritt nicht zu verzeichnen. Der karstige Boden des Küstenlandes 
ist im weitaus grösseren Theile desselben der Versorgung der Gemeinden mit 
Quellwasser binderlich, andererseits mangelt es an Flüssen, welche zur Wasser- 
versorgung herangezogen werden könnten, sodass nur die Förderung der Er- 
richtung von Cisternen übrig bleibt. Wo die geologischen Verhältnisse es aber 
zuliessen, sind etliche Orte, darunter Pola, mit Wasserleitungen versehen worden. 
Mit staatlicher Unterstützung in Höhe von 21000 Gulden wurde der Bau vcn 
26 Gemeindecisternen und 8 Wasserreservoirs und Brunnen, die Erschliessung 
von 6 Quellen und die Herstellung einer Reihe von Viehtränken ermöglicht. 
Auch der Istrianer Landesausschuss gewährte für solche Zwecke Beihülfen. 

Eine genauere Lebensmittelkontrole durch dazu befähigte Organe findet 
nur in grösseren Städten statt; in den Landgemeinden geschieht dies, wenn 
sie über Aerzte verfügen, durch diese, eventuell durch die Amtsärzte. Der 
Nachweis der Verwendung von Papier, dessen Gewicht durch Zusatz von 
Schwerspath, Gips oder Kaolin erhöht war, zur Einhüllung von Nahrungsmitteln 
führte zu einem allgemein einschlägigen Verbote. Der landesübliche Zusatz 
von versüsstem Tamarindenextrakt zu gewöhnlichem oder kohlensäurehaltigem 
Wasser, welcher während der heissen Jahreszeit in geringer Menge erfolgt. 
wurde für bedenkenfrei erachtet, dagegen empfahl der Landessanitätsrath, die 
Verwendung dieses Extrakts zu Weinen zu verbieten. 

In der Hintanhaltung von Berufskrankheiten sind mehrere Erfolge 
erzielt worden. Znr Verhütung von Ekzemen an den. Händen nehmen die 
mit dem Einweichen und Abwickeln von Cocons beschäftigten Arbeiterinnen 
Waschungen mit schwefelsäurehaltigem Wasser vor. In einer Schmirgelpapier- 
fabrik wurde die schädliche Staubentwickelung durch Auftragen des zerstossenen 
Schmirgels in breiartigem Zustande auf die Papierrotten fast ganz beseitigt. 
Auch wurde den früher zahlreichen Koliken bei Arbeitern einer Schiffs-An- 
streichfarben-Fabrik mit Erfolg entgegengewirkt. Dagegen scheiterten die 
Versuche, die Arbeiter in den Steinbrüchen in Nabresina mit Schutzbrillen zu 
versehen, an deren Widerstande. Im Kleingewerbe fanden sich nur zu häufig 
hygienische Missstände vor. 

Bei der ziemlich erheblichen Vermehrung der Volksschulen wurde nicht 
immer den hygienischen Anforderungen entsprochen; vielfach sind sie noch 
in unzweckmässigen Gebäuden untergebracht und weisen dumpfe, unrichtig 
oder mangelhaft erhellte Lokale auf. 


Medicinalwesen. 93 


Die Sterblichkeit belief sich 1897 in Triest auf 27,02, in Görz-Gra- 
disca auf 25,49, in Istrien auf 26,03 pM. der Bevölkerung. In Triest und 
Istrien überstieg die Sterblichkeit der Jahre 1895 und 1896, in Görz-Gradisca 
die des Jahres 1895 die zehnjährigen Mittel. Ohne vorangegangene ärzt- 
liche Behandlung erfolgten 1897 in Görz-Gradisca 42, in Istrien 51,9 pCt. 
aller Todesfälle. $ 

Von Infektionskrankheiten gelangten in den drei Berichtsjahren in 
Triest 9969, in Görz-Gradisca 9014, in Istrien 19847 Fälle zur Anzeige. Die 
Tilgung derselben verursachte dem Staate im dreijährigen .Durchschnitte 
12.006,40 fl. Kosten. Den höchsten Aufwand erforderte die Diphtberie, dem- 
nächst das Scharlachfieber. Letzteres herrschte in Triest ununterbrochen 
und zeigte in Istrien 1895 eine grosse epidemische Verbreitung. Die Serum- 
therapie bei Diphtherie ergab die günstigsten Ergebnisse in Istrien. Die 
raschen und auch für den Laien sichtbaren Erfolge wirkten darauf hin, dass 
diese Behandlungsweise ohne Misstrauen von der Bevölkerung aufgenommen 
wurde und nunmehr von einem grossen Theile derselben gefordert wird. Ende 
Uktober 1896 trat in Pola der Typhus plötzlich in grösserem Umfange auf, 
im November wurden 606, im December 1958 Fälle davon bekannt. Die 
hauptsächlichste Ursache der Epidemie bildete die vollständige Verseuchung 
des Untergrundes und der Mangel entsprechender Assanirung. Durch zweck- 
dienlicbe Maassnahmen gelang es, die Seuche auf Pola zu beschränken und 
iamer mehr einzudämmen. Zur Verhütung weiterer Epidemien ist eine gründ- 
liche Assanirung in Aussicht genommen. Würzburg (Berlin). 


Carrière H., L’hygiene publique en Suisse. Rapport rédigé d'après les 
documents du Bureau sanitaire fédéral (Berne). 60 p. gr. 4°. Geneve 1900. 
Der Sanitätsdienst der Eidgenossenschaft gehört zum Bereich des 
Bundes-Departements des Innern, welchem das eidgenössische Gesundheitsamt 
untersteht. Dasselbe ist im Besonderen mit der Ausführung des Gesetzes über 
die epidemischen Krankheiten von gemeingefährlichem Charakter, Pocken, 
Flecktyphus, Cholera und Pest, betraut. Dem Departement des Innern liegt 
ausserdem die Statistik der Bevölkerungsbewegung ob, die Leitung der ärzt- 
lichen, zahn-, thierärztlichen und Apothekerprüfungen, die Ausführung der 
Bestimmungen über die Niederlassungsfreiheit des Heilpersonals, sowie die 
Erledigung aller Angelegenheiten, welche sich auf die Beerdigung der in einem 
Kanton verstorbenen bedürftigen Kantonsangehörigen beziehen. Gewerbebygiene, 
Fabrikgesetz, Ersatzpflicht, Unfallversicherung sind Sache des Gewerbe-, die Ve- 
terinärpolizei des Landwirthschafts-, der Heeres-Sanitätsdienst des Militär-De- 
partements. 

Die gegenwärtige Regelung des Bundes-Sanitätswesens hat eigentlich erst 
mit der 1886 erfolgten Annahme des Seuchengesetzes begonnen. 1889 wurde 
der Posten eines Landes-Sanitäts-Referenten und im folgenden Jahre das Central- 
Gesandheitsamt geschaffen. 

Die Ausführung des Seuchengesetzes, das sich übrigens auf die vier 
oben angegebenen Krankheiten beschränkt, ist Sache der Kantone, während 
dem Bunde nur eine allgemeine Aufsicht vorbehalten ist. Diese gründet sich 


94 Medicinalwesen. 


auf die Anzeigepflicht, die Isolirung der Kranken und ihres Pflegepersonals, 
die ärztliche Beobachtung der mit ihnen in Berührung gewesenen oder in 
demselben Hause wohnenden Personen, die unentgeltliche Behandlung Bedürf- 
tiger und ihre Schadloshaltung für Erwerbsverluste und die Tragung der den 
Kantonen und Gemeinden durch die Ausführung des Gesetzes erwachsenen 
Kosten zur Hälfte. Bezüglich anderer Infektionskrankheiten sei noch erwähnt, 
dass 1896—1898 eine auf das ganze Land ausgedehnte Enquête über die Ver- 
vreitung der Diphtherie veranstaltet worden ist. Eine 1882 in der Nähe von 
Genf begründete Impfstoffgewinnungsanstalt, deren Besitzer sich einer Reihe 
von Kantonsregierungen gegenüber zur Lieferung von Lympbhe für die öffent- 
lichen Impfungen verpflichtet hatte, ist 1898 mit einer anderen Anstalt zu 
dem in Bern befindlichen Institut für Bakteriotherapie und Impfstoffgewinnung 
verschmolzen. Ueber den Leichentransport befindet das eidgenössische 
Reglement von 1891. 

Die‘Grundlage der Arbeiter-Gesetzgebung bildet das Gesetz über die 
Fabrikarbeit vom Jahre 1877. Nach demselben ist die Eröffnung jeder Fabrik, 
d. h. jeder gewerblichen Anstalt, in welcher eine grössere oder geringere Zahl 
von Arbeitern gleichzeitig und regelmässig ausserhalb ihrer Wohnungen in 
geschlossenen Räumen beschäftigt wird, von der Genehmigung der Kanton- 
regierung abhängig. Die Dauer der Tagesarbeit ist auf 11 Stunden mit ein- 
stündiger Mittagspause begrenzt und kann vom Bundesrath für gewisse Fabriken 
weiter beschränkt werden. Frauen dürfen Nachts und Sonntags, sowie bei 
Entbindungen insgesammt 8 Wochen hindurch, wobei auch die Zeit vor der 
Entbindung berücksichtigt ist, nicht beschäftigt werden, Kinder unter 14 Jahren 
überhaupt nicht, von 15—16 Jahren einschliesslich des Schul- und Religions- 
unterrichts höchstens 11 Stunden täglich. Jungen Leuten unter 18 Jahren 
ist Nachtarbeit im Allgemeinen untersagt. Für die Zündhölzchenfabrikation 
besteht ein besonderes Gesetz, durch welches Herstellung, Ein-, Ausfuhr und 
Handel mit Phosphorzündhölzchen verboten ist. 

Zum grössten Theile ist das Gesundheitswesen dem Einflusse des Bundes 
entzogen und durch kantonale Bestimmungen geregelt. Dies gilt auch von dem 
Nahrungsmittelverkehr, da von dem 1897 dem Bunde verliehenen Rechte der 
einschlägigen Gesetzgebung bisher kein Gebrauch gemacht ist. Doch hat das 
Departement des Innern durch die Gesellschaft schweizerischer analytischer 
Chemiker ein Nahrungsmittel-Handbuch bearbeiten lassen, welches die Aus- 
führung der Kontrole und die Untersuchungsmethoden festsetzt. 

In den meisten Kantonen bestehen sanitäre Grundgesetze, die durch Einzel- 
bestimmungen ergänzt sind. Es giebt daselbst eine oberste Aufsichtsbehörde, 
der meist ein berathendes Kollegium von verschiedener Zusammensetzung und 
Bedeutung zur Seite steht, und gewöhnlich auch Ortsgesundheits-Kommissionen. 
In einigen Kantonen finden sich beamtete Aerzte, welche nach ihren Obliegen- 
heiten gewissermaassen Sanitätspräfekten sind. Verschiedene grosse Städte, 
wie Zürich, Lausanne, besitzen gut eingerichtete Gemeinde-Sanitätsdienste. 

Das Impfwesen ist nicht einheitlich geregelt. Gleichwohl war die 
Impfung vor noch nicht sehr langer Zeit fast in allen Kantonen obligatorisch. 
Neuerdings hat sich dies wesentlich geändert, die Wiederimpfung ist jetzt nur 
in 3 Kantonen obligatorisch. 


Verschiedenes. 95 


Die Zahl der Lungenbeilstätten, welche auf 7 mit 366 Betten (auf 
Höhen bis zu 1660 m) gestiegen ist, genügt noch lange nicht dem Bedürfniss, 
da man die Taberkulösen auf etwa 50 000, solche von geringerer oder grösserer 
Mittellosigkeit auf 20 000 veranschlagt. 

Aus dem weiteren Inhalt sei noch hervorgehoben, dass 1865 nur 26, 
1893 dagegen 153 Orte mit besonderen Vorrichtungen zur Wasserversor- 
gung versehen waren; in vielen derselben finden sich zugleich umfangreiche 
Kanalisationsanlagen. Entsprechend ist die Typhussterblichkeit 1876—1898 
von 4,8 auf je 10000 Einwohner auf 0,98 und in den Städten mit mehr als 
10000 Einwohnern von 6,75 auf 1,5 gesunken. Würzburg (Berlin). 


Nobiling-Jankau, Handbuch der Prophylaxe. München 1900. Verlag 
von Seitz & Schauer. 8°, 

Abtheilung VII. Flatau, Theodor S., Prophylaxe bei Hals- und Nasen- 
krankheiten. 36 Seiten. Preis: 11/, Mk. 

Abtheilung VIII. Bing, Albert, Prophylaxe in der Ohrenheilkunde. 
24 Seiten, Preis: 1 Mk. 

Abtheilung IX. Windscheid, Prophylaxe in der Nervenheilkunde. 
47 Seiten. Preis: 11/, Mk. 

Ueber die allgemeine Anlage des Handbuchs sei auf das in No. 16 
dieser Zeitschrift vom 15. August 1900 (S. 813) Bemerkte verwiesen. In der 
VII. Abtheilung theilt Flatau die allgemeine Prophylaxe der Hals- 
und Nasenkrankheiten in eine solche der Leistungshemmungen der Ath- 
mung und des Geruchs, sowie der Sprache ein. In dem II. Abschnitt folgt 
die specielle Prophylaxe, den Schluss bildet als III. Abschnitt die Prophy- 
laxe der Blutungen. 

In der VIII. Abtheilung behandelt Bing die bisher im Schriftthum meist 
vernachlässigte Vorbeugung der Ohrerkrankungen. Leider ist die Ein- 
theilung des speciellen Theiles — nämlich Kinder in den ersten Lebensjahren, 
änsserer Ohrtheil, Trommelfell, Mittelohr, chronische eitrige Mittelohrentzündung, 
persistirende (trockene) Perforation oder Destruktion des Trommelfells, sklero- 
sirende Mittelohrentzündung bezw. Otosklerose, nervöser Hörapparat — eben- 
sowenig folgerichtig als übersichtlich. Während die Kinder, einschliesslich 
des Unfuges der Durchbohrung der Ohrläppchen bei Mädchen, eingehend be- 
rücksichtigt werden, vermisst man ein Gleiches bei den Berufsschädigungen. 
Diese werden nur beiläufig im letzten Abschnitte aufgezählt, wobei die Artille- 
risten ganz ausfallen. 

In der IX. Abtheilung: Nervenheilkunde vermeidet Windscheid 
thunlich Wiederholungen aus früheren Abschnitten, ohne jedoch bei der Eigen- 
thümlichkeit des Stoffes seine Absicht völlig zu erreichen. Die sorgsame 
Eintheilung erleichtert die Uebersicht über den geschickt bearbeiteten Gegen- 
stand. Nach einer allgemeinen Prophylaxe der Nervenkrankheiten folgt als 
IL. Abschnitt die specielle und zwar unter A Krankheiten des Gehirns und 
seiner Häute, B des Rückenmarks, C des peripherischen Nervensystems. Auch 
bei den Unterabtheilungen findet sich die anatomische Eintheilung, soweit 
tbuplich, durchgeführt. Eine Anzahl Störungen, wie Sinusthrombosen, heredi- 


96 Verschiedenes. 


täre Ataxie, Polyomyelitis anterior adultorum, Athetose, Paralysis agitans u.A. 
werden nur mit der Bemerkung, dass es dagegen keine Vorbeugung giebt, 
abgethan, und betreffs der hygienisch wichtigen Berufsstörungen wird auf die 
Gewerbehygiene und auf andere Abtheilungen des Buchs verwiesen. Dies liess 
sich aber bei dem im Grunde verfeblten Plane des Gesammtwerks nicht wohl 
umgehen. Helbig (Serkowitz). 


Hinterberger, Eine Modifikation des Geisselfärbungsverfahrens nach 
van Ermengem. Centralbl. f. Bakteriol. Bd. 27. No. 16/17. S. 597. 

Nach des Verf.’s Angaben gelingt es, die bei Anwendung des van Er- 
mengem’schem Geisselfärbungsverfahrens meist sich einstellenden un- 
angenehmen Niederschläge und die ausserdem ebenfalls vorkommenden Ver- 
dickungen der Bakterien und ihrer Geisseln, welche letzteren dabei oft auch 
faserig und zum Theil gelöst zur Darstellung gelangen können, durch eine 
von ihm vorgeschlagene Modifikation zu vermeiden und so reine Bilder zu 
erhalten. Auch er betont die das Gelingen der Färbung in erster Linie 
bedingende absolute Reinheit der zu benutzenden Deckgläser, für deren Reini- 
gung er das von van Ermengem angegebene Verfahren als das beste er- 
probt hat. 

Zur möglichst gewinnbringenden Ausführung desselben giebt Verf. noch 
einige kleine technische Haudgriffe an; er thut die Deckgläschen, damit nicht 
durch Zusammenkleben derselben einzelne der gründlichen Reinigung entgehen, 
jedes für sich in die erhitzte Chromsäurelösuug, die er, falls sie sich beim 
Kochen bräunt oder grünlich färbt, so oft wechselt, bis sie unverändert bleibt; 
auch wäscht er zum Schluss die Lösung ausser mit Wasser und absolutem Al- 
kohol dazwischen noch mit 95proc. Alkohol und Aetheralkohol gründlich aus 
und hebt schliesslich die gebrauchsfertigen Deckgläser in dem zu ihrer Rei- 
nigung benutzten und dabei zugleich gründlich mitgereinigten Becherglase, 
mit etwas Alkohol bedeckt, auf. 

Bei der Färbung der Geisseln selbst stimmen die ersten Maassnahmen, 
die Bereitung der Emulsion, die der Verf. in einem Tropfen filtrirten Brunnen- 
wassers auf einem der so vorbereiteten Deckgläschen, nicht in einem Schäl- 
chen vornimmt, das Beizen und das Abspülen der Beize mit den von van 
Ermengem angegebenen im Wesentlichen überein. Hinterberger geht dann 
weiter folgendermaassen vor: Das Deckgläschen wird mit der von ihm selbst 
hierzu angegebenen Glaspincette (nähere Beschreibung und Abbildung der- 
selben in der Originalarbeit S. 599) gefasst, noch einmal in 95proc. Alkohol, 
der dann mit destillirtem Wasser abgespült wird, getaucht und auf dasselbe 
eine Lösung von Argentum nitric. erystallis. in Alcohol. absol. geträufelt. 
Diese Lösung lässt man danach, indem man das Deckgläschen mit der einen 
Kante auf Fliesspapier aufstellt, ablaufen, entfernt den noch auf demselben 
zurückgebliebenen Rest von Silbernitrat durch mehrmaliges Eintauchen in je 
2, einerseits mit 7pM. wässriger Kochsalzlösung und andererseits mit etwa 
30proc. Ammoniaklösung gefüllte Schälchen. Die dann auf dem Präparat 
zurückgebliebenen braunen Flocken und Niederschläge, die von überflüssi- 
gem Ammoniak und von gelöstem Chlorsilber u. s. w. herrühren, werden 
durch Baden in 95proc. Alkoho), der durch Wasser abgespült wird, entfernt. 


Kleinere Mittheilungen. 2 97 


Den nun folgenden letzten Akt der Färbung nimmt Hinterberger wieder 
wie van Ermengem vor, nur dass er an Stelle der Tannin- und Gallussäure- 
lösung Liesegang’s Gallussäureentwickler ohne Fischleim verwendet. 
Stellt sich nun schon bei oberflächlicher Musterung mittels Trockensystems 
oder der Wasserimmersion die Färbung als zu blass heraus, so braucht man 
die Maassnahmen — Kochsalzlösung — Ammoniak — 95proc. Alkohol u. s. w. 
— nur noch einmal zu wiederholen, um die gewünschte Stärke der Färbung 
zu erreichen. Um die Schärfe und Reinheit des fertigen Präparats zu er- 
höhen, empfiehlt der Verf., es zuletzt noch, und zwar am besten ohne das 
Deckglas vorher abzuspülen, in einem Goldbade (Liesegang’s Tonfixirbad) 
zu baden, doch soll die Anwendung des Goldbades die ‘Dauer von 10—15 Se- 
kunden nicht überschreiten. Endlich wird das Präparat gut abgespült und, 
um es vollständig lufttrocken werden zu lassen, unter eine schief gestellte 
Glasglocke gelegt. Die Trocknung durch Fliesspapier, die van Ermengem 
vorschreibt, hält Verf. wegen der möglicherweise dabei eintretenden Beschä- 
digang des Präparats nicht für empfehlenswerth. Ist das Präparat gut ge- 
lungen, so sind die Bakterienkörper gelb-orange bis dunkelbraun, die 
Geisseln grau bis grauschwarz gefärbt. 

Da es sich bei dem van Ermengem’schen Verfahren und also auch bei 
der Hinterberger'schen Modifikation desselben in der Hauptsache um einen 
pbotographischen Process handelt, so kann es bei zu starker Belichtung und 
bei zu langsamem Arbeiten geschehen, dass die Präparate ganz blass werden, 
und dass ebenso an dunklen, nebligen Tagen, da die Endreaktion alsdann zu 
schnell verläuft, die Färbung zu schwach eintritt, während als die geeignet- 
sten und besten Arbeitstage die anzusehen sind, an denen der Himmel mit 
hellen, weissen Wolken bedeckt ist. 

Die auf einer beigegebenen Tafel reproducirten Mikrophotogramme von 
7 geisseltragenden, nach van Ermengem mit Benutzung der Hinterberger- 
schen Modifikation gefärbten Mikroorganismen zeigen, dass sich auf diese 
Weise sehr gute, klare Bilder erreichen lassen. Jacobitz (Halle a. $.). 


Kleinere Nittheilungen. 

Stand der Seuchen. Nach den Veröffentlichungen des Kaiserlichen Gesund- 
beitsamtes. 1900. No. 51 u. 52. 

A. Stand der Pest. I. Britisch-Ostindien. Präsidentschaft Bombay. 
4.10. 11.: 1160 Erkrankungen, 880 Todesfälle. Stadt Bombay. 4.—10. 11.: 
101 Erkrankungen, 68 Todesfälle; 197 Personen unter Pestverdacht gestorben. 11. 
Madagaskar. Tamatave. 27. 8.—23. 10.: insgesammt 12 Erkrankungen, 7 Todes- 
fälle unter Kreolen, Indiern und Chinesen. Ill. Reunion. 1. und 8. 12.: 2 Todesfälle. 
Maassnahmen gegen eine weitere Ausbreitung der Seuche sind angeblich sofort ge- 
troffen worden. IV. Kapland: Amtliche Mittheilungen vom 14. 11.: In Izinyoka, 
Bezirk King Williams Town: 7 Erkrankungen unter den Eingeborenen. V. Paraguay: 
Die Nachricht. dass in Villa Concepcion Pest aufgetreten sei, hat sich nicht be- 
stätigt. VI. Queensland. Brisbane. 21.—27.10.: keine Erkrankungen, keine Todes- 
fälle. 28. 10.—3. 11.: 2 Erkrankungen; im Ganzen noch 4 Fälle in Behandlung. 

B. Stand der Cholera. I. Britisch-Ostindien. Kalkutta. 11.—24. 11.: 
61 Todesfälle. I. Straits-Settlements. Singapore: 29 Erkrankungen (13 in der 
Irrenanstalt), 23 Todesfälle, 1 verdächtiger Fall. Jacobitz (Halle a. S.). 


Beilage zur „Hygienischen Rundschau“ 
NL. Jahrgang. Berlin, 15. Januar 1901. ö No. 2. 


10. internationaler Kongress für Hygiene und Demographie. 


Verhandlungen der Sektion für Mikrobiologie und Parasitologie in ihrer 
Anwendung auf die Hygiene. 


Bericht von Prof. H. Kossel in Berlin. 


Als erster Gegenstand wurde die Bestimmung der Wirksamkeit der 
Sera verhandelt. Der Berichterstatter Roux war leider durch Krankheit 
verhindert, an den Verhandlungen theilzunehmen. An seiner Stelle verlas 
Martin den Roux’schen Vortrag. 

Nach einer Besprechung der früher üblichen’ Arten der Werthmessung 
des Diphtherieserums ging der Vortragende auf die Behring-Ehrlich’sche 
Methode der Antitoxinbestimmung durch Injektion des Gemisches von Toxin 
und Antitoxin ein. Er hob hervor, dass wir Ehrlich die interessanten Auf- 
schlüsse über die Zusammensetzung des Diphtheriegifts verdanken, und betonte, 
dass seine Methode der Serumprüfung allgemein eingeführt sei. Ehrlich 
bestimmt zur Feststellung des Antitoxingehaltes nicht mehr diejenige Menge 
Serum, welche eine gewisse Menge Testgift gerade neutralisirt, sondern er 
geht von einem Testserum aus, das unter besonderen Vorsichtsmaassregeln so 
konservirt wird, dass es seine Wirksamkeit nicht verändert. An diesem Test- 
serum misst er das Toxin, indem er zwei Grenzwerthe bestimmt: 1. den Werth Lo 
(LNull), d. h. diejenige Menge Toxin, welche von einer bestimmten Menge des Test- 
serums genau neutralisirt wird, und 2. den Werth L+, d. i. diejenige Quantität 
des Toxins, welche mit derselben Menge Testserum gemischt gerade noch den 
Tod des Meerschweinchens berbeiführt. Diese Dosis Gift dient zur Prüfung 
des Serums, dessen Werth bestimmt werden soll. Untersuchungen, welche 
Danysz im Auftrage des Vortragenden ausgeführt bat, haben nun ergeben, 
dass der Lo-Werth bei verschiedenen Thieren nicht der gleiche ist. Bestimmt 
man diesen Grenzwerth am Meerschweinchen und injicirt nun die gleiche 
Menge des Serum-Giftgemisches einem Vogel, so stirbt dieser an Diphtherie- 
vergiftung. Ebenso starben Meerschweinchen, die bei niederer Temperatur 
(+ 2,50) gehalten wurden, an der Injektion einer Mischung, die Thiere bei 
gewöhnlicher Temperatur völlig unbeeinflusst liess. Roux liess nan von Danyss 
die therapeutische Wirksamkeit zweier verschiedener Sera vergleichen mit ihrer 
immunisirenden Wirkung. Zur Feststellung der therapeutischen Wirksamkeit in- 
jieirte er Meerschweinchen eine Dosis Diphtheriegift, welche Kontrolthiere in 
3—5 Tagen tödtete, und bestimmte die Menge Serum, welche, 3 Stunden später 
injieirt, die Thiere rettete. Dabei stellte sich heraus, dass ein Serum A, 
welches nach Ehrlich 700 Einheiten pro Kubikcentimeter enthielt und in 
einer Dosis von 1:150000 Meerschweinchengewicht ein Thier gegen eine 
12 Stunden später eingespritzte einfach tödtliche Menge Gift schützte, thera- 
peutisch weniger leistete als ein Serum B, welches nach Ehrlich nur 200 Ein- 
heiten enthielt und Meerschweinchen in einer Menge von 1: 200 000 ihres 
Gewichts gegen die 12 Stunden später vorgenommene Injektion der einfach 


19. internationaler Kongress für Hygiene und Demographie. 99 


tödtlichen Giftdosis immunisirte. Ferner konnten Martin, Momont und 
Prevot feststellen, dass der Immunisirungswerth eines Serums gegen eine 
nachfolgende Giftinjektion ebenfalls nicht mit seiner antitoxischen Kraft bei 
Mischung mit Serum coincidirt. Roux schlägt daher vor, weitere Untersu- 
chungen anzustellen, um festzustellen, ob die therapeutische Wirksamkeit 
eines Serams in der That nach der Ehrlich ’schen Methode zu bestimmen ist. 

In der Diskussion ergriff zunächst Ehrlich das Wort. Er betonte, dass man 
bei der Werthmessung eines Serams unter allen Umständen von einem unverän- 
derlichen Testserum ausgehen müsse, da es bisher noch nicht gelungen sei, 
Testgifte herzustellen, welche ihre Wirksamkeit im Laufe der Zeit nicht ver- 
änderten. Die Beobachtungen von Danysz bezüglich des Lo-Werthes glaubt 
Ehrlich durch die Anwesenheit von Toxoiden in den Gemischen erklären zu 
sollen. Da man zur Bestimmung des Serums den Lo-Werth ja nicht mehr benütze, 
so werde die Zuverlässigkeit der Prüfungsmethode dadurch nicht beeinträchtigt. 
Den zuletzt von dem Vortragenden angeführten Versuchen über die therapeu- 
tische Wirksamkeit am Meerschweinchen hielt Ehrlich die Beobachtung am 
Menschen entgegen, aus der die therapeutische Ueberlegenheit hochanti- 
toxischer Sera über diejenigen mit geringem Gehalt an Antitoxinen hervor- 
gehe. Ferner machte er darauf aufmerksam, dass bei getrennter Injektion 
von Gift und Gegengift, wie sie von Danysz geübt sei, die Resorptionsverhält- 
nisse störend eingreifen. Der Zeitpunkt der Resorption des Serums schwanke 
erheblich, und dadurch würden auch die Ergebnisse des Thierversuchs unsicher. 
Auch das Alter des Serums könne auf die Resorbirbarkeit Einfluss ausüben. 

Martin hat beobachtet, dass bei Pferden, die mit Diphtheriegift immu- 
nisirt werden, die schützenden Stoffe (substances préventives) und die Anti- 
toxine nicht gleichzeitig im Blut auftreten. Er erwähnt, dass man in Frank- 
teich die für die Behandlung von Kindern erforderliche Serummenge nicht 
habe herabsetzen können, trotzdem der antitoxische Werth des Serums in der 
gleichen Zeit auf das Doppelte gestiegen sei. 

Nachdem Llorente in ähnlichem Sinne gesprochen, wurde eine Kommission 
eingesetzt, die sich weiter mit dieser Frage beschäftigen soll. Sie besteht aus 
den Herren Behring, Calmette, Ehrlich, Löffler, Martin, Mendoza, 
Nocard, Roux, Wladimiroff. 


Es folgte ein Vortrag von Martin über die Behandlung und Pro- 
phylaxe der Diphtberie. 

In Paris betrug die Sterblichkeit an Diphtherie vor Einführung der Serum- 
therapie (1890-1894) jährlich im Mittel 1432 Todesfälle, seit 1895 bewegt 
sich die Zahl der an Diphtherie Gestorbenen zwischen 255 (1898) und 454 
(1896), im Mittel 354. Im Ganzen kamen in Paris 1895—1899 16449 Fälle 
von Diphtherie zur Meldung mit 1769 Todesfällen, also eine Sterblichkeitsziffer 
von 10 pCt. Martin betont unter Hinweis auf die Statistiken von Rauch- 
fuss, des Metropolitan asylım board und der Brook und Eastern Hospitals 
die Wichtigkeit der frühzeitigen Behandlung. Die Zahl der Tracheotomirten 
ist ebenfalls seit Einführung der Serumtherapie gesunken. 

Martin empfiehlt die Schutzimpfung mit Serum in infieirten Ortschaften, 


100 10. internationaler Kongress für Hygiene und Demographie. 


die am besten alle 3 Wochen zu wiederholen ist. Nach Bayeux’s Berechnung 
sind bisher 232 000 Kinder in allen Ländern zusammen mit Serum behandelt, 
davon sind 37 000 gestorben, aber ungefähr 60000 verdanken ihre Rettung 
der Behring’schen Entdeckung. 

In der Diskussion tritt Kirchner (Berlin) für die Schutzimpfung mit 
Serum ein und betont die Nothwendigkeit der Einrichtung von Untersuchungs- 
stationen für die bakteriologische Feststellung der Diphtherie. 

Netter (Paris) theilt mit, dass er bei masernkranken Kindern den Aus- 
bruch der Diphtherie trotz Schutzimpiung gesehen habe. 

Ermann (Hamburg) äussert Zweifel an der therapeutischen Wirksamkeit 
der Serumtherapie bei Diphtherie und lässt die statistisch erwiesene Abnahme 
der Sterblichkeit an Diphtherie nicht als Beweis für die Wirkung des Serums 
gelten, weil die Zahl der schweren Erkrankungen an Diphtherie überhaupt 
abgenommen habe. 

L. Martin (Paris) erwidert Netter, dass wahrscheinlich bei kranken 
Kindern eine grössere Menge Serum zur Immunisirung erforderlich sei als bei 
gesunden. 

C. Fraenkel (Halle) wendet sich gegen Ermann und bestreitet, dass 
die Zahl der schweren Fälle abgenommen habe, da bei zu spät in Behandlung 
gekommenen Kindern immer noch schwere Erkrankungen beobachtet würden. 

Pawlowitz (Kiew) hat in Russland gute Erfolge vun der Serumtherapie 
in den Städten und in den ländlichen Bezirken gesehen. 

Babes (Bucarest) bestreitet ebenfalls, dass die Erkrankungsziffer der Diph- 
tberie in Rumänien abgenommen habe. Trotzdem sei in schwer heimgesuchten 
Bezirken die Sterblichkeit durch die Serumtherapie von 60 pCt. auf 7 pêt. 
herabgedrückt. Jeder Arzt sei in Rumänien zur Anwendung des Serums 
verpflichtet. 

Sormani wünscht gesetzliche Regelung der Dipbtherieprophylaxe, Schutz- 
impfungen für die Umgebung der Kranken, Desinfektion des Schlundes und 
Ausschluss der Kinder von der Schule, solange sich noch Diphtheriebacillen 
im Rachensekret nachweisen lassen. 

Laveran (Paris) bezweifelt die Möglichkeit der . gesetzlichen Regelung 
für Frankreich. Er wünscht ebenfalls, die Kinder, bei welchen Diphtherie- 
bacillen gefunden werden, von der Schule ausgeschlossen zu sehen. 

L. Martin (Paris) wünscht, dass solche Kinder wenigstens eine bestimmte 
Zeit von der Schule ferngehalten werden. 

Löffler (Greifswald) hält den Ausschluss von der Schule durchaus für 
durchführbar. 

Es wird eine Resolution angenommen, in welcher den Aerzten die An- 
wendung des Serums zur Schutzimpfung empfohlen und befürwortet wird, 
dass Beobachtungen darüber in allen Ländern gemacht werden möchten. 


Vaillard (Paris) berichtet über die Fleischkonserven. 

In der französischen Armee sind in den letzten Jahren wiederholt Fälle 
von Erkrankungen nach dem Genuss von konservirtem Fleisch beobachtet 
worden. Meist 12—50 Stunden, selten 2—6 Stunden nach dem Genuss solchen 


10. internationaler Kongress für Hygiene und Demographie. „ 101 


Fleisches sind Fieber und gastrointestinale Störungen eingetreten, so dass man 
im ersteren Falle an eine Infektion, deren Wesen bisher allerdings nicht 
festgestellt werden konnte, in letzteren Fällen an eine Intoxikation zu denken 
geneigt ist. 

Die Gifte sind entweder in dem Fleisch vor seiner Verarbeitung bereits 
enthalten gewesen, oder sie sind durch Bakterieneinwirkung nachträglich ent- 
standen. Letzteres kann vorkommen, wenn die Konserven vor der Sterilisation 
zu lange gestanden haben, besonders in der heissen Jahreszeit oder in der 
Zwischenzeit zwischen der ersten und zweiten Erhitzung, oder endlich bei 
ungenügender Erhitzung. Es kann der Fall eintreten, dass der Konservenin- 
halt äusserlich nicht verändert erscheint und doch eine reiche Bakterienflora 
enthält. Thierversuche an Meerschweinchen zeigten, dass Extrakte aus solchen 
Ronserven tödtliche Vergiftungen bei subkutaner Injektion hervorrufen können, 
wäbrend das Aussehen und der Geruch eine Zersetzung nicht andenteten. 
Allerdiogs kann bei Aufnahme in den Darmtraktus jede Giftwirkung ausbleiben. 

Bei den bakteriologischen Untersuchungen zeigten zuweilen 70—80 pCt. 
der Konserven lebende Keime. Es kommen Schimmelpilze, Kokken, sporen- 
tragende und sporenfreie Bacillen vor. Die sporentragenden sind am häufigsten, 
besonders Heubacillus und Bac. mesentericus, welch letzterer Milchsäure in 
Battersäure und Eiweissstickstoff in Ammoniakstickstoff umsetzt; von sporen- 
losen kommt Proteus vulgaris vor, auch coli-ähnliche Arten. Niemals fand 
sich der Bac. enteritidis Gärtner oder der van Ermengem’sche Bacillus. 
Fütterangsversuche an jungen Katzen ergaben zuweilen Vergiftungserschei- 
nungen. 

V. beobachtete, dass bei der Anwendung einer Temperatur von 120° im 
Autoklaven die Wärme im Innern der Konserven erst nach 11/, Stunden 116° 
erreichte. Die Konserven werden jedoch selten dieser Temperatur während 
so langer Zeit ausgesetzt (besonders Wild, Fisch, Hummern). 

V. hält eine Beaufsichtigung der in den Handel kommenden Konserven 
für unmöglich, glaubt aber, dass für die Armeelieferungen eine strenge Kon- 
trole berechtigt und erforderlich ist. 

In der Diskussion erwähnt Nocard (Paris), dass eine vom Kriegsministe- 
rium eingesetzte Kommission verlangt habe, dass auf jeder Konserve Tag, 
Monat und Jahr der Fabrikation verzeichnet werde. 

Kirchner (Berlin) hebt hervor, dass diese Vorschrift in der deutschen 
Armee bereits besteht. 

Eine Resolution wird einstimmig angenommen, in welcher für nothwendig 
erklärt wird, den Fabriken die genannte Verpflichtung aufzuerlegen. 

Bezüglich des Zusatzes von Konservirungsmittela befürwortet 

Brouardel (Paris) ein Verbot jeglichen Zusatzes einer chemischen Sub- 
stanz zum Zwecke der Konservirung. 

Löffler (Greifswald) wünscht ein Verbot der schwefligen Säure oder 
deren Salze als Zusatz zu frischem Fleisch. 

C.Fraenkel. (Halle) möchte das Verbot nicht auf alle chemischen Sub- 
Stanzen ausgedehnt wissen, da z. B. Borsäure unschädlich sei. Die schweflig- 
sauren Salze will auch er verbieten. 


102 10. internationaler Kongress für Hygiene und Demographie. 


Fodor (Budapest) hat beobachtet, dass milzbrandhaltiges Fleisch, das 
mit Salzen konservirt war, zahlreiche Milzbrandkeime enthielt. Auf diese 
Weise können Salze als Konservirungsmittel sehr gefährlich werden. 

Nocard (Paris) möchte jeden Zusatz zu einem Nahrungsmittel verbieten, 
besonders bei Milch. 

Kirchner (Berlin) warnt aus praktischen Gründen vor Verallgemeinerung. 

Gärtner (Jena) glaubt, dass Konservirungsmittel nicht ganz zu entbeh- 
ren sind. 

Bornträger (Danzig) schlägt bezüglich der Zusätze Deklarationszwang vor. 

Rubner (Berlin) räth zur Vorsicht mit der Zulassung von Konservirungs- 
mitteln. 

Es wird beschlossen, dass jeder Zusatz eines Desinfektionsmittels zu ver- 
bieten ist. Die Minderheit betonte, dass der Begriff Desinfektionsmittel ein 
sehr schwankender sei. 

Bezüglich der Fleischkonserven befürwortete Vaillard 2stündiges Kochen 
bei 120° und Kirchner (Berlin) eine staatliche Koncessionirung der Fabriken. 

Auf Antrag vou Nocard wurde beschlossen, auf die Fabriken in der 
Weise einzuwirken, dass man ihnen die beste Art der Konservirung angiebt. 


Calmettte (Lille) berichtete über die Prophylaxe der Pest durch 
Schutzimpfungen. 

C. fasst die Vorzüge und Nachtheile der prophylaktischen Injektionen 
mit Pestserum folgendermaassen zusammen. 

Vortheile: Verleihung eines unmittelbar eintretenden hohen Schutzes, 
Schmerzlosigkeit, Unschädlichkeit, Haltbarkeit des Schutzstoffes; 

Nachtheile: Kurze Dauer des verliehenen Schutzes, der hohe Preis, der 
es unmöglich macht, alle 14 Tage die Bevölkerung eines Ortes zu impfen, 
die Schwierigkeit, die Leute zu einer so oft zu wiederholenden Impfung zu 
bewegen. 

Die Anwendung des Serums zur Schutzimpfung ist daher zu beschränken 
auf die Passagiere und Mannschaften infieirter Schiffe, auf die mit der Be- 
handlung und Pflege von Pestkranken beschäftigten Personen, auf die Ange- 
stellten in Magazinen u. dergl., wo mit verdächtiger Waare umgegangen wird, 
endlich auf die Umgebung der Pestkranken. 

Die Schutzimpfung nach Haffkin verleiht einen Schutz, dessen Dauer 
beim Menschen schwer festzustellen ist, der bei Affen aber nicht länger als 3 bis 
4 Wochen dauert. Ein länger anhaltender Schutz wird nur durch wiederholte 
Injektionen erreicht. Die Immunität tritt in Thierversuchen erst etwa am 
7. Tage ein. Den Vortheilen des Haffkin’schen Verfahrens (leichte Her- 
stellung in grossen Mengen, geringe Beschwerden nach der Injektion, Anwend- 
barkeit für ausgedehnte Schutzimpfungen) stehen gegenüber als Nachtheile 
eine grössere Empfindlichkeit der geimpften Individuen gegen Pest in den 
ersten Tagen nach der Impfung, Auftreten von Fieber, schlechte Haltbarkeit 
des Impfstoffes. Trotzdem wird sie gute Dienste zu leisten im Stande sein. 
Die Anwendung des Serums empfiehlt sich am meisten, weil es zugleich ein 
Heilmittel ist. 


10. internationaler Kongress für Hygiene und Demographie. 103 


Ausser der Schutzimpfung werden Vernichtung der Ratten und des Un- 
geiiefers, Desinfektion verdächtiger Gegenstände und Versorgung der Lazarethe 
und Schiffe mit Pestserum, Einrichtung von Pestlaboratorien an den grösseren 
Verkehrsmittelpunkten und ärztliche Ueberwachung der Schifffahrt als Mittel 
zar Verhütung von Pestepidemien empfohlen. 


Löffler (Greifswald) berichtet über die Prophylaxe der Maul- und 
Rlauenseuche. 

L. ist es bei seinen mit Dr. Uhlenhuth in den letzten beiden Jahren 
angestellten Versuchen gelungen, die Immunität von Rindern durch wieder- 
holte Injektionen von Lymphe in steigenden Dosen se hoch zu treiben, dass 
das Blutserum solcher Thiere in der Dosis von 0,1—0,2 ccm prokg Ferkel 
für einen Zeitraum von 3—4 Wochen gegen die natürliche Infektion schützte. 
Schweine und Schafe konnten durch 10—20 ccm solchen Serums gegen die 
gleiche Infektion geschützt werden. Bei Rindern verlieh die Injektion des 
Immunserunis keinen sicheren Schutz. Daher richtete L. sein Bestreben darauf, 
Rinder mit Hülfe einer abgeschwächten Lymphe zu immunisiren. Die Ab- 
schwächung geschah durch Zusatz von Serum zur Lymphe oder Aufbewahrung 
des Virus im Eisschrank während längerer Zeit. Ein sicherer Schutz konnte 
jedoch auch bierdurch bei Rindern nicht erzielt werden. Daher kann man 
nach L. für die Bekämpfung der Seuche die administrativen Maassnahmen 
voch nicht entbehren. Das Hauptaugenmerk ist auf die Sammelmolkereien 
ta richten. Eine momentane Erhitzung der Milch von an Maul- und Klauen- 
seuche leidenden Thieren auf 80° genügt nach Versuchen von Löffler und 
Üblenhuth, um die Infektiosität zu vernichten. Die gesetzliche Vorschrift 
einer Erwärmung der Milch io den Molkereien auf 80° wird empfohlen. 


Markl (Wien) sprach über das Pestgift und die Bereitung von Pest- 
serum. Nach seiner Ansicht ist das Pestgift, wie es sich in den filtrirten 
Bouillonkulturen findet, wahrscheinlich nicht ein blosses Auslaugungsprodukt 
der Bakterienkörper, sondern ein Ausscheidungsprodukt der lebenden Bakterien- 
telle. Nach M.’s Ansicht darf bei der Immunisirung von Thieren zur Serum- 
bereitang die Injektion solcher Gifte nicht unterlassen werden. 

In der Diskussion tritt H. Kossel (Berlin) der Ausicht des Vortragenden 
über den Ursprung des Pestgiftes bei, um so mehr, als es ihm im Verein mit 
Overbeck gelungen sei, Ratten durch Injektion von Bouillonfiltraten, die 
auf 56—60° erhitzt waren, gegen die Infektion mit Pestbacillen zu immuni- 
siren. Das Pestgift verhält sich also in dieser Beziehung nicht so verschieden 
som Diphtherie- und Tetanusgift, wie man bisher angenommen habe. Am 
wirksamsten seien die Kulturfiltrate, wenn man Serum der Nährbouillon zusetze. 


Blanchard (Paris) berichtete über die Rolle des Trinkwassers und 
der Gemüse in der Aetiologie der Helminthiasis. 

Mit Trinkwasser und Gemüse können als Eier in den Körper aufgenom- 
men werden zur Gruppe der Cestoden, der Nematoden und der Linguatula 
gehörige Parasiten, und zwar von der ersten Gruppe Cysticercus cellulosae und 


104 10. internationaler Kongress für Hygiene und Demographie. 


Echinococcus polymorphus, von der zweiten Ascaris lumbricoides, canis und 
maritima, Oxyuris vermicularis, Trichocephalus dispar, vielleicht auch Stron- 
gylus apri, Gnathostomum siamense, von der dritten Pentastomum denticulatum 
(Larve der Linguatula rhinaris des Hundes und Wolfes) und Porocephalus con- 
strictus. Auf die Gemüse gelangen die Eier durch Staub und Rieselwasser 
oder dergl. Aehnlich wie die Eier der genannten Parasiten werden die Cocci- 
dien, Flagellaten und Infusorien im Zustande der Encystirung verbreitet. 

Als Larven leben im Wasser und auf Gemüse die zur Gruppe der Trema- 
toden gehörenden Parasiten des Menschen, von den Nematoden Ankylostoma 
und Anguillula intestinalis. 

Die Filaria medinensis lebt als Larve in den Cestopoden und gelangt 
durch Verschlucken dieser kleinen Krustaceen in den Magendarmkanal des 
Menschen. 

In erwachsenem Zustande können Gordius und Hirudineen (Limnatis nilo- 
tica) durch Trinken schmutzigen Wassers aus Pfützen aufgenommen werden. 

Bl. betont die Nothwendigkeit der Wasserfiltration auch aus diesem Grunde 
und verwirft das Düngen der Gemüsefelder mit menschlichen Fäkalien. 


Von weiteren Vorträgen in der bakteriologischen Sektion sind hervorzu- 
heben: Fodor, Ueber die Erhaltung der Lebenseigenschaften und den Nach- 
weis des Typhusbacillus, Thoinot und Vaillard, Ueber die pathogenen Bak- 
terien in der Erde und im Wasser; Bonjean, Vorkommen des Bacillus pyo- 
cyaneus im Trinkwasser; Girard und Bordas, Biologische Betrachtungen 
über den Einfluss der Mischung von Wässern aus verschiedenen Quellen; 
Bernheim, Ueber Erkrankungen in Folge der Vaccination und ihre Verhü- 
tung. Im Anschluss an den letzteren Vortrag nahm die Versammlung eine 
` Resolution an, durch welche eine obligatorische Schutzimpfung mit animaler 
Lymphe empfohlen wird. 


Verlag von August Hirschwald, Berlin N.W. — Druck von L. Schumacher in Berliu. 


Hygienische Rundschau. 


Herausgegeben 


von 
Dr. Carl Fraenkel, Dr. Max Rubner, Dr. Carl @ünther, 
Prof. der Hygiene in Halle 2/8. Geh. Med.-R., Prof. der Hygiene in Berlin. Professor in Berlin. 
XI. Jahrgang. Berlin, 1. Februar 1901, Æ 3. 


(Aus dem hygienischen Institut der Universität Freiburg i. B.) 
Die Bubonenpest in Bombay im Frühjahr 1900. 
Ein Reise-Bericht. 
Von 


Dr. Max Schottelius, 
Professor der Hygiene. 


Bei Gelegenheit der Versammlung deutscher Bakteriologen in Berlin im 
Oktober 1899 wurden von Seiten der Referenten, welche die Bubonenpest 
durch eigenen Augenschein kennen gelernt und studirt hatten, so viele neue 
Thatsachen und bemerkenswerthe Einzelheiten mitgetheilt, dass wohl Allen — 
auch denjenigen Theilnehmern jener Konferenz, welche literarisch und experi- 
mentell bereits eingehend mit der Pestkrankheit sich beschäftigt hatten — 
der gewaltige Unterschied klar wurde, welcher besteht zwischen den im Labo- 
ratorium und im Studirzimmer gewonnenen Kenntnissen gegenüber den durch 
praktische Arbeiten am Krankenbett und am Obduktionstisch erworbenen Er- 
fabrungen. 

Für mich selbst gesellte sich zu dieser Ueberzeugung noch der Umstand, 
dass ich schon früher auf Grund meiner Studien der Choleraepidemien in 
Italien im Jahre 1884 und in Hamburg 1892 hatte feststellen können, wie 
werthvoll die durch persönliche Anschauungen dem Gedächtniss eingeprägten 
Krankbeitsbilder den Vortragenden unterstützen; und da es auch jetzt wieder in 
Aussicht genommen war, durch „Pestkurse“ die Kenntniss dieser Krankheit 
in weiteren Kreisen zu fördern, so fasste ich den Entschluss, die Bubonenpest 
io ihrer Heimath oder doch an einem eigentlichen Pestherd zu studiren. 

In Oporto kamen nach beglaubigten Berichten, weiche ich namentlich 
persönlichen Mittheilungen des Herrn Calmette, Direktor des Institut Pasteur 
in Lille, zu verdanken hatte, noch immer Pestfälle vor, und auch aus Algier 
hatten Zeitungsnachrichten von pestverdächtigen Fällen berichtet. Daher be- 
absichtigte ich anfangs, nach Oporto zu reisen und von dort über die nord- 
afrikanischen Hafenplätze nach Suez und El Tor weiter zu gehen, um an 
diesen Orten die praktische Anwendung der internationalen Quarantäne- und 

8 


106 Schottelius, 


sonstigen Schutzmaassregeln gegen die Einschleppung der Pest kennen zu 
lernen. Jedenfalls sollte mich mein Weg wenigstens zunächst nach Paris führen, 
weil ich im Institut Pasteur die beste Auskunft über den augenblicklichen 
Stand der Pest nicht nur in Oporto, sondern auch anderwärts zu erhalten, 
und überdies die zum persönlichen Gebrauch nothwendige Menge Pestserum 
zur eigenen Schutzimpfung zu bekommen hoffte. Beides: Auskunft und Schutz- 
serum wurde mir durch das freundliche Entgegenkommen meiner verehrten 
Herren Kollegen Roux und Metschnikoff in liberalster Weise zu Theil, und 
ich möchte gleich an dieser Stelle dem Institut Pasteur für diese wesentliche 
Unterstützung meines Reisezweckes meinen Dank abstatten. 

Zufällig war am Tage vor meiner Ankunft in Paris der vom Institut 
Pasteur nach Oporto entsandte Arzt, welcher dort mit der Vornahme der Schutz- 
impfungen beauftragt war, zurückgekehrt und hatte die Nachricht mitgebracht, 
dass den ausländischen Aerzten, welche zum Zweck des Studiums der Pest 
nach Oporto gekommen seien, neuerdings grosse Schwierigkeiten in den Weg 
gelegt würden, da man durchaus das Erlöschen der Pest in Oporto als That- 
sache hinzustellen wünsche. Unter diesen Umständen wäre der Erfolg einer 
Reise nach Oporto mindestens sehr zweifelhaft gewesen, und da andererseits 
die Berichte aus Bombay eine fortwährende Zunahme der Bubonenpest kon- 
statirten, so entschloss ich mich kurzer Hand, meinen ersten Reiseplan fallen 
zu lassen und mit der nächsten sich bietenden Gelegenheit über Triest nach 
Bombay zu fahren. 

Mit 600 ccm (30 Fläschchen) Roux’schen Serums versehen, so dass ich 
bei sich bietender Gelegenheit auch an einigen Patienten den Erfolg der Impfung 
studiren konnte, trat ich dann am 25. Februar 1900 die Reise über Marseille, 
Toulon und Genua nach Triest an. 

(Es ist vielleicht nicht ohne allgemeineres Interesse, an dieser Stelle einer 
Vaccinationsepisode Erwähnung zu thun, welche ich am eigenen Körper erfahren 
habe: Nach Ausweis von fünf noch heute deutlich sichtbaren Impfnarben an 
meinem rechten Oberarm ist die erste an mir vorgenommene Schutzimpfung 
— etwa im Jahre 1850 — von kräftigem Erfolg gewesen. Eine Revaccination 
im 9. oder 10. Lebensjahre, wie sie jetzt obligatorisch ist, hat bei mir nicht 
stattgefunden. Dagegen wurde ich im Wintersemester 1872, als im Leipziger 
klinischen Hospital, welches damals unter Wunderlich’s Leitung stand, eine 
Anzahl tödtlich verlaufender Pockenfälle vorkamen, sammt allen übrigen 
Praktikanten wiedergeimpft, zwei Mal kurz hinter einander — beide Male 
ohne Erfolg. Der Impfschutz der ersten Impfung war also noch wirksam. 
Etwa 12 Jahre später — im Jahre 1883 oder 1884 — habe ich mich dann 
nochmals mit einer bei Anderen kräftig wirkenden Lymphe experimenti causa 
wiederimpfen lassen; wiederum ohne positiven Erfolg. 

Jetzt nun — im Frühjahr 1900 — hielt ich es doch angesichts der in Süd- 
frankreich und in Spanien epidemisch auftretenden Pocken für angebracht, vor 
meiner Abreise eine nochmalige Vaccination an mir vorzunehmen, und dieses 
Mal war der Erfolg ein durchaus positiver; derart, dass ich wegen der typi- 
schen, intensiven, allgemeinen und lokalen Erscheinungen meine Abreise von 
Paris um zwei Tage verschieben musste. Das ist vielleicht für den einen 


Die Bubonenpest in Bombay im Frühjahr 1900. 107 


oder den anderen Arzt ein Hinweis darauf, sich gegebenen Falls auch im 
höheren Lebensalter nochmals revacciniren zu lassen.) 

Seitdem die neuen Hafenanlagen in Marseille in Betrieb genommen sind 
und der alte ungünstig gelegene Hafen eigentlich nur noch dem Lokalverkehr 
dient, hat die Gefahr, dass von hier aus unbemerkt Seuchen nach Europa ein- 
geschleppt werden könnten, wesentlich abgenommen und ist jetzt gewiss nicht 
grösser, als bei jedem andern gesundheitspolizeilich gut versorgten Hafenplatz 
Earopas. Anders verhält sich das mit Toulon, woselbst wegen der Gesammt- 
lage des eng umschlossenen Hafenbeckens die allgemeinen Verhältnisse viel 
angünstiger liegen als in Marseille; dazu kommt dann noch, dass die mili- 
rischen Bedürfnisse manche Veränderungen ausschliessen, welche die sanitären 
Ansprüche befriedigen könnten. Inzwischen ist eine gründliche Beurtheilung 
der einschlägigen Verhältnisse für Jemanden, der sich nur vorübergehend in 
Toulon aufhält, sehr schwierig, da Toulon bekanntlich ein Krieg®hafen ist 
und der Fremde bei Besichtigung der Hafenanlagen sehr vorsichtig auftreten 
moss. Vielleicht trägt auch gerade die scharfe militärische Kontrole dazu bei, 
dass seuchenverdächtige Schiffe, Personen und Waaren vorkommenden Falls 
von Toulon aus weniger als anders woher in das Inland Eingang finden 
können. 

Auch in Genua ist in den letzten Jahren durch Erweiterung der Hafen- 
anlagen und zweckmässige Vertheilung der einzelnen Betriebe viel geschehen, 
um von hier aus die Einschleppungsgefahr von Seuchen nach Europa zu ver- 
mindern. Ueberhaupt dürften die grossen Plätze des eigentlichen Welt- 
Verkehrs, auf welche die internationale Aufmerksamkeit ständig gerichtet ist, 
heutzutage besser zur Abwehr gerüstet sein, als die kleinen Häfen, nach denen 
mehr und mehr bei dem ständig zunehmenden Verkehr auch von weit her 
grössere Mengen von Frachtgütern und Personen transportirt werden. 

In Triest herrschte während meiner dreitägigen Anwesenheit schwere Bora 
mit Schneesturm, so dass von einer Besichtigung des Hafens und der dortigen 
sanitären Einrichtungen Abstand genommen werden und ebenso ein nach Fiume 
geplanter Ausflug unterbleiben musste. 

Am 3. März reiste ich dann mit dem österreichischen Lloyddampfer „Im- 
peratrix“ von Triest nach Bombay ab. 

Ausser der Thatsache, dass auf dem für 90 Passagiere erster Klasse be- 
quem eingerichteten Schiff nur 5 Reisende zur Ueberfahrt nach Bombay sich 
eingefunden hatten, während für die Rückfahrt von Bombay nach Triest schon 
sämmtliche Plätze im Voraus belegt waren, erinnerte Nichts an das Vorhanden- 
sein der Pest bis zur Einfährt in den Hafen von Aden. 

In Aden waren auf einer kleinen, westlich vom eigentlichen Hafen, dem 
Festlande nahe vorgelagerten Insel die Pestkranken und nicht weit davon die 
Pestverdächtigen untergebracht: niedere, mit Matten bedeckte Hütten bezeich- 
neten das Lager, und von einem flachen Höhenzug am Festlande hoben sich 
die Umrisse mehrerer in regelmässigen Abständen vertheilter Kameelreiter ab, 
welche dort zur Bewachung der Internirten aufgestellt waren. Welch schwere, 
eingreifende Folgen aber die strenge sanitätspolizeiliche Behandlung verein- 
welter Pestfälle mit sich bringen kann, davon sollten wir uns sehr bald über- 

g* 


108 Schottelius, 


zeugen. Für gewöhnlich wird Aden — die Hafenstadt sowohl, als die weiter im 
Innern liegende sogenannte „big town“ (die Eingeborenen-Stadt) — mit Wasser 
versehen durch jene mächtigen, in die Felsen gesprengten Reservoire, deren 
ursprüngliche Anlage dem König Salomo zugeschriebeh wird. Diese uralten 
Cisternen sind später von den Engländern beträchtlich erweitert und erhalten 
ihr Wasser hoch in den Bergen aus noch höher gelegenen Bergzügen während 
der seltenen Regenzeiten. Es ist da ein ganzes komplicirtes System modifi- 
eirter Thalsperren, welche durch offene Cementkanäle und Rohrleitungen mit 
einander in Verbindung stehen, so dass das Wasser von allen Seiten her 
geschickt aufgefangen wird und dann rationell vertheilt und abgeleitet 
werden kann. 

Für gewöhnlich reichen diese Einrichtungen auch in wasserarmen Jahren 
aus, um die Stadt und den Hafen zu versorgen. Jetzt aber — im Frühjahr 
1900 — "atte es seit bereits 8 Jahren so gut wie gar nicht geregnet; die 
Reservoire lagen schon seit Jahren trocken, und die Stadt war auf den Gebrauch 
von destillirtem Wasser angewiesen, welches aus Seewasser fabrikmässig her- 
gestellt wurde. Nun hatte aber der Inhaber dieser Wasserfabrik einen unter 
seinen Arbeitern vorgekommenen Pestfall verheimlicht, war dann beim nächst- 
folgenden Fall erwischt und als pestverdächtig mit sammt seiner Familie, 
seinem Personal und seinen 200 Kulis in das vorbeschriebene Pestlager depor- 
tirt bezw. internirt. Das geschah wenige Tage vor unserer Ankunft, und die 
Folge davon war die, dass ausser einem für Europäer völlig ungeniessbaren 
grünlichen Schlammwasser überhaupt kein Wasser in Aden vorhanden war. 

Zudem ist mit der Wasserfabrik auch die Eisfabrikation verbunden, so 
dass man unter diesen Umständen auch auf das Eis verzichten musste. Wer 
das erhöhte Wasserbedürfniss der Europäer in den Tropen und die furchtbar 
heisse trockene Luft in Aden kennt, kann sich die Unhaltbarkeit dieses Zu- 
standes vorstellen, und so trösteten sich die Einwohner damit, dass die Fabrik 
jedenfalls wieder eröffnet werden würde, wenn — was sehr bald der Fall sein 
musste — der Gouverneur selbst unter dem Wassermangel zu leiden haben 
würde. Das soll denn in der That auch nach einigen weiteren Tagen ge- 
schehen und die Fabrik wieder in Betrieb gesetzt sein. 

Pestkranke habe ich während meines Aufenthaltes in Aden am. 14. und 
15. März 1900 nicht zu sehen bekommen; dagegen war es vorauszusehen, dass 
das in Karachi — unserer nächsten Station — der Fall sein würde. In Hin- 
blick hierauf nahm ich am 17. März Vormittags 9 Uhr eine Schutzimpfung 
an mir vor, indem ich mir 10 ccm Serum antipesteux vom Institut Pasteur 
in das linke Hypochondrium injieirte. Abgesehen von einem durch zu schnelles 
Einspritzen bewirkten plötzlich auftretenden heftigen Schmerz, welcher gürtel- 
förmig um den Körper verlief, aber sofort aufhörte, als ich in Erkenntniss 
der Ursache die Kanüle noch einen Centimeter tiefer einführte, verlief die 
Injektion des Serums subjektiv ganz reaktionslos. Nach der Injektion blieb 
um den Injektionsstich eine etwa markstückgrosse blasse Quaddel zurück, 
welche nach etwa 11/ Stunden verschwunden war. Die Fläschchen des Institut 
Pasteur enthalten 20 ccm Serum antipesteux, so dass nach Verbrauch der für 
mich selbst verwendeten Hälfte noch weitere 10 ccm zur Verfügung standen; 


Die Bubonenpest in Bombay im Frühjahr 1900. 109 


diese Portion injieirte ich auf seinen Wunsch dem Schiffsarzt (Dr. Perr). 
Abends war bei uns Beiden ausser dem Injektionsstich objektiv gar nichts 
Besonderes an der Einstichstelle zu sehen, es war auch keine Schmerzhaftigkeit 
auf Druck vorhanden, und ebenso war das subjektive Befinden ganz normal. 

Am anderen Morgen setzte bei mir (genau 24 Stunden nach der Injektion) 
plötzlich ein hochgradiges Mattigkeitsgefühl ein, welches nach etwa !/, Stunde 
unter Zäbneklappern in deutlichen Schüttelfrost überging. Die Haut war ganz 
trocken, und trotzdem, dass ich mich nahe an die Maschine und auf die Sonnen- 
seite des Schiffes setzte — wir befanden uns an der Südküste Arabiens! — 
fror ich bei äusserster Mattigkeit und heftigen Kopfschmerzen etwa bis 12 Uhr. 
Gegen 1 Uhr Mittags — früher war ich dazu nicht im Stande — schleppte 
ich mich in meine Kabine und legte mich auf mein Bett. Stark beschleu- 
nigter, harter Puls, ebenso die Athemzüge kurz und schnell; die Temperatur 
habe ich nicht gemessen, weil ich zu krank war und der Schiffsarzt seiner 
eigenen Reaktion wegen sich nicht um mich bekümmern konnte. Um 3 Uhr 
Nachmittags trat dann (wiederum plötzlich einsetzend) sehr heftiger Schweiss 
ein, so dass ich fühlte, wie mir das Wasser überall am Körper herunterrieselte. 
Das dauerte bis gegen 6 Uhr Abends, dabei liessen die Kopfschmerzen all- 
mäblich nach, und an Stelle des Gefühls hilfloser Mattigkeit trat eine Ermü- 
dung wie nach einer starken körperlichen Anstrengung ein mit leichter Be- 
nommenheit im Kopf. Jedenfalls war ich um 6 Uhr schon wieder so weit, 
dass ich, wenn auch mit schwankenden Schritten, gehen, mich umkleiden und 
ein warmes Bad nehmen konnte. Um die übrigen Passagiere, denen mein 
Kranksein nicht verborgen bleiben konnte, nicht zu beunruhigen, nahm ich so- 
gar an der um 7 Uhr stattfindenden Abendtafel theil; konnte allerdings nur 
einen Teller Suppe essen und Sodawasser trinken. 

Die Reaktion beim Schiffsarzt war im Allgemeinen die gleiche wie bei 
mir, nur nicht so heftig. 

Gleichzeitig mit dem Auftreten des Schüttelfrostes hatte sich an der In- 
jektionsstelle, an welcher früh Morgens um 61/2 Uhr noch Nichts zu bemerken 
gewesen war, eine handtellergrosse, scharf umschriebene Röthung von der 
Intensität stark frottirter Haut entwickelt, die übrigens gar nicht — auch 
nicht auf Drack — schmerzhaft war, und bei der wir gar keine Schwellung 
oder irgend welches Prominiren über die Haut der Umgebung nachweisen 
konnten. Injektionsstich immer gleich als kleiner schwarzer Punkt. 

Am nächsten Morgen — also 48 Stunden nach vorgenommener Schutz- 
impfang — war nach einer in festem ruhigen Schlaf verbrachten Nacht das 
Allgemeinbefinden durchaus gut. Die Röthung um die Injektionsstelle hatte 
aber an Ausdehnung zugenommen, und zwar zog sie sich gürtelförmig etwa 
handbreit bis zur Axillarlinie links und entsprechend weit nach rechts auf 
die vordere Bauchwand (die Injektion war etwa in der Mamillarlinie vorge- 
genommen). Sehr merkwürdig war mir dann, dass zwei rothe Streifen, wie 
bei einer akuten Lymphangitis, sich von der Injektionsstelle aus in die linke 
Inguioalgegend hinzogen; Lymphdrüsen waren aber weder zu palpiren noch 
sonst — etwa durch Schmerzhaftigkeit — zn markiren. Ueberhaupt muss 


110 Schottelius, 


bemerkt werden, dass auch jetzt weder spontan noch bei Druck auf die ge- 
rötheten Hautpartien Schmerzhaftigkeit empfunden wurde. 

Am nächsten, dem dritten Tage, zog sich die an der Injektionsstelle blasser 
werdende Röthung noch weiter gürtelförmig um den Körper, oberhalb und unter- 
halb des Gürtels treten flohstichartige und punktförmige Stippen auf. Die nach 
der Inguinalgegend verlaufenden Stränge bestehen wie Tags zuvor, ebenso sind die 
entsprechenden Drüsen auch jetzt ganz unempfindlich. 

Der weitere Verlauf — wir waren inzwischen in Karachi angekommen — 
war nun der, dass allmählich die Röthung abblasste und am 14.—18. Tage 
nach der Injektion absolut nicht mehr wahrnehmbar war. Bis dahin konnte 
man aber immer noch, schliesslich an einzelnen in der gürtelförmigen Röthung 
zurückbleibenden flobstichartigen Punkten die frühere Ausdehnung der Affektion 
erkennen. Eine eigentliche Abschülferung der Epidermis trat nicht ein. 

Das subjektive Wohlbefinden war während des ganzen Verlaufs der Reaktion 
— abgeseben von den 9—10 Stunden am zweiten Tage nach der Injektion — 
völlig ungestört, es ergab auch die vom zweiten Tage an vorgenommene Tem- 
peraturmessung keinerlei Erhöhnng. 

In Karachi konnte man schon ein stärkeres Hervortreten der Pest an 
verschiedenen Barackenlagern erkennen — Segregation Camps — in welchen 
die aus ungesunden Wohnungen evakuirten und pestverdächtigen Einwohner 
untergebracht waren. In einem derartigen Camp bot sich mir auch die erste 
Gelegenheit zur Untersuchung von Pestkranken. Der betreffende Camp lag 
mehrere Kilometer vor der Stadt auf dem erhöhten Ufer eines ausgetrockneten 
Flussarmes des Indus und beherbergte die Einwohner eines in der Nähe ge- 
legenen Dorfes, dessen ärmliche Hütten sanitätspolizeilich demolirt waren. 

Intensiver Leichengeruch einer grösseren Anzahl von Kadavern, welche 
der Bestattung harrten, lenkte unsere Aufmerksamkeit auf das Lager, und auf 
Anfrage wurde uns mitgetheilt, dass viele Kranke im Lager seien. Wie ge- 
wöhnlich wollten die Leute aber nicht zugeben, dass die Krankheit die „Pest“ 
sei, sondern es sei nur das Fieber. Uebrigens war auf Grund der geschwollenen 
und sebr schmerzhaften Lymphdrüsen der Kranken und an den Körpern der 
Leichen die Diagnose unschwer zu stellen. 

Für die praktische Diagnose der Bubonenpest kommt in erster Linie die 
Schmerzhaftigkeitder Drüsen inBetracht! Diesen Grundsatz, den ich später 
in Bombay vielfach bestätigen hörte, und dessen Richtigkeit ich selbst oft zu 
konstatiren Gelegenheit hatte, konnte ich hier in Karachi an einem besonders 
typischen Beispiel konstatiren. 

In einem der niedrigen Zelte, deren Inneres von den Eingeborenen mit 
grosser Geschicklichkeit stockfinster gehalten wird, lag auf der nackten Erde 
oder vielmehr auf dem sandigen Felsgestein des Bodens ein in Schleier und 
Tücher gehülltes junges Weib, die in Fieber glühenden Augen ausdruckslos 
auf uns gerichtet, als wir den Eingang zum Zelte öffneten und das Tageslicht 
den dunklen Raum erhellte. 

Die Gewänder der Kranken wurden — soweit nothwendig — entfernt, 
und als sich der Inspektion des Körpers keine Pestsymptome zeigten, ver- 
suchte ich durch Palpation zunächst der Cervikaldrüsen und dann der Axillar- 


Die Bubonenpest in Bombay im Frühjahr 1900. Ir} 


drüsen Schwellung oder Schmerzhaftigkeit dieser Drüsengruppen nachzuweisen. 
Das alles liess sich die Kranke reaktionslos gefallen. Sie athmete kurz und 
schwer, hatte einen äusserst frequenten Puls, die Gesichtszüge waren starr und 
ausdrucksios, die weit geöffneten Augen auf den Eingang gerichtet, durch 
welchen das helle Tageslicht einfiel. 

Als nun mit der Untersuchung der Inguinaldrüsen begonnen wurde, änderte 
sich der Gesammteindruck der Kranken und namentlich der Gesichtsausdruck 
in ganz auffälliger Weise: offenbar stellten sich in der Fiebernden erotische 
Illusionen ein. Die vorher starren Gesichtszüge änderten sich in einer für 
Orientalinnen besonders frappanten Weise, und entsprechende Bewegungen des 
Körpers erschwerten das Abtasten der rechten Inguinalgegend. In dem Moment 
jedoch, als ich die linke Inguinalgegend berührte, trat ein plötzlicher, völliger 
Umschwang in dem Verhalten der Kranken ein: unter dem Ausdruck inten- 
sivsten Schmerzes verzerrte sich das Gesicht, der Körper zuckte zusammen, 
und die Hand der Kranken versuchte die tastenden Finger fort zu stossen. 
Ich hatte noch gar nichts von Schwellung einer Drüse gefühlt und liess daher 
die Kranke festhalten, um sicher zu sein, ob man eine Lymphdrüse fühlen 
könne oder nicht. 

Die ganze Situation war ja nun zwar nicht zu einer schulmässigen 
systematischen Untersuchung angethan, indess kann ich doch behaupten, 
dass es mir trotz sehr vorsichtigen ruhigen Fühlens nicht möglich war, eine 
verhärtete oder gar geschwollene Lymphdrüse zu tasten. Trotzdem war das 
offenbar sehr intensive Schmerzgefühl derart lokalisirt auf eine ganz cirkum- 
skripte Stelle in der Inguinalgegend, dass gar kein Zweifel darüber bestehen 
konnte, dass eine entzündete Lymphdrüse der Ausgangspunkt sein musste. 

Unter den obwaltenden Verhältnissen war auch jede andere, als die 
Diagnose „Pest“ ausgeschlossen; denn die Frau war ganz akut mit hohem 
Fieber erkrankt, andere Krankheiten gab es zur Zeit nicht in dem Lager, und 
an Pest starben täglich eine grössere Anzahl von Personen. 

Leider habe ich versäumt, weil ich damals noch gar keine praktische 
Erfahrang darüber hatte, nach einem Primäraffekt zu suchen, der vielleicht 
am linken Unterschenkel oder am Fuss zu finden gewesen wäre. Jedenfalls 
illustrirt dieser Fall die Beobachtung, dass beim Fehlen jeden anderen Sym- 
ptomes die Schmerzhaftigkeit einer noch nicht einmal fühlbaren Lymphdrüse 
das ausschlaggebende diagnostische Merkmal für die Bubonenpest ist. 

Sonst war in Karachi Nichts weiter zu notiren, von der Thatsache ab- 
gesehen, dass wir einen an einer schweren Pneumonie (nach Influenza) 
erkrankten Matrosen in das Hospital an Land geben mussten und dennoch 
keine besonderen Quarantäne-Schwierigkeiten zu überwinden hatten. Wenn 
man nämlich berücksichtigt, dass wir aus Aden, einem Pesthafen, kamen, und 
dass damals — am 20. März — Karachi noch nicht als durchseuchter Hafen 
und damit zum „free port“ erklärt war, so hätten wir bei uns vielleicht er- 
wartet, dass man einen solch schweren Pneumoniefall nicht ohne Weiteres als 
unverdächtig aufgefasst, sondern diejenigen Maassregeln getroffen haben 
würde, welche sich bei Pestverdacht empfehlen. Nun, mir persönlich konnte 
es recht sein, dass wir unbeanstandet nach Bombay weiter gehen konnten. 


112 Schottelius, 


Obne auf die letzten Gründe für die Entstehung der Pestepidemie in Indien 
näher einzugehen, kann ich es doch nicht unterlassen, an dieser Stelle einer 
eigenthümlichen Beobachtung Erwähnung zu thun, welche mit der epidemio- 
logischen Aetiologie der Pest in innigstem Zusammenhang steht: Schon in 
Karachi war es mir aufgefallen, dass man die weissen baumwollenen Gewänder 
der Eingeborenen mit grossen grellrothen Flecken und Streifen und Spritzern 
bemalt sah. In Bombay wiederholte sich das Schauspiel in verstärktem Maass- 
stabe, und zwar deshalb, weil nur die Hindus sich in dieser Weise verschönert 
hatten und weil in Karachi ein grosser Theil der Eingeborenen Belutschen und 
Mohamedaner sind. 

Als ich mich nach dem Grunde dieser eigenthümlichen Rothfärbung der 
Gewänder erkundigte, wurde mir die Erklärung gegeben, dass man gerade das 
„Fest des Blutes der Jungfrau“ gefeiert habe, und dass bei diesem Feste die 
Kleider von den Buddhisten roth bemalt würden. Denn das Fest, welches mit 
dem Glauben an die Seelenwanderung in Zusammenhang steht, hat die Be- 
deutung, dass an diesem Tage jede Jungfrau, welche menstruirt hat, bezw. 
jedes Weib sich der Möglichkeit einer Befruchtung aussetzen muss, um die 
durch die weibliche Blutung angezeigte Wanderung einer Seele zu Buddha zu 
fördern bezw. nicht zu hindern. Die rothe Farbe an den Gewändern bestand 
ursprünglich in den bei dieser Gelegenheit erworbenen Blutflecken und deutete 
an, dass die Betreffenden ihrer religiösen Pflicht Genüge gethan hatten. Heute 
wird meistens das Blut durch eine rothe Farbe ersetzt, aber man findet bei 
manchen Personen auch noch richtige Blufflecke. 

Dieser religiöse Gebrauch erklärt zum Theil bei dem frühzeitigen Eintreten 
der Menstruation in den Tropen die sogenannten Kinderehen (in den Proto- 
kollen der österreichischen Pestkommission wird eine 8!/, jährige Wittwe er- 
wähnt), andererseits erklärt sich aber auch daraus die kolossale Uebervölkerung 
des Landes. 

Früher —- so sagten mir gründliche und unparteiische Kenner Indiens — 
hätten die blutigen Kriege der Maharadshas unter einander das ausgleichende 
Princip gegenüber dieser Uebervölkerung dargestellt, jetzt müssten unter dem 
Zeichen der europäischen Kultur die Fürsten Frieden halten, und die Folgen 
seien nun diese riesigen unversorgten Menschenmassen und Hungersnoth. 
Die letztere ist um so eher erklärlich, als weite Flächen fruchtbaren Landes, welche 
früher dem Reisbau gedient hatten, jetzt zur Opiumfabrikation mit Mohnpflanzen 
bestellt sind. Das englische Opiummonopol wurde ja bekanntlich unter den 
Friedensbedingungen des englisch-chinesischen Krieges den Chinesen aufge- 
zwungen, obgleich letztere den Opiumgenuss überhaupt und den Import im 
Speeciellen verbieten wollten. Die in regelmässigen Intervallen wiederkehrenden 
wasserarmen Jahre und die damit verbundenen Missernten erhöhen ebenfalls 
die Schwierigkeiten der Versorgung der ungeheuren Menschenmassen. Zu alle- 
dem kommen noch eine Reihe anderer, mehr socialer Gründe — das eigen- 
artige Schuldwesen, die Grundsteuerbelastung u. s. w. —, welche es erklärlich 
machen, dass das übervölkerte Land so arm ist und trotz seiner Fruchtbarkeit 
nicht die nöthigen Werthe produeirt bezw. im Lande behält, um seine Ein- 
wohner in auskömmlicher Weise ernähren zu können. 


Die Bubonenpest in Bombay im Frühjahr 1900. 113 


Da müssen denn Katastropben hereinbrechen, welche die an das Land 
gestellten Anfordernngen mit den Einnahmen desselben ins Gleichgewicht 
bringen: Hungersnoth und Seuchen! 

Für die übrige bewohnte Erde bilden derartige Zustände aber eine stän- 
dige Gefahr, welche nicht eher beseitigt wird, bevor nicht eine durchgreifende 
Aenderung in den ursächlichen Faktoren eintritt. 

Es kano nicht die Aufgabe dieses Reiseberichtes sein, und es lag auch 
gar nicht in meinem Reiseplane, auf Grund eines nur wenige Wochen um- 
fassenden Aufenthalts in Bombay neue Beiträge zur Pestfrage zu liefern oder 
den gründlichen Arbeiten der verschiedenen „Pestkommissionen“ neue For- 
schungsresultate hinzuzufügen. War doch der Zweck meiner Studienreise ein 
anderer: der, einer persönlichen, am Krankenbett und am Sektionstisch ge- 
wonnenen Instruktion über die Pathologie der Pest und ferner der einer 
Kenntnissnahme der Schutzmaassregeln, welche zu ihrer Verhütung, und der 
Nittel, welche zu ihrer unmittelbaren Bekämpfung angewandt werden. 

Das Zusammentreffen einer Reihe glücklicher Umstände hat es mir er- 
möglicht, keinen Tag meiner Anwesenheit in Bombay unbenützt zu verlieren, 
sondern ich konnte sofort nach meiner Ankunft in medias res eintreten und 
besuchte täglich von 9—1 Uhr das unter der Leitung des Herrn Dr.N.H.Choksy 
mustergiltig verwaltete Arthur-Road-Hospital. Dort konnte ich die Morgenvisiten 
mitmachen und Krankenuntersuchungen vornehmen; daran schlossen sich je- 
weils Obduktionen und bakteriologische Untersuchungen. Nachmittags besuchte 
ich das von Dr. Turkshut dirigirte und ebenfalls sehr wohl installirte Modi- 
khana-Hospital zur Theilnahme an der Nachmittagsvisite, und zwischendurch 
hatte ich noch öfters Gelegenheit, Vormittags vor 9 Uhr oder Nachmittags vor 
4Uhr einen Rundgang durch die Baracken des grossen von Khan Bahadur 
Dhargalkar geleiteten Maratha-Hospital zu machen, um möglichst viele 
Krankenbilder der Beulenpest zu Gesicht zu bekommen. 

Der erste Eindruck, den der Anblick einer grösseren Anzahl in einer 
Baracke zusammenliegender Pestkranker hervorruft, bietet insofern eine gewisse 
Enttäuschung — in bonam partem — als das Gesammtbild ein viel harm- 
loseres ist, als es wohl die Meisten sich ausmalen, auf Grand ihrer von der 
Forchtbarkeit der Pest geleiteten Phantasie. 

Es kommt mir fast vor, als ob gerade bei uns in Deutschland die roman- 
haften Beschreibungen der Pest unsere Vorstellung über das Krankheitsbild 
mehr beeinflussen, als etwa die aus der eigentlichen Fachliteratur gewonnenen 
Darstelluugen. 

Jedenfalla ist das Gesammtbild einer grösseren Anzahl Cholerakranker 
siel schrecklicher und noch mehr das einer ganzen Baracke voll Pockenkranker. 
Was in dieser Beziehung für die Kranken gilt, das gilt auch für die Leichen. 
Für Laien würde die weitaus grösste Anzahl der Pestleichen überhaupt gar 
siehts Besonderes darbieten, da die Pestbeulen, die geschwollenen Drüsen, 
welche an einer oder der anderen Körperstelle hervortreten, nicht anders aus- 
sehen, als etwa skrophulöse Lymphdrüsen, wie man solche bei uns oft genug 
m Gesicht bekommt, und da die offenen Wunden und Verschwärungen selten sind, 


114 Schottelius, 


weil sie überhaupt nur bei protrahirtem Verlauf der Pest vorkommen, und weil 
gerade diese Fälle vielfach in Heilung übergehen. 

Die Pestkranken selbst aber machen durchgehends einen wenig charak- 
teristischen Eindruck, etwa wie Typhuskranke: sie liegen ruhig auf ihren 
Lagerstätten, die stark Fiebernden mit den entsprechenden Symptomen, viele 
andere theilnahmslos. 

Häufig zeigt sich im Beginn der Krankheit eine allgemeine Unrube, die 
sich im Auftreten eines Wandertriebes äussert. Für die Spitalbehandlung ist 
das recht erschwerend insofern, als es gar nicht durchführbar ist, den zahl- 
reichen Kranken so viele Wärter beizugeben, dass die Kranken bei jedem 
Versuch, die Lagerstatt zu verlassen, sofort von dem Personal davon ab- 
gehalten werden. Es bleibt also nichts anderes übrig, als solche Kranke 
an ihren Lagerstätten festzubinden. Dieser Modus, der auf den ersten Blick 
eine barbarische Maassnahme zu sein scheint, stellt sich in praxi viel harm- 
loser dar; denn die Kranken brauchen nur ganz locker fixirt zu werden, mit 
einem lose um das Handgelenk geschlungenen Handtuch oder dergl. Die 
Unruhe, der Wandertrieb artet nie in heftige Zwangsbewegungen aus, sondern 
lässt sofort nach, sobald der Kranke fühlt, dass er an der Ausführung seines 
Willens gehindert ist. 

Die Rekonvalescenten, welche oft mit ausgedehnten Drüsenvereiterungen 
mehr chirurgisch behandelt und täglich verbunden werden müssen, gehen auf 
die Fragen des Arztes willig und mit klarem Verständniss ein, haben meist 
einen kräftigen Appetit und äussern gewöhnlich Wünsche, welche sich auf 
ihre Verpflegung beziehen. Dr. Choksy meinte, dass er oft grosse Mühe 
habe, die Rekonvalescenten, welche eben die Pest durchgemacht hätten und 
glücklich davon gekommen seien, vor Diätfehlern zu bewahren, die den Erfolg 
wieder in Frage stellen könnten. Bei der Untersuchung der Pestkranken war 
es mir von besonderem Interesse, zu erfahren, ob häufig der locus primae 
affectionis, die Eintrittspforte der Infektion, anatemisch nachgewiesen werden 
könne. Leider ist dieser Nachweis mit völliger objektiver Sicherheit nur in 
sehr wenigen Fällen zu erbringen. Die Gründe hierfür sind ja von den ver- 
schiedensten Seiten bereits ausreichend dargelegt, sodass ich davon absehe. 
dieselben unter Bezugnahme auf einzelne Beispiele nochmals zu wiederholen. 
Die Verhältnisse liegen bekanntlich etwa so wie beim Erysipel, bei welchen 
Niemand daran zweifelt, dass eine Eintrittspforte und zwar eine anatomisch 
präformirte Eingangspforte als Vorbedingung für die Möglichkeit einer Infektion 
vorhanden sein müsse. 

Dasselbe gilt zweifellos nach dem, was ich gesehen habe, auch für die 
Pestiufektion, und in praxi erledigt sich die Frage, ob beim Menschen auch 
durch die unverletzte Haut die Infektion stattfinden könne, in der Art, dass 
überhaupt solche Fälle nicht vorkommen. in denen nachweisbare Verletzungen 
der Haut fehlen. Wenn ich die Füsse, oder die Hände, oder die Gesichts- 
haut der mit Bubonen erkrankten Patienten genau untersucht habe, konnte 
ich ausnahmslos und meist sogar mehrere kleine Schrunden und Verletzungen 
finden, die ganz wohl die Eintrittspforte sein konnten. Ob und welche es 
gerade thatsächlich in jedem vorliegenden Falle gewesen ist, das ist eine 


Die Bubonenpest in Bombay im Frühjahr 1900. 115 


andere Frage, deren Lösung oft ganz unmöglich ist; hauptsächlich wohl des- 
halb, weil es das Eigenthümliche gerade der Pestinfektion zu sein scheint, 
dass der centripetale Weg der Infektion durch die Lymphbahnen zu den Drüsen 
sehr rasch zurückgelegt wird, und dass die Reaktion des locus primae infec- 
tionis gegenüber der intensiven Reaktion der Drüsen ein oft verschwindend 
geringer ist und häufig ganz in den Hintergrund tritt. 

Uebrigens ist denn doch in einer ganzen Reihe von Fällen der Nachweis 
des Zusammenhanges einer primär inficirten Hautwunde an den Füssen oder 
an den Händen mit den entsprechenden Bubonen der Inguinal- oder der Axillar- 
gegend zu erbringen, und trotz der Schwierigkeit, welche das Erkennen einer 
rasch ablaufenden Lymphangitis in der dunklen Haut der Inder macht, ist 
doch Lymphangitis mehrfach von Dr. Choksy beobachtet worden. Aeusserst 
selten ist allerdings der ausgebildete charakteristische Primäraffekt zu be- 
obachten, und zwar deshalb, weil in den seltenen Fällen, in denen es vor 
schwerer Allgemeinerkrankung zu einer charakteristischen Ausbildung des 
Primäraffektes überhaupt kommt, von den Patienten gewöhnlich irgend ein 
Hausmittel, eine Salbe, ein Umschlag oder sonst eine Quacksalberei angewandt 
wird — gerade wie bei uns — in der Hoffnung, die Schwäre zu heilen. Und 
wenn dann der Patient sehr krank, wohl schon moribund in das Hospital ein- 
geliefert wird, so ist der typische Primäraffekt in ein flaches Hautgeschwür 
mit speckigem Grund und hochrothen, wenig geschwollenen Rändern umge- 
wandelt. 

Dennoch hatte ich auch Gelegenheit, den typischen Primäraffekt im Höhe- 
stadium seiner Entwickelung zu sehen: einmal an der Naso-Labialfalte und 
ein anderes Mal an der Handwurzel. Von den bei uns allgemein bekannten 
Hautaffektionen lässt sich der typische Primäraffekt am ehesten mit einer 
grossen Vaccinepocke vergleichen, wenn man an Stelle der centralen Delle 
der Pocke einen der ursprünglichen Hautverletzung entsprechenden flachen 
Schorf setzt. Je nach Form und Grösse dieses Schorfes ist der centrale, tiefer 
liegende Theil des Primäraffektes gestaltet. Um ihn wölbt sich, prall mit fast 
klarem Serum gefüllt, ein breiter Wail der abgehobenen, aber geschlossenen 
Epidermis. Das Ganze ist bei schräg auffallendem Licht glasig durchscheinend, 
fast farblos. Peripherwärts ist die nach Art einer Brandblase durch leicht 
geträbtes Serum abgehobene Epidermis von einem schmalen, aber intensiv 
rotben hyperämischen Rand umgeben, welcher ziemlich scharf abgeschnitten — 
nicht diffus verlaufend — in die unveränderte Haut übergeht. Die Grösse 
der von mir beobachteten Primäraffekte entsprach bei dem an der Naso- 
Labialfalte fast einem Zweimarkstück; an der Handwurzel befanden sich in 
einem anderen Fall zwei dicht neben einander liegende, aber getrennte Primär- 
afekte, von denen der eine reichlich zweimarkstückgross war, der andere 
etwa so wie ein 50 Ct.-Stück. Der centrale dellenförmig eingesunkene Schorf 
hatte in dem ersteren Fall eine kreisrunde Gestalt von über Linsengrösse (als 
wenn etwa eine aufgekratzte Aknepustel den Ausgangspunkt gebildet hätte); 
an der Handwurzel hatten die centralen Schorfe eine längliche Gestalt, und 
zwar lagen beide Schorfe der beiden hier neben einander gelegenen Primär- 


g* 


116 Schottelius, 


affekte in einer Längsrichtung (als wenn etwa eine mit einem Nagel der 
anderen Hand bewirkte Kratzschramme die Eintrittspforte abgegeben hätte). 

Den Inhalt solcher Primäraffekte bildet — wie sich schon aus der äusseren 
Besichtigung vermuthen liess — ein wenig getrübtes dünnflüssiges Serum, wel- 
ches bei mikroskopischer Untersuchung nahezu eine Reinkultur von Pestbacillen 
in allen Stadien der Eutwickelung und des Zerfalls zeigt. Das bakteriolo- 
gische Bild unter dem Mikroskop erinnert am ehesten an die bei experimen- 
teller Pestperitonitis der Ratten vorkommenden Präparate, nur sind im Primär- 
affekt die Pestbacillen viel ungleicher, manche äusserst klein, etwa so, 
wie man dieselben auf frischen Agarkulturen anzutreffen pflegt, und endlich 
finden sich solche, die eierförmig oder blasenförmig aufgetrieben sind, aber 
doch noch an den Polen die specifische Färbung zeigen. Nur wenige weisse 
und ganz vereinzelte rothe Blutkörperchen oder deren Zerfallsprodukte liegen 
dazwischen. 

Neben der Frage nach dem Infektionsmodus der Beulenpest, welcher nach 
alle dem, was ich gesehen habe, wohl ausnahmslos in Wunden bezw. Ver- 
letzungen der äusseren Haut seine Erklärung findet, nahm mein besonderes 
Interesse die sogenannte Lungenpest oder Pestpneumonie in Anspruch. Trotz- 
dem aber dieser, mein dringender Wunsch, Fälle von Pestpneumonie zur Be- 
obachtung und zur Untersuchung zu bekommen, von Seiten der Herren Direk- 
toren der verschiedenen Pesthospitäler in jeder Weise zu erfüllen versucht 
wurde, ist es mir doch während eines fast 4 Wochen andauernden regel- 
mässigen Besuchs der Hospitäler nicht gelungen (abgesehen von einem etwas 
fragwürdigen Fall, welchen ich moribund, aber nicht zur Obduktion bekom- 
men habe) diese Form der Pest studiren zu können. 

Nach einer von Dr. Choksy!) aus 11600 Pestfällen zusammengestellten 
Statistik stellt sich das Vorkommen der Lungenpest auf 4,10 pCt. aller Fälle. 
Danach hätten also während meiner Anwesenheit, während welcher allein im 
Arthur-Road-Spital etwa 250 Pestfälle zur Behandlung kamen, auch Fälle von 
typischer Pestpneumonie vorkommen müssen. Das war aber nicht der Fall. 
Vielleicht erklärt sich diese Thatsache aus einem Zufall oder aus der Jahres- 
zeit, zu der ich in Bombay anwesend war, vielleicht auch vertheilen sich die 
Fälle von Pestpneumonie nicht gleichmässig, sondern treten, wenn sie einmal 
vorkommen, wegen der grossen Infektiosität, gruppenweise auf, wie das ja 
gerade bei der letzten Epidemie in Kobe beobachtet ist. Dagegen sprechen 
allerdings wiederum die neuerdings von Gotschlich®) aus Alexandrien be- 
richteten Beobachtungen, nach welchem bei neun Fällen von Lungenpest kein 
einziges Mal Ansteckung auf Angehörige oder auf Hospitalpersonen erfolgte. 
Nun darf aber nicht der Schluss gezogen werden, dass, wenn keine Lungen- 
pest vorliegt, auch keine Pestbacillen im Sputum der Pestkranken vorkommen. 
Fast kann man sagen: im Gegentheil, denn beinahe in jedem Fall von Beulen- 
pest lassen sich im Bronchialsekret bezw. im Sputum Pestbacillen nachweisen. 
Das erklärt sich einfach daraus, dass der Tod an Pest durchschnittlich unter 


1) Plague and its treatment. Bombay 1900. 
2) Zeitschr. f. Hyg. Bd. 35. 


Die Bubonenpest in Bombay im Frühjahr 1900. 117 


der Ueberschwemmung des Körpers mit Pestbacillen erfolgt. Dabei stellt sich 
dann sehr häufig eine terminale Bronchitis ein, abhängig von Oedem und 
Hypostasen in der Lunge. In diesem Stadium, d.h. wenn der Kranke über- 
baupt noch auf Anruf reagirt und den Willen und die Kraft hat, Auswurf zu 
entleeren, findet man stets massenhaft Pestbacillen in dem schaumig-serösen, 
manchmal blutigen Sputum. Mehrfach hatte ich auch Gelegenheit, bronchi- 
tischen Auswurf von Pestkranken zu untersuchen, welche nicht oder noch nicht 
schwer krank waren (die Pestinfektion wohl während einer bestehenden Bron- 
chitis acquirirt hatten) und in deren Sputum mehr oder weniger reichlich Pest- 
bacillen anzutreffen waren. 

Das Vorkommen von Pestbacillen im Sputum ist also nicht abhängig von 
dem Vorhandensein von Pestpneumonie, sondern ist ein häufiger Befund in 
dem Bronchialsekret der Pestkranken. Die willkürlicbe oder unwillkürliche 
Entleerung derartigen Auswurfs geschiebt allerdings weniger häufig, als man 
meinen sollte. Die Patienten verschlucken meist das Sputum, andere sind in 
den letzten Stadien überhaupt zu schwach, um kräftige Hustenstösse auslösen 
zm können. So war es gar nicht ganz einfach, zu dem wünschenswerthen 
Untersachungsmaterial zu gelangen. Ich habe das Sputum meist zwischen den 
Falten der wollenen Decken suchen und herauskratzen müssen, so lange es 
noch nicht eingetrocknet war; denn diese aus den untersten Volksklassen 
stammenden Patienten kennen natürlich keine Speinäpfe oder Taschentücher. 
So lange sie gesund sind, speien sie eben um sich, wohin es gerade kommt, 
oder sie fangen den Auswurf, aus rituellen Gründen (um die Erde nicht zu 
verunreinigen) mit den Händen auf und wischen sich die Hände dann an den 
nackten Schenkeln ab. Wenn solche Personen dann mit hohem Fieber oder 
schon moribund in das Hospital eingeliefert werden, so ist es ganz unmöglich, 
ihnen kurzweg andere Gewohnheiten zu lehren; die Leute verstehen gar nicht, 
was von ihnen verlangt wird. 

Die übrigen mikroskopisch-bakteriologischen Befunde, welche ich bei der 
Untersuchung der verschiedenen Sekrete und Exkrete und in den Organ- und 
Gewebssäften erheben konnte, stimmen mit den bekannten Befunden so voll- 
kommen überein, dass ich von einer Wiederholung dieser Dinge wohl Abstand 
nehmen kann. Dagegen möchte ich in aller Kürze 3 Obduktionsprotokolle 
folgen lassen, weil doch immerhin trotz der Veröffentlichungen der deutschen 
und der österreichischen Kommission die Anzahl der Obduktionen von Pest- 
leihen nicht sehr gross ist. Ich habe nur drei typische Fälle von Bubonen- 
pest rite secirt, obgleich mir von Dr. Choksy in liberalster Weise keinerlei 
Beschränkung auferlegt wurde, weil ich mir sagen musste, dass wesentliche 
Bereicherangen unserer Kenntnisse über die pathologische Anatomie der Bubonen- 
pest nicht zu erwarten seien, ob ich nun 3 oder 12 oder 25 Obduktionen machen 
würde; und da bei der verhältnissmässigen Kürze meines Aufenthaltes meine 
Zeit durch andere Untersuchungen in Anspruch genommen war, so beschränkte 
ich mich auf 3 Obduktionen charakteristischer Fälle und erhob übrigens nur 
je nach Bedürfuiss Material durch Einschnitte oder partielle Sektion. 


Chandra Nana, 25 Jahre alt, Arbeiter, linksseitiger Femoral- und In- 


118 Schottelius, 


guinalbubo. Krankheitsdauer 4 Tage. t 31. März Morgens 3 Uhr. Sektion 
31. März, Vorm. 10 Uhr. Wohlgebauter muskulöser männlicher Körper, inten- 
sive Todtenstarre, keine Todtenflecke. 

In der linksseitigen Inguinal- und Femoralgegend treten geschwollene 
Drüsen deutlich hervor, die Haut an dieser Stelle straff gespannt ödematös. 
Am linken Fuss und Unterschenkel Risse und Schwunden zu konstatiren, ein 
typischer Primäraffekt oder eine entzündlich veränderte Hautstelle ist aber 
nicht nachzuweisen. 

Die leicht meteoristisch aufgetriebenen Dünndarmschlingen zeigen neben 
den stark injieirten Gefässen mehrfach punktförmige Ecchymosen. In der 
Bauchhöhle wenig klare seröse Flüssigkeit, Lagerung der Bauchorgane normal, 
ebenso der Stand des Zwerchfells. 

Nach Abnahme des Sternums collabiren die vorliegenden blassen Lungen- 
ränder gut; die Lungen sind übrigens durch ausgedehnte pleuritische Ad- 
häsionen mit der Thoraxwand verwachsen. Im Herzbeutel vermehrte, aber 
klar-seröse Flüssigkeit, das Herz von normaler Grösse, fest kontrahirt. Im 
Epicard finden sich, namentlich auf der hinteren Fläche, zahlreiche punkt- 
förmige Ecchymosen. 

Im rechten und im linken Herzen feste speckige Gerinnsel neben 
flüssigem Blut. Muskulatur von normaler brauner Farbe, fest, etwas glänzend. 
Klappenapparate durchaus intakt: weder ältere, noch frische Auflagerungen. 
Auch im Endocard finden sich vereinzelte punktförmige Blutaustretungen. 

Die Lungen sind überall lufthaltig, frei von älteren Herderkrankungen, 
aber in den unteren und hinteren Partieu ödematös und hypostatisch hyper- 
ämisch. Die Lymphdrüsen am Hilus, der Lunge und die Bronchialdrüsen 
nicht geschwollen; Bronchialschleimhaut strichweise geröthet und geschwollen, 
mit schaumigem, schleimig-serösem Sekret bedeckt. 

Die Milz ist auf mehr als das Doppelte der Norm vergrössert, blaugrau, 
von fester Konsistenz. In der straff gespannten Kapsel zeigen sich mehrfach 
punktförmige Hämorrhagien. Die Pulpa ist fest, braunroth, die Follikel treten 
deutlich hervor. 

Leber nicht vergrössert, schlaff, hellbraun, blutarm, frei von Herderkran- 
kungen. In der Gallenblase wenig dünnflüssige Galle. 

In der Kapsel der rechten Niere findet sich eine markstückgrosse, fleckige 
Röthung, übrigens lässt sich die Kapsel von der hellbraunen weichen Rinde 
glatt abziehen. Auf dem Durchschnitt zeigt sich die Rindensubstanz gegen- 
über der dunklen Marksubstanz blutarm, blass und deutlich verbreitert. Herd- 
erkrankungen fehlen. 

Linke Niere ohne die fleckige Röthung, sonst wie rechts. 

Blase fest kontrahirt, ohne besondere Veränderungen. Im Darm dünn- 
flüssiger, unten breiiger Inhalt, Schleimhaut erscheint strichweise (unten gele- 
gene Partie?) etwas geröthet, Follikel und Peyer’sche Plaques kaum erkenn- 
bar. Die Mesenterialdrüsen etwas grösser als normal. Die inneren Leisten- 
drüsen links deutlich geschwollen. 

Ein tiefer Einschnitt in die Haut der linken Inguinal- und Femoralgegend 
zeigt eine starke ödematöse Durchtränkung des subkutanen Bindegewebes, 


Die Bubonenpest in Bombay im Frühjahr 1900. 119 


welches in unmittelbarer Nähe der Lymphdrüsen in ein blutig-seröses Infiltrat 
übergeht. Die innere Femoraldrüse ist fast taubeneigross, liegt in ödematöser, 
blatig-infiltrirter Kapsel; sie hat die Konsistenz einer markig-infiltrirten 
typhösen Mesenterialdrüse, ist von röthlicher Farbe und in ihrer Form unver- 
ändert. Auf dem Durchschnitt zeigt sich das Gewebe fleckig und streifig 
marmorirt, indem aus blass-gelbrothem Grunde blutig-schwarze Einspren- 
gungen hervortreten, von breiteren und schmaleren rothen Zonen umgrenzt 
und io hyperämische Streifen ausgehend, welche den ganzen Durchschnitt der 
Drüse in der Richtung der grösseren Blutgefässe durchziehen. Mark- und 
Rindensubstanz sind nicht von einander zu unterscheiden. Im Centrum der 
an geronnenes schwarzrothes Blut erinnernden Einsprengungen sind vielfach 
kleine weissgraue nekrobiotische Pfröpfe bemerkbar, zum Theil breiig weich, 
in beginnender Vereiterung. Die am stärksten geschwollene, etwa baumnuss- 
grosse Ingainaldrüse ergiebt in ihrer Umgebung und auf dem Durchschnitt 
einen ganz ähnlichen Befund. Von den übrigen Lymphdrüsen ist besonders 
die zweite Femoraldrüse und mehrere der tiefer gelegenen inneren Inguinal- 
drüsen stärker verändert, auf dem Durchschnitt blutreich mit fleckenweiser 
stärkerer Röthung; beginnende Nekrose bezw. Erweichung ist aber noch nicht 
cu konstatiren. v 

Die in der Bauchhöhle höher gelegenen Drüsengruppen zeigen keine be- 
merkenswerthen Veränderungen. 

Ebenso sind die Hals- und Rachenorgane unverändert. 


Ragos Ganoo, 20 Jahre alt, Arbeiter, rechtsseitiger, harter Inguinalbubo. 
71. April Nachts 1 Uhr. Sektion 1. April, Vormittags 10 Uhr. 

Kräftiger muskulöser Körper, intensive Todtenstarre, Bauch eingezogen. 
Die rechte Inguinalgegend ödematös, mit sichtbarem und mehr noch deutlich 
fühlbarem, hartem, hühnereigrossem Bubo. 

Lagerung der Bauchorgane normal; Dünndarmschlingen blass, deren Serosa 
stellenweise stärker injieirt. Im Bauchraum wenig klare Flüssigkeit Die 
inneren Bauchdrüsen ohne besondere Veränderungen. 

Lungen kollabiren normal, links oben etwas adhärent; in den Pleura- 
höhlen sowie im Pericard wenig klares, röthliches Serum. 

Herz fest kontrahirt, von normaler Grösse und Gestalt, zeigt auf dem 
Epicard verschiedene punktförmige Eechymosen, namentlich auf der hinteren 
Fläche. Im rechten Herzen festes dunkelrothes und speckiges Gerinnsel; links 
wenig flüssiges Blut. Die Klappenapparate sind beiderseits zart und ganz 
normal. Wie auf dem Epicard, so finden sich auch im Endocard mehrere 
Eechymosen, besonders in den Herzohren. Muskulatur kräftig entwickelt, braun 
und fest. Die Lungen sind nur in den unteren und hinteren Theilen etwas 
ddematös und hypostatisch-hyperämisch, sind übrigens frei von älteren oder 
frischeren Herderkrankunger. In den Bronchien schaumig-schleimiges Sekret. 
Die Lymphdrüsen am Hilus und auch die Bronchialdrüsen nicht geschwollen, 
erstere schiefrig indurirt. 

Milz mässig vergrössert, aber nicht sehr blutreich, von grau-blauer Farbe, 
schlaffer Konsistenz und normaler Form. Auf dem Durchschnitt zeigen sich 


120 Schottelius, 


keine besonderen Veränderungen. Ebenso sind Leber, Nieren und die übrigen 
Bauchorgane ganz normal. Nierenrinde etwas getrübt und verbreitert. 

Die anatomischen Veränderungen, welche nachweisbar sind, bestehen ausser 
den am Herzen gefundenen Ecchymosen ausschliesslich in den geschwollenen 
Drüsen der rechten Inguinalgegend. 

Ein langer, tiefer Einschnitt in die rechte Ingainalgegend ergiebt das 
typische Bild der Pestdrüsen: In ödematös durchtränktem, in der Nähe der 
Drüsen blutig-infiltrirtem Gewebe liegen eine Reihe stark geschwollener Lymph- 
drüsen, deren grösste über taubeneigross ist. Diese zeigt auf dem Durchschnitt 
ein schwarz-roth marmorirtes Gewebe, in welchem übrigens noch keine cen- 
trale Nekrobiose oder Erweichung erkennbar ist. Die anderen kleinen Drüsen 
sind ähnlich verändert, zeigen das Bild akuter intensivster Lymphadenitis. 

An der diesen Drüsen entsprechenden unteren Extremität finden sich allerlei 
kleinere Hautverletzungen, namentlich Schrunden und Risse an den Füssen, 
Kratzschrammen an den Waden; aber ein bestimmter Primäraffekt, der als 
Eintrittspforte angesprochen werden könnte, lässt sich nicht nachweisen. 

(Kulturen aus Milz- und Drüsensaft ergeben hochvirulente Pestbacillen.) 


Ranehod Dhoma, 30 Jahre alt, Schreiner. } 2. April 7 Uhr früh. 
Sektion 2. April, 10 Uhr Vormittags. Rechtsseitiger Cervicalbubo. 

Gut gebauter, magerer Körper, eingezogenes Abdomen, helle Haut, aber 
keine Todtenflecke bemerkbar, intensive Todtenstarre. 

In der ganzen Breite der rechten Clavicula zieht sich bis hinter das rechte 
Ohr eine diffuse, ödematöse Schwellung der rechten hinteren Halsgegend, in 
welcher einzelne härtere Knollen (Drüsen) sich deutlich durchfühlen lassen. 
Die Infraclavieulargrube ist noch erhalten, an Stelle der Supraclaviculargrube 
ein teigiger flacher Tumor, Farbenveränderungen der Haut an dieser Gegend 
nicht vorhanden. 

Ein tiefer, langer Einschnitt in die geschwollenen Partien des Halses zeigt 
eine blutige, schwarz-rothe Infiltration sämmtlicher getroffenen Gewebe. Die 
Muskelbündel des Sterno-cleido-mastoideus sind durch geronnene schwarze Blut- 
massen auseinandergedrängt, das subkutane und intramuskuläre Bindegewebe in 
ein blutiges Infiltrat umgewandelt, in welchem die einzelnen Drüsen durch ihre 
härtere Konsistenz und auf dem Durchschnitt durch ihre fleckige Marmorirung 
hervortreten. Die blutig-seröse Durchtränkung der Gewebe setzt sich nach 
hinten bis in die hinteren Nackenmuskeln hinein fort. Das Ganze bietet ein 
Bild, als habe eine stumpfe mechanische Gewalt gewirkt, und als läge eine 
breite Quetschung der sämmtlichen in Frage kommenden Theile, namentlich der 
Muskeln vor. 

Anschliessend an die Untersuchungen der Haut- und der Halsdrüsen, und 
nachdem an der äusseren Oberfläche kein Primäraffekt oder der Rest eines 
solchen nachgewiesen werden kann, wurden die inneren Halsorgane einer 
genauen Untersuchung unterzogen. Die Zunge zeigt die für Pest gewöhn- 
liche trockene, schwarze, hinten grau-gelbe Farbe; Schleimhaut des Pharyax 

tw.: hyperä misch, ebenso das Zäpfchen geschwollen und geröthet, aber weder 


Die Bubonenpest in Bombay im Frühjahr 1900. 121 


bier noch in den Tonsillen und im Kehlkopf finden sich specifische lokale 
Veränderungen. 

Die Schleimhaut der Trachea vom Kehlkopf an deutlich geschwollen und 
geröthet; die Schwellung und Röthung nimmt nach abwärts gegen die Bifur- 
kation hin zu. Etwa 6 cm oberhalb der Bifurkation findet sich in der Tra- 
chealschleimbaut eine über Markstück-grosse dunkelrotbe, mit eitrig-schleimi- 
gem Sekret bedeckte Stelle. Hinter dieser Stelle liegt ausserhalb des peri- 
trachealen Bindegewebes eine baumnussgrosse, geschwpllene und central be- 
reits erweichte Lymphdrüse in blutig-serös infiltrirtem Gewebe. Oesophagus 
ohne besondere Veränderungen. Nach Eröffnung der Bauchhöhle zeigen sich 
die Darmschlingen blass, nicht meteoristisch aufgetrieben, von dem ebenfalls 
blatarmen Netz überdeckt. Lagerung der Bauchorgane normal, im Bauchraum 
keine abnorme Flüssigkeitsansammlung und weder im Peritoneum parietale 
noch viscerale Ecchymosen oder sonstige Herderkrankungen bemerkbar. 

Die Lungenränder der Oberlappen sind stark aufgetrieben, blass, überall 
lafthaltig, bedecken den Herzbeutel vollständig. Im Herzbeutel wenig ikte- 
risch gefärbtes, klares Serum. Das Herz gross, schlaff, auf dem Epicard zahl- 
reiche panktförmige Hämorrhagien. Im rechten und im linken Herzen öde- 
matöses, ikterisch gefärbtes, speckiges Gerinnsel neben dunkel-flüssigem Blut; 
auch im Endocard finden sich zahlreiche Ecchymosen. Die Klappenapparate 
zart, frei von älteren und frischen Veränderungen. Die Muskulatur des Her- 
zens zeigt fettigen Glanz, ist graubraun und brüchig. 

Beide Lungen sind namentlich hinten und unten leicht mit der Thorax- 
wand verklebt, in den Pleurahöhlen, besonders rechts, vermehrte, trüb-röth- 
liche Flüssigkeit. Pleura der Lungen getrübt durch leicht abstreifbaren 
Belag. Auf dem Durchschnitt zeigen sich in den Unterlappen und in den 
hinteren Theilen der Oberlappen zahlreiche, etwa kirschgrosse dunkelrothe 
Herde von fast luftleerem Gewebe (ausgeschnittene Stücke schwimmen). Die 
HAyperämie verliert sich allmählich, in normales Lungengewebe übergehend. 
In den unteren Theilen des Unterlappens liegen diese Herde in ödematösem, 
mit röthlichem Serum infiltrirtem Gewebe. Embolisirte Gefässe lassen sich 
makroskopisch nicht auffinden. In den Bronchien findet sich auf gerötheter 
und geschwollener Schleimhaut zähflüssiges, blutiges Sekret. Die Bronchial- 
drüsen mässig, die Lymphdrüsen am Hilus der Lunge stark geschwollen und 
geröthet. 

Milz ist auf das vierfache vergrössert, blaugrau, die Kapsel straff ge- 
spannt, Pulpa braunroth, brüchig, die Follikel treten stark hervor. 

Leber gross, schlaff, blassbraun, ohne Herderkrankung, in der Gallenblase 
wenig grünlich-dünnflüssige Galle. 

In der blassen, geschwollenen Magenschleimhaut finden sich namentlich 
längs der grossen Curvatur zahlreiche punktförmige, zum Theil konfluirende 
Eechymosen. Im Darmrohr keine besonderen Veränderungen. Die Mesen- 
terialdräsen sind blass, aber deutlich markig geschwollen. Nierenrinde er- 
sichtlich verbreitert, von hell-graurother Farbe, gegen die blutreichere Mark- 
sabstanz scharf abgegrenzt; die Kapsel an beiden Nieren leicht von glatter 


10 


122 Schottelius. 


Oberfläche abzustreifen. Die Blase mit ikterischem Urin stark gefüllt. Im 
Harn Pestbacillen nachzuweisen. 


Von diesen drei Obduktionen bieten die beiden ersten keine besonders 
bemerkenswerthen Befunde: sie geben das gewöhnliche Bild der weitaus 
grössten Mehrzahl der Pestfälle. Ausser den specifisch veränderten Lymph- 
drüsen und ihrer blutig-ödematösen Umgebung finden sich nur pathologisch- 
anatomische Veränderungen der Organe, wie sie den akuten Infektionskrank- 
heiten überhaupt eigenthümlich sind. Ebenso ist es bekanntlich das gewöhn- 
liche Vorkommniss, dass man eine Invasionspforte der Infektion anatomisch 
nicht nachweisen kann. 

Der dritte obducirte Pestfall ist dagegen insofern von speciellerem Inter- 
esse, als hier an einer ungewöhnlichen Stelle die Pestbacillen in den Körper 
eingedrungen zu sein scheinen, und dadurch ein selteneres pathologisch-ana- 
tomisch Gesammtbild sich ergeben hat. 

Die am stärksten veränderte Lymphdrüse — von der wir wohl anneh- 
men dürfen, dass sie zuerst erkrankt ist — liegt unter der tiefen Halsfascie 
neben der Trachea; von hier aus sind dann die übrigen Lymphdrüsen dieser 
Halsseite nach aufwärts und nach abwärts in Mitleidenschaft gezogen, sodass 
wir die Schwellung bis zu den occipitalen und bis in die Infraclavicular- 
Lymphdrüsen verfolgen können. Bei der darauf folgenden „Pestsepsis‘ — 
der bakteriellen Ueberschwemmang des Körpers mit Pestbacillen — trat dann 
die seröse und die blutig-seröse Durchtränkung der umgebenden Gewebe und 
die äusserlich bemerkbare Schwellung der rechten Supraclaviculargegend ein. 

Nach der Medianlinie zu setzte sich der Process einerseits in das peri- 
tracheale Bindegewebe und durch die Wandung der Trachea bis in die Schleim- 
haut fort, welche genau der anliegenden Pestdrüse entsprechend eine circum- 
scripte dunkle Röthung zeigte; andererseits verläuft die specifische Infiltration 
des Bindegewebes längs der Trachea bis zur Bifurkation und bis zum Hilus 
der Lunge, woselbst wir die dort gelegenen Lymphdrüsen wiederum stark ge- 
schwollen und entzündet finden. Es könnte nun ein Zweifel darüber entstehen, 
ob die lobulären frischen pneumonischen Herde in beiden Lungen durch In- 
fektion auf dem Lymph- bezw. Blutwege entstanden, oder ob sie als Schluck- 
pneumonien aufzufassen seien. Ich glaube mich für die letztere Annahme 
entscheiden zu müssen, und zwar auf Grund des Umstandes, dass in dem 
eitrig-schleimigen Sekret der hyperämischen Stelle in der Trachea enorme 
Massen von Pestbacillen vorhanden waren, und auf Grund der Vertheilung 
der Herde in der Lunge, welche der bei lobulären Schluckpneumonien, wie 
man sie oft bei Geisteskrauken findet, vollkommen entsprach. 

Nach einem Locus primae affectionis haben wir die inneren Halsorgane: 
Tonsillen, Zunge, Rachen, Kehlkopf genau durchsucht, ohne einen Primäraffect 
auffinden zu können; und es könnte scheinen, als ob gerade dieser Fall meiner 
Auffassung von dem ständigen Vorhandensein einer verletzten Hautstelle direkt 
widerspräche. Aber andererseits wissen wir, dass kleine Wunden an den Lip- 
pen und in der Mundhöhle sehr schnell glatt verheilen, und dass die Follikel 
der Tonsillen sozusagen ständig offene Eintrittspforten in den Körper bilden, 


Die Bubonenpest in Bombay im Frühjahr 1900. 123 


welche nur durch die specifischen Lebensäusserungen der weissen Bintkörper- 
chen verschlossen und bewacht werden. Nun sind aber gerade für die Pest- 
baeillen diese letzteren kein Hinderniss, wie daraus hervorgeht, dass die 
Lymphdrüsen eine Prädilektionsstelle für die Ansiedelung von Pestbacillen 
bilden, und dass die Widerstandskräfte der Lymphdrüsen von den Pestbacillen 
tbatsächlich in den weitaus meisten Fällen überwunden werden. Demnach 
kann man sich ganz wohl vorstellen, dass in den seltenen Fällen, in welchen 
lebenskräftige Pestbacillen mit den Tonsillen in intensive oder in dauernde 
Berührung treten, eine Infektion des Körpers wie im vorliegenden Falle die 
Folge sein kann. 

Uebrigens will ich nicht unterlassen zu bemerken, dass die durch den 
starken Schnurrbart gedeckte Haut der Oberlippe bei der Sektion nicht revi- 
dirt wurde. 

An den Obduktionsbefund dieser drei Pestfälle möchte ich hier gleich 
den Sektionsbefund einer an spontaner Pest verendeten Ratte an- 
schliessen. 

Es wird später noch einmal darauf zurückzukommen sein, dass das grosse 
Fremdenhötel Watson in Bombay als „Pesthaus“ aufzufassen ist. Dement- 
sprechend hatte ich selbst mehrmals Gelegenheit, früh Morgens auf der Strasse 
vor meinem Fenster todte Ratten zu sehen. Das erste Mal wurden mir die 
Kadaver derselben leider von den Strassenkehrern beseitigt, bevor ich von 
meinem hochgelegenen Zimmer auf die Strasse gelangen konnte, um mich der 
todten Ratten zum Zweck der Untersuchung zu bemächtigen. Ein anderes 
Mal war ich vorsichtiger: ich stellte mich als Wache auf den Balkon und ver- 
scheuchte durch Anrufen die Strassenkehrer, welche regelmässig früh Mor- 
gens kurz nach 6 Uhr allen Unrath in grosse Müllkarren abkehrten. In- 
zwischen hatte ich meinen „Boy“, den eingeborenen Diener, den jeder Euro- 
päer als nothwendigstes Inventarstück bei einem Aufenthalt in Indien an- 
stellen muss, mit einem Stück Packpapier auf die Strasse beordert, um mir 
die Ratte zu holen. Das war aber nicht so ohne Weiteres möglich, denn 
mein Boy gehörte einer höheren Kaste an und durfte ein todtes Thier nicht 
berühren; ein Hindu lässt sich aber lieber todtschlagen, bevor er gegen seinen 
Glaaben verstösst. Wir mussten also warten, bis ein Mann aus der untersten 
Kaste aufgetrieben war, welcher nach Anweisung meines Boy die Ratte in 
das Papier einwickelte. Beide traten daon in feierlichem Aufzuge in mein 
Zimmer; das Packet mit der Ratte wurde mir mit tiefer Verbeugung zu Füssen 
gelegt, das Trinkgeld entgegengenommen, und ich konnte meine Pestratte zur 
Obduktion in das Hospital mitnehmen. Der Befund lohnte übrigens die auf- 
gewandte Mühe: ich habe noch niemals bei experimenteller Rattenpest auch 
nar annähernd so hochgradige pathologisch-anatomische Veränderungen ge- 
sehen, wie bei dieser spontan verendeten Ratte. 

Hochgradig eitrig-fibrinöse Peritonitis und doppelseitige Pleuritis war die 
Todesursache. 

Die Darmschlingen lösbar mit einander verklebt, Darmwand ödematös 
verdickt, auf der stark injieirten Serosa eitrig-fibrinöses Exsudat. Freie 
Flüssigkeit fand sich nur sehr wenig im Peritoneum. Die Blase mit ikte- 

10* 


124 Lehrbücher. 


rischem Harn stark gefüllt. Die Milz auf das 4—6fache des Normalen ver- 
grössert, dunkel-braunroth, brüchig; Leber blass, schlaff; Nieren blutreich, 
vergrössert. Mesenterial- und auch die Inguinal- bezw. die hypogastrischen 
Lymphdrüsen deutlich geschwollen, als über stecknadelkopfgrosse braunrothe 
Körper bemerkbar. 

In beiden Pleurahöhlen blutig-seröse, trübe Flüssigkeit in reichlicher 
Menge, ebenso im Herzbeutel. Beide Lungen sind nur in den vorderen und 
oberen Theilen lufthaltig, übrigens braunroth pneumonisch infiltrirt. Die Ober- 
fläche der Lunge bietet ein ähnliches Bild, wie die Serosa der Darmschlingen: 
eitriges, fibrinöses, mit dem Skalpell abziehbares Exsudat. Die Lymphdrüsen 
in der oberen Körperhälfte sind ebenfalls deutlich sichtbar als dunkelrothe 
Körochen zu erkennen. 

Der bakteriologisch-mikroskopische Befund ergab in allen aus der Ratte 
entnommenen Materialien: im Blut, im Eiter, im Milz-Lungensaft und auch 
im Harn reichliche Pestbacillen. Bekanntlich findet man gewöhnlich eine 
sehr kleine Sorte bipolar gefärbter Pestbacillen neben den mittelgrossen, wie 
sie in Kulturen auftreten, und endlich mehr oder weniger zahlreich ganz 
grosse, fast blasig oder eiförmig aufgetriebene; letztere wohl als Involutions- 
formen aufzufassen. In den Präparaten der obigen Ratte herrschten die ganz 
kleinen Formen vor. 

Ein interessanter Zwischenfall ereignete sich während der Untersuchung 
dieser Ratte insofern, als zufällig eine Inspektions-Kommission unter Führung 
des Colonel Wilkins das Arthur-Road-Hospital besuchte und mit Interesse 
von den Untersuchungsresultaten meiner Rattenobduktion Kenntniss nahm. 
Die Herren sahen sich auch die Präparate unter dem Mikroskop an, und die 
weitere Folge war, dass ich noch am gleichen Tage den Besuch eines Sa- 
nitäts-Officiers im Hôtel empfing, welcher sich nach dem Fundort der Ratte 
u.s. w. erkundigte, und dass am folgenden Morgen eine ganz gründliche Rei- 
nigung und Desinfektion sämmtlicher um das Hôtel verlaufender Kanäle, 
Rinnsteine u. s. w. vorgenommen wurde. 

(Fortsetzung folgt.) 


Glax J., Lehrbuch der Balneotherapie. 2 Bde. Verlag v. F. Enke in 
Stuttgart 1897—1900. 

Die Balneotherapie von Glax liegt nunmehr vollständig vor und wird 
in ibrer gründlichen und umfassenden Bearbeitung des Gegenstandes Theoretiker 
und Praktiker gleicher Weise befriedigen. Wir finden nicht nur eine er- 
schöpfende Darstellung der Balneotherapie im engeren Sinne, der Lehre von 
der Anwendung der Mineralwässer, es wird vielmehr auch der Einfluss, welchen 
gewöhnliches Wasser bei methodischer innerer oder äusserer Anwendung auf 
den menschlichen Organismus ausübt, auf breiter physiologischer Grundlage 
erörtert. Neben der Klimatologie findet auch die Klimatotherapie eine ein- 
gehende Darstellung. 

Das Buch wird um so willkommener sein, als es durch seine Darstellung 


Luft. Boden. 125 


in das immer mehr an Bedeutung gewinnende Gebiet der physikalischen und 
chemisch-diätetischen Behandlungsmethoden einführt. 
H. Winternitz (Halle a.S.). 


Schueis M. F., Inconvénients des lampes fumivores hygieniques. 
Technologie sanitaire. 15 mai 1900. 

Verf. bestätigt auf Grund von Versuchen die Angabe mehrerer Forscher, 
dass die bekannten tabakrauchverzehrenden Lämpchen Kohlenoxyd ent- 
wickeln. Durch diese Kohlenoxydentwickelung kann die Zimmerluft, wie Verf. 
fand, einen Kohlenoxydgehalt annehmen, welcher die von Gruber festgestellte 
Schädlichkeitsgrenze überschreitet. Eine Anwendung dieser Lampen bei Gegen- 
wart von Menschen ist daher hygienisch bedenklich. 

Da sich ausser Kohlenoxyd bei der Oxydation auch der Aldehyd des zur 
Füllung beuutzten Alkohols bildet, so kann man durch Anwendung von Me- 
tbylalkobol mittels dieser Lampen Formaldehyd entwickeln und so eine 
desinficirende Wirkung erzielen. Man darf dabei aber nie vergessen, dass 
Formaldehyd giftig ist. Ratten und Mäuse sterben durch Einathmung von 
Formalindämpfen in 24 Stunden. Formaldehyd wirkt vermuthlich als Blutgift. 
Das Blut zweier durch Formalindämpfe getödteter Thiere zeigte ebenso wie 
eine mit Formalin versetzte Oxyhämoglobinlösung im Spektrum 3 Absorptions- 
streifen, die denen des Methämoglobins entsprachen. 

Hellwig (Halle a. S.). 


Migula W., Beiträge zur Konntniss der Nitrifikation. 1. Nitrifikation 
im Waldboden. Centralbl. f. Bakteriol. Abth. 2. Bd. 6. No. 11. S. 365. 
Gegenüber der Anschauung von Ebermeyer, dass im Waldboden keine 
Nitrite und Nitrate vorhanden seien oder doch nur in ganz geringen Spuren, 
stellt Migula fest, dass im Waldboden ganz sicher eine allgemeine Nitrifika- 
tion stattfindet, wenn auch allerdings nicht mit derselben Intensität wie im 
Ackerboden. 

Er entnahm die Bodenproben verschiedenen Wäldern aus der Rheinebene 
and dem Schwarzwalde und legte 7 Kulturen von Nitrat- und Nitritbild- 
nern nach der von Winogradsky angegebenen Methode an. Dabei wurde 
festgestellt, dass in den obersten Schichten des Waldbodens, die noch mit 
in Zersetzung begriffenem Laub durchsetzt sind, eine Nitrifikation nicht statt- 
findet oder doch wenigstens zu bestimmten Jahreszeiten unterbleibt. Dagegen 
kann dieselbe in einer Tiefe von 10—20 cm angetroffen werden, wo die Nitro- 
bakterien im Allgemeinen am zahlreichsten vertreten sind. Es bilden sich eben 
Zonen verschiedener Intensität der Nitrifikation, die im Waldboden anders 
liegen als im Ackerboden. Dabei ist nach Verf.’s Ansicht die Möglichkeit 
jedoch nicht ausgeschlossen, dass auch zu anderen Jahreszeiten in den ober- 
sten Schichten Nitrifikation stattfinden kann. 

Beobachtet wurde ferner, dass die Nitritbildung in den Kulturen des Wald- 
bodens viel rascher vor sich ging als die Nitratbildung, während in der Kom- 


126 Boden. 


post- und Ackererde beide Processe annähernd gleich rasch verliefen, und es 
ist wohl anzunehmen, dass sich im Waldboden überhaupt während einer ver- 
hältnissmässig kurzen Zeit Nitrate vorfinden. R. O. Neumann (Kiel). 


Rubner M., Ueber Spaltung und Zersetzung von Fetten und Fett- 
säuren im Boden und Nährflüssigkeiten. Arch. f. Hyg. Bd. 38. S. 67. 
Zum Studium der Zersetzung des Fettes im Boden wurden je 200g 
von sandigem, humusarmem Boden in verschliessbaren Glasgefässen mit ver- 
schiedenen Fettmengen (höchstens 2,5 pCt. Fett) gemischt und 25 oder 50 g 
Wasser zugesetzt; nach Ablauf bestimmter Zeiten wurde dann der Gebalt des 
Bodens an Aetherextrakt bestimmt. Der eigene Fettgehalt der zu diesen Ver- 
suchen verwendeten Bodenproben war ein sehr geringer: nur 0,022 g koneten 
aus 200 g Boden direkt mit Aether extrahirt werden, weitere 8 mg nach er- 
folgtem Ansäuern. 

Vorversuche mit sterilem Fett in sterilisirtem feuchten Boden er- 
gaben zunächst, dass unter diesen Umständen zwar eine ganz geringfügige 
Fettspaltung eintrete, eine Fettzehruug jedoch nicht zu beobachten sei. Die 
eigentlichen Experimente über die Zersetzung des Fettes in nicht sterili- 
sirtem Boden erstreckten sich über sehr verschiedene Zeiträume: über mehrere 
Monate, ein ganzes Jahr, schliesslich über 12 Jahre. Es geht aus denselben 
unzweideutig hervor, dass nicht nur Neutralfett im Boden gespalten wird, 
sondern auch in mehr oder minder erheblichem Grade aufgezehrt: 
die Summe aller aus dem Boden ausziehbarer Substanzen ist geringer als die 
Menge zugesetzten Fettes. Schon nach einigen Tagen ist die Fettabnahme 
merklich, die Hauptzersetzung vollzog sich jedoch (bei den über nur einige 
Monate ausgedehnten Versuchsreihen) innerhalb des ersten Monats. Dabei 
erwies sich die Temperatur, bei welcher die Bodenproben gehalten wurden, 
von merklichem Einfluss: bei 35° war die Zersetzung nicht so ausgiebig wie 
bei Zimmertemperatur. Der mögliche Einwand, die Fettzersetzung könnte etwa 
nur darauf zurückgeführt werden, dass die Glyceride niederer Fettsäuren ge- 
spalten worden seien und Buttersäure abgedunstet sei, wird durch den Nach- 
weis widerlegt, dass der Boden im Stande ist, kleine Buttersäuremengen zu 
binden; überdies wären die Buttersäuremengen, die eventuell hätten zu Verlust 
gehen können, nur sehr geringe gewesen (0,128 g), während bis zu 1,22 g 
des angewandten Fettes fehlten. Aus specielleren Analysen des extrahirten 
Fettes (Bestimmung der Aciditätswerthe, Untersuchung nach Hehner’s Methode) 
ergab sich der Schluss, dass die im Boden erfolgende Zersetzung alle 
vorhandenen Triglyceride ziemlich gleichmässig betreffen muss, 
dass also eine Selektion gewisser Glyceride nicht zu erfolgen scheint. 

Die Fettspaltung war in diesen Versuchen eine sehr beträchtliche: so 
waren bei 20° in 58 Tagen ca. 2%/,0o des Fettes gespalten. 

Bei den über 1 Jahr ausgedehnten Versuchen war die Zersetzung kaum 
grösser, als sie innerhalb weniger Monate eingetreten wäre, wohl in Folge der 
grossen Trockenheit des Bodens, dessen zugesetztes Wasser sehr bald ver- 
danstet war. Hingegen war die Fettspaltung sehr beträchtlich; von 


Wasser. 127 


dem hinterbliebenen Fett waren 46—49 pCt. gespalten. Die Fettspaltung geht 
offenbar der Fettzehrung voraus und ist unabhängig von der letzteren. 

Auch bei dem über 12 Jahre sich erstreckenden Experimente war die 
Spaltang der Fette eine sehr weitgehende, wenn auch noch keine vollständige. 
Aber auch die Fettzehrung hatte, trotz der Lufttrockenheit des Bodens eine 
ziemlich bedeutende Grösse erreicht: in dem am wenigsten weit vorgeschrittenen 
Falle fehlten von 4,5 g Fett 1,7 g. Ein wesentlicher Theil an dieser Zer- 
setzung dürfte wohl den Schimmelpilzen zuzuschreiben sein. 

Wesentlich anders verhält sich die Zersetzung des Fettes in Flüssig- 
keiten. Wurden die zu den obigen Versuchen verwendeten Bodenproben mit 
sterilem destillirten Wasser ausgelaugt und unter Fettzusatz stehen gelassen, 
so war selbst nach Ablauf von 58 Tagen keine Fettzersetzung nachweis- 
bar. Durch Zusatz von kohlensaurem Kalk trat keine Aenderung dieser Ver- 
bältnisse ein. 

Wurden jedoch den Mikroorganismen reichlich Nahrungsstoffe dar- 
geboten, indem eine schwach sauer reagirende Fleischextraktlösung mit etwas 
Boden inficirt wurde, so fand sich von 4,365 g zugesetztem Fett innerhalb 
4 Tagen 0,713 g aufgezehrt. Auch bei diesen Versuchen war der ungünstige 
Einfluss höherer Temperaturen deutlich wahrzunehmen. Die Untersuchung 
des extrahirten Fettes nach Hehner ergab wieder, dass die Triglyceride hohen 
und niedrigen Molekulargewichts ziemlich gleichmässig au der Zersetzung be- 
tbeiligt waren. Zusatz von kohlensaurem Kalk steigerte die Fettzersetzung 
erheblich, und beronders die Fettspaltung erreichte bei diesen Versuchen, bei 
welchen zur Infektion der Nährlösung ein aus den Bodenproben reingezüchtetes 
Stäbchen verwendet wurde, einen ganz enormen Grad. Nach Ablauf eines 
Jahres hatte bei den mit Kalk versetzten Proben die Spaltung fast das ganze 
Fett ergriffen. Der kohlensaure Kalk war dabei vollständig in fettsauren Kalk 
übergegangen. 

Da also die Fettzersetzung auch in Flüssigkeiten bei Anwesenheit geeig- 
neter Bakterien sehr energisch verläuft, so kann die Leichenwachsbildung 
nicht ohne weiteres auf hohe Bodenfeuchtigkeit zurückgeführt werden. Die 
Bedingungen zur Fettwachsbildung wären dann gegeben, wenn 
bei energischer Fettspaltung reichlich Basen zur Bindung der 
entstehenden Säuren vorhanden sind. Paul Müller (Graz). 


Grahn E., Die städtische Wasserversorgung im Deutschen Reiche 
sowie in einigen Nachbarländern. Des zweiten Bandes erstes Heft: 
Königreich Bayern. München u. Leipzig 1899. Verlag v. R. Oldenbourg. 
Preis: 10 Mk. 

Die Schilderung der Wasserversorgung für die Ortschaften und Städte 

im Königreich Bayern bietet ganz besonderes Interesse durch die grosse Ver- 

breitang solcher Anlagen über fast alle Orte des ganzen Landes bis zu kleinen 

und kleinsten Dörfern und Weilern hin. Auch die im Verhältniss zu anderen 

Ganen Deutschlands frühzeitige Entstehung vieler dieser Wasserversorgungs- 

anlagen ist von mindestens geschichtlicher Bedeutung, und die vortreffliche 

Organisation, welche das Wasserversorgungswesen im Königreich Bayern durch 


128 Wasser. 


das dem Ministerium des Innern unterstellte „Technische Bureau für Wasser- 
versorgung“ gefunden hat, darf als vorbildlich in jeder Richtung bezeichnet 
werden. 

Schon die als Einleitung des inhaltreichen Heftes gebotene Schilderung der 
Wasserversorgung Münchens in ihrem geschichtlichen Gange und in allen ihren 
Einzelheiten darf die volle Antheilnahme der ärztlichen Kreise beanspruchen, 
während die klare übersichtliche Eintheilung der Schrift sie zu einem höchst 
werthvollen Nachschlagewerk macht. H. Chr. Nussbaum (Hannover). 


Piefke C,, Beiträge zur Hydrognosie der Mark Brandenburg mit be- 
sonderer Berücksichtigung der Berliner Verhältnisse. Journ. f. 
Gasbel. u. Wasservers. 1900. No. 17, 18 u. 19. S. 305, 325 u. 350. 

Die Arbeit Piefke’s ist eine sehr eingehende Studie, welche als Vorbe- 
reitung zu dienen bestimmt ist für den etwaigen Uebergang der Stadt Berlin 
von der Versorgung mit Oberflächenwasser zu der mit Grundwasser. Am 
Schluss der interessanten Darlegungen deutet Piefke an, dass die Verhält- 
nisse für die Entnahme des Wassers aus dem Tegeler Se& heute bereits ungünstige 
geworden sind in Folge des raschen Aufblühens der Vororte in seiner Um- 
gebung, und dass in vielleicht nicht mehr ferner Zukunft auch der Müggelsee 
von derartigen Einflüssen berührt werden kann. Es ist daher — schon aus 
diesen Gründen — angezeigt, sich nach der Möglichkeit umzusehen, ob an 
Stelle des Oberflächenwassers für die Versorgung Berlins das Grundwasser 
herangezogen werden kann. Auf Grund eigener und fremder Arbeiten giebt 
Piefke nun eine genaue Schilderung der ungemein mächtigen Grundwasser- 
träger, die in Berlins unmittelbarer Nähe wie in dessen weiterer Umgebung 
vorhanden sind, und er zeigt durch sorgfältige Berechnungen die Möglichkeit 
dereinst Berlin allein aus den Grundwasserströmen der von Menschen wenig 
bewohnten Gelände in seiner Umgegend mit Grundwasser versorgen zu können, 
allerdings unter Aufwendung bedeutender Geldmittel. 

Die Studie bietet Interesse sowohl im allgemeinen Sinne als Anhalt für 
die Ausführung ähnlicher Vorbereitungsarbeiten an anderen Orten, als auch 
im besonderen für die Berliner Verhältnisse; sie ist auf das Sachlichste and 
Gründlichse durchgeführt und darf als höchst verdienstvoll bezeichnet werden. 
Für die Wiedergabe der in knapper Form gegebenen Einzelheiten würde ein 
zu breiter Raum erforderlich sein, der Fachmann wird auch im Original eine 
höhere Befriedigung finden. H. Chr. Nussbaum (Hannover). 


Gärtner Aug., Amerikanische Versuche über Sandfiltration. Journ. f. 
Gasbel. u. Wasservers. 1900. No. 8. S. 42. 

Der Bericht Gärtner’s ist ein trefflicher Auszug einer fast zu eingehenden 
Arbeit von George W. Fuller!) über die in Cincinnati angestellten Filte- 
rnngsversuche des Ohiowassers, die besonderes Interesse dadurch bieten, 
dass ausser der einfachen Filterwirkung auch chemische Zusätze verschiedener 


1) Report on the investigations into the purification of the Ohio river water. Made 
by the Board of Trustees. Cincinnati 1899. 


Infektionskrankheiten. 129 


Art benutzt sind zur Reinigung des Flusswassers für die Trinkwasserver- 
sorgung. 

Der Ohio zeigt nach jedem bedeutenderen Regenwetter ein rasches Steigen, 
welches zu ausgedehnten Ueberschwemmungen des Landes führt. Gleichzeitig 
findet eine starke Bereicherung des Wassers an Schwimmstoffen statt, deren 
Hauptgehalt aus sehr feinen Thontheilchen besteht. Ihre Menge beträgt bis 
m 2,0 g im Liter. 

Um den Filtern keine allzu hohen Leistungen zumuthen zn müssen, wurde 
das Wasser zunächst in Klärbecken (Stableylinder von 100 000 Gallonen nutz- 
barem Inhalt) geführt, von wo es nach zwei- bis dreitägigein Stehen in Filter- 
bottiche gelangt. Trotzdem gelang es zur Hochwasserzeit nicht, das Wasser 
blank und frei von schwebenden Thontheilchen zu machen. Es wurden daher 
die Versuche ausgedehnt auf Klärung durch Zusätze, einerseits von schwefel- 
saurer Thonerde, andererseits von gesättigter Aetzkalklösung, von denen 
weniger eine Desinfektion des Wassers erwartet wurde als ein Niederreissen 
der Schwebstoffe in Folge von Flockenbildung. 

Beide Verfahren haben sich durchaus bewährt. Es gelang mit ihnen ein 
unter den ungünstigsten Verhältnissen stets blankes Wasser zu erzielen, welches 
als arm an Bakterien bezeichnet werden durfte, obgleich die angewendeten 
Filter zum Theil eine bedeutende Schnelligkeit aufwiesen. 

Von den Filtern haben die sog. amerikanischen unter den in Cincinnati 
vorliegenden Verhältnissen sich am besten bewährt, weil sie ein ausreichend 
häufiges und einfaches Auswaschen gestatten, das durch den hohen Gehalt des 
Wassers an sehr feinen Thontheilchen erforderlich wird, um die Filter betriebs- 
fähig zu erhalten. Eine Doppelfilterung erwies sich als die allein wirksame 
zum Gewinnen eines stets blanken Wassers. Die chemischen Zusätze müssen 
dem jeweiligen Gehalt des Rohwassers an Schwebestoffen entsprechend bald 
gering, bald hoch gewählt werden, haben aber bei richtiger Bemessung irgend 
nachtheilige Folgen weder in gesundheitlicher noch in technischer Beziehung 
hervorgerufen. 

In Hinsicht auf Einzelheiten muss auf Gärtner’s eingehenden Bericht 
verwiesen werden. H. Chr. Nussbaum (Hannover). 


Lippmaun, Ueber Rückfälle. Deutsche med. Wochenschr. 1900. No. 23. 
S. 369. 

Bei einem Fall von Scharlach hatten sich am Hals Drüsenpackete ge- 
bildet; nachdem dieselben 4 Wochen lang unverändert bestanden hatten, ver- 
schwanden sie plötzlich innerhalb von 36 Stunden, und gleichzeitig trat ein 
Rückfall von Scharlach auf. Verf. nimmt einen ursächlichen Zusammenhang 
zwischen dem Verschwinden der Drüsen und dem Wiederausbruch des Schar- 
lachs an und glaubt, dass es sich hierbei um Wiederansteckung von einem 
latenten Herde aus durch Wegfall der umgebenden Gewebe handelte. Der- 
artige latente Herde bilden sich auch bei vielen anderen Krankheiten, wie 
Erysipel, Gelenkrheumatismus, follikulärer Angina, Furunkulose u.a. Die 
latenten Herde bilden sich in Folge entzündlicher Abkapselung. Die Herd- 


130 Infektionskrankheiten. 


verletzung entsteht durch eine Reihe von Gelegenheitsursachen, wie Trauma, 
Ueberanstrengung, Erkältung, psychische Erregung. 
Dieudonne (Würzburg). 


Treupel G., Ueber den gegenwärtigen Stand unserer Kenntnisse von 
der Tuberkulose, speciell der Lungentuberkulose. Münch. med. 
Wochenschr. 1900. No. 24. S. 821. 

Verf. giebt eine eingehende Uebersicht über die Aetiologie, die Diagnose 
und die Behandlung der Tuberkulose. Insbesondere wird betont, dass 
wir bei der Behandlung nicht einem Heilverfahren (Tuberkulin, Serum, Medi- 
kamente, Klimato-Hydrotherapie u. s. w.) vertrauen dürfen, sondern nur der 
zielbewussten Vereinigung aller oder möglichst vieler. 

Dieudonné (Würzburg). 


Friedmann F., Ueber die Bedeutung der Gaumentonsillen von jungen 
Kindern als Eingangspforte für dietuberkulöse Infektion. Deutsche 
med. Wochenschr. 1900. No. 24. S. 381. 

Die Frage, ob die Gaumentonsillen für die Tuberknlose den ersten 

Sitz der Erkrankung darstellen, suchte Verf. durch eine eingehende histo- 

logisch-bakteriologische Untersuchung möglichst geeigneter Kinderfälle der 

Entscheidung näher zu führen. Im Ganzen wurden 91 Sektionsfälle und 

54 Fälle von Lebenden untersucht. Von den ersteren war besonders ein Fall 

für die Entscheidung der Frage lehrreich. Bei einem einjährigen Kinde, das 

an Angina diphtheritica und Bronchitis zu Grunde gegangen war, liessen sich 
bei sorgfältigster Sektion keinerlei Erscheinungen konstatiren, die auf Tuber- 
kulose hindeuten konnten. Dagegen waren hier beide Tonsillen von zahllosen 

Tuberkeln mit Riesenzellen, Epithelioiden und massenhaften Tuberkelbacillen 

auf jedem Schnitt durchsetzt. Hier stellten also die Tonsillen den einzigen 

tuberkulösen Herd im ganzen Körper dar, und zwar handelte es sich wahr- 
scheinlich um Fütterungstuberkulose. In 4 weiteren Fällen konnte primäre 

Tensillentuberkulose nachgewiesen werden. Nach der Ansicht des Verf.’s ent- 

steht die Tonsillentuberkulose im Kindesalter meist nicht sekundär durch 

infektiöses Sputum, sondern primär durch infektiöse Nahrung. 
Dieudonne (Würzburg). 


Henkel M., Klinische Beiträge zur Tuberkulose. Ein Fall von ge- 
heilter Meningitis cerebrospinalis tuberculosa. Münch. med. Wochen- 
schr. 1900. No. 23. S. 799. 

Die Diagnose wurde in dem vorliegenden Falle durch Lumbalpunktion 
gestellt. In dem Bodensatz der leicht getrübten Flüssigkeit fanden sich reich- 
lich Tuberkelbacillen. Nach der Spinalpunktion, die noch 2 mal wieder- 
holt wurde, trat eine deutliche Linderung der Schmerzen ein. Trotz positiven 
Bakterienbefundes und schwerer Allgemeinerscheinungen ist demnach die 
Prognose nicht immer infaust zu stellen. Dieudonne (Würzburg). 


Infektionskrankheiten. 131 


Eschweiler, Spätdiphtherie im Nasenrachenraum. Münch. med.Wochen- 
schr. 1800. No. 17. S. 568. 

Die bakteriologisch festgestellte Spätdiphtherie im Nasenrachen- 
raum zeigte sich in ganz plötzlichem Eintreten und Verschwinden der Nasen- 
symptome. Die in der Nase liegende Membran liess sich sehr leicht und 
anblutig entfernen; sie war offenbar aus dem Nasenrachenraum in die Nase 
hineingeschuaubt worden und dort liegen geblieben. 

Dieudonne (Würzburg). 


Glasssaer, Ueber die Verwerthbarkeit einiger neuer Riweisspräpa- 
rate zu Kulturzwecken. I. Allgemeine Eignung mit besonderer 
Berücksichtigung der Diphtherie. Centralbl. f. Bakteriol. Abth. I. 
Bd. 27. No. 20/21. S. 724. 

In der Absicht, namentlich für die Serumnährböden einen leichter herzu- 
stellenden Ersatz zu schaffen, prüfte Verf. im hygienischen Institut Hueppe’s 
zu Prag die Verwendbarkeit von Somatose, Nutrose und Nährstoff Heyden 
zu Kulturzwecken. Bei der Züchtung von Cholera, Typhus und Pyocyaneus 
ergab sich, dass die gebräuchlichen Peptonnährböden den mit jenen Präpa- 
raten hergestellten Kulturmedien überlegen sind. Dagegen erwies sich nament- 
lich der Nährstoff Heyden zur Diphtheriekultur besser geeignet als das 
Pepton, wenngleich auch in diesem Falle so zahlreiche und gleich grosse Kolonien, 
wie auf dem Löffler’schen Serum nicht aufgingen und das Wachsthum über- 
dies etwas langsamer geschah. Immerhin war die Kulturentwickelung auch 
auf dem mit Nährstoff Heyden hergestellten Agar derart günstig, dass die 
Diagnose schon 8—9 Stunden nach der Aussaat möglich wurde. Durch 
Zucker und Peptonzusatz wurde die Brauchbarkeit des Nährbodens nicht ver- 
bessert. Verf. giebt zu der Herstellung seines Nährbodens folgende Vorschrift: 

„Man verrührt zunächst den Nährstoff Heyden (1 g) in ein wenig Wasser, 
setzt ihn dann dem Gemisch von !/; g Kochsalz, 0,1 g Fleischextrakt, 11/, g 
Agar und 100 ccm destillirten Wassers zu und lässt das Ganze gut aufkochen. 
Nachdem die Lösung im Dampf filtrirt ist, erhält man eine in dünner Schicht 
vollkommen klare und durchsichtige Flüssigkeit, die etwas langsamer erstarrt 
als gewöhnlicher Agar und auch nach dem Erstarren ihre Durchsichtigkeit 
bewahrt. Die in bekannter Weise schräg gelegten Röhrchen müssen, um 
schöne Kulturen zu geben, in Folge dieses langsamen Erstarrens 12—18 Stunden 
in dieser Lage bleiben. Dann werden sie senkrecht einige Stunden stehen 
gelassen, da zu frühe Verwendung des noch nicht völlig dem Glase anhaftenden 
Nährbodens denselben im Brütofen sehr bald zusammenfallen lässt.“ 

Kübler (Berlin). 


v. Stählern, Beitrag zur Bakteriologie der.lobären Typhus-Pneumo- 
nien. Centralbl. f. Bakteriol. Abth. I. Bd. 27. No. 10/11. S. 353. 

In dem stark blutig gefärbten Sputum von 3 Typhuskranken, bei 
welchen Pneumonien eines bezw. mehrerer Lungenlappen aufgetreten waren, 
wies Verf. mittels des Kulturverfahrens neben Diplokokken Typhusbaecillen 
nach. Die Diagnose der letzteren Mikroorganismen wurde auf Grund der 


132 Infektionskrankheiten. 


bekannten tinktoriellen und biologischen Merkmale gestellt und durch den 
positiven Ausfall der Widal’schen Reaktion (Verdünnung des Typhusserums 
1:50) bestätigt. Bei dem einen der Kranken, welcher zugleich an Throm- 
bose der linken Femoralvene litt, warden post mortem auch aus dem Thrombus 
Typhusbacillen gezüchtet. 

Der Verf. hebt hervor, dass es bisher nur gelungen ist, die Typhusbacillen 
in den erkraukten Lungen verstorbener Typhuskranker nachzuweisen. Seine 
intra vitam erhobenen Befunde beweisen, dass Typhuskranke, bei denen 
Lungenentzündungen hinzutreten, die Krankheitserreger mit dem 
Auswurf nach aussen befördern. Dies kann diagnostisch von Werth sein 
und beweist zugleich die Nothwendigkeit einer Desinfektion des Auswurfs in 
derartigen Fällen. 

Bezüglich der Bedeutung der Typhusbacillen für den pneumonischen Pro- 
cess nimmt Verf. au, dass jene Mikroorganismen auf den Verlauf der Pneu- 
monie einen Einfluss ausüben können, ihre Entstehung aber nicht verursachen, 
zumal in allen 3 Fällen auch die als Erreger der Lungenentzündung bekannten 
Diplokokken gefunden wurden. Kübler (Berlin). 


Grimbert L. et Legros G., Identité du bacille aerogene du lait et du 
pneumobacille de Friedlaender. Compt. rend. T. 130. 1900. No. 21. 
p. 1424. 

Verff. verglichen zunächst 8 von ihnen isolirte gasbildende Stäbchen aus der 
Milch mit einem solchen aus Nencki’s Laboratorium. Die bekannten Eigen- 
schaften, die das Bact. lact. aërogenes aufweist, wie Milchkoagulation, Un- 
beweglichkeit, Ausfall der Gram-Färbbarkeit und der Indolbildung, waren 
überall gleich. Auch wurden ohne Gasentwickelung Nitrate in Nitrite ver- 
wandelt und aus Kohlehydraten Aethylalkohol, Essigsäure, Linksmilchsäure 
und Bernsteinsäure gebildet. Glykose, Saccharose, Laktose, Dextrin, Mannit, 
Glycerine verfielen der Zersetzung, aber nicht Duleit. 

Beim Vergleich mit Friedländer’s Pneumoniebacillus fanden sich 
nur geringe Unterschiede in der Zersetzung der einzelnen Zuckerarten, von 
denen das Wesentlichse ist, dass Glykose, Mannit, Glycerin kaum, Dextrin, 
Saccharose und Laktose energischer angegriffen werden. 

Milch- und Bernsteinsäure, Essigsäure und Aethylakohol finden sich in 
wechselnden Mengen, je nachdem der eine oder andere Zucker lebhafter zer- 
setzt wird. 

Aber auch diese Unterscheidungsmerkmale variiren so, dass Verff. zu 
dem Schluss kommen, das Bact. lact. aörogenes und das Bact. pneu- 
moniae Friedländer als identisch anzusehen, falls folgende Eigenschaften 
zutreffen: Unbeweglichkeit, Kapseln im Blut, keine Verflüssigung, kein Indol 
und Kohlehydratzersetzung in verschiedener Ausdehnung. 

R. O. Neumann (Kiel). 


Napias, Mile., Action de la bactöridie charbonneuse sur les hydrates 
de carbone. Ann. de PInst. Pasteur. 1900. No. 4. p. 232. 

Verf. hat Kulturen verschiedener Stämme von Milzbrandbacillen in 

Bouillon mit Zusatz von Kartoffelstärke, Zucker u. s. w. angelegt und die 


Infektionskrankheiten. 133 


Zersetzungsprodukte chemisch untersucht. Ihre Schlussfolgerungen lauten: 
Der Milzbrandbacillus greift stärke- und zuckerhaltige Substanzen leicht an; 
es entsteht eine fire (Milchsäure) und eine flüchtige Säure (Essigsäure). Ist 
das Kohlehydrat fast verbraucht (Zucker) oder schwer zu zersetzen (Stärke), 
s wird die Milchsäure zersetzt; es entsteht zunächst Essigsäure und dann 
Kohlensäure. 

Während die virulenten Stämme mehr proteolytische Eigenschaften auf- 
weisen, liefern die abgeschwächten Kulturen (Vaccins) mehr amylolytisches 
Ferment. Silberschmidt (Zürich). 


Strubell, Alexander, Ein neuer Beitrag zur Therapie des Milzbrandes. 
Münch. med. Wochenschr. 1900. No. 19. S. 642. 

Verf. hatte Gelegenheit, eine Erkrankung an Milzbrand zu beobachten. 
Es bandelte sich um einen Milzbrandkarbunkel der Schläfengegend 
bei einem 43 Jahre alten Gerber. Dass trotz der Schwere des Bildes und 
sonstiger nicht unbedenklicher Erscheinungen der Fall in Heilung überging, 
glaubt Verf. auf die Anwendung von Karbolsäureinjektionen, in erster 
Linie aber auf den überaus günstigen Einfluss von bis 63° C. heissen Kata- 
plasmen zurückführen zu dürfen. Er empfiehlt deshalb im strik ten Gegen- 
satz zu der von v. Bramann befolgten strengen Expektativtherapie eine 
energische Behandlungsmethode mit allem Nachdruck als diejenige, 
welche die vorzüglichsten Resultate liefere. 

Indem er hervorhebt, dass auch die Mehrzahl der Autoren mit dem von 
den v. Bramann’schen Schülern vertheidigten Standpunkt keineswegs über- 
einstimmt, bezeichnet er als den Hauptzweck seiner Ausführungen, die dem 
ersteren entgegengesetzte Richtung zu vertreten, um „die ärztliche öffent- 
liche Meinung vor einer irrthümlichen Auffassung der Frage zu 
bewahren“. Wir überlassen es hiernach dem Leser, behufs weiterer Einzel- 
heiten die Originalarbeit einzusehen. Schumacher (Halle a.$.). 


Ransom F., Die Lymphe nach intravenöser Injektion von Tetanus- 
taxin und Tetanusantitoxin. Zeitschr. f. physiol. Chem. Bd. 29. S. 849. 
Verf. injieirte zwei Hunden intravenös Tetanusgift, zwei anderen 
Tetanusantitoxin und untersuchte die Schnelligkeit des Ueberganges dieser 
Stoffe aus dem Blute in die Lymphe. Er entnahın zu diesem Zwecke nach 
verschiedener Zeit Blut und Lymphe und stellte an Mäusen den Gift- bezw. 
Antitoxingehalt des Blut- oder Lymphserums in den Behring’schen Einheiten 
+Ms, + ms und — ms fest. (Muss man das tetanusgifthaltige Serum auf das 
ıfache verdünnen, um durch eine Injektion von a [praktischerweise etwa 
0,5] ccm der Verdünnung eine Maus von p g Gewicht gerade in der Normal- 
zeit von 3—4 Tagen an Tetanus zu tödten, so enthält 1 ccm des Serums 


ı 
n „+ Ms“. Andererseits enthält antitoxinhaltiges Serum Z „— Ms“, wenn 


man zu a ccm dieses Serams von einer Tetanusgiftlösung, deren Giftgehalt 
bekannt ist, y „+ Ms“ hinzufügen muss, ehe durch Injektion der Mischung 
eine Giftwirkung eintritt.) 


134 Infektionskrankheiten. 


Das Tetanusgift tritt, obwohl es sich bei Dialysirungsversuchen schwer 
dialysirbar zeigt, schnell zu einem beträchtlichen Theile in die Lymphbahnen 
über und wurde bei einer Untersuchung nach 26 Stunden bereits gleichmässig 
in Blut und Lymphe vertheilt gefunden. Es verhält sich also darin wie die 
anorganischen Bestandtheile von Blut und Lymphe. Das Tetanusantitoxin 
fängt ebenfalls bald an, in die Lymphbahn überzutreten, war aber immerhin 
nach 68 Stunden im Blute noch in 1!/ mal so grosser Menge wie in der 
Lymphe vorhanden, verhält sich darin also wie die Proteinstoffe von Blut 
und Lymphe. Hellwig (Halle a. S.). 


Leclainche et Vallée, Recherches expérimentales sur le charbon 
symptomatique. Ann. de l’Inst. Pasteur. 1900. No. 4. p. 202. 

Die verschiedenen bis jetzt erschienenen Arbeiten über den Rausch- 
brandbacillus können noch nicht als erschöpfend bezeichnet werden. Verf. 
betonen, dass die Isolirung des Krankheitserregers häufig schwierig ist, weil 
in den Geweben von spontan an Rauschbrand erkrankten Thieren fast immer 
andere Bakterien, namentlich andersartige sporenbildende Anaörobien vorkommen, 
während bei mit Rauschbrand geimpften Meerschweinchen kurz nach dem Tode 
der Bacillus des malignen Oedems in den Geschwülsten, im Gewebe und sogar 
im Blute angetroffen wird. Die Reinheit der Kultur wird mittels gleichzeitiger 
Injektion an Meerschweinchen und an Kaninchen geprüft; die Kaninchen sind 
relativ immun, Meerschweinchen gehen nach subkutaner Injektion von 3 bis 
4 Tropfen einer frischen Kultur innerhalb 24 Stunden zu Grunde. Der Rausch- 
brandbaeillus ist streng anaerob; Verff. empfehlen den von Martin für die 
Herstellung von Diphtherietoxin angegebenen Nährboden (verdauten Schweine- 
magen und Kalbfleischwasser zu gleichen Theilen). Nach 12 Stunden sind 
die Stäbchen lebhaft beweglich; am 3. Tage sind nur noch Sporen in den 
Kulturen enthalten. Im thierischen Organismus trifft man nur dann Sporen, 
wenn die Erkrankung nicht zu rasch verlaufen ist. Die intraperitoneale In- 
jektion von Kulturen ist nicht so schädlich wie die subkutane; nach intra- 
venöser Einspritzung von 2—5 ccm gehen Kaninchen nach wenigen Stunden 
an Vergiftung zu Grunde. Das Toxin wird bei 115° bedeutend geschwächt, 
aber nicht vollständig zerstört; der Sauerstoff, das Licht bedingt nach wenigen 
Tagen Unwirksamkeit; beim Filtriren wird das Toxin grösstentheils zurück- 
gehalten. Die mit Toxin geimpften Thiere zeigen eine sehr bedeutende Ge- 
wichtsabnahme; Meerschweinchen, welche mit antivirulentem Pferdeserum ge- 
impft werden, gehen nach 15—30 Tagen an Intoxikation zu Grunde. Die 
Giftigkeit ist am grössten in 5tägigen Kulturen. Die Widerstandsfähigkeit 
der Kulturen ist je nach dem Alter verschieden; so werden z. B. 24 stündige 
Kulturen nach !/, stündigem Erhitzen auf 70° getödtet, während in 4 tägigen 
Kulturen die Sporen nach 2stündigem Erhitzen auf 100° und nach 30 Mi- 
nuten auf 90° noch lebensfähig sind. In einem zweiten Abschnitt be- 
sprechen Verf. die Aetiologie des Rauschbrands. Die Sporen können 
sich im Thierkörper nicht entwickeln und werden ertragen, wenn dieselben 
durch längeres Erhitzen giftfrei gemacht wurden; die Kulturen dieser erbitzten 
Sporen sind aber sehr virulent. Wird mittels gleichzeitiger Injektion von 


Infektionskrankheiten. 135 


Toxin oder von Milchsäure oder mechanisch die Phagocytose beeinträchtigt, 
so kommt die schädliche Wirkung der toxinfreien Sporen zum Vorschein; wahr: 
scheinlich spielen bei den spontan auftretenden Erkrankungen die Mischin- 
fektionen eine wichtige Rolle. Die Widerstandsfähigkeit des Organismus hängt 
von der phagocytären Wirkung ab; alle diejenigen Momente, welche die Phago- 
eytose hemmen oder verhindern, begünstigen oder sichern die Infektion. 
Silberschmidt (Zürich). 


Scholtz W. und Klingmüller V., Ueber Züchtungsversuche des Lepra- 
bacillus und über sogenanntes Leprin. Lepra. Bibliotheca inter- 
nationalis. Vol. 1. Fasc. 3. 1900. S. 93. 

Bei Besprechung der einschlägigen Literatur heben die Verff. hervor, dass 
einige Autoren den Leprabacillus wirklich gezüchtet zu haben glauben, 
während andere die Bacillen ihrer Reinkultur in einen gewissen Zusammen- 
hang mit der Lepra bringen. Ihre eigenen Kultivirungsversuche stellten die 
Verff. mit Material an, das von einem Kranken mit tuberöser Lepra stammte, 
der dauernd frische Efflorescenzen producirte, die histologisch sich als Anfangs- 
stadien von Lepromen dokumentirten. Bei Benutzung dieser frischesten Formen 
zu Kultarzwecken hatte man die Gewähr, dass auch wirklich virulente Bacillen 
als Ausgangsmaterial zur Verwendung kamen; und zwar benutzte man Blut 
aus Flecken oder Gewebssaft oder kleine herausgeschnittene Stückchen. Ausser 
diesem Kranken wurden noch 4 andere mit tuberöser Lepra zu den Unter- 
suchungen herangezogen. Im Allgemeinen verwendete man zur Kultivirung 
nur Material, das von nicht ulcerirten, möglichst frisch entstandenen Knötchen 
stammte; nur einige Male versuchte man es auch mit dem Abimpfen von 
Nasenschleim oder von Rachengeschwüren. Als Nährmedien benützte man 
zunächst die gebräuchlichsten, darauf versuchte man die eigens zu diesem 
Zwecke empfohlenen und schliesslich verwandte man noch Nährböden der 
verschiedensten Zusammensetzung. 

Ein grosser Theil der Röhrchen blieb steril; auf anderen (geimpft mit 
Nasenschleim) waren zahlreiche Kolonien gewachsen. An mikroskopischen 
Präparaten überzeugte man sich, dass thatsächlich auf den offenbar steril ge- 
bliebenen Nährböden auch nicht die geringste Vermehrung stattgefunden hatte. 
Von den Kolonien wies keine einzige Stäbchen auf, die irgend eine besondere 
Aehnlichkeit mit Leprabacillen gehabt hätten. Einzelne dieser Kolonien be- 
standen aus Stäbchen, welche mit den von mancher Seite bei Lepra beschrie- 
benen „Diphtherideen“ eine grosse Aehnlichkeit hatten. Eine deutliche Ein- 
wirkung von Serum Lepröser auf diese Bacillen bestand nicht. lm Uebrigen 
konnten auch die Verff. eine sichere Agglutininwirkung an Bacillen einer 
solchen Originalkultur von Spronck, wie sie letzterer gefunden hatte, durch 
zwei verschiedene Seren Lepröser nicht konstatiren. Die Verff. schliessen 
damit, „dass es bisher noch nicht gelungen ist, den Leprabacillus zu kulti- 
viren und es wenig wahrscheinlich erscheint, dass die bisher aus Leprafällen 
isolirten Mikrobien mit dem Krankheitsprocess auch nur in irgend welchem 
Zusammenhang stehen.“ 

Es folgen noch einige Versuche zwecks Gewinnung von sogenanntem 


136 Wohnungshygiene. 


„Leprin“. Mit einem Glycerinextrakt (50 proc.) von zerkleinerten Knoten — 
auch bei 60° gewonnen — konnte man selbst bei Injektion von 1 cem keine 
Reaktion hervorrufen; die Sterilität der Flüssigkeit war vorher sichergestellt. 
Ein gleicher, negativer Erfolg wurde erzielt mit einem bei 90—95° gewonnenen 
wässerigen Auszug. Die Injektion des durch Alkoholfällung gewonnenen 
Niederschlages bewirkte keine Reaktion. Die Verf. stellen sich hiermit in 
Widerspruch mit Babes, der Reaktionen nach Einspritzung von „Leprin“ 
gesehen hatte. Beninde (Beuthen/Obersch!.). 


Nussbaum H. Chr., Arbeiterwohnungen. Bayer. Industrie- u. Gewerbebl. 
1900. No. 29 u. 30. S. 228 ff. 

Nussbaum führt in seinem Düsseldorfer Vortrage aus, dass es durchaus 
verkehrt wäre, Arbeiterwohnungen in allen Gegenden nach derselben 
Schablone herzurichten. Hier sprechen Lebensgewohnheiten wesentlich mit, 
und man darf nicht gewaltsam gegen diese ankämpfen. Diese Mahnung gilt 
insbesondere bezüglich der Ausgestaltung der Küche, welche zumeist nicht 
allein zur Herstellung der Mahlzeiten, sondern auch zum Aufenthalt der Kinder 
und selbst der erwachsenen Familienmitglieder dient. Allerdings ist zuzugeben, 
dass dieser Raum besser ausschliesslich seiner eigentlichen Bestimmung ent- 
sprechend verwendet werde, weil sich in Folge der Wärme uud der Sättigung 
der Luft mit Wasserdampf leicht Schädigungen der Gesundheit entwickeln 
können; aber in Hinblick auf die Thatsache, dass weite Bezirke dieser Forde- 
rung nicht gerecht werden, ist es zweckmässig, die Küchen von vornherein 
so einzurichten und räumlich so zu bemessen, dass sie sich auch zu einem 
Tagesaufenthalt eignen. Im Allgemeinen darf man sagen, dass das Ausmaass 
der Küche nicht unter 15—20 qm betragen sollte, in Einzelfällen bis auf 
25 qm ausgedehnt werden kann. Vortheilhaft ist es, neben der Küche ein 
kleines Gelass als Spülküche einzurichten, wo sich die Wasserleitung befindet, 
und das bei ländlichen Wohnungen als Brunnenstube dient. Die Wände der 
Küche müssen möglichst waschbar sein, der Fussboden fugenfrei und der An- 
strich hell, um jeden Schmutz wahrzunehmen. Winkel und Ecken sind zu 
vermeiden. In der Ausstattung ist der „Kochtheil“ der Küche anders zu be- 
handeln als der „Wohntheil“. Die Lüftung muss eine ständige und vom 
Willen der Insassen unabhängige sein. Zu empfehlen ist, dass der Herd zum 
Abziehen der verdorbenen Luft und Erwärmen der Frischluft ausgenutzt wird. 
Bezüglich der Heizung gilt es, die Herdwärme während der kalten Jahres- 
zeit vollkommen auszunützen, im Sommer dagegen die Herdwärme rasch zur 
Ableitung zu bringen. Von wesentlicher Bedeutung ist die Anlage eines Ge- 
lasses zum Aufbewahren von Speisen, wobei ausschliesslich lüftbare Speise- 
schränke in Betracht kommen. 

Die Grösse der Stube richtet sich danach, ob sie als ständiger Aufent- 
haltsort oder als sogenannte gute Stube zur Aufnahme besserer Möbel dienen 
soll, die Grösse und Zahl der Schlafzimmer nach der Zahl der Familienmit- 
glieder. In den Grossstädten stösst die Erfüllung dieser Bedingung allerdings 


Wohnungshygiene. 137 


auf grosse Schwierigkeit. Die Nebenräume, Flur, Kloset u. s. w. sollen zwar 
hell und luftig, aber so knapp wie möglich bemessen sein, damit den Haupt- 
räumen kein Platz genommen wird. 

Von grösserem Nutzen erweist sich das Anbringen von Wandschränken, 
welche man vortheilhaft mit einem kleinen Fenster oder einer anderen Lüf- 
tngsvorrichtung versieht. Besonders ungünstig wirkt in städtischen Woh- 
nungen der Mangel einer Altane, welche in Oesterreich fast allgemein ange- 
wandt wird. Sie dient dort zum Trocknen der Kleider und Kinderwäsche, 
zum Sonnen der Betten und bietet Gelegenheit zum Aufenthalt im Freien. 

Im weiteren Verlauf des Vortrages geht Nussbaum auf die Anlage der 
Treppen, auf künstliche Lüftung und Heizung ein. Die Höhe der Treppenstufen 
sollte zwischen 16 und 17 cm betragen, die Breite des Treppenlaufes nicht 
unter 1 m. Der künstlichen Lüftung stehen in Arbeiterwohnungen grosse 
Schwierigkeiten entgegen, weil die Arbeiter eine solche überhaupt nicht 
wünschen. N. hält es für richtig, auf künstliche Lüftungsvorkehrungen in 
den Aufentbaltsräumen überhaupt zu verzichten, dagegen Sorge zu tragen, 
dass die üblen Gerüche des Klosets, der Küche und anderer Nebenräume nicht 
nach den Aufenthaltsräumen zu gelangen vermögen. 

Bezüglich der Heizung werden die verschiedenen Feuerungsmaterialien 
und entsprechenden Oefen erörtert. Am meisten wird der „Grude“ das Wort 
geredet, welche nebst der Gasfeuerung (bei billigen Gaspreisen uud Errich- 
tung von Gasautomaten) sich am besten bewährt. Von grösster Bedeutung 
für die gute Ausnützung der durch Heizung gelieferten Wärme ist aber die 
richtige Gestaltung aller Umfassungsflächen des Arbeiter-Wohnhauses, der 
freistebenden Aussenwände sowohl wie der Fenster und Zwischendecken. 

Ausführlicher als in seinem Vortrage verbreitet sich der Verf. über die 
einschlägigen Fragen in seiner in Carl Heymann’s Verlag (Berlin) erschie- 
nenen Schrift: „Die Gestaltung der Arbeiterwohnungen nach hygienischen 
Grundsätzen“. Th. Sommerfeld (Berlin). 


de’ Rossi, Gino, Ueber eine neue Methode zur Bestimmung der Mauer- 
feuchtigkeit. Arch. f. Hyg. Bd. 87. S. 271. 

de’ Rossi hat das Verfahren von Markl!) zur Bestimmung der Mauer- 
feuchtigkeit zu vereinfachen und zu verbessern versucht, um es für den 
Gebrauch geeignet zu machen. Er nimmt die von Markl an der Luft aus- 
geführte Filterung der Mörtel-Alkoholmischung in einem geschlossenen Apparate 
vor, um die Hauptfehlerquelle des Markl’schen Verfahrens auszuschliessen, 
und sucht die Schwierigkeiten der zweimaligen densimetrischen Bestimmungen 
zu vermeiden, indem er nicht den Wassergehalt des zur Untersuchung gezogenen 
Mörtels bestimmt, sondern nur feststellt, ob dessen Wassergehalt die für das 
Mauerwerk bewohnter oder zu beziehender Gebäude erlaubte Grenze über- 
schreitet. Als solche ist ein Gehalt an freiem Wasser von 1,5 pCt. ange- 
nommen. 


1) G. Markl, Ueber eine neue Methode zur Bestimmung der Mauerfeuchtigkeit. 
Arch, f. Hyg. Bd. 34. S. 87. (Diese Zeitschr. 1899. S. 301.) 


138 Wohnungshygiene. 


Obgleich das Verfahren an sich genaue Bestimmungen gestattet, so scheint 
es mir doch keineswegs als ein allgemein geeignetes bezeichnet werden zu 
dürfen. Um ein sachgemässes Urtheil über die Bewohnbarkeit oder Bezieh- 
barkeit eines Gebäudes abgeben zu können, ist es meines Erachtens durchaus 
erforderlich, zu wissen, welche Feuchtigkeitsmengen sein Mauerwerk enthält. 
Eine Grenzbestimmung der von de Rossi gedachten Art reicht hierzu nicht 
aus; man muss wissen, ob die Feuchtigkeit der Wände zwischen 1,5 und 2 pCt. 
liegt oder zwischen 2 und 4 pCt. Während im ersteren Falle eine Beanstandung 
nur unter höchst ungünstigen Trockenheitsverhältnissen am Platze ist, bietet 
ein Feuchtigkeitsgehalt von 3—4 pCt. unter allen Umständen triftigen Grund, 
die Inbenutzungnahme des Gebäudes zu verbieten. Wenn das an sich bequeme 
Verfahren von Markl daher wirklich brauchbar werden soll, dann müssen 
weitere Verbesserungen an ihm vorgenommen werden, welche gestatten, den 
jeweilig vorhandeneu Wassergehalt eines Mörtels mit Sicherheit festzustellen. 

H. Chr. Nussbaum (Hannover). 


Pinkenburg 6.. Die Pflasterverhältnisse der städtischen Strassen 
im Deutschen Reiche. Techn. Gemeindebl. 1900. No. 7. 

Pinkenburg hat es unternommen, ein übersichtliches Bild zu gewinnen 
über den gegenwärtigen Zustand der Befestigungsarten städtischer 
Strassen. Es sind zu dem Zwecke 105 Fragebogen an die Tiefbauverwaltungen 
deutscher Städte (mit 30 000 Einwohnern und mehr) versandt, von denen 97 
beantwortet wurden. Trotz mancher Lücken giebt die Zusammenstellung dieser 
Antworten ein getreues Bild der Pflasterverhältnisse der Städte Deutsch- 
lands am Ausgange des 19. Jahrhunderts, aus dem manches Beachtenswerthe 
und Lehrreiche zu entnehmen ist. 

An verschiedenartigen Pflasterflächen sind in jenen 97 Städten vorhanden: 


1. Gesammtfläche der zu unterhaltenden Strassendämme . . 57294497 qm 
2. Davon beträgt die mit rechteckig behauenen Steinen auf 

fester Unterbettung gepflasterte Strassenfäcke . . . 4161596 „ 
3. Die auf Kiesunterbettung in gleicher Art gepflasterte 

Strassenfläce . . . 2 2 22m nn nen. 21208834 y 
4. Die mit Stampfasphalt belegte Dammfläche . . . . . 2676 970 
5. Die mit Holzpflaster versehene Dammfläche . . . . . 270530 n 
6. An anderen Dammbefestigungen (Mac Adam und dergl.) 

sind vorhanden. . . . 22020. 28976567 „ 


Aus diesen Zahlen ergiebt sich, dass die auf Kiesunterbettung mit recht- 
eckig behauenen Steinen gepflasterten Dämme bei weitem überwiegen: sie 
betragen etwa 37 pCt. Dagegen belaufen die mit gleichem Pflaster auf fester 
Unterlage versehenen Flächen sich nur auf rund 7,2 pCt. Hiervon entfallen 
aber auf die Stadt Berlin 3 pCt. Noch schlechter bestellt ist es mit den 
beiden „geräuschlosen“ Pflasterarten Asphalt und Holz. Von ersterem sind 
nur etwa 4,8 pCt. vorhanden, wovon Berlin allein 2,7 pCt. für sich bean- 
sprucht, während letzteres überhaupt nur 0,5 pCt. ausmacht. Sehr gross muss 
die Ziffer der minderwerthigen Befestigungsarten genannt werden, da sie rund 
50 pCt. der Gesammtbefestigungsweisen darstellt. Unter ihnen überwiegt die 


Wohnungshygiene. 139 


Chaussirung, und wir finden neben ihr eine recht erkleckliche Menge minder- 
werthiger Dammbefestigungsweisen, die auch bescheidenen Ansprüchen an die 
Gesundheitspflege in Städten nicht wohl zu genügen vermögen. 

Von Bedeutung ist für den Arzt, den Medicinalbeamten und den Vertreter 
der Hygiene die Frage 8 über die Asphaltunternebmer und die Bezugsquellen 
des von ihnen verwendeten Rohasphaltsteines. In Hinsicht auf die Zahl und 
Bedeutung dieser Unternehmer steht Berlin allen anderen Städten voran. Die 
in Deutschland verwendeten Rohstoffe entstammen den verschiedensten Gruben. 
Von deutschen Gruben kommt ausschliesslich Vorwohle in Betracht. Der Lob- 
sanner Asphaltstein aus dem Unterelsass hat sich für Stampfasphalt ebenso 
wenig bewährt wie der in Limmer bei Hannover gewonnene Rohstoff. Nach 
wie vor stehen die Gruben aus dem Val de Travers mit ihrem bewährten 
Asphaltstein in erster Linie. In Südfrankreich kommen die Gruben im De- 
partement Gard bei Mons in Seyssel und St. Jean de Marnejols im Departe- 
ment Savoie in Betracht. Steigende Verwendung finden die Asphaltsteine aus 
den Abruzzen und aus Sicilien. 

Ausser Berlin haben 35 Städte Asphaltpflaster verwendet, die Mehrzahl 
derselben sind aber über schüchterne Anfangsversuche nicht hinausgekommen, 
obgleich die Erfolge in Berlin dazu wohl ermuthigen konnten. 

Wesentlich schlechter noch ist es mit dem Holzpflaster bestellt, von dem 
noch nicht 300 000 qm vorhanden sind. Hiervon entfallen auf die Reichs- 
hauptstadt rund 75000 qm, also ein Viertel der ganzen Fläche. Ausser ihr 
haben 34 Städte Versuche mit Holzpflaster angestellt. 

Als erfreulich darf es bezeichnet werden, dass die in Paris gesammelten 
Erfahrungen und jetzt aufgestellten Grundsätze allmählich auch in Deutschland 
allgemein sich Eingang verschafft haben. Vereinzelt sind auch mit austra- 
lischen Harthölzern Versuche angestellt; dieselben sind jedoch zu jung, um 
ein Urtheil zuzulassen, da bekanntlich beim Holzpflaster Schäden erst nach 
Ablauf von etwa 3 Jahren sich herauszustellen pflegen, falls nicht grobe 
technische Fehler vorliegen. Jedenfalls ist der Preis dieser Pflasterungsart 
(insgesammt rund 30 Mk. für 1 qm) ein solch hoher, dass ihre allgemeinere 
Anwendung kaum möglich erscheint, sondern sie auf Brücken, Anfahrten, ein- 
zelne des Schallschutzes besonders bedürftige Strassenecken und dergl. be- 
schränkt bleiben dürfte, selbst wenn das Hartholzpflaster in Deutschland bessere 
Ergebnisse liefern sollte als in London. 

Das für die Staubfreiheit der Strassen und die Reinerhaltung ihres Unter- 
grundes bedeutungsvolle Vergiessen der Pflasterfugen mit Bitumen oder Cement 
ist erfreulicherweise etwas in der Zunahme begriffen. In Berlin findet dieses 
Verfahren für endgültig hergestellte Pflasterungen ausschliesslich Verwendung, 
und zwar kommt nur noch Bitumen zum Vergiessen in Betracht. 

In Hinsicht auf alle Einzelheiten muss auf die hochinteressante Veröffent- 
liebung der Fragebogenbeantwortungen und die ausführlichen Darlegungen 
Pinkenburg’s über ibre wichtigeren Aufschlüsse verwiesen werden. 

H. Chr. Nussbaum (Kannover). 


140 Heizung. 


Gärtner Aug., Eintritt von Kohlenoxyd in die Zimmerluft bei Be- 
nutzung von Gasöfen und Gasbadeöfen. Aus dem hygienischen In- 
stitut der Universität Jena. Journ. f. Gasbel. u. Wasservers. 1900. No. 15, 
16 u. 18. S. 268, 294 u. 332. 

Nachstehender Unglücksfall hat Gärtner veranlasst, eingehende Unter- 
suchungen darüber anzustellen, ob ausser den Erzeugnissen der vollkommenen 
Verbrennung auch Kohlenoxyd oder Acetylen beim Brennen von Gasöfen 
und Gasbadeöfen in geschlossenen Räumen zum Austritt gelangt. 

Der Student S. war am 21. November 1897 früh 1/23 Uhr von einem 
Balle heimgekehrt, hatte in seinem recht kleinen und verhältnissmässig dicht 
verschlossenen Schlafzimmer den erst kurz vorher aufgestellten, nicht mit dem 
Kamin verbundenen Gasofen entzündet und das Ablöschen unterlassen. Da 
gegen 1/3 9 Uhr früh dunkler Rauch durch die Thürspalten nach aussen drang, 
wurde das Zimmer geöffnet. Es zeigte sich gefüllt mit schwarzem Qualm (wie 
von russenden Lampen); der Student lag todt in seinem Bett, die Leichenstarre 
trat eine Stunde später ein. Die Obduktion ergab mit Sicherheit eine Ver- 
giftung durch Kohlenoxyd. 

Es galt nun zunächst festzustellen, wie das Kohlenoxyd zur Bildung ge- 
laugt war, und sodann die Frage zu lösen, ob nicht in den zahlreichen Fällen 
der mehr oder weniger schweren Vergiftung durch Gasöfen und Gasbadeöfen 
ebenfalls Kohlenoxyd die Hauptursache gebildet habe. 

Die Untersuchungen sind anfangs mit dem Ofen angestellt, durch welchen 
der beschriebene Unglücksfall hervorgerufen war, dann auf andere Gasöfen 
und Gasbadeöfen in verschiedenen Räumen ausgedehnt und mit grosser Sorg- 
falt durchgeführt. Zum Vergleich wurden auch Gasmengen entsprechender 
Grösse in offenen Flammen in den gleichen Räumen verbrannt. Die Haupt- 
ergebnisse lassen sich wie folgt zusammenfassen: 

In allen Versuchen konnte die Anwesenheit bedeutender Kohlenoxydmengen 
nachgewiesen werden, sobald Gasöfen und Gasbadeöfen unter dem üblichen 
Gasdruck mehrere Stunden in dicht verschlossenen kleinen Räumen brannten, 
ohne dass eine Luftzufuhr stattfand. Die Verbrennung erwies sich dann stets 
als eine höchst unvollkommene; in der Mehrzahl der Fälle kam es zum Ver- 
löschen einzelner Flämmchen, aus deren Oeffnungen in Folge dessen unver- 
branntes Gas und mit ihm Kohlenoxyd ausströmte. 

Da durch offen brennende Leuchtflammen bei gleichem Gasverbrauch der- 
artige Erscheinungen nicht zu Stande kamen, so konnte der Fehler nur in 
einer falschen Bauart der Oefen gesucht werden. Diese Annahme erwies sich 
durch weitere Versuche als richtig. Es zeigte sich, dass erstens die kleineren 
Gasbadeöfen weit mehr Gas verbrauchen, als für sie rechnerisch angenommen 
wird, und dass zweitens das Brennen zu einem unvollkommenen wird, weil 
zur höheren Ausnützung der erzeugten Wärme ein niedergehender Zug der 
heissen Verbrennungsgase in den Oefen angeordnet ist, welcher das Brennen 
einschränkende oder verhindernde Gase zu den Flammen herabführt. Hier- 
durch kam zugleich das Gegentheil von dem zu Stande, was man in Hinsicht 
auf die Wärmeausnützung anstrebt; bei gleichem Gasverbrauch blieb die Tem- 
peratur des Raumes wesentlich niedriger, als es der Fall war, wenn durch 


Beleuchtung. 141 


Fortnehmen der den Niederzug der Verbrennungsgase hervorrufenden Aufsätze 
eine vollkommene Verbrennung herbeigeführt wurde. Es genügte bereits ein 
Druckwiderstand von 0,1 mm Wassersäule, um das Austreten der Verbren- 
nungsgase ans dem vorderen Theil des Ofens und damit ein zeitweiliges Ver- 
schen der Flämmchen und Austritt von unverbranntem Leuchtgas zu er- 
möglichen. 

Es ist jedoch eine lebensgefährliche Anhäufung von Kohlenoxyd nur in 
kleinen, dicht schliessenden Räumen, besonders also in Badezimmern zu ge- 
wärtigen; die kleinen Gasöfen (und die Gasbadeöfen) sind also gerade für 
diejenigen Räume am gefährlichsten, für welche sie nach Ausweis der Kataloge 
empfohlen werden. 

Selbst die an Kamine angeschlossenen, sonst gut gebauten Gasbadeöfen 
bieten Gefahr, sobald der geringste Stau der Abgase in der Esse oder im 
Ofen selbst stattfindet. Eine Lufterneuerung in den Badezimmern ist daher 
zur Zeit des Brennens von Gasöfen wie von Gasbadeöfen dringend geboten 
und jeder Stau der Abgase auf das peinlichste zu vermeiden. 

In sehr kleinen, besonders dicht schliessenden Räumen, besonders also 
in engen Badezimmern vermag auch das Ansammeln der vollkommenen Ver- 
brennungserzeugnisse (Wasserdampf und Kohlensäure) und der gleichzeitige 
starke Verbrauch von Sauerstoff zu Gesundheitsstörungen zu führen. Bei 
einer Ansammlung der Kohlensäure auf etwa 2 pCt. bei gleichzeitiger Ab- 
nahme des Sauerstoffs auf 16—17 pCt. verlöschten die in den Versuchsräu- 
men aufgestellten Flammen und zwar im Durchschnitt der von Gärtner ge- 
wonnenen Zahlenergebnisse bei einem Gehalt der Luft von 2,1 pCt. CO, und 
16,5 pCt. O, während bei einem Gehalt von 19,4 pCt. O ein Gehalt von 
7,4 pCt. CO, (durch direkte Zuführung) erforderlich war, um ein Licht zum 
Verlöschen zu bringen. H. Chr. Nussbaum (Hannover). 


Schmidt C., Beitrag zur technischen Gasanalyse. Bestimmung von 
Wasserstoff, Methan und Stickstoff. Journ. f.. Gasbel. u. Wasservers. 
1900. No. 13. S. 231. 

Schmidt giebt eine Vereinfachung des Explosionsverfahrens an zur Be- 
stimmung des als „Gasrest“ zurückbleibenden Wasserstoffs, Methans 
und Stickstoffs, welche eine für technische Zwecke ausreichende Genauigkeit 
der Wasserstoffberechnung ergiebt. Es wird durch sie in der Mehrzahl der 
Fälle ermöglicht, auf die lästige unmittelbare Bestimmung des Wasserstoffs in 
einem besonderen Theile des Gasrestes zu verzichten, wodurch die Analyse 
in erheblich kürzerer Zeit ausgeführt werden kann. Einige Beispiele lassen 
die Richtigkeit dieser Angabe erkennen; sie lautet wie folgt: 

„Zur Ausführung der Bestimmung empfiehlt es sich, bei Leuchtgas (Stein- 
koblengas) etwa 20 cem Gasrest zu verwenden. Bei kleineren Mengen werden 
die Versuchsfebler leicht zu gross. Diese 20 ccm werden in der Buntebürette 
abgemessen und, mit etwa 125 ccm Luft gemischt, in einer Hempel’schen 
Riplosionspipette entzündet. 

Da die Bürette nur 110 ccm fasst, so muss der Luftzusatz anf zweimal 
vorgenommen werden, wozu man zweckmässig nach der von O. Pfeiffer an- 


142 Beleuchtung. Bäder. 


gegebenen Weise!) verfährt. Nach Absorption der bei der Explosion ent- 
standenen Kohlensäure wird die eingetretene Gesammtkontraktion abgelesen 
und der nicht zur Verbrennung gebrauchte Sauerstoff durch Absorption mit 
Phosphor bestimmt. Der Rest ist Stickstoff. Zieht man von demselben den 
mit der Verbrennungsluft zugesetzten Stickstoff (— Luft X 0,791) ab, so erhält 
man den Stickstoff des Gasrestes. 

Um eine vollständige Verbrennung ohne Bildung von Kohlenoxyd und 
Salpetersäure zu erzielen, hat man darauf zu achten, dass nach der Verbrennung 
noch 2—5 cem Sauerstoffüberschuss vorhanden sind.“ 

H. Chr. Nussbaum (Hannover). 


Martens F. F., Ein neuer Photometeraufsatz. Mittheilung aus der op- 
tischen Werkstätte von Franz Schmidt & Haensch in Berlin. Journal f. 
Gasbel. u. Wasservers. 1900. No. 14. S. 250. 

Martens beschreibt den von ihm erfundenen Photometeraufsatz und 
theilt die Ergebnisse vergleichender Bestimmungen mit über die Genauigkeit 
des neuen mit den bisher gebrächlichen Photometeraufsätzen. 

H. Chr. Nussbaum (Hannover). 


Hilsum, Bakteriologische Untersuchung eines Schwimmbades in 
Bezug auf Selbstreinigung. Aus dem Institut für Hygiene und Bakte- 
riologie der Universität Amsterdam. Oentralbl. f. Bakteriol. Abth. 1. Bd. 27. 
No. 18/19. S. 661. 

Die Untersuchungen des Verf.’s fanden in einem Schwimmbade zu 
Amsterdam statt, dessen Wasser unablässig durch frischen Zufluss theilweise 
ergänzt wurde, während die gröberen Verunreinigungen durch einen Ueberlauf 
abflossen. Die Proben wurden stets aus 1 m Tiefe und in 1 m Abstand von 
den Wandurgen entnommen und mittels des Gelatineplattenverfahrens unter- 
sucht; auch wurden die Anaörobien nach dem Verfahren von A. Klein 
bestimmt. 

Es ergab sich regelmässig in den ersten Tagen nach der Neufüllung des 
Bassins eine starke Zunahme, dann wieder eine fast eben so erhebliche Ab- 
nahme der Keime. Dasselbe wurde an dem Wasser eines Wannenbades nach 
dessen Benutzung durch den Verf., und an einer Probe Vechtwasser, welche 
ohne besondere Vorsorge in einem Kolben aufgestellt war, beobachtet. 

Diese Selbstreinigung des Badewassers konnte weder mit Lichtein- 
wirkung noch mit Sedimentirung erklärt werden, da zur Abend- und Morgen- 
zeit entnommene Proben sich im Bakteriengehalt nicht wesentlich unterschieden, 
und das Wasser durch die darin schwimmenden Personen Tags über fortwährend 
in Bewegung gehalten wurde. Auch Mangel an Nährmaterial oder Bildung 
bakterienfeindlicher Stoffe kam nicht in Betracht; denn das durch Chamber- 
land-Pasteur’sche Kerzen gewonnene Filtrat erwies sich auch zur Zeit der 


1) Journ. f. Gasbel. u. Wasservers. 1809. 


Bäder. Abfallstoffe. 143 


Bakterienabnahme als vorzüglicher Nährboden für verschiedene Bakterienarten. 
Ebensowenig genügte der Einfluss der Verdünnung zur Erklärung des Vorgangs. 
Verf. vermuthet daher, dass es sich um biologische Vorgänge handelt, und 
dass die Bakterien im gegenseitigen Kampf mit einander zu Grunde gehen. 
Kübler (Berlin). 


Kaorr, Max, Oeffentliche Waschanstalten. Gesundheits-Ingenieur. 1900. 
No. 8 u. 9. 

Knorr weist darauf hin, dass mit den Öffentlichen, der Wohlfahrt 
dienenden Badeansalten auch Waschanstalten verbunden oder neben ihnen 
angelegt werden sollten, wie dieses in England und in Holland vielfach ge- 
schieht, um den ärmeren Kreisen der Bevölkerung eine vollkommene und 
billige Art der Reinigung ihrer Wäsche zu bieten. Knorr giebt dann als 
Beispiel in Wort und Bild eine holländische, zu Wohlfahrtszwecken errichtete 
Waschanstalt wieder, deren Anlage sehr wohl als Vorbild zu dienen vermag. 

Oeffentliche Dampfwaschanstalten, die billig arbeiten und Sicherheit bieten 
für die gute Erhaltung der Wäsche, dürften in Zukunft für die Gesammt- 
bevölkerung der Grossstädte von Bedeutung werden, da im Hinblick auf die 
Dienstbotenfrage wie auf das Wohlbehagen im Hause die Reinigung der Wäsche 
besser Waschanstalten überlassen wird. 

H. Chr. Nussbaum (Hannover). 


Untersuchungen zur Strassenbygiene. Bericht im Auftrage des inter- 
nationalen Komites für Strassenhygiene, dem internationalen Kongresse für 
Hygiene und Demographie in Paris 1900 vorgelegt und bearbeitet von Dr. 
E. Almquist, Professor in Stockholm, Dr. R. Blasius, Professor in Braun- 
schweig, Herzog, Branddirektor in Breslau, Dr. Axel Holst, Professor in 
Christiania, A. Hirschmann, Städtischem Ingenieur in München, Dr. Gauch, 
Oberbürgermeister in Stuttgart, Dr. Th. Weyl in Berlin. Herausgegeben von 
Dr. Th. Weyl, derzeit Geschäftsführer des Komites. Carl Heymann’s Verlag. 
Berlin 1900. 103 S. 20 Abbildungen. Preis: 3 Mk. 

Dem Bericht ist das Formular eines „Fragebogens betreffend Strassen- 
hygiene“ vorangeschickt, nach welchem die einzelnen aufgeführten Mono- 
graphien ausgeführt sind. Der ausführliche Fragebogen ist eingetheilt in 
L Allgemeines, II. Hausmüll, III. Strasseumüll, IV. Besprengung der Strassen, 
V. Schneebeseitigung, VI. öffentliche Bedürfnissanstalten. Jeder dieser Haupt- 
abschnitte ist in mehrere Unterabtheilungen getheilt, sodass alles Wissens- 
werthe zur Beantwortung kommt. Die einschlägigen Verhältnisse sind in aus- 
führlicher Weise behandelt für die Städte München, Nürnberg, Augsburg 
(Hirschmann), Braunschweig (Blasius), Breslau (Herzog), Stockholm 
(Almquist), für Norwegen (Axel Holst); für Stuttgart (Gauch) ist der 
Schneeeinwurf eingehend beschrieben. Die in Betracht kommenden Verhält- 
nisse sind naturgemäss, auch in wichtigeren hygienischen Punkten, recht ver- 
schieden. Verschiedentlich sind durch Abbildungen wichtige Fragen erläu- 


144 Gewerbehygiene. 


tert, z. B. verschiedene Sammelgefässe und Sammelwagen für Aufsammlung 
des Mülls, Schneeeinwurf, öffentliche Bedürfnissanstalten. 

Im Anschluss hieran erläutert Weyl einige Neuerungen auf dem Gebiete der 
Strassenhygiene. Er beschreibt zunächst ein System der Müllaufsammlung, 
welches in Wien neuerdings mit bestem Erfolge versucht worden ist. Es be- 
ruht dasselbe auf dem hygienisch als maassgebend erkannten Princip des 
Wechselkastensystems. Dasselbe geht unter dem Namen Hartwich’s Kopro- 
phor (Alex. Hartwich, Wien I, Renngasse 6). Abbildungen erklären das 
Sammelgefäss mit dem staubsicheren Einwurf und den Sammelwagen. 

Ferner beschreibt Weyl die Strassenwaschmaschine „Hercules“ von A. 
Hentschel, Berlin. Dieselbe beruht im Wesentlichen darauf, dass auf einem 
Wagen eine Wassertonne sich befindet, welche das Wasser für die Bespren- 
gung liefert. Hinter dem Wagen befindet sich eine zur Querachse des Wa- 
gens schräg gestellte Walze, welche mit schraubenartig angeordneten Gummi- 
flossen armirt ist. Eine Zahnradübertragung zu einem Hinterrad bewirkt die 
Umdrehung der Walze. Es liegt ein Bericht des Charlottenburger Magistrats 
vor, welcher sich in günstigem Sinne über die Leistungen dieser Maschine 
ausspricht und genaue Angaben über die quantitativen Leistungen und die 
Betriebskosten giebt; letztere stellen sich erheblich billiger als bei Spreng- 
wagen und Handarbeit. 

Wesentliche Schwierigkeiten bot bisher die definitive Beseitigung des 
aufgesammelten Mülls. Neuerdings hat sich in Berlin nach dem Plane des 
Ingenieurs Wegener eine Gesellschaft m. b. H. „Müllschmelze“ gebildet. 
Grössere Versuchsreihen, die von einem Kommissar des Magistrats Berlin auf 
Wunsch der Gesellschaft überwacht worden sind, ergaben das günstigste 
Resultat. Der amtliche Bericht sagt, „dass der Betrieb des Schmelzofens 
keinerlei Belästigung weder durch Rauch noch durch Flugasche noch durch 
Staubentwickelung mit sich bringt. Auch üble Gerüche wurden weder in 
unmittelbarer Näbe noch in grösserer Entfernung vom Ofen wahrgenommen. 
Der Betrieb des Ofens ist bereits derart ausgebildet, dass eine Müllschmelze 
an jeder Stelle einer dicht bewohnten Stadt errichtet werden könne.“ 

Durch diese Art der Beseitigung des Mülls scheint diese hygienisch so 
wichtige Frage definitiv gelöst zu sein. Beninde (Beuthen/Oberschl.). 


Garbe, H., Die Feuersicherheit der gewerblichen Betriebsstätten. 
Centralbl. d. Bauverw. 1900. No. 29. S. 177. 

Die Erhöhung der Feuersicherheit der in Berlin vorbandenen Gross- 
und Kleinbetriebe, welche leicht Feuer fangende oder das Feuer besonders 
stark nährende Stoffe verarbeiten, erwies sich in Folge einer Anzahl verhee- 
render Brände als unerlässlich. Das Polizeipräsidium berief daher einen aus 
höheren Bau-, Gewerbeaufsichts- und Feuerwehrbeamten gebildeten Ausschuss, 
der mit der Aufgabe betraut wurde, zahlreiche Betriebsstätten zu besichtigen 
und auf Grund der beobachteten Mängel Bestimmungen für ihre Abhülfe auf- 
zustellen. 


Gewerbehygiene. 145 


Der Entwurf des Ausschusses wurde einem grösseren Kreise von Ver- 
tretern der Industrie und der Gewerbe zur Begutachtung vorgelegt. Die vom 
Ausschuss als erforderlich erachteten Maassnahmen fanden die volle Billigung 
dieser Herren, sind zum Theil sogar verschärft worden. 

Es kommen in Berlin mehr als 6000 fenergefährliche Betriebe in Betracht, 
die über 1200 Grundstücke einnehmen. Die Bestimmungen zur Erhöhung der 
Feuersicherheit sind den Besitzern dieser Grundstücke mit dem Ersuchen zu- 
gestellt, die Gebäude gemäss denselben einzurichten oder abzuändern; erfor- 
derlichen Falles wird nach einiger Zeit mit polizeilichen Verfügungen vor- 
gegangen werden. 

Die Vergrösserung der Feuersicherheit ist in Berlin von besonderer Be- 
deutung, weil die Betriebsstätten der in hoher Blüthe stehenden Gewerbsthätig- 
keit grösstentheils inmitten der Wohngebiete und selbst im unmittelbaren 
Anschluss an die Wohnungen errichtet sind. Es bestehen dort namentlich 
zahlreiche, um mehrere Höfe angeordnete umfangreiche Anlagen, die vom 
Reller bis zum Dach die verschiedensten gewerblichen Betriebe mit vielen 
Hunderten, ja Tausenden von Arbeitern enthalten. Die Vorderhäuser dieser 
„Gewerbekasernen“ sind zumeist zu Wohnzwecken ausgenützt, sodass der Un- 
kundige nicht zu erkennen vermag, welche lebhafte gewerbliche Thätigkeit 
auf dem hinteren Theile des ausgedehnten Grundstückes ausgeübt wird. 

Diese Anlagen werden nicht für eine bestimmte Art von Betrieben ge- 
baut, vielmehr erst später an die verschiedensten Gewerbetreibenden in dem 
von ihnen gewünschten Umfange vermiethet. Bei Ertheilung der Benutzungs- 
erlaubniss ist bisher auf die unbekannte Betriebsart wenig Rücksicht genom- 
men; später begnügte man sich mit der vom Polizeireviervorsteber und einem 
Öberfenerwehrmann vorgenommenen sog. „Feuer-Visitation“. 

Aus den dargelegten Gründen lassen diese Betriebe in Hinsicht ihrer 
Fenersicberheit recht viel zu wünschen übrig. Die zu ihrer Verbesserung in 
Aussicht genommenen Maassnahmen bezwecken: 

1. die thunlichste Beseitigung der Gefahrquellen, welehe namentlich in 
Hinsicht auf Heizung und Beleuchtung bestehen; insbesondere sind die elek- 
trischen Leitungen und Glühlampen zumeist ungenügend gesichert. 

2. Die Vorkehrungen für die Entleerung der feuergefährlichen Betriebs- 
stätten und der über ihnen gelegenen Wohnungen lassen in den meisten Fällen 
viel zu wünschen übrig. Es ist daher gefordert, dass sie mit zwei geeigneten 
Treppen in Verbindung stehen, welche derart gelegen sind, dass nach dem 
Verqualmen der einen die zweite sicher benutzbar bleibt. Wo besondere Ge- 
fahren bestehen, sollen Wohnungen über den Betriebsstätten überhaupt nicht 
mehr geduldet werden. 

3. Die einzelnen Betriebe sind gegen einander und gegen Wohnungen 
feuersicher abzutrennen, namentlich sind Oeffnungen für Transmissionen, 
Schächte u. dergl. derart zu schliessen, dass die Uebertragung eines Feuers 
oder des Rauches von einer Stätte zur anderen verhütet wird. 

4. Die Sicherheits-, Rettungs- und Löscheinrichtuugen sind zu verbessern. 

Als feuergefährliche gewerbliche Betriebe gelten in der Regel 
Fabriken und andere Arbeitsstätten, in denen Holz, Papier oder Celluloid 


146 Gewerbehygiene. 


verarbeitet werden, oder Galanteriewaaren, künstliche Blumen, Spielwaaren 
aus brennbaren Stoffen, sowie Baumwollerzeugnisse hergestellt, oder Fette, 
Lacke, Theere, Aether, Spiritus, Benzin, Petroleum erzeugt, verarbeitet oder 
in Anwendung gebracht werden, oder wo aus Mehl, Staub, Gasen besonders 
leicht entzündliche oder explosible Gemische sich bilden können; ferner Ta- 
pezier- und Polsterwerkstätten. 

Etwaige zu den feuergefährlichen Betriebsstätten gehörende Lagerräume, 
sowie solche Lagerräume für leicht brennbare Gegenstände (z. B. Polster- 
Rohstoffe, Möbel, Federn), in denen Personen sich dauernd aufhalten, unter- 
liegen gleichfalls in der Regel den Bestimmungen, welche am Schluss der 
Originalabhandlung zur Wiedergabe gelangt sind. 

H. Chr. Nussbaum (Hannover). 


Amtliche Mittheilungen aus den Jahresberichten der Gewerbe- 
Aufsichtsbeamten. 23. Jahrg. 1898. 268 Seiten. Mit Tab. u. Abbild. 
Berlin 1899. 

Die Zahl der den Aufsichtsbeamten angezeigten Unfälle hat in der 
Mehrzahl der Bezirke zugenommen, was zum Theil auf eine gewissenhaftere 
Handhabung des Meldewesens, auf die im Berichtsjahre zum ersten Male er- 
folgte Berücksichtigung der Unfälle in staatlichen Betrieben und auf die Ein- 
stellung vieler mangelhaft vorgebildeter Arbeiter, welche sich bei der Ver- 
grösserung zahlreicher Betriebe nicht vermeiden liess, zurückzuführen ist. 
Unter den Ursachen der Unfälle spielen Unachtsamkeit und Ungeschicklichkeit 
der Arbeiter, sowie Beseitigung vorhandener Schutzvorrichtungen eine grosse 
Rolle. Der Zustand der Arbeitsräume und der Betriebseinrichtungen ist vom 
Standpunkte der Unfallverhütung im Allgemeinen erheblich besser ge- 
worden. Andererseits fehlt es auch nicht an Ausstellungen, vornehmlich 
bezüglich kleinerer Betriebe. 

In der Bekämpfung gesundheitsschädlicher Einflüsse sind wieder er- 
freuliche Fortschritte gemacht worden. Die Wichtigkeit der Gewerbehygiene 
begegnet bei den Arbeitgebern wie bei den Arbeitern stetig wachsender Würdi- 
gung. Hinsichtlich der Beseitigung des Staubes wird noch nicht immer ge 
nügend darauf Rücksieht genommen, die Arbeitsmaschinen von vornherein mit 
geeigneten Absaugungsvorrichtungen auszustatten. Zur Beseitigung gesundheits- 
schädlichen Mineralstaubes sind vielfach zweckmässige Vorrichtungen getroffen 
worden. Erfolg hatten ferner die auf Beseitigung des Holzstaubes gerichteten 
Bestrebungen. Von grosser Wirkung ist nach dem Berichte aus Berlin eine 
bei der Anfertigung von Kohlenstiften für elektrische Bogenlampen benutzte 
Absaugevorrichtung. Erkrankungen von Arbeitern an Regenbogenhaut-Ent- 
zändung, welche durch Staub in Folge Zerkleinerns von Hartgummiabfällen 
zu entstehen scheinen, sind nach Einführung wirksamer Absaugevorrichtungen 
nicht mehr aufgetreten. Als ein wirksames Mittel zur Beseitigung salpetrig- 
saurer Dämpfe in Metallbeizereien wird die Absaugung mittels Dampfstrahl- 
gebläses bezeichnet. 

Unter den Gesundheitsstörungen in Folge Verarbeitung schädlicher Stoffe 
nehmen die Bleierkrankungen einen hervorragenden Platz ein; es wurden 


Medicinalwesen. 147 


solche beispielsweise auch in Ofenfabriken, in einem Eisenwerk, das Majolika- 
imitationen für Luxusöfen herstellt, in einem Giessemaillirwerk, einer Herd- 
fabrik, einer Waschmaschinenfabrik, in einer Weberei wollener Waaren beob- 
achtet. Erkrankungen an Phosphornekrose sind aus den Bezirken Kassel, 
Düsseldorf, Oberbayern, Mittelfranken, Schwarzburg-Sondershausen und Loth- 
ringen mitgetheilt worden. In der grössten Alkali-Chromatfabrik des 
Bezirkes Düsseldorf wurden 3,8 pCt. sämmtlicher Arbeiter von Chromerkran- 
kongen befallen. Erkrankungen an Anilismus kamen in den Bezirken Pots- 
dam, Düsseldorf und Offenbach zur Kenntniss der Aufsichtsbeamten; in dem 
ersteren scheinen sämmtliche in den Anilinbetrieben beschäftigten Arbeiter 
und die mit Nitrirungsarbeiten befassten Leute an chronischem Anilismus oder 
der verwandten, durch Nitrobenzol hervorgerufenen Krankheit zu leiden. Ueber 
Milzbranderkrankungen in Rosshaarspinnereien wird aus 3 Bezirken berichtet. 
An Hautkrankheiten hatten Arbeiter in Folge ihrer Beschäftigung vielfach 
zu leiden, z. B. solche in Sicherheits-Zündholzfabriken, vielleicht durch Ein- 
wirkung des verwendeten Paraffins, die in Steinkohlenbrikettfabriken mit Pech- 
hacken beschäftigten Arbeiter u. s. w. Bezüglich des weiteren reichen Inhalts 
muss auf das Werk selbst verwiesen werden. Würzburg (Berlin). 


Schneider, Alfred und Süss, Paul, Handkommentar zum Arzneibuch für 
das Deutsche Reich vierter Ausgabe — Pharmacopoea Germanica, editio 
IV. Mit Abbildungen im Text. Göttingen 1900. Vandenhoeck & Ruprecht. 
80. Preis: vollständig etwa 15 Mk. 

Einem neuerdings eingebürgerten Gebrauche folgend beginnen die Er- 
läuterangen zu einer neuen Ausgabe des amtlichen Arzneibuches eher als 
die Urschrift selbst zu erscheinen. Auch von dem obenerwähnten, als dritte 
Auflage des Hirsch-Schneider’schen Kommentars (zur dritten Ausgabe des 
DeutschenArzneibuchs)herausgegebenenWerke liegt bereits seitMitte vorigen 
Jahres die erste, 64 Seiten umfassende Lieferung vor. Diese beschreibt zunächst 
(Seite 3—42) „die zur Erkennung und Werthbestimmung der Arzueimittel 
wichtigsten physikalischen und chemischen Prüfungen“ und zwar A. physi- 
kalische Prüfungen: Temperatur, specifisches Gewicht, Schmelz- und Siede- 
punkt, Löslichkeit und Mikroskopie; B. chemische Prüfungen: Gewichts- und 
Maassanalyse, Bestimmung der Säure und Asche, Empfindlichkeit der Reaktionen; 
C. Arbeitsmethoden: Filtriren, Ausziehen, Sterilisiren und Wiedergewinnung 
von Chemikalien. Die Mehrzahl dieser Abschnitte hat auch für den Hygie- 
niker, welcher über kein völlig eingerichtetes Laboratorium verfügt, bei prak- 
tischen Arbeiten Wichtigkeit, da beı Auswahl des Stoffes eine Verwendbarkeit 
im pharmaceutischen Laboratorium mit seinen häufig nur bescheidenen Hülfs- 
mitteln maassgebend war. Der nächste Abschnitt: „Reagentien und volu- 
metrische Lösungen“ erscheint insofern für den Hygieniker von Bedeutung, 
als sich daraus entnehmen lässt, ob eine Untersuchung im Einzelfalle etwa mit 
den Mitteln einer ländlichen oder kleinstädtischen Apotheke ausgeführt werden 
könne, oder welche Reagentien sich aus einer solchen bei Bedarf in genügender 
Reinheit beschaffen lassen. Helbig (Serkowitz). 


148 Medicinalwesen. 


Schelenz, Hermann, Frauen im Reiche Aeskulaps. Ein Versuch zur 
Geschichte der Frau in der Medicin und Pharmacie unter Be- 
zugnahme auf die Zukunft der modernen Aerztinnen und Apo- 
thekerinnen. Leipzig 1900. Ernst Günther. 

Man hat den Männern der medicinischen Wissenschaften im Laufe des 
letzten halben Jahrhunderts vielfach, und gewiss nicht mit Unrecht, den Vor- 
wurf gemacht, sie hätten den historischen Zusammenhang mit ihren Vorgängern 
verloren, sie benützten die geistige Hinterlassenschaft derselben, ohne sich, 
undankbarer Weise, auch nur um die Namen der Erblasser zu bekümmern, 
und sie verfolgten einen empirisch wissenschaftlichen Beruf, dessen Entwicke- 
lung ihnen fremd sei. 

Ob Schelenz, dessen emsiger Fleiss und sorgfältige Arbeit, besonders 
auf dem Gebiete der medicinischen und pharmaceutischen Kleingeschichte ja 
längst bekannt ist, mit dem vorliegenden Werke von vornherein und ursprüng- 
lich nur hat dazu beitragen wollen, den Antheil der Frauen an der Ent- 
wickelung der medicinischen Disciplinen der Aerzte- und Apothekerschaft 
erkennbar zu machen, oder ob er sich von Anfang an vorgenommen hat, aus 
geschichtlichen Thatsachen die Befähigung der Frauen für den Beruf als Arıt 
und Apotheker zu erforschen, sicher ist, dass das Ergebniss dieses Werkes als 
Argument für die Zulassung der Frauen zur ärztlichen und pharmaceutischen 
Berufsthätigkeit nicht angeführt werden kann. Man kann Schelenz nicht 
widersprechen, wenn er behauptet, die Ausübung der Heilthätigkeit habe in 
natürlichster Weise zuerst der Frau zufallen müssen, und man wird hinzufügen 
können, dass auf diesem Gebiet der Mann gewiss nicht freiwillig und ohne 
zwingenden Grund die Frau rücksichtslos verdrängt und sich an ihre Stelle 
gesetzt hat; und wenn die Heilthätigkeit der Frau entfallen ist, so müssen 
andere Gründe dafür vorliegen. Die Befähigung zu einem Berufe muss sich 
im Laufe der Zeit durch die Entwickelung des Berufes durch den Ausübenden 
kennzeichnen. Wie aber zeigt sich diese Entwickelung des ärztlichen und 
pharmaceutischen Berufes in den Händen von Frauen? Die Hunderte von 
Namen heilbeflissener Frauen, die Schelenz anführen kann, bilden natürlich 
die Exponenten der jeweiligen Berufsintelligenz, denn die Namen der Tausende 
und Hunderttausende, deren Standpunkt ein niederer war, hat die Geschichte 
nicht überliefert. Und was haben jene Exponenten für die Entwickelung der 
Heilkunst gethan, was haben sie von ihrem Wissen und Können der Nachwelt 
hinterlassen? Nichts und einfach weniger als Nichts, die Diskreditirung des 
ärztlichen Berufes. 

Dass Schelenz auf Grund seiner Forschungen die Frauen für unbe- 
fähigt zum ärztlichen und Apothekerberuf hält und sich gegen ihre 
Zulassung zu diesen Berufen ausspricht, ist selbstverständlich. 

Der Ton des Werkes ist liebenswürdig, die Sprache leicht verständlich. 
Ich kann Jedem, der an dieser wichtigen Frage, betreffend die weitere Ent- 
wickelung des ärztlichen und pharmaceutischen Berufes, Interesse hat, — und 
welcher Arzt oder Apotheker hätte es nicht? — das nicht grosse Werk (74 Seiten) 
lebhaft empfehlen. Jacobson (Halberstadt). 


Verschiedenes. 149 


Nakanishi K., Beiträge zur Kenntniss der Leukocyten und Bakterien- 
sporen. Aus dem hygienischen Institut der Universität München. Münch. 
med. Wochenschr. 1900. No. 20. S. 680. 

Mit seiner bereits beschriebenen Färbemethode (vergl. diese Zeitschrift 
1900, S. 1034) hatte Verf. gefunden, dass solche polynukleären Leuko- 
cyten, bei denen sich die Kerne unmittelbar nach der Anfertigung des 
Präparats bereits intensiv gefärbt zeigen, wohl als todte oder wenigstens als 
im Absterben befindliche ‘Individuen aufzufassen sind. Weitere Untersuchun- 
gen ergaben, dass normales Blut annähernd 3—5 pCt. abgestorbene oder im 
Absterben begriffene Leukocyten enthält. Die Lymphocyten waren alle oder 
fast alle lebend. Ferner fand sich, dass die Leukocyten sowohl im entnom- 
menen Blate als auch in den flüssigen Exsudaten nicht so leicht zu Grunde 
gehen, wie man bisher angenommen hatte, sondern sehr lange (bis zu 4 Wochen) 
am Leben bleiben können. 

Die Färbemethode von N. eignet sich, wie früher erwähnt, auch zum Stu- 
dium der Sporenbildung und der Auskeimung der Sporen. Dieser Vorgang 
wird von N. folgendermaassen beschrieven: Auseinandergehen der frisch ge- 
theilten Kerne gegen die Pole der in die Länge gewachsenen Bakterienzelle; 
Aufhören der Zelltheilung, Aufhellen des Protoplasmas in der Sporenhälfte 
und gleichzeitige Koncentration der chromophilen Substanz um den Kern; Auf- 
treten der Membran um diesen Chromatinkörper und damit verbundenes, all- 
mähliches Verlorengehen der färbbaren Eigenschaft und Erscheinen eines fett- 
tröpfchenartigen Glanzes bei demselben; gleichzeitiges Wachsen der Sporen 
und dadurch bedingtes Verdrängtwerden der vegetativen Hälfte; Verlust der 
Eigenschaft, Farbstoff aufzunehmen, sowohl bei der Spore, als auch beim 
Protoplasma der vegetativen Hälfte; Zerfall der Membran und des Protoplas- 
mas, mit Ausnahme des die Spore umgebenden Theils, und damit verbundenes 
Freiwerden der Spore; Anschwellen der Spore, Verlust des Glanzes und Sicht- 
barwerden des Sporenkernes resp. der Sporenkerne; Platzen der Sporenmem- 
branen und Austritt eines jungen Bacillus. Dieudonne (Würzburg). 


Kuntze W., Ein Beitrag zur Kenntniss der Bedingungen der Farb- 
stoffbildung des Bacillus prodigiosus. Zeitschr. f. Hyg. u. Infektions- 
krankh. Bd. 34. S. 169. 

Indem der Verf. von eiweissfreien Nährflüssigkeiten mit genau be- 
kannter chemischer Zusammensetzung, wie sie von Scheurlen und 
Uschinsky angegeben sind, ausging und einen ihrer Bestandtheile nach dem 
andern fortliess oder änderte, ermittelte er, dass der Bac. prodigiosus auf 
Näbrböden, die weder Magnesium noch eine Schwefelverbindung 
enthalten, ohne Farbstoffbildung wächst, dass diese aber sich ein- 
stellt, sobald Magnesiumsulfat hinzugesetzt wird, und zwar genügt 
hierzu schon die geringe Menge von 1 auf 100000. Für sich allein hat weder 
Magnesium oder eins seiner Salze, noch Schwefel oder eine seiner Zusammen- 
setzungen diese Wirkung, wohl aber der gleichzeitige Zusatz von Magnesium 
oder Magnesia usta und Schwefelsäure. 

Dies stimmt mit den Versuchsergebnissen von Noesske beim Bac. pyo- 


150 Kleinere Mittheilungen. 


cyaneus und von Thumm bei verschiedenen Arten fluorescirender Bacillen 
überein. Für den Bac. fluorescens liquefaciens fand es der Verf. ebenfalls 
bestätigt. Globig (Kiel). 


Kleinere Mittheilungen. 


(G) Der 19. Kongress für innere Medicin findet vom 16.—19. April d. J. 
in Berlin statt. Präsident ist Geh.-Rath Sen ator-Berlin. 

Folgende T'hemata sollen zur Verhandlung kommen: Herzmittel und Vasomo- 
torenmittel (Referenten: Gottlieb-Heidelberg und Sahli-Bern). Die Entzündung des 
Rückenmarkes (Referenten: v. Leyden-Berlin und Rediich-Wien). — Ferner sind 
folgende Vorträge angemeldet: Bier-Greifswald (auf Wunsch des Geschäftscomites): 
Ueber die Anwendung künstlich erzeugter Hyperämien zu Heilzwecken. Smith-Schloss 
Marbach: Die Funktionsprüfung des Herzens und sich daraus ergebende neue Gesichts- 
punkte. Schütz-Wiesbaden: Ueber die Hefen unseres Verdauungskanales. J. Hof- 
mann-Schloss Marbach: Ueber die objektiven Wirkungen unserer modernen Herzmittel 
auf die Herzfunktion. Hirschberg-Frankfurt a. M.: Die operative Behandlung der 
hypertrophischen Lebereirrhose. v. Strümpell-Erlangen: Ueber Myelitis. Schott- 
Nauheim: Ueber das Verhalten des Blutdruckes bei der Behandlung chronischer Herz- 
krankheiten. Strasburger - Bonn: Gährungsdyspepsie der Erwachsenen. Huge 
Wiener-Prag: Ueber synthetische Bildung der Harnsäure im Thierkörper. Münzer- 
Prag: Zur Lehre von der Febris hepatica intermittens nebst Bemerkungen über Harn- 
stoffbildung. Litten-Berlin: Thema vorbehalten. Hermann Strauss-Berlin: De- 
monstration eines Präparates von „idiopathischer“ Oesophagus-Dilatation. Martin 
Mendelsohn-Berlin: Ueber die Erholung des Herzens als Maass der Herzfunktion. 

Theilnehmer für den Kongress kann jeder Arzt werden. Die 'Theilnehmerkarte 
kostet 15 Mark. Die Theilnehmer können sich an Vorträgen, Demonstrationen und 
Diskussionen betheiligen und erhalten ein Exemplar der Verhandlungen gratis. 


(:) In dem soeben erschienenen Heft 1 des 31. Bandes der Vierteljahrsschr. für 
ger. Medicin erwähnt E. Pfeiffer jun. (Weimar) auf S. 156 auch die Landmann 'sche 
keimfreie Lymphe und führt zu ihrer Beurtheilung wieder die in dem von Frosch 
seiner Zeit erstatteten Bericht der Kommission zur Prüfung der Impfstofffrage nieder- 
gelegten Ergebnisse an, nach denen „auch in Landmann’s noch wirksamer Lymphe 
fremde Keime gefunden wurden; war Landmann’s Vaccine keimfrei, so war sie auch 
wirkungslos“. Die gleiche Anschauung vertritt Czaplewski, der in einem eingehen- 
den Aufsatz „über die Bakteriologie der I,ymphe“ (Deutsche med. Wochenschr. 1909. 
S. 723) schliesslich auf einige von mir im Verein der Aerzte zu Halle a. S. am 22. Juni 
1900 geäusserte und in der Münch. med. Wochenschr. 1900, S. 1054 auszugsweise ver- 
öffentlichte Bemerkungen hinweist, in denen ich von der „wirksamen und keimfreien 
Mercek’schen Lymphe“ gesprochen hatte und kritisch hinzugefügt: „nun haben aber 
meines Wissens von anderer Seite angestellte Untersuchungen ergeben, dass auch diese 
Lymphe zwar keimarm, aber nicht keimfrei und wenig wirksam ist“. 

Ich möchte diesen und ähnlichen Stimmen gegenüber hervorheben, dass in den 
medicinal-statistischen Mittheilungen aus dem Kais. Ges.-A. 1899, Bd. 5, S. 147 der 
officielle Bericht des Hamburger Impfinstituts publieirt ist,in dem es heisst: 
„Die Firma E. Merck in Darmstadt bringt neuerdings einen keimfreien Impfstoff, von 
dem der hiesigen Anstalt eine Probe überlassen worden ist, in den Handel. Im De- 
cember gelangte die Anstalt in den Besitz von 6 ziemlich geräumigen, inhaltreichen, 
beiderseits zugeschmolzenen Kapillarröhrchen. Aus allen 6 Röhrchen sind im hiesi- 


Kleinere Mittheilungen. 151 


gen hygienischen Institut Proben entnommen und mit dem üblichen Verfahren 
auf ihren Keimgehalt geprüft worden. AlleAussaaten auf frisch bereiteten Trauben- 
zuckeragar und auf Löffler’sches Blutseram lieferten keine Kolonien. Dem- 
nach muss der Inhalt dieser Röhrchen als frei von ungewollten verunreinigenden, auf 
den verwendeten Nährböden wachsenden Keimen angesehen werden. Nach Beendigung 
dieser Untersuchung wurde der übrig gebliebene Theil dieses Impfstoffs einem Kalbe 
am Damm und am Ohr verimpft. Nach 5mal 24 Stunden hatten sich am Damm gute, 
am Ohr kümmerliche Pusteln entwickelt. Wir hatten das Thier gleichzeitig auf seine 
Rippenfläche mit guter Vaccine geimpft, auch diese war sehr gut gediehen. Beide 
Sorten wurden getrennt abgeerntet, jede für sich auf die übliche Weise mit Glycerin 
verrieben und auf Menschen verimpft, desgleichen der Rest der keimfreien 
Lymphe aus Darmstadt. Die seit mindestens 3 Wochen in Glasröhrchen aufbe- 
wahrte keimfreie Lymphe gab an 7 Kindern auf 21 Schnitt 21 Pusteln von 
untadeliger Beschaffenheit. In einem Falle war die Arcola ziemlich stark ge- 
röthet, obwohl ein sterilisirtes Messer mit der keimfreien Lymphe armirt worden war. 

Nicht minder befriedigend gedieh der Versuch mit der aus keimfreier l,ymphe 
am kalbe entstandenen Vaccine. Es wurden 10 Kinder mit je 6 Schnittchen geimpft, 
60 Pusteln entwickelten sich, die sich von den aus frischer Hamburger Vaccine hervor- 
gegangenen Pusteln nicht unterscheiden liessen.“ 

Man sollte füglich erwarten, dass die an so auffälliger und leicht zugänglicher 
Stelle und von so hervorragender Seite mitgetheilten genauen Angaben über die Be- 
schaffenheit der Landmann’schen Lymphe wenigstens bei den gerade auf diesem 
Sondergebiete thätigen Forschern Beachtung gefunden hätten. Sind die hier berich- 
teten Resultate doch von grösster grundsätzlicher Bedeutung für unsere Ver- 
muthungen betreffs der Natur des Vaccinekeims, insofern sie mit Sicherheit be- 
zeugen, dass er zu den auf unseren gebräuchlichen Nährböden zücht- 
baren Arten von Mikroorganismen nicht gehören kann. Wäre diese That- 
sache in weiteren Kreisen bekannt, so mancher Kokkus und Bacillus, der noch in den 
letzten Jahren dem p. t. Publikum als Erreger der Menschen- und Kuhpocken vorge- 
stellt worden ist, würde wohl nicht das Licht der Welt erblickt haben. „Wenn die 
Herren mehr lesen wollten, so brauchten sie nicht so viel zu entdecken“, hat Frerichs 
einmal gelegentlich gesagt. C. F. 

()In Frankreich ist seit dem 1.Januar ein Gesetz in Kraft getreten, wonach die 
bisher auf den einfach vergohrenen Getränken, wie Wein, Apfel- und Birnwein 
u.s. w. lastenden Verzehrsteuern aufgehoben, dagegen umgekehrt die für die ge- 
brannten Getränke bestimmten erhöht worden sind. Artikel 13 dieses Gesetzes besagt 
ausserdem, dass Herstellung, Verkauf und Vertrieb solcher alkoholischen Getränke, 
namentlich Liköre, Essenzen u. s. w. verboten werden kann, denen eine besondere 
(resundheitsschädlichkeit durch die Académie de médecine zugesprochen wird. 

C) Seit dem 1. Januar 1901 ist in Frankreich ein Gesetz in Kraft, das für die 
weiblichen Angestellten in den Geschäften eine ihrer Zahl gleichkommende 
Zahl von Stühlen tordert. In Deutschland ist nur von derGewährung „ausreichender“ 
Sitzgelegenheit die Rede, in England soll auf drei Angestellte je ein Stuhl kommen. 


(:) In den englischen Fachzeitungen, namentlich dem British medical Journal 
nnd Lancet, finden sich seit einigen Wochen zahlreiche sehr bemerkenswerthe Mit- 
tbeilungen über das Vorkommen von Arsenikvergiftungen bei Biertrinkern, 
die bald unter den typischen Erscheinungen der betreffenden Intoxikation, bald an 
Polyneuritis u. s. w. erkrankt waren. In den betreffenden Bierproben sind nun in der 


152 Kleinere Mittheilungen. 


That beträchtliche Mengen von Arsenik nachgewiesen worden, das nach der Meinung 
der meisten bisher zu Worte gekommenen Sachverständigen dadurch in das Bier ge- 
langt ist, dass die Brauer an Stelle des Malzes vielfach Glukose verwendet haben, 
letztere aber aus dem Amylum durch Behandlung mit roher, aus Pyrit bereiteter und 
also mit Arsen verunreinigter Schwefelsäure gewonnen worden war. Einige 
Untersucher vertreten auch die Anschauung, dass der zum Schwefeln des Hopfens 
benutzte Schwefel arsenhaltig gewesen sein könne. Indessen verdient die erste An- 
nahme schon deshalb grösseren Glauben, weil die Arsenvergiftungen in den verschie- 
densten Theilen des Landes beobachtet worden sind und nachgewiesenermaassen etwa 
200 Brauereien ihre Glukose aus einem und demselben Grossbetriebe, also der näm- 
lichen Quelle bezogen haben. 


(J) Unter 277 deutschen Orten hatten eine höhere Sterblichkeit als 35,0 
(auf je 1000 Einwohner und aufs Jahr berechnet) im November 1900: 1 gegenüber 
9 im Oktober, eine geringere als 15,0 pM.: 84 gegenüber 27 im Vormonat. Mehr Säug- 
linge als 333,3 auf je 1000 Lebendgeborene starben in 6 Orten gegenüber 37, und 
weniger als 200,0 in 11 Orten gegen 95 im vorhergehenden Monat. 

(Veröff. d. Kais. Ges.-A. S. 21.) 


Stand der Seuchen. Nach den Veröffentlichungen des Kaiserlichen Gesund- 
heitsamtes. 1901. No. 1 u. 2. 

A. Stand der Pest. I. Türkei. Smyrna. 2. 1.: ein pestverdächtiger Fall. 
ll. Britisch-Ostindien. Präsidentschaft Bombay.11.—17. 11. 1900: 821 Er- 
krankungen, 627 Todesfälle. 18.—24. 11. 1900: 731 Erkrankungen, 578 Todesfälle. 
25. 11.—1. 12. 1900.: 833 Erkrankungen, 616 Todesfälle. Stadt Bombay. 11.bis 
24. 11. 1900: 91 Erkrankungen, 52 Todesfälle, 218 Personen unter Pestverdacht ge- 
storben. 25. 11.—1. 12. 1900: 116 Erkrankungen, 76 Todesfälle, 166 Personen unter 
Postverdacht gestorben. Ill. Philippinen. Manila. 30. 9.—6. 10. 1900: 6 Erkran- 
kungen, davon 5 tödtlich. V. Kapland. Izinyoka, Bezirk King Williams Town 
bis 5.12. 1900: 13 Erkrankungen mit 4 Todesfällen, 7 Kranke angeblich durch Yersin- 
sches Serum geheilt. Das verseuchte Gebiet war in einer Ausdehnung von 4 engli- 
schen Quadratmeilen von jedemVerkehr abgesperrt. Die dasselbe bewohnenden346Per- 
sonen wurden täglich ärztlich untersucht. Die meisten derselben sind mit Haffkin- 
serum geimpft. VI. Mauritius. 15.—29. 11. 1900: 80 Neuerkrankungen, 58 Todes- 
fälle. VII. Brasilien. Rio de Janeiro. 11. 1900: 26 Erkrankungen, 21 Todesfälle. 
Petropolis. 1.—10. 11. 1900: 4—5 Pestfälle. VIII. Uruguay. Montevideo: An 
Bord des am 12. 10. 1900 hier eingetroffenen englischen Dampfers „Highland Prince“ 
sind unterwegs mehrere Todesfälle an Pest vorgekommen. Seitens der Gesundheits- 
behörden wurden alle nothwendigen Vorsichtsmaassregeln getroffen. IX.Queensland. 
Uebersiggt über die Pestfälle bis zum 10. 11. 1900: Im Ganzen in der Kolonie 131 Er- 
krank: n, 55 Todesfälle, und zwar in Brisbane: 52 Erkrankungen, 24 Todesfälle. 
InTownsville: 37 Erkrankungen, 9 Todesfälle. In Rockhampton: 35 Erkran- 
kungen, 20 Todesfälle. In Cairns: 5 Erkrankungen, 2 Todesfälle. In Ipswich und 
in Charters Towers: je 1 Erkrankung. 11.—17. 11. 1900: keine Neuerkrankungen, 
keine Todesfälle. 

B. Stand der Cholera. I. Britisch-Ostindien. Kalkutta. 25.11.—1.12. 
1900: 35 Todesfälle. II. Straits-Settlements. Singapore. 18. 11.—24. 11. 190: 
63 Neuerkrankungen, 48 Todesfälle. 25. 11.—1.12. 1900: 36 Erkrankungen, 33 Todes- 
fälle. Jacobitz (Halle a. S.). 


Verlag von August Hirschwald, Berlin N.W. — Druck von L. Schumacher in Berlin. 


Hygienische Rundschau. 


Herausgegeben 
von 
Dr. Carl Fraenkel, Dr. Max Rubner, Dr. Carl Günther, 
Prof. der Hygiene in Halle 2/8. Geh. Med.-R., Prof. der Hygiene in Berlin. Professor in Berlin. 


II. Jahrgang. Berlin, 15, Februar 1901. W 4. 


(Aus dem hygienischen Institut der Universität Berlin.) 


Beiträge zur Wohnungsdesiniektion durch Formaldehyd: 


I. Die zweckmässigste Form des Verdampfiungsapparats. 
II. Einfluss der Temperatur auf die Desinfektionswirkung. 
LI. Verstärkung der Desintektionswirkung durch künstliche Luftmischung. 


(Vorläufige Mittheilung.) 


Von 


Stabsarzt Dr. Eugen Mayer und Privatdocent Dr. Heinrich Wolpert, 
Assistenten am Institut. ` 


Die Wirkung des Formaldehyds als Desinfektionsmittel ist eine 
eigenartige, zu deren Zustandekommen eine Reihe von Bedingungen gehören. 
Zunächst haben sich die Vorstellungen, welche man sich etwas aprio- 
ristisch über dieses Desinfektionsverfahren machte durch die Behauptung, dass 
es sich um eine einfache „Gasdesinfektion“ handle, nicht bewahrheitet. Wie 
Rubner und Peerenboom zuerst dargethan haben, erhält sich der verdampfte 
Formaldehyd nicht im gasförmigen Zustand, sondern die Neigung, sich aus 
der Luft abzuscheiden, ist eine ganz hervortretende Eigenschaft bei diesem 
Desinfektionsmittel. 

Des Weiteren kommt dem Grade der Luftfeuchtigkeit, wie gleichfalls 
durch die Versuche unseres Laboratoriums gezeigt worden ist, ein bedeutungs- 
voller Einfluss zu, der aber in den Experimenten von anderer Seite, wie wir 
glauben mit Unrecht, so hingestellt worden ist, als wenn eine Wasserdampf- 
sättigung des Raumes ein unbedingtes Erforderniss sei. 

Indess sind damit die Bedingungen, welche auf den Gang der Desinfektion 
von Einflass sind, nicht erschöpft. Bei einer grösseren Reihe nach einer be- 
stimmten Richtung hin mit Formaldehyd angestellter Desinfektionsversuche, die 
in die Zeit vom Mai 1900 bis Jannar 1901 fielen, fanden wir mehrere Momente, 
die theils nicht genügend bekannt, theils bisher nicht gehörig gewürdigt, uns 
einer genaneren Betrachtung und Bekanntgabe werth erschienen. Als Test- 
objekte verwendeten wir ausschliesslich Milzbrandsporen-Seidenfäden; trotz 

11 


154 Mayer u. Wolpert, 


neuerdings gewiss nicht mit Unrecht gemachter Einwendungen glaubten wir 
doch dieses Material anderen Mikroorganismen vorziehen zu müssen, da es 
äusseren Einflüssen gegenüber entschieden konstanter bleibt als nicht sporen- 
haltiges Bakterienmaterial, was bei zahlreichen, auf längere Zeit vertheilten 
Versuchen ein nicht zu unterschätzender Vortheil ist. Die angewendeten 
Sporen besassen dem strömenden Wasserdampf gegenüber eine Resistenz von 
3—5 Minuten. 


I. Die zweckmässigste Form des Verdampfungsapparates. 


Die Art der zur Formaldehyddesinfektion zu benützenden Apparate ist 
eine sehr mannigfaltige. Die Konstruktion derselben gründet sich auf die 
allgemeinen Anschauungen, die man über das Zustandekommen der Desin- 
fektion gewonnen, speciell auf die Herbeiführung einer wasserdampfreichen 
Luft neben der Anreicherung letzterer mit Formaldehydgas. Allgemein zeigt 
sich das Bestreben, zu einfachen Einrichtungen überzugehen, was der Ver- 
breitang und Anwendbarkeit der Methode nur zugute kommen kann. 

Die Verdampfung aus einfachen Lösungen hat, kann man sagen, die 
übrigen Verfahren so ziemlich verdrängt. Freilich war die Art der Ver- 
dampfung vor noch kurzer Zeit nicht ganz zweckmässig. Die chemische That- 
sache, dass der Formaldehyd bei zunehmender Koncentration der Lösungen zu 
Kondensation und Bildung von Paraldehyd neige, gab Veranlassung, den Forn- 
aldehyd aus Lösungen zu verdampfen, unter Verhütung des vollen Eindampfens 
der Flüssigkeit, d. h. ohne völlige Ausnutzung des angewendeten Materials. 
Rubner und Peerenboom-haben zuerst Angaben darüber gemacht, dass es unter 
Umständen gar nicht nothwendig sei, verdünnte Lösungen zu verdampfen und das 
völlige Verdampfen der Flüssigkeit zu vermeiden, da ja doch der gesammte Form- 
aldehyd ohne die gefürchtete Paraldehydbilduug zum Verdampfen kommt und 
verwerthet wird. 

Völlige Verdampfung wird jetzt, wie wir sehen, auch von anderer Seite 
angewendet, und man verzichtet auf die theilweise Verdampfuug des For- 
malins sowohl bei dem „Breslauer“ als bei dem „Strassburger“ Verfahren. 

Da für den praktischen Werth der Formaldehyddesinfektion die Art des 
Apparats und seiner Verwendung von Bedeutung sein muss, haben wir noch- 
mals auf diese Frage zurückgegriffen. 

In seiner Schrift: „Die Desinfektion durch Formaldehyd auf Grund prak- 
tischer Erfahrungen“, die im Oktober 1900 erschien, beschreibt Flügge zum 
ersten Mal seinen Apparat so ausführlich, dass derselbe, wie er selbst meint, 
danach von jedem Klempner hergestellt werden könne. Der Apparat besteht 
im wesentlichen aus einem Kupferkessel von ungefähr 35 cm Durchmesser, 
dessen hart aufgelötbeter Deckel in der Mitte eine Abströmungsröhre mit einer 
lichten Weite von nur etwa 1/, cm trägt. In diesen Kessel, der von einem 
Eisenblechmantel getragen wird, füllt man Formalin nebst Wasser ein; die 
Verdampfung der Flüssigkeit geschieht durch einen sehr grossen Spiritus- 
brenner mit Luftzuführung durch etwa 20 in zwei koncentrischen Kreisen an- 
geordnete Röhren. 

Wir benutzten zu unseren Versuchen zunächst einfache Emailletöpfe, die 


Beiträge zur Wohnungsdesinfektion durch Formaldehyd. 155 


zum Schutz gegen das Feuerfangen der Formaldehyddämpfe mit einem trichter- 
förmigen Aufsatz versehen waren und durch gewöhnliche Spiritusbrenner an- 
geheizt wnrden. Für’s erste sahen wir in dieser Zusammenstellung einen 
N\othbebelf und waren der Ansicht, dass der „Breslauer“ Apparat wahrschein- 
lich besser wirken werde. Vergleichende Versuche mit denselben Formalin- 
mengen belehrten uns schliesslich eines anderen. Wir bezogen im November 
1%0 einen Flügge’schen Originalapparat von der von Flügge (Seite 10 
seiner Schrift) namhaft gemachten Firma, G. Härtel in Breslau, zum Preise 
von etwa 70 Mark. Die damit erzielten Resultate waren in keinem Falle 
besser als die mit unserer einfachen Anordnung erhaltenen; im Gegentheil, 
es hatte darchaus den Anschein, dass in einzelnen Fällen die Wirkung unseres 
Apparates eine stärkere war. Diese verschiedene Wirkung lässt sich unseres 
Brachtens recht wohl auf die Konstruktion und Abmessungen der beiden 
Apparate zurückführen, wir werden hierauf in unserer ausführlichen Mit- 
theilung, die anderorts (Arch. f. Hyg.) erscheinen wird, näher zu sprechen 
kommen. 


Il. Einfluss der Temperatur auf die Desinfektionswirkung. 


Zu den Bedingungen, welche bei praktischen Versuchen die häufigsten 
und grössten Schwankungen zeigen, gehört gewiss der Temperaturgrad der zu 
desinficirenden Wohnräume. Die natürlichen Schwankungen der Lufttempe- 
ratur sind im Laufe des Jahres grosse, und man hat es bald mit geheizten, 
bald mit ungeheizten Räumen zu thun. 

Dass Temperaturschwankungen, wenn sie zu Feuchtigkeitsschwankungen 
führen, von Einfluss sind, haben wir oben erörtert; es bleibt aber noch zu 
erwägen, ob nicht ceteris paribus der Temperaturgrad eines Zimmers doch 
auch einen für praktische Verhältnisse bemerkbaren Einfluss zeigt. Die An- 
gabe von Trillat, von Abba und Rondelli(1898), welche eine günstige Wir- 
kung sehr hoher Temperaturen sahen, kann zweifellos für die vorliegende Frage 
um so weniger in Betracht kommen, als bei diesen Experimenten die Luft- 
fenchtigkeit nicht in richtiger Weise berücksichtigt worden ist, und diese 
Autoren sogar der Ansicht waren, dass die Wirkung der Desinfektion mit dem 
Grade der Lufttrockenheit steige. Weiter liegt das Hauptinteresse nicht da- 
rin, dass die Stubentemperatur gelegentlich sich über die Norm erhebt, als 
vielmehr in der Richtung der nach dem Nullpunkt zu abfallenden Tempe- 
ratuaren, 

Jedenfalls ist die Frage, ob bei-den Versuchen in der Praxis die Tem- 
peratur des zu desinficirenden Raumes mit und zwar als wesentlicher Faktor 
berücksichtigt werden müsse, nicht in gebührende Erwägung gezogen. So 
erörtert Flügge, der in seiner Schrift die neuere Literatur berücksichtigt, 
einen Einfluss der Temperatur überhaupt nicht, erwähnt die Temperatur auch 
nicht unter den Bedingungen der Desinfektion (S. 16), wenngleich freilich 
in seiner „Instruktion“ der Passus vorkommt: „Ferner ist dem Meldenden 
mitzutheilen, dass das Zimmer bis zum Eintreffen der Desinfektionskolonne 
nicht geheizt werden darf.“ Auf Grund theoretischer Erwägungen könnte 
man sogar mit Peerenboom (diese Zeitschr. 1898. No. 16) zu der Anschauung 

11* 


156 Mayor u. Wolpert, 


gelangen, dass vielleicht bei höherer Lufttemperatur die anzuwendende For- 
malinmenge erhöht werden müsse, weil mit steigender Temperatur die Trocken- 
heit der Luft wachsen müsste, vorausgesetzt, dass keine Luftbefeuchtung, 
welche gleiche Feuchtigkeitsgrade herstellt, vorgenommen wird. 

Unsere Versuche ergaben eine ganz unzweifelhafte Abnahme der 
Desinfektionswirkung mit sinkender Temperatur, namentlich bei 
Wärmegraden, die unter den mittleren Stubentemperaturen lagen. 

Es stellte sich heraus, dass schon bei 15° die Wirkung der Formalin- 
desinfektion, höheren Lufttemperaturen gegenüber, sichtlich etwas nachliess; 
ferner, dass im Winter, im ungeheizten Zimmer, bei etwa 0° Lufttemperatur, 
jede Wirkung ausblieb, auch dann noch, wenn wir die Formalinmenge auf 
das Sechsfache der im Sommer wirksam gewesenen Menge erhöht 
hatten. Die Luftfeuchtigkeit hielt sich im Allgemeinen, bei Verdampfen der 
gleichen Wassermengen ohne Rücksicht auf Temperatur und Anfangsfeuchtig- 
keit, in unseren Sommerversuchen auf minimal 70 pCt., in den Winterversu- 
chen aber, soweit im ungeheizten Zimmer vorgenommen, in nächster Nähe 
des Punktes der Sättigung, und im stark geheizten Zimmer auf minimal 40 pCt. 

Hieraus dürfte hervorgehen, einestheils, dass es unsicher ist, bei Lafttem- 
peraturen um und unter Null ein nicht heizbares Zimmer mittels Formalin 
desinficiren zu wollen; andererseits aber, dass es durchaus zweckmässig er- 
scheint, das Zimmer vorher gut anzuheizen. In unseren Versuchen wirkte 
eine Formalinmenge, die sich bei 15° als nicht zureichend erwiesen hatte, 
bei 20—25° ganz bedeutend besser, und bei 30° war eine vollkommene Des- 
infektionswirkung ausnahmslos auf alle, ca. 30 Testobjekte zu erzielen. 
Dabei war der zurückbleibende Formalingeruch, nach Beendigung der Ver- 
suche im stark geheizten Zimmer, ein so minimaler, dass wir ohne Wei- 
teres den Versuchsraum für geraume Zeit ohne erhebliche Belästigung be- 
treten konnten, was bei 15°, und noch weit mehr bei Null, zu den Unmöglich- 
keiten gehörte. 

Hohe Lufttemperatur kann bei der Formalindesinfektion eine so beden- 
tende Wirkung entfalten, dass sogar der Nachtheil einer trockenen Luft über- 
kompensirt wird. Es genügten z. B. in letzterem Falle (bei 30°) schon 40 pCt. 
relativer Lufitfeuchtigkeit zu einer vollkommenen Desinfektionswirkung auf alle, 
ca. 30 Testobjekte, während bei 0° und 100 pCt. relativer Feuchtigkeit, so- 
gar nach Erhöhung der Formalinmenge auf das Sechsfache, die Wirkung aus- 
nahmslos bei sämmtlichen, an denselben 30 Stellen exponirten Testobjekten 
ausblieb. Die Lufttemperatur spielt also unter Umständen eine grössere Rolle 
bei der Formalindesinfektion als die Luftfeuchtigkeit. 

Allerdings genügt in dem auf 30° zu erwärmenden Zimmer, während 
forcirten Heizens, die wesentlich geringere, sozusagen minimale Luftfeuchtig- 
keit in dem von der Wärmestrahlung beeinflussten nächsten Umkreise des 
heissen Ofens nicht mehr zu einer sicheren Abtödtung, weshalb wir empfehlen, 
das Zimmer schon am Tage vor der auszufübrenden Desinfektion möglichst 
stark durchzuwärmen und unmittelbar vor Beginn der Desinfektion den Ofen 
nicht nochmals zu beschicken, immerbin aber bis dahin das Feuer nicht 
ganz erlöschen zu lassen. 


Beiträge zur Wohnungsdesinfektion durch Formaldehyd. 157 


Es mag noch erwähnt werden, dass, nach unseren Versuchen zu schliessen, 
bei den gleichen Temperaturen um 15° herum die Bedingungen für das 
Gelingen der Formalindesinfektion doch im Sommer, beziehungsweise wohl 
auch im Frühjahr und Herbst, wegen der grösseren Ausgeglichenheit der 
Temperatur günstiger als im Winter zu liegen scheinen. 


ll. Verstärkung der Desinfektionswirkung durch 
künstliche Luftmischung. 


Obwohl der Formaldehyd specifisch etwas schwerer als die Luft ist, wird 
er doch bei jeder Entwickelung auf warmem Wege, welchen Apparat man 
auch anwenden mag, stets zunächst an die Decke geführt, dort theilweise 
absorbirt, um alsdann in geringerer Koncentration allmählich nach unten zu 
sinken. Daher rührt die überall und auch von uns wieder beobachtete Wir- 
kung, dass wohl in den höheren Luftschichten des Zimmers, etwa auf einem 
Schrank, die Desinfektion leicht eine vollkommene wird, um so schwerer aber 
in der unteren Zimmerhälfte und besonders an Wänden und Möbeln gegen den 
Fussboden zu, und auf demselben etwa unter einem Bett oder Schrank. Auf 
eine Desinfektion gerade der unteren Zimmerhälfte kommt es 
aber, wie wohl nicht näher ausgeführt zu werden braucht, in 
praxi wesentlich mehr an, als auf eine solche der oberen — ein 
Umstand, auf den bisber wohl nicht genug Nachdruck gelegt wurde. 

Wir glaubten, dieser Forderung einer gleichmässigen oder eher nach dem 
Fassboden hin stärkeren Desinfektionswirkung dadurch Genüge leisten zu 
können, dass wir mit Hülfe eines transportablen Flügelventilators für eine 
bessere Luftmischung sorgten und dabei abwechselnd alle Theile der 
unteren Zimmerhälfte einem künstlichen Anprall der formaldehydhaltigen Luft 
aussetzten. 

Vergleichende Versuche mit und ohne diese Vorrichtung ergaben, dass 
thatsächlich die untere Zimmerhälfte damit besser desinficirt wird. Die 
Wirkung blieb auch nicht aus bei versteckt in Winkeln und z. B. unter und 
in (geöffneten) Schränken, unter Betten u. s. w. exponirten Testobjekten, 
während ohne den Luftmischer die Desinfektion an solchen Stellen oft 
wirkungslos war. Auch wurde, zur Erzielung der gleichen Desinfektionswir- 
kung, bei Anwendung unseres Luftmischers wesentlich weniger Formalin 
gebraucht. A 

Die einzelnen Resultate unserer 74 Versuche, die Konstruktion unseres 
Laftmischers und die sonstigen Versuchsanordnungen mitzutheilen und an- 
koüpfend an die Literatur zu besprechen, sowie auf Grund dessen neue In- 
struktionen für die praktischen Ausführungen der Formalindesinfektion zu 
geben, behalten wir der ausführlichen Veröffentlichung vor. Daselbst werden 
wir auch Gelegenheit nehmen, ein als wirksam von uns ausgeprobtes Desodo- 
rirangsverfahren anzugeben, bei dessen Benutzung die sonst empfiadlichen 
Gegenstände, wie manche Broncesachen und mit Oelfarbe gestrichene Möbel, 
intakt bleiben, und wobei der Raum noch am gleichen Tag, auch als Schlaf- 
zimmer, wieder in Gebrauch genommen werden kann. 


12 


158 Schottelius, 


Wir beabsichtigen, nachdem wir für Milzbrandsporen die Bedingungen 
zum Gelingen einer ausreichenden Wohnungsdesinfektion durch den Form- 
aldehyd festgestellt zu haben glauben, die Versuche auch auf andere, im allge- 
meinen weniger resistente, den praktischen Verhältnissen aber mehr ent- 
sprechende Infektionserreger auszudehnen. 


(Aus dem hygienischen Institut der Universität Freiburg i. B.) 
Die Bubonenpest in Bombay im Frühjahr 1900. 
Ein Reise-Bericht. 
Von 


Dr. Max Schottelius, 
Professor der Hygiene. 
(Fortsetzung aus No. 3.) 


Von Dr. Turkshut, dem Direktor des Modikhana Hospitals, wurde mir 
zuerst mitgetheilt und demnächst mehrfach bestätigt, dass einige Zeit vor 
dem epidemischen Auftreten der Pest in Bombay im September des Jahres 
1896, zur selben Zeit etwa, als von dem Health Officer Dr. Weir das Aus- 
wandern der Ratten beobachtet wurde, „sehr viele Personen in Bombay über 
wechselnde allgemeine Schmerzhaftigkeit in der Gegend der axillaren und 
inguinalen Lymphdrüsen geklagt und oft mehrere Tage lang an unbestimmten 
Unwohlsein, übrigens ohne Störung in ihrer Berufsthätigkeit, gelitten hätten. 
Einige Wochen später sei dann der Ausbruch der Pest erfolgt.“ Als „Pestis 
minor“ kommen ausserordentlich leichte Fälle von Pest vor, bei denen die 
Patienten wenige Stunden oder einen Tag lang ganz geringes Fieber haben; 
eine oder zwei oberflächliche oder tiefe I,ymphdrüsen sind etwas schmerzhaft, 
die Kranken fühlen sich matt und abgeschlagen, bleiben 3 oder 4 Tage zu 
Bett und sind dann wieder hergestellt. Solche Fälle wurden im Anfang der 
eigentlichen Pestepidemie in Bombay vielfach beobachtet, und solche Fälle 
waren es wohl, aus deren Genesung unglücklicher Weise die guten Resultate 
der Yersin’schen Serumtherapie gefolgert wurden. 

Dass diese Erkrankungsformen, sowohl das ganz allgemeine, mit Schmerz- 
haftigkeit der Lymphdrüsen verlaufende Unwohlsein, als auch die Form, in 
welcher unter leichtem Fieber der Schmerz auf eine bestimmte Lymphdrüse 
lokalisirt ist, in irgend einem ätiologischen Zusammenhang mit der eigent- 
lichen typischen Pest stehen, ist zweifellos. Da aber — soviel mir bekannt 
ist — der direkte Nachweis von Pestbacillen in derartigen Fällen noch nicht 
erbracht ist und aus naheliegenden Gründen überhaupt wohl schwer zu er- 
bringen sein wird, so wird man sich vorläufig zu denken haben, dass die 
aufgenommenen Pestbacillen noch nicht derart an die in Frage kommenden 
menschlichen Körper angepasst sind, dass sie schwere Störungen hervorrufen 
können. Denn offenbar handelt es sich um einen Qualitäts-Unterschied der 
Pestbacillen und nicht um die Quantität, denn letztere kann für den ausser- 


Die Bubonenpest in Bombay im Frühjahr 1900. 159 


ordentlich leichten Verlauf dieser vor und zu Beginn der Epidemie auftreten- 
den Fälle deshalb nicht bestimmend sein, weil die anatomischen Verhältnisse 
des Eintritts der Pestbacillen in den Körper zu allen Zeiten die gleichen sind, 
und weil die geringe Anzahl Pestbacillen, welche bei dem Infektionsmodus 
der Pest — durch kleinste Hautwunden — überhaupt in Frage kommt, für 
alle Fälle annähernd die gleiche sein dürfte. Ganz anders stellt sich dieses 
bei Krankheiten, welche durch Infektion des Tractus intestinalis ihre Eintritts- 
pforte finden, wie bei Cholera und Typhus; da ist gewiss häufig genug die 
Menge der aufgenommenen Krankheitskeime unbedingt maassgebend für den 
Grad, bez. für die Schwere der Erkrankung. Bei der Pest dagegen, ähnlich 
wie beim Erysipel und den Wundinfektionskrankheiten überhaupt, giebt bei 
der in praxi vorkommenden spontanen Infektion gewiss vor Allem die Qua- 
lität der Infektionskeime und weniger deren Menge den Ausschlag. 

Diejenigen leichten Erkrankungen an Pest, welche im späteren Verlauf 
der Epidemie auftreten, bieten ein einigermaassen anderes Bild: nämlich das 
der sog. „Pestis ambulans“. Das sind Fälle, welche sich zwar gradatim 
der Pestis minor anschliessen, aber doch schon — wenigstens bedingungs- 
weise — ein objektives, anatomisch greifbares Substrat für die Diagnose 
„Pest“ beibringen. „Die Patienten fühlen sich zwar krank, aber doch nicht 
krank genug“ — wie Dr. Choksy in seinem Report of bubonic Plague!) sagt 
— „um einen Arzt holen zu lassen. Die Leute legen sich zu Bett und schlafen 
das Fieber aus; dann laufen sie ein paar Tage mit einer indolenten Drüsen- 
schwellung herum, welche entweder zurückgeht oder — wenn Erweichung 
eintritt — im Spital aufgeschnitten wird. Es entleert sich dann der typische, 
flockig-käsige Pestbuboneneiter. Die Rekonvalescenz ist eine langdauernde, 
es kommt aber stets zur Genesung.“ 

Auf die Bedeutung dieser leichtesten Formen von Pest für die Verschlep- 
pung der Seuche werden wir weiter unten noch einmal zurückkommen. An 
dieser Stelle möchte ich nur darauf hinweisen, dass nach der aus 11600 Fällen 
zusammengestellten Statistik des Dr. Choksy in der Hospitalpraxis die 
Pestis minor gar nicht vorkommt und die Pestis ambulans nur in 0,5 pCt. 

Nach dieser Statistik2) stellt sich in der Hospitalpraxis: 


1. Pestis minor . . . . . . 0,00 pCt. 
2. Pestis ambulans . . . . . 050 „ 
3. Einfache Bubonenpest . . . 77,65 „ 
4. Septische Pest . . . . . 1425 „ 
5. Pestpneumonie . . » . . 410 „č 
6. Gangränöse Hautpest . . . 2,50 „ 
7. Mischinfektion. . . . . . 100 „ 


Die in 77,65 pCt. aller Fälle auftretende „einfache Bubonenpest“ ist 
diejenige Form, bei der irgend eine oder mehrere Lyphdrüsengruppen stark 
geschwollen und äusserst schmerzhaft sind, und zwar: 


1) Bombay 1897. 
2) Choksy, Plague and its Treatment. Bombay 1900. 


160 Schottelius, 


die Femoraldrüsen . . . . in 80,87 pCt. 
» Inguinaldrüsen. . . . . „ 2325 „ 
n Axillardrüsen . . . . . „ 21,85 „ 
„ multiplen Drüsengruppen . „ 18,95 „ 
„ eervikalen Drüsen . . . „ 6,72 „ 
„ Barotis: 2. 2 a re 68 S 
n» übrigen Drüsen . . a 1,68 


n 

Der Pestpneumonie ist bereits früher gedacht, ihr Antheil an der Ge- 
sammtmenge aller Pestfälle betrug in Bombay 4,10 pCt. 

Unter gangränöser Hautpest versteht man eine um etwa 15 pCt. 
milder verlaufende Form (im Vergleich mit der einfachen Bubonenpest), welche 
mit einem pockenartigen Primäraffekt beginnt, wie derselbe oben beschrieben 
wurde, dann aber nicht sofort unter schweren Symptomen auf die nächsten 
Drüsengruppen übergeht, sondern nach Art eines phagedänischen, specifischen 
Pestgeschwürs gangränescirend in Haut und Unterhautzellgewebe weiter frisst. 
Soviel ich gesehen habe, lassen sich die anatomischen Symptome dieser sel- 
tenen Form etwa mit denjenigen Fällen der Hühnercholera vergleichen, bei 
denen (in Form einer Gangrän bei Hühnern im Brustmuskel oder bei Ka- 
ninchen in der Haut) die Infektion als Lokalerkrankung verläuft. 

Mit einer ganzen Reihe von anderen Infektionskrankheiten, vielleicht kann 
man sagen mit allen übrigen Infektionskrankheiten, kann die Pest gemeinschaft- 
lich als Mischinfektion auftreten. Zur Zeit meiner Anwesenheit waren es be- 
sonders Fälle von Febris recurrens, Typhus exanthematicus, Malaria, Pocken, fer- 
ner Scharlach und Masern, welche kombinirt mit Pest auftraten, aber auch Lues 
und die übrigen venerischen Infektionen, ferner Cholera und Tuberkulose wurden 
bei der letzten Epidemie öfters zusammen mit Pest im Arthur Road-Hospital 
beobachtet. Wenn es nicht die typischen Exantheme sind, so erleichtert die 
charakteristische Fieberkurve, bez. die Reaktion auf Chinin in diesen Fällen 
die Diagnose. Immerhin ist es nur 1 pCt. aller Fälle, das hier in Betracht 
kommt. 

Uebrigens ist auch die unmittelbare Aufeinanderfolge dieser Infektions- 
krankheiten nichts Seltenes: Ich erinnere mich eines tragischen Falles, der 
ein junges Mädchen betraf, welches im Herbst 1899 eine schwere Pesterkran- 
kung im Hospital glücklich überstanden hatte; dann kam die Person Mitte 
Januar 1900, schwer an Pocken erkrankt, wieder in das Hospital, wurde nach 
6 Wochen abermals geheilt entlassen; kehrte einige Tage nach ihrer Ent- 
lassung wiederum pestkrank in das Hospital zurück und starb an Pest wenige 
Tage darauf. ` 

Abgesehen aber von diesen Kuriositäten und seltenen Pestformen, zu welch’ 
letzteren man gewiss auch die mit 4 pCt. registrirte Pestpneumonie zu rechnen 
hat, bildet die überwiegende Masse der Erkrankungen die eigentliche Drüsen- 
oder Beulenpest; nicht nur wegen der 77,65 pCt., welche diese Form in der 
Statistik umfasst, sondern auch deshalb, weil man die 14,2 pCt., welche als 
„septische Pest“ zu verzeichnen sind, in die Gruppe der Bubonenpest mit 
einzuschliessen hat. Denn die „Septicaemic Plague“, die sog. Pestsepsis, stellt 
nur das terminale Stadium der einfachen Bubonenpest dar: Wenn die Pest- 


Die Bubonenpest in Bombay im Frühjahr 1900. 161 


infektion nicht in der afficirten Lymphdrüsengruppe lokalisirt bleibt und in 
Heilung übergeht — was ja nur in etwa 20 pCt. der Fälle stattfindet —, so 
tritt ausser der Inficirang weiterer, tiefer gelegener Drüsengruppen (den se- 
kundären Bubonen) die Ueberschwemmung des ganzen Körpers mit lebendigen 
Pestbacillen auf dem Wege der Lymphgefässe durch den Ductus thoracicus und 
wohl auch direkt durch Aufnahme in die Kapillaren und Venen, also auf dem 
Wege der Blutbahn, ein. Und diesen Zustand bezeichnet man eben als die 
Pestseptikämie oder als septische Pest. Sehr glücklich gewählt ist der Name 
nicht, denn man denkt zunächst unwillkürlich an eine Streptokokken- nder 
Staphylokokken-Mischinfektion, welche ebenfalls im Anschluss an vereiterte 
Bubonen vorkommen kann. Um solche Mischiofektion handelt es sich aber 
bei den 14,25 pCt. der septischen Pestfälle nicht, sondern um reine Bu- 
bonenpest mit terminaler Blutinfektion. Daher sind wir berechtigt, nicht nur 
17,65 pCt., sondern 77,65 + 14,25 pCt., also rund 92 pCt. aller vorkommenden 
Fälle als einfache, reine Bubonenpest anzusprechen. 

Diesen kurzen Rückblick auf die übrigens ja in ihren Symptomen und 
in ihrem Verlauf wohlbekannten Formen der Pest musste ich vorausschicken, 
um die hochbedeutungsvolle Frage nach der besten und sichersten Methode 
zur schnellen Diagnose der Pest entsprechend zu würdigen. 

Mir persönlich musste es ja wünschenswerth erscheinen, diese Methode 
in irgend einer Anwendung der bakteriologischen Untersuchung zu finden, 
äbnlich etwa wie bei der Cholera oder wie bei der Tuberkulose; ich musste 
mich aber überzeugen, dass für diesen speciellen Fall, bei der Pestdiagnose, 
die klinische Methode rascher und sicherer zum Ziele führt; wohlverstanden 
nicht bei Leichen oder bei thierischen Kadavern, sondern bei Pestkranken 
wd Pestverdächtigen. Das Mittel zur Diagnose der Pest besteht eben in 
der bei 92 pCt. aller Fälle nie versagenden Untersuchung der Lymph- 
drüsen auf ihre Schmerzhaftigkeit und auf Schwellung! 

Bei dem ungeheuren Material, welches den Aerzten der Pesthospitäler in 
Indien zur Verfügung steht, hat sich eine Praxis der Pestdiagnose ausgebildet, 
welche wir uns, meines Erachtens, nur zur Lehre dienen lassen können. 
Es befinden sich stets ein Dutzend oder mehr Personen in jedem Hospital 
in Beobachtung, von denen man nicht weiss, ob sie mit Pest inficirt sind oder 
nicht. Es handelt sich da nicht um subjektiv gesunde, pestverdächtige Leute, 
sondern um solche, welche leichtere oder schwerere Symptome zeigen, die 
sowohl auf Pest als auf irgend eine andere Infektionskrankheit, vielleicht auch 
nur auf nervöse Aufgeregtheit, Todesfurcht n. s. w. zurückgeführt werden kön- 
nen. Diese Patienten werden nicht ohne Weiteres in die für Pestkranke reser- 
virten Baracken gelagert, sondern sie werden alle 4—6 Stunden auf Schmerz- 
baftigkeit und Schwellung ihrer Lymphdrüsen untersucht: fester, kurzer Druck 
beiderseits gleichzeitig auf die Femoralgegend, Inguinalgegend, Axillargegend 
und Cervikalgegend, bez. hinter dem Angulus maxillae! Wenn der Verdäch- 
tige wirklich pestkrank ist, so stellt sich ganz allgemein, wenn nicht schon 
bei der ersten, so doch schon bei der zweiten oder dritten Untersuchung — 
also nach 8— 12 Stunden — heraus, dass er zusammenzuckt bei der Unter- 
sachang und beim Druck auf irgend eine der Drüsen. Der Schmerz, vielleicht 


162 Schottelius, 


auch die Reaktion auf den Schmerz unter dem Einfluss der Allgemeinerkran- 
kung, ist ein so gewaltiger, dass er keinesfalls durch die Willenskraft über- 
wunden werden kann. ú 

Das ist anders, wie ich aus eigener persönlicher Erfahrung weiss, bei 
septisch geschwollenen Lymphdrüsen. Da kann man ganz wohl die erbsen- 
gross oder bohnengross geschwollenen Axillardrüsen sich selbst palpiren und 
wundert sich wohl noch, dass die Achseldrüsen unbemerkt schon geschwollen 
sind. Ebenso kann man sich an Patienten leicht davon überzeugen, dass akut 
geschwollene, venerisch entzündete Lymphdrüsen „wehthun“, wenn man darauf 
drückt; aber schliesslich hält der Patient doch die Palpation geduldig aus. 
Ganz anders bei der akut inficirten Pestdrüse: da giebt’s kein Parlamentiren; 
der Körper wirft sich mit Gewalt herum, die Hand wird fortgestossen, und 
nicht selten muss ein lauter Aufschrei Erleichterung bringen. 

Wenn das erst einmal so weit ist, dann werden von Stunde zu Stunde 
die Symptome prägnanter, und die Diagnose steht unzweifelhaft fest. Als 
weiteres, sehr bemerkenswerthes und sehr früh eintretendes Symptom kann 
man eine eigenthümliche Art der Sprachstörung bezeichnen, auf welche na- 
mentlich in den englischen Berichten vielfach hingewiesen wird: es ist eine 
Kombination von erschwerter Uebertragung des Willens auf die Sprachorgane 
mit einer Verlangsamung des Denkens bei übrigens klarem Bewusstsein. Wenn 
man solche Patienten nach ihrem Namen fragt, so verstehen sie offenbar die 
Frage ganz gut, wissen auch, wie sie heissen, wollen auch ihren Namen richtig 
sagen; das gelingt aber nur unter sogenanntem „Anstossen“ der Zunge. Das 
Sprachhinderniss wird dann mit einem erneuten Anlauf überwunden und da- 
durch der bereits ausgesprochene Theil des Vor- oder Zunamens nochmals 
wiederholt. So sagt z. B. Jemand, dessen Name Rana Raghada ist, auf An- 
frage: Ra — — Ra — na — — Ra— gha — gha — daaa! oder wenn er Chan- 
dra Nana heisst: Chan — an — dra Naaaa — — nnna. Man könnte fast mei- 
nen, es sei das gewöhnliche, so oft vorkommende, durch Aufregung und un- 
gewohnte Umgebung bedingte Stottern; aber die typische Gleichmässigkeit, 
mit welcher das Symptom auftritt, und die der Aufregung diametral entgegen- 
gesetzte lethargische Trägheit der Patienten machen gerade das Sprachsymptom 
so frappant. Die Kranken stehen offenbar bereits unter der Einwirkung der 
in den Körper aufgenommenen specifischen Toxine, können aber deren Einflass 
auf das Centralnervensystem durch Aufbietung aller ihrer Willenskraft noch 
einigermaassen beherrschen. 

Sehr oft fallen diese beiden Symptome: die extreme Schmerzhaftigkeit 
einer nicht einmal fühlbaren Lymphdrüse und das Sprachphänomen, zusam- 
men, und wenn das bei sonst vorhandenem Verdacht auf Pest der Fall ist, so 
kann man sicher die Diagnose auf Bubonenpest stellen. In vielen Fällen tritt 
das Sprachsymptom erst später ein, dann muss die typische Schmerzhaftigkeit 
der Drüsen allein entscheiden. Immer handelt es sich, wie gesagt, hier um 
Personen, welche subjektiv und objektiv Zeichen einer allgemeinen Erkrankung 
bieten zu einer Zeit und an einem Orte, wo auch Bubonenpest als Ursache der 
allgemeinen Erscheinungen in Frage kommt. Ein grosser Procentsatz der in 
dieser Weise verdächtigen Kranken leidet thatsächlich aber nicht an Pest; 


Die Bubonenpest in Bombay im Frühjahr 1900. 163 


die allgemeinen Krankheitserscheinungen gehen nach 1—2tägiger Ruhe in der 
Spitalbehandlung vorüber, und die Verdächtigen können bei ungestörtem Ge- 
sundheitszustande entlassen werden. Oder die Erscheinungen waren die Vor- 
länfer irgend einer anderen akuten Infektionskrankheit: Masern, Scharlach, 
Typhus, Influenza, Diphtherie oder dergl. In solchen Fällen bleiben eben die 
specifischben Pestsymptome aus, und es treten dafür die sonst differential-dia- 
guostischen Symptome der betreffenden anderen Infektionskrankheit auf. 

Ein Suchen nach Pestbacillen in diesem frühen Stadium der Pest- 
erkrankung ist gänzlich aussichtslos. Das Absuchen der unzähligen Risse und 
Schrammen an den Füssen, den Händen und am übrigen Körper, welche 
sämmtlich mehr oder weniger mit Schmutz und Schorf und Epidermiskrusten 
verklebt sind, ist zeitlich praktisch gar nicht durchführbar und führt zu kei- 
nem Resultat. Im Blut sind bekanntlich in diesem Stadium keine Pestbacillen 
vorhanden, und ebensowenig ist es möglich, auf gut Glück etwa die Lymph- 
drüsen durch Punktion mit der Pravaz’schen Spritze bakteriologisch zu unter- 
suchen. Das würde, meines Erachtens, nicht einmal möglich sein bei einer 
durch die typische Schmerzhaftigkeit bereits charakterisirten Pestdrüse, denn 
in deren Umgebung findet man bekanntlich in diesem Stadium noch keine 
Pestbacillen, und in der Tiefe mit der Nadel der Pravaz’schen Spritze eine 
nicht einmal fühlbare frisch geschwollene Lymphdrüse zu treffen, das dürfte 
so gut wie ansgeschlossen sein. Soweit endlich, um heutzutage schon die 
radikale Excision derartiger Drüsengruppen und damit die chirurgische Be- 
handlung der Pest empfehlen zu können, sind die praktischen Erfahrungen 
doch noch nicht vorgerückt, und namentlich dürften sich — angesichts der 
guten Resultate der Serumtherapie gerade bei frühzeitiger Anwendung — die 
Patienten zu einer solchen Operation nur schwer bereit finden lassen. Auch 
die bakteriologische Untersuchung des Sputums — wenn es sich nicht gerade 
um einen der im Verhältniss von 1:24 vorkommenden Fälle von Pestpneu- 
monie handelt — fällt negativ aus. 

Somit sind thatsächlich die klinischen Untersuchungsmethoden zur 
raschen, frühzeitigen Diagnose bei pestverdächtigen Kranken den bakteriolo- 
gischen bei Weitem vorzuziehen. Diese Koncession muss man den Klinikern 
voll und ganz lassen, ohne dass man damit den ätiologisch ausschlaggebenden 
bakteriologischen Untersuchungsmethoden Abbruch thut, und ohne dass man 
den Ausdruck überwallender Gefühle eines ausgezeichneten Klinikers in Bom- 
bay gerade zu unterschreiben brauchte: „There have been some critics who 
have reared up a fetish, to which they ask us all to bow down in all hu- 
mility. Armed with a microscope, a few tubes of agar, a box of paint and 
a gas jet, with a rabbit or two thrown in, they consider themselves competent 
to solve all the mysteries of disease in our complex human organism“. 

In letzter Instanz wird doch der positive Nachweis des Pestbacillus 
zur objektiven kontrolirbaren Sicherstellung der Diagnose gefordert werden 
müssen, und in aller Bescheidenheit darf der Bakteriologe gegenüber dem Kliniker 
doch darauf hinweisen, dass für andere Infektionskrankheiten, z. B. für Cho- 
lera und für Tuberkulose, schon jetzt der unmittelbare bakteriologische Nach- 
weis des specifischen Infektionsträgers praktisch für die Diagnose benutzt wird. 


164 Schottelius, 


Vielleicht gelingt es auch noch für die Pest, auf irgend eine Weise die bak- 
teriologische Untersuchnngsmethode so zu vervollkommnen, dass sie auch hier 
rasch und sicher zum Ziele führt; vorläufig ist das allerdings noch nicht der 
Fall, und vorläufig sind wir aus den angeführten Gründen zur raschen und 
frühzeitigen Diagnose der Bubonenpest auf die klinischen Symptome ange- 
wiesen. 

Die Lösung der Frage stellt sich natürlich sofort anders, wenn es sich 
um Fälle mit nachweisbarem Primäraffekt, oder wenn es sich um menschliche 
oder thierische Kadaver handelt. In etwa 5 pCt. aller Fälle kann — wenn 
auch nicht immer die geschlossene wohlerhaltene Pestpustel — so doch in 
irgend einer zweifellosen Form der Locus primae affectionis, die Eintritts- 
pforte der Infektion, in der Hospitalpraxis aufgefunden werden. Der Inhalt 
der bereits weiter oben beschriebenen Pestpustel (oder besser Pestblase, denn 
der Inhalt ist fast serös, keinesfalls eitrig) besteht aus Pestbacillen in Rein- 
kultur, suspendirt in klarem, durch wenige Leukocyten leicht getrübtem Se- 
rum. Auch nach Platzen der Pestpustel sind im Geschwürsgrund, sowie in 
dem Sekret der specifisch inficirten Wunden Pestbacillen bakteriologisch schnell 
und sicher mit Hülfe des Mikroskops nachzuweisen, und in menschlichen und 
thierischen Kadavern (Ratten) gelingt das natürlich noch leichter. Für alle 
diese Fälle bietet unsere jetzige Kenntniss der morphologischen und tinkto- 
riellen Eigeuschaften der Pestbacillen volle Gewähr für unbedingte Sicher- 
stellung der Diagnose. Es giebt keine andere menschliche Infektionskrank- 
heit, bei welcher post mortem der ganze Körper so mit den specifischen In- 
fektionsträgern überschwemmt ist, wie bei der akuten Bubonenpest mit ter- 
minaler Pestsepsis. 

Schwieriger gestalten sich wiederum die Verhältnisse, und unsicherer ist 
der rasche, unmittelbar beweisende Erfolg der mikroskopisch-bakteriologischen 
Untersuchung, wenn es sich um Fälle mit protrahirtem Verlauf handelt, um 
Patienten mit völlig vereiterten Lymphdrüsen, welche während der Rekonva- 
lescenz an Erschöpfung oder an interkurrenter Streptokokkeninfektion gestorben 
sind. Solche Fälle dürften aber wohl niemals wegen allgemeiner praktischer 
Interessen den Gegenstand bakteriologischer Untersuchung bilden, da hier 
wohl stets schon früher die richtige Diagnose gestellt werden konnte, bezw. 
gestellt war. 

Es ist also die Diagnose der Pest am Lebenden in 92 pCt. aller Fälle 
rasch und sicher durch die charakteristische Schmerzhaftigkeit der Lymph- 
drüsen zu stellen, post mortem an menschlichen und an thierischen Kadavern 
aus dem unmittelbaren Ergebniss der mikroskopisch-bakteriologischen Unter- 
suchung. Bestätigend gesellt sich sehr bald im ersteren Falle das weitere 
klinische Verhalten und namentlich das Sprachphänomen, im letzteren Falle 
der Ausfall des Thierversuchs und das Kulturverfahren hinzu. 

Die Behandlung der Pestkranken in den verschiedenen Hospitälern 
ist in erster Linie eine allgemein diätetische. Soweit diese elenden, abgemagerten 
Körper nicht in den ersten Stunden oder wenige Tage nach ihrer Einlieferung 
verendeten, zeigte sich bald der gute Erfolg, welchen die reinliche, luftige 
Lagerung und die einfache, aber auskömmliche Kost ausübten. Bei den Hindus, 


Die Bubonenpest in Bombay im Frühjahr 1900. 165 


den Buddhisten, muss von Fleischkost natürlich ganz abgesehen werden, und 
einzelne Kasten haben überdies noch besondere Speisevorschriften, nach wel- 
chen sie nur bestimmte Nahrungsmittel — nicht einmal sämmtliche Vegeta- 
bilien — zu sich nehmen dürfen. Sogar der Genuss von Milch ist, soviel 
ich verstanden habe, nicht allen Kasten oder Ständen erlaubt. Bei Allen 
bildet der Reis „die Nahrung“. Dass das möglich ist, liegt zum grossen Theil 
an der vorzüglichen Qualität und an der Art der Zubereitung des Reises, 
welch letztere bei uns bedauerlicher Weise so gut wie ganz unbekannt ist. 
Die Körner werden durch das geeignete Kochen ganz gar und durch die Zunge 
zerdrückbar weich, aber sie bleiben völlig trocken, verkleben nicht mit klei- 
sternder Oberfläche an einander, sondern bleiben auch in grossen Haufen, in 
garem Zustande aufgeschichtet, scheinbar trocken und jedes Korn einzeln iso- 
lirt. In diesem Zustande bildet bekanntlich der Reis im ganzen tropischen 
Osten für Hoch und Niedrig, für Eingeborene und Ausländer die Hauptnah- 
rang, und für die meisten Eingeborenen neben Früchten (Bananen und Wasser- 
melonen) die einzige Nahrung. Die Ausländer und die Reichen essen diesen 
Reis meist als Curry, d. h. mit einer scharf gewürzten, sehr komplieirt her- 
sustellenden Fleischsauce, welche in den verschiedensten Nüancen täglich 
unter anderem Namen aufgetischt wird; in den Hospitälern fällt natürlich 
dieser Lusus fort, aber trotzdem ist es erfreulich zu sehen, mit welchem 
Appetit die Pestkrauken — soweit sie eben nicht durch hohes Fieber oder 
sonst schweren Allgemeinzustand daran verhindert sind — diese riesigen 
Haufen trockenen Reises vertilgen. 

Jeder bekommt zur Hauptmahlzeit eine grosse flache Eisenpfanne — 
welche etwa bei uns einer grossen Eierkuchenpfanne entsprechen würde — 
voll Reis, soviel, wie eben aufgehäuft darauf geht, dann wird 1/,—1 Liter 
Milch darüber geschüttet, und nun beginnt das Speisen: Mit der linken Hand 
wird die Pfanne festgehalten und mit den drei medianen Fingern der rechten 
Hand wird jeweils ein Griff nach dem andern in den zur Aufnahme etwas 
seitlich geneigten, weit geöffneten Mund geschoben. Wie junge Vögel von 
den Alten geatzt werden, so atzen die Leute sich selber; dabei rieseln rechts’ 
und links die überzähligen Reiskörner zwischen den Fingern wieder in die 
Pfanne zurück und kommen erst bei einem folgenden Griff wieder an die 
Reihe. Schliesslich, wenn der ganze Haufen milchübergossener Reiskörner 
verschwunden ist, kommt der Rest der in der Pfanne noch angesammelten 
Milch: die Pfaune wird mit beiden Händen ergriffen, an den Mund gesetzt 
and in vollen Zügen der gute Trunk geleert. Mit einem Seufzer der Befrie- 
digung legen sich dann die Gesättigten wieder zurück auf ihr Lager und 
schlafen ihrem Schicksal entgegen. So speisen die Pestkranken. — Gegenüber 
dem Hunger und dem Elend, aus welchem die Leute gekommen sind, liegt 
gewiss in dieser guten Ernährung schon ein gutes Mittel gegen die Krankheit. 

Je nach den persönlichen Klagen und nach den individuellen Befunden 
werden ausserdem die Patienten symptomatologisch behandelt: Die lokalen’ 
Beschwerden, Wunden und Geschwüre werden entsprechend antiseptisch be- 
handelt. Dabei konnte ich zu meiner Freude die Bemerkung machen, dass 
namentlich in dem Arthur-Road-Hospital grosse Originalflaschen mit Lysol 


13 


166 x Schottelius, 


auf den Medikamententischen in den Baracken standen, und dass neben dem 
für bestimmte Zwecke unentbehrlichen Sublimat das I,ysol als das wirksamste 
Desinficiens verwendet wird. 

Zur schnellen Hebung der Widerstandskräfte werden Roborantien, zur He- 
bung der Herzthätigkeit hauptsächlich Stimulantien in Form von Strychnin- 
Injektionen verabfolgt. Eine Injektionsmischung von Strychnin, Spartein und 
Strophantin wurde namentlich von Dr. Choksy mit gutem Erfolge verwendet. 
Endlich möchte ich noch die Verabreichung grosser Dosen koncentrirten Al- 
kohols — !/, Flasche Rum für Nichtalkoholiker pro die — als eines Mittels 
Erwähnung thun, dessen guten Erfolg Niemand geleugnet hat. Es scheint mir, 
dass dieses Mittel in den Fällen, welche sonst klinisch eine gewisse Aussicht 
auf guten Verlauf bieten, also bei kräftigen, wohlgenährten Personen, die 
frühzeitig in Behandlung kommen, öfter und energischer angewandt werden 
sollte, als es thatsächlich geschieht; man sollte eben eine starke akute Al- 
koholvergiftung den aufgenommenen specifischen Pesttoxinen gegenüberstellen, 
vielleicht sogar in Verbindung mit der sogleich zu besprechenden Serotherapie. 
Der praktischen Ausführung stellen sich ja erhebliche Schwierigkeiten ent- 
gegen, einmal pekuniäre, bei den Muhamedanern rituelle und endlich die all- 
gemeine Verfehmung, welche der Alkohol gegenwärtig bis zum fernen Osten 
über sich ergehen lassen muss. Aber die wenigen Fälle, in denen zum Theil 
auf meine Veranlassung hin geeigneten Patienten die bereits ordinirte Al- 
koholdosis erheblich verstärkt wurde, sind gut abgelaufen. Eine gewisse 
Schwierigkeit in der Dosirung und damit eine Unsicherheit des Erfolges liegt 
übrigens auch darin, dass der Procentsatz der Gewohnheitstrinker auch in 
Indien gar nicht gering ist, und dass im gegebenen Falle die rasche Feststel- 
lung der Thatsache: Alkoholiker oder nicht? vielfach unmöglich ist. 

Was die lokale Behandlung der inficirten Lymphdrüsen bez. der Bu- 
bonen betrifft, so gelingt es zuweilen, dieselben durch geeignete Mittel zum 
Rückgang zu bringen; durch die Mittel, welche auch sonst gegen akute Lymph- 
adenitis gebräuchlich sind: Kompression und Eisbeutel. Letztere bringen stets 
dem Patienten grosse Erleichterung gegen die heftigen, nicht nur bei Berüh- 
rung, sondern später auch spontan auftretenden Schmerzen. In den meisten 
Fällen — in denen der Exitus letalis unter „Pestsepsis* nicht schon früher 
erfolgt — gehen allerdings die Bubonen nicht zurück, sondern sie erweichen 
schliesslich und müssen dann eröffnet werden, um den eitrig-nekrotischen, 
blutig-flockigen Inhalt zu entleeren. 

Jedenfalls darf im Interesse der erfolgreichen Heilung die Eröffnung der 
Bubonen nicht zu früh erfolgen, sondern erst dann, wenn deutliche Fluk- 
tuation vorliegt. Man kann es sich wohl vorstellen, dass in solchen Fällen, 
in denen der menschliche Körper das Uebergewicht seiner Abwehr- bezw. 
Widerstandskraft gegenüber den Pestbacillen dadurch erwiesen hat, dass es 
den Pestbacillen nicht gelungen ist, den Wall der Lymphdrüsen zu über- 
winden und in die Blutbahn einzubrechen, dass man in diesen Fällen es am 
besten den natürlichen Kräften überlässt, auch noch den Rest zu überwinden, 
und nicht etwa durch vorzeitige blutige Durchtrennung breiter Gewebsmassen 
viele kleinere und grössere Blut- und Lymphgefässe öffnet und vielleicht am 


Die Bubonenpest in Bombay im Frühjahr 1900. 167 


Ende gar noch künstlich den Pestbacillen die Eintrittspforten erschliesst. Das 
ist auch der Ideengang, welcher bei der in Vorschlag gebrachten sehr früh- 
zeitigen Exstirpation der primär afficirten Pestdrüsen zu bedenken ist. Abge- 
seben davon, dass derartige immerhin zeitraubende Operationen bei einer 
eigentlichen Epidemie, bei Massenerkrankungen praktisch kaum durchführbar 
sein würden, müsste jedenfalls, sei es durch Serotherapie oder sonstwie, Vor- 
sorge getroffen werden, dass eine Infektion durch die Operation selbst ausge- 
schlosseu sei. Der Zeitpunkt, zu welchem die Incision in dem erweichten Bubo 
zu machen ist, kündigt sich übrigens auch auf der Fieberkurve au. In den 
Fällen, welche hier überhaupt in Betracht kommen, geht die von der Pest- 
infektion abhängige Temperatursteigerung allmählich zurück; ein Zeichen, dass 
die eigentliche specifische Infektion überwunden ist. Dann aber, wenn die 
völlig erweichten, nekrotischen Massen des Buboneninhalts anfangen resorbirt 
zu werden, tritt — nach Art des sekundären sogenannten septischen Fiebers 
bei Pocken — wiederum eine Temperaturerhöhung ein. Das ist das Zeichen, 
dass der Bubo „reif“ ist und incidirt werden muss. Nach der Entleerung tritt 
sofort Temperaturabfall bis zur Norm ein, und bei entsprechender Behandlung 
nimmt die Heilung den gleichen Verlauf, wie die einer anderen vereiterten 
Drüse. 

Schlimmer gestaltet sich natürlich die Sachlage, wenn nicht nur ein, 
sondern wenn mehrere Pestbubonen hintereinander liegen und in ihrem Reife- 
stadium auch zeitlich auf einander folgen. Da muss wiederholt incidirt, die ur- 
sprüngliche Incisionsöffnung muss erweitert werden, und es drohen dem Patien- 
ten alle die bekannten Gefahren der Erschöpfung, der putriden Intoxikation, der 
specifischen Wundinfektionen, denen immerhin noch ein nicht unbeträchtlicher 
Procentsatz erliegt. Andererseits ist es aber auch wunderbar und entsetzlich 
zu sehen, welch kolossale Substanzverluste undEiterhöhlen solche Menschen lange 
Zeit ertragen können, ohne zu sterben. Vereiterungen der cervikalen und Supra- 
elaviculardrüsen, so dass der Sternocleidomastoideus spannenlang frei durch die 
Eiterböhle zieht, Vereiterungen der femoralen und gleichzeitig der inguinalen 
Lymphdrüsen kommen vor, dass mit faustgrossen Tampons die Höhlen gefüllt 
werden müssen: die Menschen halten das aus und kommen zuweilen schliesslich 
noch davon. Während der ganzen Zeit meines Aufenthaltes im Arthur-Road- 
Hospital lag in einem der Betten eine pestkranke Frau — eine Portugiesin — 
mit mächtigen Schenkelbubonen; die Frau abortirte ein 8 monatliches Kind, 
war sebr schwer krank und hatte furchtbar zu leiden, aber sie starb nicht. 

Za der Zeit der eigentlichen Rekonvalescenz klagen die Patienten nur 
über Hunger und wollen immer mehr zu essen haben, als ihnen vernünftiger 
Weise zukommt. Dadurch, dass gute Freunde und besuchende Verwandte ihnen 
allerlei unpassende Nahrungsmittel, namentlich die zähen, schwer verdaulichen 
Brotkachen (ohne Gährung gebackenes Mehl) zustecken, haben schon viele 
Rekonvalescenten die wochenlangen ärztlichen Bemühungen zu Nichte gemacht. 

Unter allen gegen die Bubonenpest angewendeten Mitteln nehmen aber 
auch in Bombay die serotherapeutischen Präparate den ersten Platz 
en. Es sind drei Pestsera, welche für Indien namentlich in Frage kommen; 


13* 


168 Scehottelius, 


Haffkin’s „Lymphe“, Lustig’s Serum und das Serum von Roux aus dem 
Institut Pasteur. 

Bevor ich auf die Art der Anwendung und auf die Erfolge der Serotherapie 
gegen Pest in Bombay näher eingehe, sei es mir gestattet, über die Art der 
Herstellung der genannten Impfstoffe einige Worte vorauszuschicken. 
Ich bin dazu um so eher in der Lage, als ich die diesbezüglichen Angaben 
den persönlichen Mittheilungen der Hersteller bezw. deren Vertreter verdanke, 
und als ich an Ort und Stelle in Bombay Gelegenheit hatte, aus eigener 
Anschauung die Darstellung des Lustig’schen Serums in dem Municipality 
Laboratory und des Haffkin’schen Serums in dem Government Laboratory 
kennen zu lernen. 

Für die freundlichen eingehenden Mittheilungen über die Darstellung der 
Schutzimpfstoffe, welche ich den Herren Dr. Alfons Mayr und Dr. Polverini 
(den Direktoren des Lustig-Serum-Instituts), Herrn W. M. Haffkin und 
Herrn E. Metschnikoff verdanke, möchte ich diesen Herren nochmals meinen 
Dank aussprechen. 


Bereitung des Lustig’schen Pestheilserums. 


Eine gut gewachsene, zwei Tage alte Agar-Strichkultur im Reagensgläs- 
chen wird in so viel 1 proc. Peptonbouillon aufgeschwemmt, dass das Material 
die ganze Oberfläche einer grossen Koch’schen Plattenkultur-Schale, in welcher 
1 cm hoch 1 proc. Peptonbouillon-Agar erstarrt ist, bedecken kann, uhne einen 
Flüssigkeitsrückstand zu hinterlassen. Das Massenmaterial von Pestbacillen, 
aus denen die Nucleinsubstanzen gewonnen werden sollen, wird nämlich in 
einer grösseren Anzahl der bekannten Koch schen Doppel-Glasschalen gewonnen, 
in welchen der Nährboden — 1 proc. Peptonbouillon-Agar — ausgegossen ist, 
einen Centimeter hoch, gut sterilisirt, frei von Kondenswasser, aber doch nicht 
zu trocken. Diese grossen Schalenkulturen werden bei indischer Zimmer- 
temperatur, ca. 30°C., im Dunklen gehalten. Die Kulturen werden dann mit 
einem Spatel abgeschabt und das Material in ein Glas mit flachen Wänden 
gestrichen, dann mit dem Spatel gut verrieben, um die nachfolgende Lösung 
zu erleichtern. Nun wird 1 proc. Kalilauge zugesetzt, zum Inhalt von 5 bis 
6 Schalen etwa 100 g, und gut verrührt, bis alles gelöst ist. Die Lösung 
gleicht einer ziemlich dickflüssigen Schleimmasse. Nach 2 Stunden wird diese 
Masse mit 1/, proc. Essigsäure langsam und unter ständigem Umrühren etwas 
überneutralisirt, bis weisse Flocken — die immunisirende Substanz — ausfallen 
(aktive Substanz). Dieser Niederschlag wird auf dem Filter gewaschen, bis 
alle Säure entfernt ist, und, nachdem das Wasser abgelaufen ist, gesammelt 
und entweder sofort zur Immunisirung benutzt oder im Vacuum getrocknet 
(der Niederschlag ist sehr wasserreich und hygroskopisch). 

Soll der Niederschlag sofort zur Immunisirung benutzt werden, so werden 
die Flocken in wenig Wasser fein verrieben und in 1 proc. Natr. carbonicum 
gelöst. Etwa 250 g zum Inhalt von 5—6 Schalen. Die Flocken lösen sich 
unter Schütteln in längstens 1/, Stunde. Dann verdünnt man zur Erzielung 
der Injektionsflüssigkeit mit physiologischer Kochsalzlösung, so dass durch- 
schnittlich 0,1 g aktiver Substanz in 100 g Injektionsflüssigkeit vorhanden ist. 


Die Bubonenpest in Bombay im Frühjahr 1900. 169 


Vor dem Injiciren wird letztere auf Körpertemperatur erwärmt, durch ein 
feines Tuch filtrirt und einem Pferde unter die Haut über dem Schulterblatt 
eingespritzt, nicht zu weit nach hinten, damit das eintretende Oedem sich 
nicht am Bauch oder an den Genitalien ansammele. Die auf eiumal injicirte 
Flüssigkeitsmenge schwankte zwischen 400 und 1500 g, demnach die Menge 
der benutzten aktiven Substanz zwischen 0,4—1,5 g. Vor dem ersten Aderlass 
werden 5—6 solcher Injektionen in Zwischenräumen von 14—21 Tagen vor- 
genommen, je nach der Reaktion der Pferde. Die Quantität der insgesammt 
benutzten aktiven Substanz schwankte aber bei einzelnen der immunisirten 
Pferde in noch beträchtlich weiteren Grenzen. 

Die Pferde bekommen nach der Injektion Fieber, ausgebreitete Oedeme, 
auch — wenn zu viel oder zu koncentrirt injicirt wurde — Nekrosen. Solche 
üble Folgen können aber durch vorsichtige Behandlung des Pferdes bei der 
ersten Injektion — um die individuelle Reaktion des Thieres festzustellen 
— und durch sorgfältige Operation wohl vermieden werden. Das Lustig- 
Serum-Institut verlor im Ganzen nach den Injektionen zwei Pferde: eins an 
Tetanus und eins an malignem Oedem. Die Pferde werden täglich bewegt, 
ausgenommen die Tage nach einer Injektion oder nach einem Aderlass. Nach 
erzielter Immunisiruug wird den Pferden zuerst ein Liter und dann nach 2 bis 
3 Tagen 6—9 Liter Blut entzogen. Darauf kann das Thier 1!/, Monate lang 
sich erholen und bekommt vor einem neuen Aderlass wieder eine Injektion. 

Bei einem Pferde wurden mit gutem Erfolg auch intravenöse Injektionen 
angewendet. Es wurde begonnen mit 0,16 steigend bis zu 0,40 aktiver Sub- 
stanz in 800 g Flüssigkeit, durch ein gutes Filter von Koagulationen befreit 
und langsam injicirt. Ausserdem waren 2 Stunden vor der Injektion 15 g 
Natr. citricum subkutan injieirt. Das Pferd zeigte jedesmal nach der Injektion 
stark beschleunigte Athmung, und der Zustand war manchmal besorgniss- 
erregend. 

Das ist die gegenwärtig im Municipality-Serum-Institut benutzte Methode 
zar Herstellung des Lustig-Serums, mit welchem die später zu besprechenden 
Resultate im Arthur-Road-Hospital erzielt wurden. 

Uebrigens sucht namentlich Herr Dr. Alfons Mayr, der technische Leiter 
der Anstalt, weiter und weiter die Herstellung des Serums zu verbessern. Nach 
unseren mündlichen Besprechungen und nach seinen mir freundlichst zur Ver- 
fügung gestellten schriftlichen Mittheilungen richten sich seine Versuche zu- 
nächst darauf, die günstigsten Bedingungen zur Erzielung eines reichlichen 
Wachsthums konstant virulenter Pestbacillen aufzufinden, um die Pferde wo- 
möglich — nicht wie es bislang geschieht mit verschiedenen Kulturen ver- 
schiedener Peststämme, sondern — mit ein und demselben möglichst hoch- 
toxischen aktiven Material zu behandeln bezw. zu immunisiren. Dabei scheint 
eine von Polverini gemachte Beobachtung nicht ohne Bedeutung zu sein. 
Polverini fand nämlich, dass sich die Virulenz der Pestbacillen bedeutend 
steigern lässt, wenn man die pneumonische Form der Pest hervorruft, und dies 
ist ihm bei Affen durch Injektion von Pestbacillen in die Luftröhre gelungen. 
Die hieraus stammenden Kulturen haben nun die Eigenschaft, auch bei sub- 


170 Schottelius, 


kutaner Infektion in einem gewissen Procentsatz der Fälle Pestpneumonie 
— wiederum mit hochvirulenten Pestbacillen — bei Thieren hervorzurufen. 

Nicht nur für das Auftreten der primären Lungenpest beim Menschen, 
sondern auch für eine etwa analoge Specificität der übrigen Formen, unter 
denen die Pest auftritt, wäre eine experimentelle Bearbeitung dieser Richtung 
der Pestfrage von grossem Interesse. Auffallend und bereits mehrfach hervor- 
gehoben ist es, dass die Pest bei jeder Epidemie „ein anderes Gesicht hat“, 
wie die indischen Aerzte sagen, d. h. dass die Pest nicht immer in der gleichen 
Erscheinungsform auftritt, sondern dass bald die grossen sichtbaren Bubonen, 
bald die Hantnekrosen, bald Pest ohne sichtbare Bubonen, bald wie in Japan 
die Lungenpest den vorherrschenden Typus der Erkrankungen bilden. Ja so- 
gar während der einzelnen grossen Jahresepidemien in Bombay, welche immer 
im Spätherbst begonnen haben und mit Eintreten des Frühjahr-Monsum im 
Mai erloschen sind, lassen sich Perioden unterscheiden, in welchen die eine 
oder die andere Pestform vorherrschend auftritt. 

Für das Zustandekommen stark pathogener Kulturen kommen übrigens 
auch noch andere Faktoren als die Herkunft des Stammes in Betracht, so nament- 
lich der Peptongehalt des Nährbodens, welcher nach den in dem Municipality- 
Laboratorium, wie auch nach den gleich zu besprechenden, in Haffkin’s 
Institut gemachten Beobachtungen nicht gering — jedenfalls höher als 1 pCt. — 
sein sollte. Vielleicht ist auch die Entnahme der Pestbacillen aus dem Kärper 
des kranken, noch nicht verendeten Organismus der seither üblichen vorzu- 
ziehen. Ein anderer Weg, welcher zur Verbesserung der immunisirenden Nucleo- 
proteide führen könnte, geht von dem Gedanken aus, dass zur Behandlung der 
Pferde eine thunlichst kleine Dosis mit genau bekannter gleichmässiger Toxi- 
eität verwendet werden sollte. Dr. Alfons Mayr schreibt mir: „Wenn wir 
uns den Vorgang der Immunisirung so vorstellen, dass die Zellen durch einen 
Reiz zur Produktion von Substanzen angeregt werden, die im Blute sich häufend 
das heilende Princip darstellen, so kann ich mir zurechtlegen, dass ein über- 
mässiger Reiz die Fähigkeit zur Produktion geradezu vernichten kann. Diese 
Produktion, die ja keine alltägliche physiologische Leistung der Zellen ist, 
kann wohl kaum gewaltsam und plötzlich in Erscheinung gerufen werden, 
sondern die Zellen müssen dazu gewissermaassen trainirt werden. Der Schluss 
wäre, dass man durch kleine, allmählich in kurzen Zwischenräumen steigende 
Dosen die besten Resultate erzielen müsste. Mit je weniger der immunisirenden 
Substanz man das Auslaugen findet, desto besser dürfte es sein. Auch der 
Gesundheitszustand der Pferde würde so auf einer zufriedenstellenderen Stufe 
erhalten.“ Das ist gewiss ein beherzigenswerther Gedanke, welcher an Be- 
deutung um so mehr gewinnt, als thatsächlich das erste von Lustig immu- 
nisirte Pferd mit sehr kleinen Dosen behandelt wurde. Es erhielt nämlich in 

. Zwischenräumen von 8 zu 8 Tagen 0,05—0,14—0,16 — 0,22—0,20— 0,20 g, und 
der Erfolg war, soweit es sich beurtheilen lässt, der beste, der je erreicht 
wurde. 

Wichtig scheint auch die Wahl des richtigen Zeitpunktes sowohl für eine 
neue Injektion als auch für den Aderlass des Pferdes zu sein; es müsste dem- 
nach durch eine fortlaufende Untersuchung des Serums auf seine Heilkraft die 


Die Bubonenpest in Bombay im Frühjahr 1900. 171 


Zeit der höchsten Immunität ermittelt werden. Daneben wird wobl die intra- 
venöse Applikation des Toxins in geringerer Menge noch bessere Erfolge als 
die seither geübte subkutane Injektion gewährleisten. 

Das Blutserum derartig vorbehandelter Pferde wird ohne irgend welchen 
Zusatz einer desinficirenden oder konservirenden Substanz steril in Fläschchen 
von 20 g Inhalt eingefüllt und in der später zu beschreibenden Art und Menge 
als Heilmittel gegen die Pest beim Menschen verwendet. 

Debrigens ist es nicht uninteressant, dass die ganz gleich behandelten 
Pferde mit gleichen Immunitätseinheiten ihres Serums praktisch verschieden 
gute Heilerfolge bei Pestkranken zu verzeichnen haben. 


Ganz anders, als dieses „Lustig’sche Heilserum“ findet die Darstellung 
desHaffkin’schen Schutzimpfstoffes statt— der Haffkin’schen „Lymphe“, 
wie man denselben eigenthümlicher Weise nennt. 

Das Haffkin’sche Institut, das Plague-Research- Janan, befindet sich 
in dem sogenannten Old-Government, einem ehemaligen Jesuitenstift mit mäch- 
tigen massiven Mauern, welche sogar der tropischen Hitze einen gewissen 
Widerstand leisten. Das grosse palastartige Gebäude, ausserhalb der Stadt 
inmitten weiter Gärten gelegen, wurde, nachdem es den Jesuiten abgenommen 
worden war, weil sich dieselben staatsgefährliche Umtriebe mit den einhei- 
mischen Fürsten hatten zu Schulden kommen lassen, dem Gouverneur als 
Wohnung angewiesen. Als dann aber kurze Zeit darauf in dem alten Schloss 
die Frau des Gouverneurs an Cholera gestorben war, wurde das Gebäude 
geräumt und stand nun seit längeren Jahren leer, so dass es bei der Errich- 
tang des Plague-Research-Laboratory wissenschaftlichen Zwecken zur Verfügung 
gestellt wurde. Wer Rudyard Kipling’s Buch „in den Dschunggeln“ kennt, 
kann sich eine deutliche Vorstellung der Situation machen, denn das Haus, 
in welchem das Märchen vom Mungo spielt — R. Kipling’s Vaterhaus — 
liegt ganz in der Nähe. Dort wird also in grösstem Maassstabe die Herstellung 
von Haffkin’s Präventiviymphe betrieben. 

Die Art der Herstellung ist folgende: 

Ein Kilo mageres Ziegenfleisch wird — von Sehnen und Bindegewebe 
u.s.w. thunlichst befreit — in einer Fleischmühle fein zermahlen, sodann mit 
125 g Salzsäure übergossen, im Autoklav bei 3 Atmosphären Druck mehrere 
Standen digerirt. Dann entsteht aus dem Ganzen eine gleichmässige, dunkele, 
berosteingelbe, dick-Ölflüssige Masse. Diese wird filtrirt und mit Wasser so- 
weit verdünnt, dass ein 1 proc. Pepton- resp. Albumingehalt der entstehenden 
Bouillon herauskommt. Es gehört dazu etwa die 7 fache Menge Wasser als 
Zusatz zu der digerirten ölflüssigen Fleischmasse. Diese Bouillon wird dann mit 
Kal. carbon. neutralisirt, durch Kochsalzzusatz auf den physiologischen Koch- 
salzgehalt gebracht, nochmals sterilisirt, und bildet nun bei einer Temperatur 
von 30° den besten Nährboden für Pestbacillen. 

Diese Bouillon wird in grosse Glaskolben von ca. 20 cm Durchmesser 
mit flachem breiten Boden eingefüllt; in jeden Kolben kommen etwa 21/, Liter, 
so dass die Bouillon eine thunlichst grosse der Luft ausgesetzte Oberfläche hat 


172 Schottelius, Die Bubonenpest im Bombay im Frühjahr 1900. 


und etwa 3—4 Finger boch im Kolben steht. Die Bouillon hat die Farbe 
kräftiger, klarer Fleischbrühe. 

Um die Pestbacillen zu zwingen, an der Oberfläche zu wachsen, werden 
nun einige Tropfen Olivenöl hinzugethan; an den Tröpfchen dieses Oeles, 
welche selbstverständlich auf der Bouillon schwimmen, haften dann viele der 
zur Infektion des Kolbens eingeführten Pestbacillen an und wachsen von diesen 
festen Punkten aus als Haut über die Oberfläche der Bouillon. Das Phänomen 
der sogenannten Stalaktitenbildung sieht man bei diesem — so zu sagen — 
fabrikmässigen Wachsthum der Pestbacillen in allen erdenklichen Stadien. 
Zwar nicht an der grossen Masse in den Züchtungskolben, aber an den neben 
jeder Serie aufgestellten Kontrolkolben, in denen die Pestbacillen einem ganz 
ungestörten Wachsthum überlassen sind, und welche ausschliesslich zur fort- 
laufenden Prüfung auf die Reinheit der Kulturen dienen. 

Die vielen Hunderte der gleichzeitig im Nutzungswachsthum befindlichen 
Kolben werden nämlich 6 Wochen lang alle 2 Tage geschüttelt, damit immer 
neue Bacillenmassen an der Oberfläche wachsen können, so lange die betref- 
fende Quantität Nährbouillon überhaupt noch ein Wachsthum von 
Pestbacillen gestattet. Bei diesem fortdauernden Durchschütteln wird 
die ursprünglich klare Nährbouillon natürlich trüb und trüber; die abge- 
storbenen Bacillenmassen sinken theils zu Boden, theils bleiben sie in der 
Flüssigkeit suspendirt, und schliesslich ist die ganze Nährbouillon in eine 
kaum noch durchscheinende, etwas dicker als Wasser flüssige, geruchlose, 
harngelbe Flüssigkeit umgewandelt. 

Dieses ist das Material der Haffkin’schen „Lymphe“. Um dasselbe ge- 
brauchsfäbig zu machen, werden in einem grossen, horizontal liegenden Des- 
infektor die Kolben bei 65° mehrere Stunden laug sterilisirtt und demnächst 
bakteriologisch durch Kultur auf die Sterilität kontrolirt. Sodann, nachdem 
unzweifelhaft die Sterilität aller zu einer Serie gehörigen Kolben festgestellt 
ist, kommt diese ganze Portion unter starkem Umschütteln in ein grosses 
Gefäss, wird hier durch Phenolzusatz auf eine 1/,proc. Phenollösung gebracht 
und ist nunmehr gebrauchsfertig. 

Unter entsprechenden Kautelen geschieht das Abfüllen in Gläschen von 
30 ccm Inhalt; diese werden dann verschlossen, etiquettirt, verpackt und durch 
ganz Indien zur Vornahme der Schutzimpfungen versendet. Von den Dimen- 
sionen, welche die Herstellung des Haffkin’schen Schutzimpfstoffes zur Zeit 
meines Besuches hatte, kann man sich einen Begriff machen, wenn man hört, 
dass auf einer mir vorliegenden Photographie des Kulturraumes sich 648 Kolben 
zählen lassen: sechs lange Tafeln, auf jeder derselben drei Reihen Kolben, und 
36 solche Kolben in jeder Reihe. Jeder Kolben enthält 2—3 Liter Kultur- 
flüssigkeit oder durchschnittlich 21/, Liter. Mas macht im Ganzen 1620 Liter 
Schutzimpfstoff, welcher damals gleichzeitig in Arbeit war! Zur Schutzimpfung 
genügen 5 ccm dieser „Lymphe“. 

Während Lustig’s Serum ein Heilserum ist, stellt Haffkin’s „Lymphe* 
einen Schutzimpfstoff dar. 


Das im Institut Pasteur in Paris nach Roux’s Methode hergestellte 


Wasser. 173 


Serum besitzt dagegen bekanntlich Schutzkraft und Heilkraft, erstere in ge- 
ringerem, letztere in hohem Maasse. 

Die Herstellung dieses Serums des Institut Pasteur geschieht in folgender 
Weise: Es werden Pferde mehrere Monate lang mit abgetödteten Kulturen von 
Pestbacillen und mit Toxinen und schliesslich mit lebendigen Kulturen viru- 
lenter Pestbacillen behandelt, bis sie immunisirt sind und nicht mehr, weder 
auf abgetödtete Kulturen, noch auf Toxine, noch auf lebendige Kulturen von 
Pestbacillen reagiren. 

Zuerst kommt die Behandlung mit abgetödteten Pestkulturen; diese werden 
intravenös eingespritzt, um Abcessbildung zu vermeiden. Dann werden die 
Pferde mit Toxinen behandelt. Zur Gewinnung der Toxine benutzt man Bouillon- 
kulturen von Pestbacillen, welche bei 25° C. kultivirt werden. Derartige 
Bonillonkulturen werden filtrirt, und das Filtrat wird den Pferden subkutan 


eingespritzt. 
Erst nachdem die Pferde einen hohen Immunitätsgrad erlangt haben, 
werden ihnen lebende Kulturen von Pestbacillen — und zwar ausschliesslich 


iotravends — eingespritzt. Dabei muss die Flüssigkeit körperwarm sein und 
vor der Benutzung eine Schicht Baumwolle passiren, um gröbere Klumpen 
zurückzubalten. i 

Zuletzt bekommen die Pferde ausser den Einspritzungen von lebendigen 
viralenten Pestkulturen von Zeit zu Zeit noch subkutane Einspritzungen von 
Pesttoxinen, von denen 1/6 ccm eine erwachsene Maus tödten muss. Die 
ganze Procedur bis zur Erlangung eines gut wirksamen Serums dauert bei 
dieser Behandlung etwa 6 Monate. 

Gegenwärtig befinden sich 38 gut immunisirte Pferde im Institut Pasteur 
in Paris, welche monatlich durchschnittlich 4—5000 Serumfläschchen, jedes 
zu 20 ccm liefern. Jedem einzelnen Pferde werden demnach monatlich etwa 
3 Liter Seram abgezapft. Die Schutzkraft dieses Serums hält etwa 18 Tage 
lang an, und es sind 5—10 cem erforderlich, um einen wirksamen Impfschutz 
beim Menschen zu erzielen. Zur Heilung von Pestfällen müssen aber viel 
grössere Dosen und zwar thunlichst intravenös applicirt werden. 

(Schluss folgt.) 


Koenig J., Beiträge zur Selbstreinigung der Flüsse. Zeitschr. f. Unter- 
sachg. d. Nahrgs.- u. Genussm. 1900. S. 377. 

Zur Klärung der Frage nach den bei der Selbstreinigung der Flüsse 
sich abspielenden Vorgängen stellte Verf. eine grosse Anzahl Versuche an, 
deren Ergebnisse in möglichster Kürze referirt werden sollen. 

Zur Entscheidung, ob eine direkte Oxydation der organischen 
Stoffe stattfindet, liess Verf. Ammonsulfatlösungen bezw. verdünnte Jauche 
in dünner Schicht über lockere Filtermassen fliessen, die in einigen Versuchen 
noch mit fein vertheilten Oxyden (z. B. Manganoxyden, die leicht Sauerstoff 
abgeben und wieder aufnehmen) oder mit Gartenerde und somit mit nitrifi- 

14 


174 Wasser. 


cirenden Bakterien beschickt waren. Aus diesen Versuchen ergaben sich folgende 
Schlussfolgerungen: 

Eine direkte Oxydation des Ammoniaks durch den Luftsauerstoff 
beim dünnen Ausbreiten in faserigen Stoffen scheint nicht stattzufinden; die 
auf diese Weise qualitativ nachgewiesene geringe Menge Salpetersäure kann 
auch direkt aus der Luft aufgenommen sein. Setzt man dagegen zu lockeren 
Filtermassen nitrificirende Bakterien (Gartenerde), so findet in den Filtern 
alsbald eine lebhafte Nitrifikation statt. Auch in nicht geimpften Filtern tritt 
mit der Zeit in Folge Hinzutritts von nitrificirenden Bakterien aus der filtri- 
renden Flüssigkeit bezw. aus der Luft Nitrifikation ein, namentlich wenn ge- 
nügende Mengen organischer Stoffe vorhanden sind. Die Nitrifikation und 
weiter überhaupt die Oxydation durch oxydirende Bakterien wird in den Filtern 
durch fein vertheilte Oxyde (z. B. Manganoxyde) unterstützt. Bei der Nitri- 
fikation in den Filtern findet ein Verlust an freiem Stickstoff statt; es wirken 
also bei Reinigung fauliger, ammoniakhaltiger Wässer gleichzeitig neben den 
nitrifieirenden auch denitrificirende Bakterien mit. Die Oxydation der 
Schwefelverbindungen geht wenigstens zum Theil schon allein durch den 
Luftsauerstoff vor sich, indess wird dieselbe durch den gebundenen, leicht 
abtrennbaren Sauerstoff der fein vertheilten Manganoxyde unterstützt; weniger 
ist diese Oxydation von der Mitwirkung der Bakterien abhängig. Die Oxy- 
dation der organischen Stoffe zeigt keine Regelmässigkeiten; das hat 
seinen Grund darin, dass einerseits ein Theil derselben vorerst mechanisch in 
der Filtermasse zurückgehalten wird und dann bei einer darauf folgenden 
Filtration wieder in Lösung geht, dass andererseits die zu ihrer Bestimmung 
angewendeten Verfahren mangelhaft und ungenau sind. 

Obne Zweifel spielt die direkte Oxydation der organischen 
Stoffe bei der Selbstreinigung der Flüsse aber nur eine unter- 
geordnete Rolle; jedenfalls hat man in den Gewässern, die grosse 
Mengen organischen und Ammoniak-Stickstoff aufnehmen, eine 
wesentliche Vermehrung an Salpetersäure nicht festgestellt. 

Um den Einfluss der Bewegung, des Lichtes, des freien Luft- 
zutrittes und der Verdunstung auf die Bestandtheile des Wassers zu 
prüfen, machte Koenig Versuche, in denen das Fliessen des Wassers nach- 
geahmt wurde, und zwar liess er das Wasser bei sanftem Fall eine 2—4 km 
lange Strecke durch Zinkrohre (Bewegung) bezw. Glasrohre (Bewegung und 
Licht) bezw. in offener Rinne (Bewegung, Licht, freier Luftzutritt und Ver- 
dunstung) fliessen; weitere Untersuchungen wurden mit einem Bache bei 
Münster, der Aa, welcher die gesammten Abwässer dieser Stadt aufnimmt, 
angestellt. Diese Versuche ergaben folgendes: 

Eine Verminderung der gelösten organischen Stoffe beim künstlichen 
Fliessen des Wassers auf 2—4 km durch die physikalisch-chemischen Wir- 
kungen (Licht, Bewegung, Sauerstoff) liess sich nicht nachweisen. Nur bei 
7 km langem Fliessen des natürlichen Aawassers war eine Verminderung der 
leicht oxydirbaren organischen Stoffe vorhanden, die nicht auf eine Verdünnung 
der Aawassers durch anderes, reines Wasser allein zurückgeführt werden kann. 
Auch konnte unter diesen Versuchsbedingungen ein direkter Einfluss der Bak- 


Wasser. 175 


terien auf die Abnahme der organischen Verunreinigungen und des Ammoniak- 
gehaltes nicht nachgewiesen werden. Die Bewegung des Wassers als solche 
ist ohne Einfluss auf die Beseitigung der verunreinigenden Bestandtheile. Da- 
gegen nimmt der Ammoniakgehalt beim Fliessen unter Zutritt 
von Luft und Licht sehr stark ab. Diese Abnahme steht in einem ge- 
wissen Verhältnisse zur Wasserverdunstung und ist demnach in erster Linie 
von den meteorologischen Verhältnissen abhängig; es findet aber gleichzeitig 
auch eine Diffusion des flüchtigen Ammoniaks statt. Eine nennenswerthe 
Oxydation des Ammoniaks beim Fliessen des Wassers, sowohl in künst- 
lichen Rinnen (selbst nach dem Impfen mit Nitrifikationsbakterien) als auch 
im Flassbett, fand nicht statt; dagegen hat eine Vermehrung der Schwefel- 
säure stattgehabt. 

Aus der Thatsache der Verdunstung bezw. Diffusion gasiger Bestandtheile aus 
einem fauligen Gewässer erklärt Koenig eine Reihe Erscheinungen, für welche 
bis jetzt eine völlig befriedigende Erklärung fehlte, nämlich, dass in den ver- 
unreinigten Wässern durchweg keine freie Kohlensäure und nur wenig freies 
Ammoniak auftritt, dass die Flüsse unter Umständen erhebliche Mengen orga- 
nischen Stickstoff aufnehmen können, ohne dass dieser wieder in Form von 
Lebewesen oder Salpetersäure zum Vorschein kommt, und schliesslich, dass 
die Selbstreinigung der Flüsse im Sommer und bei heiterem Wetter sowie in 
Flüssen mit starker Stromgeschwindigkeit, in welchen Fällen die Verdunstungs- 
und Diffusionsverhältnisse sehr günstige sind, viel besser und schneller ver- 
läuft als bei kühler, feuchter Witterung und in Flüssen mit geringer Strom- 
geschwindigkeit. 

Als letzten Punkt der vorliegenden Abhandlung bespricht Verf. die Mit- 
wirkung höherer Wasserpflanzen bei der Selbstreinigung der Ge- 
wässer. Da für höhere Wasserpflanzen die saprophytische Ernährung bis 
jetzt noch nicht festgestellt worden war, nahm Verf. diesbezügliche Versuche 
vor, indem er eine Anzahl Wasserpflanzen in den verschiedenartigsten Nähr- 
lösungen zog; das Ergebniss war: 

Die Pflanzen Elodea canadensis Rich., Potamogeton crispus L., Myrio- 
phyllum proserpinacoides Gill., Ceratophyllum demersum L. können ihren 
Stickstoffbedarf aus organischer Quelle (Asparagin oder Albu- 
mose oder aus beiden) decken. Dasselbe gilt mit grosser Wahrschein- 
lichkeit auch für Salvinia natans Willd. und Salvinia auriculata Aubl. (bei 
denen der Stickstoff nicht bestimmt werden konnte), sowie wahrscheinlich auch 
für die unten aufgeführten Pflanzen, welche ihren Kohlenstoffbedarf aus orga- 
nischer Quelle zu decken vermögen. Die Pflanzen Elodea canadensis Rich., 
Potamogeton crispus L., Myriophyllum proserpinacoides Gill., Myriophyllum 
Prismatum, Ceratophyllum demersum L., Salvinia natans Willd., Salvinia auri- 
culata Aubl., Azolla caroliniana Willd. können ihren Kohlenstoffbedarf 
in kohlensäurefreien Lösungen aus organischer Quelle decken; 
die Mehrzahl derselben bringt es zu einer bedeutenden Vermehrung der Trocken- 
substanz; für Lemna minor L. und Lemna polyrhiza L. ist der Besitz derselben 
Fähigkeit wahrscheinlich. Harnstoff scheint sich als Stickstoffquelle nicht zu 
eignen, wahrscheinlich wegen giftiger Nebenwirkung; auch in Lösungen von 

14* 


176 Wasser. 


Glykokoll und humussaurem Kalium gelang es Verf. nicht, Ceratophyllum und 
Myriophyllum zum Wachsthum zu bringen; Algen gedeihen aber auch in diesen 
Lösungen sehr gut. Die in den organische Stoffe enthaltenden Lösungen ge- 
zogenen Pflanzen zeichneten sich meist auffallend durch gutes Wachsthum vor 
den in rein anorganischen Lösungen gezogenen aus. Da manche Pflanzen es in 
den rein anorganischen Lösungen nur zu einer kümmerlichen Entwickelung 
brachten oder sogar abstarben, liegt die Vermuthung nahe, dass diese Arten 
sich in hohem Grade an die halbsaprophytische Lebensweise angepasst haben. 
Es werden daher auch die höheren grünen Wasserpflanzen bei der 
Selbstreinigung der Gewässer mitwirken. 
Wesenberg (Elberfeld). 


Schaer Ed., Zur Frage der hygienischen Bedeutung der Nitrite im 
Trinkwasser. Ber. d. deutsch. chem. Gesellsch. 1900. Bd. 33. No. 8. 
S. 1282. 

Im. Anschluss an die Veröffentlichung von L. Spiegel (Ref. diese Ztschr. 
1900. S. 1081) macht Verf. darauf aufmerksam, dass fermentartige Stoffe 
verschiedener Kategorien, mit der Fähigkeit der Reduktion von Nitraten 
begabt, in der Natur sehr verbreitet sind und demnach sehr leicht in den 
Bereich von Trinkwasser gelangen und ihre specifische Wirkung äussern 
können; diese Fermente wirken aber andererseits auch wieder auf die 
Nitrite weiter reducirend, sodass auf diese Weise kleinere Nitritmengen in 
relativ kurzer Zeit wieder zum Verschwinden gebracht werden können. Dem 
Nitritnachweis im Trinkwasser kann daher weder im positiven, noch im nega- 
tiven Sinne ausschlaggebende Bedeutung zukommen. 

Wesenberg (Elberfeld). 


Popp G., Natürliches Mineralwasser. Zeitschr. f. öffentl. Chemie. 1900. 
S. 124. 

Unter den Bezeichnungen „natürliches“ oder „natürlich kohlen- 
saures“ oder auch „natürliches kohlensaures“ Mineralwasser sind 
eine Anzahl Produkte im Handel, die nicht ihre ursprüngliche Beschaffenheit 
besitzen, sondern erst durch Enteisenung, Versetzung mit Kochsalz, doppelt- 
koblensaurem Natron oder dergl. und nach Uebersättigung mit der vorher oft 
nur in Spuren vorhandenen Kohlensäure zu geeigneten Tafelwässern gemacht 
sind. Diese Fabrikate. denen höchstens die Bezeichnung als „halbnatürliche* 
zukommt, unterscheiden sich schon in ihrem äusseren Verhalten deutlich von 
den natürlichen. Die natürlichen, stark kohlensauren Mineralwässer 
scheiden die Kohlensäure beim Ausgiessen in dem Glase in gleichmässigen 
kleinen Bläschen erst allmählich aus; dieselben beschlagen die Glaswände 
wie mit einem feinen Thau. Die halbnatürlichen, mit Kohlensäure stark 
übersättigten Mineralwässer entbinden dagegen die Kohlensäure mehr explosiv; 
die Gasblasen sind grösser, steigen rasch an die Oberfläche und setzen sich 
nicht so gleichmässig thauartig an die Glasfläche. Auch in Bezug auf den 
Geschmack zeigen sich meist deutliche Unterschiede. Hieraus ist ersichtlich, 
dass in dem unveränderten natürlich-koblensauren Mineralwasser die Koblen- 


Klima. 177 


sure fester gebunden ist, als in dem vorher mit Luft in Berührung gewesenen 
und in seinen Mineralbestandtheilen veränderten Wasser. 

In bakteriologischer Beziehung unterscheiden sich die beiden Arten 
Wasser auch deutlich von einander; während Verf. die besseren natürlichen Mine- 
ralwässer keimfrei fand, enthielten die Halbfabrikate stets mehr oder weniger 
Mikroorganismen, die während der oft wochenlangen Behandlung aus der Luft, 
ans Geräthen oder Salzen in das Wasser gelangten. „Wenn nun auch bei 
reinlieben Betrieben eine Gefahr für den Konsumenten hieraus nicht ohne 
Weiteres abzuleiten ist, so kann in einem höheren Keimgehalt eine Verbesse- 
rang des Wassers doch nicht erblickt werden.“ 

„Aus allen diesen Erwägungen geht klar hervor, dass den Halbfabrikaten 
nicht die Eigenschaften der natürlichen Mineralwässer eigen sind, sondern dass 
dieselben durch das Fabrikationsverfahren eine Verschlechterung erfahren haben. 
Würde man also ein Halbfabrikat trotzdem als natürliches Mineralwasser aus 
einer bestimmten Quelle bezeichnen, so involvirt diese Bezeichnung ein Ver- 
gehen gegen das Nahrungsmittelgesetz, das in den Motiven zu § 10 eine Ver- 
schlechterang durch Entnehmen oder Zusatz von Stoffen unter Verschweigung 
dieses Umstandes als eine Täuschung kennzeichnet.“ 

„Der Begriff „„natürliches Mineralwasser“ müsste demnach dahin definirt 
werden, dass unter „„natürlichem““ Mineralwasser nur solches Wasser zu ver- 
stehen ist, das ohne willkürliche Veränderung seiner Mineralbestandtheile so 
in Flaschen oder Krüge gefüllt wird, wie es die Mineralquelle liefert. Alle 
anderen Mineralwässer sind ihrer Herstellungsweise entsprechend zu bezeich- 
nen.“ Selbstverständlich sind einem doppeltkohlensauren Wasser die Eigen- 
schaften als natürliches Mineralwasser erhalten geblieben, wenn die beim Zu- 
tagetreten der Quelle in Folge verminderten Druckes oder höherer Temperatur 
entbundene Kohlensäure aufgefangen und dem Wasser bei Füllung der Ge- 
fässe unter Druck wieder einverleibt wird. In neuerer Zeit ist man sogar 
bestrebt, die Entbindung der Kohlensäure in der Quelle dadurch zu verhindern, 
dass man das Wasser in der Quelle durch eine Kälteleitung stark abkühlt. 

(Anmerkung bei der Korrektur. Der vorstehend referirten Ansicht scheint 
auch das Reichsgericht zu sein, indem es kürzlich der Aktien-Gesellschaft 
Apollinaris-Brunnen bei hoher Geldstrafe untersagt hat, ihr Versandwasser 
ferner als „natürlich kohlensaures Wasser“ zu bezeichnen [vergl. Apotheker- 
Ztg. 1901. S. 61]. Ref.) Wesenberg (Elberfeld). 


Raake K. E., Ueber die Einwirkung des Tropenklimas auf die Er- 
nabrung des Menschen auf Grund von Versuchen im tropischen 
und subtropischen Südamerika. 95 Seiten. Berlin 1900. August 
Birschwald. 

Die vom Verf. angestellten Versuche umfassten in direkter zeitlicher Folge 
de Einwirkung des gemässigten Klimas, dann des tropischen und 
wd subtropischen Klimas während einer fünfvierteljährigen Reise in Süd- 
amerika und endlich wieder die des gemässigten Klimas nach der Rückkehr. 


178 Klima. Infektionskrankheiten. 


Die Hauptresultate dieser Untersuchungen lassen sich folgendermaassen zu- 
sammenfassen. Das Temperaturoptimum des Europäers bei mittlerer Bekleidung 
befindet sich bei 15—180 C., vorausgesetzt, dass keiner der übrigen klima- 
tischen Faktoren eine wesentliche Wirkung ausübt. Bei einem Klima, ent- 
sprechend einer Lufttemperatur zwischen diesem Temperaturoptimum und etwa 
220, zeigt sich mit steigendem Klimawerth eine wesentliche Vermehrung der 
Wasserverdampfung, aber noch kein deutlicher Einfluss auf.die Nahrungs- 
aufnahme. Bei einem Klima von etwa 25%, wenn die übrigen klimatischen 
Faktoren die Wirkung der Lufttemperatur weder vermehren noch vermindern, 
zeigt sich eine deutliche Verminderung der Nahrungsaufnahme. Steigt der 
Klimawerth noch mehr an, so sinkt die Nahrungsaufnahme noch weiter, zu- 
letzt selbst noch unter den Bedarf eines mittleren Erwachsenen bei voll- 
ständiger Ruhe und Hunger. Dabei sinkt die Eiweissaufnahme nicht unter 
das Erhaltungsminimum der niedrigeren Arbeitsklassen; jede weitere Vermin- 
derung geschieht allein auf Kosten der Fette und Kohlehydrate. Wird gegen 
diese instinktive Verminderung die Nahrungsaufnahme hoch erhalten, so 
stellen sich pathologische Erscheinungen ein: Störungen des Allgemeinbe- 
findens, Temperatursteigerüngen und Verminderung der natürlichen Resistenz 
gegen infektiöse Krankheiten. Wird dagegen, was bei langdauerndem Auf- 
enthalt in tropischem Klima zu geschehen pflegt, die Nahrungsaufnahme dauernd 
so sehr vermindert, als die Wärmeabgabe in einem sehr heissen Klima ver- 
langt, so hat das eine mehr oder minder hochgradige Unterernährung mit 
allen ihren gefährlichen Konsequenzen zur Folge. 
Dieudonne (Würzburg). 


Grimm F., Aerztliche Beobachtungen auf Yezo von 1887—1892. Ein 
Beitrag zur medicinischen Geographie. 107 Seiten. Mit 5 Abbil- 
dungen. 1900. 

Verf., der in den Jahren 1887—1892 das japanische Regierungskranken- 
haus auf Yezo leitete, giebt in seinem Werk eine Uebersicht über die dortigen 
Verhältnisse, sowohl in medicinischer, wie in anthropologischer und ethno- 
graphischer Beziehung. Von besonderem Interesse ist die Besprechung der 
Infektionskrankheiten; fast alle bei uns vorkommenden Infektionskrank- 
heiten kamen auch dort vor, nur Scharlach wurde niemals beobachtet. Beri- 
Beri, Lepra und Filariakrankheit sind häufig. Das lesenswerthe Buch ist mit 
5 Abbildungen geschmückt. Dieudonné (Würzburg). 


d’Arrigo G., Die Alterationen der Nieren bei Lungentuberkulose in 
Beziehung auf den Uebergang des Toxins und der Tuberkel- 
bacillen. Vorläufige Mittheilung. Centralbl. f. Bakteriol. Bd. 28. 8/9. 
S. 225. 
Der Verf., ein Schüler Schrön’s, hat sich die Aufgabe gestellt, mittels einer 
besonderen, von ihm früher publicirten Fixirungs- und Färbetechnik zu unter- 
suchen, ob die Nierenalterationen bei Phthisikern lediglich Wirkungen 


Infektionskrankheiten. 179 


in der Lunge gebildeter Gifte sind, oder ob zugleich mit dem Toxin oder 
nach ihm auch der Bacillus in die Nieren einzieht und dort schwere Läsionen 
hervorbringt, indem er in loco seine Produkte absondert. Auf Grund der zu- 
nächst nur an 12 Fällen gemachten Beobachtungen kommt Verf. zu dem 
Schluss, dass in den Nieren von Phthisikern jeglichen Stadiums konstant 
mehr oder weniger schwere Alterationen der Gefässe, des interstitiellen Binde- 
gewebes, der Glomeruli und Epithelien der Harnkanälchen bestehen. Bei be- 
gionenden Fällen sind die Alterationen nicht schwer und scheinen lediglich 
vom Durchtritt des Toxins herzurühren, das zunächst auf die Gefässe und 
sekundär auf das interstitielle Gewebe und auf die Epithelien wirkt, dann 
aber, bei dauerndem Durchtritt des Toxins, werden sie so schwer, dass die Ansie- 
delung von Tuberkelbacillen in dem Nierengewebe erfolgen kann, welches 
durch die Cirkulationsstörungen einen Locus minoris resistentiae darstellt und 
nach Ansiedelung der Bacillen durch die in loco abgesonderten toxischen Pro- 
dukte ausserordentlich schwer geschädigt wird. Als Eintrittspforte für die 
Bacillen bezeichnet Verf. in Uebereinstimmung mit Schrön die Blutbahn, da 
er die grösste Menge Bacillen in den Glomerulis und im interstitiellen Binde- 
gewebe gefnnden habe, auffallender Weise jedoch nie in dem, in den Gefässen 
enthaltenen Blute, noch auf deren Intima, hingegen konstant in kleinzelligen 
Infiltraten der perivasalen Lymphräume. Verf. stellt eine ausführlichere Be- 
sprechung dieser Thatsachen nach der völligen Bearbeitung seines reichen, 
98 Fälle umfassenden Materials in Aussicht. B. Heymann (Breslau). 


Museheld P., Ueber die Widerstandsfähigkeit der mit dem Lungen- 
auswurf herausbeförderten Tuberkelbacillen in Abwässern, im 
Flusswasser und im kultivirten Boden. Arb. aus dem Kais. Ges.-A. 
1900. Bd. 17. S. 56. 

Die Aufbewahrung von frischem Sputum in Wasser und seine sorg- 
lose Ueberführung ohne vorangegangene Desinfektion ins Kanalwasser, welche 
im Vertrauen auf die angeblich geringe Widerstandsfähigkeit der Tuberkel- 
bacillen gegen Witterungseinflüsse und in Konkurrenz mit den anderen Bak- 
terien vielfach geduldet wird, veranlasste den Verf. zu den umfangreichen, 
im Titel bezeichneten Untersuchungen. Das Hauptergebniss derselben ist, dass 
„die mit dem Lungenauswurf herausbeförderten Tuberkelbacillen trotz aller 
Schädlichkeiten (Frost, Schnee, Regen, Sonnenschein, Fäulniss,, Konkurrenz 
mit einer mannigfachen Bakterienflora) ihre Fähigkeit, Tuberkulose zu er- 
zeugen, eine Anzahl Monate hindurch bewahren, jedenfalls im Grossen und 
Ganzen sich nicht anders verhalten, wie im eingetrockneten Sputum.“ Im 
Speciellen hat Verf. die Lebensfähigkeit und Virulenz der mit Sputum zuge- 
setzten Tuberkelbacillen nachgewiesen 1. in Spreewasser, bei zerstreutem Tages- 
licht, wie im Dunklen gehalten, nach 162 Tagen; 2. in Kanalwasser unter 
gleichen Versuchsbedingungen nach 197 Tagen; 3. in Kanalwasser, bei zer- 
streutem Tageslicht, im Freien, allen Witterungseinflüssen ausgesetzt und vor- 
übergehend sogar eingefroreu, nach 131 Tagen; 4. in Kanaljauche ans einem 
Anschlassrohr der Berliner Kanalisation bei zerstreutem Tageslicht nach 
194 Tagen, im Dunkeln bei einem anderen, nicht weiter verfolgten Versuche 


180 Infektionskrankheiten. 


nach 105 Tagen; 7. in derselben Kanaljauche, im Freien gehalten und vor- 
übergehend eingefroren, nach 194 Tagen; in zwei anderen, nicht länger ver- 
folgten Versuchen nach 66 und 148 Tagen; 6. in Gartenerde, welche mit 
47 Tage alter, tuberkelbacillenhaltiger Kanaljauche begossen, mit Radieschen 
bestellt, am offenen Zimmerfenster der Mittagssonne ausgesetzt und 66 Tage 
gärtnerisch behandelt wurde, demnach zusammen nach 145 Tagen; in zwei 
weiteren, nicht weiter verfolgten Versuchen nach 60 und 150 Tagen. — Diesen 
Versuchsergebnissen entsprechend gelang es dem Verf. denn auch, in den 
Schlammablagerungen von ‘dem Riesel- (-Sicker-) Felde für die Abwässer einer 
Heilanstalt für tuberkulöse Lungenkranke, sowie in den Abwässern einer 
Schweder’schen Kläranlage derselben Anstalt reichlich lebende, virulente 
Tuberkelbacillen nachzuweisen. Eine im Anschluss bieran zur Prüfung der 
Wirksamkeit von Chlorkalkzusätzen zu tuberkelbacillenhaltiger Kanaljauche 
ausgeführte Untersuchungsreihe zeigte, dass eine Mischung von 1 :20000 zur 
Abtödtung der Tuberkelbacillen nicht genügte, wogegen dies bei einem Ge- 
misch von 1:1000 vollständig der Fall war, wie auch die Untersuchung einer 
Schweder-Dibdin’schen Anlage, wo Chlorkalk in einer Koncentration von 
0,1: 1000 und 0,25 : 1000 zugemischt war, denselben günstigen Erfolg aufwies. 
Aus alledem zieht Verf. den Schluss, dass es — namentlich für Anstalten, 
in denen Lunkenkranke Unterkunft und Behandlung finden — nothwendig ist, 
die Sputa der Tuberkulösen zu desioficiren, bevor sie mit den Abfällen und 
Abwässern des Haushalts vermischt werden. Hierzu empfiehlt Verf. ein ein- 
faches Auskochen, ferner Karbolsäure und deren Abkömmlinge für die Des- 
infektion im Kleinen, zur Desinfektion im Grossen Kläranlagen; doch sind 
dieselben ohne gleichzeitige Desinfektion und ohne bakteriendichte Filtration 
nicht ausreichend. Zur Desinfektion dürfte Chlorkalk in einem Mischungs- 
verhältniss von 1000 g auf 1 cbm genügen. B. Heymann (Breslau). 


Klein E., Zur Kenntniss der Verbreitung des Bacillus tuberculosis 
und pseudotuberculosis in der Milch sowie der Biologie des 
Bacillus tuberculosis. Centralbl. f. Bakteriol. Bd. 28. No. 4/5. S. 111. 

Verf. hat für das Gesundheitsamt des London County Council 100 Milch- 
proben auf das Vorkommen von echten Tuberkelbacillen und säurefesten 

Bacillen mittels subkutaner und intraperitonealer Injektion sedimentirter Milch 

an Meerschweinchen geprüft und 7 mal echte Tuberkelbacillen, 8 mal säurefeste 

Bacillen gefunden. Bemerkenswerth ist, dass eins von den subkutan geimpften 

Thieren an echter Diphtherie zu Grunde ging. Ferner berichtet der Verf. über 

interessante Versuche, in denen es ihm glückte, schwachvirulente Kulturen von 

Tuberkelbacillen durch Züchtung in Milch hochvirulent zu machen. Schliess- 

lich schildert Verf. die tinktoriellen Eigenthümlichkeiten junger, auf Pferde- 

serum gezüchteter Tuberkelbacillenkulturen, welche häufig neben nicht ent- 
färbten, roth gebliebenen Individuen entfärbte, bezw. mit Methylenblau gegen- 
gefärbte Stäbchen aufweisen. Die Säurefestigkeit sei also auch bei den echten 

Tuberkelbacillen nur bedingt vorhanden, eine Erscheinung höheren Alters, nicht 

aber an den Fettgehalt des Nährbodens gebunden. Anscheinend sei sie bis zu 

einem gewissen Grade auch proportional der Virulenz. So habe er in den 


Infektionskrankheiten. 181 


hochvirulenten Milchkulturen keine säureempfindlichen Stäbchen gefunden. 
Wahrscheinlich beruhe die Säurefestigkeit auf der Produktion chemischer 
Substanzen von Seiten des Bacillenkörpers. B. Heymann (Breslau). 


Gromakowsky, Die differentielle Diagnose verschiedener Arten der 
Pseudodiphtheriebacillen und ihr Verhältniss zur Doppelfärbung 
nach Neisser. Centralbl. f. Bakteriol. Bd. 28. No. 4/5. S. 136. 

Verf. hat an 81, von Konjunktivalerkrankungen und Anginen. heraus- 
gezüchteten Stämmen von Pseudodiphtheriebacillen eine Eintheilung der- 
selben, besonders nach morphologischen Eigenthümlichkeiten versucht und ihr 
Verhalten zur Neisser’schen Doppelfärbung eingehend studirt. Er kommt 
hierbei za dem Schluss, dass es drei verschiedene Arten von Pseudodiphtherie- 
bacillen gebe, nämlich 1. eine dicke, nach Neisser färbbare, die Bouillon 
nicht trübende, 2. eine von mittlerer Länge und Dicke, nach Neisser nicht 
färbbare, die Bouillon unter Bildung eines reichlichen Niederschlags stark 
trübende und 3. eine dünne und kurze, die Bouillon unter Bildung eines ge- 
ringen Niederschlags trübende, die Neisser’sche Doppelfärbung erst nach 
24 Stunden annehmende Form. Auf Grund dieser Befunde hält Verf. die 
Neisser’sche Doppelfärbung zur völligen Sicherung der Diagnose zweifelhafter 
Stämme nicht für ausreichend, sondern verlangt für eine genaue Diagnose 
Kontrolversuche am Thier. B. Heymann (Breslau). 


Berliner und Cohn, Klinische Beiträge zur Diagnose des Abdominal- 
typhus. Münch. med. Wochenschr. 1900. No. 37. S. 1263. 

Verff. berichten über 45 Typhusfälle, die während der letzten 2 Jahre 
an der inneren Abtheilung des städtischen Krankenhauses am Friedrichsbain 
zu Berlin in Behandlung waren. Die Mortalität betrug ca. 13 pCt. Nach 
einer kurzen Zusammenstellung der wesentlichsten klinischen Symptome be- 
sprechen Verff. auch ihre Erfahrungen mit der Widal’schen Reaktion. Die- 
selbe war nur einmal negativ bei einem klinisch sicheren, in Heilung ausge- 
gangenen Fall (Milztumor, Roseola, Diarrhoen), der sowohl am 10. Tage der 
Erkrankung wie auch einige Wochen später noch negative Widal’sche Reaktion 
darbot. Im Gegensatz zu Kraus konnten Verff. eine Störung der Reaktion 
darch gleichzeitige Pnenmonie nicht beobachten. Zur Technik der Widal- 
schen Reaktion liefern Verff. dadurch einen Beitrag, als sie behufs makrosko- 
pischer Besichtigung die Aufbewahrung der Serumbouillonmischung in flachen 
Ubrschälchen empfehlen, auf deren Boden bei positiver Reaktion durch den 
Ausfall der Bakterien eine sternförmige, vielfach verästelte Figur auftritt, die 
auch mikroskopische Betrachtung zulässt. Von Komplikationen sahen Verff. 
Tmal Pneumonien, schwere Darm- und Nierenblutungen, eine Phlegmone, 
einen periproktitischen Abscess, einen Fall mit stark gesteigertem Hirndruck 
(210 mm) und mehrfache geschwürige Affektionen der Mundschleimhaut. 

B. Heymann (Breslau). 


182 Infektionskrankheiten. 


Harris V. D., Notes on the toxicity of different specimens of the 
bacillus coli communis obtained from various sonrces. Journ. of 
path. and bact. T. 7. p. 22. 

Verf. hat vergleichende Untersuchungen über die pathogene Wirkung 
verschiedener Colistämme für Kaninchen und Meerschweinchen angestellt, 
denen er zu diesem Zwecke wechselnde Mengen von Bouillonkulturen oder 
Aufschwemmungen von Gelatine- bezw. Agarkulturen in die Bauchhöhle, 
seltener die Blutbahn und das Unterhautzellgewebe einspritzte. Die Bouillon- 
kulturen waren schwächer, als die Aufschwemmungen, Filtrate zeigten sich 
besonders kraftlos; doch ist die Genauigkeit der Dosirung keine sehr grosse 
gewesen und lässt namentlich bei dem Material von den festen Nährböden zu 
wünschen übrig. Die Ergebnisse zeigen ausserordentlich starke Abwei- 
chungen in der beobachteten Virulenz; manche Stämme, auch solche, die 
erst seit ganz kurzer Zeit aus Wasser, Milch, menschlichen oder thierischen 
Fäces gewonnen worden waren, erwiesen sich als völlig harmlos, andere, unter 
ihnen der seit vielen Jahren in den Laboratorien fortgeführte Bac. cavicida 
von Brieger zeigten noch eine sehr hohe Virulenz. 

Verf. ist geneigt, diese Differenzen wesentlich darauf zurückzuführen, dass 
unter der Bezeichnung „Bac. coli“ zur Zeit noch eine ganze Anzahl verschie- 
dener Arten zusammengefasst wird, die nicht miteinander identisch sind. Bei 
seinen Versuchen wurden die Kulturen auch überhaupt nur insoweit geprüft, 
als sie 1. die Gelatine nicht verflüssigten, 2. Indol bildeten, 3. Milch zur Ge- 
rinnung brachten. C. Fraenkel (Halle a.S.). 


Ritchie W. T., The bacteriology of broncbitis. Journ. of path. and bact. 
T. 7. p. 1. 

Unter Leitung von Weichselbaum hat Verf. im pathologischen Institut 
zu Wien die Frage nach der ursächlichen Natur der Bronchitis einer 
genaueren Prüfung unterzogen und zu diesem Zwecke bei 49 an der akuten 
Form dieses Leidens zu Grunde gegangenen Kindern das schleimig-eitrige 
Sekret der Bronchien mit Hilfe des Ausstrichpräparats und der Kultur ein- 
gebender untersucht. Zur Beschränkung auf jugendliche Leichen hat Verf. 
sich in der Erwägung veranlasst gesehen, dass akute Bronchitiden beim Er- 
wachsenen nur sehr selten zum Tode führen, bei chronischen Fällen aber die 
ursprünglichen Verhältnisse in mehr oder minder hohem Grade verwischt und 
verschoben sind. Auf die Benutzung lebender Kranker endlich wurde ab- 
sichtlich verzichtet, weil das ausgehustete Sputum hier selbst nach vorausge- 
schickter Säuberung und Desinfektion der Mundhöhle doch durch den Inhalt 
der letzteren, ferner des Pharynx, der oberen Luftwege u.s.w. verunreinigt wird. 

Die Entnahme des Materials geschah 5- 42 Stunden nach dem Tode; 
27 mal handelte es sich um eine reine Bronchitis, 22 mal war dieselbe mit 
pneumonischen Veränderungen in den Lungen verbunden. Fast stets wurden 
Mikroorganismen gefunden, doch lieferte bemerkenswerther Weise einige Male 
weder das mikroskopische Präparat noch die Kultur einen positiven Befund, 
und in einigen anderen Fällen war die Zahl der Mikrobien eine recht geringe. 
Immerhin sind das Ausnahmen; in der Regel wurden grosse Mengen von 


Infektionskrankheiten. 183 


Bakterien nachgewiesen und zwar pathogene und nichtpathogene, unter den 
ersteren besonders der Streptokokkus, der Pneumokokkus und der In- 
fluenzabacillus, seltener schon der Bacillus coli und der echte Diphtherie- 
bacillus. Die betreffenden Mikroorganismen traten zuweilen in Reinkultur, 
meist aber mit einer oder mehreren anderen Arten vereinigt auf. 

Begreiflicherweise liegt nun der Einwand nahe, dass das Vorkommen der 
Mikrobien auf die unvermeidliche agonale oder postmortale Einwanderung, 
namentlich aber auf die nachträgliche Zufuhr durch herabfliessenden Mund- 
speichel zurückzuführen sei. Um dieses Bedenken zu entkräften, hat R. unter 
den gleichen Bedingungen auch den Inhalt von 9 ganz gesunden Lungen und 
Bronuchien untersucht und zwar immer auch Bakterien konstatirt, so in allen 
Fällen den Bac. coli, 4 mal den Streptokokkus, 3 mal den Heubacillus, aber 
doch nur in so geringer Menge, dass er danach den Ergebnissen seiner Prü- 
fangen an kranken Organen entscheidende Beweiskraft zuzuschreiben nicht 
ansteht. 

Er schliesst also, dass die akute Bronchitis eine Infektionskrankheit sei, 
die durch verschiedene Mikroorganismen, namentlich durch Streptokokken und 
Pnenmokokken, aber auch durch Influenzabacillen, entweder allein oder in 
Gesellschaft mit einander hervorgerufen werden könne, und kommt damit zu 
dem gleichen Resultat, zu dem vorher schon mehrere andere Forscher, wie 
namentlich v. Besser, gelangt sind. 

Dem Aufsatz ist eine gute und vollständige Literaturübersicht angefügt. 

C. Fraenkel (Halle a. S.). 


Libman, I. Ueber einen neuen pathogenen Streptokokkus. II. Ueber 
eine eigenthümliche Eigenschaft (wenigstens mancher) patho- 
gener Bakterien. Vorläufige Mittheilung. Centralbl. f. Bakteriol. Bd. 28. 
No. 10/11. S. 293. 

I. Verf.bat aus den Stühlen eines Falles von akuter EnteritisStreptokokken 
berausgezüchtet, die auf Glukose- und Laktoseagar (nicht auf Saccharoseagar) 
bei völlig oberflächlichem Wachsthum eine milchweisse Verfärbung des 
ganzen Nährbodens hervorrufen. Besonders deutlich wurde die Erscheinung 
nach Zusatz von Hydroceleflüssigkeit zum Nährboden. Der herausgezüchtete 
Streptokokkus ist für Mäuse pathogen und verursacht insbesondere eine 
akute Entzündung des Darmkanals bei denselben. 

II. Im Anschluss an obige Beobachtung von der Veränderung des Nähr- 
bodens machte Verf. auch mit anderen Bakterien Versuche in derselben 
Richtung. Es zeigte sich, dass viele von den pathogenen Bakterien das 
Albumin aus Serum bei Gegenwart von 0,1 pCt. Traubenzucker fällen können, 
während den bisher untersuchten saprophytischen Bakterien diese Eigen- 
schaft feht. Der Verf. verspricht, in einer demnächst erscheinenden Mitthei- 
lung die Wichtigkeit dieser Beobachtung für manche Infektionen, besonders 
bei Diabetes, sowie die Möglichkeit der Differenzirung verschiedener Species 
von Bakterien mittels seiner Methode ausführlich zu besprechen. 

B. Heymann (Breslau). 


184 . Infektionskrankheiten. 


Noguchi, The effect of cold upon the vitality of the bacilli of bu- 
bonic plague. Proc. of the path. society of Philadelphia. T. 4. p. 17. 
Verf. berichtet in einer kurzen Notiz über einige Versuche, die er in dem 
kalten Winter 1899/1900 in Niutschwang in der Mandschurei über den 
Einfluss des Frostes auf Agar- und Bouillonkulturen des Pestbacillus 
angestellt hat. Selbst ein mehrwöchiger Aufenthalt bei Temperaturen zwischen 
— 10 und — 24° vermochte die Lebensfähigkeit der Bakterien nicht herab- 
zusetzen. C. Fraenkel (Halle a. S.). 


Danysz J., Un microbe pathogène pour les rats (mus decumanus et 
mus rattus) et son application à la destruction de ces animaux. 
Ann. de l’Inst. Pasteur. 1900. No. 4. p. 193. 

Bei einer Epidemie unter den Feldmäusen hat Verf. einen coli- und 
mäusetyphus-ähnlichen Bacillus isolirt, der sich von Anfang an auch 
für graue Ratten etwas virulent erwies, so dass von 10 mit Kulturen ge- 
fütterten Thieren 2—3 zu Grunde gingen. Die Steigerung der Virulenz liess 
sich nur schwer erreichen; eine Kultur, deren Virulenz mittels subkutaner 
Injektionen gesteigert worden war, zeigte keine erhöhte Wirksamkeit bei Dar- 
reichung per os. Als Ausgangspunkt für die Virulenzsteigerung benutzte Verf. 
Blut von Mäusen, welche 24 Stunden nach Infektion per os und 3—5 Tage 
vor dem erwarteten Exitus getödtet wurden. Die Bouillonkultur wird nach 
24 Stunden in vollständig gefüllte Ballons überimpft und, nachdem es zur 
Bildung eines deutlichen Bodensatzes gekommen ist, in Kollodiumsäckchen 
gebracht. Die Kollodiumsäckchen bleiben 24—36 Stunden in der Bauchhöhle 
einer Ratte und werden dann wiederum in Bouillon überimpft. Bei 4 bis 
ömaliger Wiederholung dieses Verfahrens starben die Mäuse nach 36— 60 Stunden 
statt nach 4—7 Tagen. Die Passagen wurden dann durch junge, später durch 
erwachsene Ratten vorgenommen. Die Kultur, welche ursprünglich nur für 
graue Ratten schädlich war, tödtete später auch die weissen und die schwarzen. 
Io den verschlossenen Ballons bleiben die Kulturen (es wurde Pferdefleisch 
mit 1 pCt. Pepton und etwas kohlensaurem Kalk für die Herstellnng der 
Bouillon verwendet) bei Luft- und Lichtabschluss Monate lang wirksam. In 
Paris stellte Verf. Versuche mit 200 Ratten (mus decumanus) an; die Thiere 
wurden in einem 160 m langen Theil des Kanals eingeschlossen. Innerhalb eines 
Monats wurden 80 todte Ratten gefunden; 8 lebende Thiere konnten entweichen, 
die übrigen wurden wahrscheinlich aufgefressen. Die Abnahme der Virulenz 
erfordert mehrmalige Wiederholung des Verfahrens in Intervallen von 10 bis 
12 Tagen. Da die jungen Ratten besonders empfänglich sind, ist es empfehlens- 
werth, die Vertilgung im Frühjahr und im Herbste vorzunehmen. Die von 
Calmette in Lille, von Abel in Hamburg, von Madsen in Kopenhagen und 
von Loir in Tunis vorgenommenen Versuche lieferten ungefähr übereinstimmende 
Resultate: im Laboratorium starben die Ratten meist nach 8—12 Tagen, wäh- 
rend in praxi die Thiere nicht immer zu Grunde gingen. Verf. betont, dass 
an jedem Orte vor Anwendung des Verfahrens eine Prüfung der Virulenz für 
die betreffende Rattenart erforderlich sei; ist die Kultur virulent, so empfiehlt 


Infektionskrankheiten. 185 


es sich, die Pathogenität durch einige Thierpassagen zu steigern und erst 
dann methodisch die Vertilgung der Ratten vorzunehmen. 
Silberschmidt (Zürich). 


Rothwell, Experimental aspergillosis. Journ. of path. and bact. T. 7. 
p. 34. 

R. bat Kulturen vom Aspergillus fumigatus und niger Thieren, meist 
Meerschweinchen, in die Bauchhöhle oder — seltener — in das Unterhaut- 
sellgewebe und die eigentliche Epidermis gebracht und feststellen können, 
dass der erstere namentlich vom Peritoneum aus eine kräftige pathogene 
Wirkung entfaltet und den Tod der Thiere hervorzurufen vermag, dass aber 
auch der niger nicht ganz harmloser Natur ist. Auf dem Bauchfell entstehen 
Koöteben, deren histologischer Aufbau im allgemeinen mit dem der echten 
Taberkel übereinstimmt, also epithelioide, Riesen- und Iymphoide Zellen zeigt. 

C. Fraenkel (Halle a. S.). 


Celli und Delpino, Beitrag zur Erkenntniss der Malariaepidemiologie 
vom neuesten epidemiologischen Standpunkte aus. Aus dem 
bygienischen Institut der Universität Rom. Zweite vorläufige Mittheilung. 
Centralbl. f. Bakteriol. Abth. I. Bd. 27. No. 9. S. 809. 

Die Verff. nehmen für A. Celli das Verdienst in Anspruch, den „engen 
Zusammenhang, welcher zwischen dem Leben und den Gewohnbeiten der Stech- 
mücke Anopheles und dem Ursprung und der Entwickelung der neuen Malaria- 
epidemie im Juli und August“ bestehe, zuerst nachgewiesen zu haben. Aus 
R. Koch’s Veröffentlichung in der Dtsch. med. Wochenschr. 1899, No. 37 entneh- 
men sie nar soviel, dass dieser den Ursprung der neuen Epidemie in Grosseto 
genau so wie sie erklärt habe; sie werfen ihm nichtsdestoweniger sogar vor, 
dass einige seiner Beobachtungen „ungenau und unvollständig“ gewesen seien. 
Diese glauben sie dahin berichtigen zu können, dass frische Infektionen von 
Malaria nicht nur in den Monaten Juli bis September vorkommen, sondern 
von ihnen bis in den Januar hinein beobachtet worden sind. Auch wollen sie 
mit dem Chinia weniger sichere Erfolge in der Malariabehandlung gehabt 
haben als Koch. Inwieweit ibre Angaben begründet sind, ist auf Grund der 
kurzen „vorläufigen“ Mittheilung nicht zu beurtheilen. 

Kübler (Berlin). 


V. Wasielewski und Sean G., Beiträge zur Kenntniss der Flagellaten 
des Rattenblutes. Aus dem hygien. Institut der Universität Halle a. S. 
Zeitschr. f. Hyg. u. Infektionskrankh. Bd. 33. S. 444. 

Die Verff. fanden im Blut einer grauen Ratte unzählige Flagellaten, 
die sonst neuerdings häufig Trypanosoma genannt, von ihnen als Herpeto- 
monas bezeichnet und zu den Protomastiginen gerechnet werden. Eine in 
der Form völlig übereinstimmende, aber nicht auf Ratten übertragbare Art 
lebt im Hamsterblat. Dass sie mit der Flagellatenart, welche die Tsetse- 
und Surrakrankheit verursacht, nahe verwandt ist, giebt ihr noch 
eine besondere Bedeutung. Durch Einbringung einiger Tropfen Blut aus dem 


186 Infektionskrankheiten. 


Schwanz, welche mit Kochsalzlösung oder Fleischbrühe verdünnt waren, in 
die Bauchhöhle von weissen Ratten konnten diese Mikroorganismen 
leicht und sicher übertragen werden. Nach 4 Tagen fanden sie sich spärlich 
im Blut, 1—2 Tage später in grossen Mengen. Ihre Vermehrung ging sowohl 
in der Bauchhöhle wie im Blut vor sich. Das Wohlbefinden der weissen Ratten 
wurde durch sie nicht im Geringsten gestört. Bei manchen verschwanden sie 
nach 6 Wochen wieder aus dem Blut, einige beherbergten sie aber noch nach 
51’, Monat. . 

Durch die Romanowsky’sche Färbung erhielten die Verff. genaueren 
Einblick in den Bau und die Theilungsvorgänge dieser Organismen. Einige 
Tafeln mit Mikrophotogrammen und farbigen Zeichnungen geben eine gute An- 
schauung davon. Es handelt sich um zungenförmige, abgeplattete, sehr beweg- 
liche Wesen, die vorn eine Geissel tragen, seitlich eine kammartige „undu- 
lirende Membran“ haben und hinten zu einem spitzen Kegel oder schnabel- 
artigen Fortsatz von verschiedener Länge ausgezogen sind. Der eigentliche 
Zellleib besteht aus einem durchsichtigen oder feinkörnigen, nach dem Roma- 
nowsky’schen Verfahren sich zart blau färbenden Plasma mit einem Kern und 
der Geisselwurzel, welche beide bei der Romanowsky’schen Färbung ein 
leuchtendes Roth annehmen. Auch die Geissel und der äussere Rand der 
undulirenden Membran werden roth gefärbt. Die Theilung geht in der 
Längsrichtung vor sich, die vorderen Enden lösen sich, während die hinteren 
noch längere Zeit zusammen bleiben und die spindelförmigen Körper durch 
allmähliche Auseinanderfaltung Rosetten oder Kolonien bilden. Die Ver- 
mehrung beginnt mit Verdoppelung des Kerns oder der Geisselwurzel. 

Quertleilungen, wie sieDanilewsky(1889), Rabinowitsch und Kempner 
(1899) und Plimmer und Bradford (1899) beobachteten, haben die Verft. 
nicht gesehen, ebenso wenig konnten sie sich von dem Vorkommen von Kon- 
jugation und der Bildung von Plasmodien überzeugen. Globig (Kiel). 


Runeberg J. W., Ueber den Einfluss der Syphilis auf die Sterb- 
lichkeit unter den Versicherten. Vortrag, gehalten auf dem dritten 
nordischen Lebensversicherungs - Kongress zu Helsingfors 1898. Deutsche 
med. Wochenschr. 1900. No. 18—20. S. 297 ff. 

Die Totalsumme der Todesfälle der Versicherungsgesellschaft 
„Kaleva“ von 1875—1897 betrug 734; davon starben 84, d. b. etwas mehr 
als 11 pCt. an Krankheiten, welche auf Grund ihrer Beschaffenheit mit grosser 
Wahrscheinlichkeit auf eine frühere syphilitische Infektion zurückgeführt 
werden mussten. Während derselben Zeit starben an tuberkulösen Krankheiten 
21,3 pCt. und an Lungenentzündung 10 pCt. Besonders bemerkenswerth ist die 
grosse Häufigkeit der syphilitischen Herzerkrankungen, insbesondere der Sklerose 
der Kranzarterien. Die Zahl der Herzerkrankungen betrug 31 von 84 Todes- 
fällen (oder 37 pCt.), die der progressiven Paralyse 22, von anderen Gehirn- 
und Rückenmarkskrankheiten 21. Das durchschnittliche Alter, in welchem 
der Tod eintrat, war 43,4 Jahre; die Zeitdauer von der Infektion bis zum 
Eintritt des Todes im Durchschnitt 20,2 Jahre. Wenn man die Fälle hinzu- 


Infektionskrankheiten. Immunität. Schutzimpfung. 187 


rechnet, in denen Syphilis mit grosser Wahrscheinlichkeit als Todesursache zu 
betrachten ist, so kommt die erschreckend hohe Mortalität von 15 pCt. heraus. 
Dieudonne (Würzburg). 


Behla, Ueber neue Forschungen der Krebsätiologie. Centralbl. f. 
Bakteriol. Abth. I. Bd. 27. No. 9. S. 313. 

Der Verf. führt eingehend aus, wie es weder der spekulativen, noch der 
experimentellen, noch der statistischen Forschung gelungen sei, die Krebs- 
ätiologie aufzuklären. Er selbst empfiehlt, die geographische Verbreitung 
der Krankheit näher zu studiren und den Parasiten der Pflanzen grössere Auf- 
merksamkeit zuzuwenden. Unter den letzteren gäbe es Myxamöben, Chytri- 
diaceen, Protomyceten, Nectriaarten, Taphrinaarten u. a., welche hypertro- 
phische Reize auf die Pflanzenzellen ausüben. Um über die Wirkung der 
Blastomyceten Aufschluss zu erhalten, sei statt der bevorzugten Impfmethode 
das Fütterungsverfahren einzuschlagen, indem grössere Thiere Fütterungs- und 
Tränkversuchen mit bestimmten kranken Pflanzen oder pilzgemischten Medien 
unterworfen würden. Kübler (Berlin). 


Dönitz W., Bericht über die Thätigkeit des Königl. Instituts für 
Serumforschung und Serumprüfung zu Steglitz. Juni 1896 bis 
September 1899. Klin. Jahrb. 1899. Bd. 7. 

Nachdem die ursprünglich dem Institut für Infektionskrankheiten (Berlin) 
angegliederte „Kontrolstation für Diphtherieheilserum“ am 1. Juni 1896 nach 
Steglitz verlegt und in ein selbstständiges „Institut für Serumforschung 
und Serumprüfung“ umgewandelt worden war, bestand die dringendste 
Aufgabe zunächst darin, für die Werthbemessung des Diphtherieheil- 
serums einen festen Maassstab und damit eine sichere Grundlage zu gewinnen. 
Es lieferten nämlich, wie sich bei genauerer Nachforschung ergab, überhaupt 
mr 3 Fabriken (Höchst, Schering, Institut serotherap. Brüssel) ein den 
praktischen Bedürfnissen entsprechendes Serum, während die übrigen Serum- 
sorten oft um ein Beträchtliches hinter dem angegebenen und erforderlichen 
Wertbe zurückblieben. Erst durch die bekannten und grundlegenden Unter- 
suchungen Ehrlich’s über die Konstitution des Diphtheriegiftes konnten ge- 
wisse Mängel und Feblerquellen des alten, bis dahin meist angewandten Prü- 
fungsverfahrens aufgedeckt und gleichzeitig neue und verbesserte Vorschriften 
für eine möglichst exakte Werthbemessung gegeben werden. 

Das Wesentlichste hierbei war, dass ein unter besonderen Kautelen auf- 
bewahrtes und somit haltbares Trockenserum von genau bestimmtem Anti- 
toxingebalt (Standardserum) zum Ausgangspunkt der ganzen Prüfung gemacht 
surde und dazu diente, im einzelnen Falle zunächst die Prüfungsdosis des 
za benutzenden Testgiftes genau zu ermitteln. Mit Hülfe dieses letzteren, ge- 
wöhnlich eines alten (1 Jahr), mit Toluol versetzten Diphtheriegiftes, wurde 
nun erst der Werth einer neuen, unbekanuten Serumsorte festgestellt. Von 
weiteren Einzelheiten sei als bemerkenswerth hervorgehoben, dass an Insti- 
tate des Auslandes in den letzten Jahren kein Testgift mehr zu Prüfungszwecken 


188 Immunität. Schutzimpfung. 


abgegeben wurde, weil bei Versendung über längere Strecken meist eine Ab- 
schwächung des Giftes sich bemerkbar machte. Dagegen pflegte der kurze 
Weg zu deutschen Fabrikationsstätten dem Gifte in der Regel nicht zu 
schaden (? Ref.). s 

Die bakteriellen Verunreinigungen, welche sich trotz des Gehalts 
von 0,5 pCt. Karbolsäure oder 0,4 pCt. Trikresol in dem Diphtherieserum 
gelegentlich entwickelten, bestanden, wie die genauere Untersuchung zeigte, 
meist aus harmlosen Sarcinen und waren durch ungenügende Sterilisirung 
der Korken veranlasst. Nachdem durch Ministerialerlass vom 18. Januar 1897 
den Fabriken aufgegeben worden war, ein völlig steriles Serum zu liefern, 
warden seit Mitte Februar 1897 nur die bei der staatlichen Prüfung als keim- 
frei befundenen Sera zur Verwendung zugelassen und ausserdem, in Folge 
einer weiteren ministeriellen Verfügung, seit Mai 1898 alle Serumpummern, 
von denen mehrere im Handel befindliche Fläschchen einer nachträglichen 
Verunreinigung anheimgefallen waren, zur Einziehung bestimmt. Mit dieser 
letzteren Kontrole wurde eine Anzahl von Krankenhausdirektoren in Berlin, 
Hamburg, Frankfurt u. s. w. beauftragt. 

Eine auffallende Erscheinung bestand darin, dass mitunter bakteriell stark 
verunreinigte Serumsorten ihren serösen Charakter verloren und sich in eine 
wässrige, trübe Flüssigkeit verwandelten, ohne dabei eine irgendwie nennens- 
werthe Einbusse an Antitoxin zu erfahren. Die Haltbarkeit der Sera war im 
Allgemeinen eine lang dauernde, so dass im Verlaufe von 31/, Jahren nur 
16 Serumnummern, bei denen eine Abschwächung von 10 pCt. des angege- 
benen Werthes eingetreten war, eingezogen werden mussten. Jede Serum- 
nummer wurde regelmässig nach 6 Monaten und 2 Jahren auf ihren Anti- 
toxingehalt geprüft. 

Für die Werthbemessung des Tetanusserums, das seit 2. December 
1896 gleichfalls der staatlichen Kontrole unterworfen ist, kamen im Allge- 
meinen die nämlichen Grundsätze in Frage. Nur bot sich eine gewisse Schwie- 
rigkeit insofern, als Tetanusgift und Tetanusantitoxin — im Gegensatz zu 
Diphtheriegift und -Antitoxin — sich sehr langsam vereinigen, und auch die 
Koncentration, in welcher sich die beiden Komponenten in Lösung befinden, 
auf die Schnelligkeit der Vereinigung von Einfluss ist. Daher wurden bei 
jeder Prüfung Gift und Serum stets in demselben Grade verdüunt und die 
Mischungen dann durchschnittlich 3/, Stunden aufbewahrt, ehe sie zur Ein- 
spritzung gelangten. 

Die Prüfung des Schweinerothlaufserums war im Frühjahr 1899 
dem Institut übertragen worden. Der Prüfungsmodus bestand darin, dass eine 
stets gleich bleibende Menge einer lebenden Bouillonkultur virulenter Roth- 
laufbacillen, gemischt mit wechselnden Mengen Serum, einer Reihe von weissen 
Mäusen subkutan injicirt wurde. Diejenigen Thiere, welche nach 10 Tagen 
noch gesund waren, galten als maassgebend. 

Die Werthbestimmung des Tuberkulins erfolgte im Wesentlichen 
nach den von Koch festgelegten Principien an kranken Thieren, derart, dass 
eine Anzahl (15—20) gleichartiger Meerschweinchen durch intraperitoneale 
Impfung tuberkulös gemacht und nun mit wechselnden Tuberkulinmengen 


Immunität. Schutzimpfung. 189 


bebandelt wurden. Der Wirkungswerth der verschiedenen Tuberkulinpräparate 
pflegte sich ganz allgemein innerhalb enger Grenzen, zwischen 0,1 und 0,3 ccm, 
zu bewegen. 

In einem letzten Abschnitt giebt Verf. einen Ueberblick über die wissen- 
schaftlichen Ergebnisse, wie sie in dem „Institut für Serumforschung und 
Serumprüfung“ gewonnen und in den Arbeiten von Ehrlich, Dönitz, Mor- 
genroth, Madsen u. A. niedergelegt sind. Sobernheim (Halle a. S.). 


von Dungern, Beiträge zur Immunitätslehre. Aus d. Institut für experi- 
mentelle Therapie zu Frankfurt a.M. Münch. med. Wochenschr. 1900. No. 20- 
S. 677. 

A. Neue Experimente zur Seitenkettentheorie. Nach den Unter- 
suchungen von Ehrlich und Morgenroth (vgl.d.Zeitschr. 1900. $.1186) können 
die zur hämolytischen Wirkung nothwendigen beiden Komponenten eines Immun- 
serums, nämlich der Immunkörper, wie er auch nach der Erwärmung auf 56° be- 
stehen bleibt, und das Komplement (Addiment), das auch in normalem Serum vor- 
handen ist, unter bestimmten Bedingungen ungebunden nebeneinander im Serum 
bestehen. Der Immunkörper besitzt eine starke Affinität zu den rothen Blutzellen, 
wird von denselben gebunden und so von dem im Serum enthaltenen Komple- 
ment getrennt. Nur das Komplement bedingt die Auflösung, kann aber erst durch 
die Vermittelung des Immunkörpers angreifen. Nach der Seitenkettentheorie 
ist der Immunkörper als eine Seitenkette mit zwei haptophoren Komplexen aufzu- 
fassen, wovon die eine grosse chemische Verwandtschaft zu dem entsprechen- 
den haptophoren Komplexe der Erythrocyten besitzt, während die andere das 
im Serum vorhandene Komplement mehr oder weniger vollständig verankert. 
Ist die Seitenkettentheorie richtig, so war zu erwarten, 1. dass Immunkörper 
und Komplement sich nicht in äquivalenten Verhältnissen im Immunserum 
vorfinden, sondern quantitativ von einander unabhängig sein können, 2. dass 
dieselbe Gruppe des rothen Blutkörpers, die bei der Hämolyse mit dem Immun- 
körper in Verbindung tritt, auch zur Produktion des Immunkörpers Veran- 
lassang giebt, und 3., dass die Zellen, welche mit derartigen komplexen 
Seitenketten verseben sind, durch die Anwesenheit der komplementophilen 
Gruppen befähigt sind, Komplemente dem Blutserum zu entziehen. Ver- 
suche des Verf.’s zeigten, dass der Immunkörper quantitativ völlig unabhängig 
vom Komplement ist. Auch die zweite und dritte Voraussetzung erwies sich 
im Experiment als richtig. Die Erscheinung, dass die Körperzellen dem Serum 
Komplement entziehen, giebt auch eine gute Erklärung für die Thatsache, dass 
Immunsera im anders gearteten Organismus häufig so wenig wirksam sind. 
Der Immunkörper kann im Körper eines anders gearteten Thieres sein Kom- 
plement vollständig verlieren; er wird daber nur dann wirksam sein können, 
wenn er in dem neuen Organismus ein zu ihm passendes Komplement vor- 
findet. Für die Serumtberapie empfiehlt es sich daher nach dem Vorschlage 
Ebrlich’s, dem Menschen näberstehende Arten zur Immunisirung zu benutzen 
und ausserdem nach anthropostabilen Komplementen zu suchen. ° 

B. Phagocytose und globulicide Immunität. Während Metsch- 
nikoff behauptete, dass die Zerstörung der Vogelblutkörper in der Bauch- 


190 Immunität. Schutzimpfung. 


höhle normaler Meerschweinchen durch Makrophagen erfolgt, zeigte Verf., 
dass die Auflösung ausserhalb der Phagocyten frei im Peritonealexsudat erfolgt. 
Nach der Ansicht des Verf.'s kann die Hämolyse je nach den obwaltenden 
Verhältnissen frei im Exsudat oder innerhalb der Phagocyten erfolgen. 
Dieudonné (Würzburg). 


Landsteiner, Zur Kenntniss der antifermentativen, Iytischen und 
agglutinirenden Wirkungen des Blutserums und der Lymphe. 
Aus dem patbol.-anatom. Univ.-Institute des Prof. Weichselbaum in Wien. 
Centralbl. f. Bakteriol. Bd. 27. No. 10/11. S. 357. 

Nach dem Vorgange von Fermi, Hahn, Morgenrotb, v. Dungern 

u. A. prüfte Verf. die Wirkung des Blutserums auf Fermente durch 

Versuche mit dem Trypsin. Er fand zunächst, dass die verdauende Wirkung 

des Trypsins (Pankreasinfus) auf Gelatine durch Blutserum gehemmt wird, 

wobei jedoch die Wirkung je nach der Thierart, von welcher das Serum und 
das Trypsin gewonnen ist, verschieden ausfällt. Kaninchenserum beeinflusste 
das Rattentrypsin stärker als Meerschweinchenserum; umgekehrt wirkte Meer- 
schweincbenserum stärker auf Hundetrypsin. Auch durch Organbrei wurde 
die Trypsinwirkung gehemmt; jedoch erwies sich Organbrei und Muskelbrei, 
welcher vom Serum befreit war, unwirksam. Lymphe wirkte weniger stark 
als Blutserum; Unterschiede in der Wirkung der vor oder nach dem Durch- 
tritt durch Lymphdrüsen entnommenen Lymphe waren nicht nachzuweisen. 

Weitere Versuche zeigten, dass die trypsinhemmende Fähigkeit des Blutserums 

von dessen Globulingehalt nicht abhängig ist, da das vom Globulin befreite 

Serum in seiner Wirkung nicht schwächer war als globulinhaltiges Blutwasser. 

Kübler (Berlin). 


Wassermann A., Ueber neue Versuche auf dem Gebiete der Serum- 
therapie. Aus d. Institut für Infektionskrankheiten in Berlin. Deutsche 
med. Wochenschr. 1900. No. 18. S. 285. 

Bekanntlich sind die Versuche einer Serumtherapie mit baktericid 
wirkenden Seramarten (Cholera, Typhus u.s.w.) ohne wesentliche praktische 
Erfolge geblieben. Verf. macht darauf aufmerksam, dass zur Heilung einer 
Infektion mittels baktericiden Immunserums vor allem zwei Faktoreu vorlanden 
sein müssen: erstens genügende Mengen des Zwischenkörpers, also des Immun- 
serums, und dann genügende Mengen des Endkörpers, also jener Substanz, 
die von dem Zwischenkörper an die Bakterienzelle gebunden wird und diese 
dann vernichtet. Ist eine dieser Substanzen nicht genügend vorhanden, dann 
kann die Heilung nicht zu Stande kommen. Man hat nun bisher bei allen 
Heilungsversuchen mittels baktericiden Serums nur auf den einen dieser beiden 
Faktoren, auf den Zwischenträger, Rücksicht genommen, der im Immunserum 
enthalten ist. Verf. injicirte ausser dem Immunserum gleichzeitig noch frisches 
Serum nicht vorbehandelter Thierarten. Man muss aber hierzu eine Thierart 
suchen, deren Serum ein für das betreffende Immunserum passendes Kom- 
plement besitzt und das auch im ioficirten Organismus seine Wirksamkeit nicht 
verliert, d. h. zerstört oder. gebunden wird. Versuche an Meerschweinchen, 


Immunität. Schutzimpfung. 191 


die mit Typhuskulturen intraperitoneal inficirt wurden, verliefen sehr günstig. 
Während die infieirten Thiere bei der Anwendung von Immunserum allein an 
fortschreitender Infektion zu Grunde gingen, konnte bei denjenigen Meerschwein- 
chen, die gleichzeitig mit dem Immunserum noch 4 ccm normales Rinder- 
serum erhielten, der Infektion Einhalt gethan werden. Die Zufuhr des frischen, 
vom Rinde stammenden Endkörpers, also von bakterienzerstürenden Stoffen 
erböbt demnach die infektionshemmende Kraft des Immunserums und damit 
auch die Möglichkeit, mit demselben bei einer bestehenden Infektion zu heilen. 
Dieudonne (Würzburg). 


Dietrich A., Ueber Behandlung experimenteller Kaninchendiphtherie 
mit Behring’schem Diphtherieheilserum. Arb. a. d. pathol.-anatom. 
Institut zu Tübingen. 1899. Bd. 3. H. 1. 

Um den Einfluss des Diphtherieheilserums auf die experimentelle 
Kaninchendiphtherie näher zu studiren, ging Verf. so vor, dass er eine 
Auzabl mittelgrosser Kaninchen, welche durch Einreiben erheblicher Kultur- 
mengen in die mittels Luftröhrenschnittes freigelegte Trachealschleimhaut in- 
ficirt wurden, zu verschiedenen Zeiten mit subkutanen Seruminjektionen be- 
handelte. Die beiden für diese Versuche benutzten Dipbtheriestämme ver- 
fügten nur über mittlere Virulenz; als Serum diente gewöhnlich das 250fache 
Höchster Präparat, mitunter auch hochwerthiges Serum, und zwar in den beim 
Menschen üblichen Mengen (100—500—1000 I.-E.). Ein Theil der Thiere er- 
hielt das Serum 1—4 Tage vor der Infektion, also zu Immunisirungszwecken, 
ein anderer Theil unmittelbar nach der Viruseinverleibung, und eine dritte 
Grappe 6—7 Stunden später. Der Rest blieb zur Kontrole ohne jede Serum- 
behandlung. 

Während sämmtliche Kontrolthiere (17) innerhalb weniger Tage zu 
Grunde gingen und bei der Sektion meist — 9 unter 12 mit frischen Serum- 
kulturen inficirten — deutliche Membranbildung zu erkennen gaben, 
starben von 8 immunisirten Kaninchen nur 4, von 13 gleichzeitig behandelten 
10 und von 15 nachbehandelten 13. Trotz der relativ hohen Sterblichkeit 
machte sich der Einfluss der Serumbehandlung doch in allen Fällen durch eine 
mehr oder minder ausgesprochene Verzögerung des Krankheitsverlaufes 
bemerkbar, der namentlich bei den immunisirten und gleichzeitig behandelten 
Thieren ein ausserordentlich langdauernder war und oft erst nach 14—70 Tagen 
zum Tode führte. Dabei pflegten die Lokalveränderungen, in Form der 
fibrindsen Schleimhantentzündung, sowie die akuten toxischen Allgemein- 
erscheinungen völlig auszubleiben. Die Erfolge waren bei der Nachbehand- 
lung am ungünstigsten, so dass sich die Wirksamkeit des Serums gegenüber 
dem gewählten Infektionsmodus als eine im Wesentlichen immunisirende dar- 
stellte, die aber, wie weitere Versuche zeigten, zeitlich auch nur eng begrenzt 
schien und Kaninchen gewöhnlich nicht länger als 11 Tage zu 
schützen vermochte. 

Da es in einigen Fällen gelang, mit Hülfe eines wirksamen Diphtherie- 
toxins auf der Kaninchentrachea die gleiche kroupähnliche, fibrinöse Ent- 
sündang hervorzurufen, wie mit den lebenden Diphtheriebacillen, so glaubt 


192 Immunität. Schutzimpfung. Ernährung. 


Verf. für das Zustandekommen des diphtherischen Lokalaffektes das Torin 
allein verantwortlich machen, jede sonstige Lebensthätigkeit der Bakterien 
dabei aber ausschliessen zu dürfen. Bezüglich der Antitoxiowirkung bekennt 
sich Verf. zu den durch Ehrlich begründeten Anschauungen. 

In einem letzten Abschnitt, der der Besprechung der Atiologischen Be- 
deutung des Löffler’schen Bacillus gewidmet ist, vertritt Verf. den bekannten 
Baumgarten'schen Standpunkt, indem er eine „hervorragende Bedeutung des 
Löffler’schen Bacillus für die menschliche Diphtberie“ durchaus nicht leug- 
nen will, auch die „Möglichkeit, dass er noch als alleiniger Erreger der Diph- 
therie nachgewiesen werden könnte“, zugiebt, in den bisherigen Beobachtun- 
gen aber hierfür immer noch keinen Beweis, sondern nur eine „Kette von 
Wahrscheinlichkeitsmomenten“ erblickt. In dieser Kette dürften freilich, 
wie Ref. glaubt, gerade die hier berichteten Ergebnisse der D.’schen Infek- 
tionsversuche wieder ein wichtiges und starkes Glied darstellen und in Ver- 
bindang mit den gleichfalls aus dem Baumgarten’schen Institut hervorge 
gangenen Untersuchungen von Henke (vergl. diese Zeitschr. 1898, S. 324) als 
eine äusserst werthvolle experimentelle Bestätigung der specifisch Diphtherie: 
erzeugenden Kraft des Löffler'schen Bacillus zu betrachten sein. 

Sobernheim (Halle a. S.). 


Rapmund N., Die gesetzlichen Vorschriften über die Schutzpocken- 
impfung. Leipzig 1900. Georg Thieme. 79 Seiten. Preis: 1,20 Mk. 

Da durch die Bundesrathsbeschlüsse vom 28. Juni 1899 und die dazu in 
den einzelneu Bundesstaaten erlassenen Ausführungsbestimmungen erhebliche 
Aenderungen in den Vorschriften über die Ausführung der Schutzpocken- 
impfung eingetreten sind, so hat Verf. in vorliegendem kleinen Buche alle 
jetzt geltenden einschlägigen Bestimmungen zusammengestellt. Er hat ferner 
zu den einzelnen Paragraphen des Reichsimpfgesetzes und der Bundesratbs- 
beschlüsse Erläuterungen hinzugefügt unter Anführung des Inhalts dabei in 
Betracht kommender anderer Gesetze, bezüglicher specieller Verordnungen und 
gerichtlicher Entscheidungen, so dass man über alle zweifelhaften Fragen in 
dieser Richtung hier Aufschluss findet. Hellwig (Halle a. S.). 


Loewi, Otto, Beiträge zur Kenntniss des Nukleïnstoffwechsels. Arch. 
f. exper. Path. u. Pharm. Bd. 44. S. 1. 

Verf. kommt auf Grund seiner Versuche zu folgenden Schlüssen: 

1. Bei einem Falle von chronischer myelogener Leukämie zeigten die 
Mischungsverhältuisse der stickstoffbaltigen Harnbestandtheile (ges. N, Haro- 
säure nach Ludwig-Salkowski, Basenstickstoff nach Camerer-Arnstein 
bestimmt) keine Abweichung von der Norm. 

2. Nach Fütterung mit nukleinreicher Kost (Chymus) treten die ihr ent- 
stammende Harnsäure nnd Phosphorsäure bei verschiedenen Menschen 
in dem gleichen Mengenverhältoiss aus. So war bei drei verschiedenen Per- 
sonen das Verhältniss U: P,O,, das der verabreichten Thymusmenge entsprach, 


Ernährung. 193 


1:1,79, 1:1,81 und 1:1,79. — Diese Thatsache lässt zwei Deutungen zu: 
entweder wird nämlich aus dem eingeführten Nuklein stets dieselbe Menge 
Harnsäure gebildet und im Harn vollständig ausgeschieden; oder es wird die 
gleiche Harnsäuremenge im Körper gebildet, davon jedoch stets der gleiche 
Antheil zerstört, welche letztere Annahme entschieden weniger wahrscheinlich 
ist. Verf. nimmt daher auch an, dass die aus dem Nuklein entstehende 
Harnsäure vollständig ausgeschieden wird. 

3. Gleich genährte Menschen in gleichen Stoffwechsel verhältnissen 
scheiden dieselben Harnsäuremengen aus. Die Vertheilung der Phosphorsäure 
auf Haro und Koth ist in der Norm allein von der Art der Nahrung ab- 
hängig. 

4. Nach Fütterung mit Thymus tritt entweder eine der normalen Kom- 
ponenten des sog. N-Restes in vermehrter Menge im Urin auf, oder es er- 
scheint ein noch unbekanntes Produkt des Nukleïnstoffwechsels im Harn. 
Allantoin tritt beim Menschen nach nukleinreicher Kost nicht im Ham auf. 

Verf. giebt zum Schluss eine Beschreibung der von ibm ausgeführten 
Methode zur Bestimmung des Allantoins im Harn, bezüglich deren auf das 
Original verwiesen werden muss. Paul Müller (Graz). 


Pliger E., Ueber die Gesundheitsschädigungen, welche durch den 
Genuss von Pferdefleisch verursacht werden. Arch. f. d. ges. Phy- 
siologie. (Pflüger). 1900. Bd. 80. S. 111. 

Bei dem stetig zunehmenden Verbrauch von Pferdefleisch besitzen die 
vorliegenden Beobachtungen, welche Pflüger an Hunden machte, auch für 
den Hygieniker Interesse. Pflüger bemerkte bei Hunden, die allerdings aus- 
schliesslich mit Pferdefleisch gefüttert wurden, sebr bald auftretende heftige 
Darchfälle, die auch bei längeren Versuchsreihen nicht schwanden, so dass 
eine Gewöhnung an das Pferdefleischfutter nicht stattfand. Die Störungen 
werden vermieden, wenn dem verhältnissmässig fettarmen Pferdefleisch eine 
bestimmte Menge Fett zugefügt wird; ähnlich, aber nicht so sicher wirkt die 
Beigabe von Amylaceen (Reisbrei). Auf die interessanten Auseinandersetzun- 
gen des Verf.'s über die Art, in welcher das Fett die diarrhöischen Stuhl- 
gänge verhindert, kann des Näheren hier nicht eingegangen werden, umso- 
mehr, als dieser Theil der Arbeit mehr polemischen Charakter besitzt und 
dessen Erörterung hier vom Grundtbema zu weit ablenken würde. 

Die abführend wirkende Substanz tritt beim Kochen aus dem Fleisch in 
die Brühe über; wird diese letztere eingedampft und mit Alkohol oder Aether 
extrabirt, so nehmen diese beiden die betreffende Substanz auf. Pflüger 
konnte im Aetherextrakt der Brühe Jecorin und Lecithin nachweisen, ausser- 
dem vermuthet er darin noch das giftige Neurin. 

Für die Küche, besonders im Hinblick auf belagerte Festungen, giebt Verf. 
folgende Kochrecepte, bei deren Befolgung die Gesundheitsschädigungen ver- 
mieden werden sollen: 

»l. Das Pferdefleisch wird in Brei verwandelt, auf 1 kg mit einem Zu- 
satz von 25 g gemahlenem Nierenfett vom Ochsen oder Hammel versetzt und 
mit einer Mehlsauce als Hach6 genossen. 


194 Ernährung. 


2. Das Pferdefleisch wird in Scheiben geschnitten, in Wasser gargekocht, 
die Brühe fortgegossen und das Fleisch mit einer fetten Sauce und Bier, Wein, 
Thee oder Kaffee genossen. 

3. Das Pferdefeisch wird in Brei verwandelt und nach Zusatz von etwa 
100—200 g Reis nebst 25 g Ochsennierenfett auf 1 kg Fleisch auf Dampf gar- 
gekocht. 

4. Das Pferdefleisch wird gebraten mit reichlicher Menge von Nierenfett 
des Ochsen oder Hammels und mit fetter Sauce gegessen.“ 

Wesenberg (Elberfeld). 


Lebbin G., Ueber die Vertheilung der Nährstoffe in "den Hühner- 
eiern. Zeitschr. f. öffentl. Chem. 1900. S. 148. 
6 Mittel-Eier von Hübnern unterwarf der Verf. der gemeinsamen Unter- 
suchung. Die mechanische Zerlegung ergab: 
Mittleres Gewicht eines Hübnereies . . 50,50 g 
a m der Schale 5,50 g = 10,89 pCt. 
A K des Dotters 15,50 g = 30,69 „ 
D Ss n Weisseies 29,50 g = 58,42 „ 
Die chemische Zusammensetzung des Dotters und des Weisseies. ergab die 
folgenden Werthe: 


im ganzen Ei im Weissen im Gelben 
Wasser . . . . . . 32,92 g = 65,19 pCt. 25,55 g 7,37 g 
Eiweissstoffe . . . . 5,92 g= 11,76 „ 3,22 g 2,70 g 
Fett 2 . . . . . . 5,20 g= 10,30 „ 0,04 g 5,16 g 
Aschenbestandtheile . . 0,47 g = 0,93 „ 0,21 g 0,26 g 
Phosphorsäure (P05) . 0,28 g 0,06 g 0,22 g 
Eisen . : . 0,0052 g 0,0012 g 0,0040 g 


Wesenberg (Elberfeld). 


Bordoni-Uffreduzzi e Zernoni, Le Ostriche come mezzo di diffusione del 
germe della febbre tifoide. Communicazione fatta al Congresso d’igiene 
a Como il 29 settembre 1899. Giornale della Reale società Italiana d’igiene. 
Milano 1899. No. 11. p. 500. 

Bordoni-Uffreduzzi und Zernoni haben über den Nachweis der Typhus- 
bacillen in den Austern, bezw. im Meerwasser eine Reihe interessanter Ver- 
suche theils neu angestellt, theils frühere wiederholt, über die sie auf dem hygie- 
nischen Kongress in Como 1899 berichteten. Veranlasst waren dieselben durch 
die Erregung und den Protest, die eine Veröffentlichung Bordoni-Uffreduzzi’s 
unter den Austernzüchtern und -Händlern hervorgerufen hatte, in der er vor dem 
Genuss roher Austern warnt und sich hierbei auf seine während des Jahres 
1897 in Mailand gemachten Beobachtungen stützt, die die früheren von anderen 
Autoren bereits gemachten bestätigen und keinen Zweifel darüber lassen, dass 
unter bestimmten Umständen Typhus auch durch die Austern übertragen werden 
könne. Sodann aber hatte auch die Absicht, die bisher über diesen Gegen- 
stand vorhandenen, sich zum Theil direkt widersprechenden bakteriologischen 
Untersuchungsergebnisse aufzuklären, die Verff. zur Beschäftigung mit dieser 


Ernährung. 195 


Frage geführt, zumal die Aufklärung derselben von nicht unerheblicher hygie- 
nischer Wichtigkeit ist. 

Die Verff. haben zuerst Versuche darüber angestellt, ob die Typhusbacillen 
im Meerwasser und im Innern der Austern leben und wie lange sie 
sich hier eventuell lebensfähig erhalten können. Das Ergebniss war, dass 
Typhusbacillen im Meerwasser über 2 Wochen und in den Austern 3—4 Tage, 
ohne ihre Virulenz einzubüssen, leben können. 

Während es sich bei diesen Versuchen um eine künstliche Infektion 
handelte, wurden von den Verff. sodann auch Austern, so wie sie aus Spezia, 
Venedig und Tarent nach Mailaud zum Markte gebracht wurden, auf ihren 
etwaigen Gehalt an Typhus- oder Colibacillen untersucht, und zwar das zwischen 
den Schalen befindliche Wasser und Material aus der Leber der Thiere. Es 
worden niemals Typhusbacillen, wohl aber in jeder der drei Austern- 
arten Bacterium coli nachgewiesen, und zwar jedesmal in dem zwischen 
den Schalen entnommenen Wasser. 

Weiter stellten die Verff. folgende Untersuchungen an: Auf dem Markt 
gekaufte Austern wurden für eine bestimmte Zeit in Glasgefässe, die mit 
Wasser gefüllt waren, das vorher mit einer Typhus-Agarkultur inficirt 
worden war, untergetaucht und sodann in mit Dampf sterilisirtes Meer- 
wasser gesetzt. Die Austern überlebten dieses Experiment im günstigsten 
Falle 11 Tage; es gelang auch bei dieser Versuchsanordnung in dem zwischen 
den Schalen enthaltenen Wasser lebende Typhusbacillen nachzuweisen. Im 
Innern der Thiere wurden solche niemals gefunden. 

Ausserdem suchten die Verff. sich Aufschluss über das Wesen der durch 
den Genuss sowohl lebender frischer, als auch todter Austern im menschlichen 
Körper hervorgerufenen Krankheitserscheinungen zu verschaffen. Das 
Ergebniss dieser Untersuchungen ist etwa folgendes: Abgesehen von einer 
echten Typhusinfektion, die unter Umständen durch diese Mollusken 
nachgewiesenermaassen hervorgerufen werden kann, führt der Genuss derselben 
mitaoter auch zu gastroenteritischen Erscheinungen, die denen der 
Cholera nostras gleichen. Die Verff. weisen bei dieser Gelegenheit darauf 
hin, dass sie bei ihren Untersuchungen öfter Proteus gefunden haben. 
Drittens soll durch Austerngenuss bisweilen auch 1—2 Wochen dauerndes 
kontinuirliches Fieber, unterbrochen durch tiefe Depressionen, verur- 
sacht werden, das zum Tode führen kann und nach Moore auf gewisse 
in den Austern sich bildende specifische Giftstoffe zurückzuführen sei. 
Die schliesslich von den Verff. noch darüber angestellten Untersuchungen, ob 
bei der Auslösung der eben erwähnten Krankheitszustände die mehr oder 
minder grössere Frische der genossenen Thiere in Betracht komme, haben ein 
entscheidendes Urtheil hierüber nicht gewinnen lassen. 

Das praktische Ergebniss all’ dieser Untersuchungen war eine sorgfäl- 
tige, sachgemässe Prüfung der Austernbänke und eine die Zucht, den Verkauf 
und den Handel mit Austern nach hygienischen Grundsätzen regelnde Ver- 
ordnung. Jacobitz (Halle a. S.). 


196 Ernährung. 


Bohrisch P. und Beytbien A., Ueber den Schmutzgehalt der Milch. 
Zeitschr. f. Untersuchg. d. Nahrgs.- u. Genussm. 1900. S. 319. 

Verff. bestimmten in einer Anzahl Proben Marktmilch in Dresden 
den Schmutzgehalt und gleichzeitig die Säurezahl, sowie die Menge der 
Bakterien. Herangezogen wurden je 40 Proben Wintermilch (März bis An- 
fang April) und Sommermilch (Ende Juni bis Juli); die eine Hälfte der Proben 
war Abendmilch, die andere Morgenmilch. Die erhaltenen Mittelzahlen sind 


folgende: 
Säurezahl 
Schmutzgehalt nach Thörner-Pfeiffer Keimzahl 
nach Renk (100 ccm Milch verbrau- in 1 cem Milch 


(mgin1L.) chen cem 1/1pNorm.KOH) (Agar, 3 Tage) 
Wintermilch: 


Abendmilch 6,9 15,7 1 104 213 
(8,0—24,6) (14,2— 17,7) (80 400 — 7 020 500) 
Morgenmilch 5,6 14,2 250 770 
(2,7— 7,5) (12,4— 16,8) (95 400 — 761 400) 
Sommermilch: 
Abendmilch 2,3 14,9 5 478 100 
(0,9—4,2) (12,2—28,6) (61 500 — 54721 800) 
Morgenmilch 2,9 14,4 1131 215 
(0,6- 6,5) (12,2— 17,8) (62100 — 11 114000) 


Der Schmutzgehalt der nach Dresden eingeführten Milch ist demnach 
ein relativ geringer; nur 3 Proben (von den 80) wiesen einen höheren Schmutz- 
gebalt als den von Renk angegebenen Mittelwerth von 10 mg in 1 L. auf. 
Die Wintermilch enthält bedeutend mehr Schmutz als die Sommermilch, da- 
gegen ist ein diesbezüglicher Unterschied zwischen Abend- und Morgenmilch 
nicht vorhanden. 

Auch der Säuregrad der untersuchten Proben ist als normaler anzusehen, 
da nur 1 Probe mehr als 19 Säuregrade zeigte (Koagulation der Milch beim 
Kochen tritt erst ein, wenn die Milch bei dem Verfahren von Thörner und 
Pfeiffer 23 und mehr Säuregrade aufweist). 

Gesetzmässige Beziehungen zwischen Schmutzgehalt, Säuregrad und Keim- 
zahl haben sich nicht gezeigt; im Sommer war in Folge der höheren Tempe- 
ratur die Keimzahl bedeutend höher als im Winter, trotzdem der Schmutz- 
gebalt erheblich niedriger und der Säuregehalt im Sommer und Winter nahezu 
der gleiche war. Wesenberg (Elberfeld). 


Hanus J., Einige Beiträge zur Frage des Ranzigwerdens der Butter. 
Zeitschr. f. Unters. d. Nahrgs.- u. Genussm. 1900. S. 324. 

Bezüglich der beim Ranzigwerden der Butter sich abspielenden Vor- 
gänge bestehen noch verschiedene, von einander abweichende Angaben; daher 
stellte Verf. neue Versuche an mit einer Butter, welche 3 Monate lang dem 
Licht und der Luft ausgesetzt war. 

Die Analysenwerthe waren folgende: 


Ernährung. 197 


Säurezahl Jodzahl Reichert- Verseifungs- 
Meissl’sche Zahl zahl 
frisch. . 51 34,5 28,3 230,8 
ranzig. . 75,2 33,6 28,8 232,0 
Die in der ranzigen Butter vorhandenen freien Fettsäuren wurden isolirt 
und darin die flüchtigen, nicht flüchtigen und ungesättigten Fettsäuren bestimmt. 
Es wurden gefunden: 


in den Mittelwerthe für 
freien Säuren frische Butter 
flüchtige Säuren . . . . . . 2,10 pCt. 5,5 pCt. 
gesättigte nichtflüchtige Säuren . 40,90 „ 53 „ 
ungesättigte ý er . 26,20 „ 3 „ 
Nach diesen Ergebnissen ist das Verhältniss 
in den in frischer 
freien Säuren Butter 
der flüchtigen zu den nichtflüchtigen Säuren . 1:32 1:16 
„ ungesättigten zu den gesättigten » »- 1:15 1:1,6 
n flüchtigen zu den ungesättigten n = 1:13 1:6 
ý k n»n n gesättigten EE 4) 1:9,6 


Hieraus schliesst Verf., dass, da in dem freigewordenen Säuregemisch der 
ranzigen Butter im Vergleich mit frischer Butter auf dieselbe Menge der flüch- 
tigen Säuren die doppelte Menge der nichtflüchtigen Säuren enthalten ist, die 
Spaltung der Glyceride der nichtflüchtigen Säuren früher, leichter und schneller 
vor sich geht als die der Glyceride der flüchtigen Säuren. Die Spaltung der 
Glyceride sowohl der gesättigten nichtflüchtigen, als auch der ungesättigten 
nichtflüchtigen Säuren geht gleichmässig und mit derselben Schnelligkeit vor 
sicb. Die Spaltung der Glyceride sowohl der gesättigten, als auch ungesättigten 
Säuren im Verhältniss zu den flüchtigen tritt zugleich ein und zwar in dem- 
selbeo Verhältnisse, in welchem sie in der Butter enthalten sind. 

Die Glyceride der höheren Säuren fallen schneller der Zersetzung beim 
Ranzigwerden anheim als jene von kleinerer Molekulargrösse. 

Wesenberg (Elberfeld). 


Woy R., Vorbereitung von Mehlproben zur mikroskopischen Unter- 
suchung. Zeitschr. f. öffentl. Chem. 1900. S. 213. 

Zur Isolirang der bei der Mehluntersuchung vor allem in Betracht 
kommenden Kleientheile bringt man etwa 10 g Mehl mit 100 g Glycerin (spec. 
Gew. 1,23), welchem man 1—2 ccm koncentrirte Schwefelsäure zugegeben hat, 
in einen 300 cem-Kjeldahlkolben, indem man das Mehl mit ca. 30 ccm der 
Glycerinmischung im Mörser verreibt und mit dem Rest in den Kolben spült. 
Man erhitzt dann bis zum Sieden; nach wenigen Minuten ist die Masse klar, 
die dann noch etwa 5 Minuten im schwachen Sieden erhalten wird; die etwas 
abgekühlte Lösung wird mit heissem Wasser reichlich verdünnt und durch ein 
Faltenfilter filtrirt bezw. auf grosser Siebplatte abgesogen. Der Rückstand 
wird im Becherglas mit wenig Wasser nochmals aufgekocht und im Spitzglase 
absitzen gelassen. Die Kleientheile sind auf diese Weise vorzüglich aufgehellt; 


198 Ernährung. 


Haare und Querzellen sind nicht gequollen und auch sonst unverändert 
geblieben. 

Kleien schliesst man einfacher auf, durch Kochen von 1—2 Löffel Kleie 
in einer grossen Porzellanschale mit etwas Natronlauge etwa 5 Minuten lang; 
man lässt absitzen, dekantirt, kocht abermals mit Wasser, dekantirt und kocht 
nochmals kurz nach Zugabe von etwas Salzsäure auf. Auch hierbei sind die 
mikroskopischen Bilder tadellos. Wesenberg (Elberfeld). 


Berlioz F., Versuche über den Einfluss des Saccharins auf die Ver- 
dauung. Chem.-Ztg. 1900. S. 416. 

Verf. stellte Verdauungsversuche in vitro mit Pankreas und Pepsin 
bei Gegenwart von Saccharin oder Zucker an. 

Eine Pepsin-Salzsäurelösung wurde in 4 Theile getheilt und jedes 
Gläschen (100 ccm) mit 10 g gekochtem Eiweiss beschickt und theils mit 
Zucker, theils mit Saccharin versetzt; nach 17 Stunden im Brütschrank waren 
vom Eiweiss gelöst: 


Kontrolprobe 100 pCt. 
100 ccm mit 0,10 g Saccharin . . . . 99,6 pCt. 
100 „ n 0,20 g n ©- B2 y 
100 „ »„ 25g Zucker RE pa 872 „ 


Bei analoger Behandlung einer Pankreatin- Sodalösung waren Eiweiss 
gelöst worden: 


Kontrolprobe 84,9 pCt. 
100 ccm mit 0,05 g Saccharin. . . . 84,1 pCt. 
100 n „1235 g Zacke . . .. 85 „ 


„Es stört also das Saccharin ebenso wenig die pankreatische, 
wie die Magenverdauung, jedenfalls in geringerem Maasse, als 
das äquivalente Gewicht von Zucker.“ 

„Damit sind die Resultate Nencki’s vollauf bestätigt, und es erscheint 
in Zukunft schwierig, eine gesetzliche Einschränkung des Verkehrs mit Sac- 
charin mit der verdauungshindernden Wirkung desselben zu motiviren.“ 

Wesenberg (Elberfeld). 


Ahrens, Felix B., Ein Beitrag zur zellenfreien Gährung. Zeitschr. f. 
angew. Chemie. 1900. S. 483. 

Zur Koncentrirung des Hefepresssaftes bedient sich Verf. mit 
gutem Erfolge des Ausfrierens. Der Saft wird in eine Kältemischung ge- 
bracht und nicht tiefer als auf — 2° abgekühlt; durch jeweiliges Umrühren 
sorgt man für das Entstehen von Eisbrei. Man schüttet dann die breiige 
Masse auf ein abgekühltes Tuch und presst schnell und kräftig aus. Das 
rückständige Eis enthält nur minimale Mengen Saftsubstanz. Diese koncen- 
trirten Säfte, deren specifisches Gewicht bis jetzt bis auf 1,0765 gebracht 
werden konnte, eignen sich auch besonders für Demonstrationen, da sie in 
Bierwürze bei Zimmertemperatur bereits nach ca. 10 Minuten gleichmässige 
Kohlensäureentwickelung hervorrufen. 

Versuche, den Hefepresssaft nach der früheren Methode Buchner’s zu 


Alkoholismus. 199 


koncentriren (Abdestilliren des Wassers bei 25—30° im Vakuum und Eintrock- 
nen des Rückstandes im Vakuumexsikkator) oder auch direktes Eintrocknen 
des Presssaftes im Exsikkator lieferten dem Verf. keine günstigen Ergebnisse. 
Nach Beendigung jedes Gährversuches mit Presssaft findet sich ein 
grauer Niederschlag am Boden des Gefässes, und die vorher stark fluores- 
ärende Flüssigkeit zeigt keine Spur von Fluorescenz und auch keine Gähr- 
wirkung mehr. Ahrens hält den die Fluorescenz des Presssaftes 
bewirkenden Körper für die Zymase und glaubt, dass er sich am 
Ende der Gährung in veränderter Form als Niederschlag ausge- 
schieden hat. Auch soll der Gährungserreger nicht wirklich gelöst, son- 
dern als Colloid in dem Safte vorhanden sein; auf seine Gährkraft geprüfter, 
stark fluorescirender Saft zeigte nämlich nach mehrstündigem Stehen in einer 
Kältemischung aus Schnee und Kochsalz nach langsamem Aufthauen einen 
Niederschlag und darüber eine klare, nicht fluorescirende Flüssigkeit, die 
eine Gährung nicht mehr hervorrief. Wesenberg (Elberfeld). 


Scheffer J. C. Th., Studien über den Einfluss des Alkohols auf die 
Muskelarbeit. Arch. f. exper. Path. u. Pharm. Bd. 44. S. 24. 

Als Grundforderungen für das Studium der Alkoholwirkung auf ergo- 
grapbischem Wege stellt Verf. auf: 

1. eine grosse Reihe gleichnamiger Versuche, welche den Einfluss un- 
berechenbarer Zufälligkeiten zu eliminiren gestatten; 2. eine gleich- 
mässige Vertheilung der durch Uebung vermehrteu Arbeitsleistung auf die 
beiden za vergleichenden Versuchsreiben (mit und ohne Alkohol), wodurch 
der Einfluss der Uebung ausgeschaltet wird; und 3., dass die Muskel- 
gruppen, mit denen man arbeiten will, zu Anfang des Versuches vollkommen 
unermüdet sind. 

Die ergographischen Versuche des Verf.’s ergaben eine unzweifelhafte 
Zunahme der Arbeitsleistung des frischen wie des schon ermüdeten 
Muskels (des letzteren sogar in noch höherem Grade), wenn der Alkohol un- 
mittelbar oder 15 Minuten vor dem Versuche genossen wurde. War der Al- 
kohol jedoch 30 Minuten vor dem Beginn des Versuches aufgenommen worden, 
s zeigte sich bereits eine deutliche Abnahme der Leistungsfähigkeit. Die 
beobachtete Zunahme der Arbeitsleistung ist also nicht nur eine 
subjektive, auf Verminderung des Ermüdungsgefühls beruhende, 
sondern kann objektiv nachgewiesen werden. 

Das bestätigen auch die Versuche des Verf.’s am Gastroknemius des Frosches, 
welcber elektrisch gereizt wurde, nachdem das Thier Alkohol eingeflösst be- 
kommen hatte. 3/, Stunden nach der Alkoholaufnahme war die Leistung des 
Muskels vermehrt, 5—6 Stunden danach beträchtlich abgesunken. Wurde der 
Einflass des peripheren Nervensystems durch Curarisirung des Frosches aus- 
geschaltet, so war der Alkohol ohne Einfluss auf die Muskelarbeit. Alkohol 
wirkt somit nicht dynamogen auf den Muskelapparat. 

Verf. erklärt sich die Wirkung des Alkohols auf die Muskelarbeit durch 


200 Alkoholismus. 


eine Erhöhung bezw. spätere Erniedrigung der Nervenerregbarkeit. Der Al- 
kohol sei ein wahres Excitans für die peripheren motorischen 
Nerven. Paul Müller (Graz). 


Nicloux, Dosage comparatif de l’alcool dans le sang de la mère et 
du foetus et dans le lait après ingestion d’alcool. Remarques 
sur le dosage de l’alcool dans le sang et dans le lait. Compt. 
rend. 1900. T. 130. p. 855. 

Der Alkohol geht bei Thieren (Meerschweinchen, Hund, Ziege) und 
beim Menschen von der Mutter auf die Frucht über: er findet sich nach 
Eingabe in den Magen in der Milch und im Blut der Mutter und im Blut 
der Frucht und zwar überall in annähernd gleichen Mengen (Nachweis durch 
Destillation und Oxydirung des Destillationsprodukts durch Kaliumdi- 
chromat und Schwefelsäure). Verf. vermuthet hierin die Ursache mannig- 
facher pathologisch-anatomischer Veränderungen bei Neugeborenen, die er als 
kongenitalen Alkoholismus anspricht. 

Dieser Befund steht im Widerspruch mit den Versuchen Rosemann’s, 
nach denen eine Ausscheidung von Alkohol in der Milch von Kühen über- 
haupt nicht oder nur bei grossen Gaben erfolgt (0,2—0,6 pCt.), und mit denen 
Klingemann’s, der einen Uebergang in die Milch beim Menschen leugnet. 

E. Rost (Berlin). 


Grotjahn A., Alkoholgenuss, Alkobolmissbrauch. Ein hygienisches 
Merkbüchlein für das werkthätige Volk. Verlag von Joh. Sassenbach. Berlin, 
Paris. Preis 0,15 Mk. 

Wenn es sich um Erörterung und Bekämpfung socialer Nothstände han- 
delt — und ein solcher erster Ordnung ist der Gewohnheitstrunk — muss 
man vor allem zunächst die Ursache dazu in den Menschen selbst suchen. 
Es ist eine bequeme Selbsttäuschung und Entlastung des eigenen Gewissens, 
Noth und Missstände den bestehenden „Verhältnissen“ zuzuschreiben. Auch 
Grotjahn neigt dazu, diese vorwiegend als den Trunk herbeiführend zu be- 
schuldigen. Nach ihm „sind die unteren Schichten gezwungen, das starke, 
aus ihrer niederen Lebenshaltung entspringende Alkoholbedürfniss zu be- 
friedigen“. Wir haben früher hier bei Besprechung des umfangreichen Grot- 
jahn’schen Werkes „Der Alkoholismus nach Wesen, Wirkung und Verbreitung“ 
(diese Zeitschr. 1899. S. 1218) die Ansicht vertreten, dass Wohnungsnoth, Unter- 
ernährung u.s. w. wohl oft die sorgenbrechende Flasche dem Arbeiter in die 
Hand drücken, dass aber viel öfter umgekehrt die Schnapsflasche dafür sorgt, 
dass für eine genügende Wohnung und zureichende Ernährung zu wenig vom 
Wochenlohn übrig bleibt. Je höher die Löhne waren, desto höher ist nachweis- 
lich der Alkoholkonsum der lohnarbeitenden Klassen gewesen. Was nützen hohe 
Löhne, wenn sie vertrunken werden, was nützt verkürzte Arbeitszeit, wo der Feier- 
abend in der Kneipe zugebracht wird? Das Wesen der Trunksucht, die Schädi- 
gungen der einzelnen Körperorgane durch den Gewohnheitstrunk und die durch 
letzteren erhöhte Sterblichkeit, werden von Grotjahn kurz und verständlich ge- 
schildert. Hierbei findet die gute Statistik der Schweiz Erwähnung, wo durch 


Alkoholismus. 201 


obligatorische Leichenschau und Zählkarten, von denen die Angehörigen Ver- 
storbener Kenntniss nicht erhalten, recht wahrheitsgetreue Ergebnisse gelie- 
fert werden. In der Schweiz wird bei dem zehuten Theile der männlichen 
Bevölkerung eine schwere Beeinträchtigung der Gesundheit durch den Gewohn- 
heitstrank festgestellt. Sollte es in Deutschland anders sein? 

Zweifellos ist die Behauptung Grotjahn’s richtig, dass der Alkohol 
seiner euphorischen Wirkung in erster Linie seine Verbreitung und Werth- 
schätzung zu verdanken habe und auf der anderen Seite seiner Fähigkeit, das 
Gefühl des Hungers, Durstes und der Ermüdung zu betäuben. So hält er ihn 
als Genussmittel für vollkommen gerechtfertigt. Freilich kann die ungeheure 
Gefährlichkeit dieses Genussmittels nicht genug betont werden, sobald eben 
der Genuss im Uebermaass und alltäglich stattfindet, wie es von Hundert- 
tausenden geschieht. Grotjahn verwirft die Forderung der Abstinenz, da 
sie dies werthvolle euphorische Mittel verurtheile. Es dürfte aber doch ein 
woblberechtigter Standpunkt sein, ein Genussmittel, welches, gewohnheits- 
mässig genommen, ungleich schädlicher und unberechenbarer wirkt als Kaffee, 
Thee und ähnliche Reizmittel, vollkommen zu meiden, zumal da irgend ein 
Nachtheil dem Abstinenten daraus nicht erwächst. Unzweifelhaft kann der 
normale Mensch auskommen ohne die euphorische Wirkung des Alkohols. 
Er wird durch solchen Verzicht irgend eine Einbusse nicht erleiden. Als 
Maass, welches im Allgemeinen dem gesunden Mann selbst bei täglichem (?) 
Genosse nicht schaden wird, nimmt Grotjahn mit den meisten Autoren die 
Menge von etwa 30—40 g Alkohol an. Seiner Empfehlung aber, Greisen auch 
das Veberschreiten dieser Menge ohne Bedenken zu erlauben, möchten wir 
unter keinen Umständen beipflichten, schon um apoplektische Insulte nicht 
gerade mit Gewalt herbeizuführen. Dem Thee giebt Grotjahn vor dem 
Kaffee als Genussmittel den Vorzug, weil er nicht in dem Maasse wie jener 
die Fähigkeit besitzt, das Ermüdungsgefühl hintanzuhalten oder das Hunger- 
gefühl zu betäuben, diese natürlichen Sicherheitsventile unseres Oganismus. 

i Flade (Dresden). 


lersy, Contribution à l’etude de l’alcoolisme en Bretagne. L’al- 
coolisme dans la Finistere au XIX. siecle. Ann. d’hyg. publ. et de 
med. legale. 1900. Serie 3. T. 43. p. 121. 

Nach Ausweis geschichtlicher Ueberlieferungen haben unter den Franzosen 
guz besonders die Bewohner der Bretagne dem Genuss alkoholischer 
Getränke gehuldigt. Im 19. Jahrhundert hat jedoch gerade der Branntwein- 
konsam in der Bretagne einen gewaltigen Umfang erreicht. Bis zum Jahre 1835 
waren im Departement Finistère jährlich 12 000—12 500 hl Alkohol ver- 
braucht worden; im Jahre 1896 bezifferte sich der Konsum auf 44 494 hl, 
während die Bevölkerung des Departements von 439 046 im Jahre 1801 auf 
139648 im Jahre 1896 gestiegen ist. Auf den Kopf der Bevölkerung kamen 
im Jahre 1825 3,6, im Jahre 1895 10,9 Liter 50 proc. Alkohol. Die Zunahme 
entspricht der auch im übrigen Frankreich beobachteten Verbreitung des 
Alkoholgenusses; aber das Departement Finistere weist, wie früher, so auch 
jetzt die höchsten Ziffern des Alkoholverbrauchs auf. Im Jahre 1890 betrugen 


202 Alkoholismus. 


die Zahlen in ganz Frankreich 8,8, in Finistere 10,6 Liter. Die Schankstätten 
sind indessen in Finistere früher weniger zahlreich gewesen, als dem Durch- 
schnitt des ganzen Land:s entspricht. Erst im Jahre 1896 kam in Finistere 
wie im übrigen Frankreich (mit Ausschluss von Paris) eine Schänke auf je 
94 Einwohner. Der Weinkonsum hat sich in dem genannten Departement im 
Verhältniss zur Bevölkerung während des Jahrhunderts, von vorübergehenden 
Schwankungen abgesehen, ungefähr auf der gleichen Höhe gehalten. In der 
Zeit von 1825—1830 wurden jährlich etwa 70 000— 100 000, seit dem Jahre 
1870 etwa 120000 bl Wein verbraucht; der Apfelweinverbrauch hat von 
18000 hl im Jahre 1826 auf 32000 im Jahre 1896 zugenommen. 

Ein erheblicher nachtheiliger Einfluss des Alkoholismus auf die Bevöl- 
kerungszunahme ist im Departement Finistere nicht hervorgetreten; in 
dieser Richtung sind bier viel günstigere Verhältnisse zu verzeichnen, als im 
übrigen Frankreich. Dagegen glaubt Verf. als Folge des Alkoholmissbrauchs 
eine grössere Häufigkeit der Geisteskrankheiten verzeichnen zu müssen. In 
der Irrenanstalt zu Quimper, welche vorwiegend Kranke aus Finistere auf- 
nimmt, befanden sich am Jahresschluss 1826 6, am Jahresschluss 1896 da- 
gegen 577 Pfleglinge. In den Jahrfünften 1861—1885 betrugen die Zugänge 
449 (darunter 57 Alkoholiker), 402 (76), 421 (150), 493 (149) und 521 (144), 
insgesammt in der Zeit von 1861—1885 2826 (576). Den Schaden, welcher 
dem Lande durch den Alkohol erwächst, fasst Leroy zusammen, indem er 
als Folgezustäude des Branntweingenusses bezeichnet: die Zunahme der Ver- 
brechen und Selbstmorde, das Auftreten neuer Krankheiten, die Ueberfüllung 
der Irrenanstalten, die körperliche und geistige Degeneration der Bevölkerung. 

Kübler (Berlin). 


Marcuse, Julian (Mannheim), Zur Frage der alkoholfreien Ersatzge- 
tränke. Berliner klin. Wochenschr. 1900. No. 19. S. 427. 

Die Zabl der Aerzte, welche alkoholfreie Weine und Biere in der 
Praxis verwenden, nimmt erfreulicher Weise zu. Marcuse befürwortet ihre 
Verwerthung am Krankenbett und widerlegt die Befürchtungen Hirschfeld’s 
wegen ihres zu hohen Zuckergehaltes, tritt auch andererseits scharf auf gegen- 
über der noch beliebten Auffassung, dass die Gefahren des Alkoholgenusses 
erst mit dem täglichen Konsum einer Flasche Wein sıch geltend machen, 
der „allerdings bisweilen Nachtheile im Gefolge habe“. Die einwandfreien 
Versuche von Miura, Schöneseiffen und Rosemann haben übereinstim- 
mend ergeben, dass der Alkohol eine eiweisssparende Kraft nicht besitzt, und 
damit fällt der angebliche Nährwerth desselben in sich zusammen. Ueberall, 
wo der Alkohol kontraindieirt ist, tritt die Bedeutung seiner Ersatzgetränke 
hervor auf therapeutischem wie diätetischem Gebiete. Mit Wasser und Selter- 
wasser kommen wir nicht weit, und schon seit undenklichen Zeiten haben wir 
Fruchtsäfte angewandt. — Marcuse betont namentlich die hohe Bedeutung 
des Nährwerthes der alkoholfreien Getränke, hinter welcher die nur aus- 
nahmsweise beobachteten Fälle von Glykosurie zurückstehen müssen. „Seit 
Jabren werden bei der Behandlung des chronischen Alkoholismus in Absti- 
nenzanstalten — bekanntlich sind Potatoren in hohem Procentsatze zu ali- 


Desinfektion. 203 


mentärer Glykosurie disponirt — alkoholfreie Ersatzgetränke gereicht, ohne 
dass bisher, soweit mir bekannt, je Fälle von Glykosurie beobachtet worden 
sind.“ Marcuse wandte die alkoholfreien Getränke bei nervösen Zuständen 
verschiedenster Art an, bei den Katarrhen des Athmungs- wie des Verdauungs- 
traktus, bei Erkrankungen des Harnapparates, bei Herzleiden u.s.w., und 
rühmt, wie gern sie genommen werden wegen ihres reinen Geschmackes und 
feinen Aromas. Dabei sei ihre leicht laxirende wie diuretische Wirkung oft von 
nicht zu unterschätzender Bedeutung. Jedenfalls hat er nachtheilige Begleit- 
oder Folgeerscheinungen von ihrem Genusse nicht beobachtet. Der Kampf 
gegen die Schäden des Alkohols muss „eine ernste Aufgabe jedes denkenden 
Arztes“ sein. Die Benutzung alkoholfreier Getränke in der Praxis muss sich 
denkenden Kollegen mehr und mehr aufdrängen zum Wohle der Kranken an 
erster, zur Bewahrung des Volkes vor Alkoholmissbrauch an zweiter Stelle. 
Flade (Dresden). 


van Bruns, Ueber die Behandlung inficirter Wunden mit Wasser- 
stoffsuperoxyd. Berl. klin. Wochenschr. 1900. No. 19. S. 405. 

Verf. empfiehlt zar Behandlung inficirter Wunden an Stelle der bis- 
her zur Irrigation und zum feuchten Verbande gebräuchlichen Mittel, wie z. B. 
der Borsäure und der essigsauren Thonerdelösung, ein den obengenannten an 
Wirksamkeit überlegenes, dabei aber völlig ungiftiges Mittel, das Wasser- 
stoffsuperoxyd. Von diesem wird auf v. Bruns’ Veranlassung neuerdings 
von Merck in Darmstadt ein mehrere Monate haltbares, absolut reines, säure- 
freies und hochkoncentrirtes Präparat (30 Gewichts- — 100 Vol.-pCt.) hergestellt 
und zu mässigem Preise in den Handel gebracht. 

Das Wasserstoffsuperoxyd wird bei Vermischung mit zahlreichen Flüssig- 
keiten, wie Blat und Eiter, leicht in Sauerstoff und Wasser zerlegt, wobei eine 
massenhafte Entwickelung feinen Schaumes statt hat. Da durch diesen das 
keimbeladene Sekret, die Blutkoagula und die nekrotischen Gewebsfetzen von 
der Unterlage abgerissen und aus der Wunde entfernt werden, so lässt sich 
auf diesem Wege eine ebenso gründliche wie schonende Reinigung der 
Wunde erzielen. 

Hinter dieser zweifellos rein mechanischen Wirkungsweise steht die che- 
mische fraglos an Bedeutung zurück. Denn wenn auch die baktericide Kraft 
der 3 proc. Lösung des Mittels gegenüber Milzbrandsporen, Staphylococcus 
aoreus und Bacterium coli sich der des Sublimats (1: 1000) gleich, der der 
essigsauren Thonerdelösung überlegen gezeigt hat, so darf doch nach den 
erhaltenen Resultaten im lebenden Organismus nicht von einer keimtödtenden, 
höchstens nur die Virulenz vermindernden Wirkung die Rede sein. 

Eher ist vielleicht noch eine besondere Beeinflussung der speciell unter 
den Fäulnissbakterien sich findenden Anaerobien anzunehmen, die möglicher- 
weise unter dem Einfluss des freiwerdenden Sauerstoffs eine nachhaltige Schädi- 
gung erfahren könnten. Schumacher (Halle a. $.). 


204 Desinfektion. Medicinalwesen. 


Treupel G. und Edinger A., Untersuchungen über Rhodanverbindangen. 
Münch. med. Wochenschr. 1900. No. 21 u. 22. S. 717 ff. 

Subkutane Einverleibung von Rhodannatrium wurde von Kaninchen 
monatelang ertragen, ohne dass das Allgemeinbefinden der Thiere wesentlich 
beeinflusst wurde. Bakteriologische Untersuchungen ergaben, dass 1 proc. 
Rhodannatriumlösung keinen schädlichen Einfluss auf Tuberkel-, Rotz-, Diph- 
theriebacillen sowie auf Staphylokokken ausübt. Versuche an tuberkulös inf- 
eirten Meerschweinchen, die mit Rhodannatrium behandelt wurden, waren gleich- 
falls negativ. Dieudonne (Würzburg). 


Schlockow, Der Kreisarzt. Neue Folge von: „Der preussische Phy- 
sikus.“ Anleitung zum Physikatsexamen, zur Geschäftsführung der Medicinal- 
beamten und zur Sachverständigenthätigkeit der Aerzte. Unter Berücksichti- 
gung der Reichs- und Landesgesetzgebung. Fünfte vermehrte Auflage. Bear- 
beitet von Roth (Potsdam) und A. Leppmann (Berlin). Bd. II: Gerichtliche 
Medicin und gerichtliche Psychiatrie. Berlin 1900. Richard Schoetz. Preis 
für beide Bände zusammen 22,00 Mk. 

Grosse Dinge werfen ihre Schatten voraus, und im Schatten der, wie es 
scheint, endlich nahenden Medicinalreform ist Schlockow’s bekanntes Buch 
„Der preussische Physikus“ auch bereits in „Der Kreisarzt“ umgewandelt 
worden, dessen zweiter Band: „Gerichtliche Medicin und gerichtliche Psychia- 
trie“ in 5. Auflage vorliegt. Der erste Theil, welcher sich wesentlich mit 
den sanitäts- und medicinalpolizeilichen Aufgaben des Kreisarztes beschäftigen 
wird, kann in neuer Auflage natürlich erst erscheinen, nachdem die durch das 
Kreisarztgesetz bedingte Abänderung der betreffenden Bestimmungen erfolgt 
ist. Wenn diese Bestimmungen im ersten Theil des Werkes auch nur in an- 
nähernd gleicher Vollständigkeit und Uebersichtlichkeit enthalten sein werden, 
wie sie den zweiten Theil auszeichnen, so wird der „Schlockow“ in der That 
ein Buch sein, welches weder Kreisarztkandidaten, noch Kreisärzte werden 
entbehren können. Freilich wird derjenige enttäuscht sein, der im Schlockow 
ein Lehrbuch zu finden erwartet. Das soll nach der eigenen Angabe der 
Herausgeber das Buch aber auch keineswegs sein, sondern nur eine Anleitung 
zum Kreiszarztexamen und ein Nachschlagebuch für Aerzte und Medicinal- 
beamte bei allen Formen ibrer Sachverständigenthätigkeit. Und dieser Auf- 
gabe entspricht der vorliegende zweite Band in musterhafter Weise. Die Voll- 
ständigkeit des übersichtlich geordneten Materials verspricht, den Nachschla- 
genden in keiner Lage im Stich zu lassen, und die Kürze und Verständlichkeit 
der Diktion, seine Zeit nicht zu sehr zu beanspruchen. Ueber die von Lepp- 
mann gewählte Eintheilung der Seelenstörungen lässt sich ja streiten, aber 
das muss ihr auch ein Gegner zugeben, dass sie mit ausserordentlichem Ge- 
schick in kurzen Worten klar und verständlich durchgeführt und geeignet ge- 
macht ist, auch demjenigen, der sich nur selten mit Seelenstörungen zu be- 
schäftigen hat, die etwa erforderte Sachverständigenthätigkeit zu ermöglichen. 

Jacobson (Halberstadt). 


Jahresberichte. 205 


Bericht über die Verwaltung und den Stand der Gemeindeange- 
legenheiten der Haupt- und Residenzstadt Stuttgart in den 
Jahren 1896—1898. Oeffentl. Gesundheitspfl. Sonderabdr. S. 59—66. Fol. 

Bedenkliche Häufungen von ansteckenden Krankheiten sind nicht 
vorgekommen, gleichwohl fand bezüglich Scharlach, Masern, Keuchhusten und 
vereinzelt bekannt gewordener Typhusfälle eine grössere Zahl von Untersuchungen 
und Begutachtungen statt. 

Auf dem Gebiete der Nahrungsmittelhygiene sind Beanstandungen von 
amerikanischen Fleischwaaren wegen der Zusätze von Konservesalzen, von 
amerikanischen Aepfelschnitten wegen eines bedenklich hohen Zinkgehalts, 
von Töpfergeschirren wegen bleihaltiger Glasuren hervorzuheben. 1897 wurde 
die Bekämpfung des Geheimmittelunwesens und der Kurpfuscherei ver- 
mittels Veröffentlichung von Warnungen in die Hand genommen. 

Die von dem Stadtarzte angeregte Einrichtung von Schülergarderoben 
ausserhalb der Schulsäle führte nach den ermuthigend lautenden Ergebnissen 
einer Umfrage in einer grösseren Anzahl deutscher Städte zu dem Beschlusse, 
mnächst in dem neuen Schulhause die geräumigen Korridore zu diesem Zwecke 
m benutzen. e 

Einen erheblichen Theil der Thätigkeit des I. Stadtarztes nimmt die Irren- 
fürsorge in Anspruch, zumal seit Inkrafttreten der Statuts von 1897 über 
die Aufnahme von Geisteskranken in die Irrenabtheilung des Bürgerhospitals. 

Von 1314 im Jahre 1898 untersuchten weiblichen Inhaftirten wurden 
18,1 pCt. krank, darunter 13,4 pCt. an Tripper, 4,3 pCt. an Syphilis erkrankt 
befunden. Auf 1000 Mann der Kopfstärke der Garnison kamen 14,9 venerische 
Erkrankungen. 

Im städtischen chemischen Laboratorium und Untersuchungsamte 
erfolgten 3216, 8269 und 3490 Untersuchungen, deren 525, 573, 709 sich auf 
Nahrungs- und Genussmittel, 439, 523, 520 auf Gebrauchsgegenstände im Sinne 
der entsprechenden Reichsgesetze, 1075, 1061, 1108 auf die Sandfilter, 702, 
695, 840 auf die Beleuchtung bezogen. 

Im letzten Berichtsjabre wurden Bestimmungen getroffen, eine rationelle 
Desinfektion von Wohngelassen durch Einführung städtischer Wohnungs- 
desinfektoren nach dem Vorbilde Berlins zu ermöglichen. 

Würzburg (Berlin). 


Geschäftsbericht des Stadtrathes der Stadt Zürich 1899. Gesundh.- 
u. Landwirthschaftsw. S. 97—138. gr. 80. 

Der Fleischbeschau unterlagen 72 772 Stück Vieh und 2691 797,3 kg 
eingeführtes Fleisch. Die Fleischeinfuhr aus dem Auslande ist um 100 114,3 kg 
mrückgegangen. Ausgefübrt wurden etwa 320 000 kg Fleisch. Von sämmt- 
lichen Schlachtthieren sind 99,34 pCt. als unbedingt, 0,52 pCt. als bedingt 
geniessbar und 0,14 pCt. als ungeniessbar erklärt worden. Zum Verkauf auf 
der Finnenbank gelangten 329 Stück Vieh. Eine künstliche Färbung von 
Warsthällen ist nur noch ganz vereinzelt festgestellt worden. Von den erhobenen 
Milchproben wurden 3,3 gegen 4,1 pCt. im Vorjahre beanstandet. Die neue 
Milchverordnung, welche die halbabgerahmte, die sogenannte Halbmilch vom 


206 Jahresberichte. 


Verkaufe ausschliesst, vereinfacht die Kontrole wesentlich; die Beschaffenheit 
der übrigen Milch ist dadurch nicht verschlechtert worden. Bei den Besich- 
tigungen der Specereihandlungen ergab sich in Folge einer schärferen Kontrole 
des vielfach zu schwach befundenen Essigs eine Zunahme der Beanstandungen 
von 9,7 auf 14,6 pCt. Die Obstkontrole führte zur Beschlagnahme von 170 kg 
unreifem oder verdorbenem Obst. Auf Grund chemischer Untersuchung wurde 
das Wasser von Privat-Quellwasserbrunnen in 7 Fällen beanstandet, in 87 als 
verdächtig und in 93 als gut befunden. Wein und Kunstwein wurden in 
Menge von 76 063 Litern beschlagnahmt, wovon 2250 vernichtet, 51 424 ge- 
eigneter Kellerbehandlung unterworfen wurden. Bei der Kontrole des Bieres 
fanden 5,1 pCt. Beaustandungen gegen 9 pCt. im Vorjahre, der Bierpressionen 
. 11,2 gegen 10,3, der kohlensauren Wässer und Limonaden 9,5 gegen 8,8 pCt. statt. 

Die seit 1893 nabezu ununterbrochene Abnahme der Sterblichkeit nahm 
im Berichtsjabre mit 15,22 pM. ihren Fortgang. Auch die Schwindsuchts- 
sterblichkeit wies wieder eine geringe Abnahme auf. Typhuserkrankungen 
gingen von 240 im Vorjahre auf 65 zurück. Die Diphtherie trat, abgesehen 
von einzelnen Hausepidemien, nicht epidemisch auf. Masern und Scharlach 
nahmen im letzten Viertel des Jahres einen epidemischen Charakter an. Die 
Zahl der vollzogenen Desinfektionen belief sich auf 1123, wovon 391 durch 
Scharlach, 240 durch Tuberkulose veranlasst waren. 

Bei der Wohnungskontrole wurde in 1956 Fällen die Abstellung von 
Uebelständen angeordnet, deren 1179 die Abtritt-, Kehricht-, Mistgruben, den 
Anschluss an die Kanalisation u. s. w. betrafen. Die Besichtigung der Massen- 
quartiere führte 220 mal wegen Verwendung ungeeigneter Räume zum Schlafen, 
Ueberfüllung der Räume, ungenügender Bettenzahl, Benutzung einschläfriger 
Betten durch zwei Personen zum Einschreiten. 

Die 1898 getroffene Maassnahme, die Kübelstoffe an landwirthschaftliche 
Vereine und Genossenschaften gegen Verpflichtung zur Abfuhr eines bestimmten 
Quantums abzugeben, hat sich gut bewährt. Insgesammt wurden 6790 cbm 
Fäkalien abgeführt. Würzburg (Berlin). 


Jahresbericht über die allgemeine Poliklinik des Kantons Basel- 
Stadt im Jahre 1899. 116 S. 4°. Basel 1900. Buchdruckerei J. Frehner. 
Der Krankenstand war durchweg ein günstiger. Die Leistungen der öffent- 
lichen Ambulatorien erstreckten sich auf 54336 Konsultationen, 81 Geburten 
im Domicil und 15 Hausbesuche an 18 225 Patienten. In der Bezirkskranken- 
pflege wurden 9280 Personen gegen 10 300 im Vorjahre 31 662 Konsultationen 
ertheilt und 18571 Hausbesuche abgestattet. Hierbei handelte es sich in 
762 Fällen um Tuberkulose, in 973 um sonstige Infektionskrankheiten, in 
3421 um Verletzungen und chirurgische Affektionen, während im Ambulatorium 
Tuberkulose 444, andere Infektionskrankheiten 321, Verletzungen und chirur- 

gische Affektionen 1801 mal zur Behandlung kamen. 

Würzburg (Berlin). 


Verschiedenes. ; 207 


Sames, Theodor, Zur Kenntniss der bei höherer Temperatur wachsen- 
den Bakterien- und Streptothrixarten. Aus d. hygien. Institut der 
Universität Giessen. Zeitschr. f. Hyg. u. Infektionskrankh. Bd. 33. S. 318. 

lm ersten Theil der Arbeit ist kurz zusammengestellt, was aus den Ar- 
beiten des Referenten (1888), von Macfadyen und Blaxall (1894), Ra- 
binowitsch, Gorini, Karlinski (1895), Kedzior (1896), Laxa, Schil- 
linger und Oprescu (1898) über das Vorkommen, das Wachsthum und seine 
Grenzen, die Gestalt, Sporenbildung und den Stoffwechsel der bei höherer 
Wärme wachsenden Bakterienarten bekannt ist. 

Die eigenen Untersuchungen des Verfassers erstreckten sich haupt- 
sächlich auf 8 hierhergehbörige Bakterienarten, von denen 4 aus Erde, 
je 1 aus der Luft, aus Lakmustinktur, Milch und Scheidenschleim herrührten. 
Ihre wichtigsten Wachsthumseigenschaften werden in Tafelform übersichtlich 
mitgetheilt. Einige gedeihen besser auf Agar, andere besser auf Kartoffeln. 
Mit einer Ausnahme wachsen sie sowohl bei Zutritt wie bei Ausschluss der 
atmosphärischen Luft, aber aërob besser als anaerob; jene eine Art wächst 
nur aerob. Ausschliesslich anaörobisches Wachsthum wurde überhaupt nicht 
beobachtet. Die am meisten zusagenden Wärmegrade liegen verschieden, bald 
zwischen 50 und 60°, bald zwischen 56 und 70°, eine Art wächst bei 66° 
nicht mehr, eine andere bei 66° besser als bei 62%. Die obere Wachs- 
thumsgrenze wurde bei 66°, 70°, 74°, 750 gefunden. Auch die untere 
Wärmegrenze liegt verschieden, und der Verf. unterscheidet mit Schil- 
linger diejenigen Arten, welche unter 40° nur kümmerlich gedeihen, als 
thermophile von denjenigen, welche sowohl unter 40° wie bei höherer 
Wärme gut gedeihen und Sporen bilden — den thermotoleranten. Die 
Grenzen sind aber nicht scharf. Viele bilden in den Nährböden Alkali, einige 
Säure, manche verfüüssigen die Gelatine, einige bringen Milch zur Gerinnung. 
Die meisten Arten sind beweglich, alle bilden Sporen und zwar unmittelbar, 
nachdem sie die üppigste und rascheste Entwickelung erreicht haben. Jung 
nebmen die Stäbchen alle Färbungen an, auch die Gram’sche, einige halten 
ähnlich wie die Tuberkelbacillen die aufgenommene Farbe auch gegen Salz- 
säurealkohol fest. Auch die Sporen lassen sich sämmtlich mit Anilinwasser- 
fuchsin färben, manche freilich nicht in kurzer Zeit. Getrocknet behalten die 
Sporen ihre Keimfähigkeit Monate lang. Strömendem Dampf widerstehen 
einige Arten 2-3Stunden, andere nur kurze Zeit. Die bei 370 gebildeten 
Sporen waren regelmässig weniger widerstandsfähig, als die bei höherer 
Wärme entstandenen. Die Stäbchen ohne Sporen sterben bei manchen Arten 
leicht ab, wenn sie einige Zeit bei gewöhnlicher Wärme gehalten werden. 
Verimpfung auf Hausmäuse hatte keinerlei gesundheitsstörende Wirkung. 

Im August und September fand der Verf. — in Bestätigung einer früber 
schon vom Referenten geäusserten Ansicht — die Sonnenwärme genügend, 
um manchen thermophilen Arten Wachsthum und sogar Sporenbildung 
zu gestatten, doch durfte keine unmittelbare Besonnung stattfinden, weil 
diese nicht bloss die Stäbchen, sondern auch die Sporen schädigte. Diese 
Bedingung ist aber in den obersten Bodenschichten oft genug erfüllt. 

Zum Schluss wird eine Streptothrixart beschrieben, welche aus unge- 
kochter Milch stammt, am besten bei 55°, aber auch bei 87° und sogar noch 


208 Kleinere Mittheilungen. 


bei 220 wächst, und zwar bei 55° aërob besser als ana@rob, bei 37 und 22° 
umgekehrt. Globig (Kiel). 


Kleinere Mittheilungen. 

(:) Wie dieMünch. med. Woch. meldet, hat derVorstand desDeutschen Vereins 
für öffentliche Gesundheitspflege beschlossen, die diesjährigeVersammlung vom 
18.—20.September in Rostock abzuhalten. Als Gegenstände für die Berathungen sind 
bestimmt worden: 1.Kreisarzt und Gesundheitskommissionen nach dem neuen preussi- 
schen Gesetz (Ref. noch nicht festgestellt), 2. Zulässigkeit chemischer Konservirungs- 
mittel fürNahrungsmittel(K.B.,ehmann-Würzburg), 3.Hygiene derMolkerei(Löffler- 
Greifswald), 4. Strassenbau und Staubbildung (Flügge-Breslau, Schol tz-Breslan. 
5. Fortschritte auf dem Gebiet der centralen Heizung und Lüftung(Ref.noch unbestimmt). 


Stand der Seuchen. Nach den Veröffentlichungen des Kaiserlichen Gesond- 
heitsamtes. 1901. No. 3 u. 4. 

A. Stand der Pest. I. Grossbritannien. Hull. 10.—14. 12. 1900: Auf 
dem von Alexandrien eingetroffenen Dampfer „Fiary“ 3 Todesfälle. II. Russland. 
Dorf Wladirnirowka (Kreis Zarew, Gouv. Astrachan) fortdauernd verdächtige Er- 
krankungen. In Terebai-Tubeck (Kirgisensteppe) ist ein neuer Herd einer akuten 
ansteckenden Krankheit (!!) beobachtet. Ill. Türkei. Stambul. 7.1.1901: Ein Boots- 
führer an Pest gestorben. In Thomaso und Papa-Skala, 2 Dörfern in der Nähe 
von Smyrna: 13 Erkrankungen, 12 davon gestorben. IV. Britisch-Ostindien. 
Präsidentschaft Bombay. 2.—8. 12. 1900: 684 Erkrankungen, 515 Todesfälle. 
9.—15. 12. 1900: 570 Erkrankungen, 408 Todesfälle. Stadt Bombay. 2.—8. 12. 
1900: 129 Erkrankungen, 276 Todesfälle, einschliesslich der unter Pestrerdacht Ge- 
storbenen, indessen dann nur 72 Pestfälle amtlich gemeldet. V. Hongkong. 13. bis 
27. 10. 1900: 6 Todesfälle. 28. 10.—1. 12.: Keine Neuerkrankungen. 2.—8. 12. 1900: 
2 Todesfälle. VI. Japan. Osaka. September 1900: 21 Erkrankungen, 16 Todesfälle. 
Oktober 1900: 15 Erkrankungen, 14 Todesfälle. November 1900: 22 Erkrankungen, 
16 Todesfälle. Kobe. Oktober 1900: 3 Todesfälle. Wakayama Klu, Nachbarbezirk 
von Osaka: November 5 Todesfälle. VIIL. Kapland. 18. 12. 1900: Nur noch ein 
Pestkranker in Behandlung. Die Absperrmaassregeln sind bereits am 11. 12. aufge- 
hoben worden. VII. Reunion. 17. 12. 1900—2. 1. 1901: 18 Erkrankungen, 5 Todes- 
fälle. IX. Philippinen. Manila. 21.10.—10.11.1900: 3Erkrankungen, eine davon 
tödtlich. X. Vereinigte Staaten von Amerika. San Francisko. 7. 12. 1: 
1 Todesfall. XI. Argentinien. Tucuman. 17.12.1900: 4 Personen einer Bäckerei 
an pestverdächtigen Erscheinungen erkrankt, 3 davon gestorben. 18. 12. 1900: 2 wei- 
tere Personen erkrankt. San Nicolas, Prov. Buenos Aires. 20. 12. 1900: 4 pest- 
verdächtige Fälle, einer davon tödtlich. XII. Paraguay. Asuncion: Ende November 
soll der Gesundheitszustand zufriedenstellend gewesen sein, die Pest war anscheinend 
imVerschwinden. Villa Concepcion: Ein von derRegierung dorthin gesandter Arzt 
hat angeblich keinen einzigen Pestfall festgestellt. NII. Queensland. 18.—24. 11. 
1900: Keine Erkrankungen und Todesfälle. Brisbane. 25. 11.—1. 12. 1900: 2 Er- 
krankungen. 

B. Stand der Cholera. I. Britisch-Ostindien. Kalkutta. 2. 12.—8. 12. 
1900: 32 Todesfälle. 9.--15. 12. 1900: 24 Todesfälle. Il. Straits-Settlements. 
Singapore. Bis 15. 12. 1900 insgesammt: 139 Erkrankungen, 160 Todesfälle. 

Jacobitz (Halle a. S.). 


Verlag von August Hirschwald, Berlin N.W. — Druck von L. Schumacher in Berlin. 


Hygienische Rundschau. 


Herausgegeben 
von 
Dr. Carl Fraenkel, Dr. Max Rubner, Dr. Carl Günther, 
Prof. der Hygiene in Halle a/S. Gch. Med.-R., Prof. der Hygiene in Berlin. Professor in Berlin. 
XI. Jahrgang. Berlin, 1. März 1901. W 5. 


Am 10. Februar d. J. starb in München im Alter 
von 83 Jahren 


Max von Pettenkofer, 


der Schöpfer der modernen hygienischen Wissenschaft, 
der Mann, welcher unablässig bemüht war, die in der 
Forschung gewonnenen Resultate in die Praxis zu 
übertragen, und der so auch der eigentliche Be- 
gründer der modernen öffentlichen Gesundheitspflege 
geworden ist. 

Die Hygiene verliert in ihm ihren ersten Führer 
und Meister. Ueber sein Leben und Wirken wird in 
einer der nächsten Nummern der Zeitschrift ausführ- 


licher berichtet werden. 


Die Redaktion. 


210 C. Fraenkel, 


Das Untersuchungsamt für ansteckende Krankheiten zu Halle a. $. 
Von 
Prof. C. Fraenkel. 


Der Voranschlag für den diesmaligen preussischen Staatshaushalt 
bringt beim Kapitel Medicinalwesen Mehrforderungen in ungefährer Höhe 
von Dreiviertel Millionen Mark, die für die Durchführung des Gesetzes vom 
19. September 1899 über die Dienststellung des Kreisarztes u.s. w. 
benöthigt werden. Ich habe in No. 3 dieser Zeitschrift vom Jahre 1900 
S. 105 ff. das eben genannte Gesetz einer eingehenden kritischen Besprechung 
unterzogen und bei voller Würdigung seiner vielfachen Mängel und Lücken 
doch der Ueberzeugung Ausdruck gegeben, dass auf dem so geschaffenen Boden 
immerhin wichtige Fortschritte für das öffentliche Gesundheitswesen erreicht 
werden könnten, wenn nur „beim Medicinalministerium der erforderliche 
feste Wille vorhanden ist, und wenn dessen gute Absichten ferner die nöthige 
Unterstützung durch das Finanzministerium finden“. Inwieweit diese beiden 
Voraussetzungen nach der jetzigen Vorlage an den Landtag in Erfüllung ge- 
gangen sind, möchte ich hier nicht untersuchen, vielmehr zunächst die Be- 
rathungen in der Kammer, dann aber namentlich auch die Dienstanweisung 
für die Kreisärzte und die Regelung ihrer Pensionsansprüche abwarten und 
darauf erst nochmalige und endgiltige Abrechnung halten. 

Aber eine Frage, die in engstem Zusammenhange mit jenem Gesetze steht, 
verlangt doch wohl heute schon eine dringliche Beantwortung, die Frage 
nämlich nach dem Schicksal der am 28. Juni 1899 vom Abgeordnetenhause 
auf Antrag des Grafen Douglas mit Stimmeneinheit angenommenen Reso- 
lution, die unter A 2 lautete: „Untersuchungsanstalten zu Zwecken des 
Gesundheits- und Veterinärwesens sind in jeder Provinz nach Bedürfniss ein- 
zurichten, sowie eine Central-Landes-Untersuchungsanstalt, und die hierzu 
erforderlichen Mittel in den nächstjährigen Staatshaushaltsetat einzustellen“. 
Ich habe den letzteren (für 1900/1901, ebenso wie den jetzigen für 1901/1902) 
daraufhin vergeblich durchblättert und nirgendwo eine Andeutung gefunden, 
wie die Regierung diesem Wunsche der Volksvertretung nachzukommen gedenkt. 
Denn die nun gelegentlich der Ausführung des Kreisarztgesetzes bei den ein- 
maligen und ausserordentlichen Ausgaben unter h geforderten 50000 Mk. 
„zur Bestreitung der Kosten der ersten Beschaffung von Apparaten u.s. w. 
für die Kreisärzte, sowie zur Gewährung von Beihülfen an dieselben zur Bee 
schaffung von Apparaten“ können gewiss nicht hierher gezählt werden. Heisst 
es doch in der Begründung ausdrücklich: „die erheblichen Fortschritte, welche 
die Erkennung, Verhütung und Bekämpfung der Seuchen unter dem Einfluss 
der wissenschaftlichen Hygiene gemacht haben, lassen es nothwendig erscheinen, 
dass die Kreisärzte in der Lage sind, eine Reihe einfacher mikroskopischer, 
bakteriologischer und chemischer Untersuchungen selbst vornehmen zu können. 
Zur Anschaffung der hierzu nöthigen Geräthe und Instrumente, sowie zur Ge- 


Das Untersuchungsamt für ansteckende Krankheiten zu Halle a. S. 211 


wāhrung von Beibilfen an die Kreisärzte zur eigenen Beschaffung derselben 
wird eine Summe von 50000 Mk. erforderlich sein.“ 

Gewiss muss die damit beabsichtigte Unterstützung der Kreisärzte gerade 
nach dieser Richtung auf das dankbarste begrüsst werden. Ohne ihre kräftige 
Mitwirkung, ohne ihr rasches Eingreifen an Ort und Stelle, ohne die von 
ihnen vorgenommene vorläufige Untersuchung der Verhältnisse und der Personen 
wird der Kampf gegen die Seuchen mindestens in hohem Grade verzögert und 
erschwert, wenn nicht unmöglich werden. Aber auf der anderen Seite darf 
mas doch nicht erwarten, auf diesem Wege nun etwa die centralen 
Anstalten ersetzen und überflüssig machen zu können. Der ein- 
zelne vorgeschobene Posten ist und bleibt vielmehr durchaus angewiesen auf 
deren ausgiebige und stets bereite Hilfe, die in allen schwierigen und verdäch- 
tigen Fällen, namentlich aber auch beim stärkeren Ausbruch von seuchenhaften 
Erkrankungen, bei eigentlichen Epidemien geradezu unentbehrlich ist. 
Das liegt so klar auf der Hand, dass kein sachverständiger Beurtheiler eine 
abweichende Anschauung hegen wird, und in der That sind Stimmen, die hier 
die Bedürfnissfrage verneint, die Nothwendigkeit solcher Stationen bestritten 
hätten, bisher überhaupt nicht laut geworden. 

Wohl aber scheinen die Meinungen ein wenig auseinanderzugehen über 
die zweckmässigste Art ihrer Einrichtung und Organisation. In 
dem vorhin schon erwähnten Aufsatz aus dieser Zeitschr. 1900 S. 105 habe 
ich eben diesen Punkt genauer erörtert und mich aus den dort entwickelten 
Gründen im Allgemeinen für eine Angliederung dieser Anstalten an 
die hygienischen Institute der Universitäten ausgesprochen. (Gegen 
diesenVorschlag hat aber z.B.Mewius in einer neuerlich erschienenen beachtens- 
wertben Veröffentlichung (Zeitschr. f. Medicinalbeamte. 1900. S. 553) seine 
Stimme erhoben und empfohlen, ein Untersuchungsamt für jeden Regierungs- 
bezirk zu schaffen und es dem betreffenden Medicinalrath zu unterstellen. 
Er betont einmal, dass „die Sanitätspolizei und die Ueberwachung der 
hygienischen Verhältnisse eines Bezirks nicht zu den Aufgaben der 
hygienischen Universitätsinstitute, sondern zu denen der Verwaltungsbehörden 
gehören“. Das ist ohne Zweifel richtig. Indessen hat, soweit ich zu übersehen 
vermag, auch noch niemand etwas anderes behauptet, und Herr Mewius ist 
augenscheinlich nur von irrigen Voraussetzungen aus zu dieser Zurückweisung 
gelangt. Die Untersuchungsanstalten sollen ausschliesslich Mittel zum Zweck 
sein, gewissermaassen den Aufklärungsdienst übernehmen, die nöthigen Vor- 
bereitungen für die Beseitigung der Schäden und für die Verbesserung der Zu- 
stände auf dem Felde der öffentlichen Gesundheitspflege treffen und so die 
Operationsbasis schaffen, auf der die Bekämpfung der Seuchen statt haben 
kaon. Die letztere selbst aber bleibt natürlich der Sanitätspolizei, den Ver- 
waltungsbehörden, d. h. in erster Linie den beamteten Aerzten überlassen, 
und icb kann nach meinen Erfahrungen nur versichern, dass diese Trennung 
in der Praxis irgendwelche Schwierigkeiten nicht hervorruft. Nun will ich 
jedoch ohne weiteres einräumen, dass es trotzdem erwünscht wäre, wenn beide 
Öbliegenheiten in derselben Hand vereinigt und dem ausführenden Organ, wie 
wir eben gesehen haben, dem Kreisarzt oder dem Medicinalrath anvertraut 

15* 


212 C. Fraenkel, 


werden könnten. Dass das unter Umständen auch möglich, soll gleichfalls 
nicht bestritten werden. Aber in der Regel wird man m. E. auf diese An- 
ordnung verzichten müssen, weil die Untersuchungen Aussicht auf Erfolg und 
unbedingte Zuverlässigkeit doch nur dann zu bieten vermögen, wenn sie in 
einem mit allen wissenschaftlichen Hilfsmitteln ausgerüsteten, 
unter sachkundiger Leitung stehenden und in dauerndem Betriebe 
befindlichen Laboratorium vorgenommen werden. 

Herr M. bemerkt nun freilich: „man wende nicht ein, dass die Regierungs- 
und Medicinalräthe in Laboratorinmsarbeiten nicht soweit geschult sind, um 
hygienische Untersuchungen ausführen zu können. Das ist gar nicht ihre 
Aufgabe. Auch die Sanitätsämter bei den Armeekorps stehen unter Leitung 
der Korpsgeneralärzte, ohne dass diese sich selbst mit praktisch-hygienischen 
Untersuchungen beschäftigten; ebenso wenig wie die Leiter von hygienischen 
Universitätsinstituten sich Aufgaben zuwenden, die sie ihren Assistenten über- 
lassen können. Worauf es hierbei ankommt, ist das Verständniss für die An- 
wendung der hygienischen Untersuchungsmethoden nach den Verhältnissen des 
socialen Lebens, die Leitung „derselben unter Berücksichtigung der lokalen 
Verhältnisse, in der Richtung auf praktische Zwecke“. Und weiter: „im 
übrigen macht die Ausführung hygienischer Untersuchungen für praktische 
Zwecke keine besonderen Schwierigkeiten. Sie stellt eine Thätigkeit dar, 
die jeder sorgfältige und fleissige Arbeiter in verhältnissmässig kurzer Zeit 
erlernen kanu.“ 

Ich vermag diesen Anschauungen in keiner Weise beizupflichten. Natürlich 
wird der Leiter eines hygienischen Universitätsinstituts die meisten derartigen 
Prüfungen durch seine Assistenten ausführen lassen. Aber er muss doch den 
allgemeinen Gang der Untersuchungen bestimmen, er muss stets und in jedem 
Augenblicke im Stande sein, sich von der Richtigkeit der benutzten Methode 
und des erzielten Ergebnisses zu überzeugen, in verwickelten und zweifelhaften 
Fällen mit seinem Rath und Urtheil eingreifen. Geschieht das nicht, hat 
nicht jeder der vorhandenen Hilfsarbeiter das Vertrauen, die unbedingte Gewiss- 
heit, dass er unter Umständen an dem überlegenen Wissen des Leiters den 
festen Rückhalt findet, so entgleiten den Händen des letzteren sehr bald 
die Zügel, und er ist schliesslich genöthigt, eine Verantwortung zu übernehmen, 
die er in Wahrheit gar nicht zu tragen vermag. Und wenn Herr Mewius weiter 
meint, dass die Aneignung der erforderlichen Kenntniss keine besonderen 
Schwierigkeiten mache, so ist das bis zu einer gewissen Grenze freilich richtig. 
Die landläufigen, hier gebräuchlichen Verfahren sind an sich einfach und be- 
quem. Indessen lehren zahlreiche, unfreiwillige Beispiele, dass doch schon die 
alltäglichen und anscheinend harmlosen Jagdgründe der Bakteriologie mit bösen 
Fallstricken und Schlingen besetzt sein können, und mit dem Moment, wo nun 
einmal eine aussergewöhnliche Aufgabe auftaucht, kann nur ein sicherer Führer 
vor verhängnissvollen Irrthümern schützen. Eine unausgesetzte praktische 
Beschäftigung mit der gesammten Methodik, eine sorgfältige und 
umfassende Verwerthung aller einschlägigen Fortschritte und Ver- 
besserungen ist daher meines Erachtens eine unerlässliche Bedin- 


Das Untersuchungsamt für ansteckende Krankheiten zu Halle a.S. 213 


gung, wenn die Untersuchungsanstalt auf der Höhe ihres Berufes bleiben und 
ihren Zweck in vollem Maasse erfüllen soll. 

Im anderen Falle dagegen werden sich diese Aemter auf die Dauer nicht 
als lebensfähig erweisen, sondern bald verdorren und absterben, und wenn 
Herr Mewius an das Beispiel der Untersuchungsstationen bei den General- 
kommandos erinnert, so kann ich diesen Vergleich nicht gelten lassen. Denn 
einmal ist die entsprechende Einrichtung dort nicht auf die beiden Augen 
eines Assistenten gestellt, verfügt vielmehr über weitere Hülfskräfte, die sich 
gegenseitig zu ergänzen und zu fördern vermögen. Namentlich aber besitzt 
die Militärverwaltung einen reichen Stamm tüchtiger, vorgebildeter Ersatz- 
männer, aus dem sie jenen Stationen jeder Zeit neues Blut zuführen und durch 
einen Wechsel im Personal für die nöthige Auffrischung sorgen kann, während 
die Medicinalbehörden auf eine derartige Möglichkeit für absehbare Zeit wohl 
gewiss werden verzichten müssen. 

Aber Herr Mewius spielt gegen die vorgeschlagene Angliederung solcher 
Stationen an die hygienischen Universitätsinstitute noch ein weiteres Bedenken 
aus: er fürchtet, dass diese ihrem eigentlichen Zweck, „der Fortbildung der 
Wissenschaft und dem Unterricht zu dienen, entfremdet“ und „die Untersu- 
suchungen sich schnell zu einem nicht zu bewältigenden, unbequemen Ballast 
steigern“ würden. Er beruft sich hier auch auf die gleichsinnige Aeusserung 
von Virchow, mit der ich mich in meinem früheren Aufsatz schon beschäftigt 
und die ich in eingehenden Darlegungen als unzutreffend gekennzeichnet hatte. 
In der That muss ich diese Besorgniss als gänzlich unbegründet ansehen und 
im Gegentheil an der dort ausgesprochenen Ueberzeugung festhalten, dass das 
dem Untersuchungsamt zufliessende Material sogar einen Gewinn für die for- 
schende sowohl wie für die lebrende Tbätigkeit des Universitätsinstituts 
darstelle. Ich kann dies heute sogar noch mit sehr viel grösserem Nachdruck 
behaupten als damals, da meine Erfahrungen auf diesem Gebiete inzwischen 
eine wesentliche Bereicherung gefunden haben. Seit dem August 1900 ist 
nämlich dem hiesigen hygienischen Institut ausser dem früher schon bestehen- 
den Untersuchungsamt für Nahrungsmittel noch ein zweites Unter- 
suchungsamt für ansteckende Krankheiten eingefügt worden. Wie 
jenes, ist auch letzteres zunächst von der Stadtverwaltung zu Halle und 
mr für deren Bedürfnisse und Zwecke eingerichtet. Indessen erstreckt es seine 
Thätigkeit doch unter Umständen über diese Grenze hinaus; namentlich aber 
hat der Staat sein Interesse an dem Unternehmen dadurch zu erkennen ge- 
geben, dass er seinerseits zu den entstehenden Kosten, wenigstens den per- 
sönlichen, durch Berufung und Besoldung eines Assistenten beigetragen 
uad so die Verwirklichung des ganzen Planes in erheblichem Maasse gefördert, 
sich aber zugleich auch einen gewissen Einfluss auf die neue Anstalt ge- 
sichert hat. 

Da es nicht ganz ausgeschlossen erscheint, dass der hier betretene Weg 
an anderen Stellen ebenfalls eingeschlagen wird, so dürfte es vielleicht für 
weitere Kreise von einigem Werthe sein, über die Anlage und den Betrieb 
der Station etwas genaueres zu hören, und ich möchte mir deshalb gestatten, 


16 


214 C. Fraenkel, 


im folgenden mit einigen Worten die Entwickelung der Angelegenheit von 
Anfang bis zu ihrem jetzigen Stande zu schildern. 

Am 5. Juli 1899 beschloss der hiesige Verein der Aerzte auf Antrag 
des Kreisphysikus Sanitätsrath Dr. Fielitz, dem Magistrat die Bitte 
zu unterbreiten, unter Anlehnung an das hygienische Institut eine öffentliche 
Stelle zur Vornahme von Untersuchungen bei ansteckenden Krankheiten zu 
schaffen und so den Aerzten die Möglichkeit zu gewähren, in verdächtigen 
und zweifelhaften Fällen zu einer Diagnose zu gelangen. Die städtischen Be- 
hörden zeigten sich im Interesse der allgemeinen Gesundheitspflege nicht ab- 
geneigt, dieser Anregung Folge zu leisten, und so wurde zunächst an das Mi- 
nisterium die Anfrage gerichtet, ob es die Erlaubniss zur Angliederung 
einer derartigen Station an das hygienische Institut der Universität zu geben 
bereit sei. 

Als wesentliche Grundlage für die Thätigkeit der Austalt konnte dabei 
schon nach einigen vorläufigen Berathungen in der städtischen Sanitätskom- 
mission der Regierung gegenüber die Absicht bezeichnet werden, diese Unter- 
suchungen erstens von vornherein auf alle ansteckenden Krankheiten 
auszudehnen, deren Erreger uns bekannt sind, und nicht, wie an anderen 
Orten, auf Diphtherie und Tuberkulose zu beschränken, und zweitens sie 
völlig kostenfrei unter Verzicht auf irgend welche Gebühren u. s. w. aus- 
führen zu lassen. Nur unter dieser Voraussetzung ist darauf zu rechnen, dass 
die ganze Maassregel auch wirklich den erhofften Erfolg habe. Weder der 
Arzt noch der Patient dürfen einen Augenblick vor der Frage stehen, ob es 
nach Lage der Dinge gerechtfertigt oder unerlässlich sei, überhaupt oder schon 
jetzt die Untersuchung anzuordnen, sie beispielsweise sogar auf die gesunden 
und nur verdächtigen Angehörigen des Kranken zu erstrecken, wie es sicher- 
lich geschehen würde, wenn mit den Analysen noch besondere, und sei es 
selbst geringfügige Ansgaben verbunden wären. Und bei Patienten aus be 
güterten Kreisen, wo dieses Bedenken vielleicht hinfällig erscheint, ist an der 
Forderung der Unentgeltlichkeit festzuhalten, weil einmal die Abgrenzung 
zwischen zahlungsfähig und -unfähig an sich schwierig und unerquicklich ist. 
es sich ferner und namentlich aber hier doch um eine Einrichtung handelt. 
die wesentlich der Förderung der öffentlichen Gesundheit und also viel 
weniger dem Einzelnen als der Gesammtheit dient. 

Erfreulicher Weise haben sich auch die städtischen Behörden auf diesen 
von mir mit allem Nachdruck vertretenen Standpunkt gestellt und einen hier- 
von ausgehenden Kostenanschlag für die geplante Einrichtung entworfen. 
Der letztere erfuhr freilich weiterhin dadurch eine gewisse Abänderung, dass 
die Regierung nicht nur ihre Zustimmung zu der beabsichtigten Finfügung der 
Anstalt in das hygienische Institut erklärte, sondern sich zugleich sogar, wie 
schon erwähnt, bereit zeigte, zu den entstehenden Aufwendungen durch Be- 
soldung eines Assistenten für das Untersuchungsamt beizusteuern. Auch sonst 
wurden die von hier aus gemachten Vorschläge für Einrichtung und Betrieb 
der Anstalt in Berlin gut geheissen; nur sollten die Untersuchungen bei Cho- 
lera und Pest, wie bisher, den staatlichen, dafür vorgesehenen Stellen ver- 


Das Untersuchungsamt für ansteckende Krankheiten zu Halle a. S. 215 


bleiben, d. Iı. also in unserem Falle zwar ebenso im hygienischen Institut, 
aber gewissermaassen unter staatlicher Verantwortung ausgeführt werden. 

So kam denn nach immerhin ziemlich langwierigen und ausgedehnten 
Verhandlungen die folgende Vereinbarung zwischen dem Staate, vertreten 
durch das Universitätskuratorium, als Besitzer des hygienischen Instituts, und 
der Stadt, vertreten durch den Magistrat, als Gründerin der neuen Unter- 
sachungsstation, zu Stande. 


Zwischen der: Stadtgemeinde Halle a.S. und der Königl. vereinigten Friedrichs- 
Universität Halle-Wittenberg ist heute folgende Vereinbarung getroffen worden. 
$ 1. Die Königliche Universität übernimmt die Verpflichtung, in Verbindung 
mit dem hygienischen Institut unter der Bezeichnung „städtisches Unter- 
suchungsamt für ansteckende Krankheiten“ eine Untersuchungsstelle für an- 
steckende Krankheiten einzurichten, die allen praktischen und approbirten 
Aerzten im Stadtkreis Halle zugänglich sein und die Möglichkeit gewähren soll, 
von verdächtigen oder zweifelhaften Krankheitsfällen herrührendes Material einer 
kostenfreien bakteriologischen Prüfung unterziehen zu lassen. 
$2. Zur Einrichtung und Unterhaltung dieser Stelle zahlt die Stadtgemeinde 
andie Königliche Universität: 
1. einmal 1000 Mk. für die erste Einrichtung der Untersuchungsstelle mit 
Instrumenten u. s. w. sofort bei Abschluss dieser Vereinbarung, 
2. jährlich im Antang April im Voraus 3300 Mk., von denen 1200 Mk. 
zur Remunerirung einesAssistenten, 600Mk.alsLohn einesDieners, 
1500 Mk. zur Deckungder laufenden sachlichen Unkosten bestimmt 
sein sollen. 
Die aus dem einmaligen Zuschuss von 1000 Mk. beschafften Apparate und Instru- 
mente sind städtisches Eigenthum. 
$ 3. Diese Vereinbarung ist mit dem 1. August 1900 in Kraft getreten. 
Beiden Theilen steht das Recht zu, dieses Abkommen jährlich zu kündigen. 
Halle a. S., den 25. September 1900. 


Aus diesem Vertrage erhellen zunächst die Kosten, die der Stadtgemeinde 
aus der getroffenen Einrichtung erwachsen. Für die erste Ausrüstung sind 
einmal 1000 Mk. gezahlt worden; die hierfür beschafften Gegenstände ver- 
bleiben im Besitze der Stadt und sollen dieser also bei Auflösung der Anstalt 
oder Abtrennung vom hygienischen Institut wieder ausgehändigt werden, so- 
fern sie inzwischen nicht verbraucht worden sind. An laufenden Ausgaben 
sind verzeichnet: 600 Mk. für einen Diener, der die Anfertigung der Nähr- 
böden, Wartung der Thiere u.s. w. zu besorgen, aber auch die Gänge für 
die Abholung der Proben zu machen hat; ferner 1500 Mk. für sachliche Auf- 
wendungen, Farbstoffe, Nährböden, Thiere, Gas und Wasser, Drucksachen, 
Entnahmegefässe u. s. w., und 1200 Mk. für einen Assistenten. Einen zweiten 
bezahlt, wie schon wiederholentlich erwähnt, der Staat; aber wie jener, wird 
auch der von der Stadt remunerirte auf Vorschlag des Direktors des Instituts 
vom Kurator unter denselben Bedingungen, wie die übrigen Instituts- 
assistenten ernannt, und beide erscheinen im Personalverzeichnisse unter 
den angestellten Assistenten. Von einem Kondominium und seinen Unzuträg- 
lichkeiten ist also gar keine Rede, vielmehr die einheitliche Verwaltung 
wd Leitung des Instituts durchaus gewahrt. 

16* 


216 C. Fraenkel, 


Schon ehe diese Vereinbarung vollzogen und sobald nur die grundsätzliche 
Geneigtheit der beiden Parteien gesichert war, wurde nun der vorläufige 
Betrieb der Anstalt eröffnet. Um jede missbräuchliche Benutzung auszu- 
schliessen, war von vorneherein bestimmt worden, dass allein die von den 
praktischen und approbirten Aerzten der Stadt und, wie stillschweigend an- 
genommen wurde, auch der näheren Umgebung einlaufenden Aufträge ausge- 
führt, alle von den Kranken selbst oder sonstigen Privaten herrühren- 
den Gesuche jedoch abgelehnt werden sollten. Für die Aerzte aber musste 
wieder jede mögliche Erleichterung geschaffen werden, besonders was die 
Einlieferung der Proben und die Mittheilung der erhaltenen Ergebnisse betraf, 
und so wurde hier der Weg beschritten, den man an manchen anderen Stellen 
schon für den besonderen Fall der Diphtherie-Untersuchung mit gutem Erfolge 
betreten hatte: die Apotheken wurden um ihre Vermittelung angegangen und 
erklärten sich auch sämmtlich gern zu diesem Dienste bereit. 

Nachdem so die ersten Vorbedingungen erfüllt waren, erhielten alle hier 
ansässigen Aerzte das nachstehende Schreiben: 


Untersuchungsant für ansteckende Krankheiten 
im Stadtkreis Halle a. S. 
Halle a.S., den 31. Juli 1900. 


Sehr geehrter Herr Kollege! 


WieSieaus der beifolgenden vorläufigenDienstordnung ersehen werden, haben 
die städtischen Behörden die Errichtung eines Untersuchungsamtes für ansteckende 
Krankheiten unter Angliederung an das Hygienischelnstitut der Universität beschlossen. 
Der Unterzeichnete, dem die Leitung und Beaufsichtigung des Betriebes anvertraut ist, 
wendet sich daher auch an Sie mit der Bitte, von der dadurch eröffneten Möglichkeit 
recht ausgiebigen Gebrauch zu machen und ein Unternehmen zu fördern, das die rasche 
Erkennung der wichtigsten Infektionskrankheiten erleichtern, ihrer Bekämpfung und 
Verhütung so die Wege ebnen und daher eine im gesundheitlichen Interesse unserer 
Bevölkerung besonders dringliche Aufgabe lösen soll. 

Ueber die Art des Verkehrs zwischen den Aerzten und dem Untersuchungsamt 
gewährt die Dienstordnung genügenden Aufschluss. Indessen wird es sich empfehlen, 
auf die folgenden Einzelheiten noch besonders hinzuweisen. 

1. Das Amt ist während der Dienststunden zu mündlicher, telephonischer oder 
schriftlicher Auskunft stets bereit. 

2. Für die Entnahme und Einlieferung der zur Untersuchung bestimmten Proben 
bitten wir, wenn irgend möglich, die vom Amt ausgezebenen Werkzeuge und Gefässe 
benutzen zu wollen. 

3. Diese Werkzeuge und Gefässe können die Aerzte beziehen: a) persönlich oder 
durch einen legitimirten Beauftragten unmittelbar vom Amt, b) durch Vermittelung der 
Apotheken, die mit einem genügenden Vorrath ausgerüstet sein werden. 

4. Die Gefässe und Entnahmeapparate haben verschiedene Form, je nachdem es 
sich z. B. um diphtherieverdächtigen Schleim oder Lungenauswurf oder Blut oder 
Fäces u. s. w. handelt, und es ist daher stets darauf zu achten, dass auch ein rich- 
tiges und für den betreffenden Zweck geeignetes Exemplar gefordert wird. 

5. Jedem Gefäss liegen zwei Beizettel an, von denen der eine, den wir hier im 
Abzug beifügen, gewisse Rathschläge und Vorschriften für die Entnahme der Proben 
enthält, der andere mit Namen, sonstigen Personalien des Kranken, der bisherigen 


Das Untersuchungsamt für ansteckende Krankheiten zu Halle a. S. 217 


Diagnose und einigen weiteren Angaben ausgefüllt mit der Probe wieder an das Amt 
zurückgesandt werden soll. 

6. Erscheint es aus dem einen oder anderen Grunde dem behandelnden Arzt 
erwünscht, Namen und Wohnung des betreffenden Kranken nicht mitzutheilen, so sind 
die entsprechenden Rubriken mit einem bezüglichen Vermerk zu versehen. 

7. Die Einlieferung der Proben und der mit ihnen beschickten Gefässe kann 
wieder entweder und wohl der Zeitersparniss halber besser a) direkt an das Amt (per- 
sönlich oder durch einen Beauftragten) oder b)durch diejenigeApotheke geschehen, aus 
der dasGefäss bezogen worden ist. Aus den Apotheken werden die Proben auf telepho- 
nische Anzeige an das Amt einmal am Tage durch einen Boten des Instituts abgeholt. 

8. Die Mittheilung des Ergebnisses der Prüfung erfolgt in der Regel noch am 
Tage der Einlieferung der Proben, spätestens am folgenden Tage, und zwar nach 
Wunsch des Arztes an den letzteren schriftlich oder telephonisch, in keinem Falle je- . 
doch an die Kranken selbst oder ihre Angehörigen. 

9. Diepflichtmässige Anzeige eines Falles von ansteckenden Krankheiten bleibt 
unter allen Umständen dem Arzte überlassen und wird nicht durch das Amt bewirkt. 

10. Die Untersuchungen u. s. w. finden kostenlos statt. 


Irgend einer weiteren Erläuterung bedarf diese Zuschrift wohl nicht; die 
unter 6 verzeichnete Möglichkeit ist vorgesehen worden für den Fall, dass es 
sich z. B. um gonorrhoisches Sekret und ähnliche Proben handeln sollte. 

Die dort erwähnte „Dienstordnung“ hat folgenden Wortlaut: 


Untersuchungsamt für ansteckende Krankheiten 
im Stadtkreis Halle a. S. 
Magdeburgerstr. 21. Fernruf 1009. 
(Hygienisches Institut.) 


Dienstordnung des Untersuchungsamtes 
für ansteckende Krankheiten im Stadtkreis Halle a. S. 


§1. Das Untersuchungsamt für ansteckende Krankheiten im Stadtkreis Halle a.S., 
das dem Hygienischen Institut der hiesigen Universität angegliedert wird, ist in erster 
Linie bestimmt, den Aerzten eine frühzeitige Feststellung und damit auch Bekämpfung 
derjenigen Infektionskrankheiten zu erleichtern, deren ursächliche Erreger uns bekannt 
und der bakteriologischen Ermittelung‘zugänglich sind. Hierher gehören vor allem die 
Taberkulose(Lungenschwindsucht),derUnterleibstyphus, dieDiphtherie, die 
Gonorrhoe, die Pneumonie und die Influenza; bei der Pest und der Cholera, 
für die die eben erwähnte Voraussetzung gleichfalls zutrifft, soll nach Anweisung des 
Ministeriums die Prüfung den staatlichen zuständigen Untersuchungsstellen vorbehalten 
bleiben. 

§ 2. Das Amt führt seine Untersuchungen nur im Auftrag von praktischen 
Aerzten aus, mögen diese nun an Krankenhäusern thätig sein oder ihre Praxis 
einzeln betreiben. 

§ 3. Für diesen Zweck ist das Amt geöffnet an den Wochentagen von 7 Uhr 
fräh bis 7 Uhr Abends, an Sonntagen von 8 Uhr früh bis 1 Uhr Mittags. In besonders 
dringlichen Fällen werden auch Sonntags Nachmittags Proben angenommen und Unter- 
suchungen ausgeführt werden. 

& 4. Der Verkehr der Aerzte mit dem Amt findet bis auf Weiteres in fol- 
gender Weise statt: 

1. Das Amt ist während seiner Dienstzeit zu mündlichen, schriftlichen oder tele- 

phonischen (1009) Auskünften stets bereit. 


218 C. Fraenkel, 


2. Die zur Untersuchung bestimmten Proben können dem Amt eingeliefert werden 
a) unmittelbar durch die Aerzte selbst oder deren legitimirte Beauftragte, 
b) durch Vermittelung der Apotheken. 

§ 5. Um diesen Verkehr zu erleichtern, werden wir für die Entnahme, Auf- 
bewahrung und Beförderung der Proben geeignete Gefässe a) den Aerzten 
auf Verlangen aushändigen bezw. zusenden, b) in den verschiedenen Apotheken der 
Stadt zur Verfügung der Aerzte bereitstellen. Jedem Gefässe ist in verschliessbaren 
Umschlage eine Meldekarte beigefügt, auf der, um Verwechselungen und Irrthümer zu 
verhüten, der Name (Vor- und Zuname), das Alter des Patienten, das Datum, die Ar 
des Materials und der gewünschten Untersuchung, sowie der Name des betreffenden 
Arztes, alles in deutlicher Schrift, verzeichnet werden soll. Jedes Gefäss ist ausserdem 
noch auf dem Schild mit der Nummer der Meldekarte versehen. Bedienen sich die 
Aerzte aus irgend einem Grunde dieser Gefässe und ihrer Beizettel nicht, so sind diese 
Angaben in anderer Weise dem Amt zugänglich zu machen. 

§ 6. Die Entnahme der Proben hat genau nach der von dem ‘Amte hierfür 
erlassenen Anweisung, die den Aerzten mitgetheilt und ausserdem jedem Gefäss bei- 
gefügt werden wird, zu erfolgen. 

§ 7. Nach der Entnahme können die Proben entweder durch den Arzt oder seinen 
Beauftragten selbst oder durch Vermittelung der betreffenden Apotheke dem Amt über- 
antwortet werden. Aus den letzteren lässt das Amt täglich einmal durch seinen Boten 
die Proben einsammeln, die dann freilich unter Umständen erst mit einer Verspätung 
von mehreren Stunden im Amt anlangen werden. Von einer Abholung der Proben 
aus der Wohnung der Aerzte oder der Patienten muss das Amt im Hinblick auf seine 
beschränkten Dienstkräfte vor der Hand wenigstens absehen. 

§ 8. Die Mittheilung des Ausfalls der Untersuchung erfolgt in der 
Regel etwa 10—12 Stunden nach geschehener Einlieferung der Proben und zwar je 
nach Wunsch derAerzte an diese letzteren entweder schriftlich oder telephonisch. Dem 
Patienten selbst wird das Resultat unter keinen Umständen bekannt gegeben. 

§ 9. Die Untersuchungen werden völlig unentgeltlich für alle im Bezirk der 
Stadt Halle wohnenden Aerzte und Patienten ausgeführt. Auch für etwa zerbrochene 
Entnahmegefässe u. s. w. wird ein Schadenersatz nicht beansprucht. 


Für die Entnahme nnd Einlieferung der Proben dienen besondere 
Gefässe, denen jedesmal eine genaue Anweisung für den Gebrauch 
beigefügt ist; einen Abdruck dieser Rathschläge gebe ich hierunter: 

Rathschläge für die Entnahme der Proben 
zur bakteriologischeu Prüfung in dem Untersuchungsamt für ansteckende 
Krankheiten zu Halle a. S. 

Für alle die in den nachstehenden Spalten nicht aufgeführten, selteneren Krank- 

heitsfälle (z. B. Tetanus, epidemische Cerebrospinalmeningitis u. s. w.) bitten wir, sich 


mit dem Untersuchungsamt besonders in Verbindung zu setzen und unsere Auskunft 
einzuholen. 


Untersuchung ; Entnahme der Proben. Bemerkungen. 
1 ER | Der Auswurf, am besten das Morgen- | 
dose sputum, wird entweder von dem Kranken 
(Schwind- | unmittelbar iu das Entnahmegefäss ge- | 
L | spuckt oder in das Gläschen aus dem 


sonst benutzten Speigefäss übergefüllt. 
Das Eutnahmegefäss ist sorgfältig mit, 
“dem Korkpfropfen zu verschliessen. 
| Für andere Se- und Exkrete, als. 
i Lungenauswurf, gelten die gleichen Vor- 
| schriften in entsprechender Weise. 


sucht). | 


Das Untersuchungsamt für ansteckende Krankheiten zu Halle a. S. 219 


2. Diphthe- Das Glasröhrchen, das die Tupfer- Während der letzten Stunden 

rie. sonde enthält, wird geöffnet, letztere | vor der Entnahme darf ein ört- 
mit ihrem unteren, den Wattenpfropfen | liches Antiseptikum nicht zum 
tragenden Ende über die verdächtige | Spülen, Gurgeln u.s.w. ange- 
Stelle gestrichen und wieder in das | wendet werden. 


Glasröhrchen zurückgebracht. Die Röhrchen sind möglichst 
(Korken fest aufsetzen !) rasch dem Untersuchungsamt zu 
übermitteln. 
3. Typhus |a) Blut zur Ausführung der Widal- Im Nothfall genügt unter 
abdomi- | schen Probe. { Umständen selbst eine noch ge- 
naläs. Durch Einstich mit einer Lan-|ringere Menge Blut. 


zette, Skalpell, Nadel u.s.f. wird aus Das Röhrchen ist dem Amt 
der vorher mit Wasser und Seife ge- | möglichst sofort zu übersenden. 
reinigten Fingerkuppe oder dem Ohr- 
läppchen 1/,—1ccm (=10—20 Tropfen) 
Blut entnommen und in dem hierfür 
bestimmten Röhrchen aufgefangen. 
(Gummipfropfen des Röhrchens 
sorgfältig aufsetzen!) 
b) Fäces und Urin. Die Einlieferung von Fäces 
Einlieferung in den für die Ent- |und Urin bei Typhus abd. wird 
nahme des Lungenauswurfs bestimmten | in der Regel unterbleiben kön- 
Gefässen. . nen, schon weil der Nachweis 
der Typhusbacillen in diesem 
Material umständlich und lang- 
wierig ist, und das Ergebniss 
erst nach mehreren Tagen fest- 
gestellt werden könnte. 


4. Gonor- Das aus der Harnröhre u. s. w. stanı- 

thoe. mende Sekret wird auf den Objekt- 
träger gebracht und und auf diesem 
sofort mit einem anderen Objektträger 
ausgestrichen. Die ausgebreitete Schicht 
muss, bevor die Objektträger wieder 
eingepackt werden, an der Luft völlig 
trocken geworden sein. 


5. Influenza Der Auswurf ist zu entnehmen und Dem Auswurf darf irgend cin 
einzusenden wie bei 1 (Tuberkulose). | antiseptisches Mittel unter keinen 
Umständen zugesetzt werden. 


6. Pneumo- Wic bei 5. Wie bei 5. 
nie. 


Hierzu sei noch Folgendes bemerkt. Für die Diphtherie haben wir als 
Entoahmewerkzeug das auch sonst am besten bewährte Muster gewählt, das 
Reagensröhrchen aus starkem Glase, dessen Korkstopfen die an ihrem unteren 
Ende mit dem sterilisirten Wattebausch ausgerüstete Stahlsonde trägt. Das 
Blut für die Widal’sche Reaktion soll in einem eben solchen Röhrchen, 
das aber mit einem Gummistopfen verschlossen ist und natürlich keine Sonde 
enthält, aufgefangen werden. Für tuberkulöses Sputum, Lungenaus- 
wurf bei Pneumonie, Influenza u. s.w., sowie Darmentleerungen bei 
Iyphus ù. s. w. dienen weitere Glasgefässe von 3,5 em Durchmesser und 
6 cm Höhe, die mit einem starken Korkstopfen versehen sind. Gonorrhoi- 
sches Sekret soll aus der Harnröhre auf einen Objektträger ausgedrückt 
und aaf diesem mit Hülfe eines zweiten verstrichen werden. 


220 C. Fraenkel, 


Alle Gefässe sind numerirt und werden mit den Rathschlägen, sowie 
je einer Meldekarte in einer verschliessbaren Hülle aus festem Hanfpapier, 
die die Aufschrift 


Unmittelbar an das Institut zu senden oder in der Apotheke abzugeben. 
Wird von dort nach telephonischer Benachrichtigung durch einen 
Boten des Instituts abgeholt. 


An 
das Königliche Ilygienische Institut 
Meldekarte und Anweisung Halle a. S. 
für Entnahme einliegend. Magdeburgerstr. 21. (Telephon No. 1009. 


trägt, den Apotheken bezw. den Aerzten überantwortet. 

Um nun bei der Aushändigung seitens des Instituts an die Apotheken, 
wie weiter seitens der letzteren an die Aerzte Verwechselungen zu vermeiden, 
haben wir die äusseren Umschläge mit verschiedenen Stempeln und Zeichen 
versehen, nämlich T für Tuberkulose, Ty für Typhus, D für Diphtherie, G für 
Gonorrhoe, während sich für die anderen selteneren Vorkommnisse das gleiche 
Bedürfniss bisher nicht herausgestellt hat. 

Die übergreifende Verschlusskappe des Umschlags ist mit einer Metall- 
zwecke befestigt; letztere kann nur gelðst werden, nachdem vorher ein rother 
Papierstreifen entfernt ist, der die Aufschrift trägt: 


Um die benutzten Apparate kenntlich zu machen, ist beim Gebrauch dieser 
rothe Streifen zu durchreissen. 


Für den Meldezettel haben wir das folgende Muster als das zweck- 
mässigste befunden: 


No. Meldokarte. 
Name: 
(Vor- und Zuname des Kranken.) 
Alter: s 
Wohnung: 


Art des Materials und der gewünschten Untersuchung: 
Besondere Bemerkungen: 


schriftlich 
chrii EDE 


Das Ergebniss der Untersuchung soll— : 
ğ telephonisch 


Str. (Telephon-No. ) mitgetheilt werden. 


ts nl nn nn nn 


Das Untersuchungsamt für ansteckende Krankheiten zu Halle a.S. 221 


Die Mittheilung des Ergebnisses geschieht mit Hülfe des nachstehen- 
den Formulars: 


Sehr geehrter Herr Kollege! 


Die bakteriologische Untersuchung des am eingeschickten 
Materials, stammend von 
hat folgendes ergeben: 
Der Direktor. 


Endlich hat es sich gezeigt, dass bei dem negativen Ausfall der Unter- 
suchung meist um abermalige Einsendung von Material gebeten werden 
muss, zu welchem Behufe wir uns wieder eines vorgedruckten Zettels bedienen: 

Da bei der Untersuchung eines Auswurfs u. s. w. auf Tuberkelbacillen nur 
ein positiverBefund völlige Gewissheit bietet, ein negatives Ergebniss aber aus be- 
kannten Gründen — wechselnde Herkunft des Materials aus den verschiedenen Theilen 
der Respirationswege, Schwankungen in der Menge der abgesonderten Bacillen u.s.f. 
— zu sicheren Schlüssen nicht berechtigt, so bitten wir ergebenst um nochmalige Zu- 
sendung von Lungenauswurf des betreffenden Kranken. 


Da bei der Untersuchung auf das Vorkommen der Löffler’schen Stäbchen 
mit der Möglichkeit gerechnet werden muss, dass das gerade übersandte Material die 
Bacillen nicht enthielt, während diese in anderen benachbarten Theilen vorhanden 
waren, so berechtigt der negative Befund einer einmaligen Prüfung noch nicht zu 
sicheren Schlüssen und bitten wir daher um nochmalige Uebermittelung einer ent- 
sprechenden Probe von dem betreffenden Kranken. 


Da bei der Widal’schen Reaktion nur ein positiver Befund völlige Gewiss- 
heit bietet, ein negatives Resultat aber auch durch den verspäteten Eintritt der agglu- 
tieirenden Kraft des Blutes bedingt sein kann, so bitten wir ergebenst um nochmalige 
Zusendung einer Probe. 


Die Anstalt hat nun von Anfang an eine sehr rege Benutzung seitens 
der hiesigen Aerzte, und zwar sowohl der privaten, wie der an den Kranken- 
häusern thätigen gefunden. In den 6 Monaten vom 1. August, d. h. dem 
Tage der vorläufigen Eröffnung, bis zum 31. Januar sind im Ganzen 474 Proben, 
durchschnittlich also fast 80 im Monat, eingelaufen. Unter diesen 474 Proben 
rühren 333 von praktischen Aerzten, 141 aus den klinischen und sonstigen 
Anstalten (Diakonissenhaus, Bergmannstrost, Garnisonlazareth u. s. f.) her. 
In 243 Fällen wurde die Untersuchung auf Tuberkulose, 134mal auf Typhus, 
53mal auf Diphtherie, 25mal auf Gonokokken gewünscht, 78mal bei Tuber- 
kulose, 72mal bei Typhus, 10mal bei Diphtherie, 12mal bei Gonorrhoe ein 
positiver Befund erhoben. 

Bei Taberkulose wird zunächst die Färbung ohne weitere Vorberei- 
tung des Sputums u. s. w. vorgenommen; können Bacillen nicht nachgewiesen 
werden, so erfolgt Behandlung des Materials nach einer der verschiedenen 
Sedimentir- und Anreicherungsmethoden;. bleibt das Ergebniss auch bei der 
tveiten eingesandten Probe negativ, so wird die Verimpfung auf das Thier 

> 17 


222 Schottelius, 


(Meerschweinchen) angeschlossen, die uns einige Male noch zum Ziele geführt 
hat, wo die übrigen Mittel versagt hatten. 

Bei Diphtherie: Ausstrichpräparat, einfach und nach Gram gefärbt. Kul- 
tur auf der Serumplatte; nach 6 Stunden Klatschpräparate und Neisser’sche 
Färbung; nach 12—16 Stunden weitere Prüfung der Kolonien. 

Bei Typhus: Widal’sche Reaktion; bei 1:50 binnen 1 Stunde vollkom- 
mene oder nahezu vollkommene Agglutinirung als beweisend angesehen. Aus 
Harn und Fäces sind zu wiederholten Malen Typhusbacillen in Reinkultur 
gewonnen worden, wobei sich der Piorkowski’sche Nährboden nicht als 
wesentlich brauchbarer erwiesen hat, als die gewöhnliche Fleischwasserpepton- 
gelatine. 

Bei Gonorrhoe: einfache und doppelte Färbung des Ausstrichpräparats; 
in schwierigen Fällen auch Züchtung auf Blutagar mit frisch entnommenem 
Eiter. 

Ausser diesen gewöhnlichen und häufigsten Aufgaben hat das Untersu- 
chungsamt aber zu den verschiedensten Malen auch seltenere Proben zu be- 
arbeiten gehabt, so z. B. Darmentleerungen von Cholera nostras und Ruhr, 
Blut von vermeintlicher Malaria, und namentlich auch Material, das von eitrigen 
Processen der mannigfachsten Art herrührte. Bei 6 diphtherieverdächtigen 
Anginen haben wir die von Bernheim, Vincent, Abel, de Stoecklin 
u. A. m. beschriebenen „fusiformen“ Bacillen und Spirillen nachweisen können. 

Schon aus diesen kurzen Andeutungen wird zur Genüge erhellen, dass 
die Angliederung des Untersuchungsamtes an das hygienische Institut das 
letztere nicht etwa „seinem eigentlichen Zwecke, der Fortbildung der Wissen 
schaft und dem Unterricht, entfremdet“, sondern uns im Gegentheil ein un- 
gemein vielseitiges und schätzenswerthes Material für Lehre und 
Forschung zugeführt hat. Auch nach allen anderen Richtungen hat sich 
die ganze Anordnung auf das trefflichste bewährt, und so kann das hier ver- 
wirklichte Beispiel wohl als ein starker, weiterer Beweis dafür angesehen 
werden, dass die Vereinigung derartiger Untersuchungsämter mit den hygie- 
nischen Universitätsinstituten wenigstens in vielen Fällen eine zweckmässige 
Lösung der ganzen Frage darstellt. 


(Aus dem hygienischen Institut der Universität Freiburg i. B.) 
Die Bubonenpest in Bombay im Frühjahr 1900. 
Ein Reise-Bericht. 
Von 
Dr. Max Schottelius, 
Professor der Hygiene. 
(Fortsetzung und Schluss aus No. 4.) 


Die Erfolge der Haffkin’schen Schutzimpfungs-Methode lassen 
sich nur schwer feststellen. Zur Beurtheilung müsste jedenfalls ein sehr umfang- 
reiches statistisches Material vorliegen und kritisch bearbeitet werden. Um 


Die Bubonenpest in Bombay im Frühjahr 1900. 223 


eine solche Statistik zusammenzustellen, hat es mir aber in Bombay an Zeit 
und auch an Gelegenheit gefehlt. Ich beschränke mich bezüglich der Haffkin- 
schen „Lymphe“ darauf, festzustellen, dass dieselbe in ganz ausserordentlichem 
Umfange — wie auch aus dem oben mitgetheilten Herstellungsbetriebe er- 
sichtlich ist — zur Anwendung kommt. Ueber die Wirkung der Methode hört 
man von Fachleuten die widersprechendsten Urtheile, welche in ihren Extremen 
sich dahin ausdrücken, dass der besuchende Arzt in den Baracken Pestkranke 
zu sehen bekommt, welche die Haffkin’sche Schutzimpfung durchgemacht 
haben: Pestkranke 18 Tage nach vorgenommener Schutzimpfung, 14 Tage danach, 
3—4—6—8 Wochen nach der Impfung u. s. w. Auch solche Kranke, welche 
nicht nur ein Mal nach Haffkin geimpft sind,sondern welche2—3und mehr Male 
der Impfung sich unterzogen haben, und Alle haben trotzdem die Pest bekommen. 
Schlussfolgerung: die Haffkin’sche Schutzwirkung ist völlig wirkungslos! 

Dagegen weht natürlich im Haffkin’schen Lager der Wind ganz anders. 
Dort wird man belehrt: einen absoluten Schutz gewährt die Haffkin’sche 
Schatzimpfung allerdings nicht, davon kann vorläufig überhaupt bei Pest- 
schatzimpfungen nicht die Rede sein. Aber der relative Schutz, den die 
Haffkin’sche Impfung gewährt, ist ein sehr hoher, und es würden noch viele 
Tausende von Menschen an der Pest gestorben sein, wenn dieselben nicht 
glücklicher Weise durch die Haffkin’sche I,ymphe bezw. durch die Schutz- 
impfung gerettet und vor der Pestinfektion bewahrt worden wären. Thatsache 
ist, dass Schutzimpfungen im grössten Maassstabe mit Haffkin’scher Lymphe 
vorgenommen werden; Haffkin’s Laboratorium ist staatlich subventionirt, 
bezw. ist eine Staatsanstalt, und in ganz Indien ist gegenwärtig Haffkin wohl 
der populärste Mann. Irgend welche üble Folgen werden nach Anwendung 
der Haffkin’schen Schutzimpfung niemals beobachtet, und die Reaktion nach 
der Impfung ist nur eine geringe. Während der ersten grossen Pestepidemie 
in Bombay (Herbst 1896 bis Frühjahr 1897) wurde im Arthur-Road-Hospital 
unter 939 Pestkranken nur ein Patient aufgenommen, welcher nach Haffkin 
geimpft war, und schon damals wurde diese Methode viel zur Anwendung ge- 
bracht. Der Grund für diese auffallende Erscheinung, welche ja sehr für die 
Haffkin’sche Methode sprechen würde, kann aber auch darin liegen, dass das 
Krankenmaterial des Arthur-Road-Hospitals durchschnittlich aus den untersten 
Volksschichten stammt, während gerade in der ersten Zeit der Anwendung der 
Haffkin’schen Lymphe nur besser situirte Personen denVorzug dieser Behand- 
lung sich leisten konnten. 

Jedenfalls ist es sehr schwer, ein endgültiges Urtheil über den Werth der 
Haffkin’schen Methode abzugeben, da es darauf ankommen würde, nachzu- 
weisen, ob unter sonst gleichen Bedingungen der Procentsatz der von Pest- 
infektion frei gebliebenen unter den nicht Schutzgeimpften grösser oder kleiner 
ist als unter den nach Haffkin’scher Methode Geimpften. 

Einer derartigen Statistik, welche natürlich auf breitester Basis angestellt 
werden müsste, stellen sich aber die grössten Schwierigkeiten entgegen, und 
anfechtbar mit triftigen Gründen würde das Ergebniss wohl stets bleiben. 

Wegen dieser Schwierigkeit der Kontrole kommt es eben, dass die Haff- 
kin’sche Methode ebenso entschiedene Gegner hat, wie sie überzeugte Au- 

us 


224 Schottelius, 


hänger findet. Haffkin selbst, der Prophet, glaubt natürlich unerschütterlich 
an sich selbst und an sein Werk. 

Der wissenschaftlichen Kritik und der Kontrole sehr viel zugänglicher 
sind die Resultate des im Municipality Laboratory unter Leitung des Herrn 
Dr. Alfons Mayr und Dr. Polverini hergestellten Lustig’schen Schutz- 
impfstoffes, dessen Zubereitungsmethode weiter oben beschrieben wurde. 

Die Anwendung dieses. Pestserums beim Menschen geschieht derart, dass 
20—601) ccm in einer oder in 2 Portionen am gleichen Tage unter die Haut 
eingespritzt werden. Bei Kindern genügt die Hälfte. 

Nach den Angaben von Dr. Alfons Mayr, dessen Ausführungen?) ich 
hier folge, tritt ohne vorhergehende subjektive oder objektive Lokalerschei- 
nungen die Wirkung der Injektion nach etwa 12 Stunden ein. Die Tempe- 
ratur des Patienten steigt nicht mehr, oder fällt sogar, der arterielle Druck 
hebt sich, die Delirien lassen nach, der Bubo wird weicher oder verkleinert 
sich. Meistens hält die Besserung des Allgemeinbefindens dauernd an, manch- 
mal aber bleibt dieselbe auch aus. Das kann nicht überraschen, wenn man 
sich den wahrscheinlichen Modus der Wirkung des Heilserums vorstellt: das 
Seram vermag wohl die Gewebe zur Bildung von Antitoxinen und baktericiden 
Stoffen anzureizen, aber es vermag nicht die bereits vorhandenen Wirkungen 
des Pestgiftes auf die Organe, namentlich auf das Herz, zu beseitigen. 

Die Schwere derartiger Degenerationen hängt von drei Faktoren ab: von 
der Schwere der Infektion, von der Dauer der Erkrankung und von der indi- 
viduellen Widerstandskraft des Patienten. Da man im konkreten Fall weder 
die Infektion noch die Widerstandskraft des Individuums zu beeinflussen im 
Stande ist, so kann nicht energisch genug betont werden, wie wichtig es ist, 
dass die rationelle Behandlung so früh wie möglich einsetzt. 

Thunlichst frühzeitige serotherapeutische Behandlung ist ausschlaggebend 
für den Erfolg bei einer Krankheit wie die Pest, welche durchschnittlich in 
4 Tagen tödtlich endet, und bei welcher schon nach 24 Stunden schwere 
Degenerationsprocesse im Herzmuskel sich einstellen. Dazu kommt noch der 
Umstand, dass das Serum erst 12 Stunden nach der Injektion seine Wirkung 
äussert. Glücklicher Weise ist zur Zeit einer Pestepidemie die Diagnose so 
leicht, dass sie in 90 pCt. der Fälle jeder Laie unschwer stellen kann. Den 
wichtigsten Indikator für die Prognose der serotherapeutischen Behandlung 
bildet der Puls. Wie beunruhigend auch die übrigen Symptome sein mögen: 
so lange man noch den Puls gut fühlen kann, und so lange er noch weich 
und nicht zu frequent — etwa nicht über 140 — ist, so lange besteht noch 
Hoffnung auf Heilung. Wenn der Puls nicht mehr zu fühlen ist oder ganz 
dünn, äusserst frequent und intermittirend, so hat man besser von der Serum- 
injektion Abstand zu nehmen. 

Die besten Aussichten auf Erfolg geben die leichteren Formen der Pest; 
aber sogar die septische Form giebt noch Heilerfolge, wenn sie am ersten 


1) Bei der gegenwärtig — Frühjahr 1901 — in Bombay herrschenden Pest- 
epidemie wurden sehr viel grössere Dosen, bis 150 cem auf ein Mal, verabfolet. 
2) Meeting of the Bombay Medical Union. 21 April 1900. 


Die Bubonenpest in Bombay im Frühjahr 1900. 225 


Tage zur Bebandlung kommt. Bei den wenigen zur Behandlung gekommenen 
Fallen von Pestpneumonie war die Methode resultatlas. Kinder bieten im 
Ganzen — wohl wegen der besseren Widerstandskraft ihres Herzens — günsti- 
gere Chancen als Erwachsene. 

Dr. Choksy, der hochverdiente Direktor des Arthur-Road-Hospitals hat 
im September 1900 der Bombay Medical and Physical Society Bericht erstattet 
über die serotherapeutische Behandlung mit Lustig-Serum. Seinen Ausfüh- 
rangen entnehme ich Folgendes: 

Das „Lustig’s-Curative-Serum“ wurde im Arthur-Road-Hospital während 
der Epidemie von März bis Oktober 1898 und von Februar bis April 1899 
und ausserdem von Mai 1899 bis Juli 1900 therapeutisch gegen Pest ange- 
wendet und auf seine Brauchbarkeit geprüft. Die Kontrole geschah während 
der Epidemien von März 1898 bis April 1899 nach der sog. „Selektions- 
methode“ und von Mai 1899 bis Juli 1900 nach der „Alternativmethode“. 

Nach der ersteren Methode wurden von den Versuchen diejenigen Pest- 
kranken ausgeschlossen, bei denen die Cirkulation schon so weit zurückgegangen 
war, dass der Puls nicht mehr gefüblt werden konnte, und bei denen der Ver- 
fall der Kräfte jede Aussicht auf Heilung ausschloss, ferner diejenigen Pest- 
kranken, welche als Rekonvalescenten oder Halbrekonvalescenten, jedenfalls 
als auf dem Wege der Besserung befindlich anzusehen waren. Eine weitere 
Ausscheidung von Patienten, welche zur Kontrole der Serotherapie ungeeignet 
wären, ist nicht wohl möglieh; namentlich lässt sich in den ersten Tagen der 
Krankheit nicht sagen, welches ein leichter und welches ein schwerer Fall 
ist, denn bei keiner Krankheit lässt sich sicherer prognosticiren, welcher Patient 
sterben wird, und bei keiner Krankheit lässt sich schwerer vorhersehen, welcher 
Patient davonkommt. Alles also, was zwischen den beiden namhaft gemachten 
Extremen liegt, das waren die zur Prüfung des Serums ausgewählten Pestfälle 
für die „Selektions Method“. 

Die Reaktion auf die subkutane Einspritzung des Serums wurde bereits 
mitgetheilt: eine erhebliche Besserung des subjektiven Wohlbefindens, und ein 
nachweisbarer resp. messbarer Rückgang der bedrohlichen Allgemeinerschei- 
nungen ist die regelmässig eintretende Folge der Applikation des Serums, 
abgesehen von denjenigen der behandelten Fälle, in denen die Herzkraft nicht 
mehr ausreicht, um die Zeit bis zum Eintritt der Wirkung des Serums aus- 
zubalten. 

Es sei mir gestattet, gleich hier der Meinung Ausdruck zu geben, dass 
eine intravenðse Injektion des Serums gewiss bei einem nicht geringen Pro- 
centsatz dieser Fälle von guter Wirkung sein würde. Die guten Erfahrungen, 
welche die französischen Aerzte mit der technisch keine Schwierigkeiten 
bietenden intravenðsen Injektion gemacht haben, werden gewiss auch bei der 
Anwendung des „Lustig-Serum“ sich zeigen. 

Im Arthur-Road-Hospital wurden während der Zeit von März bis Oktober 
1698 und von Februar bis April 1899 im Ganzen 403 Patienten mit Lustig- 
Seram behandelt; von diesen starben 249, 184 wurden geheilt. Das entspricht 
einem Procentsatz von 38,21 pCt. Heilungen. 

Während derselben Zeit wurden im gleichen Hospital 1190 Pestkranke 


226 Schottelius, 


in der gewöhnlichen Weise ohne Serotherapie behandelt; von diesen wurden 
233 geheilt oder 19,5 pCt. 

Im Maratha- und im Modikhana-Hospital kamen zur selben Zeit im Ganzen 
4762 Pestkranke in Behandlung, von denen 19,7 pCt. — also bis auf 0,2 pCt. 
der gleiche Procentsatz wie im Arthur-Road-Hospital — als geheilt entlassen 
werden konnten. Die Mortalität an Pest beträgt eben ohne serotherapentische 
Behandlung überall etwa 80 pCt. f 

Es ist noch zu bemerken, dass im Artbur-Road-Hospital das Kranken- 
material aus den untersten Volksschichten sich rekrutirt, wāhrend Maratha- 
und Modikhana-Hospital in dieser Beziehung etwas besser situirt sind. 

Aus den Ergebnissen, welche die Anwendung des Lustig-Seram nach 
dieser Methode im Arthur-Road-Hospital gehabt hat, zieht Dr. Choksy die 
Folgerungen: 

1. dass das Serum einen zweifellos günstigen Einfluss auf den Verlauf der 
Krankheit ausübt, 

2. dass auch in den tödtlich verlaufenden Fällen das Leben verlängert und 
der Zustand zeitweise gebessert wird, 

3. dass das Serum bei denjenigen Pestformen, welche überall eine extrem 
hohe Mortalität zeigen (Pestpneumonie), ohne besonderen Erfolg ist, 

4. dass daher die Anwendung des Serums sich vornehmlich auf die ty- 
pische Bubonenpest zu beschränken habe, 

5. dass in der Hospitalpraxis 50 pCt. aller Fälle in den ersten 48 Stunden 
sterben; von den übrigen 50 pCt. heilen 20 pCt. ohnehin, bleiben also 30 pCt. 
zugänglich für Serumbehandlung, 

6. dass in der Privatpraxis, in welcher die Fälle früher als in der Hospital- 
praxis zur Behandlung kommen, die Aussichten der Serotherapie viel günstigere 
sind. Bei 32 in Privatpraxis behandelten Fällen ergab sich ein Procentsatz von 
52,37 Heilungen! 

7. dass die Applikation des Serums keinerlei ungünstige Wirkungen oder 
Nebenwirkungen hat, weder bei Kranken noch bei Gesunden. Das Serum be- 
wirkt sogar eine zeitweise Immunität, welche aber nur 10—15 Tage andauert, 

Gegen die Anwendung und gegen die Beweiskraft dieser Selektionsmethode 
wurde der Einwand erhoben, dass immerhin durch das Aussuchen bestimmter 
Fälle menschliche Voreingenommenheit ins Spiel kommen könne, und dass es 
zur Prüfung der Eigenschaften eines Serums rationeller sei, eine grosse Anzahl 
von Pestfällen in der Reihenfolge, wie sie zur Einlieferung in das Hospital 
kommen, alternirend mit und ohne Serum zu behandeln, so dass z. B. von 
1000 eingelieferten Fällen, die geraden Nummern in der Reihe der Einliefe- 
rung mit, die ungeraden ohne Serum behandelt würden. 

Auch gegen diese „Alternative Method“ lassen sich berechtigte Einwen- 
dungen machen, so der, dass der Einfluss der Rasse, des Geschlechts, des 
Lebensalters durch den Zufall bestimmend auf den Ausfall der Prüfung sein 
können. 

Die verschiedene Mortalität der Rassen ist aus der nachfolgenden, dem 
Bericht des Herrn Dr. Choksy entnommenen Tabelle ersichtlich: 


Die Bubonenpest in Bombay im Frühjahr 1900, 227 


Rasse Mortalität 

Europäer . . . 30—40 pCt. 
Eurasier (Mischlinge von a Raropäern and Indern) 35—45 „ 
Parsen eh De SE a a ROO 
Mohamedaner (obere Klassen) . vn. 50-60 „ 
do. (untere 4» I) 22020022. 60-65 „ 
Eingeborene Christen (Goanesen) . . . . . 60—65 „ 
Hindus (obere Kasten) . . . 2 22.2... 65—70 „ 
» (untere „ ) -» 15—85 „ 


Die Menge der aus den untersten, ärmsten Kasten der Hindus stammenden 
Pestfälle beeinflusst deu Procentsatz der Gesammtmortalität derart, dass während 
der Epidemie von 1898/1899 bei 5836 Fällen, welche in dem Arthur-Road-, 
dem Maratha- und dem Modikhana-Hospital behandelt wurden, die Gesammt- 
mortalität 80,39 pCt. betrug. 

Während der 4. Epidemie von 1899/1900 hatte das Maratha-Hospital eine 
Mortalität von 80,95 pCt., das Arthur-Road-Hospital bei den nicht mit Serum 
behandelten Fällen eine Mortalität von 79,54 pCt., sodass eine durchschnittliche 
Mortalität von 80 pCt. sich für die in den öffentlichen Hospitälern behandelten 
Fälle ergiebt. 

Das verschiedene Verhalten des Geschlechts tritt bei den Mohamedanern 
und bei den eingeborenen Christen insofern hervor, als bei ersteren die Mor- 
talität der Männer 64,76 pCt., die der Weiber 78,04 pCt. beträgt, bei den 
letzteren die der Männer 63,77 pCt. und die der Weiber 68,36 pCt. 

Das Lebensalter scheint ebenfalls an und für sich nicht unwesentlich zu 
sein für die Mortalität; wie weiter oben bereits bemerkt, hängt dieser Umstand 
wohl mit der gesunden Muskulatur des kindlichen Herzens zusammen. Die 
Mortalität bei Kindern zwischen 5—10 Jahren beträgt 65,11 pCt., die bei 
Erwachsenen zwischen 50—60 Jahren 96,96 pCt. Mehr aber als diese durch 
Rasse, Geschlecht und Lebensalter bedingten Faktoren, welche bei der „Alter- 
native Method“ das Ergebniss zufällig beeinflussen können, kommt der allge- 
meine Kräftezustand, die Zeit des Beginns der Behandlung und der Sitz der 
Bubonen dabei in Betracht und hauptsächlich der so häufig wechselnde „Typus“, 
unter dem die Pest auftritt, indem sie oft ganz unvermittelt von Formen mit 
sehr hoher Mortalität in solche von günstigerer Prognose übergeht und umge- 
kehrt. Augenblicklich — Ende Januar 1901 — tritt die Pest in Bombay in 
einer sehr bösartigen Form auf; derart, dass meist schon vor Ablauf von 
12 Stunden nach Beginn der Krankheit die allgemeine Blutinfektion, die Pest- 
sepsis, eintritt und damit eigentlich jede Aussicht auf Erfolg irgend welcher 
Tberapie erlischt. 

Trotz dieser Bedenken wurden auch nach der „Alternative Method“ im 
Arthur-Road-Hospital Prüfungen der Wirkung des Lustig-Serums vorgenommen. 
Die Beobachtungen erstreckten sich über den Zeitraum von Mai 1899 bis Juli 
1900 (Juni 1900 ausgenommen, weil während dieses Monats nicht genügend 
Seram vorhanden war, um die Versuche einwandsfrei durchführen zu können). 
Während dieser Zeit wurden 484 Pestfälle mit Serum behandelt und 484 nach 
der gewöhnlichen Methode ohne Serum. Die erstere Gruppe hatte 155 mal 


228 Schottelius, 


Ausgang in Heilung — 32,03 p(Ct.; die letztere ohne Serum behandelte Gruppe 
99 mal = 20,46 pCt. Das ergiebt also einen Ueberschuss von 11,57 pCt. zu 
Gunsten der Serumbehandlung auch nach der „Alternative Method“. Dabei 
ist zu bemerken, dass gerade in der vorliegenden Untersuchungsreihe die oben 
erwähnten Faktoren zu Ungunsten der Serumbehandlung stark betheiligt waren, 
insofern nämlich, als unter den 484 Personen, welche mit Serum bebandelt 
wurden, nur 29 Rekonvalescenten und 139 Moribunde sich befanden, welch 
letztere innerhalb der ersten 24—27 Stunden nach Aufnahme in das Hospital 
starben. Die Kontrolreihe der 484 ohne Serum behandelten Patienten hatte 
38 Rekonvalescenten und 147 Moribunde. Würde man beiderseits die Mori- 
bunden und die Rekonvalescenten von der Berechnung ausschalten, da ja that- 
sächlich für diese die Behandlung mit Serum irrelevant ist, so ergäben sich 
für die Serumbehandlung 27,7 pCt. Heilerfolge gegenüber 13,68 pCt. der nicht 
mit Serum behandelten Gruppe. 

Ein specieller Bericht über die sämmtlichen 968 Fälle, welche hier in 
Betracht kommen, wird demnächst von Dr. Polverini und Dr. Alfons Mayr 
veröffentlicht werden. 

Ueber die Gesammtmortalität im Arthur-Road-Hospital, in welchem während 
der Periode der Serumbehandlung im Ganzen 1006 Pestfälle behandelt wurden 
gegenüber dem Maratba-Hospital, in welchem während der gleichen Zeit 
2599 Pestfälle eingeliefert wurden, stellt Dr. Choksy folgende Berechnung 
an: Im Arthur-Road-Hospital betrug die Mortalität 74,15 pCt., im Maratha- 
Hospital 80,95 pCt. Das ergiebt einen Erfolg von 6,8 pCt. für Arthur-Road. 
Da aber nur die Hälfte der Patienten im Arthur-Road-Hospital mit Serum 
behandelt wurden, während die andere Hälfte zur Kontrole diente, so müsste 
der Erfolg gegenüber dem Maratha-Hospital — wenn alle Patienten mit Serum 
behandelt worden wären — 2 X 6,8 = ca. 13 pCt. gewesen sein. 

An dieser gewiss berechtigten Kalkulation möchte ich nichts aussetzen, 
aber doch anführen, dass die Allgemeinbehandlung der Patienten im Arthur- 
Road-Hospital zweifellos rationeller und sorgfältiger war, als im Maratha- 
Hospital, und dass zu den guten Erfolgen gewiss auch dieser Faktor mit bei- 
trägt. Es wäre von Interesse, zu erfahren, wie hoch der Procentsatz der an 
sekundären Komplikationen während der Rekonvalescenz zu Grunde gegangenen 
Patienten in den beiden Hospitälern sich gestaltet hat. Wahrscheinlich wird 
das Arthur-Road-Hospital darin viel günstiger gestellt sein, als das Maratha- 
Hospital. Was die Methode der Applikation des Serums betrifft, so werden 
darüber den in der Praxis arbeitenden Aerzten folgende Instruktionen gegeben: 

Die Injektionen werden subkutan an der Aussenseite des Arms oder des 
Schenkels gemacht, und zwar so bald als möglich. 

Es empfiehlt sich, eine zweite Injektion nicht vor Ablauf von 48 Stunden 
an der gleichen Stelle zu appliciren. 

Sobald die Diagnose feststeht, hat man bei Erwachsenen 60—80— 100 cem 
Serum zu injieiren; bei Kindern unter 12 Jahren die Hälfte. Säuglinge be- 
kommen 10 ccm. 

Die Injektionen sollen thunlichst Morgens gemacht und nach 24 Stunden 


Die Bubonenpest in Bombay im Frühjahr 1900. 229 


wiederholt werden; kommt der Patient Abends in Behandlung, so bekommt er 
die erste Injektion sofort und die zweite am anderen Morgen. 

Je nach der Schwere der Erkrankung und je nachdem die Temperatur 
steigt, hat man die Quantität des Serums von 40 auf 60 ccm zu steigern; 
sinkt die Temperatur und bessert sich der Zustand, so vermindert man die 
Dosis entsprechend. Zu einer vollständigen Kur hat man gewöhnlich 6 bis 
8 Injektionen und 150—360 ccm Serum nöthig. Dr. Choksy hat einzelne 
ganz besonders frappante Heilungen durch das „Lustig-Serum“ beobachtet; so 
führt er in seinem oben citirten Bericht einen Fall an, bei dem der Patient 
am Ende des vierten Krankheitstages in Behandlung kam mit äusserst schwachem 
Puls, 40° Temperatur, doppelten Submaxillarbubonen, doppelten hinteren Cer- 
vikalbubonen, Suprahyoideal- und Suprasternalbubonen, mit Infiltration der 
weichen Theile des Nackens und Oedem.im Pharynx, Oedema glottidis, Dyspnoe 
und Dysphagie! 

Ein derartiger Fall muss von Jedem, der sich mit der Untersuchung und 
Beobachtung Pestkranker befasst hat, für absolut hoffnungslos erklärt werden. 
Dieser Patient bekam in 4 Injektionen von je 60 ccm, im Ganzen 240 ccm 
Serum innerhalb 36 Stunden und erholte sich bis zur vollständigen Genesung, 
ohne dass irgend eine Störung während seiner Rekonvalescenz, und ohne dass 
eine Vereiterung eintrat! 

Die allgemeine Behandlung erfordert eine passende Ernährung: Milch 
oder Milch mit Reiswasser alle 2 Stunden; ferner Stimulantien: Cognac, in 
Quantitäten je nach den Bedürfnissen resp. Gewohnheiten des Patienten; even- 
tuell subkutane Applikation von Herzmitteln. Die lokale Behandlung be- 
schränkt sich auf Vermeidung jeglicher Irritationen des Bubo und auf die 
Applikation von Eis auf die befallenen Drüsen bezw. auf den Bubo. 

Ueber die Wirkung des Serum antipesteux vom Institut Pasteur kann ich 
leider nur wenig berichten, da die zur Verfügung stehende Quantität nur zur 
Behandlung von 4 Patienten ausreichte, und da die Verabfolgung nicht, wie 
es von Roux und Metschnikoff empfohlen wird, intravenös, sondern sub- 
kutan geschah. Von den 4 behandelten Fällen war einer so schwer, dass er 
als moribund bezeichnet werden konnte; die anderen waren auch recht schwere 
Fälle, welche nach dem gewöhnlichen Verlauf letal endigen mussten. Bei 
allen 4 Patienten trat kurze Zeit nach der Seruminjektion deutlicher Abfall 
des Fiebers und zweifellose Besserung der allgemeinen Krankheitserscheinungen 
ein. Von den 4 Kranken sind übrigens drei gestorben, und einer ist geheilt 
davongekommen. Natürlich kann man nicht nach Procenten die Heilerfolge 
des „Serum antipesteux“ aus diesen 4 Fällen ausrechnen wollen!). Der Ein- 


1) Ich erhalte nachträglich dieNachricht, dass ein am 19.Januar1901 eingelieferter, 
schwer an Pest erkrankter 20 jähriger Mann mit sehr grossen Dosen Roux’s Serum 
erfolgreich behandelt ist. Nach der mir freundlichst zur Verfügung gestellten Kranken- 
geschichte wurde der Patient unter schweren Delirien mit fast 410 Fieber und grossen 
rechtsseitigen Inguinal- und Iliacalbubonen am 19. Januar Vormittags, dem 3. Krank- 
heitstage, eingeliefert. Er bekam dann noch am 19. Januar 100 ccm — einhundert 
Kubikeentimeter — Sérum antipesteux subkutan; die Temperatur fiel darauf ab auf 


18 


230 Schottelius, 


druck aber, den die Wirkung des Serum antipesteux in diesen Fällen machte, 
war ein durchaus günstiger, und der Erfolg wäre gewiss noch besser gewesen, 
wenn wir das Serum intravenös applicirt hätten. Es wäre sehr zu wünschen, 
dass in Bombay noch weitere Versuche in grüsserem Maassstabe mit dem 
französischen Serum gemacht würden; einmal nach der Richtung vergleichender 
Versuche mit dem Lustig-Serum und vielleicht auch in der Art, dass man 
eine kombinirte Behandlung beider Heilsera eintreten liesse. 

Das französische Serum hat unter Yersin’s Aegide in Indien zweifellos 
Unglück gehabt und ist daber dort diskreditirt, und zwar mehr als gerecht 
und billig ist. Aber es giebt doch in Indien und speciell in Bombay eine so 
grosse Anzahl hochgebildeter und vorurtheilsfrei denkender Aerzte, dass gewiss 
ein nochmaliger ausgedehnter Versuch mit dem jetzigen verbesserten Serum 
des Institut Pasteur durchführbar wäre. Auch das „Lustig-Serum“ ist noch 
nicht fehlerfrei und namentlich in Rücksicht auf die Kraft und die Gleich- 
mässigkeit in seiner Wirkung bezw. auf die Konstanz seiner Zusammensetzung 
verbesserungsfähig. Darin ist ihm wahrscheinlich das Serum vom Institut Pasteur 
beträchtlich überlegen. So könnte man sich von einem Zusammenarbeiten 
der beiden Laboratorien, deren Sera bis jetzt die besten Resultate in der sero- 
therapeutischen Behandlung der Pest erzielt haben, die glücklichsten Erfolge 
versprechen. 

Nach einer alten Anschauung, welcher man in Bombay oft begegnet, 
wiederholen 'sich die Pestepidemien, wenn sie so wie jetzt auftreten, 7 Jahre 
lang. Gegenwärtig — Frühjahr 1901 — herrscht mit einem besonders fou- 
droyanten Verlauf der Fälle in Bombay die fünfte Epidemie. Es wären also 
noch 2 Pestjahre zu erwarten und Gelegenheit geboten, die gemeinsamen Ver- 
suche vorzubereiten und sine ira et studio im Interesse der Wissenschaft und 
der Praxis einzuleiten und durchzuführen. 


Nach Mittheilungen, welche ich soeben aus Bombay erhalte, und welche his zum 
9. Februar zurückreichen, nimmt in diesem Frühjahr (1901) die Pest durchschnittlich 
einen sehr bösartigen Verlauf, indem vielfach schon vor Ablauf von 12 Stunden naclı 
dem Auftreten der ersten Symptome die Pestsepsis — die Ueberschwemmung des ganzen 
Körpers mit Pestbacillen — eintritt. „Woher man auch einen Tropfen Blut zur Unter- 
suchung entnimmt: überall massenhaft Pestbacillen.“ Das ist besonders deshalb sehr 
übel, weil die Wirkung des Lustig-Serums bei subkutaner Anwendung überhaupt erst 
nach 12 Stunden eintritt und daher in diesen bösartigen Fällen die Heilerfolge nicht 
mehr erreicht werden. Auch soll nach dem immer wiederkehrenden Auftreten der Pest 
trotz aller angewendeten Mittel in diesem Jahre das Vertrauen des grossen Publikum: 
zur Impfung schr nachgelassen haben, die Hospitäler werden weniger aufgesucht, und 
die Leute lassen sich von einheimischen Aerzten — natürlich ohne irgend welche Aus- 
sicht auf Erfolg — mit Medicinen nach langen Recepten behandeln. Es wäre sehr zu 
wünschen, dass eine grössere Anzahl von deutschen Aerzten zum Studium der Pest 


330 bis zum folgenden Morgen; stieg dann wieder an, darauf abermals 100 cem sub- 
kutan; und so fort bis zum 23. Januar täglich 100 ccm Serum subkutan. Am 25. be- 
kam der Patient, dessen Temperatur unter Rückgang der Bubonen fast normal war, 
nochmals 50 cem und befand sich am 26. bei Abgang des Berichtes so wohl, dass 
seine Heilung mit Sicherheit vorauszusehen war. 


Die Bubonenpest in Bombay im Frühjahr 1900. 231 


nach dem verhältnissmässig leicht und rasch zu erreichenden Bombay gingen, damit 
die Gelegenheit nicht unbenutzt vorübergeht, die Kenntniss der Krankheit durch per- 
sönliche Erfahrung zu erwerben. Es giebt dort wissenschaftliche Fragen zu lösen und 
ärztliche Aufgaben in Hülle und Fülle. 


Von ganz besonderem Interesse ist — namentlich für uns in Deutschland 
— die Frage der Ansteckungsgefahr bei der Pestkrankheit. lch habe 
gerade dieser Frage, welche ja auch auf der Versammlung der Bakteriologen in 
Berlin so eingehend erörtert wurde, ganz besondere Aufmerksamkeit zugewandt 
nnd kann die Ergebnisse meiner Erfahrungen und Ermittelungen kurz dahin za- 
sammenfassen, dass die Ansteckungsgefahr von Person zu Person bei 
der Babonenpest viel geringer ist, als gerade bei uns in Deutsch- 
landdurchschnittlich auch in ärztlichen Kreisen angenommen wird. 

Ich möchte dabei vorausschicken und besonders betonen, dass ich bier 
nor von der Bubonenpest und von der direkten Uebertragung der 
Krankheit von Person zu Person spreche. 

Was nämlich die „Lungenpest“ betrifft, so hat sich mir — wie weiter 
oben bereits bemerkt — während meines Aufenthaltes in Bombay keine Ge- 
legenheit geboten, diese Form der Pest zu studiren. Leider ist gerade diese 
so besonders bösartige Form der Pest in ihrer speciellen Aetiologie noch nicht 
aufgeklärt. Sei es nun, dass die weisse und gelbe Rasse für diesen Typus 
der Pest besonders empfänglich ist, sei es, dass es sich bei den sporadisch 
auftretenden Fällen von Pestpneumonie um eine besonders pathogene Bacillen 
rasse handelt, oder sei es, dass eine Mischinfektion — Combination mit Pneu- 
mokokken, Streptokokken oder Influenzabacillen — dieser schweren Form 
za Grunde liegt: so viel steht jedenfalls fest, dass eine Infektion durch ver- 
stänbtes Sputum auf dem Wege der Flügge’schen Tröpfchentheorie hier nicht 
das Wesentliche sein kann. Dagegen sprechen einmal die zahlreich beob- 
achteten, zuletzt von Gotschlich!) beschriebenen Hausepidemien von Lungen- 
pest, in denen die meisten Familienangehdrigen nicht infieirt wurden, obgleich 
der Auswurf der Erkrankten in ausgedehntem Maasse den Fussboden verun- 
reinigte; dagegen spricht noch mehr die Thatsache, dass in sehr zahlreichen 
Fällen bei Bubonenpest im Bronchialsekret bezw. im Auswurf der Kranken 
Pestbacillen nachgewiesen werden können, ohne dass im Anschluss daran 
Lungenpest beobachtet wird. Ich habe selbst in einer ganzen Reihe von Fällen 
den Auswurf von Pestkranken auf Pestbacillen untersucht und meistens massen- 
haft Pestbacillen darin nachweisen können, und doch ist während meines fast 
vierwöchentlichen Aufenthaltes in Bombay nicht ein einziger Fall von Pest- 
pneumonie vorgekommen. Es müssen da also noch Faktoren mitwirken, 
welche vorläufig noch nicht aufgeklärt sind. Die neuerdings in Hull festge- 
stellten Fälle von Pestpneumonie bieten eine weitere Illustration zu dem Ge- 
sagten, denn es würde doch ein starkes Vertrauen auf die Wirksamkeit der 
sanitätspolizeilichen Maassnahmen voraussetzen, wenn man annehmen wollte, 
dass bei diesen wie bei den übrigen an den Grenzen Europas in den letzten 


1) Zeitschr. f- Hyg. Bd. 35. S. 199. 


232 Schottelius, 


Jahren vorgekommenen Fällen von Lungenpest überall das künstliche Erdrücken 
des „glimmenden Funkens“ prompt gelungen sei. 

Wenn bier, wie in anderen Specialfragen die Lückenhaftigkeit unserer Kennt- 
nisse hervortritt, und wenn dadurch der wissenschaftlichen Spekulation, den Ver- 
muthungen und Möglichkeiten Raum gegeben wird, so ist es um so mehr ange- 
zeigt, die Beurtheilung der Ansteckungsgefahr bei Pest nur von dem thatsächlich 
Feststehenden abhängig zu machen. Es erscheint im Weiteren nöthig, nicht 
nur die Möglichkeiten, vielleicht sogar die theoretisch konstruirten Möglich- 
keiten festzustellen, sondern den Grad der Gefahr und die praktisch in Betracht 
kommenden Wege und Arten, auf denen die Ansteckung der Menschen mit Pest- 
keimen erfolgt; denn die Schlussfolgerung, welche aus diesen Erwägungen 
gezogen werden soll, ist ja die, dass daraufhin Ratbschläge ertheilt und Maass- 
nahmen empfohlen werden müssen, welche zur Abwehr der Ansteckungsgefahr 
dienen sollen. Wie aber alle wissenschaftlichen Kenntnisse und Behauptungen 
auf Wahrscheinlichkeitsschlüssen beruhen, so ist das auch hier der Fall, und 
um so mehr ist grössere oder geringere Wahrscheinlichkeit jedes einzelnen 
Infektionsmodus hier zur Berechnung heranzuziehen, als diejenigen Maass- 
nahmen, welche schliesslich zur Abwehr der Ansteckungsgefahr bezw. der Pest- 
seuche durchgeführt werden müssen, einschneidend in die socialen und wirth- 
schaftlichen Gewohnheiten aller Betheiligten eingreifen, bedingungsweise 
die Zufuhr der Lebensmittel erschweren und andere Beschränkungen der Mehr- 
heit auferlegen können, welche den Gesammt-Gesundheitszustand schädigend 
beeinflussen. Damit aber wird der Nutzen einer Probibitivmaassregel illusorisch. 
Es ergiebt sich also, dass es durchaus nothwendig ist, den Grad der An- 
steckungsgefahr richtig zu beurtheilen, um die praktisch anzuwendenden Maass- 
nahmen zur Abwehr der Pestgefahr verantworten zu können. Aus diesen 
Gründen habe ich es mir besonders angelegen sein lassen, über die Ansteckungs- 
gefahr an Ort und Stelle eigene Erfahrungen zu sammeln. 

Selbstverständlich kann in meinem persönlichen Freibleiben von Pest trotz 
besonders reichlicher Gelegenheit zur Infektion kein Beweis für einen geringen 
oder gegen einen hohen Grad der Ansteckungsgefahr erblickt werden, und auch 
das völlige Freibleiben aller europäischen, bisher zu Peststudien nach Indien ge- 
sandten ärztlichen Kommissionen bietet noch nicht genügend grosse Zahlen- 
reihen, um daraufhin allgemeine Schlussfolgerungen aufzubauen. Immerhin 
ist es doch bemerkenswerth, dass in allen diesen Fällen, in denen doch reich- 
lichste Gelegenheit jeder Art von Infektion sich bot, nicht ein einziger Arzt 
an Pest erkrankt oder gar gestorben ist. Dabei ist der Infektionsfall des Herrn 
Prof. Sticker, welcher sich bekanntlich bei einer Sektion infieirte und that- 
sächlich einen Pestanfall hatte, deshalb besonders lehrreich, weil er beweist, 
dass nicht etwa eine principielle absolute Unempfänglichkeit der europäischen 
Aerzte vorliegt, sondern dass bei ganz ausserordentlichen, den natürlichent 
Infektionsvorgängen nicht zu vergleichenden Verhältnissen die Möglichikeit 
einer Infektion wohl vorhanden ist. — Wenn sich nämlich Jemand bei dem 
Zerlegen einer Pestleiche schneidet, und in die entstandene Wunde frische, 
lebendige, menschliche Pestbacillen kommen, dann erfolgt thatsächlich eine 
Infektion, äbnlich wie das bei septischen Leichen, bei Puerperalfieber oder 


Die Bubonenpest in Bombay im Frühjahr 1900. 233 


dergl. der Fall ist. Aber auch hier ist die Infektion glücklicher Weise nicht 
tödtlich, sondern als verhältnissmässig leichter Fall verlaufen. 

Ich habe oben nur von den nach Indien gesandten bezw. gekommenen 
europäischen Aerzten gesprochen und enthalte mich einer Beurtheilung der 
in Honkong und in Kobe vorgekommenen Infektionen japanischer Aerzte, weil 
dort Bedingungen lokaler und individueller Natur in Rücksicht zu nehmen 
sind, welche ich nicht aus persönlicher Anschauung beurtheilen kann, und 
namentlich, weil diese in den äusserst ungünstigen lokalen Verhältnissen und 
in der Verschiedenheit der Rasse liegenden Faktoren für Europa und speciell 
für uns in Deutschland nicht in Betracht kommen. Es müssen also jedenfalls 
die europäischen Aerzte der Pestinfektion einen besonders starken Widerstand 
entgegensetzen; das geht auch aus einem für mich besonders beweisenden 
Vorkommniss bervar: 

Ich möchte es nicht, wie erwähnt, als etwas Besonderes betrachten, dass 
ich persönlich trotz des fortdauernden Umganges mit Pestkranken, von denen 
ich thunlichst viele recht genau ärztlich untersucht babe, trotz des täglichen 
bakteriologischen Arbeitens mit ganz frischen menschlichen Pestbacillen bezw. 
mit dem lebendige Bacillen in Massen enthaltenden Material: Organtheilen, 
Blut, Eiter, Exsudaten und Excreten, dass ich trotzdem und ohne irgend welche 
besonderen Schutzmaassregeln verschont geblieben bin, das kann ein Zufall 
sein. Aber etwas Anderes war mir doch nachträglich sehr auffallend: Mein 
durch die Roux’sche Injektion erworbener Impfschutz, welcher bekanntlich 
etwa 15—18 Tage lang anhält, lief kurze Zeit nach meiner Ankunft in Bom- 
bay ab, und es handelte sich nun darum, eventuell die Schutzimpfung zu 
wiederholen. Als ich darüber in Hinblick auf die überstandene recht kräftige 
Reaktion mich an die sachverständigen Kollegen um Rath und Auskunft 
wandte, sagte mir Dr. Choksy: Wenn Sie den Zustand nach der Injektion 
noch einmal durchzumachen wünschen, so steht dem kein Bedenken entgegen. 
Wir Alle sind hier nicht schutzgeimpft! Daraufhin unterliess ich natürlich 
die Wiederimpfung und machte meine Krankenvisiten und bakteriologischen 
Untersuchungen wie seither weiter. 

Inzwischen hatte ich um Zuweisung einiger Pestleichen zur Vornahme von 
Obduktionen gebeten, und in liberalster Weise wurde mir die Erfüllung 
dieses Wunsches von Dr. Choksy zugesagt. Vorher mussten aber noch 
einige formelle Schwierigkeiten überwunden und auch — da seit der Abreise 
der österreichischen Pestkommission keine Obduktionen mehr vorgenommen 
waren — der kleine Obduktionsraum, die Instrumente u. s. w. hergerichtet 
werden. Kurzum, wir hatten abgemacht, dass ich, wenn alles in Ordnung sei, 
benachrichtigt werden sollte. Zur Vornahme von Pestobduktionen hatte ich 
mich vor meiner Abreise aus Deutschland mit den nöthigen Schutzmitteln 
versehen, da durch meine langjährige Thätigkeit als pathologischer Anatom 
in Folge zahlloser Onychien, Panaritien u. s. y. die Haut meiner Finger und 
Hände sehr stark mitgenommen ist und bei Obduktionen durch Gummifinger, 
Einreibungen mit Fettsalben und dergl. geschützt werden muss. 

Eines Tages nun komme ich etwas verspätet, erst um 10 Uhr Vormittags, 
in das Arthur-Road-Hospital (ich hatte nämlich vorher einen Besuch im Ma- 


234 Schottelius, 


ratha-Hospital gemacht und war besonders früh aus dem Hôtel abgefahren) 
und finde mich zu meinem Erstaunen empfangen von der ganzen Corona der 
maassgebenden ärztlichen Autoritäten, und Dr. Choksy spricht mir seine 
Freude aus, dass ich so schnell gekommen sei, denn seine Benachrichtigung, 
dass wir heute eine Obduktion voruehmen könnten, hätte ich ja vor kaum 
einer Stunde erst erhalten. Ich war durch diese Mittheilung vollständig über- 
rascht, denn die telephonische Nachricht hatte ich nicht erhalten, da ich 
bereits vor 8 Uhr früh aus dem Hötel abgefahren war. 

Nach allen den getroffenen Vorbereitungen und meiner wiederholten Nach- 
frage: wann es zu einer Obduktion kommen würde, und nachdem die dirigirenden 
Aerzte der Serum-Institute und einige fremde englische Aerzte zur Theilnahme 
sich eingefunden hatten, war an ein Zurücktreten meinerseits nicht zu denken, 
und die umständliche Herbeischaffung meiner Schutzmittel hätte einen ganz 
üblen Eindruck gemacht. Es blieb mir also nichts übrig, als mit dem Aus- 
druck fteudigster Ueberraschung sofort in medias res einzutreten: fünf Minuten 
später war die Obduktion in vollem Gange und wurde unter eingehender Unter- 
suchung und Demonstration aller bemerkenswerthen Befunde bis zu Ende durch- 
geführt. Ich will nicht leugnen, dass auf dem kurzen Wege zum Obduktions- 
gebäude und unter dem Eindruck der in Berlin auf der bakteriologischen Ver- 
sammlung empfangenen Anschauungen über die Ansteckungsgefahr von Pest- 
leichen die Frage mir auftauchte: ob hier in diesem Fall für mich nunmehr 
eine Möglichkeit zur Infektion oder eher eine Wahrscheinlichkeit vorläge! 

Das thatsächliche Ergebniss war jedenfalls das, dass weder bei dieser noch 
bei einer der folgenden Obduktionen eine Infektion erfolgt ist. Uebrigens habe 
ich bei der Vornahme der weiteren Sektionen doch meine Gummifinger und 
meine Schmiersalbe angewendet. 

Bemerkenswerth dürfte es auch noch sein, dass die Hülfsleistungen bei 
den Obduktionen von meinem kleinen „Boy“, der mir freundlichst als Famulus 
von der Direktion zugewiesen war, und von einem jüngeren indischen Assistenten 
— beides Hindu — ausgeführt wurden. Der Boy lief stets baarfuss und patschte 
ganz munter, trotz meiner wiederholten Ermahnungen zur Vorsicht, auf dem 
nicht gerade sterilen Boden des Obduktionsraumes herum. Der Assistent trug 
an den Füssen nur die gebräuchlichen, aus leichtem Stroh geflochtenen chi- 
nesischen Halbsandalen, welche ebenfalls einen sehr mangelhaften Schutz für 
die Füsse bilden. Beide jungen Leute erfreuen sich aber bis heute des besten 
Wohlbefindens und versehen ihren Dienst übrigens schon mehrere Jahre lang; 
speciell der Boy hat bereits dem Herrn Kollegen Ghon von der österreichi- 
schen Kommission als Famulus bei den Obduktionen zur Seite gestanden. 

Nachdem das vormittägliche Arbeitspensum in Form klinischer, anato- 
mischer und bakteriologischer Untersuchungen jeweils erledigt war, hätte nun 
vorschriftsmässig eine gründliche Desinfektion des eigenen Körpers: Baden, 
Umkleiden, Desinfektion der Hände u. s. w. erfolgen müssen, bevor ich mich 
unter die Gäste des Hötels begeben und speciell mit meiner Tischgesellschaft 
verkehren durfte. Das war aber weder durchführbar, noch wurde es auch 
von den zumeist dabei betheiligten Hötelgästen verlangt. Bei einem mehr- 
wöchentlichen Aufenthalt in einem Hötel kann ja die Tagesordnung jedes ein- 


Die Bubonenpest in Bombay im Frühjahr 1900. 235 


zelnen Gastes gar nicht verborgen bleiben; zudem benutzte ich täglich zwei- 
mal zum Zurücklegen des etwa 6 km weiten Weges in die Hospitäler eine 
kleine, dem Hötel gehörige Viktoria-Chaise, sodass der Zweck meines Aufent- 
haltes in Bombay und meine Beschäftigung als Arzt mit Pestkranken jedem 
Hötelbewohner schon nach wenigen Tagen kein Geheimniss war. Oft ver- 
spätete ich mich bei der Ankunft zum Essen im Hötel so, dass ich gar nicht 
mehr auf mein Zimmer gehen konnte und mich auf die im Hospital vorgenom- 
mene Reinigung und Desinfektion der Hände beschränken musste. Das war 
aber meinen Herren Tischnachbaren durchaus bekannt, und das Gespräch drehte 
sich gewöhnlich zuerst um meine Tageserlebnisse im Arthur-Road-Hospital. 
An irgend eine Gefahr — welche ja thatsächlich auch niemals reell geworden 
war -- dachte Niemand! so wenig, wie bei uns etwa die Tischgesellschaft es 
beanstanden würde, wenn ein Arzt, welcher von der Praxis kommt, im Hötel 
zu Mittag isst. — Mein grosses Glas mit Sodawasser und einem Stück Eis 
darin, welches mir im Arthur-Road-Hospital gastfreundlich angeboten wurde, 
und welches mir nach mehrstündiger Arbeit bei der kolossalen Hitze eine 
sebr willkommene Erfrischung war, stand gut und sicher auf dem gleichen 
Arbeitstisch, auf welchem die mikroskopischen Untersuchungen der frischen 
Pestmaterialien vorgenommen wurden. Ich habe damals öfters gedacht und 
auch ausgesprochen: „Wenn das jetzt meine Kollegen in Deutschland sehen 
würden, die würden das für einen grossartigen Leichtsinn halten!“ That- 
sächlich ist damit aber gar keine besondere Gefahr verbunden, und wenn man 
die ästhetischen Rücksichtnahmen überwinden kann bezw. überwinden muss, 
so kann man auch unter erschwerten äusseren Bedingungen den Durst löschen. 

Schon früber habe ich gelegentlich erwähnt, dass das ganze grosse Hôtel 
Watson in Bombay als „Pesthaus“ aufzufassen sei. Diese Behauptung stützt sich 
darauf, dass nach und nach zwanzig Pestfälle unter der eingeborenen Dienerschaft 
des Hötels aufgetreten sind, mehrere davon während meiner Anwesenheit; den 
betreffenden Kranken bin ich zum Theil sogar in den Hospitälern wieder be- 
geguet. Die todten Pestratten, welche zweifellos aus dem Hôtel stammten, 
habe ich selbst — wie berichtet — von der Strasse holen lassen und mit po- 
sitivem Ergebniss untersucht; danach kann man wohl das Hötel Watson als 
„Pesthaus“ bezeichnen. Trotzdem ist aber kein Europäer in dem Hötel er- 
krankt, sondern die Pestfälle erstreckten sich ausschliesslich auf die untere 
Dienerschaft, welche in den Souterrainräumen mit den niedrigsten Dienstlei- 
stungen beschätigt waren. Ein allgemeines Interesse gewinnt diese Beobach- 
tang, wenn man bedenkt; dass das Treiben und der Verkehr in diesem übrigens 
vorzüglich geleiteten Hötel ein ganz gewaltiger ist. Namentlich an und kurz 
vor den Tagen, an welchen die grossen Personendampfer fällig sind, ergiesst 
sich eine Fluth von Ankömmlingen und Abreisenden über das Haus, welche 
den gewaltigen Menschenwogen der grössten Schweizer Hötels doch noch über- 
legen ist. Es handelt sich da nicht um Hunderte von Weissen, welche in 
diesem „Pesthaus“ eingekehrt sind und dort gewohnt haben, sondern im Laufe 
der letzten Epidemien sind das viele Tausende gewesen, von denen glück- 
licher Weise keiner die Pest nach Europa verschleppt bat. 

Damit will ich durchaus nicht behaupten, dass das nicht hätte geschehen 


236 Schottelius, 


können, sondern nur illustriren, dass es praktisch fast unmöglich ist, die 
Schutzmaassregeln gegen die Verschleppung der Pest so durchzuführen, dass 
sie mit den mächtigen Ansprüchen, welche der Weltverkehr stellt, sich ver- 
einbaren lassen. 

Mag nun das Punctum agens der Infektion an dem Hause selbst, an dem 
Grund und Boden, auf welchem es steht, an seinen Einrichtungen haften, oder 
mag es durch den Verkehr mit den Einwohnern dieses Hauses in Wirkung 
treten, jedenfalls war es vorhanden. Das beweisen die zahlreich vorgekom- 
menen Erkrankungs- und Todesfälle, sowie die an Pest verendeten Ratten; 
und doch ist während der vier Pestjahre kein Gast des Hauses und keiner 
der besser gestellten Bediensteten des Hôtels infieirt, sondern die Infektion 
beschränkt sich ausschliesslich auf die kümmerlich lebende und von minder- 
werthigen Abfällen ernährte unterste Volksschicht. 

Unter den in der Literatur mehrfach citirten Pestfällen, welche Europäer 
betrafen, findet sich auch der einer als Wirthschafterin oder Gesellschafterin 
in Bombay angestellten europäischen Dame, welche sich bei dem Sortiren von 
Wäsche, welche ausserhalb des Hauses von Eingeborenen gewaschen war, ioficirt 
habe. Die theoretische Konstruktion des Infektionsmodus in diesem Falle ist ja 
sehr einfach: es wird angenommen, dass lebendige Pestbacillen an den Wäsche- 
stücken angehaftet haben, durch die Berührung an den Körper der Wirth- 
schafterin gelangt seien und durch eine geeignete Eintrittspforte den Weg in 
den Körper gefunden haben. 

Das ist eine theoretische Konstruktion des Infektionsvorganges, während 
deren reelle Existenz wohl möglich, jedenfalls aber nicht beobachtet ist. In- 
zwischen ist zu erwähnen, dass die betreffende Dame auch sonst mehrfach 
zur Infektion Gelegenheit gehabt hat, indem sie die an Pest erkrankten An- 
gehörigen der eingeborenen Dienerschaft des Hauses in deren Wohnungen im 
Innern der Stadt besucht und öfters Kommissionen in Häusern der durchseuchten 
Stadttheile gemacht hat. 

Dieser Fall beweist meines Erachtens weniger die übrigens durch zu- 
treffendere Fälle festgestellte Thasache, dass die Pestinfektion durch Gebrauchs- 
gegenstände übertragen werden könne, als dass die Empfänglichkeit von Euro- 
päern durch ein weiteres Beispiel belegt wird. 

Im Ganzen findet die Infektion von Person zu Person, die Uebertragung 
der Pest von Kranken auf Gesunde sehr selten statt, und die Infektion von 
Europäern ist noch seltener. 

Während meines Aufenthaltes in Bombay befanden sich im Arthur-Road- 
Hospital: 


Patienten März April 
Pocken . . 2... 428 242 
Masem . 2. .2.... 0.14 T 
Cholera . . 2.2... 3 14 
Recurrens . . . . . 204 339 
Pest: ann sp 028 9437209 243 
Verschiedene . . . . 84 34 ` 


977 879 


Die Bubonenpest in Bombay im Frühjahr 1900. 237 


Diese Kranken, darunter also 542 Pestkranke, wurden versorgt durch ein 
Personal (Aerzte, Krankenwärter und Wärterinnen, Diener u. s. w.) von im 
Ganzen’ 206 Personen. Ein Fall von Uebertragung der Pest auf einen der 
anderen Patienten oder auf eine Person des Pflegepersonals ist während der 
beiden Monate aber nicht vorgekommen. 

Ueberhaupt sind im Arthur-Road-Hospital im Verlaufe der vier grossen 
Pestepidemien, während welcher über 2000 Pestkranke im Spital Aufnahme 
fanden, nur 9 Fälle von Pestinfektion im Hospital unter 250 Angestellten vor- 
gekommen. 

So gross ist also die Wahrscheinlichkeit, von einem Pestkranken, welchen 
man pflegt, angesteckt zu werden. Die Statistik geht aber noch weiter: In 
den 33 Spitälern Bombay’s waren während der Pestepidemien im Ganzen 
133 Angestellte, vom Medical Officer bis zum letzten Thürhüter. Von diesen 
sind nach dem Bericht des Jahres 1899 im Ganzen 34 Infektionen gemeldet; 
dabei ist aber ausdrücklich bemerkt, dass in den meisten Fällen die An- 
steckung auch ausserhalb des Hospitals möglich gewesen, ja sogar wahr- 
scheinlich sei! 

Diese 34 Fälle von Pestinfektion vertheilen sich auf 8 Spitäler, während 
in 25 Spitälern überhaupt keine Ansteckung von ärztlichem oder 
von Wärterpersonal stattgefunden hat. Allein das Maratha-Hospital ist 
bei den obigen 34 Fällen (durch eine Hausepidemie von Pestpneumonie) mit 
8 Fällen betheiligt. 

Bereits im Jahre 1897, nach Ablauf der ersten grossen Pestepidemie in 
Bombay, konnte der Surg. Capt. Thomson I. M. S., leitender Arzt des Go- 
vernment House Hospital Parel, in seinem Bericht sich folgendermaassen 
äussern: „Dass die Krankheit (die Pest) in Krankenhäusern nicht ansteckend 
ist, das ist eine durch die Erfahrungen im Parel Hospital wohl erhärtete 
Thatsache. In über 240 Fällen pflegten die Verwandten und Freunde ihre 
Kranken, und in 20 Fällen verliessen sie kaum deren Bett, und in keinem 
einzigen Falle theilte sich die Krankheit den Angehörigen mit. Von mehr 
als 140 Krankenwärtern, welche zu dem Hospitalpersonal gehörten, wurde 
nur ein Diener ergriffen. . .. Hieraus ist der Schluss zu ziehen, dass einer 
der sichersten Plätze während einer Pestepidemie der Aufenthalt in einem 
hygienisch geführten Pesthospital ist.“ 

Aus England kamen zur Pflege der Pestkranken im Ganzen 90 Lady 
narses — Diakonissinnen — welche während der vier grossen Epidemien in 
den Pesthospitälern, namentlich in Poona und in Bombay Wohnung nahmen 
und den oberen Krankenwärterdienst versahen. Derselbe besteht der Haupt- 
sache nach in der Beaufsichtigung des eingeborenen Wärterpersonals, in der 
Verabreichung der Arzoeien an die Kranken, Messen der Temperatur u. s. w., 
Fürsorge für die Verbände bei den chirurgisch behandelten Pestkranken; kurz, 
alle die kleineren ärztlichen Hülfsleistungen gehören zu den Obliegenheiten 
dieser englichen Krankenschwestern, welche Tag und Nacht den Dienst in den 
Pesthospitälern versehen. 

Während der 4 Epidemien von 1890—1900 sind nun von diesen 90 Nurses 
— wie ich aus einem mir vorliegenden Briefe der Schwester Oberin Miss 


238 Schottelius, 


Green, welche diese Frage freundlichst beantwortet, entnehme — zwei an 
Pest erkrankt und in Poona gestorben, eine andere ist erkrankt, aber geheilt. 
Alle übrigen sind trotz der beschriebenen, 4 Jahre lang fortgesetzten Thätig- 
keit frei geblieben. 

Es wird häufig der Grad der Ansteckungsgefahr bei Pest aus dem Mortali- 
tätssatz bezw. dem Grade der erfolgten Ansteckung bei Aerzten und Kranken- 
wärtern bemessen. Dabei muss man aber berücksichtigon, dass in diesen Fällen 
die Ansteckungsgefahr sozusagen an den Haaren herbeigezogeu wird, und dass 
diese Personen sich einem Grade der Ansteckungsgefahr in Qualität und in 
Quantität aussetzen, welcher für gewöhnlich nicht vorkommt. Wenn Jemand 
bei der Vornahme einer Pestsektion sich verletzt und inficirt, wie das bei 
Dr. Pestana in Oporto und bei Prof. Sticker in Bombay und bei einem 
der japanischen Aerzte in Honkong der Fall war, so sind diese Fälle meines 
Erachtens nicht zur Beurtheilung der Ansteckungsgefahr zu verwerthen, denn 
es liegen da nicht die natürlichen, praktisch vorkommenden Verhältnisse für 
die Ansteckung zu Grunde, welche für die Statistik maassgebend sein müssen. 
Und bei der geringen Zahl der überhaupt in Betracht kommenden Pestinfektionen 
drücken drei solcher Fälle den Procentsatz schon gewaltig nach oben. 

Gegenüber diesen zwischen 3 und 4 pCt. betragenden Ansteckungen von 
Aerzten und Wärtern ist die Thatsache nicht zu übersehen, dass zur Zeit 
der Pestepidemien tausende von anderen Kranken in den Hospitälern ge- 
legen haben, deren Krankheiten eine Pestinfektion, wie wir gesehen haben, 
nicht ausschlossen. Aber es ist in keinem Falle eine Ansteckung eines solchen 
Patienten beobachtet. In Bombay sind wohl einzelne Barackenhospitäler er- 
baut, welche ausschliesslich zur Aufnahme von Pestkranken bestimmt sind, 
so das Modikhana, das Port Bombay Hospital und einige andere, daneben 
funktioniren aber die ständigen grossen Hospitäler in gewohnter Weise weiter 
und nehmen — wie das Arthur-Road-, das Parel- und das Maratha-Hospital — 
ausser den sonstigen Kranken auch Pestkranke auf. Dabei ist aber eine An- 
steckung anderer Patienten durch Pestkranke, Rekonvalescenten, Aerzte oder 
Wärter niemals beobachte. Wenn man sieht, wie zwanglos der Verkehr 
der Rekonvalescenten, der nicht bettlägerigen Kranken unter einander, mit den 
Wärtern und auch mit den bettlägerigen Patienten sich thatsächlich abspielt, 
so meine ich, darf man bei der Beurtheilung der Ansteckungsgefahr bei Pest 
auch die Thatsache nicht übersehen, dass trotz dieses Verkehrs keine Av- 
steckungen vorkommen. Man muss sich nur wundern, dass auch in solchen 
Fällen, in denen für Ansteckung ganz besonders günstige Verhältnisse vorliegen, 
nicht noch mehr Infektionen vorkommen, als das thatsächlich der Fall ist. 

Einem an mich gerichteten Briefe eines Bombayer Kollegen entnehme ich 
folgende hierauf bezügliche Stelle: 

„Dass hier Personen, welche im Pesthospital gar nichts zu thun haben, 
dasselbe aufsuchen, ohne auch nur an Infektionsgefahr zu denken, davon haben 
Sie sich ja persönlich oft genug überzeugt. Wir Aerzte gehen und kommen 
vom Hospital, ohne besondere Vorkehrungen zu treffen. Man wäscht sich am 
Ende die Hände, und das ist Alles. Pneumonie soll man isoliren, gewiss, für 
die anderen Formen sind die gewöhnlichen Maassnahmen vollauf genug. Der 


Die Bubonenpest in Bombay im Frühjahr 1900. 239 


Pestbacillus ist sehr harmlos, so lange er nicht in unserer Haut steckt. Seine 
Infektiosität, die Fähigkeit in den menschlichen Körper auf natürliche Weise 
einzadringen und sich anzusiedeln, ist gewiss viel geringer, als viele Labora- 
toriumsmenschen uns glauben machen wollen. Der Mensch ist gar nicht so 
empfänglich dafür, so lange er sich in menschenwürdigen Verhältnissen be- 
findet. 

Freilich, wenn in einem Raume, 6 Fuss lang und eben so breit, 5 oder 
6 Menschen wohnen und das Weib das pneumonische Sputum mit den Händen 
vom Munde des Mannes abwischt und die Hände dann an ihren nackten Beinen 
abwischt, an welche die Kinder sich anklammern, und wenn sie dann selbst 
mit den ungereinigten Händen die Kinder versorgt und füttert: so muss man 
sich immer wundern, dass die Pest nicht noch viel mehr Leute befällt!“ 

Wenn ich an die Wiedergabe dieser traurigen, aber für die Beurtheilung 
der Pestgefahr aufklärend wirkenden Zustände die Erinnerung an den bekla- 
genswerthen Fall des Dr. Müller und seiner Leidensgefährten in Wien an- 
knüpfe, so geschieht das deshalb, weil leider mancherlei Analogien zwischen 
beiden Begebnissen vorliegen, Analogien, über welche man sich weniger aus 
der veröffentlichten Literatur, als durch mündliche Information unterrichten 
lassen kann. Da aber weitgehende Verallgemeinerungen über die Ansteckungs- 
gefahr der Pest gerade an die Wiener Fälle geknüpft sind und gerade bei 
uns in Deutschland zu übertriebenen Befürchtungen vielfach Veranlassung ge- 
geben haben, so halte ich es für nothwendig, darauf hinzuweisen, dass die 
Laboratoriumspest in Wien unter so exceptionellen Bedingungen zu Stande ge- 
kommen ist. dass diese Fälle zur Erklärung und als Beispiele für das spon- 
tane, unter natürlichen Verhältnissen vorkommende Auftreten der Pest nicht 
verwertbet werden können. a 

Wohl bietet die Thatsache, dass an bestimmte Wohnplätze das epidemische 
Auftreten der Pest geknüpft ist, trotz der anatomisch begründeten Erklärungs- 
versuche über das Zustandekommen derartiger Infektion grosse Schwierigkeiten, 
namentlich gegenüber der andererseits festgestellten Thatsache, dass trotz ana- 
tomisch gegebener Infektionsbedingungen thatsächlich die Ansteckung von 
Person zu Person nur sehr selten erfolgt. Aber ganz ohne Analogon würde 
es nicht sein, wenn man sich dächte, dass der Pestbacillus ausserhalb des 
menschlichen Körpers Existenzbedingungen finden kann, welche ihn für eine 
wirksame Invasion des menschlichen Körpers geeigneter machen. 

Für Milzbrand muss das unbedingt angenommen werden, wenn man die 
schwächer und schwächer werdenden Laboratorinmskulturen bei fortlaufender 
Uebertragung von Thier zu Thier mit den hochpathogenen Rassen des bei uns 
spontan auftretenden Milzbrandes vergleicht; gar nicht zu reden von der Kraft: 
mit der der Milzbrand als verheerende Thierseuche in den sibirischen und 
ost-europäischen Flussniederungen auftritt. Mit grosser Wahrscheinlichkeit 
ist ein derartiger Vorgang, ein Wechsel des Nährsubstrates mit Vermehrung 
der pathogenen Kraft auch beim Tetanusbacillus, wohl auch bei Lepra vor- 
auszusetzen. 

Und beim Pestbacillus selbst spricht die Erfahrung, dass eine alternirende 
Kultur — abwechselnd Thierkörper und künstlicher Nährboden — am besten 


240 Schottelius, 


die Infektionskraft erhält, direkt für das Vorkommen des gleichen Processes 
bei der spontanen Infektion. Die im hiesigen Institut von Prof. Sata be- 
gonnenen!) und weiter fortgesetzten Versuche über das Verhalten der Pest- 
bacillen im todten Körper und im Erdboden (sowohl im bakterienfreien als 
im gewöhnlichen Erdboden) scheinen ebenfalls darauf hinauszulaufen, dass 
im Kampfe mit den Bodenbakterien die meisten Pestbacillen zu Grunde 
gehen, dass aber die übrig bleibenden — je länger sie den Kampf mit den 
Bodenbakterien aushalten — um so infektiöser für Thiere werden. Ich schliesse 
das namentlich daraus, dass ein bestimmter Pestbacillenstamm unseres Insti- 
tuts, welcher gar nicht mehr virulent war, nachdem er längere Zeit in ge- 
wöhnlicher Gartenerde und alternirend auf Ratten kultivirt war, allmälig seine 
pathogene Kraft wiedererlangte und schliesslich so stark wurde, dass er in 
den hier abgehaltenen Pestkursen als Typus und Demonstrationsobjekt dienen 
konnte. 

Mag aber die schliessliche Aufklärung ausfallen wie sie wolle: jedenfalls 
steht fest, dass die Ansteckungsgefahr bei Pest in durchseuchten Wohnungen 
viel grösser ist, als anderswo, auch wenn diese Häuser und Wohnungen von 
den Insassen geräumt wurden und längere Zeit leer gestanden haben. 

Die Art der Ansteckungsgefahr und die Pathogenese bei Pest hat Manches 
gemeinsam mit der bei Typhus abdominalis; bei Typhus ist es die innere 
Körperoberfläche, welche inficirt wird und entsprechend reagirt: bei Pest ist 
es die äussere Körperoberfläche. 

Für den Typhus wissen wir, dass die epidemische Verbreitung der Krank- 
heit durch das Trinkwasser, und dass die direkte Kontaktinfektion durch die 
Ausscheidungen des infieirten Darmrohres geschieht. Für die Pest steht fest, 
dass der „Boden“ — die Pesthäuser — es sind, in denen der Grnnd für das 
epidemische Auftreten der Krankheit zu suchen ist, und dass die direkte 
Infektion durch die an der äusseren Körperoberfläche oder durch das Sputum 
ausgeschiedenen Krankeitserreger zu Stande kommt. 

Für beide Krankheiten steht fest — sowohl für Typhus wie für Pest — 
dass wir das, was ich direkte Kontaktinfektion genannt habe, durch die auf 
unseren Kenntnissen des Krankheitserregers berubenden Maassnahmen beherr- 
schen, und dass man diese Art Infektionsgefahr erfolgreich bekämpfen kann: 
So, wie in manchen Krankenhäusern der sog. Spitaltyphus, die Infektion von 
Wärtern und Wäscherinnen vorkommt und in anderen Krankenhäusern nicht, 
und so wie wir wissen, dass sich durch entsprechende Maassnahmen und Ein- 
richtungen diese Typhusfälle vermeiden lassen, so gilt das auch für die direkte 
Kontaktinfektion bei Pest. In 25 Pesthospitälern von 33 ist überhaupt keine 
Infektion des Personals vorgekommen, nur in 8 Krankenhäusern ist solche 
beobachtet! Dass gerade das Maratha-Hospital in so ausgiebigem Maasse an 
der Spitalpest betheiligt ist, liegt vielleicht zum Theil an dem besonders in- 
tensiven Betrieb dieses Krankenhauses, hat übrigens auch sonst seine inneren 
Gründe. So wie man zur Verhütung von Typhusepidemien für gesundes, reines 
Trinkwasser sorgt und durch diese Maassnahme schon jetzt die besten Erfolge 


1) Sata, Arch. f. Hyg. Bd. 37. S. 105 u. Bd. 39. S. 1. 


Die Bubonenpest in Bombay im Frühjahr 1900. 241 


verzeichnen kann, so richtet sich mit Recht bei der Pest die Sorge auf die 
Assanirung der Häuser, der Wohnungen, und auch hier mit Erfolg unter sehr 
viel schwierigeren Verhältnissen, als das bei uns bezüglich der Trinkwasser- 
frage der Fall ist. 

Die Eingeborenen in Indien verstehen es, in der raffinirtesten Weise sich 
vor der Sonne zn schützen; je weiter man vordringt in das Innere eines 
Hauses der native town in Bombay, um desto enger und dunkler werden die 
Räume, desto unergründlicher der anfgestapelte Schmutz und immer ersticken- 
der die übelsten Gerüche. So legt man sich wohl die viel schwerer zu be- 
antwortende Frage vor: wie es kommt, dass die Pest unter diesen Umständen 
und überhaupt jemals erlöschen kann? 

Und trotzdem hat das energische Eingreifen der englischen Sanitätsbehörden 
durch die Räumung ganzer Häuserkomplexe, durch das Niederreissen einzelner 
Häuser und die gründlichste Durchlüftung und Durchlichtung der Wohnungen 
schon jetzt zweifellose Erfolge zu verzeichnen. 

Wie in der Typhusfrage, stehen wir zwar schliesslich auch hier bei der 
Pest vorläufig noch an dem Punkte fest, an dem es sich um den direkten 
Nachweis des specifischen Krankheitserregers im Wasser und im Boden, bezw. 
um die direkte Demonstration des Infektionsvorganges selbst handelt. 

Voraussichtlich wird dieser Nachweis bei der Pest eher zu erbringen sein, 
als beim Typhus, da wir bei ersterer einen viel charakteristischeren Infek- 
tionsträger zu bekämpfen haben, der es uns überdies gestattet, am Thierexpe- 
riment die Kontrole anzustellen. 

Jedes Beispiel hinkt, und ich bin mir wohl bewusst, dass man Typhus 
und Pest nicht bis zu den letzten Konsequenzen parallelisiren kann: aber das 
steht fest, bei beiden Krankbeiten — in einem gewissen Gegensatz zu den 
exanthematischen Infektionskrankheiten — bildet Unreinlichkeit und Schmutz 
die Vorbedingung für die epidemische Ausbreitung derselben, und bei beiden 
giebt mangelbafte und unrichtige Ernährung, die Benutzung unreinlicher, für 
die menschliche Verdauung ungeeigneter Nahrung dem Infektionsträger die 
Möglichkeit, den Kampf mit den Körperzellen erfolgreich aufzunehmen. Noth 
und Elend sind stets den „Pestilenzen“ vorausgegangen und thun das bis zum 
heutigen Tag; der Krieg wirkte und wirkt noch heute dabei mit als wesent- 
licher Faktor, weil er den Hunger und das Elend vergrössert und im Gefolge hat. 

Es würde fast wunderbar sein, wenn die Pest nicht in den durch den 
Krieg verwüsteten chinesischen Provinzen und in Südafrika auftreten sollte. 
Wird dort eine epidemische Ausbreitung vermieden, so wäre das als ein 
eklatanter Erfolg der modernen Hülfsmittel zur Bekämpfung und Verhütung 
der Seuchen zu bezeichnen. Denn das muss man sich doch auch klar machen: 
Wenn in früberen Jahrhunderten die Krankheiten um so viel langsamer sich 
ausbreiteten, als der Verkehr der Menschen unter einander geringer war als 
jetzt, wenn heut zu Tage in einem Monat unendlich viel mehr Menschen 
Länder und Meere durchkreuzen und Seuchen verschleppen können als früher 
in vielen Jahren, so ergiebt sich andererseits daraus auch, dass jetzt die 
Hülfe schneller und intensiver den bedrohten Gegenden zu Theil werden kann, 
als das früber möglich war. 


242 Schottelius, Die Bubonenpest in Bombay im Frühjahr 1900. 


Die Möglichkeit, mit Hülfe der modernen Verkehrsmittel die Bedingungen 
des Kulturlebens in kürzester Frist überall hin zu verlegen, bildet ganz gewiss 
eine mächtige Handhabe gegen das Auftreten und gegen die Verbreitung von 
Seuchen. Nas gilt für weit entfernt gelegene Länder und noch mehr für 
Europa selbst. Speciell aber bei uns in Deutschland ist das Verständniss 
für die Zwecke der öffentlichen Gesundheitspflege bereits so weit ia die brei- 
testen Volksschichten eingedrungen und zum Gemeingut Aller geworden, dass 
darin allein schon eine Gewähr für die Fernhaltung der Pest und die Mög- 
lichkeit einer rationellen Bekämpfung der Seuchen zu erblicken ist. 

Die internationalen Schutzmaassregeln, die Quarantänen und Beschrän- 
kungen des Frachtverkehrs sind ja immer noch besser als gar nichts, aber 
eine Sicherheit gegen die Verschleppung des Krankheitskeimes kann man in 
diesen Maassnahmen nicht erblicken. Ich habe selbst mehrfach und an ver- 
schiedenen Plätzen Gelegenheit gehabt, den internationalen sanitätspolizei- 
lichen Bestimmungen mich und mein Reisegepäck unterziehen zu müssen, und 
habe dabei auch sonst über die praktische Handhabung der betreffenden Vor- 
schriften mich zu unterrichten versucht: ohne auf Einzelheiten einzugehen. 
kann ich aber die Versicherung geben, dass die Ausstellung der sog. Gesund- 
heitspässe obne erhebliche Schwierigkeiten auch in zweifelhaften Fällen er- 
folgt, und dass eine Kontrole der Gebrauchsgegenstände, der Wäsche u.s. w. 
so gut wie ausgeschlossen ist. 

Um einmal ein extremes Beispiel hervorzubeben, so wird doch Niemand 
im Ernst daran denken, dass es möglich sei, die gebrauchte Wäsche einer 
englischen Lady zu kontroliren oder zwangsweise zu desinficiren? Und wenn 
der namentliche Aufruf der Passagiere erfolgt, um der „Sanitätskommission” 
— die nicht überall aus Weissen und aus europäischen Aerzten besteht — 
einen Einblick in den Gesundheitszustand der Reisenden zu geben, so muss 
man nicht meinen, dass die Angelegenheit von der einen oder von der anderen 
Seite besonders ernst genommen wird. Es ist eben eine Formalität, welche 
erledigt werden muss, damit die Papiere in Ordnung sind. Das geschieht; 
und damit ist die Sache abgemacht. Glücklicher Weise ist ja auch die Pest 
nicht so leicht zu verschlepp:n, und glücklicher Weise ist die Kontrole in 
unseren deutschen Hafenplätzen besser als im Ausland und bildet — wie sich 
ja schon mehrfach gezeigt hat — einen recht sicheren Schutz gegen die Ein- 
schleppung. 

Somit können wir also der „drohenden Pestgefahr“ mit voller 
Ruhe entgegensehen, weil bei uns die Vorbedingungen für das epide- 
mische Auftreten der Bubonenpest fehlen, und weil die Uebertragung der Pest 
von Person zu Person zu den grössten Seltenheiten gehört. 


Ich bin mir wohl bewusst, dass meine in Obigem begründeten Darlegungen 
über die Grenzen der Pestgefahr vielfach Widerspruch finden werden, denn 
` bei uns in Deutschland macht sich — vielleicht gerade in Folge der hoch 
entwickelten Gesundheitspflege — eine gewisse Hyperästhesie gegenüber gesand- 
heitlichen Gefahren bemerkbar, welche zu einer übergrossen Aengstlichkeit 


Irrenpflege. 243 


und schliesslich dahin führt, dass sich die Menschen zu Sklaven ihrer Gesund- 
heit machen. 

Es liegt aber nicht im Sinne einer rationellen Gesundheitspflege, die 
Rrankheits- und die Todesfurcht zu nähren und zu vergrössern, denn dadurch 
wird die Widerstandskraft geschwächt und die Empfänglichkeit für Seuchen 
vermehrt. Gegenüber den socialen und hygienischen Bedingungen, unter denen 
in früheren Jahrhunderten die Pest in Deutschland mörderisch aufgetreten ist, 
haben sich die Verhältnisse so gewaltig verändert, dass wir auch der Pest- 
gefabr ruhig entgegensehen können, wenn man — wie das thatsächlich ge- 
schehen ist — alle die durch wissenschaftliche Forschung begründeten Mittel 
zar Abwehr bereit stellt und anwendet. 

Nichts liegt mir ferner, als die unheilvolle Bedeutung der Seuchen und 
besonders der Pest zu unterschätzen, und wenn ich bezüglich der Grenzen der 
Ansteckungsgefahr diejenigen Vorzüge unserer Einrichtungen und unserer socia- 
len Verhältnisse gegenüber den indischen Zuständen hervorgehoben habe, welche 
uns Muth machen können im Kampfe gegen die Pest, so ist das nur deshalb 
geschehen, um zu einer objektiven Beurtheilung der Pestgefahr beizutragen. 


Neisser, Clemens, Bettbehandlung der akuten Psychosen und über 
die Veränderungen, welche ihre Einführung im Anstaltsarganis- 
mus mit sich bringt. München 1900. Verlagsbuchhandlung Seitz & 
Schauer. 25 Seiten gr. 8°. Preis: 1,20 Mk. 

Der vorliegende Vortrag erschien in No. 18 und 19 der „Zeitschrift für 
praktische Aerzte“ vom Jahre 1900. Der Verf. betrachtet die Bettbehandlung 
l. als Anstaltsregime und 2. als therapeutische Einzelanordnung. Sie ist 
nach ihm auszudehnen auf alle Kranke, „deren Haltung und äusseres Beneh- 
men ungeordnet, erregt oder überhaupt auffällig ist, mögen sie melancholisch, 
maniakalisch, hallueinatorisch verwirrt, Paranoiker, Epileptiker, Alkohol- 
delirauten, Paralytiker oder einfach Demente sein.“ Nach Anordnung des 
Arztes dürfen sie das Bett verlassen, „aber ihr stumpfes Umherhocken oder 
ungeregeltes Durcheinanderwirbeln auf Korridoren und in den Aufenthalts- 
räumen ist unbedingt zu verpönen und durch die Bettruhe zu ersetzen“. 

Die Bettbehandlung erfolgt stets im gemeinsamen Krankensaale, sie 
ist im Allgemeinen und principiell der Isolirung entgegengerichtet. Ausnah- 
men bilden methodische Mastkuren, ferner Kranke, deren Rathlosigkeit durch 
jeden Vorgang um sie ber gesteigert wird, und bei wohlhabenden Kranken 
die Rücksicht auf deren Lebensgewohnheiten u.s. w. Die Bettbehandlung er- 
füllt direkt nur eine einzige therapeutische Indikation: sie erzeugt Gehirnruhe. 
Diese Behandlung gestattet öfter den Versuch, frisch Erkrankte in häuslicher 
Pflege zu behandeln. 

Bei der Besprechung der einzelnen Psychosen verwahrt sich der Verf. 
dagegen, „ein Festhalten der Kranken im Bette durch die Wärter“ zu billigen. 
Als kontraindicirt hält er die Bettbehandlung bei der grossen Gruppe der 
subakuten Fälle, „deren Gros in Deutschland vielfach wegen der mehr oder 


244 Schulhygiene. Kinderpflege. 


weniger persistirenden Wahnideen der Parancia subsumirt wird“, ferner bei 
der Mehrzahl jugendlicher Erkrankungsformen und bei denjenigen, „bei wel- 
chen die Psychose nach langem Bestehen unter ständiger Zunahme des Körper- 
gewichts einen periodischen Verlaufstypus angenommen hat“. 

Für eine gemischte Heil- und Pflegeanstalt mit hinreichend grossen Pa- 
villons werden auf je 100 Kranke drei Abtheilungen zu je 20 Kranken für 
die Bettbebandlung angesetzt, so dass annähernd 40 arbeitsfähige oder doch 
durchaus geordnete Elemente verbleiben. Gesonderte Zellenabtheilungen sollen 
endgültig aus den Anstalten (mit Ausnahme der Verbrecherasyle) verschwinden. 
Im Durchschnitt wird bei gemischten Heil- und Pflegeanstalten je ein im Dienste 
anwesender Wärter für 7—10 Kranke gerechnet. „Es ist klar, dass wirk- 
liche Krankenpflege anstrengender ist, als die Beaufsichtigung von in Zellen 
gesperrten oder gar gefesselten Menschen.“ Ein Arzt sollte auf je 50 bis 
100 Kranke, bei Pflege- und Idiotenanstalten auf durchschnittlich je 200 ge 
rechnet werden. — Bei Neubauten wird in Folge der Bettbehandlung durch 
den Wegfall gesonderter Tages- und Schlafräume Platz gewonnen, auch wenn 
der Luftraum in Bettabtheilungen für den einzelnen Kranken etwas höher 
als bisher gegriffen werden muss. In je 7 Jahren stellten sich zu Leubus 
die Kosten ohne Bettbehandlung jährlich im Durchschnitt an Bekleidung auf 
51,46, an Arznei auf 28,3 und an Bereinigung auf 12 Mk., wäbrend die ent- 
sprechenden Ausgaben mit Bettbehandlung nur auf 40,61, bez. 18,55 und 
7,93 Mk. für jeden Kranken sich beliefen. Helbig (Serkowitz). 


Baur A. (Seminararzt in Gmünd), Die Hygiene der Leibesübungen für 
Turnlehrer, Lehrer und Aerzte. Mit 43 Abbildungen im Text und 
2 Tafeln. Stuttgart 1901. Muth’sche Verlagshandlung. 203 Seiten. Preis: 
2,20 Mk. 

Einer klaren und bündigen Darstellung der Anatomie und Physiologie 

(62 Seiten) folgt die Besprechung des Einflusses der Körperübungen auf 

die einzelnen Organe, mit kritischer Würdigung der gesundheitlich heilsamen 

und der nachtheiligen Momente. In diesem Sinne werden die Frei- und 

Ordnungsübungen, die Uebungen an Geräthen (Schweben, Klettern, Springen, 

Stützen, Hangen), die Uebungen mit Geräthen (Werfen, Hanteln, Stabübnngen, 

Stemmen) und als Anhang das Fechten, Exerciren, Reiten, Tanzen, Eislaufen, 

Schwimmen, Rudern und Radfahren erläutert und deren Wirkung auf die 

einzelnen Muskelgruppen, sowie auf die wichtigsten Lebensvorgänge, insbe- 

sondere Blutumlauf, Athmung und Stoffumsatz geprüft (bis Seite 158). Daran 
schliesst sich dann eine kurze Anleitung zu Hilfeleistungen auf dem Turnplatz, 
und zu der bei einer Reihe von Krankheitszuständen erforderlichen Rücksicht- 
nahme bezüglich der Wabl und der Intensität der Leibesübungen. Der Hygiene 
des Turosaales und der Turngeräthe, dann der ärztlichen Turnaufsicht sind 
zwei Abschnitte gewidmet. 26 Leitsätze, 2 Tabellen und 2 Buntdrucktafeln 
bilden den Schluss der Abhandlung, deren Benützung durch ein alphabetisches 
Sachregister erleichtert wird. 


Prostitution. 245 


Der Verf. will keinen Leitfaden für den Turnunterricht geben, sondern 
mur mit dem Prüfstein der Gesundheitslehre an die einzelnen Körperübungen 
berantreten und den Turnlehrer dazu anleiten, sein Augenmerk stets auf das 
letzte Ziel aller Leibesübungen, auf die Kräftigung der Gesundheit gerichtet 
za halten. Die Darstellung ist gemeinverständlich und lebendig. Dem deut- 
schen Gerätheturnen wird der gebührende Rang zuerkannt, jedoch ohne ein- 
seitige Leberschätzung, vielmehr unter nachdrücklichem Hinweis auf den hohen 
Werth der sogenannten freien Körperübungen, die man in den Hauptgruppen 
Spiel und Sport zusammenzufassen pflegt. Erwünscht wäre für eine zweite 
Auflage ein noch kräftigeres Hervorheben der hygienischen Bedeutung der 
Jugendspiele, deren Vorzüge mit den 4 auf Seite 115 genannten Punkten 
keineswegs erschöpft sind, und die wohl auch eine breitere Besprechung unter 
Berücksichtigung der einzelnen Spiele und ihrer Wirkung auf die Organe des 
Körpers verdienen würden. 

Auf Seite 162 wäre bei Bekämpfung des Nasenblutens statt des Hinauf- 
schnupfens von kaltem Wasser wohl besser kräftige Tamponade der Nase mit 
Verbandwatte anzurathen. 

Das handliche Büchlein des auch auf anderen Gebieten der Schulgesund- 
heitspflege erfolgreich thätigen Autors ist insbesondere Turnlehrern sehr zu 
empfehlen. Es geht indessen über das Gebiet des Schulturnens nicht nur nach 
der Richtung der schon genannten, nicht schulgemäss betriebenen Körperübungen 
hinaus, sondern auch insoferu, als es für die Leibesübungen im höheren Lebens- 
alter beherzigenswerthe Winke ertheilt. Paul Schubert (Nürnberg). 


Jadassohn und Schmid, Prostitution und venerische Krankheiten. 
1. Die Prostitution und die venerischen Krankheiten in der 
Schweiz. 2. Die internationale Konferenz zur Verhütung der 
Syphilis und der venerischen Krankheiten in Brüssel (Sep- 
tember 1899). Bern 1900. C. Sturzenegger. 48 Seiten. 

Jedem, der sich über die Gefahren der Prostitution und der vene- 
rischen Krankheiten sowie über die Mittel und Wege zu deren Be- 
kämpfung orientiren will, seien die Berichte von Jadassohn und Schmid 
auf das wärmste empfohlen. Uebersichtlicher kann wohl kaum über die 
Prostitution und die venerischen Krankheiten eines ganzen Landes berichtet 
werden, und sachlicher und klarer kann ein grosser internationaler Kongress 
wie der Brüsseler ohne Uebergehung irgend eines wesentlichen Punktes nicht 
besprochen werden. 

In dem ersten Theile finden wir von Schmid ausführlich erörtert: 1. die 
Gesetzgebung betreffend die Prostitution und die Kuppelei, 2. die 
Prostitutionsverhältnisse in den Städten der Schweiz, 3. die vene- 
rischen Krankheiten in der Schweiz. 

In einem Anhange zu diesem Theil werden von Jadassohn noch ein- 
gehender speciell die Verhältnisse in Bern besprochen. 

In dem zweiten Theil werden von Jadassohn und Schmid alle 


246 Verschiedenes. Kleinere Mittheilungen. 


wesentlichen Berichte und Vorschläge, welche auf dem Brüsseler Kongress 
zur Diskussion kamen, erörtert. Es hiesse den ganzen Kongress besprechen. 
wollte man die Ausführungen ‘der Verf. im einzelnen referiren. Darüber 
herrschte auf der Konferenz jedenfalls Einstimmigkeit, dass die bisher übliche 
Art und Weise der Reglementirung der Prostitution fast überall durch- 
aus ungenügend sei und wenig nütze, und mit Ausnahme einiger Abolitio- 
nisten waren auch darin alle einig, dass eine gut durchgeführte Regle- 
mentirung eins der wirksamsten Mittel zur Bekämpfung der ve- 
nerischen Krankheiten sei. Die wichtigste Vorbedingung hierfür ist 
eine gründliche Ausbildung der Studenten und Aerzte in der Vene- 
rologie und der damit untrennbar verbundenen Dermatologie, wie sie 
nur in Speeialkliniken erworben werden kann. Scholtz (Breslau). 


Recknagel, Hermann, Kalender für Gesundheits-Techniker 1901. Mit 
68 Abbildungen u. 69 Tabellen. Verlag von R. Oldenbourg. München u. 
Leipzig. Preis: 4,00 Mk. 

Der neue Jahrgang wurde erweitert durch die vom Verbande Deutscher 
Centralheizungs-Industrieller aufgestellten Gebührensätze für Entwürfe 
von Centralheizungs- und Lüftungsanlagen, sowie durch die Tabellen 
der von diesem Verbande geprüften Rohre und der von ihm angenommenen 
Stempelzeichen der einzelnen Rohrwalzwerke. 

Für das handliche und sonst durchaus brauchbare Büchlein würde es von 
Vortheil sein, wenn die z. Th. veralteten Anschauungen über natürliche Lüftung, 
über den Giftgebalt der ausgeathmeten Luft und dergl. baldigst einer gründ- 
lichen Durcharbeituug und Abänderung unterworfen werden könnten. 

H. Chr. Nussbaum (Hannover). 


Crainiceanu Gg. (Augen- u. Stabsarzt in Bukarest), Die Gesundheitspflege 
der Augen. Tübingen 1900. Franz Pietzcker. 74 Seiten mit einer Abbildung. 
Preis: 2,00 Mk. 

Das Büchlein ist nur für Laien geschrieben und in populärem Ton ge- 
balten. Man kann daher darauf verzichten, kritisch mit manchen Einzelheiten 
zu rechten. Einige Stellen, die zu Missverständnissen Anlass geben könnten, 
erklären sich wohl aus dem Umstande, dass Deutsch nicht die Muttersprache 
des Verf.’s ist. Das beigefügte Literaturverzeichniss von 115 Nummern dürfte 
getrost um einige veraltete, aus der vorophtbalmoskopischen Zeit stammende 
Werke verkleinert werden, und auch von den neueren Werken eignen sich 
nicht alle zum Selbststudium für Nichtärzte. 

Paul Schubert (Nürnberg). 


Kleinere Mittheilungen. 
(0) Seit Anfang des Jahres 1899 besitzt auch Amerika eine besondere T uber- 
kulosezeitschrift „The journal of tuberculosis“, herausgegeben von K. v. 
Ruck, Leiter des New Winyah, einer Heilanstalt für bemittelte und unbemittelte 


Kleinere Mittheilungen. 247 


Lungenkranke. Die Zeitschrift erscheint vierteljährlich und hringt Originalartikel so- 
wie Referate über ausgewählte Aufsätze in- und ausländischer Zeitschriften. Bemer- 
kenswerth ist-der verhältnissmässig billige Abonnementspreis, 1 Dollar pro Jahr. 


(J) Im Monat December 1900 hatten unter 277 deutschen Orten mit mehr als 
15000 Einwohnern eine höhere Sterblichkeit als 35 (auf je 1000 Einwohner und auf’sJahr 
berechnet): 4 gegenüber 1 im November, eine geringere als 15 : 54 Orte gegenüber 84 
imVormonat. Mehr als 333,3 Säuglinge auf je 1000 Lebendgeborene starben in 7 Orten 
gegen 6, weniger als 200,0 in 197 gegenüber 211 im November. 

(Veröff. d. Kais. Ges.-A. 1901. S. 111.) 


Stand der Seuchen. Nach den Veröffentlichungen des Kaiserlichen Gesund- 
heitsamtes. 1901. No. 5 u. 6. 

A. Stand der Pest. I. Grossbritannien. Hull. Auf dem Dampfer Friary 
bis zum 18.1. im Ganzen; 5Todesfälle,4Erkrankungen. 23.1.1Todesfall. II.Russland. 
Wladırnirowka 30. 12. 1900—18. 1.1901: keine Todesfälle. 3.1.1901: 3 Neuerkran- 
kungen. 5.1. noch 6Erkrankte in Behandlung. Ueber denVerlauf der Epidemie in T ek e- 
bai-Tubeck ist Näheres nicht bekannt geworden. Das Gerücht, dass in Rostow und 
im benachbarten Asow die Pest sich gezeigt habe, hat sich angeblich als unbegründet 
erwiesen. Im Dorfe Andrejewka (Kreis Kamyschin, Gouv. Sarasow), wo ebenfalls 
bis zum 8. 12. 1900 23 Personen an pestverdächtigen Erscheinungen erkrankt und 10 
daron gestorben waren, handelt sich nach einer Bekanntmachung des Gouverneurs um 
Milzbrandinfektionen („sibirische Pest“). II. Türkei. Beirut. 7. 1. 1901: auf dem 
französischen Postdampfer „Senegal“, aus Alexandrien kommend, lErkrankung. Kon- 
stantinopel bis 15. 1. kein weiterer Pestfall. Smyrna 4. 1.: 1 Todesfall. IV. Ae- 
gypten. Alexandrien. 11.1.: Auf demPostdampfer „Senegal“ (vergl. unter Türkei), 
von Smyrna und Beirut kommend: 1 Pestfall festgestellt. Der Erkrankte, der schon 
am 8. und 9. 1. je 40 cem Antipestserum des Pasteur’schen Instituts injieirt erhalten 
hatte, wurde im Quarantänelazareth Gabbari untergebracht. Der Dampfer selbst ging 
am 11. 1. Abends nach Vornahme der vorgeschriebenen Desinfektionen nach Marseille 
weiter. V. Britisch-Ostindien. Präsidentschaft Bombay. 16.—22. 12. 1900: 
593 Erkrankungen, 408 Todesfälle. Stadt Bombay. 9.—15. 12. 1900: 112 Neuer- 
krankungen, 285 Todesfälle, einschliesslich der unter Pestverdacht Gestorbenen, amt- 
lich gemeldet als Pest nur 81 Todesfälle. 16.—22. 12. 1900: 343 Todesfälle, ein- 
schliesslich der pestverdächtigen, amtlich als Pest gemeldete Todesfälle: 111. 23. bis 
29. 12. 1900: erweislich 159 Pesttodesfälle. 30. 12. 1900—5. 1. 1901: 454 Todesfälle, 
einschliesslich der pestverdächtigen; amtlich als Pest gemeldete Todesfälle: 176. VI. 
Straits Settlements. Singapore. 25.12.1900: 1Todesfall. VII. Japan. Osaka. 
Bis 10. 12. 1900 im Ganzen 64 Erkrankungen, davon 51 gestorben. Kobe. November 
1900: keine neuen Pestfälle. VIII. Réunion. 3.—10. 1.: 5 Neuerkrankungen, davon 
2tödtlich. IX. Argentinien. San Nicolas und Tucuman: Weitere pestvordäch- 
tige Fälle sollen nicht vorgekommen sin. Die bakteriologische Untersuchung der frü- 
heren Fälle hat Pest nicht ergeben. X. Queensland. 25. 11.—1. 12. 1900: Bris- 
bane 2 Ekrankungen. Tursday Island: 3 Erkrankungen. 2.—8. 12. 1900: Bris- 
bane lErkrankung. 9.—15. 12. 1900: Brisbane 1 Erkrankung. 16.—22. 12. 1900: 
Rockhampton 1 Todesfall. 

B. Stand der Cholera. I. Britisch-Ostindien. Kalkutta. 16.—22. 12. 
1900: 49 Todesfälle. 23. 12. 1900—5. 1. 1901: 69 Todesfälle. II. Straits-Settle- 
ments. Singapore. 15.—25. 12. 1900: 33 Neuerkrankungen, 36 Todesfälle. 

Jacobitz (Halle a. S.). 


Beilage zur „Hygienischen Rundschau“ 
XI. Jahrgang. Berlin, 1. März 1901. N Mo. 5. 


Verhandlungen der Deutschen Gesellschaft für öffentliche Gesundheitspfege 
zu Berlin‘). 
Sitzuug vom 29. Oktober 1900. Vorsitzender: Herr Baer, Schriftführer: 
Herr Proskauer. 


Herr H. Neumann: Die Lage der unehelichen Kinder in Berlin. 

Trotzdem man sich seit Jahrhunderten in vielen Ländern der unehe- 
lichen Kinder besonders angenommen hat, fehlt eine zahlenmässige 
Kenntniss der l,ebensverhältnisse der Unehelichen, welche allein eine sach- 
gemässe Behandlung der Frage ermöglicht. Nur in Berlin haben wir meines 
Wissens eine exakte Berechnung der Sterblichkeit der Unehelichen durch 
Böckh, und B. hat auch gewisse Punkte, wie die künstliche Ernährung, 
in ihrer Bedeutung für die Ehelichen wie die Unehelichen aufgeklärt. So 
bedeutsam aber die Gegenüberstelluug der Sterblichkeitstafel für Eheliche 
und Uneheliche ist, so genügt sie nicht für sich allein zur Aufstellung von 
Vorschlägen. Sie giebt gleichsam Durchschnittszahlen, ohne erkennen zu 
lassen, in welcher Breite und Höhe bei diesen beiden Gruppen eine besonders 
grosse und besonders geartete Noth besteht. Ich habe eine Untersuchung?) 
gemacht, welche einen Schritt weiter in dies dunkle Gebiet einzudringen sucht. 
Sie konnte sich freilich nur auf ein Jahr (1896) beziehen. 

Wenn eine Frau ein Kind bekommt, so ist es naturgemäss, dass sie in 
der häuslichen Zurückgezogenheit niederzukommen wünscht und das Kind bei 
sich behält und womöglich an der eigenen Brust stillt. In dem Maasse, wie 
diese Verhältnisse nicht zutreffen, muss man einen abnormen Zustand an- 
nehmen. Betrachten wir zuerst, wie häufig die Entbindung in Anstalten 
stattfindet: 

öffentl. Anstalten private Entbindungsanstalten privat 


I u II 
2226 (852) 4614 
31 pCt. (4,9) 63 pCt. 


Dass im Ganzen die Lebensverhältnisse am ungünstigsten in Gruppe I sind, 
geht schon daraus hervor, dass die Kinder hier am seltensten bei der Mutter 
bleiben. Die grösste Sicherung für mütterliche Erziehung wird durch Legi- 
timirung erreicht, hieran schliesst sich Pflege bei der unverheiratheten Mutter 
und Verwandten, die grösste Entfremdung bringt Haltepflege und vor allem 
Waisenpflege. 


1) Alle auf die Herausgabe der Verhandlungen der Deutschen Gesellschaft für 
öffentliche Gesundheitspflege zu Berlin bezüglichen Einsendungen u. s. w. werden an 
die Adresse des Schriftführers der Gesellschaft, Prof. Proskauer, Charlottenburg, 
Uhlandstr. 184, I, erbeten. Die Herren Autoren tragen die Verantwortung für Form 
und Inhalt ihrer Mittheilungen. 

2) Die unchelichen Kinder in Berlin. Gustav Fischer. Jena 1900. 


Verhandl. der Deutschen Gesellschaft für öff. Gesundheitspfl. zu Berlin. 249 


In der III. Gruppe wurden im 1. Jahre schon 15,4 pCt. legitimirt, 
in der [. Gruppe nur 2,3; es kamen in Haltepflege III. 15,3, I. 27,7, in 
Waisenpflege III. nur 2,1 pCt., I. 12 pCt. Betrachten wir vergleichsweise 
den Stand der Mütter in der I. und III. Gruppe, so überwiegen in I die 
Dienstboten (einschl. Wirthschafterinnen) mit 54 pCt.; dann Arbeiterinnen 
mit 19,3 pCt., Reinigung und Bekleidung mit 16,9 pCt., während in IIl Dienst- 
boten 27, Bekleidung und Reinigung 28, Arbeiterinnen 30 pCt. ausmachten. 

Der verhältnissmässig kleine Satz von Haltekindern in II] wird wesentlich 
von Dienstboten stammen, die kein eigenes Heim haben; meist sind die Kinder 
in Gruppe III unentgeltlich verpflegt und zwar in mindestens 42 pCt. in der 
Weise, dass die Mutter mit dem Kind bei Verwandten der Eltern wohnt. 

Vergleichen wir noch einmal, welchen Einfluss die Berufe der Mütter 
haben, so liegen die Verhältnisse am günstigsten, wenn die Mütter Arbeite- 
rinnen sind (wenn ich von dem kleinen Rest der Haustöchter bezw. der 
Mütter ohne bekannten Beruf absehe), danach kommt Beschäftigung in Reini- 
gung und Bekleidung (Wäscherinnen, Plätterinnen, Näherinnen, Schneiderinnen, 
Potzmacherinnen); in allen diesen Klassen sind die privatim Geborenen 
besser gestellt als die in Öffentlichen Anstalten Geborenen. Von der Ge- 
sammtzahl Kinder, welche von den in einer Berufsklasse thätigen Müttern 
geboren wurden, sind 


privat geboren dauernd legitimirt 
pCt. privat verpflegt 
1. Arbeiterinnen. . . . 75 81 15 
2. Reinigung u. Bekleidung 75 80 16 
3. Dienstmädchen . . . 68 61 15 
4.Rest . ... . 70 82 14 


Auch sind von 1 und 2 am wenigsten verzogen. 

Die ersten 3 Gruppen in Privatwohnung Geborener machen von allen 
Geburten 54,4 pÜt. aus. Ganz im Gegensatz zu den gebräuchlichen Anschau- 
ungen giebt es also mindestens die Hälfte aller unehelichen Kinder, welche einem 
Geschlechtsverkehr entsprossen sind, welcher aus den verschiedensten Gründen 
mit grösserem Recht als vorehelich wie als ausserebelich zu bezeichnen ist. 
Böckh hat anderweitig gefunden, dass bei den ersterwähnten 3 Berufsklassen 
(über die Arbeiterklasse konnte er nicht ins Klare kommen) 32 pCt. der Ehe- 
schliessungen solche sind, durch welche uneheliche Kinder legitimirt oder die 
Ehelichkeit der erwarteten Kinder sicher gestellt wird. Wir sehen hier also gleich- 
sam einen Uebergang von den unehelichen zu den ehelichen Kindern, indem ein 
Theil der Kinder vor der Ehe geboren, ein anderer Theil vor der Ehe gezeugt, 
aber in der Ehe geboren wird. Wir kommen hierauf zurück. 

Für die Sterblichkeit hat diejenige des Säuglingsalters die grösste 
Bedeutung: 1896 sind 36,5, 1897 88 pCt. aller Gestorbenen Säuglinge. Es 
kann freilich eine hohe Sterblichkeit der Unehelicben keinen übermässigen 
Biofuss auf die allgemeine Sterblichkeit haben: von 100 Ehelichen starben 
18,6, von 100 Unehelichen 42,2, von allen Kindern 21,6 pCt. Dass die 
Sterblichkeit der Unehelichen sehr hoch ist, lässt sich darum aber nicht be- 
streiten; 1896 war sie 2,3, 1897 2,1 mal so hoch als die der Ehelichen. Diese 


250 Verhandl. der Deutschen Gesellschaft für öf. Gesundheitspfl. zu Berlin. 


Sterblichkeit der Unehelichen ist nun noch sehr verschieden nach ihren Lebens- 
verhältnissen. 

Halten wir wieder an Gruppe I und III fest, so starben 

I H Unehel. überhaupt 
47,1 31,3 36,9 
in I also 1,5 mal so viel als in Ill. Es giebt also abgesehen von der an und für 
sich hohen Sterblichkeit der Unehelichen noch eine besonders schlecht gestellte 
Gruppe, welche freilich verhältnissmässig klein ist. 

Wie weit hängt die Sterblichkeit von den verschiedenen Formen der 
Pflege ab? Für die Beantwortung ist eine Berechnung nach Altersgruppen nötbig. 

Die private Pflege ist am wichtigsten, weil die meisten Kinder in ibr 
sind (5209 dauernd in Privatpflege): sie ist relativ am günstigsten und giebt 
für die Sterblichkeit den Ausschlag. Aber der 2. Monat hat bei privater Pflege 
die gleiche Sterblichkeit wie bei fremder Pflege (11 pCt.), denn in der pri- 
vaten Pflege macht sich in dieser Zeit noch geltend, dass viele Mütter noch 
keinen Verdieust haben oder die kranken Kinder nirgends unterbringen können. 
Es müssen hier vor Allem die in öffentlichen Anstalten Entbundenen 
in Betracht kommen, die ihre Kinder privatim pflegen (1. 2. Monat 17,7, MI. 
2. Monat 8,6 pCt. Sterblichkeit). 

In Haltepflege waren 1491 von 7200 Kindern = 1/5; 41,4 von 100 Halte- 
kindern stammen aus I, 47,4 aus Ill; die Hälfte sind Kinder von Dienstboten; 
je 16—17 pCt. von Arbeiterinnen, sowie von den in Bekleidung und Rei- 
nigung Beschäftigten. Eintritt am häufigsten am 9.—15. Lebenstage. 

Die Durchschnittsdauer der Haltepflege beträgt 4 Monat. Die Sterblich- 
keit ist die doppelte der unentgeltlichen Verpflegung (ausser in der 3. bis 
4. Woche und im 2. Monat). Vergleich mit dem Kinderschutzverein 
zeigt, dass die mangelhafte Pflege zu beschuldigen ist. 

Waisenpflege trat ein bei 1/4, weil die Mütter todt oder krank, bei !/,, weil 
die Mütter nicht mehr auffindbar waren. Von 100 Waisenkindern waren 71 aus 
Gruppe Í, und zwar wurden fast 1/3 aller Waisenkinder in den ersten 4 Wochen 
nach Entlassung der Mütter aus der Entbindungsanstalt aufgenommen. 

In den ersten 6 Lebenswochen kamen von 380 Waisenkindern in Waisen- 
pflege 209 — 55 pCt. Die Sterblichkeit war für die einzelnen Lebensabschnitte in 


unentgeltl. Pflege Waisenpflege pCt. 
am 16.—30. Tage 4,7 43,8 
1. Hälfte d. 2. Monats 5,8 41,0 
PER E 18,4 


Empfiehlt es sich, die Lage der unehbelichen Kinder in be- 
sondere Erwägung zu ziehen, und ist hierdurch nicht eine Be- 
nachtheiligung der ehelichen Kinder zu befürchten? 

a) Zunächst bitte ich Sie, sich zu erinnern, dass Sie mit Unrecht — wie 
nun einmal die Thatsachen liegen — Uneheliche zu Ehelichen in einen scharfen 
Gegensatz bringen. Nach einer exakten Berechnung von Böckh — allerdings 
aus dem Jahre 1855 — „werden im Vergleich mit den gleichzeitig in 
B. lebenden Unehelichen bis zum vollendeten 5. Lebensjahre fast 
2/; der unehelichen Kiuder legitimirt.“ Schon früher hatte ich erwähnt, 


Verbandl. der Deutschen Gesellschaft für Öff. Gesundheitspil. zu Berlin. 251 


dass die am stärksten am ausserehelichen Geschlechtsverkehr betheiligten Be- 
rufe — Arbeiterinnen, in Bekleidung uud Reinigung Beschäftigte, Dienstmäd- 
chen — diejenigen sind, welche auch am meisten voreheliche Zeugungen 
haben (letztere führen durch rechtzeitigen Abschluss der Heirath zu ehelichen 
Geburten), und dem füge ich hinzu, dass nach Böckh es andererseits auch 
gerade diese Berufsgruppen sind, welche auch in der Zahl der Ehe- 
schliessungen am weitesten über den Durchschnitt hinausgehen 
und hierdurch der in grossen Städten — auch bei uns — oft un- 
zareichenden Fortpflanzung der Bevölkerung zu Gute kommen. 

b) In Folge der Legitimation einer-, der hohen Sterblichkeit an- 
dererseits bleibt in späteren Jahren nur ein kleiner Rest von Unehelichen: 
Von 1000 im Jahre 1869, bez. 1870 in Berlin ehelich Geborenen waren zu 
20 Jahren noch 539, bez. 507 vorhanden, von 1000 in den Jahren 1868/69, 70 in 
Berlin geborenen Unehelichen 136, 140, 135. Die Kosten, welche diese Un- 
ehelichen dem Staate machen, würden sich besser verzinsen, wenn man sich 
von Geburt an mehr um sie bekümmert bätte. Während im Alter von 12 
bis 22 Jahren von den Ehelichen wegen Verbrechen und Vergehen 10 pCt. 
bestraft waren, waren von den Unehelichen 20 pCt. bestraft. Das einzelne 
bestrafte Individuum war ausserdem bei den Unehelichen 2,64mal so oft be- 
straft als das eheliche. Also schon in diesem Alter entwickelt sich der 
Gewohnheitsverbrecher. Ich könnte Ihnen dies Bild vervollständigen durch 
Zablen aus der Zwangserziehung, aus den Gefängnissen, aus der 
Prostitution. Vom moralischen Deficit abgesehen, müsste schon in 
Rücksicht auf die Unkosten, welche hierdurch erwachsen, eine bessere Für- 
sorge für die Unehelichen lohnend erscheinen. 

c) Die ungewöhnlich hohe Sterblichkeit ist der Ausdruck ungewöhnlich 
hoher Krankheitshäufigkeit und Siechthums. Meine Untersuchungen zeigten, dass 
die Lage der Unehelichen im Ganzen die Ursache hierfür ist, dass es aber ein- 
zelne besondere Gruppen giebt, wo die Sterblichkeit besonders hohe Gipfel 
erreicht. Auch bei den Ehelichen muss es solche Gipfel geben, nur dass 
sie seltener oder weniger hoch sind. Selbst wenn wir die in armenärzt- 
licher Behandlung stehenden Ehelichen und Unehelichen vergleichen, 
scheint bei letzteren die Sterblichkeit noch höher zu sein. 

Die Ursachen der ungünstigen Lage der unehelichen Kinder genauer 
zu beleuchten, würde hier zu weit führen: selbst wo das Kind in der Familie 
der Mutter oder — seltener — des Vaters aufwächst, sind die äusseren Ver- 
hältnisse in der Regel ungünstig. Immerhin sind sie hier im Durchschnitt 
noch um vieles besser als dort, wo das Kind überhaupt keine eigene Fa- 
milie hat und mit dem Nothbehelf einer solchen vorlieb nehmen muss. Hier 
ist auch die materielle Noth am grössten, der besonders der Säugling nur zu 
schnell erliegt. 

Es kann sich nicht darum handeln, den Unehelichen einen 
Vorzug vor den Ehelichen einzuräumen, sondern nur darum, ihnen 
im Verhältniss zu der Grösse ihres Nothstandes zu Hilfe zu kom- 
men. Es fällt bei uns keinem ein, dem unehelichen Kinde eine Aus- 
nahmestellung zu geben, wie es etwa Katharina II. versucht hat, oder wie 


252 Verhandl. der Deutschen Gesellschaft für öf. Gesundheitspfl. zu Berlin. 


es durch die Errichtung von Findelhäusern geschieht. Gerade letztere 
sind ein Beispiel schreiender Ungerechtigkeit: bestimmten Müttern wird es 
leicht gemacht, sich ihres Kindes zu entäussern, während man andere im 
Stich lässt. Etwas von dieser Ungerechtigkeit findet sich gerade bei 
der jetzigen Handhabung der Fürsorge: unter 327 von der Waisenpflege tiber- 
nommenen Unehelichen waren z. B. 111 (34 pCt.), wo sich die Mütter unauf- 
fiodbar gemacht hatten, und nur 56 Kinder waren in Waisenpflege, weil die 
Mütter einen Dienst hatten, aber ihre Kinder nicht verpflegen konnten. Aller- 
dings müssen diese Zahlen in den einzelnen Jahren einigermaassen wechseln 
— ebenso wie die bei der Aufnahme in das Waisenhaus befolgte Praxis hin 
und her schwankt. 

Eine ungleichmässige Behandlung erhalten die Unehelichen auch von den 
Organen der Armenpflege: ein Armenvorstand giebt das Geld, welches 
zur Ergänzung des von der Mutter aufgebrachten Pflegegeldes nöthig ist; sehr 
viele andere schlagen ein solches Gesuch rundweg ab. Wie auch die staat- 
lichen Behörden mangels einer grundsätzlichen Regelung der armenpflege- 
rischen Fürsorge in Verlegenheit sind, geht aus den Ausführungsbestim- 
mungen zur Polizeiverordnung betreffend das Haltekinderwesen hervor, in 
denen der überwachende Medicinalbeamte angewiesen wird ($ 23), falls die 
nöthige Pflege durch Mittellosigkeit verschuldet wird, sich mit Wohlthätig- 
keitsvereinen in Verbindung zu setzen! 

Wie wenig die Fürsorge für uneheliche Kinder ausreichend geregelt ist, 
zeigt sich besonders bei Betrachtung der kranken Unehelichen. Während 
gewisser Zeiten des Jahres fehlt es überhaupt an Platz in Krankenhäusern 
für kranke Säuglinge. Geradezu aus der Besorgniss heraus, die unehe- 
lichen Kinder nicht wieder los zu werden, hat man davon abgesehen, neue 
Krankenbetten für Säuglinge einzurichten; bald werden alle Kinder unter 
1 Jahr aus allen städtischen Krankenhäusern abgewiesen, bald wieder 
durchbricht die Noth den Damm der bestehenden Verordnungen, und man 
nimmt die Kinder vorübergehend wieder auf. Und welche Resultate haben 
diejenigen Krankenhäuser, welche obne Auswahl die Kranken aufnehmen, 
welche Resultate müssen sie haben? Sie wissen, wie leicht Neugeborenen 
die künstliche Ernährung bei ungünstigen Verhältnissen verderblich wird; 
auch ist Ihnen bekannt, dass die Unehelichen unter diesem Umstande ganz 
besonders leiden. Ihm ist es auch wohl zuzuschreiben, dass im Lebensbeginn 
die Sterblichkeit der Unehelichen im Verhältniss zu den Ebelichen am 
allergrössten ist und mit den folgenden Monaten stufenweise abnimmt 
(1. Mon. 3,2fach). Es wird unter diesen Umständen bei der Unmöglichkeit häus- 
licher Pflege nie an einem triftigen Grund fehlen, um einen jungen Säugling 
durch Vermittelung des Waisendepöts oder direkt in ein Krankenhaus zu 
bringen. Ich frage Sieaber, welche Gründe ausser seltenen Infektions- 
und chirurgischen Krankheiten Sie sich denken können, unter denen 
ein Kind besser im Krankenhause als zu Hause bei leidlicher Pflege auf- 
gehoben wäre. Es kommen ausser der Schwierigkeit, ein Kind entsprechend 
sorgfältig zu pflegen, die Gefahren hinzu, welche die Pflege gemeinsam mit 
ansteckenden Darmkrankheiten in sich schliesst (Heubner, Soltmann). 


Verhandl. der Deutschen Gesellschaft für öff. Gesundheitspil. zu Berlin. 253 


Thatsächlich starben von 380 Waisenkindern 70 = 21,3 pCt. schon im Depöt 
oder Krankenhause, bevor sie in Pflege gegeben wurden; ausserdem starben 
150 in Pflege und zwar von ihnen 72 pCt. im ersten Lebensmonat. 

Zähle ich jede Aufnahme in ein Krankenhaus besonders (unabhängig 
von der Zahl der Individuen), so blieben von 30 Kinderu, die im 1. Mo- 
nat in das Krankenhaus‘ kamen, 3, von 26 des 2. Monats 2 am Leben — 
also starben von 56 Kindern der ersten 2 Monate 51. 

Ich mache keiner Person, keiner Behörde, nicht einmal einem System 
einen Vorwurf, sondern vielmehr der Systemlosigkeit in der Fürsorge für 
die Cnehelichen. Anstatt sich rechtzeitig um die Kinder zu bekümmern, lässt 
man ihre Noth unbeachtet oder gewährt ihnen, soweit es gerade der Zu- 
fall will, die theure Krankenhauspflege, welche ihnen meist keine Rettung 
mehr bringt. 

Ich schilderte bisher einen Nothstand, der durch Mangel an Unter- 
halt entsteht; derselbe dürfte als solcher allgemein anerkannt werden, sodass 
ich ihn nicht genauer zu begründen brauche. Es ist allgemeine Regel der 
öffentlichen Armenpflege, dass sie eintreten muss, wenn eine Per- 
son der zum Lebensunterhalt erforderlichen Mittel entbehrt. Die 
Pflicht, für ihr uneheliches Kind zu sorgen ($ 1707), hat die Mutter, und sie 
müsste in einem solchen Falle die nöthigen Schritte thun, sie 
müsste um Hilfe bitten. Thatsächlich hat aber die Armenbehörde allen 
Anlass, von einem Antrag der Mutter abzusehen, und kaun im Fall der Noth 
nach allgemeinem Zugeständniss auch von selbst eingreifen. 

Dass diese Ansicht gerade hier zutrifft, erhellt ohne Weiteres daraus, dass 
auch die Gesetzgebung die Vertretung der kindlichen Interessen 
in der Regel nicht der unehelichen Mutter überlassen hat. 

Bevor wir hierauf genauer eingehen, wäre kurz die Stellung des Staates 
gegenüber den Unehelichen zu zeichnen. Es wacht über das uneheliche Kind 
das Vormundschaftsgericht und seine Organe (G.-W.-R., Vormund); 
die Haltekinder werden ausserdem noch von der Polizei vor schlechten 
Pflegemüttern geschützt; ich will mich über die Erfolge sehr kurz fassen: 
es ist hierbei nicht berücksichtigt, dass für das leibliche Wohl der Unehe- 
lichen die Gefährdung nach der Geburt am grössten ist und dann allmäh- 
lieh abnimmt. Dass selbst jenseits der grössten Gefährdung der G.- 
W.Rath nicht ausreicht, von dem Vormund ganz abzusehen, kommt 
in der Anordnung des Preussischen Ausführungsgesetzes Art. 77, $ 2, zum 
Ausdruck, dass zur Unterstützung des G.-W.-R. Waisenpflegerinnen be- 
stellt werden können. Wir könnten jetzt bei einem unehelichen Haltekind 
das Bild haben, dass es vom Vormund, dem G.-W.-R. und seinen Organen 
und von der Polizei und ibren Organen beschützt wird — eine Kombina- 
tion, die sinnverwirrend wirken würde, wenn die Absichten des Gesetzgebers 
wirklich zur Durchführung kämen. Für die schwierigste Zeit, die ersten 
Lebenswochen, ist aber noch nichts von alledem im Gange und das Kind auf 
die Fürsorge der Seinen angewiesen. Diese Thatsache ist in der Fürsorge 
für die Unehelichen von den schwerwiegendsten und schlimmsten Folgen. Dies 


254 Verhandl. der Deutschen Gesellschaft für öf. Gesundheitspfl. zu Berlin. 


ist im B. G.-B. dadurch anerkannt, dass dasselbe schon vor der Entbindung 
Schritte betr. die Alimentirung zulässt. 

Wenn ich mir Vorschläge zu einer Verbesserung der Fürsorge für die 
Unehelichen erlauben darf, so wird dies durch die Absicht des B. G.-B., dem 
guten und weitausschauenden Willen einen erheblichen Spielraum in socialen 
Fragen zu gestatten, erleichtert. Hierbei liegt es mir durchaus fern, Lasten 
von den Schultern wälzen zu wollen, welche sie nach Recht und Gesetz zu 
tragen haben. 

Gewisse Schwierigkeiten sind nur formeller Natur: hierher rechne ich die 
Langsamkeit der ersten Meldungen. Ein Ministerialerlass vom Jahre 1895 
giebt z. B. den Hinweis, dass das Standesamt die uneheliche Geburt dem G.- 
W.-R. melden könne, und dieser die Meldung an das Vormundschaftsgericht 
weiter geben solle. 

Nachdem die Geburt zur Kenntniss einer Behörde gekommen ist (unter 
Umständen gestattet auch schon die Kenntniss der Schwangerschaft ein ge- 
wisses Vorgehen), handelt es sich darum, möglichst schnell die Verhältnisse 
der unehelichen Mutter und ihres Kindes amtlich festzustellen. 

Es ist vor allem darüber eine Feststellung zu machen, wer für das Kind 
den Lebensunterhalt zunächst beizubringen hat, und es ist die Zahlung, bez. 
Einklagung der Alimente zu vermitteln. Bei dem grösseren Theil der unehe- 
lichen Geburten wird die amtliche Thätigkeit hierbei zunächst ihr Bewenden 
haben können (bei dem grössten Theil der bei Hebammen 5 pCt. und pri- 
vatim Entbundenen 64 pCt.). Anders bei einem kleineren Theil der privatim 
Entbundenen und einem grossen Theil der in öffentlichen Anstalten 
Entbundenen. Hier wird vielfach ausserdem eine armenpflegerische Thätig- 
keit zu entfalten sein. Da sich in der letzteren Gruppe ganz beson- 
ders geistig und sittlich minderwerthige Personen ansammeln, 
müsste allerdings gleichzeitig die Möglichkeit gegeben sein, die 
Armenunterstützung in bestimmter Form zu geben oder an be- 
stimmte Bedingungen zu knüpfen. 

Bevor ich die Möglichkeit eines derartigen Vorgehens bespreche, bemerke 
ich, dass ich den grössten Werth darauf lege, dass alle diese Maassnahmen 
schnell und sachgemäss durchgeführt werden, und ich die einzige Möglichkeit 
biezu darin sehe, dass es eine bestimmte Kommission giebt, welche sich dieser 
Thätigkeit widmet, und dass von der Bestellung eines Vormundes, die sich 
gerade bei Unehelichen schlecht bewährt hat, thunlichst abgesehen wird. 

Der G.-W.-R. des B. G.-B. hat bekanntlich nicht nur das Vormundschafts- 
gericht zu unterstützen ($ 1849 u. f. B. G.-B.), sondern hat auch (§ 1675 
B. G.-B.) dem Vormundschaftsgericht Anzeige zu machen, wenn ein Fall zu 
seiner Kenntniss gelangt, in welchem das Vormundschaftsgericht zum Ein- 
schreiten berufen ist. Das Vormundschaftsgericht aber hat nach § 1846 B. 
G.-B. auch dann, wenn noch kein Vormund bestellt ist, die im Interesse des 
Mündels erforderlichen Maassregeln zu treffen. Durch Beschluss der Ge- 
meindebehörde können die dem G.-W.-R. obliegenden Verrichtungen beson- 
deren Abtheilungen übertragen werden (Preussisches Ausführungsgesetz, Art. 
77, § 1). Ich sehe also keine Schwierigkeit, dass die Gemeinde an Ort 


Verhandl. der Deutschen Gesellschaft für öff. Gesundheitspfl. zu Berlin. 255 


nod Stelle durch einen hierzu gebildeten G.-W.-R. die Verhältnisse der 
nengeborenen Unehelichen feststellen lässt. Dieser G.-W.-R. würde am besten 
gleichzeitig Organ der Gemeinde-Armenverwaltung' sein und als solches so- 
weit nötbig Armenunterstützung gewähren und die Ansprüche an die unter- 
haltungspflichtigen Personen geltend machen. Gleichzeitig könnte die Ge- 
meinde in Person ihrer Beamten auf Grund ortsstatutarischer Bestimmung die 
Rechte und Pflichten eines Vormundes über die armenunterstützten Unehelichen 
übernehmen (Preussisches Ausführungsgesetz Art. 78, § 4). Ich lege hierauf 
ein ganz besonderes Gewicht, weil nur auf diesem Wege eine dauernde Ueber- 
wachung gerade derjenigen Unehelichen durchgeführt werden könnte, welche 
körperlich -und sittlich am meisten gefährdet erscheinen müssen. Bei den 
nicht armenunterstützten Unehelichen mag es ja vielleicht genügen, wenn sie 
später von ihrem örtlichen G.-W.-R. und den Waisenpflegerinnen — wenn sich 
diese bewähren sollten — überwacht würden. 

Dass aber die erste Sorge für die unehelichen Neugeborenen von einer 
amtlichen Stelle aus erfolgt, erscheint mir um so dringender, als sie nach 
meiner Erfahrung keineswegs nur mit solchen Müttern zu thun haben wird, 
welche eine Armenunterstützung begehren, sondern vielfach auch mit solchen, 
welche möglichst unbemerkt und unbekümmert um das Schicksal des Kindes 
in irgend einer Schlafstelle oder Spelunke unterzutauchen suchen. Soweit 
die Wöchnerin keine Möglichkeit hat, ihr Wochenbett abzuhalten, und soweit 
die Wöchnerin davon Gebrauch machen will, wird die Stadt ein kleines Asyl 
aufmachen müssen. Auf mein Betreiben ist vor 1 Jahre ein solches für 
diese Aermsten der Armen eröffnet worden; bei nicht zu ausgedehn- 
tem, familienhaftem Betriebe haben wir schöne Erfolge gesehen und den 
meisten Müttern nach ihrer Gesundung neuen Eintritt in den Beruf und den Neu- 
geborenen Verbesserung ihrer Lebensaussicht verschaffen können. Oft genug liess 
sich auch bei dieser Gelegenheit dem Kinde der Lebensunterhalt verschaffen, für 
den sonst die Armenbehörde hätte in Anspruch genommen werden müssen. Einige 
Mühe wird die Unterbringung in Haltepflege machen, da diese gerade bei den 
armenunterstützten Unehelichen häufig nöthig ist. Art. 78, $ 4 schreibt vor, 
dass die Pflegefamilie von der bevormundenden Verwaltung ausgewählt sein 
müsse. Insofern könnte man es nicht der Mutter überlassen, sich selbst eine 
Pflegestelle zu suchen. Doch dürfte diese Schwierigkeit um so eber zu über- 
winden sein, als schon jetzt die Mutter keine Pflegestelle bekommt, die nicht 
von der Polizei koncessionirt wäre. Eine Vereinbarung mit der Polizei wäre 
an und für sich unvermeidbar. 

Man könnte meinen, genug gethan zu haben, wenn man sich mit der 
Haltepflege beschäftigte. Es wäre dies einseitig und ungerecht. Gerade 
in den ersten 6—8 Wochen findet das Kind oft deshalb keine Haltepfege, 
weil die Mutter sie nicht zahlen kann. Gerade diese Kinder haben eine 
besonders hohe Sterblichkeit. Und warum wollen Sie sich gerade um die 
verbältnissmässig wenigen Haltekinder und gerade nur während der ca. 4 Mo- 
nate, wo sie in Haltepflege sind, bekümmern? (Es sind gleichzeitig immer 
600—700 Haltekinder vorhanden.) 

Zam Schluss: es lässt sich nach verschiedenem Schema das Ziel erreichen; 


256 Verhandl. der Deutschen Gesellschaft für öff. Gesundheitspfl. zu Berlin. 


das Wesentliche ist die Koncentrirung und die Durchführung mit sach- 
gemäss ausgebildeten und besoldeten Organen (Aerzten, Pflegerinnen). 
Es fehlt an Zeit, in dieser Richtung die Organisation genauer durchzusprechen, 
Da meine Vorschläge ja keine Utopien sind, so kann ich auf die Fürsorge, 
wie sie in Leipzig, Halle, Dresden und Königsberg in ähnlicher Weise 
schon durchgeführt ist, verweisen. 

Ich erlaube mir folgende Thesen aufzustellen: 

1. Es ist eine Zuflucht für hilf- und obdachlose Schwangere 
in den letzten Monaten der Schwangerschaft zu errichten. Sie be- 
steht aus 2 Abtheilungen, welche dem früheren moralischen Verhalten der 
Schwangeren Rechnung tragen; die Abtheilung für öffentliche und geheime 
Prostituirte könnte vielleicht im städtischen Obdach, die andere Abtheilung 
etwa in Verbindung mit der Gebärabtheilung des 4. städtischen Kranken- 
hauses eingerichtet werden. 

2. Es ist eine Wöchnerinnenunterkunft zur Nachpflege im Wochenbett 
zu errichten. Dieselbe soll an erster Stelle hilf- und obdachlose Wöchne- 
rinnen bis zur Arbeitstauglichkeit verpflegen und ihnen geeignete Stellen nach- 
weisen. Die Neugeborenen werden hier nur gemeinsam mit ibren Müttern ver- 
pflegt. Während des Aufenthalts in der Unterkunft werden die zur Erlangung 
des Unterbalts bei Privatpersonen und Behörden nöthigen Schritte eingeleitet 
(s. später) und wird die Verbringung der Säuglinge in die weitere Pflege 
vorbereitet. Es müsste die Wöchnerinnen-Unterkunft in kleine, vollkommen 
getrennte Abtheilungen mit familiärem Charakter (mit böchstens 15 Betten) 
zerfallen. (Muster: Unterkunft für hilfsbedürftige Wöchnerinnen und deren 
Säuglinge Berlin O. Blumenstr. TR.) 

3. Es ist ein Gemeindewaisenrath für die unehelichen in Berlin wob- 
nenden Kinder als Centralbehörde zu bilden, welche die Verhältnisse der un- 
ehelichen Kinder möglichst bald -- unter Umständen schon vor ihrer Ge- 
burt — regelt. Stellt sich bei der Untersuchung, welche nach der standes- 
amtlichen Meldung der Geburt eingeleitet wird, heraus, dass für den Unterhalt 
der Wöchnerin und des Neugeborenen zunächst gesorgt ist, so hat der Ge- 
meindewaisenrath dem Vormundschaftsgericht nur das Material zu übermitteln, 
welches etwa zur Sicherstellung des Unterbalts dienen kann. Erkennt jedoch 
der Beauftragte des G.-W.-R. das Vorhandensein eines Nothstandes, so über- 
nimmt er sofort im Auftrage der Armendirektion die Vormundschaft über das 
uneheliche Kind und gewährt eine die vorhandenen Mittel ergänzende Unter- 
stützung in zweckmässiger Form und Höhe; gleichzeitig übernimmt der G.- 
W.-R. die dauernde Kontrole über die Pflege der Kinder. Auch treibt der 
G.-W.-R. die Unterhaltungskosten von den Unterhaltungspflichtigen, soweit 
möglich, bei. 

4. Die kleineren Kinder sind vom G.-W.-R. mit Hilfe von Aerzten und 
besoldeten Pflegerinnen, die grösseren mit Hilfe besoldeter Erzieher zu 
überwachen. Freie ärztliche Behandlung und Arznei wird in der in der Armen- 
pflege gebräuchlichen Weise gewährt und zwar nicht nur an die armenunter- 
stützten, sondern auch au andere unbemittelte uneheliche Kinder. 

5. Mit der Polizeibehörde, welche die Haltefrauen und damit auch die 


Verhandl. der Deutschen Gesellschaft für öf. Gesundheitspil. zu Berlin 257 


Haltekinder jetzt überwacht, ist ein entsprechendes Uebereinkommen zu treffen; 
die Polizei könnte z. B. die Koncession an die Pflegemütter ertheilen und 
hierauf die Namen und Akten der Pflegemütter dem G.-W.-R. für uneheliche 
Rinder zur Verfügung stellen. 

6. Wenngleich die besondere Grösse der Noth bei bestimmten Gruppen 
der Unehelichen eine Einschränkung der Fürsorge auf letztere Gruppen mög- 
lich erscheinen liesse, ist es doch nötbig, dass eine Centralstelle — G.-W.-R. 
für uneheliche Kinder — zunächst von den Lebensverhältnissen aller un- 
ehelichen Kinder Kenntniss nimmt und sich dauernd ausschliesslich der 
Fürsorge für die unehelicheu Kinder widmet. Andererseits ist es vielleicht 
technisch möglich, einzelne Maassnahmen für die von dem Armenamt bevor- 
mandeten unehelichen Kinder mit entsprechenden Maassnahmen für Halb- 
und Vollwaisen, die von der Armen- oder Waisenbehörde verpflegt werden, 
zm vereinigen — vor Allem die gesundheitliche Ueberwachung der kleinen, 
die erzieherische Ueberwachung der grösseren Kinder. 


Diskussion. 

Bürgermeister Brinkmann: M. H.! Selbstverständlich haben die Thesen, 
was die Theorie anbetrifft, meine volle Billigung. Es wäre wunderschön, wenn wir 
Wöchnerinnen-Anstalten hätten; es wäre wunderschön, wenn allgemein eine Fürsorge 
für bedürftige Mütter und Kinder in solchen Anstalten stattfinden würde, wenn nament- 
lich die hilfsbedürftigen unehelichen Kinder bald nach ihrer Geburt in Fürsorge ge- 
nommen werden könnten. Ich bin überzeugt, dass es dann gelingen würde, den Grad 
der Sterblichkeit unter den Kindern herabzumindern. Für die Praxis ergeben sich 
aber selbstverständlich ganz erhebliche Schwierigkeiten. Die eine Schwierigkeit liegt, 
auf der Hand, das ist der Kostenpunkt. Die Anstalten müssen natürlich sehr gut 
ausgestattet sein und ausreichende Räume haben. Es muss nicht nur eine Anstalt 
son 25 Betten da sein, sondern für Berlin müsste eine Reihe von solchen Anstalten 
geschaffen werden. Ich zweifle, ob bei den Behörden hierfür Geneigtheit bestehen 
wird. Mir will es scheinen, als wenn die dritte These noch am ehesten die Wahr- 
scheinlichkeit für sich hätte, in Angriff genommen und mit einigem Erfolg ausgeführt 
zu werden. Aber auch in dieser Beziehung bestehen erhebliche Schwierigkeiten. Zu- 
nächst hat die öffentliche Armenpflege, die in Thätigkeit gesetzt werden soll, den bis- 
her kaum verlassenen Grundsatz, dass sie sich nicht aufdrängt, dass sie erst eintritt, 
wenn sie gerufen wird. Es ist daran bisher stets fest gehalten worden. Allerdings 
sind, wie sich an Beispielen beweisen liesse, Abweichungen von diesem Grundsatz 
für zulässig erklärt worden. Es giebt schon jetzt einzelne Fälle, wo die öffentliche 
Armenpflege, ohne dass Anträge gestellt werden, eingreift. Man muss sich aber klar 
darüber sein, dass man durch angebotene Hülfe unter Umständen ein grosses Maass 
von Verantwortung auf sich nimmt. Aber auch wenn man sich über diese Bedenken 
binwegsetzen wollte, stellen sich gleich andere ein. Es giebt bekanntlich genug 
Leute, die da sagen werden: wie kommt die bürgerliche Gesellschaft eigentlich dazu, 
gerade unehelichen Kindern ihre Fürsorge in so erhöhtem Maasse zuzuwenden. 
Wenn wir uns auch von der Auffassung früherer Zeiten befreit haben, dass den un- 
ehelichen Kindern ein gewisser Makel anhaftet — darüber sind wir Gott sei Dank 
hinaus —, so werden wir doch immer in gewissen Kreisen mit einem gewissen Wider- 
stand za rechnen haben. Es wird darauf ankommen, diese gegentheilige Ansicht mit 
überzeugenden Gründen zu widerlegen. An solchen Gründen wird es nicht fehlen. 
Da ist zunächst der Nachweis, dass die unehlichen Kinder zur Sterblichkeit den 


258 Verhandl. der Deutschen Gesellschaft für öf. Gesundheitsptl. zu Berlin. 


grössten Procentsatz liefern; ihre Sterblichkeit ist nämlich ziemlich die doppelte. 
Dazu kommt, dass die Fürsorge für uneheliche Kinder sich einschränken liesse, su 
dass die Fürsorge, wenn die schwierigste Zeit für das Leben des Kindes überwunden 
ist, eingestellt werden könnte und erst wieder auf Anrufen einzutreten haben würde. 
Bekanntlich ist die Kindersterblichkeit am grössten in den ersten Monaten des ersten 
Lebensjahres. Später kommen, wenn ich recht unterrichtet bin, die Zahlen der un- 
ehelichen und der ehelichen Kinder zusammen. Das führt ganz von selbst darauf. 
die gewünschte Fürsorge zwar möglichst sofort nach der Geburt eintreten zu lassen, 
aber nach der gefährlichsten Zeit wieder aufzuhören. Schränkte man die Fürsorge 
derart ein, so würde man auch die Gegner gewinnen. Die Ausgestaltung der Für- 
sorge könnte dann eine spätere Sorge sein. Es wird darauf ankommen. zunächst die 
Behörden zu überzeugen, dass eine solche Fürsorge nothwendig ist. Ich hoffe, wenn 
ich erst die Geneigtheit der Behörden habe, überhaupt einzuschreiten, wird sich auch 
ein Weg finden lassen. Die städtischen Behörden Berlins haben für die Waisenpflege 
von jeher eine grosse Vorliebe gehabt, sie haben mustergiltige Anstalten ge- 
schaffen und — man kann fast sagen — kein Opfer ist ihnen zu gross, wenn es gilt. 
diese Anstalten stetig zu verbessern. Sie werden, wenn sie sich von der Nothwendig- 
keit und Ausführbarkeit überzeugen, auch für die armen unehelichen Kinder Mitte! 
übrig haben. 

Herr A. Baginsky: M. H.! Ich bedaure, dass die Thesen nicht schon gedruckt 
für die Diskussion vorliegen; es lässt sich, ohne den Wortlaut derselben vor Augen 
zu haben, schwer im Einzelnen diskutiren. — Die von Herrn Neumann wieder ange- 
regte Frage ist eine hier schon öfters diskutirte. Ich darf wohl daran erinnern, dass 
ich bereits im Jahre 1886 über die Kost- und Haltekinder Berlins einen Vortrag in diesem 
Vereine gehalten habe, der in Form einerBrochüre separat (bei Friedrich Vieweg u.Sohn. 
Braunschweig) erschienen ist und von mir den maassgebenden Behörden zugängig ge- 
macht wurde. Ich habe damals, nach Klarlegung der gesetzlichen Bestimmungen und 
unter Hinweis auf die Lücken des sogenannten germanischen Systems der Versorgung 
von Kost-und Haltekindern, unter denen sich die unehelichen befinden, folgende wesent- 
liche Punkte als verbesserungsfähig dargestellt. 

1. Die Ueberwachung der Pfleglinge. Ich habe vorgeschlagen (S. 60 der Bro- 
chüre): Jedes in den Büchern der Waisenräthe geführte Kind ist in den ersten zwei 
Lebensjahren monatlich wenigstens einmal, später alle Vierteljahr von dem Waisen- 
rathe oder der ihn vertretenden Waisendame zu besuchen. Ueber den Befund der 
Pflegestelle und des Pilegekindes ist ein Fragebogen auszufüllen und am Schluss 
desselben ein summarisches Urtheil (Censur) zu geben. Die ausgefüllten Fragebogen 
sind zunächst der betreffenden Waisenrathskommission einzureichen, welche in allen 
schleunigen Fällen unter Mitunterschrift der betheiligten Waisenrathsmitglieder der 
Kommission nach Befinden definitive Anordnungen, die Pflege betreffend, zu treffen 
hat. mtliche Berichte gelangen in noch zu bestimmenden, aus der Praxis sich 
weiterhin ergebenden Zeiträumen, an den Vormundsohaftsrichter. 

Hier haben Sie sonach schon den Weg betreten, die Vormundschaft mit dem 
Waisenrath zusammen arbeiten zu lassen, um den bedrohten Kindern zu Hülfe zu 
kommen, 

2. Ich habe sodann unter ausführlicher Darstellung der Bedeutung der Ernäh- 
rung der Kinder an der Frauenbrust dafür plaidirt, die Kinder womöglich an der 
Brust der eigenen Mutter zu lassen, und zu diesem Zweck die direkte Subvention der 
Mutter vorgeschlagen. Damit würde, wie ich ausführte, für die Lebenserhaltung der 
Unehelichen besser, als durch irgendwelche anderen Maassnahmen gesorgt sein. 

3. Ich habe die Einrichtung eines Säuglingsasyls vorgeschlagen mit Ammen, 


Verhandi. der Deutschen Gesellschaft für ölf. Gesundheitspfl. zu Berlin. 259 


besser im Anschluss an das Waisenhausdepot der Commune, wobei ich bemüht 
war, nachzuweisen, wie es möglich sein würde, Ammen zu bekommen, die in den 
Dienst des Asyls treten würden. 

Diese Vorschläge sind damals gemacht und durch die Böckh’schen Zahlen der 
Sterblichkeit der Unehelichen begründet worden. -— Freilich ist der Erfolg der da- 
maligen Vorschläge ausgeblieben, sodass Herr Neumann nunmehr die damaligen 
Klagen neuerdings ins Feld zu führen Gelegenheit hatte. M; H. Ich will, so wichtig 
mir die Fürsorge für die Unehelichen sonach erscheint, dennoch nicht so weit gehen, 
wie esjetztgeschieht, dass ich dieselbe diesen ausschliesslich zugewendet wissen möchte. 
Wir wollen doch nicht ausser Acht lassen, dass eine brave Mutter im Arbeiterstande, 
die mit dem 4. oder 5. ehelichen Kinde niederkommt, oft viei elender daran ist, als 
eine unehelich Gebärende, und dass dem Neugeborenen aus ehelicher Geburt oft weit 
mehr Elend und Lebensbedrohung gegenübersteht, als dem unehelichen. — Man muss 
die Fürsorge also nach beiden Richtungen hin gleichmässig ausdehnen, wenn man 
bedrohte Kinderleben erhalten will. — Ich habe, wie Sie hören, ein Säuglingsasyl 
vorgeschlagen mit Mutterbrust- resp. Ammennahrung. — Ohne ein solches geht es 
absolut nicht, und schon die schwachen Versuche, die mit derartigen Säuglingsasylen 
von privater Seite gemacht sind — ich erinnere nur an die von Breslau und Dresden 
— haben sich so vortrefflich bewährt, dass nicht der geringste Grund vorhanden ist, 
sich gegen die Einrichtung derartiger Säuglingsasyle durch die Behörden aufzulehnen. 
Freilich müssen die Asyle in sachverständigster Weise geführt und geleitet werden, 
und denselben müssen als Correlate gut überwachte Privatpfleger zur Seite gesetzt 
werden. Mit den Privatpflegern allein wird es niemals recht gehen, schon um des- 
willen, weil ohne Asyl die Auswahl derselben erschwert ist, und gute Privatpfleger 
sind auch nicht in dem Umfange vorhanden, dass dieselben stetig ausreichen. Den 
Erfolgen guter Säuglingsasyle stehen die in gut geleiteten Säuglingsheilstätten zur 
Seite. Was will man aber damit erreichen, wenn man in demselben Athemzuge, in 
welchem man von der Fürsorge für die Unehelichen schwärmt, die Säuglingsasyle 
und Säuglingskrankenhäuser diskreditirt, indem man stetig mit dem Gespenst von 
Infektionen droht und die Behörden stutzig macht und schreckt. — In einem gut ge- 
leiteten Säuglingsasyl und ebenso in einem gut geleiteten Säuglingskrankenhause 
giebt es kaum mehr Infektionen, als in der Privatpflege. In beiden werden durch 
grösste Sorgfalt Infektionen der Säuglinge nicht völlig zu vermeiden sein, indess können 
sie auf das mindeste Maass beschränkt werden, wenn man sorgsam Acht hat.. — 
Natürlich muss Sorge getragen werden, dass ebenso das Säuglingsasyl, wie das Säug- 
lingskrankenhaus von den der augenblicklichen Hülfe nicht mehr bedürfenden Kindern 
eracuirt werde, dass diese Kinder in die Privatpflege kommen, wo sie weiterhin gut 
überwacht sind. Es wird Sorge zu tragen sein, dass Säuglingsasyl, wie Säuglings- 
krankenhaus mit allen denjenigen Mitteln und Hülfseinrichtungen (genügenden 
Pflegerinnen, neben der Mutter- und Ammenbrust sorgsamste Milchproduktion u. s. w.) 
versehen werden, die zur Aufptlege der Kinder nothwendig sind. Ich habe mich vor 
noch nicht langer Zeit nochmals ausführlich darüber geäussert 1) und darf wohl darauf 
binweisen. Wenn die von mir vorgeschlagenen Maassnahmen zur Durchführung ge- 
langen, so wird, des bin ich überzeugt, die Sterblichkeit der Säuglinge auf das über- 
haupt zu erreichende Mindestmaass redueirt werden. 

Herr Lentz: Die städtischen Krankenhäuser sind nicht immer in der Lage, die 
unebelichen Neugeborenen abweisen zu können. Das Waisenhaus und städtische Ob- 


1) Zur Säuglingskrankenpflege in grossen Städten. Berl. klin. Wochenschr. 
1897. No. 19. 


260 Verhandl. der Deutschen Gesellschaft für öff. Gesundheitspfl. zu Berlin. 


dach senden sie ihnen zu, und häufig treibt das Mitleid mit der Mutter, die schon 
verschiedene Krankenhäuser vergeblich um Aufnahme für ihr krankes Kind ersucht 
hat, ihr dasselbe abzunehmen. Die Sterblichkeit solcher Säuglinge ist, wie bereits 
erwähnt, eine auffallend grosse. Hauptsächlich gehen sie nächst dem Brechdurchfall 
an Atrophie zu Grunde. Es ist dies um so mehr auffallend, als die hygienischen 
Einrichtungen in unseren Krankenhäusern sehr gute sind, ebenso die Sterilisations- 
apparate und die Kochapparate für die Milch. Auffällig ist in dieser Beziehung der 
Vergleich des stationären mit dem poliklinischen Material. Ich glaube, dass die Ver- 
schiedenheit der Verpflegung der Kinder hier eine sehr grosse Rolle spielt. Die hy- 
gienischen Einrichtungen können nicht den Grund für die erhöhte Sterblichkeit der 
Kinder an Atrophie abgeben. Es fehlt vielmehr den Kindern im Krankenhaus an 
Bewegung, Luft und Licht; gerade die Bewegung und die äusseren Reize der. frischen 
Luft und des direkten Sonnenlichts halte ich für sehr wesentlich für die Besserung 
des atrophischen Kindes. Wir sind im Krankenhaus meist nicht in der Lage, alle 
Kinder in genügender Weise zu bewegen; ebenso wenig ist es möglich, alle Kinder 
ins Freie zu bringen. Wenn auf 1 Pflegerin 8—10 Kinder kommen, so hat die Pflegerin 
vollauf zu thun, die Kinder umzubetten und ihnen die Nahrung zuzutheilen. Es ist 
durchaus wünschenswerth, dass den Kindern das ersetzt wird, was ihnen durch die 
sociale Lage der Mutter abgeht, und es empfiehlt sich daher, dass die Kinder bis 
etwa zu 18 Monaten in Pflege zu Pflegemüttern gegeben werden. Die Pflegehaltungen 
müssen kontrolirt werden. Die Behörden und wohlthätigen Vereine müssen sich dieser 
Institution annehmen und eventuell mit Mitteln einsetzen, wo die Mütter nicht in der 
Lage sind, die Pflege aus eigenen Mitteln bestreiten zu können. 

Herr Brinkmann: Selbst auf’die Gefahr hin, Ihnen etwas Bekanntes mitzu- 
theilen, möchte ich doch erwähnen, dass der Stadt Berlin ein Nachlass zugefallen ist, 
welcher sie in den Stand setzt, binnen Kurzem ein Säuglingsasyl in grösserem Üm- 
fange zu eröffnen und in Betrieb zu setzen. So viel ich mich habe unterrichten können, 
ist bereits der Bau des Hauses fertig, es liegt in der Kürassierstrasse. Es handelt sich 
nur noch um die innere Einrichtung. Die Verwaltung ist an das Berliner Waisenhans 
in der Alten Jakobstrasse angeschlossen. Es sollen hier hauptsächlich kranke Kinder 
Unterkunft finden. Diese Stiftung und ihr Zweck sollen sich von dem Waisendepot 
hauptsächlich darin unterscheiden: Während die Waisenverwaltung dazu dient, die 
Verpflichtung der öffentlichen Armenpflege zu erfüllen, während also vor jeder Auf- 
nahme eines Kindes die sorgfältige Prüfung anzustellen ist, ob die Voraussetzungen 
für die öffentliche Armenpflege gegeben sind, so soll von diesen Voraussetzungen bei 
der Aufnahme von Kindern in dieses Asyl ganz abgeschen werden. Es sind eben 
Stiftungsmittel, die Verwendung finden sollen. Da ist es nicht nöthig, die Grundsätze 
des öffentlichen Rechtes ängstlich festzuhalten. Das Asyl soll wohl am 1. April 
kommenden Jahres eröffnet werden und, wenn ich recht unterrichtet bin, wird nach 
der Errichtung des Baues und nach Bestreitung der Ausgaben für die innere Einrich- 
tung unter Zuhilfenahme der Mittel einer anderen Stiftung, die eigentlich zur Errich- 
tung eines Findelhauses bestimmt war, ein jährlicher Zinsbetrag von etwa 36000 Mk. 
zur Verfügung stehen. Es ist das schon immerhin eine hübsche Summe, mit der sich 
manches machen lässt, wenn man damit sparsam umgeht. Wenn ich nun die Thesen 
recht verstanden habe, so will Herr Dr.Neumann nicht nur, dass geeignete Anstalten 
ins Leben gerufen werden, er will, dass von Amtswegen, ohne dass die Mutter, ohne 
dass der Vormund daran denkt, eine gewisse Fürsorge eingeleitet wird. Wir stossen 
hierbei nochmals auf die Frage, ob solche ungerufene Hilfe sich bei unehelichen Kin- 
dern rechtfertigen liesse. Ich führte schon den Grund an, dass die unehelichen Kinder 
in höherem Grade der Sterblichkeit verfallen sind. Es kommen aber meines Erachtens 


Verhandl. dor Deutschen Gesellschaft für öff. Gesundheitspfl. zu Berlin. 261 


noch andere Gründe hinzu. Es ist jedenfalls statistisch nachgewiesen, dass die un- 
ebeliche Jugend hinsichtlich der Bestrafung das doppelte Contingent stellt als die ehe- 
liche, so dass immer auf ein eheliches Kind 2 bestrafte uneheliche Kinder kommen. 
Wie häufig mag daran, dass solche Kinder straffällig werden, die ungenügende Für- 
sorge im Kindesalter schuld sein? Es ist das mit ein Grund, sich der unehelichen 
Kinder ganz besonders anzunehmen. Drittens glaube ich noch einen weiteren Grund 
entdeckt zu haben. Während für die Noth der ehelichen Kinder die Damen der Ge- 
sellschaft leicht geneigt sind, Abhilfe zu schaffen, besteht in diesen Kreisen doch eine 
gewisse Abneigung gegen die armen unehelichen Kinder. Wir haben in Berlin eine 
vanze Reihe von Anstalten, welche den Zweck haben, den Frauen der arbeitenden 
klasse die Sorge für ihre neugeborenen Kinder bei Tage während der Arbeitsstunden 
abzunehmen, wie die Kinderschutzvereine, Krippen, Wöchnerinnenheime. Wenn diese 
Kinderkrippen auch die unehelichen Kinder nicht gerade ausschliessen, so gehen sie 
doch weniger gern an die Aufnahme unehelicher Kinder heran. Das erste uneheliche 
Kind findet vielleicht noch Aufnahme in der Krippe, das zweite wird unter allen Um- 
ständen abgelehnt. Den Vorwurf der unehelichen Geburt dem Kinde nachzutragen, 
mag schon vom Wohlthätigkeitsstandpunkte bedenklich sein. Vom Standpunkte öffent- 
lieher Fürsorge lässt sich dies Verfahren nicht gut heissen. Sollen sich doch, wie mir 
neulich gesagt wurde — ob es richtig ist, werden ja die Herren Aerzte besser beur- 
theilen können — gerade unter den unehelichen Kindern häufig solche mit ganz be- 
‚underer Begabung befinden; man meint, dass die in freier Liebe erzeugten Kinder 
manches vor den ehelichen Kindern voraushaben. Ist das richtig, so wäre auch das 
ein Grund, die unehelichen Kinder mehr der Welt zu erhalten, als es jetzt leider ge- 
schieht. Die Herabminderung des Procentsatzes der Sterblichkeit unter den Kindern 
würde ein Segen für die ganze Menschheit sein. 

Herr H. Neumann: Ich bin dem Herrn Bürgermeister sehr dankbar, dass er 
aus den Thesen, die gleichwerthig neben einander zu stehen scheinen, das haupt- 
sächlichste Moment herausgegriffen hat, nämlich die Errichtung einer speciellen Be- 
hörde für die unehelichen Kinder. Ich möchte gleich hier bemerken, dass Herr Prof. 
Baginsky, wie Sie aus meinem Vortrag leicht ersehen, nicht das gleiche wie ich vor- 
xeschlagen hat und dies auch unmöglich thun konnte. Mein Vorschlag betreffend 
Errichtung eines Gemeinde-Waisenrathes, welcher sich als eine Centralbehörde 
mit den unehelichen Kindern befasst, ist erst durch Bestimmungen des: neugeschaffe- 
nen Bürgerlichen Gesetzbuches ausführbar geworden. Gerade durch die Leipziger 
Einrichtung einer vom Armenamt ausgeübten Generalvormundschaft ist bei den Ver- 
fassern des Gesetzbuches der Gedanke angeregt worden, die Paragraphen so zu 
fassen, dass die Leipziger Einrichtung nicht unmöglich, sondern im Gegentheil 
auch dort, wo sie nicht besteht, möglich gemacht werde. Es handelt sich hier um 
etwas wesentlich Anderos, als wenn jeder einzelne Gemeindewaisenrath für die unehe- 
lichen Kinder seines Kreises zu sorgen hat. Die letztere Einrichtung, wie sie bisher 
bestand, hat sich ebenso wenig wie die Vormundschaft bewährt, und man hat des- 
wegen die Möglichkeit geschaffen, wenigstens den armenunterstützten Kindern in der 
Armenbehörde einen Generalvormund zu geben. Ueberhaupt ist der Gesetzgeber sich 
darüber völlig klar, dass die unehelichen Kinder insofern besondere Ansprüche an das 
öffentliche Interesse haben, als ihre Lebensverhältnisse besonders gefährdet sind, und 
die Behörden sollten in gerechter Weise, je nach dem individuellen Bedürfniss, diese 
Kinder berücksichtigen. 

Der Kostenpunkt ist nicht so erheblich, wie es zuerst scheinen mag. Meine Unter- 
suchung ergab die interessante neue Thatsache, dass nur der kleinere Theil der Un- 
«helichen unterstützungsbedürftig sein dürfte; wenigstens waren von 7229 Kindern 


262 Verhandl. der Deutschen Gosellschaft für Öff. Gosundheitspfl. zu Berlin. 


3800 unter solchen Verhältnissen, dass sie privatim geboren und dauernd in unent- 
geltlicher Pflege waren, also niemals einer Behörde zur Last fielen; und weitere 1199 
in Anstalten Geborene waren im Uebrigen in der gleichen Lage, so dass nur 2230 mit 
der überwachenden Polizeibehörde oder der Waisenverwaltung in Berührung kamen. 

Hinsichtlich der Kosten für die von mir empfohlenen Anstalten ist zu bemerken, 
dass für bescholtene Schwangere und Wöchnerinnen sich leicht — im Anschluss an 
schon Vorhandenes — im städtischen Familienobdach Abtheilungen einrichten liessen. 

Was ein Kinderasyl betrifft, wie es Herr Baginsky verlangt — eine Unterkunft 
für Kinder — so habe ich ein solches überhaupt nicht verlangt, und zwar aus den Grün- 
den, die ich in meiner Arbeit gegen die Anhäufung von Kindern angeführt und belegt 
habe. Herr Baginsky sagte, dass wir schon derartige Anstalten hätten, die sich sehr 
gut bewährt hätten, z.B. in Breslau. Die Sterblichkeitsziffer der Anstalt in Gräbschen 
bei Breslau ist aber deswegen oine so glänzende, weil in dieselbe nur Kinder, die von 
ihren Müttern gestillt werden, aufgenommen werden und jedes Kind, das erkrankt, aus der 
Anstalt herausgeschafft wird; es handelt sich dort also gar nicht um ein Kinderasyl im 
Sinne des Herrn Baginsky, sondern um eine Anstalt, in der dieKinder nur zusammen 
mit der Mutter verpflegt werden, also gerade um eine Einrichtung, wie ich sie Ihnen 
auf das Wärmste empfehle. Uebrigens ist die Neigung zum Besuch von Anstalten bei 
uns viel zu gering, als dass Sie dieselbe sehr gross planen müssten. Miristumeine recht- 
zeitige behördliche Fürsorge — es ist dies nicht gleichbedeutend mit materieller Unter- 
stützung — viel mehr zu thun, und ich sehe die Bedeutung einer Wöchnerinnenunter- 
kunft z. Th. auch darin, dass hierdurch Zeit zur Regelung der Verhältnisse ge- 
funden wird. 

Eine Regelung der Verhältnisse der unehelichen Kinder macht sich in weit mehr 
als einer Richtung bezahlt. Nehmen sie nur dio unleidlichen Verhältnisse, welche 
bezüglich der Aufnahme kranker Säuglinge in Berlin bestehen; ich habe vom 30.0k- 
tober bis 24. November keinen Säugling in einem Berliner Krankenhaus unterbringen 
können; heute (26.November) meldete mir zum ersten Male die Centrale der Rettungs- 
gesellschaft, dass ein Bett frei sei. Die Kinder werden in der Regel weniger wegen 
ihrer Verdauungsstörung (um die es sich doch meistens handelt) ins Krankenhaus ge- 
bracht als wegen der Unmöglichkeit der Pflege; Sie können aber ein Kind einen Monat 
lang bei einer Haltefrau für das Geld verpflegen, welches eine nur 6—7 tägige Pflege 
im Krankenhaus kostet. Haltefrauen werden Sie in Fülle haben, wenn diese einer 
regelmässigen Entlohnung und einer entsprechenden Behandlung sicher sind (vergl. 
Angaben von Taube für Leipzig). 

Die Behörden glauben vielleicht, dass sie einer gründlichen Regelung unserer 
Frage überhoben seien, da Sie gerade im Begriff stehen, das Kinderasyl zu eröffnen. 
Eine kurze Berechnung zeigt aber, dass diese Einrichtung für sich allein nur eine 
weitere Ungerechtigkeit gegen die unehelichen Kinder Berlins darstellt, und um 
so dringender eine grundsätzliche Regelung wünschenswerth erscheinen lässt. Wie 
in dem Findelhaus — ein solches wollte der Haupttestator — wird jedes Kind, das 
sich meldet, zunächst aufgenommen, im Hause verpflegt und dann in Aussenpflege 
weiter gegeben. Die Mutter, die sich am leichtesten von ihrem Kinde trennt, findet 
hier die grössere Unterstützung als die liebevollere Mutter (gleiche Armuth bei beiden 
vorausgesetzt): es handelt sich hierbei übrigens von Beginn an nur um sehr wenige 
bevorzugte Mütter und Kinder und die Aufnahme Neuer muss sich zunächst von Jahr 
zu Jahr vermindern. 

Wenn Herr Baginsky meint, man solle nicht die Gefahren der Infektion bei der 
anstaltsweisen Pflege übertreiben, so sind sie allerdings bei einer sehr vorzüglichen und 
in Folge dessen sehr kostspieligen Einrichtung einzuschränken; bei einem Kinderasyl 


Verhandl. der Deutschen Gesellschaft für öff. Gesundheitspfl. zu Berlin. 263 


sind sie aber trotzdem um so weniger zu unterschätzen, als auch jene unglücklichen 
kranken Kinder, die in allen Krankenhäusern zurückgewiesen sind, an seiner Thür 
schliesslich anklopfen müssen. 

Schliesslich noch ein Letztes über den Kostenpunkt! Der Herr Vorredner spielte 
anf meine Untersuchungen über die Criminalität der Berliner Unehelichen an. Es ist 
2.Th.Schuld mangelhafter Fürsorge, dass sich unter ihnen schon im Alter von 21 Jahren 
zahlreiche Gewohnheitsverbrecher finden: berechnen Sie die moralischen und mate- 
riellen Kosten, welche das Verbrecherthum der Unehelichen dem Staate auferlegt, und 
Sie werden mit mir der Meinung sein, dass eine vorbeugende Fürsorge die Kosten, 
welche die Unehelichen verursachen, um Vieles geringer machen kann. 

Herr Finkelstein: Ich will nur zur Frage der Errichtung von Säuglingsasylen 
einiges bemerken. Es ist richtig, dass Anhäufung von Kindern ohne besondere Vor- 
sichtsmaassregeln zu den traurigen geschilderten Konsequenzen führt, deren Ursache, 
ob Infektion oder nicht, hier nicht erörtert zu werden braucht. Aber eben so richtig 
ist es, dass ein unter allen nothwendigen hygienischen Kautelen eingerichtetes Säug- 
lingsasyl diese Gefahren ausschaltet und alles leistet, was überhaupt verlangt werden 
kann. Beides haben die Erfahrungen der Charit& gelehrt. 

Man soll sich aber klar sein, dass die Errichtung eines Asyles nur denkbar und 
wirksam erscheint, wenn die Frage der Privatpflege geregelt und die Garantien für 
regelmässige Evacuation der im Asyl Behandelten dorthin gegeben ist. Wenn das fehlt, 
wird das Asyl gegenüber der Masse der in Betracht kommenden Kinder wenig nützen: 
die Betten sind dann stets besetzt, und je besser die Erfolge, desto langsamer der 
Wechsel. In der Charité wurden früher monatlich ca. 40, jetzt ca. 5—6 Säuglinge 
aufgenommen. Die Geheilten nehmen wegen der Unmöglichkeit der Evacuirung den 
neuen Kranken den Platz weg. Also nur in Verbindung mit Privatpflegeanstalten wird 
auch das gute Asyl danernd seinen Zweck in der konstanten Aufnahme verlassener 
Kinder gerecht weren können. 

Herr Baginsky: M.H.! Ich bitte zu entschuldigen, dass ich nochmals das 
Wort nehme; indess möchte ich nicht missverstanden sein. Ich habe nicht die Ab- 
sicht gehabt, mit der Erwähnung meines dem Neumann’schen Vortrage vorango- 
gangenen auf eine Priorität hinauszukommen, wenngleich eine solche de facto besteht. 
Es kommt aber bei einer so wichtigen Frage nicht darauf an, wer zuerst etwas gesagt 
hat, sondern was der Erfolg des Gesagten ist und bleibt. Ich habe die Gesetzgebung 
des neuen Bürgerlichen Gesetzbuches nicht voraussehen können, aber auch ohne eine 
solche habe ich die Zusammenarbeit der maassgebenden Behörden für nothwendig er- 
achtet, und wenn dieselbe jetzt erleichtert und gewährleistet ist, so ist das sicher gut 
und besser, als es früher erschien. Worauf es aber vor Allem ankommt, ich muss das 
nochmals ausdrücklich betonen, ist die Einrichtung eines guten Säuglingsasyls. Das 
Säuglingsasy] soll nicht zum dauernden Aufenthalt für die eingebrachten Kinder dienen, 
es soll eine vortrefflich eingerichtete Durchgangsstätte sein, aber mit aller Sicherheit 
derart ausgestattet, dass die Kinder ungefährdet eine Reihe von Tagen darin verbleiben 
können. Diese Durchgangsstätte ist unentbehrlich, weil man nur mit ihrer Hilfe Zeit 
gewinnt, den eingebrachten Kindern die geeigneten Privatpfleger auszusuchen. Es 
soll und muss Sorge getragen werden, dass man die Kinder an der Ammenbrust erhält, 
wenigstens für eine Zeit lang, und das gerade ist mit den Säuglingsasylen, denen 
Mütter und Ammen zur Disposition stehen, zu erreichen. Auch in der Aussenpflege 
ist darauf zu sehen, die Kinder an der Frauenbrust zu belassen, und auch das kann 
nur dann geschehen, wenn nicht das eingebrachte Kind à tout prix schleunigst wieder 
aus dem Waisenhausdepot entfernt werden muss, weil es daselbst nicht geeignet ver- 
sorgt werden kann. Ueberdies darf das Säuglingsasyl nicht mit dem Säuglingskranken- 


264 Verhandl. der Deutschen Gesellschaft für öff. Gesundheitspfl. zu Berlin. 


hause verwechselt werden; jenes ist für die gesunden, dieses für die kranken Kinder, 
und letzteres wird noch anderer Einrichtungen bedürfen, als das erstere. Wie speciell 
in Berlin die Verhältnisse liegen, reichen unsere bisherigen Einrichtungen nach keiner 
Richtung hin aus. Wir haben weder ein zweckmässig eingerichtetes Säuglingsasyl für 
die gesunden, noch sind unsere Krankenhäuser genügend ausgerüstet, kranke Säuglinge 
zu verpflegen. Darauf muss mit Nachdruck hingewiesen werden; es muss aber bei dem 
guten Willen und in jeder Beziehung regsten Bestreben unserer städtischen Behörden 
denselben nicht immer der Muth entzogen werden, wenn sie sich zu definitiven Ein- 
richtungen aufraffen wollen. Ich hege keinen Zweifel, dass alsdann in kurzer Frist die 
nothwendigen Einrichtungen getroffen werden können und auch getroffen werden. 

Herr Bütow: Ich kann nur das eben Gesagte bestätigen, dass wir die Absicht 
haben, die Kinder nur vorübergehend in das Asyl aufzunehmen und dann nach Ibis 
2 Monaten in Pflege abzugeben. Die Kinder sollen aufgenommen werden, so wie sie 
uns von den Müttern gebracht werden. Es ist in Aussicht genommen, nur Zimmer für 
4 Kinder einzurichten; auf 4 Kinder kommt I Wärterin. Nach Süden sind vor den 
Zimmern gedeckte Veranden errichtet, so dass die Kinder, so lange die Witterung es 
gestattet, den Tag über im Freien sich aufhalten können. Es liegt nun die Absicht 
vor, die aufgenommenen Kinder aus der Schmidt-Galisch’schen Stiftung, so lange 
sie in der Waisenpflege sich befinden, also bis zum 14. Lebensjahre, zu unterstützen. 
Es ist wohl klar, dass die Mittel der Stiftung nur für wenige Kinder ausreichen. 
Das Asyl ist nur für 50 Kinder eingerichtet, es wird also gewöhnlich gefüllt sein: 
die übrigen Kinder werden nach wie vor in das jetzige Waisenhaus abgegeben werden 
müssen. Eine völlige Abhilfe für Berlin wird auch durch die Errichtung dieses Asyls 
nicht zu erwarten sein. 

Herr Sanitätsrath Neumann: Die praktischen hygienischen Folgerungen, die 
sich aus dem Buche des Referenten ergeben, dürften wohl von den zuständigen Herren 
angenommen worden sein. Für mich hat das Buch noch eine andere Bedeutung, näm- 
lich die, dass es thatsächlich darstellt, wie eigentlich über das Schicksal der unche- 
lichen Kinder von den Behörden von Anfang an, d. h. von ihrem Geburtstage ab Buci: 
geführt werden sollte, um die grosse Gesellschaft mit dem Schicksal der unehelichen 
Kinder bekannt zu machen. Es ist, soviel mir bekannt, noch kein Buch erschienen, 
das über die Schicksale der unehelichen Kinder eines bestimmten Jahres in der Ant 
Rechenschaft giebt, wie es in diesem Buche nunmehr für Berlin pro 1896 geschehen 
ist, nachdem der Verfasser mit unendlicher Mühe sich bei den verschiedenen Behörden 
Material darüber verschafft hat. Nach meiner Ansicht würde das Buch die frucht- 
barsten Erfolge haben, die es haben kann, wenn von den zuständigen Behörden dafür 
gesorgt würde, dass solche Rechenschaft amtlich von ihnen jedes Jahr nicht nur ver- 
öffentlicht, sondern wenn auch dafür gesorgt würde, dass das thatsächliche Material, 
d. h. die entsprechenden Daten der Lebensgeschichte des unehelichen Kindes amtlich 
registrirt werden. Eine solche Veröffentlichung würde auch den Vortheil haben, dass 
das Vorurtheil, welches jetzt gegen die unehelichen Kinder in einer schädlichen Weise 
existirt, aufhören würde; andererseits würde sich zugleich die Furcht vor der über- 
mässigen Ueberlastung durch die unehelichen Kinder erheblich berabmindern. Da auf 
diese Seite des Buches in der Diskussion nicht aufmerksam gemacht worden ist, habe 
ich mir erlaubt, auf diesen Punkt hinzuweisen. 


Verlag von August Hirschwald, Berlin N.W. — Druck von L. Schumacher in Berliu. 


Hygienische Rundschau. 


Herausgegeben 
"von 
Dr. Carl Fraenkel, Dr. Max Rubner, Dr. Carl Günther, 
Prof. der Hygiene in Halle 2/8. Geh. Med.-R., Prof. der Hygiene in Berlin. Professor in Berlin. 


6. 


XI. Jahrgang. Berlin, 15. März 1901. W 


Zum Kampfe gegen die Konservirung von Nahrungsmitteln durch Antiseptika. 
Von 


Dr. Rudolf Abel, 
Physikus und Stadtarzt in Hamburg. 


I. 

Die Verwendung bestimmter chemischer Konservirungsmittel, so na- 
mentlich der Borsäure, der schwefligen Säure und der Salicylsäure, zur Halt- 
barmachung von Nahrungsmitteln hat in den letzten Jahren ausser- 
ordentlich an Umfang zugenommen und ist noch ständig im Wachsen begriffen. 
Man findet, um nur einige Beispiele anzuführen, Borsäure und Salze derselben 
benotzt zur Konservirung der verschiedensten Fleischwaaren, wie Schinken, 
Pökelfeisch, Brühwürstchen, Fische und Schaalthiere, als Konservirungsflüssig- 
keit zur Iojektion der von Amerika, Holland und Dänemark her vielfach ein- 
geführten, sog. „gespritzten“ Schweinelebern, damit auch in den Würsten, zu 
denen diese Lebern verwendet werden, ferner in den meisten Sorten Marga- 
rine, in konservirtem Eigelb, endlich selbst in neuester Zeit immer noch nicht 
ganz selten in Milch und Milchprodukten. Schweflige Säure dient, abgesehen 
son ihrer Verwendung zum Schwefeln von Fässern und anderen Gefässen, die 
Nahrungsmittel enthalten oder aufnehmen sollen, in Form ihrer Natrium- oder 
Calcinmserbindungen in weitester Verbreitung als Zusatz zu Hackfleisch und 
za manchen Wurstsorten, findet sich aber auch als Beimengung in eingemachten 
Gemüsen und Früchten, in Plaumenmus, in getrockneten Früchten, wie Prü- 
nellen und Aprikosen, und sogar in getrockneten Suppenkräutern. Salicylsäure 
wird sehr vielfach benutzt bei der Herstellung von Fruchtsäften im Grossen, 
nicht selten zur Erhöhung der Haltbarkeit von Bier und häufig zur Haltbar- 
machung von Fischen und Fischkonserven. 

Gegenüber der Verwendung der drei genannten Säuren in der Nahrungs- 
mittelindustrie tritt der Gebrauch der anderen, in den letzten Jahrzehnten 
empfohlenen Antiseptika ganz zurück. Kohlenoxyd, Kohlensäure, Wasserstoff- 
superoxyd, Metaphosphorsäure, Alkalichromate, Fluorverbindungen, Natrium 
aceticum, essigsaure Thonerde, Benzoesäure sind, wenigstens soweit meine 


19 


266 Abel, 


Erfahrungen reichen, gar nicht mehr oder nur ausnahmsweise in Gebrauch. 
Auch das jüngste Antiseptikum, der Formaldehyd, scheint, wohl wegen seiner 
unerfreulichen Nebenwirkungen auf die Beschaffenheit der mit ihm versetzten 
Stoffe, weniger, als man glaubte erwarten zu müssen, für Nahrungsmittel in 
Anwendung gekommen zu sein. 

Der ausgedehnten und immer mehr zunehmenden Verwendung der Bor-, 
Salicyl- und schwefligen Säure für die Haltbarmachung von Nahrungsmitteln 
kann die Hygiene nicht theilnahmslos gegenüberstehen. Ist doch zu befürchten, 
dass die Volksgesundheit schweren und dauernden Schaden leiden wird, wenn 
die Benutzung der Konservirungsmittel weiter wie bisher ungehindert um 
sich greift. 

Gegen die Benutzung der Antiseptika zur Nahrungsmittel-Konservirung 
haben der Oesterreichische Oberste Sanitätsrath, das Landesmedicinalkollegium 
in Sachsen und andere Gesundheitsbehörden sich wiederholt und energisch 
ausgesprochen. Auf dem internationalen Hygienekongresse zu Paris 1900 ist 
der Gegenstand unter Betheiligung zahlreicher bekannter Hygieniker eingehend 
behandelt worden, mit dem Resultate, dass man sich in einer Resolution da- 
hin entschieden hat, jeder Zusatz von antiseptischen Stoffen zu frischen 
Nahrungsmitteln sei als verwerflich zu bezeichnen. Derartige Gesammt- 
meinungsäusserungen anerkannter hygienischer Autoritäten sind nun allerdings 
recht werthvoll insofern, als sie dem Medicinalbeamten, dessen Aufgabe die 
Uebertragung der hygienischen Grundsätze in die Praxis ja ist, als kräftige 
Stütze dienen können, wenn er über ein mit Antisepticis versetztes Nahrungs- 
mittel ein verdammendes Gutachten abgiebt. Aber leider reichen dergleichen 
allgemeine Beschlüsse nicht aus, um eine energische Bekämpfung des Gebrauchs 
der Konservirungsmittel darauf zu gründen. Was fehlt, um eine solche mit 
mehr Aussicht auf Erfolg als bisher ins Werk zu setzen, das darzulegen, soll 
die Aufgabe der folgenden Zeilen sein, die Manchem wohl nichts neues sagen 
werden, immerhin aber meiner Meinung nach zeitgemäss und angebracht sind, 
da eine zusammenfassende Erörterung der in Betracht kommenden Verhältnisse 
bisher in der Literatur nicht gegeben zu sein scheint. 

Die Einwendungen, die die Hygiene gegen die Benutzang von Antisepticis 
zur Nahrungsmittel-Konservirung überhaupt und gegen die eingangs erwähnten, 
zur Zeit beliebtesten drei Mittel im besonderen zu erheben hat, lassen sich 
kurz in folgenden Sätzen zusammenstellen: 

1. Bor-, Salicyl- und schweflige Säure sind wie alle chemischen Anti- 
septika gesundheitlich nicht gleichgültige Substanzen. Leicht kann ein mit 
ihnen konservirtes Lebensmittel Mengen von ihnen enthalten, die seinen Genuss 
gesundheitsschädlich machen. Aber auch wenn vielleicht das einzelne Nah- 
rungsmittel nicht eine zur Gesundheitsschädiguug ausreichende Menge enthält, 
so können bei Aufnahme mehrerer derartiger Nahrungsmittel gesundheits- 
schädigende Quantitäten der Konservirungsmittel dem Körper zugeführt werden. 
Von Bedeutung ist in dieser Beziehung der Umstand, dass vielfach gerade die 
wichtigsten und häufig oder regelmässig genossenen Lebensmittel mit Antisep- 
ticis versetzt zu werden pflegen. 

2. Der Gebrauch chemischer Antiseptika in der Nahrangsmittelindustrie ist 


Zum Kampfe gegen die Konservirung von Nahrungsmitteln durch Antiseptika. 267 


aber nicht nur aus dem Gesichtspunkte ibrer Gesundbeitsgefährlichkeit verwerf- 
lich, sondern anch aus allgemeinen hygienischen Gründen. Es ist zu 
besorgen, dass der mit Konservirangsmitteln arbeitende Nahrungsmittelfabrikant 
und Händler im Vertrauen auf die konservirende Kraft der Antiseptika es bei 
der Herstellung und Aufbewahrung seiner Waaren an der wünschenswerthen 
Sorgfalt und Reinlichkeit feblen lassen wird, die er zur Vermeidung von Zer- 
setzungen seiner Artikel und daraus sich ergebenden geschäftlichen Verlusten 
beobachten muss, wenn er keine Konservirungsmittel verwendet. Und, was 
noch bedenklicher ist, durch den Zusatz der Antiseptika können sogar Waaren, 
die schon im Beginn der Zersetzung sich befinden und dadurch vielleicht schon 
gesundheitsgefährliche Eigenschaften erlangt haben, noch konservirt und voll- 
werthigen unzersetzten Waaren scheinbar gleichgemacht werden. 

Wenn nun der Medicinalbeamte diese Grundsätze in der Praxis bei der 
Begutachtung konservirter Nahrungsmittel anwendet, so stösst er nach zwei 
Richtungen auf Schwierigkeiten. Erstens sind die Kenntnisse, die wir über 
die Gesundheitsschädlichkeit der in Rede stehenden Konservirungsmittel be- 
sitzen, nicht genau genug, um dem gewissenhaften Gutachter im Einzelfalle 
stets eine ganz präcise Entscheidung möglich zu machen. Zweitens aber bietet 
die einschlägige Gesetzgebung zur Bekämpfung der Nahrungsmittel-Konser- 
virung durch Antiseptika, sobald die Frage nach der Gesundheitsschädlichkeit 
im Einzelfalle nicht unbedingt bejaht werden kann, nur selten genügende Hand- 
haben dar. Nach beiden Richtungen hin muss etwas geschehen, will man 
gründlicher als bisher gegen die Konservirung mit Antisepticis vorgehen. 


I. 


Die $$ 12—14 des Nahrungsmittelgesetzes bedrohen denjenigen mit Strafe, 
der absichtlich oder fahrlässig Nahrungsmittel in Verkehr bringt, ‚deren Genuss 
geeignet ist, die menschliche Gesundheit zu beschädigen. Hat nun der Medi- 
einalbeamte ein mit Borsäure, schwefliger oder Salicylsäure versetztes Nahrungs- 
mittel hinsichtlich seiner Gesundheitsschädlichkeit zu begutachten, so kann er 
sich mit dem allgemeinen hygienischen Grundsatze, dass ein die genannten 
Substanzen enthaltendes Nahrungsmittel gesundheitsschädlich wirken kann, 
nicht weiter helfen. Er muss präcise entscheiden, ob das zur Begutachtung 
stehende Nahrungsmittel bei seinem bestimmungsgemässen und vorauszusebenden 
Gebrauche, d. h. je nachdem in grösserer oder geringerer Menge, von Er- 
wachsenen oder Kindern, Kranken oder Gesunden, einmal oder wiederholt 
oder regelmässig genossen, geeignet ist, gesundheitsschädlich zu wirken. Ueber 
die in dem Nahrungsmittel enthaltene Menge Konservirungsstoff giebt ihm die 
Analyse des speciell geschulten Nabrungsmittelchemikers genauen Aufschluss. 
Ob diese Menge Konservirungssubstanz das Nahrungsmittel gesundheitsschädlich 
macht, muss der Medicinalbeamte allein entscheiden unter Zuhülfenahme 
etwaiger eigener Erfahrungen und der Literatur. Eigene Erfahrungen haben 
die Wenigsten zu sammeln Gelegenheit, die Literatur aber lässt leider so viel 
zu wünschen übrig, dass im Ganzen nur wenige brauchbare Daten aus ihr zu 
entnehmen sind. 

Es würde über den Rahmen dieses, nur eine allgemeine Uebersicht be- 

19* 


268 Abel, 


zweckenden Aufsatzes weit hinausgehen, wollte ich ausführlich die Angaben 
der Literatur, die einen Anhalt für die Begutachtung der Gesundheitsschäd- 
lichkeit von Borsäure, schwefliger Säure und Salicylsäure geben, anziehen 
und durchsprechen. Die folgende Zusammenstellung soll vur einen ganz ge- 
drängten Ueberblick über die noch am besten verwerthbaren Angaben bieten, 
um zu zeigen, dass das vorhandene Material thatsächlich unzureichend ist. 


Was die Borsäure anlangt, so behaupten Gade und le Bon, nach Genuss mit 
Borax konservirter Nahrungsmittel Erkrankungen gesehen zu haben, anscheinend ohne 
dass sie über Dauer der Aufnahme und Menge der verzehrten Bormenge genaue Auf- 
zeichnungen gemacht haben. Tubb Thomas met with a large number of cases of 
infantile diarrhoea due to tho presence of boracic acid in the milk. When pure milk 
was used, the diarrhoea ceased, but as soon as milk containing the acid was given, 
the diarrhoea recommenced. Mengenangaben fehlen. 

Fälle von Vergiftungen nach Aufnahme kleiner Dosen Borsäure zu arzneilichen 
Zwecken haben mitgetheilt Karsch (2 g einmal— gastrische Störungen, 3 g wiederholt 
— Inappetenz), Féré (1—8 g, quelquefois des la premiere administration le médica- 
ment provoque la nausće et le vomissement, il y a intolérance absolue, bei- Wieder- 
holung Hauterkrankungen), Evans (1,8—3,6 g tägl. 3 Wochen — Dermatitis), An- 
derson (bei der gleichen Dosis nach 7—10 Tagen in den meisten Fällen schädliche 
Wirkungen — Dyspepsie, sufficient to make life miserable), Wild (1,8 g tägl. längere 
Zeit— Dermatitis), Hall (1,8 g tägl. 9 Tage lang — Hautausschlag). Das Vorkommen 
von Albuminurie wird wiederholt erwähnt. Dagegen giebt es viele Fälle, in denen 
Borsäure in ungefähr den gleichen Mengen lange Zeit hindurch ohne sichtliche Gesund- 
heitsschädigung als Medikament genommen wurde. Hill sah bei zwei Kindern nach 
fortgesetztem Gebrauch von Boraxlösung zum Mundauswischen great emaciation with 
intestinal irritation and diarrhoea. 

An Thieren experimentirten Chittenden und Gies, Leffmann sowie Lieb- 
reich. Borsäure bis zu 3 g, Borax bis zu 5 g pro die beeinflusste bei Hunden die 
Ausnutzung der Nahrungsmittel nicht. Vigier behauptet sogar, dass 12 g Borax tägl. 
von Hunden ohne Schaden vertragen wurden. Annet hingegen sah Kätzchen sterben, 
die mit Milch von 0,05—0,1 proc. Borsäuregehalt gefüttert wurden; ein gleiches Re- 
sultat erhielten Bonjean und Pouchet bei Verfütterung borhaltiger Nahrung an 
Hunde. Mattern liess Hunde 6 Tage tägl. 1 g, dann 10 Tage tägl. 2 g Borsäure 
in Substanz nehmen und beobachtete danach Speichelfluss, Diarrhoe, blutigen Stuhl. 
starke Abmagerung. — Stoffwechselversuche am Menschen machten Forster und 
Schlenker mit dem Resultate, „dass die Borsäure“ (0,5—3,0 g) „der menschlichen 
Nahrung zugesetzt, die Resorption der aufgenommenen Nahrungsmittel beeinträchtigt.“ 
K. B. Lehmann und Mann konnten in einer Versuchsreihe am Menschen dagegen 
„nichts ähnliches konstatiren, doch könnten sich ja verschiedene Personen verschieden 
verhalten in solchen Einzelheiten.“ Binswanger (citirt nach Lewin) bemerkte nach 
2--4 g Borsäure häufigen Drang zum larnlassen und geringe Nausea, nach 8 g hef- 
tige Nausea, Erbrechen und Schmerzen in der Nierengegend. Lewin verzeichnet als 
Folgen von 2--6 g Borax Uebelkeit und Erbrechen. Mattern nahm 1 g Borsäure in 
100 g Wasser ohne Schaden, nach 2 g in 50 g Wasser bekam er Diarrhoe und so 
heftige Magenschmerzen, dass er keine weiteren Versuche machen mochte. Polli da- 
gegen berichtet, dass 8 Personen wochenlang 2—4 g Borsäure tägl. in Milch gelöst 
nahmen, ohne irgendwie davon zu leiden. Vigier bemerkte an sich selbst nach 3,5 g 
Borax nichts als Steigerung des Appetits. — Die Einwirkung auf Verdauungssäfte 
prüften u. A, Rideal und Foulerton. Sie fanden, dass Borlösungen 1; 1000 die 


Zum Kampfe gegen die Konservirung von Nahrungsmitteln durch Antiseptika. 269 


Mundspeichelverdauung stark, die Pepsin- und Pankreatinverdauung weniger beein- 
trächtigen. Noch günstigere Resultate hatten ähnliche Versuche von Liebreich. — 
Die Ausscheidung des Bors erfolgt hauptsächlich durch die Nieren und hält noch lange 
nach Aussetzen an (Fer€ u. A.), so dass Kumulation möglich erscheint. 

Ueber die schweflige Säure liegen folgende Angaben vor: Erkrankungen nach 
Genuss von Nahrungsmitteln mit schwefliger Säure sind bisher nur vereinzelt be- 
schrieben worden. So berichtet Bornträger, dass er an sich selbst nach Genuss 
von Brühwürstchen mit schwefligsauren Salzen regelmässig Aufstossen, Druck im 
Magen und Kopfschmerzen bemerke. Aehnliche Angaben machen auch Andere. Ob 
in einer von Forster (Plauen) erwähnten Massenerkrankung nach Genuss von Hack- 
fleisch mit Präservesalz die schweflige Säure allein die Gesundheitsschädigungen 
veranlasst hat, könnte zweifelhaft sein. — Ueber Gesundheitsschädigungen bei thera- 
peutischer Verwendung haben Bernatzik und Braun geschrieben. Von 14 Wöchne- 
rinnen vertrugen nur 2 die Aufnahme von 0,08 g SO, in 360 g Zuckerwasser über 
den ganzen Tag vertheilt ohne alle Beschwerden; die anderen klagten über den 
widerlichen Geschmack, bekamen Aufstossen, Durchfälle, Erbrechen. 3,75 g NaHSO, 
'=12%3gS0,) vertrugen von 12 Wöchnerinnen 4, von den anderen erkrankten meh- 
rete schon nach einer Dosis an Diarrhoen. Roe gab dagegen Kindern 1,875 g 
\aHSU,, das angeblich noch giftiger ist als NaaSOg, pro die ohne Nachtheil. In den 
Pbarmakopöen mehrerer Länder ist Natr. sulfurosum und bisulfurosum als officinelles 
Arzneimittel enthalten, wird daher vermuthlich auch noch als Medikament benutzt, 
ohne dass man von Schädigungen hört. — An Thieren machten L. Pfeiffer und 
Kionka Versuche. Letzterer fütterte u. a. Hunde mit Fleisch, dem nicht mehr als 
02 pCt. eines 7,5 pCt. SO, enthaltenen Natriumsulfit-Präservesalzes zugesetzt waren, 
und sah danach bei den, allerdings sehr viel fressenden Thieren Blutungen, Gefäss- 
‚erlegungen und Entzündungsvorgänge in Lungen und Nieren. — An gesunden Men- 
schen endlich experimentirien mit Lösungen in Wasser Polli (8—12g schwefligsaure 
Salze ohne Beschwerden) und L. Pfeiffer (nach 0.5 Na,SO, — wasserfrei oder kry- 
stallisirt? — bei mehreren Personen deutliche Störungen im Befinden); ferner ver- 
zehrten einige Kölner Aerzte(Prior u.A.) 1—2g Präservesalz pro die(mit wieviel S03?) 
in Hackfleisch längere Zeit ohne Schaden. In K.B. Lehmann’s Laboratorium wurden 
wiederholt 0,2 Na,S0, = 0,1 SO, ohne Nachtheil von gesunden Personen genommen. 
Vor einigen Jahren habe ich an mir selbst und 17 anderen gesunden Männern von 
15—40 Jahren Versuche angestellt, in denen kleine Dosen eines 9,64 pCt. SO, cnt- 
haltenden Präservesalzes in Hackfleisch auf Brot genossen wurden. 0,5 und 1,0 g des 
Salzes pro die wurden während der Versuchsdauer von 12 Tagen anscheinend gut er- 
tagen, auch einmalige Dosen bis zu 2,5 g blieben ohne sichtbaren Schaden. Ueber- 
Zang in eine andere Thätigkeit hinderte die Fortsetzung der Versuche. Bestimmten 
Wahrnehmungen nach möchte ich ferneren Experimentatoren auf diesem Gebiete ganz 
besonders auf die Nierenfunktion Obacht zu geben rathen!). — Versuche über die Ein- 
wirkung schwefligsaurer Salze auf den Stoffwechsel des Menschen liegen bisher nicht 
vor, Die Wirkung auf die Verdauungsfermente in vitro scheint nicht schr stark zu sein. 
Die Ausscheidung erfolgt hauptsächlich als SO,, und wie es scheint ziemlich schnell, 
durch die Nieren. 


1) Bei allen Versuchen mit Präservesalz sollte stets angegeben werden, wieviel 
>, das Salz enthielt. Der SO,-Gehalt schwankt bei den im Handel vorkommenden 
Salzen etwa zwischen 6 und 25 pCt.! Auch der Ausdruck „schwefligsaures Natrium“ 
Sieht zu Zweifeln Anlass, da es sich dabei sowohl um Na,SO, wasserfrei wie um 
1480, krystallisirt wie um NaHSOg handeln kann. 


20 


270 Abel, 


Von den Erfahrungen über die Salieylsäure sind folgende die wichtigsten: 
Vergiftungen nach Aufnahme in konservirten Nahrungsmitteln scheinen nicht beschrie- 
ben worden zu sein. — Bei therapeutischer Verwendung in Dosen von 4—6 g sini 
Vergiftungserscheinungen sehr häufig. Todesfälle sollen nach Aufnahme von 5g, 3,tx. 
2,4g, ja sogar ca.0,7g beobachtet worden sein. Namentlich Nierenkranke sind empfind- 
lich. Brouardel sah bei einem alten Manne mit nicht intakten Nieren Vergiftung 
durch 1 g pro die (Dauer der Medikation?). Dubrisay beobachtete bei zwei Kranken 
nach Salicylsäuregebrauch (wie viel und wie lange, wird nicht erwähnt) vorüberg«- 
gehende Impotenz und glaubt ähnliche Erfahrungen bei Experimenten an Kaninchen 
gemacht zu haben. — Bei Thieren wird der Eiweisszerfall durch Salicylsäure erhöht 
(Woltsohn, C. Virchow). Stoffwechselversuche am Menschen fehlen. Simons. 
Chittenden, Leffmann, Hill fanden, dass schon schwache Salicylsäure-Lösungen 
die Wirkung der Verdauungsfermente in vitro beeinträchtigen. — In Experimenten vun 
Kolbe und von Lehmann nahmen gesunde Menschen Monate lang 0,5—1,0 g Sali- 
eylsäure tägl. anscheinend ohne Schaden in Getränken auf. — Nach Aufhören des 
Salicylsäuregebrauches findet noch längere Zeit Ausscheidung durch die Nieren statt. 


Diese kurze Uebersicht, die die wichtigsten Daten der Literatur, darunter 
„eine ganze Zahl in den gebräuchlichen Handbüchern nicht enthaltener beibringt. 
genügt, um zu beweisen, wie dürftig die Unterlagen sind, auf die der Medi- 
cinalbeamte sein Gutachten gründen muss. Auffallend ist die so sehr grosse 
Zahl einander direkt widersprechender Angaben der Literatur. Wenn ihnen 
gegenüber auch im Allgemeinen der Standpunkt der richtige sein wird, dass 
eine einzige positive Feststellung einer Gesundheitsschädigung durch eine be- 
stimmte Dosis eines Konservirungsmittels mehr bedeutet, als zehn Beobachtungen. 
in denen die gleiche Dosis anscheinend nicht schädlich gewirkt hat, so ist 
doch nicht zu verkennen, dass von den positiven Angaben manche nicht ge 
nügend sicher begründet erscheinen. Vor allem aber drängt sich die Ueber- 
zeugung auf, dass die Mehrzahl von ihnen nicht unmittelbar für die Beur- 
theilung der. gesundheitsschädlichen Wirkung bestimmter Mengen der Konser- 
virungsstoffe in Nahrungsmitteln zu verwenden ist. Ohne Frage ist es 
ganz etwas anderes, ob ein Mensch eine Dosis von 2—3 g Borsäure in starker 
wässeriger Lösung trinkt, oder ob er sie in grossen Mengen von Nahrungs- 
substanz vertheilt in den Magen einführt. 

Es dürfte sich lohnen, die Methoden, mit Hülfe welcher Aufschlüsse über 
die gesundheitsschädlichen Dosen der Bor-, Salicyl- und schwefligen Säure 
gewonnen worden sind und überhaupt gewonnen werden können, einmal ge- 
nauer zu besprechen, und zu würdigen, inwieweit jede von ibnen Anhalte für 
die Feststellung zu liefern vermag, in welchen Dosen die Antiseptika in 
Nahrungsmitteln gesundheitsschädlich wirken können. 

In erster Linie werden wir Erfabrungen sammeln können durch Beob- 
achtung von Erkrankungen, die nach dem Genusse konservirter Nahrungs 
mittel sich ereignen. So einfach und zweckmässig dieser Weg zur Erkenntnis 
auf den ersten Blick erscheint, als so schwer begehbar erweist er sich 
bei näherer Betrachtung und zwar deshalb, weil es schwierig ist, voll- 
kommen verwerthbare einschlägige Beobachtungen za machen. Die Gesund- 
heitsstörungen, die sich an die Aufnahme von antiseptischen Stoffen in Nah- 
rungsmitteln anschliessen, werden, da der Gehalt an Antisepticis sich innerhalb 


Zum Kampfe gegen die Konservirung von Nahrungsmitteln durch Antiseptika. 271 


gewisser Grenzen zu halten pflegt, im Ganzen nicht oft akut auftretende sein, 
und selbst wenn sie dies sind, durchaus nicht immer unmittelbar auf den 
Gennss des Konservirungsmittels hinweisen. Es ist ja gerade das Gefährliche 
bei der bisherigen Verwendung der Antiseptika in der Nahrungsmittelindustrie, 
dass der Konsument von ihrer Anwesenheit der Regel nach nichts ahnt. Auch 
wenn er unmittelbar nach Aufoahme einer gesundheitsschädlichen Menge eines 
Konservirungsmittels an Magen- und Darmkatarrh erkrankt, wird er und eben 
so wenig der ihn behandelnde Arzt sogleich darauf verfallen, eine Vergiftung 
durch ein Nahrungsmittel-Antiseptikum zu vermuthen. Der Gedanke an irgend 
einen „Diätfebler“ oder andere Schädlichkeiten liegt im täglichen Leben viel 
näher. Steigt aber wirklich die Vermuthung des Richtigen auf, so fehlt meist 
noch mancherlei zum exakten Nachweis des Zusammenhanges, nämlich erstens 
die zuverlässige Ausschliessung anderer Erkrankungsursachen, zweitens der 
chemische Nachweis des Antiseptikums in dem verdächtigen Nahrangsmittel, 
von dem häufig nichts mehr zur Untersuchung vorhanden ist, und drittens 
eine genaue Bemessung der Menge des genossenen Nahrungsmittels, ein Faktor, 
der im einzelnen Falle für die Beurtbeilung wichtig sein kann. 

Viel häufiger als akut werden die Folgen des Genusses von Nahrung mit 
Konservirungsstoffen, namentlich wenn derselbe häufig wiederholt oder dauernd 
erfolgt, sich chronisch entwickeln, dann aber auch um so leichter, da gar kein 
Anzeichen auf die Nahrung als Krankheitsursache hinweist, in ihrer Aetiologie 
verkannt werden. Welcher Arzt, geschweige denn welcher Kranke würde auf 
die Vermuthung kommen, die Ursache für die Entstehung eines chronischen 
Magendarmkatarrhs, einer Nephritis, eines sogenannten „nervösen Kopfschmerzes“ 
oder dergleichen in dem häufig wiederholten Genuss anscheinend ganz einwand- 
freier Nahrungsmittel, trefflich aussehender und schmeckender Fleischwaaren 
2. B., zu suchen? Und doch müssen wir es nach dem, was wir bisher wissen, 
für sebr wohl möglich halten, dass oft ein solcher Zusammenhang besteht, 
wenn auch der Beweis dafür selbst von dem sorgfältigsten Beobachter nicht 
immer völlig zu erbringen ist. 

Die Leute, die den Gebrauch der uns beschäftigenden Konservirungsmittel 
in der Nahrungsmittelindustrie im weitesten Umfange erlaubt sehen wollen, 
Leute, nebenbei gesagt, die sich mit besonderer Vorliebe als Hygieniker be- 
zeichnen, meist aber weder ihrer Vorbildung noch ihrer Geistesrichtung nach 
auf diesen Titel mit irgend welchem Rechte Anspruch machen können, betonen 
mit grossem Nachdruck immer wieder, dass Schädigungen der Gesundheit durch 
den Genuss mit Borsäure u. s. w. konservirter Nahrungsmittel nie oder doch 
so gut wie nie beobachtet worden seien. Abgesehen davon, dass es doch 
schon einzelne Fälle giebt, in denen solche Schädigungen sicher nachgewiesen 
sind, vergessen diese Leute, oft genug wohl mit Absicht, immer die Schwierig- 
keiten, die dem Nachweis des Zusammenhanges zwischen Genuss und Erkran- 
kung entgegenstehen. Es ist zu hoffen, dass, wenn erst die Aufmerksamkeit 
der Aerzte sich in Zukunft mehr auf diesen Punkt richten wird, ein solcher 
Nachweis öfter als bisher gelingen wird. Immerhin dürfen wir nicht erwarten, 
auf diesem Wege sehr „genaue Aufklärungen über die Quantität, in der die 
Antiseptika in Nahrungsmitteln schädlich wirken, zu erhalten, da, zumal bei 

20* 


272 Abel, 


chronisch entstandenen Störungen, meist der genaue Gehalt der genossenen 
Nahrung an Konservirungsmitteln nicht bekannt und auch die aufgenommene 
Menge der konservirten Nahrungsmittel niemals ganz zuverlässig festzustellen 
sein wird. 

Der zweite Weg, auf dem wir zu Aufschlüssen über die gesundheits- 
schädigend wirkende Quantität der Antiseptika gelangen können, eröffnet sich 
in der Beobachtung gesundheitsschädlicher Wirkungen bei therapeutischer 
Verwendung der Antiseptika. Diese Methode der Erkenntniss besitzt den Vorzug, 
dass die aufgenommene Menge des Mittels genau bekannt ist, und dass eine 
ständige genaue Kontrole der das Mittel nehmenden Person und der bei ihr 
. auftretenden Erscheinungen durch einen Fachmann, den behandelnden Arzt, 
stattfindet. Thatsächlich beruhen die Mehrzahl unserer Kenntnisse über die 
Gesundheitsschädlichkeit der Borsäure u. s. w. auf Beobachtungen, die auf 
diesem Wege erlangt worden sind. Natürlich muss bei der Verwerthung der 
so gewonnenen Zahlen der Umstand Berücksichtigung finden, dass die Personen, 
die Arzneimittel nehmen, schon krank sind, und dass ihr nicht als ganz normal 
zu betrachtender Organismus wahrscheinlich schon auf kleinere Dosen der 
Antiseptika reagirt als der Körper eines ganz gesunden, gleichaltrigen und 
gleichgrossen Individuums. Ferner aber darf man nicht übersehen, dass die 
Art, in der ein Antiseptikum als Medikament, auch wenn man nur die Appli- 
catio per os berücksichtigt, und die Weise, in der es in und an einem Nah- 
rungsmittel aufgenommen wird, doch wesentlich verschieden sind. Bei der 
Aufnahme in Lebensmitteln wird das Antiseptikum in stark verdünntem Zu- 
stande, mit allerlei anderen Stoffen vermischt, in den Magen gebracht, bei 
Einnahme zu arzneilichen Zwecken gewöhnlich in weit weniger starker Ver- 
dünnung und weniger mit anderen Substanzen untermischt, häufig z. B. nur in 
Wasser gelöst. Es liegt auf der Hand, dass es im letzteren Falle eher lokale 
Reizungen im Magen und Darm verursachen und schneller resorbirt werden 
kann, als im anderen’). f 

Bei der grundverschiedenen Applikationsweise kann aus den Erfahrungen 
über die schädlichen Wirkungen von Antisepticis bei therapeutischer Verwen- 
dung ein Schluss auf die Wirkung gleicher Quantitäten bei Aufnahme mit 
Nahrungsmitteln doch nur recht vorsichtig gezogen werden. 

Die dritte Methode besteht in der Prüfung der Antiseptika am Thiere. 
Der Thierversuch erlaubt uns, ad libitum mit kleinen oder grossen Dosen zu 
experimentiren, da das Objectum reactionis als ein Corpus vile gelten kam. 
Andererseits ist das Thier kein sehr empfindliches Reagens. Kleine Störungen 
seines Wohlbefindens entgehen der Wahrnehmung, nur stärkere Beeinträchti- 
gungen sind erkennbar. 

Ganz verfeblt ist natürlich das noch vielfach beliebte Verfahren, aus der 
beim Thier als schädlich erkannten Menge eines Stoffes die für den Menschen 


1) Unter Umständen kann allerdings die Sache auch umgekehrt liegen, so nām- 
lich, dass grosse Dosen weniger toxisch wirken, weil sie schnell aus dem Körper aus- 
geschieden werden, als kleinere, die länger im Körper verweilen. Man denke an das 
Kalomel, das eher in kleinen Dosen als in grossen zu Intoxikationen führt! 


Zum Kampfe gegen die Konservirung von Nahrungsmitteln durch Antiseptika. 273 


schädliche durch einfache Multiplikation mit der das Verhältniss zwischen den 
Körpergewichten beider ausdrückenden Zahl berechnen zu wollen. Wenn ein 
Hund von 10 kg durch 1 g eines per os aufgenommenen Antiseptikums deut- 
lich krank gemacht wird, so darf man natürlich nicht folgern, dass bei einem 
siebenmal schwereren Menschen 7 g des Mittels eine gleiche Reaktion geben; 
dazu sind Mensch und Thier denn doch gar zu verschieden organisirt. Das 
Experiment am Thier kann nur dazu dienen, ganz im Allgemeinen zu zeigen, 
in welcher Weise und auf welche Theile des Organismus bei Aufnahme per: os 
ein Antiseptikam überbaupt wirkt, und wie gross seine Giftigkeit im Vergleich 
zu anderen Giften ist. Nützlich können Thierversuche insofern sein, als sie 
den Nachweis ermöglichen, dass manche Stoffe, ohne in vivo objektiv wahr- 
nehmbare Krankheitserscheinungen zu machen, doch bestimmte Schädigungen 
im Körper hervorrufen. In dieser Beziehung sei auf die Versuche von Kionka 
nit kleinen Dosen schwefliger Säure an Hunden hingewiesen; die Thiere blieben 
dabei scheinbar ganz normal, aber bei der Sektion fanden sich Hämorrhagien 
und Gefässverlegungen in inneren Organen. 

Der vierte Weg endlich, der eine Erkenntniss über die Gesundheitsschäd- 
lichkeit der Antiseptika in ihrer Verwendung zur Nahrungsmittelkonservirung 
gewinnen lässt, ist die experimentelle Prüfung der Antiseptika in ihrer Wirkung 
auf den Körper des gesunden Menschen. Diese Methode besitzt alle wün- 
schenswerthen Vorzüge. Die Versuchspersonen sind normale Individuen, die 
unter dauernder Kontrole gehalten werden können. Die Menge der ihnen ge- 
reichten Antiseptika kann ganz genau bemessen, die Art des Nahrungsmittels, 
in dem sie gegeben wird, nach Maassgabe des Versuchszweckes ausgewählt, 
die Dauer des Versuchs nach Belieben geregelt werden. Es bedarf keiner 
weiteren Ausführungen, um darzuthun, dass mittels dieser Methode die besten 
Anfschlüsse über die Wirkung der Antiseptika in Nahrungsmitteln, nament- 
lich bei der chronischen Einführung in den Organismus, zu erhalten sind. 

Anhangsweise zu erwähnen wäre noch die Möglichkeit, durch Prüfung des 
Einflusses der Antiseptika auf Verdauungssäfte in vitro Schlüsse auf die 
durch sie erfolgende Beeinflussung der Verdauung innerhalb des Körpers zu 
ziehen. Da Körper und Reagensglas nicht in direkten Vergleich gesetzt werden 
können, so werden solche Schlüsse immer nur annähernd richtig werden. 

Der Gesichtspunkt endlich, dass Konservirungsmittel in den Mengen, in 
denen sie wirklich konservirend, d. h. Bakterienwachstium hemmend wirken, 
auch die Körperzellen und Körpersäfte und damit die Gesundheit schädigen 
müssen, ist gewiss ein richtiger, aber praktisch nicht immer verwerthbar, da 
wanche konservirte Lebensmittel vor dem Genuss so zubereitet werden, dass 
ihnen ein Theil des Antiseptikums entzogen wird, andere stets stark mit an- 
deren Stoffen vermischt dem Körper zugeführt werden. 

Die Betrachtung aller benutzten und benutzbaren Methoden führt zu dem 
Ergebniss, dass zur Beurtheilung der Dosis, in der die Antiseptika in Nah- 
rongsmitteln gesundheitsschädlich wirken können, die Methode des Experi- 
ments am gesunden Menschen unter genauer Nachahmung der Verhältnisse 
der Wirklichkeit die besten Anhaltspunkte liefern wird. Werfen wir nun 
nochmals einen Blick zurück auf die oben gegebene Aufzählung des über die 


274 Abel, 


Gesundheitsschädlichkeit der drei uns vornehmlich interessirenden Antiseptika 
Bekannten, so findet sich, dass gerade Untersuchungen dieser Art herzlich 
wenig gemacht worden sind. Ein grosser Theil der an gesunden Personen 
ausgeführten Versuche ist gar nicht direkt benutzbar, weil die Konservirangs- 
mittel in wässeriger Lösung, nicht in Nahrungssubstanzen eingeschlossen ge- 
nossen worden sind. Insbesondere aber fehlen umfangreichere Feststellungen 
über die für den Gerichtsarzt wichtigsten Verhältnisse, nämlich die Wirkung 
kleiner Dosen der Antiseptika bei fortgesetztem Gebrauche. Untersuchungen 
zur Ergänzung dieser Lücken unseres Wissens würden nicht nur die Bekämpfung 
der hygienisch verwerflichen Verwendung der Antiseptika in der Nahrungs- 
mittelindustrie zu fördern geeignet sein, sondern auch das Gute baben, das 
Urtheil der Medicinalbeamten über die Konservirungsmittel den Gerichten 
gegenüber einheitlicher als bisher zu gestalten. Wie sehr jetzt noch die Mei- 
nungen divergiren, weiss Jeder. Der Eine hält Borsäure und Borax in kleinen 
Mengen (ja bis zu 1,2 g pro die! — Liebreich) für ganz unschädlich, der 
Andere sieht solche Dosen schon als gesundheitlich bedenklich an. Die Ver- 
schiedenheit der Urtheile über die Gesundheitsschädlichkeit der schwefligen 
Säure möge man z. B. in den als Beilage zu den Veröffentlichungen des Kais. 
Gesundheitsamtes erscheinenden Auszügen aus gerichtlichen Entscheidungen, 
Bd. IV, nachlesen. Getheilt sind auch die Ansichten über die Salicylsäure. 

Es liegt meines Erachtens im Interesse des gesammten ärztlichen Standes, 
dass seine Mitglieder den Gerichten gegenüber mit möglichst gleichmässigen 
Anschauungen auftreten. Was soll ein Richter denken, wenn der eine Sach- 
verständige ein konservirtes Nahrungsmittel für gesundheitsschädlich hält, der 
andere sich im entgegengesetzten Sinne äussert, und beide dabei das gleiche 
Thatsachenmaterial zur Begründung ihrer Ansicht herbeiziehen? Solche Mei- 
nungsverschiedenheiten sind aber ganz erklärlich, da bei dem bisher vorlie- 
genden, schwer deutbaren Beobachtungsmaterial das Urtheil zweier Gutachter, 
ohne dass man einen von beiden zeihen könnte, er handle nicht nach bestem 
Wissen und Gewissen, durchaus verschieden ausfallen kann. Wie leicht werden 
sich solche Verschiedenheiten der Beurtbeilung aber vermeiden lassen, wenn 
man den Gutachtern durch geeignete Versuche bessere Unterlagen für ihre 
Begutachtung schafft! Dass dahin zielende Versuche an Menschen nur mit 
grösster Vorsicht und nur unter Leitung besonders qualificirter Persönlich- 
keiten vorgenommen werden dürfen, ist selbstverständlich. Es wäre eine sehr 
dankbare Aufgabe für die Lehrer der Hygiene und Pharmakologie an den 
Universitäten, an sich selbst und ihren Schülern solche Versuche in weit 
grösserem Umfange, als bisher geschehen ist, auszuführen. Dass sich unter 
den Medieinstudirenden stets in grosser Zahl Männer finden, die mit grösster 
Freude aktiv sich an solchen Untersuchungen zu betheiligen bereit sind, weiss 
ich aus eigener Erfabrung zur Genüge. 

Den von Rubner erhobenen Einwand, dass Experimente am Menschen 
nur dann Beweiskraft zur Bestimmung der Grenze der Gesundheitsschädlich- 
keit haben könnten, wenn sie bei vielen Personen beiderlei Geschlechts, bei 
jungen und alten, bei kräftigen und schwächlichen und unter sehr verschie- 
denen Bedingungen ausgeführt würden, verkenne ich in seiner Bedeutung kei- 


Zum Kampfe gegen die Konservirung von Nahrungsmitteln durch Antiseptika. 275 


neswegs. Aber welche wesentliche Stütze für die Beurtheilung der gesund- 
heitsschädlichen Antiseptikamengen würde es schon sein, wenn wir auch nur 
für eine bestimmte Altersklasse des männlichen Geschlechts, wie sie die Stu- 
dentenschaft repräsentirt, und für einige der am häufigsten mit Konservirungs- 
stoffen versetzten Nahrungsmittel genaue Werthe ermittelt haben würden! 
Wie würde man aus den so gewonnenen Zahlen die für andere Bevölkerungs- 
kategorien schädlichen Mengen weit sicherer als aus dem bisher vorliegenden 
Material wenigstens approximativ ableiten können! 


HI. 


Wenn ein Nahrungsmittel Borsäure, schweflige Säure oder Salicylsäure 
in Mengen enthält, die seinen Genuss nach dem Gutachten des Medicinal- 
beamten geeignet machen, die menschliche Gesundheit zu schädigen, so ist 
sein Vertrieb nach § 12—14 des Nahrungsmittelgesetzes strafbar. Enthält 
es nicht gesundheitsschädliche Mengen der Konservirungsmittel, so unter- 
liegt es zwar immer noch deù grössten hygienischen Bedenken, denn es be- 
steht die Gefahr, dass es mit mangelhafter Sauberkeit behandelt, unter Be- 
nutzung schon in Zersetzung begriffener Waare hergestellt ist, und dass es, 
mit anderen chemisch konservirten Lebensmitteln zusammen genommen, dazu 
beiträgt, dem Körper gesundheitsschädliche Quantitäten von Antisepticis zu- 
zuführen: aber da es an und für sich nicht ohne Weiteres als gesundheits- 
schädlich zu bezeichnen ist, so ist sein Verkauf nach den bestehenden Ge- 
setzen nur in Ausnahmefällen strafbar. Solche Ausnahmefälle liegen vor, 
wenn es sich um ein Nahrungsmittel handelt, für dessen Herstellung durch 
specielle Gesetzgebung die Verwendung von Konservirungsmitteln verboten ist 
(Wein gemäss dem Reichsgesetz, Milch nach der Gesetzgebung einiger deut- 
scher Bundesstaaten, Bier nach dem bayerischen Gesetz). Solche Ausnahme- 
fälle liegen ferner dann vor, wenn es möglich ist, den Zusatz des Konservi- 
rungsmittels als Verfälschung im Sinne des Nahrungsmittelgesetzes zu cha- 
rakterisiren. 

Nach $ 10—11 dieses Gesetzes ist strafbar, wer Nahrungsmittel, welche 
verdorben oder nachgemacht oder verfälscht sind, unter Verschweigung dieses 
Umstandes verkauft oder unter einer zur Täuschung geeigneten Bezeichnung 
feilbält?). 


1) Man hört und liest gelegentlich von Seiten einzelner Nahrungsmittelchemiker 
vertreten, die Grenze zwischen ihrer Kompetenz und der des Medicinalbeamten liege 
zwischen § 11 und 12 des Nahrungsmittelgesetzes. § 12—14 gehe den Arzt an, § 10 
bis 11 dagegen allein den Nahrungsmittelchemiker. Diese Ansicht ist nicht richtig. 
Ausdrücklich ist in den Motiven des Nahrungsmittelgesetzes und den Reichstagsver- 
handlungen über dasselbe wiederholt hervorgehoben worden, das gesetzgeberische 
Motiv sei auch bei $ 10 sanitärer Natur. Soweit bei $ 10 Verhältnisse der mensch- 
lieben Gesundheit in Frage kommen, was häufig der Fall ist, ist vor allem der Arzt 
als Gutachter zuständig, ebenso wie er stets, wenn dabei chemisch-technische Fragen 
zur Entscheidung stehen, dem Nahrungsmittelchemiker die Beurtheilung überlassen 
wird. Uebrigens ist es im wesentlichen immer eine Frage des persönlichen Taktes, wie 
sich beide im einzelnen Falle über ihre Zuständigkeit einigen. 


276 Abel, 


Dass ein im Uebrigen gut beschaffenes Nahrungsmittel durch den Zusatz 
eines Antiseptikums in nicht gesundheitsschädlicher Menge verdorben ist, 
kann man nach der juristischen Auslegung des Begriffes „verdorben sein“!) 
nicht behaupten. Nachgemacht ist es ebensowenig. Bleibt die Frage, ob 
es verfälscht ist. Eine Verfälschung kann dadurch erfolgen, dass einer 
Waare der Anschein einer besseren Beschaffenheit gegeben wird, als ihrem 
Wesen entspricht, oder dadurch, dass eine Verschlechterung, die in ihrem 
Wesen eingetreten ist, verheimlicht, verdeckt, nicht erkennbar gemacht wird. 

Der Zusatz eines Konservirungsmittels zu einem guten oder wenigstens 
nicht nachweislich verdorbenen Nahrungsmittel, so z. B. von Borsäure zu 
Fleisch, von Salicylsäure zu Fruchtsäften, von schwefliger Säure zu einge- 
machten Gemüsen, fällt nicht unter den Begriff der Verfälschung. Das Nah- 
rungsmittel selbst ist gut; der Anschein einer besseren Beschaffenheit, als 
ihm seinem Wesen nach eigen ist, wird ihm durch das Konservirungsmittel 
nicht gegeben. Ebenso verdeckt das Antiseptikum auch keine Verschlechte- 
rung, die im Wesen des Nahrungsmittels eingetreten ist oder im natürlichen 
Verlauf der Dinge eintreten wird, es verhindert vielmehr der Regel nach das 
Eintreten einer solchen, ohne seine Gegenwart vielleicht durch bakterielle 
Zersetzung drohenden Verschlechterung. Versucht man, den Zusatz des Anti- 
septikums selbst als eine Verschlechterung der Waare hinzustellen, unter der 
Begründung, dass in und mit dem Antiseptikum dem Nahrungsmittel ein Stof 
beigemischt werde, der begriffsmässig nicht in dasselbe gehöre, den das Po- 
‚blikum im reellen Handelsverkehr mit dem Nahrungmittel zu erhalten weder 
wünsche noch erwarte, dessen Anwesenheit sich ausserdem dem Käufer ohne 
chemische Untersuchung nicht verrathe, so vermag der Richter dieser An- 
schauung kaum jemals Folge zu geben. Er urtheilt vielmehr, der Zusatz 
einer nicht gesundheitsschädlichen Menge Konservirungsmittel verschlechtere 
das Wesen der Waare nicht, sei auch, da er die Gesundheit nicht gefährdet, 
dem Käufer gleichgültig; es liege mithin ein Thatbestand nicht vor, wie er 
einem Urtheil des Reichsgerichts?) nach nöthig ist, nämlich, dass „die Speise 
unter Wahrung des Scheines ihrer normalen Beschaffenheit thatsächlich ver- 
schlechtert werde oder auch nur dem mit dem Zusatze Bekannten ihr Genuss- 
werth verringert sein würde.“ Wenn aber vollends von einem technischen 
Sachverständigen die Behauptung verfochten wird, ein Nahrungsmittel der 
betreffenden Art könne ohne Zusatz eines Konservirungsstoffes gar nicht in 
unzersetztem Zustande erhalten werden, und ein solcher Zusatz sei in Folge 
dessen allgemein üblich, so kommt der Richter womöglich sogar, allen all- 
gemein hygienischen Einwendungen des ärztlichen Gutachters entgegen, zu 
der Auffassung, dass die Gegenwart des Antiseptikums vielmehr einen Vor- 
theil denn einen Nachtheil darstelle, dass mithin von einer strafbaren Hand- 
lung gar keine Rede sein könne. 

Nur in wenigen Fällen ist ein Zusatz nicht gesundheitsschädlicher Mengen 
von Antisepticis za Nahrungsmitteln nach $ 10- 11 des Nahrungsmittelgesetzes 


1) Vergl. Entscheid. d. Reichsgerichts. Bd. 5. S. 290. 
2) Veröfl. d. Kais. Ges.-A. 1887. S. 69. 


Zum Kampfe gegen die Konservirung von Nahrungsmitteln durch Antiseptika. 277 


strafbar. Als allgemein bekannten Fall führe ich den des Zusatzes von 
schwefligsauren Salzen, sog. Präservesalzen, zu Hackfleisch an. Allerdings 
haben selbst in den letzten Jahren die Gerichte noch nicht sämmtlich zu der 
Ansicht sich bekannt, dass dieser Zusatz eine Verfälschung bedeutet, indem 
er dem Hackfleisch beim Aelterwerden die Farbe und das Aussehen des frischen 
Fleisches bewahrt, ohne das Fleisch selbst frisch und unzersetzt zu erhalten, 
dass der Zusatz also dem Hackfleisch den Anschein einer besseren Beschaffen- 
heit verleiht, als seinem Wesen entspricht. Es gehören hierher auch die we- 
nigen Fälle, in denen der schwierige und oft nur durch die Aussagen besonders 
kundiger und aufmerksamer Zeugen oder treulos gewordener Komplicen des 
Fälschers zu erbringende Nachweis gelingt, dass ein als unverdorben und voll- 
werthig feilgehaltenes Lebensmittel, z. B. Wurst, aus Stoffen, die sich bereits 
in Zersetzung befanden, oder in hohem Grade unreinlich hergestellt und nur 
durch einen Zusatz von Antisepticis vor schneller und völliger Verderbniss 
geschützt worden ist. 

In allen diesen Fällen erfolgt die Bestrafung übrigens nicht, weil der 
Zusatz der Antiseptika an sich als unzulässig angesehen wird, sondern nur 
desbalb, weil die minderwerthige Waare unter Verschweigung der Minder- 
wertbigkeit als vollwerthig feilgehalten wird!). Sobald der Verkäufer dem 
Käufer in den zuletzt angezogenen Beispielen erklärt, dass die von ihm ver- 
triebene Waare minderwerthig ist, und, im Falle des Hackfleisches mit Prä- 
servesalz, dass das Fleisch sein gutes Aussehen nur dem Zusatze einer che- 
mischen Substanz verdankt, so bleibt er, vorausgesetzt, dass die Frage der 
Gesundheitsschädlichkeit verneint wird, straflos. Denn die $$ 10—11 Nahr.- 
Ges. nebmen eine strafbare Handlung nur an, wofern verfälschte oder ver- 
dorbene Waaren unter Verschweigung des Umstandes der Minderwerthigkeit, 
des Verdorbenseins, der Fälschung verkauft werden. Ob, wenn $$ 10—11 nicht 
anwendbar sind, eine Bestrafung noch auf Grund von $ 3677 Strafgesetzbuch 
erfolgen kann, der das Feilhalten verfälschter und verdorbener Nahrungs- 
mittel allgemein unter Strafe stellt und von einer Straflosigkeit bei Deklara- 
tion nichts weiss, ist, wie ich belehrt worden bin, juristisch mindestens 
zweifelhaft. 

So stehen wir denn vor dem Resultat, dass die Verwendung von Konser- 
virangsstoffen zu Nahrungsmitteln überhaupt nur, abgesehen von der Special- 
gesetzgebung für einige bestimmte Nahrungsmittel, in wenigen Fällen strafbar 
ist, und auch in diesen wenigen Fällen dann nicht einmal, wenn der Nahrungs- 
mittelhändler das Gesetz kennt, von dessen Schwächen Gebrauch macht und 
den Antiseptikumzusatz oder die Minderwerthigkeit einer durch Antiseptika 
konserrirten Waare dem Käufer irgendwie, sei es mündlich, sei es durch Pla- 
kate im Verkaufsraum, bekannt giebt. 

Was kann nun geschehen, um die Verwendung der Antiseptika in der 
Nahrungsmittelindustrie mehr, als bisher möglich ist,. einzudämmen? 


1) So ist z. B. ein Fleischer straffrei, wenn er Hackfleisch mit Präservesalz ver- 
setzt, aber es nur frisch bereitet, d. h. zu einer Zeit, als das Salz dem Fleisch noch 
nicht den Anschein einer besseren Beschaffenheit verlieh, verkauft hat. 

21 


278 Abel, 


Als man in das Nahrungsmittelgesetz die Klausel hineinbrachte, dass 
verfälschte, nicht gesundheitsschädliche Nahrungsmittel ünter Deklaration der 
Verfälschung straflos verkauft werden dürften, hat man wohl gehofft, dass 
das Publikum im Stande sein werde, sich gegen eine etwaige Zumuthung der 
Händler, ausdrücklich als verfälscht deklarirte und damit implicite als minder- 
werthig und verdächtig sich kennzeichnende Nahrungsmittel zu kaufen, selbst- 
ständig genügend wehren und wahren zu können. Dass man sich damit in 
der Urtheilsfähigkeit des Publikums gründlich getäuscht hat, mag ein drasti- 
sches Beispiel erhärten. Vor einiger Zeit hatte ich einen Fall zn begutachten, 
in dem ein Schlächter, gewitzigt durch eine Verurtbeilung, die ihm der Ver- 
kauf von Hackfleisch mit Präservesalz eingetragen hatte, ein Plakat in seinem 
Laden angebracht hatte mit der Aufschrift: „Hier verkaufte Fleisch- und Wurst- 
waaren sind durch Konservirungsmittel vor schnellem Verderben geschützt.“ 
Ich musste mich dahin äussern, dass dieses Plakat, soweit es sich auf Hack- 
fleisch und schwefligsaures Salz beziehe, geeignet sei, eine Täuschung des Pu- 
blikums hervorzurufen. Denn das schwefligsaure Salz verhindert nur, indem 
es die frischrothe Farbe des Hackfleisches konservirt, dass die im Fleische vor- 
gehenden Zersetzungsvorgänge dem Käufer sichtbar werden. Die Zersetzungs- 
vorgänge selbst verhindert es nicht, es verlangsamt sie höchstens in ganz un- 
bedeutendem Maasse und auch das kaum, wenn es in geringen Mengen, wie 
im vorliegenden Falle, wo es sich um m. E. nicht gesundheitsschädliche 
Quantitäten handelte, verwendet wird, so dass nicht gesagt werden kann, es 
schütze das Fleisch vor schnellem Verderben. Das Gutachten schloss: Wenn 
das Plakat der Wahrheit entsprechen sollte, so müsste es lauten: „Das hier 
verkaufte Hackfleisch ist mit einer Substanz versetzt, die es frisch erscheinen 
lässt, auch wenn es nicht mehr frisch und unverdorben ist.“ Darauf wurde 
der Schlächter auf Grund von $ 11 Nahr.-Ges. in Strafe genommen. Und 
was geschah nun? Der Schlächter wusste sich den Wortlaut des Schlusssatzes 
des Gutachtens zu verschaffen, schrieb den in Anführungsstrichen stehenden 
Satz auf ein Plakat und hängte dies im Laden auf. Das Publikum aber küm- 
merte sich um das Plakat und dessen ominöse Inschrift auch nicht im min- 
desten, sondern kaufte ruhig nach wie vor dem Schlächter das Hackfleisch ab! 

Nach solchen Erfahrungen glaube ich, dass man im Kampfe gegen die 
Konservirungsmittel dadurch nicht weiter kommen würde, wenn man, wie von 
manchen Seiten empfohlen wird, in allen, auch in den nach den Gesetzen 
bisher nicht strafbaren Fällen des Verkaufes von Nahrungsmitteln mit Anti- 
septicis die Deklaration des Zusatzes nach Art und Menge vorschreiben wollte. 
Nicht einmal die gebildeten Laien, geschweige denn die grosse Masse des Pu- 
blikums würden voraussichtlich irgend welchen Anstand nehmen, Schinken. 
Würste und Konserven aus den von ihnen bisher besuchten Geschäften weiter 
zu beziehen, wenn ihnen plötzlich vom Verkäufer erklärt werden würde, die 
Waare müsse jetzt mit der Augabe verkauft werden, dass sie Borsäure, schwef- 
lige Säure, Salicylsäure enthalte, im übrigen sei es dieselbe Waare, die sie 
schon immer erhalten hätten. Man würde mit solchen Vorschriften gerade 
das Gegentheil von dem erreichen, was man beabsichtigt. Das Publikum 
würde sich sagen, schädlich können ja die Sachen nicht sein, sonst würde 


Zum Kampfe gegen die Konservirung von Nahrungsmitteln durch Antiseptika. 279 


die Behörde doch verbieten, dass sie überhaupt verkauft werden, und da das 
Pablikum nicht opponirt, würde die Verwendung von Antisepticis bald auf 
alle Nahrungsmittel sich erstrecken, die nur irgendwie der Gefahr des Ver- 
derbens ausgesetzt sind. Ausserdem würde man mit dem Deklarationszwang 
nur diejenigen Personen über den Gehalt der Nahrungsmittel an antiseptischen 
Stoffen orientiren, die ihre Nahrungsmittel selbst einkaufen. Alle die Leute, 
die in Wirthshäusern essen oder in Anstalten irgend welcher Art gespeist 
werden, würden auch dann nichts über den Gehalt ibrer Nahrung an Konser- 
servirungsmitteln erfahren. 

Allgemeine Gutachten sanitärer Behördern ändern an der Sachlage nichts, 
da sie die Rechtsprechung nicht zu beeinflussen vermögen, ebensowenig schaffen 
öffentliche Belehrungen viel Nutzen, da sich die wenigsten Leute um sie küm- 
mern. In einer Reihe von Verwaltungsbezirken hat man bereits begonnen, 
die Verwendung von Konservirungsmitteln für bestimmte Nahrungsstoffe durch 
Polizeiverordnungen zu verbieten. Auch diesen Weg halte ich nicht für zweck- 
mässig. Er führt dahin, dass das, was an einem Orte erlaubt ist, am an- 
deren verboten ist, dass in Folge dessen Rechtsunsicherheit entsteht und na- 
mentlich die grösseren Fabrikanten, die ihre Waaren hierhin und dorthin lie- 
fern, schliesslich nicht mehr wissen, woran sie sind. 

Die einzig gute Lösung der Frage besteht in einer für das ganze Reich 
gleichmässigen Regelung der Nahrungsmittel-Konservirung. Um 
sie zu erreichen, braucht nicht der ganze Apparat der Gesetzgebung in Bewegung 
gesetzt zu werden. Die bestehenden Gesetze bieten bereits die Möglichkeit zum 
Erlass von Verordnungen für das ganze Reichsgebiet, die dem Missbrauch der 
Ronservirungsmittel steuern können. Nach $5 des Nahrangsmittelgesetzes können 
durch kaiserliche Verordnung bestimmte Arten der Herstellung von Nahrungs- 
mitteln und das gewerbsmässige Verkaufen und Feilhalten von Nahrungsmit- 
teln einer bestimmten Beschaffenheit verboten werden. Ferner giebt $ 21 des 
Fleischbeschaugesetzes vom 3. Juni 1900 dem Bundesrath — wie die Motive 
zeigen, eigens im Hinblick auf den Missbrauch der Konservirungsmittel — 
die Berechtigung, die Verwendung bestimmter von ihm näher zu bezeichnender 
Stoffe, die der Waare eine gesundheitsschädliche Beschaffenheit zu verleihen 
oder eine minderwerthige Beschaffenheit derselben zu verdecken vermögen, 
bei der gewerbsmässigen Zubereitung von Fleisch warmblütiger Thiere zu 
verbieten. 

Es erscheint dringend nöthig, dass von diesen gesetzlichen Handhaben 
baldigst und umfassend zur Beseitigung der Antiseptika in der Nahrungs- 
mittelindustrie Gebrauch gemacht werden möge, baldigst schon deshalb, weil 
die Verwendung der Antiseptika sonst immer mehr „handelsüblich“ wird und 
um so schwerer auszurotten ist, umfassend, indem man alle Konservirungs- 
mittel verbietet, nicht nur die im Augenblick üblichen, an deren Stelle sonst 
bald andere treten würden. 

Die Bebauptung, dass man durch ein generelles Verbot der Anwendung 
von Antisepticis grosse Industriezweige vernichten und wichtige Volksnahrungs- 
mittel stark vertheuern würde, ist eine gewaltige Uebertreibung. Noch gar 
nicht lange ist es her, dass es hiess, und in England behauptet man es noch 

21* 


280 Abel, Zum Kampfe gegen die Konservirung von Nahrungsmitteln u, s. w. 


jetzt, Milch könne ohne Konservirungsmittel überhaupt nicht in Grossstädten 
geliefert werden. Und wie gut gelingt das schon jetzt, und wie viel besser 
wird es noch gelingen! Es ist gar keine Frage, dass viele Industriegebiete 
die Antiseptika sehr wohl durch einwandsfreie Konservirungsmethoden, wie 
Hitze und Kälte, ersetzen könnten, und es auch thun werden, wenn sie müssen, 
ohne dass dadurch ihre Waaren vertheuert zu werden brauchen. Industrien 
aber, die der Volksgesundheit gefährliche Nahrungsmittel in den Handel 
bringen, können als gesunde und irgend welcher Schonung würdige nicht an- 
gesehen werden. 

Selbstverständlich ist es wohl, dass man sich von den Vertheidigern der 
Nahrungsmittelantiseptika nicht beirren lassen wird, wenn sie behaupten, 80 
gut wie der Zusatz von Borsäure, Salicylsäure, schwefliger Säure und anderen 
Chemikalien zu Lebensmitteln, müsse auch das Pökeln und Räuchern verboten 
werden, denn auch bei diesen Verfahren handle es sich um eine Konservirung 
durch chemische, für die Gesundheit nicht ganz gleichgültige Stoffe. Der 
wesentliche Unterschied zwischen gepökelten und geräucherten Nahrungsmitteln 
einerseits und den durch Antiseptika konservirten Lebensmitteln andererseits 
liegt darin, dass jene sofort von jedem Laien als konservirte erkannt werden, 
dass sie niemals als ausschliessliiche Nahrung dienen, sondern nur einen ge- 
ringen Bruchtheil der ganzen Nahrung bilden, und endlich darin, dass ihre 
Unschädlichkeit bei der gewöhnlichen Art der Herstellung und Verwendung 
durch die Erfahrung von Jahrhunderten sichergestellt ist. Missbräuche beim 
Pökeln und Räuchern, wie die übermässige Verwendung von Salpeter und der 
Ersatz des Räucherns durch Verwendung empyreumatischer Stoffe in Lösungen 
verdienen freilich eben sogut Verurtheilung, wie der Gebrauch der Borsäure 
u. s. w. 

Wenn man durch geeiguete Vorschriften die bisher fast unbeschränkte 
Verwendung der Chemikalien in der Nahrungsmittelindustrie und damit die 
Gefahr einer allgemeinen Volksvergiftung beseitigt, so wird man dann auch 
in Erwägung des Punktes eintreten können, ob man für bestimmte, vor allen 
Dingen wenig gebrauchte und jedenfalls nicht täglich genossene Nahrungs 
mittel, die nach den Behauptungen der Industrie überhaupt nicht ohne Kor 
servirungsmittel brauchbar gemacht werden können, am Ende den Zusatz von 
Antisepticis in bestimmter Menge und unter Deklaration zulassen kann. Ich 
denke dabei z. B. an die Fabrikation von Krabbenkonserven, die durch einen 
zur Sterilisirung ausreichenden Kochprocess angeblich zu stark zum Zerfall 
gebracht und damit unverkäuflich werden, an Fruchtsäfte ferner, die angeblich 
im Grossen gar nicht zu einem ihrem Genusswerthe entsprechenden Preise 
ohne Salicylsäure hergestellt werden können. Es wird Aufgabe eingehender 
Ueberlegungen sein müssen, wie weit man hierin den Wünschen der Industrie 
folgen darf. Jedenfalls wird man in der Werthung ihrer Behauptungen äusserst 
vorsichtig sein müssen. Will und kann man ihren Wünschen betreffs einzelner, 
selten und in kleinen Mengen genossener Nahrungsmittel willfahren, so werden 
für die Frage, welche Konservirungsmittel man zulassen und in welchen Mengen 
man sie gestatten soll, ebenfalls die Versuche über die Gesundheitsschädlich- 
keit der einzelnen Konservirungsmittel maassgebend sein, deren Anstellung 


Boden. 281 


oben als unbedingt nöthig erwiesen worden ist. Häufige amtliche Unter- 
suchungen der Nahrungsmittel, für die der Zusatz chemischer Konservirungs- 
mittel erlaubt wird, auf die Art und Quantität der in ihnen enthaltenen Antj- 
septika und ihre allgemeine Beschaffenheit wären erforderlich; die Kosten dieser 
Untersuchungen müssten die Fabrikanten und Händler tragen. 

Neu auftauchende Antiseptika dürften zur Konservirung von Nahrungs- 
mittel nicht empfohlen, verkauft und benutzt werden, ehe sie nicht eingehend 
von zuverlässigen Forschern auf ihre Eigenschaften untersucht worden sind und - 
sich dabei als zulässig erwiesen haben. 


$tutzer und Hartleb, Untersuchungen über die bei der Bildung von 
Salpeter beobachteten Mikroorganismen. II. Abhandlung: Nitrat- 
bildner. Mitth. d. landwirtbschaftl. Institute d. kgl. Universität Breslau. 
1899. H. 2. 

Die Verff. greifen auf den in der ersten Abhandlung erwähnten eigen- 
thümlichen Organismus zurück, den sie Nitromicrobium geminans ge- 
nannt haben. Derselbe soll im Stande sein, Nitrite in Nitrate zu verwandeln. 

Der erste Theil vorliegender Arbeit behandelt die Reinzucht dieses Nitro- 
microbiums. Als Ausgangsmaterial wurde frischer Boden verwendet. Derselbe 
wurde mit Wasser, das Kalium- bezw. Natriumnitrit enthielt, übergossen. Nach- 
dem das Nitromicrobium nach mehrfacher Nitritzugabe das Wachsthumsoptimum 
erreicht hatte, wurde es in eine Erdauszuglösung mit Nitritzugabe gebracht. 

Sobald das Nitrat oxydirt war, wurde eine Oese der Flüssigkeit auf Erd- 
nitritagar übertragen. Je weniger Verunreinigungen in der verwendeten Flüssig- 
keit waren, um so langsamer erfolgte das Wachsthum. Es folgte alsdann eine 
weitere Uebertragung, der ein Plattenverfahren folgte. Die Reinkulturen über- 
trugen die Verff. auf Erdauszug-Nitritagar. Von einem eventuell gewachsenen 
Belag wurde ein Theil in Fleischbouillon übertragen, die in Brutwärme auf- 
bewahrt wurde. Wenn diese Bouillon sich nicht trübte, war das Bakterium 
rein, da es „bouillonsteril“ war. Zur Untersuchung der Kulturen wurde auch 
das Mikroskop verwendet. 

Im zweiten Abschnitt wird die Koloniebildung beschrieben. Die Kolo- 
nien auf Nitritagar waren erst nach 20 Tagen sichtbar. Die Formen derselben 
waren entweder nierenförmig oder spindelförmig oder dreieckig oder herzförmig. 
Die Farbe war gelbbraun. Die Oberflächenkolonien waren rund, entweder 
wasserhell oder grünlichgelb. 

Die Strichkultur zeigte einen matten Belag ohne bestimmte Farbe. Auf 
dem Strich ist die Entwickelung mangelhaft, stark dagegen im Kondenswasser. 
Sämmtliches Nitrit in den Röhrchen war in Nitrat verwandelt, weswegen die 
Verf. diesen Organismen eine „Fernwirkung“ zuschreiben. 

Die Form der einzelnen Bakterien zeigte verschiedene Variationen, es 
waren auch Stadien vorhanden, die an Hefesprossung erinnerten. 

Ein weiterer Abschnitt handelt von dem Verhalten des Mikrobiums gegen 
die Farbstoffe. Die gebräuchlichen Anilinfarben vermochten keine Tinktion 


282 Boden. 


hervorzubringen. Anilinwasserfuchsin färbt die Organismen gleichmässig, am 
besten eignet sich Karbolfuchsin. 

Bezüglich des Wachsthums auf Nährböden mit verschiedenen Stick- 
stoffquellen traten einige Verschiedenheiten auf. Bei Ammoniumphosphat 
blieb das Wachsthum zurück, eine Oxydation des Ammoniaks fand nicht statt. 
Bei Zusatz von Pepton, Fleischextrakt und Asparagin blieb das Wachstbum aus. 
Bei Mischkulturen entwickelt sich das Nitromicrobium. 

Die Kohlenstoffverbindungen, die anderen Pilzen als Nährstoff dienen, 
erwiesen sich bei diesen Organismen schädigend. 

Die Vermehrung der Mikrobien erinnert an die der Hefe. Im hängenden 
Tropfen bei 1500 facher Vergrösserung fand sich das Gesagte neben „anderen 
Formen“. Bei einem Vergleiche mit Nitrobakter von Winogradsky kommen 
die Verff. zu dem Schlusse, dass Nitro- und Hyphomicrobium nicht mit dem- 
selben identisch sind. 

Auch die Physiologie wird eingehend besprochen. Die als Kohlenstoff 
quelle benutzten Verbindungen der Kohlehydratgruppe ergaben bis auf Mannit, 
der sich ziemlich indifferent verhielt, negative Resultate. Das Gleiche fand 
sich bei den Kulturen, die neben den Salzen organischer Säuren als Stick- 
stoffquelle Kaliumnitrat oder Ammoniumphosphat enthielten. Ebenso zeigten 
die Organismen Abneigung gegen Stickstoffquellen organischer Herkunft. 

Weiterhin scheinen die Mikrobien freie Kohlensäure aus der Luft aufzı- 
nehmen oder zu verarbeiten. 

Die Versuche über das Verhalten des Luftsauerstoffes gaben keine über- 
sichtlichen Resultate. 

Das Optimum für die Oxydation des Nitrits lag bei 35° C., die Versuche 
bei niederen Temperaturen führten zu keinem Resultat. 

Ferner behandelten Verff. die Energiequelle bei der Assimilation von Kohlen- 
säure und kommen zu dem Schlusse, dass als solche die Wärme angesehen 
werden müsse. 

Bezüglich der Frage, ob bei erhöhtem Oxydationsvermögen die Vermehrung 
der Organismen gleichen Schritt hält, ist kein positives Resultat erzielt. 

Zum Schluss wird versucht, dem Nitrimicrobium eine Stellung im System 
zu geben; dieser Organismus erfordert nach den Ausführungen der Verff. ebenso 
wie das Hyphomicrobium eine besondere Stellung. 

Thiele (Halle a. S.). 


Stoklasa, Jul., Ueber den Einfluss der Bakterien auf die Knochen- 
zersetzung. Mit 9 Tafeln und 1 Figur. Centralbl. f. Bakteriol. 1900. 
Abth. II. Bd. 6. No. 16. S. 526 ff. 

Unter Mitwirkung zweier Assistenten untersuchte Verf. den Zersetzungs- 
process des Knochenmehls durch Mikrobien. Nach eingehender Be- 
sprechung der vorhandenen Literatur geht Verf. auf seine Untersuchungen ein, 
deren 1. Abschnitt die „Versuche in der biologischen Kammer“ be 
handelt. Zum Studium der Zersetzung des Knochenmehles wurde mit dem 
Bac. megatherium, Bac. fluorescens liquefaciens, Bac. proteus vulgaris, Bac. 
butyricus Hueppe, Bac. mycoides und Bac. mesentericus vulgaris gearbeitet. 


Boden. 283 


Die Nährlösung bestand aus 1000 ccm dest. Wasser, 1,0 g Kaliumsulfat, 
0,5 g Magnesiumchlorid nnd 0,1 g Eisensulfat. Dazu kam Knochenmehlzusatz. 
(Das Koochenmehl enthielt 19,8 pCt. Phosphorsäure, 5,26 pCt. Stickstoff, 
1,5 pCt. Fett.) Auf 1000 ccm wurden 10 g Knochenmehl, 100 ccm Nährstoff- 
lösung und 800 ccm Wasser gerechnet. Zur Prüfung wurden 20 Kolben mit 
je 2300 cem Nährflüssigkeit angesetzt. 

Die Kolben wurden mit absolut reinen Kulturen inficirt. Nach Beschrei- 
bung des verwendeten Kulturapparates geht Verf. zur Bestimmung des Stick- 
stoffs über. Diese Bestimmung erfolgte nach der Haussmann’schen und 
Kjeldahl’schen Methode. Der Gesammtstickstoff der Lösung betrug bei 
Nischinfektion 0,369 g, bei Bac. megatherium 0,498 g, Bac. fluor. liquefac. 
0.500 g, Bac. prot. vulg. 0,459 g, Bac. butyricus Hueppe 0,506 g, Bac. mycoides 
0.510 g, Bac. mesentericus vulgatus 0,476 g. 

Auch Phosphorsäure ging in Lösung über, und zwar betrug die Menge 
derselben bei: nicht inficirt 3,83 pCt., Bac. megatherium 21,56 pCt., Bac. fiuo- 
tescens liquefaciens 0,19 pCt., Bac. proteus vulgaris 14,79 pCt., Bac. butyricus 
Hueppe 15,55 pCt., Bac. mycoides 23,03 pCt. und bei Bac. mesentericus vul- 
gatas 20,60 pCt. 

Alle diese scheiden, wie Verf. betont, proteolytische Enzyme aus, Bac. 
megatherium ausserdem noch diastatische und ein Inversionsferment. 

Weiterhin geht Verf. auf die Eigenschaft der genannten Mikrobien, Gela- 
tine za verflüssigen, ein, diese Fähigkeit mit der Bildung des Stickstoffs ver- 
gleichend. Er zieht daraus den Schluss, dass die durch einzelne Mikrobien- 
gattungen hervorgerufenen hydrolytischen Processe eine vollkommene Ueber- 
eiostimmung nicht nur hinsichtlich der Energie und der Transformation des 
Gelatinestickstoffs in den Amidstickstoff, sondern auch rücksichtlich der Auf- 
lösung der Phosphorsäure aufweisen. 

Zu den im zweiten Abschnitte behandelten Versuchen im Glashause 
wurde als Versuchspflanze der Hafer benutzt. Der den Versuchsfeldern ent- 
nommene Boden enthielt: Phosphorsäure 0,028 pCt., Kaliumoxyd 0,088 pCt., 
Natriumoxyd 0,163 pCt., Calcinmoxyd 0,846 pCt., Magnesiumoxyd 0,025 pCt., 
Stickstoff 0,144 pCt. Zu den Versuchen wurde „nicht sterilisirter‘ Boden ver- 
wendet, und zwar aus dem Grunde, weil Verf. doch trotz aller Kautelen stets 
wieder nach 25—80 Tagen Mikrobien im Boden fand. Die Verunreinigung 
seines „sterilisirten Bodens“, der mit „sterilem Wasser“ begossen worden war, 
betrug 32 Tage nach der Saat in 1 g Boden 16 000— 25 000 Keime, nach 70 Ta- 
gen 82 000— 90 000 vegetative Mikrobienkeime. 

Die aus diesen Versuchen resultirenden Ergebnisse waren derart, dass die 
ioficirten Gefässe besseres Wachsthum zeigten als die nicht inficirten, und 
war war eine Harmonie zwischen den biologischen und Vegetationsversuchen 
vorhanden. Die Resultate waren folgende: 

gKörner gStroh 


Nicht inficirtes Knochenmehl . . . . “2... 161,32 213,81 
a 7 Superphosphat und Chilisalpeter . 22... 213,98 260,13 
Bac. megatberium, Knochenmehl ohve Glukose . . . . 246,79 267,85 


> » n und A J ana a 285,88 306,11 


284 Wasser. 


gKörner gStroh 


Bac. megatherium, Knochenmehl und Xylse . . . . 320,52 398,04 
» mesentericus vulgatus, Knochenmehl und Glukose . 283,21 353,17 
n» mycoides . . Knochenmehl und Glukose . . . 263,66 350,20 
» proteus vulgaris 5 PR m 22. 235,26 289,03 
» butyrius . . x a a “2.230,79 285,99 
n» fluorescens liquefac. Ns ji 165,26 272,26 


Im Alinit glaubt Verf. wieder Bac. megatherium zelanden zu haben und 
bezeichnet den Alinitbacillus ohne weiteres mit diesem Namen. Jedenfalls 
dürfte eine derartige Bezeicbnung als verfrüht angesehen werden. Des Weiteren 
auf die Versuche des letzten Abschnittes einzugehen verbietet sich, da die- 
selben nicht als einwandsfrei zu betrachten sind. 

Thiele (Halle a.S.) 


Voller A., Das Grundwasser in Hamburg. 1. Beiheft z. Jahrb. d. Ham- 
burg. wissenschaftl. Anstalten. 7. Heft 1899. Hamburg 1900. Komm.-Verl. 
v. Lucas Gräfe & Sillem. 

Auch im Jahre 1899 wurden in gleicher Weise wie in den Vorjahren die 
Schwankungen sowie die Temperaturen des Grundwassers in Hamburg 
registrirt, und V. berichtet im vorliegenden Heft über die Ergebnisse dieser 
Beobachtungen, die im Allgemeinen mit denjenigen der Vorjahre (vergl. diese 
Zeitschr. 1899. S. 122) übereinstimmen. Die Einzelergebnisse sind ebenso wie 
in den früheren Berichten zugleich mit den erforderlichen Daten über Tempe- 
ratur und Feuchtigkeit der Luft, Niederschläge, Flusswasserstände u. s. w. auf 
5 Tafeln graphisch dargestellt. Fischer (Kiel). 


Kröhnke 0., Die Reinigung des Wassers für häusliche und gewerb- 
liche Zwecke. Sammlung chemischer und chemisch-technischer Vorträge. 
Bd. 5. H. 3—5. Stuttgart. Ferd. Enke. Preis: 3,60 Mk. 

In der nur 134 Seiten umfassenden, lesenswerthen Abhandlung giebt K. 
eine übersichtliche und auch vollständige Zusammenstellung der zur Reini- 
gung des Wassers gebräuchlichen Verfahren. 

Die natürlichen Wässer (das Meteor-, das Grund- und das Oberflächen- 
wasser), die K. in der Einleitung nach ihrer Zusammensetzung und Brauch- 
barkeit für Trink- und Nutzzwecke kurz charakterisirt, enthalten in der 
Regel gewisse Stoffe, welche die Brauchbarkeit des Wassers für den be- 
stimmten Verwendungszweck beeinträchtigen. Ihre Entfernung aus demselben 
kann auf mechanischem, physikalischem und chemischem Wege erfolgen. 

Bei der mechanischen Reinigung werden die Schwimm- und Sinkstofle 
durch Sedimentirung oder Filtration beseitigt. Erstere erfolgt entweder in Becken 
oder Brunnen. Die Filtration im Kleinbetriebe geschieht mittels der soge- 
nannten Hausfilter, denen als solche für grössere Leistungen das Pressfilter 
von B. Kröhnke und das Piefke’sche Asbestcellulnsefilter angereibt werden. 
Zur Reinigung des Wassers im Grossen werden fast ausschliesslich Sandfiter, 
selten die Wormser künstlichen Filtersteine (Sandplattenfilter) verwandt. Die 
Sandfilter arbeiten nicht keimdicht, liefern aber bei richtiger Anlage und sorg- 


Wasser. 285 


fältigem Betrieb ein keimarmes Filtrat. Anlage und Betrieb der Sandfilter 
werden unter Berücksichtigung der vom Reichsgesundheitsamt dafür aufge- 
stellten Grundsätze etwas eingehender abgehandelt. Kommt es nicht auf die 
Zurückhaltung von Krankheitserregern, sondern auf die Beseitigung anderer, 
und zwar nicht zu feiner Schwebestoffe au, so kann man sich der sogenannten 
Sehnellfilter bedienen, von denen das Filter Patent B. Kröhnke viele Vor- 
züge aufweist. Die Oxydationsfilter sind bisher nur für die Abwasserreinigung 
verwendet. Alle wichtigeren, bei der Sedimentirung bezw. Filtration gebräuch- 
lichen Apparate und Einrichtungen werden an Abbildungen erläutert. 

Von physikalischen Verfahren kommt in der Praxis nur die Destillation, 
nad zwar zur Erzeugung von Süsswasser aus dem Meerwasser in Betracht. Vor 
dem früher üblichen Normandy’schen Apparat bietet der von Pape, Henne- 
berg & Co. eingeführte, der abgebildet und beschrieben ist, wesentliche Vorzüge. 
In den Tropen hat man auch die Sonnenwärme hierzu benutzt. Von dem Aus- 
frieren gelöster Körper wird in der Wasserreinigungstechnik bisher kein Ge- 
brauch gemacht. ; 

Die chemischen Verfahren dienen hauptsächlich zur Entfernung bezw. 
Unschädlichmachung gelöster Stoffe, sie lassen sich aber auch zur Beseiti- 
gung feinster suspendirter Theile, wie Thontrübungen, Mikroorganismen u.s.w. 
mit verwenden. Entweder bewirkt der zugesetzte chemische Körper eine direkte 
Pällung des störenden Stoffes, oder „durch das Zusammenwirken zweier hinter- 
einander dem Wasser zugesetzter chemischer Verbindungen wird ein dritter 
wlöslicher Körper erzeugt, der bei seinem Ausfallen die betreffenden Ver- 
wreinigungen einschliesst und mit niederreisst“ (= indirekte Fällung), 
oder es kommt die Reinigung des Wassers durch die Wirkung des Sauer- 
stoffs zu Stande (=Oxydation). Es können direkt ausgefällt werden gewisse 
Kalk- und Magnesiasalze, Huminsubstanzen sowie Eisenoxydverbindungen. Zur 
Beseitigung der Oxydulverbindungen des Eisens wird dagegen zweckmässiger 
von der indirekten Fällung nach dem B. Kröhnke’schen Enteisenungsver- 
fahren Gebrauch gemacht, wobei das Wasser erst mit Eisenchlorid und dann 
mit Kalkmilch versetzt wird, und der gebildete schleimig-voluminöse Nieder- 
schlag von Eisenoxydhydrat nicht nur das ursprünglich im Wasser gelöste, in- 
zwischen aber in feinster Form ausgeschiedene Eisen, sondern auch feine Trü- 
bungen, organische Substanz, Farbstoffe u. s. w. mit niederreisst, so dass sich 
das Kröhnke’sche Verfahren ganz besonders zur Reinigung von dunkelge- 
färbten Moorwässern eignet, wie das aus den mitgetheilten Analysen ersichtlich 
ist. Von der chemischen Enteisenung mittels gelöschten Kalkes nach Stäckel 
bezw. mittels dreibasisch pbosphorsauren Kalkes nach Lübbert bezw. mittels 
Tbierkohlenfiltern, bei welchen nach K. die vorhandenen Kalksalze das Eisen 
direkt ausfällen, wird in der Praxis nur wenig Gebrauch gemacht. 

Beim Grossbetrieb erfolgt der Zusatz der Chemikalien zur Wasserreinigung 
am besten kontinuirlich mittels der beschriebenen und z. Th. auch abgebildeten 
Apparate und Einrichtungen. 

Die Oxydation des Wassers geschieht hauptsächlich zur Enteisenung, 
seltener zar Zerstörung von organischer Substanz bezw. von Mikroorganismen, 
ud zwar in diesem Falle durch Ozon. Eingehender besprochen und erläutert 

22 


286 Wasser. 


wird die Enteisenung nach Oesten und Piefke. Dem Piefke’schen Verfahren 
wird bei grösseren Wassermengen sowie bei hohem Eisengehalt der Vorzug ein- 
geräumt. Bei der abgebildeten Enteisenungsanlage der allgemeinen Städte- 
reinigungsgesellschaft ist der Cokerieseler zur Steigerung der Oxydationswirkung 
in der Mitte getrennt, es wird bier mittels Filters Patent B. Kröhnke filtrirt. 

Während Piefke und Dunbar annehmen, dass das auf den Cokestücken 
sich ablagernde Ferrihydrat durch Bindung von Koblensäure sowie Abgabe von 
Sauerstoff die Eisenausscheidung befördert, vertritt K. die Ansicht, dass das- 
selbe eine direkte Kontaktwirkung auf das aus dem Wasser auszuscheidende 
Eisen ausübt. Kurz erwähnt werden auch die von Wellmann, Thiem, Kurth, 
Dunbar u. A. vorgeschlagenen Modifikationen des Enteisenungsverfahrens. 

Der zweite Theil der Abhandlung befasst sich mit der Reinigung des 
Wassers für besondere Zwecke. Für häusliche Zwecke, d.h. zum 
Trinken, Kochen, Waschen u. s. w. muss das Wasser in erster Linie frei von 
Krankheitsstoffen sein. Dieser Forderung lässt sich am leichtesten bei Ver- 
wendung von Grundwasser entsprechen, wenn es dem nicht verunreinigten, 
gut filtrirenden Boden aus genügender Tiefe mittels einwandsfreier Brunnen 
entnommen wird. Für die Begutachtung des Wassers zum Hausgebrauch wird 
die Besichtigung und sachverständige Untersuchung der Entnahmestelle und 
der Betriebsanlage als unerlässlich bezeichnet. Oberflächenwasser darf zum 
Hausgebrauch erst verwendet werden, nachdem es einem Verfahren unterworfen, 
durch welches etwaige Krankheitserreger entfernt bezw. getödtet werden. Man 
erreicht dies, allerdings mit beträchtlichem Kostenaufwand, durch Erhitzen unter 
Benutzung der zuerst von W. Siemens angegebenen, auf dem Princip des 
Gegenstromes konstruirten Apparate, von welchen der Wasserdestillirapparat 
der Firma Pape, Henneberg u. Co. abgebildet und beschrieben ist. Die 
Sandfiltration vermag selbst bei guter Anlage und sorgfältigem Betrieb nicht 
ein unter allen Umständen von Krankheitskeimen freies Wasser zu liefern, 
ebenso vermögen auch die besten Kleinfilter unter den Verhältnissen der Praxis 
nicht auf die Dauer ein keimfreies Filtrat zu geben. 

Von den zur Sterilisirung des Wassers vorgeschlagenen Chemikalien haben 
sich nach den bis jetzt vorliegenden Untersuchungen Chlorkalk (Traube- 
Bassenge), Brom (Schumburg) und Kupferchlorür (B. Kröhnke) bewährt. 
Die Sterilisirung mittels Elektricität bat noch keinen Eingang in die Praxis 
gefunden; wohl aber ist nach van Ermengem Flusswasser durch Ozon zu 
sterilisiren. Beim Grundwasser kann der Eisengehalt bezw. eine zu grosse 
Härte eine Reinigung d.h.Enteisenung bezw. Weichmachen desWassers erforderlich 
machen. 

Durch Aufnahme von Blei aus der Leitung kann das Wasser giftige Eigen- 
schaften annehmen, es findet das nach den Untersuchungen von M. Müller 
nur statt, wenn im Leitungswasser gleichzeitig Sauerstoff (Luft) und Kohlen- 
säure — und zwar letztere in nicht zu grosser Menge — vorhanden sind, eben® 
bei gleichzeitiger Anwesenheit von Luft und Ammoniak. Auch eiserne Leitungs- 
röhren werden unter denselben Bedingungen angegriffen, gusseiserne nach K.'s 
Untersuchungen weniger als schmiedeeiserne. Fernhaltung der Luft aus der 
Leitung, Bindung der freien Kohlensäure durch Soda, Kalkstein u. s. w. ver- 


Wasser. 287 


hüten, dass die Röhren angegriffen werden. Bei bleilösendem Wasser haben 
sich Zinnrohre mit Bleimantel, die durch messingene Kapselverschraubungen ver- 
bunden werden, bewährt. 

Eingeheuder abgehandelt ist das Wasser für Kesselspeisezwecke. 
Bier gilt es, die kesselzerstörenden sowie die kesselsteinbildenden Stoffe zu 
beseitigen bezw. unschädlich zu machen; wie dies im einzelnen Fall zu er- 
reichen ist, muss im Original nachgelesen werden. 

Das nächste Kapitel enthält die Anforderungen, welche an das Wasser zu 
stellen sind bei seiner Verwendung für Brauereien, Brennereien, Zucker- und 
Stärkefabriken, Färbereien, Bleichereien, Gerbereien, Bäckereien, für die Papier- 
fabrikation, Milchwirthschaften, Fischereien. Zum Schlusse werden die wich- 
tigeren Wasserreinigungsapparate beschrieben, grösstentheils auch abgebildet. 

Fischer (Kiel). 


Abba, Ueber die Nothwendigkeit, die Technik der bakteriologischen 
Wasseruntersuchung gleichförmiger zu gestalten. Experimente u. 
Vorschläge. Zeitschr. f. Hyg. Bd. 38. S. 372. 

A. plädirt für Vereinfachung und Gleichförmigkeit in der bakteriolo- 
gischen Wasserantersuchung. Seine Gelatine, einfach aus 6 g Liebig’s 
Pleischextrakt, 150 g Gelatine und 1000 g Wasser bereitet, die Mischung 
! Stande im Koch’schen Topf gekocht, mit gesättigter Sodalösung bis zum 
Phenolphtaleinpunkt neutralisirt, nach Versetzen mit !/, g Soda noch !/, Stunde 
gekecht und schliesslich in der üblichen Weise filtrirt und sterilisirt, ist schnell 
hergestellt und 5—10 mal so billig als die gewöhnliche Fleischwasserpepton- 
gelatine, während sie nach A. dasselbe leistet. Auf dem Agarnährboden von 
Hesse und Niedner wuchs nur eine um 2/, geringere Zahl von Kolonien. 
Zar Aussaat verwendet er Petrischalen, in welche er nach des Ref. Vorschlag 
erst die abgemessene Wassermenge und dann die Gelatine einbringt. Zum 
Erstarren wird die Gelatine in einen modifieirten Plattengiessapparat gebracht. 
Die Schalen werden dann in einem einfachen Brütapparat auf 18—19 C. 
(im Sommer mit Hülfe von Leitungswasser) gehalten und bis zum 15. Tag 
beobachtet. Nach seinen Erfahrungen sind nach 2, 3, 5 bezw. 10 Tagen 
erst 22, 30, 52 bezw. 80 pCt. der überhaupt zur Entwickelung gelangenden 
Kolonien erschienen. Muss aus irgendwelchem Grunde die Beobachtung früher, 
2.B. nach 5 bezw. 10 Tagen beendet werden, so zählt er der beobachteten 
Keimzahl 48 bezw. 20 pCt. hinzu. Bei den auf Eis in einem von ihm hierzu 
bergestellten und beschriebenen Kasten aufbewahrten Wasserproben soll sich 
der Keimgehalt innerhalb von 3 Tagen nicht nennenswerth ändern. Die mit 
allerlei Schwierigkeiten verbundenen Aussaaten an Ort und Stelle sind dem- 
nach bei Benutzung solcher mit Eis beschickter Kästen zum Transport nicht 
mehr erforderlich. 

Der Keimgehalt soll stets pro 1 cem des Wassers angegeben bezw. be- 
rechnet werden. Nur die von dem Bakteriologen selbst oder durch eine Ver- 
trauensperson entnommenen Proben sollen untersucht bezw. begutachtet werden. 

(Nach früheren Erfahrungen wird man mit der Möglichkeit zu rechnen 
haben, dass die A.’sche Gelatine wegen gelegentlich im Fleischextrakt vor- 


22% 


288 Infektionskrankheiten. 


kommender, besonders widerstandsfähiger Sporen sich nur schwer keimfrei 
machen lassen wird. Die Angaben, dass sich der Keimgehalt des auf Eis auf- 
bewahrten Wassers innerhalb dreier Tage kaum ändere, verdienen eine Nach- 
prüfung, da nach früheren Erfahrungen hierbei oft eine Verminderung des 
Keimgehaltes eintritt. Ob die von A. selbst geforderten Nachprüfungen auch 
in Betreff des Erscheinens der Kolonien zu einem übereinstimmenden Ergebniss 
führen werden, bleibt natürlich abzuwarten. Der A.’schen Forderung aber 
nach Vereinfachung und Gleichförmigkeit der Untersuchung wird Jeder bei- 
treten. Ref.) Fischer (Kiel). 


Burkhardt, Gesetz, betreffend die Bekämpfung gemeingefährlicher 
Krankheiten vom 30. Juni 1900. Textausgabe mit Anmerkungen und 
Sachregister. Guttentag’sche Sammlung deutscher Reichsgesetze. No. 56. 
J. Guttentag’s Verlagsbuchhandl. Berlin 1900. Preis: 1,40 Mk. 

Verf. hat in der vorliegenden Arbeit die Gesetzesmaterialien, die zum Ver- 
ständniss desGesetzes, betreffend die Bekämpfung gemeingefährlicher 
Krankheiten und zu seiner richtigen Anwendung unentbehrlich sind, zu- 
sammengestellt, um sie weiteren Kreisen zugänglich und nutzbar zu machen. 
Den Angaben des Kommentars ist, soweit nicht im Text ausdrücklich eine 
andere Quelle genannt ist, durchweg die dem Gesetzentwurf beigegebene Be- 
gründung bezw. der von der 24. Kommission dem Reichstag erstattete Bericht 
(10. Legislaturperiode, I. Session 1898/1900, Drucksachen No. 690 und 760) 
zu Grunde gelegt. Da diese Gesetzesmaterialien für den Einzelnen vielfach 
nur schwer und unter Zeitverlust erreichbar. sind, wird der Kommentar, 
dessen Benutzung ein Sachregister erleichtert, den Verwaltungsbeamten 
und Aerzten und in erster Linie den. Medieinalbeamten und Polizeibehörden 
besonders willkommen sein. 

Die nach Fertigstellung des Drucks des vorliegenden Kommentars unter 
dem 6. Oktober 1900 vom Bundesrath erlassenen vorläufigen Ausführungs- 
bestimmungen zu dem Gesetz in Bezug auf die Bekämpfung der Pest sind im 
Anhang abgedruckt. i Roth (Potsdam). 


Mayer, Georg, Zur Kenntniss der Infektion vom Konjunktivalsack 
aus. Münch. med. Wochenschr. 1900. No. 34. S. 1169. 

Verf. vervollständigt die bekannten Versuche Römer’s durch ähnliche 
Untersuchungen an zahlreichen Kaninchen, Meerschweinchen, Feld- und Haus- 
mäusen, weissen Mäusen und weissen Ratten mit einer grossen Reihe patho- 
gener Bakterien. Es zeigte sich, dass der leichte Aufstrich einer Platinöse 
Kultur auf die Konjunktiva des unteren Lides unter sorgfältiger Vermeidung 
einer Verletzung genügte, um bei Milzbrand, Pest, Hühnercholera, Mäusetyphus, 
bei kleinen Thieren auch bei Rotz und Psittacosis Nocard rapide tödtliche All- 
gemeininfektion durch Einbruch in die Blutbahn herbeizuführen. Subakut wirkte 
Pseudotuberkulose, sehr chronisch bei grösseren Thieren Psittacose, Rotz, Tuber- 
kulose ; Tetanus und Diphtherie tödteten durch Giftwirkung. Bei Diphtherie 
und Staphylococcus pyogenes aureus kam es zu lokalen Infektionen. Cholera, 


Infektionskrankheiten. 289 


Typhus und Aktinomykose vermochten sich nicht anzusiedeln. Die Invasion 
der Bakterien gestaltet sich so, dass sie durch die Bewegung der Thränen- 
flüssigkeit bald in die Gegend der Thränenkanälchen getrieben werden, die, 
ebenso wie die Bindehaut, freibleiben. Erst im Thränensack, der stets mit 
Sekreten.gefüllt gefunden wurde, findet eine Stauung, Ansiedelung und Ver- 
mehrang namentlich in den Ausbuchtungen statt, von wo aus dann die In- 
fektion der Umgebung, insbesondere des Thränenkanals und der Nasenhöhle, 
swie der Blut- und Lymphgefässe erfolgt und damit der eventuellen Allge- 
meininfektion die Wege geebnet sind. B. Heymann (Breslau). 


Kaspi S. A. (New-York), Die Tuberkulose als Volkskrankheit und 
deren Bekämpfung. Preisschrift, herausgegeben vom Deutschen Central- 
comité zur Errichtung von Heilstätten für Lungenkranke. Berlin 1900. Preis 
für 10 Stück: 1,20 Mk. 

Gelegentlich des Berliner Tuberkulosekongresses war von 2 Berlinern ein 
Preis von 4000 Mk. gestiftet worden für die beste zur Massenverbreitung sich 
eignende Schrift über die Tuberkulose als Volkskrankbeit und deren 
Bekämpfung. Von 81 eingereichten Arbeiten wurde der obigen der Preis 
zwerkannt, und dieselbe wird jetzt durch das Deatsche Centralcomitö zur Er- 
richtung von Heilstätten für Lungenkranke zur Verbreitung gebracht. Um 
letztere zu einer möglichst ausgedehnten zu machen, ist das Recht des Nach- 
drackes und der Uebersetzang ausdrücklich freigegeben. Näher auf den Inhalt 
der Schrift einzugeben, ist natürlich bei der Fülle des darin enthaltenen Stoffes 
nicht möglich; es sei nur hervorgehoben, dass alle Fragen, deren Besprechung 
in einer solchen Schrift wünschenswerth ist, in geschickter und allgemein ver- 
ständlicher Weise behandelt sind. Bei der Frage nach der Uebertragung der 
Tuberkulose durch Nahrungsmittel hätte allerdings die vom Verf. gar nicht 
berücksichtigte Butter Erwähnung verdient, ferner hätte auch die Bedeutung 
des Alkoholmissbrauches als eines zur Tuberkulose disponirenden Momentes etwas 
ausführlicher hervorgehoben werden können, als es geschehen ist. Zweifellos 
wird die Schrift jedoch ihrem Zwecke vollständig gerecht werden und, wenn 
bipreichend verbreitet, sehr segensreich wirken. Ott (Oderberg). 


Busquet, Transmission de la tuberculose par les timbres-poste. 
Ball. med. 16 dec. 1899. p. 1126. 

Der Verf., französischer Militärarzt, kaufte von einem an vorgeschrittener 
Taberkulose leidenden Soldaten, der ein eifriger Briefmarkensammler war 
ud die Marken mit seinem Speichel in das Sammelbuch einzukleben 
pfegte, 300 Stück derselben, brachte sie in ein halbes Liter sterilen Wassers und 
impfte sodann, nachdem die Marken 24 Stunden in dem Wasser liegen geblieben 
waren, damit 8 Meerschweinchen. 

Alle 8 Thiere zeigten deutliche Zeichen von Tuberkulose, während 
die Kontrolthiere gesund blieben. Ein sehr beachtenswerthes und zur grössten 
Aufmerksamkeit mahnendes Ergebniss, wenn man daran denkt, dass gerade 
die markensammelnden Kinder sich mit Vorliebe ihrer Zunge zum Anfeuchten 
der Marken bedienen! 


290 Infektionskrankheiten. 


Der Verf. hat dann weiter untersucht, welche desinficirenden Lö- 
sungen sich am besten zum Waschen und Desinficiren von Briefmarken 
eignen, ohne sie zu schädigen. Er empfiehlt hierzu die Einwirkung einer 
5 proc. Karbolsäurelösung, eine Stunde lang, oder 30 Minuten langes Auf- 
kochen in derselben, oder als das wirksamste die Dampfdesinfektion. 

Jacobitz (Halle a. S.). 


Liebe 6., Der Stand der Volksheilstättenbewegung im In- und Aus- 
lande. IV. Bericht. München 1900. Seitz & Schauer. Preis: 3,00 Mk. 

Im Verein mit einer Anzahl ausländischer Mitarbeiter giebt uns Liebe 
in der vorliegenden Broschüre eine anscheinend recht vollständige Uebersicht 
über den Stand der Volksheilstättenbewegung in der ganzen civili- 
sirten Welt. Den grössten Theil nimmt dabei natürlich die Beschreibung 
der deutschen Anstalten ein, wobei nicht nur die bereits bestehenden, sondern 
auch die im Bau begriffenen und erst geplanten Berücksichtigung finden; dieser, 
von Liebe selbst herrührend, ist mit scharfer Kritik geschrieben, deren Be- 
rechtigung in einer ganzen Anzahl von Punkten man ohne weiteres zugeben 
muss; an einigen Stellen jedoch geht dieselbe entschieden zu weit. Wenn 
beispielsweise S. 4 die Zeitschrift für Tuberkulose und Heilstättenwesen eine 
altbackene genannt wird, und wenn Verf. mit ihrer Erscheinungsweise in zwang- 
losen Heften nicht zufrieden ist, sondern gleich eine Wochen-, höchstens 
Monatsschrift verlangt, so war es hier doch vielmehr angebracht, mit Rück- 
sicht auf die erheblichen Schwierigkeiten, die bei der Gründung der Zeitschrift 
überwunden werden mussten, sich vorläufig mit dem Erreichten zufrieden zu 
geben und das Geleistete anzuerkennen. Woher in aller Welt will übrigens 
Verf. das Material sammeln, um eine Wochenschrift zu füllen, vorausgesetzt 
natürlich, dass es lesens- und druckenswerthes Material sein soll. Wenn ferner 
(S. 16) bei der Heilstätte zu lesen steht: „Soweit bei der Anstalt wirklich 
uneigennützige Nächstenliebe in Betracht kommt u. s. w.“, so ist diese Bemer- 
kung doch, gelinde gesagt, überflüssig gewesen. Diese beiden Proben mögen 
genügen. Im übrigen wird die verdienstvolle Zusammenstellung nicht nur bei 
den Fachgenossen, sondern bei.Jedem, der tieferes Interesse für die Heilstätten- 
bewegung besitzt, Anklang finden. Ott (Oderberg). 


Schrader, 1. Bericht der Volksheilstätte für Lungenkranke im 
Regierungsbezirk Oppeln zu Loslau O.-S. Loslau 1900. Gedruckt bei 
C. T. C. Roesch. 

Der Bericht enthält das Statut des Heilstättenvereins, Mittheilungen über 
die Feier bei der Einweihung der Heilstätte, den Bericht des Arztes über 
die ersten 1?/, Betriebsjahre und endlich eine kurze Beschreibung der Bin- 
richtung und des Betriebes der Anstalt. Aus dem ärztlichen Bericht ist 
von Interesse, dass von 362 Kranken 11,5 als zur Zeit geheilt, 78,73 pCt. als 
gebessert, 64,47 pCt. als völlig erwerbsfähig entlassen wurden. Die Eiurich- 
tung der Anstalt und ihr Betrieb lassen, wie auch Liebe hervorhebt, in der 
Tbat eine gewisse Uebereinstimmung mit Oderberg nicht verkennen. 

Ott (Oderberg). 


Infektionskrankheiten. 291 


Elkan $, Hygiene und Diätetik für Lungenkranke. Leipzig 1901. 
H. Hartung & Sohn. Preis: 1,60 Mk. 

Nach dem Vorworte will Verf. „in der vorliegenden Arbeit versuchen, 
einen kurzen Ueberblick über alles das zu geben, was durch die neuesten 
Forschungen über die Hygiene und Diätetik der Lungenschwindsüch- 
tigen als nutzbringend anerkannt ist. Sie soll zur Belehrung, sowohl der 
Aerzte, wie auch der gebildeten Laien dienen, der letzteren besonders deshalb, 
weil wir ihrer Mitbülfe im Kampfe gegen die Schwindsucht bedürfen“. Es 
ist nun eine sehr heikle Sache, Aerzte und Laien zugleich über ein medi- 
einisches Thema belehren zu wollen; entweder bringt man für den Mediciner 
genug, dann ist die Schrift für den Laien zu ausführlich und zum Theil unver- 
ständlich; im anderen Falle dürfte man für den Arzt wohl kaum etwas 
Belehrendes geboten haben. Verf. hat sich gleichwohl bemüht, beiden Zwecken 
gerecht zu werden, nach des Ref. Ansicht jedoch ohne sonderlichen Erfolg. 
Was soll z. B. in einer populären Schrift die Aufzählung der meisten bisher 
ohne Erfolg angewandten Mittel gegen die Tuberkulose, ein näheres Eingehen 
auf die Verordnungsweise des Kreosots, die genaue Beschreibung der Aus- 
kultations- und Perkussionsbefunde bei dem Initialstadium des Leidens und 
dergl.? Jedem Arzte dürften diese Sachen bekannt sein, ebenso wie das genau 
beschriebene Verfahren, Tuberkelbacillen zu färben. Jedenfalls ist das Buch 
nicht derart, dass es zur weiteren Verbreitung in Laienkreisen empfohlen 
werden könnte. Ott (Oderberg). 


Mayer, Georg, Zur histologischen Differentialdiagnose der säure- 
festen Bakterien aus der Tuberkulosegruppe. Virch. Arch. Bd. 160. 
S. 324. 

Aus den sehr ausführlich beschriebenen histologischen Befunden des 
Verf’s sei Folgendes hervorgehoben: Reinkulturen der „Tuberkulose- 
ähnlichen“ Bakterien sind der Bauchhöhle von Kaninchen und Meer- 
schweinchen nicht pathogen. Bei gleichzeitiger, Anwesenheit von 
Butter dagegen vermögeu sie sich zu entwickeln und eine bei Meerschwein- 
chen nach Wochen tödtlich verlaufende schwartige Peritonitis herbeizu- 
führen, die schon nach wenigen Tagen bei den künstlich getödteten Thieren 
nachweisbar war. Das gleiche Krankheitsbild wird bei Anwesenheit von 
Butter auch durch die Koch’schen Tuberkelbacillen (neben den eigentlichen 
tuberkulösen Veränderungen) erzeugt; andere Bakterien sind, ebenso wie Butter 
allein, hierzu nicht im Stande. Wie die Säurefestigkeit das morphologisch 
Gleichartige, so ist die schwartige Peritonitis bei Bntteranwesenheit das patho- 
logisch-anatomisch Gleichartige dieser ganzen Bakteriengruppe. Innerhalb 
der peritonitischen Schwarten, welche bei den einzelnen Arten etwas 
verschieden gestaltet sind, werden knötchenförmige Bildungen, durch 
den im Rubner’schen Institut isolirten Bacillus bisweilen auch der tuber- 
kulösen Verkäsung ähnliche Koagulationsnekrosen, durch den Timothee- 
Bacillus nicbt selten echte verkäste riesenzellenhaltige Tuberkel ber- 
vorgerufen. Trotzdem ist das Sektionsbild nicht zu vergleichen mit der Koch- 
schen Bauchhöhlentuberkulose, es finden sich keine typischen grauen oder 


292 Infektionskrankheiten. 


käsigen miliaren Knötchen, niemals ein mikroskopisches Uebergreifen des 
Processes auf das Parenchym der Unterleibsdrüsen, niemals Metastasen in den 
Lungen oder anderen Organen. H. Koeniger (Leipzig). 


d’Arrigo G., Ueber die Gegenwart und über die Phasen des Koch- 
schen Bacillus in den sogenannten skrophulösen Lymphdrüsen. 
Centralbl. f. Bakteriol. Bd. 28. No. 16. S. 481. 
Verf. hat mit Hülfe der von ihm gemeinsam mit Stampacchia im Centralbl. 
f. Bakteriol. Bd.23. No.2 (d.Zeitschr. 1898. S.930) veröffentlichten Fixirungs- und 
Färbetechnik Untersuchungen über das Vorkommen und die Entwickelung des Tu- 
berkelbacillus in skrophulösen Lymphdrüsen, sowie über die durch 
ihn hervorgerufenen histologischen Veränderungen angestellt und macht 
darüber eine Reihe von kurzgefassten, vorläufigen Mittheilungen. Nach seiner 
Meinung müssen alle sogenannten Drüsenskrophulosen als echte, mehr oder 
weniger abgeschwächte Tuberkulosen betrachtet werden. In dem Alter von 
4—12 Jabren werden vorzugsweise Cervikal- und Submaxillardrüsen, später 
die Axillar- und Inguinaldrüsen befallen, Die weiteren Angaben des Verf.s 
über die histologischen Veränderungen und vor Allem die z. Th. sehr eigen- 
artigen morphologischen Besonderheiten des Tuberkelbacillus in dem skrophu- 
lösen Drüsengewebe, wie sie durch die beigegebenen Abbildungen zur Dar- 
stellung kommen, lassen die von dem Verf. in Aussicht gestellte ausführliche 
Arbeit mit Interesse erwarten. B. Heymann (Breslau). 


6uinon, Contamination hospitalière de la fièvre typhoide. Bull. de 
la Société méd. des hôpitaux. 21 Dec. 1899. p. 969. 

Der Verf. berichtet als Vervollständigung einer früheren Arbeit über 
8 Typhusfälle, die zweifellos durch Ansteckung im Krankenhause 
selbst herbeigeführt worden sind. 

Die Ansichten der französischen Autoren über die Möglichkeit und 
die Gefahr einer solchen Ansteckung, und demgemäss auch über die 
daraus sich ergebenden Maassnahmen, wie Isolirung, Desinfektion u. s. w., 
sind getheilt: die einen bezweifeln nicht das Bestehen der Ansteckungsgefahr, 
die anderen wollen dieselbe nur für das Pflegepersonal gelten lassen, während 
eine dritte Gruppe die Möglichkeit zwar nicht absolut leugnet, aber ihr Vor- 
kommen in der Wirklichkeit doch für eine grosse Ausnahme hält. 

Jacobitz (Halle a.S.). 


Clemm, Walter Nic., Das Piorkowski’sche Verfahren zum Nachweise 
von Typhusbacillen mittels Harngelatine. Inaug.-Diss. Giessen 1900. 
Nach Besprechung der bisherigen Bemühungen zur Herstellung eines elek- 
tiven Nährbodens für den Typhbusbacillus und der von anderer Seite 
mit der Piorkowski’schen Methode gemachten Erfahrungen berichtet Verf. 
über seine eigenen Versuche. Er beschickte die Harngelatine 
1. mit möglichst vielen verschiedenen Typhus- und Colistämmen, 
2. mit dem Koth Gesunder, Typhöser und anderweitig fieberhaft Erkrankter, 


Infektionskrankheiten. 293 


3. mit ihm selbst unbekannten, von fremder Hand zusammengestellten 
Bakteriengemischen, 

4. mit Erde-, Wasser- und Milchproben. 

Die Kolonien des Bact. coli waren von denen des Typhusbacillus 
oftnicht zu unterscheiden; in Erde, Wasser und saurer Milch fanden sich 
sogar Bakterien, die in Harngelatine das charakteristische Aussehen der Typhus- 
kolonien uoch vollkommener nachahmten, als das Colibakterium. Verf. kommt zu 
dem Schluss, dass der Piorkowski’sche Nährboden die Isolirung des Typhus- 
bacillus aus Koth zwar erleichtere, dass sich jedoch das Verfahren zur Früh- 
diagnose des Typhus auf Grund des Plattenbildes nicht eigne; Nachprüfung 
darch die bekannten zuverlässigen Methoden sei stets nothwendig. Verf. 
empfiehlt dann noch, den Harn der Einfachheit halber künstlich mit Ammonium- 
carbonat zu alkalisiren, was die Güte des Nährbodens nicht beeinträchtige, 
und erörtert schliesslich kurz die Frage, ob nicht der Typhusbacillus durch 
Züchtung in Harn die Eigenschaft erlangen könne, aueh in gewöhnlicher Gela- 
tine Faserkolonien zu bilden, was Verf. auf Grund eines entsprechenden Ver- 
suches bejaht. Beitzke (Halle a. 8.). 


Papasotiriu J., Notiz über den Einfluss des Petroleums auf den Diph- 
theriebacillus. Münch. med. Wochenschr. 1900. No. 40. S. 1381. 

Verf. hat sich die Aufgabe gestellt, die in Amerika vielfach geübte und 
von verschiedenen Autoren warm empfoblene Behandlung der Diphtherie 
mit Petroleum (Pinselungen des Rachens oder 1 Esslöffel ein- bis mehrmal 
pro die) bakteriologisch zu prüfen, und zu diesem Zweck den Einfluss des 
Petroleums auf das Wachsthum der Diphtheriebacillen untersucht. Es ergab 
sich, dass eine Schädigung des Wachsthums in keiner Weise eintrat, weder 
durch Petroleumdämpfe, noch durch Ueberschichtung oder Vermischung des 
Nährbodens mit Petroleum. In einigen Versuchen wird das Wachsthum sogar 
noch üppiger gefunden als auf den Kontrolplatten ohne Petroleumzusatz. Die 
Heilerfolge, falls sie wirklich stattbaben, würden demnach jedenfalls nicht auf 
eine bakterientödtende oder entwickelungshemmende Wirkung des Petroleums 
zurückzuführen sein. B. Heymann (Breslau). 


Steraberg, Carl, Ein anaörober Streptokokkus. Wien. klin. Wochenschr. 
1900. No. 24. 

Der Autor beschreibt einen fakultativ anaäroben Streptokokkus, der 
sich durch die Grösse der Individuen, sowie insbesondere dadurch auszeichnet, 
dass er unter anaöroben Verhältnissen besonders rasch und üppig gedeiht. 
Der aus menschlichem Sputum gezüchtete Mikroorganismus erwies sich für 
Kaninchen pathogen. Grassberger (Wien). 


Kassel und Fresch, Ueber die Pest in Oporto. (Nach einem an den Herrn 
Staatssekretär des Innern, bezw. an den Herrn Königl. Preussischen Minister 
der geistlichen, Unterrichts- und Medicinalangelegenheiten unter dem 21. No- 
vember erstatteten Bericht). Arbeiten aus dem Kais. Ges.-A. Bd. 17. S. 1. 

Vagedes, Ueber die Pest in Oporto. Ebendaselbst. S. 181. 

Nach einer Einleitung, die Angaben über die geographische Lage, über 


294 Infektionskrankheiten. 


die Anlage der Stadt, über die allgemeinen, nicht gerade günstigen Gesund- 
heitsverhältnisse, über andere in bygienischer Beziehung wichtige Einrichtun- 
gen, wie Wasserversorgung, Beseitigung der Abfallstoffe, von denen besonders 
die für die letztere viel zu wünschen übrig lassen, und die schliesslich noch An- 
gaben über Klima, Temperatur, Anzahl der Regentage u.s.w. enthält, folgen 
zunächst Mittheilungen über den Beginn der Seuche und ihren Verlauf bis 
zur Ankunft der. Berichterstatter in Oporto am 9. September 1899. Die Fra- 
gen, woher und wie die Einschleppung der Pest in Oporto stattgefunden 
hat, lassen sich nicht mit Sicherheit beantworten, wahrscheinlich ist aber 
durch den vielfach beschuldigten Dampfer „City of Cork“ dieselbe nicht ge- 
scheben. Es hat sich kein direkter Zusammenhang zwischen dem eben ge- 
nannten oder irgend einem anderen etwa in Betracht kommenden Schiffe und 
den zuerst erkrankten, dicht am Hafen wohnenden Hafenarbeitern feststellen 
lassen. Es erscheint vielmehr nicht unwahrscheinlich, dass zunächst eine 
Rattenpest im Hafengebiet Oportos ausgebrochen ist. Oporto besitzt zwar 
mit Indien, Egypten oder sonstigen pestverseuchten Ländern keinen direkten 
Verkehr, sondern steht mit diesen hauptsächlich durch die Vermittelung Lon- 
dons in Verbindung, wodurch jedoch die Möglichkeit der Einfuhr einer ver- 
seuchten Ladung und damit eine Erkrankung der zahlreichen Ratten in Oporto 
nicht ausgeschlossen ist. 

Die von den Berichterstattern gemachten klinischen, bakteriolo 
gischen und anatomischen Beobachtungen stimmen mit den aus anderen 
Ländern mitgetheilten im Wesentlichen überein: Am meisten kamen unter 
den von ihnen beobachteten 15 Fällen solche von Beulenpest vor, primäre 
Lungenpest und ebenso Darmpest haben sie nicht beobachtet; in 2 Fällen 
lag eine sekundäre Betheiligung der Lungen an der Erkrankung vor, 
einmal in Form einer pneumonischen Infiltration der Unterlappen und im 
zweiten Falle in Form hämorrhagischer Infarkte. In einem Falle wurde auch 
ausgedehnte Inselbildung der Haut gefunden, die sich wohl als Hautembolien 
auffassen lässt. Einmal konnten Kossel und Frosch aus dem rahmigen 
Eiter eines incidirten Babo mittels des Kulturverfahrens auch vereinzelte 
Kolonien von typischen Pestbacillen erhalten. Auffallend waren die 
nicht selten bei schweren Pestfällen beobachteten starken, oft eitrigen Injek- 
tionen der Konjunktiven, eine Erscheinung, die auch in Indien festge- 
stellt worden ist. Die Verff. weisen sodann auf die grosse Wichtigkeit 
der leichten Fälle hinsichtlicb der Diagnose und Prognose hin. Gerade 
in Oporto war die Zahl der Leichtkranken, bei denen die Anschwellung 
einer Drüsengruppe das einzige Symptom der Krankheit ausmachte und 
nur die anhaltende Schwäche nach dem Ueberstehen der Krankheit auf eine 
vorübergegangene ernste Erkrankung hindeutete, eine grosse und die Gesammt- 
mortalität im Allgemeinen bis zur Abreise der beiden Berichterstatter, am 
21. September, eine verhältnissmässig geringe, so dass es den Aerzten Schwie- 
rigkeiten machte, die Einwohner zu überzeugen, dass es sich um echte orien- 
talische Beulenpest handele. Von Bedeutung ist nun, dass bei derartigen 
Leichtkranken die Möglichkeit besteht, dass”ihre Erkrankung plötzlich in eine 
schwere Form übergehen, Komplikationen, z. B. von Seiten der Lunge, dazu- 


Infektionskrankheiten. 295 


treten können und damit eine grosse Gefahr für die Umgebung gegeben sein 
kann. Ferner ist auch das Fortbestehen von Drüsenschwellungen nach dem 
Leberstehen der eigentlichen Erkrankung nicht ohne Bedenken. Es muss daher 
bei allen aus pestverdächtigen oder -verseuchten Orten kommenden Personen, 
anch bei denen, die ohne jegliche Störung des Allgemeinbefindens gefunden wer- 
den, allen Drüsenschwellungen, die grösste Aufmerksamkeit geschenkt werden. 
Weiter heben Kossel und Frosch den grossen Werth der bakteriolo- 
gischen Untersuchung für die unbedingte Sicherstellung der Diagnose 
auch in zweifelhaften Fällen hervor. 

Die Behandlung der Pestkranken bestand ausser in Verabfolgung von 
Calomel, Roborantien und in der Anwendung von Bädern, auch in Injektionen 
von Yersin’schem Serum, welches im Institut Pasteur Paris von Pferden 
gewonnen war, die angeblich mit abgetödteten Pestbacillen immunisirt worden 
waren. Die Einspritzungen wurden subkutan und intravenös vorgenommen 
und in der Regel jedesmal 20 cm? Serum verwandt. Ueber die Wirkung des 
Serams glauben die beiden Berichterstatter zu einem endgültigen Urtheil bei 
der geringen Anzahl Fälle ihrer Beobachtung nicht berechtigt zu sein, doch 
soll nach ihrer Ansicht bei subkutaner Anwendung desselben jede sichtbare 
Wirkung fehlen. Schädliche Einflüsse wurden bei Gebrauch des Serums in 
keinem Falle beobachtet. 

Die Verff. weisen gegenüber der unter der Bevölkerung Oportos und auch 
unter den dortigen Aerzten verbreiteten Ansicht, dass es sich um einen 
im Ganzen gutartigen Seuchenverlauf handele, darauf hin, dass die 
Seuche z. Z. einen progressiven Charakter trage und von Monat zu Monat 
im Zanehmen begriffen sei. Ihren Höbepunkt erreichte dieselbe im Oktober, 
dann trat ein allmähliches Absinken ein, und seit Mitte Februar 1900 kann 
die Epidemie als erloschen angesehen werden. — Auch in Oporto hat sich 
das Bestehen gewisser „Pesthäuser“ ohne Schwierigkeit feststellen lassen. 
Eine auffallende Rattensterblichkeit soll niemals beobachtet worden sein, 
doch hat der Municipalarzt Dr. Jorge bei Ratten, die in den Häusern der 
Erkrankten lebend gefangen wurden, Pestbacillen nachweisen können. 

Die Ergänzung zu dem obigen Bericht bildet der von Vagedes, welcher 
vom 6. Januar bis 21. März 1900 in Oporto weilte, also die Epidemie in 
ihrem Endstadium zu beobachten Gelegenheit hatte. Frische Pestfälle konnte 
er nicht mehr untersuchen, doch boten die noch im Pesthospital St. Bomfin 
vorbandenen 24 Kranken resp. Rekonvalescenten Material zu verschiedenen wich- 
tigen und interessanten Beobachtungen: So wurden gelegentlich noch 2 Monate, 
in einem Falle noch 78 Tage nach dem Beginn der Erkrankung Pestbacillen 
nachgewiesen. Zn diagnostischen Zwecken mit der Pravaz’schen Spritze 
entnommener Bubonensaft wurde von Vagedes viermal untersucht; dreimal 
liessen sich durch das Kulturverfahren die Bacillen feststellen. In dem einen 
dieser Fälle fand er auch in dem erbrochenen Mageninhalt, und zwar in dem- 
selben beigemengten, etwa stecknadelkopfgrossen Blutpünktchen Pestbacillen. 
Die in demselben Falle später vorgenommene Obduktion ergab ausgedehnte 
Blutung in der Magenschleimhaut, die fast die ganze Fläche der Schleimhaut 
einnahm und nur an der Kardia die eigenthümliche spritzflockenartige Be- 


296 Infektionskrankheiten. 


schaffenbeit zeigte; die Darmschleimhaut war stark geröthet, zeigte jedoch 
keine eigentlichen Blutungen. Zur Ausführung der bakteriologischen Un- 
tersuchung benutzte Vagedes Petri-Schälchen mit Agarnährboden, bei 
dem die Alkalisirung nach der im Kaiserlichen Gesundheitsamt geübten Me- 
thode: genaue Neutralisirung unter Kontrole des Helfenberger’schen Lakmus- 
papiers und dann Zusatz von 0,5 g krystallisirter Soda zu einem Liter Nähr- 
lösung, vorgenommen worden war. Thierversuche hat Vagedes zuerst aus 
Mangel an Meerschweinchen und weissen Mäusen nur wenige anstellen können, 
er hat die von Weichselbaum, Albrecht und Ghon mitgetheilten Angaben 
(„Ueber Pest“, Wiener klin. Wochenschr. 1899. No. 50) nachgeprüft und bei 
einem Meerschweinchen und zwei weissen Mäusen typische Pestinfektion erzeugt. 
Die Haut der Thiere wurde durch Rasiren, bei einer Maus auch nur durch vor- 
sichtiges Abschneiden mit der Cooper’schen Scheere von den Haaren befreit 
und alsdann mit frisch isolirter Pestkultur versetzter Auswurf eines sicher 
Nichtpestkranken auf dieselbe zwischen den Schulterblättern eingerieben. 
Ferner bat der Verf. auch Untersuchungen über die agglutinirende Eigen- 
schaft des Blutserums von Menschen, die Pest überstanden hatten, auf Pest- 
bakterien angestellt. Allerdings hatte er bierbei mit Schwierigkeiten von 
Seiten der Patienten zu kämpfen, die nur schwer dazu zu bewegen waren, 
sich auch nur einige Tropfen Blut entnehmen zu lassen. Versuche im Re- 
agensglase waren nicht ausführbar, und Vagedes musste sich mit Ausnahme 
eines einzigen Falles auf die Untersuchung und Prüfung im hängenden Tropfen 
beschränken. Bei 13 Untersuchten zeigte sich nur zweimal ein positiver Be- 
fund (3. und 4. Krankheitsmonat), und bei 3 Kranken (1 und 21/, Monat) war 
die Agglutination nur angedeutet. Es scheint also nicht so, als ob diese Re- 
aktion für die Diagnosestellung sich werde verwerthen lassen. Unter den 
mit Yersin’schem Serum behandelten 150 Kranken betrag die Mortalität 
ca. 20 pCt., während die Gesammtsterblichkeit im Laufe der Epidemie von 
Juni 1899 bis Februar 1900 auf 34,6 pCt. sich belief; auf 324 Erkrankte 
kamen 112 Todesfälle. 

Den Schluss beider Abhandlungen bilden Mittheilungen über die gegen 
die Weiterverbreitung der Seuche angewendeten Maassregeln. Von diesen 
hat sich die Ziehung eines Truppenkordons zur Verhütung der Weiterver- 
breitung der Seuche auf andere Landestheile nicht bewährt, wenn auch 
glücklicher Weise ein Umsichgreifen der Seuche trotzdem nicht stattfand. 
Verliess doch bei dem Bekanntwerden der drohenden Absperrung ein grosser 
Theil der Einwohner die Stadt, und sollen doch auch während der Durch- 
führung dieser Maassnahme noch Viele auf Schleichwegen hinausgelangt sein. 
Auch die übrigen Anordnungen, die sich vor Allem auf die Ueberwachung 
der die Stadt verlassenden Personen, auf die Desinfektion der herausgehenden 
Waaren, Inspicirung und Reinigung der unsauberen Orte und Wohnungen, 
Desinfektion der Häuser, in denen Pestfälle vorgekommen waren, und auf 
Regelung des Kranken- und Leichentransportes bezogen, lassen andere, grössten- 
theils wichtigere, wie die strenge Isolirung der Pestkranken und der pestver- 
dächtigen Kranken, die ständige Ueberwachung ihrer Angehörigen, Räumung 
der Pesthäuser, fortgesetzte Bekämpfung der Ratten und dergl. vermissen. 

Jacobitz (Halle a. S.). 


Infektionskrankheiten. 297 


Bruaner, Alfred, Ueber Maltafieber. Wien. klin. Wochenschr. 1900. No. 7. 
Verf. beschreibt einen Fall von Maltafieber, welcher, wahrscheinlich 
in Süäddalmatien acquirirt, im Triester Spital zur Beobachtung kam. Die 
Diagnose wurde unter Berücksichtigung des klinischen Befandes, nach Aus- 
schluss von Malaria und Typhus, durch Serumreaktion mit einem aus Wien 
(Kretz) bezogenen Stamm des Micrococcus melitensis festgestellt. Das Serum 
des Erkrankten agglutinirte Aufschwemmungen dieses Bakteriums in der Ver- 
dünoung von 1:50 im Zeitraum von 56 Minuten; später nahm die Wirksam- 
keit des Serums noch etwas zu. Durch Milzpunktion gelang es auch, eine 
Kolonie des typischen Brnce’schen Mikrokokkus auf Glycerinagar mit 
Ascitesflüssigkeit zum Wachsthum zu bringen. Bei Stellung der Diagnose 
„Maltafieber“ ist nach dem Verf., abgesehen von der Serumreaktion, das Haupt- 
gewicht auf den Mangel von Durchfällen, das freie Sensorium, Fehlen von 
Roseolen und Epistaxis, sowie den mässigen Milztumor zu legen. 
Grassberger (Wien). 


Sternberg, Carl, Zur Kenntniss des Aktinomycespilzes. Aus der Pro- 
sektur der k. k. Krankenanstalt „Rudolph-Stiftung in Wien. Wiener klin. 
Wochenschr. 1900. No. 24. 

Verf. beschreibt die kulturellen Eigenschaften von 3 Aktinomyces- 
sämmen, welche aus 3 Fällen menschlicher Aktinomykose gezüchtet wurden 
und das gemeinsame Merkmal aufweisen, dass sie fast ausschliesslich ana&rob 
gedeihen. Es gelang, durch subkutane Injektion von Kulturen bei Kaninchen 
und Meerschweinchen Abscesse zu erzeugen, welche in mehr oder minder reich- 
lieber Menge die Pilze in Stäbchenform enthielten, ohne dass es zur Bildung 
der typischen Aktinomycesdrusen kam. Sternberg, welcher seine Befunde 
mit den in der Literatur mitgetheilten vergleicht, glaubt, dass die von ihm 
isolirten Stämme mit dem Wolff-Israel’schen Aktinomyces zu identificiren 
sind, da sie mit diesem morphologisch und kulturell vollkommen überein- 
stimmen, wenn auch die Thierversuche ein anderes Resultat zeigen als die 
von Israel und Wolff angestellten. 

Auf Grund der eigenen Untersuchungen, sowie der in der Literatur ge- 
sammelten Befunde kommt der Autor zu dem Schluss, dass der menschlichen 
Aktinomykose mindestens zwei, in ihrem kulturellen und biologischen Ver- 
halten verschiedene Pilze zu Grunde liegen, einerseits der Bostroem’sche, 
andererseits der Wolff-Israel’sche Pilz. Grassberger (Wien). 


The malaria expedition to Sierra-Leone. Brit. med.Journ. Sept.9.1899. 
p. 675—869. 

Die vom Institut für Tropenbeilkunde in Liverpool nach Sierra-Leone 
mar Erforschung der Malaria abgesandte Expedition, die aus Ross, Annett 
und Austen bestand, denen sich der Belgier van Neck anschloss, hat be- 
sonders über die Mosquitos als Vermittler bei der Uebertragung dieser 
Krankheit eine Reihe sehr interessanter, wichtiger Mittheilungen gemacht. 

Sie fanden in der Nähe von Malariakranken, an den Wänden der Kranken- 
zimmer u.s. w. hauptsächlich Culex und zwei verschiedene Anopheles- 


298 Infektionskrankheiten. 


arten, eine grössere und eine kleinere. Sie konnten feststellen, dass nur 
die Anopheles als Zwischenträger bei der Malaria anzusehen sind, wäh- 
rend die ihnen sehr ähnelnde und ungleich häufiger vorkommende Gattung Culex 
harmloser Natur ist. Es gelang, im Magen, im Darm und in den Drüsen 
der Anopheles sowohl den Parasiten des Tertiana- als auch des Quar- 
tanafiebers nachzuweisen, nicht aber den des Aestivo-autumnal-Fiebers. 

Bemerkenswerth ist auch die Erfabrung, dass ein Mosquito im Stande ist, 
mehrere Personen zu inficiren, und dass er in seinem Innern zugleich 
alle drei Schmarotzer beherbergen kann. 

Ausser den Mosquitos bildet der inficirte Mensch einen Ansteckungs- 
herd für die Weiterverbreitung der Malaria. Die Prophylaxe muss also 
einmal darauf Bedacht nehmen, den Menschen durch die Anwendung von 
Mosquitonetzen und dergl. vor den Stichen der Anopheles zu schützen, 
und andererseits wirksame Mittel zur Vernichtung der Mosquitos aufzufinden. 
Das hierzu wirksamste Mittel ist nach Ross, dass man die Sümpfe, die 
Wobnstätten der Anopheles und ihrer Larven, kennen lernt, aufsucht und 
zerstört. Die Thiere leben nur in gewissen Sümpfen, deren Kennzeichen sich 
allerdings schwer aufzählen lassen. Die Expedition nennt daher in ihrem 
Bericht die Merkmale für die Sümpfe und Wasserlachen, in denen die Ano- 
pheles sich nicht aufhalten: dieses sind 1. solche, in denen das Regenwasser 
nur kurze Zeit steht, 2. solche, in denen keine grünen Pflanzen, Algen und 
dergl. wachsen, 3. solche, die sich an einem Wasserlauf finden oder oft durch 
Regenwasser überschwemmt werden, 4. die grösseren Wasserlachen, in denen 
sich kleine Fische finden, 5. alle etwas schneller fliessenden Flüsse und Bäche 
und 6. die Brunnen, Cisternen u.s. w. Vorbedingung für eine erfolgreiche 
Vernichtung der Anopheles ist aber eine genaue Kenntniss ihres Körper- 
baues, ihres Aussehens und auch ihrer Lebensgewohnheiten zum Unter- 
schiede von der ihnen sehr ähnlichen, viel zahlreicher, fast in allen Wässern 
sich vorfindenden Gattung Culex. Die wichtigsten Verschiedenheiten be- 
stehen einmal darin, dass die weiblichen Palpen bei Anopheles länger 
sind als bei Culex, und sodann auch darin, dass die ersteren, wenn sie an den 
Mauern u. s. w. sich ausruhen, eine ganz andere Stellung einnehmen als die 
letzteren. Diese haben alsdann ihre Körperachse parallel, jene senkrecht 
zur Wand gestellt. Auch die Larven beider Arten zeigen Differenzen: 
die Culexlarve hat an ihrem hinteren Ende 2 Athmungsröhren, die über die 
Oberfläche des Wassers herausragen, sodass die Larve an den Röhren gleich- 
sam aufgehängt erscheint, während die Anopheleslarve keine Athmungs- 
röhren, sondern nur 2 Oeffnungen für die Athmung an ihrem Hinter- 
ende hat. Erschreckt man eine Culexlarve, so taucht sie im Wasser unter. 
die Anopheleslarve flieht in kleinen, ruckweisen Bewegungen 
über die Oberfläche hin. Jacobitz (Halle a. S.). 


Lewkowicz, Xaver, Zur Biologie der Malariaparasiten. Aus der k. k. 
pädiatr. Klinik des Prof. Jaknbowski in Krakau. Wiener klin. Wochen- 
schrift 1900. No. 9. 

In dieser lesenswerthen Arbeit, welche sich auf ein im Laufe von 3 Jahren 


Infektionskrankheiten. 299 


gesammeltes Material von 446 selbst beobachteten, theils ambulatorisch, theils 
klinisch behandelten Malariafällen bezieht, entwickelt der Verf. über die 
biologischen Verhältnisse der Malariaparasiten eine Reihe von Anschauungen, 
die in mancher Beziehung Interesse verdienen. Es handelte sich um Fälle von 
gewöhnlicher Tertiana und Quartana, sowie solche von malignem und soge- 
nanntem langintervallärem Charakter. Der Verf., der eine kurze Besprechung 
des gegenwärtigen Standes der Malariaparasitenfrage vorausschickt, widmet 
hierbei insbesondere den Halbmondformen, als der muthmaasslichen Grund- 
lage der langintervallären Fieber, eine breitere Darstellung. Im Gegensatz 
zu anderen Autoren (Marchiafava, Celli u.s. w.), welche diese Formen als 
Degenerationsprodukte des jungen Parasiten der Sommerherbstfieber auffassen 
und ihnen demgemäss eine besondere Bedeutung absprechen, glaubt Lewkowicz 
nach seinen klinischen Beobachtungen annehmen zu müssen, dass die Halb- 
monde in dem inficirten Organismus zur Bildung einer neuen Generation führen, 
und zwar wahrscheinlich auf dem Wege der Segmentation. Hinsichtlich der 
Beziehungen der verschiedenen Malariaparasiten zu den rothen Blutkörperchen 
äussert sich der Verf. in dem Sinne, dass die Parasiten der gewöhnlichen Ter- 
tiana und Quartana innerhalb einer von ihm angenommenen elastischen Hülle 
der Blutkörperchen zur Entwickelung gelangen, während die Parasiten der 
malignen Tertiana und die Halbmonde dem Blutkörperchen extraglobulär an- 
haften. Die besondere Form dieser Parasiten kommt nach Ansicht des Verf.’s 
zum Theil dadurch zu Stande, dass sie sich zwischen dem Blutkörperchen 
und der inneren Wand des Blutgefässes, in dem sie sich festsetzen, entwickeln. 
Durch diese extraglobuläre Lage seien sie besonders bevorzugt zu einem Ad- 
bäriren an der Gefässwand, ein Vorgang, der wieder die Kürze des Aufent- 
balts der freien Parasiten im Blute bedinge. Auch die verschiedene Grösse 
von extraglobalären und intraglobulären Parasiten finde ihre Erklärung in 
dem Umstande, dass bei ersteren die durch Segmentation gebildeten jungen 
Parasiten dank ihrer Lage gleich in das Blutplasına gelangen, während bei 
den letzteren die Hülle des Blutkörperchens erst durch die erwachsenen 
Parasiten gesprengt werden müsse. Ohne die Existenz mehrerer Varietäten 
der Malariaparasiten in Frage zu stellen, nähert sich der Verf. doch dem 
Standpunkte derjenigen, welche die verschiedenen Parasitenformen (Tertiana, 
Quartana u. s. w.) durch Polymorphismus einer Art erklären, indem er an- 
nimmt, dass die Varietäten aller Wahrscheinlichkeit nach nicht stabil sind 
and in einander übergehen können. Nach einer ausführlichen Besprechung 
des klinischen Verlaufes und der sorgfältig durchgeführten Blutuntersuchungen 
von 8 Fällen langintervallären Fiebers kommt L. zu dem Schlusse, dass diesen 
Formen typisch ein 22tägiges fieberfreies Ioterspatium zukomme. Dieses auf- 
fallende typische klinische Verhalten müsse man mit dem Entwickelungsgange 
der Halbmondformen in Beziehung bringen, da die Fälle von Tertiana 
benigna, Quartana benigna und von reiner Tertiana maligna ohne 
Halbmonde niemals einen langintervallären Charakter aufweisen. 

In dem letzten Abschnitt seiner Arbeit berührt der Autor die Frage hin- 
sichtlich der Rolle, welche die Mosquitos bei der Uebertragung der Malaria 
spielen. L. wendet sich zunächst gegen die allgemeine Gültigkeit der Be- 


300 Infektionskrankbeiten. 


hauptung Koch’s, dass die frischen Malariafälle sich nur in den wärmsten 
Jahresmonaten, Juli, August, September, ereignen, indem nach L. in dem Ter- 
ritorium, aus welchem sich seine Fälle rekrutiren, schon im frübesten Früh- 
ling unzweifelhaft frische Erkrankungen vorkommen; ja die Zahl derselben 
scheint eher im Sommer und Herbst etwas zurückzugehen. Danach wäre an- 
zunehmen, dass das Ausgangsmaterial für die Neuinfektionen die überwin- 
ternden chronischen Formen (mit Halbmonden) darstellen. Das Blut mit Halb- 
mondformen dürfte dann bei der Ueberimpfung auf andere Individuen, wie sie 
durch Vermittelung der Mosquitos zu Stande kommt, entweder direkt oder 
(nach den Untersuchungen von Ross) erst, nachdem die Halbmondformen 
gewisse Entwickelungsphasen im Körper der Mosquitos durchgemacht haben, 
die benigne Tertiana hervorrufen, während nach den Beobachtungen bei künst- 
lichen Uebertragungsversuchen die durch Mosquitos vermittelte Infektion mit 
Blut, welches die kleinen ringförmigen Parasiten enthält, maligne Tertiana 
zur Folge hat. Das seltene Vorkommen der malignen Tertiana im Lande des 
Autors erkläre sich dadurch, dass zur Zeit des vollen Ausbruches von Aestivo- 
autumnalfiebern, wo im Blute der Erkrankten reichlich kleine Ringformen 
vorhanden sind, bereits die Thätigkeit der Mosquitos nachlässt oder aufhört. 
Würde es gelingen, die chronischen Formen vor Anbrach des Frühjahres aus- 
nahmlos der Heilung zuzuführen, so würde damit der Ausbreitung der näch- 
sten Malariaepidemie vorgebeugt werden. L. erklärt, diesen zuletzt mitge- 
theilten Gedanken als Erster ausgesprochen zu haben (1898), und wendet sich 
gegen Koch, der in seinem ersten Bericht über die Thätigkeit der Malaria- 
expedition bei Aufnahme desselben Gedankens es unterlassen habe, Lewkowicz 
zu citiren, obwohl ihn dieser mit dem Inhalt seiner diesbezüglichen Arbeit 
bereits im December 1898 vertraut gemacht habe. 
Grassberger (Wien). 


Türk W., Ueber die Hämamöben Löwit’s im Blute Leukämischer. 
Vorläufige Mittheilung. Aus der II. Wiener medicin. Klinik. Wien. klin. 
Wochenschr. 1900. No. 13. 

Der Verf., welcher Gelegenheit hatte, die Präparate von Löwit auf dem 
Kongress für innere Medicin in Karlsbad zu besichtigen, hält die vermeintlichen 
Protozoen Löwit’s nicht für parasitäre Gebilde, sondern für Mastzellengranu- 
lationen bezw. deren Kunstprodukte. 

Türk hat Mastzellenpräparate sowohl mit verschiedenen wässrigen Lö- 
sungen von Methylenblau als auch mit der von Löwit angegebenen speci- 
fischen Farbstofflösung gefärbt, die angeblich zum Nachweis der Amöben 
dienen soll. Dabei stellte sich die Thatsache heraus, dass die Mastzellen in 
Folge des Einwirkens wässriger Methylenblaulösungen ebenso wie durch die 
Löwit’sche Farblösung, besonders wenn diese mit Wasser verdünnt wird, in 
Folge Auslaugung der Granulationen dasselbe veränderte Bild aufweisen, wie 
die Löwit’schen Amöben. Es gelang dem Verf., nicht nur mit Mastzellen 
von Leukämischen, sondern auch mit solchen normaler Menschen, ja selbst 
normaler Kaninchen die klassischen „Amöbenbilder“ Löwit’s zu erzeugen. 
Was endlich die Löwit’schen Thierversuche betrifft, so glaubt Türk, dass 


Infektionskrankheiten. Immunität. Schutzimpfung. 301 


Löwit seine Kaninchen nicht „leukämisch inficirt“, sondern ihnen eine „chro- 
nisch recidivirende Leukocytose“ beigebracht hat. 
Grassberger (Wien). 


Löwit M., Ueber die Hämamöben im Blute Leukämischer. Wiener 
klin. Wochenschr. 1900. No. 14. 

Die Mittheilung ist eine Erwiderung auf den vorstehend referirten Auf- 
satz von Türk. Löwit bestreitet die Richtigkeit der Behauptung Türk’s, 
dass es sich bei den fraglichen Gebilden um Auslaugungsprodukte der 
Mastzellengranula handelt. Denn die typischen Parasitenformen seien 
nicbt nur mit verdünnten, sondern auch mit gesättigten Thioninlösungen dar- 
stellbar nnd von den wie immer gearteten Degenerationsprodukten der Mast- 
zellen mit Sicherheit zu unterscheiden. Die Krankheitsbilder der leukämisch 
infeirten Kaninchen entsprechen nach Löwit keineswegs einer chronisch 
reeidivirenden Leukocytose, sondern es zeigen vielmehr die Thiere anatomisch 
und histologisch Krankheitserscheinungen, welche nur quantitativ von jenen 
beim myelämischen Menschen abweichen. Grassberger (Wien). 


Buchner H., Immunität. Münch. med. Wochenschr. 1900. No. 35. S. 1198. 

Vorliegende Publikation ist das Referat, welches B. zum XIII. internatio- 
nalen medicinischen Kongress in Paris in der Sitzung der Sektion für Bak- 
teriologie am 3. August 1900 erstattete. Es bezweckt eine kurze Charakte- 
fisirang des gegenwärtigen Standes des Immunitätsproblems in seinen 
Hauptzügen. 

Verf. wendet sich zunächst zur Lehre von der natürlichen Immunität 
und spricht über die Wandlungen, die seine eigenen Anschauungen hierüber 
unter dem Einfluss neugefundener Thatsachen im Laufe der letzten Jahre durch- 
gemacht hätten. Zunächst Anhänger der Phagocytosetheorie Metschnikoff’s, 
habe er sich seit der Entdeckung der Serumalexine (1888) etwas reservirter gegen 
die celluläre Hypothese verhalten, in letzter Zeit jedoch nach dem Nachweis 
von der Abstammung der Alexine aus den Leukocyten sich ihr wieder mehr 
genähert. Verf. konstatirt gleichzeitig, dass die Thatsache von der Bildungs- 
stätte der Alexine selbst von Metschnikoff und Bordet anerkannt würde, 
wenn auch letztere den Austritt der Alexine für eine postmortale Erscheinung 
an bereits abgestorbenen Leukocyten ansehen, indem sie sich hierbei auf die 
angeblich sehr schnelle Zerstörung der Leukocyten innerhalb der normalen 
Körpersäfte stützen, eine Annahme, die von Buchner entschieden abgelehnt 
wird. Ausserdem aber sei von Laschtschenko in seinem Laboratorium der 
Nachweis geführt worden, dass auch sicher nicht abgetödtete Leukocyten 
Alexine auszuscheiden im Stande sind. 

Bezüglich der specifischen Immunität bebt Verf. die Bedeutung der 
Eatdeckung der „Antikörper“, der auf specifische Vorbehandlung im Körper 
sich bildenden Stoffe von specifischem Charakter, hervor und richtet gleichzeitig 
an die Kongressversammlung die Bitte um eine einheitliche internationale 


302 Immunität. Schutzimpfung. 


Nomenklatur der wichtigsten einschlägigen Begriffe zur Abhülfe der schon 
jetzt herrschenden Verwirrung der technischen Ausdrücke. Dieselbe beruhe 
hauptsächlich auf der Thatsache, dass im sog. „specifisch-baktericiden“ wie 
im „specifisch-hämolytischen“ Serum zwei verschiedene Substanzen enthalten 
sind, von denen nur die eine, bei einer Temperatur von 60° haltbare, specifisch 
ist, wogegen die andere, bei 60° zerstörbare, nicht specifisch ist. B. achlägt 
vor, die Körper der ersten Gruppe als „Antikörper“ zusammenzufassen und 
die einzelnen Angehörigen dieser Gruppe durch das Vorwort „Anti“ zu cha- 
rakterisiren, also z.B. Antitoxine, Antihämatine u. s. w., die Körper der 
2. Gruppe aber als Alexine zu bezeichnen. Bei einzelnen Forschern noch be- 
stehende Zweifel an der wirklichen Existenz dieser beiden Körper seien nun- 
mehr durch Versuche Bordet’s und Metschnikoff’s, durch das Agglutina- 
tionsphänomen (Gruber, R. Pfeiffer, Widal) widerlegt, ferner durch die 
Untersuchungen von Ehrlich und Morgenroth über die Bindung der Anti- 
körper an die rothen Blutkörperchen, sowie schliesslich durch Buchner's 
eigene Versuche über die Ersetzung der zweiten, enzymartigen Substanz darch 
das alexinhaltige Serum einer anderen neuen Tbierspecies, was neuerdings auch 
von Bordet bestätigt sei. B. Heymann (Breslau). 


Kraus Rud., und Clairmont P., Ueber Hämolysine und Antihämolysine. 
Aus dem staatlichen serotherapeutischen Institut. Wien. klin. Wochenschr. 
1900. No. 8. 

Die Verff. erbringen in dieser Arbeit den Nachweis, dass die von Ehr- 
lich und Madsen für das Tetanusgift nachgewiesene hämolytische Wirkung 
keine specifische Eigenschaft der Tetanusbacillen darstellt, sondern dass eine 
Reihe von anderen Bakterien ebenfalls hämolytische Substanzen erzeugen. 
Die Produktion dieser Substanzen hängt von der Bakterienart ab, weiter von 
dem verwendeten Bakterienstamm, wahrscheinlich auch von der Art des Nähr- 
bodens; gleichzeitig ergeben sich auch in der hämolytischen Wirkung Unter- 
schiede bei der Einwirkung von verschiedenartigen Hämolysinen auf die Blut- 
körperchen verschiedenartiger Thiere. Die Untersuchung erfolgte sowohl im 
Reagensglase als im hängenden Tropfen. 

Die Verff. konnten des Weiteren beweisen, dass das normale Serum anti- 
hämolytische Eigenschaften besitzt, indem es bei geeigneter Versuchsanord- 
nung die Auflösung der Blutkörperchen durch Hämolysine verhindert. Diese 
Wirkung ist keine specifische, indem die hämolytische Wirkung verschie- 
dener Bakteriengifte auf verschiedene Blutarten durch normale Thiersera 
paralysirt werden kann. Nach ihren Erfahrungen weisen Kraus und Clair- 
mont auch die von Ehrlich und Madsen angenommene Specifität des Anti- 
tetanolysins zurück. Versuche, welche analog den Madsen’schen „Heil- 
versuchen im Reagensglase“ (d.Zeitschr. 1900. S.441) zu dem Zwecke angestellt 
wurden, um zu erfahren, ob nachträglich zugesetztes normales Serum die Ein- 
wirkung der Hämolysine auf die Blutkörperchen aufhebe, zeigten, dass schon 
nach ganz kurzer Einwirkung des Giftes auf die Blutkörperchen ein Zusatz von 
Serum die Auflösung nicht mehr aufhalten konnte. Die hämolytischen Eigen- 
schaften des Giftes werden durch 15 Minuten langes Erhitzen auf 15° zerstört, 


Immunität. Schutzimpfung. 303 


während die Antihämolysine des Serums bei dieser Behandlung nicht geschädigt 
werden. Grassberger (Wien). 


Halban, Joseph, Agglutinationsversuche mit mütterlichem und kind- 
lichem Blute. Aus der Universitäts-Frauenklinik des Prof. Schauta in 
Wien. Wien. klin. Wochenschr. 1800. No. 24. 

Die Versuche wurden in der Weise angestellt, dass Verf. unmittelbar nach 
der Gebnrt des Kindes abnabelte und unter geeigneten Kautelen das fötale 
Blut aus dem placentaren Theile der Nabelschnur gewann, während er sich 
durch Auffangen des nach Abgang der Placenta aus dem Uterus ausfliessenden 
Blutes das mütterliche Blut verschaffte. Die Proben wurden dann in der 
entsprechenden Weise, je nach der Versuchsanordnung, weiter behandelt. Müt- 
terliches und fötales Blut zeigten nun in der Regel beträchtliche Unterschiede, 
insofern ihre Sera gegenüber fremdem (kindlichem oder mütterlichem) Blute 
ganz verschieden agglutinirend wirkten. Ja, die Sera von Mutter und Kind 
wirkten gegenüber dem Blute des zur Mutter gehörenden Kindes, bezw. dem 
Blute der zum Kinde gehörenden Mutter wie die Sera von zwei ganz verschie- 
denen Individuen. Das Verhalten der auflösenden Wirkung der Sera ging dem 
Agglutinationsvermögen ungefähr parallel; ein ähnlicher Parallelismus liess 
sich auch hinsichtlich der Agglutinationskraft der Sera gegenüber Bakterien 
feststellen. 

Die hier angedeuteten Befunde reibt Halban hinsichtlich ihrer Bedeu- 
tang den Erfabrungen an, welche bisher über die verschiedene chemische Zu- 
sammensetzung des fötalen und mütterlichen Blutes gesammelt wurden. Bei 
der heute viel verfochtenen Ansicht, dass die agglutinirenden Substanzen den 
Globulinen nahestehen, würden die beobachteten Thatsachen nach Halban 
als Beweis fhr die Verschiedenheit der beiden Blutarten hinsichtlich der in 
ihnen enthaltenen Eiweisskörper anzusehen sein. Andererseits spricht auch 
der Umstand, dass das mütterliche Blut häufig Agglutinine enthält, während 
diese im kindlichen fehlen, für die Thatsache, dass der Fötus bei der Auf- 
nahme der Eiweisssubstanzen aus dem mütterlichen Blut eine Auswahl trifft. 

Wenn Halban des Weiteren das Nichtübergehen der Agglutinine von 
Mutter auf Kind für ein Zeichen der ausserordentlich elektiven Resorption von 
Seiten des Chorionepithels ansieht, so dürfte dem gegenüber betont werden, 
dass dabei die Möglichkeit einer Umwandlung von mütterlichen Agglutininen 
im Stoffwechsel des Fötus ausser Acht gelassen wurde. 

Was endlich die bereits beim Neugeborenen fertig gebildeten, auf Men- 
schenblat wirkenden Agglutinine betrifft, welche Halban mit dem Namen 
„ldioisoagglutinine“ bezeichnet, so glaubt der Autor, nachdem manche Argu- 
mente gegen die Annahme ihrer Entstehung aus wechselseitiger Immunisirung 
zwischen Mutter und Kind während der Gestation sprechen, dass es sich bei 
diesen Stoffen möglicherweise um die Eigenschaften irgend welcher, schon nor- 
maler Weise im Blute vorhandenen Eiweisskörper handelt. 

Grassberger (Wien). 


304 Immunität. Schutzimpfung. 


Metschnikoff, Etude sur la spermotoxine. Ann. de l’Inst. Pasteur, 1900. 
No. 9. S. 577. 

Spermotoxin ist bekanntlich eines der Zellgifte, welche sich im Blute 
eines Thieres entwickeln nach Injektion gleichartiger Zellen: so entstehen z. B. 
im Blute eines Meerschweinchens Gifte für die rothen Blutkörperchen von 
Kaninchen, wenn man den ersteren Kaninchenblut injicirt. Diese Gifte lösen 
die rothen Blutkörperchen auf. In analoger Weise entstehen toxische Sera 
für die Spermatozoen, für das Flimmerepithel, für die weissen Blutkörperchen 
u.s. w. Alle diese Sera sind streng specifisch, so ist z. B. das Spermotoxin 
nur giftig für Spermatozoen, wie das durch die Arbeiten von Metschnikoff, 
Bordet, Ehrlich und Morgenroth ausgeführt ist. 

Die Wirkungsweise erfolgt bekanntlich so, dass sie zunächst wirksam sind 
einmal durch das Alexin, das im Serum des unbehandelten Thieres vorhanden 
ist, und dann durch die intermediäre reizende Substanz, die sich in dem Serum 
der injieirten Thiere entwickelt durch die entsprechenden Zellen. Diese beiden 
Substanzen machen das Serum wirksam. 

Was das Spermotoxin betrifft, so entdeckte bekanntlich Landsteiner 
1899 dasselbe, als er Spermatozoen eines Stieres einem Kaninchen injieirte; 
gleichzeitig entdeckte Metschnikoff das spermotoxische Serum des Menschen 
und des Kaninchens. Schliesslich fand Moxter ein spermotoxisches Serum 
beim Kaninchen, dem Spermatozoen des Schafes injieirt waren. Verf. hat ein 
toxisches Serum für die Spermatozoen des Meerschweinchens präparirt. Er 
verwendete Hoden und Nebenhoden des Meerschweinchens, inden er dieselben 
mit einer kleinen Menge physiologischer Kochsalzlösung verrieb und die Emul- 
sion durch ein Metallsieb gab. Nach 2 oder 3 Injektionen hatte das Ka- 
ninchenserum neue komplicirte Eigenschaften angenommen. 

Das Serum unbehandelter Kaninchen ist nämlich spermotoxisch für 
Meerschweinchenspermatozoen im Verhältniss von 9:1; bringt man 9 Theile 
Serum und 1 Theil Spermaflüssigkeit zusammen, so sterben darin die Sper- 
matozoen in 4—5 Minuten. 

Das Serum mit Meerschweinchensperma behandelter Kaninchen ist nicht 
sehr viel spermotoxischer gegenüber Meerschweinchensperma, sodass in dieser 
Beziehung ein Unterschied nicht auftritt zwischen dem Serum behandelter 
und unbehandelter Kaninchen; erhitzt man aber beide Sera auf 56°, so 
verliert das Serum unbehandelter Kaninchen seine spermotoxischen Eigenschaften 
vollkommen, während das des behandelten Kaninchens sofort wieder toxisch 
wirkt, wenn man ihm Serum vom Meerschweinchen hinzufügt, das an sich 
garnicht toxisch wirkt. Der Unterschied besteht natürlich darin, dass er- 
hitztes normales Kaninchenserum nur Alexin und keinen Immunkörper (rei- 
zende Substanz) enthält; das Alexin geht aber bei Erhitzung auf 56° zu Grunde. 
lm behandelten Kaninchenserum findet sich ausser dem bei 56° zu Grunde 
gehender. Alexin noch die reizende Substanz, der Immunkörper, der nicht bei 
56° zerstört wird und durch Zusatz eines unveränderten Alexins leicht wieder 
wirksam gemacht werden kann. 

Die Giftigkeit des unbehandelten Kaninchenserums beruht auf dem Vor- 
handensein des Alexins. 


Immunität. Schutzimpfung. 305 


Die wirksame Substanz kann nur in Thätigkeit treten mit Hülfe des 
Alexins. — Verf. bat nun versucht feszustellen, in welchem Mengenverhält- 
niss erhitztes (also lediglich die reizende Substanz, den Immunkörper, ent- 
haltendes) Kaninchenserum und unerhitztes normales (also lediglich Alexin 
enthaltendes) Meerschweinchenserum gemischt werden muss, um am kräftig- 
sten auf Meerschweinchenspermatozoen einzuwirken, und findet als bestes 
Mischungsverhältniss etwa 1 Theil Immunserum zu 13—20—25 Theilen nor- 
malen alexinhaltigen Serums. Es ist noch nicht gelungen, das Alexin oder die 
reizende Substanz rein darzustellen. Für die Versuche am geeignetsten, 
d. h. in gleichmässigster Wirksamkeit zeigte sich das Serum eines Kaninchens, 
dem man 3mal Hodensabstanz injicirt hatte, und frisches Meerschweinchen- 
serum. Das Alexin spielt also bei dem Zustandekommen der Wirkung eine 
wichtige Rolle. Das Alexin kann gelegentlich bei den Thieren fehlen; Verf. 
hat ein solches Versuchsthier gehabt, und bei diesem Thiere erzeugten die 
Injektionen von Sperma zunächst kein spermotoxisches Serum an sich, son- 
dern ergaben solches nur auf Zusatz von gesundem Meerschweinchenserum. 
Bei diesem Thiere nahm im Laufe der Zeit die Alexinwirkung zu, obwohl 
die Spermatozoeninjektionen nicht weiter fortgesetzt wurden. 

Bekanntlich hat Moxter im Beginn dieses Jahres sich gegen die Specifität 
der Zeilgifte ausgesprochen, indem er einmal sah, dass ein Serum von Ka- 
ninchen, die mit Hoden von Schafen injieirt sind, sowohl Schafspermatozoen 
abtödtet, als auch Blutkörperchen auflöst, und dann wahrnahm, dass solches 
Seram sowohl seine spermotoxischen Eigenschaften, als auch seine rothe 
Blutkörperchen auflösende Kraft einbüsst, wenn man genügende Mengen von 
Spermatozoen hinzufügt, also die Blutkörperchen und dieSpermatozoen zerstörende 
Kraft genau die gleiche ist. Bekanntlich war Moxter’s Beobachtung irrig; 
auch aus Verf.'s Experimenten geht dies hervor: injieirt man Meerschwein- 
chenspermatozoen und defibrinirtes Meerschweinchenserum einem Kaninchen, 
so wird das Blut spermotoxisch und hämolytisch. Erhitzt man solches Serum 
und fügt grosse Mengen von Blutkörperchen hinzu, so wirkt das Serum nicht 
mehr hämolytisch mit Zusatz von Alexinen, aber noch spermotoxisch. Fügt 
man aber dem Serum grosse Mengen Spermatozoen hinzu, so verliert es so- 
wohl seine spermotoxische als auch seine hämolytische Kraft: die Spermato- 
zoen fixiren sowohl das Spermotoxin als das Hämolysin, während rothe Blut- 
körperchen allein das Hämolysin (Alexin) fixiren. 

Antispermotoxin erhält man nach Metschnikoff, wenn man sper- 
motoxisches Serum des Meerschweinchens dem Kaninchen injieirt. Verf. 
injieirte spermotoxisches Serum des Kaninchens Meerschweinchen sub- 
kutan oder intraabdominell und studirte dann die Eigenschaften desselben. 
Er erhielt nach 3 Injektionen nur geringgradig wirksames spermotoxisches 
Serum; erst 25 Theile antispermotoxisches Serum neutralisirten 1 Theil Sper- 
motoxin. Bei weiteren Injektionen nahm die antispermotoxische Kraft immer 
mehr ab bis zum Verschwinden. Verf. erklärt das so: Da in dem specifisch 
giftigen Seram neben dem Alexin die specifisch reizende Substanz sich befindet, 
s% muss ein specifisches Antitoxin neben dem Antialexin noch eine andere 
Substanz haben, die die specifisch reizende Substanz paralysirt. Vielleicht 


u 


306 Immunität. Schutzimpfung. 


entstand nur Antialexin, das zur Neutralisirung des spermotoxischen Serums 
natürlich nicht genügte. Wenn die reizende Substanz ungebunden blieb, so 
durfte das Serum seine toxische Kraft nicht verlieren, und das antitoxische 
Meerschweinchenserum musste, auf 56° erhitzt, das Spermotoxin neutralisiren. 
Und so war es auch in der That. Es bildeten sich meist Antitoxine, nur bei 
zwei Meerschweinchen auch specifische Antikörper gegen die specifisch wirk- 
same spermatozoentödtende Substanz. Das Antispermotoxin war von geringer 
Wirksamkeit. Den Grund für die geringe Bildung des Antispermotoxins sieht 
Verf. darin, dass die specifisch reizende Substanz sich auf korrespondirenden 
Zellen fixirt, nicht bloss auf den rothen Blutkörperchen, sondern auch auf 
den Spermatozoen. Dadurch wird aber die specifisch reizende Substanz aus 
dem Blute eliminirt und kann kein Gegengift bilden. Gewiss spielen die 
Phagocyten aber auch eine Rolle bei der Erzeugung der Antitoxine. Will 
man wirklich den specifischen Antikörper erzeugen, so müsste man erst reich- 
lich Gift baben, damit alle giftlösenden Zellen erst gesättigt wären, und dann 
erst würde aus dem Gift im Blute das Gegengift entstehen. 

Im letzten Abschnitt seiner Arbeit kommt Verf. auf die Bildung 
von Autospermotoxinen zu sprechen. Man nahm bisher an, dass zur Bildung 
der specifischen Zellgifte die Injektion von Zellen einer anderen Thier- 
gattung nöthig seien; um also Blutkörperchengifte zu bekommen, genügte es 
nicht, z. B. Blut von einem Kaninchens einem anderen Kaninchen zu inji- 
eiren. Ehrlich und Morgenroth zeigten aber, dass, wenn man Blut einer 
Ziege einer anderen injieirt, man ein giftiges Serum für Blutkörperchen vieler 
Ziegen bekommt. Es entstehen also Isotoxine, aber nicht Gifte für die eigenen 
rotben Blutkörperchen (Autotoxine). Spermatozoen verhalten sich anders; 
hier bekommt man sehr leicht Autotoxine, d. h. wenn man Spermatozoen eines 
Meerschweinchens diesem selbst in das Peritoneum injicirt, so entstehen nicht 
nur Isotoxine im Blut für die Spermatozoen von anderen Meerschweinchen, 
sondern auch für die Spermatozoen des behandelten Thieres selber. Dieses 
Autotoxin wird unwirksam, wenn es auf 56° erhitzt wird, es wird aber wieder 
wirksam durch Zusatz von gesundem Meerschweinchenserum. Männliche, 
weibliche, kastrirte Meerschweinchen producirten autotoxisches Serum. 

Dieses autotoxische Serum wirkt aber nicht auf die Spermatozoen im 
eigenen Körper, diese bleiben am Leben; indessen gehen sie zu Grunde, wenn 
man sie in Serum unbehandelter Meerschweinchen bringt, obwohl Spermatozoen 
unbehandelter Meerschweinchen in dem Sernm des normalen Meerschweinchens 
einige Stunden leben. Augenscheinlich sind die Spermatozoen der behandelten 
Meerschweinchen geschädigt durch die reizende Substanz in dem cirkulirenden 
Blute, getödtet werden sie aber nicht durch die Autotoxine, da ibr Blut kein 
freies Alexin enthält; indessen dieses ist eingeschlossen im Innern der Phago- 
eyten. Autotoxine sind also wirksam im Reagensglase und unwirksam im 
Körper. Specifisch geschädigt werden die Spermatozoen schon, nur nicht ge- 
tödtet; dazu ist die Mithilfe der Alexine nöthig. Dieses Zugrundegehen der 
Spermatozoen tritt sofort ein, sobald man eine Auflösung der Phagoeyten 
erzeugt; bleiben dieselben intakt, so gehen die Spermatozoen, injicirt in die 
Bauchböhle, nicht zu Grunde. Die specifischen Zellgifte bilden sich nach 


Immunität. Schutzimpfung. Medicinalwesen. 307 


Metschnikoff in den Phagocyten nnd sind weiter nichts als die intracellu- 
lären Verdanungsfermente. 
Eine Bildung von Autoantitoxinen hat nicht beobachtet werden können. 
Die Arbeit ist wegen ihrer Wichtigkeit genauer referirt worden; gewinnen 
doch die specifischen Zellgifte immer mehr Interesse, da zu erwarten steht, 
dass dieselben für die Lehre von der Immunität ganz besonders bedeutungs- 
soll werden müssen. Wernicke (Posen). 


Pellegrini, Ricerche sul veneno dei funghi. Provediimmunizzazione 
e sieroterapia. Rivista d'igiene e sanità pubblica. 1899. 

Analog den Untersuchungen Ehrlich’s über Abrin und Ricin hat der 
Verf. mit wässerigen Extrakten von Amanita phalloides, einer giftigen 
Champignonart, Immunisirungsversuche bei verschiedenen Thieren, für 
die sich der Auszug als sehr giftig erwies, angestellt. Pellegrini kommt 
zu der Ansicht, dass das Gift dieses Pilzes dem Schlangengift sehr 
nahe stehe, und stellt zum Schluss seiner Arbeit als Ergebnisse derselben 
folgende Sätze auf: 

1. Das Gift von Amanita phalloides löst sich leicht in Wasser und 
bewahrt in dieser Lösung lange Zeit, bis zu 11 Monaten, seine Wirkung. 

2. Das Gift wird nicht durch Eintrocknen und Erhitzen beein- 
trächtigt (Uebereinstimmung mit dem Schlangengift?). 

3. Am empfänglichsten für das Gift sind Säugethiere und Vögel, 
während Kaltblüter im Allgemeinen resistent dagegen sind. 

4. Am besten geschieht die Einführung des Giftes subkutan. 

5. Die gewöhnlichen Versuchsthiere erlangen dabei gegen erhöhte 
Dosen des Giftes eine gewisse Festigkeit. 

6. Das Serum behandelter Thiere hat antitoxische Eigenschaften und 
ist im Stande, bei experimentellen Vergiftungen in gewissen Grenzen auch 
eine heilende Wirkung auszuüben. 

7. Das Gift wird durch Zusatz des Serums nicht verändert, es handelt 
sich also nicht um eine einfache Neutralisation des Giftes durch das Serum. 

Jacobitz (Halle a. S.). 


Sociale Verwaltung in Oesterreich am Ende des 19. Jahrhunderts. 
I. Band: Socialökonomie. II. Band: Hygiene und öffentliches Hilfs- 
wesen. Wien u. Leipzig 1900. gr. 8°. Franz Deuticke. Preis: 24 u. 16 Mk. 

Das aus Anlass der Pariser Weltausstellung mit amtlicher Unterstützung 
von einem Specialcomite herausgegebene umfangreiche Werk soll über die 

Entwickelung und den derzeitigen Stand der staatlichen und organischen 

Woblfahrtspflege in Oesterreich Rechenschaft geben und zeigen, was 

erreicht ist und woran es noch fehlt. Einige in das Programm ursprünglich 

aufgenommene Gegenstände, wie die von den Arbeitgebern geschaffenen Wohl- 
fahrtseinrichtungen, mussten aus äusseren Gründen unberücksichtigt bleiben. 

Zur Darstellung sind hiernach neben den verschiedenen Zweigen des öffentlichen 

Gesundheitswesens der Arbeitsvertrag und Arbeiterschutz im Gewerbe, die 


308 Medicinalwesen. 


Arbeiterversicherung, die Land- und Forstwirthschaft vom Standpunkte der 
socialen Verwaltung, die öffentlichen Betriebe, die Gewerbeförderung und das 
Genossenschaftswesen, das Sparkassen-, das Wohnungswesen und die Hilfs- 
und die Fürsorgeanstalten allgemeiner Art gelangt. Aus dem reichen Inhalt 
seien einige wenige Punkte nachstehend hervorgehoben. 

Das österreichische Sanitätswesen umfasst nicht nur die Angelegen- 
heiten, welche die Gesundheitsverhältnisse der Menschen betreffen, sondern auch 
die auf die Erkrankungen und insbesondere die übertragbaren Krankheiten der 
Hausthiere bezüglichen und ist dem Ministerium des Innern unterstellt. Aus 
genommen ist das medicinische Unterrichtswesen, welches, soweit die Heran- 
bildung der Aerzte, Thierärzte, Pharmaceuten und Hebammen in Frage kommt, 
vom Unterrichtsministerium, und das Seesanitätswesen, welches von der dem 
Handelsministerium unterstellten Seebehörde in Triest verwaltet wird; auf beiden 
Gebieten findet aber ein Benehmen mit dem Ministerium des Innern statt. In 
den Wirkungskreis des letzteren fällt insbesondere die Regelung der allge 
meinen Sanitätsangelegenheiten durch Gesetze und Verordnungen, die Ueber- 
wachung der Thätigkeit des Sanitätspersonals, die Genehmigung und Beauf- 
sichtigung aller Sanitätsanstalten, die Evidenzhaltung der allgemeinen Gesund- 
heitsverhältnisse, die hygienische Vorsorge zur Beschränkung der Volkskrank- 
heiten, die Leitung und Ueberwachung der Maassnahmen zur Abwehr und 
Tilgung von Epidemien und Epizootien. Für die Durchführung dieser Ange- 
legenheiten sind das Ministerium selbst, sowie die Behörden zweiter und dritter 
Instanz, d. h. die 348 Bezirkshauptmannschaften und die 14 politischen Landes- 
behörden, mit beamteten Aerzten und Thierärzten als Fachorganen versehen. 

An einem für das Reichsgebiet gültigen Epidemiegesetz mangelt es 
noch, doch hat sich in der Praxis ein in allen Verwaltungsgebieten ziemlich 
übereinstimmendes System der Maassnahmen gegen Infektionskrankhei- 
ten ausgebildet, welchem die Einzelvorschriften und von Fall zu Fall erlassenen 
Instruktionen zu Grunde liegen. Dieselben geben dahin, dem Auftreten von 
Infektionskrankbeiten durch allgemeine Maassnahmen und individuelle Schutz- 
mittel möglichst vorzubeugen, bei ihrem Auftreten eine weitere Ausbreitung 
zu verhindern oder doch zu beschränken, für ärztliche Behandlung der Kranken 
zu sorgen und die Krankheitskeime unschädlich zu machen. Besondere Vor- 
kehrungen sind gegen ansteckende Augenkrankheiten, Pocken, Cholera, Dipb- 
tberie, Kindbettfieber, Malaria, Milzbrand, Pest, Syphilis und venerische Krank- 
heiten, Trichinose, Wuthkrankheit und Tuberkulose getroffen worden. Die gegen 
die letztere Krankheit allerdings nur in einigen Ländern erlassenen Vorschriften 
dringen auf Absonderung der Kranken, andererseits und hauptsächlich auf 
Desinfektion von Auswurf, Wäsche, Kleidung u. s. w. In den meisten der von 
Tuberkulösen aufgesuchten Kurorten bestehen prophylaktische Vorschriften 
lokalpolizeilicher Art. Eine Staatsanstalt für antirabische Schutzimpfungen 
st 1894 in Wien, eine gleiche Anstalt später in Krakau errichtet worden. 

An einer zusammenfassenden Darstellung der Versorgung der Ortschaften 
mit Wasser und ihrer Reinigung von den Abfallstoffen des Stoffwechsels, 
des Haushalts und des Gewerbefleisses fehlte es in Oesterreich bisher. Um 
eine solche zu ermöglichen, wurden Fragebogen an sämmtliche Orte mit 1000 


Verschiedenes. 309 


und mehr Einwohnern versandt, im Ganzen 4705, von denen 2900 erledigt 
worden sind. Im Allgemeinen zeigte sich, dass sich die. Assanirung Oester- 
reichs noch in den Anfängen befindet, und dass es nicht allein in den armen 
und entlegenen Provinzen, sondern auch in den Kern- und Kulturländern des 
Staates noch sehr viel zu thun giebt. Indessen ist dabei zu berücksichtigen, 
dass die jetzt vorhandenen Sanitätswerke meist erst der neueren Zeit ent- 
stammen, und dass die Assanirungsthätigkeit im letzten Jahrzehnt einen ver- 
hältoissmässig grossen Umfang angenommen hat. 

Der Erlass eines österreichischen Nahrungsmittelgesetzes ist bereits 
bald nach dem 1879 erfolgten Zustandekommen des gleichartigen deutschen 
Gesetzes angeregt, aber erst 1896 ermöglicht worden. Das Gesetz betrifft den 
Verkebr mit Nahrungs- und Genussmitteln, kosmetischen Mitteln, Spielwaaren, 
Tapeten, Bekleidungsgegenständen, Ess-, Trinkgeschirren, sowie zum Kochen 
oder zur Aufbewahrung von Lebensmitteln oder zur Verwendung bei denselben 
bestimmten Geschirren und Geräthen, ferner mit Waagen, Maassen und anderen 
Messwerkzeugen, die zur Verwendung bei Lebensmitteln zu dienen haben, die 
Verwendung bestimmter Farben zur Zimmermalerei und den Verkehr mit 
Petroleum. Als berathendes und begutachtendes Organ des Ministers des 
looeru für Angelegenheiten des Nahrungsmittelverkehrs ist ein ständiger Bei- 
rath eingesetzt worden. 

Schneller als auf diesem Gebiete ist Oesterreich hinsichtlich der Haft- 
Pfichtgesetzgebung dem Vorgange des. Deutschen Reichs gefolgt. Das öster- 
reichische Unfallversicherungsgesetz ist Ende 1887 ergangen; 1894 
wurde der Kreis der versicherungspflichtigen Personen erweitert, und zugleich 
innerhalb gewisser Grenzen die Möglichkeit eines freiwilligen Beitritts ge- 
schaffen. 1897 betrug die Zahl der versicherten Betriebe 236 413, der ver- 
sicherten Personen über 2 Millionen, die versicherte Lohnsumme 1011,6 Milli- 
onen Kronen. Die durch Gesetz vom 30. März 1888 eingeführte obligatorische 
Rrankenversicherung umfasst ausser der Grossindustrie u.a. auch das 
gesammte, gegenwärtig nur zum kleinsten Theile in die Unfallversicherung 
einbezogene Kleingewerbe, welchem sich noch eine unter dem Begriffe „gewerbs- 
mässig betriebene Unternehmungen“ zusammengefasste Gruppe verschieden- 
artigster Unternehmungen, darunter auch manche liberale Berufe, wie Ad- 
vokaten, Notare, Apotheken, Sparkassen, anreiht. Die Krankenversicherung 
der Bergarbeiter ist 1889 durch das Bruderladengesetz geregelt worden. 

Würzburg (Berlin). 


Weltausstellung zu Paris 1900. Deutsches Reich. Verzeichniss 
der auf dem Gebiete der Hygiene und der sonst vom K. Ge- 
sundheitsamte vorbereiteten Vorführungen. Berlin 1900. (Martin 
Hoefer.) XXIII u. 143 Seiten kl. 8%. Preis: 0,49 Mk. 

Auf der vorjäbrigen Weltausstellung zu Paris sollte nach dem Aus- 
stellungsentwurfe die Gesundheitspflege in einer besonderen Abtheilung 
vorgeführt werden. Dieser Plan kam nicht zur Durchführung und zwar, wie 
amtlich angegeben wurde, wegen Unzulänglichkeit des verwendbaren Raumes. 


310 Verschiedenes. 


Platz wäre freilich, wenn man zielbewusst darüber verfügt hätte, hinreichend 
vorhanden gewesen. Aber die Vertheilung der Räumlichkeiten war derart 
willkürlich, dass sogar in der in Paris selbst befindlichen Ausstellung grosse 
bedeckte Galerien mit bunderten von Geviertmeteru Fläche trotz günstigster 
Lage völlig leer standen und auch geschlossene Säle hier und da nur mangel- 
haft ausgenutzt waren oder ganz unausgefüllt blieben. Noch störender wirkte der 
Umstand, dass sich aus Gruppen, wie beispielsweise Gartenbau, Verkehr, Forst- 
wesen, Landwirtbschaft, welche dem Annex bei Vincennes zugewiesen waren, 
zahlreiche Aussteller in dem städtischen Ausstellungsgelände Zulass verschafft 
hatten, während der entlegene Annex, der bei seiner erheblichen Ausdehnung 
ohnehin kaum annähernd zu füllen gewesen wäre, in Folge dessen eine auf- 
fallende Leere zeigte. 

Es wäre rathsam gewesen, auch die gesammte Gesundheitspflege nach 
Vincennes zu verweisen, wo sie als einheitliches Ganze in beliebiger Aus- 
dehnung hätte vorgeführt werden können. Dies unterblieb leider, und so 
musste deutscherseits manche Vorführung, z. B. die Gewerbehygiene, die Ge- 
sammtausstellung städtischer Gesundheitsanlagen u. a., fallen gelassen werden, 
während das Uebrige zum grössten Theile an verschiedenen Stellen zerstreut 
wurde, nämlich in die retrospektive Ausstellung im Pavillon für Armee 
und Marine, in die landwirthschaftliche Halle, in die Ausstellungsgruppe che- 
mischer Industrie u. s. w. Hier wurde der Hygiene als Eindringling meist 
nicht der beste Platz zugewiesen; in der landwirthschaftlichen Halle war sie 
sogar in drei getrennte Abtheilungen verzettelt. 

Auch den kleinen Stamm, der in der „Hygiene“ selbst geblieben war, 
beeinflusste kein günstiger Stern. Fs fehlte hier zunächst an einer mit dem 
Ausstellungswesen vertrauten, hinreichend erfahrenen und umsichtigen Leitung. 
Nur so bleibt es erklärlich, dass beispielsweise die absonderliche Darstellung 
des Anwachsens der deutschen Bevölkerung von 1816 bis 1895 durch verschie- 
den grosse Karrikaturen des Eiffelthurms, und die Veranschaulichung der 
Zunahme der grossstädtischen Einwohnerzahl in derselben Zeit durch ent- 
sprechend grosse Modelle eines mittelalterlichen Stadttburms in einer Vorfüh- 
rung der wissenschaftlichen Medicinalstatistik Zulass erhalten konnten. 

So verfehlt nun die Pariser Weltausstellung im Allgemeinen und be 
züglich der Gesundheitspflege im Besonderen erschien, so bot sie doch einem 
findigen Besucher im Einzelnen auch in hygienischer Hinsicht viel belehrenden 
und anregenden Stoff. Man wird deshalb die reichhaltige Zusammenstellung 
des vom Reichsgesundheitsamte Vorgeführten in weiten Kreisen mit Dank ent- 
gegennehmen. Die Gediegenheit des Textes bedarf bei dem Rufe, dessen sich 
die Veröffentlichungen der genannten Reichsbehörde erfreuen, keiner Hervor- 
hebung. Bei der Ausstattung wurde im Hinblick auf die Benutzung beim Be- 
suche der Ausstellung auf handliche Grösse und das Fernhalten von typo- 
graphischen Schnörkeln und Schrullen geachtet. Letztere sind, obwohl sie 
die Verwendbarkeit eines Buches beim Gebrauche beeinträchtigen, bei amt- 
lichen Ausstellungsverzeichnissen zur Zeit bekanntlich de rigueur. — Leider 
scheint das besprochene Verzeichniss, obwohl dessen Vorwort vom „März 1900° 
unterfertigt ist, nicht rechtzeitig ausgegeben worden zu sein. Wenigstens be- 


Kleinere Mittheilungen. 311 


merkte es der Berichterstatter in der ersten Hälfte der Ausstellungsdauer auf 
den Verkaufsstellen der Ausstellung nicht, auch wurde es vom J. E. Hinrichs- 
schen wöchentlichen „Verzeichniss“ erst in No. 28 vom 12. Juli (S. 762) 
unter den „Neuigkeiten des deutschen Buchhandels“ aufgeführt. 

Helbig (Serkowitz). 


Kleinere Mittheilungen. 


Stand der Seuchen. Nach den Veröffentlichungen des Kaiserlichen Gesund- 
heitsamtes. 1901. No. 7 u. 8. 

4. Stand der Pest. I. Grossbritannien. Cardiff. 31. 1.: Ein Arbeiter 
einer Getreidemühle erkrankt an pestverdächtigen Erscheinungen. 3. 2.: Es wird bei 
dem Erkrankten Pest festgestellt. Wenige Tage darauf stirbt der Kranke. Alle noth- 
wendigen Vorsichtsmaassregeln werden getroffen. Weitere Erkrankungen seitdem nicht 
beobachtet. Hull. Der Arzt, der die ersten Kranken an Bord des Dampfers „Friary“ 
behandelt hat, wird am 20. 1. ins Hospital aufgenommen. Am 21.1. wird ein Wacht- 
mann des Dampfers ins Hospital gebracht, derselbe stirbt am 27. 1., auch von den 
übrigen Erkrankten stirbt noch einer am 5. 2. Seit dem 14. 2. kein Pestkranker mehr 
im Hospital. Der Dampfer „Friary“ ging nach stattgehabter Desinfektion und ge- 
schlossener Beobachtung am 11. 2. nach Cardiff. II. Russland. Wladımirowka. 
Die Epidemie ist erloschen. Die Umzingelung in Folge dessen aufgehoben. In den 
Kirgisenreservaten Merck (Merske) und Karakut bei dem Dorfe Talowka (oder 
Alowka) ist nach einer Veröffentlichung des Astrachan’schen Gouverneurs Ende 
Januar eine akute Epidemie von sehr ansteckender Art, deren Wesen noch nicht auf- 
geklärt ist, ausgebrochen. Im Ganzen sind vom 22. 12. 1900—9. 1. 1901 61 Erkran- 
kungen mit 44 Todesfällen vorgekommen. Diese Ansiedelungen sind ebenso wie T eke- 
bai-Tubeck, von wo am 19. 2. wieder 3 Todesfälle gemeldet wurden, durch einen 
doppelten Kordon berittener Kirgisen abgesperrt worden. III. Türkei. Smyrna. 3. 2.: 
ein pestverdächtiger Todesfall. IV. Britisch-Ostindien. Präsidentschaft Bom- 
bay. 30. 12. 1900—5. 1. 1901: 637 Erkrankungen, 424 Todesfälle. 6.—12.1.: 732 Er- 
krankungen, 559 Todesfälle. 13.—19. 1.: 857 Erkrankungen, 608 Todesfälle. Stadt 
Bombay. 6.—12. 1.: 310 Todesfälle, Pest festgestellt. 316 Todesfälle, bei denen 
Pestrerdacht vorhanden. 13.—19. 1.: 411 Erkrankungen, 311 Todesfälle, Pest festge- 
stellt und 333 Todesfälle mit Pestverdacht. V. Philippinen. Seit dem 1. 11. 1900 
ist kein Pestfall mehr zur Anzeige gekommen. VI. Reunion. 10.—18. 1.: 6 Neuer- 
krankungen, 5 davon tödtlich. 19. 1.—1. 2.: 13 Todesfälle. VII. Kapland. 8. 2.: 
In der Stadt bezw. Vorstadt von Kapstadt 2 Pestfälle amtlich festgestellt, bis 15.2.: 
im Ganzen 15 Fälle. VIII. Brasilien. Im December 1900: Rio de Janeiro: 22 Er- 
krankungen, davon 10 tödtlich. Niotheroy, Ortschaft am Hafen von Rio de Janeiro, 
der Hauptstadt gegenüber, 7 Erkrankungen, 5 Todesfälle. 

B. Stand der Cholera. I. Britisch-Ostindien. Kalkutta. 6.—12. 1.: 
B Todesfälle. II. Straits-Settlements. Singapore. 26. 12. 1900-8. 1. 1901: 
35 Erkrankungen, 36 Todesfälle. 

C. Stand der Pocken. Grossbritannien. In der letzten Woche des Januar 
in Glasgow ungewöhnlich zahlreiche Pockenfälle. 30. 1.: im Hospital 380 Pocken- 
kranke. 20. 1.—2. 2.: 34 Todesfälle. Jetzt soll die Seuche im Abnehmen sein. II. 
Russland. Warschau. Die Epidemie, die während der letzten Monate des Jahres 
1900 zahlreiche Todesfälle verursachte, hat mit Eintritt der kälteren Witterung nach- 
gelassen. Todesfälle an Pocken 11. 11.8. 12. 1900: 118. 9. 12. 1900—5. 1. 1901: 
59. 6.19. 1.: 31. Jacobitz (Halle a. S.). 


Beilage zur „Hygienischen Rundschau.“ 
XI. Jahrgang. Berlin, 15. März 1901. No. 6. 


Bakteriologisches und Hygienisches von der 72. Versammlung 
Deutscher Naturforscher und Aerzte in Aachen vom 13.—20. September 1900. 


Von 
Dr. med. Georg Frank in Wiesbaden. 


Die Versammlung in Aachen war sehr schwach besucht. Die Zahl 
der Theilnehmer betrug ca. 800. Wie viele von diesen in Aachen und Um- 
gebung wohnhaft, wie viel von Auswärts gekommen sind, das wird erst der 
officielle Bericht mittheilen. Was an diesem schwachen Besuche schuld war, 
ist schwer zu entscheiden. Vielleicht die Pariser Weltausstellung mit den 
vielen vorbergegaugenen medicinischen Kongressen? Vielleicht die Lage 
Aachens im äussersten Westen, dicht an der Grenze des Reiches, etwas ent- 
fernt von den breiten Heerstrassen des Verkehrs? Sicherlich aber auch ist 
das Interesse an dieser Versammlung unter den Aerzten und Naturforschern 
im Laufe der Jabre stark gesunken. Jede medicinische Specialwissenschaft 
hat heute ihren besonderen Kongress, mit denen die Fachsitzungen der Natur- 
forscher- und Aerzte-Versammlung an Bedeutung nicht wetteifern können. Besser 
besucht unter den medicinischen Abtheilungen schien Ref. die 20. Abtheilung 
für allgemeine Pathologie und pathologische Anatomie und die 24. für Kinder- 
heilkunde zu sein; doch wohl nur deshalb, weil die betreffenden beiden Ge- 
sellschaften ihren Kongress gelegentlich der Naturforscher-Versammlung abzu- 
halten pflegen. 

Die Abtheilung für Hygiene und Bakteriologie konstituirte sich 
am Montag Nachmittag. Nach Erledigung einiger Formalien bezgl. Geschäftsfüh- 
rung u. 8. w. sprach 

1. L. Fürst (Berlin), Zum gegenwärtigen Stand der Fleisch- 
extrakt-Frage. Fürst wendet sich gegen die Liebig-Compagnie, welche auf 
ihren Reklamen das Liebig’sche Fleischextrakt in einer Weise anpreist, dass 
beim Laien der Glaube erweckt wird, das Liebig’sche Fleischextrakt sei ein Ei- 
weiss-Nahrungsmittel. Wie bekannt, ist das Liebig’sche Fleischextrakt nichts 
anderes als eingekochte Fleischbrühe; als solche wurde es zuerst von Petten- 
kofer in der Münchener Hofapotheke in bescheidenem Grossbetriebe bereitet, bis 
die Liebig-Compagnie die fabrikationsmässige Herstellung dieses Präparates in 
Fray-Bentos unternahm. Pettenkofer und Liebig haben diesem Präparat 
nie einen anderen Werth beigelegt als den, welcher ihm als kondensirte 
Fleischbrühe in Folge seines Gehaltes an Salzen und Extraktivstoffen zukommt. 
Die Liebig-Compagnie aber sucht in ihren vielen Reklamen für dieses Präparat 
eine weit höhere Bedeutung herauszuschlagen. 

Io der Diskussion wurde von Griesebach (Mülhausen) auf die Dis- 
sociation der Salze in der Fleischbrühe und auf Erhöhung des Blutdruckes 
durch die Wirkung derselben hingewiesen. 


72. Versammlung Deutscher Naturforscher und Aerzte. 313 


2. Rieken (Malmedy), Typhus und Molkereien. 

Ricken bespricht eine Reihe von Typhusepidemien, die er in verschie- 
denen Ortschaften seines Amtsbezirkes beobachtet hat. In den letzten Jahren 
hat sich der Typhus in demselben sehr viel öfter und in grösserer Ausbreitung 
als früher gezeigt. Auf Grund eingehender Nachforschungen, welche Ricken 
detaillirt vorträgt, ist er geneigt, diese stärkere Ausbreitung des Typhus auf 
die Entstehung und den Betrieb von Molkereigenossenschaften zurückzu- 
führen. Die Mitglieder einer Molkereigenossenschaft übergeben ihre: Milch 
einer Centrale, in welcher dieselbe gemeinsam verarbeitet wird, meist zu 
Batter und Käse; was danach übrig bleibt, die sogenannte Magermilch, er- 
halten sie zurück. Diese wird dann von den Bauern zum Theil selber genossen, 
mm Theil an Schweine verfüttert. 

Enthält die eingebrachte Milch eines der Mitglieder einer derartigen Ge- 
nossenschaft patbogene Bakterien, so kann von dieser aus die ganze gleich- 
zeitig eingebrachte und verarbeitete Milchmasse infieirt und durch die aus der 
Centrale herausgebrachten Produkte, Butter, Käse, Magermilch, die Krankheit 
weiter verbreitet werden. Können die eingebrachten pathogenen Bakterien 
dich in der Milch rasch vermehren, wie z. B. die Typhusbacillen, so wird da- 
durch diese Gefalır stark vergrössert. Eine strenge Durchführung aller der 
sanitären Maassregelu, welche gegen jede einzelne infektiöse Erkrankung noth- 
wendig und vorgeschrieben sind, ist in Folge dieser erhöhten Gefahr der Aus- 
breitung aus den Centralmolkereien besonders nothwendig. Ausserdem empfiehlt 
Ricken eine obligatorische Pasteurisirung der gesammten Milchmasse in der 
Molkerei. 

In der Diskussion macht Erismann darauf aufmerksam, dass die ge- 
schilderte Art der Verbreitung der Typhusepidemien die Möglichkeit nicht aus- 
schlösse, dass diese Epidemien auch in anderer Weise sich ausgebreitet hätten. 
Die geschilderten Epidemien hätten sich in einer Ortschaft langsam von einer 
Erkrankung zur anderen fortgeschleppt: bei einer gleichzeitigen Infektion einer 
grösseren Milchmasse in der Centrale, welche dann die Magermilch wieder an 
eine grössere Zahl verschiedener Personen und Ortschaften abgebe, müsse man 
eher einen plötzlichen Ausbruch und gleichzeitig eine weitere Verbreitung der 
Krankheit über mehrere Ortschaften erwarten. 

3. Wex (Düren), Ueber das Hebammenwesen im Kreise Düren. 

Wex bespricht Anordnungen und Maassregeln, die er in seinem Amts- 
bezirke getroffen, um den Stand und das Standesbewusstsein der Hebammen 
m heben. 


Am zweiten Tage verhandelte die Abtheilung für Hygiene nicht für sich, 
sondern war Vormittags mit der Sektion für Kinderheilkunde, Nachmittags mit 
der für angewandte Mathematik und Physik (Ingenieurwissenschaften) kom- 
bioirt. Ausserdem war sie auch am Morgen desselben Tages von der Ab- 
theilung für Nahrungsmittelchemie zu einem Vortrage von Schilling, Ueber 
den Schmutzgehalt der Wurst und von Weller, Die Zusammensetzung 
der Warstwaaren, eingeladen. Am Nachmittage wurden auf Wunsch einiger 


314 72. Versammlung Deutscher Naturforscher und Aerzte. 


Mitglieder Besichtigungen von Fabriken improvisirt. Ref. schloss sich der 
Abtheilung für Kinderheilkunde resp. der für Ingenieurwissenschaften an. 

In der Abtheilung für Kinderheilkunde sprach zuerst 

4. Ponfick (Breslau), Ueber die Beziehungen der Skrophulose 
zur Tuberkulose. Wohl war früher schon der ätiologische Zusammenhang 
zwischen Tuberkulose und Skrophulose vermuthet worden; bewiesen wurde er 
aber von Robert Koch, welcher die Tuberkelbacillen in skrophulösen Lymph- 
drüsen durch Färbung, Kultur- und Thierversuch nachwies. In neuerer Zeit sind 
auch mehrfach die Erkrankungen der Haut und der Schleimhäute, welche der 
Erkrankung der Lymphdrüsen vorausgehen, als tuberkulöse erkannt worden. 
Die äussere Haut ist im unverletzten Zustande für den Tuberkelbacillus undurch- 
gäneig. In den Verletzungen der äusseren Haut, welche gerade bei kleinen 
Kindern so häufig vorkommen, ist aber dem Tuberkelbacillus Gelegenheit ge- 
boten, durch die Epidermis hindurch in die Subcutis vorzudringen. Die Schleim- 
häute sind auch im unverletzten Zustande für den Tuberkelbacillus durchgängig. 
Für die Nasenschleimhaut hat dies Cornet, für die Schleimhaut der Kiefer. 
der Alveolarfortsätze Baginsky, für den Verdauungstraktus Orth, Klebs. 
Baumgarten nachgewiesen. Letzteres wird jedoch von Max Neisser 
geleugnet. 

Bei vielen skrophulösen Erkrankungen aber, welche sowohl in ihren klini- 
schen Erscheinungen als auch in den anatomischen Befunden, den durch den 
Tuberkelbacillus erzeugten durchaus gleichen, werden diese niemals, sondern stets 
andere Mikroorganismen, besonders Staphylokokken, aber auch Strepto- und 
Pneumokokken gefunden. Jedoch verkäsen die von diesen Bakterien befallenen 
Drüsen nicht, meist vereitern sie, manchmal aber verharren sie lange Zeit io 
einem byperplastischen Zustande. Ausser diesen beiden Formen skrophulöser 
Lymphdrüsenerkrankung haben wir noch eine dritte zu unterscheiden, welche 
auf einer Misch. oder Sekundärinfektion beruht. Auf einer durch Staphylo-. 
Strepto- oder Pneumokokken krankhaft afficirten Schleimhaut siedeln sich 
nachträglich noch die Tuberkelbacillen an. Mit dem Wort Skrophulose um- 
fassen wir also eine ganze Reihe von Vorgängen, welche sowohl in ihren klini- 
schen, als auch anatomischen Zeichen durchaus verschieden, auch aus ver- 
schiedenen bakteriellen Einwirkungen hervorgegangen sind. Wenn aber trotz 
dieser Verschiedenheiten die klinische Betrachtungsweise die Skrophulose als 
eine einheitliche Krankheit anffasst, so stimmt Ponfick dieser Anschauung 
bei. Eine allgemeine und persönliche Anlage der erkrankten Individuen ist das 
gemeinsame Moment, das diese verschiedenen Krankheitsformen , wie ein 
Band, umfasst. Diese Begriffe der allgemeinen und persönlichen Anlage ver- 
sucht dann Ponfick genauer zu erfassen. 

Als Zeichen der allgemeinen Anlage, die allen kindlichen Organismen — 
denn die Skrophulose ist eine Kinderkrankheit — zukommt, giebt er an: Be- 
sondere Protoplasmafülle der einzelnen Zellen, welche die Deckschichten bil- 
den, grösserer Saftreichthum der Parenchyme selber und weichere Zusammen- 
setzung der Zwischensubstanzen. Ponfick ist auch der Ansicht, dass das Lymph- 
system, insbesondere die grösseren Bahnen, häufig nicht weit genug seien, um 
den gesteigerten Lymphstrom zu bewältigen, insbesondere wenn geformte Ele- 


72. Versammlung Deutscher Naturforscher und Aerzte, 315 


mente, wie Fibrinflöckcben, Bakterienhaufen, zusammengeballte Eiterkörperchen 
in grösseren Mengen fortgeschleppt werden. Die Leukocyten des kindlichen 
Organismus werden ausserdem wohl von den Toxinen stärker angegriffen, 
ebenso wie die Blutgefässe, hauptsächlich die Kapillaren, aber auch die ner- 
vösen Elemente heftiger reagiren. Jedem kindlichen Organismus kommt diese 
Anlage in einem grösseren Umfange zu, bei einzelnen aber, besonders bei Ab- 
kömmlingen bestimmter Familien erfährt diese allgemeine Anlage eine beson- 
dere Steigerung, welche dann die persönliche Anlage darstellt. 

Nach Ponfick’s Ansicht hat sich der Skrophulosebegriff unzweifelhaft 
überlebt; denn unter diesem Namen werden eine Reihe sowohl ätiologisch 
als auch histologisch durchaus differenter Processe zusammengefasst. Ob es 
aber möglich ist, durch intimere Erforschung der Thatsachen, welche dem 
Begriffe „allgemeine und persönliche Anlage“ zu Grunde liegen, diese ausein- 
andergehenden Processe einheitlich wieder zusammenzufassen, kann erst die zu- 
künftige Forschung lehren. 

ö. Feer (Basel), Die Prophylaxe der Tuberkulose im Kindesalter. 

In den ersten Lebensmonaten, bis zum 6., ist die Tuberkulose äusserst 
selten; von da an steigt die Frequenz sehr rasch und erreicht das Maximum 
sehr rasch am Ende des 1. oder im 2. Jahre, um schon im 3. Jahre stark 
abzufallen. Da bis zum Manifestwerden der Tuberkulose Monate vergehen, 
so folgt aus dieser Vertheilung: Je jünger das Kind, um so mehr ist es von 
der Tuberkulose bedroht. Auch erscheint es danach durchaus unwahrscheinlich, 
dass die Tuberkulose der Kinder häufig kongenitalen Ursprunges ist; im Gegen- 
theil, sie ist fast ausschliesslich eine erworbene Krankheit. 

Als Infektionswege kommen hauptsächlich in Betracht die Luft- und Nah- 
rungswege und die Haut. Die weitaus häufigste Lokalisation der kindlichen Tu- 
berkulose sitzt in den Bronchialdrüsen, sehr viel seltener in den Mesenterial- 
drüsen; sehr häufig ist auch die Tuberknlose der Halslymphdrüsen. Als wich- 
tigste Hauptursache der Tuberkulose neben der Infektion ist eine Disposition an- 
zusehen, was von einzelnen Bakteriologen strengster Observanz bestritten wird. 
Zum Schutze gegen die Tuberkulose besitzen wir hauptsächlich zwei Mittel: Die 
Vernichtung und Fernhaltung der Tuberkelbacillen und die Erhöbung der Wider- 
standskraft des eigenen Körpers gegen dieselben. Als wichtigstes Moment in 
der Entstehung der Tuberkulose betrachtet Feer die Wohnungsverhältnisse. 
Die Tuberkulose geht in ibrer Häufigkeit der Wohnungsdichtigkeit parallel. 
Die finstere feuchte Wohnung mit der verdorbenen Luft fördert die Disposition, 
der enge Kontakt und die Unreinlichkeit der Insassen begünstigen die Infektion. 
Je jünger das Kind, je volkreicher der Wohnort, um so seltener kommt das 
Kind aus der Wohnung heraus, um so grösser also ist ihr Einfluss. In 
einer Verbesserung der Wohnungsverhältnisse erblickt Feer den Schwerpunkt 
in der Verhütung der kindlichen Tuberkulose (und auch der Erwachsenen. 
Ref.). Von eminenter Wichtigkeit ist die Pflege des Kindes. Diese liegt in 
der Hand der Mutter. Wo diese gezwungen ist, dem Erwerbe nachzugehen, 
ist es um Pflege und Gedeihen der Kinder schlecht bestellt. So lange die 
Kinder noch in ihren Betten und auf den Armen der Mütter sich befinden, 
sind sie relativ geschützt. Sobald sie aber kriecben gelernt haben, nach 


316 72. Versammlung Deutscher Naturforscher und Aerzte. 


allen Dingen greifen, sie in den Mund führen, wächst die Zahl der Infek- 
tionsgelegenheiten ins Unendliche. Volland hat die Skrophulose als 
Schmutzkrankheit bezeichnet. Darin liegt viel Wahres. Deswegen muss bei 
Eltern und Pflegern vor Allem der Sinn für die Reinlichkeit geweckt werden. 
Peinlichste Sauberkeit in der Umgebung der Kinder ist der wirksamste Schutz 
gegen die Tuberkelbacillen. Ob die Infektion durch Staubinbalation nach 
Cornet oder Tröpfcheninfektion nach Flügge zu Stande kommt, ist un- 
entschieden. Es liegt kein Grund vor, anzunehmen, dass die eine Möglich- 
keit die andere ausscheidet, wahrscheinlich finden beide statt. Ist eine 
. Mutter lungenkrank, so ist es am besten, die Kinder der Pflege derselben zu 
entziehen. Kann die lungenkranke Mutter nicht lernen, ihr Kind zu pflegen 
und dabei doch jede Ansteckungsgefabr zu vermeiden, dann hilft die ganze 
übrige Prophylaxe gar nichts. 

Eine grosse Rolle spielt die Ernährung; von Bedeutung scheint die Fleisch- 
kost zu sein. Unter den Hausthieren erkranken die Fleischfresser seltener an 
Tuberkulose als die Pflanzenfresser. Milch und Butter enthalten oft Tuberkel- 
bacillen. Durch vielen Aufentbalt im Freien und Körperbewegung wird der 
Gesundheitszustand verbessert. Viel tragen dazu bei Krippen, Kindergärten, 
Ferienkolonien (Halb- und Stadtkolonien), Sool- und Seebäder. Heimstätten 
zum Schutze gegen Tuberkulose sollen keine kranken, sondern nur geschwächte 
Kinder aufnehmen. Die Desinfektion in der Wohnung Tuberkulöser muss obli- 
gatorisch und unentgeltlich werden. Das Spuckverbot ist allgemein durchzu- 
führen. Vor allen Dingen muss das Volk zur Gesundheit, d. h. in diesem 
Falle zur Reinlichkeit herangezogen werden. Systematischer Schulunterricht 
in der Hygiene ist in den Volksschulen überflüssig, wohl aber müssen die 
Lehrer darin bewandert sein. 

6. Neisser (Frankfurt a. M.), Die Bedeutung der Bakteriologie 
für Diagnose, Prognose und Therapie. 

Neisser’s Vortrag ist ein Referat über das grosse Gebiet der klinischen 
Bakteriologie. Der reiche Inhalt desselben lässt sich an dieser Stelle nicht 
erschöpfen; nur einzelne Punkte können hier wiedergegeben werden. 

Die Serumdiagnostik der Tuberkulose ist nach Neisser’s Auffassung, in 
Uebereinstimmung mit der C. Fraenkel’s und Rabinowitsch’s, noch keine 
klinisch brauchbare Methode. Bei der Kultivirung der Typbusbacillen besitzen 
die besonderen, diesem Zwecke angeblich adaptirten Näbrböden, auch der 
neueste, die Piorkowski’sche Harngelatine, keine Vorzüge vor den gewöhn- 
lichen. Im Urin kommen die Typhusbacillen nur relativ selten vor; die Züch- 
tung aus demselben ist also klinisch belanglos. Zu einer Kultur aus dem 
Blute sind grosse Mengen, bis zu 20 ccm, nothwendig. Aus den Roseolen gelingt 
die Kultur leichter, der Kliniker bedarf derselben aber nicht mehr. Das Eio- 
stechen in die beim Typhus vergrösserte Milz ist nicht ohne Gefahr. Ein 
ausgezeichnetes diagnostisches Hilfsmittel ist die richtige Anstellung der Ag- 
glutinationsprobe. — Der bakteriologischen Diphtheriediagnose misst Neisser 
einen grossen Werth für Prognose und Therapie zu. Die Kultivirung der 
Influenzabacillen ist auch Neisser, wie Wassermann, eine Zeitlang nur 
schwer gelungen, in jüngster Zeit sei sie wieder leichter geworden. — Der ty- 


72. Versammlung Deutscher Naturforscher und Aerzte. 317 


pischen Pneumoniec liegt meist der Diplococcus lanceolatus zu Grunde. Strepto- 
kokken, Pestbacillen, Psittacosisbacillen können die klinischen Erscheinungen 
der Poeumonie hervorrufen. — Der Gonokokkenbefund ist bei der Vulvovagi- 
nitis der kleinen Mädchen, bei Endometritis und Konjunktivitis von Bedeutung. — 
Bei der Meningitis wurden in dem durch Lumbalpunktion entnommenen Ex- 
sudat Tuberkelbacillen, Pneumokokken nachgewiesen. Der Befund der typischen 
Meningokokken erlaubt die Diagnose epidemischer Meningitis. 

Bezüglich der Prognose macht Neisser geltend, dass häufig schon die 
richtig gestellte Diagnose die Prognose mit einschliesst. Bezüglich der Bedeu- 
tuog der bakteriologisch nachgewiesenen Mischinfektion bei Diphtberie und 
Tnberkulose hält Neisser heutzutage ein Urtheil zu geben für unmöglich. 
Der Streptokokkenbefund weist häufiger auf eine schwere Erkrankung hin, so 
bei Sepsis, Otitis media und bei Cystitis. 

Behring fand die antitoxische Wirkung im Blutserum immunisirter 
Thiere. Ehrlich gelang es, die Immunisirung so hoch zu steigern, dass schon 
geringe Mengen Blutserums immunisirter Thiere eine grosse Menge Gift zu 
neutralisiren vermögen. Ehrlich schuf des Weiteren die Methoden der Gift- 
und Antitoxinbestimmung; seitdem erst ist es möglich, das Heilserum genau 
zu bewerthen. Dönitz wies nach, dass das Heilserum nicht allein das frei im 
Blate eirkulirende Gift, sondern auch solches, welches schon an Zellen verankert 
ist, neutralisiren kann. Das Tetanusheilserun hat sich. bisher nur als Prophylak- 
tikum in der Thiermedicin gut bewährt. Die Herstellung baktericider Sera ist 
bisher wenig erfolgreich gewesen. Nur das Rinderpestserum scheint als bak- 
tericides Heilseram von praktischer Bedeutung zu sein. Als prophylaktisches 
Serum scheint das französische Pestserum erfolgreich zu sein. In der Veterinär- 
medicin bieten das Rinderpestserum und das Schweinerothlaufserum, das Susserin, 
als baktericide Sera gute Dienste. 

Auf dem Gebiete der aktiven Immunisirung schuf Pasteur in kurzer 
Zeit die Impfmethoden gegen Hühnercholera, Milzbrand und Hundswuth. Die 
grössten Heilerfolge hat die Wuthimpfung. Die Mortalität ist von 15 pÜt. 
auf 0,6 pCt. gesunken. In 24 Pasteur-Instituten sind bisher 54 620 Personen 
behandelt worden. Seit 2 Jahren besteht ein solches auch in Deutschland, 
in welchem bis jetzt 521 Fälle behandelt worden sind. Das Tuberkulin wird 
von vielen Klinikern, in geeigneten Fällen und in richtiger Weise angewandt, 
als ein werthvolles Mittel angesehen; als diagnostisches Mittel in der Tbier- 
medicin ist es allgemein anerkannt. 

Zum Schlusse befürwortet Neisser die Errichtung bakteriologischer La- 
beratorien, in welchen für die praktischen Aerzte die Untersuchungen ausge- 
führt werden. 

1. Heuser (Aachen) spricht Nachmittags in der gemeinsamen Sitzung 
mit Abtheilang 5: Ueber bakteriologische Reinigung städtischer Ab- 
wisser. Heuser giebt zuerst einen Ueberblick über die bisher geübtenVerfahren 
der Abwässerreinigung: Rieselwirthschaft, intermittirende Filtration, Sedimen- 
tirang im Klärbecken und die chemisch-mechanische Reinigung; genauer geht 
er dann auf das Verfahren der bakteriologischen Reinigung (biologische, Oxy- 
dationsfilter) ein, welches in England besonders von Dibdin und Cameron, 


318 72. Versammlung Deutscher Naturforscher und Aerzte. 


in Deutschland von Alexander Müller und Schweder erprobt worden ist. 
Heuser kennt einen Theil der englischen Anlagen aus eigener Besichtigung. 
er schildert eingehend den Bau, Betrieb und die Resultate dieser Werke. 
Eigene Erfahrungen hat Heuser nicht, auf Grund dessen aber, was er ge- 
sehen, beurtbeilt er das Verfahren günstig. Die Stadt Aachen, welche bei 
der Beseitigung ihrer Abwässer besonders übel daran ist (Abwässer aus Tuch- 
fabriken und dergl. mehr, schlechte Vorfluth), hat sich entschlossen, dieses 
Verfahren in einer Versuchskläranlage zu prüfen. 


Am dritten Tage in der gemeinschaftlichen Sitzung der medicinischen 
Hauptgruppe sprach Nachmittags: 

8. Kruse (Bonn), Ueber die Bedeutung der Ruhr als Volkskrank- 
heit und ibren Erreger, den Ruhrbacillus. 

Die Ruhr, welche sich längere Zeit in Westdeutschland nicht mehr ge- 
zeigt hatte, ist in den letzten Jahren wieder häufiger aufgetreten. In dem 
Regierungsbezirk Arnsberg, in welchem schon früher die Ruhr relativ häufig 
vorkam, hat diese Krankheit seit dem Jahre 1892 eine bedeutende Zunahme 
erfahren. Eine besonders weite Ausbreitung fand die Ruhr im Jabre 1900 in der 
kleinen Ortschaft Laar bei Ruhrort, von welcher sie sich auch weiter verbreitet hat. 
Im Krankenhause zu Laar hat sich Kruse gelegentlich dieser Epidemie ein La- 
boratorium eingerichtet und die günstige Gelegenheit gefunden, bei ganz frischen 
Erkrankungen Untersuchungen anzustellen. In 25 Fällen fand er in den schlei- 
migen Flocken der Darmentleerungen ein kurzes, plumpes, unbewegliches Bak- 
terium; dasselbe lag häufig in Haufen zusammen, zum Theil auch intracellulär. 
Dasselbe wächst leicht auf den gewöhnlichen Nährböden. Es gehört zur Gruppe 
des Colibacillus; vom Typhusbacillus unterscheidet es sich durch seine Un- 
beweglichkeit, vom Colibacillus durch Mangel der Gasbilduug in Kulturen. 
Aus dem Darm und den inneren Organen der der Kraukheit Erlegenen konnte 
Kruse den Bacillus nicht züchten, auch nicht mehr mikroskopisch nachweisen. 
Kruse will dies damit erklären, dass die Verstorbenen nicht der Ruhr selber, 
sondern einer folgenden Erkrankung, welche erst auftritt, nachdem die Ruhr- 
bacillen den Körper verlassen haben, erliegen. Durch Verimpfen des Bacillos 
auf verschiedene Thiere, auch Katzen, und in der verschiedensten Weise konnte 
Kruse eine der Ruhr ähnliche Krankheit nicht hervorrufen. Die Hauptstüts 
für seine Behauptung, dass dieser Mikroorganismus der Erreger der Ruhr sei, 
sieht Kruse darin, dass das Blut der Rubrkranken ein sehr starkes Agglu- 
tinirungsvermögen (1: 1000) gegenüber diesem Bacillus besitzt. 


Am vierten und letzten Tage, an welchem Sektionssitzungen stattfanden, 
sprach zuerst 

9. Erismann (Zürich), Tagesbeleuchtung der Schulzimmer. 

Auf der Grundlage photometrischer Messungen, welche auf Tafeln dar- 
gestellt sind, behandelt Erismann zwei Fragen: 1. die der Orientirung der 
Schulzimmer, 2. die der hinteren Fenster. Bei dem Bau der Schulhäuser wird 
meist eine Süd-, Südost- oder Westlage bevorzugt; nur ganz vereinzelte Stimmen 
werden laut, welche für eine Nordlage eintreten. Erstere Lage giebt eine 


72. Versammlung Deutscher Naturforscher und Aerzte. 319 


mehr direkte Sonnenbeleuchtung, führt aber auch zu häufigen und starken 
Kontrasten der Beleuchtung. Die Mittel, welche dagegen empfohlen werden, 
helfen nur wenig. Die Nordlage ermöglicht eine mehr gleichmässige Beleuch- 
tung des ganzen Schulzimmers während des ganzen Schultages. Bei richtiger 
Konstruktion der Fenster ist die Belichtung aus Nordfenstern auch mehr wie 
genügend. In nach Norden gelegenen Schulzimmern bestimmte Erismann die 
Lichtstärke gelegentlich auf über 300 Meterkerzen, während 25—30 Meterkerzen 
als ausreichend erachtet werden. Aus architektonischen Gründen müssen zuweilen 
in den Schulzimmern hintere Fenster angebracht werden. Manchmal ist den- 
selben auch nachgerühmt worden, dass sie den hinteren Bänken mehr Licht 
zufübren. Ist die übrige Belichtung ausreichend, so bedürfen die hinteren 
Bänke keiner weiteren Lichtzufuhr. Sie sind dann also zum mindesten über- 
flüssig; ausserdem aber bedingen sie öfters Kontraste, wirken also schädlich. 
Siod die hinteren Fenster aus Schönheitsgründen nicht zu vermeiden, so 
muss ihr schädlicher Einfluss durch Vorhänge wenigstens gemindert werden. 
Daran anknüpfend macht Erismann einige Bemerkungen über photometrische 
Messungen bei der letzten Sonnenfinsterniss, welche er selber schon in dieser 
Zeitschrift (1900, S. 1177) veröffentlicht hat. 

10. Frank (Wiesbaden), Ueber Desinfektionswirkung der Alkohol- 
dämpfe. Frank berichtet über Versuche, die er angestellt, ein dampfförmiges 
Mittel zu finden, welches die Milzbrandsporen sicher vernichtet, thierische 
Robhaare aber nicht schädigt. Die Versuche nahmen ihren Ausgang von einer 
Beobachtung Plagge’s, dass die Dämpfe der Essigsäure ein grosses Penetra- 
tionsvermögen besitzen. Die Dämpfe der reinen Essigsäure, des Acetaldehyds 
und des Aetbylalkohols vernichten die Milzbrandsporen. Alkoholdämpfe wir- 
ken jedoch nur dann, wenn dieselben Wasserdampf enthalten. Die stärkste 
Wirkung erzielte Frank mit Dämpfen, welche aus 4Oproc. Alkohol entwickelt 
worden; dieselben sind ein Gemisch von 90 Raumtheilen Alkohol und 12 Raum- 
teilen Wasser. Die Dämpfe, entwickelt aus Alkoholmischungen über 90 pCt. 
Alkoholgehalt, fand Frank unwirksam, sie enthalten zu wenig Wasser. Auch 
die sonstigen gasförmigen Desinfektionsmittel wirken am besten bei gleich- 
zitiger Befeuchtung der Desinfektionsobjekte. Aus weiteren eigenen und be- 
sonders Saul’s Versuchen schliesst Frank, dass alle Säuren, Aldehyde und 
Alkohole der Fettreihe im dampfförmigen Zustande Desinfektionsmittel sind. 
Perner fordert er auf, die erkannte energische Desinfektionswirkung des Al- 
kohols auch zu anderen Zwecken zu versuchen; er weist besonders auf die 
Wohnungsdesinfektion hin. 

In der Diskussion bemerkt Finkler (Bonn), dass die Formaldehyddesin- 
fektion beim Publikum wegen des üblen Geruches unbeliebt sei. Czaplewski 
(Köln) legt dagegen Verwahrung ein. Die Verwendung von Alkoholdämpfen 
zar Wohnungsdesinfektion hält er für feuergefäbrlich, befürchtet auch einen 
üblen Einfluss derselben auf das Nervensystem. Frank erwidert darauf, dass 
bei allenfallsiger Verwendung des Alkohols zur Wohnungsdesinfektion nur 
flüssiger Alkohol in Betracht kommen könne; eine berauschende Wirkung der 
Alkoholdämpfe habe er nie beobachtet. 


320 72. Versammlung Deutscher Naturforscher und Aerzte. 


11. Lode (Innsbruck), Abbärtung und Disposition zu Infektions- 
krankbeiten. Meerschweinchen wurden durch regelmässigesRasiren ihres Haar- 
kleides völlig beraubt. Diese Thiere werden hierdurch in ihrer Gesundheit ge- 
schwächt, sie erleiden einen Verlust an Körpergewicht. Nach einer gewissen Zeit, 
nachdem das Körpergewicht sich auf einer konstanten Höhe eingestellt hatte 
oder im Zunehmen begriffen war, die Thiere sich also diesem neuen Zustande 
in etwas angepasst hatten, wurden sie mit einer Kultur des Friedländer'schen 
Pneumoniebacillus geimpft. Diese Kultur war in ihrer Virulenz geschwächt; 
auf gewöhnliche, behaarte Meerschweinchen übte sie keine pathogene Wirkung 
mehr aus. Gegenüber den enthaarten Thieren war diese Kultur wieder viro- 
lent. Die Empfindlichkeit der Thiere war jedoch sehr verschieden; am empfäng- 
lichsten waren solche Thiere, welche sich noch nicht an den Zustand der Ent- 
haarung gewöhnt hatten; auch junge und alte Thiere erlagen der Infektion 
mit diesen abgeschwächten Bakterien in grösserer Zahl als solche von mitt- 
lerem Gewicht und’ Alter. Diese Beobachtung bezieht Lode auf die be- 
kannte Thatsache, dass kleine Kinder und ältere Personen Abhärtungskuren 
weniger gut vertragen als Personen in den mittleren Lebensjahren. Bei den 
enthaarten Thieren hat Lode ausserdem eine stärkere Entwickelung des 
Panniculus adiposus beobachtet; er bringt dies in Vergleich mit der Thatsache, 
dass Kinder und Frauen für gewöhnlich eine stärkere Fettentwickelung bei 
geringerer Behaarung als Männer zeigen. 

12. Schürmayer (Hannover), Ueber Roborat, ein vegetabilisches 
Eiweiss-Nährpräparat. Das Roborat wird aus Getreide hergestellt, enthält 
also die Eiweisskörper desselben; es ist in Wasser leicht löslich, gut zer- 
legbar und verdaulich. Während Plasmon und Tropon zahlreiche Bakterien 
enthalten, ist das Roborat absolut keimfrei. Das Roborat hat keinen beson- 
deren Geschmack, ruft keine besondere Tastempfindung hervor. Auch ist das 
Roborat billig. 

13. Fürst, Die neueren Bestrebungen zur Herstellung soge- 
nannter Kindermilch. 

Fürst bespricht die Methoden von Biedert, Gärtner, Backhaus, aus 
der Kuhmilch ein der Muttermilch in seiner chemischen Zusammensetzung 
ähnliches Präparat zu machen. Fürst giebt an, dass Backhaus die Milch 
solcher Kühe, welche zwar auf Tuberkulin reagiren, aber keine klinischen 
Krankheitserscheinungen zeigen, von der Verarbeitung nicht mehr ausschliesst. 
(Ref. scheint dies kühn). Die Trockenfütterung wird auch nicht mehr so 
streng verlangt, in einzelnen Betrieben ist die gemischte Ernährung wieder 
eingeführt. Grösste Reinlichkeit im Stallbetriebe, beim Melken, beim Transport 
und beim Vertrieb der Milch ist die Hauptsache, um eine gute Kindermilch 
zu erhalten. Fürst meint, dass die Nothwendigkeit der Milchsterilisirung 
heute mehr anerkannt sei wie früher und deshalb auch vom Publikum mehr 
und sorgfältiger betrieben werde. Dies wird von Anderen bezweifelt. 


Vorlag von August Hirschwald, Berlin N.W. — Druck von L. Schumacher in Berlia. 


Hygienische Rundschau. 


Herausgegeben 
von 
Dr. Carl Fraenkel, Dr. Max Rubner, Dr. Carl @ünther, 
Prof. der Hygiene in Halle a./8. Geh. Med.-R., Prof. der Hygiene in Berlin. a. o. Professor in Berlin. 
XI. Jahrgang. Berlin, 1. April 1901. MN. 


(Aus dem hygienischen Institute der Universität Halle a. S.) 


Einiges über die Krankheiten und Fehler beim Weine unter besonderer 
Berücksichtigung der Iniektionskrankheiten desselben. 


Von 
Dr. Berthold Heinze. 


Einleitung. 


Fast allen den Störungen, welche bei der Weinbereitung — beim Werden 
des Weines von der Traube bis zur Flaschenreife, im Fasse und selbst noch 
auf der Flasche — auftreten können und als Weinkrankheiten und Wein- 
fehler bekannt sind, liegen keine anderen Ursachen als Organismenwirkungen 
za Grunde. Die letzteren sind allerdings noch wenig genau studirt; indessen hat 
dies vor Alleın seinen Grund in den mannigfachen Schwierigkeiten, die sich der 
bakteriologischen Forschung gerade beim Weine entgegenstellen. Mit einigen 
wenigen Ausnahmen sind Weinkrankheiten und Weinfehler jedenfalls erst eine 
Folge der Thätigkeit von allerhand niederen Organismen!), von Schimmelpilzen, 
Kabmpilzen, Hefen und Bakterien. Diese finden sich nun meistens schon von 
vornherein auf der Traube, im Moste, im werdenden Weine vor und warten nur 
auf irgend eine günstige Gelegenheit, um — bei relativ niedrigem Alkohol- 
gebalte, geringem Säuregehalte, Temperaturschwankungen, reichlichem Luft- 


1) Babo u. Mach, Weinbau und Kellerwirthschaft. 1896. Bd. 2. — A. Jörgen- 
sen, Die Mikroorganismen der Gährungsindustrie (Verlagsbuchhandlung Paul Parey). 
Berlin 1893. — Pasteur, Etudes sur le vin, ses maladies, causes qui les provoquent 
ete. (Paris 1873. 2. éd.) — Behrens, Die Infektionskrankheiten des Weines. Cen- 
tralbl. f. Bakteriol. u. Parasitenk. 1896. Abth.2, Bd.2. 5.213. — Schaffer u. Freuden- 
reich, Recherches quantitatives sur les levures et les bactéries des vins naturels et 
des vius artificiels. Ann. de micrographie. 1892. — M. Barth, Die Kellerbehandlung 
der Traubenweine. Ulmer. Stuttgart 1897. — Wortmann, Untersuchungen über das 
sög. „Umschlagen“ des Weines. Berichte d. Künigl. Lehranstalt f. Obst- u. Weinbau 
in Geisenheim. 1891/92. — R. Meissner, Studien über das Zähewerden von Most und 
Wein. Landwirthschaftl. Jahrb. 1898. S. 714—771. — Wortmann, Ueber künstlich 
Kemergerufene Nachgährungen von Weinen im Fasse und auf der Flasche. Landw. 

rb. 1897. 


28 


322 Heinze, 


zutritte auf die Oberfläche des Weines u. s. w. — ihre schädigende, oftmals 
geradezu Verderben bringende Thätigkeit zu beginnen; es können aber der- 
artige Organismen auch erst späterhin beim Abzieben in schlecht gereinigte 
und unvorschriftsmässig behandelte Fässer oder auch von aussen aus der 
mit Krankheitskeimen stark durchsetzten schlechten Kellerluft in den Wein 
gelangen. Bisweilen fristen sie dort kürzere oder längere Zeit ein recht 
kümmerliches Dasein, bis sich schliesslich ihnen irgendwie günstige Ent- 
wickelungsbedingungen darbieten: alsdann dauert es meist gar nicht lange, 
und die eine oder andere Krankheitserscheinung im Weine macht sich be- 
merkbar. Merkwürdiger Weise kennt man beim Weine — abgesehen von 
der speciellen Obstweinhefe (Saccharomyces apiculatus) und den in jüngster 
Zeit von Meissner beschriebenen sogenannten Schleimhefen, welche später 
noch besonders erörtert werden — keine specifischen Krankheitshefen, wie sie 
seit den völlig neues Licht verbreitenden Untersuchungen von Hansen!) (siehe 
später) beim Biere bekannt geworden sind. Seine neue Lehre von den Hefe- 
rassen und das von ihm ausgearbeitete System der Hefereinzucht ist nicht nur 
für die Gährungsgewerbe von der allergrössten Bedeutung geworden, sondern 
hat auch bahnbrechend auf verwandte Gebiete eingewirkt und dort nicht 
minder grosse Umwälzungen hervorgerufen. Beim Biere werden viele Krank- 
heiten gerade durch sogenannte „wilde Hefen“ hervorgerufen; beim Weine 
sind diese uns bislang noch so gut wie unbekannt. Auch ist für die meisten 
anderen Organismen, vor Allem für die Bakterien, der Most bezw. der Wein 
in Folge seines Säure- und Alkoholgehaltes gerade kein sehr geeigneter Nähr- 
boden; künstliche Infektionen von gesunden Weinen mit kranken oder mit 
Organismen, die aus kranken Weinen isolirt sind und dort ganz zweifelsohne 
Krankheitserscheinungen hervorrufen, gelingen nur in den seltensten Fällen 
und erschweren die Untersuchungen auf diesem Gebiete ausserordentlich. Erst 
wenn für die Bakterien günstige Lebensverhältnisse vorliegen, wenn eine ge- 
wisse Disposition zur Erkrankung vorhanden ist, erst dann können auch sie 


1) E. Chr. Hansen, Recherches sur la physiologie et morphologie des ferments 
alcooliques. 1. Sur le Sacch. apieulatus et sa circulation dans la nature. Compt. rend. 
des Meddel. fra Carlsberg Laboratoriet. 1881. Bd. I. H. 3. II. Les ascospores chez le 
genre Saccharomyces. III. Sur les Torulas de M. Pasteur. IV. Maladies provoquées 
dans la bière par des ferments alcooliques. Compt. rend. des Meddel. fra Carlsberg 
Laborat. 1883. Bd. 2. H. 2. V. Méthodes pour obtenir des cultures pures de Saccha- 
romyces et de microorganismes analogues. VI. Les voiles chez le genre Saccharomyces. 
Compt rend. des Meddel. fra Carlsberg Lab. 1886. Bd. 2. H. 4. VII. Action des fer- 
ments alcooliques sur les diverses espèces de sucre. Compt. rend. des Meddel. fra 
Carlsbg. Lab. 1888. Bd. 2. H. 5. VIII. Sur la germination des spores chez les Saccha- 
romyces. Compt. rend. des Meddel. fra Carlsbg. Lab. 1891. Bd. 3. H. 1. — Recher- 
ches faites dans la pratique de l'industrie de la fermentation. Contribution à la bio- 
logie des microorganismes. I. Introduction. II. Culture pure de la levure au service 
de l'industrie. IlI. Observations faites sur les levures de bière. IV. Sur leramen 
pratique, au point de vue de la conservation de la bière contenue dans les tonneaux 
des caves de garde. V. Sur l'analyse zymotechnique des microorganismes de lair et 
de Peau. VI. Nouvelles recherches sur les maladies provoquées dans la bière par des 
ferments alcooliques. VII. Sur l'extension actuelle de mon système de culture pure 
de k Inun Compt. rend. des Meddel. fra Carlsberg Lab. 1888. Bd. 2. H. 5; 1882. 


Einiges über die Krankheiten und Fehler beim Weine. 323 


schädigend und krankheitserregend bei der Weinbereitung, wie auch vor Allem 
bei dem weiteren Ausbau des Weines eingreifen. 

Den mannigfachen Weinkrankheiten und Weinfehlern gleich anfangs mög- 
lichst vorzubeugen, oder dieselben wenigstens gleich in ihrem Anfangssta- 
dium gründlich zu heilen, ist Sache einer mustergiltigen Kellerwirthschaft, 
die leider noch recht selten angetroffen wird. Auch hier kann nicht genügend 
oft betont werden, dass eine Krankheit, wenn sie erst grössere Fortschritte 
gemacht hat, meist recht schwer zu heilen ist. Vielfach ist dann eine Wieder- 
berstellung des Weines überbaupt nicht mehr möglich, und der Wein ist dem 
vollständigen Verderben preisgegeben. 

Bevor jedoch nunmehr die verschiedenartigen Krankbeiten und Fehler 
des Weines etwas eingehender erörtert werden, ist es vielleicht ganz ange- 
bracht, erst die hauptsächlichsten Punkte in Bezug auf das Werden des Weines 
kurz zu besprechen, zumal sich aus ihnen schon mancherlei Schlüsse auf die 
Störungen ziehen lassen, welche beim Weine von der Traube bis zur Flasche 
und weiterhin auf der Flasche selbst noch eintreten können. 


Kapitel I. 
Einige allgemeine und besondere Daten über die Weinbereitung. 

Sobald die Traubenreife eingetreten ist, die allerdings bei den verschie- 
denen Rebsorten zu oft recht verschiedener Zeit erfolgt, wird geberostet, falls 
nicht besondere Umstände (z. B. günstige Witterungsverhältnisse und eventuelle 
Erziehung von hochfeinen Ausleseweinen) ein längeres Verbleiben der Trauben 
am Rebstock rathsam erscheinen lassen. 

Von den Rebsorten für weisse Qualitätsweine reift der weisse Bur- 
gunder oder Weissklevner, der Ruländer oder Grauklevner, auch Tokayer ge- 
nannt, früh, der Traminer, der Muskateller mittelfrüh, der Riesling und 
die Bouquettraube hingegen spät; bei gen Rebsorten für weisse Quantitäts- 
weine ist der Gutedel, der Elbling, der Ortlieber (im Elsass auch Knipperle 
genannt) frübreifend, der Sylvaner mittelfrüh und der Rothgipfler, der Olber 
spätreifend; bei den Rebsorten für rothe Qualitätsweine reift schwarzer 
Burgunder früh, St. Laurent, Müllerrebe, Limberger mittelfrüb und der 
Carbernet (die Rebsorte der feineren Bordeauxweine) spät; bei den verschie- 
denen Rebsorten für rothe Quantitätsweine ist beispielsweise der Portu- 
gieser eine frühreifende, die Färbertraube eine mittelfrühreifende 
und der Trollinger eine spätreifende Sorte. Von den Rebsorten sind die 
Trauben, abgesehen von sonstigen ausserordentlich kostbaren und werthvollen 
Fxtraktbestandtheilen, deren Natur aber meist noch ganz unbekannt ist, 
bei einzelnen zuckerreich und säurearm, bei anderen zuckerreich und säure- 
reich, und wiederum bei anderen zuckerärmer und säurereicher oder auch 
såureärmer. Aus dem Vorstehenden leuchtet also ohne weiteres ein, dass neben 
einer guten Kellerbehandlung bei der Weinbereitung vor Allem Wertb auf einen 
getrennten, und nicht auf einen bunt durcheinandergemischten Rebsatz gelegt 
werden muss; insbesondere aber sollte man bei gemischtem Rebsatze wenig- 
stens die Traubenlese gesondert vornehmen, zumal bei Vorhandensein von früh- 
und spätreifenden Rebsorten. Zur Riesling- und Trollingerreife würden in 

23° 


324 Heinze, 


heissen Jahrgängen Sylvaner, Ortlieber und Burgunder bereits stark geschrumpft 
oder gefault sein; in nassen, kalten Herbsten jedoch würden zur Zeit der Gut- 
edel- und Burgunderreife die Rothgipfler, Trollinger und Rieslingtrauben noch 
völlig hart, sauer und kaum geniessbar sein: im ersten und letzten Falle 
neigen alsdann die aus gemischtem Satze gewonnenen Weine zu allerhand 
später noch zu erörternden Krankheiten. Obendrein bedürfen auch säurearme 
und säurereiche Moste einer ganz verschiedenartigen Kellerbehandlung, um zu 
mundgerechten Weinen erzogen zu werden. Cbaraktervolle Weine mit viel 
Eigenart lassen sich deshalb in erster Linie nur aus getrenntem Lesegute er- 
zielen. Ausserordentlich wichtig ist auch die Sonderung der fauligen Trauben 
von den gesunden: alles Forderungen, denen in der Praxis bei Weitem noch 
nicht die nöthige Beachtung geschenkt wird — wenigstens nicht überall. 

Nach dem Herbsten werden alsdann die Trauben abgebeert, gemahlen und 
getrottet oder gekeltert. Der abgepresste Traubensaft, der Most, fängt je nach 
der Temperatur, welche gerade wäbrend der Traubenlese, während des etwa 
24—48 Stunden später folgenden Kelterns der Trauben herrscht, und weiter- 
hin je nach der obwaltenden Kellertemperatur nach 2—3 Tagen mehr oder 
weniger stürmisch zu gähren an. Diese sogenannte Hauptgährung ist 
meistens innerhalb 8—10 Tagen beendet, und es folgen alsdann die Perioden 
der Nachgährungen und des weiteren Ausbaues der Weine bis zu ihrer 
Flaschenreife, die normaler Weise, wenigstens bei werthvollen Qualitätsweinen, 
immer erst nach Verlauf von 4 bis 5 Jahren einzutreten pflegt. 

Weisse Trauben lässt man, wie oben bereits angedeutet worden ist, 
in vielen Gegenden gern eingestampft etwas angähren, ehe man sie trottet 
oder keltert, damit dieselben aus den Hülsen und Kernen etwas mehr Tannin 
aufnehmen, welches für den weiteren Ausbau der Weine meist von nicht zu 
unterschätzender Bedeutung ist: derartige Weine klären sich gut, bleiben 
leichter hell und sind vor manchen Krankheiten bei Weitem besser geschützt 
als ohne Angährung getrottete Weine. Natürlich darf man hierbei des Guten 
nicht zu viel thun und etwa an Stelle von 2 Tagen als Maximum, 8 Tage 
oder gar noch länger angähren lassen: solche Weine werden dann überreich 
an Tannin, sie nehmen einen harten, strengen, wildkrautigen Geschmack an, 
zumal wenn die Kämme der Trauben vorher nicht entfernt werden; ausserdem 
werden sie tief gelbbraun bis rothbraun in der Farbe. 

Etwas anderes ist es natürlich in dieser Hinsicht mit der Gewinnung des 
Rothweins aus den blauen Trauben, welche fast durchweg (ausgenommen die 
Färbertrauben und einige amerikanische Traubenvarietäten, die auch einen tief 
dunkelrothen Saft besitzen) ihren Farbstoff nur in den Hülsen haben. Hier 
muss man die Traubenmaische, bevor man keltert oder trottet, angähren lassen. 
Indessen soll man keineswegs über eine Zeit von 10—14 Tagen hinausgehen, 
da sonst leicht unliebsame Erscheinungen auftreten. 

Beim Angährenlassen wird der Farbstoff der Rothweine durch den Säure- 
gehalt des Traubensaftes aus den Hülsen ausgelöst, und zwar unter der sebr 
wichtigen Mitwirkung des Tannins der Hülsen und der Kerne und des während 
der Gährung entstebenden Alkohols. Die Farbentiefe der Rothweine ist als- 


Einiges über die Krankheiten und Fehler beim Weine. 325 


dann ganz wesentlich abhängig vou der Temperatur, bei welcher gerade die 
Gährung sich vollzieht. 

Was ohne weitere Kelterung, Pressung, allein durch den Druck der 
schweren Traubenmaische freiwillig abfliesst, das bezeichnet man als den so- 
genannten Vorlauf. Bei blauen Trauben ist dieser Saft ebenfalls weiss 
oder nur äusserst schwach rosa gefärbt: es ist der zuckerreichste, hingegen 
sioreärmste und auch am wenigsten tanninhaltige Saft — der sogenannte 
Klaret —, welcher insbesondere von Burgundertrauben, ferner aber auch von 
St. Laurent- und Gameysorten als Rohmaterial für die Schaumweinbereitung 
ausserordentlich hoch geschätzt wird. 

Schwach gepresste und schwach röthlich gefärbte Moste, wie sie nach 
2-3tägigem Angährenlassen blauer Trauben mit den Trestern vor dem Keltern 
erzielt werden, geben in Württemberg den beliebten Schillerwein, in Loth- 
ringen den eigenartigen „vin gris“, der dadurch noch an prickelndem Reize 
gewinnt, dass er ganz jung, von der Hefe weg, auf Flaschen kommt, in den 
letzteren eine kleine Nachgährung durchmacht und so ein sehr kohlensänre- 
reiches Getränk liefert, welches mit den Schaumweinen in seiner erfrischenden 
und belebenden Wirkung viel charakteristische Aehnlichkeit besitzt. 

Durch wiederholtes Auslaugen des Pressrückstandes, der sogenannten 
Trester, mit Wasser oder vielmehr mit Zuckerwasser und Vergährenlassen der 
ausgelaugten Flüssigkeit werden alsdann die sogenannten Nachweine oder 
Tresterweine hergestellt; in ähnlicher Weise werden bekanntlich durch Ueber- 
giessen der später noch zu erörternden Drusen oder Hefetrubs mit Zuckerwasser 
die sogenannten Hefenweine gewonnen. Als Haustrunk mögen derartige Weine 
oftmals gar nicht schlecht sein, wenn sie auch in Folge ihrer Herstellungsweise 
ausserordentlich leicht verderben. Auch ist gegen ihre Herstellung und ihren 
Verbrauch als gewöhnlicher Haustrunk schliesslich nichts weiter einzuwenden. 
Leider aber werden gerade die Tresterweine auch vielfach zu unlauteren 
Zwecken, zum Verschneiden von tanninarmen und säurereichen Weissweinen 
verwandt, wenn sie nicht gar als vollwerthige kleine Weine hinaus auf den 
Markt gegeben werden. 

Obwohl nunmehr heutzutage ziemlich genau bekannt ist, wie der Wein 
durch Gährung des abgepressten Traubensaftes zu Stande kommt, so haben 
wir es doch mit einem Vorgange zu thun, welcher sehr sorgfältig und sach- 
kundig geleitet und überwacht werden muss, wenn man einen fehlerhaften 
Verlauf vermeiden will. Es werde also zunächst das Wichtigste bei der Wein- 
bereitung, die Gährung selbst, ihr Wesen und ihr Verlauf, ein wenig näher 
betrachtet. 


A. Die Gährung im Allgemeinen und im Besonderen. 


Die Weinbereitung ist bekanntlich schon Jahrtausende alt, aber das eigent- 
liche Wesen der Gährung ist erst verhältnissmässig spät richtig erkannt worden. 
Man glaubte eine augenscheinliche freiwillige Zersetzung des Mostes vor sich 
zu haben, über die man keine weitere Gewalt hatte. In den Hefepilzen?), 


1) Mitscherlich, Lehrb. d. Chem. 1834. — Cagniard-Latour, Mémoire sur 


ia fermentation vineuse. Compt. rend. 1837. T. 4. Ann. de Chim. er de phys. 1838. 


326 Heinze, 


welche im Erdboden überwintern!) und im Spätsommer und im Herbst wäh- 
rend der Traubenreife durch allerlei Insekten, insbesondere durch Wespen, 
auf die Trauben gelangen, aber auch wohl durch den Wind und die Luftfeuch- 
tigkeit verbreitet werden können, wurde die Ursache der Gährung und damit 
der eigentliche Träger des gesammten Gährprocesses erkannt. Erst durch 
diese Erkenntniss über das Wesen der Gährung wurde auch die Herrschaft 
über die einzelnen Phasen des Gährverlaufes und somit auch über das Werden 
des Weines erlangt. Wohl hatte man schon zu Linne’s Zeiten die Auffassung. 
und auch Linné selbst tbeilte die Anschauung, dass Gährungs- und Fäulniss- 
produkte durch kleine Lebewesen hervorgerufen werden. Beweise jedoch 
konnten aus bekannten Gründen erst viel später erbracht werden. 

Für die alkobolische Gährung des Bieres und Weines wiesen Mitscher- 
lich und kurze Zeit später Cagniard-Latour im Jahre 1835 nach, dass 
die Bier- und Weinhefe die Ursache derselben ist, dass diese aus Zellen be- 
stebt und sich durch Sprossung vermehrt. Einige Zeit darauf kam Schwann 
zu denselben Ergebnissen, und schon 1838 konnte Turpin mit der Anschauung 
hervortreten, dass verschiedene Gährungen sicherlich durch ganz verschiedene 
Organismen eingeleitet werden. Aber erst durch die weiteren Untersuchungen 
anderer Forscher und vor allem auch Pasteur’s wurde mehr Klarheit in der 
ganzen Frage geschaffen. Lange dauerte alsdann der Streit an, welcher um 
die Erklärung der Gährung als physiologischer, vitaler Process (Pasteur) 
oder als rein chemischer Process (Stahl— Liebig) geführt wurde, bis an- 
scheinend Pasteur den Sieg in diesem Streite davontrug. Schliesslich aber 
näherte man sich gegenseitig in der Auffassung und führte die Gährung auf 
sogenannte 'Enzymwirkung zurück: eiweissäbnliche Körper werden von der 
lebenden Hefezelle gebildet, und diese lösen alsdann die Gährungserscheinungen 
aus. Durch die neueren Untersuchungen von E. Chr. Hansen, von E. Fischer 
und Thierfelder, von C. Liutner, Prior und anderen Forschern ist die 
Enzymtheorie gegenüber der Vitaltheorie immer mehr in den Vordergrund 
getreten, und E. Buchner?) gebührt das Verdienst, in jüngster Zeit den ex- 
perimentellen Nachweis ganz zweifellos erbracht zu haben, dass die Gābr- 
wirkung, d. b. die alkoholische Gährung, von der lebenden Hefezelle sehr wohl 
abzutrennen ist, indem die sogenannte Zymase des von ihm gewonnenen Hefe- 
presssaftes alkoholische Gährung hervorrufen, d. h. also den Zucker in Alkohol 
und Kohlensäure zerlegen kann; auch ohne besondere Mitwirkung der lebenden 


T. 63. — Schwann, Vorläufige Mittheilung betreffend Versuche über die Weingäh- 
rung und die Fäulniss. Poggendorf’s Annalen 1837. Bd. 41. — Turpin, Memoir: 
sur la cause et les effets de la fermentation aleonlique et acéteuse. Compt. rend. de 
l'Acad. des science. 1838. T. 7. — Pasteur, Mémoire sur la fermentation alcooliqur. 
Ann. de chim. et de phys. 1860. T. 58. — Etudes sur le vin. 1866. — Etudes sur 
la bière. 1876. — Traube, Theorie der Fermentwirkungen. Berlin 1858. — Nägeli. 
Theorie der Gährung. München 1879. — Reess, Botanische Untersuchungen über die 
Alkoholgährungspilze. 1870. 

1) Müller-Thurgau, Neue Forschungen auf dem Gebiete der Weingährung und 
deren Bedeutung für die Praxis. Bericht über die Verhandlungen d. IX. deutschen 
Weinkongresses zu Trier. Mainz 1889. S. 82. 

2) E. Buchner, Alkoholische Gährung ohne Hefezellen. Ber. d. deutsch. chem. 
Gesellsch. 30. H. 1. 1897. H. 9. Berlin (ef. auch die späteren Veröffentlichungen). 


° 


Einiges über die Krankheiten und Fehler beim Weine. 327 


Hefezelle, lediglich von dem Hefepresssaft, bezw. von dessen Zymase werden 
selbst sehr koncentrirte Zuckerlösungen verschiedener Art schnell in Gährung 
versetzt — aber ohne Bildung von Nebenprodukten. 

Bei der Gährung der Würze und des Mostes erfolgt bekanntlich ganz 
vorwiegend eine Spaltung des vorhandenen Zuckers in Alkobol und Kohlen- 
säure, und nur ein kleiner Theil liefert verschiedene Nebenprodukte. Obwohl 
also nunmehr die rein alkoholische Gährung mit voller Berechtigung von der 
lebenden Hefezelie abgetrennt werden kann, so können wir dies bislang wenig- 
stens noch nicht thun mit anderen Gährungsprocessen, welche neben der rein 
alkoholischen einhergehen. Es soll freilich nicht geleugnet werden, dass von 
der Hefezelle auch noch andere enzymartige Körper ausser der Zymase ge- 
bildet werden, welche aber im Gegensatz zu dieser aus dem Innern der Zelle 
heraus in die umgebende Kulturflüssigkeit diffundiren und dort die verschie- 
denartigsten Nebengährungserscheinungen hervorrufen können, wodurch neben 
dem Alkohol und der Kohlensäure auch hier beim Wein allerhand werthvolle 
Nebenprodukte entstehen, und die alsdann im Verein mit dem vorhandenen 
Alkohol und der Kohlensäure in ihrer oftmals wunderbaren Harmonie erst 
den edlen Charakter eines Weines bedingen. 

Es spielen also beim Werden des Weines noch andere Processe eine her- 
vorragende Rolle, durch welche die chemische Zusammensetzung des gesammten 
Gäbrproduktes und damit sein ganzer Charakter wesentlich mitbestimmt wird. 
Es sind dies vor allem die Bildung von Glycerin und von Säuren!) und ferner 
der weitere Ausbau der im Moste bereits vorhandenen oder wenigstens vorge- 
bildeten werthvollen und beständigen Traubenbouquets; ferner die Entstehung 
der Gährungsbouguets, jener allerdings oftmals unbeständigen aromatischen 
Stoffe, welche ein reines Produkt der Hefe sind. Der Einfluss der Hefe auf 
die vorhandenen Säuren, ihre Mitwirkung bei der natürlichen Säureabnahme 


1) Die Bildung wie auch der Verbrauch von Säuren im Weine (die natür- 
liebe Säureabnahme) ist zum grossen Theile auf die Wirkung und auf die Lebens- 
thitigkeit von Organismen zurückzuführen. Von fehlerhaften Gährungen abgesehen, 
bei denen die mannigfachsten Säuren (Ameisensäure, Essigsäure, Buttersäure, Milch- 
säure, Kohlensäure. Propiensäure, Valeriansäure, Caprylsäure, Tatronsäure) entstehen 
können, werden bei der normalen Weingährung als Nebenprodukte ausser Bernstein- 
säure auch konstant geringe Mengen Essigsäure und eventuell Spuren anderer flüch- 
tiger Säuren gebildet. Die Untersuchungen des Verf.’s über Säurebildung und Säure- 
verbrauch durch Hefen an der Hand von Reinhefekulturen mit gewöbnlichem Trauben- 
moste, entsäuertem und von den Kalksalzen befreiten Moste, ferner mit sorgfältig neu- 
tralisirter Zuckerbouillon (Bouillon sehr verdünnt 1:5 angewandt) machen jedoch neben 
Bernsteinsäure und Essigsäure auch die konstante Entstehung von Weinsäure 
und Apfelsäure und ferner von Ameisensäure während der normalen Weingährung 
sbr wahrscheinlich. Der quantitative Siureanstieg dauert bis zur beendeten Hauptgäh- 
rung an und beträgt 3—5 pM., während alsdann die beim weiteren Ausbau des Weines 
in Folge Weinsteinausscheidung, Organismenwirkung eintretende Säureabnahme viel be- 
trächtlicher (5—8 pM.) sein kann. Verf. konnte auch die Annahme von Kulisch und 
Wortmann bestätigen, dass die Hefen bei der Säureabnahme im Weine eine grössere 
Rolle spielen, als es nach Schukow’s Untersuchungen den Anschein hat (J.Schukow. 
U-ber den Säureverbrauch der Hefen. Centralbl. f. Bakt. 1896. Abth. 2. S. 601—612). 
In neuerer Zeit glaubt jedoch A. Koch (Vortrag beim Weinbaukongress in Colmar 1900; 
merkwürdiger Weise den Bakterien auch beim normalen Verlauf der (ährung die Haupt- 
r!le in Bezug auf die Säureabnahme im Weine zuschreiben zu müssen. 


24* 


328 Heinze, 


im Wein, ibre Einwirkung auf die Salze, auf die N-haltigen Stoffe u. s. w. 
muss ebenfalls entsprechend gewürdigt werden. 

Es ist also nicht nur die Wirkung der Gährungszymase, sondern auch 
noch der gesammte Stoffwechsel der Hefe, welcher erst den Wein uns liefert, 
und es ist also weiterbin die hohe Bedeutung der Buchner’schen Entdeckung 
weniger auf praktischem, als auf theoretischem Gebiete zu suchen. 

Die Hefe, welche die spontane Gährung des Mostes einleitet, ist an 
Gestalt und Grösse von der Bierhefe verschieden; ihre Zellen, die von Reess?) 
als Saccharomyces ellipsoidens bezeichnet worden sind, haben meistens ellip- 
tische Gestalt; ferner aber hat sie auch beiderseitig zugespitzte, citronen- 
artige Formen, welche der erwähnte Forscher Saccharomyces apiculatus nannte. 
Es sind jedoch nur die ersteren das eigentliche Ferment der Weingährung. 
wenn auch nicht ausgeschlossen ist, dass zuweilen die Apiculatushefe das Ueber- 
gewicht gewinnt. Letztere ist die specifische Hefe der Obst- und Beerenwein- 
gährung, hat nur einen sehr niedrigen Vergährungsgrad (4—5 pCt. Alkohol) 
und verleiht dem Traubenweine vielfach eine unreine Gähr, indem von ihr 
im Moste hauptsächlich auch flüchtige Säuren in grösserer Menge gebildet 
werden, als dies normaler Weise beim Traubenwein der Fall ist. Sie wirkt 
nach Müller-Thurgau?) auf die gesammte Gährung hemmend ein. Die 
Apiculatushefe ist daher auch beim Wein weit eher als Krankheitshefe auf- 
zufassen, wie dies bereits Hansen 3) für die Bierbrauerei dargethan hatte. 
Diese Hefe wird jedoch bei der Gährung meistentheils gar bald unterdrückt, 
so dass ihre Schädlichkeit nur selten zu Tage tritt. 

Die bei uns vorkommende Weinbefe ist durchweg Unterhefe, d. h. sie 
setzt sich nach beendeter Gährung als Bodensatz in der Gährflüssigkeit ab 
Ein gewisser Unterschied ist auch in dieser Beziehung gegenüber der Bierhefe 
vorhanden. Die meisten Biere sind allerdings, wie der Wein, bei uns Pro 
dukte der Untergährung; aber beim Bier verläuft sie bei sehr niedrigen Tem- 
peraturen von +4—10° C. Biere, die bei einer der Mostgährung analogen 
Temperatur vergohren wurden (20—25°C.), sind sämmtlich Produkte von 
Oberhefen. Von der Weinhefe sind also untergährige Formen bekannt, die bei 
Temperaturen tbätig sind, bei denen von der Bierhefe nur Oberhefen zu ver- 
wenden sind. 

Die neuere gährungsphysiologische Forschuug hat jedoch noch weitere 
und tiefer begründete Unterschiede kennen gelehrt. Die durch Hansens 
Arbeiten (s. oben) eingeleitete neue Richtung zeigte, dass unter den Saccharo- 
myceten eine grosse Zahl von Rassen unterschieden werden müssen, die in 
ihren morphologischen wie vor Allem iu ihren physiologischen Eigenschaften 
ganz merklich differiren. 


1) Reess, Botanische Untersuchungen über Alkoholgährungspilze 1870. Ann. d. 
Oenologie. 1872. 2. S. 145. Ueber die Alkoholgährungspilze der Weinhefe. 

2) Müller-Thurgau, Neue Forschungsergebnisse auf dem Gebiete der Wein- 
bereitung und deren Bedeutung für die Praxis. Ber. über die Verhandl. d. XI. deut- 
schen Weinbaukongresses in Trier. Mainz 1889. S. 80 ff. 

3) Hansen, Nouvelles recherches sur la circulation du Saccharomyces apiculatus 
dans la nature. Ann. de mierographie. Paris 1890. 


Einiges über die Krankheiten und Fehler beim Weine. 329 


Vor Allem zeigte bekanntlich Hansen auch im Gegensatz zu Pasteur 
und Duclaux, welche die Krankheiten des Bieres lediglich auf Bakterien- 
wirkung zurückführten, im Jahre 1883, dass gerade eine grössere Zahl der 
gefährlichsten und verbreitetsten Bierkrankbeiten nicht ein Werk der Bakterien 
ist, sondern von bestimmten Saccharomycesarten und zwar von sogenannten 
wilden Hefen herrührt, und ferner, dass die von Reess benutzten Namen 
Saccharomyces cerevisiae, Sacch. Pastorianus, Sacch. ellipsoideus nur noch 
als Sammelnamen Geltung beanspruchen können, und dass sie sämmtlich 
mehrere verschiedene Arten und Rassen in sich schliessen. Für Arten eines 
Begriffes wies er nach, dass sie in den Brauereien verschiedene Produkte z. Th. 
mit recht bedeutenden Unterschieden lieferten, und arbeitete auf dieser Grundlage 
xin Hefereinzuchtsystem aus, nach welchem nur eine aus einer einzigen 
Art (einer einzigen Zelle) hervorgegangene Hefekultur als Anstellhefe benutzt 
wird. In der Brauerei ist man schon längst endgültig und fast allgemein zur 
Verwendung der Reinhefe übergegangen, und auch bei der Weinbereitung, 
insbesondere bei der Obstweinbereitung, hat man in letzter Zeit die reinge- 
züchtete Hefe in der Kellerwirthschaft eingeführt.!) Allerdings liegen hier 
die Verhältnisse um Vieles schwieriger, als in der Bierbrauerei. 


Die Bedeutung der Reinhefe für die Weingährung. 


Die rein gezüchteten, genaner studirten und auf Grund ihrer guten Eigen- 
schaften ausgewählten Weinhefen — wobei das Hauptgewicht auf die Gährkraft 
d.h. schnelle Einleitung und Durchführung der Gährung?) und ausreichenden Ver- 
gährungsgrad zu legen ist, aber auch die Klärung des Weines, die Bildung 


1) Marx, Les levures des vins. Moniteur scientifique. Paris 1888. — Müller- 
Thurgau, Gewinnung und Vermehrung von Weinheferassen u. s. w. Weinbau u. Wein- 
handel 1894. — Weitere Untersuchungen über die Physiologie der Hefe und die Be- 
dutung ausgewählter und reingezüchteter Heferassen für die Weingährung. Zürich 
1394. — Erfahrungen hei Züchtung von Heferassen für bestimmte Zwecke. Weinbau 
u. Weinhaudel 1897. — Wortmann, Untersuchungen über reine Hefen. I. Theil. 
Landwirthschaftl. Jahrb. v. Thiel. Berlin 1892. $. 901. — Untersuchungen über reine 
Hefen. II. Theil. Ebenda. Berlin 1894. — Aderhold, Untersuchungen über reine Hefen. 
IIL Theil. Die Morphologie d. deutsch. Sacch. ellipsoideus-Rassen. Ebenda. Berlin 1894. 
— Wortmann, Die Verwendung reiner Hefen bei der Apfelweinbereitung, Schaum- 
weinbereitung u.s.w. Weinbau u. Weinh. 1893. 1895. — Schnell, Erfahrungen bei 
der Hefereinzüchtung und Verwendung reingezüchteter Hefen bei der Weingährung. 
Teitschr. f. angew. Chem. 1894. 

2) Die verschiedenartigsten Hefen vergäbren zwar den Traubenzucker u.s.w. direkt, 
den Rohrzucker, Malzzucker jedoch erst nach vorhergegangener Inversion bezw. enzy- 
matischer Spaltung. Ebenso sind Hefen beobachtet worden, welche in ähnlicher Weise 
den Milchzucker zu vergähren vermögen. Bei (ährversuchen, welche Verf. mit einigen 
reinen Weinhefen und verschiedenen Zuckerarten anstellte, wurde nun folgende Beob- 
achtung gemacht: In verdüunter, sorgfältig neutralisirter Bouillon wurde von den Hefen 
zwar der Traubenzucker und der Rohrzucker vergohren, nicht aber der Malzzucker und 
Milcbzucker. Impfte man jedoch nachträglich die sterilisirte Malzzuckerbouillon mit 
Hefematerial, welches der vergobrenen Rohrzuckerkultur entnommen worden war, so 
wurde nunmehr auch der Malzzucker vergohren. In Bezug auf den Milchzucker konnten 
in dieser Weise keine Erfolge erzielt werden. Es liegt hiernach also die Annahme 
nahe, dass die Hefen durch Passage der Rohrzucker-Kulturflüssigkeit erst die Fähigkeit 
erworben haben, Eiweissstoffe in ihren Zellen zu bilden, bei denen die Konfiguration 
der Moleküle nicht zu stark mehr abweicht von der Konfiguration der Moleküle des 
Malzzuckers. Dieser Zucker konnte somit schliesslich dekomponirt und vergohren 
werden. (ef. E. Fischer’s Theorie über die Vergährbarkeit von Polysacchariden.) 


330 Heinze, 


von besonderen Bouquet- und Geschmackstoffen eine wichtige Rolle spielt — 
können natürlich nur in der Weise bei der Weinbereitung Anwendung finden, 
dass man sie in den frisch gekelterten Most oder bei längerem Angährenlassen 
bereits in die Traubeumaische einsäet, also das Princip der spontanen Gäh- 
rung aufgiebt. 

Vortheile wurden in doppelter Beziehung davon erwartet. Zunächst glaubte 
man, durch eine Einsaat gährkräftiger Hefezellen den Beginn einer intensiven 
Alkoholgährung im Moste ausserordentlich zu fördern, und versprach sich davon 
eine bessere und rechtzeitige Unterdrückung der Schimmelpilze und Bakterien. 
In diesem Sinne wurden auch thatsächlich Erfolge erzielt; allein die gleichen 
Erfolge würden erreicht werden können, auch wenn die eingesäete Hefe keine 
reingezüchtete, sondern eine Mischung verschiedener Rassen gewesen wäre. 
Man verwendet die Reinhefen trotzdem, weil man in zweiter Linie hoffte, durch 
dieselben den Weinen ihren specifischen Charakter aufprägen zu können. 
Zweifellos beeinflusst die Heferasse in gewisser Weise die Zusammensetzung 
des Weines, wie auch insbesondere die Bildung von Bouquetstoffen. Aber die 
grossen Erwartungen, die vor allem in den Kreisen der Praktiker von den 
Reinhefen gehegt wurden, aus beliebigen geringen Mosten durch reingezüch- 
tete sogenannte „Edelhefen“ Weine vom Charakter unserer Hochgewächse er- 
zielen zu können und beispielsweise aus einem sauren „Grünberger“ einen 
hochfeinen „Johannisberger“ hervorzuzaubern, diese Erwartungen konnten 
schon deshalb nicht erfüllt werden, weil die Voraussetzungen unrichtige 
waren. Wie oben schon erwähnt worden ist, werden die Bouquet- und Ge- 
schmackstoffe des Weines keineswegs ausschliesslich durch die Gährung bezw. 
durch die Hefe gebildet, sondern sie stammen vielmehr gerade bei den fei- 
neren Sorten zu einem sehr beträchtlichen Theile von der Traube ab. Einer 
Verbesserung durch bestimmte Heferassen sind von vornherein gewisse Grenzen 
gezogen, und geringen Mosten kann also durch Gährung nicht das Gepräge 
solcher Produkte verlieben werden, die ihre hervorragenden Eigenschaften 
dem Vorhandensein von Substanzen verdanken, welche dieselben vom Wein- 
stock an besitzen. 

Aber selbst noch innerhalb der so gezogenen Grenzen muss man mit einer 
gewissen Unsicherheit bei der Auwendung der Reinhefe rechnen. Wir wissen, 
dass im Moste zahlreiche Hefekeime und fremde Organismen vorhanden sind; 
wenn wir nun durch Sterilisiren die vorhandenen Keime abtödten und den 
Most durch Einsaat einer Reinhefekultur in Gährung versetzen würden, so 
müsste die erwartete Wirkung ziemlich sicher eintreten. Aber die Sterilisa- 
tion des Mostes, die man nur durch Aufkochen bewirken könnte, ist schon 
deshalb für die Praxis nicht angängig, weil der Geruch und Geschmack des 
späteren Weines dadurch sehr ungünstig beeinflusst wird, und weil dieser so- 
genannte „Kochgeschmack“ sich nicht wieder verliert. Man muss daher die 
Reinhefe in geeignetem, vor Allem gährkräftigem Entwickelungszustande (die 
Prüfung erfolgt auf Grund der Glykogenreaktion mit Jod-Jodkaliumlösung) dem 
von der Kelter laufenden Moste zusetzen und schliesslich abwarten, ob sie 
die übrigen vorhandenen, aber schädlichen Keime und darunter die eventuellen 


Einiges über die Krankheiten und Fehler beim Weine. 331 


wilden Heferassen!) unterdrückt und die Gährung glatt zu Ende führt, 
oder ob sie selber unterdrückt wird und somit keinen besonderen Einfluss auf 
die Gährung auszuüben vermag. 

Die Erfolge in der Praxis sind, zumal in Folge des ausserordentlich 
wichtigen Einflusses der Temperatur auf die Gährung, bald positiv, bald 
negativ ausgefallen; günstige Resultate wechseln mit vollständigen Misserfolgen 
ab. Nur zu oft ist man immer noch vom Zufall abhängig, da uns augen- 
blicklich eine ausreichende Kenntniss der Bedingungen fehlt, welche den Er- 
folg sicher stellen. Theilweise recht erfreuliche Erfolge sollen aber auch hier 
zu weiteren unermüdlichen Forschungen anspornen, nur muss man zuvor die 
Erwartungen auf das oben erörterte Maass einschränken. Die besten Erfah- 
rungen sind bislang im Allgemeinen mit den Hefen desselben Weinbaugebietes 
und derselben Lagen gemacht worden, weshalb auf die Heranzucht und Ein- 
fübrang von sogenannten „heimischen“ Hefen ganz besonders Werth gelegt 
werden muss.2) Sicher und unbestritten sind die Erfolge bei der Verwendung 
von Reinhefen, um eine grössere Reintönigkeit der Weine zu erzielen. Die 
augenscheinlichsten Erfolge dieser Art sind bei der Vergährung von Mosten 
fauler Trauben mit Reinhefe erzielt worden, ebenso leicht erklärlicher Weise 
bei der Obstweinbereitung?), da die Apiculatus - Heferassen als specifische 
Obstweinhefen nur langsam, unvollkommen, und an und für sich auch nur ge- 
ringe Zuckermengen vergähren können, und da ausserdem die Obstmoste ausser- 
ordentlich arm an sogenannten primären Bouquet- und Geschmackstoffen sind. 
Die sekundären Produkte der Hefe können daher um so vortheilhafter sich 
bemerkbar machen, wenn sie auch meistens recht unbeständiger und vergäng- 
licher Natar sind. 

Der grosse Vortheil und Nutzen einer guten Reinhefe ist also zweifellos 
insofern vorhanden, dass sie einen raschen und sicheren Verlauf der Gährung, 
selbst unter den vielfach ungünstigen Verhältnissen der Kleinbetriebe, sichert. 
Ausserordentlich wichtig aber ist die Reinhefe auch für Umgährungen, wenn 
es nämlich gilt, die Zuckerreste von Weinen, die in der Gährung „stecken“ 
geblieben sind, noch vollständig zur Vergährung zu bringen. 

Bei alledem kommt es auf die Art und Weise an, wie die Reinhefe an- 
gewendet wird; genaueren Aufschluss darüber können jedoch nur sorgfältige 
Untersuchungen geben, welche den jeweiligen einschlägigen Verhältnissen an- 
gepasst sind. 


Der Verlauf der Gährung und der Einfluss der Temperatur. 


Man unterscheidet bei der Hefe drei Entwickelungszustände®): dieruhende, 


1) Abgesehen von den Apieulatushefen und den sogenannten Schleimhefen (Meiss- 
ner) könnte man schliesslich auch die echten Weinhefen mit auffallend niedrigem 
Vergährungsgrade u. s.w. als solche ansprechen. 

2) Kulisch, Ueber die Aufgaben des Weinbauinstituts Oberlin auf dem Gebiete 
der Kellerwirthschaft. Berichte a. d. Gesellsch. zur Förderung der Wissenschaften, des 
Ackerbaues und der Künste im Unterelsass. Juni 1900. S. 8. 

3) Wortmann, Die Verwendung reiner Hefen bei der Apfelweinbereitung. Wein- 
bau u. Weinh. 1893. 

4) Die rubende Hefe (meist solitäre Zellen) zeigt einen stark körnigen Inhalt; 
beim Einbringen in Most bilden sich die Sprosszellen; die Zellen selbst sind durch- 


332 Heinze, 


sprossende und gährende Hefe, und man hat in Folge dessen Sorge zu tragen, 
dass eine gute gährkräftige Reinhefe in gährendem Zustande den Most rasch 
in Gährung versetzt, aber auch die Gährung schnell und glatt zu Ende führt. 
Die Wirkung der Hefe ist an bestimmte Temperaturgrenzen gebunden, welche 
von Müller-Thurgau für die Weinhefe zu + 6°C. einerseits und + 40°C. 
andererseits bestimmt worden sind. Die niederen, sowie die höheren Tempe- 
raturen sind für die Weingährung aus mancherlei Gründen ungeeignet. Die 
für die Praxis geeignetsten Gährtemperaturen liegen zwischen 20 und 25°C. 
Bei der Gährung muss nun vor allem die Selbsterwärmung des Mostes in Be- 
rücksichtigung gezogen werden, die beispielsweise bei Halbstückfässern (600 L.) 
ungefähr 10°C. und in Stückfässern (1200 L.) etwa 15°C. beträgt. Die Tem- 
peratur in den Gährkellern ist in Folge dessen entsprechend niedriger zu halten: 
Weissherbste lässt man am besten zwischen 10 und 15° C. und Rothherbste 
bei etwas höherer Temperatur (bis zu etwa 20°C.) vergähren, wobei auf das 
Sorgfältigste plötzliche Temperaturschwankungen vermieden werden müssen, 
da sonst leicht die ganze Gährung lahmgelegt werden kann. Wenn die Haupt- 
gährung vorüber ist, die 8—10 Tage andauert, wie oben schon erwähnt worden 
ist, tritt der Wein in die Nachgährung ein; der Wein beginnt sich zu klären, 
indem die Hefe anfängt, sich im Verein mit der Ausscheidung von Weinstein, 
erdigen Bestandtheilen u. s. w. in festen kompakten Massen als sogenannter 
Hefetrub oder Drusen zu Boden zu setzen, wobei sie aus dem gährenden 
wiederum in den ruhenden Zustand übergeht. Der sich klärende Wein wird in 
diesem noch unfertigen Zustande, wie auch schon vorher, in Weingegenden 
mit Vorliebe als neuer Wein oder sogenannter „Federweisser“ getrunken. Wäh- 
rend der Nachgährung kann die Kellertemperatur etwas niedriger sein, wie 
überhaupt weiterhin die Temperaturen in den Lagerkellern, in denen die Weine 
ihren weiteren Ausbau erfahren, nur noch 8—10° C. betragen dürfen. 


Der Einfluss der Luft auf die Gährung und auf den Wein. 


Eine äusserst wichtige Rolle spielt alsdann während der Gährung und 
der weiteren Entwickelung des Weines bis zu seiner Flaschenreife der Luft- 
zutritt, und es müssen in dieser Hinsicht die folgenden zwei wichtigen Punkte 
streng auseinandergehalten werden: 

l. Der Luftzutritt auf die Oberfläche eines ruhig Jagernden Weines 
ist immer schädlich, weil er eine Infektion des Weines oder auch eine Aus- 
breitung und Vermehrung von allerlei Krankheitskeimen im Weine herbeiführt 
oder begünstigt. 

I. Die Einwirkung der Luft auf die ganze Masse des in Bewe- 
gung befindlichen Weines (beim später noch zu erörternden Ablassen des- 
selben) ist sehr vortheilhaft, weil sie eine etwa erforderliche Umgährung und 


sichtig, vielfach vakuolig und zu längeren Sprossverbänden vereinigt; beim Ueberganz 
vom sprossenden in den gährenden Zustand trennen sich meist die Tochterzelleu 
von den Mutterzellen los, und die Hefezellen in gährkräftigem Entwickeluugszustand: 
sind durchweg reich au Glykogen (Nachweis mit Jodjodkaliumlösung, siehe auch oben . 
Im Uebrigen sind auch die Hefen im gährenden Zustande meist durchsichtigen Inbalt» 
und vakuolig: sie werden indessen späterhin allmählich mehr und mehr körnig, b5 
sie schliesslich wiederum in den ruhenden Zustand übergehen. 


Einiges über die Krankheiten und Fehler beim Weine. 333 


ferner das Reifen des lagernden Weines beschleunigt und so überhaupt seine 
ganze normale und gesunde Entwickelung fördert. 

Aus diesen Gründen müssen also die Weinfässer während der Gährung 
und beim Lagern möglichst spundvoll gehalten werden. Sobald die oben 
erwähnte stürmische Hauptgährung vorüber ist, setzt man am besten Gähr- 
verschlüsse auf die Fässer auf, um durch Kohlensäureansammlung auf der Wein- 
oberfläche den Luftzutritt zu verhindern, oder aber es müssen die mit Wein 
gefüllten Fässer, zumal wenn sie nur nothdürftig vollgefüllt sind, ganz schwach 
„eingebrannt“ werden, um auf diese Weise den Wein durch die beim Verbrennen 
des Schwefels sich bildende schweflige Säure vor Infektion bezw. vor schäd- 
lichen Pilzwucherungen zu schützen. 

Die zur weiteren Entwickelung des Weines nothwendige Luft bezw. der 
nothwendige Sauerstoff wird in genügender Menge beim Ablassen der Weine, 
ferner aber auch durch die Poren der Weinfässer zugeführt. 


B. Das Ablassen der Weine und ihre Erziehung zur 
Flaschenreife. 


Der erste Abstich des Weines soll spätestens nach 3 Monaten vorgenom- 
men werden und hat zunächst den Zweck, ihn von der am Boden abge- 
setzten Hefe zu trennen. Ein längeres Liegenlassen der Jungweine auf der 
Hefe wird in den weitaus meisten Fällen nur schaden, da in Folge der Zer- 
setzung der z. Th. im Absterben begriffenen oder schon abgestorbenen Hefe- 
zellen leicht unliebsame, Geschmack und Geruch beeinträchtigende Erschei-. 
nungen auftreten. Die Weine können sehr leicht einen Hefegeschmack 
annehmen und, was wesentlich schlimmer ist, auch behalten. Der auf die 
ganze weitere Entwickelung günstige Einfluss der Luft auf den Wein beim 
Abstich ist oben schon betont worden; man muss aber dafür Sorge tragen, 
iho in innige Berührung mit möglichst guter, frischer Luft zu bringen und 
nicht mit schlechter, mit Krankheitskeimen geschwängerter Kellerluft; diese 
Forderung muss vor Allem dort erhoben werden, wo der Weinkeller ganz 
feblerhafter Weise zugleich Wirthschaftskeller ist. Unter diesen Gesichts- 
punkten wird der Wein in ein schwach geschwefeltes, in erster Linie aber 
tadellos sauberes Fass abgelassen; man wird bei Befulgung dieser Vorschriften 
sowohl einer Infektion des Weines von innen als auch von aussen thunlichst 
vorbeugen und seinen weiteren Ausbau!) vortheilhaft beeinflussen können. 

Es mag hier übrigens erwähnt werden, dass man saure helle Weine 
aus gesanden, aber nicht besonders ausgereiften Trauben nur ganz schwach 
einbrennt, um die säurevermindernde, säureverzehrende Thätigkeit der in ge- 
ringen Mengen im abgelassenen Weine immer noch vorhandenen Hefe mög- 
lichst wenig zu beeinträchtigen. Sehr milde Weine hingegen brennt man 
stärker ein, um eine weitergehende Säureverminderung durch die Hefe, welche 
Haltbarkeit und Wohlgeschmack bedingt, nach Möglichkeit hintanzuhalten. 


1) In Bezug auf die ganze Entwickelung des Weines spielen natürlich auch die 
Fassbolzbestandtheile eine gewisse Rolle, welche vom Weine während der Gährung 
und Lagerung aufgenommen werden und Geruch und Geschmack oft ganz erheblich 
beeinflussen. 


25 


334 Heinze, 


Das Gebot der starken Schwefelung gilt besonders bei Weinen, zu deren Her- 
stellung faulige Trauben irgend welcher Art mit verwandt wurden. Absolut 
unzulässig aber ist es, wenn man bereits die eben gekelterten Moste irgend 
welcher Art, selbst von angefaultem Traubenmaterial, mehr oder weniger 
stark einbrennt, was dort sehr häufig vorkommt, wo man über die während 
der Gährung sich abspielenden Vorgänge noch sehr im Unklaren ist. In Folge 
der schwefligen Säure werden eingebrannte Moste, wenn überhaupt, 
nur äusserst mangelhaft in Gährung kommen können. 

Unter den mannigfachen Oxydationsvorgängen, welche sich beim Ausbau 
des Weines abspielen, hat die Einwirkung der Luft auch einen wichtigen Ein- 
fluss auf die Bildung und eventuelle Umwandlung von Bouquetstoffen, und es 
soll deshalb noch kurz etwas näher darauf eingegangen werden. Wenn die 
Lüftung beim Ablassen nicht übertrieben wird, so tritt ein Bouquetverlust nicht 
weiter ein; das Muskatellerbouquet ist allerdings sehr flüchtiger Natur; auch 
kann durch starkes Lüften das Gewürztraminerbouquet zerstört werden. Hier 
ist also grosse Vorsicht geboten. Bei anderen Traubensorten jedoch, wie auch 
beim Riesling, treten durch vernünftiges Lüften während der ersten Abzüge 
die Vorzüge der vervollkommneten Bouquetstoffe erst hervor. Das Bouquet 
eines alten Riesling ist bekanntlich von dem eines Rieslingjungweines sehr 
verschieden wegen der sekundären, von der Hefe erzeugten, aber etwas flüch- 
tigen Gährungsbouquetstoffe; diese machen sich bei einem Jungwein meist recht 
vortbeilhaft bemerklich, verwischen sich aber später mehr und mehr. Beide Arten 
des Bouquets werden nun beim allmählichen Reifen des Weines einmal durch 
Oxydationen hervorgerufen, dann aber vollziehen sich auch langsame Aether- 
bildungen: vortheilhafte Veränderungen treten ein, welche jenen wunderbaren 
Duft und Geschmack bedingen, der als die Blume des edlen Riesling die Freude 
und das Entzücken eines jeden Weinliebhabers und Weinkenners ist. 

Im Allgemeinen wird man den Wein im Laufe des ersten Jahres etwa 
viermal derartig ablassen; im zweiten und dritten genügen je 2 Abzüge, und 
in späteren Jahren meist ein einziger Abzug, um ihn zur normalen Flaschen- 
reife zu erziehen. In den letzten Entwickelungsjahren sind die durch das Ab- 
lassen bewirkten Ausscheidungen nur noch geringe, und es bedarf dann einer 
weniger starken Lüftung, als bei den erstjährigen Abzügen. Beim Abziehen 
des Weines auf Flaschen muss übrigens eine Berührung mit Luft möglichst 
vermieden werden. 

Was die gesunden Rothweine anbelangt, so bleibe es nicht unerwähnt. 
dass man diese nicht in schwach geschwefelte Fässer ablässt wegen der Be- 
einflussung des Farbstoffes durch die schweflige Säure, sondern dass man die 
Fässer nach sorgfältiger Reinigung besser mit Alkohol ausspült und auf diese 
Weise möglichst keimfrei macht. 

Die heutige Geschmacksrichtung bevorzugt nun aber junge, spritzige Weine 
von dem bekannten Charakter der Moselweine, und es hat sich in Folge dessen 
die Kellerwirthschaft genöthigt gesehen, dieser Thatsache Rechnung zu tragen. 

Eine frühere Flaschenreife der Weine wird einmal durch die sogenannte 
Schönung, oder aber noch schneller durch Filtriren erreicht. Unter 
Berücksichtigung des Zeitgeschmacks ist bei kleineren und mittleren Weinen 


Einiges über die Krankheiten und Fehler beim Weine. 335 


gegen derartige Verfahren in der Kellereipraxis wenig einzuwenden, obwohl 
die Weine durch solche, immerhin gewaltsame Eingriffe oft ganz bedeutend 
verlieren. Bei feinen Qualitätsweinen jedoch sollten solche Manipulationen 
besser unterlassen werden, da durch sie der Charakter eines Weines vielfach 
vollständig verändert oder wenigstens ausserordentlich beeinträchtigt werden 
kann. Auf der anderen Seite wiederum muss natürlich zu solchen gewalt- 
tbätigen Mitteln gegriffen werden, wenn die Weine sich nicht von selbst voll- 
ständig klären wollen. 

Das Filtriren ist obne Weiteres verständlich, und es mögen nur noch 
einige Worte zum besseren Verständniss des sogenannten Schönens des Weines 
gesagt werden. 


C. Die Schönung, ibr Wesen und ihre Anwendung. 


Man verwendet in der Kellerpraxis allerhand Schönungsmittel für den 
Wein: Hausenblase und Gelatine, Eiweiss und spanische Erde, Milch, Blut 
uod Schönepulver. Geradezu verwerflich sind die mannigfachen Geheimmittel 
und Schönepulver, welche immer noch vielfach in Anwendung kommen; ent- 
schieden abzurathen ist von der Verwendung von Blut und Milch, nachdem 
man sich ihre Wirkungsweise klar gemacht hat. 

Die ausgezeichneten Schönungsmittel, nämlich Hausenblase für tanninarme 
Weissweine, Gelatine für tanninreichere Weissweine und zuweilen für Roth- 
weine, Eiweiss für die feineren Rothweine, lassen uns im Bedarfsfalle mit dem 
Entschleimungsmittel Kaolin, der sogenannten „spanischen Erde“ und mit dem 
in Alkohol aufgelösten, reinen, krystallisirten Tannin zusammen alle Schwie- 
rigkeiten in der Kellerwirtbschaft überwinden und machen jedes andere Hilfs- 
mittel zum Schönen des Weines überflüssig.!) 

Welches ist nun aber der Vorgang, der sich beim Schönen der Weine 
abspielt, und wodurch wird die Wirkung des Schönens bedingt? 

In allen Weinen sind, aus Kernen, Hülsen und theilweise auch aus den 
Kämmen der Trauben stammend, gerbstoffhaltige Körper gelöst; diese sind mit 
der Gerbsäure der Eichenrinde, dem Tannin, ausserordentlich nahe verwandt, 
stimmen aber dennoch nicht vollkommen mit demselben überein. Wenn nun 
die Gerbstoffe mit der Auflösang eines eiweissartigen oder gelatinösen Kör- 
pers (man verwendet zur Lösung wässrigen Alkohol mit etwas Weinsteinsäure- 
zusatz) zusammentreffen, so bildet sich aus den beiden Komponenten eine 
unlösliche Verbindung. Dieselbe entsteht ziemlich langsam im Weine 
als immer dichter werdende, gleichförmige Trübung, welche sich später zu 
einer mehr kompakten Masse zusammenzieht, aber dann in grobe, sich zu- 
sammenballende Flocken zerreisst. Die trübenden und fein vertheilten Be- 
standtheile des Weines werden von den dichten Flocken eingehüllt, und so 
setzen sich die letzteren sammt der von ihnen umschlossenen ursprünglichen 
Trübung rascher zu Boden, als die Trübung allein dies thun würde. Der Wein 
selbst wird bald spiegelnd klar. Von wesentlicher Bedeutung für die Wirkung 


1) M. Barth, Die Kellerbehandlung der Traubenweine. Ulmer. Stuttgart 1897. 
— Babo u. Mach, Weinbau und Kellerwirthschaft. 1896. Bd. 2. 


25* 


336 Heinze, 


und das Gelingen der „Schöne“ sind dabei die Bedingungen, unter denen eine 
langsame Schöneträbung entsteht. Bei sehr gerbstoffreichen Weinen, insbe- 
sondere bei Rothweinen, kann man deshalb die Gelatineschönung nicht mehr 
anwenden, weil die Ausscheidung sich zu schnell bilden würde, und man 
muss alsdann zum Eiweiss als Schönungsmittel greifen. 

Es ist Eingangs schon erwähnt worden, dass in der Praxis der Wein- 
bereitung noch viel zu wenig Gewicht auf das Lesegut verwandt wird; aber 
es kann nicht oft genug die Forderung wiederholt werden, alle fauligen Tranben 
vom Keltern überhaupt auszuschliessen oder wenigstens das faulige Gewächs 
gesondert für sich zu keltern und vergähren zu lassen. Nicht in Betracht 
kommt hierbei jedoch die sogenannte Edelfäule der Trauben!), welche durch 
den Pilz Botrytis cinerea hervorgerufen wird, denn gerade diese edelfaulen 
Trauben liefern die hochgeschätzten Ausleseweine des Rheingaues und anderer 
bedeutender Produktionsgebiete. Wohl aber sollten alle sauerfaulen Trauben. 
alle vom Sauerwurm, ferner von Oidium, Peronospora und anderen schäd- 
lichen Pilzen stark mitgenommenen und mehr oder weniger verfaulten Trauben 
nicht mit gutem, tadellosem Material zusammengemaischt und gekeltert werden, 
denn dann ist es kein Wunder, wenn gleich Anfangs dem Moste allerlei Krank- 
heitskeime einverleibt werden, die kaum wieder zu entfernen, und die nur 
sehr schwer niederzuhalten und an ihrer verderbenbringenden Thätigkeit zu 


hindern sind. 
Kapitel II. 


Die speciellen Krankheiten und Fehler des Weines; ihre 
Aetiologie und Therapie. 

Die Entstehung der mannigfachen Weinfehler und Weinkrankheiten 
ist in den gemachten Ausführungen ebenso wie ihre eventuelle Behandlung bezw. 
ihre Vermeidung bereits verschiedentlich angedeutet worden; sie sind begründet 
in der Art der Traubenlese, des Kelterns, des Gährverlaufes und in den allge- 
meinen Manipulationen, welche in der Kellerwirthschaft zur Erziehung des 
Weines vorgenommen werden müssen. Die wichtigsten derselben sollen 
im Folgenden näher erörtert werden. 

In dem Kahmpilze oder den Kuhnen (Mycoderma vini) begegnen 
wir zunächst einem Schmarotzer, welcher auf weitaus den meisten Fassweinen 
sich ansiedelt. In der Gährungsphysiologie pflegt man mit dem Namen „Kahm- 
pilz“ bekanntlich jeden Organismus zu belegen, welcher auf alkoholischen 
oder zuckerhaltigen Nährmedien (Flüssigkeiten) eine graue oder grauweisse, 
glatte oder faltige Haut — Kahmdecke — zu bilden im Stande ist, und 
der in gleicher Weise wie die Hefen, nämlich durch Sprossung, sich vermehrt. 
Man weiss jedoch gegenwärtig, dass auch echte Hefen unter Umständen ganz 
ähnliche Decken erzeugen können. Die Wissenschaft hat daher zur Unter- 


1) Die Edelfänle stellt eine Art Rosinenbildung der Weinbeeren vor, welche durch 


die Botrytis eiverea eingeleitet wird. Dieser Pilz verzehrt zwar auch einen geriugen 
Theil des Zuekers, hauptsächlich aber die Säuren; gleichzeitig schrumpfen die Beeren 
sehr zusammen und liefern so einen ziemlich koncentrirten, zuckerreichen, aber relativ 
säurearmen Most. Bei den sauerfaulen Trauben sind es andere Schimmelpilze u. s. w.. 
welche weniger an den Säuren, als vor Allem an dem Zucker zehren, chne dass dabrı 


ein Schrumpfen der Beeren statthat. 


Einiges über die Krankheiten und Fehler beim Weine. 337 


scheidung der Kahmpilze von den Hefen noch ein besonderes Gewicht darauf 
gelegt, dass die Kahmpilze keine endogenen Sporen, wie die Hefen, bilden. 
Wo sie aber beobachtet worden sind, dort sind sicherlich irgend welche Irr- 
thümer (Fettkügelchen in den Zellen oder Beimischungen von echten Hefe- 
sellen) bei den diesbezüglichen Untersuchungen untergelaufen. 

Die älteren Gährungsphysiologen glaubten nun, in dem „Kahmpilze* eben- 
falls nur einen einzigen Organismus vor sich zu haben; allein durch die von 
Hansen inaugurirte neue Richtung, durch die Untersuchungen von ibm!), von 
Lasche2), Fischer und Brebeck®) und von anderen Forschern) besteht jetzt 
kein Zweifel mehr, dass auch der Gattungsname Mycoderma als Sammelname 
aufzufassen und unter diesem Begriffe eine ganze Gruppe von Organismen 
mit oft mehr, oft weniger grossen Verschiedenheiten verborgen sind. Analog 
den Heferassen müssen zu ihrer gegenseitigen Abgrenzung neben den morpho- 
logischen Eigenschaften vor Allem ihre physiologischen Eigenschaften heran- 
gesogen werden, und es ist dabei insbesondere Rücksicht zu nehmen auf das 
Wirken der Kahmpilze in gährfähigen oder vergohrenen Flüssigkeiten und auf 
die Umsetzungen, welche die einzelnen Organismen in den erwähnten Sub- 
straten hervorzurufen vermögen. 

Io morphologischer Hinsicht (Formen der Kolonien auf den Platten, 
Strich- und Stichkulturen, Kahmdecken - oder Kahmhautbildung u. s. w.) 
weisen die Kahmpilzarten oftmals keine besonders in die Augen springenden 
Unterscheidungsmerkmale auf, und es sei hier auch nur erwähnt, dass ihre 
Zellformen meist elliptisch langgestreckt, stabförmig oder wurstförmig, viel- 
fach aber auch rund und durchaus hefeähnlich sind. Ihre Gestalt und ihre 
Grösse wechselt ausserordentlich je nach Kulturmedien, in denen die Kahm- 
pilskeime sich entwickeln können. In zuckerhaltigen Kulturflüssigkeiten sind 
vorwiegend die runden, solitären Zellformen, in säurehaltigen hingegen die 
mehr eiförmigen, langgestreckten, meist zu prachtvollen Sprossverbänden ver- 
einigten Formen anzutreffen5). Für die Geschwindigkeit der Kahmhautbildung, 
wie überhaupt für die Entwickelung und Vermehrung der Kahmpilzarten spielt 
die Temperatur eine äusserst wichtige Rolle; glücklicher Weise liegen ibre 
Optimaltemperaturen bei Weitem höher, als diejenigen Temperaturen, welche 
für gewöhnlich während der Weingährung obwalten. 

Grössere Unterschiede treten bei den verschiedenen Kahmpilzrassen be- 


1) A. Jörgensen, Die Mikroorganismen der Gährungsindustrie. Berlin 1898. 

2) Lasche, Mycodermaarten. Amerik. Braumeister. 1891. S. 180. 

3) Fischer u. Brebeck, Zur Morphologie, Biologie und Systematik der Kahm- 
Pilze, der Monilia candida Hansen und des Soorerregers. Jena 1894. G. Fischer. 

4) Beyerinck, Zur Ernährungsphysiologie der Kahmpilze. Centralbl. f. Bakt. 
u Parasitenk. 1892. Bd. 11. S. 68. — Schaffer, Sur l'action du Mycoderma vini sur 
la composition du vin. Ann. de micrographie. 1890/91. III. — F. Lafar, Ueber einen 
Sprosspilz, welcher kräftig Essigsäure bildet. Centralbl. f. Bakteriol. u. Parasitenk. 
1893. Bd. 13.— A. Koch, Ueber säureverzehrende Organismen des Weines. Weinbau 
u. Weinh. 1898. S. 236 u. 243—245. 

5) Winogradsky, Ueber die Wirkung äusserer Einflüsse auf die Entwiekelung 
von Mycoderma vini. Botan. Centralbl. 1884. Bd. 20. S. 165. — B. Heinze, Zur 
Morphologie und Physiologie einer Mycodermaart (Mycoderma cucumerina Aderh.). 
Landwirthschaftl. Jahrb. 1900. S. 431. 


338 Heinze, 


züglich ihrer physiologischen Eigenschaften!) zu Tage (Einwirkung auf 
den Alkohol des Weines, überhaupt auf die mannigfachsten Nährstoffe, Her- 
vorrufen von schwach alkoholischen Gährungen?), Bildung von Säuren und Ver- 
brauch derselben, Bildung von allerlei Bouquet- und Geschmackstoffen u.s.w.), 
wenn auch gerade in Bezug auf die Weinkahmpilzarten bislang eingehendere 
Untersuchungsergebnisse noch nicht vorliegen. 

Neben der wichtigen und gefürchteten Oxydation des Alkohols zu Kohlen- 
säure und Wasser durch Kahmpilze unter Mitwirkung des Sauerstoffs der Luft 
kommt bei anderen genauer studirten Kahmpilzarten besonders das Hervor- 
rufen einer, wenn auch meist nur schwachen alkoholischen Gährung in Be- 
tracht. Die Kahmpilzgährungen sind langsam und schleppend und ziehen 
sich oft über Monate hin; langsam und allmählich nimmt die Gährangs- 
intensität zu und fällt ebenso langsam wieder. Eine durch Kahmpilze hervor- 
gerufene Gährung kann dadurch deutlich von einer echten Hefegährung unter- 
schieden werden. Die Alkoholbildung selbst beträgt gewöhnlich nur wenige 
Procente, falls für die Gährungen nicht besonders günstige Bedingungen dar- 
geboten werden. Uebrigens vermögen die Kahmpilzarten im Gegensatze zu 
den Hefen lediglich Dextrose, Lävulose und Invertzucker, nicht aber die ver- 
schiedenen Bisaccharide (s. oben) zu vergähren. Bei einer vom Verf. näher 
untersuchten Mycodermaart konnte auch festgestellt werden, dass eine Ver- 


1) Beyerinck, Zur Ernährungsphysiologie der Kahmpilze. Centralbl. f. Bakt. 
u. Parasitenk. 1892. Bd. 11. — Pasteur, Etudes sur le viv, ses maladies, cauws 
qui les provoquent ete. Paris 1873. p. 31—57. — Jörgensen, Die Gährungsorga- 
nismen. Berlin 1898. P. Parey. S. 130. — Fischer u. Brebeck, Zur Morphologir. 
Biologie uud Systematik der Kahmpilze, des Soorerregers u.s.w. Jena 1894. G. Fischer. 

2) Schon Pasteur ist es nicht entgangen, dass der „Kahmpilz“ in zuckerhaltigen 
Nährmedien eine schwache alkoholische Gährung hervorrufen kann; nur arbeitete er 
mit einer zu derartigen Versuchen sehr ungeeigneten Flüssigkeit, nämlich mit 
Bierwürze, und die beobachtete alkoholische Gährung ist zweifellos auf die Dextrose 
zurückzuführen, welehe in geringen Mengen in Bierwürze immer vorhanden ist; wenig- 
stens ist nach den weiteren Forschungen in dieser Richtung eine Vergäbren vn 
Maltose, wie auch von anderen Bisacchariden durch Kahmpilze mehr als unwahrschein- 
lich. Nach Pasteur haben alsdann mehrere Forscher das gleiche Verhalten vòn 
Kahmpilzen — Hervorrufen von alkoholischer Gährung — konstatirt. Beyerinck 
stellte fest, dass die von ihm beobachteten Arten Traubenzucker, Fruchtzucker und 
Invertzucker, nicht aber die Zucker der Rohrzuckergruppe, insbesondere auch nicht 
Maltose vergähren. Fischer und Brebeek wollen indessen auch Arten gefunden 
haben, die Bisaccharide spalten, und unterscheiden alsdann neben nicht gäbrenden 
Arten solche, welche nur Dextrose und Lävulose vergähren können, und endlich solche. 
welehe neben diesen beiden Zuckern auch Maltose und Saccharose spalten (Endoblasti- 
derma pulverulentum aus Lagerbier und Monilia candida Hansen). Von der Mo- 
nilia wird allerdings Maltose und Saccharose vergohren, und zwar wird nach E. Fischer 
die Mattose durch das in der Monilia enthaltene Enzym, „Maltase“ genannt. gespaltct.: 
ebenso dürfte nach der Ansicht von E. Fischer, Lindner und Hansen der Ver- 
gährung des Rohrzuckers durch Monilia erst eine enzymatische Spaltung desselben 
im Innern der Zelle vorhergehen; das Enzym selbst, welches den Rohrzucker invertirt. 
konnte indessen bislang nicht gewonnen werden. Für den erwähnten Kahmpilz jed:ch 
— Endoblastoderma pulverulentum — darf man wohl noch Zweifel hegen. da es nich! 
ausgeschlossen ist, dass Fischer und Brebeck bei ihren Versuchen durch geringe. 
der Maltose und Saecharose beigemengte Traubenzucker- bezw. Iuvertzuckermezgat 
getäuscht worden sind (ef. Heinze. Zur Morphologie und Physiologie einer Myc% 
dermaart. Landw. Jahrb. 1900. S. 432). Bei seinen Untersuchungen über eine Nyvo- 
dermaart konstatirre Verf., dass weder Rohrzucker, noch Malzzucker und Milchzucker 
von ihr vergobren werden können. 


Einiges über die Krankheiten und Fehler beim Weine. 339 


gährung von Saccharose, Maltose und Laktose durch dieselbe nicht möglich 
ist. Viele Mycodermaarten bilden Säuren, sowie andere bei Gährungen ge- 
wöhnlich entstehende Nebenprodukte; doch sind sie auch gegen mancherlei 
Säuren, insbesondere Bicarbonsäuren (Bernsteinsäure, Apfelsäure, weniger gegen 
Weinsäure) und Tricarbonsäuren (Citronensäure) ausserordentlich aktiv, und 
zwar unter Neubildung von vorwiegend flüchtigen Säuren, die von dem Pilze 
nicht weiter angegriffen werden. Von Lafar ist ein Sprosspilz aus dem Fass- 
geläger einer Brauerei isolirt worden, eine Kahmpilzart, welche bemerkens- 
werther Weise kräftig Essigsäure producirte. Von den Koch’schen 4 Kahm- 
pilzarten bilden die einen nicht unbeträchtliche Mengen Säure; andere 
verbrauchen wiederum bedeutende Mengen der ihnen dargebotenen Säuren. 
Leider fehlt bei ibm eine Angabe darüber, ob die eine oder andere seiner 
Kabmpilzformen No. 1—4 auch alkoholische Gährung hervorrufen kann oder 
nicht. Für die Erklärung mancher seiner Versuchsergebnisse wäre eine der- 
artige Angabe von grosser Wichtigkeit. Bei der von ihm untersuchten Myco- 
dermaart konstatirte der Verf. die Bildung von Ameisensäure, Essigsäure und 
Battersäure als flüchtige Säuren und Weinsäure und Apfelsäure als nicht- 
flüchtige Säuren bei der Gährung; Bernsteinsäure, welche normaler Weise bei 
Hefegährungen immer zu entstehen pflegt, konnte hier in nachweisbaren Mengen 
nicht aufgefunden werden. Auf die Bildung von vortheilhaften oder unvor- 
theilbaften Geruchs- und Geschmacksstoffen durch Mycodermaarten soll nicht 
weiter eingegangen und nur die gefährliche Wirkung des Mycoderma vini 
als Sauerstoffüberträger und die Zerstörung des Alkohols unter Kohlen- 
säure- und Wasserbildung nochmals betont werden. Bei sehr wahrscheinlicher 
intermediärer Bildung von Essigsäure entstehen aus dem Alkohol des 
Weines die geschmack- und geruchlosen-Endprodukte CO, und H,0. Ueber 
gleichzeitig oder später erst entstehende und den Wein ungünstig beeinflussende 
Nebenprodukte weiss man noch sehr wenig: ein kahmig gewordener Wein 
zeigt schon bei reichlicher Pilzwucherung nach sehr kurzer Zeit eine unver- 
kennbare, geschmacklich nachtheilige Veränderung, er schmeckt wässerig, fade 
und kann durch Vernachlässigung vollständig verderben, da ja bei einer 
weitgehenden Entwickelung auch die Extraktkörper und die Säuren des Weines 
vom Pilze angegriffen werden. Dem Weine gehen Wohlgeschmack und Halt- 
barkeit bedingende Bestandtheile verloren, und ist er erst auf einen Alkohol- 
gehalt von 4—5 pCt. heruntergekommen, und ist seine Säure bis auf 2 oder 
3pM. zerstört, so sind ihm seine natürlichen Schutzmittel gegen das Um- 
schlagen (s. später) geraubt, und die völlige Fäulniss des Weines wird als- 
dann nicht mehr lange auf sich warten lassen. 

Kuhnen- oder Kahmhautbildung ist aber nur möglich, wie schon ver: 
schiedentlich betont worden ist, wenn auf die Oberfläche eines Weines, also 
in einem nicht spundvollen Fasse die Luft ungehinderten Zutritt hat. Daher 
müssen also die Fässer stets spundvoll gehalten werden. Gährt der Wein 
noch lebhaft, so schützt die reichlich entwickelte CO, denselben vor Kuhnen! 
Während der Nachgährung jedoch muss zum Schutze gegen dieselben ein 
Gährverschlnss auf das Fass aufgesetzt werden. Diese Forderungen werden 
leider in Winzerkreisen vielfach noch recht selten erfüllt: der Winzer gewöhnt 


340 Heinze, 


sich allmählich an die regelmässig auftretende Kahmdecke und sieht sie wohl 
gar als etwas ganz selbstverständliches, zum Weine Gehörendes an. Er übersieht 
vollständig, was die Zerstörung von 1—2 pCt. Alkohol für die Qualität eines 
Weines ausmacht, die ja bekanntlich einem Verluste von 2— 4 pCt. Zucker 
im Moste gleichkommt, ganz abgesehen von den mannigfachen unreinen Geruch- 
und Geschmacksstoffen, die in Folge einer Kahmpilzvegetation ohne Zweifel 
im Weine ebenfalls auftreten, uns aber bislang noch nicht näher bekannt sind!). 
Den ganzen Sommer hindurch bemüht sich der Winzer, seine Reben und 
Trauben zu möglichst ertragreichen, gesunden und zuckerreichen zu erziehen, 
giebt aber durch Vernachlässigung im Keller ganz unverantwortlicher Weise 
die gewonnenen Vortheile wieder preis. 

Wenn bei ungünstiger Fassgrösse die Fässer nur unvollständig vollgefüllt 
werden können, so muss nach beendeter Hauptgährung durch zeitweilig wieder- 
holtes, aber ganz schwaches Aufbrennen der Kuhnenbildung vorgebeugt 
werden; die beim Verbrennen des Schwefels gebildete SO, ist bekanntlich Gift 
für jedwede Pilzwucherung. Es ist aber dabei grosse Vorsicht geboten, um 
nicht die Thätigkeit der Hefe während der Vergährung etwa erheblich zu 
beeinträchtigen (s. oben). Die Kahmdecke selbst kann man auch mit geringen 
Mengen Alkohol bespritzen und auf diese Weise den Pilz abzutödten versuchen; 
man füllt das Fass mit einem gleichartigen Weine spundvoll auf, oder man 
lässt den Wein besser in ein kleineres, sauberes und geschwefeltes Fass ab. 
so dass dasselbe voll wird und die Kuhnen im ersten Fasse zurückbleiben. 

Der „Kahmpilz“ kann übrigens nur in Weinen unter 10 pCt. Alkohol 
vegetiren; in stärkeren Weinen kann er sich in Folge der Giftwirkung des 
Alkohols nicht entwickeln und ausbreiten. Derartige Weine jedoch haben. 
zumal in ungenügend gefüllten Fässern und in warmen Kellerräumen eine 
ganz ausgesprochene Neigung zur gefährlichsten und verbreitetsten aller Wein- 
krankbeiten, zum sogenannten 

Essigstich. 

Diese Krankheit wird ebenfalls durch niedere Organismen hervorgerufen, 
und zwar durch die sogenannten Essigbakterien, welche den von ihnen be- 
fallenen Weinen Geschmack und Geruch nach Essigsäure in sehr verschieden 
hohem Grade verleihen. Sie bilden auf der Weinoberfläche ähnlich den Kuhnen 
eine Art Kahmdecke, die aber, im jüngeren Entwickelungsstadium wenigstens: 
nicht dick und faltig gewunden ist, sondern meistens nur einen dünnen, 
schillernden Schleier vorstellt. Von Pasteur2) wird daher das Essigbakterium 
noch als Mycoderma aceti bezeichnet. Die Essigbakterien bilden kürzere oder 
längere, ziemlich dicke Stäbchen, die grösstentheils in Ketten, der sogenannten 
„Rosenkranzfurm“, angeordnet sind. Diese Bakterien spielen gleichfalls die 


1) Bei der vom Verf. untersuchten Kahmpilzart — allerdings keiner specifischen 
Weinkahmpilzart — wurde das Auftreten des aromatischen Princips der Erdbeeren 
beobachtet, welches nach Schorlemmer-Roscoe {Lehrbuch der Chemie, Ill. 582) 
als ein Gemenge des Aethylesters der Buttersäure (event. noch Spuren - höherer Fett- 
säureester) mit Essigsäureäthylester anzusprechen ist. (cf. Heinze, Zur Morphologie 
und Physiologie einer Mykoderniaart. Landw. Jahrb. 1900.) 

2) Pasteur, Mémoire sur la fermentation acétique. Ann. scient. de Pécole nor- 
male superieure. 1864. I. — Etudes sur le vinaigre. Paris 1868. 


Einiges über die Krankheiten und Fehler beim Weine. 341 


Rolle des Sauerstoffüberträgers der Luft auf den Alkohol, ähnlich den Kahm- 
pilzen, aber die Oxydation des Alkohols geht hierbei nur bis zur Essigsäure- 
bildang vor sich. In neuerer Zeit sind nun sowohl beim Biere, als auch beim 
Weine eine ganze Reihe Essigsäurebakterien beobachtet und beschrieben worden, 
von denen die von Hansen!) beschriebenen ganz besondere Beachtung ver- 
dienen. Seine eingehenden Untersuchuugen über die Essigbakterien sind für 
die Biologie und Morphologie der Bakterien überhaupt von ausserordentlicher 
Bedeutung geworden, indem durch dieselben nähere Aufklärung über einen 
der Faktoren gegeben wurde, welche die Vielgestaltigkeit der Bakterien — 
Pleomorphismus — bedingen. Die einzelnen von Hansen untersuchten Arten 
(Bacterium aceti, Bacterium Pasteurianum, Bacterium Kützingianum) unter- 
scheiden sich gegenseitig in ihrer Decken- und Hautbildung, in der Grösse der 
Formen, in Form und Aussehen der Kolonien auf verschiedenen Nährsub- 
straten; sie geben anch verschiedene Gährungsbilder, treten aber sämmtlich 
in drei wesentlich verschiedenen Formen auf, nämlich in Ketten aus Kurz- 
stäbchen, in langen Fäden und ausserdem in geschwollenen Formen; und zwar 
üben die Temperaturen den gestaltgebenden Einfluss auf den Entwickelungs- 
gang der erwähnten Formen aus. 

Für die beiden Formen B. aceti und B. Pasteurianum weist Lafar?) auch 
in chemischer und chemisch-physiologischer Beziehung Unterschiede nach 
(Säuerangsenergie, Säuerungsgrad, Säureverbrauch). 

Weitere Essigbakterien wurden vonWermischeff®), Duclauxt), Zeidler5) 
ond Lindner®), Brown?) und Henneberg®) beschrieben, die z. Th. unter ein- 
ander ähnlich oder identisch, z. Th. den Hansen’schen Formen ähnlich sind. 
Besonders zu nennen wäre das B. oxydans (Henneberg), Thermobacterium 
aceti (Zeidler) und B. xylinum (Brown). In neuester Zeit bringt übrigens 
Zopf (Oxalsäurebildung durch Bakterien. Berichte d. deutsch. bot. Gesellsch. 
1900, S. 32) den Nachweis, dass die meisten Essigsäurebakterien unter be- 
sonderen Verhältnissen — vor Allem bei unmittelbarer Berührung mit Luft — 


1) Hansen, Mycoderma aceti (Kütz.) Pasteur et Mycoderma Pasteurianum nov. 
spec. Compt. rend. des Meddel. fra Carlsberg Laborat. 1879. No. I. H. 2. Copenhague. 
— Botanische Untersuchungen über die Essigbakterien. Ber. d. deutsch. bot. Gesellsch. 
1893. — Recherches sur les bactéries acetifiantes. Second mémoire. Compt rend. des 
Medd. ete. 1894. Bd. III. II, 3. — Essigindustrie. 1894. 11, 12; 1895. 1, 2. 

2) Lafar, Physiologische Studien über Essiggährung und Schnellessigfabrikation. 
ll. Centralbl. f. Bakteriol. u. Parasitenk. 1593. Bd. 8. — Studien über den Einfluss 
srganischer Säuren auf Eintritt und Verlauf der Gährung. I. Die Weinhefe und die 
Essigsäure. Landwirthschaftl. Jahrbücher. 1897. 

3) Wermischeff, Recherches sur les microbes acetifiantes. Ann. de I’Inst. 
Pasteur. 1893. T. VIIL 

4) Duclaux, Sur le vieillement des vins. Ann. de !’Inst. Pasteur. 1893. T. VIII. 

5) Zeidler, Ueber cine Essigsäure bildende Thermobakterie. Centralbl. f. Bakt. 
u. Parasitenk. 1896. Abth. 2. Bd. 2. E 

6) Lindner, Mikroskopische Betriebskontrole in den Gährungsgewerben. Berlin 
1895. 

7) Brown, The chemical of pure cultivations of Bacterium aceti. Journ. Chem. 
Soc. 1886. — On an acetic ferment, which forms cellulose. Ibidem 1886. — Further 
notes on tbe chemical actions of Bact. aceti. Ibid. 1887. — Note on the cellulose 
formed by B. xylinum. Ibid. 1837. r 

8) Henneberg, Beiträge zur Kenntniss der Essigbakterien. Centralbl. f. Bakt. 
u. Parasitenk. 1897. Abth. 2. Bd. 3. 


26 


342 Heinze, 


aus dem Traubenzucker Oxalsäure zu bilden vermögen, wie dies bereits bei 
einer grossen Reihe chlorophyllhaltiger Gewächse, als auch bei vielen chloro- 
phylilosen Pflanzen, speciell bei Pilzen, bekannt ist. 

In den Gährungsgewerben (Brauerei, Brennerei und Weinbereitung) spielen 
die Essigsäurebakterien eine sehr bedeutende Rolle und sind deshalb auch 
sehr gefürchtet; zumal im Wein können sie bei stärkerer Vegetation grossen 
Schaden anrichten, und gar nicht selten kommt es vor, dass der Wein in Folge 
ihrer Thätigkeit rettungslos verloren ist. 

Inwieweit auch Kahmpilze bei der Entstehung des Essigstiches direkt mit- 
wirken können, muss weiteren Untersuchungen vorbehalten bleiben. Lafar's 
Untersuchungen machten diese Mitwirkung wenigstens in hohem Grade wahr- 
scheinlich. 

Es entstehen bekanntlich bei der alkoholischen Gährung des Mostes 
normaler Weise immer geringe Mengen flüchtiger Säuren im Weine, insbe- 
sondere Essigsäure; aber erst in Folge der Entwickelung von Essigbakterien 
tritt der Geschmack und der Geruch der Essigsäure für empfindliche Zungen 
und Riechorgane deutlich wahrnehmbar schon bei einem Gehalte von 0,6 bis 
0,7 pM. hervor. Der Wein zeigt bereits eine unverkennbare Schärfe, die natür- 
lich bei steigendem Gehalte an Essigsäure sich immer aufdringlicher macht, 
bis er bei einem Gehalte von 1,5—2,5 pM. flüchtiger Säure (auf Essigsäure 
berechnet) kratzend scharf schmeckt und schliesslich so gut wie ungeniess- 
bar wird. 

Bei geringen Mengen Essigsäure hat der Wein einen „Spitz“, der sich 
aber bald zum ausgedehnten „Stich“ ausbildet. Gleichwohl finden selbst in- 
telligente Winzer einen bereits weit entwickelten Essigstich vielfach gar nicht 
mehr heraus; sie haben sich allmählich daran gewöhnt, den Essigstich als 
etwas Selbstverständliches hinzunehmen und sehen denselben wohl gar als 
einen Vorzug ihrer schlecht geschulten Produkte an. 

Etwas Aehnuliches zeigt sich auch in ziemlich auffallender Weise, wenn 
man des in den Elsässer Landen von der einheimischen Bevölkerung so ausser- 
ordentlich hochgeschätzten sogenannten „Aeschgrüsslers“ gedenkt. (Der 
Name dieses immerhin feinen, älteren Weines rührt daher, dass sein Geschmack 
an die teigig gewordenen Früchte von Sorbus domestica, den Speierling oder 
„Aeschgrüssel“, erinnert.) Und doch beruht dieser sonderbare Geschmack zum 
weitaus grössten Theile auf nichts anderem, als auf einem stecken gebliebenen 
Essigstiche, indem die Oxydation des Alkohols nur bis zur Acetaldehydbildung 
besonderer Umstände halber sich hat vollziehen können. Es ist in Folge 
dessen die Bildung des „Aeschgrüsslers“ weit eher als eine Krankheitserschei- 
nung, denn als ein Vorzug der betreffenden Weine aufzufassen. Ausser Landes 
sind diese Weine auch keineswegs sonderlich hoch geschätzt. (cf. Barth, Dic 
Kellerbehandlung der Traubenweine. Ulmer. Stuttgart 1897.) 

Der Acetaldehyd und mit ihm eine Art Aeschgrüsslerwein mit dem 
erwähnten eigenthümlichen Altbouquet kann sich jedoch auch bilden, wenn 
man einen schwachen Essigstich mittels „Umgährung“ heilen will. Tritt bei 
dem vorhandenen Essigsäuregehalte überhaupt noch eine Gährung eio, so 
wird der Essigstich nach dem Umgähren verschwunden und die Essigsäure 


Einiges über die Krankheiten und Fehler beim Weine. 343 


durch Reduktion bei der Gährung in Aldehyd bezw. sogar in Alkohol zurück- 
verwandelt sein. 

Der hohen Bedeutung der Temperaturen für die Entstehung des Essig- 
stiches während der Maischebereitung und der darauf folgenden Gährung, 
ferner aber auch der Maischebereitung selbst, wurde bereits oben gedacht; 
es neigen deshalb auch gerade die Rothweine, zumal in südlichen Ländern, 
ganz ausserordentlich zum Essigsäurestiche. Sorgfältiges Fernhalten der Luft, 
eventuell schwache Schwefelung muss immer wieder betont werden, wenn 
man dieser gefährlichen Krankheit vorbeugen, bezw. ihre weitere Ausbreitung 
verbüten will. Bei ausserordentlich stark ausgeprägtem Essigstiche sieht man 
sich indessen genöthigt, den Wein mit frisch gefälltem CaCO, künstlich bis 
zu einem gewissen Grade zu entsäuern. Grössere Mengen von CaCO;, als zur 
Abstumpfung von ca. 2 pM. Säure nothwendig sind, darf man nicht verwenden, 
da der Wein alsdann zu viel Mineralstoffe aufnehmen und einen unangenehmen, 
salzigen, bitteren Geschmack bekommen würde. Auch wird durch die tkail- 
weise Entsäuerung der Wein keineswegs von seinem Essigstiche befreit; durch 
CaCO, werden in erster Linie zunächst die vorhandenen Fruchtsäuren 
(Weinsteinsäure, Apfelsäure) und nicht die Essigsäure gebunden; aber die 
Gesammtsäure des Weines wird durch den Kalkzusatz für den Geschmack 
etwas gemildert. 

Für die Essigbakterien liegt die Alkobolgrenze zur Entwickelung bei 
ra. 14 pCt., sodass also selbst die besseren Weine von ihnen vollständig ent- 
werthet werden können. Einer weiteren Eutwickelung des Essigpilzes beugt 
man am besten durch Pasteurisiren vor [nach Schulze!) genügt Er- 
wärmen auf ca. 450° C., eine Temperatur, bei welcher die Weine nicht weiter 
Schaden leiden], wie man überhaupt fertige Weine gegen das Entstehen des 
Essigstiches und anderer Krankheiten dadurch widerstandsfähiger macht. 

Wir kommen nun zu einem viel schlimmeren und gefährlicheren, wenn 
auch weniger verbreiteten Fehler oder Krankheit, zu dem sogenannten 


Mausgeschmack oder Mäuseln des Weines. 


Diese Krankheit wird gleichzeitig durch die eben erörterten Essigbakterien, 
im Verein mit Fäulnissbakterien, welche stickstoffhaltige Bestandtheile des 
Weines zersetzen, und endlich durch bereits abgestorbene Hefezellen hervor- 
gerufen. 

Bleiben nämlich essigstichig gewordene Weine zu lange Zeit und oben- 
drein noch in übermässig warmen Kellerräumen auf der Hefe liegen, so treten 
io solchen sehr leicht schon durch todte Hefezellen sowie durch fäulniss- 
erregende Bakterien faulige Zersetzungen ein, bei denen aus den Stickstoff- 
verbindungen der Hefe, sowie der im Weine enthaltenen stickstoffhaltigen 
Verbindungen Ammoniak oder ammoniakartige Stoffe entstehen?), und diese 


1) E. Schulze, Versuche über Pasteurisirung von Wein. Mitth. über Weinbau 
u. Kellerwirtbschaft. Geisenbeim 1894. — Die Anwendung des Pasteurisirens gegen 
Nachgährungen von Weinen auf den Flaschen. Laudw. Jahrb. 1895. 

2) Kramer, Bakteriologische Untersuchungen über das Umschlagen der Weine. 
Landwirthschaftl. Versuchsstation. 1890. Bd. 37. 


26* 


344 Luft. 


wiederum liefern — in statu nascendi — mit der gleichzeitig vorhandenen 
Essigsäure sofort einen amidartigen Körper, CH,CO.NH,, das Acetamid. Eine 
besondere Disposition zu diesem entsetzlichen Weinfehler liegt bei nicht über- 
mässig starken und an Fruchtsäuren armen Weinen vor. Der Name sagt uns, 
dass der Geruch und Nachgeschmack, den solche fehlerhaften Weine zeigen, 
in ihrem Charakter an jenen unliebsamen Geruch erinnern, den man vor Allem 
in schlecht gelüfteten Räumen antrifft, in welchem die Mäuse ibr Unwesen 
treiben. Am häufigsten ist dieser Hefeabgeschmack bei italienischen Ver- 
schnittweinen aus Apulien anzutreffen. 

Ein Verdünnen der kranken Weine mit Wasser vermindert den Abge- 
schmack nur unbedeutend. Durch Lüften und Filtriren des Weines mit 
Holzkohle werden zwar in Bezug auf die Beseitigung des Fehlers bessere 
Resultate erzielt, aber dem Weine wird dadurch sein gesammter Charakter 
genommen. Am besten hat sich immer noch ein Verschnitt mit einem jungen, 
sayen Weine bewährt. Sebr oft aber hilft gar nichts mehr gegen diesen 
Fehler, der sich durch sorgfältigen Schutz gegen Essigsäurebildung, schnelles, 
nicht zu warmes Durchgähren der Maische und vor Allem rechtzeitiges Ab- 
lassen von der Hefe meist mit Sicherheit wird vermeiden lassen. 

(Fortsetzung folgt.) 


Rubner M., Ueber die Aupassungsfähigkeit des Menschen an hohe 
und niedrige Lufttemperaturen. Arch. f. Hyg. Bd. 38. S. 120. 

Vorliegende Arbeit beabsichtigt, wie in einer kurzen Einleitung hervor- 
gehoben wird, die Frage zu studiren, „in wieweit und mit welchen Mitteln der 
Hitze und der Kälte ohne Schaden Widerstand geleistet werden kann.“ 
Zu diesem Zwecke wurden Respirationsversuche angestellt, welche zunächst 
den Einfluss wechselnder Temperaturen auf den leicht bekleideten 
Menschen feststellten, dann sich mit den Wirkungen wechselnder Beklei- 
dung bei niedriger und hoher Temperatur beschäftigten, und endlich die 
Wirkung des Alkobolgenusses unter diesen Verhältnissen klarlegten. 

Die Versuche über den Einfluss wechselnder Temperaturen auf den leicht 
bekleideten Menschen wurden in einem Temperaturintervall von 2° und 40°C. 
vorgenommen. Von 15° abwärts waren die Empfindungen der Versuchsperson 
bereits keine normalen mehr, und es trat starkes Frostgefühl auf; zwischen 15 
und 26° hatte dieselbe das Gefühl behaglicher Wärme; steigt die Temperatur 
über 26°, so tritt schliesslich Hitzegefühl ein. Gesundheitliche Schäden sind 
bei diesen Versuchen niemals aufgetreten. Von Wichtigkeit ist jedoch die 
hierbei gemachte Beobachtung, dass kühle Temperaturen von 12—14° 
bei leichter Bekleidung den normalen Schlaf nicht zu Stande kommen 
lassen, indem die Personen häufig durch die Kälteempfindung geweckt werden. 
Erst wenn die Körpertemperatur erheblich sinkt, tritt die einschläfernde Wir- 
kung der Kälte hervor. Bei Temperaturen von 40° tritt eine, wenn auch über- 
windbare Schlafneigung ein. 

Was die bei diesen Versuchen beobachtete CO,-Ausscheidung betrifft, 
so lag deren Maximum bei 2°, ihr Minimum bei 40°; es war somit durch die 


Luft. 345 


niedrige Temperatur eine Vermehrung der Zersetzungen veranlasst 
worden. Bei hohen Temperaturen kann jedoch trotz thermischen Missbe- 
hagens jede Aenderung der CO,-Ausscheidung fehlen. — Die Wasserdampf- 
Ausscheidung zeigte, wie dies R. schon früher gefunden hatte, ein Minimum 
bei mittlerer Lufttemperatur. Während die ausgeschiedene CO,-Menge 
von den Stoffzersetzungen im Körper abhängt, wird die Wasserdampfmenge 
darch die „Entwärmungsweise“ des letzteren bedingt. Einen Ausdruck für 
dieselbe findet R. in einem Quotienten gegeben, der das Verhältniss der 
ausgeschiedenen H,0-Menge zur ausgeschiedenen CO,-Menge an- 
giebt, und den er als „Entwärmungsquotienten“ bezeichnet. Derselbe 
hängt zunächst von der relativen Feuchtigkeit ab. 
Für trockene Luft berechnete er sich bei 20° zu 1,7 


n 250 „ 2,36 
Für feuchte Luft u » nn 200 „0,54 
n 250 „0,76 
Ferner ist dieser Quotient von der Temperatur abhängig: 
bei 2° fand sich 1,24 als Quotient 
n 15-20 „ n 0,79 „ n 


n 35—40 „ n 58 n ” 

Als theoretisch maximalen Werth dieses Quotienten, welcher dann ein- 
tritt, wenn das verdunstende Wasser eben hinreicht, das Wärmegleichgewicht 
zu erhalten, berechnet R. die Zahl 4,7; ein Ueberschreiten dieses Werthes im 
Experimente deutet dann auf eine Wärmeaufnahme aus der Luft hin, wo- 
bei der Ueberschuss durch vermehrte Wasserverdunstung beseitigt wird. 

Die Versuche, welche bei wechselnder Bekleidung (Sommerkleidung, 
Winterkleidung, Pelz) und niederen Temperaturen (11—12°) angestellt 
warden, liessen eine deutliche Abnahme der CO,-Ausscheidung erkennen, wenn 
die Schwere der Kleidung zunahm. Die Wasserdampfausscheidung sinkt zu- 
nächst mit zunehmender Bekleidung ab, um dann, bei Pelzbekleidung, wieder 
anzusteigen. Bei höheren Temperaturen, bei welchen die Experimente nackt 
und in Sommerkleidung ausgeführt wurden, ergab sich, dass die bessere Er- 
wärmung der Versuchsperson durch die Kleidung die Wasserdampfabgabe zwar 
vermehrt, dass jedoch bei 33° die freie Haut mehr Wasser verdunstet, als die 
bedeckte, was durch die mangelnde Cirkulation der Kleiderluft zu erklären 
ist. Den drei verschiedenen Zuständen der thermischen Behaglichkeit ent- 
sprechen, für absolute Ruhe, folgende Zahlen: 


pro Stunde 
120 Pelz. . . . . . 23,6 CO, 63 H,O 
25° Sommerkleidung. . 26,6 „ 53 „ 
830 nackt . . . .. 271 „ 108 „ 


Im nackten Zustand weist also die Wasserdampfabgabe die höchsten Werthe auf. 

Was endlich den Einfluss der Alkoholaufnahme betrifft, so nahm bei 
niederer Temperatur sowohl in trockener wie in feuchter Luft die Wasser- 
dampfabgabe zu; trotzdem war das .Kältegefühl vermindert. Eine Abkühlung 
des Körpers war dabei nicht wahrzuuehmen. Auch bei höherer Temperatur 
ist die Wasserdampfabgabe in den Alkobolperioden gesteigert gegenüber den 


346 Infektionskrankheiten. 


alkoholfreien Tagen. Trotzdem meinte die Versuchsperson an den alkohol- 
freien Tagen mehr geschwitzt zu haben, was vielleicht durch die Verschieden- 
heiten des zeitlichen Verlaufes des Schwitzens mit und ohne Alkoholzufahr 
bedingt ist. Während also, wie Laschtschenko in R.’s Laboratorium zeigte, 
das Trinken von reinem Wasser keine Veränderung der Wasserdampfaus- 
scheidung nach sich zieht, vermehrt der Alkohol dieselbe sehr merklich. 
Paul Müller (Graz). 


Posner und Cohn, Zur Frage der Allgemeininfektion bei Harnkrank- 
heiten. Berl. klin. Wochenschr. 1900. No. 31. S. 689. 

Posner und Cohn haben auf experimentellem Wege festzustellen ver- 
sucht, in wie weit die gesunde, intakte Niere einen Wall für das Eindringen 
von Infektionserregern aus der Blase resp. dem Nierenbecken in die Körper- 
säfte bildet, und welche Mikrobien diesen Wall am leichtesten durchbrechen. 
Zu diesem Zwecke wurde beim Kaninchen der freigelegte Ureter unterbunden 
und in den centralen Stumpf Bakterienaufschwemmungen injicirt. Es ergab 
sich, dass unter diesen Umständen Milzbrandbacillen, Staphylokokken 
und Streptokokken die Niere innerhalb von 48 Stunden passiren und eine 
Allgemeininfektion hervorrufen, während Prodigiosus und Bact. coli inner- 
halb der gleichen Zeit nicht in die Körpersäfte übergehen. Fs stimmt dies 
anch mit den klinischen Erfahrungen überein, die uns die weit erheblichere 
Gefahr der Eiterinfektion der Blase und des Nierenbeckens gegenüber der 
Coliinfektion kennen gelehrt haben. Scholtz (Breslau). 


Ostertag, Untersuchungen über die Virulenz und den Tuberkel- 
bacillengehalt der Milch von Kühen, welche lediglich auf 
Tuberkulin reagirt haben, klinische Erscheinungen der Tuber- 
kulose aber nicht zeigen. Zeitschr. f. Fleisch- u. Milchhyg. Jahrg. 9. 
H. 9. S. 168 ff. u. H. 12. S. 221 ff. 

Das hygienische Institut der Berliner thierärztlichen Hochschule, dessen 
Leiter Verf. ist, wurde durch Erlass des Ministers für Landwirthschaft, Do- 
mänen und Forsten beauftragt, über obige Fragen Untersuchungen anzustellen. 
Ostertag hat mit der ihm eigenen Gründlichkeit die Ausserst schwierige 
Aufgabe durch zahlreiche und exakt ausgeführte Untersuchungen in befriedi- 
gender Weise lösen können. 

Dass die Tuberkulose durchVerfütterung und Genuss der Milch auf andere 
Thiere (Kälber und Schweine) und auf den Menschen übertragen werden kann, 
ist ärztlicher- und thierärztlicherseits bekannt gewesen, die Möglichkeit der 
Uebertragung der Tuberkulose durch Milch tuberkulöser Kühe auch festgestellt 
gewesen. Da die Tuberkulose bei den Rindern aber in den verschie- 
densten Formen und Graden aufzutreten pflegt, so fragte es sich eben, 
ob die Milch sämmtlicher tuberkulöser Kühe als gefährlich angesehen 
werden muss, oder ob dies nur bei bestimmten Formen der Tuber- 
kulose der Fall ist. Bei den bis jetzt angestellten Versuchen hatte es sich 


Infektionskrankheiten. 347 


wr um die Milch von solchen Kühen gehandelt, die nach den klinischen 
Erscheinungen (vorwiegend Husten, Abmagerung, tuberkulöse Erkrankung des 
Enters) als höchstwahrscheinlich oder sicher tuberkulös erkannt wurden, oder 
die sich nach der Schlachtung als tuberkulös erwiesen hatten, Nachdem das 
Taberkulin als Erkennungsmittel der Tuberkulose bei den Rindern festgestellt 
und angewendet worden war, wurde zunächst die Forderung erhoben, die 
Milch sämmtlicber Kühe, die auf Tuberkulin reagirt hatten, als Nahrungs- 
mittel für Menschen auszuschliessen. Dies Verlangen konnte aber nicht auf- 
recht erhalten werden, weil die lediglich auf Tuberkulin reagirenden Thiere 
in der Regel nur eine geringgradige Tuberkulose aufweisen, bei welcher nach 
den bereits vorliegenden experimentellen Feststellungen eine Virulenz der Milch 
nicht angenommen werden kann. Ebenso unbegründet war auch das Verlangen, 
die Milch der „sehr stark“ reagirenden Kühe aus dem Handelsverkehr auszu- 
schliessen, denn erfahrungsgemäss reagiren gerade solche Thiere am stärksten, 
die ausserordentlich kleine, nur linsen- bis erbsengrosse Tuberkuloseherde in 
irgend einem Organ aufweisen und hinsichtlich der Uebertragung der Tuber- 
kalose durch Milch gänzlich unverdächtig sind. Somit war die dem Verf. 
gestellte Aufgabe von immenser wissenschaftlicher und praktischer Bedeutung. 

Das Material zu den O.’schen Untersuchungen bot das Rittergut Haus Zossen, 
auf welchem die Tuberkulosetilgung nach dem Bang’schen Verfahren durch- 
geführt wird. Die Prüfung der Milch der lediglich reagirenden Kühe 
wurde so ausgeführt, dass zuerst die Milch der einzelnen Kühe während 
der Laktationsperiode einmal und nach Beendigung der diesbezüglichen Ver- 
suche Proben des Gesammtgemelkes während der Dauer von 4 Wochen 
auf ihre tuberkulöse Virulenz untersucht wurden. Zur Untersuchung von 
Einzelproben standen 50 milchende Kühe zur Verfügung. Die Proben des 
Gesammtgemelkes stammten ebenfalls von durchschnittlich 50Kühen. DiePrüfung 
der Milch auf ihren Gehalt an Tuberkelbacillen geschah durch bakteriosko- 
pische Untersuchung, durch intraperitoneale Verimpfung von Rahmbodensatz- 
gemengen nach Obermüller und durch Verfütterung erheblicher Mengen an 
Meerschweinchen. Im Ganzen sind zu den Versuchen 526 Meerschweinchen 
verwendet worden. Das Ergebniss der Versuche ist folgendes: 1. die unter- 
suchten Einzelproben von 49 lediglich auf Tuberkulin reagirenden 
Küben enthielten keine Tuberkelbacillen; 2. die Mischmilch eines 
grösseren Bestandes von Kühen, die lediglich auf Tuberkulin rea- 
girt haben, kann gelegentlich Tuberkelbacillen enthalten, ohne 
dabei nothwendiger Weise Fütterungstuberkulose erzeugen zu 
müssen; 3. die Milch von lediglich auf Tuberkulin reagirenden 
Küben, welche noch keine klinischen Erscheinungen der Tuber- 
kulose zeigen, kann als unschädlich bezeichnet werden. 

Ganz anders verhält es sich mit der Milch eutertuberkulöser Kühe 
ud abgemagerter tuberkulöser Thiere. In keinem tuberkulösen Sekret der 
Rinder sind stets so zahlreiche Tuberkelbacillen vorhanden, wie in dem Sekret 
des tuberkulösen Euters. Ostertag sagt deshalb mit Recht: „Die wich- 
tigste Maassnahme zur Verhütung der Tuberkuloseübertragung 
durch die Milch dürfte die Ausmerzung der eutertuberkulösen 


348 Infektionskrankheiten. 


und abgemagerten tuberkulösen Kühe sein.“ Er empfiehlt daher 
regelmässige, etwa alle 14 Tage zu wiederholende thierärztliche Untersuchungen 
der Milchkühe. Abgesehen davon, dass die Symptomatologie der Eutertuber- 
kulose jetzt genauer studirt ist, sind in der bakteriologischen Unter- 
suchung der Milch und in der von Nocard empfohlenen Harpunirung 
des Euters ausserordentlich werthvolle Hilfsmittel zur sicheren Feststellung 
der Eutertuberkulose geboten. Aus diesen Gründen hat ein staatliches Vor- 
gehen gegen die Eutertuberkulose, wie es bereits in Schweden und Dänemark 
besteht, viel grössere Aussicht auf Erfolg als früher. Die schwedischen und 
dänischen Thierärzte sind dank der energischen Initiative der Regierungen 
angewiesen, in allen Fällen, in denen sie. den Verdacht der Eutertuberkulose 
für begründet halten, Milchproben und harpunirte Euterstückchen an die bak- 
teriologischen Institute der betreffenden thierärztlichen Hochschule einzusenden. 
Wird hier der Verdacht durch Untersuchungen bestätigt, so erfolgt unver- 
züglich die Schlachtung des Thieres, und der Besitzer erhält Entschädigung. 
Durch eine derartige Anordnung, sagt Verf., sei zu erwarten, dass 
die wichtigste Quelle der Tuberkuloseverschleppung durch Milch 
verstopft wird. Henschel (Berlin). 


Rabinowitsch L., Ueber die Gefahr der Uebertragung der Tuberkulose 
durch Milch und Milchprodukte. Aus dem Institut für Infektions- 
krankheiten in Berlin. Deutsche med. Wochenschr. 1900. No. 26. S. 416. 

In Fortsetzung ihrer früheren Versuche untersuchte Verf. die Mischmilch 
grösserer Bestände von Kühen, die einerseits der Tuberkulinprobe unterworfen 
wurden, andererseits nur einer klinischen Ueberwachung unterstanden. In der 
Milch aus den ersteren Anstalten konnten niemals Tuberkelbacillen nachge- 
wiesen werden, von den 5 anderen Kindermilchsorten enthielten 3 bei wieder- 
holter Untersuchung lebende virulente Tuberkelbacillen. Daraus ist der 
grosse praktische Werth der Tuberkulinprobe von Neuem ersichtlich. Wenn 
es auch zunächst nicht möglich ist, alle auf Tuberkulin reagirenden Kühe 
von der Milchgewinnung auszuschliessen, so wäre dies doch von den Molke- 
reien zu verlangen, welche ibre Milch unter der Bezeichnung „Kindermilch“ 
und zu höherem Preise in den Handel bringen. 

Fernerhin untersuchte R. verschiedene Molkereiprodukte und Nähr- 
präparate. Im Kefir konnten 2mal Tuberkelbacillen nachgewiesen werden. 
In 2 Proben, die aus pasteurisirter und frischer tuberkelbacillenfreier Milch 
hergestellt waren, fehlten dieselben. In dem Plasmon (Siebold’s Milch- 
eiweiss) liessen sich keine Tuberkelbacillen nachweisen. In dem Präparat 
„Sana“ dagegen wurden in beiden untersuchten Proben lebende Tuberkel- 
bacillen festgestellt. Falls bei der Fabrikation der Sana, wie behauptet wird, 
jede Beimengung von Milch ausgeschlossen ist, kommen diese Bacillen ebenso 
wie bei der Margarine jedenfalls vom Fett her, in dem tuberkulös erkrankte 
Lymphdrüsen eingeschlossen waren. Diese zweite Qnelle der Tuberkelbacillen 
könnte nur dann mit Sicherheit ausgeschlossen werden, wenn die das Rinder- 
fett liefernden Thiere durch die Tuberkulinprobe als gänzlich frei von Tuber- 
kulose befunden wurden. Dieudonne (Würzburg). 


Infektionskrankheiten. 349 


Weit M., Die Methoden des Nachweises von Tuberkelbacillen mit 
Demonstrationen und praktischen Uebungen. Berl. klin. Wochen- 
schrift. 1900. No. 29. S. 633. 

In dem in der Kgl. Poliklinik für Lungenkranke zu Berlin vor Aerzten 
gehaltenen Vortrage werden die specifische Färbung der Tuberkelbacillen, die 
Reinzächtung derselben, sowie die Infektionsmethoden beim Thiere in über- 
sichtlicher Weise besprochen. Dieudonné (Würzburg). 


Marzinowsky, Ueber einige in den Krypten der Gaumenmandeln ge- 
fundene Bacillenarten. Centralbl. Bd. 28. No. 2. S. 39. 

Marzinowsky hat bei Leichen aus den Krypten der Gaumenmandeln 
in 7 von 16 Fällen Bacillen isoliren können, welche sich weder in ihrem Aus- 
sehen und der Art des Wachsthums, noch hinsichtlich der Neisser’schen 
Färbung echten Diphtheriebacillen gegenüber unterschieden. Drei der Kul- 
turen erwiesen sich für Meerschweinchen als virulent. 

Ferner fand Verf. in 5 seiner Fälle in den Mandelkrypten einen Bacillus, 
welcher dem Tuberkelbacillus morphologisch äbnlich und nach Ziehl- 
Gabbet ziemlich gut färbbar war. In der Kultur zeigte dieser Bacillus 
einen grossen Pleomorphismus. Er wächst auf allen gewöhnlichen Nährböden, 
auch Gelatine, bereits nach 24 Stunden ziemlich üppig, bildet in Zuckeragar 
Gas, trūbt die Bouillon in toto und bildet auf Agar wenig charakteristische 
Kolonien. — Die Experimente an Thieren sind noch nicht vollendet. 

Scholtz (Breslau). 


Levy E. und Fickler H., Ueber ein neues pathogenes keulenförmiges 
Bakterium der Lymphe (Corynebacterium Lymphae vaccinalis). 
Aus dem hygienischen Institut der Universität Strassburg. Deutsche med. 
Wochenschr. 1990. No. 26. S. 418. 

Verff. züchteten aus Kälberlymphe zwei Varietäten eines Keulenbak- 
terinms, von denen die eine auf Löffler’schem Blutserum einen orange- 
gelben Farbstoff, die andere dagegen einen schmutzig-weissen Rasen bildet. 
Besonders deutlich war die Keulen- und Kolbenbildung auf Eiereiweiss- und 
Eiergelbplatten, wo auch echte Verzweigungen zu konstatiren waren. Die 
Neisser’sche Färbung gelang nicht, dagegen war die Gram’sche Färbung 
positiv; keine Eigenbeweglichkeit, Wachsthumsoptimum bei 37°, bei 21° auf 
Gelatine nur sehr kümmerliches Wachsthum. Subkutane Injektionen von 0,5 ccm 
einer Bonillonkultur- der farblosen Varietät tödteten Mäuse in 6—7 Tagen. 
Vom 3.—4. Tage ab bildete sich an der Injektionsstelle ein Abscess, der im 
Innern dicken, käsigen Eiter enthielt, und an dessen Peripherie leicht abzieh- 
bare fibrinöse Membranen sich konstatiren liessen. Meerschweinchen und Ka- 
ninchen reagirten auf subkutane Injektionen ebenfalls mit Abscessen. Das 
aus 3wöchigen Bouillonkulturen gewonnene Filtrat war auch in grossen 
Dosen unwirksam. Verff. halten den gefundenen Mikroorganismus dem von 
Nakanishi beschriebenen (Centralbl. f. Bakteriol. Bd. 27. 18/19) für über- 
aus ähnlich, wahrscheinlich sogar mit ihm für identisch. 

Dieudonné (Würzburg). 


350 Infektionskrankheiten. 


Scheffler, Das Neutralroth als Hülfsmittel zur Diagnose des Bacte- 
rium coli. Centralbl. f. Bakt. Bd. 28. No. 6/7. S. 199. 

Die Resultate, zu welchen Scheffler bei seinen Untersuchungen gekom- 
men ist, stimmen mit den bekannten Ergebnissen Rothberger’s (diese Zeitschr. 
1899.8.1290 u.Centralbi.f.Bakt. Bd.25. S.15) im Ganzen überein und lassen sich 
kurz dahin zusammenfassen, dass die grüne Fluorescenz im Neutralroth- 
Traubenzuckeragar bei Coli-Stämmen konstant und deutlich ein- 
tritt, und auch Stichkulturen und geringe Mengen von Impfstoff genügen, um die 
Reaktion nach 24 bis spätestens 4R Stunden in gleicher Schärfe hervortreten 
zu lassen. Als Nährboden benutzt Scheffler Glycerinagar, dem auf 100 ccm 
0,3 g Traubenzucker und 1 ccm koncentrirte wässerige Neutralrothlösung zu- 
gesetzt wurden. Scholtz (Breslau). 


Dönitz W., Behandlung der Lepra. Berl. klin. Wochenschr. 1900. No. 36. 
S. 793. 

Bei zwei im Institut für Infektionskrankheiten in Behandlung befindlichen 
leprösen Frauen wurde das schon lange bei Lepra innerlich und äusserlich 
angewandte Chaulmoograöl subkutan gegeben, wobei sich herausstellte, 
dass dadurch sowohl eine allgemeine Reaktion (Temperaturerhöhung wäh- 
rend einiger Tage), als auch lokal eine Röthung und Schwellung der 
afficirten Stellen eintraten. Unter der Behandlung sind nicht nur die Lepra- 
knoten fast vollständig zurückgegangen, sondern auch pannusartige 
Infiltrationen an den Augen der beiden Patientinnen haben sich 
ausserordentlich aufgehellt. Es wurden, ähnlich wie heutzutage bei der 
Tuberkulinkar, nur sehr kleine Dosen, 0,1—0,2 g, des Oeles in 10—14tägigen 
Pausen gegeben, sodass kaum eine nennenswerthe allgemeine Reaktion eintrat. 

Scholtz (Breslau). 


Miyamoto S., Beiträge zur Tetanusvergiftung. Aus dem Institut für 
Infektionskrankbeiten in Berlin. Deutsche med. Wochenschr. 1900. No. 30. 
S. 479. 

Wie neuere Untersuchungen ergeben haben, kann das Tetanusgift 
experimentell zweierlei Krankheiten erzeugen: die spastische Form und die 
unter allgemeinen marantischen Erscheinungen ohne tetanische Symptome 
zum Tode führende, den „Tetanus sine tetano“. Ehrlich hat gezeigt, dass 
in dem Tetanusgift zwei verschiedenartige giftige Substanzen vorhanden sind, 
die eine, welche krampferzeugend bei Thieren wirkt, das „Tetanospasmin“ und 
eine andere, Blutkörperchen in vitro auflösende, das „Tetanolysin“. Verf. 
wollte prüfen, ob die zweite Form der Tetanuserkrankung, der Tetanus sine 
tetano, durch das Tetanolysin hervorgerufen wird. Er benützte hierzu ein 
altes Tetanusgift, aus dem das Spasmin zum grössten Theil verschwunden 
war, das aber doch noch Mäuse unter dem Bild des Tetanus sine tetano 
tödtete. Doch hatte dieses Gift keine Spur von blutkörperchenlösender Wir- 
kung; es hatte sich auch das Tetanolysin zersetzt. Das Krankheitsbild des 
Tetanus sine tetano wird demnach nicht durch diese zweite Komponente des 
Giftes hervorgerufen, vielmehr beruht es auf einer Bindung des Gesammtgiftes 


Infektionskrankheiten. 351 


in anderen Organen oder Zellkomplexen als dem Centralnervensystem. Diese 
eigenthümliche Zersetzung des Giftes stellt also nicht eine einseitige Zer- 
störung einer Komponente des Tetanusgiftes dar, sondern ist nach M. wohl 
als ein gleichmässiger Zerfall des Gesammtgiftes unter Toxonbildung aufzu- 
fassen. Die gebildeten Toxone sind pathogen und überwiegen in ihrer Wirkung 
gegenüber den letzten Resten von Tetanospasmip, die sich in dem Gifte erhalten 
hatten. Dieudonne (Würzburg). 


Scheltz W., Untersuchungen über die parasitäre Natur des Ekzems. 
Aus der dermatologischen Universitätsklinik in Breslau. Deutsche med. 
Wochenschr. 1900. No. 29 und 30. S. 469 ff. 

Verf. untersuchte die Bakterienflora des Ekzems und zum Vergleich die 
der normalen Hant und von verschiedenen nicht ekzematösen Hautaffektionen. 
Hierbei zeigte sich, dass sowohl auf der normalen Haut wie bei den verschie- 
densten Dermatosen eine mannigfache und bunte Bakterienflora nachzuweisen 
ist, Meist fanden sich dabei auch vereinzelte gelbe Staphylokokken, und bei 
einigen Affektionen waren dieselben manchmal in reichlicher Menge vorhanden; 
bei akutem Ekzem hingegen fand sich sowohl im vesikulösen, im nässenden 
and krustösen, wie im squamösen Stadium stets eine Reinkultur oder nahezu 
Reinkultar des Staphylococcus pyogenes aureus, und zwar sowohl in den 
oberflächlichen, wie in den tieferen Schichten. Verf. weist daher diesem Mikrobium 
für die Entstehung und den ganzen Verlauf der Ekzeme oder wenigstens der 
akut entzündeten Ekzematisation der Haut eine grosse Bedeutung zu. Natür- 
lich reicht aber die Anwesenheit der Stapbylokokken allein zur Hervorrufung 
eines Ekzems nicht aus, sondern es muss noch ein besonderer Zustand der Haut, 
eine besondere Präparation des Terrains zur Entwickelung und Wucherung der 
Staphylokokken vorhanden sein. Experimentell liess sich feststellen, dass 
diese Mikrobien auf leicht alterirter Haut (mit lädirter Hornschicht) eine 
flächenhafte Hautentzändung mit seröser Transsudation zu erzeugen vermögen. 

Dieudonne (Würzburg). 


Rubinstein, Ueber gonorrhoische Gelenkentzündung. Berl. klin.Wochen- 
schr. 1900. No. 37. S. 822. 

Rubinstein empfiehlt bei gonorrhoischen Gelenkentzündungen, 
und zwar schon im Beginn der Erkrankung, Punktion des Gelenkes und Aus- 
spülang mit Sublimat. Er begründet diese aktive Therapie theoretisch mit 
dem Hinweis auf die bekannten Untersuchungen von Wassermann u.A. 
über das Gonokokkengift. Scholtz (Breslau). 


Paulsen, Ein Fall von gonorrhoischen Gelenk- und Hautmetastasen 
im Anschluss an Blennorrhoea neonatorum. Münch. med. Wochen- 
schrift. 1900. No. 35. S. 1209. 

Paulsen beobachtete im Anschluss an eine doppelseitige Ophthalmo- 
blennorrhoea neonatorum das Auftreten multipler Gelenkanschwellungen. 
Dabei kam es am linken Kniegelenk zur Vereiterung, und in dem Eiter 
konnten mikroskopisch Gonokokken nachgewiesen werden. Einige Tage nach 


352 Infektionskrankheiten. 


dem Einsetzen der Gelenkerkrankungen trat besonders in der Umgebung der 
Gelenke ein Exanthem auf, welches aus einzelnen kleinen Papeln und Bläs- 
chen bestand. In den Efflorescenzen konnte Paulsen Gonokokken nachweisen. 
Leider ist dieser Nachweis aber nur mikroskopisch, nicht kulturell 
geführt worden. Scholtz (Breslau). 


Kohlbrugge J. H. F., Kritische Betrachtung zum zweiten Bericht über 
die Thätigkeit der Malaria-Expedition von Herrn Geh. Med.-Rath 
Prof. Dr. R. Koch.. Virch. Arch. Bd. 161. S. 18. 

Verf., der sich jahrelang auf Java mit dem Studium der Malaria in 
klimatologischer und epidemiologischer Richtung beschäftigte, unterzieht den 
zweiten, die auf dieser Insel ausgeführten Untersuchungen umfassenden Be- 
richt R. Koch’s (vgl. Referat diese Zeitschr. 1900. S. 683) einer eingehenden 
Kritik. Koch ist nach K., wie so viele Reisende, durch die nur oberfläch- 
liche Betrachtung der Zustände und durch vorgefasste Meinungen auf Irrwege 
gerathen. Koch hatte aus den negativen Versuchen, bei anthropoiden Affen 
durch Einspritzung von Malariablut Malariafieber hervorzurufen, den Schluss 
gezogen, dass, wenn die Malaria nicht auf diese, dem Menschen am nächsten 
stehenden Thiere übertragen werden könne, es auch nicht gelingen werde, diese 
Krankheit bei anderen Thieren zu erregen. Verf. macht aber darauf aufmerk- 
sam, dass die heutigen Anthropoiden dem Meuschen gar nicht so nahe stehen, 
wie vielfach angenommen wird, und dass dieselben insbesondere physiologisch. 
z. B. Giften gegenüber, sich sehr verschieden vom Menschen verhalten. Die 
Untersuchungen in der Gegend von Ambarawa hält Verf. nicht für beweisend. 
Auch die Ansichten über erworbene Immunität bei Malaria theilt Verf. nicht. 
Dass die neu angekommenen Europäer mehr von der Malaria belästigt werden 
als akklimatisirte und Eingeborene, müsste noch bewiesen werden; K. ist viel 
mehr geneigt, an eine Zunahme der Prädisposition durch vorhergegangene An- 
fälle als an eine etwaige zu erwerbende Immunisirung zu glauben. Die Be- 
obachtung von Koch, dass es in Tosari keine Mücken geben solle, muss Verf. 
auf Grund seiner siebenjährigen Thätigkeit daselbst als völlig unrichtig be- 
zeichnen; auf Java giebt es überhaupt keinen Ort, wo Mücken fehlen, selbst 
noch auf 2300 m Höhe wurden sie gefunden. Ebenso unrichtig seien die 
Behauptungen Koch’s über das Fehlen der Malaria in Poespo und die Selten- 
heit der Mücken daselbst. Im December, wo Koch in Poespo war, ist dort 
Malaria allerdings selten, anders dagegen im Juni und Juli. Ueberhaupt be- 
streitet Verf. die jetzt angestrebte Alleinherrschaft der Mosquito-Theorie, wenn 
er auch die Möglichkeit dieses Infektionsmodus ohne Weiteres zugiebt. Ver- 
schiedene epidemiologische Thatsachen lassen sich durch die Mosquito-Theorie 
nicht erklären. — Wegen einer Reihe von weiteren Details muss auf das 
Original verwiesen werden. Dieudonne (Würzburg). 


Ziemann H., Ueber die Beziehungen der Mosquitos zu den Malaria- 
parasiten in Kamerun. Deutsche med. Wochenschr. 1900. No. 25. S. 399. 
Trotzdem Kamerun, eine der gefährlichsten Malariagegenden, wenig- 
stens an den Küstenplätzen wenig von Mosquitos heimgesucht ist, gelang 


Infektionskrankheiten. 353 


es doch Verf., nach und nach 13 verschiedene Mosquitoarten festzustellen 
sowobl von der Gattung Culex als von der Gattung Anopheles. Niemals 
warden Larven oder Puppen der Mosquitos in schneller fliessendem Wasser, 
niemals im Wasser der sich bei Fluth mit Meerwasser anfüllenden, gesund- 
heitlich sonst sehr verrufenen Creeks gefunden, immer nur, wie in Indien, 
in kleinen stehenden Wasseransammlungen. In Wässern mit 1,1 pCt. Kochsalz- 
gehalt wurden noch Larven und Puppen der Gattung Culex gefunden; ein 
höherer Salzgehalt scheint die Entwickelung der Mosquitos zu hemmen. In 
kleinen Tümpelo, die mit einer Kahmhaut bedeckt waren, fand keine Ent- 
wiekelung der Larven mehr statt. Dünne Schichten von Petroleum hinderten 
io kurzem die weitere Entwickelung, ja führten sogar schnelles Absterben 
herbei. Nach vielem erfolglosen Suchen gelang es Z., inficirte Anophelesarten 
zu finden. Ob die Mosquitostiche den einzigen Modus der Malariaübertragung 
darstellen, und ob der Mensch als einziges Wirbelthier den Malariaparasiten 
beberbergt, darüber sind nach Z. noch weitere Untersuchungen notkwendig; 
überhaupt hält Verf. eine kühle, vorsichtige Behandlung dieser Frage für 
angebracht. Dieudonné (Würzburg). 


Koch R., Vierter Bericht über die Thätigkeit der Malaria-Expedi- 
tion, die Monate März und April 1900 umfassend. Deutsche med. 
Wochenschrift. 1900. No. 25. S. 397. 

In seinem dritten Berichte (vergl. diese Zeitschr. 1001. S. 25) hatte 
Koch mitgetheilt, dass es mit Erfolg versucht worden sei, durch Vertilgung 
der Malariaparasiten im Menschen die Malaria zum Verschwinden zu bringen. 
Dieser Erfolg erwies sich als kein vorübergehender, sondern gestaltete sich 
im Laufe der nächsten Monate noch besser. Auch für die Prophylaxe erwiesen 
sich die Grundsätze, die sich bei der Behandlung so ausgezeichnet bewährten, 
sehr nützlich. Von der grössten Bedeutung für die Bekämpfung der Malaria 
sind die leichten und die im chronischen Stadium befindlichen Fälle, die kli- 
nisch gar nicht oder wenigstens nicht mit Sicherheit zu erkennen und nur 
durch das Auffinden der Parasiten im Blute als echte Malariafälle nachzu- 
weisen sind. Gerade diese leichten Fälle, die sich gar nicht an den Arzt 
wenden, verdienen bei der Bekämpfung der Krankheit, ebenso wie bei der 
Cholera, Pest u. a., die grösste Beachtung. Wollte man sich darauf be- 
schränken, nur diejenigen Kranken zu berücksichtigen, welche sich aus eige- 
nem Antriebe an den Arzt wenden, dann würde man nur einen Bruchtheil 
der Malariaparasiten beseitigen. Es bleibt also nichts anderes übrig, als 
alle Menschen, die nur einigermaassen verdächtig sind, Parasiten zu beher- 
bergen, also vor allem die Kinder und frisch eingewanderten Personen, von 
Zeit zu Zeit einer Blutuntersuchung zu unterziehen, um auch möglichst 
alle versteckten Fälle aufzufinden und unschädlich zu machen. Koch hält 
sich nach seinen Erfahrungen jetzt schon zu der Behauptung berechtigt, dass 
man im Stande sei, mit Hilfe des von ihm angegebenen Verfahrens jede Ma- 
lariagegend je nach den Verhältnissen ganz oder doch nahezu frei von Malaria 
zu machen. Voraussetzung dabei ist nur die erforderliche Zahl von Aerzten 
und eine ausreichende Menge von Chinin. 


354 Wohnungshygiene. 


Gelegentlich einer Bereisung der Küste von Deutsch-Neuguinea zeigte 
sich, dass dieselbe fast ganz verseucht ist. Dagegen giebt es in östlicher Rich- 
tung nach dem Archipel zu viele malariafreie Orte, und es scheint die Malaria 
noch nicht bis in diese Gegenden vorgedrungen zu sein. Diese Orte unter- 
scheiden sich in Bezug auf Klima, Boden, Vegetation, Wasser von anderen. 
stark verseuchten Orten nicht. Dieudonne (Würzburg). 


Meidinger, Wärmewirkung der Teppiche und Wärmewirkung der 
Doppelfenster. 

Ueber diese beiden in der Badischen Gewerbezeitung vom Unterzeichneten 
veröffentlichten Abhandlungen referirte Prof. Nussbaum auf S. 75 und 76 
dieser Zeitschrift 1901. Ich fühle mich veranlasst, Einiges darauf zu erwidern. 
Die Bemängelungen des Herrn Referenten in Bezug auf den ersten Artikel 
haben nur geringe Bedeutung. Im Hinblick auf die massiven Decken handelt 
es sich darum, ob dieselben bei Belag der Fussböden mit Teppichen in hervor- 
ragendem Grade weniger Wärme hindurchlassen, so dass der Einfluss auf die 
Durchwärmung des Zimmers ein bemerkenswerther ist. Da bei den gewöhn- 
lichen Balkendecken bei starker Erwärmung sich die Wirkung des Teppichs 
als Null erwies, so sah ich die Wirkung bei massiven Decken als nicht gross an. 
Nur ein exakter Versuch könnte die Grösse der Wirkung erkennen lassen. Die 
Frage ist bei uns in Baden obne jede praktische Bedeutung, da es massive Decken 
in Privathäusern meines Wissens keine giebt. — Die Geräuschlosigkeit bei 
Teppichbelag schloss ich unter den Begriff der ästhetischen Wirkung kurz eio, 
im Gegensatz zu der Wärmewirkung. Die ästhetische Wirkung kann sowohl aufs 
Auge wie aufs Obr gehen. — Dass die Strahlung der Wärme von der Decke 
nach dem Boden dessen Erwärmung bei Teppichbelag günstig beeinflusse, ist 
ein Irrthum; das Thermometer zeigte keinen Unterschied, ob es während des 
Heizversuchs auf dem Holzboden direkt oder auf dem Teppich lag. Es wäre 
doch merkwürdig, wenn Demjenigen, der den Einfluss der Deckenstrahlung 
auf die Bodenerwärmung zuerst erkannte und experimentell ausführlich nach- 
wies (s. den Artikel: „Heizung von Wohnräumen“ in dem Journal für 
Gasbeleuchtung und Wasserversorgung 1897, von No. 1 S.9 an in 11 Num- 
mern; sowie im Auszug in der Deutschen Vierteljahrsschrift für öffentliche 
Gesundheitspflege 1898, S. 264), der Unterschied einer Wirkung durch die 
bezügliche Beschaffenheit der Bodenfläche hätte entgehen sollen. (Allerdings 
findet ein solcher doch statt bei Steinboden, wie auf S. 278 letzterer Abhand- 
Jung zu ersehen.) 

Was die Wirkung der Doppelfenster anlangt, so ist am Anfang der 
Abhandlung in physikalisch korrekter Weise der Einfluss der Fenster (ein- 
facher wie doppelter) auf den Wärmeverlust eines geheizten Raumes darge- 
stellt worden; derselbe wurde um so grösser gefunden, je mehr durch die 
Fensterwand vorzugsweise oder allein Wärme nach aussen abgegeben wird. 
Unter gewöhnlichen Umständen der Heizung, wo ein bewohnter Raum nach 
den 6 Seiten nur theilweise an geheizte Räume anschliesst, konnte a priori 


Wohnungshygiene. 355 


die Wirkung eines nach innen oder aussen (wie vielfach bei uns) vorgesetzten 
Fensters als nicht gross angesehen werden, und solches wurde von mir expe- 
rimentell für zwei sehr verschiedene Räume bei starker Heizung nachgewiesen. 
Wenn Prof. Nussbaum in dem extremen Fall der Umgebung seines Wohn- 
raumes von lauter geheizten Räumen einen merklichen Unterschied in den 
Wärmegraden wahrnahm, je nachdem nur ein Fenster oder ein doppeltes 
den Abschluss bildete, so stimmt solches mit meinen Erörterungen ganz über- 
ein. Uebrigens hätten, wie bei meiner Abhandlung, die Verhältnisse der Ver- 
suchsanordnung und bestimmte Zahlen der Messungen angegeben werden müssen, 
um die Bedeutung der Wirkung daraus zu erkennen. Der Physiker verfährt 
hier sehr korrekt. — Die Schlüsse, welche ich im Hinblick auf die Verwen- 
dung der Doppelfenster zog, beziehen sich auf unseren Süden, wo wir selten 
anhaltende niedrige Wintertemperaturen haben. Die von mir herausgegebene 
„Badische Gewerbezeitung“ ist ein Lokalblatt; wenn ich darin schreibe „bei 
nns“, so sind die Verhältnisse des Landes gemeint, nicht zugleich die im 
hohen Norden. Wir hatten während dreier Winter nur wenig Eis; dieser Winter 
war (Januar und Februar) verhältnissmässig streng, und doch ging die Tempe- 
ratur während der beiden Kälteperioden nicht unter 16° ©. Ein gefrorenes 
Fenster habe ich in meiner Wohnung bei einem nach Norden gehenden ge- 
heizten Balkonzimmer mit einfachen Fensterthüren noch nicht gesehen, wäh- 
rend bei den mit diesem Zimmer offen zusammenhängenden gleichtemperirten 
Räumen mit Doppelfenstern nach Süden die äusseren Fenster jede Nacht sich 
mit (am Tage durch die Sonnenwirkung wieder wegschmelzendem) Eis be- 
schlugen in Folge des Umstandes, dass die inneren Fenster nicht völlig dicht 
schliessen, wodurch eine schwache Cirkulation der Zimmerluft nach dem 
Zwischenraum möglich war. Daraus folgt nun, dass bei uns im Süden (in 
der Rbeinebene) die Wirkung der Doppelfenster, bei gutem Schluss den Eis- 
ansatz an die Scheiben in bewohnten Räumen zu verhindern, ganz ausser 
Betracht fällt (doppelte Einglasung ist hier unbekannt). Ebenso wird der 
Hinweis auf die Verminderung des Geräusches von der Strasse durch Doppel- 
fenster, was bei einigen Procent aller Fälle zutreffen wird, gewiss nur selten 
bestimmend auf deren Anlage wirken. Mit der Gesundheit haben diese Wir- 
kungen der Doppelfenster wohl nichts zu thun. 

Ich kann zum Schluss bemerken, dass ich von den beiden erwähnten 
Abhandlungen noch einige Separatabzüge besitze, welche ich denen, die sich 
für diese Frage besonders interessiren, gern zur Verfügung stellen werde. 

H. Meidinger (Karlsruhe). 


Auf die obenstehende Entgegnung meiner Berichterstattung habe ich 
Folgendes zu erwidern: 

Es scheint Hofrath Meidinger entgangen zu sein, dass die Bauart der 
Wohngebäude in Deutschland während der letzten Jahrzehnte bedeutsame 
Wandlungen durchgemacht hat: Massive Zwischendecken bilden gegenwärtig 
für bessere Anlagen vielerorts die Regel, nicht eine seltene Ausnahme, dürften 
mit der Zeit auch in Baden sich einbürgern, und die im heutigen Städtebau 
üblichste Anordnung der Häuser in geschlossener Zeile mit je mindestens 


356 Gewerbehygiene. 


einer Wohnung in jedem Geschoss erhebt fast allgemein die Fensterwand als 
zumeist einzige Aussenwand eines Zimmers in Hinsicht auf Wärmeabgabe und 
Wärmeaufnahme zu einer ganz wesentlich höheren Bedeutung als alle übrigen 
Umfassungsflächen desselben. Dort, wo Sammelheizungen benutzt werden — 
und das ist doch wobl kein extremer Fall — kommt sie allein hierfür in 
Frage. 

Wenn ferner Hofrath Meidinger eingehende Beobachtungen über Schwitz- 
wasser- und Eisblumenbildung an einfachen Fenstern nicht gemacht hat, so 
kann das die Bedeutung der Doppelfenster und der von mir in das Bauwesen 
eingeführten doppelten Einglasung einfacher Fenster als Mittel zu deren Ver- 
meidung kauın beeinträchtigen. 

Dass ein Teppich mit seiner rauben, oft sogar aus hochgerichteten Fäden 
bestehenden Oberfläche aus Strahlung nur die gleichen Wärmemengen auf- 
nehme wie ein glatt gebohnerter Holzfussboden, bestreite ich — auch dem 
Physiker gegenüber — auf Grund allgemein anerkannter physikalischer Ge- 
setze wie auf Grund meiner Beobachtungen. In einem hochgradig erwärmten 
Zimmer werden derartige Beobachtungen allerdings nicht angestellt werden 
können, sondern nur während des Erwärmens eines kühlen Raumes; feine 
Unterschiede müssen gegenüber den als kraftvolle Wärmespeicher wirkenden 
Wänden im ersteren Falle verloren gehen. 

Endlich bin ich nach wie vor der Ansicht, dass das Fernhalten des durch 
lebhaften Strassenverkehr hervorgerufenen Geräusches von Wohn- und Schlaf- 
zimmern, sowie von Räumen, welche angestrengter geistiger Thätigkeit dienen, 
gesundheitliche Bedeutung besitze. H. Chr. Nussbaum (Hannover). 


Bertarelli E., Ricerche intorno ai nuovi fiammiferi a base di acido 
persolfocianico. Communicazione fatta alla Società Piemontese d’Igiene 
nella seduta del 27 giugno 1899. Torino. Stabilimento fratelli Pozzo 1899. 

Nach einer historischen Einleitung, in welcher der Verf. einen Ueberblick 
giebt über die Herstellungsweise der Zündhölzchen in den vorausge- 
gangenen Jahrzehnten, bespricht Bertarelli die Schädlichkeit des Phos- 
phors und erwähnt die Bestrebungen, welche zur möglichsten Hintanbaltung 
der Phosphorerkrankungen in den einzelnen Staaten gemacht worden sind. 
Da trotz aller Vorsichtsmaassregeln das Auftreten von Phosphornekrosen sich 
nie ganz wird vermeiden lassen, so muss darnach gestrebt werden, eine Zünd- 
masse zu finden, in welchem dieser gefährliche Körper nicht vorhanden ist. 
Bei seinen Studien über die Sulfocyanate hat sich nun der Autor auch mit 
der Persulfocyansäure (CNSH),S beschäftigt und glaubt in diesem Körper 
eine Substanz gefunden zu haben, welche vielleicht im Stande ist, den Phos- 
pbor in der Zündmasse zu ersetzen. 

Die Persulfocyansäure ist ein krystallinischer Körper von gelber Farbe, 
leicht löslich in Alkohol und Aether, fast unlöslich in kaltem Wasser, der 
sich bei 2200 C. zersetzt. Dieser Körper kann leicht als Nebenprodukt der 
Gasfabrikation gewonnen werden, wenn man die Abwässer aus den Gasreini- 


Gewerbehygiene. 357 


gungsmassen, nachdem aus denselben das Berlinerblau dargestellt ist, mit 
HCI zersetzt. In diesen Abwässern, die gewöhnlich nicht weiter ausgenützt 
werden, ist nämlich die Sulfocyansäure zum Theil frei, zum Theil an Ammo- 
viak, Eisen oder Kalk gebunden vorhanden, und es findet bei Zugabe von 
HCI folgende Umsetzung statt: 
3 (NH,) CNS + 2 HCI = H,C;N;8; + 2 NH,CI + NH,CN. 
Bei Zusatz von überschüssiger Salzsäure ist der Vorgang folgender: 
3 (NH,) CNS -+ 3 HCI = HCI! + H,0,N,8; + 2 NH,C + NH,CN 

Die so gewonnene Persulfocyansäure wird gereinigt und getrocknet und 
stellt dann einen Körper dar, welcher nach den Untersuchungen des Iogenieurs 
Villavecchia grössere Haltbarkeit besitzt als die Phosphorzündmasse und 
keine Gefahr einer Explosion darbietet. Die Darstellung der neuen Zändmasse 
geschieht in der Weise, dass die Persulfocyansäure zuerst pulverisirt und dann 
mit Wasser, Antimontrisulfat und einer kleinen Menge Schwefel zu einem Teig 
angerührt wird, in welchen die Enden der geschwefelten oder paraffinirten 
Hölzchen eingetaucht werden. Die so präparirten Enden werden dann noch mit 
einer oxydirenden Schicht überzogen, welche aus einer Mischung von gestossenem 
Glas, Mangansuperoxyd, Kaliumbichromat, Kaliumchlorat und Gelatine be- 
steht. Diese neuen Zündhölzchen unterscheiden sich äusserlich fast in Nichts 
von den jetzt gebräuchlichen, sie besitzen nur ein grösseres Köpfchen und 
entzünden sich etwas schwerer, als die Phosphorhölzchen. Sie bieten aber 
dafür mannigfache Vortheile, indem sie sich fast ohne Knall entzünden, keine 
sinkenden Gase entwickeln, nicht hygroskopisch sind und nach den (haupt- 
såchlich an Hunden angestellten) Versuchen als völlig ungiftig bezeichnet 
werden können. B. hat auch versucht, ob sich beim Verbrennen der neuen 
Masse schädliche Gase, darunter namentlich Cyanverbindungen oder freies Cl 
entwickeln, konnte aber bei seinen darauf gerichteten Analysen der Verbrennungs- 
gase die völlige Unschädlichkeit derselben und die Abwesenheit von CN und 
CI feststellen. Der einzige Uebelstand, der eventuell gegen die Bereitung der 
neuen Zändmasse aus der Persulfocyansäure geltend gemacht werden könnte, 
ist der Umstand, dass bei der Behandlung der Mutterlauge mit überschüssiger 
HCI starke Salzsäuredämpfe auftreten, welche möglicherweise auf die Schleim- 
häute der Arbeiter schädigend wirken. Verf. glaubt jedoch, dass durch zweck- 
mässig angelegte Ventilationsvorrichtungen dieser Missstand entweder ganz be- 
seitigt werden kann oder doch wesentlich zu verbessern sein dürfte. 

Da die Bereitung der neuen Zündmasse aus der Persulfocyansäure in Folge 
der Billigkeit des Rohmaterials sehr wenig Kosten verursacht, sodass es mög- 
lich ist, die neuen Zündhölzchen billiger herzustellen, als die jetzt gebräuch- 
lichen, so ist Bertarelli der Ansicht, ein Versuch im Grossen zur Einführung 
dieser Neuerung sei um so mehr gerechtfertigt, als derselbe vielleicht zur 
völligen Verdrängung des giftigen Phosphors aus der Zündhölzchenindustrie 
führen könnte. Hammerl (Graz). 


358 Statisiik. Jahresberichte. 


Aychna, Joseph, Die Nativitäts- und Mortalitätsausweise der k.k. 
statist. Central-Kommission in Wien und des Kais. Gesundheits- 
amtes in Berlin. Selbstverlag. Prag 1900. 54 Seiten. . 

Die Universitätsstädte haben in Folge ihrer grossen Krankenhäuser eine 
höhere Sterblichkeit. Dies kommt besonders bei Prag mit seinen ausge- 
debnten Spitälern in Betracht. Der Abzug der in denselben als „ortsfremd* 
gestorbenen Personen von der Gesammtsterblichkeit genügt R. nicht, er ver- 
langt auch, dass bei den einzelnen Krankheiten die Zahl der Ortsfremden 
genannt werde, und dass die in der Gebäranstalt geborenen und hier oder in 
der Findelanstalt gestorbenen Kinder abgezogen werden. Die erste Forderung 
ist vollständig berechtigt, die zweite nur zum Theil. Von den 3203 in der 
Gebäranstalt in Prag im Jahre 1899 Geborenen kommen etwa 2000 auf orts- 
fremde Personen ($. 12). Die übrigen 1200 sind also in Prag gezeugt und 
ausgetragen und fallen jedenfalls dieser Stadt zur Last. Von diesen 1200 
starben eine kleine Anzahl bald nach der Geburt noch in Prag (S. 48), die 
übrigen werden wie die Kinder der ortsfremden Mütter sehr früh aufs Land 
gebracht, wo sie bis zur Vollendung des 6. Lebensjahres bleiben. Hierdarch 
wird die Mortalitätsziffer ganz erheblich vermindert; denn es starben von 
den 1200 Prag zugehörigen unehelichen Neugeborenen bis zum 6. Lebensjahre 
doch mindestens 500, welche also den in Prag Gestorbenen hinzugerechnet 
werden müssten; die Gesammtmortalität wäre also 1899 20,56 + 2,5 = 23,1. 
Der einfachste Ausweg, diese Schwierigkeit zu umgehen, wäre, den Antheil 
der Uebereinjährigen an der Sterbeziffer zu berechnen; er beträgt in Prag 1899 
mit Ausschluss der Vorstädter und Ortsfremden 16,8 pM. (nach S. 14). Sehr 
berechtigt ist die Forderung Rychna’s, dass bei dem Nachweis der Bevölke- 
rungsvorgänge in deutschen Orten mit 15000 und mehr Einwohnern unter 
den Todesursachen nicht nur die Lungenschwindsacht, sondern auch die Tuber- 
kulose anderer Organe aufgeführt werden sollte. 

R. geht von der Annahme aus, dass die Sterbeziffer, i. e. die Zabl der 
jährlich Gestorbenen bezogen auf 1000 Einwohner nach sorgfältigem Ausschloss 
der Ortsfremden und etwaiger Einbeziehung derer, die krank weggezogen und 
anderwärts gestorben sind, ein „Salubritätsindikator“ sei. Dies ist unrichtig; 
denn die Geburtsziffern, die Kindersterblichkeit und die Verschiedenheiten in 
der Altersbesetzung der Bevölkerung beeinflussen die Sterbeziffer so stark, 
dass die wahren gesundheitlichen Verhältnisse einer Stadt durch die Sterbe- 
ziffer allein, sei es mit, sei es ohne Ortsfremde, nicht zum Ausdruck kommen 
können. Es sind dies Punkte, die schon oft genug erörtert worden sind. 

Fr. Prinzing (Ulm a.D.). 


Verslag omtrent de verrichtingen van den gemeentelijken gezond- 
heitsdienst te Amsterdam over 1899. 
Der Bericht bringt in zahllosen Tabellen ein ausserordentlich reichhaltiges 
statistisches Material. Der erste Abschnitt handelt von der Untersuchung der 
Nahrungsmittel. Es wurden im Ganzen 92106 Besuche in Läden aus- 


Jahresberichte. 359 


geführt; dabei wurde 24 mal Unsauberkeit getadelt, 1690 mal wurden Waaren 
in Läden, auf Märkten oder bei Hausirern beanstandet. Die untaugliche 
Waare wurde je nach ihrer Art ganz oder theilweise unbrauchbar gemacht. 

Das Wasser der Duin- und Vecht-Wasserleitung wurde täglich, Brunnen- 
wasser (stammend aus einem Brunnen im alten Rathhaus) wöchentlich auf 
Farbe, Klarheit, Verbrauch an Chamäleonlösung, Chlor, totale Härte und schäd- 
liche Metalle untersucht. Zweimal wöchentlich wurden Anzahl und Sorten der 
Keime im Kubikcentimeter bestimmt; dazu wurden öfter an diesen Tagen aus- 
führliche chemische Analysen gemacht, welche sich auf feste Stoffe, Glühver- 
lust, Sulfate, zeitliche und bleibende Härte, Ammoniak, Nitrate und Nitrite, 
Phosphate und schädliche Metalle erstreckten. Lange Tabellen bringen die 
gefundenen Maximal-, Minimal- und Mittelwerthe für jeden Monat. 

Die Milch wurde untersucht bei 12 unter Aufsicht des ersten Schlacht- 
hausbeamten gemolkenen Kühen, in Molkereien, auf dem Markte und bei 
Milchhändiern. Ermittelt wurde das specifische Gewicht bei 15°, Fettgehalt, 
Verdampfungsrückstand und Asche, bei den Milchhändlern ferner die Reaktion; 
bei der Marktmilch sind in den Tabellen auch der Preis für 1 Liter, für 
1000 g Verdampfungsrückstand und für 100 g Butterfett angegeben. Hier- 
durch wird ersichtlich gemacht, dass für verdünnte Milch zu hohe Preise ver- 
langt wurden. Der mittlere Fettgehalt der Milch in den Jahren 1893 -- 1899 
betrug 3,27 pCt., der Gehalt an festen Stoffen 12 pCt. Schädliche Metallver- 
verbindungen oder Konservirungsmittel wurden niemals angetroffen. Bei der 
Untersuchung von Milchkonserveu, die sämmtlich als „bakterienfrei“, „steri- 
lisirt“ oder „pasteurisirt“ bezeichnet waren, erwies sich über die Hälfte als 
nicht keimfrei. 

Aus den Mittheilungen über die zahlreichen Untersuchungen der ver- 
schiedensten anderen Waaren dürften folgende Einzelheiten von Interesse sein. 
Bei 2429 Untersuchungen von Schweinefleisch fanden sich 9 mal Trichinen 
und zwar stets in amerikanischem Schinken. Unter 94 Siphons bezw. Kugel- 
flaschen mit künstlichem Mineralwasser war keine einzige steril. Bier 
warde unter 50 Malen 3 mal wegen Gehaltes an Salicylsäure beanstandet. 

Nicht so umfangreich ist das den ansteckenden Krankheiten gewid- 
mete Kapitel. An der Spitze stehen tabellarische Uebersichten der Krankheits- 
fälle, nach Monaten geordnet. Diphtherie gelangte im Ganzen 360 mal, Schar- 
lach 117 mal, Flecktyphus 12 mal zur Anzeige. Unter den 769 ausgeführten 
Desinfektionen stehen 219 wegen Typhus, 177 wegen Tuberkulose und 114 
wegen Scharlach voran, dann erst folgt Diphtherie mit 69 Desinfektionen. 
Einige Tabellen geben dann noch Aufschluss über Vertheilung der Erkran- 
kungen auf Familien und Häuser, über Schulversäumniss der Kinder zur Ver- 
hütung der Ansteckung, über die Mortalität im Verhältniss zur Morbidität bei 
Typhus (16,7 pCt.) und Diphtherie (10,5 pCt.). Für verschiedene Erkrankungen 
an Typhus konnte — wie übrigens bereits in früheren Jahren — wieder mit 
grosser Wahrscheinlichkeit die Kuhmilch als Infektionsquelle angesprochen 
werden, und zwar in Folge Spülens der Milchgefässe mit Wasser aus Gräben 
und Fiussläufen, die mit menschlichen Exkrementen verunreinigt waren. 

Der letzte Abschnitt befasst sich mit der hygienischen Untersuchung 


360 Verschiedenes. Kleinere Mittheilungen. 


bebauter Grundstücke. Zunächst wird über eine Anzahl Prüfungen be- 
richtet, veranlasst durch Erlaubnissgesuche zu Einrichtungen, die möglicher- 
weise hygienische Bedenken verursachen konnten, wie Ställe, Fabrikanlagen 
u.s. w. Es folgen Berichte über Untersuchungen und Maassnahmen bei Klagen 
über schlechte Wohnungsverhältnisse, grösstentheils verursacht durch mangel- 
hafte Entfernung der Abfallstoffe und Baufälligkeit der Häuser. Den Schluss 
bilden systematische Wohnungsuntersuchungen, die Fortsetzung umfassender, 
in den vorigen Jahren begonnener Prüfungen von Häusern 'in Stadtvierteln, 
wo schlechte Wohnungsverhältnisse vermuthet wurden. Lange Tabellen bringen 
ein reiches, hygienisch wie volkswirthschaftlich interessantes Material über Lage 
der Häuser, Art der Wohnungen, Anzahl der Räume und ihrer Bewohner, An- 
zahl der genügenden und der unzureichenden Wohnungen, Wohnungspreise, 
Luftraum und Ventilation, Licht, Wasserversorgung, Fäkalienabfuhr, Sauberkeit 
u.s.w. Auf Grund der angestellten Erhebungen wurden 74 Parzellen ganz 
oder theilweise für unbewohnbar erklärt. Beitzke (Halle a.S.). 


Gley E. et Bourcet P., Présence de I’jode dans le sang. Compt. rend. 
T. 131. No. 25. p. 1721. 

Verff. haben Untersuchungen über die im Blute befindlichen Jodmengen 
angestellt; sie bedienten sich dabei der von Bourcet beschriebenen (Compt. 
rend. T. 128. p. 1120) Untersuchungsmethode, welche gestattet, sehr kleine 
Jodmengen in einer grösseren Substanzmenge nachzuweisen. Im Blute von 
7 Hunden verschiedener Rasse und verschiedenen Alters gelang es in der 
That, dieses Element aufzufinden, und zwar schwankten die Zahlen zwischen 
0,013 und 0,112 mg pro Liter. 

Weitere Versuche ergaben dann, dass das Jod nicht an die rothen Blut- 
körperchen, resp. an das Blutkoagulum gebunden ist, sondern sich im Serum 
gelöst befindet; da ferner das Jod nicht durch dialysirende Membranen hin- 
durchtritt, so muss man annehmen, dass es an die Eiweisskörper des Se- 
rums gebunden, also im Blute in einer ähnlichen Form enthalten ist, wie in 
der Schilddrüse. Paul Müller (Graz). 


Kleinere Mittheilungen. 


(G) In dem Reichs-Seuchengesetz ist die Bildung eines Reichs-Gesundheits- 
raths in Verbindung mit dem Kaiserlichen Gesundheitsamt vorgesehen. Zu Mitgliedern 
dieser neuen Körperschaft sind mehr denn 70, den verschiedenen Theilen des Reichs 
angehörende hervorragende Mediciner, Chemiker, Verwaltungsbeamte, Veterinäre, Tech- 
niker und Vertreter der hauptsächlich betheiligten Erwerbszweige vom Bundesrath ge- 
wählt worden. — Am 20.März d.J. ist der Reichs-Gesundheitsrath in seiner Gesammt- 
heit behufs Aufnahme seiner Arbeiten in feierlicher Sitzung zusammengetreten. Die 
letztere fand im Sitzungssaale des Kaiserlichen Gesundheitsamtes statt und wurde, wie 
uns seitens des Kaiserlichen Gesundheitsamtes mitgetheilt wird, durch folgende An- 
sprache des Staatssekretärs des Innern, Staatsministers Dr. Grafen von Posa- 
dowsky-Wehner eröffnet. 


Kleinere Mittheilungen. 361 


„Meine hochgeehrten Herren! Ich gestatte mir, Ihnen zunächst meinen Dank dafür 
auszusprechen, dass Sie dem Rufe Folge geleistet haben, Ihre wissenschaftlichen und 
technischen Kenntnisse sowie Ihre Erfahrungen auf dem Gebiet praktischer Verwal- 
tung in den Dienst einer der vornehmsten, ja vielleicht der wichtigsten Aufgaben 
staatlicher Fürsorge zu stellen. Es ist das sicherste Zeichen für den sittlichen und 
wirthschaftlichen Fortschritt eines Volkes, wenn sich in demselben die Erkenntniss 
vertieft nicht nur von der ethischen, sondern auch von der volkswirthschaftlichen Be- 
deutung jedes einzelnen Mitmenschen für die Gesammtheit, und zwar dementsprechend 
auch die Werthschätzung dps Menschenlebens sowohl seitens des Staats wie seitens 
sämmtlicher Volksgenossen in immer höherem Maasse wächst. Aus diesem mödernen 
Bewusstsein heraus ist, gestützt auf die Vollmachten der Reichsverfassung, das Gesetz 
ergangen, welchem der Reichs-Gesundheitsrath seine Entstehung verdankt. Es ist ein 
ebenso weites wie dankbares Feld der Thätigkeit, was sich Ihnen, meine hochgeehrten 
Herren, heute eröffnet. Es wird nicht nur Ihre Aufgabe sein, die deutschen Regie- 
rungen in dem Kampfe zu unterstützen gegen verheerende Volksseuchen, deren Ge- 
fahren durch die Steigerung unseres Verkehrs mit fremden Ländern bedenklich zu- 
nehmen; Sie werden vielmehr auch die verbündeten Rogierungen mit ihrer Sachkennt- 
niss zu berathen haben auf den wichtigsten Gebieten unseres Volkslebens; die Woh- 
nungsfrage, ebenso wie die Fragen der Ernährung, des gewerblichen Arbeiterschutzes, 
der Vertheidigung unserer schönen deutschen Ströme gegen die nachtheiligen Einflüsse 
einer schnell wachsenden Bevölkerung und einer fortgesetzt gesteigerten gewerblichen 
Thätigkeit wird Ihrer gutachtlichen Beschlussfassung unterliegen. Aus Ihren Be- 
rathungen werden weittragende Anregungen hervorgehen für die hygienischen Maass- 
regeln in Staat und Gemeinde. Gesundheit bedeutet Schaffenskraft und Arbeitsfreu- 
digkeit nicht nur für den einzelnen Menschen, sondern auch für ein ganzes Volk, 
welches mit zunehmendem äusseren Wohlbefinden in gleichem Maasse befähigt wird, 
die ihm durch seine Geschichte und die natürlichen Bedingungen des Landes zuge- 
wiesenen Aufgaben zu erfüllen. 

Wenn das Samenkorn, das Sie von dieser Stelle ausstreuen werden, überall in 
deutschen Landen auf fruchtbaren Boden fällt, so werden Sie nicht nur der körper- 
lichen Gesundheit unseres Volkes wichtige Dienste leisten, sondern auch zur sittlichen 
und wirthschaftlichen Stärkung desselben wesentlich beitragen. Möchten Ihre Arbeiten 
dazu führen, dass die Thätigkeit des deutschen Staatswesens auch auf hygienischem 
Gebiet als eine musterhafte und bahnbrechende allgemein anerkannt wird! DieSchwer- 
kraft Ihrer Körperschaft wird nicht von dem Buchstaben einer geschriebenen Anwei- 
sung abhängen, sondern von der werbenden, schöpferischen Kraft siegreicher wissen- 
sehaftlicherErkenntniss. In dieserZuversicht bitte ich Sie, an die Lösung Ihrer grossen 
Aufgaben heranzutreten.“ 

In seiner Erwiderung auf die vorstehende Ansprache brachte der Vorsitzende des 
Reichs-Gesundheitsrathes, Präsident des Kaiserlichen Gesundheitsamtes, Wirklicher 
Geheimer Ober-Regierungsrath Dr. Köhler zunächst den Dank der versammelten Mit- 
glieder des Reichs-Gesundheitsrathes für die Worte des Staatssekretärs zum Ausdruck 
und gabdaran anschliessend einen kurzen Rückblick auf dieGeschichte des vor 25.Jahren 
tim Jahre 1876) begründeten Kaiserlichen Gesundheitsamtes und auf die Vorgeschichte 
der Entstehung des Reichs-Gesundheitsrathes. Mit einem Hoch auf den Kaiser schloss 
der Vorsitzende. 

Nachdem hierauf die einzelnen Mitglieder von dem Vorsitzenden gemäss der Ge- 
schäftsordnung verpflichtet worden waren, gedachte der Vorsitzende mit ehrenden 
Worten des vor wenigen Tagen verstorbenen Mitgliedes der Versammlung, Oberin- 
genieurs F. Andreas Meyer aus Hamburg. 


362 Kleinere Mittheilungen. 


Der Schwerpunkt der Verhandlungen wird weiterhin voraussichtlich in den Aus- 
schüssen liegen. In der Geschäftsordnung sind deren neun vorgesehen; es sind 
dies die Ausschüsse für 

1. Gesundheitswesen im Allgemeinen, insbesondere soweit Wohnung, Heizung. 
Lüftung, Beleuchtung, Bekleidung, Schule, Bäder, Bestattung und Beförderung von 
Leichen in Betracht kommen; 

2. Ernährungswesen, ausschliesslich Fleischbeschau: . 

3. Wasserversorgung und Beseitigung der Abfallstoffe, einschliesslich der Rein- 
haltung von Gewässern; 

4. Gewerbehygiene; 

5. Seuchenbekämpfung, einschliesslich Desinfektion: 

6. Heilwesen im Allgemeinen. insbesondere Unterbringung, Behandlung und 
Beförderung von Kranken, Angelegenheiten des Heilpersonals; 

T. Heilmittel, einschliesslich des Verkehrs mit Giften; 

8. Schiffs- und Tropenhygiene; 

9. Veterinärwesen, einschliesslich Thierseuchenstatistik. Angelegenheiten des 
Veterinärpersonals und Pleischbeschau. 

Die Mitglieder des Reichs-Gesundbheitsrathes wurden im Einzelnen auf diese Aus- 
schüsse vertheilt und gleichzeitig beschlossen, ständige Unterausschüsse zu bilden 
zu 1: für Wohnungswesen; zu 2: für Nahrungsmittelchemie; zu 3: je für Wasserversor- 
gung und für Beseitigung der Abfallstoffe; zu 5: je für Pocken und Impfwesen, für 
Pest, für Tuberkulose und für Desinfektion; zu 7: je ein medicinischer und ein phar- 
maceutischer Unterausschuss für das Arzneibuch, sowie ein solcher für den Verkehr 
mit Arznei- u. s. w. Mitteln innerhalb und ausserhalb der Apotheken einschliesslich 
des Verkehrs mit Giften; zu 9: für Fleischbeschau. Auch die Mitglieder dieser Unter- 
ausschüsse wurden im Einzelnen bestimnit. 


(G) Zu dem am 16.—19. April d.J. in Berlin tagenden 19.Kongress für innere 
Modicin (vergl. diese Zeitschi. S. 150) sind noch eine Reihe von weiteren Vorträgen 
angemeldet, unter denen wir die folgenden hervorheben: Jacob-Cudowa: Pulswelle 
und Blutdruck im kohlensauren Bade, nach demselben, nach Douchen und Moorbädern, 
sowie Wirkung derselben auf den Herzmuskel; Paul Mayer-Berlin-Carlsbad: Ueber 
den Abbau des Zuckers im Organismus; Hansemann-Berlin: Ueber Lungensyphilis 
(mit Demonstrationen); I'h. Soemmerfeld-Berlin: Pathologisch-anatomische Beiträge 
zur initialen Phthise; A. Baginsky-Berlin: Ueber einen konstanten Bakterienbefund 
bei Scharlach; Fritz Meyer-Berlin: Zur Bakteriologie des akuten Gelenkrheumatis- 
mus; Blum-Frankfurt a. M.: Ueber Nierenerkrankung bei ungenügender Entgiftung 
enterogener Autointoxikationen; Asher-Bern: Eine neue Methode zur Untersuchung 
des intermediären Stoffwechsels und über die Bildung der Milchsäure im Blute. Brat- 
Rummelsburg-Berlin: Ueber die Bedeutung des Leimes als Nährmittel und ein neues 
Nährpräparat als Gelatine; Klug-Johannisbad: Der Hausschwamm, ein pathogener 
Parasit des menschlichen Körpers; Scheier-Berlin: Ueber Rhinosklerom (mit Kran- 
kenvorstellung; Rosenqvist-Helsingfors: Einiges über den Stoffwechsel bei der per- 
nieiösen, speciell der durch Bothriocephalus latus hervorgerufenen Anämie. 

Mit dem Kongresse ist eine Ausstellung, betreffend Hülfsmittel für die medi- 
einische Diagnostik, verbunden. 


(G) Vom 9.—14. April d. J. findet zu Wien der VIII. internationale Kon- 
gress gegen den Alkoholismus statt. Anfragen und Anmeldungen sind zu rich- 
ten an das Bureau des Kongresses: Wien, IX/3, Schwarzspanierstr. 17 (Obmann des 
Organisations-Comites: Hofrath Prof. Dr. Max Gruber). 


Kleinere Mittheilungen. 363 


Zur Theilnahme an den Verhandlungen des Kongresses ist berechtigt, wer den 
Mitgliedsbeitrag von 6 Kronen erlegt hat; ausserdem werden zu Beginn des Kongresses 
für die ganze Dauer desselben geltende Zuhörerkarten zu einer Krone ausgegeben werden. 
Der Mitgliedsbeitrag berechtigt zum Bezug der Kongressberichte. 


(J) Im Januar 1901 hatten unter 279 deutschen Orten mit 15000 und mehr Ein- 
wohnern eine höhere Sterblichkeit als 35,0 (auf je 1000 Einwohner und aufs Jahr be- 
rechnet): 1 gegenüber 4 im December 1900, eine geringere als 15 pM.: 23 gegenüber 
4 im Vormonat. Mehr Säuglinge als 333,3 auf je 1000 Lebendgeborene starben in 
9 Orten gegen 7, weniger als 200,0 in 194 gegen 197 im December 1900. 

(Veröff. d. Kais. Ges.-A. S. 199.) 

Stand der Seuchen. Nach den Veröffentlichungen des Kaiserlichen Gesund- 
heitsamtes. 1901. No. 9 u. 10. 

A. Stand der Pest. I. Russland. 21. 2. Die Pestkommission veröffentlicht 
ine Erklärung, nach der das gesammte Südostgebiet des russischen Reiches als 
seuchefrei betrachtet wird. In Tekebai-Tubeck und Merek sind seit dem Aus- 
bruch der Seuche bis zum 24. Januar 1901 im Ganzen 136 Erkrankungen mit 134 Todes- 
fällen vogekommen. Am 25. 1. wurden die verseuchten Erdwohnungen desinfieirt und 
am 8. 2. die Abschliessung aufgehoben. II. Türkei. Smyrna. Bei dem am 3. 2. unter 
Pestrerdacht gestorbenen Kranken siud im Blute Pestbacillen festgestellt worden. 
Weitere Erkrankungen sind nicht gemeldet. II. Britisch-Ostindien. Präsident- 
schaft Bombay. 20.—26. 1.: 996 Neuerkrankungen, 782 Todesfälle. 27. 1.—2. 2.: 
1251 Neuerkrankungen, 979 Todesfälle. Stadt Bombay. 20.—26. 1.: 515 Neuer- 
krankungen, unter 1384 Sterbefällen 437 erweislich durch die Pest verursacht. 27. 1. 
bis 2, 2.:747 Neuerkrankungen, 636 Todesfälle. 28. 1.: Aus Karachi, das seit Mo- 
naten als pestfrei galt, wırd ein Pestfall gemeldet. Die Seuche soll im Zunehmen be- 
griffen sein. IV. Straits Settlements. Singapore. 15. 1.: 1 Todesfall. V.Hong- 
kong. Im December 1900: 2 Pestfälle, 1 tödtlich. 1.—12. 1. 1901: 3 Pesttodesfälle. 
VI. Reunion. 1.—16. 2.: 7 Neuerkrankungen, 5 davon tödtlich. VII. Argentinien. 
Nitte Januar sollen in San Nicolas 3 pestverdächtige Fälle beobachtet worden sein, 
von denen 2 tödtlich verliefen. VII. Queensland. Brisbane. 2. 3.: Ein neuer 
Pestfall. 

B. Zeitweilige Maassregeln gegen Pest. 1.Hamburg: DiePolizeibehörde 
hat unter dem 17. 12. 1900 eine Bekanntmachung betreffend Vernichtung der 
Ratten erlassen, nach der sämmtliche Polizei- und Hafenpolizeiwachen angewiesen 
werden, im Stadtbezirk Hamburg getödtete Ratten in Empfang zu nehmen und für 
jede bis zum 6. Januar 1901 eingelieferte todte Ratte dem Ueberbringer eine Prämie 
von 5Pfg. zu zahlen. 2. Deutsches Reich. Nach einer Bekanntmachung des Reichs- 
kanzlers vom 1. 3. ist die Ein- und Durchfuhr von Leibwäsche, alten und getragenen 
Kleidungsstücken, gebrauchtem Bettzeuge, Hadern und Lumpen jeder Art aus Kap- 
land und der Kolonie Natal verboten. 

C. Stand der Cholera. I. Britisch-Ostindien. Kalkutta. 13.—26. 1.: 
5: Todesfälle. 27.1.—2.2.: 13 Todesfälle. II. Straits-Settlements. Singapore. 
9.—22. 1: 34 Erkrankungen, 23 Todesfälle. 

D. Stand der Pocken. In Jerusalem herrschte seit August v.J. eine wahr- 
scheinlich aus Aegypten eingeschleppte Pockenepidemie, die in den folgenden Monaten 
erheblich zunahm und im November ihren Höhepunkt erreichte. Seitdem im November 
die Regierung die Wiederimpfung strenger durchzuführen sucht, hat die Epidemie, 
wie berichtet wird, rasch abgenommen. Jacobitz (Halle a. S.). 


Beilage zur „Hygienischen Rundschau, 
XI. Jahrgang. Berlin, 1. April 1901. h. 1. i 


Verhandlungen der Deutschen Gesellschaft für ößentliche Gesundheitsplege 
zu Berlin?) 


Sitzung vom 10. December 1900. Vorsitzender: Herr Marggraff, Schrift- 
führer: Herr Proskauer. 


Herr Marggraff eröffnete die Sitzung mit einem warmen Nachruf, den er 
dem verewigten Vorsitzenden des Vereins, Herrn Geh. Ober-Reg.-Rath Spinola, 
widmete. Es gedachte rüähmend des unermüdlichen Eifers, mit dem der Ver- 
blichene sich den Zwecken der Gesellschaft dienstbar erwies, und sprach dem 
dahingeschiedenen Freunde, der 14 Jahre hindurch den Verein geleitet hatte, 
den herzlichsten Dank für seine Thätigkeit aus. Im Januar kommenden Jahres 
soll eine Trauerfeier für den Verstorbenen abgehalten werden, zu der Herr 
Generalarzt Dr. Schaper die Gedenkrede zugesagt hat. 

Die Anwesenden ehren das Andenken ihres verstorbenen Vorsitzenden durch 
Erheben von den Sitzen. 


Alsdann trat die Versammlung in die Tagesordnung ein und Herr Radzit- 
jewski hielt seinen angekündigten Vortrag: „Auge und Berufswahl“. 


Geschichtliches. 


Von Alters her widmete die Menschheit, wie es sich durch die ältesten 
Ueberlieferungen feststellen lässt, dem Auge und seinem Einfluss auf die Ent- 
wickelung des Individuums ihre vollste Aufmerksamkeit; Edda nnd Bibel, 
ägyptische Pergamente, griechische, römische, germanische Traditionen berichten 
ebenso von Macht und Schönheit der Augen wie auch von dem Üntergang 
durch Verlust oder Schwäche der Sehwerkzeuge ihrer Helden. Waren jedoch 
in jenen grauen Epochen diese Empfindungen für den Werth des Auges mehr 
instinktiv und ohne klarere Vorstellung, so zeigen sich uns desto mehr in 
den uns bereits zugänglichen geschichtlichen Folgezeiten schon mannichfache 
Versuche und Bestrebungen von gewissermaassen bereits wissenschaftlich 
denkenden Männern und Schulen, welche auf Erkenntniss und Erhaltung dieses 
überaus wichtigen Organes, des Auges, gerichtet sind. (Das Ausführliche über 
diesen Gegenstand finden wir in der besten neuzeitigen Darstellung von Prof. 
Julius Hirschberg in seiner „Geschichte der Augenheilkunde im Alterthum“ 
des 12. Bandes von Gräfe-Sämisch.) 

Allein so eifrig die Bemühungen und die hygienische Fürsorge der Alten 
auch waren, eines fehlte ihnen gänzlich und entging selbst den Kulturträgern 


1) Alle auf die Herausgabe der Verhandlungen der Deutschen Gesellschaft für 
öffentliche Gesundheitspflege zu Berlin bezüglichen Einsendungen u. s. w. werden at 
die Adresse des Schriftführers der Gesellschaft, Prof. Proskauer, Charlottenburg. 
Uhlandstr. 1S4, I, erbeten. Die Herren Autoren tragen die Verantwortung für Form 
und Inhalt ihrer Mittheilungen. 


Verhandl. der Deutschen Gesellschaft für öff. Gesundheitspfl. zu Berlin. 365 


des Mittelalters, den Mönchen, nämlich Kenntniss und Anwendung der Physik, 
namentlich der Optik. Sahen sie doch u. A. z. B. Schwäche der Innervation 
als Grund der Kurzsichtigkeit an. Erst ein Keppler fand 1604 die richtige 
Erklärung der Refraktion, und 1719 besprach Pemberton zuerst die Deutung 
der Akkomodation. Welche Lehren sollten wir da wohl von einem Hippo- 
krates, Celsus, Galenus, Aetius, Paulus von Aegina erwarten? 

Erst unserer neuesten Zeit mit ihren ins Unermessliche wachsenden socialen 
Anforderungen war es vorbehalten, die Aufmerksamkeit auch auf die Fähig- 
keiten nicht nur des Geistes, sondern auch des Körpers und vornehmlich auch 
der Augen zu lenken, um für die täglich sich steigernden Aufgaben geeignete, 
möglichst dauerhafte Arbeiter zu finden und auszubilden. Und war es nicht 
bei den ungeahnten Fortschritten der Technik, des Handels und Verkehrs die 
höchste Zeit, sich den Zielen und Zwecken zuzuwenden, welche der Erhaltung 
und Entwickelung der Menschheit selbst gewidmet sind? Sollte der Geist sich 
entfalten können, musste der Körper standhaft sein! Und welches Organ wird 
wobl durch die tägliche Arbeit mehr in Anspruch genommen als das Auge, 
das sich in jedem Augenblick selbstthätig bewegen, für jede der unzähligen 
Situationen sofort anders einstellen und das Wahrgenommene dem Gehirn zum 
Bewusstsein bringen muss? 

Unkenntniss also der Altvordern und geringeres Verständniss für die wich- 
tigsten Lebensaufgaben war wohl Schuld daran gewesen, dass Schonungs- 
und Vorsichtsmaassregeln für Erhaltung der Augen schliesslich erst in den 
Jüngsten Decennien aufgestellt worden sind. Dazu kam ferner die Seltenheit 
des Brillentragens, der wohl noch etwas hohe Preis derselben und endlich eine 
Erscheinung, welche noch bis auf den heutigen Tag mit aller Macht bekämpft 
werden muss, der Indifferentismus der grossen Menge, die nur dem Zwange 
und der vielfach wiederholten eindringlichen Lehre gehorcht. 

Beim Militär musste natürlich der Schwachsichtige zuerst auffallen, doch 
findet sich unter den Armeebefehlen des 18. Jahrhunderts seitens der preussi- 
schen Könige nur die Anweisung für die Officiere, im Dienste keine Brille zu 
tragen. Wahrscheinlich wird von den Mannschaften niemand so gebildet oder 
in pekuniärer Lage gewesen seip, seine Augen vorher untersuchen zu lassen 
resp. sich eine Brille anzuschaffen. Erst im 19. Jahrhundert wird zunächst 
bei den Mannschaften darauf geachtet, dass sie im Dienst brillenfrei sind, 
weit späterhin wird auch das Brillentragen gestattet, schlieslich eventuell 
sogar anbefohlen. Doch die anderen Stände und Beschäftigungsgruppen blieben 
diesen Erwägurgen noch lange fern. 

Brauchte ja doch das Verständniss für die hohe Bedeutung des Turnens 
eine lange Reihe von Jahren, ehe es Gemeingut Aller wurde; nicht geringere 
Kämpfe haben jene Verfechter noch bis auf den heutigen Tag durchzumachen, 
die es sich angelegen sein lassen, in Wort und Schrift zu wiederholten Malen 
eindringlich und vernehmlich zu lehren: Achtet auf eure Augen! 


Neuere Untersuchungen. 


So selbstverständlich dieser Zuruf uns heute erscheinen mag, so kurze 
Zeit ist es befremdlicher Weise erst her, dass man ihn zu begreifen anfing. 


366 Verhandl. der Deutschen Gesellschaft für öff. Gesundheitspfl. zu Berlin. 


In England allerdings machte schon 1812 James Ware darauf aufmerksam, 
dass in Oxford 25 pCt. der Zöglinge des College Brillen trügen, duch achtete 
in Deutschland zunächst niemand darauf, wie es in unseren Schulen bestellt 
wäre. Erst vor ca. 30 Jahren gelang es dem Breslauer Professor Hermann 
Cohn bahnbrechend auf diesem für das Volkswohl mit wichtigsten Gebiete 
zu wirken; ihm gebührt die Palme, in Wort und Schrift unter vielen Mühen 
und Kämpfen, unter Widerspruch und mangelndem Verständniss besonders 
pädagogischer Gegner auf die Nothwendigkeit hingewiesen zu haben, die 
hygienischen Mängel abzustellen, die unseren Schuleinrichtungen aunhaften, 
unter denen schlechte Körperhaltung und Kurzsichtigkeit nicht die kleinste 
Rolle spielten. Es folgten dann ebenso ausführliche Schüleruntersuchungen 
von Hippel, Schmidt-Rimpler, Kirchner, Tscherning, welcbe sich 
jedoch mehr oder minder nur mit der eigentlichen Kurzsichtigkeit 
auf den Schulen befassten. 

Es waren dies ganz ausserordentlich verdienstvolle Untersuchungen, die 
schliesslich selbst den indifferentesten Laien stutzig machen mussten. Fanden 
sie doch ein Anwachsen der Kurzsichtigkeit unter den Schülern von Sexta bis 
Prima von 9—12 bis 40 pCt. und mehr. Solche Erscheinungen mussten dem 
Volkswirth zu denken geben! Welche Aussichten für die später zu erwählen- 
den Berufsarten, von welchen die meisten ein gut funktionirendes Auge ver- 
langen, besonders seitens der gebildeten Kreise, denen die geistig anstren- 
gendsten Beschäftigungen zufallen! Dazu kam noch, dass man der Schwach- 
sichtigen und Uebersichtigen noch gar nicht gedacht batte! Welch ein Verlust 
an Volkskraft und Volkswohl musste eine Fortsetzung derartig unhygienischer 
Zustände im Gefolge haben! 

Als nun endlich in Folge der Krankenkassen-Gesetzgebung alle arbeitenden 
Volksschichten Gelegenheit hatten, sich pünktlich und öfter ärztlich unter- 
suchen zu lassen, zeigte sich dem denkenden Arzte und aufmerksamen Beob- 
achter nur zu deutlich, welcher Schaden für den Wohlstand des Staates, der 
Familie, des Einzelnen vermieden werden könnte, wenn in nachdrücklicher 
und regelmässiger Weise durch regelmässige Untersuchung und Rath- 
schläge eingegriffen würde. 

Als erster, soweit es sich übersehen lässt, welcher in diesem Sinne seine 
ärztliche Thätigkeit auffasste, wenn er auch nur in einem begrenzten engeren 
Bezirk hierfür zu wirken Gelegenheit hatte, ist sicherlich der Berliner Professor 
Paul Silex zu nennen. Im Rummelsburger Waisenhaus führt er seit einem 
Decennium regelmässig Augenuntersuchungen durch und giebt den Zöglingen 
auf den später einzuschlageuden Lebensweg Anweisungen mit, aus denen sie 
ersehen können, ob sie sich für den gewählten Beruf eignen oder nicht. 

Auf etwas weiterem Gebiete waren es dann die Gründer des freiwilligen 
Erziehungsbeirathes für schulentlassene Waisen, welche in ihrer ausserordentlich 
geistvollen und geschickten Einrichtung ihrer Vereinsverfassung auch das Institut 
der fachmännischen Beiräthe schufen, deren Entscheidungen, auch auf wieder- 
holte Anregung in Wort und Schrift des Vortragenden hin (siehe Arbeit für 
Jugendfürsorge. 1900. No. 3), bei der Berufswahl der Pfleglinge allemal mit 
zu Grunde gelegt werden. 


Verhandl. der Deutschen Gesellschaft für öf. Gesundheitspil. zu Berlin. 367 


Was ist bisher und wird leider noch in dieser Hinsicht von Eltern und 
Vormündern gesündigt?! Wer, wie Vortragender, durch eine Reihe von Jahren 
in der Armenpraxis tbätig ist, mehrtausendfache Untersuchungen von Schul- 
kindern und Mitgliedern von Gewerkskrankenkassen gemacht hat, erlebt eben 
täglich die Enttäuschungen und Thränen der Eltern über die mangelnde Ent- 
wickelung und das Fortkommen der Kinder in der Schule oder im Beruf; er 
hört die Verzweiflung der in ihrer Carriere stagnirenden jungen Leute, und 
dieses alles ist hauptsächlich dadurch verschuldet, dass die Einen während der 
Schulzeit ärztlich nicht untersucht worden sind, ob sie körperlich resp. geistig 
den Anforderungen der Normalschule genügten, die anderen, weil sie sich schon 
vor Eintritt in den Beruf nicht ärztlich bestätigen liessen, ob sie auch hierfür 
geeignet wären. 

Eigene Bestrebungen. 

Der tägliche Umgang mit diesen Erscheinungen liess in Folge dessen in dem 
Vortragenden den Gedanken reifen, in exakter und wissenschaftlicher Weise 
wie im wahren socialen Interesse Untersuchungen von solchen Schülern anzu- 
stellen, welche im Begriff waren, die Schule zu verlassen, um in das praktische 
Leben überzutreten. Hier an diesem wichtigsten Scheidewege des Lebens 
wollte man dadurch erstens feststellen, wieviel Schüler sich für den gewählten 
Beruf eigneten oder nicht, zweitens eine Uebersichtstabelle gewinnen können, 
zu welcher Beschäftigung die entsprechenden Sehfunktionen noch ausreichten; 
denn derartig regelmässig durchgeführte Untersuchungen und Rathschläge sind 
erklärlicher Weise ein hohes Geschenk für den Einzelnen, sowie für den Staat, 
zu dessen Aufblüben derselbe beitragen soll! 

Dass derartige Untersuchungen möglich sind und ein dankenswerthes 
Resultat ergeben, hat Vortragender selbst gezeigt und damit wohl unstreitig 
mit beigetragen, das Interesse für dringende Anstellung von Schulärzten zu 
wecken und zu befestigen. 

Der Weg hierzu war jedoch nur durch die städtische Schuldeputation 
möglich. An dieselbe wandte ich mich im Herbst 1897, indem ich mich 
bereit erklärte, „zunächst unentgeltlich, alle Kinder, welche die Schule ver- 
lassen, um in das praktische Leben überzutreten, hinsichtlich ihrer Augen zu 
untersuchen, damit die Angehörigen an der Hand meines Untersuchungsbefundes 
und eventuellen Rathes sich leichter entscheiden könnten, ob der von dem 
Kinde gewählte oder der gewünschte Beruf nach dieser Richtung (der Sehleistung) 
ausgefüllt werden könnte“. Der Magistrat nahm meinen Vorschlag an und be- 
nachrichtigte auch die Rektoren davon. Auf diese Weise wurden wohl zum 
ersten Mal in Berlin auf den hiesigen Schulen, nach dieser bestimmten Richtung 
hin, zielbewusste Augenuntersuchungen in Scene gesetzt. 

Der ausführliche Bericht hierüber erschien in der Deutschen med. Presse 
1899 No. 18 und im Gemeindeblatt der Stadt Berlin 1899. Es wurden da- 
mals innerhalb zweier Jahre ca. 2700 Kinder im Alter von 7—14 Jahren 
untersucht, von denen 400 Abiturienten der Gemeindeschulen waren, und zwar 
mehr Knaben wie Mädchen; wohl deshalb, weil die Knaben eher und mehr 
ins Leben hinaustreten wie die Mädchen. 

Alle diese 2700 Kinder klagten über Augenbeschwerden irgend welcher 


368 Verhandl. der Deutschen Gesellschaft für öf. Gesundheitspfl. zu Berlin. 


Art; hierbei unterschieden sich die Abiturienten auffallend von der übrigen 
Menge. í 

Während 15 pCt. Normalsichtige und 85 pCt. Nichtnormalsichtige irgend- 
welcher Art an Abiturienten waren, zeigten die Anderen, die Jüngeren 32 pCt. 
Normalsichtige und 68 pCt. Nichtnormalsichtige. Wahrlich Zahlen, die zu 
denken geben, wenn man erwägt, dass ein Theil dieser Patienten eigentlich 
nicht wegen ihrer Sehschwäche, sondern wegen Entzündungen und anderer 
Beschwerden ihrer Augen Hilfe suchten, und diese Entdeckungen nur nebenbei 
gemacht wurden! Am auffallendsten aber war es, dass von den 400 zufällig 
untersuchten Abiturienten 60 pCt. den Beruf nicht ergreifen konnten, für den 
sie bestimmt waren. Hier war ihnen ärztliche Auskunft über alles wertb! 
Sie bewahrte sie vor verlorenen Lebensjahren, unnöthigen Geldausgaben, Thränen 
und Kummer der Eltern über die verlorene Zeit, verlorenen Lebensmuth und 
Lebensglück des Kindes! Es ist hier nicht der Ort, die in jenen Arbeiten 
ausgeführte Tabelle der Kurzsichtigen, Weitsichtigen, anderer Art Schwach- 
sichtigen, besonders in Folge von Astigmatismus oder Akkomodationskrampf. 
und die daraus resultirenden Lehren zu wiederholen; die vorgetragenen An- 
gaben beweisen hinreichend meine obigen Behauptungen und Forderungen. 
Denn die Schule ist die Basis, auf welcher sich das Individuum zum Beruf 
entwickelt; auch die ersten Lehrjahre wurzeln noch ziemlich fest in den Er- 
scheinungen der Kinderjahre. Hier auf diesem Grenzgebiet Untersuchungen 
anstellen, musste Klärung und Hinweise für praktische Hygiene bringen. 
Ich möchte die Worte hier wiederholen, die ich nach jenen umfangreichen 
und mühseligen Untersuchungen ausrufen durfte: „Wie schwierig und kompli- 
cirt oft diese Untersuchungen sind, weiss jeder, der sich wissenschaftlich und 
zielbewusst denkend damit beschäftigt hat.“ Wie schwer ist oft der Grad 
von Schwachsichtigkeit bei Astigmatismus, schiefachsigem Augenbau zu be- 
stimmen; welch grosse Rolle spielt nachweislich in diesen Jahren der Akko- 
modationskrampf! Sagt doch Schön (Leipzig) wohl nicht mit Unrecht, dass 
dieser Krampf die Basis für die Entwickelung des grünen Staares, des Glau- 
coma simplex, der späteren Jahre sein könne. Wie oft wird Unaufmerksamkeit 
der Kinder seitens des Lehrers getadelt, während Kurzsichtigkeit oder höhere 
Weitsichtigkeit u. A. m. vorliegen. Wie oft klagen Schüler über Kopfschmerzen. 
während sie einfach an einer nicht auskorrigirten Hypermetropie leiden; ja, 
ein grosser Theil der neurasthenischen Beschwerden der jungen Leute beruht 
auf Refraktionsanomalien; und macht nicht gar sehr oft die passende Brille 
das sogenannte nervöse Menschenkind zum fröhlichsten, brauchbarsten Mit- 
arbeiter? 

Hier sprechen in der That Zahlen und lehren, welchen Kindern durch 
Brillengläser geholfen werden kann, und bei welchen eine Korrektion unmöglich 
ist; bei welchen wiederum allgemeine Nachsicht nothwendig oder nur Dispens 
von einzelnen Fächern, welche dem Allgemeinunterricht nicht gewachsen sind 
oder ihn hemmen, welche sich mehr für Privatunterricht, Blindenschulen eignen 
und dergl. mehr! Lernt man doch zugleich aus diesen Untersuchungen, für 
welchen Beruf ungefähr die Kinder schon bei Zeiten mehr, für welchen sie 
weniger erzogen und herangebildet werden sollen, welcher Erwerbszweig ihnen 


Verhandl. der Deutschen Gesellschaft für öf. Gesundheitspfl. zu Berlin. 369 


schädlich, welcher erträglich, welcher ungefähr förderlich sein dürfte. 
Wahrlich ein ergiebiges Arbeitsfeld für einen gewissenhaften Schularzt und 
Menschenfreund! 

Gleichzeitig muss aber auch der ärgste Schularztfeind eingestehen, dass 
für diese Lebensfragen, wie sie eben berührt worden sind, die Untersuchung 
und Unterstätzung durch einen Fachmann Bedingung ist, wo solche Zahlen 
schon dieser Untersuchungen eine so beredte Sprache reden! 

Betrachtete ich nun die Resultate meiner Bemühungen hinsichtlich der 
grossen Endaufgabe, die ich mir gestellt hatte, nämlich auch Rath ertheilen 
zu können, für welchen Beruf sich die betreffenden Augen eignen dürften, so 
musste ich sie in die Anforderungen einreihen können, die die verschiedenen 
Erwerbszweige erheischten. Durch langjährige Krankenkassenthätigkeit mit 
diesem Gebiete vertraut, stellte ich eine Liste von Beschäftigungsarten nach 
dem Vorbilde der Gewerbeliste auf und machte mir zugleich durch Studium 
in questionirten Betrieben die Bedingungen klar, welche hinsichtlich der Aus- 
füllung des entsprechenden Arbeitsplatzes seitens der Sehorgane durchaus 
nöthig wären. Hierbei fand ich, — derselben Anschauung ist auch Silex im 
Gemeindeblatt von Berlin —, dass es nicht auf den Brechungszustand des 
Auges, d. h. auf Kurzsichtigkeit, Normalsichtigkeit, Weitsichtigkeit u. s. w. 
ankäme, sondern auf die Sehschärfe, und zwar jedes einzelnen Auges; ausser- 
dem noch eventuell in einzelnen Fällen, ob für den etwaigen Beruf mit oder 
ohne auskorrigirende Brille noch ein genügendes Resultat zu erzielen wäre. 
Denn für eine ganze Reihe von Berufsarten ist es eben, wie die Praxis jedes- 
mal lehrt, nöthig, dass jedes Auge einzeln sehtüchtig ist, weil sonst bei 
Verlust des guten Auges durch Unzulänglichkeit des anderen leicht der Beruf 
nicht mehr ausgefüllt werden könnte; ich erinnere nur an Seeleute, Eisen- 
babnbeamte u. a.m. Bei einigen Berufszweigen hindert wiederum sogar auch 
das Tragen einer Brille das ungestörte Arbeiten, selbst wenn durch die- 
selbe gute Sehschärfe erzielt werden könnte; dies ist z. B. bei Bootsleuten, 
Förstern, Seeleuten der Fall; denn sie sind arbeitsunfähig, sobald ihnen 
plötzlich die Brille abhanden kommt, beschlägt oder sie bei schrägem Licht 
blendet. 

Für unsere reichhaltige Tabelle und ihre ungestörte Uebersicht durfte es 
sich also nur um die freie, nicht durch eine Brille veränderte Sehschärfe 
handeln, wollten wir dem Hilfesuchenden, der sich noch im jugendlichen, 
d. bh. nicht voll entwickelten Alter befand, einen verständigen ärztlichen 
Rath geben. 

Hieraus ergab sich in praktischer Uebersicht folgende Dreitheilung, über 
die weiter unten eingehender gesprochen werden soll, und die sich auf die 
Erfahrung mehrjähriger, mannigfacher und zahlreicher Untersuchungen stützt. 
Diese Eintheilung liegt auch im Grossen und Ganzen meinem Bericht für die 
Zwecke des Vereins für schulentlassene Waisen zu Grunde, indem ich sagen 
durfte: Die nun folgende Tabelle, welche nach den Ergebnissen einer viel 
jährigen gewerksärztlichen, berufsgenosssenschaftlichen und Armen-Praxis auf- 
gestellt ist, wird vielleicht Manchem ein willkommener Anhaltspunkt für seine 


370 Verhandl. der Deutschen Gesellschaft für öf. Gesundheitspil. zu Berlin. 


Verpflichtungen bei Pflegschaften, Vormundschaften und gemeinnützigen An- 


stalten und dergl. sein. 


Es muss also haben 


L 


Jedes Auge ?/3 Sehschärfe 
und mehr 


Männliche. 


u. 


Ein Auge ?/, Sehschärfe 
und mehr, das andere 1/; 
Sehschärfe und mehr 


1. 


Sehschärfe weniger 
als I. 


a m — ss u u uekeekäus bh 


Achatschleifer 

Bahnmeister 

Bahnwärter 

Bernsteinschnitzer 

Bildhauer für Holz, Gyps, 
Elfenbein 

Bremser 

Brillenschleifer 

Buchdrucker 

Büchsenmacher 

Bootsmann 

Brückenwärter 

Chirurgisch. Instrumenten- 
ıinacher 

Ciseleur 

Dachdecker 

Dekorateur 

Drechsler 

Eisenbahn-Techniker 

Feilenhauer 

Feuerwehrmann 

Förster 

Glasschleifer 

Goldarbeiter 

Graveur 

Haltepunktwärter der Bahn 

Kupferstecher 

Kunstschmied 

Kutscher (herrschaftl.) 


Lithograph 
Lokomotivführer 
Maler 

Marine 
Maschinenbauer 
Maurer 
Mechaniker 
Messerschmied 
Modelleur 
Optiker 
Photograph 
Porzellanarbeiter 
Retoucbeur 
Schaffner 
Schiffbauer 
Schlosser 
Schneider 


Anstreicher 
Aufseher 
Bandagist 


Barbier 
Bautechniker 
Bereiter 
Bildhauer 
Böttcher 
Brauer 


Bronceur 
Brunnenbauer 
Bureaubeaniter 
Diener 
Eisenhobler 
Elektrotechniker 
Friseur 

Former 
Fuhrmann (gewöhnl.) 
Gasarbeiter 
Galvaniseur 


Gelbgiesser 
Glaser 
Gürtler 


Handschuhmacher 
Hutmacher 
Kaufmann 
Kellner 
Klempner 
Lackierer 
Lehrer 
Maschinist 
Metalldreher 
Militärfelddienst 
Monteur 
Musiker 
Musikinstrumentenmacher 
Nadler 
Orgelbauer 
Postdienst 
Putzer für Glas- und Mi- 
niaturarbeiten 
Sattler 
Schlächter 
Schornsteinfeger 
Schreiber 


Arbeiter (gewöhnl.) 
Bäcker 
Blumenbinder 
Buchbinder 


Bürstenbinder 
Conditor 
Färber 
Flaschenspüler 
Gärtner 
Gerber 
Glasbläser 


Gepäckträger 
Hausdiener 
Heizer 


` Instrumentenstimmer 


Kammmacher 
Koch 

Korbmacher 
Kranzbinder 
Laternenanzünder 
Landwirth 
Laufbursche 


Möbelpolierer 
Müller 
Ofenarbeiter 
u. s. W.) 
Packer 
Rohrleger 
Schmied 
Seifensieder 
Seiler 
Steinsetzer 
Stuberbohner 
Strassenreiniger 
Strumpfwirker 
Tabaksarbeiter 
Tafeldecker . 
Weinküfer 
Ziegelstreicher. 


(Ziegeleien 


Verhandl. der Deutschen Gesellschaft für öff. Gesundheitspfl. zu Berlin. 371 


L 1. IH. 
Jedes Auge 2/3 Sehschärfe Ein Auge 2/, Sehschärfe Sehschärfe weniger 
und mehr und mehr, das andere !/; als I. 


Sehschärfe und mehr 


Schwertfeger Schriftsetzer 
Seemann Schuhmacher 
Stationsbeamter (Aussen- Schutzmannschaft 
dienst) Segel- und Tuchmacher 
Steinmetz Stationsbeamter (im Innen- 
Stereotypeur dienst) | 
Stuckateur Stallbediensteter 
Tapezierer Steinschleifer 
Telegraphist Stellmacher 
Tischler Thierausstopfer 
Töpfer 
Uhrmacher Veruickler 
Unteroffieierschule Wagenbauer | 
Xylograph Wächter | 
Weichensteller Weber | 
Zabntechniker Zinngiesser. 
Zimmerer. | 
Weibliche 
Bildbauerin für Holz, Gyps, | Bandagistin Arbeiterin (gewöhnl.) 
Kleben Dienstmädchen Blumenbinderin 
Kupferstecherin Friseurin Buchbinderin i 
Lithographin Handschubmacherin Fabrikarbeiterin 
Yalerin Hutmacherin 7 Gärtnerin 
Wodelleurin Kaufmännisches Gewerbe Glasbläserin R 
Photographin Kellnerin Hausmädchen f. gröb. Arb. 
Reiouchense Kindergärtnerin Köchin 3 
Schneiderin Krankenpflegerin Korbflechterin 
Schreibmaschinenschreiberin as Kranzbinderin 
Spitzenklöpplerin Musikerin Landwirthschaft 
Telegraphistin Postdienst Packerin 
\rlographin Putzmacherin - Plätterin 
Weisszeugnäherin Schreiberin Strassenreinigerin 
Zahntechnikerin. Weberin Stubenbohnerin 
Tabaksarbeiterin 
Wäscherin. 


Bei den täglich sich vermehrenden socialen Lebensanforderungen konnten 
natürlich nicht alle Berufsarten erschöpft werden, aber es sind in dieser Ta- 
belle wohl doch die meisten enthalten, besonders diejenigen, welche von den 
Rindern ergriffen werden, welche nicht das Abiturium auf einer höheren Schule 
gemacht haben; denn gerade diese Kreise sind im Lebenskampfe hilfloser und 
vermögen einerseits nicht die Tragweite. ihres Unternehmens zu übersehen, 
weil sie in Folge ihrer geringeren Bildung sich der Schwere ihres Schrittes in 
das praktische Leben hinein nicht recht bewusst, andererseits auch sel- 
tener in der Lage sind, aus der unrichtigen Lebensbahn, in Folge materieller 
Hindernisse, ohne Weiteres in eine geeignete Carrière noch in späteren Jahren 
überzugehen. Es will z. B. der Sohn eines Packers Optiker werden. Der 
Packer, der, wie sein Beruf zeigt, einestheils für seine Lebenszwecke nicht 
allzuviel gelernt zu haben braucht, hat auch anderentheils nicht nöthig gehabt, 


372 Verhandl. der Deutschen Gesellschaft für öf. Gesundheitspfl. zu Berlin 


bei den geringen Anforderungen, die sein Beruf an seine Augen stellt, auf 
seine Sehleistungen zu achten; er braucht ja nur !/s Sehschärfe zu haben. 
Der Sohn sieht nun im täglichen Umgang so gut wie der Vater selbst, wo- 
möglich noch besser, und hat Lust zur Thätigkeit eines Optikers. Nach kür- 
zerer oder längerer Lehrzeit, je nachdem der Ausbildungsmodus des betreffenden 
Lehrherrn sich zu gestalten pflegt, merkt er, dass er in Folge Sehbeschwerden 
den Anforderungen des Berufes nicht genügen kann. Nun erst, nach Verlust 
eines Jahr&s und mekr vielleicht noch, gebt er besorgt zum Augenarzt, der 
nur 2/3 Sehschärfe für das eine Auge, für das andere weniger konstatirt und 
ihm sagen muss, dass er einen falschen und sogar undurchführbaren Bildungs- 
gang eingeschlagen hat. Die Folgen für das Individuum, die Familie sind klar 
und brauchen hier nicht ausgeführt zu werden. Wer nach den skizzirten. 
wohlbekannten Verhältnissen sollte ihn zu Haus auf seinen angeborenen Fehler 
aufmerksam machen, wer ihn darauf hinweisen, dass der Optiker auf jedem Auge 
mindestens 2/, Sehschärfe haben muss, wenn nicht eine gesetzliche Vorschrift 
für Ordnung dieser Verhältnisse bestände? Darüber werde ich später sprechen. 

Wer sich zum Dienst bei der Eisenbahn, zum Militär oder zur Marine 
meldet, erfährt bereits bei der Meldung die Bedingungen, unter denen er auf- 
genommen wird. Für die Marine z. B. muss er auf jedem Auge volle Seh- 
schärfe haben und darf keine Brille tragen, und zwar aus Gründen einfachster, 
praktischster Art. Das Auge muss bei allen Witterungsverhältnissen für enorme 
Fernen eingerichtet sein, muss bei grellem Sonnenschein, wie im Dunkeltiefster 
Nacht genau unterscheiden können, frei von Farbendefekten sein und kann 
bei den aussergewöhnlichen Anforderungen, die an körperliche Geschicklich- 
keit gestellt werden, nicht durch eine Brille belästigt werden, die leicht zer- 
bricht oder beschlägt. Aehnlich sind auch die Bedingungen (nach Braehmer) 
für die Lokomotivführer. (Näheres hierüber ist in Magnus „Optische Dienst- 
fähigkeit des Eisenbahnpersonals“ enthalten.) Nehmen wir ferner nun z. B. 
einen Kutscher; derselbe habe auf einem Auge mindestens ?/, Sehschärfe und 
auf dem anderen ungefähr 1/3. Bei einer zufälligen Verletzung des besseren Auges 
würde er unterwegs soweit hilflos werden, dass er sich eben noch einigermaassen 
nach Hause durchfinden könnte; doch dauernd könnte er seinen Beruf ohne 
2/3 Sehschärfe nicht recht wieder ausfüllen. Dieser Gesichtspunkt ist besonders 
für die Berufsgenossenschaften von äusserster Wichtigkeit für ihre Rentenausgabe. 

Nun ereignet es sich öfters, dass die Kinder deshalb, weil sie sich etwas 
höhere Bildung bereits angeeignet haben, auch eine dementsprechend bessere 
Carriere einschlagen wollen. Da zeigt denn die Tabelle, dass in jeder Ab- 
theilung höhere und niedere Berufszweige vorkommen, oder anders ausgedrückt, 
Lebensstellungen, welche mehr als andere bewerthet werden. So sehen wir 
selbst in der dritten, sehschwächsten Reihe sebr rentable Zweige, wie die der 
Bäcker, Gärtner, Köche, Tafeldecker, Weinküfer u. s. f. Hierbei erlebt man 
es täglich, dass die Lebensfreude, die zunächst schwindet, sobald man dem 
Kinde den von ihm gewünschten Lebensberuf ärztlich untersagen muss, wieder 
zurückkehrt, wenn man ihm menschenfreundlich andere erstrebenswerthe Bab- 
nen zeigt; und dieses psychische Moment ist wahrlich nicht von untergeord- 
neter Bedeutung! 

Besonders bei den Mädchen hält es heute noch schwer, ihnen klar zu 


Verhandl. der Deutschen Gesellschaft für öf. Gesundheitspfl. zu Berlin. 373 


machen, dass es nicht darauf ankommt, was für einen Beruf man ergreift, 
sondern wie man ihn durchführt; noch täglich begegnet man der hochgradig 
kurzsichtigen Schneiderin, die kaum im Stande ist, dauernd zu nähen, alle 
Zeichen erkrankter innerer Augenorgane mit sich führt und, um den Rest 
ihres Sehvermögens zu erhalten, eigentlich nur zu gröberer Hausarbeit fähig 
ist. Gerade in der heutigen Zeit, in welcher der Mangel an Dienstboten eine 
einschneidende wirthschaftliche Rolle spielt, ist hier Gelegenheit gegeben, nach 
dieser Richtung hin erziehlicb und zweckdienlich zu wirken und geeignete 
Personen auf die Vorzüge auch dieses Berufes hinzuweisen. Aber Erfolge 
werden wir auf diesem Gebiete für das Volkswohl erst dann erzielen, wenn 
alle diese Erwägungen voll und ganz in dem Bewusstsein der grossen 
Menge Fuss gefasst haben werden. 

Das Buchdruckergewerbe ist in dieser Beziehung bereits mit gutem Bei- 
spiel vorangegangen; auch in einigen Fachvereinen, wie z. B. in dem der Gast- 
wirthe und Typographen, ist es Vortragendem gelungen, die allgemeine Auf- 
merksamkeit und Fürsorge auf diesen Punkt vorheriger Untersuchung des 
Körpers, besonders der Augen, vor Eintritt in den Beruf zu lenken. 

Sieht man doch ausserdem gleichzeitig aus dieser Aufstellung, welche 
zwar nicht alle, aber doch die meisten praktischen Gewerbszweige umfasst, 
dass es eine grosse umfangreiche Gruppe giebt, die nur Sehschärfe zwischen 
®, und !/, verlangt, und eine stattliche Anzahl ehrenvoller und auskömm- 
licher Beschäftigungen aufweist. Es kann also auch annähernd den per- 
sönlichen Wünschen der Kinder Rechnung getragen und ihre Lust und Liebe 
zur Arbeit erhalten werden. Denn wenn auch gerade der von dem jungen 
Menschen gewählte Beruf in Folge mangelhafter Sebleistung nicht ergriffen 
werden darf, gelingt es dem gewandten und geschulten ärztlichen Rathgeber 
nach den bisherigen Erfahrungen allemal, das Interesse für irgend einen der 
in der Tabelle festgelegten und zugänglichen Erwerbszweige in dem Unter- 
suchten zu erwecken. Dann ist es wohl in der That eine vollkommene 
ärztliche und sociale Leistung und Hilfe! 

Schon von diesem einen Specialgebiet, der Augenheilkunde, ausgehend, 
erkennt man wohl aus dem bisher Gesagten, welche grossen Aufgaben des 
Schalhygienikers harren; und bei dem heutigen Stande der Wissenschaft und 
dem Umfange der Technik ist es gar nicht möglich, dass ein Einzelner alle 
die bedentungsvollen, oft specialistischen Fragen, die ihm als gewissenhaftem 
Mitberather der Menschheit gestellt werden, beantworten sollte. Es ist also 
Pflicht der Behörden, dafür zu sorgen, dass dem Schularzt sachverständige’Rath- 
geber zur Seite stehen, die ihn in zweifelhaften Fällen unterstützen; sonst 
kann der wahre Zweck, der hier auf einem der wichtigsten Abschnitte des 
Lebensganges, dem des Ueberganges von der Schule in das praktische Leben, 
erfüllt werden muss, unmöglich erreicht werden. Dass diese Ideen voll und 
gaz durchgeführt werden können, das zeigen die segensreichen Resultate, 
welche der hochverdienstvolle Leiter des freiwilligen Erziehungsbeirathes für 
schulentlassene Waisen, Herr Wirkl. Admiralitätsrath Dr. Felisch, auf seinem 
imfangreichen und schwierigen Arbeitsfelde bereits glänzend erzielt hat. 

Doch muss man derartige Untersuchungen nicht erst beim Austritt der 
Schüler aus der Unterrichtsanstalt resp. bei ihrem Uebergang in das prak- 


374 Verhandl. der Deutschen Gesellschaft für öff. Gesundheitspfl. zu Berlin. 


tische Leben, sondern eigentlich gleich beim Eintritt des Kindes in die Schule 
anstellen und während der ganzen Unterrichtsepoche darauf achten. Dass ich 
als Einzelner diese Untersuchungen fortsetze, hat in Anbetracht des mit 
Rücksicht auf das grosse Ganze geringen Materials wohl sociale Bedeutung, 
jedoch eigentlich mehr wissenschaftlichen Zweck für weitere Arbeiten; denn 
meines Wissens sind Augenärzte u. dergl. m. bis jetzt hier als konsultirende 
Schulärzte noch nicht in Anspruch genommen worden. Ihre Aufgaben sollen 
darin bestehen, dass sie den Lehrern die Erziehung der Kinder erleichtern, 
indem sie dieselben auf die körperlichen Schwächen ihrer Zöglinge aufmerk- 
sam machen und ihnen mit Rath und That zur Seite stehen. Dann können 
die Kinder auch eher individuell ausgebildet und auf einen für sie passenden 
künftigen Beruf hin allmählich und mit Lust und Liebe erzogen werden. 

Zur Bethätigung dieser praktischen Hygiene möchte ich deshalb 
zunächst als Augenarzt folgende Forderungen aufstellen: 

1. dass jedes Kind vor dem Eintritt in die Schule ein genaues Attest 
über seine Sehfähigkeit u. s. w. bringen soll, damit es gehörig in der Klasse 
placirt und im Unterricht event. auf dasselbe Rücksicht genommen werden 
kann, resp. ob es sich nicht besser für eine Blindenschule eignet; 

2. dass jedes Kind beim Austritt aus der Schule zunächst den ärztlichen 
Rath einholt, ob es sich für den qu. Beruf, den es sich gewählt hat, eignet 
oder nicht, resp. zu welchem anderen, ihm sympathischen ärztlich (mit Hilfe 
obiger Tabellen etwa) zu rathen sei; 

3. dass auch während der Schulperiode bereits auf die geringsten Klagen 
seitens der Augen, der Auffassung, der Aufmerksamkeit und besonders der 
Kopfschmerzen u. a. m. geachtet wird, damit ungesäumt die erforderlichen 
Maassregeln getroffen — und befolgt werden. 

Dann wird es hoffentlich so leicht nicht mehr vorkommen, dass Jemand 
in Rücksicht auf seine Sehleistung in einen für dieselbe undurchführbaren 
oder schädigenden Beruf geräth. Auf diese energisch eingreifende und weitbin 
sich verbreitende Weise wird auch allmählich das so überaus nothwendige 
Interesse der gesammten Bevölkerung geweckt werden und es selbst dem lo- 
differentesten, an denen heutzutage leider noch kein Mangel ist, klar werden. 
dass die innigsten und weittragendsten Beziehungen bestehen zwischen Auge 
und Beruf; dass er, um für den letzteren in verständiger Weise zu sorgen, z0- 
nächst das erstere kennen muss mit seinen Schwächen und seinen Vorzügen. 
Denn mit der fortschreitenden Kultur, der schnelleren Arbeit, den täglich sich 
mehrenden neuen technischen Errungenschaften, dem gewaltigen Aufschwung 
in Handel, Kunst und Wissenschaften werden besonders an unser Sehorgau 
immer grössere, längere und intensivere Anforderungen gestellt; wieviele 
dieser Augen der ihnen zugemutheten Arbeit und Last allmählich erliegen. 
beweist die Zunahme der Kurzsichtigkeit in den gebildeteren Kreisen. 

Es ist hier nicht der Ort nnd lag nicht im Sinne des Themas, welches 
die Beziehungen zwischen Auge und Berufswahl darzustellen versuchte, die 
etwa aus den einzelnen Beschäftigungen resultirenden Gefahren nnd Erkran- 
kungen des Auges zu schildern; dieses sei einer folgenden Arbeit vorbe- 
halten. Hier kam es Vortragendem darauf an, die allgemeine Aufmerksam- 
keit auf die weitverzweigten und einschneidenden Beziehungen zwischen Seb- 


Verhandl. der Deutschen Gesellschaft für öff. Gesundheitspfl. zu Berlin. 375 


leistung und Berufswahl darzulegen und als Resultat langjähriger Untersu- 
chungen eine Tabelle mit auf den Weg zu geben, welche künftigen Schul- 
ärsten, Eltern, Pflegern, Vormündern, Lehrern u. s.f. zur Unterstützung und 
Orientirung dienen dürfte. 

Möge es Vortragendem gelungen sein, das Interesse für die hobe Bedeu- 
tung der hier bearbeiteten grossen socialen Aufgaben zu erwecken, zu fördern 
und zu erhalten, und möge sich auch jeder Einsichtsvolle selbst zu Gemüthe 
führen, dass Auge und Beruf im engsten unzertrennlichen Zusammenhang 
steben; er denke an den Mahnruf G oethe’s: 

Sehe jeder, wie er’s treibe, 
Sehe jeder, wo er bleibe, 
Und wer steht, dass er nicht falle. 


Diskussion. 

In der sich an den Vortrag anschliessenden Diskussion dankt 

HerrSommerfeld dem Vortragenden für die Erörterung des so wichtigen Themas 
und befürwortet ebenfalls auf das Wärmste, dass der Schularzt in die Lage komme, 
diese Frage mit lösen zu helfen. Doch müsse der Schularzt den gesammten Organis- 
mus prüfen, um zu einer richtigen Entscheidung über die Berufswahl zu gelangen. 
Man würde auf eine schiefe Ebene gerathen, wenn nur einzelne Organe als Ausgangspunkt 
für die Entscheidung gewählt würden. Vom Admiralitätsrath Felisch sei die Heraus- 
gabe eines allgemeinen Wegweisers für die Berufswahl angeregt worden, dessen Ver- 
öfentlichung voraussichtlich im April nächsten Jahres erfolgen werde. In ähnlicher 
Weise gehe ein anderer Verein unter Leitung des Schulraths Dr. Zwick vor, doch sei 
bier die Entscheidung einem Lehrer überlassen, womit man nicht einverstanden sein 
könne. Mit Hilfe der städtischen Schuldeputation könne der gewiesene Weg mit Nutzen 
betreten werden. 

Herr Braehmer weist darauf hin, dass kaum ein Beruf von der Schschärfe so 
abbängig sei, wie der der Eisenbahnheamten. Bei dem Stationspersonal könno die Ver- 
bindung mit der Schulbygiene ausgeschlossen werden, da es meist Leute seien, die 
bereits einen anderen Beruf eingeschlagen hätten und erst zu einer Zeit in den Eisen- 
tahndienst eintreten, wo die Augen schon mehr oder minder gelitten hätten. Nur bei 
den Leuten, die als Schlosser eintreten, könne die gegebene Empfehlung von Nutzen 
sein. Bei den Lokomotivführern treffe das Gesagte vollkommen zu. Bei der Eisenbahn 
würden ausser den drei Rubriken noch zwei Untergruppen unterschieden betreffs der 
Sehweite mit und olıne Glas. Bei der dritten Gruppe sei das Brillentragen gestattet. 
Eine allgemeine Gruppe III würde für keinen Zweig der Eisenbahnbeamten und Eisen- 
babnarbeiter in Frage kommen können. Bremser und Bahnmeister gehören in die 
Gruppe I, was in der Tabelle geändert werden müsse. Die Techniker, welche in den 
höheren Eisenbahndienst eintreten wollen, müssen neuerdings volle Sehschärfe haben, 
da sie auf der Lokomotive ein halbes Jahr fahren und die Lokomotivführer prüfen 
müssen. Das Brillentragen sei ihnen nur mit ministerieller Erlaubniss gestattet. Der 
Lokomotivheizer dürfe auch keine Brille tragen und werde sofort pensionirt, wenn er 
zu einem Augenglase genöthigt sei. Die Bestimmungen der preussischen Staatsbahnen 
gelten als die besten; doch seien die Bestimmungen leider nicht im ganzen Deutschen 
Reiche und im Auslande die gleichen. Baden habe sich vollkommen akkomodirt, wäh- 
rend z.B. die Anforderungen in Holland noch höhere seien. 

Bei der Erörterung des vorliegenden Themas dürfe die Frage der Farbenerkennt- 
niss nicht vergessen werden. Er bitte noch um Auskunft, ob sich die grosse Differenz 
zwischen Normalsichtigen und Nichtnormalsichtigen auch im späteren Alter, bei Leuten 
über 25 Jahre, gezeigt habe. 


376 Verhandl. der Deutschen Gesellschaft für öff. Gesundheitspfl. zu Berlin. 


Herr Hirsch wendet ein, dass die Frage für Militär, Eisenbahnbehörden und 
andere Beamte sich durch ein Reglement erledigen lasse, für die grosse Mehrzahl von 
Berufen sei dies jedoch undenkbar. Die Anforderungen für die Praxis seien entschie- 
den zu weitgehende. Die Entscheidung des Berufes müsse in jedem Einzelfalle getroffen 
werden, eine Reglementirung sei unstatthaft. Die Gefahr, welche der Vortragende der 
Frage beimesse, sei doch ein wenig übertrieben. 

Herr Krämer (a.G.) bestätigt als Vorstandsmitglied des freiwilligen Erziehungs- 
beiraths für schulentlassene Waisen, dass das strenge Princip, nach Dr. Radzie- 
jewski’s Vorschlägen, jedes Kind vor der Wahl des Berufes auf seinen Gesundheits- 
zustand untersuchen zu lassen, die besten Erfolge gezeitigt hätte. Seit ungefähr 
3 Jahren würden in jedem Halbjahre 600 Kinder placirt und zwar nach vorheriger 
ärztlicher Untersuchung, so dass der Verein seine Erfahrungen bei 3000— 3500 Kindern 
bereits hätte sammeln können. 

Herr Radziejewski legt dar, dass seine Tabelle nach dreijährigen Erfahrungen 
aufgestellt sei und eine Grundlage abgeben solle für alle diejenigen Aerzte, welche 
sich mit dieser Frage zu beschäftigen hätten, damit sie ungefähr wüssten, was das 
Kind beginnen solle. Selbstverständlich müssten auch andere Specialärzte zur Unter- 
suchung der Kinder herangezogen werden. Er habe eigentlich kein Recht gehabt, die 
Eisenbahnarbeiter mit in die Tabelle hineinzunehmen, weil diese Leute erst nach 
vollendeter Militärzeit in den Beruf eintreten. Es sei neuerdings festgestellt worden, 
dass Leute nach 1—2 Jahren Militärzeit plötzlich an Sehschärfe abnehmen ; die Gründe 
hierfür seien noch nicht ersichtlich. Die Bahnmeister seien unter Gruppe Il aufgeführ:. 
wie es Magnus und Silex ebenfalls gethan hätten. Die Streckenarbeiter seien unter 
gewöhnliche Arbeiter aufgenommen, da man mit diesen Leuten in den Provinzen nich! 
so genau verfahre. Die aufgeführten Berufsarten seien wohl durchdacht und durch- 
gearbeitet. Er zweifle nicht, dass einer oder der andere noch andere Anforderungen 
an diese Berufe stellen werde; es sei für die Eltern jedenfalls sehr werthvoll, 
einige praktische Erfahrungen zu erhalten. Die Bestimmungen für die Techniker, eben- 
so wie das Verbot desBrillentragens für die Lokomotivführer seien erst neueren Datums. 
Auch im Alter von 25 Jahren werde eine grosse Differenz betreffs der Sehleistungen 
konstatirt. Bei der Schutzmannschaft sei es aufgefallen, dass die Beamten plötzlich 
geringere Sehschärfe haben; die vordem normalsichtig gewesen seien, seien plötzlich 
kurzsichtig geworden, noch dazu in einem Berufe, der an die Augen so geringe An- 
forderungen stelle. Gründe hierfür seien bisher noch nicht gefunden worden. Es fallen 
den Kassen sehr viele Patienten zur Last, weil von vornherein Menschen in einen Beruf 
kämen, der für sio nichts tauge. Aus diesem Grunde sei es auch für die Kassen sehr 
werthvoll, diese Tabelle zu haben, die Michel, Schöler und Silex ebenfalls über- 
nommen hätten. Selbstverständlich müsse man bei den Berufsarten auf die Farbendefekte 
achten, doch sei es klar, dass diese stets vom Augenarzt bei der Untersuchung gè- 
funden würden. Herr Hirsch sche zu skeptisch. Es sei unter dem grossen Material 
des freiwilligen Erziehungsraths für schulentlassene Waisen die Durchführung der 
Bestimmungen sehr wohl möglich gewesen. Ks werde dadurch vermieden, dass die 
Kinder in einen falschen Beruf hineinkommen. Wenn die Buchdrucker schon heute 
niemanden in ihren Beruf ohne Attest aufnehmen, so können die anderen Berufe diese 
Bestimmung auch durchführen. Er sei der Meinung gewesen, dass, wenn man diese 
Dinge zur Grundlage nehme, man die Aufmerksamkeit der grossen Masse auf die 
guten Zwecke aufmerksam mache. Man müsse jedoch bei Zeiten und energisch ein- 
greifen. Deshalb habe er gebeten, den Gedanken zu propagiren und gesetzlich 
festzulegen, damit der Staat diejenigen Bürger bekomme, die er gebrauche. 


Verlag von August Hirschwald, Berlin N.W. — Druck von L. Schumacher in Berlis. 


Hygienische Rundschau. 


Herausgegeben 
von 
Dr. Carl Fraenkel, Dr. Max Rubner, Dr. Carl Günther, 
Prof. der Hygiene in Halle a./8. Geb. Med.-R., Prof. der Hygiene in Berlin. a. o. Professor in Berlin. 


XL Jahrgang. Berlin, 15. April 1901 M 8. 


(Aus dem hygienischen Institute der Universität Halle a. S.) 


Einiges über die Krankheiten und Fehler beim Weine unter besonderer 
Berücksichtigung der Infektionskrankheiten desselben. 


Von 


Dr. Berthold Heinze. 
(Fortsetzung und Schluss aus No. 7.) 


Der Milchsäurestich. 

Aach diese Krankheit finden wir häufig bei Weinen, welche wenig Frucht- 
säure enthalten. Ein reichlicher Säuregehalt schützt die Weine gegen Bakterien- 
wachsthum und hindert auch die Milchsäure- und Buttersäurebakterien an ihrer 
Entwickelung. Der durch dieselben hervorgerufene Milchsäurestich tritt selten 
bei Traubenmosten und den meisten Obstmosten auf; kleine, milde 
Traubenweine, ebenso Birnenweine werden jedoch häufiger infieirt, da diese 
eine ausgesprochene Disposition zum Milchsäurestich oder zum sogenannten 
„Zickendwerden“ haben. 

Pasteur!) hat zuerst auf das Milchsäureferment hingewiesen; welche von 
den vielen Milchsäurebakterien jedoch die Krankheit beim Weine hervor- 
rafen, ist bisher unbekannt; ebenso weiss man nichts bestimmtes über die Be- 
theiligung der Buttersäurebakterien. Bei milden, säurearmen 1893 er Weinen 
fand Müller-Thurgau?) zahlreiche Bakterien (1,5— 24 Länge und 0,3% Breite), 
welche ausser dem noch vorhandenen Zucker auch Gerbstoffe und andere 
unbekannte Weinbestandtheile in Milchsäure umwandelten. Es glückten sogar 
Infektionsversuche mit den isolirten Bakterien: wenn die vorhandenen Frucht- 
säuren im Weine zum grossen Theile vorher abgestumpft worden waren, so 
trat nach dem Impfen eine intensive Säuerung unter Milchsäurebildung ein. 
Ebenso konnte Kramer?) mit dem Bacillus acidi lactici Hueppe und einem 


1) Pasteur, Etudes sur la bière. Paris 1876. 

2) Müller-Thurgau, Der Milchsäurestich in Obst- und Traubenweinen. Jahres- 
bericht d. schweiz. Versuchsstation in Wädensweil. 1992/93. 
. 3) Kramer, Die Bakterien in ihrer Beziehung zur Landwirthschaft und den land- 
wirthschaftlichen Gewerben. Wien 1892. 


s 


27 


378 Heinze, 


aöroben Buttersänrebildner, welcher die Kartoffelfäule verursachen soll, einen 
Wein von 5 pCt. Alkohol, dem 0,8 pCt. Traubenzucker und ca. 0,1 pCt. Pepton 
zugegeben waren, und dessen Säuregehalt durch CaCO, auf 0,15 pCt. herab- 
gemindert worden war, in Milch- und Buttersäuregährung versetzen, das „Zickend- 
werden“ demnach künstlich hervorrufen. 

Wenn man zur besseren Nachgälhrung und Durchgährung von Weinen den 
Keller etwas heizt oder auch den Wein selbst ein wenig künstlich erwärmt, 
so muss man sich besonders bei obigen milden Weinen hüten, über eine Tem- 
peratur von 15° C. hinauszugehen, da sonst leicht die letzten Zuckerreste nicht 
von der Hefe verarbeitet werden, sondern durch Milchsäurebakterien u. s. w. eine 
upreine Milchsäuregährung erleiden. Diese Gefahr wird natürlich bedeutend 
erhöht, wenn im Gährkeller neben den Weinfässern Sauerkrautstauden oder 
Sauregurkenfässer und wohl auch Milchtöpfe ganz ungenirt aufgestapelt werden. 
Wer Gelegenheit hatte, derartige milchsäurestichigen Weine, welche ausserdem 
in ihrem Geschmack etwas an soeben im Säuern begriffene (gestockte) Milch 
erinnern, des öfteren zu erproben, dem werden diese oftmals fast typischen 
Sauregurkenbrühen für immer im Gedächtnisse bleiben. Ein leichter Milch- 
säurestich findet sich vielfach bei sehr milden Traminerweinen vor; am auf- 
dringlichsten tritt er jedoch bei säurearmen Nachweinen, den sogenannten 
Trester- und Hefeweinen, zu Tage. 

Durch eine glatte Vergährung der Moste bei günstigen Temperaturver- 
hältnissen, bei Fernhaltung unreiner Kellerluft, wird sich dieser aufdringliche 
Weinfehler nur höchst selten einstellen. Weine mit einem kleinen Milchsäure- 
stich verschneidet man am vortheilhaftesten mit sauren Naturweinen und brennt 
dieselben stark ein, falls dies wegen der Farbe angängig ist. Bei Rothweinen. 
die man zur Erhaltung ihrer Farbe thunlichst nicht einbrennen oder schwefeln 
darf, wird man die im Weine vorhandenen Bakterien am besten durch Pasteu- 
risiren unschädlich machen. 

An dieser Stelle möge auch eine Krankheit des Weines noch kurz er- 
wähnt werden, welche man überhaupt erst seit einigen wenigen Jahren kennt, 
und deren Natur man erst in den letzten Jahren genauer untersucht und in 
ihrem Wesen erkannt hat. Es ist dies die 


Mannitkrankheit des Weines. 

Diese Krankheit dürfte in den meisten Fällen bislang mit anderen Krank- 
heiten, wie beispielsweise mit dem „Essigstich“ und dem „Zickendwerden“ 
oder dem „Milchsäurestich“ verwechselt worden sein. Und zwar ist dies 
um so eher möglich, als die Weine, welche einer Mannitgährung anheim- 
gefallen sind, gewöhnlich eine abnorme Menge flüchtiger Säuren besitzen, wie 
sie überhaupt meistens auch einen sehr hohen Gesammtsäuregehalt aufzuweisen 
haben. Nach den Untersuchungen und Mittheilungen von P. Charlest), L. 
Roos 2), Dugast 3), Gayon und Dubourg 4) finden sich in Weinen oftmals 

1) P. Charles, Sur le caractéristique des vins de figue. Compt. rend. T. 112. 
1891. p. 811. 

2) L. Roos, Mannitgährung. Journ. de Pharmacie et de Chimie. T. 27. p. 405. 
Pe Fa Dosage de la mannite dans les vins. Revue de viticulture. T. ?. 


o Gayon et Dubourg, Sur les vins mannites. Ann. de lInst. Pasteur. 18%. 
pP . 


Einiges über die Krankheiten’ und Fehler beim Weine. 379 


mehr oder weniger grosse Mengen von Mannit vor. Auf Grund der einschlä- 
gigen Untersuchungen gelangte man zu der Ansicht, dass lediglich unvoll- 
ständig vergohrene oder auch sonst schon irgendwie erkrankte Weine Mannit 
enthalten, dass demnach der Mannit in Folge einer schlecht geleiteten, fehler- 
haften Gährung im Weine auftritt, und dass seine Bildung durch grosse Wärme 
begünstigt wird. 

Nach den Untersuchungen dieser Forscher wird die Mannitgährung durch 
einen Spaltpilz hervorgerufen, welcher die Form von kurzen,. unbeweglichen 
Stäbchen besitzt, die in kürzeren oder längeren Ketten, oftmals in grosser An- 
zahl (z0oglöenartig) zusammenhängen. Diese Spaltpilze, in Most oder zucker- 
haltigen Wein eingetragen, besitzen die Fähigkeit, den Zucker in Mannit zu 
verwandeln und zwar unter gleichzeitiger Bildung von Essigsäure und Milch- 
säure. Wie oben schon erwähnt wurde, ist für die mannitkranken Weine 
insbesondere der hohe Gehalt an flüchtigen Säuren charakteristisch, ferner 
aber auch der mehr oder weniger hohe Gehalt an unvergohrenem Zucker. 
Auch Infektionsversuche mit den isolirten Organismen sind theilweise geglückt. 

Hat man in einem Wein Mannit aufgefunden, so berechtigt dies jedoch 
noch keineswegs ohne Weiteres zu dem Schlusse, dass man einen Wein vor 
sich habe, welcher der Mannitgährung durch Mannitbakterien anheimgefallen 
sei. Es ist nämlich keineswegs ausgeschlossen, dass Weine, welche aus stark 
gränfaulen Trauben hergestellt werden, ebenfalls Mannit enthalten; denn es 
scheidet bekanntlich der die Grünfäule erzeugende Schimmelpilz (Penicillium 
glaucum) gleichfalls Mannit als Stoffwechselprodukt aus. Man muss also in 
fraglichen Fällen sämmtliche Eigenschaften eines Weines, wie Zustand, mikro- 
skopisches Bild, chemische Zusammensetzung u. s. w. in Betracht ziehen, um 
über die Art der Erkrankung sicheren Aufschluss zu erhalten. 

Mannitkranke Weine sucht man einmal durch Pasteurisiren und nachfol- 
gendes Verschneiden mit einem gesunden, säurearmen Weine einigermaassen 
wiederherzustellen; bei unvergohrenen, zuckerhaltigen Weinen empfiehlt es 
sich, nach dem Pasteurisiren den Wein einer Umgährung mit einer Reinzucht- 
hefe zu unterwerfen. 

Es sind nunmehr einige Krankheiten näher zu betrachten, welche unter 
dem Sammelbegriffe des 


Umschlagens oder Brechens der Weine 


(la tourne, la pousse) zusammengefasst werden können. 

Es siud dies das Trübwerden oder Trübbleiben, das Weichwerden, 
Zih- oder Schleimigwerden, auch Lang-, Fett-, Schwer-, Oelig- 
werden genannt, und schliesslich das Laugig-, Laubfarbig- oder Braun- 
farbigwerden des Weines. Allen diesen Krankheiten liegen jedenfalls, 
wenigstens nach dem heutigen Stande der ganzen Frage über die Ursache der- 
selben, Mischinfektionen von allerlei Krankheitskeimen zu Grunde, welche 
in ihrer Gesammtwirkung die obigen Krankheitsbilder ergeben. Dafür sprechen 
auch alle Misserfolge, die man bislang mit Infektionsversuchen gehabt hat, 
wenn man in Weinen mit irgend welchen aus „umgeschlagenen Weinen“ iso- 
lirten Organismenkeimen die Krankheit künstlich hervorrufen wollte. In vielen 

27* 


380 Heinze, 


Fällen wird ausserdem der Nährboden für diese Krankheitserreger von Kabm- 
pilzen, Essigbakterien u. s. w. erst in geeigneter Weise modificirt und s0 
günstige Entwickelungsbedingungen für dieselben geschaffen werden müssen. 
Obwohl nun gerade über das „Umschlagen“ schon zahlreiche Untersuchungen 
angestellt worden sind!), so ist doch über die betheiligten Organismen, über 
die Art und Weise ihrer Thätigkeit, über deren Stoffwechsel- uud Zersetzungs 
produkte noch recht wenig positives bekannt und klargelegt worden. Das 
nUmschlagen“ oder „Brechen“ der Weine ist glücklicher Weise wenig ver 
breitet, aber um so schädlicher, da es meist das völlige Verderben, zumal der 
wenig alkoholreichen Rothweine einleitet. Es macht sich zunächst eine 
schwache Trübung und CO,-Entwickelung bemerkbar; allmählich treten wider- 
wärtige Geruch- und Geschmackstoffe auf, bis die Weine schliesslich ganz 
ungeniessbar werden. Weissweine werden braun in der Farbe, weich, dlig, 
schleimig; Rothweine werden trüb und verlieren an Farbstoff; der Farbstoff 
kann sogar vollständig zersetzt werden: die Rothweine werden braun, laub- 
farbig. 

Solche Weine weisen schon nach Pasteur zahlreiche Bakterien auf, die 
oftmals in langen Fäden auftreten; Kramer beschreibt eine ganze Reihe 
Bakterienarten, Stäbchen- und Kokkenformen, die sämmtlich aërobe und gela- 
tineverflüssigende waren; Impfversuche misslangen ihm stets, und erst nach 
Peptonzusatz liessen sich Veränderungen wahrnehmen. Von Wortmann sind 
ebenfalls mehrere Bakterienart enisolirt worden, ohne dass indessen Infektions- 
erfolge mit ihnen erzielet worden wären. 

Es müssen also sehr wahrscheinlich erst besondere Veränderungen im 
Weine vorgegangen sein, eine von der normalen abweichende chemische Zu- 
sammensetzung- vorliegen, bevor eine derartige Erkrankung eintreten kano- 
Als Ursache und Grund zur Erkrankung wird auch der hohe N-Gehalt von 
manchen Mosten (z. B. bei Ungarweinen) angeführt. Ebenso sollen Weine aus 
peronosporakranken Trauben grosse Neigung zum Umschlagen zeigen. 

Kramer spricht die Erscheinungen des Umschlagens als Specialfälle der 
fauligen Gährung an, indem die Zersetzungen der eiweissartigen Stoffe die 
primären Vorgänge, die Spaltungen der Weinsäure u. s. w. die sekundären 
Vorgänge darstellen. Aus den eiweissähnlichen Verbindungen entstehen CO, 
NH;, H, geringe Mengen Fettsäuren, während die grösseren Mengen an flüch- 
tigen und nichtflüchtigen Fettsäuren auf die Zersetzung der im Weine vor- 
handenen freien Säuren zurückgeführt werden müssen. 


1) Pasteur, Etudes sur le vin. 2. edition. 1873. Paris. — E. Kramer, Studien 
über die schleimige Gährung. Wien 1889. Monatsh. f. Chem. Bd. 10. — Bakterio- 
logische Untersuchungen über das „Umschlagen“ des Weines. Landwirthsch. Versuchs- 
station. 1890. Bd. 37. — Nessler, Die Ursachen des Krankwerdens der Weine. Ber. 
d. deutsch. Weinbaukongr. in Neustadt a. H. Mainz 1896. — Duclaux, Sur le vieille- 
ment des vins. Ann. de l’Inst. Pasteur. 1893. T. 7.— Schultz, Das „Umschlagen* 
der Rothweine. Weinlaube. 1877. Bd. 9. No. 17. — C. Cramer, Untersuchungen 
über das Zähewerden des Weines. Weinbau u. Weinhandel. 1890. — Bersch, Die 
Krankheiten des Weines. Wien 1873. S. 52.— Nessler, Die Bereitung und Behandlung 
des Weines. 1884. S. 228. — Wortmann, Das Umschlagen des Weines. Lands. 
Jahrb. 1891/92. Weinbau u. Weinhandel. 1893. — Meissner, Studien über das Zähe- 
werden von Most und Wein. Landwirthsch. Jahrb. 1898. S. 714. 


Einiges über die Krankheiten und Fehler beim Weine. 381 


Das Weichwerden, Oelig- oder Schleimigwerden erkennt man vor 
Allem daran, dass der Wein nicht in kurzen, perlenden Tropfen, unter klin- 
gendem Geräusche ins Glas fliesst, sondern in dicken, Öligen Tropfen einer 
oftmals schon fadenziehenden Flüssigkeit. Als Krankheitserreger werden haupt- 
ächlich verschiedene Bakterienarten anzusehen sein; diese sind zwar noch 
nicbt näher bekannt, dürften jedoch in den meisten Fällen ganz zweifellos 
in ihrer Gesammtwirkung die charakteristischen Krankheitsbilder hervorrufen. 
Wenigstens war bei allen den Weinen, welche Verf. in dieser Hinsicht selbst 
untersucht hat, stets ein ausserordentliches Bakterienwachsthum mit Formen 
verschiedener Art und Grösse (Kokken, Diplokokken, Stäbchen) zu konstatiren. 
Auch konnte die bemerkenswerthe Beobachtung gemacht werden, dass bei Ver- 
wendung von direktem Impfmaterial aus weichgewordenen Weinen in geeig- 
neten Kulturmedien (es wurden verwendet: Moste, die verdünnt und unver- 
düpnt mit Glycerin und N-Nahrung angereichert waren; im Umschlagen be- 
griffene, pasteurisirte Weine, verdünnte Bouillon mit allerlei Zusätzen von 
Bestandtheilen des Weines, von Alkohol, Säuren, Glycerin, Zucker) eine 
Schleimbildung weniger in den zuckerhaltigen Kulturflüssigkeiten, als viel- 
mebr in den Glycerinkulturen, vielleicht unter Mitwirkung von reichlich vor- 
handenen stickstoffhaltigen Substanzen sich vollzog. Eingehendere Unter- 
suchungen konnten indessen noch nicht angestellt werden. Von Wortmann 
ist übrigens auf die Mitwirkung von Dematium pullulans bei dem Zäh- und 
Schleimigwerden von Mosten und Weinen hingewiesen worden, einem Pilze, 
welcher bekanntlich in der Gährungsphysiologie schon viel von sich reden 
gemacht hat. 

In jüngster Zeit hat Meissner einige Sprosspilze, sogenannte Schleim- 
hefen beschrieben, welche z. Th. schon von Wortmann bei seinen Unter- 
suchungen „Ueber die lebenden Organismen in fertigen Weinen“ aufge- 
funden warden. Zwei andere Schleimhefen hat Meissner aus dem Platanen- 
schleimfluss isolirt. Die Zellformen sind rund oder oval, doch kommen auch 
Pastoriane Fomen vor mit oftmals mycelähnlichem Aussehen. Die Grösse der 
Zellen ist nur halb so gross wie die der Alkoholhefen; ihre Vermehrung erfolgt 
lediglich durch Sprossung; eine endogene Sporenbildung ist nicht beobachtet 
worden. Die Schleimhefen bilden keine Häute, wie man sie bei Kahmpilzen 
and auch echten Hefen bisweilen vorfindet, wohl aber Ringe am Glasrande. 
Die charakteristischen Riesenkolonien sind an der Spitze kraterförmig ein- 
gesenkt, haben radiale Furchen oder Riefen und sind am Rande gekerbt. 

In physiologischer Hinsicht sind die untersuchten „Schleimhefen“, mit 
Ausnahme von zwei aus Arengawein isolirten Formen, aërobe Organismen, 
die neben Schleimbildung z. Th. auch eine schwache alkoholische Gährung 
bervorrufen können. Sie sind nur wenig widerstandsfähig gegen Alkohol; 
ebenso wenig merkwürdiger Weise gegen Essigsäure. Gerbsäure und Schwefel- 
siure wirken hemmend auf ihre Entwickelung ein. 

Die Schleimbildung kann unter Umständen vor Eintritt der Hauptgährung 
oder auch erst nach derselben auftreten. 

Nach den eben erörterten Eigenschaften und bei dem gegenwärtigen Stande 
der Hefefrage sind jedoch diese „Schleimhefen“ keinesfalls als echte Hefen 


382 Heinze, 


anzusprechen und eher in die Gruppe der Torulaformen zu verweisen. Zwar 
könnte man sie als pathogene Formen von Hefen betrachten, welche ihre 
Fähigkeit, Sporen zu bilden, eingebüsst ‚haben, und welche an Stelle ihres 
Gährvermögens die Fähigkeit erworben haben, Most und Wein schleimig zu 
machen; aber gegen diese Auffassung spricht die bislang ausserordentlich 
seltene Beobachtung derartiger Sprosspilze. Ob auch andere, grössere Spros- 
pilze im Weine ähnliche Erscheinungen hervorrufen können, muss nach den 
bisherigen Kenntnissen in dieser Frage dahingestellt bleiben; immerhin wäre 
es denkbar, dass auch keimende Exoascussporen und Dematium pullulans- 
Hefen bisweilen schleimige Gährung bewirken. Diese Organismen finden sich 
viel verbreitet in der Natur vor: man trifft sie auf den meisten Trauben, auf 
Blättern und Stengeln verschiedener Pflanzen und in verschiedenen Formen an, 
bald als Cladosporium oder Fumago, bald als Dematium. Sie können also 
beim Keltern sehr leicht in den Most gelangen. Merkwürdiger Weise erwähnt 
Meissner nichts darüber, ob auch bei manchen seiner Kulturen irgendwie 
Bakterien mitgewirkt haben; Infektionsversuche sind ihm allerdings insofern 
geglückt, als er mit den isolirten Organismen in gesunden Weinen ein schwaches 
Weich-, Schwer- oder Oeligwerden erzielen konnte, nicht aber das Extrem des 
Zähewerdens d. h. das Zähemachen des Weines bis zu dem Grade, dass er 
in langen Fäden in die Flasche läuft oder wie Eiweiss abtropft; indessen be- 
weisen die Versuche von Meissner, wenn auch nur indirekt, dass bei dem 
Weich- und Schleimigwerden des Weines wohl allgemein gewisse Bakterienarten 
eine grössere Rolle spielen, als es hie und da den Anschein hat. 

Die Organismen der schleimigen Gährung wird man am besten durch 
Einleitung einer guten Gährung unter Zusatz einer gährkräftigen Reinhefe, 
überhaupt durch eine sorgfältige Gährführung niederhalten und unterdrücken 
können und ferner durch rechtzeitiges, nicht aber vorzeitiges Schwefeln. 
Weichwerdende oder weichgewordene Weine, die noch vielfach unvergohrene 
Zuckerreste enthalten, werden einer Umgährung unterworfen, daraufhin even- 
tuell entschleimt und geschönt. 

Wenn man trübgewordene und trübbleibende, ferner auch weichgewordene 
Weine (nach der Entschleimung mit Kaolin oder bei kleineren Mengen durch 
energisches Peitschen des Weines mittels eines Reisigbesens, um die Schleim- 
masse in Fetzen zu zerreissen und so ein besseres Absetzen zu ermöglichen) 
schönen will, so giebt man bei tanninarmen etwas krystallisirtes Tannin (etwa 
5 g Tannin in 500 ccm Alkohol gelöst pro hl) hinzu, damit die „Schöne“ 
besser „packt“ und nicht etwa „stecken bleibt“. 

Weine aus theilweise sauerwurmfauligem Traubengut zeigen während der 
lebhaften Gährung nichts Auffallendes in Farbe und Aussehen. Später aber 
während der Nachgährung und bei eventuellem Luftzutritte werden sie von 
oben immer dunkler braun; sie büssen alsdann ihre klare, durchsichtige Be- 
schaffenheit ein, werden dicktrüb und zeigen an der Oberfläche oftmals dünne, 
farbenschillernde Häutchen, die sich unlöslich abscheiden; die Weine verlieren 
an Frische, an Säure und Körper (durch Organismenwirkung) und werden in 
Folge der Trübungen ganz unansehnlich und unverkäuflich. Dies ist das 
Laugig-, Fuchsig-, Rahn- oder Laubfarbigwerden der Weine, eine Krankheit, 


Einiges über die Krankheiten und Fehler beim Weine, 383 


deren Vermeidung und deren Heilung sich aus schon mehrfach erörterten 
Gesichtspunkten ergiebt; sie gelingt aber nur sehr selten und schwer. 

Besonders Rothweine nehmen beim Laugigwerden meist eine trübe Be- 
schaffenheit an und verlieren obendrein sehr viel Farbe; sie verblassen allmäh- 
lich mehr und mehr und werden zuletzt braun. Man schönt sie mit Eiweiss 
und zieht dieselben in ein nicht zu stark geschwefeltes Fass ab, selbst auf 
die Gefahr hin, durch die schweflige Säure ausnahmsweise den Rothweinen noch 
mehr Farbe zu nehmen. Durch die Einwirkung der schwefligen Säure werden 
die noch etwa gelöst gebliebenen fauligen Stoffe derart verändert, dass die- 
selben auch bei erneuter Berührung mit der Luft nicht mehr unlöslich 
werden. Man opfert so lieber etwas von der Farbe, um wenigstens einen 
verbleibenden Rest dauernd zu erhalten. Rothweine scheiden auch vielfach 
in Folge zu niedriger Kellertemperatur viel Farbstoff aus und werden trüb. 
Durch blosses Erwärmen auf ca. 50—60°C,, eventuell unter Zuhilfenahme von 
etwas schwefliger Säure, kann man einen grossen Theil des abgeschiedenen 
Farbstoffes wieder in Lösung bringen und durch Lagern der Weine bei einer 
höheren Temperatur denselben wiederum eine erheblich tiefere Farbe verleihen. 

Bei allen Erscheinungen des Trübwerdens von Weinen, die entweder an- 
fangen umzuschlagen oder bereits umgeschlagen sind, ist es also ein Haupt- 
erforderniss, erst mit Hilfe des Mikroskops die Natur der Trübung u. s. w. 
festzustellen. Die Trübung braucht z. B. keineswegs ausschliesslich direkt oder 
indirekt durch Organismen hervorgerufen zu sein, sondern sie kann auch orga- 
nischer oder anorganischer Natur sein. Erdige, humusartige Bestandtheile des 
Weines, Eiweissstoffe, Gerbstoffe und Farbstoffe, in Zersetzung begriffene 
ud zerfallende todte Hefezellen — alles das kann sehr wohl im Weine 
recht unliebsame Trübungen u. s. w. hervorrufen, und es kann also erst nach 
sorgfältiger Untersuchung der erkrankten Weine naclı den verschiedensten 
Richtungen hin an die mehr oder weniger vollkommene Wiederherstellung 
derselben geschritten werden. Mit einem planlosen Herumprobiren wird man 
meistentbeils recht wenig Glück haben. 

Einige Beispiele mögen dies etwas näher erläutern. Wenn beispielsweise 
ein Wein in der Gährung stecken geblieben ist, so hilft alles Schönen mit 
Hausenblase oder Gelatine oder Eiweiss, alles Filtriren nichts; denn so lange 
noch irgend welche Zuckerreste sich in unvollständig vergohrenen Weinen 
vorfinden, so lange finden die trotz des Filtrirens immer noch vorhandenen 
wenigen Hefezellen, ebenso die Bakterien günstige Gelegenheit, sich zu ver- 
mehren und immer wieder erneute Trübungen hervorzurufen. Darum ist in 
solchen Fällen die erste Vorbedingung und das einzig wirksame Mittel, erneuten 
Trübungen vorzubeugen oder sie zu beseitigen, wenn man den betreffenden 
Wein unter Lüftung mit einer gährkräftigen Reinhefe umgährt und erst hinter- 
her eine Schönung, ein Filtriren oder eine schwache Schwefelung folgen lässt. 

Durch Bakterienwachsthum trübgewordene Weine wird man nur durch 
stärkere Schwefelungen und eventuelles Filtriren oder Pasteurisiren wieder- 
herstellen können. Bei nicht organisirten trübenden Bestandtheilen, wie auch 
bei Zersetzungsprodukten der abgestorbenen Hefezellen wird man wohl immer 
zam Schönen oder zum Filtriren seine Zuflucht nehmen müssen. 


384 Heinze, 


Der oftmals im Weine vorhandene Schleim ist von vornherein nicht mehr 
vollständig gelöst und kann deswegen auf rein mechanischem Wege aus dem- 
selben entfernt werden. Dies geschieht in geeigneten Gefässen durch Peitschen 
mit weissen, langfaserigen Reisigbesen unter inniger Berührung mit Luft. Die 
zusammenhängende Schleimmasse wird bei dieser Behandlung in einzelne Fetzen 
zerrissen, die sich alsdann ziemlich leicht im Weine absetzen können. Bei 
grossen Mengen Weines muss man jedoch zur sogenannten spanischen Erde, 
dem Kaolin, als Entschleimungsmittel, greifen. Nach der Entschleimung kann 
dann auch zur Entfernung der Trübung geschritten werden. 

Als ein Beispiel dafür, welche unvorhergesehenen Störungen sich bis- 
weilen in der Kellerwirthschaft ereignen können, und welchen Schwierigkeiten 
der Küfer bei der Behandlung der Weine gelegentlich begegnet, möge folgendes 
dienen: Der Küfer will zwei Weine mit einander verschneiden, die beide vor 
dem Verschnitt tadellos hell und klar sind. Sie werden von ihm in ein sorg- 
fältig gereinigtes und vorschriftsmässig behandeltes Fass übergeführt: aber 
der Wein bleibt nicht klar; er wird und bleibt im Gegentheil trübe trotz 
allen Herumprobirens, ihn wieder klären zu wollen. Bei der näheren Unter- 
suchung stellt sich alsdann heraus, dass der eine zum Verschnitt verwandte 
Wein ein sehr schwerer, alkoholreicher Wein gewesen ist, der aber noch 
beträchtliche Mengen Zucker enthielt; ausserdem ganz natürlicher Weise auch 
noch Hefezellen, die sich aber in Folge des hohen Alkoholgehaltes nicht 
weiter entwickeln konnten. Der zweite Wein war ein leichter Jungwein mit 
bedeutend geringerem Alkoholgehalte, enthielt keinen Zucker mehr und war 
an und für sich ebenfalls tadellos klar. Durch das Mischen der beiden Weine 
wird aber der Alkoholgehalt des ersteren um ein Beträchtliches herabgesetzt, 
und es kann sich die Hefe bei dem Vorhandensein von Zucker wieder ver- 
mehren und auf diese Weise jene unerwarteten Trübungen hervorrufen. 

Eine Krankheit, bei welcher oftmals gleichzeitig Erscheinungen des „Um- 
schlagens“ (Trübwerden, Missfarbig-Braunwerden) aufzutreten pflegen, ist das 
gar nicht selten vorkommende 


Bitterwerden des Weines. 


Aus der Thatsache, dass bittere Weine bisweilen allerlei Begleiterschei- 
nungen zeigen, erklärt sich auch der Pasteur’schel) Irrthum (den die meisten 
Forscher nach ihm in gleicher Weise begingen), dass dem Bitterwerden des 
Weines ein specifisches „Bitterferment“ und zwar eine besondere Bakterienart 
als Ursache zu Grunde liege. Die eingehenden, hochinteressanten Versuche 
von Wortmann), welche vor kurzer Zeit erst abgeschlossen und veröffentlicht 
worden sind, haben nun endlich in diese verwickelten Verhältnisse mehr 
Klarheit gebracht. 

Bezüglich der Ursachen des Bitterwerdens der Weine, selbst was das 
allgemeine Bild über das Auftreten und den Verlauf der Krankheit anbelangt. 
waren die bisherigen positiven Kenntnisse noch sehr gering, mangelhaft und 


1) Pasteur, Etudes sur le vin; maladie de l’amertume. Paris 1878. 2. tdition. 
2) Wortmann, Untersuchungen über das Bitterwerden der Rothweine. Land- 
wirthsch. Jahrb. u. Zeitschr. f. wissensch. Landwirtbsch. 1900. S. 629— 744. 


Einiges über die Krankheiten und Fehler beim Weine. 385 


unsicher; die Ansichten der verschiedenen Autoren, soweit sie sich nicht ganz 
im Pasteur’schen Fahrwasser bewegten, widersprachen sich oft vollständig. 
Indessen hat schon die Erfahrung auf ein Ineinandergreifen von verschiedenen 
Ursachen hingewiesen, und trotz der Irrthümer Pasteur’s muss anerkannt und 
betont werden, dass er in seinem bekannten Werke bereits die Grundlage 
geschaffen hat, auf welcher erfolgreich weitergebaut werden konnte. Die 
Krankheit wird übrigens bei Weissweinen äusserst selten, hingegen um so 
häufiger bei Rothweinen angetroffen, und zwar soll dieselbe sich weniger bei 
kleinen Weinen, als bei guten, älteren Qualitätsweinen mit hervortretendem 
Altersgeschmack (goüt de vieux) bemerkbar machen. Die Weine werden häufig 
schon sehr zeitig auf dem Fasse bitter; sie erhalten einen eigenartigen, speci- 
fischen Geruch, zeigen eine wenig intensive Farbe und werden matt und schal 
im Geschmack, und es gehen später vollständige Veränderungen des Farbstoffs, 
Zersetzungen des Weinsteins u. s. w. vor sich, bis sie schliesslich so galle- 
bitter werden können, dass sie kaum mehr zu geniessen sind. Andere Weine 
werden jedoch erst später im Fasse oder auf der Flasche bitter, und es sind 
fast regelmässig zusammen mit einer warzenförmigen Masse von Krystallen und 
Weinfarbstoffen fädige Gebilde, Bakterien (ähnlich denen in umgeschlagenen 
Weinen) vorhanden, welche Pasteur als die alleinige und einzig mögliche 
Ursache des Bitterwerdens hinstellt. Es muss hier bemerkt werden, dass 
Pasteur über diese Krankheit lediglich gelegentliche Beobachtungen giebt und 
keine eingehenden Untersuchungen, und es ist deshalb begreiflich, wenn er in 
Folge seiner sonstigen exakten und bewundernswerthen Untersuchungen auch die 
mehr zufällig in bitteren Weinen aufgefundenen Bakterien in einen ursäch- 
lichen Zusammenhang mit der Krankbeit zu bringen suchte. Bittere Weine 
obne aufgefundenes Bitterferment werden von ihm einfach als mit einer unab- 
hängigen Krankheit behaftet erklärt; der Beweis für eine derartige Annahme 
wird aber nicht erbracht. Auch bieten seine Angaben über die fadenförmigen 
Bakterien, welche den in umgeschlagenen Weinen vorkommenden durchaus ähnlich 
oder mit ihnen identisch sind, gar keine Unterscheidungsmerkmale dar. Pasteur 
empfand wohl selbst die Unsicherheit seiner Behauptungen, wenn er gele- 
gentlich auch rein chemische Vorgänge in Bezug auf das Bitterwerden, denen 
indessen sehr wahrscheinlich physiologische Processe vorbergehen können, an- 
zunehmen geneigt ist. Die Thätigkeit der Bakterien wäre dann rein hypo- 
thetisch. Unklarheit und falsche Auffassung geben sich bei ihm auch insofern 
kund, als er das bier und da eintretende Verschwinden des Bitterwerdens damit 
zu erklären versucht, dass das Bitterferment von ausfallenden Farbstoffmassen 
eingeschlossen wird. Ferner ist mit seiner Anschauung über das Bitterwerden 
der älteren Qualitätsweine die Thatsache schlecht in Einklang zu bringen, 
dass hoher Alkoholgehalt den besten Schutz gegen Iufektionskrankheiten ge- 
währt und die Weine so gut wie immun macht. 

So findet man bei Pasteur in Bezug auf das Bitterferment hauptsächlich 
Unbewiesenes; in Lehr- und Handbüchern stützt man sich auf ihn, wie 
überhaupt die meisten Forscher nach ihm sich damit begnügen, in bitteren 
Weinen Bakterien nachzuweisen, ohne sich auch nur im geringsten gerade mit 
der schwachen Seite der Pasteur’schen Untersuchungen, nämlich mit dem 

28 


386 Heinze, 


Nachweise und der Erzeugung von Bitterstoffen, näher zu befassen. Es ist 
also kein Wunder, wenn auf diese Weise wenig Neues bekannt wurde, zumal 
alle unternommenen Infektionsversuche mit Bakterien aus bitteren Weinen nur 
negative Erfolge hatten. 

Die Auffassungen Pasteur’s theilen mehr oder weniger vollständig Babo 
und Mach!), Neubauer), Bersch?), welcher sogar alles Bitterwerden auf 
Fermentwirkungen zurückführt, ferner Dahlent), Haas5) und Kramer‘). 
Letzterer spricht sogar von einer positiv festgestellten Thatsache durch Pasteur. 
Die von Aderhold?) in bitteren Weinen beobachteten Bakterien sind wohl 
zweifellos mit denjenigen Pasteur’s identisch. Dasselbe gilt von den Unter- 
suchungen, die Kotusany®) angestellt hat. 

Im Gegensatz zu Pasteur spricht alsdann bereits 1869 Adolf Mayer?) 
die Ansicht aus, dass die Bitterstoffe höchstwahrscheinlich Substanzen vor- 
stellen, welche aus fauligen Trauben entstehen; nach ihm haben die Orga- 
nismen der Rothweine, die vom Farbstoff u. s. w. leben, sicherlich nichts mit 
der Bitterkeit zu thun, so dass also keine specifischen Bitterorganismen vor- 
handen wären. Die Infektionsversuche glückten ihm zwar ebensowenig wie 
anderen Forschern, aber er hat zuerst die Ursache des Bitterwerdens in den 
Schimmelpilzen richtig erkannt. 

Wortmann stellte alsdann mit aller Sicherheit fest, dass keinerlei Be- 
rechtigung vorliegt, die Krankheit des Bitterwerdens auf Bakterien zurückzu- 
führen, dass vielmehr verschiedene andere Ursechen dem EPitterwerden zu 
Grunde liegen, und dass dasselbe in Folge der Thätigkeit von verschiedenen 
Organismen, insbesondere von Schimmelpilzen mit früher oder später fol- 
gender Sauerstoffeinwirkung der Luft im Weine hervorgerufen wird. 

Die sogenannten „Bitterkörnchen“ (löslich in Säuren, Alkohol, auch im 
Mundspeichel), welche nach Wortmann in den meisten bitteren Weinen an- 
zutreffen und als die eigentlichen Träger der Bitterstoffe anzusehen sind, haben 
jedoch mit dem Bitterwerden an und für sich nichts zu thun, da sie erst 
später auftreten. Sie entstehen dadurch, dass die ganz feinen trübenden Aus- 
scheidungen, an welche der bittere Geschmack gebunden ist, von grösseren 
Farbstoffpartikelchen umschlossen, eingehüllt werden und allmählich in grösser 
werdenden kompakten, körnigen Massen sich absetzen. Weine, welche keine 
Bitterkörnchen enthalten, zeigen bei der Kostprobe den bitteren Geschmack 


1) Babo u. Mach, Weinbau und Kellerwirthschaft. 1896. Bd. 2. 

2) Neubauer, Studien über den Rothwein. Ann. d. Oenologie. Bd. 2. S. 27. 

3) Bersch, Die Krankheiten des Weines. Wien 1875. 

4) Dahlen, Die Weinbereitung. Braunschweig 1878. 

5) Haas, Mittheilungen der k. k. physiologisch-chemischen Versuchsstation. Kloster- 
neuburg b. Wien 1888. 

6) Kramer, Bakteriologische Untersuchungen über das Umschlagen der Weine. 
Landw. Versuchsstation. 1890. Bd. 37. 
Š a Aderhold, Untersuchungen über reine Hefen. 3. Theil. Landw. Jahrb. 189. 

8) Kotusany, Ucber das Bakterienferment des Weines. Bd. 1. d. Berichte über 
den 3. internationalen Kongress f. angew. Chem. 1898. 

9) A. Mayer, Untersuchungen über alkoholische Gährung, den Stoffbedarf und 
den Stoffwechsel der Hefepflanzen. Heidelberg 1869. 


Einiges über die Krankheiten und Fehler beim Weine. 387 


oft sofort, während andere Weine mit viel Körnchen auf die Geschmacks- 
nerven erst einwirken, wenn dieselben im Mundspeichel sich aufgelöst 
haben. Ganz natürlicher Weise entstehen die Körnchen durch langsames Aus- 
krystallisiren, durch schnelles bilden sich hingegen nur wolkige, flockige Aus- 
scheidungen, mit denen vielfach Farbstoffverminderungen, nicht immer aber 
Farbenänderungen verbunden sind. Auch kann man beobachten, dass schwach 
bittere Weine beim Ausgiessen aus der Flasche in Gläser in dem Maasse an 
Bitterkeit zunehmen, als sie mit Luft in Berührung gekommen sind und trü- 
bende Bestandtheile absondern, sodass sie von Glas zu Glas immer bitterer 
werden. 

Ohne Zweifel liefern alsdann die Gerbstoffe, vielleicht auch nur ganz be- 
stimmte Gerbstoffe, nicht aber auch die Farbstoffe, das Material für die Bitter- 
stoffe. Darüber ist jedoch noch wenig Sicheres bekannt, zumal die Chemie 
der Gerbstoffe noch viel zu wenig ausgebaut ist. Für die Annahme, dass 
unter Umständen nur bestimmte Gerbstoffe eventuell in bittere Stoffe umge- 
wandelt werden köunen, spricht die bereits von Pasteur hervorgehobene That- 
sache, dass das Bitterwerden an gewisse Traubensorten gebunden sei, wobei 
freilich zu berücksichtigen ist, dass die einen Rebsorten viel leichter zu allerlei 
Krankheiten, besonders auch zum Faulen der Trauben neigen als andere, gegen 
schädliche Einflüsse widerstandsfähigere Reben. Die Erfahrung, dass gute 
ältere Weine häufig bitter werden, lehrt uns indessen eine andere Deutung, dass 
nämlich vielleicht die Qualität eine gewisse Rolle spiele, und dass ein gradueller 
Unterschied im Bitterwerden vielmehr bedingt ist in den Quantitätsunterschie- 
den der vorhandenen Gerbstoffe, wobei als weitere Momente noch die ganze 
Behandlung in Betracht kommt, indem vor Allem bei einem längeren Liegen 
auf den Trestern durch Alkohol u. s. w. bedeutend mehr Gerbstoffe extrahirt 
werden, als dies im umgekehrten Falle möglich ist. Und doch ist das Bitter- 
werden bei den gerbstoffreichen apulischen und dalmatinischen Weinen eine nur 
selten beobachtete Erscheinung. 

Daher sind die Gerbstoffe nicht allein die Ursache des Bitterwerdens, 
sondern es müssen sekundäre Erscheinungen hinzukommen; und es hat als- 
dann die Beobachtung, dass die vom sogenannten falschen Mehlthau (Pero- 
nospora viticola) befallenen Reben unreife, später in bedenklichem Maasse 
fanlende Trauben und fast ausnahmslos bitter werdende Weine liefern, auf 
die rechte Spur verholfen. Möglicherweise werden auch erst durch eine vorher- 
gegangene Pilzinvasien diejenigen Stoffe producirt, aus denen durch Oxydation 
weiterhin die Bitterstoffe sich bilden. Bestimmte Jahrgänge mit ungünstigen 
Witterungsverhältnissen spielen dabei entschieden eine grosse Rolle. Es könnte 
nan auffallen, dass bei Weissweinen aus faulen Trauben — und besonders aus 
den sogenannten edelfaulen Trauben — ein Bitterwerden nicht eintritt, wenig- 
stens nicht bei einem normalen Verlaufe der Gährung. Aller Wahrscheinlich- 
keit nach werden nicht nur von den Botrytis- und Peronosporavegetationen, 
sondern auch von allen möglichen anderen Penicillium-und Dematiumarten Bitter- 
stoffe in den Trauben vorgebildet; sie werden nur nicht in solcher Menge 
während des Maischens und Kelterns ausgelaugt, dass aus ihnen ein merk- 
liches Bitterwerden des Weines resultiren könnte. Diese Krankheit tritt bei 

28* 


388 Heinze, 


Weissweinen aus derartigen Trauben erst zu Tage, wenn sie Anfangs lange 
auf den Trestern gelegen haben. Ganz analog wird bei anderen Früchten das 
Bitterwerden, z. B. bei den Aepfeln, durch einen Pilz (Gleosporium fructi- 
genum) hervorgerufen. Den positiven Beweis für seine Anschauungen erbringt 
Wortmann durch nachträgliche Schimmelpilzinfektionen, indem er von der 
Ueberlegung ausging, dass sich ein nachträgliches Bitterwerden müsse erzielen 
lassen, wenn man mit Schimmelpilzen (z. B. Botrytis cinerea) eine Modificirung 
der vorgebildeten Bitterstoffe anstrebe. 

Bei geeigneter Versuchsanstellung (entalkoholisirten Rothweinen mit ent- 
sprechendem Zuckerzusatz) zeigten die Botrytisweine einen ausgesprochen 
bitteren Geschmack, der sich momentan bemerkbar machte. Die Anfänge von 
Bitterkörnchen konnten indessen nicht mit Sicherheit festgestellt werden. Im 
Vergleiche zu gesunden Trauben sind alsdann von Wortmann auch Versuche 
mit faulen Trauben angestellt worden, um zu konstatiren, ob Bitterstoffe auch 
direkt erzeugt würden; und es liess sich bei diesen Versuchen insbesondere 
eine successive Steigerung des bitteren Geschmackes je nach der Menge der 
verwandten faulen Beeren beobachten. 

Da nun bislang jedwede sichere chemische Unterlage fehlt, so giebt es zur 
Zeit keine andere befriedigende Erklärung und Vorstellung über das Bitterwerden, 
als diejenige, welche auf chemische, durch Pilzvegetationen und Sauer- 
stoffeinfluss der Luft bervorgerufene Veränderungen der Gerbstoffe sich 
gründet. Allerdings giebt es verschiedene Möglichkeiten der Entstehungsweise: 
Entweder kann der Pilz zunächst die Epidermis der Beeren abtödten, sodass der 
gesammte Inhalt dem Luftsauerstoff vollständig preisgegeben ist; man weiss, 
dass durch Oxydationserscheinungen der rothe Farbstoff, ebenso Bestandtheile 
des Protoplasmas wie auch der Zellsäfte, verändert und gebräunt werden. Es 
ist deshalb denkbar, dass auch ein Theil der Gerbstoffe in ähnlicher Weise 
modifieirt wird. Weiterhin wäre es aber auch denkbar, dass die Pilze die 
Gerbstoffe unmittelbar angreifen und durch physiologische Vorgänge im Innern 
der Zelle unter Mitwirkung des Sauerstoffes Bitterstofte entstehen, die alsdann 
während des Maischprocesses ausgelaugt werden und eventuell noch weitere 
Umwandlungen erleiden. Endlich besteht auch die Möglichkeit, dass durch 
Pilzvegetationen Stoffe entstehen, welche erst allmählich beim weiteren Aus- 
bau in Bitterstoffe übergehen. 

Zur Entscheidung der Frage sind also besondere chemische Untersuchun- 
gen nothwendig. Da man nun bei gesunden Weinen einem nachträglichen 
Bitterwerden durch Pasteurisiren sicher vorbeugen kann, während nicht pasteu- 
risirte späterhin immer noch krank werden können, so müssen in solchen 
Fällen ohne Zweifel auch lebende Organismen eine Rolle spielen. 

In feuchten Lagerkellern kommt häufig ein weisslicher, schmutzig-grüner 
Schimmel vor, der sogenannte Kellerschimmel (Racodium cellare), ferner viele 
andere Schimmelpilze auf den Fasswandungen. Der Wein durchdringt be- 
kaontlich die Poren des Faserholzes und kommt so nicht nur mit der Luft, 
sondern auch mit den Pilzmycelien in innige Berührung. Ein substanzielle 
Beeinflussung findet auf diese Weise sicherlich statt, und es ist sehr wabr- 
scheinlich, dass auch die Gerbstoffe irgendwie verändert werden. Auf den 


Einiges über die Krankheiten und Fehler beim Weine. 389 


Flaschenkorken siedeln sich ebenfalls vielfach Schimmelpilze, insbesondere 
Penicillinmarten an, sodass dadurch ein allmähliches Bitterwerden sehr wohl 
eingeleitet werden kann. Ob jedoch auch andere Organismen — wie auch 
vor Allem Spaltpilze unter gewissen Bedingungen — ähnliche Veränderungen 
im Weine bezw. überhaupt ein Bitterwerden bewirken können, muss aus Mangel 
an eingehenden Untersuchungen noch dahingestellt bleiben; aber für eine Mit- 
wirkung von Bakterien liegt wenigstens bislang kein einziger positiver Be- 
weis vor. 

Bezüglich der Bekämpfung, der Beseitigung des bitteren Geschmackes, 
bezw. der Vorbeugung des Bitterwerdens möge Folgendes erwähnt werden: 
Da die Praxis immer dann erst zum Heilmittel greifen wird, wenn der Wein 
bereits bitter geworden ist, so hat ein Pasteurisiren desselben gar keinen Zweck; 
es kann höchstens einen gewissen Werth insofern beanspruchen, als man even- 
tuell ein Fortschreiten des Bitterwerdens dadurch aufzubalten vermag; bei 
gleichzeitiger starker Bakterienvegetation ist seine Anwendung natürlich selbst- 
verständlich. Indessen darf nicht vergessen werden, dass ein Wein durch 
das Pasteurisiren unter Umständen noch bitterer werden kann, wenn nämlich 
zahlreich vorhandene Bitterkörnchen vorher nicht entfernt werden und diese 
beim Erwärmen sich auflösen. Ein Gefrierenlassen hat insofern ebensowenig 
Zweck, als vorhandene Krankheitskeime durch derartige niedrige Temperaturen 
noch keineswegs abgetödtet werden. Ein in der Praxis anwendbares Verfahren, 
welches sich nach Haas (s. oben) auf verschiedene Oxydationsmittel gründet, 
dürfte sich auch nicht ausbauen lassen. Man kann mit derartigen Mitteln 
(H30,, MnO,, KMnO,) den bitteren Geschmack allerdings beseitigen; die Weine 
werden jedoch meist so stark von ihnen angegriffen und beeinflusst, dass sie 
ihren ganzen Charakter verlieren. 

Nessler giebt als ein sicher wirkendes Mittel eine Umgährung des er- 
krankten Weines mit frischen Trestern an, und Wortmann bestätigt die Ver- 
suche Nessler’s, indem er ausserdem eine Eiweissschönung zur Entfernung 
von Bitterstoffen befürwortet. Für die Annahme einer rein chemischen Ein- 
wirkung auf die Bitterstoffe (als Reduktionsvorgänge bei der erneuten Gäh- 
rung) glaubt Wortmann keine genügende Unterlage vorhanden und hält eine 
andere Auffassung für plausibler, nämlich, dass die Bitterstoffe durch erneute 
Trübungen eingeschlossen und so mechanisch entfernt werden. Die sichersten 
Mittel gegen die Krankheit bleiben natürlich immer die Vorbeugungsmaass- 
regeln, dass man möglichst bald die Trauben herbstet und nur gesunde Trauben 
zur Kelterung bringt. Schimmelvegetationen an den äusseren Fasswandungen 
müssen durch Abreiben mit Alkohol vernichtet werden, und die Flaschenkorke 
müssen vor dem Verkapseln gut abgetrocknet und mit einem geeigneten 
Flaschenlack überzogen werden. 


Der Schimmelgeschmack des Weines. 


Diese Krankheit oder vielmehr dieser Weinfehler tritt meistens dann auf, 
wenn auf die Herrichtung der Weinfässer zur Aufnahme des Mostes zu wenig 
Sorgfalt verwandt wird, und wenn aus Unachtsamkeit der Most in ein ge- 
schimmeltes Fass gelangt: Der Wein nimmt alsdann den äusserst unangeneh- 


390 Heinze, 


men Schimmelgeruch und -Geschmack oder Müchel an. Dieser Fehler kann 
nur in den seltensten Fällen wieder beseitigt werden und entwerthet und ver- 
dirbt den Wein vollständig. Eine Infektion von den Trauben aus durch starke 
Schimmelpilzvegetationen und damit ein Auftreten des Schimmelgeschmacks ist 
so gut wie ausgeschlossen, da die Schimmelpilze durch die entwickelte Kohlen- 
säure, sowie durch den steigenden Alkoholgehalt wenn nicht vollständig ab- 
getödtet, so doch wenigstens so weit unterdrückt werden, dass eine stärkere 
Vegetation auf diese Weise unmöglich wird und eine geschmackliche Beein- 
flussung in obiger Hinsicht kaum statthaben kann. 

Hier und da hat sich nun ein Durchschütteln derartiger fehlerhafter Weine 
mit einer ca. 1 cm hohen Schicht von tadellos frischem Olivenöl zur Weg- 
nahme des Geschmacks schon bewährt. Behandlung mit Holzkohle und Fil- 
triren beseitigt denselben wohl auch in manchen Fällen; indessen wird der 
Wein dadurch so sehr angegriffen, dass er nur noch mit gesunden, frischen 
Weinen verschnitten zu geniessen ist. 

Der sogenannte Boden- oder Erdgeschmack hat mit dem Erdboden 
absolut gar nichts zu thun. Er wird vielmehr von der gewissermaassen als 
Krankheitshefe aufzufassenden zugespitzten Hefe — Saccharomyces apiculatus 
(welche übrigens im Weine, falls sie das Uebergewicht bekommt, vorwie- 
gend flüchtige Säuren bildet) — im Verein mit Schimmelpilzen hervorgerufen. 
Selbst bei oftmals nur kurzer Vegetationsdauer macht sich dieser Erdgeschmack 
bemerkbar. Daher gilt es, mittels einer guten Gährführung nicht nur Schim- 
melpilze, sondern auch die schädlichen Apiculatushefen möglichst frühzeitig 
zu unterdrücken. 


Schliesslich bleiben noch einige Weinfehler zu erörtern übrig, denen streng 
genommen keine Organismenwirkungen zu Grunde liegen, wenn sie auch z. Th. 
erst im Laufe der Gährung zu Tage treten. 


Der Böcksergeschmack oder das Böcksern des Weines. 


Der Böckser entsteht zumeist bei jungen Weinen in Folge von bestimmten 
Missgriffen in der Behandlung und giebt sich kund durch einen äusserst wider- 
wärtigen Geruch und Geschmack nach faulenden Eiern. Die Ursache dieses 
Fehlers ist bekanntlich die Bildung von Schwefelwasserstoff, über dessen Auf- 
treten im Weine neuerdings Kulisch!) eingehendere Untersuchungen ange 
stellt hat. Er bestätigt die Ansicht, dass der Schwefelwasserstoff ausschlies- 
lich bei der Anwesenheit von Schwefel im gährenden Most entsteht, und zwar 
auf Grund von Reduktionsvorgängen während der Gährung. Bei Verwendung 
von dicken Schwefelschnitten beim Einbrennen der Fässer tropft oftmals ein 
Theil des Schwefels unverbrannt ab und bildet am Boden des Fasses dicke 
Schwefelkrusten. Alter Wein wird allerdings hierdurch nicht weiter beein- 
flusst, wohl aber junger, noch gährender Wein, indem Schwefelpartikelchen 
in Form von Schwefelwasserstoff gelöst werden. Ferner aber kann in einem 


1) Kulisch, Untersuchungen über das Böcksern der Weine. Weinbau u. Wein- 
handel. 1895. 1, 2. — Untersuchungen über das Böcksern. Ber. d. künigl. Lehranst 
f. Obst- u. Weinbau. Geisenheim 1894/95. 


Einiges über die Krankheiten und Fehler beim Weine. 391 


völlig vergohrenen alten Weine, der in einem eingebrannten Fasse lagert, 
der Böcksergeruch entstehen, wenn ein derartiger Wein mit Eisen in Berüh- 
rung kommt. Aus SO, und Fe bildet sich schwefligsaures Eisenoxydul und 
Schwefeleisen (FeS); das letztere wird von den Fruchtsäuren des Weines unter 
Freiwerden von H,S gelöst. Auch wurde verschiedentlich angenommen, dass 
der Böckser bei Weinen entsteht, deren Trauben auf gewissen Gypsböden und 
Schwefelkies-haltigen Thonböden gewachsen sind. Ferner kann derselbe mit 
Sicherheit dann auftreten, wenn man noch späte Schwefelungen der Reben 
zum Kampfe gegen den echten Mehlthau — gegen Oidium Tuckeri — vornimmt 
und auf diese Weise, wenn auch nur unbedeutende Schwefelmengen in die 
Traubenmaische bringt. 

Man entfernt den Böckser durch mehrmaliges Lüften und Peitschen des 
Weines, ferner dadurch, dass man den Wein in ein geschwefeltes Fass ablässt, 
dabei aber sorgfältig eine Berührung mit Eisen vermeidet; es bilden sich be- 
kanntlich alsdann aus SO, und HS Wasser und Schwefel, der sich in Form 
eines feinen Pulvers langsam im Weine abscheidet. 


Die Schwefelsäurefirne. 


In nenester Zeit ist besonders von Kulisch!) auf den eventuell schäd- 
lichen Einfluss der Schwefelsäure hingewiesen worden, welche schon in relativ 
unbedeutenden Mengen einen Weinfehler hervorrufen kann, der allerdings 
bisher nur selten als solcher erkannt wurde, oder den man vielmehr nur des- 
wegen in der Praxis nicht mit der Schwefelsäure in Beziehung bringen konnte, 
weil man nicht wissen konnte, dass mit dem Geschmacksfehler fast regel- 
mässig ein hoher Schwefelsäuregehalt Hand in Hand geht. Durch die Schwefel- 
säare erhält nämlich der Wein schon bei verhältnissmässig kleinen Mengen 
einen harten, eigenartigen sauren Geschmack, der sich am deutlichsten be- 
merkbar macht, wenn man derartige Weine zwischen den Zähnen gewisser- 
maassen kaut; durch erhebliche Säuremengen werden sogar die Zähne stumpf 
gemacht. Es treten ausserdem gewisse geschmackliche Eigenthümlichkeiten, eine 
besondere Art der Firne hervor, die man im Rheingau als „strobig“ und „trocken“ 
bezeichnet. (Das bei älteren Weinen mit ihrem eigenartigen Altgeschmack oft- 
mals vorhandene „Firnbouquet“ ist nur sehr schwer zu definiren: zu reich- 
liche Luftmengen bei den späteren Abzügen des Weines, oder wenn zu viel 
Loft durch die Poren des hölzernen Fassgebindes hindurchtritt, wirken auf 
die Bouquetstoffe schädlich ein und ändern dieselben zum grossen Theil in das 
sogenannte Firnbouquet?) um; die Luft zehrt am Körper des Weines und 
verleiht letzterem einen rauhen, :usgeprägt scharfen Geruch und Geschmack.) 
Meistentheils sind Weine mit hohem Schwefelsäuregehalt auch sehr hochfarbig. 
Wie die geschmacklichen Eigenthümlichkeiten zustande kommen, lässt Ku- 
lisch vorläufig unentschieden; es muss jedoch erwähnt werden, dass die ver- 
schiedenen, in Trauben-, Obst- und Beerenweinen vorkommenden Säuren er- 
hebliche Unterschiede ihres geschmacklichen Säurewerthes aufweisen; gleiche 


1) Kulisch, Ueber den Einfluss der Schwefelsäure auf den Geschmack der Weine. 
Ber. d. deutsch. Weinbaukongr. zu Würzburg 1899. Weinbau u. Weinhandel 1900. 
2) M. Barth, Die Kellerbehandlung der Traubenweine. Stuttgart 1897. Ulmer. 


392 Heinze, 


Gewichtsmengen Schwefelsäure, Citronensäure. Weinsäure, Apfelsäure üben 
auf die Geschmacksnerven einen ziemlich verschiedenen Einfluss aus. Eine 
Flüssigkeit, welche 5 pM. Weinsäure enthält, schmeckt beispielsweise etwa 
ebenso stark sauer, wie eine Citronensäurelösung von 7 pM. oder eine Apfel- 
säurelösung von 9—10 pM.; die Schwefelsäure jedoch hat wenigstens die 
2—3fache Säurewirkung im Geschmack wie die Weinsäure. Hieraus erklärt 
sich zur Genüge ihre hohe geschmackliche Beeinflussung des Weines. In 
welcher Weise die Geschmackseinwirkung vor sich geht, und in welcher Weise 
auch die an Basen ganz- und halbgebundene Schwefelsäure mitwirkt, ist sehr 
schwer zu entscheiden. 

In gesundheitlicher Beziehung treten nach Kulisch die Bedenken, welche 
auf die Vermeidung zu hoher Schwefelsäuregehalte im Weine nachdrücklich 
aufmerksam machen, deshalb nicht so sehr hervor, weil die Schwefelsäure- 
mengen, welche vom sanitären Standpunkte gegenwärtig noch als zulässig er- 
achtet werden, im Allgemeinen höhere sind, als diejenigen, welche man vom 
technischen Standpunkte aus noch zulassen kann. 

Die Verwendung des Schwefels, bezw. der schwefligen Säure, welche weiter- 
hin in Schwefelsäure, schwefelsaure Salze u. s. w. umgewandelt wird, ist in 
der Kellerwirtbschaft unbedingt nothwendig. Aber die Forderung muss auch 
hier betont werden, dass man das Schwefeln und Einbrennen nicht planlos 
vornimmt, sondern den gegebenen Verhältnissen anzupassen sucht uud thun- 
lichst auf das nothwendigste Maass einschränkt. 


Das Schwarzwerden des Weines. 


Dieser Weinfehler kommt hauptsächlich bei gerustoffreichen und säure- 
armen Weinen vor, wenn dieselben im Fasse längere Zeit hindurch mit Eisen- 
theilen in Berührung waren. Ein derartiger Wein fliesst meist völlig hell und 
klar aus dem Fasse in die Flasche oder ins Glas; in Folge des Luftzutrittes 
fängt er allmählich sich zu trüben an; er wird von oben her immer dunkler, 
schliesslich schwarz. Die sich hierbei abspielenden Vorgänge sind bekanntlich 
folgende: Das Eisen von Fassthürenbeschlag, Schrauben u. s. w. wird zunächst 
ohne Farbenveränderungen von den Fruchtsäuren des Weines gelöst; die ge- 
lösten Eisenverbindungen werden alsdann durch die Luft oxydirt und ver- 
binden sich mit der Gerbsäure des Weines zu jener schwarzen Verbindung, 
die uns als der charakteristische Bestandtheil der gewöhnlichen Tinte bekannt 
ist. Um diesen Weinfehler zu vermeiden, darf man den Wein auf keinen Fall 
mit Eisentheilen längere Zeit in Berührung kommen lassen. Man muss einen 
säurefesten, am Eisen festhaftenden Lacküberzug und bei unbedingt nothwen- 
digen Eisentbeilen nur verzinntes Eisen verwenden. Man kann allerdings den 
Fehler oftmals schon durch einen Verschnitt mit einem säurereichen Weine 
wieder heben, da reichliche Fruchtsäure das gerbsaure Eisenoxydul wieder 
zersetzt. Durch Absetzen wird ein im Fasse schwarz gewordener Wein von 
selbst klar; auch kann man diesen Process durch innige Berührung mit Luft 
und Gerbstoffzusatz beschleunigen. Anfangs wird der Wein vielfach noch 
schwärzer; wenn man aber eine Hausenblasenschönung folgen lässt und ihn io 


Einiges über die Krankheiten und Fehler beim Weine. 393 


ein stark geschwefeltes Fass abzieht, so ist der Wein vollständig wieder her- 


gestellt. 
Kapitel III. 


Die Weinkrankheiten und der menschliche Organismus. 

Mit den Nahrungs- und Genussmitteln werden dem menschlichen Organis- 
mus ebenso wie mit dem Wasser zahlreiche lebensfähige Organismenkeime der 
verschiedensten Art einverleibt. Glücklicherweise besteht der weitaus grösste 
Theil dieser Keime aus ganz harmlosen Saprophyten, wie die meisten Wasser- 
bakterien, und nur ausnahmsweise werden zahlreiche pathogene Keime irgend 
welcher Art angetroffen. Es muss allerdings zugestanden werden, dass das 
Auffinden und die einwandsfreie Identificirung mancher Krankbheitserreger we- 
nigstens mit unseren gegenwärtigen Hilfsmitteln gar oftmals recht schwer hält. 
Viele Organismen, darunter auch Bakterien, sind als Gährungserreger bekannt; 
die meisten von ihnen verhalten sich sicherlich dem menschlichen Körper 
gegenüber nicht ganz indifferent, wenn sie demselben in reichlicher Menge zu- 
geführt werden; den ganzen Verdauungsvorgang werden sie oft in erheblichem 
Maasse stören können. 

Inwieweit nun der Wein als Ueberträger von Keimen, welche den mensch- 
lichen Organismus mehr oder weniger schädigen können, in Betracht kommt, 
darüber kann zur Zeit aus Mangel an eingehenden besonderen Untersuchungen 
wenig Bestimmtes gesagt werden. Von gesunden Weinen aus kann schon in 
Folge des Alkohol- und Säuregehaltes eine dem menschlichen Körper schäd- 
liebe Organismenmenge schwerlich übertragen werden, wohl aber kann der 
Genuss von kranken Weinen, bezw. die reichliche Zufuhr von Organismen in 
den Körper, zumal bei empfindlichen Personen, zu bedenklichen Magenverstim- 
mungen Veranlassung geben. Bei dem ausserordentlich reichen Organismen- 
wachsthum, wie man es in kranken Weinen zumeist antrifft, ist also eime 
Uebertragung von lebensfähigen Keimen immer vorhanden; es fragt sich 
nur, ob sie nennenswerthe Störungen im menschlichen Organismus hervorzu- 
rafen im Stande sind. Die Erfahrung lehrt uns nun, dass eine Infektion und 
damit eine Schädigung des menschlichen Organismus durch Organismenkeime 
aus kranken Weinen (Sprosspilze, Bakterien, Schimmelpilze) möglich und 
keineswegs direkt von der Hand zu weisen ist. 

Ob den Bakterien der stichig gewordenen und der ungeschlagenen Weine, 
welche oftmals ein massenhaftes Bakterienwachsthum aufzuweisen haben, eine 
besondere Rolle bei Verdauungsstörungen zugeschrieben werden.kann, muss 
zunächst dahingestellt bleiben. Indessen liegen die Optimaltemperaturen für 
die in Betracht kommenden Bakterienarten der Körpertemperatur so nahe, 
dass eine Beeinflussung des menschlichen Organismus durch die grossen Bak- 
terienmengen obiger Weine sehr wohl möglich ist. 

In neuerer Zeit haben jedoch vor allem die Hefearten, sowie diejenigen 
Organismen, welche den Hefen nahe stehen, nämlich die Torulaformen und 
die Mycodermaarten, neben ihrer Gährwirkung noch ein besonderes praktisches 
Interesse für den Arzt durch die Frage gewonnen, ob sie auf den mensch- 
lichen oder thierischen Organismus irgendwie schädigend einwirken können. 
Insbesondere suchte man Magen- und Darmkatarrbe indirekt auf die Zufuhr 

29 


394 Heinze, Einiges über die Krankheiten und Fehler beim Weine. 
. 


reichlicher Hefemengen zurückzuführen, welche den Darminhalt vergähren. 
Einschlägige Beobachtungen auch über andere Krankheitsbilder sind verschie 
dentlich gemacht worden, und besonders durch die Arbeit von Busse (siehe 
Flügge, Mikroorganismen, lI. S. 47) ist der Pathogenität der Hefen und der 
denselben nahe verwandten Organismen zweifellos mehr Aufmerksamkeit als 
vorber zugewandt worden. So isolirten beispielsweise auch Fischer und 
Brebeck (cf. Zur Morphologie, Biologie und Systematik der Kabmpilze u. s. w.) 
aus dem Mageninhalt eines an Magengährung leidenden Kranken eine Myco- 
dermaart, welche sie Endoblastoderma glucomyces I genannt haben, und 
welcher sie eine eventuelle ätiologische Bedeutung für die Entstehung von Magen- 
verstimmungen u.s.w. beizumessen geneigt waren. Umfangreichere Untersuchun- 
gen sind alsdann mit einer Reihe pathogener Hefen im Institut für Infektions- 
krankheiten von L. Rabinowitsch angestellt worden. Die untersuchten Or- 
ganismen erwiesen sich bei den Versuchen fast alle unter einander gleich: 
Für Mäuse und meist auch für Kaninchen waren sie sämmtlich pathogen, 
indem die Thiere schon durch relativ kleine Mengen unter septikämischen 
Erscheinungen getödtet wurden. Für Meerschweinchen waren sie jedoch nicht 
pathogen. Gegenüber Busse und anderen Forschern konnte jedoch Rabi- 
nowitsch, wenigstens in Bezug auf die untersuchten Hefen eine ätiologische 
Bedeutung für die Entstehung von Geschwülsten nicht nachweisen. 

Wenn auch die bisherigen Untersuchungen im Allgemeinen noch keine 
bestimmten Schlüsse gestatten, so dürfte doch die Organismenflora in kranken 
Weinen einer gewissen Bedeutung für den menschlichen Organismus nicht 
entbehren, weil durch die mannigfach vorhandenen verschiedenen Keime, 
bezw. durch deren Stoffwechselprodukte zweifellos Störungen im Organismus 
des Menschen hervorgerufen werden können. - 


Schluss. 


Aus den gemachten Ausführungen geht hervor, dass die Krankheiten und 
Fehler des Weines vielfach nur sehr schwer wieder zu beseitigen sind. Manch- 
mal ist es überhaupt vergebens, zumal bei augenscheinlicher Vernachlässigung, 
gegen dieselben noch ankämpfen zu wollen: die schwer erkrankten Weine ver- 
derben bald vollständig, und in Bezug auf die wiederhergestellten Weine muss 
immer wieder hervorgehoben werden, dass sie den dauernd gesund gebliebenen 
keineswegs gleich zu achten und gleichwerthig sind. Dies gilt vor Allem von 
den feineren Qualitätsweinen, welche bei Erkrankungen durch die angewandten 
gewaltsamen Eingriffe in ihr ganzes Wesen und Werden fast regelmässig ausser- 
ordentlich Schaden gelitten haben. 

Der bakteriologischen Forschung stehen auf diesem Gebiete, wie schon 
erwähnt worden ist, insofern grosse Schwierigkeiten entgegen, als die künst- 
liche Infektion von gesunden Weinen mit Impfmaterial oder isolirten Orga- 
nismen aus kranken Weinen insbesondere bei denjenigen Krankheiten fast 
durchweg misslingt, die zweifellos durch Bakterien verursacht werden; und 
doch kann man erst dann mit voller Berechtigung einen bestimmten Mikro- 
organismus als die Ursache einer Krankheit oder eines Weinfehlers ansprechen, 
wenn es gelingt, mit seiner Hilfe (durch Uebertragung desselben in normale, 


Grawitz, Bemerkung zu dem Artikel von Mayer u. Wolpert. 395 


event. prädisponirte, aber gesunde Weine) die charakteristischen Krankheits- 
bilder zu erzeugen. Unsere Kenntnisse der Weinkrankheiten sind in mancher 
Hinsicht noch sehr gering und lückenhaft, und eingehendere Forschungen 
erst können weiteres Licht und mehr Klarheit über ihre Natur verbreiten; 
einen Fortschritt wird man — insbesondere auch bei den umgeschlagenen 
Weinen — nur von dem genaueren bakteriologischen und chemischen Stu- 
dium der Einzelfälle erhoffen können. - 

Aus den gemachten Ausführungen leuchten auch der grosse Nutzen und 
die mannigfachen Vortheile ein, welche uns bei der Weinbereitung eine kräf- 
tige, reingezächtete Weinhefe mit guten erprobten Eigenschaften gewährt: 
Manche Störungen, die auftreten, werden durch sie gehoben; vor Allem aber 
werden bei ihrer Anwendung alle möglichen schädlichen Krankheitskeime 
gleich von vornherein unterdrückt oder wenigstens in ihrer gedeihlichen Ent- 
wickelang gehindert, und so ist denn die Reinhefe zugleich eines der vor- 
süglichsten Vorbeugungsmittel, welche uns im Kampfe gegen die Weinkrank- 
heiten zu Gebote stehen. 


Bemerkung zu dem Artikel von Mayer und Wolpert über „Wohnungsdesinfektion 
durch Formaldehyd“ in No. 4 dieser Zeitschrift. 


Von 
Prof. Dr. E. Grawitz in Charlottenburg. 


Die Herren Mayer und Wolpert besprechen in dem II. Abschnitt ihrer 
Arbeit den Einfluss der Temperatur auf die Desinfektionswirkung 
des Formaldehyds auf Grund eigener Versuche, deren Ergebnisse sie sum- 
marisch mittheilen. Sie gehen dabei von der Voraussetzung aus, dass „die 
Frage, ob bei den Versuchen in der Praxis die Temperatur des zu desinfi- 
cirenden Raumes mit, und zwar als wesentlicher Faktor berücksichtigt werden 
müsse, nicht in gebührende Erwägung gezogen sei“. 

Demgegenüber darf ich wobl daran erinnern, dass diese Frage in sehr 
sorgfältiger Weise im Jahre 1898 von Herrn Dr. Fairbanks!) geprüft ist, 
welcher im Charlottenburger Krankenhause unter meiner Leitung experimen- 
telle Untersuchungen über die Wirkung der Formaldehyd-Desinfektion anstellte. 

Fairbanks fand, dass eine Erhöhung der Zimmertemperatur auf 
«a. 22°C. die Abtödtung der Bakterien in auffälliger Weise be- 
schleunigte, sodass es möglich war, die Dauer des Desinfektions- 
verfahrens mit der Schering’schen Lampe auf 8 Stunden gegen- 
über den ursprünglich gefundenen 24 Stunden abzukürzen. 

Ein genauer Vergleich der Desinfektionswirkung bei verschiedenen Tem- 
peraturgraden hat zwar nicht stattgefunden, immerhin hat Fairbanks zuerst 
die jetzt von den Herren Mayer und Wolpert bestätigte Thatsache der ge- 
steigerten Wirkung bei Erhöhung der Zimmertemperatur gefunden und für die 
Praxis empfohlen. 


l) Fairbanks, Centralbl. f. Bakteriol. u. Parasitenk. 1508. Bd. 23. No. 16. 


29* 


396 Mayer u. Wolpert, 


Ich darf hinzufügen, dass seit jener Zeit, also seit 3 Jahren, im Char- 
lottenburger Krankenhause die Formalindesinfektion während der kalten Jahres- 
zeit immer im angewärmten Zimmer ausgeführt wird, und dass mir bei Schar- 
lach, Masern, Keuchhusten und Dipbtheritis kein Fall bekannt geworden ist, 
der als Infektion in dem vorher desinfieirten Zimmer aufzufassen wäre, trots- 
dem die Zimmer meist sofort nach geschehener Lüftung wieder belegt werden 
müssen. ° 


(Aus dem hygienischen Institut der Universität Berlin.) 
Zur Rolle der Lufttemperatur bei der Formaldehyddesinfektien. 
Antwort auf vorstehende Reklamation des Herrn Grawitz. 
Von 


Stabsarzt Dr. Eugen Mayer und Privatdocent Dr. Heinrich Wolpert, 
Assistenten am Institut. 


Wir bestreiten, dass Theil II unserer „Beiträge zur Formalindesintektion“, 
betitelt: „Einfluss der Temperatur auf die Desinfektionswirkung“, im wesent- 
lichen auf eine gewollte oder ungewolkte Nachprüfung einer Thatsache, welche 
zuerst von Herrn Fairbanks aus Boston unter Leitung des Herrn Grawitz 
im Charlottenburger Krankenhaus bewiesen worden sei, hinauslaufe. 

Herr F. kann in dieser Frage keinerlei Priorität beauspruchen; die obigen 
Darlegungen des Herrn G., welcher einen Satz unserer Veröffentlichung an- 
scheinend wörtlich, jedoch unter Weglassung eines nicht gleichgültigen, von 
uns durch seine Stellung hervorgehobenen Wortes („Jedenfalls“) aus dem Zu- 
sammenhang herausnimmt, könnten den Anschein erwecken, als hätten wir 
eine Priorität beansprucht, die uns nicht zusteht. Aus dem unmittelbar vor- 
ber von uns Gesagten (Trillat, Abba und Rondelli) und unmittelbar Fol- 
genden (Flügge, Peerenboom) geht jedoch deutlichst hervor, dass wir eine 
solche Priorität nicht in Anspruch nehmen und in jenem Satz auf die Worte 
„Jedenfalls“, „Praxis“ and „gebührend“ Nachdruck legen, wie wir denn 
schon einleitend die Mittheilung einiger Momente, welche theils „nicht ge- 
nügend“ bekannt, theils bisher „nicht gehörig“ gewürdigt seien, in Aus 
sicht gestellt hatten. 

Man kann in einer vorläufigen Mittheilung nicht Alles geben, was man 
gern möchte. Insbesondere verbietet es sich wohl, auf solche fremden Arbeiten 
einzugehen, deren Mangelhaftigkeit auf der Hand liegt, deren Klarstellung aber 
allein Seiten füllen würde. In einer solchen Lage befanden wir uns Herrn F. 
gegenüber. Man wird solchenorts überhaupt nicht gern zu weit ausholen; wir 
verschoben aus diesem Grunde auch Erörterungen über fundamentale Arbeiten, 
welche den Einfluss der Temperatur auf die Wirkung der Desinfektion«mittel 
betreffen, bis zu unserer ausführlicheren Veröffentlichung. Aus Anlass der 
vorliegenden Reklamation wollen wir schon jetzt etwas weiter ausholen. 

Den günstigen Einfluss der Wärme auf die Wirkung auch der gasförmigen 
Desinfektionsmittel hat zuerst, schon vor 20 Jahren, Robert Koch erkannt. 


Zur Rolle der Lufttemperatur bei der Formaldehyddesinfektion. 397 


Ihm gebührt die allgemeine Priorität in dieser Frage. Speciell hat Koch 
diesen Umstand für Karboldämpfe und Schwefelkohlenstoffdämpfe betont und 
hieran anknüpfend die wichtige, in gegenwärtiger Zeit wieder aktuell ge- 
wordene Bemerkung gemacht!): „Immerhin ist es wahrscheinlich, dass sich 
manche unter gewöhnlichen Verhältnissen unzulängliche Desinfektionsmittel 
durch Kombination mit einer gesteigerten Temperatur zu einer ausreichenden 
Wirksamkeit bringen lassen; möglicher Weise sind auch solche Substanzen, 
denen bei 20°C. jede desinficirende Wirkung fehlt, wie das Beispiel vom 
Schwefelkohlenstoff lehrt, bei etwas höherer Temperatur als vortreffliche 
Desinfektionsmittel zu gebrauchen. Es eröffnet sich in dieser Richtung ein 
sehr lohnendes Feld“..... 

Speciell für den Formaldehyd hat schon vor 7 Jahren Pottevin?) und 
2 Jahre später auch Trillat?) nachgewiesen, dass durch Temperaturerhöhung 
eine beträchtliche Verstärkung der baktericiden Kraft des Formaldehydgases 
eintritt. Wir haben auf Trillat Bezug genommen. Für Herrn Fairbanks 
existiren frühere Beobachter überbaupt nicht, ebenso wenig scheint Herr G. 
von solchen zu wissen. Allerdings hat Trillat*) wie auch später Abba und 
Rondelli5), den gleichzeitigen Einfluss der Luftfeuchtigkeit nicht richtig er- 
kannt; Herr F. und Herr G. übergehen die wichtigen Beziehungen der Luft- 
feuchtigkeit ganz. Erst die Arbeiten unseres Laboratoriums haben über die 
wechselseitigen Beziehungen von Temperatur und Feuchtigkeit zur Formalin- 
desinfektion ein klares Bild geschaffen. Wir speciell haben zuerst erkannt: 
1. dass der Formaldehyd von 0° ein Analogon zum Schwefelkohlenstoff von 
20° bildet; 2. dass auch bei hoher Lufttemperatur (über 30°) ein gewisses, 
meist nicht obne Zuthun gegebenes Maass von Luftfeuchtigkeit Bedingung für 
das Gelingen der Desinfektion ist; 3. dass, wenn man ein Zimmer, bei Null 
und unter Null Aussentemperatur, auf 30° und darüber anheizt (kombinirt mit 
entsprechender Wasserverdampfung), trotz der gewaltig gesteigerten Selbst- 
läftung des Raumes immer noch eine bedeutende Verstärkung der Desinfektions- 
kraft des Formaldehyds resultirt. 


1) Koch, Mitth. a. d. Kais. Ges.-Amt. 1881. Bd. 1. 

2) Pottevin 1894, Recherches sur le pouvoir antiseptique de l’aldehyde for- 
mique, in Ann. de l’Inst. Pasteur, p. 807: „Les expériences, que je viens de rapporter, 
prouvent que l’Cl&vation de la temperature augmente considérablement le pouvoir bac- 
téricide de l’ald&hyde formique.... Les germes humides sont plus rapidement atteints 
que les germes secs.... Des que la température dépasse 35°, les vapeurs du formol, 
même sèches, sont douées d’une énergie, qui les rend précieuses pour la pratique de 
la désinfection“. 

3) Essais de désinfection par les vapeurs de formaldehyde. Par MM. G. Roux 
et A. Trillat. Ann. de l’Inst. Pasteur. 1896. p. 294. 

4) Trillat, Propriétés antiseptiques des vapeurs de formol (ou ald&hyde for- 
mique), in Compt. rend. 1894. T. 119. p. 564. „La présence de l’eau rallentit (ver- 
langsamt!) l’action antiseptique du formol proportionellement au degré de l’humidıt6.“ 

5) Abba und Rondelli, Das Formaldehyd und die öffentliche Desinfektion. 
Zeitschr. f. Hyg. 1898. Bd. 27. S. 49. 


398 Mayeru. Wolpert, 


Diese Nachweise sollten im Wesentlichen auf eine Bestätigung der von 
Herrn G. angezogenen F.’schen Arbeit hinauslaufen ? 

Was hat Herr F. zuerst nachgewiesen? 

Herr F. theilt a. a. O. lediglich zwei Versuche mit, die beide durch Ver- 
gasung von 2 g Formaldehyd pro Kubikmeter Luftraum, ohne Wasserver- 
dampfung, mit Schering’s „Aeskulap“ ausgeführt warden. Der erste Versuch, 
bei 220 C. (wieviel Temperatur im Freien?), wurde auf 12 Stunden und der 
zweite, bei 20°C. (wieviel im Freien?), auf 8 Stunden normirt. In beiden 
Versuchen waren die „auf einem Tisch“ exponirten Testbakterien (Diphtherie 
u. s. w.) abgetödtet worden. 

In einer früheren Arbeit hatte Herr F., ohne auf die Temperatur zu seben, 
analoge Versuche iu einem anderen Zimmer vorgenommen, die er 24 und mehr 
(nicht weniger!) Stunden lang ausdehnte. 

Vergleichende Angaben über die Beschaffenheit und Lage der beiden 
Zimmer, besonders über die Raumgrösse und das Meublement, sucht man 
vergebens! Vergleichende Bestimmungen der Selbstlüftung, unter Berück- 
sichtigung der ventilirenden und ventilationshemmenden Faktoren (Temperatur- 
differenz gegen aussen, Wind, Sonne, Regen, Schnee u. s. w.) fehlen ganz. 
Auch vergleichende Messungen der Luftfeuchtigkeit sucht man vergebens! 
Bei weniger als 20° sind Vergleichsversuche von ebenfalls 8—12 Stunden 
Dauer nicht gemacht! Ob die Testbakterien bei den späteren Versuchen noch 
genau die gleiche Resistenz hatten wie früher, ob überhaupt noch das gleiche 
Material oder vielleicht ad hoo wieder neu bereitete Objekte zur Exposition 
kamen, ist nicht ersichtlich! Aber — hier wie dort war der Erfolg günstig! 
Also — hätte Herr F. den günstigen Einfuss einer hohen Lufttemperatur auf 
die Desinfektionswirkung des Formaldehyds erwiesen? Mindestens ebenso 
logisch durfte er folgern: während bei 20° & Stunden ausreichen, sind bei 
220 12 Stunden erforderlich. 

Und Herr F. hätte unter Beweis gestellt, dass es zweckmässig sei, in der 
kalten Jahreszeit während der Formalindesinfektion das Zimmer zu heizen, 
ganz allgemein: zu heizen, obwohl er in seinen beiden Versuchen den Raum 
auf eine ganz besondere Weise, mittels Dampfheizung (kombinirt mit Lüftung?) 
anwärmte? 

Angenommen, Herr F. habe durch die beiden Heizversuche die Beob- 
achtung Pottevin’s von 1894 bestätigt. Dann blieb immer noch zu unter- 
suchen, ob bei einer beliebigen winterlichen Aussentemperatur die Selbstlüftung 
des Raumes, wenn irgendwie, z. B. durch die gewöhnlichen Windöfen auf 
20— 22° geheizt ist, so geringfügig ist, dass der Verlust an Formaldehyd nicht 
in Betracht kommt, oder aber: ob die durch starke Temperaturerhöhung ge- 
steigerte Desinfektionswirkung den Materialverlust aus einer damit Hand in 
Hand gehenden beträchtlichen Selbstlüftung überkompensirt. Mit anderen 
Worten: Ist die Desinfektion in dem auf 20—22° geheizten Zimmer bei einer 
Aussentemperatur von 10° unter Null ebenso erfolgreich, wie bei einer Aussen- 
temperatur von Null oder 10° über Null? Das können nur Versuche ent- 
scheiden, und Herr F. hat zur Lösung dieser Frage, mit welcher die allge 
meine Empfehlung des Heizens steht oder fällt, keine Versuche ausgeführt, 


Zur Rolle der Lufttemperatur bei der Formaldehyddesinfektion. 399 


er hat die Frage nicht einmal gestellt. Wir für unsere Person hätten auf 
Grund der beiden Versuche des Herrn F. nicht wagen mögen, in einem strengen 
Winter die Verantwortung für ein Heizen des zu desinficirenden Zimmers auf 
20—220 zu tragen; wir hätten eher glauben mögen, es könne leicht sich 
ereignen, dass an einem ungewöhnlich kalten Wintertage ein Heizen auf 20 
bis 22° die Desinfektion geradezu illusorisch mache. Wenn aber wirklich im 
letzten, aussergewöhnlich kalten Winter, auch an Tagen von 15° unter Null 
und tiefer, nach dem Vorgang des Herrn F. irgendwo und besonders in Kranken- 
häusern ein zu desinficirendes Zimmer, das „wie meist, sofort nach geschehener 
Lüftung wieder belegt werden musste“, nach der allgemeinen Instruktion auf 
20—22° angewärmt wurde, so war dies nach dem bisherigen Stand der 
Wissenschaft ein riskantes Vorgehen, falls nicht zufällig 1898 Herr F. 
seine beiden Heizversuche, worüber Angaben fehlen, bei einer ähnlich tiefen 
Aussentemperatur angestellt haben sollte. Herr G. konnte die Thatsache, 
dass durch das Anheizen auf 20—22° unter keinen Umständen der Erfolg in 
Frage gestellt wird, bei seinen Desinfektionsausführungen im Cbarlottenburger 
Krankenhaus jedenfalls nicht im Voraus mit Sicherheit ermessen; er dürfte 
aber allerdings jetzt berechtigt sein, bis zu einem gewissen Grad aus dem in 
seinen vorstehenden Zeilen berichteten, glücklicher Weise anscheinend stets 
günstigen Ausgang Schlüsse zu ziehen, welche die Resultate unserer, vor- 
sichtsbalber in einem unbewohnten Zimmer vorgenommenen Versuche bestätigen. 

Herr F. kann aus seinen beiden Versuchen höchstens schliessen, dass 
zuweilen 8—12 Stunden Desinfektionsdauer genügen. Wir sind zuweilen, 
trotz einer unter 20° liegenden Raumtemperatur, bei gleichzeitig reichlicher 
Luftfeuchtigkeit mit 31/, Stunden, bei Anwendung der gleichen Formaldehyd- 
mengen wie Herr F., ausgekommen, und gleichwohl waren unsere Testobjekte 
nicht nar versteckter exponirt, sondern auch wohl resistenter (Milzbrandsporen). 
Das Zimmer durfte dann freilich nur dürftig möblirt sein. 

Herr F. nimmt übrigens nicht selbst, wie oben Herr G. für ihn, eine 
sehr „sorgfältige“ Prüfung dieser Frage in Anspruch. Er überschreibt 
seine Arbeit auch nur bescheiden: „Weitere Versuche über Formaldehyd- 
desinfektion“. Herr F. behauptet auch selbst "keineswegs, weder wörtlich 
noch dem Sinne nach, er habe gefunden, durch eine Erhöhung der Luft- 
temperatur auf 20--22° werde die Abtödtung der Bakterien in „auffälliger“ 
Weise beschleunigt; sondern er schliesst: „jedenfalls sei von der Tempe- 
raturerhöhung eine Verstärkung der desinficirenden Kraft zu er- 
warten“ (in dieser Allgemeinheit. ohne Rücksicht auf den Wasserdampf, 
jedoch unrichtig, wie oben von uns dargelegt); und er schickt diesem Schluss 
sogar die etwas skeptische Bemerkung voraus: „Wenn nun aus den oben 
angeführten Gründen (d. h.: um zu erseben, ob sich die Desinfektionsdauer 
durch Temperaturerhöhung abkürzen lasse) bei diesen Versuchen mit kürzerer 
Formaldehydeinwirkung die Temperatur böher genommen wurde als bei den 
früheren Versuchen mit längerer Einwirkung, so möchte ich doch nicht ver- 
säumen, darauf hinzuweisen, dass es wohl im Bereich der Möglichkeit liegt, dass 
man auch bei gleich kurzer Einwirkung ohne Temperaturerhöhung günstige 
Resultate erhalten kann.“ 


400 Infektionskrankheiten. 


Hierzu ist zu bemerken, dass ja zweifellos die grosse Mehrzahl der Form- 
aldehyddesinfektionen (und jedenfalls der Laboatoriumsversuche) bei gewöhn- 
licher Stubentemperatur vorgenommen worden ist, d. h. bei Wärmegraden, die 
von einer Temperatur von 20—220 nicht allzu weit entfernt sind. 

Unter diesen Umständen ist uns die Reklamation des Herrn G. unver- 
ständlich. 


SchützR., Bakteriologisch-experimenteller Beitrag zur Frage gastro- 
intestinaler Infektion. Berl. klin. Wochenschr. 1900. No. 25. S. 553. 
Nachdem Nicati und Rietsch, sowie Koch, Babes und Flügge ge- 
funden haben, dass bei Injektion von Cholerakulturen ins Duodenum von 
Hunden und Meerschweinchen zur Erzielung einer Infektion eine gewisse 
Schädigung des Darms durch Quetschung oder Opiumbehandlung nothwendig 
ist, brachte Verf. zur weiteren Prüfung der natürlichen Desinfektions- 
kraft des Darmes durch eine von Kühne konstruirte Kanüle Hunden Kul- 
turen von Vibrio Metschnikoff zusammen mit der Nahrung vom 1. und 
3. Versuchstage ins Duodenum und erhielt bei dem 3 Stunden nach der 
letzten Gabe getödteten Hunde auf direkt vom Darminhalt angelegten Gela- 
tineplatten von keinem Darmabschnitt mehr Metschnikoffkolonien, bei Pepton- 
wasseranreicherung dagegen vom Dünndarm reichliche, vom oberen Kolon 
spärliche, vom unteren Kolon und Rectum keine Metschnikoffkolonien. Wurden 
die Metschnikoffkulturen einem nichtoperirten Hunde zusammen mit der Nah- 
rung in den Magen eingeführt, so war das Ergebniss genau dasselbe. Der 
Schwerpunkt der natürlichen Desinfektion liegt also für Vibrio 
Metschnikoff nicht im Magen, sordern im Darm. Als nun unter sonst 
gleichen Versuchsbedingungen einem Hunde gleichzeitig Ricinusöl oder Kalomel 
gegeben wurde, enthielten die entleerten dünnen Stühle entwickelungsfähige 
Metschnikoffkeime. Ein Kalomelstuhl ferner, der 12 Stunden nach der letzten 
Metschnikoffgabe abgesetzt war, enthielt reichlich entwickelungsfähige Metsch- 
nikoffkeime, während normaler Weise der Koth 3 Stunden nach der letzten Gabe 
frei von solchen ist. Das Kalomel hat also nicht nur keine die Desinfektion 
befördernde Wirkung, sondern beeinträchtigt den natürlichen Desin- 
fektionsvorgang im Darm. Hellwig (Halle a. S.). 


Bietti A., Typische Blennorrhoea neonatorum durch Bacterium coli 
commune. Klin. Monatsbl. f. Augenheilk. Sept. 1899. 

Verf. veröffentlicht einen Fall von typischer Blennorrhoea neo- 
natorum, bei dem sich in dem eitrigen Sekret als einziger Mikroorganismus 
ein Kurzstäbchen fand, das die Gelatine nicht verflüssigte, nach Gram sich 
entfärbte, fakultativ anaërob war, mässige Eigenbeweglichkeit zeigte, eine Pol- 
geissel besass, Milch koagulirte, in Bouillon Indol, in Traubenzuckergelatine 
Gas bildete, blauen Lackmusnährboden durch Säurebildung röthete, somit 
alle Eigenschaften .der Gruppe des Bacterium coli commune besass. Die 
Blennorrhoe zeigte einen milderen Verlauf als eine durch Gonokokken ver- 


Infektionskrankheiten. 401 


ursachte gleichen Grades. Der Fall stellt sich einem von Axenfeld mitge- 
theilten zur Seite. Hellwig (Halle a. S.). 


Nesse W., Ueber das Verhalten pathogener Mikroorganismen in 
pasteurisirter Milch. Zeitschr. f. Hygiene u. Infektionskrankb. Bd. 34. 
S. 346. 

Der Verf. bestätigt die Angabe von Th. Smith (d.Ztschr.1899.8.972), dass in 
Wasser, Fleischbrūhe und Milch von 60°C. Tuberkelbacillen innerhalb 15 
bis20 Minuten abgetödtet werden, in der Haut, welche sich auf 60° war- 
mer Milch bildet, aber noch nach 60 Minuten lebendig sein können, 
nach eigenen Versuchen, und hat sie auch für Typhus-, Cholera-, Dipb- 
therie-, Pestbacillen, das Bact. coli commune, die Eiterkokken 
us. w. geltend gefunden. Er hebt hervor, wie wichtig es ist, dass Milch, 
die unter Vermeidung von Hautbildung 15—20 Minuten bei 60° gehalten 
worde, keine Infektionskrankheiten verursachen kann, gleichwohl 
das Milcheiweiss noch gelöst enthält und inibrem Wohlgeschmack 
nicht wesentlich beeinträchtigt ist. Solche Milch kann allerdings noch 
Tausende lebender Keime im ccm enthalten. Globig (Kiel). 


Radzievsky, Alexis, Beitrag zur Kenntniss des Bacterium coli (Bio- 
logie, Agglutination, Infektion und Immunität). Aus dem Institut 
zur Erforschung der Infektionskrankh. der Universität Bern. Zeitschr. f. Hyg. 
u. Infektionskrankh. Bd. 34. S. 369. 

In einer geschichtlichen Uebersicht legt der Verf. zunächst dar, 
wie das Bacterium coli ursprünglich als eine einzige bestimmte Bak- 
terienart aufgefasst wurde, welche ausser ihrer pathogenen Wirkung dadurch 
gekennzeichnet war, dass sie Milch zur Gerinnung, Zucker unter Bildung von 
Gas und Säure zur Vergährung brachte, Indol bildete und beweglich war, wie 
man aber bei eingehenderer Untersuchung genöthigt wurde, ganze Gruppen 
von Bakterienarten daraus zu bilden, die zwar nahe mit einander verwandt 
sind, denen aber doch die eine oder die andere dieser Eigenschaften fehlt. 
Die Entdeckung von Gruber und Widal, dass die Säfte des Organismus 
nach und sogar schon während des Ablaufes einer bestimmten Infektion die 
Fähigkeit gewinnen, die Erreger dieser Infektion zu „agglutiniren“, gab 
Anlass, auch beim Bacterium coli hierüber Beobachtungen und Versuche an- 
zustellen. Deren bisheriges Ergebniss war aber so ungleich und wider- 
sprachsvoll, dass der Verf. sich an Untersuchungen gemacht hat, ob die 
agglutinirenden Sera des Bacterium coli auf alle oder nur auf einzelne Stämme 
der grossen Gruppe eine specifische Wirkung haben, und wie weit ihr Ur- 
sprung hierfür von Bedeutung ist. 

Er züchtete ans dem Darm eines gesunden Menschen 64, aus dem eines 
anderen 2 und aus Krankheitsfällen der Blase und Harnröhrengegend 5, im Gan- 
zen 71 Stämme von Bacterium coli, deren Wachsthum auf den üblichen 
Nährböden mit geringen, noch dazu unbeständigen Ausnahmen übereinstimmte, 
und welche bei dem Gram’schen Verfahren sämmtlieb den Farbstoff nicht 
festhielten. Indolbildung wurde nur ein einziges Mal vermisst, sie erreichte 


402 Infektionskrankheiten. 


aber sehr verschiedene Grade. Beweglichkeit wurde bei 40 unter den 
71 Sorten gefunden, aber auch ihre Grade zeigten erhebliche Unterschiede, 
und 14 davon waren eben so beweglich wie Typhusbacillen. Die Gäbrungs- 
erregung wurde in Peptonwasser mit Milchzuckerzusatz geprüft: Gasbil- 
dung wurde nur bei 48 von den 71 Sorten beobachtet nnd zwar innerhalb 
der ersten 8 Stunden, Säureentwickelung hatte nach 24 Stunden bis auf 
1 Ausnahme überall stattgefunden. Bemerkenswerth ist die Beobachtung des 
Verf.’s, dass Peptonwasser für sich ein guter Nährboden für das Bacterium 
coli und den Typhusbacillus ist: setzt man ihm aber Milchzucker hinzu, so 
werden die verschiedenen Arten des Bacterium coli in ihrem Wachsthun er- 
heblich begünstigt, während die Typhusbacillen viel schlechter darin fortkom- 
men als in Peptonwasser allein. Die pathogene Wirkung wurde nur bei 
14 Arten des Bacterium coli untersucht: sie waren alle für Meerschwein- 
chen virulent, manche in hohem Grade. 

Durch Immunisirung von Kaninchen und Hunden mit abgetödteten Kul- 
turen stellte sich der Verf. 6 verschiedene Serumarten her und fand, dass 
diese sich ganz ungleich in Bezug auf die Agglutination verhielten: 
manche wirkten auf eine grössere Anzahl von Stämmen agglutinirend, 
einzelne hatten aber eine sehr beschränkte, fast specifische Wirkung. 
Bakterienstämme der Coligruppe, welche sich hinsichtlich der Beweglichkeit, 
der Gährung, der Milchgerinnung, der Indolbildung ganz gleich verhielten, 
wurden durch ein Immunserum agglutinirt, durch ein anderes nicht, so dass 
man die Agglutination zur Trennung von noch weiteren Unterabtheilungen 
als bisher benutzen könnte. 

In der Erklärung des Zustandekommens der Agglutination schliesst sich 
der Verf. weder der Ansicht Gruber’s an, dass die Hülle der Bakterien 
aufquelle und klebrig werde, noch der Meinung von Paltauf und 
Kraus, der zufolge die Mikroorganismen durch die Bildung eines speci- 
fischen Bodensatzes mechanisch mit niedergerissen würden, sondern 
entscheidet sich für die Anschauung Bordet’s, wonach die Agglutination 
auf einer Störung der molekularen Anziehungskräfte zwischen den 
Mikroorganismen und der sie umgebenden Flüssigkeit beruht, ähnlich wie bei 
der Gerinnung. 

Den Schluss bilden Bemerkungen über Infektion und Immunität durch 
das Bacterium coli. Bei der tödtlichen Infektion werden die Infektionser- 
reger einerseits vermehrt, andererseits aber zugleich durch neugebildete Stoffe 
des Organismus in ihrer Form und Färbungsfähigkeit verändert und schlies- 
lich aufgelöst. Die blassen, schattenhaften oder nur zum Theil und stellen- 
weise gefärbten kugeligen und kometenhaften Gestalten stellen Uebergänge 
zur Auflösung dar. Sie werden manchmal selten und können in anderen 
Fällen wieder durch ihre massenhafte Anwesenheit überraschen. Die Auflösung 
der Infektionserreger und das Freiwerden des in ihnen enthaltenen Giftes kann 
schliesslich auch zum Tode führen, ohne dass lebende Mikroorganismen über- 
haupt noch vorhanden sind. Phagocytose kommt vor, ist aber eine neben- 
sächliche Erscheinung, welche weit zurücktritt hinter die ausserhalb der Zellen 
vor sich gehende Auflösung der Mikroorganismen. Globig (Kiel). 


Infektionskrankheiten. 403 


Emmerich E. und Saida, Ueber die morphologischen Veränderungen 
der Milzbrandbacillen bei ihrer Auflösung durch Pyocyanase. 
Centralbl. f. Bakteriol. 1900. Bd. 27. No. 22/23. S. 776. 

Nachdem Charrin 1890 die „Virulenzverminderung“ und die morpho- 
logischen Veränderungen studirt hatte, welche Milzbrandbacillen 
durch die „Stoffwechselprodukte“ des Bacillus pyocyaneus erfahren, hatten 
Emmerich und Löw nachgewiesen, dass die angebliche Virulenzverminde- 
rung vielmehr in einer allmäblichen, vermuthlich von den älteren zu den 
jüngeren Individuen fortschreitenden Verminderung der Zahl der Bacillen be- 
stehe, welche die Folge von einer durch ein proteolytisches Ferment des 
Bacillus pyocyaneus, die Pyocyanase, erfolgenden Auflösung und Tödtung 
der Bacillen sei. Im Verein mit Saida hat nunmehr Emmerich die morpho- 
logischen Veränderungen genauer studirt, welche der Milzbrandbacillus bei 
diesem Auflösungsvorgange durchmacht. Die von den Verff. dabei angewandte 
Methode unterschied sich in zwei Punkten wesentlich von der Methode Char- 
rio’. Während dieser Pyocyaneuskultur-Flüssigkeit in natürlicher Koncen- 
tration anwandte, stellten sich Verff. durch Ausfällung und Wiederauflösung 
der Pyocyanase stärkere Lösungen des Fermentes her und konnten so auch 
die Endstadien des Auflösungsvorganges beobachten, welche Charrin ent- 
gangen waren. Der zweite technische Fortschritt gegenüber Charrin bestand 
in der angewandten Färbemethode. Die gewöhnlichen Färbeverfahren erzeugen 
einerseits oft künstlich Zerfalls- und Auflösungserscheinungen und lassen ande- 
rerseits feinere Veränderungen gar nicht erkennen. Dagegen gelingt es mit- 
tels der neuen von Nakanishi angegebenen Färbemethode (Münchener med. 
Wochenschr. 1900, S. 187), die feinste Struktur der Bakterien unverfälscht 
sichtbar zu machen. Mit Hülfe dieser Färbung konnten Verff. alle Stadien 
des Auflösungsvorganges aufs genaueste verfolgen. Dieser Vorgang besteht 
im Grossen und Ganzen darin, dass auf eine Aufquellung des hyalin werdenden 
Protoplasma, welche den Bacillen eine gekrämmte, wurstähnliche Form giebt, 
ein Austreten des Protoplasma aus der Membran folgt, wobei letztere als 
leerer Schlauch zurückbleibt. 

Als Verff., um auch am lebenden Thiere die Wirkung zu prüfen, Kanin- 
chen unmittelbar nach der Infektion mit Milzbrand eine Pyocyanaselösung 
intravenös oder subkutan injicirten, konnten sie mit Hülfe der Czaplewski- 
schen Färbemethode (diese Zeitschr. 1896. S. 1029) die schnelle Abtödtung 
der Bacillen verfolgen. Das Verhältniss der lebenden (blaugefärbten) zu den 
todten (rothgefärbten) nahm von 1:1 am ersten Tage auf 1:6 am zweiten, 
1:40 am dritten, 1:65 am vierten und O am fünften Tage ab. 

Hellwig (Halle a. S.). 


Gertzen, Ueber das Vorkommen von Pneumokokken auf der normalen 
menschlichen Bindehaut. Klin. Monatsbl. f. Augenheilk. Nov. 1899. 
Entgegen den Befunden von Gasparini, der von der normalen 
menschlichen Bindehaut in 80 pCt. der Fälle den Fraenkel’schen 
Diplococcus pneumoniae in virulenter Form abimpfen konnte, hat Verf. 


404 Infektionskrankheiten. 


diesen Mikroorganismus bei direkter Uebertragung von der Bindehaut auf Agar 
oder Seram unter 49 Fällen nur zweimal gefunden. 
Hellwig (Halle a.$.). 


Ott, Zur Aetiologie der fibrinösen Bronchitis. Münch. med. Wochenschr. 
1900. No. 28. S. 965. 

Die fibrinöse Bronchitis, die bei den verschiedensten Infektionskrank- 
heiten vorkommen kann, verbindet sich besonders häufig mit fibrinöser 
Pneumonie. Einen solchen Fall veröffentlicht Verf. Als schädliches Agens, 
das der Krankheit vermuthlich den Boden bereitet hatte, war die Einath- 
mung feinster Metallsplitter beim Poliren von Messern, Scheeren 
und dergl. festzustellen. Bakteriologisch fanden sich in einem ausgehusteten 
fibrinösen Abgusse des Bronchialbaumes A. Fraenkel’sche Diplokokken und 
Staphylococcus pyogenes aureus. Die Beimischung der Staphylokokken 
macht Verf. verantwortlich für den schleppenden Verlauf, den die Er- 
krankung im Vergleich zu typischer Pneumonie nahm. 

Hellwig (Halle a.S.). 


Faber, Erik E., Bakteriologische Untersuchungen von Fällen epi- 
demischer Cerebrospinalmeningitis in Kopenhagen im Sommer 
1898. Zeitschr. f. Hyg. u. Infektionskraukh. Bd. 84. S. 253. 

Im Blegdamshospital in Kopenhagen wurden im Frühjahr und Sommer 
1898 60 Fälle von epidemischer Cerebrospinalmeningitis behandelt. 
Bei 51 davon wurde der Lendenwirbelkanal angestochen: 17 lieferten 
keine Flüssigkeit, bei den übrigen 34 schwankte ihre Menge zwischen 
einigen wenigen und 80 ccm. Ganz wasserklar und ohne Bodensatz war sie 
nur einmal, zuweilen fast klar mit feinen Flocken, öfter mehr oder weniger 
getrübt oder sogar eitrig, einige Male mit Blut gemischt. Bei 31 Fällen 
wurde eine bakteriologische Untersuchung angestellt und 27 mal der 
Diplococeus intracellularis Weichselbaum gefunden; in den übrigen 
4 Fällen fehlte ein Ergebniss, oder es war zweifelhaft. Die Kokken lagen wie 
Kaffeebohnen oder Halbkugeln mit der flachen Seite aneinander, oft zu 4 ver- 
einigt, manchmal in kleinen Haufen, fast ebenso oft ausserhalb wie innerhalb 
der Zellen. Im Ganzen glichen sie auffallend den Tripperkokken. Ihre An- 
zahl schwankte erheblich, manchmal waren sie sehr leicht, manchmal nur 
mühsam zu finden: In einzelnen Fällen konnten sie weder durch das Mikroskop 
noch durch die Kultur nachgewiesen werden, obwohl die Krankheit als Cere- 
brospinalmeningitis klinisch, einmal sogar auch noch durch die Leichenöffnung 
sichergestellt war. Zur Eitermenge stand ihre Zahl in keinem Verhältnis. 
Die Gram’sche Färbung nahmen sie nicht an. Auf Agar mit und obne 
Glycerinzusatz wuchsen sie in 1— 2 Tagen zu weissen, porcellauartigen Kolonien 
von Stecknadelknopfgrösse heran, starben aber sehr leicht ab und konnten 
nur durch tägliche Weiterübertragung auf Glycerinagar am Leben erhalten 
werden. In den Kulturen hatten die einzelnen Kokken verschiedene Grösse. 
Der Verf. sah nie mehr als 4 Glieder zu einer Kette vereinigt, konnte diese 
aber in ihrer Längsachse durch eine feine Mittellinie als in zwei gleiche Hälften 


Infektionskrankheiten. 405 


getheilt erkennen. Uebertragungen auf weisse Mäuse und Meer- 
schweinchen blieben ohne Wirkung, selbst da, wo der Impfstoff von 
den zahlreichen schweren und (24) tödtlichen Fällen herrührte. 

Nach dem Verf. giebt weder die Menge der Punktionsflüssigkeit, 
noeh ihr Eitergehalt, noch die Menge der darin enthaltenen Kokken Aufschluss 
über die Prognose. Eher lässt sie sich für die Diagnose verwerthen: 
Trübung spricht für epidemische oder wenigstens eitrige, Klarheit 
für tuberkulöse Meningitis; doch kommt auch in beiden Fällen das 
Umgekehrte vor. Globig (Kiel). 


Parsons A. R. and Littledale H. E., Epidemic cerebro-spinal menin- 
gitis in Dublin. The Brit. med. Journ. No. 2060. 23 Juni 1900. p. 1529. 
Die Verff. beschreiben einige Fälle aus einer kleinen Epidemie von 
Meningitis cerebro-spinalis in Dublin. Als Erreger fand sich der 
Diplococcus intracellularis. Seit 1886 bis zu dieser Epidemie soll Irland frei 
von epidemischer Meningitis gewesen sein. R. Abel (Hamburg). 


Zammit T., Milk- poisoning in Malta. Bric. med. Journ. No. 2054. 12. Mai 
1900. p. 1151. 

17 Personen in 5 Häusern erkrankten zu gleicher Zeit unter Erschei- 
nungen der Cholera nostras. Allen hatte ein Milchmann Ziegenmilch 
in derselben Kanne geliefert. In der Kanne, die inzwischen schon gespült 
worden war, und in dem Tankwasser, das zum Spülen der Milchgefässe diente, 
wies Zammit den Bac. enteritidis sporogenes nach, den er als Erreger der 
Erkrankungen ansieht. (Es fehlt freilich der Nachweis dieses Mikroorganismus 
in den Darmentleerungen der Erkrankten und in der Milch selbst.) 

R. Abel (Hamburg). 


Leranchet, A propos de la prophylaxie de la diarrhée infantile. 
Rev. d’hyg. 1900. No. 4. p. 313. 

Verf. verlangt. für Paris Meldepflicht für die Fälle von Cholerine 
bei Säuglingen, die er, wenn sie bei Flaschenkindern vorkommen, als 
„Flaschencholerine“ bezeichnet haben will, wünscht genaue Trennung von 
Cholerinetodesfällen und solchen an Atrophie aus anderen Ursachen auf den 
Todtenscheinen, fordert schliesslich Desinfektion von Räumen, Betten und 
Wäsche beim Brechdurchfall der Kinder, um Weiterverbreitung der Erkran- 
kungen zu verhindern. R. Abel (Hamburg). 


Marki, Einige Rathschläge für die Einrichtung und den Betrieb der 
Pestlaboratorien. Centralbl. f. Bakteriol. Bd. 26. No. 16/17. S. 611. 
Der Inhalt der Abhandlung ergiebt sich aus ihrem Titel. So selbstver- 
ständlich die gegebenen Rathschläge erscheinen, so sehr empfiehlt es sich 
doch für jeden, der über Pest im Laboratorium arbeiten will, sie sich ein- 
mal vor Augen zu führen, damit er keine Vorsichtsmaassregel im eigenen und 
in Anderer Interesse unterlässt. R. Abel (Hamburg). 


406 Infektionskrankheiten. 


Clemow F. G., Remarks on plague in the lower animals. Brit. med. 
Journ. No. 2054. p. 1141; No. 2055. p. 1216. 

Die Abhandlung bringt Mittheilungen über die Empfänglichkeit der 
verschiedenen Thierarten für die Pest und ihre Bedeutung als Verbreiter 
der Seuche. Namentlich über die Rolle der Ratten werden ausführliche An- 
gaben gebracht, die sehr lesenswerth sind. Es geht aus ihnen hervor, dass 
die Ratten zwar gelegentlich für die Verbreitung der Pest von Wichtigkeit 
werden können, dass man aber ihre Bedeutung in dieser Richtung doch nicht 
zu hoch veranschlagen darf. Neben den Ratten erkranken spontan an Pest 
Mäuse, Affen, Eichhörnchen, bestimmte Murmelthiere und Beutelthiere. Ob 
Katzen, Hunde, Schakale, Schweine, Schafe und Ziegen spontan erkranken, ist 
unsicher; jedenfalls ist keines dieser Thiere von besonderer Bedeutung für 
die Pestverschleppung. Pferde, Rinder, Vögel, Reptilien, Fische kommen bei 
ihrer geringen Empfänglichkeit für die Pest für deren Verbreitung nicht in 
Betracht. Die Rolle der Insekten ist hinlänglich bekannt. 

R. Abel (Hamburg). 


Cao, Giuseppe, Oidien und Oidiomykose. Aus dem hygien. Institut der 
Universität zu Cagliari. Zeitschr. f. Hyg. u. Infektionskrankh. Bd. 34. S. 282. 
Zunächst wird eine längere Uebersicht über die zahlreichen Arbeiten ge- 
geben, welche sich mit Oidien und Blastomyceten befasst haben, seit Robin 
1853 im Oidium albicans den Erreger des Soors entdeckte. Die Blasto- 
myceten bestehen aus verhältnissmässig grossen Zellen mit deutlicher Hülle 
und ohne Kern, die sich durch Knospung vermehren und niemals Fäden ent- 
wickeln. Die Hyphomyceten dagegen sind aus Fäden zusammengesetzt, 
welche theils ein Netzwerk (Mycelium) bilden, theils die sporenbildenden 
Organe tragen (Hyphen). Die Oidien stehen zwischen beiden. Sie 
unterscheiden sich von den Hyphomyceten dadurch, dass sie Zellen 
oder Asci haben, von den Blastomyceten durch Fadenbildang, 
die sich in zweifelhaften Fällen durch die Kultur in Most bei 37° leicht her- 
vorrufen lässt. 

Die Form und Grösse der Zellen zeigt bei den Oidien grosse Schwan- 
kungen, ebenso die Dicke der Fäden: man sieht kugelrunde, eiförmige, auch 
seitlich abgeplattete, vieleckige Zellen von der Grösse eines Mikrokokkus bis 
zu der einer lOmal so grossen Sareine und dazwischen ein Gewirr von feinen 
Stäbchenketten oder Fäden von mannigfaltiger Dicke und Verästelung, so dass 
Zweifel berechtigt sind, ob man wirklich nur einen Organismus vor sich hat. 
Die Oidien sind weit verbreitet, sie kommen beständig in Fruchtsäften 
aller Art vor, fast beständig im Koth von Thieren und Menschen, häufig in 
allerlei Absonderungen, in der Luft u. s. w.; sie lassen sich in Most, auf 
Gelatine, Agar, Kartoffeln, in Milch u. s. w. züchten. Im Ganzen hat der Verf. 
41 Arten gewonnen, deren Eigenschaften beschrieben, und sie in 4 Gruppen 
eingetheilt, je nachdem sie in Gelatine wenige oder gar keine Fäden oder 
zahlreiche gut ausgebildete entwickeln oder sich dem Oidium albicans und 
dem Oidium lactis anschliessen. Wie der Verf. aber selbst hervorhebt, sind 
die Unterschiede zwischen seinen einzelnen Arten und selbst seinen 


Infektionskrankheiten. 407 


Gruppen keineswegs scharf, sondern unbeständig und wechselnd. Das- 
selbe gilt von ihrer pathogenen Wirkung, die der Verf. durch Einbringung 
in die Drosselvene von Kaninchen prüfte. Er fand unter seinen 41 Arten 
mar 11, welche keine pathogenen Eigenschaften hatten, bei den übrigen unter- 
schied er theils die Bildung kleiner Abscesse (pyogene Wirkung) oder fester 
Koötchen (granulomatöse Wirkung) in den verschiedensten Organen, theils 
erfolgte in akuter Form der Tod ohne anatomisch nachweisbare Veränderungen 
(toxische Wirkung). Globig (Kiel). 


Luzzatto A., Zur Aetiologie des Keuchhustens. Centralbl. f. Bakteriol. 
Bd. 27. No. 24. S. 817. 

Bei Untersuchung von Keuchhustensputis auf Escherich’s Klinik 
fand Luzzatto sehr oft und in grosser Anzahl besonders zwei Mikroorga- 
pismenarten. Die eine wird dargestellt durch ein sehr kleines, plumpes, 
nach Gram färbbares Stäbchen, das in streptokokkenähnlichen Kolonien 
wächst, io Kulturen innerhalb 2—3 Tagen abstirbt und bisweilen Mäuse unter 
septikämischer Verbreitung tödtet. Bei Behandlung mit 1/, proc. Essigsäure 
und langsamer Färbung mit dünnem Karbolfuchsin nimmt der Bacillus ausge- 
zeichnete Polfärbung an. Nach Weigert oder mit Löfflerblau gefärbt, 
ähnelt er dem Pneumokokkus sehr. Czaplewski erklärt das Mikrobium für 
nicht identisch mit seinem Polbakterium. Der zweite Organismus bat in der 
Form grosse Aehnlichkeit mit dem Influenzabacillus, ist wie dieser nach Gram 
nicht darstellbar, wächst am besten auf Agar, das mit Blut oder seröser 
Flüssigkeit vom Menschen gemischt oder bestrichen ist. Er bildet bier kleine, 
flache, graue Kolonien. Meerschweinchen tödtet er bei intraperitonealer Ein- 
spritzung. Luzzatto benennt diesen Organismus Bac. minutissimus sputi, 
reiht ihn in die Gruppe der Influenzabacillen ein und stellt ihn in die Nähe 
der letzthin von Elmassian beschriebenen Sputumbacillen. 

Schlüsse über die Bedeutung der beiden Bacillenarten für die Entstehung 
des Keuchhustens zieht Verf. vorsichtiger Weise nicht. 

R. Abel (Hamburg). 


Rakanishi K., Bacillus variabilis Iymphae vaccinalis, ein neuer kon- 
stant in Vaccinepusteln vorkommender Bacillus. Centralbl. f. 
Bakteriol. Bd. 27. No. 18/19. S. 641. 

Verf. hat aus Vaccinepusteln von 7 Kälbern und 7 Kindern konstant 
einen charakteristischen Bacillus züchten können, der im Grossen und Ganzen 
Aechnlichkeit mit dem Pseudodiphtheriebacillus besitzt und eine ausserordent- 
lich grosse Veränderlichkeit der Form und Grösse je nach dem Nährboden 
zeigt. Von den ausführlich angegebenen Lebenseigenschaften des Bacillus hebt 
Verf. besonders hervor, dass er noch nach 20wöchigem Verweilen in 5Oproc. 
Glycerin entwickelungsfähig ist, sodass von dieser Seite her der Annahme 
einer ätiologischen Bedeutung, nichts entgegensteht. Bei Einimpfung des Ba- 
cillus in die Hornhaut von Kaninchen fand Verf. in den Epithelzellen der 
entstehenden Geschwüre Körperchen, die er nach ihrem Aussehen für identisch 
hält mit den von Guarnieri in einer mit Vaccinelymphe geimpften Kaninchen- 


408 Infektionskrankheiten. 


hornhaut gefundenen und „Cytorrhyctes variolae“ benannten Körperchen. Da- 
gegen gelang es Verf. nicht, bei Kälbern oder Menschen durch Inokulation 
seines Bacillus in die Haut Pocken zu erzeugen. Er hält jedoch die ätiolo- 
gische Bedeutung seines Bacillus dadurch nicht für widerlegt, da die Menschen 
geimpft waren, Kälber aber gegen das Pockengift ja verhältnissmässig so 
wenig empfindlich seien, dass der Bacillus durch die Züchtung auf künstlichem 
Nährboden jede pathogene Bedeutung für sie verloren haben könnte. Immer- 
hin ist eine ätiologische Bedeutung des Bacillus nicht erwiesen. Verf. schlägt 
daher den Namen Bacillus variabilis Iymphae vaccinalis vor. Er hält 
es für sehr möglich, dass ein von v. Besser bei Variola gefundener Bacillus 
und die von Klein aus Pockenkrusten gezüchteten Bacillus xerosis variolae 
und Bacillus albus variolae mit seinem Bacillus identisch seien. 
Hellwig (Halle a.S.). 


Nakanishi K., Nachtrag zu meiner Arbeit „Bacillus variabilis Iymphae 
vaccinalis, ein neuer, konstantin Vaccinepusteln vorkommender 
Bacillus.“ Gentralbl. f. Bakteriol. 1900. Bd. 28. No. 10/11. S. 304. 

Verf. hat sich überzeugt, dass seine Vermuthung, den Pockenerreger 
entdeckt zu haben, eine irrige war. Der von ihm (s. das vorhergehende Ref.) 
in 5 untersuchten Fällen in den Vaccinepusteln ausnahmslos gefundene 
und in Reinkultur gezüchtete „Bacillus variabilis Iympbae vaccinalis* 
ist ein konstanter Bewohner der normalen Haut der Menschen und der 

Rinder. Dass trotzdem die mit den Kulturen vorgenommene Impfung ein 

positives Ergebniss hatte, erklärt Verf. aus einer Verunreinigung mit dem 

wahren Pockenerreger. Hellwig (Halle a.8.). 


Schottenhelm A., Ueber einen Fall von Weil’scher Krankheit. Münch. 
med. Wochenschr. 1900. No. 28. S. 966. 

Verf. veröffentlicht einen typischen Fall von Weil’scher Krankheit, 
bei dem er u.a. auch bakteriologische Untersuchungen angestellt hat. Im 
Blute konnte weder im Trockenpräparat noch durch Impfung auf Bouillon, Agar 
und Gelatine irgend ein Mikroorganismus nachgewiesen werden. Auch bei dem 
Harn erhielt Verf. sowohl bei Impfung von Nährböden wie bei Impfung und 
intraperitonealer Injektion an Kaninchen ein negatives Ergebniss. 

Hellwig (Halle a. S.). 


Grawitz, Epidemiologischer Beitrag zur Frage der Malariainfektion. 
Berl. klin. Wochenschr. 1900. No. 24. S. 521. 

Gegenüber der Neigung vieler neuerer Malaria forscher, besonders Celli’s, 
in der Uebertragung der Malaria durch Mosquitos die alleinige Verbrei- 
tungsweise derselben zu erblicken, weist Verf. auf die Nothwendigkeit epi- 
demiologischer Studien in kühleren Klimaten hin und empfiehlt hierzu das 
Studium der Sanitätsberichte der preussischen Armee. Zwei aus diesen Be- 
richten zu entnehmende Thatsachen scheinen Verf. besonders gegen die exklu- 
sive Theorie der Infektion durch Mosquitos zu sprechen, einmal, dass 1884 bis 
1888 in den am stärksten von Malaria heimgesuchten östlichen Armeekorps 


Infektionskrankbeiten. 409 


ein schnelles Ansteigen der Malariaerkrankungszahlen bereits im März statt- 
fand, dem ein Höhepunkt im Juni und ein schnelles Absinken im August und 
September, der Zeit der grössten Mückenplage, folgte, dann, dass in den letzten 
Jahrzehnten nach Regulirung von Wasserläufen, dem Bau besserer Kasernen 
und der Beschaffung besseren Trinkwassers die Zahl der Malariaerkrankungen 
in der Armee sehr erheblich heruntergegangen ist, von 54,6 pM. im Jahre 1869 
auf 0,55 pM. im Jahre 1895/96. Verf. spricht schliesslich den Gedanken aus, 
dass vielleicht ebenso, wie der Mosquito in der Luft, auch ein Zwischenwirth 
des Malariaparasiten im Wasser existiren möge. Martin (Berlin). 


Richter W., Ein Fall von Schwarzwasserfieber nach Euchinin. Deut- 
sche med. Wochenschr. 1900. No. 23. S. 377. 

Der Fall betraf einen jungen Mann, der in Westafrika mehrfach an Malaria, 
einmal nach Chinin an Schwarzwasserfieber gelitten hatte, und wurde an 
Bord eines Westafrikadampfers beobachtet. Nachdem Pat. wegen Malaria 
einmal 0,2 g Chinin, an den beiden folgenden Tagen je 1 g Euchinin er- 
halten hatte, trat nach weiteren 3 Tagen Schwarzwasserfieber auf, dem Pat. 
erlag. Martin (Berlin). 


Pieba F., Bericht über eine Studienreise in Deutsch-Ostafrika, 
Unteregypten und Italien. Arch. f. Schiffs- u. Tropenhyg. 1900. No. 3. 
S, 139. 

Verf. berichtet zunächst Reiseeindrücke aus Ostafrika. Er spricht 
sich über die Ursachen einer Hungersnoth, deren Folgen er zu sehen Ge- 
legenheit batte, und deren Beseitigung aus, ferner über die örtliche Verbrei- 
tung der Malaria, welche in der Gegend von Usambara von 1000 m Höhe ab 
fehle, im Anschluss hieran über Anlage von Sanatorien und Heilbädern. 
In Bezug auf die Pocken erwähnt Verf., dass das Küstengebiet von Deutsch- 
Ostafrika, in dem bereits über 30 000 Menschen geimpft seien, als in weitem 
Umfang immunisirt gelten könne; weitere ausgedehnte Impfungen im Hinter- 
lande seien erforderlich. 

Bei seinem Aufenthalte in Alexandrien studirte Plehn besonders die 
dort gehandhabten Maassregeln zur Bekämpfung der Pest und empfiehlt das- 
selbe System auch für Deutsch-Ostafrika. Es solle die Hauptaufgabe nicht 
in sanitätspolizeilicher Kontrole der ankommenden Schiffe, deren sanitärer 
Zustand in Bezug auf Pestkeime in Ostafrika doch unkontrolirbar sei, be- 
stehen, sondern das Hauptgewicht solle auf die frühzeitige Erkennung der 
Krankheitsfälle, besonders der ersten eingeschleppten, deren Isolirung, Beob- 
achtang der ansteckungsverdächtigen Gesunden sowie gründliche Desinfektion 
der inficirten Wobnungen und Gebrauchsgegenstände gelegt werden. 

Den letzten Theil des Berichtes bildet eine mit kurzer historischer Ein- 
leitang versehene, in klarer, gedrängter Kürze geschriebene Darstellung des Ent- 
wickelangsganges des Malariaparasiten innerhalb und ausserhalb des mensch- 
lichen Körpers auf Grund der Arbeiten von Manson, Ross und der um diesen 
Gegenstand verdienten italienischen Gelehrten, von deren Forschungen Verf. 
am Schluss seiner Reise in Rom Kenntniss nehmen konnte. Schliesslich führt 


410 Ernährung. 


Plebn als auf Grund dieser erweiterten Kenntnisse der Biologie des Parasiten 
zu erwägende prophylaktische Maassregeln gegen die Tropenmalaria an: Unter- 
bringung der Malariakranken in anophelesfreien Gegenden, Ausheilung jedes 
einzelnen Krankheitsfalles, Kampf gegen die Anophelesmücken durch Beseiti- 
gung von Sümpfen, Tümpeln und dergl., eventuell Ueberschichtung derselben 
mit Petroleum, Vermeidung von Baumanlagen in der Nähe menschlicher Woh- 
nungen, zweckmässige Bauart dieser — hoch, hell und luftig —, Benutzung 
von Mosquitonetzen, systematische Chininprophylaxe und Einreibungen der Haut 
mit stark riechenden, den Mücken unangenehmen Stoffen, unter denen sich 
allerdings bis jetzt ein zuverlässig wirkender noch nicht gefunden hat. 
Martin (Berlin). 


Ruhner M., Vergleichende Untersuchung der Hautthätigkeit des 
Europäers und Negers, nebst Bemerkungen zur Ernährung in 
hochwarmen Klimaten. Arch. f. Hyg. Bd. 38. S. 148. 

Ein wesentlicher Unterschied in den klimatischen Verhältnissen der 
Tropen und unserer Gegenden liegt auf dem Gebiete der Wärmebilanz, in der 
Art des Wärmeverlustes. Oft herrschen in den Tropen Temperaturen, welche 
der Blutwärme nahe kommen oder dieselbe sogar noch übersteigen. Verf. 
untersuchte nun die Frage, ob Personen, die in tropischen Klimaten aufge- 
wachsen sind, im Vergleich zum Europäer eine Verschiedenheit in der Wasser- 
dampfabgabe aufweisen. Die Versuchspersonen waren zwei Neger aus Ka- 
merun, der eine unter 20, der andere ca. 25 Jahre alt. Pro 1 kg Körper- 
gewicht berechnet, gab der eine Neger bei 26° etwas weniger CO, ab, als 
der Europäer, bei 33° hingegen ebensoviel; ebenso war bei 26° die Wasser- 
ausscheidung etwas kleiner, bei 34° ebenso gross wie beim Europäer. Der 
andere Neger, dessen Körpergewicht geringer war, lieferte bei 340 etwas mehr 
CO, als die anderen Personen, hingegen etwas weniger H,O. Die Unterschiede 
sind jedoch in beiden Fällen ohne Bedeutung. Wird die CO,-Ausscheidung 
zur Schätzung der Wärmeproduktion verwendet, so hätte bei 33— 34° 


der Europäer. . . . . . 87,1 pêt. 
der junge Neger . . . . 639 „ 
der ältere Neger . . . . 87,7 „ 


des Wärmeverlustes durch Wasserverdampfung erzielt. 

Während der Gesammtstoffwechsel in den Tropen lebender Personen nicht 
wesentlich von dem in gemässigten Zonen befindlicher abweicht, bestehen 
Verschiedenheiten in der Wahl der Nahrungsmittel, indem in den 
Tropen die vegetabilischen bevorzugt werden, was eine gewisse Fettarmuth 
und ein Ueberwiegen der Kohlehydrate zur Folge hat. Die einzelnen Nahrungs- 
mittel haben nun eine schr verschiedene Bedeutung für die Wasser- 
bilanz und damit auch für die Wärmeökonomie. Während beim Menschen, 
wie Verf. durch Berechnung zeigt, auf 1 Cal., welche aus Fleisch stammt, 
ausser dem in der frischen Substanz enthaltenen Wasser noch 0,672 g Wasser 
zuzuführen ist, um die Abfallsprodukte zu lösen (1 Theil im Harn ausgeschie 
dener N bedarf im Minimum 42 Theile Wasser in Harn und Koth zusammen- 


Ernährung. 411 


genommen), so dass also für die Wasserverdunstung überhaupt kein 
Wasser zur Verfügung steht, stellen Fett, Kohlehydrat und Pflanzensäure 
nicht nur geringere Ansprüche an die Wasserzufuhr, sondern stellen sogar 
dem Organismus noch reichlich Oxydationswasser zur Verfügung. Den Tages- 
bedarf des rahenden Menschen zu 2400 Cal. gerechnet, würde bei 87° C. die 
totale Wasserzufuhr betragen müssen 


bei Fleisch . . . . . . . 76208 
set. 2 BT, 
„n Rohrzucker. . . . . . 8655 „ 


Hierbei würde das Wasser allein die Entwärmung des Organismus bewerk- 
stelligen. Das Zurücktreten des Fleisches in der Nahrung wäre also 
für die Regulirung der Wasserbilanz von günstigem Einflusse, umsomehr, 
da Eiweisszufuhr die Wärmebildung am meisten steigert. 

Paul Müller (Graz). 


Salaksin $. und Zaleski J., Ueber den Einfluss der Leberexstirpation 
auf den Stoffwechsel bei Hunden. Zeitschr. f. physiol. Chem. Bd. 29. 
S. 517. 

Verf. exstirpirten Hunden nach Anlegung einer Eck’schen Fistel 
(Verbindung der Pfortader mit der unteren Hohlvene) die Leber, legten 
gleichzeitig eine Harnblasenfistel zur Auffangung des Harnes an und erreichten 
es durch verschiedene Maassregeln, die Thiere nach der Operation noch 33/, 
bis 13 Standen am Leben zu erhalten, so dass eine Beobachtung der Wirkung 
möglich wurde. Es traten stets bald sehr erhebliche Pulsbeschleunigung und 
starke Verminderung der Harnabsonderung ein, sodann Erhöhung der Reflex- 
erregbarkeit und schliesslich zunehmende Krämpfe. Der Harn zeigte vou 
Portion zu Portion immer dunkler werdende Farbe, immer schnelleren Ausfall 
von Harnsäure und harnsauren Salzen und immer saurer werdende Reaktion. 
Dabei nabm der Gehalt an Ammoniak im Verhältniss zum Gesammtstickstoff 
allmählich sehr stark zu. Verff. vermuthen, dass der durch Ausfall der Leber- 
funktion eintretende Tod auf einer Vergiftung durch saure Stoffwechselprodukte 
beruht. Hellwig (Halle a. S.). 


Charrin A. und Guillemenat A., Influence des modifications expérimen- 
tales de organisme sur la consommation du glycose. Compt. 
rend. T. 131. No. 2. p. 126. 

Verf. haben Kaninchen durch Wochen und Monate hindurch alle 2 bis 

3 Tage mit suabkutanen Injektionen von verdünnten Salzlösungen und Säure- 

lösungen bebandelt und dadurch Stoffwechselveränderungen hervorgerufen, 

welche sich im Wesentlichen dahin zusammenfassen lassen, dass die Ernäh- 
rung der „mineralisirten“ Thiere eine bessere war, als die der Säurethiere; 
speciell nahm bei ersteren die tägliche Harnmenge, die Alkalinität und bak- 
terieide Kraft des Blutserums, sowie die Widerstandsfähigkeit gegenüber In- 
fektionen merklich zu, während die Säurethiere eine deutliche Herabsetzung 
des Stoffwechsels erkennen liessen. Da nun viele Forscher gewisse Formen 
des Diabetes resp. der Glykosurie auf eine Trägheit der Stoffwechsel- 


412 Ernährung. 


vorgänge zurückführen, untersuchten Verf, welchen Einfluss die durch 
Injektionen von Säure und von Salzen gesetzten Veränderungen 
auf die Ausscheidung und Verarbeitung der Kohlehydrate, spe- 
ciell der Glykose, ausüben. 

Diese Versuche ergaben, dass erstens in den Geweben der mineralisirten 
Thiere eine grössere Zuckermenge verbraucht wird, als in den Ge 
weben der Säurethiere, und dass zweitens die. Zuckerausscheidung durch 
den Harn bei den Säurethieren cet. par. (geeignete Zuckerdosen, die subcutan 
verabreicht wurden, vorausgesetzt) länger andauert; bei einer Dose van 
4 g Zucker auf 1000 g lebende Substanz trat Glykosurie überhaupt nur bei 
dem Säuretbiere auf. Die „Mineralisation“ begünstigt somit die Ausscheidung 
und besonders den Verbrauch des Zuckers, letzteres, wie Verff. vermuthen, 
durch Beeinflussung der Oxydationsprocesse in den Geweben, die durch die 
Säurewirkung leiden. 

Die anatomische Untersuchung der inneren Organe der Versuchsthiere 
ergab keine besonderen Veränderungen, abgesehen von einer grösseren Vita- 
lität und Frische des Knochenmarkes bei den „mineralisirten“ Tbieren. 

Paul Müller (Graz). 


Lauk, Acht Fälle von Wurstvergiftung. Münch. med. Wochenschr. 1900. 
No. 39. S. 1845. 

Nach einer Zusammenstellung unserer Kenntnisse von der Wurstver- 
giftung theilt Verf. klinische Beobachtungen mit, die er an 8 Personen ge- 
macht hat, welche von verschiedenen Leberwürsten derselben Räucherung ge- 
gessen hatten und danach erkrankt waren. Die Erkraukung war durchgehends 
schwer und führte bei einer der betheiligten Personen zum Tode. Nach Mit- 
theilung der Leute stammten die Leberwürste von einem gesunden Schwein, 
waren am Tage nach der Schlachtung in den ungefähr 4—5 Tage geheizten 
und zum ersten Male zur Räucherung benützten Kamin des neugebauten Hauses 
gehängt, nach 7 tägiger Räucherung alsbald genossen worden und hatten dabei 
deutlich sauer geschmeckt. Hellwig (Halle a.S.). 


Dunbar und Dreyer W., Untersuchungen über das Verhalten der Milch- 
bakterien im Milchthermophor. Aus dem staatlichen hygienischen In- 
stitut in Hamburg. Deutsche med. Wochenschr. 1900. No. 26. S. 413. 

Mittels des Thermophors kaon man Milch innerhalb kurzer Zeit auf 
etwa 57° C. erhitzen, und es dauert dann 10 Stunden und länger, bis die 

Temperatur der in dem Apparat belassenen Milch bis auf Blutwärme abfällt. 

Es zeigte sich, dass der Tbermophor einen deutlich schädigenden Einfluss 

auf die in der rohen und pasteurisirten Milch enthaltenen Bakterien ausübt. 

In einem Falle gelang es schon nach 2 Stunden nicht mehr, entwickelungs- 

fähige Keime in der Milch nachzuweisen; in einem anderen Falle war die 

Bakterienzahl innerhalb 3 Stunden auf 20 pro ccm gesunken, nach 4 Stunden 

auf 10, nach 5 Stunden auf O. In anderen Fällen blieben bis zu einigen 

Hundert Bakterien in dem Thermophor am leben. Alle untersuchten Kolo- 

nien der überlebenden Mikroorganismen bestanden aus sporenbildenden 


Ernährung. 413 


Bakterien; offenbar hatte die Einwirkung des Thermophors genügt, um alle. 
vegetativen Formen abzutödten. Weitere Versuche zeigten, dass auch die in 

Sporenform in der Milch vorhandenen aöroben und anaëroben Mikroorganis- 

men zum grossen Theil durch den Thermophor abgetödtet werden. Nach diesen 

Untersuchungen ist eine Zersetzung und nachtheilige Veränderung der Milch 

im Thermopbor bei 10stündigem Verweilen daselbst nicht zu befürchten, und 

man kann denselben daher unbedenklich für die Warmhaltung der für die 

Ernährung von Säuglingen bestimmten Milch empfehlen, vorausgesetzt, dass 

die Milchproben nicht länger als 10 Stunden nach dem Erhitzen des Thermo- 

pbors in letzterem belassen werden. Dieudonne (Würzburg). 


Schlossmann A, Ueber Milch und Milchregulative. Deutsche med. 
Wochenschr. 1900.. No. 29 u. 30. S. 474 ff. 
Nach dem Dresdener Milchregulativ ist ein Mindestfettgehalt von 
3 pCt. festgesetzt, und die Erfahrung hat gezeigt, dass diese Bestimmung 
vollkommen durchführbar ist, trotzdem von Seiten der Landwirthschaft die 
verschiedensten Bedenken dagegen angeführt werden. Man muss eben darauf 
hinzielen, einen Milchthierbestand zu züchten, der tuberkulosefreie und gute 
fettreiche Milch giebt. In Dresden beabsichtigt man, behördlicherseits für 
den Verkauf von Kindermilch genaue Forderungen anfzustellen, welche eine 
absolut einwandsfreie Milch garantiren. Ausserdem ist nach diesem Entwurf 
alle in Dresden einzuführende Milch auch in Bezug auf Schmutz- und Säure- 
gehalt hin zu beaufsichtigen; der Schmutzgehalt darf nicht höher als 8 mg 
pro Liter, der Säuregehalt nicht höher als 19 Säuregrade sein (d. h. auf 10 ecm 
Nilch 19 cem !/,o Normalnatronlauge zu 1 Phenolphthalein als Indikator). 
Dieudonne (Würzburg). 


Bendix B., Beiträge zur Ernährungs-Physiologie des Säuglings. 
I. Der Einfluss der Gravidität auf die Milchabsonderung bei 
der Frau. Münch. med. Wochenschr. 1900. No. 30. S. 1035. 

Verf. theilt zunächst hinsichtlich des Einflusses der Menstruation 
auf die Milchabsonderung Beobachtungen mit, die an 140 Fällen der 
Berliner Universitäts-Kinderpoliklinik darüber gemacht worden sind. 60 pCt. 
der Mütter hatten trotz des Stillens die Menstruation bekommen. Eine Ver- 
änderung der Milchmenge durch die Menstruation trat nur in äusserst wenigen 
Fällen ein. Von Veränderungen der Zusammensetzung der Milch während 
der Periode wurde nur eine Steigerung des Fettgehaltes festgestellt. Störungen 
im Befinden des Säuglings in Folge solcher Veränderungen sind nur selten zu 
beobachten, und auch dann ist es nicht nöthig, das Kind darum abzusetzen. 
Nur wenn die Milchabsonderung in Folge des Wiedereintritts der Periode 
überhaupt nachlässt oder aufhört, ist eine Zuhilfenahme künstlicher Ernährung 
oder Annahme einer Amme erforderlich. 

In Bezug auf den Einfluss der Schwangerschaft auf die Milchabsonde- 
rung theilt Verf. einen Fall aus seiner Praxis mit, wo in der 12. Woche der 
Laktation plötzlich eine Verminderung der Milchmenge von 800—900 g auf 
300—400 g eintrat, so dass Zuhilfenahme künstlicher Ernährung nöthig wurde, 


414 Ernährung. 


Entscheidung zu treffen. (Verf. betont aber nicht genügend, dass dann, wenn 
eine starke Abnahme der Milchabsonderung eintritt als ein Zeichen, dass der 
betreffende mütterliche Körper nicht beides leisten kann, dies nicht nur eine 
Gefährdung der guten Entwickelung des Säuglings, sondern auch eine Gefähr- 
dung des Lebens der Frucht anzeigt. Ref.) Hellwig (Halle a.$.). 


Moro, Erast, Ueber die nach Gram färbbaren Bacillen des Säuglings- 
stuhles. Vorläufige Mittheilung. Aus der k. k. pädiatr. Klinik des Prof. 
Escherich in Graz. Wien. klin. Wochenschr. 1900. No. 5. 

Verf. theilt mit, dass die in Brustmilchstühlen mikroskopisch nach- 
weisbaren, nach Gram sich färbenden Bacillen durch eine einfache Methoda 
rein gezüchtet werden können. Diese besteht darin, dass aus Brustmilchstühlen 
hergestellte Emulsionen reichlich auf saure Bierwürzebouillon geimpft werden. 
Von dem sich in diesem Nährboden entwickelnden Bodensatz giesst man dann 
Bierwürzeagarplatten. Die Bacillen wachsen am besten bei Körpertemperatur, 
sie sind nicht streng anaerob. Wegen der besonderen Eignung stark saurer 
Nährböden zu ihrer Kultivirung schlägt Moro vor, diese Bakterienart unter 
dem Namen Bacillus acidophilus zu führen. Grassberger (Wien). 


Jensen, Orla, Studien über die Enzyme im Käse. Centralbl. f. Bakteriol. 
Abth. II. Bd. 6. No. 22—25. S. 734 ff. 

Verf. sucht in vorliegender Arbeit zu beweisen, dass die bei der Reife der 
Käse sich vollziehenden Veränderungen nicht auf blosse Extraktion, sondern 
auf eine Enzymwirkung zurückzuführen sind. Er hat dabei die Absicht, den 
Ursprung und die Eigenschaft der Enzyme zu erforschen, zu welchem Zwecke 
er den Käse in den verschiedensten Reifestadien der eingebendsten Beobach- 
tung unterworfen hat. Verwandt wurden als Untersuchungsmaterial speciell 
Backsteinkäse und Emmenthaler, welche chemisch grosse Kontraste bieten. 
Zu Grunde gelegt wurde die Selbstverdauungsmethode. Nach Beschreibung 
der Versuchsausführung . gelangt Verf. zu der speciellen Besprechung. Der 
erste Abschnitt handelt von den Enzymen der frischen Käsemasse. Die aus- 
führlich beschriebenen Untersuchungen ergaben, dass bei der gewöhnlichen 
Herstellung der Labkäsesorten die Galaktase der Milch und das Pepsin des 
Labes in so grossen Mengen in die Käse übergehen, dass sie sehr wohl im 
Stande sind, Umbildungen des Caseins hervorzurufen, auch finden sich diese 
Enzyme in den Weichkäsen in grösserer Menge als in den Hartkäsen. An- 
fangs tritt in den ersteren die Pepsinwirkung in den Vordergrund, während 
die Wirkung der Galaktase gehemmt wird, was in der Menge der anwesenden 
freien Milchsäure seinen Grund hat. In den Hartkäsen ist diese Wirkung 
wesentlich geringer. 

In einem weiteren Theile prüft Verf., ob die genannten beiden Enzyme 
diese „praktische Rolle“ bei der Käsereifung spielen, und zieht zuerst die 
Weichkäse in genauere Untersuchung. Neben den oben erwähnten Sorten 
wurden noch weitere Arten der Beobachtung unterworfen, und es ergab sich 
daraus, dass die aufgestellte Behauptung richtig ist. Was den Reifeproces 
der Hartkäse anbetrifft, so finden nach Verf. dabei verschiedene Gährungen 


Vollständig erschienen ist: 


ENCYKLOPAEDIE 


DER 


THERAPIE. 


HERAUSGEGEBEN 
VON 


OSCAR LIEBREICH, 


DR. MED., GEHEIMER MEDICINALRATH, 0. Ö. PROFESSOR DER HEILMITTELLEHBE AN DER 
FRIEDRICH-WILHELMS-UNIVERSITÄT. 


UNTER MITWIRKUNG VON 
MARTIN MENDELSOHN, vsb ARTHUR WÜRZBURG, 


DR. MED.. UNIVERSITÄTS-PROFESSOR, PRIV.-DOC. DR. MED., KGL. SANITÄTSRATH, BIBLIOTHEKAR 
DEB INNEREN MEDICIN AN DER FRIEDRICH- IM KAISERLICHEN GESUNDHEITSAMTE. 
WILHELMS-UNIVERSITÄT. 


Drei Bände. gr. 8. 1896—1900. Preis 72 Mark. 


Bei der grossen Vertiefung, welche die Therapie in den letzten Jahren 
erfahren hat, war es angebracht, ein Werk herzustellen, in welchem in übersicht- 
lichster und, trotz aller Vollständigkeit, gedrängtester Form nicht nur alle 
einzelnen Methoden der heutigen umfassenden Therapie zur Dar- 
stellung kamen, sondern auch alle diejenigen naturwissenschaftlichen Dis- 
ciplinen und Hilfsmittel, auf denen sich diese Heilmethoden in ihrer wissen- 
schaftlichen Begründung aufbauen. Geht dieser Theil der Darstellung von den 
Heilmitteln und den Heilmethoden aus, so musste daneben die Beschreibung 
der zu behandelnden Affectionen, von der Klinik, ausgehen und die einzelnen 
Krankheiten und ihre Therapie schildern. 

Die übersichtlichste sowohl für den praktischen Gebrauch als für die schnelle 
Ürientirung geeignetste äussere Form, in welcher so vielfache ineinander greifende 
Materien am besten sich darstellen lassen, ist die Form der Encyklopädie. 
In der That hat die „Encyklopädie der Therapie“, welche nun vollendet 
vorliegt, von ihrem ersten Erscheinen an die allseitige Anerkennung gerade nach 
der Richtung hin erlangt, dass in ihr sehr viele für Wissenschaft wie Praxis 
gleich wichtige Angaben enthalten sind und unschwer sich auffinden lassen, 
welche in keinem anderen den Medicinern im allgemeinen zur Ver- 
fügung stehenden Werke sich vorfinden. 

Der Grund für diese ausnehmende Vollständigkeit liegt in der weit- 


gehenden Anlage dieser Encyklopädie. Sie ist keine beliebige Sammlung anein- 
ander gereihter Monographien, sondern bei einem genauen Studium des Werkes 
wird man finden, dass die Artikel unter sich in innigem Zusammenhang stehen, 
so dass diesem Werk gleichzeitig der Stempel eines Lehrbuches der Therapie 
aufgedrückt ist. Die „Iincyklopädie der Therapie“ vereinigt nicht weniger als 
5466 einzelne Artikel in sich. 

Da die „Encyklopädie der Therapie“ in erster Linie praktischen 
Zwecken dienen und eine schnelle Information über jede Frage der 
Therapie und über jedes auch nur entfernt mit der Therapie zusammenhängende 
Moment gewährleisten soll, so ist ein jedes ihrer Stichworte, wie gross oder 
klein auch immer, in strengster wissenschaftlicher Form abgefasst. Die 
Prineipien der Behandlung, wie sie aus der Erkenntniss des Krankheitsvorganges 
sich ergeben, nicht etwa eine Sammlung von Recepten, sind bei jedem einzelnen 
Stichwort in den Vordergrund gerückt; die Dynamik der Heilmittel und Me- 
thoden, nicht etwa ihre schematische Verordnung, findet in erster Linie Darstellung. 

Ein ausführliches Register weist auch auf diejenigen Dinge hin, 
welche als eigenes Stichwort zu geben nicht zweckmässig gefunden wurden oder 
welche an verschiedenen Stellen Erwähnung gefunden haben. 

So ist hier ein eneyklopädisches Werk geschaffen, dass bei aller prak- 
tischen Anlage und Brauchbarkeit auf der höchsten Stufe wissenschaftlicher Dar- 
stellung steht. Die lexicographisch angeordneten Stichworte lassen im Augenblicke 
jedes Heilmittel, jeden Badeort, jede Arzneipflanze, jede Maassnahme der einzelnen 
therapeutischen Methoden, jedes Hilfsmittel der Krankenpflege, und gleichzeitig 
auch jede Krankheit, jede besondere Affection sowohl wie jede einzelne Krank- 
heitserscheinung, auffinden und dem augenblicklichen praktischen Zwecke nutzbat 
machen; die Art der Darstellung aber, in welcher jeder dieser Begriffe vorgeführt 
und abgehandelt wird, ist die eines Werkes von höchstem wissenschaftlichen 
Standpunkte und ernstestem wissenschaftlichen Charakter. 


Auch äusserlich hat die Verlagshandlung auf die Herstellung dieses Werkes 
die grösste Sorgfalt gewendet und besonders die Schriftgattungen derartig gewählt, 
dass ein Bogen dieser Encyklopädie etwa das Doppelte wie ähnliche Werke gleichen 
Formates enthält. So wurde es ermöglicht, dass Liebreich’s Eneyklopädie, div 
inhaltlich den Anforderungen der modernen Medicin in jeder Weise und 
im besten Sinne gerecht wird, dem medieinischen Publikum in dieser Reich- 
haltigkeit zu dem für ein solches Werk so mässigen Preise von 72 Mark geboten 
werden kann. 

Gef. Bestellungen nehmen alle Buchhandlungen des In- und Auslandes 
entgegen. 


Die Verlagsbuchhandlung August Hirsehwald. 
in Berlin N.W. Unter den Linden No. 68. 


| Vollständig erschienen ist: 


ENCYKLOPAEDIE 


DER 


THERAPIE. 


HERAUSGEGEBEN 
VON 


OSCAR LIEBREICH, 


DE. MED., GEHEIMER MEDICINALRATH, O. Ö. PROFESSOR DER HEILMITTELLEHRE AN DER 
FRIEDRICH-WILHELMS-UNIVERSITÄT. 


UNTER MITWIRKUNG VON 


MARTIN MENDELSOHN, vsb ARTHUR WÜRZBURG, 


DR. MED.. UNIVERSITÄTS-PROFESSOR, PRIV.-DOC. DR. MED., KGL. SANITÄTSRATH. BIBLIOTHEKAR 
DER INNEREN MEDICIN AN DER FRIEDRICH- IM KAISERLICHEN GESUNDHEITSAMTE. 
WILHELMS-UNIVERSITÄT. 


Drei Bände. gr. 8. 1896—1900. Preis 72 Mark. 


Bei der grossen Vertiefung, welche die Therapie in den letzten Jahren 
erfahren hat, war es angebracht, ein Werk herzustellen, in welchem in übersicht- 
lichster und, trotz aller Vollständigkeit, gedrängtester Form nicht nur alle 
cinzelnen Methoden der heutigen umfassenden Therapie zur Dar- ` 
stellung kamen, sondern auch alle diejenigen naturwissenschaftlichen Dis- 
ciplinen und Hilfsmittel, auf denen sich diese Heilmethoden in ihrer wissen- 
schaftlichen Begründung aufbauen. Geht dieser Theil der Darstellung von den 
Heilmitteln und den Heilmethoden aus, so musste daneben die Beschreibung 
der zu behandelnden Affectionen, von der Klinik, ausgehen und die cinzelnen 
Krankheiten und ihre Therapie schildern. 

Die übersichtlichste sowohl für den praktischen Gebrauch als für die schnelle 
Orientirung geeignetste äussere Form, in welcher so vielfache ineinander greifende 
Materien am besten sich darstellen lassen, ist die Form der Encyklopädie. 
In der That hat die „Encyklopädie der Therapie“, welche nun vollendet 
vorliegt, von ihrem ersten Erscheinen an die allseitige Anerkennung gerade nach 
der Richtung hin erlangt, dass in ihr sehr viele für Wissenschaft wie Praxis 
gleich wichtige Angaben enthalten sind und unschwer sich auffinden lassen, 
welche in keinem anderen den Medieinern im allgemeinen zur Ver- 
fügung stehenden Werke sich vorfinden. 

Der Grund für diese ausnehmende Vollständigkeit liegt in der weit- 


gehenden Anlage dieser Encyklopädie. Sie ist keine beliebige Sammlung anein- 
ander gereihter Monographien, sondern bei einem genauen Studium des Werkes 
wird man finden, dass die Artikel unter sich in innigem Zusammenhang stehen, 
so dass diesem Werk gleichzeitig der Stempel eines Lehrbuches der Therapie 
aufgedrückt ist. Die „Iincyklopädie der Therapie“ vereinigt nicht weniger als 
5466 einzelne Artikel in sich. 

Da die „Encyklopädie der Therapie“ in erster Linie praktischen 
Zwecken dienen und eine schnelle Information über jede Frage der 
Therapie und über jedes auch nur entfernt mit der Therapie zusammenhängende 
Moment gewährleisten soll, so ist ein jedes ihrer Stichworte, wie gross oder 
klein auch immer, in strengster wissenschaftlicher Form abgefasst. Die 
Principien der Behandlung, wie sie aus der Erkenntniss des Krankheitsvorganges 
sich ergeben, nicht etwa eine Sammlung von Recepten, sind bei jedem einzelnen 
Stichwort in den ‘Vordergrund gerückt; die Dynamik der Heilmittel und Me- 
thoden, nicht etwa ihre schematische Verordnung, findet in erster Linie Darstellung. 

Ein ausführliches Register weist auch auf diejenigen Dinge hin. 
welche als eigenes Stichwort zu geben nicht zweckmässig gefunden wurden oder 
welche an verschiedenen Stellen Erwähnung gefunden haben. 

So ist hier ein eneyklopädisches Werk geschaffen, dass bei aller prak- 
tischen Anlage und Brauchbarkeit auf der höchsten Stufe wissenschaftlicher Dar- 
stellung steht. Die lexicographisch angeordneten Stichworte lassen im Augenblicke 
jedes Heilmittel, jeden Badeort, jede Arzneipflanze, jede Maassnahme der einzelnen 
therapeutischen Methoden, jedes Hilfsmittel der Krankenpflege, und gleichzeitig 
auch jede Krankheit, jede besondere Affeetion sowohl wie jede einzelne Krank- 
heitserscheinung, auffinden und dem augenblicklichen praktischen Zwecke nutzbar 
machen; die Art der Darstellung aber, in welcher jeder dieser Begriffe vorgeführt 
und abgehandelt wird, ist die eines Werkes von höchstem wissenschaftlichen 
Standpunkte und ernstestem wissenschaftlichen Charakter. 


Auch äusserlich hat die Verlagshandlung auf die Herstellung dieses Werke: 
die grösste Sorgfalt gewendet und besonders die Schriftgattungen derartig gewählt. 
dass ein Bogen dieser Encyklopädie etwa das Doppelte wie ähnliche Werke gleichen 
Formates enthält. So wurde es ermöglicht, dass Liebreich’s Eneyklopädie, di? 
inhaltlich den Anforderungen der modernen Medicin in jeder Weise und 
im besten Sinne gerecht wird, dem medicinisehen Publikum in dieser Reich- 
haltigkeit zu dem für ein solches Werk so mässigen Preise von 72 Mark geboten 
werden kann. 

Gef. Bestellungen nehmen alle Buchhandlungen des In- und Auslande- 
entgegen. 


Die Verlagsbuchhandlung August Hirschwald. 
in Berlin N.W. Unter den Linden No. 68. 


Ernährung. 415 


und wo die Milchmenge in der 19. Woche, nachdem zu dieser Zeit eine zwei- 
monatige Frucht ausgestossen worden war, wieder auf die frühere Höhe und 
in der Folge noch darüber stieg. Verf. meint jedoch, dass ein solcher Ein- 
finss der Schwangerschaft nicht immer einzutreten brauche, dass kräftige 
Frauen sicherlich ohne jeden Schaden auch während der Schwangerschaft 
weiterstillen können, und es Sache des Arztes ist, im einzelnen Falle die 
statt, ferner wird derselbe durch das Trocknen und das Salzen beeinflusst. 
Das Salzen hat einmal den Zweck der Würze, ferner begünstigt es das 
Trocknen und reinigt die Rinde. Es resultirt aus der gährungsbemmenden 
Wirkang des Salzes, dass die Zersetzung in den inneren Theilen in erhöhterem 
Maasse vor sich geht, als in der Randzone. 

Zum Schluss tritt Verf. der Frage näher, ob die Umbildung des Caseins 
während der Käsereifung der echten oder unechten Gährung zuzurechnen sei. 
Er betont, dass er als Gährung jeden Abbauprocess, welcher seine Entstehung 
Eoıymen verdankt, ansieht. Als echte Gährung bezeichnet er den Zersetzungs- 
process, welcher Energiebildung erzeugt, während er den Vorgang, bei wel- 
chem die Stoffe nur in eine leicht diffundirbare oder assimilirbare Form über- 
geführt werden, als eine „vorbereitende Gährung“ ansieht; d. h. also die echten 
Gährungen entsprechen einem Athmungsprocess, während die unechten einen 
Verdauungsprocess bedeuten. 

Aus seinen Untersuchungen ergiebt sich nun, dass die Umbildung des Ca- 
seins während der Reife der Backsteinkäse hauptsächlich auf einer von der Ober- 
fläche ausgehenden Hefen- oder Bakteriengährung, wahrscheinlich unterstützt 
durch die Pepsinverdauung, beruht, ferner, dass die gleiche Umbildung bei der 
Reife der Emmenthaler Käse auf einer im ganzen Käse gleichmässig ver- 
tbeilten echten und unechten Bakteriengährung, wahrscheinlich Anfangs 
wter dem Einfluss der Galaktase, in Erscheinung tritt. 

Als Anhang finden sich noch einige Bemerkungen über die Bestimmungen 
der löslichen stickstoffhaltigen Substanzen im Käse. 

Thiele (Halle a. S.). 


Thomasa J., Beitrag zur Kenntuissades „fadenziehenden Brotes“. 
Centralbl. f. Bakteriol. Abth. II. Bd. 6. S. 740 ff. 

Zurückgreifend auf die Arbeiten, welche einen Kartoffelbacillus als Er- 
reger des fadenziehenden Brotes angeben, geht Verf. auf die über diesen 
Gegenstand vorhandene Literatur ein, danach seine Untersuchungen erörternd. 
Neben dem fadenziehenden Brot wurden auch die verwendeten Mehlproben 
beräcksichtigt. 

Verf. züchtete aus dem Material einen Mesentericus-ähnlichen Bacillus. 
Der Mikroorganismus war, mit Ausnahme einer Weizenmehlsorte, in den übrigen 
Mehlproben vorhanden. Interessant ist die Angabe über die Anzahl der Keime; 
in 1 cem Mehl fanden sich ca. 800 Mesentericus-, im Allgemeinen 16000Keime. 
Die übrigen Arten gehörten dem Bac. fluorescens liquefaciens an; ferner 
waren 2 verschiedene Diplokokkusspecies und 1 dem Verf. unbekannter Ba- 
cillus vorhanden. 

Im Weizenmehl liessen sich pro ccm 20000 Keime nachweisen. 

Thiele (Halle a. S.). 


416 Ernährung. 


Ortloß, Hugo, Der Einfluss der Kohlensäure auf die Gährung. Cen- 
tralbl. f. Bakteriol. Abth. II. Bd. 6. No. 21. S. 676 ff. 

Nach eingehender Besprechung der vorhandenen Literatur geht Verf. auf 
die von ibm angestellten Versuche mit Hefereinkulturen von Saaz, Froh- 
berg, Logos, Saccharomyces Pastorianus I, II, III; Sacch. ellipsoideus 1, Il 
und Sacch. cerevisiae I Hansen ein. Der experimentelle Theil umfasst die 
Versuche unter gewöhnlichen Bedingungen und diejenigen im Kohlensäurestrom. 
Zu ersteren wurden Erlenmeyer’sche Kölbeben mit Rückflusskühler benutzt 
Die Gährkolben wurden bei 250 C. gehalten. Nach Abbruch der einzelnen 
Untersuchungen nach 4, 8, 14 und 28 Tagen wurden zunächst die Gesamnt- 
säure, dann die einzelnen Säuren bestimmt, ferner die Zellenzahl annähernd 
festgestellt. 

Als Gährflüssigkeit benutzte Verf. 10 proc. Rohrzuckerlösung, der 1 proc: 
Hefewasser zugesetzt war. Bei der zweiten Versuchsreihe wurde Kohlensäure 
durchgeleitet. Die Ergebnisse waren folgende: 

Nach 14 Tagen war sämmtlicher Rohrzucker invertirt; in den mit Kohlen- 
säuredruck versehenen Gefässen fand sich bei den verschiedenen Hefearten 
z. Th. ein fördernder, z. Th. ein hemmender Einfluss. Während ferner bei den 
unter gewöhnlichen Bedingungen angesetzten Hefearten fast alle Dextrose ver- 
gohren war, zeigte sich, dass die Kohlensäure hemmend auf die Vergährung 
derselben einwirkt. Bei dem Rohrzucker, bei welchem anscheinend auch eine 
Hemmung durch die Kohlensäure eintritt, wird dieselbe bei weiterem Verlauf 
der Gährung theilweise wieder gehoben. Ebenso war die Alkoholbildung bei 
den unter gewöhnlichen Bedingungen angestellten. Versuchen eine reichlichere. 
Bei der Säurebildung trat als bemerkenswerth hervor, dass bis auf zwei Aus- 
nahmen die fixen organischen Säuren bei der Gährung im Kohlensäurestrom 
grösser sind als bei der gewöhnlichen Gährung. Betreffs der Vermehrung der 
Zellen ergab sich, dass die Vermehrungsenergie durch die Kohlensäure ver- 
mindert wurde. Die Gährungsenergie wird mit Ausnahme der Hefen Frob- 
berg und Logos gehemmt, während das Gährungsvermögen durch die Kohlen- 
säure bedeutend erhöht wird. Thiele (Halle a.S.). 


Rosemann R., Ueber die angeblich eiweisssparende Wirkung des 
Alkohols. Eine kritische Besprechung der Arbeit von Dr. Th. R. Offer, 
Inwiefern ist Alkohol ein Eiweisssparer? Wiener klin. Wochenschr. 12. Jahrg. 
No. 41. Pflüger’s Archiv. Bd. 79. S. 461. 

Offer hatte behauptet, dass Verf. 1. „mit Unrecht nur das ein Nahrangs- 
mittel nenne, was Eiweiss erspare“, 2. nicht genügend betone, dass Al- 
kohol mit vollem Kalorienwerth Fett spare, und 3. sage, dass „Alkohol über- 
haupt kein Nahrungsmittel sei“. Verf. weist durch Anführuug von Stellen 
aus seinen Arbeiten nach, dass er genau das Gegentheil der ersten und dritten 
angeblichen Aeusserung gesagt und ferner die fettsparende Wirkung des Alko- 
hols ausdrücklich hervorgehoben habe. 

|Ref. würde es übrigens für erspriesslich halten, wenn die streitendea 
Parteien sich zunächst einmal einigten, was sie eigentlich unter „eiweissspa 
render Wirkung“ verstehen wollen: ein Sparen von noch nicht verzehrtem 


ze 


Ernährung. 417 


Eiweiss oder ein Aufsparen von verzehrtem Eiweiss im Körper, d. h. einen 
Eiweissansatz. Zu ersterem Zwecke, d.h. um an den Kosten des Ei- 
weisses zu sparen, dürfte wohl kein Arzt einem Kranken Alkohol verordnen, 
von einer eiweisssparenden Wirkung im zweiten Sinne aber hat sich C. Voit 
nicbt einmal für das Fett mit Sicherheit überzeugen können (Zeitschrift für 
Biol. 1869. Bd. 9. S. 351—353). Wie wichtig eine Einigung über die Begriffe 
in gedachter Richtung ist, erhellt besonders aus der längeren Auseinander- 
setzung Verf.’s über den Schluss Offer’s, dass aus einer fettsparenden Wir- 
kung des Alkohols eine indirekte eiweisssparende Wirkung folge. Nimmt man 
die Begriffe „eiweisssparend“ und „fettsparend“ im ersten Sinne, so ist dieser 
Schluss Offer’s logisch durchaus richtig und besagt dann, dass man Al- 
kobol an Stelle von einer gewissen Fettmenge und die freigewordene Fett- 
menge an Stelle von einer gewissen Eiweissmenge verzehren könne. Verf. 
jedoch zeigt in langer Ausführung, dass Offer’s Schluss unlogisch sei, indem 
er jene beiden Begriffe, insbesondere den Begriff „fettsparend“, im zweiten 
Sinne auffasst, d. h. darunter eine Aufsparung von Fett im Körper versteht.] 
In der folgenden Kritik des Offer’schen Versuches bemängelt Verf. vor 
Allem, dass die einzelnen Analysen der genossenen Nahrungsmittel nicht mit- 
getheilt sind. Sodann bespricht er das Ergebniss des Offer’schen Versuches. 
Offer fand bei einer im Kalorienwerth ungenügenden Nahrung in der Vor- 
periode einen täglichen Stickstoffansatz von 0,46 g, in der Alkoholperiode 
von 1,00 g, in der Nachperiode von 1,14 g. Verf. hebt hervor, dass aus 
diesen Zahlen entgegen der Deutung Offer’s gerade hervorgehe, dass der 
Alkohol die „Eiweisssparung“ nicht bewirkt habe. Verf. leitet .fernerhin aus 
dieser Beobachtung eines Eiweissansatzes bei ungenügendem Kalorienwerth der 
Nahrung einen Zweifel an der Zuverlässigkeit der Versuchsanordnung Offer’s 
ab, da eine solche Beobachtung aller Erfahrung widerspreche. [Diese Behaup- 
tang Verf.’s dürfte wohl nicht richtig sein, da z. B. beim Trainiren der Körper 
im der That in Folge der vermehrten Muskelübung Eiweiss ansetzt zur selben 
Zeit, wo er in Folge des ungenügenden Kalorienwerthes der Nahrung Fett 
verliert. Wohl aber darf man sagen, dass es unmöglich- ist, in der schwierigen 
Analyse der Stoffwechselwirkung eines chemischen Körpers, der gleichzeitig 
Nahrungsstoff und Protoplasmagift ist, voranzukommen, wenn man, wie Offer, 
eine Versuchsperson wählt, die aus irgend einem Grunde (Wachsthum, ver- 
mehrter Muskelübung oder Rekonvalescenz) Eiweiss ansetzend sich gar nicht 
im Stickstoffgleichgewicht befindet. Ref.] Hellwig (Halle a.S.). 


Kassewitz, Wirkt Alkohol nährend oder toxisch? Deutsche med. Wochen- 
schrift. 1900. No. 32—34. S. 509, 582 u. 547. 

Verf. meint, es sei nicht zn verstehen, wie man dem Alkohol, dessen 
protoplasmazerstörende Wirkung aus der Steigerung der Stickstoffausscheidung 
in den auf eine erhebliche Alkoholzufuhr folgenden Tagen sicher erwiesen sei, 
gleichzeitig eine nährende, d. h. also protoplasmaschützende Wirkung beilegen 
könne. Denn wenn der Alkohol durch seine Verbrennung Fett spare, so könne 
man nicht begreifen, warum das durch die Verbrennung des Alkohols angeblich 


418 Ernährung. 


ersparte Körperfett nicht wie jedes andere den Eiweissverlust des Körpers 
beschränke. 

[Ob das Körperfett in einem gegebenen Falle Eiweissverlust beschränken 
kann oder nicht, hängt in der That nicht davon ab, woher das Fett stammt, 
wohl aber davon, welchen Grund der Eiweissverlust hat. Wohl vermag 
das Körperfett zu verhindern, dass bei ungenügendem Kalorienwerth 
der Nahrung aus Mangel an Brennmaterial ein Verlust lebenskräftigen 
Protoplasmas eintritt, es vermag aber weder zu verhindern, dass alles über- 
flüssige Nahrungseiweiss, das nicht für die tägliche Erneuerung eines ge- 
wissen Bruchtheils des Eiweissbestandes und etwaigen Ansatz in Folge von 
Wachsthum, Rekonvalescenz oder vermehrter Muskelübung gebraucht wird, 
der Zersetzung anheimfällt, noch dass täglich vom lebenden Eiweiss eine 
gewisse Anzahl altersschwacher Moleküle zerfällt, noch endlich dass ver- 
giftetes Protoplasma seinen Untergang findet. Dem Raubthier, das einen 
Menschen sucht, gegenüber, können treue Vasallen durch Opferung des eigenen 
Lebens den König retten; ein Mörder, der gerade den König sucht, nimmt 
ein solches Opfer nicht an, und hat er den König zu Tode getroffen, so bilft 
erst recht alle Opferbereitschaft nichts. So vermag in einem Körper, bei dem 
in Folge von unzureichender Ernährung Eiweissverlust besteht, die Verbren- 
nung des durch den Alkohol ersparten Fettes wohl den vom Hunger her- 
rührenden Eiweissverlust aufzuheben, nicht aber den von der Giftwirkung 
des Alkohols herrührenden. Protoplasmaschützende und protoplasmazerstö- 
rende Wirkung des Alkohols gehen in solchem Falle in der That neben ein- 
ander her, und es ist erklärlich, wenn sich bei der analytischen Kontrole der 
Stickstoffausscheidung keine wesentliche Aenderung in der bestehenden Deficit- 
wirtbschaft ergiebt. Wie man in solchem Falle die proplasmazerstörende 
Wirkung des Alkohols erkennt durch Vergleichung mit einem Körper, der 
ebenso verbrennlich, aber nicht giftig ist, so muss man, um seine protoplasma- 
schützende Wirkung zu erkennen, ihn in solchem Falle mit einem Stoffe 
vergleichen, der eben so giftig, aber nicht verbrennlich ist. Ref.] 

Verf. sucht seinerseits den vermeintlichen Widersinn durch eine Reform 
der Ernährungslehre zu lösen. Nach einer offene Thüren einrennenden 
Kritik über die Ignorirung der aufbauenden (bezw. erneuernden) Funktion der 
Nahrung gegenüber der Kalorien liefernden, welche die herrschende Lehre sich 
zu Schulden kommen lassen soll, führt Verf. aus, dass die Ernährungslehre 
von vielen Räthseln und Widersprüchen befreit werde, wenn man die herr- 
schende „katabolische“ Auffassung des Stoffwechsels, wonach die Nahrungs- 
stoffe „in den Säften“ verbrennen sollen, durch die „metabolische“ ersetze, 
wonach alle Nahrungsstoffe — nicht bloss das Erneuerungsmaterial an 
Eiweiss und Salzen — Bestand des Protoplasmas werden und mit ibm 
zerfallen. 

[Die herrschende Lehre nimmt nicht eine „Verbrennung in den Säften“, 
sondern eine Spaltung und Verbrennung, z. Th. auch Synthese, in den Zellen 
durch Thätigkeit der Zellen an. Dadurch erledigt sich Verf.’s Bemer- 
kung, dass der Einfluss von Protoplasmareizen auf den Stoffwechsel sich nur 
nach der „metabolischen“ Auffassung erklären lasse. Ref.) 


Ernährung. 419 


Indem er die Richtigkeit der „metabolischen“ Auffassung als bewiesen 
annimmt, folgert Verf., dass der Alkohol nicht als Nahrungsstoff bezeichnet 
werden könne, weil es unmöglich sei, dass ein Protoplasmazerstörer Bestand- 
theil des Protoplasmas werde. [Verf. wird nicht bestreiten können, dass eine 
seitens der Zelle bewirkte Produktion von Wärme aus einem Stoffe, der sie 
vergiftet, darum doch eine Wärmeproduktion bleibt, ebenso gut, wie es eine 
Produktion weisser Farbe bleibt, wenn Jemand sie aus Blei herstellt und in 
Folge dessen Kolik bekommt. Ref.) 

Im Folgenden bespricht Verf. die Untersuchungen von Zuntz und Gep- 
pert, welche ergeben haben, dass durch die Verbrennung des Alkohols die 
Sauerstoffaufnahme und Kohlensäureabgabe nicht wesentlich verändert wird, 
„woraus hervorgehen soll, dass der Alkohol mit seinem vollen Kalorienwerth 
Fett erspart“, und wendet sich insbesondere gegen den von Geppert hierfür 
angegebenen Erklärungsgrund, dass dem Körper in der Ruhe nur eine be- 
stimmte, annähernd konstante Menge Sauerstoff zu Gebote stehe. Man könne 
nicht einsehen, warum der Sauerstoff, der bei gesteigerter Arbeit in fast un- 
beschränktem Maasse zur Verfügung stehe, in der Ruhe so knapp bemessen 
sein solle. Verf. sieht den Grund für die Verminderung der Fettverbrennung 
seinerseits in der Verminderung der Protoplasmamenge durch deu Alkohol, 
daneben auch in einer Betäubung von Gehirncentren, jedenfalls also, wie er 
betont, nicht in einer nährenden, sondern einer toxischen Wirkung, und stellt 
den Alkohol darin dem Phosphor an die Seite. 

[Dem Phosphor kann der Alkohol gerade nach den Versuchen von Zuntz 
und Geppert in der oben gedachten Beziehung nicht an die Seite gestellt 
werden, weil beim Alkohol nach den Ergebnissen dieser Forscher eine „Ver- 
minderung der vitalen Oxydationsprocesse“, von der Verf. immer spricht, im 
Wesentlichen eben nicht eintritt. Denn so lange nicht bewiesen ist, dass die 
Verbrennung des Alkohols als energiespendende Oxydation nicht angesehen 
werden kann, muss man sie als gleichwerthig mitrechnen; Verf. macht das, 
was er beweisen will, zur Voraussetzung seiner Schlüsse. Hätte Verf. ferner 
mehr in der Literatur gesucht, so hätte er seine „Verminderung der vitalen 
Oxydationsprocesse“ besser stützen können. So hat z. B. Füth (Ueber den 
Einfluss des Weingeistes auf Sauerstoffaufnabme und Kohlensäureausscheidung, 
Inaug.-Diss., Bonn 1885) im Mittel bei einer Dosis von 2,5 g Alkohol auf 
1 kg Körpergewicht eine Verminderung der Sauerstoffaufnahme um 18 pCt. 
and der Kohlensäureabgabe um 11 pCt. gefunden. Nimmt man an, dass durch 
den Alkohol thatsächlich eine Verminderung der Oxydation bewirkt wird, so 
lässt sich dieselbe viel einfacher als auf eine Verminderung der Protoplasma- 
menge und Lähmung von Gehirncentren, auf eine direkte lähmungsartige 
Schädigung des gesammten Protoplasmas zurückführen. Ref.) 

Zum Schluss bespricht Verf. die praktisch-ärztliche Seite. Als Sparmittel 
bei Fiebernden verwendet er an Stelle des Alkohols ausser Milch insbesondere 
den Zucker in Form von Fruchtsäften, Kompot, süssen Limonaden, gezuckertem 
Thee u.s. w., als Reizmittel neben hydriatischen Proceduren, die zugleich 
wärmeentziehend wirken, fast ausschliesslich den Kampher. Er hat seinen 
Kranken seit 10 Jahren nie mehr Alkohol verordnet und hat dabei sehr viel 


420 Desinfektion. 


bessere Erfolge gesehen als bei der Behandlung mit Alkohol, wie er sie vor- 
dem anwandte. Hellwig (Halle a.S.) 


v. Wunschheim, Ueber einen Apparat zur Erzeugung von gesättigtem 
Wasserdampf und sterilem Wasser. Centralbl. f. Bakteriol. Bd. 28. 
No. 14/15. S. 439. . 

Verf., Assistent am hygienischen Institut der Universität Innsbruck, wurde 
seitens der dortigen chirurgischen Universitätsklinik ersucht, einen Baumann- 
schen Sterilisator für strömenden Wasserdampf auf seine Leistangsfähig- 
keit zu prüfen. Derselbe war zunächst mit Gas geheizt, dann aber direkt an 
die Hochdruckdampfheizung des Krankenhauses angeschlossen worden und hatte 
sich nach diesem Anschluss als ungenügend erwiesen. Es stellte sich heraus, 
dass aus ökonomischen Rücksichten in das Heizsystem ein Hernig’scher 
Ueberhitzer eingeschaltet war, sodass in den Sterilisator kein gesättigter 
Wasserdampf, sondern nur überhitzter trockener Dampf von über 200° C. ge- 
langte, welcher nach den Untersuchungen von Koch, Wolffhügel und E 
v. Esmarch an desinfektorischer Wirkung dem ersteren weitaus nachsteht. 
Da jedoch der Betrieb mit dem Dampf der allgemeinen Heizungsanlage ein 
bei Weitem einfacherer und bequemerer war, uud daher eine Rückkehr zur 
Gasheizung nicht erwünscht erschien, so konstruirte der Obermaschinist des 
städtischen Krankenhauses Arthur Wilharticz einen Apparat, mittels dessen 
der überhitzte Dampf nicht direkt zur Sterilisation verwendet, sondern dazu 
benutzt wird, Wasser in gesättigten Wasserdampf überzuführen, der seinerseits 
erst den Desinfektionsapparat speist. Der überhitzte Dampf wird in einem 
Kühlgefäss kondensirt und als steriles destillirtes Wasser aufgefangen. Der 
angeblich leicht zu handhabende, zuverlässige Apparat kann mit Leichtigkeit 
an jeder Dampfheizung, wie auch an jedem für Gasheizung eingerichteten 
Desinfektionsapparat angeschlossen werden, zumal er nur wenig Raum in An- 
sprach nimmt. Sein Preis beträgt 360—400 Kronen. 

B. Heymann (Breslau). 


Chemische Fabrik auf Aktien (vorm. E. Schering), Berlin. Apparat 
zur Desinfektion mit Formaldehyd. Patentschrift No. 111231. 

Der Apparat stellt eine Ausführungsform eines bereits früher patentirten 
Desinfektionsapparates dar. Derselbe besteht aus einem Paraform- 
aldehydbehälter, durch dessen Boden ein oder mehrere Rohre in die Höbe 
geführt sind, über welchen je ein flach gewölbtes Blech als Vertheilungs- 
kappe angebracht ist. Die von unten her den Boden des Behälters treffenden 
Feuergase müssen ihren Weg durch die Rohre nehmen und durch die Wir- 
kung der Vertheilungskappen seitlich über den Behälter streichen. Hierdurch 
soll eine gute Mischung der Feuergase mit den Formaldehyddämpfen erzielt 
werden. Martin (Berlin). 


Desinfektion. 421 


Chemische Fabrik auf Aktien (E. Schering), Berlin. Apparat zur 
Desinfektion mit Formaldehyd. Patentschrift No. 111592. 

Es handelt sich um eine Verbesserung eines älteren Apparates zur 
Pormaldehyderzeugang durch Vergasung von Paraformaldehyd vermittels 
abgekühlter Feuergase. Während bei dem älteren Apparat diese letzteren an 
dem oberen Theil des Paraformaldehydbehälters eintraten, befinden sich bei 
dem neuen Apparat die Eintrittsöffnungen unten, oder der Behälter ist überall 
durchbrochen, wodurch die Erwärmung des Behälters eine gleichmässigere 
und die Ausnutzung der Feuergase eine vollkommenere sein soll. 

Martin (Berlin). 


Schneider E., Apparat zur Desinfektion mit Formaldehyd. Patentschr. 
No. 110635. 

Als eine Abänderung eines früher patentirten Apparates wird der fol- 
gende beschrieben: In einen Wasserkessel wird ein oben offener Formalin- 
bebälter derart eingesetzt, dass sein nach aussen umgebogener Rand auf 
einem Metallring seinen Stützpunkt findet, der in dem Wasserkessel nahe 
dem oberen Rande desselben angebracht ist. Durch den oberen Theil der 
Wand des Formalinbehälters sind Rohre derart hindurchgeführt, dass sie 
im Innern des Behälters nach unten umbiegend iu der Formalinlösung en- 
digen. Auf diese Weise umspülen und erhitzen die Wasserdämpfe den For- 
malinbehälter zunächst von aussen und können nur durch die erwähnten Rohre 
entweichen, indem sie durch das Formalin hindurchstreichen, wodurch eine 
innige Mischung der Wasser- und Formalindämpfe bewirkt wird. Dem Apparat 
ist ein festschliessender Deckel aufgesetzt, von dessen Mitte ein Rohr zur Ab- 
führung der Dämpfe abgeht. Martin (Berlin). 
Barene, La formaldeide gassosa e la disinfezione degli ambienti 

(glicoformal e igazolo). Ann. d’igiene sperimentale. 1899. p. 463. 

Der Verf. hat Versuche mit dem Schlossmann’schen Apparat und 
einem neuen von Cervello eingeführten Verfahren mit Igazol angestellt. 
Dieses ist ein Präparat, dessen Zusammensetzung noch unbekannt ist, das aber 
etwa 3/, so viel Formaldehyd liefert als die gleiche Menge Paraformaldehyd, 
und das den grossen Vorzug besitzen sollte, dass man es bereits anwenden 
könnte, wenn der Kranke selbst sich noch in dem Zimmer befindet. Nach 
des Verf.'s Versuchen hat sich Igazol als unwirksam herausgestellt, aber 
auch dem Schlossmann’schen Apparat schreibt Verf. nur eine gewisse 
Wirkung zu. Jacobitz (Halle a. S.). 


Gttoleaghi, Donato, Ueber die Desinfektion der tuberkulösen Sputa 
in Wohnräumen. Experimentelle Untersuchungen. Aus dem Institut für 
allgem. Pathol. der Universität zu Turin. Zeitschr. f. Hyg. u. Infektions- 
krankh. Bd. 34. S. 259. 

Der Verf. beurtheilt die Wirksamkeit der bei Wohnungsdesin- 
fektionen angewendeten Mittel nach ihrer Wirkung auf den Aus- 
warf von Tuberkulösen, den er im Dunkeln oder Halbdunkeln 8—10 Tage 


422 Jahresberichte. 


auf weissem Papier eintrocknen liess, dann mit dem zerstäubten Desinfektions- 
mittel gründlich benetzte, „bis grosse Tropfen trieften“, hierauf für 24 Stunden 
in eine Petrischale zum Trocknen brachte und nun unter die Haut oder in 
die Bauchhöhle von Meerschweinchen einführte. Er fand auf diese Weise 
Quecksilbersublimat in Lösung von 3 auf 1000 unwirksam, aber 
in Lösung von 5 auf 1000 sicher wirkend. Ein Zusatz von Koch- 
salz oder Salzsäure erhöhte die Desinfektionskraft nicht, sondern 
hinderte sie eher etwas; frisch bereitet wirkten die einfachen Lösungen selbst 
mit gewöhnlichem Wasser besser. Als wichtig verdient hervorgehoben zu 
werden, dass die italienischen Hygieniker nach einem Beschluss auf 
ibrer Versammlung in Como 1899 die in Deutschland vielfach bestehende 
Befürchtung einer nachträglichen Giftwirkung der Sublimatdesin- 
fektionen von Wohnräumen auf ihre Bewohner nicht theilen. Lysol 
in Lösung von 10 auf 100 fand der Verf. ebenso wirksam wie Sublimat 
(5:1000); Formalin lösung (10:100) wirkte unsicher, Kalkmilch (20:100) 
und Chlorkalk (10:100) gar nicht. 

Am Schluss der Arbeit theilt der Verf. mit, dass er die Tuberkelbacillen 
in Auswurf, der im Dunkeln gehalten wurde, nach 53 Tagen noch virulent, 
nach 150 Tagen nicht mehr virulent fand, und mit Auswurf, der bei sehr 
mildem zerstreutem Tageslicht aufbewahrt wurde, noch bis zum 
120. Tage Tuberkulose erzeugen konnte, nachher aber nicht mehr, dass 
dagegen unmittelbar einwirkendes Sonnenlicht die Tuberkelbacillen im Aus- 
warf schon in 4—141/, Stunde tödtete. Globig (Kiel). 


v. Baumgarten P. und Tangi F., Jahresbericht über die Fortschritte 
in der Lehre von den pathogenen Mikroorganismen, umfassend 
Bakterien, Pilze und Protozoen. Vierzehnter Jahrgang, 1898. Braun- 
schweig. Harald Bruhn. 1900. 1055 Ss. Preis: 26 Mk. 

Der vorliegende Jahrgang des bekannten „Baumgarten’schen Jahres- 
berichtes“ zeigt ungefähr dieselbe Ausdehnung wie der vorhergehende. In dem 
„Bestande der Mitarbeiter sind wiederum einige Veränderungen eingetreten. Für 
die französische medicinische Bakterienliteratur wurde in Prof. Charrin 

(Paris) ein besonderer Referent gewonnen. Die bisher nur lückenhaft bear- 

beitete schwedische und dänische Literatur hat Fräulein Dr. Anna Stecksen 

(Stockholm) übernommen. In die Bearbeitung der russischen Literatur theilten 

sich Frau Lydia Rabinowitsch und Herr M. Tartakowsky (Veterinär- 

literatur). An Stelle von Lustig (Florenz) trat Prof. Trambusti (Palermo) 
für italienische Literatur. 

Die Form der Berichterstattung hat gegen früher wesentliche Aenderungen 
nicht erfahren. C. Günther (Berlin). 


Verschiedenes. Kleinere Mittheilungen. 423 


Wolf A., Zur Reduktionsfähigkeit der Bakterien. Vorläufige Mitthei- 
lung. Centralbl. f. Bakteriol. 1900. Bd. 27. No. 24. S. 849. 

Verf. hat sich bemüht, einige Fehler auszuschalten, die bei Versuchen 
über die reducirende Kraft der Bakterien gewöhnlich gemacht werden. 
Zunächst ist darauf, zu achten, wie weit etwa die Reduktion des Indikators 
vom Nährboden ausgeht. Das häufig als Indikator benutzte indigosulfosaure 
Natron z. B. wird von allen gebräuchlichen Nährböden reducirt, ist daher 
ungeeignet, übrigens auch deswegen, weil bei ihm Entfärbung auch von Oxy- 
dation berrühren kann. Bei vorübergehendem Nachlassen der Lebensenergie 
der Bakterien kann ferner ein reducirbarer Farbstoff durch den Luftsauer- 
stoff wieder oxydirt werden. Verf. hat daher die Nährböden nach der 
Impfung überschichtet, und zwar die festen mit einer 2 cm hohen Schicht 
von Gelatine oder Agar und einer 3—4cm hohen Schicht von ausgekochtem 
Paraffioum liquidum, Bouillon nur mit letzterem. Bei dieser Versuchsanord- 
nung zeigten die Anaörobien, bescnders der Bacillus des malignen Oedems, 
starke Reduktionswirkung, ziemlich stark auch Coli- und Typhusbacillen; da- 
gegen konnte bei Milzbrand- und Cholerabakterien nur schwache, bei Tuberkel- 
bacillen gar keine Reduktionswirkung beobachtet werden. Das starke Re- 
duktionsvermögen der Anaörobien zeigt, dass auch diese nicht ohne Sauerstoff- 
verbrauch leben, sondern nur auf freien Sauerstoff verzichten. Zwei Bakterien- 
arten, die sich sonst im Reduktionsvermögen gleichen, können sich einzelnen 
bestimmten Farbstoffen gegenüber verschieden verhalten. So wird Neutralroth 
durch Bacterium coli zuerst in eine fluorescirende Modifikation verwandelt und 
dann entfärbt, durch den Typhusbacillus dagegen nicht verändert. Diese Re- 
aktion ist als Unterscheidungsmittel zu empfehlen. 

Hellwig (Halle a. S.). 


Kleinere Mittheilungen. 


(G) Seit dem März d. J. erscheint im Verlage von August Hirschwald in 
Berlin in zwanglosen Bänden die „Bibliothek von Coler“, Sammlung von Werken 
aus dem Bereiche der medicinischen Wissenschaften mit besonderer Berücksichtigung 
der militär-medicinischen Gebiete, herausgegeben von Generalarzt Dr. Schjerning. 
Mit dem Erscheinen derselben wurde dem um die Hebung des Militär-Sanitätswesens 
hochverdienten Generalstabsarzt der preussischen Armee und Chef der Medicinalab- 
theilung im Kriegsministerium, Exc. von Coler, zu seinem 70jährigen Geburtstage 
eine besondere Ehrung bereitet. Bis jetzt sind 6 Bände ausgegeben worden, über die 
demnächst in unserer Zeitschrift im Einzelnen berichtet werden wird: P. Kübler, 
Die Geschichte der Pocken und der Impfung; E. v. Behring, Diphtherie; Butter- 
sack, Nichtarzneiliche Therapie innerer Krankheiten; Trautmann, Leitfaden für 
Operationen amGehörorgan;H.Fischer, Leitfaden der kriegschirurgischenOperationen; 
N. Zuntz und Schumburg, Die Physiologie des Marsches. Eine grössere Reihe 
von weiteren Monographien sind in Vorbereitung begriffen. 


(:) Die endgiltige Tagesordnung für die diesjährige Versammlung des 
deutschen Vereins für öffentliche Gesundheitspflege in Rostock lautet: 


424 Kleinere Mittheilungen. 


Mittwoch, 18. September, 1. Die örtlichen Gesundheitskommissionen in ihrer 
Bedeutung für Staat und Gemeinde, sowie für die amtliche Thätigkeit der Medicinal- 
beamten (Reg.- u. Geh. Med.-R. Dr. Rapmund-Minden und Stadtrath Dr. Jastrow- 
Charlottenburg). 2. Hygiene der Molkereiprodukte (Geh.-R. Prof.Dr. Loeffler-Greifs- 
wald). — Donnerstag, 19. September, 1. Fortschritte auf dem Gebiete centraler 
Heizungs- und Lüftungsanlagen für Wohnhäuser und öffentliche Gebäude im 
letzten Jahrzehnt (Landes-Maschineningenieur Oslender-Düsseldorf). 2. Die Bedeu- 
tung der hygienisch wichtigen Metalle im Haushalt und in den Nahrungsgewer- 
ben (Prof. Dr. K. B. Lehmann-Würzburg). — Freitag, 20.September, Strassenbe- 
festigungsmaterialien und Ausführungsarbeiten, sowie ihr Einfluss auf die Ge- 
sundheit (Stadtbaurath Genzmer-Halle und Privatdoc. Dr. Th.Wey1-Charlottenburg). 


Stand der Seuchen. Nach den Veröffentlichungen des Kaiserlichen Gesund- 
heitsamtes. 1901. No. 11 u. 12. 

A. Stand der Pest. I. Russland. Kirgisenreservat Karak ut: Im Ganzen 
13 Todesfälle; der letzte Kranke ist am 22. 2. genesen. H. Britisch-Ostindien. 
Präsidentschaft Bombay: 3.—9. 2.: 1770 Erkrankungen und 1293 Todesfälle. 
10.—16. 2.: 1897Erkrankungen und 1564 Todesfälle. Stadt Bombay. 3.—9. 2.: 
1056 Erkrankungen; von im Ganzen 2021 Todesfällen 875 nachgewiesenermaassen an 
Pest. 10.—16. 2.: 1127 Erkrankungen; von im Ganzen 2083 Todesfällen 930 erweis- 
lich durch Pest verursacht, ausserdem sind 470 als pestverdächtig anzusehen. Ka- 
rachi. 3.—9. 2.: 7 Erkrankungen, 2 Todesfälle. 10.—16. 2.: 3Erkrankungen, 5 Todes- 
fälle. Während der Woche vom 2.—9.2. wurde in fast ganz Indien, mit Ausnahme 
des Staates Mysore, eine erhebliche Steigerung der Pesttodesfälle beobachtet. I. 
Hongkong. 4.—10. 3.: 15 Todesfälle. IV. Straits Settlements. Singapore. 
1.2.: 1 Todesfall. V. Kapland: Bis 2. 3. in Kapstadt 50 Erkrankungen, darunter 
12 mit tödtlichem Ausgang. Sonst wurden noch an zwei anderen Orten mehrere Pest- 
fälle festgestellt. VI. Mauritius. December 1900 durchschnittlich in jeder Woche 
45 Neuerkrankungen, im Januar 1901 wöchentlich im Durchschnitt 21 Erkrankungen 
und in der ersten Februarwoche 16 Erkrankungen und 7 Todesfälle. VII. Brasilien. 
Rio de Janeiro ist am 9. 3. für pestfrei erklärt worden. VIII. Argentinien. Am 
7. 2. befanden sich im Isolirkrankenhause zu San Nicolas noch 5 Pestkranke in Be- 
handlung. łn den Städten Belle Ville und Marios Juarez der Provinz Cordoba 
sollen pestverdächtige Fälle vorgekommen sein. IX. Queensland. Brisbane ist 
am 23. 1. amtlich für pestfrei erklärt worden (cf. S.363 dieser Zeitschrift). X. West- 
australien: Nach Veröffentlichung einer Erklärung der Regierung vom 12. 3. ist 
in Freemantle die Pest wieder ausgebrochen. 

B. Stand der Cholera. I. Britisch-Ostindien. Kalkutta. 3.—9. 
20 Todesfälle. In Moulmein und Umgebung (Provinz Burma) sollen seit Mitte De- 
cember 1900 Cholera und Pocken ziemlich stark herrschen. Il. Straits-Settle- 
ments. Singapore. 23. 1.—3. 2.: 20 Todesfälle. 4.—8. 2.: keine Erkrankungen, 
kein Todesfall. 

C. Stand der Pocken. I. Grossbritannien. Glasgow. 22. 2.—1. 3.: 
130 Neuerkrankungen, also noch keine Abnahme der Seuche. II. Italien. In Neapel 
hat die Zahl der Pockenerkrankungen in den beiden ersten Monaten des laufenden 
Jahres erheblich zugenommen: Oktober, November und December 1900 im Ganzen 
24 Erkrankungen. Im Januar 1901: 54, im Februar 1901: 60 und vom 1.—. 3: 
55 Neuerkrankungen und 8 Todesfälle. Jacobitz (Halle a. S.). 


Verlag von August Hirschwald, Berlin N.W. — Druck von L. Schumacher in Berlio. 


Hygienische Rundschau. 


Herausgegeben 
von 
Dr. Carl Fraenkel, Dr. Max Rubner, Dr. Carl Günther, 
Prof, der Hygiene in Halle a/8. Geh. Med.-R., Prof. der Hygiene in Berlin. a. o. Professor in Berlin. 


XI. Jahrgang. 


Berlin, 1, Mai 1901. W 9. 


(Aus dem hygienischen Institut der Universität Halle a. S.) 


Ueber Desintektionsversuche mit Acetaldehyd. 
Von 


Dr. H. Beitzke, 
Assistenten am lnstitut. 


Die zahlreichen günstigen Erfahrungen über die desinficirenden Eigen- 
schaften des Formaldehyds legten den Gedanken nahe, dass sich unter den 
Verwandten dieses Körpers Stoffe finden könnten, die ihm an keimtödtender 
Kraft gleichkämen oder ihn womöglich noch überragten. In erster Linie musste 
bier der Acetaldehyd in Frage kommen; Herr Prof. C. Fraenkel beauf- 
tragte mich daber, dieses Mittel auf seine Brauchbarkeit zu prüfen. 

In der Literatur war über ähnliche Versuche mit Acetaldehyd nichts ver- 
zeichnet. Nur Frank!) erwähnt in einem Aufsatz „über Desinfektionswirkung 
des Alkohols, insbesondere der Alkoholdämpfe“, dass er auch den Acetaldehyd, 
und zwar als 5 proc. Aldehyd-Spiritusvorlauf, angewandt habe, wobei sich 
herausstellte, dass die Wirkung des Acetaldehyds stärker war als die des 
Formaldehyds.. Ueber Art und Anordnung seiner Versuche giebt Frank 
freilich nichts Genaueres an. 

Das zu den hiesigen Versuchen verwandte Präparat wurde durch Ver- 
mittelung einer Halleschen Firma aus der chemischen Fabrik von Dr. Heinrich 
König & Co. in Leipzig bezogen. Es war als „Aldehyd pur.“ bezeichnet und 
enthielt angeblich 75 pCt. Acetaldehyd. Durch Destillation bei 25—26° konnten 
daraus ca. 70 Vol.-pCt. einer Flüssigkeit von den Eigenschaften des Acet- 
aldehyds gewonnen werden. Als Versuchsobjekte dienten Milzbrandsporen, 
an Seidenfäden, und Staphylokokken, an Flanellläppchen angetrocknet. 

Zuvächst wurden in einem ungefähr 5 Liter fassenden, cylindrischen 
Glasgefäss eine Anzahl orientirender Vorversuche angestellt. Das Gefäss 
besass zwei Hähne, durch deren einen Dämpfe verschiedener Verdünnungen 
der beschriebenen Aldehydlösung bis zur sichtbaren Nebelbildnng eingeleitet 


1) Münch. med. Wochenschr. 1901. S. 134 ff. 
30 


426 Beitzke, Ueber Desinfektionsversuche mit Acetaldehyd. 


wurden; nach Schliessung der Hähne und 7 stündigem Warten wurde das 
Gefäss geöffnet, die ausgelegten Proben in steriler Ammoniaklösung abgespült 
und in Bouillon übertragen. Es zeigte sich, dass sichere Abtödtung aller 
Keime dann noch eintrat, wenn neben der erforderlichen Wassermenge 5 ccm 
Aldehydlösung, also 1 Volumtheil Desinficiens auf 1000 Raumtheile, zur Ver- 
dampfung gelangten. Schon bei 1 auf 10000 blieben jedoch nahezu alle 
Proben entwickelungsfähig, und bei 1 Theil Desinficiens auf 100 000 Raum- 
theile, wie es im Durchschnitt die Breslauer Methode für den Gebrauch des 
Formalins vorschreibt, war keine Spur von Beeinflussung des Wachsthums zu 
bemerken. Trotz dieser wenig ermuthigenden Vorversuche wurden mehrere 
Experimente mit dem Breslauer Apparat im Grossen angestellt. In einem 
rund 70 cbm haltenden, geheizten und sorgfältig abgedichteten Zimmer wurden 
eine Anzahl der beschriebenen Proben offen ausgelegt und die von der Bres- 
lauer Methode verlangten Mengen von Wasser und Aldehydlösung verdampft, 
wobei die letztere — behufs genauer Vergleichung mit dem Formalin — zu- 
vor bis auf eine 40 procentige verdünnt worden war. Nach 7 Stunden wurde eine 
entsprechende Menge Ammoniak eingeleitet, dann nach einer weiteren Stunde 
das Zimmer geöffnet und die Proben nach Abspülen in steriler Ammoniak- 
lösung in Bouillonröhrchen gebracht. Sie zeigten sämmtlich ein üppiges 
Wachsthum, das hinter dem der Kontrolröhrchen in keiner Weise zurückblieb. 
Es wurde daher in den folgenden 3 Versuchen statt der 40 proc. die ursprüng- 
liche 70 proc. Aldehydlösung benutzt, jedoch mit ähnlichem Misserfolge; nur 
bei einem Versuche blieb das Wachsthum an 2 von 4 Staphylokokkenproben 
aus, während die beiden anderen verlangsamte Entwickelung darboten. Auch 
Heizen des Zimmers auf 25° und starke Durchfeuchtung der Luft nebenher 
mittels Wasserverdampfung durch glühende Ziegelsteine [nach Dieudonne!) 
u.s. w.) vermochte keine Steigerung der keimtödtenden Kraft hervorzurufen. 
Bei einem Kontrolversuche im selben Raum mit einem 36,8 proc. Formalin 
blieb nur eine einzige Milzbrandprobe lebensfähig und zwar die, welche oben 
auf dem geheizten eisernen Ofen gelegen hatte, wo sie jedenfalls des noth- 
wendigen Grades von Luftfeuchtigkeit entbehrte. 

Diese wenigen Versuche beweisen zur Genüge, dass der Acetaldehyd 
mit seinem Verwandten, dem Formaldehyd, bei der Wohnungsdes- 
infektion nicht in Wettbewerb treten kann. Dass etwa eine andere 
Methode der Prüfung als die von uns angewandte brauchbarere Ergebnisse 
liefern sollte, ist bei der völligen Uebereinstimmung der hier erzielten Miss- 
erfolge kaum wahrscheinlich. Es mag dahingestellt bleiben, ob die bedeutend 
geringere Wirkung des Acetaldehyds in seiner abweichenden chemischen Kon- 
stitution oder in seinem erheblich höheren Siedepunkt (+ 21° gegen — 21° 
beim Formaldehyd) ihren Grund hat. 

Dass Frank bezüglich der Wirksamkeit beider Körper zu einem ganz 
entgegengeseizten Ergebniss kam, ist vielleicht dadurch zu erklären, dass er 
allem Anschein nach mit direkten strömenden Aldehyddämpfen arbeitete, also 
unter durchaus anderen Bedingungen. 


1) Münch. med. Wochenschr. 1900. S. 1456. 


Lehrbücher. Luft. 427 


Arendt, Rudolf, Technik der Experimentalchemie. Anleitung zur Aus- 
führung chemischer Experimente. Dritte, vermehrte Auflage. Mit 878 in 
den Text eingedruckten Holzschnitten und einer Tafel. Hamburg und Leipzig 
1900. Verlag von Leopold Voss. XXXVI und 822 Seiten gr. 8%. Preis: 
20 Mk. 

Bei den Vorträgen über Gesundheitspflege werden häufig chemische Vor- 
lesungsversuche ausgeführt, zu deren wirksamer Vorbereitung man gern 
Einsicht in ein Handbuch nimmt, welches die neueste Art des betreffenden 
Versuches unter Hinweis auf das einschlägige Sghriftthum beschreibt und wo- 
möglich durch Abbildung erläutert. Auch bei hygienischen Forschungen und 
Gutachten erscheint bisweilen ein Wegweiser über Geräthe, Stoffe, Bezugs- 
quellen, Hörsaaleinrichtung u. s. w. willkommen. Nach beiden Richtungen 
darf man das seit fast zwei Jahrzehnten bewährte Arendt’sche Lehrbuch 
insbesondere für die Bibliothek einer hygienischen Unterrichtsanstalt in erster 
Reibe empfehlen. Helbig (Serkowitz). 


Valenti G. L. e F. Ferrari-Lelli, Osservazioni numeriche sui microrga- 
nismi dell’ aria atmosferica di Modena. Nota I. Atti della R. Acca- 
demia d. Scienze ecc. di Modena. Ser. III. Vol. II. 1900. 

Verff. haben in Modena in verschiedenen Strassen und Plätzen die Luft 
bakteriologisch untersucht und sich dabei der Methode von Petri be- 
dient. Als bakterienzurückhaltende Substanz kam feinst pulverisirter Rohr- 
zucker zur Anwendung, der zuerst bei 100° C. getrocknet und dann nach Ein- 
füllung in die Röhrchen bei 150° C. sterilisirt wurde. Die Luftmenge war 
jedesmal 100 Liter, dieselbe wurde der Schicht 1 m über dem Fussboden ent- 
nommen. Zum Vergleich untersuchten die Verff. einerseits die Luft in grösserer 
Entfernung über dem Erdboden (kgl. Observatorium 42 m, eine Terrasse 80 m 
hoch), andererseits in mehreren ausserhalb der Stadtmauer gelegenen Strassen 
und Gässchen der Vorstadt. Die erhaltenen Resultate sind in einer übersicht- 
lichen Tabelle zusammengestellt, in welcher ausser der Zahl und Art der ge- 
fundenen Mikroorganismen Datum, Ort, Richtung der Strassen, Richtung und 
Stärke des Windes am Versuchstage, Temperatur, relative und absolute 
Feuchtigkeit, Bewölkung und die Beschaffenheit der Atmosphäre am vor- 
ausgegangenen Tage angegeben sind. Die Untersuchungsmonate waren Januar, 
Februar, März und April, und es fanden sich im Durchschnitt in 100 Litern in 
der Stadt 1153 Spalt- und 344 Schimmelpilze. In der Vorstadt waren 
die erhaltenen Zahlen 34 für die Spalt- und 165 für die Schimmel- und 
Sprosspilze. In maximo wurden in der Stadt 7175 Schizomyceten und 
1063 Blastomyceten und Hyphomyceten, ausserhalb 33 resp. 512 Keime 
gefunden. 

Die bedeutend geringere Zahl der Bakterien und das Ueberwiegen 
der Spross- und Schimmelpilze in den Vorstädten wird von den Autoren auf 
das uubehinderte Zuströmen der Luft vom flachen Lande her zurückgeführt, 
wodurch ausserdem ein energischer Luftwechsel in den Strassen und Gassen 
verarsacht wird. Ungünstiger sind in dieser Hinsicht die Verhältnisse inner- 

30* 


428 Wasser. 


halb der Stadt, namentlich wenn sie noch von Mauern umgeben ist, der Loft- 
austausch wird durch dieselben erheblich erschwert. 

Was die Arten der gefundenen Spaltpilze betrifft, so war die Zahl der 
die Gelatine fest lassenden Keime bedeutend grösser als die der verflüssigenden 
Schizomyceten; von pathogenen Mikroorganismen wurden nur der Staphylococcus 
aureus und albus gefunden. Hammerl (Graz). 


Müllenbach H., Neuere Wasserwerksanlagen mit Enteisenungsein- 
richtung. Centralbl. d. Bauverw. 1900. No. 91. S. 554. 

Es werden durch Wort und Bild ein grösserer und ein kleinerer von der 
Allgemeinen Städtereinigungs-Gesellschaft in Wiesbaden ausgeführter Wasser- 
thurm zur Darstellung gebracht, welche mit dem Hochbehälter die Ent- 
eisenungsanlage in geschickter Weise verbinden. Die grosse, für eine 
mittlere Stundenleistung von 30 cbm Reinwasser bestimmte Anlage hat den 
Hochbehälter im obersten Geschoss eingefügt erhalten, während der Rieseler 
und die Kröhnkefilter die unteren Geschosse einnehmen. Die kleine, für 
eine mittlere Stundenleistung von nur 3 cbm Reinwasser berechnete Anlage 
weist den Hochbehälter inmitten zwischen dem Rieseler und dem Kröhnke- 
filter auf, wodurch das doppelte Emporpumpen des Wassers vermieden ist. 
Beide Wasserthürme sollen sich im Betrieb auf das beste bewährt haben, sie 
dürften daher für Werke ähnlicher Leistung vorbildlich werden, da eine gün- 
stigere Verbindung der Enteisenungsanlage mit der Wasserförderungsanlage kaum 
denkbar erscheint. Ueber die Anlage- und Betriebskosten sind Angaben leider 
nicht gemacht. H. Chr. Nussbaum (Hannover). 


Beer E., Die Arbeiten der Kommission deutscher und ausländischer 
Filtrationstechniker und Erfahrungen über Sandfiltration. Journ. 
f. Gasbel. u. Wasservers. 1900. No. 32 u. 83. S. 589 u. 613. 

Beer giebt eine kurze Darlegung über die Mitwirkung des Ausschusses 
deutscher und ausländischer Filterungstechniker bei den Berathungen 
im Reichsgesundheitsamte zur Klärung der Anforderungen, welche an städtische 
Filterwerke und an die Reinheit des von ihnen gelieferten Wassers zu stellen 
sind. Sodann sucht er zur Lösung einiger noch offener Fragen der Filterungs- 
technik beizutragen, indem er die über sie gesammelten Erfahrungen nennt. 

Die bedeckten Filter haben gegenüber den offenen Unterschiede 
nicht auftreten lassen in Hinsicht der Reinheit des von ihnen abfliessenden 
Wassers, wohl aber sind Vorzüge hervorgetreten in Hinsicht auf die Betriebs- 
dauer der Filter. So waren im Berliner Wasserwerk unter sonst völlig gleichen 
Verhältnissen bei den bedeckten Filtern in 131 Betriebstagen nur 9 Reini- 
gungen erforderlich, bei den offenen Filtern in 118 Betriebstagen aber 11 Reini- 
gungen. Auch in einem anderen Wasserwerke sind ähnliche Erfahrungen ge- 
sammelt. Ferner spricht für das Bedecken der Filter, dass der Einfluss der 
Lufttemperatur beschränkt wird, und dass ibre Reinigung im Winter eine 
leichtere ist. 

Für das Preiswertbhalten bedeckter Filteranlagen hat die Beantwortung 
der Frage Bedeutung, ob ein höheres Filter günstigere Betriebsergeb- 


Wasser. 429 


nisse liefert als ein niedriges. Die dahin zielenden Untersuchungen haben 
gezeigt, dass ein Unterschied nach dieser Richtung nicht auftritt. Selbst Filter 
in der ausserordentlich niederen Stärke von 250—240 mm lieferten ein Wasser, 
dessen Keimzahl eher geringer als höher war wie der Gehalt des aus 650 mm 
hohen Filtern abfliessenden Wassers. Auch die Stützschicht konnte entsprechend 
der Sandschicht ohne Schaden erniedrigt werden. Hiernach erscheint eine 
grössere Sandstärke als die von 600 mm (bei Neuanlage eines Filters) nicht 
nothwendig und wirthschaftlich nicht berechtigt, da mit der grösseren Stärke 
paturgemäss der Filterdruck wächst. Der Filterungsvorgang vollzieht sich 
eben nur in und über der Sandoberfläche und die Geschwindigkeit des Wassers 
lässt sich unabhängig von der Reibung im Filter regeln. Aus der geringeren 
Sandstärke ergiebt sich gleichzeitig eine geringere Stärke der Stützschicht und 
so die Möglichkeit, dass das Filter ohne Schaden niedriger gebaut werden kann. 

Auf diese Befunde bin neigt Beer zu der Anschauung, dass die Filterung 
in bedeckten Filtern mindestens ebenso gut, ebenso preiswerth, betriebstechnisch 
aber viel sicherer vor sich geht, als in offenen, 

Das Aufbringen einer Schicht gefärbten Sandes auf die neuauf- 
gefüllten Filter wird vielfach als vortheilhaft geschildert, doch fehlen ein- 
wandsfreie Untersuchungen nach dieser Richtung. Im Berliner Werke hat 
diese Vornahme sich als unnöthig erwiesen. 

Die Frage, ob es vortheilbafter ist, die Filter während der Reinigung 
ganz zu entleeren und so eine Belüftung der Filter herbeizuführen, oder ob 
es genügt, aus wirthschaftlichen Gründen das Wasser nur bis unter die 
Oberfläche des Sandes abzulassen, ist schwer zu entscheiden, da die Be- 
triebsart der Werke Vergleiche nicht möglich erscheinen lässt. Bei den 
Berliner Werken erscheint nach den angestellten Untersuchungen ein Ablassen 
des Wassers nicht mehr nöthig. 

Ein längeres Trockenstehen der Filter hatte dann eine bedeutende 
Bakterienentwickelung zur Folge, wenn die Austrocknung der Filter keine voll- 
kommene war, dagegen wurden Bakterien in nennenswerther Menge nicht aus- 
gespält, wenn die Austrocknung eine vollkommene geworden war. 

Von grosser Bedeutung für die Filterungswirkung ist zweifellos die ge- 
ringere oder grössere Filterungsgeschwindigkeit beim Anlassen der Filter. Bei 
schnellem Anlassen bildet sich die Schlammschicht nicht oberhalb der Sand- 
oberfläche, sondern wird in die Poren der Sandkörner gerissen, hier aber be- 
trägt die freie Fläche nur etwa ein Viertel der ganzen Oberfläche, und die 
Verstopfung geht um so schneller vor sich. In gleich ungünstiger Weise wird 
die Reinheit des Wassers durch das rasche Anlassen der Filter beeinflusst. 
Je geringer daher die Anfangsgeschwindigkeit gewählt wird, um so grösser 
wird unter sonst gleichen Verhältnissen die Betriebsdauer und die Reinheit 
des Wassers. H. Chr. Nussbaum (Hannover). 


Wery J, Sterilisation de l’eau par le filtre Lapeyrere. Rev. d’hyg. 
1900. No. 3. p. 238. 
Verf. empfieblt lebhaft zur Benutzung in Feldzügen u. s. w. das von La- 
Peyrere angegebene Verfahren einer Sterilisirung von Wasser mit nach- 
31 


430 Wasser. 


folgender Filtration. Das Sterilisirungsmittel hat folgende Zusammen- 
setzung: 


Permanganate de potasse . . . 88 
Alun de soude crist. sec, pulv. . 10 g 
Carbonate de soude crist. sec, pulv. 9 g 
Chaux de marbre foisonnée . . 3g 


Von diesem Pulver setzt man zu 10 Litern Wasser etwa 2—21/, g hinzu, rührt 
um und lässt einige Minuten, besser einige Stunden stehen. Die Farbe des 
Wassers soll rosa sein; wird sie bräunlich, so ist von dem Pulver nachzu- 
schütten. Schon in wenigen Minuten angeblich sind in so behandeltem Wasser 
Choleravibrionen und Typhusbacillen, oft sogar alle Bakterien abgetödtet. Das 
Wasser wird alsdann durch ein ganz einfach gebautes Torffilter, bestehend in 
einer mit gut gereinigtem Torf gefüllten, oben mit Zufluss, unten mit Abfluss- 
rohr versehenen Blechbüchse, filtrirt und ist dann genussfertig. Es soll gut 
und frisch schmecken, klar und farblos sein. Der Torf wird ab und zu mit 
sauberem Wasser oder Permanganatlösung gewaschen und ist dann wieder für 
lange Zeit gebrauchsfähig. Ein Filter, das 200 Liter pro Stunde liefert, 
nimmt nur ein Volumen von 2 Litern ein. 100 g Sterilisationsmittel genügen 
im Durchschnitt für 400—500 Liter Wasser. 1000 Liter Wasser zu sterili- 
siren und zu filtriren kostet etwa 60 Pfennige. Demnach erfordert die Me- 
thode keinen grossen Apparat und arbeitet sehr billig. Ref. hegt aber Zweifel, 
ob die Sterilisation wirklich immer zuverlässig eintritt, möchte es ferner für 
nöthig erachten, namentlich bei Behandlung unreinen Wassers, das Filter- 
material häufig zu erneuern. R. Abel (Hamburg). 


Zimmermann 0. E. R., Bakterien unserer Trink- und Nutzwässer. 
III. Reihe. 14. Bericht der naturwissenschaftlichen Gesellschaft zu Chemnitz, 
Dortselbst 1890 (M. Bülz), S. 109—143. 

Der Verf. veröffentlichte im 11. und 12. Bericht des oben genannten 
Vereins eingehende Bestimmungen von 75 Wasserbakterien nebst 30 Pho- 
togrammen. Die vorliegende Reihe umfasst 14 Arten, wovon 10 in der Chem- 
nitzer Leitung (Bacillus auricolor, bullescens, eircinatus, conglomeratus, costa- 
tus, floccosus, lacteus, obnubilus, propellens, rubescens). Davon kommen die 
meisten auch in dem Heidelberger und Dresdener Leitungswasser vor. Dem 
Dresdener Wasserwerk I gehörte an der Bacillus tenuis. Im Dresdener Wasser- 
werk II fanden sich Bacillus colore laterum und Sarcina albicans, endlich im 
Chemnitzer Kanalwasser: Bacillus coli communis. Es wurden berücksichtigt: 
Fundort; Form, Anordnung, Grösse; Beweglichkeit, Sporenbildung; Wachsthum 
auf Gelatine, Agar-Agar, Kartoffel, Bouillon; günstigste Temperatur, Wachs- 
thumsstärke; Sauerstoff bedürfniss; Farbstoffbildung, Färbbarkeit u. s. w. Den 
Schluss bilden Ergänzungen zu dem Schlüssel zur Bestimmung der früheren 
Reihen. Helbig (Serkowitz). 


Klima. 431 


Gottstein und Schröder, Ist die Blutkörperchenvermehrung im Ge- 
birge eine scheinbare oder nicht? Berl. klin. Wochenschr. 1900. 
No. 27. S. 597. 

Die Verff. sind bestrebt, entgegen den Behauptungen Turban’s, Roemisch’s 

u. A. einwandsfrei darzuthun, dass ihr Standpunkt, nach welchem die Blut- 

körperchenvermehrung im Gebirge nur eine scheinbare und durch Volumände- 

rungen der Thoma-Zeiss’schen Zählkammer hervorgerufen wird, der richtige 
ist. Die Versuche wurden in der Weise angestellt, dass die gleiche Blutmischung 
in Hayem’s Flüssigkeit zunächst in Berlin von Gottstein und dann in Schöm- 
berg von Schröder gezählt wurde und umgekehrt. Die Resultate wurden 
dann verglichen und ergaben für Berlin im Mittel 4590000, für Schöm- 
berg 5 905 500 Blutkörperchen im ccm. Mit der Meissen’schen Schlitzkam- 
mer, welcher der Fehler der Volumsänderung nicht anhaften soll, wurden 
in Berlin und Schömberg etwa gleiche Zahlen gefunden. 

Scholtz (Breslau). 


Keblbrugge, Betrachtungen über den Einfluss des tropischen Kli- 
mas auf den Körper. Arch. f. Schiffs- u. Tropenhyg. 1900. S. 205. 

Verf. versucht an zwei „messbaren Grössen“, der „Bleiche der Haut“ 
and der „Elasticität des Gewebes“, diesen Einfluss zu bestimmen. Die Blässe 
der Haut bei Europäern in den Tropen soll nach K.' keineswegs immer ein 
Ausdruck bestehender Tropenanämie sein, denn er hat bei vielen solchen Leuten 
Blutkörperchenanzahl und Hämoglobingehalt normal gefunden. In diesen Fällen 
denkt sich Verf. das Zustandekommen der Blässe so, dass durch den unter 
dem Einfluss der hohen Temperatur reichlich abgesonderten Schweiss und in 
Folge der Hyperämie gewisser Hautgefässbezirke eine starke Durchfeuchtung 
der oberflächlichsten Hautschichten bewirkt werde, deren Folge eine derartige 
Verdieknng dieser Schichten sei, dass die Farbe des Blutes nicht mehr durch- 
scheinen könne. Da bei dem hohen Feuchtigkeitsgehalt der Tropenluft eine 
Austrocknung der Haut verhindert werde, sei dieser Zustand der Blässe für 
die Zeit des Aufenthalts im Tropenklima dauernd. Beim Uebergang in ein 
kühleres Klima wird die Hornschicht der Haut in Folge geringeren Saftreich- 
tbums und erleichterter Austrocknung wieder dünner und für die Blutfarbe 
durchsichtiger; ausserdem bedingt die Kälte, besonders mit Luftbewegung ver- 
bunden, eine Ausdehnung des Kapillarplexus der Hautgefässe, daher die Rück- 
kehr der frischen, gesunden Hautfarbe. 

Auf die Elasticität des Gewebes wirkt nach K. das Tropenklima wahrschein- 
lich in der Weise ein, dass durch die Wärme die Elasticität der ver- 
schiedenen Gewebsfasern erhöht wird. Dies zeigt sich nicht nur bei Einge- 
borenen, sondern auch bei den Nachkommen von Europäern, welche in den 
Tropen geboren sind, und äussert sich in grösserer Gelenkigkeit, schnellen 
und leichten Entbindungen, leichter Wundheilung. 

Die Darlegungen des Verf.’s sind nach seinen eigenen Angaben weniger 


Ergebnisse von Versuchen als vielmehr Spekulationen und Hypothesen. 
Martin (Berlin). 


31* 


432 Infektionskrankheiten. 


Römer P., Beitrag zur Frage der Wachsthumsgeschwindigkeit des 
Tuberkelbacillus. Centralbl. f. Bakteriol. Abth. I. Bd. 27. No. 20/21. 
S. 705 ff. 

Verf. hat die Angabe Hesse’s, dass der Tuberkelbacillus auf den 
mit Nährstoff Heyden hergestellten Substraten ein beschleunigtes Wachs- 
thum zeige, nachgeprüft und bei den auf diesem Nährboden ausgesäten Rein- 
kulturen eine recht schnelle Vermehrung beobachtet. Konnte Römer soweit 
Hesse’s Ergebnisse bestätigen, so gelangte er doch in anderer Hinsicht zu 
widersprechenden Resultaten. 

Auch auf Nährböden, die den fraglichen Nährstoff nicht enthielten, nahm 
er eine reichliche Entwickelung wahr und schloss daraus, dass nicht die Bei- 
mengung des Heyden’schen Präparates die starke Vermehrung der in den 
Sputumflöckchen suspendirten Tuberkuloseerreger veranlasst habe. Vielmehr 
muss die Vorstellung als durchaus begründet und zutreffend erscheinen, dass 
die Vertheilung der Mikroorganismen in dem schleimigen Substrat des Spu- 
tums diesen die günstigsten Ernährungs- und Wachsthumsbedingungen gewähre. 

Römer glaubt weiterhin auch Hesse’s Behauptung, dass sämmtliche 
im Auswurf enthaltenen specifischen Bacillen vermehrungsfähig seien, zurück- 
weisen zu sollen. 

Der weiteren Entwickelung der Kulturen setzte einmal die zunehmende 
Wasserverarmung des Nährbodens und zweitens die nicht hintanzuhaltende 
Ueberwucherung durch andere im Auswurf gewöhnlich anzutreffende Bakterien- 
arten ein Ziel. 

Verf. bat nun auf gewöhnlichem Fleischwasseragar schleimig -katarrha- 
lischen Auswurf von sicher nicht an Phthise leidenden Menschen 
nach Abspülung in sterilem Wasser ausgestrichen und darauf die so gewon- 
nenen „Schleimplatten“ mit Aufschwemmungen von Tuberkelbacillen ge- 
impft. Es vollzog sich dann auf diesem Substrat die Entwickelung der Ko- 
lonien in sehr viel schnellerer Weise, als auf den ohne Schleim unter sonst 
durchaus gleichen Bedingungen inficirten Kontrolplatten. 

Hindernd trat nur der ausnahmslose Befund von anderweitigen Bakterien- 
species des Auswurfs in den Weg, und es ist im Laufe der Untersuchungen 
niemals geglückt, sterilen Schleim zu gewinnen. 

R. gelangte zu der Ueberzeugung, dass in der schleimigen Umhäüllung 
dem Tuberkelbacillus ähnliche Verhältnisse geboten werden, wie er sie auch 
im erkrankten Organismus antrifft. Es ist dann nur erforderlich, dass aus 
einem geeigneten Nährmaterial abbaufähige, lösliche Stoffe in die Schleimhülle 
hineindiffundiren können, da im Schleim allein jegliche Vermehrung der Tu- 
berkelbacillen ausbleibt. Schumacher (Strassburg i.E.). 


Sion, Der Einfluss des Organismus kaltblütiger Thiere auf den Ba- 
eillus der menschlichen Tuberkulose. Centralbl. f. Bakteriol. Abth. I. 
Bd. 27. No. 20/21. S. 710. 

Sion giebt zunächst eine Uebersicht der seither erschienenen Arbeiten, 
welche sich mit dem Verhalten des Kaltblüterorganismus gegenüber den Tu- 

berkelbacillen beschäftigt haben. Die Befunde Bataillons, Terre’s u. A., 


Infektionskrankheiten. 433 


sowie die von Lubarsch konnte er nicht bestätigen, vielmehr musste er sich 
der von Pasquale und Michaele vertretenen Anschauung anschliessen, dass 
Kaltblüter den Erregern der menschlichen Tuberkulose gegenüber 
sich refraktär verhalten. Weder ist bei den mit tuberkulösem Material ge- 
impften Fröschen das typische tuberkulöse Granulationsgewebe anzutreffeu, 
noch findet man jemals eine allgemeine Verbreitung der Tuberkelbacillen im 
Leibe des Frosches. 

Hinsichtlich seiner Form und Färbbarkeit erleidet der Tuberkuloseerreger 
keinerlei eingreifende Veränderungen, sondern ist vielmehr noch nach 6—91/, Mo- 
naten ohne irgendwelche Modifikation an der Impfstelle nachzuweisen. 

Verf. hat auch Versuche angestellt, die darüber Aufschluss geben sollten, 
ob etwa den einem Frosche einverleibten Tuberkelbacillen lösliche Stoffe ent- 
zogen würden, die ihrerseits wieder imstande wären, Meerschweinchen zu im- 
muaisiren. Es hat sich jedoch durchweg ein negatives Resultat ergeben. 

Schumacher (Strassburg i. E.). 


Lubarsch 0., Ueber das Verhalten der Tuberkelpilze im Froschkörper. 
Centralbl. f. Bakteriol. Bd. 28. No. 14/15. S. 421. 

Die Mittheilungen des Verf.’s richten sich gegen gewisse Behauptungen 
Sion’s in seiner vorstehend referirten Arbeit über den Einfluss des Kalt- 
blüterkörpers auf den Tuberkelbacillus. Entgegen den von Sion 
angeblich nach Lubarsch citirten Angaben, dass der Bacillus im Frosch- 
körper generalisirt wird und seine Pathogenität einbüsst, weist Lubarsch 
an der Hand von Versuchen nach, dass die in einen Lymphraum des 
Froschkörpers eingeführten Tuberkelpilze regelmässig in die inneren Or- 
gane verschleppt werden und dort nach Wochen und Monaten noch nachweisbar 
sind. Ferner giebt er an, dass es am Impforte nicht selten zar Bildung 
kleiner Granulationen um die Pilzbröckel kommt, während in den inneren 
Organen für gewöhnlich keine oder nur eine sehr geringe Reaktion der 
Gewebe nachweisbar ist. Die in den Organen deponirten Tuberkelpilze rufen 
beim Meerschweinchen nach wochenlangem Aufenhalte keine Tuberkulose mehr 
bervor, was wahrscheinlich auf einem, allerdings nur vorübergehenden, Virulenz- 
verlast beruht. B. Heymann (Breslau). 


Petersson O. V., Kliniskt experimentela studier öfver lungtuber- 
kulosen. (Klinisch-experimentelle Studien über die Lungen- 
tuberkulose.) Nord. Med. Archiv. 1900. No. 80 u. 33. 94 Ss. 8° mit 
2 Tafeln und einem französischen Resume. 

Im ersten Theil behandelt Verf. die Infektionsgefahr bei der Tuber- 
kulose und konstatirt, dass Sputa, die an der Oberfläche von Holz, Papier 
oder Leinwand eingetrocknet und in einem mit Deckel versehenen Holzkasten 
aufbewahrt waren, in 2—3 Monaten alle Virulenz verloren. Bei den Versuchen 
wurden die getrockneten Sputa in Wasser emulgirt und mittels eines Hand- 
pulverisateurs versprüht. Ungefähr 60 Tage dauert die Virulenz der getrockneten 
Sputa. 46 Meerschweinchen wurden beim Versuch gebraucht. 

Weiter liess Verf. 25 tuberkulöse Personen gegen Deckgläschen husten, 


434 Infektionskrankheiten. 


die an Handspiegeln fixirt waren. 23 von ihnen oder 92 pCt. schleuderten 
Tuberkelbacillen oft in grosser Zahl auf die Gläser. Der Abstand zwischen 
Mund und Gläsern betrug 10—15 cm. Nicht nar bei vorgeschrittenen Fällen, 
sondern auch bei beginnender Tuberkulose zeigten sich an den Deckgläsern 
grosse Massen von Bacillen, die lebend und sehr virulent waren. 

Fliegen, die mit tuberkulösen Sputa gefüttert wurden, lieferten Exkre- 
mente, die viel Tuberkelbacillen und zwar lebend und virulent beherbergten. 

Im zweiten Theile seiner Arbeit untersucht Verf. zuerst die Wirkung des 
Lichtes auf die eingetrockneten Sputa. In der Sonne werden alle Tuberkel- 
bacillen nach 15 und 21 Stunden, aber nicht nach 8 Stunden abgetödtet. Im 
diffusen Tageslicht lebten sie noch nach 5—7 Tagen. 

Kälte bis — 80°C. war nicht im Stande, Tuberkelbacillen zu tödten. 
Röntgenstrablen, denen die frischen Sputa während 15 Stunden ausgesetzt 
wurden, zeigten keinen deletären Einfluss. Eingetrocknete Sputa, die mit 
einer Formaldehydlösung von 0,8 oder 1,6 pCt. reichlich übersprüht wurden, 
waren nach 24 Stunden von lebenden Tuberkelbacillen befreit. 

E. Almquist (Stockholm). 


Cowie, D. Murray, A preliminary report on acid-resisting bacilli, 
with special reference to their occurrence in the lower animals. 
The Journ. of exper. med. Vol. 5. 1900. p. 205. 

Wie bei uns unter „Säurefestigkeit“ die Fähigkeit gefärbter Mikrobien, 
ihre Färbung trotz der Anwendung entfärbender Säuren beizubehalten, ver- 
standen wird, so bezeichnet der englische Sprachgebrauch diese Fähigkeit als 
„acid-resisting“. Sie ist, wie bekannt, eine Eigenschaft nicht nur des 
Tuberkel- und des Leprabaeillus, sondern ist auch bei einer Anzahl anderer 
Mikrobien, so z.B. den Smegmabacillen, den Bacillen des Timotheegrases, den 
Rabinowitsch’schen Butterbacillen u. a. m., festgestellt. Cowie ist beim 
Studium des „Smegmabacillus“ des Menschen auch auf die Erörterung der 
Frage gekommen, ob und in welchem Umfange solche Bacillen auch am Körper 
niederer Thiere (die Versuche haben ausschliesslich an Hausthieren stattge- 
funden) vorkommen. Während die Kulturversuche mit den vorgefandenen 
säurefesten Mikrobien — C. bezeichnet sie sämmtlich als Smegmabacillen — 
noch nicht abgeschlossen sind und das Ergebniss derselben erst später ver- 
öffentlicht werden soll, wird in der. vorliegenden Arbeit über die tinktoriellen 
Eigenschaften dieser Mikrobien berichtet. An 55 Thieren (Pferden, Hunden, 
Kühen, Katzen, Meerschweinchen, Kaninchen und weissen Ratten) wurde darch 
Schaben am Präputium, der Scheide, den Weichen und den Mammawarzen das 
Material gewonnen, in dem fast ausnahmslos sich säurefeste Bakterien befinden. 
Nur bei Katzen und Kaninchen waren die Befunde negativ. In der Form 
zeigten sich diese Bakterien sehr oft als schlanke, scharf gezeichnete, leicht 
gebogene Stäbchen, die gelegentlich ein perlbandartiges Aussehen hatten und 
durch ihr Aussehen von Tuberkelbacillen nicht unterschieden werden konnten. 
Andererseits wurden Formen gefunden, die wesentlich länger oder kürzer waren 
als Tuberkelbacillen, während noch andere leicht, wie Kommabacillen, und 
wieder andere fast im rechten Winkel gebogen waren. Der Farbstoff wird 


Infektionskrankheiten. 435 


manchmal ungleichmässig aufgenommen, wodurch die Ränder der Bacillen ein 
ungleichmässiges Aussehen erlangen. Neben den Stäbchenformen fanden sich 
aber auch Diplokokken und Doppelstäbchen, Trommelstockformen, ovale, hefe- 
ähnliche Organismen, Kapselbakterien, kurze Fäden von 4—6 Zellen und Sporen, 
alle von gleicher Säurefestigkeit. 

C. kommt schon nach seinen bakteriologischen Untersuchungen, die seine 
Kulturversuche gewiss bestätigen werden zu dem Schluss, dass mit der Be- 
zeichnung „Smegmabacillus“ nicht sowohl eine bestimmte Species als vielmehr 
nur eine Grappe von Organismen gemeint werden kann, die gemeinsame tink- 
torielle Eigenschaften besitzen. Jacobson (Berlin). 


Bertarelli E., Sulla mortalità per difterite nelle provincie italiane 
dal 1887 al 1898 e sui suoi coefficienti modificatori. Osservazioni 
di statistica epidemiologica. Rivista d’Igiene e sanità pubblica. Anno XI. 
1900. 

Die vorliegende Diphtherie-Sterblichkeitsstatistik umfasst den 
Zeitraum 1887—1898 (inklusive) und basirt auf den Publikationen der General- 
direktion des statistischen Amtes über die Ursachen der im Königreich Italien 
vorgekommenen Todesfälle. Der Quotientenberechnung wurde das Resultat der 
Volkszählung vom Jahre 1881 zu Grunde gelegt unter Berücksichtigung der 
alljährlich stattgehabten Bewegung der Bevölkerung. Nach den Angaben des 
Autors schwankt das Verhältuiss der Todesfälle an Diphthberie zu den Ge- 
sammtsterbefällen überhaupt zwischen 28 pM. im Jahre 1887 bis zu 22 pM. 
1897, ein nicht sehr hoher Procentsatz im Vergleich zu anderen europäischen 
Staaten, namentlich zu Deutschland und Oesterreich, in welchen der Quo- 
tient auf das Doppelte und höher steigt. Von den einzelnen Provinzen Ita- 
liens weisen mehrere (Puglie, Basilicata u. a.) auffallend zahlreiche Todes- 
fälle an Diphtherie auf, welche Thatsache B. einerseits durch den Einfluss des 
Klimas erklärt, andererseits auf eine mangelhaft durchgeführte Prophylaxe 
bei gleichzeitigem Vorhandensein einer dichten und armen Bevölkerung zurück- 
führt. Dass die meisten Todesfälle an Diphtherie zwischen das 5. und 10 .Lebens- 
jahr félen, und dass von den Jahreszeiten die Wintermonate die gefährlichsten 
sind, konnte Verf. auch für Italien feststellen. 

Einen wesentlichen Nutzen hinsichtlich der Verminderung der Diphtberie- 
todesfälle hat die Einführung der Serumtherapie gebracht, und diese That- 
sache ist in Uebereinstimmung mit den Erfahrungen, welche man diesbezüglich 
in anderen europäischen Staaten gemacht hat. Verf. illustrirt den Einfluss des 
Heilserums für Italien durch 2 Karten, welche, auf 10000 Einwohner be- 
rechnet, die Diphtherietodesfälle in den einzelnen Provinzen durch verschie- 
dene Farbennuaneirung wiedergiebt. Die erste Karte umfasst den Zeitraum 
1887—1894, die zweite das Intervall 1895—1898. Derselbe günstige. Einfluss 
der Einführung der Serumtherapie auf die Diphtheriesterblichkeit soll auch 
in einer Kurventafel ersichtlich gemacht werden, in welcher die Diphtherie- 
todesfälle in Italien und in mehreren anderen europäischen Ländern in Linien 
eingezeichnet sind. Diese Kurventafel- ist anbei wegen ihrer Uebersichtlichkeit 
und Anschaulichkeit wiedergegeben, es muss ‚hierzu jedoch bemerkt werden, 


4365 Infektionskrankleiten. 


dass; als beweisend diese Tafel wohl nicht angesprochen werden kann. Denn 


Todesfälle für 10 000 Einwohner. 


-...Franffreich 

Deutschland 

Vesterreich xxx xxxxxxxxxxx Holland 
x Schweiz 


in allen Staaten, in welchen eine Verminderung der Diphtherietodesfälle be- 
obachtet wurde, beginnt der Abstieg der Kurve schon mit dem Jahre 1894 
resp. 1893, und für England ist die Serumbehandlung anscheinend ganz ohne 
Nutzen geblieben. Hammerl (Graz). 


Howard jr., A case of general gaseous emphysema with gas cysts 
in the brain formed after death and due to bacillus mucosus 
capsulatus, with a consideration of the gas-producing proper- 
ties of certain members of this group in the cadavers of ani- 
mals. The Journ. of exper. med. Vol. 5. 1900. p. 189. 

Verf. hatte Gelegenheit, 24 Stunden post mortem die Leiche einer Person 
zu obduciren, die bewusstlos ins Krankenhaus gebracht und nach 8 Stunden, 
ohne das Bewusstsein wieder erlangt zu haben, gestorben war. An der Lebenden 
hatten Zeichen irgendfeiner ausgesprochenen Krankheitsform nicht festgestellt 
werden können. Der Harn war unfreiwillig abgeflossen und nicht untersucht. 


Infektionskrankheiten. 437 


An der Leiche wurde nicht nur ein erhebliches Emphysem des Unter- 
hautbindegewebes gefunden, sondern es waren auch die serösen Ueberzüge 
vielfach durch kleinere oder grössere Gasblasen abgehoben, das Blut und die 
inneren Organe gleichfalls mit solchen Blasen durchsetzt und die Substanz des 
Grosshirns und der grossen Hirnganglien an vielen Stellen durch Gasblasen 
eystenförmig auseinander getrieben. Im Uebrigen fanden sich die Zeichen 
eiver Septikämie. 

Im Blut und in den Blasen fand H. einen Kapselbacillus von runder, 
ovaler oder kurzer, dicker Stabform mit abgerundeten Ecken, sowie lange, 
dünne Fäden. In den Kulturen auf verschiedenen Nährböden fanden sich die 
Reinkulturen in gleich polymorpher Gestaltung. Mit Reinkulturen oder dem 
Blat gestorbener Thiere geimpfte Meerschweinchen starben innerhalb 12 bis 
24 Stunden. Gasbildung zeigte sich erst, nachdem die Kadaver 24 Stunden 
bei einer Temperatur von 25—380° C. gelegen hatten, aber auch dann, wenn 
die Thiere gleich nach der Impfung getödtet waren. 

Nach H. gehört das fragliche Bakterium zur Gruppe des Bac. mucosus 
eapsulatus und ist identisch mit dem von ihm beschriebenen Bac. muc. caps. 
der hämorrhagischen Septikämie. Die sämmtlichen Kapselbacillen zer- 
fallen aber nach einem von Strong im dritten Bande des Journal of the 
Boston Society of the medical sciences 1899, p. 185 veröffentlichten Berichte 
in zwei Gruppen, von denen die eine sich besonders durch rasche Koagulirung 
der Milch, sowie durch Gas- und Säurebildung in Zuckerlösungen — und zwar 
sowohl in Saccharose-, als auch in Glukose- und Laktoselösungen — auszeichnet. 
Dieser Gruppe gehört zweifellos auch das in Frage stehende Bakterium an. 
Da im besprochenen Falle die Leiche auf Eis gekühlt gehalten wurde, so ist 
neben der Frage, ob der Bac. mucos. capsul. etwa der Erreger der Septikämie 
war, auch die aufzuwerfen, ob nicht die Person an Diabetes gelitten hat. Die 
Frage ist nicht beantwortet; die auffällig rasche und erhebliche Gasbildung, 
trotz Kühlhaltung der Leiche, scheint darauf hinzudeuten. 

Jacobson (Berlin). 


Levin, Ernst, Bubonpesten i Porto 1899. (Die Bubonenpest in Porto 
1899.) Reisebericht. Stockholm 1900. 178 Ss. 8°. 

Verf. besuchte zuerst Paris und nahm Theil an einem Kursus in der Pest- 
diagnose, der im Institut Pasteur gegeben wurde. Mitte Oktober reiste er nach 
Porto und studirte dort während einiger Monate die Krankenbehandlung. Es 
bot sich Gelegenheit, eine grosse Zahl von Kranken zu beobachten, die theils 
mit, theils ohne Pestserum behandelt wurden. Der Unterschied war be- 
deutend und die therapeutische Kraft des Serums hervorragend. Wenn die 
Patienten eine Dosis von 40 cem Serum subkutan oder 20 cem intravenös er- 
halten hatten, trat in der Regel Krisis ein, und die Temperatur wurde in einigen 
Standen normal. Durch wiederholte Injektionen wurden die Patienten dauernd 
fieberfrei. Die Symptome und die Pestbakterien verschwanden schneller bei 
den mit Serum behandelten als bei den nicht behandelten. Die Beweise hier- 
für werden in einer Statistik von 50 Fällen mit zugehörenden bakteriologischen 
Tabellen erbracht. 

32 


438 Infektionskrankheiten. 


Verf. prüfte mehrmals die reingezüchteten Pestbakterien auf ihre Virulenz 
und konstatirte gegen Ende der Epidemie in Porto eine stark abnehmende und 
zuletzt keine Virulenz mehr, so dass der Verf. schon Ende November das Auf- 
hören der Epidemie voraussagen konnte. E. Almquist (Stockholm). 


Macleod K., On thermic fever so called siriasis, with special refe- 
rence to its alleged microbic causation. The Brit. med. Journ. 
Sept. 9 1899. p. 649. j 

Eine Reihe von Autoren, wie Sambon, Friket, Rho u. A., auch der 
Verfasser obiger Abhandlung, behaupten, dass der Hitzschlag durch einen 
besonderen Mikroorganismus herbeigeführt werde. Unter dem Namen 
„Hitzschlag“ werde eine ganze Reihe verschiedenartiger Erkrankungen zusammen- 
gefasst, unter denen nur die durch Hyperpyrexie, tiefes Koma, Verenge 
rung der Pupillen und intensive Blutüberfüllung der Lungen cha- 
rakterisirte Krankheit durch den erwähnten Mikroorganismus hervorgerufen 
werde, während die übrigen sonst noch mit „Hitzschlag“ bezeichneten Erschei- 
nungen mit dem genannten Bakterium ätiologisch in keinem Zusammenhang 
stünden. Man hat daher anch den oben genannten Symptomenkomplex mit 
dem besonderen Namen „Siriasis“ belegt. 

Den Erreger derselben wollen Cogical und Lapierre von der Univer- 
sität Coimbra gefunden haben, sie bezeichnen denselben als ein leicht ge- 
krümmtes, in der Mitte etwas eingeschnürtes Stäbchen, 2,54 lang und 0,5% 
breit, das sich mit allen Anilinfarben leicht, aber uicht nach Gram färbt. 

Das Blutserum von an Siriasis erkrankter Menschen soll stark toxische 
Eigenschaften besitzen, 9 ccm desselben einem Kaninchen in die Venen 
eingespritzt, tödteten es in weniger als 1 Stunde. Die Untersuchung 
des Blutes von Siriasiskranken zeigte starke Zerstörung der rothen Blat- 
körperchen, ausgedehnte Phagocytose, Zerstörung des Hämoglobins und damit 
verbundene Pigmentanhäufung in den Leukocyten. 

Im Ganzen soll die Siriasis ziemlich selten auftreten, alsdann epide- 
mischen Charakter zeigen; ihr Ausbruch soll durch starke Hitze, verbunden 
mit Feuchtigkeit begünstigt werden, doch soll nicht etwa die Höhe der 
Temperatur eine Hauptrolle dabei spielen; denn — und dies wird ebenfalls 
zu Gunsten des bakteriellen Ursprungs der Krankheit mit geltend gemacht — 
während sie in manchen Gegenden Indiens, in den Vereinigten Staaten von 
Nordamerika u. s. w. vorkommt, ist sie in anderen, erheblich heisseren Gegenden 
Indiens und in vielen der heissesten Regionen der Welt vollständig unbekannt. 

Jacobitz (Halle a. S.). 


Valenti-G. L. e F. Ferrari-Lelli, Osservazioni batteriologiche in una 
epidemia di cosidetto colera dei piccioni. Atti della R. Accademia 
d. Scienze ecc. di Modena. Ser. III. Vol. II. 1900. 

Gelegentlich einer unter Tauben aufgetretenen choleraähnlichen 
epizootischen Erkrankung in Empoli (Mittelitalien) untersuchten die 
Verff. den Gewebssaft und den Inhalt des Magendarmkanals der eingegangenen 
Thiere und fanden konstant und in grosser Menge ein kurzes, bewegliches 


Infektionskrankheiten. 439 


Stäbchen mit einer durchschnittlichen Länge von 1 x und einer Breite zwischen 
0,8 und 0,7 «. Dieser Spaltpilz wuchs auf den gewöhnlichen Nährböden 
bei gewöhnlicher und bei Brüttemperatur, und die Autoren beschreiben ein- 
gehend das Aussehen der Kulturen auf Gelatine, Agar-Agar, Milch, Serum, 
Bouillon u. s. w. Von den künstlich fortgezüchteten Bakterien liessen sich 
sowobl vom Magendarmkanal aus, als auch durch subkutane Infektion ge- 
lingende Uebertragungen auf empfängliche Thiere bewerkstelligen. Der Krank- 
heitsverlauf und der pathologisch-bakteriologische Befund bei den künstlich 
inficirten Thieren war mit dem der spontan erkrankten in völliger Ueberein- 
stimmung. Hühner, Meerschweinchen und Kaninchen erwiesen sich bei 
Uebertragungsversuchen als refraktär, jederzeit empfänglich waren nur die 
Tauben. 

Die Autoren halten den von ihnen gefundenen Mikroorganismus auf Grund 
der festgestellten morphologischen und biologischen Eigenschaften für ver- 
schieden von den Bakterien, welche bis jetzt bei gleichen oder ähnlichen 
Erkrankungen der Tauben beschrieben worden sind. Hammerl (Graz). 


Graeser C., Ueber Alkoholverbände. Münch. med. Wochenschr. 19C0. 
No. 29. S. 999. 
Graeser berichtet über gute therapeutische Erfolge von Alkoholver- 


bänden bei Phlegmonen, Furunkeln, Anginen u.s.w. 
R. Abel (Hamburg). 


Thalmann, Züchtung der Gonokokken auf einfachen Nährböden. 
Centralbl. f. Bakteriol. Abth. I. Bd. 27. No. 24. S. 828. 

Angeregt durch Ficker’s Untersuchungen über das Wachsthum der 
Tuberkelbacillen auf sauren Gehirnnährböden hat Th. Versuche mit Gono- 
kokken angestellt und gefunden, dass diese letzteren auf sterilisirten sauren 
Gebirnschnitten innerhalb 24 Stunden in reichlicher Weise zur Entwickelung 
gelangten. Dies Verhalten darf um so weniger Verwunderung erregen, als 
ja auch die Gonokokken in der menschlichen, von saurem Harn befeuchteten 
Urethra günstige Ernährungsbedingungen finden. 

Da der Verf. den erzielten günstigen Erfolg auf den Säuregehalt des 
Nährsubstrats zurückführte, glaubte er ermitteln zu sollen, ob auch auf 
gewöhnlichem säurehaltigen Nährboden die Trippererreger zu gedeihen im 
Stande sind. Zunächst stellte er sich Fleischwasseragar her mit 1,0 pCt. 
Pepton und 0,5 pCt. Kochsalz, dem er auf 100 ecm etwa 3,5—3,75 Normal- 
säure zusetzte. Er ging dann in der Weise vor, dass er die Menge und den 
Säuregrad des sauren Fleischwasseragars bestimmte und 2/; der zur Neutrali- 
sirung erforderlichen Natronlösung unter Umschütteln hinzufügte. Das Optimum 
lag an dem Punkte, wo 2/;—?/, der Säure durch Alkali gebunden waren, in- 
dessen der vollkommen saure, der ?/, saure und der neutrale Agarnährboden 
steril blieben. 

Während nun aber die Züchtung des Gonokokkus auf dem !/,;—1/; sauren 
Agar nach Ansicht des Verf.'s doch nur diagnostischen Werth bean- 


spruchen darf, empfiehlt sich zur längeren Fortzüchtung mehr das saure Serum. 
327 


440 Immunität. Schutzimpfung. 


In sauer reagirender Bouillon erfolgt ebenfalls eine reichliche Entwickelung, 
am besten auch hier, wenn 70 pCt. der Gesammtsäure neutralisirt wurden. 
Das einfacher scheinende Verfahren, zu 7 Theilen neutraler 3 Theile saurer 
Bouillon zuzusetzen und zu mischen, führt nicht zu dem erwünschten Ziele, 
und es bleibt jedes Wachsthum der Gonokokken aus. Es ist vielmehr eine 
vorherige gegenseitige Umsetzung erforderlich, und, wie es scheint, es bedürfen 
gerade die Gonokokken einer Mischung von neutralen und zweibasischen 
Phospbaten. So liefert auch die Züchtung auf dem Wassermann’schen Nähr- 
boden sehr günstige Resultate, da er in Form der zugefügten Nutrose einfach- 
saure und neutrale phosphorsaure Salze zugeführt erhält. 
Schumacher (Strassburg i. E.). 


Donath, Julius, Zur Kenntniss der agglutinirenden Fähigkeiten des 
menschlichen Blutserums. Aus der I. med. Klinik in Wien. Wiener 
klin. Wochenschr. 1900. No. 22. 

Verf. hat bei einer Anzahl von Kranken, die an anämischen Zuständen 
litten (Chlorosen, schweren sekundären Anämien, einer Leukämie und einer 
perniciösen Anämie) das Verhalten des Serums hinsichtlich agglutinirender 
Fähigkeit gegenüber dem Blut gesunder Personen studirt. 

Während bei gleichzeitig angestellten Kontrolversuchen Sera vom Blute 
gesunder Personen keine oder nur eine ganz schwache Wirkung auf Blut- 
körperchen von gesunden Personen äusserten, liess sich bei den Seris von 
einer Reihe chlorotisch erkrankter Individuen, bei einigen sekundären Anä- 
mien, bei dem Falle von Leukämie eine mehr oder minder starke agglutini- 
rende Wirkung nicht verkennen. Bei dem Umstande, dass manche Sera ihre 
Wirkung gegenüber dem Blute verschiedener gesunder Personen ganz ver- 
schieden äusserten, dass ferner kein direkter Zusammenhang zwischen agglu- 
tinirender Wirkung und Art und Schwere der untersuchten Anämie nachzu- 
weisen war, unterlässt es der Autor vorderhand, aus seinen Versuchen weitere 
Schlüsse zu ziehen. Grassberger (Wien). 


Hewlett aud Roland, Preliminary note on a new quantitative method 
for serum diagnosis. Brit. med. Journ. No. 2052. 28. April 1900. 
S. 1015. 

Um kleine Mengen von Blut für serodiagnostische Zwecke genau 
auf ein bestimmtes Vielfaches verdünnen zu können, verfahren Hewlett 
und Roland wie folgt: Sie saugen das Blut in ein Kapillarröhrchen von 
0,9—1,2 mm, an allen Stellen möglichst gleicher, lichter Weite. Dann messen 
sie sehr genau die Länge der Blutsäule in der Kapillare, bestimmen die lichte 
Weite der Kapillare mit Hülfe des Mikroskops und berechnen aus den beiden 
Werthen die Menge des zur Verfügung stehenden Blutes. Nun wird in ein 
Reagensglas das Quantum Flüssigkeit gebracht, das nöthig ist, um die ge- 
wünschte Blutverdünnung zu erreichen, alsdann die Kapillare in das Reagens- 
glas geworfen, darin zertrümmert und schliesslich mit Hülfe der Verdünnungs- 
flüssigkeit so vollständig wie möglich ausgewaschen. 

R. Abel (Hamburg). 


Immunität. Schutzimpfung. 441 


Schütze A., Beiträge zur Kenntniss der zellenlösenden Sera. Aus 
dem Institut für Infektionskrankheiten in Berlin. Deutsche med. Wochenschr. 
1900. No. 27. S. 431. 

Verf. suchte durch Vorbehandlung mit hämolysinhaltigen Substanzen ein 
antihämolytisches Serum zu gewinnen. Zu diesem Zweck wurde Kaninchen 
defibrinirtes Meerschweinchenblut subkutan in Dosen von 5 ccm in Zwischen- 
räumen von 2—3 Tagen injieirt. Das diesen Thieren entnommene Serum 
zeigte deutliche agglutinirende und auflösende Wirkung frischen Meerschwein- 
chen-Blutkörperchen gegenüber. Nach Feststellung dieser Eigenschaft wurde 
dieses hämolytische Kaninchenserum Meerschweinchen in der Dosis von 1 bis 
6 ccm subkutan injicirt, bis die Thiere eine Gesammtmenge von 20 ccm er- 
halten hatten. Das Serum der so vorbehandelten Meerschweinchen zeigte nun 
deatliche antihämolytische Eigenschaften, d. h. es hemmte und verhinderte die 
Auflösung der Meerschweinchen-Blutkörperchen. Weitere Versuche von S. 
sollten zeigen, ob der Zwischen- oder der Endkörper den wesentlichen Faktor 
für das Zustandekommen eines Gegengiftes gegen das Hämolysin darstellt. 
Zu diesem Zweck wurde der Endkörper aus dem hämolytischen Serum durch 
einstündiges Erhitzen auf 60° entfernt. Wurden Thiere mit diesem Zwischen- 
körperserum vorbehandelt, so lieferten dieselben ein ebenso stark antihämo- 
Iytisches Serum wie die Meerschweinchen, welche nicht erhitztes Serum 
erhalten hatten. Der Endkörper spielt demnach keine Rolle. Endlich ver- 
sachte noch Verf., ähnlich wie beim Blute, durch Einverleibung steigender 
Mengen thierischer Organzellen, z. B. von Leber und Niere in den Körper 
einer anderen Thierspecies ein Serum herzustellen, welches die cellulären 
Elemente der ersten Art in specifischer Weise beeinflusst. Doch gelang dies 
trotz verschiedener Versuche nicht. Dieudonne (Würzburg). 


Fuck M., Das antileukocytäre Serum. Centralbl. f. Bakteriol. Bd. 27. 
No. 18/19. S. 670. 

Nach wiederholter intraperitonealer Injektion grosser Dosen von Kaninchen- 
milzemulsion liefern Meerschweinchen ein Blutserum, das Kaninchenleuko- 
tyten in vitro auflöst, ohne sie zu agglutiniren. Auf mononukleäre und poly- 
nukleäre Kanichenleukocyten wirkt das Serum gleich stark. Injicirt man Meer- 
schweinchen statt emulgirter Kaninchenmilz, die haupsächlich mononukleäre 
Lenkocyten enthält, Emulsionen von Kaninchenknochenmark, in dem die 
Polynukleären Leukocyten überwiegen, so wirkt das Serum der Thiere etwas 
stärker zerstörend auf polynukleäre als auf mononukleäre Kaninchenleuko- 
cyten ein. Das Serum nicht vorbehandelter Meerschweinchen lässt Kaninchen- 
leukocyten intakt. 

Zur Technik sei bemerkt, dass die für die Prüfung des Serums benutzten 
Leukocyten der Bauchhöhle des Kaninchens entnommen wurden. Um viele 
polynukleäre Leukocyten im Peritonealraum zu haben, wurden 24 Stunden 
vor der Entnahme 10 cem Bouillon in die Bauchhöhle der Kaninchen gespritzt. 
Mononukleäre Leukocyten waren zahlreich 24 Stunden nach Injektion von 
von 0,001 Pilokarpin. R. Abel (Hamburg). 


442 Immunität. Schutzimpfung. 


Morgenroth J., Ueber den Antikörper des Labenzyms. Centralbl. f. 
Bakteriol. Abth I. Bd. 26. No. 11/12. S. 349. 

Morgenroth J., Zur Kenntniss der Labenzyme und ihrer Antikörper. 
Ebenda. Bd. 27. No. 20/21. S. 721. 

Injicirt man Ziegen steigende Dosen von Labferment, so ge- 
winnt ihr Blutserum die ihm vorher fehlende Eigenschaft, die 
Fermentwirkung des Lab gegenüber Milch zu paralysiren, d. b, 
gemeinsam mit Lab zu Milch zugesetzt, zu verhindern, dass das Lab die Milch 
zur Gerinnung bringt. 

Die Wirkungskraft eines solchen „Antilabserums“ ist leicht zu bestimmen. 
Bei geeigneter Versuchsanordnung kann man feststellen, eine wie grosse Menge 
Lab nöthig ist, um ein bestimmtes Quantum Milch zur Gerinnung zu bringen. 
Versetzt man dann ein gleiches Quantum Milch mit Antilabserum in bestimmter 
Menge, so braucht man mehr Lab, um Gerinnung zu erzeugen. Aus dem Mehr- 
verbrauch an Lab kann man die Stärke des Serums einfach berechnen. Das 
beste von Morgenroth gewonnene Serum war so wirksam, dass bei Zusatz 
desselben zu Milch in Menge von 0,2 pCt. 200 mal mehr Lab nöthig war, 
um Gerinnung zu erzeugen als für die gleiche Menge Milch ohne Serumzasatz. 

Zu den immunisirenden Labinjektionen bei den Ziegen diente ein Auszug 
eines von Witte (Rostock) hergestellten thierischen Labfermentes. Keimfrei 
gemacht wurde dieser Auszug durch Hinzufügen von Jodlösung, die die Bak- 
terien abtödtete, ohne die Fermentwirkung zu beeinträchtigen, und nach ge- 
nügender Einwirkangsdauer leicht durch Zusatz von Natriumhyposulfit zu ent- 
fernen war. Die Ziegen erhielten von dem Labauszug bis zu 6,5 g auf einmal 
subkutan. Sie reagirten auf die Einspritzungen mit lokaler, bald schwindender 
Iufiltration und mit Fieber, ohne erbebliche Beeinträchtigung des Allgemein- 
befindens. Trotz ganz gleicher Behandlung lieferten zwei Ziegen verschieden 
stark wirkende Sera. 

Die Milch der Ziegen, vor Beginn der Injektionen wie das Blut frei von 
Antilab, enthielt dasselbe später. Indem täglich festgestellt wurde, wie viel 
Lab nötbig war, um eine bestimmte Menge Milch der Ziegen gerade zur Ge- 
rinnung zu bringen, gewann man einen Ueberblick über die zeitlichen Schwan- 
kungen des Antilabgehaltes in der Milch. Es fand sich, dass jedesmal nach 
einer Labinjektion bei den Ziegen sofort der Antilabgehalt ihrer Milch stark 
in die Höhe ging. Gleich darauf aber sank er wieder eben so schnell ab bis 
zu einem etwas höheren Niveau als vor der letzten Injektion, auf dem er dann 
unter einigem Hin- und Herschwanken verblieb. Das Verhalten des Anti- 
labgehaltes nach Injektion von Lab war also ähnlich dem des Tetanus- und 
Diphtherieantitoxins nach Einspritzung der entsprechenden Toxine. Indessen 
fehlte beim Antilab völlig die bei den beiden Bakterienantitoxinen so ausge- 
sprochene Periode starker Abuahme der Schutzstoffe unmittelbar nach dem 
Einverleiben der immunisirenden Substanz. 

Durch Aufkochen wurde die Milch der immunisirten Ziegen in ihrem 
Verhalten gegen Lab gewöhnlicher Ziegenmilch gleich. 

Die Untersuchungen Morgenroth’s sind in doppelter Hinsicht interessant 
und wichtig. Erstens zeigen sie, dass ebenso wie Bakterientoxine auch die 


Immunität. Schutzimpfung. 443 


ihnen in mancher Beziehung ähnlichen Enzyme bei Einverleibung in den Thier- 
körper zur Entstehung von Gegengiften Veranlassung geben können. Zweitens 
liefern sie eine neue Stütze für die Richtigkeit der Ansicht Ehrlich’s, dass 
Toxine und Antitoxine sich direkt, ohne Vermittelung von Körperzellen, che- 
misch binden. In dem Falle Lab-Antilab kommen vitale Vorgänge, welche 
die Vermittelung zwischen Toxin und Antitoxin übernehmen könnten, ja über- 
haupt nicht in Frage. 

Die zweite Arbeit Morgenroth’s liefert die ersten Grundlagen für eine 
Differenzirung von Enzymen, die der Wirkungsweise nach gleich, aber der 
Herkunft nach verschieden sind. Bisher neigte man ja schon nach bestimmten 
Erfahrungen der Auffassung zu, dass Enzyme, die dieselbe Fermentwirkung 
haben, nicht ohne weiteres identisch sein müssen, wenn ihre Herkunft nicht die 
gleiche ist. Morgenroth’s Versuche bringen den Beweis für die Nichtidentität 
zweier aus verschiedenen Quellen stammender Labenzyme, nämlich des thieri- 
schen Labs und des Labenzyms aus den Blüthen von Cynara cardunculus, das als 
Cynarase bezeichnet worden ist. Das Blutserum von Ziegen, die steigende 
Dosen von Cynarase subkutan erhalten hatten, verhinderte die Gerinnung von 
Milch durch Cynarase, aber nicht die Gerinnung durch Lab. Mit anderen 
Worten, das Cynaraseantitoxin wirkte nur gegen Cynarase antitoxisch, nicht 
gegen Lab. Danach sind Cynarase und Lab verschiedene Substanzen. Auch 
ein anderes Experiment spricht für ihre Verschiedenheit: Normales Pferde- 
serum nämlich, das stark antitoxisch gegenüber Lab ist, besitzt einen solchen 
Einfluss gegen Cynarase in viel geringerem Maasse. 

R. Abel (Hamburg). 


Hiss jun. and Atkinson, Serum -globulin and diphtheric antitoxin. 
A comparative study of the amount of globulin in normal and 
antitoxic sera, and the relation of the globulins to the anti- 
toxic bodies. Journ. of exper. med. Vol. 5. 1900. p. 47. 

Das Bedürfniss der ärztlichen Praxis nach einem möglichst koncen- 
trirten Antitoxin hat frühzeitig die Frage nach dessen Zusammensetzung 
resp. nach den Stoffen, an welche die antitoxische Wirkung gebunden ist, an- 
geregt. Hatten schon die ersten darauf gerichteten Versuche gezeigt, dass 
die antitoxische Wirkung des Pferdeblutserums, und zwar sowohl des normalen, 
als auch des immunisirten, in irgend einer Verbindung mit dem Globulin des 
Serums stehe, so entspann sich bald eine Controverse darüber, ob der anti- 
toxische Stoff nur, wie Dieudonne vermuthete, bei der Präcipitation des 
Globulins in mehr oder weniger hohem, von der Art des präcipitirenden Mittels 
abhängigem Grade aus dem flüssigen Serum mitgerissen werde, oder ob, wie , 
die Untersuchungen von Brieger und Boer, sowie die von Sternberg an- 
nehmen lassen, das Antitozin selbst präcipitirt werde. Der Prüfung und Be- 
antwortung dieser Frage gelten die Untersuchungen der Verf. Sie schieden 
die Globuline aus dem Serum in der Weise aus, dass 10—20 ccm desselben 
auf 50—60 cem mit gesättigter Magnesiasulfatlösung verdünnt, und dass die 
Verdünnung nach Zusatz von Krystallen des Salzes so lange gerührt wurde, 
bis sie gänzlich damit gesättigt und der Niederschlag vollständig war. Der 


444 Immunität. Schutzimpfung. 


Niederschlag wurde abfiltrirt, mit dem im Becherglase verbliebenen Krystallen 
zusammen in 350—400 ccm Wasser gelöst und daraus wieder durch Magnesia- 
sulfatlösung gefällt. Auf dem Filter wurde das so gewonnene Globulin 
mit Magnesiasulfatlösung, mit der auch das Becherglas ausgespült wurde, ge- 
waschen und endlich in destillirtem Wasser gelöst. Bezüglich des so ge- 
wonnenen Globulins stellten die Verff. fest, dass es, ob von Serum immuni- 
sirter oder nicht immunisirter Pferde gewonnen, stets die und nur die bekannten 
Reaktionen des Globulins giebt, und dass es stets soviel antitoxische Einheiten 
besitzt — dass dem Magnesiasulfat jede antitoxische Eigenschaft fehlt, wurde 
durch Experiment nachgewiesen — wie das Serum, aus dem es bereitet wurde. 
Es wurde ferner festgestellt, dass die Menge des Globulins aus Serum immu- 
risirter Pferde erheblich grösser ist, als die aus Serum nicht immunisirter 
Thiere, dass aber die Mengenzunahme nicht immer im Verhältniss zur Zu- 
nahme der antitoxischen Einheiten steht. Die Differenz schreiben Verff. ent- 
weder der Zunahme inaktiver Substanzen oder einer nicht vollkommenen 
Prüfungsmethode zu. Die Frage aber, ob die antitoxische Eigenschaft des 
Globulins diesem selbst oder einem ihm eng verbundenen und durch die be- 
kannten Untersuchungsmethoden nicht nachweisbaren anderen Stoffe zuzu- 
schreiben ist, beantworten die Verff. nicht direkt. Von der Thatsache aus- 
gehend, dass das Globulin normalen Serums nicht oder nur in verhältnissmässig 
grossen Mengen gegen Diphtherietoxin schützt, während das Globulin des 
Serums immunisirter Pferde dagegen Schutz gewährt, halten die Verf. sich 
aber berechtigt zu schliessen, dass durch die Einführung des Toxins in den 
lebenden Körper das vorhandene Globulin vermehrt und antitoxisch wird. 
Jedenfalls werden sowohl das aktive, als das inaktive Globulin durch Magnesia- 
sulfat präcipitirt und beide ergeben dieselben chemischen Reaktionen. 
Jacobson (Berlin). 


Atkinson, The fractional precipitation of the globulin and albumin 
of normal horse’s serum and diphtheria antitoxic serum, and 
the antitoxic strength of the precipitates. The Journ. of exper. 
med. Vol. 5. 1900. p. 67. 

Bei seinen Arbeiten über die Natur des Diphtherieantitoxins bat 
Verf. versucht, ob durch fraktionirte Fällung der Proteine resp. des Globu- 
lins und der Eiweissstoffe eine weiter als bisher gehende Klärung der 
Frage geschaffen werden kann. Ohne auf Einzelheiten näher einzugehen lässt 
sich über die Fraktionirung Folgendes sagen: Nachdem das durch MgSO, aus 
dem Serum niedergeschlagene Globulin gereinigt und in destillirtem Wasser 
gelöst ist, ergiebt sich, dass aus dieser Lösung durch Zusatz gesättigter Koch- 
salzlösung bei verschiedenen, kritischen Temperaturen Globulinniederschläge 
erfolgen. So erfolgt ein Niederschlag bei Zimmertemperatur (15—20°C.) aus 
dem Filtrate einer bei 40—450 C., ein anderer wieder aus dem Filtrat bei 
49—540 C., bei 57—62°C. und endlich der letzte bei 67—720C. Alle 
Niederschläge, bis auf den letzten, der auch die Biuretreaktion nicht giebt, 
sind in Wasser vollständig löslich. Bei diesen verschiedenen Proceduren geht 
nicht nur ein Theil des Globulins verloren, und das erklärt Verf. mit der 


Immunität. Schutzimpfung. 445 


Einwirkung des NaCl, sondern es gehen auch fast 46 pCt. antitoxische Ein- 
heiten verloren, was wohl der Einwirkung der relativ hohen Temperaturen 
zugeschrieben werden muss. Die Niederschläge selbst sind aber bei verschie- 
denen Versuchen mit demselben Serum und bei gleichen Temperaturen ver- 
schieden. Ich nehme als Beispiel ein Serum mit 400 Einheiten und ersetze 
die vom Verf. gegebenen absoluten Zahlen durch Procente. Die Summe des 
Globulins von je 10 ccm Serum in jedem Fall betrug 0,4743 g. 
Niederschlag bei 


15— 20°C. 400 C. 490 C. 57°C. 67°C. Verlust 
I 46,4 pCt. 15,4 pCt. 17,8 pCt. 14,3 pCt. Spuren 6,1 pCt. 
IL 469 „ 154 „ 27,5 „ AT ER? BT y 
IL 179 „ 134 „ 178 „ 42,9 „ 3,9pCt. 41 „ 
IV. 35,6 „ 94 yn 153 „ 29,2 „ Spuren 105 „ 


Verf. glaubt, dass die Differenzen wahrscheinlich damit zu erklären 
sind, dass das Globulin mit dem Salz verschiedene Verbindungen eingehe. 
Zweifel an der Zuverlässigkeit der Methode scheint zur Erklärung ebenso 
berechtigt. 

In gleicher Weise will Atkinson kritische Temperaturen für fraktionirte 
Präeipitation von Eiweissen gefunden haben. Zur Erklärung der Antitoxin- 
einwirkung, die ausschliesslich an Globulin gebunden ist, sind diese Versuche 
ohne Bedeutung. Jacobson (Berlin). 


Deutsch, Zur Frage der Agglutininbildung. Üentralbl. f. Bakt. Bd. 28. 
No. 2. S. 45. 

Deutsch hat seine Untersuchungen über den Ursprung der aggluti- 
nirenden Substanz (diese Zeitschr. 1900. S. 888) in Folge einer Arbeit 
von Jatta (diese Zeitschr. 1900. S. 1148), welcher zu entgegengesetzten Er- 
gebnissen gekommen war, nochmals aufgenommen und ist zu dem gleichen Re- 
sultat wie früher gekommen. Seinen Untersuchungen zufolge, welche an Ka- 
ninchen und Meerschweinchen angestellt wurden, steht die Milz der Typhus- 
agglutinin-bildenden Thiere an Agglutiningehalt dem Blutserum 
stets nach, sodass dem Ursprung dieser Substanz noch weiter nachgeforscht 
werden müsse. Scholtz (Breslau). 


Ransom F., Weiteres über die Lymphe nach Injektion von Tetanus- 
gift. Zeitschr. f. physiol. Chem. Bd. 29. S. 553. 

Verf. hat zunächst seine kürzlich mitgetheilten Versuche (diese Zeitschr. 
No. 3. S. 133) durch die Feststellung ergänzt, dass sich antitoxisches Hunde- 
seram bei Einführung in die Blutbahn eines Hundes in Bezug auf die Ver- 
theilung des Antitoxins zwischen Blut und Lymphe ähnlich verhält wie das 
damals benutzte Pferdeserum, indem nach 6 Stunden in 1 ccm Blutserum noch 
etwa doppelt so viel Antitoxin enthalten ist wie in 1 ccm Lymphserum. 

Sodann untersuchte Verf. die Verbreitung von Tetanusgift und -antitoxin 
bei subkutaner Einverleibung. Beide werden hierbei zunächst durch die 
Lymphgefässe aufgenommen und durch diese dann dem Blute zugeführt. Eine 
direkte Aufnahme ins Blut durch die Blutkapillaren findet nicht oder höchstens 

33 


446 Immunität. Schutzimpfung. 


in geringem Umfange statt. Nach 51/, Stunden waren bei einem Tetanusgift- 
versuche im Lymphserum 1300, im Blutserum nur 35-+ Ms, nach 4 Stunden 
bei einem Antitoxinversuche im Lymphserum 100 000, im Blutserum 200 — Ns 
vorhanden. 

Schliesslich stellte Verf. fest, dass Tetanusgift, welches nach intravenöser 
Injektion sich in Blut und Lymphe vertheilt hat, durch eine 24 Stunden 
später intravenös injicirte Antitoxinmenge sowohl im Blute wie in der Lymphe 
schnell erreicht und neutralisirt wird. Hellwig (Halle a.S.). 


Sternberg, Zur Verwerthbarkeit der Agglutination für die Diagnose 
der Typhusbacillen. Zeitschr. f. Hyg. Bd. 34. S. 849. 

Sternberg hat aus drei verschiedenen Wasserproben drei coliähnliche 
Bacillen isolirt, welche sich kulturell — speciell durch ihre 
Eigenschaft der Zuckervergährung — von Typhusbacillen unter- 
schieden, aber von einem Typhusimmunserum eben so stark wie 
ein echter Typhusstamm (etwa 1:1000) agglutinirt wurden. Noch 
auffallender als dieser Befund ist aber die Beobachtung des Verf., dass Immun- 
sera, welche mittels dieser drei coliähnlichen Stämme vom Kaninchen ge- 
wonnen wurden, den Typhusstamm ziemlich stark, die drei fraglichen Kul- 
turen, speciell auch denjenigen, welcher zur Immunisirung benutzt wurde, 
aber nur schwach agglutinirten. 

Zwei „Paracolibacillen“ des Institutes (Paltauf), welche sich durch 
Mangel der Indolreaktion und Milchgerinnung von dem Bact. coli unterschieden, 
verhielten sich dem Typhusimmunserum gegenüber ähnlich. 

Leider sind die fraglichen 3 resp. 5 coliähnlichen Kulturen nicht mit 
mehreren sicheren Typhusseren und die durch sie gewonnenen Immunsera 
nicht verschiedenen Typhusstämmen gegenüber geprüft worden, um diese 
höchst auffallenden Beobachtungen genauer zu verfolgen. 

Scholtz (Breslau). 


Horrocks W. H., On the value of the agglutination test as a means 
of diagnosis of the Bac. typhosus from coliform organisms. Brit. 
med. Journ. No. 2052. 28. April 1900. p. 1015. 

Horrocks liefert Versuchsprotokolle über die Unterscheidung von 
typhus- und coliähnlichen Bacillen mit Hülfe der Agglutination 
durch Typhusserum und folgert, dass die Differenzirung, wie vorauszusehen 
war, mit stärker wirksamem Serum viel besser gelingt als mit schwächerem 
Auf die Virulenzverhältnisse der Kulturen nimmt H. keinerlei Rücksicht. 

R. Abel (Hamburg). 


Rothberger, Ueber Agglutination des Bacterium coli. Zeitschr. f. Hyg. 
Bd. 34. S. 79. 

Rothberger ist bei seinen Untersuchungen ähnlich wie Bensaude, 
Pfaundler u. A. zu dem Resultat gekommen, dass die Serumreaktion 
eine Abgrenzung einer engeren Gruppe oder bestimmter Stämme 
aus dem Sammelnamen Bact. coli nicht gestattet. Auch er hat ge- 


Immunität. Schutzimpfung. 447 


funden, dass sich das Serum eines mit B. coli inficirten Thieres überhaupt nur 
sehr schwer die Fähigkeit der Agglutination aneignet. Im Grossen und Ganzen 
wird dann der inficirende Colistamm am leichtesten und stärksten agglu- 
tinirt, aber stets beeinflusst das Serum daneben noch andere Stämme in be- 
trächtlichem Grade. Die Zahl dieser mitagglutinirten Arten wächst im 
Allgemeinen mit der Stärke des Serums, und es finden sich unter ihnen in 
der Regel nicht nur Stämme, welche alle Merkmale des typischen Bact. coli 
besitzen, sondern auch atypische Coliarten. Man ist demnach nicht ein- 
mal in den Stand gesetzt, das typische Bact coli vom nicht typi- 
schen nach dem Ausfall der Serumreaktion zu trennen. Dies gilt 
in gleicher Weise auch für polyvalente Seren. Rothberger hat bei seinen 
Versuchen auch auf die von Pfaundler beschriebene Fadenreaktion geachtet 
und gefunden, dass fast die Hälfte seiner Colistämme die Tendenz zur Faden- 
bildung in verschiedenem Grade zeigte. Scholtz (Breslau). 


Beck M. und Rabinowitsch L., Ueber den Werth der Courmont’schen 
Serumreaktion für die Frühdiagnose der Tuberkulose. Aus dem 
Institut für Infektionskrankheiten in Berlin. Deutsche med. Wochenschr. 
1900. N. 25. S. 400. 

Verff. prüften die Serumreaktion mit Benutzung der Courmont’schen 
Kultur an einer Reihe von Tuberkulösen, sowie von Nichttuberkulösen. 
Von 17 Patienten mit beginnender Lungentuberkulose hatte das Blut nur 6mal 
agglutinirende Eigenschaften, von 16 Personen mit vorgeschrittener Lungen- 
tuberkulose sogar nur 4mal. Bei 5 Patienten, die als Tuberkulose-verdächtig 
galten, und bei denen die Tuberkulinreaktion positiv ausfiel, zeigte nur 1 Fall 
schwache Agglutination. Dagegen zeigten verschiedene Nichttuberkulöse deut- 
liche Serumreaktion. Auch normales Thierserum zeigte Agglutination. Verff. 
können daher die Reaktion nicht als specifisch für Tuberkulose betrachten 
und halteu dieselbe für die Diagnose dieser Krankheit nicht für brauchbar. 

Dieudonne (Würzburg). 


Conradi H., Bactericidie und Milzbrandinfektion. Aus dem bakteriol.- 
hygien. Institut der Universität Strassburg. Zeitschr. f. Hyg. u. Infektions- 
krankh. Bd. 34. S. 186. 

Die Grundlage der Theorie H. Buchner’s von den Alexinen, die Beob- 
achtung, dass das Blutserum, das seines Faserstoffs beraubte Blut 
und der Glaskörper bestimmter Thiere Mikroorganismen selbst in 
grosser Menge zu tödten vermögen, ist so vielfach bestätigt worden, dass 
sie nicht mehr bezweifelt werden kann. Manche Untersucher haben aber 
diese bakterientödtende Kraft unter dem Einfluss in das Blut einge- 
führter Bakterien geringer werden (Flügge, Nissen) oder ganz schwin- 
den (Lubarsch 1891, v. Szekely und Szana, Bastin), andere dagegen 
steigen sehen (Denys und Kaisin). Lubarsch fand letzteres 1899 aller- 
dings nicht bestätigt, erklärte vielmehr die bakterienvernichtende Kraft des 
Blutes und Blutserums für au ffallig gleichmässig und auch durch „spe- 


33* 


448 Immunität. Schutzimpfung. 


eifische“ Einflüsse nur wenig zu verändern. Die Nachprüfung des Verf.s 
kommt zu demselben Ergebniss. 

Er stellte Versuche einerseits an Kaninchen an, welche für Milzbrand 
empfänglich sind, und deren Blut ausserhalb des Thierkörpers eine be- 
trächtliche milzbrandvernichtende Kraft entwickelt, andererseits an 
Hunden, welche sich in beiden Beziehungen gerade umgekehrt verhalten, 
und fand die bakterientödtende (nicht etwa blos die entwickelungshemmende) 
Kraft des Blutserums vor und nach der Milzbrandinfektion gleich, bei 
Kaninchen nicht herabgesetzt, bei Hunden nicht erhöht. Welche Zeit seit der 
Infektion verflossen ist, und ob die Infektion mit grossen Mengen von Keimen 
unmittelbar in das Blut geschieht, oder ob sie zunächst nur auf die Impfstelle 
beschränkt bleibt, war ohne Einfluss. Die widersprechenden Befunde 
früherer Untersucher werden aus Verschiedenheiten der Versuchsan- 
ordnung erklärt. Der Verf. macht hierbei besonders auf folgende Punkte 
aufmerksam: 1. Das seines Faserstoffs beraubte Blut ist für Versuche 
dieser Art viel weniger geeignet als das Serum, weil gleichzeitig mit 
dem Faserstoff auch die bakterientödtenden Stoffe ganz oder theilweise 
mechanisch aus dem Blut mit niedergerissen werden können, und weil das 
Blut auf der Höhe der Infektion sehr viele Keime enthält, die mit der 
künstlichen Faserstoffausscheidung nicht beseitigt werden und deshalb einen 
Vergleich mit keimfreiem Blut unmöglich machen. Dagegen liefert Blut, 
selbst wenn es viele Milzbrandbacillen enthält, ein keimfreies Serum, weil 
die Stäbchen sämmtlich von den Faserstoffnetzen des gerinnenden Blutes 
eingefangen und im Blutkuchen zurückgehalten werden. 2. Die Unter- 
schiede in der bakterientödtenden Wirkung des Blutes sind bei den ein- 
zelnen Thieren so gross, dass es nicht erlaubt ist, auch nur zwei Thiere 
derselben Art ohne Weiteres einander gleich zu stellen, und dass immer nur 
Blutserum eines und desselben Thieres vor und nach der Infektion 
verglichen werden darf. 3. Statt der Einbringung grosser Mengen von Bak- 
terien in das zu prüfende Serum hält der Verf. die Einsaat einer gerin- 
geren Anzahl für zweckmässig, weil diese dem Wesen des Plattenverfahrens 
entsprechend um so genauer festgestellt werden kann und feinere Unterschiede 
hervortreten lässt. Globig (Kiel). 


Leclainche et Morei, La serotherapie de la septicemie gangréneuse. 
Ann. de l’Inst. Pasteur. 1901. No. 1. p. 1. 

Leclainche war der erste, welchem es gelang, durch subkutane oder 
intravenöse Injektionen der Körpersäfte von Thieren, welche einer Infektion 
mit malignem Oedem erlegen waren, bei Eseln ein Serum zu erhalten, 
welches bei Meerschweinchen immunisirend und bei Kaninchen auch heilend 
wirkte. Leclainche und Morel haben nun in den letzten Jahren diese Ver- 
suche weiter verfolgt. 

Im Allgemeinen ist das Serum von normalen Einhufern mit keinen immu- 
nisirenden Eigenschaften gegenüber der Infektion mit Bacillen des malignen 
Oedems begabt, indess haben Verff. gelegentlich ein Pferdeserum gefunden, 
welches Meerschweinchen gegen die gedachte Infektion immunisirte. 


Immunität. Schutzimpfung. 449 


Blutserum von Rindern, die bekanntlich eine natürliche Immunität gegen- 
über dem malignen Oedem besitzen, zeigt immunisirende Eigenschaften nur 
bei Injektion einer Mischung von Serum mit Bacillen des malignen Oedens. 
Ziegen- und Schafserum immunisirt nicht. 

Den Verff. gelang es zunächst, einen Esel zu immunisiren. Die Me- 
thode bestand darin, dass zunächst Körpersäfte von Thieren, die an Infektion mit 
malignem Oedem eingegangen waren, in allmählich steigenden Dosen intra- 
venös applicirt wurden. Jedoch zeigte es sich, dass weder dieser Modus noch 
die intravenöse Injektion von Kulturen in Pferdeblut stark wirksames Serum 
lieferten. Dagegen ergab die Verwendung von Bouillonkulturen bessere Resul- 
tate. Meerschweinchen konnten mit Serum des immunisirten Esels durch 
24 Stunden vor der Infektion erfolgte Applikation desselben immunisirt 
werden, Heilungsvorgänge konnten bei Verwendung des Serums nicht beob- 
achtet werden; dagegen erfolgte die Immunisirung und auch die Heilung etwas 
besser bei Kaninchen, bei welchen Thieren die Infektion sich weniger stürmisch 
entwickelt. Auf Grund dieser Experimente glauben Verff. die Verwendung von 
solchem Serum zur Immunisirung auch beim Menschen empfehlen zu dürfen, 
wenn es sich um Wunden handelt, die stark mit Erde u. s. w. verunreinigt 
siod und erfabrungsgemäss dann leicht mit malignem Oedem sich koınplieiren 
können. Merkwürdig und auffällig bei den Thierexperimenten war, dass 
bei einer bestimmten Infektionsdosis nicht die grösste Menge Serum auch die 
besten Immunisirungsresultate ergab, sondern eine in bestimmtem Verhältnis 
zur Infektionsmenge stehende Portion des Serums. Mischte man das Serum 
mit dem Virus und injieirte beides zusammen einem Thier, so blieben die 
Thiere stets gesund; empfindliche Thiere erkrankten aber und starben, selbst 
wenn das Serum an dieselbe Stelle injicirt wurde, an welche kurz zuvor das 
Virus injicirt worden war, oder umgekehrt. 

Bei den weiteren Versuchen zeigte es sich dann, dass die immunisirende 
und heilende Kraft des Blutserums immunisirter Thiere darauf beruht, dass 
es wie das Pyocyaneusimmunserum antitoxisch und antibakteriell wirkt. 

Wernicke (Posen). 


Teral C. und Bandi J., Bereitung der antipestösen Lymphe aus dem 
peritonealen Exsudat der inficirten Thiere. Aus dem städtischen 
hygienischen Institut in Messina. Deutsche med. Wochenschr. 1900. No. 29. 
S. 463. 3 

Der Impfstoff wird in der Weise gewonnen, dass Meerschweinchen 
oder Kaninchen eine kleine Menge in Bouillon aufgeschwemmter Pestbacillen 
intraperitoneal injicirt wird; die Thiere gehen nach 36—48 Stunden zu Grunde. 

Gleich nach dem Tode oder während des Todeskampfes wird das peritoneale 

Exsudat gesammelt und, wenn es zu dick ist, mit einer physiologischen 

Kochsalzlösung verdünnt. Das massenhaft Pestbacillen enthaltende Exsudat 

wird dann 12 Stunden lang im Brütschrank bei 37° aufbewahrt, um eine 

grössere Entwickelung von Keimen zu erhalten, und hierauf 2 Tage nach ein- 
ander je für 2 Stunden einer Temperatur von 50—52° ausgesetzt. Dadurch 
erhält man nach T. und B. eine sichere Sterilisation des Impfmaterials und 


450 Immunität. Schutzimpfung. 


verhindert eine Koagulation der darin enthaltenen Serumalbumine. Endlich 
wird noch eine wässerige Lösung von Karbolsäure 0,5 pCt., Natriumcarbonat 
0,25 pCt. und Kochsalz 0,75 pCt. hinzugefügt, um eine eventuelle Verunreini- 
gung der Lymphe zu verhindern und ihre Resorption zu erleichtern. Ver- 
suche an Affen, Meerschweinchen und Ratten ergaben günstige Resultate. Die 
aktive Immunität tritt angeblich schon am vierten Tage ein und ist länger 
dauernd als bei der Haffkin’schen Impfung. Die allgemeinen und lokalen 
Reaktionen sollen ferner geringer sein als bei der Haffkin’schen Methode. 
Dieudonné (Würzburg). 


Neufeld F., Ueber eine specifische bakteriologische Wirkung der 
Galle. Aus dem Institut für Infektionskrankh. zu Berlin. Zeitschr. für 
Hyg. a. Infektionskrankh. Bd. 34. S. 454. 

Die Koch’sche Schutzimpfung gegen Rinderpest mit Galle an 
Rinderpest gestorbener Thiere, welche darauf beruht, dass diese Galle ausser 
dem vollvirulenten Keim der Rinderpest auch noch einen Stoff enthält, der 
jenen abschwächt, so dass nur eine leichte örtliche Erkrankung entsteht, hat 
den Verf. zu Untersuchungen veranlasst, ob bei anderen Krankheiten 
Aehnliches vorkommt. Dabei fand er eine eigenthümliche stark aus- 
gesprochene Wirkung der Galle auf den A.Fränkel’schen Pneumonie- 
Doppelkokkus. In 3—4, manchmal erst in 15—20 Minuten, spätestens in 
einigen Stunden macht die Galle von Kaninchen die 10—20fache, meistens 
sogar die 50—100fache und in seltenen Fällen sogar die 200—300 fache Menge 
vonFleischbrühekulturen desFränkel’schen Doppelkokkuskeimfrei. 
Im hängenden Tropfen werden die Kokken spärlicher, kleiner, unregel- 
mässig geformt, „wie angenagt“ ausselend, dann zu ganz kleinen, eckigen 
Körnchen oder undeutlich, schattenhaft, und schliesslich werden sie vollstän- 
dig aufgelöst, während die Flüssigkeit klar und durchsichtig wird. Durch 
Hitze abgetödtete Kulturen gleicher Art bleiben dagegen durch die Galle 
völlig unbeeinflusst und undurchsichtig. Bei Zimmer- und Blutwärme geht 
diese Gallewirkung gleich schnell, bei Gefriertemperatur etwas langsamer vor 
sich. Kochen der Galle während !/, Stunde zerstört sie nicht. Dass die wirk- 
samen Bestandtheile der Bakterien dabei nicht zerstört oder geschädigt, 
sondern nur gelöst werden, geht aus dem Erfolge von Immunisirungsversuchen 
an Kaninchen und Meerschweinchen deutlich hervor. 

Ob die Galle von gesunden Kaninchen herrührt, oder ob sie an 
Krankheiten und selbst durch die Pneumokokken — die übrigens 
nıemals in der Galle gefunden werden — eingegangen sind, macht keinen 
Unterschied. Galle von Meerschweinchen und Affen war ebenso wirksam wie 
die von Kaninchen; die eines Hundes, einer Ziege, einer Katze war es weniger. 
Auch bei menschlicher Galle fand der Verf. diese auflösende Wirkung 
auf verschiedene Pneumokokkenstämme — nur in einem Ausnabmefalle 
fehlte sie. Dies ist um so bemerkenswerther, als einerseits, wie der Verf. 
früher beobachtet hat, vom Serum der Menschen und Kaninchen nicht 
die geringste bakterienvernichtende Kraft gegen Pneumokokken 
(und ebenso gegen Erysipelas-Kettenkokken und Pyämie-Traubenkokken) aus- 


Immunität. Schutzimpfung. 451 


geübt wird, und andererseits die auflösende Kraft der Galle gegenüber 
Milzbrand, Cholera, Typhus, Bacterium coli, Bac. pyocyaneus, 
Traubenkokken, Diphtherie, hämorrhagische Septikämie, Roth- 
lauf, einige Kettenkokken fehlt. Nur gegen den Erreger der Lyssa 
scheint die Galle in derselben Weise zu wirken (vergl. diese Zeitschrift 
1901. S. 74), wie gegen den Pneumokokkus. 

Der Verf. meint, dass diese Wirkung der Galle an die Cholalsäure 
gebunden sei, und ist geneigt, sie nach dem Vorgange von Ehrlich wie bei 
den Hämolysinen und den Immunserumarten durch das Vorhandensein meh- 
rerer Körper zu erklären, deren Ineinandergreifen einen ganz eigenen „fan- 
genden“ Einfluss auf bestimmte „hierfür abgestimmte“ Atomgruppen hat, die 
den Pneumokokken eigenthümlich sind. 

Ein wesentlicher Unterschied gegen die Rinderpestgallewirkung besteht 
darin, dass diese mit einer vielfach tödtlichen Menge Rinderpestblutes ver- 
setzt werden kann, ohne dass auch bei sofortiger Verimpfung der milde Ver- 
lauf der Schutzimpfung gestört wird, während die Kaninchengalle die 
Pneunmokokken erst nach Ablauf einer gewissen Zeit tödtet und, 
so lange diese auch nur in der geringsten Anzahl lebend in der Galle vor- 
handen sind, dadurch stets mit Sicherheit der Tod herbeigeführt wird. 

Globig (Kiel). 


Redella, Experimenteller Beitrag zur Serumreaktion bei Proteus 
vulgaris. Centralbl. f. Bakteriol. Bd. 27. No. 16/17. S. 588. 

Nach den Untersuchungen von Rodella tritt im Blute von Meerschwein- 
chen sowohl nach Injektion von lebenden oder abgetödteten Proteuskulturen 
and von Filtraten als auch nach wiederholter Fütterung mit Proteuskulturen 
Agglutination auf. Uebergang der Agglutinine in die Milch, sowie vom Mutter- 
thier auf die neugeborenen Jungen wurde wiederholt beobachtet. Die Agglu- 
tination mit Proteus muss als eine specifische betrachtet werden, 

Scholtz (Breslau). 


Marx, Zur Theorie der Pasteur’schen Schutzimpfung gegen Toll- 
woth. Aus dem Institut für Infektionskrankheiten in Berlin. Deutsche med. 
Wochenschr. 1900. No. 29. S. 461. 

Nach M. müssen wir uns den Vorgang, der sich beim Zustandekommen 
der Immunität in Folge der Pasteur’schen Schutzimpfung abspielt, 
folgendermaassen vorstellen. Das lebende, aber durch die Kaninchenpassagen 
modificirte Wuthvirus wird in Folge seiner dem menschlichen Organismus 
gegenüber herabgesetzten Resistenz, ehe es das Uentralnervensystem erreichen 
kann, sicher abgetödtet. Der nun freiwerdende Inhalt des abgetödteten und 
der Auflösung verfallenden Wuthmikrobiums übt den nothwendigen, die Immu- 
nität hervorrufenden Reiz auf die Organe aus, welche dazu berufen sind, die 
specifischen Antikörper der Lyssa zu produciren. Die Immunität würde also 
ähnlich zu Stande kommen, wie bei der Schutzimpfung mit abgetödteten Typhus-, 
Cholera- oder Pestbakterien. Dass die Kaninchenpassage die Wuthmikrobien 
im Sinne einer Resistenzverminderung oder einer Virulenzabschwächung modi- 


452 Immunität. Schutzimpfung. Heizung. 


fieirt, konnte Verf. an 2 Thierspecies, dem Javaaffen und der Meerkatze 
feststellen. Bei beiden erwies sich das Virus fixe nach intramuskulärer lv- 
jektion sogar grosser Mengen als unschädlich; wurde das Virus fixe den Affen 
in die vordere Augenkammer eingeimpft, so trat wohl Infektion ein, aber nicht 
prompt und nicht mit dem typischen Bild der Wuth. Nach M. sind wir nach 
diesen Versuchen und nach der Erfahrung berechtigt, das Virus fixe auch für den 
Menschen als ein im analogen Sinne modificirtes Wuthvirus aufzufassen. Diese 
Annahme ist geradezu ein Postulat für die Erklärung der gänzlichen Unge- 
fährlichkeit der sachgemäss durchgeführten Schutzimpfung. Dass dieses ab- 
geschwächte Virus aber trotzdem von seinen immunisirenden Eigenschaften für 
den Menschen wenigstens nichts eingebüsst hat, beweisen die grossen Erfolge 
der Tollwuth-Schutzimpfung. Dieudonne (Würzburg). 


Babes V., Bemerkungen über die Beeinflussung der Hundswuth 
durch Injektion von normaler Nervensubstanz und über Wuth- 
toxine.- Centralbl. f. Bakteriol. Bd. 27. No. 16/17. S. 564. 

Unter Besprechung neuerer Arbeiten von Calabrese und von Aujeszky 
führt Babes aus, seine alte Angabe, dass man mit normaler Nerven- 
substanz nicht gar zu empfindliche Thiere gegen abgeschwächtes 
Wuthvirus schützen könne, stehe unerschüttert da. Ferner wiederholt er 
frübere Mittheilungen, dass Emulsionen von Rückenmark wuthinfieirter Thiere 
nach Erhitzung oder Filtration zwar nicht mehr virulent seien, aber noch 
toxisch zu wirken und Thiere unter Wuthsymptomen zu tödten vermögen. 

R. Abel (Hamburg). 


Sonden K., Om olägenheterna genom rök fran angpanneeldstäder. 
(Die Rauchplage durch das Feuer der Dampfmaschinen.) Beilage 
zum Jahresber. d. Gesundheitskomm. in Stockholm für 1899. 94 Ss. 4%. 
24 Tafeln. _ 

Verf. schildert die Rauchplage in der schwedischen Hauptstadt und 
giebt eine Karte der Stadt, auf der jeder Schornstein der Dampfmaschinen 
aufgenommen worden ist. Zuletzt werden Vorschläge für eine entsprechende 
Gesetzgebung gemacht. Bezüglich der Details wird anf das Original hingewiesen. 

E. Almquist (Stockholm). 


Schaefer, Franz, Die Wärme- und Kraftversorgung deutscher Städte 
durch Leuchtgas. Journ. f. Gasbel. u. Wasservers. 1900. No. 35, 36 u. 
37. S. 649, 669 u. 692. 

Auf Grund einer Rundfrage, welche von 390 Gasanstalten beantwortet 
wurde, giebt die Arbeit eine genaue Angabe der Höhe und der Art des Ver- 
brauchs des von diesen Anstalten abgegebenen Gases. Es geht aus ihr 
hervor, dass der Verbrauch an Heiz-, Koch- und Kraftgas heute bereits ein 
volles Drittel der gesammten Privatgasabgabe ausmacht und in wesentlich 
rascherer Zunahme begriffen ist als der Verbrauch an Leuchtgas. Es darf 
mit ziemlicher Sicherheit angenommen werden, dass binnen 4—5 Jahren der 


Beleuchtung. 453 


Antheil des Leuchtgasverbrauchs nur noch die Hälfte des Gesammtverbrauchs 
des an Private abgegebenen Gases ausmachen wird, was für die Rente der 
Gasanstalten ein höchst günstiges Ergebniss bedeutet, da der Verbrauch an 
Heiz-, Koch- und Kraftgas hauptsächlich während der hellen Tagesstunden 
erfolgt und im Sommer mindestens ebenso hoch ist als im Winter. Auch 
hygienisch ist diese stetige und rasche Zunahme des Verbrauchs an Heiz-, 
Koch- und Kraftgas von Bedeutung, weil sie eine entsprechende Abnahme (bezw. 
eine entsprechend geringere Zunahme) des Verbrauchs an Rauch und Russ erzeu- 
genden Brennstoffen zur Folge hat. Da es sich hierbei zum grossen Theil 
um Sommerfeuerungen in Wohnhäusern handelt, denen ein verhältnissmässig 
grosser und besonders lästig fallender Antheil an der Russerzeugung zuge- 
schrieben werden muss, so ist jene Zunahme des Heiz- und Kochgasverbrauchs 
um so freudiger zu begrüssen. H. Chr. Nussbaum (Hannover). 


Liebenthal, Emil, Ueber die zeitliche Veränderung der Leuchtkraft 
von Gasglühkörpern. Journ. f. Gasbel. u. Wasservers. 1900. No. 86. 
S. 665. 

Unter Mitwirkung der physikalisch-technischen Reichsanstalt sind sorg- 
fältige Prüfungen an Auerbrennern verschiedener Herkunft angestellt, um 
deren Leuchtkraftabnahme festzustellen. Da die Firmen nicht genannt 
werden sollten, von denen die Glühkörper bezogen waren, so sind die 
Brenner mit Buchstaben bezeichnet. Die nachstehenden Tabellen geben die 
Cntersuchungsergebnisse nach Mittelwerthen wieder, und zwar Tabelle I bis 
zu 300 Brennstunden, Tabelle II mit Brennern der gleichen Firmen bis zu 
600 Brennstunden. 

Tabelle I. 


Absolute Lichtstärke Stündlicher Gasverbrauch auf 
in HK nach 1 HK in Liter nach 


24 | 100 | ı | 24 | 100 | 300 
Brennstunden Brennstunden 


Sorte 


A 92 34 70 60 1,3 1,4 17 1,9 

B 85 78 66 61 14 1,5 1,8 1,9 

c 86 85 79 76 1,4 1,4 1,5 1,6 

D 83 830 12 64 1,4 1,5 1,6 1,8 

E 74 74 68 60 1,6 1,6 1,7 1,9 
Tabelle II. 


Stündlicher Gasverbrauch auf 


Absolute Lichtstärke 


in HK nach 1 HK in Liter nach 

So 

= ı | 24 | 200 | 300 | 600 ı | 24 | 100 | 300 | 600 
Brennstunden Brennstunden 


454 Beleuchtung. 


Die Brenner C haben hiernach ihre Lichtstärke nur in sehr geringem 
Maasse verändert und einen nahezu gleichmässigen Gasverbrauch für die gleiche 
Helligkeit erforderlich gemacht; aber auch die übrigen Brenner zeigen einen 
erfreulichen Fortschritt nach diesen Richtungen. Auf Formbeständigkeit wurde 
nicht geprüft, doch hängt diese ja mit der Lichtstärke auf das innigste zu- 
sammen, weil durch Formveränderungen die Lichtstärke erheblich berabge- 
setzt wird. Den Einwirkungen des Staubes waren die Brenner (in erheblichem 
Grade) nicht ausgesetzt. H. Chr. Nussbaum (Hannover). 


Salzenberg, Das Kugellicht. Journ. f. Gasbel. u. Wasservers. 1900. No. 37. 
S. 685. 

Salzenberg giebt in seiner Abhandlung zunächst einen Ueberblick der 
verschiedenen Versuche, die Energie des Leuchtgases besser noch auszunützen, 
als der Auerbrenner es thut, und geht dann zu einer eingehenden Beschrei- 
bung des Kugellichtes, seiner Bauart, der Art seines Betriebes, des Gas- 
verbrauches im Verhältniss zur gewonnenen Lichtstärke u. s. w. über. Der 
Preis des Lichtes beträgt — abgesehen von den Anlagekosten — 0,0141 Pf. 
für 1 HK stündlich. Ausserdem gewährt das Kugellicht eine ungemein gün- 
stige, dem Auerlicht noch überlegene Strahlungsform, wodurch Schattenbildung 
unterhalb der Lampe völlig vermieden wird. Die Färbung ist eine wärmere, 
gelbere, dem Sonnenlicht ähnlichere, als das Auerlicht sie aufweist, wodurch 
das Licht für alle der Geselligkeit dienenden Räume und für Versammlungs- 
säle jeder Art besonders geeignet erscheint. In Hinsicht auf die Beeinflussung 
der Raumluft und der Raumtemperatur ist das Kugellicht dem Auerlicht min- 
destens gleichwerthig. Für den Betrieb lassen sich sowohl Leuchtgas wie 
Wassergas, Mischgas, karburirte Luft u. dergl. verwenden. 

H. Chr. Nussbaum (Hannover). 


Bunte H., Die Mischgasfrage. Journ. f. Gasbel. u. Wasservers. 1900. No. 41. 
S. 765. 

Bunte hat in dem auf der 40. Jahresversammlung des Deutschen 
Vereins von Gas- und Wasserfachmännern zu Mainz gehaltenen Vortrage ein 
anschauliches Bild gegeben von dem Wesen der Mischgase und ihrem Werthe 
für die Gaswerke. Die Erhöhung der Kohlenpreise und der Arbeitslöhne weist 
mehr und mehr darauf hin, dass die Gaswerke nicht mehr reines Leuchtgas zu 
erzeugen haben, wenn sie ihr Ziel, die Lieferung billigen gasförmigen Brenn- 
stoffes für Beleuchtungs-, Heizungs- und Kraftzwecke, auch künftig erreichen 
wollen. Eine Mischung von Wassergas, Oel- oder Benzolgas und von 
Leuchtgas weist wesentliche Vorzüge auf, sobald Gasöle und Benzol preiswerth 
zu beziehen sind, da sie an Kohle und Arbeitslöhnen Ersparnisse erzielen lässt, 
ein Theil der erzeugten Coke von den Gaswerken selbst verwendet wird und 
grössere Unabhängigkeit erreicht wird in der Auswahl der für das Leuchtgas 
benöthigten Kohle. Mit der immer kraftvoller auftretenden Herrschaft des 
Gasglühlichtes ist für die Entwickelung der Gasindustrie ein neuer Boden 
geschaffen, der für die Gaserzeugung ganz neue Unterlagen bietet. Für die 
Fortbildung dieser neuen Richtung ist es nothwendig, von den hergebrachten 


Beleuchtung. 455 


veralteten Grundsätzen für die Beurtbeilung des Gases sich frei zu machen, 
alle Hindernisse zu beseitigen, welche durch Zölle auf Rohstoffe die Entwicke- 
lung der Gasindustrie hemmen, und ein den heutigen Anforderungen ent- 
sprechendes billiges Gas für Zwecke der Glühlichtbeleuchtung und Gasheizung 
zu schaffen. Dazu gilt es, den Destillationsvorgang der Kohlen, der in seiner 
technischen und wirtbschaftlichen Leistung keineswegs als veraltet bezeichnet 
werden kann, weiter anszugestalten und die neueren Verfahren als willkom- 
mene Bundesgenossen für die Gaserzeugung heranzuziehen, nicht aber sich in 
Wiederspruch mit ihnen zu setzen, wie das früher geschehen ist. 
H. Chr. Nussbaum (Hannover). 


Müller A, Zur Schwefelwasserstoff- Bestimmung im Leuchtgas. 
Journ. f. Gasbel. u. Wasservers. 1900. No. 42. S. 792. 

Müller lenkt die Aufmerksamkeit seiner in den Laboratorien der Gas- 
anstalten thätigen Fachgenossen auf ein einfaches, rasch und genau ausführ- 
bares Verfahren zur Bestimmung des Schwefelwasserstoffgehaltes der 
Leuchtgase. Das von Schulte in Bochum ausgearbeitete Verfahren ist in 
„Stahl und Eisen“ 1896, S. 865 zur Veröffentlichung gekommen und wird von 
Müller a. a. O. in seiner Anwendung auf das Leuchtgas genau dargelegt. 
Eine Wiederbolung der Angabe würde den für das Referat zur Verfügung 
stehenden Raum überschreiten. H. Chr. Nussbaum (Hannover). 


Erzellitzer, Arthur, Ueber praktische Photometrie mittels lichtempfind- 
lichen Papiers. Aus dem hygienischen Institnt der Universität Strass- 
barg. Arch. f. Hyg. Bd. 38. S. 317. 

Das Bestreben, ein einfaches, selbstverzeichnendes Photometer auf die 
chemische Wirkung des Lichtes aufzubauen, führte Crzellitzer zu eingehen- 
den Versuchen. Von vornherein wurde auf wissenschaftlich genaue Messungen 
verzichtet (die ja in Folge des raschen und hohen Wechsels in der Hellig- 
keitswirkung des Tageslichtes überhaupt nur für künstliches Licht Werth be- 
sitzen) und auf eine Vorkehrung bingearbeitet, welche die Durchschnittshellig- 
keit eines Arbeitsplatzes während eines gewissen Zeitabschnittes (z. B. der 
Daner einer Schulstunde) ohne Weiteres ablesen liess. 

Zu diesem Zweck würde lichtempfindliches Papier sich eignen, so- 
bald eine gewisse Gesetzmässigkeit zwischen der optischen und der photo- 
chemischen oder aktinischen Wirkung der Lichtstrahlen als vorhanden sich 
feststellen liesse. Die Vorversuche wurden daher auf diesen Punkt gerichtet, 
und es sind eine Reihe derjenigen Papiere zur Untersuchung gezogen, welche 
photographischen Zwecken dienen. 

Das Ergebniss der Prüfungen bei Tageslicht war leider ein negatives. 
Es zeigte sich, dass die für violette Strahlen empfindlichen Papiere gerade 
zwischen jenen Helligkeitsgrenzen (10—70 MK) des Tageslichtes fast gleich 
starke Veränderungen aufwiesen, die für die Arbeitsplätze der Aufenthalts- 
räume wünschenswerth oder erforderlich sind. 

Dagegen wurde bei der Prüfung des Auerglühlichtes ein positives Ergeb- 
viss erzielt. Die aktinische Wirkung dieses Lichtes erwies sich als eine sehr 


456 Beleuchtung. 


geringe; eine Helligkeit von 11 MK rief überhaupt keine Veränderung des 
Papiers mehr hervor, und es zeigte sich, dass eine vollständige Gesetzmässig- 
keit zwischen der optischen und der aktinischen Wirkung dieses Lichtes 
herrscht. Durch eine dem Vogel’schen Aktinometer ähnliche kleine durch- 
lochte Hülle aus Karton, deren eine Oeffnung das Licht frei durchfallen lässt, 
während die übrigen Oeffnungen mit Seidenpapier einfach, zweifach u. s. f. 
überspannt werden, liessen sich auf nitrirtem Bromsilberpapier Wir- 
kungen hervorrufen, welche Mindesthelligkeiten von 13, 24, 34, 61 MK u.s.w. 
anzeigen. Da das nitrirte Bromsilberpapier sowohl nach den Untersuchungen 
von Andresen, wie nach denen von Crzellitzer seine Lichtempfindlichkeit 
(gegenüber Auer- und Tageslicht) lange Zeit unverändert bewahrt, so stehen 
dem Verfahren besondere Schwierigkeiten nicht entgegen. (Nach der Ansicht 
des Berichterstatters würden ferner an Stelle des Seidenpapiers gewiss noch 
andere Köper in die Hülle-Durchlochungen sich einschalten lassen, welche 
engere Helligkeitsgrenzen zur Ablesung gelaugen lassen, so dass es gelingt, 
zwischen den Grenzen von 13 und 61 MK alle wesentlichen Werthe feststellen 
_ zu können.) 

Die Aussichten, für Tageslichtmessungen diese oder eine ähnliche Vor- 
kehrung verwenden zu können, sind nun hohe geworden, seit es Andresen 
gelungen ist, „haltbare, unmittelbar kopirende Papiere herzustellen, welche 
das Höchstmaass der Empfindlichkeit in einer beliebigen Region des Spek- 
trams besitzen“. Weitere Versuche nach dieser Richtung anzustellen war 
Crzellitzer bisher verhindert. 

Ob derartigen oder anderen Messungen der jeweiligen Helligkeit des 
Tageslichtes auf einem Arbeitsplatze mehr als ein vergleichender Werth zu- 
kommt, ist nach Weber’s Veröffentlichungen allerdings fraglich geworden. 
Der Berichterstatter kann nach eigenen Erfahrungen der Anschauung Weber’s 
sich nur anschliessen; er hat eine Reihe von Arbeiten über Tageslichtmessun- 
gen überhaupt nicht veröffentlicht, weil die raschen und ungemein hohen 
Schwankungen der Helligkeitswirkung die Befunde der Untersuchungen nahezu 
werthlos machten. (Es handelte sich um die Festlegung des Werthes licht- 
zerstreuender Fenstereinglasungen und heller Färbung aller Umfassungsflächen 
von Innenräumen und zwar um Versuche im natürlichen Maassstabe.) 

H. Chr. Nussbaum (Hannover). 


Kauer, Anton, Milchglasphotometer. Journ. f. Gasbel. u. Wasservers. 1900. 
No. 40. S. 752. 

Kauer giebt eine genaue Darstellung der ihm patentirten Milchglas- 
photometer sowie der für sie anzuwendenden Messverfahren. Die Pho- 
tometer scheinen iu manchen Richtungen Vorzüge zu besitzen und eine 
vielseitige Anwendung zuzulassen; sie werden von der Firma W. J. Rohrbeck’s 
Nachfolger, Wien I, Kärtnerstr. 59, vertrieben. 

H. Chr. Nussbaum (Hannover). 


Ernährung. 457 


Gruber, Ueber die Zulässigkeit der Verwendung der Fluoride zur 
Konservirung von Lebensmitteln. Das Oesterr. Sanitätsw. 1900. No. 4. 
Die wasserlöslichen Salze der Flusssäure sind kräftige Antiseptika gegen 
Bakterien, beeinflussen dagegen wenig die Hefen, worauf das sich immer mehr 
ausbreitende Verfahren von Effront in der Spiritusbrennerei basirt, durch 
Zusatz von 4—6 g Flusssäure pro Hektoliter Maische eine von Milchsäure- 
gährung unbeeinflusste Alkoholgährung zu erzielen. Bei der auf die Alkohol- 
gährung folgenden Destillation bleiben die Fluoride in der Schlempe zurück. 
Diese Schlempe dient Milchküben und Mastrindern zur Nahrung, ohne dass 
man trotz schon jahrelangen Gebrauches irgend welchen Schaden für die Thiere 
ersehen hätte. Ungiftig sind, wie neuere Prüfungen ergeben haben, die Salze 
der Fiusssäure nicht, aber erst bei Koncentrationsgraden, die in der Praxis 
nicht erreicht werden. Eine Anhäufung der Salze durch längeren Gebrauch 
scheint nicht einzutreten. 

Trotz alledem spricht sich der Oberste Sanitätsrath gegen die Anwendung 
der Flusssäure bei der Konservirung von Lebensmitteln aus, weil dies 
möglicher Weise auf Kosten der Sorgfalt bei der Zubereitung‘ und Haltung der 
Lebensmittel geschehen könnte, und weil schon in Zersetzung begriffene Nah- 
rangsmittel auf diese Weise doch noch in den Handel kommen könnten. 

Hammer (Brünn). 
Gruber, Leber die Zulässigkeit der Verwendung von Chemikalien 
zur Konservirung von Lebensmitteln. Das Oesterr. Sanitätsw. 1900. 
No. 5. 

Das Gutachten spricht sich gegen jegliche Verwendung chemischer 
Präparate bei der Konservirung von Nahrungsmitteln aus, weil selbst 
die harmlosen Präparate bei längerem Gebrauch, besonders für kränkliche 
Personen, Kinder und Greise nicht ohne Einfluss bleiben (stark wirkende Mittel 
sind von vornherein zu verbieten), dann aber, weil die Konservirung nur zu 
leicht auf Kosten der Reinlichkeit und Sorgfalt in der Zubereitung und Auf- 
bewahrung der Nahrungsmittel geschehen könnte. Auch kann es vorkommen, 
dass schon in Zersetzung begriffene Lebensmittel in Umsatz kommen und endlich, 
dass bei mangelhaftemZusatz dasKonservirungsmittel dieZersetzung derNahrungs- 
mittel zwar hintanbalten wird, diean den Nahrungsmitteln eventuell haftenden 
Krankheitskeime aber gar nicht beeinflusst werden. Es wird daher als zweckmässig 
empfohlen, ganz allgemein zu verbieten, „dass Präparate, welche Salicylsäure 
oder deren Salze, Borsäure oder deren Salze, schweflige Säure oder deren 
Salze oder Formaldehyd enthalten, unter der Bezeichnung als Konservirungs- 
mittel für Lebensmittel im Allgemeinen, oder für bestimmte Lebensmittel, wie 
Fleisch, Milch, Butter u. s. w. eingeführt, oder in Verkehr gebracht werden 
dürfen“. Hammer (Brünn). 


Lass, Untersuchungen über die Schwefelausscheidung der Musku- 
latur und der Organe gesunder und kranker Schlachtthiere. 
Zeitschr. f. Fleisch- und Milchhyg. Jahrg. 9. H. 3. S. 41 ff. 

Ueber „chemische Reaktionen des Fleisches kranker Thiere“ hatte 

der verstorbene Prof. W. Eber in der Zeitschr. f. Fleisch- u. Milchh. (Jahrg. 7. 


458 Ernährung. 


H. 11. S. 207 ff. und H. 12. S. 227 ff.) Epoche machende Versuche veröffentlicht, 
über die s. Z. auch an dieser Stelle (d. Zeitschr. 1898. S. 641) referirt worden 
ist. Eber legte dem von ihm konstatirten Nachweis von H,S-Verbindungen, 
d. h. der Ausscheidung von Schwefel aus der Muskulatur, den Organen 
und besonders den Lymphdrüsen geschlachteter kranker Thiere eine 
hohe Bedeutung bei und vertrat die Vermuthung, dass es durch den von ihm 
näher beschriebenen Nachweis der S-Ausscheidung möglich sei, krankes Fleisch 
von anderem frischen zu unterscheiden. Die Eber’sche Entdeckung wäre be- 
sonders für die sanitätspolizeiliche Beurtheilung des ohne Organe in die Städte 
eingeführten frischen Fleisches von Wichtigkeit gewesen, wenn es gelingen 
würde, an den Lymphdrüsen oder der Muskulatur, sobald pathologische Ver- 
änderungen sich nicht nachweisen lassen, allein auf chemischem Wege festzu- 
stellen, ob das Fleich von kranken Thieren abstammt. Eber untersuchte 
speciell noch die Lymphdrüsen tuberkulöser Thiere und fand, dass tuberkulöses 
Material eine lebbafte Reaktion gebe; seiner Meinung nach sollte die unbe- 
kannte Schwefelverbindung anscheinend durch den Parasitismus des Tuberkel- 
bacillus erzeugt werden, er vermuthete, dass bei der Tuberkulose eine speci- 
fische Schwefelverbindung geschaffen werde, die eine besondere Affinität zur 
Lymphdrüsensubstanz besitze. E. fand später, dass bei der praktischen Durch- 
führung seines Verfahrens manches nicht genügend berücksichtigt worden sei, 
z. B. der Einfluss des Lichtes, der Luft, Temperatur u. s. w., und er batte 
s. Z. im 3. H. S. 41 ff. des 8. Jahrganges der Zeitschr. f. Fleisch- u. Milch- 
hygiene („Die colorimetrische Bestimmung kleiner Schwefelwasserstoffmengen 
in animalen Nahrungsmitteln“) nähere Einzelheiten über die Technik seines 
Verfahrens angegeben. Eber wollte die betheiligten Kreise anregen, den 
Werth der neuen Probe für die Diagnose bestimmter Erkrankungen, vor allem 
der Notbschlachtung, zu prüfen; er sagte selbst, er wolle seine gezogenen 
Schlüsse über die praktische Durchführung der Bleinitratprobe beim Tuber- 
kuloseverdacht auf Grund seiner jetzigen Erfahrungen so lange zurückziehen, 
bis eine Nachprüfung der Verhältnisse unter Berücksichtigung aller von ihm 
nunmehr angegebenen Kautelen, insbesondere unter Ausschluss des Lichtes 
und der Zugluft erfolgt sei. Dem zu früh Verstorbenen war es nicht mehr 
möglich, seine Versuche weiter auszubauen und zu verfolgen. Der Anregung 
des unvergesslichen Autors ist Lass gefolgt. 

Lass hat die mühevolle Arbeit nicht gescheut, genau nach der von Eber 
empfohlenen, verbesserten Vorschrift auf dem Berliner Schlachthofe etwa 
2500 Untersuchungen zum Zwecke der Feststellung der Ausscheidung von 
Schwefel aus Muskulatur, Lymphdrüsen und Organen gesunder und kranker 
Thiere auszuführen. Die von Lass benutzten, mit den Fleischstücken und 
Bleipapier versehenen Erlenmeyer’schen Kölbchen wurdeu jedesmal sogleich 
nach der Fertigstellung in einer Dunkelkammer untergebracht, in der die Prä- 
parate genau 24 Stunden bei einer ziemlich konstanten Temperatur von 15° 
Reaumur bliebeu. Die Präparate wurden der Muskulatur des Nackens, den 
Zwerchfellpfeilern, den Mm. serrati, obliqui, graciles und anderen Muskeln 
des Hinter- und Vorderschenkels entnommen, dann aus den Bug- und Lenden- 
darmbeindrüsen und dem Herzen. Zu diesen Versuchen wurden stets genau 


Ernährung. 459 


10 g der Muskulatur oder der Organe benutzt, die Proben wurden sofort nach 
dem Schlachten entnommen und höchstens 10 Minuten später im Laborato- 
rium verwendet. 

Zunächst ergiebt sich aus den zahlreichen exakten Untersuchungen des 
Verf’s, dass bei Rindern mit allgemeiner Tuberkulose nicht mehr Schwefel 
ausgeschieden wird als bei gesunden. Verf. entnahm ferner Proben von Rin- 
dern, die mit anderen Krankheiten behaftet waren, z. B. jauchiger Phlegmone, 
Pyänie, eitrigen und jauchigen Metritiden, und zwar von Thieren, die an den 
genannten Krankheiten in hohem Grade gelitten hatten. Ein Unterschied in 
der Schwefelausscheidung bei gesunden und kranken Rindern liess sich auch 
bei diesen Versuchen nicht feststellen. Auch Fälle, die besonders häufig zu 
Nothschlachtungen bei Kälbern führten, wurden vom Verf. eingehend unter- 
sucht, so z. B. Kälber, die an Ulcus pept. perf., Enteritis, Omphalophlebitis 
gelitten hatten, selbst solche, die daran verendet waren; sodann wurden auch 
Proben aus der Muskulatur u. s. w. von kranken Schafen und Schweinen ver- 
gleichsweise mit solchen gesunder Schafe, Schweine und Kälber ausgeführt. 
Eine grosse Anzahl von Muskelstückchen gesunder und kranker Schlachthiere 
ist in einem kühlen Raum bis zu 14 Tagen aufbewahrt worden. In den ersten 
Tagen lieferten alle gleiche Resultate. Später stellten sich, vermuthlich durch 
Veränderungen der Temperatur und des Wetters, erhehliche Schwankungen 
ein. Bei einigen stieg die Schwefelausscheidung schon am 5. Tage erheblich 
an, bei anderen erst nach 10 Tagen, jedenfalls nahm sie bei allen schliesslich 
m, bei einigen früher, bei anderen später. Ein ersichtlicher Unterschied 
zwischen gesunden und kranken Thieren war auch hier nicht zu Tage getreten. 

Lass gelangt auf Grund seiner Untersuchungen zu dem Ergebniss, dass 
die Untersuchung der Muskulatur und der Eingeweide auf ihr 
Schwefelausscheidungsvermögen die Feststellung von Krankhei- 
ten, an denen geschlachtete Thiere gelitten haben, nicht er- 
möglicht. Henschel (Berlin). 


Hegner und Rene, Der neue Schlachthof in Pilsen. Das Oesterr.Sanitäts- 
wesen. 1900. No. 7 ff. 

Die Stadt Pilsen hat sich mit einem Kostenaufwand von 660 000 Kronen 
einen den modernen hygienischen Anforderungen entsprechenden Schlachthof 
erbaut. Derselbe umfasst eine Fläche von 28 975,11 qm und enthält 1. das 
Pförtnerhaus, 2. das Verwaltungsgebäude, 3. eine Restauration, 4. einen Pferde- 
stall, 5. einen Kälber-, Schaf- und Rinderstall, 6. eine Rinder- und Kleinvieh- 
schlachtballe, 7. Fleischmarkthalle, Kühlhaus, Maschinen- und Kesselhaus und 
Rutteleien, 8. zwei Verbindungsgänge, 9. eine Schweineschlachthalle, 10. ein 
Düogerhaus, 11. einen Dampfschornstein, 12. einen Schlachtraum für krankes 
und verdächtiges Vieh, 13. eine Freibank, 14. ein Pferdeschlachthaus, 15. einen 
Hundestall, 16. zwei Aborte und ein Pissoir. Für das Kühlhaus ist eine Kühl- 
maschine nach dem System Linde aufgestellt, welche für eine stündliche 
Leistung von 5500 Kalorien bemessen ist und zur Kühlhaltung einer Kühl- 
halle mit 243 qm Grundfläche auf einer durchschnittlichen Tagestemperatur 


460 Ernährung. 


von + 2° bis +4° R. und einer Vorkühlhalle mit 180 qm Grundfläche auf 
+ 6° bis +8°R. genügt. 

Die Küblmaschine besteht aus einem von der Transmission angetriebenen 
Ammoniakkompressor, einem Ammoniakkondensor mit Berieselungskühlung und 
einem Ammoniakverdampfer, kombinirt mit einem Luftkühlapparate. 

Hammer (Brünn). 


Tischer W. und A. Beddies, Die Bedeutung von Pfund’s kondensirter 
Milch, insbesondere für die Säuglingsernährung und Kranken- 
pflege. Zeitschr. f. Fleisch- u. Milchhyg. Jahrg. 9. H. 6. S. 106 ff. 

Mit Rücksicht auf die Schwierigkeit, einwandsfreie Milchersatzmittel 
aus verschiedenen Stoffen herzustellen, ging die Nahrungmitteltechnik daza 
über, sich mit der künstlichen Verbesserung der reinen Milch selbst za be- 
fassen. Den Gebr. Pfund (Dresdener Molkerei) ist es gelungen, ein Milch- 
dauerpräparat zu schaffen, welches allen Anforderungen, die man in wirth- 
schaftlicher und praktischer Beziehung an ein Milchersatzmittel stellen muss, 
genügen dürfte. Es ist die sogenannte kondensirte Milch. Das Erzeug- 
niss ist dickflüssig und bietet in verdünnter Form alle Vorzüge der normalen 
Milch, ohne deren Fehler zu besitzen. Durch Verdünnung der kondensirten 
Milch mit Wasser können jederzeit beliebige Quanten reiner Milch hergestellt 
werden. 

Verff. haben mit der Pfund’schen kondensirten Milch vergleichende che- 
mische und therapeutische Versuche angestellt. 

I. Die Durchnittsanalyse der kondensirten Milch ergab: 9,85 pCt. Fett, 
11,72 pCt. Eiweissstoffe (Kasein), 53,10 pCt. Kohlehydrate (Rohrzucker und 
Milchzucker), 2,10 pCt. anorganischen Rückstand (Salze) und 76,77 pCt 
Trockensubstanz. 

Demgegenüber ist die Zusammensetzung normaler Kuhmilch (I) und Frauen- 
milch (II): 


I. IL 1. u. 

3,5 8,7 pCt. Fett, 0,7 0,3 pCt. Salze, 
3,6 2,3 „ Eiweiss, 12,6 12,6 „ Trockensubstanz. 
4,8 6,3 „ Kohblehydrate, 


Nach dem Kaseïneiweissgehalt berechnet ist demnach die kondensirte 
Milch ca. 3 mal koncentrirter als Kuhmilch und ca. 5 mal gehalt- 
reicher als Frauenmilch. Der relativ hohe Gehalt der kondensirten Milch 
an Kohlehydraten erklärt sich durch den zweckmässig vorgenommenen Zusatz 
von Rohrzucker. Hierdurch wird die eingedickte Milch noch haltbar ge- 
macht, wenn die Büchse bereits geöffnet ist und die Luft und mithin Fäulniss- 
keime zu dem Inhalt Zutritt haben. Abgesehen davon, dass die zugefügten 
Kohlehydrate ein Plus an Näbrwerth darstellen, treten durch Hinzu-. 
fügung des leicht resorbirbaren Rohr- oder Milchzuckers zur Milch auch bei 
der Kinderernährung nicht jene anormalen Gährungsprocesse im Darm ein, 
wie sie z. B. bei der Aufschliessung der Stärkemeblstoffe der Kindermehle 
im Verdauungstraktus beobachtet werden. 

Zwecks bakteriologischer Prüfung entnahmen Verff. aus 6 vorsichtig 


Ernährung. 461 


geöffneten Büchsen mittels sterilisirter Pipetten aus verschiedener Tiefe je 
4 Proben & 0,25 ccm und übertrugen die eine Hälfte der 24 Proben in 
Petri’sche Schalen mit Gelatine, die andere Hälfte in Schalen mit Agar. 
Nach 2 Tagen waren im Brutschrank auf den 12 Gelatineplatten in Summa 
8 Kolonien zur Entwickelung gelaugt. Darunter befanden sich 3 Heubakterien-, 
1 Proteus- und 4 Kokkenkulturen. Von den Agarplatten waren 6 steril ge- 
blieben, und die übrigen zählten 10 Kolonien, vorwiegend Heubakterien und 
Kokken aus der Luft. In 2 Kontrolplatten hatten sich im Ganzen 3 Kolonien 
auffinden lassen. — Dieser günstige Befund beweist den hoher Grad der 
Keimfreiheit der geprüften kondensirten Milchproben. 

Um die Haltbarkeit des Kondenspräparates an der Luft festzustellen, 
liessen die Verff. 3 Büchsen vollständig geöffnet 4 Wochen in verschieden 
temperirten Zimmern stehen und kontrolirten jeden dritten Tag den Keimgehalt 
mittels Uebertragung einer Probe von der Oberfläche und einer aus der Tiefe 
der betreffenden Präparate auf Gelatine. Die Befunde waren folgende: 


nach Büchse I. Büchse II. Büchse HI. 

Tagen Oberfläche Tiefe Oberfläche Tiefe Oberfläche Tiefe 
3 2 0 1 0 0 O entw.Keimeproccm 
6 3 o 1 0 2 o B 
9 3 2 4 (0) 4 1 5 
12 5 0 3 1 6 0 n 
15 2 1 6 0 3 2 A 
18 7 0 5 1 8 1 a 
21 10 1 8 0 11 o $ 
24 14 1 11 o 15 o n 
27 17 1 9 (0) 13 0 š 


Das Präparat war also bis auf die wenigen Keime, die im Laufe der 
4 Wochen auf die Oberfläche der Testobjekte gefallen waren, annähernd keim- 
frei geblieben, und es hatte auch keine Vermehrung der wenigen vorhandenen 
Keime stattgefunden. 

Die physikalische Beschaffenheit war während des Versuches dieselbe 
geblieben, auch die chemische Zusammensetzung, sowie die schwach alkalische 
Reaktion hatten keine Veränderung erlitten. 

Um feststellen zu können, ob auch die nicht mit Zucker versetzte kon- 
densirte Milch des Handels ebenso haltbar ist, wie die geprüfte zuckerhaltige 
Kondensmilch, stellten Verf. vergleichende Versuche an. Es ergab sich hieraus, 
dass die kondensirte Milch mit einem Wassergehalt von ca. 60 pCt. 
weit weniger lange haltbar bleibt, als diezuckerreiche kondensirte 
Milch mit nur 25 pCt. Wasser. 

Die Prüfung des diätetischen und Nährwerthes der Pfund’schen 
Milch in der Kranken- und Säuglingsernährung ergab nach den Berichten der 
Verf. äusserst günstige Resultate. Schwächliche und kränkliche Säuglinge 
erhielten einerseits gesunde, mit dem Soxhlet’schen Apparat gekochte Kuh- 
milch, andererseits mit sterilem Wasser verdünnte kondensirte Milch. Das 
allgemeine Wohlbefinden der Kinder war während der Versuchszeit mit kon- 
densirter Milch am günstigsten; das Körpergewicht nahm zu, Indigestionen, Blä- 


462 Ernährung. 


hungen und Diarrhöen wurden von Verff. nach Genuss dieser Milch niemals 
beobachtet, während dies zeitweise nach Verwendung der soxbletisirten Milch 
eintrat. Um dies auffallende, abweichende physiologische Verhalten zweier 
Milchprodukte von gleicher chemischer Zusammensetzung zu eruiren, brachten 
Verff. durch Ansäuerung das Kasein zweier gleicher Quantitäten normaler 
Kuhmilch und verdünnter kondensirter Milch zur Abscheidung, filtrirten und 
entnahmen je 5 g Kasein (auf Trockensubstanz berechnet). Diese Quanten 
wurden in gleicher Weise der künstlichen Verdauung mittels normaler Pepsin- 
salzsäurelösung (künstlichen Magensaftes) unterworfen. 

Während 4 derartiger vergleichender Versuche beobachteten Verf., dass 
die Flockenbildung der Eiweissstoffe in dem sauren Medium an- 
fänglich bei der Kuhmilch weit massiger auftrat, als bei der kon- 
densirten Milch, und besonders, dass das grossflockige Eiweiss der 
unbehandelten Kuhmilch längerer Zeit bedurfte, um aufgeschlossen 
zu werden, als das benutzte kleinflockige Kasein der kondensirten 
Milch. 

Verff. glauben dies dadurch erklären zu können, dass durch den Fabri- 
kationsprocess — das Eindicken einer Eiweisskörper enthaltenden Lösung al- 
kalischer Reaktion mittels Wärme — bis zu einem gewissen Grade eine Art 
Aufschliessung der Kaseinsubstanzen der betreffenden Milch erfogt, und dass 
hierdurch das Eiweiss die Eigenschaft erhält, weniger grosse Flocken in magen- 
saurer Flüssigkeit zu bilden und leichter der Resorption zugänglich wird. 
Dieses physiologische Verhalten der kondensirten Milch macht das Produkt 
(in verdünnter Form) der Frauenmilch ähnlich, die ebenfalls sehr kleine Flocken 
ausfallen lässt, und daher leichter als Kuhmilch vertragen wird. 

Patienten mit akutem Magenkatarrh, Ulcus ventriculi und Phthisiker ver- 
schiedener Stadien (beginnender Phthise sowohl als auch vorgeschrittener Lun- 
genphthise) vertrugen nicht nur die kondensirte Milch gut, sondern das Körper- 
gewicht nahm auch bei dieser Ernährung bedeutend zu. 

Verff. kommen auf Grund ihrer Versuche und Beobachtungen zu dem 
Schlusse, dass die aus bester Kuhmilch durch Eindicken hergestellte Pfund- 
sche Milch sich durch absolute Haltbarkeit und ihr geringes Vo- 
lumen vor der unbehandelten Kuhmilch äusserst vortheilhaft aus- 
zeichnet, und dass sie unbeschränkt transport- und gebrauchs- 
fähig sei. Insbesondere besitze die kondensirte Milch aber auch grosse 
Vorzüge als Nährmittel für Kranke und Säuglinge, da sie kon- 
stante chemische Zusammensetzung hat, steril ist und in dem 
physiologischen Verhalten, der Leichtverdaulichkeit und Bekömm- 
lichkeit in verdünnter Form der Frauenmilch ähnelt. 

Henschel (Berlin). 


Bertarelli E, Su una sofisticazione del caffe torrefatto mediante 
aggiunta di acqua e borace. Rivista d’Igiene e Sanità pubblica. Anno 
XI. 1900. 

B. berichtet über eine Verfälschung des Kaffees, welche in der Weise 
ausgeführt wird, dass derselbe unmittelbar nach dem Brennen in eine kalte, 


Alkoholismus. 463 


meist 45 proc. wässerige Lösung von Borax gebracht wird, welche 
man hierauf an den Bohnen antrocknen lässt. Es ist dadurch möglich, 
einerseits das Gewicht des gebrannten Kaffees um 10—12 pCt. zu erhöhen, 
andererseits den Bohnen ein glänzendes, einladendes Aeussere zu geben. Wenn 
anch der Genuss eines derartig präparirten Kaffees nicht zesundheitsschädlich 
ist, so bedeutet dieser Zusatz doch einen Betrug, und es muss die Aufgabe 
des Nahrungsmittelchemikers sein, derartige Verfälschungen zu entdecken und 
nachzuweisen. Hierzu bieten sich für diesen Fall drei Wege: entweder die 
quantitative Bestimmung des Aschengehaltes oder des Wassergehaltes des 
Kaffees oder der direkte Nachweis des Borax. Von diesen 3 Methoden hat 
sich der direkte Nachweis des Borax am meisten bewährt, da die einzelnen 
Kaffeesorten hinsichtlich ihres Aschengehaltes und des Trockenrückstandes zu 
sebr schwanken, um aus einer Zunahme der einen oder der anderen Ziffer 
bereits sichere Schlüsse ziehen zu könneu. Beim Nachweis des Borax ver- 
fährt man am zweckmässigsten in der Weise, dass man 3—5 g des Kaffees 
in einem Platintiegel verascht. Schon das Aussehen dieser Asche deutet auf 
die Anwesenheit von Borax hin, wenn dieselbe kompakt, glasartig und glän- 
zend aussieht. Giebt man zu dieser Asche Salzsäure oder Schwefelsäure, so 
wird die Borsäure in Freiheit gesetzt, welche an ihrer Reaktion gegenüber 
Carcumapapier leicht zu erkennen ist. Hammer) (Graz). 


Laitinen, Taav., Ueber den EinfInss des Alkohols auf die Empfind- 
lichkeit des thierischen Körpers für Infektionsstoffe. Aus dem 
hygien. Institut d. Universität zu Halle a. S. Zeitschr. f. Hyg. u. Infektions- 
krankh. Bd. 34. S. 206. 

Der Verf. macht darauf aufmerksam, dass der Alkohol früher eine 
Art von Allheilmittel darstellte und dazu diente, sowohl Schlaf hervor- 
zurufen wie erregend zu wirken, sowohl Fieber herabzusetzen wie Wärme zu 
erzeugen, sowohl die Esslust zu wecken wie andere Nahrungsstoffe zu ersetzen, 
dass aber neuerdings hierin ein wesentlicher Umschwung eingetreten 
ist, manche Wirkungen des Alkohols, z. B. die erregende und die eiweiss- 
sparende, gar nicht mehr oder nur noch zum Theil anerkannt werden und man 
im Alkohol immer mehr nur noch das Gift zu sehen beginnt. Be- 
sonders häufig wird er auch jetzt noch bei der Behandlung von In- 
fektionskrankheiten verwendet. Da aber bekannt ist, dass durch eine 
grosse Anzahl von Giften, wie Chloral, Chloroform, Aether, Kohlensäure, 
Kohlenoxyd, Schwefelwasserstoff, Schwefelkohlenstoff und durch die Bakterien- 
torine die Empfänglichkeit des Thierkörpers für Infektionserreger 
erhöht und seine Widerstandsfähigkeit dagegen herabgesetzt wird, 
so liegt es nahe, auch zu untersuchen, wie sich der Alkohol in dieser Richtung 
verhält. Auf Anregung von C. Fraenkel hat sich der Verf. hiermit be- 
schäftigt und, da er in der Literatur nur 4 hierher gehörige, meist beiläufig 
gemachte Beobachtungen fand, eine grosse Reihe von Thierversuchen 
mit Milzbrand — abgeschwächtem bei sehr empfänglichen Thieren wie 
Mänsen, Meerschweinchen, Kaninchen, vollvirulentem bei wenig empfäng- 
lichen wie Hunden, Tauben, Hühnern — mit Tuberkelbacillen und mit 


464 Alkoholismus. 


Diphtherietoxin angestellt, um die Verhältnisse bei einer akuten, einer 
chronischen Infektion und einer reinen Intoxikation zu studiren. Der 
Alkohol wurde in Lösungen zu 25 oder 50 v. H. vor, während oder nach der 
Infektion, theils in einer oder wenigen grossen Gaben, theils in oft wieder- 
holten kleineren steigenden Mengen über Wochen und Monate hinaus entweder 
mit feinen Sonden in den Magen eingeführt oder in das Maul geträufelt, wo- 
bei die Thiere bald freiwillig zu schlucken lernen. Tauben vertrugen Einzel- 
gaben bis zu 1,5 ccm, Hunde bis zu 60 ccm ohne Schaden. Die Empfind- 
lichkeit der einzelnen Thiere gegen grössere Mengen wechselte aber in weiten 
Grenzen. Bemerkenswerth ist die Beobachtung, dass die Jungen von Meer- 
schweinchen, die während ihrer Schwangerschaft mit Alkohol behandelt worden 
waren, entweder todt zur Welt kamen, oder meistens innerhalb von 10 Tagen 
starben, wenn sie aber am Leben blieben, eine erhöhte Empfindlichkeit gegen 
das Diphtherietoxin zeigten. 

Die Versuchsergebnisse sind in Uebersichtstafeln ausführlich mitge- 
theilt und zeigen in jeder der 3 Gruppen eine deutliche und meist 
recht erhebliche Wirkung dahin, dass die mit Alkohol behandelten 
Thiere starben, während die Versuchsthiere gesund blieben oder wenigstens 
bedeutend später erlagen. Dabei machte es keinen Unterschied, ob der Alkohol 
nur vor oder nur nach oder nach und vor der Infektion, in wenigen grossen 
oder zahlreichen kleinen Gaben verabfolgt worden war, und ob es sich um 
akute oder chronische Infektion oder um Intoxikation handelte. 

Globig (Kiel). 


Schönenberger F., Alkoholfreie Getränke. Internat. Monatsschr. z. Be- 
kämpfung d. Trinksitten. 1900. H. 6. i 

Die meisten alkobolfreien Ersatzgetränke sind noch zu theuer in Folge 
der Herstellungskosten, viele lassen einen wirklich angenehmen Geschmack ver- 
missen, oder man wird ihrer bald überdrüssig namentlich wegen der vorwaltenden 
Süssigkeit. Vielleicht wäre es mehr im Interesse der Antialkoholbewegung, wenn 
endlich einmal die Preise der künstlichen Mineralwässer sich verminderten: Man 
kann nicht erwarten, dass der weniger Bemittelte 30 oder gar 40 Pfg. für eine 
Flasche Selters, noch mehr für eine Gieshübler oder wie die verwandten wirk- 
lich schmackhaften Tafelgetränke heissen mögen, ausgiebt. Er wird seinen 
Schnitt Bier für 10 Pfg. trinken. Und vor allem ihres Preises wegen werden 
auch die alkoholfreien Trauben- und Fruchtsäfte vorerst einen Eingang in die 
breiten Massen nicht finden, zumal da sie in kleinen Mengen nicht käuflich 
sind. Für jene sind Kaffee und Thee neben Wasser die gegebenen Getränke. 
Namentlich Thee sollte in dünnem Aufguss weit mehr bei uns genossen 
werden, da er vorzüglich durstlöschend wirkt. Schönenberger hat die 
alkoholfreien Ersatzgetränke genau analysiren lassen, um sich Gewissheit über 
ihre Alkoholfreiheit zu verschaffen. Produkte verschiedenster Firmen haben ihm 
vorgelegen, und da hat sich bei einigen ein recht bedeutender Alkohol- 
gehalt gefunden, bei der einen Art von reinen Traubensäften bis zu 5,17 v.H.! 
Daneben befanden sich vollkommen alkoholfreie Getränke, wie die Weine der 
Aktiengesellschaft zu Bern, die Apfelfrada, das Bier von Lapp. Dass ver- 


Alkoholismus. Desinfektion. 465 


schiedene Sorten der alkoholfreien Präparate durchaus willkommen am Kranken- 
bette sind, wurde in dieser Zeitschrift bereits früher erwähnt. Den reinen, 
durch etwas Kohlensäurezusatz äusserst angenehm schmeckenden Fruchtsäften, 
darunter mehreren Fradasorten, möchte ich dabei den Vorzug geben. Dankens- 
werth ist eine kurze Zusammenstellung von verschiedenen Getränken, welche 
Schönenberger für die Praxis am Krankenbette empfiehlt. 

Flade (Dresden). 


Trinkerasyle. Das Oesterr. Sanitätsw. 1900. No. 6. 

Man muss wohl unterscheiden zwischen Trinkerheilanstalten, in 
welchen Leute aufgenommen werden sollen, die ohne nachweisbaren psychi- 
schen Defekt in Folge andauernden Alkoholmissbrauches eine schwere Beein- 
trächtigung ihrer körperlichen und geistigen Kräfte erlitten haben, bei welchen 
jedoch bei längerer Abstinenz die Aussicht auf vollständige Heilung vorhanden ist, 
und Trinker-Detentionsanstalten für solche Individuen, welche entweder in 
Folge eines geistigen Defektes der Tranksucht verfallen, oder wegen in trunkenem 
Zustande begangener Delikte wiederholt mit dem Strafgesetze in Berührung ge- 
kommen sind, oder endlich bei welchen in Folge des andauernden Alkohol- 
missbrauches jedes moralische Gefühl erloschen ist. Diese letztere Gruppe 
von Individuen bieten für gewöhnlich gar keine Aussicht auf dauernde Heilung 
oder Besserung und dürfen mit der ersten Gruppe von Alkoholikern nicht zu- 
sammengeworfen werden. Aber auch in den Trinkerheilanstalten ist für die 
sich freiwillig zum Eintritt Meldenden eine gewisse zwangsweise Detention in 
der Anstalt durch genügend lange Zeit (gewöhnlich 1 Jahr) für den Heilerfolg 
anerlässlich, für welche Maassnahme in Oesterreich leider bis jetzt keine gesetz- 
liche Basis geschaffen ist. Mit darin liegt auch der Grund, dass bisher keine 
solche Trinkerheilanstalten als öffentliche Anstalten ins Leben gerufen wurden, 
obwohl Länder, wie Mähren und Niederösterreich, durch ihre Landtage dies- 
bezügliche principielle Beschlüsse gefasst haben. Das Land Niederösterreich 
überweist jetzt seine der Heilung zugänglichen Alkoholiker der Privatheilanstalt 
„Pranthof“ des Dr. Egidius Hacker in Mühldorf bei Spitz an der Donau, 
welcher sich für die Aufnahme von vorläufig 10 Alkoholikern gegen eine Ent- 
schädigung von 2 Kr. 70 h. pro Kopf und Tag verbindlich gemacht hat. Zum 
Eintritt haben sich die betreffenden Kranken freiwillig zu melden und haben 
sich zu verpflichten, beim Eintritt in die Anstalt Geld und Geldeswerth zu 
deponiren. Hammer (Brünn). 


von Sicherer, Ueber den antiseptischen Werth des Quecksilberoxy- 
eyanids. Münch. med. Wochenschr. 1900. No. 29. S. 1002. 

Die im Handel erhältlichen Präparate von Quecksilberoxycyanid 
weisen ziemlich beträchtliche Unterschiede unter einander auf, und dement- 
sprechend weichen auch die mit denselben erzielten Resultate oft von ein- 
ander ab. v. Pieverling hat, um diesen Uebelstande abzuhelfen, ein in 
gleichbleibender Zusammensetzung haltbares Oxycyanid empfohlen, welches 
neben 2 Molekülen Quecksilberoxyd 3 Moleküle Quecksilbercyanid enthält. 


466 Desinfektion. 


Ausserdem hat derselbe Autor die aus 1 Theil Hydrarg. oxycyanat. und 
1,3 Tbeilen Natriumchlorid bestehenden Pastilli hydrarg. oxycyan. an- 
gegeben. 

v. Sicherer hat nun an geeigneten Testobjekten, als welche er mit 
Staphylokokken oder auch mit Milzbrandsporen-Material beschickte Glas- 
plättchen wählte, die bakterientödtende Wirkung der beiden Desinficientia 
geprüft und mit der des Sublimats verglichen. Er fand, dass der Erfolg 
des Quecksilberoxyeyanids wesentlich hinter dem des Sublimats 
zurückblieb, dass aber die Pastilli hydrarg. oxycyan. stärker als 
das Oxycyanid Grouvelles wirkten. 

In diesem Falle ist auf den Zusatz von Kochsalz die Steigerung der des 
infektorischen Kraft zurückzuführen, während sonst, wie bekannt, durch die 
Zufügung von Halogenverbindungen der Metalle unter ähnlichen Verhältnissen 
eine Abschwächung erfolgt. 

Trotz seiner hinter der des Sublimats zurückstehenden geringen keim 
tödtenden Eigenschaften räth v. Sicherer zum Gebrauch des Quecksilber- 
eyanids, weil es eiumal selbst in 1 proc. Lösung die Instrumente in keiner 
Weise angreift, und weil es zweitens die Gewebe nur unerheblich reizt. Gerade 
wegen des letzteren Vorzugs erscheint nach S.’s Ansicht das Mittel zur aus 
gedehnten Anwendung in der Augenheilkunde wohl geeignet. 

Schumacher (Strassburg i. E.). 


Eisberg C. A., Ein neues und einfaches Verfahren zur Sterilisation 
der Schwämme durch Auskochen. Centralbl. f. Chirurgie. 1900. 
No. 51. S. 1299. 

E. befreit die Schwämme zunächst durch 24stündige Aufbewahrung in 
8proc. Salzsäurelösung von Kalk und Schmutztheilcben und wäscht die 
ersteren dann gründlich aus. Darauf überträgt er sie in eine Lösung vor 
Kalium causticum 10,0, Acidum tannicum 20,0 auf 1000,0 Wasser, 
lässt sie in derselben 5—20 Minuten kochen und spült sie mit sterilem 
Wasser bezw. mit Karbol oder Sublimatlösung so lange ab, bis die vom Kalium 
tannicum herrührende braune Färbung vollständig verschwunden ist. Zur Auf- 
bewahrung empfiehlt E. eine 2—5 proc. Karbollösung. 

Schwämme, welche mit Staphylococcus aureus, mit Streptokokken und 
mit Milzbrandbacillen bezw. Milzbrandsporen vorher inficirt waren, sollen durch 
5 Minuten langes Kochen steril werden. Hinsichtlich ihrer physikalischen 
Eigenschaften erleiden die Schwämme durch die vorgeschriebene Behandlung 
angeblich keinen Abbruch. 

Ob die Methode und die Empfehlung E.'s im Stande sein wird, den heut- 
zutage zum Glück immer mehr aus den ÖOperationssälen verschwindenden 
Schwämmen wieder zu ihrer früheren Verbreitung und Ansehen zu verhelfen, 
mag dahingestellt bleiben. Schumacher (Strassburg i. E.). 


Hermann M. W., Ueber das Sterilisiren der Seidenkatheter. Üentralbl. 
f. Chirurgie. 1901. No. 3. S. 63. 

Während bekanntlich Metall- und Nelatonkatheter ohne Schwierigkeit 

durch Auskochen sterilisirt werden, ist dies Verfahren für Seidenkatheter 


Desinfektion. 467 


nicht anwendbar. H. empfiehlt deshalb, dieselben nach einer neuen, von ihm 
ersonnenen Methode in einer gesättigten Ammonium sulfuricum-Lösung 
auszukochen. ; 

Ein selbst mehrständiges Verweilen in dieser Flüssigkeit wird von den 
Seidenkathetern angeblich gut vertragen, welche auch bei mehrfach wiederholter 
Sterilisation elastisch und unverändert brauchbar bleiben. 

Um völlige Keimfreiheit eines selbst stark verunreinigten 
Katheters zu erzielen, genügt ein 3—5 Minuten langes Kochen. 
Den Instrumenten etwa noch anhaftende geringe Reste der Lösung sind 
unschädlich und reizen die Schleimhäute in keiner Weise. 

Schumacher (Strassburg i. E.). 


Mohaupt M., Beiträge zur Frage nach der Bedeutung der Haut- 
drüsensekretion auf den Sterilisationseffekt bei der Hautdes- 
infektion. Deutsche Zeitschr. f. Chirurgie. 1900. Bd. 58. 

Um zu ermitteln, ob nach einer gründlichen Reinigung der Haut Bakterien 
in den Schweissdrüsen zurückbleiben, hat M. eine Reihe von Versuchen ange- 
stellt und gefunden, dass von einer durch Behandlung mit heissem 
Wasser, Seife, Bürste und Aether keimfrei gemachten Hautpartie 
nach einem 5—30 Minuten währenden Dampfbade in der Regel 
ziemlich zahlreiche Mikroorganismen entnommen werden konnten. 
Auch nach einem Heissluftbade, bei welchem die Maceration der Haut 
durch den Dampf vermieden wurde, ergab sich das gleiche Resultat. Um 
nachzuweisen, dass die Mikrobien nicht in den Epidermisschichten, sondern 
in dem Schweissdrüsensekret selbst enthalten wären, suchte er an einem be- 
stimmten Hautbezirk eine starke Schweisssekretion anzuregen. 

Dies gelang ihm nach dem von Drigalski unlängst beschriebenen Ver- 
fahren, indem er nämlich die zuvor gehörig gereinigte Hautpartie einem elek- 
trischen Lichtbade aussetzte. Er erzielte auf diese Weise eine mit der 
Höhe der einwirkenden Temperatur gar nicht im Verhältniss 
stehende ausserordentliche Schweissabsonderung. Im Schweiss 
waren in der Mehrzahl der Fälle Bakterien anzutreffen, während die Haut- 
oberfläche in jedem einzelnen Falle zuvor steril befunden war. 

Als Herkunftsort der Mikroorganismen kommen die Talgdrüsen nicht 
in Betracht, da eine Steigerung der Sekretion derselben niemals bemerkt wurde. 
Es ergab sich ferner, dass, während mit dem ersten Schweissausbruch nach der 
Reinigung die grösste Bakterienzahl ausgeschieden wurde, trotzdem die Eli- 
mination der Keime sich noch über einen längeren Zeitraum erstreckte. Für 
die Praxis leitet M. demnach aus seinen Ergebnissen eine Bestätigung der 
alten Regel ab, dass der Operateur im Verlaufe einer Operation die 
Hände in gewissen Abständen wiederholt mit einem Desinficiens 
abspülen solle. Wenn Verf. glaubt, dass „vielleicht eine Kombination der 
Heisswasserwaschung mit der Alkoholabreibung in der That ausreicht, die 
Haut von allen Keimen zu befreien“, so wird er sicher nicht ohne berech- 
tigten Widerspruch bleiben. 

Die genaue Bestimmung der gewachsenen Bakterienarten wurde nicht in 


468 Desinfektion. 


allen Versuchen vorgenommen. Meistens waren es Staphylokokken, 
welche zum Theil Gelatine verflüssigten. Von einer Prüfung der Pathogenität 
wurde abgesehen. Schumacher (Strassburg i. E.). 


Abba und Rondelli, Weitere beliufs Desinfektion von Wohnräumen 
mit dem Flügge’schen und dem Schering’schen (kombinirten 
Aeskulap-Apparat) formogenen Apparat ausgeführte Versuche, 
II. Mittheilung. Centralbl. f. Bakteriol. Abth. I. Bd. 28. No. 12/13. 
S. 377. 

Die Versuche, welche die beiden Autoren mit dem Flügge’schen und 
dem Schering’schen Desinfektionsapparat angestellt haben, bean- 
spruchen deswegen besonderes Interesse, weil sie zu weit ungünstigeren Er- 
gebnissen führten, als sie bislang mit den beiden Verfahren erzielt wurden. 
Sie wurden in gut gebauten und rein gehaltenen Zimmern der Turiner Des- 
infektionsanstalt vorgenommen und zwar in der Weise, dass zunächst beide 
Apparate streng nach Vorschrift angewandt wurden, bei einer zweiten 
Reihe das Zeitmaass verdoppelt (15 anstatt 7 Stunden) wurde, und bei 
einer dritten Reile das Zweifache der auf den Inhalt des zu desinficirenden 
Raumes berechneten Formaldehydmenge zur Vergasung kam. Während 
sich nun, wenn nur Diphtheriebacillen und Milzbrandsporen als Test- 
objekte benutzt worden wären, aus sämmtlichen Versuchen, besonders aber 
aus denen der 3. Reihe, sehr günstige Resultate ergeben hätten (bei „Flügge* 
wie bei „Schering“ 100 pCt. positive Resultate), wurde dadurch, dass auch 
Staphylococcus pyogenes aureus und die Sporen des Kartoffelbacil- 
lus mit in die Untersuchung einbezogen wurden, das Bild wesentlich geändert. 
lm günstigsten Falle wurden von den pyogenen Kokken nach „Flügge* 
64 pCt., nach „Schering“ 85 pCt. und von den Mesentericussporen 31 bezw. 
50 pCt. vernichtet. Die Verff. haben die letzteren auf Grund folgender Ueber- 
legung hinzugefügt: Da in der Desinfektionspraxis zuweilen Gegenstände, die 
mit uns unbekannten Keimen infieirt sind, wie mit denen der Pocken, des 
Scharlachs u. s. w., desinficirt werden sollen, so sei von den Desinficientien 
zu verlangen, dass sie wenigstens jene pathogenen oder nicht patho- 
genen Keime tödten, welche als die den Desinfektionsagentien am mei- 
sten widerstehenden bekannt sind. 

Eine noch grössere Bedeutung als der Sterilisation oder Nichtsterili- 
sation von künstlich gezüchteten Bakterien legen A. und B. derjenigen von 
Gegenständen oder vom Staube, der sich zufällig in den Räumen befand, 
bei. Solche Gegenstände nun, wie Leinwand-, Tuch- und Papierstücke, 
Bindfaden, Watte u. s. w. zeigten das beste Resultat (50 bezw. 88 pCt. 
Abtödtung) dann, wenn die von Flügge und Schering gegebenen Vorschriften 
genau eingehalten wurden. Was den Staub an den Wänden und den an 
den Möbeln haftenden betrifft, so fand sich bei ersterem im günstigsten 
Falle 90 (3. Reihe „Flügge“) und 81 pCt. (2. Reihe „Schering“) Vernich- 
tung, bei letzterem je 42 pÜt. (8. Reihe) Abtödtung, und dies auch nur, wenn 
es sich um Möbel mit glatten Oberflächen, um Glasscheiben u. s. w. handelte. 
Weitaus am ungünstigsten stellten sich die Verhältnisse in Bezug auf den 


Desinfektion. 469 


am Fassboden befindlichen und den gewöhnlich in grösserer Menge auf den 
Fensterrahmen, Fensterläden, Thüren und Schränken angesammelten 
Staub dar. Hier waren die positiven Resultate in der 1. und 2. Versuchs- 
reihe durchgehends gleich null, und nur durch Verdoppelung des formogenen 
Yaterials kamen einige spärliche positive Resultate, 8—25 pCt., zu Stande. 
Als mittlerer Procentsatz erfolgreicher Sterilisirung ergab sich unter den 
drei angeführten Versuchsbedingungen für „Flügge“ 48,7, 88,2 und 58,3 pCt., 
für „Schering“ 43,0, 48,0 und 62,3 pCt. Abtödtung. 

Auf Grund dieser Ergebnisse, sowie ähnlicher von Zennoni und Coggi 
eingereichter, fasste der im September 1899 zu Como tagende Kongress der 
italienischen Hygieniker, auf dem die vorliegende Mittheilung gemacht 
wurde, den einstimmigen Beschluss, man halte dafür, dass sich bei den 
öffentlichen Desinfektionen von Räumen das Aetzsublimat bis 
jetzt nicht durch den Formaldehyd ersetzen lasse, da dieser eine 
zu unzuverlässige Wirkung habe. 

Zu dieser unsicheren Wirkung kommen nach den Verf. noch manche 
audere Nachtheile gegenüber dem Sublimat. Einmal die hohen Kosten, 
welche besonders, wenn man, um bessere Resultate zu erzielen, die Formal- 
dehydmenge verdoppelt, von vielen Gemeinden nicht erschwungen werden 
könnten. Ferner der Umstand, dass für die Desinfektion trotz Neutralisirung 
mit Ammoniak in Folge der immer noch restirenden Formaldehyddämpfe selbst 
bei energischer und anhaltender Ventilation ein Zeitaufwand von min- 
destens 10 Stunden benöthigt wird, wo aber eine derartige Ventilation 
nicht ausführbar ist, die Räume noch 24 Stunden nach ausgeführter Des- 
infektion nicht bewohnbar sind. 

Die Verff. selbst wenden die Formaldehyddesinfektion nur noch 
bei persönlichen Gebrauchsgegenständen, die durch Wasserdampf sehr 
leiden, bei Frauenkleidern, Pelzsachen, Hüten u. s. w. an und haben in 
der Turiner Desinfektionsanstalt einen dazu geeigneten Raum eingerichtet, in 
welchem die zu desinficirenden Gegenstände, an einem von der Decke herab- 
hängenden, rotirenden Metallkranz aufgehängt, den Formaldehyddämpfen aus- 
gesetzt werden, deren Wirkung noch durch Erhitzung des Raumes auf 70 bis 
80° erhöht wird. 

Am Schlusse ihrer Mittheilung fassen die Autoren ihre Ansichten über 
die Formaldehyddesinfektion in 11 Sätzen zusammen, von denen die wich- 
tigsten hier etwas gekürzt wiedergegeben seien: 

1. Desinfektion von Oberflächen erzielt man mit dem Formaldehyd 
Dur, wenn diese sehr glatt und verhältnissmässig rein sind. 

2. Mit blossem Auge wahrnehmbarer Staub wird nicht desinficirt. 

3. Der Fussboden, Rahmen, Gesimse u. s. w. erfahren keine Des- 
infektion. 

4. Die Oberfläche von gepolsterten Möbeln, Tuchdecken, Matratzen 
werden nur selten und dann ungleichmässig desinficirt; in Bettzeug dringt 
der Formaldehyd nicht ein. 

5. Betreffs Desinfektion von Wänden vergl. Satz 1. 


470 Verschiedenes. 


6. Die Formaldehyddesinfektionen müssen, weil in jedem Falle un- 
vollständig, durch Sublimat und Wasserdampf vervollständigt werden. 
L. Lange (Posen). 


Nobiling-Jankau, Handbuch der Prophylaxe. München 1900/1. Verlag 
von Seitz & Schauer. 8°, 

Abtheilung X. Einhorn, M. Mendelsohn, R. Rosen, Prophylaxe in der 
inneren Medicin. 98 Seiten. Preis: 3 Mark. 

Abtheilung XIV. Martius, Allgemeine Prophylaxe. 14 Seiten. Preis: 
1 Mk. 

Die zehnte Abtheilung umfasst nach einer allgemeinen Einleitung die 
Prophylaxe der Blut-, Stoffwechsel-, Infektions- und Lun gen krankheiten 
von Rosen, sodann die der Herzkrankheiten von Mendelsohn und der Krank- 
heiten der Verdauungsorgane von Einhorn. Auch hier findet sich der 
herkömmliche Begriff der Vorbeugung erheblich erweitert; beispielsweise ist 
ein Abschnitt: ‘„Herzheilanstalten“ (S. 73—76) überschrieben. Die Mittel, 
einem Gichtanfalle vorzubeugen, wie Lysidin, Piperazin, Lithionsalze, China- 
säure (S. 18 u. 19) u. s; w., zählten bisher ebensowenig zur Vorbeugung, wie 
die Schroth’sche gder die Oertel’sche Kur (S. 20). Noch ausgiebigere 
Zwangsanleihen als die Therapie, muss sich die Aetiologie gefallen lassen. 
Nimmt man noch die diagnostischen Bemerkungen und die eingestreuten patho- 
logischen Zustandsschilderungen hinzu, so fehlt nur der Leichenbefund an einer 
Pathologie in nuce. Dabei soll nicht verschwiegen werden, dass die Verf. 
mit ersichtlichem Fleisse eine Menge Thatsachen beibringen, und die Glätte 
der Darstellung das Ganze leicht lesbar macht. 

In der 14. Abtheilung bemüht sich Martius unter Aufwand von Belesen- 
heit und neuen Gedanken, die Berechtigung einer allgemeinen Prophylaxe, 
abgetrennt von dem Begriff der privaten Hygiene oder der öflentlichen Ge 
sundheitspflege, nachzuweisen. Der Verf. wendet sich zunächst gegen E. Reich, 
der im Gegensatz zur „modernen Sanitätspolizei oder sogenannten Öffentlichen 
Gesundheitspflege, welche das Abtrittputzen, die Desinfektion und die Schul- 
bänke zum Hauptobjekte ihrer Thätigkeit nimmt“, die Hygiene „als die Philo- 
sophie, Wissenschaft und Kunst des normalen Lebens“ auffasst. So wenig 
sich das hiergegen Vorgebrachte beanstanden lässt, so müssig erscheint es 
doch; denn E. Reich wurde nie ernst genommen und bedarf demnach jetzt 
ebensowenig wie 1874 einer Widerlegung. 

Als Vertreter der allgemeinen Propbylaxe erscheint der alte Hausarzt 
Mag dieser auch nicht yöllig gleichaltrig mit dem goldenen Zeitalter, wo Sa- 
turnus herrschte, gewesen sein, so war er doch als Idealgestalt vor einem halben 
Jahrhundert bereits Ausnahme und der Grund seines Daseins gemeinhin die 
grössere Billigkeit eines Pauschale gegenüber der Einzelleistung. Ob die 
hausärztliche Tbätigkeit vor Zeiten gesegneter war, als jetzt, wo sie haupt 
sächlich in dem Nachweise eines Specialisten für jeden Erkrankungsfall be- 
stehen soll, bleibe dahingestellt. Jedenfalls rechtfertigt der verflossene Haus- 
arzt ebensowenig, wie der künftige Schularzt, eine Abtrennung der allgemeinen 


Kleinere Mittheilungen. 471 


Krankheitsvorbeugung von der Gesundheitspflege. Da das Allgemeine nur im 
Besonderen besteht und nur in diesem anschaulich wird, so besteht auch die 
allgemeine Krankheitsvorbeugung lediglich in den Einzelheiten vernünftiger 
Lebensvorschriften und in der Abwehr der einzelnen Krankheitsursachen. 
Letztere ist die bisherige Prophylaxe der Pathologie, die Lebensvorschriften 
aber giebt die Hygiene. Es bleibt demnach thatsächlich im dreidimensionalen 
Dasein kein Raum mehr für eine allgemeine Prophylaxe, und der Versuch, 
den Grundgedanken des Unternehmens des rührigen Verlags als logisch oder 
sachlich begründet hinzustellen, musste auch dem Scharfsinn des gewandten 
Verf.’s aus innerer Nothwendigkeit missglücken. Helbig (Serkowitz). 


Kleinere Mittheilungen. 


(J) Im Februar 1901 hatten unter 279 deutschen Orten mit 15000 und mehr Ein- 
wohnern eine höhere Sterblichkeit als 35,0 auf je 1000 Einwohner und aufs Jahr be- 
rechnet: 2, Amberg und Straubing, gegenüber 1 im Januar; eine geringere als 15 pM. 
hatten 52 gegen 23 im Vormonat. Mehr Säuglinge als 333,3 auf je 1000 Lebend- 
geborene starben in 10 Orten gegen 9, weniger als 200,0 in 198 gegen 194 im Januar. 


Stand der Seuchen. Nach den Veröffentlichungen des Kaiserlichen Gesund- 
heitsamtes. 1901. No. 13 u. 14. 

A. Stand der Pest. I. Grossbritannien. Southampton. Auf dem am 
13. 3. aus Südafrika angekommenen Transportdampfer „Simla“ erkrankte ein als Ste- 
ward beschäftigter Laskare. II. Britisch-Ostindien. Präsidentschaft Bombay 
17.—23. 2.: 1948 Erkrankungen und 1527 Todesfälle. Stadt Bombay. 17.—23. 2.: 
1096 Erkrankungen und 1477 Todesfälle. Gesammtzahl der Todesfälle vom 17.—23.2.: 
2129. Karachi. In der 2. Hälfte des Februar täglich 1—4 Pestfälle. Vom 9.—16. 2. 
weitere Steigerung der Pesttodesfälle in ganz Indien, und zwar von 4377 auf 5910. 
Auch im Staate Mysore 267 Fälle (cf. vorige Nummer dieser Zeitschrift). III. Hong- 
kong. 1. 1.—31. 10. 1900 sind insgesammt 1082 Pestfälle, von denen 1034 tödtlich 
verliefen, der Behörde zur Kenntniss gekommen. Unter diesen betrafen nur 28 Er- 
krankungen mit 15 Todesfällen Nichtchinesen. IV. Straits Settlements. Singa- 
pore. 16. 2.: 1 Todesfall. Weitere Fälle sollen nicht vorgekommen sein. Der Hafen 
wurde daher nach einer Mittheilung vom 18. 3. für pestfrei erklärt. V. Reunion. 
11.3.: die Pest ist erloschen. VI. Japan. Osaka. Seit dem 19. 12. kein Pestfall 
mehr zur Anzeige gelangt. Vom 18.12. 1899—31. 1. 1901 sollen der Polizei etwa 
21/2 Million Ratten abgeliefert worden sein. Bemerkenswerth ist, dass sich während 
der heissesten Zeit, 1. Juli bis 7. September, weder in Kobe noch in Osaka ein 
Pestfall ereignet hat. VII. Kapland. Kapstadt. Während der ersten Tage des März 
haben die Erkrankungen an Pest in Besorgniss erregendem Umfange zugenommen. 
Am 5. 3. Morgens befanden sich im Pestspital 51 Kranke und 5 Verdächtige. 4. 3.: 
2Todesfälle; nicht mitgezählt werden in der amtlichen Statistik die todt aufgefundenen 
Personen, wenn auch die Sektion unzweifelhaft Pest als Todesursache ergiebt. Die 
Seuche ist in allen Theilen der Stadt und in den Vorstädten aufgetreten, auch im 
englischen Militärlazareth ist ein Krankenpfleger von ihr befallen worden, sie hat sich 
ferner in Landstädten mehr und mehr ausgebreitet. Dies erklärt sich daraus, dass 


472 Berichtigung. 


die Kaffern massenhaft die Stadt verlassen haben. VIII. Brasilien. In der Hafen- 
stadt Macahe (Staat Rio de Janeiro) war am 17. 2. Pest amtlich festgestellt worden. 

B. Zeitweilige Maassregeln gegen Pest. 1. Deutsches Reich. Süd- 
‚westafrikanisches Schutzgebiet. Auf Anordnung der Kolonialabtheilung des 
Auswärtigen Amtes ist seit 31. 3. der Hafen von Lüderitzbucht für den direkten 
Verkehr aus der Kapkolonie geschlossen und Swakopmund als einziger Quaran- 
tänehafen bestimmt worden. — Durch Rundschreiben des Reichskanzlers vom 2. 3. 
sind die Regierungen der Bundesstaaten ersucht worden, die aus einem Hafen des 
australischen Festlandes eintreflenden Schiffe der gesundheitspolizeilichen Kon- 
trole unterwerfen zu lassen. II. Kapland. Auf Grund der Public Health Act von 
1897 wurden am 26. 2., als die Zeitungen bereits von einer „Schrecken erregenden 
Ausbreitung der Pest“ in Kapstadt berichteten, Vorschriften zur Abwehr und Be- 
kämpfung der Seuche erlassen: Jedem Arzt, jedem Hauswirth, Hötelwirth, Boarding 
House-Halter und Schuldirektor wurde die Anzeige jedes zu ihrem Wirkungskreis ge- 
hörigen Kranken, bei dem sich Pestsymptome zeigen, zur Pflicht gemacht. Ver- 
dächtige Fälle hat der Divisional Council untersuchen zu lassen. Den Gesundheits- 
beamten ist das Recht gegeben, an Pest leidende‘oder verdächtige Personen in ihrer 
eigenen Wohnung oder an einem anderen Platze zu isoliren und alle Anordnungen für 
die Desinfektion zu treffen oder das Bewohnen von Privat- und öffentlichen Gebäuden 
oder anderen Plätzen aus diesem Grunde zu verbieten. Sie sind ferner ermächtigt, 
aus übermässig dicht bewohnten Häusern die Bewohner oder einen Theil derselben 
nach einem anderen zur Unterbringung geeigneten Platze zu entfernen, insofern jene 
den Beamten nicht alsbald selbst eine andere geeignete Wohnung nachweisen können. 
Ein Haus soll als überfüllt angesehen werden, wenn es nicht ordentlich ventilirt werden 
kann, und wenn nicht für jeden Bewohner im Alter von über 10 Jahren eiun Luftraum 
von mehr als 300 Kubikfuss und ein Bodenraum von 30 Quailratfuss, für Kinder unter 
10 Jahren die Hälfte davon vorhanden ist. — Endlich steht den Gesundheitsbeanten 
das Recht zu, zu jeder Tages- und Nachtzeit alle Grundstücke zu betreten, bei denen 
ein hinreichender Grund zur Inspieirung vorhanden ist. 

C. Stand der Cholera. Britisch-Ostindien. Kalkutta. 10.—23. 2.: 
44 Todesfälle. 24. 2.—2. 3.: 24 Todesfälle. 

D. Stand der Pocken. I. Italien. Neapel. 9. 3.—19. 3.: 77 Erkrankungen, 
darunter 6 Todesfälle. II. England. Glasgow. Die Seuche ist im Abnehmen be- 
begriffen. Jacobitz (Halle a. S.}. 


Berichtigung. 


Durch ein Versehen sind bei der Herstellung der vorigen Nummer der 
Zeitschrift einige Zeilen verstellt worden: die ersten 6 Zeilen auf Seite 415 
gehören an den Anfang der Seite 414. 


Beilage zur „Hygienischen Rundschau“, 
X. Jahrgang. Berlin, 1. Mai 1901. No. 9. 


Verkandiungen der Deutschen Gesellschaft für öffentliche Gesundheitspflege 
zu Berlin‘). 


Ausserordentliche Sitzung der Deutschen Gesellschaft für öffentliche Ge- 
sandheitspflege in Berlin am 6. Januar 1991. 


Trauerfeier zu Ehren Spinola’s. 


Herr R. Wehmer: Hochverehrte Anwesende! Mit schmerzlichsten Empfin- 
dungen erfüllt sind wir heute hier zusammengekommen, um noch einmal 
unseres unvergesslichen Vorsitzenden Herrn Geh. Ober-Reg.-Rathes Spinola 
in Wehmuth zu gedenken; zu gedenken an der Stelle, wo er so oft unsere 
Verhandlungen in gleich wissenschaftlicher und objektiv-gerechter wie um- 
sichtiger und liebenswürdiger Weise leitete; durch diese unsere heutige fest- 
liche Trauersitzung vor einander und vor aller Welt zu bekunden, wie schwere 
Wunden der erbarmungslose Tod unserer Gesellschaft dadurch geschlagen hat, 
dass er unseren Vorsitzenden am 2. December v. J. von uns nahm. 

Nachdem Spinola schon Jahre lang vorher dem Vorstande unserer Gesell- 
schaft angehört hatte und von 1885 ab ihr zweiter Vorsitzender gewesen war, 
wurde er 1890 zum ersten Vorsitzenden gewählt und hat dies Amt seitdem 
bis zu seinem Heimgange ununterbrochen in grösster Freudigkeit verwaltet. 
Unsere Gesellschaft ist seitdem gewaltig aufgeblüht. Von 187 Mitgliedern 
ist deren Zahl auf 327 gestiegen. Aber nicht allein als Vorsitzender hat Spinola 
Verdienste. Er hat uns eine Fülle werthvoller selbstständiger Anregungen gegeben 
und eine nicht geringe Zahl umfänglicher wissenschaftlicher Vorträge gehalten. 
Ich erinnere hier an seine Vorträge: 

„Ueber die Wiener Rettungsgesellschaft“, „Ueber die Zulässigkeit von 
Luftheizungen in Schulen“, „Ueber die Frage der Errichtung einer Ber- 
liner Lungenheilstätte“, „Ueber die Eingemeindung der Berliner Vororte 
und ihre hygienische Bedeutung“, „Ueber die Stuttgarter Versammlung 
des Vereins für öffentliche Gesundheitspflege“, „Ueber das grosse neue 
Berliner städtische Krankenhaus in der Seestrasse“ 

und über so manche andere Dinge; ich erinnere ferner daran, wie oft er in die 
Diskussionen eingriff und diese anzuregen verstand. 

Noch wenige Tage vor seinem Ende, am 28. November, schrieb er mir, 
dass er zur Sitzung am 10. December, für die er den Vortrag s: Z. selbst an- 
geregt hatte, „bestimmt kommen zu können hoffe“. — Aber: 


1) Alle auf die Herausgabe der Verhandlungen der Deutschen Gesellschaft für 
öffentliche Gesundheitspflege zu Berlin bezüglichen Einsendungen u. s. w. werden an 
die Adresse des Schriftführers der Gesellschaft, Prof. Proskauer, Charlottenburg, 
Ublandstr. 184, I, erbeten. Die Herren Autoren tragen die Verantwortung für Form 
und Inhalt ibrer Mittheilungen. 


474 Verhandl. der Deutschen Gesellschaft für öff. Gesundheitspfl. zu Berlin. 


„Was sind Hoffnungen, 

Was sind Entwürfe, 

Die der Mensch, der vergängliche baut“. — 
Es hat nicht sein sollen! — Rasch tritt der Tod den Menschen an! — 

Tief gebeugt waren wir Alle, als wir nichts ahnend die Nachricht von 
seinem plötzlichen Heimgange — der ihm freilich bei einem lange bestehenden 
Leiden schon öfter gedroht haben mochte — vernahmen. Aber Eins war Ihrem 
Vorstande klar: Dem Andenken eines Mannes, der derart hervorragende Ver- 
dienste sich um unsere Gesellschaft erworben hatte, der so mitten aus seinen 
Bemühungen um dieselbe herausgerissen war, mussten wir eine besondere 
Ehrung bereiten, eine Ehrung ausser der, die wir ihm bei seinem letzten 
Gange aus dieser Zeitlichkeit erwiesen. Der Vorstand dankt es Ihnen, meine 
Herren, dass sie einmätliig unsere Ansicht theilten und die heutige Trauer- 
feierlichkeit beschlossen; er dankt ferner dem Direktor dieses Institutes, dass 
auch heute wieder in liberalster Weise uns seine Räume geöffnet wurden; der 
Vorstand dankt es Ihnen, die Sie hier heute erschienen sind mit ihm und mit 
den als Vertretern der Familie anwesenden Bruder und Neffen des Heimge- 
gangenen, während seine tiefgebeugte Wittwe bei Tochter und Schwiegersohn 
in Marburg sich befindet, aber mit ihren Gedanken hier heute unter uns weilt. 
Wir danken Ihnen, dass Sie hier erschienen sind, um nochmals der Verdienste 
unseres Spinola zu gedenken, seiner Verdienste, die ihn überleben werden — 
aere perennius, länger als das eherne Standbild, das wir vor kurzer Zeit ibm 
an der Stelle seines amtlichen Wirkens setzen halfen. 

Der Vorstand dankt es endlich, aber nicht zum mindesten, demjenigen 
Mitgliede von uns, das amtlich durch Jahre hindurch Schulter an Schulter 
mit ihm, dem Heimgegangenen, arbeiten konnte, Herrn Generalarzt Dr.Schaper, 
dass er uns hier noch einmal im Zusammenhange das Leben und Wirken des 
Verewigten vorführen will. 

Und so bitte ich Sie denn, hochverehrter Herr Generalarzt, Ihres opfer- 
willig übernommenen heutigen Amtes zu walten, was Ihnen zwar bei Ihrer 
treuen Freundschaft zu dem Heimgegangenen schmerzlich und schwer fallen, 
uns aber alle mit wehmüthiger Freude und hohem Stolz darüber erfüllen 
wird, dass wir den Heimgegangenen so lange an der Spitze unserer Gesell- 
schaft sehen konnten, ihn, unsern stets unvergesslichen Bernhard Spinola: 


Herr Generalarzt Schaper: V. H.! Die Deutsche Gesellschaft für öffent- 
liche Gesundheitspflege hat sich heute zu einer ausserordentlichen Sitzung 
vereinigt, um das Andenken ihres langjährigen ersten Vorsitzenden, des weil. 
Geh. Ober-Reg.-Rathes und Verwaltungs-Direktors des Charit6-Krankenhauses 
Bernhard Spinola in besonderer Weise zu feiern, denn in der That hat 
der Heimgegangene sich besonders hohe Verdienste um die Gesellschaft 
erworben. Noch bis in die letzte Zeit hat er in der ihm eigenen Leb- 
haftigkeit die Geschäfte auch in seinem hiesigen Ehrenamte erledigt; keine 
Mühe war ihm dabei zu gross, und wir waren so gewohnt, ihn immer in 
fleissigster Thätigkeit zu sehen, dass uns sein plötzlicher Tod, trotzdem wir 


Verhandl. der Deutschen Gesellschaft für öff. Gesundheitspil. zu Berlin. 475 


darauf vorbereitet sein mussten, völlig überraschend kam. Auf das Tiefste 
erschüttert haben wir am 5. December an seiner Bahre gestanden, und die 
Trauerfeier in der Charite und auf dem Invalidenfriedhof legte in ergreifender 
Weise Zeugniss dafür ab, in wie hohem Maasse der Verstorbene sich die Liebe 
und Verehrong Aller, die zu ihm in Beziehung getreten waren, zu erwerben 
gewusst hatte. 

Vergegenwärtigen wir uns noch einmal das Bild des trefflichen Mannes, 
seinen Lebensgang und sein vielseitiges Wirken, so kann er uns wohl als ein 
Vorbild barmonischer Entwickelung und treuester Pflichterfüllung erscheinen.: 

B. Spinola war am 13. Februar 1836 als der Sobn des hochgeachteten 
Professors und Direktors der Tbierarzneischule geboren, und so spielten sich 
schon seine Jugendjahre ganz in der Nähe der Stätte ab, an welcher er nach 
æ überaus segensreicher Thätigkeit sein Leben abschliessen sollte. Seine 
Gymnasialbildung erhielt er auf dem Friedrich-Werderschen Gymnasium und 
legte schon damals den Grund zu manchem Freundschaftsverhältniss, welches 
erst mit seinem Tode geendet hat. Nach glänzend absolvirtem Maturitäts- 
eramen studirte er zuerst in Heidelberg, dann in Berlin Jurisprudenz und trat 
in dem jugendlichen Alter von 21 Jahren als Auskultator in den Staatsdienst, 
in welchem er bei seiner hervorragenden Begabung rasch avancirte, zunächst 
nach abgelegtem Staatsexamen zum Staatsanwaltsgehülfen beim Kammergericht, 
sodann 1867 zum Staatsanwalt bei dem Kreisgericht in Kiel. Das besondere 
Geschick, welches er dort unter den schwierigen politischen Verhältnissen ent- 
wickelte, lenkte bald die Aufmerksamkeit der höheren Justizbehörden auf ihn, 
und so wurde er schon nach wenigen Jahren 1872 als erster Staatsanwalt an 
das Kammergericht berufen, zugleich wurden ihm im Nebenamt die Geschäfte 
des Justitiars der Charite übertragen. Hierdurch gewann er einen tieferen 
Einblick in die so sehr verwickelten und schwierigen Verhältnisse des Charité- 
Krankenhauses, und dies liess ibn, als im folgenden Jahre nach Esse’s Rück- 
tritt die Stelle des Verwaltungsdirektors der Charite neu zu besetzen war, als 
den geeignetsten Mann für dieselbe erscheinen. Maassgebend war hierbei, 
dass Spinola sich nicht nur als hervorragend tächtiger Jurist bewährt, 
sondern auch sonst eine überaus vielseitige Begabung und das lebhafteste 
Interesse für die verschiedensten Aufgaben des Öffentlichen Lebens gezeigt 
hatte, Bei unserer langjährigen gemeinsamen Arbeit fand sich oft Gelegen- 
heit, den Wechsel seines Berufes zu besprechen, und da hat er mir gern er- 
zählt, wie schwer ihm zuerst die Entscheidung geworden wäre. Seine juris- 
tischen Vorgesetzten hätten ihn festzuhalten gewünscht und ihm eine glänzende 
Laufbahn vorausgesagt, aber dennoch wäre ihm zu verlockend gewesen, dass 
er in jungen Jahren in eine selbständige Stellung berufen wäre, in welcher 
er segensreich nach den verschiedensten Richtungen wirken konnte. Dabei 
blieb aber sein Interesse für juristische Fragen immer dasselbe, und mit Vor- 
liebe ergriff er jede Gelegenheit, um bei der Bearbeitung von Rechtsstreitig- 
keiten, welche die Charité immer in grosser Zahl auszufechten hat, seine Kennt- 
nisse auch nach dieser Richtung zum Vortheil der Anstalt zu verwertben. In 
späteren Jahren kam ihm wohl, wenn er seine alten Freunde in höheren 


476 Verhandl. der Deutschen Gesellschaft für öf. Gesundheitspfl. zu Berlin. 


Lebensstellungen sah, der Gedanke, dass auch er diese hätte erreichen können, 
wenn er in der juristischen Laufbahn geblieben wäre, aber immer wieder hat 
er mir dann gesagt, dass er den Wechsel nicht bereue, denn so vielseitig 
hätte er als Jurist seine Tbatkraft und seine Schaffensfreude nicht befriedigen 
können, wie gerade als Verwaltungsdirektor der Charite. Hier, und er hatte 
Recht darin, konnte sich seine reiche Beanlagung voll entwickeln, und es war 
eine Freude, zu sehen, wie ideal er seine Lebensaufgabe auffasste, wie er in 
seltener Weise befähigt und bemüht war, sie so vollkommen als möglich zu 
erfüllen, und wie er sich immer mit seiner ganzen Persönlichkeit in den Dienst 
des Öffentlichen Wohles stellte. 

Mit seinem gleichzeitig mit ihm in die Charitedirektion eingetretenen 
Freunde, Generalarzt Mehlhausen, ist er bemüht gewesen, die Anstalt auf 
die Höhe der Einrichtungen zu erheben, wie sie der ausserordentliche Fort- 
schritt in allen Zweigen der ärztlichen Kunst und Wissenschaft erforderte, 
und da war es vom grössten Vortheil, dass er durch sein feines Verständniss 
für die stets wechselnden und wachsenden Bedürfnisse der Krankenpflege und 
des Unterrichts und durch sein liebenswürdiges Eingehen auf die Wünsche 
der Aerzte sich rasch die dauernde Hochachtung und Freundschaft derselben 
erwarb. Am nächsten stand ihm sein ärztlicher Berather, unser allverehrter 
klinischer Meister, Ernst von Leyden, in dessen Klinik er oft hospitirte 
und so eine bei Laien gewiss ausserordentlich seltene, aber für sein Amt sehr 
vortheilhafte Kenntniss ärztlicher Dinge erwarb. Neben Leyden standen ihm 
wohl Henoch, Mehlhausen und ich selbst am nächsten, und es gehört 
zur Charakteristik des Mannes, dass die 27 jährige tägliche gemeinsame 
Arbeit zuerst mit Mehlhausen, dann mit mir durch dieses wohlthuende 
Freundschaftsverhältniss getragen wurde und niemals auch nur die leiseste 
Störung erfahren hat. 

Die zahlreichen Verbesserungen innerhalb seines eigentlichen Dienstbereichs 
als Verwaltungsdirektor eingehender zu besprechen, würde zu weit führen, ich 
will mich darauf beschränken, dasjenige anzuführen, worauf Spinola selbst 
den grössten Werth legte: die Verbesserung und Vermehrung des Dienst- 
personals und der Verkehrsmittel und Wege. Das Wärterpersonal, welches 
der Verwaltungsdirektor anzunehmen hat, wurde nach und nach erheblich 
vermehrt, obwohl die Krankenzahl vermindert war. Der Unterricht wurde 
reicher ausgestattet, die Lohnsätze wurden erhöht und in Bedarfsfällen wurde 
längerer Erholungsurlaub ertheilt. Wo es möglich war, wurden in grösserem 
Umfange als früher auch Diakonissen, Pflegerinnen aus dem Augusta-Hospital 
und Schwestern vom Clementinenhause in Hannover für die Pflege auf ein- 
zelnen Abtheilungen gewonnen. Im Laufe der letzten 27 Jahre ist die Zahl 
des Pflege- und Dienstpersonals fast verdoppelt. 

Spinola’s Fürsorge beschränkte sich aber nicht auf das Dienstpersonal, 
sondern mit gleicher Aufmerksamkeit und Treue suchte er die ihm unterstellten 
Beamten zu fördern, und dass er unermüdlich bereit war, die jungen Aerzte 
in ihren Bestrebungen zu unterstützen, hat gewiss mancher der Anwesenden 
an sich selbst erfahren. Wiederholt sind mir von den Betreffenden darüber 


Verhandl. der Deutschen Gesellschaft für Öff. Gesundheitspil. zu Berlin. 477 


Mittheilungen gemacht worden, welche von der Herzensgüte und dem reinen 
selbstlosen Wohlwollen meines verewigten Freundes ein erhebendes Zeugniss 
ablegen. 

Diese der Aussenwelt verborgenen Verdienste werden in dem Andenken 
der Betheiligten fortleben, während manche Zeugen der sonstigen schöpfe- 
rischen Tbätigkeit Spinola’s auch späteren Geschlechtern erhalten bleiben 
werden, so namentlich die Bauwerke, welche in den letzten Jahren vor Be- 
gion des jetzigen allgemeinen Neubaues errichtet wurden. Bei der Bearbei- 
tang der Pläue dafür und bei der Ausführung unterstützte Spinola seinen 
Freund Meblhausen in umsichtiger und thatkräftiger Weise. Es sind hier 
besonders zu nennen der Neubau für die chirurgische Nebenabtheilung, in 
welchem jetzt unsere Station für Unfallverletzte mit der medico-mechanischen 
Abtheilung untergebracht ist, ferner die beiden Pavillons der geburtshilflich- 
gynäkologischen Klinik, die Isolirpavillons der Kinderklinik, die Baracken des 
Istitats für Infektionskrankheiten und der für seine Zeit mustergiltige Neu- 
bau des Waschhauses. Andere Neueinrichtungen, bei deren Ausführung Spinola 
uns mit Rath und That zur Seite stand, werden bald verschwinden, um in den 
zukünftigen Kliniken in grösserem Umfange den modernen Anforderungen ent- 
sprechend neu zu erstehen; hierher gehören die im Laufe der letzten 13 Jahre 
errichteten Polikliniken, die zahlreichen Laboratorien, welche früher den Kli- 
niken ganz fehlten, ferner die Bibliothek der Charite. 

Die wissenschaftliche und praktische Ausbildung unserer Aerzte wurde 
wesentlich gefördert durch die vor 27 Jahren erfolgte Gründung der Gesell- 
schaft der Charit&-Aerzte, und auch hierbei hat Spinola mitgewirkt und bis 
zu seinem Tode in mustergiltiger Weise die Geschäfte des Kassenführers ver- 
seben, auch häufig in der ihm eigenen lebendigen und geistreich anregenden 
Weise formvollendete Vorträge über sociale und hygienische Verbältnisse der 
Stadt Berlia gehalten; zum Dank dafür erwählte ihn die Gesellschaft vor 
3 Jahren gelegentlich seines 25 jährigen Dienstjubiläums als Verwaltungs- 
Direktor der Charite zu ihrem Ehrenmitgliede. 

Seine für die Nachwelt bedeutsamste That ist die Mitwirkung bei den 
Vorarbeiten für den jetzt in der Ausführung begriffenen Neubau der Charite 
gewesen. Alle die früheren Neubauten und Neueinrichtungen hatten den Be- 
theiligten immer wieder vor Augen geführt, dass das erstrebte Ziel dadurch 
nicht erreicht werden könnte, sondern dass es hierzu nothwendig sei, die 
ganze Anstalt von Grund aus neu zu schaffen, entsprechend den hochgespannten 
Anforderungen an die Krankenpflege und an die heutigen Tages damit eng 
verbundenen wissenschaftlichen Arbeiten, sowie an den Unterricht. Als dann 
nach und nach der Beschluss zur That heranreifte, ergriff Spinola die neue 
Aufgabe mit gewohntem Feuereifer; und um voll zu würdigen, was die hieraus 
erwachsenden Arbeiten zu bedeuten hatten, muss man sich vergegenwärtigen, 
dass die Verhältnisse für die Ausführung des Baues ungemein schwierige waren. 
Die zuerst im Jahre 1891 ausgearbeiteten Pläne erwiesen sich als unausführbar 
in dem Maasse, dass man überhaupt längere Zeit schwankend wurde, ob es 
möglich sein würde, die Neubauten auf dem alten historischen Grundstück zu 


478 Verhandl. der Deutschen Gesellschaft für öff. Gesundheitspil. zu Berlin. 


errichten; aber zum Glück zeigte sich die Verlegung noch viel weniger durch- 
führbar, und so wurden abermals neue Pläne ausgearbeitet, die indessen immer 
wieder Aenderungen erfuhren, bis endlich Dank der vor nichts zurückweichen- 
den Thatkraft des Vorsitzenden der Baukommission, des Ministerialdirektors 
Althoff, der jetzt in der Ausführung begriffene grossartige Neubau in den 
Vorarbeiten fertig gestellt war. Es gehörte keine geringe Elasticität des 
Geistes und der Arbeitskraft dazu, immer wieder die Pläne umzuarbeiten und 
umzumodeln, aber gerade hier war ein Mann von Spinola’s beweglichem 
Geiste nnd trotz seines langen Leidens nie versagender Spannkraft ganz an 
seinem Platze, und ich möchte hier wiederholen, was ich schon an anderer 
Stelle ausgesprochen habe, dass es für mich immer zu den schönsten und 
werthvollsten Lebenserinnerungen gehören wird, mit diesem ausgezeichneten 
Manne in langjähriger täglicher gemeinsamer Arbeit gestrebt und gewirkt 
zu haben. 

Wenn er die Vollendung seiner bedeutsamsten Lebensaufgaben auch nicht 
mehr erlebte, so hat er sich doch noch daran erfreuen können, zu sehen, wie 
nach und nach die Anfänge der von ihm mit so grosser Sorgfalt vorbereiteten 
Bauwerke entstanden, und wenigstens einige derselben hat er auch vollendet 
dem Betriebe übergeben können, wie das pathologische Museum, die Küche 
und das Werkstättengebäude. 

Es war ganz natürlich, dass, nachdem Spinola sich so glänzend in sein 
neues Amt selbst eingeführt und seiner schwierigen Aufgabe vollauf gewachsen 
gezeigt hatte, ihm auch in dem wichtigsten Nebenamte seines Vorgängers die 
Nachfolge zufiel. Nach Esse’s Tode wurde er 1875 durch die Kaiserin Augusta 
zum Kurator des Augusta-Hospitals ernannt, und auch hier harrte seiner keine 
leichte Aufgabe, denn es galt, das auf Wunsch der Hochseligen Kaiserin nach 
Esse’s Angaben errichtete Hospital so, wie es geplant war, als eine Muster- 
anstalt zu erhalten, und Dank den zahlreichen Verbesserungen der inneren 
Einrichtung und mehreren Neubauten hat dies Hospital sich seinen ausgezeich- 
neten Ruf bis auf den heutigen Tag bewahrt. Die Verdienste, welche Spinola 
sich hier erwarb, sind auch von den hohen Protektorinnen und von I. K. H. 
der Frau Grossherzogin von Baden in vollem Maasse anerkannt worden. 

Aber alle diese Zeit und Arbeitskraft beanspruchenden Aemter genügten 
Spinola’s Tbätigkeitsdrange noch nicht; je mehr er durch die gerade aus 
diesen sich ergebenden vielfachen Beziehungen zu den verschiedensten Behör- 
den und einzelnen Personen und durch den Einblick in mannigfache wirth- 
schaftliche und hygienische Missstände seinen Gesichtskreis erweiterte, desto 
grösser wurde das Bedürfniss, selbst thätig helfend und bessernd mitzuwirken, 
wo es ihm möglich war. Hier sind es besonders zwei Ehrenämter gewesen. 
deren Ausübung ihm reiche Befriedigung gewährte: das Amt eines Stadtverord- 
neten und der Vorsitz in unserer Gesellschaft. 

Zum Stadtverordneten wurde er im Jahre 1881 gewählt, und es machte 
ihm die grösste Freude, dass er nach Ablauf der verschiedenen Wahlperiode 
immer wieder gewählt wurde; ganz besonders freute er sich auch über seine 
letzte Wiederwahl kurze Zeit vor seinem Tode, den er damals doch nicht so 


Verhandl. der Deutschen Gesellschaft für öff. Gesundheitspfl. zu Berlin. 479 


nahe bevorstehend ahnte, denn er sprach wiederholt seine besondere Genug- 
thuung darüber aus, dass er sich nach seinem Ausscheiden aus dem Staats- 
dienst mit um so grösserem Eifer seiner Thätigkeit als Stadtverordneter werde 
widmen können. Er war Mitglied der Armen-Deputation und der Deputationen 
für die städtischen Krankenanstalten und für Öffentliche Gesundheitspflege; 
und wie grosses Ansehen er sich allmählich zu gewinnen gewusst hat, dafür 
spricht am besten, dass er zum Vorsitzenden der konservativen Fraktion ge- 
wählt wurde. Zwei werthvolle Gaben kamen ihm hierbei zu statten: dass er 
nämlich in seltener Weise redegewandt war und seinen Worten auch durch 
eine helle klangreiche Stimme den nöthigen Nachdruck verleihen konnte, und 
dass er ein besonderes Geschick besass, die Gegensätze der oft schroff ein- 
ander widersprechenden Meinungen zu mildern; dabei wusste er aber doch 
seine eigene Ansicht immer mit grosser Schärfe und Bestimmtheit zur Geltung 
zn bringen. 

Das zweite Ehrenamt, der Vorsitz in unserer Gesellschaft, gewährte ihm 
nicht mindere Freude, und ich füge hinzu: auch uns; denn in der That war 
es eine Freude, wie er auch hier mit vornehmem Takt und sicherer Hand die 
Sitzangen leitete, die Vorträge vorbereitete, auch selbst, wie wir eben gehört 
haben, solche hielt, den Vortragenden in liebenswürdig-geistvoller Weise den 
Dank der Gesellschaft aussprach, die Debatten anregte und auch das gesellige 
Zusammensein nach den Sitzungen durch seine Anwesenheit belebte und 
förderte. 

Aber hierauf beschränkte sich die dem öffentlichen Wohle geltende Thä- 
tigkeit Spinola’s nicht; von zahlreichen Vereinen wurde er um seinen Bei- 
tritt gebeten, den er fast nie ablehnte, und in mehreren dieser Vereine war 
er Vorstandsmitglied. Ich nenne hier nur den Verein gegen den Missbrauch 
alkoholischer Getränke, die Gesellschaft der Berliner Kaffee- und Speisehallen, 
den Berliner Verein für Volksbäder, den Sanitätsverein für Lehrerinnen und 
Erzieherinnen, den Verein für Kinderheilstätten an den Seeküsten, den Berlin- 
Brandenburger Heilstättenverein für Lungenkranke, die Berliner Rettungs- 
gesellschaft. 

Seine Verdienste fanden auch äusserlich die höchste Anerkennung. 1875 
worde er Geh. Regierungsrath, und 1888 verlieh ihm Kaiser Friedrich den 
Titel Geh. Oberregierungsrath mit dem Range der Räthe II. Klasse. Seine 
Brost schmückte der Rothe Adlerorden 3. Klasse mit der Schleife, der Kronen- 
orden 2. Klasse und das Komthurkreuz des Ordens vom Zähringer Löwen. 

Wir haben den ausgezeichneten Mann in seinem amtlichen und ausser- 
amtlichen Wirken seine ganze Kraft zum allgemeinen Besten einsetzen sehen, 
aber sein Bild würde ein unvollständiges bleiben, wenn ich nicht zum Schluss 
noch auf seine persönlichen Eigenschaften näher einginge. Von schlanker 
Gestalt, mit einnehmenden, geistig belebten Gesichtszügen hatte er, wo er 
schnellen, elastischen Schrittes erschien, von vornherein etwas ungemein Ge- 
winnendes in seinem ganzen Wesen. Seine hervorragenden geistigen Aulagen, 
seine unbedingte Zuverlässigkeit und Pflichttreue waren gepaart mit einer 
Tiefe des Gemüths, welche sich bei jeder Gelegenheit in wohlthuender Weise 


480 Verhandl. der Deutschen Gesellschaft für öff. Gesundheitspfl. zu Berlin. 


kund gab. Wer so glücklich war, sich seine Freundschaft erworben zu haben, 
der konnte in jeder Beziebung mit voller Sicherheit auf ihn rechnen, und wo 
es galt Thränen zu trocknen, da war sein weiches Herz immer bereit zu helfen 
und zu lindern, aber um ibn voll zu würdigen, musste man ihn auch in seinem 
Hause sehen. In dem Glück seiner Familie fand er sein eigenes höchstes 
Glück, das aber erst dann vollkommen war, wenn er auch andere daran theil- 
nehmen lassen konnte; gern sah er seine Freunde bei sich versammelt, und 
nie verliess man sein gastliches Haus, ohne reiche Anregung des Geistes und 
Gemüths darin gefunden zu haben. Ein gütiges Geschick hatte ihm eine hoch- 
begabte Lebensgefährtin an die Seite gestellt, die ihn bei allen seinen Bestre- 
bungen in feinsinnigster Weise unterstützte, ihm die Mühen einer ausgedehnten 
Geselligkeit geschickt abnahm und ihn bis zu seinem Tode in hingebendster 
und aufopferungsvollster Weise gepflegt hat. Das hat er auf das Tiefste 
empfunden, und als sich schon Todesschatten auf seine Augen senkten und 
nur vorübergehend das Bewusstsein zurückkehrte, war sein letztes Lebens- 
zeichen dasjenige innigsten Dankes für die treue Pflege seiner Gattin, und so 
ist sein edles Leben eben so schön ausgeklungen, wie es harmonisch dahin- 
gegangen war. Ein rascher, schmerzloser Tod hat ihn vor den trüben Empfin- 
dungen bewahrt, welche ihm sein bevorstehender Rücktritt aus dem ihm lieb 
gewordenen Amte gewiss bereitet hätte; wir aber werden sein Andenken als 
dasjenige eines der besten und edelsten Menschen immerdar hochhalten. 


Verlag von August Hirschwald, Berlin N.W. — Drack von L. Schumacher in Berlin. 


Hygienische Rundschau. 


Herausgegeben 


von 
Dr. Carl Fraenkel, Dr. Max Rubner, Dr. Carl Günther, 
Prof. der Hygiene in Halle a./8. Geh. Med.-R., Prof. der Hygiene in Berlin. a. o. Professor in Berlin, 


_ Berlin, 15, Mai 1901 M 10. 


XI. Jahrgang. 


(Aus dem kgl. hygienischen Institut der Universität Berlin.) 


Zur Milzbrandinfektion des Menschen. 
Von 
Dr. Ludwig Lange, 


chem. Assistent am kgl. hygienischen Institut in Berlin. 


Wenn auch der Milzbrand des Menschen durchaus nicht zu den ganz 
seltenen Erkrankungen gehört und besonders in einzelnen Gegenden Deutsch- 
lands und bei einzelnen Gewerben geradezu als „Berufskrankheit“ angesehen 
werden kann, so dürfte es sich dennoch auch heute noch verlohnen, von jedem 
einzelnen, durch die bakteriologische Diagnose gesicherten Falle wenigstens in 
Kürze Mittheilung zu machen. 

Im Herbste vorigen Jahres wurden durch die Ortspolizeibehörde in K. in 
der Nieder-Lausitz dem hygienischen Institut zu Berlin 2 Hautstücke eines ver- 
storbenen Gerbers übermittelt und um Untersuchung darüber gebeten, ob es 
sicb um Milzbrand gehandelt habe. Herr Geh. Med.-Rath Rubner betraute 
mich mit dieser Untersuchung. 

Die beiden Hautstücke stammten vom rechten Fussrücken des am 17. Sep- 
tember 1900 zu K. verstorbenen, 40 Jahre alten Gerbers Otto Tr. Sie kamen in 
Folge einiger Irrfahrten erst am 22. September im Institute an und waren 
demnach schon 4!/, Tage alt. Auf dem grösseren, trapezfürmigen, befand 
sich ein nahezu kreisrunder, ca. 2—3 mm tiefer Substanzverlust mit einem- 
Durchmesser von 7 mm. Die Ränder waren wallartig erhaben, der Geschwürs- 
grund und die Umgebung in einem Umkreise von ca. 7 mm schwarzbraun ver- 
färbt (offenbar in Folge Anwendung eines Medikamentes), die Haut stark gerun- 
zelt, von normaler graurother Färbung. 

Das zweite, kleinere Stück zeigte stark gerunzelte Haut und liess nur noch 
schwach eine frübere Röthung erkennen. 

Beide Stücke lagen in einer trüben, duokel-rothbraunen, deutliche Zer- 
setzung zeigenden und faulig riechenden Flüssigkeit. 

Fine Krankengeschichte war nicht beigegeben, sondern nur mitgetheilt, 

34 


482 Lange, 


dass die Beschaffenheit des Geschwürs, der Beruf des Tr. und der Verlauf der 
Krankheit den Verdacht auf Milzbrand erweckt habe. 

Da in Folge der bereits eingetretenen Fäulniss sich an frischen Ausstrichen 
sowohl von der Flüssigkeit als von dem Rande des Geschwürs entnommenen 
Gewebssaftes keine bestiminte Diagnose stellen liess — es waren wohl milz- 
brandartige, nach Gram färbbare Stäbchen hier und da zu finden, daneben 
aber alle möglichen anderen Formen von Stäbchen, auch viele Kokken, keine 
Sporen oder sporenhaltige Stäbchen — so wurden alsbald von der Flūssig- 
keit Gelatine- und Agarplatten, desgleichen von Partikelchen aus dem Ge- 
schwürsrande Platten gegossen. Ausserdem wurden sofort 2 weisse Mäuse 
mit je 1 Oese Blutflüssigkeit und 2 weitere mit steril aus der Tiefe des Ge- 
schwürsrandes entnommenen Gewebsstückchen subkutan inficirt: 

Auf keiner einzigen der 12 Platten nun konnte im späteren 
Verlaufe der Untersuchung eine Milzbrand- oder auch nur milz- 
brandähnliche Kolonie gefunden werden. 

Von den 4 geimpften Mäusen starb die eine, mit Rlut inficirte (Maus 1) 
nach 46 Stunden. Bei Sektion ausser leichter Milzvergrösserung nichts Auf- 
fallendes. Im Blute und in den Organen, besonders der Milz, grosse dicke 
Stäbchen mit runden Enden, oft von Keulenform, hier und da gekrümmt, oft- 
mals in Ketten bis zu 5 Gliedern, manchmal mit Andentung einer Kapsel. 

Daneben auch ganz abenteuerlich geformte, geradezu riesige Organismen, 
wie durch dichte Vereinigung mehrerer Stäbchen entstanden, ohne deutliche 
Kapsel. Sämmtlich nach Gram färbbar. Dieser immerhin verdächtige, aber 
durchaus nicht typische und eindeutige Befund wurde erst durch weitere Züch- 
tung aus Blut und Organen der Maus vervollständigt und gesichert. Hier 
wuchsen überall typische Milzbrandkolonien auf; aus dem Herzblute 
wurden nur solche gewonnen, im Uebrigen fanden sich daneben Kurzstäbchen 
und Kokken. 

Die eine der beiden mit Geschwürspartikelchen geimpften Mäuse (Maus Ill; 
starb nach 48 Stunden. Hier besonders in Leber und Milz viele milzbrand- 
ähnliche Stäbchen, nach Gram färbbar, doch nur die wenigsten homogen 
gefärbt, die übrigen mit vielen hellen Lücken und wie „angenagt“ aussehend. 
Im Herzblute neben verdächtigen Organismen ganz feine, zarte Stäbchen, auch 
Streptokokkenketten. 

Weitere Züchtung aus Blut und Organen des Thieres: typischer Milzbrand. 

Maus IV (Tod nach ca. 55 Stunden) lässt im Ausstriche von Blut und 
Organen nur äusserst spärliche Stäbchen auffinden (in mehreren Ausstrichen 
mikroskopisch überhaupt keine Bakterien nachzuweisen). Sämmtliche ange 
legten Kulturen blieben steril. g 

Maus Il ging erst nach 14 Tagen ein; die Sektion und bakteriologische 
Untersuchung ergab Staphylokokkenseptikämie. 

Mit der aus Lebersaft von Maus I gewonnenen Reinkultur, sowie mit Rein- 
kultur aus Leber von Maus III subkutan inficirte Mäuse starben nach 48 bezw 
171/2 Stunden und boten beide das typische Bild der Milzbrandseptikämie. 

Es war demnach in unserem Falle die Diagnose Milzbrand absolut 
sichergestellt. Bemerkenswertli erscheint uns bei dem Verlaufe unserer Unter- 


Zur Milzbrandinfektion des Menschen. 483 


suchung der Umstand zu sein, dass sich auf den primären Platten keine einzige 
Milzbrandkolonie fand. Wäre also nur das Plattenverfahren angewandt worden, 
so hätte die richtige Diagnose nicht gestellt werden können. 

Unser Fall wird hierdurch zu einer neuen Stütze für die Lehre und den 
Rath, in milzbrandverdächtigen Fällen immer auch neben dem Plattenverfahren 
sofort den Thierversuch heranzuziehen. Die weissen Mäuse (und jedenfalls auch 
die Meerschweinchen) erweisen sich entschieden als das feinere und schärfere 
„Reagens“ auf Milzbrand. Als Erklärung für das negative Ergebniss des 
Plattenverfahrens in unserem speciellen Falle mag der ungünstige Umstand 
herangezogen werden, dass die Leichentheile so spät in unsere Hände kamen 
und die Milzbrandbacillen inzwischen. spontan oder hauptsächlich durch die 
übermächtige Konkurrenz der reichlich entwickelten verschiedenartigen Fäulniss- 
keime zu Grunde gingen oder so geschwächt wurden, dass die wenigen lebend 
auf die Platte gebrachten von den vielen äusserst lebenskräftigen Fäulniss- 
erregern überwuchert wurden. Andererseits liegen bei der relativen Unschäd- 
lichkeit vieler Fäulnisskeime für den thierischen Organismus, oder vielleicht 
auch dadurch, dass die mit den Milzbrandbacillen gleichzeitig eingebrachten 
Fäulnisserreger den thierischen Organismus schwächen und selbst wenig vira- 
lentem oder abgeschwächtem Milzbrand gegenüber resistenzunfähig machen, 
beim Thierversuche die Chancen für das Zustandekommen einer Anthraxinfektion 
weit günstiger. 

Von dem Arzte, welcher den Otto Tr. behandelt hatte, Herrn Dr. med. 
Karl Mann in Kirchhain, erbielt ich auf Ersuchen über die Krankengeschichte 
unseres Falles in liebenswürdigster Weise Auskunft; hierfür, sowie für die 
Mittheilung und Erlaubniss zur Veröffentlichung einiger weiterer, in epidemio- 
logischer und ätiologischer Beziehung interessanter Thatsachen und Erfahrun- 
gen, sei dem genannten Herrn Kollegen auch hier bester Dank ausgesprochen! 

Was zunächst unseren Fall betrifft, so suchte Tr. am 13. September, also 
4 Tage vor seinem Tode, den Arzt wegen eines „schlimmen Fusses“ auf. Auf 
dem rechten Fussrücken zeigte sich damals ein glatter, schwarzer Schorf von 
ta. Timm Durchmesser. Die Umgebung desselben war in einem Gesammt- 
durchmesser von etwa 2 cm wallartig erhaben und geröthet. Oedem fast des 
ganzen Dorsum pedis. Therapie: gründliche Aetzung mit Lapisstift, Bettruhe, 
vertikale Suspension des Fusses, graue Salbe auf ödematöse Hautpartie; inner- 
lich Chinin. muriatic. 0,75 pro die, Roborantien. 

Die Pustel wucherte in den nächsten Tagen über den Rand des Aetz- 
schorfes hinaus und erreichte einen Umfang von Thalergrösse. Das Oedem 
verbreitete sich allmählich bis zur Mitte des Unterschenkels, ging aber später 
wieder etwas zurück. 

Die Temperatur, vom Arzte selbst gemessen, betrug Morgens durchschnittlich 
88,5%, Abends 39,50. Puls 100—110. Am 16. September Nachmittags Anstei- 
gen auf 40,20, am 17. Vormittags starker Abfall unter die Fiebergrenze, der Puls 
warde klein und weich. Zunehmender, sichtlicher Verfall. Abends Bewusst- 
losigkeit, heftige klonische Krämpfe. Exitus. 

Die Infektion hat sich Tr., der bei seiner Arbeit stets blossfüssig in 
Holzpantoffeln ging, sicherlich dadurch zugezogen, dass bei der Bearbeitung 

34* 


484 Lange, Zur Milzbrandinfektion des Menschen. 


irgend eines milzbrandigen Schaffelles Keime in den aufgescheuerten Fuss- 
rücken gelangten. Schon 12 Tage vor seinem Tode soll er die Pustel in 
ihrem Anfange bemerkt haben. 

Herr Dr. Mann, für den die Diagnose Milzbrand auch ohne bakterio- 
logische Sicherstellung feststand — die Untersuchung in Berlin wurde auf 
Wunsch derOrtspolizeibehörde in K. vorgenommen — verfügt im Laufe einer drei- 
jährigen Praxis bereits über ein Material von 22 Milzbrandfällen! Es 
sei gestattet, hier aus den geschätzten Mittheilungen des Herrn Kollegen einige 
statistische Daten zu geben. 

Von den genannten 22 Fällen betrafen 20 männliche, 2 weibliche Personen. 
Nur 2 Patienten starben, einmal unser Tr., dann die Frau eines Gerber- 
gesellen. Was den Sitz des Karbunkels betrifft, so war in 16 Fällen das 
Gesicht, in 4 Fällen der Unterarm, einmal der Hals, einmal der rechte Fnss- 
rücken befallen. Die Dauer der Krankheit schwankte je nach der Schwere 
der Fälle zwischen 14 Tagen und 12 Wochen. À 

Was die uns vor allem interessirende Aetiologie und den Infektionsweg 
und -Modus der Fälle anlangt, so ist hervorzuheben, dass sich sämmtliche 
Fälle mit dem in Kirchhain, wo sich ca. 80 Gerbereien befinden, stark 
betriebenen Gerbereihandwerk in Verbindung bringen lassen. Von den 
männlichen Patienten waren 18 Gerber (8 Gerberlehrlinge und 10 Gerber- 
gesellen). 1 Pantoffelmacher hat sich höchst wahrscheinlich in der Ger- 
berei seines Nachbarhauses infieirt, in welchem er tagtäglich ein- und ausging, 
und wo damals gleichzeitig 3 Milzbrandfälle in Behandlung standen. Ein Auf- 
lader bei einem Spediteur hat besonders Schaffelle verladen. 

Bei der an Milzbrand gestorbenen Frau des Gerbergesellen Wilhelm K. 
hat Herr Dr. Mann die durchaus berechtigte Annahme, dass der Mann aus 
seiner gerade damals stark milzbrandverseuchten Werkstätte an seiner Klei- 
dung Milzbrandkeime mit in die Wohnung verschleppt hat, woher sich dann 
die Frau durch Kratzen im Gesicht ihren auf der linken Wange befindlichen 
Karbunkel geholt hat. Dieser Fall endete, wie schon erwähnt, letal. 

Die zweite weibliche Patientin ist die Tochter einer Gerbereibesitzerin 
und hat sich sicherlich in ihrer eigenen Gerberei inficirt. 

Wie erklärlich, lassen sich die einzelnen Fälle oft zu kleinen sogenannten 
Hausepidemien gruppiren. So treffen auf eine Gerberei kurz nacheinander, 
z. Th. gleichzeitig, 5 Fälle, und hierzu können auch noch als 6. und 7. Fall 
die genannte Frau K. und der Pantoffelmacher gerechnet werden. In einer 
zweiten Gerberei treten zusammen 4 Erkrankungsfälle auf, in 2 weiteren je 
3 Fälle, in einer fünften 2 Fälle. Die übrigen 3 Fälle waren vereinzelt; za 
ihnen zählt auch unser Fall Tr. 

Wenn auch die Diagnose Milzbrand in sämmtlichen Fällen seitens des 
Herrn Kollegen Mann nur auf Grund des makroskopischen Befundes und 
des klinischen Verlaufes gestellt ist, so liegt unseres Erachtens kein Grund 
vor, dieses von ihm gelieferte Material nicht wissenschaftlich zu verwerthen. 
Bei den in Schlesien und speciell auch in Kirchhain gegebenen örtlichen und 
industriell-socialen Verhältnissen genügt das Vorhandensein eines typischen 
Karbunkels mit typischem klinischem Verlaufe zur Begründung der Diagnose. 


Weil, Zur Schnelldiagnose der Typhusbacillen. 485 


Und auch der Schaden, der dadurch entstehen würde, dass wirklich einmal 
eine Erkrankung für Milzbrand angesehen werden könnte, die schliesslich gar 
keine specifische Erkrankung ist, erscheint nicht allzu gross; denn, je mehr 
Fälle von dieser Erkrankung an die Oeffentlichkeit, event. auch zur Kenntniss 
der Behörden kommen, umsomehr ist Aussicht vorhanden, dass diese für einen 
ganzen Industriezweig höchst bedeutungsvolle „Berufskrankheit“ durch ener- 
gischere Maassnahmen, wie obligate Desinfektion, Belehrung u. s. w., auch in 
der Praxis zu einer solchen werde, als welche sie vom theoretischen Stand- 
punkte aus schon längst gilt: zu einer vermeidbaren. 


(Aus dem staatl. hygien. Institute za Hamburg. Direktor Prof. Dr. Dunbar.) 


Zur Schnelldiagnose der Typhusbacillen. 
Vorläufige Mittheilung. 
Von 


Apotheker Dr. Richard Weil, 
Assistenten am Institut. 


Piorkowskil) empfahl zur raschen Sicherstellung der Typhusdiagnose 
die Harngelatine, da auf derselben im Gegensatz zu Bact. coli die Typhus- 
kolonien durch charakteristische Faserformen zu erkennen wären. 

Diese Angaben erregten begreiflicher Weise hohes Interesse; bei der 
Nachprüfung, die von zahlreichen Forschern, wie Unger und Portner?), 
Wittich3), Gehbauert), Herford5), Bischoff und Menzer®), G. Meyer?) 
u. A. vorgenommen wurde, zeigte es sich indessen, dass auch manchen Coli- 
arten und typhusähnlichen Bakterien die gleichen Wachsthumserscheinungen 
auf der Harngelatine zukommen, wie dem Typhuserreger. Es darf deshalb 
entgegen den Angaben Piorkowski’s lediglich aus dem charakteristischen 
Aussehen der 15—20stündigen Platteu die Typhusdiagnose nicht gestellt 
werden. Darin stimmen jedoch die Autoren überein, dass die Piorkowski- 
sche Harngelatine zur Unterscheidung der Typhuskolonien von denen der zahl- 
reichen anderen Arten der Coli-Typhusgruppe wesentliche Dienste leistet 

Bei Anerkennung dieser Vortheile ist in der Literatur auch wiederholt auf 
die Schwierigkeiten hingewiesen, welche die Bereitung und Bebrütung der 
Harngelatine verursacht, so vor Allem die Beschaffung eines nicht künstlich 
alkalisch gemachten Urins vom richtigen Alkalescenzgrade, ferner eines Ther- 
mostaten mit einer konstanten Temperatur von 21—22° C., indem über 22°C. 


1) Berliner klin. Wochenschr. 1899. S. 145. 
2) Münch. med. Wochenschr. 1899. S. 1737. 
3) Centralbl. f. Bakteriol. 1899. S. 390. 

4) Fortschr. d. Med. 1900. No. 2. 

5) Zeitschr. f. Hyg. Bd. 34. 

6) Zeitschr. f. Hyg. Bd. 35. S. 307. 

7) Centralbl. f. Bakteriol. Bd. 28. 


486 Weil, 


die Gelatine schon verflüssigt wird und unter 21° die entstandenen Kolonien 
nicht mehr typisch aussehen. 

Clemm!) äussert sich auf Grund sehr eingehender Untersuchungen über 
den Werth des Piorkowski’schen Verfahrens dahin, dass diese Methode den 
vorzüglichsten Weg zur Reinzüchtung des Typhusbacillus abgeben wird nach 
Ablösung des ungenauen Originalreceptes durch ein bestimmter fixirtes. 

Nachdem ich im Garnisonlazareth Strassburg und im hiesigen bygieni- 
schen Institute durch eigene Untersuchungen den Werth der Harngelatine und 
auch die Schwierigkeiten, die sie in der Praxis verursacht, kennen gelernt habe, 
stellte ich mir die Aufgabe, eine Vorschrift zu einem Nährboden auszuarbeiten, 
der bei gleichen Vortheilen frei sei von den Uebelständen der Harngelatioe. 

Ein Nährboden, nach folgender Vorschrift zubereitet, wird obigen Anforde- 
rungen gerecht: i - 

600 g geschälte Kartoffel werden, wie dies Holz2) bei seinem Nährboden 
angiebt, auf dem Reibeisen zerrieben und etwa 12 Stunden in einer Glas- 
schale unterhalb 15° stehen gelassen, der Saft alsdann durch ein Colirtuch 
mittels Händedruckes abgepresst. 

300g des Filtrates vermische mit 200g schwach alkalischer Bouillon?); 
hierin löse im Dampftopfe 3,75 g feinsten Agar-Agars vollständig auf; vom 
gebildeten Bodensatze filtrire ab und vertheile in Reagirceylinder. Die Sterili- 
sation erfolge bei 2 Atmosphären, sie ist nach 1 Stunde beendet. 

Dieser 0,75 proc. agarhaltige Kartoffelfleischsaft ist dunkelgelb bis dunkel- 
braun, reagirt schwach sauer und erstarrt ohne Schwierigkeiten; er hat gegen- 

‚über den übrigen zur Typhusisolirung empfohlenen Nährmedien den unver- 
kennbaren Vortheil, dass er beim Temperaturoptimum des Typhusbacillus bei 
37,50 bebrütet werden kann. 

Alle Arten der gefaserten Kolonien, wie sie der Typhusbacillus auf Pior- 
kowski’s Harngelatine bildet, sind auch auf meinem Nährboden zu beob- 
achten; dabei ist der Kartoffelfleischsaftagar zu jeder Zeit leicht und bequem 
darzustellen und nicht sehr anspruchsvoll in Bezug auf die für die Kultur zu 
verwendende Temperatur. Bei 35 wie bei 37,50 erscheinen die charakteristi- 
schen Formen; bei 36 und 37,5° sind sie schon nach 12 Stunden zu beobachten. 
Giesst man unter Benutzung meines Nährbodens Platten einer Typhus- und 
solche einer Colikultur, so wird man finden, dass namentlich die mässig 
stark) besäten Typhusplatten, in der Regel die ersten Verdünnungsplatten, 
mit 85 facher Vergrösserung betrachtet, nach 12 stündiger Bebrütung bei 36° 
die von Piorkowski beschriebenen charakteristischen Ausläufer zeigen; diese 
Kolonien sind silbergrau, glänzend und an ihrer feinfaserigen Struktur leicht 


1) Clemm, Inaug.-Diss. Giessen 1900. S. 50. 

2) Holz, Zeitschr. f. Hyg. u. Intektionskrankh. Bd. 8. S. 159. 

3) Ich verwandte Bouillon von folgender Zusammensetzung: 1000g dest.\W., 10g 
Pepton, 10 g Liebig’s Fleischextrakt, 5 g NaCl, neutralisirt mit 4 pCt. NaOH und 
alkalisirt mit 3,5 ccm einer 10 proc. Lösung von wasserfreier Soda in dest. Wasser. 

4) Die schönsten Rankenbildungen zeigten sich auf Platten, die derart besät 
waren, dass auf der Wolffhügel’schen Zählplatte in 1/9 gem etwa 16 Kolonien zu 
beobachten waren. 


Zur Schnelldiagnose der Typhusbaeillen. 487 


erkennbar. Nach Ablauf von etwa 20 Stunden verlieren sie einen Theil der 
zar Differentialdiagnose verwerthbaren Eigenschaften, indem sie einen hellgelben 
bis braungelben Ton annehmen und dadurch in der Farbe coliähnlicher werden. 

Die Kolonien der gleich alten Coliplatten sind bedeutend grösser, meist 
rand oder oval, gelbbraun, mit körniger innerer Struktur und zeigten um die 
angeführten Zeiten niemals ausgesprochene Rankenbildungen. 

Die Differenz ist genügend ausgesprochen, dass man nach geringer Uebung 
auch in der Lage sein wird, vereinzelte Typhuskolonien in Coli-Typhusgemischen 
aufzufinden. = 

Bei tieferer Einstellung erkennt man auf den 12-, längstens 20 stündigen 
Platten — in Abhängigkeit von der Höhe der Züchtungstemperatur — die 
feinfaserigen Typhuskolonien zwischen den dunkelgelben bis dunkelbraunen, 
stärker entwickelten Coliansiedelungen. 

Es empfiehlt sich, um einer Ueberschwemmung der.Platten mit Bact. coli 
vermittels des ausgepressten Kondensationswassers vorzubeugen, nach v. 
Freudenreich!) resp. Miller2) zu verfahren, was übrigens schon seit einer 
Reihe von Jahren im hiesigen Institute üblich ist, nämlich die besäten Platten 
umgekehrt im Brütschranke aufzustellen. 

Bei 6 von mir bearbeiteten Colistämmen der verschiedensten Herkunft 
entstanden auf den Kartoffel-Fleischsaftplatten nach 14—20 stündigem Be- 
brüten niemals die für Typhus charakteristischen Rankenbildungen bezw. 
das feinfaserige silbergraue Geflecht. Es muss indessen immerhin abgewartet 
werden, ob noch umfassendere Untersuchungen, als ich sie bis jetzt auszuführen 
Gelegenheit hatte, nicht doch typhusähnliche bezw. Coliarten zu Tage fördern 
werden, die im Aussehen ihrer Kolonien von dem des Typhuserregers auf meinem 
Nährboden nicht zu unterscheiden sind. 

Um mir aber Gewissheit davon zu verschaffen, dass die charakteristisch 
aussehenden Kolonien auch wirklich von Typhusbacillen gebildet waren, be- 
diente ich mich Widal’s serodiagnostischen Verfahrens. 

Es wurden typhusähnliche Kolonien, deren Lage eine Abimpfung ohne 
Berührung von Colikolonien erlaubte, in kleine Röhrchen mit etwa 0,3 ccm 
Peptonlösung abgestochen. 

Diese Röhrchen wurden zur Erzielung einer Anreicherung 1—2 Stunden 
bei 37° bebrütet und je einer Oese hiervon hochwerthiges notorisches Typhus- 
serum im Verhältniss 1:40 und 1:100 zugesetzt. Es wurde nun beobachtet, 
ob in beiden hängenden Tropfen Agglutination eintrat. 

Vergleichsweise wurde 1 Oese der Peptonlösung allein und 1 Oese der- 
selben nach Zusatz von Menschenblutserum im Verhältniss 1:5 beobachtet. 
In beiden durfte jm Gegensatz zu den beiden ersten Präparaten keinerlei 
Häofchenbildung auftreten. 

In der Regel wird man im Stande sein, mit Hilfe meines Nährbodens 
und der Widal’schen Reaktion längstens 22 Stunden nach Beginn der Unter- 
suchung die Diagnose zu stellen. 


1) Centralbl. f. Bakteriol. B. 15. S. 643. 
2) Ebenda. S. 895. 


488 Weil, Zur Schnelldiagnose der T’yphusbacillen. 


In zweifelhaften. Fällen können die Peptonanreicherungen ja stets zur 
Prüfung der übrigen biologischen Merkmale des Typhusbacillus Verwendung 
finden. 

Bei Befolg obigen Untersuchungsganges konnte ich aus zahlreichen Coli- 
Typhusgemischen, aus Fäces, die künstlich mit Typhusbacillen iufieirt wurden, 
aus einer unter Typhusverdacht eingelieferten Stuhlprobe Typhusbacillen iso- 
liren und als solche identificiren. Bei Verwendung von Nährgelatine gelang 
mir dies bei weitem nicht in gleichem Maasse. 

Das oben Gesagte gilt zunächst zur Isolirung der Typhusbacillen aus 
klinischem Material, wie Fäces, Urin u. s. w. 

Aus Wasser, das mit minimalen Mengen von Typhusbacillen inficirt war, 
gelang mir die Wiedergewinnung in folgender Weise: 

Das Wasser diente, nachdem ihm die von Wasbutzkit) empfohlenen 
Nährstoffe zugefügt waren, selbst als Nährboden. Nach den Angaben Thoi not’s?) 
setzte ich direkt zu dem so angereicherten Wasser Karbolsäure hinzu, und zwar 
0,05 pCt., welche Menge, wie Dunbar?) feststellte, den Erfolg hat, die ver- 
flüssigenden Wasserbakterien in ihrer Entwickelung zu hemmen, ohne indess 
den Typhusbacillus zu schädigen, was auch von Lösenert) bestätigt wurde. 

Nach Angaben der meisten Autoren sind derartige Vorkulturen direkt 
verwerflich, da, sobald man nach 24 stündiger Bebrütung daraus Gelatineplatten 
anlegt, auf denselben in der Regel nur Bact. coli comm. oder äbnliche Arten 
zur Entwickelung gelangen. 

Ich habe indessen beı meinen Untersuchungen den Eindruck gewonnen, 
dass eine Vorkultur obiger Zusammensetzung nicht unbeträchtliche Vortheile 
bietet. Man darf sie allerdings nicht 24 Stunden bei 37° bebrüten, sondern 
höchstens 3 Stunden lang; wie ich quantitativ feststellte, vermehrt sith inner- 
halb dieser Zeit der Typhusbacillus ganz ausserordentlich, natürlich auch sein 
stärkerer Rivale, das Bact. coli, während der geringe Karbolsäuregehalt ge 
nügt, um zahlreiche Arten der Wasserbakterien abzutödten bezw. in ihrer Ent- 
wickelung auf länger als 3 Stunden zu hemmen, sodass wenigstens diesen 
gegenüber der Typhusbacillus im Vortheil sich befindet. 

In praxi gestaltete sich das Verfahren folgendermaassen: Es wurden zu- 
dächst direkt mit dem inficirten Wasser Kartoffelfleischsaftplatten angelegt: 
das dann folgende Bebrüten bei 370° ist bekanntlich an und für sich schon 
für manche Organismen des Wassers nicht zuträglich. Gleichzeitig wurde eine 
Vorkultur angelegt mit 

89 cem des Wassers 
gleiche Theile 
10 proc. NaCl-Lösung 
10 ,„  Peptonlösung 
10 „  Giukoselösung 
1 ccm Sol. acid. carbol. liquef. 1:20 


10 ccm Anreicherung 


1) Centralbl. f. Bakteriol. Bd. 18. S. 526. 

2) Gaz. des höpitaux. 1887. p. 348. 

3) Zeitschr. f. Hyg. u. Infektionskrankh. Bd. 12. S. 507. 
4) Arb. a. d. Kais. Ges.-A. Bd. 11. S. 234. 


Infektionskrankheiten. 489 


Dieselbe wurde im Thermostaten von 37° bis zu 3 Stunden bebrütet; in 
halbstündigen Zwischenräumen wurden aus dieser Vorkultur Kartoffelfleisch- 
saftplatten angelegt. 

Es gelang mir auf diese Weise auch in solchen Fällen Typhusbacillen 
aufzufinden, wo die direkte Aussaat versagte. 

Ich glaube meine bis jetzt mit dem Kartoffelfleischsaftagar erzielten Resul- 
tate dahin zusammenfassen zu dürfen, dass derselbe in gleicher Weise wie die 
Harngelatine auf Typhusoberflächen- wie Tiefenkolonien aufmerksam macht; 
der Harogelatine gegenüber besitzt er, abgesehen von der bequemen Dar- 
stellung, den erheblichen Vortheil der Möglichkeit einer Bebrütung bei 37°. 

Zweck obiger Zeilen ist, den Herren Fachgenossen Gelegenheit zur Nach- 
prüfung der Methode zu geben, die, wie ich nicht verhehle, einer noch ein- 
gehenderen Prüfung bedarf, als ich ihr zu Theil werden lassen konnte. Ins- 
besondere fehlte mir die Gelegenheit, inficirte Wasserproben, wie sie in der 
Natur vorkommen, wie auch eine grössere Anzahl Stühle von Typhuskranken 
zu untersuchen. 


Baumgarten, Der gegenwärtige Stand der Bakteriologie. Berliner klin. 
Wochenschr. 1900. No. 27 u. 28. S. 585 ff. 

In einer sehr lesenswerthen Abhandlung giebt Verf. einen Teberblick über 
die heutige Bakteriologie, deren wichtigster Theil, die Heilung der Krank- 
heiten, naturgemäss immer mehr in den Vordergrund des bakteriologischen 
Interesses tritt. Diesem Abschnitt wurde denn auch ein breiterer Raum ge- 
widmet, nachdem die morphologischen und biologischen Ergebnisse der bis- 
herigen Forschung genügend gekennzeichnet waren. Die Stoffwechselprodukte 
der Bakterien und deren Verhältniss zur thierischen Zelle, insbesondere Toxine 
und Antitoxine, Giftimmunität und Bakterienimmunität, Bakterien und Pha- 
gocytose, das Wesen der Agglutination und vor allem die Grundlagen der 
Seitenkettenlehre werden einer eingehenden Besprechung unterzogen und ihrer 
Bedeutung gewürdigt. Aus der Fülle des fast erdrückenden Materials hat 
Verf. in objektiver Darstellungsweise alles das herausgehoben, was für weitere 
Kreise wisseuswerth erscheint, und so diesen schwierigen Stoff dem Leser ver- 
ständlich vor Augen geführt. 

Es ist nicht möglich, alle Einzelheiten an dieser Stelle wiederzugeben, 
und es muss deshalb auf die interessante Abhandlung selbst verwiesen werden. 

R. O. Neumann (Kiel). 


Hobbs et Denier, Etude expérimentale sur le ròle antiseptique des 
essences vis à vis du streptocoque. Ann. d’hyg. publique et de méd. 
légale. 3. Série. Tome 44. No. 1. 1900. p. 39. 

Die ätherischen Oele finden (soweit dem Ref. bekannt, auf R. Koch’s 
Empfehlung) bei der Bekämpfung der Mischinfektionen der Lungentuber- 
kulose häufig Anwendung. Die Verff. glauben den experimentellen Nach- 
weis erbracht zu haben, dass jene Substanzen hierzu thatsächlich geeignet 
sind, weil sie auf die Streptokokken nachtheilig wirken. Sie setzten frisch 

35 


490 Infektionskrankheiten. 


augelegte Kulturen bezw. Aussaaten eines für Kaninchen mässig virulenten 
Streptokokkus aus Marmorek’s Zucht den Dämpfen oder auch der Benetzung 
einer Mischung von je 5 g Eukalyptus-, Zimmt- und Thymianöl; 2 g Menthol 
und 83 g Olivenöl aus. Die Dämpfe hemmten die Entwickelung der Strepto- 
kokken, störten die Kettenbilduug der letzteren und schwächten ihre Virulenz 
derart ab, dass sie Kaninchen nicht mehr zu tödten vermochten. Durch die 
Benetzung mit den Oelen wurde die Entwickelung der Kultur nahezu und ihre 
Virulenz für Kaninchen vollkommen aufgehoben. Die Verff. sehen daber in 
intratrachealen Einspritzungen ihrer Mischung ein ausgezeichnetes Mittel, um 
die gefürchtete Streptokokkeninfektion bei Tuberkulösen zu bekämpfen. 
Kübler (Berlin). 


Beck M., Experimentelle Beiträge zur Untersuchung über die 
Marktmilch. Deutsche Vierteljahrsschr. f. öffentl. Gesundheitspfl. Bd. 32. 
S. 430. 

Im Gegensatz zu Ostertag nimmt Beck auf Grund der vorliegenden 
Untersuchungen an, dass sowohl bei beginnender Tuberkulose obne nach- 
weisbare Erkrankung des Euters als auch bei latenter, nur durch Tuberkulin- 
reaktion angezeigter Tuberkulose die Milch Tuberkelbacillen enthalten 
kann, und dass deshalb jede Milch von auf Tuberkulin reagirenden Kühen 
als tuberkuloseverdächtig bezeichnet werden muss. Dem entsprechend hält 
Beck die Tuberkulinprobe für die wichtigste Maassnabme zur Gewinnung einer 
tuberkelbacillenfreien Milch. 

Die eigenen, im Institut für Infektionskrankheiten in Berlin ausgeführten 
Untersuchungen des Verf.’s von Milchproben, und zwar sowohl von Markt- 
milch wie von sogenannter Kindermilch, erstreckten sich einmal auf die Ver- 
unreinigung mit pathogenen Bakterienkeimen, vorzugsweise mit Tuberkelbacillen, 
zweitens auf die Frage, ob die Vernichtung dieser Keime, besonders der 
Tuberkelbacillen, durch ein einmaliges Aufwallen der Milch allein schon mög- 
lich, oder ob ein längeres Kochen nothwendig ist, und drittens, welches der 
im Haushalt gebräuchlichen Geschirre sich am besten zum Kochen der Milch 
eignet. Die Untersuchungen des Verf.'s ergaben, dass von den 56 untersuchten 
Proben von Berliner Marktmilch 17 Proben = 30,3 pCt. Tuberkelbacillen und 
15 Proben = 27,0 pCt. säurefeste Stäbchen (Koch) enthielten, und dass ausser- 
dem in 34 Proben — 62,3 pCt. Streptokokken gefunden wurden. Frei von 
pathogenen Keimen waren im Ganzen nur 12 Proben — 21,4 pCt. Die Ergeb- 
nisse bezüglich des Vorkommens der Tuberkelbacillen in der Marktmilch 
stimmen im Allgemeinen mit den Untersuchungsergebnissen von L. Rabino- 
witsch überein. Besonders wichtig ist der häufige Befund von Streptokokken 
in der Marktmilch, auf deren mögliche Beziehungen zur Sommerdiarrhoe der 
Kinder der Verf. hinweist. 

Bezüglich des zweiten Punktes geht aus den Untersuchungen des Verf.s 
hervor, dass ein einmaliges Aufwallen der Milch wohl zum Vernichten der 
Streptokokken, nicht aber zur Abtödtung der Tuberkelbacillen genügt, dass 
diese aber bei einem 3 Minuten langen Aufkochen ebenso zu Grunde gehen, wie 
die sonstigen in der Milch enthaltenen pathogenen Keime. 


Infektionskrankheiten. 491 


Als zum Kochen der Milch geeignetste Kochgeräthe erwiesen sich irdene 
Geschirre. Roth (Potsdam). 


Adami M. A., On the significance of bovine tuberculosis and its 
eradication and prevention in Canada. The Philadelphia medical 
journal. Dec. 1899. 

Die voliegende Schrift entbält einen Vortrag, den Adami im August 
1899 vor der Kanadischen medicinischen Gesellschaft gehalten hat. Er be- 
handelt darin die Fragen, ob Tuberkulose beim Rind eine solche Quelle 
der Gefabr für andere Rinder ist, dass deren Wohlbefinden und ein Verlust 
für den Besitzer dadurch ernstlich in Frage kommt. Ob weiter, wenn die 
Krankheit von Thier zu Thier ansteckend ist, sie es auch vom Thier zum 
Menschen ist und dadurch eine bedeutende Quelle der Gefahr für die mensch- 
liche Gesellschaft bildet. Und endlich, welches — wenn die vorige Frage 
bejaht wird — die gewöhnlichsten Wege der Infektion sind, und wie der Ge- 
fahr der Ansteckung zu begegnen ist. Die erste Frage beantwortet Verf. nach 
allgemeiner Erfahrung und auf Grund der Thatsache, dass in den öffentlichen 
Schlachthäusern der Procentsatz der tuberkulös befundenen Thiere von Jahr 
m Jahr grösser wird, mit ja. Obgleich der den Viehbesitzern durch die Tu- 
berkulose erwachsende Verlust auch nicht annähernd geschätzt werden kann, 
so bält ihn A. doch für sehr hoch und weist darauf hin, dass Prof. Wright 
den jährlichen Verlust für Schottland, dessen Viehstand doch nur ein relativ 
kleiner ist, bereits im Jahre 1898 auf Lstr. 440 000 (8,800000 Mk.), obne Verlust 
an Milch und Butter, berechnet hat. Um die Krankheit auszurotten oder 
deren Verbreitung wenigstens zu vermindern — und damit wird auch gleich 
ein Theil der dritten Frage beantwortet — wird empfohlen, importirtes Vieh 
einer Quarantäne von 6 Wochen Dauer zu unterwerfen und dann der Tuber- 
kulinprobe zu unterziehen, einheimisches Vieh aber nach Bang’schem System 
zu behandeln. Die erstere Maassregel erscheint nothwendig, um betrügerischen 
Verkäufern zu begegnen, da nach einer positiven Tuberkulinprobe jede weitere 
innerhalb wenigstens 30 Tagen versagt. Das Bang’sche System besteht in 
absoluter Absonderung auf Tuberkulin reagirenden Viehs von nicht reagiren- 
dem und Ueberführung neugeborener Kälber in die gesunden Bestände, da 
solche Kälber niemals tuberkulös sind. 

Bei Beantwortung der zweiten Frage bespricht A. die viel erörterte Frage der 
Identität der Tuberkelbacillen des Menschen und des Rindes. Obgleich er ihre 
morphologische und kulturelle Verschiedenheit anerkennt, so nimmt er diese 
doch nur als eine Folge verschiedener Kultur im lebenden Körper verschiedener 
Species an und beruft sich auf die Beobachtung von Nocard und Roux, die 
Tuberkelbacillen vom Menschen, gegen welche Vögel sonst ganz immun sind, 
in Kollodiumsäckchen eingebettet in die Bauchhöble von Vögeln brachten. Hier, 
von der Einwirkung der Zellentbätigkeit ausgeschlossen, aber in dem das Kollo- 
dium durchdringenden Gewebssaft, nahmen diese Bacillen vollständig die Eigen- 
schaften der Tuberkelbacillen der Vögel an und erzeugten Tuberkulose bei den 
Versuchsthieren. Für einen weiteren Beweis der Identität hält er die That- 
sache, dass bei einem grossen Procentsatz jugendlicher, an Tuberkulose gestor- 

35* 


492 Infektionskrankheiten. 


bener Personen, bei denen Milch einen Haupttbeil der Nahrung ausmacht, der 
Darmkanal als ursprünglich inficirte Stelle anerkannt werden muss. Augen- 
scheinlich hat Adami die Beobachtungen noch nicht gekannt, die bezüglich 
des Kriechens der Kinder gemacht sind, und die die Annahme nicht aus- 
schliessen lassen, dass eine Infektion des Magendarmkanals vermittels der auf 
dem Fussboden verunreinigten Hände erfolgen kann. 

Hinsichtlich der dritten Frage ist A. der ja allgemein getheilten Meinung, 
dass das Fleisch tuberkulöser Thiere als ungefährlich zu betrachten ist, da 
nur im Fleisch von Thieren, die an generalisirter Tuberkulose leiden, zu- 
weilen Tuberkelbacillen gefunden werden. Solches Fleisch, glaubt er aber, 
sei in Folge seiner ganzen Beschaffenheit schon an und für sich vom Gebrauch 
als Nahrungsmittel ausgeschlossen. (Ref. hat als Gerichtsarzt erst kürzlich 
einen Fall zu begutachten gehabt, in dem solches, allerdings per nefas ver- 
kauftes Fleisch gegessen wurde). Dagegen ist er bei den Untersuchungen, 
die er als Chef der Untersuchungsstation Outremont an 10 tuberkulösen Kühen 
gemacht hat, zu der Ueberzeugung gekommen, dass in der Milch solcher Kühe, 
auch wenn die Euter ganz gesund sind, je nach dem Grad der Erkrankung 
mehr oder weniger zahlreiche Tuberkelbacillen vorhanden sind, dass aber auch 
zuweilen ohne erkennbaren Grund bei Thieren mit sehr geringer Erkrankung 
die Milch überaus viele Tuberkelbacillen enthält. Er hat ferner gefunden, 
dass Milch mit wenigen Bacillen vom jungen Kalb zwar Monate lang ohne 
Schädigung getrunken werden kann, und dass auch durch Einspritzung solcher 
Milch in die Bauchhöhle von Meerschweinchen und Kaninchen nur selten eine 
Infektion erfolgt, dass aber die Einspritzungen von Milch mit reichlichen 
Bacillen fast stets tödtlich verlaufende Infektionen zur Folge haben. 

Jacobson (Berlin). 


Prettner, Beitrag zur Rassenimmunität. Centralbl. f. Bakteriol. Bd. 27. 
No. 22/23. S. 791. 

Unter 3912 Schlachtungen von Büffeln im Centralschlachthause zu Prag 
waren die einzigen pathologischen Befunde Echinokokken (426 mal), Di- 
stomen (selten), Sarkosporidien im Oesophagus (fast regelmässig) und Aktino- 
mykose (2 mal). Tuberkulose wurde niemals beobachtet. Um die Angabe 
einiger Autoren zu prüfen, dass die Büffel für letztere Krankheit dennoch emp- 
fänglich seien, inficirte Verf. 2 Büffelkälber mit Tuberkelbacillen. Das 
eine wurde in einem kleinen dunstigen Stall mit der Milch verschiedener, z.Th. 
stark tuberkulöser Kühe aufgezogen und weiterhin auf dem Lande ebenfalls 
nur kümmerlich ernährt. Es litt in dem ersten Monate der Aufzucht an hart- 
näckigem Durchfall und war bei Beginn des Versuches stark heruntergekomnien. 
Zu seiner Infektion wurde eine ganze Agar- und eine ganze Bouillonkultur von 
Meerschweinchentuberkulose verwendet; nachdem beide Kulturen gemischt waren, 
erhielt das Thier 5 g davon intravenös, den Rest von 20 g intraperitoneal 
eingeimpft. Als Kontrolthiere dienten ein polnisches, gut genährtes Kalb, 
welches nur die Hälfte der vorbezeichneten Dosis in der gleichen Weise ein- 
geimpft erhielt, und einige Meerschweinchen. Bei allen Kontrolthieren ent- 
wickelte sich allgemeine Tuberkulose, wohingegen das Büffelkalb nur an der Ein- 


Infektionskrankheiten. 493 


impfungsstelle einen bolınengrossen käsigen Herd aufwies, im übrigen bei der 
5 Wochen nach der Infektion vorgenommenen Schlachtung sich ganz gesund 
zeigte und sogar in dieser Zeit i4 kg an Gewicht zugenommen hatte. Auch 
in dem zweiten Versuch, welcher wegen des Ausbruchs der Maul- und Klauen- 
seuche vorzeitig abgebrochen werden musste, kam es bei dem betreffenden 
Büfelkalb nicht zur Entwickelung der Tuberkulose. Verf. beabsichtigt, zu 
weiteren Versuchen Tuberkulosekulturen zu verwenden, welche vom Rinde ge- 
wonnen sind. Kübler (Berlin). 


Baginsky A., Einrichtung von Heilstätten für tuberkulöse Kinder. 
Münch. med. Wochenschr. 1900. No. 33. S. 1128. 

Die in vorliegender Arbeit niedergelegten Betrachtungen, welche auf dem 
Tuberkulosekongress in Neapel der Oeffentlichkeit übergeben wurden, führten 
zu dem Ergebniss, dass es aus verschiedenen Gründen absolut nothwendig und 
erspriesslich sei, nicht nur für Männer und Frauen, sondern auch besonders 
für Kinder geeignete Tuberkuloseheilstätten einzurichten. Die Gründe 
bierfür lassen sich bereits aus der Physiologie und Pathologie des Kindes- 
alters ableiten, liegen aber auch besonders in den eigenthümlichen Gewohn- 
heiten und der Lebensart der Kinder. Nicht zum Mindesten spricht aber auch 
das ethische Gefühl dafür, Kinder von Erwachsenen getrennt zu behandeln. 
Es muss ja endlich auch dem kindlichen Organismus in der Therapie ganz 
anders gedient werden, als den Erwachsenen. 

Die Mortalität der an Tuberkulose leidenden Kinder ist sehr gross. Sie 
betrug z. B. unter 933 Kindern 543, wovon die meisten an Miliartuberkulose 
eingingen. 

Betrachtet man die Statistik der Krankheits- und Todesfälle, so fällt am 
meisten auf: 1. die relativ grosse Anzahl von Besserungen resp. Heilungen 
in der Altersstufe von 4—14 Jahren, besonders zwischen 10—14 Jahren. 
2. Das Leberwiegen der Lungentuberkulose über der Darmtuberkulose. Es 
lässt sich aus diesen Erfahrungen ableiten, in welcher Weise die bisberigen 
Heilstätten und Seehospize dem eventuellen Heilungsprocess Rechnung getragen 
haben, und wie neu zu gründende Heilstätten einzurichten wären. 

Verf. hält es daher für Kinder wie für Erwachsene, welche au Lungen- 
tuberkulose leiden, in erster Linie für geboten, die Heilstätten in ruhiger, 
staubfreier, waldgeschützter Gegend unter Vermeidung von 
starkem Wind und lungenreizenden Beimischungen der Atmo- 
sphäre zu bauen. Dem Pavillonsystem giebt er den Vorzug und empfiehlt 
für 200 Kranke: 3 Pavillons a 20 Betten für Kinder von 5—10 Jahren; 
3a 20 Betten für 10—14 jährige Knaben, ebensoviel für 10—14 jährige Mädchen. 
Ein getheilter Pavillon mit je 10 Betten für 16—17 jährige Knaben und eben- 
soviel für 16— 17 jährige Mädchen. Der Raum für ein Kind inklusive Lager- 
stätte solle auf 32 cbm bemessen werden. 

Ohne auf die zahlreichen Einzelvorschläge eingehen zu können, soll nur 
noch erwähnt werden, dass auf die Regsamkeit und Lebendigkeit der 
Rinder durch Anlage von Gärten und grasbewachsenen Spielplätzen Be- 
dacht genommen werden muss, dass man die Abhärtung und Stählung 


494 Infektionskrankheiten. 


gegenüber den klimatischen Einffüssen im Auge behält, und dass für die 
rationelle Ernährung der Kranken gesorgt werden muss. Nicht zu ver- 
gessen sei bei einem Hospiz, welches die Kinder Monate und Jahre beberbergt, 
die Einrichtung von Schulen, welche mit allen hygienischen Vortheilen aus- 
gerüstet sind, und in denen der Unterricht sachgemäss ohne Ueberanstrengung 
der Kinder ertheilt werden kann. Dass auch hier für gute Luft, genügendes 
Licht und ausgiebige Bewegung gesorgt sein muss, ist selbstverständlich. 
R. O. Neumann (Kiel). 


Schoedel, Joh., I. Bacilläre Magendiphtherie. Diphtheriebacillen im 
Magen und Darminhalt und in den Dejektionen. H. Der Joos- 
sche Serumagar als Nährboden für Diphtheriebacillen. Münch. 
med. Wochenschr. 1900. No. 26. S. 895. 

I. Gelegentlich der Sektion eines an Diphtheria faucium gestorbenen 
Kindes, welches nebenbei diarrhoische Stühle gehabt hatte, ergab sich bei der 
Besichtigung des Magens die Anwesenheit eines missfarbigen, kroupös-diph- 
theritischen Belages, aus welchem auf Löfflerserum echte virulente Diphtherie- 
bacillen gezüchtet werden konnten. 

Dasselbe glückte auch in einem anderen Falle aus dem Darm, wo eine 
Enteritis follicularis bei der Sektion konstatirt wurde. Selbst in den Faeces 
konnten unter acht Fällen einmal Diphtheriebacillen nachgewiesen werden. 

Verf. glaubt nicht, dass die Gefahr der Diphtherieverschleppung durch 
die Faeces eine so grosse wie bei Cholera und Typhus sei, immerhin solle 
dieselbe nach solchen Befunden im Auge behalten werden. 

II. Ueber die Verwerthbarkeit des Joos’schen Diphtherienährbodens 
lässt sich nach den vergleichenden Untersuchungen des Verf.'s sagen, dass — 
sobald es auf Schnelligkeit der Diagnose ankommt — der Löffler’sche Nähr- 
boden unstreitig der beste ist. Auch die Herstellung des letzteren ist nicht 
schwieriger. Der Joos’sche Nährboden hat den Vorzug der Durchsichtigkeit 
und ist deshalb für Beobachtungen kultureller Art, bei Fortzüchtungen, Ver- 
gleichen mit Vortheil zu benutzen. Streptokokken gedeihen wenig auf Joos- 
schem Substrat, das Wachsthum ist aber nicht, wie Joos behauptet, ganz auf- 
gehoben. R. O. Neumann (Kiel). 


Baginsky A. und Sommerfeld, Ueber einen konstanten Bakterienbefund 
bei Scharlach. Berliner klin. Wochenschrift. 1900. No. 27. S. 588 ff. 

Verff. nahmen Gelegenheit, bei einer Scharlachepidemie eine grosse 
Reihe von bakteriologischen Untersuchungen anzustellen, bei denen sie stets 
Streptokokken vorfanden. In 62 untersuchten Fällen erhielten sie da, wo 
der Krankheitsprocess rasch verlief, wie auch da, wo später Sekundärerschei- 
nungen auftraten, 4mal Streptokokken in Reinkultur, 29 mal Strepto- 
kokken und Staphylokokken, 29mal Streptokokken gemischt mit 30- 
deren Kokken und in einzelnen wenigen Fällen Leptothrix und Hefe. 
Es wurde 42mal das Blut von Leichen aus dem Herzen, Knochenmark, Lunge, 
Milz, Leber, Niere, Mesenterialdrüsen, Bronchialdrüsen mit dem gleichen Or- 
ganismus infieirt gefunden, dessen Eigenschaften von den bekannten Merk- 


Infektionskrankheiten. 495 


malen nicht abwichen. Die Virulenz war eine wechselnde, in Bouillonkulturen 
nahm sie rasch ab, in Gelatinekulturen blieb sie 4—5 Wochen lang konstant. 
Durch Thierpassagen liess sie sich leicht steigern, sodass 0,001 ccm genügte, 
um 1000 g Kaninchen in 2 Tagen zu tödten. 

Agglutinationsversuche mit Blut von Scharlachkranken hatten keinen Er- 
folg. Filtrirte Streptokokkenbouillon zeigte sich stark giftig, auch nach dem 
Kochen. 

Auf Grund dieser Ergebnisse kommen die Verff. zu dem Schluss, dass 
die Konstanz der Anwesenheit des Streptokokkus bei den an Scharlach Ver- 
storbenen denselben für den Scharlachprocess „bedeutsam“ macht, lassen 
es jedoch noch, wenn auch die gesammten klinischen Erscheinungen des 
Scharlachs sich aus der Verbreitung in den Organen und der Giftigkeit seiner 
Stoffwechselprodukte ableiten lässt, dahingestellt, ob der Streptokokkus als 
Erreger dieser Krankheit anzusehen ist. R. O. Neumann (Kiel). 


Schattenfroh und Grassberger, Ueber Buttersäurebacillen uud ihre Be- 
ziehungen zu der Gasphlegmone. Münchener med. Wochenschr. 1900. 
No. 30. S. 1032. 

Bekanntlich haben die Verff. bei einer ausgedehnten Untersuchung über 
Buttersäuregährung zwei sporentragende anaërobe Stäbchen gefunden, das 
eine beweglich, das andere unbeweglich, welchen beiden in der Hauptsache 
die Bildung’ der Buttersäure zukommt. Dabei bewiesen sie gleichzeitig die 
Nichtexistenz des Bacillus butyricus Botkin und zeigten, dass. eine Reihe 
ähnlicher Organismen, wie Amylobacter von Gruber, Granulobacter 
von Beyerinck und der Klecki’sche Bacillus mit ihrem „Granulobacter“ 
viele Aehnlichkeit hatten. 

Beim Studium der pathogenen Processe stiessen die Autoren auf einen 
von E. Fränkel gefundenen und später von Ritschmann und Lindenthal 
genauer untersuchten „Erreger der Gasphlegmone“, ein ebenfalls anaërobes 
Stäbchen, welches für Meerschweinchen nnd Sperlinge pathogen war. Sie 
fanden beim Vergleich eine Reihe Eigenschaften durchaus übereinstimmend, 
bis auf die Sporenbildung, die bei Fränkel’s Bacillus nicht sicher erschien; 
dann sollte der Fränkel’sche Bacillus kein Gas in der Milch bilden, und 
drittens sollte derselbe pathogen sein, während der Granulobacillus von Sch. 
und G. für Kaninchen nicht pathogen war. 

Es gelang nun den Verff. bei weiterer Nachforschung unter 8 neuisolirten 
Stämmen des Buttersäurebacillus einen aus der Erde zu isoliren, der beim Ka- 
ninchen typische Gasphlegmone hervorbrachte und in 20 Stunden das Thier 
tödtete. Sie halten, da die Gasbildung in Milch und die Sporenbildung beim 
Fränkel’schen Bacillus nach ihrer Ansicht als sicher anzunehmen ist, ihren 
Granulobaeillus mit dem Fränkel’schen Gasphlegmoneerreger für identisch. 

Am Schluss ihrer Arbeit wenden sich Verff. gegen die Ausführungen von 
Klein, dessen Untersuchungen über den Bacillus enteritidis sporogenes, 
welcher in gewisser Beziehung mit den Gasphlegmonen in Beziehung steht, 
sie nicht als einwandsfrei anerkennen können. Dasselbe wird auch gegen eine 
Arbeit über anaërobe Bakterien von v. Hibler geltend gemacht. 

R. O. Neumann (Kiel.) 


496 Infektionskrankheiten. 


Clemens A., Die diesjährige Influenzaepidemie in Freiburg i. B. 
Münch. med. Wochenschr. 1900. No. 27. S. 925 ff. 

Nach einer einheitlichen Betrachtung über das Wesen der Influenza- 
erkrankungen und die Heftigkeit des Auftretens in den vorausgegangenen 
früheren Epidemien bespricht Verf. die diesjährige kleinere Epidemie, 
während welcher 95 Fälle bakteriologisch untersucht wurden. Merkwürdiger 
Weise fand er nur in 12 Fällen (also 12,6 pCt.) Infuenzabakterien, ähnlich 
wie ihm aus Berlin berichtet wurde, wo ebenfalls nur bei ca. 10 pCt. der 
Kranken der Erreger gefunden wurde. Es müssen also die Erreger an Orten 
lokalisirt sein, wo sie nicht leicht aufgefunden werden, oder sie müssen oft 
nur kurze Zeit lokalisirt sein. 

Der Ueberblick über alle stattgehabten Epidemien zeigt, dass alle 4 in 
die gleiche Jahreszeit und zwar vom December bis April fallen; weiter ist 
ersichtlich, dass in der Intensität des Auftretens der Krankheit eine Abnahme 
zu verzeichnen war. Die Zahl der Hausinfektionen betrugen in der grossen 
Pandemie trotz der kurzen Dauer 46, in der Epidemie 1893— 1894 noch 42, 
in der diesjährigen nur noch 8. Auch die einzelnen Fälle traten weniger 
schwer auf. Während früber die Krankheit die Menschen plötzlich befiel, 
kamen jetzt die Symptome langsamer zum Vorschein; die rein toxischen, 
gastrointestinalen und nervösen fehlten diesmal völlig. Es ist wohl nicht 
unwahrscheinlich, dass bei den späteren Epidemien nicht mehr so viel Leute 
empfänglich sind und eine vielleicht lange dauernde Immunität zurückge- 
blieben ist. R. O. Neumann (Kiel). 


Norris, Charles and John H. Larkin, Two cases of necrotic broncho- 
pneumonia with streptothrix. The Journ. of experim. med. Vol 5. 
1900. p. 158. $ 

Wer mit der Kenntniss der Ergebnisse der bakteriologischen Forschungen und 
der von diesen ausgehenden Nomenklatur etwas im Rückstand geblieben ist, dürfte 
leicht auf den Gedanken kommen, dass die Verff. über Bronchopneumonien 
berichten, die einer bisher ganz unbekannten, oder wenigstens als Krankheits- 
erreger unbekannten Pilzart zuzuschreiben sind. Thatsächlich handelt es sich 
aber um Erkrankungen, die durch den Strahlenpilz verursacht sind. Ob- 
gleich diese Krankheitsformen nicht allzu häufig sind, oder wenigstens als 
solche nur selten erkannt werden, so ist doch eine hinreichende Anzahl der- 
selben so ausführlich beschrieben, dass es erübrigt, im Rahmen eines Referats 
eine eingehende Beschreibung des klinischen Verlaufes oder der pathologisch- 
anatomischen Veränderungen oder des bakteriologischen Befundes und des Er- 
gebnisses der bakteriologischen Untersuchungen, die die Verff. ausführlich 
besprechen, wiederzugeben. Noch weniger aber lässt sich hier die auch von 
ihnen erörterte Frage lösen, ob der Strahlenpilz des Rindes mit dem des 

Menschen identisch ist, ob die Endkolben Conidien oder Involutionsformen 

sind u. s. w. Jedenfalls schliessen die Verf. selbst mit dem Zugeständniss, 

dass die von ihnen gefundene Streptothrix, wenn nicht identisch, so doch 
nahe verwandt mit der Streptothrix Israeli ist. 
Jacobson (Berlin). 


Infektionskrankheiten. 497 


Davids, Ueber die sogenannte Actinomycosis musculorum suis. Aus 
den pathologischen Institut der Universität Giessen. Zeitschr. f. Fleisch- u. 
Milchhyg. Jahrg. 9. H. 10. S. 181 ff. u. H. 11. S. 212 ff. 

Im Jahre 1884 berichtete Duncker über einen Fund in dem Trichinen- 
schauamte der Berliner Fleischbeschau, nämlich, dass sich zwischen normalen 
Muskelfasern andere hindurchgezogen hätten, welche in ihrem ganzen Verlaufe 
eine ungleichmässig vertheilte, schmutzig-braune Verfärbung gezeigt hätten, 
und ausserdem der Sarkolemmaschlauch in unregelmässigen Entfernungen von 
einander scharf umschriebene, dunklere, in der Mitte hellere Körper mit wulsti- 
gem Rande enthalten habe. Es sei ihm durch weitere Untersuchungen ge- 
lungen, za konstatiren, dass es sich um Aktinomycesrasen handle, die zwar 
nicht so schön entwickelt. seien, wie in den bekannten Tumoren des Rindviehs, 
dennoch „waren die dichtstehenden, stark lichtbrechenden, scharf konturirten, 
keulenförmigen Mycelien und die typische centrifugale Anordnung derselben 
binlänglich deutlich erkennbar“. 

Die Annahme Duncker’s, dass es sich in dem von ihm beschriebenen 
Falle um Aktinomykose gehandelt habe, wurde von mehreren Seiten be- 
stritten (z. B. von Johne, Zürn), andererseits bestätigt (Grawitz, Roloff, 
Virchow, Schütz). Die sich widerstreitenden Anschauungen über die Natur 
dieser sogenannten Muskelaktinomykose der Schweine (Duncker) gaben dem 
Verf. Veranlassung zur nochmaligen Untersuchung der betreffenden Erkrankung. 
Davids untersuchte Präparate, die theils in Alkohol, tbeils in Müller’scher 
Flüssigkeit und in Flemming’scber Lösung konservirt waren, ferner auch 
frische, ihm von der Berliner Fleischschan übersandte Präparate. 

D. untersuchte die Gebilde sowohl nach den bekannten Methoden, die für 
Aktinomyces empfohlen werden, als auch versuchte er, die als Pilze gedeu- 
teten Gebilde mit den verschiedensten bei Bakterienuntersuchungen einge- 
führten Maassnahmen zu färben. 

Die Resultate dieser Untersuchungen fielen vollständig negativ aus. 

Auf Grund zahlreich angefertigter Präparate aus Paraffinschnitten, die in 
Serien hergestellt, mit Lithionkarmin gefärbt und in Glycerin oder Canada- 
balsam eingebettet waren, kommt Verf. zu dem Schluss, dass es sich um eine 
reine Muskelveränderung ohne Betheiligung von Mikroorganismen 
handle. Es liegt keine Pilzerkrankung vor, sondern das Dunkelwerden 
der Muskelfaseru ist auf die Todtenstarre zu beziehen, die „mikrokokken- 
artigen Körperchen“ sind nach D.’s Meinung nichts anderes als die „primi- 
tiven Fleischtheilchen“, die sarcous elements, die sich in Form gleich grosser, 
randlich-eckiger, anisotroper Stückchen zeigen. Die strablige Anordnung der 
als „Rasen“ bezeichneten rundlichen oder länglichen Körper sei bedingt theils 
durch fibrilläre Spaltung der Muskelfasern, theils durch Verschiebung und 
Umlagerung der in Querscheiben aufgelockerten und veränderten Muskelsub- 
stanz. Die „Rasen“ selbst aber seien veranlasst durch Zerreissung der 
kontraktilen Substanz in Folge traumatischer Einflüsse oder vor- 
beriger Erkrankung der Muskelfasern. Die als Actinomycosis muscu- 
lorum suis beschriebene Muskelveränderung stimme in allem, auch 


36 


498 Infektionskrankbeiten. 


den kleinsten Punkten mit der wachsartigen Degeneration der Muskel- 
fasern überein, beide Processe seien identisch. 

In einer kleinen Schlussbemerkung wendet sich Verf. noch der inzwischen 
von Olt erschienenen Arbeit (Arch. f. wissenschaftl. u. prakt. Thierbeilk. 
Bd. 23. S. 57) zu. Auch Olt führt die Muskelveränderuug auf eine Zer- 
reissung der kontraktilen Substanz zurück und hält die sogenannten Aktino- 
mycesrasen für Zerfallsprodukte untergegangener Muskelfasern. Be- 
züglich der Ursache differiren aber beide Autoren. Während Davids, wie 
eben gesagt, die Muskelveränderung — abgesehen von gelegentlicher fieberhafter 
Erkrankung (wie z. B. beim Typbus des-Menschen) — in den meisten Fällen 
durch vorhergegangene traumatische Einwirkungen entstanden erklärt, ist Olt 
der Meinung, dass sie auf einer Invasion von Streptokokken beruhe. 
Der Umstand, dass die vermeintlichen Streptokokken sich nur färben, wenn 
die Schnitte in schwach alkoholischen Lösungen theilweise entfärbt und 
in Glycerin untersucht werden, spricht nach D.’s Meinung, direkt gegen die 
Bakteriennatur der gefundenen Gebilde. 

In der „Rundschau auf dem Gebiete der Fleischbeschau, des 
Schlacht- und Viehhofwesens“ (H. 1. S. 3) hat inzwischen Duncker 
selbst noch einmal das Wort in der viel umstrittenen Frage ergriffen. In 
seinem Artikel „Muskelstrahlenpilze“ (Actinomyces musculorum suis) giebt 
er einen historischen Ueberblick über seine bisherigen Untersuchungen und 
Befunde und verficht noch seinen alten Standpunkt, dass es sich um echte 
Muskelstrahlenpilze handele. Er sagt, der Umstand, dass die Meinungen 
der Autoren über die Natnr der Muskelstrahlenpilze sehr verschieden waren 
und dass auch in neuester Zeit fast Jeder, der sich mit diesen Dingen 
beschäftigte, zu anderen Resultaten gelangte als seine Vorgänger, lege die 
Vermuthung nahe, dass man in der Auswahl des Untersuchungsmaterials nicht 
immer vorsichtig gewesen ist oder vielmehr, dass in diesem keine wohlaus- 
gebildeten Rasen vorhanden waren. Einerseits kämen die echten Muskelstrablen- 
pilze augenblicklich äusserst selten vor, eine Thatsache, die ja oft zu beob- 
achten wäre, nämlich, dass parasitäre Organismen zeitweilig massenhaft auf- 
zutreten pflegen, um dann für längere Zeit wieder zu verschwinden, andererseits 
kämen Veränderungen in der Muskulatur der Schweine öfter vor, die, besonders 
bei schwachen Vergrösserungen, für echte Strahlenpilze gehalten werden könnten 
Letztere, die Duncker „Pseudostrahlenpilze“ nennt, seien aber bei stär- 
keren Vergrösserungen unschwer von den echten zu unterscheiden. Auch 
Farbe, Beschaffenheit und Konsistenz des mit Pseudostrahlenpilzen behafteten 
Fleisches sei ganz verschieden von dem mit den echten durchzogenen. Während 
Davids behauptet, die Annahme, dass die sogenannten Aktinomycesrasen 
verkalken könnten, sei eine willkürliche und noch in keinem Falle erwiesen, 
führt Duncker aus der Reihe seiner alten Mikrophotographien aus 
den Jahren 1885 und 1886 drei Abbildungen vor, von denen besonders eine 
Aufnahme eines Muskel-Längsschnittes (das Material wurde in Alkohol gehärtet. 
in Celloidin eingebettet: und dann geschnitten; die ungefärbten Schnitte in 
Canadabalsam eingelegt. Aufnahme mit dem Zeiss’schen Apochromat 16 mm 
in Verbindung mit dem Projektionsokular 2, Vergrösserung 80 linear) be- 


Infektionskrankheiten. 499 


weisen soll, dass in dem Präparat angeschnittene, noch ganz junge bis 
fast vollständig verkalkte Rasen vorhanden seien. 
Henschel (Berlin). 


Gorini, Ueber die bei der mit Vaccine ausgeführten Hornhaut- 
impfung vorkommenden Zelleinschlüsse und über deren Bezie- 
hungen zu Zellinklusionen der bösartigen Geschwülste. Aus den 
Laboratori di Sanità pubblica zu Rom. Centralbl. f. Bakteriol. Abth. I. Bd. 28. 
No. 8;9. S. 233. 

Bekanntlich hat Guarnieri vor einigen Jahren in der mit Vaccine 
geimpften Hornhaut gewisse Zelleinschlüsse wahrgenommen, welche er 
und nach ihm andere (Monti, Ruffer, L. und E. Pfeiffer, v. Sicherer, 
Clarke und v. Wasielewski) als die Parasiten der Variola und Vaccine 
deuteten, während Ferroni und Massari, Babes und Salmon diese Er- 
klärung anfochten und kürzlich namentlich Hückel in einer sehr gedie- 
genen Arbeit den Nachweis führte, dass ganz ähnliche Bildungen auch an 
der Kaninchenhornhaut beobachtet werden, wenn diese nicht mit Vaccine, 
sondern mit Osmiumsäure gereizt wird. Hückel dentet diese Körperchen daher 
als direkte Abkömmlinge des Cytoplasmas und nicht als parasitäre Formen. 
Gorini hält demgegenüber die parasitäre Natur der Guarnieri’schen Körper- 
chen, die er nach dem Vorgang Anderer „Cytoryctes vaccinae“ nennt, auf- 
recht. Zwar muss er auf Grund eigener Versuche bestätigen, dass auch bei 
Einimpfung von Glycerin, verschiedenen Bakterien, inaktiver Vaccine, sterili- 
sirter Bouillon und sterilisirten Peptonlösungen, Virus der Strassenwuth und 
des Inhalts der epizootischen Aphthen in den Hornhautzellen ähnliche Bil- 
dungen nachzuweisen sind; auch erkennt er morphologische Verschiedenheiten 
und ein abweichendes Verhalten der Zelleinschlüsse gegen Farbstoffe zur 
Charakterisirung derselben als genügend nicht an. Aber er will doch Eigen- 
thümlichkeiten der Cytorycten in ihrem Verhalten zum Zellkern gefunden 
haben, die für ihn entscheidend sind. Vorläufig begnügt er sich, zwei der 
häufigsten davon hervorzuheben. Er schreibt: 

„a) Die am hänfigsten in der Nähe der Kerne liegenden Cytoryctes sitzen 
in einer hellen Zone, welche sich entweder in die Peripherie des Kerns oder 
in eine helle perinukleäre Zone fortsetzt; 

b) der Cytoryctes und der Kern modelliren sich gegenseitig, indem der 
Kern den Cytoryctes wie in eine Nische aufnimmt; es kommt auch vor, dass 
der letztere sich vorbeugt und den Kern kuppenartig umdeckt, oder beide 
Körper haften mit zwei gegenseitig abgeflachten Oberflächen zusammen u.s.w;; 
es bilden sich dadurch die mannigfachsten Cytoryctesformen, welche ebenso 
vielen Gestalten und Umbildungen der Epithelkerne entsprechen. Es ist ferner 
bemerkeuswerth, dass diese Modellirung besteht, obwohl die 2 Körper durch die 
belle Zone von einander getrennt sind“. 

Gorini hat ausserdem beobachtet, dass geimpftes Hornhautmaterial auch 
nach 73 tägiger Aufbewahrung in Glycerin die Körperchen, wenn auch z. Th. 
in veränderter Form, erkennen lässt, und bei Uebertragung auf andere, gesunde 
Hornhäute geeignet ist, dort dieselben Formen zur Eutwickelung zu bringen. 

36* 


500 Infektionskrankheiten. 


Wie Hückel, fand auch Gorini in den geimpften Hornhäuten mannig- 
fache andere Zelleinschlüsse; er deutet diese z. Th. als Abkömmlinge der 
Cytoryetes und vergleicht den von ihm vermutheten Entwickelungsvorgang 
der letzteren mit ähnlichen Beobachtungen an den Zelleinschlüssen in den 
bösartigen Geschwülsten. Kübler (Berlin). 


Burkhardt, Ergebnisse der amtlichen Pockentodesfallstatistik im 
Deutschen Reiche vom Jahre 1898 u.s.w. Med.-statist. Mitth. a. d. 
Kais. Ges.-Amte. Bd. 6. S. 99—111. 

15 im Berichtsjahre festgestellte Pockentodesfälle gegen 5 und 10 in 
den beiden Vorjahren vertheilten sich auf 11 Ortschaften, deren 8 in Preussen, 
2 in Bayern und 1 in Elsass-Lothringen gelegen sind. Mehr als 3 Todesfälle 
kamen in keiner Gemeinde vor. 9 Fälle ereigneten sich in nahe den Grenzen 
des Reiches gelegenen Verwaltungsbezirken, 1 betraf eine Ausländerin. Im 
Alter bis zu 10 Jahren standen 7 der Gestorbenen, von denen 5 noch nicht, 
1 zu spät geimpft war. In Städten mit 50 000 und mehr Einwohnern kamen 
3 der Todesfälle vor. 

In den ausserpreussischen Staaten und Elsass-Lothringen sind 17 Er- 
krankungen an Pocken zur amtlichen Kenntniss gelangt, mithin im Ver- 
hältniss zu 1 Million Einwohner 0,81 gegen 0,77 im Vorjahre; übrigens be- 
fanden sich unter den Erkrankten 5 Ausländer. In Preussen sind, soweit 
bekannt geworden, 112 Personen erkrankt, darunter 34 Ausländer. 

Würzburg (Berlin). 


Drasche, Flecktyphus. Erfahrungen aus vier eigens beobachteten 
Flecktyphusepidemien in Wien. Das Oesterr. Sanitätsw. 1900. No. 18 
u. 19. 

Verf. beobachtete als Abtheilungschefarzt im Rudolfsspital und im Allge- 
meinen Krankenhaus in Wien 4 Epidemien von Flecktyphus in den 
Jahren 1855—1856, 1868, 1871 und 1875. Immer war das höchst ungünstig 
gelegene und hygienisch mangelhaft eingerichtete Central-Pnlizeigefangenenhaus 
in Wien in der inneren Stadt Sterngasse mit ein MHauptseuchenherd für den 
Flecktyphus. 

In allen Epidemien trat in erster Linie der ausserordentlich kontagiöse 
Charakter der Krankheit in den Vordergrund, was denn auch in den häufigen 
Erkrankungen unter den Aerzten und dem Wartepersonal zum Ausdruck kam. 
Schon im Fieberstadium noch vor Ausbruch des Exanthems ist der Flecktyphus 
übertragbar, und zwar ist die Inkubation meist kurz; in 2 Fällen konnte 
sie mit Bestimmiheit auf 3 Tage vorgenommen werden. In der Rekonvales 
cenz, sowie im Desquamationsstadium. das bei einzelnen Fällen beobachtet wird, 
sind Uebertragungen nicht mehr vorgekommen. Das Ueberstehen der Krank- 
heit schützt nicht vor neuerlicher Erkrankung. Mit dem Abdominaltyphus hat 
die Krankheit auch nicht die entfernteste Verwandtschaft, wofür schon der 
Umstand spricht, dass Fälle von Abdominaltyphus gelegentlich auch gleich- 
zeitig eine Infektion mit Flecktyphus durchzumachen hatten. Als infektiös 
müssen ausser den Kranken selbst deren Wäsche und Kleider und alle Gegen- 


Infektionskrankheiten. 501 


stände, die mit den Kranken in Berührung kommen, angesehen werden. Pro- 
pbylaktisch lässt sich durch frühzeitige Isolirung und Desinfektion der Effekten 
die Ausbreitung der Krankheit beherrschen. Besondere Vorsicht erheischt in 
Krankenhäusern die Aufnahme fiebernder Kranken, da sich unter denselben 
leicht Fälle von Flecktyphus verbergen können, die schon in diesem Stadinm 
des Fiebers ohne jegliches Exantlıem zur Weiterverbreitung der Krankheit 
Anlass geben können. Hammer (Brünn). 


di Mattei E., Die Prophylaxe des Malariafiebers durch Schutz des 
Menschen gegen die Schnacken. Centralbl. f. Bakteriol. Abth. I. 
Bd. 28. No. 6/7. S. 189. 

Aehnlich dem Experiment, welches Grassi anstellte, um sich zu 
überzeugen, ob durch Vermeidung der Mückenstiche Malaria vermieden 
werden könnte, verfuhr auch di Mattei unweit Catania, in der Station 
Valsavoia. Er liess mit Genehmigung der dortigen Eisenbahnverwaltung 
eine Maschinenremise in der Weise herrichten, dass die geöffneten Fenster 
und Thüren mit Drahtgeflechten versehen und das Innere der Remise mit 
weisser Farbe gestrichen wurde, letzteres, um eventuell eingedrungene 
Schnacken besser erkennen zu können. 

Es mussten in diesem Gebäude während 33 Tagen 5 Werftarbeiter aus 
Catania von Nachmittag 5 Uhr bis zum nächsten Morgen verweilen, um als- 
dann sofort wieder per Bahn nach Catania zurückzukehren. Es gelang, da 
die Remise nur einige Meter von der Aussteigestelle entfernt war, die Versuchs- 
personen, obne dass sie gestochen wurden, schnell in dieselbe hineinzuführen 
und auf diese Weise alle 5 Männer während des Versuchs vor Malaria zu 
schützen. Die Krankheit war in diesem Bezirk, besonders in Valsavoia und 
zu der betreffenden Jahreszeit ausserordentlich verbreitet, sodass zahlreiche 
andere Leute, die des Nachts in ihren moskitodurchlässigen Hütten schliefen, 
befallen wurden. 

Die von Celli auf der Strecke Prenestina-Cervara und Magliana- 
Ponte-Galera in Latium angestellten Versuche zeitigten dasselbe Resultat. 

R. O. Neumann (Kiel). 


Fermi C. und Lumbao C., Beitrag zur Prophylaxis der Malaria; Ver- 
suche, den Menschen mittels chemischer Mittel gegen die Mücken 
zu schützen. Centralbl. f. Bakteriol. Abth. I. Bd. 28. No. 6/7. S. 156. 

Ein Mittel zu finden, welches die Stechmücken von Mensch und Thier 
dauernd abhält oder auch nur für eine etwas längere Zeit, hat, wie der vor- 
liegenden Arbeit zu entnehmen ist, seine grossen Schwierigkeiten. Verf. gingen 
systematisch vor und stellten wohl gegen 50 einzelne chemische Substanzen 

m 300—400 komplieirteren Einreibungen, Essenzen, Wässern, Infusen, Oelen 

zusammen, welche sie dann in notorischen Malariagegenden: in den ponti- 

nischen Sümpfen, in Sardinien, San Martino, Burgos, Sorso, Terra- 
nova, Chilivani, la Crucca u. s. w. prophylaktisch verwendeten. Leider 
zeigte sich nur ein sehr kleiner Theil von all den thierischen Stoffen, 

Pflanzenfettstoffen, ätherischen Oelen, Pflanzenpulvern, Ver- 


502 Infektionskrankheiten. 


brennungsprodukten, Säuren und Extrakten als wirksam, und diese 
Wirksamkeit erstreckte sich nur auf 1—2 Stunden in den Häusern und auf 
1%—1 Stunde im Freien. Empfehlenswerth sind Gemische von: 

1. Rieinusöl, Vaselin, Schwefelallyl 0,1 pCt., Benzinaldehyd 21/, pCt. 

2. Durchräuchertes Wasser, Eucalyptus, Kümmel, Kirschlorbeer aa. 1 pCt. 

3. Durchräuchertes Wasser, Eucalyptus 21/3 pCt. 

4. Lorbeeröl und Theerwasser aa. pt. 

5. Leberthran und Theerwasser aa. pt. 

6. Leberthran, durchtränktes Wasser, Vaselin, Schwefelallyl. 

7. Vaselin, Lanolin, Schwefelallyl 0,1 pCt. 

8. Durchtränktes Wasser, Eucalyptus 5 pCt. 

. Durchtränktes Wasser, Theerwasser, Eucalyptus, Kümmel 10 pCt. 

10. Eucalyptusessenz, Kajeput, bittere Mandeln aa. pt. 

Auffällig erscheint die grosse Unempfindlichkeit der Schnacken gegen- 
über starken Dämpfen, z. B. rauchender Salzsäure, Jod, Chloroform, Aether, 
Essigsäure, Schwefelalkohol, Amylnitrit, Terpentinessenz, Karbolsäure, Senf- 
essenz u. s. w. Die Mücken von den Wänden wegzujagen gelang nur mit 
Dämpfen von Ammoniak, Holzrauch, Tabak, Bertramwurzel. 

Nach diesen Untersuchungen kann nicht erwartet werden, dass mit che- 
mischen Mitteln ein sicherer prophylaktischer Schutz zu erzielen ist. 

R. O. Neumann (Kiel). 


© 


Glogner, Ueber Immunität gegen Malaria. Virchow’s Archiv. Bd. 162. 
B. 222. 

Der Verf. wendet sich gegen den von Koch und der deutschen Ma- 
lariaexpedition auf Grund ihrer Untersuchungen in Neuguinea aufge- 
stellten Satz, dass ein Ueberstehen der Malaria Immunität des betreffenden 
Individuums bewirke, nnd hält an der alten Anschauung fest, dass eine Ma- 
lariaerkrankung den Patienten nicht weniger, sondern im Gegentheil mebr 
empfänglich für neue Erkrankungen mache, es bestehe weder eine ererbte, 
noch eine erworbene Immunität. — Zum Beweis für seine erste Behauptung 
führt er die an Kindern der ersten Lebensjahre in den Malariagebieten Nieder- 
ländisch-Indiens und Neuguineas von Koch vorgenommenen Untersuchungen 
an, der unter diesen eine sehr hohe Erkrankungsziffer an Malaria gefunden 
hat. Da die Eltern dieser Kinder immer in denselben Malariagegenden ge- 
wohnt hatten und so nach der Ansicht Koch’s Immunität hätten erlangen 
und auch vererben können, so zieht der Verf. daraus, dass ihre Kinder gerade 
so an Malaria erkrankten, wie die, deren Eltern diese Krankheit zu überstehen 
niemals Gelegenheit hatten, den Schluss, dass von der Vererbung einer 
erworbenen Immunität keine Rede sei. 

Aber auch im späteren Leben kann eine Immunität gegen Malaria nicht 
erworben werden. Das zeigen unter anderen die Erkrankungs- und Sterb- 
lichkeitsziffern an Malaria unter den Soldaten in Niederländisch-Indien, 
die durch aus Malariagegenden stammenden Malaien und andererseits durch 
Europäer, die vorher keine Gelegenheit hatten, Immunität gegen Malaria 
zu erlangen, ergänzt werden. Es zeigt sich kein Unterschied bei ihnen zu Gun- 


Infektionskrankheiten. 503 


sten einer Immunität bei den Eingeborenen, die Sterblichkeitsziffer ist bei 
diesen sogar höher als bei den Europäern, während die Erkrankungsziffer 
bei beiden sich etwa die Wage hält. Als Hauptstütze aber seiner oben wieder- 
gegebenen Behauptung führt Glogner die von ihm bei den Kindern des prote- 
stantischen Waisenhanses zu Samarang, unter denen die Malaria jedes Jahr 
mit grosser Heftigkeit herrschte, gemachten Erfahrungen an. Alle hier unter- 
gebrachten Pfleglinge, die im Alter von 7—20 Jahren standen, waren in 
Niederländisch-Indien selbst geboren. Weder die Untersuchung des Körper- 
befundes, noch die Erkrankungsziffer der Kinder, die sich schon län- 
gere Zeit in der Anstalt befanden und also mehr als reichlich Gelegenheit 
gehabt hatten, Immunität zu erwerben, und die derjenigen, die erst vor Kur- 
zem in die Anstalt aufgenommen worden waren, liessen wesentliche Unter- 
schiede nicht erkennen. Ebenso sprach der Umstand, dass Recidive bei 
den seit einer Reihe von Jahren Malariaerkrankungen ausgesetzten Kindern 
immer wieder auftraten und an Häufigkeit sogar zunahmen, gegen eine durch 
Erkrankung zu erlangende Immunität und eher für eine Abnahme der 
Resistenz gegen den Malariaerreger. 

An das Vorkommen einer natürlichen Immunität gegen Malaria glaubt 
auch Glogner, er führt mehrere derartige Fälle an. 

Im letzten Theil seiner Arbeit erhebt Glogner auch gegen den Weg, 
der Koch zu der Aufstellung einer erworbenen Malariaimmunität ge- 
führt hat, Einwendungen, indem er einmal die Auswahl des Materials für 
ungeeignet hält und damit zugleich die Hauptstütze der Koch’schen Beweis- 
führung angreift, und indem er sodann darauf hinweist, dass der negative 
Befund der Blutuntersuchungen niemals den Schluss zulasse, dass die 
betreffende Person nicht an Malaria leide, dass vielmehr in einem solchen 
Falle die klinische Untersuchung auf Milzvergrösserung und Anämie 
unbedingt gefordert werden müsse, ehe man ein endgültiges Urtheil abgeben 
dürfe; in den Berichten der deutschen Malariaexpedition wird ‚hierüber nichts 
mitgetheilt. — Zum Schluss sucht dann der Verf. den Nachweis zu führen, 
dass die von Koch bei den seit mehreren Jahren in Neuguinea lebenden 
chinesischen und malaiischen Arbeitern gefundenen und als Beweis für das 
Bestehen einer erworbenen Immunität mit herangezogenen niedrigen 
Erkrankungsziffern sich auch ohne das Vorhandensein einer solchen gut 
erklären lassen. Jacobitz (Halle a. S.). 


Kossel und Weber, Ueber die Hämoglobinurie der Rinder in Finn- 
land. Arbeiten a. d. Kais. Ges.-A. Bd. 17. S. 460. 

Im Sommer des Jahres 1899 haben die Verff. in der Umgebung von Lovisa, 
einem Ort an der Südküste von Finnland, und in Heinävesi, einem Dorf 
inmitten des am schwersten von der Rinderseuche heimgesuchten Bezirks 
Savolaks, über diese seit langen Jahren in Finnland unter den Rindern 
herrschende Krankheit, die nach Angaben von Krogius und v. Hellens 
mit dem Texasfieber identisch ist, umfassende Untersuchungen angestellt. 

Die Seuche tritt besonders in heissen Sommern mit grosser Heftigkeit 
auf. Sie verschont dann wieder mitunter eine Reihe von Jahren dieselben 


504 Infektionskrankheiten. 


Heerden, ohne dass irgend ein Wechsel in der Haltung der Thiere oder in 
der Auswahl der Weide erfolgt ist. Als diese benutzt man in Finnland 
allgemein den Wald, und zwar Fichten-, Föhren- und Birkenwald, in dem das 
Vieh den Sommer über, in einzelnen Gegenden auch des Nachts, bleibt. In 
den im Walde vorhandenen Bodeneinsenkungen ist sumpfiger. oft mit Erlen 
bestandener und mit Moränenschutt bedeckter Untergrund vorhanden, und 
gerade diese Stellen sind es, die mit Vorliebe von dem Vieh aufgesucht werden 
und die nach Mittheilungen von Einheimischen fast ausschliesslich den Thieren 
Gelegenheit zum Erwerben der Krankheit geben. Diese befällt sowohl alte 
wie junge Thiere; am schwersten leiden die Kühe, leichter erkranken 
die Kälber. Einmaliges Ueberstehen soll nicht unbedingten Schutz 
gegen erneute Infektion bieten. 

Ebenso wie die Epidemiologie ist auch die Symptomatologie der 
Hämoglobinurie in Finnland der des Texasfiebers sehr ähnlich. Das am 
meisten ins Auge fallende Symptom ist das, das der Krankheit den Namen 
gegeben hat, die Hämoglobinurie. Der Harn wird dunkelroth bis schwarz. 
Oft gehen Fressunlust und Sinken der Milchmenge voraus. Das Fieber 
ist zuerst sehr hoch, es besteht beschleunigter Puls, beschleunigte 
Athmung, profuse Diarrhöen, die in ungünstig verlaufenden Fällen in das 
Gegentheil umschlagen, und häufiger Drang zum Urinlassen. Die Schleim- 
häute nehmen eine ikterische Färbung an, das Blut wird wässerig und 
arm an rothen Blutkörperchen, nach 3—4 Tagen tritt in ca. 30—50 pCt. 
der Fälle der Tod ein. Bei den in Heilung übergehenden Fällen schwinden 
die Hämoglobinurie und das Fieber mitunter in 24 Stunden, meist allerdings 
erst nach mehreren Tagen, häufig bleibt noch eine lange Zeit andauernde 
Schwäche zurück. Die Obduktion gefullener Thiere ergab: das Unterhaut- 
zellgewebe ödematös durchtränkt, ikterisch gefärbt, das Muskelfleisch blass 
und blutarm, klare Transsudate in Brust- und Bauchhöhle, zahlreiche Blut- 
austritte unter dem visceralen Blatt des Pericards und unter dem Endo- 
card, der Herzmuskel selbst gelbbraun gefärbt, die duukelrothe Milz stark 
vergrössert. Aus den Nieren entleerte sicb auf Druck blutige Flüssigkeit, die 
Rindensubstanz war verbreitert und trübe, die Schnittfläche der Leber war 
ikterisch gefärbt und zeigte eine gelb und roth gesprenkelte Zeichnung. In 
der Harnblase waren grosse Mengen eines schwarzrothen Urins enthalten. Die 
eigenartige, von Smith und Kilborne beim Texasfieber und von Koch bei 
der Rinderpest beschriebene Beschaffenheit der Galle haben die Verff. bei den 
von ibnen obdueirten Fällen nicht nachweisen können. 

Der Nachweis des die Krankheit erregenden Parasiten gelingt ohne 
Schwierigkeiten, wenn man die Blutpräparate mit Alcohol absolutus fixirt 
und dann mit alkoholischer Metbylenblaulösung färbt. Der Parasit gleicht 
morphologisch ganz dem von Smith und Kilborne bei den amerikanischen, 
dem von Babes und Starcovici bei den rumänischen, sowie dem von 
Celli und Santori bei den italienischen und den Abbildungen nach auch 
dem von Lignières bei den argentinischen Rindern gefundenen Pyrosoma, 
während Vergleiche mit dem Parasiten des ostafrikanischen Texasfiebers einige 
Verschiedenheiten ergaben. Ausser im Blut finden sich die Parasiten in der 


Infektionskrankheiten. 505 


Niere, Leber, Milz und in der Muskulatur des Körpers und des Herzens. 
In den Leichen sterben sie bald ab. Die verschiedenen Formen des Parasiten, 
in dessen feineren Bau man mit Hilfe der Romanowsky’schen Färbe- 
methode einen besseren Einblick erhält, kommen meist nebeneinander im 
Blute vor, eine Beziehung bestimmter Entwickelungsstadien des Erregers zu 
dem Verlauf der Krankheit schien nach der Verff. Beobachtungen nicht zu 
bestehen. Ausserdem fanden dieselben aber in den rothen Blutkörperchen 
noch zwei andere Gebilde, die auch schon von früheren Untersuchern 
beschrieben worden sind; einmal nämlich zeigten sich bei der Färbung mit 
Methylenblau in den Blutkörperchen zahlreiche kleine, blaue Körnchen 
und sodann in anderen wieder nur ein rundliches, ebenfalls sich blau 
färbendes Gebilde. Beide Arten treten nach Ansicht der Verft. in grösserer - 
Menge im cirkulirenden Blut nach vorausgegangenen schweren Schädi- 
gungen desselben auf. Die erstgenannten Körnchen sollen verändertes 
Protoplasma darstellen, während die rundlichen Körperchen, die sich übrigens 
auch in dem Blute gesunder Thiere nachweisen lassen, von den Verff. als 
Kernreste angesehen werden. 

' Es gelang Kossel und Weber auch in dem Blute anscheinend ge- 
sunder Thiere inficirter Heerden, bei denen jedes Anzeichen einer Erkran- 
kung fehlte, die typischen Parasiten nachzuweisen. ý 

Erwähnt wird weiter, dass Krogius und v. Holtens die Krankheit 
mittels Injektion parasitenhaltigen Blutes auf gesunde Thiere übertragen haben. 

Schliesslich haben Kossel und Weber ihre Untersuchungen auch aus- 
gedebnt auf das Vorkommen von Zecken auf den Rindern in Finnland und 
die etwaige Rolle derselben bei der Uebertragung und Verbreitung 
der Krankheit. Fast jedes Thier wurde mit Zecken behaftet gefunden, die 
der Gattung Ixodes, und zwar der Species Ixodes reduvius angehören, 
während die in Amerika, Afrika uud Australien in erster Linie in Betracht 
kommende Gattung Rhipicephalus ist. Wenn nun auch den Verf. der 
Nachweis der Uebertragung der Krankheit mittels der genannten Zeckenart 
nicht gelungen ist, so glauben sie doch einmal auf Grund des eigenthümlichen 
Verhaltens der Kraukheit bei ihrer Ausbreitung, weiter auf Grund der fest- 
gestellten Verschleppung derselben durch anscheinend gesunde Thiere aus 
verseuchten Gegenden und schliesslich auch gestützt auf das beobachtete Haften 
der Krankheit an den Waldweiden zu dem Schlusse berechtigt zu sein, dass 
die Seuche auch in Finnland durch die Zecke übertragen wird, Ixodes redu- 
vius also hier dieselbe Rolle spielt wie die Gattung Rhipicephalus in den 
exotischen Ländern. 

Auch für Deutschland besteht, vorausgesetzt, dass hier die sonst noth- 
wendigen Bedingungen für das Auftreten der Krankheit gegeben sind, die 
Gefahr einer Einschleppung und Verbreitung der Seuche; denn auch bei 
uns kommt Ixodes reduvius vor, und die Möglichkeit der Inficirung dieser 
Zeckenart durch eingeführtes finnländisches Vieh und im Anschluss daran auch 
die Ansteckung unserer Rinderheerden ist nicht auszuschliessen. Die Ver- 
hinderung der Einschleppung des Krankheitskeimes ist bis jetzt die 
wirksamste Schutzmaassregel gegen die drohende Gefahr. 

Jacobitz (Halle a. S.). 


506 Infektionskrankheiten. 


Seifer, Ein Fall von Beri-Beri. Münch. med. Wochenschr. 1900. No. 22. 
S. 762. 

Verf. berichtet unter Hinweis auf einen Aufsatz von P. Schmidt (Ref. diese 
Zeitschr. 1900. No. 19. S. 939) einen Fall von Beri-Beri. Auf einem deut- 
schen Segelschiff erkrankten etwa 3 Monate nach dem Verlassen einer Beri-Beri- 
Gegend (Rangoon) von der 14 Köpfe starken Besatzung 5 Mann an Beri-Beri, von 
denen einer später in Berlin vom Verf. beobachtet werden konnte. Die In- 
kubationsdauer stimmt also mit den Fällen Schmidt’s annähernd überein. 
Es handelte sich um eine ausgesprochene Schiffsepidemie, von der hervor- 
zuheben ist, dass sie unter europäischer (deutscher) Besatzung zum Aus- 
bruch kam. Martin (Berlin). 


Reiche F., Zur Verbreitung des Carcinoms. Münch. med. Wochenschr. 
1900. No. 39. S. 1337. 

Die Krebssterblichkeit ist in Hamburg seit 1872 in nahezu stetigem 
langsamen Anwachsen begriffen, vornehmlich beim männlichen Geschlecht. 
Sie verhielt sich nahezu entgegengesetzt derjenigen an Lungenschwindsucht. 
Das Verhältniss der Schwindsuchts- zur Krebssterblichkeit war 1872 4,8:1, 
1899 nur noch 1,9: 1. 

Die wesentliche sanitäre Verbesserung, welche 1894 durch die Einführung 
der centralen Sandfiltration erreicht wurde, wirkte demnach auf die Häufigkeit 
des Krebses nicht hemmend, ebenso wenig vermochten die verbesserten Er- 
nährungs-, Wohnungs- und Arbeitsbedingungen, denen der Rückgang der 
Schwindsucht zugeschrieben wird, dieselbe zu verringern. Andererseits spricht 
das Hamburger Material allerdings auch nicht dafür, dass diese Momente für 
die Zunahme der Krebssterblichkeit verantwortlich zu machen sind. Die Zahl 
der Todesfälle an Krebs zeigte in den einzelnen Gebietstheilen Hamburgs nur 
geringe Unterschiede und erwies sich von der Bevölkerungsdichte und der 
durchschnittlichen wirthschaftlichen Lage in den verschiedenen Stadttheilen, 
von den vielen unsanitären Bedingungen, die so häufig im Gefolge der Armuth 
einhergehen, unbeeinflusst. Auch bestand kein bestimmtes Verhältniss zur 
Gesammtsterblichkeit, zur Höhenlage, zum Untergrunde. 

Für den Krebs der mit Vorliebe ergriffenen Organe, der Verdauungs- 
organe, des Uterus und der weiblichen Brustdrüse, ergab sich keine nennens- 
werthe relative Zunahme. Würzburg (Berlin). 


v. Ratz, Stefan, Die Widerstandsfähigkeit des Virus der Tollwuth 
gegen Fäulniss. Centralbl. f. Bakteriol. Abth. I. Bd. 27. No. 24. S. 825. 
Es war bekannte Thatsache, dass der Infektionsstoff der Tollwuth 
seine Virulenz in dem an freier Luft faulenden Kadaver 2—3 Wochen, 
in dem verscharrten sogar noch länger zu bewahren vermag. 

Verf. hat mit dem völlig verfaulten Gehirn von Hundeleichen, welches 
bereits, ehe es in seine Hände gelangte, 3 Wochen in der Erde gelegen hatte, 
Kaninchen inficirt und mit dem faulenden Gehirn dieser in Folge der Impfung 
ebenfalls in typischer Weise zu Grunde gegangenen Thiere gesunde Kaninchen 
unter die Dura mater, ferner unter die Körperhaut und in die Schenkelmus- 


Infektionskrankheiten. 507 


keln geimpft. Es liess sich feststellen, dass die mit Gehirntheilchen von den 
14—24 Tage lang beerdigt gewesenen Kaninchenleichen inficirten Versuchs- 
thiere ohne Ausnahme an Tollwuth erkrankten. Das Krankheitsgift hatte 
demnach während eines 14 — 24 tägigen Zeitraumes dem Einflusse der 
Fäulniss erfolgreich widerstanden und höchstens eine mässige Ab- 
schwächung in seiner Virulenz erfahren, da die Krankheitssymptome etwas 
später, statt am 15.—16., am 28.—29. Tage einsetzten, und der Verlauf sich 
langsamer gestaltete. Nach Verstreichen der angegebenen Frist hatte das 
betreffende Material seine Infektiosität aber völlig eingebüsst. 
Schumacher (Strassburg i. E.). 


Low 6. C., A recent observation on filaria nocturna in culex: pro- 
bable mode of infection of man. Brit. med. Journ. No. 2059. 16. Juni 
1900. p. 1456. 

Low hat beobachtet, dass der Embryo der Filaria nocturna, nach- 
dem er in den Magen einer Mücke mit dem Blute eines inficirten Individuums 
gelangt und danach in die Thoraxmuskulatur der Mücke eingedrungen ist, 
nach vollendeter Ausbildung in das Stechorgan der Mücke weiter wan- 
dert. Vermuthlich geht die Filaria, wenn die Mücke einen Menschen sticht, 
in die Gewebe dieses neuen Wirthes über. Füttert man die Mücken mit Ba- 
nanen, so verlassen die Filarien sie nicht; Low vermuthet, dass sie es wohl 
unterscheiden können, ob die Mücke Menschenblut oder Bananensaft aufnimmt, 
and dass sie danach ihr Verhalten einrichten. Sind Low’s Beobachtungen 
richtig, so wird die Infektion des Menschen mit Filaria äbnlich wie die mit 
Malaria erfolgen. R. Abel (Hamburg). 


Hectoen and Perkins, Refractory subcutaneous abscesses caused by 
Sporothrix Schenkii. A new pathogenic fungus. The Journ. of exper. 
med. Vol. 5. 1900. p. 77. 

Der zweite der beiden Verff. berichtet über den klinischen Verlauf 
einer ganz leichten Fingerverletzung, in deren Gefolge sich sehr schwer 
heilende subkutane Vereiterung des Gewebes an der verletzten Stelle und 
lange Zeit sich hinziehende Vergrösserung und Vereiterung der Drüsen des 
Armes bis zur Achselhöhle zeigten. Der erste der Verff. fand im Gewebe und bc- 
sonders im Eiter Reinkulturen eines Fadenpilzes, dessen besondere Erscheinungs- 
form erst zweimal als Erreger gleicher Geschwürsbildung beobachtet und vom 
Entdecker als Sporothrix Schenkii bezeichnet ist. 

Nach Hectoen’s Beschreibung und Zeichnung handelt es sich um einen 
Fadenpilz, von dessen gegliedertem Mycel gleichfalls gegliederte und ab und 
zu Aeste abgebende Fruchtträger ausgehen. Von anderen, bekannten Faden- 
pilzen unterscheidet sich der fragliche dadurch, dass seine Conidien weder 
wie bei den Penicilliumarten sich allein am Ende von Basidien und 
Sterigmen, oder, wie bei den Aspergillusarten auf den vom kolbigen 
Fruchtboden ausgehenden Sterigmen vorfinden, sondern dass sie theils, wie 
Blätter am Aste, im Verlaufe des Fruchtträgers paarig, theils, wie eine Blüthe 
am Ende desselben, in mehreren Exemplaren kranzförmig, durch kurze stiel- 


508 Immunität. Schutzimpfung. 


förmige Sterigmen mit ihm verbunden, am Fruchtträger sitzen. Der Pilz 
wächst auf fast jedem Nährboden, am besten auf Glukoseagar, erzeugt, je 
nach dem Nährboden, einen dünneren oder dickeren, faltigen, mit der Zeit 
dunkelbraun sich und den Nährboden färbenden Pilz, verflüssigt Gelatine lang- 
sam, bringt Milch nicht zur Gerinnung und verändert die Farbe von Lakmus- 
milch nicht. Er erzeugt kein Gas und wächst nicht in Buchner’schen Flaschen. 
Die beste Entwickelungstemperatur ist bei 37°C. Nachdem der Pilz 11., Mi- 
nute einer Temperatur von 650 C. ausgesetzt war, hörte seine Entwickelungs- 
fähigkeit auf. Die Uebertragbarkeit ist gering. Intraperitoneale und intra- 
venöse Einspritzungen von frischen Reinkultur-Aufschwemmungen bei verschie- 
denen Thieren erzeugten nur ausnahmsweise Krankheitserscheinungen, resp. 
den Tod. Dagegen verursachten subkutane Injektionen oft Indurationen und 
Eiterungen. Jacobson (Berlin). 


Burkhardt, Die Ergebnisse des Impfgeschäfts im Deutschen Reiche 
für das Jahr 1897. Med.-statist. Mitth. a. d. Kais. Ges.-Amte. Bd. 6. 
S. 77—98. 

Der Impfung unterzogen wurden 1 455 349 Erst- und 1 174 827 Wieder- 
impfpflichtige oder 60 953 bezw. 35 996 mehr als im Vorjahre. Von 202313 
ungeimpft gebliebenen Erst- und 30 622 Wiederimpfpflichtigen waren 35 354 
und 5410 oder 2,13 und 0,45 pCt. der Impfpfiichtigen gegen 2,24 und 
0,51 pCt. im Vorjahre vorschriftswidrig der Impfung entzogen worden. 
Vermehrt hat sich deren Zahl in 38 und 34, vermindert in 44 und 41 Be- 
zirken. 

Die Verwendung von Thierlymphe bat eine weitere Zunahme erfahren, 
sodass sie bei 99,96 pCt. aller Impfungen gegen 99,88 pCt. benutzt wurde. 
Der Menschenlymphe bediente man sich von insgesammt 83 noch in 22 Be- 
zirken, jedoch im Allgemeinen in geringerem Umfange als im Jahre zuvor, 
meist weit seltener als bei 0,5, nur in Sachsen-Weimar bei 1,32 pCt. der 
Impfungen. 

Von je 100 geimpften Erstimpflingen wurden 96,84 gegen 97,52, von je 
100 Wiederimpfliugen aber 91,59 gegen 92,76 im Vorjahre mit Erfolg ge- 
impft. Die erfolglosen Impfungen gingen bis zu 21,34 pCt. im Fürstentum 
Lübeck, die Wiederimpfungen bis zu 51,38 pCt. in Hamburg. Mehr als 
10 pCt. betrugen erstere nur noch im Fürstenthum Birkenfeld, letztere in 
21 Bezirken. 

In den Reg.-Bez. Marienwerder, Potsdam, Frankfurt, Köslin, Kassel, Wies- 
baden und im Bezirk Pforzheim mussten die Impfungen wegen des Herrschens 
ansteckender Krankheiten auf das nächste Jahr verschoben werden; im 
Uebrigen wurde aus gleichem Grunde nur eine Verlegung der Impftermine 
erforderlich. 

Von den Impfinstrumenten sind die Weichardt’schen auswechsel- 
baren Impfmesser und die Platin-Iridiumlanzetten weiter in Aufnahme ge- 
kommen; bezüglich der letzteren ist allerdings darauf hingewiesen worden, 
dass ihr regelmässig zu wiederholendes Ausglühen einen grossen Zeitaufwand 


Immunität. Schutzimpfung. 509 


bedingt, sodass die Impfung mit ibnen namentlich in grösseren Städten ohne 
Hilfe nicht durchzuführen sei. 

Todesfälle in Folge besonderer Wirkung des Impfstoffs oder gleichzeitig 
übertragener Krankheitskeime sind nicht vorgekommen. In einigen Fällen, 
wo in Folge mangelhafter Pflege oder aus sonstiger Ursache einige Zeit nach 
der Impfung eine Verunreinigung der Impfstellen stattgefunden hatte, traten 
Wundkrankheiten mit tödtlichem Verlaufe auf. Auch Erkrankungen nach 
der Impfung hat man, abgesehen von einigen wenigen Fällen, in denen an- 
scheinend im Anschlusse an die Impfung Hautausschläge aufgetreten sind oder 
bereits vorhandene Hautkrankheiten sich verschlimmert haben, nicht beob- 
achtet, namentlich nicht solche schwerer Art. Die späte Entwickelung 
von Blattern als Folge geringer Virulenz des Impfktoffs ist in Bayern häufig 
wahrgenommen worden. In mehreren Fällen ergab sich eine scheinbare 
Immunität, insofern selbst eine dreimalige Impfung erfolglos blieb. Bei 
einem Erstimpfling in Bergzabern hatte erst die fünfte Impfung Erfolg. 

Würzburg (Berlin). 


Die Thätigkeit der im Deutschen Reiche errichteten staatlichen 
Anstalten zur Gewinnung von Thierlymphe während des Jahres 
1899. Med.-statist. Mittheil. a. d. Kaiserl. Gesundh.-Amt. Bd. 6. S. 166- 225. 

Die Impfthiere wurden in 12 Anstalten nur mit Thier-, in den übrigen 
10 mit Thier- oder Menschenlymphe geimpft. Die Urtheile über die Tegmin- 
verbände lauteten verschieden. So wurde ihre Anwendung in Schwerin wieder 
aufgegeben, weil sie sich nicht lange genug hielten, während sie in Karlsruhe 
als werthvolle Errungenschaft auf dem Gebiete der animalen Impfung erachtet 
wurden. In Stuttgart vermochte man zwischen den Pocken ohne und mit 
Verband einen merklichen Unterschied nicht zu sehen. Die Königsberger 
Anstalt benutzte mit Vortheil als Verband ein dünnes, mit dichtem Nessel- 
stoff überzogenes Wattekissen, welches mittels einer Segeltuchdecke befestigt 
worde. In Köln wurde ein Verband niemals angelegt. 

Bei den Erstimpfungen war der personelle Ausfall am höchsten bei 
Verwendung der Dresdener mit 13,93 und der Leipziger Lymphe mit 23,0, 
bei den Wiederimpfungen bei solcher der Oppelner mit 30,54 (Privatärzte) und 
der Hamburger mit 33,43 und 45,72 pCt. Die geringsten Schnitterfolge hatte 
bei den Erstimpfungen die Lymphe aus Halle mit 77,3 (Privatärzte), Stutt- 
gart mit 79,4, Weimar mit 78,18, bei den Wiederimpfungen jene aus Berlin 
mit 63 (Privatärzte), 73 (Anstaltsärzte), Stettin mit 61,7 (Privatärzte), 45,0 
(Miitärärzte), Oppeln mit 72,11, 53,66, 30,36, Halle mit 68,2, Stuttgart mit 
749, Darmstadt mit 63,2 (Privatärzte) und Weimar mit 67,65 pCt. Die Gründe 
dafür waren verschiedener Art. 

Die in Stettin gewonnene Thierlymphe erwies sich etwa drei Monate lang als 
gut haltbar; von da ab wurden die Pocken kleiner und der Schnitterfolg ge- 
ringer. Aus Hannover wurde nur abgelagerte, meist 2—6 Monate alte Lymphe 
abgegeben. 

In Hannover vorgenommene Untersuchungen über den Keimgehalt der 
Lymphe, je nachdem Tegminverbände benutzt waren oder nicht, ergaben, 


510 Immunität. Schutzimpfung. 


dass, je weiter zeitlich die Untersuchung von der Abimpfung sich entfernt, 
die Unterschiede sich mehr und mehr ausgleichen, sodass zu der Zeit, in 
welcher die Lymphe versandt oder benutzt zu werden pflegt, die Tegminlymphe 
kaum noch Vorzüge zu bieten vermag. Immerhin wird die Fortsetzung der 
Versuche mit dem Tegminverbande trotz der nicht unbeträchtlichen Kosten 
empfohlen. 

Nach Versuchen in Bernburg liefert das Schleudern des Impfstofles in 
wenigen Tagen eine keimarme, klare und fast farblose Lymphe von guter Be- 
schaffenbeit. Selbst wenn längeres ruhiges Stehen der Lymphe dieselbe Keim- 
armuth erzielt, so gehören doch Monate dazu, nach welcher Zeit sie weniger 
wirksam und meist nicht mehr verwendbar geworden ist. Die dortigen Ver- 
suche sollen noch weiter fortgesetzt werden. Die Desinfektion der Stallungen 
mit Kalkmilch, welche in manchen Anstalten üblich ist, hat sich für die Ham- 
burger Kälberstäude, deren Breite nur 58 cm beträgt, in Folge Misswachses der 
Vaceine als ungeeignet erwiesen. In Berlin sind frühere Versuche, durch täg- 
liches Aufgiessen von Desinfektionsflüssigkeit auf die Impffläche eine Vermin- 
derung der Keime in der Lymphe zu erreichen, fortgesetzt worden. Bei Ver- 
wendung von Sublimatlösung wurde eine Lymphe gewonnen, die nach der 
Herstellung in einer Mischung von 1 Theil Impfstoff zu 9 Theilen Zusatzfüssigkeit 
1920 Bakterienkeime in 1 ccm enthielt. Würzburg (Berlin). 


Martius, Experimenteller Nachweis der Dauer des Impfschutzes 
gegenüber Kuh- und Menschenlympbe. Arbeiten a. d. Kais. Ges.-A. 
1900. Bd. 17. S. 156. 

In einer ausführlichen Abhandlung „Ueber die Dauer der durch die 
Schutzpockenimpfung bewirkten Immunität gegen Blattern“ (Arb. a. d. Kais. 
Ges.-Amt. Bd. 14. S. 407) glaubt Ref. kürzlich den Nachweis erbracht zu 
haben, dass die Schutzpockenimpfung in der Regel etwa 10 Jahre gegen 
eine Erkrankung und noch auf längere Zeit gegen Tod durch Pocken schützt 
Als Beweismaterial waren namentlich die in der älteren Literatur niedergelegten 
Beobachtungen, die epidemiologischen Erfahrungen und neueres statistisches 
Material verwertbet. Martius hat nunmehr nach ähnlichen Vorgängen von 
Sternberg, Kinyoun u. A. versucht, der Frage der Dauer des Impf- 
schutzes auf experimentellem Wege näherzutreten. Er prüfte nämlich, 
inwieweit die Wirksamkeit der Thierlymphe durch Zusatz von Blutserum ge- 
impfter Kühe und geimpfter oder geblatterter Menschen verändert wird. 
Dabei ergab sich, dass im Serum von Thieren oder Menschen, welche mio- 
destens 12 Tage vorher geimpft sind, Stoffe sich finden, welche gut wirkende 
Lymphe ibres Vermögens berauben, Pustelo zu bilden. Die Menge dieser Stoffe 
war 14 Tage nach der Impfung am grössten, 3 Monate nach der Impfung 
(beim Kalbe) aber schon deutlich vermindert. Die Stoffe waren (beim Kalbe) 
nach 5 Monaten noch deutlich nachzuweisen, nach längerer Zeit (bei 20 Jahre 
und länger vorher geimpften Menschen) nicht mehr mit Sicherheit festzustelleu. 
Das Serum von frisch geimpften und frisch geblatterten (Ausbruch der Pocken 
14 Tage vorher) Menschen erwies sich sehr reich an jenen Stoffen. Die an- 
gewandte Methode erwies sich nicht als ausreichend zur Prüfung des lmpf- 


Immunität. Schutzimpfung. 11 


zustandes von Menschen, wenngleich zweifelhafte Resultate, bestehend in nur 
theilweiser oder rudimentärer Entwickelung der Pusteln bei Versuchen mit dem 
Blute Geimpfter häufig waren. 

Die Untersuchungen von Martius beweisen daher mit Sicherheit, dass 
Monate lang nach der Schutzpockenimpfung und nach dem Ueberstehen der 
Blattern vaccinocide Schutzstoffe im Blute nachweisbar sind. Für die Beur- 
theilung der wirklichen Dauer des Impfschutzes können sie nicht verwerthet 
werden; denn wir wissen aus R. Pfeiffer’s Forschungen, dass ein im Thier- 
körper stark baktericides Serum sich im Reagensglas ganz anders verhält und 
unter Umständen ganz unwirksam sein kann, und wir sind demnach nicht 
berechtigt, zu schliessen, dass ein Mensch, dessen Blutserum im Reagensglas 
die Wirksamkeit der Lymphe nicht aufzuheben im Stande ist, deshalb des 
Schutzes gegen die Vaccine oder gegen den Ansteckungsstoff der Menschen- 
blattern entbehrt. Kübler (Berlin). 


v. Dungern, Beiträge zur Immunitätslehre. II. Münchener med. Wochen- 
schrift. 1900. No. 28. S. 962 ff. 

Zu der Theorie Ehrlich’s, dass die Antitoxine von denjenigen Organen 
gebildet werden, welche chemische Verwandtschaft zu den Toxinen besitzen, 
befindet sich Metschnikoff im Gegensatz, indem er von der Anschauung 
ausgeht, dass ein Antitoxin gebildet wird, ohne dass die entsprechenden Re- 
ceptoren im Organismus vorhanden sind. Metschnikoff verwendete, da 
ihm bei Benutzung bakterieller Gifte ein endgültiger Entscheid seiner Annahme 
nicht möglich erschien, das Spermotoxin, welches durch Behandlung von 
Meerschweinchen mit Kaninchenhoden und -Nebenhoden dargestellt wurde. 
Er ging dabei von der Voraussetzung aus, dass das Spermotoxin vollkommen 
specifisch sei; die gleichzeitig auch beobachtete hämolytische Wirkung erklärte 
er sich dadurch, dass bei den Injektionen von Hoden und Nebenhoden rothe 
Blutkörperchen eingeführt werden. 

Verf. wendet sich nun gegen diese Auffassung von Metschuikoff, da 
auch er bei seinen Untersuchungen über Flimmerepithel-Immunserum 
neben der specifischen Wirkung auf Flimmerepitel sah, dass auch die rothen 
Blutkörperchen aufgelöst wurden. Hier war aber eine Miteinführung rother 
Blutkörperchen absolut ausgeschlossen, es musste also die hämolytische Wir- 
kung auf etwas anderem beruhen, zumal da eine so starke hämolytische Wir- 
kung, wie sie bei dem Flimmerepithel hervortritt, durch geringe Blutmengen 
gar nicht ausgelöst wird. Eine absolute Specifität, derart, dass der mit Flim- 
merepithelzellen gewonnene Immunkörper nur von Fimmerzellen gebunden 
wird, besteht demnach nicht, und es ist diese Thatsache mit Ehrlich’s Seiten- 
kettentheorie auch leicht zu vereinbaren, da es wahrscheinlich ist, dass ge- 
wisse Gruppen, die allgemeinen Ernährungsfunktionen dienen, der Mehrzahl, 
wenn nicht allen Zellen des gleichen Thieres zukommen. 

Weitere Untersuchungen des Verf.’s erstreckten sich auf ein epitheliales 
Sekretionsprodukt, das er zur Immunisirung verwendete, nämlich die 
Milch. Zu Versuchsthieren benutzte er Meerschweinchen und Kaninchen und 
erhielt auch hier hämolytische Immunsera, welche in ihrer Wirkung auf die 


512 Heizung. 


Erythrocyten Verschiedenheiten aufwiesen, dagegen fast die gleichen Eigen- 
schaften des Flimmerepithel-Immunserums aufwiesen und in dieser Beziehung 
von letzterem nicht sicher abgetrennt werden können. Das Kuhmilch-Immun- 
serum ist demnach durch die Affinitätsverhältnisse seines hämolytischen Immun- 
körpers als Epithel-Immunserum charakterisirt. Nach Verf. folgt daraus, dass 
in der Milch dieselben specifischen Gruppen vorbanden sind, wie in den sie 
producirenden Epithelzellen. Es stimmt dieses Ergebniss auch sehr gut zu den 
histologischen Beobachtungen, nach denen das Protoplasma der Drüsenzellen 
selbst zur Milchproduktion verwandt wird. R. O. Neumann (Kiel). 


Nussbaum H. Chr., Die Rauchbelästigung in deutschen Städten. 
Deutsche Vierteljahrsschr. f. öffentl. Gesundheitspfl. Bd. 32. S. 562. 

Der Ausschuss des Deutschen Vereins für öffentliche Gesundheitspflege 
hatte im Jahre 1899 einen Fragebogen an die Verwaltungen deutscher 
Städte mit einer Einwohnerzahl von 15000 und mehr versandt, um Auf- 
schlüsse über den Grad der in ihnen etwa herrschenden Rauch- und Russ- 
belästigung, über deren jeweilige Ursachen und die Mittel, welche zur 
Abhülfe ergriffen worden sind oder geführt haben, zu erbalten. Da die Er- 
gebnisse dieser Umfrage bei den Verhandlungen des Vereins für öffentliche 
Gesundheitspflege über diesen Gegenstand auf der Nürnberger Versammlung 
im Jahre 1899 keine volle Berücksichtigung finden konnten, weil es an Zeit 
gebrach, hat der Verf. sich der dankenswerthen Mühe unterzogen, die einge- 
gangenen Fragebogen einer Sichtung zu unterwerfen. 

Aus dem vorliegenden Bericht ergiebt sich, dass 75 pCt. der in Frage 
kommenden Städte sich an der Umfrage betheiligt haben, und dass etwa 1; 
bis 1/, der deutschen Städte mit 15 000 und mehr Einwohnern unter der Rauch- 
belästigung in mehr oder minder hohem Grade zu leiden haben. Da in diese 
Zabl die meisten grösseren Industriecentren und die sämmtlichen Grossstädte 
einbegriffen sind, während in mittelgrossen und kleinen Städten günstigere 
Verhältnisse herrschen, so darf schätzungsweise angenommen werden, dass 
etwa die Hälfte der Stadtbewohner im Deutschen Reich und die weitaus be- 
deutendste Mehrzahl der Grossstädte unter den Folgen des Austretens unvoll- 
kommener Verbrennungserzeugnisse in die Luft zu leiden haben, denen vielfach 
auch schweflige Säure und andere ätzend oder giftig wirkende Gase sich 
beimischen. 

Die Grösse der Rauch- und Russbelästigung ist nicht allein von dem 
Brennstoffverbrauch abhängig, sondern, wie die Unterschiede in den verschie- 
denen Städten darthun — beispielsweise weist Berlin einen erheblich geringeren 
Grad des Russ- und Rauchgehalts der Luft auf als Dresden, Leipzig, Han- 
nover, Nürnberg und viele Industriestädte — einmal von örtlichen und kli- 
matischen Verhältnissen und von der Lage des Orts, von der Lage der Gewerbe- 
betriebe zur Stadt und ganz besonders von dem ortsüblichen Brennstoff. Mit 
vollster Deutlichkeit geht aus sämmtlichen Berichten hervor, dass dort, wo Mager- 
kohle, Coke und Presskohle eine ausgedehnte und alleinige Verwendung finden, 
die Belästigung eine unter allen Umständen erträgliche bleibt, während Flamm- 


Heizung. 513 


koble, Holz und ganz besonders die böhmische Braunkoble als Erzeuger von 
erheblichen Rauch- und Russmengen zu gelten haben. Zu diesen letzteren 
zählen in erböhtem Grade die Abfälle von Kohle, Holz und Torf. Berlin ver- 
dankt seine relative Russ- und Rauchfreiheit vornehmlich dem Umstande, dass 
bier in erster Linie Magerkohle, Coke und Presskohle Verwendung finden. 

Ferner konnte eine günstige Einwirkung vielfach an Orten festgestellt 
werden, in welchen die Anwendung von Leuchtgas zum Kochen und Backen 
eine allgemeinere geworden ist, während früher Holz oder Flammkoble diesem 
Zweck diente. Es ergiebt sich hieraus, dass der Auswahl geeigneter Brenn- 
stoffe eine besondere Bedeutung in der Bekämpfung der Rauch- und Russplage 
zukommt. 

Besonderes Interesse bieten die Angaben über den Antheil, welchen 
die Grossbetriebe, die Kleinbetriebe und die häuslichen Feuerungsstätten an 
der Rauchentsendung nehmen. Die Klagen und Beschwerden der Nachbarn 
von Gewerbebetrieben über Rauchbelästigung beziehen sich in ganz wesentlich 
bedeutenderem Maasse auf Kleinbetriebsfeuerungen als auf Kesselfeuerungen, 
und zwar stellt sich dies Verbältniss annähernd wie 4:1. In erster Linie 
stehen die Feuerstätten der Bäckereien, über die allgemein Klage geführt wird, 
selbst in Städten, die sonst eine Rauchbelästigung nicht kennen. Dann folgen 
die Brauereien, Brennereien, die grossen Schmieden und Schlossereien sowie 
die Tischlerwerkstätten mit Maschinenbetrieb und die Wäschereien. 

Ein recht bedeutender Antheil fällt auch den häuslichen Feuerstätten zu, 
wo Kohlebeschickung die Regel bildet. 

Von den Grossbetrieben wurden arge Belästigungen in solchen Fällen 
verzeichnet, in welchen das Maass der Kesselflächen den von ihnen ständig 
oder zeitweise geforderten Leistungen gegenüber zu klein gewählt war. Bei 
den Kleinbetrieben und den häuslichen Feuerungsstätten beschränkten sich die 
Mittel zur Abhülfe in der Regel auf eine Erhöhung und Querschnittserweite- 
rang der Schornsteine oder auf die Anwendung eines anderen, weniger Rauch 
und Russ entwickelnden Brennmaterials. Gegenüber den Grossbetrieben führte 
die Erhöhung oder Erweiterung der Schornsteine nur in wenigen Fällen zum 
Ziele, während die Vergrösserung der Kesselflächen stets ein unerwartet günstiges 
Ergebniss lieferte. Daneben kommt, wie allseitig anerkannt, der Schulung und 
Beaufsichtigung der Heizer eine erhebliche Bedeutung zu, während die ver- 
schiedenen Rauchverzehrungs-Einrichtungen einen nachweisbaren Erfolg nicht 
erkennen lassen. 

Wenn dem Verf. darin beizustimmen ist, dass für alle genehmigungs- 
pfichtigen Feuerstätten die in den verschiedenen Staaten durch Gesetze, Ver- 
ordnungen und Ortsstatute gegebenen Bestimmungen im Allgemeinen ausreichen, 
erhebliche Rauch- und Russbelästigung zu verhüten, und zwar besonders dann, 
wenn die Fabriken überall von den Wohnungen genügend entfernt und der 
vorherrschenden Windrichtung abgewandt errichtet werden, so hat dies zur 
Voraussetzung, dass seitens der Verwaltungsbehörden gegen alle durch Rauch 
oder Russ hervorgebrachten Belästigungen und Schädigungen in jedem Fall 
mit aller Energie vorgegangen wird. Dasselbe gilt gegenüber den Klein- 
gewerbebetrieben, die, wo die Belästigungen in anderer Weise nicht zu be- 


514 Heizung. 


seitigen sind, gleichfalls ausserhalb der eigentlichen Wohnviertel zu errichten 
sind. Ein energisches Vorgehen gegen diese Rauch- und Russbelästigung als 
eine der grössten und mit Rücksicht auf die fortschreitende Zunahme der 
Industrie sich stetig steigernde Öffentliche Gefahr ist um so mehr geboten, 
als neben der Grossindustrie, den Kleinbetrieben und den häuslichen Feuerungs- 
stätten die Lokomotiven der Eisenbahnen und Strassenbabnen zur Vermehrung 
der Rauch- und Russplage tagaus tagein in erheblichem Maasse beitragen. 
Roth (Potsdam). 


Roeseler P., Das Wassergas, seine Herstellung, Verwendung nnd 
hygienische Bedeutung. Deutsche Vierteljahrsschr. f. öffentl. Gesund- 
heitspfl. Bd. 32. S. 410. 

Wassergas bildet sich bekanntlich, wenn man Dampf über glühende 
Kohlen leitet, und besteht theoretisch aus zwei gleichen Volumina Kohlenosyd 
und Wasserstoff. Diese vollständige Zersetzung tritt aber nur bei hinreichend 
hoher Temperatur ein. In Folge seiner ausserordentlich hohen Flammen- 
temperatur wird es in der Industrie überall da mit Vortheil verwandt, wo 
es auf Erzielung besonders hober und gleichmässiger Temperaturen ankommt, 
insbesondere zum Schweissen und Schmieden, beim Schmelzen von Metallen, 
Legirungen, Flüssen in der Glas- und Thonwaarenindustrie, ferner für che- 
mische Fabriken u. s. w. Dabei ist die Regulirung der Temperatur eine ein- 
fache und bequeme. 

Bei Verwendung zu Heizzwecken bietet das Wassergas den Vortheil, 
dass es keiner Beimischung von Luft bedarf, um vollkommen rauch- und russ- 
frei zu verbrennen. Was die Kosten betrifft, so ist die Heizung mit Wassergas 
kaum theurer als die Heizung mit Kachelöfen. Die ausgedehnteste Verwen- 
dung scheint aber dem Wassergas auf dem Gebiet des Beleuchtungswesens, 
namentlich für Öffentliche Zwecke, bevorzustehen, und zwar kanu es hier auf 
dreierlei Weise verwendet werden: 1. als reines, nicht leuchtendes Wassergas 
unter Benutzung von Glühkörpern; 2. als karburirtes, d. h. durch Beimischung 
von Kohlenwasserstoffen leuchtend gemachtes Gas, und 3. als Zusatz in reinem 
oder karburirtem Zustande zu gewöhnlichem Steinkohlen-Leuchtgas. 

Besondere Vorzüge bietet die Wassergas-Auerbeleuchtung. Da das Wasser- 
gas bei seiner hohen Flammentemperatur und seiner auch ohne besondere 
Luftzufuhr nicht leuchtenden und nicht russenden Flamme eines Bunsenbrenners 
nicht bedarf, können die Brennerkonstruktionen einfacher und damit die 
Strümpfe stabiler und widerstandsfähiger werden, sodass mit Rücksicht auf 
die grössere Billigkeit des Wassergases die Gesammtkosten sich erheblich 
niedriger stellen als bei anderen Beleuchtungsarten. 

Diesen wirthschaftlichen Vorzügen stehen nun aber erhebliche gesund- 
heitliche Gefahren gegenüber. Die hauptsächlichste Gefahr beim Gebrauch 
des Wassergases beruht auf seinem hoben, durchschnittlich etwa 40 pCt. 
betragenden Kohlenoxydgehalt, welcher es fünfmal so giftig wie Leuchtgas 
erscheinen lässt. Wenn gleichwohl nur äusserst selten Fälle von akuter Kohlen- 
uxydgasvergiftung durch Wassergas, speciell in Deutschland beobachtet worden 
sind, so schliesst das nicht aus, dass Vergiftungsfälle mit chronischem Verlauf 


Beleuchtung. 515 


häufiger vorkommen und auch zur Feststellung kommen würden, wenn der- 
artige gefährliche Betriebe nach der gesundheitlichen Seite dauernd ärztlich 
überwacht würden. 

Die im Interesse der Arbeiter wie der Umgebung erforderlichen gesund- 
heitspolizeilichen Maassnahmen beziehen sich vor Allem auf absolute Dichtigkeit 
der Apparate und Leitungen und ausgiebige Ventilation des Generatorraums. 
Nicht gelungen sind bisher die Versuche, das Wassergas mit Rücksicht auf 
seine Giftigkeit und Geruchlosigkeit bei der Benutzung desselben als Leucht- 
gas durch entsprechende Zusätze von Merkaptan (Schwefelalkohol), Carbyl- 
amin u.a. stark‘ riechend zu machen. In Amerika wird eine besondere Par- 
fümirung des Wassergases nicht vorgenommen, weil die dort gebräuchliche 
Karburirung mit Erdölen dem Gase einen ähnlich durchdringenden Geruch, 
wie ihn das Retortenleuchtgas besitzt, ertheilt. Die bei uns gebräuchliche 
Karburation mit Benzol vermag dies jedoch nicht, da ein so karburirtes Gas 
sich den Geruchsnerven nur schwach bemerklich macht, weshalb das Wasser- 
gas nicht für sich, sondern nur in genügender Mischung mit Leuchtgas, wo- 
durch sein Kohlenoxydgehalt um mindestens 15—18 pCt herabgesetzt und ihm 
gleichzeitig der charakteristische Leuchtgasgeruch verliehen wird, in die Lei- 
tungen abgegeben werden darf. 

Wenn demnach das Wassergas bei der Leichtigkeit und Billigkeit seiner 
Herstellungsweise einen erheblichen Fortschritt auf dem Gebiete der Industrie 
und Technik bedeutet, so sind doch die mit seiner Verwendung, namentlich 
zu Zwecken der häuslichen Beleuchtung und Heizung, verbundenen Gefahren 
noch derartige, dass es Aufgabe der Aerzte und Gesundheitsbeamten ist, hier- 
auf bei Zeiten hinzuweisen. Gegen die Verwendung des Wassergases in der 
Industrie liegen, da hier ĉine dauernde Kontrole sehr wohl möglich ist, der- 
artige principielle Bedenken nicht vor. Die hier in Frage kommenden Ge- 
sichtspunkte sind in der Bekanntmachung, betr. die Anwendung gesundheits- 
schädlicher Wirkungen des Wasser- und Halbwassergases vom 31. Dec. 1896 
niedergelegt, die an die Stelle der im Jahre 1892 erlassenen Bekanntmachung . 
getreten ist, und eine Milderung der dort aufgestellten Gesichtspunkte darstellt. 

Roth (Potsdam). 


v. Drigalski, Zur Wirkung der Lichtwärmestrahlen. Aus dem Institut 
für Infektionskrankheiten. Centralbl. f. Bakteriol. Abth. I. Bd. 27. No. 22 
u. 23. S. 788. ` 

Eine Arbeit, welche, auf exakte Experimentaluntersuchungen gestützt, den 
übertriebenen und verworrenen Empfehlungen der Lichttherapie einen Theil 
ibres Bodens entzieht. Verf. äussert sich anerkennend über die Verdienste 

Finsen’s, welcher in der Erkenntniss, dass nur den violetten und ultravioletten 

Strahlen chemische und bakterieide Wirkungen zukommen, sich bemüht habe, 

diese Strahlen wirklich zur Anwendung zu bringen und damit nur wirklich 

zugängige Krankheitsherde zu behandeln, die lokal, oberflächlich gelegen und 
bakteriogen sein müssen. Dagegen hebt v. Drigalski hervor, dass das zu 
den Lichtbädern verwendete Glühlicht sehr wenig chemische Strahlen besitzt, 
dass für dessen grüne und gelbe, die eigentlich leuchtenden Strahlen Heil- 


516 Schulhygiene. 


wirkungen bisher nicht nachgewiesen sind, und dass die rothen und ultrarothen 
Strahlen lediglich Wärmewirkung haben. Daher besteht der hauptsäch- 
lichste Effekt der Lichtbäder in der Schweissentwickelung. — Den wesentlichsten 
Inhalt der Mittheilung des Verf.’s bildet ein Bericht über eine Nachprüfung 
der von den Anhängern der Lichttherapie geräuschvoll verkündeten Angaben 
Kattenbracker’s, dass Versuchsthiere unter Glühlichtbebandlung von der 
Infektion mit Milzbrand, Streptokokken und Proteus gerettet wurden und bei 
Tuberkuloseinfektion länger am Leben blieben als im Dunkeln gehaltene 
Kontroltbiere. v. Drigalski prüfte die Richtigkeit dieser Behauptung unter 
Verwendung von Mäusen, die mit Milzbrand inficirt bezw. der Infektion mit 
Septikämie verschiedener Art ausgesetzt waren. Die Versuchsanordnung ist 
in der Originalarbeit nachzulesen. Das Ergebniss war den Versuchserfolgen 
Kattenbracker’s gerade entgegengesetzt. Die Versuchsthiere starben theils 
gleichzeitig mit den Kontrolthieren, theils in kürzerer Zeit als diese, weil ibre 
Kräfte durch das von der Bestrahlung verursachte Schwitzen aufgerieben wurden. 
Irgend eine baktericide Wirkung der Bestrahlung im Thierkörper war nicht 
nachzuweisen. Kübler (Berlin). 


Schubert, Paul, Sol) der Schularzt durch den Lehrer ersetzt werden? 
Zeitschr. f. Schulgesundheitspfl. 1900. S. 589. 

G. Hergel in Aussig, der früher für die Anstellung von Schulärzten mit 
ausgedehnter Machtbefugniss eingetreten war (die angefülrte Zeitschr. 10. Jahrg. 
S. 334), griff neuerdings (Turnerische Zeitfragen. 1900. No. 7) die schulärzt- 
lichen Einrichtungen Deutschlands an, da durch diese eine Kampfesstim- 
mung zwischen Lehrern und Aerzten erzeugt und die Befürchtung wach- 
gerufen werde, der Einfluss der Schulärzte schädige die Autorität der Lehrer, 
störe den Unterricht und lockere die Disciplin. — Der Verf. bekämpft diese 
Ansicht mit Hinweis auf die Erfahrungen in Nürnberg und anderen Orten, wo 
die früheren Bedenken gegen die Schulärzte alsbald nach deren Einführung 
geschwunden seien. Die Anfgaben des bayerischen Schularztes bestehen im 
Wesentlichen in der Ueberwachung von 1. den gesundheitlichen Verhältnissen 
des Schulgebäudes und der Schuleinrichtung, 2. der Gesundheit der Kinder 
in Bezug auf Uebertragung von Krankheiten und auf Rücksichtnahme des 
Schulbetriebes bei Gebrechen und Erkrankungen. Dagegen ist die Hygiene 
des Unterrichts und der Unterrichtsmittel einer Mitwirkung des Arztes in 
Bayern entzogen. 

Der Verf. wendet sich sodann gegen die Annahme, dass die schulärzt- 
liche Thätigkeit von dem Lehrer selbst hinlänglich ausgeübt oder auf den 
Fall eines von der Schulbehörde für erforderlich erachteten Beirathes be- 
schränkt werden könne. Dagegen bält Schnbert die Forderung eines Hy- 
gieneunterrichts in der Schule för nicht brennend. Auch weist er darauf 
hin, dass ein derartiger Unterricht mit der Schulgesundheitspflege selbst sehr 
wenig zu thun hat. Keinenfalls darf er (S. 598) von einem Lehrer ertheilt 
werden: „Weshalb fordert man vom Lehramtskandidaten eine Fortsetzung seiner 


Schulhygiene. 517 


altpbilologischen Studien noch weit, sehr weit über das Abiturientenexamen 
hinaus, bevor ihm der Anfangsunterricht in den klassischen Sprachen anver- 
traut wird? Könnte man dazu nicht Volksschullehrer verwenden, die zwar 
keine grosse Sachkenntniss im Latein besitzen, aber pädagogisch geschult 
siod, ihrem ganzen Bildungsgange entsprechend sogar weit besser geschult, 
als die Philologen? Das Bischen Latein, das sie für die unteren Klassen 
brauchen, könnten sie sich gewiss ebenso leicht nachträglich aneignen, wie 
dies nach H.’s Vorschlag die Lehrer mit dem hygienischen Wissen thun 
sollen.“ Helbig (Serkowitz). 


Vana J, Messung der Schulkinder zum Zwecke der Anschaffung 
richtiger Schulbänke. Das Oesterr. Sanitätsw. 1900. No. 13 ff. 

Die Angaben über die Grösse der Schulbänke speciell für Volks- und 
Bürgerschulen lässt sich nur auf Grund von Messungen der Schulkinder 
machen, wobei es genügt, die Körpergrösse der Kinder allein zu berücksich- 
tigen und Höhengruppen unter den Kindern von 10 zu 10 cm einzuhalten. 
Auf diese Weise konnte Verf. an Messungen von 7118 Schülern in 52 Schulen 
des Mährisch-Budwitzer Bezirks VI Nummern von Bankgrössen ermitteln, welche 
für die Mehrzahl der Schüler hinreichen würden, so die Banknummer I ge- 
nau berechnet für die Schülergrösse von 105 cm und bestimmt für Schüler 
der Höhengruppe 100—110 cm, und nun immer um 10 cm ansteigend bis zu 
Nummer VI, genau berechnet für die Schülergrösse von 150 cm und ausreichend 
für die Schülergrösse von 150—160 cm. Ueber 160 cm waren überhaupt nur 
28 Kinder und unter 100 cm nur 11 Kinder zu verzeichnen gewesen. 

Bezüglich der Sitzzahl spricht sich der Verf. entschieden für die zwei- 
sitzigen Bänke aus und zwar für ein Modell mit Null-Distanz. 

Hammer (Brünn). 


Arbeiten der Kommission für Schulgesundheitspflege zu Nürnberg 
über die Beschaffenheit des Druckes der Schulbücher in Hinsicht 
auf die Hygiene des Auges. Mittheilungen des Vereins für Öffentliche 
Gesundheitspflege za Nürnberg. 1900. 75 Seiten 8°. 

Der vorliegende Sonderabdruck schliesst sich an die im 5. Heft derselben 
Mittheilungen S. 99—118 veröffentlichte Arbeit an. Er enthält eine Anzahl 
Aktenstücke betreffs des im Wesentlichen erfolglos gebliebenen Bestrebens der 
Nürnberger Kommission für Schulgesundheitspflege nach Herbeifüh- 
rung ministerieller Vorschriften über den bei Schulbüchern zulässigen 
Druck. Wenn auch die Veröffentlichung zunächst nur auf bayerische Ver- 
hältnisse Bezug nimmt, so erscheinen doch die opbthalmologischen und päda- 
gogischen Erörterungen über den Gegenstand von allgemeiner Wichtigkeit für 
die Schulgesundheitspflege und werden beanıteten Aerzten auch ausserhalb 
Bayerns eine brauchbare Unterlage für einschlägige Gutachten gewähren. 
Insbesondere gilt dies von den tabellarischen Zusammenstellungen P. Schu- 
bert's (S. 24—39) von 105 Schulbüchern verschiedenen Inhalts (nach „n“- 
Höhe, Zeilenabstand, Buchstabenzahl in der Normalzeile von 10 cm Länge, 
Zeilenlänge, Grundstrichdicke, Papier und Druckdichtigkeit) aus dem Jahre 


518 Ernährung. 


1893. Eine weitere Tabelle Neuburger’s von 1898 stellt 131 Bücher und 
Atlanten für höhere Schuleu nach „n“-Höhe, Zeilenabstand, Buchstabenzahl 
auf 1 gem, Druck, Papier, Gesammturtheil und Zeilenlänge zusammen. Als 
Ergebniss liess sich feststellen, dass seit 1882 bis 1898 die schlechtesten 
Schulwerke von 17 pCt. auf 12 pCt., die besten von 37 pCt. auf 30 pCi. 
abgenommen haben, wäbrend sich die mittleren von 45 auf 56 pCt. vermehrten. 
Von einer durchgreifenden Besserung konnte demuach in diesen 16 Jahren 
keine Rede sein. Helbig (Serkowitz). 


Helm, Gewinnung und Absatz von frischer, tuberkelbacillenfreier 
Trinkmileh (Eismilch). Deutsche Vierteljahrsschr. f. öff. Gesundheitspfl. 
Bd. 32. S. 446. 

Das zuerst in Dänemark von dem Ingenieur Casse praktisch geübte 
Verfahren, Milch gefrieren zu lassen und von dieser Eismilch der übrigen 
Milch so viel zuzusetzen, dass sie für einen bestimmten Transport ausreichend 
kühl erhalten wird, wurde von dem Verf. in der Richtung abgeändert, dass 
von einer längeren Stapelung der Milch abgesehen und das Unternehmen auf 
einen kleineren Umkreis beschränkt wurde, um zu verbüten, dass die Milch 
nicht von vorne herein in einem unhaltbaren Zustand in den Betrieb gelangte. 
Sodann wurde die Milch möglichst schnell abgekühlt, damit sie nicht vorher 
ausrahmte. In der nach diesen Grundsätzen geleiteten Molkerei in Rheinsberg 
gelangt die Milch, nachdem sie zuerst auf ihren Säuregehalt untersucht und 
der Fettgebalt festgestellt ist, in den Pasteurisirapparat und von hier auf den 
Kühler, von dem sie mit einer Temperatur von nahezu 0° in den Sammel- 
behälter gelangt, um von hier aus in Kannen in den Kühlraum, in dem sich 
auch die Kältemaschine befindet, befördert zu werden. Während der beissen 
Jahreszeit wird die Milch mit gefrorener Milch versetzt, die in besondern 
Formen derart erzeugt wird, dass die Milch vollständig gleichmässig ausfriert 
und eine Ausrahmung nicht stattfindet. Dass dies in der That der Fall, konnte 
bei wiederholten Besichtigungen der Molkerei festgestellt werden. 

Die Vortheile des Verfahrens namentlich in wirthschaftlicher Hinsicht. 
liegen auf der Hand. In hygienischer Hinsicht wird zunächst noch der posi- 
tive Nachweis zu erbringen sein, dass die Tuberkelbacillen durch das Pasteu- 
risirungsverfahren sicher abgetödtet werden. Roth (Potsdam). 


Barthei Chr., Einige Versuche über die Bildung von Essigsäure in 
Milch durch Milchsäurebakterien. Centralbl. f. Bakteriol. Abth. 11 
Bd. 6. No. 13. S. 418 ff. 

Die Bildung von Essigsäure, welche neben der Milchsäure bei Um- 
wandlung des Milchzuckers stattfindet, wird als nebensächliches Produkt weniger 
beachtet, ihre Menge ist jedoch nicht ganz unwesentlich. Verf. suchte in seinen 
Experimenten festzustellen, einmal, ob die Menge der gebildeten Essigsäure 
grösser sei bei Sauerstoffzutritt oder bei Sauerstoffabschluss und 
dann, ob sie grösser sei bei hoher oder niederer Temperatur. Zum Ver- 


Ernährung. 519 


such benutzte er sogenannte Fernbachkolben, durch die fortdauernd Luft 
hindurchgesaugt wurde; für den Luftabschluss dienten Pasteurkolben. Geimpft 
wurde die Milch mit Bact. lactis acidi Leichm. und dieselbe dann bei 380 
resp. 240 resp. 160 aufgestellt. 

Aus den Versuchen geht nun hervor, dass bei Anwesenheit von Sauer- 
stoff sich mehr Essigsäure bildet, und zwar im Verhältniss von 3:2 gegen- 
über dem Abschluss des Sauerstoffs. Die Temperaturverhältnisse wirken in 
der Weise ein, dass die Essigsäureproduktion steigt, je tiefer die Temperatur 
der Milch sinkt, also dass dann, wenn die Milchsäurebakterien am besten 
gedeihen, am wenigsten Essigsäure gebildet wird. Verf. will deshalb die 
Essigsäure als ein gewissermaassen pathologisches Produkt des Zellenlebens 
der Milchsäurebakterien ähnlich wie bei der Alkoholhefe aufgefasst wissen, 
weil die Menge dieser Produkte dann vermehrt wird, wenn die Bakterien 
anter für sie günstigen Bedingungen leben. R. O. Neumann (Kiel). 


Meissner R., Ueber das Auftreten und Verschwinden des Glykogens 
in der Hefezelle. Centralbl. f. Bakteriol. Abth. II. Bd. 6. No. 16/17. 
S. 517. 

Die von Wortmann gemachte Beobachtung, dass bei der Vergährung von 
Most durch einige besondere Heferassen eine grössere Menge Kohlen- 
säure gebildet wurde, als nach der Theorie hätte gebildet werden können, und 
die andere Thatsache, dass der Alkoholgehalt eines Weines um 0,88 pCt. 
höher gefunden wurde, als es nach der Berechnung hätte der Fall sein müssen, 
liess erkennen, dass in diesen Fällen ein ganz anderer Faktor mit im Spiel 
sein musste. Es handelte sich um die in der Hefezelle aufgespeicherten Reserve- 
stoffe, das Glykogen und das Fett, welche nach der vollendeten eigentlichen 
Gährung wieder „verathmet“ resp. langsam in Alkohol und Kohlensäure 
gespalten werden. 7 

Da über das Auftreten und Verschwinden des Glykogens in der Hefe- 
zelle nur wenig positive Angaben vorlagen, suchte Verf. die Frage neu zu 
bearbeiten, indem er 1. den Anfang der ersten Spuren von Glykogen in den 
Hefezellen, 2. den Maximalgehalt des Glykogens und 3. den Zeitpunkt des 
Verschwindens des Glykogens ins Auge fasste. 

Er untersuchte 28 verschiedene Weinheferassen, welche in sterilisirtem, 
geschöntem Traubenmost aufgefrischt und, nachdem die Moste in Gährung ge- 
kommen waren, zu den Versuchen verwendet wnrden. Es zeigte sich nun, 
dass das Glykogen bereits in den jungen Sprossen der Hefezellen auf- 
tritt, wenn dieselben etwa den Längendurchmesser der Mutterzelle erreicht 
haben. Es wird dann Glykogen in den Zellen aufgespeichert, bis sich am 
Schlusse der Hauptgährung ein Maximalgehalt an Glykogen darin nach- 
weisen lässt. Nachdem die Hauptgährung des Weines vorüber ist, lässt sich 
mikroskopisch eine Abnahme des Glykogens in den Hefezellen konstatiren 
und zwar schon zu einer Zeit, in welcher noch geringe Mengen 
Zucker in der gährenden Flüssigkeit vorhanden sind. 

Das Verschwinden des Glykogens vollzieht sich bei den verschiedenen 
Heferassen verschieden schnell. In stark hungernden Trubs findet man immer 


520 Alkoholismus. 


noch eine Anzahl Hefezellen, deren Glykogengehalt unter Umständen noch ein 
beträchtlicher ist. 

Wichtig dabei erscheint, dass Neubildung und Vergährung des Glykogens 
in der Hefezelle zwei Processe darstellen, die gleichzeitig neben einander 
verlaufen. R. O. Neumann (Kiel). 


Schenk, Die Nothwendigkeit der Errichtung von Trinkerheilstätten. - 
Deutsche Vierteljahrsschr. f. öffentl. Gesundheitspfl. Bd. 32. S. 391. 

Die Arbeit giebt eine dankenswerthe Uebersicht über den gegenwärtigen 
Stand der Anstaltsfürsorge für Trinker und deren Bedeutung in hygie- 
nischer und socialer Hinsicht. Erfreulich ist die Tbatsache, dass, während 
im Jahre 1896 erst.15 Trinkerheilanstalten in Deutschland bestanden, gegen- 
wärtig bereits deren mindestens 27 gezählt werden, ein Beweis für die Noth- 
wendigkeit dieser Anstalten. Von diesen 27 Anstalten waren 9 für die be- 
mittelten Volkskreise bestimmt, 18 für die minderbemittelten und armen Trinker 
und Trinkerinnen. Projektirt oder im Bau begriffen waren ausserdem noch 
8 Anstalten, von denen die vom „Berliner Bezirksverein gegen den Missbrauch 
geistiger Getränke“ in der Nähe von Fürstenwalde errichtete Anstalt inzwischen 
bereits eröffnet worden ist: Je nach Einrichtung und Leitung sind die Erfolge 
in diesen Anstalten verschieden. Je früher die an Trunksucht Leidenden in 
Trinkerheilstätten untergebracht werden, um so mehr wird es gelingen, die 
Entmündigung überflüssig zu machen, so dass sie nur noch für unheilbare, 
trotz wiederholter Anstaltspflege rückfällige Trinker in Frage kommt. 

Die Hauptpunkte seiner Ausführungen fasst Schenk in folgende Sätze 
zusammen: g 

1. Die schweren, krankhaften Schädigungen, welche die chronische Alkohol- 
vergiftung am Gehirn und damit an der geistigen Thätigkeit hervorbringt, siad 
in den erblich nicht zu stark belasteten und nicht zu weit vorgeschrittenen 
Fällen heilbar. 

2. Dauernde Heilung von derjenigen Form der Alkoholvergiftung: des 
Gebirns, welche als Trunksucht in die Erscheinung tritt, ist nur möglich bei 
lebenslänglicher Enthaltsamkeit von allen alkoholischen Getränken. 

3. Trinkerheilstätten sind nothwendig, weil ein grosser Theil von geistig 
geschädigten Gewohnbeitstrinkern und von Trunksüchtigen nur in zweckent- 
sprechenden Anstalten vom Alkohol entwöhnt werden kann. 

4. Zu entmündigen sind im Allgemeinen nur diejenigen Trunksüchtigen, 
welche unheilbar sind oder nach ausgiebiger Behandlung in einer Heilstätte 
rückfällig werden. 

5. Die Zulässigkeit der zwangsweisen Detention auch nicht entmündigter 
Trinker in einer Heilstätte ist gesetzlich festzulegen. 

6. Die bisher im Deutschen Reich vorhandenen Trinker-Rettungsanstalten 
genügen nicht dem Bedürfniss und entsprechen zum grossen Theil nicht den 
an Trinkerheilstätten vom Standpunkt der öffentlichen Gesundheitspflege zu 
stellenden Anforderungen. 


Desinfektion. 521 


7. Alle Trinkerbeilstätten in Deutschland sind nach einheitlichen Grand- 
sätzen einzurichten und zu leiten. a 

8. Die Trinkerheilstätten sind der staatlichen Aufsicht und ärztlicher Ober- 
leitung zu unterstellen. 

9. Für Männer und Frauen sind gesonderte Heilstätten nothwendig. 

10. In den Heilstätten sind sämmtliche besserungsfähigen Trinker, also 
auch Alkoholdeliranten und Alkoholepileptiker unterzubringen. 

11. Die geheilt Entlassenen bleiben noch für einige Jahre unter Kontrole 
der Anstalt. 

12. Für unheilbare Trinker sind besondere, zweckmässig an die Arbeiter- 
kolonien anzuschliessende Trinkerasyle einzurichten. Roth (Potsdam). 


Reille, Le casier sanitaire de la ville de Paris. Ann. d’hyg. publique 
et de med. legale. 3. serie. T. 44. No. 1. 1900. p. 43. 

Seit der Einrichtung der öffentlichen Desinfektion in Paris im 
Jahre 1887 hat man den Gesundheitsverhältnissen in den Wohnungen erhöhte 
Beachtung zugewendet. In den 5 Jahren von 1894—1899 wurde ein Archiv 
angelegt, welches für jedes Haus der Stadt ein besonderes Fach erhielt. Es 
wurden darin für 72 108 Häuser die sanitären Verhältnisse genau aufgezeichnet 
unter Beifügung von Skizzen für jedes Stockwerk, Bemerkungen über die 
Abtritte, die Abfallbeseitigung, die Wasserversorgung, die Zahl der Bewohner, 
die in den Häusern vorgekommenen Krankheiten und ausgeführten Desin- 
fektionen. Den Gesundbeitskommissionen wurden dadurch ihre Aufgaben beim 
Auftreten anusteckender Krankheiten sehr erleichtert. Insgesammt sind in 
26560 Aktenstücken 74 583 Eintragungen über ansteckende Krankheiten und 
in 49706 Aktenstücken 140 409 Eintragungen über Desinfektionen erfolgt. Be- 
sonders hat sich A. J. Martin um das Unternehmen verdient gemacht, welches 
zur Nachabmung in Deutschland nur dringend empfohlen werden kann. Es 
erscheint geeignet, das Studium vieler wichtiger Fragen der Volksgesundheits- 
pflege zu fördern und mancherlei Aufschlüsse, z. B. über die Wirksamkeit der 
Desinfektionen u. s. w. zu geben, in Ermangelung deren unser Urtheil zur Zeit 
sich lediglich auf Vermuthungen oder Wahrscheinlichkeitsschätzungen gründen 
muss, Kübler (Berlin). 


Babucke, Ueber die Desinfektion mit Typhusbacillen inficirter 
Badewässer. Aus dem hygienischen Universitätsinstitut Königsberg i. Pr. 
Centralbl. f. Bakteriol. Abth. I. Bd. 27. No. 22/23. S. 800. 

Es liegt auf der Hand, dass ein nicht desinficirtes Badewasser von 
Typhus- oder Cholerakranken den Ansteckungsstoff dieser Krankheiten zu 
verbreiten vermag. Zur Desinfektion eignen sich die meisten gebräuchlichen 
Mittel, wie Sublimat, Karbolsäure oder Kalk nicht, weil sie entweder zu theuer 
oder in der Anwendung nicht ungefährlich sind, oder auch das Material der 
Wannen angreifen. Diese Nachtheile kommen beim Chlorkalk, welcher schon 
von Bassenge u. A. zur Wasserdesinfektion verwendet worden ist, nicht in 
Betracht. Verf. prüfte daher die Brauchbarkeit desselben, indem er eine grosse 


522 Desinfektion. 


Zinkwanne mit Wasser füllte, Darmentleerungen, Typhusfäces (auch sterili- 
- sirte und dann mit Typhusbacillen versetzte), z. Th. auch feste Kothpartikelcheu 
hinzufügte und darauf Chlorkalk in bestimmten Mengen bestimmte Zeit lang 
einwirken liess, schliesslich das Mittel durch Zusatz von Calciumbisulfit un- 
wirksam machte. Die Versuche, deren Ergebnisse im Einzelnen von Babucke 
mitgetheilt sind, führten zu dem Resultat. dass die 1/3 stündige Einwirkung 
von 1/3 Pfund (250 g) Chlorkalk genügt, um ein Vollbad von 200 Litern 
sicher von allen darin befindlichen Typhusbacillen und Colibakterien, also 
sehr wahrscheinlich auch von Choleravibrionen zu befreien, selbst wenn 
diese Mikroorganismen an festen Kothpartikelchen haften. Bei dem geringen 
Preis des Chlorkalks (1/, Pfund kostet noch nicht 4 Pfg.) ist die Anwendung 
desselben zur Desinfektion der Badewässer von Typhus- und Cholerakranken 
daher zu empfehlen. Kübler (Berlin). 


von Brunn W., Alkoholdämpfe als Desinfektionsmittel. Centralbl. f. 
Bakteriol. Abth. I. Bd. 28. No. 10/11. S. 309. 

Verf. hat, angeregt durch das allgemeine, der Frage der Alkoholdes- 
infektion entgegengebrachte Interesse eine Prüfung des von dem dampf- 
förmigen Alkohol auf Bakterien geäusserten Einflusses angestellt. 

Er liess Alkoholdämpfe auf 5 Tage alte, sehr sporenreiche Milzbrand- 
Agarkulturen einwirken und fand je nach der Koncentration des verwendeten 
Alkohols sehr verschiedene Werthe. Die desinfektorische Kraft des 10 proc. 
Alkohols erwies sich als geringwerthig, die des 25 proc. als besser. Der 
50 proc. und gar der 75proc. dampfförmige Alkohol standen dem 
strömenden Wasserdampf an Wirkung nicht nach. 

Ganz im Gegensatz hierzu sieht man bei Anwendung des 9öproc. 
Alkohols keinen Erfolg. Da die Temperatur zur Erklärung dieser auf- 
fälligen Resultate nicht in Frage gezogen werden kann, bleibt es nur übrig, 
dem verschieden hoben Wassergehalt des Alkohols eine besondere Rolle zu- 
zuschreiben. Man dürfte in der Vorstellung nicht fehl gehen, dass durch die 
mittels des Wassers hervorgerufene Aufquellung der Sporenmembran 
dem Desinficiens, als welches im vorliegenden Falle der Alkohol wirkt, erst 
der Zutritt zum Innern der Spore geöffnet wird. Das Erlöschen der bakterien- 
tödtenden Kraft bei Verringerung des Wassergehalts unter 20 pCt. weist da- 
rauf hin, dass die ungequollene Sporenmembran für Alkohol undurchlässig ist. 
Verf. empfiehlt die Versuche mit dampfförmigem Alkohol auch auf nicht sporen- 
bildende Bakterienarten auszudehnen. Schumacher (Strassburg i. E.). 


Bertarelli E., Sul potere battericida dell alcool etilico. Il Policlinico. 
Vol. VII. 1900. 

Zur Feststellung der keimtödtenden Kraft des Aethylalkohols setzte 
Verf. Bakterien, nachdem dieselben an Seidenfäden angetrocknet waren, der 
Einwirkung von Alkohollösungen aus, deren Koncentration, von 25 pCt. be- 
ginnend, zu 50, 70, 80 und 99 pCt. gewählt wurde. Aus dem Alkobol 
kamen die Fäden nach bestimmter Zeit in sterilisirtes Wasser zur Ent- 
fernung des anhaftenden Alkohols, hierauf in Bouillon, welche dann in den 


Gewerbehygiene. 523 


Brütschrank gestellt wurde. Von Bakterienarten verwendete B. den Bac. 
prodig., Bac. pyocyaneus, Staphylococcus aureus, Vibrio cholerae asiaticae, Bac. 
typhi abd., Bac. pestis, ferner Milzbrand- und Heubacillussporen. Das haupt- 
sächlichste Ergebniss dieser Untersuchungen war die Feststellung der That- 
sache, dass der 50 proc. Alkohol die grösste antiseptische Kraft besitzt und 
swar sowohl bei gewöhnlicher Temperatur als auch bei Siedehitze, ein Ver- 
balten, welches bereits von Epstein und Minervini beobachtet worden ist. 
Die Zeit, innerhalb welcher die gewählten Testobjekte abgetödtet wurden, 
war verschieden. Während beim Staphylokokkus im 50 proc. Alkohol noch 
nach 12 Stunden die Entwickelungsfähigkeit nicht ganz erloschen war, zeigte 
sich der Bac. typhi abd. bereits nach 10 Minuten unter den gleichen Ver- 
hältnissen abgetödtet, desgleichen der Bac. pestis, während der Erreger der 
asiatischen Cholera sich fast bis zu einer halben Stunde im 5Oproc. Alkohol 
lebensfähig erhielt. Dauerformen, und zwar sowohl die Sporen des Heubacillus 
als auch des Anthrax, waren der Einwirkung des Alkohols in keiner Weise 
zugänglich, selbst nach wochenlangem Aufenthalt im Alkohol erwiesen sich die- 
selben als entwickelungsfähig. 

Beim Lösen der Desinficientien im Alkohol erleiden dieselben im Ver- 
gleich zu den wässerigen Lösungnn derselben Koncentration eine um so grössere 
Einbusse an ihrer keimtödtenden Kraft, je höher die Koncentration des Alko- 
hols ist. Verf. hat die diesbezüglichen- Verhältnisse bei Sublimat, Phenol, 
Chromsäure, Silbernitrat und schwefelsaurem Zink einer eingehenden Unter- 
sachung unterzogen. Hammerl (Graz). 


Lefier J, Undersökning af bagerierna i Sverige. (Untersuchung 
der Bäckereien in Schweden.) Arbetsstatistik I. Stockholm 1899. 65 Ss. 
8° u. 34 Tabellen. 

Elmquist H., Undersökning af tobaksindustrien i Sverige. (Unter- 
suchung über die Tabaksindustrie in Schweden.) Arbetsstatistik II. 
Stockholm 1899. 374 Ss. 8°. 

Diese beiden Arbeiten über Bäckereien und Tabaksindustrie des 
ganzen Landes machen den Anfang einer officiellen Untersuchung über unsere 
Industrie durch den Staat. Der Inhalt kann im Detail nicht referirt werden. 
In der Hauptsache werden geschildert: Geschichte des Gewerbes, Zahl von 
Arbeitsstellen und Arbeiter, Alter, ehelicher Stand und Geburtsort der Arbeiter, 
Arbeitszeit, Lohnverbältnisse, Vereine, die sanitären Zustände der Lokale, Mor- 
bidität und Mortalität u. s. w. E. Almquist (Stockholm). 


Key-Aberg K., Arbetsstatistisk Studie öfner glasindustrien i Sverige. 
(Arbeitsstatistische Studie über die Glasindustrie in Schweden.) 
Publikation der Loren’schen Stiftung. No. 17. Stockholm 1899. 84 Ss. 8°. 

Verf. beschreibt die Arbeitsverhältnisse bei 6 schwedischen Glas- 
hätten. Er hat 969 Glasarbeiter ausgefragt, was etwa 19 pCt. aller schwe- 
dischen Arbeiter dieses Faches ausmacht. Die Lebensverhältnisse werden 
geschildert und Alter, Lohnverhältnisse u. s. w. statistisch beleuchtet. 

E. Almquist (Stockholm). 


524 Gewerbehygiene. 


Murray Wm.. Chronic brass poisoning. Brit. med. Journ. No. 2057. 
2. Juni 1900. p. 1334. 

Murray hat bei Leuten, die Messing herstellen oder bearbeiten, 
häufig Erkrankungen sich entwickeln sehen, die auf ihre Berufsthätigkeit 
zurückzuführen sind und wohl hauptsächlich chronische Vergiftungen mit 
dem Kupfer, vielleicht daneben auch mit dem Zink des Messings darstellen. 
Es scheint eine gewisse Disposition für den schädlichen Einfluss des Messings 
bei manchen Leuten zu geben; andere bleiben, jahrelang mit Messing arbei- 
tend, gesund. Die ersten Krankheitserscheinungen bestehen in Anämie und 
den dadurch bedingten Störungen, wie Dyspepsie, Herzklopfen und Dyspnoe 
bei jeder Anstrengung u.s. w. Tachykardie ist ziemlich häufig, Uebelkeit, 
Erbrechen, erhöhtes Durstgefühl und Kolik nicht selten. Ferner machen sich 
neuralgische Schmerzen und allgemeine Schwäche bemerkbar. Alle Kranken 
zeigen einen grünen Streifen an den Zähnen, zumal den Vorderzälmen des 
Oberkiefers, der nicht wie der Bleisaum auf dem Zahnfleisch, sondern an dem- 
selben direkt auf den Zähnen liegt. Dieser Kupfersaum findet sich auch bei 
noch nicht erkrankten Messingarbeitern; er ist nur ein Zeichen dafür, dass 
eine Ueberladung des Körpers mit Kupfer eingetreten ist. Entwickelt sich 
die Erkrankung weiter, so kommt es zu allgemeiner Abmagerung mit hoch- 
gradiger Schwäche und Muskelatrophie. Chronischer Bronchialkatarrh, Diar- 
rhöen, häufige erschöpfende Schweisse, die die Wäsche grün färben, grünlich- 
weisse Tinktion der Haut sind weitere Folgen. —- Therapeutisch soll besser 
noch als Jodkalium Phosphor in häufigen kleinen Dosen wirken. Prophylaktisch 
sind dieselben Maassnahmen empfehleuswerth, die zur Verhütung von Blei- 
vergiftungen eingeführt sind. R. Abel (Hamburg). 


Durand, Intoxication des a@rostiers par l’hydrogene arsenie. Ann. 
d’hyg. publique et de med. legale. 3. Serie. Tome 44. No. 1. 1900. p. 36. 
Unter den Mannschaften der französischen Militär-Luftschifferabtheilung 
sind durch Unvorsichtigkeit bei der Füllung der Ballons wiederholt Vergif- 
tungen durch Arsenwasserstoff vorgekommen. Die Krankheitssymptome 
äusserten sich erst einige Stunden nach der Vergiftung in Uebelsein, Kopf- 
weh, Nausea, Erbrechen, Diarrhoe, Oligurie und kaffeeähnlicher Färbung des 
Urins, später in Lendenweh, starker Hämoglobinurie und Nephritis. Die Krank- 
heit endete in einigen Fällen tödtlich; die Leichenöffnung ergab hochgradige 
Anämie aller Organe. In anderen Fällen trat erst nach langer Zeit volle Ge- 
nesung ein. 

Zur Vermeidung solcher Unfälle fordert Verf., dass entweder zur Her- 
stellung des Wasserstoffes für die Ballonfüllung durchaus arsenfreie Materia- 
lien verwendet werden, oder dass das entwickelte Gas in geeigneter Weise 
vor dem Austreten mit Kupfersulfat und Sublimat gereinigt wird. Ferner 
müsse die Instruktion für die Mannschaften der Luftschifferabtheilung durch 
Aufnahme entsprechender Warnungen geändert werden. Kübler (Berlin). 


Statistik. 525 


Die Sterblichkeit nach Todesursachen u. s. w. im preussischen 
Staate während des Jahres 1898. Preuss. Statistik. H.162. Berlin 1900. 
Die Sterbeziffer für Preussen betrug 1898 20,4 auf 1000 Einwohner, 
für die männliche Bevölkerung 21,8 und für die weibliche 19,0. Dies Er- 
gebniss kann im Vergleich zu demjenigen der früheren Jahre bis zum Jahre 
1875 zurück, in welchem 26,3 pM. Personen starben, als ein sehr günstiges 
bezeichnet werden; 1897 war das Procentverhältniss 21,2, 1896 20,9 pM. 
Innerhalb der einzelnen Regierungsbezirke schwankte die Sterblichkeit zwischen 
14,7 in Aurich und 25,6 in Breslau; in 17 Bezirken überragte sie diejenige 
des Staates, nächst Breslau am meisten in Oppeln, Liegnitz, Sigmaringen. 
Wie im Ganzen, stellte sich die Sterblichkeit auch für die meisten Alters- 
klassen günstiger als in den Vorjahren. 

An Pocken sind 12 Todesfälle vorgekommen, darunter bei 5 Knaben unter 
3 und 1 Mädchen zwischen 5 und 10 Jahren. Ferner starben von je 10 000 Ein- 
wohnern an Scharlach 2,36, Masern und Rötheln 2,77, Diphtherie und Croup 
5,56, Keuchhusten 3,90, Typlıus 1,14, Ruhr 0,26, Tuberkulose 20,08, Krebs 
5,73, Lungen- und Brustfellentzündung 15,23. An Säuferwahnsinn gingen 
528 Männer und 59 Frauen zu Grunde, durch Sonnenstich 151 und 35, Sy- 
philis 168 und 160, Hundswuth 5 und 3, Zuckerkrankheit 788 und 473. Die 
zahlreichsten Todesfälle an Syphilis sind in Berlin (83), Reg.-Bez. Schleswig 
(38, davon je 14 in Kiel und Altona), Reg.-Bez. Köln (85, davon in der Stadt 
Köln 29), an Säuferwahnsiun in den Reg.-Bezirken Potsdam (36), Breslau (38), 
Schleswig (33) festgestellt worden. Die Influenza hat im Ganzen nur 2688 Per- 
sonen gegen 5940 im Vorjahre und 15911 im Jahre 1892 dahingerafft; 427 
derselben starben in 114 Orten mit mehr als 20 000 Einwohnern. 

Durch Selbstmord endeten 6361 Personen, innerhalb der letzten 4 Jahre 
zwischen 19 und 20 auf 100000 Lebende. Unter den Männern befanden sich 
durchschnittlich viermal mehr Selbstmörder als unter den Frauen. Mit zu- 
nehmendem Alter wuchs der Hang zum Selbstmorde, nur für die Altersklasse 
von 25—30 Jahren trat regelmässig eine Unterbrechung der Zunahme ein. 
Mehr als ein Viertel aller Selbstmorde lässt sich auf Geisteskrankheit zurück- 
führen, auch ausserdem ist eine grössere Zahl der Fälle durch psychologische 
Ursachen bedingt. Bei Frauen bieten Geisteskrankheiten, körperliche Leiden 
und Leidenschaften häufiger den Anlass zum Selbstmorde als bei Männern, 
bei letzteren häufiger Lebensüberdruss, Laster und Kummer. 

Die Zahl der tödtlichen Verunglückungen hat sich gegen das Vor- 
jahr nur um 38 auf 13 147 erhöht. Am häufigsten war Tod durch Ertrinken 
(8135), demnächst durch Sturz aus der Höhe (2611) und durch Ueberfahren 
(1900). Schlagwetter-Explosionen in Bergwerken fanden 53 statt, von denen 
12 insgesammt 145 Todesfälle veranlassten. Würzburg (Berlin). 


Escherich Th., Studien über die Morbidität der Kinder in verschie- 
denen Altersklassen. Jahrb. f. Kinderheilk. 1900. Bd. 51. S. 1. 
Das Kindesalter zeigt eine hohe, vom ersten Lebensjahre an rasch ab- 
nehmende Morbidität, die bezüglich der Art und des Verlaufes der vor- 
herrschenden Erkrankungen einen gesetzmässigen, den Altersstufen 


526 Verschiedenes. 


entsprechenden Wechsel erkennen lässt. Eine Statistik kann daher nur 
dann eine richtige Vorstellung von den Krankheiten des kindlichen Alters 
geben, wenn die einzelnen Altersstufen gesondert betrachtet werden. Der Verf. 
hat das grosse Material des Ambulatoriums des Grazer Kinderspitals nach 
dieser Richtung besonders sorgfältig bearbeitet und giebt einen kurzen, allge- 
mein gehaltenen Ueberblick über seine bisherigen Ergebnisse. 

H. Koeniger (Leipzig). 


Villaret A., Handwörterbuch der gesammten Medicin. 2. Auflage. 14. 
bis 27. Lieferung. Stuttgart 1899—1900. Verlag von Ferdinand Enke. X 
und 1180 Seiten gr. 8%. Bezugspreis: 28 Mk.; Verkaufspreis in Halbleinwand 
gebunden: 32,60 Mk. 

Die wiederholt in dieser Zeitschrift (1897 No. 15, S. 767; 1898 No. 10, 

S. 486; 1899 No. 20, S. 1062) erwähnte Neuauflage des bewährten Wörter- 

buches gelangt mit dem vorliegenden zweiten Bande zum Abschlusse. Nach 

dem der Schlusslieferung beigegebenen Mitarbeiterverzeichnisse wurden die 
hygienischen Abschnitte von neun Fachleuten bearbeitet, nämlich: Albrecht, 

Versicherung und Wohnung; Eulenberg, Nickelindustrie; Gärtner, Kommis- 

brot, Mehl, Rauschbrand, Rotz; Grünwald, Prostitution, Schulhygiene; Gutt- 

stadt, Impfwesen; Hueppe, Kaffee, Kleidung, Konservirung, Nahrung, Wasser, 

Wein, Cerealien; B. Martiny, Käse, Kunstbutter, Milch, Molke, Rahm; 

v. Olfers, Insekten; Schuchart, Leichenschau, Trichinen, Wuthkrankbeit. 

Bis zum Erscheinen eines Wörterbuches der Gesundheitspflege, das eigenthüm- 

licherweise bis vor kurzem keiner der auf verwandten Gebieten so rührigen 

deutschen Verleger in Aussicht genommen hatte, wird das vorliegende des ge- 
sammten Heilwesens, wenn auch weniger für den Hygieniker von Fach, so 
doch für den ausübenden Arzt zur schnellen Unterweisung über hygienische 

Gegenstände von Nutzen sein. Einzelne der einschlägigen Artikel erscheinen 

auch in diesem Bande trotz gedrängter Kürze zu trefflichen Monographien aus- 

gestaltet. Helbig (Serkowitz). 


Katsura H., Ueber den Einfluss der Quecksilbervergiftung auf die 
Darmbakterien. Centralbl. f. Bakteriol. Abth. I. Bd. 28. No. 12/13. S. 35%. 
Während über die pathologisch-anatomischen Veränderungen des Darmes 

bei Quecksilbervergiftung mehrfach Untersuchungen mit im Grossen und 
Ganzen übereinstimmenden Resultaten vorliegen, ist über den Einfluss der 
Quecksilbereinverleibung auf die normalerweise im Thierdarm vorkommenden 
Bakterien noch keine Publikation erschienen. Der Autor injieirte Kaninchen 
von einer 2 proc. wässrigen Sublimatlösung in 2—6 Tagen und in gleichen 
Portionen soviel unter die Rückenhaut, dass sie im Ganzen je nach der Grösse 
0,06—0,12 g Sublimat bekamen. Drei von 6 Thieren starben, die übrigen 
wurden getödtet. Dem Darme wurde an 5 Stellen (Duodenum, .lejunum, 
Ileum, Coecum und Rectum) Material zur Aussaat entnommen. In sämmt- 
lichen Kulturen fiel die ungeheure Zahl der Kolonien auf gegenüber dem 
bei 3 gesunden Kaninchendärmen festgestellten Bakteriengehalt. Die absolut 


Kleinere Mittheilungen. 527 


höchsten Keimzahlen zeigte bei sämmtlichen Versuchsthieren das Coe- 
cum, in welchem auch die durch die Vergiftung erzeugte Veränderung (Ne- 
krose) immer am stärksten ausgeprägt war. Während sich ferner aus dem 
Rectuminbalt der gesunden Thiere keine bezw. 3 und 10 Kolonien entwickelten, 
liess dieser bei den vergifteten Thieren immer unzählige aufgehen. 

Die ungeheure Vermehrung der Bakterien war bedingt durch die Ueber- 
bandnahme einer einzigen Bakterienart, welche sich auch im gesunden 
Darme, aber nicht in grösserer Zahl als andere Arten fand. Diese letzteren 
dagegen waren aus dem Darme vergifteter Thiere fast gar nicht zu züchten. 

Nach ihrem morphologisch-kulturellen Verhalten, sowie nach Impfversuchen 
— die subkutane Injektion von nicht zu grossen Mengen der Bacillen hatte 
keine besondere Wirkung, auch die Einführung in den Darm wurde ohne 
Schaden ertragen, abgesehen von einem Falle, in dem eine Verletzung der 
Darmwand stattgefunden hat — ist die erwähnte Bakterienart sehr wahr- 
scheinlich als Bacillus coli communis anzusprechen. 

Der Verf. fasst seine Resultate in folgenden Sätzen zusammen: 

1. Durch die schwere Schädigung der Darmwand bei der Quecksilber- 
vergiftung wird eine Bakterienart ganz besonders in ihrer Vermeh- 
rung begünstigt. 

2. Die Bakterienvermehrung kaun aber nicht umgekehrt die Ursache 
für die Darmentzündung sein, denn die Einführung der Bakterien in den 
Darm macht entweder gar keine oder ganz andere anatomische Veränderun- 
gen. Die Bakteriensorte, welche bei der Quecksilbervergiftung im Darme so 
stark überbandnimmt, ist sehr wahrscheinlich Bac. coli communis; 
durch seine ungeheure Vermehrung werden die anderen Bakterien, welche 
im normalen Darm mit ibm zusammen sehr gut fortkommen können, fast. 
ganz zu Grunde gerichtet. L. Lange (Posen). 


Kleinere Mittheilungen. 


Stand der Seuchen. Nach den Veröffentlichungen des Kaiserlichen Gesund- 
heitsamtes. 1901. No. 15 u. 16. 

A. Stand der Pest. I. Aegypten. Alexandrien. 9. 4.: 1 Erkrankung. II. 
Britisch-Ostindien. Präsidentschaft Bombay. 24. 2.—2. 3.: 2399 Erkran- 
kungen, 2112 Todesfälle. 3.—9. 3.: 2431 Erkrankungen, 2139 Todesfälle. 10.—16.3.: 
2868 neue Erkrankungen, 2315 Todesfälle. Stadt Bombay. 24. 2.—2. 3.: 1216 neue 
Erkrankungen, 1242 Todesfälle an Pest unter 2630 Sterbefällen im Ganzen. 3.—9. 3. : 
1350 Erkrankungen, 1256 Todesfälle an Pest und 650 Todesfälle, als verdächtig auf 
Pest zurückgeführt unter 2621 Todesfällen insgesammt. 10.—16. 3.: 1309 Erkran- 
kungen, 1206 Todesfälle an Pest und 650mit Pestverdacht unter insgesammt 2489 Sterbe- 
fällen. Karachi. 3.—9. 3.: 79 Erkrankungen, 52 Todesfälle. Während der 3 Wochen 
vom 16. 2.9. 3.: dauernde Zunahme der Pesttodesfälle in ganz Indien: 6309, 6991 
und «879. III. Straits Settlements. Singapore. 22. 2.: in einer aufgefundenen 
Leiche werden Pestbacillen festgestellt. 24. 2.: 2 Pestfälle unter der chinesischen Be- 
völkerung, 1 tödtlich. 25. und 26. 2.: 2 Todesfälle. 6. 3.: 1 Todesfall. Ipoa (Staat 


528 Berichtigung. 


Perak) 19. 2.: 1 Pestfall. IV. Kapland. Kapstadt. 2.—9. 3.: zusammen im Pest- 
spital: 14 Europäer, 17 Farbige und 19 Eingeborene (Kaffern), zusammen 50 Kranke. 
Bestand am Anfang der Woche: 37 Kranke, im Laufe der Woche gestorben 18, 7 als 
geheilt entlassen. Am 9. 3. in Behandlung: 62, nämlich 14 Europäer, 22 Farbige und 
26 Eingeborene; unter Beobachtung in den contact camps 469 Personen. 10.—16. 3. 
Zugang im Pesthospital: 81 Kranke, und zwar 15 Europäer, 25 Farbige und 41 Ein- 
geborene. Im Laufe der Woche gestorben: 29, als geheilt entlassen 14. Am 16.3. 
in Behandlung: 100, nämlich 23 Europäer, 33 Farbige und 44 Eingeborene, unter Be- 
obachtung: 589 Personen. 

B. Zeitweilige Maassregeln gegen Pest. I. Preussen. Der Minister der 
geistlichen u. s. w. Angelegenheiten hat unter dem 4. 2. an die Regierungspräsiderten 
und den Polizeipräsidenten in Berlin einen Erlass, betreffend Maassnahmen zur Ver- 
hütung der Einschleppung def-Pest durch Ratten u. s. w., gerichtet, in dem darauf 
hingewiesen wird, dass Vorkehrungen zu treffen sind, damit die Ortspolizeibehörde, 
sobald an einem Orte unter den Ratten (insbesondere in Getreidelagern, Lebensmittel- 
magazinen und dergl.) ein auffälliges Sterben aus unbekannter Ursache beobachtet 
wird, von diesem Vorkommniss unverzüglich Kenntniss erhält, der die weiteren Maass- 
nahmen anordnet und genaue Anweisungen für die Uebersendung pestverdächtiger 
Untersuchungsobjekte an die betreffenden namhaft gemachten Untersuchungsstellen 
giebt. II. Kapland. Kapstadt. Die von dom neuen Gouverneur durchgeführte 
Entfernung der Kaffernbevölkerung aus dem am engsten bevölkerten Theile der Stadt 
und ihre Unterbringung in den ausserhalb des Weichbildes errichteten „Lokationen* 
ermöglichte, dass die Aufräumungs- und Desinfektionsarbeiten ungehindert ihren Fort- 
gang nehmen konnten. Die Durchführung dieser Maassregel soll keine Schwierig- 
keiten machen. In den Lokationen werden die neu Angekommenen zunächst einige 
Tage beobachtet und sodann fast durchweg mit Pestserum geimpft. 

C. Stand der Cholera. Britisch-Ostindien. Kalkutta. 3.—9. 3.: 
26 Todesfälle. Provinz Burma. Moulmein. 2. 2.—2. 3.: 26 Todesfälle, zu glei- 
cher Zeit hier: 38 Pockentodesfälle. 11. Straits Settlements. Singapore. 
9.—14, 2.: 4 Erkrankungen, 3 Todesfälle. 14.25. 2. : keine Erkrankungen und keine 
Todesfälle. 26. 2.: 1 Erkrankung, 1 Todesfall. Jacobitz (Halle a. S.). 


Berichtigung. 

Meinem in No. 8 ff. dieses Jahrgangs veröffentlichten Reisebericht über 
die Bubonenpest in Bombay habe ich Folgendes berichtigend und ergänzend 
binzuzufügen: 

Seite 170, Zeile 11 v. u. ist zu lesen statt: Auslaugen — Auslangen, d.h. 
mit je weniger der immunisirenden Substanz man auslangt (ausreicht). 

Seite 229, Anmerkung 1: Dem bezeichneten Patienten, welcher sich sicht- 
lich auf dem Wege der Besserung befand, wurde nachträglich durch Incision 
ein Bubo geöffnet. Darauf Pestrecidiv und Exitus letalis. 

Seite 233, Zeile 18 v. u.: Zu der Angabe, dass die Aerzte in Bombay nicht 
schutzgeimpft seien, ist zu bemerken, dass die an den staatlichen und an den 
municipalen Laboratorien angestellten Aerzte doch mindestens ein Mal schutz- 
geimpft sind. Schottelius. 


Verlag von August Hirschwald, Berlin N.W. — Druck von L, Schumacher in Berlin. 


Hygienische Rundschau. 


Herausgegeben 
von 
Dr. Carl Fraenkel, Dr. Max Rubner, Dr. Carl Günther, 
Prof. der Hygiene in Halle a./8. Geh. Med.-R., Prof. der Hygiene in Berlin. a. o. Professor in Berlin. 


XI, Jahrgang. Berlin, 1. Juni 1901. #1. 


(Aus dem kgl. hygienischen Institut in Posen.) 


Zur Milzbrandintektion der Raubthiere. 
Von 


Dr. Ludwig Lange, 
Assistenten am Institut. 


Spontane Erkrankungen anMilzbrand finden sich bekanntlich am häufigsten 
bei Schafen und Rindern, seltener bei Schweinen. In Bezug auf die Empfäng- 
lichkeit soll zwischen verschiedenen Rassen einer und derselben Thierart ein 
Unterschied bestehen. So hat sich gezeigt, dass amerikanische und englische 
Schweinerassen leichter erkranken, als z. B. ungarische. Ausser den genannten 
Vertretern der Klasse der Hufthiere wären noch die Ziege, das Pferd, der 
Esel, ferner Rehe, Hirsche, Damwild und Rennthiere zu nennen, bei denen 
ab und zu Milzbrand beobachtet wurde. 

Für die wissenschaftliche Untersuchung kommen hauptsächlich die für 
künstliche subkutane Infektion hochgradig empfänglichen Nager, wie die 
Mäuse, das Meerschweinchen und das Kaninchen in Betracht, während die 
Ratte sehr resistent ist. 

Von den Fleischfressern zeigen die Katze und der Hund, namentlich 
ausgewachsene Thiere, eine beträchtliche Resistenz, und die wildlebenden 
Fleischfresser hat man längere Zeit geradezu für „immun“ gegen Milzbrandin- 
fektion, wenigstens in soweit eine solche durch den Genuss milzbrandigen 
Fleisches verursacht würde, gehalten. 

Der erste, der über Milzbranderkrankungen bei Raubthieren berichtete, 
ist, soweit mir die Literatur zugänglich ist, Jensen!). Er beobachtete Tod 
an Milzbrand bei folgenden Thieren des Kopenhagener zoologischen Gartens: 
2 Leoparden, 2 Pumas (Silberbären), 3 Waschbären, 4 Nasenbären, 3 Iltissen, 
1 Steinmarder. Diese sämmtlfchen Thiere, sowie noch mehrere Raubthiere, 


1) Jensen C.O., En Milzbrandsenzootie i den zoologiske Have ved Kjöbenhaven. 
‘Eine Milzbrandenzootie im zoologischen Garten von Kopenhagen.) Maanedskrift for 
Dyrlaeger. 1891. T. 3. p. 149. Referat bei Baumgarten, Jahresberichte 1891. S. 107. 


37 


530 Lange, 


welche krank wurden, aber nicht starben, wurden durch Fütterung mit Fleisch 
eines geschlachteten Pferdes inficirt. Bujwid?) konnte experimentell beim 
Fuchse, den er mit einem an Milzbrand verendeten Kaninchen fütterte, tüdt- 
lichen Milzbrand erzeugen. Phisalix2), der Milzbrand bei einem weissen 
Panther und bei einem Tiger, auch bei Hunden und Katzen sah, sagt, eine 
Infektion sei auch bei „immunen“ Thieren dann möglich, wenn die Resistenz 
durch auderweitige schädigende Momente, wie Erkältungskrankbheiten, z. B. 
Bronchitis, abgeschwächt werde. Mit vollem Rechte hebt Baumgarten?) den- 
gegenüber hervor, dass man von einer „wirklichen Immunität“ nur dann 
reden könne, wenn die betreffende Infektion unter keiner Bedingung, mögen 
Schädigungen aller Art vorausgehen oder hinzutreten, zu Stande käme, wie 
sich z. B. die Thiere der Infektion mit Syphilis gegenüber verhielten. 

Vor einiger Zeit hatte ich Gelegenheit, eine der Jensen’schen ähnliche, 
nur etwas weniger ausgebreitete Milzbrandepizootie bei Raubthieren zu beob- 
achten, über welche in Folgendem kurz zu berichten gestatt£t sein möge. 

Mitte Februar d. J. wurde dem kgl. hygienischen Institute von der 
Verwaltung des hiesigen zoologischen Gartens mitgetheilt, dass kurz nach ein- 
ander zwei Silberlöwen (am 15. Februar) und ein Jaguar (am 16. Februar) 
gefallen seien, und um Feststellung der Todesursache gebeten. Mein Chef, 
Herr Medicinalrath Prof. Dr. Wernicke beauftragte mich mit der Entnahme 
von Untersuchungsmaterial und Ausführung der Untersuchung. Die sofort von 
ibm ausgesprochene Vermuthung, dass es sich um Milzbrand handle, wurde 
durch Ausstrichpräparate vom Blute des Jaguars mit grösster Wahrscheinlich- 
keit, durch den typischen Tod an Milzbrand bei einer mit dem Blute inficirten 
Maus, ferner durch Plattenkultur mit absoluter Sicherheit bestätigt. Von den 
beiden Pumas war nur noch der an beiden Enden zugebundene Magen des 
einen vorhanden, dessen Inhalt auf eventuelle „Vergiftung“ untersucht werden 
sollte. Aus dem Mageninhalte liessen sich weder durch Züchtung, noch durch 
subkutane Verimpfung an eine weisse Maus Milzbrandbacillen gewinnen. Doch 
fanden sich in Schnitten durch die Magenwand in vereinzelten Kapillaren oder 
Lymphräumen zwischen den Drüsenschläuchen typische Milzbrandstäbchen, 
allerdings nur in geringer Zahl. 

Einige Tage später, am 19. Februar, verendete ein Schakal unter Krämpfen. 
und am 21. Februar Vormittags gingen 3 Waschbären und 2 Rüsselbären 
ein. Ausserdem bot ein herrliches Exemplar von Königstiger in der Zeit vom 
20. Nachmittags bis 21. Mittags so schwere Krankheitserscheinungen, völlig 
apathisches Wesen, Mangel an Fresslust, dass der Verwalter auch ihn verloren 
gab. Das Thier erholte sich jedoch wieder. 

Nachdem für den Jaguar mikroskopisch und kulturell, sowie durch Tbier- 


1) Bujwid O., Ein Fütterungsmilzbrand bei dem Fuchse. Centralbl.f. Bakteriol. 
Bd. 18. S. 435. ` 

2) Phisalix C., Causes de la diminuation de résistance des carnassiers au char- 
bon. Compt. rend. de la Soc. de Biol. 1897. p. 374. Ref. bei Baumgarten, Jabres- 
berichte. 1597. S. 153. 

3) Ibidem. 


Zur Milzbrandinfektion der Raubthiere. 531 


versuch nachgewiesen war, dass es sich um echten Milzbrand handle, be- 
schränkte ich mich bei den später gefallenen Thieren auf die mikroskopische 
Untersuchung zunächst von Organausstrichen, alsdann von Schnitten durch in 
Paraffin eingelegte Organstücke. Bei den fünf „Bären“ fanden sich denn auch 
die sämmtlichen untersuchten Organe, vor allem die Milz, in so typischer 
und so reichlicher Weise mit den bekannten Stäbchen und Ketten durchsetzt, 
dass ein Blick zur Diagnose genügte. 

In der Milz des Schakals dagegen wurden nur vereinzelte, aber typische 
Stäbchen gefunden, während in frischen Ausstrichen von Leber- und Lungen- 
saft solche vermisst wurden. Eine mit Milzsaft subkutan geimpfte Maus ging 
nach ö!/, Tagen ein; Sektion typischer Milzbrand. Nach diesem Befunde 
muss man annehmen, dass der Schakal nicht direkt an der Milzbrandinfektion, 
sondern an einer gleichzeitig oder vielleicht schon vorher bestehenden anderen 
Krankheit einging. 

Wie in dem Falle Jensen’s muss auch in unserem Falle die Infektion als 
durch den Genuss stark milzbrandigen Pferdefleisches verursacht ange- 
sehen werden. Leider war von dem betreffenden Material nichts mehr zu er- 
halten; aber der Umstand, dass die genannten, theilweise in ganz verschiedenen 
Gebäuden gehaltenen Thiere alle mit dem Fleische eines und desselben Pferdes 
gefüttert wurden und anderes Fleisch gar nicht erbalten, lässt keine andere 
Deutung zu. 

Bedauerlicher Weise konnte in Folge verschiedener ungünstiger Umstände 
ein genauerer makroskopisch-pathologischer Befund an den Kadavern nicht 
erhoben werden. Die Entnahme der Organstücke des Jaguars, sowie die Oeff- 
nung der Wasch- und Rüsselbärenkadaver geschah bei starker Kälte im Freien, 
im Hofe neben dem Schlachtgebäude. Deutlich ausgesprochen war bei sämnt- 
lichen, eben genannten Thieren eine Schwellung und dunkelbraunrothe bis 
schwarze Verfärbung der Milz; deren Konsistenz war schlaff, das Gewebe 
brächig. Die Kadaver, welche die Nacht über in einem Schuppen gelegen 
hatten, waren mehr oder weniger gefroren, derjenige des Schakals sogar durch 
and durch, so dass nur mit der Haue und Säge und nur mit grösster Mühe 
und Gewalt einige Organstücke, Lunge, Leber und Milz, abgetrennt werden 
konnten. Unter solchen Umständen konnte auf Veränderungen, wie sie Jen- 
sen von einigen seiner Thiere berichtet, von uns nicht gefahndet werden. 
Jensen fand gelatinöse Infiltration im Bindegewebe in der Umgebung des 
Sehlandes, eine hämorrhagische Beschaffenheit der benachbarten Lymphdrüsen 
und Hyperämie der Darmschleimhaut. 

Die Untersuchung der in Paraffin eingebetteten und mit Methylenblau 
bezw. nach Gram gefärbten Schnitte durch Milz, Lunge, Leber und Nieren 
ergab in keinem der Fälle ein von dem bekannten Bilde bei Milzbrand ab- 
weichendes Verhalten. Höchstens wäre hier zu erwähnen, dass die Bacillen 
in den Organen des Jaguars Neigung zur Bildung längerer Fäden zeigten, 
doch lag die Mehrzahl der Mikroorganismen einzeln oder zu zwei bis dreien 
im Binte. Als zufällig erbobener Nebenbefund möge hier erwähnt werden, 
dass in den Schnitten, die aus gefroren gewesenen Partien des Organes stamm- 
ten, das Hämoglobin in den Blutgefässen mittleren bis engsten Kalibers in bei 

37* 


532 Infektionskrankheiten. 


Immersion sehr gross erscheinenden, roth- und grünlich-braunen Prismen aus- 
krystallisirt war, was ein zunächst überraschendes Bild gab. 

Es war von Interesse, die Virulenz des im Jaguar vorhandenen Stammes 
für weisse Mäuse kennen zu lernen. Eine mit einer Oese Jaguarblut subkutan 
geimpfte Maus A ging nach 28 Stunden ein, eine zweite mit Reinkultur aus 
dem Blute von Maus A inficirte Maus B starb nach 30 Stunden. Eine Maus 
C, in gleicher Weise infieirt mit Reinkultar aus der Lunge des Jaguars, war 
nach 22 Stunden todt. Die Virulenz für weisse Mäuse ist hiernach als eine 
mittlere zu bezeichnen. 

Auf Agar bildete der isolirte Stamm, bei 37° gehalten, schon nach 15 
bis 17 Stunden deutliche, zum Theil freie Sporen. 

Von einer Gelatinekultur wurde, nachdem durch mikroskopische Unter- 
suchung nur sporenfreie Fäden konstatirt wurden, ein hängender Bouillon- 
tropfen geimpft. In dieser Bouillon traten bei 370 die ersten deutlichen Sporen 
nach 18 Stunden auf; „freie“, Molekularbewegung zeigende Sporen waren 
erst nach 6 Tagen nachzuweisen. Bis dahin waren die Sporen immer noch 
durch die Reste der einzelnen Stäbchen zu Ketten verbunden. 


Metin, Note sur l’&limination des bactéries par les reins et le foie. 
Ann. de l’Inst. Pasteur. 1900. No. 6. p. 415. 

Verf. injieirte 1/5—2 cem Aufschwemmung einer 24 stündigen Agarkultur 
von B. subtilis, Staphylococcus aureus, B. pyocyaneus, B. prodi- 
giosus, B. anthracis oder B. typhosus Kaninchen in die Ohrvene oder 
Meerschweinchen subkutan. Der Urin wurde unter aseptischen Kautelen aus 
der durch Laparotomie freigelegten Harnblase entnommen; ebenso die Galle. 
Es wurde namentlich die Beimengung von Blut vermieden. Die Schlussfolge- 
rungen des Verf.’s lauten: 

1. Nieren und Leber sind für die subkutan oder intravenös dem Orga- 
nismus zugeführten Bakterien undurchgängig. 

2. Wenn die geimpften Röhrchen Kolonien des betr. Mikroorganismus 
enthalten, so rührt dies von dem in Folge einer Läsion mit überimpften 
Blute her. Silberschmidt (Zürich). 


Rona, Peter, Ueber das Verhalten der elastischen Fasern in Riesen- 
zellen. Ziegler’s Beiträge z. pathol. Anatomie. Bd. 27. S. 349. 

Der Verf. untersuchte in 10 Fällen von Tuberkulose der Haut die 
Riesenzellen auf ihren Gebalt an elastischen Fasern und zwar in 7 Fällen 
mit positivem Erfolge. Die elastischen Fasern sind in den Riesenzellen 
häufig verkalkt und nicht selten, besonders an abhängigen Körperstellen, 
mit Eisen imprägnirt, während man ausserhalb der Riesenzellen diese 
degenerative Veränderung der elastischen Fasern nur ganz ausnahmsweise be- 
merkt. Namentlich aber ist es auffallend, dass die elastischen Fasern in den 
Riesenzellen so lange erhalten bleiben. Es scheint den letzteren eine in 


Infektionskrankheiten. í 533 


gewissem Sinne konservirende Wirkung gegenüber den elastischen Fasern zu- 
zukommen. a H. Koeniger (Leipzig). 


Klebs E., Zur kausalen Behandlung der Tuberkulose I. Münch. med. 
Wochenschr. 1900. No. 49. S. 1688. 

Unter Zugrundelegung von jahrelang beobachteten Fällen sowie von 
Thierversuchen tritt Verf. aufs Neue für die Behandlung der Tuberkulose 
mit seinen aus Tuberkelbacillenkulturen gewonnenen antitoxischen Substanzen, 
dem Antiphthisin (P.A.) und besonders dem Tuberculocidin (T.C.) ein und 
legt eine Reihe von Grundsätzen fest, die bei dieser BehandlInng befolgt werden 
müssen: erstens mass die Behandlung sehr lange fortgesetzt werden, was da- 
durch ermöglicht sei, dass im Gegensatz zu Koch’s Tuberkulin das T. C. 
keine kumulativen Wirkungen besitze und selbst bei langfortgesetzter Anwen- 
wendung weder die Temperatur, noch den Appetit und das Körpergewicht 
beeinflusse. Zweitens muss eine sorgfältige Auswahl in den zu behandelnden 
Fällen getroffen werden. Die eigentlichen und reinsten Heilerfolge finden sich 
im jugendlichen Alter und umfassen alle eigentlichen skrophulösen Affektionen 
oder I,ymphdrüsen-Tuberkulosen, die oft ohne offenbare Schwellung lediglich 
durch eine grössere Härte und Druckempfindlichkeit ihre tuberkulöse Natur 
verrathen. Drittens sollen die Komplikationen womöglich vor der specifischen 
Behandlung beseitigt werden, was allerdings häufig nicht möglich ist. Viertens 
ist die subkutane Injektion keineswegs nöthig, sondern das Tuberkulocidin wirkt 
vom Magen und vom Rectum aus und wird auch bei tuberkulösen Affektionen 
der Haut mit bestem Erfolg aufgeträufelt und eingerieben. Eventuellen chi- 
nurgischen Eingriffen hat die specifische Behandlung vorauszugehen. 

B. Heymann (Breslau). 


Aaron E., Sind Specialabtheilungen für die Tuberkulösen in den 
Krankenhäusern nöthig? Berl. klin. Wochenschr. 1900. No. 21. 

Verf. wendet sich gegen die in der Charité in Berlin bereits durch- 
geführte Forderung Schaper’s, dass in Krankenhäusern zur Vermeidung 
der Infektionsgefahr getrennte Specialabtheilungen für Tuberkulöse 
errichtet werden müssen. Die behauptete Infektionsgefahr sei in praxi äusserst 
gering, da bisher, trotz des enormen, in Krankenhäusern verpflegten Phthisiker- 
materials nur sehr wenige, gut verbürgte, einwandsfreie Fälle von Hausin- 
fektionen bekannt geworden seien. Auch die häufiger vorkommende Infektion 
von Aerzten und Wärtern beweise nichts für diesen Punkt, da hier die Sache 
ganz anders liege wie bei den Kranken. Die Aerzte hätten einerseits viel mehr 
Gelegenheit, in gefährliche Nähe der Kranken zu kommen, ferner erfolgten 
bei ihnen die meisten Infektionen nicht in den Krankensälen, sondern im Labo- 
ratorium bei den Untersuchungen durch unvorsichtiges Hantiren mit den Aus- 
wurfstoffen seitens bakteriologisch nicht genug geschulter Untersucher. Auch 
die Wärter werden oft im Laufe der Zeit unvorsichtig im Umgange mit den 
Kranken und den Exkreten. Hier ist also die Infektion eine Folge der 
intimen, häufigen und zuweilen unvorsichtigen Berührung mit dem Infektions- 
stoffe selber. Bei den Kranken ist die Gefahr eine wesentlich geringere, vor- 


534 Infektionskrankheiten. 


ausgesetzt natürlich, dass den modernen Forderungen der Hygiene und der 
Reinlichkeit genügend Rechnung getragen wird. Wäre ferner die Infektiosität 
der Tuberkulose wirklich so gross, so würde in der Separatabtheilung eine 
Heilung der Tuberkulose durch die immer wieder eintretende Reinfektion 
unmöglich sein. Von den drei in der letzten Zeit aus der Charite mitge- 
theilten Fällen von Hausinfektion lässt Verf. nur einen unbedingt, die beiden 
anderen als mindestens zweifelhaft gelten. Er schliesst damit, dass die übrigen 
Krankenhäuser gar keine Veranlassung haben, in der Isolirung der Tuberkulösen 
dem Beispiele der Charite zu folgen. 

(Ref. kann die Gründe des Verf.’s nicht als stichhaltig anerkennen. Der 
Umstand, dass so wenige einwandsfreie Fälle von Hausinfektion bekannt sind, 
beweist durchaus nicht das seltene Vorkommen derselben. Bei der oft so 
sehr laugen Zeit, die zwischen der Infektion mit Tuberkulose und dem Auf- 
treten der ersten Krankheitssymptome verstreicht, sind wir ja nur in sehr 
seltenen Fällen im Stande, die wirkliche Infektionsquelle mit Sicherheit an- 
zugeben. Die Infektionsgefahr ist für die übrigen Kranken durch das an- 
dauernde Zusammenleben mit Phtbisikern im Krankensaale, namentlich seit 
Flügge’s Untersuchungen a priori als eine recht bedeutende anzusehen. Auch 
ist es keineswegs erwiesen, dass die vom Verf. selbst zugegebene häufigere 
Infektion der Aerzte und Wärter dem unvorsichtigen Umgehen mit Auswurf- 
stoffen zuzuschreiben ist. Auf alle Fälle ist das wirkliche Vorkommen von 
Hausinfektion zweifellos, und es ist somit die Pflicht der Krankenhausleiter, 
alles zu tbun, um ihre Pflegebefohlenen gegen diese vermeidbare Gefahr zu 
schützen.) Ott (Oderberg). 


Mosier, Zur Verhütung der Ansteckung mit Tuberkelbacillen in 
Schulen, auf öffentlichen Strassen, im Eisenbahnwagen. Zeit- 
schr. f. Tuberkul. u. Heilstättenw. Bd. 1. H. 2 u. 3. 

Der Kampf gegen die Tuberkulose muss in Zukunft ein allgemeiner 
werden, und hierher gehört in erster Linie das Verbot des Ausspuckens 
auf den Boden. Der Anfang damit muss in den Schulen gemacht werden. 
Wenn erst der heranwachsenden Jugend diese Unsitte abgewöhnt ist, so wird 
es nicht allzu schwer werden, auch im täglichen Leben damit durchzudringen. 
Ein wichtiger Punkt ist ferner der Kampf gegen die Strassenschleppe der 
Damen; mit aller Macht muss gegen die fernere Zulassung dieser so gefähr- 
lichen Mode protestirt werden. Endlich muss auch der Desinfektion der 
Eisenbahnwagen, mit denen ja heut zu Tage enorme Mengen von Lungen- 
kranken befördert werden, erhöhte Aufmerksamkeit geschenkt werden. Ein 
guter Anfang ist damit bereits gemacht durch den preussischen Ministerial- 
erlass vom 1. April 1898 über Reinigung und Desinfektion der Wagen sowohl 
wie auch der Wartesäle und Bahnsteige. Für die heutigen Verhältnisse ist 
das indess noch keineswegs ausreichend. Ott (Oderberg). 


Pannwitz, Die planmässige Schwindsuchtsbekämpfung in Deutsch- 
land. Berliner klin. Wochenschr. 1900. No. 80. 
Die jetzt planmässig begonnene Schwindsuchtsbekämpfung baut 


Infektionskrankheiten. 535 


sicb hauptsächlich auf der Heilstättenfürsorge auf. Die Statistik des Kaiserl. 
Gesundheitsamtes, sowie des Reichsversicherungsamtes haben in letzter Zeit 
von Neuem die Verheerungen, welche die Tuberkulose anrichtet, ins rechte 
Licht gesetzt und lassen Maassnahmen zu ihrer Bekämpfung als besonders 
dringlich erscheinen. Inzwischen hat sich auch die Ueberzeugung allgemein 
Bahn gebrochen, dass die hygienisch-diätetische Behandlung eines der wirk- 
samsten Mittel in diesem Kampfe darstellt, und ferner, dass sich dieses Ver- 
fahren unabhängig von einem besonderen Klima überall in ganz Deutschland 
durchführen lässt. Endlich hat uns die glückliche Lage unserer Gesetzgebung 
mit dem früheren $ 12, dem jetzigen $ 18 des Invaliditäts- und Altersversiche- 
rangsgesetzes, reiche pekuniäre Mittel zur Errichtung von Heilstätten an die 
Hand gegeben. In Folge dessen haben sich die Versicherungsanstalten in 
erster Linie, daneben aber auch einzelne Kommunalverbände und nicht zuletzt 
die Privat-Wohlthätigkeit mit der Erbauung solcher Anstalten befasst. Da- 
durch ist die ganze Angelegenheit so gefördert worden, dass wir in Deutsch- 
land demnächst in der Lage sein werden, alljährlich mindestens 20000 Lungen- 
kranke auf Öffentliche Kosten zu je 3monatlichen Behandlungs- und Erziehungs- 
kuren unterzubringen. Durch die Heilstättenbehandlung vollzieht sich eine 
freiwillige Isolirung von Tuberkulösen, wie dieselbe zwangsweise nie durch- 
zuführen wäre; dieselben kehren in die Gesellschaft erst dann wieder zurück, 
wenn sie nicht mehr Bacillenverstreuer sind, entweder. weil sie geheilt sind, 
oder weil sie gelernt haben, ihren Auswurf unschädlich zu machen. Für den 
Erfolg der Behandlung spielt die Frühdiagnose eine wichtige Rolle, und bier 
sollen die allenthalben in Errichtung begriffenen Polikliniken für Tuberkulöse 
mit Unterstützung der praktischen Aerzte ihre segensreiche Wirksamkeit ent- 
falten. An die Heilstättenfürsorge müssen sich noch ergänzende Maass- 
regeln anschliessen, einerseits die Sorge für die Familie des Kranken, die zwar 
zum grossen Theil die Versicherungsanstalten gesetzlich übernehmen müssen, die 
aber der Ergänzung durch Vereinsthätigkeit bedarf, ferner die Vermittelung 
geeigneter Arbeit für die aus der Behandlung zur Entlassung Kommenden, 
Verbesserung der Arbeiterwohnungen, regelrechte, unentgeltliche Desinfektion 
verseuchter Wohnräume. „Handelt es sich hiernach auch noch um grosse 
Fragen, die zu lösen sind, um die Tuberkulose als Volkskrankheit an der 
Warzel zu fassen, so dürfen wir uns doch heute schon des Erreichten freuen 
und froher Hoffnung sein, dass in werkthätigem Zusammenarbeiten Aller das 
ferne Ziel sicher erreicht wird.“ Ott (Oderberg). 


Wesener, Ueber Behandlung von Lungenkranken in Volksheilstätten. 
Aachen 1900. C. H. Georgi. 

In diesem Vortrage, gehalten in der Naturwissenschaftlichen Gesellschaft 
in Aachen, giebt Verf. eine für weitere Kreise bestimmte Uebersicht über 
die vielen wichtigen Fragen und Seiten der gegenwärtigen Lehre von der 
Behandlung der Lungentuberkulose in Heilstätten. Veranlassung 
dazu war der Umstand, dass auch die Stadt Aachen der Errichtung einer 
eigenen Heilstätte näher getreten ist und demnächst mit dem Bau derselben 
unweit der Stadt beginnen wird. Neues hat der Verf., wie er selbst betont, 


536 Infektionskrankheiten. 


nicht bringen wollen, ihn leitete nur die Absicht, das Interesse für die in 
Rede stehende Heilstätte lebhaft zu wecken, und zwar nicht nur nach der 
idealen und platonischen, sondern womöglich auch nach der realen Seite hin. 
Besonders erwähnenswerth ist das entschiedene Auftreten des Verf.'s gegen 
den von anderer Seite erhobenen Einwand, dass die Behandlung in Heilstätten 
erfolglos sei, jedenfalls die Erfolge nicht die darauf angewandte Mühe und 
Geldausgabe rechtfertigen. Ott (Oderberg). 


Egger F., Lungentuberkulose und Heilstättenbehandlung. Korte 
spondenzbl. f. Schweizer Aerzte. 1900. No. 15. 

Verf. giebt eine Uebersicht über die Arbeitsfähigkeit der vor 1—3 Jahren 
aus der Baseler Heilstätte in Davos entlassenen Kranken. Von 272 Kranken, 
von denen Nachricht zu erhalten war, waren noch 187 voll erwerbsfähig. 
Verf. ist der Ueberzeugung, dass dieses günstige Resultat (unter diesen Kranken 
waren etwa 1/, mittelschwere und schwere Fälle) zu einem wesentlichen Theile 
dem Hochgebirgsklima zuzuschreiben sei. Ott (Oderberg). 


Rumpf E., Zum Stande der Heilstättenfrage für Lungenkranke. 
Münchener med. Wochenschr. 1900. No. 30. S. 1037. 

Die alte Klage, dass den Heilstätten so viele ungeeignete Fälle zuge- 
schickt werden, wiederholt Verf. auf Grund des Materials der Heilstätte Frie- 
drichsheim in Baden. Von den ihm überwiesenen Kranken befanden sich 
48,5 pCt. im dritten Stadium. Verf. hält deshalb, da nicht überall Vertrauens- 
ärzte Austellung finden können, die planmässige Errichtung von Vorbeobach- 
tungsstationen für unumgänglich nothwendig. Am besten würden sich dazu 
besondere Tuberkulose-Krankenhäuser in grösseren Städten in Verbin- 
dung mit Polikliniken für Lungenkranke eignen. Hier würden zunächst alle 
Fälle eingewiesen, gesiebt und die geeigneten Kranken möglichst bald in die 
Heilstätten geschickt. Damit wäre auch für die überfüllten Hospitäler eine 
sehr erfreuliche Entlastung geschaffen und eine ausgezeichnete Lehr- und 
Forschungsstätte für die Tuberkulose errichtet. Jetzt sieht der Student in 
den Hospitälern ja fast nur die meist mit stiefmütterlichem Interesse behan- 
delten Endstadien. (Hoffentlich finden die Ausführungen des Verf.'s recht 
bald die gebührende Beachtung.) Ott (Oderberg). 


Jahresbericht für das Jahr 1899 der Baseler Heilstätte für Brust- 
kranke in Davos und des Baseler Hilfsvereins für Brustkranke. 
Basel 1900. Buchdruckerei Kreis. 

Der Jahresbericht besteht aus einer ganzen Reihe von Specialberichten, 
von denen hier hauptsächlich der Bericht der ärztlichen Aufnahmekommission 
in Basel und der des Anstaltsarztes interessirt. Der erstere enthält eine 
Statistik über die Dauer der Heilerfolge der im Jahre 1897 und 1898 
aus der Heilstätte entlassenen Personen, aus der sich ergiebt, dass von 
1897 noch 70,1 pCt., von 1898 67,4 pCt. arbeitsfähig waren. Bemerkt muss 
hier werden, dass insgesammt von 35 der hier in Betracht kommenden 255 Per- 
sonen keine Nachricht zu erhalten war, und dass diese hier nicht mit in 


Infektionskrankheiten. 537 


Rechnung gezogen werden. Der Bericht des Anstaltsarztes ergiebt für die 
3 Jahre des Bestehens der Heilstätte (von 1897 an) zwischen 85.9 und 90,8 pCt. 
Erfolge, darunter 19,5—25,4 pCt. Heilungen. Bnsonders hervorgehoben wird, 
dass auch bei den schwereren Fällen ein relativ günstiger Erfolg erzielt wurde, 
nämlich 46,3 pCt. Besserungen. Verf. sieht den Grund dafür „zum Theil in 
der längeren Dauer der Kur, sicherlich aber auch in der günstigen Wirkung 
des Hochgebirgsklimas“. = Ott (Oderberg). 


Feldt A., Erster Bericht über die Thätigkeit des evangelischen 
Sanatoriums für Lungenkranke zu Pitkäjärvi (Finnland). St. 
Petersburg 1900. Gedruckt bei A. Wienecke. 

Aus dem Bericht, welcher der Hauptsache nach klinische Mitthei- 
lungen über die im Sanatorium verpflegten Patienten enthält, ist hervorzu- 
beben, dass unter 44 Fällen ein positiver Erfolg nur bei 21 Kranken erzielt 
wurd. Das sehr wenig günstige Resultat ist im Wesentlichen auf die Auf- 
nahme zahlreicher ungeeigneter Fälle zurückzuführen. Bemerkenswerth ist 
noch das grosse Luftquantum, welches jedem Patienten im Schlafzimmer zur 
Verfügung steht, nämlich 56,6 cbm. Ott. (Oderberg). 


Naumann H., Ein Vorschlag zur Bekämpfung der Lungentuberkulose 
im Mittelstande. Das Rothe Kreuz. 1900. No. 15. 

Verf. macht den Vorschlag, dass die Lebensversicherungen ihren Mit- 
gliedern, die sich ja zum weitaus grösstem Theile aus dem Mittelstande 
tekrutiren, wenn sie laut ärztlichem Zeugniss an Lungentuberkulose im 
ersten Stadium leiden, eine je nach der Höhe der Versicherungsprämie ver- 
schieden zu bemessende Beihülfe zu einer Kur in einer Heilanstalt oder in 
einem offenen Kurorte gewähren sollen. „In jedem Prospekte der Lebensver- 
sicherungsanstalten steht es zu lesen, dass sie idealen Zwecken dienen wollen. 
Wohlan, sie mögen durch zielbewusstes Vorgehen und Handeln beweisen, dass 
sie dem allgemeinen Wohle auch nach dieser Richtung dienen wollen.“ Um 
so eher hofft Verf., dass sie das thun werden, da es ja auch in ihrem eigenen, 
in Mark und Pfennigen auszudrückenden Vortheil läge, wie er das an der Hand 
mehrerer vorliegender Heilanstaltstatistiken zu beweisen sucht. 

` Ott (Oderberg). 


Wessius A., Ein Beitrag zur Lehre von der Aetiologie, Pathologie 
and Therapie der Diphtheritis conjunctivae. Deutsche Praxis. 
Jahrg. 3. H. 22. München 1901. Seitz & Schauer. 14 Ss. 

Nach kritischer Besprechung der Literatur und Mittheilung eigener Beob- 
achtungen werden folgende Schlusssätze aufgestellt: 

1. Durch den Löffler’schen Bacillus kann sowohl das klinische Bild der 
tiefen nekrotisirenden Diphtheritis conjunctivae, als auch das der ober- 
fächlichen Conjunctivitis crouposa oder auch der blennorrhoischen Bindehaut- 
entzündung hervorgerufen werden. In jedem Fall kann ein solcher Patient 
die Quelle einer Infektion für die Umgebung und einer Diphtheritisepidemie 
nit Erkrankung auch anderer Schleimhäute werden. 

38 


538 Infektionskrankheiten. 


2. Ganz dieselben Krankheitsbilder können auch durch Streptokokken- 
infektion verursacht werden. 

3. Zur Feststellung des Infektionskeimes genügen Deckglaspräparate nicht, 
es müssen vielmehr auch Kulturen angelegt und Impfexperimente angestellt 
werden. 

4. Die Prophylaxe fordert in jedem Falle Isolirung des Kranken. Wenn 
die Erkrankung durch Löffler’sche Bacillen verursacht ist, so bedarf man 
der Heilserumtherapie; man kann dieselbe aber auch ohne Gefahr in jedem 
Falle von diphtheritischer Conjunctivitis vor der Feststellung des Infektions- 
keimes durch die bakteriologische Untersuchung in Anwendung ziehen. 

5 Paul Schubert (Nürnberg). 


Schkarin A. N., Eitrige Pleuritiden bei Säuglingen. Jahrb. f. Kinder- 
heilk. 1900. Bd. 51. S. 650. 

Unter 38 Fällen von exsudativer Pleuritis des Säuglingsalters 
waren 16 Empyeme, die sämmtlich mit lobulärer oder lobärer Pneumonie 
vergesellschaftet waren. 13mal wurde in dem eitrigen Exsudat der 
Pneumokokkus nachgewiesen und zwar 7 mal in Reinkultur, 5 mal der 
Streptokokkus und zwar 2 mal in Reinkultur. In 20 Fällen von seröser 
Pleuritis wurde 13mal der Pneumokokkus in Reinkultur gefunden; 
meist war das Exsudat auch hier trübe und enthielt Eiterzellen. Die aus den 
„serösen“ Fällen gezüchteten Pneumokokken schienen eine geringere Virulenz 
für weisse Mäuse zu haben, als die aus den rein eitrigen Exsudaten gewonnenen 
Kulturen. 

In 20 der beschriebenen Fälle wurde gleichzeitig allgemeine Miliar- 
tuberkulose festgestellt, die zu der betreffenden Zeit bei den Säuglingen 
im Findelhause eine epidemische Ausbreitung angenommen hatte. Nur in 
4 Fällen waren auch in dem Exsudat Tuberkelbacillen nachzuweisen, stets 
waren andere Mikroorganismen vorhanden, am häufigsten Pneumokokken. 

H. Koeniger (Leipzig). 


Berndt E., Ueber die Veränderungen der Milzbrandbacillen in fau- 
lendem Rinderblut ausserhalb des thierischen Körpers. Central- 
blatt f. Bakteriol. Bd. 28. No. 19. S. 648. 

Verf. konnte in Blutproben von an Milzbrand eingegangenen Rindern 
noch bis zum 13. Tage deutlich differenzirte Milzbrandbacillen nachweisen. 
Die Proben wurden in Korkstöpselfläschchen an einem dunklen Orte bei Zim- 
mertemperatur aufbewahrt. Die Untersuchung geschah mittels der Klett- 
schen Färbung, während die Olt’sche Färbung dem Verf. weniger geeignet 
erscheint. Hierbei zeigte sich, dass das Absterben der Bacillen von innen nach 
aussen vor sich geht, indem die Färbbarkeit am frühesten in den centralen 
Theilen leidet, während sich die peripheren, die „Plasmahülle“, sehr lange 
halten, und sich unter Umständen sogar noch 14 Tage nach dem Tode des 
Tbieres die Diagnose mit einiger Sicherheit stellen lässt. 

B. Heymann (Breslau). 


Infektionskrankheiten. 539 


Weiss, Siegfried, Zur Aetiologie und Pathologie der Otitis media im 
Säuglingsalter. Ziegler’s Beiträge z. pathol. Anatomie. Bd. 27. S. 113. 
Die enorme Häufigkeit der Mittelohrerkrankung bei Säuglingen 
glaubt Verf. auf den embryonalen Charakter der Mittelohrschleimhaut zurück- 
führen zu sollen, der sich während des ganzen Säuglingsalters erhält. Das 
embryonale Schleimhautgewebe scheint für eine Infektion besonders 
disponirt zu sein. Hervorgerufen wird die Otitis durch die gewöhnlichen 
Entzündungserreger, namentlich durch Pneumokokken, die meist von 
der Tube her einwandern, regelmässig in grosser Menge im Exsudate und 

häufig auch im oberflächlichen Schleimhautgewebe angetroffen werden. 

H. Koeniger (Leipzig). 


Krause, Paul, Beiträge zur Kenntniss des Bacillus pyocyaneus. 
Centralbl. f. Bakteriol. Bd. 27. No. 22/28. S. 769 ff. 

Die Mittheilungen des Verf.’s erstrecken sich 1. auf die Einwirkung von 
hochgespannten Strömen (Teslaströmen) auf die Entwickelung des Bac. 
pyocyaneus und einiger anderen Bakterien, 2. auf einige sonstige biolo- 
gische Eigenschaften und 3. auf die Farbstoffe des Pyocyaneus. Den An- 
gaben der Literatur lässt sich entnehmen, dass der elektrische Strom je nach Stärke 
und Einwirkungsdauer eine wachsthumshemmende Wirkung ausübt event. Ab- 
tödtung herbeizuführen im Stande ist; doch scheint die erzielte Wirkung nichts 
anderes als Wärmewirkung zu sein, die mit der eigentlich elektrischen Wirkung 
gar nichts zu thun hat. Die angestellten Versuche des Verf.’s bestätigten die 
Annahme, als er Bact. coli, prodigiosum, pyocyaneum in Glasschalen 
dem Teslastrom 3—6 Minuten lang aussetzte. Nach 5 Minuten waren alle 
Bakterien durch Wärmebildung abgetödtet. Eine etwas geringere Wärmebil- 
dung trat auch in Bouillonkulturen ein. Andere Resultate wurden bei An- 
wendung eines Solenoids erzielt, bei dem die Wärmewirkung ausgeschaltet 
war. Hier konnte in Glycerinagarkulturen von Bact. pyocyan., typhi, coli 
und Staphyloc. pyog. aur. eine Abschwächung des Wachsthums nicht be- 
obachtet werden, nur liess sich bei Bact. prodig. und Bact. pyocyan. eine 
geringe Abschwächung des Farbstoffes konstatiren, die ausser auf den elek- 
trischen Strom auch auf die Ozonbildung oder auf die im Solenoid nicht aus- 
zuschaltende elektrolytische Zersetzung des Nährbodens zurückgeführt werden 
konnte. 

2. Aus Züchtungsversuchen mit Streptococcus pyogenes und Bac. 
Pyocyaneus zusammen geht hervor, dass die Farbstoffbildung des letzteren 
gehemmt sein kann. Alle Stämme des Strept. pyog. scheinen den Pyocyaneus 
nicht gleichmässig zu beeinflussen, da unter 8 Stämmen nur 2 den Einfluss 
auf die Farbstoffbildung ausübten. 

In Kohlensäureatmosphäre wächst der Pyocyaneus überhaupt nicht, 
auch nicht im Vakuum. Wurden die Kulturen jedoch in die normale Atmosphäre 
zurückgebracht, so gediehen sie ungehindert weiter. In der Wasserstoffatmo- 
sphäre ging der Farbstoff verloren, der bei Luftzutritt wieder gebildet wurde. 
Dasselbe konnte auch in Leuchtgas- und Schwefelwasserstoff-Atmo- 
sphäre beobachtet werden. 

88* 


540 Infektionskrankheiten. 


3. Verf. nimmt nach seinen Untersuchungen mit einigen anderen Autoren 

2 Farbstoffe an: 1. den blauen Farbstoff, das Pyocyanin, welches dem Bac. 

pyocyaneus allein zukommt und sehr wohl als Chloroformextrakt zur Dife- 

rentialdiagnose mit anderen fluorescirenden Bakterien herangezogen werden 

kann; 2. den grünlich fluorescirenden Farbstoff, welcher häufiger auch 

bei anderen Bakterien vertreten und leicht als Wasserextrakt erhältlich ist. 
R. O. Neumann (Kiel). 


Muscatello G. und Cangitano C., Ueber die Gasgangrän. Münch. med. 
Wochenschr. 1900. No. 38. S. 1303. 

Zu den in der Literatur bekannten Fällen von Gasgangrän fügen die 
Verf. 5 neue hinzu, welche sämmtlich bakteriologisch und klinisch genau 
verfolgt wurden. Die ersten 3 Fälle, bei denen eine Verletzung vorausgegangen 
war, charakterisirten sich durch Gangrän mit Emphysem, durch die all- 
gemeinen Vergiftungssymptome, durch entzündliche phlegmonöse 
Infiltrationen und durch Neigung zur progressiven Invasion des 
Gewebes, während bei den 2 letzten Fällen, die sich an schwere Operationen 
anschlossen, das vollständige Fehlen von eitrig-entzündlichen Ver- 
änderungen, und die geringe Neigung zur Invasion in das gesunde 
Gewebe, trotz des stürmischen Verlaufs der allgemeinen Erscheinungen her- 
vortraten. 

Bei der bakteriologischen Untersuchung fanden sich Staphylokokken 
und Streptokokken, B.coli und Proteus und ein gasbildender Orga- 
nismus mit Kapseln und Sporen. Er ist unbeweglich und gedeiht nur 
anadrob. Bringt man denselben mittels Injektionen in gesundes Gewebe, 
so bleibt er obne jede Wirkung und wird sehr bald vernichtet, wird er da- 
gegen in ein, auf irgendwelche Art geschwächtes oder lädirtes Gewebe gebracht, 
so entsteht an der betreffenden lädirten Stelle die typische Gasgangrän. Zu- 
nächst bleibt dieser Bacillus an Ort und Stelle, nach dem Tode verbreitet er 
sich rasch im Körper, und es ist nach Ansicht der Verf. wahrscheinlich, dass 
dieser Organismus die bekannte „Schaumleber“ hervorbringt. 

Der tödtliche Verlauf bei Gasgangrän ist durch wirkliche Toxämie 
erklärbar. In klinischer Hinsicht lassen sich zwei Formen unterscheiden, 
deren eine durch die Wirkung der gasbildenden Organismen, die sich 
auf dem veränderten Gewebe angesiedelt haben, veranlasst wird, und deren 
andere durch Mischinfektion entsteht, d. h. die nicht gasbildenden pyogenen 
Formen wie Staphylokokken und Streptokokken machen das gesunde Gewebe 
passend zur Einwanderung von gasbildenden Bacillen. Verff. sprechen deswegen 
von einer einfachen Gasgangrän und von einer progressiv-emphy- 
sematösen Gangrän. 

Es ist nach ihrer Ansicht auch nicht ausgeschlossen, das B. coli com- 
mune, gewöhnlich mit anderen Mikroorganismen vergesellschaftet, Gasgangrän 
hervorrufen kann, wobei es nicht nöthig ist, wie einige Autoren behaupten, 
dass der betreffende Patient Diabetiker sein müsste. 

Verf. identificirten ihren neu gefundenen Kapselbacillus mit dem von 
Welch und Nuttall in der „Schaumleber“ gefundenen Bacillus capsulatus 


Infektionskrankheiten. 541 


aörogenes und mit dem von E. Fränkel aus Gasphlegmone gezüchteten 
Bacillus phlegmones emphysematosae. R. O. Neumann (Kiel). 


Escherich Th., Epidemisch auftretende Brechdurchfälle in Säuglings!- 
spitälern. Jahrb. f. Kinderheilk. Bd. 52. S. 1. 

Die Reihe der auf bakterielle Ursachen zurückzuführenden Magen- 
Darmerkrankungen der Säuglinge ist mit den sogen. Gährungsdys- 
pepsien, der Folge einer abnormen Zersetzung eingeführter Nahrung, keines- 
wegs erschöpft, vielmehr kommen gar nicht selten auch echte Darm-Infek- 
tionskrankheiten vor. Den von ihm bisher beschriebenen zwei Formen, 
der Streptokokkenenteritis und der Oolicolitis, reiht der Verf. jetzt einige weitere 
Erfahrungen an. Er beobachtete eine Epidemie ausserordentlich schwerer, 
meist tödtlich endender Brechdurchfälle, welche erst durch eine sorgfältige 
Desinfektion des Saales zum Stillstand gebracht wurde. Anatomisch 
und klinisch handelt es sich um eine akute Dünndarmentzündung mit schweren 
toxischen Erscheinungen. Bakteriologisch war das Krankheitsbild durch 
den Befund zahlreicher, nach Gram blau gefärbter Stäbchen und 
Fäden in den Stuhlpräparaten ausgezeichnet. Das mikroskopische Bild 
der nach Gram gefärbten Präparate war so eigenthümlich und von dem son- 
stiger diarrhoischer Stühle so abweichend, dass der Verf. diese Erkrankung 
als „blaue Bacillose“ bezeichnete. Die kulturelle Untersuchung der 
Stühle ergab das gewöhnliche Bild der nicht verflüssigenden coli-ähnlichen 
Kolonien, von denen aber ein Theil nach Gram färbbare unbewegliche 
Kurzstäbchen enthielt. Dieselben ähnelten in der Bouillonkultur nach Form 
and Lagerung dem Pseudodiphtheriebacillus und wuchsen auf der Agar- 
fläche in Form kleinster durchsichtiger Knöpfchen. Bei Zimmertemperatur blieb 
die Entwickelung aus. Die Thierversuche waren negativ. — Ausser diesem 
Bacillus züchtete Verf. aus den Stühlen in 4 Fällen eine besondere, auf 
saurer Bierwürze üppig wachsende Streptothrixart, die sich zweimal auch 


in Milz und Niere und einmal im Herzblut fand. — In welcher Beziehung 
diese Mikroorganismen zu der Darmerkrankung stehen, müssen weitere Unter- 
suchungen lehren. H. Koeniger (Leipzig). 


Finkelstein H., Ueber Nabelsepsis. Jahrb. f. Kinderheilk. 1900. Bd. 51. 
S. 560. 

lm Gegensatz zu Basch- hält Verf. an der alten Anschauung fest, dass 
die Eiterung am Anfangsstück der Nabelarterien eine lokale Wund- 
komplikation ist. Die häufigen Infektionen der Nabelwunde- bleiben meist 
lokaler und gutartiger Natur. Die lokale Infektion verläuft entweder 
mit reichlicher Pyorrhoe unter dem anatomischen Bilde der Infiltration am 
Nabelgrand und der oberflächlichen Thromboarteriitis, an die sich nur selten 
eine Allgemeininfektion (in Folge fortschreitenden Thrombenzerfalles) an- 
schliesst, oder aber als schleichende Phlegmone, als primäre Iymphangitische 
Erkrankung, die von vornherein die Tendenz besitzt, zur Allgemeinin- 
fektion zu führen. H. Koeniger (Leipzig). 


542 Infektionskrankheiten. 


Scholtz et Raab, Recherches sur la nature parasitaire de l’eczema et 
de l’impetigo. Ann. de dermatol. et de syphiligraphie. 4. ser. t. 1. p. 409. 
Kulturelle Untersuchungen über den Bakteriengehalt der nor- 
malen und der erkrankten Haut hatten eine Reihe interessanter Ergeb- 
nisse. Die Bakterienflora der normalen Haut ist im Allgemeinen sehr spär- 
lich. Am reichlichsten ist der Staphylococcus albus vertreten, während Sta- 
phylococcus aureus sehr viel seltener und stets nur in sehr geringer Zahl 
angetroffen wird; ausserdem kommen noch Sarcinen, Hefen und einige andere 
Saprophyten vor. Alle diese Mikrobien leben auf der äussersten Schicht der 
Haut und lassen sich durch einfaches Abreiben mit einem Aethertampon leicht 
vollständig entfernen. Verbessert man die Wachsthumsbedingungen durch 
Auftragen von Serum, Bouillon oder Gelatine auf die Haut, so steigt zwar 
die Zahl der Bakterien ungeheuer, aber die Zusammensetzung der Flora wird 
nicht merklich verändert; niemals zeigt der Staphylococcus aureus die ge- 
ringste Tendenz, die anderen Bakterien zu überwuchern. 

Auch bei verschiedenen Hautaffektionen, die mit seröser Exsudation, 
Krustenbildung und Desquamation einhergehen, wird der Staphylococcus aureus 
nur selten vorgefunden. 

Dagegen wurden in 50 Fällen von typischem Ekzem, die wiederholt 
und zwar in den verschiedensten Stadien untersucht wurden, beinabe regel- 
mässig Reinkulturen oder fast Reinkulturen von Staphylococcus pyo- 
genes aureus erzielt. Derselbe fand sich nicht nur auf der Oberfläche, 
unter den Schuppen, in den Blasen und im aussickeroden Serum, sondern 
auch in den tieferen Lagen des Rete Malpighi. Auch gelang es den Verf., 
experimentell vermittelst des Staphylococcus aureus eine Hauterkrankung 
hervorzurufen, die durchaus einem leichten akuten Ekzem entsprach, wenn 
sie nämlich mit Reinkulturen getränkte Gaze auf leicht verletzte oder ober- 
flächlich erweichte Hautpartien brachten. Die Verff. glauben daher, dass der 
Staphylococcus aureus einen konstanten Faktor in der Aetiologie 
des Ekzems bildet, wenn auch sekundärer Natur. Das Primäre ist die 
Verletzung der Haut; von der Art der Verletzung hängt die Entstehung und 
Ausbreitung des Ekzems ab. 

In 30 Fällen von Impetigo contagiosa trafen die Verff. meist Strepto- 
kokken in Gesellschaft von Staphylococcus aureus, bisweilen auch die eine 
oder die andere dieser beiden Arten in Reinkultur. Wahrscheinlich muss man 
den Streptokokken die Hauptrolle zuschreiben, zumal diese auf der normalen 
Haut so sehr selten vorkommen. 

Die aus dem Ekzem, aus der Impetigo und von der normalen Haut ge- 
züchteten Kulturen von Staphylococcus aureus waren identisch mit den 
Staphylokokken anderer Herkunft. Die Virulenz schwankte sehr. 
Im Allgemeinen wirkten die Staphylokokken der Haut auf Kaninchen stark 
toxisch und tödteten die Versuchsthiere rasch, ohne dass eg zur Abscess- 
bildung kam. H. Koeniger (Leipzig). 


Infektionskrankheiten. 543 


de Christmas J., Contribution a l’etude du gonocoque et de sa toxine. 
Deuxième Mémoire. Ann. de l’Inst. Pasteur. 1900. No. 5. p. 331. 

Verf. hat gefunden, dass die von Roux und Borrel für das Tetanustoxin 
angewandte intracerebrale Injektion ein sicheres und einfaches Ver- 
fahren für das Studium des Gonotoxins darstellt. Nach Einspritzung 
einer tödtlichen Dosis Gonokokkengiftes in das Gehirn eines erwachsenen 
Meerschweinchens bleibt das Thier noch 3—4 Stunden lang scheinbar gesund; 
später rollt es sich zusammen und rührt sich nicht mehr; dann treten un- 
koordinirte Bewegungen der Extremitäten auf und meist Dyspnoe; der Tod 
erfolgt nach etwa 6 Stunden. Diese akute Vergiftung erfolgt ganz regel- 
mässig. 

Das Toxin ist in der Kulturflüssigkeit gelöst und ist nicht, wie 
dies von Wagsermann angegeben wurde, an die Bakterienleiber gebunden. 

Die Zusammensetzung des Nährbodens ist für die Giftbildung von 
grosser Bedeutung. Nach verschiedenen Versuchen hat Verf. Kalbfleisch- 
bonillon (500 g Kalbfleisch auf 1 Liter Wasser mit 2—3 g Gelatine; die 
Flüssigkeit wird nach dem Filtriren auf 250 g eingedampft) mit Ascites- 
flüssigkeit (75 pCt. auf 25 pCt. Bouillon), aber ohne Pepton angewandt. 
Der Gonokokkus wächst ursprünglich nur schwer in dieser koncentrirten Lö- 
sang, gewöhnt sich aber daran; die Entwickelung des Gonokokkus und die 
Giftbildang sind nicht immer konstant. Verf. filtrirt das Toxin durch ein mit 
Talk versehenes Papierfilter; seine Kulturen lieferten nach 25tägiger Aufbe- 
wahrung bei 36—37° ein Gift, welches schon in Mengen von 0,002 cem tödt- 
licb wirkte. In den ersten Tagen ist viel weniger Toxin in den Kulturen ent- 
halten. Die Giftigkeit nimmt in abgestorbenen Kulturen ziemlich rasch ab; 
das Gonotoxin erträgt ein Istündiges Erwärmen auf 60°, wird aber bei 75 
bis 80°C. rasch zerstört; dasselbe ist nicht dialysirbar, lässt sich aber mittels 
schwefelsauren Ammoniums fällen. Nach subkutaner Einspritzung bedingt 
das Gonotoxin die Bildung eines Antitoxins im Blute. Dieses Antitoxin 
neutralisirt das Gonotoxin in vitro, allerdings erst nach 3—4 Stunden. Das 
Antitoxin verhindert die schädliche Wirkang des Giftes, wenn es frühzeitig 
genug intracerebral oder intravenös injicirt wird, und zwar etwa 48 Stunden 
vor der Einimpfung des Toxins. Die nach Injektion von Antitoxin ins Gehirn 
auftretende Immunität ist nur kurzdauernd; am 4. Tage war dieselbe schon 
verschwunden. Silberschmidt (Zürich). 


Schultze Fr., Ein Fall von anscheinender Maul- und Klauenseuche 
beim Menschen. Münch. med. Wochenschr. 1900. No. 26. S. 885. 

Der Verf. beobachtete bei einem 21/ jährigen, gut entwickelten Mädchen 
einen eigenthümlichen Fall von aphthöser Erkrankung der ganzen 
Mnndschleimhaut, der mit schwerer Stomacace, penphigusähnlichen Aus- 
schlägen an den Fingern und Zeben und mit länger dauerndem Fieber verlief 
und unter Ausschluss von Lues, Tuberkulose, Diphtherie den Verdacht auf 
Maul- und Klauenseuche erweckte. Der Versuch der Uebertragung 
auf die Mundschleimhaut eines Kalbes und eines Kaninchens blieb erfolglos, 
möglicher Weise deswegen, weil er erst im vorgeschrittenen Stadium der 


1 
544 Infektionskrankheiten. 


Krankheit angestellt werden konnte. Die Frage, wie häufig aphthöse Mund- 
entzündungen bei Kindern mit Maul- und Klauenseuche identisch sind, harrt 
der Aufklärung. Der Verf. empfiehlt daher, in ähnlichen Fällen regelmässig 
in möglichst frühen Stadien Impfversuche zu machen. 

H. Koeniger (Leipzig). 


Maurer G., Die Tüpfelung der Wirthszelle des Tertianaparasiten. 
Centralbl. f. Bakteriol. Abth. I. Bd. 28. No. 4/5. No. 114. 

Verf. prüfte die von Schüffner gemachte Beobachtung über Tüpfelung, 
d. s. eigenthümliche Veränderungen in den rothen Blutkörperchen, welche von 
den Malariaparasiten hervorgerufen werden, nnd es gelang ihm, die in Fällen von 
Malaria tertiana auftretenden Erscheinungen auch mit der Romanowsky- 
schen Färbung nachzuweisen. 

Gleichzeitig beobachtete er, dass die in bisheriger Weise geübte Roma- 
nowsky’sche Färbung nur einen mittleren Grad des Erreichbaren darstellt, 
und es bei genauen Mischungsverhältnissen von Eosin und Methylenblau 
möglich ist, noch intensivere Färbekraft zu erzielen. Er unterscheidet in der 
Intensität der Färbekraft vier Grade, deren erste beide auch durch die bisher 
geübte Methode erreicht werden. Der 3. Grad kennzeichnet sich durch Sicht- 
barwerden der Schüffner’schen Tüpfelung und der 4. Grad durch das Er- 
scheinen eines eigenartigen Gebildes in allen rothen Blutkörperchen, welches 
er vorläufig den „Kernrest der Erythrocyten“ nennt. 

Zu seinen Lösungen benutzt Verf. eine 30 Tage alte Iproc. Lösung von 
Methylenblau medicinale Höchst mit !/, pCt. Soda und einer 1pM. 
Lösung von Eosin (III) = Eosin w. g Grübler & Co., und gelangt zu der 
angegebenen Färbung 1. durch rasches Mischen bestimmter Quanti- 
täten der beiden Farblösungen und schnelles Aufgiessen auf das 
Präparat, und 2. durch längere Färbung in stark verdünnten, genau 
zusammengesetzten Lösungen. Auf diese Art gefärbt, erscheinen alsdann 
die Tertianaparasiten in Blutpräparaten in folgender Weise: Der 1. Grad 
ausgezeichnet durch das Auftreten von rothen Körnern im Protoplasma 
der polynukleären Leukocyten und im Innern der Blutplättchen, wäh- 
rend eine charakteristische Kernfärbung nur die Malariaparasiten 
zeigen. Der 2. Grad ist kenntlich durch Rothfärbung aller Kernsub- 
stanzen, der 3. durch die Tüpfelung und der 4. Grad durch das Sicht- 
barwerden des „Kernrestes“. Das letzte Färbungsstadium lässt aber den 
Parasiten selbst nicht unbeeinflusst, insofern als ein „Hof“ von blasser Farbe 
um den Tertianaparasiten erscheint. Man erreicht dies durch möglichst langes 
Belassen in der Säurefarblösung, ein längeres Verweilen bis über diesen Punkt 
hinaus empfiehlt sich also nicht, da dadurch die ganze Färbung leidet. 

Als Erklärung für das Auftreten der Tüpfelung, die Sehüffner nicht 
sicher gegeben hat, nimmt Maurer an, dass es sich wohl um eine Art 
Hyperplasie des inficirten Erythrocyten handelt, welche unter der 
Einwirkung der Parasiten zu Stande kommt, während Schüffner geneigt war, 
in den Tüpfeln abgeschnürte Theile des Parasiten zu sehen. 

R. O. Neumann (Kiel). 


Infektionskrankheiten. 545 


Celli, A., Die neue Prophylaxis der Malaria in Latium. Centralbl. f. 
Bakteriol. Bd. 28. No. 20. S. 696. 

Verf. hat seit dem Jahre 1899 Versuche über den mechanischen Schutz 
der Häuser und der nichtbedeckten Stellen des menschlichen Körpers vor den 
Stechmücken an dem Wartepersonal verschiedener Eisenbabnlinien 
in stark durchseuchten Gegenden angestellt. Zu diesem Zwecke wurden die 
Fenster mit Drahtnetz von 1—1,5 qmm Maschenweite überspannt und vor der 
Thür eine Art Vorraum aus Drahtnetz angebracht, die Thüren mit automatischem 
Verschluss versehen, über dem Schornstein ein Drahtnetz befestigt, die Wände 
des Zimmers geweisst, um event. eingeschlüpfte Stechmücken besser sehen 
and tödten zu können. Zum Schutze vor direkten Stichen wurde den Nacht- 
dienst thuenden Beamten eine Gesichtsmaske aus Drahtnetz mit Schleier und 
Gemsenfellhandschuhe empfoblen. Celli erzielte mit diesen Maassregeln sehr 
gute Erfolge. Von 207 Beamten, die durch diese doppelten Vorsichtsmaass- 
regeln geschützt waren, erkrankten nur 10, trotzdem sie in dem ungesündesten 
Theile Latiums lebten und mitten unter ihren Genossen, die beinahe alle 
erkrankten. Celli hat sogar auch Strohhütten mittels Drahtnetze und des oben 
beschriebenen Vorraumes vor der Invasion der Stechmücken und damit die 
Einwohner vor der Malaria schützen können. Gleichzeitig müssen die Bauern 
angehalten werden, nicht in den gefährlichsten Tagesstunden im Freien zu 
arbeiten. B. Heymann (Breslau). 


Salomon, Vera, Experimentelle Untersuchungen über Rabies. Cen- 
tralbl. f. Bakteriol. Abth. I. Bd. 28. No. 3. S. 70. 

Verf. machte es sich zur Aufgabe 1. einige neue Methoden zum Stu- 
dium der experimentellen Diagnose der Hundswuth zu studiren, 
und 2. die Wirkung der normalen und pathologischen Galle auf 
das Virus der Rabies zu untersuchen. Die sehr zahlreichen Methoden, 
um virulentes Material darzustellen, die in Inokulation der Speicheldrüsen, 
Nieren, Pankreas, Milch, Nebennieren, Gentralnervensubstanz in 
seröse Häute, auf die Nasenschleimhaut, in die vordere Augenkam- 
mer, unter die Dura, in den Nervus medianus, in die Venen, ins Ge- 
hirn, ins Lendenmark bestehen, sind durchaus nicht gleichwerthig, da in 
der Wirkung grosse Unterschiede beobachtet wurden. Die meist geübte ist 
die von Pasteur und Roux angegebene subdurale Methode, der noch einige 
andere von Leclainche-Morel und Lebell und Galli-Valerio nachge- 
folgt sind. 

Verf. verglich nun die bekannte subdurale Methode mit der von Le- 
elainche-Morel, welche darin besteht, dass die Inoculation des Materials 
direkt in das Gehirn erfolgt, indem man vorher den Knochen mit einer 2 mm 
langen Bohrspitze durchbohrt. Es haben sich dabei verschiedene Vortheile ge- 
zeigt, welche in schnellerer und billigerer Ausführbarkeit und geringerer 
Schmerzhaftigkeit bestehen sollen. 

Von den beiden Methoden, die Galli-Valerio angegeben hat, eignet 
sich die eine zum praktischen Gebrauch. Es wird ein Wattebäuschchen mit 
Watbvirus getränkt und dem Versuchsthiere in ein Nasenloch soweit hinauf- 


39 


546 Immunität. Schutzimpfung. 


geführi, dass eine Läsion der Riechnerven entsteht. Die andere Methode be- 
steht darin, dass das Wuthvirus in das Foramen occipitale eingeführt wird. 
Dabei kann aber leicht der Nodus vitalis angestochen werden und das Thier 
bei der Operation zu Grunde gehen. Sie ist also weniger zuverlässig. 

Aus den Untersuchungen über die Wirkung von Galle auf das Virus der 
Rabies, die an 24 Kaninchen theils mit normaler, theils mit pathologischer 
Galle ausgeführt wurden, geht hervor, dass die Kaninchengalle eine mehr 
oder weniger neutralisirende Wirkung auf das Virus der Rabies ausübt. Dies 
scheint indess nicht von einer antitoxischen, sondern eher von einer antisep- 
tischen Wirkung herzurühren, denn die pathologische und die normale Galle 
geben ungefähr dieselben Resultate. R. O. Neumann (Kiel). 


Bordet, Jules, Les serums hemolytiges, leurs antitoxines et les théo- 
ries des serums cytolytiques. Travail da laboratoire de M. Metsch- 
nikoff. Ann. de l’Inst. Pasteur. 1900. No. 5. p. 257. 

In der vorliegenden Arbeit bespricht Verf. einige neue Thatsachen, welche 
die hämolytischen Sera betreffen. Als Beispiel wählt er das Seram von 
Meerschweinchen, die 2—3 subkutane Injektionen von je 3—5 ccm defibri- 
nirten Kaninchenblutes erhalten haben; dieses Serum agglutinirt und zerstört 
die rothen Blutkörperchen von Kaninchen. Nach Erwärmen auf 55° C. geht 
die hämolytische Eigenschaft bekanntlich verloren, kommt aber wieder zum 
Vorschein, wenn man frisches Serum von nicht vorbehandelten Thieren dem 
erwärmten hämolytischen Serum hinzufügt, und zwar kann man die Hämolyse 
beobachten nach Zusatz von frischem Meerschweinchen-, Kaninchen-, Ratten-, 
Hundeserum. Mit anderen Worten, es werden rothe Blutkörperchen, 
welche mittels Zusatz von erwärmtem hämolytischen Serum em- 
pfindlich gemacht worden sind, von Alexinen verschiedener Thier- 
gattungen zerstört. Dieses Gesetz hat aber doch keine ganz allgemeine 
Geltung, und das Alexin des Thieres, welches das hämolytische Serum liefert 
(in unserem Falle das Meerschweinchenserum), wirkt am stärksten. Das bak- 
teriolytisch wirkende Alexin ist in einem und demselben Serum mit 
dem hämolytischen identisch; wenn in einem Serum das Alexin z. B. 
zur Auflösung von Choleravibrionen vollständig verbraucht wurde, so ist dieses 
Serum nicht mehr im Stande, Blutkörperchen aufzulösen. Die wirksamen 
Substanzen der hämolytischen Sera, und zwar sowohl das Alexin als auch 
die empfindlich machende Substanz, werden von den Blutkörperchen fest- 
gehalten. Diese Fixirung, die sich mit einer Färbung vergleichen lässt, findet 
namentlich in den Hüllen (Stroma) der rothen Blutkörperchen statt. Wird 
einem Kaninchen wiederholt hämolytisches Serum injieirt, so werden die rothen 
Blutkörperchen dieses Thieres nicht mehr in vitro aufgelöst. Es ist möglich, 
ein Antitoxin gegenüber dem hämolytischen Serum zu erhalten, und zwar 
neutralisirt dieses Antitoxin sowohl die empfindlich machende Substanz als 
das Alexin. In Folge dieser doppelten Eigenschaft ist das Antitoxin anti- 
hämolytisch und antibaktericid. Das Antialexin wirkt specifisch, 


Immunität. Schutzimpfung. 547 


d.h. neutralisirt das Alexin von Meerschweinchen, nicht aber das in Ratten-, 
Hunde-, Ziegenserum enthaltene Alexin; die Specifität ist keine absolute. Es 
ist anzunehmen, dass das Antialexin direkt auf das Alexin wirkt; wird 
ein Gemenge von Antitoxin und von Alexin auf 550 C. erwärmt, so wird kein 
Antitoxin mehr frei. 

Am Schluss bespricht Verf. seine 1895 und die 1896 von Pfeiffer auf- 
gestellte Theorie und zeigt, dass sich mit seiner Theorie auch diese neueren 
Thatsachen erklären lassen. Die künstliche Immunisirung steigert die cyto- 
Iytischen Eigenschaften, welche manchmal schon im Serum nichtbehandelter 
Thiere enthalten sind. Die cytolytische Substanz wird in Folge der Behand- 
lung kaum vermebrt; es entsteht aber eine Substanz, welche in specifischer 
Weise die Tbätigkeit der cytolytischen Substanz begünstigt. Die Immunitäts- 
reaktion, welche nach Einspritzung nicht gefäbrlicher Elemente (Erythrocyten) 
entsteht, ist identisch mit derjenigen, welche nach Injektion von Krankheits- 
erregern auftritt. Silberschmidt (Zürich). 


Moli P., Contribution à l’etude des serums antihematiques. Trav. 
du labor. de Physiologie de l'Université de Liège. Ann. de lInst. Pasteur. 
1900. No. 5. p. 297. 5 

Nach Injektion von defibrinirtem Hühnerblut treten im Organismus 
des Kaninchens mindestens dreierlei Substanzen auf: eine präcipitirende, 
eine agglutinirende und eine empfindlich machende (sensibilisante). Diese 

3 Reaktionen sind von einander verschieden. Die präcipitirende Substanz ent- 

steht nach Injektion von reinem Blutserum und wirkt nur auf das Serum, 

während das Agglutinin und der Antikörper, welche nach Injektion von rothen 

Blatkörperchen allein entstehen, ausschliesslich auf die Erythrocyten wirken. 

Das Stroma, d. h. die Membran des Blutkörperchens, bedingt die Bildung von 

Agglutinin und ist auch bei der Agglutination betheiligt; der Inhalt des Ery- 

throcyten bildet den Antikörper und wird wahrscheinlich seinerseits empfind- 

lich gemacht. Es scheint somit ein Zusammenhang zu bestehen zwischen dem 
wirksamen Theil des Blutes des behandelten Thieres mit der Substanz, welche 
zar Immunisirung geführt hat. Was die Natur dieser Vorgänge betrifft, so 
verwirft Verf. die Annahme einer durch Enzyme bedingten Gährung; ob es 
sich um eine eigentliche chemische Verbindung handelt oder um einen mole- 
kulären Zusammenhang, lässt sich nicht entscheiden. Diese Processe haben 
eine grosse Aehnlichkeit mit der Wirkung der Antitoxine auf Toxine, der Anti- 
enzyme auf Enzyme u. s. w. Es besteht Aehnlichkeit sowohl in der Reaktion, 
als in der Art der Neutralisirung. Alle Substanzen, welche bis jetzt zur Bil- 
dang von Antikörpern geführt haben, gehören zu den eiweissartigen Körpern; 
alle werden von den proteolytischen Fermenten angegriffen. Aus dem zuletzt 
angeführten Grunde ist es erklärlich, warum keine Antikörper gebildet werden 
nach primärer Einführung der aktiven Substanzen in den Darmtraktus. Verf. 
warnt vor komplicirten chemischen Theorien; in Uebereinstimmung mit Du- 
elaux will er in den Vorgängen der Präcipitation, der Agglutination, der 
Globulolyse Beziehungen der Molekel unter sich und mit der Flüssigkeit er- 
blicken, viel eher, als chemische Verbindungen. Es scheint, dass der Oganis- 
39* 


548 Immunität, Schutzimpfung. 


mus der Vögel und der Säugethiere die Eigenschaft besitze, gegenüber der 
Einführung von eiweissartigen Substanzen zu reagiren mittels Bildung neuer 
eiweissartiger Substanzen, welche eine deutliche Verwandtschaft zu den ur- 
sprünglich eingeführten aufweisen. Die Arbeiten der Bakteriologen haben zur 
Entdeckung eines Gesetzes der allgemeinen Physiologie geführt, dessen Be- 
dingungen und Tragweite noch genauer verfolgt werden müssen. 
Silberschmidt (Zürich). 


Metschnikof E., Sur les cytotoxines. Ann. de l'Inst. Pasteur. 1900. No. 6. 
p. 369. 

Verf. schlägt vor, diejenigen Substanzen tbierischen Ursprungs, welche 
sich als giftig für die geformten Elemente erweisen, wie z. B. Hämotoxin. 
Spermotoxin, Nephrotoxin u.s.w. allgemein als Cytotoxine zu bezeichnen. Diese 
Gifte sind seit Jahren in ihrer Wirkung bekannt: Panum, Ponfick, Hayem, 
Landois haben die Schädlichkeit der Bluttransfusion der Auflösung der Blut- 
körperchen zugeschrieben. Erst nach den Untersuchungen über die bakterien- 
tödtende Eigenschaft des Blutserums verschiedener Thiere (Daremberg, 
Buchner) wurde das Studium dieser Stoffe wieder aufgenommen. Belfanti 
und Carbone haben zuerst die Bildung einer giftigen Substanz im Blute von 
Thieren festgestellt, welche mit Serum einer anderen Thiergattung behandelt 
worden waren; dieselbe Beobachtung wurde unabhängig von diesen Autoren 
auch von Bordet gemacht. Bordet hat die Aehnlichkeit der bakterien- 
tödtenden und der hämolytischen Eigenschaften festgestellt und 2 Substanzen, 
das Alexin und die empfindlich machende Substanz oder den Zwischenkörper 
unterschieden, welche namentlich von Ehrlich und Morgenroth genauer 
studirt worden sind. In einer 1899 erschienenen Arbeit hat Verf. die Ver- 
muthung ausgesprochen, es werde möglich sein, specifische Cytotoxine gegen 
jede Art von geformten Elementen herzustellen; kurz darauf erschienen die 
Mittheilungen von Landsteiner über Spermotoxin, von v. Dungern über 
ein specifisches Gift- gegen die Flimmerepithelzellen der Trachea. Moxter 
hat die Specificität der Cytotoxine bekämpft; Verf. hat bei Kontrolversuchen 
gegentheilige Resultate erhalten, indem er nachweisen konnte, dass die hämo- 
Iytische Eigenschaft des spermotoxischen Serums dem Blute zuzuschreiben ist, 
welches stets mit den Spermatozoen injieirt wird, während ein rein bämols- 
tisches Blut nicht spermotoxisch wirkt. Die Specifität der Cytotoxine 
muss daher, nach Verf., allgemein anerkannt werden. M. nimmt an, 
dass die zwei konstituirenden Bestandtheile der Cytotoxine in den 
Phagocyten enthalten sind; der Zwischenkörper kann unter normalen Verhält- 
nissen ausgeschieden werden und ist daher im Blutplasma und in den Exsudaten 
vorhanden; die Alexine hingegen sind an die Zellen gebunden und entweichen 
erst, wenn eine Phagolyse oder irgend eine Schädigung der Phagocyten ein- 
tritt. Nach dieser Annahme tritt eine cytotoxische Wirkung erst dann im 
Organismus auf, wenn beide Fermente zusammentreffen, d.h. entweder im 
Innern der Phagocyten oder nach erfolgter Phagolyse. M. bekämpft die An- 
sicht v. Dungern’s, wonach die Phagocytose bei der Hämolyse keine Rolle 
spiele; er konnte nachweisen, dass bei Injektion von geringen Mengen defibri- 


i 


Immunität. Schutzimpfung. 549 


nirten Hühnerbluts in die Bauchhöhle von Meerschweinchen die rothen Blut- 
körperchen von den Makrophagen aufgenommen werden. Durch die aufge- 
stellte Hypotbese wird auch die Beobachtung von Ehrlich und Morgenroth 
erklärt, wonach das Isolysin bei Schafen entsteht, wenn man mit Wasser 
vermengtes Blut in die Bauchhöhle derselben Thierart injieirt. Es gelang 
nicht ein Serum herzustellen, welches nur gegen eine Art von Leukocyten 
(Makrophagen) schädlich wäre; daher hat Verf. mit seinen Schülern die weitere 
Frage studirt, ob geringe Mengen von Cytotoxinen nicht anregend auf 
die entsprechenden geformten Elemente wirken würden. Diese Frage wird in 
den drei folgenden Arbeiten näher erörtert (s. die folgenden Referate). 
Silberschmidt (Zürich). 


Cantacuzöne J., Sur les variations quantitatives et qualitatives des 
globules rouges provoquées chez le lapin par les injections de 
sérum hemolytique. Travail du labor. de M. Metschnikoff. Ann. de 
l’Inst. Pasteur. 1900. No. 6. p. 378. 

Verf. untersucht die Schwankungen des Hämoglobins und der rothen 
Blatkörperchen nach Injektion von hämolytischem Serum; er hat seine 
Versuche an Kaninchen vorgenommen und Serum von Meerschweinchen ver- 
wendet, welche steigende Mengen von defibrinirtem Kaninchenblut injieirt 
erhielten. Den Meerschweinchen wurden 2, 5, 10 und 15 ccm Kaninchenblut 
in Zwischenräumen von je 12 Tagen intraperitoneal eingespritzt; das Serum 
agglutinirte im Verhältniss von !/,, und wies eine bämolytische Wirkung von 
1:2—1:3 auf. Das Kaninchenblut enthält durchschnittlich pro cbmm 6 Mill. 
rothe Blutkörperchen, 200--250 000 Hämatoblasten, 6000—6500 Leu- 
kocyten und 80 pCt. Hämoglobin. Nach intravenöser Injektion von 
normalem Meerschweinchenserum nimmt die Zahl der rothen Blutkörper- 
chen allmählich etwas ab (z. B. von 5,8 auf 4,7 Mill.); gleichzeitig kann man 
eineZunahme der Hämatoblasten nachweisen, welche 2—8 Tage lang andauert. 
Der Hämoglobingehalt sinkt von 91 auf 75, und die polynukleären Leukocyten 
nehmen etwas zu. Nach 6 Tagen ist alles wieder normal; eine Störung des 
allgemeinen Befindens tritt nicht ein. Wurde hingegen eine grössere Menge 
(2—-3cem) hämolytischen Serums injieirt, sobeobachtete man eine sofortige 
Abnahme der rothen Blutkörperchen, so dass nach 36 Stunden 690000, 
und nach 48 Stunden nur noch 300000 pro cbmm vorhanden sind. 19/29 
sämmtlicher im Blute kreisender Erythrocyten werden zerstört; 
die Zahl der kerohaltigen rothen Blutkörperchen nimmt gleichzeitig zu. Etwa 
am 4. Tag nach der Injektion treten plötzlich eine grössere Anzahl von 
Hämatoblasten (bis 1700 000) auf, und von nun an steigt die Zahl der 
normalen rothen Blutkörperchen; nach 8 Tagen sind 2 500 000 zu zählen, und 
nach 6 Wochen hat das Blut wiederum sein normales Aussehen. Der Hämo- 
globingehalt sinkt in den ersten Tagen bis auf 35 pCt. und steigt langsamer 
als die Zahl der Blutkörperchen, ein Beweis, dass die Hämatoblasten nicht 
hämoglobinhaltig sind. Die Leukocytose ist ebenfalls deutlich, und zwar 
nimmt die Zahl der polynukleären Zellen zu, während Verf. niemals eine 
Zunahme der pseudoeosinophilen beobachten konnte. Der Gehalt an Erythro- 


b 


550 Immunität. Schutzimpfung. 


cyten und an Hämoglobin steigt niemals über die ursprünglichen Zahlen 
hinaus. Nach subkutaner Injektion von hämolytischem Serum sind die Ver- 
änderungen ähnlich, aber nicht so deutlich ausgesprochen. Eine Menge von 
15 ccm des hämolytischen Serums intravenös eingespritzt, bedingt sofortige 
klonische Krämpfe, Cyanose und Tod innerhalb 1—2 Minuten. 

Die Injektion von geringen Mengen hämolytischen Serums (1/,,—!/ao cem) 
bedingt stets eine Zunahme der rothen Blutkörperchen und des Hämoglobins. 
Die Zabl der rothen Blutkörperchen steigt innerhalb 3 Tagen von 5,4 auf 
8,8 Mill., bleibt ungefähr 8 Tage auf dieser Höhe und nimmt nach und nach 
ab; nach 3 Wochen weist das Blut wieder normale Beschaffenheit auf. Regel- 
mässig kann man beobachten, dass die polynukleären Zellen pseudo- 
eosinophile Granula aufnehmen; das Auftreten dieser Granula kann als 
ein prognostisch günstiges Symptom betrachtet werden und fehlt, wenn die 
rothen Blutkörperchen nicht zunehmen. 

Werden die Injektionen von geringen Mengen des hämolytischen Serams 
wiederholt, so tritt, bei entsprechenden Zeitintervallen, eine stimulirende Wir- 
kung des Serums ein, so dass bei Kaninchen die Anzahl der Erythrocyten auf 
9 Mill. und der Hämoglobingehalt bis auf 110 steigen; dieses Maximum wird 
nicht überschritten, bleibt aber einige Wochen bestehen; nachher kommt das 
Blut wieder zu seiner früberen Zusammensetzung. Die Leukocytose schreibt 
Verf. der geringen leukolytischen Wirkung des Serums zu. Als wichtigstes 
Ergebniss dieser Versuche ist folgendes anzuführen: ein in vitro und in 
vivo hämolytisch wirkendes Serum ist hingegen stimulirend für 
die Hämatopoiese, wenn dasselbe in genügend kleinen Mengen 
einverleibt wird. Silberschmidt (Zürich). 


Besredka, La leucotoxine et son action sur le systeme leucocytaire. 
Trav. du laborat. de M. Metschnikoff. Ann. de I’Inst. Pasteur. 1900. 
No. 6. p. 390. 

Der ursprüngliche Gedanke Metschnikoff’s, dass es möglich sein werde, 
Sera herzustellen, welche toxisch sind gegenüber einer bestimmten Art von 
Leukocyten, hat sich als nicht durchführbar erwiesen; die nach verschie- 
denen Verfahren hergestellten leukotoxischen Sera zerstören sowohl die mono- 
als die polynukleären Leukocyten. Verf. berichtet über Versuche, die er an- 
gestellt hat, um die stimulirende Wirkung der leukotoxischen Sera 
zu untersuchen. 

Iu den meisten Fällen sind die leukotoxischen Sera specifisch; die nach 
Injektion von Lymphdrüsen des Pferdes, des Rindes, des Kalbes, des Schafes, 
der Ziege und des Hundes erhaltenen Sera waren unwirksam gegenüber Leuko- 
eyten des Menschen. Diese Specifität ist zwar keine absolute; so zerstörte 
z. B. ein für Leukocyten des Rindes toxisches Serum ebenfalls die weissen 
Blutkörperchen von Kaninchen. 

Verf. führte seine Versuche an Meerschweinchen und an Kaninchen aus. 
Zur Erlangung eines guten Leukotoxins für Kaninchen genügte es, eine Auf- 
schwemmung von Kaninchenpankreas einem Meerschweinchen subkutan in 
einem Zwischenraum von 8 Tagen zu injiciren; nach 14 Tagen ist das Serum 


Immunität. Schutzimpfung. 551 


im Stande, in einer Verdünnung von 1/30 die Leukocyten aus der Peritoneal- 
lymphe zu zerstören. Das nach Injektion von Lymphdrüsen von Meerschwein- 
chen erhaltene leukotoxische Kaninchenserum war weniger wirksam. Das nach 
Injektion von Knochenmark erhaltene Serum ist gleichzeitig stark hämolytisch. 
Die leukotoxischen Sera sind sehr wenig haltbar; ein 1/, stündiges 
Erwärmen auf 55° zerstört die auflösende Eigenschaft; Thiere, welche auf 
60° erhitzte oder mit absolutem Alkohol behandelte Lymphdrüsen injieirt er- 
halten, liefern kein leukotoxisches Serum. Die leukotoxischen Sera ver- 
halten sich empfänglichen Thieren gegenüber wie die eigentlichen 
Toxine. Diese Aehnlichkeit veranlasste Verf., Thiere gegen ihr specifisches 
Leukotoxin zu immunisiren, und zwar mit Erfolg. Die Giftigkeit istschwan- 
kend. Verf. erhielt z. B. ein Serum, welches in einer Menge von 0,5 ccm 
intraperitoneal Meerschweinchen von 300—400 g tödtete; mit 3 ccm starben 
die Thiere innerhalb 3—4 Stunden. Erfolgt der Tod rasch, so ist die Bauch- 
höhle steril; hingegen findet man häufig viele Mikroorganismen aus dem Darme 
stammend, wenn der Tod erst nach einigen Tagen erfolgt; Ursache des Todes 
ist dann eine allgemeine Infektion. Nach Injektion einer grossen, aber nicht 
tödtlichen Dosis ist das Thier bald sichtbar krank, erholt sich aber rasch 
wieder. 

Bei der Untersuchung der Peritoneallymphe fällt Anfangs kein 
Unterschied auf gegenüber einem mit normalem Serum behandelten Kontrol- 
thiere; erst nach etwa 2 Tagen ist der Unterschied deutlich: die Leukocyten 
vermehren sich, und die starke Hyperleukocytose bleibt mehrere Tage lang be- 
stehen. Das leukotoxische Serum erzeugt eine Leukocytose, welche 
vielstärker ist und länger andauert als die durch andere künstliche 
Mittelerzeugte. Wird einem Thiere wiederholt leukotoxisches Serum injieirt, 
so tritt die Hyperleukocytose nach jeder neuen Injektion auf, und zwar schon nach 
24 Stunden. Nach 2—3 Einspritzungen zeigt das Serum von Meerschweinchen 
antitoxische Eigenschaften; das antileukotoxische Serum neutralisirt die 
Wirkung des Leukotoxins und verhindert somit die Auflösung der Leuko- 
eyten. Trotz dem Auftreten von Antileukotoxin im Blute reagirt das Meer- 
schweinchen nach jeder Injektion von Leukotoxin mit einer erneuten Leuko- 
cytose. Beim Kaninchen konnte Verf. nach subkutaner Injektion am Obr 
ebenfalls eine deutliche Leukocytose beobachten. Die Leukocytase, d. h. der 
Zadrang von Leukocyten an denjenigen Stellen, wo sich Leukotoxin vorfindet, 
ist daher eine bei Kaninchen und Meerschweinchen regelmässig auftretende 
Reaktion. Diese Hyperleukocytose ist nach Ansicht des Verf.’s der direkten 
Erregbarkeit des leukocytären Systems zuzuschreiben; wie bei der Chemotaxis 
kann die Reaktion verschieden sein für eine und dieselbe Substanz, je nach 
der Menge des injieirten Giftes. Silberschmidt (Zürich). 


Metschnikof et Besredka, Recherches sur l’action de l’hemotoxine 
sur l’homme. Ann. de l’Inst. Pasteur. 1900. No. 6. p. 402. 

Nachdem festgestellt worden war, dass geringe Mengen von Gytotoxinen 

bei Thieren anregend, stimulirend und nicht giftig wirken, war es wichtig, zu 

prüfen, ob dieses Verhalten auch für den menschlichen Organismus gilt. 


552 Immunität. Schutzimpfung. 


Diese nicht unbedenklichen Versuche wurden nach den Erfolgen der Serum- 
therapie bei Diphtherie u. a. bei Leprakranken angestellt. Bekanntlich hat 
Carasquilla zuerst und nach ihm Laverde ein Lepraserum angewandt, 
welches mittels Ueberimpfung von Blut und von "Blutserum von lepra- 
kranken Menschen auf Thiere erhalten wurde. Die mitgetheilten Frfolge 
wurden von einigen Autoren bestätigt, von anderen hingegen negirt. Hent- 
zutage ist es begreiflich, dass die Injektion dieser Sera irgend einen Einfluss 
ausüben musste, da dieselben Cytotoxine enthielten; ob Produkte des Lepra- 
bacillus darin enthalten waren, ist mehr als zweifelhaft. Schon Laverde giebt 
an, dass eine Ziege, welche eine Aufschwemmung eines exstirpirten Uterus- 
careinoms injieirt erhielt, ein Serum lieferte, das ebenso wirksam war wie das 
Serum von Thieren, welche mit Leprablut oder mit Lepraknoten behandelt 
worden waren. Verff. schreiben daher die nicht zu bezweifelnden Erfolge den 
Cytotoxinen zu. Dass nach längerem Aufbewahren oder nach längerem Trans- 
porte die Wirksamkeit des Serums abnimmt, lässt sich durch die Unbestän- 
digkeit der Cytotoxine erklären. 

Gestützt auf obige Erwägungen, haben es Verff. unternommen, Versuche 
mit hämotoxischen und leukotoxischen Seren beim Menschen aus- 
zuführen. 

Das Serum stammte von einer Ziege, welche mit Blut von verschiedenen 
Menschen behandelt. worden war. Nach 36 Tagen hatte die Ziege 34 cem 
Blut injieirt erhalten; ihr Serum agglutinirte in einem Gemenge von 1:1 
sämmtliche rotbe Blutkörperchen und löste dieselben innerhalb 7 Minuten auf. 
Zwei Patienten, welche an vorgeschrittener tuberöser Lepra litten, wurden 
zuerst mit je 0,5 ccm Ziegenseram behandelt; der eine Patient erhielt das 
Serum des vorbehandelten Thieres, der andere Serum einer alten, nicht vor- 
behandelten Ziege, welches auf den Menschen schwach hämolytisch wirkte. 
Schon nach Injektion dieser geringen Mengen war der Hämoglobingehalt 
und die Anzahl der rothen Blutkörperchen gestiegen. Nachdem festgestellt 
worden war, dass auch Mengen von 1—3 ccm ohne Schaden ertragen wurden, 
wurde nur noch das Serum des vorbehandelten Thieres verwendet. Die grösste 
injicirte Dosis betrug 7 ccm. Die Injektionen riefen manchmal Schmerzen 
hervor, gleichzeitig nahmen aber die vor Einleitung der Therapie vorhandenen 
neuralgischen Schmerzen beträchtlich ab. Um die Leprome herum trat wieder- 
holt eine intensive Stauung auf, verbunden mit einer profusen Eiterung (im 
Eiter waren ausschliesslich Leprabacillen nachweisbar). Die Reaktion war 
somit ähnlich der nach Injektion von sog. Lepraserum beobachteten; aller- 
dings geringer, weil viel weniger Serum injicirt worden war. Die ursprüng- 
liche Annahme der Verff., die Besserung nach Injektion von Lepraserum sei 
den Oytotoxinen und zwar speciell dem Leukotoxin zuzuschreiben, scheint so- 
mit bestätigt. ; 

Nach wiederholten Injektionen von geringen Mengen hämolytischen 
Serums wird beim leprakranken Menschen die Hämatopoiese gesteigert, wie 
dies bei Thieren festgestellt worden war. Das Serum der behandelten Lepra- 
kranken war deutlich antihämolytisch und antitoxisch. Bei einem dritten 
Leprakranken, bei welchem die Krankheit schon sehr weit vorgeschritten war, 


Immunität. Schutzimpfung. _ 553 


wurde der Hämoglobingehalt in Folge der Injektionen ebenfalls gesteigert, die 
Lepra aber nicht beeinflusst. 

Die ersten Versuche mit cytotoxischen Seren beim Menschen führen Verff. 
zum Schlusse, dass der günstige Einfluss der antileprösen Seren dem Leuko- 
toxin zugeschrieben werden muss. Das Leukotoxin bedingt eine Erregung 
des phagocytären Systems, das Hämotoxin hingegen übt keinen 
günstigen Einfluss bei Lepra aus. Es ist daher angezeigt, nicht mehr 
das ganze Blut, sondern Blutserum oder Lymphdrüsen vom Menschen den 
Serum liefernden Thieren zu injiciren. Die Versuche an 6 Leprakranken 
lieferten den Beweis, dass die Injektion von geringen Mengen von 
Cytotoxinen die Thätigkeit der entsprechenden cellulären Ele- 
mente beim Menschen steigert. Silberschmidt (Zürich). 


Siegert F., Vier Jahre vor und nach der Einführung der Serum- 
behandlung der Diphtherie. Jahrb. f. Kinderheilk. 1900. Bd. 52. S. 56. 

Trumpp,5 Entgegnung auf die Arbeit von Siegert: „Vier Jahre vor 
und nach der Einführung der Serumbehandlung der Diphtherie“. 
Ebenda. Bd. 52. S. 748. N { 

von Bókay J., Offener Brief an die Redaktion. Ebenda. Bd. 52. S. 758. 

Kassowitz, Max, Audiatur et altera pars. Ebenda. Bd. 52. S. 844. 

Siegert F., Bemerkungen zu den verschiedenen Entgegnungen aus 
Anlass meines Aufsatzes: „Vier Jabre vor und nach der Einführung 
der Serambehandlung der Diphtherie“. Ebenda. Bd. 52. S. 878. 

Um den Einfluss des Serums auf die Heilung der Diphtherie 
einwandsfrei zu ermitteln, hat Siegert ein ausserordentlich grosses sta- 
tistisches Material gesammelt. Er verfügt erstens über. 42000 Fälle 
von Diphtherie aus einer beschränkten Anzahl von Spitälern. In diesen betrug 
die Durchschnittsmortalität aller wegen Diphtherie behandelten Kinder 
in den Jahren 1890—1893 41,5 pCt., in den vier Jahren nach der Einführung 
des Serams aber nur 16,4 pCt. Von besonderem Werth ist nun aber ein 
weiteres Material von 37000 Fällen, das aus einer grossen Zahl von 
öffentlichen Krankenhäusern aus ganz Deutschland, Oesterreich, Ungarn und 
der Schweiz stammt und sich ausschliesslich aus solchen Fällen von Diph- 
therie zusammensetzt, die wegen Larynxstenose operirt sind und daher 
sämmtlich als schwere Fälle angesehen werden können. Auch hier zeigt sich 
eklatant der günstige Einfluss des Serums. Die Mortalität der wegen 
Larynxstenose operirten Kinder ist von 60,38 pCt. in der Vorserum- 
periode auf 36,32 pCt. in der Nachserumperiode heruntergegangen. Ferner 
liess sich nachweisen, dass in Folge der allgemeinen Anwendung des Serums 
die operative Beseitigung der Larynxstenose viel seltener nothwendig 
wird als früher. 

Im zweiten Theil seiner Arbeit vergleicht der Verf. die Erfolge der 
Tracheotomie und derIntubation und gelangt dabei zu folgenden Schlüssen: 
Die prineipielle primäre Intubation ist aufzugeben; nur in bestimmten leichteren 
Fällen kann statt der Tracheotomie die Intubation versucht werden. Erweist 


554 Immunität. Schutzimpfung. 


sich dieselbe als nicht völlig ausreichend, so ist so früh als möglich die 
sekundäre Tracheotomie vorzunehmen. 

Trumpp tritt, entgegen Siegert, entschieden für die Intubation ein. 
Die Verwerthung des statistischen Materiales gegen die Intubation sei nicht 
gerechtfertigt und würde um so weniger Beifall finden, als sich fast alle 
Pädiater der Welt für die Intubation oder doch wenigstens für die klinische 
Intubation erklärt hätten. Der Verf. vertritt den Standpunkt der „bedingten“ 
Iutubation und hat bereits früher nachgewiesen, dass auch die Erfolge der 
ausserklinischen Intubation sehr gut sind. 

v. Bókay kann ebenfalls den Angaben Siegert’s über die Leistungen 
der Intubation nicht beistimmen. Das statistische Material Siegert's sei 
lückenhaft, es werde namentlich das riesige Intubationsmaterial aus 
Nordamerika nicht berücksichtigt. Gerade hier habe die Intubation eine 
um 10 pCt. geringere Mortalität als die Tracheotofie in Europa, sodass die 
Tracheotomie in Nordamerika seit Jahren von der primären Intubation ver- 
drängt sei. 

In einer ausführlichen Abhandlung bekämpft Kassowitz lebhaft die 
ganze Beweisführung Siegert’s in Bezug auf den Werth der Serumbe- 
behandlung. Die In- und Extensität der Diphtherieepidemien sei 
immer enormen Schwankungen unterworfen gewesen, und solche jähen Abstürze, 
wie sie an „manchen“, aber keineswegs an allen Orten zu der Zeit der 
Einführung der Serumtherapie stattgefunden hätten, seien unzählige Male auch 
in den früheren Decennien beobachtet; ferner habe Siegert in seiner Statistik 
gerade solche Städte, wie London, New-York, Petersburg, Triest unbe- 
rücksichtigt gelassen, die notorisch eine sehr ungünstige Serumstatistik 
hätten. Der Verf. unternimmt dann den Versuch, Siegert’s Schlussfolge 
rungen aus seinen eigenen Zahlen zu widerlegen. Er greift zu diesem 
Zweck einzelne Beispiele heraus und stellt fest, dass z. B. in Strassburg, 
Graz, Heidelberg, Basel eine Verminderung der Gesammtmortalität aus- 
geblieben, und dass auch die absolute Mortalität der Operirten durch- 
aus nicht überall gesunken sei. Wenn sich aber in vielen Spitälern die 
Gesammtmortalität nicht vermindert habe, so könne die ziemlich allgemein 
eingetretene Herabsetzung der relativen Mortalität unmöglich auf einer 
Heilwirkung des Serums beruhen, sondern müsse durch andere, äusser- 
liche Umstände hervorgerufen sein. Unter diesen äusseren Umständen, 
welche eine Verminderung des Mortalitätsprocentsatzes mit Noth- 
wendigkeit herbeiführen mussten, spiele die Hauptrolle die kolossale Ver- 
mehrung der Aufnahmen von Diphtheriekranken in die Spitäler. Es sei 
zweifellos, dass in Folge der allgemeinen Einführung des theueren Serums ein 
starker Zuzug leichter Fälle eingetreten sei, und in dieser enormen 
Zunahme der leichteren Spitalsfälle finde die Besserung des Mortalitäts- 
procentsatzes ihre natürliche und ausreichende Erklärung. 

In Beantwortung der vorstehend referirten Entgegnungen auf seinen Auf- 
satz betont Siegert: Gerade um die grossen Mängel des Materiales ein- 
zelner Spitäler oder Städte auszuschalten, habe er sie in grossen Tabellen 
vereinigt, und nur aus diesen seine Schlüsse gezogen. Es widerspräche 


Wohnungshyiene. 555 


auch dem Sinne der Statistik, sie aus einzelnen ihrer Komponenten widerlegen 
zu wollen. Auch in Bezug auf die Leistungen der Intubation glaube er 
das ihm zur Verfügung stehende statistische Material sorgfältig und vorurtheils 
frei verwerthet zu haben. ý H. Koeniger (Leipzig). 


Marki, Ein neuer Apparat für die aräometrische Bestimmung der 
Mauerfeuchtigkeit. Arch. f. Hyg. Bd. 38. S. 367. 

Im 34. Bande des Archivs für Hygiene theilte Verf. eine neue Methode 
zur Bestimmung der Mauerfeuchtigkeit!) mit, welche darauf beruht, 
den Wassergehalt des Mörtels in hochgradigem Alkohol aufzunehmen und 
aräometrisch zu bestimmen. Zu dieser Methode hat nun Verf. einen ein- 
fachen Apparat konstruirt, den er in der vorliegenden Abhandlung in Ab- 
bildung vorführt. Ausserdem hat Verf. diese seine Methode an zahlreichen 
Untersuchungen von Mörtelproben geprüft und Resultate erhalten, die mit den 
gewichtsanalytischen Kontroluntersuchungen kaum mehr als !/, pCt. diffe- 
rirten. Wolf (Dresden). 


Pommer, Max, Die Errichtung billiger Wohnhäuser in Leipzig. Cen- 
tralbl. d. Bauverw. 1900. No. 43. S. 262. 

Die von dem Verlagsbuchhändler Hermann J. Meyer in Leipzig für 
seine wirthschaftlich schwachen Mitbürger (unter Leitung und nach den Ent- 
würfen von Architekt Pommer) errichteten Wohnhäuser sind in den Lage- 
plänen und Grundrissen zur Wiedergabe gelangt. Sie enthalten in 5 Wohn- 
geschossen je 2—3 Wohnungen, bestehend aus Stube, Kammer und Küche oder 
aus 2 Stuben, Kammer und Küche. Als ganz besonderer Vorzug der Anlage 
ist das von Gebäuden völlig freie, von einem gemeinsamen Park eingenommene 
Blockinnere zu bezeichnen, dessen grosse Ausdehnung allerdings wohl nur in 
solchen Einzelfällen sich wird erreichen lassen, in denen die Mittel von einem 
hochherzigen Manne im Sinne der Wohlfahrt seiner Mitbürger gestiftet werden. 
Auch die niederen, dem wirthschaftlichen Können der Bewohner angepassten 
Miethspreise (!/, des Einkommens) von 114 bis höchstens 228 Mk. werden bei 
gleicher Geräumigkeit der Wohnungen nur dort sich stellen lassen, wo auf 
jeden Gewinn von vornherein verzichtet wird. 

In den Grundrissen hätte auf die Tagesbelichtung der Wohnungsflure 
etwas mehr Bedacht genommen werden können, und die Lage der Aborte 
ausserhalb der Wohnungen, vom Treppenabsatz zugänglich, darf als nach- 
ahmenswerth kaum bezeichnet werden, wenn auch die örtliche Gepflogenheit 
diese Lage vielleicht als „entsprechend“ erscheinen lässt. Als ein entschie- 
dener Mangel aber ist die ungünstige Form der Treppenläufe mit ihren scharfen, 
zwischen gerade Stufen eingelegten Spitzstufen zu bezeichnen. Derartige Treppen- 
anlagen dürfen wohl in Eigenheimen, nicht aber in Miethshäusern von be- 
dentender Höhe zur Anwendung gelangen, weil sie die Mühe des Treppen- 


1) vergl. diese Zeitschr. 1899. S. 301. 


556 Schulhygiene. Kinderpflege. 


steigens wesentlich erhöhen und die Gefahr des Abstürzens im Dämmerlicht 
in sich bergen. 
Interesse bietet die Angabe, dass die (vom Berichterstatter seit Jahren 
warm empfohlenen) Grudeherde sich „sehr“ bewährt haben. 
H. Chr. Nussbaum (Hannover). 


Kraus, Siegmund (Wien), Statistische Aufnahme der Volksschulen 
Oesterreichs. Zeitschr. f. Schulgesundheitspfl. 1900. No. 7. S. 380-384. 
Durch Erlass des österreichischen Ministeriums für Kultus und Un- 
terricht wurde für 1900 eine statistische Ermittelung über die Volks- 
schulen angeordnet, in welcher auch einige hygienische Fragen aufgestellt 
waren, nämlich über das Turnwesen, über körperliche Uebungen und Jugend- 
spiele, über schulärztliche Einrichtungen und über die wirthschaftlichen Ver- 
hältnisse der Kinder (Gewährung von Kleidern, Nahrungsmitteln oder Unter- 
richtsmitteln, Verwendung für gewerbliche Arbeiten). Es wird in dieser Er- 
hebung die Frage nach Heizung und Ventilation vermisst, und auch in anderen 
Punkten erscheint die Fragestellung unzulänglich. Der Centralverein der Wiener 
Lehrerschaft hat daher an alle Lehrer und Lehrerinnen Oesterreichs einen zweiten 
ergänzenden Fragebogen vertheilt, der von etwa 4000 Lehrkräften ausgefüllt 
worden ist; den Lehrern der Stadt Wien hat die Schulbehörde die Ausfüllung 
dieser privaten Fragebogen untersagt. Angaben über die Ergebnisse der amt- 
lichen und privaten Statistik fehlen. Paul Schubert (Nürnberg). 


Mouton J. M. C., (Haag), Ist es möglich, die Mortalität in Folge von 
Masern durch gesetzliche Bestimmungen herabzudrücken? Zeit- 
schrift f. Schulgesundheitspfl. 1900. No. 7. S. 374. 

Die gestellte Frage bleibt unbeantwortet. Es wird die nicht zu unter- 
schätzende hohe Mortalität bei Masern mit einigen Zahlenreihen belegt 
und insbesondere darauf hingewiesen, dass sie im 1. Lebensjahre sehr hoch 
ist, dann bis zum 5. Jahre langsam, im späteren Lebensalter rasch abnimmt. 
Daher sei es nothwendig, in erster Linie Maassregeln zum Schutze der Fröbel- 
schulen und Kinderbewahranstalten zu treffen, und zwar könne das hier um 
so energischer geschehen, als die Rücksicht auf den Unterricht noch nicht 
mitspricht. In Dörfern und kleinen Städten soll die Volksschule, in der ein 
Masernfall festgestellt wird, vom 8.—15. Tage geschlossen werden. Wohnungs- 
genossen von Masernkranken, welche die Krankheit schon durchgemacht haben, 
soll der Schulbesuch gestattet sein, den anderen Kindern soll er untersagt 
werden. Für grosse Städte wird vorgeschlagen, beim ersten Masernfall nicht 
die ganze Schule, sondern nur die betreffende Klasse vom 8.—15. Tage zu 
schliessen, jedenfalls aber den Eltern aller Mitschüler den Krankheitsfall mit- 
zutheilen, damit die etwa vorhandenen kleineren Geschwister vor Infektion 
durch die schulbesuchenden Kinder geschützt werden können. 

Paul Schubert (Nürnberg). 


Schulhygiene. Kinderpflege. 557 


Kotelmann L. (Hamburg), Noch einmal die Münchener Thesen zur 
Schulreform. Erwiderung an Herrn Dr. G. Herberich. Zeitschr. f. 
Schulgesundheitspfl. 1900. No. 8/9. S. 459. 

Kotelmann hatte den statistischen Nachweis geführt, dass die Gym- 
nasialabiturienten bei der Prüfung für das höhere Lehrfach in den neueren 
Sprachen, den Naturwissenschaften und der Mathematik die Realgymnasial- 
abiturienten fast immer geschlagen haben. Er hatte daraus den Schluss ge- 
zogen, dass erstere trotz geringerer Stundenzahl für das Studium der genannten 
Fächer ebenso gut wie letztere vorbereitet seien. Dr. Herberich entgegnete 
darauf, dass die Abiturienten des Realgymnasiums deshalb ungünstigere Prü- 
fungsergebnisse liefern, weil ihnen nur jene Fächer auf der Universität offen 
stehen, und sie dieselben oft ergreifen, ohne besondere innere Neigung für sie 
zu besitzen, während die ehemaligen Gymnasiasten diesen Fächern Liebe und Be- 
geisterung entgegenbringen. Kotelmann quittirt über die in diesen Worten lie- 
gende Anerkennung der Gymnasien, glaubt aber die Realgymnasien gegen Dr. H. 
in Schutz nehmen zu müssen, da er nicht glauben kann, dass ihren Schülern die 
innere Neigung gerade für die Hauptfächer dieser Anstalten mangele. Er sieht 
den Grund für die weniger günstigen Prüfungsergebnisse der Realgymnasial- 
abiturienten zunächst darin, dass sie im Allgemeinen aus einem weniger be- 
gabten Schülermaterial hervorgehen. Dann aber glaubt er auch die Univer- 
sitätseinrichtungen beschuldigen zu müssen, insofern ein und dasselbe Colleg 
für Hörer mit den verschiedenartigsten Vorkenntnissen bestimmt ist, so dass 
die Vorlesungen mit den ersten Elementen beginnen müssen, wobei sich viele 
der fortgeschritteneren Studenten langweilen und an säumigen Besuch ge- 
wöhnen. Getrennte Kurse für Anfänger und Fortgeschrittene seien zu wünschen, 
aber zunächst noch nicht zu erwarten. Paul Schubert (Nürnberg). 


Langsdorf E. (Darmstadt), Beiträge zum gegenwärtigen Stande der 
Steilschriftbewegung. Zeitschr. f. Schulgesundheitspfl. 1900. No. 7. 
S. 365. 

In Folge einer Eingabe der Schulärzte Darmstadt’s, die Steilschrift 
probeweise in einzelnen Klassen einzuführen, fand daselbst eine konmissionelle 
Berathung unter Zuziehung von Schulärzten und Lehrern statt. Da keiner 
der Referenten über eigene Erfahrung auf diesem Gebiete verfügte, so hatte 
man Berichte und Gutachten von Schulbehörden vieler deutschen Städte ein- 
geholt, von denen allerdings die Mehrzahl auch ihrerseits die Steilschrift noch 
nie geprobt hatte. Der Inhalt der Berichte, soweit er sich auf eigene An- 
sehauung in steilschreibenden Klassen stützt, ist aus der Fachliteratur, insbe- 
sondere aus den letzten Jahrgängen der Zeitschrift für Schulgesundheitspflege, 
grösstentheils bekannt; neue Gesichtspunkte sind dabei nicht gewonnen worden. 
Man vergleiche auch des Referenten Bericht in der Festschrift zur 24. Versamm- 
lung des Deutschen Vereins für Öffentliche Gesundheitspflege zu Nürnberg. 
Eine Bemerkung des Magistrats der Stadt München verdient Erwähnung: „Die 
erneute Einführung der Steilschrift in grösserem Stile ist ins Auge gefasst 
and wird vorgenommen werden, sobald an den bayerischen Lehrerseminarien 
dieselbe neben der Schrägschrift geübt und damit die ganze Lehrerschaft mit 


558 Schulbygiene. Kinderpflege. 


den Principien eines hygienisch einwandsfreien Schreibunterrichts vertraut ge- 
macht wird.“ Die Darmstädter Kommission lehnte es ab, die Steilschrift 
probeweise einzuführen. Paul Schubert (Nürnberg). 


Bayr, Emanuel (Direktor, Wien), Schulstrafen. Zeitschr. f. Schulgesund- 
heitspfl. 1900. No. 8/9. S. 429. 

Die einschlägigen Österreichischen Ministerialverorduungen, Erlasse 
des niederösterreichischen Landesschulrathes und des Bezirksschulrathes der 
Stadt Wien werden ausführlich mitgetheilt. Als wichtigste Bestimmung ist 
hervorzuheben, dass die körperliche Züchtigung seit 1870 durchaus 
verboten ist. Bayr erklärt dieselbe vom pädagogischen Standpunkte für 
unbedingt entbehrlich und verwerflich, glaubt auch, dass im Elternhause die 
Prügelstrafe einen viel zu grossen Raum einnimmt. Beherzigenswerthe Worte 
werden dann über die groben Fehler der häuslichen Erziehung gesprochen 
und über die hieraus der Schule erwachsenden Schwierigkeiten. Als höchste‘ 
Strafe besteht in Oesterreich die Verweisung von Kindern in Besserungsanstalten, 
was jedoch nur dann geschehen darf, wenn strafrechtlich verfolgbare Vergehun- 
gen vorliegen. Auch in diesen Anstalten ist jedoch die körperliche Züchti- 
gung ausgeschlossen, und nur Freiheitsstrafen werden angewendet. B. wünscht 
für böswillige, in ihrer häuslichen Erziehung verwahrloste Kinder, die im ge- 
wöhnlichen Schulbetrieb nicht zu bändigen sind, ohne jedoch bisher Anlass 
zur Unterbringung iu Besserungsanstalten gegeben zu haben, die Errichtung 
von Disciplinarklassen. Paul Schubert (Nürnberg). 


Cohn, Hermann, Die Hygiene des Auges im 19. Jahrhundert. Berliner 
klin. Wochenschr. 1901. No. 4/5. S. 97 ff. 

Es giebt wohl Niemanden, der berufener wäre, einen Rückblick auf die 
Hygiene des Auges im verflossenen Jahrhundert zu schreiben, als Hermann 
Cohn, der vor 4 Jahrzehnten der jungen Wissenschaft die Bahnen gewiesen, 
und seither jedem einzelnen Abschnitt des so vielseitig sich entwickelnden 
Arbeitsgebietes den Stempel seines rastlosen Schaffens aufgeprägt hat. Beer 
mit seinem 1800 erschienenen Werk, und selbst Arlt in der 1846 heraus- 
gegebenen Pflege des Auges boten den Stand des Wissens aus der voroph- 
thalmoskopischen Zeit, und können daher nur als Vorläufer der modernen 
Ophbthalmohygiene betrachtet werden. Die letztere beginnt mit Hermann 
Cohn’s 1866 veröffentlichten Untersuchungen der Augen von 10060 Schul- 
kindern. Nicht nur wurde durch dieses befruchtende Werk die Myopiefrage 
zum ersten Male breit und tief aufgefasst und mit allen naturwissenschaftlichen 
Hilfsmitteln angepackt, sondern es eröffneten sich im Verfolg der hierbei auf- 
tauchenden zahlreichen Unterfragen weite Arbeitsgebiete, deren Ausbau im 
späteren Verlauf auch manchen anderen Theilen der Gesundheitspflege zu 
statten kam. Die Kapitel von der natürlichen und künstlichen Beleuchtung. 
von der Ueberbürduug, vom Schularzt sind dessen Zeuge. Man kann ohne 
Uebertreibung sagen, dass die von Hermann Cohn inaugurirte Propbylase 
der Myopie längere Zeit hindurch die gesammte Schulgesundheitspflege be- 
herrscht, und insbesondere das moderne Schulhaus in Bezug auf Lageplan, 


Schulhygiene. Kinderpflege. 559 


Grundriss und Aufriss, sowie auf Schuleinrichtungs-Gegenstände und Beschaffen- 
heit der Lehrmittel der Hauptsache nach geschaffen hat. 

Dies alles steht nicht in der eitirten Arbeit von Cohn, aber es drängt 
sich dem Fachmann beim Rückblick auf die Hygiene des Auges in der 
zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts auf. Alle die Leistungen, welche 
Cobn aufzählt und mit den Namen vieler seiner Mitarbeiter und Schüler in 
Verbindung bringt, z. B. Subsellien, Gradhalter, Heftlage und Schriftrichtung, 
Bücherdruck, Tageslichtphotometrie, Raumwinkelmessung u. s. w. können nicht 
genannt werden, ohne dass man an seine wesentlichen, nicht selten grund- 
legenden Arbeiten erinnert wird. 

Nicht minder ist sein Name mit den Kapiteln verknüpft, welche über 
Gewerbekrankheiten des Auges, über Trachomverhütung, über die Blennorrhoea 
neonatorum und das Crede&’sche Verfahren, über Farbenblindheit, über Augen- 
verletzuug und die Statistik der Erblindungsursachen handeln. 

Cohn spricht den Wunsch aus, es möge ein im Jahre 2000 voraussicht- 
lich erscheinender Säkularartikel jene Arten von Erblindungen, die wir zur 
Zeit als unvermeidbar bezeichnen und die auf 40 pCt. geschätzt werden, nur 
noch als historisch interessant erwähnen. 

Als Bahnbrecher in der Augenhygiene des 19. Jahrhunderts bezeichnet 
er am Schlusse seiner Arbeit fünf Männer: Gg. Jos. Beer, Jenner, Fahrner, 
Leonhard Weber und Crede. An die Spitze dieser 5 Namen gehört der 
von Hermann Cohn. i Paul Schubert (Nürnberg). 


Schmeichler, Ludwig, Die Augenhygiene am Eingange des 20. Jahr- 
handerts. Deutschmann’s Beitr. z. Augenheilk. H. 46. Hamburg u. Leipzig 
1900. Leopold Voss. 163 Ss. Preis: 5 Mk. 

Der reiche Stoff ist in 7 Hauptabschnitte gegliedert: Hygiene der Con- 
junetivalerkrankungen, Kurzsichtigkeit, Verletzungen und Schädigungen des 
Auges im Gewerbe, idiopathische Hemeralopie, Intoxikationen, Heredität und 
Blutverwandtschaft und allgemeine Prophylaxe der Erblindungen. Am Schluss 
eines jeden Kapitels findet sich eine Literaturübersicht, mit besonderer Berück- 
sichtigung des letzten Jahrzehnts. Bei Besprechung der Conjunctivitis catarrhalis 
ist der Versuch gemacht, die klinischen Bilder nach den drei wichtigsten hier 
in Betracht kommenden Krankheitserregern, dem Bacillus Koch-Weeks, dem 
Diplobacillus (Morax, Axenfeld) und dem Pneumokokkus zu unterscheiden. 
Die Conjunctivitis diphtheritica und crouposa können beide sowohl durch den 
Löffler'schen Bacillus, als auch durch Streptokokken, Pneumokokken und 
sogar durch chemische Agentien entstehen, sowie andererseits der Löffler- 
sche Bacillus eine typische Blennorrhoe oder nur eine einfache Conjunctivitis 
zu erzeugen vermag. Zur Verhütung der Blennorrhoea neonatorum wird obli- 
gatorische Anwendung des Cred&’schen Verfahrens gefordert, welches den 
Hebammen anvertraut werden soll. In der Trachomfrage stellt sich der Autor 
mit Greeff, Fuchs, Kuhnt und den meisten in Trachomländern lebenden 
und daher über reiche Erfahrung verfügenden neueren Schriftstellern auf den 
dualistischen Standpunkt und trennt den Follikularkatarrlı scharf vom Trachom. 
Ein zwingender Beweis hierfür kann indessen nicht erbracht werden, weil 


560 Schulhygiene. Kinderpflege. 


der Trachomerreger trotz mancher zuversichtlich klingenden Publikationen 
noch nicht gefunden ist. Bei der geographischen Vertheilung des Trachoms 
wird u. A. auch Mittelfranken als Trachomherd angeführt (S. 28). Dies 
beruht auf Irrthum; es kommen in diesem Bezirk nur sehr vereinzelte Fälle 
vor, deren Einschleppung von auswärts sich meistentheils nachweisen lässt. 

Der Myopie ist ein der Wichtigkeit des Gegenstandes angemessener Raum 
gewährt, doch musste bei der Fülle des gerade in diesem Abschnitt sich 
häufenden Stoffes manche Unterfrage mit knapp gedrängter Besprechung Er- 
ledigung finden. Es ist eben auf diesem Gebiete weit intensiver gearbeitet 
worden, als auf allen anderen Gebieten der Ophthalmohygiene, und daher mag 
es gerechtfertig erscheinen, wenn in anderen zusammenfassenden Werken, wie 
z. B. bei Hermann Cohn, die Kurzsichtigkeit einen breiteren Raum bean- 
sprucht. Der Verf. nimmt bei den vielfachen hier schwebenden Kontroversen 
eine theils referirende, theils vermittelnde Stellung ein, so z. B. bei der kli- 
nischen Würdigung der Myopie, bei den Theorien über die Entstehung der 
Kurzsichtigkeit und bei der Steilschriftfrage. Es findet auf S. 49 die Unter- 
scheidung Tscherning’s zwischen einer gutartig verlaufenden Arbeitsmyopie, 
die nur bis etwa 6 Dioptrien gehen soll, und zwischen einer deletäreu, aber 
von der Arbeit unabhängigen hochgradigen Myopie, die Zustimmung des Verf.s. 
Hiergegen ist einzuwenden: 1. dass häufig die Arbeitsmyopie nicht bei den 
mittleren Graden Halt macht, sondern progressiv bleibt und alsdann ebenso 
gefährlich werden kann wie die zweite Form der Kurzsichtigkeit; 2. dass auch 
die in mässigen Grenzen bleibende Arbeitsmyopie im mittleren und höheren 
Lebensalter Neigung zu komplicirenden Erkrankungen der Aderhaut, Netzhaut 
und Linse zeigt. Die Harmlosigkeit der sogenannten Arbeitsmyopie wird 
übrigens vom Autor keineswegs behauptet, wie dies nicht selten von solchen 
Autoren geschieht, welche sich vorwiegend auf die Ergebnisse von Schüler- 
untersuchungen stützen. Die klinische Erfahrung führt zu der Ueberzeugung, 
dass jede den mittleren Graden sich nähernde Kurzsichtigkeit eine erköhte 
Disposition zu gewissen deletären Erkrankungen von der 4. bis 5. Lebens- 
dekade ab mit sich führt. 

Der Satz (S. 76), dass Cohn einen Raumwinkel von 50 Quadratgraden 
als Mindestmaass für jeden Schülerplatz fordert, wenn auch an trüben Tagen 
eine Helligkeit von mindestens 10 Meterkerzen gesichert sein soll, ist dabin 
richtig zu stellen, dass 50 reducirte Quadratgrade gefordert werden, welche 
sich aus dem Produkt der abgelesenen Quadratgrade und dem Sinus des zuge- 
hörigen Elevationswinkels berechnen. Es müssen daher beispielsweise 

bei 20° Elevationswinkel 146 Quadratgrade 
n 30° ” 100 n 
“n 40° n 78 » 
vorhanden sein, um einen reducirten Raumwinkel von 50° zu ergeben. 

Bemerkenswerth ist folgender zur Ueberbürdungsfrage gethaner Ausspruch 
(8. 71): „Der Gewerbeinspektor zeigt den Arbeitgeber an, der den Arbeiter eine 
halbe Stunde länger bei der Maschine lässt. Warum besteht kein Aufsichts- 


organ, welches solche horrende Anforderungen an die Augen der Studenten 
(der Gymnasiasten) verbietet?“ 


Schulhygiene. Kinderpflege. 561 


Auch die anderen eingangs genannten Abschnitte enthalten viele für 
Praxis und Theorie wichtige Hinweise und bieten eine sehr fleissige kritische 
Zusammenstellung des vorhandenen Materials. Obwohl die Arbeit zunächst für 
Fachmänner bestimmt ist, so wird doch jeder gebildete Laie weitaus das 
Meiste mit Verständniss zu lesen vermögen. Insbesondere gilt das für die 
den Schulbygieniker vorzugsweise interessirenden oben besprochenen beiden 
ersten Kapitel. Paul Schubert (Nürnberg). 


Dick, May, Les colonies de vacances. L’oeuvre des trois semaines. 
Rapport pour l’annee 1897. La Rev. phil. 2. III. No. 16. p. 460—463. 
In diesem Jahre ist neben dem Haus für Mädchen ein solches für Koaben 
errichtet worden. Im Ganzen wurden 1134 Ferienkolonisten von dem 
Verein verpflegt, welche u. a. 17000 Liter Milch verbrauchten. Zum Theil 
waren sie in Bauernfamilien untergebracht, was vom hygienischen Standpunkt 
gewiss nicht ideal ist, aber Verf. zu einem Hymnus auf die Verbindung von 
Stadt und Land in Frankreich und auf die Rückkehr zur Natur begeistert. 
79 Mütter begleiteten im letzten Jahre ihre Kinder und konnten so diese 
überwachen und zugleich sich selbst erholen. Eine Erweiterung der Ein- 
richtung ist in Aussicht genommen. Stern (Bad Reinerz). 


Comte L., Les colonies des vacances. La Rev. phil. 2. III. No. 18. 
p- 721—751. 

Verf. begründet die Nothwendigkeit der erhöhten Fürsorge für die 
Kinder, wie seine Vorgänger, hauptsächlich mit dem Hinweis auf die Ab- 
nahme der Bevölkerung Frankreichs und die Unmöglichkeit, auf die Zahl der 
Geburten erheblichen Einfluss zu gewinnen. In England sei dadurch die 
Sterblichkeit von Personen unter 30 Jahren von 36 auf 17 pM. zurückgegangen. 
Für Frankreich fehlen bestimmte Zahlen, doch ist der günstige Einfluss von 
Kinderpolikliniken und Krippen unverkennbar. Aehnliches erstreben die 
Ferienkolonien. 

Im Loirebecken, wo wie in den meisten Industriecentren die überwiegende 
Mehrzahl der Kinder aus Mangel an Luft und Licht und rationeller Ernährung 
zu Grande geht, die Ueberlebenden erst spät zu völliger Entwickelung kommen 
und bei der Aushebung ein bedenkliches Manko entsteht, hat sich das „Oeuvre 
des enfants a la Montagne“ gebildet, um auch diesem Bezirk die Segnungen 
jener Einrichtung zu Theil werden zu lassen. 

Im Interesse der Billigkeit werden die Kinder bei Bauern untergebracht, 
deren Auswahl mit Hülfe von Geistlichen, Lehrern, Bürgermeistern und anderen 
Honoratioren erfolgt; letztere senden Anfang Juni eine Liste der Familien ein, 
welche 2 oder 3 Kinder aufnehmen wollen. Die Familien müssen 3 Kühe 
besitzen (wegen der Milch). An Ort und Stelle postirte Kontroleure über- 
zeugen sich wenigstens wöchentlich einmal davon, dass alles in Ordnung ist. 
Ansteckungsgefahr für die Bauern ist fast ausgeschlossen, da die Kinder vor- 
her genau untersucht und krankheitsverdächtige kinderlosen Familien über- 
wiesen werden. Die Gesammtkosten betragen ca. 21 Fres. für 41/, Woche. 
Die Eltern zahlen dazu 5—10 Frcs. und haben so das Gefühl, mit dazu bei- 


562 Schulhygiene. Kinderpflege. 


zutragen und kein Almosen zu empfangen. Ein Viertel zahlt den vollen Preis 
für einen weiteren Monat, manche schon für den ersten, wenn der Arzt die 
Reise nicht für unbedingt nöthig erklärt hat. Die Dauer des Aufenthalts 
beträgt 4—8 Wochen, je nachdem es erforderlich ist. Die Ferienkolonisten 
werden von einem Interne des Höpitaux begleitet. Die erhaltenen Resultate 
sind ausgezeichnet, Gewichtszunahme von 2—6 Pfd. sind das Gewöhnliche. 
Von 750 Kindern sind nur 3 gestorben, während man im Verhältniss zur 
Gesammtzahl eine Sterblichkeit von 25, und in Anbetracht dessen. dass es 
sich um Kranke oder Schwächliche handelte, 30—35 erwarten müsste. Wenn 
die 3 Millionen Kinder in den Industriecentren Frankreichs jährlich einen Monat 
in guter Luft verbringen könnten und so die Sterblichkeit um 5 pM. erniedrigt 
würde, wären 150000 Seelen gewonnen, ein Ueberschuss der Bevölkerung, 
Vermehrung der Arbeitskraft, Verminderung von Armuth und Krankheit. Noth- 
wendig wäre dazu die Schaffung von entsprechenden Anstalten im Gebirge, 
an der See und im Süden, um den verschiedenen Indikationen zu genügen. 
Stern (Bad Reinerz). 


Nussbaum H. Chr., Die Vorbildung des Technikers. Zeitschr. f. Archi- 
tektur u. Ingenieurw. Wochenausgabe. Jahrg. 1900. No. 50. 

Die Arbeit lehnt sich an den Schulerlass des Kaisers und fordert 
als Vorbildung für den Techniker eine gleichmässige Ausbildung des 
Geistes, der Sinne und des Körpers. Zur Zeit werde nur der Geist berück- 
sichtigt, und auch dies in einseitiger und falscher Richtung. Die Gedächtniss- 
übungen seien einzuschränken, dafür aber grössere Pflege dem Auffassungs- 
vermögen zuzuwenden, sowie dem folgerichtigen Denken und der Fähigkeit, 
seine Gedanken schriftlich wie im freien Vortrag in knappe und angemessene 
Form zu kleiden. Dies alles soll ohne Hasten und ohne Ueberbürdung ge- 
schehen, insbesondere darf das in die Schule eintretende Kind nur ganz all- 
mählich zu intensiver geistiger Arbeit erzogen werden. Die Nachmittage 
müssen für Körperübungen und für Ausbildung besonderer Fähigkeiten frei- 
gelassen werden, die häuslichen Arbeiten sollen möglichst eingeschränkt, und 
das Lernen, nicht nur das Lehren, in die Schule selbst verlegt werden. 
Für die Ausbildung der Sinne geschieht bisher sehr wenig. Das Auge kann 
am besten durch Verbindung des Anschauungsunterrichtes mit dem Zeichen- 
unterricht geschult werden. Bei Besprechung der einzelnen Unterrichtsfächer 

` wird das Princip vorangestellt, auf der Mittelschule nur die allgemeine Vor- 
bildung mit Einschluss der alten Sprachen, dann aber auch der Erd- und 
Völkerkunde, der Kulturgeschichte, der Naturwissenschaften und neueren 
Sprachen zu bieten, die Fachbildung aber der Hochschule zu überlassen. 
Der deutsche Techniker komme im Vergleich zum englischen viel zu spät zu 
selbständiger Thätigkeit. Es sei daher die Realgymnasialbildung zu kürzen, 
so dass sie mit Ablauf des 10. Schuljahres ihren Abschluss erreicht, und der 
junge Techniker mit 16 Jahren die Hochschule beziehen, mit 20—21 Jahren 
in das Berufsleben eintreten könne. Paul Schubert (Nürnberg). 


Ernährung. 563 


Hirschfeld, Felix, Die Ernährung der Gefangenen im Zuchthause. 
Zeitschr. f. diätet. u. physik. Therapie. Bd. 4. S. 37. 

Die Kost für Zuchthausgefangene festzustellen, ist in der Lehre von 
der Ernährung deshalb von besonderem Werth, weil hierbei das niedrigste 
Maass der Nahrung angegeben werden solle, mit dem der Stoff- 
bedarf zu befriedigen ist, und dadurch auch Anhaltspunkte für die Lebens- 
haltung der ärmeren Klassen gewonnen. werden können. Bei der Bestimmung 
der Kost für irgend welche Verhältnisse war in den letzten Jahrzehnten meist 
der von v. Voit aufgestellte Satz maassgebend, dass der gesunde kräftige 
Mann von etwa 70 kg Körpergewicht bei mittelschwerer Arbeit einer Ernährung 
mit 118 g Eiweiss, 56 g Fett und 500 g Kohlehydraten täglich bedürfe. So 
sind auch in den preussischen Zuchthäusern eine Reihe von Aenderungen in 
der Kost durchgeführt worden, wobei die Voit’sche Norm als Richtschnur 
maassgebend war. 

Der Verf. hat nun die Kost bezw. Ernährung an der Berliner Strafanstalt 
Moabit einer Prüfung unterzogen. Die Untersuchung geschah auf zweierlei 
Art. Erstens wurden von den Portionen, wie sie den Gefangenen verabreicht 
werden, die gesammte Trockensubstanz, der Fettgehalt und der Stickstoffgehalt 
bestimmt. Nach Abzug dieser Werthe und des Aschengehaltes wurde der 
übrig bleibende Rest in der üblichen Weise als Kohlehydrate berechnet. 
Zweitens wurde von einer Reihe von Gefangenen der gesammte Urin und Koth 
gesammelt und ebenfalls in Untersuchung gezogen. 

Die durchschnittliche Zusammensetzung der Kost nach den Ergebnissen 
der Untersuchung an 6 Versuchstagen war: 92,95 g Eiweiss, 30,6 g Fett, 
540,2 g Kohlehydrate — 2879,5 Kalorien. Aus der Untersuchung des Kothes 
ergab sich, dass bei Aufnahme einer vorwiegend vegetabilischen Diät, deren 
Trockensubstanz etwa 600—700 g beträgt, 64—75 g Trockensubstanz im Koth 
entleert werden, d. h. etwa 90 pCt. der genossenen Speisen werden resorbirt, 
während 10—11 pCt. im Kothe ausgestossen werden. Der Eiweiss- oder N- 
Gehalt des Kothes war ein sehr beträchtlicher, da etwa 25 pCt. vom Eiweiss 
der Resorption entgingen. 

Die Frage, ob die Kost dem gesammten Nährwerth noch genügte, wird 
vom Verf. bejaht; am ehesten wäre der niedrige Fettgehalt einer Verbesserung 
bedürftig. Der aus dem N des Urins allein berechnete Gehalt an verdaulichem 
Eiweiss betrug 72 g pro die. Wie die Betrachtung der Gewichtskurve — die 
Gefangenen werden alle 3 Monate gewogen — ergiebt, halten sich die meisten 
auf ihrem Gewicht, einzelne Gefangene nehmen sogar zu. 

Eine genügende Kost ist also auch herzustellen, wenn anstatt 105 g ver- 
daulichen Eiweisses nur 75 g in derselben enthalten sind. 

H. Winternitz (Halle a. S.). 


Rumpf Th., Zur therapeutischen Verwendung der vegetarischen 
Lebensweise. Zeitschr. f. diätet. u. physik. Therapie. Bd. 4. S. 25. 
Der Verf. theilt zunächst einen Stoffwechselversuch mit, den er in der 
Dauer von 8 Tagen an einem 19 jährigen Vegetarianer angestellt hat. Die 
Nahrung bestand ausschliesslich aus Grahambrot, Aepfeln, Datteln, 


564 Ernährung. 


Quäker. Oats, Reis, Zucker und Walnüssen. Oats und Reis wurden in 
gekochtem Zustand aufgenommen, die Aepfel theils roh, theils mit Zucker 
gekocht. Ausser dem zum Kochen von Reis und Oats benutzten nahm die 
Versuchsperson kein Wasser zu sich. 

Die tägliche Einnahme betrug im Mittel: Stickstoff 11,82, Kohlehydrate 
698,21, Fett 28,64. Das Körpergewicht betrug am 1. Versuchstag 62,5 kg, 
am letzten 64,2 kg. Die täglichen Ausgaben betrugen für Stickstoff im Mittel 
(im Harn und Koth) 10,92 g, an Fett wurden im Koth täglich 7,58 g ausge- 
schieden. Der Untersuchte hatte also nicht nur seinen Körper- 
bestand erhalten, sondern das Gewicht erhöht und Eiweiss an- 
gesetzt. 

Der Mensch ist sehr wohl in der Lage, seinen Nahrungsbedarf einzig und 
allein aus dem Pflanzenreich zu decken, Voraussetzung ist allerdings, dass 
er ziemlich beträchtliche Mengen Vegetabilien einführt; nur dann ist 
es möglich, die nothwendigen Mengen Eiweiss und die für das 
Leben nothwendigen Wärmeeinheiten zu erhalten. 

Der Vortheil der vegetarischen Ernährung besteht im Allgemeinen dariv, 
dass eine überreiche Ernährung besonders mit Eiweiss vermieden wird, dass 
in den meisten Fällen die Darmthätigkeit eine wesentliche Anregung 
erfährt, und dass reichliche Stühle erfolgen. 

Im Anschluss an den Ausnutzungsversuch erörtert der Verf. die Gesichts- 
punkte, welche für die therapeutische Verwendung der vegetarischen Lebens- 
weise in pathologischen Zuständen in Betracht kommen. Eine selır bemerkens- 
werthe Zugabe ist die Mittheilung einer Anzahl „fleischfreier“ Speisezettel, 
die eine Vertheilung der betreffenden vegetarischen Kost auf 4 Mahlzeiten und 
genaue Angabe ihres Gehaltes an N-Substanz, Fett und Kohlehydraten ent- 
halten. H. Winternitz (Halle a.S.). 


Moro, Ernst, Ueber den Bacillus acidophilus n. spec. Ein Beitrag 
zur Kenntniss der normalen Darmbakterien des Säuglings. Jahrb. 
f. Kinderheilk. Bd. 52. S. 38. 

Die Bakterienvegetation des normalen Säuglingsstuhles hängt 
von der Ernährung ab. Man kann daher im Wesentlichen drei Typen des 
bakterioskopischen Stuhlbildes unterscheiden: den Typus des Mekoniumstubles, 
den des Brustmilchstuhles und den des Kuhmilchstuhles.. Das Bild des 
Brustmilchstuhles ist das auffallendste, es zeigt eine völlige Einheitlich- 
keit der Flora und ist durch das überwiegende Vorherrschen von schlanken, 
gleichmässig geformten, nach Gram nicht entfärbbaren Bacillen ausgezeichnet. 
Man hatte diese Stäbchen bisher für Colibacillen gehalten und das färberischg 
Verhalten gegenüber der Gram’schen Methode, das sich nur in den Stuhl- 
ausstrichpräparaten, aber nicht in den Kulturen zeigte, auf den Fettgehalt der 
Stühle zurückgeführt. 

Es gelang nun aber dem Verf. mit Hülfe saurer Nährböden, namentlich 
saurer Bierwürze-Bouillon, aus den Brustmilchstühlen einen nach Gram färb- 
baren Bacillus zu züchten, der mit dem Bact. coli nichts gemein hatte und 
so üppig wuchs, dass der Verf. in ihm den Hauptvertreter der Bakte- 


Ernährung. 565 


rienflora des Bruststuhles vermuthet. Der Bacillus, der wegen seiner 
ausgeprägten Vorliebe für saure Nährböden Bac. acidophilus genannt wurde, 
stellt ein 1,5—2 „ langes, 0,6—0,9 „ breites unbewegliches Stäbchen dar. Er 
gedeiht besser bei Sauerstoffabschluss, ist aber durchaus kein obligater An- 
aërobe. Das Temperaturoptimum ist 37°, bei 20—22° findet kein Wachsthum 
statt. Die oberflächlichen Kolonien auf der Platte zeigen in ihrer Peripherie 
meist ein haarförmiges Gewirr von Ausläufern. In älteren Kulturen bildet 
der Bacillus leicht Degenerationsformen und in der „Wasserkultur“ auch echte 
Verzweigungen. Er dürfte daher in die Klasse der Streptothricheen ge- 
hören. Er bildet kein Gas, aber ziemlich energisch Säure. Für Versuchs- 
thiere ist er nicht pathogen. 

Der Bac. acidophilus gehört einer weit verbreiteten Bakterienart an, 
die sich u. a. auch in jeder Kuhmilch findet. Ebenso leicht, wie aus dem 
Brustmilchstuble, lässt sich der Bacillus aus der Frauenmilch isoliren. Er 
bewohnt die äusseren Ausführungsgänge der Brustdrüsen und wird mit der 
Milch von dem Säugling aufgenommen. In den oberen Abschnitten des Dar- 
mes, die in Folge der Darmsekrete stark alkalisch sind, wird er von dem 
Bacterium coli überwuchert, während ihn seine enorme Widerstandsfähigkeit 
hohen Aciditätsgraden gegenüber befähigt, im unteren Darmtheile und im 
sauren Brustmilchstuhle elektiv zu gedeihen. H. Koeniger (Leipzig). 


Römer P., Ein Beitrag zur Aetiologie des Botulismus. Centralbl. f. 
Bakteriol. Abth. I. Bd. 27. No. 24. S. 857. 

Im hygienischen Institut zu Giessen gelangte ein typischer Fall von 
Fleischvergiftung zur Untersuchung. Die Vergiftungserscheinungen, die 
sich besonders in einer plötzlichen Akkommodationslähmung äusserten, 
waren nach dem Genuss von Schinken aufgetreten. Der Schinken sollte 
von einem gesunden Thiere stammen, vorschriftsmässig eingepökelt und ge- 
räuchert gewesen sein. Bei der Untersuchung wurde in blassgrauen und grün- 
lichen Streifen, welche die Muskulatur des Schinkens durchsetzten, ausser zwei 
saprophytischen aëroben Arten ein grosser anaörober sporenhaltiger Bacillus 
gefunden, der kulturell sowohl wie im Thierversuch dem von van Ermen- 
gem beschriebenen Bac. botulinus durchaus glich. Der Verf. konnte auch 
den Befund van Ermengem’s bestätigen, dass der Bac. botulinus im jebenden 
Organismus des Warmblüters kein Gift bildet und sich im Organismus nur 
selten vermehrt. Die Erkrankung ist eine reine bakterielle Intoxikation 
durch das in dem Nahrungsmittel fertig enthaltene Gift. 

H. Koeniger (Leipzig). 


Winter, Adolf, Ueber Milchsterilisation. Jahrb. f. Kinderheilk. 1900. 
Bd. 51. S. 517. 

Der Verf. stellte Versuche an, Milch durch Erhitzen haltbar zu machen. 

Er hatte bessere Erfolge mit der einfachen, 20—30 Minuten dauernden Er- 

hitzung auf 1003/,—102°, als mit der fraktionirten Sterilisirung durch 

gleiche Temperaturen. Noch günstiger wirkte eine kurze, einige Sekunden 

währende Erhitzung auf 125—130%. Eine wirkliche Sterilisirung wurde 


566 Ernährung. Kleidung. 


freilich auch dadurch nicht erreicht; doch ist die erhitzte Milch wenigstens 
im Eisschrank sehr lange Zeit unverändert zu erhalten. Als Ursache 
der Milchverderbniss wurden am häufigsten der Bac. mesentericus und ausser- 
dem Heubacillen gefunden. H. Koeniger (Leipzig). 


Marcuse, Julian, Die Anwendung des Wassers in der Heilkunde. Zeit- 
schr. f. diätet. u. physik. Therapie. Bd. 4. S. 142. 

Das Wasser wurde von frühester Zeit an nicht nur als Getränk und 
Reinigungsmittel, sondern auch als Diäteticum und Heilmittel benutzt. 
Der Verf. bietet eine geschichtliche Studie über die Anwendung und die An- 
wendungsformen des Wassers in den ältesten Zeiten bei den Indern und 
Aegyptern, insbesondere aber bei den Griechen und Römern. 

H. Winternitz (Halle a. S.). 


Thiersch J., Ueber Korset und Reformkleidung. Münch. med. Wochenschr. 
1900. No. 32. S. 1108. 

Trotz der grossen Literatur über Korsets und Reformbekleidung 
finden sich keine genauen Angaben über die Grösse des Korsetdruckes. 
dessen Kenntniss uns erst über die dem Korset zugeschriebenen Schädlich- 
keiten wirkliche Aufklärung geben kann. Um den Korsetdruck zu bestimmen. 
konstruirte Verf. einen, mit einem Dynamometer in Verbindung stehenden 
Apparat (Gurt), welcher an den drei verschiedenen Stellen um den entblössteu 
Oberkörper gelegt wurde. Einmal in der Taillenlinie, dann über den unteren 
Theil des Rippenkorbes und endlich etwas dberhalb der Brustwarzen. 
Der Apparat wurde so fest angezogen, wie es dem Gefühl nach dem Druck 
eines ziemlich fest anliegenden Korsets entsprach. 

Nun zeigen die zahlreichen Messungen die interessante Thatsache, dass 
für die flache Athmung der Druck an allen drei Messflächen sich nahezu 
gleich bleibt (Mittel 1,5 kg). dagegen bei der tieferen Athmung sehr erheblich 
in Folge des zunehmenden Widerstandes des Brustkorbes steigt (Mittel 3,1 kg). 
Zieht man ausserdem noch in Betracht, dass der Druck des Korsets wegen 
seines nicht allseitig günstigen Anschlusses an den Körper an manchen Punkten 
noch ein intensiverer ist — diese Versuche, auf die nicht näher eingegangen 
werden kann, wurden mit einem anderen Instrument ausgeführt —, so wird 
man ermessen können, dass diese Umgürtung üble Folgen nach sich ziehen muss. 

Thiersch hebt als solche namentlich hervor: Schwächung der Rücken- 
muskulatur, mangelhafte Ventilation der gedrückten Hautpartie, 
mangelhafte Cirkulation in der Haut, sowie in den Organen des 
Pfortaderkreislaufs, Kompression des Thorax, Verdrängung des 
Dünndarms nach unten unter Hervorwölbung des Bauches, in Folge 
davon die verschiedensten Verdauungsstörungen, Veränderung der 
Form von Leber und Magen. 

Als erstes Erforderniss bei der Reformkleidung ist die Entlastung der 
Taille anzustreben, und dies kann durch Verminderung des Gewichtes 
der Unterkleidung bewerkstelligt werden. In Deutschland ist aus dieser 


Statistik. "567 


Erkenntniss heraus das Reformkorset entstanden, ein Leibchen aus weichen, 
nachgiebigen Stoffen ohne Stäbe und ohne Schnürvorrichtung, aber 
mit besten Tragbändern. Die Kleider werden an das Korset angeknöpft. 
Dagegen in England und Amerika bevorzugt man „Combination“, ein Kleidungs- 
stück, bei welchem Hose und Hemd zu einem Stück kombinirt und aus ver- 
schiedenen Stoffen angefertigt sind. Daran werden die oberen Kleidungsstücke 
befestigt. R. O. Neumann (Kiel). 


Rahts, Ergebnisse der Todesursachenstatistik. Die Sterbefälle im 
Deutschen Reiche während des. Jahres 1897 u. s. w» Med.-statist. Mitth. a. 
d. Kais. Ges.-A. Bd. 6. S. 112—165. 

An der Zunahme von 40520 Todesfällen, welche sich gegenüber dem 
Vorjahre ergab, war vorwiegend die jüngste Altersklasse von O—1 und dem- 
‚nächst die älteste von 60 und mehr Jahren betheiligt, während 1—15 Jahre 
alte Personen erheblich weniger als zuvor starben. Auf je 1000 Lebendgeborene 
berechnet, bezifferte sich die Säuglingssterblichkeit auf 218, in Preussen auf 
205, gegen 199 und 191 im Jahre 1896. Von je 1000 nach Ueberstehen des 
ersten Lebensjahres gestorbenen Personen hatten 401, 1896 nur 391 das Alter 
von 60 Jahren erreicht oder überschritten, desgleichen von je 1000 nach zurück- 
gelegtem 15. Lebensjahre Gestorbenen 518 gegen 511. 

Mehr als ein Drittel aller gestorbenen Säuglinge ist durch Magen- 
oder Darmkatarrh za Grunde gegangen, eine Todesursache, welche fast über- 
all stärker als im Vorjahre sich geltend gemacht hat. Angeborene Lebens- 
schwäche ist bei etwa 14 von je 100 aus bekannter Ursache 'gestorbenen 
Säuglingen als Todesursache angegeben, sehr viel häufiger, 18—20 pCt., im 
rechtsrheinischen Bayern, in Württemberg, Hohenzollern, Elsass-Lothringen 
und in der Provinz Posen. Von den akuten Infektionskrankheiten hat der 
Keuchhusten den Tod von Säuglingen besonders oft verursacht, häufiger als 
Dipbtherie, Scharlach und Masern zusammengenommen. 

Die bedeutsamste Todesursache der Altersklasse von 1—15 Jahren 
bildete immer noch die Diphtherie mit dem Croup, wenngleich die Zahl 
dieser Todesfälle innerhalb des letzten Jahrfünfts auf ein Drittel herunter- 
gegangen ist. Die Einführung der Serumbehandlung scheint damit in ursäch- 
lichem Zusammenhange zu stehen, dass namentlich in den grossen Städten 
diese Krankheit so viel seltener als früher zum Tode führt. Etwas häufiger 
als im Vorjahre waren die Sterbefälle an Keuchhusten, Tuberkulose, Magen- 
und Darmkatarrb. Die entzündlichen Krankheiten der Athmungsorgane waren 
den Kindern gefährlicher als Scharlach, Masern und Keuchhusten zusammen. 
Unglücksfälle haben den Tod von 5332 Kindern herbeigeführt; Selbstmorde 
unter ihnen kamen 113 vor, darunter 17 allein in Sachsen. 

Für die mittlere Altersklasse von 15—60 Jahren erwies sich die 
Lungentuberkulose mit 82279 Todesfällen als die gefährlichste. Ein- 
schliesslich der Tuberkulose anderer Organe führte sie reichlich den dritten 
Theil der aus bekannter Ursache erfolgten Todesfälle herbei. Seltener sind 


568 Statistik. 


Todesfälle an Lungentuberkulose in Bayern, Württemberg, Baden und einigen 
mitteldeutschen Staaten, ferner in Pommern, Schlesien, Sachsen, Hannover, 
Rheinprovinz, Berlin geworden. Die Sterblichkeit an entzündlichen Krank- 
heiten der Athmungsorgane hat meist abgenommen, eine bemerkenswerthe 
Zunahme dagegen zeigte sich u.a. in Ost- und Westpreussen, Pommern, 
Schlesien, Westfalen, Provinz Sachsen, Schaumburg-Lippe und Bremen. Zahl- 
reiche Selbstmorde wurden wieder in einigen thüringischen Staaten, in 
Sachsen, Bremen, Lübeck, Hamburg und Schleswig-Holstein beobachtet; am 
geringsten waren sie in Westpreussen, Posen, Schaumburg-Lippe, Rheinprovinz, 
Westfalen und im rechtsrheinischen Bayern. Die tödtlich verlaufenen Neu- 
bildungen haben seit 1892 in fast allen Staaten an Zahl zugenommen, ins- 
gesammt um 14,4 pCt. bei einer Zunahme der Bevölkerung von etwa nur 
6,8 pCt. 

Die über 60 Jahre alte Bevölkerung ist besonders von Altersschwäche, 
entzündlichen Krankheiten der Athmungsorgane, Neubildungen und Tuberkulose, 
welche letztere noch fast 6 pCt. der Todesfälle herbeiführte, heimgesucht worden. 
Altersschwäche wurde am meisten in Posen, Schwarzburg-Sondershausen, 
demnächst in Westpreussen, Pommern, Hohenzollern und Ostpreussen festge- 
stellt. Todesfälle durch Neubildungen haben seit 1892 noch stärker als 
unter Personen der mittleren Altersklasse zugenommen. 

Für die Wöchnerinnen ist das Berichtsjahr erheblich günstiger als das 
Jahr 1896 gewesen; insbesondere ist Kindbettfieber 221 mal seltener als 
Todesursache angegeben. Von je 1000 Todesfällen eben entbundener Frauen 
verursachte letzteres durchschnittlich 414. Todt kamen 324 unter je 10000 
überhaupt geborenen Kindern zur Welt; die Zahl schwankte zwischen 433 in 
Sachsen-Altenburg und 216 in Hohenzollern. 

Die Zahl der Lebendgeborenen belief sich auf 36,9 pM. der Bevölke- 
rung gegen 36,6 im Vorjahre. Trotz dieser Zunahme ist der Geburtenüberschuss 
etwas geringer geworden. Im Durchschnitt betrug er 15,0, in Preussen 16,0, 
in Bayern 12,4 pM. 

Auf die dem Sterben weitaus am meisten ausgesetzten Altersgruppen des 
ersten Lebensjahres und der Personen von mehr als 60 Jahren kamen in den 
Grossstädten mit 100000 und mehr Einwohnern, in denen etwa der siebente 
Theil der Bevölkerung lebt, nur 83, ausserhalb derselben 112 pM. der letzteren. 
Auf je 1000 Lebendgeborene starben in den Grossstädten 228 Kinder des 
1. Lebensjahres, darunter 118 an Magen- und Darmkatarrh, ausserhalb der- 
selben 216 und 70. Als häufigere Todesursachen der 1—15 Jahre alten Per- 
sonen in den Grossstädten sind namentlich tuberkulöse Erkrankungen und 
entzündliche Krankheiten der Athmungsorgane, der 15—60 Jahre alten Neu- 
bildungen und Selbstmord, der über 60 Jahre alten Personen Neubildungen 
angegeben. An Folgen der Entbindung starben in den Grossstädten verhält- 
nissmässig weniger Wöchnerinnen, andererseits kamen dort mehr Kinder todt 
zur Welt. Würzburg (Berlin). 


Gesetze und Verordnungen. 569 


Gesetze und Verordnungen. 


In den Nummern 35—52 der Veröffentlichungen des Kaiserlichen Ge- 
sundheitsamtes, Jahrg. 1900, sind folgende hygienisch wichtige Gesetze und Ver- 
ordnungen enthalten: 

1. Für den Regierungsbezirk Danzig ist unter dem 5. Mai 1900 eine die Aus- 
übung des Frisir-, Barbier- und Haarschneidegewerbes betreffende Polizei- 
verordnung erlassen worden, in der folgende Paragraphen bemerkenswerth sind: 

$ 1. In den Frisir-, Barbier- und Haarschneidestuben sowie bei Aus- 
übung des Frisir-, Barbier- und Haarschneidegeschäfts überhaupt muss peinliche 
Sauberkeit obwalten. Frisir-, Barbier- und Haarschneidestuben dürfen als Schlaf- 
stellen nicht benutzt werden. Hunde und Katzen dürfen in denselben nicht geduldet 
werden. 

$ 2. Personen, welche an einer Haut- oder Haarkrankheit oder an einer 
ansteckenden Krankheit leiden, dürfen das Gewerbe des Frisirens, Barbierens 
und Haarschneidens nicht ausüben. 

$ 3. Das Frisiren, Barbieren und Haarschneiden darf nur mit reinen Händen 
vorgenommen werden. In jeder Frisir- oder Barbierstube ist für ausreichende, für das 
Personal bestimmte Waschgelegenheit zu sorgen, derart, dass dasselbe sich jeder- 
zeit die Hände mit Seife in reinem, noch unbenutzten Wasser waschen und an einem 
noch gehörig sauberen und trockeren Handtuch abtrocknen kann. 

$4. Alle bei dem Frisiren, Barbieren oder Haarschneiden zur Verwendung 
kommenden Tücher, Frisirmäntel, Unterlagen, Schutzstoffe u. dergl. m. 
müssen gehörig trocken und sauber, jedenfalls ohne sichtbare Schmutzflecken sein. 
Aus Papier bestehende Schutzstoffe u. s. w. sind nach einmaliger Benutzung zu ver- 
nichten. Sessel, an die der Kopf gelehnt werden soll, sind vorher mit einem Schutz- 
stoffe zu bedecken. 

$5. Scheeren, Kämme, Rasirmesser, Bürsten, Pinsel und alle son- 
stigen Frisir-, Barbier- und Haarschneidegeräthe sind nach jeder Benutzung sofort 
gehörig zu reinigen und zwar mit Ausnahme von Bürsten durch Abwaschen mit 
Seifenlauge. Die gemeinsame Benutzung von Schnurrbartbinden, Puder- 
quasten und Schwämmen ist verboten, Wattebäusche und Blutstillungs- 
mittel sind nack dem Gebrauche zu vernichten. 

8 6. Personen, welche an einer Haar- oder Hautkrankheit des Kopfes, 
anUngeziefer oder an einer ansteckenden Krankheiten leiden, dürfen in denFrisir-, 
Barbier- oder Haarschneidestuben nicht bedient werden. Tücher und Geräthe, 
welche bei der Bedienung solcher Personen ausserhalb dieser Geschäftsstuben ver- 
wendet sind, müssen, bevor sie wieder in Gebrauch genommen werden, in starker, 
warmer Seifenlauge gründlich gewaschen oder durchgekocht werden. (Veröff. d. Kais. 
Ges.-A. 1900. No. 35. S. 857.) 


2. Von der Regierung zu Bromberg ist, da seitens der Kreismedicinalbe- 
amten hinsichtlich der Beziehbarkeit der Wohnungen inneuerbauten Häusern 
und der gesundheitsgefährlichen Beschaffenheit von Wohnungen in alten 
Gebäuden nicht selten einander widersprechende Gutachten abgegeben werden, eine 
diesbezügliche Verfügung erlassen worden: 

„Zur Beurtheilung dieser Frage sind nicht blos, wie es gegenwärtig in der 
Regel geschieht, lediglich subjektive Befunde, wie schlechte, dumpfe Luft und 
dergl. zu beachten, auch nicht blos solche Befunde wie Schimmelpilze an den 
Wänden heranzuziehen, weil solche Erscheinungen auch bei Vernachlässigung der 


570 Gesetze und Verordnnngen. 


Wohnungen durch mangelhaftes Heizen und Lüften künstlich hervorgerufen werden 
können. Es ist vielmehr das Augenmerk darauf zu richten, möglichst zuverlässige 
und künstlichen Veränderungen nicht zugängige Beurtheilungsmerkmale zu finden. 
Als ein solches Merkmal ist der Feuchtigkeitsgehalt des Mörtels (Puu- 
oder Fugenmörtels) und nöthigenfalls des Brennmaterials zu erachten. Der Hy- 
gieniker Geh. Med.-Rath Prof. Dr. Flügge (Breslau), hat in trockenen Mauern 
nur 0,5-—1,0pCt. Feuchtigkeit im Mörtel gefunden und bei bewohnbaren Neu- 
bauten höchstens 2pCt. Feuchtigkeit; Pro£ v.Esmarch hält den Feuchtigkeitsgehalt 
der Baumaterialien von 1 pCt. als höchste zulässige Grenze. Da nun dieser 
Feuchtigkeitsgehalt des Mörtels leicht und schnell sich in jeder Apotheke 
feststellen lässt (Trocknen bei 1050 C. bis zum konstanten Gewicht und Abkühlen- 
lassen im Exsiccator oder Vakuumapparate), da ferner, wenn man den Mörtel an den 
ungünstigsten Stellen (an den Aussenwänden, unten über der Scheuerleiste, aus 
den Ecken und dergl.) entnimmt, diese Bestimmung des Feuchtigkeitxge- 
halts des Mörtels einen zuverlässigen Anhalt über die Frage der Bewohn- 
barkeit giebt, so ersuche ich, von dieser Probe bei allen einschlägigen Begutach- 
tungen Gebrauch zu machen.“ (Veröff. d. Kais’ Ges.-A. 1900. No. 35. S. 858.) 


3. Für Preussen ist gemeinsam von dem Minister der Unterrichts- und Medi- 
einalangelegenheiten, vom Minister für Landwirthschaft, Domänen und Forsten und 
vom Minister des Inneren folgender die Schutzimpfung gegen Tollwuth be- 
handelnder Erlass am 10. Juli 1899 gegeben worden: 

Beim Königlichen Institut für Infektionskrankheiten in Berlin N.W., 
Charitöstrasse 1, ist eine Abtheilung für Schutzimpfungen gegen Tollwuth 
errichtet worden. Auf derselben können Personen, welche von tollen oder der Toll- 
wuth verdächtigen Thieren gebissen worden sind, in Behandlung genommen werden. 

Die Behandlung besteht in Einspritzungen, welche täglich einmal vorgenommen 
werden, und nimmt in leichten Fällen mindestens 20, bei schwereren Bissverletzungen 
-— z.B. im Gesicht — mindestens 30 Tage in Anspruch. Diese Schutzimpfungen 
können nur in dem Institut für Infektionskrankheiten zu Berlin vorgenommen werden. 
Jede Abgabe von Impfmaterial an prakticirende Aerzte ist ausgeschlossen. 

Im Interesse der von tollwuthverdächtigen Thieren verletzten Personen und be- 
hufs Erzielung einer sicheren Wirkung ihrer Behandlung wird dringend empfohlen, 
dass die Schutzimpfung sofort vorgenommen wird. Es wird deshalb dringend davon 
abgerathen, den Beginn der Schutzimpfung so lange hinauszuschieben, bis von den 
Institut für Infektionskrankheiten nach Untersuchung von Kadavertheilen der verdäch- 
tigen Thiere die Diagnose Tollwuth festgestellt ist. Die richtige Diagnose kann vor 
Ablauf von 3 Wochen nach Eintreffen der Kadavertheile nicht gestellt werden, und 
dies bedeutet für die gebissenen Personen einen unter Umständen für sie verhängniss- 
vollen Zeitverlust. 

Verletzte, welche sich der Behandlung unterziehen wollen, sind von der Ons- 
polizeibehörde der Direktion des Instituts für Infektionskrankheiten schriftlich oder 
telegraphisch anzumelden und haben sich bei der Direktion unter Vorlegung eines 
nach dem beiliegenden Muster 1 ausgestellten Zuweisungsattestes der Polizeibe- 
hörde ihres Wohnortes vorzustellen. In Fällen, wo die Beantwortung der im Zuwei- 
sungsatteste gestellten Fragen ausnahmsweise längere Zeit erfordert, kann die Auf- 
nahme der Verletzten im Institut für Infektionskrankheiten auf Grund einer einfachen 
Bescheinigung der Ortspolizeibelhörde erfolgen. Doch ist in diesen Fällen das ord- 
nungsmässig ausgefüllte Zuweisungsattest sobald als möglich nachzuliefern. 

Die in Einspritzungen bestehende Behandlung erfordert in der Regel 
nicht die Aufnahme in das Institut und ist insoweit unentgeltlich. Dagegen 


Gesetze und Verordnungen. Tl 


ist für diejenigen gebissenen Personen, welche nicht ambulatorisch behandelt werden 
können, sondern in Ermangelung anderweitigen Unterkommens in Berlin in die Kranken- 
abtheilung des Instituts aufgenommen werden müssen, an Verpflegungskosten schon 
bei der Aufnahme unter Berechnung des Tagessatzes von 1,50 Mk. für jedes Kind 
unter 12 Jahren, 2,00 Mk. für jedes ältere Kind und für jeden Erwachsenen für die 
Gesammtdauer der Behandlung für den Kopf 45—60 Mk. im Voraus anzuzahlen u.s.w. 

Nach der Entlassung ist eine längere ärztliche Behandlung des Geheilten 
dringend erwünscht. Zu dem Zwecke stellt das Institut für Infektionskrankheiten über 
jeden im Institut Behandelten nach dem anliegenden Muster 2 ein Entlassungszeugniss 
aus mit dem Ersuchen um weitere Beobachtung und eventuell möglichst um Herbei- 
führung der sanitätspolizeilichen Obduktivn sowie um eingehende Berichterstattung. 
Das Entlassungszeugniss wird von dem Institut für Infektionskrankheiten an den zu- 
ständigen Landrath — in Stadtkreisen an die Ortspolizeibehörde— in zwei Exemplaren 
übersandt. Der Landrath (Ortspolizeibehörde) stellt das eine der beiden Exemplare 
dem zuständigen Kreis- oder Stadiphysikus zu. Bei der Entlassung fordert das Institut 
für Infektionskrankheiten den Geheilten auf, sich nach Ablauf von 3 Monaten bei dem 
zuständigen Kreis-(Stadt-)Physikus in seiner Wohnung vorzustellen oder den ihn be- 
handelnden Arzt zu einer schriftlichen Aeusserung über seinen Gesundheitszustand an 
den Kreis-(Stadt-)Physikus zu veranlassen. Bei einem richtigen Zusammenwirken 
zwischen der Polizeibehörde und dem Kreismedicinalbeamten wird es sich ohne be- 
sondere Schwierigkeit ermöglichen lassen, auffällige Erscheinungen in dem Gesund- 
heitszustande des Gebissenen zu erfahren und letzteren in seinem eigenen Interesse 
zu bewegen, sich von Zeit zu Zeit dem Kreis-(Stadt-)Physikus vorzustellen. Es emp- 
fehlt sich, die Untersuchung bezw. schriftliche Aeusserung an den Kreisphysikus 
seitens des behandelnden Arztes thunlichst alle 3 Monate bis nach Ablauf eines Jahres 
zu wiederholen u. s. w. 

Wegen der Beobachtung und T'ödtung der tollen oder der Tollwuth 
verdächtigen Thiere, von welchen Menschen gebissen worden sind, verweisen wir 

23. Juni 1880 n 

1. Mai 1894 und die $$ 16ff. 
der Bundesrathsinstruktion vom 27. Juni 1895. Nach erfolgter Obduktion des Thieres 
ist das Gehirn einschliesslich des verlängerten Marks im unverletzten, aber 
von der Muskulatur befreiten Knochengerüst (Schädelhöhle nebst Atlas) sofort von 
dem beamteten Thierarzt mit Eilpost, im Sommer thunlichst in Eis verpackt, der 
Direktion des Instituts einzusenden. Der Sendung ist Abschrift des Sektionsproto- 
kolls sowie ein Begleitschein nach dem anliegenden Muster 3 beizufügen. Die für die 
Verpackung und Versendung verauslagten Kosten können bei demInstitut fürInfektions- 
krankheiten zur Erstattung liquidirt werden. 

Die Institutsdirektion ist angewiesen, dem zuständigen Regierungspräsidenten 
sofort nach Abschluss der Untersuchung der Leichentheile von dem Ergebniss der- 
selben Mittheilung zu machen. (Veröff. d. Kais. Ges.-A. 1900. No. 36. S. 876—879.) 


auf die $$ 34T. des Reichs-Viehseuchengesetzes vom 


4. Durch Verfügung des Ministers für Handel und Gewerbe haben im Einver- 
ständniss mit dem Minister der geistlichen, Unterrichts- und Medieinalangelegenheiten 
die §§ 1 und 14 der Polizeiverordnungen vom 31. Juli 1895 und vom 29. Mai 1896, 
betreffend die gesundheitspolizeiliche Kontrole der einen preussischen 
Hafen anlaufenden Seeschiffe folgende Zusätze und Abänderungen erfahren: 

Dem $ 1 ist eine Liste derjenigen Häfen, die die kontrolpflichtigen Schiffe behufs 
ärztlicher Untersuchung anzulaufen haben, angefügt, es sind genannt: Pillau, Memel, 
Neufahrwasser, Swinemünde, die Rhede von Wieck, die von Friedrichsort, die am 


572 Gesetze und Verordnungen. 


Zollwachtschiff vor dem Tönninger Hafen, die am Maasholm, die von Holnis, die von 
Aeroesund (Dampfschiffe), die von Stevolt (Segelschiffe), die Rhede vor der Mündung 
der Husumer Au in die Hever und endlich Emden. $ 14 erhält folgende Abänderung: 
§ 14a. Hat ein Schiff Pest an Bord oder innerhalb der letzten 12 Tage an Bord 
gehabt, so ist nach erfolgter ärztlicher Untersuchung dem Minister der geistlichen, 
Unterrichts- und Medicinalangelegenheiten und dem Kaiserlichen Gesundheitsamt tele- 
graphisch Anzeige zu erstatten. $ 14b. Hat ein Schiff Pest an Bord oder sind auf 
einem Schiffe innerhalb der letzten 12 Tage vor seiner Ankunft Pestfälle vorgekommen, 
so gilt es als verseucht und unterliegt folgenden Bestimmungen: 

1. Die an Bord befindlichen Kranken werden ausgeschifft und in einen zur 
Aufnahme und Behandlung geeigneten abgesonderten Raum (an Land oder auf einem 
Lazarethschiff) gebracht, wobei eine Trennung derjenigen Personen, bei welchen die 
Pest festgestellt worden ist, und der nur verdächtigen Kranken stattzufinden hat. 
Sie verbleiben dort bis zur Genesung oder bis zur Beseitigung des Verdachtes. 

2. An Bord befindliche Leichen sind unter den erforderlichen Vorsichtsmaass- 
regeln alsbald zu bestatten. 

3. Die übrigen Personen (Reisende und Mannschaft) werden in Bezug auf 
ihren Gesundheitszustand weiterhin einer Beobachtung unterworfen, deren Dauer 
sich nach dem Zeitpunkt des letzten Erkrankungsfalles richtet, keinesfalls aber den 
Zeitraum von 10 Tagen überschreiten darf. Zum Zweck der Beobachtung sind sie 
entweder am Verlassen des Schiffes zu verhindern oder, soweit nach dem Ermessen 
der Hafenbehörde ihre Ausschiffung thunlich und erforderlich ist, in einem abgeson- 
derten Raum unterzubringen. Letzteres gilt insbesondere dann, wenn die Mannschaft 
zum Zweck der Abmusterung das Schiff verlässt. 

Reisende, welche nachweislich mit Pestkranken nicht in Berübrung 
gekommen sind, können aus der Beobachtung entlassen werden, sobald durch den 
beamteten Arzt festgestellt ist, dass Krankheitserscheinungen, welche den Ausbruch 
der Pest befürchten lassen, bei ihnen nicht vorliegen. Jedoch hat in solchen Fällen 
die Hafenbehörde unverzüglich der für das nächste Reiseziel zuständigen Polizei- 
behörde Mittheilung über die bevorstehende Ankunft der Reisenden zu machen, da- 
mit letztere dort einer gesundheitspolizeilichen Ueberwachung unterworfen werden 
können. 

Findet die Beobachtung der Schiffsmannschaft an Bord statt, so ist 
das Anlandgehen derselben während der Beobachtungszeit, vorbehaltlich der Zustim- 
mung des beamteten Arztes, nur insoweit zu gestatten, als Gründe des Schiflsdienstes 
es unerlässlich machen. 

4. Alle nach dem Ermessen des beamteten Arztes als mit dem Ansteckungsstoff 
der Pest behaftet zu erachtenden Wäschestücke, Bekleidungsgegenstände 
des täglichen Gebrauchs und sonstige Sachen der Schiffsmannschaft und der Rei- 
senden sind zu desinficiren. 

Das Gleiche gilt bezüglich derjenigen Schiffsräumlichkeiten und Theile, 
welche als mit dem Ansteckungsstolf der Pest behaftet anzusehen sind. 

Erforderlichenfalls können von dem beamteten Arzt noch weitergehende Des- 
infektionen angeordnet werden. Kehricht ist zu verbrennen. Gegenstände, deren 
Einführung verboten ist, dürfen nicht ausgeschifft werden. Mit allem Nachdruck ist 
dahin zu wirken, dass eine Verschleppung der Seuche durch an Bord befindliche 
Ratten und Mäuse verhindert wird. 

5. Bilgewasser, von welchem nach Lage der Verhältnisse angenommen werden 
muss, dass es Pestkeime enthält, ist zu desinfieiren und demnächst, wenn thunlich, 
auszupumpen. 


Gesetze und Verordnungen. à 573 


6. Der in einem verseuchten oder verdächtigen Hafen eingenommene Wasser- 
ballast ist, sofern derselbe im Bestimmungshafen ausgepumpt werden soll, zuvor 
zu desinficiren; lässt sich eine Desinfektion nicht ausführen, so hat das Auspumpen 
des Wasserballastes auf hoher See zu geschehen. 

7. Das an Bord befindliche Trink- und Gebrauchswasser ist, sofern es 
nicht völlig unverdächtig erscheint, nach erfolgter Desinfektion auszupumpen und 
durch unverdächtiges Wasser zu ersetzen. 

In allen Fällen ist darauf zu achten, dass Absonderungen und Entleerun- 
gen von Pestkranken, verdächtiges Wasser und Abfälle irgend welcher Art 
nicht undesinficirt in das Hafen- oder Flusswasser gelangen. 

§ 14c. Sind auf einem Schiffe bei der Abfahrt oder auf der Fahrt Pestfälle 
vorgekommen, jedoch nicht innerhalb der letzten 12 Tage vor der Ankunft, 
so gilt dasselbe als verdächtig. Nach erfolgter ärztlicher Untersuchung ($ 6) ist 
die Mannschaft, sofern der beamtete Arzt dies für nothwendig erachtet, hinsicht- 
lich ihres Gesundheitszustandes einer Ueberwachung, jedoch nicht länger als 
10 Tage, von der Stunde der Ankunft des Schiffes an gerechnet, zu unterwerfen. 
Das Anlandgehen der Mannschaft kann während der Ueberwachungszeit verhin- 
dert werden, soweit es nicht zum Zwecke der Abmusterung geschieht oder Gründe 
des Schiffsdienstes engegenstehen. Den Reisenden ist die Fortsetzung ihrer Reise 
zu gestatten, jedoch hat, wenn der beamtete Arzt ihre fernere Ueberwachung für noth- 
wendig erachtet, die Hafenbehörde unverzüglich der für das nächste Reiseziel zustän- 
digen Polizeibehörde Mittheilung über die bevorstehende Ankunft derselben zu machen, 
damit sie dort der gesundheitspolizeilichen Ueberwachung unterworfen werden können. 
Begründet das Ergebniss der ärztlichen Untersuchung den Verdacht, dass Insassen 
des Schiffes den Krankheitsstoff der Pest in sich aufgenommen haben, so können die- 
selben auf Anordnung des beamteten Arztes wie die Personen eines verseuchten 
Schiffes ($ 14b 1 und 3) behandelt werden. 

$& 14. d. Hat das Schiff weder vor der Abfahrt, noch während der Reise, noch 
bei der Ankunft einen Pest-, Todes- oder Krankheitsfall au Bord gehabt, so gilt das- 
selbe, auch wenn es aus einem Hafen kommt, gegen dessen Herkünfte die Ausübung 
der Kontrole angeordnet worden ist, als „rein“ und ist, sofern die ärztliche Unter- 
suchung ($ 6) befriedigend ausfällt, sofort zum freien Verkehr zuzulassen, nachdem 
die im $ 14b unter No. 4, Abs. 1 und 3, und No. 5—7 bezeichneten Maassnahmen 
ausgeführt worden sind, soweit der beamtete Arzt dies für erforderlich erachtet. Be- 
gründet das Ergebniss der ärztlichen Untersuchung den Verdacht, dass Insassen des 
Schiffes den Krankheitsstoff der Pest in sich aufgenommen haben, oder hat die Reise 
des Schiffes seit Verlassen eines Hafens der oben bezeichneten Art weniger als 10 Tage 
gedauert, so können die Reisenden und die Mannschaft auf Anordnung des beamteten 
Arztes nach Maassgabe der Bestimmungen des § 14c weiterhin einer gesundheits- 
polizeilichen Ueberwachung bis zur Dauer von 10 Tagen, von dem Tage der Abfahrt 
des Schiffes an gerechnet, unterworfen werden. 

$ 14e. Gegenüber sehr stark besetzten Schiffen, namentlich gegenüber 
solchen, die Auswanderer oder Rückwanderer befördern, sowie gegenüber Schiflen, 
die besonders ungünstige gesundheitliche Verhältnisse aufweisen, können weitere über 
die Grenzen der $$ 14b—d hinausgehende Maassregeln von den Hafenbehörden ge- 
troffen werden. 

& 14f. Die Ein- und Durchfuhr von Waaren und Gebrauchsgegen- 
ständen aus den in §§ 17b—e bezeichneten Schiffen unterliegt nur insoweit einer 
Beschränkung, als seitens der zuständigen Reichs- und Landesbehörden besondere 
Bestimmungen getroffen werden. Jedoch sind Gegenstände, die nach Ansicht des 


574 Verschiedenes. 


beamteten Arztes als mit Ansteckungsstoff der Pest behaftet zu erachten sind, vor 
der Ein- oder Durchfuhr zu desinfieiren. 

$ l4g. Will ein Schiff in den Fällen der $$ 14b—e sich den ihm auferlegten 
Maassregeln nicht unterwerfen, so steht ihm frei, wieder in See zu gehen. 
Es kann jedoch die Erlaubniss erhalten, unter Anwendung der erforderlichen Vor- 
sichtsmaassregeln (Isolirung des Schiffes, der Mannschaft und der Reisenden, Ver- 
hinderung des Auspumpens des Bilgwassers vor erfolgter Desinfektion, Ersatz des an 
Bord befindlichen Wasservorrathes durch gutes Trink- und Gebrauchswasser u. dergl.) 
seine Waaren zu löschen und die an Bord befindlichen Reisenden, sofern sich diese 
den von der Hafenbehörde getroffenen Anordungen fügen, an Land zu setzen. (Ver- 
öffentl. d. Kais. Ges.-A. 1900. No. 37. S. 901—902.) 

Im Anschluss an obige Verfügung und aus Anlass der im Sommer 1900 drohen- 
den Postgefahr sind dann in den deutschen Hafenplätzen weitere Polizeiverord- 
nungen betref. die gesundheitspolizeiliche Untersuchung und Ueber- 
wachung der Seeschiffe, die sich nicht nur speciell auf die Pest, sondern auf 
alle ansteckenden u. dergl. Krankheiten erstreckten, erlassen worden, so in Kiel, 
Flensburg, Altona (Veröff. d. Kais. Ges.-A. No. 42. S. 1014), in Emmerich für 
die Reinschiffe (Veröff. d. Kais. Ges.-A. No. 37. S. 902—903 und No. 41. S. 9%% 
bis 992), ferner in Lübeck und Travemünde, den Häfen der Provinz Han- 
nover, in Bremen und Bremerhaven (Veröff. d. Kais. Ges.-A. 1900. No. 43. 
S. 1041—1043). 


ü 


5. Da über die Nothwendigkeit der ärztlichen Untersuchung und 
Impfung ausländischer, insbesondere ausländisch-polnischer Arbeiter 
und die Tragung der Kosten hierfür Zweifel entstanden waren, ist unter dem 13. Juni 
1900 bestimmt worden: ; 

1. Ausländisch-polnische Arbeiter sind entsprechend dem Erlasse des mitunter- 
zeichneten Ministers des Innern vom 4. September 1899 binnen 3 Tagen nach der 
Ankunft auf ihren Gesundheitszustand ärztlich zu untersuchen und, soweit erforder- 
lich, zu impfen. Als nicht erforderlich ist eine Impfung dann anzusehen, wenn der 
Arbeiter bereits mit Erfolg geimpft ist oder die natürlichen Pocken überstanden hat. 

2. Bei ausländischen, nicht polnischen Arbeitern hat eine Impfung dann zu er- 
folgen, wenn die Gesundheitsverhältnisse des Heimathsortes des Arbeiters oder seines 
inländischen Beschäftigungsortes einen Pockenausbruch befürchten lassen und der 
Arbeiter nicht bereits mit Erfolg geimpft ist oder die natürlichen Pocken überstanden 
hat. Die Impfung ist in diesem Falle mit möglichster Beschleunigung auszuführen. 
(Veröff. d. Kais. Ges.-A. 1900. No. 37. S. 903.) Jacobitz (Halle a. S.). 
(Schluss folgt.) 


Le nouveau règlement des élèves des hôpitaux de Paris. La Rev. 
pbil. 2. III. No. 16. Informations p. 519—529. 

Die élèves des hôpitaux — ein Mittelding zwischen Famulus und 
Assistent — theilen sich in Externes und Internes. Mediciner, die wenigstens 
4 Kurse an einer Medicinschule durchgemacht haben, können Externes werden; 
Interne kann nur ein Externe werden. Beide Stellen werden durch Wett- 
prüfungen (concours) erlangt. Die Internes dürfen nicht frei prakticiren und 
stehen unter den eigentlichen Assistenten, sind aber verhältnissmässig selb- 
ständig. Sie dürfen Medikamente verordnen, gelegentlich selbständig operiren 
und haben abwechselnd du jour im Wachtzimmer. Jeden Tag müssen sie ibre 


Kleinere Mittheilungen. 575 


Anwesenheit im Bureau und bei ihrem Chef melden. Urlaub wird nicht mehr 
als 2 Monate pro Jahr ertheilt. Die Internes erhalten freie Wohnung und 
Gehalt, an den du jour-Tagen auch Verpflegung; die Externes einiger Hospi- 
täler können eine Gratifikation bekommen. Mit der Erlangung des Doktor- 
titels endet die Tbätigkeit mit wenigen Ausnahmen. Am Schlusse jedes Jahres 
finden Preisbewerbungen statt. Die besten Internes erhalten eine goldene 
Medaille, ein Reisestipendium und das Recht, noch 1 Jabr im Hospital an 
einer beliebigen Abtheilung zu bleiben. Stern (Bad Reinerz). 


Kleinere Mittheilungen. 


Die grünen Inkrustrationen‘, die bei längerem Gebrauche an Wasser- 
messern — Nass- und Trockenläufern — beobachtet werden, sind nach einem im 
Jahre 1893 abgegebenen Gutachten der k. Untersuchungsanstalt für Nahrungs- und 
Genussmittel in München unbedenklich, denn sie bestehen aus basisch kohlen- 
saurem Kupfer, das im Münchener Wasserleitungswasser, da es frei von Kohlen- 
säure ist, unlöslich ist; ein Uebergang von Kupfersalzen aus den Münchener Wasser- 
messern (Spanner’schen Nassläufern) in irgend nennenswerthem Grade ins Leitungs- 
wasser ist bis dahin von keiner Seite konstatirt worden, und es ist kein einziger Fall 
bekannt geworden, in welchem eine Vergiftung des Wassers durch Kupfer, das aus 
einem Nassläufer stammt, vorgekommen wäre. In diesem und ähnlichem Sinne haben 
sih Gruber und Weichselbaum in Wien und auf Ersuchen der Direktion des 
städtischen Wasserwerkes in Mainz das chemische Untersuchungsamt für die Provinz 
Rhein-Hessen ausgesprochen. 

Anlass zu dieser Feststellung wurde in No. 119 der Augsb. Abd.-Ztg. genommen, 
nachdem sich gelegentlich eines Civilprocesses der ärztliche Sachverständige dahin 
geäussert hatte, dass in Wasser gelöstes kohlensaures Kupfer Gesundheitsstörungen 
in Form von Magenkatarrh mit seinen Begleiterscheinungen bewirken könne von aller- 
dings geringerer Intensität, wie schwefelsaures oder das basisch essigsaure Kupfer, 
der echte Grünspan. L. Heim (Erlangen). 


(:) Nachdem Sabraz&s und Fauquet bei früherer Gelegenheit die bemerkens- 
werthe Thatsache festgestellt, dass der Urin menschlicher Neugeborener, sowohl 
vor der ersten Säugung wie der an der Mutterbrust bereits trinkenden wegen seines 
geringen Gehalts an Chloriden und Phosphaten hämolytische Eigenschaften für 
die Erythrocyten des betreffenden Kindes besitzt, haben sie jetzt in weiteren Versuchen 
gefunden, dass beim Hunde, dem natürlich oder künstlich ernährten, eine ähnliche 
Einwirkung des Harns nicht zu beobachten ist. (Sem. med. 1901. p. 158.) 


(:) Charrin und Guillemonat haben am 7. Mai d. J. in der Pariser Académie 
de médecine über Versuche berichtet, bei denen erwachsene Thiere (Meerschwein- 
chen) in einem sterilisirten Käfig mit sterilisirter, erhitzter Nahrung gefüttert 
und mit keimfreier, durch Watte filtrirter Luft versorgt wurden, während die Vergleichs- 
thiere unter sonst übereinstimmenden Verhältnissen lebten, aber gewöhnliches Futter 
und Luft bekamen. In weniger als einer Woche starb eine erhebliche Zahl von Thieren 
aus beiden Gruppen, aus der „sterilen“ Reihe aber doch ein viel grösserer Procentsatz: 
dort unter 29 nur 10, hier unter 27 nicht weniger als 19. Auch verloren die letzteren 


576 Kleinere Mittheilungen. 


für jeden Tag im Durchschnitt 14,13, die ersteren nur 12,24 g Körpergewicht, und sie 
erlagen einer Infektion mit abgeschwächten Bacillen des grünen Eiters viel rascher. 
Die Verff. ziehen aus ihren Beobachtungen den Schluss, dass die Beseitigung der 
Keime aus der Umgebung und Nahrung den thierischen Organismus beeinträchtige. 
Indessen wird man bei der hohen Sterblichkeit unter den Kontrolthieren schon während 
der ersten Woche in der Beurtheilung der Versuche zu einer gewissen Vorsicht ge- 
nöthigt sein. (Sem. med. 1901. p. 156.) 


Stand der Seuchen. Nach den Veröffentlichungen des Kaiserlichen Gesund- 
heitsamtes. 1901. No. 17 u. 18. 

A. Stand der Pest. I. Aegypten. Alexandrien. Der Pestfall vom 9. 4. 
ist vereinzelt geblieben. II. Britisch-Ostindien. Präsidentschaft Bombar. 
17. 3.—23. 3.: 2703 Erkrankungen, 2158 Todesfälle. 24.30. 3.: 1958 Erkrankungen, 
1662 Todesfälle. Stadt Bombay.17.—23.3.: 1273 Erkrankungen, unter 2224 Gesamnt- 
sterbefällen 1069 nachgewiesenermaassen an Pest, bei 536 lag Pestverdacht vor. 4. 
bis 30. 3.: 798 Erkrankungen, von insgesammt 1759 Todesfällen: 737 nachweislich an 
Pest, bei 467 Pestverdacht. Karachi. 1. 3.—23. 3.: 226Erkrankungen, 174 Todes- 
fälle. In ganz Indien vom 10.—16. März: 8829 und vom 17.—23.3.: 11560 Todes- 
fälle; Zunahme der Seuche hauptsächlich in der Provinz Bengalen. III. Hongkong. 

, Während der 5 Wochen vom 9. 2.—16. 3. nacheinander: 3-5-7-14-14 Erkrankungen 
und 3-5-6-15-11 Todesfälle, zusammen 40. IV. Kapland. Kapstadt. 17.—23. 3.: 
Zugang im Pestspital 46 Kranke, und zwar 10 Europäer, 21 Farbige und 15 Einge- 
borene. Im Laufe der Woche gestorben: 21; als geheilt entlassen: 15. Am 23. 3. in 
Behandlung: 110, und zwar 27 Europäer, 42 Farbige und 41 Eingeborene; 3 Personen 
als „verdächtig“ unter Beobachtung ; zur Beobachtung in den Contact camps: 719Per- 
sonen. Die Malayen sollen sich vielfach der Behandlung durch christliche Aerzte, auch 
den Sanitätsbeamten, die Erkrankte unter ihnen und die mit diesen in Berührung gè- 
kommenen Personen fortschaffen wollen, widersetzen. Port Elizabeth. 18. 4.: 
1 Erkrankung. V. Vereinigte Staaten von Nordamerika. San Francisco. 
Im April 2 Pestfälle. VI. West-Australien. 3.—9. 3.: 3 Erkrankungen, 2 Todes- 
fälle. 15 Personen unter Beobachtung. 10.—16. 3.: 4 Erkrankungen. ‚VII. Queens- 
land. 11. 3.:2Erkrankungen. 16.3.: 1 Todesfall. VIII. Neu-Süd-Wales. Sydney. 
Auf dem am 3. 3. von Kapstadt eingetroffenen englischen Transportschiffe „Antillian“, 
sowie auf drei anderen gleichzeitig aus Südafrika eingetroffenen Transportschiffen 
wurden zahlreiche mit Pestbacillen behaftete Ratten gefunden. Auf dem erstgenannten 
Schiff verstarb bald nach seiner Ankunft ein Heizer an Pest. IX. Süd-Australien. 
Adelaide. Anfang März 1 Pestfall. X. Victoria. Melbourne: 1 Pestfall. 

B. Stand der Cholera. Britisch-Ostindien. Kalkutta. 10.—23. 3.: 
108 Todesfälle. Provinz Burma. Moulmein. 3.—16.3.: 42Todesfälle. UI. Hong- 
kong. Singapore. Auf einem Ende Februar eingetroffenen Schiffe 14 Fälle unter 
Chinesen, darunter 9 mit tödtlichem Ausgange. 

C. Stand der Pocken. I. Italien. Neapel. 20.—31. 3.: 107 Erkrankungen, 
21 Todesfälle. 1.—9.4.: 65 Erkrankungen, 9 Todesfälle. II. Hongkong. Mittheilung 
vom 19.3.: In einer Woche 15 Erkrankungen, 4’Todesfälle. IN. Britisch-Ostindien. 
Moulmein. 3.—16. 3.: 12 Todesfälle. Jacobitz (Halle a. S.). 


Verlag von August Hirschwald, Berlin N.W, — Druck von L. Schumacher in Berlin. 


Hygienische Rundschau. 


Herausgegeben 
von 
Dr. Carl Fraenkel, Dr. Max Rubner, Dr. Carl Günther, 
Prof, der Hygiene in Halle a./8. Geh. Med.-R., Prof. der Hygiene in Berlin. a. o. Professor in Berlin. 


XI. Jahrgang. Berlin, 15. Juni 1901. W 12. 


(Aus dem hygienischen Institut zu Halle a. S.) 


Vergleichende Untersuchungen über die Brauchbarkeit verschiedener Verfahren 
zur Ausführung der Wohnungsdesinfektion mit Formaldehyd. 
Von 


Dr. Arnold Reischauer. 


Nacbdem einmal die Untersuchungen verschiedener Forscher nach- 
gewiesen hatten, dass der Aldebyd der Ameisensäure, der Formaldehyd, 
starke keimtödtende Eigenschaften besitzt, bemühte man sich um so eher, 
dieses Mittel auch für die Desinfektion von Wohnräumen nutzbar zu 
machen, als das bisher übliche Verfahren — Abreiben der Wände mit Brot, 
Abwaschen des Fussbodens, der Möbel u.s. w. mit Lösungen von Sublimat 
oder Karbolsäure — immermehr als unzureichend und unpraktisch erkannt 
wurde. Die Vorzüge des Aldehyds gerade für diesen Zweck waren in der 
That augenfällige. Als Gas durchdringt er den Raum gleichmässig und voll- 
ständig, ermöglicht also eine Desinfektion der Zimmer im Ganzen. Man braucht 
nieht jeden Gegenstand einzeln zu behandeln, man ist nicht in dem Maasse 
von der Sorgfalt und Gewissenhaftigkeit der Desinfektoren abhängig, wie bei 
deu eben angedeuteten Methoden; eine Aufwirbelung von Staub und die Ver- 
schleppung der Keime mit diesem ist nicht zu befürchten. Die früher nie 
ganz zu vermeidenden Beschädigungen und das so lästige Ausräumen der 
Wobnungen kommen in Fortfall; Formaldehyd greift selbst empfindliche 
Gegenstände nicht an oder ruft doch nur bei einigen Anilinfarben eine 
schwache Entfärbung hervor. Formaldehyd wirkt nicht giftig, wie die 
früher benutzten Gase, Chlor, schweflige Säure u. s.f., wohl aber besitzt 
er eine gewissermaassen specifische Wirksamkeit gerade für die Bakterien. 
Schon die Schimmelpilze werden viel weniger angegriffen, und in noch 
höherem Grade gilt das für Thiere, wie Fliegen, Pediculus capitis und vesti- 
menti, Cimex, Pulex u. s. w., welche erst bei Koncentrationen von mehr als 
6—7 g pro cbm Luft getödtet werden. Wie neuere Versuche gezeigt haben, 
können indessen unter Umständen weisse Mäuse und Kaninchen schon durch 
die bei der Zimmerdesinfektion entwickelten Formaldehydmengen zu Grunde 


40 


578 f Reischauer, 


gehen, ein Zeichen, dass auch für den Menschen eine gewisse Vorsicht ge- 
boten ist. Allerdings macht er sich durch seinen stechenden Geruch und 
durch die heftige Reaktion der Schleimhäute des Respirationsapparates und 
des Augenbindesacks bemerkbar genug, so dass man sich der Einwirkung des 
Gases möglichst rasch entziehen kann. Diesen Geruch kanu man dann wieder 
durch Ammoniak beseitigen, da beide Gase sich zu Hexamethylentetramin ver- 
einigen. 

Bei der Verwendung des Formaldehyds in der Praxis galt es nun einmal, 
festzustellen, ob die günstigen Ergebnisse der Laboratoriumsversuche auch 
unter den ungleich schwierigeren Verhältnissen der Verwendung im Grossen 
bestehen würden, und ferner mussten Mittel und Wege gefunden werden, um 
das Gas möglichst schnell und in genügender Menge zu entwickeln: 
Aufgaben, denen sich in den letzten Jahren dann zahlreiche Forscher ge- 
widmet haben. 

Bei den ersfen und unvollkommensten Versuchen liess man den Form- 
aldehyd aus seiner 40 proc. wässerigen Lösung, dem sogenannten Formalin, 
an der Luft verdunsten. Eine genaue Zusammenstellung der in dieser Weise 
unternommenen Prüfungen hat Hess (64) gegeben, und es möge daher genügen, 
hier kurz die Resultate anzuführen. Es zeigte sich, dass eine praktisch brauch- 
bare Desinfektion so nicht zu erreichen war. Selbst in kleinen Räumen, wie 
sie z. B. Philipp (105), Oehmichen (97), Walter (148) u. s. w. benutzten, 
wurden die ausgelegten Bakterienproben auch dann nicht sicher abgetödtet, 
wenn man sehr grosse Mengen von Formalin verwandte und die Verdunstungs- 
dauer über mehrere Tage ausdehnte. Ausserdem war die Dosirung ganz 
unsicher, da sich das Maass der Verdunstung natürlich nicht reguliren liess, 
und endlich belief sich der Preis einer derartigen Desinfektion für eiu mittleres 
Wohnzimmer auf 28—80 Mk. Als ebenso unzuverlässig erwiesen sich die 
Schering’schen Kieselguhr-Formalith-Pastillen, deren poröse Masse 
gleiche Volumprocente des Gases aufnimmt. Auch die Versuche, durch lebhafte 
Lufteirkulation, sowie Durchleiten eines Luftkohlensäure- oder Dampfstroms 
die Verdunstung zu beschleunigen, brachten keine wesentlich besseren Er- 
gebnisse. 

Nach diesen Misserfolgen lag nun der Gedanke nahe, durch Verdampfen 
der Formalinlösung rasch grössere Mengen des Gases zu entwickeln. Indessen 
bedurfte man auch hierzu sehr grosser Mengen; steigt nämlich die Koncen- 
tration der Lösungen auf über 40 pCt., so tritt Polymerisirung des Formalde- 
hyds nnd eine Ausscheidung von festem Paraformaldehyd ein, der sich am 
Boden der Gefässe als weisse Masse absetzt und für die Desinfektionswirkung 
verloren geht. 

Man versuchte deshalb zunächst, einen anderen Weg einzuschlagen und 
eine Methode zu benutzen, die A. W. Hofmann schon im Jahre 1868 bei der 
ersten Darstellung des Formaldehyds verwandt hatte. Lässt man Dämpfe des 
Metbylalkohols über eine glühende Platinspirale streichen, so entsteht 
durch unvollkommene Oxydation Formaldebyd: 

CH; OH +0 = H. COH +H,0. 
Auf diesem Princip beruhen nun eine Reihe von Desinfektionslampen. 


Vergleichende Untersuchungen über Wohnungsdesinfektion mit Formaldehyd. 579 


Der Apparat von Tollens (141) besteht aus einer gläsernen Spirituslampe, 
die ein Hütchen von Platindraht trägt. Ganz äbnlich ist die Lampe von 
Trillat (142) konstruirt, nur dass sie noch ein Gehäuse zur Regulirung des 
Laftzugs besitzt. Tritt nämlich zu viel Luft zu, so verbrennt der gesammte 
Alkohol zu Koblensäure und Wasser. Später wurde der letztere Apparat dann 
vergrössert und durch Anbringen von 16 Dochten auf einem Behälter eine 
stärkere Gasproduktion ermöglicht. Die Einrichtung der Löthlampe ahmt 
ferner die nach den Angaben von Krell durch Barthel angefertigte Formalin- 
lampe nach. Die Stichflamme wird durch Einsetzen eines Platinnetzes zum 
Verlöschen gebracht; auch hier ist der Luftzutritt regulirbar. Bei der Ab- 
änderung dieser Konstruktion durch Krause (76) ist an die Stelle des Platin- 
netzes ein enges Rohr getreten, in dem sich die langsame Oxydation vollzieht. 
Noch eine andere derartige Lampe rührt von Cambier und Brochet (21) her. 
Sie besteht aus einem Alkoholbehälter mit 8 Brenndochten. Durch einen regu- 
lirbaren Luftstrom werden die Dämpfe in Röhren bis an die glühenden Platin- 
netze geleitet. Der beste hierher gehörige Apparat ist aber wohl der Appareil 
formog&ne à projection von Trillat (143). Bei ihm wird der Methyl- 
alkohol in einem Kupferrecipienten von 8— 10 Litern Inhalt auf einem Wasser- 
bad in Dampf verwandelt und dieser durch 10 in eine feine Spitze ausgehende 
Kopferrohre über die glühenden Platinspiralen geführt. In einer Stunde können 
so 3 Liter Alkohol oxydirt werden. Andere Apparate, wie die von Beuster, 
Hoffmann, Schulze haben meines Wissens eine praktische Verwendung nicht 
gefunden. 

Die sehr zahlreichen Untersuchungen, welche zur Prüfung dieser Lam- 
pen unternommen wurden, finden sich wieder in der Dissertation von Hess 
(64) zusammengestellt. Als unbrauchbar erwiesen sich die Apparate von 
Tollens (Dieudonne) (27) und der ähnlich gebaute ursprüngliche von 
Trillat (Foley) (47), Vaillard und Lemoine (145), Bardet, (Englund) 
(86). Auch die Krell’sche Lampe gab nach den Versuchen von Dieudonné 
(27), Pfuhl (102), Walter (148), Niemann (94), Wieber (153), Petrusch- 
ky (101), Valagussa (146), Hammer und Feitler (60) kein günstiges 
Resultat. Bessere Erfolge erzielten Cambier und Brochet (21) mit ihrer 
Vorrichtung, ebenso Miquel (89), Dubief und Thoinot. Als wirklich brauch- 
bar aber erwies sich doch nur der Appareil à projection von Trillat. Dieser 
selbst stellte etwa 200 Versuche damit an und konnte die mit Kulturen von 
Milzbrand, Diphtherie, Staphylococcus aureus und Tuberkelbacillen infieirten 
Testobjekte fast immer abtödten. Er rechnet auf 100 cbm Raum 2—3 Liter 
Alkobol und 9 Stunden Einwirkungsdauer. In günstigem Sinne sprechen 
sich auch die Arbeiten von Bardet, von Roux und Trillat (115) über diesen 
Apparat aus. 

Indessen hat sich die Praxis auf die Dauer doch mit keiner dieser Lampen 
befrennden können. Einmal verwandeln sie immer noch zu geringe Mengen 
Methylalkohol thatsächlich in Formaldehyd — nach den eingehenden Untersuchun- 
gen von Strüver (134) und ähnlichen von de Schweinitz (127) nur etwa 7 bis 
8 pCt. — nnd der ganze Rest verbrennt nutzlos zu Kohlensäure und Wasser. 
Um eine einigermaassen sichere Desinfektion zu erzielen, braucht man daher 

40* 


580 Reischauer, 


eine unverhältnissmässig grosse Alkoholmenge; rechnet man mit Strüver 9,8g 
Formaldehyd pro cbm Raum = 60 g Alkohol (für Dauerformen die doppelte 
Menge), so bedarf man für mittlere Räume 12—24 Liter Alkohol, deren Preis 
sich auf 20—30 Mk stellen würde (1,80 Mk. pro Liter). Die meisten Lampen 
fassen ausserdem nur 100—300 ccm, und man müsste also eine ganze Reihe 
aufstellen, wie denn auch z. B. Pfuhl (102) für grössere Räume deren 18 ge- 
brauchte. Ein weiterer Uebelstand ist die gleichzeitige Erzeugung von Kohlen- 
oxyd, das nach Brochet (17) 3—5 pCt. des verbrannten Alkohols ausmacht, 
also eine unter Umständen schon gesundheitsschädliche Höhe erreichen kann. 
Da ferner die Entwickelung des Formaldehyds sehr langsam vor sich geht, 
so findet ein Theil desselben Zeit, durch Ritzen und Spalten wieder zu ent- 
weichen, und es kommt daher oft gar nicht zu einer wirksamen Koncentration 
des Gases. Sehr viel trägt hierzu auch die schnelle Polymerisirung, der Ueber- 
gang in Paraformaldehyd oder Trioxymethylen bei, die sich nicht nur in kon- 
centrirten Lösungen, sondern auch, was viel wichtiger ist, an den Wänden 
und Gegenständen der Zimmer vollzieht und so den Formaldehyd in eine 
desinfektorisch unwirksame Form überführt. 

Es gelang nun Trillat (143) im Verlaufe seiner weiteren Versuche diesen 
Mängeln abzuhelfen, und zwar mit Hilfe seines neuen Apparats, des Auto- 
clave formogene. Derselbe besteht im Wesentlichen aus einem starken 
kupfernen Kessel mit Manometer und Sicherheitsventil, der durch Gas oder 
Petroleum geheizt werden kann. Verdampft wird hierin das Formochlorol, 
d. h. eine Mischung von Formalin und Calciumchlorid (auf 1 Liter For- 
malin 200 g des Salzes), und zwar unter einem Druck von 3—4 Atmosphären. 
Hierdurch und durch den Zusatz von Calciumchlorid vermied Trillat eine 
Polymerisation des Formaldehyds und konnte also die gesammte ange 
wendete Menge auch wirklich für die Zwecke der Desinfektion ausnützen. 
Besonders ist darauf zu achten, dass die Flüssigkeit nicht etwa Metbylalkobol 
in etwas grösserer Menge (mehr als 1 pCt.) enthält, da sich dieser sonst mit 
dem Formaldehyd zu dem unwirksamen Metbylal verbindet. Die Dämpfe 
können im Zimmer entwickelt oder durch das Schlüsselloch der Thür ein- 
geleitet werden. Trillat selbst, ebenso Roux (115), Bardet, Bosc (16), 
Vaillard und Lemoine (145), Nicolle (93) u. A. kamen mit diesem Apparat 
zu durchaus günstigen Resultaten. Sie konnten auch in grossen Räumen 
und ganzen Wohnungen alle die ausgelegten Proben von pathogenen Mikro- 
organismen abtödten, nur die resistenten Sporen von Staubbakterien, von Bac. 
subtilis, von Bacillen des Tetanus und des malignen Oedems blieben ent- 
wickelungsfähig; jedoch wurde der Erfolg ganz oder theilweise vermisst, s0- 
bald die Testobjekte den Dämpfen schwer zugänglich waren, z. B. in Rock- 
taschen oder Matratzen, unter Kleidern und Handtüchern versteckt wurden. 
Die Wirkung des Formaldehyds war also eine ganz oberflächliche. 

Die in diesen Versuchen verbrauchte Menge belief sich im Durchschnitt 
auf 1 L. Formochlorol für 200 cbm Raum, die benutzte Einwirkungszeit 
schwankte zwischen 15—36 Stunden. Doch konnten Trillat, Jona (67) und 
Funck (50) auch schon in sehr viel kürzerer Zeit (1/,—1 Stunde) günstige Er- 
gebnisse verzeichnen. Auch die Arbeiten von Fayollat (42), Galibert (51) 


Vergleichende Untersuchungen über Wohnungsdesinfektion mit Formaldehyd. 581 
x 


Djurberg (30), Valagussa (146), Doty (32), Lederle (77) und Spronck 
(133) gelangten mit dem Autoclave formogene zu befriedigenden Resultaten. 
Spronck z. B. konnte Milzbrandsporen auch dann noch abtödten, wenn sie 
mit Lappen von Leinen, Seide oder Flanell bedeckt oder in kleine Matratzen 
gebracht waren. Leitete Djurberg den Dampf ohne Ueberdruck ein, so blieb 
die Wirkung aus, und nur wenige Proben von Milzbrand und Bac. coli wurden 
vernichtet. In Deutschland prüfte den Autoclaven Niemann (94), ebenso 
Petruschky (101) und Pfuhl (102), der auch in einem grossen Krankensaal 
von 1047 cbm Rauminhalt eine sichere Desinfektion erzielte. Stellte er sich 
selbst Formochlorol her, so wurde die Wirkung schlechter, da gewöhnliches 
Formalin ziemlich viel Metbylalkohol enthält. Ganz ähnlich erging es Hess 
(64). In 6 grösseren Versuchen vermochte er Agarkulturen der verschieden- 
sten Bakterien (24 Arten), ferner Seidenfäden mit Staph. aureus, Milzbrand- 
sporen, Diphtheriebacillen, Prodigiosus und Typhusbacillen, theils frei in Schäl- 
chen aufgestellt, theils in Hüllen von Fliess- oder Schreibpapier verwahrt, fast 
ausnahmslos abzutödten. Prüfungen der Luft, des Wand- und Bodenstaubes 
ergaben nur noch sehr spärliche Keime in den betreffenden Räumen. In den 
Schlusssätzen seiner Arbeit spricht sich Hess denn auch dahin aus, dass man 
mit dem Trillat’schen Autoklaven Räume von beliebiger Ausdehnung in wirk- 
samer Weise zu desinficiren und selbst die widerstandsfähigsten Sporen zu ver- 
nichten im Stande sei. Auf feuchte, noch im Kulturrasen befindliche Sporen 
freilich oder Objekte, die bedeckt sind oder vom Apparat weiter entfernt 
liegen, ist der Einfluss der Dämpfe nur ein unsicherer. 

Von grosser praktischer Wichtigkeit ist es, dass auch Eiter, pneumonisches 
und tuberkulöses Sputum (feucht und trocken), ferner Diphtheriemembranen 
und Läppchen mit künstlichem Cholera- und Typhusstuhl steril wurden. Auch 
Silberschmidt (129) konnte im Allgemeinen sämmtliche pathogenen Keime, 
daranter sogar Milzbrandsporen, abtödten. Strüver (134) konnte bei 2,5 g 
Formaldehyd pro cbm alle Keime vernichten. Er stellte fest, dass das For- 
mochlorol zu fast 80 pCt. ausgenutzt wird, während er beim Verdampfen von 
einfachem Formalin nur 25—50 pCt. des Formaldehyds in der Luft nach- 
weisen konnte. Dagegen gelangten andere Forscher zu weniger günstigen Er- 
gebnissen. Abba und Rondelli (2) z. B. sahen auch unter den sonst vor- 
theilhaftesten Bedingungen eine sichere Desinfektion nicht einmal an den Ober- 
flächen von Möbeln und Wänden, sowie am Fussboden, namentlich in den 
Ritzen des letzteren, eintreten. Besonders mangelhafte Erfolge erzielten sie in 
der kalten Jahreszeit, bessere dagegen bei höherer Temperatur. Auch Sy- 
manski (136) konnte in einigen von Dräer herrührenden Versuchen keine 
ganz befriedigenden Resultate erreichen; Sporen wurden niemals abgetödtet. 

Fasst man die Ergebnisse aller dieser Arbeiten zusammen, so muss man 
bei unbefangener Beurtheilung zu der Ueberzeugung gelangen, dass der Trillat- 
sche Autoklav eine wirksame Desinfektion von Wohnräumen ermög- 
liebt. Bei Anwendung genügender Mengen und Beobachtung aller erforder- 
lieben Vorsichtsmaassregeln werden die pathogenen Keime, häufig auch die 
resistenten Dauerformen abgetödtet. Allerdings bleibt die Wirkung des Form- 
aldehyds auf die Oberflächen beschränkt, und das Gas ist also nicht im Stande, 

41 


582 Reischauer, 


in die tieferen Schichten von Wäsche, Zeug, Betten u. s. w. einzudringen. Als 
ein Nachtheil des Apparates erscheint der Umstand, dass er unter hohem Druck 
arbeitet und wegen der Explosionsgefahr einer sachverständigen Bedienung und 
Aufsicht bedarf. Von einigen Untersuchern wurde ein geringer Niederschlag 
von Chlorcaleium auf den Gegenständen lästig empfunden. Auch der Preis ist 
nicht gering: der Apparat kostete früher 400 Fres., jetzt immerhin noch &0 
bis 100 Mk., ein Liter Formochlorol 4 Mk. Das Verfahren hat trotz seiner 
unverkennbaren Vorzüge in Deutschland wenig Eingang gefunden, ist aber in 
Frankreich noch jetzt an vielen Stellen in Gebrauch. 

Eine weitere Methode zur Erzeugung von Formaldehyd ist dann die von 
Oppermann und Rosenberg (112) angegebene. Sie benutzten das „Holzin“, 
eine Lösung von 35 pCt. Formaldehyd in Methylalkohol, dem 5 pCt 
Menthol zugefügt sind. Der Zusatz von Menthol sollte den stechenden Ge- 
rach des Formaldehyds aufheben, eine Bildung von Methylal und die Poly- 
merisation des Formaldehyds verhindern. Von dieser Mischung braucht man 
nur geringe Mengen, nach Rosenberg 5 ccm für 1 cbm Rauminhalt, und die 
Dauer der Desinfektion kann auf 3—4 Stunden abgekürzt werden. Zur Eat- 
wickelung des Gases dient der „Verdunstungsbrenner“; er besteht aus einem 
Messingeylinder, der unten ein Drahtnetz zur Aufnahme des Heizmaterials, 
nämlich komprimirter Kohle, trägt. Oben ist er durch einen Metallteller von 
1 L. Fassungsvermögen abgeschlossen, dessen Innenfläche mit Asbest ausgelegt 
ist. Soll mehr vergast werden, so kann man oben noch einen Trichterbecher 
aufsetzen, der das Holzin zutropfen lässt. Rosenberg sagt über die Wir- 
kung seines Apparates Folgendes: „Wir erzielen eine Luftreinigung und Des- 
infektion von Räumen und Gegenständen, wie sie vollkommener nicht möglich 
und in ihrer Einfachheit, das darf ich wohl mit Recht behaupten, unerreicht 
ist. Die Wirkung ist eine derartige, dass man nicht nur von einer Desinfek- 
tion, sondern unter allen Umständen von einer Sterilisation der Luft, der 
Räume und Gegenstände ohne jedwede Beschädigung derselben zu sprechen 
berechtigt ist.“ In einer ausführlichen Arbeit berichtete er später genauer 
über seine Versuche. Sowohl in Schränken wie in Zimmern von 45—50 cbm 
gelang es ihm, pathogene Keime, auch Milzbrandsporen, schon nach 1—2 Stunden 
abzutödten. Sogar Rosshaarballen von 3 kg Gewicht wurden in 2—3 Stunden 
durch und durch sterilisirt, ebenso Kleider und Betten. Seine Erfolge mit 
der therapeutischen Anwendung des „Sterisol“ (Milchzucker mit 5 pCt. Form- 
aldehyd) und in der Konservirung von Nahrungsmitteln (Milch, Fleisch u. s. w.) 
interessiren hier weniger. 

Jedenfalls schien durch diese Resultate das Problem der Wohnungs- 
desinfektion nun mit einem Schlage gelöst zu sein. Aber leider fielen die 
von verschiedenen Seiten vorgenommenen Nachprüfungen sehr viel weniger 
günstig aus. Pfuhl (102) und Walter (149) konnten in ihren nicht aus- 
führlich veröffentlichten Versuchen sichere Erfolge überhaupt nicht erzielen. 
Elsner und Spiering (38) vermochten in einem Zimmer von 65 cbm die aus- 
gelegten Testobjekte, z. B. Milzbrandsporen und Staph. aureus, nicht immer 
abzutödten, obwohl sie sich genau an die Vorschriften hielten. Noch schlech- 
tere Erfolge hatte Niemann (94). Noch nach 10—15 stündiger Einwirkung 


Vergleichende Untersuchungen über Wohnungsdesinfektion mit Formaldehyd. 583 


entwickelten sich Milzbrandsporen und Staph. aureus ohne Störung, nach 
22 Stunden zeigten sie eine gewisse Entwickelungshemmung; abgetödtet 
worden nur einige wenige Proben mit Typhusbacillen. Allerdings war 
die hier verwandte Holzinmenge wohl zu gering, sie betrug nur 1 ccm auf 
1 cbm Raum (von der älteren 60 proc. Lösung). Günstiger spricht sich auf 
Grund mehrerer Versuche Strüver (134) aus. Er stellt die Leistungen des 
Holzins denen des Formochlorols gleich. Nach ihm sind für eine wirk- 
same Desinfektion 7 ccm Holzin, für Sporen 10 ccm für jedes cbm Raum 
erforderlich; 60—80 pCt. des vergasten Formaldehyds konnte er in der Luft 
wieder nachweisen. Nicht ungünstig waren auch die von Sobernheim (131) 
bier im Institut erzielten Resultate. 

Mau sieht, dass sich die Behauptungen Rosenberg’s nicht in vollem 
Umfange bestätigt haben. Dazu kommt ferner noch der hohe Preis des Holzins. 
Nach Czaplewski (24) kosten 100 g Formaldehyd aus Holzin entwickelt 
2,86 Mk., während sich dieselbe Menge aus Formochlorol für 0,67 Mk. dar- 
stellen lässt. Die Polymerisation wird ferner doch nicht ganz vermieden, 
und der Apparat ist endlich nur für kleine Räume berechnet. Alles dies sind 
Nachtheile, die durch die gefahrlose und bequeme Handhabung, sowie durch 
die schnelle Entwickelung grösserer Gasmengen, endlich durch den schwächeren 
Geruch nicht aufgewogen werden. 

Eine weit grössere Bedeutung für die Praxis hat dagegen eine andere 
Methode der Erzeugung von Formaldehyddämpfen gewonnen, die von 
Aronson-Schering (7 u.8) herrührt und das feste, polymerisirte Trioxy- 
metbylen oder Paraformaldehyd benutzt. Schon früher hatte Aron- 
son diesen Körper genauer untersucht und seine hohe baktericide Kraft, die 
auf der Abspaltung von freiem Formaldehyd beruht, feststellen können. Von 
Schering wurden nun die sogenannten Formalinpastillen zu 1 g in den 
Handel gebracht, die mit Hilfe besonderer Apparate, der Lampen „Hygiea“ 
und „Aeskulap“, zur Vergasung gebracht werden. Die kleinere „Hygiea“ dient 
mehr zu Desodorisation und soll also die wichtige Eigenschaft des Form- 
aldehyds verwerthen, mit stark riechenden Gasen, wie dem schon erwähnten 
Ammoniak, ferner mit Merkaptanen, Indol, Skatol und anderen, geruchlose 
Verbindungen einzugehen [Schmidt (122), Tippel (140)]. Die eigentliche 
Desinfektionslampe „Aeskulap“ besteht aus einem Blecheylinder, der unten 
einen Spiritusbrenner enthält, oben ein Drahtnetz zur Aufnahme von 100 bis 
150 Pastillen trägt. Bei etwa 150° geht das Paraform nun in gasförmigen 
Formaldehyd über. Aronson gelangte in einer Reihe von eigenen Versuchen 
zu sehr günstigen Resultaten. Er vergaste in einem Raume von 100 cbm 
200 Tastillen und liess die Dämpfe 24 Stunden einwirken. Alle pathogenen 
Keime, auch Milzbrandsporen, ebenso der Staub vom Fussboden und von den 
Wänden waren danach abgetödtet oder steril geworden, und auch bei Anwen- 
dung von nur einer Pastille für 1 cbm waren noch alle nicht sporenbildenden 
Bakterien vernichtet. Achnliche Erfolge erzielte Gemünd (52) in verschie- 
denen Zimmern mit 2 Pastillen pro cbm und 24 stündiger Einwirkungsdauer. 
Es wurden alle Proben, die mit Staph. aureus, Diphtheriebacillen, Prodigiosus- 
und Typhusbacillen infieirt waren, steril, Milzbrandsporen, Heu- und Coli- 

41* 


584 Reischauer, 


bacillen wenigstens in der Entwickelung gehemmt. Auch Harrington (62) 
spricht sich befriedigt über die Wirkung des Paraforms aus. Fairbanks (41) 
kommt nach seinen Erfahrungen zu dem Ergebnisse, dass die Wirkung des 
Formaldehyds, wenigstens bei Benutzung von 2g für das cbm auf alle Gegen- 
stände, die dem Gase freien Zutritt gewähren, eine völlig sichere sei. Bei 
bedeckten Proben, ganzen Diphtheriemembranen, Eiter und frischen Kulturen, 
liess der Erfolg dagegen zu wünschen übrig. In seinem Nachwort zu dieser 
Arbeit erkennt Grawitz die Vorzüge der Schering’schen Methode an, be- 
tont aber, dass die zur Desinfektion nöthige Zeit von 25—30 Stunden für die 
Praxis eine zu lange sei, da besonders bei ärmeren Familien die Wohnung so 
lange nicht entbehrt werden könne. In späteren Versuchen gelang es Fair- 
banks dann durch Erhöhung der Temperatur auf etwa 220 die Einwirkungs- 
dauer auf 8— 10 Stunden abzukürzen und in dieser Frist auch Milzbrandsporen 
noch abzutödten. 

Es bestätigte sich also für Formaldehyd die Thatsache, die schon bei 
zahlreichen anderen Mitteln festgestellt wurde, dass der Erfolg um so 
sicherer ist, je höher die Temperatur, bei der die Anwendung ge- 
schieht. Allerdings macht sich der Einfluss dieses Faktors meist erst bei 
Bewegungen bis unter 5° und über 30° hin bemerkbar und tritt innerhalb der 
Grenzen der gewöhnlichen Zimmertemperatur kaum jemals deutlich hervor. 
Gehrke (53) konnte in einem Zimmer von 53 cbm Inhalt mit 2 Pastillen 
für das cbm und 24 Stunden Einwirkung alle frei ausgelegten Proben von 
Typhus, Diphtherie, Milzbrand, Bac. coli, Staph. aureus und pyocyaneus ab- 
tödten. Bei Milzbrandsporen, bei Proben in den Kleidertaschen versagte die 
Wirkung, auch in todte Winkel, z. B. frei aufgestellte Reagensgläschen konnte 
das Gas nur bis zu einem gewissen Grade eindringen. Cramer (23) be- 
richtet über Versuche, die er in einer grossen Baracke von 1100 cbm Fassungs- 
raum anstellte. Er vergaste 830 resp. 975 Pastillen und injicirte in Matratzen 
und Betten noch 1750 g flüssiges Formalin, sodass etwa 1—1!/, g Formalde- 
hyd auf 1 cbm kam. Zahlreiche Proben von Stapb. aureus, Bac. coli und 
pyocyaneus wurden abgetödtet, Sporen blieben jedoch lebend. Hammer und 
Feitler (60) konnten mit !/, und 1 Pastille auf 1 cbm eine sichere Wirkung 
nicht erreichen, dagegen mit 2 Pastillen auch Milzbrandsporen noch vernichten. 

In günstigem Sinne über die Verwendbarkeit der Methode spricht sich auch 
Dieudonne (28) aus, ebenso Neisser (44) auf Grund seiner Versuche, die 
im Anhang zu der Flügge’schen Arbeit veröffentlicht sind. Dagegen äusserte 
sich Petruschky auf dem Kongress für innere Medicin in Wiesbaden 1898 
in ziemlich abfälliger Weise über den Schering’schen Apparat. Gestützt auf 
umfassende Versuche war er zu der Ueberzeugung gelangt, dass diese Art der 
Desinfektion sich allein für kable Wände eigne und daher nur in sehr be- 
schränktem Maasse anwendbar sei. Elsner und Spiering (38) konnten nur 
Diphtheriebacillen abtödten, unsicher war die Wirkung gegenüber dem Staph. 
aureus, Typhusbacillus und Fäcesproben. Silberschmidt (129) vermochte 
auch bei Benutzung von 2 Pastillen auf 1 cbm in 22—24 Stunden Sporen 
nicht zu zerstören, und bei kürzerer Einwirkungsdauer waren die Resultate 
noch bedeutend schlechter. Auch Symanski (136) hatte keine eindeutigen 


Vergleichende Untersuchungen über Wohnungsdesinfektion mit Formaldehyd. 585 


Ergebnisse. Milzbrandsporen blieben in allen Versuchen eptwickelungsfähig. 
Mit 1 Pastille auf 1 cbm konnte er nur einige wenige und mit 2 Pastillen 
noch durchaus nicht alle Proben von Staph. aureus, Diphtherie und Typhus 
sterilisiren, ja selbst bei Verwendung von 3 Pastillen war die Wirkung noch 
unsicher, und Symanski zieht daher den Trillat’schen Autoklaven der 
Methode von Schering entschieden vor. Friedemann (49) war zwar im 
Stande, Zimmerstaub, aus dem sich vorber zahlreiche Kolonien entwickelten, 
zu sterilisiren, und auch die Mehrzahl der frei ausgelegten Proben abzutödten, 
aber in solchen, die aus Büchern, Zeugstückchen und Kinderspielzeug stammten, 
kamen noch reichliche Keime, auch pathogener Art, zur Entwickelung. Eine 
Einwirkung auf frische Agar- und Gelatinekulturen war vollends nicht nach- 
zuweisen, und der genannte Forscher gelangt daher zu dem Ergebniss, dass 
die Aeskulaplampe zur sicheren Zimmerdesinfektion nicht genüge. Schloss- 
mann (121) konnte mit 2 Pastillen auf 1 cbm zuverlässige Erfolge niemals 
erzielen. Wenn er mit sterilen Wattebäuschchen in einem ärztlichen Sprech- 
zimmer nach vorgenommener Desinfektion über Fussboden, Möbel und Tapeten 
fuhr, so zeigten die angelegten Kulturen stets ein reichliches Wachsthum. 
Auch nach den Erfabrungen von Czaplewski (24) versagt die Methode 
Aronson-Schering so häufig, dass sie zur Einführung nicht empfohlen 
werden kann. 

Peerenboom (99), welcher zunächst nicht so ungünstige Erfolge hatte, 
stellte auf Veranlassung von Rubner interessante Untersuchungen an, die 
zuerst geeignet erschienen, die so auffälligen Verschiedenheiten in den Resul- 
taten der einzelnen Forscher zu erklären. In der Luft des benutzten 
Zimmers, welche nach der Rechnung 3 g Formaldehyd auf 1 cbm enthalten 
musste, konnte er 2 Stunden nach der Vergasung nur noch 0,126 g, also 1/24, 
und 20 Stunden später 0,03, also !/, der ersten Menge nachweisen. In einem 
zweiten Versuche fand sich nach der ersten halben Stunde 0,25 g, nach 11/2 
bis 21/, Stunden noch 0,17 g, nach 22 Stunden 0,07 g auf 1 cbm vor. Hier- 
aus geht hervor, dass schon kurze Zeit nach der Verdampfung eine bedeutende 
Abnahme des freien Gases statt hat, die dann weiterhin noch langsame Fort- 
schritte macht, und es sei bemerkt, dass schon vorher Strüver (134) und 
später Wintgen (154) zu ganz äbnlichen Ergebnissen gelangten. Der Grund 
für diese Erscheinung liegt nun nach den Erhebungen von Peerenboom in 
der schnellen Polymerisation des Formaldehyds; das erhitzte Gas schlägt 
sich als festes Trioxymethylen an den Wänden und Gegenständen nieder und 
geht so für die Desinfektion verloren. Den Beweis hierfür erbrachten Rubner 
und Peerenboom (117) dadurch, dass sie aus Bogen von Filtrirpapier, die 
in den betreffenden Räumen aufgehängt worden waren, den Paraldehyd, der 
sich durch seine geringe Wasserlöslichkeit ohne weiteres charakterisirte, wieder- 
gewinnen und darstellen konnten. 

Neben seiner Neigung, feste Polymere zu bilden, die er mit anderen Al- 
dehyden theilt, besitzt der Formaldehyd auch starke hygroskopische Eigen- 
schaften. Er löst sich deshalb sehr leicht im Wasser, wird aber durch den 
Wasserdampf der Luft niedergeschlagen und auf den Gegenständen abge- 
lagert. Liess Peerenboom z. B. in einer Flasche Paraform verdampfen und 


586 Reischauer, 


brachte er in dieselbe dann ein abgekühltes Reagensröhrchen, so enthielt der 
Thau, welcher sich an der Oberfläche des letzteren niederschlug, etwa die 
Hälfte des verdampften Formaldehyds. Eben dieser feuchte Niederschlag 
ist es nun, dem die starke baktericide Kraft innewohnt, und es 
braucht in diesem Zusammenhange nur daran erinnert zu werden, dass ja 
nach früheren Erfahrungen und Versuchen auch für die Desinfektionswirkung 
anderer Gase, wie der schwefligen Säure, des Chlors u. s. w. die Feuchtigkeit 
von entscheidender Bedeutung ist, da eben Lösungen im Allgemeinen eine 
viel grössere chemische Aktivität entfalten als gasförmige Mittel. Hatten also 
Trillat (142), Bosc (16), Abba und Rondelli (2), Symanski (136) und 
Andere die Anschauung vertreten, da ein stärkerer Wassergehalt der Luft 
die Formaldehyddesinfektion beeinträchtige, so führten die Versuche von 
Rubner und Peerenboom uns zu der Erkenntniss, dass er für den Erfolg 
umgekehrt von besonderer Wichtigkeit sei. 

Nun enthält aber die Luft nicht immer die erforderliche Menge von 
Wasserdampf, um einen wirksamen Niederschlag eintreten zu lassen, und 
auch durch die Verbrennung des Spiritus im „Aeskulap“ wird dem Bedarf 
nicht genügt; man wird daher, wie Peerenboom hervorhebt, „die Sicher- 
heit der Desinfektion erhöhen, wenn man in dem zu desinficirenden Raume 
soviel Wasser verdampft, dass sämmtliche Gegenstände feucht werden“. 
Rubner und Peerenboom gehen sogar noch einen Schritt weiter; sie 
sind der Ansicht, dass trockenes Formaldehydgas gar keine desinfektorische 
Kraft besitzt, und zum Beweise für diese Behauptung dient ihnen folgendes 
Experiment: Durch zwei Erlenmeyer’sche Kölbchen wurde ein Form- 
aldehydstrom geleitet; das eine Kölbchen enthielt feuchte, das andere durch 
Chlorcaleiam getrocknete Luft. Die in dem feuchten Käölbchen ausgelegten 
Bakterienproben wurden nun sämmtlich abgetödtet, die in dem trockenen 
blieben am Leben. Indessen hatte sich in dem letzteren Falle auch ein deat- 
licher Niederschlag von Paraldehyd gebildet, der an sich schon genügen würde, 
um die mangelhafte Wirkung zu erklären. Verhindert man dagegen die Poly- 
merisation, so kann man auch ohne Erzeugung oder Einleitung von Wasser- 
dampf befriedigende Resultate erzielen. Das geschieht z. B. im Holzin durch 
das Menthol. So konnte Strüver (134) noch nach 24 Stunden 60-70 pCt. 
des verdampften Aldehyds in der Luft nachweisen, ohne Jass es also in Par- 
aldehyd übergegangen war, und Sobernheim (131) fand, dass unter diesen 
Verhältnissen der Erfolg mit und ohne Wasser der gleiche blieb. 

Ist das Gas an Wasserdampf gebunden, so wird es sich nicht so leicht 
an Gegenständen niederschlagen, die zum Wasser eine geringe Affinität haben, 
die wenig hygroskopisch sind, ferner ebenso an fettigen, erwärmten oder nassen 
Objekten, und auch die Beschaffenheit der Oberfläche, ob rauh oder glatt u.s. w., 
wird hier nicht ohne Einfluss sein. In der That konnte Peerenboom auf 
fettgetränkten und solchen Proben, die vor einer erwärmten Glasscheibe an- 
gebracht waren, eine starke Verringerung der Wirksamkeit feststellen. Doch 
kann man letzterem Uebelstande wieder dadurch abhelfen, dass man die Luft 
in jedem Falle mit Wasserdampf übersättigt, d. h. soviel Wasser ver- 
dampft, dass auch an wärmeren Flächen noch ein ausreichender 


Vergleichende Untersuchungen über Wohnungsdesinfektion mit Formaldehyd. 587 


Niederschlag erfolgt. Zu dem Zweck muss man 8 L. Wasser auf 100 cbm 
Raum verdampfen, da die Luft bei 25—30° 20—30 g Wasserdampf pro cbm 
aufnehmen kann. Nachdem dieses Verfahren überall Anwendung gefunden 
hat, sind auch die Resultate der einzelnen Versuche gleichmässiger geworden. 
Recht interessante Erhebungen über diese Seite der Frage haben auch Ham- 
merl und Kermauner (61) ausgeführt. Selbst in relativ trockener Luft 
konnten sie noch eine günstige Wirkung erzielen, wenn die Bakterien an 
nassen Wattebäuschchen hafteten; allein die Milzbrandsporen blieben alsdann 
am Leben. Im getrockneten Zustande dagegen wurden von den Proben des 
Staph. aureus und des Bact. coli nur 45 pCt., in einem zweiten Versuche 
16 pCt. abgetödtet; Diphtheriebacillen und Streptokokken erwiesen sich als 
weniger. widerstandsfähig und gingen zu 65 pCt., allerdings erst im Laufe von 
42 Stunden, zu Grunde. Im Ganzen machte sich eine grosse Unsicherheit der 
Wirkung geltend. Verdampften sie nun 2—21/, L. Wasser in dem Zimmer 
(86 cbm), so wurden die Erfolge sofort ganz ausgezeichnet und fast sämmt- 
liche Keime vernichtet. Auch diese Forscher kommen daher zu dem Schluss, 
dass die Bakterien im trockenen Zustande und in trockener Atmosphäre der 
Formalinwirkung viel eher entgehen, als in feuchtem Material und in 
feuchter Atmosphäre. In einer zweiten Reihe von Experimenten bemühten 
sich Hammer! und Kermauner, eine Erhöhung der Luftfeuchtigkeit durch 
Aufbängen von nassen Tüchern in den Räumen herbeizuführen und erreichten 
auch nach den Angaben des Hygrometers eine relative Feuchtigkeit von 92 
bis 95 pCt. War nun eine Steigerung der Wirkung auch in allen Fällen 
unverkennbar, so hielten sich doch die beobachteten Unterschiede innerhalb 
enger Grenzen, und niemals wurden Erfolge erreicht, wie bei der Uebersätti- 
gung mit Wasserdampf.. Eine bedeutende Verbesserung in der Wirksamkeit 
des Aeskulapapparates bei genügender Feuchtigkeit konnte ferner auch Sobern- 
beim (131) konstatiren: Unter sonst gleichen Bedingungen liess sich die zum 
Erfolge benöthigte Desinfektionszeit von 12 auf 5— 6 Stunden abkürzen. 

Nachdem einmal die Wichtigkeit der Luftfeuchtigkeit allgemein an- 
erkannt war, wurde diesem Umstand durchweg Rechnung getragen. Im An- 
schluss an die alte Schering’sche Methode mögen hier zunächst die neuen, 
dann die übrigen auf der Vergasung von Paraldehyd beruhenden Ver- 
fahren einen Platz finden, wenn die Schilderung auch nicht ganz der histo- 
rischen Reihenfolge entspricht. Die Fabrik Schering fügte dem alten Aes- 
kulap einen Rundkessel mit passendem Spiritusbrenner hinzu, sodass nun die 
erforderliche Wassermenge (3 Liter pro 100 cbm) verdampft werden konnte. 
Der neue Apparat erhielt den Namen „kombinirter Aeskulap“. 

Die Versuche, die mit diesem angestellt worden sind, haben fast durch- 
weg befriedigende Ergebnisse geliefert. Kaup (70) z. B., der mit dem ein- 
fachen Aeskulap wenig günstige Resultate erzielt und Milzbrandsporen niemals, 
Staph. aureus, Tuberkel- und Diphtheriebacillen wenigstens nicht sicher abzu- 
tödten vermocht hatte, namentlich wenn geringe Hindernisse, wie eine einfache 
Schicht Filtrirpapier, die Lage hinter Bildern oder in Kastenwinkeln den 
Keimen einen gewissen Schutz gewährten, gelangte mit dem neuen Apparat 
zu bedeutend besseren und zuverlässigeren Erfolgen. Von offen ausgelegten 


588 Reischauer, 


Milzbrandsporen wurden 87 pCt., von Staph. aureus 94,4 pCt. vernichtet. 
Waren die Proben schwer zugänglich oder bedeckt, so war der Erfolg freilich 
schlechter, es wurden nur 11 bezw. 27 pCt. steril. In allen Fällen konnte 
Kaup den ungünstigen Einfluss eines erwärmten Ofens auf die Desinfektions- 
wirkung gegenüber hier angebrachten Objekten feststellen, da eben die 
Kondensation des Wasserdampfes erschwert wurde. Gruber (59) spricht sich 
in seinem Gutachten, das auf den Versuchen von Kaup fusst, durchaus zu 
Gunsten des neuen Verfahrens aus, während er das alte für unsicher und 
nicht empfehlenswerth hält. Kobert (75) hatte in Görbersdorf auch mit 
dem einfachen Aeskulap günstige Erfolge, weil die Luft dort fast stets mit 
Wasserdampf gesättigt und die Zimmer kühl waren. Da dies indessen nicht 
überall der Fall sein wird, empfiehlt auch er, stets den neuen Apparat in 
Anwendung zu bringen. Auch Gorini (55) konnte eine grössere Sicherheit 
der Erfolge gegenüber dem älteren Verfahren konstatiren. Abba und Ron- 
delli (5) stellten drei grössere Versuche mit dem kombinirten Aeskulap an, 
die bei künstlichen Testobjekten (Staph. aureus, Diphtheriebacillen, auch Milz- 
brandsporen) zu befriedigenden Resultaten führten, und deren Ergebnisse noch 
besser wurden, wenn sie die Desinfektionszeit von 7 auf 15 Stunden ver- 
längerten oder die Zahl der Pastillen, d.h. die verwandte Formalinmenge 
verdoppelten. Die Sporen des Kartoffelbacillus, sowie die Bakterien des Staubes. 
den sie von den verschiedensten Objekten entnahmen, wurden dagegen nicht 
sicher vernichtet. 

Indessen hat es doch auch hier nicht ganz an abweichenden und ungünsti- 
gen Stimmen gefehlt. So gelangte Nowack (96) bei 17 Versuchen, die er 
in verschiedenen Räumen anstellte, nicht zu brauchbaren Ergebnissen. Es 
kamen Proben von Typhus- und Diphtberiebacillen, von Staph. aureus, Bac. 
coli und Milzbrandsporen und endlich von Gartenerde zur Anwendung. Er 
konnte im Durchschnitt nur bei etwa 30 pCt. aller Proben eine Ab- 
tödtung erzielen, obwohl er 2, 2!/, und 3 Pastillen auf das cbm vergaste 
und die Dämpfe 7, 12, 24 und 40 Stunden einwirken liess. Gegen diese 
Behauptungen und Angaben ist aber gewiss mit Recht von M. Neisser 
(91) eingewendet worden, dass nicht ausdrücklich gesagt ist, wie viele Proben 
mit Milzbrandsporen und mit Gartenerde, also mit ganz besonders widerstands- 
fähigem Material benutzt wurden, und dass auch die angewandte Technik nicht 
ganz einwandsfrei erscheine. 

Im Grossen und Ganzen werden wir der neuen Schering’schen Methode 
das Zeugniss der Brauchbarkeit für die Zwecke der Wohnungsdesinfektion 
nicht versagen können. Auch stösst die praktische Benutzung selbst in der 
Hand des Laien nicht auf Schwierigkeiten, da genaue und übersichtliche 
Tabellen die jedesmal erforderliche Menge von Pastillen, Spiritus und Wasser 
ohne Weiteres abzulesen und so zu bestimmen erlauben. Als ein entschiedener 
Mangel muss aber der Umstand erwähnt werden, dass die Anwendung des 
Verfahrens relativ theuer ist; der. Apparat kostet freilich nur 60 Mk., aber 
für 1000 Pastillen berechnet die Fabrik 20 Mk., und mit dem hohen Spiritus- 
verbrauch stellen sich die Ausgaben für die Desinfektion eines mittleren Wohn- 
raumes auf etwa 8—10 Mk. 


Vergleichende Untersuchungen über Wohnungsdesinfektion mit Formaldehyd. 589 


Ein anderes Verfahren mit Hilfe des polymerisirten Formaldehyds liessen 
sich 1897 Krell und Elb patentiren. Sie bedienen sich der sogenannten 
„Rarboformal-Glühblocks“, die in der Fabrik von Max Elb, Dresden, her- 
gestellt werden. Ein Kern von 50 g festem Paraldehyd liegt in einer Hülse 
aus Presskohle, die leicht entzündlich ist, langsam weiter glimmt und so das 
Paraldehyd zur Vergasung bringt, ohne dass ein eigentliches Verbrennen statt 
hat. Die Glühblocks kommen in den Handel zu je zweien in verlötheten 
Blechdosen verpackt, deren einzelne Hälften beim Gebrauch als Untersätze 
benutzt werden. Jedes Brikett soll für die Desinfektion von 25—35 cbm 
Raum ausreichen. Die Einwirkungszeit ist auf mindestens 7 Stunden ange- 
geben, die erforderliche Befeuchtung der Luft soll durch Versprengen von 
Wasser oder das Aufhängen von nassen Tüchern (5 Liter Wasser für 100 cbm 
Raum) erreicht werden. Von vorneherein wird man gewiss geneigt sein, dieser 
Methode besondere Vorzüge zuzusprechen. Während man bei allen anderen 
hierher gehörigen Verfahren ziemlich theuerer und komplicirter Apparate be- 
darf, braucht man hier nur die nassen Tücher aufzulängen und die Briketts 
anzuzünden, und wenn sich mit dieser Einfachheit auch noch die erforder- 
liche Sicherheit in der Wirkung verbinden würde, so könnte man die Glüh- 
blocks gewiss an erster Stelle für unseren Zweck empfehlen. 

In der That behauptet nun Enoch (37) auf Grund seiner Versuche, dass 
der Erfolg ein völlig ausreichender sei. In einem Zimmer von 60 cbm Raum- 
inhalt setzte er mit Typhusbacillen, Choleravibrionen, Staph. aureus, Bact. coli, 
Diphtheriebacillen und Milzbrandsporen imprägnirte Seidenfäden dem Einfluss 
des Gases 7 Stunden lang aus, wobei er freilich statt der zuerst vorgeschrie- 
benen 2 g Paraldehyd pro cbm 21/2 g verdampfte, und nicht 3, sondern 20 Liter 
Wasser versprengte. Das Resultat war ausgezeichnet: alle Proben bis auf 2 
mit Milzbrandsporen beschickte Seidenfäden wurden steril. In 8 weiteren 
Versuchen konnte er feststellen, dass Diphtberiebacillen schon bei Anwendung 
von !/, g Paraldehyd auf 1 cbm, Typhus, Cholera, Bact. coli und Staph. aureus 
(85 pCt.) bei Verwendung von 1 g, Milzbrandsporen bei 21/, g abgetödtet 
wurden, und er gelangt daher zu dem Schluss: „Sämmtliche bis jetzt gebaute 
und verwendete Apparate zur Formaldehydgas-Erzeugung leisten kaum das, 
jedenfalls in keiner Weise mehr, als die Karboformal-Briketts. Dagegen zeichnen 
sich letztere durch ihre ausserordentliche Einfachheit, ihre Billigkeit, ihre für 
jeden Laien leicht zu handhabende Inbetriebsetzung und ihre gute Wirkung 
vor all den konstruirten Apparaten bedeutend aus“. Weniger günstig waren 
die Erfolge von Dieudonne (29). In einem Zimmer von 120 cbm Raum- 
iobalt wurden Proben von Milzbrand, Staph. aureus, Typhus-, Cholera- und 
Diphtheriebacillen 7 Stunden lang den Dämpfen von 2,5 g Paraform pro cbm 
ausgesetzt; für die nöthige Luftfeuchtigkeit wurde nach der Vorschrift durch 
Ausgiessen von Wasser gesorgt. Es zeigte sich, dass nur 40 pCt. der Keime 
abgetödtet waren; auch durch Aufhängen nasser Tücher war ein besserer 
Erfolg nicht zu erzielen. Wurden dagegen 3 Liter Wasser verdampft, was 
Dieudonné durch Uebergiessen rothglühender Ziegelsteine mit kochendem 
Wasser erreichte, so war der Effekt ein durchaus günstiger: in 10 Versuchen 
wurden alle vegetativen Bakterienformen vernichtet, Sporen jedoch nicbt immer. 

42 


590 Reischauer, 


Nicht so gut war das Resultat, wenn 4,17 g pro cbm nur 31/3 Stunden ein- 
wirkten, noch schlechter bei 7 stündiger Einwirkung von nur 1,6 g pro cbm. 

Eine Erklärung für die weniger befriedigenden Ergebnisse liegt nahe. 
Wie mit besonderer Deutlichkeit z. B. aus den früher erwähnten Versuchen 
von Hammer! und Kermauner hervorgeht, genügt es nicht. die Luft nahezu 
mit Feuchtigkeit zu sättigen, sondern es ist eine Uebersättigung mit 
Wasserdampf nöthig, um in jedem Falle sicheren Erfolg zu erzielen. Bei 
der Verwendung nasser Tücher für die Abgabe des Wassers kommt aber noch 
ein Umstand hinzu, auf den die ebengenannten Forscher gleichfalls aufmerksam 
machen. „Ausserdem“, so schreiben sie, „ist zu berücksichtigen, dass von der 
grossen Oberfläche der nassen Tücher (oder des nassen Fussbodens) jedenfalls 
ein nicht unbeträchtlicher Bruchtheil der Formalindämpfe und zwar gerade 
zur Zeit der grössten Koncentration absorbirt werden“. Io ähnlicher Weise 
haben sich dann auch Flügge (45) und Vogel (147) über die Wasserver- 
dunstung ausgesprochen. Damit erklären sich auch die günstigen Ergebnisse, 
über die Enoch berichtet. Fr experimentirte augenscheinlich bei sehr feuchtem 
und kühlem Wetter im September und Oktober, da er bemerkt, „es fiel mir 
auf, dass nach kurzer Zeit die Fenster vollständig mit Wassertröpfchen be- 
schlugen, die zuletzt abliefen“. 

In der von der Fabrik angegebenen Weise lässt sich also mit den Karbo- 
formal-Glühblocks eine sichere Desinfektion nicht erreichen. Zu dem Zweck 
müsste man vielmehr zunächst eine genügende Wassermenge verdampfen, und 
damit werden die sonst dieser Methode nachgerühmten Vortheile wieder mehr 
oder weniger hinfällig. Die Kosten sind zwar etwas geringer als beim 
Schering’schen Verfahren, aber immer noch zu hohe: 1000 g werden im 
Grosspreis mit 15 Mk. berechnet. Im Uebrigen dürfte es sich nach Ansicht 
aller Sachverständigen auch kaum empfehlen, dem Publikum selbst die Hand- 
habung der Wohnungsdesinfektion in irgend einer Form zu überlassen, wie 
Enoch und Krell-Elb das anstreben, da ein sicherer Erfolg immer nur bei 
völlig sachgemässer Ausführung nach ganz bestimmten Vorschriften und durch 
geübte Arbeiter erreicht werden kann. 

Erwähnung verdienen dann endlich noch einige ausländische Verfahren, 
die ebenfalls mit festem Trioxymethylen zur Darstellung von Formaldehyd 
operiren. 

Der Apparat von Brochet vergast den Paraldehyd durch einen heissen 
Luftstrom von 180%, der mit Hülfe einer Pumpe eingetrieben wird. Bei 
trockener Luft kann man auch Formalin verdampfen, oder beides vereinigen. 
In der letzten Weise haben Elsner und Spiering (38) den Apparat für 
einige Versuche benutzt. In einem Zimmer von 65 cbm blieben bei Verwen- 
dung von 150 g Paraform und 260 ccm Formalin fast alle Proben von Diph- 
therie, Typhusbacillen, Staphylokokken und Fäcesbakterien unbeeinflusst, wenn 
die Einwirkungsdauer 8 Stunden betrug. Nach 20 Stunden waren Staphylo- 
kokken und Fäcesbakterien abgetödtet, von den Proben mit Diphtherie- und 
Typhusbacillen waren 3 steril geworden, 2 nicht. Bei Verwendung von 325 g 
Paraform und 200 g Formalin waren nach 8 Stunden in 2 Versuchen alle 
Proben vernichtet, nur die Staphylokokken waren nicht sicher zu zerstören. 


Vergleichende Untersuchungen über Wohnungsdesinfektion mit Formaldehyd. 591 


Wiederholentlich wurden auf dem Fussboden in der Richtung des Gasstromes 
Streifen von weissem Paraform bemerkt, das vom Luftstrom mitgerissen, aber 
nicht zur Wirksamkeit gelangt war. Weitere Versuche mit diesem Apparat 
wurden im bakteriologischen Institut zu Bern (26) vorgenommen. Die Resul- 
tate waren im Ganzen günstige. Staphylokokken, Choleravibrionen und Kar- 
toffelbacillen, offen ausgelegt, wurden abgetödtet, in Reagensgläschen einge- 
schlossen blieben sie jedoch meist entwickelungsfähig. Ein anderes, gleichfalls 
aus Frankreich stammendes Verfahren ist das von Guasco, der in seinem 
„Dissoeiateur“ Trioxymethylen in Pulverform vergast. Zur Vermeidung der 
Polymerisation wird im Verlauf der Desinfektion einige Male Wasser verdampft. 

Endlich werden in England von der Formalin-Gesellschaft die sogenannten 
Alfarmant-Lampen vertrieben, die mit Hülfe von Methylalkohol Paraldehyd 
in Tabletten vergasen. Von Kanthack (69) in Cambridge mit diesen Instru- 
menten angestellte Versuche zeigten indessen, dass sie nicht in genügender 
Weise wirkten. Bessere Erfolge dagegen erzielte er mit einer Formogenelampe 
von Richard. Allan und Cribb (6) wollen auch mit Alfarmant-Lampen 
leidliche Ergebnisse erhalten haben. 

Nach alledem kann es keinem Zweifel unterliegen, dass der P’araldehyd 
zur Entwickelung von Formaldehyddämpfen sehr wohl geeignet ist. Er ist 
unschädlich, bequem zu dosiren und ohne sonstige Schwierigkeiten zu ver- 
wenden, Vorzüge, die ihm eine wichtige Rolle in der Entwickelung der Form- 
aldebyddesinfektion gesichert haben. Indessen kranken doch alle die hierher 
gehörigen Methoden an dem Mangel, dass sie in Folge des hohen Preises des 
Paraldehyds für die allgemeine Benutzung in der Praxis zu theuer sind. 
Dieser Vorwurf trifft auch noch das neueste Schering’sche Formalin-Kalk- 
Verfahren nach dem Patent vom 8. November 1899. Es werden hier gewisse 
Mengen Aetzkalk dem Paraldehyd zugesetzt und diese Mischung mit Wasser 
übergossen. Die beim Löschen des Kalkes frei werdende Wärme soll dann 
bei entsprechender Dosirung die zur Desinfektion erforderliche Formaldehyd- 
menge und zugleich den Wasserdampf entwickeln. Man kann ferner auch den 
Aetzkalk einfach mit Formalin übergiessen. Nach Flügge wird bei diesem 
Process jedoch ein Theil des Formaldehyds zerstört; auch dürfte die Ver- 
tbeilang des Gases im Raum kaum eine ganz gleichmässige werden. Indessen 
hätte das Verfahren natürlich den Vorzug der Einfachheit und der raschen 
Gaserzeugung für sich, und man wird daher auf den Ausfall einer genaueren 
Nachprüfung gespannt sein dürfen, die bisher freilich nicht erfolgen konnte, 
da die Fabrik nach einer uns gewordenen Auskunft vor der Hand mit dieser 
Methode nicht an die Oeffentlichkeit treten will. 

Den mit Paraldehyd arbeitenden Verfahren, deren Vortheile und 
Schwächen somit gewürdigt worden sind, stellt sich nun eine zweite Reihe 
neuerer Methoden gegenüber, die wieder zu dem alten Formalin, dem in 
Wasser gelösten Formaldehyd zurückgekehrt, aber die früher bemerkten 
Mängel dieses Mittels in irgend einer Weise zu beseitigen bemüht gewesen 
sind. So haben zuerst Walther und Schlossmann (150, 151) dem Formalin 
10 pCt. Glycerin zugefügt und eine Mischung hergestellt, die sie Glykoformal 
benannten. Der Zusatz von Glycerin soll zunächst eine Polymerisation in der 

42* 


592 Reischauer, 


Lösung und in der Luft, dann aber auch durch Bildung einer Additionsver- 
bindung von Glycerin und Formaldehyd eine Trennung des Gases und des 
Wassers während und nach der Verstäubung verhindern, sodass die ursprüng- 
liche procentische Zusammensetzung auch in dem Nebel und den Nieder- 
schlägen auf den Flächen bestehen bleibt. Das ausgesprochene Imbibitions- 
vermögen des Glycerins bewirkt ferner, dass auch auf weniger hygroskopischen, 
rauhen und fetthaltigen Objekten eine genügende Kondensation zu Stande 
kommt. Ausgeführt wird die Desinfektion mit dem Lingner'schen Ver- 
nebelungsapparat. In einem Ringkessel entwickelter Wasserdampf tritt in den 
Behälter für die Glykoformallösung ein, die so ihrerseits theils verdampft, 
theils mitgerissen wird und in Form eines feinen Nebels aus 4 Düsen austritt. 
Der Apparat ist für Zimmer bis zur Grösse von 80 cbm eingerichtet, für die 
2 Liter Glykoformal—= 7,5 g Formaldehyd pro cbm, also eine Menge zur 
Verwendung gelangt, welche bei keinem anderen Verfahren erreicht wird. 
Die Vernebelung beginnt 8 Minuten nach Anzünden der Spiritusflamme und 
ist in 20 Minuten beendet. Durch diese schnelle Gasentwickelung wird eine 
hohe Koncentration und eine energische Wirkung erzielt, und Walther und 
Schlossmann wollen denn auch in 3 Stunden eine absolute Sterilisation der 
Zimmer herbeiführen. Selbst die resistentesten Keime, z. B. nach der Vor- 
schrift von Hesse bereitete Testobjekte, d. h. mit einem Brei aus Blutserum 
und Gartenerde getränkte vierfache Leinwandstückchen, sollen nach ihren 
Angaben durch den Glykoformalapparat, aber auch nur durch eben diesen, 
abgetödtet werden. 

Begreiflicher Weise haben diese Mittheilungen eine ganze Reihe von 
Nachprüfungen des so gerühmten Verfahrens veranlasst. Der erste Untersucher, 
Czaplewski (24), fand in einem Raum von 50 cbm, der in der gehörigen 
Weise behandelt worden war, weder den Staph. aureus, noch Milzbrand nach 
Ablauf von 3 Stunden abgetödtet. Erdbacillen blieber sogar ganz unbeeinflusst. 
Nach einer Einwirkungszeit, von 24 Stunden war der Erfolg zwar besser, doch 
gelang die „absolute Sterilisation“ auch dieses Mal nicht. Schlossmann 
führte diesen Misserfolg darauf ‚zurück, dass die ersten von der Fabrik ge- 
lieferten Apparate, welche Ozaplewski benutzt hatte, noch nicht in der 
erforderlichen Weise funktionirten, einen zu groben Sprühregen erzeugten und 
nicht die nöthige gleichmässige Vertheilung bewirkten. 

Iodessen waren Üzaplewski bei Verwendung des Glykoformaldesinfektors 
auch alsbald zwei hiervon ganz unabhängige Uebelstände aufgefallen, einmal 
nämlich der klebrige Ueberzug von Glycerin, der alle Objekte bedeckt, 
und dann der sehr intensive Formaldehydgeruch, der sich nicht beseitigen 
liess, und noch Tage lang einen Aufenthalt in dem Zimmer unmöglich machte. 

Elsner und Spiering (38) konnten selbst in den grossen Räumen der 
Charite eine völlige Abtödtung aller Keime (Staph. aureus, Fäces, Kubmist, 
Erde) erzielen, nur bedeckte oder an sehr unzugänglichen Stellen ausgelegte 
Proben zeigten noch ein Wachsthum. Sehr günstige Resultate hatte auch 
Schoenfeld (125); er fand Proben mit Staph. und Milzbrandsporen sicher 
steril, auch wenn sie versteckt lagen oder eingehüllt worden waren. Pfubl 
(103) benutzte einen Raum von 78 cbm und liess in drei grösseren Versuchen 


Vergleichende Untersuchungen über Wohnungsdesinfektion mit Formaldehyd. 593 


2 Liter Glykoformal zuerst 5, dann 24 Stunden einwirken. Es gelaug ihm, 
Staphylokokken, Milzbrandbacillen, Pyocyaneus, sowie Keime in eitrigem Aus- 
wurf an den verschiedensten Gegenständen und Oberflächen (Holz, Tuch, Leder, 
Leinwand, Stein) innerhalb 5 Stunden mit Sicherheit zu vernichten. Auch 
sehr widerstandsfähige Milzbrandsporen wurden stets zerstört. Eine „absolute 
Sterilisation“, d. h. Abtödtung sämmtlicher in dem Staub der Wände, des Fuss- 
bodens, der Möbel, Kleider u. s. w. enthaltenen Dauerformen wurde freilich 
auch bei 24 stündiger Einwirkung nicht erreicht, von den verdeckten, in ver- 
schiedenen Stoffstücken und Kleidertaschen befindlichen pathogenen Keimen 
wurden überall nur die sporenfreien abgetödtet. Kulturen in offenen Reagens- 
gläsern, die senkrecht, wagerecht oder verkehrt aufgestellt waren, blieben 
ebenfalls unbeeinflusst, d. h. das Verfahren versagte in sogenannten todten 
Winkeln. Immerhin kommt Pfuhl aher zu dem endlichen Gesammturtheil, 
dass der Lingner’sche Apparat unter allen gleichartigen am schnellsten und 
sichersten arbeite. 

Flick (43) hat in Krankensälen, deren Grösse von 125—300 cbm schwankte, 
Versuche ausgeführt. Die Formaldehydmenge betrug 41/,—91/, g pro cbm, 
die Einwirkungszeit 5—7 Stunden. Das erste Mal hatte er einen Misserfolg, 
der darauf zurückzuführen sein dürfte, dass gemäss den Angaben Schloss- 
mann’s nur die groben Ritzen und Spalten verstopft worden waren. Das 
nächste Mal wurde daher sorgfältig abgedichtet, und zwar mit Töpferlehm, 
der in cylindrische Streifen gebracht worden war, und es gelangten nun die 
verschiedensten Objekte, Leinen, Porzellan- und Glasscherben, Kinderlöffel, 
Fussboden, Wände mit Leim- und Oelanstrich, die sämmtlich inficirt worden 
waren, zur Verwendung. Alle Proben mit Diphtheriebacillen, selbst die be- 
deckten und unter Decke, Leintuch und Gummieinlage eines Bettes versteckten, 
wurden steril. Von den Proben mit Bact. lactis aörogenes, Staph. aureus, 
Typhusbacillen wurden nur einige wenige aus der Mitte einer Matratze nicht 
abgetödtet. Abscesseiter und Fäces wurden nicht immer keimfrei. In einem 
weiteren, unter den gleichen Bedingungen ausgeführten Versuch zeigten sich 
von 71 mit Staph. aureus inficirten Baumwollläppchen, die auf verschiedenen 
Möbeln (Nachttisch, Arbeitstisch, Wäschekasten, Kinderbett, zwischen Kopf- 
polstern und unter Wolldecken) vertheilt waren, nur vier entwickelungsfähig, 
die aus den Kopfkissen und Matratzen herrührten. Auch Läppchen von 
Sammet und Leder wurden steril. In den ersten Tagen nach Beendigung der 
Desinfektion der Luft des betreffenden Raumes ausgesetzte Platten zeigten sich 
sehr arm an Keimen. 

Sehr günstige Erfolge, allerdings mit grossen Formaldebydmengen, hatte 
auch Friedemann (49). Tupfer, Fäden oder Läppchen, mit Eiter impräg- 
nirt, wurden frei ausgelegt, aber auch unter 8—10 facher Mulllage, unter 
Wolldecken, zwischen Spielzeug versteckt, in Taschen und Vasen immer ste- 
rilisirt. Eine Ausnahme bildeten nur in der Stiefelspitze untergebrachte Proben, 
hier versagten auch Diphtheriebacillen, Staph. aureus und Typhusbacillen. 
Ferner zeigten sich ganz beliebige Gegenstände: Zeitung, Puppenkleid, Woll- 
decke, Papier, Schwamm, Nagelbürste, ebenso Eiter, der an den Wänden, an 
Glas oder an Holz angetrocknet war, durchaus keimfrei. Leick (79) sprach 


594 Reischauer, 


sich im medicinischen Verein zu Greifswald dahin aus, dass der Glykoformal- 
apparat eine völlig genügende Oberflächendesinfektion berbeiführe. Unter- 
suchungen im bakteriologischen Institut in Bern (26) ergaben, dass unmittelbar 
zugängliche Bakterien sowohl im trockenen, wie im feuchten Zustande stets 
abgetödtet wurden, dass dagegen Tuberkelbacillen im Sputum überlebten. 
Sporenhaltiger Subtilis, dann Staph. aureus unter Wolldecken versteckt, zeigten 
nur Entwickelungshemmung. Rossmist wurde nicht steril, besonders wenn er 
sich in Reagenzgläschen befand, in denen übrigens auch Diphtheriebacillen 
im Stich liessen. In den Versuchen von Kaup (70) wurden frei ausgelegte 
Milzbrandsporen und Staph. aureus fast stets, schwerer zugängliche nicht immer 
abgetödtet. Die Sporen von Subtilis und verschiedene andere, aus Gartenerde 
stammende Sporen von besonderer Widerstandsfähigkeit überdauerten die Glyko- 
formalbehandlung stets ohne Schaden. Gruber (59) erkennt in seinem Gut- 
achten an, dass der Lingner’sche Apparat an Sicherheit der Wirkung allen 
anderen überlegen sei. Manshold (84) konnte seine Testobjekte (künstlichen 
Cholera- und Typhusstuhl, Fäces, Eiter, Staph. aureus, Bact. coli, Sporen 
von Milzbrand- und Heubacillen) nicht in allen Fällen abtödten. 

Schneider (123) machte die Beobachtung, dass Bouillon- und Agarstich- 
kulturen der verschiedensten Bakterien von den Dämpfen sehr wenig beein- 
flusst wurden, während bei Plattenkulturen der Erfolg besser war. Milzbrand- 
sporen wurden, frei ausgelegt, steril, bedeckt (geschlossene Schale, Stiefe:) 
dagegen nicht. Streifen von Filtrirpapier, die mit Bouillonkulturen von Sub- 
tilis, Anthrax, Sarcine, Pyocyaneus, Typhus, Tetragenus, Staphylokokkus ge- 
tränkt waren, oder damit inficirte Beinkleider, oder Sand oder Kehricht mit 
der Kultur in offenen Schalen vermischt, wurden, frei ausgelegt, ferner in den 
Taschen eines Officiersmantels oder einer Drillichhose, unter einer Unterlags- 
decke fast stets steril, blieben indessen in einer Ledertasche, im Tornister 
hinter der Klappe, in halb offener Kiste eniwickelungsfähig. Tuberkulöses 
Sputum, feucht und trocken, wurde steril. Infieirte Schwämmchen und Läpp- 
chen, die in Taschen, Aermeln, Stiefeln, Tischladen, unter Decken oder an 
Sesseln angebracht waren, gaben ein sehr günstiges Resultat. Schneider 
kommt daher zu dem Schlusse, dass das Glykoformal eine sichere Oberflächen- 
desinfektion ermöglicht, allerdings muss die Einwirkungsdauer mehr als drei 
Stunden betragen. Zenoni und Coggi (156) erzielten auch in Zimmern von 
30—100 cbm günstige Ergebnisse und halten das Schlossmann’sche Ver- 
fahren für allen anderen überlegen. Endlich mögen noch erwähnt sein die 
Versuche von Thomas und van Houtum (138), von Barone (11), van Er- 
mengem (39) und von Hinz (65), deren Resultate im Wesentlichen die gleichen 
waren. 

Aus allen den besprochenen Mittheilungen geht hervor, dass die bakterio- 
logischen Ergebnisse des Schlossmann’schen Verfahrens ausgezeichnete sind 
und die mit den bisher beschriebenen Apparaten erzielten übertreffen, wenn 
auch eine vollkommene Sterilisation der Zimmer, wie sie Schlossmann 
zuerst behauptet, nicht erreicht wird. Leider krankt indessen die sonst s0 
vorzügliche Methode an einigen schweren Mängeln, die ihrer Verwendung in 
der Praxis im Wege stehen. Zunächst gilt das von der schon erwähnten 


Vergleichende Untersuchungen über Wohnungsdesinfektion mit Formaldehyd. 595 


klebrigen Glycerinschicht, die sich auf allen Objekten bildet und sich manch- 
mal gar nicht wieder entfernen lässt. Ob sie sich durch starkes Heizen der 
Zimmer trocknen und so unschädlich machen lässt (Zenoni und Coggi 156), 
mass noch fraglich erscheinen. Hierzu kommt dann ferner der äusserst inten- 
sive Gerwch, ja die unmittelbare Giftwirkung der erzeugten und zurückblei- 
benden Formaldehyddämpfe, die nach den Beobachtungen von Schoenfeld 
(125), Flick (43) u. A. Meerschweinchen, Kaninchen u. s. w. tödten können. 
Trotz ausgiebiger Lüftung und Anwendung von Ammoniak ist dieser Uebel- 
stand nicht zu beseitigen, und die Zimmer werden deshalb für mehrere Tage 
unbewohnbar. Endlich ist auch der Preis des Verfahrens ein hoher; der Ap- 
parat kostet 80 Mk., 1 L. Glykoformal 4 Mk. und die Desinfektion eines 
mittleren Wohnraumes mindestes 8—10 Mk. Der Apparat ist zudem recht 
komplicirt gebaut und seine Reinhaltung und Reparatur erschwert. Nicht 
selten werfen die Düsen auch einen so derben Flüssigkeitsstrahl aus, dass 
die Umgebung völlig durchnässt wird. Die Formaldehydmenge ist unverhält- 
nissmässig gross, und van Ermengem (39) z. B. sagt, der Apparat erzeuge 
eine wahre Ueberflutbung mit einem thenren Desinficiens, mache die Objekte 
schmierig und feucht und greife oft auch die Politur der Möbel an. Freilich 
beruht gerade auf der Anwendung so grosser Mengen von Formalin ohne 
Zweifel im Wesentlichen die Ueberlegenheit der Methode. Haben doch 
Schneider (123), Kaup (70), Czaplewski (24) u. A. zu zeigen vermocht, 
dass unter sonst gleichen Bedingungen bei Benutzung von glycerinfreier Flüssig- 
keit, also von gewöhnlichem Formalin, die nämlichen Ergebnisse erzielt werden 
können, und damit dürfte das Schlossmann’sche Verfahren als solches hin- 
fällig sein. 

Einer mit Glycerin versetzten Lösung bedient sich ferner auch Macken- 
zie (83), die auf 1 L. Wasser 24 ccm Formalin und ebensoviel Glycerin ent- 
hält. Diese Mischung wird mit Hülfe eines „Equifex Sprayer“ genannten Ap- 
parates auf die Wände versprüht, und seit 4 Jahren sollen mehr als 2000 Zim- 
mer und Wohnungen so mit gutem Erfolge desinficirt worden sein. 

Harrington (63) benutzte einen von der Sanitary Construction Company 
hergestellten Apparat. Derselbe verwendet auch Formalin, welches einer er- 
hitzten spiraligen Röhre zugeführt und so verdampft wird. 

Haben diese Methoden bisher doch nur in beschränkten Kreisen Anwen- 
dung gefunden, so ist dagegen ein weiteres hierher gehöriges Verfahren, das 
von Flügge (44) und seinen Schülern ausgearbeitet und empfohlen worden 
ist, rasch zu allgemeiner Anwendung und Einführung gelangt. Zur Erzeugung 
des Formaldehyds verdampft Flügge stark verdünnte wässerige For- 
malinlösungen. In derartig verdünnten Lösungen bleibt die Polymerisirung 
aus, die bei stärkeren Koncentrationen stets eintritt und der Verwendung des 
reinen, einfachen Formalins bisher im Wege gestanden hatte. Es ist sicher- 
lich ein grosses Verdienst von Flügge, diesen Nachweis erbracht und damit 
einen der wichtigsten praktischen Fortschritte auf dem ganzen Gebiete ange- 
babnt zu haben. Genauere Mittheilungen über diese Dinge finden sich in der 
auf Veranlassung von Flügge ausgeführten Arbeit von v. Brunn (18). Der 
genannte Forscher konnte feststellen, dass auch Lösungen von 20—30 pÜt. 


596 Reischauer, 


immer noch polymerisiren, da hierbei weniger Formaldehyd verdampft als 
Wasser, die Lösung also immer koncentrirter wird und die festen Polymeren 
sich darin ausscheiden müssen. Geht man aber zu noch stärkerer Verdün- 
nung über, so wird schliesslich gerade umgekehrt im Verhältniss mehr Form- 
aldehyd verdampft als Wasser, und der Rest zeigt am Ende eine geringere 
Koncentration wie die ursprüngliche Lösung, eine Polymerisation tritt also 
nicht mehr ein. Bei einer Lösung von 7—8& pCt. liegt etwa die Mitte zwischen 
beiden Grenzen, hier bleibt der Formaldehydgehalt während der Verdampfung 
ungefähr derselbe (8:6 pCt.), und Flügge benutzt daher auch eine derartige 
etwa 8proc. Formaldehydlösung, die man durch Mischung von einem Theil 
Formalin und vier Theilen Wasser herstellt. 

Die Polymerisirung im Raum selbst wird durch den zugleich entwickelten 
reichlichen Wasserdampf verhindert. Die Verdampfung erfolgt in einem 
einfachen flachen Kessel mit Hülfe eines Spiritusbrenners; beide sind in einem 
Mantel von Eisenblech untergebracht, der die Umgebung vor Feuersgefahr 
schützt und dem Ganzen eine handliche Form giebt. Die Firma Schering 
hat die Herstellung wieder aufgegeben, indessen kann der Apparat von einem 
geschickten Klempner für etwa 40—50 Mk. hergestellt werden. 

Um die Anwendung dieses Verfahrens in der Praxis möglichst zu erleich- 
tern, sind jedem Apparat Tabellen beigegeben, nach denen die für jeden 
Fall erforderlichen Mengen von Formalin, Wasser und Spiritus rasch und 
sicher berechnet werden können. Für die Belehrung der mit Handhabung 
des Verfahrens betrauten Desinfektoren trägt ferner eine genaue Dienstanwei- 
sung Sorge, nach der namentlich auf eine zuverlässige Abdichtung der 
Zimmer durch feuchte Wattestreifen geachtet werden soll. 

Ausserdem ist Flügge noch bemüht gewesen, die Dauer der Desinfek- 
tion möglichst abzukürzen. Sie wird auf 7 Stunden angesetzt, so dass die 
ganze Procedur mit Vorbereitung, den nachherigen Aufräumungsarbeiten u. s. w. 
in höchstens 12 Stunden beendet sein kann. Immerhin ist auch diese Frist 
für ärmere Familien mit kleinen Wohnungen, wie sie ja für die Praxis in 
erster Linie in Betracht kommen, noch reichlich laug, und es empfiehlt sich 
daher, in diesen Fällen die Zeit auf die Hälfte, auf 31/, Stunden zu beschränken, 
aber dann zur Wahrung des Erfolges die doppelte Formaldehydmenge anzu- 
wenden, d. h. statt 250 g für 100 cbm 500 g zu verdampfen. Ferner weist 
Flügge auf die Wichtigkeit einer gründlichen Entfernung des intensiven und 
schädlichen Geruches hin, der eine Benutzung der behandelten Räume, be- 
sonders als Schlafzimmer, unmöglich machen kann. Einfaches Lüften hilft 
sehr wenig, auch das Aufwischen oder Besprengen des Fussbodens mit Am- 
moniak oder Aufstellen von Gefässen mit demselben, womit man bisher aus- 
gekommen war, zeigte sich bei den grösseren Formaldehydmengen nicht wirk- 
sam genug. Wohl aber liess sich durch Verdampfen der käuflichen 
25 proc. Ammoniaklösung und halbstündige Einwirkung der Dämpfe eine 
genügende Bindung des noch in Gasform vorhandenen Formaldelhyds erreichen, 
und zwar recbnet man auf 100 cbm Raum und 500 g Formaldehyd etwa 
800 ccm der 25proc. Ammoniaklösung. 

v. Brunn (18) berichtet nun über eine Reihe von Desinfektionsversuchen, 


Vergleichende Untersuchungen über Wohnungsdesinfektion mit Formaldehyd. 597. 


die in Breslau nach diesen Vorschriften ausgeführt wurden. Als Testobjekte 
dienten mit Diphtheriebacillen, Staphylokokken, Milzbrandsporen, Pyocyaneus 
and Riter beschickte und getrocknete Deckgläschen oder Leinenläppchen und 
Holzstückchen, theils aber auch die mit den gleichen Keimen inficirten Fuss- 
böden, Wände und andere Gegenstände. Die Diphtheriebacillen, die ja für 
die Verhältnisse der Praxis von besonderer Bedeutung sind, wurden ausnahmslos, 
selbst unter den schwierigsten Bedingungen abgetödtet, ebenso der Bacillus 
pyoeyaneus. Milzbrandsporen und der Staph. aureus wurden sicher steril, 
wenn sie für die Dämpfe leicht zugänglich waren, dagegen blieben sie meist 
lebend an warmen Ofenröhren, unter Möbeln mit sehr geringem Abstand vom 
Fussboden und im hinteren Theile von halb ausgezogenen Schubladen. Die 
Desinfektion in 31/, Stunden mit der doppelten Menge Formaldehyd lieferte 
ungefähr dieselben Erfolge, wie die von 7 Stunden und gewöhnlicher Kon- 
centration. 

Weitere Untersuchungen wurden im bakteriologischen Institut zu Bern (26) 
angestellt. Es gelang in zwei Reihen von Experimenten, alle ausgelegten 
Proben abzutödten, nur die Tuberkelbacillen in frischem Sputum und der Bac. 
subtilis zeigten sich noch entwickelungsfähig. Auch Kaup (70) gelangte zu 
günstigen Ergebnissen. In seinen 5 Versuchen wurden von den frei ausge- 
legten Proben mit Milzbrandsporen 89 pCt., von Staph. aureus 97,5 pCt. steril. 
Waren beide verdeckt und also vom Gase schwer zu erreichen, so wurden 
30,8 pCt. resp. 36,5 pCt. vernichtet. Von Diphtheriebacillen wurden in einem 
Falle 42 ausgelegte Proben steril, in einem anderen von 48 Proben nur 6 
bedeckte oder schwer zugängige nicht steril. Gruber (59) spricht sich in 
seinem Gutachten sehr günstig über die Einfachheit und praktische Verwend- 
barkeit des Verfahrens aus. 

Abba und Rondelli (5) hatten äbnlich wie bei ihren früher besproche- 
nen Versuchen mit dem „kombinirten Aeskulap“ zwar bei künstlich herge- 
stellten Bakterienproben ganz günstige Resultate, in verschiedenartigem Ma- 
terial, das sie den Zimmern selbst entnahmen, wie Staub von den Möbeln, 
von Decke, Fussboden u. s. w., waren die sehr resistenten Dauerformen dagegen 
häufig nicht abgetödtet. 

Weitere Arbeiten rühren von Gorini (55), Zenoni und Coggi (156), 
Netschadimenko (92) und Anderen her, die sich alle im Grossen und 
Ganzen günstig über das Flügge’sche Verfahren aussprechen. Nur Nowack 
(96) hatte mangelhafte Ergebnisse. Er konnte in 18 Versuchen durchschnitt- 
lich kaum 18 pCt. der ausgelegten Proben desinficiren, doch sind auch bier 
wie bei den Versuchen mit dem „kombinirten Aeskulap“ die oben bereits 
erörterten Einwände von M. Neisser (91) gegen die ganze Ausführung und 
Anordnung der Experimente nicht ohne Berechtigung. Uebrigens spricht sich 
auch Nowack für möglichste Abkürzung der Einwirkungszeit aus. Da aus 
den Untersuchungen von v. Brunn (18) hervorgeht, dass sich gleich nach 
beendeter Verdampfung nur noch 12—16 pCt. des verdampften Formaldehyds 
in der Luft nachweisen lassen, so muss sich der ganze Rest mit dem Wasser- 
dampf auf den Wänden und Gegenständen kondensirt haben, und es erscheint 


43 


598 Reischauer, 


daher rationeller, möglichst koncentrirte Niederschläge kurze Zeit als kleine 
Mengen viele Stunden hindurch einwirken zu lassen. 

Für die Verwendung im Kriege modificirte Pfuhl (104) das Verfahren 
dahin, dass er anstatt Formalin Schering’sche Pastillen verwandte, da diese 
sich bedeutend leichter verpacken und mitführen lassen. Sie werden in heissem 
Wasser gelöst, und im Uebrigen wird ganz nach den Flügge’schen Angaben 
verfahren. Pfuhl wies durch praktische Versuche die Brauchbarkeit dieses 
Verfahrens nach. 

Die Nachprüfungen der Methode von Flügge hatten nach alldem völlig 
befriedigende Resultate. Da ferner die Handhabung des Verfahrens einfach 
und bequem, die Kosten aber relativ geringe sind und nur etwa 4 Mk. für 
100 cbm Raum betragen, so empfiehlt sich dasselbe gerade für die Bedürf- 
nisse der Praxis gewiss in hohem Maasse. 

Die Verwendung von stark verdünnter wässeriger Formalinlösung hat sich 
aber nun auch noch in etwas anderer Form Eingang zu verschaffen gewusst. 
So benutzte Czaplewski (24) in Köln nach dem Vorbilde der alten Lister- 
schen Versprüber zunächst ein Dampfinhalationsgebläse, das die Formalin- 
lösung zerstäubte und erreichte schon so günstige Resultate. Später kon- 
struirte er einen eigenen Apparat, der in kurzer Zeit grössere Formalinmengen 
in feinster Vertheilung in die Luft bringt. In einem Cirkulationskessel, der 
aus einem Siedekessel- und einem grösseren, mit jenem durch zwei Robre, 
eines für das erhitzte, das andere für das abgekühlte Wasser, verbundenen 
Wasserkessel besteht, wird mit Hülfe eines Spiritusgaskochers, dessen Flamme 
den Siedekessel von allen Seiten umgiebt, Wasser verdampft; die Feuergase 
nehmen dabei ihren Weg in den Schornstein, der den Wasserkessel durchsetzt 
und so noch zur Erwärmung desselben beiträgt. Oben ist der Kessel mit 
einem Sicherheitsventil und dem Dampfrohr versehen, welches in eine Düse 
ausgeht. Letztere saugt aus einem seitlich angebrachten Blechtopf die For- 
malinlösung auf und versprüht sie in feinster Vertheilung. Der „Spraywinkel“ 
ist umgeben von einem Blechmantel, der alle gröberen Tropfen abfasst und 
in den Topf zurückleitet. Der Apparat, unter dem Titel „Colonia“ von der 
Firma F. und M. Lautenschläger für den Preis von 65 Mk. in den Handel 
gebracht, ist für je 50 cbm. Raum berechnet. Die Füllung beträgt im Kessel 
1500 cem Wasser, in der Spraykanne 500 ccm Formalin + 500 ccm Wasser, 
im Brenner 250 ccm Spiritus. Czaplewski rechnet also für 1 cbm Raum 
4 g Formaldehyd, die Einwirkungsdauer soll 7 Stunden betragen. Im Uebri- 
gen wird die Desinfektion ganz nach den Flügge’schen Vorschriften aus- 
geführt, aber es bedarf nach der eben gegebenen Beschreibung des Apparates 
wohl keines Hinweises mehr darauf, dass hier nicht wie beim Flügge’schen 
Apparat die Formalinlösung selbst verdampft und so das Gas erzeugt wird, 
sondern die Lösung als solche in tropfbar flüssigem Aggregatzustande 
mitgerissen und in den Raum übergeführt wird. 

Versuche mit dem Apparat lieferten nun durchaus günstige Resultate. 
Alle pathogenen Keime wurden sicher abgetödtet, nur die Milzbrandsporen 
widerstanden nicht selten der Einwirkung. Auf Grund dieser Erfolge ist 


Vergleichende Untersuchungen über Wohnungsdesinfektion mit Formaldehyd. 599 


das Verfahren in Köln eingeführt worden und hat sich dort jetzt schon bei 
über 500 praktischen Desinfektionen durchaus bewährt. 

Dem Kölner Verfahren ist das von Prausnitz (108) in Graz angegebene 
sehr ähnlich. Prausnitz fand in Uebereinstimmung mit den früheren Ver- 
sachen von v. Brunn (18), dass selbst beim Verdampfen verdünnter Formalin- 
lösungen noch eine geringe Polymerisirung eintritt — nach v. Brunn etwa 
2pCt. —, und auch er wählte daher den Spray, um das Formalin wirklich 
obne jeden Verlust quantitativ in dem Raum zu vertheilen. Nachdem er zu- 
nächst einen einfachen Papin’schen Topf, dessen Dampfrohr in eine Spray- 
düse auslief, verwendet, konstruirte er später einen besonderen Apparat, dessen 
Herstellung die Firma Baumann in Wien übernommen hat. Dieselbe liefert 
zwei Modelle, das kleine, A, fasst 3 Liter Wasser und kostet ohne Zoll und 
Fracht 42 Mk., das grössere, B, fasst 6 Liter und kostet 60 Mk. Aus einem 
Rupferkessel mit Verschluss und Sicherheitsventil wird der Dampf durch zwei 
Rohre abgeleitet, die am Boden des Kessels direkt mit der Spirituslamme in 
Berührung kommen. Bei A läuft das Dampfrohr in zwei, bei B in 4 Düsen 
aus, welche die Formalinlösung aus einem Behälter am Kesselmantel ansaugen 
und zu einem Nebel versprühen, der durch die herbeigeführte Ueberhitzung 
des Dampfes ein besonders feiner wird. 

Die von Prausnitz ausgeführte bakteriologische Untersuchung dieses 
Apparates lieferte vortreffliche Ergebnisse; nur ganz versteckt ausgelegte 
Proben von Staph. aureus blieben am Leben. Eine von Kaup (70) vorge- 
nommene Nachprüfung hatte ebenfalls befriedigende Resultate. Kaup konnte 
Milzbrandsporen in 98,1 pCt., Staph. aureus in 97,7 pCt. der Proben abtödten. 
Waren dieselben verdeckt oder schwer zugänglich, so wurden 62,5 pCt. resp. 
76 pCt. steril. Diese Zahlen, besonders soweit sie sich auf die versteckt 
liegenden Testobjekte beziehen, waren also noch etwas günstiger, als die bei 
den ebenso angestellten Versuchen mit dem „kombinirten Aeskulap“ und dem 
Breslauer Apparat erhaltenen. Gruber (59) führt diesen Unterschied darauf 
zurück, dass die kräftigen Dampfstrahlen des Prausnitz’schen Apparates die 
Luft des ganzen Raumes in viel lebhaftere Bewegung setzen und so den Zu- 
tritt des Gases zu den sogenannten todten Winkeln befördern. 

Ob man das Formalin also verdampft oder versprüht, ist für den Erfolg 
augenscheinlich ohne besondere Bedeutung, und nur in praktischer Beziehung 
macht sich ein gewisser Unterschied geltend. Die Sprühapparate bieten den 
Vortheil, dass sie entschieden weniger Spiritus verbrauchen, da man nur die 
Hälfte oder 2/3 der ganzen Wassermenge zu verdampfen braucht, und das 
Uebrige eben durch den Spray in die Luft gebracht wird. Aus demselben 
Grunde ermöglichen sie auch eine sehr schnelle Gasentwickelung. Es kommt 
deshalb, wie auch Flügge (45) bemerkt, zu einer höheren Koncentration des 
Formaldehyds und so zu gesteigerter Wirkung. Auch ist die Ausnutzung des 
Formalins eine etwas bessere, da, wie wir gesehen haben, beim Verdampfen 
immer ein gewisser Verlust durch Polymerisation eintritt, und ferner, um das 
Ausbrennen zu vermeiden, eine gewisse Flüssigkeitsmenge im Kessel verbleiben 
muss (etwa 600 ccm), die dann meist fortgegossen wird und bei einem durch- 


43* 


600 Reischauer, Vergleichende Untersuchungen über Wohnungsdesinfektion u.s.w. 


schnittlichen Gehalt von 4—6 pCt. Formaldehyd (nach v. Brunn) immerhin 
einen merklichen Verlust darstellt. 

Auf der anderen Seite hat man dem Spray den Vorwurf gemacht, dass 
durch Verspritzen grösserer Tropfen auf den Fussboden ein Verlust eintrete. 
Der Apparat von Czaplewski sucht das durch den Kondensator zu vermei- 
den; bei dem von Prausnitz dagegen sieht man in der That entlang den 
Dampfstrahlen feuchte Streifen auf dem Fussboden erscheinen, die indessen im 
Verlauf von wenigen Stunden verdunsten, und von einer Üeberschwemmung 
der Umgebung, die man behauptet hat, kann schlechterdings nicht die Rede 
sein. An dem Apparat von Czaplewski wäre dagegen noch auszusetzen, 
dass sich nicht selten die eine für den Austritt des Dampfes bestimmte Düse 
verstopft, wie ich selbst beobachten konnte, und dass dann natürlich der Des- 
infektionsvorgang überhaupt unterbrochen wird, während es für den Apparat 
von Prausnitz ganz gleichgültig ist, ob derselbe mit 8 oder 4 Düsen sprüht. 
Man hat weiter noch hervorgehoben, dass in Folge der gröberen Vertheilung 
der Flüssigkeit in der Luft eine zu schnelle Kondensation auf den Flächen 
des Raumes statthabe. Aber auch beim Breslauer Apparat: vollzieht sich doch 
sehr bald eine Verdichtung des Dampfes zu feinstem Nebel, sodass der Ag- 
gregatzustand der Lösung bei beiden Methoden schon in der Luft der gleiche 
wird. Endlich wollen Flügge (45), sowie Rubner und Peerenboom (117) 
eine ungleichmässige Verbreitung des Formaldehyds im Raume wenigstens 
beim Schlossmann’schen Sprayverfahren beobachtet haben. Für die Appa- 
rate von Czaplewski und Prausnitz trifft dieses Bedenken aber nicht zu, 
hier ist im Gegentheil in Folge der kräftigen Durchwirbelung der Luft, wie 
wir gesehen haben, selbst bei schwer erreichbaren Proben eine bessere Wirk- 
samkeit vorhanden. Ein gewisser Mangel der Sprühapparate ist indessen wohl 
in der Thatsache zu suchen, dass man die Desinfektion nicht von aussen, 
vermittelst Einleitung der Dämpfe durchs Schlüsselloch bewerkstelligen kann. 
Doch liesse sich auch diesem Uebelstande wohl dadurch abhelfen, dass man 
nur das Sprühgefäss im Zimmer, den Dampferzeuger dagegen ausserhalb unter- 
bringt und beides durch einen Schlauch mit einander verbindet, wie das in 
einem kleinen Modell von Baumann ausgeführt ist. 

Endlich mag hier noch ein Verfahren Erwähnung finden, das von der 
Gesellschaft „Transportabler Dampfentwickler“ in Berlin angekündigt worden 
ist. Es sollen hier eiserne Bolzen glühend gemacht und im „Dampfentwickler* 
im Zimmer aufgestellt werden, dann wird durch das Schlüsselloch verdünntes 
Formalin eingeleitet und durch die glühenden Bolzen sehr schnell verdampft. 
Im Wesentlichen haben wir es also hier mit der alten Methode von Rothe- 
Grünewald zu thun, die auf das Formalin angewandt ist. Dunbar (147) 
hatte bei einer Prüfung des Verfahrens ebenso günstige Resultate, wie mit 
dem Breslauer Apparat (bei 2,5 g Formaldehyd pro cbm und 7stündiger Ein- 
wirkung). Sehr störend wurde indessen die geringe Handlichkeit und die 
Naothwendigkeit empfunden, ein starkes Feuer zur Erhitzung der Bolzen zu 
unterhalten. Die Gesellschaft hatte auch dem hiesigen hygienischen Institut 
einen Apparat zur Nachprüfung angeboten, zur Uebersendung desselben ist es 
jedoch nicht gekommen. 


T r — — — 


Middelton, Beitrag zur Unterscheidung gekochter und ungekochter Milch. 601 


Sind einerseits die Vortheile einer Bindung des Formaldehyds an 
Wasserdampf unverkennbar, so haben wir auf der anderen Seite doch auch 
einige Mängel dieses Verfahrens kennen gelernt. Stets wird die Temperatur 
der Objekte, die Beschaffenheit ihrer Oberfläche und ihre Affinität zum Wasser 
von Einfluss sein auf sich bildende Niederschläge und somit auf den Des- 
infektionserfolg. Diese Niederschläge machen es auch unmöglich, dass die 
Gase tiefer in die Objekte eindringen, es kann nur eine geringe Diffusion bei 
der Verdunstung der Flüssigkeit an der Oberfläche zu Stande kommen. 

Aus diesem Grunde sind einige französische Methoden neuerdings von der 
Verwendung des Wasserdampfes abgekommen und suchen, ähnlich wie bei 
Rosenberg, die Polymerisation auf andere Weise zu verhindern. 
Sedan und Fraissinet (128) verdampfen zu dem Zweck Trioxymethylen zu- 
sammen mit Methylalkobol. Mit Hülfe der leicht flüchtigen und diffusiblen 
Alkoholdämpfe soll das Durchdringungsvermögen des Formaldehyds erhöht 
und eine grössere Tiefenwirkung erreicht werden. Aehnlich geht Fournier 
(46) vor, er verwendet eine Mischung von 3 Theilen Formaldehyd mit 1 Theil 
90 proc. Alkohol und 1 Theil Aceton, einem Produkt der Holzdestillation, 
welches sehr flüchtig ist und einen niedrigen Siedepunkt besitzt. Von diesem 
sogenannten „Formaceton“ werden 25 ccm auf 1 cbm Raum berechnet. Four- 
nier (46) selbst, ferner Miquel (89) und du Bois Saint-Seyrin und Bon- 
nefoy (14) haben mit diesem Verfahren Versuche angestellt und gute Resul- 
tate erzielt. Indessen sind noch weitere Nachprüfungen nöthig, bevor man 
ein endgültiges Urtbeil über den Werth dieser Methoden abgeben kann. 

(Fortsetzung folgt.) 


(Aus dem hygien. Institut der Universität zu Berlin.) 


Beitrag zur Unterscheidung gekochter und ungekochter Milch. 
Von 
Dr. Middelton. 


In dieser Zeitschrift ist bereits vor längerer Zeit!) von Rubner auf die 
Möglichkeit hingewiesen worden, durch ein einfaches Verfahren gekochte 
und ungekochte Milch zu unterscheiden. Es wurde vorgeschlagen, das 
Kasein aus der Milch durch Eintragen von Kochsalz abzuscheiden, und das 
Filtrat durch Aufkochen auf seinen Gehalt an Laktalbumin zu prüfen. Die 
Anwesenheit koagulirbaren Eiweisses beweist, dass man es entweder mit unge- 
kochter oder mit Gemengen gekochter und ungekochter Milch zu thun hat. 
lch habe in einigen Fällen nach diesen Gesichtspunkten eine normale Milch 
untersucht, um über die unter den genannten Verhältnissen auftretende Eiweiss- 
menge einige Anhaltspunkte zu gewinnen. 

Je 500 ecm Milch wurden mit je 160 g käuflichen Kochsalz versetzt, 


1) Diese Zeitschr. 1895. No. 22. 


602 Luft. 


gut geschüttelt bis zur Lösung der grössten Menge des Salzes, dann bei 45° 
einige Zeit gebalten. Die Filtratmenge bewegte sich sehr konstant zwischen 
355—370 cem; das Filtrat war immer klar und bernsteingelb. Beim Aufkochen 
schied sich ein voluminöses Koagulum ab, das auf gewogenem Filter gesammelt 
und ausgewaschen wurde. Von dem Filtrat wurde nach Kjeldahl auch der 
Stickstoff bestimmt. In vier näher verfolgten Fällen wurde gefunden, be- 
rechnet auf die Filtratmenge im Ganzen: 
Eiweiss davon pCt. N-Menge im 


Gramm Asche Filtrat in Gramm 
1,818 6,92 0,444 
1,295 6,92 0,439 
1,521 7,75 0,424 
1,722 _ 0,472 

Im Mittel also 
1,589 7,29 0,445 


Die vier Milcharten zeigen demnach zwar einige Abweichungen, stimmen 
aber doch insoweit überein, dass man gewiss in der Lage ist, auch festzu- 
stellen, ob grössere Zusätze von gekochter Milch zu ungekochter stattgefunden 
haben. Das Verfahren genügt also den hygienischen Anforderungen; mit kleinen 
Mengen gekochter Milch wird Niemand frische Milch fälschen. 

Die erhaltene aschefreie Riweissmenge war 1,473 g; nimmt man für das 
Laktalbumin denselben N-Gehalt an wie für das Serumalbumin, so entspricht 
obige Eiweissmenge (1,473 X 0,152) — 0,223 g N; sonach trafen in dem 
Filtrat der Aussalzung 49,9 pCt. auf Eiweiss-N. Es ist wohl verständlich, 
dass man bei diesem Vergleich ein noch weitaus werthvolleres Kriterium zur 
Beurtheilung etwaiger Milchverfälschung erhält. 


Brunck 0., Die quantitative Bestimmung des Ozons. Ber. d. deutsch. 
chem. Gesellsch. 1900. Bd. 38. S. 1832. 

Die quantitative Bestimmung des Ozons in Gasgemischen lieferte 
bei Anwendung einer neutralen Jodkaliumlösung völlig falsche, viel zu nie- 
drige Werthe, während man bei Verwendung einer angesäuerten Jodkalium- 
lösung richtige Werthe erhält. Verf. empfiehlt eine 2/‚.-Normallösung (mit 
33,1 g Jodkalium im Liter), die mit der berechneten Menge Essigsäure oder 
Schwefelsäure angesäuert ist, zu benutzen und nach beendigtem Versuche nur 
einen aliquoten Theil dieser Lösung mit 1/199 Normal-Natriumthiosulfat zu 
titriren. Will man den Fehler, der durch die im Ozoniseur vielleicht gebildete 
salpetrige Säure entstehen könnte, beseitigen, so wäscht man das Gas mit kon- 
centrirter Schwefelsäure, welche die salpetrige Säure absorbirt, ohne das Ozon 
anzugreifen, während die von Cossa hierfür vorgeschlagene Kalilauge zersetzend 
auf Ozon wirkt. 

Erwähnt muss noch werden, dass die von Teklu (vergl. Referat in dieser 
Zeitschr. 1901. S. 61) als Wirkungswertb für 1 ccm ?/ıoo Normal-Natrium- 
thiosulfat = 0,00008 g Ozon angegebene Zahl nicht richtig ist, da 1 cem der 


Wasser. 603 


Messflüssigkeit 0,00024 g Ozon oder 0,00008 g „wirksamen Sauerstoffes“, 
welche Bezeichnung Brunck vorschlägt, entspricht. 


Wesenberg (Elberfeld). 


Kaess M., Ueber die Sterilisation von Wasser durch Jod, Chlor und 
Brom. Pharm. Zeitg. 1900. No. 49. S. 471. 

Verf. stellte seine Versuche theils mit stark verunreinigtem Regen- oder 
Mainwasser, theils mit in sterilisirtem Wasser suspendirten Kulturen von 
B. coli, Typhus und Cholera an. Nach Zusatz von 10 Tropfen Jodtinctur 
bezw. Lugol’scher Lösung zu 1 L. der genannten Flüssigkeiten wurde völlige 
Abtödtung in 10 Minuten nicht erzielt, mit Ausnahme der Typhusbacillen. 
Durch 0,15 g Chlorkalk und 8 Tropfen Salzsäure auf 1 L. Wasser wurde 
nach 1/astündiger Einwirkungszeit völlige Sterilität erzielt; zur Bindung des 
Chlors wurde 0,3 g Natriumsulfit benutzt. Bei Benutzung der Schumburg- 
schen Bromlösung (vergl. das Referat in dieser Zeitschrift. 1900. S. 730) 
waren die genannten Flüssigkeiten nach 5 Minuten völlig steril. Aus diesen 
Versuchen ergiebt sich, dass- Jod in der für die Praxis brauchbaren Koncen- 
tration absolut ungenügend ist; dagegen ist der Chlorkalk nach !/, Stunde und 
die Schumburg’sche Bromlösung nach 5 Minuten im Stande, ein ungemein 
stark bakterienhaltiges Wasser in ein keimfreies zu verwandeln. In Folge 
des bedeutend geringeren Preises wird also für gewöhnlich der Chlorkalk zur 
Verwendung kommen; wenn es aber darauf ankommt, wie z. B. im Felde, 
möglichst rasch ein keimfreies Trinkwasser zu gewinnen, so ist unbedingt das 
Brom vorzuziehen. Der Geschmack des mit Brom bezw. Chlor behandelten 
Wassers ist bei Benutzung der dazu nothwendigen Neutralisirungsmittel völlig 
indifferent und nicht im Geringsten unangenehm. 

Wesenberg (Elberfeld). 


Gruber M., Ueber den Handel mit Eis. Das Oesterr. Sanitätsw. 1900. 
No. 28. 

Gruber erkennt die Möglichkeit einer gelegentlichen Infektion durch Ver- 
wendung von unreinem Eis an, hält aber die Gefahr nicht für gross, da doch 
nur selten grössere Mengen von Eis genossen werden und die pathogenen 
Keime im Eis allmäblich absterben. Es ist zwar durch die Versuche ver- 
schiedener Forscher sichergestellt, dass sich pathogene Keime im Eis auch 
länger lebensfähig erhalten können, doch allmählich sterben dieselben ab. 
Schon nach den bestehenden Gesetzesbestimmungen kann die Verwendung von 
Eis verboten werden, das aus Wasser hergestellt ist, welches direkten Ver- 
unreinigungen ausgesetzt ist. Die Zahl eigener Kunsteisfabriken in Oesterreich 
ist eine noch sehr kleine. Solchen Fabriken, die ihr Eis direkt als Speise- 
eis in den Handel bringen, liesse sich ganz gut vorschreiben, dass sie ihre 
Wasserbezugsquelle sowohl durch die bakteriologische als auch chemische 
Untersuchung für geeignet zu erweisen haben, und dort, wo diese Bedingungen 
nicht zutreffen sollten, dürfte nur sterilisirtes Wasser zur Eiserzeugung in Ver- 
wendung kommen, dieser Punkt müsste aber von den hierzu berufenen Or- 
ganen streng überwacht werden. Eventuell wären periodische bakteriologische 


604 Ernährung. 


und chemische Untersuchungen des in den Handel gebrachten Eises vorzu- 
schreiben. Auch bei der Aufbewahrung von Eis ist die entsprechende Rein- 
lichkeit einzuhalten, speciell sollten die Eiskeller vor jeder neuen Benutzung 
gründlich gereinigt werden. Hammer (Brünn). 


Blauberg, Experimentelle Beiträge zur Frage über den Mineralstoff. 
wechsel beim künstlich ernährten Säugling. Zeitschr. f. Biol. 1900. 
Bd. 40. S. 1. 

Blauberg, Ueber den Mineralstoffwechsel beim natürlich ernährten 
Säugling. Ebenda. S. 36. 

Werthvolle Untersuchungen an den von Rubner und Heubner ander- 
weitig untersuchten Kindern (vergl. diese Zeitschr. 1900. S. 232). Das 
atrophische, mit Kuhmilch ernährte Kind nutzte die Aschenbestandtheile 
seiner Nahrung zu 54 pCt., bei Kufeke’s Mehlnahrung dagegen nur zu 33 pCt. 
aus. Das normale Flaschenkind resorbirte die Mineralbestandtheile der 
Kuhmilch zu 61 pCt., während für Erwachsene die analogen Zahlen bei 
Milchnahrung 51,55 und 75 pCt. waren (Rubner). 

Neben der Unzweckmässigkeit der Kindermehle auch nach dieser 
Hinsicht hat sich noch die geringere Ausnutzung der Mineralstoffe in 
der Kuhmilch bei starker Verdünnung geltend gemacht. 

Ein natürlich ernährter Säugling (5 Monate alt) nutzte die Salze der 
Muttermilch zu 82 pCt. aus, eine Zahl, die aufs Beste mit Rubner’s Be- 
obachtung übereinstimmt, dass ein 9 Wochen altes Brustkind eine Ausnutzung 
von 79 pCt. zeigte. Also auch die Salze der Menschenmilch werden vom 
Säugling besser resorbirt als die der Kuhmilch. Bei der Fütterung mit 
Kuhmilch findet ferner eine Ueberfütterung auch mit Salzen statt, die 
durch die Verdünnung mit Milch nur einseitig ausgeglichen wird. Eine 
Ueberschwemmung des Säuglings mit Wasser und mit Eiweiss durch Kub- 
milch haben ja bereits kürzlich Rubner und Heubner nachgewiesen. 

E. Rost (Berlin). 


. 

Schoenstadt A., Ueber vegetarische Ernährung und ihre Zulässig- 
keit in geschlossenen Anstalten und bei Menschen, welche sich 
in einem Zwangsverhältniss befinden. Deutsche Viereljahrsschr. f. 
öffentl. Gesundheitpfl. Bd. 32. S. 597. 

Nachdem der Verf. im ersten Theil seiner Arbeit an der Hand der That- 
sachen der Erfahrung und der Ernährungslehre den Nachweis geführt, dass 
die vegetarische Ernährung aus physiologischen und wirthschaftlichen 
Gründen zu verwerfen ist, beschäftigt sich der zweite Theil der Arbeit mit 
der speciellen Frage, ob die vegetarische Ernährung in geschlossenen An- 
stalten und bei Menschen zulässig ist, welche sich in einem Zwangs- 
verhältniss befinden. Berücksichtigt sind hier Findel- und Krippen- 
anstalten, Waisenhäuser, Armen- und Siechenhäuser, Gefängnisse und Straf- 
anstalten, Kranken- und Irrenanstalten und endlich die Bemannung und die 


Ernährung. 605 


Passagiere der Schiffe. Die Frage erfährt nach allen in Betracht kommenden 
Richtungen eine ebenso gründliche wie sachgemässe Darstellung, die in fol- 
genden Schlusssätzen gipfelt: 

1. Die von den Vegetariern aufgestellten Behauptungen, dass die vege- 
tarianische Ernährungsweise die dem Menschen zukommende, natürliche sei, 
sind unbaltbar. 

2. Mit der vegetarischen Ernährung sind schwere Gefahren verbunden: 
a) dadurch, dass die zugefübrten Nahrungsstoffe dem Bedürfniss des Organis- 
mus nicht genügen, b) dadurch, dass sie zu schweren Verdauungsstörungen 
führen. 

3. Vom sanitätspolizeilichen Standpunkte ist die vegetarische Ernährung 
unzulässig in geschlossenen Anstalten und bei Leuten, die sich in einem Zwangs- 
verhältniss befinden. Roth (Potsdam). 


Schattenfroh, Respirationsversuche an einer fetten Versuchsperson. 
Arch. f. Hyg. 1900. Bd. 38. S. 98. 

Verf.'s Versuche an einer fetten und Rubner’s Beobachtungen an einer 
mageren Person im Respirationsapparat zeigen, dass zwischen 25 und 
30° C. ein nennenswerther Unterschied in der Wasserdampfabgabe des 
Körpers im nackten Zustande nicht besteht, dass erst jenseits dieser Tem- 
peratur sie wesentlich differiren, bei 37° beispielsweise die abgegebenen Wasser- 
mengen des Fetten zu denen des Mageren sich wie 1,4 zu 1 verhalten. Bei 
gesteigerter Wärmeproduktion (körperlicher Arbeit im bekleideten 
Zustande) trat eine grosse Steigerung der Wasserdampfausscheidung unter 
lebhafter Schweisssekretion beim Fetten ein, die Eigentemperatur stieg dabei. 
Der Fette vermag also nicht sich so vollständig zu entwärmen wie der 
Magere, ein Beweis für die bekannte hohe Resistenz des fetten Menschen 
gegen Wärmeverluste. Das grössere Bedürfniss des Fetten nach 
Wasser bei Wärme und Arbeit wird leicht zum überreichlichen Genuss von 
Getränken, insbesondere Alkohol, führen können. E. Rost (Berlin). 


Pfaundier, Zur Kenntniss der Endprodukte der Pepsinverdauung. 
Zeitschr. f. physiol. Chem. 1900. Bd. 30. S. 90. 

Nach unseren bisherigen Anschauungen (Kühne) bleibt die Trypsin- 
verdauung des Eiweisses tbeilweise beim Antipepton stehen, während 
ein anderer Theil, das Hemipepton, weiter zu krystallinischen Produkten 
(Leucin, Tyrosin u. s. w.) gespalten wird; die Eiweissverdauung durch Pepsin 
geht nur bis zu Albumosen und Peptonen, die noch Eiweisskörper im 
weiteren Sinne des Wortes sind. Kutscher (1899) ist es gelungen, durch 
lang iortgesetzte Verdauung mit Trypsin auch das Antipepton zu zerlegen, 
und in Hofmeister’s Institut haben E. Zuntz und Pick (1899) gefunden, 
dass die Eiweisszerlegung mit Pepsin bis zu Körpern geht, die nicht mehr 
eiweissartig sind. Verf. hat nach halbjähriger Pepsineinwirkung aus 
Eiweiss aussalzbare Substanzen (Albumosen) beinahe gar nicht, wohl aber 
N-baltige Substanzen gefunden, die die Biuretreaktion der Peptone nicht 
mehr geben, durch Phosphorwolframsäure auch nicht direkt fällbar 


606 Ernährung. 


sind (Aminosäuren), wohl aber nach voraufgegangenem Zerkochen mit Salz- 
säure sich damit ausfällen lassen und u. A. Leucin enthalten. 

Wenn sich diese Versuchsergebnisse durch Reindarstellung der Substanzen 
bestätigen, würden sie unsere Kenntniss über die Pepsinverdauung wesentlich 
umgestalten und einen Einblick in den Aufbau der Eiweisskörper gestatten. 

E. Rost (Berlin). 


Loewy A. und Cohn, Ueber die Wirkung der Teslaströme auf den 
Stoffwechsel. Berl. klin. Wochenschr. 1900. No. 34. S. 751. 

Die von d’Arsonval den Teslaströmen (elektrischen Strömen ausser- 
ordentlich hoher Spannung mit starker Wechselzahl) zugeschriebene Anre- 
gung des Stoffwechsels hat in 8 Versuchen am Menschen nicht bestätigt 
werden können. Gemessen wurde der Stoffwechsel am Sauerstoffverbrauch und 
der Kohlensäurebildung. Verantwortlich für d’Arsonval’s Versuchsergebnisse 
werden accidentelle Reize gemacht. E. Rost (Berlin). 


Blum L., Ueber den Nährwerth der Heteroalbumose des Fibrins und 
der Protalbumosen des Caseins. Zeitschr. f. physiol. Chemie. 1900. 
Bd. 30. S. 15. 

Besonders durch Hofmeister’s und seiner Schüler Untersuchungen über 
die Stickstoffbindung u.s. w. wissen wir, dass die Eiweisskörper sich 
untereinander viel wesentlicher unterscheiden, als man bis jetzt annahm, und 
dass dies noch mehr von ihren Spaltungsprodukten gilt. Verf. hat unter 
Hofmeister’s Leitung in sehr interessanten Stoffwechselversuchen einen Bei- 
trag zur Beantwortung der Frage geliefert, ob die Eiweisskörper, die ja 
in Form ihrer Abbauprodukte (Albumosen, Peptone) resorbirt werden, physio- 
logisch gleichwerthig sind. Er verfütterte an Hunde die in hinreichend 
reinem Zustande darstellbare Heteroalbumose (aus Fibrin) und zwei Proto- 
albumosen (aus Casein). Nur die beiden Protoalbumosen waren im Stande, 
das Eiweiss des Fleisches zu vertreten, nicht aber die Heteroalbumose; ihr 
müssen also chemische Eigenschaften oder Elementargruppen fehlen, die die 
beiden primären Albumosen besitzen. Die verschiedene Bindung des N (Amid-, 
Diamino- und Monoamino-N) kann nun die Ursache nicht sein; „dem Organis- 
mus ist es wenigstens innerhalb gewisser Grenzen möglich, beim Processe 
des Ansatzes die verschiedenen Formen der N-Bindung ohne Verlust 
und erheblichen Arbeitsaufwand in einander überzuführen.“ Wohl aber 
kann die Gegenwart anderer Gruppen, wie des Glykokolls, dafür verant- 
wortlich gemacht werden, von dem die Heteroalbumose wie der Leim reichlich 
enthalten. Diese Glykokollgruppe wird vor dem Ansatz abgespalten und dient, 
wie verfüttertes Glykokoll, zur Harnstoffbildung, kommt also für den Nähr- 
werth nicht in Betracht. So würde sich erklären, dass die Heteroalbumose 
Eiweiss zu ®/jo, Leim dasselbe zu 5/, ersetzen kann. 

Inwieweit von Eiweiss ferner als Heteroalbumose stehende Bruchstücke 
im Stoffwechsel als Riweisskörper funktioniren können, müssen weitere Ver- 
suche zeigen. E. Rost (Berlin). 


Ernährung. 607 


Wohlgemuth, Beitrag zur Zuckerabspaltung aus Eiweiss. Berl. klin. 
Wochenschr. 1900. No. 34. S. 745. 

In den Eiweisskörpern stecken mindestens drei verschiedene, gut unter- 
scheidbare Gruppen: die Hemigruppe, durch Trypsin ganz spaltbar, im Gegen- 
satz zur zweiten, der Antigruppe, und endlich die Kohlehydratgruppe; bezüg- 
lich ihrer Menge können die einzelnen bis zum vollständigen Fehlen wechseln. 
In den bisherigen Untersuchungen über die Zuckerabspaltung ist grössten- 
theils eine Reinigung der untersuchten Eiweisskörper von dem sehr verbreiteten 
Mucoid versäumt worden; der als Osazon gefundene Zucker war, mit Aus- 
nahme des Eieralbumins, nur in sehr geringer Menge vorhanden. 

Verf. giebt nun an, durch Aenderung der üblichen Methode, indem er das 
Eiweiss nicht mehr 2—3 Stunden lang mit 3—5 proc. Salzsäure über freiem 
Feuer erhitzte, sondern nur einige Minuten lang aber unter Anwendang von 
9-10 pCt. HCl, und unter Reinigung des Osazons mit Pyridin und Ligroin, 
bedeutend grössere Ausbeuten erhalten zu haben. Wenn das Gramineen- 
eiweiss, aus dem er Zucker abspalten konnte, wirklich rein war, wäre es das 
erste unter den Pflanzeneiweissen, in dem ein Kohlehydrat nachgewiesen 
wurde. Im Milchalbumin fand er das Osazon einer Hexose (CgH,20%), 
im Nucleoproteid der Leber das einer Pentose (C,H,,0;; eventuell Be- 
siehung zur Pentosurie). Auch für diese positiven Befunde muss die absolute 
Reinheit des Ausgangsmaterials erst erwiesen werden. Casein, Vitellin, 
Gelatine enthalten auch nach ihm ein Kohlehydrat nicht. 

E. Rost (Berlin). 


Krummacher, Ueber den Einfluss subkutan injieirter verdünnter 
Chlornatriumlösung auf die Eiweisszersetzung. Zeitschr. f. Biol. 
1900. Bd. 40. S. 173. 

Eine einmalige Einspritzung einer 0,7 proc. NaCl-Lösung unter die 
Haut ergab bei einem Hund (210 ccm auf 9 kg Körpergewicht) eine geringe 
Vermehrung der N-Ausfuhr in den Exkreten. Diese Zahl lässt sich weder im 
Sinne des Verf.’s (keine oder nur geringe Steigerung des Eiweisszer- 
falls), noch überhaupt sicher deuten, da der Versuch nicht im N-Gleich- 
gewicht angestellt ist, sondern an einem Thier, das dauernd nur etwa ®/,, vom 
N der eingenommenen Nahrung in den Exkreten eliminirte. 

E. Rost (Berlin). 


Lährig H, Ueber Resorptionsfähigkeit und Verseifungsgeschwin- 
digkeit einiger Nahrungsfette. Chem.-Ztg. 1900. S. 646. 

Nach einer Angabe von J. Koenig soll zwischen der Verseifbarkeit 
und der Verdaulichkeit eines Fettes ein Zusammenhang derart bestehen, 
dass, je leichter eine Fettart verseifbar ist, dieselbe auch um so resorptions- 
fähiger, d. b. schneller und leichter verdaulich ist. 

Verf. bestimmte nun an Sesamöl, Butter, Margarine, Schweineschmalz, 
Kokosbatter und Baumwollensamenöl unter genau gleichen Bedingungen die 
Verseifungsgeschwindigkeit und fand, dass bei allen 6 Proben die Verseifung 
nahezu gleichmässig verläuft, also grundsätzliche Unterschiede nicht bestehen, 


608 Ernährung. 


und dass „sofern die Relation zwischen Resorptionsfähigkeit und Verseifungs- 
geschwindigkeit eines Fettes überhaupt besteht, das Argument der leichteren 
Verseifbarkeit und mithin Verdaulichkeit der Butter gegenüber den anderen 
5 Fettarten hinfällig ist“. 

Zur Methodik ist zu bemerken, dass Verf. sich der „kalten Verseifung* 
bediente, da die „heisse Verseifung“ za rasch vor sich ging. Genau 1g des 
betreffenden Fettes wurde im Schott’schen Erlenmeyer-Kolben mit 15 ccm 
Petroläther und 10 cem alkoholischer Kalilauge von bestimmter Koncentration 
stehen gelassen und nach bestimmter Zeit durch Säure der Alkaliüberschuss 
zurücktitrirt. Die Koncentration der Lauge wurde für die einzelnen Fettarten 
derartig gewäblt, dass der nach Beendigung der Verseifung noch verbleibende 
Ueberschuss an freiem Alkali nicht nur sehr gering, sondern bei allen Fett- 
arten auch nahezu der gleiche (14—17 mg) war. 

Wesenberg (Elberfeld). 


Genther Th., Ueber eine Modificirung der Welmans’schen Reaktion. 
Zeitschr. f. öffentl. Chem. 1900. S. 328. 

Um den Nachweis von Pflanzenfetten im Schweineschmalz mit 
Hilfe der Welmans’schen Reaktion zu verschärfen, hat Verf. die Versuchs- 
bedingungen etwas abgeändert; mit dieser Modifikation soll die Beurtheilung 
dadurch wesentlich erleichtert werden, dass reine Schweinefette nur leicht 
gelbgrüne, pflanzenölhaltige dagegen, selbst bei geringer Verfälschung, mög- 
lichst dunkelgrüne Färbungen geben. Zur Darstellung des Reagens über- 
giesst G. 5 g des gepulverten, reinen phosphormolybdänsauren Natriums mit 
25 ccm Wasser und fügt sofort 30 g reine koncentrirte Salpetersäure (1,39[!] 
spec. .Gew.) hinzu; diese Lösung ist etwa 1 Jahr haltbar. Von dem heissen, 
klar filtrirten Fette wägt Verf. 5 g in ein Reagensglas, giebt 3 g reinstes 
Chloroform hinzu und aus einer Pipette etwa 20 Tropfen des Reagens; dann 
wird sofort und kräftig durchgeschüttelt und die innerhalb von 2 Minuten 
auftretende Färbung beobachtet; ist das Fett auch nur mit 5 pCt. (nicht 
raffinirten und ungebleichten) fetten Oelen vermischt, so tritt längstens inner- 
halb 2 Minuten eine dunkelblaugrüne Färbung ein; eine später als nach 2 Mi- 
nuten auftretende Grünfärbung darf nicht mehr berücksichtigt werden. 

Wesenberg (Elberfeld). 


Messner, Hans, Ueber Milchkontrole. Das Oesterr. Sanitätsw. 1900. 
No. 24 u. 25. 

Der Verkehr mit Milch sollte in zweifacher Hinsicht einer strengen 
Kontrole unterstellt werden. Einestheils um die oft im Grossen betriebenen 
Verfälschungen der Milch hintanzubalten, durch welche das konsumirende 
Publikum finanziell geschädigt wird, anderentheils aber um zu verhüten, dass 
durch den Genuss von Milch, wie es jetzt gar nicht so selten geschieht, Krank- 
heiten übertragen werden. 

Im ersteren Falle kann es sich handeln: 1. um einfachen Zusatz vun 
Wasser zur Milch, 2. um Entziehen eines Theiles des in der Milch enthaltenen 
Fettes, 3. um Kombination beider, also um Fettentzug sammt Wasserzusatz, und 


Ernährung. 609 


4. um Zusatz von Konservirungsmitteln zur Milch. Hierbei sind besonders jene 
Methoden zu berücksichtigen, welche den Marktorganen rasch orientirenden 
Aufschluss verschaffen könned. In dieser Beziehung empfiehlt Messner das 
Laktodensimeter von Quevenne, speciell die in München üblichen kurzen 
Laktodensimeter, die sich auch bei kleinen Gefässen verwenden lassen, und 
das Pioskop von Heeren. Beanstandete Milchproben müssen dann einer 
genaneren chemischen Untersuchung unterzogen werden. Grobfällige Zusätze 
von Konservirungsmitteln kann das Marktorgan gleichfalls durch kleine Vor- 
proben ermitteln, wie durch Prüfung der Reaktion der Milch mit Lakmus- 
papier oder eine alkoholische Phenolphtaleinlösung (1:30) oder durch Prüfung 
mit Jodtinktur auf eventuellen Zusatz von Mehl u. s. w. 

Bezüglich des zweiten Punktes, eventuelle Uebertragung von Krankheits- 
keimen durch Milch, kann nur eine strenge Sanitätspolizei Abhilfe schaffen. 
Der Verkehr mit Milch muss streng überwacht werden. Die Zwischenhändler 
sollten streng in Evidenz geführt werden, dieselben hätten ihre Bezugsquellen, 
sowie Aenderungen derselben anzugeben und für die Eignung und Reinigung 
ihrer Verkaufslokale Sorge zu treffen. Personen, welche mit dem Milch- 
geschäfte zu thun haben, wären periodisch auf ihren Gesundheitszustand zu 
untersuchen. 

Gegen die Gefahr der Uebertragung von Tuberkulose durch Milch wäre 
zu verordnen, dass Vieh mit Allgemeintuberkulose oder mit Tuberkulose des 
Euters principiell für den Milchbezug ausgeschlossen sei. Länder, wie Däne- 
mark und Norwegen, können in dieser Beziehung als nachahmenswerthe Vor- 
bilder dienen, indem dort alles Viel, das sich bei der prophylaktisch durch- 
geführten Tuberkulinimpfung als krank erweist, von der Fortzucht ausge- 
schlossen wird. 

Ein besonderes Augenmerk verdienen die sogenannten Centralmolkereien, 
die unter ständiger sanitätspolizeilicher und veterinärpolizeilicher Untersuchung 
stehen sollten. Hammer (Brünn). 


Reinsch A. und H. Lührig, Ueber die Veränderlichkeit der Milchtrocken- 
sabstanz und deren Werth für die Beurtheilung von Marktmilch. 
Zeitschr. f. Untersuch. d. Nahrungs- u; Genussm. 1900. S. 521. 

Die analytisch ermittelte Trockensubstanz der Milch bleibt bei 
älteren Proben häufig nicht unbedeutend hinter der nach der Fleischmann- 
schen Formel aus dem specifischen Gewicht und dem Fettgehalt berechneten 
Menge zurück. Die in dieser Beziehung angestellten Versuche der Verff., bei 
denen an einer Anzahl Milchproben der Gehalt an Trockensubstanz in ver- 
schiedenen Zeitabständen bis zum Gerinnen festgestellt wurde, ergaben, dass 
unzweifelhaft von Tag zu Tag eine Verminderung der Trockensub- 
stanz (die bis zu 1 pCt. betragen kann) stattfindet; irgend welche 
Regelmässigkeiten in der Abnahme konnten nicht festgestellt werden; die 
Grösse der Abnahme ist verschieden und wohl ausser von der Temperatur in 
erster Linie von dem Grade der Reinheit der Milch in Bezug auf Zahl und 
Arten der Mikroorganismen abhängig. Da beim Stehenlassen der Milch das 
specifische Gewicht derselben auffallender Weise keine oder doch 


610 Ernährung. 


nur belanglose Veränderungen erfährt, muss der Substanzverlust erst 
beim Eiudampfen und Eintrocknen erfolgen, indem Produkte bakterieller Zer- 
setzung ete. entweichen; als solche konnten die Verff. u. a. flüchtige Säuren 
nachweisen. In Folge der Inkonstanz der Trockensubstanz empfehlen Verf., 
bei der Ableitung einer etwa vorliegenden Verfälschung lediglich die aus dem 
specifischen Gewicht und Fett nach der Fleischmann’schen Formel berech- 
neten Trockensubstanzwerthe zu Grunde zu legen. 

Zum Wassernachweis bedienen sich Verff. fast ausschliesslich des spe- 
cifischen Gewichts des Milchserums, welches beim Stehen der sauren 
Milch auch innerhalb 48—72 Stunden sich nicht oder nur unwesentlich ver- 
ändert; erst bei einer Aufbewahrung von melır als 3 Tagen nach dem Ge- 
rinnen der Milch können die Differenzen so grusse sein, dass das specifische 
Gewicht des Milchserums nicht mehr für die Beurtheilung der Milch wird 
herangezogen werden können. Wesenberg (Elberfeld). 


Ambühl G., Zur Frage der Uebereinstimmung der gewichtsanalytisch 
ermittelten mit der berechneten Milchtrockensubstanz. Chem. 
Zeitg. 1900. S. 871. 

In Folge der vorstehend referirten Veröffentlichung von Reinsch und Lührig 
stellte Verf. die Ergebnisse der in der Zeit vom März 1899 bis August 1900 von 
ibm analytisch ermittelten und nach der Fleischmann’schen For- 
mel berechneten Werthe für die Milchtrockensubstanz zusammen. 
Die Proben (116) waren, wie es die Praxis ergiebt, theils frisch, theils 1, 
theils 2 Tage alt zur Untersuchung gelangt. In 96,5 pCt. aller Bestin- 
mungen betrug die Differenz zwischen berechneter und gefundener 
Trockensubstanz weniger als 0,1 pCt., der grösste Unterschied war 
0,15 pOt. Infolgedessen darf man also die mittels der Fleischmann’schen 
Formel berechnete Milchtrockensubstanz ganz wohl als den dem wirklichen, 
durch Wägung ermittelten Gehalt entsprechenden Werth zur Taxation der Milch- 
qualität verwenden. Bemerkenswerth ist, dass die berechnete Trockensubstanz 
auch in extremen Fällen (bei starker Abrahmung, wie bei hohem Wasser- 
gehalt, selbst bei ausnahmsweise hohem Fettgehalt) mit der gewogenen gut 
übereinstimmt. Wesenberg (Elberfeld). 


Sieber, Ueber die Umikoff’sche Reaktion in der Frauenmilch. Zeit- 
schrift f. physiol. Chem. 1900. Bd. 30. S. 101. 

Verfasserin bestätigt die Brauchbarkeit der Umikoff’schen Reak- 
tion (wird Frauenmilch mit dem halben Volumen 10 proc. wässriger Am- 
moniaklösung 15—20 Minuten im Wasserbade auf 600 C. erwärmt, tritt 
eine violettröthliche Färbung ein) zur Unterscheidung der Frauen- 
milch von der Milch der Kuh und anderer Pflanzenfresser und zur Erken- 
nung der Dauer der Laktation, indem die Intensität des Farbentons 
mit dieser bis zum 8. Monat zunimmt. Vom 8. Laktationsmonat an ist diese 
Reaktion nicht mehr regelmässig zu erhalten. 

Durch ein fixes Alkali oder durch organische Basen ist Ammoniak nicht er- 
setzbar. Als Ursachen für die Reaktion werden der Milchzucker und die 


Ernährung. ’ 611 


Citronensäure angesehen. Kuhmilch unterscheidet sich von Frauen milch 
durch einen sehr viel böheren Gehalt an Kalk als an Citronensäure (eigene 
Analysen). In der Menschenmilch wird also Citronensäure beim Erwärmen 
nicht völlig durch Kalk ausgefällt werden, sondern in Lösung bleiben, wäh- 
rend bei dem Ueberschuss von Kalk in der Kuhmilch sämmtliche Citronen- 
säure niedergeschlagen wird. Die Kuhmilch giebt mit diesem Reagens eine 
gelbe bis gelbbraune Färbung. E. Rost (Berlin). 


Süss P., Zum Nachweise von Natriummono- und -bikarbonat in der 
Milch. Pharmac. Centralh. 1900. S. 465. 

Der Nachweis von Alkalikarbonat in der Milch gelingt leicht, wenn 
man zu 100 ccm Milch 5—10 cem einer Alizarinlösung (zu 0,2 pCt. in 
90 proc. Alkohol durch gelindes Erwärmen gelöst) zugiebt; die Milch nimmt 
dann noch bei einem Gehalt von 0,05—0,1 pCt. Natriummono- oder -bikar- 
bonat eine sehr deutliche Rosafärbung an, während Alkalikarbonat-freie Milch 
gelblich gefärbt erscheint. Dieser Nachweis soll nach dem Verf. schärfer sein, 
als die (von Ernst Schmidt empfohlene) Rosolsäureprobe. 

Auch bei der Bestimmung der Alkalinität des Wassers soll die Ali- 
zarinlösung empfindlicher sein als Rosolsäure. Wesenberg (Elberfeld). 


Süss P., Ueber den Salicylsäure-Nachweis in der Milch. Pharm. 
Centralh. 1900. S. 487. 

Zum Salicylsäure-Nachweis in der Milch koagulirt Verf. die Milch 
nach der Soxhlet’schen Methode (100 ccm Milch werden mit 1,5 cem 2Oproc. 
Calciumchloridlösung auf 80° erwärmt) und lässt das klare Filtrat tropfen- 
weise aus einem Scheidetrichter durch eine möglichst hohe Aetherschicht von 
50 ccm fallen. Der Aetherrückstand wird dann mit Eisenchlorid geprüft; es 
lassen sich so noch 0,005 g Salicylsäure in 100 ccm Milch nachweisen. Lässt 
man dagegen die Milch direkt durch Aether fallen, ohne sie vorher zu koa- 
guliren, so kann man immer noch etwa 0,01 pCt. Salicylsäure nachweisen; 
störend wirkt aber hierbei der geringe Fettgehalt des Aetherrückstandes. 
Aus diesen Versuchen ergiebt sich auch, dass der etwa 0,2 pCt. betragende 
Citronensäuregehalt der Kuhmilch praktisch den Salicylsäurenachweis in letz- 
terer nicht beeinflusst. Wesenberg (Elberfeld). 


Hanus Jos. und Alb. Stocky, Ueber die chemische Einwirkung der 
Schimmelpilze auf die Butter. Zeitschr. f. Untersuch. d. Nahrungs- 
u. Genussm. 1900. S. 606. 

Um das Wachsthum von Schimmelpilzen auf Butter zu erforschen, 
wurde Butter, die weder abgeschmolzen noch sterilisirt war, in dünner Schicht 
auf Glasplatten gestrichen, mit Reinkulturen der verschiedensten Schimmel- 
Pilze geimpft und an einem dunklen feuchten Orte aufbewahrt. Das Wachs- 
tbum gestaltete sich folgendermaassen: Um die Kultur des Verticillium 
glaucum herum bildete sich schon am zweiten Tage ein gelber Kreis, . der 
sich stets vergrösserte, während die Butter einen schimmeligen Geruch an- 
nahm. Botrytis cinerea begann am 4. Tage zu wachsen, Mucor mucedo 


612 . Ernährung. 


am 6., Mucor racemosus am 7. Tage. Eurotium repens vegetirte nur 
in ganz geringem Maasse, Penicillium glaucum zeigte nur sehr langsames 
Wachsthum, ebenso entwickelte sich Aspergillus niger nur schwach und 
Mucor stolonifer überhaupt nicht. Nach 3 Monaten war Mucor race- 
mosus am besten gewachsen, allerdings nur an der Oberfläche, während 
Mucor mucedo die ganze Butter durchwuchs. Interessant ist, dass bei diesen 
Versuchen sich gleichzeitig das immer in der Butter vorhandene Oidinm 
lactis in bedeutendem Maasse entwickelte, dessen Wachsthum also von den 
Schimmelpilzen unterstützt wird; auf ungeimpften, dem Licht ausgesetzten 
Proben kam Oidium lactis nur sporadisch vor, auf Proben dagegen, die 
im Dunkeln aufbewahrt waren, fand es sich in grösserer Menge. 

Die Analyse der Butterproben, welche mit den oben erwähnten Schimmel- 
pilzen inficirt waren, wurde nach 3 Monaten vorgenommen; ausser einem be- 
trächtlichen Ansteigen der Säurezahl, die aber auch bei der uninficirten Con- 
trolprobe nicht unwesentlich gestiegen war, war nur die Reichert-Meissl- 
sche Zahl um ein Geringes vermehrt, während Verseifungs- und Jodzahl mit 
der ursprünglichen übereinstimmt. 

Eine Butterprobe, welche ein Jahr lang der Einwirkung des Mucor 
mucedo unterworfen war, zeigte folgende Veränderungen: 

Versuchsprobe Kontrolprobe ursprünglich 
mit Schimmel- ohneSchimmel- erhaltene 


pilzen pilze Werthe 
Säurezahl . . 2 2 20202020...1095 107,0 5,1 
Verseifungszabll . . . 2.2... 217,8 222,1 226 
Aetherzabl . . . 2.2 2.2.2...1586,3 162,2 _ 
Reichert-Meissl’sche Zahl. . . 24,0 24,3 27,17 
Menge der flüchtigen Säuren. . . 4,9 pCt. 4,96 pCt. 5,10 pêt. 
Molekulargrösse derflüchtigenSäuren 102,2 102,1 93,70 
Menge der freien flüchtigen Säuren 0,55 pCt. 0,40 pCt. _ 
Molekulargewicht d. freien flücht. S. 144 154 _ 
Jodzabl . . . . 2.8362 34,1 36,2 


In beiden Proben: wurden grosse Mengen Oïdium lactis gefunden; da nun 
die schimmelfreie Probe ganz analoge Veränderungen, wenn auch in ge 
ringerem Grade, zeigte, wie die mit Mucor inficirte Probe, so können wir nur 
annehmen, dass die durch andere Ursachen bedingten Veränderungen der Butter 
durch die Gegenwart der Schimmelpilze nur beschleunigt werden. 

Unter Berücksichtigung der Thatsache, dass in manchen Schimmelpilzen 
(wie Penicillium glaucum, Aspergillus niger) sowie in anderen Pilzen (Empusa, 
Inzenzea asterosperma) Enzyme gefunden sind, die den lipolytischen Fermenten 
angehören und eine Spaltung der Glyceride zu bewirken vermögen, stellt sich 
Verf. die Lebensthätigkeit der Schimmelpilze in der Butter folgendermaassen 
vor: In der ersten Entwickelungsperiode werfen sich die Schimmelpilze in 
der Butter nur auf die Nährsubstanzen (Milchzucker und Casein) und scheiden 
dann, nach Aufzehrung dieser, Enzyme in grösserem Maasse aus, welche das 
Butterfett spalten und den Schimmelpilzen das abgespaltene Glycerin als Nähr- 


Ernährung. 613 


stoff zugänglich machen; von den freigewordenen Fettsäuren scheinen ausser- 
dem noch diejenigen von kleinerer Molekulargrösse assimilirt werden zu können. 
Wesenberg (Elberfeld). 


Baumert G., Ueber das S. Keil’sche Verfahren zur gleichzeitigen 
Gewinnung von Stärke und Kleberteig für Bäckereizwecke und 
dergl. D. R.-P. No. 102465. Zeitschr. f. angew. Chem. 1900. S. 805. 

Bei der Weizenstärkefabrikation wird der physiologisch werthvollste Theil 
des Weizenkornes, der „Kleber“, kaum berücksichtigt, derselbe geht entweder 
völlig verloren, oder aber wird zu technischen Zwecken oder als Viehfutter 
verwendet. Das neue Verfahren von S. Keil zur gleichzeitigen Ge- 
winnung von Stärke und Kleberteig für Bäckereizwecke nutzt nun 
das gesammte Weizenkorn aus, indem es neben der Stärke den Kleber in 
einer praktisch verwendbaren Form abscheidet. Nach dem Patent wird das 

Mehl mit etwa der gleichen Menge 0,2 proc. Calecinmhydroxydlösung (der Zu- 

satz schwankt entsprechend der wasserbindenden Kraft der Mehle) in einem 

besonderen Rührapparate etwa 45 Minuten lang durchgearbeitet, bis eine salben- 
artige dickflüssige Masse entstanden ist; diese wird dann in einer Centrifuge 
ausgeschleudert (12—15 Minuten lang bei 1000—1200 Umdrehungen pro 

Minute), wobei sich an den Wandungen der. Centrifuge die Stärke in fester 

Schicht ablagert, während sich im Innern der sogenannte Kleberteig als zu- 

sammenbängende, in der Bäckerei und bei der Nudelfabrikation sofort ver- 

wendbare Masse befindet. Die Rohstärke wird dann in üblicher Weise gereinigt. 

Bei einer Beschickung von 100 Pfd. Mehl und etwa ebenso viel Kalkwasser 

resaltiren durchschnittlich 125 Pfd. Kleberteig und 75 Pfd. Rohstärke, aus 

welcher 50—55 Pfd. Reinstärke gewonnen werden. Der geringe Zusatz von 

Calciumoxydhydrat ist für die Verwendung des Kleberteiges zu menschlichen 

Genusszwecken ganz unbedenklich (es wird bei der Gährung in Caleiumcar- 

bonat verwandelt bezw. überhaupt neutralisirt), begünstigt aber die Trennung 

des Klebers von der Stärke. 

Verf. analysirte eine Anzahl Proben, welche er in einer Dampfbäckerei 
und Nudelfabrik zu Halle a. S., die nach dem Keil’schen Verfahren arbeitet, 
entnahm: 


N-freie 
N-Substanz Fett Extraktivstoffe Mineralstoffe 
Aus 100 Theilen 
Mehl mit . . 11,69 1,50 71,62 0,59 Th. 


in die Rohstärke 
übergegangen . 1,42 (12,15) 0,15(10,00) 44,49 (62,12) 0,21 (85,59 pCt.) 
in dem Kleberteig 
verblieben . . 10,27 (87,85) 1,35 (90,00) 27,13 (37,88) 0,88 (64,41 „ ) 
Der Kleberteig kann ohne weiteres als Zusatz- und Bindemittel zur Her- 
stellung von Teig- und Backwaaren benutzt werden, da derselbe die Back- 
fähigkeit begünstigt und in Folge dessen die Beimischung ausländischer (russi- 
scher) Mehle entbehrlich macht. 
Die Analysen von einigen mit steigenden Mengen von Kleberteig (2, 3 und 


614 Ernährung. 


4 Theile Kleberteig auf 10 Theile Teig) hergestellten Roggenbroten ergab 
eine nicht unbedeutende Erhöhung der Stickstoffwerthe. 
Mittel für 
deutsches Roggenbrot 
I Ik HI. nach J. König 


Wasser . . . . . 38,53 37,65 87,98 42,27 
N-Substanz. . . . 7,87 8,45 8,82 6,11 
Fett. 22 . . . 0,16 017 020 0,43 
N-freie Extraktstoffe 52,74 52,18 51,56 49,24 
Rohfaser . . . . 1,04 0,86 0,72 0,49 
Mineralstoffe . . . 0,46 0,69 0,72 1,46 


Etwa nicht sofort verwertheter Kleberteig wird entweder direkt oder nach 
vorherigem Auswaschen getrocknet und liefert dann ein dem Aleuronat- 
Hundhausen (welches allerdings 80—82 pCt. N-Substanz enthält) ähnliches 
Produkt, mit folgenden Analysenwerthen: 


Wasser N-Substanz Fett 
Kleberpulver ungewaschen 11,52 pCt. 33,31 pCt. 0,71 pCt. 
A gewaschen . 7,08 „ 66,56 „ 2,95 „ 
N-freie Extraktivstoffe Mineralstoffe 
53,62 pCt. 0,84 pCt. 
22,45 „ 0,96 „ 


Wesenberg (Elberfeld). 


Fanto R., Ueber Leguminosenbrot. Zeitschr. f. angew. Chem. 1900. 
S. 979. i 

Um die Leguminosen mit ihrem hohen Eiweissgehalt zur Brotbe- 
reitung benutzen zu können, empfiehlt Verf. einen Zusatz von 4-5 plt. 
getrockneten Weizenklebers zu Bohnenmehl, welches in Folge seiner hellen 
Farbe in erster Linie in Betracht kommt. Mit Hefe hergestellt, besitzen diese 
Brote einen faden Geschmack; wird aber Sauerteig verwendet und als Ge- 
schmackskorrigens Kümmel, Fenchel oder Anis in geringer Menge zugesetzt, 
so resultirt ein wohlschmeckendes Brot. Der frisch gewaschene Weizen- 
kleber, der feucht sehr leicht in Fäulniss übergeht, trocknet bei 40—45° C. 
im Vakuum in nicbt zu dicker Schicht rasch ein zu einer gelblichen Masse 
von unbegrenzter Haltbarkeit, ohne von seiner Quellungsfähigkeit zu verlieren. 

Wesenberg (Elberfeld). 


Hahn M. und Geret L., Ueber das Hefe-Endotrypsin. Aus dem hygien. 
Institut der Universität München. Zeitschr. f. Biol. 1900. Bd. 40. S. 117. 
Der aus Hefezellen nach Zertrümmerung derselben mittels geeigneter 
Reibmethode durch hohen Druck ausgepresste Zellinhalt schliesst auch ein 
kräftig wirkendes proteolytisches Enzym ein, welches nicht nur das reich- 
lich vorhandene Eiweiss des Presssaftes selbst, sondern auch andere Eiweissstofe 

zu hydratisiren vermag. 
Die stickstoffhaltigen Substanzen werden dabei in der Weise ser- 


Ernährung. 615 ° 


legt, dass am Schlusse von dem Stickstoff der Verdauungsprodukte ungefähr 
30 pCt. auf die Basen und 70 pCt. auf.die Amidosäuren vertheilt sind, im 
gleichen Verhältniss wie diese Körper auch in dem vom Eiweiss befreiten 
frischen Presssafte gefunden werden. 

Die Xanthinkörper, welche in geringer Menge (50—100 mg pro 100 cem 
Presssaft) auftreten, zeigen insofern ein interessantes Verhalten, als sie unter 
normalen Umständen nach der Verdauung noch in latenter Form vorhanden 
sind und nur durch Kochen mit einigen Säuren manifest werden. Bei Gas- 
durchleitung (ausser Kohlensäure) zu Anfang der Verdauung und beim Eva- 
kuiren des Saftes während der ganzen Dauer der Proteolyse werden die Xanthin- 
körper direkt fällbar. Die Wirkung dieser Manipulationen muss auf die Ent- 
fernung der in Folge der Hydratationsvorgänge auftretenden Kohlensäure 
zurückgeführt werden. Doch bleibt die Möglichkeit bestehen, dass ausser der 
Kohlensäure noch andere chemische Substanzen oder physikalische Bedingungen 
eine Latenz der Xanthinkörper zur Folge haben können. 

Der grossentheils organisch gebundene Phosphor wird bei der Digestion 
zu 4/s—5/ę in Phosphorsäure übergeführt, und zwar kann der grösste Theil 
schon nach einstündiger Digestion bei 370 C. in dieser Form nachgewiesen 
werden. 

Die Menge der Schwefelsäure, deren Schwefel in frischem Presssaft !/, 
des Gesammtschwefels beträgt, steigt nur unwesentlich an. 

Albumosen treten während des ganzen Spaltungsprocesses nur vorüber- 
gehend in geringer Menge auf; echtes Pepton ist auch intermediär nicht 
nachzuweisen; eben so wenig ist Pepton unter normalen Verhältnissen in der 
Hefe zu finden. 

Das Optimum der Temperatur für die Wirksamkeit des Enzymes be- 
findet sich zwischen 40 und 45°C. Die Tödtungstemperatur wird durch 
60°C. erreicht. Die Dauer der Wirksamkeit beträgt bei 37° nur 9 bis 
15 Tage. 

Zufuhr von Sauerstoff wirkt eher fördernd als nachtheilig auf die 
Proteolyse ein. Antiseptica wirken bei Zusatz der gewöhnlich gebrauchten 
Mengen nicht hemmend, ausgenommen Sublimat und Phenol; Blausäure, 
in grösserer Menge zugesetzt, übt einen geringen nachtheiligen Einfluss aus, 
Nentralsalze wirken, auch in koncentrirterer Lösung, begünstigend, Glycerin 
und Rohrzucker bei höherer Koncentration aber hemmend. Während Säuren 
die Wirkung des Enzyms begünstigen (das Optimum entspricht 0,2 pCt. Salz- 
säure), üben Alkalien schon durch Neutralisation des schwach sauren Press- 
saftes einen stark nachtheiligen Einfluss aus. Alkohol wirkt bei 5 pCt. schon 
nachtheilig, ebenso ist die Verdauung eines im Vakuum koncentrirten Press- 
saftes gehemmt. 

Das proteolytische Enzym der Hefe stellt einen neuen Typus der Ver- 
daunngsenzyme insofern dar, als es bezüglich der nöthigen Reaktion den 
peptischen, in Bezug auf die Verdauungsprodukte den tryptischen 
Enzymen entspricht, in seinem Verhalten gegen die Peptone aber mit 
keinem der bekannten Enzyme übereinstimmt. Die Hydratation der Eiweiss- 
stoffe ist hier nicht beendet mit der Peptonbildung, sondern geht weiter unter 


616 Ernährung. 


Entstehung von Amidosäuren, Xanthinkörpern, Tryptophan u. s. w.; intermediär 
treten nur sehr geringe Mengen Albumosen, aber kein Pepton auf; es ist dies 
eine sn vollständige Verdauung, wie sie bei einem Enzym bis jetzt nicht fest- 
gestellt werden konnte. 

Das Enzym lässt sich, allerdings mit sehr grossen Verlusten, in ver- 
hältnissmässig reinem Zustande isoliren und dann nur noch mit 
Alkohol, Bleiacetat und Mercurichlorid fällen; es ist koagulirbar, giebt aber 
keine Millon’sche und keine Biuretreaktion. Es ist nicht dialysirbar. 

Das proteolytische Enzym ist, vermuthlich in Form eines Zymogens, 
unter allen Umständen in den llefezellen enthalten: das Enzym kann aber von 
normalen Zellen zum Zwecke der Nutzbarmachung (Peptonisirung) extracellu- 
lärer kolloidaler Eiweissstoffe nicht secernirt werden; es gelangt auf diese nur 
zur Wirkung, wenn es durch Absterben der Hefe gebildet wird und aus- 
treten kann. 

Im normalen Plasma scheint aus dem Zymogen durch Säurezutritt konti- 
nuirlich proteolytisches Enzym gebildet zu werden. Dieses bewerkstelligt in 
minimaler Menge und in einer durch chemische und physikalische Eigen- 
schaften des Plasmas sehr gemässigten Weise die intracellulären „Desassi- 
milationsvorgänge“, den kontinuirlichen Abbau des Hefeplasmas, dessen Ver- 
bältniss zum Abbau wiederum abhängig ist von der Menge der gebotenen 
Nahrungs- und Energiequellen und dem Alter der Zellen. 

Wie im Hefeplasma sind höchst wahrscheinlich in einer grossen Zahl, 
wenn nicht in allen pflanzlichen und thierischen Zellen proteolytische 
Enzyme z. Th. nur in der Form von Zymogenen vorhanden, die für die Des- 
assimilationsvorgänge der pflanzlichen und thierischen Organismen eine wich- 
tige Rolle spielen, aber auch bei pathologischen Processen zur Wirkung kommen 
(Nekrose). Für diese Enzyme, welche intracellulär zu wirken bestimmt sind, 
möchten die Verff. die Namen Endoenzyme vorschlagen und im Besonderen 
das proteolytische Enzym der Hefe als Hefeendotrypsin bezeichnen. 

Wesenberg (Elberfeld). 


Zoltán v. Vämossy, Ist Phenolphthalein ein unschädliches Mittel 
zum Kenntlichmachen von Tresterweinen? Chem.-Ztg. 1900. S. 679. 
Zur Charakterisirung und Erkennung der Tresterweine hat Lieber- 
mann die latente Färbung derselben durch Zusatz von.1 g Phenolphthalein 
auf 1 hl vorgeschlagen. Das Phenolphthalein würde sich durch die Roth- 
färbung beim Alkalisiren in Weissweinen direkt nachweisen lassen, während 
Rothweine vorher erst mit basischem Bleiacetat zu entfärben wären. Verf. prüfte 
nun das Phenolphthalein auf seine Ungiftigkeit. Kaninchen vertrugen 
Mengen von 1 und 2 g per os recht gut, ebenso ein Hund von 4 kg Gewicht 
5g. Auch wochenlang gegebene tägliche Dosen von 0,03—0,2 g wirkten auf 
Kaninchen nicht nachtheilig. Versuche an Menschen mit 1,5 und 1 g der 
Substanz ergaben, dass hierdurch 5—6 wässerige, ausserordentlich reichliche 
Stuhlentleerungen hervorgerufen werden; schon 15—20cg genügen, um 1—2 
wässerige Entleerungen, ohne alle bei den drastischen Mitteln wahrnehmbaren 
Nach- und Nebenwirkungen herbeizuführen. Um die Wirkung des Phenol- 


Ernährung. 617 


phtbaleins auch in kleinen, täglich wiederholten Dosen zu beobachten, nahmen 
3 Personen während eines Monats täglich 0,10 g der Substanz (entsprechend 
10 Litern Tresterwein) ohne jedwede Unannehmlichkeit; die Stühle waren in 
den ersten Tagen breiig, dann aber regelmässig. Verf. ist der Ansicht, „dass 
das Phenolphthalein in der oben genannten Verdünnung ohne jede Besorgniss 
verwendet werden kann, da das in 5—10 Litern gelöste Phenolphthalein auf 
den menschlichen Organismus gänzlich wirkungslos zu nennen ist. Ja, selbst 
wenn grössere Dosen genommen werden, so wird deren Wirkung auch dann 
nicht schädlich, vielmehr sehr nützlich sein, indem sie die Entleerung des 
Alkoholgiftes erleichtern“. Wesenberg (Elberfeld). 


Boettinger C., Zum Nachweise von Aldehyd in Gährungsessig. Chem.- 
Ztg. 1900. S. 793. 

Nach dem Verf. soll Gährungsessig stets Aldehyd enthalten, sodass 
durch Aldehydreaktionen Gährungsessig und verdünnte Essigsäure leicht unter- 
schieden werden können; beim Ueberschichten einer farblosen Lösung kleiner 
Mengen (einige mg) Resorcin oder Pyrogallol in reiner koncentrirter Schwefel- 
säure (etwa 4 ccm) mit aldehydhaltigem Essig tritt eine gelbe Zune auf, die 
beim vorsichtigen Umschwenken in einen intensiv rothbraunen Ring übergeht; 
auch das Schiff’sche Reagens (mit schwefliger Säure entfärbte Fuchsinlösung) 
giebt mit Gährungsessig Rothfärbung. Ein Theil des Aldehyds scheint in eine 
beim Eindampfen nicht flüchtige Form (etwa Paraldehyd oder Verbindungen 
des Aldebyds mit Zuckerkörpern oder Hefebestandtheilen) übergegangen zu 
sein, da der Abdampfrückstand, wenn auch schwächer, immer noch die Resor- 
einprobe giebt. Wesenberg (Elberfeld). 


Langkopf 0., Ueber den Nachweis von Salicylsäure bei Gegenwart 
von Citronensäure. Pharm. Centralh. 1900. S. 335 u. 411. Apothek.- 
Zeitg. 1900. S. 456. 

Conrady A., Ueber den Nachweis von Salicylsäure bei Gegenwart 
von Citronensäure. Apoth.-Zeitg. 1900. S. 412 u. 462. 

Bei der Prüfung eines Citronensaftes auf Salicylsäure mit der Eisen- 
ehloridreaktion beobachtete Langkopf, dass die Violettfärbung bei gleich- 
zeitiger Gegenwart von Salicylsäure und Citronensäure nicht eintritt, die Re- 
aktion also durch Citronensäure aufgehoben wird; ähnlich wirken auch die 
Weinsäure und ihre Salze, Man muss daher den Citronensaft mit einem 
Gemisch gleicher Volume Aether und Petroläther ausschütteln 
und im Verdunstungsrückstande die Salicylsäure nachweisen; 
reiner Aether ist untauglich zum Ausschütteln, da dieser wieder Citronensäure 
aufnimmt. 

Im Anschluss an die Arbeit von Langkopf theilt Conrady mit, dass 
der Nachweis von Salicylsäure, sofern diese zu mindestens 1 pCt. im 
Citronensaft zugegen ist, mit der Eisenchloridreaktion geführt werden kann, 
wenn man dem Reaktionsgemisch einen Tropfen Salpetersäure oder Wasser- 
stoffsuperoxyd zusetzt; bei geringerem Salicylsäuregehalt als 1 pCt. muss das 
Ausschüttelungsverfahren benutzt werden. Wesenberg (Elberfeld). 


618 Ernährung. 


Langkopf 0., Nachweis von Kirschsaft im Himbeersaft. Pharm. Cen- 
tralh. 1900. S. 421. j 

Zum Nachweis von Kirschsaft im Himbeersaft (welcher Zusatz häufig 
zum „Auffärben“ missfarbig gewordenen Himbeersaftes benutzt wird) bedient 
sich Verf. der geringen Mengen Benzaldehyd und Blausäure, die im Kirsch- 
saft stets in Folge des Mitvergährens der zerstossenen Kerne vorhanden sind. 
Um diese nachzuweisen, destillirt Verf. von 50—100 ccm Himbeersaft einige 
ccm ab, direkt in eine vorgelegte Mischung von einem Tropfen alkoholischer 
Guajakharzlösung mit etwas Kupfersulfatlösung (1: 1000); bei Anwesenheit 
von Blausäure tritt in der milchigen Flüssigkeit eine Blaufärbung auf, die 
nach Aufklärung durch etwas Alkohol noch deutlicher erkennbar wird. Das 
Destillat von reinem Himbeersaft giebt die Guajak-Kupferreaktion nicht. 

Wesenberg (Elberfeld). 


Riegler E., Eine neue Methode zum Nachweise des Saccharins, der 
Salicylsäure oder auch einer Mischung dieser beiden Körper. 
Pharmac. Centralh. 1900. S. 563. 

Zum Nachweise der Salicylsäure und des Sacharins bedient sich Verf. 
einer Lösung von Para-Diazonitranilin. Zur Darstellung des Reagens 
bringt man in einen 250 ccm-Messkolben 2,5 g Para-Nitranilin, 25 ccm Wasser 
und 5 ccm reine koncentrirte Schwefelsäure; zur klaren Mischung kommen 
25 ccm Wasser, sowie eine Lösung von 1,5 g Natriumnitrit in 20 ccm Wasser; 
nach sehr kurzer Zeit und wiederholtem Umschwenken wird mit Wasser zur 
Marke aufgefüllt. Das Reagens ist im Dunkeln lange Zeit unzersetzt halıbar, 
vor dem Gebrauch eventuell zu filtriren. 

Der Nachweis von Saccharin und Salicylsäure geschieht völlig gleich- 
artig; die zu identificirende Substanz, welche in möglichster Reinheit durch 
Extraktion isolirt sein muss, wird (0,01- 0,02 g) in etwa 10 ccm Wasser, 
welchem 2 Tropfen einer 10 proc. Natronlauge zugefügt sind, in einem Scheide- 
trichter gelöst und dazu tropfenweise die obige Reagenslösung unter Umschwenken 
zugesetzt, bis die grüngelbe Farbe der Flüssigkeit bei Anwesenheit von Saccha- 
rin (die mehr oder weniger intensiv rothe bei Anwesenheit von Salicylsäure) 
eben wieder verschwindet. Nun giebt man 10 ccm Aether hinzu und schüttelt 
1/2 Minute lang tüchtig durch; die untere wässerige Schicht lässt man dann 
abfliessen und setzt zur rückständigen Aetherlösung etwa 20—30 Tropfen einer 
10 proc. Natronlauge; an der Berührungsstelle tritt nun ein charakteristischer 
Farbring auf (Saccharin schön grün, Salicylsäure intensiv roth). Schüttelt man 
eine Minute lang kräftig darch, sa unterscheiden sich die beiden Schichten 
nachher auffallend: 


Saccharin Salicylsäure 
Aether. ca'a un an grün farblos 
wässerige Flüssigkeit gelbbraun intensiv roth 


Lässt man dann die wässerige Flüssigkeit wieder ab, fügt zur Aether- 
lösung 5 cem koncentrirte Ammoniaklösung und schüttelt kräftig durch, 0 
erscheint bei 


Ernährung. 619 


Saccharin Salicylsäure 
Aether a ... farblos farblos 
Ammoniakflüssigkeit. schön blaugrün intensiv roth 


Bei Gemengen von Saccharin mit Salicylsäure treten dieselben 
Erscheinungen bezüglich der Aetherfärbung ein, die ammoniakalische Lösung 
nimmt dann natürlich eine violette Farbe an. Wesenberg (Elberfeld). 


Bornstein K., Experimentelle Untersuchungen über die Wirkung des 
Saccharins. Zeitschr. f. klin. Med. 1900. Bd. 40. S. 208. 

Zur Lösung der vielumstrittenen Frage über die Wirkung des Sacha- 
rins stellte Verf. eine Anzahl Ausnutzungsversuche unter verschiedenen Be- 
dingungen an, aus denen er schliesst, „dass Saccharin die Ausnutzung 
der Nahrung beeinträchtigt, die Verdauung und Resorption verlangsamt und 
z. Th. hintanhält“. 

Ausserdem stellte Verf. einige Versuche mit dem Mosso’schen Ergo- 
graphen an, um festzustellen, ob Saccharin die Arbeitsmenge in irgend einer 
Richtung beeinflusst. Das Resultat der sechstägigen Versuchsreihe war, „dass 
unter gleichzeitiger Darreichung von Saccharin die Wirkung der Nahrung ab- 
geschwächt wird. Es wird wahrscheinlich weniger resorbirt, sodass die volle 
Kraft nicht entfaltet werden kann. Für die Annahme einer direkten Schädi- 
dung der arbeitenden Muskeln durch Saccharin haben wir bis jetzt keine Stütze“. 

Da Verf. somit eine Schädigung der Resorption und Arbeitsleistung durch 
Saccharin nachgewiesen hat, mahnt er bei Verwendung desselben „zur Vor- 
sicht selbst dort, wo eine Anwendung aus ärztlichen Gründen stattfinden 
kann.“ 

„Saccharin ist in erster Reihe ein Medikament und als solches besonders 
zu empfehlen bei Gährungen im Magen und Darm Erwachsener und Säuglinge, 
bei verschiedenen Erkrankungen des Verdauungskanals, als Zusatz zu Mund- 
spülwässern. Saccharin ist ferner, da es gewisse antifermentative Eigenschaften 
besitzt, zu Konservirungszwecken anzuwenden, wenn die zu konservirende Sub- 
stanz nicht ein Nahrungs- oder Genussmittel ist; da kleinere Mengen vor Fäul- 
niss nicht schützen, sind grössere zu nehmen. Saccharin ist als Ersatz für 
die Süsse des Zuckers in geringen Mengen Diabetikern zu gestatten; bei ein- 
tretenden Dyspepsien muss nachgeforscht werden, ob dieselben nicht schon 
nach Aussetzen des Saccharins nachlassen. So sehr wir uns mit der Dar- 
reichung des Saccharins in den genannten Fällen einverstanden erklären können, 
0 wenig dürfen wir, schon rein ärztlich, dem allgemeinen Gebrauch das Wort 
reden und werden leichten Herzens uns dafür aussprechen, dass Saccharin nur 
auf ärztliche Verordnung verabfolgt werden darf. Nur der Arzt soll und darf 
bestimmen, was dem Kranken frommt.“ 

Erwähnt mag noch sein, dass Verf. auf Grund eigener öfterer Beobach- 
tungen vorschlägt, die diuretische Wirkung des Saecharins nachzuprüfen und 
seine medikamentöse Anwendung nach dieser Richtung zu erweitern. 

Wesenberg (Elberfeld). 


620 Ernährung. Verschiedenes. 


Henzold 0., Eine neue Reaktion auf Gelatine und Hausenblase. 
Zeitschr. f. öffentl. Chem. 1900. S. 292. 

Zum Nachweis von Gelatine und Hausenblase wird das Fruchtgelee 
u.s. w. mit Wasser verdünnt, aufgekocht und heiss filtrirt. Das Filtrat wird 
mit Kaliumdichromatlösung (10 pCt.) im Ueberschuss versetzt, aufgekocht und 
sofort abgekühlt; zur erkalteten Lösung giebt man 2—3 Tropfen koncentrirter 
Schwefelsäure, der entstehende, anfangs weisse, sehr feinflockige Niederschlag 
ballt sich nach einiger Zeit zusammen und setzt sich am Boden des Gefässes 
ab. Diese Reaktion ist sehr empfindlich, sofern nur wenig Schwefelsäure ge- 
nommen wird, da ein Ueberschuss den entstandenen Niederschlag wieder in 
Lösung bringt. Die pflanzlichen Gallertstoffe (Agar-Agar, Caragheen u. s. w.) 
verhalten sich gegen diese Reaktion indifferent. Für die quantitative Be- 
stimmung der Gelatine ist diese Methode bislang noch nicht verwendbar. 

Wesenberg (Elberfeld). 


Fricke E., Zinkhaltige Pflanzen. Zeitschr. f. öffentl. Chem. 1900. S. 292. 

Im Oberharz fand Verf. auf Zinkerz führendem Gebirge eine der Arabis 
Halleri sehr ähnliche Crucifere, bei deren Untersuchung in der wasser- 
und sandfreien Pflanzensubstanz bei einer Aschenmenge von 1,3 pCt. ein Ge- 
halt von 0,94 pCt. Zinkoxyd ermittelt wurde; schon früher hatte Verf. 
dieselbe Pflanze in Westphalen auf zinkhaltigem Boden beobachtet. Aus dieser 
Mittheilung geht hervor, dass gewisse Pflanzen scheinbar das Bedürfnis 
haben, zu ihrer Ernährung Metallsalze, die man sonst für pflanzengiftig hält, 
ahfzunehmen. 

Ref. glaubt auf die vorliegende Beobachtung hier hinweisen zu müssen, 
da diese Pflanze Gelegenheit giebt, die Wirkungen der regelmässigen Aufnahme 
von Zink mit dem Futter bequem an Thieren von Neuem zu studiren. 

Wesenberg (Elberfeld). 


Bredig G. und R. Müller v. Berneck, Ueber anorganische Fermente. 
I. Ueber Platinkatalyse und die chemische Dynamik des Wasser- 
stoffsuperoxyds. Zeitschr. f. physikal. Chem. 1899. Bd. 31. S. 258. 

Wenngleich die vorliegende Arbeit rein anorganiscker und physika- 
lisch-chemischer Natur ist, so interessirt sie auch den Hygieniker durch 
die grosse Anzahl von Hinweisen, welche die Verff. auf die organischen Fer- 
mente machen. Die Untersuchungen wurden mit „Bredig’scher Platin- 
flüssigkeit“, besonders in Bezug auf ihre katalysirende Wirkung gegen- 
über Wasserstoffsuperoxyd angestellt; es wurden hierbei eine derartige 

Menge Analogien mit den organischen Fermenten gefunden, dass die Verf. 

ihre Lösung von kolloidalem Platin (die sogenannte „Bredig’sche Platin- 

flüssigkeit“) als ein „anorganisches Ferment“ bezeichnen. 

Wie z. B. die Wirkung der Fermente durch geringe Mengen Alkali oder 

Säure begünstigt, durch zu grosse Mengen aber wieder gehemmt werden kann, 

wie die Fermente und das Blut durch geringe Spuren gewisser Gifte (HS, 


Verschiedenes. Gesetze und Verordnungen. 621 


HCN oder HgCl, u. s. w.) inaktivirt werden können, so können dieselben Er- 
scheinungen an der Platinflüssigkeit beobachtet werden; letztere hat aber vor 
den organischen Fermenten den Vorzug der genauen Dosirbarkeit. 

Des Näheren hier auf die Arbeit einzugehen, ist leider nicht möglich; 
das Studium derselben kann allen Forschern auf dem Gebiete der Fermente 
empfohlen werden; bringt doch die Publikation ausser verhältnissmässig vielen 
Literaturangaben eine genaue Beschreibung der bei solch empfindlichen Ar- 
beiten zu beobachtenden Vorsichtsmaassregeln, welche selbst dem gewandtesten 
Analytiker, sofern er noch nicht „physikalisch-chemisch“ gearbeitet hat, fremd 
zu sein pflegen. Wesenberg (Elberfeld). 


Neisser M. und Fr. Wechsberg, Ueber eine neue einfache Methode zur 
Beobachtung von Schädigungen lebender Zellen und Organis- 
men (Bioskopie). Münchener med. Wochenschr. 1900. No. 37. S. 1261. 

Die schon von Ehrlich und anderen Autoren beobachtete Thatsache von 
dem Reduktionsvermögen der Leukocyten auf Methylenblau be- 
nutzten die Verff. bei einem Serum, welches durch subkutane Einspritzun- 
gen von Kaninchenleukocyten beim Meerschweinchen gewonnen war, und 
welches stark leukocide Eigenschaften besass. (Giebt man z. B. zu !/, ccm eines 
Aleuronatexsudates, das mit 1!/, ccm physiologischer NaCl-Lösung in 
einem engen Reagensrohr vermischt ist, einen Tropfen einer sehr verdünnten 
Methylenblaulösung, schliesst die Flüssigkeit mit aufgegossenem Paraffin gegen 
die Luft ab und bringt sie in den Brutschrank, so tritt nach ganz kurzer Zeit 
völlige Entfärbung des Methylenblaus ein. Werden jedoch die Leuko- 
eyten durch chemische Stoffe oder Hitze abgetödtet, so bleibt die Flüssig- 
keit blau. 

Diese Methode liess sich auch bei anderen beweglichen und unbeweg- 
lichen Zellen (Spermatozoen, Nierenzellen, Pankreas) vorzüglich anwenden, 
wobei man durch Vorhandensein oder Fehlen der Reduktionskraft makrosko- 
pisch die event. Schädigung konstatiren konnte. Unter den Bakterien, welche 
mit in die Untersuchung hineinbezogen wurden, zeichneten sich lebende 
Tuberkelbacillen, Typbusbacillen, Choleravibrionen, Staphylo- 
kokken durch starke Reduktioskraft aus, während bei Diastase, Emulsin, 
Pankreatin, Papayotin, Pepsin, Invertin, sowie bei Diphtherie, 
Tetanus, StaphyInkokkentoxin keine Reduktion nachzuweisen war. 

Die Verff. machen jedoch darauf aufınerksam, dass die Methode zum Be- 
weise der völligen Sterilität oder Abtödtung nicht geeignet ist; da es 
immerhin denkbar ist, dass gewisse Zellen Stoffe enthalten, welche an sich 
reducirend wirken, ohne Rücksicht darauf, ob die Zellen als solche noch 
leben oder nicht. R. O. Neumann (Kiel). 


Gesetze und Verordnungen. 
(Fortsetzung und Schluss aus No. 11.) 


6. Die Stadt Charlottenburg hat für ihre Schulärzte eine Dienstan- 
weisung erlassen, aus der folgende Purkte besonders hervorzuheben sind: 


622 Gesetze und Verordnungen. 


§ 1. Die Thätigkeit der Schulärzte erstreckt sich auf die Mitwirkung bei der 
Ueberwachung a) der gesundheitlichen Verhältnisse des Schulbauses, b) der Gesund- 
heit der Schulkinder. Sofern hierbei nicht Handlungen rein medicinisch-wissenschaft- 
licher Natur in Frage kommen, ist es in erster Linie Aufgabe des Schularztes, das 
Interesse und Verständniss des Lehrers für die Anforderungen der Schulhygiene zu 
unterstützen und zu fördern. Die Schulärzte sollen daher, soweit die Ausübung ihres 
Amtes nicht ein eigenes Eingreifen gebietet, sich nach Möglichkeit darauf beschrän- 
kend, anregend auf Rektor und Lehrerkollegium zu wirken und Rath zu er- 
theilen. 

Sie sind verpflichtet, alle in ihre Aufgaben fallenden Aufträge des Magistrats 
bezw. der Schuldeputation auszuführen. Hierüber gelten insbesondere die nachfolgen- 
den Vorschriften: § 2. Neu eintretende Schulkinder sind von den Schulärzten 
unmittelbar nach der Einschulung in der Schule möglichst in Gegenwart der Eltern 
auf ihren Gesundheitszustand zu untersuchen, und es ist festzustellen, ob 
das Kind einer dauernden ärztlichen Behandlung oder besonderer Berücksichtigung 
beim Unterricht bedarf. Die Untersuchung unterbleibt, wenn dies von den rechtzeitig 
zu benachrichtigenden Eltern oder Erzichern unter Beifügung eines bestimmten von 
dem Hausarzte ausgefüllten Formulars beantragt wird. Die Untersuchung ist in der 
Weise vorzunehmen, dass die Kinder gruppenweise in Anwesenheit des Lehrers bezw., 
soweit Mädchen in Frage kommen, in Anwesenheit einer Lehrerin dem Schularzte vor- 
geführt werden. Die Einzeluntersuchung erstreckt sich in der Regel noch auf 
Sinnesorgane, Rachenhöhle, Athmungsorgane, Herz und Gliedmassen, bei Knaben auch 
auf den Bruch (Bruchpforten). Ueber jedes untersuchte Kind ist ein Gesundheitsschein 
auszufüllen, der dasselbe von Klasse zu Klasse begleitet und beim Schulwechsel der 
neuen Schule überwiesen wird u.s.w. u.s.w. $ 3. In jeder Schule hält der Schularzt 
monatlich, beim Auftreten von ansteckenden Krankheiten auch häufiger, eine Sprech- 
stunde ab, deren Zeit er vorher mit dem Rektor verabredet. Die erste Hälfte der 
Sprechstunde dient zu einem kurzen, etwa je !/4stündigen Besuche von 5—6 Klassen 
während des Unterrichts, sodass jede Klasse möglichst 2mal im halben Jahr besichtigt 
wird. Hierbei sind die Gesundheitsscheine der unter ärztlicher Kontrole stehenden 
Kinder vom Klassenlehrer, der, wenn möglich, der Untersuchung beizuwohnen hat, 
zur Stelle zu bringen. Bei diesem Besuch soll der Schularzt sein Augenmerk auf die 
äussere Erscheinung, Haltung u.s.w. der Kinder und auf die Heizung, Ven- 
tilation, Beleuchtung und Reinlichkeit der Klassen und sonstigen Schulräume 
richten. Entdeckte Mängel sind nicht in Gegenwart der Schulkinder zur Sprache 
zu bringen. Die zweite Hälfte des Besuches dient der Abhaltung einer eigentlichen 
Sprechstunde zur Untersuchung der einer genaueren Obhut bedürftigen Kinder im 
ärztlichen Sprechzimmer. Bei der Untersuchung der Mädchen ist die Anwesenheit 
einer Lehrerin erforderlich. Die Sprechstunde erstreckt sich in dringlichen Fällen 
auch auf solche Kinder, welche nicht den im ersten Theil des Besuches besichtigten 
Klassen angehören. Kranke oder behandlungsbedürftige Kinder werden mit 
einer ensprechenden schriftlichen Mittheilung, die durch den Schulleiter zu über- 
senden ist, nach Hause geschickt. Eine Behandlung solcher Kinder durch den Schal- 
arzt ist ausgeschlossen. $4. Die Schulärzte haben ausserdem auf Antrag des Schul- 
leiters solche angeblich erkrankten Kinder, für die kein ärztliches Zeugniss 
beigebracht wird, in ihrer Wohnung zu untersuchen, sowie Anträge auf längere 
Schuldispensationen zu begutachten. § 5. Um ein möglichst einheitliches 
Vorgehen der Schulärzte herbeizuführen, haben sich dieselben zu gemeinsamen 
Besprechungen unter dem Vorsitz eines dazu deputirten Mitgliedes der Schuldepu- 
tation zusammenzufinden. Diese Besprechungen finden in der Regel vierteljährlich 


Gesetze und Verordnungen. 623 


statt. $ 6. Ein Recht zu selbständigen Anweisungen an die Schulleiter und 
Lehrer, sowie an die Schuldiener steht den Schulärzten nicht zu. Sollten ihre Vor- 
schläge nach ihrer Meinung nicht berücksichtigt werden, so haben sie dieselben even- 
tuell nach Klärung in den gemeinschaftlichen Konferenzen der Schuldeputation vor- 
zutragen. § 7. Ende Februar jedes Jahres haben die Schulärzte einen Bericht über 
ihre Thätigkeit einzureichen, in dem besonders enthalten ist: 1. eine tabellarische Zu- 
sammenstellung der Aufnahme- und Untersuchungsresultate, 2. die Zahl der Sprech- 
standen und ärztlichen Klassentesuche, 3. Anzahl und Art der wichtigeren Erkran- 
kungsfälle, die in den Sprechstunden untersucht sind, 4. etwa erfolgte besondere 
ärztliche Behandlung, 5. Anzahl der den Eltern gesandten schriftlichen Mittheilungen, 
6. Anzahl der unter ärztlicher Behandlung stehenden Kinder. § 8. u.s.w. u. s. w. 
(Veröff. d. Kais. Ges.-A. 1900. No. 37. S. 904—905.) 


Ferner hat das Herzogl. Staatsministerium in Sachsen-Meiningen eine in 
mehreren Punkten mit der eben wiedergegebenen Charlottenburger übereinstimmende 
Anweisung, betr. schulärztliche Untersuchungen erlassen. Es heisst in 
derselben: Zur planmässigen Pflege der Gesundheit aller in den Volksschulen befind- 
lichen Schüler und Schülerinnen sollen gegen Vergütung aus der Staatskasse von jetzt 
an Schulärzte bestellt werden, welche den Kreis- und Stadtschulämtern, sowie der 
Oberschulbehörde als Beirath dienen. Für jedes neu in die Schule eintretende Kind 
ist von den Angehörigen — den Eltern oder deren Vertretern — ein Fragebogen aus- 
zufüllen und dem Lehrer zu übergeben. Die Formulare werden von dem Lehrer den 
Angehörigen des Kindes zugestellt. Die Schulärzte haben zweimal in jedem Schul- 
jahre die ihnen zugewiesenen Schulen zu besuchen, im Frühjahr oder Sommer und in 
der ersten Hälfte des Winterhalbjahres. Bei dem ersten Besuche werden sämmtliehe 
in die Schule neu eingetretenen Kinder einzeln genau auf ihre Körperbe- 
schaffenheit und ihren Gesundheitszustand untersucht. Etwa vorgefundene 
Fehler und Abnormitäten werden in den entsprechenden Spalten des Gesundheits- 
berichts eingetragen. Ist das Kind gesund, so wird eine dies bestätigende Angabe 
unter „ärztliche Vermerke“ gemacht. Ebenso hat der Arzt in dieser Spalte kurz an- 
zugeben, was er bei vorgefundenen Fehlern im Interesse des Kindes und des Unter- 
Tichtes für wünschenswerth hält (Anweisung passendor Plätze für Kurzsich- 
tige oder Schwerhörige, Befreiung vom Turn- oder Gesangunterricht 
oder vom Unterricht überhaupt; besondere Rücksicht auf Haltung beim 
Schreiben u.s. w.). Der Arzt hat dem Lehrer von dem Vorhandensein der Abnor- 
mität in der Regel unter vier Augen Mittheilung zu machen, zugleich mit der Angabe, 
was im Einzelfallo zu geschehen hat. Bei einer Reihe von Fehlern und Erkran- 
kungen wird Mittheilung an das Elternhaus nöthig werden; diese hat auf 
Grund der ärztlichen Angabe der Lehrer mittels besonderen Formulars in vertraulicher 
Weise zu machen (Ungeziefer, Krätze, Bruchanlagen u. s. w.). Schularzi und Lehrer 
sind zu dienstlicher Verschwiegenheit verpflichtet. 

Von der Untersuchung eines Kindes ist dann Abstand zu nehmen, wenn ein dem 
Zweck entsprechendes ärztliches Zeugniss über Körperbeschaffenheit und Gesundheits- 
zustand bereits vorliegt. Eine Einzeluntersuchung der Kinder in den weiteren Jahr- 
gängen findet nur dann statt, wenn entweder die erstmalige Untersuchung eine Ab- 
weichung vom Normalen ergeben hat, oder wenn aus irgend einem anderen Anlass, 
namentlich auf Grund der Beobachtungen des Lehrers, die Vermuthung besteht, dass 
sich seit jener ersten Untersuchung eine krankhafte Veränderung eingestellt hat. 

Im Uebrigen hat sich der Schularzt rücksichtlich der späteren Jahrgänge 
und bei dem zweiten Besuch im Schuljahr auf eine Revision zu beschränken, 


624 Gesetze und Verordnnngen. 


sich aber stets davon zu überzeugen, dass den von ihm hinsichtlich der abnormen 
Kinder ertheilten Rathschlägen nachgekommen ist. 

Indessen sollen — bei dem zweiten Besuch im Schuljahr — alle Knaben des 
letzten Schuljahres vor dem Austritt aus der Schule noch einmal untersucht 
werden und zwar mit besonderer Berücksichtigung des künftigen Berufes. Mädchen 
des 5. oder eines höheren Schuljahres oder des entsprechenden Lebensalters dürfen, 
soweit es sich nicht um Untersuchung der Augen, der Ohren, der Nase, der Mundhöhle, 
der Hände und dergl. handelt oder der dringende Verdacht einer ernsteren Erkran- 
kung vorliegt, nur auf ausdrücklichen Wunsch oder mit ausdrücklicher Zustin- 
mung der Angehörigen untersucht werden. Bei dem Besuche des Arztes soll der 
Lehrer, der dann — durch Vermittelung des Direktors oder Rektors, wo ein solcher 
vorhanden -— rechtzeitig zu benachrichtigen ist, in der Schule anwesend sein; er hat 
für Aufrechterhaltung der Ruhe und Ordnung zu sorgen. Dagegen soll, soweit es 
sich nicht um Untersuchung der Augen, der Ohren, der Nase, der Mundhöhle, der 
Hände und dergl. handelt, das einzelne Kind — auch der Schulanfänger — wo irgend 
möglich, vollständig abgesondert untersucht werden, wie denn überhaupt dem 
Empfinden der Kinder alle Schonung zu Theil werden muss. Hierauf ist in allen 
Fällen besonderer Werth zu legen und jede dem widersprechende Maassregel zu ver- 
meiden. Den Eltern des Kindes wird in derRegel auf Wunsch gestattet werden können, 
der Untersuchung beizuwohnen. Es versteht sich von selbst, dass der Arzt in takt- 
voller Weise alles vermeidet, was etwa den Lehrer vor den Schülern blossstellen 
könnte. 

Bei seinen Besuchen hat der Schularzt die Räumlichkeiten der Schule und 
doren Einrichtungen (Abtritte, Turnplätze, Schulbänke, Heizung, Lüf- 
tung, etwaige Badeeinrichtungen und dergl.), sowie nach vorheriger Anmel- 
dung die Lehrerwohnung zu besichtigen und, falls er in hygienischer Beziehung 
Mängel findet, an das Kreis- bezw. Stadtschulamt zu berichten u.s.w. Bis 1. Februar 
jedes Jahres hat der Schularzt einen Bericht über seine Beobachtungen mit einer 
Uebersicht über die in den einzelnen Schulen vorgefundenen Mängel an das Schulamt 
zu erstatten u.s.w. Die Behandlung erkrankter Kinder gehört nicht zu den 
dienstlichen Obliegenheiten des Schularztes. Der Gesundheitsbericht begleitet 
das Kind bei seinem Gange durch die Schule und wird bei dessen etwaigem Uebertritt 
in eine andere Unterrichts- oder Erziehungsanstalt unmittflbar an diese abgegeben 
u.s. w. u.s. w. (Veröff. d. Kais. Ges.-A. 1900. No. 44. S. 1072—1073.) 


7. Zur Verhütung der Weiterverbreitung der granulösen Augenentzündung 
ist für den Reg.-Bez. Minden an sämmtliche Landräthe und die Polizeiverwaltung 
in Bielefeld folgende Verfügung erlassen worden: Anbei erhalten Sie eine Zusammen- 
stellung über die bei dem vorjährigen Militär-Ersatz- und Ober-Ersatzgeschäft in den 
einzelnen Kreisen des Regierungsbezirks augenkrank befundenen Militärpflichtigen. 
Darnach hat die Gesammtzahl der Augenkranken zweifellos zugenommen, 
und wenn diese Zunahme auch wesentlich durch die Zunahme der akuten und chro- 
nischen Bindehautkatarrhe (K. I) bedingt ist, so haben doch auch die leichteren und 
schwereren granulösen Bindehauterkrankungen (Gr. I und Gr. II) sowie die schwereren 
chronischen Bindehautkatarrhe (K. 11) nicht gefehlt. Jedenfalls erscheint es geboten, 
einem weiteren Umsichgreifen derartiger Erkrankungen entgegenzutreten: denn je früber 
dies geschieht, desto ser ist die Aussicht auf sicheren Erfolg. Wenn auch nach 
den Ergebnissen des Militär-Ersatzgeschäfts die an Granulose erkrankt befundenen 
Militärpflichtigen vorwiegend Eingesessene waren, so bildet doch nach den über- 
einstimmenden Berichten der Medicinalbeamten und der im Regierungsbezirke ans: 
gen Augenärzte die Haupigefahr für die Bevölkerung dıe Einschleppung der Krankheit 


Gesetze und Verordnungen. 625 


darch die aus dem Osten zuziehenden landwirthschaftlichen und industriellen 
Arbeiter. Deshalb empfiehlt es sich dringend, dass alle derartigen aus östlichen 
Provinzen, aus Russland und Oesterreich zuziehenden Arbeiter sofort nach ihrer An- 
kunft auf das’etwaige Vorhandensein von Granulose ärztlich untersucht 
werden, wie dies schon jetzt bei einzelnen industriellen Werken im hiesigen Bezirke, 
1. B. bei der Ravensberger Spinnerei in Bielefeld geschieht. Die dadurch den Arbeit- 
gebern entstehenden Kosten können nicht ins Gewicht fallen gegenüber dem grossen 
Vortheil, der ihnen dadurch in Bezug auf die Verhütung einer Einschleppung der 
Granulose unter ihre Arbeiter erwächst; für die russischen und österreichischen land- 
wirtbschaftlichen Saisonarbeiter ist ausserdem bereits eine ärztliche Untersuchung 
binnen 3 Tagen nach ihrer Ankunft vorgeschrieben (vergl. No. 5 der wiedergegebenen 
Verfügungen). Sollten unter den Arbeitern granulöse Augenerkrankungen ge- 
funden werden, so ist für ihre ärztliche Behandlung und Ueberwachung bezw. 
für ihre Unterbringung in einem Krankenhause Sorge zu tragen ; letzteres ist 
insbesondere bei den schwereren Formen von Granulose erforderlich. Dasselbe gilt 
betreffs derjenigen Militärpflichtigen, die bei dem Musterungs- oder Aushebungsgeschäft 
an Granulose (Gr. I u. II) erkrankt befunden werden. Die Namen derselben sind nicht 
nur der Ortspolizeibehörde, sondern auch dem zuständigen Kreisphysikus sofort nach 
der Musterung bezw. Aushebung mitzutheilen. damit dieser im Verein mit der ersteren 
das Weitere veranlassen kann. In gleicher Weise ist betreffs der gemäss § 15 No. 7 
der Heeresordnung wegen kontagiöser Augenentzündung von den Truppentheilen 
entlassenen Militärpersonen zu erfahren. (Veröffentl. d. Kais. Ges.-A. 1900. No. 38. 
S. 924—925.) 

Hierher gehören sodann noch einige denselben Gegenstand betreffende 
Verordnungen resp. Bekanntmachungen für Mecklenburg - Schwerin, 
und zwar wird unter dem 23. Juni 1900 angeordnet: § 1. Arbeiter und Dienstboten, 
weiche aus Ländern oder Bezirken kommen, wo die ägyptische Augenkrankheit 
beimisch ist, und truppweise im Grossherzogthum eintreffen, müssen spätestens 
innerhalb 8 Tagen nach ihrem Zuzug am bestimmungsmässigen Arbeits- oder 
Dienstort ärztlich darauf untersucht werden, ob sie an der ägyptischen Augenkrank- 
heit leiden. Das grossherzogliche Ministerium, Abtheilung für Medicinalangelegen- 
heiten. macht im ersten Vierteljahr jedes Jahres im Regierungsblatt bekannt, in wel- 
ehenLändern oder Bezirken die ägyptische Augenkrankheit im Sinne des Absatzes 1 
heimisch ist. Als solche sind durch Bekanntmachung vom 26. Juni 1900 genannt: 
1. innerhalb des Deutschen Reiches: die Provinzen Ostpreussen, Posen, Schle- 
sien und Westpreussen, 2. im Ausland: Russland, dann Böhmen, Mähren, 
Galizien, Italien und Rumänien. $ 2. Der Obrigkeit des bestimmungsmässigen 
Arbeits- oder Dienstortes liegt es ob, die ärztliche Untersuchung zu bewirken. & 3. 
Untersuchung ist unnöthig, wenn nachgewiesen wird, dass der betreffende 
Arbeiter oder Dienstbote in den letzten 4 Wochen schon in Bezug auf die ägyptische 
Augenkrankheit ärztlich untersucht und gesund befunden ist. &4. Wer das Geschäft 
eines Gesindevermiethers oder Stellenvermittlers betreibt, ist verpflichtet, 
wenn er für Arbeitgeber oder Dienstherren Arbeiter oder Diensiboten besorgt, welche 
aus Ländern oder Bezirken kommen, wo die ägyptische Augenkrankheit heimisch ist, 
und truppweise im Grossherzogthum eintreffen, von dem Abgang des Arbeiters oder 
Dienstboten an den bestimmungsmässigen Arbeits- oder Dienstort der Obrigkeit dieses 
Ortes innerhalb der Grossherzogthümer Mecklenburg-Schwerin u. -Strelitz unverzüglich 
Anzeige zu machen u. s. w. u. s. W. 

Eine weitere Verfügung ist sodann, besonders aus Anlass einzelner Tra chom- 
erkrankungen unter den Schulkindern an die Kreisphysiker gerichtet. Die- 


626 Gesetze und Verordnungen. 


selben werden darin aufgefordert, jedo Gelegenheit bei ihren Dienstreisen wahrzu- 
nehmen einmal, um die Ausführung der von ihnen in Bezug auf die ärztliche 
Behandlung und Ueberwachung von granulösen Augenkranken getroffenen 
Maassregeln zu kontroliren, sodann aber auch, um die Kinder der Dominial- 
landschulen auf Trachom zu untersuchen und die Lehrer darauf hinzu- 
führen, auf das etwaige Vorhandensein ansteckender Augenkrankheiten unter 
den Szhülern besonders zu achten. Im Falle der Erkrankung eines Schulkindes 
an Trachom oder trachomverdächtigem Katarrh sind folgende sanitäts- 
polizeilichen Schutzmaassregeln unerlässlich: a) Es ist sofort eine ärztliche 
Untersuchung sämmtlicher Schulkinder vorzunehmen; b) die an Trachom oder trachou- 
verdächtigem Bindehautkatarrh krank befundenen Kinder sind, wenn eine vermehrte 
Absonderung, besonders eitriger Natur, besteht, vom Unterricht auszuschliessen, bis 
die Absonderung beseitigt ist; zu letzterem Zweck ist tägliche Behandlung durch 
einen Arzt nothwendig und zwar thunlichst in einem Krankenhause resp. Universitäts- 
Augenklinik. c) Kranke ohne vermehrte Absonderung, auch solche, bei denen dieselle 
durch Behandlung beseitigt ist, können am Unterricht theilnehmen ; dieselben sind 
jedoch auf eine besondere Bank zu setzen und dürfen ihre Schulutensilien, Wasch- 
und Trinkgefässe nur für sich gebrauchen; am allgemeinen Geräthturnen, gemein- 
samen Spielen dürfen sie nicht theilnehmen. d) Auch die zum Unterricht zugelassenen 
kranken Kinder müssen fortgesetzt ärztlich weiter behandelt werden; e) zweckmässix 
ist es, wenn die zweifellos trachomatösen Kinder und die trachomverdächtigen je eine 
besondere Schulbank bekommen; f) sind trachomatöse oder trachomverdächtige Kinder 
gefunden, so ist mindestens alle 3 Wochen, nach Bedarf noch häufiger eine Wieder- 
holung der Untersuchung sämmtlicher Schulkinder vorzunehmen; g) die Angehörigen 
und Hausgenossen von Erkrankten sind zu veranlassen, sich ebenfalls der Unter- 
suchung durch den Kreisphysikus zu unterziehen, und anzuhalten, die in der „Beleh- 
rung über das 'Trachom“ gegebenen Vorsichtsmaassregeln, besonders bezüglich Wasch- 
geräth und Handtuch, zu befolgen u. s. w. u. s. w. (Veröff. d. Kais. Ges.-A. 100. 
No. 42. S. 1015--1016.) 


8. In München ist folgende beachtenswerthe ortspolizeiliche Vorschrift über 
den Verkauf von Kindermilch erlassen worden: § 1. Als „Kindermilch“. 
„Sanitätsmilch“, „Sänglingsmilch“ oder mit ähnlichen Namen, durch welche 
der Glaube erweckt wird, die Milch sei in gesundheitlicher Beziehung der gewöhn- 
lichen Vollmilch vorzuziehen, darf nur Vollmilch bezeichnet werden, welche un- 
mittelbar nach dem Melken bis auf + 10°C. abgekühlt ist und sich in einem Zu- 
stando befindet, dass sie die Abkochung oder Alkoholprobe (Mischung mit 
70 pCt. Alkohol und ebensoviel Wasser) aushält. Sie muss von Milchkühen ge- 
wonnen sein, welche hinsichtlich ihres Gesundheitszustandes und ihrer 
Pflege den nachfolgenden Anforderungen entsprechen: § 2a) Der Gesund- 
heitszustand der Kühe ist durch den zuständigen Amtsthierarzt derartiz zu 
überwachen, dass vor Verwendung einer Kuh als Kindermilchkuh deren Gesund- 
heit durch ein Attest bescheinigt wird und alle 14 Tage sämmtliche Kühe sowohl 
auf ihren allgemeinen Zustand, als auch auf die Beschaffenheit des Euters untersucht 
werden. Ueber die Revision ist Buch zu führen. Jede Erkrankung einer Milch- 
kuh in einem Stalle mit Kindermilchkühen oder in einer Sanitätsmolkerei ist unver- 
züglich dem zuständigen beamteten Thierarzt anzuzeigen. Solche Kühe sind 
sofort aus dem Stalle zu entfernen. Wenn der beamtete Thierarzt es für nothwendig 
erachtet, zur Feststellung des Gesundheitszustandes einer Kuh die Tuberkulin- 
probe vorzunehmen, so hat der Eigenthümer dieselbe ausführen zu lassen. b: Die 
Kühe sind trocken zu füttern; im Sommer ist jedoch die Beimengung nicht zu jungen 


Gesetze und Verordnungen. 627 


Wiesengrases zu Heu oder Grummet in kleinen Mengen gestattet. Ausgeschlossen 
sind: 1. Fabrikrückstände, Branntweinschlempe, Melasse und deren Präparate, Rüben- 
schnitzel, Kartoffelabfälle, Reisfuttermehl (sofern nicht dessen Reinheit [unverfälschtes 
Fett] durch Zeugniss der königl. Untersuchungsanstalt für Nahrungs- und Genuss- 
mittel bezw. einer landwirthschaftlichen Versuchsstation nachgewiesen wird), Fleisch- 
und Blutmehl, frische, d. h. nicht getrocknete Biertreber, Raps-, Senf- und Ricinus- 
kuchen, Baumwollensamenmehl. 2. Schrot von Bohnen, Wicken und Lupinen. 3. 
Stroh von Erbsen, Bohnen, Linsen, Wicken und Lupinen. 4. Rüben aller Art und 
rohe Kartoffel. 5. Rüben- und Kohlblätter, sowie anderes Grünfutter, abgesehen von 
der oben für zulässig erklärten Beimengung von Wiesengras zu Heu oder Grummet. 
6. Küchenabfälle. 7. Verschimmelte, ranzig, faulig, sauer gewordene oder sonst ver- 
dorbene Futtermittel aller Art. Der Magistrat behält sich vor, die Namen weiterer 
Futtermittel, welche an Kindermilchkühe nicht verabfolgt werden dürfen, bekannt zu 
geben. Die Fütterung wird durch den zuständigen Amtsthierarzt überwacht. 
c) Die Kühe sind in einem mit undurchlässigem Fussboden verschenen geräumigen 
und hellen Stalle oder in einer diesen Vorschriften entsprechenden besonderen Stall- 
abtheilung aufzustellen und als „Kindermilchkühe“ besonders zu bezeichnen. 
d) Die Benutzung von gebrauchtem Bettstroh und anderen gebrauchten Abfallstoffen 
als Streumaterial ist verboten. e) Vor dem Melken ist das Euter der Kuh zu 
reinigen. Die mit dem Melken beschäftigten Personen haben saubere, waschbare 
Schürzen beim Melken zu tragen und sich vorher die Hände und Arme mit Seifen- 
wasser zu reinigen. Die erste Milch ist aus den Zitzen zu streifen und nicht in den 
Kübel zu melken. f) Die Milch ist sofort nach dem Melken von Schmutztheilen durch 
Seihen durch feinste Drahtsiebe oder reines Tuch zu reiuigen und dann aus dem 
Stalle zu entfernen. g) Die Bestimmungen a—f sind an der Stallthür anzuschlagen. 
$3. Wer in München Milch unter der oben angeführten Bezeichnung einführt, feilhält 
oder verkauft, hat dies dem Stadtmagistrat anzuzeigen. Ueber von auswärts einge- 
führte „Kindermilch“, „Sanitätsmilch“, „Säuglingsmilch“ ist amtlicher Nachweis 
darüber beizubringen, dass den Anforderungen gegenwärtiger Vorschrift genüge ge- 
than ist u. s. w. u.s. w. (Veröfl. d. Kais. Ges.-A. 1900. No. 38. 925—926.) 


9. Bemerkenswerth ist folgende für den Regierungsbezirk Potsdam erlassene 
Verfügung betreffend die Verunreinigung von Trinkwasserleitungen: Durch 
eine Reibe von Erfahrungen ist erwiesen, dass bei dem noch vielfach üblichen un- 
mittelbaren Anschluss der Klosets (Pissoirs) an die Wasserleitung Ver- 
unreinigungen der ‘rinkwasserleitung dadurch erfolgen können, dass die 
in den Klosets (Pissoirs) angesammelten Schmutzstoffe in die Wasserleitung angesogen 
werden. Diese Möglichkeit liegt, worauf neuerdings von sachverständiger Seite wie- 
derum hingewiesen, dann vor, wenn bci Verstopfung der Schmutzwasserleitung oder 
wie bei den Etagenklosets bei Anfüllung des Beckens bis zu seinem oberen Rande 
gleichzeitig eine Absperrung der Entleerung des Wasserleitungsrohres erfolgt. Aus 
Anlass einer derartigen neuerdings vorgekomınenen Verunreinigung der Wasserleitung 
in Köln wurde für die Spülung der Klosetanlagen (Pissoirs) die Einschaltung von 
Wasserbehältern mit Schwimmerventil und Ueberlaufrohr angeordnet. Es liegt auf 
der Hand, dass in solchen Fällen auch Infektionsstoffe (Typhus-, Cholera-, Ruhr- 
u. a. Keime) in die Wasserleitung gelangen und zur Verbreitung dieser Krankheiten 
Anlass geben können, eine Beziehung, wie sie bei Gelegenheit zweier T'yphusepide- 
mien in Oberschlesien als in hohem Maasse wahrscheinlich erwiesen werden konnte. 
Um den hieraus entspringenden Gefahren zu begegnen, wird daher überall darauf 
binzuwirken sein, dass an die Stelle des unmittelbaren Anschlusses der Klosets 
(Pissoirs) an die Wasserleitung die Einschaltung von geeigneten Wasserbehältern — 


628 Gesetze und Verordnungen. 


sog. Spülkästen — angeordnet wird, wie dies in Amerika und in England, wo man 
diesen Gefahren schon seit lange seine Aufmerksamkeit zugswandt hat, bereits all- 
gemein üblich ist. Im diesseitigen Bezirk ist, soweit hier bekannt geworden, der un- 
mittelbare Anschluss der Klosets an die Wasserleitung bisher nur in der Stadt Bran- 
denburg verboten. Ich ersuche, bei allen in Frage kommenden Neuanschlüssen wie 
desgleichen bei dem Erlass entsprechender Polizeiverordnungen, sowie ihrer Abände- 
rung dafür zu sorgen, dass, soweit es bisher nicht geschehen, statt des unmittelbaren 
Anschlusses der Klosets (Pissoirs) an die Wasserleitung die Einschaltung von 
Spülkästen vorgeschrieben wird. (Veröff. d. Kais. Ges.-A. 1900. No. 43. S. 1041.) 


10. Um dem Ueberhandnehmen der Tuberkulose in der Bevölkerung 
thunlichst zu steuern, ist vom Kgl. sächsischen Ministerium verordnet worden: 
1. Leichenfrauen haben über jeden in Folge von Lungen- oder Kehlkopfschwind- 
sucht eingetretenen Todesfall der Ortspolizeibehörde schriftlich Meldung zu machen. 
Ist der Verstorbene unmittelbar vor dem Tode von einem Arzte hehandelt worden, £o 
hat der letztere auf Ersuchen der Leichenfrau die Todesursache zu bescheinigen. Die 
Meldung hat vor der Beerdigung der Leiche zu erfolgen. 2. Die Aerzte haben in 
jedem Falle, in welchem ein von ihnen behandelter, an vorgeschrittener Lungen- oder 
Kehlkopfschwindsucht Erkrankter aus seiner Wohnung verzieht oder in Rücksicht auf 
seine Wohnungsverhältnisse seine Umgebung hochgradig gefährdet, der Ortspolizei- 
behörde schriftlich Anzeige zu erstatten. 3. Jeder in Privatkrankenanstalten, in 
Waisen-, Armen- und Siechenhäusern, sowie in Gast- und Logirhäusern, Herbergen, 
Schlafstellen, Internaten und Pensionaten vorkommende Erkrankungsfall an Lungen- 
oder Kehlkopfschwindsucht ist von dem behandelnden Arzte, wenn aber ein Arzt nicht 
zugezogen ist, von dem Haushaltungs- bezw. Anstaltsvorstande binnen 3 Tagen nach 
erlangter Kenntniss schriftlich derOrtspolizeibehörde anzuzeigen. 4. Die Ortspolizei- 
behörden haben auf die an sie gelangten Anzeigen bezw. Meldungen, oder sobald sie 
sonst von einem Todes- oder Erkrankungsfall in Folge von Lungen- oder Kehlkopf- 
schwindsucht Kenntniss erhalten, die Desinfektion der Wohnung des betreffenden 
Kranken und ihres Inhalts zu veranlassen. Bei Todesfällen ist diese Desinfektion 
alsbald nach der Beerdigung bezw. Ueberführung der Leiche in die Leichenhalle, bei 
Erkrankungsfällen alsbald, nachdem der Kranke seine bisherige Wohnung oder Auf- 
enthaltsstelle verlassen hat, vorzunehmen u. s. w. {Veröff. d. Kais. Ges.-A. 1900. 
No. 46. S. 1123.) 

11. Für die Einrichtung und den Betrieb von Bäckereien und Kon- 
ditoreien ist in Baden folgende erwähnenswerthe Verordnung erlassen worden: 
$1. Die Arbeitsräume, in denen Bäcker- und Konditorwaaren hergestellt werden, 
müssen einen festen, ebenen und dichten Fussboden, die Wände und Decken, 
soweit sie nicht mit einer abwaschbaren, fugen- und ritzenfreien Holzvertäfelung ver- 
sehen sind, einen Anstrich von Kalkmilch haben, welcher mindestens einmal jährlich 
zu erneuern ist. Der frühere Anstrich ist vor der Erneuerung gut abzureiben. Die 
abwaschbaren Wände und Decken sind stets sauber zu halten. Bei Neuanlagen ist 
die Anbringung von Holzvertäfelungen in den Backräumen untersagt. $ 2. In sämnt- 
lichen Geschäftsräumen, beim Backen und bei allen damit zusammenbängenden Ver- 
richtungen hat die grösste Reinlichkeit zu herrschen. Insbesondere müssen mit 
Wasser gefüllte und täglich zu reinigende Spucknäpfe, sowie, falls nicht in unmittel- 
barer Nähe der Arbeitsstätte ein Waschraum vorhanden ist, zum Waschen der Hände 
Waschbecken, die jedoch nicht aus Holz sein dürfen, und stets sauber gehaltene Hand- 
tücher in ausreichender Zahl vorhanden sein. Das Ausspucken auf den Boden, das 
Rauchen, Kauen und Schnupfen von Tabak in Backräumen ist untersagt. 83. Die 
Arbeitsräume sind nach Beendigung der Arbeitszeit täglich durch Oeffnen der 


ge M M 


Gesetze und Verordnungen. 629 


nach dem Freien gehenden Fenster gründlich zu lüften. Die Fussböden und 
Geräthschaften sind täglich nach beendoter Arbeitszeit gründlich zu reinigen. 
Ausser dem Brusttuch dürfen Kleidungsstücke, welche die Arbeiter während der Ar- 
beit ablegen, in den Arbeitsräumen nicht aufbewahrt werden. § 4. Die Backstuben 
und Räume zur Aufbewahrung von Backwaaren, Mehl u. dergl. dürfen unter 
keinen Umständen zum Schlafen, zum Waschen des Körpers (abgesehen von 
gelegentlicher Reinigung der Hände), zum Waschen und Trocknen der Leib- 
wäsche u. dergl., die Backtröge, die Deckel derselben und die zum Arbeiten 
und zur Lagerung der Brode bestimmten Tische und Bretter in den Backstuben 
und den genannten Räumen weder zum Ausruhen, noch zum Aufstellen oder 
Auflegen von Ess- und Trinkgeschirren oder Geräthen benutzt werden. In 
allen Arbeitsräumen müssen Sitzgelegenheiten für die Arbeiter in genügender 
Zahl vorhanden sein. $5. Die Schlafstuben der Gesellen und Lehrlinge 
sollen gesund sein und namentlich genügend Luft und Licht haben. $ 6. Die Arbeit- 
geber haben auf den Gesundheitszustand und die Reinlichkeit ihrer Arbeiter genau 
acht zu geben. Arbeiter, welche an ansteckenden oder ekelerregenden 
Krankheiten, insbesondere an Hautkrankheiten (Ausschlägen), Schwindsucht u.s.w. 
leiden, sind ohne Weiteres von der Arbeit auszuschliessen. § 7. Backwaaren, 
Mehl u. dergl. sind jederzeit in luftigen und trockenen Räumen aufzubewahren, die 
dem Einflusse schlechter Dünste oder dumpfer Luft nicht ausgesetzt sind. § 8 u.s.w. 
(Veröff, d. Kais. Ges.-A. 1900. No. 44. S. 1071.) 


12. Schliesslich sollen noch einige die Fleischhygiene betreffende Verord- 
nungen nicht nnerwähnt bleiben: 

a) Eine für den Regierungsbezirk Potsdam erlassene Verfügung wendet 
sich gegen die Behandlung von Fleischwaaren mittels Präservesalzes. 
Es wird darin ausgeführt, dass die neuerdings immer mehr zunehmende Ver- 
wendung dieser Mittel, namentlich beim Hack- und Schabefleisch und bei der 
Wurstmasse es nothwendig erscheinen lässt, dieser Frage erhöhte Aufmerksam- 
keit zuzuwenden, nachdem der Genuss derartig behandelter Fleischwaaren 
ineiner grossen Zahl von Fällen zu Gesundheitsschädigungen und ge- 
richtlichen Verurtheilungen Anlass gegeben hat. In Frage kommt haupt- 
sächlich der Gehalt dieser Konservesalze an schwefligsaurem Natrium, wodurch 
älterem, nicht mehr frischem oder auch dem Verderben nahem oder schon verdorbe- 
nem Fleische das Aussehen frischen rothen Fleisches gegeben wird, und dessen Ver- 
wendung sowohl an sich wie namentlich bei Leuten mit schwachem Magen, bei Kran- 
ken, Wöchnerinnen und Rekonvalescenten die Gesundheit zu schädigen und ausserdem 
über die wahre Beschaffenheit der betreffenden Fleischwaaren zu täuschen geeignet 
ist. Die Landräthe und Polizeitehörden werden daher ersucht, dieser Frage ihre 
besondere Aufmerksamkeit zuzuwenden. Gleichzeitig wird angeordnet, überall da, 
wo der Verdacht begründet erscheint, dass derartige Zusätze üblich sind, namentlich 
in den grösseren Städten und den Vororten von Berlin, durch Probeentnahme der 
genannten Fleischwaaren und deren Untersuchung durch geprüfte Nahrungs- 
mittelchemiker festzustellen, inwieweit diese Unsitte im dortigen Kreise (Polizei- 
bezirk) verbreitet ist, und je nach dem Ergebniss das Weitere auf Grund der $$ 10, 
11, 12, 14 des Nahrungsmittelgesetzes vom 15. Mai 1879 zu veranlassen. (Veröff. d. 
Kais. Ges.-A. 1900. No. 43. S. 1040—1041.) 

b) Für den Regierungsbezirk Gumbinnen ist unter dem 14. März 1900 eine 
Polizeivordnung, den Handel mit Fleisch betreffend, erlassen worden, die fol- 
gende einschlägige Bestimmungen enthält: § 1. Das Feilhalten und Aushängen 
ausgeschlachteten Fleisches an und vor den Thüren, vor den Wohnungen und Ge- 


630 Gesetze und Verordnungen. 


schäftsräumen, sowie in den Hausfluren der Fleischer oder auf der Strasse ist ver- 

boten. Diese Bestimmung findet keine Anwendung auf das Feilbieten von Fleisch 

auf don Märkten und Jahrmärkten oder vom Wagen aus. $& 2. Die von Fleischern 

zum Transport des ausgeschlachteten Fleisches benutzten Wagen oder die zu diesem 

Zwecke auf Wagen gesetzten Gefäsee müssen im Innern mit Zinkblech ausgeschlagen 

oder mit einem giftfreien Oelfarbenanstrich versehen sein und dauernd in sauberem 

Zustande erhalten werden. Der Wagen muss eine besondere Sitzvorrichtung für den 

Wagenführer haben. Auf dem Fleischtransportwagen ist das Fleisch so zu lagern, 

dass es mit anderen Gegenständen oder Personen nicht in Berührung kommen kann. 

$ 3. Die zum Austragen des ausgeschlachteten Fleisches von den Fleischern bè- 

nutzten Behälter (Mulden u. s. w.) müssen in sauberem Zustande erhalten werden. 

& 4. Das offen auf Wagen, in Mulden und anderen Behältern transportirte oder 
auf der Schulter getragene Fleisch (geschlachteter Thiere) muss stets mit sauberen 
weissen Tüchern bedeckt oder umhüllt sein. Beim Transport auf Wagen kann 
auch ein grauleinener sauberer Plan benutzt werden. Der Träger des Fleisches 
hat stets reinliche Kleidung zu trageu; legt derselbe eine Schürze an, so muss 
dieselbe von weisser Farbe sein. § 5. Verkäufer und Verkäuferinnen von aus- 
geschlachtetem Fleisch müssen eine saubere, weisse Schürze über ihren Kleidern 
tragen. Das Aussuchen der Waaren seitens der Käufer durch Angreifen, Be- 
drücken und Betasten der frisch ausgeschlachteten Fleisches ist verboten. 
§ 6. Das unmittelbar zum Kauf bestimmte, auf den Verkaufstischen ausgestellte 
Hackfleisch muss unter Gaze, Glocken oder enges Drahtgeflecht gebracht 
werden. 87. Das Aufblasen des zum Verkauf gestellten Fleisches, sowie der 
Lungen geschlachteter Thiere jeder Art sowohl mittels des Mundes als mittels eines 
Blasebalges oder anderer Werkzeuge ist verboten. § 8. Die Verkaufsstellen des 
Fleisches in Häusern müssen hell und luftig sein. Fussböden und Wände müssen mit 
einem hellen giftfreien Oelfarbenanstrich oder mit einer leicht abwaschbaren Verklei- 
dung (Kacheln u.s. w.) versehen sein und sind stets in sauberem Zustande zu erhalten. 
§ 9. Die zum Verkauf von frischen, ausgeschlachteten Fleisch auf Märkten be- 
nutzten Buden, Bänke, Gefährte u. s. w. müssen stets in sauberem Zustande 
erhalten werden. Das Fleisch in bezw. auf denselben ist so aufzustellen oder aufzu- 
hängen, dass eine unbeabsichtigte Berührung desselben seitens Vorübergehender aus- 
geschlossen ist. Fleisch und Theile geschlachteter Thiere mit Ausnahme von Fellen 
und behäuteten Füssen dürfen nicht auf der Erde gelagert oder aufbewahrt werden 
§ 10. Die von den Fleischern im Schlachtbetriebe benutzten Beile, Messer, 
Hackeklötze und andere Werkzeuge sind nach jedem Gebrauche sorgfältig zu 
reinigen und bis zum nächsten Gebrauche in sauberem Zustande zu erhalten. §11. 
Werkstätten und solche Räumlichkeiten, welche zur gewerbsmässigen Herstellung. 
zum Verkauf und zur Verpackung von Fleischwaaren dienen, oder in welchen solche 
Verkaufsgegenstände lagern oder aufbewahrt werden, dürfen zum dauernden Aufent- 
halt von Menschen, d. h. als Wohn- und Schlafräume nicht benutzt werden 
u.s. w. u.s. w. (Veröff. d. Kais. Ges.-A. 1900. No. 44. S. 1066—1067.) 

c) Den Transport von Fleisch regelt für die Stadt Charlottenburg fol- 
gende Polizeiverordnung: $ 1. Geschlachtetes Vieh und Theile von solchem. 
insbesondere auch einzelne Fleischstücke müssen, wenn sie in Fuhrwerken jeg- 
licher Art, mit Einschluss von Handwagen und Karren, transportirt werden, derartig 
rings umschlossen oder verdeckt sein, dass sie dem Anblick von aussen her voll- 
ständig entzogen sind. § 2. Dasselbe gilt beim Transport in Mulden, Körben und 
ähnlichen Gegenständen, sofern er im Betriebe des Fleischergewerbes erfolgt. $ è 
Tücher und andere Decken, welche zu diesem Zwecke verwandt werden, müsse 


Kleinere Mittheilungen. 631 


durchaus sauber sein. $ 4. Die zum Transport benutzten Wagen, Karren, Mul- 
den u. s. w. müssen stets in sauberem Zustande gehalten werden. § 5. Beim 
Transporte von geschlachtetem Vieh uud Theilen von solchem auf offenen 
Wagen dürfen auf dem Fleisch bezw. auf den dasselbe bedeckenden Tüchern 
oder Decken Personon weder sitzen noch liegen u. s. w. u. s. w. (Veröff. d. 
Kais. Ges.-A. 1900. No. 47. S. 1146—1147.) Jacobitz (Halle a. S.). 


Kleinere Mittheilungen. 

(:) Als bei der Berathung des neuen Fleischschaugesotzes die Befreiung 
der Hausschlachtungen von dem Schauzwang unter Hinweis auf die Thatsache 
bekämpft wurde, dass die Hausschlachtungen oft genug zugleich Nothschlach- 
tungen seien und das von ihnen herrührende Material daher als besonders bedenklich 
und gesundheitsschädlich und also der sachverständigen Prüfung in erhöhtem Maasse 
bedürftig erscheine, wurde diese Behauptung von agrarischer Seite als eine willkür- 
liche Verdächtigung der Viehzüchter, Gutsbesitzer u.s.w. bezeichnet und die Ex- 
inirung der Hausschlachtungen bekanntlich durchgesetzt. 

Jetzt lesen wir aber beispielsweise in einem von der Kgl. preussischen tech- 
nischen Deputation für das Veterinärwesen herrührenden Gutachten über die 
Gefährlichkeit der Näute milzbrandkranker Schafe (Veröff, d. Kais.Ges.-A. 1901. S.496) 
folgende Sätze: „Abgesehen vom Milzbrand cereignen sich bei Schafen verhältniss- 
mässig wenige Todesfälle durch akut verlaufende Krankheiten. Bei allen chro- 
nischen Krankheiten erfolgt in den voraussichtlich tödtlich ausgehen- 
den Fällen die rechtzeitige Schlachtung, um das Fleisch der Thiere für 
den Hausbedarf des Besitzers verwenden zu können. Die nach dem Genuss 
von jungem Klee am Aufblähen in tödtlichem Grade erkrankten Schafe werden 'eben- 
falls in der Regel noch früh genug geschlachtet, um das Fleisch benutzen zu können.“ 
Jede weitere Bemerkung dürfte überflüssig sein. 


(J) Im März 1901 hatten von 279 deutschen Orten mit 15000 und mehr Ein- 
wohnern eine höhere Sterblichkeit als 35,0 auf je 1000 Einwohner und aufs Jahr be- 
rechnet: ebenso wie im Februar 2, eine geringere als 15pM. 21 gegen 52 im Vormonat. 
Mehr Säuglinge als 333,3 auf je 1000 Lebendgeborene starben in 5 gegen 10 Orten, 
weniger als 200,0 in 197 gegen 198 im Februar. 

(Veröff. d. Kais. Ges.-A. 1901. S. 423.) 

Stand der Seuchen. Nach den Veröffentlichungen des Kaiserlichen Gesund- 
heitsamtes. 1901. No. 19 u. 20. 

A. Stand der Pest. I. Türkei. Bassora. 26. 4.: 3 pestverdächtige Er- 
krankungen. 28. 4.: Bei einem Falle wird Pest festgestellt. Galata. 30. 4.: 1 Er- 
krankung. Es wurden alle nothwendigen Desinfektions- und Vorsichtsmaassregeln 
getroffen. I. Britisch-Ostindien. Präsidentschaft Bombay. 31. 3.—6. 4.: 
1785 Erkrankungen, 1505 Todesfälle. 7.—13.4.: 1947 Erkrankungen, 1632 Todesfälle. 
Stadt Bombay. 3.3.—6.4.: 773 Erkrankungen, 691 Todesfälle nachweislich an Pest 
und 452 pestverdächtige unter insgesammt 1727 Todesfällen. 7.—13. 4.: 771 Erkran- 
kungen und 715 erwiesene Pesttodesfälle, ausserdem wurden von im Ganzen 1762 Todes- 
fällen noch 492 als pestverdächtig eingetragen. Karachi. 24.30. 3.: 207 Erkran- 
kungen, 166 Todesfälle. 31. 3.6. 4.: 208 Erkrankungen, 175 Todesfälle. 7.—13.4.: 
230 Erkrankungen, 209 Todesfälle. III. Japan. Formosa. September bis November 


632 Kleinere Mittheilungen. 


1900: angeblich nur 10 Erkrankungen und 9 Todesfälle. December 1900 bis Februar 
1901 inklusive: 29-99-63 Erkrankungen und 19-64-61 Todesfälle. IV. Kapland. 
Kapstadt. 24.30. 3.; 31.3.—6.4.: 4; 7.—13. 4.: Zugang im Pesthospital 60-62-43 
Kranke, und zwar 18-20-12 Europäer, 38-29-30 Farbige und 4-13-1 Eingeborene. Als 
„verdächtig“ im Beobachtung befanden sich am 30. 3.: 8 und am 13.4.: 5 Kranke in 
Behandlung, die Gesammtzahl der Kranken an diesen Tagen betrug im Pesthospital 133 
resp. 116, nachdem in der am 30.3.—6.4.—13.4. endenden Woche 22-31-22 Pestkranke 
gestorben, 25-25-34 als geheilt entlassen worden waren. In den Contact camps befanden 
sich am 30.3.:729 Personen, die mit Pestkranken in Berührung gekommen waren, am 13.4. 
noch 745 derartige Personen in Beobachtung, nachdem im Laufe der beiden letztenWochen 
bei 8 die Krankheit sich entwickelt hatte. Im Militärhospital sollen sich am 10. 4. 
38 Pestkranke, theils Soldaten, theils Arbeiter der Militärbehörden in besonderer Be- 
handlung befunden haben. Dass der Anzeigepflicht seitens der Bevölkerung immer 
noch sehr unvollkommen genügt wird, beweist die Auffindung von 8 Pestleichen wäh- 
rend der 3 Tage vom 31. 3.—2. 4. Die Quarantänemaassnahmen im Hafen von 
Kapstadt sind seit Anfang April dadurch verschärft worden, dass vom 15. 4. nur noch 
geimpfte Personen die Docks betreten dürfen. Von ausserhalb kommende Truppen 
dürfen nicht mehr in Kapstadt gelandet werden. Der Verkehr mit Kapstadt nach St. 
Helena war abgebrochen. Bei den Reinigungs- und Desinfektionsarbeiten in den Häu- 
sern der Stadt hat man in fast allen Häusern unter den aufgenommenen Dielen ver- 
endete Ratten in Menge gefunden, deren bakteriologische Untersuchung das Vor- 
handensein des Pestbacillus ergab. In den Hafendocks hat man nicht weniger als 
5446 Ratten getödtet. V. Queensland. 17.—23. 3.: 2 Erkrankungen. 24.—30. 3.: 
1 Erkrankung. VI. West-Australien. 17.—23. 3.:6 neue Pestfälle. Am Ende der 
Woche nach Angabe der Centralgesundheitsbehörde zu Perth: 11 Personen in Be- 
handlung, 27 unter Beobachtung. 

B. Zeitweilige Maassregeln gegen Pest. Unter dem 23. 4. 1901 haben 
der Minister für Handel und Gewerbe und der Medicinalangelegenheiten einen Er- 
lass betreffend Maassnahmen zur Verhütung der Pest durch Ratten, Schiffskehricht 
und erkrankte Personen erlassen, aus dem folgende Punkte hervorzuheben sind: 1. 
Schiffe, auf denen die Pest unter den Ratten festgestellt ist, sind in dem gleichen 
Maasse als pestgefährlich anzusehen, wie Schiffe, auf denen Mannschaften an Pest 
erkrankt sind; sie sind deshalb denselben Vorsichtsmaassregeln zu unterwerfen u.s.w. 
2. Besondere Achtsamkeit ist dem Schiffskehrichte von verseuchten und verdächtigen 
Schiffen zuzuwenden. Bevor derselbe behufs Verbrennung von Bord weggebracht wird, 
ist er mit Kalkmilch oder Sublimat anzufeuchten. 3. Wird besonders darauf hinge- 
wiesen, dass es sich ganz ausserordentlich empfiehlt, alle vorgefundenen irgendwie 
zweifelhaften oder verdächtigen Kranken behufs zuverlässiger Feststellung der Krank- 
heitsursache sofort in ein Krankenhaus zu bringen, um so der Gefahr vorzubeugen, 
dass gelegentlich Pestkranke sich Tage lang der ärztlichen Beobachtung entziehen 
und während dieser Zeit eventuell den Krankheitserreger weiter verbreiten. 

C. Stand der Cholera. Britisch-Ostindien. Kalkutta. 24.—30. 3.: 
66 Todesfälle. 31 3.—6. 4.: 68 Todesfälle. II. Straits Settlements. Singapore. 
Seit dem 26. 2. sollen Erkrankungen oder Todesfälle an Cholera nicht mehr vorge- 
kommen sein. Jacobitz (Halle a. S.). 


Verlag von August Hirschwald, Berlin N.W. — Druck von L. Schumacher in Berlin. 


Hygienische Rundschau. 


Herausgegeben 
von 
Dr. Carl Fraenkel, Dr. Max Rubner, Dr. Carl Günther, 
Prof. der Hygiene in Halle a./8. Geh. Med.-R., Prof. der Hygiene in Berlin. a. o. Professor in Berlin. 


X. Jahrgang. Berlin, 1. Juli 1901. W 13. 


Zum Nachweis der Milzbrandbacillen. 
Von 
Prof. C. Fraenkel. 


Die Mittheilung von Lange in No. 10 dieser Zeitschrift: „Zur Milzbrand- 
iofektion des Menschen“ giebt mir Veranlassung zu den folgenden kurzen 
Bemerkungen. L. beschreibt dort einen Fall von menschlichem Milzbrand, 
bei dem der Nachweis der Bacillen durch Verimpfung kleiner Mengen 
des verdächtigen Gewebes oder Blutes auf Mäuse gelang, während die zu 
gleicher Zeit angefertigten Gelatine- und Agarplatten ohne Ausnahme ver- 
sagten, und er glaubt deshalb, von neuem empfeblen zu sollen, bei jeder der- 
artigen Gelegenheit neben dem Kulturverfabren stets sofort den Thierversuch 
heranzuziehen. 

Ohne Zweifel ist dieser Rath durchaus berechtigt; wie bei allen übrigen 
Infektionskrankheiten, deren Erreger auf Thiere übertragen werden können, 
so bei der Pest, dem Rotz, dem Tetanus u. s. f., werden wir auch beim Milz- 
brand auf ein Mittel zur Sicherung der Diagnose nicht verzichten dürfen, 
dessen werthvolle Dienste unbestritten sind. Aber Dr. Lange ist nach seinem 
Befunde geneigt, der Impfung sogar die grössere und entscheidendere Bedeu- 
tang beizumessen, den thierischen Körper als „das feinere und schärfere Re- 
agens auf Milzbrand“ ansprechen zu sollen und damit eine Auffassung zu ver- 
treten, der ich nach meinen eigenen Erfahrungen nicht beizupflichten vermag. 
Auf Grund dieser letzteren muss ich vielmehr behaupten, dass gerade beim 
Milzbrand umgekehrt die Kultur keineswegs selten noch ein brauch- 
bares Ergebniss liefert, wo das Thierexperiment im Stiche lässt. 

Im Laufe der verflossenen 4 Jahre sind dem hiesigen hygienischen In- 
stitut Proben von 5 verschiedenen Milzbrandfällen zur Untersuchung zugegangen, 
3 vom Menschen, je eine vom Rinde und vom Pferde stammend. Die Ver- 
arbeitung des Materials geschah stets in der nämlichen Weise: es erfolgte 
zunächst eine mikroskopische Prüfung im ungefärbten und im gefärbten Prä- 
parat, die aber in keinem einzigen Falle zu einem einigermaassen sicheren 
Ergebniss gelangte. Alsdann wurden kleine Mengen des betreffenden Gewebes 

> 44 


634 Fraenkel, 


zur Herstellung von Gelatine- und Agarplatten verwendet, andere endlich auf 
Thiere, Meerschweinchen und Mäuse, verimpft. Das Resultat lässt sich in 
Kürze dahin zusammenfassen, dass einmal (Rind) der Nachweis der Bacillen 
auf beiden Wegen erbracht werden konnte, einmal (Mensch) nur die Infektion 
des Thieres — einer Maus — zum Ziele führte, in den drei weiteren Fällen 
dagegen (zweimal Mensch, einmal Pferd) die Thiere völlig gesund blieben, und 
allein auf den Platten, zweimal nur den mit Gelatine, einmal nur den mit 
Agar angefertigten, nach mehreren Tagen neben zahlreichen Kolonien des Bac. 
coli, des Staphylococcus aureus und albus, sowie auch des Streptococcus, eine 
oder einige wenige typische Milzbrandkolonien auftauchten. 

Diese Befunde erscheinen auf den ersten Blick gewiss etwas befremdend. 
Sind wir doch in der That gewöhnt, den thierischen Organismus von vorn- 
herein als den besseren und zuträglicheren Nährboden für die Entwickelung 
der pathogenen Bakterien anzusehen, und werden wir daher erwarten, das 
er in jedem Falle mindestens das gleiche leiste, wie unsere todten Substrate. 
Aber man darf doch nicht vergessen, dass der Körper über natürliche Ab- 
wehr- und Schutzkräfte verfügt, die von den Eindringlingen zunächst über- 
wunden werden müssen, und die nur dann völlig in den Hintergrund treten, 
wenn Arten oder Geschöpfe von höchster Empfänglichkeit und Bakterien von 
höchster Virulenz zusammentreffen. Nun ist aber gerade der Milzbrandbacillus 
besonders leicht äusseren Angriffen und Schädigungen zugänglich, die eine 
mehr oder minder tiefe und dauerhafte Schwächung zur Folge haben und 
seine Fähigkeit zur ungestörten Entwickelung im Organismus des Warmblüters 
in bald stärkerem, bald geringerem Maasse beeinträchtigen. 

So wissen wir aus den Untersuchungen und Erörterungen von Geppert’), 
Behring?) u. A., dass Milzbrandkeime (Sporen), die der Einwirkung desin- 
ficirender Mittel, wie z. B. des siedenden Wassers oder der Aqua chlori, 
ausgesetzt worden sind, im thierischen Körper nicht mehr Fuss zu fassen 
vermögen, wohl aber noch auf todten Nährböden gedeihen. So ist von ver- 
schiedenen Seiten berichtet worden, dass der Aufenthalt der Milzbrand- 
bacillen im Organismus natürlich immuner oder wenig empfäng- 
licher Geschöpfe, wie der Frösche?) und Ratten®‘, eine Verminderung 
ihrer Virulenz bedinge, und da auch der Mensch zu den Arten gehört, denen 
nur ein mittlerer Grad von Empfänglichkeit innewohnt, so wird es schon be- 
greiflich, dass die vom menschlichen Milzbrand herrührenden Kulturen nach 
den in der Literatur niedergelegten Angaben’) wiederholentlich eine deutliche 
Abnahme ihrer infektiösen Kraft zur Schau getragen haben. 


1) Geppert, Berliner klin. Wochenschr. 1890. 5.248. Deutsche med. Wochenschr. 
1891. No. 25—27. 

2) Behring, Zeitschr. f. Hyg. Bd. 9. S. 395. 

3) Lubarsch, Fortschr. d. Med. Bd. 6. S. 121. Sanarelli, Centralbl. f. Bakt. 
Bd. 9. S. 467. Rivista d’Ig. 1891. No. 3. r.Baumg. Jahresber. 1891. S. 153. Fischel, 
Fortschr. d. Med. 1891. S. 45. 

4) Frank, Centralbl. f. Bakteriol. Bd. 4. S. 730 u. 737 u. s. f. 

5) Balp, r. Baumg. Jahresber. 1891. S. 147. Müller, Deutsche med. Wochen- 
schr. 1894. S. 515. Kossel, Charite-Annalen. Bd. 20. S. 1 


Zum Nachweis der Milzbrandbacillen. 635 


Indessen war bei unseren Kulturen hiervon nichts zu bemerken; bereits 
die erste von den Platten gewonnene Zucht erwies sich in allen Fällen als 
hochvirulent, und ich glaube daher in diesem Zusammenhange noch an eine 
andere wichtige Möglichkeit erinnern zu sollen. Vielfache Untersuchungen haben 
uns gelehrt, dass die Milzbrandbacillen bei vorausgeschickter oder gleichzeitiger 
oder selbst nachfolgender Verimpfung der verschiedensten anderen Bakterien 
im Organismus auch empfänglicher Geschöpfe nicht zur Entwickelung gelangen 
und unter dem Einfluss der antagonistischen Gewalten also in ihrer schäd- 
licben Wirkung gelähmt werden. Das ist bekannt z. B. für den Bac. Friedländer, 
den Bac.pyocyancus, fluorescens, prodigiosus, coli, aber auch für den Streptococcus, 
Staphylococcus u. s. f. Für den letzteren hat nach früheren einschlägigen Er- 
mittelungen von Pawlowsky!), von Baumgarten und Czaplewski2), von 
Beco°) u. A. m. noch neuerdings Frank) einige sehr bemerkenswerthe Beobach- 
tungen mitgetheilt, aus denen mit Bestimmtheit hervorgeht, dass bei der ge- 
meinschaftlichen Uebertragung dieser Kokken und hochvirulenter Milzbrand- 
bacillen auf Mäuse und Meerschweinchen jede Erkrankung der Versuchsthiere 
ausbleiben kann. Nun hatten unsere Platten, wie erwähnt, stets das reichliche 
Vorkommen derartiger Begleitbakterien in dem benutzten Ausgangsmaterial 
feststellen können, und man wird daher sicherlich der Vermuthung ein hohes 
Maass von Wahrscheinlichkeit einräumen müssen, dass eben deshalb die 
Impfung versagte, während auf dem todten Nährboden eine Hemmung der 
Milzbrandbacillen überhaupt nicht oder doch nur in viel geringerem Grade 
Statt hatte. 

Mit gleichen und ähnlichen Verhältnissen wird man nun aber gerade in 
der Praxis oft genug zu rechnen haben. Beim menschlichen Milzbrand fast 
stets, beim thierischen nicht selten finden sich in dem inficirten Gewebe 
neben den specifischen Krankheitserregern noch sekundäre Mikrobien der ver- 
schiedensten Art, denen milzbrandwidrige Eigenschaften zukommen, und so 
stösst der Thierversuch von vornherein auf ein entscheidendes Hinderniss. 

Unsere thatsächlichen Erfahrungen decken sich mit diesen theoretischen 
Betrachtungen durchaus. So gewiss man bei der bakteriologischen Prüfung 
verdächtigen Materials die Impfung in keinem Falle versäumen soll und darf, 
so wenig kann sie doch als die unbedingt feinere und zuverlässigere Methode 
des Nachweises angesehen werden. Unter Umständen wird sie im Gegen- 
theil von der einfachen Züchtung auf gewöhnlichen Nährböden 
überbolt, und auch dieser letzteren ihr gutes Recht zu wahren, schien mir 
daher erwünscht und nothwendig. 


1) Pawlowsky, Virch. Arch. Bd. 108. 

2) Baumgarten’s Jahresb. 18%. S. 540. 

3) Béco, Centralbl. f. allgem. Path. 1895. S. 641. 
4) Münch. med. Wochenschr. 1899. S. 282. 


44* 


636 Reischauer, 


(Aus dem hygienischen Institut zu Halle a. S.) 


Vergleichende Untersuchungen über die Brauchbarkeit verschiedener Verfahren 
zur Ausführung der Wohnungsdesinfektion mit Formaldehyd. 


Von 


Dr. Arnold Reischauer. 
(Fortsetzung und Schluss aus No. 12.) 


Durch eine Reibe eigener Versuche hatte ich Gelegenheit, die Wirk- 
samkeit einiger der eben beschriebenen Verfahren genauer kennen zu lernen. 
Zunächst habe ich eine Prüfung der Krell-Elb’schen Karboformal- 
Glühblocks vorgenommen. Zu dem Zweck stand mir ein Zimmer von 69 cbm 
Rauminhalt zur Verfügung, das 3 Fenster und 2 Thüren hat, die bei allen 
Experimenten natürlich auf das Sorgfältigste mit feuchten Wattestreifen abge- 
dichtet wurden. Als Testobjekte benutzte ich Läppchen aus Seide, Leinen 
und Flanell, die mit einer möglichst koncentrirten Bouillonaufschwemmung 
von 24—36 Stunden alten Kulturen von Staphylococcus aureus, Diphtherie- 
und Typhusbacillen getränkt und dann in einem Brutschrank getrocknet worden 
waren; ausserdem kamen noch an Seidenfäden angetrocknete Milzbrandsporen 
zur Verwendung. Je 6 solcher Läppchen brachte ich in eine sterile offene 
Petrischale, deren 6 dann auf den im Zimmer befindlichen Gegenständen, 
Tisch, Ofen, Schemel vertheilt wurden. Weitere 36 Proben erhielten ihren 
Platz auf zwei sterilen, einfach zusammengelegten Handtüchern, die zwischen 
den Beinen eines umgedrehten Holzschemels ausgespannt wurden, sodass die 
Luft von oben und unten durchstreichen konnte. Ausserdem setzte ich noch 
8 Seidenfäden mit Milzbrandsporen aus, theils in die Handtücher versteckt, 
theils in besonderen Petrischälchen. Nach Beendigung der Versuche wurden 
stets eine halbe Stunde lang Ammoniakdämpfe eingeleitet, und ein Geruch 
nach Formaldehyd beim Oeffnen der Zimmer war dann nicht mehr wahrzu- 
nehmen, während die Ammoniakdämpfe durch Lüften in wenigen Minuten zu 
beseitigen waren. Die Verimpfung der Proben geschah in der Weise, dass je 
ein Seiden-, Leinen- und Flanellläppchen in Bouillon, das andere auf Agar, 
die mit Diphtheriebacillen infieirten dagegen auf Löffler’sches Serum über- 
tragen wurden. Die auf Agar gebrachten spülte ich im Kondenswasser tüchtig 
ab und strich sie wiederholentlich über die schräg erstarrte Fläche hin, um 
den Einfluss der etwa anhaftenden Spuren von Formaldehyd thunlichst za be 
seitigen, wie dies namentlich von Schumburg (126) verlangt worden ist. 
Die Resultate meiner 4 Versuche sind folgende: 


Versuch I. 17. Mai 1900. 


Es wurden 2 Glühblocks (100 g Paraldehyd) vergast, 3 Liter Wasser auf 
dem Fussboden versprengt. Einwirkungsdauer 7 Stunden; alles gemäss den 
Vorschriften der Fabrik. 


Vergleichende Untersuchungen über Wohnungsdesinfektion mit Formaldehyd. 637 


Es bedentet t gewachsen, O steril, V verunreinigt. 


1. 


Typhus_[Staph. aur.|Diphtherie | Milzbrand 


B | AI BIA B|S B 
| 

Seide PE FA 0 + | + 
Ofen Leinen + 0 + t 0,0 
Flanell +t + F | ł 0!0 

Seide ırı t|r | + 0!0 +|r 
Schemel | Leinen 0 $ tır oit 
Flanell + + Erre 010 

Seide 0i + PaF 0 0 + F 
Handtuch | Leinen + F t t E A 
A Flanell t|r T + +t + 

- Seide + t|t +lo:olr'+ 
Handtuch | Leinen PEETA r[olo 
B Flanell +|tr|rir]o'o 


A— Agar. B= Bouillon. S= Serum. 


Es hatten sich also alle Proben von Milzbrand und Staph. aur. entwickelt, 
Typhus mit drei Ausnahmen, während von den Diphtherieproben nur vier noch 
lebensfähig geblieben waren. 


Versuch II. 25. Mai 1900. 


Da die Vermuthung nahe lag, dass die Formaldehydmenge nicht genügt 
habe, wurden jetzt 4 Glühblocks vergast, d. h. statt 1!1/, 8 g pro cbm. Ver- 
sprengt wurden 7 Liter Wasser, also gleichfalls die doppelte Menge, Ein- 
wirkungsdaaer 7 Stunden. 


II. 


Milzbrand 


Staph. aur.) 


Diphtherie 


B 
! 
Seide +/rIir|r 010 l+ 
Ofen Leinen tıtir|rt or 
Flanell ++ tit glo 
Seide vi+ti+tltloiol+t +t 
Schemel | Leinen + + + + 0 0 
Flanell tltl+tl+t vlo 
Seide +tititltlojoftit 
Handtuch | Leinen +t tlt +t +10 
A Flanell t|Itrır!rt l4 
Seide tltltitlo'tjtlt 
Handtuch | Leinen ıltrır|ririr 
B Flanel | t Ir | HI rt [eo © 


Der Erfolg war also fast noch schlechter als beim ersten Male: Es 
wuchsen sämmtliche Proben mit Typhus, Staph. und Milzbrand, von Diph- 
tberie keimten noch 6 Proben aus. 

45 


638 Reischauer, 


Versuch III. 2. Juli 1900. 
Es wurden 2 Liter Wasser verdampft. 2 Glühblocks, 7 Stunden Ein- 
wirkungszeit. 


II. 


Typhus [Staph. aur. !Diphtherie Milzbrand 


Seide 0,0 0,0 o/IvIir|r 
Ofen Leinen 00 010 0/0 
Flanell 0 0 0 | f 0 +t 
Seide LAR l 0 i 0 0 0 Al; 
Schemel Leinen 0 0 Git 0 vV 
Flanell $ | 0 or 0 0 
Seide (0a E LEa S aa LA S AG E E a 
Handtuch Leinen 0 0 0 0 DJ t 
A Flanell |o ir |rı + [010 | 
Seide olofjolojfjojofj+t'+t 
Handtuch | Leinen 0t $ '0 + + 
B Flanell (EREE t|r 0 0 


Es waren von Staph. aur. 9 Proben gewachsen, von Typhus 5, von Diph- 
therie 4 und alle Milzbrandfäden. 


2 Versuch IV. 6. Juni 1900. 

Es wurden wieder 2 Liter Wasser verdampft, und diesmal 4 Glühblocks 
vergast. Die Einwirkungsdauer betrug wieder 7 Stunden. 

Es wuchsen von Typhus 4, von Staph. aur. 3, von Diphtherie 1, von 
Milzbrandsporen alle Proben. Im Ganzen entwickelten sich die von Hand- 
tüchern bedeckten Proben besser als die frei ausgelegten. 

IV. 


Typhus |Staph. aur.[Diphtherie|Milzbrand 


BJA B | S 
_ - 
Seide 010 01/0 010 t|ı rt 
Ofen [Leinen [0 JoJoJo|Jo,o | 
Flanel |0|0J0/0]J 010 | 
Seide ololo!/+lovir+!+ 
Schemel | Leinen 0,0 010 0,9 | 
Flanel |o |oJo 0o|o,o 
Seide 010 00 0/0 ed 
Handtuch | Leinen +0 0] 0 +0 l 
A Flanell t + 0 0 0 0 | 
Side |JoJofolojJolol+; + 
Handtuch | Leinen 0,0 Fak 0/0 
N B Flanell +t 0 0 0 0 


Diese Versuche stimmen in ihren Resultaten mit den von Dieudonne 
(29) erzielten Ergebnissen gut überein. Auch sie zeigen, dass nur bei Ver- 
dampfung einer genügenden Wassermenge befriedigende Resultate mit 
den Karboformal-Glühblocks erzielt werden können. 


Vergleichende Untersuchungen über Wohnungsdesinfektion mit Formaldehyd. 639 


Weiter habe ich mich auch von der Wirksamkeit des kombinirten 
Schering’schen Verfahrens überzeugen können, und zwar unter den Ver- 
bältnissen der Praxis, nämlich in drei verschiedenen hiesigen Wohnungen, 
die mit Hilfe des kombinirten Aeskulap und nach den, von der genannten 
Firma hierfür gegebenen genauen Vorschriften desinfieirt wurden. In den 
betreffenden Räumen wurden die oben beschriebenen Proben von Staph. aur., 
Diphtherie- und Typhusbacillen und Milzbrandsporen ausgelegt, und zwar zu 
je zweien in eine Hülle von sterilem Fliesspapier eingeschlossen, von denen 
im Ganzen 16 zur Benutzung kamen, die in die ausgezogenen Schubladen von 
Kommode oder Waschtisch, in die geöffneten Kleider- und Wäscheschränke, 
auf den Ofen und zwar in verschiedener Höhe, auf den Bilderrahmen, unter 
den Betten und anderen Möbelstücken vertheilt wurden. Nach Ablauf. der 
Desinfektionszeit wurden die Proben ganz wie bei den früheren Versuchen 
behandelt. 

Versuch I. 25. Juni 1900. 


Zimmer von 70 cbm Rauminhalt. 200 Pastillen und 2 Liter Wasser 
wurden verdampft. Einwirkungszeit 7 Stunden. 


Typhus | Staph. aur.| Diphtherie] Milzbrand 
B|A B| A BS B 
| 

tit + lolo + |} 
1,0 rır Ve Tr 
Hit) rjJololtit 
tt lrirlosoltir 


Abgetödtet waren also alle Proben mit Diphtherie- und eine mit Typhus- 
bacillen, alle übrigen entwickelten sich in normaler Weise. 


Versuch II. 4. Juli 1909. 


Zimmer von 80 cbm Rauminhalt. 400 Pastillen und 3 Liter Wasser ver- 
dampft. Einwirkungsdauer 31/, Stunden. 


Milzbrand 


Staph. aur.| Diphtherie 

B | AI B | S B 
0 | 0 0 | 0 0 | + 
0 0 0 0 0,0 
o/loJo|o|olo 
oJolJo;,ogjoltr 


Alle Proben steril, mit Ausnahme von 2 Milzbrandsporen. 


Versuch III. 2. Juli 1900. 


Zimmer von 45 cbm Rauminhalt. Verdampft wurden 250 Pastillen und 
2 Liter Wasser. Einwirkungsdauer 3!/3 Stunden. 


45* 


640 Reischauer, 


Typhus | Staph. aur.| Diphthe: 


0 
0 
0 
0 
0 


© o0000 
Soooo 
ooooo 
oo000 
soooo 
o0000 
o0o000 


Diesmal waren also alle Proben steril geworden. 


Mit dem Flügge’schen Apparat habe ich 5 Versuche angestellt, von 
denen die beiden ersten in dem vorhin näher beschriebenen Zimmer von 69 cbm 
ausgeführt wurden. Die Menge von Formalin, Spiritus und Wasser wurde 
genau nach den Flügge’schen Tabellen bestimmt, die Einwirkungsdauer betrag 
7 Stunden. 

Versuch I. 28. Mai 1900. 


Das Resultat war hier leider dadurch getrübt, dass eine grosse Anzahl 
von Stoffproben und also auch von Röhrchen mit dem Kartoffelbacillus ver- 
unreinigt war, ein Vorkommniss, das sich ja nicht immer vermeiden lässt. 
Doch ergab die Untersuchung, dass in keinem Falle ein Wachsthum von Staph. 
aur., Diphtherie- oder Typhusbacillen eingetreten war, während in den Kontrol- 
röhrchen natürlich üppige Entwickelung statt hatte. Vou den nicht verun- 
reinigten Milzbrandsporen waren 3 ausgekeimt, 5 steril geworden. 


Versuch II. 11. Juni 1900. 


I. 
Typhus [Staph. aur.|Diphtherie|Milzbrand 
BJA B | A B | S B 

Seide 0,0 ojojojofjojt 
Ofen Leinen 0] 0 0 0 0 0 
Flanell 0/0 0/00] 0 

Seide 0/0 0/01I0]/0]0 0 
Schemel | Leinen 010 0 0] 0 0 
Flanell 010 0 0 0 0 

Seide 0/0 o/loJoJof|r| + 
Handtuch | Leinen 0] 0 0 0 0 0 
A Flanell 0/0 0!070],0 

Seide 0,0 ojojojojojt 
Handtuch | Leinen 010 0/701]0]|)0 
B Flanell 0/0 000| 0 


Es waren also alle Proben, mit Ausnahme von 4 Seidenfäden mit Mils- 
brandsporen steril geworden. 


Drei weitere Desinfektionen gelangten dann am 25. Juni 1900 in privaten 
Wohnzimmern zur Ausführung. Es kamen ganz in derselben Weise, wie bei 
den Versuchen mit kombinirtem Aeskulap in jedem Zimmer: 16 Hüllen mit 
Fliesspapier zur Verwendung. 


Vergleichende Untersuchungen über Wohnungsdesinfektion mit Formaldehyd. 641 


Zimmer I. 
Typhus [Staph. aur.|Diphtherie | Milzbrand 
B AIB A B A B 
Zimmer II. 
Typhus Į Staph. aur.| Diphtherie] Milzbrand 
B Eee ee F A B AI B S B 
| | 
o|o afol olo] o|o | oloļjojo 
0,0 0 0 0 0 0:0 
o|o | ojoļjo'ojojo 
0 0 0 0 0,0 0:0 
Zimmer II. 
Typhus | Staph. aur.| Diphtherief Milzbrand 
BJA B | A| B | S B 
\ i | 
010 0 | 0 010 010 
o0,0Jo,o!o!o]Jo:o 
0/0 0 0 0 0 0 | 0 
ojļjofjoļoļolofo!lo 


In allen drei Zimmern war durch eine 7 stündige Einwirkungsdauer der 
vorgeschriebenen Formaldehydmenge eine Abtödtung sämmtlicher Proben er- 
reicht worden. Es unterliegt danach keinem Zweifel, dass man auch in der 
Praxis völlig befriedigende Resultate mit dem Breslauer Verfahren erreichen kann. 


Zwei mit dem Apparat von Prausnitz ausgeführte Versuche hatten 
gleichfalls ein günstiges Ergebniss. Wieder wurde in dem gleichen Raume 
von 69 cbm und in derselben Weise gearbeitet. 

Versuch I. 25. Juni 1900. 

Verdampft wurden 2 Liter Wasser mit 600 ccm Spiritus, versprüht 520 ccm 

Formalin. 


Typhus [Staph. aur.[Diphtherie|Milzbrand 
BJA|B|IA|B | S B 
Seide 0!}0o]JoJ)o]Jo o0 0o|+ 
Ofen Leinen 0/0 010 00 
Flanell 010 010 0 0 
Seide 0/0]0,0]|010 0/0 
Schemel | Leinen 010 0!0 00 
Flanell 0:0]0|0]J0'0 
Seide ojojojofjo ofjolj+ł 
Handtuch | Leinen 0!0 0/0 0:0 
A Flanell 0:0]0/0]010 
Seide 0/0]0),0])0 | 0 tr, t 
Handtuch | Leinen 010 0/0 010 
B Flanell 0/070,0]0 „eo 


Es waren also nur 4 Seidenfäden mit Milzbrandsporen ausgekeimt. 


642 Reischauer, 


Versuch II. 21. August 1900. 
Verdampft wurden wieder 2 Liter Wasser mit 600 ccm Spiritus, versprübt 
600 ccm Formalin. 


Typhus [Stapk. aur.|Diphtherie|Milzbrand 
BJA BJA B|S B 

Seide 0,0 0/0 010 0] o0 
Ofen Leinen 0,0 0/0 0,0 
Flanell 0/0 0,0 0,0 

Seide 0/0 0/0 0:0 0|0 
Schemel | Leinen 0/0 010 0 | 0 
Flanell 0/0 010 0,0 

Seide 0,0 0,0 0:0 tit 
Handtuch | Leinen 0/0 01/0 0:10 
A Flanell 0 0 0 0 0; 0 

Seide ojojojoļjojojļjojo 
Handtuch f Leinen 00 0:0ùf0i0 
B Flanell 010 0 i 0 0,0 


j 
Wieder waren 2 Milzbrandproben nicht steril geworden. 


Endlich wurde auch der Apparat von Czaplewski in 2 Versuchen 
erprobt. 
Versuch I. 18. Angust 1900. 
Ausgeführt nach den beigegebenen Vorschriften: 600 ccm Formalin, 
7 Stunden Einwirkungszeit. 


Staph. aur.|Diphtherie|Milzbrand 


Typhus 
b | 


B | S 
Scide 0,0 0/0 0/0 0)0 
Ofen Leinen 0,0 0/0 010 
Flanell 0,0 0/0 0/0 
Seide 0 0 0 0 0/0 0/0 
Schemel | Leinen 0:0 01/0 0|,0 
Flanell 0/0 0/0 0/0 
Seide 070 010 0/0 0o|0 
Handtuch | Leinen 00 0,0 0/0 
A Flanell 0o'o 0/0 00 
Seide 010 0,0 0] 0 i 
Handtuch | Leinen 010 0,0 0| 0 
B Flanell 0:0 0,0 0/0 


Es waren somit alle Proben steril geworden. 


Versuch II. 26. August 1900. 


Versprüht wurden 600 ccm Formalin. Die Desinfektionszeit betrug wiederum 
7 Stunden. 

In diesem Falle keimten von den 8 Seidenfäden mit Milzbrandsporen 3 aus, 
alles übrige blieb steril. 


Vergleichende Uutersuchungen über Wohnungsdesinfektion mit Formaldehyd. 643 


Staph. aur.|Diphthe 
B | A B | 


Seide o ojojofjo ofo o 
Ofen Leinen 0 0 0 0 05:0 
Flanell 00]0/0]0 | o 
Seide oi ojojofojofolo 
Schemel | Leinen 0.0]0}07J0]|o 
Flanell 0,0 ojo 010 | 
i [i 
Seide o ofoofo of+t:+t 
Handtuch | Leinen 0,0 0 0 0 0 
A Flanell o;ofjo ofo o 
Seide oJofolojJo olo'F+ 
Handtuch | Leinen 0,0 0 0 0 0 | 
B Flanell 0'0 0 0 0 0 | 


i j | 
Ich kann danach die günstigen Resultate, die Czaplewski (25) selbst 


erzielte, durchaus bestätigen. 


Fasst man die Ergebnisse dieser, sowie der zahlreichen früheren Unter- 
suchungen zusammen, so ergiebt sich, dass wir zur Zeit bereits über eine 
ganze Reihe verschiedener Apparate verfügen, die in kurzer Zeit ge- 
nügende Mengen von Formaldehyd erzeugen, in wirksamer Form gleich- 
mässig im Raum vertheilen, und nicht zu theuer arbeiten. Man hat 
auch gelernt, mit Hilfe derartiger Werkzeuge die praktische Wohnungsdesin- 
fektion nach einfachen Vorschriften und ohne Belästigung der Bewohner aus- 
zuführen. Aber trotz des ausserordentlichen Fortschritts, der damit erzielt 
worden ist, wird man sich auf der anderen Seite bei unbefangener Beurtheilung 
doch nicht verhehlen können, dass dem Verfahren der Desinfektion mit Form- 
aldehyd an sich noch zwei bedeutsame Schwächen anhaften, die aber 
durch die Natur der Sache bedingt und daher auch durch die sonst besten 
Apparate nicht beseitigt sind: die mangelhafte Wirkung gegenüber manchen 
Dauerformen und namentlich die fehlende Tiefenwirkung. 

Während alle pathogenen Keime, welche keine Sporen bilden, durch Form- 
aldehyd sicher abgetödtet werden, wenn sie dem Gase zugänglich sind, hat 
man auch bei Benutzung der besten Apparate Milzbrandsporen nicht mit völliger 
Sicherheit vernichten können, und noch weniger ist das bei den sehr resistenten 
Sporen der Kartoffel-, Heu- und Erdbacillen gelungen; selbst die hohen Kon- 
eentrationen, mit denen das Schlossmann’sche Verfahren arbeitet, zeigten 
keine derartige Wirkung. Es kann daher auch nicht überraschen, dass, wenn 
man nach Beendigung der ordnungsmässigen Desinfektion beliebige Staubproben 
aus dem betreffenden Zimmer entnimmt, sich daraus fast stets zahlreiche 
Kolonien entwickeln. Von dieser Thatsache habe ich mich auch selbst über- 
zeugen können, indem ich sofort nach meinem zweiten Versuch mit dem Praus- 
nitz’schen Apparat mit 10 sterilen Wattebäuschchen die Oberfläche des Fuss- 
bodens, mehrerer Wandstellen, des Tisches und eines Schemels abrieb, und 
die Tapfer dann in Bouillon übertrug. Nur 3 Röhrchen blieben steril, in allen 
anderen war Trübung und Wachsthum von Keimen nachzuweisen. Auf diesen 


644 Reischauer, 


Umstand legen die beiden schon früher genannten italienischen Forscher Abba 
und Rondelli (5) geradezu entscheidendes Gewicht. Konnten sie sowohl mit 
dem Flügge’schen, wie mit dem kombinirten Schering’schen Apparat bei 
künstlich ausgelegten Proben gute Resultate erzielen, so zeigten doch die 
Proben vom Fussboden, von den Wänden, Möbeln u. s. w. fast stets lebens- 
fähige Keime, und aus diesen Misserfolgen nehmen Abba und Rondelli Ver- 
anlassung, den Formaldehyd für die Zwecke der Wohnungsdesinfektion über- 
haupt zu verwerfen. 

Gegen diese ihre Auffassung wendet sich Flügge (45) in seiner letzten Ar- 
beit auf das Nachdrücklichste. Er betont gewiss mit Recht, dass man früher, als 
erst wenige Krankheitserreger wirklich bekannt waren, der Prüfung von Des- 
infektionsmitteln möglichst resistente Keime habe zu Grunde legen müssen, um 
dem Vorkommen pathogener Mikroorganismen von der gleichen Widerstands- 
fähigkeit Rechnung zu tragen. Jetzt aber, wo man weiss, dass die Erreger 
der Pest, der Cholera, der Diphtherie, der Tuberkulose, der Influenza und des 
Typhus viel weniger resistent sind als die Milzbrandsporen, braucht man von 
einem Desinfektionsmittel nicht zu verlangen, dass es auch diese abtödtet, 
sondern kann sich mit einer sicheren Wirkung auf die praktisch in Betracht 
kommenden Keime begnügen. Unter diesen kennt man freilich die Erreger 
der Pocken, des Scharlachs, der Masern noch nicht; aber einmal spielen sie 
doch im Allgemeinen nicht die Rolle, wie die erstgenannten, und andererseits 
hat man begründetes Recht zu der Annahme, dass sie eine besonders hohe, 
über die anderer Infektionserreger hinausgehende Widerstandskraft nicht besitzen. 
Darf man sich deshalb schon mit der keimtödtenden Kraft des Formaldehyd- 
gases befriedigt erklären, so wird man noch mehr zu diesem Urtheil gedrängt, 
wenn man bedenkt, dass selbst der strömende Wasserdampf bei der gewöhn- 
lichen Art der Anwendung nicht im Stande ist, die resistenteren Sporen, wie 
sie sich z. B. in der Gartenerde finden, abzutödten. 

Der zweite Vorwurf, der der Formaldehyddesinfektion gemacht wird, 
richtet sich, wie wir gesehen haben, gegen ihre geringe Tiefenwirkung. Kann 
man die pathogenen Keime zwar vernichten, so ist das doch nur der Fall, 
wenn sie an der Oberfläche der Objekte haften und also den Dämpfen ohne 
Weiteres zugänglich sind. Das kommt aber, wie auch Flügge (44) hervor- 
hebt, nur ausnahmsweise vor, „viele befinden sich in der Tiefe beschmutzter 
Stellen der Taschentücher, der Bettwäsche oder des Fussbodens, in und unter 
den Falten der Kleider oder unter irgend einer Bedeckung, bezw. auf der- 
jenigen Oberfläche von Betten, Kleidern u. s. w., welche anderen Gegenständen 
aufliegt. Und an allen diesen Stellen findet durch keines der Verfahren Ab- 
tödtung statt.“ Die Thatsache ist durch zahlreiche Versuche für jeden der 
neu auf der Scene erscheinenden Apparate wieder bewiesen worden. Martin 
(85) sagt, und mit Recht: „Wenn es einen Punkt giebt, über den alle Unter- 
sucher einig sind, so ist es der, dass das Formol ein Oberflächendesinfieiens 
ist.“ „Frische und angetrocknete Sputa, Eiter, Diphtheriemembranen wurden 
nach Flügge (44) nicht vollständig durchdrungen; auf porösen Stoffen, 
Kleidern, Betten, Wäsche eingetrocknete Exkrete wurden bei einer gewissen 
Dicke des Materials an der Innenseite nicht sicher desinficirt. Exkrete in 


Vergleichende Untersuchungen über Wohnungsdesinfektion mit Formaldehyd. 645 


dünosten Schichten oder in Form trockenen Staubes wurden nicht desinficirt, 
sobald eine etwas dickere Lage Stoff sie bedeckte, z. B. unter dem herab- 
hängenden Aermel, oder in den Taschen, oder unter dem Kragen eines Rockes, 
ferner an der Stelle, wo Kleider, Betten, Matratzen aufeinander oder auf 
anderen Gegenständen auflagen. Mit Exkret beschmutzte Taschentücher, etwas 
zusammengeballt, wurden nicht desinficirt.“ 

Ich selbst habe folgenden Versuch ausgeführt: Zwischen den Beinen eines 
umgekehrten Schemels wurde ein Handtuch straff ausgespannt. Darauf legte 
ich 8 einfach zusammengefaltete Handtücher, so dass die Dämpfe, die von’ 
oben und unten einwirken konnten, 17 Schichten von grobem Drell zu durch- 
dringen hatten. Zwischen je 2 Handtücher legte ich ein Couvert aus Fliess- 
papier, welches 2 Zeugstückchen mit Stapb. aur. enthielt, ein anderes mit 
Diphtherie- und ein drittes mit Typhusbacillen. Ich hatte so von jeder Bak- 
terienart 7 Umschläge mit 14 Proben, von denen die Hälfte später auf Agar 
resp. Serum, die andere Hälfte auf Bouillon übertragen wurde. Ausgelegt 
warden die Proben bei Gelegenheit meines zweiten Versuchs mit dem Praus- 
nitz’schen Apparat. Das Ergebniss war folgendes: 


1m» 
©o0o+++00 
eo++cco 
©0o++-++o0 
o++++0o 


| 
| 
| 
| 
| 


Die Briefhüllen sind von oben nach unten gezählt. Das Resultat ist gewiss 
kein befriedigendes, obwohl die Verhältnisse für das Rindringen des Gases 
sicherlich nicht gerade ungünstige waren. 

Der Grund für diese Erscheinung ist in den physikalischen Eigenschaften 
des Formaldehyds zu suchen, der wie jeder gasförmige Körper das Bestreben 
hat, sich im Raum gleichmässig auszubreiten, wobei ihm der Umstand, dass 
er fast das nämliche Molekulargewicht wie die Luft besitzt (28,94 : 30), sehr 
zu statten kommt. Dagegen können die Gase nicht ohne weiteres in poröse, 
lafthaltige Stoffe eindringen und die in den kapillaren Hohlräumen der letz- 
teren befindliche Luft vertreiben; die Desinfektionswirkung aller Gase wird 
daher auch stets eine oberflächliche bleiben müssen. 

Man hat allerdings versucht, durch künstliche Verstärkung der Luft- 
bewegung ein tieferes Eindringen des Formaldehyds besonders in todte Winkel 
zu ermöglichen. Oehmichen (97) wandte zu diesem Zwecke ein Flügelrad, 
Gehrke (53) einen Kosmosventilator an, der die Zimmerluft 54 mal in Um- 
lauf setzte; doch war der Erfolg negativ, und nur von zwei anderen Mitteln 
wäre wohl eine gewisse Erhöhung der Leistung auch nach dieser Richtung zu 
erwarten: von der Steigerung der Koncentration und der Verlängerung 
der Einwirkungsdauer, die sich freilich beide in der Praxis der allge- 

46 


646 Reischauer, 


meinen Wohnungsdesinfektion kaum über das jetzt gebräuchliche Maass werden 
erheben können. Ob das oben erwähnte „Formaceton“ von Fournier in der 
That leichter in die Objekte eindriugt, bleibt abzuwarten. 

Man muss sich daher auf andere Weise zu helfen und den Schwierig- 
keiten aus dem Wege zu gehen suchen. Diejenigen Gegenstände, die nach 
ihrer Beschaffenheit Keime in den tieferen Schichten zu bergen vermögen und 
dem Eindringen des Formaldehyds besondere Hindernisse bereiten, werden 
einer eigenen Behandlung unterworfen, bei der sie einmal thunlichst aus- 
gebreitet und von den Winkeln, Falten, Taschen u. s. w. befreit werden, die 
sie vorher zeigten, und bei der ferner ungewöhnlich grosse Mengen von Form- 
aldehyd zur Anwendung gelangen. In erster Linie gilt das von den verschie- 
denen Kleidungsstücken, von Bettzeug, Matratzen, Büchern, Pelz- und Leder- 
sachen u. s. w., bei denen oft eine Dampfdesinfektion ohne schwere Schädi- 
gungen gar nicht ausgeführt werden kann und die Beibehaltung des Form- 
aldehyds also besonders wünschenswerth erscheint. Man hat daher die Kleider 
z. B. in Kisten geschlossen oder in Schränken ausgebreitet oder aufgehängt 
und nun durch Einleitung ausserordentlicher Mengen von Formaldehyd eine 
Desinfektion zu erreichen gesucht. Zunächst liess man einfach Formalin ver- 
dunsten [Freymuth (48), Lewin (80)] oder man tränkte Fliesspapier oder 
Handtücher mit Formalin und legte sie zwischen die Kleidungsstücke, welche 
auch direkt mit Formalin besprengt oder durchtränkt wurden [Lehmann (78), 
Gerson (54), van Ermengem und Sugg (40)], oder man wandte den For- 
malinspray an [Strehl (135)]. Häufig ist gerade hier der Autoklav von 
Trillat zur Anwendung gekommen [Doty (32), Hess (64), Petruschky (100). 
Hinz (65)], der hierzu auch um so geeigneter ist, als der Druck des aus- 
strömenden Dampfes die Möglichkeit gewährt, ebenso wie sonst strömenden 
Wasserdampf, so hier strömenden Formaldehyd zur Einwirkung zu bringen. 
Ein Blasebalg, wie ihn Hammer! und Kermauner (61), oder eine Wasser- 
pumpe, wie sie Walter (148), der mit einem besonderen Blechkessel und dem 
Autoklaven operirte, zur Erzeugung einer lebhaften Cirkulation benutzten, 
werden hier also überflüssig. 

Diese Methode der Kleiderdesinfektion ist besonders von Petruschky 
(100) ausgebildet und in Danzig in die Praxis eingeführt worden. Man ver- 
fährt dort so, dass alle werthvolleren Anzüge und Kleider, welche durch den 
Wasserdampf leiden würden, in einem besonderen Schrank aufgehängt werden, 
in dem man mit dem Autoklaven 1 Liter Formochlorol verdampft und die 
Dämpfe durch die Ritzen des Schrankes abströmen lässt. Mit Benutzung 
dieses Mittels gelangte Hinz (65) zu folgenden Ergebnissen: bei Entwickelung 
von 1 Liter Formochlorol wurde in einer Stunde eine völlige Desinfektion 
aller Kleider herbeigeführt, aucb Milzbrandsporen wurden sicher abgetödtet. 
Bei Anwendung der doppelten Menge wurden in 2 Stunden auch Pelzsachen 
mit umgeschlagenen Aermeln keimfrei. Eine Zerstörung der Milzbrandsporen 
in der Stiefelspitze und in einem Besen gelang jedoch auch auf diese Weise 
noch nicht. 

Auch mit dem Apparat von Prausnitz, dessen kräftiger Spray eive 
starke Luftbewegung veranlasst, wurden nach dieser Richtung hin Versuche 


Vergleichende Untersuchungen über Wohnungsdesinfektion mit Formaldehyd. 647 


angestellt, und in einem Schrank die meisten Testobjekte selbst in den Taschen 
der Kleider abgetödtet. Indessen gelang es sogar bei Anwendung von 50 g 
Formaldehyd auf 1 cbm nicht die Sporen abzutödten, auch die Pediculi blieben 
am Leben; dass diese und ähnliche Insekten gegen den Einfluss des Form- 
aldebyds verhältnissmässig sehr wenig empfindlich sind, ist früher schon hervor- 
gehoben worden. Zu ähnlichen Ergebnissen ist auch Kaup (70) gelangt; in 
einem Schrank, in welchem auf das Kubikmeter 40— 120 g Formaldehyd erzeugt 
wurden, zeigten sich die in Taschen, Aermeln und Hosenröhren und unter 
Decken ansgelegten Testobjekte nach 3—6 Stunden nur zum Theil abgetödtet. 
Milzbrandsporen waren etwa zu 45 pCt., Staph. aur. zu 70 pCt., Diphtherie- 
bacillen zu 93 pCt. steril geworden, ein Beweis dafür, „dass eine Desinfektion 
der Objekte in grössere Tiefe hinein auch bei Verwendung der grössten Dosen 
des Gases gar nicht, oder doch nur sehr unvollständig erreicht werden kann.“ 
Günstigere Erfolge hatte v. Rositzky (114) in Graz. Bei Entwickelung von 
40 g Formaldehyd pro cbm waren nach 9 Stunden Proben von Diphtherie 
und Stapb. aur., die in den Rocktaschen untergebracht waren, sicher sterilisirt, 
solche mit Bact. coli dagegen noch nicht abgetödtet. Das Verfahren kommt 
äbnlich wie in Danzig auch in der Grazer Desinfektionsanstalt zur Anwendung; 
die Firma Baumann hat hierfür einen kleinen Sprayapparat zum Preise von 
20 Mk. hergestellt. Die Beseitigung des Geruchs nach Formaldehyd wird in 
allen Fällen durch Ammoniak herbeigeführt. 

In Frankreich sind zum Zweck der Kleiderdesinfektion eigene Appa- 
rate, sogenannte étuves formogenes, gebaut worden. Man sucht hier dem 
Formaldehydgas das Eindringen in die Stoffe dadurch zu erleichtern, dass man 
die Luft aus den letzteren vorher auspumpt. Die Apparate bestehen im 
Wesentlichen aus einem etwa 10 cbm grossen Behälter für die Kleider, 
Matratzen u. s. w., der luftleer gemacht und nun mit Formaldehyd aus dem 
Autoklaven oder den Apparaten von Fournier oder Guasco gefüllt wird. 
Die Erfolge waren aber nach den Versuchen von Rietsch und Raybaud 
(111) erst dann sichere und auch die in der Tiefe befindlichen Testobjekte 
vernichtend, wenn man den Process mehrere Male wiederholte. Eine Er- 
höhung der Temperatur wirkt sehr günstig auf den Desinfektionseffekt ein, 
wie dies auch bei van Ermengem (39), Podobjedow (106) u. A. hervor- 
gehoben wird. Guasco bedient sich zur Desinfektion von Wäsche, Bettzeug 
u.s. w. eines grossen Kauischucksackes, der luftleer gemacht und dann mit 
etwa 3 proc. Formalinlösung gefüllt wird. Nach 24 Stunden wird letztere 
wieder abgesogen und Luft eingelassen, der letzte Rest von Feuchtigkeit aber 
durch Trocknen an der Luft entfernt. Man hat auch versucht, mit Hilfe dieser 
Methode das sonst bisher vergebens angegriffene Problem der Desinfektion von 
Rosshaaren. Borsten, Federn und anderen ähnlichen Stoffen, die eine Behand- 
lung im Dampfapparat nicht vertragen, zu lösen; doch haben die sehr ein- 
gehenden Untersuchungen von Dunbar und Musehold (83), sowie ferner 
von Merkel (87) ein ganz negatives Resultat gehabt. 

Von grosser Wichtigkeit ist ferner die Desinfektion der von Kranken be- 
nutzten Bücher, die auch bei der gewöhnlichen Formaldehyddesinfektion 
nicht steril werden. Auch hier soll durch die Erzeugung eines Vakuums das 

46* 


648 Reischauer, 


Eindringen des Gases in die am besten weit geöffnet aufgestellten Bücher 
befördert werden [v. Schab (118), Gerson (54), Lion (81), Park und Gue- 
rard (98), Doty (32), Symons (137)]. Das Verfahren ist ganz ähnlich dem 
eben beschriebenen zur Kleiderdesinfektion; doch sind auch hier die Resul- 
tate nicht immer befriedigende gewesen. 

Im Gegensatz zu allen diesen Ergebnissen stehen nur die Befunde, die 
de Rechter (109) an thierischem Material verschiedenster Art und Herkunft 
hatte. Ohne besondere Hilfsmittel will er eine so starke Tiefenwirkung er- 
zielt haben, dass ausgeschnittene Organe sowohl, wie ganze Kadaver, ja ganze 
menschliche Leichen durch und durch steril wurden. Nach dem Ausfall der 
sämmtlichen übrigen Versuche, besonders auch der ganz ähnlichen Prüfungen, 
die Burckhard (20) und Iwanow (68) angestellt, kann es aber keinem Zweifel 
unterliegen, dass hier ein Beobachtungsfehler vorgelegen hat. 

Nach den eben berichteten Erfahrungen muss eine vollständige Wohnungs- 
desinfektion also in der Weise vollzogen werden, dass man das Kranken- 
zimmer der einfachen Formaldehyddesinfektion unterwirft, das gesammte 
Bettzeug und die Leibwäsche mit Dampf sterilisirt, dagegen die Kleider, 
Stiefel, Bücher, Pelzsachen und was sonst durch Dampf beschädigt 
werden könnte, in einen besonderen Formaldehydapparat bringt. Erst 
wenn alle diese Operationen vorschriftsmässig ausgeführt wären, könnte man 
eine sichere Wohnungsdesinfektion erwarten. 

Um diesen umständlichen und kostspieligen Weg nicht einschlagen zu 
müssen, hat Flügge (44) nun eine andere Möglichkeit gefunden, der Methode 
der Formaldehyddesinfektion die erforderliche praktische Brauchbarkeit zu 
geben. Er unterscheidet nämlich Krankheiten, bei denen dieselbe am 
Platze ist, und solche, bei denen sie nicht anwendbar erscheint. Zu den 
letzteren gehören namentlich Cholera, Typhus und Ruhr, deren Erreger 
nach Lage der Dinge nicht nur an der Oberfläche der von Kranken benutzten 
Gegenstände bleiben, sondern auch in die Tiefe vordringen können. Immerhin 
wird aber auch hier die Verbreitung der Keime im Allgemeinen eine be- 
schränkte sein und eine sorgsame Behandlung der verwandten Geschirre durch 
Auskochen, sowie der Betten und Wäsche durch Dampf den Anforderungen 
genügen. Bei einer zweiten Gruppe von Krankheiten, in die namentlich Kind- 
bettfieber, Eiterungen, Erysipel, Sepsis, ferner Pocken und Pest 
gehören, hält Flügge eine Verbindung der Formaldehyd- und der Dampf- 
desinfektion für angezeigt, weil sie nicht nur zu einer intensiven Be- 
schmutzung der Wäsche und Betten u. s. f. mit Exkreten Veranlassung geben. 
sondern auch die Keime in Form von Stäubchen oder Tröpfchen in die wei- 
tere Umgebung verstreuen können. Müsste hier also in der That von den 
oben beschriebenen komplicirten Maassregeln Gebrauch gemacht werden, so 
bietet eine dritte und letzte Gruppe, die gerade die praktisch wichtigsten 
Affektionen: Diphtherie, Scharlach, Masern, Tuberkulose und In- 
fluenza umfasst, glücklicherweise sehr viel einfachere Verhältnisse, so dass 
die blosse Formaldehyddesinfektion völlig genügend erscheint. Nur wird 
das Einlegen der Wäsche in desinfieirende Lösungen (Sublimat, Karbolsäure, 
Lysol u.s. w.) als eine kaum entbehrliche Ergänzung des Verfahrens betrachtet 


Vergleichende Untersuchungen über Wohnungsdesinfektion mit Formaldehyd. 649 


und ausserdem bei den Betten, Kleidern und Teppicheu der Erfolg durch sorg- 
fältiges Ausbreiten und Aufhängen der Stücke auf Wäscheleinen oder auf 
einem besonderen Gestell gesichert werden müssen. Dies soll so geschehen, 
„dass alle Stellen der Formaldehydwirkung zugänglich sind“. Flügge glaubt 
auf diese Weise eine zuverlässige Wohnungsdesinfektion erreichen zu können 
und sieht als einen Beweis hierfür z. B. die Thatsache an, dass in Breslau bei 
257 Desinfektionen nach Diphtherie nur zweimal eine nachträgliche neue In- 
fektion in der gleichen Wohnung vorgekommen ist. 

Im Uebrigen hat gerade die Diphtherie, wie schon vorher anderen Hy- 
gienikern, so jetzt Flügge Veranlassung gegeben, die Frage aufzuwerfen, ob 
man nicht auf noch einfachere Weise werde zum Ziele kommen können. 
Flügge (45) sagt: „Schon jetzt möchte ich für wahrscheinlich halten, dass 
bei der Diphtherie, also gerade bei derjenigen Krankheit, die weitaus am häu- 
figsten unsere Desinfektionseingichtungen in Anspruch nimmt, die Anwendung 
der Formaldehyddesinfektion einen Luxus repräsentirt, der sich vielleicht 
vermeiden lässt.“ Es sei durch neuere Versuche festgestellt worden, dass bei 
der Diphtberie nur die nächste Umgebung des Kranken und die von diesem 
direkt benutzten Gegenstände inficirt werden, dass aber die ganze übrige Woh- 
nang von Keimen frei bleibt. Man würde danach die Diphtherie in die oben 
erwähnte erste Gruppe von Krankheiten rechnen dürfen, bei der man sich auf 
eine Behandlung der Geschirre, sowie der Betten und Wäsche beschränken 
kann. Vielleicht gelten aber auch für andere Krankheiten noch ähnliche Ver- 
hältnisse, und die Desinfektionspraxis würde dann freilich eine weitere nicht 
unerhebliche Erleichterung erfahren. 

Ich habe mich in der vorliegenden Arbeit bemüht, die Frage der Woh- 
pungsdesinfektion mit Formaldehyd nach ibrer Entwickelung und jetzigen Ge- 
stalt an der Hand eigener Versuche und der umfangreichen einschlägigen 
Literatur zu schildern, wobei letztere freilich nur insofern verwerthet worden 
ist, als es zur Gewinnung eines klaren Bildes nothwendig war. Absichtlich 
habe ich es dabei vermieden, einen bestimmten Apparat oder ein bestimmtes 
Verfahren zu empfeblen und die Frage zu behandeln, ob eine allgemeine Ein- 
führung der Wohnungsdesinfektion mit Formaldehyd überhaupt angebracht 
erscheine. Indessen liegt für jeden unbefangenen Beobachter die Antwort 
zwischen den Zeilen, und Niemand wird schliesslich daran zweifeln können, 
dass dieses ganze wichtige Gebiet der öffentlichen Gesundheitspflege auf dem 
beschriebenen Wege eine ausserordentliche Förderung erfahren hat. 


Literatur. 


1. Abba, Sulla disinfezione degli ambienti colla formaldeide. Rivista 
d’Igiene e San. Publ. 1899. p. 919—1005. 

2. Abba u. Rondelli, Das Formaldehyd und die öffentliche Desinfektion. 
Zeitschr. f. Hyg. u. Infektionskrankh. Bd. 27. S. 49. 

3. — — La formaldeide nei servizi di disinfezione. Riv. d’Igien. e San. 
Publ. 1897. p. 561—565. 

4. — — Ancora sulla disinfezione degli ambienti colla formaldeide. Riv. 
d’Igien. e San. Publ. 1899. p. 418—498. 

5. — — Ulteriori Esperienze di disinfezione degli ambienti (Flügge u.Schering). 
Giornale della R. Soc. Ital. d’Igien. 1900. 


650 


27. 


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29. 
30. 
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zur Desinfektion grösserer Räume. Zeitschr. f. Hyg. Bd. 22. S. 339 und 
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kannten Lösungen. Deutsche med. Wochenschr. 1896. S. 626. 


112b. — Ueber die Wirkungen des Formaldehyd: im „Holzin“ und „Steriform*. 


113. 


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in verschiedenen Lösungen. Deutsche med. Wochenschr. 1896. S. 748. 
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contaminés. Paris 1896 (Carré). 


. — et Berlioz, Sur les proprietes des vapeurs du formol ou aldehyde 


formique. Comptes rend. des sc. d. l'Acad. 1892. p. 290. 


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145. Vaillard et Lemoine, Sur la desinfection par les vapeurs de form- 
aldebyde. Ann. de l'Institut Pasteur. 1896. S. 481. 

146. Valagussa, Annali d’igiene speriment. T. 7. p. 546. 

147. Vogel, Ueber Formalindesinfektion. Aerztl. Verein Hamburg. Münch. 
med. Wochenschr. 1900. S. 556. 

148. Walter, Zur Bedeutung des Formalins resp. Formaldehyds als Desinfek- 
tionsmittel. Zeitschr. f. Hyg. Bd. 21. S. 421. ` 

. 149. — Weiterere Untersuchungen über Formaldehyd als Desinfektionsmittel. 
Zeitschr. f. Hyg. Bd. 26. S. 454. 

150. — und Schlossmann, Ueber eine neue Methode der Stalldesinfektion. 
Zeitschr. f. Thiermedicin. Be. 11. H. 4. 

151. — — Ueber eine neue Methode der Desinfektion. Journ. f. prakt. Chemie. 
1898. Bd. 57. S. 173 u. 517. 

152. — — Ueber neue Verwendungsarten des Formaldehyds zu Zwecken der 
Wohnungsdesinfektion. Münch. med. Wochenschr. 1899. S. 1535 und 
1567. 

153. Wieber, Desinfektion durch Formaldehyddämpfe. Zeitschr. f. Med.- 
Beamte. 1897. S. 46. 

154. Wintgen, Die Bestimmung des Formaldebydgehaltes der Luft. Hygien. 
Rundschan. 1899. S. 753 u. 1173. 

155. Zahn, Ueber Wohnungsdesinfektion. Vereinsbl. der Pfälzer Aerzte. 1899. 
No. 9 u. 10. 

156. Zenoni et Coggi, Ricerche comparative sui metodi Trillat, Schloss- 
mann e Flügge per la disinfezione degli ambienti con la formaldeide. 
Giornale della R. Soc. Italiana d’Igiene. 1899. No. 9. 


Celli A., Corso di perfezionamento. Manuale dell’ ufficiale sanitario. 
Roma. Società editrice Dante Alighieri. 1899. 

Es kann nicht die Aufgabe eines Referates sein, den Inhalt des vorliegenden, 
833 Seiten starken Buches ausführlich wiederzugeben, da dasselbe für den 
Fachmann nur Bekanntes bringen könnte. Es ist ein Handbuch der Hygiene 
und der Untersuchungsmethoden derselben, welches dem speciellen Bedürfniss 
jener entgegenkommen will, die in Italien nach Absolvirung der medicini- 
schen Studien in den Öffentlichen Sanitätsdienst einzutreten beabsichtigen. Der 
Inhalt ist in 7 Kapitel eingetheilt, von denen im ersten die Epidemiologie, 
im zweiten die Mikroskopie, im dritten die Bakteriologie, im vierten die Chemie, 
alle Disciplinen nur so weit, als sie auf Hygiene Bezug haben, abgehandelt 
sind. Der fünfte Abschnitt bringt das Wichtigste aus der Veterinärkunde, 
der sechste technische Daten und Winke, soweit sie den Hygieniker inter- 
essiren, während das letzte, das siebente Kapitel, die Sanitätsgesetzgebung betrifft. 

Sowohl die Anordnung, als auch die Art und Weise der Darstellung des 
Stoffes ist für denjenigen, der an die in deutschen Lehrbüchern der Hygiene 
übliche Eintheilung und Behandlung der einzelnen Abschnitte gewöhnt ist, 
etwas befremdend. Desgleichen fällt auch die ungleichmässige Wiedergabe 
dessen, was für den Sanitätsbeamten nothwendig erscheint, auf. Während z.B. 
die für denselben erforderlichen Kenntnisse über Morphologie und Biologie der 
Krankheitserreger ziemlich vollständig und übersichtlich zusammengestellt sind, 
ist die Darstellung der physikalischen Untersuchungsmethoden eine etwas 

47* 


656 Lehrbücher. Wasser. 


lückenhafte und ist u. a. das Weber’sche Photometer mit keinem Worte er- 
wähnt. Als nicht sehr zweckmässig muss ferner bezeichnet werden, von der 
Desinfektion früher zu sprechen, bevor die Biologie der Bakterien abgehandelt 
ist, auf deren Kenntniss sich ja erst die Lebre der Desinfektion aufbaut. 
Diese und ähnliche Mängel können in einer zweiten Auflage leicht ver- 
mieden werden, und diese Verbesserungen dürften den Werth des Buches für 
seinen Interessentenkreis erhöhen. Hammerl (Graz). 


Jess P., Kompendium der Bakteriologie und Blutserumtherapie für 
Thierärzte und Studirende. Berlin 1901. Richard Schoetz. Preis: 3 Mk. 
Auf 83 Seiten giebt Verf. eine Uebersicht über die Bakteriologie (all- 
gemeine Bakteriologie nnd Kulturmethoden, specielle Bakteriologie), sowie 
über die Lebre von der Immunität und Blutserumtherapie. Natürlich 
können bei dieser gedrängten Kürze nur die allerwichtigsten Punkte berück- 
sichtigt werden. Im Allgemeinen ist es dem Verf. gelungen, eine rasche 
Orientirung über dieses grosse Gebiet zu ermöglichen, wenn auch verschiedene 
Unrichtigkeiten mituntergelaufen und nicht immer der neueste Stand der 
Wissenschaft berücksichtigt ist. Sehr dankenswerth ist die tabellarische Zu- 
sammenstellung der diagnostischen Impfungen. Die drei im Text befindlichen 

etwas primitiven Zeichnungen hätten ohne Schaden wegbleiben können. 

Dieudonne (Würzburg). 


Fröhner, Eugen, Lehrbuch der Toxikologie für Thierärzte. Zweite 
umgearbeitete Auflage. Stuttgart 1901. Verlag von Ferdinand Enke. XII 
und 356 Seiten 8°. Preis: gebunden 10 Mk. 

Dass die Herausgabe einer thierischen Giftlehre seiner Zeit einem 
Bedürfnisse abhalf, zeigt das Erscheinen der vorliegenden Neuauflage des seit 
einem Jahrzehnt bewährten Lehrbuches. Schon die ausführliche Anführung 
des Schriftthums empfiehlt das Werk über die thierärztlichen Kreise hinaus 
für Alle, welche mit Thierzucht oder mit Thierversuchen zu thun haben. 
Noch mehr wird den wissenschaftlichen Leser die sorgsame Kasuistik anziehen. 
Wie wichtig diese ist, zeigt sich beispielsweise beim Baryum chloratum (S. 
116 und 117); dessen Wiederaufnahme in das deutsche Arzneibuch, aus dem 
es seit der 2. Ausgabe gestrichen war, dürfte bei früherem Erscheinen der 
vorliegenden Auflage unterblieben sein. Ebenso wichtig ist diese Kasuistik 
bei manchen Fragen der praktischen Hygiene. Helbig (Serkowitz). 


Canalis P., L’uso delle falde acquee sotterranee nella alimentazione 
delle città. Communicazione fatta al congresso nazionale d’Igiene in To- 
rino. Sett.-Ott. 1898. Torino. Stabilimento Fratelli Pozzo 1899. 

Durch R. Koch, namentlich aber durch die ausgedehnten Untersuchungen 

C. Fraenkel’s ist man auf die günstige bakteriologische Beschaffenheit des 

Grundwassers aufmerksam gemacht worden und hat dasselbe, da zahlreiche 

Nachuntersuchungen die gemachten Angaben bestätigten, immer mehr bei der 


Wasser. 657 


Nenanlage von Centralwasserversorgungen verwendet. Da Verf. mehrfach 
Gelegenheit gehabt hat, in der Provinz Genua das Grundwasser auf seine 
bakteriologische Beschaffenheit zu prüfen und aus Italien diesbezügliche Ver- 
öffentlichungen verhältnissmässig noch sehr wenig vorliegen, so hat C. es 
nicht für überflüssig erachtet, die erhaltenen Resultate als einen Beitrag zur 
Lehre von der Keimfreiheit des Grundwassers zu publiciren. 

Die Entnahme der Proben erfolgte mittels Norton’scher Brunnen nach 
vorausgegangener gründlicher Desinfektion sowohl der Brunnenröhre und der 
Pumpvorrichtung selbst, als auch der Stelle, an der die Rohre eingeschlagen 
warden. Es hatte sich nämlich herausgestellt, dass beim Durchtreten der- 
selben durch die stark keimhaltigen oberflächlichen Schichten des Bodens 
nicht selten kleine Erdpartikelchen mit den anhaftenden Mikroorganismen bis 
in die Tiefe mitgerissen werden, so dass eine Infektion des Untergrundes zu 
Stande kommt, die nur schwer oder gar nicht mehr zu beseitigen ist. Um 
diese Infektion hintanzuhalten, hat C. den Boden in einer Ausdehnung von 
1-2 qm bis in eine Tiefe von 1 m ausgehoben, auf den Grund dieser Grube 
gebrannten Kalk ausgebreitet und diesen hierauf mit Wasser gelöscht. Durch 
den noch heissen Kalkbrei wurden dann die Rohre durchgetrieben und auf 
diese Weise eine Verschleppung von keimhaltigen Partikelchen in die Tiefe 
sicher verhindert. Zur Sterilisirung der Brunnenrohre verwendete der Verf. 
die Laplace’sche Karbol-Schwefelsäure-Mischung, die Pumpvorrichtung wurde 
in 5proc. Karbolsäure gelegt und die Desinficientien nach genügend langer 
Einwirkung durch anhaltendes Pumpen entfernt. Unter Einhaltung aller dieser 
Kautelen ist es C. gelungen, an 6 verschiedenen Orten, an welchen er seine 
Untersuchungen vorgenommen hat, und deren Lage und Umgebung er genau 
beschreibt, die völlige Keimfreiheit des Grundwassers nachzuweisen, sodass er 
auf Grund eigener Erfahrung dasselbe für die Versorgung von Gemeinwesen 
mit Wasser empfehlen kann. Hammer] (Graz). ` 


Pellegrini P., Sulla genesi dei tubercoli ferruginosi delle condutture. 
Comunicazione fatta al Congresso nazionale d’Igiene in Torino. Sett.—Ott. 
1898. Torino, stabilimento Fratelli Pozzo 1899. 

Seitdem man angefangen hat, für die Cèntralwasserversorgung grösserer 
Gemeinwesen das Grundwasser heranzuziehen, wurde öfters, namentlich in 
Norddentschland, die Beobachtung gemacht, dass einige Zeit nach Inbetrieb- 
setzung der Anlage sowohl die Quantität als auch die Qualität des Lei- 
tungswassers sich verschlechterte, und konnte fast stets als Ursache dieser 
Verschlechterung eine Verengerung der Leitungsröhren durch Bildung von 
eisenhaltigen Auflagerungen an den Innenwandungen festgesteilt werden. Da 
bei der mikroskopischen Untersuchung der Inkrustationen regelmässig ein 
Fadenpilz, die Crenothrix Kühniana (Cr. polyspora), in denselben nach- 
weisbar war, so entstand sehr bald von selbst die Frage, ob wir hier nur 
ein blosses Zusammentreffen vor uns haben, oder ob nicht zwischen beiden 
Erscheinungen ein ursächlicher Zusammenhang existirt. Da nach der Ansicht 
des Verf.’s diese Streitfrage noch nicht endgültig beantwortet ist, so war es 
sein Bestreben, bestimmte experimentelle Thatsachen für die eine oder andere 


658 Wasser. 


Anschauung zu finden, und P. hat versucht festzustellen, 1. ob in jedem 
Falle von Ablagerungen innerhalb von Röhren sich die Crenothrix pol. vor- 
findet, 2. ob nicht auch andere Fadenpilze angetroffen werden, und 3. ob der 
Entstehung dieser pflanzlichen Vegetationen nicht die Ausscheidung von eisen- 
oxydhaltigen Ablagerungen vorausgehen muss. 

Um für ein genaues Studium dieser Fragen genügendes Material zu ge- 
winnen, hat Verf. an zahlreichen Orten, an denen es unter natürlichen Be- 
dingungen zu eisenoxydhaltigen Ablagerungen kommt, die Verhältnisse ein- 
gehend untersucht und zunächst festgestellt, dass häufig auch andere Faden- 
pilze in diesen Ablagerungen angetroffen werden. Durch Züchtungsversuche, 
nämlich durch Uebertragung mehrerer Arten von Fadenbakterien, wie Mucor 
mucedo, Beggiatoa alba, Penicillium glaucum, Thannidium elegans, in schwach 
eisensalzhaltige Nährlösungen und deren nachfolgende üppige Entwickelung 
in diesen Lösungen konnte P. nachweisen, dass das Gedeihen in solchen Me- 
dien keine Eigenthümlichkeit der Crenothrix ist, ja dass die vitale Thätig- 
keit dieser Fadenpilze völlig unabhängig ist von dem Zustandekommen des 
chemischen Processes, in dem die Ausscheidung von Eisenoxyd auch noch vor 
sich geht, wenn man abgetödtete Vegetationen der genannten Fadenpilze in 
die Nahrlösungen bringt. Als weitere Stütze dieser experimentell gefundenen 
Thatsache führt Verf. dann noch die von ihm gemachte Beobachtung an, dass 
in einem Falle von Inkrustation der Leitungsröhren irgendwelche Fadenpilz- 
vegetationen nicht nachweisbar waren. 

Nach der Anschauung Pellegrini’s ist der Vorgang bei der Bildung von 
Inkrustationen innerhalb der Leitungsröhren folgender: Beim Durchfliessen des 
eisenhaltigen Wassers durch die Leitungsrohre kommt es an mehreren Stellen 
der Wandungen zu Ablagerungen, diese verursachen eine Stagnation im rück- 
wärtigen Theil, und in dem nun langsamer fliessenden Leitungswasser sind 
günstige Bedingungen für das Wachsthum von Fadenbakterien gegeben, weno 
solche in das Rohrnetz gelangt sind. Durch die Massenhaftigkeit der Ent- 
wickelung der Fadenpilzbakterien tragen diese nun ihrerseits wesentlich zur 
rasch fortschreitenden Verschlechterung des Leitungswassers in quantitativer 
und qualitativer Hinsicht bei. Hammerl (Graz). 


Gerhard, Wm. Paul, Ueber amerikanische Filter und Filtermethoden, 
insbesondere über die Schnell-Wasserfilter. Gesundheits-Ingenieur. 
1900. No. 13—16, 19—23. S. 205, 221, 237, 253, 805, 321, 341, 357, 317. 

Die umfangreiche Arbeit giebt eine genaue, bis in die Einzelheiten gehende 

Darlegung alles dessen, was in Amerika zur Reinigung des Trink- und 

Brauchwassers zur Anwendung gelangt ist; auch die Fehlversuche und 

Misserfolge werden geschildert. Besonders eingehend sind die neueren Ver- 

suche dargelegt, welche auf eine rasche Wirkung der Filter verfahren abzieler. 

Die guten, ausreichend grossen Abbildungen tragen zum Verständniss des Ge- 

schilderten wesentlich bei, welches als ein nicht unwichtiger Beitrag zur 

„Filter-Frage“ angesehen werden darf. 

H. Chr. Nussbaum (Hannover). 


Wasser. Infektionskrankheiten. 659 


Hansen C., Finnländische Wasserleitungen. Gesundh.-Ingenieur. 1900. 
No. 21. S. 345. 

Ingenieur Hansen giebt eine eingehende Schilderung der Anlagen von 
Helsingfors, Wiborg und Tammerfors und erwähnt kurz die geplanten 
Wasserleitungswerke für eine Reihe anderer Städte. Besonderes Interesse 
bietet die Darlegung der durch das Klima bedingten Schwierigkeiten für die 
Anlage der Becken und Filteranlagen sowie der Befund, dass aussen und innen 
asphaltirte Rohre seit 25 Jahren sich fast unverändert erhalten haben, während 
gewöhnliche Gusseisenrohre aus jener Zeit kaum noch brauchbar sind. Offene 
Filteranlagen, wie sie früber in Helsingfors zur Ausführung gelangt sind, 
passen nicht für das nordische Klima. 

H. Chr. Nussbaum (Hannover). 


Kretschmar, Ein Schutzmittel gegen die Angriffe von Leitungswasser 
auf Cementputzflächen. Techn. Gemeindebl. 1900. No. 13. S. 203. 
Die Verwaltung der Stadt Zwickau ist Jahre lang durch die zerstörende 
Wirkung in Verlegenheit gesetzt, welche das Wasser der Hauptwasser- 
leitung auf den Cementputz der Hochbehälterwände ausgeübt hat. Alle Ver- 
suche, mit den verschiedensten Cementarten und Gemengen einen widerstands- 
fähigen Putz zu erzielen, schlugen fehl; das weiche, zeitweilig Spuren von 
freier Kohlensäure und Eisenoxydul aufweisende Wasser zerstörte den besten 
Cementputz selbst dann rasch, wenn er glasglatt gebügelt war. Ein Zufall 
brachte Abhülfe, die, wie es scheint, eine dauernde sein wird. Beim Strei- 
chen von Eisentheilen mit „Siderosthen“ waren auf dem Cementputz grössere 
Flecke entstanden, die denselben widerstandsfähig gegen die Angriffe des 
Wassers machten. Ein Versuch ‚in grösserem Maassstabe hatte den gleichen 
günstigen Erfolg, und jetzt ist eine Hochbehälterkammer von 1500 cbm Inhalt 
neu geputzt und mit „Siderosthen“ gestrichen. Sie ist während eines halb- 
jährigen Betriebes mehrere Male entleert und jedesmal in untadeligem Zu- 
stande gefunden worden. Man darf daher hoffen, endlich ein Mittel ausfindig 
gemacht zu haben, welches allgemein den Cementputz widerstandfähig macht 
gegen die Angrifie weichen Wassers. H. Chr. Nussbaum (Hannover). 


Kübler, Bekanntmachung des Reichskanzlers betreffend Bestimmun- 
gen zur Ausführung des Gesetzes über die Bekämpfung gemein- 
gefährlicher Krankheiten. Deutsche med. Wochenschr. 1900. No. 45. 
S. 729. 

Verf. bespricht die Ausführungsbestimmungen zu dem am 30. Juni 

1900 erlassenen Seuchengesetz, welche, wenigstens soweit sie die Pest 

betreffen, mit erfreulicher Beschleunigung im Bundesrath festgestellt wurden. 

Durch diese Bestimmungen ist den unteren Behörden nur ein beschränkter 

Spielraum gelassen und ihr Vorgehen im Allgemeinen an das Gutachten ihrer 

“ärztlichen Berather gebunden. Einige Vorschriften des Gesetzes können viel- 

leicht nach mancherlei Richtung hin als Zwangseingriffe empfunden werden, 


660 Infektionskrankheiten. 


aber sie sind keineswegs schärfer als die Bestimmungen im Auslande. Ihre 
Wirkung beginnt erst in der Zeit der Gefahr. Man darf das Gesetz mit der 
beruhigenden Empfindung aufnehmen, dass ein bedeutsamer Schritt vorwärts 
gethan ist, um das Eindringen der Pest in unser Land zu verhüten und einer 
erfolgreichen Bekämpfung der Seuche im Deutschen Reiche bestens zu arbeiten 
vorzubeugen. Dieudonne (Würzburg). 


Goebel, Der internationale Gesundheitsrath in Alexandrien. Deut 
sche med. Wochenschr. 1900. No. 32. S. 518. 

Da in letzter Zeit vom internationalen Gesundheitsrath in Alexan 
drien auch in deutschen Zeitungen öfters Stellen ausgeschrieben sind, so giebt 
Verf. eine kurze Orientirung über die Aufgaben und den Dienst der Aerzte bei 
demselben. Dieudonne (Würzburg). 


Marx H., Zur Theorie der Infektion. Deutsche med. Wochenschr. 1900. 
No. 38. S. 611. 

In einer früheren Arbeit hatte Verf. zusammen mit Woithe die Bedingungen 
studirt, unter denen die Babes-Ernst’schen Körperchen in den Bakterien- 
leibern auftreten, und u.a. auch die Ansicht ausgesprochen, dass diese Körperehen 
in sehr enger Beziehung zur Virulenz der Bakterien stehen, und zwar so, dass von 
den bei einer Infektion vorgefundenen Arten derjenigen die grösste bezw. allei- 
nige Bedeutung für den Infektionsprocess zukommt, die in der relativ wie absolut 
grössten Anzahl ihrer Individuen Babes-Ernst’sche Körperchen aufzuweisen 
bat. Diese Annahme haben weitere Untersuchungen durchaus bestätigt. 
Aus diesem Befunde stellt Verf. folgende Theorie der Infektion auf: „Ein 
Bakterium vollzieht seinen Ucbergang vom nicht inficirenden (avirulenten) 
zum infieirenden (virulenten) dadurch, dass sich in den Zellleibern seiner In- 
dividuen jene Kondensation und Lokalisation vollzieht, die zur Bildung der 
Babes-Ernst’schen Körperchen führt. Der Massstab für die gegenwärtige 
Virulenz ist die Zahl der Babes-Ernst’sche Körperchen führenden Indivi- 
duen, für die zukünftige Virulenz (in der Menschen- und Thierinfektion) die 
Fähigkeit der Zellen, Babes-Ernst’sche Körperchen zu bilden.“ 

Dieudonné (Würzburg). 


Casper L., Zur Pathologie und Therapie der Blasentuberkulose. 
Deutsche med. Wochenschr. 1900. No. 41 u. 42. S. 661 ff. 

Nach den Erfahrungen CGasper’s tritt die Tuberkulose der Blase 
selten primär auf; sie ist meist mit .tuberkulösen Erkrankungen anderer 
Organe, besonders der Nieren und der Genitalien verbunden. Ueber die 
Ursache ist noch wenig bekannt; sicher erscheint es Casper, dass die Go- 
norrhoe, besonders die der Blase, vornehmlich bei belasteten Individuen die 
Entwickelung einer Blasentuberkulose begünstigt. Hinsichtlich der Diagnose 
ist besonders hervorzuheben, dass nur in etwa 50 pCt. der Fälle Tuberkel- 
bacillen gefunden werden. Therapeutisch hat sich das Sublimat in Lösungen 
von 1:10000—1:1000 vorzüglich bewährt. Scholtz (Breslau). 


nn Dev; i Gi 


Infektionskrankheiten. 661 


Croner W., Zur Frage der Fürsorge für die Tuberkulösen im fort- 
geschrittenen Stadium. Deutsche med. Wochenschr. 1900. No. 42. 
S. 680. 

Tuberkulöse im fortgeschrittenen Stadium, welche von den Heil- 
stätten nicht aufgenommen werden, bilden für arme Familien eine grosse 
Last und vermehren das Elend derselben. Für solche Kranke ist daher die 
Einrichtung von Specialkrankenhäusern für Lungenleidende dringend 
wünschenswerth, da in allgemeinen Krankenhäusern sich die prophylaktischen 
Maassnahmen gegen Ansteckung nicht gehörig durchführen lassen. 

Dieudonne (Würzburg). 


Schumburg, Weitere Untersuchungen über das Vorkommen von Tu- 
berkelbacillen im Hackfleisch. Aus der hygienisch-chemischen Unter- 
suchungsstation des X. Armeekorps. Deutsche med. Wochenschr. 1900. 
No. 44. S. 712. 

Von der Erfahrung ausgehend, dass im Centrifugenschlamm der Molkerei- 
produkte besonders reichlich sich Tuberkelbacillen finden, centrifugirte 
Verf. den aus den Fleischproben ausgepressten Fleischsaft und benutzte den 
ziemlich festen grauweissen Bodensatz der Centrifugengläschen zur Injektion. 
Auf diese Weise gelingt es, den grösseren Theil der im Fleischwasser enthal- 
tenen Bakterien koncentrirt zu erhalten, darunter leider aber auch die zahl- 
reichen Fänlnissbakterien. Von 29 Meerschweinchen, welche mit 27 verschie- 
denen Proben intraperitoneal geimpft waren, starben 13 sehr bald nach der 
Injektion an Bauchfellentzändung. In mehreren Fällen war eine sehr viru- 
lente Proteusart die Ursache derselben. Die übrigen Thiere blieben gesund 
und wurden nach 6—7 Wochen getödtet; bei keinem derselben liessen sich 
tuberkulöse Veränderungen feststellen. Offenbar ist also die Gefahr der. Tu- 
berkulose, welche uns von frischem rohem Fleisch droht, eine weit geringere, 
als die durch ungekochte Milch, zumal wenn das Fleisch von gut untersuchten 
Thieren und aus sauberen Läden stammt. Dieudonne (Würzburg). 


Schlesinger, Eugen, Ein Beitrag zur Diphtherie der Conjunctiva (Con- 
junctivitis crouposa durch Diphtheriebacillen). Pemphigus. Heil- 
serum. Münchener med. Wochenschr. 1901. No. 3. S. 101. 

Ebenso wie im Rachen und Kehlkopf der Croup und die Diphtherie 

im anatomischen Sinne vom ätiologischen Standpunkte aus nicht immer eine 

Trennung gestatten, sodass für den Kliniker heute die meisten Croupfälle als 

Diphtberie gelten und sein therapeutisches Handeln beeinflussen müssen, hat 

sich auch unter den Ophthalmologen im verflossenen Jahrzehnt die Richtung 

eingebürgert, zwischen Conjunctivitis crouposa und diphtherica die 

Differentialdiagnose mehr auf den bakteriologischen Befund zu gründen, als, 

wie früher, lediglich an der anatomischen Unterscheidung im Sinne Virchow’s 

und Rokitansky’s festzuhalten. Verf. beschreibt einen Fall von zunächst 
ausgesprochenem Croup der Conjunctiva, der aber trotz sofort eingeleiteter 

Behandlung mit Diphtherieheilserum (1000 I.-E.) sich verschlimmerte und zu 

einer Einlagerung von Exsudat in das Conjunctivalgewebe führte. Vom 9. Krank- 


662 Infektionskrankheiten. 


heitstage an trat Besserung, am 15. Heilung ein. Kulturell fanden sich in 
diesen Membranen keine Diphtheriebacillen, wohl aber reichlich Streptokokken 
und Staphylokokken, welch erstere wohl als die eigentlichen Erreger in diesem 
Falle angesehen werden dürften. Ein derartiger Uebergang aus einer crou- 
pösen in eine diphtherische Bindehautentzündung ohne Löffler’sche Bacillen 
gilt als selten und wird von namhaften Ophthalmologen geleugnet, von ein- 
zelnen zugegeben. Die Erfolglosigkeit des Diphtherieheilserums ist natürlich 
in solchen Fällen klar. Ein Gegenstück zu letzterem Falle wird dann vom 
Verf. genau beschrieben, wo ein 3 Monate altes Kind mit Pemphigus im Ge- 
sicht und am übrigen Körper eine croupöse Conjunctivitis und Rhinitis fibri- 
nosa zeigte; die Behandlung mit Heilserum (Dosis II) fand sofort statt. Die 
bakteriologische Untersuchung der Membranen aus den Augen und der Nase 
ergab reichlich Löffler’sche Bacillen. Bereits nach 2 Tagen trat in Bezug 
auf das Augen- und Nasenleiden Besserung und nach 10 Tagen Heilung ein; 
der Pemphigus ging aber unaufhaltsam weiter und führte zum Exitus letalis. 

Angesichts der Thatsache, dass im Vergleich zu den zahlreichen Fällen, 
die klinisch und bakteriologisch als Diphtherie der Conjunctiva erkannt wurden, 
seitens der Augenärzte die specifische Heilserumbehandlung nur selten zur An- 
wendung kam — wohl aus dem Grunde, dass einerseits die meist leichte Con- 
junetivitis crouposa selten zu einer Allgemeinintoxikation Veranlassung giebt 
und auch durch die übliche Lokalbehandlung günstig beeinflusst wird, anderer- 
seits das Heilserum die gefürchteten Einschmelzungen der Cornea, welche durch 
Mischinfektion mit pyogenen Kokken hervorgerufen werden, nicht zu verhin- 
dern vermag — plädirt Verf. dafür, trotzdem in solchen Fällen das Heilserum 
in Verbindung mit der Kontrole durch die bakteriologische Untersuchung häu- 
figer als bisher anzuwenden. Dadurch würden sowohl die Komplikationen von 
Seiten der Cornea seltener werden, da der ganze Krankheitsprocess in viel 
kürzerer Zeit abläuft und die normalen Cirkulationsverhältnisse in der Cornea 
rascher wiederbergestellt werden, als auch würde einer Ausdehnung des diph- 
therischen Processes auf Nase und Rachen, die auch bei scheinbar ganz leichten 
Fällen häufig genug beobachtet wurden, und der Entstehung einer Epidemie 
von Augen- bezw. Rachendiphtherie am wirksamsten vorgebeugt. 

Mayer (Berlin). 


Fraenkel, Eug., Ueber Roseola typhosa. Aus dem neuen allgem. Kranken- 
hause zu Hamburg. Zeitschr. f. Hyg. u. Infektionskrankh. Bd. 34. S. 482. 
Der Verf. liefert eine sehr wichtige Vervollständigung der Befunde von 
Neufeld, Curschmann und P. Krause, welche aus dem Blut von Roseola- 
flecken Typhuskranker Typhusbacillen gezüchtet haben: er hat in Schnitt- 
reihen durch Roseolaflecke, die er mit der umgebenden Haut bei 5 Typhus- 
kranken herausgeschnitten hatte, den Nachweis erbracht, wie die Typhus- 
bacillen darin anatomisch angeordnet und verbreitetsind. Mit Rück- 
sicht darauf, dass der mikroskopische Nachweis von Typhusbacillen in der 
Milz nicht gelingt, wenn dieses Organ unmittelbar nach dem Tode der Leiche 
entnommen und zur Untersuchung vorbereitet wird, sondern erst, wenn durch 
Verstreichenlassen von 18—24 Stunden ein Auswachsen der einzelnen zerstreuten 


Infektionskrankheiten. 663 


Typhusbacillen zu kleinen Herden eingetreten ist, liess der Verf. auch in den 
Roseola-Hautstückchen erst eine Vermehrung und Anreicherung der 
Typhusbacillen vor sich gehen, indem er sie in keimfreier Fleischbrühe 
18 Stunden und länger im Brütschrank hielt und dann erst auswusch, 
härtete, einbettete, in Schnitte zerlegte und mit Methylenblau färbte. Natürlich 
entwickeln sich die Bacillenansammlungen nur da, wo sich schon während des 
Lebens wenigstens einzelne Bacillen befunden haben, und erlauben deshalb einen 
Schluss auf die Vorgänge innerhalb der Gewebe bei Lebzeiten. Nur einmal 
fand der Verf. die Typhusbacillen wie in einem einzigen bakterien- 
erfüllten Nierenknäuel angeordnet und zwar in der Pars reticularis in 
der Mitte des Roseolaflecks; in den übrigen Fällen stellten sie baumförmige 
Verästelungen im Papillarkörper dar, die ein Mal nur auf eine einzige 
Papille beschränkt waren, sonst in zahlreichen und keineswegs immer benach- 
barten Papillen gefunden wurden. In 2 Fällen lagen die Typhusbacillen im 
Innern von Kanälen, die neben den Arterien und Haargefässen verliefen 
und vom Verf. als Hautlymphgefässe angesprochen werden. 

Die Papillen, in welchen die Herde enthalten sind, sind umfang- 
reicher, 2—3mal grösser als die andern, und zellenreicher nicht in Folge 
von Einwanderung von Leukocyten, sondern durch Vermehrung der Binde- 
gewebszellen. Der Zusammenhang zwischen den Papillen, welche Herde 
enthalten, und der sie bedeckenden Oberhaut ist gelockert. Bei den 
übrigen gesunden Papillen ist dies nicht der Fall. 

Hiernach handelt es sich also bei den Roseolaflecken nicht um eine 
blosse Blutüberfüllung (Hyperämie), wogegen übrigens schon ihre für das 
Gefühl deutlich wahrnehmbare Erhabenheit spricht, sondern um Entzün- 
dungen, welche durch metastatisch abgelagerte Typhusbacillen bedingt 
werden und meistens mit völliger Wiederherstellung des früheren Zustandes 
enden, bisweilen aber zu nekrobiotischen Vorgängen in der Haut und Oberhaut 
führen. Globig (Kiel). 


Curschmann H., Ueber Cystitis typhosa. Münch. med. Wochenschr. 1900. 
No. 42. S. 1449. 

Nach den Beobachtungen verschiedener Autoren findet in etwa 15—30 pCt. 
aller Typhusfälle ein Uebertritt der specifischen Bacillen in den 
Harn statt. Manchmal entwickelt sich aus dieser Typhusbakteriurie eine 
echte eitrige Cystitis typhosa. Curschmann beschreibt drei derartige 
Fälle. Stets fand sich eine Reinkultur des Typhusbaeillus im Urin, der 
Urin selber reagirte trotz reichlichen Eitergehaltes immer sauer. Im Allge- 
meinen verlief die Blasenentzündung leichter als die Staphylokokken- und 
Streptokokkencystitis. Scholtz (Breslau). 


Conradi H., Bemerkungen zu einem Fall von multipler typhöser 
Periostitis. Aus dem bakteriologisch-hygienischen Institut der Universität 
Strassburg. Deutsche med. Wochenschr. 1900. No. 39. S. 626. 

In dem Eiter eines Knochenabscesses konnten mit Sicherheit Typhus- 
bacillen von mässiger Virulenz in Reinkultur isolirt werden; das Blutserum 


664 Infektionskrankheiten. 


der betreffenden Patientin zeigte aber selbst bei 1:30 keine Agglutination 
diesem Typhusbacillus gegenüber. Demnach giebt bei den metastatischen In- 
fektionen typhösen Ursprungs, insbesondere bei den Knochenentzündungen 
die fehlende Gruber-Widal’sche Reaktion kein differential-diagnostisches 
Moment. Bemerkenswerth bei dem Falle ist ferner der auch schon von 
anderer Seite konstatirte Umstand, dass die Typhusbacillen, auf kleinere Herde 
beschränkt, Monate lang (hier 6 Monate lang) im Organismus persistiren 
können. Verf. ist der Ansicht, dass der Typhusbacillus nur dann lokale 
Eiterungen hervorruft, wenn er seiner Speecifität entkleidet ist. Während der 
Körper im Laufe der Typhuserkrankung seine Immunisirung gegenüber den 
specifischen Typhusgiften anstrebt, scheint er gegenüber den nicht specifischen 
Wirkungen der überlebenden Typhusbaeillen nicht gefestigt zu sein. 
Dieudonne (Würzburg). 


Schottmüller, Ueber eine das Bild des Typhus bietende Erkrankung, 
hervorgerufen durch typhusähnliche Bacillen. Deutsche med. 
Wochenschr. 1900. No. 32. S. 511. 

Bei einer klinisch vollkommen unter dem Bilde des Typhus abdomi- 
nalis verlaufenden Erkrankung fanden sich im Blute Bakterien, die sich 
nach ihrem Verhalten in Milch, auf Kartoffeln, in Lakmusmolke, sowie durch 
den negativen Ausfall der Indolreaktion ganz wie Typhusbacillen verhielten. 
Dagegen riefen die isolirten Bakterien in Zuckerbouillon Gährung hervor. 
Das Blut des Kranken ergab negative Widal’sche Reaktion. Die aus dem 
Blut gezüchteten Bacillen wurden durch das Serum des Kranken selbst in 
der Verdünnung 1:50 deutlich agglutinirt, während das Serum von anderen. 
zweifellos Typhösen den gefundenen Bacillen gegenüber keine Agglutination 
zeigte. In allen Typhusfällen, wo die Widal’sche Reaktion negativ verläuft, 
empfiehlt es sich nach Sch., die Bacillen aus dem Blut zu züchten; auf der 
Höhe des Fiebers gelingt es fast immer, die Bacillen im Blute durch das 
Kulturverfabren bei Benutzung von 15—20 cem Blut zu finden. 

Dieudonne (Würzburg). 


Kruse W., Ueber die Ruhr als Volkskrankheit und ihren Erreger. 
Aus dem hygienischen Institut in Bonn. Deutsche med. Wochenschr. 1900. 
No. 40. S. 637. 

Seit dem Jahre 1892 nimmt die Ruhr im Rheinland und Westphalen 
immer mehr zu. Im Kreise Gelsenkirchen starben 1892 50, 1893 150 und 
1894 und 1895 je 250 Personen an der Ruhr. Der Landkreis Bochum hatte 
1897 eine Epidemie mit 150 Todesfällen, der Kreis Ruhrort 1898 und 18% 
eine mit je 100 Todesfällen. Im Jahre 1899 kamen in der Stadt Barmen 
600 Erkrankungen mit 66 Todesfällen vor. Im Juli 1899 brach in dem 
Fabrikort Laar im Kreise Ruhrort wieder eine Epidemie mit 300 Erkrankungen 
und über 30 Todesfällen aus, und Verf. benutzte diese Gelegenheit, die Aetio- 
logie der bei uns heimischen Ruhr zu studiren. Bei der mikroskopischen 
Untersuchung der frischen Dejektionen wurden im Gegensatz zu der Rubr der 
südlichen Länder nur einmal Amöben, dagegen öfters plumpe Stäbchen ge 


Infektionskrankheiten. 665 


fanden. Bei Ausstrichen auf Gelatineplatten wuchsen innerhalb von 24 bis 
48 Stunden Kolonien, die so weinblattartig geformt und zart waren wie die 
von Typhusbacillen. In frischen Fällen waren diese Kolonien so massenhaft, 
dass sie fast als Reinkultur imponirten und ihnen gegenüber die gröberen 
Kolonien des B. coli beinahe verschwanden. In Traubenzuckeragar fand keine 
Gasproduktion statt, auch in Milch und auf Kartoffeln, sowie in der Pior- 
kowski’schen Harngelatine ähnelten die gefundenen Bacillen den Typhus- 
bacillen. Trotzdem ist eine Trennung zwischen Typhus- und Ruhrbacillen 
leicht möglich, weil die Ruhrbacillen plumpe, dicke Stäbchen und unbe- 
weglich sind. Tbierversuche verliefen völlig negativ, auch bei Katzen und 
Affen. Von grosser Wichtigkeit für die ätiologische Bedeutung der iso- 
lirten Stäbchen ist der Umstand, dass das Blutseraum von Ruhrpatienten die 
betreffenden Kulturen in der Verdünnung von 1:50 agglutinirte. Diese Agglu- 
tinationsfähigkeit des Blutes erhält sich bei Personen, welche die Ruhr über- 
standen haben, unter Umständen 1 Jahr lang. Pathologisch - anatomisch 
manifestirte sich der Ruhrproctss in allen Fällen in einer ausgebreiteten 
Diphtherie der Dickdarmoberfläche. Dieudonne (Würzburg). 


Bersbeim J., Ueber Meningokokken-ähnliche Pneumonieerreger. 
Deutsche med. Wochenschr. 1900. No. 40. S. 643. 

In einem Fall von Bronchopneumonie fanden sich in dem Lungen- 
saft der infiltrirten Partien Diplokokken, die ihrem mikroskopischen und kul- 
turellen Verhalten nach als der Weichselbaum’sche Meningococcus 
intracellularis oder wenigstens als naher Verwandter desselben angesehen 
werden mussten. Der Fall ist deshalb von Bedeutung, weil er zeigt, dass an- 
scheinend harmlose Bronchitiden und Bronchopneumonien eine bisher unbe- 
kannte Ansteckungsquelle für die Cerebrospinalmeningitis bilden können. 

Dieudonne (Würzburg). 


Eslenburg A., Ueber gonorrhoische Nervenerkrankungen. Deutsche 
med. Wochenschr. 1900. No. 48. S. 646. 

Eulenburg weist zunächst auf die Bedeutung der Erkrankungen des 
Nervensystems, welche in mittelbarem oder unmittelbarem Zusammenhange 
mit gonorrhoischen Intektionen stehen, hin. Neben den zahlreichen Fällen 
von allgemeinen funktionellen Neurosen, oder von Neurasthenie, 
Hysterie und Psychosen, welche mehr indirekt auf gonorrhoische Erkran- 
kungen zurückzuführen sind, giebt es Fälle von lokalisirten Formen 
gonorrhoischer Nervenerkrankungen, auf welche Eulenburg näher 
eingeht. Auf Grund des bisherigen Beobachtungsmaterials unterscheidet 
Eulenburg folgende Haupttypen gonorrhoischer lokalisirter Nervenerkran- 
kungen: 

1. Neuralgische Affektionen, besonders Ischias, 

2. Maskelatrophien und atrophische Lähmungen, 

3. Gonorrhoische Neuritis und Myelitis im engern Sinne. 

Die Diagnose stützt sich wesentlich auf die Rigenthümlichkeit der be- 
treffenden Nervenaffektion selbst, ferner auf den Nachweis einer noch beste- 


666 Infektionskrankheiten. 


henden oder kurz voraufgegangenen gonorrheischen Urethritis und anderer 
gonorrhoischer Erkrankungen und Metastasen. Die Prognose ist relativ 
günstig. Der nähere Zusammenhang zwischen der gonorrhoischen Infektion 
resp. den Gonokokken und den Nervenerkrankungen ist noch unbekannt. 
Scholtz (Breslau). 


Ledermann, Ueber Pflege und Lebensweise syphilitisch Inficirter. 
Zeitschr. f. Krankenpfl. 1900. No. 6. 

Ledermann betont, dass die Gefahren der Syphilis sich nicht nur 
auf den Erkrankten selbst, sondern auch auf alle diejenigen, welche mit dem 
Kranken in Bezührung kommen, beziehen. Der Kranke selbst ist daher gründ- 
lich mit allen uns zu Gebote stehenden Mitteln zu behandeln, damit er vor 
schweren Erscheinungen nach Möglichkeit bewahrt und seine Infektiosität 
möglichst schnell beseitigt wird. Am wirksamsten ist in dieser Beziehung die 
intermittirende Quecksilberbehandlung nach Fournier-Neisser. Zum Schutze 
der Umgebung des Kranken sind häufig aber noch besondere Maassregeln 
erforderlich. Einmal ist dies der Fall bei Barbieren, Masseuren, Ammen, 
Hebammen und anderen Personen, welche viel in direkte Berührung mit 
anderen Menschen kommen, ferner bei Kranken, welche stark infektiöse sypbi- 
litische Symptome an Körperstellen aufweisen, welche gelegentlich in direkten 
oder indirekten Kontakt mit anderen Personen kommen. Dies ist besonders 
der Fall bei extragenitalen Primäraffekten (Finger, Lippe u. s. w.), ferner bei 
Plaques im Munde, an der Zunge u.s. w. Derartige infektiöse Stellen sind 
einmal mittels eines Occlusivverbandes durch Bedecken mit grauem Pflaster u.s.w. 
möglichst abzuschliessen, den Kranken selbst ist jede nähere Berührung ihrer 
Mitmenschen, namentlich durch Kuss, streng zu verbieten, die Benutzung be 
sonderer Trink- und Essgeschirre, Waschutensilien u. s. w. ist ihnen eindringlich 
zu empfehlen, und schliesslich ist eine baldige lokale und allgemeine Be- 
handlung derartiger Kranker unbedingt erforderlich. Wo es irgend möglich 
ist, sollen derartige Patienten in ein Krankenhaus aufgenommen werden. Leider 
aber reichen die bestehenden Spitäler und Specialkliniken zur Aufnahme der- 
artiger Kranken durchaus nicht aus, und für zweckmässige ambulante Behand- 
lung der syphilitisch Inficirten ist ebenfalls zur Zeit nur ungenügend gesorgt. 

Scholtz (Breslau). 


Ascher L., Ueber Rhodomyces erubescens nebst einem Beitrag zur 
Lehre von der Disposition. Zeitschr. f. Hyg. u. Infektionskrankh. 
Bd. 34. S. 475. 

Bei Untersuchungen von Butter und Milch auf Tuberkelbacillen durch 
Einspritzung in die Bauchhöhle von Meerschweinchen (vergl. diese Zeitschr. 
1900. S. 828) hatte der Verf. zufällig ein trächtiges Thier verwendet 
und, als er cs nach 4—6 Wochen tödtete, auf dem Mutterkuchen, den 
Eihäuten und zwischen den Haaren der Früchte eine gelbliche Auf- 
lagerung gefunden, die zwischen Faserstoff, Eiterkörperchen und Epithel- 
zellen ein Gewirr von Pilzfäden zeigte. Auf Agar entwickelten sich hieraus 
weisse Kolonien mit feinen strahligen Ausläufern, die bei Tageslicht zunächst 


u — — - 70” 


Infektionskrankheiten. 667 


eine rosenrothe, später braune Farbe annahmen. In Fleischbrühe bildeten 
sich lange Fäden mit Vakuolen, von welchen sich Conidien abtrennten, und 
diese vermehrten sich theils hefeartig weiter, theils ging auch von ihnen 
wieder Fadenbildung aus. Diese Wachsthumseigenschaften haben zu dem 
Namen „Rhodomyces erubescens“ Anlass gegeben. 

Während dieser Mikroorganismus auf allen Nährböden gedeiht, 
bleiben alle Impfversuche damit bei Thieren, auch Einbringung in die 
Lungen, in die Blutadern und unter die Schleimhäute erfolglos. Nur durch 
Einbringung in die Gebärmutter trächtiger Thiere lässt sich regel- 
mässig dasselbe Bild wie bei dem ersten Meerschweinchen hervorrufen. Da- 
gegen bleibt Impfung unter die Haut auch bei trächtigen Thieren ohne Wir- 
kung. In Blut, Serum, Bauchhöhlenflüssigkeit und Amnionflüssigkeit ausser- 
halb des Thierkörpers gedeiht der Rhodomyces sehr gut, innerhalb 
des lebenden Thierkörpers aber wird er abgetödtet, wie sich nach Pfeiffer’s 
Vorgang bei Einbringung in die Bauchhöble durch die Entnahme mittels 
Haarröhrchen nachweisen lässt. Nur der Mutterkuchen und die Eihäute 
sind nicht befähigt, den Stoff zu erzeugen, auf welchem die vernich- 
tende Wirkung der übrigen Organe beruht. Globig (Kiel). 


Nikitin W., Ein Fall von ausgebreiteter Aktinomykose mit Lokali- 
sation im Gehirn. Deutsche med. Wochenschr. 1900. No. 38. S. 612. 
Im vorliegenden Falle begann der aktinomykotische Process im Respi- 
rationsapparat, ging dann auf die Haut und das Unterhautzellgewebe über 
und schloss endlich mit der Affektion des Gehirns. Hier fand sich ein 
walnussgrosser Abscess, in dessen Eiter zahlreiche Aktinomycesdrusen nach- 
gewiesen werden konnten. Dieudonne (Würzburg). 


Kech R., Fünfter Bericht über die Thätigkeit der Malariaexpedition, 
Untersuchungen in Neu-Guinea während der Zeit vom 28. April 
bis 15. Juni 1900. Deutsche med. Wochenschr. 1900. No. 34. S. 541. 

Die weitere Beobachtung in Stephansort zeigte, dass innerhalb von 

6 Monaten die Malaria sich fortgesetzt auf dem niedrigen Stand hielt und 

dass dieselbe also mit den von Koch durchgeführten Maassnahmen (vergl. 

Ref. diese Zeitschr. 1901. S. 353) innerhalb verhältnissmässig kurzer Zeit 

fast zum Verschwinden gebracht wurde. Die Voraussetzungen, von denen Koch 

ausging, waren also durchaus richtig, und damit sind die Grundlagen für eine 
wirksame Bekämpfung der Malaria geliefert. Andere Wege, die Malaria zu 
vertilgen, hält Verf. nicht für besonders aussichtsvoll. Die Ausrottung der 
inficireoden Mücken ist wohl vielleicht in kleineren Bezirken, aber nicht in 
ganzen Länderstrecken, namentlich in den Tropen, durchführbar. Auch die 

Mittel, welche in die Haut eingerieben dazu dienen sollen, den Menschen vor 

den Stichen der Mücken zu schützen, haben sich nicht bewährt. Das zuver- 

lässigste Verfahren ist nach Koch das früher beschriebene, das darin besteht, 
dass alle Fälle von Malaria, auch die versteckten Fälle, aufgesucht und 
dadurch unschädlich gemacht werden, dass man sie nicht nur, wie bisher, 


668 ` Infektionskrankheiten. 


ein wenig bessert, sondern gründlich heilt. Verf. empfiehlt den Versuch unter 
anderen klimatischen und socialen Verhältnissen mehrfach zu wiederholen. 
Dieudonné (Würzburg). 


Bastianelli G. und A. Bignami, Entwickelung der Parasiten der Tertiana 
im Anopheles claviger. Untersuchungen zur Natarlehre des Menschen 
u. 8. w., begründet von Jac. Moleschott, redigirt von G. Colasanti und 
W. Erhardt. Giessen 1900. Bd. 17. H. 1 u. 2. S. 147—178. Taf. V. 

Italienische Malariaforscher klagen mehrfach darüber, dass ihre Ergeb- 
nisse bei einer maassgeblichen deutschen Forscherschule bisher unbeachtet 
blieben. Auch die halb oder ganz volksthümlichen Berichte in der Tages- 
presse und in Zeitschriften machen mehr Aufhebens von französischen und 
insbesondere englischen Wechselfieberarbeiten, obwohl letztere meist jünger 
und weniger bedeutend, auch in Deutschland nicht so leicht zugänglich sind. 
Denn die obengenannte Zweimonatsschrift veröffentlicht seit Jahren italienische 
Originalarbeiten in deutscher Sprache. Auch das angeführte Doppelheft bringt 
nicht weniger als 8 solcher Abhandlungen über Wechselfiebererzeuger mit 5 
hervorragend schönen Tafeln in buntem Steindruck. 

Bastianelli und Bignami beschreiben nach einem Rückblicke auf ihre 
früberen Versuche über die Entwickelung des Hämosporidiums der Tertiana 
zunächst die „Entwickelung des Parasiten im Darm des Anopheles“. 
Als Unterscheidungsmerkmale zwischen den Sporozoen des Cyklus der Tertiana 
und denen des Cyklus der Halbmonde im Anopheles geben die Verfasser an: 

1. Die Form der Sporozoen ist bei den Halbmonden entweder ausge- 
sprochen spindelförmig, wie man sie im circulirenden Blute sehen kann 
(für die Körper nach 40—48 Stunden) oder ovoid, während sie bei der 
Tertiana konstant rundlich ist, selten oval. 

2. Das Aussehen des Sporozoon. Das semilunare Sporozoon hat in glei- 
chem Entwickelungsstadium schärfere Umgrenzung und stärkeres Licht- 
brechungsvermögen, weshalb man es auch bei kleinerer Vergrösserung 
schon erkennen kann, während das Sporozoon der Tertiana transparenter ist 
und in den ersten Stadien mit seiner undeutlichen Umgrenzung nur mit 
stärkerer Vergrösserung (homog. Immersion) zu sehen ist. 

3. Das Pigment ist identisch mit dem des Parasiten im Menschen. 

4. Die Kerne der Sporozoen der Tertiana sind weniger zahlreich, aber 
grösser als die des Sporozoon der Halbmonde in gleichem Entwickelungs- 
stadium. 

5. Anordnung der Sporozoiten in den Kapseln. In den Sporozoen der 
Tertiana sind die Kerne weniger gedrängt und regelmässiger nebeneinander 
gestellt rings um die Segmentationsreste — wenigstens ist dies die häufigste 
Anordnung. z 

Es folgt nun die eingehende Beschreibung dreier Versuche, bei deren 
erstem der Versuchsmensch in einem Zimmer schlief, in welchem viele An- 
opheles freigelassen waren, während letztere bei den anderen Versuchen ein- 
zeln zum Stiche aufgesetzt wurden. Da beim dritten Versuche der Stich 
zweier Mosqnitos genügt hatte, so erscheint die Annahme berechtigt, dass 


Infektionskrankheiten. 669 


auch ein einziger Stich eines Anopheles bei der ungeheuren Menge von Sporo- 
zoiten, die man in den Zellen eines einzigen Speicheldrüsenganges beim An- 
opheles finden kann, zur Ansteckung genügt. 

Das Gesammtergebniss ihrer Untersuchungen fassen die Autoren, wie 
folgt, zusammen: 

Die grossen pigmentirten Formen der Tertianaparasiten, die nicht im 
Stande sind, sich im Menschen zu vervielfältigen, sind morphologisch in 
zwei Gruppen geschieden: die einen mit grossem blasigen Kern und wenig 
Chromatin stellen die weiblichen Individuen (oder Makrogameten) dar, die 
anderen, chromatinreicheren die männlichen Individuen (oder Mikrogameto- 
cyten der Zoologen). Im Mitteldarm des Anopheles claviger schicken die 
männlichen Individuen Mikrogameten (oder Geisseln) aus — meist deren 
sechs. Von einem dieser Mikrogameten wird ein Makrogamet, nachdem 
sein Chromatin Reduktionsprocesse durchgemacht hat, befruchtet. Der be- 
frachtete Makrogamet dringt in den Mitteldarm des Anopheles ein und 
entwickelt sich dort, indem er einen Lebenscyklus durchläuft, der ganz 
jenem entspricht, wie er von Ross für das Proteosoma der Vögel beim 
Grey-Mosquito und von uns mit Grassi für die Halbmonde des Anopheles 
claviger selbst beschrieben worden ist. 

In diesem Lebenscyklus bewahrt das Sporozoon der Tertiana durchaus 
seinen eigenen morphologischen Charakter, der ihn von denen semilunarer 
Herkunft streng scheidet. Bei den jungen Formen liegt der Unterschied 
bauptsächlich in der ganzen Form und in der Art des Pigments, bei den 
entwickelteren im Volumen der durch successive Theilung des Kerns ent- 
standenen Körperchen. Die reifen sporozoitenhaltigen Formen unterscheiden 
sich von einander im Allgemeinen in der Grösse und Anordnung der Spal- 
tungsresidnen, vielleicht auch in der Grösse der Sporozoiten. Es bleibt 
also die Trennung der beiden Species der Malariaparasiten durchaus be- 
stehen. 

In einem Anhange werden Versuche beschrieben, um auch für die Ter- 
tiana das Gleiche, wie für die Halbmonde, unter ganz entsprechenden Bedin- 
gungen nachzuweisen. Helbig (Serkowitz). 


Bernegau L., Zur Bekämpfung der Mosquitos. Ber. d. Deutschen pharm. 
Gesellsch. 1900. S. 210. 

Als Schutzmittel gegen den Stich der Mosquitos versuchte Verf. in 
Westafrika eine Nelkenöl-Glycerinseife mit grossem Nelkenölgehalt, sowie 
Kampher, Terpentinöl und Naphtalinpräparate, mit denen die freien Körper- 
theile gewaschen bezw. eingerieben wurden. Der Erfolg dieser Mittel war 
völlig negativ. Besser wirkte Petroleum, welches aber zur praktischen An- 
wendung in Folge seines Geruches und der Brennbarkeit nicht recht geeignet 
ist, Dagegen blieb Verf. von Mosquitos verschont, wenn er Abends Hände, 
Nacken und Fussferse mit 5 proc. Kreolinwasser betupfte; an Stelle des 
Kreolins wird jedenfalls auch Kresolseifenlösung Verwendung finden können. 

Wesenberg (Elberfeld). 


670 Infektionskrankheiten. 


Ziemann H., Ueber das Schwarzwasserfieber. Deutsche med. Wochenschr. 
1900. No. 40. S. 642. 

Auf Grund seiner in einem der schlimmsten Schwarzwasserfieber- 
herde der Erde gewonnenen Erfahrungen glaubt Verf. die Frage der Ent- 
stehung folgendermaassen präcisiren zu können. In gewissen schweren Ma- 
lariaherden entsteht bei einer gewissen Zahl von Leuten, die einen oder meh- 
rere Malariaanfälle bereits durchgemacht haben, die zeitlichen Schwankungen 
unterworfene Disposition zum Schwarzwasserfieber. Im Allgemeinen nimmt 
sie mit der Zahl der überstandenen Fieber zu, kann aber auch, wenn eine 
relative Resistenz gegen Malaria erreicht ist, mehr oder weniger wieder ver- 
schwinden. Diese Disposition kann bei den kräftigsten Leuten aus ganz ge- 
sunder Familie entstehen, sie scheint am leichtesten bei Personen sich zu 
bilden, die eine Infektion mit den kleinen Parasiten der Tropica oder der 
Aestivo-Autumnalis durchgemacht haben. Mit Bezug auf die Thatsache, dass 
das Schwarzwasserfieber nur oder mit Vorliebe in gewissen schweren Malaria- 
gegenden vorkommt, besteht nach der Ansicht von Z. möglicherweise eine 
verschiedene Virulenz der Parasiten, je nach den lokalen Bedingungen, denen 
sie ihre Entstehung verdanken, ohne dass sie artverschieden zu sein brauchen. 
Ausserdem finden sich in einem so gefährlichen Schwarzwasserfieberherde wie 
Kamerun nur wenige sexuale Formen, wie Halbmonde u. s. w. Diese in Italien 
sehr häufigen Formen kommen meist nur in zur Heilung disponirenden Fällen 
vor. Auf Grund der Disposition kann es zu einem Schwarzwasserfieberausbruch 
kommen durch einen neuen Malariaanfall allein, ohne dass Chinin vorher ge- 
nommen worden ist, am häufigsten durch einen neuen Malariaanfall und gleich- 
zeitige Verabreichung von Chinin, ferner durch Chinin allein bei Disponirten, 
die früher Malaria überstanden hatten, und endlich, aber sehr selten, ohne 
Chinin bei Disponirten, die früher Malaria überstanden. Unter Umständen 
genügen schon kleinste Mengen von Chinin, so in einem Falle von Tropica 
0,01 g zur Erzeugung von Hämoglobinurie. Dieudonné (Würzburg). 


Kieseritzky G., Zur Pathogenität des Staphylococcus quadrigeminus 
Czaplewski. Deutsche med. Wochenschr. 1900. No. 37. S. 590. 

Der von Vanselow und Czaplewski gefundene Staphylococcus 
quadrigeminus wurde vom Verf. aus einem Lymphdrüsenabscess in Rein- 
kultur gezüchtet. Es ist nicht unmöglich, dass die Eintrittspforte des Bacillus 
eine Variolapustel gebildet hatte, da der betreffende Patient kurz vorher Variola 
überstanden hatte. Dieudonne (Würzburg). 


Czaplewski, Zur Bakteriologie der Lymphe. Deutsche med. Wochenschr. 
1900. No. 45. S. 720. 

Auf eine Bemerkung in der Arbeit von Nakanishi (vgl. diese Zeitschr. 
1801. S. 407) weist Verf. darauf hin, dass er selbst dem Staphylococcus qua- 
drigeminus keine ätiologische Bedeutung für den Impfprocess zugemessen habe. 
Doch ist dieser Befund trotzdem von Interesse, weil wir in diesem Staphylo- 
kokkus eine neue Art kennen gelernt haben, welche bis dahin immer mit 
Staph. aureus und albus verwechselt war, die sich aber namentlich durch 


Infektionskrankheiten. Immunität. Schutzimpfung. 671 


die energische Verflüssigung des Serums vom Staph. aureus selbst in Misch- 
kultur unterscheiden und isoliren liess. Es handelt sich um einen Sapro- 
phyten der Kälberhaut. Den von Nakanishi beschriebenen B. variabilis 
lymphae vaccinalis hat Verf. gleichfalls in verschiedenen Lymphproben ge- 
fanden, dagegen nicht in den Pusteln der Kinder und in Kinderlymphe. Es 
handelt sich dabei um keinen neuen Bacillus, vielmehr gehört derselbe zu 
den von den verschiedensten Seiten in der Lymphe gefundenen Pseudodiph- 
tberiebacillen. Eine ätiologische Bedeutung für den Vaccineprocess, wie sie 
von N. anfänglich angenommen, später aber selbst wieder fallen gelassen 
wurde, kommt diesen Bacillen nicht zu, es handelt sich gleichfalls um nor- 
male Hautepiphyten des Kalbes. Verf. schlägt für diese Pseudodiphtherie- 
bacillen der Lymphe den Namen Corynethrix bovis vor. 
Dieudonné (Würzburg). 


Babes V., Die Lehre von der Hundswuth zu Ende des 19. Jahr- 
bunderts. Säkular-Artikel. Berl. klin. Wochenschr. 1900. No. 42 u. 43. 
S. 925 ff. 

Babes giebt einen allgemeinen Ueberblick über die Erforschung und Ver- 
breitung der Hundswuth. Er betont, dass an erster Stelle den sanitäts- 
polizeilichen Maassregeln, an zweiter der Pasteur’schen Schutzimpfung 
die Erfolge in der Bekämpfung der Lyssa zuzuschreiben sind. Bessere Erfolge 
als mit der Pasteur’schen aktiven Immunisirung erhält man — besonders 
bei schweren Bissen wuthkranker Hunde und namentlich Wölfe — mit der 
von Babes eingeführten Behandlung mit Immunserum und mit Injektion 
normaler Nervensubstanz. Eventuell werden letztere Methoden mit dem Pasteur- 
schen Verfahren kombinirt. Einzelheiten sind im Original einzusehen. 

Scholtz (Breslau). 


Stumpf L., Ergebnisse der Schutzpockenimpfung im Königreiche 
Bayern im Jahre 1899. Münch. med. Wochenschr. 1900. No. 50 u. 51. 
S. 1741 ff. 

Im Jahre 1899 war die Lymphe der k. Centralimpfanstalt, von welcher 
419013 Portionen zur Durchführung der Schutzpockenimpfung in Bayern 
erforderlich waren, von bedeutend höherer Virulenz und Haltbarkeit als im 
Vorjahre. Die in letzterem vorgenommenen ausgedehnten Versuche, reine 
Tbierlymphe zu züchten, lieferten wohl grosse Mengen von Impfstoff, aber auch 
vielfach unbrauchbare und durchweg viel schwächere Lymphe. Dieselben 
warden nicht mehr fortgesetzt, vielmehr wurde wieder ausschliesslich Retro- 
vaccine erzeugt, welche die vorzüglichen Resultate früherer Jahre lieferte und 
das Gesammtergebniss von 4,1 Pusteln pro Kind auf 4,7 steigerte, während 
die Procentzahl der Fehlimpfungen von 2,15 auf 1,1 vermindert worden ist. 

Auf jedes Impfthier, deren 63 verwandt wurden, traf ein Ertrag von 
1239 Portionen Lympheemulsion, einem Rohertrage von 7,84 g entsprechend. 
Dies sind die höchsten seit Einführung der Thierlymphe in der k. Centralimpf- 
anstalt bisher gewonnenen Ziffern. 


672 Immunität. Schutzimpfung. 


Von den zur Versendung gekommenen 390 581 Portionen erhielten die 
öffentlichen Impfärzte 330 521, die Privatärzte 20455 und die Militärärzte 
39 605. Die grösste Thätigkeit der Anstalt fiel auf die Monate Mai und 
November. 

Die Heeresimpfungen waren zu 84,25 pCt. erfolgreich; Krankheitserschei- 
nungen traten dabei nur in 62 Fällen auf, durchweg erfolgte nach kurzer Zeit 
völlige Genesung. 

Bei den Erstimpfungen kamen auf 100 geimpfte Impfpflichtige 1,1 
ohne Erfolg Geimpfte. Die Güte der Lymphe der k. Centralimpfanstalt trat 
besonders in der Pfalz zu Tage, wo aus anderen Bezugsquellen stammende 
Thierlymphe die grösste Verbreitung gefunden hatte. Mit letzterer wurden 
95,31, mit ersterer 98,62 pCt. erfolgreiche Erstimpfungen und entsprechend 
pro Kind 3,59 und 5,05 Pusteln erzielt. 

Die öffentlichen Impfärzte waren mit grosser Sorgfalt bemüht, die Impfung 
mit allen antiseptischen Vorsichtsmaassregeln zu umgeben. Unter den Des- 
inficientien scheint im Berichtsjahre namentlich der absolute Alkohol eine 
grosse Verbreitung gewonnen zu haben. 

Einfache Vorkommnisse von Entzündung der Impfstelle und ihrer Um- 
gebung wurden aus 36 Amtsbezirken gemeldet; jedoch lag niemals eine Massen- 
erkrankung vor. Sie betrafen fast durchweg Wiederimpflinge und waren die 
Folge von Unachtsamkeit und zu geringer Schonung des Arms, manchmal 
auch von direkten Insulten der Impfstelle. Tödtliche Erkrankungen, welche 
während der Impfzeit sich ereigneten, hatten mit der Impfung selbst keinen 
ursächlichen Zusammenhang. 

Die Erfolge der Privatimpfungen waren bei 4,8 (1898: 4,3) pCt. erfolg- 
losen Erst- und 13,9 (11,6) Wiederimpfungen nicht unbedeutend verschlechtert. 
In 6 Regierungsbezirken sind Fälle von Widerstand gegen das Impfgesetz 
zu verzeichnen gewesen. Zu ausserordentlichen Impfungen war in 
4 Regierungsbezirken durch das Auftreten der Pocken Anlass gegeben. 

Würzburg (Berlio). 


Escherich, Theodor, Diphtherie. Berl. klin. Wochenschr. 1901. No. 2. S. 33. 

In seinem „Säkularartikel“ giebt Verf. zunächst einen kurzen historischen 
Ueberblick über Auftreten und Verbreitung der Diphtherie und ergeht sich 
dann in ausführlichster Weise über die Wandlungen des klinischen und 
anatomischen Begriffs, sowie der Aetiologie der Diphtherie im Laufe des 
19. Jahrhunderts. Bei Besprechung des Verbreitungsmodus im Einzelnen legt 
er auf die leichten, oft ohne Belag verlaufenden Anginen älterer Personen eio 
grosses Gewicht als Infektionsquelle. Nach den neueren Untersuchungen von 
Frosch über die Befunde von Diphtheriebacillen in inneren Organen nimmt 
Verf., wenigstens für die schwersten akuten Diphtheriefälle, eine Verschleppung 
der Bacillen auf den Blutwegen als regelmässiges Vorkommniss an, glaubt 
jedoch, dass es sich in diesen Fällen meist um eine agonale Invasion handle, 
sodass dadurch die allgemeine Auffassung von der Diphtherie als einer exquisit 
toxischen Infektionskrankheit keine Einbusse erleidet. 

Die individuelle Verschiedenheit der noch so dunklen Disposition leitet 


Immunität. Schutzimpfung. 673 


Verf. von zwei hauptsächlichen Momenten ab: 1. von der Art der Reaktion 
gegenüber den Diphtherietoxinen, der allgemeinen Disposition oder Gift- 
empfänglichkeit; 2. von der Eignung der Schleimhaut für die Ansiedelung 
der Bacillen: der Oberflächendisposition, welche örtlich begrenzt oder 
über grosse Schleimhautbezirke verbreitet sein kann. Erst an dritter Stelle 
kommen für den Verf. Virulenzschwankungen in Betracht. Sodann kommt 
Verf. auf die Mischinfektionen, speciell mit Streptokokken, zu sprechen, 
will aber den schweren Verlauf dieser Fälle nicht lediglich mit der gewöhn- 
lichen Annahme nach Roux und Yersin, dass die Diphtheriebacillen durch 
Symbiose mit Streptokokken eine erhöhte Virulenz annehmen, erklärt wissen, 
sondern glaubt denselben von der specifischen Wirkung der Streptokokken 
ableiten zu müssen, sodass sich das Krankheitsbild der Diphtherie mit dem einer 
örtlichen oder allgemeinen Sepsis kombinire. Die von Wertheimber ge- 
brauchte Bezeichnung „septische Diphtherie“ ist nach Verf. nicht identisch 
mit der Mischinfektion mit Streptokokken, sondern umfasst alle mit schweren 
toxischen Symptomen, Fötor und Gangrän verbundenen Fälle, von denen nur 
60 pCt. im Herzblut den Streptococcus longus enthielten (zum Theil nach Verf. 
als agonale Einwanderung aufzufassen), in anderen dieser Fälle waren der Pro- 
teus, das Bacterium coli und der Bernheim’sche zugespitzte Bacillus aktiv 
an diesen Processen betheiligt. Den Mischinfektionen mit anderen Bakterien, 
Staphylokokken, Pneumokokken u. s. w. schreibt Verf. keinen ungünstigen 
Einfluss auf den Krankheitsveylauf zu. Allerdings findet auch Verf. die Gruppe 
der Mischinfektionen durch schwere toxische Erscheinungen ausgezeichnet, und 
er hebt vor allem hervor, dass die „so charakteristischen Lähmungserscheinungen 
ganz vorwiegend nach Rachendiphtherien auftreten, welche den Charakter einer 
Mischinfektion tragen“, was er dadurch zu erklären sucht, dass „entweder durch 
die Mischinfektion die Giftempfänglichkeit wesentlich gesteigert wird, oder dass 
diese an sich schon mit der Neigung zur Mischinfektion verknüpft ist“. 

Zum Zwecke der Didaktik und Statistik theilt Verf. seine Fälle nicht, wie 
in neuerer Zeit sonst meist üblich, nach der Prognose, sondern nach seinen 
eben entwickelten pathogenetischen Anschauungen in folgende 3 Formen ein: 

1. Lokalisirte Form: geringe Giftempfänglichkeit — örtlich begrenzte 
Oberflächendisposition. . 

2. Progrediente Form: geringe Giftempfänglichkeit — ausgebreitete Ober- 
flächendisposition (Ausbreitung nach den Luftwegen). 

3. Toxisch-septische Form: grosse Giftempfänglichkeit — beschränkter 
örtlicher Affekt: hypertoxische Form, grosse Giftempfänglichkeit —; örtlich 
Nischinfektion, mit pyogenen Kokken: phlegmonöse, nekrotisirende, septische 
Form; mit Fäulnissprocessen: fötide Form; mit Gangrän: gangränöse Form; 
mit hämorrhagischer Diathese: hämorrhagische Form. 

Bei Besprechung der Therapie erwähnt Verf. zunächst nur kurz die 
verschiedenen im Laufe des Jahrhunderts erfolgten Schwankungen, um sich 
dann in einmüthiger Uebereinstimmung aller Kinderärzte, ausser K asso witz, 
als begeisterten Anhänger der Serumtherapie zu erklären. Die Erfolge der 
Serumbehandlung sind nicht allein nach den statistischen Ergebnissen über 
Mortalität und Heilung zu beurtheilen, sondern vor Allem durch den Verlauf 


674 Immunität. Schutzimpfung. 
E 


der einzelnen Fälle. Mit allen Autoren stimmt er darin überein, dass, je 
früher diese specifische Behandlung eintritt, desto besser die Prognose. In 
2 Tabellen setzt er dann nach den oben erwähnten 3 Gruppen die Heilungs- 
resultate in der Vorserumperiode 1890 bis April 1894 denen in der Serum- 
periode von April 1894 —1899 gegenüber und findet im Ganzen in ersterer 
54,8 pCt. Heilungen gegenüber 86,92 pÜt. in letzterer. Die einzelnen Form- 
gruppen betheiligen sich mit ihren Heilungen daran in folgender Weise: 


Serumperiode Vorserumperiode 
I. Form 99,83 pCt. 100 pCt. Heilungen 
1 80,42 „ 46 „ 3 
IL „ 57,83 „ 0: „ 


Bringt man die sterbend ins Spital gelieferten Fälle, bei denen eine Wirk- 
samkeit des Serums von vornherein ausgeschlossen war, in Abzug, so ver- 
mindert sich die Mortalität noch um 8 pCt. In der Privatpraxis, bei den in 
sorgfältiger Beobachtung und gutem Ernährungszustand befindlichen Kindern. 
dürfte nach E., vorausgesetzt dass die specifische Behandlung im ersten Beginn 
der Erkrankung eintritt, die Mortalität auf Bruchtheile von 1 pCt. herabsioken 
(diese Annahme übertrifft also noch die Erwartungen Behring's, der die 
Mortalität auf 5 pCt. herabzusetzen hoffte. Ref.) 

Auch den Werth der propbylaktischen Injektion erkennt Verf. rückhaltlos 
an, schätzt aber die Dauer des Impfschutzes, bei Anwendung von 60—200 L-E., 
nur auf wenige Wochen. . 

Die Dosirung des Serums zu Heilzwecken ist insofern eine sehr ein- 
fache, als es keine Maximal-, sondern nur eine Minimalgabe giebt und 
dieselbe weniger vom Alter der Patienten als vom Charakter und Dauer der 
Krankheit abhängig ist. Bei der 1. Form wendet Verf. im Allgemeinen 1000 
bis 1500 I.-E., bei der 2. Form zwei, bei der 3. Form drei solcher Dosen an. 
Die obere Grenze wird nicht durch die Antitoxinmenge, sondern lediglich 
durch die Serummenge begrenzt, bei kleinen Kindern soll letztere nicht mehr 
als 8—10 ccm betragen. Mit der Verbesserungsweise der Herstellung des 
Serums sank beim Bezug desselben aus dem staatlicheu Institut in Wien die 
Zahl der Serumexantheme in den letzten Jahren von 11 auf 3 pCt. Vorsicht 
ist nur angebracht bei bestehender Nephritis und bei Lymphatismus, welch 
letzterer nach dem Sektionsprotokoll in dem bekannten Fall Langerhans 
vorgelegen hatte; ein analoger Fall wurde seitdem von Verf. beobachtet, wo 
der Tod eines Knaben von 11 Monaten wenige Stunden nach der Injektion 
erfolgte und die Sektion ein stark dilatirtes Herz und eine sehr grosse saft- 
reiche Thymusdrüse von 15 g Gewicht ergab. 

Verf. schliesst seine Mittheilungen mit einem begeisterten Lob auf die 
Serumtberapie, der er unter allen therapeutischen Errungenschaften nur die 
Jenner’sche Kuhpockenimpfung an die Seite stellen kann. 

Mayer (Berlin). 


Immunität. Schutzimpfung. 675 


Trampp, Progrediente Diphtherie bei rechtzeitiger Serumbehand- 
lung. Münchener med. Wochenschr. 1901. No. 3. S. 104. 

Verf. beschreibt einen (in der Literatur über Diphtherieheilserum fast 
einzigartigen, Ref.) Fall von progredienter Diphtherie bei einem 11 Mo- 
nate alten kräftigen Kinde, das an primärer Kehlkopfdiphtherie erkrankte und 
am 3., 5. und 6. Krankheitstage mit 4 Dosen von je 1500 I.-E. behandelt 
wurde; ausserdem wurde am 3. Tage die Intubation, am 5. die sekundäre 
Tracheotomie ausgeführt. Exitus am 6. Krankheitstage unter den Erscheinun- 
gen der Intoxikation. Die klinische wie anatomische Diagnose ergaben über- 
einstimmend: Diphtheria laryngis ascendens et descendens, Bronchitis fibrinosa, 
Pneumonia lobularis. 

Da dieser Fall trotz der rechtzeitigen Anwendung von enormen Dosen 
von Heilserum kaum anders verlief als in der Vorserumperiode — der einzige 
Einfluss der specifischen Behandlung bestand vielleicht in einer rascheren Ein- 
schmelzung der Pseudomembranen im Kehlkopf —, erörtert Verf. die ver- 
schiedenen Gründe, die etwa ein Versagen des Heilserums erklären könnten. 
Er glaubt eine hypertoxische oder auch nur schwer toxische Form ausschliessen 
zu müssen, da bedrohliche Symptome erst gleichzeitig mit der Entwickelung 
der Bronchitis fibrinosa auftraten; auch sprachen sowohl der klinische Verlauf 
wie der Sektionsbefund gegen eine schwerere Mischinfektion, jedenfalls war 
eine solche mit Streptokokken, Bacterium coli, Kapselkokken oder Proteus 
bestimmt auszuschliessen; reichlich vorhanden waren allerdings Staphylokokken, 
die aber fast eber einen günstigen Einfluss auf die Diphtherie auszuüben pflegen 
oder vielleicht erst mit der Membranerweichung einwanderten, bei welcher sie 
eine Auflösung des fibrinösen Exsudates bewirken sollen. Nach Ausschluss 
aller dieser Möglichkeiten kommt Verf. zu der Vermuthung, dass die Qualität 
des Antitoxinpräparats eine minderwerthige gewesen sein könne. Die beiden 
ersten angewandten Dosen waren vom 26. December 1899 — die Anwendung 
erfolgte Anfangs October 1900. Da es im Allgemeinen als Grundsatz in 
der Praxis gilt, möglichst kein über !/, Jahr altes Serum zu verwenden, in 
der Literatur aber keine Angaben über eine in Folge längerer Aufbewahrung 
eintretende Minderwerthigkeit des Heilserums, zu finden waren, wandte sich 
Verf. an die Höchster Farbwerke um Auskunft. Durch Libbertz wurde ihm 
die Antwort zu Theil, dass eine Abnahme der Wirksamkeit allerdings in den ersten 
2—3 Monaten eintrete, später aber dieselbe durch Jahre konstant bleibe, wie 
in Höchst durch zahlreiche, bisher nicht veröffentlichte Prüfungen festgestellt 
sei. Die Abnahme in den ersten Monaten könne bis 5 pCt. betragen, indessen 
würde dieselbe bereits bei der Abfüllung des Serums berücksichtigt, sodass 
auch nach Jahren die auf der Signatur angegebene Antitoxinmenge vorhanden 
sein müsse. Eine Vorschrift, bis zu welchem Alter das Serum abgegeben 
werden dürfe, existire nicht; eine staatliche Einziehung erfolge nur wegen 
eingetretener Verunreinigung oder entstandener Minderwerthigkeit. Höchster 
Serum sei seit 3 Jahren nicht eingezogen. 

Um darüber ins Klare zu kommen, ob das Alter des Serums seine Wirk- 
samkeit beeinflusse, sehliesst Verf. mit der Bitte, ähnliche letal verlaufende 
Fälle, bei denen das Serum versagt, genauer zu untersuchen und zu publi- 


676 Immunität. Schutzimpfung. Heizung. Beleuchtung. 


eiren, sowie in allen Fällen der Anwendung das Datum der staatlichen Kon- 
trole des betreffenden Serums sich zu notiren. Mayer (Berlin). 


Sander, Eine Heil- und Schutzimpfung gegen Malaria. Deutsche med. 
Wochenschr. 1900. No. 44. S. 716. 

Verf. macht auf eine von Oberarzt Kuhn gefundene und brieflich von 
diesem mitgetheilte Immunisirungsmethode gegen Malaria aufmerksam; 
gegen 50 immunisirte Eingeborene blieben in der Malariazeit ohne jeden An- 
fall. Genaueres über die Methode u. s. w. ist aus einer zu erwartenden Publi- 
kation von Kuhn selbst zu entnehmen. Dieudonne (Würzburg). 


Brauss Ed.. Etwas über Füllfeuerungen. Gesundh.-Ingenieur. 1900. 
No. 13. S. 207. 

Brauss giebt eine Anleitung über das Einreguliren von Dauerbrand- 
feuerungen, die in erster Linie für den ausführenden Techniker bestimmt 
ist, jedoch auch für den Hygieniker Interesse bietet, weil sie bei Begutach- 
achtung von Oentralheizungen von grossem Nutzen werden kann. 

H. Chr. Nussbaum (Hannover). 


Nicolaus, Erwin, Die Gasheizöfen. Gesundh.-Ingenieur. 1900. No. 16, 17, 
20, 21, 23. S. 257, 273, 327, 347, 377. 

Die Abhandlung giebt eine Geschichte und eine eingehende Schilderung 
der Gasheizöfen verschiedener Art nebst ihren Vorzügen und Nachtheilen, 
ihrer Heizwirkung und der Möglichkeit weiterer Verbesserungen. Die Aus- 
stattung der Abhandlung durch zahlreiche gute Abbildungen erleichtert auch 
dem Laien auf diesem Gebiete das Verständniss. 

H. Chr. Nussbaum (Hannover). 


Roeseler P., Gesundheitliche Uebelstände und Gefahren der Ace- 
tylenbeleuchtung und ihre Verhütung. Deutsche Vierteljahrsschr. 
f. öffentl. Gesundheitspfl. Bd. 32. S. 547. 

Bei der Herstellung des Acetylens ist erstes Erforderniss, dass es von 
allen Verunreinigungen, namentlich Phosphorwasserstoff, Schwefelwasserstoff, 
organischen Schwefel- und Phosphorverbindungen befreit wird, um einer Luft- 
verschlechterung und Explosionsgefahr nach Möglichkeit vorzubeugen. Diesem 
Zwecke dienen die Reinigungsvorrichtungen. Von den Reinigungsverfahren 
sind es namentlich drei, die Eingang in die Praxis gefunden haben: die Chlor- 
kalkreinigung von Lange und Cederkreutz, verbessert von Wolff, die 
Reinigung mittels saurer Metallsalze von Alb. R. Frank und die Reinigung 
mittels angesäuerter Chromsäurelösung nach Ullmann. Wenn auch keines 
von diesen Reinigungsverfahren eine vollkommene Reinigung gewährleistet, 30 
ergaben sie doch im grossen Ganzen für die Praxis genügende Resultate und 
schliessen vor Allem auch eine wesentliche Luftverderbniss aus. 

Bei der Verwendung des Acetylens beruht die grösste Gefahr in der 


ni 


Beleuchtung. 677 


gewaltigen explosiven Kraft dieses Gases. Diese Explosionsgefahr steigert sich 
bei Vermischung des Acetylens mit Luft. Solche Acetylen-Luftgemische bilden 
sich namentlich bei der Inbetriebsetzung neuer und gereinigter Apparate und 
beim Oeffnen der Apparate zum Zwecke der Reinigung. Diese Explosions- 
gefahr wird ferner unter dem Einfluss erhöhten Druckes gesteigert, eine Ge- 
fahr, der durch Vermischen des Acetylens mit indifferenten Gasen, Fett- oder 
Steinkohlengas vorgebeugt werden kann. So wurde auf Gerdes’ Empfehlung 
für die Eisenbahnbeleuchtung ein Gemisch von 30 pCt. Acetylen und 70 pCt. 
Fettgas in Anwendung gebracht, welches ohne Explosionsgefahr auch in kom- 
primirtem Zustande mitgeführt werden kann. 

Ausserordentlich gefährlich ist das Acelylen in komprimirtem flüssigen 
Zustande, und zwar ist die explosive Kraft des flüssigen Acetylens nach Ber- 
thelot ungefähr der der Schiessbaumwolle gleich zu erachten. Flüssiges 
Acetylen ist daher als Sprengstoff im Sinne des Gesetzes zu erachten und 
fällt unter die Bestimmungen des Gesetzes vom 9. Juni 1884. Auf die nicht 
fabrikmässige Herstellung und die Verwendung des Acetylens bezieht sich der 
Ministerialerlass vom 2. November 1897 und die Polizeiverordnung für Berlin 
vom 25. November 1897. Am Besten wäre es, die Abgabe von flüssigem 
Acetylen gänzlich zu verbieten. Auch bezüglich der für das gasförmige Ace- 
tylen geltenden Vorschriften hält der Verf. eine Abänderung für angezeigt, 
und zwar würden sich diese Bestimmungen nicht sowohl gegen die sog. Ace- 
tylenfabriken zu richten haben, welche schon jetzt als „chemische Fabriken“ 
im Sinne des $ 16 der Gewerbeordnung koncessionspflichtig sind und einer 
ständigen Kontrole seitens des Gewerbeaufsichtsbeamten unterliegen, sondern 
vielmehr gegen die schon vielfach von kleineren Gemeinden und Fabriken 
angelegten Acetylen-Gasanstaten und gegen die Hausanlagen, welche bisher 
nur einer polizeilichen Abnahme bedürfen. Zu den in dieser Hinsicht für 
Berlin erlassenen Vorschriften müssten noch weitere, vom Verf. ausgeführte 
Vorschriften über Einrichtung und Ausführung der Apparate, wie über die 
Art der Bedienung und den gesammten Betrieb hinzukommen, welche als 
Richtschnur für eine behördliche Kontrole seitens besonderer, mit den ein- 
schlägigen Verhältnissen vertrauter Sachverständiger zu dienen hätten, um 
auf diese Weise den mit dieser namentlich für den Kleinbetrieb ausserordent- 
lich geeigneten Beleuchtungsart verbundenen Gefahren und sanitären Uebel- 
ständen nach Möglichkeit vorzubeugen. Roth (Potsdam). 


Boeder, Zur Frage von der Heilkraft des Lichtes. Arb. a. d. Kais. 
Ges.-Amt. Bd. 17. S. 165. 

Verf. giebt zunächst ein ausführliches Referat der bisherigen Arbeiten, 
die sich mit dem Einfluss des Lichtes auf Thiere beschäftigen, die mit 
den verschiedenen Infektionserregern bakterieller Natur inficirt worden waren, 
und führt sodann seine eigenen diesbezüglichen Versuche an. Verf. hat die 
Frage von der baktericiden Wirkung des Lichtes um deswillen noch einmal 
aufgenommen, weil die Ergebnisse, zu denen die einzelnen Autoren gelangten, 
sehr auseinandergehen, und weil ferner die Lichttherapie in Gestalt von Sonnen- 
und elektrischen Lichtbädern in der inneren Mediein auch gegen chronische 


678 Beleuchtung. 


Infektionskrankheiten, namentlich Tuberkulose, mehr nnd mehr Raum gewinnt, 
Die Versuchsanordnung des Verf.’s war folgende: Meerschweinchen, Kaninchen, 
Mäuse und Ratten wurden mit Milzbrand, Pyocyaneus, Cholera, Hog-Cholera 
oder Tuberkplose infieirt und in irdene Töpfe oder mit seitlichen Oeffnungen 
(wegen der Ventilation) versehene Holzkisten gebracht. Die Thiere wurden 
mit Glüb- bezw. Bogenlicht bestrahlt; theilweise wurde zwischen sie und die 
Lichtquelle zur Fernhaltung der Wärmestrablen ein 5—6 cm dickes, beständig 
fliessendes Wasserbad eingefügt. Die Kontrolthiere befanden sich theils in 
diffusem Licht, theils in abgedunkelten Töpfen oder Käfigen. Weder Glüh- 
noch Bogenlicht vermochte nun gegenüber vollviruleuten Kulturen von Milz- 
brand, Pyocyaneus und Diphtherie irgend eine sichtbare Wirkung zu entfalten. 
Dasselbe Resultat war bei Tuberkulose zu verzeichnen. Ein günstigerer Ein- 
fluss der Belichtung auf den Krankheitsverlauf war hingegen nicht zu ver- 
kennen bei örtlichen Erkrankungen, z. B. Eiterbildungen an der Infektions- 
stelle nach subkutaner Verimpfung von Pyocyaneus. Indessen bleibt es zweifel- 
haft, ob hierbei die unmittelbar bakterientödtende Kraft des Lichtes zum Aus- 
druck kam, oder nur eine besondere Beeinflussung des Gewebes stattfand, die 
schliesslich zur Vernichtung der Eitererreger führte, wie dies aus Versuchen 
verschiedener Autoren bervorgebt. Wolf (Dresden). 


Rothgiesser, Georg, Der Einfluss weisser Wände auf die Beleuchtung. 
Gesundh.-Ingenieur. 1900. No. 18. S. 296. 

Der bedeutende Einfluss der Farbe von Wandflächen eines Raumes 
auf die Wirkung der Beleuchtung wird geschildert und mit einigen Zahlen 
darzuthun versucht. Helligkeitsmessungen liegen den Darlegungen nicht 
zu Grunde. H. Chr. Nussbaum (Hannover). 


Roth C., Die Strahlen mineralischer Lichtsauger als Heil- und 
Entseuchungsmittel, Zeitschr. f. angew. Chem. 1900. S. 663. 

Angeregt durch die Erfolge der elektrischen Lichtbäder, versuchte Verf., 
das von „Lichtsaugern aufgespeicherte Licht für Heil- und Entseu- 
chungszwecke“ nutzbar zu machen. Anwendung fanden phosphorescirende 
Substanzen (wie Schwefelcalcium, Schwefelstrontium, Schwefelbaryum, Schwefel- 
mangan und Schwefelzink), welche mit klebenden, chemisch indifferenten Vebi- 
keln (Gelatine, Kautschuk- oder Paraffinlösung, Kollodium u. s. w.) gemischt, 
als Anstrichmasse aufgetragen werden sollen „auf Gegenstände, die dazu ge 
eignet sind, mit ihnen die einverleibten Strahlen auf die Oberfläche des Kör- 
pers oder in Körperhöhlen zu transportiren“. Demzufolge will Roth „zur 
Einführung in Körperhöhlen oder natürliche Gänge bestimmte Instrumente, 
elastische und starre Stäbe, Magenschläuche, Glasröhren und Bougies mit phos- 
phorescirenden Substanzen der erwähnten Art überziehen. Nach der Belich- 
tung (am besten durch natürliches Tageslicht) werden diese Gegenstände zu 
den erkrankten Stellen geführt, um sie dort länger verweilen und die aufge- 
saugten Strahlen abgeben zu lassen. Alle 10 Minuten bis !/, Stunde werden 
die Lichtträger entfernt, von neuem dem Licht ausgesetzt und dann wieder 
nach den erkrankten Stellen zurückgebracht. Natürlich können die lichtsau- 


Bäder. 679 


genden Instramente und Behandlungsmittel auch künstlichen Lichtquellen ex- 
ponirt werden“. 

Um Anhaltspunkte für die baktericide Wirkung absorbirten Lichtes auch 
ausserhalb des Organismus zu gewinnen, hielt Verf., bezw. in seinem Auf- 
trage Dr. Aufrecht (Berlin) verschiedene Mikroorganismen in Plattenkulturen 
unter dem Einfluss des blauvioletten Lichtes, welches in einem Pappkarton 
bezw. in Glasschalen herrschte, die mit einer Mischung von Schwefelstrontium 
mit entsäuerter Gelatine ausgekleidet waren. Alle 10—15 Minuten wurden 
die Innenseiten dieser Behälter für 10—15 Sekunden dem Tageslicht ausge- 
setzt und dann wieder die Kulturen hineinugebracht. Regelmässige Abimpfun- 
gen ergaben, dass Streptokokken und Staphylokokken, sowie Cho- 
leravibrionen nach 7 Stunden, Typhusbacillen, Gonokokken und 
Proteus vulgaris nach 8 Stunden abgetödtet waren. Hieraus geht 
hervor, „dass das von gewissen Schwefelverbindungeu der alkalischen Erden 
absorbirte und in Form der Phosphorescenz ausstrahlende Licht mindestens 
ausserhalb des Organismus als natürlichstes, billigstes und wahrscheinlich 
umfassendstes Entseuchungsmittel benutzt werden kann. Bezeichnend und für 
eine wichtige Streitfrage in der Lichttherapie entscheidend aber ist die That- 
sache, dass die angezweifelte bakterieide Wirkung des sog. kalten Lichtes 
durch die Versuche über allen Zweifel dargethan ist. Sicher dürfte damit 
der allgemeinen Hygiene im Kampfe gegen ausserhalb des Organismus befind- 
liebe Krankheitserreger eine mächtige Waffe geliefert sein.“ 

Wesenberg (Elberfeld). 


Marcuse J., Bäder und Badewesen der Neuzeit. Deutsche Vierteljahrs- 
schr. f. öffentl. Gesundheitspfl. Bd. 32. S. 345. 

Die vorliegende Arbeit bildet die Schlussfolge von „Bäder und Bade- 
wesen im Alterthum“ und „Bäder und Badewesen im Mittelalter“ (Deutsche 
Vierteljahrsschr. f. öffentl. Gesundheitspfl. Bd. 31 u. 32. Vergl. diese Zeitschr. 
Jahrg. 10. No. 19). # 

Nach einer Darstellung des Badewesens, wie es sich einerseits im Orient 
bei den Völkern des Islam und andererseits bei den ost- und nordeuropäischen 
Völkern, insbesondere den Finnen, erhalten hat, giebt der Verf. einen Rück- 
blick auf die Entwickelung des Badewesens in den ausserdeutschen Ländern, 
namentlich England und Frankreich, um im Anschluss daran ein Bild des 
gegenwärtigen Standes des Badewesens in Deutschland zu geben. Mit den 
vorangegangenen Kulturepochen verglichen erreicht das Badewesen der Neu- 
zeit auch nicht im Entferntesten die gewaltigen Vorbilder des Alterthums, 
wie es auch nicht dem badefrohen Treiben des Mittelalters nahe kommt. Erst 
im 19. Jahrhundert wird die Idee von der Wohlthätigkeit des Wassers für 
den menschlichen Körpers von Neuem wach, um langsam und stetig, gestützt 
von der mehr und mehr zunehmenden Bedeutung der Öffentlichen Gesundheits- 
pflege an Kraft zu gewinnen. 

Dieser Aufschwung, den die Erkenntniss der gesundheitlichen Bedeutung 


680 Abfallstoffe. 


der Bäder im letzten Jahrzehnt gewonnen hat, und der erst kürzlich seinen 
Ausdruck in der Begründung der „Deutschen Gesellschaft für Volksbäder“ 
gefunden hat, berechtigt zu der Hoffnung, dass das Badebedürfniss allmählich 
wieder zum Gemeingut des Volkes wird. Dahin zu wirken, muss als eine der 
vornehmsten Aufgaben der Hüter der öffentlichen Gesundheit, des Staats und 
der Gemeinden, erachtet werden. Dann wird das 20. Jahrhundert eine Blüthe 
der Entwickelung des Badewesens heranreifen sehen, die als eins der kost- 
barsten Güter der Kultur Kraft und Gesundheit stählen und die natürlichen 
Faktoren der Volksgesundheit hülfreich unterstützen wird. „Die Grundlage 
jeder Reform auf gesundheitlichem Gebiet bildet die Reinlichkeit: für dieses 
wichtigste Gut menschlicher Gesittung kämpfen wir, wenn wir das allgemeine 
Bewusstsein zu gemeinsamen Thun für eine der vornehmsten Pflichten prak- 
tischer Gesundheitspflege aufrütteln.“ Roth (Potsdam). 


Knauf M., Vorarbeiten zu Stadtkanalisationen. Techn. Gemeindebl. 
1900. No. 9. S. 139. f 

Knauff weist auf die Bedeutung der Vorarbeiten zu Sielanlagen 
hin, deren rechtzeitige allmähliche Ausführung mit geringen Kosten erfolgen 
kann, während ein rasches Anstellen ebenso kostspielig wie schwierig zu sein 
pflegt. Die einzelnen Vorarbeiten werden dann eingehend dargelegt und es 
wird gezeigt, wie dieselben bewirkt werden können, ohne erhebliche Arbeits- 
kräfte und Geldmittel in Anspruch zu nehmen. 

H. Chr. Nussbaum (Hannover). 


Steuernagel K., Zur Kanalisation der Stadt Köln. Die Pumpstation 
für das Tiefgebiet. Techn. Gemeindebl. 1900. No. 16. S. 241. 

Die Kanalisation von Köln bietet für den Hygieniker besonderes lnter- 
esse, weil die grosse Verschiedenheit der Höhenlage des Stadtgebietes zum 
Rbein, von welchem ein Theil der unmittelbaren Ueberschwemmung durch das 
Flusswasser ausgesetzt ist, eine vollkommen einheitliche Schwemmanlage aus- 
schloss. Von vornherein hat die Planung diese Schwierigkeiten richtig erfasst, 
indem sie die Kanalisation in ein Hoch- und ein Tiefgebiet eintheilte. Auch 
das Tiefsystem ist in sich wieder nicht einheitlich (bezw. schematisch) be- 
handelt, sondern es schmiegt sich in ungemein geschickter Weise den ört- 
lichen Bedingungen der verschiedenen Stadttheile an, welche es umfasst. 
Stadtbaurath Steuernagel, welchem die Planung (gemeinsam mit Stübben) 
zu danken ist, und dem die Ausführung unterstand, schildert zunächst in 
grossen Zügen jene Sachlage, wie die durch sie bedingten Maassnahmen, und 
giebt dann eine eingehende Darlegung der Pumpstation und ihrer Neben- 
anlagen, welche die Aufgabe erfüllt, die Abwässer des Tiefgebietes in den 
Hauptsammler des Hochgebietes überzupumpen. Auf die Einzelheiten der 
interessanten Abhandlung einzugehen, verbietet der Raum. 

H. Chr. Nussbaum (Hannover). 


Abfallstoffe. 681 


Metzger, Heinrich, Mechanisches Rechenwerk für den Klärbetrieb. 
Techn. Gemeindebl. 1900. No. 15. No. 228. 

Es ist für Kläranlagen von Vortheil, dass die gröberen Schwimmstoffe 
den eigentlichen Klärvorrichtungen fern gehalten werden, auch hat die Erfah- 
rang gelehrt, dass die im Rechenwerk zurückgehaltenen Stoffe von den 
Landwirthen gern abgeholt werden, während dies vom Klärschlamm in der 
Regel nicht gesagt werden kann; endlich erlangt der Betrieb der Kläranlage 
auch äusserlich ein besseres Ansehen, wenn die leicht in Fäulniss übergehenden 
Stoffe aus derselben fern gehalten werden. Es liegt daher im Sinne jeder 
Verwaltung, wenn durch das Rechenwerk möglichst viele Stoffe zurückgehalten 
werden. ; 

Der meist übliche Handbetrieb der Rechenwelle ist kostspielig, unsauber 
und nicht ganz unbedenklich für die Gesundheit der Bedienungsmannschaft. 
Einen Nachtheil sieht Metzger ferner darin, dass die Auffanggitter zumeist senk- 
recht zur Zuflussrinne steben: Da die Schwimmstoffe zum grossen Theil auf 
oder doch dicht unter der -Oberfläche des zulaufenden Wassers schwimmen, 
wird our ein kleiner Theil des Gitterquerschnitts beansprucht. In Folge dessen 
tritt sehr schnell ein Verschlammen des Gitters ein, wodurch ein Rückstau 
des Wassers nach dem Zulaufkanal hervorgerufen wird. Liegt der Zulauf- 
kanal zur Kläranlage über dem Gelände, dann macht die Beseitigung der am 
Rechenwerk angesammelten Schwimmstoffe in der Regel nicht zu grosse 
Schwierigkeiten; liegt aber das Rechenwerk, wie es zumeist der Fall sein 
dürfte, unter Gelände, dann ist die Förderung der Schwimmstoffe zu Tage 
eine lästige, unsaubere Arbeit. 

Um diese Missstände zu vermeiden, hat Metzger ein Rechenwerk kon- 
strairt, das für die Städte Bromberg und Insterburg Verwendung finden wird. 
Die Roste sind in einer Kammer mit schwacher Steigung nahezu horizontal 
gelegt und haben Zwischenräume von 3 mm Weite erhalten. Das Abwasser 
tritt an den Seiten des Rostes heran, überfliesst ihn und fällt durch ihn herab 
zum Pampenraum. Sind die am tiefsten gelegenen Zwischenräume des Rostes 
verschlammt, dann tritt ein kleiner Stau ein, das Wasser steigt und gelangt 
dabei auf noch nicht verschlammte Theile des Rostes. Zur Beseitigung der 
angeschwemmten, auf dem Rost liegen gebliebenen Schwimmstoffe streicht in 
ständiger langsamer Bewegung ein Blech über den Rost und schiebt die 
Schwimmstoffe in einen Schneckentrog. Das Streichblech ist mit einer aus- 
wechselbaren Bürste versehen zur Reinigung der etwa verschmierten Rost- 
zwischenräume. Die Schnecke befördert die Schwimmstoffe in ein Sammel- 
gefäss, das durch eine selbstthätig sich Öffnende Verschlussklappe geschlossen 
wird. Hierbei erleiden die Stoffe eine gewisse Pressung zur Beseitigung des 
ihnen anhaftenden Wassers. Ist das Sammelgefäss gefüllt, dann wird der In- 
halt mittels Druckluft oder Dampfdruck durch das Steigrohr in den bereit 
stehenden Abfuhrwagen oder nach einer Sammelstelle gedrückt. 

Das Rechenwerk ermöglicht daher die fortlaufende Beseitigung der 
Schwimmstoffe aus dem Zuflusskanal bis an den Abfuhrwagen ohne jede Be- 
dienung oder Handarbeit. Weitere Vorzüge sollen bestehen in der grossen (dem 
zufliessenden Abwasser anzupassenden) Rostfläche, die trotz der engen Zwischen- 


682 Abfallstofle. Statistik. 


räume erheblich mehr Durchflussfläche bietet als ein senkrecht stehendes Gitter, 
in der raschen Trockenlegung der Schwimmstoffe auf dem Rost und in dem 
geringen Einpressen derselben in dessen Zwischenräume. 

Sobald hinreichendes Gefälle vorhanden ist, kann die Rostfläche so tief 
gelegt werden, dass eine Reinigung erst erforderlich wird, wenn die ganze 
Fläche verschlammt ist. Bei dieser Anordnung reicht eine zeitweilige Be- 
wegung der Streichbleche aus, die (bei kleinen Anlagen) durch Handarbeit 
erfolgen kann. Die Maschinenfabrik von F. Eberhardt in Bromberg liefert 
die nach Metzger’s Angabe gefertigten Rechenwerke für den Preis von 
4800 Mk., worin der Betriebsmotor nicht einbegriffen ist. — Die Bewährung 
bleibt abzuwarten. H. Chr. Nussbaum (Hannover). 


Schwarz, Düngerbeseitigung auf Schlachthöfen. Techn. Gemeindebl. 
1900. No. 9. S. 133. 

Schwarz schildert zunächst die Schwierigkeiten, welche der raschen 
Beseitigung des von Schlachthöfen stammenden Düngers entgegen- 
stehen, weil sein Werth kein hoher und seine Zersetzung eine rasch fort- 
schreitende ist, während die Abnehmer zu einer regelmässigen Abfuhr sich 
verpflichten müssen. Sodann werden die verschiedenen Verfahren angegeben, 
welche bisher angewendet worden sind, um diesen Schwierigkeiten zu ent- 
gehen und den Werth des Düngers zu steigern, seine Zersetzlichkeit zu ver- 
ringern (Wasserentziehung und Poudretteerzeugung). 

H. Chr. Nussbaum (Hannover). 


Bordoni-Ufireduzzi G., Relazione sui servizi d’Igiene e sanità nel co- 
mune di Milano nel biennio 1896—97. Milano. Stahilimento tipogra- 
fico. Sormani e Ghidini 1899. 

Vorliegender Bericht stelllt eine Sanitätsstatistik von Mailand für 
die Jahre 1896 und 1897 dar; das gesammelte Material ist nebst dem 
erläuternden Text auf 209 Seiten grossen Formats in 82 Tabellen zusammen- 
gestellt und in 7 Abschnitte eingetheilt. 

Der ]. Abschnitt betrifft die Bewegung der Bevölkerung, die Ehe- 
schliessungen, Geburten und Todesfälle; 

der II. die Infektionskrankheiten: Blattern, Diphtherie, Scharlach. 
Masern, Typhus, Puerperalfieber, Tuberkulose, Geschlechtskrankbeiten und 
Skabies; 

der III. den Desinfektionsdienst; 

der IV. die ärztliche Ueberwachung der Schulen. In Mailand sind 
für 35 Knaben- und 33 Mädchen- und 4 gemischte Schulen mit zusammen 
ca. 35000 Kindern 3 Schulamtsärzte bestellt, welche die Aufgabe haben, so- 
wohl die Gesundheit der Kinder zu überwachen, als auch die Lehren der Hy- 
giene, soweit sie für den Unterricht und das Schulgebäude in Betracht kom- 
men, in Anwendung zu bringen. Am Anfang eines jeden Jahres werden alle 
eingetretenen Kinder ärztlich untersucht, solche mit ansteckenden Krankheiten 
oder mit Ungeziefer sofort ausgeschieden, bei den anderen speciell darauf ge- 


Verschiedenes. 683 


achtet, ob sie an Skrophulose, Rhachitis, Trachom, Eczem, Kopfgrind, Alo- 
pecia, Accommodationsfehlern, Chorea, Epilepsie erkrankt sind, und über die 
Zahl dieser Buch geführt. Das auf diese Weise zusammengetragene Material, 
vermehrt durch die Statistik der in den Schulen vorgekommenen Infektions- 
krankheiten, ist tabellarisch angeordnet. 

Der V. Abschnitt berichtet über Armenpflege in medicinischer, chirur- 
gischer und geburtshilflicher Hinsicht. Er bringt eine Uebersicht über die 
in den einzelnen Monaten und Stadttheilen zu Hause oder ambulatorisch be- 
bandelten armen Kranken, über die nur unter Aufsicht der Hebamme und 
die unter Zuziehung des Arztes vorgenommenen Entbindungen. Statistik des 
ärstlichen Personals, inklusive der Apotheker, Hebammen und Thierärzte. 

Der VI. Abschnitt betrifft den Wohnungs-Inspektionsdienst und die 
hygienische Ueberwachung des Bodens. Zusammenstellung der kom- 
missionell festgestellten sanitären Uebelstände in Häusern, gruppirt nach Mo- 
naten und Arten. 

Der VII. Abschnitt enthält schliesslich den Nachweis über die Frequenz 
der zwei öffentlichen Bäder. Ausserdem sind in ihm niedergelegt die Er- 
gebnisse der Assentirungen der für den städtischen Dienst sich Neuanmelden- 
den und eine Morbiditätsstatistik der angestellten Feuerwehrleute, Schutz- 
männer und Zollwächter. Hammerl (Graz). 


Schwalbe E., Ueber Variabilität und Pleomorphismus der Bak- 
terien. Münchener med. Wochenschr. 1900. No. 47. S. 1617. 

Verf. legt sich die Frage vor, wieweit die Bakteriologie die gerade von 
ihr gehegten Erwartungen, wichtige Beiträge für die Darwin’sche Lehre er- 
bringen zu können, bisher erfüllt hat. Nach einer Skizzirung der Grund- 
begriffe dieser Theorie, sowie kurzer historischer Darstellung der Wandlungen, 
welche sich in der Systematik der Bakterien abgespielt haben und haupt- 
sächlich an die Namen F. Cohn (Formspecies), Nägeli und Billroth 
(Negation jeden Artunterschiedes), Koch (strenge Artunterscheidung) an- 
knüpfen, kommt Verf. zu den neuesten Forschungen über Pleomorphismus 
und Variabilität bei den Bakterien. Unter Pleomorphismus versteht der 
Sprachgebrauch dreierlei: Erstens bezeichnen Manche damit das gesetzmässige 
Auftreten verschiedenartiger Formen in verschiedenen Entwickelungsstadien 
bei derselben Art; doch ist nach des Verf.’s Ansicht hierfür die Bezeichnung 
durchaus unzutreffend und wäre am besten zu streichen. Zweitens versteht 
man unter Pleomorphismus die Erscheinung, dass viele Bakterien unter künst- 
lich veränderten Bedingungen Abweichungen in der Form und in charakte- 
fistischen biologischen Eigenschaften erkennen lassen. Als bestes Beispiel 
hierfür führt Verf. den Tuberkelbacillus an, welcher z. B. bei der Passage 
darch den Kaltblüterkörper (Moeller) oder durch geeignete Aenderung der 
Kulturbedingungen (Fischel) sein Temperaturoptimum vollständig verschieben 
könne, der unter gewissen Umständen echte Verzweigungen bilden (Petrone, 
Roux, Nocard, Metschnikoff, Fischel u. A.), ja sogar aktinomykose- 


684 Verschiedenes. 


artige Bildungen (Fischel, Levaditi, Babes, Friedrich, Nösske, Lu- 
barsch, Schultze) machen könnte. Allerdings seien alle diese Erschei- 
nungen nicht vererbte, sondern als „Ernährungsmodifikationen“ ohne den 
Werth einer wirklichen Varietätenbildung aufzufassen. Jedoch komme auch diese 
bei manchen Bakterien vor. Abgesehen von Verminderung und dauerndem 
Verlust der Virulenz bei Weiterzüchtung auf künstlichen Nährböden, habe auch 
Neumann hierfür den Beweis dadurch erbracht, dass es ihm gelang, „unter 
natürlichen Verhältnissen und ohne künstliche Mittel“ durch Zuchtwahl aus 
einer Reinkultur von Staphylococcus aureus eine weisse, eine gelbe, eine 
fleischfarbene und eine orange Varietät mit besonderen vererbbaren, biolo- 
gischen Eigenschaften herauszuzüchten. Es habe also die Descendenzlehre in 
der Bakteriologie ebenso allgemeine Geltung, wie in den übrigen Gebieten 
der Biologie, und auch die Selektionslehre erscheine als Erklärung der Art- 
bildung sehr wohl annehmbar, wenn auch nicht direkt nachgewiesen werden 
könne, dass die natürliche Artbildung durch sie zu Stande kommt. 
B. Heymann (Breslau). 


Gautier, La fonction menstruelle et le rut des animaux. Röle de 
V’arsenic dans l’économie. Compt. rend. 1900. T. 131. No. 6. p. 361. 

Bourcet, Sur l’iode normal de l’organisme et son élimination. 
Ibidem. p. 392. 

Aus klinischen Beobachtungen über die Wirkungen des Arsens bei 
kranken Frauen (Wachsthum des Haares, Reinigung der Haut, Regulirung der 
Periode u. s. w.) schloss Gautier auf eine nahe Beziehung zwischen dem 
Genitalsystem, der Haut mit Haaren und Nägeln und der Schilddrüse; es sind 
dies auch die Organe, welche As in Form As-haltiger Proteide enthalten oder 
As aus dem Organismus entfernen (vergl. diese Zeitschr. 1900. S. 907). 
Während im Blut As nicht nachgewiesen werden konnte, liess es sich 
mit Gautier’s Methode (vergl. diese Zeitschr. 1900. S. 908) im Menstrual- 
blut auffinden (5 Fälle, und zwar auf 1 kg Menstruationsblut berechnet 0,28 mg). 
Bei 400—500 g Blut würde der Gesammtvorrath As der Schilddrüse (0,15 mg) 
ausgeschieden werden. Die ungefärbte Menstruationsfüssigkeit einer 6. Frau 
war As-frei. 

Ganz ähnlich verhält es sich mit dem Jod; es findet sich mit As zu- 
sammen in der Schilddrüse, der Haut u. s. w., und wird durch dieselben 
Organe und das Menstrualblut eliminirt. Aus dem gleichzeitigen Vorkommen 
dieser Metalloide hierin schliesst Gautier auf ihre Herkunft aus der Schild- 
drüse. Nach Bourcet’s Analysen findet sich Jod 41/, mal mehr im Menstrual- 
blut als im Blut, in dem es von Gley und Bourcet konstatirt wurde. 

As und J werden bei der Frau also vorzugsweise mit den Menses aus- 
geschieden, während der Schwangerschaft kommen sie dem Kinde zu gute; 
beim Mann dagegen erfolgt die Elimination allein durch die sich abschuppende 
Haut, Haare und Nägel. 

Aehnliche Beziehungen finden sich auch bei den Säugethieren, Vögeln 
und Batrachiern, wenn diese auch eine Menstruation mit Blutabgang nicht 
zeigen. As und J werden bis zum Eintritt der Brunstzeit oder Kopulation zur 


Verschiedenes. 685 


Erzeugung eines starken Haarwuchses, des Gehörns, eines Feder-(Hochzeits-) 
Rleides u. s. w. benutzt; während der Brunstzeit oder Begattung wandern diese 
Stofe nach den Genitalorganen; die Haut und die Hautorgane verlieren da- 
durch ihre wesentlichen Bestandtheile, und die Hautgebilde fallen ab (Haarung, 
Abstossung des Gehörns, Häutung). 

Die Pathologie kennt auch verschiedene Krankheiten, die auf den ge- 
schilderten Zusammenhang hinweisen: Herpes menstrualis, Pigmentationen 
während der Schwangerschaft, Myxödem bei Multiparen und in der Menopause, 
Hautveränderungen bei Tuberkulösen, deren Schilddrüse erkrankt ist. 

Alle übrigen interessanten Behauptungen und Vermuthungen über diesen 
höchst überraschenden Befund und über die Wanderung dieser beiden in so 
geringer Menge vorhandenen Körper zu den Genitalien sind im Original nach- 
zusehen. 

Das Jod existirt ausser in der Schilddrüse und im Blut noch in bei- 
nahe allen Organen, freilich in allerkleinsten Mengen. Da der Mensch 
täglich 0,33 mg J in der Nahrung aufnimmt, seine Schilddrüse im Mittel 
4 mg enthält, muss zur Vermeidung einer Anhäufung J ausgeschieden werden. 
Das Menstrualblut enthielt in 5 Fällen durchschnittlich 0,8—0,9 mg pro kg. 

E. Rost (Berlin). 


Engelmann, George J., The American girl of to-day. Transactions of the 
American gynecological society 1900. 45 Seiten 8°. 

Die als „President’s address“ bezeichnete, wohl ausgestattete Festschrift 
zum 25jährigen Bestehen der oben genannten Gesellschaft handelt zunächst 
in vier Abschnitten von dem Einflusse der heutigen Mädchenerziehung auf 
die Entwickelung, ferner von den Wellenbewegungen der Lebensthätigkeit, 
von den physiologischen Schwankungen und endlich von der normalen Körper- 
thätigkeit des Weibes. Als „Resume“ ergiebt sich der statistische Nachweis 
einer erhöhten Empfindlichkeit gegen Erkrankungen in der Zeit vor der ge- 
schlechtlichen Entwickelung, dagegen eine Zunahme der Widerstandskraft bis 
zum Eintritt der Geschlechtsreife, während nach Beginn der Menstruation die 
Krankheitsempfänglichkeit wiederum zunimmt. Der letzte Abschnitt: „Con- 
trol and prevention“ empfiehlt eine erhöhte Pflege der körperlichen Uebungen 
bei der Mädchenerziehung, feruer angemessene Kleidung, eine vernünftige Ar- 
beitseintheilung unter Vermeidung von geistiger Ueberbürdung, Schonung wäh- 
rend des Monatsflusses u. s. w. Das Schriftenverzeichniss am Schlusse führt 
60 Veröffentlichungen auf, darunter etwa 14 deutsche. Von den beigegebenen 
Tafeln veranschaulichen sechs statistische Verhältnisse und eine die Veränderun- 
gen der Gebärmutterschleimhaut während des Monatsflusses und der Schwanger- 
schaft in JOfacher linearer Vergrösserung. 

Eine bei fachwissenschaftlichen Abhandlungen störende Neigung zu Ge- 
meinplätzen beeinträchtigt die Uebersichtlichkeit der Darstellung. Wieweit 
der Inhalt mit der Ansicht der deutschen Gynäkologen übereinstimmt, muss 
bier unerörtert bleiben. Für die Gesundheitspflege aber erscheint es erfreu- 
lich, dass sich die Aufmerksamkeit der Frauenärzte auch jenseits des Welt- 
meeres der weiblichen Erziehung zuwendet. Helbig (Serkowitz). 


686 Kleinere Mittheilungen. 


Kleinere Mittheilungen. 


Die Anweisung zur Herstellung und Unterhaltung von Central- 
heizungs- und Lüftungsanlagen vom 15. April 1893 ist vom Minister der öffent- 
lichen Arbeiten durch eine neue Anweisung vom 24. März 1901 ersetzt. Die neue An- 
weisung zeichnet sich durch einige wesentliche Verbesserungen im verwaltungstech- 
nischen Sinne aus. H. Chr. Nussbaum (Hannover). 


DieGesetzesvorlage über neueWasserbauten inFrankreich zieltdarauf 
ab, die während der letzten 30 Jahre durchgeführten Verbesserungen und Vermeh- 
rungen der Wasserstrassen Frankreichs zum Abschluss zu bringen und dadurch die 
Verkehrsverhältnisse des Landes denen der Nachbarländer gleichwerthig zu gestalten. 
Der Welthandel Frankreichs hat während der letzten Jahre eher kleine Rücksebritte 
als Fortschritte gemacht; es ist daher nothwendig, ihn zu beleben, und dieses kann 
nur erfolgen durch den Ausbau der Wasserstrassen wie der Eisenbahnen des Landes. 
(Vergl. Centralbl. d. Bauverw. 1901. No. 30. S. 185.) 

H. Chr. Nussbaum (Hannover). 


(:) In der Sitzung der Pariser Académie de médecine vom 20. November IM 
hat Lucas-Championniere im Namen von Wlaiew (aus St. Petersburg) und Hot- 
man de Villiers (Paris) einen Bericht verlesen, in dem diese beiden Forscher mit- 
theilen, dass sie aus bösartigen Geschwülsten, Sarcumen und Careinomen,Spross- 
pilze gezüchtet, mit deren Kulturen wieder Tumoren erzeugt, namentlich aber bei 
Vögeln, Hühnern und Tauben, ein Serum gewonnen hätten, das sich als heilkräftig 
bei entsprechenden Erkrankungen des Menschen gezeigt habe. 

Lucas-Championniere selbst aber widersprach alsbald den Behauptungen 
seiner Mündel auf das entschiedenste. Die parasitäre Entstehung dieser Geschwulst- 
formen sei freilich wahrscheinlich, ein Erreger aber noch keineswegs gefunden. Die 
Tumoren, die mit jenen Kulturen hervorgerufen, könne er durchaus nicht als echte 
Geschwülste anerkennen; das Serum sei zwar unschädlich, aber auch völlig un- 
wirksam u. s. f. (Sem. méd. 1900. p. 402.) 


(:) Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass Roger und Em. Weil in der 
Sitzung der Pariser Société de biologie vom 10. und 17. November 1900 berichtet 
haben, es sei ihnen gelungen, im defibrinirten oder durch vorherige Injektion von Blut- 
egelextrakt ungerinnbar gemachten Blut von Kaninchen eigenartige, wohl zu den 
Sporozoen gehörige Gebilde zu züchten, die man bei Pocken, besonders der hä- 
morrhagischen Form, im Blute der Menschen antreffe und die auch bei Thieren schwere 
Krankheitserscheinungen, Eiterung, Pusteln, Septicämie u. s. w. hervorzurufen ver- 
möchten. (Sem. med. 1900. p. 403.) 

(:) In der Sitzung der Pariser Société de biologie vom 8. December 1900 haben 
Bezangon, Griffon und Le Sourd berichtet, dass es ihnen gelungen sei, den zu- 
erst von Ducrey, dann namentlich von Unna und von Nicolle beschriebenen 
Streptobacillus des weichen Schankers auf erstarrtem, mit Agar versetztem 
Kaninchenblut (sang gélosé de lapin) künstlich zu züchten. Die Kolonien sind rund- 
lich, glänzend, weichen vor der Nadel aus, lassen sich auf dem Deckglas schlecht 
vertheilen u.s.f. Auf genanntem Nährboden bleiben sie längere Zeit lebensfähig, und 
von der elften Generation noch ist die künstliche Erzeugung eines typischen 


Kleinere Mittheilungen. 687 


Schankers beim Menschen gelungen. Auch in flüssigem Kaninchenserum kommen die 
Bacillen zur Entwickelung, gehen aber hier rasch zu Grunde. 
(Sem. méd. 1900. p. 427.) 
(:) Camus hat in der Sitzung der Pariser Académie des sciences vom 31. De- 
cember 1900 auf Grund zahlreicher Versuche mitgetheilt, dass die intravenöse In- 
jektion frischer und von Fett befreiter Milch das Blut ungerinnbar macht, und 
zwar ebensowohl, wenn die Milch von der gleichen, als wenn sie von einer anderen 
Thierart stammt. (Sem. med. 1901. p. 14.) 


(:) Leclainche und Vallée haben feststellen können, dass, wenn man Kanin- 
chen an mehreren aufeinander folgenden 'l'agen eiweissreichen Harn in die Blut- 
bahn spritzt, das Serum dieser Thiere die Fühigkeit gewinnt, in dem betreffenden 
Urin eine starke Fällung hervorzurufen, während eiweissfreier Harn klar blieb. 

(Sem. méd. 1901. p. 28. Soc. de biol. 12. u. 19. Jan. 1901.) 

Stand der Seuchen. Nach den Veröffentlichungen des Kaiserlichen Gesund- 
heitsamtes. 1901. No. 21 u. 22. 

A. Stand der Pest. I. Türkei. Bagdad. 6. 5.: 1 Todesfall. Vom obersten 
Gesundheitsrath in Konstantinopel werden die nothwendigen Vorsichts- und Quaran- 
tänemaassregeln angeordnet. Il. Aegypten. Alexandrien. 5.und 15.5.: je 1 Todes- 
fall. III. Britisch-Ostindien. Präsidentschaft Bombay. 14.—20.4.: 1646 Er- 
krankungen, 1360 Todesfälle. 21.—27.4.: 1350 Erkrankungen, 1107 Todesfälle. Stadt 
Bombay. 14.20. 4.: 704 Erkrankungen; 563 erwiesene Pestfälle, von insgesammt 
1514 Todesfällen waren 428 pestverdächtig. 21.—27. 4.: 504 Erkrankungen; 395 er- 
wiesene Pestfälle, von insgesammt 1337 Todesfällen waren 403 pestverdächtig. Ka- 
rachi. 14.-—20.4.: 236 Erkrankungen, 210 Todesfälle; täglich immer noch 35-—40Neu- 
erkrankungen. IV. Hongkong. 21.5.: 8 Pestfälle, darunter 4 tödtlich bei Europäern. 
V. Mauritius. 8. 3.—4. 4.: 8 Erkrankungen, 7 Todesfälle. VI. Philippinen. Ma- 
nila. Im.lanuar: 7 Erkrankungen, 5 Todesfälle. VII.Kapland. Kapstadt. 14.—20.4.: 
Zugang im Pesthospital:18 Europäer, 42 Mischlinge, 4 Eingeborene, zusammen 64 Kranke; 
gestorben 33; geheilt entlassen 29. Bestand am 20. 4.: 118 Kranke, darunter 44 Euro- 
päer. In Beobachtung: 9, bei 2 wurde im Laufe der Woche Pest festgestellt. Bestand 
in den Contact camps am 20. 4.: 247 Europäer, 492 Mischlinge, 225 Eingeborene, zu- 
sammen 964 Personen; 2 der hier untergebrachten starben und 2 wurden im Laufe 
der letzten Woche pestkrank. 21.—27. 4. Zugang im Pesthospital: 22 Europäer, 
4 Mischlinge, 1 Eingeborener, zusammen 63 Kranke; gestorben 32; geheilt entlassen 
22. Bestand am 27. 4.: 127 Kranke, darunter 43 Europäer und 20 Eingeborene; in 
Beobachtung: 15; bei 8 wurde im Laufe der Woche Pest festgestellt. Bestand in den 
Contact camps am 27. 4.: 854 Personen, darunter 44 Eingeborene. Port Elizabeth. 
Bis 15. 5.: 2 Pestfälle; wird für verseucht erklärt. VIII. Queensland. 31. 3.—6. 4.: 
In Brisbane sollen 1 Todesfall und 2 Neuerkrankungen vogekommen sein. 7.—13. 
3 Neuerkrankungen, darunter 1 tödtlich verlaufen. IX. West-Australien. Perth. 
23. 3.—6. 4.: 1 Erkrankung, 1 Todesfall. Am 6. 4. in Behandlung: 11 Kranke. Seit 
dem 21. 3. keine neuen Fälle. Subiaco am 19. und 21. 3., Freemantle am 23. 3. 
and Claremont am 25. 3.: je 1 Erkrankung. Alle 4 sind bis zum 4. 4. genesen. 
6.—13. 4.: In der Kolonie keine Neuerkrankungen; am 13. 4.: noch 7 Pestkranke in 
Behandlung. 

B. Stand der Cholera. Britisch - Ostindien. Kalkutta. 7.—13. 4.: 
60 Todesfälle. 14.20. 4.: 76 Todesfälle. Moulmein. 17. 3.—20. 4.: 18 Todesfälle. 
Burma: Seit Mitte März Nachlassen der Seuche. 


688 Kleinere Mittheilungen. 


C. Stand der Pocken. I. Grossbritannien. 13. 5.: noch 36 Pockenkranke 
im ärztlicher Behandlung; während der letzten 2 Wochen: 28 Erkrankungen, während 
der letzten 4 Wochen insgesammt an Pocken 120 Neuerkrankungen. Seit Beginn der 
Epidemie: 1822 gemeldete Fälle, hiervon 230mit tödtlichem Verlauf. II. Argentinien. 
Buenos-Aires. Vom Januar bis April 1901 inklusive 200 Pockentodesfälle unter 
italienischen und spanischen Arbeitern. Vom nationalen Gesundheitsamt und von den 
Stadtbehörden wurden umfassende Gegenmaassrogeln (Isolirung der Kranken, Impfun- 
gen u. s. w.) getroffen. Jacobitz (Halle a. S.). 


Stand der Seuchen. Nach den Veröffentlichungen des Kaiserlichen Gesund- 
heitsamtes. 1901. No. 23 u. 24. 

A. Stand der Pest. I. Aegypten. Am 18.5. in Alexandrien und am 5. 6. 
in Minieh je 1 Pestfall. Il. Britisch-Ostindien. Präsidentschaft Bombay. 
28. 4.—4. 5.: 1196 Erkrankungen, 1040 Todesfälle. 5.—11. 5.: 1379 Erkrankungen. 
1004 Todesfälle. Stadt Bombay. 28. 4.—4. 5.: 433 Erkrankungen, von insgesammt 
1386 Sterbefällen waren 405 erwiesene und 441 verdächtige Pestfälle. 5.—11.5.: 32Er- 
krankungen, 304 erwiesene Pesttodesfälle, bei 420 weiteren Sterbefällen unter im Gan- 
zen 1291 war Pestverdacht vorhanden. Karachi. 28. 4.—4. 5.: 354 Erkrankungen. 
297 Todesfälle. 5.—11.5.: 443 Erkrankungen. III. Hongkong. Während der 6Wochen 
vom 16. 3.—27. 4.: 8-14-17-18-24-65 Neuerkrankungen und 10-10-15-20-21-55 Todes- 
fälle; hiervon in Stadt Victoria allein: 118 Erkrankungen. IV. Kapland. Kap- 
stadt. In den beiden Wochen, vom 23. 4.—-11. 5. werden dem Pesthospital über- 
wiesen: 53 (12 Europäer, 38.Mischlinge und 3 Eingeborene) — 38 (8 Europäer: 
Kranke; gestorben sind: 33 (2 Eingeborene) und 25 Kranke; geheilt entlassen 
sind: 22 und 15 Kranke. Am 4. 5. noch 125 und am 11. 5. noch 123 Pestkranke in 
Behandlung. In den Contact camps befanden sich am 4. 5.: 1020 Personen 
(258 Europäer), am 11. 5.: 903 Personen (22 Eingeborene). Bis 1. 4. sind insgesammt 
14897 Personen mit dem Haffkin’schen Impfstoff geimpft worden, davon sind 13 an 
der Pest erkrankt und 9 gestorben, angeblich, weil sie theils vor der Ausführung der 
Impfung pestkrank waren, theils nicht genügend wirksamen Impfstoff erhalten hatten. 
V. Queensland. 31. 3.—13. 4.: 4 Erkrankungen, 2 Todesfälle. 14.—20. 4.: 2 Er- 
krankungen (17. 4.: 1 Fall in Bundaberg und 18. 4.: 1 Fall in Brisbane). 21. 4. bis 
27. 4.: 1 Erkrankung. VI. West-Australien. 14.20. 4.: 4 Erkrankungen. 21. bis 
27. 4.: 1 Erkrankung, 1 Todesfall. Herd der Seuche ist in Perth zu suchen. Die 
in anderen Orten vorgekommenen Fälle lassen sich hierher zurückführen. 

B. Stand der Cholera. Kalkutta. 21.—27.4.: 58 Todesfälle. 28.4.—4.9.: 
68 Todesfälle. 

C. Stand der Pocken. I. Italien. Während des Monat April in der Stadt 
Neapel: 320 Erkrankungen, 79 Todesfälle. In den umliegenden Orten vom 1.—24.4.: 
166 Erkrankungen und 31 Todesfälle. II. Hongkong. 20.--27. 4.: 7 Erkrankungen. 
5 Todesfälle. III. Ohio. Während der Monate Januar und Februar 1901: in 123 Orten 
1360 Erkrankungen und 19 Todesfälle. Im März: 321 Erkrankungen und 2 Todesfälle. 
Meist milder Verlauf. Da ein grosser Theil der Bevölkerung ungeimpft ist und der 
Krankheit sorglos gegenübersteht, so ist zunächst ein Ende der Epidemie trotz aller 
Anstrengungen der Staats- und Ortsbehörden nicht zu erwarten. 

Jacobitz (Halle a. S.). 


Verlag von August Hirschwald, Berlin N.W. — Druck von L. Schumacher in Berlia. 


Hygienische Rundschau, 


Herausgegeben 
von 
Dr. Carl Fraenkel, Dr. Max Rubner, Dr. Carl Günther, 
Prof. der Hygiene in Halle a./8. Geh. Med.-R., Prof. der Hygiene in Berlin. a. o. Professor in Berlin. 


XI. Jahrgang. Berlin, 15. Juli 1901. W 14. 


(Aus dem Institut für Hygiene u. Bakteriologie der Universität Strassburg i. E.) 


Ueber die Abtödtung der Tuberkelbacillen 
in der Milch durch Einwirkung von Temperaturen unter 100°. 


Von 
Prof. Dr. E. Levy und Dr. Hayo Bruns. 


Man glaubte bisher, sich nach den Untersuchungen von Galtier!), Yer- 
sin?2), Bang®), Bitter*), Forster5), de Man®), Bonhoff?) u. A. m. darauf 
verlassen zu können, dass die Tuberkelbacillen im feuchten Zustand bei fol- 
genden Temperaturen unter 100° abgetödtet werden: bei 55° in 4 Stunden, bei 
60° in 1 Stunde, bei 65° in !/, Stunde, bei 70° in 10 Minuten, bei 80° in 5 Mi- 
nuten, bei 90° in 2 Minuten, bei 95° in 1 Minute. Allerdings müssen die 
Versuche, um für derartige Temperaturen Beweiskraft zu haben, unter voll- 
ständig einwandsfreien Bedingungen angestellt sein, wie sie besonders 
in den citirten Arbeiten von Forster und de Man, sowie von des ersteren 
Schüler van Geuns®) angegeben worden sind. Einen grossen Theil von wider- 
sprechenden Angaben namentlich aus der älteren Zeit glaubte man durch nicht 
genügende Beobachtung der physikalischen Versuchsbedingungen, durch Täu- 
schungen über die wirklich erreichten Temperaturen, denen man namentlich 
bei kurz dauernder Erbitzung von Flüssigkeiten ausgesetzt ist, erklären zu 
können (cf. van Geuns). Die oben genannten Daten galten sogar als so 
absolut gesichert, dass ınan, auf sie gestützt, zur Vernichtung der in der Markt- 


1, Galtier, Compt. rend. de l’Acad. des scienc. 1857. T. 105. p. 231 u. 1333. 

2, Yersin, Ann. de l’Inst. Pasteur. 1888. T. 2. p. 60. 

3) Bang, Deutsche Zeitschr. f. Thiermed. Jahrg. 16. 1891. No. 2. 

4) Bitter, Zeitschr. f. Hyg. u. Infektionskrankh. Bd. 8. 18%. S. 240. 

5) Forster, Hyg. Rundschau. 1892. Bd. 2. No. 20 u. 1893. Bd. 3. No. 15. 

6) de Man, Arch. f. Hyg. Bd. 18. 

Tı Bonhoff, Hyg. Rundschau. 1892. Bd. 2. No. 23. 

8j van Geuns, Ueber das Pasteurisiren von Bakterien. Arch. f. Hyg. 1889. 
Bd. 9. S. 369. 

48 


670 i Levy u. Bruns, 


milch häufig (in 14—30 pCt. der Proben) vorkommenden Tuberkelbacillen 
empfahl, in, den Molkereien die in Flaschen gefüllte Milch !/, Stunde auf 
65—70° zu erbitzen. Man wollte so eine Abtödtung nicht nur der Tuberkel- 
bacillen, sondern auch der übrigen in der Milch eventuell vorkommenden 
Krankheitskeime erzielen, weswegen Forster diese Milch als „krankheitskeim- 
freie“ bezeichnet hat. Die auf diese Weise behandelte Milch besitzt den Vor- 
theil, dass sie nicht den für manche Personen so unangenehmen Kochgeschmack 
aufweist und ohne Gefahr also die früher häufig gebrauchte sogenannte kuh- 
warme rohe Milch zu ersetzen vermag. 

Im Jahre 1900 sind nun aber einige Veröffentlichungen erschienen, welche 
die bisher herangezogenen Temperaturgrade zur Vernichtung der Tuberkel- 
bacillen nicht für genügend erachten. Lydia Rabinowitsch-Kempner!) 
betont in einer Erwiderung auf H. Michaelis, dass eine halbstündige Er- 
hitzung der in Fett eingehüllten Tuberkelbacillen auf 87° nicht zur Abtödtung 
derselben ausreicht. Sie weist darauf hin, dass lebende Organismen über- 
haupt schwerer zu vernichten seien, wenn sie von einer Fetthülle umgeben sind, 
und fordert zur Sicherstellung der Annahme, dass die Tuberkelbacillen nach 
derartiger Erwärmung des Fettes auch unfehlbar abgestorben seien, noch be- 
sondere Experimente. Dieser Forderung sind unterdessen Gottstein und 
H. Michaelis?) nachgekommen; die beiden Autoren zeigten durch Thier- 
experimente, dass schon eine Erhitzung von 5 Minuten auf 870 vollkommen 
genügt, um mit virulenten Tuberkelbacillen inficirtes Oel sicher zu sterilisiren 

Noch wichtiger erschien eine im Sommer 1900 veröffentlichte Arbeit von 
M. Beck®). Derselbe versetzte grössere Mengen Milch mit Tuberkelbacillen iv 
feinster Vertheilung, erhitzte 10 Minuten auf 70°, sodann 30 Minuten auf 70°, 
weiter 30 Minuten auf 80°, injicirte Mengen von 1—2 ccm 15 Meerschweinchen 
und konstatirte nach 5—8 Wochen bei allen Tuberkulose. Auch ein einmaliges 
Aufkochen der Milch direkt über der Flamme, wie dies allgemein im Haushalt 
geschieht, genügt nach Beck nicht, um die in derselben enthaltenen Tuberkel- 
bacillen zu tödten; dieselben gehen aber sicher bei einem 3 Minuten langen 
Kochen zu Grunde. Kurze Zeit darauf erschien von Morgenrotht) eine Ab- 
handlung, in der er theils unter Berufung auf frühere Arbeiten von Sormani’). 
theils auf eigene Versuche gestützt, die Abtödtung von Tuberkelbacillen in 
Milch bespricht; er fordert etwa 30 Minuten langes Erhitzen auf 70° oder 3 bis 
5 Minuten langes Kochen. Die Schuld für die sich widersprechenden Angaben 
der Autoren schiebt er auf die physikalische Anordnung der Versuche; er 


1) Lydia Rabinowitsch, Deutsche med. Wochenschr. 1900. No. 30. S. 491. 

2) A. Gottstein und II. Michaelis, Zur Frage der Abtödtung von Tuberkei- 
bacillen in Speisefetten. Deutsche med. Wochenschr. 1901. No. 11. S. 162. 

3) M. Beck, Experimentelle Beiträge zur Untersuchung über die Marktmilch 
Deutsche Vierteljahrsschr. f. öff. Gesundheitspfl. Bd. 32. H. 3. S. 430. 

4) Morgenroth, Versuche über Abtödtung von Tuberkelbacillen in Milch. 
Hyg. Rundschau. 1900. No. 18. 

5) Sormani, Annali universali di medicina. 1884. Nur in Referaten uns zu- 
gänglich. 


Ueber die Abtödtung der 'Tuberkelbacillen u. s. w. 671 


sagt, dass in schnell vorübergehend erhitzten Flüssigkeiten niemals die Tem- 
peratur eine gleichmässige sein kann. Allerdings geht er auch auf die Mög- 
lichkeit einer verschiedenen Resistenz der benutzten Tuberkelbacillenstämme ein. 

Eine gewisse Unsicherheit in der Beurtheilung der erhaltenen Resultate 
herrscht also immer noch, und diese kann nur beseitigt werden durch genaue 
Beobachtung der physikalischen Versuchsbedingungen. Dass ein einmaliges 
Aufkochen der Milch nicht genügt, um die Tuberkelbacillen zu vernichten, 
daran kann nach den Versuchen von Beck kein Zweifel mehr sein, und es ist 
ein Verdienst seinerseits, diese von Aufrecht!) bereits gegen May diskutirte 
Frage wieder in Fluss gebracht zu haben. Aber durch dies einmalige schnelle 
Aufkochen der Milch wird durchaus nicht in allen Theilen derselben mit 
Sicherheit eine Temperatur von auch nur annähernd 100° erreicht, und erst, 
wenn nach einige Zeit langem Kochen in allen Theilen des Gefässes und der 
Milch die Temperatur weiter gestiegen ist, sind die Tuberkelbacillen mit 
Sicherheit vernichtet. Durch direkte Erhitzung über der. Flamme erhält man 
immer nur ungleichmässige Erwärmung grösserer Flüssigkeitsmengen und der 
Kochgefässe, und es ist dann, wenn man vergleichbare Resultate über die Ab- 
tödtangszeit der Bakterien erhalten will, durchaus die Forderung von van Geuns 
und de Man zu berücksichtigen, nämlich, die Flüssigkeiten in einem konstanten 
Wasserbade zu erwärmen und die Anwärmezeit, d. h. die Zeit, welche vergeht, 
bis die gewünschte Temperatur erreicht ist, besonders zu berechnen. Dies war 
um so mehr nöthig, wenn man, wie die meisten früheren Autoren es gethan, 
nicht mit verhältnissmässig kleinen Mengen (einigen Kubikcentimetern) tuber- 
kulöser Milch, sondern mit den der Praxis entsprechenden grösseren Quanti- 
ten operiren wollte. 

Es erschien deshalb gegenüber den Veröffentlichungen von Beck und 
Rabinowitsch geboten, die Frage über die Abtödtung der Tuberkelbacillen 
in grossen Milchmengen bei relativ niedrigen Temperaturen einer nochmaligen 
Nachprüfung zu unterziehen, und dies für die hiesigen Verhältnisse um so eher, 
als auch hier in Strassburg die Einführung der sogenannten krankheitskeim- 
freien Milch durch den hiesigen Gesundheitsrath auf Veranlassung von Herrn 
Prof. Forster in Scene gesetzt war. Da letzterer aus äusseren Gründen ver- 
hindert war, diese Versuche selbst zu unternehmen, so beauftragte er uns, 
dieselben auszuführen. Wir mussten zunächst bestrebt sein, unsere Versuchs- 
anordnungen so zu treffen, dass sie mit den in der Praxis in grossen Molke- 
reien geübten Verfahren möglichst übereinstimmten, d. h. wir mussten in erster 
Linie mit grossen Mengen arbeiten. In der Haushaltung die partielle Sterili- 
sirang der Milch, die sogenannte Pasteurisirung durchführen zu wollen, das 
balten auch wir in den meisten Fällen für sicherlich undurchführbar; da bleibt 
die Forderung Beck’s, nicht nur die Milch einmal aufwallen zu lassen, sondern 
mindestens 3 Minuten kochen zu lassen, bestehen. Wir beschäftigten uns des- 
halb nur mit der Herstellung der krankheitskeimfreien Milch, die auch im 


1) Aufrecht, Eine Bemerkung zu Dr. May’s Aufsatz: Ueber die Infektiosität 
der Milch perlsüchtiger Kühe. Arch. f. Hyg. 1883. Bd. 1. S. 397. 
43* 


672 Levy u. Bruns, 


Grossbetriebe am zweckmässigsten in — erst beim Verbrauch zu Öffnenden — 
Flaschen hergestellt wird. 

Wir operirten zunächst mit perlsüchtigem Material, das wir uns aus dem 
Schlachthaus frisch verschafften. Ein Stückchen Drüsen- und Milzsubstanz 
einer tuberkulösen Kuh, das wir vorher auf Tuberkelbacillen untersucht hatten, 
verrieben wir im Mörser fein mit Bouillon, liessen die gröberen Theilchen sich 
absetzen und fügten von der etwas trüben Flüssigkeit ohne Bröckelchen 10 ccm 
zu 2 Litern roher Milch bei. Die zugesetzte Flüssigkeit enthielt mikroskopisch 
nur spärliche Tuberkelbacillen, etwa 1—2 Exemplare auf ca. 15—20 Gesichts- 
felder bei einer Vergrösserung von 800. Wir füllten sodann eine Literflasche 
mit der geimpften Milch und setzten dieselbe in den mit Wasser gefüllten 
Innenraum eines d’Arsonval’schen Thermostaten, der genau auf 68° seit 
24 Stunden eingestellt war, darauf achtend, dass die äussere Wasserschicht 
das Niveau der in der Flasche enthaltenen Milch überragte. Bis die Flasche 
und ihr Inhalt die Temperatur von 65° angenommen hatten, mussten wir nach 
vorhergegangenen Versuchen eine Zeit von mindestens 20 Minuten in Rechnung 
ziehen. Wir wollen ein für alle Mal betonen, dass die bei diesen und den 
folgenden Experimenten benutzten Thermometer mit einem Normalthermometer 
verglichen waren. Die Flaschen wurden offen, ohne Verschluss eingestellt. 

Um 11 Uhr 5 Min. begannen wir den Versuch; die Milch sollte 15 Min. 
einer Temperatur von 65—70° ausgesetzt bleiben, 20 Minuten hatten wir auf 
die Anwärmezeit zu rechnen; wir durften also erst um 11 Uhr 40 Minuten 
unterbrechen. Wir wählten absichtlich eine Temperaturbreite, die zwischen 
65 und 70° schwankte, da wir dadurch glaubten, den für die Praxis verlangten 
Verhältnissen noch näher zu kommen. 


Versuch I. 7. August 1900. 
11 Uhr 05 Min. Beginn. Temperatur des Wassers 68,0% 


11 „ 06 „ Nach Einsetzen der Flasche 65,20 
II, 100° Gy er ee 308,20 
NE EA 4.308,10 
11. 3.00 ar er a er 0,00 
IT EEE 21 2367:00 
DEE ABO ET ER et een 307,00 
O EN . 67,30 


Nach dem Versuch wurde die Flasche sofort unter der Wasserleitung ge- 
kühlt, dann weiter, wie später angegeben, deren Inhalt verarbeitet. 

Der nächste Versuch wurde sofort angeschlossen; hier sollte die infieirte 
Milch 25 Minuten der Temperatur von 65— 70° überantwortet bleiben. 20 Min. 
rechneten wir wieder auf die Anwärmezeit. 


Versuch Il. 
11 Uhr 41 Min. Begion. Temperatur des Wassers 67,5° 
1 p 4&2 2 . . . . . Flasche eingesetzt 65,50 
IHN aB ee een a AN 005 


VER EN a e a Re 00DA 


Ueber die Abtödtung der Tuberkelbacillen u. s. w. 673 


te Gir JO Miia a 8.98. ao N 67,00 
12 r O n ee en ee ar 07,80 
19: a 0 . 67,50 


Von der Milchprobe wurden vor der Erhitzung 1—2 ccm 2 Meerschwein- 
chen intraperitoneal injieirt, sowohl centrifugirt als nicht centrifugirt. Nach 
der Erhitzung von 15 und 25 Minuten auf 65—70° wurden mit centrifugirter 
und nicht centrifugirter Milch von jeder Probe je 6, also im Ganzen 12 Meer- 
schweinchen intraperitoneal geimpft. 

Bei der nächsten Versuchsreihe zogen wir eine Reinkultur von Tuberkel- 
bacillen heran, von der wir wussten, dass sie für Meerschweinchen von sehr 
erheblicher Virulenz waren. Wir entnahmen der Glycerinagarkultur eine Oese 
von 2,0 mg, verrieben sie in 15 ccm Bouillon, liessen im engen Spitzglas 
absetzen, dekantirten zweimal und setzten 10 ccm 2 Liter Milch bei. Da wir 
dieses Mal absolut sicher von dem Augenblick an rechnen wollten, in welchem 
die Temperatur in der Milch selbst mindestens 65° zeigte, so entschlossen wir 
uns, ein weiteres Thermometer durch den Deckel des d’Arsonvalapparates 
in die Flasche selbst einzufügen. 


Versuch II. 8. August. 


Wassertemperatur Milchtemperatur 


4 Ubr 35 Min. 70° _ 

Nach Einsetzen der Flasche 
BT 68,50 20° 
; 4 a ý a sA Anwärmezeit also 23 Min. 
E URL: 69,50 63,5° 
b Sog 69,750 65° Von hier ab 15 Min. 
5,05 „ 69,70 66,75° weiter erhitzt. 
ENE A 69,750 7,750 
5.1 „ 69,750 68,20 


Die zweite Literflasche der mit Reinkultur inficirten Milch benutzten wir, um 
sie gleichfalls 25 Minuten in einer Temperatur von 65— 70° zu lassen. Der 
Versuch schloss sich direkt an den vorigen. 


Versuch IV. 
Wassertemperatur Milchtemperatur 
ö Uhr 15 Min. 69,80 = 
Nach Einsetzen der Flasche 
B: 4.16: 25, 68,10 21,50 
5 „26 „ 690 51° N Anwärnezeit also 25 Min. 
5 „86 „ 690 62,250 
Ea i 69,20 650 Von hier ab 25 Min. 
S,öl, 69,39 1,89 weiter erhitzt. 
6.4. 01-25, 69,70 68,50 
6 „p 06 , 69,70 690 


Auch hier wurden genau in derselben Weise wie oben 2 Meerschweinchen 


674 Levy u. Bruns, Ueber die Abtödtung der Tuberkelbacillen u. s. w. 


mit der unerhitzten und 12 Meerschweinchen mit der erwärmten Milch ins 
Peritoneum geimpft. 

Für die nächste Reihe von Versuchen wählten wir tuberkulöses Sputum. 
Wir setzten 40 ccm dünnflüssiges, vollständig gleichmässiges Sputum, das bei 
Vergrösserung 1000 etwa 4—5 Bacillen durchschnittlich im Gesichtsfeld zeigte, 
2 Litern Milch bei und verfuhren sonst genau, wie in den eben geschilderten 


Versuchen. 
Versuch V. 9. August 1900. 


Wassertemperatur Milchtemperatur 


10Uhr 31Min. Beginn 69,—° _ 
Nach Einsetzen der Flasche 


10 „32 „ 67,20 230 
10 „4 ,„ 68,8° 50° Anwärmezeit also 28 Min. 
10 „ 52 „ 690 59,50 

11.4. s» 69,20 650 Von hier ab 15 Min. 
11,0 „ 69° 66,20 weiter erhitzt. 
1 p l0 „ 690 66,90 

1,1, 690 67° 


Unmittelbar folgte der entsprechende Versuch mit 25 Minuten Erwärmung 
auf 65— 700°, 


Versuch VI. 
Wassertemperatur Milchtemperatur 
11 Uhr 16Min. 67,80 20° 
Einsetzen der Flasche Anwärmezeit also 26 Min. 
11,26 „ 680 50° 
11 „ 36 “ 68,80 61,80 
1 „42 „ 69° 65° Von hier ab 25 Min. 
11 „52 „ 690 670 weiter erhitzt. 
12 „ 02 „ 690 67,50 
12 „07 „ 69,50 67,50 


Die Thierimpfung ging wieder genau so vor sich wie oben. Es wurden 
2 Kontrolmeerschweinchen für die unerhitzte und 12 Meerschweinchen für die 
erbitzte Milch (centrifugirt und nicht centrifugirt) herangezogen. 

Was nun die Resultate unserer Thierimpfungen anlangt, so starb uns von 
den Kontrolthieren, die mit nicht erhitzter Milch geimpft waren, einen an 
Peritonitis, zu Versuch I gehörend. Auch unter den mit erhitzten Milchproben 
geimpften Thieren büssten wir im Laufe der Beobachtungszeit, die sich auf über 
4 Monate erstreckte, 5 Thiere ein, die sich auf Versuch I, II und V ver- 
theilen, zwei hochschwangere Thiere an hämorrhagischer Peritonitis und drei 
durch einen unerwarteten Unfall. Es blieben aber immer noch 5 Kontrolthiere 
und 31 Versuchsthiere übrig. Von den Kontrolthieren starb eins am 11. Sep- 
tember (nach 5 Wochen), eins am 19. September an allgemeiner Tuberkulose 
der Peritonealorgane. Die anderen drei wurden nach 8 Monaten (6. Nuvember) 
getödtet und zeigten ebenfalls sämmtlich das typische Bild der peritonealen 
Impftuberkulose. Die 31 mit erhitzter tuberkelbacillenhaltiger Milch (centri- 
fugirt und nicht centrifugirt) geimpften Meerschweinchen ergaben bei der Ge- 


v.Wasielewski, Impfversuche mit Haemamoeba spec. inc. (Syn. Proteosoma). 675 


wichtskontrole durchgängig Gewichtszunahme; sie wurden nach 4!/ Monaten 
getödtet und erwiesen sich bei der Autopsie sämmtlich als vollkommen gesund. 
Einige von ihnen hatten Junge in der Zwischenzeit geworfen, die gleichfalls 
secirt und gesund befunden wurden. 

Wir glauben damit bewiesen zu haben, dass Milch, die in Flaschen 
gefüllt, im Wasserbade einer Temperatur von 65--70° ausgesetzt 
wird, in 15—25 Minuten von ihren eventuellen lebenden Tuberkel- 
bacillen sicher befreit wird. Auf eine allgemeine Verbreitung im Haus- 
betrieb kann ein solches Verfahren keinen Anspruch machen; dagegen lässt es 
sich in Molkereien, wie dies zahlreiche praktische Erfahrungen, besonders auch 
in Amsterdam und Strassburg gezeigt haben, leicht zur Ausführung bringen. 
Eine Erbitzung auf 65—70° während 15—25 Minuten genügt also, um die 
Tuberkelbacillen selbst in grossen Mengen Milch sicher zu tüdten. Allerdings 
muss dafür gesorgt werden, dass Milch und Gefässe richtig angewärmt werden 
uod in allen ihren Theilen auf der gewünschten Temperatur erhalten bleiben. 
Diese sogenannte Anwärmezeit, die in Rechnung gezogen werden muss, betrug 
io anseren Versuchen bis zu 28 Minuten. 


(Aus dem hygien. Institut der Universität Berlin.) 
Impfversuche mit Haemamoeba spec. inc. (Syn. Proteosoma?). 
(Vorläufige Mittheilung.) 

Von 


Dr. von Wasielewski, 
Stabsarzt. 


Der mit dem Erreger der menschlichen Malariafieber nahe verwandte, zur 
Gattung Haemamoeba (Syn. Proteosoma) gehörige Blutzellschmarotzer 
der Vögel kommt in Deutschland nicht nur bei Sperlingen, wo er schon von i 
Frosch und Ruge gefunden war, sondern auch bei verschiedenen Finken- 
arten, Grünlingen, Goldammern und Ohreulen vor. Die Schwierigkeit des 
Nachweises dieser Schmarotzer im chronischen Stadium der Erkrankung be- 
rechtigt zu der Vermuthung, dass derselbe sich bei einer grösseren Zahl von 
Vogelarten finden lassen wird. 

Die Uebertragung gelingt durch Einspritzung geringer Mengen parasiten- 
haltigen Blutes (ca. 0,1 ccm) in den Brustmuskel verwandter. Vogelarten. | 
Besonders geeignet erwiesen sich, wie bei den von Koch ausgeführten Ver- 
suchen, Kanarienvögel, welche auch bei meinen Untersuchungen niemals spontan 
die Infektion zeigten. 

Der erste Nachweis der Parasiten im Flügelvenenblut geimpfter Kaninchen 


1) Obgleich die endgültige Feststellung der zoologisch-korrekten Nomenklatur 
noch ihre Schwierigkeiten hat, darf schon jetzt die Benennung des menschlichen 
Malariaparasiten als Haemamoeba für unzulässig erklärt werden. 


676 Lehrbücher. 


gelang vom 4. Tag nach der Infektion an, häufig jedoch erst später. Von 
der 3. Woche an war stets eine Abnahme ihrer anfangs rasch steigenden 
Anzahl zu beobachten. 

Die Infektion von Finken und Kanarienvögeln mit deutschen Haemamoeben 
führte — im Gegensatz zu den von Koch mit italienischem und von Ruge 
mit deutschem Material ausgeführten Impfungen — nach einem akuten Stadium 
fast stets zu einer sehr chronisch verlaufenden Infektion mit sehr spärlichem, 
leichter durch Impfung gesunder Thiere als durch mikroskopische Untersuchung 
nachweisbarem Parasitenbefund. Bei einzelnen Versuchsthieren konnten noch 
11 Monate nach der Impfung, bezügl. bei den meisten bis zum Tode, Haem- 
amoeben im Blut gefunden werden. Kurz verlaufende Krankbeitsfälle mit 
völliger Heilung und nachfolgender Immunität, wie sie von Koch bei Ver- 
impfung der italienischen Parasiten beschrieben sind, konnten nicht beobachtet 
werden. Dagegen blieb bei chronisch kranken, anscheinend parasitenfreien 
Thieren bei der Nachimpfung eine akute Ueberschwemmung des Blutes mit 
Parasiten aus, wennschon der Nachweis der Parasiten von Neuem vorüber 
gehend möglich wurde. & 

Die zahlreichen Todesfälle unter den von mir geimpften Kanarienvögeln 
waren nur zum kleineren Theil auf die Haemamoebeninfektion, zum grösseren 
Theil jedoch auf akute Darmcoceidiose zurückzuführen. 

Eine ausführliche Schilderung der auf Anregung von Herrn Geheimrath 
Rubner im hygienischen Institut zu Berlin ausgeführten Untersuchungen wird 
demnächst erfolgen. $ 


Pappenheim A., Grundriss der Farbchemie. Zum Gebrauch bei mikro- 
skopischen Arbeiten. 476 S. Berlin 1901. Aug. Hirschwald. 

Im allgemeinen Theile, welcher den Hauptraum (344 S.) einnimmt, 
behandelt Verf. zunächst die allgemeinen Beziehungen der chemischen Kon- 
stitution der Farbstoffe zu ihren physikalischen und chemischen Eigenschaften, 
sodann das Verhalten der Farbstoffe gegen die einzelnen Elemente der Körper- 
gewebe im Vergleich zu ihrem Verhalten gegen Gespinnstfasern, die Principien 
der Differenzirung und Doppelfärbung, die Abhängigkeit der Waschechtheit, 
sowie der Säure- und Seifenechtheit einer Färbung von der Art der physika- 
lischen und chemischen Bindung des betreffenden Farbstoffes an das Substrat. 
ferner die Bedeutung des Beizens und schliesslich die Theorie des Färbeaktes. 
Sämmtliche Abschnitte sind ganz ausserordentlich gründlich und eingehend 
behandelt unter steter Bezugnahme auf konkrete Beispiele. Durch Zusammen- 
fassung des Analogen und Gegenüberstellung des principiell Verschiedenen 
bringt Verf. in das schwierige Gebiet Klarheit. 

Im speciellen Theile beschäftigt sich Verf. hauptsächlich mit der che- 
mischen Konstitution der einzelnen Farbstoffe. 

In Folge seiner rein theoretischen Richtung hat das Buch für praktische 
Hygieniker natürlich nur sehr geringen Wertb; Allen aber, die als mikrosko- 
pische Forscher darauf ausgehen, neue Färbemethoden zu finden, wird es 
sicherlich von sehr grossem Nutzen sein. Hellwig (Halle a. S.). 


Luft. 677 


Desgrez A. et V. Balthazard, Application äl’homme de la régénération 
de lair confiné au moyen du bioxyde de sodium. Compt. rend. 
des séances de l’acad. des sciences à Paris. 1900. T. 131. No. 7. p. 429. 

Verf. haben einen Apparat konstruirt, der in Verbindung mit einem 

Taucheranzuge es ermöglichen soll, in eine Atmosphäre von gif- 

tigen oder irrespirablen Gasen vorzudringen, ohne dass Luft mittels 

Schlauches zugeleitet zu werden braucht. Der Apparat beruht auf der von 

Verff. schon früher veröffentlichten Methode der Luftregeneration mittels 

Natriumsuperoxyds, wobei letzteres durch Berührung mit Wasser zerfällt 

und einerseits Sauerstoff frei werden lässt, welcher den verbrauchten ersetzt, 

andererseits Natron bildet, welches die ausgeathmete Kohlensäure bindet. 

Vermittelst eines Uhrwerks wird es erreicht, dass von dem Natriumsuperoxyd 

immer nach einem bestimmten Zeitraum eine bestimmte Menge in das Wasser 

fall. Ein kleiner, mit Akkumulatoren elektrisch betriebener Ventilator sorgt 
für den Umtrieb der Luft. Das Ganze wiegt sammt der einschliessenden Büchse 

12 kg und wird in luftdichter Verbindung mit dem Taucheranzuge der be- 

treffenden Person auf dem Rücken befestigt. Wieweit der verwickelte Apparat 

sich bewährt hat, ist nicht mitgetheilt. Hellwig (Halle a. S.). 


Kijanitzin J. J., Weitere Untersuchungen über den Einfluss sterili- 
sirter Luft auf Thiere. Virch. Arch. 1900. Bd. 162. S. 515. 

Auf Grund seiner früheren (1894 veröffentlichten) und der vorliegenden 
Untersuchungen über den Einfluss sterilisirter Luft auf Thiere ist Verf. 
der Ansicht, „dass ausser dem Oxygen der Luft für das Leben und den nor- 
malen Stoffwechsel noch irgend welche Mikroorganismen der Luft nothwendig 
siod, Mikroorganismen, die bei dem Gaswechsel ‘in das Blut eindringen, von 
den Leukocyten verzehrt werden (weswegen sie auch im normalen Blut nicht 
gefunden werden), dann, nachdem sie von ihnen verdaut worden sind, Veran- 
lassung zur Bildung eines oxydirenden Fermentes werden, ohne welches die 
normalen Processe der Oxydation im Organismus schnell abnehmen und durch 
die Bildung und Anhäufung einer grossen (Quantität unvollkommener inter- 
mediärer Produkte des Stoffwechsels, d. h. von Leukomainen, ersetzt werden, 
was den Tod des Tbieres herbeiführt“. Die durch das Eindringen von Bak- 
terien in das Blut stattfindende Leukocytose „trägt augenblicklich zu einer 
schnellen Oxydation und zu einer Verwandlung anormaler giftiger Produkte 
des Stoffwechsels in vergleichsweise unschädliche (Harnstoff) bei“. -Seine Ex- 
perimente, die auf 2—6 Tage ausgedehnt wurden, stellte Verf. mit hungern- 
den und durstenden Kaninchen an; alle Thiere zeigten ausserordentliche 
Schwäche, Schläfrigkeit; ein Theil derselben starb im Versuch, andere längere 
oder kürzere Zeit nach Beendigung derselben (unter Krämpfen und Pupillen- 
erweiterung); dass hierbei die sterilisirte Luft von Einfluss war, geht daraus 
hervor, dass dieselben Thiere vorher das Hungern und Dursten beim Athmen 
in normaler Luft gut vertragen hatten. 

Die Thiere befanden sich unter einer Glasglocke, durch welche die mittels 
Durchstreichen durch erhitzten Sand sterilisirte Luft gesogen wurde. In dem 
während der Versuche aufgefangenen Harn bestimmte Verf. 1. den Gesammt- 

49 


678 Wasser. 


stickstoff (nach Kjeldahl), 2. den Harnstoff als Produkt der vollständigen 
Oxydation (nach Borodine, mit vorheriger Abscheidung der Leukomaine) 
und 3. die Leukomaine (nach Poehl) als Produkt der unvollkommenen inter- 
mediären Oxydation des Eiweisses. Im Vergleich zu den normalen Thieren war 
die Menge des Gesammt-N im Harn vermehrt; der Harnstoff-N war bedeutend 
vermindert, dagegen war die Menge der Leukomaine um das Mehrfache über 
die normale gestiegen. Wesenberg (Elberfeld). 


Ruppin E., Beitrag zur Bestimmung der oxydirbaren Substanzen im 
Wasser. Zeitschr. f. Untersuchg. d. Nahrgs.- u. Genussm. 1900. S. 676. 
Bei der Bestimmung der oxydirbaren Substanzen in Wasser ist 
bis jetzt noch nicht die Einwirkung des Chlornatriums auf den Permanganat- 
verbrauch berücksichtigt worden; beim Ansäuern der Lösung wird aus dem stets 
in grösserer oder geringerer Menge vorhandenen Kochsalz Salzsäure frei, welche 
dann auf Kaliumpermanganat einwirkt. In wässerigen Kochsalzlösungen 
wirken, nach den Versuchen des Verf.’s, bis 200 mg Chlor im Liter nicht 
merkbar auf den Permanganattiter in saurer Lösung ein, grössere Mengen 
verursachen aber ziemlich beträchtlichen Mehrverbrauch an KMnO,; in alka- 
lischer Lösung ist selbst ein Gehalt von 8000 mg Cl im Liter ohne Einfluss. 
Enthält die Kochsalzlösung aber gleichzeitig organische Substanzen (Verf. 
benutzte als solche 10—15 mg Weinsäure im Liter), so ist der durch Koch- 
salz bis zu 800 mg Cl im Liter bedingte Fehler so gering, dass er innerhalb 
der Versuchsfehlergrenze liegt; grössere Mengen NaCl wirken aber auch hier 
störend; werden jedoch geringe Mengen Mangansulfat der sauren Flüssigkeit 
zugesetzt, wie dies ja schon früher für die Titration der Eisenoxydulsalze mit 
KMnO, empfohlen ist, so sind selbst beträchtliche Mengen Cl (bis 8000 mg 
im Liter) ohne Einfluss auf den Permanganatverbrauch. Es empfiehlt sich 
demnach, in Wässern, welche über 200 mg Cl im Liter enthalten, die Be- 
stimmung der „organischen Substanzen“ entweder in alkalischer Lösung oder 
aber in saurer Lösung unter Zusatz von Mangansulfat vorzunehmen. 
Wesenberg (Elberfeld). 


Kostjamin N., Eine neue vereinfachte Untersuchungsmethode zur 
quantitativen Bestimmung der Salpetersäure im Trinkwasser. 
Arch. f. Hyg. 1900. Bd. 38. S. 372—381. 

Verf..empfiehlt als einfache und dabei genaue Methode zur Bestimmung 
der Salpetersäure im Trinkwasser, das letztere mit einer Lösung von 
0,01 g Brucin in 30 ccm Schwefelsäure (vom spec. Gewicht 1,837— 1,840) 
bis zu dauernder Rosafärbung zu titriren. Mit Hülfe einer von ihm festge- 
stellten und mitgetheilten Tabelle kann man dann aus der verbrauchten Menge 
von Brucin-Schwefelsäure die Anzahl der im Liter enthaltenen mg N,0; finden. 
Bei der Prüfung der Genauigkeit der Methode unter verschiedenen Bedingun- 
gen fand Verf., dass die Methode noch etwas genauer uud sicherer arbeite, 
als die von Schulze-Tiemann. (Wenn Verf. übrigens in einer von diesen 
über die Genauigkeit mitgetheilten Tabellen angiebt, dass es 100,7 pCt., 
100,8 pCt. und '100,3 pCt. seien, wenn er anstatt 10 mg 17, 18 und 13 mg 


Wasser. Krankenpflege. 679 


N,0, gefunden habe, so dürfte sich diese Behauptung nicht ganz halten 
lassen. Ref.) Hellwig (Halle a. S.). 


Sehierholz K., Beiträge zur Wasserreinigung, insbesondere über die 
Abscheidbarkeit von Kalk und Magnesia. Oesterr. Chem.-Ztg. 1900. 
S. 587. 

Da für gewisse industrielle Zwecke ein weiches Wasser erforderlich ist, 
prüfte Verf. nach, wie weit es gelingt, durch Anwendung von Kalk und Soda 
aus einem Wasser Kalk und Magnesia abzuscheiden. Es ergab sich, dass 
mit Kalk allein nicht blos die Abscheidung des Calciumbicarbonats und der 
gesammten CO,, sondern auch des gesammten MgO bis auf Spuren und zwar 
auf kaltem Wege gelingt, sowie dass Soda allein und in gewissem Ueber- 
schusse die Abscheidung sowohl des freien wie des gebundenen Kalkes, und 
zwar bis auf den überhaupt erreichbaren Härterückstand (1°) herbeiführt, 
während sie die Abscheidung des MgO fast gar nicht beeinflusst; folglich 
kann eine gleichzeitige Entfernung der beiden Erdalkalien bis auf Spuren 
nur dann erfolgen, wenn sowohl Kalk als auch Soda in gewissen 
Ueberschüssen zugesetzt werden. Das so gereinigte Wasser besitzt aber 
eine ziemlich grosse Alkalescenz; soll diese vermieden werden, so muss man 
sich bei Anwendung geringerer Mengen Soda und Kalk auch mit nicht völliger 
Ausfällung der Erdalkalien begnügen. 

Da, wie oben angeführt, MgO durch Kalk entfernt wird, schlägt Verf. eine 
neue Methode der Reinigung von Rohwässern vor, welche im Wesentlichen 
darin besteht, durch Zusatz einer den Nichtcarbonaten der Erdalkalien genau 
äquivalenten Menge Soda, sowie durch Kalkzusatz die Rohwässer erst MgO- 
und CO,-frei zu präpariren (vorzureinigen) und darauf den noch gelösten Rest 
freien Kalkes durch geeignete Behandlung mit Oxalsäure oder Kohlensäure 
unter Neutralisation der Reinwässer gleichfalls abzuscheiden. Es resultirt 
dann ein völlig neutrales Wasser, welches bei Anwendung von Oxalsäure eine 
Härte von 1° (den Löslichkeitskoefficienten für Calciumoxalat), bei Anwendung 
von CO, von 21/0 (den Löslichkeitskoefficienten für Calciumcarbonat) besitzt. 

Wesenberg (Elberfeld). 


Le patronage dans les hôpitaux. La Rev. phil. 2. III. No. 18. Infor- 
mations. 

In Paris hat sich ein Comité gebildet, um den Hospitaliten neben der 
ihnen im Krankenhaus zu Theil werdenden materiellen Hülfe auch eine Art 
moralischer Stütze — aber ohne jeden politischen oder religiösen Bei- 
geschmack — zu leihen. Die Mitglieder besuchen die Kranken, kümmern 
sich mit ihrer Einwilligung um ihre Familien und besorgen ihnen Arbeit nach 
ihrer Entlassung. Sie müssen sich dabei jeder Einmischung in die Verwaltung 
oder Behandlung enthalten und dürfen weder den Kranken noch dem Personal 
irgend welche Geschenke machen. Stern (Bad Reinerz). 

49* 


680 Krankenpflege. 


Ecoles municipales d’infirmiers de Paris. La Rev. philanthropique. 
3. IV. No. 19. Informations. 

In Paris werden jetzt von der Armenverwaltung, den Krankenhäusern, 
Polikliniken, Krippen und Sanitätswachen u. s. w. die Wärter- und Wär:c- 
rinnenstellen nur an Personen vergeben, welche von einer der 4 städtischen 
Wärterschulen diplomirt sind. Zur Erlangung des Diploms bedarf es einer 
mündlichen und schriftlichen Prüfung, umfassend: Anatomie, Physiologie, 
Wirthschaftliches, Arzneimittel, Hygiene, Verbände, Wochenpflege und Pflege 
des Neugeborenen. Die Kenntnisse werden in Abendkursen (von 8—9 Uhr) 
erworben. In den Hospitälern wird geprüftes Wartepersonal nachgewiesen. 

Stern (Bad Reinerz). 


Admission de malades de province dans les höpitaux de Paris. 
La Rev. philanthropique. 2. IV. 22. Informations. 

Wegen Ueberfüllung der Pariser Hospitäler, welche nur für Pariser 
Bürger oder in Paris erkrankende Auswärtige bestimmt sind, werden jetzt 
Patienten aus der Provinz nur ausnahmsweise aufgenommen und nur gegen 
monatlich im Voraus zu entrichtende volle Bezahlung. 

Stern (Bad Reinerz). 


Les malades aisés dans les hôpitaux. La Rev. philanthropique. 2. IV. 
No. 23. Informations. 

Die Hospitäler bleiben im Allgemeinen für die Armen reservirt. 
Arbeiter, Dienstboten und Angestellte bis zu einem gewissen Einkommen 
werden gegen Entgelt aufgenommen, Wohlhabendere (d. h. Leute, welche mehr 
als 1000 Frcs. Miethe oder welche Gewerbesteuer zahlen) nur bei schwierigen 
Operationen, für welche sie nachweislich nicht aufkommen könnten. Die Avf- 
nahmegesuche sind an die Bezirksvorsteher zu richten, welchen die Feststellung 
der Bedürftigkeit obliegt. Eine direkte Aufnahme ins Hospital findet nur im 
Nothfall statt. Doch können die Aerzte der Wohlthätigkeitsbureaux direkt 
Kranke überweisen; aber auch hier folgt eine Untersuchung betreffs der Be 
dürftigkeit. Stern (Bad Reinerz). 


L'assistance médicale gratuite en 1897. La Rev. philanthropique. 2. IV. 
No. 24. Informations. p. 739— 747. 

Auf Grund des Krankenversorgungsgesetzes von 1893 waren 1896 fast 
11/2 Millionen Arme verpflegungsberechtigt; davon wurden ca. 420 000 
zu Hause behandelt, wobei die Kosten für Arzt und Apotheker pro Kopf 
11 Fres. 3 Cent. betrugen; im Hospital waren etwa 19000 untergebracht, 
was ca. 11/, Millionen Fres. kostete. Die Gesammtkosten erreichten etwa die 
Summe von 5 Millionen Fres. Hiervon trugen die Kommunen 2 800 000, die 
Departements 1 700000, der Staat 700000. Diese Zahlen beziehen sich nur 
auf die kleineren Kommunen. Die grösseren, ca. 659, haben eigene Verwaltung 
und erhalten so gut wie keine Subvention von Departement oder Staat. 615 
von ihnen gaben 1596 für Verpflegung armer Kranker 6 300 000 Frcs. aus, 


Krankenpflege. Spec. sanitäre Einrichtungen. 681 


nämlich 1440000 für 168000 zu Hause Behandelte, 4200000 Fres. für 
65000 Hospitaliten, 660 000 Fres. sonstige Unkosten. 
Stern (Bad Reinerz). 


Jacobsohn P., Geistliche und weltliche Krankenpflege vom ärztlich- 
therapeutischen Standpunkte. Deutsche med. Wochenschr. No. 44 u. 
45. S. 714 ff. 

Verf. bespricht die therapeutisch begründeten Forderungen, welche an 
das geistliche und weltliche Krankenpflegepersonal gestellt werden 
müssen, insbesondere auch die Grenze, welche den geistlichen Krankenpflege- 
personen durch ihre Stellung als ärztliche Hilfspersonen am Krankenbett 
gezogen ist. Dieudonne (Würzburg). 


Les bäteaux-höpitaux. La Rev. phil. 2. III. No. 18. Informations. 

Ein Verein hat seine Kräfte der Aufgabe gewidmet, den etwa 13 000 Theil- 
nehmern an den grossen Fischzügen im Norden, welche uns Loti’s Kunst näher 
gebracht, ärztliche Hülfe zu schaffen. Zwei Lazarethschiffe kreuzen jetzt in 
den Gewässern; dort wird ärztlicher Rath ertheilt, Verbände gemacht und die 
Schwerkraaken aufgenommen. Früher gab es nichts Derartiges. 

Stern (Bad Reinerz). 


Gallasch, Bronislaus, Das Kaiser Franz Josef-Privatkrankenhaus in 
Gurkfeld. Das Oesterr. Sanitätsw. 1900. No. 82. 

Das Krankenhaus verdankt einer Privatstiftung seine Entstehung und 
besteht derzeit aus einem einstockhohen Krankenpavillon und einem eben- 
erdigen Isolirpavillon. Der Hauptpavillon umfasst den Belegraum von 22Betten, 
hat einen entsprechenden Operationsraum und die Wohnungen für das Warte- 
personal, drei barmherzige Schwestern, welche anch die Verpflegung der Kranken 
besorgen. Die Küchenräume sind im Souterrain untergebracht. Der Isolir- 
pavillon ist getheilt und enthält die Waschküche, einen Bügelraum und den 
Desinfektionsraum auf der einen Seite und zwei Isolirzimmer mit einem Wärter- 
zimmer, einer Theeküche, einem Bad und den Aborten auf der anderen Seite. 
Die Gesammtkosten der Spitalsanlage betrugen 81320 Kronen. Ausserdem 
widmete die Stifterin 10000 Kronen zur Erhaltung des Spitalsgebäudes. 

Hammer (Brünn). 


Volksheilstätten und Rekonvalescentenhäuser in Oesterreich. Das 
Oesterr. Sanitätsw. 1900. No. 20. 

Oesterreich nimmt an den in allen Kulturstaaten allenthalben auf- 
blühenden Volksheilstättenwesen nur einen bescheidenen Antheil. Es 
verfügt bis jetzt über eine einzige Volksheilstätte für Lungenkranke in Alland 
bei Baden in Niederösterreich mit einem Belegraum für 108 Kranke, welche 
der zielbewussten Initiative von Prof. v. Schrötter in Wien iher Entstehung 
verdankt. In Triest und Prag haben sich Vereine gebildet, welche die 
Gründung ähnlicher Anstalten in ihren Ländern bezwecken. Auch der Central- 


682 Spec. sanitäre Einrichtungen. 


verein deutscher Aerzte in Mähren hat sich bemüht, die Landesbehörde für 
die Errichtung einer Lungenheilstätte in Mähren zu interessiren. Für die 
Unterbringung skrophulöser Kinder bestehen in Baden bei Wien ein Spital 
von 35 Betten, in Hall in Oesterreich ein Spital mit 144 Betten, in Galizien 
Spitäler in Rabka (40 Betten) und Iwonice und in Mähren eine vom Land 
subventionirte Heilstätte für skrophulöse Kinder in Luhatschowitz. Ferner 
sind zu erwähnen das Kronprinzessin Stefanie-Seehospiz in Grado (200 Betten), 
das Seehospiz des Vereins der Kinderfreunde in Triest (225 Betten) und das 
Seehospiz „Amaliaasyl“ in Lussin grande. Der Verein zur Errichtung und 
Erhaltung von Seehospizen und Kinderasylen in Wien erhält weiter das Brz- 
herzogin Maria Theresia-Seebospiz in St. Pelagio bei Rovigno mit 150 Betten 
und das Kaiser Franz Josef-Kinderhospiz zu Sulzbach bei Ischl mit 50 Betten. 

Von anderen Volksheilstätten ist noch zu nennen das Pellagrosorium in 
der Stadt Rovereto mit 20 Betten, welches zur Heilung von an Pellagra Er- 
krankten im ersten Stadium der Erkrankung bestimmt ist und vom Staate und 
Lande subventionirt wird. 

Endlich sind noch die Rekonvalescentenhäuser zu erwähnen, die 
theils der Privatwohltbätigkeit und Stiftungen ihre Entstehung verdanken, 
theils von den Krankenkassen zur vollständigen Herstellung erkrankt ge- 
wesener Arbeiter ins Leben gerufen wurden. Auch die Errichtung von „Arbeiter- 
Sommerfrischen“ der Firma J. M. Hämmerle in Dornbirn haben sich als 
sehr vortheilhaft erwiesen, desgleichen hat sich auch die von den k. k. Tabak- 
fabriken in Tirol eingeführte Ertheilung von 2—4 wöchentlichen Erholungs- 
urlauben während der Sommermonate sehr bewährt, und es wird von dieser 
Wohlthat nahezu von einem Fünftel der Arbeiterschaft regelmässiger Gebrauch 
- gemacht. Hammer (Brünn). 


L’office des nourrices dans les Vosges. La Rev. philanthropique. 3. IV. 
No. 19. Informations. 

Der Aerzteverein der Vogesen hat eine Stellenvermittelung für Ammen 
errichtet, durch welche in 4 Jahren ca. 200 Ammen untergebracht wurden. 
Die Hebammen erhalten 3 Fres. für jede Meldung und Placirung einer Amme. 
Zur Deckung der Kosten sollen die interessirten Familien mit je 5 Fres. (nicht 
obligatorisch) herangezogen werden, Stern (Bad Reinerz). 


Charpentier M., Mme., De l'utilité des pouponniöres. La Rev. philan- 
thropique. 2. IV. No. 19. p. 5—13. 

Wie man ein kolossales Budget für den öffentlichen Unterricht hat, so 
sollte man auch eins für die Aufzucht haben; ist diese doch die Vorbedin- 
gung. In diese Lücke treten die Pouponniören ein, eine Art Kleinkinder- 
bewahranstalten. Hier werden die Kinder beaufsichtigt und rationell mit 
sterilisirter Milch genährt, welche, im Einkauf mit 18—20 Cts. pro Liter 
bezahlt, auf 80 Cts. kommt. Dank der guten Qualität und der sorgfältigen 
Sterilisation der verwendeten Milch, wie der Trinkflaschen, ist dort kein Fall 
von Kinderdiarrhöe vorgekommen. Ansteckende Krankheiten verbreiteten sich 
auch nicht, weil man die Kinder vor der Aufnahme in die gemeinsamen Räume 


Spec. sanitäre Einrichtungen. Ernährung. 683 


21 Tage isolirte, um die Inkubationszeit der Infektionskrankheiten abzuwarten. 
Die Kosten betragen 1,80 Fres. pro Kopf und Tag. 

Die Anstalten wenden sich nicht an die eigentliche Arbeiterbevölkerung, 
für welche nach Ansicht der Verf. durch Polikliniken, Krippen und das 
„Allaitement maternel“ genügend gesorgt ist, sondern an die Angestellten in 
Geschäften, Lehrerinnen und dergl., welche standesgemäss leben sollen, aber 
nicht Mittel und Zeit haben, um ihre Kinder selbst aufzuziehen, andererseits 
sehr wohl den Selbstkostenpreis der Pouponnieren bezahlen können und wollen. 
Um allen Ansprüchen zu genügen, sind Plätze für vollen und halben Preis 
vorhanden, ein Theil ist gratis. 

Auch uneheliche Kinder werden aufgenommen und zwar mitsammt den 
Müttern, welche als Ammen dienen können. Das Kind wird dafür gratis be- 
herbergt, und die Mutter erhält 30 Fres. pro Monat und kann bleiben, so lange 
sie Milch bat, später eventuell auch zur Arbeit; ihr Kind kann dann bis zu 
2 Jahren bleiben. 

Verf. schliesst: die Pouponnieren vermindern die Sterblichkeit der kleinen 
Kinder, ihre Krankheiten und damit die Ausgaben für Sanatorien; sie setzen 
die Zahl der Kindesmörderinnen und die der Aussetzungen herab. 

Stern (Bad Reinerz). 


Hacke (Berlin), Kurse für Aerzte und Taubstummenanstalten. Zeit- 
schrift f. Schulgesundheitspfl. 1900. No. 8/9. S. 457. 

Vom 14. Mai bis 1. Juni wurde in Berlin an der Kgl. Taubstummen- 
anstalt der erste Kursus für Aerzte abgehalten, welche künftig die erwei- 
terte Fürsorge für die Zöglinge solcher Anstalten anvertraut werden soll. 
Der Unterricht erstreckt sich auf schulärztliche Thätigkeit im Allgemeinen, 
auf Taubstummenbildungswesen, Ohrenheilkunde, Laryngologie, Augenheilkunde 
und auf Physiologie und Pathologie der Sprache. Jeder dieser Abschnitte ist 
bewährten Fachmännern anvertraut. Daneben wurde dem regelmässigen Un- 
terricht in der Kgl. Taubstummenanstalt, sowie dem Besuch der Blinden- und 
der Idiotenanstalt Zeit gewidmet. Sollte das Alles in dem knappen Zeitraum 
von 16 Tagen bewältigt werden können? Die Bayerische Regierung beschreitet 
einen anderen Weg und überträgt die Untersuchung und Behandlung an den 
Taubstummenanstalten Ohrenärzten, die den wichtigsten Theil des in Betracht 
kommenden specialärztlichen Wissens schon besitzen. Allerdings müssen dann 
die in kleinen Orten errichteten Taubstummenanstalten dem Specialarzt der 
benachbarten grösseren Stadt überwiesen werden. 

Paul Schubert (Nürnberg). 


Ranke K. E., Der Nahrungsbedarf im Winter und Sommer des ge- 
mässigten Klimas. Zeitschr. f. Biol. 1900. Bd. 40. S. 288. 

In 30tägigen Selbstversuchen hat Verf. während der kalten und 
heissen Jahreszeit in München bei gleicher Arbeitsleistung und möglichst 
gleichmässiger, genau gewogener und theilweise analysirter Kost Körper- 
gewicht und Befinden beobachtet. Das Nahrungsbedürfniss war in den 


684 Ernährung. 


heissen Monaten annähernd das gleiche wie in den kalten; jedoch ver- 
minderte sich im Sommer auffällig der Appetit. Bezwang er diese instink- 
tive Herabsetzung des Appetits durch Aufnahme des gesammten Nahrungs- 
quantums, so liess seine Widerstandsfähigkeit nach und pathologische Zu- 
stände traten auf: Abgegessensein, Magenkatarrh, Abgeschlagenheit, welche 
den Versuchsabschnitt noch überdauerten. 

Die vorliegenden Selbstbeobachtungen sind gegebenen Falls bei der Deu- 
tung langdauernder Stoffwechselversuche am Menschen schon mit gleich- 
bleibender Kost zu verwerthen. 

In zahlreichen Wägungen fand er, dass einzelne Gerichte eine auffallend 
gleichmässige Zusammensetzung aufwiesen, auch wenn sie nach verschiedenen 
Vorschriften hergestellt werden, so Reis, Brot, gargekochtes Fleisch, also 
Speisen, bei denen aus Farbe und Konsistenz auf das Fertigsein geschlossen 
werden kann. E. Rost (Berlin). 


Malfatti, Beitrag zur Kenntniss der peptischen Verdauung. Zeitschr. 
f. physiol. Chemie. 1900. Bd. 31. S. 43. 

Untersuchungen, die in gleicher Weise wie die Pfaundler’s (diese Zeit- 
schrift 1901. S. 605) die Kühne’sche Lehre von dem Ablauf der peptischen 
Verdauung erschüttern. Die Pepsinverdauung schliesst nicht mit der Bil- 
dung von Peptonen ab, sondern zerlegt die Eiweisskörper (und ebenso das 
vom Verf. angewandte Pepton) bis zu krystallinischen Produkten und einer 
mit Bromwasser sich roth färbenden Substanz, die bisher als charakteristisch 
für die Trypsinverdauung galt, dem Tryptophan. Zur Verwendung ge- 
langte ein trypsinfreies Pepsin. E. Rost (Berlin) 


Bendix B. nnd Finkelstein H., Ein Apparat für Stoffwechselunter 
suchungen am Säugling. Deutsche med. Wochenschr. 1900. No. 42. 
S. 672. 

Der von den Verff. angegebene Apparat für Stoffwechselunter- 
suchungen am Säugling ermöglicht, die Entleerungen desselben (Fäces 
und Urin) getrennt mit genügender Exaktheit zu sammeln, ohne dass eine 
ständige Ueberwachung nothwendig ist. Die Anfertigung des Apparates bat 
die Firma E. Lentz, Berlin, Birkenstr. 18, übernommen. 

Dieudonné (Würzburg). 


Piuhl E., Ueber die Messung der Temperaturzunahme in Fleisch- 
konserven, die in Kompressionskesseln sterilisirt werden. Aus 
dem hyg.-chem. Laboratorium der Kaiser Wilhelms-Akademie für das militär- 
ärztliche Bildungswesen. Zeitschr. f. Hyg. u. Infektionskrankh. Bd. 34. 
S. 465. 

Der Verf. fand bei Temperaturmessungen im Innern von Kon- 
servenbüchsen, die Rindfleisch mit Bouillon und Gulasch mit Sauce ent- 
hielten, mit den bisher bekannten Kontakt-Klingelthermometern 
Schwierigkeiten, die vorzugsweise durch deren Grösse bedingt waren. 
Er benutzte deshalb Thermoelemente aus dünnem Constantandraht — einer 


Ernährung. 685 


Legirung von 60 Theilen Kupfer und 40 Theilen Nickel —, dessen Enden 
mit Kupferdrähten zusammengelöthet waren. Indem die eine Löthstelle in 
schmelzenden Schnee, die andere in Fleisch in der Mitte der Büchsen ge- 
bracht warde, liess sich die durch den Wärmeunterschied bedingte elektro- 
motorische Kraft vermittelst eines d’Arsonval’schen Millivoltmeters ab- 
lesen, dessen Skala von O—10 mm reichte und mit 1/1ọ mm Eintheilung ver- 
sehen war, aber schätzungsweise noch !/,op) mm abzulesen gestattete. Die 
Spannungszunahme um ?/;op mm entsprach einer Erhöhung der Wärme um 
etwa 1/,0 C. Wegen der Art, wie die Löthstelle in Fleisch in der Mitte der 
Büchse gebracht und dort befestigt, und wie sie durch Glasröhrchen und 
Gummischlauch gegen die unmittelbare Berührung mit Wasser und Dampf 
geschützt wurde, muss auf die Arbeit selbst verwiesen werden. Durch einen 
Umschalter konnten gleichzeitig oder wenigstens kurz hinter einander mehrere 
Elemente in verschiedenen Büchsen beobachtet werden. Nach einem mitge- 
tbeilten Beispiel stieg die Temperatur von 26° C. in etwa 40 Minuten auf 
100° und in 70 Minuten auf 116°. 

Der Verf. empfiehlt diese Art der Temperaturbeobachtung auch für die 
Dampfdesinfektion, das Brodbacken und ähnliche Zwecke. 

Globig (Kiel). 


Bischof H. und M. Wintgen, Beiträge zur Konservenfabrikation. Aus 
dem hyg.-chem. Laboratorium der Kais. Wilbelms-Akademie für das militär- 
ärztliche Bildungswesen. Zeitschr. f. Hyg. u. Infektionskrankh. Bd. 34. 
S. 496. 

Die Verff. berichten über Beobachtungen, die sie zusammen mit E. Pfuhl 
beider fabrikmässigen Herstellung von Fleischkonserven gemacht haben. 
Das Fleisch stammte nur von 4—7jährigen Ochsen, wurde tbierärztlich genau 
untersucht, von Knochen und Fett befreit, 3—4 Tage nach dem Schlachten 
in Stücken zu 2—3 kg mit Wurzeln und Gewürz 1!/, Stunde vorgekocht und 
dann in kleinen Stücken von 80—120 g in Büchsen gebracht; diese wurden 
mit Fleischbrühe aufgefüllt, verschlossen und nun in einem grossen Kessel 
durch Dampf unter Druck gargekocht und keimfrei gemacht. Die Verff. hatten 
die Aufgabe, zu ermitteln, welcher Wärmegrad und welche Koch- 
zeit am vortheilhaftesten für den Geschmack und das Aussehen 
des Fleisches und zur Keimfreimachung desselben ist. Sie stellten 120° C. 
als diese Temperatur fest und fanden, dass 600 g-Büchsen 70 Minuten, 
200 g-Büchsen 50 Minuten lang darin gehalten werden müssen. 

Mit den von Pfuhl beschriebenen Thermoelementen (vergl. das vorher- 
gehende Referat) stellten sie fest, dass die Wärme ungleichmässig in das in den 
Büchsen enthaltene Fleisch eindringt, und dass dies nicht allein von der Grösse 
der Stücke, sondern auch vom Alter der betreffenden Thiere abhängt und davon, ob 
die Stücke von Fett durchsetzt, ob fest und derb oder saftig sind und der Fleisch- 
brühe den Zutritt durch Fugen oder Spalten gestatten. Büchsen mit wenig oder 
gar keiner Fleischbrühe wurden langsamer erwärmt als andere. Aus diesem 
Grande wird das Fleisch auf diese Weise nicht mit Sicherheit gleich- 
mässig weich, und durch die Umwandlung des Bindegewebes in Leim wird 

50 


686 Ernährung. 


sein Zusammenhang gelockert, sodass es beim Schneiden zerfasert. Die 
oben angegebene Zeit von 50—70 Minuten genügt, um bei 120° mit Sicher- 
heit Keimfreiheit herzustellen und auch sehr widerstandsfähige Sporen, die 
durch strömenden Wasserdampf erst nach 90 Minuten abgetödtet werden, zu 
vernichten. 

Das konservirte Fleisch erreicht den Wohlgeschmack und die gleich- 
mässige Weichheit des in der Küche hergestellten frischen Fleisches nicht, 
aber es ist jedenfalls besser als das von Truppen oft gegessene Fleisch eben 
geschlachteter Thiere, und es hat den grossen Vortheil, dass es leicht fort- 
geschafft werden kann und sehr schnell genussbereit ist. 

Globig (Kiel). 


Schilling, Kothrückstände im Wurstdarm; Wurstschmutz. Deutsche 
med. Wochenschr. 1900. No. 37. S. 602. 

Wiederholt fiel es dem Verf. bei dem Genuss von Rothwurst, sobald 
sie in geräuchertem Zustande servirt wurde, auf, dass in den Nischen und 
Buchten der Schalen sich Pilzwucherungen vorfanden. Offenbar trockneten 
diese Stellen bei dem Räucherprocesse nicht genügend aus und gaben den 
besten Boden für Schimmelpilze ab, und gerade hier liessen sich pflanzliche 
Reste leicht auffinden. Verf. untersuchte nun frische Därme, wie sie der 
Fleischer für den täglichen Gebrauch benutzt, auf Kothmengen und fand bis 
zu 5 g Kothmenge in 1 m Rindsdickdarm. Der Betrieb der Darmreinigune 
ist ein ungenügender. Als einziges Schutzmittel gegen diese Nahrungsmittel- 
verunreinigung kann nur gründliche, mit grossem Zeitverlust verbundene Spü- 
lung und akkurates Abschaben der Mucosa und hart bis an den Darm heran- 
gehendes Abtrennen des Mesenteriums in Betracht kommen. Spülen mit 
heissem Wasser genügt nicht, da die Residuen zu fest dem Darm anhaften. 
Durch das Einverleiben solcher Schmutzmassen können zweifellos unter Um- 
ständen, wenn sie in grosser Zahl kurz hintereinander genossen werden, sani- 
täre Nachtheile hervorgerufen werden. Dieudonne (Würzburg). 


Weinland, Ueber die Bildung von Glykogen nach Galaktosefütte- 
rung. Zeitschr. f. Biol. 1900. Bd. 40. S. 374. 

Bekanntlich wird beim Hund der Milchzucker (Disaccharid) durch das 
vom Pankreas und der Darmschleimhaut gebildete Ferment Laktase in die 
beiden Monosaccharide Dextrose und Galaktose gespalten, die ihrerseits 
Material zur Produktion von Glykogen (Polysaccharid) sind. Auch für das 
ausgewachsene Kaninchen, das in Folge Mangels der Laktase aus Milch- 
zucker Glykogen nicht bilden kann, ist die Bildung von Glykogen aus Ga- 
laktose in der Leber durch diese Versuche wahrscheinlich gemacht; die 
Menge steht hinter der aus den typischen Glykogenbildnern Dextrose und Lä- 
vulose zurück. E. Rost (Berlin) 


Weinland, Ueber die Laktase des Pankreas. II. Mittheilung. Zeitschr. 
f. Biol. 1900. Bd. 40. S. 386. 

Wie Senföl vom Magen aus die Sekretion eines qualitativ und quauti- 

tativ veränderten Bauchspeichels hervorruft und nach Pawlow die Art 


Ernährung. 687 


der Nahrung den Gehalt des Pankreassaftes an Fermenten regelt, so be- 
wirkt Milchzucker vom Verdauungskanal aus beim Hunde auf nervösem 
Wege (negatives Resultat bei subkutaner Injektion) und zwar specifisch 
(nicht ersetzbar durch sein Spaltungsprodukt Galaktose) die Produktion des 
Milchzucker in Dextrose und Galaktose spaltenden Ferments Laktase im Bauch- 
speichel. E. Rost (Berlin). 


Cohn M., Ueber Frauenmilch. Berl. klin. Wochenschr. 1900. No. 47. S. 1060. 

An geformten Bestandtheilen enthält die Frauenmilch neben den 
Fetttröpfchen („Milchkörperchen“) regelmässig noch „Kugeln“ und „Kap- 
pen“, die fast stets den Fetttröpfehen aufsitzen als Sichel, Saum, Knopf, 
Kuppel oder Scheibe. Diese Gebilde, die bisweilen einen Kern enthalten, 
sind Reste von Drüsenepithelien und können in vereinzelten Fällen wohl 
einmal für den empfindlichen Verdauungskanal eines Säuglings schädlich 
werden. 

Die ausserdem in der Milch vorhandenen Colostrumkörperchen hält 
Verf. nicht für verfettete Drüsenepithelien (Virchow), sondern für Leukocyten, 
mit Fett angefüllt (A. Czerny), weil ihr Protoplasma die violette Färbung der 
Ehrlich’schen neutrophilen Granula mit Triacid annimmt, welche die 
auch sonst auswandernden Leukocyten zeigen. Die weissen Blutzellen dringen 
ins Drüsenlumen bei Stauung durch Chemotaxis von Seiten des stagnirenden 
Sekretes ein; deshalb finden sich diese Colostrumkörperchen bei Hochschwan- 
geren, in den ersten Tagen der Laktation, bei vorübergehendem oder 
dauerndem Milchversiegen. Sie sind also grossentheils Begleiterscheinungen 
physiologischer Vorgänge and sollen — wenn sie vorübergehend auftreten — 
nicht zum Brustwechsel Veranlassung geben. E. Rost (Berlin). 


Monti A., Die wissenschaftlichen Grundsätze zur Beschaffung einer 
der Frauenmilch nahezu gleichwerthigen Nahrung. Klin. therap. 
Wochenschr. 1900. No. 36 u. 37. S. 1122 u. 1156. 

Um eine der Frauenmilch möglichst nahekommende Nahrung 
für den Säugling zu beschaffen, schlägt Monti vor, die Kuhmilch mit Molke 
1+2 bezw. 14+ 1 zu mischen, in Portionsflaschen 10 Minuten lang auf 60 
bis 70° zu erhitzen, dann auf 6°C. abzukühlen und bei dieser Temperatur auf- 
zabewahren. Die Molke wird am besten auf folgende Weise bereitet: 900 g 
Milch werden auf 40° C. erwärmt, dann mit 2 Theelöffeln Labessenz einige 
Minuten stehen gelassen; nach eingetretener Gerinnung wird die Mischung 
gut durchgeschüttelt und durch ein feines Tuch filtrirt; vor der Verwendung 
wird die Molke (behufs Eliminirang etwa noch vorhandenen Labs) auf 60° 
erhitzt. Durch die alkalische Reaktion der Molke wird u. a. die hohe Aci- 
dität der Kubmilch (etwa 1,1) der geringen der Frauenmilch (etwa 0,1) ge- 
nähert. Auf die weiteren Punkte kann hier nicht näher eingegangen werden; 
inwieweit der Verf. sein Ziel durch die Verwendung der Molke erreicht, ist 
am besten aus der folgenden, im Auszug wiedergegebenen Tabelle ersichtlich: 


688 Ernährung. 


Gelöstes 


k s 
Eiweiss | Fett | Zucker | Sal 


pCt. pCt. ` pCt. pCt. 


Frauenmilch: 
Erstlingsmilch 1.—4. Woche . 1,35 1,62 2.70 5,00 0.23 
Junge Milch 5.—13. „ 0,85 1,19 2,50 6.33 0.18 
Ausgebildete Milch 4. u. 5. Monat. 0,99 1,00 3,00 6,78 0,18 
Alte Milch 6.bis9. „ . | 0,76 0.34 4,00 6,75 0.15 
Kuhmilch . . . . de re 2,41 | 0,80—1,00 | 3,66 | 450—5,00 | 0.70 
Molke . 0,03 | 0,80—1,00 | 1,00 | 4,50—5.00 | 0,70 
Kuhmilch 1+Mo!ke 2 1.—4.Woche 0,82 | 0,80—1,00 | 1,89 | 4,50—5.00 | 0,0 
| . 1 1,22 | 0,80—1,00 | 2,33 | 4,50—5.00 | 0.70 
Kuhmilch 1+Wasser21. 4. A 0,81 | 0,27—0,33 | 1,22 | 1.50—1,66 | 0.23 
1,83 | 2.25—2.50 | 0.35 


„e 1+ »„ 15-18 „ 1,21 | 0,40—0,50 
à 2 ee SE re 1,61 | 0,53—0,66 | 2,44 | 3,00—3.33 | 0,47 


Wesenberg (Elberfeld). 


Weber A., Die Bakterien der sogenannten sterilisirten Milch des 
Handels und ihre Beziehungen zu den Magendarmkrankheiten 
der Säuglinge, mit besonderer Berücksichtigung der giftigen 
peptonisirenden Bakterien Flügge’s. Arb. a. d. Kais. Ges.-A. Bd. 17. 
S. 108—155. 

Verf. hat 150 Flaschen sterilisirter Milch aus 8 verschiedenen Milch- 
wirtbschaften Berlins auf Vorhandensein lebender Keime und deren Natur 
untersucht. Bei keiner Milchwirthschaft waren alle Flaschen keim- 
frei, sondern stets nur ein mehr oder minder grosser Bruchtheil. Einer 
hohen Procentzahl keimfreier Flaschen entsprach dabei stets eine starke Ver- 
änderung der Milch in Farbe und Geschmack. 

Von anaöroben Bakterien fand sich nur zweimal je eine Art, und zwar 
in Proben derjenigen Milchwirthschaften, deren Sterilisirungsverfahren am 
wenigsten eingreifend ist. 

Die 18 von Verf. aus der sterilisirten Milch isolirten aëroben Bakterien- 
arten theilt er in 3 Gruppen ein: erstens solche, welche die Milch rasch, 
innerhalb von 24—48 Stunden, zersetzen und meist schon bei Zimmertempe- 
ratur gut wachsen, zweitens solche, welche die Milch selbst unter den gün- 
stigsten Bedingungen erst am 5.—7. Tage verändern und fast alle am besten 
bei hohen Temperaturen wachsen, und drittens eine Art, welche die Milch 
überhaupt nicht zur Gerinnung bringt. 

Alle drei Gruppen haben die Fähigkeit, das Casein zu peptonisiren. 
Schwefelwasserstoff bilden (in Milch) von den 18 Arten 14, jedoch in sebr 
verschiedenem Grade. Die peptonisirende Thätigkeit ist dabei eine 
Vorbedingung für die Schwefelwasserstoffbildung. Als Verf. z. B. 
einen Bacillus, der frühestens in 6 Tagen peptonisirt, dann aber rasch Schwefel- 
wasserstoff bildet, mit einer rasch peptonisirenden, aber nicht Schwefelwasser- 
stoff bildenden Bakterienart zusammen in Milch impfte, konnte er schon nach 
43 Stunden die Bildung einer reichlichen Menge von Schwefelwasserstoff fest- 
stellen. 


Ernährung. 689 


Da ferner die peptonisirenden, der Fäulniss den Boden bereitenden Bak- 
terien durch Säure mehr oder minder stark geschädigt und in der Entwicke- 
lung gehemmt werden, so ist die freiwillige Säuerung der Milch als ein na- 
türliches Schutzmittel gegen schädliche faulige Zersetzungen anzusehen. Eine 
unvollkommene Sterilisation, welche die Säurebildner vernichtet, 
peptonisirende Bakterien aber am Leben lässt, schafft daher ge- 
rade das, was man für die Säuglingsernährung vermeiden will, 
nämlich die Möglichkeit fauliger Zersetzung. 

Bei Prüfung der direkten Giftigkeit der aus der sterilisirten Milch iso- 
lirten Bakterien durch intraperitoneale Injektion von 10 cem Milchkultur oder 
1—2 in Bouillon aufgeschwemmten Agarkulturen bei Meerschweinchen er- 
wiesen sich von den 18 Arten nur 2 als giftig. Diese beiden Arten, welche 
in 3 Milchproben vorkamen und ihrem Wachsthum nach zu den Heubacillen 
gehören, zeigen schon bei niederer Temperatur üppige Vermehrung, wachsen 
sowobl bei alkalischer wie bei saurer Reaktion, versetzen das Milchcasein 
nach vorheriger Peptonisirung rasch in Fäulniss und sind zweifellos zu der 
Gruppe der giftigen Flügge’schen Bakterien zu rechnen. Es genügt 
von ihnen der 10.—25. Theil einer 24stündigen sporenfreien Agarkultur oder 
1—2 cem Milchkultur, um bei intraperitonealer Injektion ein 300 g schweres 
Meerschweinchen unter den Erscheinungen von Peritonitis und schwerer Ver- 
giftung zu tödten. Fütterung von 10 Agarkulturen und 10 ccm Milchkultur 
mehrmals täglich hatte dagegen bei Meerschweinchen keine krankmachende 
Wirkung. Von jungen Hunden gingen bei der gleichen Fütterung einige zu 
Grunde, welche sich in schlechtem Ernährungszustande befanden. 

Zum Schlusse giebt Verf. eine Zusammenstellung der Titel von 225 Ar- 
beiten über Milch, Milchsterilisation und Säuglingsernährung aus den Jahren 
1886 — 1900. Hellwig (Halle a. S.) 


Kobrak, Erwin, Die Bedeutung des Milchthermophors für die Säug- 
lingsernährung. Aus d. hygien. Institut d. Universität Breslau. Zeitschr. 
f. Hyg. u. Infektionskrankh. Bd. 34. S. 518. 

Der Verf. berichtet über sehr günstig ausgefallene Versuche mit dem 
Tbermophor, einer Vorrichtung, welche es ermöglicht, Milch etwa 
6 Stunden lang bei 50—60° C. zu halten. Sie besteht aus einem Metall- 
eimer mit doppelten Wänden, zwischen denen sich eine krystallinische Salz- 
masse — wahrscheinlich hauptsächlich unterschwefligsaures Natron — be- 
findet. Dieses Salz wird durch Einstellen des Eimers in siedendes Wasser 
während 8 Minuten gelöst, krystallisirt aber bei niedrigerer Temperatur wieder 
aus und lässt dadurch Wärme frei werden, welche binreicht, wenn man den 
Metalleimer in geeignet geformte Isolatoren hineinsetzt, diese so lange und so 
warm zu halten, wie oben angegeben ist. Der Verf. fand Milch, die er mit 
750 eingesetzt hatte, nach 6 Stunden noch über 50° warm und kalte Milch 
(120) schon nach 20 Minuten bis auf 50° erwärmt. Wenn man frisch abge- 
kochte Milch gleich einem Säugling reicht, 1 Flasche davon in den Thermo- 
phor stellt und nach 3 Stunden durch eine neue Flasche Milch ersetzt, kann 


690 Ernährung. 


man mit einem einmaligen Erhitzen ein Kind für 9 Stunden mit warmer Milch 
versorgen. 

Von entscheidender Bedeutung ist aber das Verhalten der Keime der 
Milch im Thermophor. Wenn der Verf. gewöhnliche Marktmilch im 
Soxhlet’schen Kocher sieden liess und dann theils im Thermophor, theils 
im Eisschrank, theils bei 33° hielt — letzteres um ungünstige Verhältnisse 
nachzuahmen, wie sie im Hochsommer vorkommen — so blieb in einigen Ver- 
suchen die Keimzahl überall sehr gering. In anderen aber, wo die von Flügge 
zuerst nachgewiesenen, gegen Erhitzen widerständigen peptonisirenden Milch- 
keime in der Marktmilch vorhanden waren, oder wenn sie der Milch in Form 
von Kuhmist, Heustaub, Erde oder als Reinkultur zugesetzt wurden, entwickelten 
sich bei 32—33°0 sehr zahlreiche Keime, die im Thermophor oder im 
Eisschrank gehaltene Milch enthielt aber gar keine oder nur wenige und 
die Thermophormilch sogar weniger wie die Eisschrankmilch. 
Man darf daher annehmen, dass im Thermophor ein erheblicher Theil gerade 
dieser Keime aus Sporen zu Stäbchen auswächst und in dieser Form abge- 
tödtet wird. Auch rohe Milch, die der Verf. in den Thermophor brachte, 
erfuhr in 6—8 Stunden eine sehr bedeutende Verringerung ihrer 
Keimzahl, während sowohl im Eisschrank wie bei 32—33° eine sehr 
erhebliche Vermehrung eintrat. Tuberkelbacillen, die als tuberkel- 
bacillenhaltiger Auswurf in der grossen Menge von !/, desVolumens der Milch zo- 
gemischt waren, wurden im Thermophor in 4 Stunden sicher abgetödtet. 

Man kann also mit dem Thermophor Milch bequem genügend lange trink- 
warm für Säuglinge bereit halten und vor Allem mit demselben ohne Siede- 
temperatur Bakterien und zumal die pathogenen in der Milch abtödten. Man 
hat dabei zugleich den Vortheil, dass die chemischen Veränderungen, welche 
die Milch beim Kochen erleidet, ausbleiben oder wenigstens ein viel ge 
ringeres Maass erreichen, und dass der Geschmack dem der rohen Milch viel 
näher kommt. Der Verf. wünscht jedoch schliesslich, dass der Thermopbor 
billiger, geräumiger und noch länger wärmehaltend hergestellt werden möchte. 

Globig (Kiel). 


Caspari W., Ein Beitrag zur Beurtheilung von Milchpräparaten. 
Berl. klin. Wochenschr. 1900. No. 34. S. 749. 

Es ist bekannt, dass in allen Milchpräparaten, vorausgesetzt, dass sie 
nicht etwa sterilisirt sind, sich eine grosse Menge Bakterien vorfinden, be- 
sonders wenn sie aus Milch stammen, die längere Zeit gestanden hatte. Bak- 
terienzäblungen, die von Weissenfeld und Bloch am Plasmon angestellt 
sind, zeigen auch bedeutende Differenzen, die aus der verschiedenen Zusammen- 
setzung der Milch abgeleitet werden können. Aus den Bakterienzahlen allein 
kann aber eine eventuelle Schädlichkeit durch pathogene Keime nicht erwiesen 
werden, weshalb das Thierexperiment herangezogen werden muss. 

Verf., dem es darauf ankam, eventuell Tuberkulose, aus der Milch 
stammend, im Plasmon nächzuweisen, brachte einer Reihe von Kaninchen 
und Meerschweinchen je 4—5 g Plasmon in die Bauchhöhle. Den Kontrol- 
thieren wurde physiologische Kochsalzlösung eingespritzt. In Folge der Ope- 


Ernährung. 691 


ration (die Bauchhöhle wurde geöffnet) starben einige Thiere an Peritonitis, 
während die übrig gebliebenen Kaninchen nach einem Monat getödtet wurden. 
An diesen wie auch an den Meerschweinchen konnte bei der Sektion nichts 
von Tuberkulose nachgewiesen werden. Verf. schliesst daraus, dass Plas- 
mon ungekocht genossen werden könne, wenn auch zugegeben werden müsse, 
dass doch einmal Tuberkelbacillen in dem Präparat anzutreffen sein könnten. 
R. O. Neumann (Kiel). 


Harris F. Drew., The supply of sterilised humanised milk for the 
use of infants in St. Helens. Brit. med. Journ. No. 2068. 18. Aug. 1900. 
p. 427. 

Ein Bericht über ein Unternehmen, „bumanisirte“ und sterilisirte 
Kuhmiich en masse zur Kinderernährung herzustellen und abzugeben. 
Die „Humanisirung“ der Kuhmilch besteht in Verdünnung mit 1/3 Volumen 
Wasser und Zusatz von Rahm und Zucker. Die in Flaschen mit Bügelver- 
schluss gefüllte Milch wird in einem grossen Dampfapparat ®/, Stunden auf 
102°C. erhitzt. Die Flaschen dienen als Saugflaschen für die Kinder. An- 
geblich war die Mortalität der mit solcher Milch ernährten Kinder geringer 
als die allgemeine Sterblichkeit unter den Kindern. 

R. Abel (Hamburg). 


Emmerling 0., Ueber Spaltpilzgährungen. Ber. d. deutsch. chem. Ges. 
1900. No. 14. S. 2477. 

Vor einiger Zeit berichtete Verf. über die redacirende Wirkung des Bac. 
lactis aörogenes auf Aepfelsäure (vergl. diese Zeitschr. 1900. S. 245). Die 
vorliegenden Untersuchungen beschäftigen sich mit der Vergährung des 
Milchzuckers und der Glukose durch den genannten Bacillus. Wie schon 
Baginsky nachgewiesen hat, bildet sich bei der Einwirkung des Bac. lactis 
aörogenes auf Milchzucker nur wenig Milchsäure (sodass seine Mitwirkung 
bei der spontanen Milchsäuerung, welche früher angenommen wurde, nicht 
von wesentlicher Bedeutung ist) neben grossen Mengen Essigsäure. Verf. 
konnte bei seinen Versuchen die Anwesenheit von Milchsäure überhaupt nicht 
nachweisen, fand dagegen beträchtliche Mengen Bernsteinsäure (z. B. 2,5 g 
neben 6,5 g Essigsäure). 

Beim Vergähren von Glukose entsteht keine Bernsteinsäure oder doch nur 
Spuren davon, dagegen neben viel Essigsäure auch inaktive Milchsäure. Mannit 
liefert wenig flüchtige Säure und viel Bernsteinsäure, daneben noch Alkohol 
(aus 100 g Mannit etwa 15 cem Alkohol), welcher bei Milch- und Trauben- 
zucker nicht beobachtet wurde. Alle diese Gährungen hören nach verhältniss- 
mässig kurzer Zeit auf, wenn noch erhebliche Mengen des Gährmaterials unver- 
ändert sind. ` : 

Infieirt man eine 10 proc. Milchzuckerlösung, die mit Nährsalzen und 
Caleiumcarbonat versetzt ist, mit dem Bac. lactis adrogenes, so nimmt dieselbe 
nach einigen Tagen (bei Luftzutritt im Brutschrank gehalten) zähe, schlei- 
mige Beschaffenheit an; aus der Lösung konnte Verf. durch Alkoholfällung 
eine Substanz von der Zusammensetzung C,H,,0; und den Eigenschaften eines 


692 Ernährung. 


Galaktans isoliren, deren Lösung in Wasser stark schleimig, gummiartig ist, 
und welche durch Salpetersäure zu Schleimsäure (Schmelzpunkt 217°) oxydirt 
wird. In Galaktoselösung, nicht aber in Glukose, tritt dieselbe Erschei- 
nung auf. 

Bei der häufigen Anwesenheit des Bac. aörogenes in der Milch ist es nicht 
ausgeschlossen, dass unter besonderen Umständen, beispielsweise wenn die 
Milch stärkere alkalische Reaktion angenommen hat, dieses Mikrobium die 
bekannte Erscheinung des Schleimig- oder Zähwerdens der Milch 
herbeiführen kann. Wesenberg (Elberfeld). 


Riegler E., Eine neue sehr empfindliche Reaktion zum Nachweise 
des Formaldehyds und des Milchzuckers in der Milch. Pharm. 
Centralh. 1900. S. 769. 

Die Reaktion zum Nachweise von Formaldehyd und von Mich- 
zucker beruht auf der Eigenschaft der Aldehyde, in verdünnten Lösungen 
mit salzsaurem Phenylhydrazin und Natronlauge eine rosa bis rothe Farbe 
anzunehmen. Zum Formaldehydnachweis wird etwa 0,1 g weisses, krystalli- 
sirtes salzsaures Phenylhydrazin in einem weiten Reagensglas in etwa 2 ccm 
Milch und 2 ccm Wasser gelöst und die Mischung nach Zusatz von 10 cem 
einer 10 proc. Natronlauge etwa !/, Minute lang durchgeschüttelt; je nach 
dem Formaldehydgehalte tritt sofort oder nach einigen Minuten eine Rosa- 
bis Rothfärbung auf, während normale Milch selbst nach 2 Stunden keine 
Färbung zeigt. 

Der Milchzucker in der Milch verursacht erst beim Erwärmen eine 
Färbung; im Reagensrohr wird 1 ccm Milch mit einer Messerspitze voll Natrium- 
acetat, etwa 0,1 g salzsaurem Phenylbydrazin und 2—3 ccm Wasser zum 
Sieden erhitzt und dann sofort 10 ccm einer 10 proc. Natronlauge zugegeben; 
beim Schütteln tritt dann eine Rosafärbung auf, die nach einigem Stehen in 
roth übergeht. Wesenberg (Elberfeld). 


Kirchner W. und Racine R., Zur Kenntniss der Reichert-Meissl’schen 
Zahl von holländischer Molkereibutter. Zeitschr. f. angew. Chem. 
1900. S. 1238. 

Bei der im rheinisch-westfälischen Industriebezirke sehr viel verbrauchten 
holländischen Molkereibutter werden namentlich im Herbst und im 
Frühjahr derartig niedrige Reichert-Meiss!’sche Zahlen gefunden, dass 
die Butter häufig als verfälscht beanstandet wird. Da von holländischer Seite 
diese Erscheinung auf klimatische Einflüsse und Rasseneigenthümlichkeiten 
der holländischen Kuh zurückgeführt wird, hielt sich Kirchner im Oktober 
1900 mehrere Wochen in Holland auf, um in mehreren Molkereien die Her- 
stellung der Butter von der Einlieferung der Milch (es handelte sich stets um 
Mischmilch) an persönlich zu überwachen und die so gewonnenen (14) Butter- 
proben zu untersuchen. Die Bestimmung der Reichert-Meissl’schen Zahl 
erfolgte genau nach der Anweisung der „Vereinbarungen“, Heft I des Entwurfs 
des Reichs-Gesundheitsamtes. Die von den Verff. getrennt ermittelten Zahlen 
stimmten genau überein und waren so niedrig (bis herunter auf 22,1 bezw. 


Ernährung. 693 


21,8), dass unter anderen Umständen die Butter als verfälscht erklärt worden 
wäre. Wesenberg (Elberfeld). 


Windisch K., Ueber die Veränderungen des Fettes beim Reifen der 
Käse. Arb. a. d. Kais. Ges.-Amt. Bd. 17. S. 281. 

Diese gründliche und sehr umfangreiche Arbeit ist zu kurzem Referate 
nicht geeignet, und es können daher hier nur die wesentlichen Ergeb- 
nisse derselben summarisch angeführt werden, während bezüglich der zahl- 
reichen interessanten Details derselben, der Untersuchungsmethoden, der Diffe- 
renzen, welche sich zwischen den einzelnen Käsesorten herausstellten, auf das 
Original verwiesen sei. 

Die Arbeit gliedert sich in 2 Abschnitte, deren erster sich mit den qua- 
litativen Veränderungen des Fettes beim Process der Käsereifung 
befasst, während der zweite die quantitativen Aenderungen studirt. 

Nach einer gründlichen kritischen Besprechung der vorliegenden Literatur 
geht Verf. zu seinen eigenen Untersuchungen über. 

Die erste wesentliche Veränderung, die mit dem Fette bei der Reifung 
des Käses vor sich geht, ist eine umfangreiche Spaltung desselben, die sich 
durch eine bedeutende Vermehrung des Säuregrades kundgiebt. Bereits 
kurze Zeit nach der Bereitung des Käses ist die Spaltung der Glyceride be- 
merkbar und nimmt im weiteren Verlauf der Reifung immer mehr zu. In 
einer Versuchsreihe war von dem Fett des Frühstückskäses etwa 3/,, von dem 
des Neuchateler Käses mehr als 1/2, von dem des Camembert- und Roquefort- 
käses ca. !/, zersetzt. Trotz dieser ausgiebigen Fettspaltung fanden sich in 
den gereiften, an freien Fettsäuren reichen Käsen keine nachweisbaren 
Mengen freien Glycerins; dasselbe wird von den im Käse befindlichen 
Mikroorganismen rasch aufgebraucht. 

Hand in Hand mit dem Zunehmen des Säuregrades geht die Vermin- 
derung der flüchtigen Fettsäuren und damit der Reichert-Meissl- 
schen Zahl. Dabei ist die Abnahme der flüchtigen Fettsäuren gerade bei 
jenen Käsesorten am geringsten, bei welchen auch die Steigerung des Säure- 
grades am schwächsten ist (Camembert, Roquefort). Diese Verminderung der 
Reichert-Meissl’schen Zahl bei der Reifung der echten Milchfettkäse ist 
deshalb von grosser praktischer Bedeutung, weil hierdurch der bedeutende 
Unterschied zwischen diesen und den Margarinekäsen verwischt und eine 
Mischung von Butterfett mit anderen Fetten bei der Herstellung der Käse 
vorgetäuscht werden kann. Zwar können beim langen Lagern von Weich- 
käsen geringe Mengen flüchtiger Fettsäuren neugebildet werden, doch kommt 
dem keine praktische Bedeutung zu, so dass hierdurch die von Raumer ge- 
äusserten Bedenken entkräftet werden. 

Es besteht demnach eine grosse Aehnlichkeit zwischen der Käsereifung 
und dem Ranzigwerden der Butter: bei beiden Processen tritt eine Spal- 
tung der Glyceride und eine Abnahme der Reichert-Meissl’schen Zahl ein; 
bei beiden verschwindet das Glycerin innerhalb kurzer Zeit und entstehen 
durch Oxydation aldehyd- und ketonartige Stoffe. Ein Unterschied besteht 
nar bezüglich der Jodzahl, die beim Ranzigwerden abnimmt, bei der Käse- 


694 Ernährung. 


reifung hingegen zu Beginn zwar auch absinkt, um später jedoch wieder an- 
zusteigen, und bezüglich der Refraktometerzahl, die beim Reifen des Kāses 
durch das Anwachsen der freien Fettsäuren herabgedrückt wird, während sie 
beim Ranzigwerden sich erhöht findet. 

Als Quelle der im Käsefett enthaltenen freien Fettsäuren sind weder der 
Milchzucker noch die Eiweissstoffe des Käses anzusehen, sondern nur die Zer- 
setzung des Fettes. 

Die Ursache der Fettspaltung ist in der Lebensthätigkeit der Mikroorga- 
nismen zu suchen, und zwar theils direkt, theils indirekt durch Bildung von 
Ammoniak, welch letzteres auf das Käsefett verseifend wirkt. Mit fortschrei- 
tender Käsereifung werden nicht unbeträchtliche Mengen Ammoniak gebildet. 
Organische Aminbasen können nach eigens angestellten Versuchen nur in sehr 
kleinen Mengen zugegen sein. 

Nach einer eingehenden kritischen Besprechung der verschiedenen zur Ab- 
scheidung des Käsefettes geübten Verfahren und deren experimenteller Ver- 
gleichung kommt Verf. zu dem Schlusse, dass man nur dann einen Einblick 
in die Zersetzungen erlangen könne, welche das Fett beim Reifen des Käses 
erleidet, wenn man dasselbe unter Anwendung von Säuren abscheidet, da nur 
unter diesen Bedingungen alle aus dem Fett abgespaltenen Fettsäuren, auch 
die an Ammoniak gebundenen, gewonnen werden. Zur Unterscheidung 
von echtem Milchfettkäse und Margarinekäse hingegen hat man 
das in den Käsen enthaltene Neutralfett zu untersuchen. Denn 
die neutralen Käsefette haben im reifen und überreifen Käse im 
Wesentlichen die gleiche Zusammensetzung (Jodzahl, Refraktometer- 
zahl, Verseifungszahl; etwas grössere Abweichung zeigt die Reichert-Meissl- 
sche Zabl) wie im frischen Käse. 

In dem zweiten Theil der Arbeit, der sich mit den quantitativen Verão- 
derungen des Fettes bei der Käsereifung beschäftigt, wird zunächst, im An- 
schluss an die vorliegenden Publikationen, die Thatsache festgestellt, dass mit 
wachsendem Alter des Käses eine allmähliche Erhöhung des procen- 
tischen Fettgehaltes der Käsetrockensubstanz eintritt. Es drängt 
sich hierbei sofort die weitere Frage auf: ist diese Vermehrung des procen- 
tischen Fettgehaltes nur eine scheinbare, oder handelt es sich um eine 
wirkliche Neubildung von Fett während des Reifungsprocesses? 

Nach einer eingehenden Kritik der Versuche, welche von anderen Autoren 
zur Lösung dieser Frage unternommen wurden, entwirft Verf. seinen eigenen 
Arbeitsplan, welchen auszuführen ihn jedoch äussere Verhältnisse verhinderten. 
Aus der Diskussion der vorliegenden diesbezüglichen Daten lässt sich nur der 
Schluss ziehen, dass zwar eine Fettbildung aus den Eiweissstoffen sehr 
wohl möglich sei, dass aber ein zwingender Beweis hierfür nicht 
vorliege. Eine praktische Bedeutung kann aber der Lösung dieser Frage 
deshalb nicht beigemessen werden, weil schon nach den Resultaten, die bis 
jetzt gewonnen wurden, die Unmöglichkeit feststeht, jemals aus Mager- 
milch durch Reifung einen fettreichen Käse herzustellen. 

Paul Müller (Graz). 


Ernährung. 695 


Laves E., Ueber das Eiweissnährmittel „Roborat“ und sein Ver- 
balten im Organismus, verglichen mit ähnlichen Präparaten. 
Münch. med. Wochenschr. 1900. No. 39..8. 1339. 

Roborat wird aus dem Getreidekorn gewonnen und ist ein weissliches, 
feines, gerach- und fast geschmackloses Pulver. Der Eiweissgehalt desselben 
beträgt, auf Trockensubstanz berechnet, ca. 95 pCt., der Aetherextrakt 2 pCt., 
Asche 1,6 pCt., Stärke und Dextrin ca. 1 pCt. In Wasser quillt das Pulver 
sofort auf; beim Schütteln bildet sich Schaum, wie beim Eiereiweiss. 3 

Verf. legte sich nun die Fragen vor: 1. wie der normale Organismus 
das Roborat ausnütze, 2. ob dasselbe Körpereiweiss anzubilden vermöge oder 
etwa nur ein Eiweisssparer sei, 3. ob das Fleisch der Nahrung durch Roborat 
ersetzt werden könne, und 4., welche Veränderungen der Harn durch Roborat- 
nahrung erfahre. Zur Beantwortung dieser Fragen dienten Ausnützungsversuche, 
welche Verf. an sich selbst und an einem Huude anstellte; hierbei wurde die 
Ausnützung des Roborats mit der von Aleuronat, Tropon und Plasmon 
verglichen. Sämmtliche Speisen wurden genau gewogen und ihr N-Gehalt 
nach Kjeldahl bestimmt; Kohlehydrate und Fett wurden nach den König- 
schen Tabellen berechnet. Als N-Verlust im Koth fand Verf. an sich selbst: 


bei Fleischnahrung . . . 2,3 pCt. 
„Roborät... 08.050: BET y 
„ Aleuronat . . 2... 57 S 
an To TEE E S.: AES 
n Tropen . a . . . 28 K 


Die N-Bilanz ergab bei Roboratnahrung ohne Fleisch einen Ansatz von 
11,8 g, so dass die zweite Frage, ob aus Roborat Körpereiweiss gebildet 
werden könne, vom Verf. bejaht wird. Da an den Roborattagen die Harn- 
sänreausscheidung bedeutend abgesunken war, glaubt Verf., dass es bei ge- 
wissen Erkrankungen direkt zweckmässig sei, das Fleisch durch Roborat zu 
ersetzen. 

Von sonstigen Veränderungen im Harn fand sich eine Vermehrung des 
Säure- und Ammoniakgehaltes, eine Verminderung von Kreatinin und Phos- 
phorsäure. Die Darmfäulniss (gemessen durch die Aetherschwefelsäuren im 
Harn) war bei Roboratnahrung nur unwesentlich vermehrt, ziemlich stark 
jedoch bei Tropongenuss. 

Auch bei den Versuchen am Hunde wurde Roborat vortrefflich ausgenutzt, 
und zwar sogar besser als das getrocknete, ausgekochte Fleisch; Plasmon 
wurde fast so gut wie Fleisch, Tropon auch hier erheblich schlechter ausgenützt. 

Verf. glaubt somit, das Roborat, dessen Preis im Detailverkauf dem des 
Tropons gleichkommt, für Schwächliche, Kranke und Rekonvalescenten, sowie 
als Dauerverproviantirung für Kriegszwecke und Sportsübungen, ferner für 
Diabetiker und Vegetarianer warm empfehlen zu können. 

Wenn man mit diesen Ausführungen wohl im Grossen und Ganzen sich ein- 
verstanden erklären kann, so fordern doch manche Einzelheiten der Arbeit zum 
Widerspruch heraus. So, wenn es z. B. S. 1340 heisst: „Als natives Eiweiss 
dokumentirt sich Roborat ferner durch das Vorhandensein 1. von unoxydirtem, 
durch Alkalien leicht abspaltbaren Schwefel, 2. von Lecithinu, 3. von diasta- 


696 Ernährung. 


tischem Ferment, welches den Eiweissstoffen des Getreides eigen ist oder 
sich durch den Keimungsprocess entwickelt“, oder wenn Verf. meint, dass Ro- 
borat, was Aussehen, Feinheitsgrad u.s.w. anbetrifft, „ferner in Folge seines 
Lecithingehaltes“ den anderen erwähnten Nährmitteln entschieden vorzu- 
ziehen sei, da Lecithin und Glycerinphosphorsäure das Nervensystem sehr günstig 
beeinflusse. Paul Müller (Graz). 


Siegfried M., Ueber Antipepton. Ber. d. Deutsch. chem. Gesellsch. 1900. 
No. 15. S. 2851. 

Schon 1894 hat Siegfried das Antipepton Kühne’s als mit der 
„Fleischsäure“ identisch angesprochen. Bei den vorliegenden Untersuchun- 
gen konnte er aus den tryptischen Verdauungsprodukten von ausgewaschenem 
Blutfibrin und Witte’s Pepton zwei einbasische Säuren isoliren von der Formel: 
C,oNsH,70;, welche Verf. als „a-Antipepton“ bezeichnet, und der Formel: 
CyoN3H190; („A-Antipepton“). Die Säuren sind schneeweisse, lockere, nicht 
zerfliessliche Pulver; dieselben geben intensive Biuretreaktion, nicht aber die 
Millon’sche Reaktion; beim Eindampfen ihrer Lösungen auf dem Wasser- 
bade bilden sie beide Albumose. Durch kurzes Kochen der Säuren mit Zink- 
oxyd bezw. frisch gefälltem Baryumkarbonat werden Zink- und Baryumsalze 
erhalten. Die Isolirung der Säuren geschah mit Hülfe von Eisenfällungen in 
ziemlich langwieriger Methode, bezüglich welcher auf das Original verwiesen 
werden muss. Es sei hier nur die Angabe des Verf.’s bemerkt, dass zur Ab- 
scheidung der Albumosen nicht nur grosse Mengen gesättigter Lösung von 
Ammonsulfat nothwendig sind, sondern auch beträchtliche Mengen koncentrirter 
Schwefelsäure, welche beide so lange zuzusetzen sind, bis selbst nach mehr- 
stündigem Stehen keine Trübung mehr erfolgt. 

Für die Fleischsäure hatte Siegfried früher die Formel: C,oN3H}505 
aufgestellt; er hält es jetzt für wahrscheinlich, dass derselben die Formel: 
C,oN3H,;0;, zukommt, sie also mit dem a-Antipepton identisch ist. 

Durch diese Untersuchungen ist, nach Ansicht Siegfried’s, die durch 
Kutscher’s Publikationen verbreitete Annahme, das Antipepton sei im We- 
sentlichen ein Gemenge von Basen und Amidosäuren, beseitigt. 

Wesenberg (Elberfeld). 


Kutscher Fr., Ueber das Antipepton. Ber. d. Deutsch. chem. Gesellsch. 
1900. No. 17. S. 3457. 

In seiner Erwiderung auf die vorstehend referirte Arbeit von Siegfried 
weist Kutscher darauf hin, dass Siegfried seine Präparate auf einem ganz 
anderen, neuen Wege gewonnen habe, als er, welcher sich dazu der Original- 
vorschrift von Kühne bezw. Balke bedient habe. Siegfried hat soZwischen- 
produkte gewonnen, nicht aber, wie der Name „Antipepton“ besagen würde, 
Endprodukte der tryptischen Verdauung; er hat die Identität der nenen 
Körper mit dem Antipepton Kühne’s angenommen, ohne dafür den Beweis 
zu erbringen. Kutscher’s Ansicht über die Beschaffenheit des Antipeptons 
ist also durch Siegfried’ s Arbeit nicht erschüttert worden. 

Wesenberg (Elberfeld). 


Ernährung. 697 


Kirschmann J., Wie weit lässt sich der Eiweisszerfall durch Leim- 
zufuhr einschränken? Zeitschr. f. Biol. Bd. 40. S. 54. 

Die Fragen, welche sich Verf. zur Beantwortung vorlegt, sind folgende: 
1. Wie weit lässt sich die Eiweisszersetzung durch Leimzufuhr herab- 
drücken und mit welcher Leimmenge wird diese maximale Wirkung erzielt? 
und 2. Wie ändert sich die Grösse der Eiweisszersetzung mit der Grösse der 
Leimzufuhr? Zur Entscheidung dieser Fragen dienten exakte Stoffwechselver- 
suche anı Hunde, angestellt mit eiweissfreiem Leim, welcher durch ein be- 
sonderes Reinigungsverfahren, das ausführlich beschrieben wird, aus dem käuf- 
lichen Leim gewonnen wurde. Die Resultate dieser Untersuchungen sind in 
Kürze die folgenden: die Ausnützung des verfütterten Leimes ist eine sehr 
vollkommene; derselbe gelangt sicher bis auf Spuren zur Resorption. Der 
Eiweisszerfall des hungernden Thieres wird, wie dies schon von früheren Unter- 
suchern gefunden worden war, durch die Leimzufuhr zwar herabgesetzt, aber 
nicht vollständig aufgehoben. Je grösser die verfütterten Leimmengen sind, 
desto stärker wird der Eiweissverlust des hungernden Thieres eingeschränkt. 
Schon mit einer sehr kleinen Leimmenge wird eine sehr bedeu- 
tende Eiweisssparung erzielt. So sank bei einer Leimzufuhr, die etwa 
12 pCt. des Energiebedarfes deckte, der Riweisszerfall von 100 auf 73; mit 
grösseren Leimgaben lassen sich nur relativ viel geringere Wirkungen erzielen. 
Die grösste Verminderung, welche erreicht wurde, betrug 35 pCt., wobei die 
gegebene Leimmenge 62 pCt. des Energiebedarfs zu decken im Stande war. 
Verf. nimmt an, dass die Maximalwirkung der Leimzufuhr, welche gerade dem 
Energiebedarf Genüge leistet, durch die Zahl 61 dargestellt. wird. Die in dem 
letzten Abschnitt der Arbeit enthaltene Kritik der älteren diesbezüglichen Ver- 
suche muss im Original nachgelesen werden. Paul Müller (Graz). 


Rumpf Th., Eiweissumsatz und Zuckerausscheidung. Deutsche med. 
Wochenschrift. 1900. No. 40. S. 639—642. 

Verf. bat zusammen mit einigen seiner Assistenten von Neuem Versuche 
über die schon öfters bearbeitete Frage angestellt, ob die Menge des in Folge 
von Phloridzinwirkung ausgeschiedenen Zuckers auch bei kohlehydrat- 
freier Nahrung so gross werden kann, dass sie nicht allein aus der durch die 
gleichzeitig ausgeschiedene Stickstoffmenge gemessenen Eiweisszersetzung 
berstammen kann, d. b. ob sich so das Vorkommen einer Bildung von 
Zucker aus Fett beweisen lässt. Bei diesen Versuchen, welche seine 
Assistenten ausführlich beschreiben werden, fütterte Verf. kräftige Hunde mit 
wenig Schinken und viel Speck und erzielte bei einem Hunde, dessen Stoff- 
wechselzahlen er als Beispiel mittheilt, in der 3. Woche der Phloridzinzufüh- 
rung eine Ueberschreitung der bei alleiniger -Bildung aus Eiweiss sich theo- 
retisch ergebenden Höchstzahl von 7—8 Theilen ausgeschiedenen Zuckers auf 
1 Theil ausgeschiedenen Stickstoffs. Verf. hält das Vorkommen einer Bil- 
dnng von Zucker aus Fett für dadurch bewiesen. (Verf. hat die Möglichkeit 
nicht erwogen, ob der Zuckerüberschuss nicht aus Glykogen stammen könnte, 
das in den ersten zwei Wochen der Phloridzinzuführung abgelagert worden 
ist, wo erheblich weniger als das theoretisch berechnete Höchstmaass an 

. 


698 Ernährung. 


Zucker ausgeschieden wurde. Verf. sagt zwar, dass „in den meisten Ver- 
suchen vor der Verabreichung des Phloridzins 6—8 Stunden körperlich an- 
gestrengter Bewegung eingeschaltet wurden“. Da Verf. aber nicht hervorhebt, 
dass dies täglich geschehen sei, so ist es wohl nur bei Beginn der ganzen 
I’hloridzinperiode geschehen. Dann ist aber die Möglichkeit einer Glykogen- 
aufspeicherung gegeben. Ref.) Hellwig (Halle a.$.). 


Weil R., Die Entstehung des Solanins in den Kartoffeln als Produkt 
bakterieller Einwirkung. Arch. f. Hyg. 1900. Bd. 38. S. 380—349. 
Verf. hat untersucht, ob der abnorm hohe Solaningehalt, welcher bei 
Kartoffeln bisweilen beobachtet wird, auf bakterielle Einwirkung zu- 
rückzuführen ist. Aus den grauschwarzen Stellen, welche solche Kartoffeln 
zeigen, züchtete Verf. auf Kartoffelscheiben 13 Bakterienarten, von denen 12 
seiner Ansicht nach sonst noch nicht beschrieben worden sind und deshalb 
von ihm mit neuen Namen versehen werden. Durch Impfung der gewonnenen 
13 Bakterienarten in solaninfreies Kartoffelwasser stellte Verf. sodann fest, 
dass von diesen 13 Arten 2, von ihm als Bacterinm solaniferum colorabile 
und Bact. sol. non colorabile bezeichnet, in der That Solanin bilden können. 
In Bouillon erfolgt diese Solaninbildung nicht. Verf. hält es für bewiesen, 
dass ein abnorm hober Solaningehalt von Kartoffeln stets eine Folge bakte- 
rieller Eiwirkung sei, und vermuthet, dass Solanin in Kartoffeln überhaupt nur 
durch Bakterienwirkung entsteht. Hellwig (Halle a.S.). 


Pum und Micko K., Ueber künstliche Färbung von Orangen. Zeitschr. 
f. Untersuchg. d. Nahrgs.- u. Genussm. 1900. S. 729. 

Hotter-Prag hatte vor einiger Zeit auf den „Blutorangenschwindel‘ 
hingewiesen; danach sollte mittels einer Injektionsspritze der rothe Farbstoff 
(wahrscheinlich der Farbstoff der Heidelbeere) in das Fruchtfleisch gewöho- 
licher Orangen eingespritzt werden, um so Blutorangen darzustellen. Wie die 
Verff. nun nachweisen, giebt der Heidelbeerfarbstoff, in das Fruchtfleisch der 
Orange injieirt, diesem eine derartige Missfärbung, dass dieser Farbstoff völlig 
unbrauchbar erscheint; ausserdem wurde Fuchsin zu den Versuchen benutzt; 
es ergab sich, dass es überhaupt nicht möglich ist, durch Injek- 
tionen künstliche Blutorangen zu erzeugen, da der Farbstoff an der 
Injektionsstelle auffallende Färbuigen hervorruft, ausserdem nur das eine 
gerade getroffene Fruchtfach, und nicht auch die anderen Fächer, färbt; wird 
als Injektionsstelle die „Narbe“ benutzt, so erscheinen nur die Scheidewände 
rotb, nicht aber auch das Fruchtfleisch. Eine Fälschung auf diesem Wege ist 
demnach ausgeschlossen. lu Folge eines diesbezüglichen Vortrages in Graz 
von Seiten der Verf. hat Hotter zugestehen müssen, dass seine früheren An- 
gaben irrthümliche waren. Wesenberg (Elberfeld). 


Macfadyen A., Morris G. H. und Rowland S., Ueber ausgepresstes Hefe- 
zellplasma (Buchner’s „Zymase“). Erste Mittheilung. Ber. d. Deutsch. 
chem. Gesellsch. 1900. No. 14. S. 2764. 

Während Buchner seine Versuche ausschliesslich mit untergähriger 


Ernährung. 699 


Hefe angestellt hat, verwendeten die Verff. obergährige Hefe, welche in 
den englischen Brauereien meist benutzt wird. 

Zur Darstellung des Presssaftes wurde die Hefe durch wiederholtes 
Mischen mit der gleichen Menge Wasser und jedesmal anschliessendes Cen- 
trifugiren gewaschen und vom anhaftenden Wasser durch Auspressen in einer 
Art Filterpresse bei 70—100 Atmospbären befreit. Der Rückstand wurde mit 
Silbersand gemischt und durch eine mechanische Vorrichtung verrieben, wobei 
durch eine geeignete Kühlung die Temperatur auf unter 15° C. gehalten wurde. 
Die breiige Masse wurde dann, mit Kieselguhr vermischt, bei 200—350 Atmo- 
sphären Druck ausgepresst. In allen Fällen zeigte der so gewonnene Press- 
saft eine „Auto- oder Selbstgährung“, die in manchen Fällen sogar die- 
jenige übertraf, welche dieselbe Menge mit Zucker vermischten Presssaftes 
zeigte; z. B. wurde in einem Falle aus 100 ccm frischen Presssaftes 1500 cem 
CO, entwickelt. „Diese Selbstgährung ist anscheinend der Aufmerksamkeit 
Buchner’s entgangen, welcher auf dieselbe nur gelegentlich in einer seiner 
Mittheilungen Bezug nimmt und für das von dem Presssafte selbst entwickelte 
Gas in keinem seiner experimentellen Resultate eine Korrektur angebracht 
zu haben scheint.“ „Aller Wahrscheinlichkeit nach verdankt das Gas, 
welches sich nach Buchner beim Erwärmen der „Zymase“ entwickelt, dieser 
Ursache seine Entstehung.“ 

Entgegen Buchner beobachteten die Verff., dass mit dem zunehmenden 
Alter der Hefe bis zum 3. oder 4. Tage nach dem Einsammeln die Gähr- 
kraft des daraus gewonnenen Presssaftes zunimmt; auf die Erreichung des 
Maximums folgt dann ein sehr schnelles Abnehmen der Wirksamkeit des Press- 
saftes. 

Der Presssaft, selbst bei oder unterhalb 0° aufbewahrt, verliert sehr 
rasch an der Zucker-zersetzenden Kraft, sowie auch an der Selbstgährung. 
Bezüglich der zugesetzten Zuckermenge ist zu bemerken, dass kleinere 
Zackermengen (5—10 pCt.) die günstigsten Resultate gaben, während grössere 
die Einwirkung merklich verlangsamen; Rohrzucker giebt im Allgemeinen 
mehr CO, als Dextrose, Maltose oder Lävulose; auch scheint mit stei- 
gender Temperatur (bis zu 370) bei der Vergährung die Wirksamkeit des 
Presssaftes zuzunehmen. Filtration des Presssaftes durch Chamber- 
land- und Berkefeld-Filter setzt sowohl die Selbstgährung als auch die 
zuckerzersetzende Kraft in beträchtlichem Maasse herab, hebt dieselben jedoch 
niemals ganz auf; durch die Filtration wird auch das specifische Gewicht des 
betrefienden Presssaftes herabgemindert. 

Durch Verdünnung des Presssaftes mit dem gleichen Volumen 
Wasser oder physiologischer (0,75 proc.) Kochsalzlösung wird die 
Gährfähigkeit stark beeinflusst, durch das doppelte Volumen sogar fast ganz 
aufgehoben; dieselbe Beobachtung machte Wroblewski. „Der paralysirende 
Einfluss der Verdünnung auf die Wirksamkeit des Presssaftes steht mit dem 
allgemeinen Verhalten der Enzyme unter ähnlichen Bedingungen in so grossem 
Widerspruch, dass derselbe einen schwerwiegenden Einwand gegen die An- 
nahme der Buchner’sche Enzymtheorie bedeutet.“ 

Das Verhältniss der beider Zuckervergährung durch den Press- 


700 Ernährung. 


saft erzeugten CO, zum Alkohol ist, wenn Korrekturen für die während 
der Selbstgährung des Presssaftes erzeugten Mengen CO, und Alkohol ange- 
bracht werden, bei den einzelnen Presssäften sehr verschieden und entspricht 
nur in den Fällen, ‚in denen ein besonders wirksamer Presssaft verwendet 
wird, annähernd den bei der alkoholischen Gährung erhaltenen Werthen. 
Lässt man den Presssaft auf Zucker (Rohrzucker oder Dextrose) einwirken, 
so ist die verschwindende Zuckermenge erheblich grösser als diejenige, welche 
zur Produktion von Kohlendioxyd und Alkohol verwendet werden konnte. Eine 
einwandsfreie Erklärung für diese letzte Erscheinung ist zur Zeit noch nicht 
möglich; auf Fehler durch die betr. analytischen Methoden ist dieselbe aber 
sicher nicht zurückzuführen. Wesenberg (Elberfeld). 


Buchner E., Bemerkungen zur Arbeit von A. Macfadyen, G. H. Morris 
und S. Rowland: Ueber ausgepresstes Hefezellplasma (Buchner's 
Zymase). Ber. d. Deutsch. chem. Gesellsch. 1900. No 17. S. 3311. 

Bezüglich der vorstehend referirten Arbeit hegt Buchner Zweifel „an 
der Zulässigkeit der Schlussfolgerungen und sogar an der Brauchbarkeit der 
Zahlenangaben“. Zuerst weist B. unter Anführung der betreffenden Zahlen 
auf die Widersprüche hin bezüglich der Angaben der drei Autoren über den 
Einfuss der verschiedenen Zuckerarten; wenn jene Angaben „richtig wären, 
bestände somit ein merkwürdiger Unterschied zwischen Presssaft aus Ober- 
und aus Unterhefe“. Auch bezüglich des Einflusses der Antiseptica wider- 
sprechen sich die Angaben der englischen Autoren, welche überhaupt meist 
nur schwach wirksame Presssäfte benutzten; in einem Versuche wirkte der 
betreffende Presssaft besser bei Thymol- als bei Toluolgegenwart, in einem 
anderen Versuche’ gerade umgekehrt. Des weiteren vermisst Buchner An- 
gaben über die Sterilität bei den einzelnen Versuchen, da bei weniger als 
20 pCt. Zucker die Antisepsis durch 1 pCt. Thymol nicht mehr gesichert ist; 
durch die namentlich in englischer Oberhefe im Gegensatz zur deutschen Unter- 
hefe sehr zahlreich vorhandenen Bakterien können aber derartige Versuche 
völlig unbrauchbar werden. 

Was schliesslich die sogenannte Selbstgährung anbetrifft, so hat Buchner 
in Gemeinschaft mit Rapp darauf hingewiesen, dass Presssaft aus Münchener 
Unterbefe bei der Selbstgährung etwa 10 pCt. der bei Zuckerzusatz sonst er- 
haltenen CO,-Menge liefert; eine diesbezügliche Korrektur hält B. für über- 
flüssig, da fast stets grosser Ueberschuss von Zucker Anwendung findet, und 
es dann gleichgültig ist, ob zuerst der zugesetzte Zucker oder im Presssafte 
vorhandenes Glykogen vergohren wird. Wesenberg (Elberfeld). 


Buchner E., Zymase aus getödteter Hefe. Ber. d. deutsch. chem.Gesellsch. 
1900. No. 17. S. 3307. 

Zur Unterstützung seiner Enzymtheorie tödtete Buchner die Hefezellen 
durch mehrstündiges Erhitzen ab und prüfte den daraus gewonnenen Presssaft 
dann auf seine Gäbrfähigkeit; zu diesem Zwecke wurden je 150 g Hefe im 
Vakuumtrockenapparat 21/—4 Stunden bei Temperaturen von 35— 100% und 
80 mm Druck getrocknet, hierauf durch Erhitzen im Wasserstoffstrom (8 Stunden 


Ernährung. 701 


bei 98—100°, oder 4 Stunden auf 102%, 5 Stunden auf 100 und 10 Stunden 
auf 110%, oder endlich 8 Stunden auf 100—101° und sodann 10 Stunden auf 
110° C.) getödtet und, nachdem sorgfältige Kontrolversuche den sicheren Nach- 
weis der Sterilität geliefert, mit Sand und Kieselguhr unter Zusatz einer 10proc. 
wässerigen Glycerinlösung zerrieben und ausgepresst. Es ergab sich, dass 
14—1/, des gährkräftigen Agens, welches Presssaft aus frischer Unterhefe 
enthält, trotz des Sterilisirens und trotz des jedenfalls mit Verlusten ver- 
knüpften, darauf folgenden Extrahirens wieder in Lösung erhalten war. „Diese 
Versuche entscheiden, wie mir scheint, völlig gegen die Annahme 
von lebenden Plasmastücken als Träger der Gährkraft im Hefe- 
presssaft, denn lebendes Protoplasma war in der sterilisirten 
Hefe überhaupt nicht mehr vorbanden.“ 

Erwähnt mag noch werden, dass durch vorhergehendes, sehr gründliches 
Trocknen die nachfolgende Sterilisation der Hefe durch trockene Hitze ausser- 
ordentlich erschwert wurde, sodass unter Umständen achtstündiges Erhitzen 
im Wasserstoffstrom auf 100° zur Sterilisation nicht genügt. 

Wesenberg (Elberfeld). 


Roha S., Kornhefe als Nahrungs- und Genussmittel und deren Unter- 
suchung im Sinne des Nahrungsmittelgesetzes. Zeitschr. f. Unter- 
suchung d. Nahrungs- u. Genussm. 1900. S. 756. Vortrag, gehalten auf der 
19. Jahresversammlung der freien Vereinigung bayerischer Vertreter der an- 
gewandten Chemie in Bamberg. 

Nachdem durch Reichsgerichtsentscheidung vom 14. Juni 1900 die Hefe 
als Nahrungs- und Genussmittel erklärt ist, wurde von Seiten der Bundes- 
regierungen den Polizeibehörden die Weisung gegeben, dass „beim Vertrieb 
von Hefe Kornhefe nicht mit Kartoffelmehl oder Bierhefe ver- 
mischt und als reine Hefe feilgehalten werden dürfe“. Der Nach- 
weis von Kartoffelstärke gelingt leicht mit Hülfe des Mikroskops oder der 
Färbung der wässrigen Lösung mit Jod; eine genaue quantitative Bestimmungs- 
methode besteht aber zur Zeit noch nicht, da die mikroskopische Zählung bei 
der verschiedenen Grösse der Hefe und Stärke und der Ungleichartigkeit des 
Hefegemisches unzuverlässig ist. Der Nachweis von Bierhefe in Press- 
hefe ist meist unmöglich; in reinem Zustande unterscheiden sich beide durch 
Geruch, Geschmack und Aussehen deutlich von einander; Mischungen mit 
25—30 pCt. Bierhefe sind auf diese Weise aber nicht mehr nachweisbar, die 
mikroskopische Untersuchung versagt in diesem Falle vollständig. Als ein- 
zige analytische Bestimmungsweise steht hier das Verfahren von Bau zur Ver- 
fügung; dasselbe beruht auf der vollständigen Vergährung von Raffinose durch 
Bierhefe, während obergährige Hefe die Raffinose in Lävulose und Melibiose 
spaltet; die Lävulose vergährt, während die Melibiose durch Fehling’sche 
Lösung nachgewiesen werden kann. Es ist aber bei dieser Prüfung zu be- 
rücksichtigen, dass auch reine Getreidepresshefe die Raffinose vollständig, 
wenn auch nur allmählich, zu vergähren in der Lage ist. Es empfiehlt sich 
daher, gleichzeitig vergleichende Prüfungen mit reiner Pressbefe vorzunehmen; 


1702 Ernährung. 


die quantitative Bestimmung der Beimischung von Bierhefe ist zur Zeit noch 
nicht möglich. 

Auf eine Verfälschung mit Melassehefe nimmt der Regierungserlass 
keine Rücksicht; da der Nachweis der Melassehefe in Kornhefe bis jetzt eben- 
falls nicht gelingt, wäre es nach dem Verf. am einfachsten, die wenigen Fa- 
briken, welche Melasse auf Hefe verarbeiten, durch behördliche Ueberwachung 
zur Deklaration ihres Produktes als „Melassehefe“ anzuhalten. 

Die Bestimmung der Gähr- bezw. Triebkraft ist vom Standpunkte der 
Nahrungsmittelkontrole aus überflüssig, da dieselbe ganz von der Gewinnungs- 
weise der Hefe abhängig ist, und weder vom Fabrikanten noch vom Händler 
(abgesehen vom Kartoffelmehlzusatz) verändert werden kann. 

Wesenberg (Elberfeld). 


Wirthle F., Ueber den Nachweis von Saccharin in Wein und Bier, 
wenn dieselben keine Salicylsäure enthalten. Chem.-Ztg. 1900. 
S. 1035. 

Zum Nachweis des Saccharins dient die Ueberführung desselben in Salz- 
säure durch Schmelzen mit Natriumhydroxyd (nicht Kaliumhydroxyd). Verf. 
macht nun darauf aufmerksam, dass diese Reaktion am günstigsten bei einer Tem- 
peratur von etwa 210—220°C. innerhalb 15 Minuten verläuft, und dass höhere 
Temperaturen Zersetzung der gebildeten Salicylsäure veranlassen. Vom Wein 
werden 100 ccm auf etwa 20 ccm eingedampft und nach dem Ansäuern mit 
H,SO, 3 mal mit je 50 ccm Aether ausgeschüttelt; der Aetherlösung werden 
10 ccm einer 0,5 proc. Natronlauge zugefügt, die Mischung in einer kleinen 
Schale verdunstet und im Trockenschrank mit etwa 1 g Aetznatron bei 210 
bis 220° 1/, Stunde lang geschmolzen. Die erkaltete Schmelze wird mit warmem 
Wasser aufgenommen, mit Schwefelsäure angesäuert und mit Aetber-Petroläther 
ausgeschüttelt; der abgedunstete Aetherrückstand wird mit sehr verdünnter 
Eisenchloridlösung geprüft; noch 1 mg Saccharin in 100 ccm Wein giebt dann 
eine sehr schöne Violetfärbung, während saccharinfreie Weine höchstens eine 
schmutzig-gelbrothe Färbung liefern. Zum Saccharinnachweis im Bier werden 
100 ccm desselben mit einigen Kubikcentimetern einer gesättigten Kupferacetat- 
lösung und dann mit Natriumphosphatlösung versetzt, und erst das Filtrat 
nach dem Eindampfen und Ansäuern mit Aether ausgeschüttelt und wie oben 
weiter behandelt. Saccharinfreie Biere geben hierbei mit FeCl, höchstens 
schwache Rothfärbung, während 1 mg Saccharin die charakteristische Violet- 
färbung verursacht. Wesenberg (Elberfeld). 


Bertarelli E., Ueber die Verfälschung des gebrannten Kaffees mittels 
Zusatzes von Wasser und Borax. Zeitschr. f. Untersuchg. d. Nahrgs.- u. 
Genussm. 1900, S. 681. 

Bei der Untersuchung von 11 gebrannten Kaffeeproben fand Verf. 
in 2 Proben einen unzulässig hoben Gehalt an Wasser, obne dass die 
Bohnen in ihrer äusseren Beschaffenheit auf diesen Gehalt deuteten; diese 
Fälschung wird durch Zusatz von geringen Mengen Borax erreicht. Wird 
nämlich frisch gebrannter Kaffee mit einer siedenden 5 proc. Boraxlösung über- 


Ernährung. 703 


gossen und getrocknet, so behält der Kaffee einen Wassergehalt von 10 pCt. 
and darüber; diese Manipulation geschieht natürlich in betrügerischer Absicht, 
da normal gebrannter Kaffee nicht mehr als 3 bis höchstens 4 pCt. Wasser 
enthält. Der Nachweis des Borax gelingt leicht in der Asche, die sich 
schon durch das glasartige, glänzende Aussehen verdächtig macht, mit Hilfe 
der Curcuma- bezw. Alkohol-Flammen-Reaktion. Auch im eingedampften 
Kaffeeaufguss kann man den Boraxnachweis führen. 
Wesenberg (Elberfeld). 


Weimans P., Nachweis von Traganth und Dextrin in Kakao und 
Chokoladen und annähernde Bestimmung des Dextrins durch 
Polarisation. Zeitschr. f. öffentl. Chem. 1900. S. 478. 

Während normale Chokoladen etwa 0,5—1,5, selten bis 2 pCt. Feuch- 
tigkeit enthalten, werden neuerdings solche mit bedeutend höherem Wasser- 
gehalt in den Handel gebracht; in diesen ist der höhere Feuchtigkeitsgehalt 
nicht durch Zusatz von Kakaobutter ermöglicht, sondern durch Anwendung von 
wasseranziehenden Substanzen wie Leim (Gelatine), Traganth und Dextrin, 
welche Substanzen die Chokolade gleich noch „vollmündiger“ machen. Ist 
die Feuchtigkeit zu hoch befunden worden, so wird zuerst die Stickstoffbe- 
stimmung Auskunft geben über die Verwendung von Gelatine; der Eiweiss- 
gebalt der Kakaobohnen beträgt 15—16 pCt. der Bohnen oder 30—331/; pCt. 
der fettfreien Trockensubstanz; auch kann die Gelatine nach dem Verfahren 
von P. Onfroy nachgewiesen werden, nach welchem 5 g Chokolade mit 50 ccm 
siedendem Wasser angerührt und mit 5 ccm 10 proc. Bleizuckerlösung versetzt 
werden; im Filtrat giebt dann koncentrirte Pikrinsäurelösung, bei Gegenwart 
von Gelatine, einen gelben Niederschlag. 

Auf Traganth deutet die mikroskopische Prüfung; es werden 5 g eines 
ganz entfetteten Kakaos mit verdünnter Schwefelsäure zum dicken Brei ver- 
rieben, dann 10 Tropfen Jodjodkaliumlösung zugegeben und nach innigem 
Durchmischen mit etwas Glycerin versetzt; bei etwa 160 facher Vergrösserung 
in dünner Schicht beobachtet, zeigen sich dann die grossen, dem Kartoffelmehl 
ähnlichen Zellen des Traganth. Uebrigens liefert die Behandlung mit Schwefel- 
säare und Glycerin derartig vorzüglich klare Bilder (ohne Quellung), dass Verf. 
dieses Aufhellungsverfahren für die mikroskopische Prüfung des Kakaos über- 
haupt empfiehlt. 

Dextrin kann leicht durch die Polarisation nachgewiesen und bestimmt 
werden, da Dextrin durch Bleiessig allein nicht gefällt wird, wohl aber durch 
Bleiessig nach Zusatz von Ammoniak; durch Polarisation vor dem Ammoniak- 
zusatz wird also Zucker + Dextrin, nach Ammoniakzugabe aber Zucker allein 
bestimmt. Natürlich kann auch rein chemisch die Dextrinbestimmung ausge- 
fübrt werden, indem einerseits durch organische Säuren nur die Saccharose, 
andererseits durch Salzsäure oder Schwefelsäure Saccharose + Dextrin invertirt 


und durch Fehling’sche Lösung bestimmt wird. 
Wesenberg (Elberfeld). 


704 Ernährung. 


Anmüller, Johann Baptist, Ueber das Zinn der in Blechbüchsen ver- 
wahrten Gemüsekonserven und dessen Resorption im Darmkanal. 
Inaug.-Diss. Würzburg 1899. 

Schon vielfach ist von Chemikern in Gemüse- und Früchtekonserven 
Zinn nachgewiesen worden, welches von den Wandungen der verzinnten Kon- 
servebüchsen in Lösung gegangen war. Es wurde ferner festgestellt, dass 
nicht nur organische Säuren, sondern auch Alkalien und sogar neutrale Salze 
wie Kochsalz und Salpeter das Zinn anzugreifen vermögen. Verf. schied das 
Zinn auf elektrolytischem Wege ab und fand z. B. in 200 ccm Brühe von ein- 
gemachten Erbsen 5,8 mg Zinn, in 100 g Erbsen 13,9 mg Zinn und in 
250 g Spargel 29,7 mg Zinn; die Spargel besassen also, wie auch früher schon 
gefunden, den höchsten Zinngehalt. 

Der zweite Theil der Arbeit sucht die Frage zu beantworten, ob Schädi- 
gungen der Gesundheit durch fortgesetzten Genuss zinnhaltiger Konserven 
bewirkt werden können. Verf. nahm selbst im Laufe eines halben Tages 
ca. 0,04 g reines Zinnchlorür und konnte in dem während der nächsten 
24 Stunden ausgeschiedenen Harn Zinn nachweisen und zwar mehrere Milli- 
gramm. Nach Genuss von 500 g Schnittbohnen konnten in dem während der 
nächsten 48 Stunden gesammelten Harn 3,6 mg Zinn nachgewiesen werden. 
Sind diese Mengen auch gering, so zeigen sie doch, dass das mit den Kon- 
serven aufgenommene Zinn zum Theil von der Magendarmschleimhaut resorbirt 
wird, und dieser Umstand lässt eine länger andauernde ausschliessliche Ver- 
pflegung mit Konserven z. B. im Kriege nicht unbedenklich erscheinen wegen 
der Gefahr chronischer Zinnvergiftung. Verf. erwähnt schliesslich noch ein 
holländisches Verfahren von C. Verwer, nach dem die Innenwand der Büchsen 
mit einem besonderen Firniss überzogen wird, der der Einwirkung der Ge 
müse völlig widerstehen soll. Klostermann (Halle a.S.). 


Lewin A., Untersuchungen an Kupferarbeitern. Aus dem pharmakolo- 
gischen Laboratorinm von Prof. L. Lewin in Berlin. Deutsche med. 
Wochenschr. 1900. No. 43. S. 689. 

Trotz zahlreicher Beobachtungen und Versuche besteht noch heute keine 
Einigung darüber, ob das metallische Kupfer oder seine Salze die Fähigkeit 
besitzen, eine chronische Vergiftung beim Menschen zu erzeugen. Doch lässt 
sich aus zahlreichen Untersuchungen an Kranken, sowie aus Selbstversuchen 
erkennen, dass die chronische Aufnahme von Kupfersalzen kein chronisches 
Leiden, sondern höchstens Symptome der Gastrointestinalreizung erzeugt. Die 
akute Vergiftung mit sebr grossen Mengen von Kupfersalzen ist erst recht 
nicht im Stande, Nachwirkungen, also Symptome einer chemischen resp. funk- 
tionellen Kumulation zu veranlassen. Das entscheidende Experiment über den 
Grad der Giftigkeit des Kupfers liefern die gewerblichen Verbältnisse, unter 
denen seine Aufnahme sich akut oder chronisch vollzieht. Verf. machte daher 
zahlreiche Untersuchungen bei Arbeitern in verschiedenen Messingwerken, 
Kupferhämmern und Bronzegiessereien, wo reichlich Gelegenheit ist, metallisches 
Kupfer oder Kupferoxydul oder Kupferoxyd staubförmig durch die Lungen oder 
in den Nahrungsmitteln aufzunehmen. 


m — Ê- a o ee —— 


Alkoholismus. 705 


Diese Untersuchungen an einem grossen Material ergaben, dass zwar die 
akute Aufnahme sehr beträchtlicher Mengen des Metalls in die Athemwege 
oder den Magendarmkanal Belästigungen veranlassen kann, die sich in der 
mechanischen Wirkung als Fremdkörper oder den chemischen Beziehungen 
des reinen oder in die Salzform übergegangenen Metalls zu den direkt ge- 
troffenen Schleimbäuten äussern. Diese Schädigung schwindet aber selbst da, 
wo sie bedrohlich erscheint, schnell wieder und hinterlässt keine Nachwirkung. 
Ferner zeigten die Beobachtungen, dass es beim Menschen keine chronische 
Kupfervergiftung giebt. Da, wo ein oder der andere Kupferarbeiter Gesund- 
heitsstörungen aufweist, ist es wissenschaftlich richtiger, sie auf andere, zu- 
gleich mit dem Kupfer verarbeitete giftige Metalle oder auf die Arbeit an sich, 
d.h. ihre Schwere und zu lange tägliche Dauer oder auf schlechte hygienische 
Verhältnisse oder endlich auf individuelle Anlage zurückzuführen, als das 
Kupfer dafür verantwortlich zu machen. Dieses Ergebniss beweist nach L. 
von Neuem, dass es nicht angängig ist, die akute oder chronische Aufnahme 
kleiner Mengen von organisch gebundenem oder freiem Kupfer oder Kupfer- 
salzen in Nahrungs- und Genussmitteln, die subjektiv sich wenig oder gar 
ticht durch den unangenehmen Kupfergeschmack bemerkbar machen, als eine 
Quelle für die Gesundheitsstörung verantwortlich zu machen. Ist eine solche 
erfolgt, so kann sie auf alle anderen Ursachen, nur nicht auf das Kupfer 
bezogen werden. Dieudonné (Würzburg). 


Tribeulet H. et Felix Mathieu, L’alcool et l’alcoolisme. Notions générales, 
toxicologie et physiologie, pathologie, therapeutique, prophylaxie. Paris 
1900. Georges Carré et C. Naud, editeurs, rue Racine 3. 253 Seiten 8°. 
Preis: in Leinwand gebunden 5 Frcs. 

Der Inhalt dieses Bandes der „Bibliotheque de la Revue generale des 
Sciences“ ergiebt sich aus dem Titel. Die Verff. suchen bei den einschlä- 
gigen Fragen Tendenz thunlich zu meiden, insbesondere auch im medici- 
nischen Theile, der fast drei Fünftel des Ganzen (Seite 49—181) umfasst und 
mit Ausnahme der Beziehung des Alkoholismus zu den Hirnerkrankungen 
— die einer besonderen Bearbeitung vorbehalten wird — die Toxikologie, 
Physiologie, Pathologie und Therapie eingehend bespricht. Ein klinischer 
Anhang behandelt, von der gewöhnlichen Alkoholvergiftung gesondert: „Oeni- 
lisme“ und „Absinthisme“. Unter der pharmaceutischen Therapie finden sich 
Strychnin und ein als „Autiethyline* bezeichnetes, aus dem Blute trunksüch- 
tiger Pferde gewonnenes Heilserum, das selbst bei Thieren unüberwindliche 
Abneigung gegen alkoholische Getränke oder Nahrung erweckte! Ein be- 
sonderer Abschnitt: „Demographie de la consommation“ (S. 187—198) ver- 
gleicht die Stärke der weingeistigen Durchseuchung der gebildeten Völker, 
wobei Frankreich an der Spitze bezüglich des jährlichen Gesammtverbrauchs 
an Alkohol zu stehen kommt. 

Der letzte Abschnitt: „Prophylaxie de l’alcoolisme“ bespricht in vier 
Paragraphen die strafrechtliche, bürgerliche und Sondergesetzgebung, sowie 


706 Alkoholismus. 


die „Initiative privée“. Zum Schlusse finden sich unter „Conclusions“ die 
gegen die Trunksucht von den Verff. vorgeschlagenen Maassnahmen zusammen- 
gefasst. 

Die Ausstattung ist dem Rufe der Verlagshandlung entsprechend tadellos; 
selten nur stört ein nicht unter „Errata“ (S. 253) verzeichneter Satzfehler. 
Beim wissenschaftlichen Gebrauche aber misst man ungern ein alphabetisches 
Register. Helbig (Serkowitz). 


Wulfert, Einiges über Ziele und Aufgaben der Berliner Gesellschaft 
abstinenter Aerzte. Vortrag, gehalten in der ersten Sitzung der Ber- 
liner Gesellschaft abstinenter Aerzte am 25. Juni 1900. Deutsche Viertel- 
jahrsschr. f. öffentl. Gesundheitspfl. Bd. 32. S. 624. 

Die Berliner Gesellschaft abstinenter Aerzte, die sich vor Kur- 
zem gebildet, ist eine Orts- oder Landesgruppe des grossen, über das ganze 
deutsche Sprachgebiet sich erstreckenden Vereins abstinenter Aerzte. Der 
Verein bezweckt, die‘durch die Alkoholforschung gewonnenen sicheren Ergeb- 
nisse unter Aerzten und Nichtärzten bekannt zu machen und darauf hinzu- 
wirken, dass in ihrem Bezirk diejenigen socialen und wirthschaftlichen Vor- 
bedingungen geschaffen werden, die für eine erfolgreiche Behandlung der 
Trinker nothwendig sind, während die social-ethische und wirthschaftliche 
Behandlung der Frage und die hieraus sich ergebenden praktischen Aufgaben 
anderen Vereinen überlassen bleiben. 

Verf. beginnt mit einer kurzen Erörterung über die wissenschaftlichen 
Ergebnisse der Alkoholforschung, namentlich die Frage nach dem Nährwerth 
des Alkohols und seiner therapeutischen Bewerthung, letzteres unter Beschrän- 
kung auf einige chronische Krankheiten. Bei der Besprechung der prak- 
tischen Aufgaben des Vereins und seines eigentlichen Zieles, der Trinkerhei- 
lung, erklärt der Verf. als geeignet für die Heilung von Trinkern nur die- 
jenigen Anstalten, die in sich, in der Gesammtheit ibres Personals einen 
kleinen Abstinenzverein darstellen uud deren Terrain zugleich als „alkobol- 
freie Insel“ im Sinne Kablbaum’s gelten kann. Nach der Entlassung aus 
der Anstalt ist wiederum der Abstinenzverein für die meisten geheilten 
Trinker unentbehrlich — daraus, dass der Verf. den Abstinenzverein nicht für 
alle erforderlich hält, ergiebt sich, dass der Verf. unter Umständen auch 
eine Dauerheilung ohne Zwang und ohne das Beispiel völliger Abstinenz für 
möglich hält. 

Der zweite Theil der praktischen Aufgabe bezweckt, die Umgebung zu 
bessern, die terroristische Herrschaft der Trinksitten zu brechen und die Ge- 
sellschaft vom Alkoholismus zu befreien. Wenn die intellektuell und ethisch 
hervorragenden Kreise der Gesellschaft an dem Kampf gegen den Alkoholis- 
mus nicht ein reges Interesse bekunden, wenn sie sich gleichgültig oder gar 
widerstrebend verhalten, werden auch die besten Gesetze zur Erreichung des 
erstrebten Zieles als unzureichend sich erweisen. Hierbei darf nicht ver- 
gessen werden, dass aller Fortschritt auf sittlichem Gebiet nur ein langsamer 
und allmählicher ist, dass auch hier viele Wege zum Ziele fübren und dass. 
wo das Ganze nicht zu erreichen, auch unter dem Zeichen der Mässigkeit 


Desinfektion. 707 


Siege errungen und Existenzen gerettet werden können. Beide, Enthaltsam- 
keit und Mässigkeit, erstreben das gleiche Ziel, die Bekämpfung der Trunk- 
sucht, beide sollen sich deshalb ergänzen und gegenseitig zu fördern suchen. 
Jedenfalls wird man vom Standpunkte der Volksgesundheit den Bestre- 
bungen des Vereins abstinenter Aerzte nur besten Erfolg wünschen können. 
Wenn irgendwo, ist gerade auf diesem Gebiete das Beispiel von ausschlag- 
gebender Bedeutung. Roth (Potsdam). 


Ottolenghi, Donato, I batteri patogeni in rapporto ai disinfettanti. 
Tabelle pratiche ad uso degli ufficiali sanitari, dei medici e 
degli studenti. Con prefazione del Prof. G. Bizzozero. Torino. Rosen- 
berg e Sellier. 1899. Preis: L. 6. 

Vorliegende Tabellen sind eine ausserordentlich fleissige und werthvolle 
Zusammenstellung fast alles dessen, was hinsichtlich der Widerstands- 
fähigkeit der für den Menschen pathogenen Bakterien gegenüber den ver- 
schiedensten schädigenden Einflüssen in der bakteriologischen Literatur nieder- 
gelegt ist. Vom Verf. wurden nach Möglichkeit die Arbeiten deutscher, französi- 
scher, italienischer, englischer und russischer Autoren berücksichtigt und zwar 
aller jener, welche bis Ende 1898 erschienen sind. Die Zusammenstellung betrifft 
den Tuberkelbacillus, den Vibrio cholerae asiaticae, den Bac. diphtheriae, den 
Bac. mallei, den Influenzabacillus, den Erreger der Bubonenpest, des Starr- 
krampfes, des Milzbrandes und des malignen Oedems, ferner den Staphylo- 
coccus pyogenes aureus, den Streptococcus pyogenes, den Diplococcus pneu- 
moniae, den Micrococcus gonorrhoeae und das Bact. coli. Die Beobachtungen 
sind auf 119 Seiten in Tabellenform wiedergegeben, und zwar ist jede Seite 
in 3 Kolonnen getheilt, vop denen in der ersten der Name des Desinficiens 
und der diesbezügliche Literaturhinweis angegeben ist, während die zweite die 
näheren Versuchsbedingungen und die dritte das Resultat enthält. 

Wenn Bizzozero in der Vorrede sagt, dass man beim bakteriologischen 
Arbeiten oder im Öffentlichen Sanitätsdienst beim Ausführen von Desinfektionen 
häufig in die Lage kommt, über die Widerstandsfäbigkeit eines Krankbeits- 
erregers genau orientirt zu sein, so kann ihn darin nur zugestimmt werden 
und ist das Erscheinen der vorliegenden Arbeit, welche einem wirklichen 
Bedürfniss entgegenkonimt, nur zu begrüssen. Sehr zweckmässig erscheint 
auch die am Schluss gegebene Literaturübersicht, welche über 300 Citate ent- 
hält, und es kann nur gewünscht werden, dass durch Uebertragung in andere 
Sprachen das Buch recht weite Verbreitung findet. Hammerl (Graz). 


Raschig F., Verfahren, Metakresol in Kresolgemischen zu bestimmen. 
Zeitschr. f. angew. Chem. 1900. S. 759. 

Das Verfahren des Verf.s zur Bestimmung des Metakresols in 
Kresolgemischen beruht auf der Eigenschaft des mı-Kresol, beim Nitriren 
Trinitro-m-Kresol zu bilden, während o- und p-Kresol bei der hier in Betracht 
kommenden Nitrirungsart völlig zu Oxalsäure verbrennen. Genau 10 g Kresol 


708 Desinfektion. 


werden in einem kleinen Erlenmeyer-Kolben mit 15 ccm gewöhnlicher 
Schwefelsäure von 66° Be. mindestens 1 Stunde im Dampftrockenschrank stehen 
gelassen. Den Inhalt giesst man dann in einen weithalsigen Kolben von 
etwa 1 Liter und kühlt unter der Wasserleitung unter Umschwenken ab. In 
den Erlenmeyer-Kolben werden dann 90 cem gewöhnliche Salpetersäure von 
40° Be. gegeben, die im Kolben vorhandenen Sulfosäurereste darin gelöst und 
das ganze Quantum Salpetersäure auf einmal in den Literkolben gegossen. 
Dieser wird dann sogleich, bis zur völligen Lösung der Sulfosäuren (etwa 
20 Secunden lang) kräftig umgeschüttelt, danach sofort unter den Abzug ge- 
stellt, wo nach etwa 1 Minute eine heftige Reaktion eintritt (lebhaftes Kochen 
und Entwickelung nitroser Dämpfe). Nach etwa 10 Minuten giesst man den 
ganzen Kolbeninbalt in eine Schale, die bereits 40 ccm Wasser enthält, und 
spült mit weiteren 40 ccm Wasser nach; hierbei erstarrt das vorher gebildete 
Oel unter Entweichen nitroser Gase zu einem Krystallbrei; nach völligem Er- 
kalten (nach mindestens 2 Stunden) wird dieser grob zerdrückt, auf ein ge- 
wogenes Saugfilter gebracht, mit 100 ccm Wasser nachgewaschen, bei 95 bis 
100° getrocknet und gewogen. 1,74 g Trinitro-m-Kresol entsprechen 1 g m- 
Kresol. Geringe Mengen von Phenol stören die Genauigkeit der Analyse nicht; 
bei mehr als 10 pCt. Phenolgehalt aber ist dies Verfahren nicht anwendbar; 
in solchem Falle bleibt das Nitroprodukt im Trockenschrank bei 95—100° 
nicht fest, sondern zerfliesst oder erweicht wenigstens, wodurch schon auf die 
Anwesenheit grösserer Mengen von Phenol bezw. auch von Xylenol hingedeutet 
wird. Wesenberg (Elberfeld). 


Tonzig, Contributo allo studio dei cosidetti saponi disinfettanti. 
Gazetta degli ospedali e delle cliniche. 1900. No. 6. 

In den letzten Jahren sind eine ganze Reihe angeblich desinficirender 
Seifen in den Handel gebracht und angepriesen worden, wie Sublimat-, Bor-, 
Salieyl- u. dörgl. Seifen. Bei genauer wissenschaftlicher Prüfung hat aber 
keine von ihnen in der That die angebliche desinficirende Kraft in höhe- 
rem Maasse gezeigt, als die gewöhnlichen Seifen, denen ebenfalls eine ge- 
wisse keimtödtende Eigenschaft zukommt. Die zugesetzten fäulnisswidrigen 
Mittel bilden nämlich mit gewissen Bestandtheilen der Seife neue chemische 
Verbindungen, die diese Wirkung der Desinficientien aufheben und zunichte 
machen. 

Der Verf. bat derartige Versuche mit verschiedenen Creolinseifen an- 
gestellt und ist ebenfalls zu dem genannten Resultat gekommen. 

Jacobitz (Halle a. S.). 


Schenk F. und Zaufal G., Weitere Beiträge zur Bakteriologie der me- 
chanischen Desinfektion der Hände. Münch. med. Wochenschr. 1900. 
No. 45. S. 1558. 

Die Verff. geben zunächst eine Uebersicht über die letzten von Krönig, 
Krönig und Blumberg, Saenger, Paul und Sarwey, Hanel, Bumm, 
Haegler und von Fuchsig herrührenden einschlägigen Arbeiten und betonen, 
dass die Anschauungen über die bei Versuchen über Händedesinfektion zu 


Desinfektion. x 709 


beobachtenden Regeln noch wesentlich von einander abweichen und dass so 
wohl die divergenten Resultate der verschiedenen Autoren zu erklären seien. 

Die Verff. bedienten sich eines bereits früher angewandten und in der 
Münch. med. Wochenschr. 1900, No. 15, S. 503 beschriebenen Verfahrens. 
Die Keimentnahme erfolgte durch gründliches Abschaben der Volar- und 
Dorsalflächen der Hände, sowie der Unternagelräume und Nagelfalze mittels 
eines scharfen Messers. Als Nährboden diente Bouillon bezw. Agar. 

Durch frühere Experimente hatten Sch. und Z. festgestellt, * dass eine 
lediglich mechanische Händereinigung, wie sie durch die Saenger’sche 
Sandseife und durch die von Schleich angegebene Marmorseife zu er- 
reichen ist, zur Entkeimung der Haut ungenügend, dass vielmehr eine 
nachfolgende Waschung mit einer desinficirenden Lösung unent- 
behrlich sei. ğ 

Durch eine neue Untersuchungsreihe wurde ermittelt, dass der desin 
fektorische Werth der Waschung mit Saenger’s Sandseife den der 
Reinigung mit Schmierseife und steriler Bürste überträfe, und dass 
die erstere sowohl bei der Reinigung der Hände wie bei der Vorbe- 
reitung des Operationsterrains die gleichen Vorzüge darböte. Der nach 
den beiden Waschungen ermittelte Keimgehalt der Hände weist zwar keine 
besonderen Unterschiede auf. Bei Verwendung der Sandseife aber werden 
die tieferen Hautschichten in Mitleidenschaft gezogen und so eine nachdrückliche 
Wirkang erzielt, während jegliche unwillkommene Reizung der Haut fehlt, wie 
sie bei Gebrauch von Sapo kalinus nicht gerade selten beobachtet wird. Nach 
der 5 Minuten währenden Waschung mit Sandseife rathen Sch. und -Z. die 
Hände 3 Minuten lang mit einem Desipficiens zu bebandeln. Als solches 
kann das von Krönig und Blumberg befürwortete Aethylendiamin- 
Quecksilbereitrat (1: 1000), oder das von v. Sicherer empfohlene Queck- 
silberoxycyanid (2:1000) oder endlich die übliche Sublimatlösung 
(1:1000) verwandt werden, doch hat es sich als rathsam erwiesen, diese 
Lösungen möglichst heiss zu wählen. 

Schumacher (Strassburg i. E.). 


Gorini, Sulla disinfezione degli ambienti mediante la formaldeide. 
Il Policlivico. 1. März 1900. p. 129. 

Auf Veranlassung des italienischen Ministers des Innern hat Gorini ver- 
gleichende Untersuchungen über Formalindesinfektion mit dem Trillat- 
schen, dem Flügge’schen und dem Schering’schen Apparat (einfach 
und kombinirt) angestellt, die zugleich den Zweck verfolgten, die ge- 
ringste Formaldehydmenge festzustellen, die bei Anwendung der ein- 
zelnen Apparate noch gerade für eine wirksame Desinfektion ausreicht. 

Als die besten, bequemsten und wirksamsten Verfahren empfiehlt 
der Verf. das Flügge’sche und das kombinirte Schering’sche, weil sie 
die Uebersättigung mit Wasserdampf sicherten und auch keiner besonderen 
Ueberwachung während ihrer Thätigkeit bedürften. 

Die wirksame Menge Formaldehyd beträgt für 1 cbm und 24 Stun- 
den nach des Verf.’s Untersuchungen 2 g. 


710 > Desinfektion. 


Besonders geeignet ist die Formalindesinfektion für grosse Räume mit 
grossen, glatten Wänden und möglichst wenig Utensilien und Möbeln. Gorini 
empfiehlt ihre Anwendung daher ganz besonders für Schulen, Kasernen, 
Krankenhäuser u. dergl. Jacobitz (Halle a.S.)., 


Flick C., Ein Kontrolversuch zur Glykoformal- und kombinirten 
Paraformaldehyd-Desinfektion. Centralbl. f. Bakteriol. Bd. 28. No. 8/9 
S. 244. 

Bei diesem Versuch wurde peinlichst darauf geachtet, dass in beiden 
Kontrolfällen absolut dieselben Vorbedingungen gegeben waren. Die Des- 
infektion fand in zwei an einander liegenden Räumen statt, in denen die 
Abdichtung in der von Flick angegebenen Lehmabdichtungsmethode 
bestand. Als Testobjekte dienten Kretonplättcheu, "die mit einer 24 Stunden 
alten Staphylokokkenbouillon durchtränkt waren. Die Lagerung der 
Objekte war in allen Fällen dieselbe. Der Versuch mit dem Lingner’schen 
Glykoformalapparat dauerte 5 Stunden; verwendet wurden nur 2 Liter 
Glykoformal. Mit Schering’s Aeskulapapparat wurde 7 Stunden desin- 
ficirt und 320 Pastillen a 1 g verwendet. 

Die Resultate fielen zu Gunsten des Lingner’schen Apparates aus. 
Trotzdem bei diesem Versuch nur 20 pCt. Testobjekte offen lagen, waren die 
Resultate besser als bei dem Schering’schen Apparat. In 86 pCt. wurde 
mit der halben Glykoformalmenge Wachsthumshemmung erzielt, mit Paraform- 
aldehydpastillen nur in 86,6 pCt. Die desinficirende Kraft des Glykoformals 
reichte in mit Rosshaar gestopften Messeprouvetten 6 cm tief. 

Es wird gleichzeitig hervorgehoben, dass die Lehmabdichtung (Modellir- 
thon) ein wesentlicher Faktor bei der Erreichung guter Resultate ist, da sie 
das Abströmen nach anderen Zimmern ausschliesst. Im Gegensatz zu diesen 
günstigen Erfolgen stehen die neuerdings von Abba und Rondelli (vgl.diese 
Zeitschr. 1901. S. 468) veröffentlichten Resultate der vergleichenden Form- 
aldehyddesinfektion. Diese fanden, dass die nach den bekannten Vorschriften 
angestellte Desinfektion durchaus keine ausreichende sei. (Ref.) 

R. O. Neumann (Kiel). 


Frank G., Verfahren zum Desinficiren thierischer Haare mittels der 
Dämpfe des Holzessigs. Patentschr. No. 114 275. 

Nach diesem Verfahren werden die zu desinficirenden Haare in einen 
möglichst hermetisch verschliessbaren Behälter gebracht, in welchen die Holz- 
essigdämpfe hineingeleitet werden. Zur Verhütung der Kondensation der 
Dämpfe muss der Behälter auf 90—95° erwärmt werden. F. empfeblt, die 
Dämpfe oben in den Apparat eintreten zu lassen, „weil diese schwer sind 
und beim Eintritt von oben die Luft aus den fest verschnürten Bündeln heraus- 
drücken und gewissermaassen von selbst in die Haare eindringen“. Vor- 
theilhaft soll vorher die Luft aus dem Apparat ausgepumpt werden. Erst 
wenn danach der Apparat mit den Dämpfen gefüllt ist, sollen dieselben durch 
Oeffuung eines Hahnes abgelassen werden und nun ein Strömen des Dampfes 
durch die Bündel beginnen. Die ausgetretenen Dämpfe werden durch Konden- 


Desinfektion. Gewerbehygiene. 711 


sation von Neuem verwerthbar gemacht. Nach Beendigung der Desinfektion werden 
die zurūckgebliebenen Dämpfe abgesaugt und reine Luft durchgesaugt. Eine 
sichere Vernichtung von Milzbrandsporen soll in 3 Stunden erzielt werden. 
Da hellfarbige Borsten bei diesem Verfahren gefärbt werden, kann man für 
diesen Fall die Dämpfe entweder vorher durch Watte filtriren, oder die durch 
die Desinfektion gefärbten Borsten durch nachträgliches Waschen wieder ent- 
färben. Gegenüber der Desinfektion mit strömendem Wasserdampf soll dies 
Verfahren den Vortheil bieten, dass die Spitzen der Haare nicht weich und 
kraus werden, essollauch von allen anderen sonst für diesen Zweck empfohlenen 
Desinfektionsmitteln sich dadurch unterscheiden, dass es Zuverlässigkeit der 
Abtödtung der Milzbrandsporen mit Unschädlichkeit für das Material verbinde. 
(Die Angaben bedürfen wohl der Nachprüfung. Ref.) Martin (Berlin). 


Frank G., Verfahren zum Desinficiren thierischer Haare mittels 
der Dämpfe des Spiritusvorlaufes. Patentschr. No. 114 495. 

Das Verfahren äbnelt sehr dem im vorigen Referat beschriebenen, der 
wesentliche Unterschied besteht in der Anwendung des Spiritusvorlaufs 
an Stelle des Holzessigs. Der Behälter für das zu desinficirende Material 
darf nur auf 65—70° erhitzt werden. Die Eintrittsstelle der Dämpfe ist 
gleichgültig. Der Apparat kann aus Metall sein, was bei Anwendung des 
Holzessigs nicht angängig ist. Die Einwirkungsdauer der Dämpfe muss 
4 Standen betragen. Ein Vortheil gegenüber dem Verfahren mit Holzessig 
besteht darin, dass weisse Borsten nicht gefärbt werden. Das Verfahren 
soll, wie das vorige, auch für Felle anwendbar sein. Den eigentlich desinfi- 
eirenden Antheil der Dämpfe sieht F. in dem Acetaldehyd, welcher hier, in 
starker Verdünnung, desinficirend wirke, ohne zu schädigen. 

Martin (Berlin). 


Societe Marseillaise d’hygiene publique et de desinfection a Mar- 
seille. Verfahren zur Desinfektion mittels Formaldehyddämpfen. 
Patentschr. No. 114 274. 

Nach diesem patentirten Verfahren werden den Formaldehyddämpfen: 
Senföldämpfe beigemischt, wozu man am einfachsten einer zu verdampfenden 
Formalinlösung Senföl zusetzt. Durch die Senföldämpfe soll die eiweiss- 
koagulirende Eigenschaft der Formaldehyddämpfe aufgehoben werden, also 
die Formaldehyddämpfe auch zur Desinfektion eiweisshaltigen Materials 
geeigneter gemacht werden. Martin (Berlin). 


Wotzdorf, Die im Zinkhüttenbetriebe beobachteten Gesundheits- 
schädigungen und die zu ihrer Verhütung erforderlichen Maass- 
nahmen. Arb. a. d. Kais. Ges.-Amt. Bd. 17. S. 441. 

Io dem ersten Theil der vorliegenden Abhandlung schildert Verf. ein- 
gehend den Betrieb der Zinkhütten, wobei besonders diejenigen Manipu- 
lationen berücksichtigt werden, bei welchen die damit beauftragten Arbeiter 
irgendwie Gesundheitsschädigungen ausgesetzt sind. Die Beschreibung 


712 Gewerbehygiene. 


dieser letzteren bildet den Inhalt des zweiten Theils. Unter allen diesen Er- 
krankungen steht in der Häufigkeit obenau die Bleivergiftung, die in den 
verschiedensten Formen zur Beobachtung kommt. Es wurden in den Zink- 
bütten der Silesia zu Lipine während der 7 Jahre 1879—85 an Bleikolik 
427, an Gelenkschmerzen 169, an Bleilähmungen 109 Patienten ärztlich be- 
handelt. Weiter führen Gesundheitsschädigungen herbei die reichliche Evt- 
wickelung von Kohlenoxydgas in den Arbeitsräumen, von Schwefelwasserstoff 
und schwefliger Säure. Kopfschmerzen, Benommenheit, Schwindelanfälle, Augen- 
bindehautentzändung und Krankheiten der Verdauungswerkzeuge sind hierauf 
zurückzuführen, während die häufigen und mannigfaltigen Hautkrankheiten 
der Hüttenarbeiter auf Verunreinigung der Luft mit Staub und Feuergasen 
beruhen. Mehrfach wurde Nachtblindheit in Folge der grellen Lichtausstrah- 
lung der Oefen beobachtet. Am häufigsten werden von diesen Erkrankungen 
die Arbeiter der Zinkhütten Oberschlesiens befallen, während im Rheinland und 
in Westfalen die Verhältnisse relativ günstiger liegen. Ihre Ursache bat diese 
Erscheinung nicht etwa in besseren Einrichtungen dieser Zinkhütten, sie ist 
vielmehr in der körperlichen und gesundheitlichen Minderwerthigkeit des ober- 
schlesischen Arbeiters zu suchen. — Im dritten Theil der Abhandlung gebt 
Verf. auf die zur Verhütung dieser Gesundheitsschädigungen erforderlichen 
Maassnahmen ein. Dieselben knüpfen sich eng an die Ausführungen des 
ersten Theiles an und finden sich sämmtlich in den Vorschriften berücksich- 
tigt, die der Bundesrath am 6. Februar 1900 über die Einrichtungen und den 
Betrieb von Zinkhütten erlassen hat. Die Vorschriften selbst sind am Schlusse 
der Abhandlung aufgeführt. Wolf (Dresden). 


Lepine, Etude sur les Hematomyelies (chapitre: „Maladies des 
caissons“). Paris et Lyon 1900. Masson. 

Der Verf. hat, angeregt durch einen von ihm bei einem Arbeiter beob- 
achteten Krankheitsfall, der nach allzuschnellem Verlassen eines Caisson an 
Paraplegie erkrankt war, Versuche an Meerschweinchen nnd Kaninchen an- 
gestellt, um die Ursache und den Mechanismus der „Caissonkrankheiten“ 
zu studiren. Frühere Autoren, wie Rameau, Paul Bert, Regnard u. A, 
haben gezeigt, dass in Folge des plötzlichen Wechsels des Luftdrucks beim 
unvorsichtigen Verlassen der Caissons eine Ueberfüllung des Blutes mit dem 
dadurch frei werdenden Stickstoff eintrete. Lépine brachte nun die oben 
genannten Versuchsthiere in einen Autoclaven, in dem mittels einer 
Westinghousepumpe der Luftdruck in !/, Stunde auf 10 Atmosphären 
gesteigert wurde. Die Thiere wurden alsdann sehr schnell, innerhalb 
5—6 Sekunden, wieder unter gewöhnlichen Luftdruck gebracht. Es traten 
Paraplegien und epileptiforme Zuckungen ein, die meist nach 1/, Stunde 
den Tod berbeiführten. Die Sektion ergab den Rückenmarkskanal an 
gefüllt mit Gasblasen, das Rückenmark selbst zerrissen und mit reich- 
lichen Blutaustritten besetzt. In einem Falle, in dem der Tod erst am 
13. Tage eintrat, fand Lepine Erweichungsherde in den Vorderhörnern 
der grauen Substanz als die Folgen gasiger und hämorrhagischer Infarkte 
oder von Gefässzerreissungen. 


Gewerbehygiene. Gerichtl. Medicin. 713 


Beim Menschen kommt es zu diesen schweren Erscheinungen, Para- 
plegien und epileptiformen Anfällen, wenn der Druck auf 4 oder 5 Atmo- 
sphären gestiegen ist oder mindestens 21/, überschritten hat. Zweckmässig 
hätte man wohl auch bei den Versuchen mit Thieren 4—5 Atmosphären Luft- 
druck gewählt! Ausserdem aber wird das Eintreten der erwähnten Krank- 
heitserscheinungen einmal durch einen sehr schnellen, plötzlichen 
Wechsel des Luftdruckes und sodann durch einen vorausgegangenen lang- 
dauernden Aufenthalt in der komprimirten Luft begünstigt. 

Jacobitz (Halle a. S.). 


Pagliani, Sulle condizioni igieniche e sanitarie dei lavori al traforo 
del Sempione. L'ingegnere igienista 1900. No. 1—4. 

Iu den ersten Nummern der neu begründeten Zeitschrift „L'ingegnere 
igienista“ beleuchtet Pagliani näher die fūr die bei der Durchbohrung 
des Simplon beschäftigten Arbeiter getroffenen hygienischen Massnah- 
men. Während die Einrichtung von Douchebädern, die Errichtung beson- 
derer Schlafsäle für die unverheiratheten Arbeiter, von Wohnhäusern für 
die verheiratheten und ihre Familie u. s. w. den in gesundheitlicher Bezie- 
hung zu stellenden Anforderungen genügen, fordert der Verf. für den Schutz 
der Arbeiter während der Arbeit beim Tunnelbau selbst noch weiter- 
gehende gesundheitliche Maassregeln: Er wünscht, dass das zum Sprengen des 
Felsens benutzte Dynamit durch flüssige Luft, das Oellicht durch elek- 
trisches Licht ersetzt werde, um so möglichst alle irgendwie schädlichen 
Luftverunreinigungen auszuschliessen, auch müssten an Stelle der Dampf- 
maschinen elektrische Motoren angewandt und für einen genügenden 
Abfluss des im Tunnel aus den Felsspalten u. s. w. sich sammelnden Wassers 
gesorgt werden. . Jacobitz (Halle a. S.). 


Le Bassot, Mme., La cécité dans les classes ouvrières. La Rev. philan- 
thropique. 2. IV. No. 20. p. 160—167. 

Mehrere Vereine suchen dem Elend der blind und dadurch arbeitslos 
gewordenen Arbeiter aßzuhelfen, indem sie ihnen eine ihren Fähigkeiten 
entsprechende, wenn auch bescheidene Erwerbsquelle erschliessen. Fast alle 
Generalräthe subventioniren diese Bestrebungen. Da es für den Arzt von grosser 
praktischer Wichtigkeit werden kann, zu wissen, welche Berufe sich dazu 
eignen, so seien diejenigen angeführt, mit denen man in Frankreich gute Er- 
fahrungen gemacht hat: ausser Musik: Bürsten- und Besenbinden, Dütenmachen, 
Stahlflechten, Stricken, Häkeln, Nähen. Stern (Bad Reinerz). 


Johannessen, Axel, Ueber Laugevergiftung bei Kindern. Jahrb. f. Kinder- 
heilk. 1900. Bd. 51. S. 153. 
Innerhalb 6 Jahren gelangten in der pädiatrischen Universitätsklinik in 
Christiania 140 Fälle von Vergiftung durch Waschlauge zur Beobachtung. 
Der Verf. glaubt das im Verhältniss zu andern Städten ungeheuer häufige 


714 Medicinalwesen. Kleinere Mittheilungen. 


Vorkommen dieser so folgenschweren Vergiftung namentlich auf die in Chr. 
bestehenden ungenügenden gesetzlichen Bestimmungen über den Verkauf der 
gefährlichen Flüssigkeit zurückführen zu sollen. Es wird nicht hinreichend 
vor der Giftigkeit dieser Lösungen gewarnt. Die besondere Form der Laugen- 
flaschen scheint unglücklich gewählt zu sein und die Aufmerksamkeit der 
Kinder auf sich zu ziehen. Ferner sind die im Handel befindlichen Lösungen 
zu koncentrirt, sie sollten nicht mehr als 1 pCt. Natr. caust. enthalten dürfen. 
Noch praktischer wäre es vielleicht, wenn das Aetznatron nur in Substanz 
abgegeben würde. H. Koeniger (Leipzig). 


Schwartz 0., Ueber das gesetzlich geordnete Zusammenwirken der 
die Geburtshülfe ausübenden Aerzte mit den Hebammen. Deut- 
sche med. Wochenschr. 1900. No. 38. S. 618. 

Von verschiedenen Seiten wird das theils fehlende, theils ungeordnete 
Zusammenwirken der Aerzte mit den Hebammen als eine der Haupt- 
ursachen für die Rückständigkeit der häuslichen Geburtshülfe von der in 
Entbindungsanstalten ausgeübten bezeichnet. Verf. macht eine Reihe von Ver- 
besserungsvorschlägen zur Beseitigung derartiger Missstände. 

Dieudonne (Würzburg). 


Gerland 0., Handhabung der Gesundheitspolizei in der Stadt Hildes- 
heim während der Jahre 1892—1899 und ihre Erfolge. Deutsche 
Vierteljahrsschr. f. öffentl. Gesundbeitspfl. Bd. 32. S. 505. 

Der Verf. giebt in der vorliegenden Arbeit eine Fortsetzung seines den glei- 
chen Gegenstand betreffenden Aufsatzes im 25. Band derselben Zeitschrift. Nach 
einander werden die Gesundheitsverhältnisse, die Wohnstätten, das Wasser, 
die Nahrungs- und Genussmittel, die gewerblichen Anlagen, die Fürsorge für 
Kranke und Gebrechliche, Bäder u. s. w. besprochen und die dazu ergangenen 
Polizeiverordnungen mitgetheilt. Der Bericht legt Zeugniss ab von der ziel- 
bewussten Handbabung der Gesundheitspolizei auf den beregten Gebieten. Als 
Anhang ist der vorliegenden Arbeit die Dienstanweigung für die Desinfektoren 
an der städtischen Desinfektionsanstalt Hildesheim vom 3. November 189% 
beigefügt (vergl. diese Zeitschr. 1897. S. 1 ff.). Roth (Potsdam). 


Kleinere Mittheilungen. 

(:) Arloing und Nicolas heben hervor, dass Thiere, denen man ein Gemisch 
von Diphtheriegift und - Serum, also nach der sogenannten kombinirten Methode. 
einspritzt, ihrerseits nur sehr geringe Mengen von Antitoxin liefern, während der 
Erfolg schon besser wird, wenn man Gift und Serum getrennt an verschiedenen Stellen 
des Körpers einwirken . Indessen erreicht auch dann die Antitoxinbildung doch 


noch längst nicht die Höhe, wie bei alleiniger Anwendung des Giftes. 
(Sem. med. 1901. p. 28.) 


(:) Spritzt man Meerschweinchen lebende Diphtheriebacillen oder fertiges 
Gitt in die Pleurahöhle, so entsteht hier ein reichliches, leicht blutig gefärbtes Ex- 


5 


Kleinere Mittheilungen. 715 


sudat, das nach Courmont und Arloing einen vorzüglichen Nährboden für die 
Löffler’schen Stäbchen darstellt. (Sem. med. 1901. p. 28.) 


(:) Auf den oceanischen Inseln kommt eine unter dem Namen Tokelau bekannte 
Hautkrankheit vor, bei der sich dicke, in koncentrischen Ringen angeordnete 
Schuppen bilden, die den befallenen Individuen zu der Bezeichnung der Fischmen- 
schen verholfen haben. Der Erreger dieser Dermatose ist ein Pilz, und zwar, wie 
man bisher glaubte, eine Abart des Trichophyton. Triboudeau hat aber in der 
Pariser société de biologie vom 26.Januar d.J. mitgetheilt, dass er den Pilz zuweilen 
in Fruktifikation angetroffen und sich dabei überzeugt habe, dass es sich um einen 
echten Aspergillus handele, dem Tr. den Namen „Lopidophyton“ beilegt. 

(Sem. med. 1901. p. 37.) 


(:) Nach einer Mittheilung von Jeanselme in der Pariser société de biologie 
vom 2. Februar ist der Tokelau, die Tinea imbricata, eine auch im französischen 
Hinterindien recht häufig vorkommende Hautkrankheit. Er wird in der That, wie 
dies Triboudeau jüngst schon angegeben, durch einen Aspergillus hervorgerufen, 
dessen Sporen grau verfärbt sind und auch den Hautschuppen ein aschfarbenes Kolorit 
verleihen. (Sem. med. 1901. p. 44.) 


(:) Nicolas und Lesieur haben an dem Serum einer Ziege, die mehrere 
subkutane Injektionen von Kulturen des Staph. aureus erhalten hatte, noch in Ver- 
dünnungen von 1:30 bis 1:50 deutlich agglutinirende Eigenschaften auf 
24 Stunden alte Bouillonkulturen eben dieses Mikroorganismus beobachtet, während 
normales Ziegenserum völlig unwirksam war. Bei 3 anderen Stämmen des Staphylo- 
kokkus trat nur einmal eine positive Reaktion ein. Ausserdem hatte das nämliche 
Serum auch baktericide Fähigkeiten von freilich nur mässiger Höhe. Das Serum von 
Thieren, die tödtliche Mengen der Kultur erhalten hatten, erwies sich nach der einen 
wie nach der anderen Richtung als unwirksam. (Sem. med. 1901. p. 37.) 


(:) In der Sitzung der Pariser académie de médecine vom 5. Februar d. J. hat 
Vincent über 3 neue Fälle von geschwürig-häutiger Mandelentzündung be- 
richtet, die durch den Bac. fusiformis erzeugt waren. Trotz allen Bemühungen ist 
es ihm auch jetzt nicht gelungen, diesen Mikroorganismus künstlich zu züchten. Er 
ist ein regelmässiger Bewohner der gesunden Mundhöhle, findet sich bei allen mög- 
lichen Affektionen in diesem Gebiete, so z. B. auch bei Zahnabscessen, steht aber ohne 
Zweifel in besonders engen Beziehungen zu der besonderen, eben genannten Form der 
ülcerirenden und mit pseudomembranösen Auflagerungen einhergehenden Angina. 

(Sem. med. 1901. p. 43.) 


() Carnot und Fournier wollen in einem Falle von ulceröser Angina mit 
fusiformen Bacillen und Spirillen diese beiden Bakterienarten, wenn auch nicht 
in Reinkultur, so doch zu unzweifelhafter künstlicher Entwickelung in menschlicher 
Aseitesflüssigkeit gebracht haben. Die Bacillen liessen sich sogar bis zur dritten Ge- 
neration übertragen, während die Spirillen bereits bei der zweiten Ueberimpfung ver- 
schwanden. 

Intraperitoneale Infektionen beim Meerschweinchen mit dem geschwürigen Sekrete 
selbst führten nicht zu ganz eindeutigen Ergebnissen. (Sem. med. 1901. p. 60.) 


(:) In der société de dermatologie et syphiligraphie wurde am 7. Februar d. J. 
bei Gelegenheit einer Krankenvorstellung von verschiedenen Seiten (Galezowski, 


716 Kleinere Mittheilungen. 


Besnier, Hallopeau, Brocgq) bestätigt, dass es einen endemischen Herd von 
echter Lepra im südlichen Frankreich, in dem an das Mittelmeer grenzenden 
Theil der Seealpen giebt. (Sem. med. 1901. p. 55.) 


Stand der Seuchen. Nach den Veröffentlichungen des Kaiserlichen Gesund- 
heitsamtes. 1901. No. 25 u. 26. 

A. Stand der Pest. I. Aegypten. In Zagazig, einer Ortschaft der Provinz 
Charkieh im Innern Aegyptens sind vom 1.—12. 6. 23 Erkrankungen und 7 Todesfälle 
an Pest festgestellt worden. Die Gesammtzahl der vom 27. 4.—12. 6. in Aegypten 
festgestellten Pesterkrankungs- und -Todesfälle betrug ausserdem in Alexandrien: 
4—4, in Minieh: 2—0, in Mansurah: 1—1. Il. Britisch-Ostindien. Präsi- 
dentschaft Bombay. 12.—18. 5.: 1156 Erkrankungen, 919 Todesfälle. Stadt 
Bombay. 12.—1.5.: 361 Erkrankungen, von im Ganzen 1251 Todesfällen waren 2% 
erwiesene und 347 verdächtige Sterbefälle. Karachi. Nach einer Mittheilung vom3.. 
ist auch hier die Seuche im Abnehmen, täglich nur noch 8—12 Pestfälle. 111. China. 
Nach einer Meldung vom 13. 5. soll in Swatau und einigen Dörfern in der Umgehung 
die Pest’ wieder heftig aufgetreten sein. IV. Mauritius. 6.—19. 4.: 2 Pestfälle. 
19.4.—9. 5.: 3 Erkrankungen, 2 davon tödtlich; alle 3 in den Tagen vom 26.—29.4. 
V. Kapland. Kapstadt. In den beiden Wochen vom 12.—25.5. wurden dem Pest- 
hospital überwiesen: je 21 Kranke. Gestorben sind 9 resp. 10 Kranke. Geheilt 
entlassen wurden 15 resp. 28 Personen. In Behandlung befanden sich am 18. 5.: 
120 Kranke (39 Europäer, 16 Eingeborene und 65 Mischlinge), am 25. 5.: 103 Kranke 
(33 Europäer und 14 Eingeborene). Pestleichen wurden aufgefunden in der Woche 
vom 12.—18. 5.: 8 und in der Woche vom 19.—25. 5.: 6. Als pestverdächtig 
standen am 18. 5.: 22 und am 25. 5.: 20 Kranke unter Beobachtung, bei 11 nnter 
Beobachtung befindlichen Personen war im Laufe der beiden Wochen Pest festgestellt 
worden. In den Contact camps wurden am 18.5. noch 789 Personen (210 Europäer 
und 15 Eingeborene) beobachtet. Port Elizabeth. 22.5.: Ein Sergeant im Hospital 
gestorben. 26.—31. 5.: 2 Neuerkrankungen. Simonstown: in der letzten Maiwoche 
wird 1 Pestfall festgestellt. Vl. Queensland. Brisbane. 22. 4.: 1 Erkrankung. 
28. 4.—4. 5.: 2 Neuerkrankungen. 5. 5—11. 5.: 3 Neuerkrankungen. VIL West- 
Australien. 27. 4.—11. 5.: 2 Erkrankungen, davon 1 tödtlich verlaufen. Am 11.5. 
in Behandlung in Perth 4 und in Fremantle 1 Kranker. 

B. Stand der Cholera. I. Britisch-Ostindien. Kalkutta. 5.—1l. 5.: 
47 Todesfälle. 12.—18.5.: 77 Todesfälle. II. Niederländisch-Indien. Nach einer 
Drahtmeldung vom 14. 6. sind in Batavia und Vororten eine geringe Anzahl Cholera- 
fälle vorgekommen, doch scheint die Seuche in der Zunahme begriffen. 

C. Stand der Pocken. I. Uruguay. 11. 5.: Die Pocken sollen hier seuchen- 
artig aufgetreten sein. Die Behörden fordern zur Impfung auf, dieselbe wird unent- 
geltlich gewährt. Il. Venezuela. In Maracaibo sind nach einer Mittheilung vom 
20. 5. die Pocken ebenfalls sehr heftig aufgetreten. ll. Italien. Messina. 1.—10.6.: 
28 Erkrankungen, davon 2 tödtlich. 

D. Stand des Typhus. Mexiko. In der Stadt Mexiko hat in den Monaten 
April und Mai die Sterblichkeit an Typhus und typhösen Fiebern ausserordentlich 
zugenommen. Im April sind nach amtlichen Angaben allein 162 Personen, wahr- 
scheinlich aber thatsächlich noch erheblich mehr an Typhus gestorben. 

Jacobitz (Halle a. S.). 


Verlag von Angust Hirschwald, Berlin N.W. — Druck von L. Schumacher in Berlin. 


Hygienische Rundschau. 


Herausgegeben 
von 
Dr. Carl Fraenkel, Dr. Max Rubner, Dr. Carl Günther, 
Prof. der Hygiene in Halle /8. Geh. Med.-R., Prof. der Hygiene in Berlin. a. o. Professor in Berlin. 


XI. Jahrgang. Berlin, 1. August 1901. W 15. 


Zum Gedächtniss für Max von Pettenkofer. 
Von 
Prof. Dr. Ludwig Pfeiffer 
in Rostock. 


In der Nacht vom 9. zum 10. Februar hat ein Schuss mit eigener Hand 
dem Leben Max von Pettenkofer’s ein Ende gemacht. Mit tiefem Schmerz 
haben Alle, die dem Dahingeschiedenen nahe gestanden, die Kunde von diesem 
jähen Ende des allverehrten Mitbürgers, Freundes, Forschers und Lehrers ent- 
gegen genommen. Während man ihn fern von dem Treiben der Welt in Ruhe 
und Zufriedenheit die Erfolge seines arbeitsreichen Lebens geniessend wähnte, 
umflogen ihn die Schatten tiefer seelischer Bedrückung und qualvollen Wahns, 
ein trauriges Schicksal für den, der sein ganzes Können eingesetzt, allen Men- 
schen den Genuss eines von Gesundheitsstörungen freien Lebens bis in das 
höchste Alter zu sichern. 

Mit Max v. Pettenkofer ist der Begründer der experimentellen 
Hygiene, der hervorragendste Forscher auf dem Gebiete unserer Wissenschaft 
aus unserer Mitte geschieden. Ihm, der unsere Wissenschaft begründet und 
zur höchsten Anerkennung geführt hat, ihm, der auf allen Gebieten der Hygiene 
als erster Rundschau gehalten hat, in diesen Blättern Worte des Gedenkens 
zu widmen, ist uns nicht nur cin Gebot der Pflicht, sondern noch mehr ein 
liebes Bedürfniss, geboren aus dem Gefühl der herzlichsten Verebrung und der 
aufrichtigsten Dankbarkeit für das, was er uns geleistet hat. Mir persönlich 
aber ist es eine wahre und reine Freude, diese Zeilen zu seinem Gedächtniss 
zu schreiben, da ich durch sie Gelegenheit finde, öffentlich zum Ausdruck zu 
bringen, wie ich den theneren Todten verehre. Habe ich doch während einer 
6jährigen Thätigkeit als Assistent von ihm eine Fülle von Anregungen, Unter- 
stützungen und Förderungen und zahllose Beweise seiner Liebe und seines 
Interesses für meine Person erhalten, für die ich ihm nie genug danken konnte, 
und hat mir die Zeit des Zusammenseins mit ihm doch so viele Einblicke in 
sein Denken und Fühlen verschafft, dass ich glaube, ihn in seiner ganzen Grüsse 
erfassen und beurtheilen zu können. Wer aber, der ihn verstehen gelernt hat, 
könnte nicht von dem Gefühle höchster Verehrung für ihn beseelt sein? 


51l 


718 Pfeiffer, 


Wie das Denken und Fühlen Pettenkofer’s, seine Arbeitsweise das Ge 
präge des Aussergewöhnlichen trug, so bot auch sein ganzes Wesen viele Züge 
ungewöhnlicher Art. Und wie sein Heimgang aussergewöhnlich war, so war 
auch seine Entwickelung nicht gewöhnlich. 

Geboren in kleinen Verhältnissen, auf einer Einöde am Rande des Donau- 
moores zu Lichtenheim bei Neuburg an der Donau, wo sein Vater sich ab- 
mühte, dem moorigen und noch wenig kultivirten Boden einen grösseren Ernte- 
ertrag abzuringen, verbrachte er die ersten Jahre seines Lebens in der Stille 
ländlicher Verhältnisse, die Fürsorge der Eltern mit 7 Geschwistern theilend. 
Vor seinen Kinderaugen dehnte sich die Heide mit ihren einförmigen und doch 
wieder nach Tages- und Jahreszeiten wechselnden Naturbildern, in seine Ohren 
klangen die Sagen des Landvolkes, die Erzählungen aus der Zeit, wo Lichten- 
heim als Zollstation zwischen dem Kurfürstenthum Bayern und dem, Herzog- 
thum Neuburg regeren Verkehr gesehen hatte; sie alle zusammen prägten sich 
seinem Geiste tief ein, sie weckten früh die Phantasie des Knaben, der 
bald kund gab, dass das Schicksal ihm eine aussergewöhnliche Begabung iu 
die Wiege gelegt hatte; sie weckten aber auch den Sinn für Naturschönbeiten 
und die Gabe der Naturbeobachtung in ihm. 

Die offenkundigen Anlagen des Knaben für seine Zukunft zu nützen, wie 
auch die Erwägung, dass ibre knappen Mittel nicht gestatten würden, ibm die 
richtige Erziehung zu geben, veranlasste die Eltern, das Anerbieten des Onkels, 
des Hofapotbekers Pettenkofer in München anzunehmen, ebenso wie die drei 
älteren Söhne, auch den kleinen Max in sein Haus aufzunehmen. So siedelte 
der kleine Pettenkofer im 9. Lebensjahre in das Heim seines Onkels über, 
das dann später sein eigenes Heim wurde und es bis zu seinem Tode blieb. 

Obwohl dort Pettenkofer seine 3 Brüder vorfand und dadurch einen 
Theil der alten Heimath wiederfand, scheint ihm doch zuerst der Aufenthalt 
nicht behagt zu haben. Wenigstens erzählte er mir oft, dass er sich anfänglich 
in den neuen Verhältnissen sehr wenig glücklich gefühlt habe. Der Onkel 
war streng, wenn er auch gerade den kleinen Max besonders ins Herz ge- 
schlossen hatte, die Umgebung war ganz anders als draussen auf der stillen 
Heide, die Schule stellte an den Neuling grössere Anforderungen, die Mit- 
schüler belustigten sich über den wenig gewandten Ankömmling vom Lande. 
Im Gebete zur Mutter Gottes suchte und fand der Knabe immer wieder Trost, 
bis es ihm gelungen war, sich den neuen Lebensverhältnissen anzupassen und 
in der Schule Fortschritte zu machen. In der Lateinschule und im Gymnasium 
war er bald der ersten einer, und bereits 1837, 18 Jahre alt, konnte Petten- 
kofer das Zeugniss der Reife zum Uebertritt an die Universität erhalten. 

Wäre ihm allein die Wahl des Studiums auf dieser überlassen gewesen, 
so hätte er, meinte er später, Philologie studirt. Die herrlichen Werke der 
Alten hatten ihn begeistert und mit ihrem Zauber gebannt. Aber der gestrenge 
Onkel wollte von der Philologie nichts wissen. Er hielt seinen Beruf, den 
des Apothekers, gar hoch und wollte den Liebling einstens an derselben Stelle 
wirken sehen, an der er selbst thätig war. So studirte Pettenkofer denn 
zunächst nur Philosophie und Naturwissenschaften an der Universität München 
und trat zwei Jahre nach dem Absolutorium als Lehrling in die Hofapotbeke 


Zum Gedächtniss für Max von Pettenkofer. 719 


ein, Aber die einförmige, ihm durch den Verkehr im Hause des Onkels wohl 
schon bekannte Thätigkeit eines Apothekers gefiel ihm nicht, die Strenge 
des Onkels, der, selbst ein Muster von Gewissenhaftigkeit und Pfliohttrene, 
auch seinen Neffen dazu erziehen wollte und in diesem Streben wohl den 
Freiheitsdrang und die jugendliche schwärmerische Begeisterung desselben 
für Wissenschaft und Kunst mehr als gut unterdrückte, dieses und die Unlust 
an dem aufgezwungenen Beruf trieben ihn schliesslich zur Flucht aus dem 
Hause des Onkels. Pettenkofer ging zur Bühne, für die er Lust und, wie 
er glaubte, auch Talent mitbrachte. In Augsburg fand er auch Gelegenheit, 
öffentlich aufzutreten, aber, wie er herzlich lachend zu erzählen pflegte, ohne 
rechten Erfolg. Einmal wurde er sogar ausgepfiffen. Doch würden diese Er- 
fahrungen ihn wohl schwerlich wieder von der begonnenen Laufbahn abge- 
bracht baben, zumal er ehrgeizig genug war, das einmal Unternommene durch- 
zuführen und sich naturgemäss auch schämte, so bald und als verunglückter 
Schauspieler wieder heimzukehren; aber ein höherer Einfluss machte sich geltend. 
In dem benachbarten Friedberg lebte als Rentamtmann ein anderer Onkel 
von ihm, auch ein Pettenkofer, in dessen Haus der Flüchtling öfter kam. 
Hier lernte er seine Cousine Helene kennen und lieben, und sie, die ihm 
Gegenliebe schenkte, nahm ihm das Versprechen ab, zum Onkel in München 
zurückzukehren und weiter zu studiren. Es ist begreiflich, dass Petten- 
kofer bei seiner Rückkehr nach München manches zu hören bekam, was ihm 
unangenehm war. Er ertrug es aber im Gedanken an das zukünftige Glück 
und studirte fleissig weiter, nicht mehr Pharmacie, für deren Aufgaben der 
Onkel den leichtsinnig durchgebrannten Neffen nicht mehr für geeignet hielt, 
sondern Medicin, daneben unter Leitung des Mineralogen Fuchs und des 
Professors Kaiser an der polytechnischen Schule Chemie. Dem Wohlwollen 
dieser beiden Lehrer batte Pettenkofer viel zu danken, sie unterstützten ihn 
mit Rath und That und legten mit den Grund zu den gediegenen Kenntnissen 
in der Chemie, die Pettenkofer später in seinen rein chemischen und phy- 
siologisch-chemischen Arbeiten an den Tag legte. Von diesen beiden Lehrern 
babe ich Pettenkofer oft in den Ausdrücken wärmster Verehrung und Dank- 
barkeit erzählen hören. Seinem Onkel zu beweisen, dass er doch das Zeug 
zu einem tüchtigen Apotheker in sich trage, studirte Pettenkofer nebenbei 
noch Pbarmacie und legte dem Onkel im März 1843 das Zeugniss des appro- 
birten Apothekers vor. Noch im selben Jahre wurde er auch zum Doctor der 
Medicin promovirt. 

Die Lust, die Medicin praktisch zu betreiben, war bei Pettenkofer 
nicht gross. Er wollte Forscher und Lehrer werden, und, da gerade damals die 
medicinische Chemie sich entwickelte, vertiefte er sich in das Studium dieser, 
arbeitete dann zuerst bei Scherer in Würzburg, darauf bei Liebig in Giessen 
zur weiteren Ausbildung in der physiologischen Chemie. Schon während seiner 
Studienzeit war Pettenkofer mit’einigen kleineren wissenschaftlichen Arbeiten 
hervorgetreten. Während seines nur je einsemestrigen Aufenthaltes bei Scherer 
und Liebig machte er zwei interessante Entdeckungen, die seinen Namen 
bald in grösseren Kreisen bekannt machten, diejenige der nach ihm benannten 
Reaktion auf Gallensäuren und die Entdeckung des Kreatinins im Harn. 

51* 


720 Pfeiffer, 


1844 nach München zurückgekehrt, wollte er sich für physiologische 
Chemie habilitiren, aber die leitenden Regierungskreise wollten von einen 
solchen Lehrfach nichts wissen. Ein Antrag des bayerischen Obermedicinal- 
ausschusses, Pettenkofer eine ausserordentliche Professur für medicinische 
Chemie zu verleihen, blieb unberücksichtigt. 

Der Drang nach einem Beruf, der Wunsch, die Braut heimzuführen, ver- 
anlassten ihn dann, sich um die eben freigewordene Stelle eines Assistenten 
an der Kgl. Münze zu bewerben. Er erhielt dieselbe, und wenn die Besoldung 
auch nicht gross war, so erlaubte sie ihm doch sich zu verheirathen. Die 
Anerkennung, die er bei seinen Vorgesetzten und Kollegen dank seiner Aus- 
bildung als Chemiker sich erwarb, befriedigten ihn dermaassen, dass er 
zwei Jahre später Bedenken trug, das Anerbieten anzunehmen, den derzeitigen 
Posten mit einem Lehrstuhl für medicinische Chemie zu vertauschen. 

Erst dem Drängen seines Lehrers Fuchs gelang es, ihn zur Annahme 
der Professur in der medicinischen Fakultät der Universität München „vor- 
zugsweise für pathologisch-chemische Untersuchungen“, wie es in dem Dekret 
hiess, zu bewegen. So kam Pettenkofer 1847 in die akademische Lauf- 
bahn, die er 47 Jahre lang unermüdlich verfolgt hat. 

Ein Institut, wie es beutzutage dem Fachmann zu Gebote steht, war für 
Pettenkofer nicht vorhanden. Ein kleines Laboratorium im Gebäude der 
Universität war alles, was ihm gegeben wurde. Aber in diesem kleinen Raum 
entstanden und reiften die schönsten Gedanken und Werke, hier legte er den 
Grundstein für ein neues Bauwerk, Stein für Stein selbst herbeitragend und 
bearbeitend, Stütze für Stütze selbst anfügend, bis das Gebäude fertig war 
und die Wissenschaft Besitz von demselben ergreifen konnte. 

Zwar anfänglich beschäftigte sich Pettenkofer, getreu seinem Lehrauf- 
trag, vorwiegend mit medicinisch-chemischen Untersuchungen, las auch über 
allgemeine und medicinische Chemie, allmählich befasste er sich aber mehr 
und mehr mit anderen Untersuchungen, Untersuchungen, welche den Zweck 
hatten, den Einfluss der Umgebung des Menschen auf dessen körperliche 
Funktionen klarzustellen. Dadurch gewannen auch seine Vorträge ein anderes 
Gepräge. Er nannte sie selbst nicht mehr Vorträge über medieinische Chemie, 
sondern über diätetische Chemie und behandelte darin die Eigenschaften der 
Luft, des Wassers, der Kleidung, der Nahrungsmittel und die Beziehungen 
derselben zur menschlichen Gesundheit. Es war, wie Voit bei der Feier des 
70. Geburtstages aussprach, bei Pettenkofer etwas Besonderes zum Darch- 
bruch gekommen, das Bestreben, die Mittel zur Erhaltung der Gesundheit des 
Menschen und zur Verhütung der Krankheiten näher kennen zu lernen. 

Ans diesen Vorträgen entwickelten sich nach und nach die Vorträge über 
Hygiene, die, originell, wie sie entstanden, originell blieben, einfache und doch 
geistvolle Darlegungen des Wesens der Gesundheit, der Einflüsse unserer Um- 
gebung auf dieselbe, begleitet von einfachen, aber in ihrer Schlichtheit über- 
zeugenden Experimenten, im Laufe der Jahre mehr und mehr bereichert durch 
die Frörterungen über die Aetiologie und Epidemiologie gewisser Infektions- 
krankheiten, deren Erforschung Pettenkofer im Anschluss an die Cholera- 


Zum Gedächtniss für Max von Pettenkofer. 721 


epidemie 1854 begann, und denen er mehr und mehr sein ganzes Interesse 
zuwandte. 

Wegen der vorstehend mitgetheilten Forschungen und Lehrthätigkeit hat 
man Pettenkofer allgemein als den Begründer der Hygiene als Wissenschaft 
gefeiert. Er selbst hat allerdings immer erklärt, dass es schon vor ihm eine 
Hygiene gegeben habe; er habe nur den Weg gezeigt, wie man die Hygiene 
experimentell verfolgen, das Wesen der Gesundheitsstörungen und -pflege er- 
forschen könne, und sonst nur ergriffen, was damals in der Luft gehangen. 
Aber jeder Fachmann weiss heute, dass er den Weg trügerischer Empirie in 
der Gesundheitspflege verlassen und methodisch und mit den Hilfsmitteln 
exakter Forschung die Gesetze festlegte, nach welchen sich der menschliche 
Körper zu seiner Umgebung einstellt. Freilich, seine Zeitgenossen erkannten 
die Bahnen, die er wandelte, die Ziele, die er erstrebte, nicht alle richtig, 
und mancher Spott und manche Gegnerschaft begleitete seine ersten und 
späteren Schritte. Gar seltsam muthete es uns an, als er uns einmal erzählte, 
man babe den für ihn zu errichtenden Lehrstuhle für Hygiene aus der Reihe 
der Lehrstühle für Medicin stossen und ihn selbst in die philosophische Fakultät 
versetzen wollen. 

Bereits 1852 wurde Pettenkofer ordentlicher Professor der medicinischen 
Chemie; zur gleichen Zeit verlegte er seine Thätigkeit in das von Siebold 
geleitete Physiologische Institut, in dem er, allerdings auch auf beschränkte 
Räume angewiesen, verblieb, bis 1878 das für ihn erbaute Hygienische Institut, 
das erste in Deutschland, eröffnet wurde. 

Im Physiologischen Institut versammelten sich um ibn die ersten Schüler 
und Mitarbeiter auf dem Gebiete der Hygiene. 

Was Pettenkofer bis dahin gearbeitet hatte, gehört den verschiedensten 
Gebieten der Wissenschaft an. Von 1846—1849 veröffentlichte er mehrere 
Arbeiten technisch-chemischer Natur, unter denen der Nachweis des Platin- 
gehaltes der Silbermünzen wohl das meiste Aufsehen erregt hat. Als er ein- 
mal mit uns die Scheideanstalt der kgl. Münze besuchte, wurde uns ein grosser 
Platinblock gezeigt, der aus alten eingeschmolzenen Thalern gewonnen war 
nach dem Verfahren, das Pettenkofer fast 50 Jahre früher ausgearbeitet 
batte. Bis zum Jahre 1851 beschäftigten ihn noch vorwiegend chemische 
Arbeiten, unter diesen eine, die erst viele Jahre später so gewürdigt wurde, 
wie sie es verdiente, die Abhandlung „Ueber die regelmässigen Abstände der 
Aequivalentzahlen der natürlichen Gruppen der chemischen Elemente und der 
sogenannten einfachen Radikale“. Von da ab überwiegen die hygienischen 
Untersuchungen. Niemals aber hat Pettenkofer eine Gelegenheit, wissen- 
schaftlich zu forschen, unbenützt vorüberziehen lassen, und da an ihn gar 
mancherlei Anfragen und Aufträge herantraten, hat er auch immer wieder und 
bis in seine letzten Lebensjahre hinein auf den verschiedensten Wissensgebieten 
geforscht, sein Können versucht und bewiesen. Ich erinnere an die Unter- 
suchungen über die Beleuchtung mit Holzgas (1851, 1852, 1857), über die 
Darstellung von Weingeist aus Holz (1855), über das Hämatinon der Alten 
und über das Aventuringlas (1857), über das Verhalten des Zinks in der 
Atmosphäre, über die Schätzung der Dicke der Verzinkung von Eisen (1857), 

52 


722 Pfeiffer, 


über die Konservirung von Oelgemälden (das sog. Regenerationsverfahren), 
über Temperamalerei u. a. m. 

Die erste hygienische Untersuchung war die „Ueber die Unterschiede 
zwischen Ofenbeizung und Luftheizung in ihrer Einwirkung auf die Zusanne- 
setzung der Luft der beheizten Zimmer“ (1851). 1858 folgten die Arbeiten 
über den Kohlensäuregehalt der Luft, über Ventilation, über den Luftwechel 
in Wohngebäuden. 1860 beschrieb Pettenkofer den von ihm konstruirten 
und im Physiologischen Institut aufgestellten Respirationsapparat, mit Hilfe 
dessen er selbst und Voit manche Frage der Physiologie des Stoffwechsel 
und der Ernährung lösten. 

Die meisten damaligen Arbeiten sind in den Sitzungsberichten der kgl. 
Bayerischen Akademie der Wissenschaften niedergelegt, deren Mitglied Petter 
kofer bereits 1846 wurde. 1865 begründete er zusammen mit Buhl, Radl- 
kofer und Voit die Zeitschrift für Biologie, die zahlreiche Arbeiten aus seiner 
Feder wie auch seiner Schüler beherbergt. 1888 legte er den Grund zu den 
Archiv für Hygiene, einer ausschliesslich den hygienischen Interessen ge 
widmeten Zeitschrift. Die Heimsuchung Münchens durch die Cholera im Jahr 
1854 führte Pettenkofer in das Studium des Wesens und der Verbreitung 
art dieser Seuche ein. Seine ersten Beobachtungen theilte er 1855 mit, 185 
erstattete er den Hauptbericht über die Verbreitungsart der Choleraepidenit 
von 1854 in Bayern, 1856 unternahm er die fortlaufenden Messungen des 
Grundwassers, über dessen Bewegung er 1862 in den Sitzungsberichten der 
Akademie referirte. Seitdem forschte er unablässig nach den Ursachen der 
Cholera und des Typhus und über den Einfluss des Bodens und des Grunt- 
wassers auf deren Verbreitung und Intensität weiter. Einen Abschluss fanden 
diese Untersuchungen erst im Jahre 1887, in welchem er sein umfangreiches 
Werk „Zum gegenwärtigen Stand der Cholerafrage“ publieirte, in dem er alle 
im Laufe von 25 Jahren gesammelten Beobachtungen und epidemiologische 
Thatsachen niederlegte, zugleich ein Bekenntniss seiner Anschauungen und 
Lehren über die Ursachen und die Mittel zur Bekämpfung dieser beider 
Seuchen, eine wahre Fundgrube für alle, die sich mit dem Wesen derselbe 
bekannt machen wollen. 

In Pettenkofer’s äusseren Verhältnissen hatte sich inzwischen mauche 
geändert. 1850 wurde Pettenkofer nach dem Tode seines Onkels auf Vor- 
schlag der kgl. Leibärzte Breslau und Gietl zum Leiter der kgl. Hofape- 
theke ernannt, 1852 wurde er, wie schon erwähnt, zum ordentlichen Professor 
befördert; im gleichen Jahr erhielt er von König Maximilian II. den ehren- 
vollen Auftrag, Liebig zur Uebersiedelung nach München zu veranlassen, was 
ihm auch gelang. 1860 reiste Pettenkofer zum Studium der Cholera nach 
Krain, 1865 und 1868 zu gleichem Zweck nach Sachsen, Frankreich, Gibraltar 
und Malta. 

1872 erbielt Pettenkofer eine Berufung als Professor der Hygiene nach 
Wien, die er jedoch ablehnte, da die bayerische Regierung ihm die Erbauung 

eines eigenen Institutes in Aussicht stellte. Bei den Sitzungen der deutschen 
Cholerakommission in Berlin 1873 war Pettenkofer Vorsitzender; 1876 sollte 
er auch Leiter des neu errichteten kaiserlichen Gesundheitsamtes in Berlis 


Zum Gedächtniss für Max von Pettenkofer. 723 


werden, welches Amt er jedoch nicht annahm, da, wie er sagte, ihm zu wenig 
verwaltungstechnische Fähigkeiten zu Gebote standen. Er erkannte schon 
damals ganz richtig, dass es der Entwickelung des Gesundheitsamtes viel 
förderlicher sei, wenn ein Verwaltungsbeamter, nicht ein Arzt oder Gelehrter 
an der Spitze desselben stände. 

Wie die beiden letzterwähnten Berufungen beweisen, war die Anerkennung 
Pettenkofer’s bereits weit über die Grenzen seines engeren Vaterlandes ge- 
dieben; sie war, wie zahlreiche Zuschriften, Ehrungen aus allen Ländern, der 
Zustrom zahlreicher junger Forscher darthun, eine allgemeine geworden. 
Pettenkofer war damals unstreitig der erste Vertreter seines Fachs, der 
geistige Führer in allen Fragen der wissenschaftlichen und praktischen Hygiene. 

In den letzten Jahren seines Lebens wurde er geradezu überhäuft mit 
Ehrenbezeugungen und Auszeichnungen. 1876 verlieh ihm König Ludwig II. 
den Charakter als Geheimer Rath, 1883 den erblichen Adel. 1894 erhielt er 
darch die Gnade des Prinzregenten das Prädikat Excellenz. Ein Jahr vor 
seinem Tode wurde er vom Kaiser Wilbelm II. zum stimmberechtigten Mit- 
glied des preussischen Ordens pour le merite ernannt. Zahlreiche regierende 
Fürsten zeichneten ihn durch hohe Orden aus. 

Nach dem Tode Ignaz von Döllinger’s wurde Pettenkofer Präsident 
der kgl. bayerischen Akademie der Wissenschaften, zugleich Mitglied des 
Kapitels des kgl. bayerischen Maximiliansordens für Kunst und Wissenschaft 
und Generalkonservator der wissenschaftlichen Sammlungen des Staates. Bei 
der Feier seines 70. Geburtstages am 3. December 1888 verlieh ihm die Stadt 
München in dankbarer Anerkennung seiner grossen Verdienste um die Ge- 
sondung der Stadt das Ehrenbürgerrecht und begründete die Pettenkofer- 
stiftung zur Förderung hygienischer Arbeiten, 1892 verlieh sie ihm bei der 
Feier des 50 jährigen Doktorjubiläums die grosse goldene Bürgermedaille. 
1897 erhielt er die Harben-Medaille und 1899 die grosse goldene Medaille 
der deutschen chemischen Gesellschaft. 

Zahlreiche gelebrte Körperschaften des Inlandes und Auslandes zählten 
Pettenkofer zu ihren Ehrenmitgliedern, mehrere auswärtige Universitäten 
ernannten ihn zum Ehrendoktor und Ehrenmitglied. Bis zum Jahre 1894 ver- 
waltete Pettenkofer die zahlreichen Aemter und Ehrenämter, zu denen ihn 
das Vertrauen der Regierung berufen, mit Eifer und Sorgfalt. Im Sommer 
1894 bat er um die Enthebung von seinem Lehramt, die ihm auch gewährt 
wurde. Binnen Jahresfrist hatte er alle seine Aemter niedergelegt. Er sehnte 
sich nach Ruhe und wünschte den Rest seines Lebens im Frieden seines Heims 
auf seinem Landsitz in Seeshaupt am Würmsee zu verleben. In scheinbar 
bestem Wohlbefinden feierte er 1898 den 80. Geburtstag in aller Stille. Als 
ich ihn 1899 im September in Seeshaupt besuchte, schien er, wenn auch 
sichtbar gealtert, zufrieden. Um so überraschender war die jähe Nachricht 
voa seinem plötzlichen Ende durch eigene Hand. Man hat gemuthmaasst, 
dass er, wie so mancher, der im Amt und im Drang der Berufspflichten alt 
geworden, das stille Leben und die Unthätigkeit, die sein Rücktritt ihm brachte, 
nicht vertragen habe, des Lebens überdrüssig, weil überflüssig, geworden sei. 
Das war es nicht, was ihn in den Tod trieb. Ein Mann von solcher Klarheit 

52* 


724 Pfeiffer, 


des Urtheils, einer solchen Höhe sittlicher Anschauung, wie Pettenkofer, 
konnte aus Lebensüberdruss nicht aus der Welt gehen. Es lagen tiefere Ver- 
änderungen in seinem Geistes- und Gemüthsleben vor, die ihn zwangen, die 
Waffe gegen sich zu heben, und man wird nicht fehlgeben, wenn man den 
Grund zu diesen in den körperlichen Veränderungen sucht, denen er in 
den letzten Lebensjahren unterlag. Zwar erschien er immer noch körperlich 
rüstig und durch die Beschwerden des Alters wenig betroffen. Aber seit 1888 
klagte er doch viel über allerlei Beschwerden, über stetes Druckgefühl im 
Kopf, schlechten Schlaf, über Müdigkeit und Unlust zur Arbeit. Seine Vor- 
lesungen zu halten, fiel ihm schwer. Er ging mit Unbehagen in dieselben 
und mit dem Gefühl ungenügender Leistungen aus denselben heraus. Häufig 
klagte er über Gedächtnissschwäche und über abnehmendes Interesse am Ín- 
stitut. 1891 entdeckte er, dass er an Diabetes litt. Diese Entdeckung erregte 
ihn anfangs furchtbar; vermuthlich stand ihm das Bild des Dahinsiechens der 
Diabetiker, deren Stoffwechsel er zusammen mit Voit untersucht hatte, vor 
Augen. Einmal erzählte er mir, dass Liebig ihm gestanden habe, es graue 
ihm vor dem Laboratorium; er habe damals kein Verständniss für dieses 
Gefühl gehabt, aber jetzt fühle er ebenso wie Liebig. Auch ihm graue da- 
vor in das Laboratorium zu gehen, in dem zu arbeiten ihm früher eine wahre 
Lust gewesen. 

Als ich ihn 1899 zum letzten Male sah, fiel mir auf, wie sebr sein Inter- 
esse für alles Neue geschwunden war. Was ich ihm von meiner Thätigkeit, 
von meinem Leben erzählte, liess ihn unberührt. Desto mehr traten bei ihm 
die Bilder seiner Jugend in den Vordergrund. Stundenlang konnte er über 
kleinere und wichtigere Ereignisse seines Lebens plaudern. Das Alter be- 
hielt Recht. 

Wie ich hörte, hat sich in den letzten Wochen seines Lebens seine 
Stimmung immer mehr getrübt. Traurige Familienverhältnisse, die geistige 
Erkrankung seines einzigen noch lebenden Bruders und eine schwere eigene 
Erkrankung (eine septische Pharyngitis) beschworen schliesslich den Sturm in 
seinem Innern hrıauf, der ihn vernichtete. Denn nur ein Sturm konnte diese 
mächtige Eiche entwurzeln. 

Als ich die Nachricht von seinem selbstbestimmten Ende erhielt, da fiel 
mir die schöne Erzählung von Andersen ein, von dem Tode einer uralten Eiche 
am Meeresstrande, die ein gewaltiger Sturm in einer Nacht entwurzelt zu 
Boden warf, nachdem sie eine ungezählte Reihe von Jahren als Wahrzeichen 
für die Schiffer gestanden und Ungezählten den Weg zum sichereu Port ge- 
wiesen. Wie die um sie klagenden Schiffer klagen wir um ihn: „Der Baum 
ist dahin, die alte Eiche, unser Wahrzeichen an der Küste! Er ist in dieser 
Sturmesnacht gefallen! Wer wird ihn ersetzen können? Niemand vermag es!“ 


Ich habe im Vorstehenden versucht, ein Bild von dem Leben Petten- 
kofer’s und den äusseren Erscheinungen desselben zu entwerfen. Ich war 
aber bemübt, dasselbe kurz zu geben, einmal, da ich annehmen darf, dass 
die wesentlichsten Vorgänge seines Lebens durch die vielfachen biograpbischen 
Skizzen, welche aus Anlass der Feier seines 70. und 80. Geburtstages sowie 
des 50 jährigen Doktorjubiläums erschienen sind, bereits allgemein bekannt 


Zum Gedächtniss für Max von Pettenkofer. 125 


geworden sind, dann aber, weil sich mir bei den nun folgenden Besprechungen 
seiner persönlichen Eigenschaften, seiner Leistungen als akademischer Lehrer 
und Forscher genug Gelegenheit giebt, auf einige interessante Einzelbeiten aus 
seinem Leben und Wirken noch einzugehen. 

Als ich im Herbst 1887 bei ihm Assistent wurde, war Pettenkofer 
eben 69 Jahre alt; damals schienen die Jahre spurlos an ihm vorübergegangen 
zu sein. Er war körperlich rüstig und voll geistiger Regsamkeit. Voll 
Feuereifers schaffte er an der Fertigstellung seines Werkes „Ueber den gegen- 
wärtigen Stand der Cholerafrage“. Bis tief in die Nacht hinein arbeitete er 
und kam dann morgens frisch und heiter ins Institut, um die täglichen Ge- 
schäfte zu erledigen, zu examiniren und anzuordnen, was er gerade bearbeitet 
haben woltte. Gewöhnlich kam er sofort ins Laboratorium, in dem wir 
Assistenten arbeiteten. Hatte er etwas erlebt, was ihn interessirte, oder 
waren ihm bei der Arbeit zu Hause neue Gesichtspunkte zu Tage getreten, 
so trug er uns darüber vor, verlangte auch unsere Meinung zu hören, und, 
wich diese von der seinigen ab, so diskutirte er mit uns das für und wider 
eifrig durch. 

Jeden Abschnitt seines Werkes, der abgeschlossen war, las er uns vor. 
Za diesem Behufe lud er uns in sein Zimmer, wir mussten uns um ihn herum- 
setzen, und nicht eher begann er mit dem Vorlesen, als bis er uns alle bei- 
sammen hatte. Meist waren auch einige seiner älteren Schüler, Port, Schuster, 
manchmal war auch sein Freund C. Voit bei den Sitzungen zugegen. War 
die Vorlesung zu Ende, so fragte er uns um unsere Ansicht, und manches 
ernste und heitere Zwiegespräch knüpfte sich an seinen Vortrag an. Hatte 
einer, seiner früheren Arbeiten unkundig, einmal das oder jenes bezweifelt 
oder bekrittelt, was Pettenkofer längst zum unbestreitbaren Besitz der 
Wissenschaft gemacht hatte, so stand er wohl stille auf, holte aus der Biblio- 
thek das Werk, das seine Arbeit enthielt, und trug dem Ungläubigen die 
zwingenden Gründe für seine Ansicht vor. Niemals verliessen wir ohne Re- 
friedigung und ohne neue Eindrücke sein Zimmer. Ich denke immer noch 
mit Vergnügen an diese Stunden zurück. 

Es ist klar, dass bei diesem geistigen Zusammenleben und Zusammen- 
arbeiten sich uns das Wesen Pettenkofer’s besser und rascher erschloss, als 
jahrelanges Beisammensein allein vermocht hätte. So sind wir Jüngeren 
nicht weniger als die Aelteren, die ihn in der Vollkraft seines Schaffens um- 
gaben, mit seinen persönlichen Eigenthümlichkeiten, seinem Charakter, seinem 
wissenschaftlichen und menschlichen Denken und Fühlen vertraut geworden. 

Die hervorragendsten Züge seines Wesens waren seine Milde im Urtheil 
über Andere, seine Strenge in der Beurtheilung seiner selbst, seine rückhalt- 
lose Anerkennung aller Verdienste Anderer, die grösste Bescheidenheit und 
Anspruchslosigkeit für seine Person. Nie habe ich ihn, selbst dann nicht, 
wenn er gereizt war, ein hartes und ungerechtfertigtes Urtheil fällen hören. 
Er schalt wohl über den Unglauben und die Kritiklosigkeit seiner Gegner, 
aber sein Schelten galt niemals der Person, der er immer mit vornehmer 
Liebenswürdigkeit gegenübertrat. Diese Milde im Urtheil über Andere, gepaart 
mit einer bewunderungswürdigen Selbstdisciplin, behüteten ihn vor jeder 


726 Pfeiffer, 


Ungerechtigkeit. Wenn gesagt wurde, er habe seine Schüler — „nicht mer 
glücklich“ — in alle möglichen Stellen gebracht, so ist das ein Vorwurf, den 
er nicht verdient hat. Durch Unrecht gegen Andere hat er nie die Zukunft 
eines Schülers gesichert. 

Der Strenge gegen sich selbst entsprang auch sein hohes Pflichtgefühl; 
im Bewusstsein stets erfüllter Pflicht verlangte er aber auch Pflichterfüllung 
bei Anderen. Kamen einmal grobe Pflichtverletzungen vor, so trafen den 
Schuldigen ernste Rügen. Nach der Rüge war die Sache abgethan. Nach- 
getragen hat er dem Sünder nichts; für Misstrauen hatte sein Herz keinen 
Raum. Dass einer seiner Untergebenen ihn belügen könnte, erschien ihm 
völlig ausgeschlossen. 

Von seiner Selbstlosigkeit und Bescheidenheit haben wir ungezählte Bei- 
spiele gesehen. Unaufgefordert trat er nicht leicht in den Vordergrand; 
alles Feiern seiner Person und alles Preisen seiner Verdienste war ihm su- 
wider. Bei der Feier seines 50 jährigen Doktorjubiläums habe ich ihn erst 
ganz befriedigt gesehen, als er im kleinen Kreise in dem schönen Feldafing 
weilte, nachdem die officiellen Festlichkeiten vorüber waren. 

Für grössere Geselligkeit war Pettenkofer nicht veranlagt. Er liebte 
den ungezwungenen Verkehr im Kreise guter Bekannten, noch mehr aber die 
Ruhe und Behaglichkeit des eigenen Heims. Die Abende, an denen er nicht 
zu arbeiten hatte, verbrachte er bei seiner Familie in Unterhaltung und Karten- 
spiel, das er gerne und eifrig betrieb. Wie eifrig er es pflegte, beweist seine 
Konstruktion eines Registrirapparates für das Tertlspiel, den wohl jeder seiner 
Schüler kennen gelernt hat. 

Alljährlich einmal lud er uns zu einer Kegelpartie; während derselben 
war er aber mit solchem Eifer beim Kegeln, dass eine Unterhaltung nicht 
recht in Fluss kommen konnte. Er wandte eben allem, was ihn beschäftigte, 
seine ganze Aufmerksamkeit zu. Nach dem Tode seiner Gattin kamen wir 
nur selten in sein Haus. Wir hatten bei den wenigen Anlässen, die uns da- 
hin führten, zwar immer den Eindruck, dass wir ihm herzlich willkommen 
waren, aber so recht behaglich wurde es nie. Es fehlte ihm die gesellige, 
lebbafte Lebensgefährtin, die durch Witz und Liebenswürdigkeit die Unter- 
baltung belebte. 

Ueber seinem Heim und seiner Familie waltete kein guter Stern. Viel 
Unglück kehrte in seinem Haus ein. In jungen Jahren starben seine beiden 
Söhne und eine Tochter hinweg. Ein schweres Herzleiden raubte ihm au der 
Schwelle des Alters die treue Gefährtin guter und schwerer Lebenstage. In 
der letzten Zeit lebte er zusammen mit seiner Schwiegertochter und seinem 
Enkel Moritz, einem schwächlichen Knaben, für dessen Gesundheit und Leben 
er immer bangte. Als Pettenkofer seine diabetische Erkrankung erkannt 
hatte, sagte er mir thränenden Auges: „Es liegt mir nichts daran, aus der 
Welt zu müssen, ich habe lange genug gelebt und gearbeitet. Aber meinen 
Moritz bätte ich noch gerne gross gebracht“. Der Himmel hat seinen Wunsch 
erfüllt; aus dem schwächlichen Knaben ist ein kräftiger Student der Medicin 
geworden. 

Wie er mit inniger Liebe an seiner Familie hing, so hielt er auch treue 


Zum Gedächtniss für Max von Pettenkofer. 1727 


Freundschaft denen, die seinem Herzen nähergetreten waren. Von seinen 
Jugendfreunden erzählte er immer gerne, besonders aus der Zeit seines Auf- 
enthaltes in Giessen, wo er viel mit Will, Fresenius u. A., die ihm im 
Tode vorausgingen, verkehrt hatte. Ich war bei der Naturforscherver- 
sammlung in Halle 1891 Zeuge eines Zusammentreffens zwischen ihm und 
Fresenius, die sich lange nicht gesehen hatten. Es war eine wahre Freude 
zuzusehen, wie herzlich die beiden alten Herren sich begrüssten und wie sie 
voller Frohsinn und glücklicher Erinnerung die alten Zeiten besprachen, in 
denen sie zusammen gearbeitet, gelesen, gedichtet und gesungen hatten. 

Seinen Lehrern und denjenigen seiner Berufsgenossen, welche ihm bei 
wissenschaftlichen Arbeiten bei Seite gestanden, bewahrte er ein gutes An- 
denken und eine aufrichtige Verehrung. Die Nachricht von dem Heimgang 
solcher betrübte ihn immer tief. Gemüthlichen Eindrücken war er sehr zu- 
gänglich, überhaupt beherrschte seine Gemüthsstimmung eine grosse Weichheit. 
Die Erinnerung an seine verstorbenen Kinder, besonders an die letzten Lebens- 
tage seines Sohnes Xaver, auf den er grosse Hoffnungen gesetzt hatte, er- 
schätterte ihn immer wieder. Mit Thränen im Auge erzählte er uns, dass 
der letzte Wunsch seines sterbenden Sohnes gewesen sei, man möge ihn noch 
einmal an das Fenster tragen, von dem aus die fernen Berge zu sehen waren, 
die er so sehr geliebt hatte. Wenn wir bei Beerdigungen auf dem südlichen 
Friedhof waren, führte er uns nicht selten an die Stätte, wo seine Lieben 
den ewigen Schlaf schliefen, und wo er dereinst mit ihnen wieder vereinigt 
sein würde. 

In einer merkwürdig tiefen Bewegung sah ich ihn auch, als er 1892, von 
Hamburg zurückgekehrt, mir die Scenen berichtete, die er bei der zwangs- 
weisen Verbringung der Cholerakranken nach den Spitälern gesehen hatte, 
und ein heiliger Zorn flammte durch seine Züge und Worte, als er daun die 
anklagte, welche, durch theoretische Erwägungen geleitet, die Behörden zu 
diesen Maassregeln getrieben hatten. Und in dieser Stimmung theilte er mir 
dann mit, dass er unbeugsam entschlossen sei, den 1883 angekündigten Ver- 
such, Choleravibrionen zu verzehren, nunmehr zu unternehmen. 

„Man bringt diesen Stein des Anstosses — er meinte damit die konta- 
gionistische Anschauung von der Entstehung und Verbreitung der Cholera — 
nicht aus den Köpfen heraus, wenn man dieselben nicht durch einen „Thier- 
versuch“ belehrt. Für die grossen epidemiologischen Experimente haben die 
Herren kein Verständniss“. Als ich versuchte, ihm darzulegen, dass der Ver- 
such nicht als einwandgfrei bezeichnet werden müsste, wenn er so ausfiele, 
wie Pettenkofer sicher annahm, sagte er, „dann müsst Ihr ihn eben auch 
noch machen und dadurch beweisen, dass nicht nur bei mir die Disposition 
gefehlt hat“. Ich erklärte selbstverständlicb sofort meine Bereitwilligkeit 
dazu, wagte aber dann einzuwenden, dass es besser sei, er lasse uns zuerst 
den Versuch machen; es wäre doch zu traurig, wenn ihm etwas zustossen würde. 
Da legte er mir voll Güte die Hand auf die Schulter und sagte mit einem 
Ton milden Vorwurfs für den Zweifler in der Stimme: „Glauben Sie, ich 
würde den Versuch machen, wenn ich nur den leisesten Zweifel hätte, dass 
er anders verlaufen könnte, als ich glaube“. Bekanntlich ist der Versuch 


7128 Pfeiffer, 


doch anders ausgefallen, als er und wir erwartet hatten; und als der Versuch 
Emmerich’s zu einer nicht unbedenklichen Choleradiarrhoe führte, da gebot 
er selbst alsbald von weiteren Versuchen abzustehen. Es hat ihn dieses Er- 
gebniss seines in vollster Ueberzeugung von der Ungefährlichkeit unternommenen 
Versuchs anfänglich etwas deprimirt; er sprach nicht mehr viel über die Sache. 
Aber er grübelte über den Widerspruch zwischen Experiment und epidemio- 
logischen Thatsachen so lange nach, bis er die Erklärung für denselben ge- 
funden: Er erklärt sich daraus, dass der Choleravibrio wohl einen Cholera- 
anfall, aber allein keine Epidemie auslösen kann. Zur Entstehung einer solchen 
gehört — und damit werden ihm wohl alle Schüler und Anhänger beipflichten 
— eine oder eine Reihe von Hilfsursachen, die sehr wohl aus unserer Um- 
gebung entstammen können. 

Im Besitze dieser Erklärung konnte er dann mit gutem Gewissen vor den 
Münchener Aerzteverein treten und das Ergebniss seines Choleraexperimentes 
verkünden, ohne den Vorwurf zu ernten, er habe, in seinen Lehren befangen, 
der Beweiskraft des Experimentes die Anerkennung versagt. 

Einen solchen Vorwurf hätte sich der Forscher Pettenkofer nicht machen 
lassen. Er hatte zu lange geforscht, um nicht zu wissen, dass Hypothesen 
und Theorien vor dem unzweideutigen Spruch des exakten Versuchs fallen 
können und müssen. Hatte ihm doch Liebig’s vergebliches Mühen, seine 
Lehren von der Bedeutung der Nährsalze gegen die sich durch Pettenkofer's 
und Voit’s Untersuchungen erschliessenden Ernährungsgesetze zu vertheidigen, 
gezeigt, in welche Fehler ein Forscher durch starres Festhalten an der einmal 
erworbenen Anschauung verfallen kann, und hatte er selbst doch gerade in 
seinen Anschauungen von der Verbreitungsart der Cholera und später von 
dem Einfluss der städtischen Abwässer auf öffentliche Wasserläufe die ver- 
schiedensten Wandlungen erfahren. 

Sein ganzes Leben lang war Pettenkofer bemüht, in der Forschung nur 
nüchterne Kritik zu üben, und Niemand wird ihm den Vorwurf machen können, 
dass er voreingenommen an seine Versuche herangegangen, willkürlich die- 
selben gedeutet oder gar auf Spekulationen sich eingelassen habe. 

Man durchmustere nur seine Werke, ob man an einer einzigen Stelle 
finden kann, dass er die Versuche, die er unternommen, die Beobachtungen, 
die er angestellt hat, anders gedeutet hat, als sie zu deuten sind! Lieber 
verzichtete er auf eine Deutung, als dass er sich der Gefahr, eines Feblers 
geziehen zu werden, ausgesetzt hätte. Schwerlich würde er ja auch als Forscher. 
diejenige Anerkennung gefunden haben, die ihm heute allgemein gezollt wird, 
wenn anderes Streben, als das nach Wahrheit, ihn geleitet hätte. 

Pettenkofer als Forscher richtig zu würdigen, ist dem, der seine Werke 
—- und er hat deren eine stattliche Zahl hinterlassen — kennt, nicht schwer. 
Nicht alle seine Werke sind aber gleich bekannt geworden, nicht alle so, wie 
sie verdienten, gewertbet worden. Seine umfänglichste Thätigkeit entfaltete er 
auf dem Gebiet der Aetiologie und Epidemiologie der Infektionskrankheiten 
und auf dem der Städteassanirung, und mit dieser Thätigkeit hat er auch die 
meiste Fühlung mit der Medicinalverwaltung und dem öffentlichen Gesundheits- 
wesen gewonnen. Er hat eine Fülle von Thatsachen theils selbst ermittelt, 


Zum Gedächtniss für Max von Pettenkofer. 729 


theils gesammelt, welche für die Beurtheilung der Ursachen und Verbreitungs- 
weise des Typhus, der Cholera, des Gelbfiebers und der Malaria von wesent- 
licher Bedeutung waren, und das zu einer Zeit, wo man höchstens ahnen 
konnte, dass diese als Volksseuchen mit Recht gefürchteten Krankheiten durch 
kleine Lebewesen hervorgerufen werden. Er hat aber frühzeitig schon mit 
diesen unbekannten Lebewesen als den Erregern gerechnet und auch Maass- 
regeln zur Vernichtung derselben in Vorschlag gebracht. 

Er hat aber auch frühzeitig mit scharfem Blick erkannt, dass mit der 
Annahme der Entstehung der genannten Krankheiten durch kleinste Orga- 
nismen die Eigenartigkeiten des Verlaufs derselben nicht erklärt seien, mit den 
Maassregeln zur Vernichtung derselben nicht alles geschehen sei, was noth- 
wendig zu ihrer Bekämpfung und Verhütung erschien. So kam er zur Be- 
trachtung der Einflüsse der Umgebung des Menschen auf den Verlauf der 
Krankheiten und zur Erforschung des Wesens und der Bedingungen der Ge- 
sundheit und ihrer Störungen durch äussere Ursachen. An die Lehren des 
Hippokrates anknüpfend, dass das, mit dem der Mensch am meisten in Be- 
rübrung sei, auch den meisten Einfluss auf seine Gesundheit habe, gelangte 
er zur Erforschung der Eigenschaften der Luft, des Wassers, des Bodens. Er 
begann die Luft zu analysiren, und da die Methoden der Luftuntersuchung 
ibm nicht genügend ausgebildet erschienen, neue Methoden zur Untersuchung 
der Luft auszuarbeiten. Seine Methode der Kohlensäurebestimmung ist heute 
noch die einfachste und zuverlässigste, die wir besitzen. Keine der vielen 
Modifikationen und Verbesserungen derselben vermag auch nur annähernd uns 
æ% allseitig zu dienen, wie die ursprüngliche Pettenkofer’sche Methode. 

Mit Hülfe seiner Kohlensäure-Bestimmungsmethode konnte er die Kohlen- 
säureausscheidung des Menschen und der Thiere in exakterer Weise als seine 
Vorgänger messen. Die Messung dieser führte ihn einerseits zur Messung der 
Stoffverluste vom Körper durch den Athmungsvorgang, andererseits zur Unter- 
suchung des Einflusses der respiratorischen Ausscheidungen auf die Luft be- 
wohnter Räume und auf den Luftwechsel. In beiden Richtungen weitergehend, 
erwarb er uns eine Fülle neuer Kenntnisse. Mit Voit zusammen unternahm 
er es, zunächst alle Wege des Stoffverlustes vom Körper kennen zu lernen und 
den Stoffverlust insgesammt zu ermitteln. Zu diesem Behufe ersann er den 
nach ihm benannten Respirationsapparat, den konstruktiv zu verwirklichen 
and anzuwenden ihm die Munificenz König Maximilians gestattete. Bei der 
Konstruktion desselben führte er zum ersten Male die Gasuhr als Messinstru- 
ment und Motor zugleich in die Methodik physiologischer und hygienischer 
Versuche ein. Es ist begreiflich, dass ibm die Gasuhr später immer noch 
viele Freude bereitete, dass er ihre Erfindung als eine der geistvollsten Er- 
findungen der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts pries und manche Vorlesungs- 
stunde der Erklärung ihres Baus und ihrer Wirkung widmete, ja wenige Jahre 
vor seinem Ausscheiden aus dem Lehramt noch ein besonders übersichtliches 
Demonstrationsmodell konstruirte. War ihm ja doch die Gasuhr auch zum Mittel 
geworden, die Permeabilität der Kleidung und der Baumaterialien nachzuweisen 
und zu messen. 

Eine seiner glänzendsten Untersuchungen war diejenige über den natür- 

53 


730 Pfeiffer, 


lichen Luftwechsel, durch welche es ermöglicht wurde, die von den Franzosen 
empirisch ermittelte Nothwendigkeit der künstlichen Ventilation wissenschaftlich 
zu begründen und Maasse für die Grösse derselben im Einzelfalle aufzustellen. 
Sie fand ihre Vervollständigung in den Arbeiten über die Verunreinigung der 
Luft durch die Heizanlagen und durch unsere künstlichen Lichtquellen, welche 
Arbeiten Pettenkofer weiter zu dem Studium der Wärmeökonomie des mensch- 
lichen Körpers und der Funktionen der Kleidung und Wohnung führten. Die 
Kenntniss dieser gestattete Grundsätze für eine vernunftgemässe Bekleidung, 
für die Hygiene der Wohnungen aufzustellen. 

Pettenkofer’s epidemiologische Untersuchungen hatten ihn auf die Be- 
ziehungen zwischen dem Menschen . und dem Boden, auf dem er lebt, aufmerk- 
sam gemacht. Es galt, diese Beziehungen klarzulegen und für die Erhaltung 
der Gesundbeit zu verwerthen. Daher wurden, zunächst die chemischen und 
physikalischen Eigenschaften des Bodens, sein Luft- und Wassergehalt, die 
organischen Stoffe in demselben in den Kreis der Betrachtung gezogen, regel- 
mässige Untersuchungen der Zusammensetzung der Grundluft, Messungen des 
Grundwassers vorgenommen. Die epidemiologischen Erfahrungen wiesen auf 
die Bedeutung des Wassers und der Bodenverunreinigung hin. So entstanden 
die Arbeiten über Untersuchung und Beurtheilung des Trinkwassers, über 
Wasserversorgung, über Entwässerungsanlagen, über die Beseitigung der Abfall- 
stoffe, über Flussverunreinigung und über Selbstreinigung der Flüsse, Arbeiten, 
welche vielfache Lebensbedürfnisse des Menschen berührten und Pettenkofer 
zum Berather der Städteverwaltungen in zahlreichen Fragen der Assanirung 
machten. Der glückliche Umstand, dass vortreffliche Bürgermeister damals 
an der Spitze der Verwaltung Münchens standen, sowie die betrübenden Ge- 
sundheitsverhältnisse in München, besonders die stetigen Typhusepidemien da- 
selbst, waren Anlass, dass Pettenkofer in München alle die Beobachtungen. 
welche er gemacht hatte, die Ergebnisse seiner experimentellen Studien, selbst 
der öffentlichen Gesundheitspflege nutzbar zu machen im Stande war. Zum 
grössten Theil haben es seine ununterbrochenen Bemühungen dahin gebracht, 
dass München zu einer gesunden Stadt geworden ist. Aber nicht nur seine 
engere Heimath zog Nutzen aus seinen Entdeckungen und Lehren, sondern 
ganz Deutschland, ja ein grosser Theil der Welt. Von allen Seiten kamen 
Anfragen und Bitten um Gutachten an ibn; stets hat er dieselben bereitwilligst 
und in der uneigennützigsten Weise befriedigt. 

Nicht immer ist es ihm leicht geworden, das, was er empfohlen batte, 
auch durchzusetzen. Trägheit und. Vorurtheile standen ihm in Menge gegen- 
über. Aber seine unbeugsame Energie bei der Verfolgung all dessen, was er 
als richtig und nothwendig erkannt hatte, verhalf ihm schliesslich doch stets 
zum Sieg. Den sachlichen Einwendungen trat er durch Belehrung, durch den 
Nachweis der Richtigkeit seiner Ansichten und Rathschläge in Wort und Schrift 
entgegen, die persönlichen Angriffe wies er mit ruhiger Würde zurück. Und 
da niemals andere Motive, als das Streben nach Wahrheit, immer nur das 
Interesse für die Sache die Triebkräfte für sein Handeln waren, sind seine 
persönlichen Gegner stets wieder auf das sachliche Gebiet zurückgeführt worden, 


Zum Gedächtniss für Max von Pettenkofer. 731 


wenn sie nicht, wie wohl die meisten, schliesslich übefzeugt und zu Anhängern 
warden. Wirkliche Feinde hat er schwerlich besessen. 

Die wissenschaftliche Bedeutung der Arbeiten, die aus seinem Laboratorium 
bervorgingen, theils eigene, theils solche seiner Schüler, die unter seiner 
Leitung gearbeitet hatten, noch mehr aber der enorm praktische Werth der- 
selben machten die Regierungen auf die Nothwendigkeit aufmerksam, die 
Hygiene zum Unterrichtsgegenstand für die Studirenden der Medicin und der 
technischen Wissenschaften zu bestimmen. Auf Pettenkofer’s Rath wurden 
an den drei bayerischen Universitäten Lehrstühle für Hygiene errichtet; die 
Hygiene wurde für Mediciner und Architekten Prüfungsgegenstand. Später 
folgten dem Beispiel Bayerns die übrigen deutschen Staaten und das Ausland. 
Der sich rasch entwickelnden jungen Wissenschaft mussten allmählich eigene 
Arbeitsstätten errichtet werden; mit der Zeit entstanden an Universitäten und 
anderen Hochschulen Hygienische Institute, und heute giebt es wohl keine 
Universität mehr, welche nicht ein solches besitzt. Vielen diente das nach 
Pettenkofer’s Plänen erbaute Münchener Institut als Muster. 

Um Pettenkofer hatte sich im Laufe der Jahre eine stattliche Anzahl 
Schüler versammelt; diese hatten nicht nur die Leistungen Pettenkofer’s 
als Forscher angezogen, sondern auch seine Persönlichkeit und seine Lehr- 
thätigkeit. Die letztere beschränkte sich nicht allein auf das Abhalten der 
Vorlesungen, sie umfasste auch die Anregung und Anleitung zu selbständigen 
Untersuchungen, auch die Uebung der Methoden hygienischer Untersuchungen. 

Pettenkofer’s Vorträge über Hygiene waren zwar schlicht und wenig 
darch rhetorischen Schmuck ausgezeichnet, aber doch ausserordentlich inter- 
essant, mit Humor und feinem Sinn gewürzt und vor Allem sehr klar. Er sprach 
meist frei und dann nicht fliessend, und nicht alles, was er sagte, machte den 
Eindruck, den es zu machen verdiente. Wollte er besonderen Eindruck machen, 
wie z. B., wenn er seine Ueberzeugung den Anschauungen seiner wissenschaft- 
lichen Gegner gegenüber vertrat, dann bediente er sich eines trefflich aus- 
gearbeiteten Manuskriptes. Ebenso bei allen populären Vorträgen, wo es 
darauf ankam, in Kürze ein klares Bild von dem Gebiet zu geben, das er 
gerade behandelte. Die meisten dieser Vorträge sind im Druck erschienen 
und legen Zeugniss ab von der Klarheit seines Urtbeils und seiner Darstellung. 
Manche sind rhetorische Meisterstücke, wie z. B. seine Rektoratsreden, seine 
Rede bei. Uebernahme des Präsidiums der Akademie der Wissenschaften. 

Mit Gesten begleitete er seine Vorträge selten, desto mehr aber mit 
dem Ausdruck seines Gesichtes, dessen Züge, während er sprach, fortwährend 
in Bewegung waren. Gerieth er in Affekt, so zuckten die mächtigen Augen- 
brauen empor, dann blitzten die dunklen Augen über die Versammlung hin, 
dann schwollen die Worte unter seinen Lippen, dann riss er die Geister im 
Fluge mit sich fort. Etwas schauspielerische Anlage war bei Pettenkofer 
zweifellos vorbanden. Wer von den damaligen Zuhörern erinnerte sich nicht 
gerne an die dramatische Scene bei seinem Vortrag über die Hamburger 
Cholera, als er schilderte, wie und warum er den Selbstversuch gemacht habe? 

In seinen Vorlesungen stellte er häufig Experimente an, auch seine popu- 
lären Vorträge schmückte er nicht selten mit solchen aus. Es waren einfache, 


53* 


732 Pfeiffer, Zum Gedächtniss für Max von Pettenkofer. 


manchmal recht primitive Demonstrationen; aber gerade sie haben am meisten 
gewirkt. Er kannte auch ihre Wirkung sehr genau und hielt deshalb an 
ihnen bis ins höchste Alter unverändert fest. Von Verbesserungen und Ver- 
feinerungen derselben wollte er nichts wissen. Es waren lauter Experimente, 
die er selbst ersonnen, z. Th. seinen exakten Versuchen entnommen und für 
die Unterrichtszwecke vereinfacht hatte. Hatte er sie selbst vorbereitet, so 
misslangen sie nie; hatten wir sie aber allein vorbereitet, so kam es hin 
und wieder vor, dass sie nicht nach Wunsch ausfielen. Das betrübte ihn 
sehr; manchmal prüfte er selbst in der Vorlesung, was die Ursache des Miss- 
lingens gewesen, beseitigte die Hindernisse und wiederholte den Versuch dann 
mit Erfolg. 

Während ich bei ihm Assistent war, kümmerte er sich um die experi- 
mentellen Arbeiten seiner Schüler wenig mehr, konnte es auch nicht bei der 
grossen und allseitigen Inanspruchnahme durch die vielen Aemter; nur wenn 
er selbst eine Arbeit angeordnet hatte, war er fleissig zugegen, bestimmte 
die Versuchsanordnung und überwachte den Verlauf. Nach den Mittheilungen 
seiner älteren Schüler hat er sich aber früher viel mit seinen Praktikanten 
und Assistenten beschäftigt, sich eingehend nach den Fortschritten und Resul- 
taten ihrer Arbeiten erkundigt, auch gerne selbst eingegriffen, um raschere 
und richtige Resultate zu Tage zu fördern. Auf sorgfältiges und sauberes 
Experimentiren legte er grossen Werth; ging durch Unaufmerksamkeit ein 
Versuch verloren, wurde ein Apparat zertrüämmert, so fand er auch wohl 
ernste Worte des Tadels. 

Soviel als möglich mussten sich seine Schüler der einfachsten Hilfsmittel 
bedienen. „Lernt Ihr mit kleinen Mitteln arbeiten, so seid Ihr freier und 
selbständiger, als wenn Ihr komplicirte Apparate braucht. Ihr habt es ohne- 
bin besser, als ich es gehabt habe. Ich habe noch mit der Spirituslampe 
arbeiten und meine Elementaranalysen in Kohlenbecken machen müssen und 
habe auch nicht schlechter gearbeitet als Ihr.“ 

Von seinen Schülern bekleiden heute viele Lehrstühle für Hygiene an 
Hochschulen; viele sind in amtlichen Stellungen; sie pflegen das Erbe, das 
ihnen der Lehrer hinterlassen hat. Im Geiste des Meisters arbeiten sie weiter 
au dem Bau, den er begründet hat. 

Erreichen wird den Meister keiner. Persönlichkeiten mit solchen Eigen- 
schaften, wie sie Pettenkofer besass, werden nur selten geboren. Er war 
ein Führer auf dem Gebiete der Forschung, ein Pfadfinder auf dem Wege 
zur Erkenntniss; seinen Spuren folgend wollen wir das Erworbene erbalten 
und mehren, stolz in dem Gedanken, dass er uns geführt, dankbar dafür, dass 
wir ihm folgen durften. 

Sein Name und seine Werke werden uns unvergesslich sein. 


Flade, Zur Alkoholfrage. 133 


Zur Alkoholirage, 


Berichte aus den wichtigeren Abhandlungen und Mittheilungen des „Alko- 

holismus“ (Vierteljahrsschrift zur wissenschaftlichen Erörterung der Alkohol- 

frage), der „Mässigkeitsblätter“ (Mittheilungen des Deutschen Vereins gegen 

den Missbrauch geistiger Getränke) und der „Internationalen Monats- 

schrift zur Bekämpfung der Trinksitten“ (Organ desAlkoholgegnerbundes 
und des Vereins abstinenter Aerzte des deutschen Sprachgebietes). 


Von 
Dr. Erich Flade, Dresden. 


II. Halbjahr 1900. 
Versorgung und Heilung Trunksüchtiger. 

Die Alkoholiker, in Sonderheit die Gewohnbheitstrinker, welche jeden 
Augenblick gemeingefährlich werden können, verfallen bekanntlich noch immer 
der Unterbringung in Anstalten, in welche sie nicht gehören. Während 
man die heilbaren Trinker Heilstätten für Trunksüchtige, die 
anbeilbaren Trinkerbewahranstalten zuführen sollte, gerathen sie 
insgemein je nach ihrem Zustande und besonderen Anlässen in Irreganstalten, 
Arbeitshäuser, Krankenhäuser, Besserungsanstalten u. s. w. Auf der anderen 
Seite verursacht die bekannte Lücke in unserer Gesetzgebung die Verbringung 
der Alkoholiker in Strafanstalten, wofern sie sich im Rausch vergangen oder 
man gewartet hat, bis sie unzurechnungsfähig schwerer Verbrechen sich schuldig 
gemacht haben. „Der Wille des Alkoholikers“, sagt Bleuler-Zürich!), „ist im 
Ganzen durch den Alkoholgenuss geschwächt und in einer Beziehung geradezu 
vollkommen gebunden: der Verführung des Alkohols ist er machtlos preis- 
gegeben. Das Strafgesetz kennt den Alkoholismus, die wichtigste Quelle der 
Verbrechen nicht.“ Bemerkenswerth sind Bleuler’s Worte über den Rausch 
als die bekannte „entschuldbare Gemüthsbewegung“, in die man sich „zwecks 
mildernder Umstände“ verfügt. „Wer will die Grenze ziehen zwischen der 
angenommenen Unzurechnungsfähigkeit und dem Dusel, der mildernde Um- 
stände verlangt? Wer die zwischen dem letzteren und der mässigen, nicht zu 
beräcksichtigenden Alkoholwirkung?“ Und weiter, schreibt Bleuler mit Recht, 
ist hinterdrein die Stärke der Alkoholumnebelung nicht festzustellen, wenn 
nicht einer der pathologischen Rauschzustände vorliegt. „So wird der Richter 
gewöhnlich höchstens verminderte Zurechnungsfähigkeit annehmen, aber dabei 
— vom Standpunkte des Strafrechts und der Moral aus — sehr oft einen 
„Unsebuldigen“ bestrafen.“ Der die Fähigkeit der Selbstbestimmung nicht 
mehr besitzende Trunksüchtige bezw. Betrunkene hätte dieselbe Stellung dem 
Strafrichter gegenüber einzunehmen, wie der Geisteskranke. Ein Vergehen 
könne man doch nur in der Gefährdung der menschlichen Gesellschaft durch 


1) Der Alkohol im Strafrecht von Prof. Dr. Bleuler-Zürich. Internat. Monats- 
schr. z. Bekämpfung d. Trinksitten. 1900. H. 7. 


734 Flade, 


den Rausch erblicken. „Aber die Schwere des in diesem begangenen Ver- 
brechens ist in Bezug auf die Grösse der Schuld durchaus irrelevant, meistens 
von zufälligen äusseren Umständen abhängig.“ Wolle der Trunksüchtige nicht 
enthaltsam leben, so habe man ihn eben als gemeingefährlich in die geeignete 
Anstalt zu versetzen. 

Zu den im vorigen Berichte über das Alkoholmonopol in der Schweiz 
gemachten Angaben mag Folgendes ergänzt sein: In Folge Freiheit des Handels 
mit geistigen Getränken in der Menge von je 2 Litern hat sich eine Unmasse 
sogenannter „Zweiliterwirthschaften“ aufgethan, welche Biere und Weine zweifel- 
hafter Güte verschänken. Verdächtig erscheint das rapide Anwachsen des 
Verbrauchs von denaturirtem Spiritus „zu technischen Zwecken“: man ver- 
muthet, dass nicht unerhebliche Mengen renaturirt werden. Bier- und Wein- 
konsum nehmen beständig zu. Ausgaben, welche jetzt von dem sogenannten 
Alkoholzehntel bestritten werden, wäre der Staat auch ohne dieses zu decken 
verpflichtet. 

Immerhin gehört die Schweiz zu den Ländern, in welchen die Erkenntoiss 
von der Nothwendigkeit einer geordneten Versorgung Trunksüchtiger 
und entsprechender Gesetzgebung eine fortgeschrittene ist. Nicht nur, 
dass wir in der Heilstätte Ellikon eine der Trinkerheilstätten besitzen, welche 
die besten Erfolge aufzuweisen hat, sondern auch die verschiedenen Trunk- 
suchtsgesetze der einzelnen Kantone zeugen von weit grösserem Verständniss 
für das Wèsen der Trunksucht und die Beurtheilung Trunksüchtiger, als die 
Gesetze und Verordnungen anderer Staaten. Der Thurgauer Gesetzentwurf 
scheidet beispielsweise sehr richtig die Versorgung Heilbarer in Trinkerheil- 
stätten von der Unterbringung Unheilbarer in Asylen oder Irrenanstalten. Neben 
dem freiwilligen Eintritt in die Heilstätte ist der unfreiwillige durch Zwangs- 
verbringung seitens der zuständigen Behörde vorgesehen. Der Zwangsver- 
sorgung hat amtliche Verwarnung vorherzugehen. Der $ 11 des Entwurfs 
bestimmt, dass zunächst die persönliche Handlungsfähigkeit in der Regel nur 
soweit beschränkt wird, als es der Zweck der Versorgung erheischt. Nöthigen- 
falls hat dann später noch Vormundschaft nach den bestehenden Gesetzen 
einzutreten. Leider ist nach deutschem Gesetze eine zwangsweise Verbringung 
Trunksüchtiger io Heilstätten erst nach Entmündigung möglich. Diese aber 
dürfte nach den zur Zeit geltenden Bestimmuugen zumeist erst erfolgen, wenn 
das Loos des Trinkers und seiner Angehörigen schon besiegelt ist. 

Das englische Trunksuchtsgesetz vom 12. August 1898 erfüllt Wünsche, 
die wiederholt in Deutschland von sachkundiger Seite als dringend hervor- 
gehoben worden sind, deren Geltendmachung in den gesetzgebenden Körper- 
schaften aber erst möglich sein wird, wenn das Verständniss für das Alkohol- 
elend und die Nothwendigkeit der Trinkerrettung bezw. Trinkerbewahrung 
Gemeingut der Besten des Volkes geworden sein wird. Dabei möchte man 
den berechtigten Wunsch nicht unterdrücken, dass diese Besten aber auch in 
die Volksvertretungen gewählt würden. Quousque tandem? — — So bestimmt 
das Gesetz u. a.: „Eine Person, welche eines strafbaren Vergebens überführt 
ist. auf welches Gefängniss oder Strafarbeit steht, kann, wenn der Gerichtshof 
überzeugt ist, dass Trunkenheit die direkte oder mitwirkende Ursache der 


Zur Alkoholfrage. 735 


Strafthat gewesen ist und der Angeklagte ein gewohnheitsmässiger Trinker 
ist, durch Richterspruch an Stelle der Strafe oder im Zusatz zu derselben auf 
längstens 3 Jahre in eine staatliche oder in eine andere koncessionirte Trinker- 
beilstätte geschickt werden, deren Leiter sie aufzunehmen bereit ist.“ Dem 
Staatssekretär wird das Recht eingeräumt, Trinkerasyle zu gründen. Die 
Ausgaben werden durch die vom Parlament dazu bewilligten Gelder gedeckt. 
Auch für den gesammten Betrieb der Heilstätten erlässt der Staatssekretär die 
nöthigen Verordnungen. Kreis- und Stadtverwaltungen oder auch Privatper- 
sonen darf er die Koncession zur Begründung eines Asyls ertheilen, welches 
dann wiederum staatlich zu beaufsichtigen ist durch hierzu ernannte Inspek- 
toren oder Revisoren. Einige weitere Bestimmungen riechen allzusebr nach 
Gefangenanstalt und Polizei und entsprechen kaum dem bumanitären Zwecke 
einer Heilstätte für Trunksüchtige. 

Bekanntlich gebührt das Verdienst, zuerst sich der Trunksüchtigen ange- 
nommen und ihre Heilung versucht und oft genug durchgeführt zu haben, in 
Deutschland nicht den Medicinern, sondern Pastoren, insbesondere den 
Männern der evangelischen inneren Mission. Neuerdings ist auch die katho- 
lische Kirche dazu übergegangen, dem Trinkerrettungswerk greifbarere Gestalt 
durch Errichtung von Heilstätten zu geben. In Heidhausen b. Werden ist 
die erste grössere katholische Heilstätte für alkoholkranke Männer 
begründet worden und zwar vom Kammillianerorden mit Unterstützung des 
Mässigkeitsausschusses des Charitasverbandes. 


Die Nachkommenschaft Trunksüchtiger. 


Unsere verwahrlosten Kinder sind in weitaus der grössten Zahl Nach- 
kommen von Trinkern. In Preussen allein wurden in 20 Jahren (1874 — 1894) 
23254 verwahrloste Kinder aufgenommen. Seit dem Gesetz vom 2. Juli 1900 
über die Fürsorgeerziehung Minderjähriger in Preussen werden dieser noch 
Kinder bis zum 18. Jahre, nicht nur bis zum 12. überwiesen. Sie kann erfolgen 
wegen Unzulänglichkeit der erzieblichen Einwirkung der Eltern oder sonstigen 
Erzieher zur Verhütung des völligen sittlichen Verderbens der Minderjährigen, 
„ein Erforderniss, das von den meisten der in Frage kommenden Alkobolisten 
glatt erfüllt werden wird und auch das Einschreiten der Behörden gestattet, 
wenn Stiefeltern, Vormünder u. s. w. wegen chronischen Alkoholmissbrauchs 
nicht im Stande sind, ihren erzieherischen Pflichten nachzukommen, selbst wenn 
die Degeneration dieser Erzieher noch nicht so weit vorgeschritten sein sollte, 
dass die Bedingungen zur Entmündigung erfüllt werden, und ohne Rücksicht 
darauf, ob sie schon die Fakultas für eine Trinkerheilanstalt erlangt haben.“ 
Eine Erörterung über die Herkunft von 250 verwahrlosten Kindern der Zwangs- 
erziehungsanstalt Berlin ergab Alkoholismus der Väter von 145 Kindern, der 
Mütter von 12, beider Eltern von 4. 

Nach Hitzig erben die Kinder von Trunkenbolden die gleiche, wenn 
nicht höhere Disposition für Erkrankungen des Nervensystems, als die Kinder 
nervöser und selbst geisteskranker Eltern. Näcke sieht in der Vergiftung 
des Keimplasmas und dem depotenzirenden Einflusse auf die Nachkommen- 
schaft den Kardinalpunkt in der ganzen Alkoholfrage. Kirn wies unter 


736 Flade, 


923 Fällen von Idiotie 165 mal Trunksucht der Vorfahren nach. Bourne- 
ville fand unter 1000 schwachsinnigen Kindern nur 209, welche nicht von 
trunksüchtigen Eltern abstammten! Nöthel fand bei 50 v. H. der Epilep- 
tischen seiner Anstalt als Ursache der Krankheit Trunksucht der Eltern. In 
53 Fällen von auffälliger Entwickelungshenmung glaubte Demme einen Zu- 
sammenhang mit der Trunksucht der Eltern aunehmen zu müssen. Morel 
sah neben den von Geburt geistig defekten Kindern gleichfalls solche, die bis 
zu gewissem Alter leidlich intelligent waren, um dann ohne Fortschritte in 
diesem Zustande zu verharren und reizbar, jeder Erziehung unzugänglich, faul, 
zur Vagabondage geneigt und ethisch depravirt zu bleiben. 

Sullivan, Arzt des Gefängnisses Peltonville, bat interessante Beobach- 
tungen veröffentlicht, welche er an Trinkerinnen des Liverpooler Gefäng- 
nisses rücksichtlich ihrer Nachkommenschaft machte. Neben der Trunksucht 
als degenerirend in Frage kommende Faktoren wurden bei den Feststellungen 
ausgeschlossen. Von 620 Trinkerinnen wurden 600 Kinder geboren. Von 
diesen blieben nur 265 — 44,2 v.H. länger als 2 Jahre am Leben. Bei mehr 
als 60 v. H. der frühzeitig Verstorbenen waren als Todesursache „Krämpfe“ an- 
gegeben. Eine Gegenüberstellung von Kindern nüchterner und trunksüchtiger 
Frauen ergab folgendes: 20 Trinkerinnen hatten 125 Kinder, darunter starben 
69 (55,2 v. H.) vor Ende des 2. Jahres; 28 nüchterne Frauen hatten 138 Kinder, 
darunter starben 33 /23,9 v. H.) vor Ende des 2. Jahres. 

In verschiedenen Fällen bewirkte Gefängnisshaft Enthaltsamkeit während 
der Schwangerschaft und das Lebenbleiben dieser Früchte, während die vor- 
dem geborenen früh verstorben waren. Trinkerinnen neigen zu Todt- und 
Fehlgeburten; bei den lebenden Kindern ist Epilepsie sehr häufig. Während 
die ersten Kinder von Trinkerinnen meist noch normal sind, wird jedes weitere 
minderwerthiger an Geist und Körper. „Jedenfalls verdient der Umstand, dass 
die Klassen der gesellschaftsfeindlichen Individuen, die Verbrecher, Vagabunden, 
Prostituirten, zum grossen Theile Kinder von Trinkern (bezw. Trinkerinnen) 
sind, die grösste Beachtung. Durch die Unterdrückung der weiblichen Trank- 
sucht eliminirt die Gesellschaft nicht nur einen nutzlosen und häufig gefähr- 
lichen Bestandtheil, sondern sie beugt auch der Erzeugung von Kindern vor, 
die zu einer Last oder Gefahr für die Gesellschaft prädestinirt sind.“ 


Einfluss des Trunkes auf die geistige und körperliche 
Gesundheit. 


Die Kraepelin’schen Versuche über die Beeinflussung der geistigen 
Fähigkeiten durch Alkoholgenuss sind von verschiedenen Seiten ergänzt worden. 
Nach Ach, Oseretzkowsky und Rüdin bewirkt schon die geringe Gabe 
von 30 g Alkohol erhebliche Verschlechterung der Auffassung in Form ver- 
mehrter Fehler und Nichtaufnahme dargebotener einfacher Eindrücke. „Die 
Schädigung der Wahrnehmung wird dabei um so grösser, je grösser die An- 
forderungen an dieselbe werden. Die Addir-, Lern- und Associationsarbeit 
wird nach einer abendlichen Alkoholgabe von 2,5—3 Litern Bier so sehr ge 
schädigt, dass der folgende Tag noch ganz oder doch zum grössten Theil noch 
unter ihrer Nachwirkung zu leiden hat. Ja, letztere kann, je nach der Ver- 


Zur Alkoholfrage. 737 


suchsperson, sogar bis zum Abend des zweiten Tages verfolgt werden.“ Je 
komplicirter eine gestellte Aufgabe bei den Versuchen war, desto mehr ver- 
sagte das Auffassungsvermögen des Individuums nach Alkoholgenuss. Die 
Versuche mit der sogenannten „Schiessplatte“ ergaben, dass das Buchstaben- 
gedächtniss nach Alkoholgenuss stark beeinträchtigt ist und die Wahrnehmungen 
fehlerhafter werden. Die Fehler werden um so zahlreicher, je länger der Ver- 
such fortgesetzt wird, da die ermüdende Wirkung des Alkohols erst allmählich 
sich geltend macht. Schwer geschädigt wird durch Alkoholaufnahme auch die 
„Merkfäbigkeit,“ das Gedächtniss für frisch Geschehenes, nach Wernicke die 
Fähigkeit der willkürlichen Einprägung und Beherrschung dargebotener Ein- 
drücke. „Die kritiklose Wahl, mit welcher der unter stärkerer Alkoholwirkung 
stehende die Entscheidung zwischen Richtigem und Falschem trifft, erklärt sich 
zum Theil aus einer durch Alkoholgenuss erzeugten Erleichterung der Sprachan- 
triebe.“ DieWichtigkeit derKenntnissnahme solcher Ergebnisse durch den Richter 
wird mit Recht hervorgehoben. Denn „vor Gericht wird die Zeugenaussage 
nicbt blos durch die unter Alkoholwirkung zu Stande kommende Einschrän- 
kang und Ungewissheit der Wahrnehmung des Thatbestandes in ihrem Werth 
herabgesetzt, sondern auch durch die zahlreichen alkoholischen Erinnerungs- 
fälschungen ihrer Beweiskraft völlig beraubt“. 

Einen interessanten Beitrag zu den Untersuchungen Kraepelin’s und 
seiner Schüler über den Einfluss des Alkoholgenusses auf die geistige 
Arbeit finden wir in einer in der Wiener med. Wochenschr. (1899/1900. No. 52) 
erschienenen Abhandlung von Kende: Der Alkoholismus mit besonderer Rück- 
sicht auf das kindliche Nervensystem. Kende hat an 25 Kindern im 
Alter von 6—15 Jahren Versuche mit Darreichung kleiner Alkoholgaben ge- 
macht unter Ausschluss geistig minderwerthiger. Je nach dem Alter reichte 
er ein halbes bis zwei Zehntel Wein im Laufe des Vormittags. Die Ergeb- 
nisse entsprechen im Allgemeinen den Kraepelin’schen: die Solidität der 
Arbeit bezw. die Qualität leidet unter der Quantität und Oberflächlichkeit. 
„Nach Einwirkung des Alkohols werden die Kinder lebhafter, unternehmender, 
freier im Handeln und Sprechen. Sie lesen schneller, mit schönerer Betonung, 
machen leichte Rechnungen in kürzerer Zeit und führen eine bilderreichere 
Sprache, als im nüchternen Zustande. Ihre Schrift jedoch lässt die Symmetrie 
vermissen. Bei schwereren Rechnungen werden fast durchgehends Fehler 
gemacht. Bedachtsamkeit ist bei ihnen ausgeschlossen. Niemand kommt es 
in den Sinn, nachzurechnen, was sie im nüchternen Zustande nie verabsäumen 
zu thun. Das Auswendiglernen ist erschwert und, was besonders hervorzu- 
beben ist, sie beachten und bemerken nicht, wenn sie durch Verwechselung 
klangähnlicher Worte sinnloses Zeug aufsagen, denn ihr Denkvermögen hat an 
Schärfe verloren, es ist andererseits auch verlangsamt.“ Neben Mattigkeit und 
Schläfrigkeit stellten sich auch Veränderungen im Charakter ein, wie Unfolg- 
samkeit, Keckheit u.s. w. Weit mehr in die Augen fallen die Ergebnisse von 
mit psychopathischen Kindern angestellten Versuchen. Kinder trunksüchtiger 
Eltern reagiren leicht auf regelmässige Alkoholgaben mit pavor nocturnus, 
enuresis nocturna u. s. w. Bei nervösen Kindern stellen sich nach Alkohol- 
genuss namentlich Chorea und Epilepsie ein. Beim normalen Kinde gehen 

54 


738 Flade, 


die hemmenden Einflüsse der Erziehung langsam verloren, die egoistischen 
Triebe gewinnen die Oberhand; es wird trāge, zerstreut. Der geschlechtliche 
Trieb erwacht zeitig und wird oft durch Masturbation befriedigt. Schädigung 
des Nervensystems in späteren Jabren ist unausbleiblich. 

Nach den Erfahrungen Fiebig’s, gesammelt im Dienste eines Chefarztes 
der niederländisch-ostindischen Truppen, beruht die Akklimatisation im 
Wesentlichen auf einer Neuregulirung des Blutumlaufs durch das vasomoto- 
rische Nervensystem, welche naturgemäss durch Alkobolgenuss gehemmt werden 
muss. Die Leistungsfähigkeit der Truppen wuchs ganz auffallend, nachdem 
Fiebig die Herabsetzung der Alkoholration auf 50 g pro die durchgesetzt 
hatte. Nach seiner Ansicht können Personen, welche 20—60 g Alkohol täg- 
lich geniessen, sich überhaupt nicht akklimatisiren. „Die Tüchtigkeit einer 
Truppe liegt nicht in ihren Beinen, sondern in der Leistungsfähigkeit ihrer 
Herzmuskeln“, die bekanntlich durch Alkobolgenuss erheblich geschwächt 
werden. Bei der ausserordentlich anstrengenden Expedition gegen die Atjeher, 
während welcher nur kleinste Mengen Spirituosen genossen werden durften, 
wurde kein Mann durch Hitzschlag verloren, obwohl man die Truppen während 
der heissesten Tageszeit sehr häufig gar nicht ruhen lassen konnte. 

Von Interesse waren die gelegentlich der Begründung des schlesischen 
Provinzialverbandes gegen den Missbrauch geistiger Getränke zu 
Breslau von Specialärzten gegebenen Erklärungen. Durch Alkoholgenuss, bezeugte 
Prof. Ubthoff, wird eine ganz bestimmte Erkrankung der Sehnerven her- 
beigeführt. Gewöhnlich tritt die Sehstörung doppelseitig auf. In Breslau habe 
er 10 v. H. dieser Krankheit bei Frauen gefunden, wo sie sonst selten auftrete. 
Auch gewisse Muskellähmungen des Sehorgans würden durch Alkoholkonsum 
verursacht. Jedenfalls wirke der Alkohol von allen Giften am erheblichsten 
auf das Auge. Von dem Kinderarzt Prof. Czerny wurde bestätigt, dass unter 
dem Alkoholgenuss der Eltern die Nachkommenschaft leide. Aber auch der 
Nachahmungstrieb übe einen entscheidenden Einfluss auf die Entwickelung des 
Kindes aus. Wenn sich der Alkoholismus der Eltern den Kindern aufdränge, 
dann sei nicht verwunderlich, wenn sich auch schon Kinder demselben ergeben. 
Gzerny warnt nachdrücklich vor der Verwendung geistiger Getränke bei 
Kindern als Berubigungsmittel und dem Glauben an den Nährwerth des Alkohols. 

Von den Nordlandfahrern, wie unseren Tropenreisenden, wird ausnahmslos 
strengster Mässigkeit im Alkoholgenuss oder vollkommener Enthaltsamkeit das 
Wort geredet als den wichtigsten Vorbedingungen zum Ertragen der Strapazen 
sowohl wie insbesondere auch des Klimas der kalten und heissen Zonen. Nach 
Virchow akklimatisiren sich die Deutschen am schwersten, am 
besten die Semiten. Die Trinksitten machen ersteren das Akklimati- 
siren oft geradezu unmöglich. Auf die Gefahren des Alkoholgenusses 
für die in Gegenden mit heissem Klima und namentlich auch schroffen Tem- 
peraturunterschieden Auswandernden haben unter deutschen Aerzten u.a. Buch- 
ner, unter den französischen Navarre und Treille aufmerksam gemacht- 
Bekannt ist aber, wie leicht und schnell auch die schon akklimatisirten Rassen 
durch Alkoholgenuss degeneriren. Man sollte glauben, die kolonisirenden „Kultur- 
staaten“ verhinderten die Branntweinausfubr nach den Kolonien nicht, um das 


Zur Alkoholfrage. 139 


Aussterben der Eingeborenen zu beschleunigen. Wenn aber die Einwanderer 
auch trinken, dürfte der Schaden doch grösser sein, als jener „politische“ 
Natzen. Von Interesse sind die Beobachtungen Kolb’s in Britisch-Ostafrika, 
in denen er feststellt, dass der Neger des Binnenlandes seine natürliche Immu- 
nität gegen Syphilis verliert, sobald er Alkoholiker wird; dass ferner die leichte 
Form der Lepra zur schweren wird, wenn der von ihr Befallene geistigen Ge- 
tränken zuspricht. 

Die durch Oberarzt Dr. Kommerell angestellte Umfrage über die Be- 
einflussung des Trunkes durch das Radfahren hat u. a. Folgendes er- 
geben: Von 428 Radfahrern besuchen 158 das Wirthshaus weniger seit Auf- 
nabme des Sports, 48 bemerken eine Abnabme ihres Kneipenlebens gegen 
fräber nicht, 43 kneipen nur nothgedrungen; 53 erklären, sie bätten bisher 
sehr wenig, jetzt noch weniger Neigung, dem Alkohol zuzusprechen. Nur 4 
trinken mehr Alcoholica als früher, 21 kneipen wie früher, aber bleiben nicht 
mehr so lange kleben, 20 kommen häufiger ins Gasthaus in Folge der auch 
im Radfahrsport leider überhand nehmenden Vereinsmeierei. Jedenfalls ist 
der Radfahrsport, wie jede wirklich ordnungsgemäss betriebene Leibesübung, 
ausserordentlich geeignet, dem Gewohnheitstrunke vorzubeugen, wie denn jeder 
echte Sportsmann, namentlich so lange er dem Sport obliegt, enthaltsam und 
nach gehabten Anstrengungen mindestens-sehr mässig im Alkoholgenusse sich 
balten wird. 

Kommerell hebt hervor, dass die Radfahrer im Allgemeinen dem Trunke, 
in Sonderheit dem Biergenusse entfremdet und mehr alkoholfreien Getränken 
zugeführt werden, unter diesen namenlich der Milch uud danach dem Kaffee. 
„Unpraktisch finden den Genuss geistiger Getränke über die Hälfte der be- 
fragten Radfahrer. Ueber den Betrieb in den Wirthshäusern äussert sich nicht 
die Hälfte befriedigt. 65 Radler klagen, dass es schwer sei, andere als gei- 
stige Getränke zu erhalten, noch schwerer sei, oft garnicht, Milch zu erhalten, 
Mineralwässer seien zu theuer, sogar Kaffee und Thee seien meist nicht zu 
bekommen. — Die meisten Radfahrer warnen davor, zeitig mit Trinken über- 
haupt zu beginnen: man solle erst eine grössere Strecke fahren, da, wenn man 
einmal Flüssigkeit zu sich genommen, das Bedürfniss steige, mehr und oft zu 
trinken. Der Appetit hebt sich bei der Mehrzahl der Fahrer, auch Befinden 
und Verdanung werden günstig beeinflusst. Die grössere Zahl der eingelau- 
fenen Antworten bezeugen, dass das Radfahren vom Kneipenleben ablenke, 
dass die Leistungsfähigkeit eine grössere, je geringer die Alkoholzufuhr sei. 
22 der Antwortenden vermeiden jeden Genuss geistiger Getränke. Freilich 
finden sich daneben auch Antworten, welche gewisse Radfahrvereine beschul- 
digen, dass sie dem Trunke Vorschub leisten, die namentlich darauf hinweisen, 
dass gerade junge Leute oft erst durch die Radtouren zum Kneipen sich ver- 
führen lassen, dass oft viel getrunken, aber wenig gefahren werde. Die 
„Meister“ vom Rad aber sind Antialkoholiker und schreiben: 

„Ein grosser Renn- und Fernfabrer meidet den Alkohol vollständig; er 
hat erprobt, dass bei völliger Abstinenz grosse Leistungen am leichtesten sind. 
— Radfahren erzeugt Abscheu vor Alkohol. — Radfahren und Trinken geht 
nicht zusammen.“ 

54* 


740 4 Flade, 


Kommerell schliesst seine interessante Studie, deren Verfolgung man 
allen Radlern ans Herz legen muss, folgendermaassen: Wer den Radsport, der 
zu seiner richtigen Ausübung Mässigkeit und Selbstzucht verlangt, wirklich 
in Ehren hält, der muss dafür sorgen, dass der erziehliche und sittliche Ein- 
fluss desselben aufs ganze Leben und Thun übertragen wird. 

Der „verflossene“ französische Kriegsminister gehörte zu den hoben Mili- 
tärs, welche von der Ueberzeugung durchdrungen sind, dass ein Heer um 
so leistungsfähiger, um so zuverlässiger hinsichtlich der Disciplin 
und Gesundheit bleibt, je nüchterner es erzogen wird. Zu den ersten 
Erlassen in seiner nicht zu lang bemessenen Ministerlaufbahn gehörte der des 
unbedingten Verbotes der Verabreichung von Branntwein, Likören, „aperitifs‘ 
u.s. w. in den Truppenkantinen‘ der Kasernen, Feldlager und Mandverquar- 
tiere. Auch Seitens unserer höheren Kommandostellen wird der Alkoholfrage 
mehr und mehr Interesse eutgegengebracht, und das XVI. Armeekorps steht 
init seinem Schnapsverbot in den Kantinen nicht mebr allein da. Als der 
Deutsche Verein gegen den Missbrauch geistiger Getränke an sämmtliche 
Generalkommandos eine Eingabe auf Abschaffung des Branntweinschankes in 
den Kasernen gemacht hatte, ist von verschiedenen Oberkommandos zwar auf 
das Bereitwilligste erklärt worden, dass man, soweit möglich, die Bestrebungen 
des Vereins unterstützen, von einem Erlass jenes Verbotes aber absehen werde, 
da im Allgemeinen der Schnapsgenuss in den Kantinen ein sehr geringer sei, 
und man mit Abschaffung des Branntweins doch den Trunk der Mannschaften 
in den Wirthshäusern ausserhalb der Kasernen nur fördern werde. Dies zu 
verhüten, dürfte aber wohl nicht zu schwer halten: bekanntlich sind in Metz 
diejenigen Wirthschaften, welche sich nicht bereit erklärt haben, Militärpersonen 
Abgabe von Schnaps und Likören zu verweigern, mit dem Militärverbot be- 
legt worden. Dass unsere Heeresleitung jederzeit Mittel und Wege finden 
würde, eine Maassregel durchzudrücken, welche nur Hebung und Wahrung der 
Felddiensttüchtigkeit der Truppen im Auge hat, ist zweifellos. Und wir geben 
die Hoffnung nicht auf, dass auch in Deutschland mit der wachsenden Er- 
kenntniss von den Gefahren des Alkoholmissbrauches die beste Schule unserer 
wehrfähigen Jugend, unsere Armee, in Bälde durchgreifende Maassnahmen im 
Sinne der vom Deutschen Verein gegen Missbrauch geistiger Getränke gege- 
benen Anregungen treffen wird. 


Statistische Mittheilungen. 


Kaum ein Gebiet dürfte der Zusammenstellung von sicherem statistischem 
Material so viel Schwierigkeiten entgegenstellen, wie das des Alkoholismus: 
„Sehr oft“, schreibt Böhmert in seinem Werke „„Das Armenwesen in 77 deat- 
schen Städten““, „liegt die Trunksucht nicht offen zu Tage und kann nicht als 
Armenunterstützungsursache gebucht werden. Es wird gewöhnlich die Folge 
der verborgenen Trunksucht (z. B. Arbeitslosigkeit, Unfall, Krankheit, Straf- 
verbüssung u. s. w.) als solche Ursache angesehen. Sehr oft läuft auch die 
Trunksucht nur so nebenher als mitwirkende, den Armenbehörden aber un- 
bekannte Ursache.“ Jedenfalls zeigt sich die Unmöglichkeit, zablenmässig 
die Schäden des Gewohnheitstrunkes festzustellen, auf dem Gebiete der Armen- 


Zur Alkoholfrage. 741 


fürsorge vornehmlich. Und die hier maassgebenden Autoren stimmen darin 
überein, dass die Zahl der in Folge Trunkes des Ernährers Verarmten eine 
weit grössere im Deutschen Reiche ist, als gemeinhin angenommen wird. 
Roscher („System der Armenpflege und Armenpolitik“) nimmt an, dass die 
Hälfte der Männer in Deutschland, die für sich selbst oder ihre 
Familien der Armenpflege bedürfen, dem Trunke ergeben seien. 
Die Zwickauer Straf- und die Dresdener Arbeitsanstalt wiesen unter den 1877 
bis 1881 Aufgenommenen 22, 25, 22, 40 und 43,6 vom Hundert auf, welche 
durch Trunk, Genusssucht und Arbeitsscheu heruntergekommen waren. Unter 
den einmal Rückfälligen waren 62,3 v. H., unter den mehrmals Rückfälligen 
77,6 v. H., unter den Unzuchtverbrechern 77 v. H. Säufer. Der Armenverwal- 
tung, sagt Samter („Alkoholismus und öffentliche Armenpflege“), stehen, ab- 
gesehen davon, dass man Trinkern nur im alleräussersten Falle mit baren 
Unterstützungen aufhelfen wird, nur zwei Wege offen, auf denen sie Abhilfe 
erwarten kann: der der Bestrafung und der der Heilung — also Haft (Arbeits- 
haus), St.-G.-B. § 361, 5, und Trinkerheilstätte.e Man wird Samter nur zu- 
stimmen müssen, wenn er schreibt, dass mit der Bestrafung nur geringer Er; 
folg bisher erzielt worden ist, woran vor allem die Fassung des Gesetzes 
schuld sei. Wer einen auch nur kurzen Einblick in Armenwesen und Armen- 
fürsorge gethan hat, weiss ja, wie schwer es zunächst hält, ohne mit den 
Gesetzen in Konflikt zu kommen, Jemanden, der sich der Sorge für seine An- 
gehörigen entzieht, in die Arbeitsanstalt zu verbringen, für den Fall, dass er 
überhaupt noch zu erwischen und nicht längst „unauffindbar“ ist. Wir wissen 
auch, wie weit es erst mit einer Familie gekammen sein muss, ehe behörd- 
licherseits gegen den saufenden Ernährer eingeschritten wird, dass unzählige 
Male erst Verbrechen oder Tobsucht den trinkenden „Familienvater“ in Straf- 
oder Irrenanstalt führen, nachdem die Angehörigen Jahre unendlichen Jam- 
mers und unsagbaren Elends durchlebt haben. Und schliesslich wissen wir, 
dass Strafanstalt und Irrenhaus einen Trunksüchtigen in den seltensten Fällen 
„bessern“ oder heilen: der Entlassene wird rückfällig — fast ausnahmslos! 
Und so sagt auch Samter mit vollem Recht: „Soll hier etwas erreicht werden, 
so kann es nur dadurch geschehen, dass zur rechten Zeit der Versuch einer 
Heilung gemacht wird.“ Dass die Armenverwaltungen bisher wenig solche 
Versuche angestellt haben, wollen wir zunächst weniger einem Mangel an 
gutem Willen zuschreiben, als vielmehr dem Umstande, dass die Erkenntniss 
von dem Wesen der Trunksucht als einem zu heilenden Zustande erst in neuerer 
Zeit mehr und mehr Boden gewonnen hat, und auch die Voraussetzung für eine 
Heilung noch nicht gegeben war, so lange die bestehenden Trinkerheilstätien 
nicht nur an Zahl, soudern auch an Art der Leitung und des Betriebes noch den 
zu stellenden Anforderungen nicht genügten. Nachdem jetzt von den verschie- 
densten Seiten aus mit der Errichtung von Heilstätten für Trunksüchtige — 
namentlich solche aus unbemittelten Volksklassen — vorgegangen worden ist 
und auch mit dem $ 6 des B. G.-B. ein Weg an die Hand gegeben, thatkräftiger 
als bisher der Trunksüchtigen sich anzunehmen, wird auch für die Armen- 
verwaltangen die Zeit gekommen sein, der Heilung der den Armenhaushalt 
der grossen Gemeinwesen so sehr belastenden Trinker sich anzunehmen und 


742 Flade, Zur Alkoholfrage. 


nicht zum wenigsten ihr Interesse der Heilstättenfrage zuzuwenden. „Geht 
man davon aus,“ sagt Samter, „dass es sich (bei der Trunksucht) um einen 
Krankheitszustand handelt, der eine geeignete Behandlung erfordert, so liegt 
die Sache nicht anders wie bei jeder anderen Krankheit, bei der die Armen- 
pflege ihre Hilfe zu gewähren gesetzlich verpflichtet ist.“ Bekanntlich über- 
weist die Stadt Berlin ihre Alkoholiker, welche bisher den Krankenhäusern 
zur Last fielen, je nach ihrem Zustande der Trinkerheilstätte des dortigen Be- 
zirksvereins gegen den Missbrauch geistiger Getränke. „Für die Armenpflege* 
— so schliesst Samter seinen beachtenswerthen Aufsatz — „handelt es sich 
nicht nur um den einzelnen Trinker, sondern um alle Unterstützungsfälle, die 
vielleicht durch Generationen auf seine Trunksucht als letzte Ursache zurück- 
führen. Jede einzelne Dauerheilung ist geeignet, sie alle im Keime zu er- 
sticken. Und so darf jeder einzelne Heilerfolg, so wenig er im Vergleich zum 
Gesammtübel besagt, mit gutem Recht als eine dauernde Entlastung der Ar- 
menpflege angesehen werden.“ 

Die Bretagne hat von Alters her als „trinkfestes“ Land gegolten. Für 
eine Bretonin, die heirathen will, schreibt ein Schriftsteller des 17. Jahrhun- 
derts, handelt es sich nicht darum, ob ibr Zukünftiger trinkt oder nicht; 
darüber ist sie im Klaren. Aber sie bindet sich nicht eher, als sie ihn be- 
trunken gesehen hat, um zu wissen, ob er im Rausch bösartig sei. Der Al- 
koholkonsum ist in diesem Lande beständig gewachsen, obwohl die Zahl der 
Schankstätten verhältnissmässig niedriger war, als in anderen Provinzen Frank- 
reichs. Es beweist das, dass der Haustrunk dort ein ausserordentlich ver- 
breiteter ist. Im Jahre 1835 kamen 2 Liter absoluten Alkohols auf den Ropf 
der Bevölkerung, im Jahre 1895 aber 5,5 Liter! 

Es ist früher hier darauf hingewiesen worden, wie wenig bisher in Russ- 
land die Verstaatlichung des Getränkehandels in den verschiedenen zunächst 
damit belegten Landestheilen dem Alkoholkonsum Eintrag gethan hat. Von 
Interesse ist, dass der Thee, dessen Verbrauch angeblich in Russland ein 
grosser ist und das gegebene Ersatzgetränk gegenüber den geistigen Getränken 
sein sollte, viel weniger hierbei in Frage kommt, als man schlechthin anneh- 
men möchte. Es entfallen zwar in Petersburg 2 kg davon neben 36 kg Zucker 
auf den Kopf der Bevölkerung pro Jahr zu 15 Rubel in Summa, aber beispiels- 
weise im Twer’schen Gouvernement nur 0,17 kg Thee und 5,5 kg Zucker. 
Der Petersburger giebt neben den 15 Rubeln noch 42 Rubel für Alkohol 
— wohl meist Spirituosen — aus. Im ganzen Reiche verbraucht man pro 
Jahr 330 Millionen für Thee und Zucker und 600 Millionen für alkoholische 
Getränke. Der hierzu in der Kommission zur Bekämpfung des Alkoholismus 
in St. Petersburg Berichtende empfahl Minderung des Zolles auf Thee und 
Zucker. 

Seitens der Alkoholinteressenten, der Grossbrauereien, der Wirthe und 
nicht zum wenigsten unserer Stammtischler wird beständig behauptet, es sei 
das unsterbliche Verdienst der Massenprodaktion des Bieres, den Branntwein- 
genuss verdrängt zu haben. Bekanntlich hat sich aber die Hoffnung der alten 
Mässigkeitsfreunde, dass eine wesentliche Verminderung des Schnapskonsums 
durch Ueberbandnehmen des Bierverbrauchs eintreten werde, nicht erfüllt. 


Infektionskrankheiten. 743 


Diese Wahrnehmung und die Erkenntniss, dass die Schädigungen, welche unser 
Volk durch seinen unsinnigen Bierverbrauch Jahr aus Jahr ein erfährt, kaum 
geringere sind, als die durch den Genuss gebrannter Getränke erwachsenden, 
haben recht eigentlich zur Begründung des Deutschen Vereins gegen Missbrauch 
geistiger Getränke im Jahre 1883 geführt. Das Bier hat den Branntwein 
nicht verdrängt, sondern sich ihm als fast ebenbürtiger Volksfeind an die 
Seite gestellt. Nach den Zusammenstellungen Hoppe’s kam in Deutschland 
in den 5 Jahren 
1870—1875 an absol. Alkohol im Branntweinkonsum 4,3 Liter pro Kopf 
1882—1886 „ nn n» » 68 n n » 
1887—1888 „ „ no» ” 36 n n»n s» 
(nach dem Branntweinsteuergesetz vom 24. Juni 1887) 
1890—1897 an absol. Alkohol im Branntweinkonsum 4,4 Liter pro Kopf. 
Daneben war der Bierverbrauch von etwa 90 Litern in den 70er und 80er 
Jahren auf 123 Liter in den Jahren 1897/1898 gestiegen. Es wird jetzt im 
Biere 0,5 Liter absol. Alkohol pro Kopf und Jahr mehr genossen, als ehedem 
im Branntwein allein. 


Radzievsky, Alois, Ueber Infektion. Vorläufige Mittheilung. Centralbl. f. 
Bakteriol. Abth. I. Bd. 28. No. 6/7. S. 161. 

Verf. geht von der allgemein bekannten und gewürdigten Thatsache aus, 
dass der erkrankte thierische Organismus nicht mit einem Nährboden zu ver- 
gleichen ist, auf welchem die pathogenen Mikrobien sich vermehren, sondern 
dass er vielmehr selbständig eine lebhafte reaktive Thätigkeit entfaltet. Im 
Verlauf einer Infektion bilden die Körperzellen für die Mikroorganismen gefähr- 
liche Substanzen. Unter der letzteren Einfluss zerfallen die geschädigten Bakterien- 
leiber, der in denselben enthaltene Giftstoff wird frei und lässt durch seine Wir- 
kung auf den Körper das Bild der Infektion entstehen. R. legt demnach besonderen 
Werth darauf, bei einer infektiösen Erkrankung zwei mit einander ver- 
knüpfte Erscheinungen auseinanderzuhalten, nämlich neben der Ver- 
mehrung den Zerfall der Krankheitserreger. Die erstere beherrsche 
in früheren, der letztere in späteren Krankheitsstadien das Bild der Situation. 
Bei Verwendung eines nicht gerade sehr virulenten Bakteriums sei gegen Ende 
des zweiten Krankheitsabschnittes, kurz vor dem Erlöschen des thierischen 
Lebens eine bedeutende Abnahme der Zahl der Mikroorganismen zu beob- 
achten. Wie R. angiebt, bleibt es sich gleich, ob man lebende oder abge- 
tödtete Kulturen zur Impfung benutzt; unter dem Mikroskop beobachtet man 
immer die gleichen Vorgänge. 

Das Phänomen der Erhöhung der Virulenz glaubt Verf. auf den Um- 
stand zurückführen zu dürfen, dass die Säfte des tödtlich infieirten Organismus 
die Tendenz haben, die Bakterienleiber zu vernichten. Da nun immer nur die 
widerstandsfähigsten Keime in diesem Kampfe Sieger zu bleiben Aussicht 
hätten, so fände bei mehrfachen Passagen des Thierkörpers eine allmäbliche 
Steigerung ihrer Lebensenergie und damit ihrer Gefährlichkeit statt. 


744 Infektionskrankheiten. 


Verf. hat seine Experimente, zu denen er durch die Beobachtung einer 
tödtlich verlaufenen Coliinfektion angeregt wurde, auf Typhusbacillen, 
Streptokokken, Milzbrandbacillen, Bac. pyocyaneus und Pneumo- 
kokken ausgedehnt und die in ersterem Falle gewonnenen Erfahrungen 
bestätigt gefunden. Š Schumacher (Strassburg i. E.). 


Posner C. und Cohn J., Ueber die Durchgängigkeit der Darmwand 
für Bakterien. Berl. klin. Wochenschr. 1900. No. 36. S. 798. 

Posner und Lewin haben bereits früher experimentell gefunden, dass 
bei starker Ueberfüllung und Verschluss des Darmes beim Kaninchen 
in 24—48 Stunden Bakterien durch den Darm hindurch zu wandern vermögen. 
Aehnliche Versuche stellte auch Markus an. Dieser hatte unter 31 Experi- 
menten keine einzige Allgemeininfektion, in 5 Fällen einen Keimgehalt in der 
Blase, 5 mal im Peritoneum. Bewirkte er aber durch Rektalunterbindung, die 
mit geringen Läsionen verbunden war, den Dauerabschluss, so konnte er unter 
84 Fällen 35 mal Infektion des Harnes, 31 mal Infektion des Peritoneums und 
3 mal Blutinfektion konstatiren. 

Auf Grund seiner Befunde bezweifelte er das Resultat von Posner und 
Lewin und war der Ansicht, dass bei den Experimenten dieser Autoren mög- 
licher Weise Verletzungen der Darmwand vorgelegen haben. 

Die Verff. haben daraufhin 5 neue Thierexperimente angestellt, bei dessen 
einem sie vor dem Darmverschluss Prodigiosuskulturen in das Darmlumen 
spritzten. Der Darmverschluss wurde auf die allersorgfältigste Art und Weise 
mit weichem Material, alsdann mit Celloidin bewerkstelligt und jede Läsion 
vermieden. 

Die Thiere starben nach einiger Zeit. Bei der sofortigen Sektion wurde 
dem Peritoneum, dem Harn, der Leber, den Nieren, dem Herzen Blut 
entnommen und Kulturen angelegt, in denen jedesmal Bact. coli gefunden 
wurde. In dem einen Fall, in dem Prodigiosus eingespritzt worden war, fand 
sich dieser in allen Organen. 

Hieraus muss also als sicher geschlossen werden, dass bei Lebzeiten Bak- 
terien aus dem Darm in die Organe einwandern können, und zwar, wie Verfl. 
annehmen, auf dem Blutwege. Erklären liesse sich diese Thatsache durch die 
Annahme, dass durch die Koth- und Blutstauung der Darm afficirt und da- 
durch durchlässig geworden wäre. 

Der Gegensatz zu den Resultaten Markus’s lässt sich möglicher Weise 
so deuten, dass Markus seine Versuchsthiere sehr bald nach der Infektion 
getödtet hat, in einer Zeit, wo jedenfalls noch keine Bakterien aus dem Darm 
ausgewandert waren. R. O. Neumann (Kiel). 


Klein E., Report on the fate of pathogenic and other infective 
microbes in the dead animal bady. Twenty-eighth annual report of 
the local government board. Supplement containing report of the medical 
officer for 1898 —1899. p. 344. 

Schon im Jahre 1882 berichtete Klein über Versuche, die er angestellt 
hatte, um über den Verbleib von Bac. anthracis im todten, beerdigten 


Infektionskrankheiten. 745 


und nicht beerdigten Thierkörper Auskunft zu ertheilen. Die gleich 
nach dem Tode stark anthraxinfektiösen Kadaver hatten nach Verlauf von 
5—14 Tagen diese Infektiosität (wie Klein annimmt, im Kampfe mit wider- 
standsfähigeren Fäulnissbakterien) völlig eingebüsst. Zu gleichen Resultaten 
kam v. Esmarch bei seinen Versuchen im Jahre 1889. Wenn die in den 
Jahren 1885—1891 mit gleichen Versuchen beschäftigte Kommission des 
Reichs-Gesundbeitsamtes hinsichtlich des Anthraxbacillus zu anderen Erfolgen 
kam, so schreibt Klein dies dem Umstande zu, dass diese Versuche der 
Sporenbildung aussergewöhnlich günstig waren. Erneute Versuche, bei denen 
K. an Anthrax verstorbene Meerschweinchen, jedes in einem besonderen Zinn- 
kästchen, 45—60 cm tief in feuchter Erde begrub, ergaben jedenfalls, dass 
bereits nach 14 Tagen eine Uebertragung von Anthrax mit dem dem exhu- 
mirten Kadaver entnommenen Milzgewebe nicht mehr gelang. 

Bei den ein weiteres Gebiet umfassenden Versuchen, über die Klein jetzt 
berichtet, handelte es sich in erster Reihe um die Frage, ob die bisherige 
Annahme, dass es die Gruppen der Colibacillen und des Proteus vulgaris 
sind, die die Fäulniss der Eiweisskörper im Kadaver bewirken, richtig ist. 
Klein brachte dieser Annahme von vornherein einiges Misstrauen entgegen, 
da diese Mikrobien zwar fakultativ anaörob sind, aber unter Luftabschluss nur 
in ganz geringem Grade peptonisirend und eiweisslösend wirken. Zum Zweck 
der Prüfung wurden gesunde Meerschweinchen durch Chloroform getödtet und 
die Kadaver einzeln, theils in Holz- oder in Zinnkästchen eingelegt, theils nur 
in Leinewand oder Kattun eingewickelt, in Erde oder Sand vergraben. Die 
Bauchhöhle der nach kürzerer oder längerer Zeit exhumirten Kadaver wurde 
mit steriler Salzlösung gewaschen, und die gewonnene trübe Flüssigkeit, sowie 
Theile verschiedener Organe wurden zu Kulturzwecken benutzt. Das Ergebniss 
war bei diesen sowohl, wie bei Untersuchungen an Kadavern von Thieren, die 
an den verschiedensten Infektionskrankheiten gestorben waren, stets, dass nur 
ganz vereinzelte, oft gar keine Kolonien -von Coliarten oder von Proteus vul- 
garis gefunden wurden. Nur eine einzige, aber auch stets wiederkehrende 
Ausnahme konnte Kl. feststellen. Die Kulturen nämlich aus der Milz von 
Thieren, die an Pest gestorben waren, ergaben regelmässig eine grosse Menge 
hoch virulenter Proteuskolonien. Ein Grund für diese Erscheinung konnte nicht 
erkannt werden. 

Als den wirklichen Erreger der Leichenfäulniss bezeichnet Klein einen 
im Dickdarm des Menschen und der Thiere vorkommenden, im frischen Zu- 
stande beweglichen Bacillus, der nicht selten in Folge endständiger Einzel- 
sporenbildung Trommelstockform besitzt und eine gewisse Aehnlichkeit mit Sper- 
matozoen hat. Er ist obligat anaerob. Im todten Körper wächst er schnell 
durch die Darmwand auf und in die umgebenden Gewebe, das Peritoneum, 
die Leber, die Milz, die Nieren, die Bauchwand, durchdringt dann das Zwerch- 
fell und entwickelt sich in den Brustorganen, dem Unterhautzellgewebe und 
der Muskulatur. Diesen Bacillus, den Klein für den wirklichen und alleinigen 
Ueberwinden aller anderen Mikrobien im menschlichen und thierischen Leichnam, 
als den Zersetzer desselben und als ein Bacterium sui generis ansieht, bezeichnet 
er als Bac. cadaveris sporogenes. Man gewinnt das Material zu mikrosko- 


746 Infektionskrankheiten. 


pischen und kulturellen Zweck leicht, indem man den Kadaver eines eben 
gestorbenen Meerschweinchens 12—24 Stunden uneröffnet im Brutofen lässt 
und dann die Bauchhöhle mit etwas sterilem Salzwasser auswäscht. Zahl- 
reiche cylinder- und fadenförmige, in frischem Zustande sehr bewegliche Bacillen 
werden in diesem Waschwasser gefunden. Einzelne — bei länger andauernder 
Einwirkung der Bruttemperatur die Mehrzahl — sind an einem Ende verdickt 
und lassen die glänzende Spore bereits erkennen, während sich auch schon 
freie Sporen vorfinden. Gaffky, der auf diese Weise bereits im Jahre 1881 
dieses Mikrobium fand, hielt es wegen seiner fadenförmigen Gestalt für 
den Bacillus des malignen Oedems und kam zu der irrigen Ansicht, 
dass Sporen des Erregers des malignen Oedems sich stets im Darm 
auch des gesunden Menschen und Thieres vorfänden. Von den Bacillen 
des malignen Oedems unterscheidet sich aber der Bac. cadaveris sporo- 
genes in drei wesentlichen Punkten. Erstens bildet er unverkennbare 
Trommelstockformen, zweitens sind seine Sporen stets endständig, und drittens 
wirken sie, selbst in grossen Gaben injicirt, auf das Meerschweinchen nicht 
pathogen. Ueber die Ergebnisse der verschiedenen Kulturversuche näher ra 
berichten, verbietet der Rahmen dieses Referats. Wer sich mit dem Studium 
dieser Art beschäftigen will, erhält leicht und sicher Reinkulturen durch 
folgendes Verfahren. Die Bauchhöhle eines Thierkadavers wird 2—4 Wochen 
nach dem Eintritt des Todes eröffnet und ein Stückchen der Leber oder die 
durch Auswaschen der Bauchhöble mit steriler Salzlösung gewonnene Flüssigkeit 
entweder in sterile Milch oder Zuckergelatine gethan. Nachdem 10—15 Minuten 
lang bei 80°C. erwärmt ist, werden die Röhrchen gekühlt und in anaeroben 
Vorrichtungen in den Brutofen gesetzt, und zwar Milchröhrchen bei 37° C., 
Gelatineröbrchen bei 20°C. Nach wenigen Tagen haben sich die Reinkulturen 
des Bac. cadaveris sporogenes entwickelt. 

Den Versuchen über den Verbleib der Erreger eigentlicher, den Menschen 
eigener Infektionskrankheiten schickte Klein Versuche über das Verbalten 
leicht nachweisbarer Mikrobien, nämlich des Bac. prodigiosus und des Stapbylo- 
coccus pyogenes aureus voraus. In allen Fällen wurden den betreffenden 
Thieren Reinkulturen der in Frage stehenden Mikrobien in tödtlicher Gabe 
intraperitoneal oder subkutan eingespritzt, die Kadaver wurden nach längerer 
oder kürzerer Zeit geöffnet und das Untersuchungsmaterial entweder durch 
Auswaschen der Bauchhöhle mit steriler Salzlösung gewonnen, oder den be- 
kannten Prädilektionsstellen des betreffenden Bakterium entnommen. Die Er- 
gebnisse waren, wie die folgende Zusammenstellung ergiebt, dass Bac. prodigiosus 
und Staph. aureus nicht mehr nach 6 Wochen, Choleravibrionen nicht mehr 
nach 4 Wochen, Typhus-, Diphtherie- und Pestbacillen nicht mehr nach 
3 Wochen in den Kadavern vorhanden waren, resp. nachgewiesen werden 
konnten. Letzteres trifft, nach Klein, wahrscheinlich auch für Tuberkel- 
bacillen zu. Die Untersuchung wurde aber erst nach 7 Wochen, zu welcher 
Zeit sie bereits ein negatives Resultat hatte, begonnen, weil Klein durch die 
Schottelius’sche, auf der 63. Naturforscher-Versammlung gemachte Angabe, 
dass in exhumirten menschlichen Lungen noch nach 2 Jahren Tuberkelbaeillen 
gefunden seien, sich batte beirren lassen. 


747 


Infektionskrankheiten. 


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Digitiz: 


748 Infektionskrankheiten. 


Wenn durch diese Versuche, entgegen der sonst verbreiteten Meinung, 
nachgewiesen ist, dass pathogene Keime im todten Thierkörper bald zu Grunde 
gehen und verschwinden, so bleibt immerhin noch die Frage unbeantwortet 
ob dieser Vorgang direkt dem Ueberwuchern eines im Kadaver kräftiger als 
die übrigen gedeihenden Mikrobium, des Bac. cadaveris sporogenes, zuzuschreiben 
ist, oder ob der Untergang jener die Folge der Einwirkung von Stoffwechsel- 
produkten ist, die der bevorzugtere Keim erzeugt. Diese Frage, so schliesst 
Klein, müsste durch geeignete Versuche beantwortet werden. 

Jacobson (Berlin). 


Hesse W., Zur Frage der beschleunigten Züchtung des Tuberkel- 
bacillus. Centralbl. f. Bakteriol. Bd. 28. No. 8/9. S. 255. 

Der von Hesse empfohlene alkalische Heydennährstoff-Glycerin- 
Kochsalz-Wasseragar ist, soweit Kontroluntersuchungen vorliegen, ganz 
vorzüglich geeignet, die Tuberkelbacillen in Sputum anzureichern und so 
der Diagnose leichter zugänglich zu machen. Es gelingt, wie Ref. aus eigenen 
Erfahrungen weiss, von Platten nach 1—2 tägigem Aufenthalt im Brutschrank 
durch Klatschpräparate ganz neu gebildete Häufchen nachzuweisen, wo erst 
nur vereinzelte Bacillen sichtbar waren. 

Zu gegentheiligem Resultat gelangte P. Römer, gegen dessen Ausfüh- 
rungen diese Veröffentlichung Hesse’s gerichtet ist. Römer konnte die Vor- 
züge des Heydennähragar für Anreicherung aus dem Sputum nicht anerkennen, 
weil sich nach seinen Befunden alle anderen Nährböden in dieser Beziehung 
dem Hesse’schen Nährboden gleich verhielten. Ferner glaubt Römer, dass 
der auf die Platte mit übertragene Schleim aus dem Sputum für das Wachs- 
thum der Tuberkelbacillen eine bedeutende Rolle spiele, eine Ansicht, die auch 
Ficker früher bereits ausgesprochen hat. Diese Auffassung hält Hesse nicht 
für alle Fälle berechtigt, weil die Tuberkelbacillen auch obne Schleim auf 
seinem Nährboden vortrefflich gedeihen. Es dürfte aber nach Hesse's Meinung 
bei der Vermehrung der Tuberkelbacillen kaum der Schleim, dessen Wirkung 
er nicht in Abrede stellt, das stimulirende Moment für das energische Wachs- 
thum sein, sondern die Zusammensetzung seines Nährbodens. 

R. O. Neumann (Kiel). 


Ledoux-Lebard, Le bacille pisciaire et la tuberculose de la grenouille 
due à ce bacille. Ann. de lInst. Pasteur. 1900. No. 8. p. 535. 

Der Bac. tuberculosis piscium wurde 1897 von Bataillon, Dubard 
und Terre beim Karpfen entdeckt; dieser Mikroorganismus unterscheidet sich 
vom Bacillus der Geflügeltuberkulose durch sein Wachsthum bei gewöhnlicher 
Temperatur und durch den Thierversuch: er ist weder für Meerschweinchen 
noch für Vögel pathogen. Verf. vergleicht die Wirkung des Koch- 
schen Tuberkulins mit dem aus Kulturen des Bac. tub. piscium 
erhaltenen Tuberkulin. Nach Injektion von kleinen Mengen (0,2 cem) 
Fischtuberkulin trat bei tuberkulösen Meerschweinchen keine Erhöhung der 
Temperatur ein, wohl aber nach Einspritzung grösserer Dosen (0,5 und 1,0 ccm); 
in allen Versuchen war die Temperatursteigerung geringer mit dem 


Infektionskrankheiten. 749 


Fischtuberkulin als mit dem Koch’schen Tuberkulin. In einem zweiten 
Abschnitte theilt Verf. Infektionsversuche mit dem Bac. tub. piscium 
an Fröschen mit; nach Injektion in den dorsalen Lymphsack sterben. die 
Thiere an Phthise. Bei der Sektion werden Läsionen, wenn solche makro- 
skopisch sichtbar sind, namentlich an der Leber und an den Nieren beob- 
achtet; es bilden sich Tuberkel, ähnlich wie ‚bei der Säugethiertuberkulose. 
Daneben bilden die Bacillen im Innern der Organe dichte Büschel, wie auf 
künstlichen Nährböden. Es kommt zur Degeneration und schliessich zur Ne- 
krose. Die Erkrankung schreitet am raschesten fort bei Fröschen, welche bei 
22° C. aufbewahrt werden; bei 34° C. wird die Entwickelung des Bac. tub. 
piscium beeinträchtigt, obschon der Bacillus erst nach längerer Zeit abstirbt. 
In der Leber des Frosches sind besondere pigmentirte Zellen, welche 
sich namentlich bei höherer, aber auch bei gewöhnlicher Temperatur um die 
tuberkulösen Herde ansammeln und eine Schutzwirkung entfalten. Der Ba- 
cillus der Fischtuberkulose entwickelt sich beim Frosch in noch mannigfalti- 
gerer Weise, als der Koch’sche Tuberkelbacillus bei den Säugethieren. 

Auf einer Tafel mit 9 Abbildnngen werden namentlich die histologischen 
Veränderungen an der Froschleber veranschaulicht. 

Silberschmidt (Zürich). 


Eyre 3. W. H., On the presence of members of the diphtheria group 
of bacilli other than the Klebs-Loeffler bacillus in milk. Brit. 
med. Journ. No. 2068. 18. Aug. 1900. p. 426. 

Aus Kuhmilch isolirte Eyre wiederholt Bacillen. von grosser 
Aehnlichkeit mit den Diphtheriebacillen. Er glaubt sie in 3 Arten 
trennen zu können. Alle drei waren nicht pathogen für Thiere. (Auf der 
Haut von Rindern sind oft diphtherieähnliche Bacillen zu finden. Kein Wunder, 
dass sie gelegentlich auch in die Milch gerathen, — ebenso wie in die vom 
Kalb gewonnene Vaccinelymphe! Ref.) R. Abel (Hamburg). 


Warnecke W., Befund von Xerosebacillen bei progredienter Phleg- 
mone, sekundärer Wundinfektion und Otitis interna. Münch. med. 
Wochenschr. 1900. No. 41. S. 1412. 

Bei drei Erkrankungen, welche vom Hörorgan ihren Ausgang nahmen, 
hat Verf. Xerosebacillen nachgewiesen. Im ersten Falle handelte es sich 
um eine fortschreitende Phlegmone im Anschluss an chronischen Mittelohr- 
katarrh mit Cholesteatom. Im zweiten war nach Eröffnung des Antrum, 
welche wegen Otitis media subacuta vorgenommen wurde, Sekundärinfektion 
der Wunde erfolgt. Der dritte Patient erlag einer Meningitis, welche nach 
einer wegen chronischer Ohreiterung ausgeführten Operation aufgetreten war. 

Die gefundenen Mikroorganismen, deren Nachweis im Ausstrichpräparat 
und durch das Kulturverfahren unschwer gelang, erwiesen sich ihrem mor- 
phologischen Verhalten, sowie ihren färbetechnischen und Wachs- 
thumseigenschaften nach als typische Xerosebacillen. Die Ver- 
impfung der Reinkulturen auf Kaninchen blieb stets ohne irgend welche nach- 
theiligen Folgen. 


750 Infektionskrankheiten. 


Die ersten beiden Krankheitsfälle waren durch die Höhe des Fiebers und 
durch einen missfarbigen Belag der Wunde ausgezeichnet. Bei dem ersten 
Pat. zeigte der Process Neigung zur Ausbreitung und Senkung sowie zum 
Uebergang auf Muskulatur und Lymphbahnen. 

Im dritten Fall wurden die fraglichen Mikrobien im inneren Ohr und 
im Canalis acusticofacialis in Reinkultur ermittelt. Sie fehlten jedoch voll- 
ständig in dem an der Basalfläche des Gehirns und des verlängerten Marks 
angesammelten Eiter. Es muss deshalb hier unentschieden bleiben, ob der 
Rakterienbefund mit der eitrigen Hirnhautentzündung in ätiologischen Zu- 
sammenhang zu setzen, oder ob ihm nur eine sekundäre Bedeutung zuzu- 
biligen ist. 

Bezüglich der Therapie sei erwähnt, dass feuchte Verbände mit Liquor. 
alum. acet. das Bakterienwachsthum zu hemmen und das Fieber in günstiger 
Weise zu beeinflussen schienen. Schumacher (Strassburg i. E.). 


Luttinger, Ludwig, Der Typhus im Czernowitzer Stadtgebiete während 
der Zeit vom Jahre 1892 bis Ende 1899. Eine hygienische Studie. 
Centralbl. f. Bakteriol. Abth. I. Bd. 28. No. 8/9. S. 229. 

Während in früberen Jahren im Czernowitzer Stadtgebiet Typhus- 
erkrankungen häufig zur Beobachtung gelangten, ist seit dem Jahre 1896, 
in welchem eine die ganze Stadt versorgende Trink- und Nutzwasser- 
leitung angelegt und im Anschluss an dieselbe ein Kanalisationssystem 
geschaffen wurde, .eine erfreuliche Abnahme der Typhusmorbidität und 
-Mortalität erfolgt. Dies gilt jedoch nur für die im Centrum gelegenen 
Stadttheile, welche der neuen segensreichen Einrichtungen theilhaftig geworden 
sind. Das Umgekehrte trifft zu für diejenigen Stadtbezirke, welche der Ungunst 
ihrer peripheren Lage wegen, wie z. B. die Vororte, noch keinen Anschluss an 
das Wasserleitungsnetz erlangt haben. 

Diese noch immer als Seuchenherde zu betrachtenden Vororte können 
auch für das Innere der Stadt verhängnissvoll werden, insofern bei dem meist 
aus den ersteren erfolgenden Bezug der Lebensmittel, namentlich der Milch, 
Gefahr zur Uebertragung und Verbreitung der Krankbeitskeime vorhanden ist. 

Von den an Abdominaltyphus Erkrankten gehörten die meisten dem dritten 
Lebensjahrzebnt an, weniger dem zweiten und nur eine geringe Anzahl dem 
ersten. 

In den durch den höchsten Grundwasserstand ausgezeichneten Monaten 
April, Mai und Juni wurden nur wenige Menschen von Typhus befallen, in den 
Herbstmonaten bei niedrigem Grundwasserstande dagegen stieg die Zahl der 
Meldungen am höchsten. Dasselbe Verhalten stellte Verf. auch bei einem 
Vergleich der auf die einzelnen Jahresabschnitte entfallenden atmosphäri- 
schen Niederschlagsmengen fest, denn bei hohen Beträgen derselben, wie 
z. B. in den Sommermonaten, war sets eine typhusarme Periode. L. beschränkt 
sich darauf, das Vorhandensein dieser äusserlichen Beziehungen zwischen der 
Höhe des Grundwasserspiegels und den Niederschlagsmengen einer und der 
Frequenz der Typhusinfektionen andererseits zu erwähnen, ohne irgend welche 
Schlussfolgerungen daran zu knüpfen. 


Infektionskrankheiten. 751 


Das einzige Mittel, die von den Vororten immer noch drohende Gefahr 
erfolgreich und für immer zu bannen, ist nach L.’s zutreffender Ueberzeugung 
die Ausdehnung des Kanal- und Trinkwasserleitungsnetzes auf 
alle bis jetzt noch nicht einbezogenen Stadtgegenden, mit der 
selbstverständlich die Schliessung aller bisher in Gebrauch befindlichen ver- 
dächtigen Brunnen Hand in Hand zu gehen hätte. Dem Aufsatz sind aus- 
führliche Tabellen über die in den einzelnen Jahrgängen erfolgten Erkran- 
kungen sowie über Vertheilung derselben auf die einzelnen Strassenzüge und 
Vorstädte beigegeben. Schumacher (Strassburg i. E.). 


Remy L., Contribution à l’e&tude de la fièvre typhoide et de son ba- 
cille. Procédé nouveau pour déceler le bacille d’Eberth dans 
les selles et les eaux. Ann. de lInst. Pasteur. 1900. No. 8. p. 555. 

Der vom Verf. anempfohlene Nährboden zur Differenzirung von 

Typhus- und Colibakterien hat folgende Zusammensetzung: 


Aq. dest.. . . . 1000,0 Dinatriumphosphat . 5,0 
Asparagin . . . 6,0 Magnesiumsulfat . . 2,5 
Weinsteinsäure . . 0,5 Kaliumsulfat . . . 1,25 
Milchsäure . . . 0,15 Chlornatrium . . . 23,0 
Citronensäure . . 0,15 


Diese Lösung wird mit 30 g Pepton !/, Stunde im Autoklaven auf 110° 
erhitzt, heiss mit 120—150 g Gelatine vermengt und wiederum 1/, Stunde er- 
hitzt; die Gelatine wird mit 1/, Normal-H,SO, angesäuert, sodass 10 ccm mittels 
0,2 ccm 1/3 Normal-NaOH neutralisirt werden. Die Reaktion wird nach 10 Mi- 
nuten langem Erwärmen nochmals geprüft, und erst dann wird das Magnesium- 
sulfat hinzugefügt. Die Gelatine wird in Röhrchen zu 10 ccm vertheilt und 
3mal 'sterilisirt; vor dem Gebrauch wird in jedes Röhrchen 1 ccm einer 
35proc. Milchzuckerlösung und 0,1 ccm 21/2 proc. Karbolsäure hinzugefügt. Verf. 
giebt an, dass die tiefen Kolonieen des Bact. coli häufig eine Gasblase auf- 
weisen; dieselben sind meist braun, während die Kolonieen des Bac. typhi 
kleiner und hellblau aussehen. Es ist Verf. gelungen, in allen 23 unter- 
suchten Fällen von Typhus abdominalis den Typhusbacillus aus 
dem Stuhle zu isoliren und zwar vom 3. bis zum 45. Tage nach Beginn 
der Erkrankung; von 31 Untersuchungen waren nur 3 negativ. Die Zahl 
der Typhusbacillen im Stuhl ist gering in den ersten Tagen, am grössten 
in der zweiten Woche, nimmt ab in der 3. und 4. Woche; später ist der 
Nachweis schwierig. Die aus dem Stuhl isolirten Typhusbacillen erwiesen 
sich als identisch. Das von Malvoz angegebene Formalin zur Differenzirung 
von Typhus- und Colibakterien lieferte keine konstanten Resultate. In der zweiten 
Krankheitswoche entwickeln sich die Typhusbacillen aus dem Stuhl am üppig- 
sten; später erscheinen die Kolonieen langsamer auf den Platten und wachsen 
nicht mehr so üppig auf den überimpften Kulturen. Dreimal wurde der Ty- 
phusbacillus im Stuhle nachgewiesen in Fällen, wo alle anderen Symptome 
noch fehlten und wo die Serumreaktion negativ ausfiel. Bei 12 nicht typhus- 
kranken Patienten wurde 2mal ein typhusähnlicher, aber kein einziges Mal 
der typische Typhusbacillus isolirt, sodass die Specificität dieses Mikroorga- 
nismus anerkannt werden muss. Silberschmidt (Zürich). 


752 Infektionskrankheiten. 


Chantemesse, Nouvelle methode permettant de reconnaitre le ba- 
cille d’Eberth dans l’eau. Sem. med. 1901. p. 186. 

Verf. beschreibt in ausführlicher Weise ein Verfahren zur Züchtung 
des Typhusbacillus aus dem Wasser, das auf dem schon von zahlreichen 
anderen Forschern mit mehr oder weniger gutem Erfolge erprobten Grundsatz 
der Vorkultur zum Zweck der Anreicherung und der Hauptkultur 
zum Zweck der Trennung von fremden Mikroorganismen und der end- 
gültigen Isolirung beruht. 

Es wurden zunächst grössere Mengen, etwa 6 Liter, des Wassers durch 
ein Pasteur’sches Porcellanfilter geschickt; die auf der Aussenseite der 
Kerze verbleibende Schicht von Bakterien dient nun als weiteres Ausgangs- 
material: sie wird in 200 g einer 3proc. Peptonlösung aufgeschwemmt und 
so dem Brutschrank überantwortet. Eine besondere Anordnung des Versuchs 
und des Kulturapparats, die im Original nachgelesen werden müssen, gewährt 
nun die Möglichkeit, die Nährflüssigkeit dauernd zu lüften und namentlich 
nach etwa 12 Stunden durch frische zu ersetzen, ohne die gebildeten Bak- 
terienmassen antasten zu müssen. Darauf Behandlung in der Centrifuge; 
die unbeweglichen, grossen Keime werden ausgeschleudert, die zarten, leichten, 
beweglichen. Typhusbacillen sollen in der Flüssigknit suspendirt zurückbleiben 
und werden nun der Hauptkultur unterworfen. Hierzu dient ein Karbol- 
peptonagar, bestebend aus 1000 Wasser, 70 Pepton, 20 Agar, 3/, Stunde 
bei 120° in Bouillon gekocht, auf das sorgfältigste neutralisirt und unmittelbar 
vor dem Gebrauch mit 1,05 g reinen krystallisirten Phenols vermischt. Die 
Masse wird mit der Anssaat beimpft und dann, in ganz dünner Schicht ausge- 
breitet, zur Erstarrung gebracht. Nach 15 Stunden schon sind bei Brutwärme 
die Kolonien des Bac. coli zu ansehnlicher, mit blossem Auge erkennbarer 
Grösse gediehen; die Typhuskolonien dagegen erscheinen erst später, sind 
zarter, durchsichtiger, mit hellem Hof u.s. w. Zur endgiltigen und sicheren 
Bestimmung müssen natürlich dann die übrigen diagnostischen Verfahren heran- 
gezogen werden. Bemerkenswerth ist dabei, dass Ch. bei den Typhusbacillen, 
die längere Zeit im Wasser oder sonst in Gemeinschaft mit anderen Bakterien 
und unter saprophytischen Verhältnissen gelebt hatten, stets eine mehr oder 
minder deutliche Abnahme der Agglutinirbarkeit durch das specifische Serum 
bis zum völligen Verschwinden dieser Eigenschaft beobachtet haben will. Erst 
bei der Verimpfung auf Thiere kehrte die verlorene Fähigkeit allmählich wieder 
zurück. 

Ch. hat mit Hülfe seiner Methode aus dem mit Seinewasser gespeisten 
Leitungshahn seines Laboratoriums stets Typhusbacillen isoliren können; in 
einem künstlich inficirten Wasserbehälter hielten sie sich bis zu 45 Tagen 
lebensfähig. C. Fraenkel (Halle a. S.) 


Roeger, Metapneumonischer Abscess mit dem Diplococcus pneu- 
moniae in Reinkultur. Münch. med. Wochenschr. 1900. No. 41. S. 1415. 
Bei einem 55 Jahre alten Manne, welcher am 10. Januar 1900 an Lungen- 
entzündung erkrankt war, hatte sich im Laufe des folgenden Februar ein 
balbgänseeigrosser Abscess an der Brust gebildet, welcher von dem 


Infektionskrankheiten. 753 


bebandelnden Arzt geöffnet wurde. Einige Wochen später trat in der Unter- 
bauchgegend ein beinahe kindskopfgrosser fluktuirender Tumor 
auf, bei dessen Spaltung sich ein Liter graugelber, rahmiger, nicht übel- 
tiechender Eiter entleerte. 
In demselben wies der Verf. durch eine genaue bakteriologische Unter- 
suchung den Fraenkel’schen Diplococcus pneumoniae unzweifelhaft nach. 
Schumacher (Strassburg i. E.). 


Martini E., Ein gelegentlicher, durch Inhalation übertragbarer Er- 
reger der Lungenentzündung bei Meerschweinchen, Bacillus 
pulmonum glutinosus. .Arch. f. Hyg. Bd. 38. S. 114. 

Bei der bakteriologischen Untersuchung des Sektionsmaterials zweier 
Kaninchen, welche eine Zeit lang vor ihrem Tode mit tuberkulöser Milch ge- 
impft und an lobärer Lungenentzündung eingegangen waren, fanden sich 
in den Lungen kleine dicke, sehr bewegliche Stäbchen, deren Kolonien 
auf Serum feinste glashelle Tröpfchen darstellen. Geisseln und Kapseln liessen 
sich leicht nachweisen. Der Organismus wächst auf den bekannten Nährböden, 
weniger gut auf Gelatine, die er nicht verflüssigt. Milch wird nicht zum 
Gerinnen gebracht, Traubenzucker nicht vergohren. Indol nicht gebildet. Auf 
Agar entsteht ein milchweisser rahmähnlicher Belag, auf Kartoffeln ein honig- 
bis bräunlichgelber. Sporen trägt der Bacillus nicht, nach Gram ist er nicht 
färbbar. ` nN 

Bei subkutaner Verimpfung der Bakterien wird beim Meerschwein- 
chen ein kaum nennenswerthes Infiltrat erzeugt; Fütterungsversuche, 
intraperitoneale, intramuskuläre und intravenöse Impfungen hatten 
gar keinen Erfolg. Mit intrapulmonaler Einspritzung von Kulturen da- 
gegen gelang es bei einem Meerschweinchen schwere Lungenentzündung her- 
vorzubringen. 

Ebenso glückten Inhalationsversuche mit den Bakterien, nachdem sie 
mit einem sehr fein versprühenden Zerstäuber unter einer Glasglocke zerstreut 
waren. Die Thiere starben alsbald an Lungenentzündung, und es konnte aus 
den Lungen der fragliche Organismus wieder isolirt werden. 

Der Organismus ist verschieden von dem Bac. pneumonicus agilis 
Schou, H. Neumann, Flügge und dem Bac. pneumosepticus Klein. 
Er erhielt wegen seiner Beschaffenheiten den Namen Bac. pulmonum glu- 
tinosus. R. O. Neumann (Kiel). 


Müller, Richard, Ohrenbygiene beim Haarschneiden. Aerztl. Sachver- 
ständigen-Zeitg. 1901. No. 4. S. 70. 

Verf. beobachtete drei innerhalb kurzer Zeit, aber unabhängig von einander 
auftretende Fälle von diffuser phlegmonöser Entzündung des äusseren Gehör- 
ganges bei Soldaten, die sich wenige Tage vor der Erkrankung hatten die Haare 
schneiden lassen. Alle drei Patienten gaben übereinstimmend an, dass sie in der 
ersten Zeit nach dem Haarschneiden durch heftiges Juckgefühl in den Ohren ver- 
anlasst gewesen seien, viel im Gehörgang und der Ohrmuschel mit dem Zeige- 
finger herumzubohren, wobei sie stets kleine Haarschnitzel aus dem Ohr ent- 


754 Infektionskrankheiten. 


fernen konnten. Die Ursache der Krankheit sieht M. in kleinen, durch den 
bohrenden Finger hervorgerufenen Kratzwunden des äusseren Gehörganges, 
wodurch den entweder am Finger haftenden oder im Gehörgange vorhandenen 
Entzündungserregern eine Eingangspforte geboten wurde. Verf. empfiehlt daber 
zum Schutz vor solchen Folgen, beim Haarschneiden den Porus acusticus ex- 
ternus und die Concha mit einem Wattebausch gut auszufüllen, ebenso wie man 
den Hals mit Watte oder Seidenpapier gegen das Eindringen von Haarfrag- 
menten zu schützen pflegt. Mayer (Berlin). 


Buchanan W. J., The hot weather diarrhoea of India. Brit. med. Journ. 
No. 2070. 1. Sept. 1900. p. 538. 

Während der heissen Jahreszeit sind in Indien schwere Erkrankungen 
an Brechdurchfall nach Diätfehlern häufig. Die Erscheinungen ähneln der 
echten Cholera; Todesfälle kommen vor, ebenso Anurie, doch siod die Stühle 
stets fäkulent, niemals reiswasserartig, Aphonie und Wadenkränpfe selten. 
Bakterioskopische Untersuchungen fehlen. R. Abel (Hamburg). 


Klein E., Further report on the bacillus enteritidis sporogenes. 
Twenty-eightb report of the local government board. Supplement con- 
taining the report of the medical officer for 1898—1899. p. 312. 

In dem Report für 1897—1898 erstattete Klein einen ausführlichen 
Bericht über, die tinktoriellen und kulturellen Eigenschaften des oben ge- 
nannten, von ihm gefundenen Pilzes, den er als die Ursache von einheimischer 
und Kindercholera bezeichnete. Die vorliegende Arbeit ist das Ergebniss wei- 
terer Forschungen, Beobachtungen und Untersuchungen hinsichtlich des Vor- 
kommens und der Wirkung dieses Pilzes. 

Wieso diese Mikrobien, deren Sporen eine grosse Verbreitung haben und 
nicht nur auf Dung und Fäkalien regelmässig gefunden werden, sondern auch 
nicht seltene Bewohner von Milch und Fleisch sind und im Dickdarm des 
Menschen stets vorhanden zu sein scheinen, wieso sie zeitweise sich wie 
unschuldige Saprophyten verhalten, während sie ein anderes Mal schwere 
Diarrhöen verursachen, das ist ebensowenig festgestellt, wie die Antwort auf 
die Frage bezüglich des differenten resp. indifferenten Verhaltens von Ba- 
eillus coli, des Bacillus enteritidis Gärtner, des Proteus vulgaris, der 
Streptokokken, des Fraenkel’schen Pneumoniediplokokkus u. a. m. Sicher 
ist nach Klein, dass in den typischen Typhusstühlen und den Stühlen von 
Personen, die an epidemischen Diarrhöen erkrankt sind, ebenso wie in den 
flüssigen Stühlen von Personen, die nach dem Genuss von Fleisch oder Milch, 
in denen zahlreiche Sporen des Bac. enteritidis sporogenes gefanden wurden, 
erkrankten, zahlreiche Sporen dieses Pilzes mit voller Virulenz ausgestattet 
vorhanden sind, dass die Menge mit der wachsenden Konsistenz der Fäces 
abnimmt, dass aber auch in ganz festen Fäkalien vollvirulente Sporen, wenn 
auch in geringer Zahl vorhanden sind. 

Diese Sachlage ergab von selbst als weiteres Forschungsobjekt die Fragen, 
ob durch Ueberstehen einer Infektion mit Bac. enteritidis sporogenes Immu- 
nität dagegen geschaffen werde, und wie das Verhältoiss der Infektionen mit 


Infektionskrankheiten. 755 


Bac. typhi zu denen mit Bac. enteritidis sporogenes und vice versa sei. Klein 
stellte fest, dass durch das Ueberstehen einer Infektion mit Bac. enteritidis 
sporogenes, die, wie im ersten Bericht ausgeführt ist, einen ganz typischen 
und für dies Mikrobium charakteristischen Verlauf hat, die Empfänglichkeit dafür 
nicht nur nicht vermindert, sondern sogar gesteigert wird. Ebenso stellte er 
fest, dass durch Hinzufügen von Blutserum von inficirt gewesenen Menschen 
oder Thieren die Enteritidisbacillen weder agglutinirt, noch in ihrer Mobilität 
geschwächt werden. Zu gleich negativem Resnltat führten Versuche, die Klein 
mit Typhusserum an Bac. enteritidis sporogenes, und umgekehrt mit Enteritidis- 
serum an Typhusbacillen machte. Dagegen zeigten aufeinander folgende In- 
jektionen von Typhusbacillen und Bac. enteritidis und umgekehrt in unver- 
kennbarer Weise, dass die Empfänglichkeit des Meerschweinchens gegen die 
Infektion mit Typhusbacillen durch die vorangegangene Einspritzung von Bac. 
enteritidis sporogenes gesteigert wird, während umgekehrt die Empfänglichkeit 
gegen die Wirkung dieses Pilzes durch die vorhergehende Einspritzung von 
Typbusbacillen herabgesetzt wird. 

Zur Frage des Kulturverfahrens hat Klein die Beobachtung gemacht, 
dass die Kultur in Milch, die vor mehr als einer Woche sterilisirt war, ver- 
sagte. Er schreibt dies dem Umstande zu, dass die Milch wieder Luft auf- 
genommen hat, sodass der obligat anaërobe Pilz darin nicht gedeihen kann. 
Die Richtigkeit seiner Annahme beweist er dadurch, dass in der nochmals 
gekochten Milch, d. h., wenn die Luft durch das Kochen wieder ausgetrieben 
ist, die Kultur kräftig wächst. Jacobson (Berlin). 


Metin, Quelques expériences sur la peste à Porto. Ann. de l’Inst. 
Pasteur. 1900. No. 9. p. 597. 

Verf. hat 8 Patienten beobachtet, welche in Oporto eine Pestbroncho- 
pneumonie überstanden hatten, und das Sputum auch in der Rekonvalescenz 
mittels intraperitonealer Injektionen bei Meerschweinchen auf virulente Pest- 
bacillen untersucht. Während Gotschlich (Zeitschr. f. Hyg. Bd. 32. H. 3) 
20. 33 und 48 Tage nach der Genesung noch virulente Pestbacillen nach- 
weisen konnte, hat Verf. nur bis zum 8. Tage nach dem Fieberabfall (er in- 
jieirte 1 ccm Sputum) Meerschweinchen sterben sehen; und zwar erfolgte der 
Tod erst nach 5—7, statt nach 3—4 Tagen. Verf. nimmt an, dass der Aus- 
wurf von Pestkranken 10 Tage nach Aufhören des Fiebers als unschäd- 
lich betrachtet werden kann. 

Sichere Pestrecidive sind bis jetzt nur wenige bekannt; Verf. hat einige 
solcher Fälle beobachtet, u. a. bei zwei Patienten, welche nach einer normal 
verlaufenden Rekonvalescenz an pestöser Hirnerkrankung zu Grunde gingen. 
Um zu prüfen, ob das Seram nach Ueberstehen der Pest Immunstoffe enthält, 
warden 3 Patienten, welche die Erkrankung ohne Seruminjektion überstanden 
hatten, mit ihrer Einwilligung 10—15 cem Blut entnommen. Verf. konnte 
an Meerschweinchen und an Mäusen deutliche, aber geringe präventive 
und sogar kurative Wirkung dieser Sera nachweisen. 

Silberschmidt (Zürich). 


756 Infektionskrankheiten. 


Reiche F., Zur Klinik der 1899 in Oporto beobachteten Pesterkran- 
kungen. Münch. med. Wochenschr. 1900. No. 31. S. 1061. 

Reiche, der den Pestausbruch in Oporto zu beobachten Gelegenheit 
hatte, hebt hervor, dass die dortigen Erkrankungen im Allgemeinen ein weit 
milderes Bild darboten als nach den Schilderungen der deutschen Pestkom- 
mission die Erkrankungen in Bombay. Diagnostisch besonders wichtig ist in 
klinischer Hinsicht die starke Druckempfindlichkeit der Bubonen und das dem 
palpirenden Finger eine prallelastische, polsterartige Resistenz darbietende 
Oedem in der unmittelbaren Nachbarschaft der geschwollenen Drüsen. Diese 
Schmerzhaftigkeit auf Druck fand sich auch in den leichtesten Fällen, wäh- 
rend selbst ausserordentlich gegen Berührung empfindliche Bubonen spontan 
nur wenig schmerzten. Bei Pestverdacht empfiehlt sich daher Abtasten aller 
Drüsenregionen zur klinischen Diagnose. Eingehende, hier nicht zu referirende 
Besprechung finden alle Symptome der Pestkrankheit. Die Inkubationsdauer 
schien bei einigen Kranken 2—4, bei anderen 10—11 Tage zu betragen. 
Zweifellose Thatsachen, nach denen Ratten als Verbreiter der Infektion anzu- 
schuldigen gewesen wären, kamen R. nicht zu Ohren. 

R. Abel (Hamburg). 


Ogata M., Ueber die Pestepidemie in Kobe. Centralbl. f. Bakteriol. 
Abth. I. Bd. 28. No. 6/7. S. 165. 

Ogata studirte eine kleine, im November 1899 ausgebrochene Pest- 
epidemie in Kobe, einer Hafenstadt nahe bei Kioto und fand als Krankheits- 
erreger Bacillen, die mit den Yersin’schen, nicht mit den Kitasato’schen 
Pestbacillen identisch sein sollen. (Während man sonst in der ganzen Welt, 
und zwar auf Grund des Vergleiches von Kulturen, fraglos mit Recht annimmt, 
dass Kitasato und Yersin denselben Organismus als Pesterreger beschrieben 
haben, behaupten einige, Kitasato augenscheinlich feindlich gesinnte Japaner 
immer noch, dieser habe gar nicht den richtigen Pestbacillus entdeckt.) Io der 
Epidemie starben auch Ratten. Im Uebrigen enthält die Arbeit nichts Neues. 

R. Abel (Hamburg). 


$kchivan T., Zur Morphologie des Pestbakteriums. Centralbl. f. Bakt. 
Abth. I. Bd. 28. No. 10/11. S. 289. 

Eine seit mehreren Jahren auf Agar fortgezüchtete Pestbacillen- 
kultur bildete ganz auffallend zablreiche lange Fäden und auch ver- 
zweigte Stäbchen. Auf Agar aus Fischfleischbouillon mit Zusatz von 3 bis 
4 pCt. Kochsalz zeigte der Bacillenstamm schon in erster Generation die 
abenteuerlichsten Formen, hefeähnliche Kugeln nämlich, Riesenspindeln, sper- 
matozoidenartige Formen, Ringe, Spiralen; ein anderer jüngerer Pestbacillen- 
stamm gab (dieselben Gebilde erst in zweiter Generation in gleicher Menge. 
S. betrachtet diese Bildungen nicht als degenerative, als sog. Involutionsformen, 
„sie werden vielmehr in derselben Kultur in ziemlich kurzer Zeit in normale 
Formen umgewandelt“; Gamaleia’s Terminus „Heteromorphismus“ erscheint 
ihm für die Bezeichnung dieser Gebilde geeigneter. 

Das Agar mit 3—5 pCt. Kochsälzgebalt scheint vorzüglich geeignet zu 


Infektionskrankheiten. 757 


sein, um Bakterien verschiedenster Art zur Bildung von Fäden zu veranlassen, 
so die Bacillen der Nagethiertuberkulose, die S. wegen der von ihnen erzeugten 
Knötchenbildungen im Thierkörper für nahe Verwandte des bekanntlich ähn- 
lich wirkenden Pestbacillus ansieht, Rotz-, Diphtherie-, Typhusbacillen. Auch 
die Bacillen der Säugethier- und Vogeltuberkulose reagiren auf erhöhten Koch- 
salzgehalt des Nährbodens mit Zweigbildung, dagegen nicht, soweit die nur 
an einem Kulturstamm angestellten Versuche ein Urtheil erlauben, die Pseudo- 
diphtheriebacillen. R. Abel (Hamburg). 


Matzuschita T., Ueber die Veränderlichkeit der Eigenschaft des 
Bacillus anthracis, Gelatine zu verflüssigen. Centralbl. f. Bakteriol. 
Bd. 28. No. 10/11. S. 303. 

Zu der allbekannten Eigenthümlichkeit mancher Bakterien, ihr Ver- 
flüssigungsvermögen einzubüssen, fügt Verf. eine neue Beobachtung hinzu, 
die sich auf Bacillus anthracis bezieht. Bei einer Kultur, welche ca. 
1/, Jahr lang in Gelatine weiter gezüchtet und alle 2—3 Monate abge- 
stochen worden war, zeigte sich, dass dieselbe erst nach 50 Tagen anfing, 
sehr spärlich zu verflüssigen. Plattenkulturen blieben 17 Tage lang fest. 
Von ihrem pathogenen Vermögen hatten die Bacillen nichts eingebüsst. 

Die charakteristische Eigenschaft der Verflüssigung erlangten die Bacillen 
nicht wieder mittels der Thierpassage, dagegen wenn man sie 4—6 mal alle 
1—2 Tage auf Agarnährboden abimpfte und die Kulturen bei 87° hielt. Solche 
Kulturen verflüssigten die Gelatine nach 6 Tagen. 

R. O. Neumann (Kiel). 


Malfitano G., La bacteriolyse de la bacteridie charbonneuse. Compt. 
rend. de l’acad. des sciences. T. 131. No. 4. p. 295. 

Die Bakteriolyse des Milzbrandbacillus ist sehr häufig als eine 
Autobakteriolyse aufzufassen. Dieselbe wird durch proteolytische Dia- 
stasen hervorgerufen, welche in dem Bacillus enthalten sind, durch einen 
unbekannten Mechanismus in Thätigkeit treten und nach der Auflösung der Zelle 
im Medium erscheinen. Die Bakteriolyse tritt ein, wenn der Austausch zwischen 
Zelle und Medium gestört ist; sie vollzieht sich besonders rasch, wenn man 
das Leben des Protoplasmas plötzlich unterbricht, ohne die Diastase zu zer- 
stören. So wirkt z. B. eine 10 Minuten dauernde Erhitzung auf 55—60°. 
Von den Antisepticis lassen sich Chloroform, Xylol und Thymol am besten 
tar Bakteriolyse verwenden, während die meisten anderen auch die Thätigkeit 
der Diastase hemmen. H. Koeniger (Leipzig). 


Phisalix C., Sur une variété de bacille charbonneux, à forme courte 
et asporogene: Bacillus anthracis brevigemmans. Comp. rend. de 
l’acad. des sciences. T. 131. No. 7. p. 424. 

Der Milzbrandbacillus erfährt im Organismus des Hundes eine 
interessante Umwandlung. Dieselbe spielt sich im Anschluss an die In- 
jektion einer virulenten Kultur regelmässig in den zugehörigen Lymph- 
drüsen ab und tritt ferner besonders deutlich bei einer Kulturmethode 


758 Infektionskrankheiten. 


‚zu Tage, welche der Verf. anwandte. Er führte Kollodiumsäcke, die mit 
virulenten Milzbrand-Bouillonkulturen gefüllt waren, in die Bauchhöble von 
Hunden ein. Nach mindestens dreimonatlichem Aufenthalte in der Bauchhöhle 
zeigte die Bouillon, eine milchige Trübung und mikroskopisch weder Bacillen 
noch Sporen, sondern nur kleine kukkenartige Gebilde, die theils iso- 
lirt, theils in Ketten oder Haufen vereinigt waren. Diese Elemente entbehren 
jeder Virulenz, färben sich nach Gram, bilden keine Sporen und behalten 
bei der Fortzüchtung ihre Form und ihre Eigenschaften bei. Die Absch wä- 
chung und Umformung des Bacillus findet also unter dem Einfluss dia- 
lysabler Substanzen statt. 

Derselbe Process vollzieht sich viel rascher, wenn man statt der Bouillon 
Hundeserum verwendet. In vitro dagegen wirkt das Hundeserum nur sebr 
schwach baktericid. Man darf daher annehmen, dass das Blut einen grossen 
Theil seiner baktericiden Kräfte löslichen Produkten verdankt, welche 
ihm von den Geweben und Organen geliefert werden. Die Lymphdrüsen und 
die Leukocyten spielen bei dieser Arbeit eine wichtige Rolle. 

H. Koeniger (Leipzig) 


Leclainche E. et Vallée H., Etude comparée du vibrion septique et de 
la bactérie du charbon symptomatique. Ann. de l’Inst. Pasteur. 1900. 
No. 9. p. 590. 

Auf Grund von vergleichenden Untersuchungen kommen Verff. zu folgenden 
Resultaten: 

1."Es bestehen sehr enge biologische Beziehungen zwischen dem 
Rauschbrandbacillus und dem Bacillus des malignen Oedems. Letz- 
terer Mikroorganismus unterscheidet sich durch das Vorhandensein von langen, 
ungleichmässigen, z. Th. gewundenen Formen in der Oedemflüssigkeit und im 
Peritoneum von Meerschweinchen; diese langen Gebilde wurden bei Rausch- 
brand nicht beobachtet. 

2. Die Immunisirungsverfahren gegen Rauschbrand sind auch gegen malignes 
Oedem anwendbar. 

3. Die Immunsera sind aber streng specifisch, ebenso die Agglu- 
tinationsreaktion. 

4. Die rauschbrandimmunen Thiere sind nicht immun gegen den Bacillus 
des malignen Oedems, ebenso wenig können die gegen den Oedembacillus 
geimpften Thiere eine letale Dosis Rauschbrandkultar ertragen. 

Silberschmidt (Zürich). 


Arnheim G., Beitrag zur Bakteriologie des Keuchhustens. Berl. klin. 
` Wochenschr. 1900. No. 32. S. 702. 

Nachdem Afanassieff bereits 1897 bei Keuchhusten kleine Stäbc hen 
gefunden hatte, wurden durch andere Autoren theils die Befunde des genannten 
Forschers bestätigt, theils fand man andere Organismen, so z. B. Ritter Diplo- 
kokken, Czaplewski influenzaartige kleine Stäbchen, welche als die Erreger 
des Keuchhustens augesprochen wurden. Den Befund von Czaplewski 
bestätigt Verf. durch die Untersuchung von 44 Keuchhustenfällen, bei denen 


Infektionskrankheiten. 759 


drei auch nach der Sektion genauer untersucht werden konnten. Er fand stets 
in der Akme des Keuchhustens im Sputum kleine, in kurzen Ketten an- 
einanderliegende Stäbchen, welche meist ausserhalb der Zellen, aber gegen 
Ende des Keuchhustens auch zahlreich intracellulär gelegen waren. Zunächst 
zeigten sie beim Färben Polfärbung, die bei späteren, künstlich gezüch- 
teten Generationen nicht immer beobachtet werden konnte, da alsdann zahl- 
reiche Involutionsformen mit knolligen Verdickungen, Fadenbildungen u. s. w. 
änftreten. 

Nach Gram färbt sich der Organismus nicht regelmässig, meist nicht 
mehr in älteren Generationen. 

Auf den Plattenkulturen trifft man kleine, wasserhelle, thautropfenartige 
Kolonien von 1—2 mm Durchmesser, ähnlich den Streptokokken. Die Thier- 
versuche sind nicht eindeutig, da es weder gelang, bei Kaninchen Keuchhusten 
bervorzurufen noch Konvulsionen eintreten zu lassen, obwohl infektiöses Mate- 
rial in die Trachea eingespritzt wurde. Eine inficirte Maus starb an Pneu- 
monie und pleuritischen Belägeu, welch letztere die Organismen enthielten?). 

R. O. Neumann (Kiel). 


Eysell, Adolf, Ueber das Vorkommen von Anopheles in Deutschland. 
Arch. f. Schiffs- u. Tropenhyg. Bd. 4. S. 353. 

Verf. fand in der Nähe von Kassel im September und Oktober 1900 
neben sehr zahlreichen Exemplaren von Culex pipiens und etwas spärlicheren 
von Calex annulatus (von diesen fast nur Weibchen) mehrere männliche und 
weibliche Exemplare von Anopheles maculipennis und A. bifurcatus. Im 
Vergleich zur Angabe Grassi’s, dass der Anopheles schon im Anfang Oktober 
in der lombardischen Ebene verschwindet, war das Vorkommen von Anopheles 
in Deutschland im Freien bis zum 12. Oktober einigermaassen auffallend, und 
Verf. glaubt dies dem sehr heissen Juli letzten Jahres zuschreiben zu müssen. 
Vom 12. Oktober ab fand er Anopheles im Freien nicht mehr, dagegen fand 
er 8 Tage später zahlreiche Anopheles- und Culex-Weibchen in verschiedenen 
dunklen Wohnhauskellern. Verf. giebt an der Hand von Abbildungen einige 
Merkmale zur Unterscheidung der häufigsten Arten von Culex und Anopheles. 

Mayer (Berlin). 


Baldi, I primi sperimenti di protezione del personale ferroviario 
dalla malaria. Supplemento al Policlino. 24. Febr. 1900. p. 536. 
Baldi berichtet über die Maassnahmen und die Erfolge derselben, die 
4 Monate lang von der Società per gli studi sulla malaria unter 
Celli’s Leitung zwischen den Eisenbahnstationen Prenestina und Salone, 
in einer von Malaria stark heimgesuchten Gegend, durchgeführt wurden. Die- 
selben bezogen sich: 


1) Nach den neuesten Untersuchungen von Rahner kommt dem Czaplewski- 
schen Organismus keine specifische Bedeutung zu. Cz. hat nur einen Organismus 
aus der Gruppe der Pseudodiphtheriebacillen vor sich gehabt. Ueberhaupt ist 
die Aetiologie des Keuchhustens nach Rahner noch völlig dunkel. Ref. 


760 Infektionskrankheiten. 


1. auf den Schutz der Bahnwärterhäuser. Die Fenster- und klei- 
neren Oeffnungen derselben wurden durch Gaze, die Thüröffnungen durch 
Drahtnetze abgeschlossen; in drei Häusern unterblieb der Kontrole halber 
dieser Schutz. Alle Bewohner, die sich des Nachts in den so vorbereiteten 
Häusern aufgehalten hatten, blieben von der Malaria verschont. 

2. Auf den Schutz der Beamten, die in der Nacht Dienst hatten. 
Dieselben erhielten Strohhüte, denen ähnlich, die die Bienenzüchter zu 
tragen pflegen, mit einer Maske von Drahtgaze für das Gesicht und 
einem Schleier zum Schutze des übrigen Kopfes und des Halses, der in den 
Halskragen des Rockes eingesteckt wurde. Die Hände kamen in Handschuhe 
von Gemsleder, die an die Aermel angenäht waren. Man hatte den Be- 
amten ausserdem noch die Benutzung einer besonderen Seife, durch die 
die Mosquitos von der Haut ferngehalten werden sollten, anempfohlen. Aber 
trotz aller dieser Maassregelu erkrankten fast alle die Leute, die Nacht- 
dienst gehabt hatten, mehr oder weniger. 

3. Auf die Vernichtung der Mosquitos. Man verwandte dazu mit 
angeblich gutem Erfolge eine Pulvermischung, „Zanzoline“ genannt, die 
jeden Abend auf 2 Stationen verbrannt wurde. 

Die Versuche sind also im Allgemeinen günstig ausgefallen und ermu- 
thigen zum weiteren Vurwärtsschreiten auf dem begonnnen Wege. 

Jacobitz (Halle a.S.). 


Grassi, Battista, Erster summarischer Bericht über die Versuche zur 
Verhütung der Malaria, angestellt in der Gegend von Paestum. 
Centralbl. f. Bakteriol. Bd. 28. No. 17. S. 585. 

Verf. und seine Mitarbeiter stellten zum Beweise, dass die Malaria aus- 
schliesslich durch den Stich der Anopheles übertragen wird, und dass es 
gelingt, diese Ursache und damit die Krankheit zu verhüten, ein Experiment im 
Grossen an bei den Eisenbahnbeamten einer Strecke in der von Malaria 
sehr heimgesuchten Ebene von Capaccio, im Ganzen an 104 Personen, darunter 
33 Kindern unter 10 Jahren. Die Schutzmaassregeln erstreckten sich nach 
Verf.: 1. auf eine ärztliche Behandlung der von früher her malariakranken 
Individuen in der malariafreien Zeit, d. h. in der Zeit, in welcher die Ano- 
pheles noch nicht infieirt sind (vom Januar bis Juni); 2. Schutz gegen Stiche 
von Anopheles in der Malariazeit durch Anwendung von Drahtnetzen um die 
Wohnungen und die Vorschrift, dass alle Personen sich von Sonnenuntergang 
bis Sonnenaufgang in diesen geschützten Behausungen aufhalten mussten; die 
Beamten, welche Nachtdienst hatten, trugen Schleier, die mit Gummibändern 
rings um die Hüte befestigt waren, und sehr dichte Handschuhe. 

Die Resultate dieses Experiments waren glänzende: während der ganzen 
Beobachtungszeit — die Malariazeit begann am 26. Juni — bis zum 16. Sep- 
tember, wo die Epidemie bereits im Abnehmen war, blieben sämmtliche 104 In- 
dividuen verschont, während in den Bauernhäusern zu beiden Seiten der Bahn 
in einer Entfernung von 1—2 km von 300 Einwohnern nur 5, und zwar lauter 
Erwachsene, die eine vergrösserte Milz besassen und früher sehr von Malaria- 
fiebern geplagt waren, verschont blieben. Ebenso wurden auch die Bewohner 


Infektionskrankheiten. 761 


der benachbarten Bahnwärterhäuschen ausserhalb der Versuchsstrecke sämmt- 
lich von der Malaria ergriffen, obwohl sie ebenfalls, wie die innerhalb der- 
selben vor der Malariazeit einer Kräftigungs- und Chininkur unterworfen worden 
waren. Mayer (Berlin). 


Celli A., Beitrag zur Erkenntniss der Malariaepidemiologie vom 
neuesten ätiologischen Standpunkte aus. Centralbl. f. Bakteriol. 
Bd. 28. No. 17. S. 530. Z 

In seiner dritten vorläufigen Mittheilung erwähnt Verf. seine Beobach- 
tungen, die er im letzten Jahre in mehreren Malaria -Studienstationen in 
den verschiedensten Gegenden Italiens machen konnte, wobei er sich 
nicht auf die Hospitäler der grösseren Städte beschränkte, sondern die 
Epidemie an Ort und Stelle, auf dem Lande und in den Häusern der Kranken 
verfolgte. Seine Beobachtungen erstreckten sich auf die Verbreitung der Ma- 
lariaparasiten ausserhalb Latiums, die doppelten und dreifachen Infektionen 
ein- und derselben Person, die Recidive, die Beziehungen der Epidemien zu 
den Stechmücken, zu dem Landleben und der Temperatur. 

Ebenso wie in Latium und in Süditalien, überwiegen auch in der Poebene 
die Parasiten der schweren römischen Tertiana oder der Aestivoautumnalfieber 
and rufen dort die beim Volke sehr gefürchteten Angustfieber (febbri agostane) 
hervor. Ja sogar in den Alpenthälern, z. B. in der Nähe von Sondrio, 400 
bis 700 m über dem Meere, finden sich Herde von Malaria gravis. Indessen 
siod die letal verlaufenden Perniciosafälle in Oberitalien selten im Vergleich 
zu Latium, was sich nach Verf. dort durch den reichlichen Gebrauch von 
Chinin und durch eine gewisse in Folge der Durchseuchung der Rasse erlangte 
Immunität erklärt. R 

Sehr häufig sind nach C. doppelte und dreifache Infektionen bei demselben 
Individuum: auf 95 Fälle fand er in 28 pCt. doppelte und in 6,3 pCt. drei- 
fache Infektionen. Genauere Beobachtungen hat C. dann auch gemacht über 
die Recidive, die ja für die Erhaltung und Verbreitung der Parasiten und für 
die Folge und Dauer der Epidemie von grosser Wichtigkeit sind. Trotz der 
vorzüglichen Wirkung des Chinins kann man die Recidive nicht bei allen Ma- 
lariakranken verhindern, und es ist daher bis jetzt noch unmöglich, mit diesem 
einzigen specifischen Mittel die Malariaherde auszurotten. . 

Ueberall, wo C. Malariakranke fand, traf er auch Anophelesarten. Dass 
die Culexarten nichts mit der Verbreitung der Malariaparasiten za thun haben, 
liess sich besonders in Mantua feststellen, wo das Stadtinnere voll von Culex, 
aber frei von Malaria ist, während die peripheren Viertel schwere Malaria- 
epidemien und viele Anopheles haben. 

Sehr deutlich ist auch ein Zusammenhang der Malariaparasiten mit der 
Laodwirthschaft zu konstatiren, einestheils durch Bewässerungskulturen, wie 
z. B. die Reisfelder, anderntheils dadurch, dass die Feldarbeit in den unge- 
sunden Monaten gethan werden muss, z. B. die Mais- und Zuckerrübenernte. 

Ueber den Zusammenhang der Temperatur und der Malariaepidemie ver- 
mag Verf. noch nichts Definitives auszusagen, bevor die umfangreichen Beob- 
achtungen zu Ende geführt sind; indessen nimmt er vorläufig an, dass der 


762 Infektionskrankheiten. 


Epidemie eine Temperatar von 25° vorausgehen muss, die dann längere Zeit 
anhalten muss. Mayer (Berlin). 


Woldert, Original specimens of Zygotes of estivo-autumnal malarial 
parasites in the middle intestine of the mosquito (Anopheles 
quadrimaculata). Proc. of the path. soc. of Philad. 4. p. 129. 

Verf. berichtet, dass er bei 2 unter 9 Anophelesmücken, die er zwei an 
tropischer Malaria leidende Kranke beissen liess, drei bis vier Tage später 
im Mitteldarm (Magen) „Zygoten“, d. h. Oocysten mit beginnender Sporo- 
blasten- und Sporozoitenbildang angetroffen habe. Er theilt weiter auch 
noch mit, dass er in Philadelphia überall da, wo Malaria aufgetreten, auch 
in der Nähe Anopheleslarven in kleinen Tümpeln u.s.w. habe entdecken 
können. C. Fraenkel (Halle a. $.). 


Samways, The exstirpation of the Mosquito. Britisb med. journal. 
8. July 1899. S. 119. 

In Mentone giebt es zwar keine Malaria, doch sind die Mosquitos hier 
eine wahre Landplage. Man hat nun festgestellt, dass dieselben sich haupt- 
sächlich in den künstlichen Bassins, die zum Bewässern der Wein- und Oliven- 
gärten dienen, vermehren; so hat man in einem Eimer Wasser aus einem 
kleinen derartigen Tümpel 400—500 Larven von Mosquitos gefunden. Es 
gelang durch Eingiessen von 4—5 Tropfen Petroleum in den Eimer in ein 
bis zwei Stunden alle Larven zu tödten, und man erreichte das Gleiche bei 
der kleinen Lache selber, nachdem man einen Suppenlöffel Petroleum in die- 
selbe hineingeschüttet hatte. Bemerkenswerth ist noch, dass in einem dicht 
neben dem erwähnten kleinen Tümpel liegenden, etwa hundertmal grösseren 
Teiche sich keine Mosquitolarven nachweisen liessen. Samways führt diese 
an sich sehr auffällige Erscheinung auf den Fischreichthum des grossen 
Teiches zurück und erwähnt zur Bekräftigung seiner Ansicht, dass der in dem 
Mentone benachbarten Mortuola ansässige Kommandat Hanbury die Zahl der 
Mosquitos dadurch sehr verringerte, dass er einen seinem Hause benachbarten 
Teich mit Karpfen bevölkerte, ein wohl überall ohne erhebliche Schwierig- 
keiten anwendbares Mittel. Jacobitz (Halle a. S.). 


Fermi, Claudio und Tonsini, Die Prophylaxis der Malaria und die Ver- 
nichtung der Mosquitos auf der Insel Asinara. Zeitschr. f. Hyg. u. 
Infektionskrankh. Bd. 34. S. 584. 

Die Insel Asinara, nördlich von Sardinien gelegen und ausschliesslich 
von Sträflingen und Beamten bewohnt, hat, wie die Verf. feststellten, 11 Ort- 
schaften, in denen Malaria vorkommt, und zwar in 6 davon in heftiger Form. 
Die letzteren liegen sämmtlich in der südlichen Hälfte der Insel, welche mehr 
Wasser enthält als die nördliche. Die ganze Wasseroberfläche der Insel 
beträgt nur 600—700 qm; mehr als die Hälfte davon besteht aus fliessenden 
Gewässern, der Rest aus stehenden Wasseransammlungen, die als Lachen, 
Wasserbecken, Tränken und Kübel bezeichnet werden. In 9 davon fanden die 


Infektionskrankheiten. 763 


Verf. Mückenlarven, zum Theil in grosser Zahl und zwar besonders zahlreiche 
Anopheleslarven; 9 waren frei von Mückenlarven. 

Die Vorkehrungen zur Verhütung der Malaria bestanden nun zunächst 
darin, dass sämmtliche Wasseroberflächen von Juni bis November zwei- 
mal im Monat mit einem Petroleumüberzug versehen und die Kübel, 
welche Mückenlarven enthielten, etwa ebenso oft völlig entleert wurden. Zur 
Vernichtung der Mosquitos in den Häusern dienten Pflanzenpalver, 
Baldrian, Chrysanthemum u. a., in den Schlafsälen der Sträflinge Chlor, das 
durch Schwefelsäure aus Chlorkalk entwickelt wurde. Zum Schutz gegen 
das Eindringen der Mosquitos wurden die Fenster der Schlafsäle mit 
Vorhängen versehen, die in Rahmen ausgespannt waren. 

Das Ergebniss dieser Maassnahmen ist insofern bemerkenswerth, als es 
den Verff. fast unmöglich war, in irgend einem Hause einen Anopbeles zu 
finden, und als auch der Culex sich stark vermindert hatte, und besonders 
deshalb, weil nur 9 Malariafälle vorkamen, wovon 3 nicht auf Asinara 
entstanden und die übrigen Rückfälle waren. Im Jahr vorher (1898/99) 
waren 99 Malariaerkrankungen aufgetreten, von denen fast die Hälfte 
ihrer Entstehung nach auf Asinara zurückgeführt wurde. 

Globig (Kiel). 


Ehret, Valeur de Ja présence du bacille filiforme dans l’estomac 
pour le diagnostic precoce du cancer de cet organ. Sem. med. 
1901. p. 74. 

In einem lesenswerthen kleinen Aufsatz vertritt Verf. an der Hand seiner 
Erfahrungen den Standpunkt, dass das Vorkommen gıösserer Mengen des so- 
genannten Bac. filiformis im Mageninhalt ein nahezu sicheres Zeichen 
für das Bestehen eines Magenkrebses sei. Während bei anderen Er- 
krankungen des Magens oft eine sehr starke Vermehrung der auch sonst unter 
normalen Bedingungen im Magen schon vorhandenen Mikroorganismen beob- 
achtet wurde, fehlen doch die genannten Bacillen fast stets und treten erst 
auf, wenn es sich eben um einen bösartigen Tumor handelt. 

Es folgt dann eine kurze Beschreibung des Bacillus, dessen vielfach ver- 
zweigte Massen bereits unter dem Mikroskop sofort als solche zu erkennen 
sind, der aber auch, wie zuerst Schlesinger und Kaufmann gezeigt, auf 
lproc. Traubenzuckeragar und in saurer Bouillon zu künstlicher Entwickelung 
gebracht werden könne, während er auf Gelatine versagt. 

C. Fraenkel (Halle a. S.). 


Babes V. et E. Manicatide, Sur certaines substances spécifiques dans 
la pellagre. Comp. rend. des séances de l’acad. des sciences à Paris. 
1900. T. 131. No. 3. p. 291. 

Verff. baben sich aus Gegenden, wo die Pellagra endemisch ist, den 
als Ursache angeschuldigten verdorbenen Mais kommen lassen und durch 
sabkutane Injektion der daraus durch Kochen gewonnenen Auszüge bei Ka- 
ninchen und Mäusen pellagraartige Erscheinungen erzeugt. Bei gleichzeitiger 
Injektion von Serum solcher Leute, welche Pellagra überstanden 


764 Infektionskrankheiten. 


hatten, wurde die giftige Wirkung aufgehoben oder wenigstens abgeschwächt 

(sodass z. B. Kaninchen anstatt nach 15—20, erst nach etwa 60 Tagen starben). 

Injektion von normalem Serum hatte die antitoxische Wirkung nicht. 
Hellwig (Halle a.S.). 


Kronecker, Franz, Die „Kala-Azar“ in der vorderindischen Provinz 
Assam. Eine tropen -patbologische Studie, nach englischen 
Quellen dargestellt. Arch. f. Schiffs- u. Tropenhygiene. Bd. 4. S. 220. 

Als „Kala-Azar“ bezeichnen die Bewohner der indischen Provioz 
Assam eine schwere epidemische Fieberform, die vor allem in dem Thal des 
Brahmaputra unter den Eingeborenen herrscht und in ihrer ganzen Erschei- 
nung den schweren perniciösen Malariafiebern ungemein ähnlich ist. Ob ein- 
zelne Fälle dieser ätiologisch noch dunklen Krankheit auch in anderen Theilen 
Indiens vorkommen, ist noch nicht sichergestellt, jedenfalls als Epidemie ist 
sie bisher nur in Assam beobachtet. Die Krankheit beginnt ohne Prodrome 
plötzlich mit heftigem Fieber, welches nach mehreren Tagen absinkt, häufig 
aber wiederkehrt. Leber und Milz sind dabei oft kolossal geschwollen. Unter 
Komplikationen von Seiten der Verdauungsorgane, Wassersucht und Nasen- 
bluten tritt allmählich Anämie und Abmagerung ein, und nach 6—18 Mo- 
naten erfolgt fast regelmässig der Exitus. Die Krankheit befällt alle Klassen 
der einheimischen Bevölkerung, Europäer blieben bisher verschont, obwohl sie 
häufig der Infektion ausgesetzt waren. Die gegen Malaria wirksamen Mittel, 
besonders Chinin, und auch eine Ortsveränderung in gesunde Gegenden sind 
diesem Leiden gegenüber unwirksam. Die Art seiner Ausbreitung ist aber 
ganz analog der Malaria, indem es sich hauptsächlich an die Flussniederungen 
hält, die höheren Gebirge aber verschont. 

Bezüglich der Aetiologie ist vor allem die Frage, ob die „Kala-Azar“ eine 
besondere Form der Malaria oder eine Krankheit sui generis sei, noch offen: 
dass die Ankylostomiasis eine Rolle bei der Aetiologie spiele, wie früher an- 
genommen wurde, ist wohl jetzt als ausgeschlossen zu betrachten; vielleicht 
spielen aber diese Darmparasiten, welche in Assam eine ungeheure Verbrei- 
tung haben, als prädisponirendes Moment durch Schädigung der Blutbeschaffen- 
heit und Herabsetzung der Widerstandskraft eine Rolle. Ein exakter Beweis, 
dass diese Krankheit zur Gruppe der Malariakrankheiten gehöre, ist bisher 
nicht mit Sicherheit erbracht. z Mayer (Berlio). 


James $. P., On the metamorphosis of the filaria sanguinis hominis 
in mosquitos. Brit. med. Journ. No. 2070. 1. Sept. 1900. p. 533. 

James bestätigt Manson’s Beobachtung, dass die Filaria sanguinis 
hominis, von Mosquitos mit dem Blate kranker Menschen aufgenommen, 
in den Mosquitos sich weiter entwickelt, indem sie die Magenwand durchbobrt 
und in den verschiedensten Organen der Insekten zu voller Grösse aus- 
wächst. Bei zwei Anophelesarten (A. Rossii und einer noch nicht bestimmten 
Art) sah James die Filarien ausser in andere Organe der Mücke auch in die 
Stechwerkzeuge wandern (übereinstimmend mit Low, vergl. diese Zeitschr. 
1900. S. 507. Ref.); es ist ihm danach sehr wahrscheinlich, dass die inficirten 


Transportwesen. Verschiedenes. 765 


Mosquitos von ihnen gebissene Personen direkt mit Filarien inficiren können. 
Bei 2 Culexarten (C. microannulatus und albopictus) gelang es nicht, die 
volle Entwickelung der Filarien zu beobachten, weil die Mücken zu zeitig 
starben; doch liessen sich auch bei diesen Mücken die Auswanderung aus 
dem Magen und die ersten Stadien des Wachsthums in den Organen wahr- 
nebmen. In den Anopheles waren die Filarien nach 12—14 Tagen voll ent- 
wickelt. In Wasser starben die Filarien in 2— 3 Stunden, in Blut eingebracht 
erst nach etwas über 6 Stunden. R. Abel (Hamburg). 


Ruge R., Schiffsärztliches aus dem 17. und 18. Jahrhundert. Marine- 
Rundschau 1900. S. 1011. 

Jeder, der sich für die Entwickelung der Schiffshygiene interessirt, 
wird dem Verf. für diese inhaltreiche historische Studie Dank wissen. Die Quellen, 
ans denen Verf. schöpft, sind hauptsächlich Aufzeichnungen und Reiseberichte 
alter holländischer und englischer Schiffs- und Flottenärzte, aus denen wir nicht 
mr fast unglaublich klingende Mittheilungef über Unterkunft, Verpflegung 
and Bekleidung, über Morbidität und Mortalität, Schiffslazarethe, medikamen- 
töse und sonstige schiffsärztliche Ausrüstung, Trinkwasserversorgung u. s. w. 
der Sehiffsbesatzungen, besonders der Kriegsschiffe, sondern auch die An- 
schauungen damaliger Aerzte und Seefahrer über die für Schiffsbesatzungen 
wichtigsten Krankheiten, wie Skorbut, Malaria, Dysenterie kennen lernen. Wir 
sehen, wie äusserst langsam die ursprünglich unbeschreiblich jammervollen 
Lebensbedingungen des Schiffsvolkes sich allmählich bessern, bis einsichtsvolle 
Seeleute wie Cook am Ende des 18. Jahrhunderts anfangen, ihren Mann- 
schaften eine ausgedehnte Fürsorge zu widmen, und wie sich die Anschauungen 
der Aerzte von den unsinnigsten Theorien allmählich zu klarerer und rich- 
tigerer Erkenntniss hindurcharbeiten. Es ist kaum möglich, aus den vielen 
Einzeldarstellungen einzelnes herauszugreifen, ohne hierdurch dem übrigen 
Inhalt Unrecht zu thun. Wer sich für den Gegenstand interessirt, dem kann 
die Lektüre des Ganzen nur empfohlen werden. Martin (Berlin). 


v. Stein St., Ueber den Einfluss chemischer Stoffe auf den Process 
der Krystallisation des Hämoglobins. Virch. Arch. 1900. Bd. 162. 
S. 477. 

Im Jahre 1884 beschrieb Verf. (Virch. Arch. Bd. 97 und Centralbl. f. d. 
med. Wissensch. 1884) eine schnelle und sichere Methode zur Gewinnung und 
Aufbewahrung mikroskopischer Blutkrystalle aus dem Blute mittels Canada- 
balsams. Dieses Verfahren giebt, nach der vorliegenden Arbeit des Verf.'s, 
die Möglichkeit, Veränderungen im Blute, hervorgerufen durch die Einwir- 
kung chemischer Stoffe, leicht nachzuweisen, da sowohl durch einfachen 
Wasserzusatz, als durch die Salze bezw. Salzlösungen, oder durch Gase die 
Form und Farbe der Krystalle verändert, oder sogar ihre Bildung überhaupt 


766 Verschiedenes. 


verhindert wird. Verf. studirte vorläufig die Einwirkung von Wasser, Chlor- 
natrium, Chlorcalcium, Kaliamchlorat, Ammonsulfat, Kohlenoxyd, Stickoxydul 
und salpetriger Säure auf Meerschweinchenblut; bezüglich der erhaltenen 
Resultate muss auf das Original verwiesen werden. 

Was die Technik anbetrifft, so wird von dem defibrinirten und mit Luft 
geschüttelten Blut (eventuell mit wechselnden Mengen Wasser bezw. Salz oder 
Salzlösung versetzt) ein Tropfen auf dem Objektträger mit flüssigem Canada- 
balsam völlig überschichtet und eingeschlossen; das Präparat wird dann nach 
24 stündigem Liegen unter einer feuchten Glasglocke mikroskopirt, da dann 
meist der Krystallisationsprocess vollständig beendet ist. (Vielleicht gelingt 
es mit diesem Verfahren, Veränderungen im Blut, bei Infektionskrankheiten 
oder bei Immunisirungsversuchen, nachzuweisen. Ref.) 

Wesenberg (Elberfeld). 


Camus L. et E. Gley, Action du liquide de la prostate externe du 
herisson sur le liquide des vesicules seminales; nature de cette 
action. — Sur quelques propriétés et reactions du liquide de 
la prostate interne du hérisson. Compt. rend. des séances de l’acad. 
des sciences à Paris. 1900. T. 131. No. 5. p. 351 et 353. 

Verff. hatten im vorigen Jahre mitgetheilt, dass beim Igel das Sekret 
der Cooper’schen Drüse das Samenblasensekret koagulirt, und haben 
nunmehr die Natur dieses Vorganges genauer untersucht. Es handelt sich 
dabei vermuthlich nicht um Fermentwirkung, da das Eintreten der Koa- 
gulation nicht verhindert wird, wenn man das Sekret der Cooper’schen 
Drüse (nach vorheriger Verdünnung) auf 95° erhitzt, da der Vorgang ferner 
unabhängig ist von der Reaktion und andererseits wiederum abhängig ist von 
den Mengenverhältnissen. Der Vorgang setzt sich vielmehr zusammen aus 
einer Agglutination der körperlichen Elemente des Samenblasensekretes, 
die sich der Agglutination von rothen Blutkörperchen, Spermatozoen u. a. 
durch denselben Saft zur Seite stellt, und aus einer Fällung von Eiweiss- 
stoffen, wie sie das Sekret der Cooper’schen Drüse auch in anderen eiweiss- 
reichen Körperflüssigkeiten, wie Blutserum oder Milchserum, erzeugt. 

Ganz ebenso, wie das Sekret der Cooper’schen Drüse auf das Samen- 
blasensekret, wirkt, wie aus der zweiten der obigen Mittheilungen hervorgeht, 
das Prostatasekret auf das Sekret der Cooper’schen Drüse. Die Natur des 
Vorganges ist in jeder Beziehung die gleiche. Auf das Samenblasensekret 
wirkt das Prostatasekret nicht. Das gilt aber alles nur für die Sekrete des 
lgels unter einander. Hellwig (Halle a. S.). 


Pick L, Ueber die Methoden, anatomische Präparate naturgetreu 
zu konserviren. Berliner klin. Wochenschr. 1900. No. 41 u. 42. S. 906f. 
Nach einer Besprechung der verschiedenen Konservirungsmethoden 
nach Melnikow-Raswedenko, Jores und Kaiserling empfiehlt Pick als 
einfachstes und billigstes Verfahren folgendes: 
1. Härtuug in einer Lösung von 


Kleinere Mittheilungen. 767 


1000 ccm destill. Wasser, 
50 „ Formalin, 
50 g Sal. Carol. factit. 

2. Uebertragung in 80—85 proc. Alkohol. 

3. Aufbewahrung in einer Lösung von 

9000 ccm Aqua dest., 
5400 „ Glycerin, 
2700 g Natr. aceticum. 

Dieses Verfahren ist bei mindestens gleich guten Resultaten, nicht nur 
billiger als das Kaiserling’sche, sondern erfordert bei der Konservirung 
verschiedenartiger Organe auch weniger Modifikation, stellt also gewissermaassen 
eine Universalmethode dar. 

Der Aufenthalt der Organe in der Härtungsflüssigkeit soll 3—4 Tage nicht 
übersteigen, bei grossen Stücken werden zur leichteren Durchdringung der 
Theile nach 24 Stunden entsprechend tiefe Einschnitte gemacht, welche dem 
definitiven Aussehen der Präparate kaum schaden. Im Alkohol können die 
Stücke unbeschadet 10—12 Stunden belassen werden. Scholtz (Breslau). 


Kleinere Mittheilungen. 


Zur Hygiene in der Strassenbahn. Bis heute ist es meistens üblich, dass 
der Schaffner in der Strassenbahn dem Fahrgast gegen Bezahlung einen Fahrschein 
aushändigt, und dieser Fahrschein wird in der Regel von einem Block abgetrennt. 
Der Schaffner ist bestrebt, immer nur einen Fahrschein abzureissen, und dies bewiint 
er bald so, bald so, bald durch Ueberfahren des Blocks mit dem Nagel, bald durch 
Anfeuchten der Finger in seinem Munde. Es kann nach den heutigen Anschauungen 
keinem Zweifel unterliegen, dass auf diesem Wege Krankheitserreger aus dem Munde 
des Schaffners auf den Fahrschein gelangen können; letzterer wird mit Handschuhen 
angelasst, ohne Handschuhe angefasst, aber auch gar nicht selten direkt in den Mund 
genommen. Ich habe es wiederholt gesehen, dass kleine Kinder den in besagter Weise 
angefeuchteten Fahrschein vollständig im Munde hatten und bearbeiteten, und das bei 
einem Schaffner, welcher in puncto Tuberkulose mir durchaus nicht einwandsfrei zu 
sein schien. 

In unserer Zeit des Verkehrs und der humanitären Bestrebungen, wo von öffent- 
licher und von privater Seite gewetteifert wird, die Widerstandskraft des Einzelnen 
im Kampfe ums Dasein möglichst zu kräftigen und Gesundheitsschädigungen aus dem 
Wege zu räumen, in unserer Zeit, wo alles rüstet und arbeitet im Kampf gegen die 
Tuberkulose, die Geissel der Menschheit, da bedarf der angeführte Uebelstand ganz 
besonders der Aufmerksamkeit des Hygienikers. Man werfe nur nicht ein, das sei etwas 
kleines, unbedeutendes. Will man Grosses erreichen, dann muss im Kleinen gearbeitet 
werden, alles Grosse setzt sich aus Kleinem zusammen, sagt doch auch der Dichter: 

Wer etwas treffliches leisten will, hätt’ gern "was grosses geboren, 
Der sammle still und unerschlafft im kleinsten Punkt die grösste Kraft. 

Ein derartiger Uebelstand bedarf dringend der Abhilfe, und die Abhilfe ist nicht 
schwer. Kann sie durch den welterobernden Automaten nicht gebracht werden, so 
führe man eine neue Art des Gelderhebens ein, wenigstens aber verhindere man das 
Befeuchten der Fahrscheine in der angegebenen Weise. Was an öffentlichen Kassen 


768 Kleinere Mittheilungen. 


möglich ist, Benetzung der Scheine durch den an einen feuchten Schwamm geführten 
Finger, das lässt sich auch in der Strassenbahn auf einfache Weise durchführen. 
Hier besteht ein öffentliches Interesse, so etwas bedarf der Abhilfe, und im öffent- 
lichen Leben muss mit derartigem begonnen werden, dann wird es auch kein Ver- 
käufer mehr dulden, dass, wie ich es kürzlich zu sehen Gelegenheit hatte, eine Au- 
wärterin auf eine Zahnbürste erst einige Zahnbürsten aus einem dargebotenen Kasten 
an ihren Lippen auf ihre Schärfe prüfte. Berger (Hannover), 


(G) 73. Versammlung Deutscher Naturforscher und Aerzte in Ham- 
burg vom 22.—28. September 1901. 

In den allgemeinen Sitzungen der Versammlung werden die folgenden Vorträge 
gehalten werden: 1. E. Lecher (Prag), Ueber die Hertz’sche Entdeckung elektrischer 
Wellen und deren weitere Ausgestaltung. 2. F. Hofmeister (Strassburg), Der che- 
mische Hausrath der Zelle. 3. Th. Boveri (Würzburg), Das Problem der Befruch- 
tung. 4. H. Curschmann (Leipzig), Medicin und Seeverkehr. 5. W. Nernst (Göt- 
tingen), Ueber die Bedeutung elektrischer Methoden und Theorien für die Chemie. 
6. J. Reinke (Kiel), Ueber die in den Organismen wirksamen Naturkräfte. 

In einer Gesammtsitzung beider Hauptgruppen der Versammlung (der natar- 
wissenschaftlichen und der medicinischen) wird das Thema verhandelt werden: Die 
neuere Entwickelung der Atomistik (lonen, Gas-Ionen und Elektronen). Referenten 
sind: W.Kaufmann (Göttingen), Die Entwickelung des Elektronenbegriffs. H.Geitel 
(Wolfenbüttel), Ueber die Anwendung der Lehre von den Gas-lonen auf die Erschei- 
nungen der atmosphärischen Elektrieität. Th. Paul (Tübingen), Die Bedeutung der 
lonentheorie für die physiologische Chemie. W. Hiss jun. (Leipzig), Die Bedeutung 
der Ionentheorie in der klinischen Medicin. 

Aus der Reihe der für die Abtheilungssitzungen der naturwissenschaftlichen 
Hauptgruppe angemeldeten Vorträge heben wir die folgenden hervor: Bein (Berlin), 
a) Ueber die Feststellung von Eigelb in Nahrungs- und Genussmitteln. b) Die Beur- 
theilung derSüd- und Süssweine, insbesondere derUngarweine unter Berücksichtigung 
der neuen gesetzlichen Bestimmungen. Delbrück (Berlin), Die Entwickelung der 
Gährungstechnik in den letzten Jahren unter dem Einfluss wissenschaftlicher Forschung. 
Dieterich (Helfenberg), Zur Analyse des Aprikosenkernöls. Jolles (Wien), a) Ueber 
Beurtheilug von Futtermitteln. b) Demonstration seines Phosphometers. Stoklasa 
(Prag), Einwirkung des Nährmediums auf die Denitrifikationsprocesse. Wagner (Leip- 
zig), Ueber einheitliche Titersubstanzen. Krebs (Baır), Ueber Grundwasserverhält- 
nisse. Möller (Braunschweig), Witterungsbeobachtungen in Braunschweig seit 1893. 
Schubert (Eberswalde), Der Wärmeaustausch im festen Erdboden, in Gewässern und 
in der Atmosphäre. Gottsche (Hamburg), Nenere Tiefbohrungen imElbthal. Czapec 
(Prag), Sticksteffnahrung und Eiweissbildung beiSchimmelpilzen. Buschan (Stettin), 
Die Pathologie der schwarzen Rasse. Stratz (Haag), Einige neue Gesichtspunkte über 
den Einfluss der Rassen auf Körperform und Kleidung der Frau (mit Lichtbildem). 

In der medieinischen Hauptgruppe werden u. A. die folgenden Vorträge gehalten 
werden: Ehrlich (Frankfurt) und Gruber (Wien), Die Schutzstoffe des Blutes. v- 
Bokay (Budapest) und Siegert (Strassburg), Intubation und Tracheotomie bei Diph- 
therie seit der Serumperiode. v. Baumgarten (Tübingen), Die pathologisch-histolo- 
gische Wirkung und Wirksamkeit des Tuberkelbacillus. Orth (Göttingen), Welche 
morphologischen Veränderungen können durch Tuberkelbacillen erzeugt werden? 
Quincke (Kiel) und Garre (Königsberg), Chirurgische Behandlung der Lungen- 
krankheiten. Jordan (Heidelberg), Ueber die Entstehung von Tumoren, Tuberkulose 
und anderen Organerkrankungen nach Einwirkung stumpfer Gewalt unter Ausschluss 


Kleinere Mittheilungen. 769 


von Frakturen, Luxationen, Hernien und traumatischen Neurosen. O. Brunzlow 
(Rostock), Ein Fall von Kniegelenkstuberkulose und seineBehandlung mitKoch’schem 
Tuberkulin neuer Art (T R.). Friedeberg (Wiesbaden), Moderne Forderungen der 
Familienfürsorge. Gebhard(Lübeck), Ausdehnung der Invaliditätsfürsorge auf Frauen 
und Kinder. Liebe (Braunfels), Beschäftigung der Kranken in den Heilstätten. 
Martius (Rostock), Ueber die Konstitution bei Tuberkulose. Nägelsbach (Schöne- 
berg), Ruhe und Bewegung in der Phthiseotherapie. Petruschky (Danzig), Der 
gegenwärtige Stand der diagnostischen und therapeutischen Tuberkulinbehandlung. 
Sprengel (Braunschweig), Welche Fälle von sogenannter chirurgischer Tuberkuloso 
eignen sich für die Behandlung in den Heilstätten? Weicker (Görbersdorf), Die bis- 
herigen Dauererfolge der Heilstättenbehandlung. Gaule (Zürich), Neues von den tro- 
phischen Kräften des Organismus (mit Demonstrationen). Aschoff (Göttingen), Pseu- 
dotuberkulose beim Neugeborenen und ihr Erreger. v. Baumgarten (Tübingen) und 
Orth (Göttingen), Histologische Wirkungen des Tuberkelbacillus. v. Baumgarten 
(Tübingen), a) Mikroskopische Untersuchungen über Hämolyse. b) Ueber experimen- 
telle Lungenphthise. Hölscher (Tübingen), Ueber die Differenz der histologischen 
Wirkung echter und säurefester Pseudotuberkelbacillen. Israel (Berlin), Beiträge zur 
Entzündungslehre. Kretz(Wien),Mittheilangen über Bakteriämie. Sternberg(Wien), 
Die durch pathogene Blastomyceten im Thierkörper hervorgerufenen Veränderungen. 
Weichselbaum (Wien) [Im Auftrage der deutschen patholog. Gesellschaft], Was ist 
als Dysenterie zu bezeichnen? Schilling (Leipzig), Die Verdaulichkeit der Speisen 
nach mikroskopischen Untersuchungen der Fäces. Kantarowicz (Hannover), Die 
Alkoholtherapie der puerperalen Sepsis. Winternitz (Tübingen), Das Bad als In- 
fektionsquelle. Baginsky (Berlin), Scharlachnierenentzändung. Camerer (Stutt- 
gart), Die chemische Zusammensetzung des kindlichen Körpers. Flachs (Dresden), 
Praktische Gesichtspunkte zur Säuglingsernährung. Heubner (Berlin), a) Chorea. 
b) Kurze Bemerkung über die Kuhmilchfäces des Säuglings. Hochsinger (Wien), 
Das sogenannte Drüsenfieber. Müller (Berlin), Beitrag zur Statistik der Diphtherie- 
mortalität in Deutschland. Schlossmann (Dresden), Der Phosphorstoffwechsel des 
Säuglings. Embden (Hamburg), Zur Kenntniss der Metallvergiftungen. Klemperer 
und Scheier (Berlin), Ueber Rhinosklerom und Ozänabacillen. Möller (Hamburg), 
Chronischer Schleimhautpemphigus der oberen Luftwege. v. Schrötter (Wien), 
Seltener Fall von Aktinomykose im Bereiche des Halses. Weil (Hamburg), Der mi- 
kroskopische und bakteriologische Befund im Nasenschleim der Heufieberpatienten. 
Heuss (Zürich), Ein neues Antiekzematosum. Hochsinger (Wien), Hereditäre Früh- 
ssphilis ohne Ekzem. Mracek(Wien), Syphilitische Mutter und ihr Kind. Neuberger 
(Nürnberg), Mittheilungen zur Gonorrhoetherapie. Notthaft (München), Die Verwen- 
dung höherer 'Temperaturen bei der Gonorrhoebehandlung (mit Demonstrationen). 
Varges (Dresden), Truppenernährung im Kriege. Baginsky (Berlin), Isolirhospitäler 
and Mischinfektionen. Brieger(Berlin), Ueber die wirksamen Bestandtheile derdeutsch- 
ostafrikanischen Pfeilgifte. Cohn (Breslau), Der Zeitungsdruck vom augenärztlichen 
Standpunkte betrachtet. Erismann (Zürich), a) Die Zusammensetzung und der Nähr- 
werth der Hungerbrote in Russland (mit Demonstrationen). b) Der Nährwerth der 
Schülersuppen in Zürich. Ernst (Zürich), Bakterienstrukturen. Fischer (Kiel), Zur 
Aetiologie der sogenannten Fleischvergiftungen. Fürst (Berlin), Zur Prophylaxis des 
Nikotinismus und Koffeinismus. Grassberger (Wien), Ueber die Buttersäurebacillen. 
Griesbach (Mühlhausen-Basel), Die Aufgaben der Schulhygiene. Kruse (Bonn), Der 
jetzige Stand der Dysenteriefrage. Lode (Innsbruck), Die Absterbebedingungen einiger 
Schimmelpilzsporenarten. Moro (Graz), Biologische Beziehungen zwischen Milch und 
Serum. Neisser (Frankfurt a.M.), Staphylomykosen. Niederstadt (Hamburg), Die 


770 i Kleinere Mittheilungen. 


Milch, insbesondere sog. Kindermilch. Plehn (Davos), Einige neuere Probleme der 
Malariaforschung. Ruge (Kiel), Irrthümer in der Malariadiagnose und ihre Vermei- 
dung. Särkäny(Craiova-Rumänien), Die Antherozoiden derVariola. Sch eu be (Greiz), 
Die venerischen Krankheiten in den warmen Ländern. Scheurlen (Stuttgart), a) Der 
Stand der Abwasserreinigungsfrage auf Grund praktischer Versuche in Württemberg. 
b) Beobachtungen und Untersuchungen über die pathologische Anatomie und Bakte- 
riologie der epidemischen Schweisskrankheiten. Schottelius (Freiburg i.Br.), Ver- 
suche über sterileErnährung von Hühnchen und über dieBedeutung der Darmbakterien. 
Schürmayer (Hannover), Der Keimgehalt der Nährpräparate und dessen hygienische 
und klinische Bedeutung (mit Demonstration von Kulturen und Photogrammen). Weig- 
mann (Kiel), Die Anwendung und die Art der Durchführung der Pasteurisirung im 
Molkereigewerbe. Weyl (Charlottenburg), Anwendung des Ozons in der Hygiene. 
Glage (Hamburg), Die Bedeutung der flüchtigen Schwefelverbindungen der Musku- 
latur für dieFleischhygiene. Jess(Charlottenburg), Mittheilungen über lmmunisirungs- 
versuche. Lüpke (Stuttgart), Die neue Geflügelseuche. Raebiger (Halle), Der an- 
steckende Scheiden- und Gebärmutterkatarrh der Rinder. Partheil (Bonn), a) Bor- 
säure und eine neue gewichtsanalytische Bestimmung derselben. b) Zur Kenntniss des 
Butterfettes. Zellner (Hannover), Ueber moderne Nährmittel. Ruge (Kiel), Sanitäre 
und hygienische Zustände auf Seeschiffen im 17. und 18. Jahrhundert. — Ausserdem 
werden eine Reihe von Vorträgen zur Licht- und Roentgentherapie gehalten, und zwar 
von Kienboeck (Wien), Grouven (Bonn), Sjögren (Stockholm), Schiff (Wien), 
Hahn (Hamburg), Schürmayer (Hannover), Bang (Kopenhagen), Strebel (Mün- 
chen), G. J. Müller (Berlin). 

Im Anschluss an dieVersammlung veranstaltet ein „Comité zur Veranstaltung 
ärztlicher Studienreisen in Bade- und Kurorte“, welchem u. A. v. Leyden 
(Berlin), Liebreich (Berlin), Gilbert (Baden-Baden), Meissner (Berlin) ange- 
hören, seine erste Studienreise, und zwar in die deutschen Nordseebäder. Die Reise 
beginnt am letzten Tage der Versammlung und wird etwa 11 Tage in Anspruch nehmen. 
Den Theilnehmern steht ein Salondampfer der Nordseelinie zur Verfügung und bringt 
dieselben nach folgenden Badeorten: Sylt-Wyk-Helgoland-Wangerooge -Spiekeroog- 
Norderney-.Tuist-Borkum-Cuxhaven. Die Kosten der ganzen Fahrt inkl. Wohnung, Ver- 
pflegung (ausser Getränken) betragen 100 Mk. Anmeldungen sind bis 20. August zu 
richten an Dr. W. H. Gilbert (Baden-Baden) oder Dr. P. Meissner (Berlin W.. 
Kurfürstenstr. 81). 

Während der Naturforscherversammlung tagt in Hamburg, und zwar am 25. Sep- 
tember, die 6. Jahresversammlung des Vereins abstinenter Aerzte des 
deutschen Sprachgebietes. Tagesordnung: I. Diskussion. Thema: Trinkeran- 
stalten. Referent: Dr.Delbrück (Direktor der Staatsirrenanstalt Bremen). Il. Vorträge. 
1. Dr. Bolte (Bremen), Bericht über die medicinische Alkoholliteratur des letzten 
Jahres. 2. Dr. Burmester (Rittergut Niendorf), Morphiumentziehung und Heilung 
von Morphiumkranken auf dem Boden der Abstinenz. 


(:) In der Sitzung der Pariser société de biologie vom 23. Februar hat Laborde 
über einen interessanten Fall von Vergiftung durch ein Haarfärbemittel be- 
richtet. Eine Frau, die seit Monaten an einer jeder Behandlung trotzenden Störung 
der Verdauung, Uebelkeit, Erbrechen, Kopfschmerzen u. s. f. erkrankt war, gesundetr 
mit dem Augenblick, wo sio den Gebrauch eines laarfärbemittels aussetzte, das P ara- 
phenylendiamin und Resorein enthielt. Die Giftigkeit der erstgenannten Substanz 
konnte dann auch durch Versuche an Hunden erwiesen werden. 

(Sem, med. 1901. p. 70.) 


Kleinere Mittheilungen. 771 


(:) Roos hat die Wirkung des Weines an Meerschweinchen studirt und 
zu diesem Zweck einer Anzahl von Thieren täglich Wein verabfolgt, andere dagegen 
bei gewöhnlicher, alkoholfreier Kost gehalten. Jene hatten nun nach 3 Monaten um 
5,6 pCt. mehr an Körpergewicht zugenommen als diese und durchschnittlich auf das 
Paar 2,5 Nachkommen, die „abstinenten“ indessen nur 2,0; nach 2 weiteren Monaten 
betrug der Unterschied des Gewichts zu Gunsten der alkoholischen schon 
12,87 pCt., nach 9 Monaten hatte jedes Paar der alkoholischen Reihe im Durchschnitt 
7,5, das der weinfreien nur 4,5 Junge u. s. f. 

Leider ist über die Art des Weines, seinen Gehalt an Alkohol und sonstigen 
Stoffen, sowie namentlich auch über die den Thieren verabreichte Menge nichts ge- 
naueres gesagt. (Sem. med. 1901. p. 68.) 


(:) Talamon behauptet an der Hand umfangreicher und über mehr als 1 Jahr 
ausgedehnter Erfahrungen, bei derBehandlung der Pneumonie ausgezeichnete 
Erfolge mit der Anwendung des Diphtherieserums erzielt zu haben. Die 
Mortalität sank auf etwa ein Drittel der sonst beobachteten, und eine genauere Prüfung 
dieses Ergebnisses nach dem Alter und den sonstigen Verhältnissen der Kranken lüsst 
das Resultat sogar in noch günstigerem Lichte erscheinen. Das Serum, wurde in Mengen 
von 2D ccm einmal oder mehrere Male hintereinander auf dem Wege der subkutanen 
Injektion verabreicht. (Sem. med. 1901. p. 69.) 


(:) Vincent hat neuerdings bei einer hämorrhagischen Cystitis, die im Ver- 
lauf eines Typhus aufgetreten, im Harn eine Reinkultur von Typhusbacillen nach- 
weisen können. (Sem. med. 1901. p. 85.) 

(:) Camus und Pagniez haben gefunden, dass das Serum von Kranken ver- 
schiedenster Art (z. B. von anämischen, kachektischen, tuberkulösen Individuen) nicht 
selten die Fähigkeit besitzt, die rothen Blutkörperchen im Blut gesunder Menschen zu 


agglutiniren, während dieses Vermögen dem normalen Serum völlig abgeht. 
(Sem. med. 1901. p. 86.) 
(:) In der Sitzung der Pariser académie des sciences vom 19. März d. J. ist 
Robin auf Grund von gemeinsam mit Binet an 392 Kranken seit mehreren Jahren 
ausgeführten Untersuchungen mit der Behauptung hervorgetreten, dass Tuberkulöse 
und zwar in allen Stadien und bei allen Formen des Leidens einen sehr viel stärkeren 
respiratorischen Stoffwechsel, Sauerstoffverbrauch, Kohlensäureabgabe u.s.w. 
aufweisen als Gesunde. Die genannten Forscher fassen diese Erscheinung nicht etwa 
als einen Akt der Vertheidigung und Abwehr auf, sondern glauben im Gegentheil, 
dass durch die Steigerung des Umsatzes der Boden für die Entwickelung der „Schwind- 
sacht“ in besonderem Maasse vorbereitet werde. (Sem. med. 1901. p. 92.) 


(:) Vincent ist in der Sitzung der Pariser société de biologie vom 23.März d.J. 
nochmals auf die Frage der Anginen mit fusiformen Bacillen zurückgekommen. 
Er unterscheidet 2 Formen; bei der einen, die ein diphtherieähnliches Bild darbietet, 
ist der Bacillus fusiformis allein vorhanden, bei der anderen, geschwürigen, erscheint 
er in Gesellschaft der Spirillen. 

Die Züchtung der beiden Mikroorganismen in Reinkultur ist ihm immer noch 
nicht gelungen; doch hat er jetzt eine besonders reichliche Entwickelung des Bac. 
fusiformis in der Flüssigkeit erzielt, die aus einer rheumatischen Hydrarthrose stammte. 

(Sem. méd. 1901. p. 100.) 


772 Kleinere Mittheilungen. 


(J) Im Mai 1901 hatten von 279 deutschen Orten mit 15000 und mehr Ein- 
wohnern 4 eine höhere Sterblichkeit als 35,0 auf 1000 Einwohner und aufs Jahr be- 
rechnet, im April dagegen 0. Geringer als 15 pM. war dieselbe in 45 Orten gegenüber 
41 im Vormonat. Mehr Säuglinge als 333,3 auf je 1000 Lebendgeborene starben in 
11 Orten gegen 8, weniger als 200,0 in 178 gegen 206 im April. 

(Veröff. d. Kais. Ges.-A. 1901. S. 641.) 


Stand der Seuchen. Nach den Veröffentlichungen des Kaiserlichen Gesund- 
heitsamtes. 1901. No. 27 u. 28. 

A. Stand der Pest. I. Türkei. Stambul. 2. 7.: 1 Erkrankung; am 5. 7. 
im Stadttheil Kaszimpascha und im italienischen Hospital 2 weitere Fälle. 
II. Aogypten. Zagazig. 6.—13. 6.: 21 Erkrankungen, 11 Todesfälle. 14.—21. 6.: 
18 Erkrankungen, 6 Todesfälle. 22.—28. 6.: 10 Erkrankungen, 4 Todesfälle. Am 
23. 6. in Port Said: 1 Fall. Am 18.6. in Alexandrien: 1 Erkrankung, vom 21. 
bis 28. 6.: 2 Erkrankungen, 1 Todesfall. Minieh am 21. 6.: 4 Kranke in Behand- 
lung, vom 22.—28. 6.: 1 Erkrankung, 1 Todesfall. II. Britisch - Ostindien. 
Präsidentschaft Bombay. 19. — 25. 5.: 898 Erkrankungen, 760 Todesfä 
26. 5.—1. 6.: 861 Erkrankungen, 717 Todesfälle. Stadt Bombay. 19.—25. 5.: 
233 Erkrankungen, 204 erwiesene Pestfälle. 26. 5. — 1. 6.: 168 Erkrankungen, 
157 erwiesene Pesttodesfälle, ausserdem wurden 237 Sterbefälle als „pestverdäch- 
tig“ eingetragen. Im Monat Mai hat die Zahl der Erkrankungen und Todesfälle 
dauernd abgenommen. Provinz Burma. Im Hafen von Rangun an Bord eines 
am 20. 5. aus Kalkutta eingetroffenen Dampfers 1 Pestfall und 1 verdächtiger Fall. 
Kalkutta. 19.— 25. 5.: 48 Erkrankungen, 47 Todesfälle. 26. 5.—1. 6.: 55 Er- 
krankungen, 50 Todesfälle. IV. Hongkong. Während der 3 Wochen 27. 4.18. 5.: 
93-128-122 Erkrankungen und 92-117-113 Todesfälle. V. Kapland. In den beiden 
Wochen vom 26.5.—8.6. wurden dem Pesthospital überwiesen: 11 resp. 13 Kranke: 
gestorben sind einschliesslich 7 aufgefundenen Leichen in der ersten Woche 10, in 
der zweiten 8Kranke. Am 1.6. befanden sich im Pesthospital97 und am 8.6.: 99Kranke 
in Behandlung, als pestverdächtig standen am 1. 6.: 13 und am 8. 6.: 15 Kranke 
unter Beobachtung. In den Contact camps wurden am 1. 6.: 749 und am 8.6.: 
526 Personen beobachtet. Port Elizabeth. 5. 6.: 2 weitere Pestfälle; am 11. 6. 
wurde die Leiche eines erweislich an Pest gestorbenen Eingeborenen aufgefunden. In 
Imvani, Bahnstation in Queenstown und East London, sind am 2. 7. 5Fälle von Pest, 
4 bei Soldaten zur Anzeige gekommen. VI. Paraguay. 23.6. in Asuncion: lEt- 
krankung. VII. Queensland. 19.—25.5.: 3 Erkrankungen. VII. West-Australien. 
12.—18. 5.: 1 Erkrankung. Am 18. 5. noch 6 Pestkranke in Behandlung, 4 in Perth. 
je 1 in Fremantle und Claremont. Vom 17. 5.—1.6. ist kein Pestfall mehr vor- 
gekommen. 

B. Zeitweilige Maassregeln gegen Pest. Deutsches Reich. Kiaut- 
schon-Gebiet: der Hafen von Hongkong wird durch Verordnung vom 18. 4. als 
pestfrei erklärt. 

C. Stand der Cholera. l. Britisch-Ostindien. Kalkutta. 19.—25. 5.: 
65 und vom 26. 5.—1. 6.: 67 Todesfälle. 

D. Stand der Pocken. Hongkong. Nach einer Mittheilung vom 24. 5. ist 
die Epidemie erloschen. Jacobitz (Halle a. S.). 


Verlag von August Hirschwald, Berlin N.W. — Druck von L. Behumacher In Berlin. 


Hygienische Rundschau. 


Herausgegeben 
von 
Dr. Carl Fraenkel, Dr. Max Rubner, Dr. Carl Günther, 
Prof. der Hygiene in Halle a./8. Geh. Med.-R., Prof. der Hygiene in Berlin. a. o. Professor in Berlin. 


XI. Jahrgang. Berlin, 15. August 1901. W. 16. 


(Aus dem bakteriologisch - chemischen Laboratorium des ostasiatischen 
Expeditionskorps.) 


Bericht über die Wasserversorgung in und um Tientsin. 
Von 
Stabsarzt Dr. Morgenroth und Feldapotheker Dr. Weigt. 


Eine der wichtigsten Aufgaben, welche den der Vorexpedition mitgegebenen 
Aerzten gestellt war, betraf die Wasserversorgung der Truppen des Mitte 
September in Tientsin eintreffenden Expeditionskorps. 

Die in der Nähe des Lagers vorhandenen Brunnen kamen zu diesem 
Zwecke kaum in Betracht, da sie einmal nicht in genügender Anzahl vor- 
handen und auch zu wenig ergiebig waren, andererseits aber in den letzten 
Monaten ausserordentlichen Verunreinigungen ausgesetzt gewesen, waren. Man 
war also im Wesentlichen auf das lehmige Wasser des Peiho angewiesen, 
in dem noch zur Zeit unserer Ankunft zahlreiche, verschiedenartige Leichen 
heruntertrieben. 

In Betrieb befand sich damals eine unter englischer Leitung stebende 
Wasserleitung, die reichliche Mengen filtrirten, klaren Peihowassers lieferte. 

In chemischer Beziehung zeigt dies Leitungswasser ebenso wie das unfil- 
trirte Peihowasser durchschnittlich folgende Zusammensetzung: 

Ammoniak 

Salpetrige Säure } in sehr geringen Spuren vorhanden, 
Salpetersäure 

Chlor: 3,5 auf 100000 Theile Wasser, 

Schwefelsäure: minimale Spuren, 

Organische Substanz: 50—75 Theile in 100000 Theilen Wasser, 
Gesammthärte: 9 deutsche Grade. 

Die bakteriologische Prüfung des Leitungswassers zeigte, dass in 1 ccm 
mehrere hundert Keime vorhanden waren, unter denen das Bact. coli commune 
durch seine Häufigkeit anffiel. 

Es kam deshalb dieses Wasser nur in gekochtem Zustand zur Benutzung 
für die Truppen in Betracht. 


5 


55 


774 Morgenroth u.Weigt, 


Leider befand sich die nächste Entnahmestelle der Leitung 1200 m vom 
Lager entfernt; eine Fortführung derselben bis zum Biwakplatz der Truppen 
erforderte eine 14 tägige Arbeit, und es wurde im September 1900 eine Summe 
von 50000 Mark dafür gefordert. Unter diesen Umständen, und da man über 
den Gang der Dinge noch im Unklaren war, wurde damals auf die Weiter- 
legung der Leitung bis zu dem in der Nähe des Lagers befindlichen Gebäude 
der Universität verzichtet. Später dagegen ist dieser Gedanke wieder energisch 
in Angriff genommen worden. 

Unsere Bemühungen, Zutritt zu den städtischen Wasserwerken zu bekommen, 
waren zunächst ohne Erfolg geblieben; erst als wir mit einigen englischen 
Sanitätsoffizieren Füblung bekamen, gelang es uns, die Wasserwerke in Augen- 
schein zu nehmen. 

Wir erfuhren zunächst, dass man das Peihowasser durch zwei hintereinander 
gelegene Sandfilter schicke. Das so gewonnene, völlig rein aussehende Wasser 
wird dann von den Engländern mit Hilfe einer grossen Dampf kesselanlage 
einige Zeit lang auf 100° erwärmt und darauf erst an die englischen 
Truppen abgegeben. An zwei Stellen des Lagers und zwar am Ende der 
Takustrasse und im Westdorf findet die erwähnte Erhitzung des Wassers statt. 

Der Besuch der zu den Wasserwerken gehörigen Filteranlagen wurde uns 
mit Hilfe der erwähnten englischen Sanitätsoffiziere erst einige Zeit später 
ermöglicht. Wir erfubren bei dieser Gelegenheit, dass dicht unterhalb der 
russischen Brücke sich eine Pumpanlage befindet, wo mit Hilfe von Centri- 
fugalpumpen Wasser dem Peiho entnommen und zu den Wasserwerken bin- 
geleitet wird, die im südlichen Theil des Europäerviertels in der Nähe der 
Gasanstalt gelegen sind. Hier wird (s. den Situationsplan) das Peihowasser 
in zwei grossen, eisernen Sammelbecken sedimentirt (der sich bildende, leh- 
mige Schlamm wird am Boden der Gefässe abgelassen); alsdann wird das mässig 
trübe Wasser auf Sandfilter geleitet, und zwar zuerst durch Filter I und darauf 
durch Filter II geschickt. Diese letzteren sind aus grobkörnigem, scharfen 
Sand zusammengesetzt, der auf Dschunken nach Tientsin gebracht wird. 

Das jedesmal neu in Betrieb zu setzende Sandfilter wird mit völlig klarem 
Wasser von unten gefüllt; dann erst wird das Peihowasser auf dasselbe geleitet 
und nun derart filtrirt, dass in einer Stunde der auf dem Filter stehende 
Wasserstand um 8 cm sinkt. In Betrieb sind zur Zeit zwei überdeckte grosse 
Sandfilter, die gegen Einfrieren sicher geschützt sind. Gereinigt werden die- 
selben nach 2tägigem Gebrauch, der Sand wird gewaschen und von Neuem 
verwandt. 

Im Ganzen können hier nach Aussage des leitenden Ingenieurs täglich 
900 000 —1 000 000 Liter völlig klaren Wassers gewonnen werden. 

Dasselbe wird auf einen Wasserthurm gepumpt, der etwa 200000 Liter 
fasst, und darauf in das Europäerviertel geleitet, wo es an einzelnen Stellen 
an Hydranten zur Ausgabe gelangt. Wie schon erwähnt, enthält das deu 
Hydranten entnommene Wasser in 1 ccm durchschnittlich 200 Keime. 

Das Wasser der städtischen Wasserleitung ist in der Zeit vom September 1900 
bis jetzt (Mai 1901) überall da von unseren Truppen in ausgiebiger Weise benutzt 
worden, wo es in Tientsin selbst in bequemer Weise von den Hydranten her- 


Bericht über die Wasserversorgung in und um Tientsin, 775 


A 


Sopal Poserveir I. 


Sieb ode Schlaf’ 
Pralinen vd Punpatation anPeiha 


n Sannel-PeservoirL 


a. 
b 


u 
PC 
Ko 
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al 
ki 


Lr 


k 


I. 


Kiesfilter. 


Senel-Aaservsir 
für gerenigtesisner 


beigeholt werden konnte. Von den Truppenkommandeuren wurde streng da- 
rauf gesehen, dass die Vorsichtsmaassregel des regelmässigen Abkochens 
aach dauernd befolgt wurde. 


55* 


776 Morgenroth u.Weigt, 


Da nun mit Hilfe der Wasserleitung nur ein Theil des Wasserbedarfes 
gedeckt werden konnte, so musste man auf weitere Möglichkeiten, Wasser 
zu beschaffen, bedacht sein. 

Vielfach wird von den Chinesen das Flusswasser durch Zusatz von ge- 
ringen Mengen Alaun nach Möglichkeit geklärt, dann gekocht und zum Preise 
von 5 Cents für etwa 300 Liter in den Handel gebracht. Da Alaun zu ver- 
hältnissmässig geringen Preisen in grossem Maassstabe hier käuflich ist, so 
wurde ein derartiges Verfahren, wie es bei den Chinesen seit langen Jahren 
üblich ist, auch bei uns eingeführt. 

Oberstabsarzt Prof. Dr. Kohlstock hatte im ‚Keller der sog. kleinen 
Universität einen eingemauerten grossen Kochkessel ausfindig gemacht, in den 
1 cbm Wasser hineingefüllt werden konnte. Dieser, sowie 54 grosse Stein- 
töpfe, die leicht zu beschaffen waren, bildeten das Inventar einer grossen 
Wasserkochküche. 18 Wassertöpfe wurden in einem besonderen Kellerraum 
aufgestellt, die übrigen 36 in dem zum Wasserkessel gehörigen Theil des 
Erdgeschosses. 

Mit Hilfe einer im Maschinenhause der Universität vorgefundenen, gut er- 
baltenen Dampfmaschine wurde Wasser aus dem Peiho in die oben genannte 
Kochküche gepumpt und hier einige Zeit lang (meist 1—2 Stunden) in den 
oben erwähnten 18 Töpfen sedimentirt. Dabei bildete sich ausser einem 
lehmigen Bodensatz eine rahmartige Lehmschicht auf der Oberfläche. des 
Wassers; diese wurde abgeschöpft. Dann wurde den 300 Litern Wassers, 
die in einen Steintopf hineingehen, etwas Alaun zugesetzt, und zwar 
jedesmal so viel, wie ein Mann in der hohlen Hand ohne weiteres halten 
konnte, das sind ungefähr 40—45 g. Derselbe wird, nachdem er sich gelöst, 
umgerührt, und so bleibt das Wasser wieder mehrere Stunden stehen. Dann 
wird es mit Hilfe einer Handpumpe in den grossen Kochkessel übergeführt 
und hier erhitzt. Nach einer halben Stunde fängt es an zu kochen; eine 
viertel Stunde später wird es dann in gut gereinigte Steinkübel geleitet und 

` hier noch einmal mit derselben Menge Alaun versetzt wie zu Anfang. Nach 
einigen Stunden ist es fast völlig klar. 

Wir haben uns durch den Versuch davon überzeugt, dass durch die eben 
beschriebene Art und Weise reineres Wasser gewonnen wird, als durch ein- 
faches Sedimentiren. 

Während der Zeit, in der ausser den beiden Lazarethen I und II auch 
noch die in der Umgebung der Universität biwakirenden Truppentheile ihren 
Wasserbedarf aus der unter Aufsicht der Gesundheitskommission stehenden 
Wasserkochküche deckten, musste hier Tag- und Nachtbetrieb eingerichtet 
werden. Später, als die Truppen zum Theil nach Tientsin-Dorf verlegt warden, 
kamen wir mit einer Tagesschicht aus. Jedoch war es erforderlich, dass von 
Morgens 6 Uhr bis Abends 6 Uhr ununterbrochen gearbeitet wurde. 

Die zu diesem Dienst kommandirten Unteroffiziere und Mannschaften haben 
ihre Aufgabe mit anerkennenswerther Sorgfalt erfüllt. 

Diese Wasser-Klär- und -Kochanlage ist bis jetzt in Betrieb. 

Setzten wir 5,0 g Eisenchloridlösung und nachher 2,5 g Natrium bicar- 
bonicum zu 10 Liter Peihowasser, so war das letztere schon nach 4 Min. fast 


Bericht über die Wasserversorgung in und um Tientsin. 7177 


völlig geklärt; auch war sein Bakteriengehalt wesentlich verändert; während 
es frisch geschöpft und unbeeinflusst in 1 ccm 8000 Keime aufwies, waren 
in 1 ccm des durch das eben erwähnte Verfahren geklärten Wassers nach 
10 Minuten nur noch 500, nach 17 Stunden O Keime nachweisbar. 100 Liter 
in dieser Weise zu klären kostet hier am Orte etwa 10 Cents. 

Das Klären mit Alaun dagegen kostet für 100 Liter nur 1 Cent; dazu 
kommen aber noch die Kosten für Feuerungsmaterial, Materialschaden und 
dergl. Das Alaunverfahren wurde schon wegen seiner Billigkeit von uns 
bevorzugt. 

Bei Anwendung des von Schumburg angegebenen Verfahrens (das auf 
dem Zusatz von Brom zum Wasser beruht) konnten wir feststellen, dass das 
Wasser des Peiho, welches damals im unbeeinflussten Zustand 1500 Keime in 
1 cem enthielt, nach Einwirkung des Broms nicht völlig von Keimen befreit 
war; es fanden sich trotz genauer Wahrung der Schumburg’schen Vor- 
schriften in 1 ccm-noch immer 150 Keime. 

(Unter den hiesigen Verhältnissen und mit besonderer Berücksichtigung 
des hier häufigen Vorkommens von Ruhr sind wir nach den bisherigen Er- 
fahrungen der Ansicht, dass es sich nicht empfiehlt, bei unseren Truppen 
einen ausgiebigeren Gebrauch von dem Schumburg’schen Verfahren zu 
machen.) 

Wesentlich günstigere Ergebnisse erzielten wir, wenn wir das Oberflächen- 
wasser filtrirten. Wir benutzten dazu ausschliesslich die dem Expeditionskorps 
mitgegebenen Berkefeldfilter. Dieselben standen in ausgiebigem Maassstabe 
zur Verfügung und waren in verhältnissmässig brauchbarem Zurtande hier ange- 
kommen. Allerdings war häufiger der Verbindungstheil zwischen dem Kerzen- 
kessel und der auf der Holzunterlage befestigten Eisenstütze durchgebrochen, 
doch liess sich dieser Schaden ziemlich leicht wieder gut machen. Günstiger 
wäre es entschieden, wenn die Eisentheile des Berkefeldfilters aus Schmiede- 
eisen hergestellt wären, es würden dann Beschädigungen, wie sie eben erwähnt, 
kaum vorkommen, und der ganze Apparat könnte viel leichter und beweg- 
licher sein. Die Filterkerzen sind (wie die übrigen Theile) vollkommen unver: 
sehrt hier angekommen. 

Filtrirten wir das stark lehmig getrübte Peihowasser durch ein frisch 
gereinigtes und gut ausgeköchtes Berkefeldfilter, so gewannen wir bei lang- 
samem Pumpen die 


ersten 15 Liter (in bequemer Weise) in 1 Minute, 


zweiten 15 „ (nm u » ) in 80 Sekunden, 
dritten 15 ,„ (schon schwieriger) in 3 Minuten, 
vierten 5 „ (nm ʻ )in5 "I 


fünften 15 ,„ (unter grossen Schwierigkeiten) in 15 Minuten. 


Darauf musste der Betrieb unterbrochen werden. Nach 25 Minuten musste 
also der Betrieb eingestellt werden, weil sich eine zu starke Lebmschicht auf 
den Filterkerzen abgesetzt hatte. Es wäre jetzt eine energische mechanische 
Reinigung derselben nothwendig gewesen. 

Das Filtrat war meist völlig klar, es war nach 2 Tage lang dauernder 


778 Morgenroth u.Weigt, 


Benutzung noch frei von solchen Keimen, die auf der Gelatineplatte wachsen 
können. Bald darauf jedoch hatten Bakterien die Filterkerzen durchwachsen. 
Es stellte sich nach Beendigung einiger Expeditionen heraus, dass die- 
jenigen Sanitätsoffiziere, welche, dieselben begleitend, ein Berkefeldfilter mit- 
genommen hatten, von der Brauchbarkeit dieser Apparate sich überzeugt hatten; 
sie kamen, wenn sie von Neuem zur Begleitung einer Expedition kommandirt 
warden, häufig mit der Bitte, ihnen wiederum ein solches Filter mitzugeben. 
Nach Kräften wurde diesen Wünschen Rechnung getragen. Da es zeit- 
raubend und unpraktisch war, wenn der Apparat jedesmal erst an dem Orte, 
wo er zur Verwendung kommen sollte, ausgepackt und zusammengestellt wurde, 
stellten wir das fertig zusammengesetzte Filter auf Mandarinenkarren. 

Auf Märschen wurde der so befestigte Apparat den Truppen mitgegeben 
und hat vielfach ausgezeichnete Dienste gethan. Trotz der schlechtesten Wege 
blieb die Verbindung zwischen den einzelnen Eisentheilen meist dicht; ge- 
legentlich kam es aber vor, dass an einzelnen Stellen die Verbindung zwischen 
Windkessel und Filtertopf nicht ganz sicher blieb. Man konnte sich in diesen 
Fällen durch Abdichtung mit Mennigekitt, den man für solche Fälle stets auf 
den Wagen mitführte, helfen. 

Schwierigkeiten machte die Handhabung der auf Mandarinenkarren be- 
festigten Berkefeldfilter, wenn sie in kalter Jahreszeit auf dem Marsche zur 
Verwendung kommen sollten. Man musste dem Einfrieren der Pumpe durch 
Herausnahme des Stempels vorbeugen und dafür Sorge tragen, dass alles 
Wasser, sowohl aus dem Saugrohr wie aus dem Filterkessel und den Filter- 
kerzen selbst, abgelaufen war, wenn der Apparat ausser Betrieb gesetzt worden. 
Umwickelung der Pumpe mit Stroh genügte nicht, um den Apparat vor den 
Einwirkungen des Frostes zu schützen. 

Wir beförderten das fertig zum Gebrauch zusammengestellte Berkefeld- 
filter auf den Karren Stunden lang über das unebenste Gelände; unsere Be- 
fürchtung, dass die einzelnen Kerzen gelegentlich durch die Erschütterungen 
beschädigt und undicht werden würden, bestätigte sich nicht. Vielmehr war 
das nach mehrstündigem Marsche oberhalb Tientsins in den Peiho gefahrene 
Filter derart brauchbar, dass es fast völlig klares Wasser lieferte, das sich 
als frei von Keimen erwies. 

Demnach sind wir überzeugt, dass man durch die Mitgabe von Berkefeld- 
filtern einen guten Griff gethan hat; sie waren zu der Zeit, als unsere Expe- 
dition von Hause fortgeschickt wurde, entschieden die besten, die der Trappe 
mitgegeben werden konnten. 

Sollten in Zukuuft grosse fahrbare Wasserkochapparate in die Armee 
eingeführt werden, so wird wohl das Berkefeldfilter, wenn auch nicht voll- 
ständig, so doch zum grössten Theil verdrängt werden. 

Erwähnt werden mag noch, dass bei Dschunkentransporten jedesmal ein 
Berkefeldfilter auf einer der Dschunken aufgestellt wurde. Die Transportführer 
haben sich fast regelmässig sehr befriedigt über die Apparate ausgesprochen. 

Da man für die Apotheke, für das chemische und bakteriologische Labo- 
ratorium eine gewisse Menge von destillirtem Wasser gebrauchte, so wurde, 


Bericht über die Wasserversorgung in und um Tientsin. 779 


um diesen Bedarf decken zu können, in Shanghai ein grösserer Destillir- 
apparat angekauft. 


Dostlar Anstalt. 


Lirgenechnilt. 


Das Wasser des Peiho wurde stets vor Einleitung in den Kessel mit Alaun 
geklärt. Diese Maassregel war nothwendig, da der starke Lehmgehalt sonst 
in kurzer Zeit derart den Kessel verschmutzte, dass baldige Betriebsunter- 
brechung eintrat. 

Im Ganzen konnten durch diesen Destillirapparat (s. den Situationsplan) in 
einem Tage 2200 Liter Wasser gewonnen werden, das in 3 grossen Eisentanks 


780 Morgenroth u.Weigt, 


aufbewahrt und, wenn angängig, auch zu anderen als Laboratoriums- und 
Apothekenzwecken abgegeben wurde. 

Nur einmal kam’es vor, dass das Wasser, welches den Apparat verliess, 
deutliche Trübung zeigte; als man den Kondensator auseinandernahm, fand 
sich im oberen Theil der Kühlschlange ein kleines Loch, aus dem Peihowasser 
in das Destillat übersickern konnte. Nach Verschluss dieses Defektes wurde 
dauernd wieder klares Wasser gewonnen. 

Als an einigen Tagen des December 1900 bedeutendere Mengen Schnee 
gefallen waren, stellten wir auf Veranlassung von Oberstabsarzt Prof. Dr. 
Kohlstock Versuche an, wieweit man im Falle der Noth event. mit Hilfe 
des hiesigen Schneewassers Trink- und Nutzwasser herstellen könnte. Man 
gebrauchte allerdings die nicht unbeträchtliche Menge von 8 Eimern Schnee, 
um 15 Liter Wasser zu gewinnen. Dasselbe enthielt nur wenig Keime, etwa 
8—12 in 1 ccm. Durch den Siemens’schen Wasserkochapparat geschickt, 
war es dann keimfrei. In chemischer Beziehung zeigte es etwa folgende Zu- 
sammensetzung: 


Ammoniak . . . . . Spuren 

Salpetrige Säure . . . Fr 

Salpetersäure . . . . nicht vorhanden 
Chlor... u 9. 5% $ 3 
Schwefelsäure . . . . a $ 
Schwefelwasserstoff . . x A 
Organische Substanz . . 1,5—3,6 Theile in 


100 000 Theilen Wassers. 


Die Schwierigkeiten, eine grössere Menge reinen Schneewassers zusammen- 
zubringen, zumal hier zu Lande nicht sehr häufig bedeutendere Schneemassen 
fallen, berechtigen wohl zu der Annahme, dass in grösserem Umfange dieses 
Verfahren kaum zur Anwendung kommen wird; vielleicht würden sich Expe- 
ditionen, die zur Winterzeit im Gebirge operiren, gelegentlich mit Schnee- 
wasser behelfen müssen und können es dann, wenn sie vermeiden, Boden- 
bestandtheile in dasselbe hineinzubringen, auch unbedenklich thun. 

Ausser dem Wasser des Peiho kam für die in Tientsin garnisonirenden 
Truppen noch das Wasser einiger im Süden der Stadt im Garten des Ge- 
nesungsheims gelegener Teiche in Betracht, sowie das Wasser verschiedener 
Brunnen, sowohl solcher, die schon hier gefunden wurden, als auch der von 
den Truppen neu angelegten. 

Das Wasser der Teiche, das ausschliesslich im Genesungsheim zur Ver- 
wendung kam, war ein weiches Oberflächenwasser, fast klar und farblos, aber 
mit ausserordentlich hoher Oxydirbarkeit. Seine Zusammensetzung war im 
Durchschnitt folgende: 

Ammoniak, salpetrige Säure, Salpetersäure fehlen, Chlor 7,1, Oxydirbar- 
keit 50,8 (für 100000 Theile). 

Selbstverständlich waren gleich nach unserer Ankunft in Tientsin unsere 
Bemühungen darauf gerichtet, brauchbares Grundwasser zu gewinnen. Wir 
versuchten zunächst, mit den uns zur Verfügung stehenden Abessinier- 


Bericht über die Wasserversorgung in und um Tientsin. 781 


Röhrenbrunnen das Grundwasser zu erschliessen. Dabei kamen wir, von 
der Oberfläche abgerechnet, auf folgende Erdschichten: 
bis zu 35 m Tiefe Lehm, 


n» 40 „» „ rother Thon, 

a n»n 483 „ „ trockene Sandschicht, 

» » 50 „n „ blauer Letten (wasserführend), 
»n 60 „ „ Schlicksand (wasserführend), 
no» 140 p y» » n 


n n»n 143 „ „  rother Thon, 
n » 155 „ »„ blauer Letten (wasserführend), 


n n 15,7 „ „ trockene? Sand, 
n » 180 „ »„ Schlick (durchsetzt mit Letten, wasserführend), 
aa 21,0 » heller Thon (durchsetzt mit Muscheln). 


Diese Ergebnisse wurden bei Bohrung im Hofe des Garnisonlazareths I 
erzielt, wiederholten sich aber bei anderen Bohrversuchen, z. B. im Garten 
des Genesungsheims und in Tientsin-Dorf fast genau. Das Endergebniss war, 
dass man wohl zeitweise mit Hilfe der Röhrenbrunnen Grundwasser fördern 
konate, dass aber nach kurzer Zeit in Folge der Bodenbeschaffenheit das Filter 
des Abessiniers verstopft wurde und der Betrieb eingestellt werden musste. 

Als diese Versuche missglückt waren, erfuhren wir durch den hier thä- 
tigen Baumeister Schüle, dass man im französischen Settlement die Brunnen- 
bohrungen bis in eine Tiefe von 120 m fortgesetzt habe; hier sei man auf 
eine wasserführende Sandschicht gestossen, die leider nicht genügende Mengen 
Wasser lieferte, das noch dazu ziemlich stark salzhaltig war. Diese Verhält- 
nisse Anderten sich nach Schüle’s Angaben auch nicht, als man bis zu einer 
Tiefe von 150 m vordrang. Deswegen hat man dann auch hier von weiteren 
Versuchen Abstand genommen. 

Die hier gefundenen chinesischen Brunnen zeigen sämmtlich die gleiche 
Bauart. Es sind durchweg Kesselbrunnen mit Eimerbetrieb von 5—8 m Tiefe 
mit einem derzeitigen Wasserstande bis zu 2 m und mit einem Durchmesser 
von etwa 1—1!/, m. Der Schacht ist mit Ziegeln oder mit Steinen ausge- 
füttert, aber weder mit Kalkmörtel noch mit Cement ausgeputzt. Abgedeckt 
sind die Brannen in sehr vielen Fällen durch einen grossen Quaderstein, der 
eine etwa 80 cm im Durchmesser weite Oeffnung besitzt, die manchmal durch 
eine Eisen- oder Holzplatte verschliessbar ist. Ein Brunnenkranz ist niemals 
vorhanden, und die Brunuenöffnung erhebt sich gewöhnlich nur wenige 
Centimeter über die Erdoberfläche. 

Die Brunnen liegen in der Regel in den Höfen der Grundstücke, meist 
dicht an den Gebäuden, die zum Theil augenblicklich als Stallungen Verwen- 
dang gefunden haben. 

Die Brunnen befinden sich fast durchweg in sehr vernachlässigtem Zu- 
stande und bergen auf dem Grunde hineingefallenes Holz, Stroh, Stricke, 
Blechgefässe, Thierleichen u. dergl, 

Auch in der chemischen Zusammensetzung unterscheiden sie sich wenig 
von einander; die in der reichbevölkerten Chinesenstadt befindlichen Brunnen 
enthalten durchweg grössere oder geringere Mengen Ammoniak, salpetriga 

56 


782 Morgenroth u.Weigt, Bericht über die Wasserversorgung in Tientsin. 


Säure und Salpetersäure. Der Gehalt an Chloriden schwankt zwischen 40 
und 220, die Oxydirbarkeit zwischen 6 und 15 für 100000 Theile. 

In 1 ccm fanden sich stets mebrere Tausend Keime, gelegentlich 500 000, 
ein Mal über 1 Million. 

Da die Bohrversuche mit den Abessiniern wegen des lettehaltigen Bodens 
der Peihoebene günstige Resultate nicht lieferten, so wurden die neu anzu- 
legenden Brunnen als Schachtbrunnen gebaut. Es wurden ein Brunnen in 
der Nähe der Sanitätskompagnie zwischen Wilbelmstrasse und Takustrasse, zwei 
Brunnen zwischen dem Westdorf und der Universität und sechs Brunnen in 
Tunglu in dem von der Munitionskolonnen-Abtheilung bewohnten Rayon als 
Schachtbrunnen in gleicher Weise angelegt. 

Von letzterer Formation wurde ein Brunnen nur 3 m weit vom Peiho 
entfernt angelegt und mit Eimerbetrieb versehen. Das fast klare Wasser wird 
vermittelst einer Leitung in einen eisernen Kessel geführt und hier sofort 
gekocht. 

Die Brunnen sind je nach dem Grundwasgerspiegel 4—8 m tief, mit Zie- 
geln ausgefüttert und mit Brunnenkranz versehen. Theilweise haben sie 
Pumpenbetrieb — es haben bei einzelnen die den Abessinierbrunnen mitge- 
gebenen Pumpen Verwendung gefunden — theilweise Eimerbetrieb. Im ersteren 
Falle ist dann der Brunnenkranz mit einer Balkenlage und mit Brettern abge- 
deckt, auf denen die Pumpe befestigt ist; bei den Brunnen mit Eimerbetrieb 
ist der Brunnen durch einen abnehmbaren Holzdeckel verschlossen. 

Für die Regenzeit werden diese Brunnen bis zu einer Tiefe von 3m mit 
Cement ausgeputzt werden, ebenso wird die Umgebung des Brunnens mit 
Ziegelsteinen abgepflastert und mit Cement übergossen, um zu verhindern, 
dass Wasser aus den (die Keime führenden) oberen Schichten des Erdbodens 
in den Brunnen sickert. 

In Bezug auf die chemische Zusammensetzung unterscheiden sich diese 
neuangelegten Brunnen nicht unwesentlich von einander. Theilweise ist das 
Wasser völlig frei von Ammoniak und salpetriger Säure, theilweise enthält 
es diese Bestandtheile in beträchtlicher Menge; auch der Gehalt an Chloriden 
schwankt zwischen 7,1 und 53,2, die Oxydirbarkeit zwischen 3,9 und 12,5 
(für 100 000 Theile). R 

Das in der hiesigen Gegend vorkommende Grundwasser entspricht nicht 
den Anforderungen, welche man in der Heimath an ein brauchbares Trink- 
wasser zu stellen pflegt. Hauptsächlich sind wohl die geologischen und kli- 
matischen Verhältnisse an diesem gänzlichen Mangel an brauchbarem Triok- 
wasser Schuld. Die ganze Umgebung von Tientsin ist Anschwemmungsgebiet: 
ein stark lehmhaltiger Boden, der bei dem hier herrschenden warmen, trockenen 
Klima und den ausserordentlich seltenen Niederschlägen steinhart austrockne 
und eine Durchlüftung der Bodenschichten und damit verbundene Oxydirang 
organischer Substanzen in genügendem Maasse ausschliesst. 

Bei der Beurtheilung wurde daher im Allgemeinen der Grundsatz aufge- 
stellt: ein Grundwasser ist zu Genusszwecken in gut gekochtem Zustande 
brauchbar, wenn 


Luft. 183 


1. die Lokalbesichtigung zu Bedenken dagegen keine Veranlassung gab; 

2. die Indikatoren für Zersetzungsprodukte organischer Substanzen, ' Am- 
moniak und salpetrige Säure, nicht in so hohem Grade vorhanden waren, dass 
das Wasser als ekelerregend hätte bezeichnet werden müssen; 

3. wenn nicht ein sehr hoher Gehalt an Chloriden und Nitraten das 
Wasser unschmackhaft machte. 


Minervini, Einige bakteriologische Untersuchungen über Luft und 
Wasser inmitten des Nord-Atlantischen Oceans. Zeitschr. f. Hyg. 
Bd. 35. S. 165. 

M. hat bei einer Fahrt von Genua nach New-York und zurück, die er 
im Januar und Februar v. J. als Passagier auf dem Dampfer „Fürst Bismarck“ 
der Hamburg-Amerikalinie machte, auf einem Gebiet, dessen Abstand von dem 
europäischen und amerikanischen Festlande mindestens 1100 Seemeilen be- 
trug, einige Untersuchungen über den Keimgehalt der Seeluft und des 
Meerwassers ausgeführt. Er ist dabei zu Ergebnissen gekommen, die von 
denjenigen früherer Untersucher einigermaassen abweichen. Während die letz- 
teren die Luft über dem Meere mitten im Ocean nahezu keimfrei fanden, er- 
gaben sich bei M.’s Untersuchungen im Durchschnitt etwa 150 Keime auf das 
cbm Luft, und während der Ref. bei grösserem Abstand vom Land im Meer- 
wasser Schimmelpilze und Kugelbakterien regelmässig vermisste, wurden solche 
darin von M. in der Regel gefunden. Die M.’schen Untersuchungen erscheinen 
nun aber keineswegs einwandsfrei. 

Zunächst ist M. nicht mit der nöthigen Vorsicht vorgegangen, um Keime 
aus dem Schiff von seinen Apparaten und Kulturen fernzuhalten. Er hat die 
zur Aufnahme der Keime aus der Seeluft bezw. zum Auffangen des Regen- 
wassers benutzten Apparate an Deck aufgestellt, obwohl aus den Untersuchun- 
gen des Ref. ersichtlich ist, dass sich hierbei Keime von dem Schiff und seinen 
Bewohnern nicht mit Sicherheit ausschliessen lassen. Auch war die Entnahme 
der Meerwasserproben aus der durch einen Hahn verschliessbaren Rohrleitung, 
welche Wasser von aussenbords in den Feuerraum führte, nicht einwandsfrei. 
Offenbar ist es an der Innenwandung des Rohres im Laufe der Zeit zu einer 
Ansiedelung von Bakterien nicht nur aus dem Meere, sondern auch aus dem 
Schiff gekommen, und wenn nun auch bei längerem Durchspülen ein Theil 
dieser Bakterien wieder losgerissen worden war, so wird man doch immer 
mit der Möglichkeit zu rechnen haben, dass den entnommenen Wasserproben 
Bakterien von der Rohrwandung beigemengt waren. 

Zum Nachweis der Keime in der Luft hat sich M. sowohl der Absitzmethode 
bedient, als auch des Hesse’schen und Petri’schen Verfahrens, er hat aber 
diese beiden Verfahren in einer Weise modifieirt, dass dadurch die Unter- 
sucbungsergebnisse ungünstig beeinflusst werden mussten. Während Hesse 
die Luft durch seine 70 cm langen, innen mit Gelatine ausgekleideten Glas- 
röhren mit einer Geschwindigkeit hindurchleitete, die erfahrungsgemäss ein 
Absetzen der Keime aus der Luft innerhalb der Röhre gestattete, hat M. nach 

. 56* 


784 Wasser. 


der gegebenen Abbildung und Beschreibung weit kürzere, nur in ihrem mitt- 
leren Abschnitt mit dem Nährbodenmaterial ausgekleidete Röhren verwandt, 
die an ihrem dem Winde zugekehrten Ende einen Auffangtrichter trugen und 
bei seinen Versuchen die Luft durch den in der Windrichtung aufgestellten 
Apparat hindurchstreichen lassen. Er verwandte mithin eine Geschwindig- 
keit, die, sofern sie nicht grösser war, doch der Strömungsgeschwindigkeit 
der Luft einigermaassen entsprach, und da sie bei der angegebenen Wind- 
stärke von 7,2 mehr als 1 m in der Sekunde betrug, jedenfalls so gross war, 
dass auf ein Absetzen aller Keime in der Röhre gar nicht zu rechnen war. 

Aehnlich verhält es sich mit seiner Modifikation des Petri’schen Ver- 
fahrens, die darin bestand, dass er die Luft durch 25 cm lange, 2 cm dicke, 
in der Mitte verengte Glasröhren, in welcher sich ein Watte- resp. Asbest- 
pfropfen befand, streichen liess. Auch hier konnte von einer quantitativen 
Untersuchung nicht die Rede sein, da ja die Möglichkeit bestand, dass eio 
Theil der Keime durch den Pfropfen hindurchtrat. 

Eine weitere Fehlerquelle lag darin, dass sowohl von den Regenwasser- 
als auch von den Meerwasserproben erst 8—10 Tage nach dem Auffangen 
bezw. nach der Entnahme die Aussaaten gemacht wurden. Die Aufbewahrung 
bei einer Temperatur von 3° schützt erfahrungsgemäss ebensowenig vor einer 
Vermehrung wie vor einem Absterben von Keimen, so dass also auch die von 
M. in Betreff der Bakterien im Meerwasser mitgetheilten Zahlen kein Ver- 
trauen verdienen. Im Uebrigen ist die Arbeit reich an Druckfehlern und Un- 
genauigkeiten, und wenn sich auch einige derselben darauf zurückführen lassen 
dürften, dass der Verf. die deutsche Sprache nicht genügend beherrscht, so 
bleiben doch noch mehrere Unrichtigkeiten übrig, die nicht entschuldbar sind. 
So schreibt M. z. B, nachdem er mitgetheilt, dass ihm eine Messung des 
Druckes in seinen Hesse-Röhren nicht gelungen ist, dass die Luftströmung, 
welche durch den Trichter geht, grosse Schnelligkeit, aber keinen 
Druck besitzt, und vermuthet, dass sich in seinen Meerwasserproben auch 
noch, wie dies gewöhnlich beim Wasser zu sein pflegt, anaörobische 
Arten finden könnten. . Fischer (Kiel). 


‚Kruse (Bonn), Ueber die Einwirkung der Flüsse auf Grundwasser- 
versorgungen und deren hygienische Folgen. Centralbl. f. allgem. 
Gesundheitspfl. 1900. Bd. 19. S. 113. 

Seitdem man von der künstlichen Sandfiltration der offenen Flussläufe 
zwecks Wasserversorgung nach der Entdeckung des Enteisenungsverfahrens 
sich immer mehr der Grundwasserversorgung zuwendet, ist es von grosser 
Wichtigkeit, sich die Gefabren klar zu machen, die die immer mehr und mehr 
verunreinigten öffentlichen Flussläufe dem Grundwasser bringen. Der Verf. 
bat sich in dieser Arbeit das Verdienst erworben, auf die Fragen näher ein- 
zugehen, indem er davon ausgeht, dass „unter normalen Bedingungen, d. b. 
bei den gewöhnlichen Wasserständen, eine Schädigung der Grundwasserwerthe 
durch die Flüsse nicht eintritt“. Schill und Renk (Jahresbericht der Ge 
sellschaft für Natur- und Heilkunde in Dresden 1895/1896, Dresden 1896) 
haben zuerst positiv nachgewiesen, dass in Dresden, sobald die Elbe rasch an- 


Wasser. 785 


steigt, auch ohne Ueberschwemmung des Terrains, das Leitungswasser, das 
aus Tiefbrunnen in der Nähe des Elbstromes gepumpt wird, sich trübt und 
bakterienreich wird. Aehnliches ist nun beobachtet von Hammerl bei 
Graz an der Mur (Arch. f. Hyg. 1896. Bd. 27), vom Verf. im Ahrthal und 
im Ruhrthal bei Barmen, wo bei Hochwasser regelmässig die Bakterien ganz 
plötzlich in die Tausende steigen und dann wieder abnehmen, ferner bei Essen 
und wahrscheinlich noch bei vielen anderen Wasserwerken des Ruhrthales, 
von denen aber leider noch nicht genügende bakteriologische Untersuchungen 
des Wassers vorliegen. Es empfiehlt sich danach bei derartig gefährdeten 
Wasserwerken in Hochwasserperioden ein vorsichtiger Betrieb; womöglich ist 
durch Wehre der Wasserstand des Flusses stabiler zu machen. Dann ist eine 
Verunreinigung der Flüsse möglichst zu vermeiden, aber noch viel praktischer 
und wichtiger ist nach Ansicht des Verf.’s „die Untersuchung und Ueber- 
wachung der in den Flussthälern liegenden Wasserwerke daraufhin, dass nicht 
Anlagen dauernd oder zeitweilig in Betrieb genommen werden, welche den 
Filtrationsvorgang im Boden ausschalten oder beeinträchtigen“. Dazu gehören: 

1. Filterrohrstränge und Brunnen, die zu nahe neben oder unter dem 
Flussbette angelegt sind, 

2. Gräben, die iv offener Verbindung mit dem Fluss parallel oder senk- 
recht zu”den Filtergallerien und Brunnen eines Werkes angelegt werden, 

3. Berieselung von Flächen, deren Untergrund zur Wasserversorgung dient, 

4. Unmittelbare Einleitung von Oberflächenwasser in die Saugbassins der 
Wasserwerk pumpen. 

Die Schädigungen, die ausser durch Typhus der öffentlichen Gesundheit 
durch Verschlechterung des Leitungswassers geboten werden können, sind sehr 
erhebliche. Reincke (Berichte des Medicinalinspektors über die medicinische 
Statistik des Hamburgischen Staates 1892, 1893, 1894) hat für Hamburg be- 
wiesen, dass durch mangelhaft filtrirtes Flusswasser namentlich bei Kindern 
in den ersten Lebensjahren schwere Verdauungsstörungen hervorgerufen werden. 
In Berlin hat man gesehen, dass, sobald die Keimzahl im Berliner Leitungs- 
wasser erheblich wächst, auch die Zahl der Todesfälle an Darmerkrankungen 
bedeutend ansteigt. Meinert (Jahresber. d. Gesellsch. f. Natur- u. Heilkde. 
in Dresden, 1895/1896. S. 162) hat für Dresden gezeigt, dass regelmässig 
nach einem Hochwasser mehr Kinder an Magen- und Darmkrankheiten starben 
als sonst. Also auch die Grundwasserversorgungen können ähnlichen Zufällen 
ausgesetzt sein, wie die Wasserwerke mit Sandfiltration von Flusswasser; man 
kann dem Verf. also gewiss nur beistimmen, wenn er die sorgfältigste Prüfung 
jedes Einzelfalles anräth, wo in Gefolge von Hochwässern das Wasser einer 
Grundwasserleitung verschlechtert wird. R. Blasius (Braunschweig). 


Intze (Aachen), Ueber Thalsperrenwasser als Trinkwasser. Centralbl. 
f. allgem. Gesundheitspfl. 1900. Bd. 20. S. 1. 

Der als Autorität auf dem Gebiete der Thalsperren bekannte Verf. 
schildert nach einer kurzen Skizzirung der Verhältnisse in Nordamerika, 
‘wo man bedeutend mehr Wasser gebraucht, als bei uns (z. B. in man- 
chen Städten 500—900 Liter, ja bis zu 1000 Liter pro Tag und Kopf), 


786 i Wasser. 


dass man auch bei uns in Deutschland in den Städten jetzt mebr und mehr 
gedrängt wird, nach reichlicherem Wasser zu suchen. Wenn man nun das 
Wasser nicht aus dem Untergrande nehmen kann, wie z. B. in dem Sande 
der norddeutschen Tiefebene, wenn man festes Schiefergebirge, wie am Rhein, 
unter sich hat, das keine unterirdischen Wasseransammlungen möglich macht, 
und nicht die ungebeuren Kosten sich machen will, aus weiter Ferne das 
Grundwasser herzupumpen, dann kommt man dazu, dem Beispiele der alten 
Römer zu folgen, das Wasser aus dem Gebirge zu nehmen, dort in grossen 
Bassins anzusammeln und auf dem natürlichen Wege ohne künstliche Hülfe 
nach dem Gesetze der Schwere in die Städte zu leiten. Hierzu sind u. a. die 
Städte Lennep, Remscheid und Solingen gekommen und haben die Thalsperren 
mit zur städtischen Wasserversorgung benutzt. Um nun das Wasser möglichst 
rein zu erhalten, hat man verschiedene Mittel angewandt. Bei Solingen wird 
das zufliessende Wasser am oberen Ende des Thales abgefangen, ehe es in 
das Becken gekommen ist, und in geschlossenen Rohrleitungen durch das 
Sammelbecken in einen Sammelthurm geleitet, von wo es, so weit man es ge- 
braucht, weitergeleitet wird. Reichen in trockenen Monaten diese Zuflüsse nicht 
aus, so muss unmittelbar aus dem Sammelbecken Wasser entnommen werden; 
dies wird dann durch einen besonderen Springbrunnen mit der Luft in Be- 
rührung gebracht, fliesst in einen flacben Teich, wo es wieder der Luft aus- 
gesetzt ist, sinkt dann durch Berieselung von Wiesenflächen in Filterschlitse 
und kommt durch diese wieder im Brunnen zum Vorschein. Man hat also 
künstlich nachgemacht, was durch den Regen in der Natur geschieht: das 
Wasser sickert durch die Bodenschichten und wird im Brunnen gesammelt. Dann 
hat man eine Sand-Filteranlage in der Nähe der Pumpstation gemacht und 
führt das dadurch gereinigte Wasser in die Stadt. — Der Mutterboden des 
überstauten Thalbeckens ist z. B. in Lennep von vornherein weggenommen, 
ebenso bei Barmen und Ronsdorf, um zu verhindern, dass durch die Erstickung 
der Vegetation Fäulnissprocesse sich bilden und das Wasser verunreinigen. Io 
Solingen hat man oberhalb des Beckens Wiesen augekauft und fasst dort das 
Wasser durch besondere Brunnen und Drainage, um es von dort nach dem 
Hauptsammelbecken durch Hauptsammelbrunnen und Vorbecken zu leiten — 
oder, wenn dies Wasser nicht ausreicht, nimmt man es direkt aus dem Haupt- 
sammelbecken und rieselt es über drainirte Wiesenflächen, um es dann aus 
dem Untergrunde wieder zu sammeln und nach der Pumpstation zu schaffen. 

Die mitgetheilten chemischen und bakterioskopischen Analysen zeigen im 
Ganzen günstige Resultate. Bei Remscheid schwankte die Bakterienzahl in 
1 ccm 1894/95 zwischen 23 und 123, 1898/99 zwischen 7 und 92; bei Lennep 
zeigte sich bei einer plötzlich eintretenden Trübung des Wassers eine grosse 
Anzahl der Bakterien, nach wenigen Tagen nur 47—56 im ccm. Auch in 
Ronsdorf war die Anzahl der Bakterien verhältnissmässig gering. 

Hiernach hält Verf. es für berechtigt, unter Anwendung der nötbigen 
Vorsichtsmaassregeln grosse Wassermengen aus dem Gebirge durch Anlage 
von Sammelbecken zur Wasserversorgung von Ortschaften zu benotzen. 

In der an diesen Vortrag (gehalten am 14. Oktober 1899 in der zu Lennep 
stattgefundenen Generalversammlung des Niederrheinischen Vereins für öffent- 


Wasser. 787 


liche Gesundheitspflege) sich anschliessenden Diskussion (abgedruckt im Cen- 
tralblatt f. allgem. Gesundheitspfl. 1900. S. 47) machten Prof. Dr. Kruse 
(Bonn) und Med.-Rath Dr. Meyhöfer (Düsseldorf) besonders darauf aufmerk- 
sam, dass es auf eine sachverständige und häufigere, regelmässige, womöglich 
tägliche Untersuchung des Wassers auf Bakterien, besonders pathogene, an- 
komme, da man erst dann das Wasser vom hygienischen Standpunkte aus 
benrtheilen könne. R. Blasius (Braunschweig). 


Müller P., Ueber die Verwendung des von Hesse und Niedner em- 
pfohlenen Nährbodens bei der bakteriologischen Wasserunter- 
suchung. Arch. f. Hyg. Bd. 38. S. 350. 

Auf dem von Hesse und Niedner für die bakteriologische Wasser- 
untersuchung empfohlenen, ohne Fleischwasser und ohne Neutralisirung 
allein aus Nährstoff Heyden, Wasser und Agar gewonnenen, durch Einfachheit 
der Herstellung und Gleichmässigkeit der Zusammensetzung ausgezeichneten 
Nährboden erhält man bei der Wasseruntersuchung in der Regel einen weit 
höheren Keimgehalt, als auf den bisher gewöhnlich hierzu benutzten, schwach 
alkalisch gemachten Fleischwasserpepton-Nährböden. Es rührt dies nach M.’s 
Untersuchungen daher, dass auf ersteren Nährböden weit mehr Arten von 
Wasserbakterien gedeihen, als auf den letzteren; und zwar hat M. gefunden, 
dass gerade die Wasserbakterien im engeren Sinne, d. h. die auch in reinem 
und unverdächtigem Wasser häufig anzutreffenden und sich daselbst rasch und 
leicht vermehrenden Bakterien, auf dem Hesse-Niedner’schen Nährboden 
gut fortkommen, während sie sich in den Fleischwasser-Nährböden nicht ent- 
wickeln. Dagegen bildet der Hesse-Niedner’sche Agar nach M.’s Versnchen 
keineswegs etwa einen besseren Nährboden für die aus in Zersetzung befind- 
lichen Exkrementen oder anderen Verunreinigungen in das Wasser gelangenden 
Bakterien. Denn während die Differenz der bei Parallelversuchen auf beiden 
Nährböden erhaltenen Keimzahlen am grössten war bei Leitungswasser, welches 
längere Zeit in der Leitung gestanden hatte, und in welchem sich daher auch 
die eigentlichen Wasserbakterien reichlich entwickelt hatten, so wurde diese 
Differenz geringer, wenn man Proben zur Aussaat verwandte, die erst nach 
längerem Laufen der Leitung entnommen waren, oder bei Verwendung von 
Brunnenwasserproben; und sie war schliesslich am geringsten bei stark ver- 
unreinigtem Flusswasser, bezw. bei mit Koth oder zersetztem Harn künstlich 
verunreinigtem Wasser. Handelt es sich, wie meist bei der bakteriologischen 
Wasseruntersuchung, darum, aus der Höhe des Keimgehaltes Rückschlüsse auf 
eine etwa erfolgte Verunreinigung zu machen, so empfiehlt sich nach M. die 
Verwendung des Hesse-Niedner’schen Nährbodens nicht, denn die eigent- 
lichen (harmlosen) Wasserbakterien können bei reinem und unverdächtigem 
Wasser auf diesem Nährboden das Resultat eines unverhältnissmässig hohen 
Keimgehaltes bedingen, während auf der anderen Seite geringe Verunreinigungen 
des Wassers, die auf den Fleischwasser-Nährböden mit grosser Deutlichkeit 
angezeigt zu werden pflegen, in dem Keimgehalt auf Hesse- Niedner-Agar 
nicht zum Ausdruck kommen. Fischer (Kiel). 


788 Wasser. 


Bizzozero, Ueber die Reinigung des Trinkwassers durch das Ab- 
kocben. Centralbl. f. Bakteriol. I. Abth. Bd. 29. No. 1. S. 29. 

Wenn es sich nicht um eine centrale Reinigung des Trinkwassers 
handelt, wenn nur kleinere Mengen Wasser, wie z. B. der Bedarf für ein ein- 
zelnes Haus oder eine einzelne Anstalt, von etwaigen Krankheitserregern be- 
freit werden sollen, giebt B. dem Abkochen vor der Behandlung mit Chemi- 
kalien oder Filterkerzen den Vorzug. Die vielfach bestehende Abneigung 
gegen abgekochtes Trinkwasser ist nach B. nicht begründet. Es ist in keiner 
Weise bewiesen, ja nicht einmal wahrscheinlich, dass das Wasser in Folge 
Entweichens der Luft beim Erwärmen weniger verdaulich wird. Uebrigens 
lässt sich nach B.’s Versuchen die beim Kochen verloren gegangene Luft schen 
innerhalb 1 Stunde völlig wieder ersetzen, wenn man das abgekühlte Wasser 
in dieser Zeit mehrfach kräftig schüttelt. Wenn das gekochte Wasser weniger 
schmackhaft erscheint, so ist das nicht etwa, wie Manche meinen, auf den 
Verlust der Kohlensäure beim Kochen zu beziehen, denn die freie Kohlensäure 
machte sich bei B.’s Versuchen erst, wenn mindestens 55 ccm davon im Liter 
Wasser vorhanden waren, an dem Geschmack bemerkbar. Soviel freie Kohlen- 
säure wird aber selbst bei Trinkwasser von anerkannt erfrischendem Geschmack 
in der Regel nicht gefanden. Der Umstand, dass beim Abkochen der grösste 
Theil des kohlensauren Kalks ausfällt, kann für den Organismus nicht von 
Bedeutung sein, da ja Kalk aus der Nahrung dem Körper in hinreichender 
Menge zugeführt wird. Wohl aber kann bei zu harten Wässern diese Kalk- 
verminderung von Vortheil für die Verdaulichkeit des Wassers sein. 

Das Wasser kann beim Abkochen über Holzfeuer einen rauchigen, bei 
Verwendung kupferner bezw. irdener Kochgefässe einen leichten metallischen 
bezw. starken erdigen, beim Kochen bezw. Aufbewahren in Räumen mit 
schlechter Luft einen sonstigen unangenehmen Beigeschmack annehmen; dies 
alles lässt sich aber vermeiden, wenn man zum Abkochen Gas- bezw. Hols- 
koblenfeuerung verwendet, wenn man gut gereinigte Kochgefässe aus Glas, Por- 
cellan oder emaillirtem Eisen benutzt und für reine Luft in den Räumen sorgt, 
in denen die Abkochung, Abkühlung bezw. Aufbewahrung des Wassers statt- 
hat. Derartig abgekochtes und wieder abgekühltes Wasser stimmt in seinem 
Geschmack völlig mit dem frischen unbehandelten überein. 

Die Kosten für das Abkochen des Trinkwassers sind nach B. geringe. 
sie betragen 5—8 Centimes täglich für eine Familie von 5 Köpfen. Wo ein 
grösserer Bedarf die Verwendung eines Wasserabkochapparates von Siemens 
gestattet, würden sich die Kosten für den Trinkwasserbedarf von 50 Personen 
sogar täglich nur auf 10—12 Centimes belaufen. (B. rechnet allerdings dabei 
nur mit einem täglichen Wasserverbrauch von 1—2 Litern pro Kopf zum 
Trinken und bezeichnet die Verwendung unabgekochten Wassers zum Waschen 
der Hände, des Gesichts und des Körpers für zulässig; darin wird man ihm 
aber nicht beistimmen können, denn ein verdächtiges Wasser darf weder gè- 
nossen, noch auch zur Reinigung des Körpers, des Geschirrs, der Wäsche und 
der Wohnung verwendet werden. Ref.) Fischer (Kiel). 


Klima. 789 


Hueppe F., Ueber die modernen Kolonisationsbestrebungen und die 
Anpassungsmöglichkeit der Europäer in den Tropen. Berl. klin. 
Wochenschr. 1901. No. 1. S. 7ff. (Auch als Separatabdruck erschienen: 
Berlin 1901. Aug. Hirschwald.) 

Verf. unterzieht die Ziete der europäischen, insbesondere der deutschen 
Kolonisationsbestrebungen und die Möglichkeit ihrer Ausführung einer 
Besprechung. Der Grund für das Bemühen, Kolonien zu erwerben, liegt 
hauptsächlich auf kaufmännischem und nationalökonomischem Gebiete. Der 
Bevölkerungsüberschuss in der Heimath soll ausserhalb derselben zum Nutzen 
des Vaterlandes verwerthet werden. Fast alle kolonisirbaren Gebiete in den 
gemässigten und subtropischen Breiten der ganzen Erde, in denen Europäer 
fast geradeso leben, arbeiten und sich vermehren können, wie im Mutterlande, 
sind bereits von nicht deutschen, europäischen Völkern in Beschlag genom- 
men worden. Für weitere deutsche Kolonisationsbestrebungen kommen nur 
noch tropische Gebiete in Betracht. In diesen ist eine vollkommene Akkli- 
matisation nicht möglich. Zur Erhaltung der weissen Rasse ist steter Nach- 
schub aus der Heimath erforderlich, eine Fortpflanzung der Europäer in den 
Tropen ist auf die Dauer nur durch Mischung mit Eingeborenen möglich. 
Unter den Gefahren, welche dem Europäer in den Tropen, d. h. dem eigent- 
lichen vom Meere bis zu 2000 m Höhe reichenden tropischen Kulturgebiet 
drohen, ist zunächst die andauernd hohe Lufttemperatur, verbunden mit hoher 
Luftfeuchtigkeit zu nennen. Diese Faktoren bedingen erhöhte Anstrengungen 
zur Entwärmung des Körpers, also der Haut-, Herz- und Lungenthätigkeit. 
Die Folge davon ist leichte Ermüdbarkeit und Abnahme der Nerven- und 
Muskelkraft. Die grosse Empfindlichkeit der Verdauungsorgane des Tropen- 
Europäers erklärt sich nach Verf. durch die Verdünnung der Verdauungssäfte 
durch starke Flüssigkeitsaufnahme in Folge des starken Schweissverlustes. 
Alles dies ist individuell sehr verschieden. Günstig für alle Körperfunktionen 
sind mässige Körperübungen, besonders Reiten und Schwimmen. Besonders 
ungünstig wirkt das Tropenklima auf den weiblichen Organismus. Psychisch 
ungünstig ist die immer gleichmässige Länge des Tages. Sehr mit Recht be- 
zeichnet Verf. als den allergefährlichsten Feind des Europäers in den Tropen 
den Alkohol, durch dessen Missbrauch alle sonstigen schädlichen Einflüsse 
ungeheuer verstärkt werden. Der Tropenkoller soll nur eine Folge des Al- 
kobolmissbrauches sein. Dann folgen die Infektionskrankheiten: Gelbfieber, 
Cholera, Pest, Ruhr und Malaria, bei deren Würdigung Verf. auf die neuesten 
Forschungen, besonders Koch’s, mit kurzen Worten eingeht. Eine Anpassung 
an all’ diese Schädlichkeiten ist nicht möglich, wohl aber eine wirksame Be- 
kämpfung derselben durch persönliche und Öffentliche Gesundheitspflege.‘ Dass 
hygienische Bestrebungen in den Tropen erfolgreich sind, giebt Verf. an einigen 
Tabellen, welche die grosse Verminderung der Sterblichkeit europäischer Trup- 
pen bei Holländern und Engländern im Vergleich zu früheren Zeiten darthun; 
auch die Verbesserung der Gesundheitsverhältnisse einiger tropischen Städte 
wird zahlenmässig nachgewiesen. 

Die heute geltende Anschauung, dass eine Akklimatisation der weissen 
Rasse für die Tropen unmöglich ist, bekräftigt Verf. durch Beispiele aus prä- 

9i 


790 Infektionskrankheiten. 


historischer Zeit und historischer Vergangenheit. Wo sich in den Tropen av- 
scheinend seit längerer Zeit europäische Einwanderer rassenrein erhalten haben, 
handelt es sich nie um echte Akklimatisation an wirklich tropisches Klima. 
Dass verhältnissmässig rein weisse, seit vielen Generationen angesessene euro- 
päische Ansiedelungen in tropischen Gebirgsgegenden vorkommen, ist nicht 
gegenbeweiskräftig, da in der Höhe eben kein tropisches Klima herrscht, und 
wo auf einzelnen Inseln seit längerer Zeit bereits europäische Ansiedler woh- 
nen, hat stets neuer Zuzug aus der Heimath, vielfach auch Vermischung mit 
Eingeborenen stattgefunden. Die Bebauptung, dass Queensland in Nord-Austra 
lien ein tropisches Gebiet sei, in welchem Europäer sich durch Fortpflanzung 
vermehrten und arbeitskräftig blieben, weist Verf. als irrthümlich zurück. 
Wenig vertrauenerweckend scheinen ihm auch die Angaben über einzelne be- 
stimmte Familien zu sein, welche sich angeblich durch Generationen hindurch 
in den Tropen rassenrein erhalten haben. Verf. zeigt durch Hinweis auf euro- 
päische Verhältnisse, wie schwer es ist, die Reinheit eines Stammbaums nach 
aufwärts zu beweisen. 

Schliesslich erörtert Verf.die Rassenmischungs-Verhältnisse in Europa. 
Je mehr hier der rein germauische Typus vorwiegt, desto schwieriger ist die 
Anpassung an das Tropenklima. Wie sich der Europäer nicht dem Tropen- 
klima anzupassen vermag, so der Tropenbewohner nicht dem gemässigten. 
Mischungen zwischen den beiden grossen, die gemässigte Zone bewohnenden 
Rassen, der weissen und der gelben, haben in Europa seit Jahrhunderten in 
Folge der westwärts gerichteten Wanderungen der mongolischen Rasse statt- 
gefunden, jetzt spielt sich in Ostasien von neuem der Rassenkampf ab. Die 
Aufgabe des Europäers in diesem dürfte „bei dem Umstande, dass er mit 
seiner jetzt noch zu geringen Zahl der grösseren Zahl gegenüber noch nicht 
durchdringen kann, wohl darin liegen, dass er in Folge seiner geistigen und 
sittlichen Anlagen zu den höheren Berufen und den feineren, kunstvolleren 
Arbeiten die Herrscherrolle spielt, während er den asiatischen Völkern mebr 
die niederen Arbeiten zuweist“. Dem Schlusswunsche des Verf.’s, „dass hierbei 
die germanischen Völker und besonders die Deutschen nicht zu kurz kommen“. 
wird Jeder wohl zustimmen. Martin (Berlin). 


Chatin et Lesieur, De la presence du bacille de Loeffler et du bacille 
pseudo-diphterique chez les enfants hospitalisés. Rev. d’Hyg. 1900. 
No. 6. p. 503. 

Als in einem, für die Aufnahme rekonvalescirender Kinder be 
stimmten Pavillon eine Diphtherieerkrankung auftrat, ergriffen die 
Verff. folgende Maassregeln, um weitere Infektionen vorzubeugen. Zunächst 
untersuchten sie den Rachen aller Kinder auf der Station. Die Kinder, bei 
denen sich Zeichen von Angina fanden, wurden isolirt: es waren 14 von 75; 
bei zweien dieser Kinder wurden Diphtheriebacillen nachgewiesen (ein Rekon- 
valescent von diphtherischer Lähmung, ein Kind mit chronischem Schnupfen). 
bei 5 Pseudodiphtheriebacillen. Dann wurde der Rest der Kinder ebenfalls 


Infektionskrankheiten. 791 


bakterioskopisch untersucht. 12 von den. übrig gebliebenen 61 beherbergten 
Pseudodiphtheriebacillen im Rachen; sie wurden von den anderen getrennt. 
Blieben 49 Kinder übrig; von ihnen wurden diejenigen, die nicht absolut noch 
der Krankenhausbehandlung bedurften, ins Elternhaus entlassen, der Rest ver- 
blieb auf der Station nach gründlicher Desinfektion und Reinigung der Räume. 
Unbedenklich wurden neue Ankömmlinge in dieselben Räume zu ihnen verlegt. 
Neue Diphtberieerkrankungen traten während der nächsten 6 Monate nicht auf. 
(Die geschilderten Maassnahmen waren ohne Frage gut erdacht und hatten 
den erwünschten Erfolg. Aber sie gehen eben so fraglos zu weit. Es ist 
gewiss zweckmässig, in Fällen wie dem vorliegenden zunächst alle Kinder 
mit Anginasymptomen aus den allgemeinen Sälen zu verlegen. Aber es liegt 
doch kein genügender Grund vor, auch die Kinder, in deren gesundem Rachen 
nur Pseudodiphtberiebacillen, nicht Diphtheriebacillen gefunden werden, eben- 
falls als infektionsverdächtig zu betrachten und abzusondern. Wollte man diese 
Taktik immer verfolgen, so würde man überall 20—40 pCt. der Kinder als 
infektionsverdächtig isoliren müssen, denn so zahlreich pflegen die Träger von 
Pseudodiphtheriebacillen zu sein. Die Ansicht von Chatin und Lesieur, 
dass es noch nicht sicher ist, ob nicht Pseudodiphtheriebacillen und Diph- 
theriebacillen in einander übergehen, und dass daher Träger von Pseudos wie 
Träger von echten Diphtheriebacillen behandelt werden müssen, kann, wenigstens 
so weit die gewöhnlichen kurzen Pseudos des Rachens in Frage kommen, 
heute als berechtigt nicht mehr gelten. Ref.) R. Abel (Hamburg). 


Kruse (Bonn), Typhusepidemien und Trinkwasser. Centralbl. f. allgem. 
Gesundheitspfl. 1900. Bd. 19. S. 34. 

Verf. berpricht mebrere genauer studirte Typbusepidemien. In einer 
Stadt W. von 15000 Einwohnern wird die Wasserleitung als Ursache der 
1897 ausgebrochenen Epidemie angesehen. Ueber den Typhuserreger wurde 
keine volle Sicherheit gewonnen, aber für wahrscheinlich befunden, dass ent- 
weder die Reinigung der Bachbetten, die mehr oder weniger dicht an oder sogar 
über den Brunnen und Stollen hinführen, die das Wasser der Leitung bringen, 
und in ihrem oberen Laufe in ziemlich reichlichem Maasse Abwässer von 
Fabriken und Ortschaften aufnehmen, das Bett der Bäche durchlässiger gemacht 
und die zu Boden gesunkenen Infektionsstoffe aufgerührt hat, oder dass in der 
Nähe der Pumpstation eine Wiese bei trockener Witterung wit dem einen 
Bache gerieselt wird und vielleicht Typhuskeime dabei den Boden durchdrungen 
und in den Brunnen gekommen sind. — Eine andere Epidemie in dem Städtchen 
G. im Jahre 1899 wies 52 Häuser mit 69 durch Kontagion erfolgten Typhus- 
fällen und 50 Häuser mit 74 durch Wasserinfektion entstandenen Erkrankungen 
auf. G. wird mit einem Quellwasser versorgt und mit demselben Grundwasser 
wie W. Wahrscheinlich war das Quellwasser die Ursache. Ein Haus, 15 m 
oberhalb der Einfassung der Quellen gelegen, hatte Anfang Mai einen Typhus- 
fall gehabt, der nicht gemeldet wurde. Die Dejektionen gingen in eine Ab- 
ortgrabe, und von hier gelangten vielleicht die Typhuskeime in die Quelle. 
Anfang Juni wurden die ersten Frkrankungen bei Kindern, die aus des Quelle 
getrunken hatten, bekannt. Häufige Infektionen des Warte- und Aerzteper- 

57° 


192 Infektionskrankheiten. 


sonals wurden nach Ansicht des Verf.’s durch die mangelnde Absonderung der 
Typhuskranken begünstigt. R. Blasius (Braunschweig). 


Bard L. et Péhu M., Sur une épidémie hospitalière de fièvre 
typhoide développée par contagion. Rev. d’hyg. 1900. No. 5. p. 410. 
Typhusinfektionen durch Ansteckung von Mensch zu Mensch sind in 
Krankenbäusern häufig. Aber sehr selten erreichen derartige Vorkommnisse 
einen solchen Umfang, dass dadurch allein, obne Mitwirkung von Wasser oder 
anderen Nahrungsmitteln als Verbreitern des Infektionsstoffes, förmliche 
Typhusepidemien entstehen. Bard und Pehu beobachteten eine solche, rein 
durch Ansteckung von einer Person auf die andere sich ent- 
wickelnde Typhusepidemie in einer Irrenanstalt bei Lyon. Vom 
Juni bis November 1898 kamen in dieser Anstalt, die vorher, ebenso wie die 
Ortschaft, in der sie liegt, frei von Typhus war, 35 Typhusfälle bei einer 
Insassenzahl von etwa 1300—1400 vor. Von den Erkrankungen betrafen 
18 kranke Frauen, 1 einen männlichen Irren, 16 Wärter und Wärterionen. 
Die Vertheilung der Fälle unter den Irren auf die Krankenpavillons, deren 
Gesammtzahl 18 beträgt, war eine ganz eigenartige. Nur vier Gebäude wurden 
nämlich überhaupt betroffen und zwar in folgender Weise: der erste Krank- 
heitsfall, für den eine Infektionsgelegenheit nicht auffindbar war, ereignete 
sich in Haus 7; an ihn schlossen sich 6 weitere Fälle im selben Hause an. 
Eine Kranke wurde aus Haus 7 nach Haus 3 verlegt, das bis dahin typhus- 
frei gewesen war; darauf kamen in diesem Hause 5 fernere Erkrankungen vor. 
Eine Kranke von ausserhalb wurde in Haus 4 aufgenommen; sie bekam 8 Tage 
darauf Typhus (war also schon vor der Aufnahme inficirt gewesen), worauf 
2 andere Insassen dieses bis dahin typhusfreien Hauses von der Krankheit 
ergriffen wurden. Lässt man die drei übrigen von Typhus befallenen Irren, 
die mit den anderen Fällen nicht in Zusammenhang zu bringen waren, ausser 
Betracht, so stebt man vor der bemerkenswerthen Thatsache, dass die Typbus- 
erkrankungen unter den Irren sich auf drei Gebäude beschränkten, und dass 
in jedem dieser Gebäude, ohne jede Spur eines explosionsartigen Krankbeits- 
ausbruches, an einen ersten Fall allmählich weitere sich anreihten. Noch 
auffallender ist dabei, dass nicht alle Räume der einzelnen Gebäude etwa 
gleichmässig Fälle lieferten. Vielmebr kamen Typhusfälle nur unter den 
Insassen der in jedem Gebäude befindlichen Krankenstuben, also unter der 
nächsten Umgebung der dort ebenfalls untergebrachten ersterkrankten Typhus- 
patienten vor, während die in den anderen Zimmern der Gebäude sich auf- 
haltenden Irren vollständig verschont blieben. Diese Vertheilung der Fälle 
spricht entschieden für die Verbreitung der Infektion durch Kontagion von 
Mensch zu Mensch. Gelegenheit zur Infektion war reichlich dadurch gegeben, 
dass die Zimmergenossen der Typhuspatienten die Gefässe mit deren Stüblen 
in die Klosets zu tragen und dort zu entleeren pflegten. In gleicher Weise 
wie die Irren in der Umgebung der Typhuskranken inficirten sich jedenfalls 
auch die Wärter mit Typhus durch direkte Ansteckung. Die ausserordentlich 
hohe Zahl der von Typhus befallenen Wärter und Wärterinnen — 16 bei 
19 typhuskranken Irren! — beweist, dass eine recht wenig vorsichtige Wirth- 


Infektionskrankheiten. 793 


schaft in der Anstalt geherrscht haben muss. Wo sich die einzelnen Wärter 
infieirt hatten, war genau nicht zu sagen, da das Wartepersonal bald in diesem, 
bald in jenem Hause thätig gewesen war. Eine Anzahl hatte nachweislich 
typhuskranke Irre gepflegt, andere hatten sich anscheinend beim Waschen der 
von den Typhuskranken stammenden Wäsche infieirt. 

Das Wasser hatte bei der Verbreitung der Fälle sicher keine Rolle ge- 
spielt. Während alle Gebäude der Anstalt gleichmässig von derselben Leitung 
mit Wasser versorgt werden, war der Typhus nur in einigen wenigen Gebäuden 
und auch da nur in bestimmten Krankenzimmern aufgetreten, die keinerlei 
Besonderheiten im Wasserbezuge aufzeigten. Ebenso ergab sich kein Anhalt 
dafür, dass etwa Milch oder andere Nahrungsmittel oder sonst irgend welche 
Ursachen ausser der Ansteckung von Mensch zu Mensch zur Verbreitung der 
Infektionen beigetragen hatten. ` R. Abel (Hamburg). 


Kitasato, Takaki, Shiga und Moriya, Bericht über die Pestepidemie in 
Kobe und Osaka von November 1899 bis Januar 1900. Tokiv 1900. 
Veröff. v. d. Sanitätsabtheilung im Ministerium des Innern. 

Im Winter 1899/1900 ereigneten sich in Japan an verschiedenen Orten 
Pestfälle. Epidemisch trat die Pest nur in Kobe und Osaka auf. 

In Kobe, einer Hafenstadt von 23000 Einwohnern, kamen 23 Erkran- 
kungen vor, die sich auf die Zeit vom 2. November bis 21. December ver- 
theilten. Die ersten Erkrankungen betrafen Leute, die Schiffskehricht gekauft 
und aus ihm die noch verwerthbaren Abfälle, wie Reis, Bohnen, Watte, Eisen- 
stücke u. dergl., herausgesucht hatten. Es ist daher anzunehmen, dass die 
Pestbacillen mit dem Schiffskehricht, vielleicht mit dem Rattenkoth in dem- 
selben, nach Kobe hineingelangt sind. 

In Osaka, einer Hafen- und Industriestadt von 750000 Einwohnern, 
wurden vom 18. November 1899 bis 11. Januar 1900 im Ganzen 41 Fälle 
bekannt. Es ist möglich, dass die Pestbacillen nach Osaka mit Watte ein- 
geschleppt worden sind. In einem Magazin nämlich neben dem Hause, in dem 
die ersten Fälle auftraten, wurde Watte gefunden, in der bakterioskopisch 
Pestbacillen nachgewiesen werden konnten. Interessant ist aus der Epidemie 
in Osaka folgende Gruppe von Fällen: In einer isolirt gelegenen Weberei er- 
krankte ein Mädchen an Lungenpest, ohne dass jedoch zunächst die richtige 
Diagnose gestellt wurde. Von ihren 6 Familienangehörigen erkrankten darauf 
5 ebenfalls an Lungenpest. Bei ihrer Behandlung steckten sich drei Aerzte 
mit Pestpneumonie an. Diese drei Aerzte inficirten weiterhin noch 5 von ihren 
Hausgenossen mit Pestpneumonie. Alle diese Kranken starben! Ein schreck- 
liches Beispiel für die Kontagiosität und Gefährlichkeit der Lungenpest! In 
der Weberei schlossen sich noch 5 Fälle von Bubonenpest an. 

In Kobe sowohl wie in Osaka haben allem Anscheine nach die Ratten 
zur Verbreitung der Pest viel beigetragen. Man kann vermuthen, dass Ratten 
von Schiffen Pestkeime in die Stadt getragen haben, denn wiederholt wurden 
in den Hafendistrikten pestinficirte Ratten gefunden. In den Wohnungen der 
pestkranken Menschen wurden oft, aber nicht jedesmal inficirte Ratten ge- 
funden. Vielfach fanden sich pestkranke Ratten auch in Häusern, in denen 


794 Infektionskrankheiten. 


und deren Umgebung Pest unter den Menschen weder vorher vorgekommen 
war noch nachher auftrat. In Kobe erwiesen sich von 291 todt anfgefundenen 
Ratten im Ganzen 61 pestbacillenhaltig, in Osaka von über 200 nur 23. 
(Man sieht, dass von einem allgemeinen Sterben der Ratten an Pest in den 
beiden japanischen Städten keine Rede gewesen ist. Von den todt gefundenen 
Ratten waren nur 1/iọ—!/s an Pest eingegangen! Nach Aussetzung einer 
Prämie wurden von November bis Januar 35 000 Ratten gefangen. Ratten 
waren also in Massen vorhanden, und trotzdem entstand keine grosse Pest- 
epidemie unter den Thieren, wieder ein Beweis dafür, dass nicht, wie manche 
Autoren wollen, die Ratten bei der Pestverbreitung alles bedeuten! Ref.) 

Die klinischen Beobachtungen ergaben im Ganzen nicht viel Neues. Die 
Inkubationsdauer in den Fällen von Pestpneumonie betrug meist 2— 4 Tage, 
aber bisweilen auch mehr oder weniger; bei einigen Buboneupestfällen liess 
sie sich ziemlich genau auf 6—7 Tage berechnen. In Kobe kamen nur Fälle 
von Bubonenpest vor, in Osaka bildeten sie die Mehrzahl neben Pestpneu- 
monien. Darmpest wurde nicht mit Sicherheit beobachtet. Bei fünf Kranken 
wurden primäre Pestkarbunkel (in der Bauch-, Glutäal- und Oberschenkel- 
gegend) beobachtet. Bei 4 dieser 5 Fälle erkrankten sekundär die benach- 
barten Lymphdrüsen, der fünfte Kranke starb ohne Bubo an Pestseptikämie. 
Das Vorkommen sekundärer Pestkarbunkel ziehen die Verff. überhaupt in 
Zweifel. Die primären Bubonen fanden sich in mehr als drei Vierteln der 
Drüsenpestfälle in den inguinalen und femoralen Lymphdrüsen. In 5 Fällen 
waren die Tonsillen die Eingangspforte des Pestvirus. Bei der Lungen- 
pest ist bemerkenswerth, dass blutiges Sputum schon vorhanden ist, ehe 
physikalische Erscheinungen über den Lungen deutlich werden. Hauthämor- 
rhagien und roseolaartige Flecke wurden mehrfach beobachtet. Von Haut- 
erscheinungen an der Leiche sind Todtenflecke charakteristisch, die, unab- 
hängig von der Lage der Leiche, am Halse und im Gesicht in der Jochbein- 
gegend entstehen. Mischinfektionen mit hühnercholeraähnlichen, nach 
Gram färbbaren Bacillen, mit Strepto- und Staphylokokken kommen nicht 
selten vor; die Mikrobien finden sich in den Bubonen und im Blute neben 
Pestbacillen. Für den zuweilen zu beobachtenden ganz akuten Verlauf der 
eigentlichen Erkrankung sind zwei Fälle bezeichnend: 2 Knaben, die ganz 
vergnügt gespielt hatten, fühlten sich ganz plötzlich krank und starben 20 
und 30 Sturden danach. Die Veränderungen in den Inguinaldrüsen waren 
dabei so hochgradige, dass sie zweifellos schon vor dem Beginn des Krank- 
heitsgefühles entwickelt gewesen sein mussten. 

Zur Diagnose empfiehlt sich Punktion der Bubonen mit der Spritze, 
Untersuchung des Sputums u. s. w. Therapeutisch ist Excision der Bubonen 
in frischen Fällen manchmal anscheinend nützlich. Ueber die Wirkang des 
Pestserums wurde ein abschliessendes Urtheil nicht gewonnen. Prophylaktisch 
gegebene hohe Dosen Yersin’schen Pestserams hinderten in 2 Fällen nicht 
den Ausbruch von Pestpneumonie. Haffkin’s Schutzimpfung variirten die 
Verf. zwecks Minderung der Reaktion so, dass sie zuerst abgetödtete Bacillen 
mit Immunserum gemischt und erst später todte Bacillen allein injieirten. 

Die Maassnahmen zur Bekämpfung der Pest waren die gleichen, wie sie 


Infektionskrankheiten. q 


in Europa gebraucht oder geplant werden: Isolirung der Kranken, der Ver- 
dächtigen, Desinfektion u. s. w. Leichenschau durch Aerzte ist in Japan obli- 
gatorisch. Um sicher zu sein, dass kein Pesttodesfall übersehen werden könnte, 
wurde bei allen Todesfällen an akut verlaufenen Krankheiten, bei Meningitis, 
Pleuritis, Pneumonie u.s.w., die Leichenschan durch besonders bestellte Seuchen- 
ärzte vorgenommen. Um neue Einschleppungen der Pest zu verhüten, sind die 
Quarantänezeiten von 7 auf 10 Tage verlängert worden, die Einfuhrverbote 
für Lumpen, getragene Kleider, alte Watte und dergl. dauernd in Kraft ge- 
blieben, ferner Vorrichtungen getroffen worden, um das Anlandkommen von 
Schiffsratten zu erschweren. Schiffskehricht muss verbrannt oder mindestens 
12 km vom Lande ins Meer geworfen werden. R. Abel (Hamburg). 


Durno, Leslie, Notes on a series of cases of glandular fever oc- 
eurring in epidemic form. Brit. med. Journ. 1900. Nov. 10. No. 2080. 
p. 1373. 

Durno beobachtete das Auftreten von Erkrankungen, die mit dem 
Pfeiffer’schen Drüsenfieber grosse Aehnlichkeit zeigten, in epidemischer 
Form. Fast alle Kranken waren Kinder. Wenn in einer Familie ein Fall 
vorkam, erkrankten fast stets alle Kinder. Die Krankheit begann ohne Vor- 
boten mit Kopfschmerz und Nausea, Schmerzen auf einer Seite des Nackens 
und verschieden hohem Fieber. Dabei bestand Verstopfung. Nach 12 bis 
36 Stunden waren die vor dem Sternocleidomastoideus gelegenen Drüsen der 
einen Halsseite deutlich, isolirt und ohne stärkeres subkutanes Oedem ge- 
schwollen. In etwa dem dritten Theile aller Fälle entstand am 5.—7. Krank- 
heitstage auch eine Schwellung der Lymphdrüsen auf der anderen Halsseite. 
Bisweilen waren auch die Nackendrüsen und die Inguinaldrüsen geschwollen, 
vermuthlich auch gelegentlich die Mesenterialdrüsen, die allerdings niemals 
palpabel waren. Meist gingen die Drüsenschwelllungen in der dritten Krank- 
heitswoche zurück. In allen schwereren Fällen war die Leber vergrössert und 
drackempfindlich. Rachen und Tonsillen waren stets auf der Seite, wo die 
Halsdrüsen zuerst anschwollen, stark geröthet. Rhinitis fehlte, Otitis media 
kam manchmal vor. Zweimal trat hämorrhagische Nephritis auf. Am Ende 
der ersten Krankheitswoche wurde die bis dahin bestehende Verstopfung durch 
Diarrhoe abgelöst, und daon trat fast kritisch Besserung ein. Auch in milden 
Fällen dauerte die Rekonvalescenz lange. Todesfälle kamen nicht vor. 

Die Aetiologie des Leidens ist völlig dunkel. Seine Kontagiosität scheint 
zweifellos. Infektionspforten sind wahrscheinlich Darmtraktus und Nasen- 
rachenranm. Natrium salicylicum, Kalomel und antiseptische Spülungen des 
Nasenrachenraums erwiesen sich als günstig bei der Behandlung. 

R. Abel (Hamburg). 


Kaufmann M., Bericht über die im Sommer 1900 beobachtete Blattern- 
epidemie. Münch. med. Wochenschr. 1900. No. 50. S. 1733. 
Frankfurt a.M. hatte im Sommèr 1900 eine kleine Blatternepi- 
demie (27 Fälle bei 270000 Einwohnern) zu verzeichnen. Fin Theil der 
Krankbeitsfälle stammte aus einem Untersuchungsgefängniss, in das vermuthlich 


796 Infektionskrankheiten. 


ein Landstreicher den Infektionsstoff eingeschleppt hatte. Von den Fällen in 
der Stadt hingen mehrere nachweislich unter einander zusammen, doch war 
hier die Einschleppung des infektiösen Agens nicht aufzuklären. Die Schwere 
der Erkrankungen war verschieden. Am leichtesten erkrankte eine Person, 
bei der die letzte Impfung weniger als sechs Jahre zurücklag. Die Angabe 
französischer Forscher, dass die Variola schon im Initialstadium durch starke 
Vermehrung der mononukleären Leukocyten ausgezeichnet sei, erwies sich nur 
in einem Fall als zutreffend. 

Verf. schreibt die geringe Ausdehnung der Epidemie dem Impfschutz der 
Bevölkerung zu. Noch mehr dürfte aber zur schnellen Unterdrückung der 
Epidemie die prompte lsolirung aller Verdächtigen und Befallenen im Kranken- 
hause beigetragen haben. R. Abel (Hamburg). 
Prowe, Gelbfieber in Central-Amerika. Virchow’s Archiv. Bd. 160. 

S. 504. 

Wegen des geringen Verkehrs zu Lande mit den Nachbarstaaten lassen sich 
Epidemien in dem kleinen und abgeschlossenen Salvador nach Verf. gut 
beobachten. Alle Epidemien, ausser den von Pocken und Influenza, zogen 
sie stets von der See her ins Land ein. Einzelne Orte und grössere Distrikte 
in den Höhen blieben von mehreren Cholera-Epidemien verschont, und diese 
choleraimmunen Orte werden auch vom Gelbfieber stets verschont; anderer- 
seits sind manche Orte und Provinzen, wo die Cholera stark gehaust hat, für 
Gelbfieber unempfänglich. Verf. berichtet über die letzte Gelbfieberepidemie 
von 1893—1899 aus eigener Anschauung, während er die früheren Epidemien 
von 1868—1869 und von 1881—1885 nach den Kirchenbüchern und der spär- 
lichen Literatur darüber studirte. 

Bezüglich der örtlichen Disposition beobachtete Verf. — entgegen der Angabe 
von August Hirsch, dass Schmutz und Elend den Ausbruch des Gelbfiebers 
begünstigten —, dass im Gegentheil recht häufig die unter guten bygienischen 
Verhältnissen lebenden Europäer ergriffen wurden, während die Einheimischen 
trotz der primitiven Zustände ihrer Wohnungen oft verschont blieben. So 
wurden die kanalisirten Stadttheile von San Salvador eher stärker ergriffen, 
als die mit Versitzgruben; die Anwohner des Flusses, wo die Kanäle münden, 
hatten nicht früher oder stärker unter der Epidemie zu leiden, die Triok- 
wasserversorgung — San Salvador besitzt 2 getrennte Quellwasserleitungen — 
war ohne Einfluss. Der Keim des Gelbfiebers wurde nur durch kranke Men- 
schen, nicht durch Gegenstände verschleppt; in jedem Hause, wohin ein Kranker 
gelangt war, verging ein Zeitraum von mehreren Wochen, bevor neue Fälle auf- 
traten. Zur Ansteckung genügt eine in einem inficirten Hause verbrachte 
Nacht, kürzerer Aufenthalt war meist ohne Folgen; der Beweis, dass der Keim 
durch Nahrungsmittel aufgenommen werde, war nicht zu erbringen. In noch 
nie oder lange nicht mehr heimgesuchten Orten tritt das Gelbfieber äusserst 
heftig auf, während in solchen, die vor kurzem Epidemien durchgemacht, ge- 
wöhnlich nur die neu Hinzugezogenen ergriffen wurden, die Eingeborenen aber 
verschont blieben. Die häufig aufgestellte Behauptung, das Gelbfieber ergreife 
nur grosse Städte, kann Verf. nicht bestätigen, er sah auch Epidemien auf 


Infektionskrankheiten. 797 


einsamen Gehöften. Zur Erklärung der Immunität einzelner Orte reichen die 
von A. Hirsch formulirten Sätze nicht aus, nach denen das Gelbfieber an 
eine gewisse hohe Temperatur, geographische Breite und Meereshöhe gebunden 
ist, da in Salvador gelbfieberfreie Plätze und solche, die stark befallen sind, 
unter genau denselben klimatischen Verhältnissen sich befindun. Verf. findet 
also eine Erklärung für die Immunität nur in der Pettenkofer’schen Theorie. 

In Bezug auf die zeitliche Disposition gilt in Salvador ziemlich dasselbe, 
was sonst vom Gelbfieber in den Tropen bekannt ist: die Epidemie herrscht 
in der Regenzeit vom Mai bis Oktober, ihre höchste Intensität fällt aber nicht 
mit dem Regenmaximum zusammen, sondern gegen das Ende der Regenzeit, 
während im Gegensatz dazu die in ganz Salvador endemischen Malariafieber 
nur im ersten Beginn der Regenzeit und wieder nach dem Ende derselben 
auftreten. 

Bei Betrachtung der individuellen Disposition fand Verf. die Eingewan- 
derten am empfänglichsten, und zwar erkrankten dieselben um so schwerer, 
vor je kürzerer Zeit sie eingewandert waren, bei längere Zeit Ansässigen verlief 
die Krankheit gewöhnlich milde. Einen Unterschied zwischen Nord- und Süd- 
europäern, Blonden und Brünetten konnte Verf. nicht feststellen. In zweiter 
Linie disponirt waren die aus immunen Gegenden stammenden Einheimischen. 
Die Immunität nach überstandener Krankheit ist keine absolute, wie von man- 
chen Autoren angenommen wird; zweimalige Erkrankungen, die durchaus nicht 
immer leicht zu sein brauchen, kommen ab und zu vor. 

Verf. ergeht sich dann sehr genau über seine klinischen und anatomischen 
Beobachtungen. Ueber die Aetiologie kann er keine bestimmten eigenen Unter- 
suchungen mittheilen; indessen spricht er sämmtlichen in der neueren Zeit 
beschriebenen Erregern jede Bedentung ab, sowohl dem Bacillus von Havel- 
burg, wie dem Sanarelli’schen Becillus icterodes und der Klebs’schen 
Amöbe. 

Als wichtigste prophylaktische Maassregel gegen eine neue Einschleppung 
in das Land empfiehlt Verf., jeden an Bord Erkrankten sofort in ein Lazareth 
aufzunebmen, den Reiseplan der gesunden Passagiere im Lande genau zu ver- 
folgen und sie eventuell bei verdächtigen Symptomen sofort zu isoliren; da- 
gegen hält er nichts von übertriebenen, our dem Verkehr hinderlichen Quaran- 
tänevorschriften, wie sie z. B. im Süden der Vereinigten Staaten ohne einen 
nennenswerthen Erfolg geübt werden. Mayer (Berlin). 


Gleim, Berichte über die Schlafkrankheit der Neger im Kongo- 
gebiete. Arch. f. Schiffs- u. Tropenhyg. Bd. 4. S. 358. 

Verf., der als kaiserlicher Konsul in Loanda stationirt ist, schildert in 
2 Berichten diese eigenthümliche Krankheit. Sie ist ihrem Wesen nach 
noch ziemlich dunkel und ist in der Küstengegend von Loanda verbreitet, wo 
man sie auch erst seit einigen Jahrzehnten kennt. Sie befällt fast aus- 
nahmslos Neger und Mulatten, Männer mehr als Frauen, nur in 3 Fällen 
sollen Weisse daran gestorben sein. Die Krankheit tritt plötzlich mitten in 
der Arbeit oder beim Essen ein mit starkem Kopfschmerz, Zittern in den 
Gliedern und nachfolgendem Schlummerzustand. Trotz guten Appetits geben 


798 Infektionskrankheiten. 


die Leute unter starker Abmagerung nach einigen Monaten zu Grunde; eine 
Heilung wurde angeblich nur einmal durch Verabreichung von starkem Kaffee 
erzielt. Die Ursache ist gänzlich unklar, nur ein Arzt will eine solche in 
dem Genuss der in rohem Zustand giftigen Maniokwurzel erkannt haben, 
andere glauben die Ursache in ungesunden Wohnungen in dem sumpfigen 
Ueberschwemmungsgebiet annehmen zu müssen. Nach Erfahrungen auf den 
grossen Kaffeeplantagen soll die Krankheit durch Ansteckung fortgepfanst 
werden; indessen scheinen einzelne Gegenden immun zu sein, obwohl die Be- 
völkerung unter ganz denselben Verhältnissen lebt wie in den heimgesuchten 
Distrikten. Eine Möglichkeit des Auftretens dieser Krankheit in Kamerun mit 
seinen zahlreichen Gewässern hält Verf. nach den Erfabrungen in Angola nicht 
für ausgeschlossen. Bei der enormen Verbreitung und Verheerung einzelner 
Gegenden durch die Krankheit wäre ein genaues Studium an Ort und Stelle 
sehr erwünscht. Mayer (Berlin). 


Mense C., Bemerkungen und Beobachtungen über die Schlafsucht 
der Neger. Arch. f. Schiffs- u. Tropenhyg. Bd. 4. S. 364. 

Verf. giebt einige Bemerkungen aus der neueren medieinischen Literatur 
und aus eigenen Beobachtungen zu den oben referirten zwei Berichten des 
Konsuls Dr. Gleim. Nach M. ist die Schlafsucht in Angola schon seit 
längerer Zeit bekannt. Die Aetiologie ist noch dunkel; Cagigal und Lepierre 
sehen, sie in einem specifischen Bacillus, Marchoux in dem Pneumococcus, 
Manson in dər Filaria perstans, Mott sucht die Ursache in der massenhaften 
Vermehrung einkerniger Leukocyten. Vielleicht bildet ihr Verhältniss zum 
Genuss der Maniokwurzel ein Analogon zu dem Zusammenhang zwischen Pella- 
gra und Mais oder zwischen Beri-Beri und Reis. Die Inkubationszeit ist eben- 
falls nicht bekannt. Die Kongoneger glauben allerdings, dass eine erfolgte 
Ansteckung bisweilen erst nach 7 Jahren in die Erscheinung treten könne. 
Verf. giebt dann eine ausführliche Krankengeschichte von einem Fall, den er 
bei einem seiner jungen Diener von Anfang bis zum Ende beobachten konnte. 
Die in diesem Fall ausgeführte Untersuchung des Gehirns gab aber keinen 
bestimmten Aufschluss. Eine Heilung bei einer Negerin soll von dem portu- 
giesischen Bezirksarzt Novaes in Landana durch subkutane Injektion von 
Testikelflüssigkeit vom Hammel erzielt worden sein. Mayer (Berlin). 


Ceresole J., Ein Bacillus als Epidemieerreger beim Carassius 
auratus der Aquarien. Centralbl. f. Bakteriol. Bd. 28. No. 10/11. 
S. 305. 

In einem Aquarium des Verf.s, in welchem Goldfische gehalten 
wurden, waren eines Tages mehrere Fische todt, andere waren nahe am Sterben, 
alle zeigten aber eine charakteristische Verletzung, d.h. ein Geschwür an 
dem Obertheil des Hinterkopfes, welches auf den nächstliegenden Theil 
des Rückens übergriff. Es breitete sich nie auf die seitlichen Körpertheile 
aus. Der Grund des Geschwüres war mit einer schleimigen, weissen Substanz 
bedeckt, die sich leicht in kleinen Fetzen abheben liess. Ausserdem zeigten 
die todten und kranken Fische zahlreiche unzusammenhängende Blutergüsse 


Abfallstoffe. 799 


an den Flossen, besonders an den Schwanzflossen. Aus dem Eiter liessen sich 
Bacillen von folgenden Eigenschaften züchten: Es sind Stäbchen ohne Sporen, 
mit lebhafter Bewegung. Sie lassen sich nicht nach Gram färben. 
Gelatine wird verflüssigt. Im Gelatinestichkanal entwickeln sich zarte 
Aestchen, bevor die Verflüssigung eintritt. Auf der Oberfläche entsteht eine 
rothe Färbung, um den Verflüssigungstrichter herum entsteht eine bläulich- ` 
grüne Färbung. In zuckerhaltigen Nährböden bildet der Organismus Gas, 
auf dem Ausstrich eine hellziegelrotbe Kolonie und um dieselbe einen fluores- 
cirenden Rand. Der Kartoffelbelag ist feucht glänzend, etwas körnig, anfangs 
röthlich, später ziegelroth, endlich chokoladenbraun. Die Kartoffelkultur 
verbreitet anfänglich einen säuerlichen, später einen Geruch nach Mäuseharn. 
Milch gerinnt. 

Die anfängliche Virulenz des Organismus nimmt bald ab. Für Kanin- 
chen sind frische Kulturen sehr virulent. Die Thiere sterben bereits nach 
10—12 Stunden. Impft man Goldfische mit 2 Tropfen Fleischbouillon ent- 
weder in die Bauchhöhle oder in die Schwanzmuskeln, so stirbt das Thier 
12—15 Tage nach der Impfung. Nach einigen Tagen bildet sich an der 
Impfstelle das typische Geschwür, sehr häufig auch das typische Geschwür 
an dem hinteren Obertheil des Kopfes. Endlich erscheinen auch Blutergüsse 
in die Schwanzflosse. 

Auch per os gelingt die Infektion, wenn dem Aquariumwasser etwas von 
der fraglichen Kultur zugesetzt wird. Die Fische sterben alsdann nach wenigen 
Tagen und zeigen ebenfalls das typische Geschwür. 

Andere Fische irgendwelcher Art scheinen von dem „Bacillus der nlce- 
rativen Septikämie des Carassius auratus“, wie ihn der Verf. nennt, 
nicht alterirt werden. R. O. Neumann (Kiel). 


Kruse W., Beiträge zur praktischen Hygiene. II. Ueber Verunreini- 
gung und Selbstreinigung der Flüsse. Centralbl. f. allgem. Gesund- 
heitspfl. 1899. Bd. 18. S. 16. 

Verf. bespricht zunächst das Verhalten der einzelnen Bestandtheile des 
Schmutzwassers nach ihrerVermischung mit dem Flusswasser und schildert, 
was 1. aus den suspendirten Stoffen, 2. den im Wasser gelösten Gasen, 3. den 
in Lösung befindlichen organischen und anorganischen Substanzen und 4. aus 
den Bakterien der Kanalwässer wird. ad 1 muss man nach den Berichten 
der englischen Flusskommission über die Reinigung der Flüsse Irwill, Mersey 
und Darwen sagen, dass die Schlammablagerungen, die in den Flüssen im 
Gefolge der Selbstreinigung auftreten, die Hauptquellen der Belästigung 
sind, die durch die Einleitung von Schmutzwässern in die Flüsse entstehen 
können. ad 2 werden die riechenden Fäulnissgase, wie Kohlenwasserstoffe, 
Schwefelwasserstoff und Ammoniak schon bei sehr mässiger Verdünnung mit 
reinem Wasser unmerkbar, auch die Herabsetzung des Sauerstoffs verschwindet 
allmählich, so dass man sagen kann, dass der Gasgehalt verunreivigter Flüsse 
durch Selbstreinigung allmählich auf die Norm zurückgeführt wird. ad 3 


800 Abfallstoffe. 


findet in den verunreinigten Flüssen eine sehr geringe Verminderung der ge 
lösten organischen „fäulnissfähigen“ Stoffe statt und kann man auf eine 
Selbstreinigung der Flüsse bezüglich der anorganischen Stoffe nicht rechnen. 
Was 4. das Verhalten der Bakterien anbetrifft, so verweist Verf. auf a) die 
Spree und Havel bei Berlin (Untersuchung von G. Frank), b) die Seine bei 
Paris (Untersuchung von Girard und Bordas), c) die Donau (Untersuchung 
von: Heider), d) den Rhein (Untersuchungen von Stutzer und Knublauch), 
e) die Isar (Untersuchungen von Prausnitz), f) die Limmat (Untersuchungen 
von Schlatter), g) die Oker (Untersuchungen von Blasius nnd Beckurts), 
h) die Aare (Untersuchungen von Mutschler), i) den Tiber (Untersuchungen 
von Celli), findet, dass die Resultate der Untersuchungen sehr wenig in Ueber- 
einstimmung mit einander sich befinden und gegen die Methodik derselben 
gewichtige Bedenken zu erheben sind, und theilt nun seine mit Dr. Lossen 
zusammen vorgenommenen Rheinwasser-Untersuchungen mit. Dabei sind 
besonders folgende Punkte berücksichtigt: 1. Untersuchung bei niederem Wasser- 
stande und trockenem Wetter, 2. Entnahme von mindestens 3 Proben, 3. mög- 
lichst häufige Wiederholung dieser Untersuchung an ein und demselben Tage 
und 4. Anfertigung der Zählplatten sofort nach Entnahme der Proben. Es 
wurde zunächst die Strecke des Rheins gewählt zwischen Köln und Düsseldorf 
und besonders die Orte Marienburg (oberhalb Kölns), Hittorf (22 km unter- 
halb Kölns) und Vollmerswerth (27 km unterhalb Hittorfs) berücksichtigt. 

Die am 10. November und 7. December 1898 angestellten Versuche er- 
gaben, dass von einer Selhstreinigung des Flusses keine Rede war. Die Unter- 
suchungen am Bodensee ergaben, dass der Rhein den See viel ärmer an 
Bakterien verlässt, als er in ibn eintritt, dass er also als eine Art Absatz- 
becken zu betrachten ist. Untersuchungen zwischen Mainz und Oberlahnstein 
ergaben, dass eine langsame Reinigung des Stromes von den Bakterien stattfand. 

Nachdem Verf. dann noch auseinandergesetzt hat, in wiefern die Bewegung 
und Berührung mit dem Sauerstoff der Luft und des Lichts und die Sedimen- 
tirung auf die Verminderung der Bakterien Einfluss hat, glaubt er sich zu 
dem Schlusse berechtigt, dass die Selbstreinigung der Flüsse sich im Wesent- 
lichen ableiten lässt aus den Wirkungen der Sedimentirung auf die suspen- 
dirten, leblosen und lebenden Bestandtheile des Flusswassers berücksichtigt. 

Um einen Maassstab für den Grad der Flussverunreinigung zu haben, 
drückt der Verf. 1. die absolute Menge der Schmutzwässer und ihrer Bestand- 
theile und 2. deren relative Menge im Verhältniss zur Wassermasse ziffern- 
mässig aus. Für die Abwässer einer kanalisirten Stadt nimmt er folgende 
Werthe an: 

1. die tägliche Meuge des Schmutzwassers pro Kopf der Einwohner = 
0,1 cbm, 

2. die Menge der suspendirten Bestandtheile pro cbm Abwasser = 0,67 kg, 

3. die gelösten organischen Stoffe — 0,25 g im Liter, 

4. die gelösten anorganischen Stoffe = 0,5 g im Liter, 

5. Bakterien in 1 ccm Abwasser 6 Millionen. 

För Städte, die neben Kanalisation noch Abfuhr der Fäkalien besitzen, 


Abfallstoffe. 801 


müssten obige Ziffern noch mit (f) an multiplicirt werden, wobei c = dem 
Bruchtheil der Einwohnerschaft ist, der die Fäkalstoffe in die Kanäle lässt. 

Um zunächst die Verdünnung der Abwässer zu bestimmen, bedienen 
wir uns, wenn die mittlere Wassermenge, die der Fluss pro Sekunde an einer 
Stadt von der Einwohnerzahl E vorbeiführt, Q cbm, also EX 0,1 cbm, be- 
trägt, der Formel (V = Verdünnung) 


86 400 Q 
J V= Eoi 
Unmittelbar nach Einfluss der Abwässer in den Fluss haben wir in diesem 


u kg suspendirte Stoffe. 
Nehmen wir nun an, dass die Sedimentirung umgekehrt proportional der 


mittleren Geschwindigkeit des Flusses v sei und die Sedimentirung bei der 


pro cbm = 


1 
Geschwindigkeit v = 2 


so hätten wir in der Entfernung von k km unterhalb des Abwässereinflusses 


in den Fluss noch 
0,67 k 
m -y (C =i) kg 


suspendirte Substanz pro cbm auf Rechnung der Verunreinigung zu setzen. 
Ganz besonders interessirt uns der Schlamm. Er wird sich auf der 

ganzen 128 000 X v langen Strecke unter den oben gemachten Voraussetzungen 

gleichmässig absetzen und zwar aus jedem Sekunden-Kubikmeter Wasser 


0,0006 
a x 4 cbm feuchter Schlamm, wenn der Wassergehalt des Schlammes 


m in der Sekunde nach 64 km eine vollständige sei, 


75 pCt. beträgt; das macht für jedes Quadratmeter des Flussbettes, wenn 
0,00067. 4. h 
V. v. 128600 > 
also wird sich im ganzen Jahr, d. h. aus 60 X 60 X 24 X 365 = 32 MiNi- 
onen cbm, 


dessen durchschnittliche Tiefe h m ist, eine Schlammschicht von 


III) eine = = Meter hohe Schicht feuchten Schlammes auf dem Fluss- 


boden absetzen. 
Dann ergiebt sich, wenn wir gar keine Selbstreinigung für diese Stoffe 
annehmen, dass 


25 
IV) wE a pro Liter für die gelöste organische Substanz und 
v 
auf Rechnung der Flussverunreinigung zu setzen ist. 


vV) g pro Liter für die gelöste anorganische Substanz im Flusswasser 


3 AT e 6 000 000 
Für die Bakterien hätten wir bei Ausschluss der Selbstreinigung eye 


zu rechnen, oder, wenn wir annehmen, dass bei einer Flussgeschwindigkeit 
von 0,05 m in der Sekunde die bakteriologische Selbstreinigung nach 15 km 


802 Abfallstoffe. 


vollendet und die Bakteriensedimentirang dem Quadrate der Geschwindigkeit 
umgekehrt proportional wäre, 

VD ano 200 000 (\ _ N) als Bakteriengehalt in 1 ccm des Fluss- 
wassers in Entfernung von k km unterhalb der Kanalmündung bei einer mitt- 
leren Flussgeschwindigkeit von vm, wenn man die Wirkung der Belichtung 
nicht mit in Betracht zieht. 

Nach diesen Formeln berechnet der Verf. nun die Flussverunreinigungen 
bei 15facher, 100facher und 1000facher Verdünnung und kommt zu folgenden 
Schlüssen: 

1. Bei 15facher Verdünnung wird die Einleitung der Abwässer in einen 
Fluss stets zu versagen sein, wenn der Fluss noch einen längeren Weg zu 
machen hat, ehe er von einem grösseren Gewässer unschädlich gemacht wird. 
Bei kurzer Strecke kann bei grosser Stromgeschwindigkeit die Einführung noch 
am ehesten gestattet werden. 

2. Bei 100facher Verdünnung ist bei sehr langsam fliessenden Strömen 
die Einleitung von Abwässern wegen der vorauszusetzenden starken Ver- 
schlammung zu widerrathen, bei schnell fliessenden Strömen zu verbieten, 
wenn das Flusswasser unterhalb zur Wasserversorgung gebraucht wird, aus- 
genommen, wenn der Fluss nachweislich den grössten Theil seiner Bakterien 
verliert. 

3. Bei 1000facher Verdünnung erfahren weder die suspendirten noch die 
gelösten Substanzen des Stromes eine Vermehrung; nur die Bakterienzahl wird 
vermehrt. Wenn die gelösten Sink- und Schwimmstoffe vor der Einleitung io 
den Fluss entfernt und die Kanalmündungen soweit in den Fluss hineingelegt 
werden, dass Schmutz- und Flusswasser schnell und vollständig mit einander 
vermischt werden und die Uferverunreinigung verhindert wird, kann man die 
Abwässer ruhig einleiten. 

Dies würde am Rhein gestattet werden können, selbst wenn Strassburg, 
Karlsruhe, Mannheim, Frankfurt, Mainz, Wiesbaden und Köln ihre Abwässer 
einleiten, da eine mehr als 1000fache Verdünnung eintritt. 

R. Blasius (Braunschweig). 


Spitta 0., Untersuchungen über die Verunreinigung und Selbst- 
reinigung der Flüsse. Arch. f. Hyg. Bd. 38. S. 160—293. 

In der Erwartung, dass das Studium der Pflanzenvegetation sowie der 
oxydativen Vorgänge im Flusswasser die schwierige Frage der Selbst- 
reinigung der Flüsse unserem Verständniss näher bringen würde, hat S. 
bei seinen vom Herbst 1898 bis Ende 1899 im Spreehavelgebiet (Müggelsee, 
Dahme, Spree mit ihren Kanälen, Havel und Tegeler See) sowie einmal auch 
im Rhein bei Köln (auf der 47 km langen Strecke von Marienburg bis Volmers- 
werth) ausgeführten systematischen Flusswasseruntersuchungen neben dem 
Keimgehalt regelmässig das von den Hygienikern bisher noch nicht berück- 
sichtigte Plankton sowie den früher nur ungenügend untersuchten Sauerstoff- 
gehalt des Flusswassers bestimmt und meist zugleich auch das Verhalten des 
Flussbodens an entnommenen Proben studirt. Diesen umfangreichen, mühe- 


Abfallstoffe. 803 


vollen und zeitraubenden Untersuchungen schlossen sich zahlreiche Labora- 
toriumsversuche an, dazu bestimmt, weitere Auskunft über die einzelnen Vor- 
gänge bei der Selbstreinigung zu erlangen. Auf diese Weise hat S. ein 
reichhaltiges Material zur Beurtheilung der Selbstreinigung zusammengetragen 
und, indem er die erlangten Ergebnisse kritisch verwerthet, gezeigt, dass unsere 
bisherigen Vorstellungen über die Selbstreinigung, wenn sie auch grössten- 
tbeils der Wirklichkeit entsprechen, doch in mehrfacher Beziehung einer Um- 
gestaltung bedürfen. Ref. muss sich im Nachstehenden auf die Wiedergabe 
der wichtigsten Resultate beschränken, möchte daher nicht unterlassen, das 
Stadium der lesenswerthen Abhandlung auf das Angelegentlichste zu empfehlen. 
Bei den nach Hensen’s Methode erhaltenen Planktonfängen schwaukte das 
Volumen für 100 Liter Wasser im Spreehavelgebiet von 0,15— 75,5 ccm, meist 
wurden 0,5—11 ccm mit einem Trockengewicht von 18—343 mg beobachtet. 
Volumen und Trockeugewicht der Fänge blieben in den Seen sowie im reinen 
Wasser hinter denen aus verunreinigtem zurück. Letztere waren durch schwärz- 
liche Farbe, dichtere Beschaffenheit und Vorwiegen von organischem Detritus 
ausgezeichnet, die Fänge aus reinem Wasser dagegen durch grünliche Färbung, 
eine mehr lockere Beschaffenheit und das Vorherrschen von Algen und Diatomeen, 
während hier zum Unterschied von den Fängen aus verunreinigtem Wasser 
die Zahl der niederen Thiere ebenso wie die Detritusmasse erheblich zurück- 
trat. Die Planktonmenge erwies sich von Schmutzzuflüssen sowie vom Schiffs- 
verkehr abbängig, sie nahm bei der Spree und ihren Kanälen auf dem Laufe 
durch Berlin zu und erreichte an bestimmten Stellen, die sich auch schon bei 
früberen bakteriologischen und chemischen Untersuchungen als stärker ver- 
unreinigt ergeben hatten, meist besonders hohe Werthe, um alsdann gewöhnlich 
schon wenig unterhalb solcher stärker verschmutzten Stellen wieder rasch 
abzunehmen. Eine Abhängigkeit der Planktonmenge von der Jahreszeit machte 
sich eigentlich nur an dem See- bezw. reinem Flusswasser in der Weise be- 
merkbar, dass dieselbe im Sommer stark anstieg. Vertreten waren im Fluss- 
plankton Schizophyceen, Diatomeen, Chlorophyceen, Phäophyceen und niedere 
Tbiere. Zu den regelmässig in grösserer Zahl anzutreffenden Organismen ge- 
hörten im Spreehavelgebiet Polycystis aeruginosa, Melosira varians, Asterio- 
nella gracillima, Fragilaria und Pediastrum, im Rhein ausser den drei letzten 
Arten noch Diatomum vulgare und Ceratium, hier fehlten niedere Thiere voll- 
ständig, während im Spreehavelgebiet Daphniden, Notolca acuminata, Anuraea 
und Amöben die häufigsten Vertreter der niederen Thierwelt bildeten. 

Wegen der Beimengung von grossen Mengen feinsten Sandes unterblieb 
beim Rhein die sonst regelmässig ausgeführte Messung und Trockensubstanz- 
bestimmung der Planktonfänge, dagegen fand hier ebenso wie bei den drei 
letzten Untersuchungen im Spreehavelgebiet eine Auszählung der häufigeren 
Planktonorganismen statt, wobei sich ergab, dass Planktonorganismen im Rhein 
offenbar wegen der etwa fünfmal so grossen Strömungsgeschwindigkeit weit 
spärlicher angetroffen wurden als io der Spree, dass dieselben in beiden Flüssen 
ziemlich gleichmässig vertheilt waren, und jedenfalls eine Beeinflussung der 
Zahl der Algen und Diatomeen durch hinzugasretene Abfallstoffe nicht ersicht- 
lich war. 


804 Abfallstoffe. 


Abgesehen von der Strömungsgeschwindigkeit wird die Sedimentiruug von 
dem specifischen Gewicht, der Gestalt, der Art des Verbandes und dem Gas- 
gehalt der schwebenden Theilchen beeinflusst. „Bei einem schnellfiiessenden 
Fluss vertheilt sich das Sediment auf eine weit grössere Bodenfläche, und wir 
müssen langsam strömende Gewässer, zumal, wenn sie von geringer Tiefe sind, 
als besonders disponirt zur lokalen Verschmutzung durch Sedimentation (Schlamm- 
bankbildung) ansehen.“ Der Reinigung des Wassers durch Sedimentirung steht 
die durch Wind, Wellen, Schiffsverkehr u.s.w. verursachte Bewegung des Wassers 
sowie die Zufuhr neuer Sinkstoffe durch verunreinigte Nebenflüsse, Nothauslässe 
u.s.w. entgegen, sodass bei der Spree eine totale Sedimentirung der Planktontheil 
chen in ihrem Verlauf nicht zu Stande kommt. Mit den absinkenden Plankton- 
theilchen werden nach der direkten Beobachtung von S. auch viele Bakterien 
sedimentirt, dieselben haften weniger den Algen und Diatomeen als vielmehr 
den abgestorbenen organischen Detritusmassen und zwar oft in grosser Zahl 
an, sie betheiligen sich offenbar an der Zersetzung der im Flussboden abge 
lagerten Schlammmassen. Die nicht auf diese Weise auf den Boden abgesetzten 
Bakterien bewirken die Zersetzung der feinsten weiterschwimmenden Theile 
sowie der gelösten organischen Stoffe, sie sinken weit langsamer ab und er- 
reichen daher erst weit später den Fussboden als die gröberen Theilchen. 

Die chloropbylihaltigen Planktonorganismen können nach S. an der Selbst- 
reinigung der Flüsse nicht direkt betheiligt sein, da die Zählungen keine erheb- 
liche bezw. regelmässige Vermehrung des Algen- und Diatomeenplanktons an 
notorisch unreinen Stellen des Flusses erkennen liessen; ausserdem sprechen 
auch die von S. an Stehproben eines mit Leitungswasser verdünnten Kanal- 
wassers gemachten Beobachtungen dagegen. Denn wenn dasselbe in hohen 
Cylindern mit flüssigem Paraffin überschichtet wurde, so trat zwar regelmässig 
eine Algenvegetation auf, das Wasser blieb aber trübe und stinkend. Der 
Sauerstoffgehalt stieg nur wenig, die Oxydirbarkeit und der Ammoniakgebalt 
änderten sich kaum, und eine Nitrifikation war in keiner Weise nachzuweisen, 
während bei den gleichen, nicht mit Paraffin überschichteten Stehproben eine 
Algenbildung nicht auftrat, das Wasser aber in kurzer Zeit klar und geruchlos 
wurde, ein anfänglicher Bodensatz wieder verschwand, der Sauerstoffgehalt 
rasch anstieg, die Oxydirbarkeit sich rasch verminderte, das Ammoniak ver- 
schwand und durch N0; und N0; ersetzt wurde. Offenbar war der an den 
mit Paraffin überschichteten Stehproben nachgewiesene höhere Kohlensäure- 
gehalt die Ursache für die kräftige Algenvegetation. Die Algen vermögen 
wohl organisches Material zum Aufbau ibrer Leibessubstanz zu verwenden und 
so todtes in lebendes umzuwandeln, aber nicht dessen Mineralisirung zu be 
wirken; ausserdem erfolgt diese Umwandlung der organischen Substanz durch 
die Algen nur langsam und in beschränktem Maasse. Die ideale Art der 
Flusswasserreinigung ist und bleibt die Mineralisirung und Ver- 
gasung der organischen Verunreinigungen. Dieselbe kann augen- 
scheinlich nur bei einem genügenden Sauerstoffgehalt desWassers 
resp. einer mässigen Belastung eines Flusses mit Abfallstoffen 
vor sich gehen. Ein schwell fliessender Strom vermag aus der 
Atmosphäre mehr Sauerstoff aufzunehmen, als ein trägfliessendes 


Abfallstoffe. 805 


Gewässer, die Strömung und Wellen befördern die Absorption, zu- 
gleich wird durch die Ausdehnung der Sedimentirung auf eine 
längere Strecke die Masse der organischen Abfallstoffe auf ein 
grösseres Stromgebiet vertheilt und kann danach besser bewältigt 
werden. Vielleicht kommt es dann auch zu keiner Kohlensäure- 
anhäufung und in Folge davon nur zu einer sehr geringen Algen- 
flora. Ein langsam fliessender Fluss wie die Spree vermag im 
Verhältniss zu der Menge organischer Substanz, die er mitführt, 
sein Sauerstoffbedürfniss augenscheinlich aus der Atmosphäre 
nicht zu befriedigen. Als Folge der Kohlensäureanhäufung stellt 
sich eine üppige Algen- und Diatomeenflora ein, und diese unter- 
stützt durch ihre Sauerstoffproduktion die Oxydation der orga- 
nischen Substanzen durch die Bakterien. Eine Betheiligung in- 
direkter Natur ist somit dem chlorophylitragenden Plankton 
wohl sicher nicht abzusprechen. Jedenfalls aber scheinen die 
Algen kein in jedem Falle nothwendiges Glied in der Kette von 
Mitteln zu bilden, welche einem verunreinigten Fluss zu seinem 
früheren Reinheitsgrad wieder verhelfen. 

Die nach Winkler-Chlopin an den aus 1 m Tiefe entnommenen Wasser- 
proben ausgeführten Sauerstoffbestimmungen ergaben für das reine Fluss- 
und Seewasser des Spreehavelgebietes die höchsten, für die stark verunreinigten 
Stellen der Spree und ihrer Kanäle die niedrigsten Werthe, an keiner Stelle 
fehlte Sauerstoff völlig, nur an einigen reinen, algenreichen Stellen der Havel 
wurde offenbar in Folge der Lebensthätigkeit des chlorophyllhaltigen Planktons 
mehr Sauerstoff gefunden, als der Sättigung mit dem Luftsauerstoff entsprach. 
Wurden die Wasserproben in verschlossenen Flaschen aufbewahrt, so nahm 
der Sauerstoffgehalt allmählich ab, diese Sauerstoffzehrung war im ver- 
unreinigten Wasser und namentlich zur Sommerszeit eine besonders grosse. 
Während sich die Spree ähnlich verhielt wie die Seine, insofern auch hier 
nach den bekannten, von Boudet und Giradin 1874 ausgeführten Sauerstoff- 
bestimmungen der Sauerstoffgehalt in den verunreinigten Abschnitten ein sehr 
niedriger war, lag bei allen Wasserproben aus dem Rhein der Sauerstoffgehalt 
nur wenig unterhalb des Sättigungspunktes, und wurden nennenswerthe Schwan- 
kungen nicht aufgefunden, so dass sich der Rhein in dieser Beziehung ähnlich 
verhielt wie die Donau bei Wien nach den Untersuchungen von Heider. 
Uebrigens war auch die Sauerstoffzehrung bei den einzelnen Rheinwasserproben 
eine nur mässige und ausserdem ziemlich gleichförmige. Aus den in der 
mannigfachsten Weise variirten Laboratoriumsversuchen war ersichtlich, dass 
die Sauerstoffzehrung nur bei Abwesenheit von Bakterien vermisst wird, dass 
sie, in destillirtem Wasser minimal, durch Zugabe von organischem Nährmaterial 
stark erhöht wird, dass dieselbe von der Art der vorhandenen Bakterien und 
der Temperatur in hohem Maasse, nur wenig dagegen von der Belichtung und 
dem Barometerdruck beeinflusst wird. Sie verdankt ihre Entstehung zum bei 
weitem grössten Theil der Lebensthätigkeit der Bakterien und nur zu einem 
kleinen Theil den im Wasser lebenden Thieren. Erhöhung der organischen 
Substanz im Wasser hat eine Vermehrung der Bakterien zur Folge. Die Grösse 


806 Abfallstoffe. 


der Sauerstoffzehrung kann als Maassstab für die Menge der vor- 
handenen oxydirbaren Substanzen gelten, sie eignet sich bierzu besser 
als die Permanganatmethode, sie ist in ganz besonderem Maasse geeignet, die 
Keimgehaltsbestimmung, unser feinstes Reagens zur Bestimmung der Fluss- 
verunreiniguug bezw. Selbstreinigung, zu stützen und zu ergänzen. Stärkere 
Sauerstoffzehrung beweist stärkere Verschmutzung, geringere das Fehlen lokaler 
Verschmutzung bezw. die starke Verdünnung der zugeführten Schmutzstofe. 

Dass die oxydative Zerstörung der organischen Stoffe durch die Bakterien 
zu Stande kommt, ist mit Unrecht neuerdings von manchen Seiten angezweifelt 
worden. Eine direkte chemische Oxydation findet nur in ganz beschränkten 
Maasse (Oxydation von Schwefelwasserstoff und Eisenoxydulverbindungen) statt. 
Durch bakterienschädigende Einflüsse, z. B. Lichtwirkung, wird die Bakterien- 
thätigkeit und damit die Selbstreinigung gehemmt, keineswegs aber begünstigt, 
wie Manche meinen. Unterstützen könnte man die Selbstreinigung, soweit sie 
auf der Lebensthätigkeit der Bakterien beruht, dadurch, dass man dem mit 
organischen Stoffen überladenen, an Sauerstoff verarmten Fiusswasser durch 
Wehre, Wasserfälle u. s. w. Sauerstoff zuführt; es kommt dann nicht zur Fat- 
wickelung von stinkender Fäulniss (wie das namentlich im Sommer an den 
stärker verunreinigten Stellen zu befürchten ist) und zu überreicher Schlamm- 
ablagerung, sondern zu einer Verwesung; diese kann die Natur u. A. noch 
durch die Pflanzenvegetation und den von den Pflanzen gelieferten Sauerstoff 
ermöglichen. 3 

An den aus Gerölle und Kies bestehenden Flussboden proben des Rheins 
wurden Verunreinigungen ebenso vermisst wie an den aus mittelgrobem, gelb- 
braunem Quarzsand bestehenden Proben aus dem Müggel- und Tegeler See, 
aus der Dahme, Ober- und Unterspree. Dagegen liessen die Bodenproben aus 
der Spree iunerhalb von Berlin sowie an durch den Schiffsverkehr veran- 
reinigten Stellen (auch bei der Havel) schon an ihrem schwärzlichen Aus- 
sehen die Verunreinigung erkennen. Sofern sich der Sand nicht mit allerlei 
Abfällen durchsetzt erwies, bestanden hier die Proben aus einer schwarzen 
Masse mit manchmal zwischengeschobener, manchmal aufgelagerter Sandschicht. 
Die schwarze Färbung war durch Schwefeleisen, einmal in der Havel durch 
Humus bedingt. Durch das Mikroskop liessen sich in manchen Proben grössere 
Mengen von Diatomeenschalen, Algenresten, niederen Thieren, gelegentlich 
auch Kohlepartikelchen nachweisen. An den getrockneten und zerriebenen 
Proben waren die einzelnen Bestandtheile in Folge der schärfer hervortreten- 
den Farbennuancen leichter von einander zu unterscheiden. Der an manchen 
Bodenproben der Spree gefundene höhere Eisengehalt musste auf die Einleitung 
grösserer Mengen eisenhaltigen Grundwassers aus den benachbarten Fabriken 
zurückgeführt werden. Die häufiger ausgeführte Bestimmung des Wasser- und 
Aschegehaltes liess ebenso wenig wie die Stickstoffbestimmung Beziehungen 
zur Verunreinigung erkennen. In mehreren verunreinigten Flussbodenproben 
wurde Schwefel in Substanz nachgewiesen, durch Aetherextraktion auch Fett 
und Seife. 

Wo das überstehende Wasser noch genügend Sauerstofl enthält, wird 
sich die Selbstreinigung des Flussbodens in ähnlicher Weise wie beim nicht 


Gewerbehygiene. 807 


mit Fäulnissstoffen überschwemmten Boden vollziehen; fehlt der Sauer- 
stoff, dann kommt es unter Betheiligung der Anaärobien und unter Gas- 
bildung zur stinkenden Zersetzung. Je stärker die Verschmutzung, um so 
intensiver ist die Gasentwickelung (durch welche übrigens die abgelagerten 
Schlammpartikelchen wiederlosgerissen werdenkönnen) unddieSchlammbank- 
bildung, welche letztere an reinen Flussabschnitten auf die Uferabschnitte, 
woselbst die Strömungsgeschwindigkeit geringer ist, beschränkt sein kann. 
Beim Rhein wurde nur an einigen Uferpartien mit mehr stagnirendem Wasser 
geringe Gasbildung beobachtet, das von dem stark verunreinigten Boden der 
Spree entwickelte Gas enthielt stets grössere Mengen CH,, wechselnde Mengen 
von CO und nur zweimal H, dagegen regelmässig etwas Sauerstoff, von dem 
$. vermuthet, dass er von gewissen Wasserpflanzen producirt ist. Einmal 
entwickelte Schlammbänke können nach S. auf lange Zeit hinaus für den Fluss 
eine Quelle der Verunreinigung bilden, lösliche Stoffe werden aus dem Schlamm 
von dem überstehenden Flusswasser ausgelaugt, die Schlammmassen selbst bei 
tiefer gehender Bewegung des Wassers losgerissen und fortgespült. Bei der 
Spree, deren Schlammbänke z. Th. noch aus der Zeit stammen, in welcher 
Berlin in den Fluss entwässerte, kommt die Loslösung der Schlammmassen 
hauptsächlich durch den Schiffsverkehr zu Stande. Erst eine gründliche 
Reinigung des Flussbodens durch Ausbaggerung könnte hier Hilfe 
schaffen. Fischer (Kiel). 


Calwer, Richard, Die Berufsgefahren der Steinarbeiter. Im Auftrage 
des 10. Kongresses der Steinarbeiter Deutschlands als Denkschrift an den 
Bundesrath herausgegeben von der Centralleitung der Organisation der Stein- 
arbeiter Deutschlands. Verleger: P. Mitschke. Rixdorf 1901. 196 Ss. 

Nachdem eine Verständigung zwischen der Vertretung der Arbeitgeber, 
dem Verbande der deutschen Steinmetzgeschäfte und derjenigen der Arbeit- 
nehmer, der Centralleitung der Steinarbeiterorganisation, über die Regelung 
der Arbeitsverhältnisse im Steinarbeiterberufe nicht zu Stande gekommen 
war, bat sich der Vorstand der Steinarbeiterorganisation an den Bundesrath 
mit einer Eingabe um eine reichsrechtliche Regelung der Arbeitsverhältnisse 
in diesem Berufe gewandt. Das vorliegende Buch bildet die Begründung dieser 
Eingabe, indem es die Berufsgefahren der Steinarbeiter in ausführlichster 
Weise beschreibt. 

Die Steinarbeiter werden unter Schilderung ihrer specifischen Arbeits- 
tbätigkeit eingetheilt in die Steinbrecher, die Steinmetzen (Steinhauer) und 
Schleifer. Es ist nothwendig diese 3 Kategorien auseinanderzuhalten, da sich 
entsprechend ihrer Beschäftigung auch die Unfallgefahren und Berufskrank- 
heiten modificiren. An der Hand von statistischen Erhebungen wird eine 
Uebersicht über die geographische Vertheilung der Berufsbevölkerung, die 
Zahl der Arbeiter (nach der Gewerbezählung 95 329, nach der Berufszählung 
117138), die Frauenarbeit (unter 19 726 gelernten Arbeitern in Steinbrüchen 
nur 200 weibliche und unter 48 373 gelernten Arbeitern im Steinmetzgeschäft 


808 Gewerbehygiene. 


nur 40 gelernte Arbeiterinnen), den Altersaufbau, die Zahl und Grösse der 
Betriebe u. s. w. gegeben. Für die praktische und hygienische Beurtheilung 
der Verhältnisse sind diese Zahlen von grosser Bedeutung; ich konnte hier 
nur einige prägnante Zahlen herausgreifen. Im Altersaufbau zeigt sich ein 
starkes Vorwiegen der Altersklasse von 20—40 Jahren. 

Gesundheitsschädigend wirkt namentlich der Steinstaub durch das Krank- 
machen der Athmungsorgane; am verheerendsten wirkt der Sandsteinstaub. 
Die Zahl der Tuberkulösen erreicht nach diesen Angaben eine erschreckende 
Höhe. Man giebt z. B. an, dass nach einer durchschnittlichen Arbeitszeit von 
14—15 Jahren !/, aller Steinmetzen ein Opfer der Schwindsucht ist, und dass 
unter 100 Verstorbenen 86,13 Erkrankungen der Athmungsorgane und 55,03 der 
Tuberkulose erlagen; die durchschnittliche Lebensdauer sämmtlicher Stein- 
arbeiter überhaupt wird auf 361/, Jahr berechnet. Die Unfallgefahr ist bei 
den Steinbrechern erheblich grösser als bei den Steinmetzen, sie geht etwa 
parallel derjenigen der Bergarbeiter. 

"Es folgt nunmehr eine eingehende Schilderung des Arbeitsprocesses, der 
Arbeitsstätten und der Nebeneinrichtungen, da von einer genauen Kenntniss 
dieser Verhältnisse auch die Mittel und Wege abhängen, welche ergriffen werden 
müssen, um Erkrankungen und Unfällen in zweckentsprechender Weise zu be- 
gegnen. Für den Hygieniker ist aus diesen Schilderungen zu entnehmen, dass 
oftmals den allgemeinsten und nothwendigsten Forderungen der Hygiene in 
der allerungenügendsten Weise entsprochen wird, z. B. in Bezug auf Aborte, 
Aufenthaltsräume, Trinkwasser — ganz abgesehen von den ganz ungenügenden 
Mitteln, die gegen die Staubgefahr ergriffen werden. Im Anschluss hieran 
werden auch Verbesserungsvorschläge gemacht. Von allgemeinen Mitteln zur 
Aufbesserung der Gesundheitsverhältnisse wird an erster Stelle Verkürzung 
der Arbeitszeit gefordert. Hiervon erhofft man die grössten Erfolge, da man 
die Erfahrung gemacht hat, dass der Gesundheitszustand sich sofort bessert, 
wenn die Arbeiter ihre Beschäftigung auf längere Zeit unterbrechen. Hierzu 
möchte ich jedoch bemerken, dass monatelange Unterbrechung der Arbeit 
durch Beschäftigung in einem anderen Berufe (z. B. Fischerei) und eine nur 
tägliche Beschränkung der Arbeitszeit bei fortgesetzter Beschäftigung im 
Steinarbeiterberuf das ganze Jahr hindurch bei der Berechnung des Erfofges 
bezüglich der Aufbesserung des Gesundheitszustandes nicht werden gleich gesetzt 
werden dürfen. Dementsprechend soll der Lohn erhöht und die Akkordarbeit 
ganz abgeschafft werden. Zum Schluss wird noch ein Urtheil abgegeben über 
das Tragen von Respiratoren, insbesondere des Wolff’schen Respirators. Die 
Arbeiter sträuben sich ganz entschieden gegen die Anwendung des Respirators, 
da schon nach kurzer Zeit „ein Gefühl der Benommenheit und Beklommenbeit 
sich eiustelle, das sich auch nach längerer Zeit nicht verliert, vielmehr die 
Arbeit erschwert und verlangsamt“. Beninde (Carolath, Schlesien). 


Pröbsting, Ueber Staarbildung bei Feuerarbeitern. Centralbl. f. allgem. 
Gesundheitspfl. 1899. Bd. 19. S. 425. 

Bei den Glasmachern der Rheinischen Glashütte in Ehrenfeld fand der 

Verf. bei sämmtlichen Arbeitern 12 pCt. staarige Trübungen, bei Leuten über 


Gewerbehygiene. Prostitution. 809 


40 Jahren fast doppelt soviel. Den Grund findet Verf. in der hohen strah- 
lenden Hitze, der ausserordentlich starken Schweissabsonderung und dem sehr 
grellen Lichte. R. Blasius (Braunschweig). 


Resenteld, Siegfried (Wien), Hygienische Verhältnisse der österreichi- 
schen Tabakfabrikarbeiter. Uentralbl. f. allgem. Gesundheitspfl. 1899. 
Bd. 18. S. 99. 

Auf Grundlage einer vom Verf. in der „Statistischen Monatsschr.“ 1898 
veröffentlichten Arbeit zeigt derselbe, dass 1895 über 90 pCt. der Tabak- 
arbeiter dem weiblichen Geschlecht angehörten, und dass bei diesen nament- 
lich der Tabakstaub eine höhere Morbidität und Mortalität veranlasst als bei 
anderen Arbeitern, z. B. Eisenbahn- und Textilarbeitern. Der Grund liegt in 
der Häufigkeit der Infektionskrankheiten, namentlich der Tuberkulose, 
diese ist die Gewerbekrankheit der Tabakarbeiter. Verf. verlangt möglichste 
Beseitigung des Tabakstaubes, Wasch- und Badeeinrichtungen, bessere Bezah- 
lang uud Ernährung und Bau von guten Arbeiterwohnungen. 

R. Blasius (Braunschweig). 


Bernstein, Wie schützt man sich vor geschlechtlichen Erkrankungen? 
Mit einem Vorwort von Dr. Max Joseph. Kassel 1900. Th. G. Fischer & Co. 
Preis: 1 Mk. 

Die kurz und gemeinverständlich dargestellten Anleitungen Bernstein’s 
sollen ein Hülfsmittel bei der Bekämpfung der venerischeu Krankheiten 
bilden. In einem Vorwort betonen Joseph und Bernstein die Berechtigung 
and Nothwendigkeit einer derartigen persönlichen Prophylaxe und weisen 
darauf hin, dass es in dieser Frage nur einen Standpunkt geben kann und 
zwar den: Es ist Sache der Moral, den ausserehelichen Geschlechtsverkehr 
zu verhüten; es ist Sache des Arztes, ihn da, wo er trotzdem stattfindet, 
möglichst gefahrlos zu gestalten. 

Im ersten Theil des Büchleins wird die Bedeutung der Geschlechts- 
krankheiten und deren häufig schwere Folgen kurz besprochen, im zweiten 
wird die Grösse der Ansteckungsgefahr beim ausserehelichen Geschlechts- 
verkehr betont und im dritten eine populäre Darstellung der persönlichen 
Schutzmaassregeln gegeben: Gebrauch des Condoms, Einfetten des Gliedes 
vor dem Coitus, Reinigung und Desinficirung des Penis nach demselben, Des- 
infektion der Harnröhre durch Einträufelung von 2—3 Tropfen einer 20 proc. 
Protargollösung. Zum Schluss betont Bernstein, dass alle diese Maassregeln 
aber nur Stückwerk sind, und die beste Prophylaxe der Geschlechtskrank- 
heiten die Vermeidung des ausserehelichen Geschlechtsverkehrs bleibt. 

Scholtz (Breslau). 


Löblowitz J. $., Frauenasyle, eine hygienische Studie. Deutsche 
Vierteljahrsschr. f. öffentl. Gesundheitspfl. Bd. 32. S. 567. 

Verf. geht davon aus, dass das Bedürfniss nach ausserehelichem Ge- 

schlechtsverkehr zum allergrössten Theil bei Angehörigen der Prostitution, 


810 Medicinalwesen. 


d. h. bei Dirnen, welche die Unzucht gewerbsmässig betreiben, gedeckt wird, 
und dass die derzeit geübte Kontrole der Prostituirten bei der Bekämpfung 
der Gonorrhoe nichts oder sehr wenig leistet, bezüglich der Syphilis und des 
weichen Schankers die Resultate zwar etwas günstiger, aber bei Weitem noch 
nicht ausreichend sind. Nach der Statistik von Sperk in St. Petersburg 
machen alle Prostituirten Syphilis durch, und zwar entweder schon vor ihrem 
Eintritt in die Prostitution oder doch bald nachher, und da fast die Hälfte 
der Prostituirten beständig sich im infektiösen Stadium dieser Krankheit be- 
findet, kommt der Verf. zu dem Schluss, dass die Prostituirten als die Haupt- 
quellen der syphilitischen Infektion anzusehen sind. Deshalb hat die Regle- 
mentirung neben einer scharfen Kontrole der Prostituirten dafür zu sorgen, 
dass die syphilitischen Prostituirten während des infektiösen Stadiums ihrer 
Krankheit, das der Verf. auf durchschnittlich 2 Jahre annimmt, von der 
Ausübung ihres Gewerbes zwangsweise zurückgehalten werden. Zu den Pro- 
stituirten rechnet der Verf. auch die nicht kontrolirten, aber die Prostitution 
gewerbsmässig betreibenden Dirnen (Strassendirnen, ehemalige Prostituirte, 
die sich der Kontrole entzogen haben, Anfängerinnen der Prostitution) und 
Frauenspersonen, die unter dem Deckmantel eines anständigen Berufes ge- 
werbsmässig Unzucht treiben (gewisse Sorten von Kellnerinnen, Blumenmäd- 
chen, Ladeninhaberinnen u. a.). Zur Aufnahme der syphilitischen Prostituirten 
während des infektiösen Stadiums sollen die vom Verf. in Vorschlag gebrachten 
Frauenasyle dienen, wie solche auch von Finger auf dem internationalen 
Kongress in Brüssel empfohlen wurden. Bezüglich der Begründung des Vor- 
schlages und der Art seiner Ausführung muss auf die Arbeit selber verwiesen 
werden. Nach Meinung des Ref. wird eine Besserung auf diesem Gebiet, von 
den Maassnahmen der persönlichen Hygiene abgesehen, erst dann zu erwarten 
sein, wenn bei der Syphilis wie bei jeder anderen ansteckenden Krankheit ver- 
fahren wird, d. h. wenn im einzelnen Falle so lange eine Unschädlich- 
machung und Isolirung erfolgt, bis jede Gefahr der Weiterverbreitung ausge- 
schlossen ist. Roth (Potsdam). 


Reincke J. J., Das Medicinalwesen des Hamburgischen Staates. 3. Aufl. 
Hamburg 1900. W. Mauke Söhne. 

Die Ordnung des Medicinalwesens im Hamburgischen Staate hat 
in den letzten Jahren im Anschluss an die grosse Choleraepidemie von 1892 
durch die Einführung vieler neuer Einrichtungen wesentliche Veränderungen 
erfahren. Das Buch von Reincke, dem Medicinalrathe des Hamburgischen 
Staates, auf dessen Initiative die in den letzten Jahren geschaffenen hygie- 
nischen Verbesserungen hauptsächlich zurückzuführen sind, fasst den jetzigen 
Stand der Dinge in klarer und übersichtlicher Form zusammen, in dem Be- 
streben, sowohl den Behörden, die mit Medicinal-Angelegenheiten in irgend 
einer Hinsicht zu thun haben, wie auch den in Hamburg prakticirenden 
Aerzten, denen bei ihrer Niederlassung je ein Exemplar des Buches übergeben 
wird, eine schnelle und bequeme Orientirung über alle einschlägigen Vor- 
schriften zu ermöglichen. 


Medicinalwesen. 811 


Für die Leser dieser Zeitschrift wird es von Interesse sein, in grossen 
Zügen ein Bild von dem Medicinalwesen in Hamburg, soweit es hygienische 
Verhältnisse zum Gegenstande hat, entworfen zu sehen, zumal da die Orga- 
nisation des Gesundheitswesens in Hamburg in Folge der republikanischen 
Verfassung des Staates und anderer Momente wesentlich von der in anderen 
deutschen Bundesstaaten bestehenden sich unterscheidet. 

Das Hamburger Medicinalwesen wird geleitet, entsprechend der verfassungs- 
mässigen Vertheilung der Verwaltung in einzelne Deputationen, von dem 
Medicinalkollegium, das sich in der Hauptsache zusammensetzt aus zwei 
Mitgliedern des Senats, Vertretern der Bürgerschaft (des Hamburger Parla- 
ments), einer Anzahl der beamteten Aerzte, den Direktoren von zweien der 
staatlichen Krankenhäuser und einigen praktischen Aerzten. Der erste Beamte 
dieses Kollegiums ist der Medieinalrath, dem die Ueberwachung und Be- 
arbeitung aller Verhältnisse der öffentlichen Gesundheitspflege obliegt. Er 
leitet das Medicinalamt, in dessen umfangreichem Bureau auch alle das 
Medicinalwesen betreffenden statistischen Arbeiten erledigt werden. Dem Me- 
dieinalrath beigegeben oder unterstellt sind als ärztliche Beamte 7 Physici, 
von denen drei als Gerichtsärzte fungiren, einer, der Verwaltungspbysikus, die 
Geschäfte des Apotheken-, Hebammen-, Krankenhauswesens bearbeitet, wäh- 
rend die übrigen drei ausschliesslich auf hygienischem Gebiete tbätig sind, 
und zwar zwei als Stadtärzte, einer als Hafenarzt. Alle Physici, mit 
Ausnahme des Hafenarztes, haben das Recht freier ärztlicher Praxis. 

Die Stadtärzte haben in den ihnen zugewiesenen Stadthälften die ge- 
sundheitlichen Verbältnisse zu überwachen. Sie haben u. a. Ermittelungen 
beim Auftreten ansteckender Krankheiten anzustellen und die zur Unterdrückung 
erforderlichen Maassnahmen anzuordnen, an der Durchführung des Wohnungs- 
pflege- und Abfuhrgesetzes mitzuarbeiten, die Wasserversorgungsanlagen und 
niederen Herbergen zu überwachen, gewerbliche Anlagen von hygienischer 
Bedeutung zu begutachten, die Schulhygiene zu behandeln, Gutachten über 
die Gesundheitsschädlichkeit von Nahrungsmitteln u. dergl. abzugeben und 
vor Gericht zu vertreten u. a. m. 

Dem Hafenarzt liegt die Ueberwachung der gesundheitlichen Zustände 
im Hafen nnd unter der gesammten Schiffsbevölkerung ob, ferner die gesund- 
heispolizeiliche Kontrole der Seeschiffe in Cuxhaven, dem Hamburger Hafen 
an der Elbmündung und endlich die Leitung des in jüngster Zeit von Ham- 
burg im Einvernehmen mit dem Reiche gegründeten tropenhygienischen In- 
stituts. 

Zur Ausführung hygienisch wichtiger Untersuchungen ist das dem Me- 
dicinalrathe unterstellte, 1893 gegründete hygienische Institut bestimmt, 
das in einem 1899 fertig gestellten Neubau untergebracht, mit reichen Mitteln 
dotirt und mit der polizeilichen Untersuchungsstation für Nahrungsmittel ver- 
bunden ist. Zu ibm gehört ferner eine Versuchsanlage zur Klärung von Siel- 
wässern und eine Filiale auf den Wasserwerken, in der eine regelmässige 
tägliche Untersuchung des in die Stadt gelieferten Trink- und Brauchwassers 
erfolgt. 

Die staatliche Lymphgewinnungsanstalt und das gesammte Impf- 


812 Medicinalwesen. 


wesen wird unter Aufsicht des Medicinalrathes von einem Oberimpfarzt 
mit Unterstützung einer Anzahl als Impfärzte angestellter praktischer Aerzte 
geleitet. 

Ein beim Hafenkrankeuhause errichtetes Beobachtungshaus mit etwa 
100 Betten ist zur Aufnahme der Insassen evakuirter Häuser in Zeiten von 
Epidemien bestimmt und untersteht, was den ärztlichen Dienst anlangt, eben- 
falls dem Medicinalrathe. 

Eine eigenartige Institution besitzt Hamburg in der Verwendung einer 
Anzahl jüngerer praktischer Aerzte als Hilfsarbeiter des Medicinalamtes, 
die während ihrer dreijährigen Beschäftigung in dieser Thätigkeit die Medi- 
einalgesetze und deren Handhabung kennen lernen. Sie bilden, wenn in 
Zeiten von Epidemien eine Erweiterung des Stabes der Medicinalbehörde nöthig 
wird, eine werthvolle Reserve und können mit ihrer Geschäftskenntniss we- 
sentliche Dienste leisten. 

Englischem Vorbilde entspricht die Beschäftigung von Laien als Gesund- 
heitsaufseber zur Unterstützung der Medieinalbeamten. Diesen Elementen, 
die bisher meist aus den Kreisen der Bautechniker ausgewählt und durch 
einen hygienischen Unterrichtskursus geschult worden sind, werden solche Er- 
mittelungen, Besichtigungen und Berichterstattungen übertragen, für deren Aus- 
führung eine medicinische Vorbildung nicht erforderlich ist. 

Soviel von der Organisation der Medicinalbehörde. Was die das Gebiet 
der öffentlichen Gesundheitspflege betreffenden gesetzlichen Vorschriften 
angeht, so erfreut sich Hamburg ausser den für das ganze Reich gültigen 
Gesetzen einer grossen Zahl von segensreich wirkenden Specialbestim- 
mungen, deren wichtigste unter Beobachtung der im Reincke’schen Buche 
gegebenen Reihenfolge kurz hervorgehoben werden mögen. 

Nahrungsmittel. Den Verkehr mit Milch regelt seit 1894 mit be- 
merkenswerth günstigem Erfolge ein besonderes Gesetz. Seit demselben Jahre 
ist ein Gesetz in Kraft, das amtliche Fleischschau und Schlachthauszwang 
eingeführt hat. Der ständigen Kontrole des von den staatlichen Filterwerken 
gelieferten Trinkwassers wurde schon gedacht. 

Wohnungen. 1898 wurde ein Wohnungspflegegesetz erlassen. Die Stadt 
ist in Kreise eingetheilt, in denen Wohnungspfleger unter Leitung von Kreis- 
vorstehern, diese wie jene bürgerliche Elemente in ehrenamtlicher Thätigkeit, 
unter Mitwirkung bautechnischer und ärztlicher Sachverständiger die Besse- 
rung schlechter, die Beseitigung ungesunder Wohnungen zu erreichen streben. 
Ein gutes Baupolizeigesetz sichert vor der Entstehung neuer unhygienischer 
Wohnungen. 

Beseitigung der Abfallstoffe. Ein Gesetz vom Jahre 1899 regelt 
die Verhältnisse in den au der Peripherie der Stadt belegenen, noch nicht 
besielten Strassen durch die Einführung eines staatlichen Kübelabfuhrsystems. 

Gewerbliche Betriebe. Jeder Plan einer neuen Anlage unterliegt der 
Begutachtung durch die Medicinalbehörde. s 

Schutz des kindlichen Alters. Ein staatlich angestellter Ammen- 
arzt prüft den Gesundheitszustand jeder Fřauensperson, die sich als Amme 
vermiethen will. Das Halten von Kostkindern ist durch ein Gesetz geordnet. 


Medicinalwesen. 813 


Die Einführung von Schulärzten steht in Aussicht; vor der Hand liegt den 
Stadtärzten die Thätigkeit solcher ob. 

Gesnndheitspflege auf Schiffen und im Hafen. Der maassgeben- 
den Bedeutung des Schiffsverkebrs für Hamburgs ganze Existenz entsprechend 
ist diesem Gebiete besondere Fürsorge gewidmet, wie sich schon in der An- 
stellung eines Hafenarztes mit einer ganzen Reihe von ärztlichen Assistenten 
und sonstigen Hülfskräften zeigt. Von Einzelheiten sei nur bemerkt, dass 
eine ständige Ueberwachung des Gesundheitszustandes aller im Hafen liegenden 
Schiffe stattfindet, dass für Versorgung der Schiffe mit gutem Trinkwasser und 
Vermeidung von Verunreinigung des Hafens durch Abfälle von den Schiffen 
Sorge getragen ist, dass Auswanderer in besonderen Quartieren untergebracht 
und von einem staatlich angestellten Auswandererarzt auf ihren Gesundheits- 
zustand untersucht werden. 

Bekämpfung ansteckender Krankheiten. Auch in dieser Hinsicht 
nehmen die auf den Schiffsverkehr bezüglichen Vorschriften und Einrichtungen 
einen hervorragenden Platz ein. Eine gesundheitliche Kontrole der von seuche- 
verdächtigen Orten kommenden Schifte findet zunächst in Groden bei Cux- 
haven, wo sich auch eine Quarantäne- und Desinfektionsanstalt befinden, statt 
und wird dann in Hamburg selbst täglich wiederholt. 

Seit 1872 besteht Meldepflicht bei jedem Falle der wichtigeren anstecken- 
den Krankheiten. Zum Transport ansteckender Kranker besteht eine beson- 
dere Transportkolonne mit eigenem Wagenpark. Desinfektionsanstalten sind 
in der Stadt zwei vorhanden. Bei allen Fällen infektiöser Krankheiten, in 
denen der zuständige Medicinalbeamte eine Desinfektion für nothwendig hält, 
wird dieselbe kostenlos ausgeführt. Auch zur Reinigung von Wohnungen, die 
in gesundheitsgefährlicher Weise verschmutzt sind, werden die Desinfektions- 
anstalten herangezogen. 

Eigenartig sind die Maassnahmen beim Abdominaltyphus. In jedem Falle 
dieser Krankheit werden sofort, nachdem beim Medicinalamt die Meldung der 
Erkrankung eingegangen ist, unentgeltlich Chlorkalk, Kresolseifenlösung und 
Gefässe zur Desinfektion der Abgänge und der Wäsche in die Wohnung des Er- 
krankten geliefert, Anweisungen zu sachgemässem Gebrauche und Belehrungen 
über die Infektionsgefahr ertheilt. 

Besondere Vorschriften zur Vermeidung von Infektionen bestehen 
für Barbiere und Friseure, ferner für die Betriebe, in denen Milzbrandansteckun- 
gen vorkommen können. Unter ständiger medicinalpolizeilicher Aufsicht stehen 
die Leprakranken, von denen stets eine Anzahl in Hamburg zu finden ist. Im 
Interesse der Pestprophylaxe ist ein Kampf gegen die Ratten unter Verthei- 
lung von Prämien eröffnet. Zur Vermeidung von Tuberkuloseinfektionen sind 
Belehrungen an die Bevölkerung ergangen. 

Leichenwesen. Bereits seit 1820 ist Hamburg im Besitz obligatorischer 
ärztlicher Leichenschau. Ausser einem vortrefflich angelegten riesigen Fried- 
hofe besteht ein Krematorium für Leichen. 

Hamburg, das als grösste Handelsstadt des Deutschen Reiches der Gefahr 
der Einschleppung von Seuchen vom Auslande her ganz besonders ausgesetzt 
ist, ist bemüht, wie die vorstehende Uebersicht zeigt, dieser Gefahr durch 


814 Kleinere Mittheilungen. 


gute Organisation seines Medicinalwesens und Ausbau der hygienischen Ein- 
richtungen entgegenzuwirken. Dass der Erfolg dieser Maassregeln ein erfreu- 
licher ist, zeigt sich z. B. in dem starken Herabgehen der Typhusfälle und 
in dem Absinken der allgemeinen Sterblichkeit bis auf ca. 17 pM. Auch bei 
dem Nahen exotischer Seuchen hat sich die Neuordnung des Medicinalwesens 
bereits bewährt und wird es ohne Zweifel auch in Zukunft thun. 

R. Abel (Hamburg). 


Kleinere Mittheilungen. 


(:) Lannelongue, Achard und Gaillard haben der Pariser académie des 
sciences am 6. Mai d. J. über umfangreiche Versuche berichtet, die den Einfluss 
mangelhafter Ernährung, starker Muskelarbeit und der Staubeinath- 
mung auf die Entwickelung der experimentellen Tuberkulose erweisen 
sollten. Zu diesem Zwecke wurden am 19. Oktober 100 Meerschweinchen mit Tuberkel- 
bacillen in die Pleurahöhle geimpft und die Thiere dann in 10 Gruppen eingetheilt. 
Zwei dienten zur Kontrole; von den 20 Mitgliedern lebten am Berichtstage noch 17. 
Je eine wurde täglich grossen Staubmengen und zwar die eine mit Colibacillen ge- 
schwängertem Staube ausgesetzt; von beiden Reihen lebte nur noch 1 Thier. Eine 
fünfte Serie wurde gut ernährt, musste aber täglich 1 Stunde im Laufkäfig etwa 500m, 
eine sechste 1000 m zurücklegen; die Angehörigen der ersten waren am 1. März, die 
der zweiten am 31. Januar sämmtlich verendet. Wurde die Nahrung zu gleicher Zeit 
noch auf etwa ein Viertel vermindert, so trat der Tod schon vor dem 6. Febıuar ein: 
fiel die Arbeit fort und blieb nur die unzureichende Ernährung, so konnte das Leben 
bis zum 1. April erhalten werden u. s. f. (Sem. med. 1901. p. 163.) 


(:) Wie Widal in der société médicale des hôpitaux vom 14. Juni d. J. mitge 
theilt, tritt im Blute von Typhuskranken schon früh der von Bordet als sub- 
stance sensibilisatrice beschriebene, von Ehrlich Zwischen- oder Immunkörper ge- 
nannte Stoff auf, der Typhusbacillen vernichtet. Zum Beweise hierfür verfahr W. nach 
der von Bordet und von Ehrlich angegebenen Versuchsanordnung. Das Serum 
wurde auf 56° erhitzt und dann normalem Serum zugefügt, in dem die Tyyphusbaeillen 
aufgeschwemmt waren; das letztere lieferte nun das Complement (Alexin) und es trat 
Zerstörung der Bakterien ein: brachte man nun weiter mit ebenfalls erhitztem hämo- 
lytischem Serum vorbehandelte rothe Blutkörperchen hier hinein, so erfolgte keine 
Auflösung, da das Complement verbraucht und durch den Typhusimmunkörper an die 
Typhusbacillen verankert worden war u. s. w. (Sem. med. 1901. p. 203.) 


(:) Etienne beschreibt (Sem. med. 1901. p. 196) einen lehrreichen Fall von 
bösartigster allgemeiner Sepsis, der im Anschluss an eine einfache Angina auftrat 
und binnen wenigen Tagen, ohne irgend eine voraufgegangene Lokalisation der Krank- 
heitserreger, zum Tode führte. Im Blute und allen inneren Organen fanden sich grosse 
Mengen des Staphylococcus aureus. ` 


() Talamon vertritt die Meinung, dass der im Verlauf der Pneumonie nicht 
selten auftretende Herpes zoster durch den Pneumokokkus selbst oder sein Gift 
hervorgerufen sei, dass es sich hier um eine „pneumococcie de la peau“ handele. Aber 


Kleinere Mittheilungen. 815 


anch für viele bei anderen Gelegenheiten vorkommende derartige Hautaffektionen nimmt 
er nach seinen Erfahrungen die gleiche Aetiologie an. 
(Sem. med. 1901. p. 143.) 


Stand der Seuchen. Nach den Veröffentlichungen des Kaiserlichen Gesund- 
heitsamtes. 1901. No. 29 u. 30. 

A. Stand der Pest. I. Frankreich. Marseille. Auf dem aus Ostasien ein- 
getroffenen Dampfer Laos sind bis 11. 6. 14 arabische Heizer an der Pest erkrankt 
und 4 davon gestorben, nachdem schon in Suez ein Heizer als pestkrank dem Hos- 
pital übergeben werden musste. II. Türkei. Stambul. 2.7.: 1 weitere Erkrankung. 
1 Erkrankung im Stadttheil Galata. 17.7.: 2 Erkrankungen im Stadttheil Balat. 
Die Fälle im Stadttheil Kaszimpascha und im italienischen Hospital sind 
durch ägyptische Schiffe eingeschleppt worden. III. Aegypten. 28.6.—5.7.: Zaga- 
zig 10Erkrankungen, 5Todesfälle. Alexandrien: lErkrankung. 6.—12.7.:Zagazig: 
3 Erkrankungen, 2 Todesfälle, Alexandrien: 2 Erkrankungen, 1 Todesfall. Port 
Said: 2 Erkrankungen. Vl. Britisch-Ostindien. Präsidentschaft Bombay. 
2.—8. 6.: 749 Erkrankungen und 575 Todesfälle. 9.15. 6.: 681 Erkrankungen und 
521 Todesfälle. 16.—22.6.: 642 Erkrankungen und 492 Todesfälle. Stadt Bombay. 
2.-8.6.: 118 Erkrankungen, 107 Todesfälle. 9.—15.6.: 77 Erkrankungen, 69 Todes- 
fälle. 16.—22. 6.: 61 Erkrankungen, 49 Todesfälle. Ausserdem wurden in diesen 
3Wochen 274-205-167 Sterbefälle als pestverdächtig bezeichnet. Kalkutta. 2.—8.6.: 
37 Erkrankungen und 40 Todesfälle. 9.—15.6.: 29 Erkrankungen und 48 Sterbefälle. 
V. Hongkong. Während der 3 Wochen vom 19.5.—8.6.: 200-215-161 Erkrankungen 
und 187-207-155TTodesfälle. VI. Japan. Nagasaki. Auf dem amerikanischen Trans- 
portdampfer „Kintuck“, der aus Hongkong kam, erkrankte am 2. 6. ein chinesischer 
Heizer und starb am 3. 6. im Quarantänehospital. VII. Mauritius. 10. 5.—6. 6.: 
2Erkrankungen, 1Todesfall. VIII. Kapland. Kapstadt. In den beiden Wochen vom 
9—22. 6.: wurden dem Pesthospital 7 resp. 4 Kranke überwiesen. In Behand- 
lung befanden sich am 15. resp. 22. 6.: 79 resp. 69 Kranke, als pestverdächtig 
waren unter Beobachtung an diesen beiden Tagen: 13 resp. 16, nachdem im Laufe der 
ersten beiden Wochen bei 2 Pest festgestellt worden war. In den Contact camps 
waren am 22. 6.: 522 Personen unter Beobachtung. Port Elizabeth. 16.—22. 6.: 
l Erkrankung und 3 Todesfälle. IX. Brasilien. 5. 7.: in Rio de Janeiro 3 Er- 
krankungen. X. Queensland. 5.—25. 5.: 5 Erkrankungen. 26.—31. 5.: 3 Erkran- 
kungen, 2 Todesfälle. 1.—8. 6.: 3 Erkrankungen und 2 Todesfälle. XI. West- 
Australien. 2.—3. 6.: keine Neuerkrankungen, keine Todesfälle. 

B. Zeitweilige Maassregeln gegen Pest. Deutsches Reich. Durch 
Rundschreiben des Reichskanzlers sind die Regierungen der Bundesseestaaten ersucht 
worden, die aus den türkischen Häfen im Bosporus und Marmarameer, ferner aus den 
Häfen der europäischen Türkei im Schwarzen Meer und im Aegäischen Meer, weiter 
die aus Porto und dessen Vorhafen Leixoes eintreffenden Seeschiffe der gesundheits- 
polizeilichen Kontrole zu unterwerfen. 

C. Stand der Cholera. I. Britisch-Ostindien. Kalkutta. 1.—8. 6.: 
63 Todesfälle. 9.—15. 6.: 53 Todesfälle. 

D. Stand der Pocken. Italien. Im Monat Mai: Stadt Neapel: 686 Erkran- 
kungen und 145 Todesfälle. Landkreis Neapel: 189, Caseria: 108, Castella- 
mare: 83, Puzzurli: 95 Erkrankungen. Im Monat Juni: Stadt Messina: 58 Er- 
krankungen; auch in der Provinz Messina hat sich die Seuche ausgebreitet. 

Jacobitz (llalle a. S.). 


Beilage zur „Hygienischen Rundschau“, 
XI. Jahrgang. Berlin, 15. August 1901. en No, 16. 


Zweite Jahresversammlung des Allgemeinen Deutschen Vereins 
für Schulgesundheitspflege. 


Bericht von Dr. Rudolf Abel (Hamburg). 


Am 31. Mai 1901 hielt der Allgemeine Deutsche Verein für Schul- 
gesundheitspflege zu Wiesbaden unter Vorsitz von Prof. Griesbach 
(Mülhausen) seine zweite Jahresversammlung ab. Die bisherige Entwickelung 
des Vereins hatte ihn in nahe Verbindung mit den jährlichen Versammlungen 
Deutscher Naturforscher und Aerzte gebracht. Auf der Naturforscher-Ver- 
sammlung zu Düsseldorf 1898 wurde von Griesbach die Anregung zu seiner 
Bildung gegeben. Die Naturforscher-Versammlung zu München 1899 sah den 
Verein sich konstituiren. Im Anschluss an die Aachener Naturforscher-Ver- 
sammlung 1900 veranstaltete der Verein seins erste Jahresversammlung. 

Mit diesem Jahre nun hat er sich von der Naturforscher-Versammlung 
losgelöst; ob zu seinem Vortheil, muss billig bezweifelt werden. Von den 
Tausenden von Naturforschern und Aerzten, die jährlich die Naturforscher- 
Versammlung besuchen, würden gewiss nicht wenige an den Verhandlungen 
des Vereins theilnehmen, wenn dieser zu gleicher Zeit und am selben Orte 
mit der Naturforscher-Versammlung tagte. Nicht gar zu viele werden sich 
dagegen entschliessen, eigens um den Versammlungen des Vereins beiwohnen 
zu können, aus ihren Berufsgeschäften sich herauszureissen und eine vielleicht 
weite und unbequeme Reise zu unternehmen. Demgegenüber ist es nur ein 
geringer Vortheil, dass der Verein in Folge seiner Trennung von der Natur- 
forscher-Versammlung nun in der Lage ist, Orte für seine Tagungen auszu- 
wählen, die schulhygienisch an der Spitze marschieren und den Theilnebmern 
der Versammlung gute Schulbauten und sonstige Schuleinrichtungen vorzu- 
führen vermögen. Auch die Städte, in denen die Naturforscher-Versammlung 
tagt, würden regelmässig wenigstens einiges Gute auf diesen Gebieten zu zeigen 
in der Lage sein, und ausserdem lernt man bekanntlich oft mehr von Besich- 
tigungen mangelhafter als vollkommener Anlagen! 

Von den etwa 200 Besuchern der diesjährigen Versammlung hatten unge- 
fähr drei Viertel ihren Wohnsitz io Wiesbaden und den nächstbenachbarten 
Orten. Etwa 25 Regierungen, Städte und Korporationen hatten Vertreter ent- 
sandt. Die Schulmänner überwogen unter den Theilnehmern ganz bedeutend. 
Aerzte waren im Verhältniss dazu nur spärlich zugegen; zumal fehlten die 
officiellen Vertreter der Hygiene an den Universitäten (bis auf Erismann-Zürich, 
der zur Zeit ja auch kein Lehramt mehr bekleidet), ebenso die meisten Aerzte, 
die sich in Deutschland einen Namen auf dem Gebiete der Schulhygiene ge 
macht haben, während Medicinalbeamte wenigstens in einiger Zahl erschienen 
waren. Die somit etwas einseitige Zusammensetzung der Versammlung machte 
sich auch in dem Verlauf der Tagung deutlich insofern geltend, als die Ver- 
handlungen vielfach von dem eigentlichen Thema abschweiften und in ein 


2. Jahresversammlung d. Allgem. Deutschen Vereins f. Schulgesundheitspflege. 817 


rein pädagogisches Fahrwasser hineinlenkten, ein Punkt, auf den noch zurück- 
zukommen sein wird. 


Nachdem ein leider beträchtlicher Theil der kostbaren Verhandlungszeit 
durch ein Dutzend Schema F-Ansprachen officieller Redner absorbirt, ein kurzer 
Geschäftsbericht erstattet und die Zahl der Ehrenmitglieder des Vereins auf 
Vorschlag des Vorstandes um nicht weniger als sieben vermehrt worden war, 
kam als erstes Thema zur Verhandlung: „Die neue preussische Schul- 
reform in Beziehung zur Schulhygiene“. Der erste Referent, Oberreal- 
schuldirektor Schotten (Halle) behandelte das Thema in formvoller und 
auregender Weise. Schon die erste allgemeine Schulkonferenz von 1890, 
führte er aus, hat manche guten Varschläge gebracht, wenn auch im Ganzen 
der „grüne Tisch“ in ihren Beschlüssen unverkennbar zu bemerken ist. Ver- 
wirklicht worden sind von ihren Anregungen nur die bessere Entwickelung 
des Turnunterrichtes, der Jugendspiele und der sportlichen Uebungen. Die 
zweite Schulkonferenz im Juni 1900 hat nach zwei Richtungen gute Resultate 
gehabt: sie hat die sogenannten Abschluss- und Ergänzungsprüfungen zur 
Erreichung der Befähigung für den einjährigen Militärdienst beseitigen helfen 
und eine Verlängerung des Pausen zwischen den Schulstunden in die Wege 
geleitet. Zu thun bleibt aber noch viel. So ist z. B. die Vorschule der 
höheren Schulen ganz besonders ins Auge zu fassen, die in 3 Jahren dasselbe 
Lehrziel erreichen soll wie die Bürgerschule in 4 Jahren, dadurch aber die 
Schüler überbürdet und frühzeitig zur Nervosität .disponirt. Die höheren 
Schulen bedürfen der Schulärzte nicht minder als die Volksschulen. Die 
Jugendspiele und Turnfahrten haben ihren Zweck nur unvollkommen erfüllt, 
weil der Lehrer selbst wenig Freude daran hat, da ihm die Verantwortung 
für alle Vorkommnisse, wie Unglücksfälle und dergleichen, aufgepackt ist, 
und er, um sich vor Unannehmlichkeiten zu sichern, die Schüler so streng 
dabei beaufsichtigen muss, dass diesen die körperlichen Uebungen mehr Dienst 
als Erholung sind. Ist so noch manches besserungsbedürftig, so möge der 
Verein doch zunächst nur Dinge erstreben, die sich ohne Schwierigkeiten und 
vor Allem ohne Kosten verwirklichen lassen. Als solche Gegenstände empfiehlt 
der Redner die Frage einer Regelung der Ferienvertheilung und die Verlegung 
des Schuljahrbeginnes vom Frühjahr in die Zeit nach den grossen Sommer- 
ferien. In seinen Schlussworten weist der Vortragende darauf hin, wie unbe- 
rechtigt die heutzutage bestehende Neigung sei, der Schule die Schuld an 
allen Schädigungen der Gesundheit der Kinder zur Last zu legen, während 
doch oft die Verhältnisse in der Häuslichkeit der Kinder von viel schädlicherem 
Einflusse seien. Ohne Mitarbeit des Elternhauses könne die Schule die Kinder 
nicht zu gesunden Bürgern erziehen. 

Der zweite Referent, Dr. med. Korman (Leipzig) war krankheitshalber 
nicht erschienen. Die von ihm eingesandten Thesen gipfelten in der Forde- 
rung eines Mitwirkens der Aerzte an der Schulreform und einer Verurtheilung 
der Schulexamina. 

Die Diskussion, an der sich sehr zahlreiche Redner betheiligten, hielt 
sich leider nicht an das zur Erörterung stehende Thema, sondern erstreckte 


818 2. Jahresversammlung d. Allgem. Deutschen Vereins f. Schulgesundheitspflege. 


sich über die verschiedensten Gebiete der Schulhygiene und noch darüber 
hinaus auf allerlei Einzelheiten des Unterrichtes. Man hörte so zwar maucherlei 
interessante Mittheilungen, doch blieb es mangels einer Beschlussfassung 
schliesslich unklar, wie denn eigentlich die Stellung der Versammlung in ihrer 
Mehrheit zu der Schulreformfrage war. Die Verlegung des Schuljahranfanges 
auf den Herbst wurde von mehreren Seiten empfohlen mit der Begründung, 
dass bei dem bisherigen Modus, dem Beginn des Schuljahres im Frühjahr, die 
Pfingstferien und namentlich die langen Sommerferien, in denen die Kinder 
eine Menge eben mühsam Gelerntes wieder vergessen, die Erreichung des 
Unterrichtszieles erschwerten, während andererseits wieder am Ende des Schul- 
jahres in den kurzen Osterferien den Kindern nicht genügend Zeit zur Er- 
holung gegeben sei. Alle diese Mängel beseitige die Verlegung des Schul- 
jahrbeginnes auf den Herbst nach den grossen Ferien. Oberbürgermeister 
Pabst (Weimar) gab zu erwägen, ob es sich nicht empfehle, die Schulpflicht 
der Kinder erst ein Jahr später als bisher eintreten zu lassen. Prof. Vietor 
(Marburg) verlangte Beseitigung alles grammatischen Unterrichtes in der Vor- 
schule. Andere Redner befürworteten Abschaffung der Vorschule überhaupt 
zu Gunsten einer allen Kindern gemeinsamen Volksschulbildung als Vorbereitung 
für die höheren Schulen. Von mehreren Seiten wurde die Anstellung von 
Schulärzten auch für die höheren Schulen verlangt. Dr. med. Laquer (Frank- 
furt a. M.) wies darauf hin, dass viele „nervöse“ Kinder der höheren Schulen 
nichts als geistig minderbegabte seien, die in die höheren Schulen eben gar 
nicht gehörten. Prof. Leubuscher berichtete, dass Schulärzte in Meiningen 
auch für die Landschulen angestellt seien, und dass am sachsen-meiningenschen 
Lebrerseminar Unterricht in Schulhygiene ertheilt werde. Auch einige An- 
sichten, die lebhaftes Kopfschütteln erregen mussten, wurden laut. So wünschte 
Prof. Dahn (Braunschweig), dass Vorschläge zur Verbesserung der Lehr- 
methoden vorzubringen ein für alle Male im Vereine verboten werde, ein An- 
sinnen, das natürlich ohne Wirkung blieb! Von anderer Seite wurde verlangt, 
dass, wenn nun einmal die Lehrer eine gewisse hygienische Bildung haben 
sollten, umgekehrt auch die Schulärzte pädagogische Kenntnisse nachweisen 
müssten; als wenn nicht gerade damit die bisher so glücklich vermiedene 
Gefahr wieder drohend würde, dass die Schulärzte nicht rein ärztliche Berather 
der Schule bleiben, sondern auch in die pädagogische Thätigkeit der Lebrer 
einzugreifen geneigt werden! 


Als nächstes Thema kamen „die schulhygienischen Einrichtungen 
der Stadt Wiesbaden“ zur Verhandlung. mit den Herren Stadtschulinspektor 
Rinkel, Schularzt Dr. Cuntz und Baurath Genzmer als Referenten. Wies- 
baden besitzt neue Schulgebäude, die als vortrefflich gelten können. Weitere 
Neubauten sind erforderlich, da manche Klassen noch eine Frequenz von über 
60 Schülern haben. Vier der fünf Volksschulen haben Brausebäder. Es 
badeten in einer Mädchenschule 24—67 pCt., in einer Knabenschule 50 — 98 pl. 
der Kinder, leider, wie zu erwarten war, gerade die nicht, die es am nöthigsten 
haben. Von Einführung einer Badepflicht ist Abstand genommen worden. 
Auf jeden der sechs Schulärzte kommen z. Z. etwa 1430 Kinder, eine Zahl, 


2. Jabresversammlung d. Allgem. Deutschen Vereins f. Schulgesundheitspflege. 819 


die zu hoch ist. 1200 würden als Maximum gelten müssen. Die Bevölkerung 
gewinnt immer mehr Vertrauen zu den Schulärzten, wie sich daraus ergiebt, 
dass die Zahl der Untersuchungen von Kindern durch den Hausarzt statt durch 
den Schularzt stetig abnimmt. Ein Recht zur ärztlichen Kontrole des Unter- 
richtes besitzen die Schulärzte bisher nicht, wünschen es aber zu erreichen. 
Die Thätigkeit der Schulärzte leitet bis zu einem gewissen Grade der älteste 
von ihnen im Verein mit zwei Magistratsmitgliedern; Unterordnung unter einen 
beamteten Arzt würde nicht im Interesse der Sache liegen. Von den Grund- 
sätzen, die beim Bau von Schulen verfolgt werden, sind hervorzuheben: Ver- 
meidung von Nord- und Südwestlage der Klassenzimmer, 4—4,5 cbm Luft- 
raum pro Kind, Lichteinfallswinkel von 30°; zweisitzige Schulbänke ohne 
bewegliche Sitze und Tische. Einseitige Bebauung der Korridore, Aborte in 
den Etagen mit Vorraum, vom Flur regulirbare Niederdruck-Dampfheizung. 
Die am Tage darauf erfolgende Besichtigung zweier neuer Schulen zeigte üppig 
ausgestattete Gebäude mit fast durchweg guten Einrichtungen; Muster für 
andere Orte können diese J,uxusbauten einer reichen Stadt aber kaum abgeben! 


Das dritte Verhandlungthema lautete: „Ueber Einführung einer ein- 
heitlichen Schreib- und Druckschrift“. Der erste Referent, Rektor 
Müller (Wiesbaden), hob hervor, was für eine Belastung es für die Kinder 
sei. acht Alphabete — lateinische und deutsche Schreib- und Druckschrift, 
klein und gross — lernen zu müssen. Man möge auf die Frakturschrift ver- 
zichten, die doch nur fälschlich deutsche heisse, aber nicht deutschen Ur- 
sprungs sei, und die lateinische Schrift allein lehren, da sie Weltschrift und x 
dabei viel besser lesbar als die Fraktur sei. Die Zeit, die man darch Bei- 
seitesetzung der deutschen Schrift spare, könne für andere Unterrichtsgegen- 
stände Verwendung fioden. Augenarzt Dr. Gerloff (Wiesbaden), der zweite 
Referent, legte dar, dass deutsche und lateinische Schrift zwar in gleicher 
Entfernung, dieselbe Buchstabengrösse vorausgesetzt, lesbar sind, dass man 
aber längere Zeit braucht, um deutsche Schrift zu entziffern, als um lateinische 
zu lesen. Zum Belege dafür hatte er in der Pause vor seinem Vortrage rechts 
und links am Saaleingange zwei Abreissblocks aufgehängt; auf beiden waren 
seine Thesen verzeichnet, und zwar auf dem einen Block mit grossen latei- 
nischen, auf dem anderen mit grossen dentschen Lettern. Weitaus die Mehr- 
zahl der Versammlungstheilnehmer hatte im Vorbeigehen an der Saalthür von 
dem Block mit der lateinischen Schrift einen Zettel abgerissen. Der Redner 
glaubt daraus schliessen zu dürfen, dass das Lateinische eben leichter lesbar 
und deshalb der Block mit den lateinischen Lettern von den Besuchern be- 
vorzugt worden sei. (Ein Trugschluss: Abgesehen davon, dass Viele rein me- 
chanisch von diesem oder jenem Block ein Blatt abrissen, kommt in Betracht, 
dass wir eben das Lesen von Worten aus grossen Lateinbuchstaben von An- 
noncen, Ladenschildern u.s. w. her gewöhnt sind, im Lesen von Worten aus 
grossen deutschen Buchstaben aber keine Uebung haben.) Auch das Schreiben 
der Frakturschrift strenge das Kind viel mehr an, als das der Lateinschrift, 
weil es die Augen dazu in eine Zwangsstellung versetzen müsse, die zur Ent- 
stehung von Kurzsichtigkeit disponire. Wie die beiden Referenten, sind auch 


820 2. Jahresversammlung d. Allgem. Deutschen Vereins f. Schulgesundheitspfege. 


die meisten Diskussionsredner der Ansicht, dass die Lateinschrift den Vorzug 
verdiene. Es wird empfohlen, zunächst in den Schulen den Unterricht in 
Latein- und Frakturschrift umgekehrt wie bisher zu gestalten, nämlich zuerst 
und besonders Latein-, später Frakturschrift zu üben. Dem Vorstande des 
Vereins wird anheimgegeben, in geeigneter Weise die Einführung der Latein- 
schrift als Hauptschrift weiter zu fördern zu suchen. Abschweifungen der 
Diskussion in der Richtung von Wünschen nach einheitlicher und verein- 
fachter Orthographie mögen hier unbesprochen bleiben. 


Die vorgeschrittene Zeit verhinderte die Verhandlung über weitere The 
mata, ala welche verzeichnet waren: Obertüschen (Wiesbaden) und Weh- 
mer (Neurode), Schulhygiene und Schwindsuchtsbekämpfung; Bend a (Berlin), 
Die Schwachbefähigten in den höheren Schulen; Archenhold (Treptow), 
Optische Gründe für die Vermeidung des Roth in Schule und Haus. 


Für 1902 wurde Weimar auf Einladung des dortigen Oberbürgermeisters 
als Tagungsort gewählt und eine Verlängerung der Versammlung auf zwei 
Tage in Aussicht genommen. 

Hoffentlich lässt es sich der Vorstand des Vereins angelegen sein, im 
nächsten Jahre die Zügel bei der Leitung der Diskussionen straffer anzuziehen, 
als es diesmal der Fall war, damit nur die zur Verhandlung stehenden The- 
mata, diese aber auch in erschöpfender, eine Meinungsäusserung des Vereins 
ermöglichender Weise behandelt werden. Dass der Verein zur Erreichung 
seiner Ziele der Mitwirkung der professionellen Hygieniker mehr als diesmal 
bedarf, wo seine Versammlung vielfach noch gar zu sehr als Tummelstätte 
mehr redefreudiger als sachlich hinreichend unterrichteter Freunde der Schul- 
gesundheitspflege sich darstellte, wird der Vorstand selbst inne geworden sein. 
Möge er die nöthigen Schritte thun, um hierin Wandel zu schaffen! 

Zu bedauern ist, dass der Verein es für nöthig gehalten hat, eine eigene 
Zeitschrift unter dem Titel: „Gesunde Jugend“ herauszugeben, anstatt sich an 
ein so trefflich redigirtes und wohleingeführtes Publikationsorgan, wie es die 
„Zeitschrift für Schulgesundheitspflege“ ist, anzuschliessen. Wozu diese Nen- 
schöpfung, die der allerseits schon schmerzlich genug empfundenen Verzette- 
lung der Literatur neuen Vorschub leistet, zumal doch trotz des Vereins die 
Zeitschrift für Schulgesundheitspflege schon in Folge der wissenschaftlichen 
Bedeutung ihres Redakteurs und ihrer Mitarbeiter das führende Blatt auf dem 
Gebiete der Schulhygiene bleiben wird! 


Verlag von August Hirschwald, Berlin N.W. — Druck von L Schumacher in Berliz. 


Hygienische Rundschau, 


Herausgegeben 
Dr. Carl Fraenkel, Dr. Max Rubner, Dr. Carl @ünther, 
Prof. der Hygiene in Halle a./8. Geh. Med.-R., Prof. der Hygiene in Berlin. a. o. Professor in Berlin. 
XI. Jahrgang. Berlin, 1. September 1901. MR 17. 


(Aus dem hygienischen Institut zu Halle a. S.) 


Zwei neue milchsäurebildende Kugelbakterien. 
Von 


Sagoro Hashimoto 
aus Tokio. 


Gelegentlich bakteriologischer Untersuchungen an mangelhaft sterilisirter 
und deshalb noch keimhaltiger Milch haben neben anderen Mikroorganismen 
zwei Rugelbakterien, und zwar ein Haufen- und ein Kettenkokkus, welche 
Milch unter Säurebildung zum Gerinnen zu bringen vermögen, 
meine Aufmerksamkeit in besonderem Maasse hervorgerufen. 

Seitdem Hueppe!) im Jahre 1884 zuerst als hauptsächlichen Erreger 
der Milchsäuregährung einen Bacillus beschrieben, ist durch vielfache weitere 
Forschungen eine grosse Schaar von Mikroorganismen und zwar sowohl aus 
der Gruppe der Stäbchen-, wie der Kugelbakterien entdeckt worden, welche 
ebenfalls den Milchzucker unter Säurebildung abzubauen befähigt sind. Aller- 
dings treten die letzteren, die Mikrokokken, doch hinter den Bacillen stark 
zurück, und schon deshalb ist es von einem gewissen Interesse, dass ihre 
Reihe durch meine Beobachtungen hier eine Vervollständigung und Bereiche- 
rung erfährt. 

Dabei wird freilich zunächst die Frage erledigt werden müssen, ob denn 
unsere beiden „neuen“ Arten in der That von den bisher bereits beschriebenen 
verschieden sind, und eine sichere Beantwortung keineswegs ganz leicht sein, 
einmal der oft recht lückenhaften Schilderung der früheren Befunde, dann und 
namentlich aber auch im Hinblick darauf, dass die Kokken überhaupt längst 
nicht jene scharfen Trennungswerkmale untereinander zeigen, wie z. B. die 
Bacillen. Vornehmlich gilt dies für ihr morphologisches Verhalten. In Gestalt 
und Grösse zeigen sie zumeist nur geringfügige und wenigstens für unsere 
Unterscheidungsmittel schwer erkennbare Abweichungen; fast alle sind sie 
unbeweglich, sie bilden keine Sporen u. s.f. Brauchbarer für den hier in 


1) Mitth. a. d. Kais. Ges.-A. 1884. Bd. 2. S. 309. 
58 


822 Hashimoto, 


Rede stehenden Zweck sind schon ihre kulturellen Eigenschaften; besonderes 
Gewicht wird man aber auf die biologischen Fähigkeiten legen, „physiologische 
Arten“ aufstellen müssen, und in unserem Falle z. B. wird dabei in erster 
Linie die gebildete Säure, d. h. also die Frage Beachtung verlangen, ob neben 
der Milchsäure noch andere Säuren, wie Buttersäure, Bernsteinsäure, Essigsäure 
erzeugt werden, welche Form der Milchsäure, ob inaktive oder Links- oder 
Rechtsmilchsäure entsteht u. s. w. Sind wir doch bezüglich des letzteren Punktes 
nach unseren bisherigen Erfahrungen, nach den Untersuchungen von Nenckit), 
Schardinger?), Leichmann®), Kozait) u. s. f. zu der Annahme genöthigt, 
dass jeder den Milchzucker zerspaltende Mikroorganismus auch immer nur eine 
ganz bestimmte unter den verschiedenen Modifikationen der Milchsäure produeire. 

Betrachten wir nun unter diesem Gesichtswinkel zuerst die in der Lite- 
ratur bereits verzeichneten Milchsäurekokken, so werden wir sie zweckmässiger 
Weise eintheilen können in einfache und in Kettenkokken, und bei jeder 
Gruppe wieder solche unterscheiden, die die Gelatine nicht verflüssigen 
und solche, die sie verflüssigen. 


I. Morphologische und biologische Merkmale 
der bisher beschriebenen milchsäurebildenden Kugelbakterien. 
A. Einfache Mikrokokken. 

a) Solche Arten, die die Gelatine nicht verflüssigen (oder bei denen nichts 
über diese auffällige Erscheinung gesagt ist, und daher das Fehlen derselben 
angenommen werden darf). 

1. Micrococcus lactis I Hueppe®). Dieser Name, ebenso wie im fol- 

` genden der des Micrococcus lactis II findet sich nicht im Original, das nur von 
Mikrokokken im Allgemeinen spricht, und ist von mir allein der Einfachheit 
und Bequemlichkeit halber benutzt worden. Fundort: Speichel und Zahn- 
schleim. Auf Gelatineplatten ganz kleine, weisse, stecknadelkopfgrosse Knöpf- 
chen. In Milch keine Gasbildung. Fakultativ anaörob. 

2. Staphylococcus cereus albus Passet 8). 

3. Staphylococcus cereus flavus Passet®). Diese beiden Kokken 
wurden von Passet im Eiter gefunden. Sie bilden nach dem Autor auch 
Milchsäure. 

4. Pediococcus acidi lactiei Lindner”). Fundort: sarcinatrübes Bier. 
Tritt als einzelner, als Diplo- und als Tetradenkokkus auf. In zuckerhaltigen 
Nährböden bildet er ausserordentlich grosse Mengen von Milchsäure. 

5. Pediococceus cerevisiae Balcke?). Bildet nur eine geringe Menge 
Säure, von welcher Verf. vermuthet, dass sie Milchsäure ist. 


1) Aus d. Sitzungsber. d. Kais. Akad. d. Wissensch. in Wien. 1889. Bd. 98. 
Ref. in Baumgarten’s Jahresber. Bd. 5. S. 481. 

2) Sitzungsber. d. Wiener Akad. 1890. Bd. 49. Abth. II. Ref. in Baumgarten’s 
Jahresber. Bd. 6. S. 473. 

3) Milchztg. 1896. S. 67. 

4) Zeitschr. f. Hyg. 1899. Bd. 31. S. 337. 

5) Deutsche med. Wochenschr. 1884. S. 777. 

6) Fortschr. d. Medicin. 1885. S. 70. 

7) Die Sarcina-Organismen der Gährungsgewerbe. Inaug.-Diss. Berlin 1888. 


Zwei neue milchsäurebildende Kugelbakterien. 823 


6. Micrococcus fervitovus Adametz-Wichmann!). Als Gährungs- 
produkte erzeugt er Alkohol, Spuren von Essigsäure und etwas Milchsäure2). 

7. Micrococcus No. V Adametz3). Bildet auf der Gelatine kleine, 
runde, gelbgefärbte Kolonien. Aus sterilisirter Milch fällt er das Casein bei 
35—380 C. schon nach 32 Stunden. Die entstandene Säure ist Milchsäure. 

8. Micrococcus Sornthalii Adametz®). Fundort: Milch und Käse. Be- 
züglich des Verhaltens in sterilisirter Milch ist hervorzuheben, dass selbst die 
aus ein und derselben Milch herrübrenden verschiedenen Kolonien einen sehr 
verschieden hohen Grad von Gährungserscheinungen bedingen. Die gebildete 
Säure ist Milchsäure. 

9. Micrococcus gelatinogenus Bräutigam). Fundort: Gelatinirtes 
Infus. fol. digital. Mit Rohrzucker versetzte Pflanzenaufgüsse und Fleischbrühe 
werden in zusammenhängende Gallerte verwandelt. Aus dem Zucker wird 
Milchsäure gebildet, daneben kommen auch Spuren von Essigsäure vor. 

10. Sphaerococcus lactis acidi Marpmann®). Fundort: Kuhmilch. 
Gedeibt auch bei Luftabschluss, besser aber bei Luftzutritt, denn in Gelatinestich- 
kulturen entwickelt er sich im Stichkanal nur mässig und breitet sich haupt- 
sächlich an der Oberfläche aus. In der Milch lässt er Milchsäure entstehen, 
zugieich sind auch Spuren von Alkohol nachweisbar, Gas hingegen nicht. 

11. Micrococcus lactis acidi Marpmann®). Fundort: Kubmilch. In 
Gelatinestichkulturen treten die rasenartigen Kolonien nur an der Oberfläche 
auf, im Stichkanal bleibt das Wachsthum aus. Milch gerinnt unter Bildung 
von Milchsäure. Alkohol entsteht ebenfalls, Gas jedoch nicht. 

12. Micrococcus gummosns Happ?). Fundort: Senega-Infus. Wächst 
am stärksten in zuckerhaltiger Gelatine. Diese nimmt allmählich, wahrschein- 
lich durch Zersetzung des Zuckers, eine dicke, schleimige, gummiähnliche Kon- 
sistenz an. Als Nebenprodukte dieser schleimigen Gährung treten Mannit, Milch- 
säure, Buttersäure und Kohlensäure auf. 

13. Micrococcus erythromyxa Zopf®). Fundort: Leitungswasser. Er 
bildet auf gewöhnlichen Nährböden, wie Gelatine, Kartoffeln, Milch, Eiweiss, 
rothe Kolonien. Leim und Eiweiss peptonisirt er nicht, Rohrzucker vergährt 
er zu Milchsäure. 


1) Mittheilungen der österr. Versuchsstation für Brauerei und Mälzerei in Wien. 
1888. H. 1. Ref. im Centralbl. f. Bakt. 1888. Bd. 4. S. 200. 

2) In der Literatur finden sich keine Angaben über vorhandenes oder fchlendes 
Verflüssigungsvermögen für Gelatine. 

3) Landwirthschaftl. Jahrb. 1889. Bd. 18. S. 241. 

4) Centralbl. f. Bakt. 1895. Abth. Il. Bd. 1. S. 465. 

5) Pharm. Centralh. 1891. Bd. 32. S. 427. Ref. in Koch’s Jahresber. 1891. 
S. 222. 

6) Ergänzungsh. z. Centralbl. f. allgem. Gesundheitspfl. 1889. Bd. 2. S. 117. 

7) Happ, Bakteriologische und chemische Untersuchungen über die schleimige 
Gährung. Inaug.-Diss. Basel 1893. Ref. in Koch’s Jahresber. 1893. S. 247. 

8) Overbeck, Nova acta. 1891. Bd. 55. No. 7. Ref. in Koch’s Jahresber. 1891. 


58* 


824 Hashimoto, 


14. Pediococcus sarcinaeformis Reichard!). Ob es sich hier um 
eine echte Sarcine handelt oder nicht, lässt der Verf. trotz der Existenz un- 
zweifelhafter Packete dahingestellt. Die gebildete Säure ist in der Hauptsache 
Milchsäure, ausserdem finden sich kleine Mengen einer flüchtigen Fettsänre 
und Alkohol. 

15. Diplococcus lanceolatus2). Bildet in sterilisirter Milch ebenfalls 
Milchsäure. 

16. Micrococcus lactis acidi Leichmann®). Fundort: spontan ge- 
ronnene Milch. Dieser Organismus wächst am besten bei höheren Temperaturen, 
sein Wachsthumsoptimum liegt bei 40— 48°. Milch- und traubenzuckerhaltige 
Lösungen vergährt er unter starker Trübung und Säurebildung, Gasbildug 
tritt jedoch nicht auf. Die entstandene Milchsäure ist die Rechtsmilchsäure‘). 

17. Micrococcus acidi laevolactici Leichmann>). Fundort: spontan 
geronnene Milch. In Gelatinestichkulturen findet im Stichkanal kräftiges Wachs- 
thum statt, an der Oberfläche ist es nur gering. Milch bringt dieser Orga- 
nismus, wenn auch langsam, zur Gerionung; es wird Linksmilchsäure und Gas 
gebildet. Auch in zuckerhaltiger Bouillon tritt Gasbildang eint). 


b. Gelatine verflüssigend. 

1. Micrococcus lactis II Hueppe®). Fundort: cariöse Zähne. In Gela- 
tineplattenkulturen entstehen an der Oberfläche glasig durchscheinende, grau- 
weisse Knöpfchen von Linsengrösse und darüber; in Stichkulturen entstehen 
graue Wolken unter allmählicher Erweichung der Gelatine. Sterilisirte Milch 
wird durch Milchsäurebildung zur Gerinnung gebracht. 

2. Staphylococcus pyogenes aureus. 

3. Staphylococcus pyogenes albus. 

4. Staphylococcus pyogenes citreus Passet. Diese wohlbekannten 
Eiterkokken produciren nach Krüger?), Passet®), Terni?) u. a. auch Milch- 
säure und flüchtige Fettsäuren. 

5. Micrococcus mucilaginosus Migula!P). Dieser Kokkus wurde von 
Schütz in schleimiger Milch gefunden. In Gelatinestichkulturen entwickelt er 
sich im Stich rascher als an der Oberfläche; hier bilden sich kleine, lange Zeit 
isolirt bleibende, glasig durchscheinende Kügelchen. In Bouillon bleibt das 


1) Reichard, Mittheilungen aus dem Laboratorium der Brauerei von Th. Boch 
u. Cie. in Lutterbach im Elsass. München 1894. Oldenbourg. Ref. in Koch’s Jahrest. 
1894. S. 197. 

2) Flügge, Mikroorganismen. Bd. 2. S. 121. 

3) Milch-Zeitung. 1896. S. 65. Ref. in Koch’s Jahresber. 18%. S. 173. 

4) In der Literatur finden sich keine Angaben über Verflüssigungsvermögen für 
Gelatine. 

5) Centralbl. f. Bakt. 1896. Abth. II. Bd. 2. S. 777. 

6) Deutsche med. Wochenschr. 1884. S. 777. 

7) Centralbl. f. Bakt. Bd. 7. S. 590. 

8) Fortschritte der Mediein 1885. 

9) Centralbl. f. Bakt. Bd. 15. S. 608. 

10) Ratz, Arch. f. Thierheilk. 1890. Bd. 16. H. 1 u. 2. Koch’s.Jahresber. 18%. 
S. 87. Citirt nach Migula, System der Bakterien. 1900. S. 119. 


Zwei neue milchsäurebildende Kugelbakterien. 825 


Wachsthum aus. In Milch ruft dieser Organismus bei 22°C. nach 30 bis 
48 Stunden schwache Gerinnung hervor. Die Rahmschicht wie das geronnene 
Casein ist klebrig-schleimig. Es finden sich reichliche Mengen von Milchsäure. 

6. Micrococcus acidi lactis Krueger!). Fundort: käsige Butter. Dieser 
Organismus tritt in Form von Diplokokken und Tetraden auf, dagegen kommen 
Ketten oder Packete nie vor. Auf Gelatineplattenkulturen entstehen vom dritten 
Tage an kleine, weisse, zuerst auf der Oberfläche liegende, dann durch Ver- 
füssigung der umgebenden Gelatine untersinkende Kolonien von runder Form. 
In Gelatinestichkulturen ist der verflüssigte Nährboden längs des Stiches ge- 
träbt, während an der Oberfläche eine schmutzig-weisse, später untersinkende, 
leicht gekräuselte Haut liegt. Sterilisirte Milch wird bei 20—25° C. nach 
3 Tagen, bei 15°C. in 5 Tagen zur Gerinnung gebracht; dabei wird sie in 
Folge von Milchsäurebildung sauer. Nach 14 Tagen tritt ein eigenthüm- 
licher Geruch nach Kleister ein, während gleichzeitig das Coagulum schmierig 
wird, ein Zeichen für die Anwesenheit eines peptonartigen Körpers. 

7. Mikrokokkus von Fokker?). Dieser Mikrokokkus wurde von Fokker 
aus saurer Milch isolirt. Er zeigt ein mehr anaërobes Wachsthum als der 
vorige, denn in Gelatinestichkulturen entwickelt er sich im Stichkanal. Nach 
des Autors eigener Ansicht ist er übrigens mit dem Krueger’schen Organismus 
mehr oder weniger identisch. 

8. Micrococcus Freudenreichii Guillebeau’). Fundort: fadenziehende 
Milch. Sterilisirte Milch wird Lesonders bei 220C. rasch fadenziehend und sauer. 

9. Micrococcus casei amari von Freudenreich‘). Fundort: bitter 
gewordener Käse. In Gelatinestichkulturen entsteht ein sich langsam erweiternder 
Trichter. In zuckerhaltigen Nährlösungen bildet der Mikrokokkus Milchsäure, 
ebenso in der Milch; in letzterer ist noch Pepton nachweisbar. Gleichzeitig 
nimmt die Milch einen bitteren Geschmack an. 

10. Micrococcus acidi paralactici liquefaciens Halensis Kozaji®). 
Fundort: spontan geronnene Milch. Dieser Kokkus ist meist paarweise gelagert 
und mit einer Kapsel umgeben. Er ist fakultativ adrob, wächst in gewöhnlicher 
und zuckerhaltiger Bouillon kräftig und setzt einen schleimigen Bodensatz an. 
Auf Gelatineplatten bildet er kleine, runde, mit ausgebuchtetem Rande ver- 
sebene Kolonien, auf Agar dagegen grössere, zähschleimige. In Gelatinestich- 
kulturen entsteht eine kürbisflaschenförmige Verflüssigung, wobei die verflüssigte 
Gelatine klar bleibt. Auf Kartoffeln erzeugt er einen dicken, weissen Rasen 
von schleimiger Beschaffenheit. Milch bringt er bei Brütwärme nach 2 bis, 
3 Tagen zur festen Gerinnung; bei Zimmertemperatur entsteht erst nach 10 
bis 12 Tagen eine mit blossem Auge kaum wahrnehmbare Veränderung. Auf 


1) Centralbl. f. Bakt. 1890. Bd. 7. S. 464. 

2) Zeitschr. f. Hyg. Bd. 9. S. 41. 

3) Landwirthschaftl. Jahrb. d. Schweiz. 1891. Bd. 5. S. 135. Ref. in Baum- 
garten’s ‚Jahresber. 1891. S. 442. 

4) Landwirthschaftl. Jahrb. d. Schweiz. 1894. Bd. 8. S. 136. Ref. in Baum- 
garten’s ‚Jahresber. Bd. 10. S. 632 

5) Zeitschr. f. Hyg. Bd. 31. S. 359—361. 


59 


826 Hashimoto, 


dem geronnenen Casein sammelt sich eine beträchtliche Menge Serum, in 
welchem sich Pepton nachweisen lässt. 


B. Streptokokken. 
a) Arten, die die Gelatine nicht verflüssigen. 

1. Streptococcus pyogenes seu erysipelatos!). Dieser Organismus 
ruft bekanntlich in festen und flüssigen Nährböden Säurebildung hervor, und 
zwar entstehen nach Passet?) neben Milchsäure auch flüchtige Fettsäuren. 

2. Streptococcus acidi lactici Grotenfelt®). Fundort: Milch. Ein 
unbeweglicher Streptokokkus, welcher am besten bei Sauerstoffabschluss ge- 
deiht. In Gelatinestichkulturen entwickelt er sich nur im Stichkanal in Form 
eines dicken weissen Fadens. In sterilisirter Milch bewirkt er weder Gas- 
noch Alkoholbildung. 

9. Streptococcus acidi paralactiei Nencki und Siebert). Ge 
funden im Gewebe einiger mit Rauschbrandbacillen inficirter Meerschweinchen. 
Auch dieser Streptokokküs ist unbeweglich; er gedeiht bei Sauerstoffabschlus. 
Sterilisirte Milch bringt er bei Brütwärme nach 48 Stunden zur Gerinnung, 
bei Zimmertemperatur erst später. Aus Traubenzucker wird Rechtsmilchsäure 
gebildet. 

4. Streptokokken der Euterentzündung der Rinder>). Hierzu ge- 
hören mehrere Streptokokken, welche einander in ihren morphologischen und 
biologischen Eigenschaften sehr ähnlich sind. Wahrscheinlich sind sie deshalb 
als Varietäten einer Species zu betrachten. In Gelatinestichkulturen lassen 
sie an der Oberfläche einen kleinen, feinen, weisslichen Ueberzug von geringer 
Ausdehnung entstehen, im Stichkanal einen weissen, zur Körnelung neigenden, 
gezackten Faden. In Milch, die unter gleichzeitiger Säuerung gerinnt, rufen 
sie in den oberen Schichten die Bildung einer schmutzig-gelblichweissen Masse 
hervor, unter welcher sich die Molke als gelbliche oder als röthliche Flüssigkeit 
absondert. Milch und Traubenzucker zerlegen sie in Rechtsmilchsäure und 
Kohlensäure, Albumin und Pepton in Essigsäure, Buttersäure, Ammoniak und 
Spuren einer jodoformbildenden Substanz. 

5. Streptokokkus der „langen Wei“. Dieser Kokkus wurde von Weig- 
mann®) aus fadenziehender Molke isolirt, welche zur Herstellung des Edamer 
Käses verwendet wird. Er wächst nur in Milch oder Milchpeptongelatine. 
Sterilisirte Milch wird bei 25°C. schon nach 12—15 Stunden fadenziehend 
gemacht. Später folgt Säurebildung und Ausfällung des Caseins. Das in ge 
ringen Mengen vorhandene Serum ist ebenfalls stark fadenziehend?). 


1) Flügge, Mikroorganismen. Bd. 2. S. 110. 

2)a.a.0. 

3) Fortschr. d. Med. 1889. No. 4. S. 121—135. 

4) Sitzungsber. d. Kaiserl. Akad. d. Wissensch. in Wien. Mathematisch-natur®. 
Klasse. 1839. Ref. im Centralbl. f. Bakteriol. 18%. Bd. 7. S. 130. 

5) Nencki, Arch. des sciences biol. publ. par l’Inst. impérial de med. expir. 
(St. Petersbourg). 1892. Bd. 1. No. 1. p. 25.—Kitt, Deutsche Zeitschr. f. Thiermed. 
1885. Bd. 12. -- Adametz, Journ. f. Landwirthsch. 1394. Bd. 42. S. 231. 

6) Weigmann, Milch-Zeitung. 1839. No. 50. 

7) In der Literatur finden sich keine Angaben über Verflüssigung der Gelatine. 


Zwei neue milchsäurebildende Kugelbakterien. 827 


6. Streptokokkus Hagenberg Weigmannt). Dieser Organismus wurde 
von Weigmann in saurem Rahm gefunden. Auf der Gelatine entstehen kreis- 
runde, unebene, glänzende Kolonien mit zungen- bis fammenartigem Rande. 
Milch wird nur langsam und schwach gesäuert, sie gerinnt zu einer homo- 
genen Masse. Gasbildung findet nicht statt. Auf Agar und in Milch scheint 
der Organismus nicht lange lebensfähig zu sein, er verliert auch sehr bald 
das Vermögen, die Milch zu säuern und zur Gerinnung zu bringen. 

7. Streptokokkus von Laxa?2). Wächst besser bei Luftabschluss als bei 
Loftzutritt. Auf Gelatineplatten bildet er kleine, scharf begrenzte, weisse, 
nicht verflüssigende Punkte. In Gelatinestichkulturen zeigt sich längs des 
Impfstiches ein weisser, aus Körnchen bestehender Streifen; auf der Oberfläche 
findet kein Wachsthum statt. In Bouillon bewirkt der Streptokokkus eine 
weisse Trübung und einen Niederschlag. Milch bringt er bereits am zweiten 
oder dritten Tage durch die entstehende Milchsäure zur Gerinnung. Er ver- 
leiht ihr ein nussähnliches Aroma. 

Mit diesem Organismus gehören wahrscheinlich die folgenden in eine Gruppe. 

8. Streptokokkus a v. Freudenreich®). Fundort: Kefir. Er bildet 
ziemlich grosse, dicke Kokken, welche in älteren Kulturen zu länglicher Gestalt 
neigen, so dass oft zwei zusammenhängende Kokken das Bild eines Bacillus 
zeigen. In gewöhnlicher Bouillon ist sein Wachsthum schwach und bleibt zu- 
weilen sogar ganz aus; auf Kartoffeln wächst er überhaupt nicht. In Milch 
tritt durch die gebildete Milchsäure bei 35°C. schon nach 48 Stunden Koa- 
gnlation ein, bei 220 C. erst am vierten Tage. 

9. Streptokokkus b v.Freudenreich?). Fundort: Kefir. Alsbemerkens- 
werthe Eigenschaft dieses Organismus wird hervorgehoben, dass er Milch nicht 
zur Gerinnung bringt, obgleich Säure producirt wird. 


b) Arten, die die Gelatine verflüssigen. 


Streptokokken, welche zu dieser Gruppe gehören, habe ich in der Literatur 
nicht erwähnt gefunden. 


II. Morphologische und biologische 
Eigenschaften der beiden von mir isolirten Kugelbakterien. 
a) Der Mikrokokkus. 

Dieser Kokkus tritt gewöhnlich einzeln, doch auch paarweise und in 
kleinen Haufen auf, in seltenen Fällen bildet er sogar kurze Verbände von 
4—6 Gliedern, dagegen niemals Packete oder ähnliche Verbände. Die ein- 
zelne Zelle ist völlig rund, von mittlerer Grösse, von einer zarten Kapsel um- 
geben und unbeweglich. Der Kokkus besitzt keine Dauerform; 5 Minuten 
langes Erhitzen auf 65—70° bewirkt sichere Abtödtung. Auch bei Luftab- 
schluss findet Wachsthum statt. Die Färbung gelingt mit allen gebräuch- 
lichen Mitteln. 


1) Centralbl. f. Bakt. 1899. Abth. II. Bd. 5. S. 830. 
2) Ebenda. S. 755. 
3) Centralt]. f. Bakt. 1897. Abth. II. Bd. 3. S. 90. 

59° 


828 Hashimoto, 


Im Folgenden sei kurz sein Verhalten auf den verschiedenen Nährböden 
beschrieben. 

1. Gelatineplattenkulturen. Auf gewöhnlicher Gelatine erscheinen bei 
Zimmertemperatur nach 24 Stunden winzig kleine, grauweisse Pünktchen, die 
bei schwacher Vergrösserung runde, scharfrandige, sehr fein gekörnte, gelblich- 
braune Gebilde darstellen. In den ersten zwei Tagen ist keine Spur von einer 
Verflüssigung bemerkbar, doch tritt eine solche am dritten oder vierten Tage 
mit langsam zunehmender Ausdehnung ein. Die verflüssigte Gelatine ist im 
Anfang zäh und schleimig, allmählich jedoch wird sie vollständig dünnflüssig, 
sodass die Kolonien auf den Grund der Schale sinken können. 

2. Gelatinestichkulturen. Im Stichkanal entsteht nach 24—36 Stunden 
ein gleichmässig entwickelter, grauweisser Streifen; an der Oberfläche bildet 
sich um die Impfstelle herum eine kleine, runde Auflagerung von derselben 
Farbe. Am dritten Tage setzt die Verflüssigung ein und zwar allmählich von 
der Oberfläche in die Tiefe fortschreitend. Die Gelatine behält dabei etwa 
5—8 Tage eine zähe Beschaffenheit. Die Kulturmassen sinken theils nieder, 
theils schwimmen sie an der Oberfläche, sodass hier ein grauweisses Häutchen 
entsteht. Eine völlige Klärung der Gelatine ist selbst nach längerer 
Zeit nicht zu beobachten. 

3. Traubenzuckeragar-Stichkulturen. Bei Brütwärme entsteht längs des 
Stichkanals ein aus gleichmässig entwickelten Kolonien zusammengesetzter 
weisser Streifen, der bis zum Boden des Röhrchens reicht. Auf der Ober- 
fläche entwickelt sich ein porcellanweisser, glatter, dicker und schleimiger 
Belag, der sich langsam ausbreite. Gasbildung wurde nicht wahrge- 
nommen. 

4. Agarplattenkulturen. Bei Brütwärme zeigen sich nach 24 Stunden auf 
der Oberfläche kleine, runde, dicke, leicht abhebbare, grauweisse Kolonien. 
Mit schwacher Vergrösserung gesehen sind sie scharfrandig, fein granulirt und 
von gelblich-brauner Farbe. Die in der Tiefe liegenden Kolonien haben meist 
unregelmässige Gestalt. 

5. Traubenzuckeragar-Plattenkulturen mit Kalkzusatz. Bei Brütwärme 
sind nach 1—2 Tagen feine, grauweisse Pünktchen, umgeben von hellen Säure 
höfen, wahrzunehmen. Bei schwacher Vergrösserung zeigen sie sich rund oder 
rundlich, von gelblich-brauner Farbe, nicht gerade scharf umrandet, sondern 
ausgebuchtet. Die Säurefelder der einzelnen Kolonien erlangen allmählich 
eine nicht unbedeutende Grösse. 

6. Blutserumkulturen. Bei Brütwärme entstehen nach 24 Stunden ziem- 
Jich grosse, grauweisse Rasen. Das Wachsthum ist sehr üppig. Der Nähr- 
boden wird nicht oder doch nur in ganz geringem Maasse verflüssigt. 

7. Kartoffelkulturen. Auf gewöhnlichen, sowie auf künstlich alkalisirteo 
Kaıtoffeln entwickelt sich der Organismus verhältnissmässig langsam; bei Brüt- 
wärme ist nach 24 Stunden noch kein deutliches Wachsthum zu bemerken, 
erst nach 48 Stunden entsteht ein grauweisser, dicker, leicht abhebbarer 
schleimiger Belag. 

8. Bouillonkulturen. In gewöhnlicher Bouillon tritt bei Brütwärme nach 
24 Stunden eine starke Trübung ein, während sich auf dem Boden des Röhr- 


Zwei neue milchsäurebildende Kugelbakterien. 829 


chens allmählich ein schleimiger Niederschlag ansammelt. Selbst nach langem 
Stehen findet aber weder eine vollständige Klärung der Flüssigkeit, noch eine 
Hautbildung an der Oberfläche statt. Ungefähr 4 Monate alte Kulturen mit 
sehr dickem Bodensatz geben eine deutliche Indolreaktion. 

9. Traubenzucker-Bouillonkulturen. Bei Brütwärme ist nach 24 Stunden 
die Nährflüssigkeit gleichmässig getrübt; auf dem Boden setzt sich ein faden- 
siehender Niederschlag ab; eine Haut wird nicht gebildet. Die Reaktion 
wird schon nach kurzer Zeit stark sauer. 

10. Traubenzucker-Bouillonkulturen im Gährungskölbchen. Die Verhält- 
nisse sind dieselben wie die unter 9 beschriebenen. Nach 24 Stunden tritt 
Trübung der stark sauer reagirenden Flüssigkeit ein. Gasbildung ist nicht 
wahrzunehmen. 

11. Milchkulturen. Sterilisirte Milch wird bei Brütwärme nach 24 bis 
48 Stunden zur festen Gerinnung gebracht. Bei Zimmertemperatur gerinnt 
sie gewöhnlich erst nach 6—7 Tagen. Selbst nach längerem Stehen im Brüt- 
schrank wird nur eine geringe Menge Serum von dem fest geronnenen Caseïn 
ausgeschieden. Gasbildung ist nicht zu konstatiren. Wird die bei Zimmer- 
wärme einige Tage aufbewahrte, aber noch nicht geronnene Milch dann im 
Wasserbade auf 65— 70°C. erhitzt, so erfolgt sofort eine feste, gleichmässige 
Koagulation. Milch, welche 7 Tage im Brütschrank aufbewahrt war, zeigt 
eine deutliche Biuretreaktion. 

12. Die von dem Mikrokokkus gebildete Säure. Um die Natur der ge- 
bildeten Säure festzustellen, wurde ca. 1 Liter einer 5proc. Milchzuckerlösung 
mit einer Reinkultur des Organismus beschickt und nach l4tägigem Aufent- 
halte im Brütschrank auf dem Wasserbade fast zur Trockne eingedampft. Die 
Isolirang der Säure geschah nach dem bekannten Verfahren. Der ätherische 
Auszug ergab eine deutliche Uffelmann’sche Reaktion. Das Calcium-, sowie 
das Ziuksalz zeigten unter dem Mikroskop die für die Milchsäure charakte- 
ristische Krystallform. Die Analyse des Zinksalzes ergab folgende Werthe: 

0,3725 g des im Exsikkator über Schwefelsäure getrockneten Salzes ver- 
loren bei 110° C. 0,0494 g Wasser. 0,3231 g wasserfreie Substanz gaben 
0,1085 g Zinkoxyd. 

0,4 g der Substanz in 25 ccm Lösung lieferte bei 15° C. im 200 mm- 
Rohr durchschnittlich — 15° Ablenkungswinkel. 

Hiernach ergiebt sich: 


Gefunden berechnet für (CzH50z)aZn +2 H20 
H,O = 13,262 pCt. H,0 = 12,9 pCt. 
ZnO = 33,58 pCt. ZnO = 33,33 pCt. 
[a] D = —7,81°. 


Daraus folgt, dass die entstandene Säure reine Rechtsmilchsäure ist. 


b) Der Streptokokkus. 


Dieser Organismus bildet kleine, runde Zellen, die gewöhnlich paarweise 
und auch in Ketten von 4—12 Gliedern angeordnet sind; sehr selten dagegen 
tritt er in Haufen und in Packeten auf. Er besitzt ziemlich lebhafte Molekular-, 
doch keine Eigenbewegung. Dauerformen bildet er nicht; eine 5 Minuten wäh- 


830 Hashimoto, 


rende Erhitzung auf 65—70° vernichtet die Keime. Wachsthum findet sowohl 
bei Luftzutritt als auch bei Luftabschluss statt. Die Färbung gelingt mit allen 
gebräuchlichen Mitteln. 

1. Gelatineplattenkulturen. Auf der Oberfläche, sowie innerhalb der Ge- 
latine entwickeln sich nach 1—2 Tagen feine, grauweisse Pünktchen, die bei 
schwacher Vergrösserung als runde, scharf begrenzte, fein gekörnte, hellgelb- 
lich-braune Gebilde erscheinen. Verflüssigung des Nährbodens tritt selbst nach 
längerer Zeit nicht ein. 

2. Gelatinestichkulturen. Längs des ganzen Stichkanals entsteht nach 
24—48 Stunden ein weisser Faden, welcher nach 3—4 Tagen zu einer perl- 
schnurartigen Kette auswächst. An der Oberfläche ist das Wachsthum sehr 
geringfügig, jedoch sind einige kleine, isolirte, punktförmige Kolonien von 
weisser Farbe um die Impfstelle herum wahrzunehmen. Verflüssigung er- 
folgt nicht. 

3. Agarplattenkulturen. Bei Brütwärme zeigen sich nach 24 Stunden 
auf der Oberfläche des Agars, sowie auf dem Boden der Schale ganz kleine, 
runde, grauweisse Kolonien, welche bei schwacher Vergrösserung scharfrandig, 
fein granulirt und im Centrum bedeutend dunkler gefärbt erscheinen. Die 
in den tieferen Schichten des Nährbodens liegenden Kolonien sind ihrer Form 
nach entweder ebenfalls rund oder mehr elliptisch, immer aber viel kleiner 
als die ersteren. 

4. Traubenzuckeragar-Plattenkulturen. Das Wachsthum auf diesem Nähr- 
substrat ist nieht besonders charakteristisch. Bei Brütwärme werden nach 
24--48 Stunden im Innern, sowie auf der Oberfläche kleine, etwa stecknadel- 
kopfgrosse Kolonien von grauweisser Farbe sichtbar. Die Mehrzahl ist völlig 
rund, einige jedoch sind oval oder wetzsteinförmig. Unter dem Mikroskop 
zeigen alle leicht bräunliche Färbung und feinkörnige Struktur. 

5. Traubenzuckeragar-Stichkulturen. Bei Brütwärme entsteht innerhalb 
der ersten 24 Stunden längs des ganzen Stichkanals ein grauweisser, gleich- 
mässiger Ueberzug, an den sich später wieder kurze, körnige Ausläufer an- 
setzen. Das Wachsthum an der Oberfläche ist sehr geringfügig, ebenso wie 
bei den Gelatinestichkulturen; anfangs findet überhaupt keine Entwickelung 
statt, aber nach 3—4 Tagen sind doch einige kleine, isolirte Kolonien von 
grauweisser Farbe wahrzunehmen. Gasbildung tritt nicht auf. 

6. Traubenzuckeragar-Plattenkulturen unter Zusatz von Kalk. Bei Brüt- 
wärme erscheinen nach 24—48 Stunden die Kolonien als winzig kleine, für 
das blosse Auge eben sichtbare, runde Pünktchen von grauweisser Farbe mit 
schmalen Säurehöfen. Bei schwacher Vergrösserung erkennt man, dass sie 
rund oder rundlich, ohne scharfen Rand und von gelblich-brauner Farbe sind. 

7. Blutserumkulturen. Bei Brütwärme wächst nach 36 Stunden ein grau- 
weisser, rasenförmiger Belag, welcher jedoch schwer wahrnehmbar ist. Das 
Serum wird nicht peptonisirt. 

8. Kartoffelkulturen. Auf gewöhnlichen, sowie alkalisirten Kartoffeln ist 
das Wachsthum ein sehr geringfügiges. Auch nach 24—48 stündigem Aufent- 
halt im Brütschrank ist es nur mit Hülfe des Mikroskops zu konstatiren. 

9. Bouillonkulturen. Bei Brütwärme tritt in gewöhnlicher Bouillon nach 


Zwei neue milchsäurebildende Kugelbakterien. 831 


24 Stunden eine kräftige Trübung ein, die auch nach acht Tagen noch nicht 
verschwunden ist, während sich gleichzeitig ein grauweisser, schleimiger Boden- 
satz ansammelt. Eine Hautbildung findet nicht statt. Etwa 4 Monate alte 
Kulturen, die einen starken schleimigen Niederschlag aufwiesen, zeigten eine 
deutliche Indolreaktion. 

10. Traubenzucker-Bouillonkulturen. Bei Brütwärme wird die Flüssig- 
keit nach 24 Stunden stark getrübt, auf dem Boden des Röhrchens setzt sich 
ein grauweisser, allmählich stärker werdender Niederschlag ab. Hautbildung 
tritt auch hier nicht ein. Die Nährlösung reagirt stark sauer. 

11. Traubenzucker-Bouillonkulturen im Gährungskölbchen. Bei Brütwärme 
wird die Flüssigkeit nach 24 Stunden stark getrübt. Gasbildung wurde selbst 
nach langem Stehen nicht beobachtet. Die Reaktion wird stark sauer. 

12. Milchkulturen. Sterilisirte Milch wird bei Brütwärme gewöhnlich 
nach 2—3 Tagen, bei Zimmertemperatur in 5—6 Tagen durch die erzeugte 
Säure zur festen und dichten Gerinnung gebracht. Auf dem festen Casein- 
gerinnsel scheidet sich nur eine sehr geringe Menge Serum ab. Nach wei- 
terem 6— 7 tägigen Stehen zeigt die Milch deutliche Biuretreaktion. Gasbil- 
dung findet nicht statt. Milch, welche bei Zimmertemperatur gestanden hat 
und noch nicht fest geronnen ist, kann dadurch zur vollständigen Koagulation 
gebracht: werden, dass man sie im Wasserbade auf 60— 70° C. erwärmt. 

13. Die von dem Organismus gebildete Säure. Die Darstellung und Iso- 
lirung der Säure geschah in gleicher Weise, wie bei dem anderen Mikrokokkus. 
Auch hier war eine deutliche Uffelmann’sche Reaktion vorhanden, und das 
Calcium-, sowie das Zinksalz zeigten unter dem Mikroskop wieder die für die 
Milcbsäure charakteristische Krystallfosm. Die Analyse des Zinksalzes lieferte 
folgende Werthe: 

0,5644 g der im Exsikkator über Schwefelsäure getrockneten Substanz 
verloren bei 110° C. 0,0729 g HO. 0,4915 g wasserfreies Zinksalz ergaben 
0,1645 g ZnO. 0,5 g Zinksalz in %25 ccm Lösung ergaben bei 15° C. im 
200 mm-Rohr durchschnittlich — 18,7‘ Ablenkungswinkel. 

Daraus geht hervor: 


Gefunden berechnet für (C3H,03);Z2n + 2 H,O 
H,0 = 12,916 pCt. H,0 = 12,90 pCt. 
ZnO = 33,469 pCt. ZnO = 33,33 pCt. 
[a] D = — 7,79°. 


Die von dem Streptokokkus gebildete Säure ist demnach reine Rechts- 
wilchsäure. 


Vergleichen wir nun die beiden hier gefundenen Kokken mit den schon 
von anderer Seite beschriebenen. 

Wie wir gesehen haben, gehört der Mikrokokkus a in die Reihe der die 
Gelatine verflüssigenden Arten, und von denjenigen Kokken, die dieser Fähig- 
keit entbehren, kann daher hier von vornherein abgesehen werden. Auch von 
den dann noch übrig bleibenden unterscheiden sich einige ohne Weiteres von 
unserem Mikroorganismus. Das gilt z. B. vom Micrococcus Freudenreichii und 
dem Micrococcus mucilaginnsus; beide geben der Milch eine stark schleimige 


832 Hashimoto, 


Beschaffenheit und dürften daher zu den Bakterien r schleimigen Milch ge- 
hören. Micrococcus casei amari v. Freudenreicı :eichnet sich dadarch 
aus, dass er der Milch einen bitteren Geschmack verleiht. Staphylococcus 
pyogenes aureus und Staphylococcus pyogenes citreus Passet produciren be- 
stimmte Pigmente auf unseren gewöhnlichen festen und flüssigen Nährböden. 

Grössere Aehnlichkeit mit unserem Organismus haben schon die folgenden 
Mikrokokken: zunächst der dem Staphylococcus pyogenes aureus nahe ver- 
wandte Staphylococcus pyogenes albus. Doch zeigt derselbe eine bedeutend 
weissere Farbe und ein kräftigeres Wachsthum, so dass in Gelatineplatten- 
kulturen stets grössere porcellanweiss glänzende Kolonien und eine schnellere 
und energischere Verflüssigung, sowie eine grauweisse Trübung des Nährbodens 
wahrzunehmen sind, während unser Kokkus auf demselben Nährboden nur 
kleine, grauweisse Kolonien bildet, die in der langsam erweichenden Gelatine 
niedersinken. Der Micrococcus lactis II von Hueppe bildet Kolonien von 
Linsengrösse und darüber, unser Kokkus hingegen wächst weder bei Zimmer- 
noch bei Brüttemperatur zu solchem Umfange heran. Micrococcus acidi lactis 
Krueger zeigt bei sonstiger Uebereinstimmung ein ganz verschiedenes Verhalten 
in der Milch. Er koagulirt nämlich die Milch bei 20—25° C. schneller als 
bei 35° C. und verleiht ihr nach 14 Tagen einen eigenthümlichen kleister- 
artigen Geruch und eine schleimige Beschaffenheit. Dagegen bringt unser 
Kokkus die Milch viel rascher bei Brütwärme zur Gerinnung als bei niedri- 
gerer Temperatur; gleichzeitig entsteht ein festes, kompaktes Gerinnsel und 
eine verhältnissmässig geringe Menge klaren Serums. Der Mikrokokkus von 
Fokker lässt in der Gelatinestichkultur nur im Stichkanal eine Entwickelung 
erkennen, während unser Organismus . mit der Zeit auch an der Oberfläche 
um die Impfstelle herum eine ziemlich ausgedehnte Auflagerung zeigt. Ferner 
ist der Mikrokokkus von Fokker nach des Autors eigenen Angaben dem 
Krueger’schen sehr ähnlich. Schon aus diesem Grunde kann von einer Iden- 
tität mit dem unsrigen kaum die Rede sein. 

Endlich kommt noch der Micrococcus acidi paralactici liquefaciens Ha- 
lensis in Betracht, der jüngst von Kozai aus spontan geronnener Milch isolirt 
worden ist. Mit diesem Organismus scheint unser Mikrokokkus in sehr naber 
Beziehung zu stehen. Das Vorhandensein einer deutlichen Kapsel, das bäu- 
fige Auftreten in Form von Diplokokken, das Fehlen längerer Ketten oder 
grösserer Packete, die fakultative Anaörobiose, die Verflüssigung der Gelatine, 
die Bildung von Pepton in geronnener Milch, das Fehlen der Gasbildung, die 
Erzeugung eines mehr oder minder schleimigen Rasens auf Agar und Kar- 
toffeln und schliesslich der Abbau des Milchzuckers zu reiner Milchsäure, alle 
diese Merkmale sind beiden Organismen gemeinsam. In einigen minder wich- 
tigen Punkten weicht jedoch unser Organismus von dem Kozai’schen ab 
Die von ihm verflüssigte Gelatine behält einige Tage hindurch ihre zähe Be- 
schaffenheit, die Bouillon bleibt dauernd getrübt, die Milch gerinnt früher als 
dort bei Zimmertemperatur, das geronnene Caseïn wird schwächer peptonisirt, 
die Menge des ausgeschiedenen Serums ist geringer. Diese Differenzen sind 
jedoch ohne Zweifel nur geringfügiger Natur, und es kann fraglich erscheinen. 
ob es gerechtfertigt ist, auf Grund solcher unbedeutenden Unterschiede eine 


Zwei neue milchsäurebildende Kugelbakterien. 833 


neue selbstständige Art aufzustellen. Leider erlaubte es mir meine beschränkte 
Zeit nicht, eingehendere Versuche mit beiden Organismen vorzunehmen, nnd 
ich möchte deshalb vorläufig nur den Schluss ziehen: Wenn der besprochene 
Mikrokokkus mit dem Micrococcus acidi paralactici liquefacieus Halensis Kozai 
nicht identisch ist, so ist er doch jedenfalls eine ihm nahe verwandte Varietät. 

Wir kommen nun zu unserem zweiten Organismus, dem fakultativ anaöroben, 
Gelatine nicht verflüssigenden und reine Rechtsmilchsäure bildenden Strepto- 
kokkus. Auch hier können wir wieder einige Arten wegen ihrer handgreif- 
lichen Unterschiede sofort ausschliessen. So wächst der Streptokokkus von 
Weigmann nur in Milch oder Milchpeptongelatine, während unser Strepto- 
kokkus auf allen gebräuchlichen Nährböden, mit alleiniger Ausnahme der Kar- 
toffel, gedeiht. Streptokokkus a v. Frendenreich hat mehr mit einem kurzen 
Bakterium als mit einem Kokkus gemein, ein Umstand, auf den schon Migula 
(System der Bakterien Bd. 2, S. 42) aufmerksam macht. In Bouillon wächst 
er nur sehr kümmerlich oder gar nicht. Streptokokkus b bringt trotz starker 
Säurebildung die Milch nicht zur Gerinnung. 

Ferner bietet es auch keine Schwierigkeiten, unseren Organismus von dem 
Streptococcus pyogenes zu unterscheiden. Während jener nur reine Milchsäure 
erzeugt, bildet dieser nach Passet ausser Milchsäure auch flüchtige Fettsäuren. 
Die Streptokokken der Euterentzündung der Rinder zeigen unserem Organismus 
gegenüber ebenfalls ein abweichendes Verhalten zu sterilisirter Milch. Sie 
verwandeln nämlich die Milch in ihren oberen Schichten in eine schmutzig- 
gelblichweisse Masse, unter welcher sich die Molke als gelbliche oder röth- 
liche Flüssigkeit absondert. Ferner greifen sie nicht nur Kohlehydrate, sondern 
auch stickstoffhaltige Substanzen an; aus den ersteren lassen sie Kohlensäure 
und Rechtsmilchsäure entstehen, aus den letzteren Essigsäure, Buttersäure, 
Ammoniak und eine kleine Menge einer jodoformbildenden Substanz. Dagegen 
spaltet unser Streptokokkus aus Milchzucker nur reine Rechtsmilchsäure ab 
and aus Eiweiss wenig Pepton. Streptococcus acidi paralactici Nencki und 
Sieber bildet auch aus Traubenzucker Rechtsmilchsäure. Aber er gedeiht nur 
bei Sauerstoffabschluss, während unser Organismus ebenso gut bei Luftzutritt 
als bei Luftabschluss wächst. Streptokokkus Hagenberg, welcher allerdings 
wenig ausführlich von Weigmann behandelt worden ist, ist von dem unsrigen 
leicht schon dadurch zu unterscheiden, dass er auf der Gelatine runde, unebene 
Kolonien mit zungen- bis flammenartigem Rande hervorruft, wie sie auch in der 
der Beschreibung beigegebenen Abbildung deutlich erkennbar sind; ferner ver- 
mag er die Milch nur langsam und schwach zu säuern und besitzt überhaupt 
eine geringe Lebensenergie. Der jüngst von Laxa kurz beschriebene Strepto- 
kokkus gedeiht gleichwie der Streptocoecus acidi lactici Grotenfelt am besten 
bei Sauerstoffabschluss, während unser Streptokokkus sich ebenso gut bei Luft- 
zatritt als Luftabschluss entwickelt. 

Auf Grund der vorliegenden Untersuchungen sind wir der Ansicht, dass 
es sich hier um einen besonderen, bisher noch nicht beschriebenen Strepto- 
kokkus handelt, den wir dem Streptococcus acidi paralactici Nencki und Sieber 
und dem Micrococcus acidi paralactici liquefaciens Halensis gegenüber Strepto- 


60 


834 Infektionskrankheiten. 


coceus acidi paralactici non liquefaciens (Halensis) zu nennen vor- 
schlagen möchten. 


Die vorliegenden Untersuchungen sind im hygienischen Institut der Uni- 
versität Halle a. S. unter Leitung des Herrn Prof. C. Fraenkel ausgeführt 
worden. Es sei mir gestattet, auch an dieser Stelle meinem hochverehrten 
Lehrer für die Anregung zu dieser Arbeit und für die liebenswürdige Unter- 
stützung, welche er derselben stets hat angedeihen lassen, meinen wärmsten 
Dank auszusprechen. 


Ebstein W., Stadt- und Dorfhygiene. Deutsche med. Wochenschr. 1901. 
No. 1. S. 12 ff. 

Verf. zeigt an einem praktischen Beispiel, dem Verhalten des Unterleibs- 
typhus in Göttingen, wie die Hygiene in den Dörfern von Bedeutung seio 
kann für die Nachbarstädte, mit denen sie nicht allein in einem lebhaften 
persönlichen Verkehr stehen, sondern denen sie auch die weseutlichsten und 
unentbehrlichsten Lebensmittel liefern. Die vielfach vorhandenen gesundheits- 
schädlichen Verhältnisse der den Städten benachbarten Dörfer machen die 
besten hygienischen Verhältnisse der ersteren vollständig illusorisch, und es 
ist sehr der Mühe werth, der Dorfbygiene eine recht grosse Aufmerksamkeit 
zuzuwenden. Sonst leisten die Städte mit ihren kostspieligen Wasserleitungen, 
Kanalisationsanlagen u. s. w. durchaus eine Danaidenarbeit. 

Dieudonne (Würzburg). 


Wendel M.. Zur Hygiene der Rasirstuben. Deutsche med. Wochenschr. 
1901. No 3. S. 45. 

Durch den Rasirpinsel können zweifellos verschiedene Erkrankungen 
übertragen werden. Ein neuerdings konstruirter Pinsel dürfte diesem Uebel 
abhelfen. Die Konstruktion besteht aus einem Griff mit auswechselbarem Pinsel. 
welch letzterer sterilisirt und zum Beweise, dass er noch nie benutzt worden 
ist, mit einer Schutzbauderolle versehen, einem staubsicheren Behälter ent- 
nommen, jedesmal in den Griff eingeschaltet wird, um nach der Benutzung 
sofort durch einen neuen ersetzt zu werden. Das Material, Pflanzenfasers. 
ist natürlich ein äusserst billiges und steht dabei an praktischer Ver- 
wendbarkeit den bisherigen Haarpinseln kaum nach. 

Dieudonne (Würzburg). 


Sippel A., Bemerkungen zur Tuberkulose der weiblichen Genitalien 
und des Bauchfells. Deutsche med. Wochenschr. 1961. No. 3. S. 33. 
Die von verschiedenen Seiten aufgestellten Erklärungsversuche über die 
heilende Einwirkung des Bauchfellschnitts auf die Peritoneal- 
tuberkulose genügen nach der Ansicht des Verf.’s nicht, um diese für jede 
der verschiedenen Erkrankungsformen zu erklären. Es giebt eine ganze Reihe 
von Spontanheilungen der Bauchfelltuberkulose. Wir dürfen annehmen, 
dass das Bauchfell allein, wenn auch vielleicht erheblich langsamer als mit 


Infektionskrankheiten. 835 


Hilfe der unterstützenden Incision, durch seine in starker Blutfülle sich äussernde 
Reaktion den durch seine Plötzlichkeit und seinen Umfang ihm zunächst über- 
legenen Einbruch des Tuberkelvirus in allmählichem Kampf zu überwinden 
vermag, vorausgesetzt, dass die Infektion nicht zu massig ist, dass nicht immer 
neue Nachschübe tuberkulösen Materials von ausserhalb erfolgen, und dass der 
Organismus noch soviel Kraft besitzt, die erforderliche lokale Reaktion hervor- 
zubringen. Deshalb brauchen wir uns die Summe von heilender Kraft, welche 
der eigenen Kraft des Peritoneums noch hinzuzufügen ist, um der Tuberkulose 
Herr zu werden, nicht als eine sehr grosse vorzustellen. Schon das einfache 
Ablassen eines grossen Exsudates hat wahrscheinlich einen gewissen förder- 
lichen Einfluss, auch die in Folge der Laparotomie und des Luftkontaktes 
eintretende verstärkte Blutfülle ist wobl von Nutzen. Da es aber keineswegs 
bewiesen ist, dass diese Hyperämie sich bis in die entferntesten Theile der 
erkrankten Bauchhöhle, wohin die Luft nicht dringt, nach einfacher, kleiner 
Incision fortsetzt, so ist Verf. geneigt, ein sich durch diese lokale Hyperämie 
bildendes heilendes Serum anzunehmen, welches bis in die entferntesten Ab- 
schnitte der Bauchhöhle gelangt und dort Heilung herbeiführt. 
Dieudonne (Würzburg). 


Buttersack, Wie erfolgt die Infektion des Darms? Zeitschr. f. Tuberkul. 
u. Heilstättenw. Bd. 1. H. 5. S. 297. 

Trotz der zahlreichen Konstatirungen von Tuberkelbacillen in Markt- 
milch und Butter sind doch Fälle von Fütterungstuberkulose beim Men- 
schen äusserst selten. Für die Aufnahme der Tuberkelbacillen vom Darm 
aus ist ein Punkt von principieller Bedeutung, nämlich in welcher Phase der 
Darmthätigkeit die Keime eingeführt werden. Kommen sie mit den Speisen 
in die Verdauung hinein, dann ergreift sie sogleich die Peristaltik, und sie 
gehen zu schnell durch den Darmkanal hindurch, als dass sie auskeimen, 
bezw. sich an irgend einer Stelle der Darmschleimhaut einnisten könnten; 
auch wirken hier die verschiedenen Verdauungssäfte schädigend ein. Kom- 
men dagegen die Keime ausserhalb des Verdauungsgeschäftes in den leeren 
Magen, so sind die Verhältnisse für die Ansiedelung von Keimen erheblich 
günstiger. Die ganze Frage der Fütterungstuberkulose wird meist unter der 
stillschweigenden Voraussetzung erörtert, dass das Virus vom Darmkanal auf- 
genommen sein müsse. Doch fordert die Thatsache, dass trotz notorisch reich- 
licher Tuberkelbacillenfütterung es doch nur selten zur Darmtuberkulose kommt, 
nach B. dazu auf, nach etwaigen anderen Wegen zu suchen, auf denen der 
Bacillus in die Darınwand gelangen kann. Verf. weist hierbei auf die Mesen- 
terialdrüsen als die eigentliche tuberkulöse Brutstätte. Diese Drüsen werden 
häufig allein, noch häufiger primär erkrankt gefunden. Die Entstehung 
der tuberkulösen Darmgeschwüre ist darauf zurückzuführen, dass die 
Mesenterialdrüsen erkranken, bezw. mit den dorthin geschleppten Tuberkel- 
bacillen nicht mehr fertig werden, denn das Hauptmoment der Erkrankung 
scheint weniger im Vorhandensein des Bacillus zu liegen, als in der Schwäche 
des Lympbhapparates. Verf. weist zum Vergleich auf den physiologischen 
Ablauf des Typhus hin, wo auch die Erreger keineswegs immer vom Darm 

60* 


836 Infektionskrankheiten. 


aus, sondern auch anderweitig in den Organismus eindringen und erst sekundär 
nach den Darmfollikeln gelangen. Dieudonne (Würzburg). 


Friedmann F., Experimentelle Studien über die Erblichkeit der 
Tuberkulose. Die nachweislich mit dem Samen direkt und obne 
Vermittelung der Mutter auf die Frucht übertragene tuberkulöse 
Infektion. Aus dem hygienischen und. dem anatomisch-biologischen In- 
stitut der Universität Berlin. Deutsche med. Wochenschr. 1901. No. 9. 
S. 139. 

Ueber die konceptionelle tuberkulöse Infektion, d. b. die mit dem 
Samen des Vaters direkt übertragbare Infektion ist bis jetzt experimentell 
noch nicht viel gearbeitet worden, insbesondere fehlt bis jetzt der exakte 
Nachweis, dass gleichzeitig mit dem Samen in die Vagina gelangte Tuberkel- 
bacillen ohne jede Vermittelung der Mutter direkt auf die Frucht über- 
tragen werden. Zur experimentellen Lösung dieser Frage wurden vom Verf. 
Kaninchenweibchen kurz nach der Entbindung mit dem Bock zusammengebracht. 
Vorher wurde eine sehr verdünnte Aufschwemmung von frisch gewachsenen 
virulenten Tuberkelbacillen in steriler, leicht alkalisch gemachter Kochsalz- 
lösung bereitet. Davon wurden jedesmal dem Kaninchenweibchen im Anschluss 
an die Begattung einige Tröpfchen in die Vagina injieirt. Die Thiere wurden 
n den ersten 8 Tagen nach der Begattung getödtet und der Uterus mit den 
Embryonen untersucht. In sämmtlichen Embryonen liessen sich färberisch 
Tuberkelbacillen nachweisen, dagegen niemals in der Schleimhaut des Uterus 
oder der Vagina. Weitere Mittheilungen werden in einer ausführlichen Arbeit 
des Verf.’s folgen. k Dieudonné (Würzburg). 


Kluge G., Tuberkuloseheime. Deutsche med. Wochenschr. 1901. No. 8. S. 124. 

Verf. weist von Neuem auf die Nothwendigkeit von Krankenhäusern für 
unbeilbare Tuberkulöse — Tuberkuloseheime — hin, deren Zweck 
der ist, die Ansteckung gesunder Personen, namentlich der Kinder, zu ver- 
mindern. Insbesondere unreinliche Tuberkulöse, die gerade so gemeingefährlich 
wie Geisteskranke sind, sollten gezwungen werden können, ein solches 
Krankenhaus aufzusuchen, doch fehlt heutzutage jede gesetzliche Handbabe, 
um solche lebendige Infektionsherde in das Krankenhaus zu bringen. 

+ Dieudonné (Würzburg). 


Neufeld F.. Ueber Bakterien bei Typhus und ihre praktische Bedeu- 
tung. Aus dem Institut für Infektionskrankheiten in Berlin. Deutsche med. 
Wochenschr. 1900. No. 51. S. 824. 

Von 12 Typhuskranken, deren Urin auf das Vorhandensein von Typhus- 
bacillen untersucht wurde, zeigten drei eine durch Typhusbacillen bedingte 
Bakteriurie. Meist treten die Typhusbacillen im Urin ganz plötzlich und 
ohne Störung der Harnentleerung auf, dabei in uugeheuren Mengen, sodass 
von einem Tage zum andern der Urin völlig getrübt erscheint. Die Typhus- 
bacillen sind meist als einzige Mikroorganismen in der. Blase vorhanden, sel- 
tener mit anderen kombinirt. Der Urin ist sauer, er enthält entweder gar 


Infektionskrankheiten. 837 


keinen oder geringen, in viel selteneren Fällen reichlichen Eiter; alsdann 
fehlen auch die sonstigen Symptome der Cystitis nicht. Die Infektion des 
Urins tritt meist ziemlich spät, häufig erst in der Rekonvalescenz auf. Für 
die Verbreitung des Typhus sind solche Fälle von grosser Bedeutung. Der 
Urin ist sorgfältig zu desinficiren und die Uringefässe mit antiseptischer Lö- 
sung zu reinigen. Die auch von anderer Seite beobachtete günstige Wirkung 
des Urotropins auf die Bakteriurie konnte N. bestätigen, die Bacillen ver- 
schwinden meist vollständig binnen 2 Tagen; vor erneuter Infektion schützt 
aber das Mittel keineswegs. Dieudonne (Würzburg). 


Schumburg, Zur Desinfektion des Harns bei Typhusbakteriurie durch 
Urotropin. Deutsche med. Wochenschr. 1901. No. 9. S. 134. 

lm Anschluss an die Arbeit von Neufeld (vergl. das vorstehende 
Referat), in der die innerliche Darreichung von Urotropin bei Typhus- 
bakteriurie empfohlen wird, zeigt Verf., dass nach Einnahme von Urotropin 
in dem Urin von Typhusrekonvalescenten noch lebenskräftige und virulente 
Typhusbacillen vorhanden sein können, selbst wenn der Urin klar ist, ja selbst 
wenn die übliche bakteriologische Untersuchung die Abwesenheit von Typhus- 
baeillen ergiebt. Das Urotropin bewirkt nur eine Entwickelungshemmung der 
Typhusbacillen. Verf. hält es daher nach wie vor für dringend nothwendig, 
dass der Urin Typhuskranker mit Sublimat desinficirt wird. 

. Dieudonne (Würzburg). 
Auerbach H., Ueber den Nachweis von Typhusbacillen im Blute 
Typbuskranker. Deutsche med. Wochenschr. 1900. No. 49. S. 796. 

Die Methode des Verf.'s bestand darin, dass grössere Mengen (etwa 300 ccm) 
Bouillon in Erlenmeyer’schen Kolben mit je 10, 20 und 30 Tropfen des 
mittels steriler Spritze aus der Vena mediana des Typhuskranken ent- 
nommenen Blutes beschickt wurden. Von 10 klinisch sicheren Typhusfällen 
gelang bei 7 der Nachweis von Typhusbacillen; unter diesen befand sich 
mur ein schwereg, tödtlich verlaufener Fall, die 6 anderen waren theils leicht, 
tbeils mittelschwer. Die Typhusbacillen wurden mit den gebräuchlichen Me- 
thoden identifieirt. In den günstigsten Fällen konnten schon 36 Stunden 
nach der Aussaat die Bacillen als Typhusbacillen gekennzeichnet werden. 
Ein positiver Ausfall der Probe scheint nur beim Bestehen einer Febris con- 
tinua bezw. um die Eruptionszeit der Roseolen zu erwarten zu sein. 

Dieudonne (Würzburg). 


Prochaska A., Untersuchungen über die Eiterungen bei Typhus- 
kranken. Aus der med. Universitätsklinik in Zürich. Deutsche med. 
Wochenschr. 1901. No. 9. S. 182. 

Innerhalb von 3 Jahren wurden bei den auf der Klinik behandelten Ty- 
phusfällen 22 metastatische Eiterungen beobachtet; vorherrschend handelte 
es sich um tiefe Abscesse, die meist weit in die Muskulatur hineinreichten, 
seltener um oberflächliche Hautabscesse und um periostitische Fiterungen. 
In der Mehrzahl der Fälle wurden Staphylokokken gefunden, 6mal Mischinfek- 

Z 


838 Infektionskrankheiten. 


tionen, 1mal Streptokokken. In einem Falle von Otitis media purulenta fanden 

sich neben Staphyl. pyog. aureus Diphtheriebacillen. In einem einzigen Falle 

wurden im Abscesseiter Typhusbacillen allein mit Sicherheit festgestellt. 
Dieudonne (Würzburg). 


Waldvogel, Das Verhalten des Blutgefrierpunktes beim Typhus ab- 
dominalis. Deutsche med. Wochenschr. 1900. No. 46. S. 735. 

Bei einer Typhusepidemie untersuchte Verf. alle Sera, die zum Zweck 
der Widal’schen Reaktion entnommen waren, auf ihren Gefrierpunkt und 
fand dabei, dass derselbe ganz erheblich erhöht ist, und dass eine Ausnahme 
hiervon für die Prognose der Fälle von schlechter Bedeutung ist. 

Dieudonne (Würzburg). 


Zupnik L., Ueber experimentellen Tetanus descendens. Aus der 
1. med. Klinik der deutschen Universität in Prag. Deutsche med. Wochen- 
schrift. 1900. No. 52. S. 836. 

Bei experimentellem Tetanus kommen bekanntlich die ersten Krank- 
heitserscheinungen in der nächsten Umgebung derjenigen Stelle zum Vorschein, 
an welcher die Infektion bezw. Toxininjektion vorgenommen wurde. Wie von 
einem Centrum aus schreiten die Tetanussymptome von hier aus weiter. Bei 
dem allgemein üblichen Infektionsmodus an einer hinteren Extremität beob- 
achtet man zunächst tonische Kontrakturen der um die Injektionsstelle lie- 
genden Muskulatur, und erst später kommen tetanische Erscheinungen auch 
am Vorderkörper, Trismus uod ÖOpisthotonus zum Vorschein. Beim spontan 
auftretenden Wundstarrkrampf des Menschen und der grösseren Hausthiere 
kann die Verletzung an einer beliebigen Stelle, selbst an einer unteren Ex- 
tremität, stattgefunden haben, die ersten Tetanussymptome kommen in der 
Mehrzahl der Fälle im Trigeminusgebiete als Trismus zum Vorschein. Verf. 
konnte nun an 7 verschiedenen Thierarten zeigen, dass der Ort der Infektion 
für die Form des Tetanus von ausschlaggebender Bedeutung ist. Während 
die am Oberschenkel oder in der Inguinalbeuge vorgenommenen Infektionen 
stets den oben beschriebenen Tetanus ascendens zur Folge hatten, kam bei 
Infektionen in der Umgebung des Sprunggelenks, am Fussrücken oder Schwanz 
Tetanus descendens zn Stande. Eine Reihe von Momenten lässt vermathen, 
dass die Form des Tetanus, und zwar sowohl bei spontaner Erkrankung wie 
bei der experimentellen Infektion, davon abhängig ist, ob das inficirende Ma- 
teria) bezw. das Toxin mit Muskeln in Berührung kommt oder nicht. Im 
erstgenannten Falle entsteht der typische Tetanus ascendens, im letzteren der 
Tetanus descendens. 

Fernerhin zeigte sich, dass die minimale tödtliche Dosis je nach der In- 
fektionsstelle bei demselben Thier verschieden gross ist. Bei subkutanen In- 
jektionen am Sprunggelenk und Schwanz wird ungefähr das Doppelte von 
derjenigen Dosis ganz schadlos vertragen, welche, subkutan am Oberschenkel 
injicirt, einen ausnahmslos tödtlichen Tetanus herbeiführt. Bei Meerschwein- 
chen liessen sich sowohl in der Dauer der Inkubationszeit als auch im Ver- 
laufe der Krankheit selbst deutliche Differenzen zwischen einer Infektion am 


Infektionskrankheiten. 839 


Oberschenkel und am Sprunggelenk nachweisen. Bei letzterer war die Inku- 
bationsfrist viel länger und der Krankheitsverlauf nach Ablauf der ersten Er- 
scheinungen stürmischer als bei ersterer. Offenbar ist also bei bacillären In-. 
fektionen die von den Bacillen gebildete Toxinmenge verschieden gross, je 
nachdem die Wunde sich innerhalb oder ausserhalb eines Muskelgebietes be- 
findet. Dem Muskelgewebe scheint eine hervorragende Bedeutung in der Patho- 
genese des Tetanus beizulegen zu sein. Dieudonne (Würzburg). 


Velde, Bericht über die Verbreitung der Lepra in China. Arb. a. d. 
Kais. Ges.-A. Bd. 17. S. 501. 

Velde, der als Stabsarzt zur kaiserl. Gesandtschaft in Peking kommandirt 
war, giebt an der Hand einer kleinen Karte eine klare Uebersicht über die 
Verbreitung der Lepra in den einzelnen Provinzen von China. Der Ab- 
handlung sind dabei hauptsächlich die Berichte der von der Verwaltung der 
chinesischen Seezölle angestellten Aerzte zu Grunde gelegt, und speciell in 
der Provinz Shantung sind auch die eigenen Wahrnehmungen des Verf.’s 
berücksichtigt. 

Natürlich konnte die Häufigkeit der Krankheit dabei nur ganz allgemein 
angegeben werden, da ja nicht einmal die Bevölkerungsziffer der Provinzen 
auch nur annähernd sicher bekannt ist. Am meisten ist die Lepra in einzelnen 
Theilen des Südens speciell der Provinz Kwantung, der Insel Formosa, im süd- 
lichen Yünnau und Fukien, wo 1 pM. der Bevölkerung und mehr leprös sind; 
verbreitet, während im Norden Chinas nur gelegentlich Leprakranke zur Be- 
obachtung kommen. ; 

Auch in Shantung gehört die Lepra im Ganzen zu den seltenen Erkran- 
kungen, und nur in Süd-Shantung ist sie etwas häufiger. Der Chinese ver: 
meidet nach Möglichkeit den Verkehr mit Leprösen, diese selbst gehören fast 
sämmtlich den ärmsten Bevölkerungsschichten an und leben meist isolirt auf 
Booten oder ausserhalb der Dörfer und Städte. Die Gefahr für die in China 
lebenden Europäer, an Lepra zu erkranken, ist demnach äusserst gering, und 
auch die Möglichkeit, dass durch den Personenverkehr die Lepra von China 
nach Europa verschleppt werden könnte, ist minimal. i 

Scholtz (Breslau). 


Mühsam R., Leber Holzphlegmone. Deutsche med. Wochenschr. 1901. 
No. 5. S. 65. 

Unter Holzphlegmone versteht man eine eigenthümliche holzharte chro- 
nische Entzündung des Bindegewebes von oft ziemlich bedeutender Ausdeh- 
nung; der gewöhnliche Sitz ist die vordere oder seitliche Partie des Halses. 
Im Gegensatz zu den gewöhnlichen Phlegmonen glaubt man, dass es sich bei 
diesem Process um eine mit chronischer Lymphangitis einhergehende abge- 
schwächte Infektion handle. Für diese Vermuthung spricht das Ergebniss der 
bakteriologischen Untersuchung des durch Incision entleerten Eiters. Die 
Untersuchung hat entweder, wie auch bei dem vom Verf. beobachteten Falle, 
ein negatives Resultat oder aber die Anwesenheit von verschiedenen Bakterien- 
arten ergeben, wie Diphtheriebacillen, Staphylokokken, Streptokokken, Diplo- 


840 Infektionskrankheiten. 


kokken, Proteus, Actinomyces oder nicht näher bestimmte Kokken; stets er- 
gab sich eine verminderte Virulenz dieser Keime. Ein specifischer Erreger ist 
jedenfalls bis jetzt nicht festgestellt worden. Dieudonné (Würzburg). 


Ráskai D., Zur Pathogenese der gonorrhoischen Epididymitis. 
Deutsche med. Wochenschr. 1901. No. 1. S. 9. 

In einem Falle von eitriger Epididymitis, die mehr als einen Monat 
nach der akuten Entzündung entstand, konnten in dem durch Incision ent- 
leerten Eiter mikroskopisch und kulturell Gonokokken nachgewiesen werden. 
Dieser Befund ist ein Beweis sowohl für die pathogene Wirkung der Gono- 
kokken bei der Epididymitis, wie für die lange Virulenz dieser Kokken, selbst 
auf einem ihrem Fortkommen nicht günstigen Nährboden. 

Dieudonne (Würzburg). 


Doering, Ueber Infektion mit Influenzabacillen und mit Bact. proteus. 
Münch. med. Wochenschr. 1900. No. 44. S. 1580. 

In der inneren Abtheilung des städtischen Krankenhauses zu Stettin 
wurden vom 1. September 1899 bis 1. April 1900 152 Fälle von Influenza 
beobachtet, von denen 41 mit Komplikationen verliefen. Dieselben be- 
trafen vorzugsweise die Lungen (theils pneumonische Form der Influenza 
theils primäre Influenzapneumonie), und durch Probepunktion konnten dabei 
auch vielfach Influenzabacillen direkt aus Lungenblut gezüchtet werden. In 
13 Fällen hiervon handelte es sich um eine Mischinfektion, und zwar waren 
5 mal Streptokokken, 8 mal Staphylokokken neben den Influenzabacillen 
vorhanden. Die Staphylokokkenpueumonien zeichneten sich dabei stets durch 
einen günstigen, die Streptokokkenpneumonien durch einen schweren, meist 
tödtlichen Verlauf aus. 

Ferner wurden bei einem Theil der Patienten auch schwere Erscheinungen 
von Seiten des Magendarmkanals beobachtet. In einem dieser Fälle konnte 
neben der Influenzainfektion noch eine — vom Darm ausgehende — 
Allgemeininfektion mit einem zur Proteusgruppe gehörigen Bak- 
teriam kulturell und mikroskopisch nachgewiesen werden. Von dem-Proteus 
vulgaris Hauser unterschied sich die betreffende Proteusart hauptsächlich 
durch ihr färberisches Verhalten, da wenigstens junge Kulturen bei An- 
wendung der Gram’schen Methode gefärbt blieben. Der Verlauf der Krank- 
heit, welche tödtlich endete, ist im Original näher beschrieben. 

Scholtz (Breslau). 


Arastamow M. J., Pestepidemie im Dorfe Kolobowka im Jarew'schen 
Kreise des Astrachan’schen Gouvernements. Deutsche med. Wochen- 
schrift 1900. No. 47 u. 48. S. 761 ff. 

Die im Dorfe Kolobowka im Juli 1899 ausgebrochene Pest zeigte 
in allen Fällen die Symptome der Lungenpest. Die Bekämpfungsmaas- 
regeln bestanden in der Einrichtung besonderer Häuser für Kranke und Ge- 
sunde, vollständiger Absonderung der einen von den anderen und gründlicher 
Desinfektion durch Sublimat und Karbolsäure, Diese Maassnahmen wurden 


Infektionskrankheiten. 841 


gleich beim Anfange der Epidemie ergriffen, sodass im Ganzen nur 9 Häuser 
befallen wurden; nach Reinigung derselben nahm. die Krankheit sofort ab. 
Vom Aerztepersonal wurde Niemand angesteckt, trotzdem die Kranken ohne 
besondere Vorsichtsmaassregeln untersucht wurden; nur wurden nach der Per- 
kussion und Auskultation Hände und Gesicht und auch die Stiefel mit einer 
Sublimat- oder Karbolsäurelösung gewaschen. Dieudonne (Würzburg). 


Gerber, Ueber das Sklerom, insbesondere in Ostpreussen. Arch. f. 
Laryngol. Bd. 10. H. 8. ; 

Gerber ist anf Grund seiner Beobachtungen sowie seiner histologischen 
und bakteriologischen Untersuchungen zu der Ueberzeugung gelangt, dass das 
typische Rhinosklerom Hebra’s und das Scleroma respiratorium ohne 
Betheiligung der äusseren Nase eine einheitliche Pathogenese haben und 
nur als Abstufungen ein und derselben Krankheit zu betrachten sind. 
Gerber glaubt, dass die verschiedenen Formen der Krankheit wahrscheinlich 
aufeine Abschwächung des Krankheitsvirus zurückzuführen sind, welche _ 
ihrerseits wieder von den geographischen Verhältnissen und der zunehmenden 
Entfernung von den eigentlichen Herden der Krankheit abzuhängen scheint. 

Eine Anzahl einschlägiger Krankengeschichten mit drei lithographischen 
Tafeln sind der Arbeit beigefügt. Scholtz (Breslau). 


Stein, Walther, Zur Bakteriologie der Ozaena. Centralbl. f. Bakt. Bd. 28. 
No. 21 u. 22. S. 726 ff. 

Stein hat das Nasensekret von 51 Kranken mit Rhinitis atrophicans 
resp. Ozaena und 85 Personen mit gesunder Nase vornehmlich auf das Vor- 
handensein des Abel’schen Bacillus mucosus sowohl mikroskopisch wie 
kulturell untersucht und hat bei den 51 Patienten diesen Bacillus mikro- 
skopisch stets, kulturell 44 mal gefunden, während bei den gesunden der Nach- 
weis desselben nur zweimal gelang. Auf Grund dieser Resultate und mit 
Rücksicht auf die gleichen von Abel, Paulsen und Baurowitz hält es Verf. 
in hohem Grade für wahrscheinlich, dass der Bacillus mucosus der 
Erreger des Ozaenaprocesses ist. 

Ferner enthält die Arbeit eine kritische Besprechung der gesammten 
Literatur dieses Gegenstandes. Scholtz (Breslau). 


Deycke, Zur Aetiologie der Dysenterie. Aus dem Kais. Ottomanischen 
Hospital Gülhane in Konstantinopel. Deutsche med. Wochenschr. 1901. 
No. 1. S. 10. 

Unter Bezug auf die Beobachtungen von Kruse theilt Verf. mit, dass es 
ihm bei seinen Dysenterie-Untersuchungen gelungen ist, aus den Darment- 
leerungen von Kranken, sowie aus der Darmwand und den Abdominalorganen 
von Dysenterieleichen konstant und in überwiegender Menge einen Bacillus 
zu gewinnen und in Reinkultur zu züchten, der augenscheinlich der grossen 
Klasse des B. coli angehört, und den man nach seinem morphologischen und 
kulturellen Verhalten am besten als typhusähnlich bezeichnen kann. Katzen 
erwiesen sich als sehr empfindlich für die Infektion mit den Mikrobien. Wenn 

6 


842 Infektionskrankheiten. 


man Katzen virulente Reinkulturen in das Futter mischt, so gehen dieselben 
konstant in wenigen Tagen unter blutigen oder blutig-eitrigen Diarrhöen und 
enormer Abmagerung zu Grunde. Bei der Sektion findet man typische Dick- 
darnverschorfungen. Genauere Mittheilung folgt. 

Dieudonné (Würzburg). 


Lubowski R., Befund von Schweinerothlaufbacillen im Stuhle eines 
ikterischen Kindes. Aus dem Kgl. Institut für experimentelle Therapie 
in Frankfurt a. M. Deutsche med. Wochenschr. 1901. No. 8. S. 116. 

Neuere Beobachtungen haben gezeigt, dass der Schweinerothlauf- 
bacillus für den Menschen nicht so harmlos ist, wie man früher annahm. 

In verschiedenen Fällen von Laboratoriumsinfektion, sowie von Infektion beim 

Schlachten rothlaufkranker Thiere traten leichtere erysipelartige Affektionen 

auf, welche vom Orte der Infektion ausgingen und gelegentlich zu Schwel- 

lungen der benachbarten Gelenke führten. Der Verlauf war in allen Fällen 
„ein guter. Verf. beschreibt einen Fall von intestinaler Erkrankung bei einem 

5jährigen Kinde; dasselbe erkrankte ohne deutliches Fieber an einem mit 
Ikterus und anfänglichem Erbrechen einhergehenden Darmkatarrh ohne son- 
stige Erscheinungen. Der Verlauf war ein durchaus gutartiger. Eine Ursache 
für die Erkrankung war nicht zu ermitteln. Aus einer während des Ikterus 
entnommenen Stublprobe wurden kulturell Bacillen isolirt, die nach ihrem 
ganzen biologischen Verhalten, ihrer sehr starken Pathogenität für Mänse, 
sowie nach Serumversuchen als Schweinerothlaufbacillen identificirt werden 
konnten. Nach Ablauf des Ikterus liessen sich keine Rothlaufbacillen mehr 
nachweisen. Dieudonne (Würzburg). 


Lieven, Anton, Die Syphilis der Mund- und Rachenhöhle. Klinische 
Vorträge aus dem Gebiete der Otologie und Pharyngo-Rhinologie. Jena 1900. 
Gustav Fischer. 138 Ss. Preis: 3,50 Mk. 

Jedem, der sich über die Syphilis der Mund- und Xasenhöhle 
orientiren will, kann die Arbeit von Lieven empfohlen werden. Für den 
Hygieniker sei hervorgehoben, dass neben einer ausführlichen Besprechung 
der Diagnose und Therapie auch die allgemeine sanitäre Bedeutung 
der Mund- und Nasensyphilis genügende Berücksichtigung gefunden hat. 
Sowohl die prophylaktischen Maassnahmen, welche nöthig sind, um bei 
Syphilitischen den Ausbruch von Krankheitserscheinungen an der Mundschleim- 
haut nach Möglichkeit zu vermeiden, sowie die therapeutischen Eingriffe. 
welche geeignet sind, die Infektionsgefahr derartiger syphilitischer Erkran- 
kungen möglichst schnell zu beseitigen, sind eingehend erörtert worden. 

Scholtz (Breslau). 


Ueltzen, Johann, Das Flugblatt des Arztes Theodoricus Ulsenius 
vom Jahre 1496 über den deutschen Ursprung der Syphilis und 
seine Illustration. Virch. Arch. Bd. 162. S. 371. 

Verf. theilt mit, dass er das Ulsen’sche Flugblatt, welches nicht nur 
für die Geschichte der Medicin von Werth sei, sondern wegen des Titel bildes 


- Infektionskrankheiten. 843 


— einem Holzschnitt Dürer’s — auch kunstwissenschaftliches Interesse bean- 
spruche, neu aufgelegt und in den Handel gebracht habe, und knüpft daran 
noch einige Bemerkungen über den Lebenslauf von Ulsenius. 

Scholtz (Breslau). 


Bruck, Purpura rheumatica und Angina. Berl. klin. Wochenschr. 1900. 
No. 45. S. 1006. 

Bruck hält sich auf Grund der zahlreichen Literaturangaben und seiner 
eigenen klinischen Beobachtungen zu der Annahme berechtigt, dass Angina 
lacunaris, akuter Gelenk- und Muskelrheumatismus sowie gewisse 
zum Rheumatismus in Beziehung gebrachte Hautaffektionen,.spe- 
eiell die Purpura rheumatica, ätiologisch zusammen gehören und 
im Wesentlichen der Ausdruck einer Infektion mit pyogenen Mikrobien 
sind. Im Zusammenhang betrachtet, sind also die Entzündungen der Gelenke, 
der Muskeln und die Blutungen in der Haut lediglich durch die Allgemein- 
infektion bedingt, die ihren Ausgangspunkt von der als Infektionskrank- 
heit zu betrachtenden Tonsillitis genommen hat. Scholtz (Breslau). 


Meyer F., Zur Bakteriologie des akuten Gelenkrheumatismus. Aus 
der I. med. Universitätsklinik in Berlin. Deutsche med. Wochenschr. 1901. 
No. 6. S. 81. 

In sechs Fällen von akutem Gelenkrheumatismus züchtete Verf. 
Bakterien, welche bei Versuchsthieren ein der menschlichen Polyarthritis 
ähnliches Krankheitsbild hervorriefen. Es waren dies ziemlich kleine, als 
Streptokokken angeordnete Diplokokken, welche sich schon in der ersten, aus 
den Tonsillen entnommenen Kultur überwiegend vorfanden. Sie lagen im 
Tonsillenabstrich in kürzeren, in der Kultur in längeren Ketten hintereinander; 
nach Gram färbten sie sich schwächer als die übrigen Eitererreger; auf 
gewöhnlichen Nährböden wuchsen sie nur spärlich, zum guten Wachsthum 
brauchten sie eine ziemlich hohe Alkalescenz und stärkeren Peptungehalt. 
Wurden 8 ccm einer zweitägigen Bouillonkultur einem Thiere unter die Haut 
gespritzt, so bildete sich an der Injektionsstelle eine derbe Infiltration, die 
bald zur völligen Nekrose, niemals zum Abscess führte. Nach 6—10 Tagen 
trat in der Regel die erste Gelenkschwellung anf, welche durch einen serösen 
oder serös-eitrigen Erguss gebildet wird. In diesem fand man weder durch 
Kultur noch Präparat Bakterien; nur zweimal gelang es, in Fällen, die am 
2. Tage punktirt wurden, die verimpften Streptokokken innerhalb der Eiter- 
zellen nachzuweisen. Erguss, wie Röthung und erhöhte Temperatur des Ge- 
lenks bestanden durchschnittlich 8 Tage, um dann spontan zu verschwinden. ` 
In der Regel wurden 8 oder 4 Gelenke, vor allem die der Extremitäten, in 
grösseren Zwischenräumen befallen. Die Thiere blieben in der Regel am 
Leben. Die gestorbenen Thiere zeigten Veränderungen, welche von neuem 
den Vergleich mit der menschlichen Polyarthritis nahe legten: öfters Peri- 
carditis, dreimal Peritonitis, einmal Pleuritis. Jedesmal ergab die genaue mikro- 
skopische und kulturelle Untersuchung der Exsudate ein völlig negatives Re- 
saltat. Bei einem Fünftel der mit Schenkelschwellung erkrankten Thiere fand 

61* 


844 Infektionskrankheiten. 


sich eine ausgesprochene Endocarditis valvularum, theils verrucöser, theils ulce- 
röser Natur. Aus den Auflagerungen gelang es zweimal die eingeführten Bak- 
terien in Reinkultur zu züchten und durch die gewonnenen Kulturen bei an- 
deren Thieren Gelenkexsudate hervorzurufen. Das Blut der Thiere erwies sich 
stets als steril. Alle diese Befunde legen die Vermuthung eines ätiologischen 
Zusammenhanges dieser Bakterien mit dem akuten Gelenkrheumatismus nahe. 
Dieudonne (Würzburg). 


Menzer, Zur Aetiologie des akuten Gelenkrheumatismus. Aus der 
III. med. Universitätsklinik in Berlin. Deutsche‘ med. Wochenschr. 1901. 
No. 7. S. 97. i 

Im Anschluss an die Veröffentlichung von Meyer (vergl. das vorstehende 

Referat) berichtet Verf. über 4 Fälle von akutem Gelenkrheumatismas, 
bei denen in der Gelenkflüssigkeit und dem Tonsillenausstrich Streptokokken 
gefunden wurden, die bei Thieren Gelenkentzündung hervorriefen. Doch 
möchte Verf. aus diesen Streptokokkenfunden vorerst für die Aetiologie des 
akuten Gelenkrheumatismus keine bindenden Schlüsse zieben, wenn er auch 
diese Untersuchungen für aussichtsvoll hält. Weitere Beobachtungen müssen 
zeigen, ob man beim Gelenkrbeumatismus stets Entzündungserreger findet, 
die im Thierexperiment die Gelenkapparate bevorzugen, und ob nur Strepto- 
kokken oder auch andere Bakterien diese Eigenschaft haben. Vor Allem 
ist aber durch Kontrolexperimente festzustellen, dass den auf normalen Ton- 
sillen und bei den verschiedenen Anginen vorkommenden Mikroorganismen 
diese Art der Pathogenität für Thiere fehlt. Dieudonne (Würzburg). 


Dietsch C., Ein Beitrag zur Aetiologie des Heufiebers. Deutsche med. 
Wochenschr. 1901. No. 7. S. 99. 

Von den meisten Seiten wird das Heufieber als Infektionskrankheit 
angesehen, und zwar sollen die in der Luft suspendirten pflanzlichen Elemente 
(Pollen) als Träger des Infektionsstoffes oder als Erreger von Symptomen 
der Infektionskrankheit aufzufassen sein. Verf. weist aber nach seinen eigenen 
Erfahrungen als Heufieberleidender diese Annahme zurück, er fasst vielmehr 
den Anfall als einen Katarrlı in Folge mechanischen Reizes auf. Wahrschein- 
lich spielt eine gewisse Disposition eine grosse Rolle; hierbei kommt die 
allgemeine Konstitution, zarte Haut und Schleimhäute, fein organisirte Sinnes- 
organe, Irritabilität des Nervensystems, arthritische Veranlagung und chro- 
nischer Nasenkatarrh in Betracht. Dieudonné (Würzburg). 


Koch R., Schlussbericht über die Thätigkeit der Malariaexpedition. 
Deutsche med. Wochenschr. 1900. No. 46. S. 783. 

Die Expedition untersuchte auf der Rückkehr noch die sanitären Ver- 
hältnisse auf den Karolinen- und Mariannen-Inseln. Auf keiner derselben 
fanden sich bei den Kindern charakteristische Malariamerkmale; die Inseln 
scheinen also frei von Malaria zu sein. Dagegen ist Framboesia sehr häufig. 
Dieses Leiden ist überhaupt in der Südsee ungemein verbreitet und wird oft 
von Laien und auch von Aerzten für Syphilis gehalten. Die in dem früberen 


Infektionskrankheiten. 845 


Bericht (vergl. diese Zeitschr. 1901. S. 667) mitgetheilten günstigen Erfolge der 
Malariabekämpfung in Stephansort scheinen dauernd zu sein. 
Dieudonné (Würzburg). 


Koch R., Zusammenfassende Darstellung der Ergebnisse der Malaria- 
expedition. Deutsche med. Wochenschr. 1900. No. 49 u. 50. S. 781 ff. 

Verf. legt die zum grössten Theil bereits früher (diese Zeitschr. 1900. 8.29, 
683; 1901. S. 25, 353 u.667) berichteten Ergebnisse nochmals im Zusammen- 
hange dar. Man kann nur 3 verschiedene Malariaparasiten unterscheiden: die der 
Quartana, die der Tertiana und der tropischen Malaria, des Tropenfiebers. 
Beobachtungen in verschiedenen Dörfern in Neu-Guinea zeigten, dass die Malaria 
überall da, wo sie ungestört bleibt, sich ausschliesslich auf die Kinder be- 
schränkt. Alle Menschen über 5—10 Jahre hinaus waren frei von Malaria. Als 
Erklärung dafür, dass die Krankheit in diesen Dörfern nur Kinder befällt und 
die Erwachsenen verschont, giebt Koch an, dass es sich hier um eine zwar 
langsam erworbene, aber echte natürliche Immunität handelt. Dafür spricht 
der Umstand, dass die Erwachsenen aus solchen Malariadörfern nach anderen 
notorischen Malariagegenden gebracht werden können, obne dass sie dort an 
Malaria erkranken, während Leute aus malariafreien Orten ausnahmslos an 
Malaria erkranken, wenn sie nach solchen Malariaberden versetzt werden. 
Dabei schützt die eine Art der Malaria nicht gegen die andere. Die Unter- 
suchung der Kinder auf Malariaparasiten ist sehr wichtig, wenn es sich darum 
handelt, schnell und zuverlässig das Vorbandensein von endemischer Malaria, 
insbesondere auch der speciellen Arten derselben festzustellen. Mit dem Ver- 
schwinden der Malaria verschwindet auch der Milztumor ganz von selbst. 

Von grosser Bedeutung für die Bekämpfung der Malaria sind die milden 
latenten Fälle, da sie leicht übersehen werden und so am meisten zur Ver- 
schleppung beitragen. Gerade diese latenten Fälle sind nämlich reich an 
Parasiten, welche zur geschlechtlichen Weiterentwickelung die Reife erlangt 
haben, und von ihnen werden die Mücken vorzugsweise das Material zur In- 
fektion entnehmen. Alle Beobachtungen sprechen dafür, dass der Mensch der 
einzige Träger der Malariaparasiten ist. Der Kampf gegen die Malaria be- 
steht darin, dass mikroskopisch geschulte Aerzte die Malariaparasiten in ihrem 
Versteck und ihren Schlupfwinkeln aufsuchen und durch Anwendung von 
Chinin vernichten. Versuche in Stephansort haben bereits einen günstigen 
praktischen Erfolg geliefert. 

Weiterhin bespricht R. Koch die planmässige Chininbehandlung der 
Malaria und die Verhütung der Recidive durch Chinin. 

Dieudonne (Würzburg). 


Ziemann H., Zweiter Bericht über Malaria und Mosquitos an der 
afrikanischen Westküste. Deutsche med. Wochenschr. 1900. No. 47 u. 
48. S. 753 ff. 

Das Material zu dem vorliegenden Bericht wurde in erster Linie in 

Kamerun, dann in dem am Fusse des 4000 m hohen Kamerungebirges ge- 

legenen Victoria und endlich in der Kolonie Togo gewonnen. Der Typus des 


846 Infektionskrankheiten. 


dort beobachteten Erstlingstropenfiebers ist der der Tertiana maligna mit 
der charakteristischen Kurve, doch kamen auch Fälle mit unzweifelhaft kon- 
tinnirlichem Fieber vor. Die Zahl der im peripheren Blute befindlichen Tro- 
picaparasiten stand in einem ganz auffallenden Missverhältniss zu der Schwere 
der klinischen Erscheinungen. Bei Recidiven in Europa konnten die Para- 
siten viel zahlreicher seiu als in Kamerun selbst. Es ist also möglich, dass 
die kleinen Parasiten Südeuropas und der Tropen öfter verschiedene Virulenz 
zeigen, je nach den lokalen Bedingungen, unter denen sie sich entwickelten. 
Ausser den Tropicaparasiten wurden auch noch Tertianaparasiten, und zwar 
nur in Kamerun und auch dort nur sehr selten gefunden. 

Eingebende Untersuchungen ergaben die Häufigkeit der malarischen In- 
fektion bei den Negern. Die Mulatten in Kamerun zeigten sämmtlich die 
Spuren der Malariainfektion, die Negerkinder erwiesen sich von der Geburt 
an bis zum 5. Jahre besonders empfindlich. Diese Empfindlichkeit nimmt 
mit dem Alter ab, ohne aber gänzlich zu verschwinden. Auch Weisse, die 
im Anfang oft Fieber zu überstehen hatten, erlangen schliesslich eine Art von 
relativer Immunität. Impfungen mit Tropicaparasiten enthaltendem Malaria- 
blut bei 7 Negern ergab 4mal positives Resultat; bei diesen war also jeden- 
falls keine völlige früher erlangte Immunität vorhanden. Oft fand sich bei 
malariakranken Negern ausgesprochenste Leukocytose. Malariafreie Plätze 
konnten nicht gefunden werden. 

Eingehend schildert Z. die Behandlung und die Prophylaxe der Malaria 
mittels Chinin. Die Chininprophylaxe ist nicht schematisch, sondern indivi- 
dualisirend, je nach der Fiebergegend, zu gestalten, in den betreffenden Fieber- 
gegenden aber möglichst allgemein und nach allgemeinen Gesichtspunkten von 
vornherein durchzufübren. Von grösster Wichtigkeit ist es, die bereits aus- 
gebrochene tropische Malaria möglichst schnell und energisch durch reich- 
liche Chinindosen zu beseitigen. 

In Togo konnte Verf. den Entwickelungsgang der Tropicaparasiten im 
Mosquito (Anopheles) feststellen. Von Bedeutung ist, dass diese Anopheles 
in Westafrika zu jeder Tages- nnd Nachtzeit, wenn auch Nachts am liebsten, 
stechen; die Ansteckung kann hier also nicht nur Nachts erfolgen. Von 
grosser Bedeutung ist die Vernichtung der Mosquitolarven, die sich, wie Verf. 
zeigt, durch Petroleum praktisch erreichen lässt. Allerdings stösst diese Me- 
thode manchmal auf grosse Schwierigkeiten. Sehr wichtig ist eine metho- 
dische Chininpropbylaxe, wenigstens für sämmtliche weisse Angestellten. Was 
endlich die Frage betrifft, ob ausser dem Menschen noch andere Zwischen- 
wirthe für den Malariaparasiten existiren, so glaubt auch Z., dass dies wahr- 
scheinlich nicht der Fall ist. Dieudonné (Würzburg). 


Funck M., Der Vaccine- und Variolaerreger. Vorläufige Mittheilung. 
Aus dem bakteriologischen Institut „Parc Léopold“ in Brüssel. Deutsche 
med. Wochenschr. 1901. No. 9. S. 130. 

Auf Grund von experimentellen Untersuchungen kommt Verf. zu dem 

Schluss, dass die Vaccine sicher keine bakterielle, sondern eine Protozven- 

krankheit ist. Stets fanden sich in der Lymphe bei der Durchsicht im Trocken- 


Infektionskrankheiten. 847 


präparat eine grosse Menge eiförmiger Vakuolen, welche ganz hell und durch- 
scheinend sind und keine Anilinfarben annehmen. Bei genauerer Untersuchung 
zeigte sich, dass diese hellen Zwischenräume der Gegenwart sehr charakte- 
ristischer morphologischer Elemente entsprechen, die sich meist unter verschie- 
denen Gestalten zeigen. Diese Elemente sind nach Verf. Kysten (Sporoblasten), 
voll von Sporen, in denen der Kern unter der Form eines voluminösen hellen 
Fleckes, bald in der Mitte, bald seitlich erscheint. Verf. nennt diesen Zell- 
schmarotzer vorläufig Sporidium vaccinale. Die Einverleibung dieser Spori- 
dienart erzeugte bei empfänglichen Thieren alle Zeichen der Vaccine, ferner 
zeigte sich, dass die Infektion durch das Sporidium die Thiere gegenüber der 
weiteren Inokulation der Vaccine widerstandsfähig macht. Auch in Pusteln 
von echter Variola wurden ganz ähnliche Gebilde gefunden. Wegen der 
Details muss auf das Original, sowie namentlich auf die in Aussicht gestellte 
ausführliche Mittheilung verwiesen werden. Dieudonue (Würzburg). 


Kübler P., Geschichte der Pocken und der Impfung. „Bibliothek v. 
Coler“. Bd. 1. Mit 12 Abbildungen im Text und einer Tafel. Berlin 1901. 
A. Hirschwald. Preis: 8 Mk. 

Im vorliegenden 1. Bande der Bibliothek von Coler giebt K. das Er- 
gebniss seiner vieljährigen eingehenden Studien über die Geschichte der 
Pocken und der Impfung wieder, wozu er als früherer Referent über die 
Impfung im Kais. Gesundheitsamt sowie als Mitglied der von dem preussischen 
Kultusminister eingesetzten Kommission zur Prüfung der Impfstofffrage ange- 
regt wurde. Das durchweg fesselod geschriebene Werk schildert zunächst das 
Krankheitsbild der Pocken, giebt eine geschichtliche Uebersicht über den Ur- 
sprung und die Verbreitung der Pocken und bespricht dann die Entwickelung 
des Impfwesens. Auch die verschiedenen Streitfragen auf dem Gebiete der 
Pocken und der Impfung sind objektiv beleuchtet. Besonders dankenswerth 
ist die zusammenfassende Darstellung der Forschungen über den Pockenkeim 
bis zum neuesten Fund, dem Sporidium vaccinale von Funck herab, sowie 
der verschiedenen Bestrebungen zur Verbesserung der Lympbegewinnung. Eine 
Reihe von Abbildungen, sowie eine Tafel, die Häufigkeit der Pockentodesfälle 
in Europa von 1893—1897 darstellend, schmücken das Buch. 

Dieudonne (Würzburg). 


Heimann G., Zur Krebsstatistik. Deutsche med. Wochenschr. 1901. No. 6. 
S. 92. 

Die Zahl der Todesfälle an Krebs hat nach den statistischen Zu- 
sammenstellungen von Deneke in den Jahren 1889—1898 immer mehr zuge- 
nommen. Wie auch anderwärts hat die Krankheit in den Städten im Ver- 
hältniss mehr Opfer gefordert als in den Landgemeinden. In Württemberg 
sind grosse Unterschiede in der Krebssterblichkeit in den verschiedenen Kreisen, 
während :in Thüringen die geographische Verbreitung der Krankheit eine ziem- 
lich gleichmässige, was Berg und Thal, Stadt und Land betrifft, zu sein scheint. 

Dieudonné (Würzburg). 


848 Infektionskrankheiten. 


Babes und Sion, Die Pellagra. „Specielle Pathologie und Therapie“, . heraus- 
gegeben von H. Nothnagel. Bd. 24. Hälfte 2. Abth. 3. 87 Ss. 2 Tafeln. 
Wien. Alfred Hölder. Preis: 3,60 Mk. 

Nach einem kurzen Rückblicke auf die Geschichte der Pellagra schildern 
Verfl. zunächst die enorme Verbreitung der Krankheit speciell in Italien, 
Rumänien und Spanien. So stieg beispielsweise in Rumänien nach einer 
Missernte im Jahre 1899 die Zahl der Pellagrösen auf 40000. Nach der 
ganzen Geschichte der Pellagra, ihrer Vertheilung und ihrem zeitlich und 
periodisch - epidemischen Auftreten halten Verff. es für sicher, dass wir es 
bei derselben mit einer chronischen Intoxikationskraukheit zu tbun 
haben, welche durch eine im verdorbenen Mais gebildete, specifisch 
giftig wirkende Substanz verursacht wird. Für die Verderbniss des 
Maises selbst kommen dabei sowohl Bakterien wie Schimmelpilze in Betracht; 
um specifische Pilze handelt es sich dabei aber nicht. Gleich anderen Autoren 
konnten auch Babes und Sion aus verdorbenem Mais Stoffe extrahiren, welche 
auf Kaninchen und andere Thiere giftig wirkten und bei denselben pellagra- 
ähnliche Symptome hervorriefen, und ferner konnten sie nachweisen, dass im 
Blute von Menschen, welche Pellagra überstanden hatten, Antitoxine gegen 
das Maisgift vorhanden sind. 

Allerdings kommen die Maistoxine nicht ohne Weiteres bei jedem Menschen 
zur Wirkung, sondern hierzu sind prädisponirende Momente nöthig, welche 
in erster Linie in einer angeborenen Schwäche und Anomalie des 
Nervensystems zu suchen sind. 

Weiter werden eingehend die pathologisch-anatomischen Verände- 
rungen bei Pellagra, speciell die Erscheinungen im Nervensystem beschrieben 
und darauf die ganze Symptomatologie und Diagnose der Krankheit 
besprochen. $ 

Der letzte Abschnitt ist der Behandlung der Pellagra gewidmet. Ever- 
gisch durchgeführte staatliche Präventivmaassregeln würden nach An- 
sicht der Verf. die Seuche entschieden in äusserst wirksamer Weise be- 
kämpfen können. Dieselben müssten in erster Linie auf eine möglichst gute 
Maisernte hinwirken und den Genuss verdorbenen Maises zu verhindern suchen, 
in zweiter Linie auf eine Besserung der hygienischen Lage der Landbewohner 
gerichtet sein. 

Hinsichtlich der speciellen Behandlung ist eine Entfernung des Patienten 
aus seiner krankmachenden Umgebung, gemischte Kost und namentlich Fleisch- 
kost in erster Linie zu empfehlen; von Medikamenten hat sich Strychnin 
und Arsen noch am meisten bewährt. Nach der Ansicht der Verf. dürfte 
es möglicher Weise auch gelingen, ein Heilserum gegen Pellagra herzustellen. 

Der Arbeit sind 2 Tafeln und ein ausführliches Literaturverzeichniss bei- 
gegeben. Scholtz (Breslau). 


Immunität. Schutzimpfung. 849 


Wassermann A., Ueber die Ursachen der natürlichen Widerstands- 
fähigkeit gegenüber gewissen Infektionen. Aus dem Institut für 
Infektionskrankheiten in Berlin. Deutsche med. Wochenschr. 1901. No. 1. 
S. 4. 

Wie Ebrlich und Bordet zeigten, gelingt es leicht, gegen die im normalen 
Serum eines Thieres enthaltenen Alexine oder Komplemente durch Immuni- 
sirung specifische Antialexine bezw. Antikomplemente zu gewinnen. In dem 
Blute eines wiederholt mit Injektionen von normalem Meerschweinchenserum 
vorbehandelten Kaninchens treten Stoffe auf, welche die Meerschweinchen- 
komplemente binden und somit seine zellenauflösende Kraft verhindern. Verf. 
ging bei seinen Versuchen von dem Gedanken aus, dass es durch Einverleibung 
son Antikomplementen bei Thieren gelingen muss, die in ihrem Organismus 
befindlichen Komplemente (Alexine) zu binden, und dass alsdann, falls die 
Alexine bei der angeborenen Immunität gegenüber Infektionen eine bemerkens- 
werthe Rolle spielen, ein solches Thier in seiner Widerstandsfähigkeit 
herabgesetzt sein muss. Wie die Versuche von Verf. zeigten, ist das in der 
That der Fall. Injieirt man einem normalen Meerschweinchen eine Oese 
frischer 24 ständiger Typhns-Agarkultur in die Bauchhöhle mit 3 ccm nor- 
malem (1/, Stunde auf 60° erhitztem) Kaninchenserum als Kontrole, so bleibt 
dieses Thier am Leben, da das injicirte normale Serum die dem lebenden 
Organismus innewohnende Resistenz auslöst. Die injieirten Typhusbacillen 
werden aufgelöst. Nimmt man aber statt des normalen Kaninchenserums das- 
jenige eines Kaninchens, das vorher mit normalem Meerschweinchenserum vor- 
behandelt war und also Antialexine gegenüber den Alexinen des normalen 
Meerschweinchenorganismus enthält, dann stirbt stets das Thier, und die ein- 
gebrachten Typhusbacillen bleiben lebend und beweglich. Das gleiche Resultat 
ergaben Versuche mit Staphylococcus aureus. Da die Antikomplemente streng 
specifische Körper sind, die nur die in den normalen Körpersäften des betr. 
Thieres befindlichen Komplemente bezw. Alexine, sonst aber nichts anderes 
binden, und die Einverleibung dieser Antikomplemente nach den Versuchen 
des Verf.’s die Resistenzkräfte des Organismus berabsetzt, so muss die ange- 
borene Resistenz ihre Ursache zu einem Haupttheil in dem Vorhandensein von 
Komplementen im Organismus haben. Es sind also die in dem normalen Blut 
vorhandenen fermentähnlichen Stoffe, welche Bakterien aufzulösen vermögen, 
thatsächlich eine Hauptwaffe des lebenden Organismus gegenüber der ihn 
bedrohenden Infektion, und damit sind nach W. nun auch alle Fragen nach 
der biologischen Wirksamkeit und Wichtigkeit der Alexine im Sinne Buchner’s 
entschieden. Dieudonné (Würzburg). 


Fiakb, Aufhebung der sogenannten baktericiden Wirkung des Blut- 
serums durch Zusatz von Nährstoffen. Centralbl. f. Bakt. Bd. 28. 
No. 20. S. 694. 

Finkh hat die Versuche von v. Baumgarten und Walz über die Auf- 
hebung der baktericiden Wirkung des Serums durch Zufügen von Nähr-. 
stoffen weiter fortgeführt und seinen Experimenten dabei den Bac. anthracis, 
den Bac. typhi, das Bact. coli und den Vibrio cholerae zu Grunde ge- 


850 Immunität. Schutzimpfung. 


legt. Es gelang ihm bei Milzbrandbacillen durch Zusatz von Pepton- 
zucker, bei Bac. typhi durch Kalisalpeter, bei Bac. coli durch Pepton- 
Magnesiumsulfat und endlich bei Vibrio cholerae durch Soda-Koch- 
salzpepton die baktericide Kraft des Serums vollständig zum Verschwinden 
zu bringen. Finkh verwandte dabei Kaninchenserum und setzte zu 2 ccm 
desselben 0,2 ccm einer 2 proc. Lösung des betreffenden Adjuvans. 
„Scholtz (Breslau). 


Neisser M., Ueber die Vielbeit der im normalen Serum vorkon- 
menden Antikörper. Aus dem Kgl. Institut für experimentelle Therapie 
in Frankfurt a. M. Deutsche med. Wochenschr. 1900. No. 49. S. 790. 

Auf Grund der in der Literatur niedergelegten und einiger ergänzenden 

Versuche zeigt Verf., dass überall da, wo man die baktericiden, hämolytischen, 

agglutinirenden, antifermentativen und antitoxischen Kräfte der normalen 

Sera genauer analysirt hat, diese häufig gegen eine Reihe von Elementen 

gleichzeitig agirenden Stoffe in einzelne, von einander unabhängig und 

neben einander existirende Einzelstoffe zergliedert werden können. Die Ent- 
stehung dieser Stoffe ist aber nicht etwa ursächlich auf jene Elemente, denen 
gegenüber sie zur Aktion gebracht werden können, zurückzuführen, vielmehr 
ist es nach N. für viele dieser Stoffe (z. B. Diphtherieantitoxin beim Pferde) 
sicher, dass normale „Seitenketten“ des Serums, welche physiologisch irgend 
einem bisher unbekannten Zwecke dienen, eine zufällige Affinität zu einer 

Gruppe irgend eines Bakterinms oder zu einem Ferment oder Toxin besitzen. 

Das Vorhandensein eines Antikörpers im normalen Serum beweist eben nur, 

dass das Thier in irgend einem Zellenkomplex Gruppen (Receptoren) besitzt, 

welche zu dem betreffenden Bakterium oder dem Toxin eine zufällige Ver- 
wandtschaft haben, und dass bereits normaler Weise eine mässige Ueberpro- 
duktion dieser Receptoren und Abgabe an das Blut erfolgt. 

Dieudonne (Würzburg). 


Turrö R., Zur Bakterienverdauung. Centralbl. f. Bakteriol. Bd. 28. 
No. 6/7. S. 173. i 

Der Verf. berichtet kurz über die bisherigen Ergebnisse von Versuchen, 
welche die baktericide Wirkung der Organsäfte und der löslich ge- 
machten festen Blutbestandtheile zum Gegenstande hatten. Die festen 
Blutbestandtheile mehrerer Thierarten wurden mit der doppelten Gewichts- 
menge 5Oproc. Glycerins versetzt und durch Pankreassaft zur Verdauung ge- 
bracht. Die so gewonnene Blutlösung zeigte gegenüber dem Bac. anthracis, 
diphtberiae, subtilis und Streptokokken eine höhere baktericide Kraft. 
als das Blutserum, während andere Arten, wie der Pneumokokkus, Tuberkel- 
bacillus und Choleravibrio (!) unempfindlich schienen. Die der Einwirkung 
der Blutlösung ausgesetzten Bakterien quellen auf, lassen Kapseln erkennen 
und werden dann vollständig aufgelöst. Dieser Verdanungsprocess wird 
nach Ansicht des Verf.'s durch Diastasen eingeleitet, welche aus deo 
festen Blutbestandtheilen frei geworden sind, und die passend als Lysine 
bezeichnet werden könnten. Das Wärmeoptimum für die verdauende Wirkung 


Immunität. Schutzimpfung. 851 


dieser Lysine liegt zwischen 35 und 40°; alkalische Reaktion ist günstig, aber 
nicht nothwendig. Die Wirkung der Lysine ist um so stärker, je frischer das 
verwendete Blut war, sie ist ferner von Oxydationsvorgängen abhängig, die 
sich im Blute abspielen. H. Koeniger (Leipzig). 


Arloing S. und Courmont P., Ueber den Werth der Serumreaktion für 
die frühzeitige Diagnose der Tuberkulose. Deutsche med. Wochen- 
schr. 1900. No. 48. S. 766. 

Entgegen den Einwendungen von Beck und Rabinowitsch halten 
die Verff. an der diagnostischen Bedeutung der Serumreaktion fest. 
Die stärkste Reaktion erhält man nach den Erfahrungen von A. und C. in 
den Anfangsstadien der Tuberkulose mit leichten Veränderungen. In 
den Fällen mit ausgedehnter Tuberkulose kann sie ganz fehlen. Beim 
tuberkulösen Menschen schwankt die agglutinirende Wirkung des Serums 
meistens zwischen 1:5 und 1:20 und selbst darüber. Als geringste Ver- - 
dünnung, bei der die Reaktion beweisende Kraft hat, geben die Verff. 1:10 
an. Versuche an Thieren baben die diagnostische Bedeutung des Serums 
gleichfalls bewiesen. Dieudonne (Würzburg). 


Weissenberger, Adele, Diphtherieserumtherapie und Intubation im 
Kinderspital in Basel. Jahrb. f. Kinderheilk. Bd. 52. S. 312. 

Die Verfasserin berichtet an der Hand eines Materials von 306 Fällen 
über die Anwendung und den Erfolg der Serumtherapie. Auch in 
Basel sank die Sterblichkeit mit der Einführung des Serums bedeutend 
herab. Ein Einfluss des Serums auf die Abstossung der Pseudomembranen, 
auf die Entstehung einer Nephritis und von postdiphtherischen Lähmungen 
war nicht zu beobachten. Die Nephritis scheint vielmehr von der Ausbrei- 
tang des lokalen Krankheitsprocesses abzuhängen. Ziemlich häufig kamen 
kleine Erytheme, seltener eigentliche Exantheme vor, blieben aber ohne er- 
hebliche Bedeutung. 

Die Erfolge der Intubation, die in Basel jetzt fast stets, im Ganzen 
bisher in 117 Fällen, als erster operativer Eingriff bei diphtherischer Larynx- 
stenose angewendet wird, waren sehr befriedigende. Die Mortalität betrug 
29 pCt. H. Koeniger (Leipzig). 


Müller, Paul, Zur Lehre von den baktericiden und agglutinirenden 
Eigenschaften des Pyocyaneus-Immunserums. Centralbl. f. Bakt. 
Bd. 28. No. 18. S. 577. 

Müller hat die Untersuchungen von Emmerich und Löw über die 
bakteriolytischen Enzyme einer Nachprüfung unterzogen und zu diesem 
Zwecke den Bac. pyocyaneus gewählt. Verf. ist dabei zu folgenden Resul- 
taten gelangt: 

1. Bei Abwesenheit von Sauerstoff ist die baktericide Kraft des nor- 
malen Meerschweinchenserums gegenüber dem Bac. pyocyaneus keine grössere 
als bei Sauerstoffzutritt. 

2. Während avirulente Bacillen durch normales Serum eine nicht unbe- 


852 Immunität. Schutzimpfung. 


trächtliche Schädigung erfahren, vermögen sich virulente nach vorübergehender 
Entwickelungshemmung kräftig in demselben zu vermehren. 

3. Pyocyaneus-Immunserum hat unter aöroben Bedingungen keine 
stärkere baktericide Kraft gegenüber virulenten Pyocyanensbacillen als normales 
Serum, bei Sauerstoffabschluss entfaltet das Immunserum hingegen ener- 
gische keimtödtende Eigenschaften. 

4. Einstündiges Erhitzen auf 55° vernichtet diese nur anaerob zu be- 
obachtende baktericide Kraft. Zusatz von normalem Serum stellt dieselbe 
aber wieder her. 

5. In Pyocyaneus - Bouillonkulturen finden sich keine agglutinirenden 
Substanzen. Die Agglutinine der Immunsera können daher erst im Organismus 
gebildet werden. Scholtz (Breslau). 


Leclainche E. et Vallée H., Recherches expérimentales sur le charbon 
symptomatique. Troisième partie: Immunisation. Ann. de l'Inst. 
Pasteur. 1900. No. 8. p. 513. 

Iu der vorliegenden. 3. Abtheilung ihrer Arbeit (vergl. diese Zeitschr. 
1901. S. 134) haben Verf. die Immunisirung gegen Rauschbrand 
untersucht. Arloing und Cornevin haben Impfstoffe hergestellt, io- 
dem die virulenten Säfte der Geschwülste bei 370°C. getrocknet und dann 
7 Stunden lang auf 100—104° (1. Vaccin) bezw. auf 90—94° C. 2. Vaccin) 
erhitzt wurden. Verff. konnten feststellen, dass nach diesem Verfahren 
die Sporen nicht verändert werden, wohl aber die Toxine; die {Viru- 
lenz des Vacein kann gesteigert werden, wenn man z. B. gleichzeitig einige 
Tropfen Milchsäure Meerschweinchen injieirt. Ferner sind diese in Pulverform 
versandten Vaccins nicht rein; in Kulturen trifft man stets auch Bact. coli 
und andere Mikroorganismen; die Tumoren weisen meist Mischinfektionen auf. 
Um reine Vaccins zu erhalten, verwenden Verff. das Blut von Thieren 
(Meerschweinchen, Schafen), welche mit virulenten Reinkulturen des Rausch- 
brandbacillus intramuskulär geimpft worden sind. Das aus dem Herzen kurz 
nach dem Tode steril aufgefangene Blut wird behufs Sporenbildung mindestens 
48 Stunden lang in dem Brütschrank anaërob aufbewahrt und dann in sterile 
Petrischalen vertheilt, getrocknet und erhitzt wie nach dem Arloing- 
schen Verfahren. Während erbitzte Kulturen reaktionslos ertragen werden, 
bedingen die in der angegebenen Weise hergestellten Vaccins eine geringe 
Erkrankung; nach Verff. lässt sich dieses verschiedene Verhalten nicht etwa 
durch eine besondere Veränderung der Sporen erklären, sondern durch die in 
Folge der besseren Einhüllung erschwerte Phagocytose. Eine zweite Methode, 
die Immunisirung mittels Reinkulturen, ist schon von Kitasato fest 
gestellt und 1893 von Kitt verwerthet worden; Verff. haben das Verfahren 
wie folgt umgeändert; es werden 5—8 Tage alte, in der von Martin ange 
gebenen Bouillon gezüchtete Kulturen in verschlossenen Röhrchen 2 Stunden 
lang auf 70°C. erhitzt; diese erhitzten Kulturen stellen den 1. Vaccin dar, 
welcher in einer Menge von 1 ccm von Meerschweinchen ertragen wird. Als 
2. Vaccin werden dieselben nicht erhitzten Kulturen verwendet. Die 
Virulenz bleibt in der Bouillon durch viele Generationen hindurch erhälten, 


Immunität. Schutzimpfung. 853 


und die Kulturen sind vom 4. bis zum 12. Tage brauchbar. Als drittes Ver- 
fahren wird die ebenfalls schon von Kitt angegebene Serumimpfung gegen 
Rauschbrand genannt. Das Serum immunisirter Thiere verleiht nur eine 
karze, nicht über & Tage dauernde Immunität; wird dasselbe mit virulenten 
Kulturen vermengt und injicirt, so tritt der Tod nicht ein; die so behandelten 
Thiere sind aber auch nicht immunisirt. Die therapeutischen Versuche mit 
dem Serum fielen negativ aus, so dass die Serumtherapie gegen Rausch- 
brand praktisch noch nicht angewandt werden kann; höchstens wird 
das Serum prophylaktisch verwendet werden können. Verff. haben specifisch 
agglutinirende Eigenschaften des Blutserums bei geimpften und auch 
bei inficirten Thieren beobachtet. Silberschmidt (Zürich). 


Arloing S., Nouveaux procédés de vaccination contre le charbon 
symptomatique du boeuf, par l'association de sérum immunisant 
et de vaccins. Compt. rend. de l’acad. des sciences. T. 131. No. 5. p. 319. 

Die getrennte Injektion von Serum und aktivem Virus führt 
ebenso wie beim Schafe auch beim Rinde zu einer hochgradigen Immunität 
‚gegen Rauschbrand. Beim Rinde wird auch durch die gleichzeitige 
Injektion von Serum und Virus eine genügende Immunität erzielt, während 
dies beim Hammel nicht gelingt. Beide Verfahren sind aber kaum in die 
Praxis zu übertragen, das erste wegen des hohen Preises in Folge der erfor- 
derlichen grossen Serummenge, das zweite wegen der Schwierigkeit der Do- 
sirung. 

Es wird nun aber derselbe Erfolg sehr viel billiger und vollständig ge- 
fahrlos erreicht, wenn man statt des aktiven Virus ein etwas abgeschwächtes 
Virus verwendet. Es wurden zwei besonders kräftige Vaccins hergestellt 
und entweder gleichzeitig mit Serum injicirt oder die Seruminjektion voraus- 
geschickt. Bei der gleichzeitigen Injektion ist nur eine sehr geringe 
Serummenge erforderlich, und es dürfte sich daher dies Verfahren für die 
Schutzimpfung in den vom Rauschbrand heimgesuchten Ländern am meisten 
empfehlen. Das Verfahren der getrennten Injektion von Serum und 
Vaccins dagegen würde nur in plötzlich eintretenden mörderischen Enzoo- 
tien vorzuziehen sein, namentlich wenn es sich um werthvolle Thiere handelt. 

H. Koeniger (Leipzig). 


Loefller und Uhlenhuth, Ueber die Schutzimpfung gegen die Maul- und 
Klauenseuche, im Besonderen über die praktische Anwendung 
eines Schutzserums zur Bekämpfung der Seuche bei Schweinen 
und Schafen. Aus dem hygienischen Institut der Universität Greifswald. 
Deutsche med. Wochenschr. 1901. No. 1. S. 7. Wörtlich auch Centralbl. 
f. Bakteriol. Bd. 29. No. 1. S. 19. 

Die Kosten der Schutzimpfung mit Serum sind in der Praxis, da 
grosse Serummengen öfters injieirt werden müssen, so hohe, dass sie praktisch 
nicht durchführbar ist. Verf. waren daher bemüht, ein Verfahren für die 
Schutzimpfung der Rinder aufzufinden, welches denselben eine aktive lang- 
dauernde Immunität verleiht. Versuche mit dieser Methode haben bis jetzt 


854 Immunität. Schutzimpfung. 


günstige Resultate ergeben, doch ist sie in allen ihren Einzelheiten noch nicht 
so sicher beherrschbar, dass sie für die Praxis empfohlen werden könnte. 
Sehr aussichtsvoll dagegen erschien eine praktische Durchführung der Serum- 
schutzimpfung bei Schweinen und Schafen. Diese Thierspecies sind weniger 
empfänglich für die Seuche als die Rinder, sie sind mehr abgeschlossen in 
ibren Stallungen und kommen in viel weniger intensive Berührung mit dem 
Menschen. Die zu ihrem Schutze erforderlichen Serummengen sind wegen 
ihres geringeren Körpergewichtes relativ geringe, und endlich dauert der durch 
das Serum gewährte Schutz eine relativ lange Zeit. Für die Praxis ist die 
Impfung von grossem Nutzen. Durch Einspritzung von 5 ccm Serum bei 
Ferkeln und von 10—20 ccm, je nach der Grösse und dem Körpergewicht, 
bei Schweinen und Schafen, gelang es, Thiere, welche der höchsten Infektions- 
gefahr ausgesetzt gewesen sind, zu schützen. In Beständen, in welchen die 
Seuche bereits ausgebrochen war, konnte dieselbe schnell und sicher coupirt 
werden. d 

Für die Gewinnung des Serums ist vor Allem eine Lymphe von möglichst 
hoher Virulenz nothwendig. Nach vielen Versuchen gelang es durch Fortzüchtung 
des Virus im Körper von kleinen Ferkeln den Lymphestamn virulent zu er- 
halten. Die Virulenz wird durch die Bestimmung der für Ferkel von + bis 
5 Wochen tödtlichen Dosis festgestellt. Da bekanntlich die Erreger der Maul- 
und Klauenseuche so klein sind, dass sie durch Bakterien sicher zurück- 
haltende Filter hindurchgehen, so gelingt es, die Lymphe von allen in ihr 
enthaltenen bakteriellen Verunreinigungen unbeschadet ihrer Wirksamkeit zu 
befreien. Dadurch wird eine gefahrlose Einspritzung grösserer Lymphmengen 
möglich. 

Die Höchster Farbwerke stellen nunmehr ein Serum her, das in der Praxis 
für die Schutzimpfung von Schweinen und Schafen verwendet werden soll. 

Dieudonne (Würzburg). 


Finkelnburg, Ueber Gesundheitsbeschädigungen in Folge der Kuh- 
pockenimpfung und die Maassnahmen zur Verhütung derselben 
vom sanitätspolizeilichen Standpunkte. Centralbl. f. allgem. Ge- 
sundheitspfl. 1899. Bd. 19. S. 357. 

Auf Grundlage der Impfberichte und der Publikationen über sogenannte 
Impfkrankheiten kommt der Verf. zu dem Schluss, „dass die praktischen 
Erfahrungen der einzelnen Impfärzte gelehrt haben, dass die bisherigen Vor- 
schriften zur Sicherung des Impfgeschäftes und Verhütung von Impfkrank- 
heiten sich zum Theil als nicht ausreichend erwiesen haben, und dass als zeit- 
gemässe Forderungen vor allem in Betracht kommen: 

1. Einführung einer einheitlichen Methode zur Desinfektion des Impffeldes 
und der Impfinstrumente. 

2. Obligatorische Anordnung eines handlichen Schutzverbandes, der gleich 
nach dem Impfakte angelegt wird und nach der Revision „bis zur Abheilung 
der Pocken liegen bleiben kann“. R. Blasius (Braunschweig). 


Immunität. Schutzimpfung. 855 


Karlinskl, Bericht über die Impfungen in Bosnien und der Herzego- 
wina und den Einfluss derselben auf das Vorkommen der Blat- 
tern im Lande. (Hektographirter Abdruck.) 

Vor und zur Zeit der Okkupation von Bosnien und der Herzegowina 
durch die, österreichischen Truppen herrschten die Blattern endemisch im 
ganzen Lande. Die Blatternerkrankungen von 1882 an bis 1899 sind in 
der vorliegenden Arbeit kartographisch dargestellt und ziffernmässig auf zwei 
Tabellen eingetragen. In den ersten Jahren behalf man sich Seitens der 
Behörden mit der Schutzimpfung, die bereits 1879 anempfohlen wurde, 
zunächst mit humanisirter Lymphe, indem man z. B. unter dem 20. März 
1880 den Eltern, welche ihre Kinder als Stammimpflinge verwenden liessen, 
Prämien aus Landesmitteln zutheilte. Viele Vorurtheile der Bevölkerung 
waren zu überwinden, konfessionelle Gegensätze liessen die Verimpfung von 
christlichen auf mobammedanische Kinder und umgekehrt unthunlich erschei- 
nen. Namentlich die Mobammedaner zeigten eine entschiedene Abneigung 
gegen die Impfung. Allmählich gewöhnte sich die Bevölkerung an die Schutz- 
impfung; sie sah den Nutzen derselben ein, indem geimpfte Kinder bei Blattern- 
epidemien frei blieben, während ungeimpfte erkrankten. 1886 wurde zuerst 
animale Lymphe angewandt. 

1887 konnte man mit der radikalen Bekämpfyng der Blattern durch 
successive Immunisirung der Bevölkerung im Wege umfassender gemeinde- 
weiser Schutzimpfungen beginnen; hierbei nahm man nur animale Lymphe. 
In 2 graphischen Darstellungen wird uns 1. die Bewegung der Blattern in 
Bosnien-Herzegowina in den Jabren 1888—1898 und 2. der ebenda von 1888 
bis 1898 vorgekommenen Blatternfälle und durchgeführten Impfungen vorge- 
führt. Diese beweisen auf das klarste den ausserordentlich günstigen Einfluss 
der Impfung. Es ist interessant, nebeneinander zu stellen: 

Anzabl der und Anzahl der 


im Jahre Impfungen Blatternerkrankungen 
1887: 02... 292216. 0.2.0.2 2 =.14177 
1888... 2.0.6457 . 2... 0... ..13540 
1889. 2... 48573. ...202020. 2266 
1890... 2... 42691 . . . 22.698 
1891 2.2.2. 4770... 0... 1901 
1892 ....54l3 . . 2.2... 16 
18937 1.0.2.7: GORTA 29 08 isn 32 
1894: .. 25.2 04004... SE 4% 0 
1895: 77.2.2: 825 110112120. u E T 8 
18984... 5 07 B108T 00 4 a 32 
1891... 2 776808 1 eat 268 
1898 oei (0) 


Während, wie die kartographischen Darstellungen zeigen, in den ersten 
Jahren die Blattern ziemlich über das ganze Land verbreitet waren, so zeigen 
sich in den letzten Jahren nur noch in den Grenzdistrikten Blatternfälle, die 
daher rühren, dass die Nachbarstaaten, die keinen Impfzwang haben, Veran- 
lassung zur Blatterneinschleppung geben. 


856 Immunität. Schutzimpfung. 


Interessant ist, dass immer im Winter häufigere Blatternerkrankungen 
vorkamen als im Sommer. Verf. erklärt dies damit, dass im Winter die Be- 
völkerung enger zusammengedrängt in den Wohnungen sich aufhält, und daher 
hier eine Uebertragung von Person zu Person leichter stattfindet, während im 
Sommer die Leute vielfach vereinzelt im Freien sich aufhalten. 

In der letzten Zeit sind vielfach auch Revaccinationen vom 5. bis 7. Jahre 
nach der ersten Impfung vorgenommen worden. 

Wie die beigegebenen Instruktionen Seitens der Landesregierung zeigen, 
wird die Schutzimpfung jetzt gemeindeweise vorgenommen und zwar innerhalb 
zweier von einander getrennter Zeitperioden; für die erste ist die Zeit vom 
1. bis ca. 15.—18. Mai, für die zweite die vom 5. bis ca. 21.—24. Juni fest- 
gesetzt. 

Verf. kommt auf Grundlage der angeführten Zahlen zu folgendem Ergebniss: 

1. Die Abnahme der Blattern im Lande ist zweifellos darauf zurückza- 
führen, dass durch die durchgreifende Immunisirung der Bevölkerung mittels 
der Schutzimpfungen der Seuche der Boden zur Weiterverbreitung entzogen 
wurde. 

2. Der Umstand, dass in den Nachbarländern, wo die Impfungen entweder 
gar nicht oder nur in beschränkter Anzahl vorgenommen werden, die Blattern 
nach wie vor häufig vorkommen, spricht dafür, dass in Bosnien-Herzegowina 
thatsächlich die Impfung an der Befreiung des Landes von den Blattern 
schuld ist. — 

Mit Vergnügen liest man die schöne Arbeit Karlinski’s und freut sich, 
dass auch auf dem Gebiete der Hygieue die Regierung der okkupirten Pro- 
vinzen, wie in so vielen anderen Zweigen der Verwaltung, zum Wohle des 
Landes gewirkt und sich die richtigen Männer zu ihren Maassnabmen ausge- 
sucht hat. 

Wenn es überhaupt unter Hygienikern und Aerzten noch Impfgegner geben 
sollte — was kaum anzunehmen — so würde dieser Bericht Karlinski’s 
sie von dem Irrthum ihrer Ansichten überzeugen müssen. Namentlich aber 
dem irregeführten Impfgegner-Laienpublikum möchten wir die Lektüre der 
Karlinski’schen Arbeit dringend anrathen. 

Möchten die wenigen Länder Europas, in denen noch nicht methodisch 
mit animaler Kuhpockeniymphe geimpft wird, dem Lande Bosnien-Herzegowioa 
bald nachfolgen! R. Blasius (Braunschweig). 


Uhlenhuth, Neuer Beitrag zum specifischen Nachweis von Eiereiweiss 
auf biologischem Wege. Aus dem hygienischen Institut der Universität 
Greifswald. Deutsche med. Wochenschr. 1900. No. 46. S. 734. 

Verf. suchte festzustellen, ob in dem Serum mit Eiereiweiss vorbe- 
handelter Thiere ähnlich wie bei anderen Produkten thierischer Zellen spe- 
cifische Antikörper sich entwickeln, und ob sich eventuell auf diese Weise 
die Eiweissstoffe verschiedener Vogeleier differenziren lassen. Zunächst 
wurde das Hühnereiweiss gewählt. Das Weisse von 2—3 Hühnereiern wurde 
Kaninchen in Intervallen von mehreren Tagen in die Banchhöhle ivjicirt. 
Nachdem die Thiere eine gewisse Menge von Eiweiss (5—6 Eier) auf diese 


Immunität. Schutzimpfung. 857 


Weise erhalten hatten, zeigte sich beim Zusatz einiger Tropfen des Serums 
solcher Thiere zu einer mit physiologischer NaCl-Lösung hergestellten 5- bis 
l0proc. Hühnereiweisslösung eine deutliche Trübung. Dieselbe trat, da das 
Seram sofort als specifisch schwerer nach unten sinkt, am Boden des Re- 
agensglases auf, um dann allmählich auf die ganze Flüssigkeit sich zu ver- 
breiten. Diese Reaktion wird um so eklatanter, je mehr Eiereiweiss das Tbier 
vorher intraperitoneal erhalten batte. Man kann dann feststellen, dass alle 
chemischen Eiweissreaktionen mit der Feinheit dieser biologischen nicht kon- 
kurriren können. Die verschiedensten anderweitigen Eiweisspräparate (Nutrose, 
Pepton u.s.w.) ergaben keine Reaktion. Dagegen war sie bei Taubeneier- 
eiweiss positiv. Das Serum eines mit Taubeneiereiweiss intraperitoneal vorbe- 
bandelten Kaninchens erzeugte sowohl in der Taubeneiereiweiss- wie in der 
Hühnereiereiweisstösung Trübung bew. Niederschlag. Das Serum verträgt eine 
einstündige Erhitzung auf 60°, ohne seine Reaktionsfähigkeit einzubüssen. 
Diese Versuche ermuthigen dazu, der Frage nach der biologischen Differen- 
zirung der Eiweisskörper näherzutreten. Dieudonne (Würzburg). 


Ublenhuth, Eine Methode zur Unterscheidung der verschiedenen 
Blutarten, im besonderen zum differentialdiagnostischen Nach- 
weis des Menschenblutes. Aus dem hygienischen Institut der Univer- 
sität Greifswald. Deutsche med. Wochenschr. 1901. No. 6. S. 82. 

Wassermann A. und Schütze A., Ueber eine neue forensische Methode 
zur Unterscheidung von Menschen- und Thierblut. Aus dem kgl. 
Institut für Infektionskrankheiten in Berlin. Berl. klin. Wochenschr. 1901. 
No. 7. S. 187. 

In einer früheren Arbeit hatte Uhlenhuth bereits mitgetbeilt, dass 
das Serum eines mit Hühnerblut intraperitoneal vorbehandelten Kanin- 
chens beim Zusatz zu einer mit Wasser lackfarben gemachten schwach- 
rothgefärbten Hühnerblutlösung einen deutlichen, schnell auftretenden 
Niederschlag giebt, während dasselbe Serum in Blutlösungen anderer Thier- 
arten keine Trübung hervorruft. Wie weitere Versuche ergaben, hat 
das Serum der mit Rinderblut behandelten Kaninchen dieselbe Wirkung; 
auch dieses bewirkt nur mit Rinderblut einen Niederschlag, mit dem Blute 
der verschiedensten anderen Thierarten dagegen nicht. Diese Specifität der Re- 
aktion veranlasste Verf. in analoger Weise Kaninchen mit Menschenblut intra- 
peritoneal zu behandeln. Nach wiederholten Injektionen hatte das Serum die 
Eigenschaft, einzig und allein in der Menschenblutlösung einen Niederschlag 
zu erzeugen. Die Blutlösungen stellte Verf. mit gewöhnlichem Leitungswasser 
in der Verdünnung 1:100 her, hierauf warde filtrirt, von der so gewonnenen 
klaren Lösung 2 ccm in kleine Reagensröhrchen gebracht und diese mit 1,6proc. 
Kochsalzlösung versetzt. Normales Kaninchenserum machte in Menschenblut- 
lösungen keine Trübung. Man ist also mit dieser Methode im Stande, Menschen- 
blut von anderen Blutarten zu unterscheiden, was für forensische Zwecke 
von grosser Bedeutung ist. U. gelang es auch aus 4 Wochen lang auf einem 
Brett angetrocknet gewesenem, in physiologischer NaCl-Lösung aufgelöstem Blut 


858 Immunität. Schutzimpfung. 


vom Menschen, Pferd und Rind mit Hilfe seines Serums sofort das Menschen- 
blut zu diagnostieiren. 

Die gleichzeitig und unabhängig von der Mittheilung von Uhlenhuth 
erschienene Arbeit von Wassermann und Schütze kommt zu ganz gleichen 
positiven Resultaten. Die Verff. spritzten Kaninchen 5—6 mal je 10 cem 
zellenfreies menschliches Blutserum in etwa zweitägigen Intervallen ein. 6 Tage 
nach der letzten Einspritzung wurden die Thiere, welche diese Behandlung 
gut ertrugen, entblutet und das Blut zur Abscheidung des Serums auf Eis 
gestellt. Setzte man nun zu einer Verdünnung von menschlicbem Serum mit 
physiologischer Kochsalzlösung oder zu einer durch destillirtes Wasser lack- 
farben gemachten dünnen Menschenblutlösung !/z ccm dieses Kaninchenseruns 
hinzu, so trat fast sofort, insbesondere bei 37°, ein starker wolkiger Nieder- 
schlag ein. Genauere Untersuchungen ergaben die specifische Wirkung dieses 
Serums. Das Blut von 23 verschiedenen Thieren gab keine Reaktion, nur 
Menschenblut sowie das Blut des Affen. In dem lackfarbenen Blut dieses 
Thieres trat, allerdings erst nach längerer Zeit und in geringerem Grade, nach 
Zusatz des vorbehandelten Kaninchenserums ein Niederschlag auf. 

Die Verff. prüften weiterhin die Methode auf ihre praktische forensische 
Brauchbarkeit. Sie machten mit Hilfe von Menschenblut und den verschie- 
densten Thierblutarten auf leinene Stoffe und verschiedene Instrumente künst- 
liche Bintflecke und liessen dieses Material ohne jede Schonung 3 Monate 
liegen. Nach dieser Zeit wurden von allen Proben ein oder mehrere Blut- 
flecke, die im Laufe der Zeit durch Methämoglobinbildung braun geworden und 
verändert waren, mit 5—6 ccm physiologischer Kochsalzlösung ausgewaschen 
und diese schmutzig braune, trübe Flüssigkeit filtrirt. Von der nun ganz 
klaren Lösung wurden 4—5 ccm mit je 1/ ccm Serum von dem mit Menschen- 
serum vorbehandelten Kaninchen versetzt und die Probe. auf 370 gebracht. 
Bereits nach 20 Minuten, mitunter schon früher, zeigte die aus dem Menschen- 
blut ausgewaschene Lösung deutliche Trübung, alle anderen Lösungen waren 
klar, nur das mit dem Affenblutfleck angestellte Röhrchen zeigte leichte Trü- 
bung. Die Methode gestattet also auch bei altem, eingetrockmetem Material 
eine leicht und sicher zu fällende Entscheidung, ob es sich bei solchen Blat- 
arten um Menschenblut handelt oder nicht, sofern anamnestisch bei dem Unter- 
suchungsmaterial Affenblut nicht in Frage kommen kann, was aber in unseren 
Verhältnissen wohl nie der Fall sein wird. Dieudonne (Würzburg). 


Stern R., Ueber den Nachweis menschlichen Blutes durch ein „Anti- 
serum“. Deutsche med. Wochenschr. 1901. No. 9. S. 135. 

Im Anschluss an die Veröffentlichung von Uhblenhuth (vergl. das vom 
stehende Referat) theilt Verf. mit, dass es ihm gleichfalls gelungen ist, durch 
Vorbehandlung von Kaninchen mit menschlichem Blutserum ein Serum zu 
erhalten, das mit menschlichem Blutserum und menschlichem eiweisshaltigen 
Harn, aber nicht mit thierischem Blutserum einen Niederschlag gab. Die 
Reaktion ist aber insofern nicht streng specifisch, als auch das Blut einiger 
Affen eine schwache Trübung mit dem „Antiserum“ gab. Durch fortgesetzte 
Seruminjektion kann man den Wirkungswerth des Antiserams immer mehr 


Immunität. Schutzimpfung. 859 


erliöhen; so konnte S. an dem Serum eines mehrere Monate vorbehandelten 
Kaninchens eine Reaktion noch mit dem auf das 500 000 fache verdünnten 
menschlichen Blutserum feststellen. Dieudonne (Würzburg). 


Krompecher, Erythrocytenkerne lösendes Serum. Centralbl. f. Bakt. 
Bd. 28. No. 18. S. 588. 

Krompecher benutzte zu seinen Untersuchungen Frösche und Kaninchen. 
Dabei ist zu bemerken, dass normales Froschserum Kaninchenerythro- 
eyten in wenigen Minuten auflöst, während normales Kaninchenserum 
die kernhaltigen Erythrocyten des Frosches nicht verändert. 

Wurden jedoch die Kaninchen mit intravenösen Injektionen von Blut- 
körperchen-Aufschwemmungen des Frosches vorbehandelt, so gewann 
ihr Serum relativ rasch hämolytische Eigenschaften den Erythrocyten 
des Frosches gegenüber. Dieselben äusserten sich zunächst in Auflösung des 
Protoplasmas der Blutkörperchen, an welche sich dann bald auch eine Auf- 
lösung des Kerns anschloss. 

Bei Behandlung der Kaninchen mit dem Serum des Frosches gewann das 
Kaninchenserum keine derartigen hämolytischen Eigenschaften, dagegen 
widerstand nun das Blut des so vorbehandelten Kaninchens bis zu einem 
gewissen Grade der auflösenden Wirkung des Froschserums. 

Scholtz (Breslau). 


Hedon E., Sur l’agglutination des globules sanguins par les agents 
chimiques, et les conditions de milieu qui la favorisent ou l’em- 
pechent. Compt. rend. de l’acad. des sciences. 1900. T. 131. No. 4. p. 290. 

Sehr geringe Säuremengen üben in isotonischen- Zuckerlösun- 
gen einen stark agglutinirenden Einfluss auf die Blutkörperchen 
des Rindes, Kaninchens und Meerschweinchens aus, während sie in isotoni- 
schen Salzlösangen vollständig wirkungslos bleiben. Das Medium 
spielt also bei der agglutinirenden Wirkung der Säure eine Hauptrolle. Es 
scheint, als ob die Säure nur in isotonischen Lösungen von nicht dissociablen 
und nicht elektrolytischen Stoffen agglutinirend auf die Blutkörperchen wirke. 

Aus demselben Grunde besitzen auch die sauren Amine, Asparagin und Glyko- 

koll, die Fähigkeit der Agglutination. Durch die Neutralisation der Säure, 

bezw. durch den Zusatz eines Neutralsalzes wird nicht nur die Agglutination 
verhindert, sondern die bereits eingetretene auch wieder aufgelöst. Auch bei 
der agglutinirenden Wirkung des Sublimats spielt das Medium eine 

Rolle. Das Sublimat agglutinirt freilich auch in Salzlösungen, aber es wirkt 

sehr viel stärker in Zuckerlösungen. H. Koeniger (Leipzig). 


Myers, Walter, Ueber Immunität gegen Proteide. Centralbl. f. Bakteriol. 
Bd. 28. No. 8/9. S. 287. 

Der Verf. erzielte bei Kaninchen eine Art Immunität gegen Proteide 
dadurch, dass er eben diese Stoffe in steigenden Dosen intraperitoneal inji- 
cirte. Die angewendeten Proteide waren Eiereiweiss aus dem Weissen von 
Hühnereiern, Serumgiobulin vom Schaf und Rind und Witte’s Pepton. Das 


860 Immunität, Schutzimpfung. Wohnungshygiene. 


Serum der Thiere erwarb die Eigenschaft, ein dichtes Präcipitat 
zu bilden, wenn es zu einer Lösung des betreffenden Eiweissstoffes hinzu- 
gefügt wurde. Das Serum enthielt einen specifischen Antikörper, ein 
Antiproteid oder Präcipitin, welches die Fähigkeit besass, das zur Immu- 
nisirung benutzte Proteid niederzuschlagen. 

Es wurde ferner beobachtet, dass das Serum des gegen Schafglobulin 
immunisirten Kaninchens die rothen Blutkörperchen des Schafes ag- 
glutinirte, und dass dasselbe Serum bei Blutkörperchen, die mit destillir- 
tem Wasser ausgelaugt waren, einen Niederschlag verursachte. Die 
Agglutinirung besteht nach Ansicht des Verf.’s aus zwei Vorgängen, erstens 
aus einer chemischen Veränderung (der Präcipitinwirkung) in dem Blutkörper- 
chen und zweitens aus einer physikalischen Erscheinung, die eine Folge von 
Oberflächenspannung sein dürfte. H. Koeniger (Leipzig). 


Delezenne C., Serum antihepatique. Compt. rend. de l’acad. des sciences. 
T. 181. No. 7. p. 427. 

Durch Injektion einer Emulsion von Hundeleber in die Bauchhöble 
von Kaninchen oder Enten erhält man ein Serum, welches stark toxisch 
auf die Leberzellen des Hundes wirkt. Dies Serum antihepatique 
ruft sowohl bei intraperitonealer wie bei intravenöser Injektion schon in sehr 
schwachen Dosen fast regelmässig den Tod der Thiere hervor. Tritt der Tod 
rasch ein, so findet man eine akute Nekrose der Leber. Bleibt das Leben 
der Thiere mehrere Tage erhalten, so zeigt die Leber eine hochgradige 
fettige Degeneration und häufig sogar das Bild der akuten gelben Atro- 
phie. Die toxische Wirkung des Serum antihepatique ist streng specifisch, 
sie betrifft nur die Leber. Durch Injektion langsam ansteigender Dosen von 
Serum antihépatique kann man Hunde gegen die Giftwirkung dieses 
Serums immunisiren. Die Immunität beruht auf der Bildung eines 
Antilysins, das auch übertragen und zur passiven Immunisirung benutst 
werden kann. H. Koeniger (Leipzig). 


Franz W., Die Aufgaben der Gemeinden in der Wohnungsfrage. Vor- 
trag, gehalten in der Hauptversammlung des Niederrheinischen Vereins für 
öffentliche Gesundheitspflege in Köln am 3. November 1900. Techn. Ge- 
meindebl. 1900. No. 17. S. 257. 

In seinen Darlegungen geht Franz von dem Grundsatze aus: „die Woh- 
nungsfrage ist eine vorwiegend städtische Frage, ihre Lösung in erster 
Linie Aufgabe der gemeindlichen Selbstverwaltung“. Nach der Schilderung 
der verschiedenen, bereits allgemein betonten und z. Th. anerkannten Aufgaben 
der Städte in dieser Richtung (Behandlung des Bebaunngsplanes, der Bauord- 
nung u. a. m.) warnt Franz vor der allgemeinen Subventionirung der Klein- 
wohnungen, da zumeist nur dem Unternehmer hierdurch ein Vortheil erwachse, 
hält es dagegen für eine unabweisbare Aufgabe der Städte, den Preis der 
Bauplätze dadurch in angemessenen Schranken zu halten, dass die Städte 


Wohnungshygiene. 861 


Grossgrundbesitzer (des Aussengeländes) werden, rechtzeitig kaufen und nur 
unter der Bedingung Bauland abtreten, dass binnen zwei Jahren die Gebäude 
erstellt werden. Der Gewinn beim Verkauf der Plätze soll stets wieder zum 
Ankauf von Gelände dienen; aber nicht die Erzielung eines Gewinnes, sondern 
das Preiswerthhalten des Baulandes muss die eigentliche Triebfeder solcher 
Unternehmungen sein und dauernd bleiben, wenn Segen für die Allgemeinheit 
daraus hervorgehen soll. 

~ Die Sorge für das Wohnwesen ist eine der bedeutendsten, wenn nicht die 
bedeutendste, zugleich aber auch eine der schwierigsten Aufgaben der Städte. 
Will man sie in allen Richtungen zur voll befriedigenden Lösung führen, 
dann ist es erforderlich, einen technisch und volkswirthschaftlich umfassend 
gebildeten, social geschulten, persönlich bedeutenden Mann an die Spitze dieses 
Theiles der städtischen Verwaltung zu stellen und ihm volle Gleichberechti- 
gung gegenüber den juristisch vorgebildeten Verwaltungsbeamten, Sitz und 
Stimme in der Verwaltung zu geben. H. Chr. Nussbaum (Hannover). 


Les habitations à bon marché. La Rev. philanthropique. 2. IV. 22. In- 
formations- 

Die durch Gesetz vom 30. November 1894 den Arbeiterwohnungen 
zugestandene Steuerfreiheit und andere Vortheile werden auch denjenigen 
Häusern zugesichert, deren Erdgeschoss ganz oder theilweise dem Handel dient; 
diese Räume sind jedoch davon ausgeschlossen. Stern (Bad Reinerz). 


Stüäbben J. (Köln), Stadtbauplan und Stadtbauordnung, in besonderer 
Rücksicht auf die Ermöglichung guter und billiger kleiner Woh- 
nungen. Centralbl. f. allgem. Gesundheitspfl. 1899. Bd. 18. S. 85. 

Im Sinne des Landesraths Brandt („Arbeiterwohnungsfrage, eine Frage 
des Stadtbauplans und der Stadtbauordnung“ in der Zeitschrift „Arbeiter- 
wohl“) bespricht der Verf. den Stadtbauplan, die grossen Blocktiefen, die über- 
triebene Breite der Strassen und dadurch gesteigerte Höhe der Gebäude, die 
hohen Strassenbaukosten, die den anliegenden Häusern zur Last fallen, die 
Unzulänglichkeit und Verbesserungsbedürftigkeit des preussischen Fluchtlinien- 
gesetzes, die Bauordnung und die Wohnungspolizei, und bricht eine Lanze 
dafür, dass es „wieder allgemein Volkssitte, Familiensitte werden möge, im 
kleinen Hause und möglichst allein zu wohnen. Denn die gute Sitte ist noch 
werthvoller und segensreicher als die beste Polizei.“ 

R. Blasius (Braunschweig). 


Stübben J, Die weiträumige Bauweise im Stadterweiterungsgelände 
zu Stuttgart. Deutsche Vierteljahrsschr. f. öffentl. Gesundheitspfl. Bd. 82. 
S. 537. 

Der Personenwechsel in der Leitung der Stuttgarter Stadtverwaltung 
hat den Anlass zu zwei halbamtlichen Schriften gegeben, welche die beab- 
sichtigte weiträumige Bebauung des dortigen Stadterweiterungsge- 
ländes mit volkswirthschaftlichen, gesundheitlichen und schönheitlichen Grün- 
den zu bekämpfen versuchen. Es sind dies die Schriften von Rettich, „die 


862 Krankenpflege. 


Stadterweiterung unter volkswirthschaftlichem Gesichtspunkt“ und die Schrift 
von Abele, „weiträumiger Städtebau und Wohnungsfrage“. Stübben be- 
leuchtet in der vorliegenden Arbeit die beiden genannten Schriften vom Stand- 
punkt des erfahrenen Bausachverständigen, um sie als das zu kennzeichnen, 
was sie sind, Tendenzschriften, die mit den anerkannten Grundsätzen der 
Hygieniker, Techniker und Socialpolitiker im schroffsten Widerspruch stehen 
und die schärfste Zurückweisung verdienen. Rotb (Potsdam). 


Meyer J., Geschichte der Genfer Konvention. Schriften der Vereine 
vom Rothen Kreuz. H. 1. Berlin 1901. Carl Heymann’s Verlag. VII und 
64 Ss. 80, Preis: 1 Mk. 

Die 7 Abschnitte des bis auf das fehlende Register ansprechend ausge- 
statteten Heftes behandeln in gedrängter Kürze die Kriegskrankenpflege 
vor dem Genfer Vertrage, die beiden Kongresse zum Abschlusse dieser Kon- 
vention von 1863 und 1864, die darauf folgenden Versuche zu ihrer Verbesse- 
rung, den Genfer Kongress 1868, die Brüsseler Konferenzen von 1874 und die 
Haager Friedenskonferenz von 1899. Das einschlägige Schriftthum wird unbe- 
schadet der allgemein verständlichen Darstellung in den Fussnoten sorgsam 
angegeben. Eine schärfere Trennung des Genfer Vertrages und seiner Vor- 
läufer von der freiwilligen Krankenpflege würde dabei den geschichtlichen 
Ueberblick erleichtern. Die kritische Beurtheilung muss schon deshalb zurück- 
treten, weil von dem Hauptvertrage nur die oft willkürlich abändernde 
deutsche Uebersetzung geboten werden konnte. Mit der Haager Tragikomödie, 
deren Akten bekanntlich noch der Veröffentlichung harren, schliesst die Ab- 
handlung ab und macht so ohne Schuld des Verf.’s einen unbefriedigenden 
Eindruck, den auch die Haager Konvention über den Seekrieg nicht zu ver- 
wischen vermag. Hoffentlich fällt eine zweite Auflage des trefflichen Büch- 
leins in eine den Bestrebungen zur Verbesserung der Krankenpflege im Land- 
kriege günstigere Zeit. Helbig (Serkowitz). 


Bericht über die Thätigkeit der Berliner Rettungsgesellschaft für 
das dritte Geschäftsjahr vom Oktober 1899 bis 30. September 
1900. Berlin 1900. 

Die Berliner Rettungsgesellschaft hat auch im 3. Berichtsjahr 
eine rege und segensreiche Thätigkeit entfaltet. Nicht nur hat sich ihre 
Inanspruchnahme von Behörden und Privatpersonen, von Mitgliedern von 
Krankenkassen und Berufsgenossenschaften zwecks Leistung erster Hilfe ge- 
steigert, sondern auch ganz besonders hat sich die Centrale immer mehr zu 
einem unentbehrlichen Mittel für die Versorgung der Kranken und Unterbrin- 
gung der Verunglückten der Reichshauptstadt herausgebildet. 

Die Gesellschaft hat streng daran festgehalten, nur die erste und ein- 
malige Hilfe Verunglückten und plötzlich Erkrankten zu Theil werden zu 
lassen und ferner die Ausübung ihrer Hilfe niemals von einer Be- 
zahlung abhängig zu machen. 


Desinfektion. 863 


Im Ganzen bestehen zur Zeit 15 Hauptwachen, von denen 3 ausserhalb 
des Weichbildes von Berlin liegen: das Charlottenburger, Britzer und Gross- 
Liehterfelder Krankenhaus. Die Zabl der Rettungswachen (8) ist im Betriebs- 
jabre nicht vermehrt worden. 6 Rettungswachen sind mit Sanitätswachen 
verbunden, welche den Nachtdienst wahrnehmen, während in den beiden 
übrigen Wachen der Tages- und Nachtdienst von der Rettungsgesellschaft ge- 
stellt wird. 

In der Organisation wurde im Januar 1900 eine Aenderung dahin ge- 
troffen, dass das Amt des ärztlichen Direktors von dem des ersten Vorsitzenden 
getrennt wurde. Die neu geschaffene Stelle wurde Herrn Dr. George Meyer 
übertragen. Von Bedeutung ist die Vereinbarung der Rettungsgesellschaft mit 
der „Freiwilligen Sanitätskolonne vom Rothen Kreuz Schöneberg“, 
wonach dieselbe der letzteren in allen Fällen, in denen grosse Measchen- 
ansammlungen zu erwarten sind, ferner bei Massenunglücksfällen sich bereit 
erklärt, mit Material und Personal unterstützend einzutreten. 

Die Lage der Centrale im Langenbeckbause hat sich vorzüglich bewährt. 
Die Centrale erhält täglich 2 mal von den Krankenhäusern Berlins Nachricht 
über die in denselben freistehenden Betten, so dass sie besonders zu Zeiten 
von Epidemien bei der täglichen Vertheilung der Kranken in die einzelnen 
Krankenhäuser erspriesslich mitwirken kann. 

Im Ganzen wurde die Centrale im Berichtsjahre 24 615 mal, durchschnitt- 
lich monatlich 2051 mal in Anspruch genommen, gegen 17 713 Fälle des Vor- 
jahres. In 64 Fällen vermittelte sie die Ermittelung von Vermissten in 
Krankenhäusern. 

Von der Thätigkeit der Hauptwachen ist vorläufig ein Gesammtbild nicht 
zu geben, weil nur von 3 Hauptwachen regelmässige Berichte eingegangen 
sind. Die Zahl der in diesen versorgten Kranken betrug 1369. Die Rettungs- 
wachen wurden von 8526 hilfesuchenden Personen aufgesucht, so dass die 
Inanspruchnahme der Gesellschaft im Berichtsjahre auf 33141 Fälle ge- 
stiegen ist. 

Die Finanzen haben sich nicht so günstig entwickelt wie im Vorjahre. 
Die Einnahmen betrugen Mk. 52905 (— 16421), die Ausgaben Mk. 56 076. 
Von den Einnahmen entfallen Mk. 16 248 durch Jahresbeiträge von 2338 Mit- 
gliedern, Mk. 936 einmalige Beiträge, Mk. 33724 Extraeinnahmen und Mk. 1996 
durch den Rettungswachenbetrieb. Unter den Extraeinnahmen sind besonders 
der Beitrag der Stadt Berlin mit 20 000 Mk., der Stadt Charlottenburg mit 
1000 Mk. und der Ueberschuss des durch Herrn Koncertdirektor Herrmann 
Wolf arrangirten Winterfestss mit 10 943 Mk. zu erwähnen. 

Th. Sommerfeld (Berlin). 


Czaplewski, Ueber die Wohnungsdesinfektion mit Formaldehyd in 
Köln. Centralbl. f. allgem. Gesundheitspfl. 1900. Bd. 19. S. 15. 
Verf. giebt einen kurzen Ueberblick über die verschiedenen bisher gebräuch- 
lichen gasförmigen Desinfektionsmittel und geht dann näher ein auf die Des- 
infektion mit Formaldehyd. Zum Schlusse demonstrirt und beschreibt 


864 Desinfektion. Prostitution. 


er genau den von ihm konstruirten Kölner Apparat, geliefert von F.&M.Lauten- 
schläger, Berlin. R. Blasius (Braunschweig). 


Masurkewitz, Joseph und Speier, Arthur, Verdampfungsapparat, insbe- 
sondere für Desinfektionsflüssigkeiten. Patentschr. No. 115051. 
Die drei Apparate haben den Zweck, ein gleichmässiges und gefabr- 
loses Vergasen feuergefährlicher Flüssigkeiten, wie sie bei der Desinfektion 
von Wohnräumen benutzt werden, zu ermöglichen. Erreicht wird dies dadurch, 
dass nicht die ganze zu verdampfende Flüssigkeitsmenge gleichzeitig erhitzt 
wird, sondern durch poröse Körper (Dochte oder poröse Platten aus Docht- 
gewebe) stets nur eine kleine Menge der Flüssigkeit auf eine erhitzte Platte 
gebracht wird, nach deren Verdampfung wieder ein Nachströmen aus dem 
Behälter stattfindet. Mayer (Berlin). 


Müller 0., Die Verwendung des Wasserstoffsuperoxyds in der Wund- 
behandlung. Deutsche med. Wochenschr. 1900. No. 46. $. 738. 

Das Wasserstoffsuperoxyd verdient nach M. mehr Verwendung in 
der Wundbehandlung zu finden als bisher. Es ist besonders für eiternde 
und jauchende Wundverhältnisse ein vorzügliches Mittel, das neben seiner 
beträchtlichen baktericiden Kraft in kürzester Zeit die Reinigung der Wunde 
bewirkt. Nach Versuchen vom Verf. steht die bakterientödtende Eigenschaft 
des H,O, etwa in der Mitte zwischen essigsaurer Thonerde und Iprom. Sa- 
blimatlösung. Weiterhin findet die Desodorisirung der Wunde wie wobl kaum 
durch ein anderes Desodorans statt. Es ist absolut ungiftig, geruchlos, schmerzlos, 
von einer genügenden Haltbarkeit und von mässigem Preise. 

Dieudonne (Würzburg). 


Frhr. v. Notthaflt und Kollmann, Die Prophylaxe bei Krankheiten der 
Harnwege und des Geschlechtsapparates (des Mannes). Handbuch 
der Prophylaxe von Nobiling-Jankau. Abth. 11. Seitz & Schauer. München 
1901. 70 Ss. Preis: 2,00 Mk. 

Soweit sich die Verff. in dieser Abtheilung mit der allgemeinen Prophy- 
laxe der Geschlechtskrankheiten beschäftigen, kann durchaus auf die 
klare und sachliche Schilderung von Joseph in der 2. Abtheilung des Hand- 
buches verwiesen werden. Im Uebrigen wird die Prophylaxe der einzelnen 
Erkrankungen der Harnwege und des Geschlechtsapparates von den Verf. 
in gesonderten Kapiteln besprochen. Ob dies zweckmässig war, und eine zu- 
sammenhängende Schilderung nicht vortheilhafter gewesen wäre, mag dahin- 
gestellt bleiben; jedenfalls war es auf diese Weise nicht zu vermeiden, das 
vielfach auf Diagnose und Therapie relativ ausführlich eingegangen werden 
musste und Wiederholungen öfters nöthig wurden. Immerhin kann auch diese 
Abtheilung des Handbuches dem Arzte zur Lektüre bestens empfohlen werden. 

Scholtz (Breslau). 


, Prostitution. 865 


Kohlbrugge, Syphilis in den Tropen. Arch. f. Schiffs- u. Tropenbyg. 1900. 
S. 219. 

Eine kurze Notiz als Beitrag zu der Frage der Verbreitung der Syphilis 
in den Tropen. In den Battahländern auf Sumatra war Syphilis in der Mitte 
des 19. Jahrhunderts unbekannt. Bei dem tenggeresischen Volk auf Java fand 
Verf. Syphilis nur in den Dörfern, wo Europäer wohnten, und auch hier sehr 
selten. Bei den Dajaken in Borneo dagegen, wo eine sehr grosse Freiheit im 
geschlechtlichen Verkehr besteht, ist Syphilis sehr weit verbreitet. „Es ge- 
nügt die Civilisation wohl zur Eischleppung, aber nicht zur allgemeinen Ver- 
breitung; diese fordert einen geeigneten Boden, also lose Sitten“. 

Martin (Berlin). 


Schulz, Carl Theodor, Neue Bahnen im Geschlechtsverkehre. Ein 
Beitrag zur Lösung der Prostitutionsfrage.e Für gereifte, denkende Leser 
und besonders für Fachmänner. Berlin 1901. Verlag von Arends & Mossner, 
C. 2, Neue Friedrichstr. 47. IV u. 121 Ss. 8°. Preis: 1,50 Mk. 

Der Verf. wurde auf dem Gebiete der Öffentlichen Gesundheitspflege be- 
kannt durch den Vorschlag („Neue Bestattungsart“, Berlin 1897, Verlag der 
A.-G. Pionier), die Leichen unbekleidet in Grabkammern oder Steinsärgen 
binnen 3—4 Monaten eintrocknen zu lassen und dann entweder zu begraben 
oder als Guano zu verarbeiten. Die vorliegende, Alb. Eulenburg zugeeig- 
nete Abbandlung legt einen bereits in der 1899 vom Verf. herausgegebenen 
Schrift: „Gefallene Mädchen“ skizzirten Gedanken in der Weise näher dar, 
dass, wie bei der Eingangs angeführten Broschüre, die erst am Schlusse ge- 
gebene Lösung langsam so vorbereitet wird, dass der Leser sie „dann schliess- 
lich wohl selbst findet“. Nachahmenswerth erscheint diese ermüdende Dar- 
stellungsweise keineswegs. Zudem beeinträchtigen anhaltendes Selbstan- 
führen, eine oft flüchtige Ausdrucksweise und ungebräuchliche Wortbildungen, 
wie „umweltlich“, den Genuss beim Lesen, und die Ermangelung einer Inhalts- 
übersicht, sowie eines Sachregisters, behindert die wissenschaftliche Verwerth- 
barkeit des Buches. 

Auf ein „ärztliches Vorwort“ folgt die Einleitung: „Zur Einführung und 
Impulsgebung“. Von den 6 Abschnitten behandelt der 1. die Frage: „Ist die 
Prostitution nothwendig, und welche Konsequenzen hat ihre etwaige heutige 
Unentbehrlichkeit?“ (Seite 22—53); der 2. trägt die Ueberschrift: „Aus Dr. 
med. A. W. Schultz (s. Z. Polizeiarzt) Streitschrift: Die Stellung des Staates 
zur Prostitution“; der 3. „Zur Frage der Zwangsheilung und des strafrecht- 
lichen Schutzes gegen geschlechtliche Infektionen“ (Seite 65—88). Den 4. Ab- 
schnitt: „Sittlichkeitsverbrechen“ und den 5.: „Kann wesentlich nur durch 
Erziehung die Frage der sexuellen Sittlichkeit gelöst werden?“ (Seite 104—111) 
bilden zwei aus der „allgem. deutsch. Universitätszeitung“ ohne ersichtlichen 
Grund nochmals abgedruckte Aufsätze. Dasselbe gilt von dem Schlussab- 
schnitte: „Fingerzeige der Kulturgeschichte für die Lösung der modernen Sitt- 
lichkeitsfrage“. 

Sachlich sollen die „neuen Bahnen“ dahin führen, die jetzt verachtete 
und oft sogar dem Verbrecherthume gleich gestellte Prostitution zu einem 


866 Statistik. 


thunlich entlasterten und sittlich gehobenen, nothwendigen Berufszweige um- 
zugestalten. Die Löblichkeit dieses Vorhabens kann man unbedenklich zu- 
geben, auch daraus das Verlangen folgern, dass alle Gesetze und polizeilichen 
Maassnahmen in Prostitutionssachen daraufhin geprüft werden müssen, wie 
sie auf die betroffenen Frauen wirken. Man vermisst aber in den Ausfüh- 
rungen des Verf.’s die Angabe, in welcher Weise sein Gedanke im Einzelnen 
thatsächlich ausgeführt werden soll. Für diesen Mangel bietet die ausgedehnte 
Polemik gegen einige abweichende Ansichten anderer, meist wenig bekannter 
Schriftsteller keinen Ersatz. Zur Ausgestaltung der Idee erscheint vielmehr 
die Hülfe grosser Männer nöthig, denn Seite 120 heisst es: „Führende Geister, 
wie s. Z. Augustin, Zwingli, Savonarola, Huss, Michel Angelo, 
Thomas Morus, müssen also auftreten und sich der sittengeschichtlicheo 


Bühne der Gegenwart bemächtigen“. Diese Geister werden nicht klagen 
können, dass ihnen der Verf. keinen Stoff zum eigenen Ersinnen von Abhülfe- 
maassnahmen übrig gelassen hätte. Helbig (Serkowitz). 


Prinzing Fr., Die Kindersterblichkeit in Stadt und Land. Jahrb. f. 
Nationalökon. u. Statistik. 1900. 3. Folge. Bd. 20. S. 593—644. 

Dem wesentlichen Einflusse entsprechend, welchen die Art der Ernährung 
auf die in Stadt und Land ungleiche Höhe der Kindersterblichkeit 
ausübt, kommt es vornehmlich darauf an, ob überwiegend gestillt wird oder 
nicht. In Gebieten, in denen den Kindern der Regel nach die Mutterbrust 
gereicht wird, ist die Sterblichkeit in den Städten grösser, weil das Stillen 
dort weniger fleissig und lange geübt wird. Ausnahmen finden sich in der 
Umgebung grösserer Städte und bei gleichzeitigem Bestehen industrieller Unter- 
nehmungen grösseren Umfanges auf dem Lande. Wo dagegen die künstliche 
Ernährung vorherrscht, sind die Städte meist bevorzugt, da deren Bevölkerung 
leichter zu einer rationelleren Ernährung der Säuglinge angehalten werden 
kanı. Ein Beispiel dafür bietet der grösste Theil Bayerns, wo auf dem Lande 
noch die grössten Missbräuche in der Säuglingsernährang herrschen und das 
Vorurtheil gegen Einführung von Verbesserungen nicht zu überwinden ist. 
Bei allgemeiner Verbreitung des Stillens müssen in den Städten auch die 
Todesfälle an Darmkatarrhen häufiger sein, zumal die Sommerbitze in den 
Städten viel intensiver wirkt als auf dem Lande. Ist trotz vorwiegender Ver- 
breitung des Stillens die Säuglingssterblichkeit auf dem Lande grösser, so 
muss der Grund dafür in ungenügender Pflege, vor Allem im fehlenden 
Schutze vor Erkältung gesucht werden; alsdann wird dort auch eine grössere 
Zahl von Kindern an Lungenleiden sterben. Die ungenügende Pflege erklärt 
ferner die allgemein, besonders in den österreichischen Ländern beobachtete 
Thatsache, dass die Sterblichkeit im 1. Lebensmonate auf dem Lande höher ist. 

Die Frage, ob die Kindersterblichkeit in der Stadt oder auf dem Lande 
höher ist, lässt sich demnach nicht allgemein beantworten. In einem grossen, 
der Hauptmasse nach von Süddeutschland und Oesterreich-Ungarp 
gebildeten Gebiete Mitteleuropas weisen die Städte günstigere Verhältnisse auf, 


Statistik. 867 


wenngleich nach dieser Richtung im Laufe der Zeit wesentliche Verschiebungen 
stattgefunden haben. Andererseits ist die Kindersterblichkeit in einem grossen 
Theile Preussens in den Städten, abgesehen allerdings von vielen Ausnahmen, 
grösser als auf dem Lande. In den ersten zwei Dritteln des vorigen Jahrhunderts 
waren die Unterschiede nicht erheblich. Mit dem bedeutenden Aufschwunge 
der industriellen Thätigkeit und dem plötzlichen Anwachsen der Städte ver- 
band sich in Preussen eine Zunahme der Kindersterblichkeit auf dem Lande 
und in noch höherem Grade in den Städten, sodass der Unterschied sich in 
den siebenziger Jahren dort beträchtlich zu Ungunsten der letzteren gestaltete. 
Allmählich aber besserten sich in den Städten nach Ausführung der grossen 
sanitären Werke die Verhältnisse, und in vielen derselben war die Abnahme 
der Kindersterblichkeit so bedeutend, dass sie noch unter diejenige der Land- 
bevölkerung herunterging. Diese Verschiebungen befinden sich theilweise noch 
in der Entwickelung. Am weitesten sind sie bezüglich der Grossstädte ge- 
diehen, aber die mittleren und kleineren Städte kommen dank der Fürsorge 
für Trinkwasser, Kanalisation, Milchkontrole und vor allem der Errichtung 
gesunder Arbeiterwohnungen rasch nach. In Frankreich scheint die Kinder- 
sterblichkeit sich in Stadt und Land annähernd gleich zu verhalten, in Eng- 
land, Skandinavien und Finnland findet man auf dem Lande durch- 
gehends kleinere Ziffern als in den Städten. Würzburg (Berlin). 


Claus, Max (Rostock), Untersuchungen über die Bevölkerungs- und 
Wohnungsdichtigkeit der Stadt Rostock i.M. Centralbl. f. allgem. 
Gesundheitspfl. 1900. Bd. 19. S. 85. 

Auf Veranlassung von Prof. Dr. Pfeiffer hat der Verf. die Bevölke- 
rungs- und Wehnungsdichtigkeit der Stadt Rostock auf Grund der 
Ergebnisse der Volkszählung vom 2. December 1895 untersucht, getrennt nach 
Altstadt, Neustadt und den Vorstädten. „Je älter der Stadtbezirk ist, desto kürzer 
und enger sind seine Strassenzüge, während die neuen Stadttheile sich durch 
lange und gerade Strassen auszeichnen, die dann allerdings auch theilweise 
eine weit zahlreichere Einwohnerschaft haben“ und „die Bevölkerungsdich- 
tigkeit nimmt von aussen nach innen gewissermaassen koncentrisch zu“ sind 
die vom Verf. erlangten, durch grosse Zahlenreihen nachgewiesenen Resultate. 
Zum Schlusse ist dann noch die Dichtigkeit der kindlichen Bevölkerung ermittelt. 
„Die am stärksten bevölkerten Quartiere haben die höchste, die am schwächsten 
bevölkerten die geringste absolute Kinderdichtigkeit.“ „Die von Arbeitern 
bewohnten Gegenden haben eine höhere, die Quartiere mit begüterter Bevölke- 
rung eine geringere relative Kinderdichtigkeit.“ „Die ärmere Bevölkerung 
Rostocks wohnt im Allgemeinen nicht durchweg dichter auf der Flächeneinheit 
als die besser situirte, wohl aber ist die niedere Klasse der Bevölkerung in 
den einzelnen Häusern mehr zusammengedrängt, und zwar so, dass ein Haus 
um so mehr Bewohner hat, je mehr Familien es enthält, dass die bewohn- 
testen Häuser wiederum die stärksten Familien beherbergen, und dass endlich 
diese grössten, am dichtesten zusammenwohnenden Familien die höchste Kinder- 
zahl aufweisen, wenn man diese Zahl nicht nur absolut nimmt, sondern in 
Relation zum Hundert der Einwohnerzahl setzt.“ 3 Pläne der Stadt 1. mit 


868 Medicinalwesen. 


Einzeichnung der Personen, 2. der Kinder bis zu 2 Jahren, 3. der Kinder im 
Alter von 2—15 Jahren auf 1 ha bebauter Fläche veranschaulichen die Zahlen 
der ausserordentlich sorgfältigen Arbeit. R. Blasius (Braunschweig). 


Lent (Köln), Die Medicinalreform in Preussen. Centralbl. f. allgem. Ge- 
sundheitspfl. 1899. Bd. 19. S. 351. 

Der Verf. spricht sich sehr wenig befriedigt aus über das Gesetz betreffend 
die Dienststellung des Kreisarztes und die Bildung von Gesundheits-Rom- 
missionen (inwischen in Kraft getreten!) und glaubt, dass es in den ländlichen 
Kreisen und für die kleinen und mittelgrossen Städte beim bisherigen Zustande 
bleiben werde, „dass der Kreisarzt praktischer Arzt ist und die hygienischen 
Aufgaben nebenbei erfüllt“. R. Blasius (Braunschweig). 


Landau, Richard, Kurpfuscherei im Lichte der Wahrheit. München 
1901. Seitz & Schauer. 37 Ss. gr. 8%. Preis: 0,80 Mk. 

Neben einer Reihe statistischer Angaben über die Zahl und Verbreitung 
der Kurpfuscher in Deutschland wird vorwiegend die hohe Kriminalität 
dieses Berufstandes hervorgehoben und an vielen Beispielen nachgewiesen. Die 
Darstellung hält sich von Uebertreibungen fern; es scheinen sogar einige der 
ärgsten Fälle übersehen, auch einige milder, als sie in Wirklichkeit waren, 
geschildert. Leider wird der Erfolg der fleissigen Zusammenstellung mehrfach 
beeinträchtigt und zwar zunächst durch den Mangel an Uebersicht über die 
aneinander gereihten Thatsachen. Sodann werden die Gegner den Versuch 
einer vergleichenden Bezifferung der Kriminalität anderer Berufe, insbesondere 
der Aerzte, verlangen. Die Pfuscher selbst sind nicht genügend getrennt; es 
besteht offenbar ein Unterschied, wenn ein entlassener Zuchthäusler von bitterer 
Noth gedrängt in Ermangelung von Gelegenheit zu einer anderen Gaunerei 
einmal einen Heilschwindel unter unwissenden Bauern versucht, oder wenn 
ein Wasserheilkünstler der Grossstadt Prinzen und Ministern ihre von be- 
währten Aerzten bisher erfolglos behandelten Leiden zu heilen verspricht. 
Auch die Verschiedenheit der Klientel wird zu wenig berücksichtigt; während 
der Ungebildete zunächst den Pfuscher aufsucht und von diesem nicht selten 
zum Arzte gewiesen wird, pflegt sich der Gebildete zunächst an den Arzt zu 
wenden und erhält von diesem bisweilen geradezu die Erlaubniss, wegen des 
doch unheilbaren Leidens zur Beruhigung einen Naturarzt oder einen Mystiker 
zu fragen. In einem Buche über die Pfuscherei im Lichte der Wahrheit 
erwartet man auch eine Berücksichtigung des thätigen Antheils einzelner 
Aerzte an der Förderung des Pfuscherthums. Hierdurch erst wird der Betrieb 
mancher grösseren Anstalt, wie die der Kneipp’schen, der Bilz’schen u.s.w. 
ermöglicht. Auch die ärztliche Presse — ganz abgesehen von dem zum Theil 
unter ärztlicher Beihülfe dermalen erscheinenden halben Schock deutscher 
Fachzeitschriften für Pfuscherei — macht sich oft mitschuldig; selbst im 
(Börner’schen) „Reichs-Medicinal-Kalender“ des laufenden Jahres empfiehlt 
beispielsweise (auf Seite 67 der „Anzeigen“ des Il. Theils) ein bekannter 
Kurpfuscher, der vormalige Kurdirektor Bauer, sein „Djoeat“! 


Medicinalwesen. Jahresberichte. 869 


Vielleicht nimmt eine zweite Auflage, die der wohlgemeinten Streitschrift 
zu wünschen wäre, den Kampf gegen Unsinn und Unwahrheit noch wirksamer 
auf. Helbig (Serkowitz). 


Frölich H., Ueber den Militär-Gesundheitsdienst Grossbritanniens. 
Centralbl. f. allgem. Gesundheitspfl. 1900. Bd. 19. S. 19. 

Wie bereits in früheren Jahrgängen der genannten Zeitschrift Berichte des 
Verf.'s über die militärärztlichen Verhältnisse anderer nichtdeutscher Länder 
erschienen sind, liegt hier eine Schilderung der betreffenden englischen Ver- 
hältnisse vor. Es wird der Umfang und die Eintheilung des Sanitätspersonals, 
die Ergänzung desselben mit ausführlicher Schilderung der Army Medical School, 
früher zu Fort Pitt, jetzt in Netley, und die Rechtsstellung und Verpflegung 
des Militärsanitätspersonals besprochen. Darnach „erfreut sich die gross- 
britannische Militärsanitätsverfassung beachtenswerther Eigenschaften. Die vor- 
zügliche Ausbildung des englischen Militärsanitätspersonals hat zu seiner in 
der ganzen Welt anerkannten wissenschaftlichen Thätigkeit geführt, und seine 
viel erprobte Berufsfreudigkeit dankt es der ihm angewiesenen rechtlichen und 
ökonomischen Stellung innerhalb des Heeres und der Flotte. Das Wohlwollen 
und die Freigiebigkeit, mit denen die englische Regierung Rang und Einkommen 
ibres Militärsanitätspersonals geregelt hat, stellen England ein ehrenvolles 
Zeugniss aus“. R. Blasius (Braunschweig). 


Jahresbericht über die Verbreitung von Thierseuchen im Deutschen 
Reiche. Bearb. im Kais. Ges.-A. 1899. Jahrg. 14. VI. 172. 96* Ss. Mit 
5 Uebersichtskarten. Berlin 1900. Julius Springer. Preis: 10 Mk. 

Sämmtliche Finzelstaaten sind von der einen oder der anderen Seuche, 
die meisten von mehreren betroffen worden. Es erkrankten an Milzbrand 
4334, Rauschbrand 1186, Tollwuth 1154, Rotz 461, Lungenseuche 587, Bläschen- 
ausschlag 6085, Räude der Pferde 492 Thiere, insgesammt 14 299 gegen 15 964 
im Vorjahre, ferner an Wildseuche 29. In den durch Maul- und Klauenseuche 
and Schafräude neu betroffenen Gehöften befanden sich 4 873 009 Thiere gegen 
951 522 im Vorjahre und in den durch Rotz und Lungenseuche neu betroffenen 
1078 Pferde und 2479 Rinder gegen 1113 und 2521. Die angegebenen Ver- 
luste an gefallenen und getödteten Thieren betrugen 12 128 Thiere gegen 
12 408. 

Von Uebertragungen des Milzbrandes auf Menschen sind 52 Fälle 
berichtet, darunter, soweit bekannt, 10 mit tödtlichem Ausgange. 

An Tollwuth sind erkrankt und gefallen oder getödtet 1154 Thiere 
gegen 1202 im Vorjahre, darunter 911 Hunde gegen 904, und 171 Rinder 
gegen 223. Die meisten wuthkranken Hunde siud in den Reg.-Bez. Posen, 
Marienwerder, Oppeln, Gumbinnen, Breslau, Bromberg, Köslin, Königsberg, 
Zwickau, Danzig, Dresden, Stettin und Niederbayern nachgewiesen. Aus Russ- 
land übergelaufene Hundo sollen mehrfach zu Seucheausbrüchen im Kreise 
Goldap Anlass gegeben haben. Die Inkubationsdauer schwankte bei Hunden 
zwischen 4 und 133, beim Rindvieh zwischen 8 und 480, bei Schweinen 


870 . Verschiedenes. 


zwischen 12 und 30 Tagen. Todesfälle von Menschen in Folge des Bisses 
wuthkranker Hunde sind den beamteten Thierärzten 6 bekannt geworden. 

Die Maul- und Klauenseuche hat nach einer erheblichen zweijährigen 
Einschränkung sowohl hinsichtlich ihrer räumlichen Verbreitung wie der Zahl 
der betreffenden Thierbestände bedeutend zugenommen. Verschont blieben nur 
etwa 7,6 (1898: 22,3) pCt. aller Kreise. Mehrfach fand wieder eine Ein- 
schleppung aus dem Auslande statt, während die weitere Verbreitung im lo- 
lande wesentlich durch den Handelsverkehr mit Vieh begünstigt wurde. Be- 
sonders häufig wurde die Verschleppung in Preussen durch Genossenschafts- 
molkereien vermittelt, wobei auch der Verkehr der Gespanne und der Personen 
verschiedener Orte und Gehöfte auf den Molkereien in Betracht kam. Die 
Inkubationsdauer soll zwischen 1 und 18 Tagen geschwankt und meist 2 bis 
5 Tage betragen haben. Die künstliche Uebertragung der Seuche durch Bin- 
streichen des Speichels kranker in die Maulhöhle gesunder Thiere hat in zahl- 
reichen Fällen in fast allen Bundesstaaten stattgefunden. Die Seuchendauer 
wurde dadurch erheblich abgekürzt, ein milderer Verlauf aber nicht immer 
erzielt. Uebertragungen der Seuche auf den Menschen haben häufig statt- 
gefunden. : 

Gegen Rothlauf der Schweine sind in Preussen Impfungen in sebr 
vielen Beständen mit grösstem Erfolge ausgeführt worden. Die Verluste blieben 
sehr geringfügig bei Anwendung von Lorenz’scher Lymphe, Pasteur'scher 
Lymphe, Susserin oder Porkosan. Auch aus anderen Staaten liegen gün- 
stige Erfolge vor. 

Die Geflügelcholera ist in zahlreichen Fällen durch Geflügeltransporte 
aus dem Auslande eingeschleppt worden, während Verschleppungen der Seuche 
im Inlande nur vereinzelt stattfanden. 

Von 38 981 der Tuberkulinprobe unterworfenen eingeführten Rindern 
wurden 3,4 pCt. als tuberkuloseverdächtig erkannt, von den mit Tuberkulin 
geprüften und in öffentliche Schlachthäuser überführten 33244 Thieren 12,1pCt. 
tuberkulös befunden. 

In Preussen erwiesen sich 0,11 pM. der untersuchten Schweine als trichinds 
und 0,48 pM. als finnig. Bei der Untersuchung der aus Amerika eingeführten 
Schinken und Speckseiten wurden 1263 trichinöse Fleischwaaren festgestellt 

Würzburg (Berlin). 


Poore, George Vivian, Essays über Hygiene auf dem Lande. Zweite 
Auflage. Aus dem Englischen übersetzt durch A. v. W. Wiesbaden o. J. 
Verlag von Rich. Bechtold & Comp. XIl und 260 Ss. gr. 8%. Preis: 3,50 Ak. 

Die vorliegende Uebersetzung wurde von dem Vorsitzenden des inter- 
nationalen Vereins für Reinhaltung der Flüsse, des Bodens und der Luft ver- 
bessert und von dem Vereinsvorstande mit einem Begleitwort versehen. Das 

Titelblatt unterlässt eine Angabe über die Erscheinungszeit; die Ankündigung 

seitens des Verlags erfolgte im letztverflossenen Februar; das Vorwort zur 

ersten Auflage der Urschrift lautet vom Mai 1893, das zur zweiten vom No- 


Verschiedenes. 871 


vember 1894. Die meisten der aufgenommenen 13 Abhandlungen wurden 
bereits anderweit veröffentlicht, eine auch ins deutsche: „Mit Genehmigung 
des Verf.'s übersetzt und mit Anmerkungen versehen von Fachmännern“ unter 
dem Titel: „Ueber die Nachtheile einiger neneren sanitären Methoden“ (Graz 
1892, Verlag von Hans Wagner, 32 Ss. 80). 

Der Gesammttitel: „Hygiene auf dem Lande“ wurde gewählt, weil 
der Verf. meint, dass es nur in ländlichen oder halbländlichen Orten möglich 
sei „nach wissenschaftlichen Principien für die Erhaltung der Gesundheit und 
Abwendung von Krankheit zu sorgen“. Der Inhalt wendet sich gegen die 
herrschenden Ansichten über die Schwemmkanalisation, Berieselung, Leichen- 
verbrennung und dergl. Der Verf. befürwortet den ländlichen Komposthaufen, 
die Verwerthung aller Abfallstoffe zur Düngung, das Begräbniss u. s. w. In 
dem VIII. bis XI. Abschnitte: Praktische Einzelheiten, persönliche Erfahrungen 
in einer Landstadt und in einer Londoner Vorstadt findet sich die Durch- 
führung näher angegeben. 

Die Uebersetzung befriedigt wissenschaftliche Ansprüche keineswegs. 
Meist wird der fremde Text einfach mit deutschen Worten wiedergegeben; 
wo aber ein Ausdruck, eine Anführung, ein Vers, ein terminus technicus oder 
dergl. einige Schwierigkeit bereitet, bleibt das Fremdsprachliche unübersetzt. 
Schon auf dem Titel findet sich hinter dem Verfassernamen die der Mehrzahl 
deutscher Leser schwerlich göläufige Abkürzung: „M. D., F. R. C. P.“ Nirgends 
werden englische Maasse und Gewichte in die bei uns üblichen umgerechnet. 
Anmerkungen mit Hinweis auf das Schriftthum fehlen selbst da, wo sie unum- 
gänglich waren; so behandelt beispielsweise das letzte Kapitel (S. 249—260): 
„Bremontier’s Geschichte und die Verbesserung der Sandwüsten in der Gas- 
cogne“; der Verf. giebt gewissenhaft die Quelle für diese bereits 1886 gehal- 
tene Rede an, der Uebersetzer aber unterlässt einen Hinweis auf die seitdem 
erschienenen deutschen Veröffentlichungen über Dünenbepflanzung und Moor- 
kultur. Wie wenig sachliches Verständniss die Uebersetzung verräth, dafür 
mögen folgende Anführungen sprechen: Seite 115 heisst es wörtlich: „Für 
Kasernen oder („barracks“) gilt dasselbe, was von den Schulen gesagt ist“; 
Seite 221: „Eine Zinkröhre (ohne traps) ist mittels eines dekorativen Bogens“ 
u.s. w. Völlig versagt der Wortschatz des Uebersetzers bei chemischen Be- 
zeichnungen, so (Seite 98) „kein urobilin, kein indican“, ferner „ferrous sul- 
pbate und Schwefelsäure“, endlich: „Vierundzwanzig Unzen Filtrat von gleichem 
specifischem Gewicht 1035 und 0,2 Gramm Procent urea wurden gewonnen“. 
Satzfehler stehen hierbei ausser Frage, denn „Unzen“ neben „Gramm Procenten“ 
and in gothischer Schrift gesetzte chemische Hauptwörter mit kleinen Anfangs- 
buchstaben (Minuskeln, Gemeinen) kehren häufig wieder. Wo dem fellow of 
the royal college of physicians ein Verstoss gegen die Grundlehren der Physik 
anterläuft, unterbleibt die nöthige Berichtigung, so beispielsweise betreffs des 
Diffusionsgesetzes der Gase (Seite 123), wo es von der Ausathmungsluft der 
Kirchgänger heisst: „Diese Luft steigt in die Höhe bis unter das Dach der 
Kirche und kommt abgekühlt wieder herunter (denn Kohlensäure ist schwer), 
am die Gemeinde in ihre giftigen Dünste zu hüllen. 

Nach diesen wenigen, leicht zu vermehrenden Mustern möchte man fast 


872 Verschiedenes. 


fragen, wie denn die Uebersetzung vor der Eingangs erwähnten Verbesserung 

beschaffen gewesen sei? Der vielfach eigenartige und gedankenreiche Inhalt 

könnte bei Wiedergabe durch einen kundigen Bearbeiter auch für die dentsche 

Gesundheitspflege betreffs der Abfallbeseitigung hie und da Anregung bieten. 
i Helbig (Serkowitz). 


Buttersack, Nichtarzneiliche Therapie innerer Krankheiten. Skizzen 
für physiologisch denkende Aerzte. Mit 8 Abbildungen im Text. Berlin 
1901. Verlag von August Hirschwald. VIII u. 134 Seiten 80. Preis: ge- 
bunden 4 Mk. 

Das vorliegende Buch bildet den 3. Band der von O. Schjerning heraus- 
gegebenen „Bibliothek v. Coler, Sammlung von Werken aus dem Bereiche der 
medicinischen Wissenschaften mit besonderer Berücksichtigung der militär-medi- 
einischen Gebiete.“ Der erste Theil: „Allgemein-physiologische Gesichtspunkte 
in der Therapie“ behandelt den Begriff des Organismus, den Unterschied 
zwischen physiologischer und physikalisch-chemischer Reaktion, die Regula- 
tionsstörungen, den Einfluss der pathologischen Anatomie auf die Heil- 
kunde u.s. w. Der zweite Theil: „Uebertragung der gewonnenen Gesichts- 
punkte auf einige moderne, nicht arzneiliche therapeutische Maassnahmen* 
geht nach einer Einleitung über: „die Grenzen der Therapie“ und einem Ab- 
schnitt über „die Psyche als Angriffspunkt“ der Therapie auf die einzelnen 
nicht arzneilichen Heilverfahren ein, und zwar zunächst auf Beschäftigung, 
Gewöhnung, Turnen, Licht, Wasser, einschliesslich der verschiedenen Bäder. 
Die beiden letzten Abschnitte betreffen die manuelle und gymnastische Be- 
handlung innerer Krankheiten, sowie die Anwendung veränderten Luftdruckes. 
Ein sorgsam gearbeitetes Register erhöht die wissenschaftliche Brauchbar- 
keit. Die wohlausgeführten Abbildungen stellen ein mechanisches Symbol, 
Handfertigkeitsarbeiten, Körperübungen für Genesende und einen mit Röntgen- 
strahlen geheilten Lupus dar. 

Auf dem beschränkten Raum von acht Druckbogen musste selbstredend 
Manches nur andeutungsweise behandelt werden, doch findet sich allentbalben 
der neueste Standpunkt berücksichtigt. Diese Kürze verleiht der Darstellung 
in Verbindung mit dem meist zutreffenden Urtheil und der grossen Belesen- 
heit des Verf.’s einen eigenartigen Reiz. Allerdings verführt diese Belesenbeit 
bisweilen zu einer. Häufang der mitunter weit hergeholten Anführungen. Diese 
beanspruchen einen guten Theil des Textes, ohne dass aber ein Grundsatz in 
der Auswahl und in der Art der Wiedergabe befolgt wird. Bisweilen findet 
sich die betreffende Stelle genau angeführt, anderswo nur der Verfasser ge- 
nannt, manchmal jedoch nicht; hier wird der Urtext, dort die Uebersetzung, 
manchmal auch beides geboten. 

Bei der Wichtigkeit dieser Formsache für die zeitgenössische medicinische 
Literatur dürfte ein kurzes Eingehen an dieser Stelle gerechtfertigt sein. Der 
dermalen in der Tagespresse entbrannte Streit über die Moral des heiligen Li- 
guori zeigte die Schwierigkeit, selbst kurze lateinische Texte zu übersetzen. 
Ein katholischer Theclog wies dabei darauf hin, dass sich mit den lexiko- 
graphischen und grammatikalischen Hülfsmitteln, ‘welche auf klassische La- 


Verschiedenes. 873 


tinität berechnet sind, Kirchenlatein stellenweise nicht übersetzen lässt. In 
höherem Maasse gilt dies von den medicinischen Lateinern; man muss des- 
halb in deutschen Büchern durchweg die Uebersetzung — bei wichtigen An- 
führungen unter Beigabe des Urtextes — verlangen. Noch mehr erscheint 
diese Forderung bei griechischen Citaten berechtigt. Nur wenige Leser der 
„Bibliothek v. Coler“ dürften beispielsweise das Ayrn zapdias xder yó» (S. 32) 
enträthseln. Denn eine rettende Konjektur (tys,) darf man einem Nichtphilo- 
logen kaum zumuthen, und der griechische Text der Apokryphen ist der Mehr- 
zabl der Laien schwerlich zur Hand. Höchstens vermittelt die Verweisung in 
der Fussnote: „bei Luther Vers 18“ das Verständniss dieser Anführung (aus 
Sirach, Kap. 38) für den Arzt. 

So sehr eine Hervorhebung klassischer Bildung in einer ärztlichen Schrift 
bei dem gegenwärtigen Ansturm der Realschüler und Weiber auf das medici- 
nische Stadium anspricht, so muss doch auch hier das und, yav — Nichts 
zuviel — des Cheilon zur Meidung des Scheins von Renommisterei beachtet 
und Verständlichkeit in erster Reihe angestrebt werden. 

Helbig (Serkowitz). 


Biernacki, Edmund, Moderne Heilwissenschaft, Wesen und Grenzen 
des ärztlichen Wissens. Autorisirte Uebersetzung von $. Ebel. „Aus 
Natar und Geisteswelt“. Sammlung wissenschaftlich - gemeinverständlicher 
Darstellungen aus allen Gebieten des Wissens. 25. Bändchen. Leipzig 1901. 
Druck u. Verlag von B. G. Teubner. VII u. 129 Ss. kl. 8%. Preis: gebunden 
1,25 Mk. 

Die vorliegenden 7 Vorlesungen wurden im Januar und Februar 1899 in 
der Warschauer medicinischen Gesellschaft gehalten und im Aprilhefte der 
Biblioteka dziel wyborowych veröffentlicht. Ob eine Uebersetzung bei der in 
den letzten Jahren auf dem deutschen medicinischen Büchermarkte eingetre- 
tenen Hochfluth an deontologischen und schöngeistigen Schriften nöthig war, 
darüber werden die Meinungen der Kenner kaum auseinander gehen. Das 
hübsch ausgestattete, mit einem musterhaften Inhaltsverzeichnisse versehene 
Bach giebt einen Abriss der Geschichte der Heilkunde und verwebt in 
diesen kulturhistorische, geschichtsphilosophische, ethische und dergl. Betrach- 
tungen. Dass der Verf. die Geschichte seiner Wissenschaft aus Quellen 
zweiter und dritter Ordnung schöpft, hat in einem für Laien berechneten Buche 
nicht viel zu sagen, so lange es sich um Verflossenes, wie etwa die Hoch- 
schule von Salerno mit der Dichterin Abella handelt. Bedenklicher wird 
dies gegenüber solchen Erscheinungen, welche in die Gegenwart hineinragen, 
wie etwa die Homöopathie, deren Karikatur (Seite 111) auf den Leser schwer- 
lich die erwünschte Wirkung ausübt. Doch lässt sich auch diese Art der 
Geschichtsschreibung durch die gute Absicht entschuldigen oder wenigstens 
erklären. 

Bei den philosophischen Betrachtungen erscheint es wegen der Menge 
der Vorgänger kaum möglich, etwas Neues und zugleich Wahres oder wenigstens 
Wahrscheinliches beizubringen. In einem gemeinverständlichen Werke ver- 
dienen aber bekannte Wahrheiten vor unbewiesenen neuen Gedanken oder Einzel- 


874 Verschiedenes. 


meinungen den Vorrang. Blos geistreiche Einfälle sind hier sogar gauz zu 
meiden oder dem Feuilleton oder den Unterhaltungsblättern zu überlassen. 
Als Beispiele solcher Blender, deren Unechtheit bei einiger Leberlegung auch 
den Laien einleuchtet, sei die Behauptung (Seite 91) angeführt: „Selbst solche 
wissenschaftliche Grössen, wie Billroth, Trousseau oder Charcot wären 
für die leidende Menschheit keine Sterne, wenn sie nicht in grossen euro- 
päischen Centren geboren wären und dort gewirkt hätten“. Bergen und Tours 
sind keine Centren, und warum solite der Pariser Charcot an einer grösseren 
nordamerikanischen Universität nicht denselben Ruhm erlangt haben? S. 108 
wird der Laie mit gesperrter Schrift über den Grund belehrt, weshalb Religion 
und Heilkunde viel Gemeinsames haben: „Denn die Medicin ist wohl die ein- 
zige Wissenschaft, die ähnlich wie die Religion Sekten aufzuweisen hat“. 
Thatsächlich kennt die Heilkunde, soweit sie in Erkenntniss des Gegenständ- 
lichen und daraus abgeleiteten einfachen Schlüssen besteht, ebensowenig 
Sekten, als irgend eine andere exakte Wissenschaft; während die Philosophie 
fast ganz in Sekten aufgeht und die anderen Wissenschaften sich diesem Zu- 
stande um so mehr nähern, je weniger sie exakt, d. h. blosse Mathematik oder 
reiner Materialismus sind. Bei den angewandten Naturwissenschaften (S. 17) 
„kann von praktischen Verwerthungen gewöhnlich erst dann die Rede sein, 
wenn die Naturerscheinungen hinlänglich bekannt geworden sind“, während 
ein Heilverfahren schon zu einer Zeit geübt wurde, „wo ausserdem von der 
Medicin als Wissenschaft fast nichts vorhanden war“. Auch hierin unter- 
scheidet sich die Heilkunde in keiner Weise von anderen angewandten Natur- 
wissenschaften: Feuer brannte vor Lavoisier’s Verbrennungslehre, Bier braute 
man ohne Kenntniss der Gährungstheorie, Franklin ersann den Blitzableiter 
ohne die Theorie der elektrischen Wellen, selbst Crookes’ Radiometer ist 
ein theoretisch gar nicht oder falsch begründetes Instrument u. s. w. Das 
Bestreben, dem Laien die Heilkunde als etwas Absonderliches, von der ange- 
wandten Naturwissenschaft Verschiedenes hinzustellen, Aussprüche, wie (S. 79): 
„Die ärztliche Kunst hat mehr Verwandtschaft mit dem Kunsthandwerk“, die 
Absage der „auch in der Medicin bis in die jüngste Zeit“ herrschenden mate- 
rialistischen Richtung (Seite 128) und dergl. mögen dem heiligen Synod censur- 
fähig erscheinen; für Deutschland lag ein Bedürfniss, all’ dies in gemeinver- 
ständlicher Darstellung kennen zu lernen, ebensowenig vor, wie etwa sich 
Jemand bei uns für den berühmten polnischen Arzt Chalubinski (Seite 86) 
interessiren wird. Helbig (Serkowitz). 


Fischer H., Leitfaden der kriegschirurgischen Operationen. „Biblio 
thek v. Goler“. Bd. 5. Mit 56 Abbildungen im Text. Berlin 1901. A.Hirsch- 
wald. Preis: 4 Mk. 

Das Buch stellt einen Instruktions-Leitfaden für den Kriegschirurgen 
dar; kurz und präcis giebt Verf. die Grundzüge für die erste Behandlung der 
Verwundeten auf den Verbandplätzen und im Feldlazareth. Mit Recht hebt 
Verf. hervor, dass jede auf subjektivem Ermessen beruhende Willkür bei der 
Wundpflege im Felde durch bindende Instruktionen ausgeschlossen und die 
Aerzte schon im Frieden auf einfache und gesicherte Methoden derselben so 


Kleinere Mittheilungen. 875 


eingeübt werden selten, dass sie auch in der Noth der Schlacht ohne Verzug 
und ohne Besinnen wissen, welche Hilfe und wie sie diese zu leisten haben. 
Die Anleitung hierzu giebt das vorliegende mit 56 instruktiven Abbildungen 
geschmückte Buch in ganz vorzüglicher Weise. 
$ Dieudonné (Würzburg). 


Kleinere Mittheilungen. 


(G) Der Deutsche Verein für öffentliche Gesundheitspflege hält seine 
26. Versammlung vom 18.--21. September d. J. in Rostock ab. Folgende Themata 
kommen zur Verhandlung: 1. Die örtlichen Gesundheits-Kommissionen in ihrer Be- 
deutung für Staat und Gemeinde, sowie für die amtliche Thätigkeit der Medicinal- 
beamten (Ref. Rapmund [Minden] und Jastrow [Charlottenburg]). 2. Hygiene der 
Molkereiprodukte (Ref. Loeffler [Greifswald]). 3. Fortschritte auf dem Gebiete cen- 
traler Heizungs- und Lüftungsanlagen für Wohnhäuser und öffentliche Gebäude im 
letzten Jahrzehnt (Ref. Oslender [Düsseldorf]). 4. Die Bedeutung der hygienisch 
wichtigen Metalle (Aluminium, Blei, Kupfer, Nickel, Zinn und Zink) im Haushalt und 
in den Nahrungsgewerben (Ref. Lehmann [Würzburg]). 5. Strassenbefestigungs- 
materialien und Ausführungsarten sowie ihr Einfluss auf die Gesundheit (Ref. Genz- 
mer [Halle a.S.] und Weyl [Berlin]). 


(J) Im Monat Juni hatten von 279 deutschen Orten mit über 15000 Einwohnern 
2 eine höhere Sterblichkeit als 35,0 auf 1000 Einwohner und aufs Jahr berechnet, im 
Mai 4; geringer als 15 pM. war dieselbe in 57 Orten gegenüber 45 im Vormonat. Mehr 
Säuglinge als 333,3 auf je 1000 Lebendgeborene starben in 21 Orten gegen 11, weniger 
als 200,0 in 149 gegen 178 im Mai. (Veröff. d. Kais. Ges.-A. 1901. S. 733.) 


Stand der Seuchen. Nach den Veröffentlichungen des Kaiserlichen Gesund- 
heitsamtes. 1901. No. 31 u. 32. 

A. Stand der Pest. I. Grossbritannien. Bei den? pestverdächtigen Kranken 
an Bord des am 23.Juli in Plymouth eingetroffenen Orientdampfers „Ormuz“ hat sich 
der Verdacht auf Pest nach dem Ergebniss der bakteriologischen Untersuchung nicht 
bestätigt. II. Türkei. Konstantinopel. Am 23. 7.: in Stambul 1 Todesfall; in 
Haidar Pascha bei Skutari 4 und im Stadttheil Kaszimpascha 1 Erkrankung. 
Bis27.7.: in den VorortenKalamisch und Pancali je 1 Erkrankung. II. Aegypten. 
12.—19.7.: Zagazig 2 Erkrankungen, 1 Todesfall. 20.—26.7.: Zagazig 2 Erkran- 
kungen, 1 Todesfall. Alexandrien: 4 Erkrankungen, 1 Todesfall. Port Said: 1 Er- 
krankung, 1 Todesfall. 1V. Britisch-Ostindion. Präsidentschaft Bombay. 
23.—29.6.: 966 Erkrankungen und 667 Todesfälle. Stadt Bombay. 23.—29.6.: 60 Er- 
krankungen und 64erwiesene Todesfälle., von insgesammt 684 Sterbefällen wurden 187 
als pestverdāchtig bezeichnet. Kalkutta. 16.—22.6.: 21 Erkrankungen und 22 Todes- 
fälle. 23. —29. 6.: 15 Erkrankungen und 14 Todesfälle. In Karachi soll die Seuche 
nahezu erloschen sein. V. Persien. Nach einer Mittheilung vom 14.7. sind von einer 
wahrscheinlich aus Sindh stammenden Karawane, deren Reiseziel Mesched war, 
unterwegs 72und in Histan 1 Person unter pestverdächtigen Erscheinungen gestorben. 


876 Kleinere Mittheilungen. 


VI. Japan. Nagasaki. Auf dem hier am 9. 6. von Hongkong ber Shanghai einge- 
troffenen britischen Dampfer „Express of China“ wurden 2chinesische Passagiere unter 
pestverdächtigen Erscheinungen in das Hospital der Quarantänestation geschafft; einer 
von ihnen ist am 14. 6. nachgewiesenermaassen an Pest gestorben. VII. Kapland. 
Kapstadt. In den beiden Wochen vom 23.6.—6.7. wurden in der ganzen Kolonie 1? 
resp. 8Erkrankungen, darunter 4 resp. 5 in Port Elizabeth angezeigt. Es starben 
in der ersten Woche, einschliesslich 2 aufgefundener Leichen, 3 und in der zweiten 
Woche, einschliesslich 3 aufgefundener Leichen, 4 Kranke. Am 29.6. waren noch 60 
und am 6. 7. noch 59 Kranke in Behandlung. Als pestverdächtig waren unter 
Beobachtung an diesen beiden Tagen je 12 Personen, nachdem in der vorhergehenden 
Woche jedesmal bei 1 Person Pest festgestellt worden war. In den Contact camps 
befanden sich am 29.6.: 492 und am 6. 7. noch 291 Personen. VIII. Philippinen. 
Nach einer Mittheilung vom 12. 6. soll in Manila unter den Chinesen und Eingebo- 
renen die Pest im Zunehmen begriffen sein. 1X. Vereinigte Staaten von Nord- 
amerika. An Bord des am 22.6. im Hafen von San Diego eingelaufenen britischen 
Dampfers „Carliste City“ sind unterwegs 6 Chinesen an pestverdächtigen Erschei- 
nungen gestorben. Das Schiff wurde sofort unter Quarantäne gestellt. X. Queens- 
land. 25.5.—1.6.: 3 Erkrankungen, 2 Todesfälle. 2.—8. 6.: 1 Erkrankung, 1 Todes- 
fall. In Brisbane seit dem 6.6. kein neuer Pestfall. XI. West-Australien. 9. bis 
15. 6.: keine Neuerkrankungen, keine Todesfälle. 

B. Stand der Cholera. I. Britisch-Ostindien. Kalkutta. 16.—22.6.: 
37 Todesfälle. 23.—29.6.: 23 Todesfälle. II. Niederländisch-Indien. Batavia. 
23.5. bis 24. 6.: 140 Todesfälle. Viele Todesfälle werden von den Eingeborenen aus 
Furcht vor Desinfeklionsmaassregeln und den damit verbundenen Verlusten an ihrer 
Habe verheimlicht. Die Seuche greift nach Westen zu weiter um sich. 

C. Stand der Pocken. I. Italien. Juni: In der Stadt Neapel 552Erkran- 
kungen, 162 Todesfälle. Landkreis Neapel: 109 Erkrankungen, 49 Todesfälle: 
Caseria: 118 Erkrankungen, 14 Todesfälle; Castellamare: 113 Erkrankungen. 
34 Todesfälle; Puzzurli: 45 Erkrankungen, 8 Todesfälle. II. Neu-Süd-Wales. 
Sydney: der Postdampfer „Ormuz“ wurde unter Quarantäne gestellt, weil unterwegs 
an Bord die Pocken ausgebrochen waren. Von den in Quarantäne befindlichen Per- 
sonen erkrankten 10, auch in der Stadt Sydney selbst kamen bis zum 11. 6. 2 Er- 
krankungen und 1 Todesfall vor. X 

D. Trichinose. Reg.-Bez. Marienwerder. Von Ende April bis 11. 6. sind 
in Podgorz bei Thorn 38 Personen an Trichinose erkrankt. Infektionsquelle: tri- 
chinenhaltige weiche Cervelatwurst. Durch Verschleppung der Wurst nach Inster- 
burg auch hier 5 Erkrankungsfälle. Bis zum 11. 6. kein Todesfall. 

E. Flecktyphus. Reg.-Bez. Gumbinnen. In Pillkallen erkrankte am 
24. 6. ein junger Kaufmann an Flecktyphus. Die Krankheit soll durch Arbeiter aus 
den russischen Weichselprovinzen eingeschleppt worden sein. 

Jacobitz (Halle a. S.). 


Verlag von August Hirschwald, Berlin N.W. — Druck von L Sehnmacher in Berlin. 


Hygienische Rundschau. 


Herausgegeben 


von 
Dr. Carl Fraenkel, Dr. Max Rubner, Dr. Carl Günther, 
Prof, der Hygiene in Halle a./8. Geh. Med.-R., Prof. der Hygiene in Berlin. a. o. Professor in Berlin. 


XI. Jahrgang. 


jy Berlin, 15. September 1901 W 18. 


(Aus dem hygienischen Institut der Universität Berlin.) 


Veber den Keimgehalt des käuflichen Hackfleisches und den Einfluss der 
gewöhnlichen Getränke auf den Genuss desselhen. 


Von 
Stabsarzt Dr. Eugen Mayer. 


Seit einigen Jahren hat an den verschiedensten Orten Deutschlands, wie 
aus zahlreichen Mittheilungen der Nahrungsmittel-Untersuchungsstellen sowie 
aus mannigfachen gerichtlichen Entscheidungen hervorgeht, die Verwendung 
sogenannter „Präservesalze“, deren wirksamer Bestandtheil meist Natriumsulfit 
ist, bei der Herstellung von Hack- und Schabefleisch angeblich zur Konser- 
virung desselben einen immer grösseren Umfang angenommen. Ein allgemein 
gültiges gesetzlichesVerbot dieses Zusatzes, so unbedingt nothwendig es erscheinen 
muss, existirt bis jetzt nicht, nur einzelne Bundesstaaten haben eine Warnung 
davor erlassen, ausserdem giebt es in mehreren Städten Polizeiverordnungen, 
die den Zusatz obiger Salze zwar meist nicht absolut verbieten, sondern eine 
bestimmte Maximalgrenze gestatten; so hat Breslau einen Gehalt von 0,06 pCt. 
S0, als höchst zulässige Menge vom Jahre 1896 ab gestattet!), nachdem in 
den vorhergehenden Jahren eine Zugabe von 0,1 pCt. SO, erlaubt war). Für 
Berlin existirt eine solche Maximalgrenze vorläufig noch nicht3); auch besteht 
eine fortlaufende Untersuchungsweise, die einen Einblick in die ganz allgemein 
verbreitete Anwendung dieser Salze ermöglichte, soweit mir die Literatur 
darüber zur Verfügung steht, für Berlin nicht, abgesehen von den allerdings 


1) B. Fischer, Jahresbericht des chemischen Untersuchungsamtes der Stadt 
Breslau für die Zeit vom 1. April 1899 bis 31. März 1900. S. 13. 

2) Jahresbericht des chemischen Untersuchungsantes, Breslau 1893/94. cit. nach 
Stroscher, Konservirung und Keimzahlen des Hackfleisches. Arch. f. Hyg. Bd. 40. 
S. 303. 

3) In dem sub 1 citirten Jahresbericht findet sich S. 13 zwar die Angabe, dass 
in Berlin 0,05 pCt. SO, als Maximalwerth angenommen werde; aus der Literatur 
sowohl wie nach persönlicher Erkundigung beim chemischen Untersuchungsamt des 
hiesigen Polizeipräsidiums ist aber hier eine Maximalgrenze bis jetzt nicht festgesetzt. 


62 


878 Mayer, 


zahlreichen Fällen, die zu einer gerichtlichen Entscheidung führten. Obwohl 
durch letztere stets eine Verurtbeilung auf Grund von §§ 10 und 12 des 
Nahrungsmittelgesetzes erfolgte, hat die Anwendung der Präservesalze offenbar 
doch keinerlei Rinschränkung erfahren. Wenigstens ist es mir nicht gelungen, 
unter 16 Proben von Hack- und Schabefleisch auch nur eine einzige zu er- 
halten, die keine schweflige Säure enthalten hätte. 

Die Zahlen für einige der chemisch nach der bekannten Methode unter- 
suchten Proben mögen hier angeführt sein, einige weitere Fälle finden sich 
weiter unten bei Besprechung des bakteriologischen Befundes. 

1. Probe enthielt 0,047 pCt. SO, 
Be a 009 Er 
0,109 nn 
0,0684 p n 
0,1995 po n 
ee a 0 


Im Mittel enthielten die 16 untersuchten Proben 0,1103 pCt. SO,. der 
geringste Gehalt war 0,0291 pCt., der höchste 0,291 pCt. SO,. Es kommen 
aber, obwohl heutzutage der Zusatz einer grösseren Menge von Präservesalz 
angeblich unterbleibt, häufig genug, wie mir Herr Geheimrath Rubner mit- 
theilt, in unserer Gegend Fälle vor, in denen selbst 0,7 und 0,8 pCt. SO, noch 
gefunden werden. 

Es kann dies auch Niemanden Wunder nehmen, da es Personen giebt. 
die sozusagen als Wanderprediger von Gerichtssaal zu Gerichtssal ziehen, die 
Verwendung der Präservesalze immer wieder empfehlen, sogar zur Beimenguug 
der Präservesalze aufmuntern und Mengen von selbst 0,75 g schwefligsaureu 
Salzes als unbedenklich empfehlen. Die öffentliche Meinung wird dadurch 
immer wieder irregeführt. 

Die Bestimmungen der schwefligen Säure fallen im Uebrigen mehr oder 
minder erheblich zu klein aus, denn wenn man auch wie in den von mir 
untersuchten Proben immer zur selben Tageszeit das Fleisch holen lässt, s¢ 
hat es doch vermuthlich nicht immer ganz gleich lange gelagert, ein Theil der 
schwefligen Säure ist in Schwefelsäure übergegangen. Allein auch wenn man 
von diesem Verlust an schwefliger Säure, der nach den Untersuchungen Gärt- 
ner’s!) von 21,2 pCt. bis 35,7 pCt. schwankt, absieht, so erkennt man schon 
aus der direkt nachgewiesenen Menge der SO,, dass die Schlächter, wie dies 
auch anderweitig festgestellt ist, einfach nach Augenmaass, ohne Waage, mit 
der Hand oder löffelweise das Salz beifügen, und sie haben auch gar keineu 
Grund, anders zu verfahren, so lange sie durch gewisse Sachverständige immer 
wieder in der falschen Vorstellung, dass die schweflige Säure etwas unschäd- 
liches sei, bestärkt werden. 

Ich habe die gekaufte, grössere Menge von Hackfleisch immer erst noch 


nes 


1) Gärtner, Bedingt der Zusatz von Präservesalz zum Hackfleisch eine Ver- 
fälschung im Sinne des § 10 des Nahrungsmittelgesetzes? Zeitschr. f. Untersuchg. d 
Nahrgs.- u. Genussm. Jahrg. 4. H. 6. S. 250. 


Ueber den Keimgehalt des käuflichen Hackfleisches u.s.w. 879 


gründlich gemischt, damit wenigstens diese Probe, so wie sie im Einzelverkauf 
abgegeben wird, eine thunlichst gleichmässige Beschaffenheit habe. 

Da ich auf die Frage der Giftigkeit der schwefligsauren Salze hier nicht 
näher eingehe, will ich mich in dieser Betrachtung mit den absoluten Zahlen 
der gefundenen schwefligen Säure nicht weiter aufhalten. 

Aeusserlich boten alle Proben das bekannte Aussehen des mit Präservesalz 
versetzten Fleisches: eine frischrothe Farbe an der der Luft ausgesetzten Fläche, 
während die inneren Partien zunächst sich etwas grauroth zeigten, um aber 
alsbald an der Luft auch die hellrothe Farbe anzunehmen. Dass der Zusatz 
der schwefligsauren Salze vom hygienischen Standpunkt einen Betrug und die 
Unterschiebung einer minderwerthigen, weil in Zersetzung begriffenen, Waare 
für frisches Fleisch vorstellt, steht heutzutage durch viele Untersuchungen ab- 
solut sicher. Es ist bereits im Jahre 1898 in einem Gutachten der wissen- 
schaftlichen Deputation für das Medicinalwesen!) darauf hingewiesen worden, 
dass die schwefligsauren Salze das Fleisch roth färben, ohne aber einen Ein- 
fluss auf die Unterdrückung der Fäulniss zu haben. Diese Thatsachen sind 
allseitig bestätigt worden. Ich erwähne nur die Untersuchungen von Gärtner?) 
und Lange?); beide hatten ihre Experimente in der Weise angestellt, dass sie 
die Salze in bestimmten, verschiedenen Mengen dem Hackfleisch zusetzten und 
die Fäulnisserscheinungen theils wie Lange nach den grobsinnlichen Wahr- 
nehmungen beobachteten, theils wie Gärtner nach gewisser Zeit den Keim- 
gehalt des präparirten Fleisches feststellten und mit einer nicht versetzten 
Fleischprobe verglichen. Gärtner*) kam dabei zu dem Resultat, dass Hack- 
fleisch mit einem Zusatz von 0,1 pCt. (= 0,023 pCt. SO) und 0,04 pCt. (= 
0,092 pCt. SO,) Präservesalz nach 24 Stunden bei Zimmertemperatur mehr 
Keime enthält als das zur Kontrole unversetzte Fleisch im Eisschrank; ähnlich 
findet Lange) bei einem Zusatz von !/, pCt. und 1 pCt. Natriumsulfit kaum 
eine Verlangsamung der Zersetzung im Vergleich zum unversetzten Fleisch, 
während bei einem stärkeren Zusatz, wie er unter praktischen Verhältnissen 
bei Beachtung der Gebrauchsvorschriften nicht vorkommen sollte, von 2—4 pCt. 
wohl die rothe Farbe auf 2 Tage ziemlich gut erhalten und auch der Geruch 
des frischen Fleisches ebenso lange bestehen bleibt, um dann aber einer enorm 
raschen Zersetzung zu weichen. Nach diesen Erfahrungen musste es von Inter- 
esse sein, bei einer grösseren Zahl von Fleischproben festzustellen, in welchem 
Zustande bakterieller Verunreinigung das auf den Markt gebrachte 
Hackfleisch sich befand, also quantitativ den Keimgehalt desselben zu 
eruiren, da man den Verdacht nicht von der Hand weisen konnte, dass unter 


1) Die Verwendung des sogenannten Präservesalzes zur Konservirung von Fleisch. 
1. Referent: Herr Landolt, 2. Referent: Herr Rubner. Vierteljahrsschr. f. gerichtl. 
Med. u. öffentl. Sanitätsw. Bd. 18. 3. Folge. I. 1. 

2) L c. S. 2451. 

3) Lange, Beitrag zur Frage der Fleischkonservirung mittels Borsäure-, Borax- 
und schwefligsauren Natronzusätzen. Arch. f. Hyg. Bd. 40. H. 2. 

4) l. c. S. 243 u. 246. 

5) L. c. S. 175f. 

62* 


880 Mayer, 


Umständen das in Folge des Zusatzes von SO, noch frischroth aussebende 
Fleisch doch schon beim Einkauf in beginnender Fäulniss begriffen sein und 
daher eventuell zu gesundheitlichen Schädigungen führen könne. Aehnliche 
Arbeiten waren bis in die allerletzte Zeit in der Literatur nicht vorhanden, 
erst, nachdem meine hierauf gerichteten Experimente beendet waren, erschien 
eine Arbeit von Stroscher!), welche dieselben Ziele verfolgte. 

Eine gewisse Schwierigkeit bei diesen Untersuchungen bot die gleichmässige 
und völlige Vertheilung des bakterienhaltigen Fleisches, welche ja für die Be- 
stimmung des Keimgehalts eine unumgängliche Bedingung darstellt. Die für ge- 
wöhnlich bei der bakteriologischen Untersuchung fester, nicht löslicher Substanzen 
geübte Methode, ein kleines Partikelchen von bestimmtem Gewicht im Achat- 
mörser zu verreiben und in der Verdünnungsflüssigkeit aufzuschwemmen, erwies 
sich beim Fleisch nicht wohl durchführbar, da auch bei längerem Verreiben immer 
noch grössere zähe Fetzen von Sarcolemma übrig blieben, die auf der Gelatine- 
platte stets eine noch unzählbare Menge dichtgedrängter Kolonien auf uud um 
sich gruppirt zeigten trotz Anwendung reichlicher Mengen von Verdünnungs- 
flüssigkeit. Ich erhielt in den auf diese Weise hergestellten Platten aus der- 
selben Menge von Ausgangsmaterial so eminent verschiedene Keimzahlen, dass 
dieselben kaum als vergleichbar gelten und auch die daraus abgeleiteten 
Durchschnittszablen daber keinerlei Anspruch auf nur annähernde Genauigkeit 
machen konnten. Gärtner und Stroscher verfuhren bei der Feststellung 
des Keimgehaltes so, dass sie eine bestimmte Menge Hackfleisch mit einer 
grösseren Menge Verdünnungsflüssigkeit mischten, eine Zeit lang schüttelten 
und dann die Flüssigkeit quantitativ bakteriologisch untersuchten. Dieses 
Verfahren kann zwar wohl bei feingeschabtem Fleisch ohne viel bindegewebige 
Bestandtheile zu einer annähernd gleichmässigen Aufschwemmung führen. allein 
bei der billigeren Sorte des Hackfleisches (in Berlin verkaufen die Schlächter 
gewöhnlich 2 Sorten: gröberes Hackfleisch zu 60 Pfg. und feines Schabefleisch 
zu 80—100 Pfg. das Pfund) sind die einzelnen Partikelchen noch zu grob, so 
dass auch bei längerem Schütteln eine vollständig gleichmässige Vertheilung 
des Fleisches in der Flüssigkeit nicht eintritt. Auf den Rath meines boch- 
verehrten Chefs, des Herrn Geh. Med.-Raths Rubner, machte ich nun einen 
Versuch, das Fleisch mit der Lymphverreibungsmaschine von Chalybäus?) 
zu verreiben. Dieselbe besteht aus einem aus zwei gleichen Hälften zusammen- 
gelegten Cylinder, dessen innere Fläche ein Schraubengewinde trägt. In diesem 
Cylinder dreht sich eine ebenfalls mit einem Schraubengewinde versehene 
Spindel. Auf den Cylinder wird ein fest schliessender Trichter zur Aufnahme 
der Fleischtheilchen und der Verdünnungsflüssigkeit aufgesetzt. Durch ein 
Triebrad mit Trittbrett wie bei einer Nähmaschine wird die Schraube nan in 
Drehung gesetzt, wodurch das Fleisch langsam zerdrückt und mit der Ver- 
dünnungsflüssigkeit nach der Ausflussöffuung hingespült wird, so dass in das 

1) Stroscher, Konservirung und Keimzahlen des Hacktleisches. Arch. f. Hyg. 
Bd. 40. 5. 291 

2, Chalybäus, Zur Technik der Zubereitung des animalen Schutzpocken-Impi- 
stolfes. Korrespondenzbl. der sächsischen ärztl. Kreis- u. Bezirksvereine. 189%. No. 4. 


Ueber den Keimgehalt des käuflichen Hackfleisches u.s.w. 881 


untergesetzte Gefäss eine feine und gleichmässige Suspension abläuft. Sämmt- 
liche Theile der Maschine, mit denen das Fleisch in Berührung kommt, be- 
stehen aus Stahlbronce und wurden im Trockenschrank sterilisirt; der Trichter 
war ausserdem oben, um etwaige Luftkeime, die allerdings bei den kolossalen 
Keimzahlen kaum in Frage kommen, abzuhalten, mit einer sterilisirten 
Glasplatte zugedeckt. Als Material nahm ich kleine (0,02—0,1 g), auf der 
chemischen Waage abgewogene Fleischmengen und zur Verdünnung 400 ccm 
eines 6 proc. Glycerinwassers. Geringe Spuren des Sarcolemms blieben aller- 
dings auch auf diese Weise noch unzerrieben und waren zu kleineren Flocken 
zusammengedreht, es zeigte sich aber bei der Aussaat, dass ihnen die Keime 
nicht mehr so dicht anhafteten, dass sie bei der Zählung mit der Lupe oder 
unter dem Mikroskop nicht auseinanderzuhbalten gewesen wären. Um eine 
Fleischprobe zu zerreiben und 400 ccm Flüssigkeit durch die Schraube zu 
schicken, waren etwa 20—380 Minuten erforderlich. Selbstverständlich blieben 
an der Schraube, die makroskopisch völlig frei von Fleischresten war, Bakterien 
haften, allein dieser Verlust, der wohl in allen Fällen als ein konstanter an- 
geseben werden kann, dürfte kaum in Betracht kommen gegenüber den sonstigen 
der Keimzählungsmethode anhaftenden Fehlerquellen, z. B. dem Zurückbleiben 
der Bakterien im Reagensglas nach dem Ausgiessen. Die auf diese Weise 
gefundenen Keimzahlen sind in folgender Tabelle erwähnt: 


Keisch er EHER Dauer der bellrothen Färbung. 
1. 10,1308|) 11642710 | nach 24 Stdn. noch hellroth, nach 48 Stdn. braunroth. 
2. |0,1432 | 159290000 | „ „ A 5 Bu $ 
3. |0.076 | 471511000] 5 3 É = RE > 
4. |0,1005| 1695000] „ „ K K oe 5 
5. [0,1017| 19597000 | nach 24 Stunden braunroth, Oberfläche etwas schmierig. 
6. [0,1071] 22528314] „ „ x 3 y% x 
7. 10,09638| 9305121] 3 3 4 = # = 
8. |0,0527| 17710466 | nach 24 Stunden braunroth, schmierig, stinkend. 
9. |0,1035| 7013050] „ „ 3 3 
10. [0,0291 | 12717000 | nach 24 Stunden graugrün, stinkend. 


Zur Aussaat wurden nur Gelatineplatten verwendet, die Zählung fand in 
allen Fällen nach 2 Tagen statt, nachdem die Platten bei einer Temperatur 
von 17—21° aufbewahrt waren, und zwar geschah sie entweder mit dem Mie- 
schen Zählapparat mittels Lupe oder bei dichtbesäten Platten mittels des 
Mikroskops mit ausgemessenem Gesichtsfeld. Eine Abhängigkeit des Keim- 
gehalts von dem Gehalt an SO, ist aus meinen Proben kaum ersichtlich, es 
versteht sich dies nach dem Gesagten von selbst, da ja die schwefligsauren 
Salze keine Desinfektionswirkung haben und die gefundene schweflige Säure 
keinen Maassstab für das Alter des Fleisches giebt, weil die Zusätze in ihrer 
Menge unbekannt sind. 

Aber die eine Thatsache wird hier wieder sichergestellt: normales Fleisch 
entbält im Innern, wie weiter unten näher ausgeführt, gar keine Bakterien, 
sie finden sich allenfalls als Verunreinigungen an der äusseren Seite, hier könnten 
sie mechanisch entfernt werden. Das Hackfleisch aber ist ein durch und 


882 Mayer, 


durch von Baterienmassen durchsetztes Nahrungsmittel, ein Nähr- 
boden für Fäulnisskeime von Haus aus, und diese Saat ist mehr 
oder minder bereits in der zum Verkauf gebotenen Waare im 
üppigen Aufblüben. Dabei darf man nicht vergessen, dass die Anwendung 
der Gelatineplatten nur Minimalwertbe für die Bakterienzahlen liefert. 

Auch die Dauer der rothen Färbung zeigte in obigen Proben keine vennens- 
werthe Beziehung zu dem Gehalt an SO,; bei den Proben 1—4 trat allerdings 
trotz zum Theil sehr hohen Keimgehalts die missfarbene braunrothe Beschaffen- 
heit deutlich erst nach 48 Stunden auf, während nach 24 Stunden das Fleisch noch 
eine hellrothe Färbung aufwies, hingegen zeigten die letzten 6 Proben schon 
nach 24 Stunden eine grobsinnlich wahrnehmbare Zersetzung; dies ist wohl 
dadurch zu erklären, dass bei den ersten Proben die Temperatur von 18- 21° 
schwankte, bei den letzten dagegen eine ausnahmsweise hohe Temperatur 
herrschte von 22—26° (die Platten waren in dieser Zeit im obersten Theil 
des Eisschranks bei 17—20° aufbewahrt). 

Beiläufig sei erwähnt, dass zum Vergleich auch eine Probe gehackten, 
sehr fetten Schweinefleisches untersucht wurde, die wie gewöhnlich zwar frei 
von SO, sich erwies, aber einen Keimgehalt von 46 668 750 pro g zeigte. Ausser- 
dem wurde von Frankfurter Würsten, deren Genuss schlecht bekommen 
war, eine Probe untersucht; es fand sich in derselben ausser reichlichem 
Farbstoff eine geringe Menge, 0,012 pCt. SO, und auf der Platte — die Wurst 
war bereits nach den in der Haushaltungsküche geltenden Regeln gekocht — 
einzelne Keime eines sporenbildenden, verflüssigenden Bacillus, der auf der 
Agaroberfläche eine üppig gefaltete Haut bildete und wohl zur Gruppe der 
Kartoffelbacillen zu zählen ist. 

Um die Herkunft dieses sehr beträchtlichen Keimgehalts des käuflichen 
Hackfleisches weiter zurückzuverfolgen, war es nöthig, das zur Herstellung des- 
selben verwendete gewöhnliche Schlachtfleisch in Bezug auf seinen Keimreich- 
thum zu untersuchen, sowie aus letzterem selbst Hackfleisch herzustellen und 
den Bakteriengehalt dieses mit dem des auf den Markt gebrachten Hackfleisches 
zu vergleichen. Es darf nach den früheren Untersuchungen über diesen Gegen- 
stand als feststehend betrachtet werden, dass das Fleisch gesunder Thiere bei 
sorgfältiger steriler Entnahme aus dem Körper als keimfrei anzusehen ist. 
Einige orientirende Versuche über diesen Punkt habe auch ich angestellt, io- 
dem ich die Muskulatur des Oberschenkels und des Pectoralis major von zwei 
gesunden Meerschweinchen bei sehr sorgfältiger Entnahme jedesmal 
keimfrei fand, obwohl ich ziemlich grosse Mengen zur Aussaat benützte; 
dieses Fleisch hielt sich auch in sterilen Schalen absolut keimfrei. Eine bak- 
terielle Verunreinigung des Fleisches im Körper gesunder Thiere ist auch kaum 
anzunehmen, und gerade bei Schlachttbieren ist eine solche, wie schon Plagge 
und Trapp!) erwähnen, um so weniger wahrscheinlich, als bei diesen ja der 
Darmkanal, der bei Kadavern in erster Linie als Ausgangspunkt der Ein- 
wanderung der Bakterien in die Organe und das Blut in Betracht kommt, 


1) Plagge u. Trapp, Die Methoden der Fleischkonservirung. Veröffentl. a. 
d. Gebiete d. Militir-Sanitätsw. II. 5. S. 7. 


Ueber den Keimgehalt des käuflichen Hackfleisches u.s.w. 883 


unmittelbar nach dem Tode entfernt wird und letzterer bei den Schlachtthieren 
meist durch Verblutung erfolgt, so dass die Ausbreitung der Bakterien in 
Folge des Mangels an flüssigem Blut auch erschwert wird. Trotzdem ist das 
zum Verkauf ausgeschnittene Fleisch bei der gewöhnlichen Methode des 
Schlachtens, des Transports, der unreinen Aufbewahrung u. s. w. stets mehr 
oder weniger verunreinigt durch Kontaktinfektion in Folge Berührung mit 
verunreinigten Messern, Aufhängen an schmutzigen Haken, Bedecken mit 
unreinen Tüchern, Abspülen mit gewöbnlichem Leitungswasser u. s. w. Inso- 
fern verdient der ideale Vorschlag Emmerich’s!) einer „aseptischen Schlach- 
tung“ und sorgfältigeren Aufbewahrung, als bisher üblich war, gewiss Berück- 
sichtigung, wenn er auch wohl noch lange Zeit ein pium desiderium bleiben 
wird. Die Infektion mit Darminhalt durch Anschneiden der Därme beim 
Herausnehmen derselben scheint keine allzu grosse Rolle zu spielen oder lässt, 
sich wenigstens am Verkaufsfleisch nicht mehr nachweisen, insofern mir auch 
bei stark verunreinigten Proben Kolonien von coliähnlichen Bakterien unter 
den zahlreichen anderen nur in verhältnissmässig geringer Zahl auffielen. 
Dies hat wohl darin seinen Grund, dass die ausgeweideten Stücke sofort nach 
der Exenteration mit reichlichem Wasser abgespült werden; dadurch werden 
die Darmbakterien zwar grösstentheils mechanisch entfernt — nach Oster- 
tag?) genügt eine solche Abspülung allerdings nicht, um bei einer derartigen 
Beschmutzung die Bakterien zu entfernen, sondern es sollte stets die ganze 
beschmutzte Schicht mit dem Wasser abgetragen werden —, dafür tritt aber 
eine starke Verunreinigung mit den Wasserbakterien ein, besonders dem 
Bac. fluorescens liquefaciens, der bei jeder Probe anzutreffen war und, wie 
auch Emmerich?) schon betont, im Sommer nach kurzem Hängen bei ge- 
wöbnlicher Temperatur das Fleisch mit einer grünlich schillernden Schmiere 
überzogen erscheinen lässt. Diesem letzteren Uebelstand abzuhelfen dürfte 
wohl bei den Einrichtungen der modernen Schlachthäuser nicht allzu schwer 
fallen, insofern dieses Abspülen nur mit abgekühltem sterilem Wasser statt: 
finden sollte. 

Eine wichtige Infektionsquelle stellen jedenfalls auch die Fliegen dar, die 
ja wohl schwerlich vollständig ferngehalten werden können. Durch einen Zu- 
fall konnte ich bei meinen Untersuchungen auch hierüber eine Beobachtung 
anstellen. Bei einer Probe, No. IV der nächsten Tabelle des von mir selbst 
hergestellten Hackfleisches, ging ein Fliegenei unversehrt durch und fand sich 
auf der Gelatineplatte. Obwohl nun gerade diese Platte im ganzen wenig 
Keime enthielt, zeigte sich in der Umgebung des sich zur Made entwickelnden 
Eies ein ganzes Nest von unzählbaren Kolonien von Proteus vulgaris, während 
im Umkreis von mehr als 1 cm zufällig fast keine Kolonie gelegen war. Eine 
bakterielle Verunreinigung des Fleisches an der Oberfläche scheint also vor- 
läufig nicht zu umgehen zu sein und ist auch allgemein anerkannt. Dagegen 

1) R. Emmerich, Ueber die Behandlung und Konservirung von rohem Fleisch. 
Zeitschr. f. Untersuchg. d. Nahrgs.- u. Genussm. Jahrg. 4. I. 1. 5. 17. 

2) R. Ostertag, Handb. d. Fleischbeschau. 3. Aufl. S. 752. 

3,1. c. S. 17. 


884 Mayer, 


sind die Ansichten über das Eindringen in die Tiefe und die Zeit, zu welcher 
dies erfolgen kann, noch nicht ganz übereinstimmend. Plagge und Trapp!) 
haben durch mikroskopischen Nachweis in Schnitten zweifellos ein Vordringen 
der Bakterien in die Tiefe festgestellt, während Presuhn?) nach dem mir 
vorliegenden Referat ein Eindringen der Bakterien in die Tiefe bis zum 7. Tage 
der Beobachtung leugnet und diesen Mangel an Bakterien in der Tiefe des 
Muskels als ein Beweissymptom dafür ansieht, dass das Fleisch nicht von 
einem kranken Thiere stammte. Zweifellos mag bei guter Aufbewahrung und 
nicht zu häufigem Berühren und Hin- und Herwerfen, Transportiren, was beim 
Fleischergewerbe in einer Grossstadt ja unvermeidlich ist, das Fleisch so wenig 
an der Oberfläche inficirt werden, dass eine Einwanderung in die Tiefe gar nicht 
oder erst sehr spät eintritt; diese Verhältnisse werden also im Einzelfalle von 
sehr vielen äusseren Umständen abhängig sein, und jedenfalls werden hier 
Grad und Art der Verunreinigung, Temperatur, Feuchtigkeit u. s. w. eine be- 
deutsame Rolle spielen. In meinen Untersuchungen bei sehr heisser Jahres- 
zeit konnte ich regelmässig spätestens am 2. Tage nach dem Einkauf Bak- 
terien in mehr oder minder grosser Zahl in 11/,—2 cm Tiefe nachweisen. 

Wenn ich dieses Eindringen auch nicht durch mikroskopische Betrachtung 
erhärtet habe, so möchte ich doch der Angabe von Plagge und Trapp?) 
beipflichten, dass das Eindringen der Bakterien nicht in gerader Richtung 
durch das Fleisch stattfindet, sondern entlang dem lockeren Bindegewebe. 
Es zeigte sich nämlich bei meinen Untersuchungen, dass grobfaserige Muskeln 
mit reichlichem lockeren Bindegewebe zwischen den Muskelbündeln, wie der 
Glutaeus maximus oder Deltoideus, viel eher in der Tiefe Bakterien zeigten, 
mitunter schon gleich nach dem Einkauf, als Muskeln mit spärlichem Peri- 
mysium. Natürlich spielen auch hier mancherlei Umstände eine Rolle, in 
erster Linie der Grad der „primären“ Oberflächeninfektion, wohl auch die Art 
der Bakterien, indem a priori anzunehmen ist, dass die auf festen Nährböden 
durch das Auftreten von „schwärmenden Inseln“ und Bildung langer Fäden, 
auch ohne gleichzeitige Verflüssigung, sowie durch gutes anaörobes Gedeihen 
ausgezeichneten Proteusarten, die in meinen Beobachtungen niemals feblten, 
eher für ein rasches Eindringen in die Tiefe geeignet sind, als z. B. eine un- 
bewegliche, aërobe, in kugeligen Kolonien wachsende und nicht verflüssigende 
Bakterienart. 

Endlich ist nicht zu vergessen, dass die Jahreszeit, Temperatur und Feuch- 
tigkeit dabei von erheblichem Einfluss sind und dass meine Untersuchungen im 
Juni und dem sehr heissen Juli d. J. angestellt wurden, so dass wohl hieriu 
der Grund zu den oft enorm rasch verlaufenden Fäulnissprocessen zu suchen 
sein dürfte. 

Der Gang meiner Untersuchungen war folgender: Das Fleisch wurde in 
möglichst kubischen Stücken gekauft und zuerst eine bestimmte Menge der 


1) L c. S. 6. 

2) V. Presuhn, Zur Frago der bakteriologischen Fleischbeschau. (Diss.) Ref. 
in Baumgarten’s Jahresber. Bd. 14. S. 883. 

3) l e S.T. 


Ueber den Keimgehalt des käuflichen Hackfleisches u.s.w. 885 


obersten Schicht und ebensolche aus 1!1/,—2 cm Tiefe, etwa der Mitte des 
Stückes entsprechend, nach dem oben besprochenen Verfahren zu Platten ver- 
arbeitet. Die Entnahme aus der Tiefe geschah in der Weise, wie sie üblich 
ist zum kulturellen Nachweis von Bakterien im Innern von Organen: Mit je 
einem sterilen Messer wurde, nachdem die Oberfläche des Muskels abgesengt 
war, ein Schnitt durch das Fleisch geführt, in der Mitte senkrecht zur nenen 
Schnittfläche ein zweiter, ohne die äusseren Schichten zu berühren, und dann 
mit gekrüämmter Scheere eine Partie entnommen und gewogen. Uumittelbar 
danach wurde auf einem Deckglas ein Klatschpräparat sowohl von der Ober- 
fläche als von der tiefen Schnittfläche hergestellt, so dass man wenigstens 
annähernd sofort ein Bild hatte von dem Keimgehalt der betreffenden Stelle. 
Dies erweist sich vielleicht als praktisch, wenn man die Menge des Ausgangs- 
materials und der Verdünnungflüssigkeit nach dem durch das Klatschpräparat 
taxirten Bakteriengehalt einrichten will. Bei der von mir angewandten Ver- 
reibungsmethode wandte ich aber stets dieselbe Verdünnung mit 400 ccın an, 
was sich ja auch der Einfachheit der Rechnung halber empfiehlt; dagegen 
richtete ich die Menge der zur Aussaat gelangenden Aufschwemmung nach 
diesem Befunde ein, indem ich bei spärlichen Bakterien auf dem Deckglas 
1—2 ccm derselben, sonst nur 0,1—0,5 cem verwandte. Unmittelbar danach 
wurde ein Theil des Fleischstückes zu Hackfleisch in steriler Hackmaschine ver- 
arbeitet, in der Reibschale ordentlich gemischt und ebenfalls zu verschiedenen 
Zeiten auf seinen Keimreichthum untersucht. Ferner wurde dieses Hackfleisch, 
das meist schon nach 24 Stunden ein braun- oder graurotbes Aussehen hatte, 
mit Natriumsulfit (das verwendete Präparat enthielt 21,5732 pCt. SO,) ver- 
setzt im Verhältniss von 0,5 pÜt., um festzustellen, ob bei diesem zweifellos 


= - 
= n Kei hl lg. Wirkung der NaaSOg 
2 | zeit | Auf aE E AN (0,5 pCt.) auf das 
N ‚bewahrung| Oberfläche Tiefe | Hackfleisch Hackfleisch. 

ae j | (11/,—2 cm) 


sofort |Eisschrank 41 860 0 4560 F _ 


12—15° 
24 Std. m 141 509 31 579 60 720 | wird noch frischroth 
8 Std. = unzählbar, dich- | 431 837 350 | 920 860 000 | wird noch etwas 
tes Gewirr von heller, bleibt aber 
Proteus. braunroth. 
IL | sofort — 1 829 545 0 40 680 — 
24 Std.|Eisschrank 6 768 280 18 420 382 000 | wird noch frischroth 


48 Std. 4 unzählbar wegen| 150 580 600 | 340 280 000 | bleibt braunroth. 
Proteus, Platte 
stinkend. ~ 
sofort — 11 732 942 157 025 108 000 _ 

Í Keller 6 125 000 000| 1144 530 | 148 269 058 | wird noch hellroth. 
„A į 18—20° 

\lEisschrank 6 208 029 197| 5472 170 | 209 464 285 | wird etwas hellroth. 


m. 


|! Keller | 24733 926 000 | 24 270 000 | 335 183 700 | bleibt missfarben. 
“\'Eisschrank| 8506 944 300 | 13 873 072 | 473 526 600 r » 

IV. | sofort = 11 540 000 42 560 896 154 = 

24 Std. Eisschrank 182 824 000 1670 400| 20 149 752 | wird etwas hellroth. 
48 Std. = unzählbar 98 260 000 | unzählbar | bleibt missfarben. 


63 


886 Mayer, 


verdorbenen Fleisch von oft enormem Bakteriengehalt noch eine Rothfärbung 
erzielt wird. Die Aufbewahrung geschah entweder im Eisschrank, welcher zu 
dieser Jahreszeit eine Temperatur von 12—16° aufwies, vom Fleisch No. II 
eine Probe auch freihängend im Keller bei 18—20°; ein Aufbewahren bei 
Zimmertemperatur wäre zwecklos gewesen, da schon nach 24 Stunden das 
Fleisch bei der hohen Temperatur von 24—29° vollständig verdorben war. 
Selbstverständlich wird man in jedem festen und dazu nicht einmal homo- 
genen Objekt, wie es das Fleisch darstellt, keine gleichmässige Vertheilung 
der Bakterien erwarten dürfen, weder auf der Oberfläche, wenigstens solange 
nicht die ursprünglich einzelnen Kolonien eine vollkommene Decke gebildet 
haben, noch viel weniger im Innern, welches sie je nach den vorhandenen 
Bindegewebsspalten und je nach der Bakterienart in verschiedener Zeit er- 
reichen; bei den kleinen Mengen Substanz, die man wegen der meist sehr 
grossen Keimzahl verwenden muss, wird daher der Zufall stets eine unver- 
meidliche Rolle spielen: hat man eine Stelle gefischt mit einigen recht grossen 
Kolonien, so wird man einen unverhältnissmässig viel grösseren Keimgehalt 
finden als vielleicht in derselben Quantität der unmittelbar daneben gelegenen 
Stelle. Auf diese Weise ist wohl auch der absolute Mangel irgend einer Regel- 
mässigkeit in der Zunahme des Keimgehalts in denselben Zeiträumen zu er- 
klären, sowie auch gewisse Widersprüche in der Tabelle; z. B. bei Probe Ill 
ist es nicht denkbar, dass das Hackfleisch nur 108000 Keime enthalten soll. 
während die gleichzeitig untersuchte und die Hauptmasse des Fleisches aus- 
machende tiefe Schicht bereits 157 025 enthielt und die Oberfläche natürlich 
noch viel mehr. Aus dem verschiedenen Keimgehalt der Probe III, je nach 
Aufbewahrung im Keller (frei an der Luft hängend) oder im Eisschrank (eben- 
falls frei hängend), ist auf die Zweckmässigkeit der einen oder der anderen 
Aufbewahrungsweise, sofern dies überhaupt bei einer so geringen Zahl von 
Untersuchungen zulässig wäre, kein Rückschluss möglich; iminerhin war zwei- 
fellos die grobsinnlich wahrnehmbare Zersetzung in den ersten 24 Stunden iw 
Eisschrank viel stärker als im Keller; im letzteren zeigte das Fleisch in Folge 
der Austrocknung eine etwas gerunzelte braunrothe Oberfläche, die allerdings 
schon einen ziemlich dichten gallertigen Bakterienrasen aufwies, während im 
Eisschrank um dieselbe Zeit das Fleisch an der äusseren Fläche ein ekellaftes. 
grünliches, schmieriges Aussehen zeigte. Diese stärkere Fäulniss im Eisschrank 
ist trotz der allerdings nur sehr wenig niedrigeren Temperatur offenbar auf 
die wohl mit Feuchtigkeit gesättigte, ohne jede Strömung in demselben ein- 
geschlossene Luft zu beziehen, wobei das zuweilen beim häufigen Oeffnen des 
Schrankes oder beim Herausnehmen des Fleisches entstehende Kondenswasser 
an der Oberfläche für das Bakterienwachsthum noch günstigere Bedingungen 
schafft; gerade in diesen Proben entwickelte sich massenhaft der Bac. fluo- 
rescens liquefac., der nach kurzer Zeit das ganze Fleisch mit einer grünlichen. 
zähen Schmiere überzogen hatte. Diese grüne Verfärbung ging übrigens nur 
sehr wenig und langsam in die tiefen Schichten, blieb vielmehr, auch beim 
Hackfleisch, hauptsächlich an der äusseren Schicht, wohl in Folge des ziemlich 
grossen Sauerstoffbedürfnisses dieser Bakterienart. In der Tiefe waren daher 
meist Proteusarten vorhanden, die ja bei Sauerstoffabwesenheit gut gebeihen, 


Ueber den Keimgehalt des käuflichen Hackfleisches u.s.w. 887 


und zwar fand sich regelmässig eine dem Proteus vulgaris Hauser entsprechende 
verflüssigende Art und eine nicht verflüssigende, wohl Proteus Zenkeri (s. 
Bact. Zopfii). Neben, wie erwähnt, nicht sehr reichlichen Colikolonien fand 
sich dann regelmässig noch ein gelber Kokkus; damit waren die stets in allen 
Proben auftretenden Bakterienarten erschöpft. Als zufällige Beimengungen 
fand sich allerdings noch eine reichliche Anzahl, soweit die Gelatineplatten- 
kolonien darüber Aufschluss gaben; eine nähere Specialisirung derselben fand 
nicht statt. 

Aus der vorigen Tabelle ist jedoch zu ersehen, dass das aus dem käuf- 
lichen Schlachtfleisch selbst hergestellte Hackfleisch — ob man dazu die Ma- 
schine, wie in unseren Fällen, sterilisirt oder, wie etwa für praktische Ver- 
hältnisse verlangt werden kann, einer gründlichen Reinigung mit heissem 
Wasser unterziebt, dürfte keinen Unterschied machen — stets unmittelbar 
nach der Herstellung bei Weitem weniger Bakterien enthält, als das gekaufte 
and mit SO, versetzte; auch behielt es trotz der hohen Temperatur mindestens 
4—5 Stunden die unmittelbar nach dem Hacken vorhandene, tiefrothe Farbe 
des frischen Rindfleisches bei. Der wesentlich höhere Bakteriengehalt des 
käuflichen Hackfleisches, wie er auch von Stroscher!) gefunden wurde, 
rührt nun wohl weniger von dem längeren Liegen des Fleisches im gehackten 
Zustande her, als von der Verwendung kleiner, längere Zeit herumliegender 
nnd oft berührter, beim Einzelverkauf übrig gebliebener Fleischstücke, die 
bei ihrer geringen Masse eine relativ grosse und stark verunreinigte Ober- 
fläche darbieten; ich vermuthe, dass diese Verarbeitung von solchen Fleisch- 
rückständen, die, abgesehen von der starken Oberflächeninfektion, vielleicht 
auch schon im Innern von Keimen durchwachsen sind, von grösserem Einfluss 
ist auf den Keimgehalt des Hackfleisches, als die von anderer Seite allein 
dafür bezichtigte unreine Herstellungsweise. Hier ist dem Schlächter das 
Präservesalz natürlich willkommen, das auch solchem, man kann wohl sagen 
Abfallfleisch vom Tage vorher jene blendend rothe Farbe, die selbst frisches 
Fleisch nie besitzt, verleiht, wie das ja auch möglich war bei den in obiger 
Tabelle erwähnten notorisch verdorbenen Hackfleischproben. 

Es liegt die Frage nahe, ob wir vielleicht in dem sorgfältig bestimmten 
quantitativen Bakteriengehalt einen Anhaltspunkt für beginnende Fäulniss be- 
sitzen. Zweifellos muss man nach dem oben Mitgetheilten bei dem meisten 
käuflichen Hackfleisch eine bereits im Gange befindliche Fäulniss annehmen, 
die zunächst für uns latent bleibt. Aber es ist natürlich keine scharfe Grenze 
zu finden, von der ab von Fäulniss gesprochen werden kann. Man beurtheilt 
dieselbe nur nach Ausseben und Geruch; das ist zwar ein praktisches Krite- 
rium, beweist aber wieder nicht, dass beim Fehlen dieses Merkmals ein Fleisch 
nicht genügend weit in der Fäulniss vorgeschritten ist, um nicht zu schaden. 
Alle für Fäulniss angegebenen chemischen Proben sind nicht eindeutig, und 
der Nahrungsmittelchemiker kann hänfig zu einer sicheren Entscheidung auch 
erst dann kommen, wenn durch Aussere Veränderung und Gerüche für jeden 


1) L c. S. 310f. 


63* 


888 Mayer, 


Laien die Zersetzung offenkundig ist.!) So hat die von einzelnen Autoren als 
wichtiges Symptom für die Fäulniss hingestellte alkalische Reaktion des Flei- 
sches ihre Bedeutung als solches verloren2); auch die Salmiakprobe von Eber’), 
die sich auf den Nachweis des freien Ammoniaks stützt, ist nicht eindentig, 
da auch die normalerweise entstehenden Ammoniakmengen ziemlichen Schwan- 
kungen unterworfen sind®), und besonders da Glage5) in neuerer Zeit ge- 
funden hat, dass die sogenannten Aromabakterien, die neben aromatischen 
Produkten viel NH,, aber keine Gifte produciren, fast ständige Gäste des 
frischen Fleisches sind, welches in kühlen Räumen aufbewahrt wird, und kei- 
nerlei gesundheitsschädliche Störungen verursachen. Bei solcher „latenten“ 
Fäulniss könnte vielleicht der Keimgehalt in manchen Fällen aufklärend 
wirken, jedenfalls giebt er ein Kriterium für die Unreinlichkeit, mit der in 
einem Betriebe gewirthschaftet wird, oder für die Art des Materials, welches 
zu Hackfleisch verwerthet wird, oder über die Dauer der Aufbewahrung, je 
nach den Umständen des Falles. Allein es dürfte voraussichtlich schwer 
fallen, bier einen Grenzwerth aufzustellen, zum mindesten wären dazu noch 
eine grosse Zahl Untersuchungen nöthig. Der Keimgehalt wird vielleicht ein- 
mal dieselbe Rolle spielen wie heute bei den Wasseruntersuchungen, wo ja 
auch der absolute Keimreichthum keine Veranlassung ist, ein Wasser obne 
Weiteres zum menschlichen Genuss als ungeeignet zu verwerfen, der uns aber 
doch gewisse werthvolle Hinweise giebt für die übrigen Untersuchungen. 
Vielleicht wird auch beim Fleisch der qualitative Bakteriennachweis wichtig 
sein, denn z. B. ein unverhältnissmässig zahlreiches Vorkommen von Proteus- 
arten wird uns jedenfalls in der Beurtheilung um so mehr Vorsicht auferlegen, 
als in neuerer Zeit diese Bakterienarten öfters als die Erreger von Fleisch 
vergiftungen erklärt wurden. Selbstverständlich sind diese Untersuchungen 
zunächst nur von Bedeutung für Hackfleisch; beim Fleisch in Stücken wird 
selbst eine grobsinnlich wahrnehmbare Oberfächenfäulniss, die sich auf die 
oberste Schicht beschränkt, noch keinen Schaden bringen, da man die be- 
treffende Schicht mit dem Messer entfernen kann, und die Tiefe ja meist frei 
von Fäulniss ist. 

Grössere Reinlichkeit in den Nahrungsmittelgewerben ist dagegen noth- 
wendig; eine derartige Bestrebung wird in neuerer Zeit vom Deutschen Verein 
für öffentliche Gesundheitspflege sehr gefördert®). Der beste Schutz des Käu- 
fers vor solchem verdorbenen Hackfleisch ist der, dass er sich, worauf auch 


1) C. Mai, Wann ist eine Fleischwaare als verdorben zu betrachten? Zeitschr. 
f. Untersuchg. d. Nahrgs.- u. Genussm. Jahrg. 4. H. 1. S. 18. 
2) Ostertag, a. a. 0. S. 162. 
5) W. Eber, Instruktion zur Untersuchung animaler Nahrungsmittel auf Fäul- 
Seile 

H Mai, a. a. 0. S. 20. 

5) F. Glage, Ueber die Bedeutung der Aromabakterien für die Fleischhygiene. 
Zeitschr. f. Fleisch- u. Milchhyg. 1901. S. 11. Referat in Zeitschr. f. Untersuchg. d. 
Nahrgs.- u. Genussm. Jahrg. 4. H. 14. S. 641. 

6) L.Heim, Das Bedürfniss grösserer Sauberkeit im Kleinbetriebe von Nahrungs- 
mitteln. Deutsche Vierteljahrssehr. f. öffentl. Gesundheitspfl. Bd. 32. S. 66. 


Ueber den Keimgehalt des käuflichen Hackfleisches u.s.w. 889 


Rubner und Landolt!) hinweisen, das Fleisch selbst hackt oder schabt, 
genau so, wie es sich empfiehlt, auch den Kaffee und Pfeffer nicht in gepul- 
vertem Zustande zu kaufen, da hierbei Verfälschungen häufig vorkommen, die 
bei ganzer Frucht nicht oder jedenfalls nicht so leicht möglich sind. In den 
Krankenhäusern, wo das Hackfleisch in grösserer Menge und in besonders guter 
Qualität gebraucht wird, geschieht diese Herstellung in der Küche heute wohl 
fast allgemein. Dann verdient vielleicht der Vorschlag des Kgl. Sächsischen 
Landes-Medicinalkollegiums?) Erwähnung: die Fleischer sollten, wenn sie glaub- 
ten, das Fleisch ohne Präservesalzzusatz nach kurzer Zeit nicht mehr verkaufen 
zu können, nur zu einer bestimmten und allgemein bekannten Zeit Hackfleisch 
berstellen. Vielleicht dürfte es sich, wenigstens in mittleren und kleinen Be- 
trieben, empfehlen, Hackfleich gar nicht vorräthig zu halten; wenn aber solches 
vom Käufer gewünscht wird, so soll das abgewogene Fleisch in der Maschine 
vor den Augen des Käafers zerkleinert werden, eine meist ganz kurze Procedur, 
die den Betrieb zur Verkaufszeit wohl nicht sehr stören dürfte; jedenfalls sieht 
und weiss dann der Verkäufer, wass für eine Sorte Fleisch er erhält. Ganz 
zu verwerfen ist es natürlich, was wohl bei dem allgemein üblichen Präserve- 
salzzusatz häufig vorkommen dürfte, dass Hackfleisch von einem Tag zum an- 
dern oder auch nur vom Vormittag zum Nachmittag aufgehoben und eventuell 
dem frisch hergestellten wieder beigemengt wird. So lange eben das Fleisch 
seine rotbe Farbe zeigt, glaubt der Schlächter, vom laienhaften Standpunkt aus 
mit einem gewissen Recht, dasselbe als frisches Fleisch ansehen und weiter 
verkaufen zu dürfen. 

Dass Schädigungen der Gesundheit durch Einverleibung der schwefligsauren 
Salze auftreten können, wird heute von Seiten der Hygieniker und ärztlichen 
Sachverständigen wohl kaum mehr bezweifelt, wie ja auch die Thierexperi- 
mente von L. Pfeiffer®) und H. Kionka®), sowie die klinischen Erfahrungen 
von Bernatzik und Braun5) mit Bestimmtheit dafür sprechen, dass die 
schweflige Säure ein Blutgift darstellt. Wenn es auch zu nachweisbaren akuten 
Störungen nach dem Genuss solcher mit Sulfiten versetzten Nahrungsmittel 
nieht kommt, so sind doch, wie die Versuche Kionka’s an Hunden ergaben, 


1) DieVerwendung des sogenannten Präservesalzes zur Konservirung von Fleisch. 
Vierteljahrsschr. f. gerichtl. Med. u. öffentl. Sanitätsw. Bd. 18. 3. Folge. H. 1. 

2) Denkschrift über das Färben der Wurst sowie des Hack- und Schabefleisches. 
Ausgearbeitet im Kaiserl Gesundheitsamt. Zeitschr. f. Nahrgs.- u. Genussm. Jahrg. 2. 
S. 139. Referat. 

3) L. Pfeiffer, Zur Kenntniss der giftigen Wirkung der schwefligen Säure und 
ihre Salze. Arch. f. exper. Pathol. u. Pharmakol. Bd. 27. 

4) H. Kionka, Ueber die Giftwirkung der schwefligen Säure und ihrer Salze 
und deren Zulässigkeit in Nahrungsmitteln. Zeitschr. f. Hyg. u. Infektionskrankh. 
Bd. 22. 

5) Bernatzik u. Braun, Ueber die Anwendung der schwefligsauren Salze und 
der schwefligen Säuren bei den Erkrankungen der Wöchnerinnen. Wien. med.Wochen- 
schr. 1869. Jahrg. 19, cit. nach Lehmann, Die Methoden der praktischen Hygiene, 
1901. S. 306. 


890 Mayer, 


und Rubner und Landolt!) in ihrem Gutachten mit Nachdruck hervorheben, 
durch Kumulation der stetig eingeführten kleinen Dosen chronische Schädi- 
gungen zu befürchten. Dass bei der Wirkung der schwefligsauren Salze indi- 
viduelle Verschiedenheiten bestehen müssen, ist ohne Weiteres klar, wenn man 
an das chemische Verhalten dieser Salze gegenüber freien Säuren denkt. Je 
stärker die Acidität des Magensaftes bei einem Individuum, desto empfindlicher 
wird es sich verhalten gegenüber diesen Salzen.2) Nun kommt aber bei dieser 
Wirkung nicht bloss der Säuregrad des Magensaftes in Betracht, sondern eben- 
sowohl auch der Gehalt an freien Säuren in gleichzeitig mit dem sulfithaltigen 
Fleisch einverleibten Genussmitteln.®2) Stroscher hat schon auf den beliebten 
Zusatz von Essig zum rohen Beefsteak hingewiesen und gezeigt, dass schon 
durch 1proc. Essigsäurelösung „das Freiwerden der schwefligen Säure in 
hohem Maasse begünstigt wird“. 

Ich machte nun noch Versuche mit den gewöhnlich genossenen Getränken, 
um festzustellen, in welchem Grade dieselben die schweflige Säure aus ihren 
Salzen zu befreien vermögen. Es wurden Untersuchungen mit hellem Lager- 
bier, Weissbier, Weisswein, Rothwein und Citronenlimonade angestellt, und zwar 
verfuhr ich in der Weise, dass ich von allen Getränken (abgesehen von der 
Limonade) zunächst feststellte, ob siè selbst frei von SO, waren; dies geschah 
mit der bekannten Methode der Destillation unter Zusatz von Phosphorsäure im 
Kohlensäurestrom. Sämmtliche geprüften Getränke erwiesen sich frei von SO, 
mit Ausnahme des Weissweines, der geringe Mengen SO, 0,00604 pCt., ent- 
hielt. Nun wurden je 200 ccm dieser Getiänke mit 1,0 Natr. sulfuros. pur. 
versetzt nnd ohne Phosphorsäurezusatz nach der obigen Methode untersucht, so 
dass also nur die Säure des Getränks zur Wirkung gelangte. Das zugesetzte 
Natr. sulfuros. pur. enthielt 21,5732 pCt. SO, neben 10,62436 pCt. H,SO.. 

Aus folgender Tabelle sind die Wirkungen der verschiedenen Getränke 
auf das schwefligsaure Natron nebst ihrer Gesammtacidität, die durch Titriren 
mit '/s Normal-Natronlauge gefunden wurde, ersichtlich. 

Es blieb noch die Frage zu beantworten, wieviel der zum rohen Fleisch 


Gesamt: Bei Zusatz von 


Gehalt | acidität (pro| 10 Por 
Lo x 


Getränke. an SO, | 100 cem in derden frei durch 

in pCt. | Normal- | 200 com Flüssigkeit 
atronlauge) g SO, 
Helles Lagerbier . 0 1,9 ccm 0,012 
Weissbier De 0 5,64 „ 0,180 
Weisswein . . . . | ooo604 | 74 7 0,215 
Rothwein N 0 804 p 0,202 
Citronenlimonade . _ 13,88 „ 0,214 


(1 Citrone auf 500 ccm 
Wasser.) 


)a.a.0. 
2) Stroscher, a. a. 0. S. 305. 
3) Rubner u. Landolt, l. c. 


Ueber den Keimgehalt des käuflichen Hackfleisches u.s.w. Infektionskrankheiten. 891 


zugesetzten schwefligen Säure in die durch Kochen und Braten hergestellten 
fertigen Nahrungsmittel übergeht. Ein Theil der schwefligen Säure wird ja 
nach dem Zusatz durch Oxydation in schwefelsaure Salze übergeführt. Gärt- 
ner!) stellte für robes Hackfleisch fest, dass diese Umwandlung in Schwefel- 
säure relativ klein ist bei grösserem und grösser bei kleinem Zusatz, und dass 
die Zeit der Aufbewahrung in den für die Praxis in Betracht kommenden 
Grenzen, bis 24 Stunden, auf die Oxydation im Innern des Fleisches, wo freier 
Sauerstoff fehlt, keinen Einfluss mehr ausübt. Dass auch bei monatelanger 
Aufbewahrung von Cervelatwurst, die aus einem Wurstgut mit 0,044 pCt. 
schwefliger Säure hergestellt war, die schweflige Säure nicht verschwindet, 
stellte Polenske?) fest: nach 3 Monaten fand er noch 81 pCt., nach 24 Mo- 
naten noch 14—15 pCt. der schwefligen Säure wieder. Da beim Kochen des 
sauer reagirenden Fltisches zu Bouillon ein Theil der SO, wahrscheinlich 
verloren gehen muss, stellte ich mir eine Bouillon aus 100 g Hackfleisch, dem 
0,5 Natr. sulfuros. pur. (= 0,107866 g SO,) zugesetzt wurde, mit 200 ccm 
Wasser her; es entwichen dabei nur geringe Mengen von SO,, im Ganzen nur 
0,0025269 g. Die entstandene Bouillon hatte eine Gesammtacidität von 2,08 
Normal-Natronlauge auf 100 ccm und zeigte bei der Destillation mit Phosphor- 
säurezusatz im Kohlensäurestrom noch einen Gehalt von 0,07248 g SO, 
(= 0,0362 pCt. SO,). Dass bei der Herstellung der Bouillon nur so wenig 
schweflige Säure frei wird, hat seinen Grund wohl darin, dass die Gesammt- 
acidität des Fleisches weniger von freien Säuren als von sauren Salzen her- 
rührt. Ferner wurde ein deutsches Beefsteak aus 100 g Hackfleisch mit 0,5 
Natr. sulfuros. pur. (= 0,107866 g SO,) unter Zugabe von 15 g Butter ge- 
braten; das Beefsteak einschliesslich der Sauce wurde dann in 200 g Wasser 
vertheilt und nach der üblichen Methode auf SO, untersucht; dabei fanden 
sich noch 0,026423 g SO.. Kämmerer hatte gefunden, dass beim Backen 
von Fricandellen etwa die Hälfte der SO, erhalten bleibt.3) 

Es ist damit erwiesen, dass nicht nur der Genuss von rohem, mit Präserve- 
salz versetztem Hackfleisch und von geräucherter Wurst, sondern auch von aus 
solchem Fleisch hergestellter Bouillon und Beefsteak zu denselben Gesund- 
heitsstörungen führen kann. 


Kisskalt C., Die Erkältung als krankheitsdisponirendes Moment. 
Arch. f. Hyg. Bd. 39. S. 142. 

Nach einer allgemeinen Einleitung, in welcher die wichtigsten bisher auf- 
gestellten Theorien der Erkältungskrankheiten kurz dargelegt und kritisirt 
werden, geht Verf. auf die Rolle der aktiven und passiven Hyperämie bei 
ET AE EEEN 

1) 1. c. 8. 249 f. 

2) E. Polenske, Ueber das Verhalten von Borsäure, schwefliger Säure und 
künstlichen Farbstoffen in Dauerwurst. Arb. a. d. Kais. Ges.-A. 1900. Bd. 17. S. 568. 

3) Forschungsberichte über Lebensmittel und ihre Beziehungen zur Hygiene. 
1895, cit. nach Lehmann, Die Methoden der praktischen Hygiene. 1901. S. 306. 


892 Infektionskrankheiten. 


der Erkältung über und leitet aus den in dieser Richtung bereits vorliegenden 
Experimenten den Satz ab, dass arterielle Hyperämie eines Organes 
die Vermehrung der Bakterien begünstigt, also eine Disposition zur 
Erkrankung schafft, im Gegensatz zur Stauungshyperämie, welche bekanntlich 
die Lebensbedingungen für die Bakterien verschlechtert. Bei Kälteeinwirkung 
auf die Haut kommt es nun, wie auf mannigfache Weise bereits seit längerer 
Zeit nachgewiesen war, zu einer beträchtlichen Hyperämie der inneren Organe, 
speciell der Respirationsschleimhaut; diese Hyperämie geht mit einer Ver- 
minderung der Blutalkalescenz, d. i. mit einer Verminderung der Abwehrkräfte 
des Organismus einher und verbessert andererseits die Ernährungsbedingungen 
der Mikroorganismen, sodass die vorhandenen Infektionserreger in 
den Stand gesetzt werden, sich ausgiebig zu vermehren und krank- 
heitserzeugend zu wirken. Dazu mag noch eine Virulenzsteigerung durch 
den stärker secernirten Schleim beitragen. 

Ein Erkältungseinfluss zieht um so leichter und sicherer eine Erkrankung 
nach sich, je länger derselbe auf den Körper einwirkt. Höhere Kältegrade, 
welche meist eine rasche „Reaktion“ mit Hauthyperämie hervorrufen, veran- 
lassen seltener Erkältungskrankheiten als die mittleren Kältegrade, bei denen 
die Reaktion nur zögernd auftritt, wie Verf. vermuthet, weil im ersteren Falle 
die Gefässerweiterung der inneren Organe von zu kurzer Dauer ist, um zu 
einer genügenden Vermehrung der Bakterien zu führen. Auch die Wirkung 
des Alkoholgenusses, welcher vor der Erkältung schützen soll, leitet Verf. von 
der eintretenden Hauthyperämie und dem dadurch bedingten Ausfall der 
Schleimhauthyperämie ab. Wenn in manchen Fällen typische Erkältungskrank- 
heiten auftreten, ohne dass eine Erkältungsursache vorausging, so ist dies wohl 
durch die Annahme zu erklären, dass das betreffende Individuum grosse Mengen 
virulenter Bakterien durch das Angehustetwerden u. s. w. aufgenommen hatte 
Im Weiteren wird dann der Versuch gemacht, die eben kurz dargelegten An- 
schauungen zur Erklärung der einzelnen Erkältungskrankbeiten und ihres Ent- 
stehungsmodus anzuwenden, und schliesslich noch der Mechanismus der Ab- 
härtung besprochen, welcher nicht darin bestehe, dass die Hautmuskeln auf 
jeden Reiz prompter mit Kontraktion reagiren, sondern im Gegentheil darin. 
dass die Erregbarkeit der Hautgefässe eine geringere wird; dazu 
kommt noch eine allmählich eintretende Verdickung der Haut, welche die 
Kältenerven dem äusseren Reize noch weniger zugänglich macht, so dass die 
Gefässkontraktion entweder ausbleibt, oder doch rasch von der Reaktion. d.i. 
von der Hyperämie, gefolgt wird. Paul Müller (Graz). 


Uhthoff W. (Breslau), Bemerkungen zur Skrophulose und Tuberkulose 
nebst einem Beitrag zur Tuberkulose der Conjunctiva. Berl. klin. 
Wochenschr. 1900. No. 50. S. 1145. 

Phlyctänen sind in weitaus den meisten Fällen, aber nicht immer ein 
Zeichen von Skrophulose. Erst wenn andere Symptome hinzutreten. ist die 
Diagnose des Allgemeinleidens gesichert. Staphylococcus aureus und albus 
sind als Erreger der Phlyctaene angesprochen worden, doch stehen dem die 


Infektionskrankheiten. 893 


negativen Befunde von Axenfeld entgegen. Eine tuberkulöse Erkrankung ist 
die Phlyctaene nicht. 

Die Frage, ob die gesunde Conjunctiva durch Tuberkelbacillen 
inficirt werden kann, ist nicht definitiv erledigt. Thierversuche sprechen da- 
gegen; bei tuberkulös belasteten und bei skrophulösen Individuen muss die 
Möglichkeit offen gehalten werden, doch scheint sie sich nicht gerade oft zu 
realisiren, wie man aus der Seltenheit der Conjunctivaltuberkulose schliessen darf. 

In der Zeit der Tuberkulinbehandlung hat U. bei einer Anzahl von Kranken 
mit schweren und oft recidivirenden skrophulösen Augenleiden Einspritzungen 
gemacht und erhielt in 80 pCt. der Fälle positive Ergebnisse (Reaktionsfieber). 
Nach dieser Statistik wären demnach nur 20 pCt. der Skrophulösen frei von 
Taberkulose. Stephenson fand nur bei 32 pCt. der phlyctänulären Erkran- 
kungen Tuberkulinreaktion. 

Bei Conjunctivaltuberkulose erkranken häufig die präauricularen und sub- 
maxillaren Lymphdrüsen. Es wird die Frage aufgeworfen, ob man dies als 
eine Schutzvorrichtung betrachten und die operative Entfernung der Drüsen 
vermeiden soll. Kasuistische Mittheilung: Ein 15 jähriges Mädchen aus tuber- 
kulöser Familie erkrankte an ausgedehnter tuberkulöser Wucherung der Nasen- 
schleimhaut und der linksseitigen Thränenwege und an derber tuberkulöser 
Infiltration der Conjunctiva bulbi an einer Stelle, die dem unteren Thränen- 
punkte entspricht. Die Conjunctiva der oberen Uebergangsfalte beider Augen 
war unter dem klinischen Bilde des Trachoms erkrankt, doch ergab die Unter- 
suchang eines excidirten Stückes das Bild einfacher hyperplastischer Ent- 
zündung, ohne specifischen Bau weder für Tuberkulose noch für Trachom. Es 
liegt die Möglichkeit vor, dass die Conjunctiva tarsi entweder durch die Toxine 
des Tuberkelbacillus erkrankt ist, oder durch mechanische Reizung des tuber- 
kulösen Tumors der Conjunctiva bulbi, oder durch Mischinfektion. 

Paul Schubert (Nürnberg). 


Zur Tuberkulosebekämpfung. Verhandlungen des Deutschen Central- 
eomites zar Errichtung von Heilstätten für Lungenkranke, redigirt von 
Pannwitz. Berlin 1901. Selbstverlag des Centralcomites. 68 Ss. 8°. 

Das Berliner Centralcomite, dessen Zweck es ist, nicht nur die Errich- 
tung von Heilstätten zu fördern, sondern auch im Gebiete des Reiches die für 
die Bekämpfung der Tuberkulose als Volkskrankheit erforderlichen 

Maassnahmen anzuregen und zu unterstützen, hält in jedem Jahre eine General- 

versammlung ab, in welcher die Frage der Tuberkulosebekämpfung erörtert 

wird. Die in der diesjährigen Versammlung gehaltenen Vorträge, welche in 
vorliegendem Hefte gesammelt enthalten sind, verdienen wegen ihrer Wichtig- 
keit eine kurze Besprechung an dieser Stelle. Nach einem kurzen Geschäfts- 
bericht des Generalsekretärs Pannwitz sprach E. Rumpf (Heilstätte Frie- 
drichsheim) über die Frage der Auslese der Kranken für die Heilstätte. Redner 
hat, ebenso wie viele andere Volksheilstättenärzte, sehr über die schlechte Aus- 
wahl der Kranken für die Anstalt seitens einer grossen Zahl von Aerzten zu 
klagen; waren doch bei ihm zeitweise 45 pCt. aller Kranken im dritten, d. h. im 
unheilbaren Stadium. Dadurch wird einer grossen Anzahl noch heilbarer 
64 


894 Infektionskrankheiten. 


Kranker der Platz weggenommen, und diese müssen oft so lange warten, bis 
es zu spät ist. Um diesem Uebelstande abzuhelfen, schlägt Redner vor. be- 
sondere Untersuchungs- und Vorbeobachtungsstationen unter Leitung specia- 
listisch gebildeter Aerzte, am besten früherer Heilstättenärzte, einzurichten; 
diese wären an Tuberkulosekrankenhäuser anzuschliessen, in denen die für die 
Heilstättenbehandlung nicht geeigneten Fälle Aufnahme finden könnten. Hier- 
mit wäre dann zugleich auch die von den Direktoren der grossen Kranken- 
häuser so sehnlich gewünschte Entlastung von den Phthisikern gegeben und 
eine Reihe von werthvollen Centren zur wissenschaftlichen Erforschung der 
Tuberkulose geschaffen. 

Der zweite Redner, Geheimrath B. Fraenkel (Berlin), betonte die Noth- 
wendigkeit der Errichtung von Asylen für unheilbar Tuberkulöse. Diese, 
welche die gefährlichsten Bacillenverstreuer sind, müssen aus prophylaktischen 
Gründen isolirt werden; eher ist an eine wesentliche Bekämpfung der Tuber- 
kulose nicht zu denken. (Redner tritt also ebenfalls für die Errichtung von 
Tuberkulosekrankenhäusern ein. Hoffentlich folgt dieser von so autoritativer 
Stelle gegebenen Anregung recht bald die Umsetzung in die That. Ref.) 

Danach sprach Geheimrath Heubner (Berlin) über die Bekämpfung der 
Tuberkulose im Kindesalter. Er fordert getrennte Specialabtheilungen für Tu- 
berkulöse in den Kinderkrankenhäusern, am besten eigene Spitäler für diese 
Kranken, wie sie in Frankreich schon seit längerer Zeit bestehen. Ferner 
soll man auch den Kindern melır als bisher die Wohlthat der Heilstätten- 
behandlung zugänglich machen. Endlich ist es von wesentlicher Bedeutung. 
die kleinen Rekonvalescenten von Scharlach, Masern u. dergl. nicht gleich in 
die Familie zurückkehren zu lassen, wo sie grosser Infektionsgefahr ausgesetzt 
sind, sondern sie bis zur völligen Kräftigung in sogenannten Genesungsstationen 
auf dem Lande unterzubringen. In den von v. Ziemssen angeregten Kranken- 
haussanatorien kann dieser Gedanke durch Abtrennung einer besonderen Kinder- 
abtheilung mit Leichtigkeit durchgeführt werden. 

Dasselbe Thema behandelte auch Geheimrath Ewald (Berlin). Er legte 
insbesondere Allen, die Interesse an der Tuberkulosebekämpfung haben, die 
Unterstützung der Kinderheilstätten, vorzugsweise der an der See gelegenen. 
warm ans Herz. Er kann womöglich noch mit grösserem Nachdruck den Satz 
vertreten, den er bereits auf dem Tuberkulosekongress zu Berlin aussprach: 
„Zu den besten und sichersten Mitteln, die Tuberkulose im Kindesalter zu 
bekämpfen, gehört der verlängerte resp. lange Aufenthalt solcher Kinder, die 
durch Heredität, Schwächlichkeit und überstandene Krankheiten zur Tuber- 
kulose disponirt oder von ihr befallen sind, in den Kinderheilstätten und ganz 
besonders in den Heilstätten an der Seeküste.“ 

Zum Schluss sprach Landrath Heydweiller (Lüdenscheid) über die Be- 
kämpfung der Tuberkulose durch Wohnungsfürsorge. Der Schwerpunkt der 
letzteren liegt in der Herstellung genügend zahlreicher und gesunder kleiner 
Wohnungen; die Sorge dafür liegt neben der allgemein fördernden Thätigkeit 
der Behörden in erster Reihe den Versicherungsanstalten, den Gemeinden, 
Genossenschaften, Arbeitgebern und Arbeitnehmern ob. Dringend nothwendig 
wäre dabei die Bildung einer einflussreichen Centralstelle für das Deutsche 


Infektionskrankheiten. 895 


Reich; das Deutsche Centralcomite erweist sich dazu in hervorragendem Maasse 
geeignet. Ott (Oderberg i. Harz). 


Pannwitz (Berlin), Der Stand der Tuberkulosebekämpfung im Früh- 
jahr 1901. Berlin 1901. Deutsches Centralcomite zur Errichtung von Heil- 
stätten für Lungenkranke. 

Der interessante Bericht, erstattet vom Generalsekretär des Deutschen 
Centralcomites zur Errichtung von Heilstätten für Lungenkranke, 
schildert des Näheren den augenblicklichen Stand der verschiedenen Unter- 
nehmungen, die zur Bekämpfung der Tuberkulose als Volkskrankheit in die 
Wege geleitet worden sind. In erster Linie kommen dabei natürlich die Volks- 
heilstätten in Frage, und wir erfahren hier, dass bis jetzt 43 derartige An- 
stalten bei uns in Deutschland im Betrieb und 19 soweit fertiggestellt sind, 
dass ihre Eröffnung binnen Jahresfrist zu erwarten ist; eine ganze Anzahl ist 
ausserdem noch geplant. Aus der Zusammenstellung geht hervor, dass der 
industriereiche Westen und Süden des Reiches erheblich enger mit Heilstätten 
besetzt ist, als der mehr landwirthschaftliche Osten; indessen macht sich jetzt 
auch in letzterem ein energischeres Vorgehen bemerkbar. Ferner zeigt sich, 
dass für die weibliche Bevölkerung nicht annähernd in dem Umfange Fürsorge 
getroffen ist, wie für die männliche, und endlich, dass für die unteren Bevöl- 
kerungsklassen, welche der Versicherung angehören, weit besser gesorgt ist, 
als für die unbemittelten Klassen des Mittelstandes. Auch diesem Mangel 
versucht man allmählich Abhülfe zu schaffen. Anschliessend daran bespricht 
Verf. die Erfolge und mancherlei Erfahrungen aus dem Betriebe der Heilstätten. 
Ein besonderes Kapitel ist der Auslese der Lungenkranken gewidmet. Hier 
empfiehlt sich Aufklärung des grossen Pablikums durch die Verbreitung billiger, 
populärer Schriften, Errichtung von Untersuchungs- und Anskunftsstellen für 
Lungeokranke, von Polikliniken und Tuberkulosestationen in den Kranken- 
häusern. Die Heilstättenfürsorge allein genügt indessen nicht, sie bedarf noch 
mancherlei Ergänzungen, insbesondere Sorge für die Familie während der Kur, 
Arbeitsbeschaffung nach der Entlassung aus der Anstalt u. dergl. Weiter werden 
dann besprochen die Bekämpfung der Tuberkulose im Kindesalter durch Woh- 
nungsfürsorge, durch Maassnahmen in Verkehrsanstalten und durch Beschrän- 
kung der Gefahren seitens tuberkulöser Nahrungsmittel. Den Schluss macht 
eine Uebersicht über den Stand dieser Bestrebungen im Auslande. Aus dieser 
kurzen Aufzählung geht hervor, wie inhaltsreich der Bericht ist; es ist des- 
halb nicht möglich, einen knapp gehaltenen Auszug daraus zu geben. Inter- 
essenten seien auf das Original verwiesen, das von der Geschäftsstelle des 
Centralcomites, Berlin W, Wilbelmsplatz 2, zu beziehen ist. 

Ott (Oderberg i. Harz). 


Städtisches Sanatorium Harlaching- München. Bericht über Ent- 
stehung, Bau und Einrichtung, Zweckbestimmung, Organisation und Betrieb. 
München 1900. Gedruckt bei G. Franz. 82 Ss. 4°. 

Das städtische Sanatorium Harlaching bei München, das, bis jetzt 
noch einzig in seiner Art dastehend, seine Entstehung hauptsächlich der 
64* 


896 Infektionskrankheiten. 


Initiative v. Ziemssen’s verdankt, stellt sich weder als ein Krankenhaus 
im gewöhnlichen Sinne, noch als eine Erholungs- oder Rekonvalescentenanstalt 
dar. Es ist vielmehr eine Vereinigung von beiden und repräsentirt einen 
Versuch, die Vortheile der ländlichen Sanatorien mit den Heilfaktoren eines 
gut eingerichteten Krankenhauses zu vereinigen und auf diese Weise die grossen 
Vortheile, welche in Privatsanatorien bisher nur den Wohlhabenden zugänglich 
waren, auch den ärmeren Kranken zu bieten, und zwar durch Einrichtungen, 
die den ungeschmälerten Genuss der frischen Luft in Garten und Wald auch 
zu ungünstiger Jahreszeit ermöglichen, durch Einrichtungen für Beschäftigun- 
gen und Spiele im Freien, für die Anwendung von Massage, Douchen, Heil- 
bädern und Wasseranwendungen aller Art, kurz der physikalischen Heilme- 
thoden; dabei soll dem in Folge der Freiluftbehandiung bei den Kranken 
gesteigerten Nahrungsbedürfniss durch eine reichlichere, dem Krankheitscha- 
rakter sorgsam angepasste Kost genügt werden. Dementsprechend werden nur 
solche Kranke aufgenommen, die zwar der fortgesetzten ärztlichen Behandlung 
und Beobachtung, aber doch nicht jener umfassenden Behandlung und Pflege 
bedürfen, wie solche in einem allgemeinen Krankenhause gewährt werden muss, 
insbesondere Kranke mit chronischen Störungen der Athmungs-, Cirkulations- 
und Verdauungsorgane, der Blutbildung‘ und des Nervensystems. Eine prin- 
eipielle Trennung der Kranken nach den verschiedenen Krankheitsformen, ins- 
besondere der Tuberkulösen von den übrigen Kranken findet nicht statt. Nur 
in besonderen Schlafsälen werden die Tuberkulösen untergebracht mit Rück- 
sicht auf die Ueberwachung der Spuckdisciplin und die Störung der Nacht- 
ruhe durch den Husten. Es ist diese Maassregel die Folge eines Gutachtens 
v. Ziemssen’s, der sich dahin aussprach, dass eine Infektionsgefahr seitens 
der Phthisiker fast nur vom Sputum ausgehe und dass, wenn eine strenge 
Ueberwachung und Durchführung der Spuckdisciplin stattfindet, der Kranke 
für seine Umgebung, mögen es nun Gesunde oder Kranke sein, völlig unge- 
fährlich sei. Ja es sei auch eine Forderung der Humanität, dass man die 
armen Tuberkulösen, auf deren Gemüthsstimmung die scheinbare Inhumanität 
der Isolirung höchst ungünstig einwirkt, dem menschlichen Verkehr nicht 
entzieht. 

Die zur Zeit für etwa 212 Kranke, beiderlei Geschlechtes, eingerichtete 
Anstalt, liegt ca. 5 km von München am Waldesrande in der Näbe der 
Isar. Sie besteht aus zwei völlig getrennten Gebäuden, dem Wirthschafts- 
und dem Krankengebäude. Die Krankensäle sind für 12—20 Betten ein- 
gerichtet, gross und geräumig; auf jedes Bett entfallen 36 cbm Luftraum; 
ausserdem sind eine geringere Anzahl Einzelzimmer vorgesehen. Das Eigen- 
artige der Anstalt liegt darin, dass sämmtlichen Krankensälen nach Art von 
Loggien Liegehallen vorgebaut sind, welche den reichlichen Genuss der frischen 
Luft jederzeit ermöglichen sollen; nach der beigegebenen Abbildung gewinnt 
man allerdings den Eindruck, als ob durch die Bauart die eigentlichen Kranken- 
säle stark verdunkelt werden müssten. Die Anstalt hat Niederdruckdampf- 
heizung, elektrische Beleuchtung und Anschluss an die Münchener Hochquellen- 
wasserleitung; die Ableitung der Fäkalien und Abwässer geschieht durch 
Schwemmkanalisation in die Isar. Einen abgegrenzten Theil des anliegenden 


Infektionskrankheiten. 897 


Waldes hat der Forstfiskus zur Benutzung überlassen. Die Trennung der Ge- 
schlechter ist in der Anstalt streng durchgeführt, ebenso in den Anlagen und 
im Walde. Nächtliches Verlassen des Hauses, wie es bei der Nähe Münchens 
und der Art der Patienten wohl manchmal zu fürchten wäre, wird durch Nachts 
auf dem Anstaltsgebiet frei umherlaufende Hunde wirksam verhindert. Das 
Sanatorium entlastet wesentlich die städtischen Krankenbäuser, und diese An- 
stalten haben nach v. Ziemssen (Zeitschr. f. Krankenpfl. 1900. No. 1) eine 
grosse Zukunft vor sich, wenn, was kaum zu bezweifeln ist, die Erfahrungen 
der nächsten Jahre hier in Harlaching günstig ausfallen. Dann wird jede 
grössere Stadtgemeinde, welche vor die Nothwendigkeit eines neuen Kranken- 
hauses gestellt ist, sich für eine Zweitheilung in diesem Sinne entscheiden 
müssen. Ott (Oderberg i. A.). 


Virchew, Rudolf, Traumaticismus und Infektion. Virch. Arch. Bd. 162. 
S. 168. 

In einem auf dem 13. internationalen Kongress zu Paris gehaltenen geist- 
vollen Vortrage spricht der Verf. u. a. auch über seine Auffassung von der 
Entstehung der Eiterung bei „verborgener Kontusion“, d. h. im An- 
schluss an ein Trauma ohne äussere Kontinuitätstrennung. Die beiden 
klassischen Beispiele dieser Art sind der Hirnabscess und die Osteomye- 
litis. Zweifellos müssen die Bakterien von aussen in die Kontusionsstelle 
eindringen; der direkte Nachweis des Invasionsprocesses ist aber meistens 
nicht möglich. Jedenfalls ist es unzulässig, in Fällen, wo der Eiterherd in 
beträchtlicher Entfernung von der unversehrten Oberfläche liegt, ein verbor- 
genes Eindringen von Parasiten an der Kontusionsstelle anzunehmen. 
Ausser den Staphylokokken sind auch Streptokokken und Typhusbacillen in 
osteomyelitischen Herden gefunden, und es ist dadurch der Gedanke an die 
Einbeitlichkeit und die Specifität der Osteomyelitis zurückgedrängt, 
ebenso wie der Gedanke an die Specifität der phlegmonösen Processe. Ueberall 
ist hier neben die lokale Infektion verletzter Theile die Möglichkeit einer 
vom Blut ausgehenden Invasion schädlicher Keime getreten. 

H. Koeniger (Leipzig). 


Luzzatto, Augelo, Ueber Pneumokokkengrippe im Kindesalter. Jahrb, 
f. Kinderheilk. Bd. 52. S. 449. 

In der Grazer Kinderklinik wurden zwei Grippe-Endemien beobachtet, 
die darch Pneumokokken hervorgerufen waren. Es handelte sich um eine 
auf jüngere Kinder leicht übertragbare Infektionskrankheit, die durch 
ein Inkubationsstadium von 1—4 Tagen und durch eine ziemlich charakte- 
ristische Fieberkurve ausgezeichnet war. Klinisch trat die katarrhalische 
Entzündung der Schleimhäute der oberen Luftwege und der Conjunctiva 
am meisten hervor. Oft wurde aber auch das Lungengewebe in Form lobu- 
lärer Pneumonien ergriffen, seltener schloss sich eine echte croupöse 
Pneumonie an die Grippe an. Infuenzabacillen waren in keinem Falle 
nachzuweisen; dagegen zeigten sich im Sputum sämmtlicher Fälle sowohl im 
Abstrichpräparat wie in der Kultur Pneumokokken in grosser Menge, manch- 


898 Infektionskrankheiten. 


mal in Reinkultur. Auch im Bronchiallumen und in den mit Leukocyten ge- 
füllten Alveolen sah man sehr zahlreiche lancettförmige Diplokokken. 
H. Koeniger (Leipzig). 


Pigeaud J. J., Ueber Bakterienbefunde (bes. Streptokokken) in den 
Dejektionen magendarmkranker Säuglinge. Jahrb. f. Kinderbeilk. 
Bd. 52. S. 427. 

Der Verf. fand, ebenso wie andere Autoren, im Stuhle magendarm- 
kranker Säuglinge sehr häufig kurze Streptokokken, welche die Bouillon 
trübten und für Mäuse nicht pathogen waren. Dieselben Kokken wurden aber 
ebenso regelmässig auch im Darme sonst gesunder Säuglinge nachgewiesen. 
Es ist daher sehr zweifelhaft, ob sie bei der Enteritis der Säuglinge eine Rolle 
spielen. H. Koeniger (Leipzig). 


Brudzinski J., Ueber das Auftreten von Proteus vulgaris in Säuglings- 
stühlen, nebst einem Versuch der Therapie mittels Darreichung 
von Bakterienkulturen. Jahrb. f. Kinderheilk. Bd. 52. S. 469. 

In fötiden Säuglingsstühlen wurde fast konstant Proteus vulgaris 
nachgewiesen, während derselbe in normalen Brustkindstühlen niemals zu finden 
war. Die Serumreaktion mit dem Serum der Kranken wurde nur in zwei 
Fällen angestellt und zwar mit negativem Resultate; dagegen zeigte das Serum 
der geimpften Meerschweinchen eine starke agglutinirende Fähigkeit. — Die 
Infektionsquelle war nicht sicher festzustellen. Vorbedingung für die 
Entwickelung des Proteus im Darm ist nach Ansicht des Verf.’s das Fehlen 
der physiologischen säurebildenden Zuckergährung. Um diese künst- 
lich herbeizuführen, machte Verf. einen therapeutischen Versuch mit der Ver- 
abreichung von Reinkulturen von Bact. lactis aörogenes. Der Br- 
folg war befriedigend: es trat saure Reaktion im Stuhle auf, und die Fäulniss- 
vorgänge schienen sich zu bessern. 

Im Anschluss an diese mehr chronisch verlaufenen Fälle berichtet der 
Verf. noch über einen akuten Fall von typischer, durch die Serumreaktion 
sicher gestellter tödtlicher Colicolitis, bei welchem der Proteus schon 
ganz im Beginn der Erkrankung in grosser Menge auftrat und die wahrschein- 
lichen Erreger vollständig überwucherte. H. Koeniger (Leipzig). 


Kurth und Stoevesandt, Der Pestfall in Bremen. Berl. klin. Wochenschr. 
1901. No. 15. S. 401. 

Der Pestkeim kam wahrscheinlich in Buenos-Ayres an Bord des Schiffes; 
schon unterwegs wurden viele spontan gestorbene Ratten gefunden. Der Matrose 
Kunze inficirte sich wahrscheinlich bei der Reinigung der Schiffsräume am 25. 
oder 26. Oktober. Er erkrankte am 28. plötzlich mit Schüttelfrost; am 30. 
wurde wegen der Drüsenschwellung am Halse und der sonstigen Erscheinungen 
der Pestverdacht ausgesprochen und Patient einem Krankenhause übergeben. 
Weiterer Verlauf der einen typischen Angina Ludovici; 5 Tage nach der Br- 
krankung Incision, die wenig Besserung brachte, 3 Tage später rapider Exitus. 
Die Sektion wurde nicht vorgenommen. 


Infektionskrankheiten. 899 


Die bakteriologische Untersuchung wurde mit einem Stückchen des bei der 
Operation gewonnenen Gewebes ausgeführt. Im mikroskopischen Präparat 
keine Bakterien. Die Nährböden waren nach 24 Stunden noch steril, nach 
36 Standen waren massenhaft typische Kolonien gewachsen. Die Eutscheidung 
brachte der mit denselben sofort angestellte Thierversuch. 

Von den als pestverdächtig 10 Tage lang internirten Personen erkrankte 
keine; zwei schutzgeimpfte Pfleger zeigten die in letzter Zeit öfters beschrie- 
benen relativ schweren Reaktionserscheinungen. Kisskalt (Würzburg). 


Gutknecht, Die Granulose im Kreise Bütow. Vierteljahrsschr. f. ger. 
Med. u. öffentl. Sanitätsw. III. Folge. Bd. 20. S. 338. 

Verf. hatte als Kreisphysikus des Kreises Bütow Gelegenheit, die’ Aus- 
breitung des Trachoms in seinem Kreise zunächst durch Untersuchung der 
sämmtlichen Volksschulen, sodann auch der Familienangehörigen erkrankter 
Schulkinder kennen zu lernen und während eines längeren Zeitraums die 
entsprechenden Fälle zu beobachten und zu behandeln. 

Von den im Ganzen 1098 Granulosefällen, die der Verf. im Kreise 
Bütow feststellte, waren durch Umfrage bei den Gemeindevorstehern, den prak- 
tischen Aerzten und Militärärzten nur im Ganzen 55 Fälle ermittelt worden. 
Von den 1098 Fällen betrafen 835 schulpflichtige Kinder, 263 Erwachsene 
und noch nicht schulpflichtige Kinder. 

Die Krankheit ist, wie wohl keinem Zweifel unterliegt, aus Westpreussen 
durch polnische Arbeiter in die beiden östlichsten Kreise Pommerns, Bütow 
und Rummelsburg, eingeschleppt worden. Die hier, wie überall im Osten, 
systematisch betriebene Polonisirung fand in einzelnen Dörfern in der Zu- 
nahme der Granulose ihren hygienischen Ausdruck, eine Gefahr, auf die Ref. 
schon bei anderer Gelegenheit hingewiesen. Weitere Quellen der Einschlep- 
pung konnten in der Einstellung der sog. Hütejungen, die gleichfalls aus 
Westpreussen sich rekrutiren, und in der Sachsengängerei festgestellt werden. 
In einer grossen Zahl von Fällen erfolgte die Verbreitung der Krankheit durch 
die Schule, und zwar war dies namentlich in solchen Schulen der Fall, deren 
hygienische Einrichtungen als besonders mangelbaft befunden wurden. Unter 
835 Erkrankten in Stadt und Land fand der Verf. 201, deren Geschwister und 
Angehörige frei von Trachom waren, und bei denen die Ansteckung durch die 
Schule erfolgt war; 24 pCt. würden demnach dem Einfluss der Schule zuzu- 
schreiben sein, während 76 pCt. ausserhalb der Schule entstanden waren. 

Bezüglich des Verhältnisses des Trachoms zum Follikularkatarrh betont 
der Verf., dass in einzelnen Fällen ein Uebergang des Follikularkatarrhs in 
Trachom beobachtet wird; gleichwohl wird an der heute fast allgemein ange- 
nommenen dualistischen Auffassung festzuhalten sein. Der Verlauf der Fälle 
konnte im Allgemeinen als ein günstiger bezeichnet werden. Unter 835 kran- 
ken Schulkindern hatten nur 18 — 2,1 pCt. Hornhautaffektionen (5 Fälle 
führten zu Erblindung), und von den 263 Fällen, die überwiegend Erwach- 
sene betrafen, waren 86 = 13,6 pCt. mit Hornhautaffektionen komplieirt. 
Verf. bestätigt die auch in Oberschlesien gemachte Erfahrung, dass es haupt- 
sächlich schwächliche, blutarme und skrophulöse Kinder waren, bei denen 


900 Infektionskrankheiten. 


die schwereren Formen der Granulose beobachtet wurden. Stillstand der 
Krankheit von mehrjähriger Dauer konnte in einer Reihe von Fällen fest- 
gestellt werden. 

Die Maassnahmen bei der Bekämpfung der Seuche unterscheidet der 
Verf. als therapeutische und prophylaktische. In letzterer Hinsicht bleibt 
die Hebung des Kulturzustandes im Allgemeinen, die Förderung aller auf die 
Hebung des Reinlichkeitssinnes gerichteten Maassnahmen und die Besserung 
der Schulhygiene das Wichtigste. Sehr richtig betont der Verf., dass es im 
Kampf gegen die Granulose vornehmlich das heranwachsende Geschlecht zu 
schützen gilt, und dass das Mittel hierzu in regelmässigen Untersuchungen 
der Schuljugend und in sicherer und dauernder Behandlung der Erkrankten 
gegeben ist. Durch zielbewusste therapeutische Maassnahmen — 268 mittel- 
schwere und schwere Fälle wurden operirt und zu diesem Zweck längere oder 
kürzere Zeit im Krankenhause behandelt — gelang es, die Granulose unter 
den Schulkindern von 13,9 pCt. innerhalb 2 Jahren auf 3,7 pCt. herunter- 
zudrücken, demnach 73,1 pCt. Heilungen zu erzielen; demgegenüber waren 
bei Erwachsenen Heilungen in einem erheblich geringeren Procentsatz zu ver- 
zeichnen, was sich daraus erklärt, dass hier die Behandlung nicht dauernd 
überwacht werden konnte und deshalb weniger wirksam war, als bei den 
Schulkindern. Bei der Durchführung der therapeutischen Maassnahmen hatte 
sich der Verf. ausser der Unterstützung des Kommunalarztes der Stadt Bütow 
vor Allem auch der dankenswerthen und bereitwilligen Hülfe der Lehrer in 
Stadt und Land zu erfreuen, nachdem sie bei Gelegenheit der Kreis-Lehrer- 
konferenzen mit der Bedeutung des Gegenstandes bekannt gemacht waren. 
Bei dem zielbewussten Vorgehen steht zu erwarten, dass die Erfolge dauernde 
sein werden, und dass es gelingt, einem Fortschreiten der Seuche nach dem 
Westen Einhalt zu thun. Roth (Potsdam). 


Freund, Walther, Die Sterblichkeit der hereditär luetischen Säug- 
linge. Jahrb. f. Kinderheilk. Bd. 52. S. 485. 

Die Annahme, dass hereditär luetische Säuglinge eine geringere 
Aussicht hätten, am Leben erhalten zu werden als ceteris paribus 
die luesfreien, ist nicht genügend begründet. Auf Grand eines Materials von 
63 Fällen kommt der Verf. zu dem Schlusse, dass der Syphilis ein spe- 
cifischer Einfluss auf die Sterblichkeit und die Ernährungsresul- 
tate der Hereditärsyphilitischen nicht zukommt. Die Misserfolge bei der 
Ernährung und Erhaltung der luetischen Kinder sind allein äusseren Um- 
ständen, aber nicht der Krankheit selbst zuzuschreiben. 

H. Koeniger (Leipzig). 


Bra M., Sur les formations endog&nes da champignon isolé des 
tumeurs cancereuses. Compt. rend T. 131. No. 24. p. 1012. 

Der vom Verf. aus Krebsgeschwälsten isolirte Pilz ist kein eigent- 
licher Blastomycet, wenn derselbe sich auch durch Sprossung fortpflansen 
kann. Bringt man nämlich die sprossende Form desselben in filtrirten (aber 
nicht erhitzten) Urin von Krebskachektikern, so entstehen in den Zellen Eado- 


Heizung. 901 


sporen, welche nackt oder von einer Kapsel umgeben sind. Auch filamen- 
töse Stadien weist dieser Pilz auf, welcher somit einer höheren Gattung ange- 
hören muss. Alle bisher von den verschiedensten Autoren beschriebenen 
Zelleinschlüsse sind nach Verf. entweder als Mutterzellen des Parasiten oder 
als freie resp. noch eingeschlossene Endosporen zu deuten. 

Paul Müller (Graz). 


Wendland, Die Rauchbelästigung in deutschen Städten. Zeitschr. f. 
Architekt. u. Ingenieurw. Wochenausgabe. 1900. No. 52. S. 825. 

Der Verf. bespricht die von der Gesellschaft für industrielle Feuerungen 
Warschauer & Ritschel in Berlin gefertigte sogenannte Hydropultfeue- 
rang, bei welcher zur Rauchbeseitigung bei industriellen Feuerungen Luft 
mit zerstäubtem Wasser unter den Rost eingeblasen wird. Er giebt über die 
Wirkung eine unmögliche Erklärung. Das Wasser wird hierbei zersetzt in 
Wasserstoff und Sauerstoff, welch letzterer sich sofort mit Kohle zu Kohlen- 
säure verbindet, die wieder in höherer Schicht von stark glühender Kohle unter 
Aufnahme von Kohlenstoff zu Kohlenoxyd reducirt wird. (Es giebt 2 H30 -+ C 
= 2 Ha 4+ CO, und dann CO, + C= 2 CO.) Verf., welchem die inneren che- 
mischen und physikalischen Vorgänge fremd sind, sieht den Wärmeaufwand 
zur Zersetzung des Wassers für belanglos an, während er angiebt, „dass 
bei der Verbrennung von Wasserstoff und Sauerstoff unmittelbar über dem 
Rost 34 000 Kalorien entwickelt würden gegenüber der theoretischen Höchst- 
leistung des Kohlenstoffs von 8080 Kalorien, was eine stärkere Vergasung und 
vollkommenere Verbrennung des aufgeworfenen Brennstoffs zur Folge habe“. 
Man kann über diese Phantasien nur lächeln. Vor Allem wird nichts gesagt 
über die Mengen von Wasserstoff und Kohlenstoff, welche bei vollständiger 
Verbrennung diese Wärmebeträge erzeugen: es handelt sich um die Gewichts- 
einheit von 1 kg, wobei sich Wasserstoff mit 8 kg Sauerstoff zu 9 kg Wasser, 
und Kohlenstoff mit 2,66 kg Sauerstoff zu 3,66 kg Kohlensäure verbindet. 
Im ersteren Falle entspricht die Zahl von rund 34 000 Kalorien der Konden- 
sation des gebildeten Wasserdampfes zu flüssigem Wasser von Lufttemperatur. 
Bleibt das Verbrennungsprodukt jedoch Dampf, wie in allen Fällen der Ver- 
brennung der Kohlen, so werden blos 29000 Kalorien entwickelt — für die 
gleiche Menge Sauerstoff, welche Kohle oder Wasserstoff verbrennt, nahezu die- 
selbe Menge Wärme. Wird hingegen Wasser durch die glühenden Kohlen 
zu Wasserstoff und Sauerstoff zersetzt, so siod für 9 kg 34 000 Kalorien auf- 
zuwenden, wobei jedoch durch das gleichzeitige Verbinden des Sauerstoffs mit 
3 kg Kohle zu 11 kg Kohlensäure wieder 24 240 Kalorien entwickelt werden; 
wird diese Kohlensäure durch stark glühende Kohle unter Aufnahme von 3 kg 
Kohlenstoff zu 14 kg Kohlenoxyd reducirt, so gehen dem Brennstoff 9740 Kal. 
verloren, welche der Vorgang erfordert. Das eingespritzte Wasser wirkt ab- 
küblend auf die glühenden Kohlen, und bei der später erfolgenden Verbrennung 
des Wasserstoffs bezw. auch Kohlenoxyds, zum Theil über den Kohlen, wird 
im Gesammten weniger Wärme gewonnen, als vorher zur Zersetzung verbraucht 
wurde, nicht aber an Brennstoff erheblich gespart, wie Verf. meint. Ob dessen 


902 Heizung. 


ungeachtet im Hinblick auf geringere Rauchentwickelung ein wirklicber Vor- 
theil mit dem Einspritzen von Wasser verbunden ist, könnte nur durch längere 
vergleichende Versuche eines wissenschaftlichen Sachverständigen ergründet 
werden. Ueber die etwas verwickelten Vorgänge bei der Verbrennung der 
Kohlen hat sich Ref. im Jahre 1878 in der „Zeitschrift des Vereins deutscher 
Ingenieure“ Bd. 22, S. 403, Artikel „die Verbrennung über dem Rost“ aus- 
führlich ausgesprochen. H. Meidinger (Karlsruhe). 


Klinger J. H., Dampfheizungs- und Lüftungsanlage im Saalbau der 
Brauerei Liesing. Gesandh.-Ingen. 1901. No. 2. S. 17. 

Die Anlage bietet Interesse, weil sie unmittelbar an die Dampfkessel der 
Brauerei angeschlossen ist, bedeutende Leistungen zu erfüllen bat und ge- 
zeigt hat, dass Dampfheizungen mit 1 Atm. Druck sehr wohl auch in 
anderen Gebäuden als in Fabriken zur Anwendung gelangen dürfen, sobald 
eine sachgemässe Durchbildung und Ausführung erfolgt. 

H. Chr. Nussbaum (Hannover). 


Nicolaus, Erwin, Die Heizanlagen der deutschen Bauausstellung zu 
Dresden 1900. Gesundh.-Ingen. 1901. No. 1, 2, 3 u. 4. S. 6, 22, 40, 59. 
Der eingehende Bericht bietet Interesse durch die Wiedergabe zahlreicher 
Heizanlagen und Einrichtungen der verschiedensten Systeme. 
H. Chr. Nussbaum (Hannover). 


Katz, Alexander, Ueber Dampfkesselzerstörung durch saure Speise- 
wässer. Techn. Gemeindebl. 1901. No. 20. S. 214. 

Die Untersuchung der Wässer, durch welche Kesselbleche zerstört 
waren, ergab einen Gehalt an Risensulfat. Unter dem Einfluss organischer 
Stoffe, wie unter dem von hohem Druck und hohen Wärmegraden schied sich 
Eisenoxyd aus, es wurde Schwefelsäure frei, welche allmählich im Kessel sich 
häufte und zugleich durch Verdampfen koncentrirter wurde. In der Nähe der 
Nietstellen scheint ihr Einfluss durch galvanische Erregungen erhöht worden 
zu sein, die bei Anwesenheit der Säure in den zwar gleichen aber verschieden 
bearbeiteten Metallen entstanden sein müssten. 

Ob Ausfällen des Eisensulfats durch entsprechend grosse Mengen von Soda 
das Uebel vollkommen zu beseitigen vermag, blieb fraglich, da es nicht aus- 
geschlossen ist, dass auch das schwefelsaure Natron unter den angegebenen 
Einflüssen zur Zersetzung gelangt und ebenfalls Schwefelsäure abscheidet. 
Weitere Untersuchungen sollen hierüber Auskunft geben. 

H. Chr. Nussbaum (Hannover). 


Beleuchtung. 903 


Gréhaut, Nouvelles recherches comparatives sur les produits de 
combustion de divers appareils d'éclairage. Compt. rend. T. 131. 
` No. 23. p. 929. 

Verf. hat seine im Jahre 1894 veröffentlichten Studien über die Ver- 
brennungsprodukte verschiedener Lichtquellen wieder aufgenommen. 
Die in einem besonderen Apparate gebildeten Gase wurden theils analysirt, 
theils von Thieren eingeathmet. Zur Bestimmung des CO diente theils die 
a Kohlenoxyd 
nachgewiesen werden kann, theils ein chemisches Verfahren, auf der Oxy- 
dation des CO durch trockene Jodsäure beruhend, welches Nicloux be- 
schrieben hat. 

Die Analyse der von 3 Auerbrennern innerhalb 1/, Stunde entwickelten 
Verbrennungsprodukte resp. der durch diese verunreinigten Luft des Apparates 
1 1 
T7700 "nd 16600 
ersterer nach der physiologischen Methode erhalten). Ferner enthielt die 

untersuchte Luft 12,3 Vol.-pCt. O und 8,7 Vol.-pCt. CO». 

3 Petroleumlampen brachten innerhalb einer Stunde die in dem Appa- 
rate cirkulirende Luft auf einen Gehalt von 3,5 Vol.-pOt. CO», während der 


d 


physiologische Methode des Verf.’s, mit welcher noch 


ergab CO (letzterer Werth nach der Jodsäuremethode, 


O-Gehalt 14,2 pCt. betrug. Die Kohlenoxydmenge ergab sich zu e un 
en 
29 300° 

7 Kerzen endlich gaben nach 1 Stunde eine Luft mit 2,8 pCt. CO, 

1 

und 16 pCt. O. Der CO-Gehalt war ET 500° 

Das Verhältniss der CO,-Menge zur CO-Menge war somit in den drei 
untersuchten Fällen resp. 665, 1025 und 1610. 


Die Untersuchungen werden fortgesetzt. Paul Müller (Graz). 


Smits A., Raken H. und Meerum Terwagt P. C. E., Neues Verfahren zur 
Bestimmung von Kohlenoxyd im Leuchtgas. (Mittheilung aus dem 
chemischen Laboratorium der Universität Amsterdam.) Journ. f. Gasbel. u. 
Wasserversorg. 1901. No. 6. S. 104. 

Die Verf. haben das Verfahren von Maurice Nicloux, den Kohlen- 
oxydgehalt der Luft mittels Jodsäure zu bestimmen!), auf Leuchtgas zu 
übertragen versucht und gefunden, dass es anwendbar ist, wenn die Jodsäure 
auf einer Temperatur von 150—180° gehalten wird, da bei diesem Wärme- 
grade Wasserstoff oder Methan nicht angegriffen werden. Das Verfahren hat 
sehr genaue Ergebnisse, Spuren von Kohlenoxyd lassen sich noch genau fest- 
stellen, es empfiehlt sich daher besonders auch für wissenschaftliche Unter- 
suchungen. 

Die Einzelheiten des Verfahrens sind in der Abhandlung angegeben und 
rechnerisch zur Durchführung gebracht. H. Chr. Nussbaum (Hannover). 


1) Compt. rend. 1898. p. 746. Journ. f. Gasbel. u. Wasserversorg. 1898. S. 295. 


904 Beleuchtung. 


Reichenhach, Hans, Zur Messung der Wärmestrahlung. Arch. f. Hyg. 
Bd. 39. S. 252. 

Rubner, Max, Bemerkungen hierzu. Ebendaselbst. S. 259. 

Reichenbach hatte Einwände gegen die Anwendung eines Auffang- 
trichters an der Thermosäule erhoben, welche von Rubner auf dem Wege 
des Experiments und durch Ziegel auf dem Wege der Rechnung entkräftet 
worden sind. In den vorliegenden Darlegungen sucht Reichenbach seine 
Behauptungen aufrecht zu erhalten und neue Beweise für ihre Richtigkeit zu 
erbringen, die als geglückt nicht angesehen werden können. Rubner hat 
sich daber veranlasst gesehen, in eingehender und sachlicher Weise die Gründe 
darzulegen, welche Reichenbach zu seinen Fehlschlüssen Veranlassung ge- 
geben haben. Sie beruhen in erster Linie auf einem Fehler in der Anordnung 
der Versuche, deren Ergebniss den Angelpunkt für sämmtliche Betrachtungen 
und Schlussfolgerungen Reichenbach’s gebildet haben. 

H. Chr. Nussbaum (Hannover). 


Krüss, Hugo, Die Flamme der Hefnuerlampe und die Messung ihrer 
Länge. Journ. f. Gasbel. u. Wasserversorg. 1900. No. 38. S. 705. 

Dr. F. F. Martens hat kürzlich einen neuen Flammenmesser für die 
Hefnerlampe angegeben, welcher Aussicht zu haben scheint, die bisher an- 
gewandten Messvorkehrungen zu verdrängen. Er besteht aus einem recht- 
winkeligen, mit der Hefnerlampe fest verbundenem Prisma, das an seiner 
Hypotenusenfläche mit einer derartigen sphärischen Fläche versehen ist, dass 
ein reelles, umgekehrtes Bild der zu messenden Flamme über der Flamme 
der Hefnerlampe entsteht. Bei Einstellung auf die richtige Flammenhöhe 
berühren sich die wirkliche und die gespiegelte Flammenspitze, während jede 
Abweichung von der richtigen Flammenhöhe mit ihrem doppelten Werthe zur 
Beobachtung kommt, weil sie auch im Spiegelbilde auftritt. 

In der Einleitung seiner Beschreibung des Flammenmesserst) hat Martens 
die bisher üblichen beiden Flammenmesser als nicht vollkommen bezeichnet 
und die Gründe hierfür angegeben. Krüss vertheidigt nun den von ihm av- 
gegebenen optischen Flammenmesser, indem èr dessen Einführung in die Praxis 
und die Anerkennung seitens der physikalisch-technischen Reichsanstalt im 
Verein mit der Lichtkommission hervorhebt. Beides schliesst jedoch keines- 
wegs aus, dass ein neu eingeführter Flammenmesser dem optischen Flammen- 
messer sich überlegen erweist und diesem dann vorgezogen werden wird, wo- 
zu m. E. der Martens’sche Flammenmesser wohl geeignet sein dürfte. 

H. Chr. Nussbaum (Hannover). 


Bunte H., Ueber Gasglühlicht. Journ. f. Gasbel. u. Wasserversorg. 1900. 
No. 51. S. 971. 
Bunte führt eine Reihe sorgfältigst angestellter Untersuchungen an, welche 
erweisen, dass die Lichtwirkung eines Auerbrenners nicht von der Leucht- 
kraft des (im Schnitt- oder Argandbrenner verbrannten) Leuchtgases abhängt, 


1) Journ. f. Gasbel. u, Wasserversorg. 1900. 


Beleuchtung. 905 


sondern einzig von dessen Heizkraft. Da jene, bisher behördlich geforderte 
hohe Leuchtkraft wirthschaftlich sehr theuer erkauft wird, so ist es erforder- 
lich, dass die Leuchtgasindustrie von jenem alten Verfahren sich emancipirt, 
um eine hohe Lichtwirkung der neueren Brenner möglichst preiswerth erzielen 
sa können. 

Sobald dies geschieht, ist die Gaserzeugung nicht mehr auf die Verwen- 
dung einer gauz bestimmten und selbst bei höchsten Preisen kaum noch in 
genügender Menge zu beschaffenden Gaskohle angewiesen, sondern die Aus- 
wahl unter den Rohstoffen wird erheblich erweitert und die Beschaffung we- 
sentlich erleichtert. Bei der Herstellung des Gases ist man nicht mehr an 
die umständliche und kostspielige Destillation in kleinen Retorten mit kurzer 
Eotgasangsdauer gebunden, sondern es können je nach der Grösse des Betriebes 
grosse Kammern, wie bei den Destillationskokereien, benutzt werden, deren 
Bedienung durch mechanische Hilfsmittel wesentlich leichter und billiger ist. 
Neben dem Destillationsprocess gewinnen auch andere Gaserzeugungsvorgänge 
erhöhte Bedeutung: Die Wassergasverfahren für sich allein oder in Verbindung 
mit der Oelgaserzeugung oder der Carburation mit Benzoldämpfen, durch welche 
neben der Leuchtkraft auch die Heizkraft geregelt wird, können zur Unter- 
stützung des Steinkohlengases, namentlich in Zeiten der Kohlennoth, und zur 
Erzeugung eines Mischgases der Gasindustrie wesentliche Dienste leisten. 

H. Chr. Nussbaum (Hannover). 


Scholz, Die elektrische Osmiumglühlampe von Auer v. Welsbach. , 
Journ. f. Gasbel. u. Wasserversorg. 1901. No. 6. S. 101. 

Io der Generalversammlung der Deutschen Gasglüblicht-Aktiengesellschaft 
zu Berlin führte Scholz die Osmiumfadenglühlampe vor und zeigte ex- 
perimentell ihre wirthschaftliche Ueberlegenheit über die Kohlenfadenglühlampe. 
Bei gleichem Energieverbrauch ergab die Osmiumlampe die 31/, fache Helligkeit, 
bei gleicher Helligkeit verminderte sich ihr Energieverbrauch auf 35—40 pCt. 
der Kohlenfadenglühlampe. Die Wärmeentwickelung der Osmiumlampe ist 
ganz wesentlich geringer noch als die der Kohlenfadenlampe. 

Schwierigkeiten im Betriebe liegen nicht vor. Doch sind die Osmium- 
lampen für niedere Spannungen (25—50 Volt) gebaut, es bedarf daher einer 
entsprechenden Umformung der Stromspannung, welche bei Gleichstrom Kosten 
und Stromverlust bedingen, bei Wechsel- und Drehstrom dagegen kaum in 
Betracht kommen. 

Die Osmiumlampen können für eine Leuchtkraft von 2—200 H-K her- 
gestellt werden, ihre Lebensdauer ist eine hohe (700—1500 Brennstunden), 
die Abnabme ihrer anfänglichen Leuchtkraft eine geringe (12 pCt. nach 
1500 Brennstunden). 5 

Die Schwierigkeit des Baues der neuen Lampe lag darin, dass Osmium 
bisher nur als Pulver, kleinkrystallinisch, schwammförmig oder nach dem 
Schmelzen im elektrischen Lichtbogen als hartes, sprödes, der Bearbeitung 
widerstebendes Metall bekannt war. Nach mühevollen Versuchen ist es Auer 
v. Welsbach gelungen, haltbare Fäden aus Osmium herzustellen. Da der 
Schmelzpunkt des Osmiums wesentlich höher liegt als der der Kohle oder der 


906 Beleuchtung. 


anderer Metalle, so war von vornherein zu erwarten, dass eine mit Osmium- 
faden versehene Glühlampe einen wesentlich wirthschaftlicheren Betrieb ge- 
statten oder bei gleichem Stromverbrauch höhere Helligkeit ergeben müsse. 
Diese Annahme hat sich bestätigt. Wenn die Osmiumfadenglühlampe im 
Gebrauch sich nach jeder Richtung bewährt, was abzuwarten bleibt, dann 
dürfte sie die Nernstlampe überflügeln, deren wirthschaftlicher Erfolg hinter 
dem der Osmiumfadenlampe zurückbleibt, und deren Verwendungsschwierig- 
keiten noch nicht als überwunden anzusehen sind. 
H. Chr. Nussbaum (Hannover). 


Mollberg G., Ein neues Verfahren zur Beleuchtung mit Gasglühlicht. 
Vortrag, gehalten auf der 40. Jahresversammlung des Deutschen Vereins 
von Gas- und Wasserfachmännern in Mainz am 10. Juni 1900. Journ. f. 
Gasbel. u. Wasserversorg. 1901. No. 1. S. 6. 

Das Verfahren der Selas-Gesellschaft zur Erhöhung der Leuchtkraft 
des Gasglühlichts wird beschrieben, die Gründe werden dargelegt, welche 
die erhöhte Lichtwirkung hervorrufen, und es wird durch genauen Kosten- 
vergleich gezeigt, dass die gleiche Lichtmenge mit wesentlich geringerem 
Geldaufwande erzielt werden kann. Nachtheile, wie andere Verfahren, z. B. 
die Anwendung von Pressgas, sie für die Haltbarkeit der Glühstrümpfe hervor- 
gerufen haben, treten nicht auf. 

Wo es nur darauf ankommt, eine höhere Lichtwirkung des einzelnen Bren- 
„ners mit gleichem Kostenaufwande zu erzielen, ist das Selas-Verfahren in- 
zwischen gewissermaassen überholt durch die Verwendung sehr hoher, unten 
erweiterter Cylinder und der grössten Sorte Glühstrümpfe. Bei gleichem Gas- 
verbrauch ergiebt ein derartiger Brenner mindestens die 3fache Helligkeit 
gewöhnlicher Auerbrenner, das Licht ist durchaus ruhig, rein weiss von Farbe 
und von prächtiger Wirkung, bietet daher für Feinarbeit, Zeichentische u. dergl. 
ganz besondere Vorzüge, während der unschöne hohe Cylinder es in dekora- 
tivem Sinne nicht empfiehlt. H. Chr. Nussbaum (Hannover). 


Strebel H., Untersuchungen über die baktericide Wirkung des Hoch- 
spannungs-Funkenlichtes nebst Angabe einer Methode zur besse- 
ren Ausnützung der baktericiden Kraft des Volta-Bogenlichtes. 
Deutsche med. Wochenschr. 1901. No. 5 u. 6. S. 69 ff. 

Die praktischen Resultate dieser Versuche hatte Verf. bereits früher 
mitgetheilt, nämlich, dass die unsichtbaren Strahlen des Induktions- 
stromes deutliche baktericide Wirkung besitzen. In der vorliegenden 
Arbeit beschreibt nun S. die Technik seiner Methode, die sich aber in 
einem kurzen Referat nicht vollständig wiedergeben lässt. Interessenten 
seien daher auf das Original verwiesen. Der Apparat, mit welchem Verf. 
seine Versuche anstellte, setzte sich folgendermaassen zusammen. Mit den 
beiden Polen (Sekundärrolle) eines Funkeninduktoriums von ca. 20 cm 
Funkenlänge und 12 Volt Primärspannung wurden die 30 cm hohen Belege 
einer Leidener Flasche parallel geschaltet verbunden und die Leitung von 
da auf 2 Elektroden gefährt. Nach Einschaltung des Primärstromes, der 


Beleuchtung. 907 


durch einen gewöhnlichen Neef’schen Hammer unterbrochen wurde, sprang 
an den zunächst auf 2 mm genäherten Elektroden ein intensiver Funken 
von weiss-bläulichem Glanze unter geringer Dampfstaubentwickelung auf. Die 
Elektroden liessen sich auf 5—7 mm auseinanderstellen, ehe der Funkenstrom 
unterbrochen wurde; man kann also den an sich 20 cm langen Funken auf 
5—7 mm zusammendrängen, der dafür an Intensität zunimmt. 

Die Prüfung der schädigenden Wirkung dieses Funkenlichtes auf Bak- 
terien wurde in folgender Weise vorgenommen. Auf einen Glasobjektträger 
wurden mit Wasserglas verschiedene Glasringe geklebt und die heisse Agar- 
masse eingegossen. Nach dem Erkalten wurde die Bakterienkultur geimpft 
und dann sofort eine Deckplatte von Quarz aufgesetzt. Quarz ist nöthig, weil 
Glas auch in dünnsten Schichten die ultravioletten Strahlen kaum durchlässt. 
In 34 cm Entfernung von der Lichtquelle (Induktionsfunken von ca. 8 mm 
Länge) war eine Quarzlinse, und im Abstand von 15 cm von dieser stand eine 
zweite Quarzlinse; 6 cm von dieser stand das Belichtungsobjekt, und zwar an 
einer vorher ernirten Stelle, wo sich die stärker gebrochenen ultravioletten 
Strahlen kreuzten. Der Strahlenkegel war so bemessen, dass sein Licht eben 
in das Lumen des Glasringes hineinfiel. Die Agarmasse zeigte deutliche Fluo- 
rescenz unter dem Einflusse des Lichtes. Von einer Wärmewirkung war nichts 
nachweisbar. Es zeigte sich, dass das B. prodigiosum in 20 Minuten, Strepto- 
kokken in 30 Minuten abgetödtet waren. 

Weitere Versuche mit stärkeren Lichtmitteln sollten zeigen, ob die ultra- 
violetten kurzwelligen Strahlen allein für sich Bakterien abzutödten im Stande 
sind. Durch eine bestimmte Versuchsanordnung wurden die Strahlen von 
Roth bis Violett (inklusive der nächsten ultravioletten Strahlen) abgefangen 
und so ausgeschaltet. Es zeigte sich, dass das B. prodigiosum im rein ultra- 
violetten Srahl bei einem Abstand von 135 cm von der Lichtquelle in 25 Mi- 
nuten abgetödtet wird. Damit ist zum ersten Mal der sichere Beweis für die 
bakterientödtende Kraft der ultravioletten Strahlen allein erbracht. Im An- 
Schluss daran giebt Verf. noch eine Reihe von Beiträgen und Verbesserungen 
zu der Finsen’schen Lichttherapie. Dieudonne (Würzburg). 


Dubeis R., Sur l’eclairage par la lumière froide physiologique, dite 
lumière vivante. Compt. rend. des séances de l’academie des sciences 
à Paris. 1900. T. 131. No. 9. p. 475. 

Verf. hat den merkwürdigen Versuch gemacht, Bouillonkulturen der Leuch t- 
bakterien zur Beleuchtung von Räumen zu verwenden, weil das Licht, 
wie er gefunden habe, sehr arm an stark wärmenden und chemisch stark wirk- 
samen Strahlen sei. Er hat trotz der sich aufthürmenden Schwierigkeiten 
der Umständlichkeit, des hohen Preises, des leicht auftretenden fauligen Ge- 
stankes und der geringen Leuchtkraft seine Versuche fortgeführt und die Hoff- 
nang noch nicht anfgegeben, dem Gedanken praktische Brauchbarkeit zu 
verleihen. Hellwig (Halle a. S.). 


908 Irrenpflege. Schulhygiene. 


Oebeke, Ueber das Rheinische Irrenwesen. Centralbl. f. allgem. Gesuud- 
heitspfl. 1899. Bd. 18. S. 1. 

In der Jahressitzung des Vereins der deutschen Irrenärzte zu Bonn hielt 
der Verf. am 16. September 1898 einen Vortrag über die Krankenanstalten, 
welche dazu dienen sollen, die Geisteskranken der Rheinprovinz aufzu- 
nehmen. Dahin gehören: 

1. öffentliche Provinzial-, Heil- und Pflegeanstalten, 

2. Öffentliche Pflegeanstalten, 

3. Privat-Pflegeanstalten, dazu kommen dann noch 

4. Privat-, Heil- und Pflegeanstalten, 
die mit der Provinzialverwaltung in keiner Verbindung stehen. Der Vortragende 
schildert die Einrichtung der einzelnen Anstalten, die Revisionen und Beauf- 
sichtigungen seitens des Staates, die Stellung des Arztes in den Anstalten, 
bespricht die Frage, ob Staat oder Provinz für die Unterbringung der geistes- 
kranken Verbrecher zu sorgen verpflichtet ist, und kommt zu dem Resultate, 
dass „jetzt in der Rheinprovinz zur Ausgestaltung und Weiterentwickelung 
des Irrenwesens viel, ja recht viel geschieht, wohl mehr als jemals zu gleicher 
Zeit von einer Provinz Preussens in diesem Zweige der Verwaltung geleistet 
worden ist, und dass der Weg, in welchem diese Thätigkeit zur Zeit sich 
bewegt, ein richtiger ist“. R. Blasius (Braunschweig). 


Aust C., Ueberbürdung und Schulreform. Deutsche Vierteljahrsschr. f. 
öffentl. Gesundheitspfl. Bd. 32. S. 649. 

Die vorliegende Arbeit bestätigt die Thatsache, dass, wie die Schul- 
hygiene im Allgemeinen, so auch die Frage der Ueberbürdung unter 
Führung der Aerzte im letzten Jahrzehnt eine erhebliche Förderung und zu- 
nehmende Klärung erfahren hat. 

Der Verf. bespricht die Ergebnisse der experimentellen Untersuchungen 
über die geistige Ermüdung, die Bedeutung der Zahl der täglichen Unterrichts- 
stunden und der Aufeinanderfolge der verschiedenen Lehrgegenstände, die Be- 
deutung der Erholungspausen, der häuslichen Schularbeiten, der Prüfungen 
und last nat least der Methode des Unterrichts. Hieran anschliessend werden 
auch diejenigen Ursachen der Ueberbürdung berücksichtigt, die ausserhalb der 
Schule und mehr oder weniger unabhängig von dieser auf die Jugend ein- 
wirken. Wenn nach allem diesem eine Ueberbürdang auf unseren höheren 
Schulen, die theils mittel-, theils unmittelbar durch den Unterricht bedingt 
ist, nicht zu leugnen ist, muss es als eine der vornehmsten Aufgaben des 
Staates erachtet werden, die vermeidbaren körperlichen und geistigen Schäden 
von der Schuljugend unter allen Umständen fern zu halten. Diesem Ziele 
werden wir uns um so mehr nähern, je mehr sich Pädagogen und Aerzte zu 
gemeinsamer Arbeit auf dem Gebiete der Schulhygiene vereinigen. „Wenn 
die Mehrzahl der Pädagogen erst die Ueberzeugung gewonnen haben wird, 
dass in dem heutigen Uebermaass des Unterrichts eine Ueberbärdung der 
Schüler begründet ist, wird eine allgemeine Herabsetzung der Lehrsiele und 


Schulhygiene. 909 


damit eine Reform des Unterrichts der höheren Schulen möglich sein.“ Mit 
den Fachlehrern ist es wie mit den Specialisten in der Medicin: beide über- 
schätzen nur zu leicht die Bedeutung ihres Specialfaches auf Kosten der Ge- 
sammtwissenschaft und vielfach auch des Organismus. 

Hinsichtlich der Reformvorschläge im Einzelnen muss auf die Arbeit 
selber verwiesen werden. Roth (Potsdam). 


Erismann F., Die erste Versammlung des „Allgemeinen Deutschen 
Vereins für Schulgesundheitspflege“ in Aachen (16. Sept. 1900). 
Zeitschr. f. Schulgesundheitspfl. 1900. No. 10. S. 525. 

Auf der 71. Versammlung der Deutschen Naturforscher und Aerzte im 
Jahre 1899 in München wurde bekanntlich eine Kommission zur Vorberathung 
über einen zu bildenden Allgemeinen Deutschen Verein für Schul- 
gesundheitspflege gewählt. Dieser Ausschuss hat einen Satzungsentwurf 
ausgearbeitet und zur Versammlung während der 72. Naturforscherversammlung 
in Aachen Einladungen ergehen lassen, die dann am 16. September unter 
Betheiligung von 50 Mitgliedern stattfand. Die vorgeschlagenen Satzungen 
wurden nach kurzer Berathung genehmigt. 

§ 2 bezeichnet als Zweck des Vereins: 

1. die Verbreitung der Lehren der Hygiene in den Schulen des deutschen 
Reiches, 

2. die Verhütung der durch die Schule verursachten gesundheitsschädlichen 
Einflüsse auf Lehrer und Schüler. 

Mancher wird hier die körperliche Erziehung als Programmpunkt ver- 
missen, denn die Schulhygiene soll sich nicht nur durch Verhütung von Krank- 
heiten, sondern auch in positivem Sinne, durch Kräftigung und Uebung des 
jugendlichen Körpers bethätigen. 

Erismann weist darauf hin, dass der mit den Einladungen versandte 
Statutenentwurf zu No. 2 (Verhütung gesundheitsschädlicher Schuleinflüsse) 
eine in 17 Leitsätzen gegliederte Erläuterung enthielt, die im Einzelnen fest- 
stellen, was der Verein nach dieser Richtung anstreben soll, dass aber der 
vorbereitende Ausschuss in letzter Stunde diese 17 Punkte aus seinem Statuten- 
entwurf gestrichen hat. Er. billigt diese Beschränkung mit folgender Be- 
gründung: 7 

nWenn man einzelnen dieser Forderungen ..... unbedingt zustimmen muss, 
so werden in dem Programm auch andere Wünsche ausgesprochen, die vor 
der Hand noch als offene Fragen zu betrachten sind, deren richtige Lösung 
pur durch eine möglichst objektive Betrachtung erreicht werden kann, und 
denen gegenüber eine tendenziöse Stellungnahme von Seiten eines Vereins für 
Schulgesundheitspflege durchaus nicht am Platze wäre; hierher gehört in erster 
Linie die Frage des Berechtigungswesens und die Gleichberechtigung aller 
neunklassigen höheren Schulen mit den klassischen Gymnasien. Aber auch 
andere Punkte des Programms sind nicht der Art, dass sie ohne Weiteres auf 
die Fahne des neueu Vereins geschrieben werden könnten, z. B. die Bevor- 
zugung akademisch gebildeter Lehrer für leitende Stellen in der Unterrichts- 
verwaltung; die allgemeine Beseitigung des wissenschaftlichen Nachmittags- 


910 Schulhygiene. 


unterrichtes, eine Frage, die je nach den örtlichen Verhältnissen ganz verschieden 
beantwortet werden kann u. s. w.“ 

Erismann glaubt, dass durch diese Vereinfachung der Satzungen und 
durch das Tilgen aller jener Leitsätze, die geeignet gewesen wären, zu Streit- 
sätzen zu werden, die Einmüthigkeit der Versammlung herbeigeführt worden 
ist. Nach Feststellung der Statuten folgte die Wahl von 26 Vorstandsmit- 
gliedern, unter denen sich 6 Aerzte befinden. Als erster Vorsitzender wurde 
Prof. Griesbach (Mülhausen) gewählt, der auch die Leitung des vorberei- 
tenden Ausschusses geführt hatte. Der Jahresbeitrag beträgt 3 Mark. Alljähr- 
lich findet eine Versammlung statt, deren Ort vom Vorstand bestimmt wird. 
Im weiteren Verlauf der konstituirenden Versammlung hielten Dr. med. Ger- 
hardi, Dr.Schmid-Monnard, Dr. Kormann und Rektor A. Grothe Vortrag. 
Möge der junge Verein wachsen und gedeihen! 

Paul Schubert (Nürnberg). 


Gerhardi (Lüdenscheid), Psychologie in Bezug auf Pädagogik und 
Gesundheitspflege. Zeitschr. f. Schulgesundheitspfl. 1900. No. 10. S. 543. 
Der Vortrag wurde auf der ersten Versammlung des „Allgemeinen Deutschen 
Vereins für Schulgesundheitspflege“ in Aachen gehalten. Er behandelt 
3 Gegenstände, die unter sich nur durch die Beziehungen zur empirisch-experi 
mentellen Psychologie in Verbindung stehen. 

1. Das Gehirn ist Sitz und Organ der Geistesarbeit, in jedem arbeitenden 
Organ findet vermehrtes Zuströmen des Blutes statt, zur Zeit der Verdauung 
sind die Baucheingeweide stark mit Blut gefüllt, bei gleichzeitigem Blutmangel 
im Gehirn. Daher soll das Kind nicht mit vollem Magen geistig arbeiten. 

2. Es giebt kein aus rein intellektuellen Erwägungen entspringendes 
Wollen. Die Willensentschliessung geht hervor aus dem Sieg des stärkeren 
zweier in Widerstreit befindlicher Motive. Als Motive des Willens sind mit 
Vorstellungen verbundene Gefühle anzusehen. In diesem Sinne giebt es keine 
Willensfreiheit, die Willenshandlung ist vielmehr das Endglied einer aus Wirkung 
und Ursache unzerreissbar zusammengesetzten Kette. Aufgabe der Erziehung 
ist es daher, die guten Triebe zu pflegen, die bösen zu uuterdrücken, um da- 
durch Motive zu guten Handlungen zu gewinnen. In der Strafe aber soll der 
Lehrer niemals eine Vergeltung, sondern immer nur ein Desserungsmittel 
erblicken; „vor Allem aber muss eine grosse Anzahl gänzlich ungerechtfertigter 
und überflüssiger körperlicher Züchtigungen, sowie eine grosse Anzahl Straf- 
arbeiten und das Nachsitzen an freien Nachmittagen endgiltig in Fortfall 
kommen“. 

~ 8. Von den drei Gliedern des logischen Denkens: Begriff, Urtheil und 
Schluss erscheint dem Verf. das erstgenannte als das Wichtigste und zugleich 
als das einer besonderen Uebung am meisten zugängige und bedürftige, während 
sich die Urtbeils- und Schlussbildung mechanisch vollziehen und einer päda- 
gogischen Beeinflussung nicht zugängig seien. Dem Zweck der Erwerbung 
ausgedehnter Sach- und Begriffkenntniss soll systematische Ausbildung der 
Sinneswerkzeuge und wissenschaftliche Betrachtung und Untersuchung dienen. 
Aus diesen Gründen spricht Verf. dem Sprachunterricht, insbesondere dem 


Schulhygiene. 911 


altsprachlichen, keine hohe Bedeutung als Bildungsmittel des Geistes zu und 
bezeichnet ihn in dem bisherigen Sinne und Betriebe als eine überflüssige, ja 
zweckwidrige Quälerei. An seine Stelle sollen in Zukunft die Anschauung als 
Methode, die Naturwissenschaften und die Muttersprache als Mittel zur Aus- 
bildung des Geistes dienen. 

Die Schlusssätze, zu welchen der Verf. bei Thema 1 und 2 gelangt, be- 
finden sich in erfreulicher Uebereinstimmung mit den bisherigen schulhygie- 
nischen Auffassungen über diese Dinge. Der dritte Punkt berührt eine päda- 
gogische Kontroverse, die mit der Schulgesundheitspflege nur in losem Zu- 
sammenhang steht. Paul Schubert (Nürnberg). 


Schmid-Monnard (Halle), Die Ursachen der Minderbegabung von Schul- 
kindern. Zeitschr. f. Schulgesundheitspfl. 1900. No. 10. S. 552. 

Grothe A. (Rektor, Halle), Ueber Schuleinrichtungen für schwach- 
begabte Kinder. Ebenda. S. 557. (Vorträge auf der ersten Versammlung 
des Allgemeinen Deutschen Vereins für Schulgesundheitspflege in Aachen.) 

Die erste Hilfsschule für Schwachbegabte in Deutschland wurde 
in Halle errichtet. Schmid-Monnard fand an den Zöglingen dieser Schule 
ein durchschnittliches Zurückbleiben in Bezug auf Länge und Gewicht um 
1—1!/, Jahr im Vergleich zu den vollbegabten Kindern. Die ursächlichen 
Momente gliedern sich in 3 Gruppen: 

1. Trunksucht und Psychosen der Eltern, 

2. ungünstige sociale und hygienische Verhältnisse, schlechte Ernährung, 
Rhachitis, Blutarmutb, akute Infektionskrankheiten, Fall oder Schlag auf 
den Kopf, 

3. adenoide Vegetationen. 

Mehr als die Hälfte der Familien war in dürftiger Lage. Bei 40 pCt. der 
Eltern lagen Prostitution, Trunksucht, Vorstrafen und ungeordneter Lebens- 
wandel vor. 

Adenoide Wucherungen fanden sich bei 4/5 aller Zöglinge vor, ferner bei 
!/, Vergrösserung der Gaumenmandel. Die operative Beseitigung der Wuche- 
rungen empfiehlt sich in allen Fällen und bietet bei Kindern ohne erbliche 
Belastung des Nervensystems Aussicht auf Besserung der geistigen Funktionen. 

Der gesonderte Unterricht schwachbegabter, aber noch unterrichtsfähiger 
Kinder liegt sowohl im Interesse des normalen Schulbetriebes, für welchen 
diese Kinder, wenn sie mit vollbegabten zusammen unterrichtet werden, 
ein stetes Hinderniss abgeben, als auch ganz besonders im Interesse der unglück- 
lichen Schüler selbst, die in den Normalschulen fast gar nicht gefördert, viel- 
fach sogar durch Hohn und ungerechte Behandlung geschädigt werden. 

Kurse für Schwachbegabte dürfen nicht mehr als 25 Kinder in einer 
Klasse vereinigen. Die Unterrichtsfächer müssen entsprechend abgeändert 
werden, mit besonderer Berücksichtigung der für Ausbildung körperlicher 
Geschicklichkeit und praktischer Befähigung dienenden Lehrgegenstände. 
Im Jahre 1898 gab es in Deutschland 52 Städte mit solchen Hilfsschulen, 
mit 7202 Schülern und 223 Lehrkräften. Dass damit noch lange nicht dem 
Bedürfniss genügt wird, ergiebt sich aus der statistischen Ermittelung, dass 


912 Schulhygiene. Ernährung. 


etwa 1 pCt. aller Schulkinder pathologische Minderbegabung zeigt. Als prak- 
tischer Erfolg der Hilfsschulen ist zu verzeichnen, dass durchschnittlich 60 pCt., 
an manchen Orten ein erheblich höherer Procentsatz der Zöglinge nach der 
Entlassung sich als erwerbsfähig erwiesen haben. 

Paul Schubert (Nürnberg). 


Ziegler, Augenübung im Anschluss an den Turnunterricht. Deutsche 
med. Wochenschr. 1901. No. 2. S. 29. 

Zur Ausbildung der Sehleistung empfiehlt Verf. Augenübungen in 
der Schule, die mit dem Turnunterricht verbunden werden könnten. Die 
Uebungen können auf dem Turnplatz, in nächster Nähe des Ortes oder auf 
Spaziergängen betrieben werden. Vor Allem kämen hierbei die mittleren und 
oberen Klassen in Betracht, für die unteren genügt der Anschauungsunterricht 
(Besprechung der räumlichen Verhältnisse der Turnhalle, des Schulhofes u.s.#.). 

Dieudonne (Würzburg). 


Barth E., Ueber die nachtheilige Beeinflussung des Schwimmunter- 
richtes durch Verengerung der obersten Luftwege. Deutsche med. 
Wochenschr. 1900. No. 35. S. 568. 

Verf. macht darauf aufmerksam, dass Verengerung der Nasenwege 
(Schwellungen, Wucherungen u. s. w.) ein bedeutendes Hinderniss für zweck- 
mässige Schwimmbewegungen und damit oft ein Hinderniss für einen 
Erfolg des Schwimmunterrichtes bilden. Dieudonne (Würzburg). 


Die neueren Schulbauten der Stadt Mannheim. Techn. Gemeindebl. 
1900. No. 10. S. 151. 

In der Einleitung wird durch statistische Angaben das rasche und bedeu- 
tende Wachsen des Schulhausbedarfs dargelegt, welcher gegenwärtig ja 
allgemein in dem Haushaltsplan der Städte eine der gewichtigsten Stellen eio- 
nimmt. Es folgt dann eine eingehende Schilderung der Neubauten nebst ihrer 
Wiedergabe in Grundriss und Ansicht. Als vorbildlich können jedoch diese 
Bauten nach keiner Richtung gelten, da die Belichtung der langen, nur an 
den beiden Schmalseiten mit Fenstern versehenen Gänge eine ungenügende ist, 
die Breite sämmtlicher Fenstermittelpfeiler der Schulzimmer zu gross gewählt 
wurde und der Aussengestaltung jede Eigenart fehlt. 

H. Chr. Nussbaum (Hannover). 


Forster J., Warum und was essen wir? Rück- und Ausblicke in der 
Ernährungsfrage. (Rede zur Feier des Geburtstages S. M. des Kaisers, 
am 27. Jan. 1901 in der Aula der Kaiser Wilhelms-Universität Strassburg 
gehalten.) Strassburg i. Els. J. H. Ed. Heitz (Heitz & Mündel). 1901. 32 S. 
Preis: 1 Mk. 

Der gehaltvolle Vortrag, der in interessanter Weise den Stand unserer 
gegenwärtigen Kenntnisse über die Vorgänge der Ernährung skizzirt und 
zugleich die Lücken unseres diesbezüglichen Wissens aufdeckt, deren Aus 


Ernährung. 913 


fülluug der Zukunft vorbehalten bleiben muss, ist zu kurzem Referate nicht 
geeignet. Paul Müller (Graz). 


Lichtenfelt H., Ueber Abweichungen von der durchschnittlichen Er- 
nährung. Centralbl. f. allgem. Gesundheitspfl. 1899. Bd. 19. S. 171. 

Der Verf. führt uns Einzelbilder der Beköstigung vor, z. B. einer 
Schneiderfamilie in Illingen im Bezirk Trier im September 1898, dann eine 
Nährwerthberechnung von 20 Mittagsportionen nach Hedwig Heyl’s Volks- 
kochbuch II. Theil, ferner verschiedene Haushaltungsbudgets, z. B. der oben ge- 
nannten Schneiderfamilie, ferner einer Fischerfamilie in Norderney, einer Ar- 
beiterfamilie in Berlin, einer Barbierfamilie in Bonn u.s.w. „Die Wohlhaben- 
heit lässt die Konsumenten sich von den Kohleliydraten abwenden. Der Kon- 
sum an Fett und Fleisch steigt mit der Wohlhabenheit. Die Nahrung wird 
koncentrirter gewählt. Für die deutsche Landwirthschaft ergiebt sich die 
Nothwendigkeit, sich der Fleichproduktion mehr zuzuwenden, falls der Wohl- 
stand der Bevölkerung weiter so zunimmt, wie in den letzten Jahren.“ 

R. Blasius (Braunschweig). 


Cronheim W. und Müller E., Zur Kenntniss der Bedeutung des orga- 
nisch gebundenen Phosphors für den Stoffwechsel des Kindes. 
Jahrb. f. Kinderheilk. Bd. 52. S$. 360. 

Der in den phosphorhaltigen Eiweisskörpern, z. B. dem Kasein, organisch 
gebundene Phosphor wird vom Menschen besser resorbirt und im Körper 
retinirt als anorganischer Phosphor. Noch günstiger als die bisher an- 
gewandten Phosphorverbindungen wirkt eine an Lecithin und 
Nukleinkörpern reiche Nahrung, wie sie z. B. der Eidotter darstellt. 
Die Verff. veranstalteten drei Versuchsreihen, die alle in demselben Sinne 
sprachen, wenn auch nur eine ohne Störung verlief. Die Versuche, die später 
ausführlich mitgetheilt werden sollen, beweisen einen höheren Ansatz von 
Eiweiss, Phosphor und Körpergewicht bei der Eidotternahrung, als 
bei Kaseinnahrung. H. Koeniger (Leipzig). 


Loewy A. und Pickardt M., Ueber die Bedeutung reinen Pflanzen- 
eiweisses für die Ernährung. Dentsche med. Wochenschr. 1900. No. 51. 
S. 821. 

Im Allgemeinen ist die Meinung verbreitet, dass der Nährwerth des vege- 
tabilischen Eiweisses dem des animalischen principiell nachstehe. Verff. 
prüften an einem aus Getreidesamen gewonnenen Pflanzeneiweiss, dem Robo- 
rat, die Ausnutzbarkeit desselben, indem sie einen 10 tägigen Stoffwechselversuch 

-an sich selbst anstellten. Hierbei zeigte sich, dass die Ausnutzung des Robo- 
rats eine hervorragend gute war, und dass dieses vegetabilische Eiweiss das 
animalische vollständig ersetzen kann, wenn es in äquivalenten Mengen ge- 
reicht wird. Die Harnsäureausscheidung wird durch das Roborat deutlich und 
erheblich herabgesetzt. Dieses Präparat hat eine Reihe von Vorzügen vor den 
anderen Nährpräparaten, es ist geschmacklos, in warmem Wasser löslich und 
wohlfeil. Ferner ist es selbst backfähig und steigert zumal bei Fettzusatz und 


914 Ernährung. 


mit Mehlen vermischt deren Backfähigkeit. Man erhält durch Roboratzusatz 
auch mit Linsen- und Bohnenmehl, sowie mit anderen Mehlen, die sonst nicht 
backfähig sind, ein gutes Gebäck. Von Kranken wird, wie Verff. sich selbst 
überzeugten, das Präparat gerne genommen. Dieudonné (Würzburg). 


Oppenheimer K., Ueber die Zersetzung des Eiweisses beim Kochen. 
Dentsche med. Wochenschr. 1901. No. 7. S. 105. 

Verf. zeigt, dass beim längeren Kochen der Milch im Wasserbade 
Schwefelwasserstoff entsteht. Die Milch wurde in Flaschen im Soxhlet- 
apparat 45 Minuten lang erhitzt, ein mit essigsaurem Blei befeuchtetes Filtrir- 
papier zeigte beim Herausnehmen der Flaschen eine deutliche Braunfärbung. 
Dass sich HS erst beim starken Erhitzen der Milch bildet, zeigten Kontrol- 
flaschen, welche 1/, Stunde lang auf einer Temperatur von 75° erhalten worden 
waren und keine Braunfärbung des Bleipapiers aufwiesen. Ferner wurde die 
Braunfärbung um so intensiver, je länger man die Milch kochte. 

Dieudonné (Würzburg). 


Hesse W., Ueber einen neuen Muttermilchersatz: Pfund’s Säuglings- 
nahrung. Zeitschr. f. Hyg. Bd. 85. S. 439. 

Nach Lehmann erhält die Durchschnitts-Kuhmilch die Zusammensetzung 
der Frauenmilch, wenn man Rahm von 9,5 pCt. Fettgehalt, 2,9 pCt. flüssiges 
Eiereiweiss und 4,2 pCt. Milchzucker zusetzt. Da sich jedoch bei dieser Art 
der Darstellung einer Säuglingsnabrung bedeutende Mängel herausstellten, so 
wurden nach und nach folgende Verbesserungen eingeführt: 1. Fiereiweiss und 
Milchzucker wurden in berechneten Mengen zusammengeschüttet und innig mit 
einander zu Brei verrührt, wodurch eine gleichmässige Verteilung des Ei- 
weisses in der Nahrung erzielt wurde. 2. Der Milchzucker wurde bei 140° 
sterilisirt. 3. Es wurde auf 1 Liter Säuglingsnahrung 0,02 g Eisen in 
Form von Ferr. lactosacch. (10 pCt.) zugesetzt. 4. Das Eiereiweiss wurde 
durch das ganze Ei ersetzt. 5. Es wurde mit Rücksicht auf die Leichtzersetz- 
lichkeit der fertigen Nahrung die Herstellung einer Konserve ins Auge gefasst, 
was in der Weise gelang, dass der aus Ei und Milchzucker angerührte Brei 
getrockne: und pulverisirt wurde. Dieses Pulver wird fabrikmässig von der 
Molkerei Gebr. Pfund in Dresden hergestellt und in Packeten zu 25 Kapseln 
abgegeben, deren jede die Pulvermenge (2,3 g) enthält, die nötbig ist. nm 
50 ccm verdünnten Rahmes die Zusammensetzung der Durchschnittsmuttermilch 
zu geben. 

Die Procedur für die Herstellung der Säuglingsnahrung ist demnach die 
folgende: 1!/, Liter frische Kuhmilch wird in breiter Schüssel 11/, Stunde lang 
kühl aufbewahrt, dann genau !/, Liter Rahm abgeschöpft; diese ist mit 
3/s Liter Wasser zu verdünnen und das Gemisch 5—10 Minuten zu kochen. 
abzukühlen und kühl aufzubewahren. Die Trinkportion wird dann durch Ein- 
stellen der Saugflasche in warmes Wasser auf Trinkwärme gebracht und anf 
je 50 g ein Ei-Milchzuckerpulver zugesetzt. 

Verf. hält auf Grund seiner Erfahrungen diese Säuglingsnahrung für eive 
dauernd sehr gut bekömmliche. „So sicher unter günstigen hygienischen Ver- 


Ernährung. 915 


bältnissen mit blosser Kubmilch Säuglinge sich normal eutwickeln können, 
und so sehr die Bestrebungen nach allgemeiner Beschaffung guter unverdor- 
bener Kuhmilch von Verf. unterstützt werden, so fest ist er überzeugt, dass 
die mit solcher Milch bei Säuglingen erzielten Erfolge bei Weitem 
übertroffen werden, wenn man nach seiner Vorschrift aus guter 
unverdorbener Milch hergestellten verdünnten Rahm benutzt und Ei und 
Nilchzucker hinzufügt.“ Der Arbeit ist eine grosse Zahl von Versuchs- 
protokollen und Diagrammen beigegeben, welche das Gesagte zu illustriren 
geeignet sind. Paul Müller (Graz). 


Chauveau, La production du travail musculaire utilise-t-elle, comme 
potentiel énergétique, l’alcool substitué à une partie de la ration 
alimentaire? Compt. rend. T. 182. No. 2. p. 65. 

Verf. sucht auf Grund von Respirationsversuchen am Hunde, welche 
sich im Ganzen auf einen Zeitraum von 389 Tagen erstreckten, die Frage zu 
entscheiden, ob der Alkohol direkt zur Energieleistung bei der Muskel- 
arbeit herangezogen wird. Der Hund erbielt als Nahrung 500 g Fleisch 
und 252 g Robrzucker. Von Zeit zu Zeit wurden 84 g des Zuckers durch 
die isodyname Alkoholmenge ersetzt (48 g); die Arbeitsleistung des Thieres 
bestand darin, dass es in einem von Verf. früher beschriebenen Apparate 
1—2 Stunden laufen musste. Da nun der respiratorische Quotient der Kohle- 
hydrate 1,000, der des Alkohols aber nur 0,666 beträgt, so musste der Ersatz 
eines Theils der ersteren durch Alkohol sich in einer bedeutenden Depression 
des experimentell leicht feststellbaren respiratorischen Quotienten äussern, vor- 
ausgesetzt, dass der Alkohol wirklich als Kraftquelle für die Muskelarbeit 
dient. Die gefundenen Werthe waren nun für die Arbeitsperioden 

mit Alkonol ohne Alkohol 
0,922 0,963 

also nur sehr wenig von einander verschieden. Der Alkohol kann somit 

Dicht wesentlich an den bei der Arbeit stattfindenden Verbrennun- 

gen im Muskelsystem participiren. In den Ruheperioden waren die 

respiratorischen Quotienten 
mit Alkohol ohne Alkohol 
0,871 0,904 

Auch in der Ruhe scheint also der Organismus nicht fähig, für 

seine physiologischen Arbeitsleistungen den Alkohol als Energie- 

quelle zu benutzen, was mit den Erfahrungen über die unveränderte Aus- 


scheidung desselben, besonders durch die Lungen, übereinstimmt. 
Paul Müller (Graz). 


Morgan E. Rice, A case of lead poisoning by beer. Brit. med. Journ. 
1900. Nov. 10. No. 2080. p. 1373. 

Ein Fall von Bleivergiftung durch Biergenuss. Der Kranke war seit 
Jabren täglich der erste Gast in einem Wirthshause gewesen und hatte dort 
das Bier getrunken, das über Nacht in der Bleirohrleitung des Zapfapparates 
gestanden und daraus Blei aufgenommen hatte. R. Abel (Hamburg). 


916 Gewerbehygiene. Verschiedenes. 


Roeseler P., Die durch Arbeiten mit Schwefelkohlenstoff entstehen- 
den Erkrankungen und die zu ihrer Verhütung geeigneten Maass- 
nahmen. Vierteljahrsschr. f. gerichtl. Med. u. öffentl. Sanitätsw. I]. Folge. 
Bd. 20. S. 293 ff. 

Verf. giebt an der Hand der vorliegenden Erfahrungen eine Zusammen- 
stellung der nach Einwirkung von Schwefelkohlenstoff auftretenden Er- 
krankungen. Fast ausschliesslich werden sie in Gummifabriken bei den 
mit dem Vulkanisiren beschäftigten Arbeitern beobachtet, und zwar ist die 
Schädlichkeitsgrenze des Kohlenstoffgehalts der Luft unter 2,5—3mg im 
Liter. Die akute Schwefelkohlenstoff-Intoxikation verläuft unter dem Bilde 
der narkotischen Vergiftung, der Tod erfolgt durch Lähmung des Ath- 
mungscentrums. Bezüglich der chronischen Vergiftung schliesst sich Verf. 
der Delpech’schen Eintheilung, wonach ein Stadium der Erregung und 
Depression angenommen wird, an. Die im Gefolge der Schwefelkohlenstoff- 
Vergiftung auftretende Anästhesie ist z. Th. als eine lokale, durch direkte 
Wirkung des Schwefelkohlenstoffs auf die Haut bezw. ihre sensiblen Nerven, 
z. Th. als centrale aufzufassen; bisweilen ist sie der Ausdruck einer peripheren 
Neuritis. Die Schwefelkohlenstoff-Psychosen verlaufen am häufigsten unter 
dem Bilde akuter Manie und Demenz, und zwar mit günstiger Prognose. Zum 
Zustandekommen der schweren, depressiven, unter dem Bilde hallucina- 
torischer Paranoia verlaufenden Formen, welche nach Laudenheimer in 
40 pCt. unheilbar werden, scheint hereditäre Belastung nothwendig zu sein. 
Von sonstigen Lokalerkrankungen sind noch Lähmungen, Amblyopie, Vermin- 
derung des Geschlechtstriebes, Gastritis, Enteritis, chronische Pharyngitis und 
Bronchitis zu erwähnen. 

Pathologisch-anatomische Befunde sind bisher nur bei Thieren gemacht 
worden, und dasselbe gilt von den Blutveränderungen. 

Neben der persönlichen Ausrüstung des Arbeiters, der sorgfältigsten Haut- 
pflege, der möglichsten Abkürzung der Arbeitszeit in den Vulkanisirräumen 
und einer dauernden ärztlichen Ueberwachung des Gesundheitszustandes der 
Arbeiter muss in prophylaktischer Beziehung dahin gestrebt werden, die Ein- 
richtungen so zu gestalten, dass der Schwefelkohlenstoffgehalt der Luft in den 
Vulkanisirräumen unter der Schädlichkeitsgrenze bleibt. Je mehr dies unter 
Benutzung natürlicher und künstlicher Ventilations- und Absaugungsvorrich- 
tungen erreicht wird, um so günstiger wird der Gesundheitszustand der Arbeiter 
in Gummifabriken sich gestalten. Roth (Potsdam). 


Höber R., Ueber Platinkatalyse. Beobachtungen an Gasketten. Aus 
dem physiolog. Institut der Universität Zürich. Pflüger’s Arch. f. d. ges. 
Physiol. 1900. Bd. 82. S. 631. 

Nachdem von verschiedenen Seiten, neuerdings von Bredig und Müller 
von Berneck (vergl. diese Zeitschr. 1901. S. 620) darauf hingewiesen ist, 
dass die katalytische Wirkung des kolloidalen Platins durch gewisse 
Gifte beeinträchtigt wird, weist Verf. nunmehr nach, dass dieselben Gifte 


Verschiedenes. 917 


auch die elektromotorische Kraft einer Knallgaskette mit Platin- 
elektroden vermiudern; diese Wirkung macht sich meist nur an der Sauer- 
stoffelektrode geltend und ist ‘daher wahrscheinlich auf die Bildung eines 
komplexen Platinsalzes zurückzuführen. Auf analoge Vorgänge ist vielleicht 
auch die Vergiftung der Oxydasen, die nach Bredig von denselben 
Stoffen wie das kolloidale Platin geschädigt werden, zurückzuführen. 
Wesenberg (Elberfeld). 


Piza M., Ueber Hautentzündung durch Primelgift (Dermatitis e 
Primula obconica Hauce). Deutsche med. Wochenschr. 1900. No. 45. 
S. 723. 

Die sehr beliebte und verbreitete Zierpflanze Primula obconica liefert 
ein giftiges Sekret, das, auf die menschliche Haut gebracht, nicht selten zu 
erheblichen Hautentzündungen und eventuell auch zur Conjunctivitis Ver- 
anlassung geben kann. Das gelblich-grüne Sekret ist in den Köpfchen der 
Zellen der kleinen Drüsenbaare sichtbar. Solche Personen, die sich mit der 
Pflege dieser Primeln beschäftigen, müssen sich hüten, die vertrockneten Blätter 
mit ungeschützten Händen abzupflücken. Auch solchen Personen, welche die 
Primeln nur gelegentlich zum Schniucke benützen, können dieselben gefähr- 
lich werden. Dieudonne (Würzburg). 


Beadix E., Zur Chemie der Bakterien. Deutsche med. Wochenschr. 1901. 
No 2. $. 18. 

Während es bereits gelungen ist, aus Bakterien die Nukleoproteide 
rein darzustellen, fehlte bisher der Nachweis eines für die meisten — vielleicht 
alle — Nukleoproteide charakteristischen Bestandtheils, nämlich der Pentosen. 
Verf. gelang dieser Nachweis bei Tuberkelbacillen, sowie bei einer Mischkultur 
von Fäkalbakterien. Auch noch viele andere Bakterien z. B. Diphtheriebacillen 
enthalten Nukleine bezw. Pentosane. Bei anderen fiel dagegen die Pentosan- 
reaktion negativ aus, z. B. bei Typhusbacillen. Vielleicht gelingt es mit Hilfe 
dieser chemischen Reaktion morphologisch gleichwerthige Bakterien zu diffe- 
renziren, worüber Versuche noch im Gange sind. 

Dieudonne (Würzburg). 


Zuntz und Schumburg, Studien zu einer Physiologie des Marsches. 
Mit Abbildungen, Kurven und einer Tafel. Auch unter dem Titel: Bibliothek 
v. Coler. Bd. 6. Berlin 1901. Verlag von August Hirschwald. VIII und 
361 Ss. 80. Preis: gebunden 8 Mk. 

Der Herausgeber schickt dem Buche eine warm geschriebene Widmung an den 
verdienten Generalstabsarzt der preussischen Armee voraus, wonach diese Biblio- 
thek „als Angebinde zum 15. März 1901“, dem 70. Geburtstage des Gefeierten, eine 
Reihe von Werken umfassen soll, welche alle in einer gewissenVerbindung mit dem 
militärmedicinischen Gebiete stehen. Die Einleitung behandelt die Geschichte 
der Physiologie des Ganges, einschliesslich der Schwerpunktbestimmung 
des Menschen, der Gaswechselmessungen, ferner den Sport und militärischen 
Training, die dienstlichen Marschvorschriften, die Gepäckerleichterung und den 


918 Gesetze und Verordnungen. 


Untersuchungsplan. Die Beobachtungen wurden im thierphysiologischen Labo- 
ratorium der Berliner landwirtbschaftlichen Hochschule an 5 Studenten des 
Friedrich-Wilhelms-Instituts von April bis Juli 1894 angestellt. Die Bethei- 
ligten hatten mit der Waffe 1/, Jahr gedient, sie marschirten 28 mal je 243/, km 
mit 13—31.2 kg Belastung. 

Der zweite Abschnitt: „Allgemeines Verhalten beim Marsch“ bietet 
den Status praesens der marschirenden Hochschüler am 22. April und 7. Juli 
1894 und verzeichnet die an den chemischen Untersuchungen der Ausschei- 
dungen, den Respirationsversuchen, den Nahrungsmittelanalysen u. s. w. be- 
schäftigten 9 Fachverständigen. Der dritte Abschnitt: „Einfluss des Marsches 
auf einzelne Funktionen des menschlichen Körpers“, bespricht eingehend 
den Puls (Seite 34—76), ferner Herz und Leber, Blut (Seite 88—113). Atb- 
mung, Körperwärme, Nerven und Muskeln (Seite 130—146), Harn. Der vierte 
Abschnitt: „Einfluss des Marsches auf den Stoff- und Kraftwechsel“. 
umfasst die Bilanz des Stoffwechsels (Seite 157—206), den respiratorischen 
Gaswechsel, den kalorischen Werth der Marscharbeit und die Wärmeregulirung 
auf dem Marsche. Der Schlussabschnitt gewährt einen Ausblick auf die zur 
Ergänzung erwünschten ferneren Versuche und Beobachtungen. Der Anhang 
fasst die Ergebnisse der Untersuchungen in sieben zum Theil umfangreichen 
Tabellen zusammen. Die beigegebene Steindrucktafel stellt den Einfluss jedes 
einzelnen der 28 Märsche auf Reaktionszeit, ergographische Zugkraft, Herz- 
und Leberdämpfung, Puls, Zahl der Blutkörperchen, Blutdichte, Wasserverlust 
und Körperwärme jedes der 5 Marschirenden graphisch dar. 

Der mannigfache, das einschlägige Schriftthum von Borelli bis Otto 
Fischer ausgiebig berücksichtigende Inhalt hätte die Beigabe eines alpha- 
betischen Registers und einer Uebersicht der in den Text eingestreuten Tabellen 
und Abbildungen verdient. Letztere stellen sphygmographische Kurven, die 
Versuchsanordnung zur Messung der Reaktionszeit, den Mosso’schen Ergo- 
graphen u. A. dar. 

Das treffliche Werk darf man unbedenklich den Zierden der militärärzt- 
lichen Literatur beizählen. Es bereichert die Heeresgesundheitspflege in schätz- 
barer Weise und bietet werthvollen Stoff auch für die Physiologie des mensch- 
lichen Ganges im Allgemeinen. Helbig (Serkowitz). 


Gesetze und Verordnungen. 


In den No. 1—13 einschl. der Veröffentlichungen des Kaiserlichen Gr- 
sundheitsanmtes 1901 sind folgende hygienisch wichtige und bemerkenswerthe Ver- 
ordnungen und Gesetzesbestimmungen enthalten: 


1. Für das Grossherzogthum Sachsen-Koburg-Gotha ist folgende. den Vet- 
kehr mit Milch betreffende Verordnung erlassen worden: 

$ 2. Frische Kuhmileh darf nur als Vollmilch, Halbmilch oder Magermilch in 
den Verkehr gelangen. a) Unter Vollmilch versteht man eine, nach dem Abmelken 
in keiner Weise entrahmte, oder sonst veränderte Milch, welche ein specifisches 


Gesetze und Verordnungen. 919 


Gewicht von mindestens 1,028 und einen Fettgehalt von mindestens 2,7 pCt. 
hat. b) Halbmilch wird hergestellt durch Mischen von voller und entrahmter Milch 
oder durch theilweises Entrahmen der ersteren. c) Magermilch ist die durch Ab- 
nehmen des nach längerem Stehen ausgeschiedenen Rahms oder durch Centrifugiren 
entrahmte Vollmilch. Sie soll ein specifisches Gewicht von mindestens 1,032 und einen 
Fettgehalt von mindestens 0,15 pCt. haben. Alle Bestimmungen des specifischen 
Gewichts müssen bei einem Wärmegrade der Milch von 15°C. stattfinden. Der 
Fettgehalt ist bei jeder Untersuchung unbedingt, um Täuschungen zu verhüten, 
festzustellen. 

$3. Der Verkauf von Milch, die wenige Tage vor oder bis zum siebenten 
Tage nach dem Abkalben gemolken wird, ist verboten. Ebenso ist der Verkauf von 
blaufleckiger, rother, gelber, blutiger, schleimiger, bitterer, fauliger 
Milch, sowie von Milch, welche von Kühen stammt, die an Milzbrand, Lungen- 
seuche, Rauschbrand, Tollwuth, Pocken, Gelbsucht, Ruhr, Euterent- 
zündungen, Pyämie (Eiterfieber), Septikämie (Jauchefieber), brandiger 
Gebärmutterentzündung, übelriechenden, krankhaften Ausflüssen aus 
Gebärmutter und Scheide, Zurückbleiben faulender Nachgeburt, Euter- 
tuberkulose, vorgeschrittener allgemeiner Tuberkulose, überhaupt fieber- 
haften oder abzebrenden Krankheiten leiden, oder mit giftigen Arznei- 
mitteln, welche in die Milch übergehen, wie Arsenik, Niesswurz, Brechwein- 
stein, Opium, Eserin. Pilocarpin und anderen Alkaloiden behandelt werden, 
verboten. Milch von Thieren, welche an leichter Tuberkulose oder an Maul- 
und Klanenseuche leiden, darf nur abgekocht resp. sterilisirt in den Handel 
gebracht werden. 

§ 4. Der Milch dürfen keine fremdartigen Stoffe, insbesondere keine Konser- 
virungsmittel zugesetzt werden. 

§ 5. Saure und Buttermilch darf nicht aus Milch bereitet sein, welche nach 
$3 vom Verkauf ausgeschlossen ist, und darf nur unter richtiger Bezeichnung in den 
Verkehr gebracht werden. 

$ 6. Milch darf nur in Gefässen aufbewahrt werden, welche weder aus Kupfer, 
Messing, Zink, gebranntem Thon mit schlechter oder schadhafter Glasur, noch aus 
Eisen mit bleihaltiger, rissiger oder fehlerhafter oder rostiger Emaille bestehen. Es 
sind namentlich gut und saubergehaltene hölzerne, oder Weissblechge- 
fässe mit handweiten Oeffnungen zu benutzen. Als Verschluss- und Dichtungs- 
mittel der Milchgefässe sind Lappen, Papier und dergl. nicht zu verwenden; Stroh 
darf bei Holzgefässen und wenn es sonst nicht zu vermeiden ist, nur in ganz reinem 
Zustande und nicht mehr als einmal Anwendung finden. Gummiringe als Dich- 
tungsmittel dürfen kein Blei enthalten. 

Die auf geschlossenen Milchwagen nach aussen geleiteten Krahne, über 
welchen die Bezeichnung der Milchart genau angegeben sein muss, müssen aus gut 
verzinntem Kupfer oder Messing bestehen, die Milchmessgefässe sind aus Weissblech 
mit einer geeigneten Handhabe anzufertigen so, dass die Hand der messenden Person 
nicht mit der Milch in Berührung kommt. Die Milchgeräthschaften sind stets in 
grösster Sauberkeit zu erhalten. 

§ 7. Die Milchaufbewahrungs- und -Verkaufsräume müssen hell, 
trocken, luftig, kühl und staubfrei sein und dürfen nie als Schlaf- oder 
Wohnräume benutzt werden, auch nicht mit Krankenzimmern in Verbindung stehen. 

§ 8. Personen, welche an den Händen Ausschläge oder Feuchtigkeit 
absondernde Wunden haben, oder solche, welche kurz vor dem Melken mit Per- 
sonen zusammen waren, die an Ruhr, Rose, Typhus, Diphtherie, Masern, 


920 Gesetze und Verordnungen. 


Scharlachfieber oder anderen ansteckenden Krankheiten leiden oder selbst 
daran erkrankt oder in der Nähe von seuchekranken Thieren beschäftigt sind, 
dürfen nicht zum Melken zugelassen werden. Ebenso sind Leute mitLungenschwind- 
sucht und Auswurf von den Kuhställen fernzuhalten. 

Die übrigen Paragraphen geben besondere Vorschriften über den Verkehr 
„mit Kur- und Kindermilch“, die sich im Wesentlichen mit den für München er- 
lassenen und in No. 12 dieser Zeitschrift S. 226—227 wiedergegebenen decken. 

(Veröff. d. Kais. Ges.-A. 1901. No. 1.) 

Weiter ist für Strassburg i. E. einé mit der obigen in den hauptsächlichen 
Punkten übereinstimmende Polizeiverordnung für den Verkehr mit Milch erlassen 
worden. (Veröff. d. Kais. Ges.-A. 1901. No. 11.) 


2. Für den Kreis Niederbarnim ist seit dem 1. Juli 1900 durch Polizeiver- 
ordnung des Landraths die allgemeine Leichenschau durchgeführt worden: 

§ 1. Nach jedem Todesfälle und vor der Beerdigung muss eine Leichenschau 
stattfinden. Der Zweck derselben ist die unzweifelhafte Feststellung des wirklichen 
Todes und die möglichst zuverlässige Ermittelung der Todesursache, sowie die Be- 
antwortung der sonst zu stellenden Fragen zum Vortheil der öffentlichen Gesundheits- 
pflege. Ausserdem soll die Leichenschau zur Entdeckung von gewaltsamen und rechts- 
widrigen Todesarten mitwirken. Keine Beerdigung darf ohne vorherige Ausfüllung 
eines dem beifolgenden Formular entsprechenden Leichenscheines stattfinden. 

§ 2. Jede Gemeinde und jeder Gutsbezirk hat wenigstens einen Leichenbe- 
schauer zu bestellen. Die Bestellung ist jederzeit widerruflich. Der Widerruf kann 
sowohl durch den Gemeinde- oder den Gutsvorstand, als auch durch den Landrath 
erfolgen. Zu Leichenbeschauern sind thunlichst approbirte Aerzte zu bestellen. 
Neben den amtlichen Leichenbeschauern ist jeder approbirte Arzt zur Vornahme 
der Leichenschau berechtigt. 

§ 3. Zu nichtärztlichen Leichenbeschauern dürfen nur solche Personen 
bestellt werden, welche unbescholten sind und ihre Befähigung zu dem Amte durch 
eine vor dem Kreisphysikus abzulegende Prüfung dargethan haben. Die nichtärzt- 
lichen Leichenbeschauer sind verpflichtet, sich auf Verlangen des Kreisphysikus jeder- 
zeit einer Nachprüfung zu unterwerfen. Regelmässig sollen diese Nachprüfungen 
alle 3 Jahre stattfinden. Für die erstmalige Prüfung ist von jedem Prüfling eine Ge- 
bühr von 6 Mk. zu entrichten. Die durch die Nachprüfung entstehenden Kosten trägt 
der Kreis. 

§ 4. Die nichtärztlichen Leichenbeschauer werden eidlich verpflichtet. Sie 
unterliegen den Disciplinargesetzen für Gemeindebeamte. Zu ihren Dienstvorge- 
setzten gehört auch der Kreisphysikus. Sie haben ihre Thätigkeit unter Aufsicht 
des letzteren auszuüben und allen ihnen zugehenden Weisungen desselben nachzu- 
kommen, Maassgebend für ihre Thätigkeit ist insbesondere die anliegende Instruk- 
tion, deren jederzeitige Abänderung im Verfügungswege vorbehalten bleibt. 

§ 5. Die nichtärztlichen Leichenbeschauer haben über die von ihnen ausgestellten 
Leichenschauscheine ein Register nach dem ihnen amtlich mitzutheilenden 
Schema zu führen und dasselbe auf Verlangen jederzeit der Ortspolizeibehörde, dem 
Kreisphysikus oder dem Landrath vorzulegen oder einzusenden. 

8 6. Behufs Erlangung des Leichenschauscheines ist jeder Todesfall dem 
Gemeinde- oder Gutsvorsteher innerhalb der ersten 24 Stunden anzumelden. 

&% 7. Zur Vornahme der Leichenschau wird der Leichenschauschein dem amt- 
lichen Leichenbeschauer oder einem approbirten Arzt vorgelegt. 

§ 10. Weiterhin hat die Ortspolizeibehörde die Leichenschauscheine dem 
Kreisphysikus einzureichen und zwar: 


Gesetze und Verordnungen. 921 


1. Wenn der Tod an Pocken, Scharlach, Masern, Rötheln, Diphtheritis, Croup 
oder Halsbräune, Keuehhusten, Pest, Cholera, Ruhr, Unterleibs- (oder Darm-) Typhus, 
Flecktyphus, gastrischem und Nervenfieber, Rückfallfiever, Wechselfieber, Influenza, 
Grippe, Tuberkulose desKehlkopfes, der Lungen (Schwindsucht), epidemischer Genick- 
starre, Kindbettfieber oder im Wochenbette, oder an Hundswuth, Milzbrand, Rotz- 
krankheit und Trichinenvergiftung erfolgt ist, binnen 2 Tagen nach Einreichung 
desselben; 

2. allınonatlich gesammelt, wenn Kinder im ersten oder zweiten Lebensjahre 
verstorben sind. 

§ 11. Für die Besichtigung der Leiche und die Ausstellung des Leichenscheines 
gilt im Zweifel die Taxe für einen ärztlichen Besuch. Bei Steuerpflichtigen, die 
weniger als 16 Mk. Einkommensteuer jährlich zu entrichten haben, sind nur dreiviertel 
der geringsten Taxe zu liquidiren. Für einen Todesfall in einer Familie, deren Haupt 
zur Staatseinkommensteuer überhaupt nicht oder gemäss § 74 und 76 des Einkommen- 
steuergesetzes vom 24. Juni 1891 nur fingirt veranlagt ist; hat der Leichenbeschauer 
von den Angehörigen nichts zu beanspruchen. Der Kreis zahlt in diesen Fällen für 
jeden Leichenschauschein eine Mark. 

§ 12. Unberührt durch die Bestimmungen dieser Verordnung bleiben die Vor- 
schriften des $ 157 der Reichsstrafprocessordnung, sowie das Regulativ über die an- 
steckenden Krankheiten vom 8. August 1835. 

$ 13. Fälle, auf die der 8157 der Reichsprocessordnung Anwendung findet, 
hat der Leichenbeschauer sofort zur Kenntniss der Ortspolizeibehörde zu bringen 
und dieser den Leichenschauschein unmittelbar zuzustellen. Eine Leichenschau durch 
den Leichenbeschauer findet nicht statt, wenn dieOrtspolizei oder Gerichtsbehörde 
bereits eine Untersuchung über den Todesfall eingeleitet hat. In diesem Falle trägt 
die Ortspolizeibehörde in ein Formular zum Leichenschauschein die ihr bekannten 
Nachrichten ein und fügt das ausgefüllte Formular den übrigen dem Kreisphysikus 
zuzustellenden Leichenschauscheinen bei. u. s. w. 

Beigefügt ist dieser Kreispolizeiverordnung eine „Instruktion des Kreis- 
‚physikus für die nichtärztlichen Leichenschauer im Kreise Niederbarnim“, 
welche folgende Abtheilungen enthält: 

A. Belehrung über die uns’cheren, die wahrscheinlichen und die unzweifelhaften 
Zeichen des Todes. 

B. Belehrung der Leichenbeschauer über die Ermittelung der Todesursache. 

C. Belehrung über das Verhalten der Leichenbeschauer bei Todesfällen an an- 
steckenden Krankheiten. 

D. Belehrung der Leichenbeschauer über die Pflichten bei dem Verdacht ge- 
waltsamer Todesarten. (Veröfl. d. Kais. Ges.-A. 1901. No. 2.) 


3. Mit dem 1. April 1901 ist folgende durch den Bundesrath für das Deutsche 
Reich erlassene, die Einrichtung von Sitzgelegenheiten für Angestellte 
in offenen Verkaufsstellen anordnende Bestimmung in Kraft getreten: 

In denjenigen Räumen der offenen Verkaufsstellen, in welchen die Kundschaft 
bedient wird, sowie in den zu solchen Verkaufsstellen gehörenden Schreibstuben (Kom- 
toren) muss für die daselbst beschäftigten Gehülfen und Lehrlinge eine nach der Zahl 
dieser Personen ausreichende geeignete Sitzgelegenheit vorhanden sein. Für die mit 
der Bedienung der Kundschaft beschäftigten Personen muss die Sitzgelegenheit so 
eingerichtet sein, dass sie auch während kürzerer Arbeitsunterbrechungen benutzt 
werden kann. Die Benutzung der Sitzgelegenheit muss den bezeichneten Personen 
während der Zeit, in welcher sie durch ihre Beschäftigung nicht daran gehindert sind, 
gestattet werden. (Veröff. d. Kais. Ges.-A. 1901. No. 1.) 


922 Gesetze und Verordnungen. 


4. Als hygienisch wichtig ist weiter zu bemerken, dass seit dem 1. Januar die 
Beschäftigung jugendlicher Arbeiter und Arbeiterinnen in den Werk- 
stätten, in denen durch elementare Kraft (Dampf, Wind, Wasser, Gas, Luft, 
Elektrieität u. s. w.) bewegte Triebwerke nicht blos vorübergehend zur 
Verwendung kommen, nach den $$ 135—139b der Gewerbeordnung und nach 
besonderen Ausführungsbestimmungen geregelt ist. Die angegebenen Verordnungen 
enthalten in der Hauptsache für die in Betracht kommenden Betriebe Bestimmungen 
über die Zulassung von Minderjährigen und von Wöchnerinnen, weiter 
über Arbeitszeit, über Arbeitsbeginn, über Arbeitspausen u. s. w. u.s.w. 

(Veröff. d. K Ges.-A. 1901. No. 


5. Ueber den Ausschank und den Verkauf von Bier sind für Crimmit- 
schau folgende Bestimmungen gegeben worden: 

§ 1. Die Hähne, aus denen das Bier ausgelassen wird, müssen im Schankrauc: 
so angebracht sein, dass das Einschänken des Bieres wenigstens von den der Aus- 
schankstelle zunächst sitzenden Gästen beobachtet werden kann. 

§ 2. Jede Schankstelle hat eine Vorrichtung zum Spülen der (läser zu 
haben. Diese ist im Schankraum so anzubringen, dass der ihr zunächst sitzende Gast 
das Spülen der Gläser beobachten kann. 

$ 3. Vor jeder Füllung müssen die Schank- und Trinkgefässe in einem grossen. 
mit reinem fliessenden Wasser gefüllten Gefässe vollkommen untergetaucht und aus- 
geschwenkt oder durch eine von der Polizeibehörde genehmigte Spülvorrichtunz 
allenthalben innen und aussen mit reinem fliessenden Wasser vollkommen be- 
netzt werden und sich in völlig sauberem Zustande befinden. Die Spülung dari 
nur unterbleiben, wenn dies ein Gast ausdrücklich wünscht. Der Zufluss des reinen 
und der Abfluss des gebrauchten Wassers muss stets derart sein, dass das Wasser in 
Spülge stets vollkommen klar ist. Für die Schankwirthschaften, die an die städti- 
sche Wasserleitung bisher noch nicht angeschlossen werden konnten, kann die Polizei- 
behörde besondere Vorschriften erlassen. Jedenfalls muss aber auch in diesen Schank- 
stätten das Spülgefäss stets klares Wasser enthalten und täglich wenigstens einmal 
ausgescheuert und gründlich gereinigt werden. Flaschen, auf die Bier gezogen wirl. 
müssen vor dem Auffüllen sauber gespült und rein sein. 

$ 4. Alles aus den Auslasshähnen abgetropfte und von den Schank- und Trink- 
gefässen abgelaufene Bier, sowie das Bier, das in den Trinkgefässen geblieben ist, 
sog. Tropf- und Neigenbier, darf in den Schankräumen an die Gäste nick! 
verkauft werden. An andere Personen darf es nur dann verkauft werden, wenn es 
ausdrücklich als Tropf- und Neigenbier bezeichnet wird. 

$5. Jedes Spritzen des Bieres, insbesondere die Verwendung von Hand- 
spritzen und von Hähnen mit Spritzvorrichtungen ist verboten. u. s. w. u. s. w. 

(Veröff. d. Kais. Ges.-A. 1901. No. 6. 


6. Gegen den Missbrauch geistiger Getränke in Steinbruchbetriehen 
ist für den Kreis Striegau eine neue Polizeiverordnung erlassen worden, aus der 
folgende Punkte hervorzuheben sind: 

§ l. Das Einbringen oder der Verkauf geistiger Getränke aller Art ohne 
polizeiliche Erlaubniss ist in Steinbrüchen und Steinbruchswerkstätten verboten! 
desgleichen ist verboten der Verkauf und das unentgeltliche Abgeben derartiger Ge 
tränke auf den an den Steinbrüchen und Steinbruchswerkstätten in einer Entiernang 
von weniger als 300 m vorbeiführenden oder zu denselben hinführenden Wegen so- 
wie im Umkreise von 1 km von diesen Wegen und von den Steinbrüchen oder Stein- 


Gesetze und Verordnungen. 923 


bruchswerkstätten. Ausgeschlossen von diesem Verbot sind die im Umkreise von I km 
liegenden Wohnräume und eingefriedjgten Hausgärten. 

%2. Nicht unter das Verbot des § 1 fällt in Steinbrüchen und Steinbruchs- 
werkstätten das Einbringen einfachen Bieres und Doppelbieres, sowie der für 
den Tagesbedarf der einzelnen Person erforderlichen Menge andern Bieres und 
Schnapses durch die betreffende Person selbst. 

$ 3. Wer die in $2 zugelassenen Ausnahmen zur Umgehung des in $1 erlassenen 
Verbots dadurch missbraucht, dass er die für seinen eigenen Bedarf zugelassene Menge 
Bier oder Schnaps an dritte abgiebt oder verschenkt, verfällt det im $ 5 ange- 
drohten Strafe. 

ğ 4. Betrunkenen und angetrunkenen Personen ist der Zutritt zu den 
Steinbrüchen und Steinbruchswerkstätten verboten. u. s. w. 

(Veröff. d. Kais. Ges.-A. 1901. No. 10.) 


7. Beachtenswerth ist ferner ein vom Hessischen Ministerium des Innern 
gegebener Erlass, der sich mit der schulhygienischenUnterweisung der Lehrer 
beschäftigt: 

Die den Kreisärzten durch den $ 28 ihrer Dienstinstruktion zugewiesenen Auf- 
gaben bei der gesundheitlichen Ueberwachung der Schulen und der Schüler können 
nur dann in ausreichendem Maasse erfüllt werden, wenn sich auch die Lehrer, 
welchen die fortlaufende Kontrole der Schulen und ihrer Einrichtungen und die stän- 
dige und unausgesetzte Beobachtung derSchüler ermöglicht ist, hierbei in entsprechen- 
der Weise betheiligen. Eine rege und verständnissvolle Betheiligung der Lehrer 
zur Erreichung der zu erstrebenden Ziele wird besonders dann zu erwarten sein, wenn 
die schulbygienische Unterweisung der Lehreg mit der Ausbildung im Semi- 
nar nicht abschliesst, sondern wenn das Verständniss für die Bedeutung schulhygie- 
nischer Einrichtungen und für die Fragen der öffentlichen Gesundheitspllege über- 
haupt auch in der Zeit der praktischen Lehrthätigkeit erweitert und durch Vor- 
führung praktischer Demonstrationen und Versuche vertieft wird. 

In dieser Beziehung dürfte es angezeigt sein, zunächst nur probewei 
gedeuteten Zweck durch Vorträge zu erreichen, welche von sachverständiger Seite 
in den Lehrerkonferenzen zu halten wären, und an welche sich jeweils Diskussionen 
anknüpfen könnten. Derartige schulhygienische Vorträge mit anschaulichen De- 
monstrationen fanden bereits in einzelnen Lehrerkonferenzen seitens der Kreisärzte 
mit anscheinend gutem Erfolge statt. Eine Verallgemeinerung dieser Einrichtung er- 
scheint empfehlenswerth und, da die beamteten Aerzte, welche durch ihre Thätigkeit 
als Schulärzte ohnehin zu den Lehrern in Beziehung treten, besonders geeignet er- 
scheinen, die hygienische Fortbildung der Lehrer zu übernehmen, so ordnen wir hier- 
mit an, dass die Kreisärzte mit Unterstützung der Kreisassistenzärzte in den verschie- 
denen Bezirkskonferenzen jährlich 1 bis 2 Vorträge halten, welche nach und nach die 
verschiedenen Fragen der Schulhygiene in den Kreis ihrer Betrachtung ziehen und 
möglichst anschaulich erörtern. (Veröff. d. Kais. Ges.-A. 1901. No. 6.) 

(Schluss folgt.) 


e den an- 


Jacobitz (Halle a. S.). 


924 Kleinere Mittheilungen. 


Kleinere Mittheilungen. 

Stand der Seuchen. Nach den Veröffentlichungen des Kaiserlichen Gesund- 
heitsamtes. 1901. No. 33 u. 34. 2 

A. Stand der Pest. I. Türkei. Konstantinopel. 25. 7.: 1 Erkrankung. 
3. 8.: 3 Erkrankungen, 1 Todesfall. 8. 8.: ein Heizer des zwischen Mondania und 
Konstantinopel verkehrenden Dampfers „Benghazi“ stirbt im. Pestlazareth, wo- 
hin er am 3.8. gebracht worden war, nachdem er am 30.7. bei Ankunft des Dampfers 
in Galata erkrankt war. 8. 8.: in Haidar Pascha 1 Erkrankung. Il. Aegypten. 
27.7.—3.8.: Zagazig 2 Erkrankungen, kein Todesfall. Port Said: 2 Erkrankungen, 
kein Todesfall. In Alexandrien keine Erkrankung, kein Todesfall. III. Britisch- 
Ostindien. Präsidentschaft Bombay. 30.6.—6.7.: 1391 Erkrankungen, 954 To- 
desfälle. 7.--13. 7.: 1447 Erkrankungen, 1105 Todesfälle. 14.20. 7.: 1947 Erkran- 
krankungen, 1370 Todesfälle. Stadt Bombay. 39.6.—6.7.: 84 Erkrankungen, 65To- 
desfälle, ausserdem unter 647 Sterbefällen 170 pestverdächtig. 7.—13.7.: 78 Erkran- 
kungen, 79 Todesfälle, ausserdem von insgesammt 692 Sterbefällen 166 pestverdäch- 
tige. 14.—20.7.: 145 Erkrankungen, 113 Todesfälle und unter im Ganzen 765 Sterte- 
fällen noch 196 pestverdächtige. Auch in Karachi sollen neue Pestfälle vorgekommen 
sein. Kalkutta. 30.6.—6.7.:15 Todesfälle. 7.—13.7.: 17 Erkrankungen, 16 Todes- 
fälle. IV. Hongkong. Während der 4 Wochen vom 8. 6.—6. 7. sind in der Kolonie 
151-155-62-47 Erkrankungen und 151-152-61-46 Todesfälle an Pest amtlich bekannt 
geworden, und zwar hiervon 309 Erkrankungen in der Stadt Victoria und 106 in 
der übrigen ganzen Kolonie. V. Siam. In Tongkah soll die Pest ausgebrochen sein. 
VI. Kapland. 7.--13.7.: in der ganzen Kolonie 8 Erkrankungen (davon 5 in Port 
Elizabeth) und 3 Todesfälle, einschliesslich 1 aufgefundenen Leiche. 14.—20. 7.: 
3 Erkrankungen in Port Eli?nbeth, 4 Todesfälle, hiervon 3 in Port Elizabeth. 
Am 13. und 20.7. befanden sich als pestverdächtig unter Beobachtung 6 Personen, 
während noch 55 Pestkranke in Behandlung waren. In den Contact camps ver- 
blieben am 20. 7.: 114 Personen. VII. Mauritius. 7. 6.—11. 7.: 6 Erkrankungen 
und 5 Todesfälle. VHI. Brasilien. Rio de Janeiro. Von den 3 am 5. 7. festge- 
stellten Pestfällen ist der eine tödtlich verlaufen. Ausserdem sind in demselben Hause, 
in dem die 3 Pestkranken gewohnt hatten, in den ersten Tagen des ‚Juli noch 2 andere 
Personen an Pest gestorben. IX. Queensland. 9.—22. 6.: keine Neuerkrankungen, 
keine Todesfälle. 23.6.: 1 Erkrankung, 1 Todesfall. 30.6.—6.7.: in Brisbane 1 Er- 
krankung und 1 pestverdächtiger Fall. 

B. Stand der Cholera. I. Britisch-Östindien. Kalkutta. 30.6.—6. 7.: 
17 Todesfälle. 7.—13.7.: 15 Todesfälle. Il. Niederländisch-Indien. Nach einer 
Mittheilung vom 18.8. herrscht in Soerabaya die Cholera epidemisch. 

C. Stand der Pocken. Italien. Während des Juli sind in der Stadtge- 
meinde Messina 56 Erkrankungen und 11 Todesfälle an Pocken bekannt geworden. 

D. Gelbfieber. I. Italien. Genua. Der am 5.8. aus Buenos Aires und Mon- 
tevideo eingetroffene Dampfer „Orione“ der Navigazione Generale Italiana wurde in 
die (Juarantänestation Asinara gesandt, weil unterwegs ein Reisender unter den Ft- 
scheinungen des (ielbfiebers erkrankt war. II. Brasilien. 16.—26. 5.: 9 Todesfälle 
in Rio de Janeiro. II. Kolumbien. Bocas del Toro. 28.6.: 1 Erkrankung. 
29.6.--10.7.: 3 Erkrankungen, 1 Todesfall. IV. Costa Rica. Port Limon. 4. 
1 Erkrankung. V. Mexico. Vera Cruz. 30. 6.—13. T.: 9 Erkrankungen, 3 Todes- 
fälle. VI. Cuba. Cienfuegos. Am 15. und 18. 7.: je 1 Erkrankung. 

Jacobitz (Halle a. S.). 


Verlag von August Hirschwald, Berlin N.W., — Druck von L Schumacher in Berlin. 


Hygienische Rundschau. 


Herausgegeben 


von 
Dr. Carl Fraenkel, Dr. Max Rubner, Dr. Carl Günther, 
Prof. der Hygiene in Halle a./8. Geh. Med.-R., Prof. der Hygiene in Berlin. a. o. Professor in Berlin. 


I. Jahrgang. 


Berlin, 1. Oktober 1901. Æ 19. 


(Aus dem hygienischen Institut der Universität Halle a. S.) 


Die Verwendbarkeit der Harngelatine zur Züchtung der Typhusbacillen. 
Von 


J. Hayaschikawa. 
aus Tokio. 

In der Sitzung der Berliner medicinischen Gesellschaft vom 25. Jan. 1899 
hielt Piorkowski einen Vortrag über den Werth einer von ihm bereiteten 
Harngelatine zur Isolirung der Typbusbacillen aus Fäces, Urin u. s. f. 
Es sollten auf diesem Nährboden die Typhusbacillen stark ausgefaserte, flagel- 
latenäbnliche Kolonien bilden, die sich dadurch schon in den ersten Wachs- 
thumsstadien von den runden Kolonien des Bacillus coli und anderer Bak- 
terien unterscheiden liessen. Für die Anfertigung der Gelatine wurde nach 
einigen später mitgetheilten Abänderungen schliesslich das folgende Recept 
vorgeschrieben: „Etwa 2—3 Tage lang gesammelter Harn — von dem speci- 
fischen Gewicht 1020 —, der inzwischen alkalische Reaktion angenommen 
bat, wird mit !/; pCt. Pepton und 3,3 pCt. Gelatine versetzt, 40 Minuten im 
Wasserbade gekocht und sofort ohne Anwendung von Wärme filtrirt, was sich 
bequem und leicht bewerkstelligen lässt. Darauf folgt die Füllung in Reagens- 
röhrchen, Verschluss mit Wattebausch und Sterilisation im Dampftopf bei 
100°C. 15 Minuten lang; am folgenden Tage noch 10 Minuten lang.“ 

An Stelle von spontan alkalisch gewordenem Harn kann man nach P. 
auch frischen Cystitisharn oder frischen normalen Harn verwenden, indem man 
letzteren durch Zusatz von altem alkalischen Harn alkalisirt. Dagegen soll 
ein durch die gewöhnlichen Alkalien künstlich alkalisirter Harn die charak- 
teristische Ausfaserung der Typhuskolonien nicht in die Erscheinung treten lassen. 

Besonders sorgfältig muss nach P. der Aufenthaltsort der infieirten Platten 
temperirt sein. Er äussert sich darüber wie folgt: 

„Es ist durchaus nothwendig, dass die ausgegossenen Platten nach ihrer 
Erstarrung — etwa nach einer Stunde — bei einer Temperatur von 21,5 bis 
22°C. aufbewahrt werden, da bei niedrigerer Temperatur sich die Typhus- 
keime nicht derart typisch entwickeln.“ Schon nach 20 Stunden war er im 

65 


926 Hayaschikawa, 


Stande, auf der ersten Platte bei schwacher Vergrösserung neben den gelb- 
braunen, runden, scharfrandigen, granulirten Colikolonien die Typhuskolonien 
festzustellen, die in Faserformen, meist in kleinen, durchscheinenden Kolonien 
mit zahlreichen Ausläufern, wie sich etwa die Flagellaten dem Blicke dar- 
bieten, auftreten. Nach etwa 36 Stunden fanden sich auch auf der zweiten 
Platte die Typbuskolonien, als etwas grössere, gelbliche Gebilde, umgeben 
von einem starken Fadengewirr, während die Colikolonien rund geblieben 
waren. Als beste Zeit für eine erfolgreiche Untersuchung giebt er die Frist 
von 15—20 Stunden nach Anfertigung der Platten an. 

Piorkowski’s Angaben wurden wegen der ihnen zukommenden grossen 
praktischen Bedeutung alsbald sehr zahlreichen Nachuntersuchungen unterzogen, 
von denen ich auf einige wichtigere hier kurz eingehen will. 

Portner und Unger!) benutzten zur Herstellung der Gelatine gewöbn- 
lichen Harn, der durch 10—15 stündigen Aufenthalt bei 370 eine leicht alka- 
lische Reaktion erhalten hatte. Sie machten die Beobachtung, dass auch die 
Colikolonien zuweilen die Ausfaserung zeigten, und in 9 Typhusfällen erbielten 
sie erst nach wiederholter Aussaat Kolonien mit charakteristischer Ausfagerang. 
Sie kamen zu folgendem Schlussergebniss: 

„1. Fehlen in mehreren Aussaaten gefaserte Kolonien gänzlich, so liegt 
kein Typhus vor. $ 

2. Viele langgefaserte Kolonien sind für Typhus beweisend. 

3. Kurze gefaserte Siedelungen sind nur im Verein mit klinischen Symp- 
tomen für die Diagnose verwerthbar; in solchen Fällen bringt erst die weitere 
bakteriologische Prüfung derselben Sicherheit.“ 

Wittig?), der zuerst mit einem nach der Piorkowski’schen Vorschrift 
hergestellten Nährboden arbeitete, nachher aber durch 10 proc. Sodalösung 
künstlich alkalisirte Harngelatine verwandte, schliesst mit folgenden Thesen: 

nl. Der Harnnährboden Piorkowski’s ist nicht geeignet, lediglich aus 
dem Wachsthum der Kolonien den Nachweis des Typhus zu ermöglichen. 

2. Die Harngelatine scheint aber bei gleichzeitig angestellten anderen 
Proben für die Sicherung der Diagnose auf Typhus und in Sonderheit für die 
Frühdiagnose auf denselben geeignet. 

3. Die Bacillen der Coligruppe geben unter ‘noch nicht bekannten Bedin- 
gungen auf diesem Nährboden ein verschiedenes Wachsthum ein. Während 
meist eine runde, leicht zu charakterisirende Form wächst, können auch von 
Typhus nur durch die chemischen Reaktionen zu unterscheidende, mikroske- 
pisch jedoch mit Typhus identische Wachsthumsformen gebildet werden.“ 

Krause?) gelang es, vermittelst der Piorkowski’schen Gelatine 7 mal 
unter 8 Typhusfällen die Bacillen zu isoliren. 

Pappler®) alkalisirte den Harn durch Infieirung desselben mit Bact. urese 
und gab der mit diesem Harn bereiteten Gelatine den Vorzug vor der genau 

1) Münch. med. Wochenschr. 1899. S. 1737. 

2) Centralbl. f. Bakteriol. Bd. 26. S. 390. 

3) Münch. med. Wochenschr. 1900. S. 207. Zeitschr. f. klin. Med. Bd. 41. 8.405. 

4) Inaug.-Diss. Erlangen 1900. 


Die Verwendbarkeit der Harngelatine zur Züchtung von Typhusbacillen. 927 


nach Piorkowski hergestellten, da letztere angeblich leichter verflüssigt wird, 
als erstere. In 11 Typhusfällen war der Versuch einer Isolirung der Infektions- 
erreger 8 mal von Erfolg gekrönt. 

Clemm!), der schliesslich gleichfalls künstlich alkalisirten Harn für die 
Bereitung der Gelatine verwandte, beobachtete bei seiner ersten Untersuchung, 
als er genau nach Piorkowski’s Angaben arbeitete, typische Ausfaserung bei 
Colibacillen. Er äussert sich am Schlusse seiner Arbeit folgendermaassen: 

„Würde eine klinische Diagnose auf Grund der Harnplattenbefunde allein 
nach einem 15—24 stündigen Wachsthum der Keime in dem Nährboden ge- 
stellt, so könnte dies in vielen Fällen zu den grössten Irrthümern führen. Es 
kaon daher nicht, wie Piorkowski angiebt, nach Ablauf der gedachten Zeit 
die Diagnose auf den Typhusbacillus gestellt werden, ohne dass gleichzeitig 
dessen Identität durch die bekannten zuverlässigen Reaktionen auf denselben 
sicher gestellt worden wäre.“ 

Mayer2), der beim Aufbewahren der Platten bei einer Temperatur von 
22° seine Gelatine häufig verflüssigt sah, veränderte die Zusammensetzung des 
Nährbodens etwas, und beseitigte dadurch angeblich diesen Uebelstand. 

Auch Bischoff und Menzer) beobachteten bei einzelnen Ooliarten ebenso 
schöne Ausfaserung wie bei Typhuskolonien. Da sie andererseits zuweilen bei 
den Typhuskolonien keine deutliche Ausfaserung wahrnahmen, liessen sie sich 
von dem Piorkowski’schen Institute selbst Harngelatine schicken, hatten bei 
den Versuchen mit dieser aber das gleiche, zuweilen ein noch ungünstigeres 
Resultat und schliessen, wie folgt: 

„1. Die 3,3 proc. Harngelatine ist als ein weiteres Hilfsmittel, Typhus- 
bacillen aus dem Stuhle zu isoliren, anzuerkennen. Sie bietet den Vortheil, 
dass bei ihr nicht nur die oberflächlich wachsenden Kolonien, die bei gewöhn- 
licher neutraler Gelatine für eine Prüfung allein in Frage kommen, sondern 
auch die Kolonien in der Tiefe des Nährbodens ein charakteristisches Aussehen 
annehmen. 

2. Dieses charakteristische Aussehen weisen nicht alle Kolonien auf; auf 
Platten von Reinkulturen zeigt mindestens 1/4 der Kolonien ein atypisches 
Wachstbum. 

3. Die charakteristischen Kolonienformen werden nicht nur von Typhus- 
keimen gebildet; verschiedene Coliarten liefern Kolonien, welche theils nur 
wenig von Typhuskolonien unterschieden sind, theils sich von diesen überhaupt 
nicht unterscheiden lassen. 

4. Derartige Colibakterien werden nicht selten in den Fäces Gesunder, 
ferner von Kranken, welche nicht an Typhus leiden, und auch von Typhus- 
kranken angetroffen. 

5. Es ist deshalb nicht statthaft, auf Grund des Befundes bei der Durch- 
musterung der Platten eine Diagnose zu stellen; stets müssen die verdächtigen 


1) Inaug.-Diss. Giessen 1900. 
2) Centralbl. f. Bakteriol. Bd. 28. S. 125. 
3) Zeitschr. f. Hyg. 1900. Bd. 35. S. 307. 


65* 


928 Hayaschikawa, 


Kolonien isolirt und mit allen zu Gebote stehenden Hilfsmitteln weiter ge- 
prüft werden. ý $ i 

6. Hierdurch wird die Möglichkeit, innerhalb 24 Stunden eine Schnell- 
diagnose zu stellen, aufgehoben. Da die isolirten Keime stets weiter unter- 
sucht werden müssen, so wird eine wesentliche Zeitersparniss durch das Pi- 
orkowski’sche Verfahren nicht erzielt. 

7. Da Typhusbacillen auch atypisch wachsen, ist man bei dem Fehlen 
typischer Kolonien nicht berechtigt, Typhus auszuschliessen, sondern auch die 
Kolonien mit atypischer Fortsatzbildung müssen weiterer Untersuchung unter- 
worfen werden. 

8. Die Bildung der Fortsätze beruht auf der Neigung der Typhus- und 
Colibakterien, Scheinfäden zu bilden. Besonders ausgesprochen ist die Ranken- 
bildung auf dicht besäten Platten; sie scheint durch starke Inanspruchnahme 
des Nährbodens begünstigt zu werden. 

9. Das im Vergleich mit 3,3 proc. Fleischwassergelatine die Ausläufer auf 
Harngelatine zahlreicher sind, während das Centrum der Kolonien zurücktritt, 
dürfte dadurch veranlasst sein, dass die Harngelatine weniger reichliches Nähr- 
material bietet.“ 

Auf Veranlassung von Herrn Prof. C. Fraenkel habe nun auch ich die 
Angaben von Piorkowski einer Nachprüfung unterzogen. 

Ich arbeitete anfangs mit Gelatine, die genau nach Piorkowski’s Vor- 
schriften bereitet war. Jedoch machte ich dabei bezüglich der technischen 
Einzelheiten bald Erfahrungen, die mit denen der zuletzt erwähnten beiden 
Forscher übereiustimmen. Wie jene nalım ich wahr, dass es nicht möglich 
ist, nach der Anweisung von Piorkowski den Nährboden immer in annähernd 
gleicher Beschaffenheit herzustellen. Bei Verwendung von schwach alka 
lischem Harn zeigte die fertige Gelatine später häufig eine stark alkalische 
Reaktion, oder aber es schwächte sich gerade umgekehrt die ursprünglich 
deutlich alkalische Reaktion in erheblichem Grade ab. Die ungleichmässige 
und wechselnde Beschaffenheit des Nährbodens wird aber nicht nur durch 
den verschiedenen Säuregrad der Gelatine und deren schwankenden Gehalt 
an Salzen, sondern auch durch die veränderlichen Mengen von Harnstoff 
bedingt. Denn da sich der Harnstoff beim Kochen bekanntlich in Kohlensänre 
und Ammoniak spaltet, wird der Alkalescenzgrad der Harngelatine vom Gehalte 
des Harns an Harnstoff abhängig sein. 

Recht störend waren auch die im Nährboden, sowohl im Brütschrank bei 
220, wie bei Zimmerwärme auftretenden Ausscheidungen von Uraten und 
Phosphaten, die bei Gebrauch von stark wie schwach alkalisirtem Harn vor- 
kamen, weshalb ich auch das Eintreten dieser Erscheinung nicht nur auf die 
Alkalescenz, sondern ebenso auf die sonstige salinische Zusammensetzung des 
Substrats zurückführen möchte. Während die Phosphate gewöhnlich gleich- 
mässig im Reagensröhrchen vertheilt waren, schieden sich die Urate zunächst 
an der Oberfläche aus, und die Trübung schritt dann nach der Tiefe zu all- 
mählich weiter fort. Im Anfang wurde ich dadurch so irregeführt, dass ich 
in der Annahme, es handle sich um eine Verunreinigung des Nährbodens, die 
betreffenden Röhrchen beseitigte, bis ich dann bei der mikroskopischen Unter- 


Die Verwendbarkeit der Harngelatine zur Züchtung der Typhusbacillen. 929 


suchung feststellte, dass ich es mit Krystallen zu thun hatte. Um diesem 
Uebelstande zu begegnen, verfuhr ich folgendermaassen: Ich liess die Urate 
durch Abkühlen des frischen, normalen Harns ausfallen, filtrirte, alkalisirte 
mit koncentrirter Sodalösung und bewahrte den so behandelten Harn dann 
noch einen Tag lang auf, um die Ausscheidung der Phosphate zu bewirken. 
Letzteres ist freilich nicht durchaus nothwendig, da sich nachher zeigte, dass 
die Phosphate gewöhnlich bei schwach alkalischer Reaktion nicht ausfallen. 
Wenn die Gelatine und das Pepton völlig gelöst sind, muss man die Reaktion 
einer nochmaligen Prüfung unterwerfen, da die Lösung ven Gelatine und 
Pepton in Harn, wie vorhin schon erwähnt, häufig anders reagirt, als der 
Harn allein. In der weiteren Fertigstellung der Gelatine verfuhr ich dann 
nach Piorkowski’s Vorschrift. 

In so behandelter Harngelatine kann es nie zur Ausscheidung von Uraten, 
und nur ausserordentlich selten zu einer solchen von Phospbaten kommen. 
Trat letzterer Fall ausnahmsweise ein, so störte er doch nicht wesentlich; 
denn da die Phosphate sich in der Wärme nicht lösen, so braucht man nur 
die Gelatine zu verflüssigen — die relativ schweren Krystalle sinken dann zu 
Boden und bleiben beim Plattengiessen im Röhrchen zurück. Wenn die Krystall- 
ausscheidung dagegen erst in den Platten erfolgt, so pflegt sie nicht vor Ab- 
lauf von 48 Stunden einzutreten, also zu einer Zeit, wo die Untersuchung schon 
längst zum Abschluss gelangt ist. 

Als ich zum ersten Male den so abgeänderten Nährboden auf seine Brauch- 
barkeit prüfte, glaubte ich freilich dem genau nach Piorkowski’s Vorschrift 
bereiteten doch den Vorzug geben zu müssen, da zufälligerweise auch bei den 
Colikolonien eine ziemlich gute Ausfaserung auftrat; indessen bei weiteren 
vergleichenden Untersuchungen stellte sich umgekehrt gerade das von mir 
benutzte Verfahren zur Anfertigung der Gelatine als überlegen heraus, da es 
dem Nährboden entschieden konstantere Eigenschaften verleiht, den Uebelstand 
der Krystallausscheidung vermeidet und schneller von Statten geht. Kann 
man doch in dringenden Fällen schon in 5—6 Stunden so eine brauchbare 
Harngelatine herstellen. Man taucht zu diesem Zwecke den frischen Harn be- 
hufs Entfernung der Urate 3—4 Stunden in Eiswasser und verfährt dann weiter 
nach den oben gegebenen Mittheilungen. Nach einer 15 Minuten dauernden 
Behandlung im Dampftopf war die Gelatine dann stets völlig steril, was wohl 
in der relativen Keimfreiheit oder Keimarmuth des verwandten Materials seinen 
Grund hat. 

Um ein Schmelzen der Gelatine in den bei 22° gehaltenen Platten zu ver- 
meiden, empfiehlt es sich, dieselbe nach der Anfertigung möglichst kühl auf- 
zubewahren. Die Gelatine scheint durch längere Aufbewahrung bei einer 
ihrem Schmelzpunkte nahekommenden Temperatur eine Erniedrigung des letz- 
teren zu erfahren, was ja auch mit der bekannten Thatsache im Einklang steht, 
dass sie bei längerem Kochen ihre Erstarrungsfähigkeit einbüsst. Einmal wurde 
eine auf gewöhnliche Weise bereitete, aber nicht an kühlem Orte aufbewahrte 
Gelatine schon bei 20° erweicht; die bei 19° gewachsenen Typhuskolonien 
zeigten gerade hier übrigens eine so ausgezeichnete Ausfaserung, wie ich sie 
niemals wieder beobachtet habe. 

66 


930 Hayaschikawa, 


Den benutzten Brütofen muss man natürlich an einem Orte aufstellen, 
wo möglichst geringe Temperaturschwaukungen stattfinden, da kein Thermo- 
regulator gegen ein Steigen und Fallen der Aussentemperatur und namentlich 
gegen plötzliche Schwankungen ganz unempfindlich ist. Die Temperatur 
des Brütofens selbst muss dem Schmelzpunkte der Gelatine ziem- 
lich nahe liegen, wenn es zur Entwickelung schön ausgefaserter Kolonien 
kommen soll. Alsdann kann man aber schon nach 16—20 Stunden typische 
Kolonienformen sehen, während solche bei niedrigerer Temperatur erst nach 
24 Stunden oder hoch später auftreten. 

Mit dem auf diese Weise hergestellten und weiter behandelten Nährboden 
prüfte ich nun zuerst das Verhalten von Reinkulturen d:s Typhusbacillus 
einerseits und des Bacterium coli andererseits. 

Zu diesem Zwecke wurden 5 Typhus- und 7 Colistämme benutzt. In 
Uebereinstimmung mit Unger, Menzer und Bischoff beobachtete ich nun. 
dass durchschnittlich etwa der vierte oder dritte Theil der auf einer Platte vor- 
handenen Typhuskolonien gut ausgeprägte Faserung zeigte; ganz runde Kolo- 
nien habe ich nur sehr selten gesehen. Die Entwickelungsgesch windigkeit 
d. h. die Zeit, die hierzu erforderlich war, hing im übrigen von mannigfachen 
Umständen, wie Konsistenz der Gelatine, Gehalt an Salzen, namentlich Höhe 
der Temperatur u. a. m. ab. Reichliche Krystallausscheidung verzögerte das 
Wachsthum, während es durch geringe Krystallmengen nicht wesentlich beein- 
flusst wurde. 

Die verschiedenen Colistämme zeigten ein von einander abweichendes 
Verhalten. Die einen bildeten bis zum vierten oder dritten Theil 
der Gesammtheit Kolonien mit schöner Ausfaserung, während der 
Rest eine runde Form aufwies. Andere liessen Kolonien mit spindelförmigen 
Centren entstehen, von denen entweder ganz kurze Fäden oder zopfförmige 
Ausläufer ihren Ausgang nahmen; zwischen diese Formen waren wieder 
runde Kolonien eingestreut. 

Es geht schon hieraus hervor, dass es nicht zulässig ist, eine 
Kolonie allein wegen der vorhandenen Ausfaserung als eine 
solche des Typhusbacillus anzusprechen. Indessen kommen für den 
Zweck einer Unterscheidung von Typhus- und Colikolonien auf der Harn- 
gelatineplatte doch noch verschiedene andere bedeutsame, von Piorkowski 
aber nur nebenbei erwähnte Momente in Betracht, nämlich: 

1. Die Grösse der Kolonien, 

2. der Farbenton des Centrums, 

3. die Art und Weise der Ausfaserung. 

Erst die Berücksichtigung dieser drei Thatsachen verleiht der Harogela- 
tine ihren Werth. Gelang es mir mit Hilfe derselben doch fast stets, bei 
Betrachtung mit schwacher Vergrösserung die Typhuskolonien auch als solche 
zu erkennen. 

Nach Ablauf von 24 Stunden haben die Typhuskolonien nämlich nur etwa 
1/,—1/; der Grösse der Colikolonien, welch letztere dem blossen Auge um diese 
Zeit gerade sichtbar werden, falls sie nicht zu dicht gesät sind und genügenden 
Raum zu ihrer Entwickelung haben. Wenn 24 Stunden alte, mit noch so 


Die Verwendbarkeit der Harngelatine zur Züchtung der Typhusbacillen. 931 


schönen Ausfaserungen versehene Kolonien schon makroskopisch wahrnehmbar 
sind, so kann man mit Sicherheit behaupten, dass es sich nicht um Typhus- 
bacillen handelt, die selbst bei sonst günstigsten Bedingungen erst nach etwa 
40 Stunden mit unbewaffnetem Auge zu erkennen sind. 

Ihren grössten Umfang erreicht die Colikolonie nach 40 Stunden; sie ist 
dann etwa doppelt so gross, als die Typhuskolonie von gleichem Alter, 

Der Farbton bleibt bei den Typhuskolonien in den ersten 48 Stunden 
gewöhnlich hellgelb, während Bac. coli mehr oder minder dunkle Kolonien 
bildet. Nur in den allerdings sehr wichtigen Fällen, wo die Colikolonien mit 
deutlichen Ausfaserungen versehen sind, pflegt auch ihr Centrum heller als 
gewöhnlich und kleiner zu bleiben. Es liegt dann zunächst sicherlich die 
Gefahr einer Verwechselung sehr nahe; wartet man nun aber noch eine An- 
zahl von Stunden, so nimmt man bald wahr, dass die Kolonie für Typhus zu 
rasch wächst und zu dunkel wird. 

Zuweilen fand sich übrigens in den Fäces ein nach seiner lebhaften Be- 
weglichkeit an den Choleravibrio erinnernder, auch die Gelatine weiterhin 
verflüssigender Bacillus, dessen Kolonien ich anfänglich als solche des 
Typhusbacillus ansprach, bis ich sie dann bald unterscheiden lernte, da sie, 
abgesehen von allem anderen, gleichfalls etwas grösser und dunkler waren 
als diese. 

Ausser der Grösse und dem Farbenton kommt uns noch die Art der 
Ausfaserung zur Hilfe, um die Typhuskolonien von denen der Colibacillen 
zu trennen. Während nämlich die Ausläufer der Typhuskolonie gewöhnlich 
stark geschlängelt sind und längere Zeit ihre anfängliche zarte und feine Be- 
schaffenheit bewahren, verlaufen die von den Colikolonien ausgehenden Fasern 
mehr in gerader Richtung und werden schnell dick. 

Wenn man alle diese Punkte in Betracht zieht, wird es bei einiger Uebung 
fast immer gelingen, die Typhuskolonien von denen der in erster Linie diffe- 
rentialdiagnostisch in Frage kommenden Colibacillen zu unterscheiden. Da 
Irrthümer indessen doch nicht völlig ausgeschlossen sind, so ist es durch- 
auserforderlich, die auf Typhus verdächtigen Kolonien in Bouillon 
überzuimpfen, um 6—10 Stunden später durch die Serumreaktion 
die Diagnose endgiltig zu sichern. 

Die Kolonien der übrigen noch den in Fäces enthaltenen Bacillen bieten, ab- 
gesehen vielleicht von denen des oben schon erwähnten choleraähnlichen 
Bacillus, keinerlei Schwierigkeiten betreffs der Unterscheidung von Typhus- 
kolonien. 

Haben wir also der Auffaserung und ihren feineren Eigenthümlichkeiten 
für die Erkennung der Typhuskolonien doch eine besondere Bedeutung zuge- 
schrieben, so geziemt es sich wohl, an dieser Stelle auch noch mit einigen 
wenigen Worten auf die eigentlichen Ursachen einzugehen, die der auffälligen 
Erscheinung zu Grunde liegen mögen. Von den bisherigen Beobachtern haben 
sich mit dieser Frage auch schon mehrere beschäftigt. So glaubte z. B. Pior- 
kowski selbst, dass unmittelbare Beziehungen zwischen der Stärke der Auf- 
faserung und dem Grade der Virulenz Statt hätten, wozu ich vielleicht be- 
merken darf, dass ich gerade bei Bacillen, die von sehr leicht verlaufenden 

66* 


932 Hayaschikawa, 


Typhusfällen stammten, eine besonders schöne Ausfaserung der Kolonien wahr- 
genommen habe. Bischoff und Menzer sind der Meinung, dass die Aus- 
faserung durch den geringen Gehalt der Harngelatine an Nähr- 
material bedingt sei u. s. f. 

Wie dem auch sei, jedenfalls sind nach meinen Untersuchungen folgende 
drei Momente von ausschlaggebender Bedeutung für das Auftreten der Aus- 
faserung. 

1. Die Reaktion des Nährsubstrates. 

Wie Bischoff und Menzer auch ihrerseits bemerkt haben, verhindert 
eine saure Reaktion die Ausfaserung ganz. Bei neutraler und stark alkalischer 
Reaktion ist sie nur gering. Eine schwach alkalische Reaktion bietet für 
sie die günstigsten Bedingungen. 

2. Procentgehalt und Konsistenz der Gelatine. 

Bei hoch-, z.B. 10 proc. Gelatine tritt für gewöhnlich keine Ausfaserung 
ein; kocht man eine solche indessen lange Zeit, so nimmt ihr Erstarrungsver- 
mögen ab, und nun zeigen die Kolonien auch die Ausfaserung. 

3. Die Temperatur. 

Selbst in einer 3,3proc. Harngelatine bilden die Typhuskolonien keine 
Fasern, wenn die Temperatur unter eine gewisse Grenze hinabgeht. 

Das Alter der verwandten Harngelatine hat dagegen nach meinen Beobach- 
tungen keine so wesentliche Bedeutung, wie dies nach den Angaben von P. der 
Fall sein soll, der nur das ganz frisch bereitete Substrat für geeignet hält. 
Selbst 4 Wochen alte Röhrchen liessen auf der Platte noch völlig typische Kolo- 
nien entstehen, während freilich über diese Zeit hinaus aufbewahrte keine 
ganz gleichmässigen Ergebnisse mehr lieferten. 

Bietet uns die Piorko.wski’sche Harngelatine also ein brauchbares 
Mittel zur frühzeitigen Unterscheidung der Typhus- und der Colikolonien und 
zur Erkennung der ersteren, so entstand nun natürlich die Frage, ob sich 
nicht auch andere Nährböden mit gleichem Erfolge an Stelle der Harngelatine 
benutzen liessen. Was zunächst die gewöhnliche 10proc. Fleischwasser-Pepton- 
gelatine angeht, so kann hier der Entscheid nicht zweifelhaft sein: während 
bei ihrer Verwendung nur die verhältnissmässig wenigen und spät auftretenden 
Oberflächenkolonien zur Differentialdiagnose in Betracht kommen, bilden die 
Typhusbacillen in der Harngelatine schon in der ersten Zeit ihrer Entwicke- 
lung zahlreiche charakteristische Kolonien. Auch an den spärlichen oberläch- 
lichen Kolonien auf der gewöhnlichen Gelatine konnte ich übrigens nur sehr 
selten Ausfaserungen wahrnehmen. 

In einer Fleischwasser-Peptongelatine von gleicher Stärke, wie die Harn- 
gelatine, d. h. mit einem Gehalt von 3,3 pCt. Gelatine, zeigen die Typhus- 
kolonien zwar Ausfaserung, doch schien mir, soweit ich das nach freilich nur 
viermaligem Vergleich beurtheilen kann, die Zahl der typischen Kolonien ge 
ringer zu sein, als in der Harngelatine. 

Das nämliche gilt in verstärktem Maasse von der 6proc. Harngelatine, die 
ausserdem bei 28°, bei welcher Temperatur sie nach Piorkowski gehalten 
werden sollte, schmilzt. 

Die Benutzung der Piorkowski’schen Harngelatine stellt also nach alle- 


Die Verwendbarkeit der Harngelatine zur Züchtung der T’yphusbacillen. 933 


dem ohne Zweifel eine sehr brauchbare Methode zur Isolirung der Typhus- 
bacillen mit Hilfe der Kultur dar, weil der Nährboden im Vergleich mit an- 
deren sicherere Kennzeichen für die Diagnose liefert. 

Aber freilich war diese Behauptung, zu der ich auf Grund von verglei- 
chenden Beobachtungen an Reinkulturen der Typhus- und Colibacillen gelangt 
war, nun noch unter den Verhältnissen der Praxis auf ihre Richtigkeit zu prüfen, 
und erst, wenn sie diese schärfere Feuerprobe bestanden, konnte man ihr all- 
gemeineren Werth zusprechen. Ich habe deshalb in einer ganzen Anzahl von 
Fällen die Harngelatine benutzt, um aus den Fäces und dem Urin Typhus- 
kranker Typhusbacillen zu züchten. Den Herren Aerzten der medicinischen 
Klinik, des Diakonissenbauses, des Elisabethkrankenhauses, des Bergmanns- 
trostes zu Halle a. S., sowie der Leipziger medicinischen Klinik bin ich für 
die Liebenswürdigkeit, mit der sie eine schnelle Uebersendung geeigneten Ma- 
terials an mich veranlasst haben, zu grossem Danke verpflichtet, den ich hier- 
mit zum Ausdruck bringe. Allerdings war mit einer derartigen Uebermittelung 
vom Krankenhaus in das hygienische Institut doch selbst im günstigsten Falle 
stets ein mehr oder minder grosser Zeitverlust verbunden, sodass die Proben 
schliesslich häufig doch nicht so frisch zur Untersuchung gelangten, wie es 
im Interesse eines sicheren Befundes wünschenswerth gewesen wäre. 

Die vermeintlichen Typhusbacillen wurden stets durch folgende Reak- 
tionen als solche identificirt: 

1. Beweglichkeit, 

2. Iodolprobe, 

3. Milchprobe, 

4. Traubenzuckerprobe, 

5. Wachsthum auf Kartoffeln, 

6. Serumprobe (specifisches Ziegenserum). 

Sehr störend für die Untersuchung und Isolirung ist das Vorkommen 
grösserer Mengen von die Gelatine verflüssigenden Bakterien im Koth, wie 
es zwar nur selten in frischen Fäces, häufiger dagegen in alten Proben beob- 
achtet wird. In solchen Fällen verliert die Gelatine schon bei Temperaturen 
unter 220 ihre feste Beschaffenheit. Es ergiebt sich daraus die Lehre, thunlichst 
ganz frischen Koth zu verwerthen und schon nach etwa 10—15 Stunden 
die Platten einmal zu durchmustern, um bei Anwesenheit vieler die Gelatine 
verflüssigender Bakterien die typhusverdächtigen Kolonien zum Zweck weiterer 
Untersuchung alsbald abimpfen zu können. Ueber die Ergebnisse meiner 
Untersuchungen berichtet die folgende Tabelle. 

Diese Befunde bedürfen nur weniger weiterer Worte zur Erläuterung. 
Das in der einen Rubrik angeführte Zahlenverhältniss zwischen Typhus- und . 
anderen Darmbakterien wurde so festgestellt, dass zunächst nur die ganz cha- 
rakteristischen Kolonien in Rechnung gezogen und dann weiter alle nur etwas 
zweifelhaften mit der Serumreaktion genauer geprüft wurden. 

Wie die Tabelle zeigt, ist es namentlich aus flüssigem, mässig stark alka- 
lischem, also älterem Kothe am wenigsten gut gelungen, die Typhusbaeillen zu 
isoliren. Eben deshalb sind aus den von der Leipziger Klinik herrührenden und 
hierher geschickten Stühlen, welche immer eine stark alkalische Reaktion be- 


Hayaschikawa, 


Bakt. Untersuchung. 

} a) Ty- p) Zanin Widal- | Nachweis 
& Stadium der Beschaffenheit N en sche |v. Typhus- 
g Erkrankung. des Stuhls. wurden Typhus: Reak- | bacillen 
= nach- |). anderen| tion. | im Ham. 

gewiesen.| Darmbak- 
+ - terien. 

1. | Fieber frisch, gelbbreiig + + 

2. | 30.Krankheitstag) flüssig, ganz schwach = 1: 100 +1 

alkalisch 

3. | 18. Krankheitstag| K + + 

4. | Fieber flüssig, mässig al- | + 1:100 +! + fast 

kalisch ı Reinkult. 

5. » n + 1: 200 + 

6. ” » = 1:50 + 

T. a festweich + T2:C1]1:50 + 

8. = “ + T20: C1ļ1:50 +! 

9. » 10. Krank-) flüssig, schwach al- | + T1:C7J negativ | + fast 

heitstag kalisch Reinkult. 
10. Fieber, 14. Krank- J =; + | 
heitstag 
11. | Fieber festweich + T3:C11J1:200+ 
12. 5 flüssig, schwach al- | + fast Rein- Į 1: 200 + 
kalisch kultur v.T. | 
13. | 9. Rekonvales- hart + T1:C10]1:400;+| 
cenztag 
14. | Fieber breiig, schwach al- | + T1:C10| + H 
kalisch 
15. Pr flüssig, ganz schwach = 1:100 +] -— 
alkalisch 
16. » 16. Krank- * + T1:C400[|1:200 
heitstag nach 
1 Std. + 
17. | Fieber breiig + T1:C711:200+! — 
18. » 3. Woche | flüssig, ganz schwach | -+ T3: C1]1:200 +:+ ziemlich 
alkalisch reichlich. 
19.| 1. Rekonvales- " = zweifel-| + 
cenztag haft 
20. | Fieber flüssig, mässig stark = 1 : 100 + 
alkalisch 
21. u Pr - 1:50 + — 
22. » R - 1:50 
nach 
1Std. + 
23. Š S _ 1:200 + 


sassen, niemals Typusbacillen isolirt und diese Proben daher gar nicht in die 
Tabelle aufgenommen worden. Wahrscheinlich werden die Typhusbacillen durch 
Saprophyten derartig überwuchert, dass wir nur wenig Aussicht haben, unter 
der Unzabl anderer Bakterien auch einige Typhusbacillen zu erhalten. 

Was die Reaktion geformter oder festweicher Stühle anbetrifft, so babe 
ich es entweder überhaupt versäumt, sie zu prüfen, weil ich Anfangs auf diesen 
Punkt nur geringes Gewicht legte, oder aber die Farbe des Kothes war schwarz 
oder bräunlich-schwarz, sodass es schwer war, die Reaktion genau zu bestim- 
men, und so erklärt es sich, dass diese Frage häufig unbeantwortet geblieben 


Die Verwendbarkeit der Harngelatine zur Züchtung der Typhusbacillen. 935 


ist. Jedenfalls habe ich, wie die Tabelle lehrt, aus geformten Stühlen, welche 
nicht zu alt waren, jedesmal die Typhusbacillen gewonnen. 

Bei 23 Typhuskranken ist das 14mal = 60,8 pCt. gelungen; werden alle 
mässig oder stark alkalischen Stühle ausgeschlossen, so steigt der Procentsatz 
sogar bis auf 73,7. 

Die Zahl der positiven Befunde würde aber zweifellos noch höher gewesen 
sein, wenn ich einmal, wie schon betont, den Koth unmittelbar nach der Ent- 
leerang hätte verarbeiten können, und wenn ferner in den Fällen mit vega- 
tivem Resultate eine mehrmalige Untersuchung vorgenommen worden wäre, 
wie es die oben angeführten Forscher öfter mit Erfolg gethan haben. Immer- 
hin wird man aus verschiedenen Gründen auch dann noch nicht mit Sicherheit 
daranf rechnen können, von jedem Patienten die Bacillen zu gewinnen. In 
dem Falle 15 z. B., wo die Diagnose Typhus völlig sicher stand, da Milz- 
schwellung, Roseolen u. s. w. und ausserdem eine positive Widal’sche Reak- 
tion vorhanden war, ist es mir auch bei zweimaliger sorgfältiger Prüfung 
nicht geglückt, die Typhusbacillen im Koth nachzuweisen. Hier erklärte sich 
das wenigstens zum Theil schon dadurch, dass in den betreffenden Fäces 
viele peptonisirende Bakterien enthalten und die Platten daher schon nach 
20 Stunden verflüssigt waren. 

In anderen Fällen aber macht sich als erschwerender und den Nachweis 
der Typhusbacillen verhindernder Umstand die Thatsache geltend, dass ihre 
Zahl in den Fäces hinter der anderer Bakterien überhaupt sehr zurücktritt, 
und endlich giebt es ohne Zweifel auch Typhusfälle, in welchen Darmläsionen 
völlig fehlen, wie es namentlich manche Mittheilungen in der englischen und 
amerikanischen Literatur!) berichten. 

Unter solchen Verhältnissen kann dann zuweilen noch eine Untersuchung 
des Harns zum Ziele führen. Im Harn fand ich von 9 Typhuskranken 5mal 
Typhusbaeillen, darunter 3mal fast in Reinkultur. Endlich isolirte ich auch 
von 7 Roseolen, bei 4 Patienten untersucht, aus dreien, drei verschiedenen 
Kranken angehörend, Typhusbacillen. Bemerkenswerth ist dabei, dass sich im 
Fall 10 Typhusbacillen in den Roseolen nachweisen liessen, während sie im 
Koth vermisst wurden, und dass sie im Fall 19 im Harn vorbanden waren, 
die Untersuchung der Fäces aber auch hier versagte. Man wird daraus die 
Lehre schöpfen müssen, die genannten drei verschiedenen Materialien stets 
einer gleichzeitigen Prüfung zu unterziehen, um zuverlässige Ergebnisse zu 
erhalten. Aber gerade dieser Forderung gegenüber erscheint andererseits die 
Frage gewiss berechtigt, ob sich denn eine solche immerhin nicht geringe 
Mühe überhaupt lohne, ob man nicht mit Hülfe der gewöhnlichen klinischen 
Zeichen und namentlich der Widal’schen Reaktion schon zum Ziele komme, 
die Diagnose auf Typhus stellen könne und also jede weitere Ergänzung dieser 
Mittel ganz entbehrlich sei. Für die Mehrzahl der Fälle dürfte das sicher 
zutreffen. Indessen kommen doch auch Erkrankungen an Typhus vor, deren 
klinisches Bild ein schwankendes und zweifelhaftes, und bei denen die Widal- 


1) Brit. med. Journ. Vol. 1. p. 776. New York med. Journ. Vol. 70. p. 158-162. 
Philadelphia monthly med. Journ. Vol. 1. p. 543. 


936 Hayaschakiwa, Die Verwendbarkeit der Harngelatine u.s.w. 


sche Probe fehlt, bezw. erst sehr spät auftritt!), oder wegen eines früher be- 
reits überstandenen Typhus nur mit Vorsicht verwertlbar ist. Hier wird danu 
die kulturelle Prüfung von Koth, Harn und Roseolenblut auf Typhusbacillen 
in der That in ibre Rechte treten und bei geschickter Benutzung der einschlä- 
gigen Verfahren, namentlich eben der Harngelatine, fast immer von Erfolg 
gekrönt sein. 

Das Ergebniss meiner Untersuchungen sei in folgenden Schlusssätzen zu- 
sammengefasst: 

In der Piorkowski’schen 3,3proc. Harngelatine zeigen die bei 22° ge- 
züchteten Kolonien der Typhusbacillen, und zwar auch die tiefliegenden, eine 
deutliche Ausfaserung. Nicht alle Kolonien sind freilich in gleichem Maasse 
ausgefasert; runde Typhuskolonien beobachtet man jedoch nur selten, voraus- 
gesetzt, dass die Temperatur eine gleichmässige und die Gelatine nicht allzu 
alt war. 

Es giebt auch Coliarten, welche in diesem Nährboden eine ebenso deut- 
liche Ausfaserung zeigen, wie die Typhusbacillen. 

Trotzdem lassen sich Typhus- und Colikolonien hier von einander unter- 
scheiden: 

a) durch die Grösse, denn die Typhuskolonien sind in demselben Ent- 
wickelungsstadium und nach derselben Zeit etwa 1/,—!/‚mal kleiner als die 
Colikolonien; 

b) durch die Farbe, denn die Typhuskolonie bewahrt für etwa 48 Stunden 
einen hellgelben Farbenton, während die Colikolonie viel dunkler erscheint; 

c) durch die Art der Ausfaserung, denn bei den Typhuskolonien sind 
die Ausläufer länger, zarter und stärker geschlängelt als bei den Colikolonien, 
wo sie meist kürzer, schnell verdickt und zopfförmig erscheinen und weniger 
stark geschlängelt sind. 

Um diese Einzelheiten in gehöriger Weise hervortreten zu lassen und 
feststellen zu können, ist es erforderlich, dafür Sorge zu tragen, dass die Bo- 
lonien auf den Platten nicht zu dicht gesät sind, da sonst die Ausfaserung 
häufig verkümmert bleibt. 

Auch durch reichliche Krystallbildung in der Gelatine, wie sie nicbt 
selten vorkommt, wird die Intensität der Ausfaserung sehr beeinträchtigt. 
Die nach meinen Angaben von ausgeschiedenen Salzen befreite, künstlich mit 
Soda alkalisirte Harngelatine ist an Brauchbarkeit der Piorkowski’schen 
Gelatine daher überlegen, mindestens aber gleichwerthig. 

In gewöhnlicher 3,3proc. Fleischwasser-Peptongelatine bilden die Typhus- 
kolonien gleichfalls Ausläufer und Fasern, die indessen nicht so stark aus- 
geprägt sind, wie in der Harngelatine. 6proc. Harngelatine schmilzt bei 23%; 
die Ausfaserung ist in ihr nicht so deutlich wie in 3,8proc. Die Piorkowski- 
sche Harngelatine, besonders die nach meinen Angaben hergestellte, ist daher 

| nach meinen Erfahrungen für die Isolirung der Typhusbacillen den anderen 
\ genannten Nährmitteln vorzuzieben. 
Der geeignetste Zeitpunkt zur Untersuchung der Platten liegt zwischen 


1) Schumacher, Zeitschr. f. Hyg. Bd. 30. S. 364. 


Infektionskrankheiten. 937 


der 20. und 40. Stunde. Von der 40. Stunde an verwischen sich die vorher 
beobachteten Unterschiede. 

Die richtigste Temperatur beträgt etwa 22°; ist die Gelatine vorher in 
einem kalten Raum, bei niedriger Temperatur aufbewahrt worden, so verträgt 
sie nacher auch etwas höhere Wärmegrade, ohne zu schmelzen, und bei meiner 
Gelatine trat dies z. B. oft erst bei 23,50 und darüber ein. Kurz vor dem 
Gebrauch erhitzt man sie dann zweckmässigerweise noch einmal für einige 
Minuten in kochendem Wasser, kühlt sie bis 30° ab, nimmt die Impfung 
vor nnd lässt sie nach dem Ausgiessen in Schälchen rasch erstarren, indem 
man letztere auf Eis stellt. 

Nur ein positives Ergebniss bei der Untersuchung von Fäces, Urin und 
Roseolen auf Typhusbacillen ist beweiskräftig. 


WArriga G., Ueber die Gegenwart und über die Phasen des Koch- 
schen Bacillus in den skrophulösen Lymphdrüsen. Centralbl. f. 
Bakteriol. Bd. 29. No. 4. S. 122. 

Verf. bringt eine kurze Ergänzung seiner unter gleichem Titel in Bd. 28 

No. 16 oben genannter Zeitschrift veröffentlichten Mittheilungen. Wie in 

diesen, so betont er wiederum die tuberkulöse Natur der skrophulösen 

Drüsen und weist alle andersartigen Anschauungen mit dem Einwand zurück, 

dass der Nachweis von Tuberkelbacillen durch die früheren Untersuchungs- 

methoden, einschliesslich des Thierversuchs, unzuverlässig und schwierig ge- 
wesen und erst durch seine Färbemethode namentlich im Drüsengewebe leicht 
und sicher geworden sei. Bruno Heymann (Breslau). 


Goldschmidt, Hereditäre Uebertragung der Tuberkulose. Münch. med. 
Wochenschr. 1901. No. 9. S. 344. 

Verf. tritt E. Klebs entgegen, der in einem unter obigem Titel (Münch. 
med. Wochenschr. No. 4) veröffentlichten Aufsatz die Ansicht ausgesprochen 
hat, dass die Uebertragung der Tuberkulose von scheinbar. gesunden 
Eltern auf ihre Nachkommen am häufigsten von latenter Tuberkulose des 
Vaters herrühre. Seine eigenen Beobachtungen widersprächen dieser Annahme 
von Klebs auf das Bestimmteste. Dieselbe betreffen zunächst 28 Stammbäume, 
wo völlig gesunde und häufig ausnehmend robuste Ehepaare später tuberkulöse 
Kinder hatten, und andererseits ergaben die Sterblichkeitstabellen einer zahl- 
reichen, auf Madeira ansässigen Fremdenkolonie, die vorwiegend englischer 
Nationalität, meist von tuberkulösen Vorfahren abstammt, während des ganzen 
19. Jahrhunderts nur einen Todesfall an Lungentuberkulose. Verf. meint so- 
gar, dass diese Abkömmlinge sich geradezu einer ungewöhnlichen Widerstands- 
fähigkeit gegen Tuberkulose unter der übrigen, sonst von ihr sehr heimge- 
suchten Bevölkerung erfreuten und völlig verschont bleiben. Andererseits 
starben von den 28 oben erwähnten Familien in 21 Fällen alle Kinder an 
Tuberkulose im Alter von 15—35 Jahren, in 5 Fällen die Mehrzahl der Kinder, 
und in 2 Fällen erkrankten je Imal 2 Kinder an Knochentuberkulose. In 

67 


938 Infektionskrankheiten. 


22 Fällen wurde Syphilis vom Vater zugestanden. Die Ascendenz aller Paare 
war tuberknlosefrei; in 9 Fällen würde Tuberkulose in Seitenlinien angegeben 
Verf. spricht sich für die grosse Bedeutung der Syphilis als prädisponirendes 
Moment für die Tuberkulose in der Descendenz aus und fordert zu einer zweck- 
mässigen Behandlung der Eltern im Interesse der grösseren Widerstandsfäbigkeit 
der Kinder gegen Tuberkulose sowie zu zweckentsprechender körperlicher Er- 
ziehung der Kinder auf. Bruno Heymann (Breslau). 


Reibmayr A., Ueber die natürliche Immunisirung bei tuberkulösen 
Familien. Münch. med. Wochenschr. 1901. No. 13. S. 502. 

Verf. vertritt auf Grund vieljähriger „geuealogischer“ Erforschung der Tu- 
berkulosefrage die Anschauung, dass durch den Kampf der Generationen mit 
der Tuberkulose allmählich eine geringere Empfänglichkeit der Familie 
für diese Krankheit zu Stande kommt. Diese Familienimmunität sei in jedem 
einzelnen Erkrankungsfalle auch für die praktischen Fragen der Behandlunz 
u.s. w. zu berücksichtigen. Vor allem aber müsse bei der Annahme der vor- 
handenen und im Laufe der Generationen wachsenden Immunisirung da 
Hauptgewicht der hygienischen Thätigkeit nicht auf die Verhütung einer mög- 
lichen Infektion gelegt, sondern in erster Linie die Erhaltung der ererbten 
Widerstandskraft angestrebt werden. Dann erst würden die von der Hygiene 
veranlassten Vorsichtsmaassregeln gegen die Ansteckung in gleicher Weise 
den rechten Erfolg haben wie „die Reinlichkeit und Desinfektionsmittel bei 
einem ÖOperirten mit gesundem Blut“. Verf. stellt demnach die Disposition 
allen anderen Faktoren der Ansteckung weit voraus und schliesst damit, dass 
„derjenige, welcher das ererbte Kapital der Widerstandskraft gegen das Tuber- 
kulosegift durch ein unhygienisches Leben verschwendet, auch durch die rigo- 
rosesten Verordnungen und Maassregeln vor der Infektion nicht sicher gestellt 
werden kann“. Bruno Heymann (Breslau). 


Tobler, Maria, Beitrag zur Frage des Vorkommens von Tuberkel- 
bacillen und anderen säurefesten Bacillen in der Marktbutter. 
Zeitschr. f. Hyg. Bd. 36. S. 120. 

Verf. untersuchte 12 Butterproben aus Läden und Molkereien der Stadt 
Zürich; zwei von ihnen stammten aus demselben Geschäft. Zur Verwendung 
kamen von jeder Probe 100—500 g Butter, welche im Brütschrank bei 33° 
verflüssigt wurdeu; die geschmolzene Masse wurde dann tüchtig durchmischt 
und stehen gelassen, bis sich das klare Fett an der Oberfläche angesammelt 
hatte; von diesem wurden 4—5 ccm zur Injektion eines Thieres verwandt. 
Dann wurde das Fett zum grössten Theil abgegossen, der Rest mit dem Boden- 
satz vermischt und als fetthaltiger Bodensatz zu 2—5 ccm weiteren Thieren 
injieirt. Schliesslich wurde nach der von Roth angegebenen Methode durch 
Ausschütteln von je 5 g Butter mit sterilem Wasser und nachfolgender Cen- 
trifugirung ein vollkommen fettfreier Bodensatz hergestellt und zur Injektion 
verwendet. Das Resultat der Untersuchungen war: 2 von den 12 Proben ver- 
ursachten bei je einem Versuchsthier eine echte tuberkulöse Erkrankung: 
aus den erkrankten Organen von 3 intraperitoneal und 2 subkutan geimpften 


Infektionskrankheiten. 939 


Tbieren wurden 5 verschiedene, mehr oder weniger säurefeste tuberkel- 
bacillenähnliche Mikroorganismen in Reinkultur gewonnen, die dem Verf. mit 
den bisher bekannten Vertretern dieser Gruppe nicht identisch zu sein scheinen. 
In einem Falle war ein knötchenbildender Krankheitsprocess deutlich, der 
bakteriologische Befund jedoch vollkommen negativ. In einer anderen Serie 
zeigten 2 Thiere eine wenig ausgedehnte Erkrankung; mikroskopisch wurden 
säurefeste Bacillen nachgewiesen, konnten aber nicht in Kulturen gezüchtet 
werden. Nur 5 von den 12 Proben gaben ein völlig negatives Resultat. 
Bruno Heymann (Breslau). 


Hellström F. E, Ueber Tuberkelbacillen-Nachweis in Butter und 
einige vergleichende Untersuchungen über pathogene Keime in 
Butter aus pasteurisirtem und nicht pasteurisirtem Rahm. Cen- 
tralbl. f. Bakteriol. Bd. 28. No. 17. S. 542, 

Im ersten Abschnitte -der Arbeit stellt der Verf. die bisherigen Butter- 
untersuchungen, beginnend mit den Arbeiten von Brusaferro und Roth aus 
den Jahren 1890 und 1891 bis zur Veröffentlichung von Korn, zu Anfang 
1899, in geschickter Weise und grosser Vollständigkeit zusammen. Er glaubt, 
die zum Theile sehr von einander abweichenden Ergebnisse der Autoren da- 
durch erklären zu können, dass die untersuchten Buttersorten nicht nur nach 
ihrer örtlichen Provenienz, sondern vor Allem nach ihrer Herstellungs- und 
Aufbewahrungsweise sowie nach ihrer chemischen Beschaffenheit, Alter u.s.w. 
verschieden waren. Bei allen bisherigen Butteruntersuchungen seien gerade 
diese letzteren, für das Fortkommen von Tuberkelbacillen in Butter so wich- 
tigen Momente, nicht oder nicht genügend berücksichtigt worden. Nicht ein- 
mal das Alter der Proben sei angegeben. Nachdem durch Untersuchungen von 
Heim, Gasperini und Laser nachgewiesen sei, dass die Tuberkelbacillen 
nicht unbedingt lange in Butter verweilen können, vielmehr schon in einem 
Zeitraum von 12—30 Tagen in ihrer Infektionsfähigkeit geschädigt werden, 
hänge es nicht ausschliesslich von der Herstammung der Butter ab, ob man 
Tuberkelbacillen in ihr finden werde, sondern ebensosehr von ihrer Beschaffen- 
heit, von der Aufbewahrung und dem Alter. In einer Butter, die wie die 
„Bauernbutter“ nach älteren, unvollständigen Methoden aus süssem, nicht 
pasteurisirtem Rahme hergestellt sei und kurz nach dem Ausbuttern verkauft 
werde, habe man a priori den grössten Procentsatz von pathogenen Keimen zu 
erwarten. Bei der Exportbutter, die in den nordeuropäischen Ländern 
hauptsächlich aus den sogenannten Autheilsmeiereien stamme, bestehe durch 
das Zusammenmischen der Milch aus ganzen, sogar aus mehreren Dörfern eine 
grosse Gefahr, dass tuberkelbacillenhaltige Milch mit eingemischt werde, und 
auch der Umstand, dass solche Butter meist schon älter sei, wenn sie auf den 
Tisch komme, habe in diesem Falle nichts zu sagen, da das beim Exporte 
angewandte gute Konservirungsverfahren auch die pathogenen Keime mit 
konservire. 

Die wenigsten pathogenen Keime seien, abgesehen von der aus pasteuri- 
sirtem Rahm hergestellten, in einer schon längere Zeit gelagerten und auch 
meistens stärker gesalzenen Butter und in Bauernbutter aus natürlich saurem 

67* 


940 Infektionskrankheiten. 


Rahm zu erwarten. Besonders bei der letzteren Art der Herstellung seien die 
Keime zum Theil schon durch das Sauerwerden der Milch vernichtet oder 
doch in ihrer Lebensfähigkeit so beeinträchtigt, dass sie eine sehr geringe 
Widerstandskraft gegen die ungünstigen Lebensbedingungen in der Botter 
besitzen. 

Im zweiten Abschnitt berichtet der Verf. über vergleichende eigene 
Butteruntersuchungen. Von 12 verschiedenen Buttersorten, deren Alter 
zwischen 3 und 8 Tagen, 2 und 3 Wochen, 1—4 Monaten schwankte, stellte 
er den Salzgehalt, den Gehalt an freien Säuren und die Keinızahl fest. Ausser- 
dem wurden mit jeder Probe mindestens 2 Meerschweinchen injicirt. Handelte 
es sich um Butter aus nicht pasteurisirtem Rahm, so erwies sich hierbei das 
Verfahren von Obermüller als das empfehlenswertheste. Bei hohem Salı- 
gehalte der Butter war es ausserdem vortheilhaft, den fettfreien Theil der 
Butter vor dem Injiciren nochmals mit Wasser auszulaugen. 

Bei den Untersuchungen der Butter aus’ pasteurisirtem Rahm 
wurden nur Einspritzungen mit nicht centrifugirter, bei 40° schnell geschmol- 
zener Butter gemacht. 

Es ergab sich nun, dass von den mit Butter aus pasteurisirtem Rahm 
eingespritzten Thieren kein einziges innerhalb 2 Monaten einging. 
dass dagegen die mit Buttersorten aus nicht pasteurisirtem Rahm 
geimpften Thiere fast alle an Peritonitis, meist durch Streptokokken ver- 
ursacht, oft auch an richtiger Streptokokkensepsis, zu Grunde gingen. Nur bei 
zwei, 3 und 4 Monate alten Buttersorten blieben die Thiere am Leben. Typische 
Tuberkulose wurde nur an einem Thiere konstatirt, welches mit einer 5 Tage 
alten, nur schwach gesalzenen „unpasteurisirten“ Butter inficirt worden war. 
Gerade die Butter, welche zu schnellem Verkaufe auf dem heimathlichen 
Markte bestimmt ist, pflegt weniger gesalzen zu werden, ebenso wie die 
aus pasteurisirttem Rahm hergestellten Sorten einen kleinen Salzgehalt auf- 
wiesen. Unter den Bauernbuttersorten fanden sich dagegen meist höhere Wertbe 
(4—5 pCt. Gehalt an CINa), einmal sogar 24,5 pÜt.! Aus dem Säuregehalt 
der Proben liess sich schnell eine Vorstellung über die Beschaffenheit der 
Butter in chemischer und bakteriologischer Hinsicht gewinnen: je geringer 
der Gehalt an löslicher (d.h. nur in Aether löslicher) Säure, desto jünger 
die Butter oder desto besser zwar die Aufbewahrung, desto grösser aber auch 
die Keimzahl. Mit wachsendem Säuregehalt dagegen gehen die Bakterien zu 
Grunde, und vor Allem werden hier nicht so oft Streptokokken und andere patho- 
gene Keime gefunden. 

Wenn nach den Ergebnissen des Verf.’s die aus pasteurisirtem Rahm 
hergestellte Butter in hygienischer Beziehung den Vorrang verdient, so lieferte 
doch eine der untersuchten Butterproben den Beweis, dass auch ohne Rahm- 
pasteurisiren eine gute Butter hergestellt werden kann, falls man sich bemöht, 
den Viehbestand frei von Tuberkulose zu halten und auch alle Reinlichkeits- 
maassregeln bei der Herstellung der Butter beobachtet. Auf Grund der Er- 
fahrungen von Obermüller über die tbierschädlichen Wirkungen der Süss- 
rahmbutter kann angenommen werden, dass das Rahmpasteurisirungs- 
verfahren von guter Wirksamkeit ist. Ein entscheidender Be weis 


Infektionskrankheiten. 941 


dafür konnte durch die Untersuchungen H.'s allerdings nicht gegeben werden, 
da man ja nicht wusste, ob vor der Pasteurisirung thatsächlich pathogene 
Keime in dem Rahm vorhanden waren. L. Lange (Posen). 


Hölscher, Kurze Mittheilung über experimentelle Untersuchungen, 
mitsäurefesten tuberkelbacillenähnlichen Spaltpilzen. Centralbl. 
f. Bakteriol. Bd. 29. No. 10. S. 425. 

Verf. theilt kurz die Resultate von Versuchen über die Pathogenität der 
drei säurefesten Bacillen, den Butterbacillus Petri-Rabinowitsch, den 
Gras- und Thimotheebacillus Moeller mit. Zu den Versuchen dienten etwa 
80 Tbiere, Meerschweinchen, Kaninchen und weisse Mäuse. Bei intraperi- 
tonealer Injektion von Reinkulturen ergab sich als Wirkungsmaximum eine 
auf die Leber beschränkte kolossale Schwartenbildung, worin die Bakterien 
durch Ausstrich und Reinkultur nachzuweisen waren. Mit echter Tuberkulose 
hatte diese Affektion keine Aehnlichkeit. Injektionen von Reinkultur mit 
steriler Butter riefen schwere schwartige Peritonitis hervor, eine Affektion, 
wie sie ganz ähnlich auch bei Injektionen von echten Tuberkelbacillen 
und Butter entsteht. Sterile Butter allein machte keine Veräuderungen. Mit 
aus den Schwarten neu herausgezüchteten Passagekulturen wurden die Ver- 
suche fortgesetzt. Bei intraperitonealer oder intravenöser Injektion entstanden 
neue Veränderungen, die der echten Tuberkulose ganz ähnlich waren und auch 
mikroskopisch den echten Tuberkeln im Frühstadium ganz glichen, z. B. auch 
Riesenzellen aufwiesen. Jedoch fehlte ihnen in späterem Stadium echte Ver- 
käsung und sekundäre Knötchenbildung in dem umgebenden Gewebe; statt 
dessen erfolgte die Bildung von kleineren oder grösseren Abscessen, die unter 
Verschwinden der Bakterien ausheilen konnten. Ausserdem verloren die Pseudo- 
bacillen in Schnitten vielfach ihre Säurefestigkeit, während sich bei gleicher 
Entfärbung die echten Tuberkelbacillen vollkommen säure- und alkoholfest 
erwiesen. Bruno Heymann (Breslau). 


Prip, Holger, Ueber Diphtheriebacillen bei Rekonvalescenten nach 
Diphtherie. Nach einem Vortrage, gehalten beim dritten nordischen 
Kongress für innere Medicin zu Kopenhagen am 26. Juli 1800. Zeitschr. 
für Hyg. u. Infektionskrankh. Bd. 36. S. 283. 

Verf. hat an dem reichen Material des Blegdams Spitals zu Kopenhagen 
während 2 Jahren das Verhalten der Diphtheriebacillen bei Rekonva- 
lescenten nach Diphtherie nach den verschiedensten Richtungen hin unter- 
sucht. Er stellte diese Untersuchungen sowohl bei dem Spitalmaterial an als 
auch bei den bereits entlassenen Rekonvalescenten. Was zunächst das erstere 
betrifft, so zeigten von 654 bakteriologisch nachgewiesenen Diphtheriefällen 
345 Diphtheriebacillen nur so lange, als die Beläge im Rachen waren, später 
keine mehr, die übrigen 309 Patienten zeigten auch in der Rekonvalescenz 
noch Bacillen. Von den obigen 345 Fällen wurden in 60 mehrmals Kulturen 
angelegt. so lange die Beläge noch vorhanden waren, und bei 15 dieser letzten 
Patienten fand sich die erwähnenswerthe Thatsache, dass die Bacillen bereits 
5—11 Tage vor der Abheilung des lokalen Processes verschwunden waren; 


942 Infektionskrankheiten. 


daher die nothwendige Forderung, die diagnostischen Kulturen so früh als 
möglich nach dem Krankheitsbeginn anzulegen. Unter den 309 Fällen. wo 
auch in der Rekonvalescenz Bacillen nachgewiesen waren, fanden sich 107 Pa- 
tienten, bei denen vorübergehend die Bacillen auf mehrere Tage verschwunden 
waren und dann wieder auftauchten; eine Reinfektion bei diesen Spital- 
patienten anzunehmen, erschien nicht angängig, da P. dasselbe Verhalten auch 
bei den Entlassenen nachweisen konnte. Die Entlassung aus dem Spital ge- 
schah gewöhnlich, wenn 2 Kulturen, an 2 Tagen nach einander angelegt, ne- 
gativ ausfielen. Aus dem oben erwähnten zeitweisen Verschwinden und Wieder- 
auftauchen der Bacillen während der Rekonvalescenz ist ohne Weiteres klar, 
dass bei diesem Entlassungsmodus viele Rekonvalescenten noch mit Diphtherie- 
bacillen das Spital verliessen. Während des Spitalaufenthalts liessen sich unter 
den 309 Fällen die Diphtheriebacillen bei 211 bis zum 20., bei 92 bis zum 
60., bei 4 bis zum 90. und bei 2 bis zum 120. Tage nachweisen. 

Die therapeutischen Versuche, die Bacillen aus dem Rachen durch 
die verschiedensten desinficirenden Mittel zu vertreiben, theils durch Einpin- 
seln, theils durch Gurgeln oder Einnehmen oder Kauen, hatten keinerlei Effekt. 
Auch das während der Krankheit angewandte Heilserum hatte keinen Einfluss 
auf das spätere Vegetiren der Diphtheriebacillen im Rachen. 

Was die Behandlung nicht zu erzielen vermochte, schienen in einigen 
Fällen interkurrente akute Infektionskrankheiten während der Re- 
konvalescenz zu erreichen, indem bei mehreren Fällen von Angina, Scarlatina, 
Erysipelas faciei und Varicellen die Diphtheriebacillen bald nach der Infektion 
verschwanden, und zwar meistens definitiv, in wenigen Fällen nur eine Zeit 
lang; in letzteren ist natürlich eine Reinfektion im Spital nicht mit Sicher- 
heit auszuschliessen. 

Von den entlassenen Rekonvalescenten wurden 100 in wöchentlichen Inter- 
vallen noch weiter bakteriologisch verfolgt. 60 Individuen zeigten noch Diph- 
theriebacillen. Dabei ist zunächst zu erwähnen, dass die Intensität der über- 
standenen Krankheit keinen Einfluss auf das weitere Verbleiben der Bacillen 
hatte; vielleicht schienen sogar bei leichten Fällen die Bacillen am längsten 
zu persistiren. Ferner fanden sich auch hier 18 Fälle, wo die Bacillen nach 
1—3 Wochen verschwunden waren, um dann in den Kulturen wieder zu er- 
scheinen. Ausserdem zeigte sich in einigen Fällen, dass die Diphtheriebacillen 
plötzlich in der Nase auftraten, hier 1—4 Wochen lang nachzuweisen waren, 
um dann wieder zu verschwinden, ohne dass während der Krankheit selbst 
Nasendiphtberie oder auch nur Schnupfen bestanden hätte. Aus diesem plötz- 
lichen Verschwinden und Wiederauftreten der Bacillen, nachdem sie wochen- 
lang kulturell vermisst wurden, ist eine sichere Entscheidung darüber, wann 
sie definitiv verschwunden sind, kaum möglich, ganz abgesehen davon, dass 
ein grosser Theil der in Frage kommenden Schleimhautpartien der Unter- 
suchung kaum zugänglich ist. Von den 60 Fällen konnten bei je einem die 
Bacillen noch nach 11 bezw. nach 22 Monaten nachgewiesen werden. 

Auf die Virulenz gegenüber Meerschweinchen wurden die Kulturen von 
8 der obigen 60 Rekonvalescenten geprüft; alle zeigten sich bei der ersten 
Reinkaltur, die zu verschiedener Zeit nach dem Abstossen der Beläge, vom 


Infektionskrankheiten. 943 


18. bis zum 335. Tage, angelegt wurde, voll virulent. 4 Fälle wurden mehr- 
mals zu verschiedenen Zeiten geprüft, davon behielten 2 ihre Virulenz, die 
2 anderen verloren sie später. 

Was nun die Ansteckungsgefahr von Seiten der Rekonvalescenten 
betrifft, so sind unter den 60 Individuen von 4 mit Sicherheit, von 3 mit 
Wabrscheinlichkeit Ansteckungen in ihrer Familie erfolgt, und zwar geschah 
die Ansteckung in 4 Fällen bis zu 1 Monat, in je einem nach mehr als 1, 
bezw. nach mehr als 2 und 3 Monaten nach der Heilung des lokalen Processes 
der Ansteckenden. 

Schliesslich erwähnt Verf. noch einen Versuch, die Bacillen bei einem 
Rekonvalescenten durch die Lichtbehandlung in Finsen’s Institut zu ver- 
treiben, der aber keinen besonderen Effekt hatte, wie ja ein solcher bei den 
anatomischen Verhältnissen des Rachens auch kaum zu erwarten war. 

Mayer (Berlin). 


Gabritschewsky 6., Zur Prophylaxe der Diphtherie. Zeitschr. f. Hyg. 
Bd. 36. S. 45. e 

Verf. betrachtet als die Hauptschwierigkeiten bei der exakten und syste- 
matischen Ausführung von prophylaktischen Maassregeln zur Bekämpfung 
der Diphtherie die Erkennung des Diphtheriebacillus und die Isolirung der 
Gesunden. Die erstere sei selbst für Massenuntersuchungen, besonders mit 
Hilfe der Neisser’schen Doppelfärbung leicht zu überwinden. Weit schwieriger 
sei die Isolirung der Gesunden und Rekonvalescenten mit oft monatelanger 
Persistenz der Diphtheriebacillen. Zur möglichsten Durchführung der Isolirung 
stellt G. folgende Thesen auf: 

1. Die bakteriologische Untersuchung des Schleimes aus der Mund-, Rachen- 
und Nasenhöhle soll nicht nur behufs diagnostischer Zwecke an Erkrankten, 
sondern auch aus prophylaktischen Gründen an von Diphtherie Genesenden, 
sowie an Gesunden, die in diphtheritischen Herden sich aufbalten und einer 
Infektion durch dieselben ausgesetzt gewesen sein konnten, angestellt werden. 

2. Infieirte Individuen unterliegen, unabhängig von ihrem vollständigen 
Wohlsein, denselben prophylaktischen Maassnahmen (Isolirung und Desinfektion) 
wie Diphtheriekranke. Wo ein vollständiges Isoliren unmöglich, müssen die- 
jenigen Maassnahmen, welche wenigstens das Weiterverbreiten der Infektion 
beschränken, angewandt werden (besonderes Geschirr, systematisches und un- 
gefährliches Vernichten der Exkrete aus Nase und Mund, Desinfektion der. 
Schleimhäute u. s. w.). 

3. Dipbtheriekranke dürfen nach erfolgter Genesung aus den Hospitälern 
nicht vor Schwund der Diphtheriebacillen von den Schleimhäuten entlassen 
werden. Wenn in den Hospitälern Platzmangel das Durchführen dieser Maass- 
nahmen nicht gestattet, oder die Eltern und Anstalten die Entlassung ihrer 
Kinder und Zöglinge vor Schwund der Diphtberiebacillen fordern, so sollen 
Eltern und Anstalten über die drohende Gefahr der Weiterverbreitung der 
Infektion in Kenntniss gesetzt und ihnen gedruckte Instruktionen über Vor- 
sichtsmaassregeln eingehändigt werden. Bei Platzmangel in den Hospitälern 


944 Infektionskrankheiten. 


sollten Asyle für genesende Kinder, sowie auch für Gesunde, welche in Diph- 
therieberden infieirt sind, errichtet werden. 

4. In den Kinderhospitälern müssen auf Diphtheriebarilleu alle Kinder, 
besonders mit Masern, Scharlach und Tuberkulose behaftete, untersucht werden. 

5. In Schulen, Asylen, Pensionen und Familien, wo Diphtherie aufgetreten, 
soll eine Massenuntersuchung der Rachen- und Nasenhöhle ausgeführt und alle 
Inficirten im Verlaufe einer durch die bakteriologische Untersuchung festge- 
setzten Frist isolirt werden. 

6. Bei der Desinfektion der Wohnräume und Sachen muss das Resultat 
der bakteriologischen Untersuchung sowohl der Rekonvalescenten, als auch 
der in Diphtherieherden Wohnenden berücksichtigt werden. B 

Bruno Heymann (Breslau). 


Widenmann, Die hämatologische Diagnose des Unterleibstyphus. 
Deutsche mil.-ärztl. Zeitschr. 1900. 8. 44 ff. 

Die ausführliche Arbeit W.’s, welche am Schlusse ein übersichtliches und 
reichhaltiges Literaturverzeichniss enthält, beschäftigt sich 1. mit der Widal- 
schen Reaktion, 2. mit der Züchtung von Typhusbacillen aus dem Blut und 
3. mit dem Verhalten der weissen Blutkörperchen bei Typhus. 

Es sei hier daraus nur folgendes hervorgehoben: zur Anstellung der 
Widal’schen Reaktion empfiehlt W. nachstehendes Verfahren als einfach und 
praktisch: 

Entnahme des Blutes mittels einer Kapillare aus dem Ohrläppchen; Ab- 
scheiden des Serums durch Stehenlassen oder (besser) Centrifugiren; Mischung 
eines Tropfens Serum mit Bouillon im Verhältniss 1:5; weitere Verdünnung 
auf 1:50, ev. 1:100 u.s. w.; Verreiben einer Spur Glycerinagar-Typhuskultor 
in einem Tropfen der Verdünnung auf dem Deckglas; Untersuchung mit starkem 
Trockensystem. 

Die Reaktion wird als positiv bezeichnet, wenn bei einer dreistüudigen 
Beobachtungsdauer in der Verdünnung 1:50 sich Häufchen von mindestens 
4 Bacillen nachweisen lassen. 

Diese Grenze für die positive Auffassung der Reaktion erscheint dem Ref. 
doch sehr weit gezogen, sowohl in Bezug auf die Dauer der Beobachtung als 
auf die Grösse der Häufchen. Dass bei einer zu lange ausgedehnten Beob- 
achtung auch im nichttyphösen Serum bei Verdünnung 1:50 Häufchenbildung 
eintreten kann, führt W. selbst an, und wenn die Typhusagarkultur in dem 
Serumbouillontropfen verrieben wird, so ist es doch auch wohl sehr leicht 
möglich, dass Bakterien in der von W. als beweisend genannten geringen Zahl 
an einander haften bleiben. 

Warum die Benutzung eines Trockensystems der Beobachtung mittels der 
Immersionslinse vorgezogen wird, ist nicht angegeben. 

Die Widal’sche Reaktion ist auch nach W. kein Frühsymptom des Ty- 
phus; trotzdem ist sie von grossem und oft entscheidendem Werth, besonders 
durch Sicherung der Diagnose bei sonst nicht erkannten Typhusfällen. 

Die Züchtung von Typhusbacillen aus dem Roseolenblut nach dem von 
Neufeld angegebenen Verfahren hält W. für leicht und sicher ausführbar; 


Infektionskrankheiten. 945 


er selbst hat unter 7 Fällen 5 mal ein positives Ergebniss damit erzielt. 
Auch die Vornahme der Milzpunktion hält er in gewissen Fällen für be- 
rechtigt; er hat sie bei 4 Kranken vorgenommen und 3 mal aus dem so ge- 
wonnenen Blnte Typhusbacillen züchten können. 

Hormann (Frankfurt a.M.). 


Rambousek J., Vergleichende und kritische Studien, betreffend die 
Diagnostik des Bac. typhi und des Bact. coli. Arch. f. Hyg. Bd. 38. 
S. 382. 

Verf. suchte zunächst an mehreren Typhus- und Colistämmen festzustellen, 
inwieweit bei den verschiedenen zur Trennung der beiden Arten vorgeschla- 
genen Verfahren — von Chantemesse, Widal, Thoinot, Parietti und 
vor allem Holz-Elsner — der Säuregrad des Nährbodens der entschei- 
dende Faktor ist. Er fand durch Versuche mit H ol z’scher (Kartoffel-)Gela- 
tine o h n e Jodkaliumzusatz, durch Anwendung von nicht neutralisirter gewöhn- 
licher Gelatine, deren Säuretiter noch durch Zusatz von Milchsäure erhöht 
wurde, ferner durch Aussaat auf 1 proc. jodkaliumbaltiger Gelatine mit steigender 
Acidität, dass sich zwischen Typhus- und Colibacillen in der Resistenz 
gegenüber Säure nur rein quantitative Unterschiede zeigen. Wenn der 
Säuregrad der betreffenden Nährböden auf Milchsäure (von welcher in 1 ccm 
11o Normalmilchsäure 9 mg enthalten sind) umgerechnet wurde, so ergab sich 
z. B., dass auf der Ho1z’schen Kartoffelgelatine ohne Jodkalium die Typhus- 
bacillen eine Koncentration von bis zu 0,4 pCt. Milchsäure (d. h. zur Neu- 
tralisirung von 10 ccm Nährboden wurden bis zu 4,5 cem 1/,, Normallauge 
verbraucht) vertrugen, während B.coli bei etwas höheren Titern noch wächst, 
aber uncharakteristischh und bei weiterem Steigen der Acidität überhaupt 
nicht mehr aufgeht. Auf der gewöhnlichen, jedoch nicht neutralisirten Fleisch- 
peptongelatine mit successive durch Milchsäurezusatz gesteigerter Acidität 
wuchsen bei einer Koncentration von 0,3 pCt. noch beide Mikrobien, Typhus 

` in geringerem Grade als B. coli; bei 0,5 pCt. kam auch Bact. coli nur sehr 
sporadisch. Der Zusatz von 1 pCt. Jodkalium bildet ein weiteres, das Bak- 
terienwachsthum hemmendes Moment. Wurde nämlich bei 1 proc. jodkalium- 
haltiger Gelatine die Acidität künstlich variirt, so zeigte der Typhusbacillus 
schon bei 0,2 pCt. Säure nur ganz schwaches Wachsthum, während Bact. 
coli bei 0,3 pCt. Acidität und 1 pCt. Jodkalium nur noch sporadisch wuchs. 

Da nun die Holz’sche Kartoffelgelatine im Durchschnitte einen Säuregrad 

von 0,27 pCt. besitzt — von R. wurde derselbe meist entschieden höher, von 

0.3—0,4 pCt., gefunden — so schliesst der Verf., dass, wenn hierzu, ent- 
sprechend der Elsner’schen Methode, noch ein Zusatz von 1 pCt. Jodkaliun 
kommt, das Wachstbum des Typhusbacillus bereits ein sehr zweifelhaftes wird. 

Uebersteigt der Titer 0,3 pCt. Säure, so wächst auf einem solchen Nährboden 

nicht einmal mehr das Bact. coli. Ein gewisser Vorzug des Elsner’schen 

Nährbodens bestehe jedoch darin, dass zahlreiche Saprophyten, so besonders 

die im Wasser so häufig vorkommenden verflüssigenden Arten im Wachsthume 

gehemmt und behindert werden. 

Was diejenigen Eigenschaften der Typhus- und Colibacillen betrifft, die 

68 


946 Infektionskrankheiten. 


zur Diagnose von Reinkulturen dienen, so erklärt Verf. das verschiedene 
Wachsthum auf der Kartoffel und das differente Verhalten beider Mikrobien 
in der Milch als eine Folge der (nur quantitativ) verschiedenen Resistenz, 
in ersterem Falle der natürlichen Acidität der Kartoffel gegenüber, das andere 
Mal gegenüber der durch beide Mikrobien in der Milch gebildeten Säure. 
Der Typhusbacillus wird nämlich nach Versuchen des Verf.’s durch die von 
ihm selbst gebildete Milchsäure schon an weiterem Wachsthum und Säure- 
produktion gehindert, sobald diese nur eine Koncentration von 0,2—0,3 pCt. 
in der Milch erreicht bat, und in Folge dessen kommt es gar nicht zu der 
für die Gerinnung erforderlichen Säuremenge. ` Dagegen reicht die von Typhus- 
bacillen nach längerer Zeit im Thermostaten gebildete Säure hin, um die 
Milch nach dem Aufkochen beim Wiedererkalten gerinnen zu lassen. 

Dass das B. typhi, ebeuso wie das B. coli Indol producirt, nur in gerin- 
gerem Grade, ist bekannt, und ähnliche, nur quantitative Unterschiede bestehen 
auch bezüglich der Reduktion von Nitraten. Auch bei der in neuerer 
Zeit von Rothberger vorgeschlagenen Färbung des Nährbodens (durch Safra- 
nin oder Neutralroth) handelt es sich nach R.’s Versuchen nur um quan- 
titative Unterschiede im Reduktionsvermögen gegenüber Farbstoffen. Denn 
das leicht reducirbare Methylenblau wird von beiden Arten in gans 
gleicher Weise reducirt, und die obigen Farbstoffe sind eben sehr schwer. 
nur durch nascirenden H reducirbare Körper. 

Als einzigen, wesentlichen, qualitativen Unterschied zwischen 
Bact. typhi und Bact. coli stellt R. die Gasbildung durch Bact. coli hin. 
Auch bei Verwendung einer grossen Menge von bacillenhaltiger Flüssigkeit 
konnte unter peinlichsten Kautelen bei dem Typhusbacillus keine Spur eines 
gebildeten Gases nachgewiesen werden. Dieser, nicht blos quantitative Unter- 
schied müsse seinen Grund in ganz differenten, biochemischen Eigen- 
schaften der beiden Mikrobien finden. L. Lange (Posen). 


Symposium on typhoid fever. Proceedings of the pathological society of 
Philadelphia. Febr. 1900. 

Die Verhandlungen, welche der vorliegenden Nummer zu Grunde liegen. 
beziehen sich fast ausschliesslich auf irgend eine Seite der Abdominal- 
typhusfrage, und, soweit ersichtlich, wurde die Frage weit umfassend be- 
handelt. Das Ergebniss war aber mehr eine Zusammenstellung des Bekannten. 
als die Wiedergabe nener Anschauungen und Beobachtungen. 

Abbott machte darauf aufmerksam, dass die gewöhnliche Annahme. Ab- 
dominaltyphus sei eine hauptsächlich im Herbst auftretende Krankheit, nur 
für sporadische Fälle in Orten zutreffe, die einen geeigneten Nährboden für 
die Entwickelung der Typhusbacillen nicht darbieten. Dagegen sei in Orten, 
deren Verhältnisse das Gedeihen der Bacillen fördern, das stärkere Auftreten 
der Krankheit ganz und gar von der geringeren oder stärkeren Verunreinigung 
der Kanäle, durch welche die Keime verbreitet werden können, abhängig. 

Musser berichtete über Laboratoriumsmethoden für die Diagnose des 
Abdominaltyphus. In der Diskussion wurde anerkannt, dass die Widal'sche 
Serunprobe ein wichtiges Mittel zur Erkennung der Krankheit sei, das in nur 


Infektionskrankheiten. 947 


ungefähr 5 pCt. der Fälle — wahrscheinlich in Folge falscher Anwendung oder 
falscher Deutung — versage. Als Mittel früher Diagnosen wurden auch die 
Kulturen in Leberbouillon nach Demel und in Lackmusbouillon nach Gor- 
buroff bezeichnet. Als Prüfungsmaterial können nicht nur Fäces, sondern 
auch Harn verwendet werden, der in 20—380 pCt. der Fälle Typhusbaecillen 
und oft in Reinkultur in ungeheuren Mengen enthalte. 

Ueber Typhusseptikämie berichtete Simon Flexner. Er bezeichnet damit 
eine Form von Erkrankung in Folge einer Infektion mit Typhusbacillen, bei 
der das zahlreiche Vorkommen im Blute und die Widal’sche Reaktion des- 
selben die einzigen erkennbaren Zeichen der Erkrankung an der Leiche sind, 
während jede Läsion des Darms und anderer Organe fehlt. Nach Analogie 
solcher Fälle, deren schweren Verlauf und letales Ende Fl. der Typhustoxin. 
wirkung zuschreibt, bezeichnet er Fälle mit sekundären Veränderungen, wo 
also, nach seiner Annahme, die ins Blut gelangten Bacillen in entfernteren 
Organen, Nieren, Leber, Lunge, Gehirn u. s. w. abgelagert werden, als Typhus- 
pyämie. 

Ashton berichtete über die Pflicht des Arztes, die Verbreitung der 
Typbuserkrankungen zu verhindern. Die von ihm bezeichneten Maassnahmen 
sind die in officiellen Verordnungen allgemein angegebenen. 

Den Beschluss machte Mc. Farland mit einer Besprechung der bis- 
herigen Ergebnisse von Schutzimpfungen und der Serumtherapie bei Abdominal- 
typhus, und zwar hinsichtlich der letzteren sowohl mit Bezug auf das Serum 
von immunisirten Thieren, als auch auf das von rekonvalescenten Menschen. 
Auch der Versuche mit Organextrakten immunisirter Thiere wurde gedacht. 

Die Leser dieser Zeitschrift wissen, wie weit alle diese Dinge noch im 
Felde liegen. Jacobson (Berlin). 


Deeleman, Gewehröl und Panaritium. Deutsche mil.-ärztl. Zeitschr. 1901. 
8S. 93. 

D. hält es für wahrscheinlich, dass Infektionen mit Staphylokokken, die 
sich an eine Verletzung der Haut bezw. des Unterhautgewebes anschliessen, 
namentlich dann schwere Entzündung und Eiterung (Panaritium) zur Folge 
haben, wenn gleichzeitig zersetztes, ranziges Fett in die Wunde eindringt. Er 
stützt sich dabei auf Beobachtungen, die von Schleich bei Arbeitern 
einer Gewehrfabrik, die sich Handverletzungen zugezogen hatten, gemacht 
worden sind. $ 

Da nun nach D. auch das am Gewehr des Soldaten befindliche Oel 
bezw. Waffenfett leicht zersetzt und ranzig werden kann, so bergen die Finger- ` 
verletzungen, die beim Hantiren mit dem Gewehr entstehen, eine besondere 
Gefahr in sich; in den von ihm untersuchten Gewehrölproben konnte D. ausser- 
dem noch das Vorhandensein sehr virulenter Staphylokokken (aureus und albus) 
nachweisen. 

Zur Verringerung der Zabi der Panaritien beim Militär empfiehlt D. da- 
her, die Benutzung alten bezw. schon lange gebrauchten Gewehröls zu unter- 
sagen, die Putzölflaschen häufig zu säubern und neben der gewöhnlichen Hand- 


6R* 


948 Infektionskrankheiten. 


reinigung mit Seife und Bürste auch die Reinigung mit der Schleich’schen 
Marmorstaubseife bei den Truppen(!) einzuführen. 
Hormann (Frankfurt a.M.). 


Kamen, Ludwig, Ueber eine bis jetzt wenig gewürdigte Lokalisation 
des Inflnenzaprocesses. Centralbl. f. Bakteriol. Bd. 29. No. 8. S. 339. 
Verf. konnte aus einem Falle von Angina ulceromembranosa und einem 
Falle von Angina lacunaris den Influenzabacillus herauszüchten und spricht 
ibm ätiologische Bedeutung für die Halsaffektionen zu. Besonders wahr- 
scheinlich war dies bei dem zweiten Fall, bei dem sich nach der scheinbar 
einfachen, anginösen Erkrankung psychische Störungen entwickelten, wie sie 
nicht gerade selten im Verlaufe des Influenzaprocesses beobachtet werden. 
Interessant war, dass beide Male auch Streptokokken in grosser Menge heraus- 
gezüchtet wurden. Mäuse, die mit der Influenzakultur geimpft waren, blieben 
am Leben. Hingegen starb von zwei mit der Streptokokkenkultur geimpften 
Mäusen eine nach 24 Stunden. Impfte Verf. Reinkultur von Streptokokken 
und Influenzabacillen zusammen, so konnte er auch Influenzabacillen im Herz- 
blut und Peritonealinhalt der nach 36 Stunden gestorbenen Maus nachweisen. 
Verf. glaubt auf Grund seiner Befunde, dass sich der Influenzabacillus auch 
primär an den Tonsillen ansiedeln könne und es demnach auch eine „Influenza- 
angina“ gäbe, Bruno Heymann (Breslau). 


Ravenel, Mazyck P., An experiment in the transmission of syphilis 
to calves. Proceedings of the pathological society of Philadelphia. March 
1900. 

R. bespricht die zahlreichen Versuche, das Syphilisvirus auf Thiere 
zu übertragen. Alle als erfolgreich bezeichneten Ergebnisse hält er für 
Trugschlüsse, die darauf beruhen, dass entweder Eiter vom weichen Schanker 
oder tuberkulöse Massen, aber kein echtes Syphilisvirus übertragen wurden. 
Um den Impfgegnern die Möglichkeit zu nehmen, dass sie sich auf die 
Uebertragbarkeit der Syphilis vom Menschen auf Kälber und umgekehrt 
berufen, verweist er einerseits auf eine von Dr. Ernesto Duplan im patho- 
logischen Laboratorium der Universität des Staates Pennsylvanien ausgeführte 
Arbeit. Duplan machte an 15 Kaninchen, 5 Hunden, 4 Meerschweinchen 
und 4 Affen Impfungen mit echtem Syphilisvirus, und alle blieben ohne Erfolg. 
Audererseits impfte R. selbst zwei Kälber, ein weibliches von 8 Monaten und 
ein männliches von 14 Monaten, in der Weise und mit der Vorsicht wie zur 
Erzeugung von Vaceine mit Material, das von einem Schleimhautcondylom der 
Lippen (plaque muqueuse) und einer Wunde der Genitalien entnommen war. 
Es bildeten sich Schorfe, die am 9. Tage abfielen. Zu keiner Zeit bestand eine 
Temperatursteigerung. Die Thiere wurden am 54. resp. 138. Tage nach der 
Impfung getödtet. Die Stelle der Impfung war nicht mehr zu erkennen, orga- 
nische Veränderungen, welche auf Syphilis schliessen lassen konnten, nicht 
vorhanden. Die Untersuchung centraler und peripherer Nerven, sowohl bei 
der Marche&’schen Methode mit Osmiumsäure, als auch die Nissl’sche Zellen- 


Beleuchtung. 949 


und Weigert'sche Nervenscheidenfärbung, ergab keinen Unterschied von nor- 
malen Geweben. Jacobson (Berlin). 


Scholtz W., Ueber die Wirkung der Röntgenstrahlen auf die Haut 
und ihre Verwendung bei der Behandlung der Hautkrankheiten, 
Vortrag, gehalten in der medicinischen Sektion der Schlesischen Gesellschaft 
für vaterländische Kultur am 14. December 1900. Allg. med. Centralztg. 
1901. No. 4 u. 5. 

Verf. bespricht zunächst die Wirkungen der Röntgenstrahlen auf 
die Haut im Allgemeinen, die bei wenig intensiven, aber häufig wiederholten 
Bestrablungen mehr als chronische Dermatitis, bei stärkerer Einwirkung als 
akute Verbrennung verschiedenen Grades, je nach der Intensität der Bestrah- 
lung, sich darstellen. Diese Hauterscheinungen schliessen sich nie unmittelbar 
an die Bestrahlung an, sondern entstehen erst allmählich, oft erst nach 1 bis 
2 Wochen. Diese auffällige Nachwirkung lässt eine Dosirung zu therapeu- 
tischen Zwecken sehr schwer erscheinen, besonders da bei wiederholten Sitzun- 
gen eine ausserordentliche und von vornherein unkontrolirbare Kumulation 
der Wirkung eintreten muss. Dazu kommt noch die individuell auffällig ver- 
schiedene Reaktion. Daher empfiehlt sich bei der therapeutischen Verwen- 
dung besondere Vorsicht, und ist stets mit kurzen Sitzungen bei grosser Ent- 
fernung der Röntgenröhren zu beginnen. 

Als bemerkenswertheste Folgen treten durch die Röntgenbestrahlung Ul- 
cerationen und Haarausfall ein. Die Geschwüre sind meist flach, heilen 
aber äusserst langsam; die daraus resultirenden Narben sind aber sehr glatt 
und zart und geben kosmetisch einen sehr guten Erfolg. Die Enthaarung tritt 
meist nach 3—4 Wochen ein; dabei bleibt die innere Wurzelscheide, welche 
bei Haarkrankheiten meist von Pilzen reichlich durchsetzt ist, in den Follikeln 
zurück. Alle diese Veränderungen gehen vollkommen schmerzlos vor sich. 
Die baktericide Wirkung der Röntgenstrahlen ist noch fraglich, jedenfalls 
praktisch nicht von besonderem Werth. 

Die Frage, welches Gewebe primär von den Röntgenstrahlen geschädigt 
wird, ist noch unentschieden; indessen weisen die neueren Untersuchungen 
mit Wahrscheinlichkeit darauf hin, dass in erster Linie die Gefässe der Cutis 
and Subcutis betroffen werden, wodurch sekundär die oberflächlichen Ulcera- 
tionen bedingt werden; dadurch unterscheiden sich die Röntgenstrahlen wesent- 
lich von den gewöhnlichen Aetzmitteln. 

In therapeutischer Beziehung sind vor Allem bei Lupus vulgaris 
und erythematodes gute Erfolge erzielt. Ursprünglich verwandte man bei 
diesen Krankheiten intensive Bestrahlungen, allein die dadurch entstehenden 
tiefen Ulcerationen heilten so schwer und langsam, dass man zu weniger inten- 
siven, aber monatelang fortgesetzten Bestrahlungen überging, die beim Auf- 
treten stärkerer Entzündungserscheinungen vorübergehend ausgesetzt wurden. 
Allein es wurden hier mit letzterer Methode zwar Besserungen, aber keine 
definitiven Heilungen erzielt, so dass man einen Mittelweg einschlug und, 


950 Abfallstoffe. 


mit vorsichtiger Bestrahlung beginnend, allmählich zu stärkerer Einwirkung 
überging, so dass eine leichte Dermatitis und oberflächliche Verschorfung ent- 
stand, tiefe Ulcerationen aber vermieden wurden. Dabei wurde eine Anzahl 
guter Erfolge und anscheinend definitiver Heiluugen erzielt. Indessen muss 
man zugeben, dass der Vortheil dieser Behandlung vor den chirurgischen Me- 
thoden kein allzugrosser ist; wo es sich vielmehr um lupöse Herde handelt, 
die eine Excision im Gesunden gestatten, ist letztere vorzuziehen; wo die Ex- 
cision in Folge der Lage oder Ausbreitung der erkrankten Partien nicht wohl 
angeht und zugleich ein gutes kosmetisches Resultat erwünscht ist, z. B. an 
Lippen und Nase, ist die Bestrahlung indieirt; ein Nachtheil ist besonders die 
lange Dauer der letzteren Methode. 

Zur Enthaarung wurden die Röntgenstrahlen mit Vortheil bei ausge 
dehntem Favus und Trichophytien, sowie bei Hypertrichosis der Frauen 
angewandt. Allein auch bei diesen Leiden wird zwar eine gründliche Epila- 
tion erzielt, doch nicht ohne Weiteres eine völlige Heilung des Leidens, die 
vielmehr noch eine energische und langdauernde Nachbehandlung erfordert. 

Verf. kommt, ebenso wie Neisser, der sich an der Diskussion betheiligt, 
zu dem Schlusse, dass die Röntgenbestrahlung zwar eine wohl verwerthbare 
Heilmethode für manche l)ermatosen darstellt, dass aber vorläufig die bis- 
herigen Behandlungsmethoden durch sie nicht verdrängt werden können. 

Mayer (Berlin). 


Kori H., Verbrennungsöfen für Abfälle. Gesundh.-Ingen. 1900. No. 24. 
S. 39. 5 

Ingenieur Kori weist darauf hin, wie wichtig es für den Betrieb der 
Krankenhäuser, Schlachthöfe, Markthallen und dergl. ist, dass Oefen zur Auf- 
stellung kommen, in welchen infektionsverdächtige, nach Geruch oder 
Aussehen ekelerregende Stoffe u. a. sofort zur Verbrennung gelangen. Es 
folgen dann Wiedergabe und Beschreibung der von Kori gebauten Oefen dieser 
Art in den verschiedensten Grössen. Die Anlagekosten der kleineren Oefen 
stellen sich nur auf 300—500 Mk., ihre Betriebskosten sind ebenfalls nicht 
hoch und sie haben sich in den verschiedensten Anstalten durchaus bewährt, 
in welchen sie zur Aufstellung gelangt sind. 

H. Chr. Nussbaum (Hannover). 


Loos, Victor, Ueber die Erzeugung eines kohlenoxydfreien Heiz- 
gases aus Müll (Kehricht). Journ. f. Gasbel. u. Wasserversorg. 1901. 
No. 11. S. 192. 

Loos giebt eingehende Darlegungen über das Zustandekommen der Koblen- 
oxydarmuth des aus Müll gewonnenen Gases, die nach ihm in erster Linie 
dem Reichthum des Mülls an thierischen Abfallstoffen und dem geringen Ge 
halt an unvergasten Pflanzenstoffen zu danken ist. Das ungereinigte Gas war 
schwach ammoniakalisch und enthielt‘ 


Abfallstoffe. 951 


12— 20 pCt. CO, 
05-07, 0 


0,4—0,7 „ CO 
28—29 „ CH, 
43—45 „ H 
9—10 „ N 


Der Heizwerth betrug 2500—3000 Kalorien für das Kubikmeter. Bei 
einem Stundenverbrauch von 130—140 Litern Gas und 25 mm Wasserdruck 
ergab am Pintschbrenner B mit gedrosselter Luftzufuhr der Auerglühkörper 
eine Leuchtkraft von 65—40 H-K, die Explosion des Gasluftgemisches konnte 
mit einer Leistung von 1 PS für den Verbrauch von 2 cbm Müllgas geschätzt 
werden. Mit geeigneteren Brennern dürfte eine höhere Leuchtkraft sich erzielen 
lassen, auch die Kraftleistung ist wesentlich niedriger geschätzt, als die Ver- 
wendung in neueren Explosionsmotoren sie ergeben wird. 

Das Gas ist daher höberwerthig als Generatoren-, Dowson- und Gichtgase 
und die Ausbeute so gross (120— 150 Liter aus 1 kg in 1!1/,—1!/, Stunden), 
dass das Vergasungsverfahren mit ganz wesentlich geringeren Kosten sich wird 
durchführen lassen als das Verbrennungsverfahren. Ausserdem ist jede Müll- 
art zur Vergasung verwendbar. 

Das von Loos verwendete Müll der Stadt Wien darf als ein an Kohle 
armes bezeichnet werden. Ein höherer Kohlegehalt des Mülls wird vielleicht 
eine nicht ganz unwesentliche Erhöhung des Kohlenoxydgehaltes zur Folge 
haben, dürfte aber den Werth des ‚Gases eher erhöhen als herabsetzen. 

Empfehlenswerth scheint mir die Vereinigung der Müllvergasungsanstalt 
mit der Abwasser-Heb- und Kläranlage. Der in Filterpressen vorgetrocknete 
Klärschlamm würde dann vereint mit dem Müll vergast werden können, die 
Gasausbeute zum Betrieb und zur Beleuchtung der Gesammtanlage zu dienen 
vermögen, während die Rückstände zur Herstellung von Sickerfeldern mit 
Wechselbetrieb für die mechanisch vorgeklärten Abwässer, zur Betonbereitung 
und dergl. benutzt werden können. Die heute vielerorts bestehenden Miss- 
stände der Klärschlamm- und Müllbeseitigung würden durch diese Vereinigung 
mit einem Schlage sich beseitigen lassen. 

H. Chr. Nussbaum (Hannover). 


Steuernagel, Karl, Die Probekläranlage bei Niehl. Techn. Gemeindebl. 
1901. No. 20. S. 305. 

Die eingehende Abhandlung bringt eine genaue Beschreibung und Wieder- 
gabe der Probekläranlage bei Niehl, der Aufgaben, welche von ihr zu 
lösen waren, und der erzielten Erfolge. Für die endgültige Kläranlage werden 
zur Zeit Voruntersuchungen angestellt zur Festlegung der relativ günstigsten 
Durchflussgeschwindigkeit, der brauchbarsten Art der Schlammförderung und 
seiner Entwässerung. H. Chr. Nussbaum (Hannover). 


952 Leichen- u. Bestattungswesen. Alkoholismus. 


Hinterberger A., Einiges über Leichenhallen. „Der Architekt.“ 1901. H. 3. 

Der Wettbewerbsentwurf für die Leichenhalle des Centralfriedhofes in 
Wien von Fr. v. Krauss und Josef Tölk wird eingehend geschildert, und 
es werden zugleich die Anforderungen an eine solche Halle dargelegt, welche 
im Sinne des Feinempfindens der Leidtragenden und der Hygiene zu stellen 
sind. Der in der Abhandlung wiedergegebene Entwurf weist eine geschickte 
Anordnung und eine ebenso einfache wie würdige Architektur auf. Die Räume 
des inneren Dienstes sind von den Zugängen, Vorhallen und Warteräumen, 
welche den Leidtragenden dienen, vollständig getrennt; das Anfahgen, Waschen 
und Aufbahren der Leichen erfolgt daher derart, dass kein Leidtragender 
davon etwas bemerken kann. 

Obgleich das Gelände zu eng ist, um eine räumliche Trennung jeder ein- 
zelnen Zelle oder die Pavillonbauweise durchführen zu können, so ist doch 
Alles geschehen, um das Feinempfinden der Leidtragenden zu schonen und die 
Bevölkerung nach und nach mit der Benutzung der Leichenhallen zu befreunden. 

Die für prunkvollere Leichenbegängnisse dienenden Zellen sind, völlig von 
einander getrennt, in Hallen angeordnet, die eine grössere Zahl Leidtragender 
aufzunehmen vermögen, während ein Theil der übrigen Zellen derart geplant 
wurde, dass je drei Zellen zusammengelegt und mit einem gemeinsamen Vor- 
raume für die Leidtragenden versehen sind. Das Belegen dieser Zellen ge- 
schieht in einer solchen Reihenfolge, dass die Leichenbegängnisse zeitlich ge- 
trennt vor sich gehen, der Vorraum kann daher für jedes derselben völlig in 
Anspruch genommen werden. Die bescheidensten Zellen sind zu je zehn in 
einer Halle vereinigt, doch sind Vorkehrungen getroffen, um Scheidewände 
zwischen je drei oder vier Zellen einfügen zu können, falls diese grösseren 
Vereinigungen bei der l}evölkerung keinen Anklang finden. 

Eine besondere Halle ist zur Aufnahme der an Infektionskrankheiten Ge- 
storbenen bestimmt. Hier sind ausschliesslich Gruppen von je drei bis vier 
Zellen angeordnet. 

Die Secirhallen mit ihren Nebenräumen und die Kapellen wurden als 
Gebäude für sich behandelt, welche mit den Leichenhallen höchstens durch 
einen Säulengang verbunden sind. 

Wände, Fussböden und Decken siad aus undurchlässigen Baustoffen wasch- 
bar hergestellt; für Heizung, Lüftung, Wasserzufuhr und Fortführung ist Sorge 
getragen. Die Abwässer fliessen zunächst einem Becken zu, in welchem ibre 
Desinfektion erfolgt, ehe sie einem öffentlichen Gewässer zugeleitet werden. 
Der Entwurf erfüllt daher alle an eine solche Anstalt zu stellenden Anspräche 
auf das beste und verdient das Interesse der Fachleute in hohem Grade. 

H. Chr. Nussbaum (Hannover). 


Bode, Wilhelm, Das staatliche Verbot des Getränkehandels in Ame- 
rika. Weimar 1901. 40 Ss. 8%. W. Bode’s Verlag. Preis: 0,80 Mk. 

Von Dr. W. Bode’s „Studien zur Alkoholfrage“ dürfen wir viel 

gutes erwarten. Das zeigen die ersten zwei Hefte, welche uns vorliegen. 


Alkoholismus. 953 


Ueber die Bestrebungen der Amerikaner, dem Alkoholismus zu steuern, 
ist man bei uns noch schlecht unterrichtet. Die Alkoholgegner übertreiben 
zumeist Zahl und Erfolge der Abstinenten dort und rühmen der Gesetz- 
gebung der Einzelstaaten Vortheile für das Gemeinwohl nach, welche sie 
nicht zeitig. Die Alkoholinteressenten wiederum frohlocken und verbreiten 
mit Genugthuung die zahlreichen, den verschiedenen Verordnungen zuzuschrei- 
benden Schäden. 

Folgende wichtigere Gesetzesbestimmungen finden wir in den einzelnen 
Staaten: 

1. Prohibition, staatliches Verbot des Getränkehandels und der Getränke- 
bereitung; Kauf, Einfuhr und Konsum sind nicht inbegriffen. 

2. Localoption: einzelne Kommunalverbände oder Gemeinden entscheiden 
allein über Handel und Ausschank. Hiermit zumeist verbunden das System 
„Consent“ oder „Petition“. (Koncession nur mit Genehmigung von 2/, der 
Wahlfähigen oder Hausbesitzer.) 

3. High Licence: Regelung und Minderung der Schankstätten durch sehr 
hohe Besteuerung. 

Nachweislich bevorzugt der Amerikaner die stark alkoholhaltigen Getränke, 
insbesondere gemischte Spirituosen. Getrunken wird und, wie bei uns in den 
Kneipen, Politik gemacht in den „Saloons“. Das „Traktiren“ hier ist zu 
einem socialen Uebel geworden. Der Kampf gegen den Alkohol ist zugleich 
ein politischer: die republikanische Partei ist die der Temperenzler, die demo- 
kratische die der Alkoholinteressenten. Der Verkehr in den Saloons gilt 
nicht als fein. Die besseren Kreise sind deshalb abstinent oder heucheln 
Abstinenz. 

Auch in den Prohibitionsstaaten wird nicht wenig Alkohol verkauft. Das 
Recht zum Verkauf erwirbt man sich durch freiwillige Leistung der üblichen 
Alkobolbundessteuer. Die staatlichen, zur Ueberwachung angestellten Agenten 
verkaufen den Spiritus nicht etwa nur zu medicinischen oder technischen 
Zwecken, sondern auch zum Genusse, ebenso die Apotheken und Droguen. 
Man lässt die Gesetze nur ausführen, so weit die öffentliche Meinung sich’nicht 
auflehnt. Politische Dienste müssen als Gegenleistung für solche Nachsicht 
dienen. Die Einfuhr alkoholischer Getränke aus den Nachbarstaaten ist erlaubt 
und reichlich. Sogenannte „Trinkklubs“ beziehen Engros-Sendungen. Die 
Hôtels geben Spirituosen fast ausnahmslos ab. Winkelschänken bestehen in 
grosser Zahl. Wenig wird auf dem Lande getrunken, wo auch der Fremden- 
verkehr sehr gering ist. 

Die Erfahrungen warnen davor, Gesetze zu erlassen, welche nicht voll- 
kommen praktisch durchführbar sind. Eine energische Minderung der Schank- 
koncessionen neben hoher Besteuerung aller starken Getränke dürften mehr 
Vortheile bringen, als die radikalen Bestimmungen in Amerika, welche die 
Achtung vor den Gesetzen vernichten, die man doch nicht befolgt, und anderer- 
seits die Arbeit der Mässigkeitsfreunde erschweren und in falsches Licht setzen. 

Flade (Dresden). 


954 Alkoholismus. 


Bode, Wilhelm, Das Gothenburgische System in Schweden. 32 Ss. 8°. 
-Mit 5 lllustrationen. Weimar 1901. W. Bode’s Verlag. Preis: 0,80 Mk. 

Eine berechtigte Forderung aller derer, welche in dem Ueberfluss an 
Schank- und Trinkgelegenheiten ein Haupthinderniss gegen die Genesung un- 
seres Volkes von der Alkoholseuche sehen, bleibt die Uebertragung der Kon- 
cessionen an gemeinnützige Gesellschaften. In dem Gothenburger System 
finden wir solche Forderung verwirklicht. Der Branntweinkonsum war ebemals 
in den nordischen Ländern ein ganz ungeheurer. Im Jahre 1830 sollen auf 
den Kopf 46 Liter 5Oproc. Schnaps berechnet worden sein! Man versuchte, 
diesem Nothstande zunächst durch Beschränkung der Kleinbrennerei abzuhelfen, 
namentlich der gefährlichen Hausbrennereien. Es gab deren 1829 über 170 000, 
im Jahre 1897 nur 123, darunter zumeist grosse Betriebe. In den Land- 
gemeinden war die Zahl der Koncessionen von einer für 12 626 Einwohner 
auf eine für 18297 Bewohner im Jahre 1888 gesunken. 1865 wurde in 
Gothenburg der gesammte Schank und Kleinhandel mit Schnaps einer gemein- 
nützigen Gesellschaft übertragen. Die meisten Städte folgten alsbald diesem 
Vorgehen. È 

Zur Zeit ist im Kleinhandel 1 Liter Branntwein (zu 1 Mk.!) das Min- 
deste, was gekauft werden muss, und zwar ist Verkaufszeit nur vou 8 Ubr 
früh bis 7 Uhr Abends, Ausschank nur von 9 Uhr früh bis 8 Uhr auf dem 
Lande, bis 10 Uhr in der Stadt, Sonntags überhaupt nicht erlaubt. Die Ge- 
sellschaft (Bolag, in Norwegen Samlag) hat das Recht, weitere Koncessionen 
in beschränkter Zahl zu vergeben und muss gewisse Abgaben zahlen. Der 
Reingewinn ist für gemeinnützige Zwecke abzuliefern. Die Wirthe dürfen 
Gewinn nur vom Verkauf von Essen, Kaffee, Selters und Cigarren nehmen. 
Lebrreich für uns ist folgender Vergleich. Es gab 
in Gothenburg (1899) 75 Branntweinkoncessionen auf 122 370 Einwohner, 


» Danzig (1898) 489 M » 125 605 n 
„ Stettin (1898) 994 (!) j » 151813 k 
» Kiel (1898) 318 » » 96640 a 
n Stockholm (1899) 213 (!) À n» 291580 (!) n 
„ Bremen (1898) 1130 () y a 150 000 N 


Von besonderem Werthe ist das Bestreben jener Gesellschaften, die 
Schänken möglichst fern von grossen Arbeitsplätzen zu koncessioniren. Auch 
erhalten Personen bis zu 18 Jahren keine geistigen Getränke. In den Schank- 
lokalen liest man auf die Vortheile der Mässigkeit und Enthaltsamkeit hin- 
weisende Anschläge. Bode betont, wie das Gothenburger System die Kneipen- 
und Schnapspolitik ausmerze, und die Parteien dort nicht die Hülfe der Al- 
koholinteressenten nöthig haben, wie bei uns. Diese frohlocken übrigens, dass 
der Trunk trotz allem in Schweden zunahm. Nur ist dafür keineswegs das 
Bolagsystem verantwortlich zu machen, sondern vor allem die Zunahme des 
Bierimports und das hohe Ansteigen der Löhne in den letzten Jahren. — 
Wir Mässigkeitsfreunde würden nur wünschen können, dass end- 
lich auch in Deutschland die grossen Vortheile der gemeinnützigen 
Schankgesellschaften anerkannt und von den koncessionirenden 
Behörden die Abgabe an den Meistbietenden nachgerade abge- 


Alkoholismus. Desinfektion. 955 


schafft würde, die geradezu den die Koncession Erwerbenden zu möglichst 
grossem Vertriebe der Alcoholica zwingt. Die Bode’sche Veröffentlichung sei 
angelegentlichst zum Studium empfohlen. Flade (Dresden). 


Töllner, Karl Fr. (Bremen), Eine neue Waffe gegen den Alkoholismus. 
Bremen. Druck von Carl Schünemann. (Im Selbstverlag.) 4 Ss. 8°, 

Ein Reklameschriftchen für das Töllner’sche Original-Ingwerbier-Extrakt, 
welches in wenigen Worten das Alkoholelend der modernen Kulturstaaten 
schildert und zur Enthaltsamkeit auffordert. „Der Kampf gegen den Alkohol 
ist eine Pflicht für Jeden, der nicht den Verfall, sondern die Förderung, nicht 
den Untergang, sondern ein fruchtbares Erblühen der höchsten menschlichen 
Güter, der Moral, der geistigen Befähigung, der göttlichen Psyche, als den 
Zweck unseres Daseins erkannt hat.“ In der Familie soll man zunächst mit 
dem Kampfe beginnen. Die alkoholischen Getränke sollen nicht die gewohn- 
heitsmässigen Tischgetränke sein. Als Vorzüge des Ingwerextraktgetränkes 
hebt die Schrift hervor: „Ein voller schöner Schaum bedeckt das goldblonde 
Getränk, und jeder, welcher seither an Lagerbier gewöhnt war, geniesst diesen 
Ersatz von vornherein ohne Widerwillen“. Man kann das Extrakt ferner als 
trockenes haltbares Pulver immer, bei sich führen und löst es einfach in 
Wasser auf; es ähnelt dem Brausepulver durch die beigefügte Weinsteinsäure, 
doppeltkohlensaures Natron, Zucker u. s. w. Das Büchlein weist noch auf die 
bekannte Thatsache hin, dass in den meisten der „alkoholfreieu“ Getränke Al- 
kohol nachweisbar ist. Ref. hat wiederholt das Ingwerextrakt gekostet und 
es ganz empfehlenswerth gefunden. Es dürfte aber immer wieder zu betonen 
sein, dass wir uns wesentliche Erfolge für unsere Mässigkeits- oder Enthalt- 
samkeitsarbeit hinsichtlich der Frage der Ersatzgetränke vor allem von 
möglichster Minderung des Preises (Zoll) der Volksgetränke, Kaffee und Thee, 
versprechen müssen, während all die neuen Ersatzgetränke wohl für die wohl- 
habenden Kreise zeitweise annehmbare Getränke sein, aber kaum allgemein 
benutzte Genussmittel werden können. Flade (Dresden). 


Jacobitz, Ueber desinficirende Wandanstriche. Aus dem hygien. In- 
stitat der Universität zu Halle a.S. Zeitschr. f. Hyg. Bd. 37. S. 70. 

Nachdem Verf. eingehend die Versuche von Deycke, Heimes und Bosco 
besprochen hat, beschreibt er seine eigenen. Dieselben wurden in der Weise 
angestellt, dass er 53 gem grosse Thon- resp. Eichenholzplatten mit der zu 
untersuchenden Farbe bestrich und sie nach vollständiger Trocknung ver- 
mittelst eines Haarpinsels oder Wattebausches mit 24 Stunden alten Bouillon- 
kulturen von pathogenen Bakterien inficirte. Bei jedem einzelnen Versuche 
wurde eine Platte bei Licht, eine andere im Dunkeln aufbewahrt. Die Ent- 
nahme von den Platten geschah, indem mit einem sterilen Messer immer ein 
gleich grosses Stück abgekratzt und in ein Bouillon-, Agar- oder Seramröhrchen 
gebracht wurde. 


956 Statistik. 


Untersucht wurden der Diphtheriebacillus, Typhusbacillus, Staphylococcus 
aureus, Streptococcus erysipelatis, Choleravibrio und sporenhaltiger Milzbrand. 

Die Versuche ergaben, dass die Bakterien am schnellsten abgetödtet 
wurden auf den von der Firma Rosenzweig & Baumann bezogenen Porcellan- 
emaillefarben Pef 2097 B und 2098 B sowie auf zwei Oelfarben, einer Blei- 
weiss- und einer Zinkweissfarbe, dann folgten die Zonkafarbe (Kitzingen), 
dann die Porcellanemaillefarben Pef 2092 und 2093 und schliesslich die Am- 
pbibolin-, Hyperolin- und Leimfarbe. 

Unterschiede zwischen den bei Licht und im Dunkeln aufbewahrten Platten 
waren dabei nicht zu beobachten. Auch die Wahl des Untergrundes war 
gleichgiltig. 

Auf den erstgenannten Farben waren nach 4 Stunden abgetödtet: Diph- 
therie, Typhus und Cholera; nach 8— 12 Stunden Staphylokokkus und Strepto- 
kokkus; auf der Zonkafarbe und Pef 2092 Cholera nach 4 Stunden, Typhus 
nach 12 Stunden, die übrigen nach 24 Stunden. Pef 2093 tödtete 8 mal, die 
übrigen Farben mindestens 70 mal so langsam ab als die erstgenannten. Milz- 
brandsporen wurden nur auf diesen nach 30 Tagen abgetödtet. 

Nunmehr ging Verf. daran, die Ursachen der Desinfektionswirkung 
zu untersuchen. Physikalische Verhältnisse genügten nicht zur Erklärung 
derselben, da sich die in dieser Beziehung völlig gleichen Porcellanemaille- 
farben in ihrer desinficirenden Wirkung völlig verschieden verhalten. Es müssen 
deshalb chemische Eigenschaften ausschlaggebend sein. Dass Ozon hierbei 
nicht in Betracht kommen kann, ergab die Thatsache, dass die am kräftigsten 
desinficirenden Farben die schwächste Ozonentwickelung aufwiesen. Dagegen 
wies der Umstand, dass bei den meisten angewendeten Farben der Farbkörper 
derselbe ist, darauf hin, dass der Unterschied in dem Bindemittel, dem Lein- 
öle, seine Ursache haben müsse. Weitere Versuche ergaben auch, dass die 
aus dem Leinöl entwickelten gasförmigen chemischen Verbindungen stärkere 
Desinfektionskraft besitzen als das Ozon, und zwar sind es hauptsächlich 
Kohlensäure, Aldehyde und flüchtige Fettsäuren, die die desinficirende Wirkung 
der Anstrichfarben bedingen. Hierdurch ist gleichzeitig die geringere Desin- 
fektiouskraft von Pef 2092 und 2093 erklärt, da ihre Bindemittel nicht Leinöl, 
sondern Terpentinöl ist. 

Wie lange die desinficirende Wirkung der Wandanstriche vorhält, konnte 
nicht mit Sicherheit bestimmt werden; doch trat nach 51/, resp. 10 Wochen 
langem Trocknen eine Verzögerung der Bakterienwirkung ein, nach 4 Monaten 
findet dieselbe erst nach 4—5 Tagen statt. 

Was die praktische Verwerthung der Farben betrifft, so zeichnen sich die 
am besten desinficirenden gleichzeitig durch Glätte des Anstrichs, grosse Deck- 
kraft und Widerstandsfähigkeit gegen unsere gewöhnlichen Desinfektionsmittel 
aus. Kisskalt (Würzburg). 


Prinzing, Friedrich, Die eheliche Fruchtbarkeit in Deutschland. Zeit- 
schr. f. Socialwissenschaft. 1900. Bd. 4. S. 33 ff. 

Deutschland nimmt mit 27,0 ehelich Geborenen auf 100 verheirathete 

Frauen unter den europäischen Staaten eine bevorzugte Stellung ein. In den 


Statistik. 957 


einzelnen Theilen Deutschlands zeigen sich allerdings grosse Verschiedenheiten, 
welche in erster Linie durch die Gewohnheiten der Volksstämme bedingt sind; 
daneben ist die Menschenanhäufung in den Städten von besonderer Bedeutung, 
die meist mit einem beträchtlichen Rückgange der ehelichen Fruchtbarkeit 
einhergeht. Der letztere Umstand ist aber nicht in gleichem Maasse wirksam, 
so ist in dem städtereichen Regierungsbezirk Düsseldorf die eheliche Frucht- 
barkeit sehr hoch, während sie in Lüneburg und Mecklenburg, Gebieten mit 
nur wenigen Städten, klein ist. Ihre Höhe wechselt schon in verhältnissmässig 
beschränktem Umkreise erheblich, ohne dass sich dies auf die Art der vor- 
wiegenden Beschäftigung, vor Allem auf die Vertheilung von Landwirthschaft 
nnd Industrie, zurückführen liesse; vielmehr handelt es sich dabei um Volks- 
gebräuche, deren Entstehung nur eine eingehende Lukalforschung aufdecken kann. 

In Preussen ist ein Rückgang der ehelichen Fruchtbarkeit auf dem Lande 
nicht vorhanden, während er in den Städten, vor Allem in den Grossstädten, 
recht erheblich ist. Besonders ausgesprochen war der Rückgang in Berlin, in 
den Städten der Bezirke Potsdam, Liegnitz, Merseburg, Düsseldorf, Köln und 
Hohenzollern. Aehnlich wie in Preussen verhält es sich in Bayern. In den 
ausserfränkischen Bezirken des rechtsrheinischen Bayerns überragt die eheliche 
Fruchtbarkeit auf dem Lande jene der Städte in solchem Maasse, wie dies in 
Preussen nirgends beobachtet wird. Die Ursachen dieses Missverhältnisses in 
den ausserfränkischen Bezirken müssen in gesellschaftlichen Zuständen der 
dortigen Städte gesucht werden. Das rege, gesellige Leben daselbst bedingt 
einen grösseren Geldaufwand, zu dessen Ausgleichung die Verhinderung eines 
reichen Kindersegens ein wirksames Mittel bildet. Nur so werden in einem 
Gebiete hoher ehelicher Fruchtbarkeit die geringen Ziffern, welche auf die 
Städte fallen, zu erklären sein. 

Eine künstliche Beschränkung der Kinderzahl findet in fast allen deutschen 
Städten statt; aber auch auf dem Lande hat sich in weiten Gebieten der Prä- 
ventivverkehr eingebürgert. Gerade da, wo jetzt die eheliche Fruchtbarkeit 
eine sehr geringe ist, wie in Thüringen, in der Provinz Sachsen, im Osten 
Hannovers, ist dies wahrscheinlich schon seit lange der Fall gewesen. Die 
Beurtheilung einer absichtlichen Beschränkung der Kinderzahl ist je nach den 
in den Vordergrund gestellten Gesichtspunkten eine sehr verschiedene. Wenn 
dieselbe als das wirksamste Mittel gegen die Gefahr der Uebervölkerung ge- 
priesen wird, so ist darauf hinzuweisen, dass in Deutschland zur Zeit eine 
solche nicht besteht, denn gerade da, wo die eheliche Fruchtbarkeit am höchsten 
ist, in den ostpreussischen Provinzen, wird über Leutenoth geklagt, und die 
aus diesen abgewanderten Arbeiter werden nicht nur von den geburtsarmen 
centralen preussischen Provinzen, sondern auch von dem geburtenreichen 
Westen aufgenommen. Da Ideen, wie die einer künstlichen Beschränkung der 
Kinderzabl, sich in der Bevölkerung schnell einbürgern können, müssen alle 
Versuche zu ihrer Verbreitung energisch bekämpft werden. 

Würzburg (Berlin). 


958 Statistik. Verschiedenes. 


Tabellarische Uebersichten, betreffend den Civilstand der Stadt 
Frankfurt a.M. im Jahre 1899. 32 Ss. gr. 8%. Frankfurt a. M. 1900. 
Bei einer mittleren Jahresbevölkerung des Stadtgebiets einschliesslich 
Bockenheims von 253 900 Seelen wurden im Verhältniss zu jedem Tausend 
11,47 Eheschliessungen gegen 11,68 im Vorjahre, 30,15 Geburten gegen 31,08 
und 16,56 Todesfälle gegen 15,57 verzeichnet. Von den 7654 Geburten waren 
243 Todtgeburten, von letzteren waren 30, von den 7411 Lebendgeburten 
933 uneheliche. 

Die Periode günstiger Bevölkerungsverhältnisse, welche sich im ganzen 
Reiche durch hohe Heiraths- und Geburtsziftern und eine niedrige Sterblichkeit 
auszeichnete und Mitte der neunziger Jahre begonnen hat, dauerte demnach im 
Berichtsjahr noch an, wenn auch ein kleiner Rückschlag gegen das unge- 
wöhnlich günstige Jahr 1898 erkennbar war. 

Von den Todesursachen seien l.ungenschwindsucht mit 605 Fällen, Lungen- 
entzündung mit 357, Magendarmikatarrh mit 252, Gehirnschlag mit 207. Alters- 
schwäche mit 157, Keuchhusten mit 80, Diphtherie mit 43, Influenza mit 39, 
Masern mit 37, Typhus mit 10, sowie Selbstmord mit 72 Fällen hervorge- 
hoben. — Auf Anstalten trafen 1238 Todesfälle, auf die 7 grössten Kranken- 
anstalten 868 bei 10546 Aufnahmen. Würzburg (Berlin). 


Oppenheimer C., Zur Theorie der Fermentprocesse. Münch. med. Wochen- 
schr. 1901. No. 16. S. 624. 

Nach einem kurzen Ueberblick über die Geschichte unserer Kenntniss von 
den katalytischen Processen, in dem besonders des Verdienstes von Ost- 
wald um genaue Charakterisirung der Katalyse als „Beschleunigung eines 
langsam verlaufenden chemischen Vorgangs durch die Gegenwart eines fremden 
Stoffes“ gedacht wird, kommt Verf. auf die neueren Arbeiten von Bredig 
zu sprechen. Dieser hat nachgewiesen, dass die katalytischen, H,O, zer- 
setzenden Wirkungen der Metallsole — einer feinsten Vertheilung, nicht Lösung, 
von Metallpartikelchen in einem flüssigen Medium — vollkommen identisch 
sind mit den katalytischen Wirkungen der Enzyme: im zeitlichen Verlauf, dem 
Einfluss der Temperatur, der Einwirkung chemischer Stoffe wie Blausäure auf 
den Ablauf des Processes. Er glaubt deshalb, dass auch die eigentliche 
Fermentaktion so weit mit der Wirkung der Metallsole übereinstimmt, dass 
er berechtigt sei, die beiden Processe kurzweg unter die Fermentprocesse zu 
rubrieiren und die Träger der Wirkung nur mehr als organische und anorga- 
nische Fermente zu unterscheiden. 

Hierin geht Bredig nach Verf.’s Meinung zu weit. 

Zunächst ist die Uebertragung des Namens „Ferment“ auf anorganische 
Körper im Prineip zu verwerfen, da mit diesem Ausdruck der Begriff des 
Sektionsproduktes lebender Zellen unzertrennlich verbunden ist und somit die 
Wirkungsweise nur einen Theil der den Fermenten supponirten Eigenschaften 
bildet. 

Ferner ist es unrichtig, dass die katalytische Wirkung der organischen 
Materie eng und wesentlich mit der fermentativen zusammenhängt. 


Gesetze und Verordnungen. 959 


Denn erstens folgt die Enzymwirkung nicht genau den Gesetzen der Kata- 
lyse, sondern, während bei dieser die Katalysatoren unverändert bleiben, ver- 
ändert sich das Ferment während der Reaktion. 

Zweitens ist die Fähigkeit aller Enzyme, H,O, zu zerlegen, nicht eine 
Eigenschaft des Fermentes an sich, da man nach Jacobson die katalytische 
Kraft vernichten kann, ohne die eigentlich fermentative zu zerstören. 

Drittens — und dies ist die Hauptsache — ist es nicht möglich, mit der 
Theorie der einfachen Katalyse die streng specifische Wirkung der Fermente 
zu erklären. Diese strenge Specifität lässt annehmen, dass einige Beziehungen 
zwischen dem Ferment und seinem Substrat vorhanden sind, dass bei dem 
ersten Akt der Fermentwirkung präliminare Veränderungen beider Stoffe vor 
sich geben und erst der zweite Akt, der Zerfall, katalytischer Natur ist. Diese 
präliminaren Vorgänge bestehen höchst wahrscheinlich in einer Bindung des 
Fermentes an sein Substrat, und zwar sind die Beziehungen der beiden Körper 
zu einander sterischer Natur. 

Von den echten Fermenten führt eine fast lückenlose Reihe von Ueber- 
gängen zu den Bakterientoxinen, vom Labferment einerseits über die Fermente 
der übrigen Eiweisskörper (Präcipitine u. s. w.) zu den specifischen Fermenten, 
die sich auf Zellen züchten, weiter zu den Blutgiften (Tetanolysin u. s. w.) und 
den eigentlichen Toxinen. Auch die Präcipitine (Hämolysine u. s. w.) müssen 
als Fermente angesehen werden, nur sind sie von so unendlich verfeinerter 
Specifität, dass sie sogar auf Verschiedenheiten der Eiweissstoffe verschiedener 
Thierarten Rücksicht nehmen. 

Schwierigkeiten bietet dieser Theorie der Fermentwirkung allerdings die 
Thatsache, dass es auch relativ einfach konstituirte Fermentsubstrate giebt, 
wie Amygdalin, Rohrzucker, in denen das Vorhandensein sterisch specifischer 
Gruppen schwer vorausgesetzt werden kann, und es ist deshalb fraglich, ob 
sie auf alle Fermente ausgedehnt werden darf. Kisskalt (Würzburg). 


Gesetze und Verordnungen. 
(Fortsetzung und Schluss aus No, 18.) 


3. Von weitgehendster hygienischer Bedeutung ist die allgemeine Verfügung, 
betreffend Fürsorge für die Reinhaltung der Gewässer vom 20. Februar 1901. 
Es heisst in derselben: 

Die Angelegenheit (die Reinhaltung der Gewässer) gewinnt eine immer steigende 
Bedeutung, weil in Folge der ständigen Vermehrung der Bevölkerung und der auf 
Benutzung der Wasserläufe angewiesenen Anlagen die Verunreipigung der Gie- 
wässer stetigzuzunehmen droht, während andererseits das Bedürfniss nach 
reinem Wasser für wirthschaftliche und andere Zwecke fortwährend anwächst. 
Ein solches Bedürfniss besteht nicht nur für die Gemeinden und die Landwirtlischaft, 
sondern auch für zahlreiche industrielle Betriebe (Bleichereien, Wäschereien. Papier- 
fabriken, Brauereien, Stärkefabriken u. s. w.), sowie auch für sämmtliche Dampf- 
kesselanlagen. - 

Die auf Reinhbaltung der Gewässer gerichteten Bestrebungen der Behörden 
werden daher auch bei den betheiligten Erwerbskreisen im Allgemeinen 


960 Gesetze und Verordnungen. 


auf Verständniss und Unterstützung rechnen dürfen. Auch in solchen Fällen, 
wo polizeiliche Zwangsmaassregeln nach Lage der Gesetzgebung ausge- 
schlossen sein sollten, haben deshalb die Polizeibehörden sich nicht unthätig zu 
verhalten, sondern müssen es sich angelegen sein lassen, im gütlichen Wege die 
Besitzer nachtheilig wirkender Anlagen und die sonst Betheiligten zu der nöthigen 
Verbesserung der Ableitungseinrichtungen zu bestimmen. 

Für das polizeiliche Vorgehen kommen im übrigen vornehmlich folgende 
Gesiohtspunkte in Betracht: 

I. Die Polizeibehörden müssen, um rechtzeitig die erforderlichen Maass- 
nalımen zur Reinhaltung der Gewässer treffen zu können, über den thatsächlichen 
Zustand der Gewässer ihres Bezirks genau unterrichtet sein und sich von allen 
für die Abwässerungsverhältnisse wesentlichen Veränderungen alsbald Kenntniss 
verschaffen. 

Die polizeilichen Exekutivbeamten (Gensdarmen, Ortspolizei-, Strom- 
polizei-, Fischereibeamten) sind anzuweisen, von allen Gewässerverunreinigun- 
gen, die sie gelegentlich wahrnehmen, thunlichst unter Angabe der Ursprungsstelle 
und der Häufigkeit der Wiederholungen, der ihnen vorgesetzten Polizeibehörde un- 
verzüglich schriftliche Anzeige zu erstatten, worauf diese Behörde das Weitere 
zu veranlassen hat. 

Ferner sind behufs Feststellung etwaiger Verunreinigungen und Erörterung der 
zur Reinhaltung erforderlichen Maassnahmen nach Bedarf, in der Regel mindestens 
alle 2—3 Jahre, Begehungen derjenigen Gewässer vorzunehmen, die bereits in 
erheblicherem Maasse verunreinigt sind, oder bei denen eine solche Verunreinigung 
zu besorgen ist. Nähere Anordnungen haben die Herren Regierungspräsidenten oder, 
soweit es sich um schiffbare Wasserstrassen handelt, mit deren Verwaltung besondere 
Behörden im Sinne des $ 138 des Landesverwaltungsgesetzes betraut sind, diese zu 
treffen; sie haben insbesondere zu bestimmen, auf welche Gewässer die Begehungen 
erstreckt werden, und in welchen Zeitabschnitten sie stattfinden sollen, wer die Be- 
gehungen leiten soll, und welche Beamten hinzuzuziehen sind. 

Dabei ist Folgendes zu beachten: dem zuständigen Baubeamten (Melio- 
rations-Bauinspektor, Wasserbauinspektor, Kreisbauinspektor), dem Gewerbeinspek- 
tor und dem Medicinalbeamten ist stets Gelegenheit zu geben, sich an den Be-, 
gehungen zu betheiligen; geeigneten Falles ist auch der Deichinspektor zuzu- 
ziehen. Wo bergbauliche Interessen in Frage kommen, ist ausserdem dem Überherzamt 
behufs etwaiger Entsendung eines Vertreters Mittheilung zu machen. Es ist daraul 
Bedacht zu nehmen, dass die Absicht der Begehung nicht vorzeitig in diè 
weitere Oeffentlichkeit dringt, damit nicht etwa seitens interessirter Personen 
der Zweck der Begehung durch besondere Maassnahmen vereitelt wird. 

Auch Begehungen, die aus anderer Veranlassung stattfinden, z. B. behufs der 
vorgeschriebenen Vervollständigung oder Abänderung der Wasserhücher, sowie die 
Strombereisungen sind thunlichst für den obigen Zweck nutzbar zu machen. 

I. Bei Anwendung der geltenden gesetzlichen Bestimmungen die 
— abgesehen von den für einzelne kleinere Gebiete etwa bestehenden Vorschriften — 
in der Anlage I zusammengestellt sind, ist Nachstehendes zu beachten: 

1. Die wichtigsten sind der § 27 des Feld- und Forstpolizeigesetzes 
vom 1. April 1880 und der § 43 des Fischereigesetzes vom 30. Mai 1874, die 
beide für den ganzen Umfang der Monarchie gelten. 

Der § 27 No. 3a. a. O. bedroht nicht jedwede Verunreinigung von Gewässern 
mit Strafe, sondern nur die unbefugte. Für die Beantwortung der Frage, ob die 


Gesetze und Verordnungen. 961 


Verunreinigung als eine befugte oder unbefugte anzusehen ist, sind die Bestimmungen 
des sonstgeltenden Rechts maassgebend (vergl. Entsch. d. O.-V.-G. Bd. 29. S. 287). 

Das Fischereigesetz, welches gleich dem § 27 No. 3 a. a. O. für öffentliche 
(schiffbare) und private (nicht schiffbare) Flüsse sowie für geschlossene und nicht 
geschlossene Gewässer gilt, schreibt deren Reinhaltung zwar lediglich im Interesse der 
Wahrung fremder Fischereirechte vor, wird aber bei richtiger Anwendung auch eine 
geeignete Handhabe bieten, um neben den Fischereirechten andere Inter- 
essen zu schützen. ee 

2. Von den beiden nur in den alten Provinzen geltenden Gesetzen betrifft die 
Kabinets-Ordre vom 24. Februar 1816 lediglich die schiff- und flössbaren, das Gesetz 
vom 28. Februar 1843 die (nicht schiffbaren) Privatflüsse. Beide Gesetze untersagen 
die Verunreinigung, insoweit sie durch gewerbliche Anlagen herbeigeführt 
wird, die Kabinets-Ordre jedoch nur, wenn sie durch Einwerfen fester Stoffe er- 
folgt, wie sich aus den Wendungen „Abgänge in solchen Massen in den Fluss werfen® 
und„Wegräumung der den Wasserlauf hemmenden Gegenstände“ ergiebt. Das Privat- 
flussgesetz verbietet ferner die Verunreinigung auch dann, wenn dadurch der Be- 
darf der Umgegend an reinem Wasser beeinträchtigt oder eine erhebliche Belästigung 
des Publikums verursacht wird. 

3. Der im Geltungsbereiche des Rheinischen Rechts noch geltende Artikel 42 
der Ordonnance sur le fait des eaux et forêts bezieht sich nur auf schiff- 
und flössbare (navigables et flottables) Flüsse, untersagt aber deren Verunreini- 
gung allgemein (die Synonyme ordure und immondice bezeichnen zwar speciell 
Schmutz, Kehricht, Staub, werden aber auch allgemein im Sinne von Unreinigkeiten 
gebraucht). 

4. Bei dem Mangel einer gesetzlichen Vorschrift, welche die Verun- 
reinigung der Gewässer allgemein untersagt, ist in jedem einzelnen Falle 
zu prüfen, ob die Voraussetzungen eines der in der Anlage aufgeführten oder sonst 
in Betracht kommenden Sondergesetze vorliegen. Soweit dies nieht der Fall ist, kann 
die Polizeibehörde auf Grund der Bestimmungen des § 10 A. L.-R. H, 17 und des 
§ 6 des Gesetzes über die Polizeiverwaltung vom 11. März 1850 (Gesetz-Samml. S.265) 
sowie des § 6 der Verordnung über die Polizeiverwaltung in den neu erworbenen 
Landestheilen vom 20. September 1867 (Gesetz-Samml. S. 1529) gegen eine Verun- 
reinigung der Gewässer einschreiten, wenn die Voraussetzungen dieser Gesetze ge- 
geben sind. Hierbei werden, soweit es sich um Anwendung des & 6 des Gesetzes von 
1850 und der Verordnung von 1867 handelt, je nach Umständen vornehmlich in Be- 
tracht kommen die Fälle unter: 

a) a. a. O. Schutz der Personen und des Eigenthunis, 

f) Sorge für die Gesundheit, 

g) Fürsorge gegen gemeinschädliche und gemeingefährliche Handlungen, 

h) Schutz der Felder, Wiesen, Weiden u. s. w. 

Dazu ist zu bemerken, dass das Oberverwaltungsgericht in neuerer Zeit 
dem Begriffe der Gesundheitsschädlichkeit eine weitgehende Anwend- 
barkeit beigelegt und insbesondere polizeiliche Verfügungen für berech- 
tigt erklärt hat, die bestimmt sind, eine auch nur mittelbare Gesundheitsge- 
fahr, wie sie z.B. üble Ausdünstungen im Gefolge haben können, abzu- 
wenden (vergl. Entsch. des IIl. Senats vom 28. November 1895 im Preuss. Verw.-Bl. 
17. S. 431. Abs. 5). Es wird sich daher, wo die sondergesetzlichen Bestimmungen 
versagen, in vielen Fällen ein Einschreiten schon aus dem Gesichtspunkte einer durch 
die Verunreinigung drohenden Gesundheitsgefahr rechtertigen lassen. 

IH. Bei den zur Reinhaltung der Gewässer zu ergreifenden Maassnahmen sind 


962 Gesetze und Verordnungen. 


vornehmlich folgende Ziele ins Auge zu fassen, und zwar ohne Unterschied, ob es 
sich um öffentliche oder Privatflüsse, um stehende oder fliessende, 
unterirdische, geschlossene oder nicht geschlossene Gewässer handelt: 

1. Vermeidung der Verbreitung ansteckender Krankheiten oder 
sonstiger gesundheitsschädlicher Folgen, auch im Hinblick auf die schit- 
fahrttreibende Bevölkerung, 

2. Reinhaltung des für eine Gegend oder Ortschaft zum Trinken, 
zum Haus- oder Wirthschaftsgebrauch oder zum Tränken des Viehrs 
sowie zum Betriebe der Landwirthschaft oder zum Gewerbebetriebe 
erforderlichen Wassers, 

3. Schutz gegen erhebliche Belästigungen des Publikums: 

4. Schutz des Fischbestandes. 

Behufs Erreichung dieser Ziele ist die sorgsamste Handhabung der 
bestehenden gesetzlichen Vorschriften geboten und insbesondere darauf hin- 
zuwirken, dass deren Anwendung nicht etwa aus Gründen lediglich örtlichen Interesses 
zum Nachtheile der Allgemeinheit unterbleibt. Auch ist das polizeiliche Vorgehen 
nicht davon abhängig zu machen, dass seitens eines Geschädigten oder sonst Bethei- 
ligten Beschwerde wegen Wasserverunreinigung erhoben wird, sondern sobald eim 
Missstand zur Kenntniss der Polizeibehörde gelangt, ist von Staatswegen einzuschreiten. 
Andererseits ist aber darauf Bedacht zu nehmen, dass bei Anwendung der gesetzlichen 
Bestimmungen, soweit sie nicht zwingenden Rechts sind, die Grenzen des berechtigten 
Bedürfnisses nicht zam Schaden überwiegender anderweitiger Interessen überschritten 
werden; wie ja auch nach $ 43 Abs. 2 des Fischereigesetzes das Einwerfen oder Ein- 
leiten schädlicher Stoffe in die Gewässer „bei überwiegendem Interesse der Landwirth- 
schaft oder der Industrie gestattet werden kann. Ueberhaupt ist unter Vermeidung 
jeder schematischen Behandlung von Fall zu Fall nach Maassgabe der ob- 
waltenden örtlichen und wirthschaftlichen Verhältnisse unter billiger Abwägung 
widerstreitender Interessen zu verfahren, wobei die verschiedenen wirthschaftlichen 
Interessen, insbesondere die der Landwirthschaft und der Industrie, im Grundsatz als 
gleichwerthig zu behandeln sind. Denn die Mannigfaltigkeit der Art und des Umfangs 
der Anlagen, die Verschiedenheit der technischen Möglichkeit und finanziellen Durch- 
führbarkeit der Abwässerreinigung, die Beschaffenheit der Gewässer und die Bedurf- 
nisse der näheren oder weiteren Umgegend nach reinem Wasser, sowie die Vielseitix- 
keit der betheiligten öffentlichen und wirthschaftlichen Interessen bedingen eine indi- 
viduelle Behandlung des einzelnen Falles. Hierbei und namentlich bei den für die 
Reinigung von Abwässern zu stellenden Forderungen sind die praktischen 
Erfahrungen und der jeweilige Stand von Wissenschaft und Technik zu 
berücksichtigen. In der Anlage Il sind einige nach dem derzeitigen Stande der Wissen- 
schaft aufgestellte Grundsätze für die Einleitung von Abwässern in Vorfluther tei- 
gefügt, welche dabei als Anhalt dienen können. Die Vervollständigung dieser Grund- 
sätze, insbesondere der nicht nach § 16 der Gewerbeordnung genehmigungspflichtigen 
Anlagen, bleibt vorbehalten. 

Für die fortlaufende Beobachtung und Verwerthung.der Fortschritte 
auf dem Gebiete der Abwässerreinigung und Wasserversorgung wird, die 
Bewilligung der beantragten Mittel durch die Landesvertretung vorausgesetzt, am 
1. April 1901 eine staatliche Prüfungs- und Untersuchungsanstalt in 
Thätigkeit treten, bei der alsdann die Behörden sachkundigen Rath erlangen können. 

IV. Bei Verfolgung der vorbezeichneten Ziele sind im übrigin vorzugsweise 
folgende Gesichtspunkte zu beachten: 

1. Als Verunreinigung der Gewässer kommt neben dem Einwerfen 


Gesetze und Verordnungen. 963 


fester Stoffe und Gegenstände, wie Kehricht, Schutt, Asche, Unrath. Koth, 
Sägespäne, thierische Körper und dergl., namentlich dasEinleiten verunreinigten 
Wassers oder sonstiger flüssiger Stoffe in Betracht. Ob die Verunreinigung 
durch gewerbliche Anlagen oder durch Abgänge aus der Haus- und Landwirthschaft 
oder auf andere Weise erfolgt, macht keinen Unterschied. 

2. Gewässer, die in erster Linie zur Entwässerung, insbesondere 
zur Aufnahme der Abwässer von Ortschaften und Fabriken, benutzt 
werden, oder die in längerer Ausdehnung mit gewerblichen und anderen baulichen 
Anlagen besetzt sind, werden in der Regel bezüglich der Reinhaltungsmaass- 
regeln anders zu behandeln sein, als Gewässer, die hauptsächlich 
Zwecken der Landwirthschaft und der Fischzucht dienen oder vorzugs- 
weise zur Bewässerung benutzt werden. 

3. Die Einführung verunreinigender Stoffe in die Gewässer ist in der 
Regel dann zu untersagen, wenn ihre Wassermenge unter Berücksichtigung des 
vorhandenen Gefälles nicht ausreicht, um die Stoffe in unschädlicherWeise 
aufzunehmen. 

4. Sind nahe der Einmündung erheblicher Mengen schädlicher Ab- 
wässer Ortschaften gelegen, die auf die Benutzung des Wassers, insbesondere 
zu Trinkzwecken oder für den häuslichen Gebrauch angewieson sind, so 
sind Vorkehrungen gegen die Verunreinigung des Gewässers in weit höherem 
Maasse erforderlich, als wenn die Wohnstätten so weit von der Einmündungs- 
stelle entfernt sind, dass nach den besonderen Verhältnissen die Uebertragung 
gesundheitsschädlicher Stoffe auf Menschen und Thiere unwahrscheinlich, oder 
das Gewässer in der Lage ist, sich durch Selbstreinigung der eingeführten schäd- 
lichen Stoffe zu entledigen. 

5. Unter Umständen wird mit Rücksicht auf die bisherige thatsächliche Ent- 
wickelung der Verhältnisse, die bei manchen Gewässern zu einer erheblichen 
dauernden Verunreinigung geführt hat, während andere Gewässer noch reines 
und gutes Wasser enthalten, in der Weise zu unterscheiden sein, dass auf die weitere 
Reinhaltung der letzteren ein besonders grossesGewicht gelegt, derEinleitung unreiner 
Stoffe und Abwässer in die Vorfluther der erstgedachten Art aber, soweit es nicht aus 
gesundheitspolizeilichen Rücksichten geboten ist, weniger streng entgegengetreten wird. 
Dabei ist indes darauf Bedacht zu nehmen, dass nicht durch eine übermässige Ver- 
unreinigung des Oberlaufs der noch reine Unterlauf eines Flusses ebenfalls verdorben 
wird. (vergl. hierzu Entsch. d. O.-V.-G. Bd. 29. S. 292/293.) 

V. Ein Unterschied in dem polizeilichen Vorgehen ist geboten je 
nach Art der Anlagen und Anstalten, von denen die Verunreinigung 
ausgeht. 

1. Handelt es sich um gewerbliche Anlagen, die einer besonderen Geneh- 
migung nach § 16 der Gewerbeordnung bedürfen, so gilt Folgendes: 

a) Für die Neuerrichtung solcher Anlagen sind in erster Linie die Bestim- 
mungen der $$ 17ff. a.a.0. und der Ausführungsanweisungen vom 9. August1899 und 
24. August 1900 (Min.-Bl. f. d. innere Verw. S. 127 u. 288) maassgebend. Dabei hat 
sich die nach § 18 der Gew.-Ordn. stattfindende Prüfung und die Begutachtung durch 
den Gewerbeinspektor, den zuständigen Baubeamten (Meliorations-Bauinspektor, Wasser- 
Bauinspektor, Kreisbauinspekter) und den Medicinalbeamten auch auf die Frage zu 
erstrecken, ob und in wieweit eine Verunreinigung der Gewässer von 
einer Anlage zu besorgen und die Herstellung von Klärvorrichtungen 
erforderlich oder zweckmässig ist. Je nach dem Ausfall der Prüfung und der 
Gutachten ist die Genehmigung zu der Anlage an Bedingungen zu knüpfen oder unter 
Umständen ganz zu versagen. 


964 Gesetze und Verordnungen. 


Bei der gedachten Begutachtung ist die technische Anleitung vom 15. Mai 189% 
(Min.-Bl. S. 196) — abgeändert durch die Erlasse vom 9. Januar 1896 (Min.-Bl. S. 9) 
und vom März und 1. Juli 1890 (Min.-Bi. S. 98, 187) — zu beachten. 

b) Gegenüber bestehenden, bereits genehmigten Anlagen ergeben sich, 
sofern nicht etwa der Fall des $ 5l der Gew.-Ordn. eintritt, oder eine Aenderung in 
der Lage oder Beschaffenheit der Betriebsstätte oder eine wesentliche Aenderung in 
dem Betriebe selbst vorgenommen wird (825 der Gew.-Ordn.), die Grenzen des polizei- 
lichen Einschreitens aus dem Inhalte der Genehmigungsurkunde (vergl. No. 27 der 
Ausf.-Anw. vom 9. August 1899). 

Innerhalb dieser Grenzen ist zwar auf die Wahrung vorhandener Berech- 
tigungen zur Abführung von Abwässern und auf eine thunlichste Schonung 
gegebener Verhältnisse Bedacht zu nehmen; andererseits ist aber einem Miss- 
brauche solcher Berechtigungen, soweit es gesetzlich zulässig ist, energisch 
entgegenzutreten und auf eine Verbesserung der vorhandenen Zustände 
nach Möglichkeit hinzuwirken. Zu diesem Zwecke sind die bestehenden Anlagen 
thunlichst einer regelmässigen Aufsicht zu unterstellen, die sich insbesondere 
auf eine Prüfung in der Richtung zu erstrecken hat, ob die vorhandenen Klär- 
und Reinigungsvorrichtungen in ordnungsmässigem Zustande erhalten 
und ihrer Zweckbestimmung entsprechend benutzt werden, und ob die Abfüh- 
rung der Abwässer nicht das durch die Interessen des Betriebes unbe- 
dingt gebotene Maass überschreitet. Stellen sich bei der Beaufsichtigung 
Missstände heraus, deren Beseitigung auf Grund des geltenden Rechts oder der Ge- 
nehmigungsurkunde verlangt werden kann, so wird es sich in der Regel empfehlen, 
zunächst mit dem Unternehmer in geeigneter Weise in Verbindung zu treten, um ihn 
auf gütlichem Wege zu veranlassen, Abhilfemaassregeln zu treffen. Erst wenn dies 
Verfahren nicht zum Ziele führt, ist im Wege polizeilicher Verfügung vorzugehen und 
das zur Beseitigung der Missstände Erforderliche im Zwangswege zu veranlassen. 

2. Gegen gewerbliche Anlagen, die einer Genehmigung nach $16a.2.0. 
nicht bedürfen, sowie gegen nicht gewerbliche Anlagen und Veranstaltun- 
gen aller Art kann die Polizeibehörde auf Grund der oben zu II angeführten 
Bestimmungen bis zu ihrer völligen Untersagung einschreiten (vergl. Enısch. d. 
0.-V.-G. Bd. 23. S. 254, 257/263). 

Um eine solche Maassnahme thunlichst zu vermeiden, empfiehlt es 
sich, nicht erst abzuwarten, bis schädigende Anlagen vielleicht mit erheblichen 
Kapitalaufwendungen ausgeführt sind und ihre Wirkungen zeigen, sondern von vorn 
herein den Unternehmer auf die Folgen einer unzulässigen Verunreinigung 
der Wasserläufe aufmerksam zu machen. Bei genügender Aufmerksamkeit und 
Befolgung der oben unter ] gegebenen Anordnungen muss es den Polizeibehörden 
möglich sein, in dieser Weise rechtzeitig die erforderlichen Vorbeugungsmaassregeln 
zu treffen. Namentlich erscheint es zweckmässig, gelegentlich der Ertheilung von Bau- 
erlaubnissen für Anlagen, mit welchen die Gefahr einer Wasserverunreinigung vet- 
bunden ist, den Unternehmer ausdrücklich darauf h’nzuweisen, dass er für unschäd- 
liche Abführung der unreinen Stoffe und Abwässer Sorge tragen müsse, widrigenfalls 
auf Grund der gesetzlichen Vorschriften polizeilicherseits gegen ihn vorgegangen 
werden müsse. 

Auf bereits bestehende Anlagen dieser Art findet das vorstehend unter No. 1b 
im Abs. 2 Gesagte sinngemässe Anwendung. 

IV. Soweit es sich um eine Verunreinigung der Gewässer durch den 
Bergbau handelt, ist den Bergbehörden (Oberbergämtern, Revierbeaimten) durch 
die §§ 196—199 A. L.-R. die Aufgabe übertragen, jeder gemeinschädlichen Einrir- 


Kleinere Mittheilungen. 965 


kung des Bergbaues entgegenzutreten. Es ist jedoch bereits in dem gemeinschaftlichen 
Erlasse dor mitunterzeichneten Minister für Landwirthschaft, Domänen und Forsten 
und für Handel und Gewerbe vom 7. April 1876 (vergl. Zeitschr. für das Berg-, 
Hütten- und Salinenwesen Bd. 24. S. 23) angeordnet, dass die Bergbehörden sich in 
wichtigeren Fällen mit den Wasserpolizeibehörden ins Benehmen zu setzen haben. 
Dort ist es auch bereits als zweckmässig bezeichnet, dass die Wasserpolizeibehörden 
Maassnahmen, die auf den Bergbau zurückwirken können — abgesehen 
von den Fällen einer dringenden Gefahr — thunlichst erst nach Anhörung der 
Bergbehörden und möglichst im Einverständnisse mit ihnen treffen. 
(Veröff. d. Kais. Ges.-A. 1901. No. 11.) 


9. Unter dem 29. December 1900 hat der der Minister der geistlichen u. s. w. 
Angelegenheiten folgende Anweisung, betreffend medicinische Eingriffe am 
Menschen, an die Vorsteher der Kliniken, Polikliniken und sonstigen Krankenan- 
stalten, ergehen lassen: 

l. Die Vorsteher der Kliniken, Polikliniken und sonstigen Krankenanstalten 
weise ich darauf hin, dass medicinische Eingriffe zu anderen als diagnostischen, 
Heil--und Immunisirungszwecken, auch wenn die sonstigen Voraussetzungen für die 
rechtliche und sittliche Zulässigkeit vorliegen, doch unter allen Umständen aus- 
geschlossen sind, wenn 

1. es sich um eine Person handelt, die noch minderjährig oder aus anderen 
Gründen nicht vollkommen geschäftsfähig ist: 

2. die betreffende Person nicht ihre Zustimmung zu dem Eingriffe in un- 
zweideutiger Weise erklärt hat; 

3. dieser Erklärung nicht eine sachgemässe Belehrung über die aus dem 
Eingriffe möglicherweiso hervorgehenden nachtheiligen Folgen vorausgegangen ist. 

II. Zugleich bestimme ich, dass 

1. Eingriffe dieser Art nur von dem Vorsteher selbst oder mit besonderer 
Ermächtigung desselben vorgenommen werden dürfen; 

2. bei jedem derartigen Eingriffe die Erfüllung der Voraussetzungen zul 
No.1—3 und II No. 1, sowie alle näheren Umstände des Falles auf dem Kranken- 
blatte zu vermerken sind. 

IL Die bestehenden Bestimmungen über medieinische Eingriffe zu dia- 
gnostischen, Heil- und Immunisirungszwecken werden durch diese Anwei- 
sung nicht berührt. (Veröff. d. Kais. Ges.-A. 1901. No. 7.) 

Jacobitz (Halle a.S.). 


Kleinere Mittheilungen. 


Stand der Seuchen. Nach den Veröffentlichungen des Kaiserlichen Gesund- 
heitsamtes. 1901. No. 35 u. 36. 

A. Stand der Pest. I. Türkei. Galata. Am 19. 8.: ein neuer Pestfall. 
IL Aegypten. 2.—8.8.: Port Said 3Erkrankungen und 1 Todesfall. Alexandrien 
2 Erkrankungen, 2 Todesfälle. Zagazig 1 Erkrankung, 1 Todesfall. 9.—15. 8.: 
Alexandrien und Port Said je 3 Erkrankungen und je ein Todesfall; in Zagazig 
1 Erkrankung. 16.—22. 8.: Alexandrien 3 Erkrankungen; Port Said 3 Erkran- 
kungen und 2 Todesfälle. III. Kapland. 21.—27. 7.: in der ganzen Kolonie 5 Pest- 


966 Kleinere Mittheilungen. 


fälle angezeigt, 2 in Port Elizabeth; 2 Todesfälle Als pestverdächtig waren 
in Beobachtung 5 Personen und in den Contact camps befanden sich noch 85. 25.7. 
bis 3. 8.: neue Pestfälle in der ganzen Kolonie 4, davon 1 in Port Elizabeth und 
l auf der Kaphalbinsel, als pestverdächtig in Beobachtung waren 5 Kranke, 
und in den Contact camps befanden sich noch 52 Personen. IV. Britisch-Ust- 
indien. Präsidentschaft Bombay. 21.—27.7.: 2402 Erkrankungen, 1739 Todes- 
fälle. Stadt Bombay. 108 Erkrankungen, 112 festgestellte Todesfälle, ausserdem von 
rl age Kalkutta: 16 Todesfälle. Karachi. 
14.—20.7.: 1 Erkrankung, 1 Todesfall. 21.—27. T.: 8 Erkrankungen, 4 Todesfälle. 
28.7.—3.8. Präsidentschaft Bombay: 2622 Erkrankungen, 1930 Todesfälle. Stadt 
Bombay: 93 Erkrankungen, 136 erwiesene Pesttodesfälle und 172 verdächtige Sterbe- 
fälle. Karachi: 5 Todesfälle. V. China. Swatau. Seit dem 1. Juli soll in der Stads 
und im Hafen kein Erkrankungsfall mehr vorgekommen sein; doch wird angenommen, 
dass vereinzelte Pestfälle auch hier noch auftreten, dass also hier, ebenso in Hong- 
kong, Amoy und wohl auch Kanton die Pest endemisch geworden sei. VI. Ver- 
einigte Staaten von Nordamerika. San Francisco. 6.—11.%: 5 Erkrankun- 
gen, 4 Todesfälle VI. Philippinen. Manila. 16.—22. 6.: 9 Erkrankungen, 
13 Todesfälle. Queensland. 7.—13. 7.: 1 Erkrankung. 

B. Zeitweilige Maassregeln gegen Pest. Durch Verfügung des Reichs- 
kanzlers vom 24. 8. 1901 ist für das Deutsche Reich die Ein- und Durchfuhr vun Leib- 
wäsche, alten und getragenen Kleidungsstücken, gebrauchtem Bettzeug, Hadern und 
Lumpen jeder Art aus der europäischen Türkei einschliesslich aller türkischen Häfen 
des Aegäischen und des Schwarzen Meeres verboten worden. Die Einfuhr von Leib- 
wäsche, Bettzeug und Kleidungsstücken, die die Reisenden zum Gebrauch oder als 
Umzugsgut mit sich führen, ist nach vorheriger Desinfektion gestattet. 

C. Stand der Cholera. I. Britisch-Ostindien. Kalkutta. 21.— 
22 Todesfälle. 

D. Stand der Pocken. Italien. Es erkrankten (und starben) im Juli im 
Stadtkreise Neapel 525 (186), im Landkreise Neapel 54 (22), in Caseria 
118 (28), Castellamare 165 (46) und Pozzuoli 53 (2) Personen. 

E. Typhus. Marokko. In der Hauptstadt Fes brach Ende Juli oder Anfang 
a eine bösartige, als „Typhus mit Fällen von Meningitis“ bezeichnete Seuche aus. 

. Gelbfieber. I. Brasilien. Rio de Janeiro. 26. 5.—15. 6.: 27 Todes- 
fälle. NL Mexico. Vera Cruz. 14.—20.7.: 1 Todesfall. Tampico 26.7.: 1 Erkran- 
kung auf einem von Progreso kommenden Schiff. III.Columbien. Bocas del Tore. 
11.—20. 7.: 3 Erkrankungen. IV. Cuba. Santiago de las Vegas bei Havana 
11.—20.7.: 4 Erkrankungen. Havana 20.—27.7.: 3 Erkrankungen. V. Porto Rico. 
San Juan 16.7.: 1 Erkrankung auf einem von Port au Prince nach St. Thomas und 
Havre gehenden Schiffe. Jacobitz (Halle a. 


Beilage zur „Hygienischen Rundschau“, 
X. Jahrgang. _ Berlin, 1. Oktober 1801. No. 18. 


Verhandlungen der Deutschen Gesellschaft für öffentliche Gesundheitspflege 
zu Berlin:), 


Sitzung vom 13. Mai 1901. Vorsitzender: Herr Wehmer, Schriftführer: 
Herr Baer. 

Zu Beginn der Sitzung widmet der Vorsitzende einen warmempfundenen 
Nachruf dem verstorbenen Medicinalrath Moebius. 


Danu hält Herr Martin Mendelsohn den angekündigten Vortrag: Ueber die 
Nothwendigkeit der Errichtung von Heilstätten für Herzkranke. 

Meine Herren! Wenn ich es heute unternehme, vor Ihnen darzulegen, 
dass die Errichtung von Heilstätten für Herzkranke eine Aufgabe 
der Mediein und der Gesellschaft ist, so hoffe ich, dass diese hier zum ersten 
Male gegebene Anregung den Anstoss zu einer Durchführung der Idee und 
zu ihrer Ueberführung in das Thatsächliche abgeben wird. Gerade von dieser 
Stelle aus dürfte es angemessen sein, die Forderung zu erheben und zu be- 
gründen; denn mit der Schaffung von Heilstätten für Herzkranke würden wir 
einen wichtigen und wesentlichen Schritt zur weiteren Hebung und Förderung 
der Volksgesundheit thun. 

Wenn der Fortschritt, welcher die moderne praktische Medicin vor der- 
jenigen früherer Zeiten auszeichnet, hervorgehoben werden soll, so beruht er 
wohl auf der nunmehr vollzogenen Erkenntniss, dass die Behandlung 
innerlicher Krankheiten, insbesondere chronischer Zustände, 
nicht mehr wie früher nur mit einem einzigen Mittel, mit 
Arzneien etwa, geschehen könne, sondern dass vielmehr in dem- 
selben Maasse, wie dutch die chemischen Einwirkungen der 
Arzneimittel, eine grosse Reihe andersartiger Einflüsse auf den 
erkrankten Körpern heilsame Reize ausüben können. Wir haben 
allmählich gelernt, diese Reize zu gruppiren, sie für die therapeutische Ver- 
wendung als einzelne sogenannte Heilmethoden von einander zu sondern, und 
wir bedienen uns ihrer als Hydrotherapie und Balneotherapie, als Bewegungs- 
therapie, Uebungstherapie, Massage, als Lichttherapie, Elektrotherapie und Ther- 
motherapie, besonders auch als Ernährungstherapie und als Hypurgie, der nach 
wissenschaftlichen Grundsätzen angewendeten und thatsächliche Heilfaktoren in 
sich bergenden Krankenpflege; und selbst die vom Arzte ausgehenden und bewusst 
angewendeten psychischen Einwirkungen auf den Kranken beginnen nunmehr als 
Psychotherapie und Beschäftigungstherapie feste Formen zu gewinnen. In 
dieser Fülle der Hülfsmittel und in ihrer systematischen, kom- 


1) Alle auf die Herausgabe der Verhandlungen der Deutschen Gesellschaft für 
öffentliche Gesundheitspflege zu Berlin bezüglichen Einsendungen u. s. w. werden an 
die Adresse des Schriftführers der Gesellschaft, Prof. Proskauer, Charlottenburg, 
Uhlandstr. 184, I, erbeten. Die Herren Autoren tragen die Verantwortung für Form 
und Inhalt ihrer Mittheilungen. 


968 Verhandl. der Deutschen Gesellschaft für Öff. Gesundheitspfl. zu Berlin. 


binirten, gleichzeitigen Anwendung, meine Herren, liegt die Stärke 
der modernen Medicin: denn, ohne dass die eine oder die andere dieser 
Einwirkungen etwa ein specifisches Heilvermögen gegenüber den einzelnen 
Krankheiten besässe, vermag die gleichzeitige, kombinirte, systematische An- 
wendung dieser mannigfachen Heileinwirkungen eine ganze Reihe von Erkran- 
kungen, die gemeinhin als unheilbar gelten, in gewissem Sinne heilbar zu 
machen. Und das ist ein glücklicher und bedeutsamer Fortschritt unserer 
heutigen Medicin. 

Es kann nie und nimmer die Aufgabe der inneren Medicin sein, 
eine vorhandene und ausgebildete körperliche Veränderung im Organismus 
durch direkte therapeutische Einwirkung auf sie zur Norm zurückzuführen, 
die anatomische Erkrankung also etwa als solche zu heilen. Bei 
allen Erkrankungen, welche wie die Herzkrankheiten als chronische verlaufen, 
sind die entstandenen Veränderungen an den Organen irreparable, und keinerlei 
Hülfsmittel der internen Medicin, wie immer geartet es auch sein mag, besitzt 
das Vermögen, derartige thatsächliche Substanzveränderungen zurückzubilden. 
Eine Herzklappe, welche durch abgelaufene krankhafte Processe schlussunfähig 
geworden ist, kann keine ärztliche Kunst der Welt wieder schlussfähig machen. 
Aber, meine Herren, vergegenwärtigen wir uns genau: das ist auch gar nicht 
die Aufgabe. Wollten wir nur dieses, jetzt und immerdar ganz sicher uner- 
reichbare Ziel zu verfolgen bestrebt sein, so würden wir unseren Kranken 
wenig oder gar nichts zu nützen vermögen. Nein, die innere Medicin hat 
hier vielmehr dafür Sorge zu tragen, dass trotz der Schlussunfähigkeit 
der Herzklappen und bei deren vollem unveränderbaren Weiter- 
bestehen das Herz dennoch in die Lage gesetzt wird, den Blut- 
kreislauf bis zum siebenzigsten Jahre und, wenn es hoch kommt, 
bis zum achtzigsten, genügend zu unterhalten und zu leisten. 
Denn nur die für den Bestand des Organismus ausreichende Funktions- 
leistung der einzelnen Organe während der vollen, schliesslich ja doch 
begrenzten, menschlichen Lebenszeit zu gewährleisten, ist die Aufgabe der 
internen Medicin; wenn sie während dieser Zeit den Organismus bei leidlicher 
Leistungsfähigkeit und bei ausreichender Freiheit von Beschwerden hält, so 
hat sie Alles geleistet, was überhaupt von ihr beansprucht werden kann, und 
Alles, über das sie ihrem ganzen Wesen nach nie und nimmer wird hinaus- 
gelaugen können. Sie hat dann in einem möglichen Umfange den Kranken 
thatsächlich „geheilt“, gleichviel ob seine einzelnen Organe hinterher dem 
pathologischen Anatomen noch krankbafte Veränderungen aufweisen oder nicht. 

Diese ihre grosse und schöne und dankbare Aufgabe zu erfüllen, ist nun 
die Mediein eben nur durch die planmässige und gleichzeitige An- 
wendung aller der verschiedenartigen ihr heute zur Verfügung 
stehenden Heileinwirkungen in der Lage. Da es keine Arzneimittel giebt. 
welche für sich allein eine Krankheit heilen können, so müssen wir das 
Werk der Heileinwirkung auf den Organismus durch die gleichzeitige Ver 
wendung der verschiedensten Heilmittel in Angriff nebmen, deren kein 
einziges allein für sich ausreichend wirksam ist, um den nothwendigen Gesanmt- 
effekt zu erzielen, die jedoch in ihrer Gesammtheit sich zu solcher Wirkung 


Verhandl. der Deutschen Gesellschaft für öff. Gesundheitspfl. zu Berlin. 969 


summiren, dass sie für den angestrebten Heileffekt ausreichen. Es ist eben 
ein Arbeiten mit vereinten Kräften; wie auch im Leben Vieles, das der 
Einzelne, da es über seine Kraft hinausgeht, nicht zu vollbringen vermag, 
von einer Gesammtheit, von einer grösseren Anzahl gleichstrebender Kräfte 
wohl geleistet werden kann, so hier. Eine solche Vielzahl von Kräften aber 
muss, wenn sie etwas vollbringen will, harmonisch funktioniren, muss einer 
einheitlichen Leitung unterstehen, muss während ihrer ganzen Tbätigkeit unter 
Aufsicht und Kontrole sein; denn immer wieder muss der Lenker die einzelnen 
Kräfte anders verwenden, die eine in den Vordergrund rücken, die andere 
mässigen, muss er zeitweilig diese und jene ruhen lassen, um sie danach 
wieder vorübergehend zu einem besonders hohem Maasse von Kraftentfaltung 
anzuspornen. Und so ist es auch mit der kombinirten Anwendung der ein- 
zelnen verschiedenartigen Heilfaktoren, so ist es besonders, worauf mit Nach- 
druck hinzuweisen meine heutige Aufgabe ist, mit ihrer Verwendung bei den 
Herzkrankheiten. Wenn früher der Arzt sich hier auf die Verordnung eines 
Medikaments beschränken konnte, so war dies mit dem Niederschreiben eines 
Receptes schnell genug geschehen; die einfache Vornahme der Arznei- 
einverleibung konnte der Kranke für sich allein wohl vollziehen. Wenn wir 
jetzt dagegen vor der Aufgabe stehen, wesentlich weittragendere therapeutische 
Effekte durch eine sorgsame und immer wieder andersartig kombinirte metho- 
dische Verwendung verschiedenartiger Heilfaktoren zu erzielen, so ergiebt 
sich schon von vornherein, dass das nur unter den eigenen Augen des Arztes, 
nur unter seiner ständigen und persönlichen Aufsicht und Leitung 
geschehen kann, mit einem Worte: dass die thatsächliche Erzielung 
dieser Heileffekte nur in eigenen Heilanstalten möglich ist. Und 
ganz besonders ist die Wiederherstellung eines Herzkranken ein Kunst- 
werk; wie der Bildhauer Monate hindurch an seinem Thon modellirt, hier Kleinig- 
keiten fortnimmt, dort sie hinzufügt, wie er immer und immer wieder gering- 
fügige, dem Laienauge oft kaum erkennbare Einwirkungen ausübt, bis schliess- 
lich das Kunstwerk vollendet dasteht, so ist auch die Heilung eines Herz- 
kranken ein ebensolches allmähliches und systematisches Umwandeln seines 
kranken Körpers zum Zustande der relativen Gesundheit, so ist das Endziel 
hierbei ein ebensolches, allmählich entstehendes und sich entwickelndes Kunst- 
werk. Ein Kunstwerk aber kann nur in einem Atelier hergestellt 
werden, welches über alle nothwendigen technischen Hülfsmittel 
und alle zweckmässigen äusseren Bedingungen verfügt. 

Wenn wir Aerzte einen Herzkranken, der sich uns anvertraut, nicht nur 
berathen, sondern auch zweckmässig und mit dem grösstmöglichen Nutzeffekt 
thatsächlich behandeln sollen, so entsteht für uns also die Nothwendigkeit, 
die Summe aller hierfür erforderlichen Maassnahmen längere Zeit hindurch in 
ibrer vollen Kombination auf den kranken Organismus wirken zu lassen. Da 
stehen wir aber noch vor einer von Jedem von uns, dem Herzkranke häufiger 
sich anvertrauen, tief empfundenen Lücke. Denn in vollem Mäaasse ist die 
heute nothwendige, umfassende Behandlung eines Herzkranken in der That 
nur möglich durch einen Aufenthalt in einer diesem speciellen 
Zwecke dienenden und mit allen für die Allgemeinbehandlung 


970  Verhandl. der Deutschen Gesellschaft für öf. Gesundheitspfl. zu Berlin. 


der Herzkranken nothwendigen Hülfsmitteln ausgerüsteten Heil- 
anstalt. Die innere Medicin wendet sich ja überhaupt immer mehr und 
mehr, und das mit vollem Rechte, der Richtung zu, ganze Gruppen von Er- 
krankungen mit Erfolg dort zu behandeln, wo die nothwendigen verschieden- 
artigen therapeutischen Einwirkungen in ihrem vollen Umfange gleichzeitige 
Anwendung finden können und die unerlässlichen Hilfsmittel hierzu sämmtlich 
und vollständig vertreten sind; der ganze grosse Erfolg der Lungenbheilstätten 
beruht nur hierauf, in denen gewissermaassen, ebenso wie der Künstler in seinem 
Atelier durch eigene, persönliche Bethätigung sein Kunstwerk bis zur Vollendung 
modellirt und gestaltet, der Arzt das volle Maass von kombinirter Einflussnahme 
auf den Organismus nicht etwa nur in der wohlfeilen Form guter Rathschläge 
anordnet, sondern sie selbst in ihrer thatsächlichen Durchführung dauernd über- 
wacht oder vielmehr durch eigenes Handanlegen persönlich in die That um- 
setzt. Ebenso wie Faust die Maxime: „im Anfang war das Wort“ verwirft, 
und dafür setzen will: „im Anfang war die That“, ebenso muss es der erste 
Grunsatz für jedes in der inneren Medicin Erfolge erstrebende 
Handeln sein, die eigene That dem Kranken so weit als möglich 
zu theil werden zu lassen, und nicht nur einmalige, vorübergehende Rath- 
schläge zu ertheilen, die doch vergessen oder vernachlässigt werden. „Bilde, 
Künstler, rede nicht!“ — der Goethe’sche Grundsatz hat auch für den Arzt 
vollste Geltung, und seine Durchführung in der Medicin würde auch, worauf 
ich ‘schon vor Jahren hingewiesen habe!), die manchmal missliche Lage der 
Aerzte in jeglichem Betracht zum Vortheil umwandeln und gestalten. 

Alles ärztliche Handeln an einem Herzkranken lässt sich nach den zwei 
Gesichtspunkten ordnen: das Herabsinken der Herzkraft, das Insufficient- 
werden des Herzens, wie wir es nennen, entweder zu verhüten oder zu be 
seitigen. Wie schon dargelegt, ist die eigentliche Ursache für den schliess- 
lichen Eintritt eines solchen Absinkens der Herzkraft, der Klappenfehler oder 
die krankhafte Veränderung des Herzmuskelfleisches, einer unmittelbaren thera- 
peutischen Einwirkung nicht zugänglich, bildet sie selbst nicht den Gegenstand 
der Behandlung; diese ist vielmehr immer und ausschliesslich nur auf die Hebung 
der Herzkraft gerichtet, gleichviel aus welchen Ursachen sie bedroht oder 
erschüttert ist. Es versteht sich, dass dort, wo bereits stärkere Störungen 
sich geltend machen, deren unmittelbare und alsbaldige Beseitigung dringlich 
ist, andere, gewichtigere Heilmaassnahmen zur Anwendung gelangen, als in 
denjenigen Zuständen, wo in Folge der krankhaften Veränderungen die spätere 
Abnahme der Herzkraft nur droht aber noch nicht eingetreten ist, wo die 
noch ausreichend vorhandene Herzkraft nur gewahrt und erhalten werden soll. 
Beide Aufgaben, die Wiederherstellung der gesunkenen und die 
Erhaltung der bedrohten Herzkraft, würden in Herzbeilstätten 
ihre Erfüllung finden; und sie würden hier in so vollkommenen 
Maasse erfüllt werden, wie das auf anderen Wegen niemals mög- 
lich ist. 

1) Martin Mendelsohn, Aerztliche Kunst und medieinische Wissenschaft. 
Zweite Auflage. Wiesbaden. J. F. Bergmann. 1895. 


Verhandl. der Deutschen Gesellschaft für öff. Gesundheitspfl. zu Berlin. 971 


Ob bei einem Kranken das Muskelfleisch des Herzens selbst erkrankt ist, 
oder aber der Ventilapparat der Herzklappen, oder ob beides der Fall ist, 
oder ob schliesslich nervöse Einflüsse die Herzthätigkeit verändern, — will man 
bei einem Herzkranken, welcher Art auch immer, die Herzkraft aufrecht erhalten 
oder sie steigern, so lässt sich diese Aufgabe gleichzeitig von zwei verschie- 
denen Enden her anfassen. Man kann und muss auf der einen Seite alle 
Hülfsmittel anwenden, welche auf das Herz selbst einwirken und 
seine Kraft zu erhöhen vermögen; und auf der anderen Seite kommt es 
darauf an, alle Ansprüche an eine gesteigerte Mehrarbeit dem Her- 
zen nach Möglichkeit aus dem Wege zu räumen. Nicht nur, wenn 
man die Kraft des Herzens stärkt, gleichermaassen auch, wenn man einem 
nicht voll leistungsfähigen Herzen dauernd soviel Arbeit zu ersparen vermag, 
dass es den noch übrig bleibenden Anforderungen ausreichend genügen kann, 
leistet man eine wesentliche und heilsame Therapie. 

In der grossen Gruppe aller derjenigen Fälle nun, in denen die Herz- 
erkrankung zu deutlichen und unmittelbare Abhilfe erfordernden 
Störungen vorgeschritten ist, ist die Therapie zunächst und in erster 
Linie die Herzkraft durch direkte Einwirkung auf das Herz selbst zu heben 
bestrebt, allerdings ohne deshalb darauf zu verzichten, alle möglichen Er- 
leichterungen der Herzaufgaben gleichzeitig herbeizuführen. Zum Glück besitzen 
wir einige medikamentöse Heilmittel von ausserordentlicher, wenn auch vor- 
übergehender Einwirkung auf die Steigerung der Herzkraft, Arzneimittel, die 
wir niemals werden entbehren können und ohne die man nicht Arzt sein 
möchte. Aber bei aller ihrer oft wunderbaren Wirkung, — die Zeiten, wo man 
sich begnügen durfte, einem solchen Kranken Digitalis zu verschreiben und 
ihn im Uebrigen sich selbst zu überlassen, sind für immer dahin. Eine 
ganze Summe von Heilmaassnahmen gilt es, wie schon Eingangs dar- 
gelegt, gleichzeitig an dem Kranken zur Einwirkung zu bringen 
und durch ibre Summation Heileffekte zu erzielen, wie sie jeder 
einzelnen Maassnahme an sich zu erzielen nie möglich sind; und 
wenn es auch nicht die Aufgabe dieser meiner Erörterungen sein kann, alle 
die vielfachen Heilmethoden, welche der Behandlung der Herzkranken heute 
dienstbar gemacht sind, im Einzelnen hier aufzuführen, so muss doch be- 
sonders auf die kohlensauren Soolbäder hingewiesen werden, die einen der 
wesentlichsten Faktoren in dem Ensemble von Arzneieinwirkung, 
Bädern, Widerstandsgymnastik, Ernährung, Massage und vielen 
vielen anderen Maassnahmen bilden, aus denen sich die moderne Be- 
handlung der Herzkrankheiten zusammensetzt. Alle diese eingreifenden und 
stark wirkenden Heilmaassnahmen lassen sich aber in ihrer Vielfältigkeit nur 
unter den Augen des Arztes und nur unter der steten und unmittelbaren An- 
wendung durch ibn selbst mit Erfolg verwerthen; denn täglich sind diese 
Einwirkungen zu modificiren, täglich sind Aenderungen und Ab- 
weichungen in den Vornabmen nöthig, nichts lässt sich hier nach 
einem Schema, nach einer bindenden Regel vorschreiben, sondern 
in der ganzen, oft langgestreckten Zeitdauer der Behandlung er- 
fordert jeder Tag, ja nicht selten jede Stunde, neue Entschlüsse 


972 Verhandi. der Deutschen Gesellschaft für öff. Gesundheitspfl. zu Berlin. 


und neue Anordnungen, die erst aus der Beobachtung des Zu- 
standes und der erzielten Effekte des vorhergehenden Tages, der 
eben abgelaufenen Stunde, dem kundigen Arzte sich ergeben. Und 
darum muss dieser, will er dem Kranken wirklich nützen, ihn stets 
bei sich haben, muss er die Möglichkeit erhalten, an Orten diese sorg- 
same und stetige aber auch dankbare und erfolgreiche Behandlung vorzu- 
nehmen, an welchen alle Voraussetzungen und Erfordernisse für sie erfüllt 
und zur Verfügung sind: an Herzheilanstalten. 

So würden die Herzheilanstalten, wenn sie erst einmal ins Leben gerulen 
sind, in der Behandlung der Störungen der Herzthätigkeit, in der Wieder- 
herstellung der geschwächten Herzkraft Herzkranker Grosses lvisten. 
Noch Grösseres aber zu leisten wäre ihnen möglich — und nur ihnen allein, 
keinem anderen Hülfsmittel ärztlicher Therapie — in der Bewahrung und 
Erhaltung der Herzkraft, in der Verhütung und Hinausschiebung des Ein- 
trittes von Störungen der Herzkraft überhaupt. Denn hier würden die 
Herzkranken zweckmässig leben lernen. Gerade der Hauptwerth einer 
systematischen Anstaltsbehandlung liegt, wie bei allen Zuständen chronischer 
Erkrankungen, so insbesondere bei Herzkranken, in ihrem erzieherischen 
Einfluss. Alle diese Erkrankungen erfordern von den Patienten ein grosses 
Maass von zweckmässiger Lebensführung; sie lassen erfahrungsgemäss die 
Kranken um so länger bei ausreichendem Wohlbefinden, je zweckentsprechender 
und je mehr dem vorliegenden Krankheitszustande angepasst ihre Lebensweise 
ist. Eine solche zweckentsprechende Lebensführung lernen die 
Kranken fast unbewusst in den Anstalten; die Gepflogenheiten, 
welche sie bei ihrem Anstaltsaufenthalt annehmen, behalten sie 
ebenso in ihrem späteren Leben bei, wie Jedermann aus den Gepflogen- 
heiten seiner militärischen Dienstjahre die Vortheile der Haltung, des Ganges, 
der Sauberkeit, für das spätere Leben mit sich nimmt. Die gewohnheits- 
mässige und durch die Gewöhnung schliesslich selbstverständliche richtige 
Lebensführung ist aber für die Kranken um so wichtiger, als erfahrungsgemäss 
die meisten Unzweckmässigkeiten und Schädigungen nur durch Unkenntnis 
des Richtigen zu geschehen pflegen. Ein Herzkranker, der richtig leben lernt. 
hat für die Erhaltung seiner Herzkraft ausserordentliche Vortheile gewonnen. 

Denn bei keiner anderen Erkrankung besteht ein solches weitgehendes 
Abhängigkeitsverhältniss des erkrankten Organs von den viel- 
fachen Einflüssen der Aussenwelt, wie sie Bethätigung, Lebensweise, 
Beruf in unerschöpflicher Fülle auf den Organismus einströmen lassen; bei 
keiner anderen Erkrankung ist der Zustand des gesammten Organismus, die 
Kraft und Leistungsfähigkeit des Körpers, das Allgemeinbefinden, ja die ge 
sammte Lebensdauer, in solchem Maasse von dem Zustande des erkrankten 
Organs abhängig, wie beim Herzen. Darum sind gerade für Herzkranke die 
vielfachen kleinen Einwirkungen auf den Körper, wenn sie richtig und zweck- 
mässig gestaltet werden, so ausnehmend wichtig, so ausschlaggebend für die 
Erhaltung von Wohlbefinden und Leben, dass es dringendes Erfordernis ist. 
die „Politik der kleinen Mittel“ einem jeden Herzkranken in einer Berzbeil- 
anstalt so intensiv und eindringlich zu übermitteln, dass sie für die gante 


Verhandl. der Deutschen Gesellschaft für öff. Gesundheitspfl. zu Berlin. 973 


Lebenszeit beibehalten werden. Jede einzelne dieser Maassnahmen ist an- 
scheinend so geringfügig, dass sie, wollte man sie dem Kranken von 
vornherein selber überlassen, niemals genügende Beachtung und 
richtige Anwendung wird finden können; kommen sie jedoch insge- 
sammt in richtig abgestimmtem Verhältniss, dem Kranken halb unbewusst, 
zar dauernden und selbstverständlichen Verwendung, so vermögen sie sehr 
wohl das grosse Ziel jeglicher Therapie der Herzkrankheiten zu erfüllen: ein 
Insufficieotwerden des Herzens zu verhüten, die Herzkraft für die Lebensdauer 
ausreichend aufrecht zu erhalten. 

Wie sehr die äusseren Einwirkungen des Lebens, welche die Herz- 
kranken in den Herzheilanstalten richtig zu gestalten lernen sollen, die 
Herzkraft in Anspruch nehmen und sie unter Umständen vorzeitig 
erschöpfen, lässt sich bei der Fülle der hier wirksamen Einflüsse in dem 
engbemessenen Rahmen eines Vortrages in einer annähernden Ausführlichkeit 
kaum andeuten. So muss ich mich darauf beschränken, die allgemeinen 
Grundsätze, nach denen eine Schonung der Herzkraft geschehen 
kann, in Kürze darzulegen. 

Bei einem jeden Herzen, bei einem gesunden sowohl als insbesondere bei 
einem solchen, welches durch eine bestehende Herzkrankheit der Gefahr, insuf- 
ficient zu werden, in besonderem Maasse ausgesetzt ist, besteht ein indivi- 
duelles Maximum von möglicher Gesammtleistung; wird dieses nicht 
überschritten, so erfolgt eine Schädigung für das Herz aus seiner Arbeit nicht. 
Die Arbeit des Herzens ist bei uns Allen eine stetig wechselnde, 
jeder Reiz, der die Körperoberfläche trifft, jeder Lebensvorgang, 
der im Innern des Organismus sich abspielt, nimmt auf sie Ein- 
fluss und verändert sie; und sie ist relativ am geringfügigsten, wenn, wie 
Nachts im Schlaf, die Mehrzahl aller sekundären Reize ausgeschaltet und in Fort- 
fall gekommen ist. Von dem Gesammtmaximum an Leistungsfähigkeit des Her- 
zens nimmt die nnerlässliche Arbeit zur einfachen, unbeeinflussten 
Aufrechterhaltung des Kreislaufes, nimmt die „vegetative“, die „endoso- 
matische“ Herzarbeit, einen bestimmten, mehr oder minder grossen Antheil ein. 
Je weniger leistungsfähig das Herz wird, einen desto grösseren Theil seines Ge- 
sammtvermögens muss es für diese innere, dauernd und unumgänglich noth- 
wendige Arbeit aufwenden, ein desto kleinerer bleibt für die sonst an das 
Organ herantretenden, wechselnden Ansprüche übrig. Es lässt sich das Ver- 
hältniss vielleicht annähernd in dem social-ökonomischen Vergleich zum Aus- 
druck bringen: Wenn die allgemeinen Lebensverbältnisse eine Steigerung er- 
fahren, wenn eine Erhöhung der Preise und eine allgemeine Theuerung ein- 
tritt, so muss Jemand, der ein für allemal im Jahre eine bestimmte Summe 
auszugeben hat, einen erheblich grösseren Theil dieser Summe für die dauernden 
und unerlässlichen Ausgaben, für Wohnung, Kleidung, Nahrung aufwenden, 
und es bleibt dann nur ein relativ kleiner Bruchtheil für die „Luxuskonsump- 
tion“ übrig. So lange jedoch ein bonus pater familias diese letztere nach 
dem Maass der noch vorhandenen Leistungsfäbigkeit einzuschränken vermag, 
so lange bleibt die Bilanz immer noch eine ungestürte. So verbraucht auch 
das Herz, wenn es in seiner Leistungsfähigkeit im Ganzen gesunken ist, für 


974 Verhandl. der Deutschen Gesellschaft für öf. Gesundheitspfl. zu Berlin. 


den wesentlichen, den stets unumgänglich nöthigen Theil seiner Arbeitsleistung 
einen relativ hohen Bruchtheil seines Gesammtarbeitsvermögens; und es ent- 
stebt daher bei allen diesen Kranken die ausnehmend wichtige Aufgabe, das 
Herz davor zu bewahren, den kleinen übrigbleibenden Bruchtheil 
an Arbeitsvermögen übermässig in Anspruch zu nebmen, um die 
Bilanz nicht zu stören. 

Wie gross bei einem jeden einzelnen dieser Kranken der ihm zar Ver- 
fügung bleibende Ueberschuss an Herzkraft ist, lässt sich nicht in 
absoluten Zahlen berechnen und vorhersagen, das müssen eben Arzt und 
Kranker in gemeinsamer Erprobung und Beobachtung praktisch 
feststellen, und das können sie nur in einer Herzheilanstalt. Denn wie ein 
jeder einzelne optische Apparat eines Auges ein verschiedenes individuelles 
Brechungsvermögen besitzt, wie jeder Armbeugemuskel bei den einzelnen Per- 
sonen eine verschiedene individuelle Leistungsfähigkeit hat, so hat ein jedes 
Herz sein persönliches individuelles Gesammtmaass von Leistungsfähigkeit, 
gleichviel, ob diese Differenzen in der Leistungsfähigkeit von Hause aus als 
eine individuelle Eigenthümlichkeit da sind, oder ob sie aus den Einwirkun- 
gen des Lebens, oder aber ob sie aus den Rückwirkungen von Störungen in 
der Muskulatur und dem Klappenapparat des Herzens sich herausgebildet 
haben. Diese individuelle Grösse zunächst festzustellen und so- 
dann den Kranken mit ihr haushälterisch wirthschaften zu lassen, 
das ist die grosse Leistung, welche die Herzheilanstalten voll- 
bringen werden. 

Von allen diesen vielfachen Regelungen der Lebensweise und der Bethäti- 
gung nun, welche zur Verhütung eines vorzeitigen Insufficientwerdens des Herzens 
in Folge zu grosser Inanspruchnahme stattzufinden haben, nimmt die erste Stelle 
das Maass der gesammten körperlichen Arbeit des Individuums ein, dasjenige 
Maass der Ruhe und der Bethätigung, das der Einzelne in der Lebens- 
weise zur Geltung zu bringen haben wird. Da eben von dem Gesammtleistungs- 
vermögen eines jeden Herzens nur ein stets gleichbleibender Theil dauernd und 
ununterbrochen zur „vegetativen“ Herzarbeit, zum einfachen Betriebe des 
Blutumlaufes verwendet wird, die Grösse des anderen, überschiessenden. 
dauernd wechselnden Theiles der Harzarbeit aber von der Grösse 
aller der ununterbrochen auf den Organismus von aussen oder 
innen her einwirkenden Reize abhängt, welche auf dem Umwege über 
den durch sie veranlassten Stoffverbrauch und die Regulation durch besondere 
Nervencentren die Grösse der jeweiligen Herzarbeit bestimmen; da ferner die 
körperliche Bethätigung den wirksamsten und häufigsten Faktor in der Summe 
dieser Reize darstellt; — so ist die Feststellung des Maasses der von ihm ohne 
Schaden seinem Herzen zuzumuthenden körperlichen Bethätigung für Jeden. 
dessen Herzkraft bedroht ist, von der grössten Bedeutung. Ein solches 
Herz verbraucht einen sehr grossen Theil seiner Reservekräfte. 
die sonst dem Herzgesunden für die Steigerung der Herzarbeit aus der kör- 
perlichen und geistigen Bethätigung und aus den andersartigen Einflüssen 
des Lebens zur Verfügung bleiben, schon allein für die Aufrechterbal- 
tung des unerschwerten Blutumlaufes; es scheint mir daher für einen 


Verhandl. der Deutschen Gesellschaft für ölf. Gesundheitspil. zu Berlin. 975 


jeden dieser Kranken geradezu eine Lebensfrage zu sein, das mögliche 
Maass einer Steigerung der Herzansprüche so genau als erreich- 
bar zu kennen. Und das würde in den Herzheilstätten sich unschwer er- 
zielen lassen. Die „funktionelle Herzdiagnostik“, welche die Leistungsfähig- 
keit des Herzens und nicht nur seinen anatomischen Zustand zu erkennen 
bestrebt ist, entwickelt sich von Tag zu Tag mehr; ich habe selbst erst 
neuerdings auf Grund zahlreicher Feststellungen an Herzkranken die- Er- 
bolungsfähigkeit des Herzens nach dosirter Arbeit als einen brauchbaren 
Maassstab der vorhandenen Herzkraft angegeben.!) Mit diesem und mit 
anderen Hilfsmitteln kann der Arzt ermitteln — allerdings nicht in einer 
oder in einigen Untersuchungen in der Sprechstunde, sondern durch syste- 
matische und andauernde Beobachtung in einer Herzheilanstalt — wieviel 
Gesammtsteigerung das unbeeinflusst und ruhig arbeitende Herz durch. Bethä- 
tigang noch erfahren darf, und kann daraus Anhaltepunkte und Fingerzeige 
entnehmen, wieviel körperliche Bethätigung der betreffende Kranke, unter Wür- 
digung der andersartigen bei ihm vorkommenden Einwirkungen auf die Herz- 
thätigkeit, sich gestatten kann. Die so gefundene Bethätigungsgrösse 
würde in der Heilanstalt eine gewisse Zeit hindurch unter den 
Augen des Arztes praktisch zur Ausübung kommen können und 
von diesem unter dauernder Beobachtung stetig modificirt werden, 
bis sie das zweckmässigste Maass erreicht hat. Dem Kranken würde 
sie hier durch die immer wiederholte Anwendung so sehr in Fleisch und 
Blut übergehen, dass er auch im späteren Leben sie unbewusst beibehält und 
durchführt. 

Nicht mindere Wichtigkeit hat hier die psychische Ruhe, die Fernhal- 
tung allzugrosser Steigerung der Herzthätigkeit durch psychische 
Reize. Dass psychische Reize, ebenso wie die somatischen, die Herzthätig- 
keit steigern, ist bekannt. Auch hier tritt, wenn auch weniger unmittelbar 
ersichtlich, die grossartige Regulationseinrichtung des Organismus in die Er- 
scheinung, nach weleer von überall her, wo im Körper ein stärkerer Stoff- 
umsatz vor sich geht, unter Mitwirkung der nervösen, die Herzbewegung regeln- 
den Bahnen sogleich eine entsprechende Steigerung der Herzthätigkeit erfolgt: 
in der teleologischen Absicht, dabei den Stoffverbrauch so schleunig als mög- 
lich zu ersetzen. Ebenso, wie alle stärkere Körperanstrengung, ist es demnach 
hier geboten, je nach dem Maasse der im Einzelfalle vorhandenen Herzkraft, 
intensive geistige Thätigkeit entsprechend einzuschränken; denn anstrengende 
Geistesarbeit wirkt hier geradeso wie körperliche Ueberanstrengung. Insbeson- 
dere die Lektüre bedarf einer sorgfältigen Regelung, nach der qualitativen wie 
nach der quantitativen Seite hin; sie ist naturgemäss diejenige Ablenkung und 
Zerstreuung, welche Personen, deren Herzzustand sie an ernsterer Thätigkeit ver- 
bindert, leicht im Uebermaass sich zumuthen. Noch sorgsamere Antheilnahme 
erheischt, neben der gleichförmigen und andauernden Anspannung der Psyche, 


1) Martin Mendelsohn, Die Erholung des Herzens als Maass der Herzfunktion. 
Verhandl. d. 19. Kongresses f. innere Medicin, gehalten zu Berlin vom 16.—19. April 
1901. 


976 Verhandl. der Deutschen Gesellschaft für öff. Gesundheitspfl. zu Berlin. 


die andere Form geistiger Reizeinwirkung: die plötzliche Emotion. Herzkranke 
sind, soweit die unvollkommenen Einrichtungen jeglichen Menschendaseins das 
ermöglichen, so sehr als nur thunlich von Allem fernzuhalten, was ihnen 
Schreck, Zorn, Aufregung, Kummer, Sorge bereiten kaun. Das lässt sich na- 
türlich leichter sagen als thun; aber auch hier kann gerade die systema- 
tische Uebung und Gestaltung aller dieser Dinge, wie sie unter 
ständiger Aufsicht und bei ununterbrochener Beeinflussung durch 
den Arzt in einer Herzheilanstalt geschehen kann, schliesslich 
so weit gesteigert werden, dass sie auch eine genügende Direktive 
für das spätere Leben abgiebt. Insbesondere bedarf dabei einer Gestal- 
tung die subjektive Auffassung, welche der Kranke selbst sich über seine 
„Herzkrankheit“ und über die Erscheinungen, welche sie hervorruft, gebildet 
hat und hegt. Hier kann der Arzt seinem Schutzbefohlenen, dessen Her- 
zustand ihm anvertraut ist, ausserordentlich viel Günstiges erweisen. Gerade 
Herzkranke und mehr noch „solche, die es werden wollen“, achten ängstlich 
auf jede mit ihrer Herzthätigkeit zusammenhängende Erscheinung und sind 
nur allzu geneigt, alle, auch die unbedeutendsten und natürlichsten Erschei- 
nungen hierbei als üble und bedrohliche Symptome anzusehen. Dass die 
psychische Rückwirkung hiervon eine äusserst schädliche ist, versteht sich. 
In der Heilanstalt, mit ihrer steten Beziehung zwischen Kranken und Arzt, 
kann man sie lehren, dass nicht Alles, was sie beobachten, von Bedeutung 
ist; aber das lässt sich eben nur in längerem ständigen Verkehr zwischen 
Arzt und Patienten durchführen. Noch immer wird in weiten und auch in 
hochstehenden und gebildeten Kreisen des Publikums die Thatsache eines 
Herzfehlers oder einer Herzkrankheit für gleichbedeutend mit einem bald zur 
Vollstreckung gelangenden Todesurtheil angesehen — eine für die bei weitem 
zahlreichsten Fälle durchaus irrige Meinung, wenn nur alle die zur Verfügung 
stehenden Heilmaassnahmen mit Sorgfalt und Ernst zur Durchführung gelangen. 
Die aus solcher fehlerhaften Ansicht hervorgehende tiefe Depression laster 
aber mit aller ihrer schädlichen Rückwirkung dauernd®anf dem Kranken; und 
ihn hiervon thatsächlich zu befreien, vermag eben nur ein Arzt, der das vollste 
und unerschütterlichste, das über jeden Zweifel erhabene Vertrauen seines 
Schutzbefohlenen besitzt. Andererseits hängen wieder alle diese psychischen 
Einwirkungen in ihrer zweckmässigen Gestaltung ganz von Charakter und Ten- 
perament der einzelnen Kranken ab; und diese zu erkennen ist nichts geeig- 
neter, als die unmittelbare Beobachtung in einer Heilanstalt. 

lch muss es mir versagen, anf die vielen anderen Momente, auf die Er- 
näbrung, die Flüssigkeitseinnahme, die Kleidung, und was sonst noch 
immer in der allgemeinen Gestaltung der Lebensweise der Herzkrankes 
für sie von Bedeutung ist, des Näheren einzugehen; die beiden Faktoren der 
körperlichen Ruhe und Bethätigung und der psychischen Einwirkungen mögen 
als Beispiele genügen, um darzuthun, von welcher ausserordentlichen Bedeu 
tung es für einen Herzkranken ist, dass er richtig leben lernt, dass er alle 
Dinge der Lebensweise und der äusseren Umgebung so zu gestalten weiss, 
dass seine Herzkraft dabei möglichst lange ausreichend erhalten bleibt. Ler- 
nen kann er das aber nur in einer Herzheilanstalt. Hier würde er anch 


Verhandl. der Deutschen Gesellschaft für öff. Gesundheitspfl. zu Berlin. 977 


für die spätere Zeit, wenn er wieder in das Leben und in den 
Beruf zurückkehren muss, einen wahren und wirklichen Schutz 
vor vorzeitiger Erschöpfung als dauernden Gewinn mit sich neh- 
men, einen Schutz, der nicht auf wesenlose Vorschriften und 
Lehren sich gründet, sondern der durch die eigene That und die 
langgewohnte Ausübung ihm persönlich zu eigen und unverlierbar 
geworden ist. 

Wenn so Herzheilanstalten nothwendig und ihre Schaffung unerlässlich 
ist, so entsteht die Frage: wo sollen diese eingerichtet werden? Die 
Antwort ist: überall. Auch die Lungenheilstätten bestehen in der heutigen 
Ausdehnung und in der allgemeinen Anerkennung erst seit ganz kurzer Zeit, 
seit wenigen Jahren. Als in Anbeginn Lungenheilanstalten erbaut wurden, 
die erste bekanntlich in Görbersdorf, ging man von der Idee aus, dass zur 
Heilung der Lungenkranken ein besonderes, günstiges Klima nöthig 
sei, wie ja auch früher diese Kranken allgemein nach Nizza, nach Italien, nach 
Egypten geschickt wurden. Heute hat man erkannt, dass die für ihre 
Wiederherstellung nothwendigen Heilmaassnahmen überall sich 
anwenden lassen, dass an einem jeden Orte, der nur die allgemeinsten gesund- 
heitsgemässen Bedingungen besitzt, Heilanstalten für Lungenkranke errichtet 
werden können. Das gleiche wird, so hoffe ich, in der nahen Zukunft sich in der 
Behandlung der Herzkrankheiten vollziehen. Die Bäder von Nauheim bilden in 
der Zahl der Heilfaktoren, welche gleichzeitig und kombinirt für die Heilung 
nothwendig sind, ein wichtiges Glied in der Kette, allerdings nur ein einzelnes 
Glied; sie sind für die Herzkranken gewissermaassen das, was für die Lungen- 
kranken das südliche Klima ist, oder vielmehr: war. Es ist nur naturgemäss, 
dass zunächst, im ersten Anfange der Entwickelung, gerade in Nauheim, wie 
chedem in Görbersdorf, die systematische Behandlung der Herzkranken sich 
entwickelt hat und am intensivsten zur Durchführung gekommen ist; aber 
das hat seinen Grund nicht darin, dass die dortigen natürlichen 
kohlensauren Thermal-Soolbäder etwa specifische Heilwirkungen 
hätten und specifische Heilmittel darstellten, welche anderwärts 
nicht in gleich wirksamer Weise zu ersetzen wären, sondern der 
Grund liegt darin, dass ganz naturgemäss in der Entwickelung 
der letzten Jahre die Nauheimer Aerzte insgesammt zu Specia- 
listen für Herzkranke geworden sind. Die Mineralbäder, welche 
in der Behandlung der Herzkranken nicht entbehrt werden können, lassen 
sich, ob künstlich oder natürlich, in annähernd gleicher Wirksamkeit einer 
jeden Herzheilstätte, wo immer diese auch entstehen mag, einfügen; und 
sie werden in dem Ensemble der Heilmaassnahmen einer Herzheilanstalt 
überall die ausreichende Wirkung ausüben, gerade so, wie heute nicht 
jeder Lungenkranke mehr die Luft der Riviera einathmet, sondern diejenige 
vor den Thoren Berlins oder Münchens, und doch geheilt wird. Damit ist 
natürlich die hohe Bedeutung Nauheims für die Behandlung der Herzkrank- 
beiten auch nicht zum kleinsten Theil in ihrem Werthe herabgedrückt; dieses 
bedeutsame Centrum für die Therapie der Herzkrankheiten ist unentbehrlich 
und unersetzlich; aber bei seiner naturgemässen Einschränkung durch Jahres- 


978 Verhandl. der Deutschen Gesellschaft für öf. Gesundheitspfl. zu Berlin. 


zeit, durch sociale Ansprüche, durch lokale Entfernung kann es, ein wie grosser 
weiterer Aufschwung ihm auch sicherlich noch beschieden ist, niemals auch 
nur zum kleinsten Theil das enorme und immer dringender werder.de Bedürf- 
niss einer zweckmässigen Versorgung der Herzkranken decken, und die 
Forderung nach weiteren Herzheilstätten macht sich dringend 
geltend. 

Darum ist, ich wiederhole es immer wieder, die Schaffung von 
Heilanstalten für Herzkranke ein Erforderniss, dem sich unsere Zeit 
nicht wird entziehen können. Und zwar besteht die Nothwendigkeit, Heil- 
anstalten für Herzkranke zu schaffen, in weitem Maasse: nicht nur für 
die wohlsituirten Mitglieder der Gesellschaft, sondern nicht min- 
der auch für die breiten Klassen der Bevölkerung. In ihnen würden 
die nicht mehr voll Leistungsfähigen zum Theil wieder und auf geraume Zeit 
hinaus arbeitsfähig werden; in ihnen würden die durch krankhafte Veranla- 
gung in ihrer Herzkraft Bedrohten lernen, ihren persönlichen Verhältnissen 
entsprechend möglichst lange arbeitsfähig zu bleiben. Dazu aber ist noch 
bei weitem mehr als bisher der berühmte „Tropfen socialen Oeles“ in 
der Medicin nothwendig. Der Staat und die Gesellschaft haben die Avf- 
gabe, für die grossen Gruppen ihrer aus körperlicher Minderwerthigkeit 
nicht ganz und voll leistungsfähigen Mitglieder sociale Verhältnisse und Ein- 
richtungen, in allererster Linie Arbeitsgelegenheiten und Berufsthätigkeiten. 
zu schaffen, denen diese Persönlichkeiten, trotzdem sie körperlich nicht mehr 
intakt sind, dennoch ausreichend zu genügen vermögen. Es ist vom Stand- 
punkte der Staatsökonumie aus geradezu unsinnig, dass Hunderte von Herz- 
leidenden, weil sich Niemand darum kümmert, als Steinträger oder Schlosser 
eine mühselige und von vielfachen Unterbrechungen durch Krankheit immer 
wieder gestörte, übermässig verkürzte Existenz führen, während ebenso viele 
andere Personen mit robustem Körper von Berufswegen die leichtesten Thätig- 
keiten, Gartenbau etwa oder Bureaudienste, verrichten. Auch hierin würden 
mit ihrer fortschreitenden Entwickelung die Herzheilstätten von grösstem 
Nutzen sein, wenn an sie sich Einrichtungen und Organisationen anschliessen. 
welche den aus den Heilanstalten zurückkehrenden Personen Da- 
seinsbedingungen, wenigstens in annähernder Zweckmässigkeit. 
schaffen, unter welchen diese die in der Heilanstalt festgestellten 
und gewohnt gewordenen Formen zweckentsprechender Lebens: 
weise auch thatsächlich durchzuführen vermögen. Herzleilanstalten 
schaffen ist das erste Erforderniss, und Einrichtungen begründen, um den in 
ihnen gestärkten und geschulten Personen weiterhin angemessene Lebensbe- 
dingungen zu ermöglichen, das zweite. Denn durch ärztliche Vorschriften 
allein, wie eingehend diese auch gegeben werden mögen, wird es 
nur selten möglich sein, eine ausreichende Erhaltung des Einzel- 
nen zu bewirken; und darum ist die Aufgabe, welche hier die 
Medicin und die Staatsgemeinschaften zu lösen haben werden. 
die Schaffung von Heilstätten für Herzkranke. 


Verhandl. der Deutschen Gesellschaft für öf. Gesundheitspfl. zu Berlin. 979 


Diskussion. 


Herr Wehmer fragt an, wie sich der Vortragende die Stellung der Herzheil- 
slätten zu den bereits bestehenden Anstalten, wie in Niederlössnitz u. s. w., denke. 

Herr Mendelsohn erwidert, dass diese Anstalten keineswegs in ihrer Thätig- 
keit behindert würden, dass sie vielmehr ebenso wie die Lungenheilstätten haupt- 
sächlich die erzieherische T'hätigkeit für die Herzkranken verrichten sollen. 

Herr Baer ist der Ansicht, dass gesellschaftliche Kreise, Gemeinden, Berufs- 
genossenschaften oder Krankenkassen solche Anstalten gründen sollten, deren Aus- 
dehnung man augenblicklich noch nicht übersehen könne. Es frage sich auch, wie 
lange die Herzkranken in solcher Anstalt bleiben müssten. Ein Erfolg werde zweifellos 
durch diese Anstalten zu konstatiren sein. 

Herr Marcuse fragt an, ob der Vortragende die Herzheilstäiten an bestimmte 
Orte gebunden wissen und ob er die Anstalten in der gleichen Zahl wie die Lungen- 
heilstätte errichtet wissen wolle. Es sei gar keine Frage, dass die Herzkrankheiten 
resp. Klappenfehler seit 1889/1890 nach dem Auftreten der Influenza eine ganz ausser- 
ordentliche Zunahme erfahren hätten. 

Herr Alexander will die private Behandlung der Herzkranken seitens der Aerzte 
nicht so ganz gering einschätzen, hält aber die Errichtung von Anstalten doch für 
recht wünschenswerth. Es frage sich nur, ob die Behandlung in Herzheilstätten 
für die einzelnen Korporationen — wie es bei der Errichtung der Lungenheilstätten 
das maassgebende Motiv war — so lukrativ sei, dass es materiell lohne, solche An- 
stalten zu Gunsten der Kranken zu gründen. Als Vorbedingung hierfür werde eine 
eingehende Statistik nothwendig sein, die bisher noch nicht vorhanden sei. Man wisse 
noch nicht, in welchem Maasse der Arbeiter an Herzkrankheiten betheiligt sei, wie weit 
Einflüsse vorhanden seien, die in seinen Arbeitsbedingungen liegen, in wie weit andere 
Einflüsse z.B. Alter hinzukommen und wie weit solche Krankheiten auf die Invalidität 
Einfluss nehmen. Wie weit es sich empfehle, für verschiedene Gruppen chronischer 
Krankheiten specifische Heilanstalten zu errichten, sei eine noch zu lösende Frage. In 
den Lungenheilstätten finde nicht nur eine specifische Behandlung statt, deren Zweck 
sei auch, gesunde Personen vor Ansteckung zu schützen. Für die Herzkrankheiten sei 
jedoch die Kontagiosität zu verneinen. Ausnahmslos für eine jede Gruppe chronischer 
Krankheiten, die sicher in Heilanstalten besser geheilt werden könnten als im Hause, 
eigene Anstalten zu errichten, würde vielleicht über den Rahmen der Berechtigung 
öffentlicher Korporationen hinausgehen; über die Frage der Herzheilstätten sei ein de- 
finitives Urtheil noch nicht möglich, es werde zunächst grösserer Umfragen bedürfen, in 
welchem Umfange die Durchführung dieses sehr gesunden Princips erstrebenswerth sei. 

Herr Mugdan hält die Idee für sehr fruchtbar und wünscht deren Anwendung 
zunächst einmal für herzkranke Kinder, deren grösster Theil gebessert, vielleicht auch 
geheilt werden könnte. Die Krankenkassen kämen sehr wenig in Betracht. Statis- 
tiken gäbe es wohl über die Krankheiten der Cirkulationsorgane, doch seien diese 
Statistiken nicht beweiskräftig, weil verschiedene Krankheiten hier mit einbegriffen 
seien. Redner hält es für ein erstrebenswerthes Ziel, dass man allmählich zu vielen, 
ganz kleinen Heilanstalten komme. 

Herr Heymann glaubt, dass man darin vorsichtig sein solle, vor dem grossen 
Publikum an sich erstrebenswerthe Ziele zu erörtern, welche ein Vorurtheil gegen die 
Leistungen der praktischen Aerzte schaffen könnten. Die älteren Aerzte seien gar nicht 
in der Lage, die unverschuldeten Lücken in ihrem Wissen auszufüllen. Das Nächst- 
liegende wäre, dass man dem einzelnen Praktiker dieKombination der Heilmaassnahmen 
handgerecht mache: dann werde sich vielleicht herausstellen, dass es nicht immer nöthig 
sein werde, die llerzkranken in die Anstalten zu schicken, dass auch der ambulante Arzt 


980 Verhandl. der Deutschen Gesellschaft für öf. Gesundheitspfl. zu Berlin. 


manches leisten könne. Für die Krankenkassen, die sich überhaupt für nichts begeistern, 
fehlo zunächst noch die Wucht der kalkulatorischen Erwägung, wie es bei den Lungen- 
heilstätten der Fall gewesen sei. Die Volksgesundheit werde durch die Herzkrankheiten 
nicht in besonders hohem Maasse geschädigt; auch die psychische Ansteckung werde 
in grösserer Zahl nicht zu fürchten sein. Es werde sich um Volksherzheilstätten 
dann handeln können, wenn nachzuweisen sei, wie weit die Erwerbsfähigkeit der Ein- 
zelnen durch die Krankheit herabgesetzt werde. Bis dahin werde für die Begüterten 
die Behandlung der Specialarzt in seiner Herzheilanstalt leiten, für die weniger Wobl- 
habenden das Krankenhaus in einer besonders einzurichtenden Specialabtheilung. 

Herr Jacobsohn begrüsst es dankbar, dass die zweifellosen Vorzüge derSpecialte- 
handlung von Herzkranken durch die modernen lleilfaktoren nun hervorgehoben werden. 
Er hält es für das Wichtigste, Feststellungen zu machen, in wie weit ein therapeuti- 
scher Fortschritt zu konstatiren sei in einer Anstalt, die vorwiegend Herzkranke behandle. 
gegenüber den jetzigen erzielten therapeutischen Resultaten. Zweifellos sei es, dass die 
Krankenhausbehandlung der Herzkranken der Behandlung durch den Privatarzt sebr 
häufig überlegen sein werde. Der Heilstättenbewegung für die Herzkranken dürf 
man sich nicht ablehnend gegenüberstellen; allerdings müsse zunächst das : 
stischo Bedürfniss nach derartigen Anstalten nachgewiesen werden. Von vornherein 
dürfe man annehmen, dass dies Bedürfniss nicht ganz so gross sei wie bei den Lungen- 
kranken, da wohl kaum wie bei den Phthisikern unter 7 'Todten einer sich befinden 
dürfte, der an irgend einer Herzkrankheit zu Grunde gehe. Die Anregung zur Errich- 
tung von Anstalten für Kinder sei sehr beachtenswerth, um so mehr, als man dies 
dann zur Ergreifung eines für sie geeigneten Berufes veranlassen und ihnen Wink: 
und Belehrung für ihre spätere Lebenszeit mitgeben könnte, während bei alten Leuten 
diese Faktoren nicht in dem Maasse zur Anwendung gelangen könnten. 

Herr Mendelsohn theilt durchaus den Standpunkt, dass alle Aerzte nicht nur 
Gelegenheit haben sollten, die kombinirten Heilmethoden praktisch kennen zu lernen, 
sondern auch in der Lage wären, diese zur Ausführung zu bringen. Das scheine ihu 
jedoch ein technisch sehr schwieriges Problem zu sein. Gerade so wie zur Zeit 
Görbersdorf aus einer privaten Initiative hervorgegangen sei, sollte irgendwo eine Heil- 
anstalt zunächst für solche Herzkranke, die es sich leisten könnten, entstehen, der sich 
andere Anstalten anschliessen würden, wenn die Erfolge sichtbar sein würden. Die 
Zahl der Kranken sei nicht ausschlaggebend, auch nicht die kalkulatorische Ueber- 
legung, es strebe vielmehr die ganze moderne Mediein in ihrer Entwickelung immer 
mehr und mehr auf die Schaffung von Specialheilanstalten hin. In dem Moment, wo 
der Arzt gezwungen sei, viele Methoden gleichzeitig an seinen Kranken zur Anwen- 
dung zu bringen, sei er hierdurch auch genöthigt, diese zu sich zu nehmen. Zweck- 
ässig sei es, Statistiken zu geben, um den Behörden den Nachweis der Nothwendigkei! 
solcher Anstalten zu liefern. Mit dem Moment, wo zugegeben werden müsse, dass en 
Iferzkranker in einer geordneten und eigens darauf eingerichteten Anstalt besser be- 
handelt und schneller wiederhergestellt werden könne als sonst, ergebe sich dir 
Schaffung der Anstalten von selbst. In den Krankenhäusern sei der eine Patient wie 
der andere, von einer psychischen Behandlung könne keine Rede sein, und andere in- 
dividuelle Behandlungen seien vollkommen ausgeschlossen. Allein schon aus dem Ge- 
sichtspunkte der besseren Heilerfolge, ganz abgesehen von den vielfachen socialen Grün- 
den, werde die Errichtung von Anstalten für Herzkranke erforderlich sein. 


ati- 


Verlag von August Hirschwald, Berlin N. 


— Druck von L Schumacher ia Berlin. 


Hygienische Rundschau. 


Herausgegeben 
von 
Dr. Carl Fraenkel, Dr. Max Rubner, Dr. Carl Günther, 
Prof. der Hygiene in Halle a./8. Geh. Med.-R., Prof. der Hygiene in Berlin. a. o. Professor in Berlin. 


XI. Jahrgang. Berlin, 15. Oktober 1901, W 20. 


(Aus dem chemisch-mikroskopischen Laboratorium von Dr. M. u. Dr. Ad. Jolles 
in Wien.) 
Einiges über die Eiweisskörper. 
Von 
Dr. Adolf Jolles, 
Docenten am k. k. Technologischen Gewerbemuseum in Wien. 


Die Forschungen der letzten Jahre haben auf dem Gebiete der Eiweiss- 
körper eine solche Zahl von neuen Thatsachen zu Tage gefördert, und der 
Standpunkt, der gegenüber diesen Problemen einzunehmen ist, hat eine solche 
Verschiebung erfahren, dass es vielleicht nicht unangebracht ist, einige der wich- 
tigsten Fortschritte zu skizziren, die in der letzten Zeit auf diesem Gebiete gemacht 
worden sind. Zunächst ist eine guteCharakterisirung der Eiweisskörper sowie ihre 
völlige Reinigung erst dadurch möglich geworden, dass es gelungen ist, die Ei- 
weisskörper in den krystallisirten Zustand überzuführen. Während früher all- 
gemein die Nichtkrystallisirbarkeit der Eiweisskörper als Charakteristikum galt, 
nnd dies im Verein mit dem Fehlen wohldefinirter physikalischer Eigenschaften 
(Schmelzpunkt, spec. Gewicht u. s. w.) viele Chemiker und namentlich jene von 
der Bearbeitung dieses Gebietes abgehalten hat, die an die Präcision der Arbeits- 
methodik der analytischen oder der organisch-synthetischen Chemie gewöhnt 
waren, so sind jetzt schon die meisten Eiweisskörper in wohl krystallisirtem 
Zustande bekannt. In Folge dessen war es möglich, diese Riweisskörper that- 
sächlich als Individuen zu erweisen, während früher die Möglichkeit nicht 
ausgeschlossen war, dass Gemische vorliegen, ferner konnten die Körper zu- 
verlässlich in reinem Zustande erhalten werden, und schliesslich war schon 
auf Grund der verschiedenen Krystallisation in manchen Fällen eine Unter- 
scheidung der einzelnen Eiweisskörper möglich. Aus dem Umstande, dass es 
so lange Zeit nicht gelungen war, die Krystallisation zu bewerkstelligen, kann 
man leicht entnehmen, dass dies eine ziemlich schwierige Operation sein muss, 
und ich möchte zunächst das Princip des hierbei zur Anwendung gelangten 
Verfahrens einer kurzen Besprechung unterziehen. 

Wenn man zu einer Fiweisslösung Alkohol oder koncentrirte Salzlösungen 
hinzufügt, so wird dadurch die Löslichkeit des Eiweisses stark vermindert, und 

69 


982 Jolles, 


es wird sich in amorphen Flocken ausscheiden. Um es in krystallisirter Form 
zu erhalten, muss man die Löslichkeit so langsam vermindern, dass den 
kleinsten Tbeilchen beim Ausfallen genug Zeit geboten ist, sich in krystalli- 
sirter Form anzuordnen. Diese langsame Ausscheidung kann in verschiedenen 
Arten bewerkstelligt werden. Ist der Eiweisskörper in koncentrirten Salz- 
lösungen schwerer löslich als in Wasser, so koncentrirt man die Lösung durch 
Abdunsten, ist er hingegen in Salzlösungen leichter löslich als im Wasser, so 
entfernt man das Salz langsam durch Dialyse gegen reines Wasser, oder man 
versetzt die Lösung bis zur beginnenden Trübung mit Alkohol und kühlt dann 
stark ab, wodurch ebenfalls die Löslichkeit des Eiweisskörpers verringert wird. 
Nach diesen Verfahren ist es gelungen, eine Reihe von Eiweisskörpern in 
physikalischer Hinsicht schärfer zu charakterisiren, ibre Einheitlichkeit fest- 
zustellen und eine gesicherte Basis für ihre chemische Untersuchung zu finden 

Im Wesentlichen bewegt sich die chemische Untersuchung der Eiweiss- 
körper, deren letztes Ziel die Konstitutionsermittelung ist, nach zwei Rich- 
tungen. Die eine geht dahin, durch Gruppenreaktionen qualitativer und 
jetzt auch quantitativer Art den Begriff der Eiweis-körper, sowie den der 
Unterabtheilungen dieser Klasse schärfer zu fassen und die einzelnen Indi- 
viduen genauer zu charakterisiren, als dies die einfache Elementaranalyse ver- 
mag, nach der ja zwischen gauz verschiedenen Eiweisssubstanzen kaum merk- 
liche Differenzen bestehen. Der andere Weg bestebt in der direkten Ausmittelung 
der Spaltungsprodukte des Eiweisses bei verschiedenen Reaktionen, wo- 
durch vielleicht einmal eine annehmbare Konstitutionsmöglichkeit resultiren 
kann. Beide Wege haben gewisse Vorzüge und gewisse Mängel. Die Isolirung 
und Charakterisirung der Spaltungsprodukte wäre ja an und für sich einwands- 
frei; wie aber die bisherigen Versuche lehren, findet man, wenn man die Menge 
der gebildeten Produkte quantitativ bestimmt, nicht im Entferntesten den ge- 
sammten Kohlenstoff, Stickstoff, Schwefel u.s. w. wieder. Ein lehrreiches 
Beispiel in dieser Richtung bilden die in jüngster Zeit durchgeführten Ver- 
suche von Pröscher?), die Spaltung von Eiweisskörpern, speciell von krystalli- 
sirtem Hämoglobin, durch Zinkchlorür und Salzsäure quantitativ zu verfolgen. 
Hierbei ist Pröscher zu dem Resultate gelangt, dass bei der Summirung der 
durch die jetzigen Methoden isolirbaren Bestandtheile nur die Hälfte an 
Kohlenstoff und Stickstuff wiedergefunden wurde, während die andere 
Hälfte fehlt. Ob dieses Ergebniss daran liegt, dass die Methoden der quanti- 
tativen Bestimmung der Spaltungsprodukte versagen, oder ob nicht neben den 
bekannten entstehenden Spaltungsprodukten uns noch unbekannte oder nicht 
isolirbare Stoffe auftreten, lässt sich derzeit nicht entscheiden. Jedenfalls ist 
unter diesen Umständen ein klares Bild von den Bausteinen des Eiweiss- 
moleküls nicht einwandsfrei zu erlangen. Denn so interessant auch die Resul- 
tate sind, welche die Versuche zur Charakterisirung der Eiweissspaltungspro- 
dukte ergeben haben, so vermögen wir doch nicht mit Gewissheit zu sagen. 
ob wir gerade die charakteristischen Strukturtheile isolirt haben. Nichts- 


1) F. Pröscher, Beitrag zur Erforschung der Konstitution des Eiweissmoleküls. 
Zeitschr. f. physiol. Chem. Bd. 27. S. 114. 


Einiges über die Eiweisskörper. 983 


destoweniger sind aber aucb auf diesem Wege schon bedeutsame Erfolge 
erzielt worden, unter welchen besonders jene zu erwähnen sind, welche zu 
der Kossel’schen Hexonbasentheorie geführt baben. Es gelang nämlich durch 
Spaltung mittels kochender Säuren aus sämmtlichen Eiweisskörpern alipha- 
tische, stickstoffhaltige Körper aus der Reihe der Amidosäuren und ihrer Deri- 
vate, wie Arginin, Histidin, Lysin zu erhalten, welche Kossel als Hexon- 
basen bezeichnet, da sie im Molekül je 6 Atome Kohlenstoff enthalten; ihre 
Formeln sind: C,H,4Nz0, (Lysin), C;H,4N,O, (Arginin), CaH;N30, (Histidin). 
Erwähnenswerth an dieser Stelle ist, dass bekanntlich auch die Zuckerarten 
6 Koblenstoffatome oder ein vielfaches davon im Molekül enthalten. Gestützt 
auf die namentlich von Miescher nnd Kossel festgestellte Thatsache, dass 
die einfachsten bisher bekannten Eiweisskörper, die Protamine, welche aus 
Organen von Fischen gewonnen wurden, beim Kochen mit verdünnter Schwefel- 
säure als alleinige Spaltungsprodukte die erwähnten Hexonbasen liefern, 
fasst Kossel die Riweisskörper derart auf, als ob an diese Hexonbasen, die 
als Kern fungiren, die verschiedenen anderen Reste, die bei anderweitigen 
Spaltungen zu konstatiren sind, angelagert wären, und bezeichnet die Eigen- 
schaft, Hexonbasen bei der Spaltung zu liefern, als Charakteristikum der 
Eiweisskörper. Es ist kein Zweifel, dass hiermit ein grosser Schritt in der 
Erkenntniss der Eiweisskörper gemacht worden ist. Denn wenn wir auch 
noch nicht genau und vollständig wissen, welche anderen Reste sich an diesen 
Hexonkern anschliessen und inwieweit dieser Kern der Träger der Eigenschaften 
des Eiweisses ist, so ist es doch als eine bedeutende Errungenschaft zu be- 
zeichnen, dass zum ersten Male chemisch wohl definirte Körper in relativ 
erheblichen Mengen aus dem Eiweiss isolirt werden konnten. 

Von anderen Körpern, die aus dem Eiweiss isolirt wurden, sind piperazin- 
ähnliche Derivate zu nennen, deren Entstehung Prof. Cohn!) aus den Imiden 
der Amidosäuren ableitet, wobei er annimmt, dass je zwei Moleküle unter 
Wasseraustritt zu einem ringförmigen Komplexe zusammentreten. 

JNE S Der andere Weg, der der Gruppenreaktionen, ist von 

CH, co Hausmann?), und nach ihm von anderen Forschern 

| | eingeschlagen worden. Bei diesen Untersuchungen, die 

con 7 UN der Hauptsache nach zur Erkennung der Stickstoff- 
NH bindung im Eiweissmolekül unternommen wurden, ist 

die Methode die, dass je nach der Abspaltbarkeit durch verschiedene Rea- 
gentien der Stickstoff des Eiweisses als Ammoniak, Säureamid und 
NA,-Stickstoff gesondert wird. Wenn auch diese Methode vor der Hand 
über den inneren Bau des Eiweissmoleküls wenig aussagt, so ist sie doch sehr 
geeignet, die einzelnen Eiweisskörper zu differenziren. Ferner ist es wohl 
möglich, da ja die physiologische Wirkung des Biweisses darauf beruht, ob 
und inwieweit es im Organismus aufgespalten werden kann, dass gerade auf 
Grund von Gruppenreaktionen, denen ja schliesslich die Angreifbarkeit 


1) Ueber Bildung von Basen aus Eiweiss. Zeitschr. f. phys. Chem. Bd. 29. 
2) Hausmann, Ueber die Vertheilung des Stickstoffes im Eiweissmolekül. Zeit- 
schr. f. phys. Chem. Bd. 27. S. 95. 


69* 


984 Jolles, 


des Eiweisses zu Grunde liegt, physiologische Schlüsse mit mehr Berech- 
tigung gezogen werden können, als uns die Kenntniss einzelner Spaltungspro- 
dukte, von denen eben derzeit noch nicht gesagt werden kann, dass von ihnen 
die physiologische Bedeutung abhängt, gestattet. 

Aus den bisher erwähnten Thatsachen geht hervor, dass die Konstitutions- 
bestimmung des Eiweisses erst dann mit grösserer Sicherheit in Angriff ge- 
nommen werden kann, wenn möglichst viele Reaktiosen, und zwar quanti- 
tative Reaktionen bekannt werden. Die Kenntniss der Spaltungsprodukte 
bleibt so lange lückenhaft, als nicht genaue Bestimmungen der Mengenverbält- 
nisse gemacht worden sind und nicht, wie es jetzt noch der Fall ist, ein 
bedeutender Theil der Spaltungsprodukte sich der Untersuchung entzieht. 
Ferner ist bei der komplexen Natur des Eiweissmoleküls nicht zu erhoffen, dass 
durch eine Reaktion eine Zerlegung in lauter fassbare Spaltungsprodukte statt- 
findet, sondern wir müssen uns zufrieden geben, wenn die Reaktion bezüglich 
eines bestimmten Theiles des Eiweisskomplexes quantitativ oder 
nahezu quantitativ verläuft. Es bleibt somit übrig, verschiedene Reagentien 
unter verschiedenen Bedingungen auf das Eiweiss einwirken zu lassen, die eben 
nach ihrer Beschaffenheit, Koncentration u. s. w. gewisse Theile des Eiweiss- 
komplexes quantitativ abspalten werden. Auf diese Weise kann es gelingen, 
eine Reihe von Atomgruppen innerhalb des grossen Eiweissmoleküls zu fassen, 
und je mehr solche Gruppen bekannt werden, um so leichter kann daon ihre 
Zusammenfassung zu einem Bilde der Eiweissstruktur gelingen. 

Von diesem Gesichtspunkte ausgehend, habe ich Studien über die Eiweis- 
oxydation mit Permanganat in schwefelsaurer Lösung unter Einhaltung ganz 
bestimmter Bedingungen vorgenommen, da ich ans Erfahrungen, die ich bei 
meinen früheren Arbeiten über die Purinbasen!) gewonnen habe, im Perman- 
ganat in schwefelsaurer Lösung ein Reagens zu haben glaubte, welches die 
Aussicht auf eine leicht zu verfolgende und glatte Spaltung bietet. 
Der Vortheil dieser Methode besteht darin, dass gewisse Körper, wie Ham- 
stoff, Mono- und Diamidosäuren unter den angegebenen Bedingungen nicht 
weiter verändert werdrn, was gegenüber den alkalischen Spaltungen, bei 
denen der Harnstoff zu Ammoniak zerfällt und auch Diamidosäuren nicht 
unangegriffen bleiben, ein wesentlicher Vortheil ist. Ausserdem ermöglicht 
das Verschwinden der Permanganatlösung bei der Oxydation eine Fixirung 
des Endpunktes, wodurch die gleichmässige Spaltung gesichert ist, sofern man 
sich an gleichbleibende Koncentration und Temperatur hält. Das von mir 
eingehaltene Verfahren war im Wesentlichen folgendes: 0,4—0,6 g Substanz 
wurden abgewogen, in ein Becherglas von etwa 600 cem Inhalt gebracht, mit 
ca. 500—600 cem dest. Wasser versetzt, 10 ccm konc. Schwefelsäure vom spec. 
Gewichte 1,84 hinzugesetzt, auf dem Drahtnetze erwärmt und Permanganat- 
lösung (ca. 4 g pro Liter) allmählich hinzugesetzt. Zu Beginn des Erwärmens 
kann der Zusatz der Permanganatlösung kubikcentimeterweise erfolgen; sobald 
sich die Lösung langsam zu entfärben beginnt, setzt man das Permanganat 

1) A. Jolles, Ueber eine quantitative Reaktion hei den Ureiden und Purinderi- 
vaten. Ber. d. deutsch. chem. Gesellsch. Bd. 33. S. 1246 u. 2120. 


Einiges über die Eiweisskürper. 985 


nur tropfen weise so lange hinzu, bis der letzte Permanganatzusatz nach !/,stün- 
digem Kochen nicht verschwunden ist, wobei darauf zu achten ist, dass während 
der Oxydation die Koncentration der Lösung durch zeitweiliges Nachfülleu mit 
dest. Wasser annähernd gleich erhalten bleibe. Sobald nach dem !/,stündigen 
Kochen die Färbung der Permanganatlösung nicht verschwunden ist, entfärbt 
man den Ueberschuss von Permanganat mit einigen Tropfen sehr verdünnter 
Oxalsäure. Hierauf füllt man den Inhalt des Lecherglases in einen ?/,Liter- 
kolben, spült nochmals mit dest. Wasser nach und kühlt den Inhalt des Kolbens 
ab. Nunmehr setzt man allmählich Lauge hinzu, wobei nach jedesmaligem 
Zusatze der Lauge umgeschüttelt und gekühlt wird. Sobald das Mangan aus- 
zufallen beginnt, unterbricht man den Zusatz der Lauge und füllt den Inhalt 
des Kolbens mit dest. Wasser bis zur Marke auf. Von dieser Lösung werden 
nun folgende Bestimmungen durchgeführt: 

1. eine volumetrische Bestimmung des Stickstoffes; 

2. eine quantitative Isolirung und Identificirung des Harnstoffes als oxal- 
saurer Harnstoff; 

3. eine Stickstoffbestimmung im Phosphorwolframsäure-Niederschlage; 

4. eine Stickstoffbestimmung im Filtrate des Phosphorwolframsäure- 
Niederschlages. 

Bezüglich der Details der Ausführung verweise ich auf meine ausführ- 
liche, in den Sitzungsberichten der Wiener Akademie der Wissenschaften er- 
sclienene Abhandlung. 

Was nun die Eintheilung der Spaltungsprodukte des Eiweisses mit Bezug 
auf das von mir eingehaltene Oxydationsverfahren betrifft, so ergiebt die volu- 
metrische Bestimmung nnr den Stickstoff aus Ammoniak und Harnstoff. Nach- 
dem in einer zweiten Probe der Harnstoff gesondert zur quantitativen Be- 
stimmung gelangt ist, so ergiebt die Differenz beider Bestimmungen die Menge 
des eventuell auftretenden Ammoniaks. In der Phosphorwolframsäure-Lösung 
können nach dem angegebenen Verfahren, wie ich mich durch einschlägige 
Versuche überzeugt habe, auftreten: Methylamin, Diamidosäuren und Glykokoll!). 

Im Filtrate des Phosphorwolframsäure-Niederschlages findet sich bei ein- 
zelnen Eiweisskörpern ebenfalls ein Stickstoffgehalt. Welchen Verbindungen 
dieser Stickstoffgehalt zuzuschreiben ist, ist derzeit noch unentschieden. Man 
könnte hier beispielsweise an unvollständig ausgefällte Monoamidosäuren denken. 
Den Stickstoff dieser Verbindungen nenne ich kurzweg Filtrat:Stickstoff. Den 
Phosphorwolframsäure-Niederschlag habe ich bei allen zur Untersuchung heran- 
gezogenen Eiweisskörpern speciell auf Hexonbasen untersucht. Bekanntlich hat 
zuerst Drechsel2) die Entdeckung gemacht, dass bei der hydrolytischen Spal- 
tung von Eiweisskörpern auch Substanzen von ausgesprochen basischem Cha- 
rakter auftreten. Als später Kossel?) und Hedint) die Methodik des Nach- 


1) A. Jolles, Notiz über Glykokoll. Zeitschr. f. physiol. Chem. Bd. 31. S. 859. 

2) Bericht der mathemat.-physikal. Klasse der kgl. sächs. Ges. f. Wissensch. 
1892. No. 116. 

3) Zeitschr. f. physiol. Chem. Bd. 21. S. 155. 

4) Zeitschr. f. physiol. Chem. Bd. 25. S. 165. 


986 Jolles, 


weises der drei basischen Spaltungsprodukte: Arginin, Histidia und Lysin 
wesentlich exakter gestaltet haben, gelang es in allen untersuchten Eiweiss- 
körpern diese Substanzen nachzuweisen. 


Tabellarische Zusammenstellung der analytischen Daten. 


In Procenten des 


= Eee: 
= Pe 37 ERAS] 6 $ 3 

EA 55 EA saae Gesammtstickstoffs 
5 E = (3.12 

pi saj Z oj a 

= .1-2 = E E SI 2 

z8 138 |#& j7ss| 2 

= 7 E21 % 

EA ET Ta 553% 20 

= EE 32% 

5 33|% [E25 58 

pA s o -i-i 

> aaa Dec E321& 

= = n SZ 


Krystallisirtes 
Eieralbumin | 14,98 | 11,86 
Krystallisirtes 
Serumglobulin | 15,94 5 12,06 | 12,— 
Krystallisirtes 
Serumalbumin | 16,04] 13,01} 12,97 
Oxyhämoglobin 19,91 | 15,44 | 15,43 
Kasein . . . . | 15,30| 11,204 11,12 
Fibrin . . . . f 16,64] 752| 7,56 
Vitellin ausEigelb | 15,30] 12,04 | 11,96 
Vitellin aus Pflan- 
zen | 17,68] 8,18] 8,22 


11,80 


6,19 | 46,26 | 46,44 | 18,32. 35.01 

Aus der vorstehenden Tabelle ergiebt sich die Eintheilung der bis jetzt 
untersuchten Eiweisskörper in 3 Typen: 

I. Oxyhämoglobin. Harnstoff-Stickstoff über 90 pCt. des Gesammt- 
Stickstoffes, der Rest im Phosphorwolframsäure-Niederschlage. 

ll. Eieralbumin, Serumalbumin, Serumglobulin, Casein, Vitel- 
lin aus Eigelb. Harnstoff-Stickstoff 70—81 pCt., der Rest im Phosphor- 
wolframsäure-Niederschlage. . 

II. Fibrin, Vitellin aus Pflanzen. Harnstoff 40—50 pCt., Filtrat- 
stickstoff ca. 30 pCt. Der Rest im Phosphorwolframsäure-Niederschlage. 

In allen Fällen konnte die Anwesenheit von Hexonbasen im 
Phosphorwolframsäure-Niederschlage konstatirt werden. 

Aus diesen Zahlen ergeben sich erhebliche Unterschiede in der 
Zusammensetzung der Eiweisskörper. Die nächste Aufgabe wird nun 
die sein, durch Vervollständigung obiger Daten festzustellen, ob das Ein- 
theilungsprincip noch einer Modifikation bedarf, und wie weit diese chemische 
Eintheilung mit den sonstigen chemischen und physiologischen Eigenschaften 
der Eiweisskörper in Beziehung zu bringen ist. 

Von besonderem Interesse ist die Tbatsache, dass in der be- 
schriebenen Versuchsanordnung ein Weg gefunden wurde, aus dem 
Eiweiss durch Oxydation Harnstoff direkt zu erzeugen, also ge- 
wissermaassen zu demselben Endprodukte zu gelangen, welches 
als Endglied der Umsetzungen im Organismus resultirt. Hiermit 
soll aber durchaus nicht behauptet werden, dass in beiden Fällen die Zwischen- 
stadien des Processes die nämlichen sind, wenn auch hier wie dort die Harn- 
stoffbildung der Abschluss der Eiweissspaltung ist. 


Einiges über die Eiweisskörper. 987 


Aus den von mir erhaltenen Resultaten geht ferner hervor, dass die 
Ueberführbarkeit eines grossen Theiles des Stickstoffes in Harn- 
stoff, während der Rest in Form von Verbindungen auftritt, welche 
durch Phosphorwolframsäure fällbar sind, eine Eigenschaft ist, 
welche sämmtliche Eiweissstoffe charakterisirt. In wie weit die 
übrigen am Stoffwechsel betheiligten Produkte ein analoges Verhalten zeigen, 
bedarf noch der Untersuchung, vielleicht ist nach dieser Richtung hin eine 
Abgrenzung des Begriffes „Proteinkörper“ möglich. Wenn wir uns vergegen- 
wärtigen, dass der Stickstoff der in den Organismus eingeführten N-haltigen 
Nährstoffe zum grössten Theil in Form von Harnstoff zur Ausscheidung 
gelangt, so ist ja die Vermuthung, dass speciell in den Eiweisskörpern der 
Harnstoff oder eine ihm nahe stehende chemische Verbindung vorgebildet 
enthalten sei, sehr naheliegend. Nichtsdestoweniger baben alle bisher durch- 
geführten künstlichen Spaltungen der Eiweissstoffe durch Säuren, Al- 
kalien und Oxydationsmittel diese Vermuthung nicht bestätigt, nach- 
dem die gefundenen Spaltungsprodukte (Leucin, Tyrosin, Glykokoll, Glutamin- 
säure u. s. w.) keine Beziehungen zu dem Harnstoffe erkennen lassen. Aller- 
dings muss an dieser Stelle erwähnt werden, dass es vor einigen Jahren Prof. 
Hofmeister!) gelungen ist, in sicherer Weise das Auftreten von Harnstoff 
bei der Oxydation verschiedener N-haltiger und N-freier Substanzen in ammo- 
niakalischer Lösung zu konstatiren. Diese an und für sich wichtige Thatsache 
steht aber mit meinen Resultaten insofern in keinem Zusammenhange, als 
die Harnstoffbildung bei den Hofmeister’schen Versuchen, besonders bei den 
N-freien Substanzen, sicher durch die gleichzeitige Anwesenheit des 
Ammoniaks bedingt und somit der Harnstoff nicht im strengen 
Sinne als ein Spaltungsprodukt der untersuchten Körper aufzu- 
fassen ist. Des Weiteren ist die Menge des Harnstoffes nach Hofmeister 
in keinem Falle auch nur annähernd so gross, dass man von einer qnanti- 
tativen Reaktion sprechen kann, und schliesslich vermögen die Versuche von 
Hofmeister, so interessant sie auch bezüglich der synthetischen Bildung des 
Harnstoffes sind, keineswegs klarzustellen, woher der Stickstoff des 
Harnstoffes stammt, und welches die Bedingungen der Ueberführ- 
barkeit des Stickstoffes in Harnstoff sind. 

Was nun speciell die Frage bezüglich der Bedingungen für die Bil- 
dung von Harnstoff und im Anschlusse hieran der Stickstoffbin- 
dung der Eiweisskörper betrifft, so lassen sich aus meinen zu diesem 
Zwecke unternommenen Arbeiten bis jetzt folgende Regeln zur Harnstoffbildung 
aussprechen: 

Der Harnstoff entsteht aus der CONH, resp. CONH-Gruppe, 
Beispiele sind hierfür — abgesehen von dem ziemlich selbstverständlichen 
Verhalten der Ureide — die Purinbasen, Hippursäure, Asparagin, 
Lactamid, Suceinamid, Benzoylasparaginsäure. Bei all diesen 
Körpern tritt eben so viel Stickstoff in Form von Harnstoff aus, 


1) F. Hofmeister, Ueber Bildung des Harnstoffes durch Oxydation. Arch. f. 
exper. Pathol. u. Pharmiakol. Bd. 37. S. 426—444. 


988 Jolles, Einiges über die Eiweisskürper. 


als CONH, resp. CONH-Gruppen vorhanden sind. So geben z. B. die 
methylirten Purinkörper den Stickstoff der CONCH;-Gruppen nicht in Form 
von Harnstoff ab, ebenso wenig wie die Amidosäuren, Glykokoll, Asparagin- 
säure Harnstoff liefern. Das Asparagin z. B., welches von zwei Stickstofl- 
atomen eines in der Säure-Amidogruppe entbält, giebt genau die Hälfte des 
Stickstoffes als Ammoniak ab, die andere Hälfte als Harnstoff. 

Ob eine CONH-Gruppe befähigt ist, Harnstoff zu liefern, hängt im Wesent- 
lichen von der leichten Oxydirbarkeit des Komplexes ab, an dem 
sie hängt, und ferner auch von der Struktur dieses Restes. Nachdem 
nun an dem vorliegenden Materiale festgestellt worden war, dass die CONH- 
Gruppe und keine andere befähigt sei, bei der Oxydation unter bestimmten 
Bedingungen Harnstoff zu liefern, habe ich, wie schon besprochen, eine Reihe 
von Eiweisskörpern derselben Behandlung unterzogen, um Analogieschlüsse auf 
die N-Bindung im Eiweissmoleküle ziehen zu können. 

Wie ich schon früher gezeigt habe, wurden ausnahmslos sehr beden- 
tende Bruchtheile des REiweissstickstoffes iu Form von Harnstoff 
erhalten, immer über 45 pCt., bei gewissen Eiweisskörpern bis 90 pCt. 
Aus diesen Untersuchungen geht hervor, dass im Eiweiss be- 
trächtliche, ja selbst überwiegende Antheile des Stickstoffes in 
Harnstoff bildenden Gruppen stehen, und nach den bisherigen Erfab- 
rungen können wir nicht umhin, als diese Gruppen die CONH-Gruppen 
aufzufassen. Wir müssen somit im Eiweiss eine beträchtliche 
Zahl von CONH-Gruppen annehmen. Es fragt sich jetzt noch, womit 
diese Gruppen verbunden sind. Betrachtet man das Verhältniss von Stickstof 
und Kohlenstoff im gesammten Eiweissmolekül, so sieht man, dass auf 1 Atom 
Stickstoff ca. 4 Atome Kohlenstoff entfallen, so dass nach Abspaltung von 
CONH-Gruppen ein kohlenstoffreicher Rest übrig bleiben wird. In wie weit 
dieser auf Phenole, Fettsäuren u. s. w. entfällt, ist in quantitativer Weise noch 
nicht untersucht worden. Nachdem bisher die Harnstoffbildung nur bei jenen 
CONH-Gruppen konstatirt werden konnte, deren Träger ein leicht oxydabler 
Komplex ist, so müssen wir auch hier annehmen, dass der Rest, an dem die 
CONH-Gruppe stand, einer weiteren Oxydation anheimfällt. — Da nun bei 
der Oxydation der Eiweisskörper immer ein wenn auch zuweilen geringer An- 
theil des Stickstoffes nicht als Harnstoff auftritt, und da ferner für die von 
Kossel als Kern des Eiweisses angenommenen Hexonbasen, ebenso wie für 
die nicht mit dem Harnstoff identischen N-haltigen Spaltungsprodukte des 
Eiweisses die Fällbarkeit durch Phosphorwolframsäure nachgewiesen ist, so 
können wir annehmen, dass der Eiweissstickstoff, soweit er nicht als Harn- 
stoff auftritt, im Wesentlichen in Form von Hexonbasen abgespalten wird. 
In dieser Beziehung bieten meine Oxydationsversuche eine Stütze für die 
Kossel’sche Theorie. Wenngleich aber nachgewiesen ist, dass dieser Hexon- 
kern sämmtlichen Eiweisskörpern gemeinsam ist, und selbst wenn zugegeben 
wird, dass der chemische Charakter des Eiweisses dadurch bedingt ist, 30 
muss doch hervorgehoben werden, dass keineswegs dargethan ist, dass dieser 
Kern für die Ernährung ausschlaggebend ist. Es ist viel eher anzu- 
nehmen, dass die harnstoffbildende Gruppe, die allen Eiweisskör- 


Infektionskrankheiten. 989 


pern, nnd zwar in viel grösseren Antheilen gemeinsam ist, für die 
Funktionen des Eiweisses als Nahrungsstoff von grösserer Wich- 
tigkeit ist. Diese Fragen werden sich nur durch eine sehr ausgedehnte 
chemische und physiologische Vergleicbung der Eiweisskörper untereinander 
beantworten lassen, und ich möchte mir zum Schluss noch die Bemerkung 
gestatten, dass meine vorläufigen, in dieser Richtung angestellten Versuche 
eine Analogie zwischen der Permanganat-Oxydation und der phy- 
siologischen Verarbeitung der Eiweisskörper ergeben haben, und 
ich bebalte mir vor, nach Abschluss der bezüglichen Nährversuche ausführ- 
lich zu berichten. 


Schlesinger, Eugen, Die Leukocytose bei experimentellen Infektionen. 
Ans d. Institut f. Hyg. u. Bakt. d. Univ. Strassburg i. E. Zeitschr. f. Hyg. 
u. Infektionskrankh. Bd. 35. S. 349. 

Der Verf. hat Untersuchungen über das Verhalten der weissen Blut- 
körperchen bei Kaninchen unter dem Einfluss einer Reihe von bekannten 
Krankheitserregern angestellt, die er in geringen Mengen (1—2 ccm) von Auf- 
sebwemmung oder Kultur den Thieren unter die Bauchhaut spritzte. Er hat 
dabei nicht blos die Zahlen im Ganzen, sondern auch die der ein- 
zelnen Formen, besonders der vielkernigen aus dem Knochenmark 
stammenden, und der Lymphkörperchen bestimmt. Bei den einzelnen 
gesunden Kaninchen fand er die Mengen sehr verschieden und bei mehr als 
der Hälfte von ihnen Abends geringer als Morgens; die vielkernigen weissen 
Blutkörperchen machten 40—60 v. H. aus und kamen im Durchschnitt der 
Zahl der Lymphkörperchen gleich. 

Als Folge der Infektion beobachtete er oft, aber nicht immer eine 
Verminderung der weissen Blutkörperchen (Hypoleukocytose). 
Er fand sie regelmässig bei Typhus, Bacterium coli, Erysipel-Kettenkokken 
und regelmässig fehlend beim Bac. botulinus. Bei Milzbrand und Pneu- 
moniekokken war sie nur bei den Thieren vorhanden, welche die Infek- 
tion überstanden, bei Tetanus und Diphtherie umgekehrt nur bei denjenigen, 
welche erlagen. In der Schnelligkeit, mit welcher sie der Infektion folgte, 
und in der Dauer ihres Bestehens waren Schwankungen zwischen 2 und 
24 Stunden zu beobachten. Die Virulenz und die Menge der eingebrachten 
Kulturen war ohne Einfluss, ebenso, ob Fieber auftrat oder nicht. An dieser 
Verminderung waren stets die Lymphkörperchen betheiligt, wenig oder 
nur vorübergehend die vielkernigen weissen Blutzellen, welche im Gegen- 
theil häufig eine Vermehrung zeigten. die nicht blos relativ, sondern so- 
gar absolut ausfallen konnte. Der Verf. erklärt diese Verminderung durch 
eine veränderte Vertheilung im Gefässsystem und zwar namentlich durch eine 
Anhänfung io den feinsten Gefässen der Lunge und Leber. 

In Bezug auf die Vermehrung der weissen Blutkörperchen (Hyper- 
leukocytose) macht der Verf. einen Unterschied zwischen den in Heilung 
ausgehenden Infektionen und den mit Tod endenden. Bei den ersteren 

70 


990 Infektionskrankheiten. 


folgt sie der Infektion unmittelbar oder schliesst sich der vorausgegangenen 
Verminderung an. Nicht blos die Zeit ihres Auftretens, sondern auch ihre 
Dauer und die Art, wie sie erfolgte und wieder verschwand (gleichmāssig. 
staffelfőrmig, unterbrochen), war sehr verschieden. Ihre Höhe wurde meistens 
am 3. oder 4. Tage erreicht. Fieber oder örtliche Veränderungen an der Impf- 
stelle waren auch hier ohne Einfluss. Zunächst handelt es sich dabei meistens 
um eine Vermehrung der vielkernigen weissen Blutzellen, während die 
Lymphkörperchen bald zu-, bald abnehmen. Im späteren Verlauf 
kehrt sich aber dieses Verhältniss in der Regel um. Zu Stande kommt 
diese Vermehrung nach der Ansicht des Verf.’s durch die Zufuhr fertiger, in 
den Organen zur Abstossung bereit liegender Zellen, der vielkernigen aus 
dem Knochenmark, der Lympbzellen aus dem Iymphatischen Apparat, und 
verursacht wird sie durch chemotaktische Wirkung der eingebrachten lo- 
fektionsstoffe. 

Bei den tödtlich endenden Fällen ist das Verhalten ganz regellos. 
Der Tod kann vor, während und nach dem Auftreten der Vermehrung der 
weissen Blutzellen erfolgen, und bei seinem Eintritt ist ihre Zahl bald ver- 
mehrt, bald vermindert. Ist sie vermehrt, so kann es sich nach der Anschau- 
ung des Verf.'s entweder um einen aktiven, auf chemotaktischen Einflüssen 
beruhenden Vorgang handeln — dann sind die vielkernigen Zellen vorzugs- 
weise zahlreich — oder um eine physikalische Wirkung der mit dem Tod 
zusammenhängenden Blutdruckverminderung, der Stauung in den Geweben 
u.s. w. — dann haben die Lymphkörperchen besonders zugenommen. 

In einem besonderen Theil der Arbeit wird genauer dargestellt, wie 
sich die einzelnen Infektionserreger in den angegebenen Rich- 
tungen von einander kennzeichnend unterscheiden, und ihr Ver- 
halten mit dem beim Menschen beobachteten in Vergleich gestellt. 

Globig (Kiel; 


Kleine F. K., Ueber Entgiftung im Thierkörper. Aus dem Institut für 
Infektionskrankheiten zu Berlin. Zeitschr. f. Hyg. u. Infektionskrankb. 
Bd. 36. S. 1. 

Czylharz und Donath konnten, wenn sie durch Umschnüren eine 
Hinterbeins beim Meerschweinchen den Abfluss von Blut und Lymphe 
hemniten, in das umschnürte Glied Strychnin in sonst tödtlicher Menge 
einspritzen: die Thiere blieben auch völlig gesund, wenn 1— 4 Stunden später 
die Umschnürung gelöst wurde. Sie schlossen daraus, dass das Strychnin im 
lebenden Körper in ähnlicher Weise gebunden oder neutralisirt würde wie 
Bakteriengifte. 

Der Verf. macht demgegenüber darauf aufmerksam, dass, wenn schon 
die Säfte eines abgeschnürten Gliedes die tödtliche Strychninmenge zu binden 
vermöchten, es erst recht möglich sein müsste, durch kleine, vorsichtig steigende 
Gaben den ganzen Körper gegen Strychnin zu immunisiren. In Wirklichkeit 
tritt aber das Gegentheil ein: fortgesetzte kleine Strychningaben haben eioe 
gesteigerte Wirkung. Der Verf. wiederholte den Versuch und fand ihn mit 
der kleinsten tödtlichen Strychninmenge bestätigt. Verdoppelte er diese aber. 


Infektionskrankheiten. 991 


so starben die Thiere. Nun konnte er feststellen, dass trotz der Umschnü- 
rung eine Aufsaugung stattfindet, indem er Ferrocyankalium schon nach 
2 Standen im Harn nachwies und aus dem Harn mehrerer Meerschweinchen 
Strychnin genug gewann, um Mäuse unter Krämpfen zu tödten. Bei Strychnin 
liegen die Grenzen der wirksamen und der tödtlichen Menge sebr 
nahe bei einander, und dadurch erklärt sich auch ohne die Annahme einer 
Entgiftung, dass, wenn ein Theil des in den umschnürten Körpertheil ge- 
brachten Strychnins Zeit hat, aufgesaugt und ausgeschieden zu werden, der 
Rest wirkungslos bleibt. Als Beispiel dafür, welchen Unterschied es macht, 
ob ein stark wirkendes Mittel allmählich oder plötzlich eingeführt 
wird, erwähnt der Verf., dass eine starke Lösung von Chloralhydrat, 
ganz langsam in eine Vene eingespritzt, nur allgemeine tiefe Betäubung zur 
Folge bat; wird aber nur ein wenig zu rasch gespritzt, so tritt sofort Herz- 
stillstand und Tod ein. Globig (Kiel). 


Jakowski M., Ueber die Mitwirkung der Mikroorganismen beim Ent- 
stehen der Venenthrombose. Centralbl. f. Bakteriol. Bd. 28. No. 23. 
S. 801. 

Bereits vor einigen Jahren hat J. nach Injektion von Bact. coli bei 
Meerschweinchen und Kaninchen Venenthrombosen künstlich erzeugt und 
in den Thromben die nämlichen Mikroorganismen nachgewiesen. Neuer- 
dings hat er diese Versuche mit Verwendung von Typhus- und Diphtherie- 
bacillen wiederholt und Bouillonkulturen der beiden Bakterienarten bei 
Kaninchen in die Obrvene, bei Meerschweinchen in die ein reichliches Lymph- 
gefässnetz bergende Gegend zwischen den Schultern injieirt. In einigen Fällen 
wurden nicht die Mikrobien selbst, sondern ihre giftigen Stoffwechselprodukte, 
ihre Toxine den Versuchsthieren einverleibt. Ohne Ausnahme wurde ferner 
stets eine Schädigung eines Venenbezirks hervorgerufen, indem eine Gummi- 
binde fern von der Injektionsstelle an einer Extremität oder an einem Ohr 
für die Dauer einer Stunde angelegt wurde. 

In den Venen und theilweise auch im Herzen von 9 mit Typhusbacillen 
geimpften Thieren fanden sich mehr oder weniger zahlreiche Blutgerinnsel, 
während diese letzteren bei 4 mit Typhustoxinen injicirten Thieren kleiner 
und viel weniger zahlreich waren. 

Nach der Einspritzung von Diphtheriebacillen trat intravenöse Ge- 
rinnung bald auf, bald fehlte sie vollständig. Gänzlich negativ fiel das Er- 
gebniss bei der Einführung von Diphtherietoxinen aus. 

Bei Injektion von Bakterienkulturen waren in allen erhaltenen Gerinnseln, 
welche, wie die mehrschichtige Struktur lehrte, allmählich zu Stande gekommen 
waren, die betreffenden Keime nachzuweisen. 

Verf. zieht aus seinen Untersuchungen den Schluss, dass durch Einführung 
von Bact. coli, von Typhus- und Diphtheriebacillen in die Blutbahn unter 
gleichzeitiger durch Kompression einer Vene bewirkter Cirkulationsstörung die 
Bildung von grösseren oder kleineren inficirten Thromben erfolgen kann. 

Eine Erklärung des Vorganges sucht J. in der Annahme, dass die in Folge 
der Blutstromverlangsamung und vielleicht auch der Läsion der Gefässintima 

70* 


992 Infektionskrankheiten. 


auf der Venenwand sich ansiedelnden Bakterien ihre specifischen Giftstoffe 
erzeugen, welche an ihrem Entstehungsorte zugleich die Ursache des Auf- 
tretens von Blutgerinnseln, der Thrombosirung bilden. Trotz aller Vorsicht, 
welche bei der Uebertragung der durch das Thierexperiment gewonnenen Fr- 
gebnisse auf die menschlichen Verhältnisse geboten ist, hält sich Verf. doch 
für berechtigt, die gleichen Ursachen und Vorgänge, wie sie oben beschrieben 
wurden, auch beim Zustandekommen von Venenthrombosen im Verlaufe mensch- 
licher Infektionskrankheiten zu vermuthen. 
Schumacher (Strassburg i. E.). 


d’Arrigo, Beitrag zum Studium der erblichen Uebertragung der 
Tuberkulose durch die Placenta. Centralbl. f. Bakteriol. Bd. 28. No.20. 
S. 683. 

Der Verf. vertritt den Standpunkt, dass es sowohl unberechtigt ist, alle 
Tuberkulösen als von der Geburt an schon mit den Keimen der Krank- 
heit behaftet anzusehen, als auch unter allen Umständen die Möglichkeit einer 
direkten Uebertragung von der Mutter auf den Fötus zu leugnen. Besonders 
wichtig zur Klärung der Frage ist es festzustellen, ob der Tuberkuloseerreger 
im Sperma erkrankter Menschen und Thiere zu finden und mit demselben 
auf das zu befruchtende Ei übertragbar ist, ob er sich zweitens in Ovarien 
und Eiern von tuberkulösen weiblichen Individuen nachweisen lässt. und ob 
er schliesslich die Placenta zu durchwandern und in derselben bezw. in den 
fötalen Organen sich anzusiedeln vermag. A. bat sich zunächst nur der 
Lösung der .letzten Frage gewidmet. 

Es liegen bereits zahlreiche Beobachtungen an Menschen und Thieren vor, 
die für die Richtigkeit der Placentartheorie, d. b. die Möglichkeit der 
placentaren Ueberwanderung der Tuberkuloseerreger sprechen. 

Da A. dieselben aber ebenso wenig wie die einschlägigen experimentellen 
Untersuchungen als vollständig einwandsfrei und absolut beweisend ansehen 
möchte, so hat er eine Reihe neuer Versuche angestellt und einmal Meer- 
schweinchen, die er mit Erfolg tuberkulös inficirt hatte, durch 
gesunde Männchen schwängern lassen, zweitens aber gesunde von 
gesunden Männchen bereits geschwängerte Weibchen nachträglich 
mit tuberkulösem Material geimpft. 

Während einige der der ersteren Versuchsreihe zugehörigen Thiere unge- 
fähr 8 Tage nach der Konception abortirten, wurden andere nach 10 Tagen. 
wieder andere erst am Ende der Trächtigkeit getödtet, der Rest schliesslich 
hat rechtzeitig ausgetragen. Es zeigte sich nun, dass mit dem Fortschreiten 
der Gravidität und namentlich in der zweiten Hälfte derselben 
nicht nur pathologische Veränderungen, wie Thrombosirungen und 
Proliferationsherde, sondern auch Tuberkelbacillen in der Placenta 
und in der fötalen Leber häufiger anzutreffen waren. Verf. will auch 
„Tuberkelkeime (Sporen)“ im krankhaft veränderten Gewebe nachge 
wiesen haben, dürfte hier aber einem Irrthum und einer Verwechselung zum 
Opfer gefallen sein. 

Die Ursache der Läsionen an der Ansatzstelle der Placenta und in 


Infektionskrankheiten. 993 


den Gefässen, wie namentlich auch in der Leber des Fötus sucht Verf. in der 
Wirksamkeit der von den Tuberkelbacillen abgesonderten speci- 
fischen Giftstoffe, durch die für die Ansiedelung der eigentlichen Krank- 
heitserreger erst der Boden geschaffen werde. 

Die rechtzeitig geborenen Jungen der vor dem befruchtenden Coitus infi- 
eirten Thiere sind schwach und mager und sterben nach mehr oder weniger 
kurzer Zeit an allgemeiner Tuberkulose. 

Etwas anders liegen im Gegensatz zum Vorhergehenden die Dinge hin- 
sichtlich der Meerschweinchen, die erst nach Ablauf eines Theiles 
der Schwangerschaft tuberkulds inficirt wurdeu. Diese abortirten 
nämlich gewöhnlich, und in ihren Placenten fanden sich, wenn auch keina 
Tuberkelbacillen, so doch Hyperämie, Blutungen und Infarkte, die 
A. als durch den Uebergang der Tuberkeltoxine in die Placenta und die dadurch 
verursachte Schädigung der Gefässwandungen bedingt ansieht. Eine Erklärung 
dafür, dass die während der Trächtigkeit mit Tuberkelbacillen geimpften Meer- 
schweinchen häufiger abortiren, als die erst im Verlauf der Tuberkelinfektion 
geschwängerten Thiere giebt der Verf. mit der Annahme, dass der in dem 
erkrankten Organismus sich entwickelnde Embryo nach und nach an die auf 
ihn übergehenden Gifte gewöhnt würde, so dass die Schwangerschaft zu einem 
normalen Abschluss gelangen könne. Schumacher (Strassburg i. E.). 


Letulle, L’höpital et ses contaminations tuberculeuses. Presse mé- 
dicale. 21. Mars 1900. p. 107. 

Letulle macht erneut auf die grosse Gefahr, die die Pariser Hospi- 
täler für Kranke, Studenten, das Pflegepersonal u. dergl. bilden, aufmerksam, 
da sie wabre Ansteckungsherde der Tuberkulose darstellen, und führt 
als Beispiel und zum Beweis seiner Behauptung die Sterblichkeit an Tu- 
berkulose unter den im Hötel-Dieu die Krankenpflege versehenden 
Nonnen an, von denen 82 unter 102 Gestorbenen an Lungentuberkulose zu 
Grande gegangen sind. Als Hauptursache dieser betrübenden Thatsache 
sieht der Verf. die absolut unhygienische Art und Weise der Beseiti- 
gung des Auswurfs der Tuberkulösen und ferner die gesnndheitswidrige 
Reinigung der Krankensäle und der Krankenbetten an. 

Jacobitz (Halle a. S.). 


Kaopf, Infection des livres par le bacille de la tuberculose. Presse 
medicale. 24 fevr. 1900. p. 70. 

In Lansing, der Hauptstadt des nordamerikanischen Bundesstaates 
Michigan, starben kurz hintereinander die 20 Angestellten eines 
Bureaus an Lungentuberkulose. Die bakteriologische Untersuchung 
der häufig von denselben benutzten Akten und Bücher zeigte das Vorhan- 
densein von Tuberkelbacillen. Diese waren, wie genaue Nachforschungen 
ergaben, durch einen früheren, an ausgesprochener Phthise leidenden Ange- 
stellten einmal beim Husten, Niesen und Sprechen, sodann aber auch dadurch, 
dass er die Gewohnheit hatte, die Blätter der Akten mit dem angefeuch- 
teten Finger umzuwenden, auf die Akten und in die Bücher gelangt. 


994 - Infektionskrankheiten. 


Knopf weist mit Recht auf die grosse Gefahr hin, die diese schlechte 
Augewohnheit mit sich bringt. Er fordert, dass etwa angestellte Phthisiker 
während der Arbeitszeit unbedingt Schutzmasken vor Mund und Nase tragen 
müssten. 

Was endlich die Desinfektion auf diese Weise verunreinigter Akten 
und Bücher anbetrifft, so haben die Versuche von Martin und Miquel mit 
Formaldehyd keinen Erfolg gezeigt. Knopf schlägt nun die Anwendung 
des Dampfes vor, man solle dazu die einzelnen Aktenblätter auf grösseren 
Drabtnetzen ausbreiten; allerdings ist diese Art der Desinfektion nur bei un- 
gebundenen und ungeklebten Blättern und Büchern anwendbar. 

Jacobitz (Halle a. S.) 


Krompecher E., Recherches sur le traitement des animaux tubercu- 
leux par la methode de Landerer et sur la virulence des bacilles 
tuberculeux. Ann. de l’Inst. Pasteur 1900. No. 11. p. 723. 

Verf. erwähnt, dass die wissenschaftliche Grundlage der Behandlung 
der Tuberkulose mit Zimmtsäure in einer 1893 von Richter in Vir- 
chow’s Archiv veröffentlichten experimentellen Arbeit zu suchen ist; nach 
den mitgetheilten Resultaten (das einzige Kontrolkaninchen ist erst 7 Monate 
nach der Impfung gestorben!) ist zu vermuthen, dass das verwendete Mate- 
rial nicht virulent genug war. Im Laboratorium Metschnikoff's hat 
K. die Versuche an Kaninchen und an Meerschweinchen wiederholt. Statt 
Zimmtsäure wurde die in neuerer Zeit von Landerer empfohlene 4proc. 
Lösung von zimmtsaurem Natron benutzt. Die längere Zeit (21), bis 
4 Monate lang) fortgesetzte prophylaktische Injektion von zimnt- 
saurem Natron (im Ganzen wurden 190 —315 cg injieirt) bat keine lm- 
munität zur Folge; die Thiere sind innerhalb 1—2 Monaten nach der lofek- 
tion gestorben und zeigten klinisch und pathologisch-anatomisch genau das- 
selbe Bild, wie die nicht vorbehandelten Kontrolthiere. In einer zweiten Ver- 
suchsreihe wurde die therapeutische Wirkung derselben Substanz geprüft, 
und es stellte sieh heraus, dass die mit zimmtsaurem Natron behandel- 
ten Thiere ebenso rasch an Tuberkulose starben, wie die Kontrol- 
thiere. Nirgends konnte eine Neigung zur Ausbeilung beobachtet werden, 
weder eine fibröse Veränderung noch eine Einkapselung. Bei den intravenös 
geimpften Kaninchen, auch bei den nicht mit Tuberkulose inficirten, war eine 
Wucherung des Bindegewebes in den Lungen zu beobachten; Verf. ist 
geneigt, diese „interstitielle Pneumonie“, welche nicht specifisch für die Zimmt- 
säure ist, als eine rein mechanische und chemische Wirkung der Lò 
sung zu betrachten. K. konnte auch 3—4 Stunden nach der intravenösen 
Injektion eine starke Leukocytose und eine Hyperämie des Knochen- 
marks beobachten. Auf Grund seiner Versuche kommt Verf. zu dem Schlosse. 
dass Richter zu seinen Untersuchungen Tuberkelbacillen von an- 
genügender Virulenz verwendet habe, und dass die Heilung nicht 
als eine Wirkung der Zimmtsäure, sondern als die natürliche 
Folge der zu geringen Virulenz zu betrachten sei. 

In einem zweiten Abschnitte prüft Verf. das Verhalten von Tuberkel- 


Infektionskrankheiten. 995 


bacillen verschiedener Virulenz. Er stellt fest, dass ein sehr virulenter Ba- 
eillas typische Tuberkulose mit Verkäsung erzeugte, während ein avirulenter, 
6 Jahre lang auf künstlichen Nährböden weiter gezüchteter Bacillus bei Thieren 
keine Krankheitserscheiuungen, sondern nur leichte, mikroskopisch sichtbare 
Veränderungen (vereinzelte Riesenzellen) bedingte; der von Bataillon, Du- 
bard und Fere isolirte Tuberkelbacillus der Fische war in seiner 
Wirkung identisch mit dem avirulenten Bacillus der Säugethier- 
tuberkulose. Mit auf 120° erhitzten Kulturen des stark virulenten 
Tuberkelbacillus wurden bei intravenös geimpften Kaninchen nach 
14 Tagen typische verkäste Herde mit Riesenzelllen und mit gut 
färbbaren Tuberkelbacillen nachgewiesen; nach subkutaner Injektion 
bei Meerschweinchen kam es am 3 Tage zur Abscessbildung, die mikrosko- 
pisch nachweisbaren Tuberkelbacillen verschwanden nach 8—14 Tagen. Die 
abgetödteten avirulenten und die Bacillen der Fische erzeugten keine 
Veränderungen, weder makroskopisch noch mikroskopisch. Verf. kommt 
zu dem Schlusse, dass die Wirkung todter Tuberkelbacillen verschie- 
den ist (daher die widersprechenden Angaben verschiedener Autoren), und 
dass ein sehr virulenter Tuberkelbacillus, der bei 120° C. abgetödtet 
worden ist, noch typische verkäste Tuberkel erzeugen kann. Es be- 
steht nur ein quantitativer Unterschied zwischen den Tuberkeln, welche 
mit lebenden, und denjenigen, welche mit todten Bacillen erzeugt wurden. 
Die Substanzen, welche die Verkäsung bedingen, sind daher wahr- 
scheinlich keine eiweiss- und keine fermentartigen Körper; dieselben scheinen an 
den Bacillenleib gebunden, da das Tuberkulin die erwähnten Eigenschaften 
nicht besitzt. Im Gegensatz zu der infektiösen Tuberkulose bezeichnet Verf. 
die von dem abgetödteten Bacillus hervorgerufene als eine lokale toxische 
Tuberkulose, welche ähnlich wie die Zuckergährung ohne die vitale Energie 
der Mikroorganismen auftreten kann. Zwischen der von Buchner aus Hefe- 
zellen isolirten Substanz und der hier studirten bestehen aber doch grosse 
Unterschiede. Was das Verhalten der mit den verschiedenen Bacillen 
inficirten Thiere gegenüber dem Tuberkulin anbelangt, so konnte Verf. 
feststellen, dass nach Injektion von 0,1—1,0 mg Tuberkulin die mit leben- 
den oder abgetödteten virulenten Bacillen geimpften Thiere stets eine 
Temperatursteigerung von über 1° C. zeigten, während die mit abge- 
tödteten avirulenten oder mit Fischbacillen geimpften Thiere nur eine 
Reaktion von höchstens einigen !/,° C. ergaben. Somit müssen die mit 
virulenten, lebenden oder abgetödteten Tuberkelbacillen geimpften 
Thiere klinisch als tuberkulös, die mit avirulenten oder mit Tuber- 
kelbacillen der Fische injieirten als tuberkulosefrei bezeichnet werden. 
Schliesslich wurde noch der Nachweis erbracht, dass avirulente und Tu- 
berkelbaecillen der Fische ein unwirksames Tuberkulin liefern, da die 
mit diesem Tuberkulin geprüften tuberkulösen Meerschweinchen nur mit einer 
geringen Temperatursteigerung (0,2—0,6° C.) reagirten. 
Silberschmidt (Zürich). 


996 Infektionskrankheiten. 


Remy, L., Contribution à l’etude de la fièvre typhoide et de son 
bacille. Deuxième partie. Recherches sur l'antagonisme entre le 
Bacille coli et le Bacille typhique. Ann. de l’Inst. Pasteur. 1900. 
No. 11. p. 705. 

Die noch allgemein verbreitete Annahme, wonach der Typhusbaecillus 
von saprophytischen Bakterien, vor Allem vom B. coli unterdrückt und ver- 
nichtet wird, steht mit Erfahrungen in Bezug auf Entstehung der Typhus- 
epidemien in Widerspruch. Um die noch unerledigte Frage des Antago- 
nismus zwischen B. coli und B. typhi zu prüfen, hat Verf. Versuche 
mit seiner „differentiellen“ sauren Gelatine vorgenommen, deren Zusammen- 
setzung in einer früheren Arbeit mitgetheilt worden ist. Auf Grund seiner 
Untersuchungen kommt Verf. zu folgenden Resultaten: 

Die Annahme der Unterdrückung des Typhusbacillus durch das B. coli 
wird widerlegt. (Aus einer Mischkultur in Peptonwasser konnte Verf. beide 
Mikroorganismen noch nach 82 Tagen isoliren.) Der Nachweis des B. typhi 
in Gemischen ist anderen Autoren nicht gelungen, weil die angewandten Me- 
tboden ungeeignet waren. Die Eigenschaften beider Mikroorganismen können 
in Gemischen bedeutend verändert werden, so dass B. typhi in einem Typhus- 
serum nicht mehr agglutinirt wird, oder dass B. coli weder Gas noch Indol 
mehr bildet. Gewisse Kolonien des B. coli zeigen nach 8—4 Wochen ein 
denjenigen des B. typhi ähnliches Verhalten. Die Abnahme der vitalen 
Energie wird auch dadurch nachweisbar, dass die Kolonien des B. typhi aus 
3—4 Wochen alten Gemischen erst am 4. oder 5. Tage sichtbar werden, statt 
am zweiten. Bei deutlichem positiven Ausfall der Agglutination mit Typhus- 
serum dürfen wir einen fraglichen Mikroorganismus als Typhusbacillus be- 
zeichnen; hingegen ist es nicht statthaft, bei mangelnder Empfind- 
lichkeit gegenüber den specifischen Agglutininen den betreffen- 
den Bacillus von der Gruppe des Typhusbacillus auszuschliessen. 
Ein solcher Mikroorganismus, welcher die morphologischen Merkmale des 
Typhusbacillus aufweist, muss als Typhusbacillus anerkannt werden, wenn ein 
Meerschweinchen, welches alle 2 Tage 2 ccm einer 48stündigen Kultur einge- 
spritzt erhält, nach 15 Tagen ein Serum liefert, womit ein echter B. typhi 
in einer Verdünnung von 1/4, agglutinirt wird. 

Es können typische Typhusbacillen vorkommen, deren Typhusnatur mittels 
der angegebenen Verfahren trotzdem nicht festgestellt werden kann. 

Silberschmidt (Zürich). 


Nikolsky, Charbon chez les animaux nourris avec leurs aliments 
habituels mêlés de spores charbonneuses. Travail du lab. de M. 
Metchnikoff. Ann. de I’Inst. Pasteur. 1900. No. 12. p. 794. 

Verf. hat Thiere (weisse, graue Ratten, Kaninchen, weisse Mäuse und 
Meerschweinchen) mit einer Aufschwemmung von Milzbrandsporen, ver- 
mischt mit der gewöhnlichen Nahrung, gefüttert und gefunden: 

1. dass bei den so gefütterten Thieren der Milzbrand so gut auftritt wie 
bei irgend welchem anderen Infektionsmodus; 

2. dass sieh die Milzbrandsporen im Darminhalt weiter entwickeln, trotz 


Infektionskrankheiten. 997 


der Dambakterien, und dass die Bacillen in die Schleimhaut, in die Lymph- 
gefässe und von da aus in das Blut gelangen. 
Silberschmidt (Zürich). 


Klett, Adolf, Die Sporenbildung des Milzbrandes bei Anaërobiose. 
Aus d. hygien. Laborat. d. kgl. Württemb. Medicinalkollegiums. Zeitschr. 
f. Hyg. u. Infektionskrankh. Bd. 35. S. 420. 

Bis vor Kurzem waren alle Untersucher darin einig gewesen, dass Milz- 
brandsporen ausser Wärme und Feuchtigkeit auch des Sauerstoffes zu 
ibrer Entstehung bedürfen und ohne ihn sich nicht entwickeln. Es bestand 
nur insofern eine Meinungsverschiedenheit, als z. B. Buchner die Sporen- 
bildung für eine Folge ungünstiger Ernährungsbedingungen erklärte, während 
Behring, Lehmann, Fraenkel, Kitasato u. A. sie umgekehrt als einen 
Höhepunkt der Entwickelung auffassten. Nun fand Weil (vergl. diese Zeitschr. 
1900. S. 229), dass auf gewissen Nährböden, wie Eibisch- und Quitten- 
schleim, Traubenzuckeragar sich auch unter Ausschluss des Luftsauer- 
stoffs Milzbrandsporen bildeten. Dies hat dem Verf. Anlass zu Unter- 
suchungen gegeben, aus denen hervorgeht, dass es nicht gleichgültig 
ist, auf welche Weise der Luftsauerstoff entfernt wird. Geschieht 
dies nämlich durch Aufsaugung mittels chemischer Stoffe wie z. B. Pyrogallus- 
säure, so wachsen nicht blos auf den von Weil angegebenen, sondern auch 
auf allen anderen Nährböden unzweifelhaft massenhaft Milzbrandsporen und 
zwar ohne dass ihre Virulenz abgeschwächt wäre. Dies lässt sich nicht blos 
durch mikroskopische Untersuchung, sondern auch durch Erhitzen der Kulturen 
während 10 Minuten auf 80°, wobei die Bacillen zu Grunde gehen, erweisen. 
Daraus schliesst der Verf., dass die Sporenbildung in einer Stickstoff- 
atmosphäre nicht gehemmt wird. Wird dagegen die Luft durch 
Wasserstoff verdrängt, so bleibt die Sporenbildung aus. Der Verf. 
fand zwar hierbei Unterschiede zwischen den verschiedenen Nährböden, er 
führt sie aber nicht auf ihre Zusammensetzung, sondern darauf zurück, ob sie 
(durch Umkehren der Probirröhrchen) die Entfernung der Luft leicht ermög- 
lichen oder nicht. Durch wiederholte Uebertragung und fortgesetzte Kultur 
in Wasserstoff wurden schliesslich stets die Sporen beseitigt. Uebrigens wuchsen 
die sporenlosen Kulturen in Wasserstoff weit weniger kräftig als in der Luft 
und starben nach 8—10 Wochen ab. Globig (Kiel). 


Debrand L., Sur un nouveau procédé de culture du bacille du teta- 
nos. Travail du läboratoire de M. Roux. Ann. de l’Inst. Pasteur. 1900. 
No. 11. p. 757. 

Das bekannte, schon von Roux angegebene Verfahren der Züchtung des 
Tetannsbacillus bei Luftzutritt mittels gleichzeitiger Beschickung mit 
Heubacillen wird hier in Bezug auf die Toxinbildung näher studirt. 
Der vom Verf. aus Heu isolirte Heubacillus erwies sich als ungiftig: Meer- 
schweinchen ertrugen 30 und 40 cem Kulturfiltrat auf einmal ohne Schaden. 
Die verwendete Bouillon hatte folgende Zusammensetzung: Liebig’s Extrakt 
5, Pepton Chapoteaut 10, Kochsalz 5, Wasser 1000. Während nach Kita- 


T1 


998 Infektionskrankheiten. 


sato frische Bouillon für die Züchtung des Tetanusbacillus erforderlich ist, 
gelingt es, diesen Mikroorganismus in älteren filtrirten Subtiliskulturen 
anaërob zu züchten; eine Gewöhnung an vollkommene Aörobiose ist in dem 
Filtrat nicht gelungen. Der B. subtilis scheint somit eine die Entwickelung 
des Tetanusbacillus begünstigende Substanz auszuscheiden. Bei gleichzeitiger 
Impfung von Subtilis- und von Tetanusbacillen ist die Entwickelung üppig; 
auch ältere Bouillon leistet gute Dienste. Werden solche aërobe Mischkul- 
turen Meerschweinchen injicirt, so kann festgestellt werden, dass Tetanus- 
toxin etwas schneller in frischer als in älterer Bouillon gebildet wird, 
aber auch rascher verschwindet; das Maximum der Toxinwirkung wird 
in 5 oder 6 Tage lang im Brutschrank (34°) aufbewahrten Kulturen beob- 
achtet. Bleibt die Kultur längere Zeit im Brutschrank, so nimmt die Giftig- 
keit schneller ab als in anaöroben Reinkulturen. In den geimpften Kolben 
(Verf. empfiehlt, viel Material zu übertragen) entsteht zuerst die Kalımhaut 
des Subtilis, nach 24 Stunden beginnt die Entwickelung des Tetanusbacillus. 
Die aöroben Mischkulturen haben den charakteristischen Geruch 
der anaeroben Tetanuskulturen in etwas schwächerem Grade; nach einigen 
Tagen, gewöhnlich wenn die Kulturen am meisten Toxin enthalten, 
riechen dieselben nicht mehr; ältere eingedickte Kulturen riechen süss- 
lich. Aehnliche Resultate erhielt Verf. mit B. mesentericus. Zusammen 
mit dem Milzbrandbacillus wächst der Tetanusbacillus spärlich und bildet 
ein schwächeres Toxin. Der B. prodigiosus, welcher in vivo die Wir- 
kung des Tetanusbacillus steigert (Vaillard), übt in Mischkulturen nicht 
denselben Einfluss aus: die Filtrate waren io Mengen von !/,, ccm nicht giftig, 
während 1/2% ccm einer filtrirten 5tägigen Tetanus-Subtiliskultur Meerschwein- 
chen in 2—3 Tagen tödtete. 

Das Toxin, welches in einer aöroben Mischkultur von Tetanus 
mit Subtilis gebildet wird, ist identisch mit dem vom Tetanusba- 
eillus in ana&rober Reinkultur gebildeten. Wenn es sich nachweisen 
lässt, dass das aus aöroben Kulturen erhaltene Toxin bei Thieren dasselbe 
Antitoxin erzeugt wie das aus ana@roben Reinkulturen erhaltene, so wird die 
aërobe Methode praktisch vorzuziehen sein. Silberschmidt (Zürich). 


Gotschlich, Emil, Die Pestepidemie in Alexandrien im Jahre 189. 
Zeitschr. f. Hyg. u. Infektionskrankh. Bd. 35. S. 195. 

Der Bericht des als Sanitätsinspektor in Alexandrien angestellten Verf.'s 
ist durch seinen Inhalt und seine Vielseitigkeit so bemerkenswerth, dass ein- 
gehende Beschäftigung damit dringend empfohlen und für die Wiedergabe seiner 
wichtigsten Ergebnisse etwas mehr Raum, als sonst in dieser Zeitschrift üblich 
ist, beansprucht wird. 

Der erste klinisch und bakteriologisch sichergestellte Pest- 
fall ereignete sich am 18. Mai bei einem jungen Griechen, einem „Bakal*, 
d. b. kleinen Händler und Lebensmittelverkäufer. Nachträglich wurden noch 
2 Fälle vom Anfaug Mai und Anfang April ermittelt, auch bei griechischen 
Bakals, welche zwar genesen sind, bei welchen es sich aber aller Wahrschein- 
lichkeit nach ebenfalls schon um Pest gehandelt hat. Da sich auch die ersten 


Infektionskrankheiten. 999 


25—30 Pesterkrankungen bis Mitte Juni vorwiegend auf Bakals beschränkten 
und ihren Herd nicht am Hafen, sondern in der Mitte der Stadt hatten, so 
hält der Verf. die Einschleppung von Djeddab her für höchst wahr- 
scheinlich, weil mit diesem Ort gerade die genannte Bevölkerungsklasse in 
häufigem Hin- und Herreisen regen Verkehr unterhält und seit 1897 in jedem 
Frühjahr dort Pest ausgebrochen ist. 

Unmittelbare von Pestkranken oder Pestleichen ausgehende A nsteckung 
ist nur einmal bei einem Leichenhausdiener beobachtet worden. Wie selten 
sie vorkommt, geht auch daraus hervor, dass von 920 Personen, die wegen 
Berührung mit Pestkranken abgesondert und 6 Tage lang beobachtet wurden, 
nur 2 an Pest erkrankten. Für Uebertragung durch Gegenstände, die 
von Pestkranken berührt waren, werden mehrere Beispiele angeführt. Ratten 
haben die Krankheit sicher nicht immer verbreitet, wohl aber konnte mit 
ihnen in mehreren Fällen (einmal auch mit Mäusen) das Auftreten der Pest 
in bis dalıin ganz frei gebliebenen Theilen der Stadt in Zusammenhang gebracht 
werden. 

Im Ganzen sind 96 Pestfälle — 30 bei Europäern, 66 bei Eingeborenen — 
zur Kenntniss der Behörden gekommen, von denen 46 (48 v.H.) mit Tod 
endeten. Der Verf. giebt die Gründe an, weshalb anzunehmen ist, dass nur 
wenige leichtere Fälle unentdeckt geblieben sind. Klinisch wurden 86 Fälle 
von reiner Drüsenpest, 5 von Drüsenpest mit nachfolgender Lungen- 
pest, 4 von reiner Lungenpest und 1 von Pestsepsis unterschieden. 
Die Drüsenpest hatte ihren Sitz 71 mal in der Leisten- und Schenkelbeuge, 
10 mal in der Achselhöhle, 4mal am Hals, und 6 mal handelte es sich um 
mehrfache Bubonen. Die letzteren können entweder durch das gleichzeitige 
Eindringen der Pestkeime an verschiedenen Körperstellen, z. B. an beiden Füssen 
entstehen oder durch Metastasen in Folge von Ausbreitung der Bacillen mit 
dem Blutstrom; dann hat man die späteren („sekundären“) Bubonen von dem 
ursprünglichen („primären“) zu unterscheiden. 

Das Verhältniss der Pesterkrankungen zur Bevölkerungszahl im Ganzen 
(320 000) stellte sich wie 1:3333, aber bei den Griechen (21000) wie 
1:800, bei den anderen Europäern dagegen wie 1:10000 und bei den Ein- 
geborenen wie 1:4000. Diese Unterschiede beruhen lediglich auf Verschieden- 
heiten der Lebensgewohnheiten. Die Griechen, welche auch von Pocken und 
Unterleibstypbus häufiger als die anderen Bevölkerungsklassen betroffen werden, 
sind besonders arm, sehr unsanber, leben unter sehr schlechten hygienischen 
Verhältnissen und erwerben ihren Lebensunterhalt grösstentheils im Umher- 
ziehen. Günstigen Boden fand die Pest in den armen Stadttheilen 
und denjenigen mit gemischter europäisch-arabischer Bevölkerung. Die 
wohlhabenden und die nur von Arabern bewohnten Bezirke waren frei oder 
nur wenig betroffen. Niemals ist ein Pestfall, auch in den am stärksten 
befallenen Stadttheilen in einer grossen Wohnung an einer grossen gut 
gehaltenen Strasse vorgekommen, alle ereigneten sich vielmehr in Seiten- 
gassen oder im Innern von Häusermassen. Das weibliche Geschlecht 
war bei den verschiedenen Rassen nur halb so oft betroffen wie das männ- 
liche. Kinder unter 5 Jahren erkrankten überhaupt nicht, unter 10 Jahren 


ÇIK 


1000 Infektionskrankheiten. 


nur 4. Ihre Höhe erreichte die Epidemie im Juni mit 15 Erkrankungen in 
der Woche. Vom Mai bis August war keine Woche ohne Zugang, vorher und 
nachher waren aber die einzelnen Fälle durch dazwischenliegende freie Zeiten 
getrennt. 

Von den klinischen Beobachtungen kann hier nur auf Folgendes aufmerk- 
sam gemacht werden. Die Inkubation konnte in einigen Fällen genau be- 
stimmt werden und betrug 4—6 Tage von der Berührung des Pestkranken 
bis zum Auftreten des Bubos. Die Eintrittsstelle der Pestkeime konnte 
nur in seltenen Ausnahmen festgestellt werden, es muss aber angenommen 
werden, dass es sich fast immer um kleine Verletzungen an den dem Sitz des 
Bubos entsprechenden Gliedmassen handelt. Die Uebertragung erfolgte einmal 
durch Kratzen eines Hämorrhoidalknotens, einmal von einer Mandel aus. Ent- 
zündung der zu dem Bubo hinleitenden Lymphgefässe, wie bei den Eiter- 
kokken, kommt bei Pest nicht vor. Die Grösse, Härte, Empfindlichkeit des 
Bubo und seiner Umgebung erlaubt keinen Schluss auf den Ausgang der 
Krankheit. Ueble Bedeutung haben nur die Halsbubonen. Kurz vor 
dem Tode verkleinern sich die Bubonen öfters rach und bedeutend. Lungen- 
pest ist meistens mit flüssigem blutig-serösem Auswurf verbunden, der ge- 
wöhnlich grosse Mengen von Pestbacillen enthält. Es kommt vor, dass der 
Auswurf fehlt oder nur kurze Zeit besteht,: aber auch, dass er in der Ge- 
nesung noch lange Zeit — bis zum 76. Tage — bei ganz unverdächtigem 
Aussehen virulente Pestbacillen enthält. Von seltenen Ereignissen 
werden bei zwei todt gefundenen Pestfällen Hautblutungen bis zu !/, cm Durch- 
messer am ganzen Körper, zumeist an Armen und Händen, und die Geburt 
eines lebenden gesunden Kindes von einer Pestkranken erwähnt. 

Bei der Behandlung wurde von Einspritzungen des Yersin’schen Pest- 
serums kein nennenswerther Erfolg gesehen. Die breite Eröffnung und Aus- 
räumung der Bubonen war stets von guter Wirkung auf das Allgemeinbefinden. 

Die Erkennung der Krankheit blos aus den klinischen Zeichen ist 
wohl bei schwerer Drüsenpest möglich, bei ihrer leichten Form mindestens 
schwierig, bei Lungenpest und Pestsepsis ohne bakteriologische 
Untersuchung nicht möglich. Der Verf. empfiehlt zur Sicherung der 
Diagnose die Punktion der Bubonen bei Kranken und Leichen. Oft 
gestattet schon die mikroskopische Untersuchung mit Karbolfuchsin gefärbter 
Ausstrichpräparate die Entscheidung. Sicherer ist die Agarausstricbkultur bei 
35%, die in 16—48 Stunden die ganz scharf gekennzeichneten Pestkolonien 
liefert. Am sichersten ist die Impfung in die Bauchhöhle von Meerschwein- 
chen, die in 24—48 Stunden zum Tode führt. Vereiterte Babonen enthalten 
nur selten noch Pestbacillen. — Auswurf von Lungenpest, auf Baumwolle an- 
getrocknet, war nach einem Monat noch virulent. Alte Agarkulturen waren 
noch nach 81/3 Monat virulent. — Durch Fäulnissbakterien werden die Pest- 
bacillen in kurzer Zeit überwuchert. = 

Der Verf. unterscheidet nach Bitter’s Vorgang infektiöse Pestfälle 
von den nicht-infektiösen und rechnet zu letzteren alle Fälle von Drüsen- 
pest, bei welchen Pestbacillen noch nicht in das Blut gelangt sind, d. h. min- 
destens die Hälfte aller Pestfälle. Dagegen sind Lungenpest und Pestsepsis 


Infektionskrankheiten. 1001 


stets infektiös. Für die zu ergreifenden Maassregeln ist dieser Unterschied 
von einschneidender Bedeutung. 

Der Bekämpfung der Pest kam es sehr zu Statten, dass Alexandrien 
seit 10 Jahren „obligatorische“ Leichenschau hat, und dass Meldungen 
über alle ansteckenden Krankheitsfälle für die Aerzte, bei Cholera und Pest 
für alle Personen, welche davon Kenntniss erhalten, vorgeschrieben sind. Mau 
sah dies aber beim Ausbruch der Pest, zumal für die ärmere Bevölkerung 
nicht als ausreichend an, setzte deshalb Belohnungen (Anfangs 8, später 
12 M.) für jeden gemeldeten Pestfall aus und verschärfte die Ueber- 
wachung, indem man den „Cheiks“, arabischen Bezirksaufsehern, 90 an der 
Zahl, bezahlte Gehülfen gab, eigene Agenten für Nachforschungen und 
Aerzte anstellte, deren Nationalität womöglich den besonders gefährdeten 
Bevölkerungsklassen (griechischen, jüdischen) entsprach. Pestverdächtige 
und ihre Augehörigen wurden zunächst wie Pestkranke behandelt, 6 Tage lang 
abgesperrt und beobachtet. Pestleichen wurden durch eine besonders dafür 
geschulte Mannschaft unter Benutzung eines besonderen Leichenwagens bestattet. 
Die religiösen Gebräuche dabei wurden nicht gebindert, aber die Waschungen 
statt mit Wasser mit Sublimatlösung vorgenommen. Alle Pestkranken olıne 
Unterschied wurden mittels 4 eigens hierzu bestimmter Ambulanzwagen in 
die Krankenhäuser gebracht. Von den 5 grossen Hospitälern hatten aber nur 
das griechische für 15 und das Regierungshospital für 55 Pestkranke geeig- 
nete Unterkunft in ihren Absonderungsabtbeilungen. Das Regierungshospital 
hatte feste Holzbaracken für 8—10 und bewegliche kleine Baracken mit ver- 
stellbaren Wänden für 2 Pestkranke. Ein eigenes Pestlazareth mit 
200 Betten wurde in einem seit 2 Jahren leer stehenden Schlachthaus in 
14 Tagen eingerichtet, kam aber nicht zur Verwendung, weil die Pestfälle 
bald abnahmen und die bestehenden Krankenhäuser ausreichend blieben. 

Jede Wohnung, in welcher ein Pestfall vorgekommen war, wurde sofort 
polizeilich abgesperrt und nach Ueberführung der Bewohner in das ausser- 
halb der Stadt gelegene „Segregation-Camp“ desinfieirt. Auch die Desin- 
fektion ist in Alexandrien schon seit 10 Jahren nach dem Muster Berlins 
geordnet, unentgeltlich, deshalb bei der Bevölkerung nicht unbeliebt und wird 
durch bewährtes Personal ausgeführt. Für die beweglichen Gegenstände wurden 
Rietschel-Henneberg’sche Dampföfen (1 fester und 2 bewegliche), für 
die Wände Anstreichen mit Kalkmilch, für die Holztheile Abwaschen 
mit Sublimatlösung angewendet, vorher aber aller in den Wohnungen und 
Häusern vorgefundene Unrath, Lumpen, auch die gebrauchten Kissen und Stroh- 
matten in grosse Säcke verpackt und ausserhalb der Stadt mit Hülfe von 
Petroleum verbrannt; die Kissen und Matten wurden ersetzt. Für die Wirk- 
samkeit der Desinfektion spricht die Thatsache, dass niemals in einer Wohnung, 
Kaserne u. s. w. nach der Desinfektion ein zweiter Pestfall vorgekommen ist. 
In der Erkenntniss, dass die Verbreitung der Pest zum grossen Theil eine 
mittelbare ist, und dass sie durch Kleider, Wäsche und allerlei Gebrauchs- 
gegenstände auf die Umgebung ausgedehnt wird, wurden die Desinfektionen 
auf den ganzen Bezirk, das Quartier, in dem ein Pestfall vorge- 
kommen war, ausgedehnt und Haus bei Haus Tausende von Wohnungen 


1002 Infektionskrankheiten. 


desinficirt. Im Ganzen sind in 7 Monaten etwa 105 000 Zimmer gesäubert 
und desinficirt, etwa 50000 Sack Schmutz und Unrath aus den Häusern ent- 
fernt und verbrannt, 15 000 Strohmatten und 5400 Kissen entfernt und durch 
neue ersetzt worden. Endlich wurde versucht die Ratten zu vertilgen, 
wobei sich Fallen am besten bewährten, die Strassenreinigung verbessert, 
in 80 Moscheen für fliessendes Wasser zu den rituellen Waschungen gesorgt, 
die öffentlichen Bäder und die Lumpenspeicher täglich besichtigt. 

Die ausserordentlichen für die Bekämpfung der Pest aufgewendeten Kosten 
giebt der Verf. im Ganzen auf etwa 350000 M. an. Man wird aber zugeben, 
dass sie gut und lohnend verwendet worden sind, und dem Verf. beistimmen, 
wenn er am Schluss mit Befriedigung hervorhebt, dass es gelungen ist, in 
einer grossen orientalischen Stadt die schon ausgebrochene Pest 
zu beseitigen und zwar ohne die Haffkin’schen Schutzimpfungen nur 
durch die thatkräftige Anwendung rein hygienischer Mittel. 

Globig (Kiel). 


Matzuschita, Teisi, Die Einwirkung des Kochsalzgehalts des Nähr- 
bodens auf die Wuchsform der Mikroorganismen. Aus d. hygien. Inst. 
der Univ. Giessen. Zeitschr. f. Hyg. u. Infektionskrankh. Bd. 35. S. 495. 

Die Beobachtung von Hankin und Leumann, dass Pestbacillen auf 

Agar mit einem Kochsalzzusatz von 21/,—8!/, v.H. bei 370 in 1—2 Tagen 

regelmässig auffällig grosse Kugeln und Blasen bilden, hat den Verf. 

zu Untersuchungen veranlasst, ob diese Erscheinung sich nur auf den Pest- 
erreger beschränkt oder auch bei anderen Mikroorganismen vorkommt. 

Er hat seine Versuche auf verschiedene Grade des Kochsalzgehalts bis m 

10 v. H. ausgedehnt und grosse Verschiedenheiten bei den einzelnen Spalt- 

pilzarten gefunden, im Allgemeinen aber bei 4—6 v. H. Kochsalzgehalt die 

erheblichsten Veränderungen in der Länge und Dicke der einzelnen Bakterien 
beobachtet. Unter den Kokken wurden manche — darunter die Riterkokken 

— gar nicht beeinflusst, andere liessen einzelne gestreckte Formen 

zwischen den Kugeln erkennen, 2 Arten nahmen in der weitaus überwiegenden 

Zahl die Form gerader, mehr oder minder langer etwas gekrümmter 

Stäbchen an. Von den Bacillen entwickelten einige unter dem Einfluss 

des Kochsalzes nur etwas längere Glieder als sonst, andere nabmen gerade 

zu Kugelform an. Zahlreiche Arten, unter denen sich bekannte wie 

Proteus, Fluorescens, Typhus, Prodigiosus, Bacterium coli befanden, zeigten 

auffällige Spindel- und Schraubenformen, einige — darunter der Dipb- 

theriebacillus — Keulen, und der Pestbacillus, der Hueppe’sche Milchsäure 
bacillas, der Pyocyaneus, der phosphorescirende Fischer’s und der Milzbrand- 
bacillus lieferten kugel- oder blasenförmige Gebilde. Die Vibrionen 
der Cholera und Metschnikoff’s bildeten Spindel-, Sichel- und Kugelformen. 

Der Verf. fand aber bei den übrigen Bakterien niemals so grosse und 

so zahlreiche Kugeln wie in den Pestkulturen und erklärt deshalb 

die Probe nach Hankin und Leumann für ein werthvolles Hülfsmittel zur 

Erkennung der Pestbacillen. Globig (Kiel). 


Infektionskrankheiten. 1003 


Fehling H., Ueber die Berechtigung der Selbstinfektionslehre in 
der Geburtshilfe. Münch. med. Wochenschr. 1900. No. 48. S. 1651 ff. 
Die Frage der Selbstinfektion, deren Begriff zuerst ven Semmelweiss 
in die Wissenschaft eingeführt wurde, ist wegen ihrer aussero: dentlichen theo- 
retischen wie praktischen Wichtigkeit immer noch ein Gegensiand lebhafter 
Diskussion unter den Geburtshelfern. Es handelt sich daru.:. zu ent- 
scheiden, ob gesunde Frauen, welche unter der Geburt in keiner 
Weise berührt wurden, nach glatt verlaufener Entbindung im 
Wochenbett in Folge der Einwanderung von zuvor in ihrem Geni- 
talkanal enthaltenen Keimen erkranken und sterben können. Alie 
solche Fälle, in denen wegen Zurückhaltung und Zersetzung von Placentar- 
theilen im Uterus Wöchnerinnen tödtlich erkranken, oder in denen die Berstung 
eines durch eine alte Gonorrhoe oder durch sonstige Ursachen vorher ent- 
standenen Eitersackes allgemeine Peritonitis zur Folge hat, sind nicht, wie 
Ahlfeld dies fälschlich thut, in den Begriff der Selbstinfektion einzurechnen. 
Das gleiche gilt von solchen Wöchnerinnen, bei denen ein Dammriss entstand 
und Naht nöthig machte. Ahlfeld hat nun aber noch einen Schritt weiter 
gethan und auch die spontanen Geburten hierher gerechnet, bei denen inner- 
lich untersucht worden war, auf der Voraussetzung fussend, dass die Anwen- 
dung der Heisswasser-Alkoholdesinfektions-Methode Sterilität der Hände er- 
zielen lässt. Mag A. für sich eine sichere Entkeimung der Händehaut nach 
seinem Verfahren in 90 pCt. der Fälle beanspruchen, so stehen andererseits 
erfahrene Bakteriologen, wie Bumm, Doederlein, Haegler, Kroenig und 
Menge, Paul und Sarwey auf dem Standpunkt, dass eine absolut zuver- 
lässige Beseitigung aller an den Händen befindlicher Mikroorga- 
nismen unmöglich ist. Immerhin kann man doch wenigstens erwarten, 
die eigentlichen gefährlichen Eitererreger zu beseitigen. Von der Verwendung 
der v. Mikulicz’schen Zwirohandschuhe hat Fehling keine Vortheile, 
im Gegentheil etwas häufiger Fieber nach Untersuchung mit denselben ge- 
sehen. Nachdrücklich empfiehlt derselbe dagegen die Friedrich’schen 
Gummihandschuhe zu ausgedehntem Gebrauch bei Untersuchung infektiöser 
Fälle, die einen werthvollen Schutz der Hände vor der Verunreinigung mit 
Eitererregern und damit eine bessere Prophylaxe gewähren. 

Eine zweite wichtige Quelle der Infektion ist das von keiner Seite 
bezweifelte Vorhandensein von pyogenen Mikrobien, wie Staphylo- und 
Streptokokken, sowie Bacterium coli an den äusseren Genitalien, speciell 
den grossen Schamlippen und Schamhaaren, gegen welche schon längst und 
ganz allgemein vor jeder Untersuchung oder Operation eine gründliche Des- 
infektion vorgenommen wird. 

Die Frage weiterhin nach dem Keimgehalt der Vagina und der 
Cervix bei Schwangeren ist früher sehr verschieden beantwortet worden und 
hat lange Zeit zu Auseinandersetzungen Anlass geboten, ist jedoch heute wohl 
so weit entschieden, dass alle Untersucher, auch die, welche früher 
das Vorkommen von Eiterbakterien im normalen Vaginalsekret 
bestritten, jetzt durch anaërobe Züchtung solche Infektions- 
erreger nachgewiesen haben. Es handelt sich nur noch um den aus- 


1004 Infektionskrankheiten. 


stehenden Nachweis, ob wir in diesen Kleinwesen echte und virulente 
Eitererreger oder nur eine saprophytische harmlose Abart derselben 
vor uns haben. 

Als dritte Quelle kann daun noch gelten, dass erst im Wochenbett 
Bakterien von aussen her in die puerperalen Wunden eindringen. 
Berücksichtigt man die von Brunner und von Doederlein in frisch ge- 
setzten Wunden erhobenen Bakterienbefunde, so darf man sich der Annahme 
nicht länger verschliessen, dass sich in jeder durch Quetschung oder Dammriss 
gesetzten Vaginalwunde alsbald Keime ansiedeln können. Dem Emporwandern 
dieser Keime bis in den Uterus hinauf steht dann anscheinend nichts im Wege. 
und es ist ganz unverständlich, wie Doederlein mit Nachdruck den puer 
peralen normalen Uterus als keimfrei bezeichnen kann, wo er selbst in 20 von 
250 Fällen Bakterien in demselben nachgewiesen hat und Untersuchungen 
anderer Autoren noch höhere Werthe ergeben haben. 

Soweit die bakteriologischen Grundlagen. 

Was in zweiter Linie die klinischen Beweise der Möglichkeit einer 
Selbstinfektion anlangt, so lehrt die Erfahrung, dass auch nach vollkommen 
glatt und ohne sichtbare Verletzung abgelaufenem Partus leichte 
Erkrankungen sich ereignen und auch thatsächlich gar nicht so selten sind 
(bis 27,7 pCt.). Dass aber im Anschluss an solche -Entbindungen schwere 
Infektionen mit tödtlichem Ausgang erfolgen, ist mit aller Ent- 
schiedenheit zu bestreiten. Von 23 von Ahlfeld als für tödtliche Selbst- 
infektion beweisend bezeichneten Fällen sind allein 18 als durch anderweitige 
Erkrankungen oder sonstwie aussergewöhnliche Umstände komplicirt ausze- 
scheiden, und auch die anderen Fälle sind nicht in Ahlfeld’s Sinne ver- 
wendungsfähig. 

Um über die Affektionen in Folge von Selbstinfektion Aufschluss zu er- 
halten, ist es von Werth, die Ergebnisse der Kliniken, an denen diese Lehre 
besondere Maassnahmen diktirt, mit denen zu vergleichen, wo sie nicht zur 
herrschenden geworden ist. Es liegen hier einander sehr widersprechende 
Angaben vor, und von 2 Kliniken, an denen wegen Befürchtung einer Selbst- 
infektion Scheidenspülungen unter der Geburt vorgenommen werden, weist die 
Würzburger ca. 9,9 pCt., die Marburger Klinik ca. 35 pCt. Morbidität auf. 
Kroenig bat aus der Leipziger Klinik berichtet, dass unter 265 nicht ge- 
spülten Wöchnerinnen nur 38 pCt., unter 515 gespülten dagegen 45,6 pt. im 
Puerperium Fiebersteigerungen aufwiesen. Zu einer ähnlichen Resultat haben 
die auf Veranlassung vun Fehling angestellten Untersuchungen geführt, und 
es scheint demnach, dass der genannte Eingriff eher einen nachtheiligen Eio- 
fluss ausgeübt hat. 

Es ist bemerkeuswerth, dass unter den fieberhaften Wochenbettserkran- 
kungen die schweren an allen Kliniken ziemlich den gleichen Raum (etwa 
2—2,5 pCt.) einnehmen. Die übrigen, leichten Affektionen theilen sich in 
nichtpuerperale und puerperale, d. h. von den Genitalien ihren Ursprung 
nehmende, doch schwanken die Zahlenwerthe für die Höhe der ersteren sehr, 
zwischen 2,4 und 22 pCt. 

Dass diese leichten Fiebersteigerungen vielfach in ursächlicbem Zusammen: 


Infektionskrankheiten. 1005 


bange mit Untersuchungen während der Geburt stehen und mit der steigenden 
Zahl der Untersuchungen sich mehren, lehrt die geringe Erkrankungsziffer 
nicht untersuchter Frauen, wie ja auch in den Ferien, wo wenig und nur von 
geübter Hand untersucht wird, Fieberfälle selten vorkommen. 

Um über die Einwanderung infektiöser Keime in die puerperalen Wunden 
Aufschluss zu erhalten, wurden zahlreichen Wöchnerinnen feuchte Sublimat- 
kompressen (1:4000) von der Geburt ab vorgebunden. Bei den so behan- 
delten Frauen trat statt wie sonst in 21,9 bezw. 18,8 nur in 12,8 bezw. 
14,2 pCt. Fieber auf, in letzter Zeit sogar nur in 8,4 pCt. statt in 20,37 pCt. 

Das. Ergebniss spricht sichtlich für die Möglichkeit des Rindringens von 
Mikroorganismen in die Geburtswege. Die Gefahr der Wundinfektion 
und der Resorption von Wundsekret finden auf die im Wochenbett 
vorhandenen Wunden vollgültige Anerkennung. Wenn auch eine 
klare Kenntniss der Ursachen der leichten Wochenbettfieber uns noch mangelt, 
s0 liegt doch kein Grund vor, die Selbstinfektion in dem weitgehen- 
den Sinne Ahlfeld’s anzuerkennen. 

Auf dem besprochenen Gebiet harren noch weitere Aufgaben der Lösung, 
und insbesondere ist zu ermitteln, ob Keimfreiheit der Hände über- 
haupt, und insbesondere, wie bald dieselbe nach vorausgehender 
Berührung mit infektiösem Material zu erreichen ist, ob ferner 
die Scheidensaprophyten der Schwangeren und unter welchen 
Umständen sie virulent werden können. 

Schumacher (Strassburg i. E.). 


Koenig, Die Folgeerkrankungen der Gonorrhoe und ihre Bedeutung 

für die Chirurgie. Berliner klin. Wochenschr. 1900. No. 47. S. 1078. 

Die Erkenntniss der Gonorrhoe reicht zwar in ihren ersten Anfängen 

bis ins Alterthum, hat aber bis in die neueste Zeit hinein nur eine sehr lang- 

same Entwickelung genommen. Erst seit der Entdeckung des eigentlichen 
Krankheitserregers sehen wir einen bedeutsamen Aufschwung. 

Man unterscheidet heute als Folgeerkrankungen des Trippers: 

1. Periurethrale Abscesse, insbesondere am prostatischen Abschnitt 
der Harnröhre, mit nachfolgenden Strikturen. 

2. Aufsteigende Processe, die beim Manne auf die Prostata, die Hoden, 
beim Weibe auf Eileiter und Ovarien, bei beiden auf Blase, Ureteren und Nieren 
übergreifen können. 

3. Hämatogene Infektionen, die in leichter Form als mehr dem 
Rheumatismus sich anschliessende Erkrankungen des Herzens, der Pleura und 
der Gelenke, wenn aber schwererer Art, als akute Gonokokkenpyämie in 
die Erscheinung treten. 

Aus der grossen Zahl von Folgezuständen der Gonorrhoe hat der Verf. 
sich die Infektion der Niere und der Gelenke zur Besprechung aus- 
gewählt. 

Das Hinaufwandern von Krankheitserregern aus der Harnröhre 
durch die Blase in die Niere ist glücklicherweise nicht gerade häufig, 
wird aber immerhin beim Weibe etwas mehr als beim Manne beobachtet. Wie 


1006 Infektionskrankheiten. 


das Thierexperiment lehrt, sind in der Regel Ausflusshindernisse bei der 
Pyelonephritis von bestinmmendem Einfluss. Beim Mann sind solche Affektionen 
in akuter Form bei schwerem auf die Blase übergreifendem Tripper mit 
tagelang behinderter Harnentleerung und subakute bei noch vorhandener 
Urethritis posterior mit Verengerung bekannt. K. führt zur Erläuterung einige 
derartige Beobachtungen an. 

Von hoher Wichtigkeit und in grösseren Städten auch leider sehr häufig 
sind die auf hämatogene Weise entstandenen Gelenkerkrankungen, 
unter denen am meisten Kniegelenksaffektionen vorkommen. Kommt 
zunächst nur eine Flüssigkeitsvermehrung, ein Gelenkerguss in Betracht, so 
ist ein reiner Hydrops doch selten, meist sind fibrinose Klämpchen und Mem- 
branen in dem Gelenkinhalt suspendirt. Oft findet man eine charakte- 
ristische maiengrüne Färbung, im Gegensatz zu der für tuberkulösen Gelenk- 
erguss bezeichnenden bernsteingelben Farbe. Ein rein eitriger Erguss ist zu 
den grossen Seltenheiten zu rechnen. : 

Der Nachweis der specifischen Keime ist relativ selten zu erbringen, 
ist es doch Rindfleisch nur in etwas über der Hälfte der Fälle, Koenig 
selbst nur in t/s geglückt, Gonokokken im Gelenkinhalt zu finden. Misch- 
infektionen mit Strepto-, Staphylo- und Diplokokken sind bekannt, es ist je- 
doch daran festzuhalten, dass der Gonokokkus an und für sich allein 
ein Gelenk in Entzündungszustand zu versetzen vermag. Schwieriger 
ist der ätiologische Nachweis bei schubweisem Auftreten der Gelenkerkran- 
kung, wenn nur noch der Gehalt an Fäden und Bröckelchen im Harn die 
Urethritis posterior verräth. Doch giebt hier der Befund der specifischen 
Krankheitserreger in der Harnröhre die erwünschte Aufklärung. 

Ausser dem Hydrops gonorrhoicus, der Arthritis serofibrinosa 
et catarrhalis und der Arthritis purulenta nimmt Verf. viertenseine 
pblegmonöse, para- und periartikulär verlaufende Form an. 
Kommen die drei ersten Grade auch bei den durch andere Ursachen bedingten 
Gelenkentzündungen vor, so ist gerade die letzte Art mit ihrer geringen 
Schwellung und Neigung zu Zellgewebsentzündung, verbunden mit grosser 
Schmerzhaftigkeit, der gonorrhoischen Erkrankung eigenthümlich. 

Bezüglich der interessanten Bemerkungen über die zeitliche Ein- 
theilung der verschiedenen Formen, über Prognose und chirurgische, 
insbesondere orthopädische Behandlung sei auf den Originalaufsatz ver- 
wiesen. Schumacher (Strassburg i. E.). 


Dopter Ch., La phagocytose dans la dysenterie. Ann. de l’Inst. Pasteur. 
1900.'No. 12. p. 813. 

Verf. hat bei der direkten mikroskopischen Untersuchung von 
Darmentleerungen bei Dysenterie beohachtet, dass in den leichten 
Fällen das B. coli meist in den Leukocyten gelagert ist; erst nach einge- 
tretener Besserung nimmt die Phagocytose entsprechend ab. In den schweren 
Fällen ist keine oder eine kaum merkliche Phagocytose vorhanden; 
dem B. coli gesellen sich Staphylo-, Streptokokken, manchmal Micr. tetra- 
genus hinzu. Mittels subkutaner Injektion von künstlichem Serum soll 


Infektionskrankheiten. Immunität. Schutzimpfung. 1007 


in vielen Fällen die Phagocytose gesteigert bezw. angeregt werden. — 
Bei der Dysenterie, wie bei anderen Infektionskrankheiten, ist die Phagocytose 
ein Beweis und ein Mittel der Vertheidigung des Organismus. Die Unter- 
suchung des Stuhles kann für die Prognose von Bedeutung sein. 
Silberschmidt (Zürich). 


Behla R., Die Carcinomliteratur. Eine Zusammenstellung der in- und 
ausländischen Krebsschriften bis 1900. Mit alphabetischem Autoren- und 
Sachregister. Berlin 1901. Richard Schoetz. XXV und 259 Ss. gr. 8°. 
Preis: 6,00 Mk. 

Das dem „Comite für Krebsforschung in Berlin“ gewidmete Buch bringt 
nach einer Einleitung, die sich mit den früberen und jetzigen Anschauungen 
über den Krebs beschäftigt, ein 230 Seiten langes Verzeichniss der Titel von 
(etwa 5500) Veröffentlichungen über das genannte Gebiet, alphabetisch ge- 
ordnet nach den Namen der Autoren. Daran schliesst sich dann ein 29 Seiten 
nmfassendes, nach Materien geordnetes Sachregister, welches in den einzelnen 
Abtheilungen auf die im Autorenregister genannten Veröffentlichungen verweist. 

Carl Günther (Berlin). 


Danysz J., Immunisation de la bactericidie charbonnense contre 
l'action du sérum de rat. Formation et nature des „anticorps“. 
Ann. de l’Inst. Pasteur. 1900. No. 10. p. 641. 

Bekanntlich besitzt das normale Rattenserum in vitro eine starke bak- 
tericide Wirkung gegenüber den Milzbrandbacillen. Sawtschenko hat aber 
nachgewiesen, dass der Milzbrandbacillus sich im Rattenserum ziem- 
lich üppig entwickeln kann, wenn Gewöhnung, „Immunität“ eingetreten 
ist. Verf. bat den Mechanismus dieser Immunität studirt. Wird der Milz- 
brandbacillus in Bouillon überimpft, welche verschiedene Mengen Rattenserum 
enthält, so zeigt es sich, dass z. B. in den Röhrchen mit 1 oder 2 Tropfen 
Seram auf 19 bezw. 18 Tropfen Bouillon die Eutwickelung üppiper ist als 
in reiner Bouillon, dass hingegen bei stärkerer Koncentration das Wachsthum 
spärlicher wird, und dass in einem Gemenge von 5 Tropfen Bouillon mit 
15 Tropfen Rattenserum der Milzbrandbacillus nach 36 Stunden abgestorben 
ist. Am empfindlichsten erwies sich die Kultur des 1. Vaccin; das 2 Vaccin 
und namentlich der vollvirulente Bacillus waren etwas widerstandsfähiger. 
Wird nun eine solche Kultur des 1. Vaccin wiederholt in ein Bouillon- 
Rattenserumgemisch übergeimpft und die Koncentration desselben allmählich 
gesteigert, so gelingt es, den Milzbrandbacillus sogar in reinem Rattenserum 
zur Entwickelung zu bringen. Eine solche „immunisirte“ Kultur sieht auf 
Agar einer vollvirulenten Kultur gleich; im mikroskopischen Präparat er- 
scheinen die Bacillen verdickt und von einer dicken schleimigen 
Hülle umgeben. Das Rattenserum giebt seine wirksame Substanz 
ab, wenn man dasselbe mit Milzbrandbacillen vermengt und die Mikroorga- 
nismen durch Centrifugiren trennt. Es zeigte sich nun, dass eine etwa 2mal 


1008 Immunität. Schutzimpfung. 


geringere Menge von „immunisirten“ als von frischen Bacillen zur Neutrali- 
sirung ansreicht. Die Bakterien fixiren die im Rattenserum enthal- 
tene schädliche Substanz. Es gelingt die Neutralisirung des Serums auch 
mittels Zusatzes von filtrirten Milzbrand-Bouillonkulturen. Die Hauptrolle 
beim Schutze gegen das Rattenserum wird der Mucinhülle zugeschrieben; 
dieser Schutz erstreckt sich aber nicht auf die bakteriolytische Wir- 
kung. Auf Grund seiner Versuche nimmt Verf. an, dass die Bakteriolyse, 
welche am besten im Rattenserum, aber auch in Fleischpeptonbouillon, in 
destillirtem Wasser und am schwächsten in physiologischer Kochsalzlösung 
auftritt, eine Diastasewirkung ist. Diese Diastase rührt vom Bacillenkörper 
her; es handelt sich somit um eine Selbstverdauung des Milzbrand- 
bacillus. Das Rattenserum enthält keine bakteriolytische Diastase, 
sondern ein Antisepticum, welches sich mit dem Bacillus verbindet und 
seine Entwickelung hemmt, gleichzeitig aber die Ausscheidung der vom Ba- 
eillus herrührenden Diastase und somit die Bakteriolyse begünstigt. Die „Im- 
munisirung“ gegen das Rattenserum steigert die Widerstandsfähigkeit gegen 
die Selbstverdauung nicht, gestattet aber dem Bacillus eine bessere 
und raschere Vermehrung vor der Bakteriolyse. Das Rattenserum, 
welches von seiner antiseptischen Substanz befreit worden ist, stellt 
einen günstigen Nährboden dar für die Entwickelung des Milz- 
brandbacillus. 

Verf. hat den Milzbrandbaeillus in ähnlicher Weise gegen Arsen 
immunisirt; die angewandte Arsensäure ist in saurer Lösung etwa zehnmal 
wirksamer als in alkalischer. Bei einer Verdünnung von !/gooo begünstigt 
Arsen das Wachsthum, bei %/jooo wird die Entwickelung verhindert und 
die Selbstverdauung gesteigert, bei t/s werden beide Funktionen 
gelähmt, und erst bei 1/4 Arsen wird der Milzbrandbacillus abge- 
tödtet und zwar durch Gerinnung. Auch hier gelingt es, den Bacillus an 
höhere Koncentrationen zu gewöhnen, so dass z. B. das Optimum bei ! 1000 
und die Grenze der Koagulation bei 1/3% zu liegen kommt. Eine gegen Arsen 
„inmunisirte“ Milzbrandkultur sieht dem Bac. megatherium ähnlich; die 
Bacillen weisen wiederum eine dicke Hülle auf und sind häufig gewunden. 
Der „Antikörper“ lässt sich im Filtrat einer Bouillonkultur nachweisen 
und ist im Stande, eine gewisse Menge Arsen in einer Lösung zu binden 
und gegen Milzbrandbacillen unwirksam zu machen. Diese Arsenwirkung 
besteht in einer Koagulation der eiweissartigen Stoffe des Bacillus, und die 
Immunität würde sich durch einen grösseren Gehalt der Bakterienzelle an 
Mucin erklären; dieses Mucin ist in Bouillon löslich und bleibt nach Filtra- 
tion oder nach Centrifugiren in der Flüssigkeit zurück. 

Es besteht somit eine grosse Aehnlichkeit zwischen der Wirkung 
des Rattenserums und derjenigen der Arsensäure auf Milzbrand- 
bacillen. Die Bakteriolyse ist bedingt durch eine Selbstverdauung, 
welche von einer antiseptischen Wirkung des Serums bezw. des Arsens unter- 
stützt wird. Die „immunen“ Bakterien bilden eine Substanz, welche das 
Antisepticum bindet und die Weiterentwickelung des Bacillus ermöglicht. 
Der Antikörper ist nicht im Stande, die Diastasewirkung zu beein- 


Immunität. Schutzimpfung. 1009 


flussen. Der Bacillus schützt sich gegen seine eigene Diastase mittels Säure- 
bildung. 

Am Schlusse hebt Verf. noch folgende Punkte hervor: 

1. Die Diastasewirkung und die wahrnehmbaren patlrogenen Symptome, 
welche bei der Alexin- und wahrscheinlich auch bei der Lysin- und Toxin- 
wirkung an lebenden Organismen oder Geweben beobachtet wird, können von 
einer Substanz herrühren, welche gerade von diesen Zellen ausgeschieden wird; 
in diesem Falle haben die specifischen Antitoxine keinen direkten Einfluss 
auf diese Substanz. 

2. Wenn Lei der Alexin-, Lysin- oder Toxinwirkung auch meist eine Dia- 
stase mitspielt, so darf daraus nicht gefolgert werden, dass die Alexine, die 
Lysine oder die Toxine Diastasen sind oder solche enthalten. 

Silberschmidt (Zürich). 


Tchistovitch Th., Etudes sur la phagocytose dans une infection mor- 
telle. Travail du labor. de bact. de l’Acad. de med. de St. Petersbourg. 
Ann. de l’Inst. Pasteur. 1900. No. 12. p. 802. 

Verf. bezweckt in dieser Arbeit, die Verhältnisse der Phagocytose 
festzustellen im Verlauf von tödtlichen experimentellen Infektionen. Verwendet 
warde ein sehr virulenter Streptococcus; es wurden 31/, ccm einer 
frischen Bouillonkultur Kaninchen intravenös injieirt und die Thiere nach 
1/4, 1/2 bis 6 Stunden getödtet, während die Kontrolthiere nach 20—42 Stun- 
den erlagen. Aus den einzelnen Organen wurden gleich nach dem Tode Stück- 
chen entnommen, eingebettet und untersucht. Es stellte sich heraus, dass 
eine bedeutende Phagocytose nicht eintritt. Verf. nimmt an, dass der 
Tod der Kaninchen der ungenügenden phagocytären Thätigkeit der 
polynukleären Leukocyten zuzuschreiben sei; diese Leukocyten waren gegen- 
über den Streptokokken stets negativ chemotaktisch. Die von Werigo 
mit Hübnercholera ausgeführten Versuche mit entgegengesetzten Resultaten 
erklärt Verf. dadurch, dass von diesem Forscher sehr grosse Mengen Bak- 
terien uud Toxine verwendet wurden (15 ccm), und dass darunter sich ab- 
geschwächte Individuen befanden, welche von den Leukocyten aufgenommen 
werden konnten. Silberschmidt (Zürich). 


Delezenne C., Serums nevrotoxiques. Travail du laboratoire de physio- 
logie de l’Universite de Montpellier. Ann. de l’Inst. Pasteur. 1900. No. 10. 
p- 686. 

Verf. hat nach der von Roux und Borrel angegebenen Methode der 
intracerebralen Injektion den Nachweis erbracht, dass nach Injektion 
von Gehirn, Kleinhirn oder Rückenmark ein specifisches Neurotoxin im 
Serum auftritt. Das Aalserum kann als der Prototyp eines unter nor- 
malen Verhältnissen cytotoxisch wirkenden Serums angesprochen werden; die 
Krankeitserscheinungen, welche beim Kaninchen nach subkutaner oder nach 
intravenöser Injektion auftreten, sind hauptsächlich auf Einwirkung auf das 
Centralinervensystem zurückzuführen. Es stellte sich nun heraus, dass nach 
intracerebraler Injektion von 0,005 ccm Aalserum pro kg Körper- 


1010 Ernährung. 


gewicht Kaninchen innerhalb 5—10 Minuten getödtet werden; das Serum war 
200 mal wirksamer als bei subkutaner Einverleibung. Die Versuche bei 
Meerschweinchen, ein für Kaninchen wirksames neurotoxisches Serum zu er- 
halten, fielen nicht befriedigend aus. Hingegen erhielt Verf. bei Enten mit- 
tels 5—6 intraperitonealen Injektionen von sterilen Aufschwemmungen von Hirn 
oder Rückenmark von Hunden ein sehr wirksames neurotoxisches Serum 
für erwachsene Hunde. In Mengen von 0,5—0,6 ccm pro kg Körpergewicht 
wurde das normale Entensernm intracerebral ohne Störung ertragen; dieselbe 
Dosis neurotoxisches Serum tödtete die geimpften Hunde sehr rasch, meist 
blitzschnell. Alle nervösen Centren werden ausser Funktion gesetzt; einzig 
das Athmungscentrum ist etwas widerstandsfähiger. Nach intracerebraler In- 
jektion von 0,1—0,2 ccm treten die Erscheinungen (Parese, epileptiforme An- 
fälle u. s. w.) nach 1/,—1/, Stunde auf, und der Tod erfolgt meist nach 6 bis 
12 Stunden. Interessant ist, dass junge, einige Monate alte Hunde viel 
widerstandsfähiger gegen das Neurotoxin sind, als erwachsene. Das 
neurotoxische Serum ist specifisch: Kaninchen gegenüber war dasselbe 
wicht wirksamer als das Serum nicht vorbehandelter Enten; die Katze war 
etwas empfindlicher, aber nicht im selben Grade wie der Hund. Die mit 
rothen Blutkörperchen oder mit Leukocyten von Hunden behandelten Enten 
lieferten ein Serum, welches, io den oben angegebenen Mengen intracerebral 
injieirt, keine nervösen Erscheinungen bei Hunden bedingte. 
Silberschmidt (Zürich). 


Schwenkenbecher , Alfons, Die Nährwerthberechnung tischfertiger 
Speisen. Zeitschr. f. diät. u. physik. Ther. Bd. 4. S. 380 ff. 

Neben den Analysen von rohen Nahrungsmitteln finden sich in der Lite- 
ratur auch solche von zubereiteten Speisen. Eine andere Methode, die ungleich 
häufiger als die direkte chemische Untersuchung angewandt wird, ermittelt 
die Zusammensetzung und den Werth der Speisen durch Berechnung aus 
dem Durchschnittsgehalt der verwandten Rohmaterialien. Der Verf. giebt 
nun eine Zusammenstellung der Kalorienwerthe tischfertiger Speisen und 
zwar aller gebräuchlichen animalischen und vegetabilischen Speisen, 
die auf Grund gleichfalls mitgetheilter Tabellen über die chemische Zusammen- 
setzung und die Werthberechnung der rohen Speisematerialien berechnet sind. 
Dabei ist vor Allem das berücksichtigt, was dem Arzt eine für seine diäte 
tischen Maassnahmen brauchbare Handhabe bieten kann. Es ist eine Fülle 
von Tabellen, die der Verf. mit ausserordentlichem Fleiss berechnet und zu- 
sammengestellt und durch erläuternden Text mit einander verbunden hat. 

Das Resultat aller Aufstellungen und Berechnungen fasst der Verf. dahin 
zusammen: 

Für manche tischfertigen Speisen (mageres Fleisch, gekochte Kartoffeln. 
Gebäck u. s. w.) lassen sich bei zweckentsprechender Zubereitung für die Be 
rechnung des Kaloriengehaltes Mittelwerthe verwenden; für den grösseren Theil 
derselben trifft dies aber nicht zu, da die verschiedene Herstellungsart die 


Ernährung. 1011 


Zusammensetzung zu komplicirt und zu variabel gestaltet. Deshalb sind die 
in diätetische Kochbücher u. s. w. eingetragenen Werthe nicht ohne weiteres 
zu verallgemeinern und etwa auf Speisezettel zu übernehmen, wenn nicht durch 
genaue Vorschriften auch eine gleichartige Zubereitung der Speisen erzielt 
wird. Die bei gleichnamigen Speisen beobachteten Differenzen im Nährwerth 
betragen bisweilen über 100 pCt. 

Um den. kalorischen Werth auch komplicirter zusammengesetzter Speisen 
einigermaassen schätzen zu können, giebt es zwei Wege: einmal kann man 
sämmtliche Bestandtheile der Speisen vor der Zubereitung, und nach ihrer 
Fertigstellung die Speisen selbst wägen und so den Nährwerth aus den ver- 
wendeten Rohnaterialien berechnen; der andere Weg würde durch ein gutes 
Kochbuch gegeben sein, in dem die Zusammensetzung und der durch Berech- 
nung resultirende Nährwerth der Speisen angegeben wären. 

H. Winternitz (Halle a. S.). 


Backmann, Ueber die Methode bei experimentellen Untersuchungen 
der Salzsäureabscheidung des menschlichen Magens bei ver- 
schiedener Nahrung. Zeitschr. f. diät. n. physik. Ther. Bd. 4. S. 375. 

Die Arbeit beschäftigt sich zunächst mit der Frage: Nach welchem 
Maasse sind die Versuchsmanlzeiten zu normiren, um die verschie- 
denen Nahrungsstoffe bezüglich ihrer Einwirkung auf die Salzsäureab- 
scheidung des menschlichen Magens mit einander vergleichen zu können. 
Die Autoren sind, soweit sie diese Frage berücksichtigt haben, nach zwei ver- 
schiedenen Principien vorgegangen; entweder haben sie die Versuchsmahlzeiten 
nach gleicher Gewichtsmenge normirt, oder sie haben solche Gewichts- 
mengen gewählt, dass dadurch die respektiven Kalorienwerthe der 
Versuchsmahlzeiten gleich gross wurden. 

Der Verf. hält die Kalorienmethode für zweckentsprechender und empfiehlt 
unter Berücksichtigung eines gleichen Volumens folgende Versuchsmahlzeiten: 
. 100 g Franzbrot -} 300 ccm Wasser, 

. 190 g Beefsteak (als geröstet gewogen 133 g)-+ 260 cem Wasser, 

180 g Eier (ohne Schale) -+ 200 ccm Wasser, 

. 800 g Kartoffeln 4- 100 ccm Wasser, 

5. Hafermeblbrei, bereitet aus 67 g Mehl (als fertig gewogen 335 g, das 
Darchschnittsgewicht von 10 Wägungen) + 60 ccm Wasser, 

6. 390 cem Milch. 

Des Weiteren beschäftigt sich der Verf. mit der Frage, nach welcher 
Methode bei Untersuchungen über die Salzsäureabscheidung vorgegangen werden 
soll; es kommen in Betracht: 1. die Methode der eintägigen Kurve, wobei 
während des ganzen Digestionsaktes in gewissen Intervallen Stichproben ex- 
primirt und auf ibren procentualen Säuregehalt hin untersucht werden; 2. die 
Methode der mehrtägigen Kurve, wobei die gleiche Mahlzeit zur selben Zeit 
"an einer Reihe von Tagen gegeben und danach die Probeentnahme Tag um 
Tag zu regelmässig nach dem Essen vorrückenden Zeiten ausgeführt wird. 

H. Winternitz (Halle a.S.). 


AWH 


1012 Ernährung. 


Bienstock, Du ròle des bactéries de l’intestin. Ann. de l’Inst. Pastenr. 
1900. No. 11. p. 750. 

In einer früheren Arbeit (Ann. de l’Inst. Past. 1899. No. 11) hat Verf. 
einen anaeroben Bac. putrificus als einen namentlich bei der Zersetzung 
des Fibrins wirksamen Fäulnisserreger besprochen. Bei Vorhandensein von 
B. coli oder von B. lactis aärogenes tritt die Fäulniss langsamer oder gar 
nicht ein; diesen Stillstand in der Zersetzung des Fibrins kann man in der 
Milch noch deutlicher beobachten als im Darm. Die ungekochte Milch 
geht nicht in Fäulniss über; dieses Verhalten wurde dem Milchzucker 
zugeschrieben. Hingegen wird in der sterilisirten Milch, welche mit B. 
putrifcus beschickt wurde, die faulige Zersetzung des Fibrins noch 
begünstigt. Bei gleichzeitiger Impfung mit B. coli tritt keine Fänl- 
niss ein: die gekochte Milch verhält sich dann wie die ungekochte. Dieser 
Thatsache, d. b. dass sterilisirte oder pasteurisirte Milch die Wider- 
standsfähigkeit der ungekochten Milch gegen die Fäulniss eingebüsst 
hat, schreibt Verf. eine grosse praktische Bedeutung zu. Er nimmt an, 
dass die Ernährung mit sterilisirter Milch schädlich sei in allen 
Fällen von Darmerkrankungen bei Säuglingen; die sterile Milch findet 
nur in einem normalen Darm die richtige Darmflora. Verf. schlägt vor, der 
sterilen Milch die antiputriden Eigenschaften wieder zu geben mittels 
Zusatz von reinem Trinkwasser, das die Fäulniss der Milch verhindert. 

Verf. hat ferner versucht festzustellen, ob menschlicher oder thierischer 
Koth im Stande ist, die Fäulniss des Fibrins zu erzeugen; die Versuche fielen 
stets negativ aus. Auch nach Erhitzen auf 80° C. behufs Abtödtung der 
Kolonbakterien blieb die Fäulniss aus. Der B. putrificus konnte aus den 
verschiedensten Stühlen nicht gezüchtet werden. Einige von Prof. Levy in 
Strassburg ausgeführte Thierversuche führten zu folgenden Resultaten: Ka- 
ninchenkoth übt keine faulende Wirkung auf Fibrin aus, auch nicht, wenn 
die Thiere mit grossen Mengen Sporen des B. putrificus gefüttert worden 
waren. Durch Ueberimpfung eines menschlichen Stuhles gelang es nicht. 
Tetanus bei Thieren zu erzeugen oder andere anaërobe Bakterien zu finden, 
obschon der betreffende Mensch 3 Wochen lang täglich Gartenerde zu sich 
nahm, in welcher Tetanusbacillen enthalten waren. 

Am Schlusse betont Verf. die Bedeutung des Antagonismus der normalen 
Stuhlbakterien gegenüber den schädlichen, namentlich gegenüber den Fäulniss- 
bakterien. Silberschmidt (Zürich). 


Mai C., Wann ist eine Fleischwaare als verdorben zu betrachten? 
Zeitschr. f. Untersuchg. d. Nahrgs.- u. Genussm. 1901. S. 18. 

Verf. studirte die Vorgänge bei der Fäulniss von Fleischwaaren 
(Fleisch, Würsten, Gedärmen u. s. w.), da die hierüber vorliegenden Angaben 
sich zum Theil widersprechen. Die „Vereinbarungen zur einheitlichen Unter- 
suchung und Beurtheilung von Nahrungs- und Genussnitteln u. s. w. für das 
Deutsche Reich“ beschränken die diesbezügliche chemische Untersuchung auf den 
etwaigen Nachweis der aromatischen Oxysäuren, des Indols und Skatols, sowie 
der Phenole. Verf. konnte nun aber feststellen, dass gerade diese Körper erst 


Ernährung. 1013 


dann auftreten, wenn das Fleisch schon obne chemische Hilfsmittel als ver- 
dorben erkennbar ist. Die beim Lagern von Fleisch u. s. w. vorgebenden Zer- 
setzungen lassen sich mit Hilfe der dabei auftretenden Körper folgendermaassen 
eintheilen: 

Im ersten Stadium lassen sich chemisch charakterisirbare Körper als 
solche nicht nachweisen, doch beginnt alsbald, nach 3—4 Tagen, schon das 
Verhältniss des Ammoniaks zum Gesammtstickstoff sich zu verschieben, indem 
die Ammoniakmenge, die in den frischen Waaren etwa 10 pCt. des Gesammt- 
stickstoffs ausmacht, eine beträchtliche Steigerung erfährt. 

Das zweite Stadium beginnt mit dem Auftreten nachweisbarer Mengen 
von Aminbasen der aliphatischen Reihe, insbesondere von Trimethylamin. 
Auch lassen sich in diesem Stadium die Amidosäuren leicht nachweisen. 

Im dritten Stadium, dem Zustande fortschreitenden Zerfalles, der sich 
natürlich schon äusserlich durch den Geruch u. s. w. erkennen lässt, ver- 
schwinden die Amidosäuren wieder, und an ihre Stelle treten die Fettsäuren, 
sowie auch zuweilen Indol und Skatol. Auch die Amine haben sich jetzt so 
angereichert, dass ihre Isolirang mit Leichtigkeit gelingt. Endlich ist das 
Auftreten von Ptomainen, z. B. von Putrescin, erkennbar. 

Im vierten Stadium endlich verschwinden die genannten Körper all- 
mählich wieder, indem mit fortschreitendem Zerfall als basische Zersetzungs- 
produkte immer einfachere Körper entstehen, bis schliesslich nur noch Am- 
moniak vorhanden ist. 

Erhebt sich also der Ammoniakgehalt einer Fleischwaare über die 
normale Grenze, die allerdings noch näher zu präcisiren sein wird, und ist 
Trimetbylamin in mehr als Spuren erkennbar, so wird die Waare als ver- 
dorben vom chemischen Standpunkte aus zu bezeichnen sein. Für Därme ist 
das frühzeitige Auftreten von Schwefelwasserstoff, von verhältnissmässig 
grösseren Mengen von Aminen und Fettsäuren, sowie auch von Indol und 
Skatol kennzeichnend. Bei der Beurtheilung von Wurstwaaren wird man 
daher hauptsächlich das Augenmerk auf den umhüllenden Darm und die zu- 
nächst darunter liegenden Theile des Inhalts zu richten haben, da diese Theile 
der Zersetzung am frühesten anheimfallen. Wesenberg (Elberfeld). 


Piuhl A., Massenerkrankung nach Wurstgenuss. Ans der hyg.-chem. 
Untersuchungsstation des X. Armeekorps. Zeitschr. f. Hyg. u. Infektions- 
krankb. Bd. 35. S. 265. 

In der Nacht vom 11. zam 12. April 1900 erkrankten plötzlich 81 Sol- 
daten mit Uebelkeit, Erbrechen, Magendrücken und wiederholten 
Durchfällen. Diese Erscheinungen gingen freilich schnell vorüber, so dass 
am nächsten Morgen nur noch einige davon über Mangel an Esslust und 
Schwäche klagten. Sie hatten sämmtlich am Abend vorher Rinderwurst 
gegessen, die aus Eingeweiden, Herz, Lungen und Pansen hergestellt und 
nicht in Därme gestopft, sondern in Schüsseln und anderen Gefässen aufbewahrt 
wird. Ihr Wohlgeschmack wurde noch nachträglich von allen Seiten gelobt. 
Nur ein geringer Rest, dessen Farbe und Geruch ohne Tadel war, konnte noch 
untersucht werden. Die chemische Prüfung ergab weder metallische, 


1014 Ernährung. 


noch pflanzliche, noch Fäulnissgifte; auch konservirende oder färbende 
Stoffe waren nicht darin enthalten. Auszüge der Wurst mit Aether, Alkohol, 
Kochsalz u. s. w., welche Meerschweinchen unter die Haut gespritzt wurden, 
hatten keine Wirkung. Dagegen wurden 2 Ratten und 2 Mäuse, die mit 
der Wurst gefüttert waren, schon nach wenigen Stunden von starken Durch- 
fällen und läbmungsartiger Schwäche befallen; die Ratten erholten sich 
wieder, eine Maus starb, die andere wurde noch, ehe sie von selbst ver- 
endete, getödtet. Im Blut und den Organen dieser Thiere wurde in 
grossen Mengen und fast ausschliesslich eine Proteusart gefunden, die auch 
in der Wurst selbst nachgewiesen werden konnte, und deren Kulturen die 
gleiche pathogene Wirkung ausübten. In diesem Zusammenhang ist es kaum 
zweifelhaft, dass dieser Proteus auch die Erkrankungen der Soldaten 
verursacht hat. In die Wurst hineingerathen sein kann er nach der Ansicht 
des Verf.’s aus den dazu verwendeten Eingeweiden, namentlich Magen und 
Därmen, oder aus dem dabei benutzten Wasser. Jedenfalls ist bewiesen, dass 
die Wurst nicht gründlich und lange genug gekocht worden ist. 

Wegen der besonderen vom Verhalten der übrigen bekannten Proteusarten 
abweichenden Lebenseigenschaften, zumal auch der Giftwirkung, muss auf die 
Arbeit selbst verwiesen werden. 

Am Schluss zählt der Verf. die Bacillen auf, welche bisher als Erreger 
von Fleisch-, Wurst- nnd Fischvergiftungen gefunden worden sind, und 
führt etwas genauer die Fälle dieser Art an, welche durch Proteusarten 
hervorgerufen waren (Levi, Glücksmann, Laitinen, Jaeger, Wyss. 

Globig (Kiel). 


Ossipoft V. P., Influence de l’intoxication botulinique sur le systeme. 
nerveux central. Travail du laboratoire de M. Metchnikoff. Ann. 
de l’Inst. Pasteur. 1900. No. 12. p. 769. 

Verf. hat die Einwirkung des Toxins des B. b»tulinus auf das 
centrale Nervensystem von Meerschweinchen, von Katzen und von 
Affen (Semnopithecus und Macacus) untersucht. Bei diesen 3 Thierarten 
bedingt das Wurstgift dieselben Krankheitserscheinungen, wie beim Menschen. 
Das verwendete Toxin wurde subkutan injicirt; 1 mm3 tödtete ein 300 g 
schweres Meerschweinchen innerhalb 3 Tagen. Gehirn und Rückenmark warden 
sofort nach dem Tode sorgfältig herausgenommen und weiter verarbeitet. Die 
Schlussfolgerungen des Verf.’s lauten: Das Botulinustoxin ruft bei den drei 
Thierarten die charakteristischen Krankheitssymptome hervor, welche nament- 
lich centralen Ursprungs sind. Die schweren klinischen Erscheinungen werden 
erzeugt durch tiefe Veränderungen der Gefässe und der Nervenzellen. 
Eine wichtige Rolle ist der Phagocytose zuzuschreiben. Verf. giebt ru. 
dass die Läsionen intensiver und ausgedehnter sind, als nach Injektion 
anderer Toxine, betrachtet aber die Veränderungen an den Nervenzellen 
als nicht specifisch für den Botulismus. 

Der Arbeit sind 2 Tafelo mit 19 Abbildungen beigegeben. 

Silberschmidt (Zürich). 


Ernährung. 1015 


Bach 0., Ueber Milchuntersuchungen und Milchkontrole. Zeitschr. 
f. Untersuchg. der Nahrgs.- u. Genussm. 1900. S. 819. 

Verf. untersuchte in Mainz eine beträchtliche Anzahl Milchproben 
auf ihren Schmutzgehalt. Die geringste gefundene Schmutzmenge betrug 
3 mg, die grösste 42 mg im Liter; in der Mehrzahl bewegte sich dieselbe 
um 10 mg, sodass man in Mainz auf eine Verunreinigung von 10 mg für 
1 Liter rechnen muss. Verf. bezeichnet diese Zahl für „so hoch, dass eine 
Herabsetzung unbedingt erforderlich ist, und das Regulativ muss eine bedeu- 
tend niedrigere Zahl für den höchst zulässigen Schmutzgehalt enthalten“. 
Der Bakteriengehalt der untersuchten Proben war stets ein sehr beträcht- 
licher. 

Zur Bestimmung des Milchschmutzes bediente sich der Verf. eines 
Apparates, der aus einem langen, cylindrischen Glasrohr besteht, dessen unteres 
Ende in einen kurzen Konus ausgezogen ist, der an seiner Spitze ein kleines 
Abflussrohr trägt; zwei weitere Abflussrohre sind seitlich angebracht, eins in 
der Mitte des Apparates, das zweite an der Basis des Konus; die beiden seit- 
lichen Rohre sind durch Schlauch und Quetschhahn, das untere durch ein mit 
2—3 ccm Wasser gefülltes und durch Gummistopfen aufgesetztes Reagensrohr 
abgeschlossen. Der Apparat selbst trägt oben einen eingeschliffenen Stöpsel. 
Die eingefüllte Milch, welche, um das Absetzen zu erleichtern und Gerinnung 
zu verhindern, mit etwas koncentrirtem Ammoniak versetzt ist, bleibt 4 bis 
5 Stunden stehen, dann lässt man einen Theil der Milch durch das obere 
seitliche Abflussrohr ab, wodurch das aufgerahmte Fett entfernt wird, und 
den Rest durch das untere seitliche Rohr. Die Hauptmenge des Schmutzes 
findet sich im Reagensglas in den 2—3 ccm Flüssigkeit, sie wird direkt auf 
ein gewogenes Filter gebracht und mit heissem Wasser ausgewaschen; nur ein 
kleiner Bruchtheil, die ganz leichten Schwebestoffe darstellend, sitzt auf dem 
Konus und kann nach der Abnahme des Reagensglases durch das untere seit- 
liche Rohr mit Wasser in ein Becherglas gespült werden; diese Flüssigkeit 
wird dann durch das die Hauptmenge des Schmutzes bereits enthaltende Filter 
gegossen, mit Wasser, Alkohol und Aether gewaschen und getrocknet. 

x Wesenberg (Elberfeld). 


Schmidt, Die Fehler der Saugflaschen und ihre Vermeidbarkeit. Ein 
Beitrag zur Säuglingsernäbrung. Münch. med. Wochenschr. 1901. 
No. 1. S. 22. 

Den allgemein in Verwendung befindlichen Saugflaschen haften zahl- 
reiche Mängel an. Während durch den normalen Saugakt die Sekretion des 
Magensaftes angeregt und wegen der erforderlichen Kraftentfaltung, welche 
50—100 mal grösser als bei der Flaschenfütterung sein soll, die Nahrungs- 
aufnahme auf eine längere Zeit vertheilt wird, genügt zur Entleerung der in 
den Saugflaschen enthaltenen Milch meist schon ein ganz geringer Kieferdruck, 
and die Füllung des Magens erfolgt, statt wie sonst in 1/,—!/, Stunde, in 
wenigen Minuten. Dadurch wird der letztere übermässig gedehnt, seine Ent- 
leerung verzögert, das Kind neigt zum Brechen. Ferner wird der Leberdehnung 


1016 Ernährung. 


des Magens und der Zersetzung seines Inhalts noch dadurch Vorschub ge- 
leistet, dass der Säugling viel Luft mit hinunter schlucken kann. 

Das an der Brustwarze trinkende Kind lässt niemals während des Saug- 
aktes los, da es durch die Nase athmet, beim Saugstopfen muss jedoch der 
Mund häufiger geöffnet werden, um wieder Luft durch die Spitzenöffnung in 
die Saugflasche eindringen zu lassen. 

Sch. hat, um die bestehenden Mängel abzustellen, einen leicht sterilisir- 
baren und auch gleich als Flaschenverschluss im Soxhletapparat zu verwen- 
denden Saugstopfen herstellen lassen, an welchem als wichtige Neuerung ein 
gut regulirbares Aluminiumventil angebracht ist, und zwar an anderer 
Stelle, als an welcher die Milch austritt. Durch entsprechende Drehung einer 
kleinen Schraube kann man dann den Lufteintritt je nach Wunsch erleichtern 
und erschweren und somit die Entleerung des Gefässes beschleunigen bezw. 
verlangsamen. Die Grenzen der Regulationsfähigkeit liegen zwischen 50 und 
200 ccm Wasserdruck. An der Spitze sind keine grösseren Löcher, sondern 
nur 4 der Längsachse des Saugstopfens entsprechende Schlitzöffnungen 
angebracht, die sich zwar unschwer Öffnen, um die Milch leicht austreten zu 
lassen, das Rückströmen von Luft aus der Mundhöhle aber wirksam verhindern. 
Die Wandstärke ist ziemlich dick — 2 mm — gewählt, damit der Stopfen 
bei grosser Saugkraft nicht durch den äusseren Luftdruck platt gedrückt wird. 
Von Werth scheint, dass eine beständige Beaufsichtigung, wie beim gewöhn- 
lichen Stopfen, entbehrt werden kann. 

Die bisher in der Bonner geburtshilflichen Universitätsklinik gesammelten 
Erfahrungen sprechen sehr gut zu Gunsten der Einführung des neuen Ventil- 
stopfens. ` Schumacher (Strassburg i.E.). 


Koller Th., Die Konservirung der Nahrungsmittel und die Konser- 
virung in der Gährungstechnik. Stuttgart 1900. Ferd. Enke. Sammlg. 
chem. u. chem.-techn. Vorträge. Bd. 5. H. 11—12. Preis: 2,40 Mk. 

Verf. bringt eine Zusammenstellung der für die verschiedenen Nahrungs- 
mittel (Fleisch, Eier, Milch, Butter, Früchte u. s. w.) und für die Gährungs- 
technik (Bier, Wein, Hefe, Malz und Hopfen) empfohlenen Konservirungs- 
methoden; es ist sowohl der physikalischen, als auch der chemischen Konser- 
virungsmittel gedacht. Unter den letzteren spielt namentlich die Salicyl- 
säure in der Abhandlung eine grosse Rolle; „ihre erlaubte Anwendung ist 
indessen eine sehr beschränkte“. Ref. hätte es lieber gesehen, wenn bei den 
einzelnen Nahrungsmitteln (z. B. beim Wein) der Verf. jedesmal besonders 
auf bestehende gesetzliche Verbote der Verwendung der Salicylsäure hinge- 
wiesen hätte; statt dessen findet sich nur der obige kurze Passus in der Ein- 
leitung. 

Bedenklich erscheinen muss es dem Ref., dass bei der Konservirung der 
Milch die Alkalichromate aufgeführt sind, ohne besonderen Hinweis auf 
die Gesundheitsschädlichkeit und ohne Betonung, dass dieser Zusatz nur zur 
Haltbarmachung der Milch zum Zweck der chemischen Untersuchung stattbaft 
ist. Es sagt Verf. nämlich nur, „die Verwendung von Alkalichromaten zur 
Konservirung der Milch kommt immer mehr in Gebrauch. Die angewendete 


Ernährung. 1017 


Chromatmenge, meist in Verbindung mit Formaldehyd, beträgt 1: 100 000. 
Bei höberem Gehalt wird die Asche der Milch bereits eine Färbung zeigen“. 
Eine Molkerei, die auf diese Angabe Koller’s hin Kaliumdichromat der Milch 
zufügt, ist sich nicht bewusst, wie sehr durch diesen scheiubar geringen Zu- 
satz bei fortgesetztem Gebrauch namentlich der kindliche Organismus geschä- 
digt wird. Wesenberg (Elberfeld). 


Aderhold Rud., Untersuchungen über das Einsauern von Früchten und 
Gemüsen. I. Gurken. Landwirthschaftl. Jahrbücher. 1900. Bd. 28. S. 69 
bis 151. 

Man konservirt schon seit Jahrhunderten bestimmte Früchte und Ge- 
müse, und zwar pflegt man sie dadurch in einen besser haltbaren und 
zugleich in einen besonders geschmacklichen Zustand zu versetzen, dass man 
sie einsauert, d. h. entweder in ihrem eigenen Safte oder unter Zusatz von 
Wasser einer freiwilligen Säuerung überlässt. Bei diesem Verfahren ist der 
Zusatz von Kochsalz fast allgemein üblich geworden, und man nennt deshalb 
das ganze Verfahren zuweilen auch Einsalzen. Am bekanntesten und wohl 
auch in fast jedem ländlichen Haushalte gebräuchlich ist ein derartiges Ein- 
sauern von Gurken und Weisskraut. Schon seltener konservirt 'nan in solcher 
Weise Schnittbohnen und Grünfutter, noch viel seltener aber Tomaten, Aepfel, 
Kartoffeln und auch wohl uoch manche anderen Produkte. 

Ueber das Zustandekommen und die Natur aller dieser Säuerungen ist 
jedoch bislang recht wenig bekannt. Man weiss zwar aus jedem grösseren 
Lehrbuche der Chemie, dass es sich in allen diesen Fällen um Milchsäure- 
gäbrungen handelt, d. h. also um Umsetzungen, welche durch Organismen, 
wahrscheinlich Bakterien, hervorgerufen werden; allein bis vor kurzer Zeit 
lagen noch keinerlei genauere Untersuchungen über eine derartige Gährung 
vor. Erst im Jahre 1897 berichten E. Conrad über die Sauerkrautgäh- 
rung (Bakteriol. und chem. Studien über Sauerkrautgährung. Inang.-Diss. 
Würzburg 1897; und Arch. f. Hyg. 1897. S. 56—95) und O. Emmerling 
über die Gährung des frischen Grases (cf. Centralbl. f. Bakt. 1898. S. 246); 
weiterhin hat alsdann Wehmer (cf. Kleinere mykologische Mittheilungen. II. 
Centralbl. f. Bakteriol. u. Parasitenk. Abth. II. 1898. S. 190) einige kurze 
Hinweise auf die Gäbrung der Vietsbohnen veröffentlicht; eine auch nur 
einigermaassen erschöpfende Aufklärung über die betreffenden Gährungsvorgänge 
giebt uns indessen keine der erwähnten Arbeiten. 

Ausser in den genannten Arbeiten finden sich nur noch bei Marp- 
mann in seiner Studie über die Milchsäuerung (cf. Arch. f. Pharmakol. 
1886. S. 243) einige direkte Hinweise auf die vorliegenden Gährungen, dass 
nämlich „in sauren Flüssigkeiten von eingemachten Früchten und Gemüsen, 
von Kohl, Gurken, Bohnen u. s. w. man meistens langgestreckte, grosse Ba- 
eillen findet“. 

Diese spärliche Literatur „über das Einsauern von Früchten und Gemüsen“ 
ist um so mehr zu verwundern, als beispielsweise ähnliche Gährungen, wie 
die Säuerung der Milch, der Brennereimaische und die Brotsäuerung, deren 


1018 Ernährung. 


Verwandtschaft ganz besonders zu Tage tritt, z. Th. eine reiche Literatur 
gezeitigt haben. 

Es ist daher um so dankbarer zu begrüssen, dass sich Verf. die Aufgabe 
gestellt hat, die überaus wichtigen Obst- und Gemüsesäuerungen einem ein- 
gehenden Studium zu unterwerfen. Der erste Theil, die Untersuchungen 
über das Binsauern von Gurken betreffend, liegt nunmehr bereits abge- 
schlossen vor uns. 

Nach den hier kurz wiedergegebenen Erörterungen giebt uns der Verf. 
in einer Einleitung zunächst einige Mittheilungen über die Herkunft und den 
Anbau der Gurken. 

Diese Früchte sollen nach Hehn (cf. Kulturpflanzen und Hausthiere, nen 
bearbeitet von O. Schrader, S. 310) erst im späten Mittelalter (nachweisbar 
seit dem 17. Jahrhundert) von den Slaven zu uns nach Deutschland gekom- 
men, und ihr Anbau, wie auch das Einsauern derselben soll auch nur 
in den Theilen von Deutschland üblich geworden sein, die einst oder noch 
jetzt von Slaven bewohnt sind. Heute jedoch ist die Gurke bereits ein be- 
deuteuder Handelsartikel geworden. Die Gegenden von Liegnitz, von Lüb- 
benau, von Erfurt und von Heldrungen, ferner von Znaim in Böhmen, 
sowie noch mancher anderen Orte sind wegen ihres bedeutenden Gurkenbaues 
berühmt geworden. So beträgt beispielsweise die jährliche Gurkenernte (we 
nigstens in einigermaassen günstigen Vegetationsjahren) in der Umgegend von 
Liegnitz allein ca. 400 000 Centner, wobei zu bemerken ist, dass insbesondere 
die Liegnitzer Gurke wegen ihrer Güte entweder schon an Ort und Stelle oder 
nach auswärts verfrachtet fast ausschliesslich zu Einsäuerungszwecken ver- 
wandt wird. 

Im zweiten Kapitel wird alsdann der Verlauf der Rohsäuerung be- 
sprochen. Der Verf. beschreibt zunächst die verschiedenen Manipulationen: 
Abwaschen und Reinigen der Gurken mit Bürste, geeignetes Zusammenschichten, 
Begiessen mit Salzwasser, Beschweren der Gurken u. s. w., ferner bespricht er 
die verschiedenartigsten gebräuchlichen Zusätze, z. B. Düll (Anethum vulgare), 
Sauerkirschblätter, Meerrettig in Scheiben, Estragon, Lorbeerblätter, Weinranken, 
Paprikaschoten und andere. Diese Zusätze sollen nach Hausfrauenangabe nicht 
nur Gewürzwerth haben, sondern sie sollen auch für die Haltbarkeit der Gurken 
von grosser Bedeutung sein. Die Ansichten darüber gehen allerdings sehr 
auseinander: Während von der einen Seite Wein- und Sauerkirschblätter als 
Zusätze geradezu empfohlen und gepriesen werden, wird von der anderen Seite 
vor deren Zusatz gewarnt, weil sie die Gurken schleimig machen und auch 
ihre Farbe beeinträchtigen sollen. Indesseu konnte der Verf. keinerlei Schä- 
digungen der Konserve beobachten, wenn er absichtlich irgendwelche derartigen 
Zusätze beim Einlegen der Gurken verwandte. 

Alle Manipulationen und Zusätze haben sich empirisch durch die allmäb- 
lich gesammelten Erfahrungen herausgebildet. Für die Haltbarkeit der Gurken 
ist jedoch in erster Linie von ausserordentlich hohem Werthe, dass die Laft 
möglichst fern gehalten wird, weshalb man auch in der Praxis die Dauerwaare 
in spandvollen, zugeschlagenen Fässern aufbewahrt. Die Säuerung der Gurken 
selbst verläuft hingegen fast ebenso gut bei Luftzutritt als bei Luftabschluss. 


Ernährung. 1019 


Um alsdann das Wesentliche von dem Unwesentlichen zu scheiden, wurde eine 
Reihe von Versuchen angestellt und zwar derartig, dass dieselben den in der 
Praxis üblichen Verfahren möglichst angepasst wurden. 

Der allgemeine Verlauf einer Gurkensäuerung ist nun ungefähr fol- 
gender: Die beim Einfüllen der Gurken oder kurze Zeit nach dem Einfüllen der- 
selben noch vollständig klare Flüssigkeit beginnt bei geeigneter Temperatur schon 
nach 24 oder zweimal 24 Stunden sich zu trüben und eine saure Reaktion 
anzunehmen. Am 2. oder 3. Tage zeigt sich auf der Oberfläche meistens ein 
weissgrauer bis brauner, blasiger Schaum, der in den nächstfolgenden Tagen 
einer dicken, weissgrauen Kabmhaut Platz macht. Nach etwa 14 Tagen bildet 
sich allmählich ein grauweisser, schleimiger Bodensatz, welcher auch die unter- 
getauchten Gurken theilweise bedeckt. Fadenpilze treten, abgesehen von der 
Kahmdecke, höchstens auf den Pflanzentheilen auf, welche aus der Flüssigkeit 
hervorragen. 

Ihren Maximalsäuregehalt erreicht die Kulturflüssigkeit nach ca. 2 bis 
3 Wochen; der Säuregehalt selbst ist natürlich je nach dem verwandten 
Gurkenmaterial, nach den obwaltenden Temperaturverhältnissen u. s. w. sehr 
verschieden bei den einzelnen Säuerungen: er schwankte bei den Versuchen 
des Verf.’s zwischen 0,39 pCt. und 0,99 pCt. Säure, auf Milchsäure berechnet. 
Vor Allem aber nehmen nach den vom Verf. gemachten Erfahrungen die Rein- 
heit des Geschmacks und die Haltbarkeit der Gurken mit dem Säuregrade zu, 
wie überhaupt die Milchsäure das eigentlich konservirende Princip der ge- 
nannten Frucht darstellt. Weiterhin ist zu erwähnen, dass Gurken, die bei 
Erreichung ihres Maximalgehaltes weniger als 0,5 pCt. Säure in der Brühe 
enthalten, oft recht unrein, oftmals sogar direkt etwas faulig schmecken; dieser 
unreine Geruch und Geschmack tritt alsdann um so mehr hervor, wenn schon 
ein kleiner, wenn auch unbedeutender Säurerückgang eingetreten ist. Sind 
nun die Gurken in offenen Gefässen eingelegt, so nimmt der Säuregehalt gar 
bald nach Erreichuug des Maximums allmählich wieder ab, Anfangs langsam, 
später schneller, und geht schliesslich nach monatelangem Hinstehen auf Null 
herunter, ja es reagirt sogar der Saft unter Umständen vielfach alkalisch. 
Diese Vorgänge vollziehen sich natürlich in nicht offenen Säuerungen, da etwas 
Luft durch die Poren des Fassholzes u. s. w. immer Zutritt hat, in der gleichen 
Weise, nur dauert es hier sehr viel längere Zeit, bis ein nennenswerther Säure- 
rückgang u. s. w. zu beobachten ist. 

Man kann demnach in dem gesammten Gährungsverlaufe 3 Perioden unter- 
scheiden: die Jungsäuerung, äusserlich gekennzeichnet durch die Schaum- 
bildung, die Reifsäuerung, diejenige Zeit, nach welcher das Säuremaximum 
erreicht oder nahezu erreicht ist, und die Periode der Säureabnahme oder das 
Stadium der Ueberreife. 

Während des Säureanstiegs gewinnen die Gurken successive an Werth; 
es muss allerdings dahingestellt bleiben, ob der höchste Werth auch mit dem 
Maximalsäuregebalt zusammenfällt. Der Geschmack bemisst bisher allein die 
Werthigkeit der Gurken, und gar Mancher zieht eine noch nicht vollständig 
saure Gurke der reifsauren Gurke vor. Im Gegensatz hierzu nimmt ohne 
Zweifel mit der Säureabnahme der Werth der Gurken ab, wenn die letzteren 


1020 Ernährung. 


auch nicht sofort werthlos werden. Wenn der Entsäuerungsprocess fortschreitet, 
so bilden sich schliesslich auch faule und üble Gerüche aus, wie oben bereits 
angedeutet worden ist; es sind dies die ersten äusseren Anzeichen für das 
allmähliche vollständige Verderben der Konserve. 

Während des Säureanstiegs wird das von vornherein markig weisse Fleisch 
der Gurke verändert und geht allmählich in einen Zustand über, den man als 
glasartig durchscheinend bezeichnen kann, und der in seinem Aussehen an ge- 
frorene Pflanzentheile erinnert. Die Ursache dieser Veränderungen liegt einmal 
in dem Aufüllen der Intercellularräume mit Wasser, ferner aber auch sicher- 
lich noch in anderweitigen Veränderungen während der Säuerung. Von dem 
normalen Weichwerden der Gurken ist alsdann das anormale Erweichen der- 
selben zu trennen. Für den Handel mögen weiche Gurken meist als minder- 
werthig gelten; geschmacklich ist jedoch oftmals das Weichwerden ohne Be- 
deutung, wenn nicht gerade schon anormale Zersetzungen ihren Anfang ge- 
nommen haben. 

In überreifen Säuerungen geht das Erweichen während der Säureabnahme 
schliesslich so weit, dass die äusserlich scheinbar ganz intakte Gurke bei der 
leisesten Berührung in eine matschig-faule Masse zerfällt, die sich zu einem 
homogenen Brei zerquirlen lässt. Alle Gurkentheile erleiden um so eher diese 
Veränderungen, als sie aus der Gurkenbrühe herausragen, und dieser Umstand 
macht es wahrscheinlich, dass neben der Organismenwirkung insbesondere der 
Luftsauerstoff bei diesen Zersetzungen eine grosse Rolle spielt. Ueberdies ist 
auch wohl das normale Erweichen der Gurken von dem abnormen nicht 
streng zu scheiden. 

Was nun die Säuerungen unter bestimmten Bedingungen anbelangt, so 
ist wohl zunächst ganz zweifelsohne dem Kochsalz nicht nur Gewürzwerth 
beizumessen; das Kochsalz ist allerdings für das Zustandekommen der Säue 
rang nicht absolut erforderlich, wohl aber sichert es den glatten Verlauf der 
Gährung und erhöht zugleich mit der Schmackhaftigkeit vor Allem die Halt- 
barkeit der Produkte. Ferner wird durch die Erwärmung eine ganz bedeu- 
tende Beschleunigung der Säuerung herbeigeführt; dieselbe hat ihren Grund 
in der gleichzeitigen Beschleunigung der Materiallieferung aus den Früchten 
in die umgebende Kulturflüssigkeit, wie auch vor Allem des Bakterienwachs- 
tbums. Von ganz besonderer Bedeutung ist der Einfluss der Temperaturen 
für die obwaltenden Diffusionsvorgänge. Der Säuerungsvorgang unter Oel ver- 
läuft übrigens ebenso schnell wie ohne Oel; bei Luftabschluss aber wurde in 
der gleichen Zeit etwas mehr Säure gebildet als bei Luftzutritt. Insbesondere 
ist aber durch eine Oelschicht, durch eine Bedeckung mit Oel bezw. in spund- 
vollen zugeschlagenen Fässern die Säurezerstörung ganz bedeutend gehemmt. 
Dementsprechend siod auch die unter Oel u. s. w. eingemachten Früchte weit 
haltbarer, als die in offenen Säuerungen. 

In Bezug auf die chemischen Vorgänge, welche sich bei der Gurkensäue- 
rung abspielen, ist vor Allem die Umwandlung des Zuckers in Milobsäure zu 
berücksichtigen. Die Güte und der Werth des Gurkenmaterials ist nicht 
nur von der Sorte der Gurken abhängig, sondern es spielt auch das vorlie- 
gende Entwickelungsstadium eine nicht unbedeutende Rolle. Für das Ein- 


Ernährung. 1021 


sauern am wichtigsten ist der Gehalt der Frischgurken an Zucker und zwar 
in erster Linie an Traubenzucker, da hauptsächlich dieser das Material für 
die Säurebildung abgiebt, der Rohrzucker aber ungleich schwerer angegriffen 
wird. Besondere Untersuchungen von verschiedenen Gurkensorten in verschie- 
denen Entwickelungsstadien zeigten alsdann, dass hauptsächlich der Zucker- 
gehalt bei den einzelnen Sorten ganz erhebliche Uuterschiede aufweist (0,16 pCt. 
bis 1,12 pCt.), und dass weiterhin thatsächlich das mittlere Altersstadium das 
für die Einsauerung beste ist, wie dies die Erfahrung uns bereits gelehrt hat. 
Gurken in jungem Stadium der Entwickelung baben fast noch gar keinen 
Zucker gebildet oder aufgespeichert, auch nimmt der Zuckergehalt im älteren 
Entwickelungsstadium und namentlich bei Samengurken ganz beträchtlich wieder 
ab. Bei der Beurtheilung dieser Ergebnisse muss allerdings berücksichtigt werden, 
dass es oftmals ziemlich schwer hält, das korrespondirende Altersstadium aus- 
zuwählen. Die neben dem Zucker vorhandenen Bestandtheile der Gurken (Fett, 
Holzfaser, Asche, N-haltige Substanzen u. s. w.) zeigten unbedeutende Diffe- 
renzen, auch dürften sie im Allgemeinen für die Einsauerung nur von unter- 
geordneter Bedeutung sein. 

Der Traubenzucker verschwindet nun während der Säuerung vollständig, 
und es ist deshalb unzweifelhaft, dass er in der Hauptsache das Material für 
die Milchsäure der Konserve, wie überhaupt für die gesammten Gährprodukte 
abgiebt, unter denen auch grössere oder geringere Spuren von Alkohol fast 
stets nachgewiesen werden konnten. Der Rohrzucker dagegen war in den 
meisten Fällen auch noch in gesäuerten Gurken nachweisbar, wenn er auch 
unverkennbar abgenommen hatte; indessen hat er ja wegen seiner geringen 
Menge für die Milchsäureproduktion überhaupt nur eine geringe Bedeutung. 
Möglicherweise aber kommen auch noch andere in den Gurken vorhandene 
Körper als Rohmaterialien für die Säurebildung in Betracht. 

Neben dem Zucker erfahren auch die Zellwandbestandtheile während der 
Gährung offenbar Veränderungen, die sich jedoch bisber chemisch nicht näher 
bestimmen liessen; wenigstens deutet in den Analysen hierauf ein gewisser 
Rückgang im Holzfasergehalte hin. Weiterhin laufen diese Zellwandverände- 
rungen wahrscheinlich auf die Lösung von Pektinsubstanzen hinaus, die vor 
Allem während des Säurerückganges ausserordentlich rasch von statten geht 
und schliesslich, wie oben erwähnt, die Gurken matschig zerfallen macht. 
Während der Säuerung geht auch der N-Gehalt und Aschegehalt ein wenig 
zurück, hingegen nimmt der Fettgehalt anscheinend zu. Das Weichwerden 
der Gurken fasst Verf. in Folge dessen als eine partielle Verquellung oder 
Lösung der Zellwand auf. 

Als die vorwiegend iu der sauren Gurkenbrühe vorkommende Säure wurde 
die inaktive Milchsäure festgestellt, ferner wurden aber auch Spuren von Essig- 
säure und Bernsteinsäure aufgefunden. 

Aus Mangel an genügenden Hilfsmitteln konnten allerdings über die Gäh- 
rungsgase keine näheren Untersuchungen angestellt werden; wahrscheinlich 
aber haben wir es hier ebenso wie bei der Sauerkrautgährung nach Conrad 
mit der Bildung von Kohlensäure, von Wasserstoff und in geringen Mengen 
auch von Methan zu thun. 


1022 Ernährung. 


Im 3. und 4. Kapitel werden vom Verf. diejenigen Organismen näher 
aufgeführt und erörtert, welche er in den Säuerungen der verschiedensten 
Herkunft vorfand. Um den Einfluss, welchen irgend ein bestimmter Organis- 
mus auf Haltbarkeit und Güte der Gurken ausübte, näher kennen zu lernen, 
leisteten Gurkenstreifenkulturen sehr gute Dienste. Die konstant wiederkeh- 
rende Flora wies meistens nur relativ wenig verschiedene Organismen auf: 
am mannigfaltigsten zeigte sich fast immer die Flora offener Säuerungen und 
hierbei namentlich die Decken derselben. 

Als ein regelmässiger Begleiter jeder Säuerung wurde Oidium lactis av- 
getroffen, daneben treten jedoch in der Kahmdecke und namentlich unterge- 
taucht gar nicht selten einige Sprosspilze (Torula- und Mycodermaformen) auf. 
Die Trubs von Gurkensäuerungen bilden eine weissgraue Masse, die unter dem 
Mikroskop ein merkwürdig konstantes Bild darbot. Neben Gliedern von Oidium 
lactis und den erwähnten Sprosspilzformen besteht der Trub ausschliesslich 
aus unbeweglichen Bakterienmassen. Auch war deren Zusammensetzung die- 
selbe bei den Säuerungen verschiedener Herkunft wie auch verschiedener Jabr- 
gänge. Ueberall gefunden wurden: Bacterium Güntheri, sowie Oidium lactis, 
neben diesen Organismen fast überall auch B. coli. Diese beiden Bakterien 
sind als Milchsäuregährungserreger bekannt und auch hier als solche befunden 


worden; durch letzteres — Bact. coli Esch. — wird speciell die Schaumbil- 
dung erzeugt, während erstgenannter Organismus — B. Güntheri Lehm. u. 
Neum. -- Milchsäure ohne Gasbildung produeirt. Obendrein wurden beide 


Milchsäurebakterien in mehreren Varietäten angetroffen, die sich jedoch im 
Wesentlichen nur durch ihre grössere und geringere Säuerungsenergie unter- 
schieden. 

Ganz allgemein producirten auch die Bact. Güntheri-Formen mehr Säure, 
als die Bact. coli-Formen, so dass man höhere Säuregrade und hiermit auch 
die Güte und Haltbarkeit der Gurken lediglich dem ersteren Organismus zu 
verdanken hat. Die untersuchten B. Güntheri-Formen producirten gleichfalls 
lediglich inaktive Milchsäure, allerdings im Gegensatz zu den Coliarten oliwe 
Gasbildung. Das typische B. Güntheri erzeugt nun bekanntlich Rechtsmilch- 
säure, und es sind deshalb die vorliegenden Formen vom Verf. als Var. inac- 
tiva bezeichnet worden. Sie als eine besondere Art dem typischen B. Gün- 
tberie gegenüberstellen zu wollen, dürfte nicht angängig sein, da nach Pere's 
Untersuchungen (Chem. Centralbl. 1894. I. S. 411) die Art der produeirten 
Milchsäure je nach der Ernährung bei derselben wechseln kann. Ueberbaupt 
ist nach dem Verf. das B. Güntheri möglicherweise nur eine biologische Art, 
die sich entweder vom B. acidi lactici Hueppe oder B. coli Esch. herleitet 
Während nun das B. Güntheri das Aussehen und die Festigkeit der Gurken- 
streifen in keiner sichtbaren Weise beeinflusste, so war dies anders bei den 
mit den B. coli geimpften Streifen. Diese zeigten eine schmutzig-weisse bis 
gelblich-weise Auflagerung, unter deren Wirkung die Gurke schon vom 3. Tage 
au ihr Aussehen wesentlich änderte; die Gurke verfiel, d. h. sie begann welk 
und weich zu werden, so dass sie zuletzt den Anschein einer faulen Masse 
erweckte. B. coli bewirkt ausserdem, wie oben schon erwähnt, die Schaum- 
bildung und ist ferner beim Zustandekommen des glasig durchscheinenden 


Ernährung. 1023 


Aussehens und des Geruches der sauren Gurken betheiligt, wirkt aber ent- 
schieden nachtheilig durch das Erweichen der Früchte; vor allem aber dürfte 
dieser Organismus bei der Säurezerstörung eine grössere Rolle spielen. 

Die neben den Milchsäuregährungserregern in den Säuerungen aufgefun- 
denen Organismen lassen sich in 3 Gruppen eintheilen: in Hyphenpilze, Spross- 
pilze und Bakterien; sie sind indessen sammt und sonders nach der Ansicht 
des Verf.’s für die Säuerung selbst wenig von Belang, meist vollständig gleich- 
gültig, theilweise allerdings sogar schädlich. 

Unter den Hyphenpilzen kehren regelmässig Penicillium glaucum und 
Aspergillus glaucus auf den Platten wieder, wie sich dieselben auch ausser- 
ordentlich häufig auf der Kahmdecke angesiedelt hatten; ausserdem fand sich 
in einer Brühe Sporidesmium mucosum, Sacc. var. pluriseptatum Karst. u. 
Harris. und eine Verticilliumart, von Verf. V. cucumerinum genannt, vor. 
Einmal wurde auch Monilia candida Hansen gefunden. Von Sprosspilzen 
wurden 2 Torulaformen und eine Mycodermaart beobachtet, von denen die 
letztere wahrscheinlich bei der Säureabnahme eine gewisse Rolle zu spielen 
vermag. 

Unter den Bakterien wurden am meisten fluorescirende Bakterien 
vom Verf. angetroffen. . Neben diesen wurden mehrmals in Reif- und Jung- 
säuerungen der Heubacillus, Bac. subtilis Cohn, gefunden. Aus einer Brühe 
wurde anscheinend B. megaterium isolirt; schliesslich sind vom Verf. auch 
noch 3 weitere Bakterienformen isolirt worden, die er indessen mit einer be- 
kannten Form nicht näher identifieiren konnte. Bei seinen speciellen Unter- 
suchungen über die Bedeutung der verschiedenartigsten Organismen für die 
Gurkensäuerung bat Verf. auch Versuche mit Reinkalturen ven B. Güntheri 
und B. coli — als sogenannte Reinsäuerungen — angestellt; allein in Folge 
der Schwierigkeit der Sterilisation des Gurkenmaterials (Sterilisation über 
Formaldebyddämpfen versagte, da das Wachsthum der eingetragenen Bakterien 
nahezu ganz unterblieb; Waschen mit Antisepticis und nachträgliches Abspülen 
mit sterilem Wasser erwies sich auch als unzulässig; Sterilisiren der Gurken 
mit Wärme unter Wasser beeinträchtigte schliesslich die Zusammensetzung 
des Gurkenfleisches mehr, als nach den Erfahrungen mit den Gurkenstreifen 
erwartet wurde) konnte Verf. bei allen seinen diesbezüglichen Kulturen den 
erhofften Einblick nicht gewinnen. 

In Kapitel V wird alsdann die Herkunft der Organismen der Gurkensäne- 
rungen erörtert: sie kommen einmal mit dem Gurkenmaterial selbst in die 
Säuerungen, dann aber können sie auch sehr wohl aus dem Erdboden, aus 
den Wohnungsräumlichkeiten, ferner auch mit dem Wasser in dieselben ge- 
langen. 

In Kapitel VI und VII kommt Verf. nochmals besonders auf die fehler- 
haften und verdorbenen Säuerungen zu sprechen und hebt zunächst hervor, 
dass Früchte von absterbenden Gurkenbeeten möglichst nicht mehr zum Ein- 
säuern Verwendung finden dürfen. Neben der bakteriologischen spielt zweifellos 
auch die chemische Zusammensetzung des verwandten Wassers eine gewisse 
Rolle. Dei Säuerungen, welche im Verderben begriffen oder schon verdorben 
sind, kommen natürlich hauptsächlich allerlei Fäulnissbakterien — z. B. die 


1024 Ernährung. 


verschiedenen Fluorescensarten, ferner auch Proteus vulgaris — in Betracht. 
Die Rolle des B. coli hierbei ist noch ziemlich unsicher. 

Zum Schlusse werden im 8. Kapitel die Folgerungen für den Gesammt- 
verlauf und die Praxis der Gurkensäuerungen gezogen. Wenn man die sämnt- 
lichen Organismen, welche in den mannigfachen Säuerungen gefunden wurden, 
überblickt, so stellt sich die letztere als ein Fäulnissvorgang dar, der jedoch 
durch die Milchsäurebildung ein ganz eigenartiges Gepräge erhält. Nach 
Gordan (Ueber Fäulnissbakterien in Obst und Gemüse. Inaug.-Diss. Erlangen 
1897) vollzieht sich nämlich die vegetabilische Fäulniss unter dem Zusam- 
menwirken von B. coli mit einem fluoreseirenden, vereinzelt auch mit einem 
dritten Bakterium. Wenn man von dem letzteren Bakterium absiebt, dessen 
Stelle übrigens einige andere gleichwirkende Arten vertreten können, so treten 
die Fäulnisserreger Gordan’s auch in den Gurkensäuerungen auf, hier frei- 
lich im Verein mit Bact. Güntheri. Vor Allem aber sind jene Bakterien nach 
den Untersuchungen des Verf.’s in den ersten Säuerungsstadien — der Jung- 
säuerung — in reichlichen Mengen vorhanden, und auch die Gurkensäuerung 
erhält, wie alle Rohsäuerungen, erst dadurch ihr Gepräge, dass eine bestimmte 
Organismengattung — die Milchsäureerreger — die Oberhand über die anderen 
vorhandenen Keime gewinnt. Mit den Konkurrenten der Milchsäurebakterien fand 
Verf. hauptsächlich die Fruchtschale der Gurken besiedelt, weshalb sich tbat- 
sächlich zur Sicherung der Säuerung ein Abbürsten der Früchte vor dem Ein- 
legen empfiehlt. Geruch und (Geschmack der Konserve wird alsdann sicher 
ein reinerer werden. Interessant aber bei der Gurkensäuerung ist nun die 
Thatsache, dass das B. coli — sonst ein Fäulnisserreger — neben B. Güntheri 
einer der vorherrschenden Organismen ist, und zwar zunächst die Säuerung 
keineswegs ungünstig beeinflusst. Dies ist jedoch auf den Zuckergehalt der 
Gurken und die auch von ihm daraus prodncirte Milchsäure zurückzuführen. 
Wenn in einem Organ der Zucker fehlt, so tritt gleich Anfangs Fäul- 
niss ein. 

Für die Praxis der Gurkensäuerung ergeben sich alsdann folgende wich- 
tigen Punkte: 1. Rechtzeitige Diffusion des Zuckers in die Gurkenbrühe, 2. das 
Vorhandensein genügender Zuckermengen (zur Bildung von mehr als 0,5 pCt. 
Säure), 3. Vorhandensein eines kräftigen Milchsäureerregers. 

Für die ersten Säuerungstage ist darum eine Erwärmung zur besseren 
Diffusion des Zuckers aus den Gurken in die umgebende Flüssigkeit anzu- 
rathen; dieselbe lässt sich eventuell auch beschleunigen durch Anstechen der 
Früchte, was von mancher Seite gegen das Hohiwerden angewandt wird. 
Verf. empfiehlt ferner einen direkten Zuckerzusatz von etwa 1/,—1 g Trauben- 
zucker zur Kochsalzlösung pro Liter, und zur Einleitung einer kräftigen Gäb- 
rung einen Zusatz von einer kleinen Menge saurer Milch, als Träger von B. 
Güntheri. Zur Erhöhung der Säurekoncentration trägt natürlich auch eine 
feste Schichtung der Gurken bei. In der That hat alsdann Verf. mit einem 
Zusatz von 21/, pM. Traubenzucker und einem Esslöffel voll saurer Milch 
(pro 10 Liter Brühe) ganz vortreffliche Resultate erzielt. 

In ähnlicher Weise, wie der Zuckerzusatz, wirkt natürlich auch der in 
der Praxis bisweilen geübte Weinsäurezusatz, indem dadurch. einmal die 


Ernährung. 1025 


säureempfindlichen Fänlnissbakterien in ihrer Entwickelung gleich An- 
fangs gehemmt werden, dann aber der Säuregehalt der Brühe überhaupt er- 
höbt und so die Haltbarkeit der Gurken begünstigt wird. In Bezng auf den 
Kochsalzzusatz sind ähnliche Verhältnisse nicht besonders geprüft worden; es 
ist jedoch zu bemerken, dass schon ein Zusatz von 4—5 pCt. NaCl auf das 
B. coli Esch., nicht aber auf B. Güntheri hemmend einwirkt; ein Zusatz in 
dieser Höhe ist daher zu empfehlen. Gegen den Säureabbau (wahrscheinlich 
hervorgerufen durch B. coli, Oidium lactis und Sprosspilze) ist Luftabschluss 
in offenen Säuerungen durch Oelschicht, bei Fassgurken durch Zuschlagen 
des spundvollen Fasses berbeizuführen. Heinze (Halle a. S.). 


Kayser R., Gährungsessig und Essigessenz. Zeitschr. f. öffentl. Chemie. 
1900. S. 498. 

In dem Kampfe um die Frage der Verwendung von Essigessenz an 
Stelle von Gährungsessig nimmt Verf. unter Berücksichtigung ihrer histo- 
rischen Entwickelung, ihrer wirthschaftlichen, ökonomischen und hygienischen 
Bedeutung den folgenden Standpunkt ein: 

1. Für die Verwendungsfähigkeit einer Essigart im Haushalt als Speise- 
essig oder für Zwecke der Konservirung ist die Herstellungsart derselben in 
wirthschaftlicher und in physiologischer Beziehung völlig gleichgültig. 

2. Der Verwendungswerth einer Essigart hängt in erster Linie von dem 
Gehalt an Essigsäure, in zweiter Linie von dem Gehalt an Aromastoffen ab. 

3. Die Bezeichnung von Essigessenz und daraus hergestelltem Essig als 
Kunstessig im Gegensatz zu aus verdünntem Weingeist mit verschiedenen Zu- 
sätzen and mit Hilfe der Essigbakterien hergestelltem sogenannten Gährungs- 
essig als Naturessig ist eine völlig unbegründete. Beide Essigarten sind Kunst- 
essige, im thatsächlichen Gegensatz zu Naturessigen: Die Naturessige sind allein 
jene Essigarten, welche aus vergohrenen, ursprünglich zuckerhaltigen Frucht- 
säften oder äbnlichen Produkten erhalten werden. 

4. Die toxikologische Wirkung koncentrirter Essigsäuren ist unabhängig 
von der Art ihrer Herstellung, sie tritt nicht nur bei 60—80 pÜt. Essigessenz, 
sondern auch bei solchen Verdünnungen der Essigsäure ein, wie sie die im 
Handel vorkommenden Arten des Essigsprits besitzen. 

5. Im Verkehr mit Essigsprit ist ähnliche Vorsicht geboten, wie im Ver- 
kehr mit Essigessenzen, bei beiden sind die gleichen Vorsichtsmaassregeln 
gegen fahrlässige Intoxikationen erforderlich. Wesenberg (Elberfeld). 


Sitzung der vom „Verbande selbstständiger Öffentlicher Chemiker 
Deutschlands“ eingesetzten „Cognac- Kommission.“ Zeitschr. f. 
öffentl. Chem. 1901. S. 3. 

Die Kommission war von der Dresdener Hauptversammlung des vorge- 
nannten Verbandes eingesetzt worden und tagte am 8. Januar 1901 in Berlin 
unter dem Vorsitze von Dr. Kayser (Nürnberg); derselben gehörten Vertreter 
der deutschen Cognac-Industrie und Mitglieder des einberufenden Vereins an. 
Es wurden folgende Beschlüsse gefasst: 


1026 Gewerbehygiene. 


„I. Cognac ist ein mit Hilfe von Weindestillat hergestellter Triok- 
branntwein. 

2. Cognac, welcher unter einer Bezeichnung in den Verkehr gebracht 
wird, die den Anschein erwecken muss, dass es sich um reines Weindestillat 
handelt, darf seinen Alkoholgehalt nur dem Destillat aus Wein oder Trester- 
wein verdanken. 

Die Versammlung erklärt, dass sie den Namen „Cognac-Weinbrand“ als 
eine geeignete Bezeichnung für einen derartigen Cognac ansieht. 

3. Cognac muss wenigstens 38 Volumprocent Alkohol und darf nicht 
mehr als 2 g Zucker, als Invertzucker bestimmt, und nicht mehr als 1.5 g 
zuckerfreies Extrakt in 100 ccm enthalten. 

Der Zusatz von Glycerin zum Cognac als Süssungsmittel ist nicht ge- 
stattet. 

Als Farbstoff ist zulässig, was durch die natürliche Fasslagerung und 
durch Zusatz von gebranntem Zucker in den Cognac gelangt. 

4. Ein Cognac, der unter dem Namen „Medicinal-Cognac* in den Handel 
gebracht wird, hat den Vorschriften des Deutschen Arzneibuches zu entsprechen. 

5. Cognacähnliche Getränke, die mittels künstlicher Essenzen, sowie 
Aetherarten und ätherischer Oele hergestellt sind, sind als Kunst-Cognac 
zu bezeichnen. 

6. Als französischer Cognac oder unter den diesem Begriff entsprechenden 
Bezeichnungen ist in Deutschland nur ein aus Frankreich importirter und im 
Originalzustande belassener Cognac zu verstehen. 

Auf Cognac aus anderen ausserdeutschen Ländern finden diese Bestim- 
mungen ebenfalls sinngemässe Anwendung.“ Wesenberg (Elberfeld). 


Klebe, Wilhelm, Ueber Arbeiter-Wohlfahrtseinrichtungen in Gas- 
werken. Vortrag, gehalten in der Winterversammlung des Märkischen Ver- 
eina von Gas- und Wasserfachmännern zu Berlin am 24. Februar 1901. 
Journ. f. Gasbel. u. Wasserversorg. 1901. No. 16 u. 17. S. 281 u. 301. 

Klebe legt. die theils geschaffenen, theils noch fehlenden Einrichtungen 
in Gaswerken dar, welche der Wohlfahrt des Arbeiters (ausserhalb des 

Werkes) zu dienen bestimmt sind. Es wird betont, dass solche Veranstaltun- 

gen stets in einer Form ausgebildet werden müssen, die zugleich sociale Fort- 

schritte herbeiführt,, da sie anderenfalls nur geringen Werth besitzen. Eine 
besonders hohe Bedeutung wird den Arbeiter-Ausschüssen nach dieser 

Richtung beigelegt. Trotz ihres nur bedingten socialen Werthes kommt aber 

den Hilfs-, Unterstützungs-, Pensions-, Spar- und sonstigen Kassen. 

den Speiseanstalten, Konsum- und Bauvereinen für die wirthschaft- 
liche Lage des Arbeiters eine mindestens gleichwerthige Bedeutung zu, sobald 
der Arbeitgeber sie in hochherziger Weise nnterstützt und fördert. 

Diesen Darlegungen folgt eine eingehende Beschreibung der Kassen- und 
sonstigen Wohlfahrtseinrichtungen, wie sie sein sollen und wie sie nicht sein 
dürfen. H. Chr. Nussbaum (Hannover). 


Kleinere Mittheilungen. 1027 


Kleinere Mittheilungen. 


(2) Zeitungsnachrichten zufolge ist Gelsenkirchen der Schauplatz einer 
heftigen Typhusepidemie geworden, die innerhalb weniger Tage viele Hundert 
Erkrankungen hervorgerufen hat und ihren Höhepunkt immer noch nicht überschritten 
zu haben scheint. Begreiflicher Weise hat man auch dort alsbald das Trinkwasser 
mit der Entstehung der Krankheit in Verbindung gebracht, und so wussten die Blätter 
bald von dem schon gelungenen Nachweis der Typhusbacillen in der Gelsenkirchener 
Leitung, bald von einem Bruch des Rohrstrangs vor einem Hause in Steele zu erzählen, 
in dem vorher der Typhus geherrscht habe. Wieweit diese Meldungen auf Wahrheit 
oder Vermuthung beruhen, oder ob sie völlig irrthümlicher Natur, entzieht sich meiner 
Beurtheilung. Dass aber das Wasser an sich die ihm zugeschriebene Rolle thatsäch- 
lich gespielt habe, ist mir nach meiner Kenntniss von dem Zustande mancher Ver- 
sorgungsanlagen im Ruhrgebiet mindestens nicht unwahrscheinlich. Man braucht 
dabei noch nicht einmal auf Ruhrort zu verweisen, wo noch im vorigen Jahr zur Zeit 
des Wassermangels im Hochsommer einfach ungereinigtes Wasser aus der Ruhr in die 
Leitung gepumpt wurde und als Folge dieser unverantwortlichen Maassregel alsbald 
eine Typhusepidemie in der Stadt ausbrach. Aber manche Wasserwerke an der Ruhr, 
von denen ich aus eigener Anschauung zu erzählen weiss, kranken noch an der ver- 
fänglichen Einrichtung, dass sie ausser den jn einiger Entfernung vom Flusse gelegenen 
Brunnen ein abgezweigtes Saugrohr unmittelbar in das Strombett selbst 
versenkt haben, das in der kritischen Periode der Dürre und Trockenheit in Thätigkeit 
tritt und angeblich durch eine übergelagerte Kiesschicht filtrirtes, in Wahrheit aber 
unfiltrirtes Flusswasser und zwar meist in sehr erheblichen Mengen schöpft. Weiter 
mag bemerkt sein, dass auch die Brunnen vielfach nicht den gehörigen Ab- 
stand von der Ruhr wahren, dass die Durchlässigkeit der umgebenden Boden- 
schichten zwar den Bezug des Wassers erleichtert, aber seine Befreiung von verdäch- 
tigen Stoffen nicht in der erforderlichen Weise gewährleistet, und endlich geben nach 
meinen Erfahrungen gerade an der Ruhr noch die Düker oft zu sehr lebhaften Be- 
denken Veranlassung, mit denen die Leitung vom entgegengesetzten Ufer her unter 
dem Strom hindurchgeführt ist und die nicht immer die erforderliche Dichtigkeit auf- 
weisen. Zu den Städten, die so das Wasser vom anderen — hier dem linken -— Ufer 
her beziehen, gehört meiner Erinnerung nach, wie die weiter abwärts gelegenen Steele 
und Essen, auch Gelsenkirchen. Aber ob deshalb der eben erwähnte oder einer der 
anderen Mängel hier wirklich vorhanden ist, kann ich nicht sagen und wage ich um 
so weniger zu behaupten, als mir an der Ruhr auch einwandsfreie und tadellose An- 
lagen genugsam bekannt sind. Immerhin würde es mich nicht überraschen, wenn bei 
der von sachkundiger Seite eingeleiteten Untersuchung der Verhältnisse einer der an- 
geführten Missstände aufgedeckt und alsQuelle der Typhusepidemie festgestellt würde. 
Erwünscht wäre es nach diesem warnenden Beispiel jedenfalls, wenn die sämmtlichen 
Wasserwerke jener Gegend einmal einer gründlichen und schonungslosen Prüfung unter- 
worfen würden. Es ist manches faul dort. 


(J) Im Monat Juli 1901 hatten von 279 deutschen Orten mit mehr als 15000 Ein- 
wohnern 27 eine höhere Sterblichkeit als 35,0 auf 1000 Einwohner und aufs Jahr be- 
rechnet, im Juni dagegen nur 2. Geringer als 15pM. war die Sterblichkeit in 10 Orten 
gegenüber 57 im Juni. Mehr Säuglinge als 333,3 auf 1000 Lebendgeborene starben 
in 120 Orten gegen 21, weniger als 200,0 in 32 gegen 149 im Vormonat. 

(Veröfl. d. Kais. Ges.-A. 1901. S. 857.) 


1028 Kleinere Mittheilungen. 


Stand der Seuchen. Nach den Veröffentlichungen des Kaiserlichen Gesund- 
heitsamtes. 1901. No. 37 u. 38. 

A. Stand der Pest. I. Türkei. Assyr. 19.—28.7.: 2Erkrankungen. 2 Todes- 
fälle. Il. Aegypten. Alexandrien. 30. 8.—6. 9.: 4 Erkrankungen, 4 Todesfälle. 
Port Said. 23.3.—30.8.: 3 Erkrankungen, 3 Todesfälle. 31.8.—6.9.: 3 Erkrankun- 
gen, 2 Todesfälle. Mit Gamr. 23.—30. 8.: 1 Erkrankung, 1 Todesfall. 31. 8. bis 
6. 9.: 8 Erkrankungen, 4 Todesfälle. III. Kapland. Port Elizabeth. 4.-10. 8: 
4 Erkrankungen, 1 Kranker als pestverdächtig unter Beobachtung gestellt. 11. bis 
17.8.: 3 Erkrankungen, 2Pestleichen wurden aufgefunden. Kaphalbinsel. 4.—10.8.: 
1 Erkrankung, 2 Personen als pestverdächtig unter Beobachtung. Kapstadı. 
Man hält die Seuche hier für erloschen, da innerhalb Monatsfrist nur 5 neue Fälle 
beobachtet worden sind, doch fanden sich am 14. 8. noch 15 Pestkranke im Hospital, 
und in denContact camps am 10.7.noch 15 Personen in Beobachtung. IV. Britisch- 
Östindien. Präsidentschaft Bombay. 4.—10.8.: 3465 Erkrankungen, 2492 To- 
desfälle. 11.—17.8.: 3834 Erkrankungen, 2867 Todesfälle. Stadt Bombay. 4.—10.8.: 
Todesfälle im Ganzen: 854, davon erweislich an Pest: 168 und unter Pestverdacht: 
191. Die Neuerkrankungen werden auf 157 angegeben. 11.—17.8.: 223 Erkrankungen, 
214 erwiesene Peststerbefälle und 160 Todesfälle unter Pestverdacht. Kalkutta. 
28. 7.—3. 8.: 11 Todesfälle. 4.—10. 8.: 18 Erkrankungen, 17 Todesfälle. V. Hong- 
kong. Während der 4 Wochen vom 6. 7.—3. 8. sind in der Kolonie 26-13-19-13 Er- 
krankungen und 22-16-20-11 Todesfälle an Pest amtlich bekannt geworden, von diesen 
71 Erkrankungen entfielen auf die Stadt Victoria 47 und 24 auf die übrige | aa lonie. 
VI. Philippinen. Manila. Während der 3 Wochen vom 22. 6.—13. 7.: 15-8 
12 Erkrankungen und 11-7-10 Sterbefälle an Pest festgestellt. VIL eine 
Während der 3 Wochen vom 7.—27. 7. sind 3 Neuerkrankungen, kein Todesfall fest- 
gestellt worden, und zwar am 7. und 24. 7. je eine in Brisbane und am 16. 7. eine 
in Cairns. 

B. Zeitweilige Maassregeln gegen Pest. Deutsches Reich. In Folge 
Rundschreibens des Reichskanzlers vom 7. 9. ist die gesundheitspolizeiliche Kontrole 
der Seeschiffe aus Porto und dessen Vorhafen Leixoes wieder aufgehoben worden. 

C. Stand der Cholera. I. Britisch-Ostindien. Kalkutta. 28.7.—.3.: 

17 Todesfälle. 4.—10. 8.: 6 Todesfälle. Il. Niederländisch-Indien. In Sama- 
rang soll nach einer Mittheilung vom 12. 9.die Cholera epidemisch herrschen. 
D. Stand der Pocken. Grossbritannien. London. 18.—31. 5.: Es war- 
den 52 Kranke den Krankenhäusern überwiesen, 7 Personen sind an Pocken gestorben. 
Hauptsächlich von der Seuche betroffen sind die nördlichen Stadttheile: St. Pankras 
und Marylebone. 

E. Gelbfieber. I. Brasilien. Rio de Janeiro. 16. 6.—15. .7: 10 Todes- 
fälle. Pernambuco. 1.—15.7.: 3 Todesfälle II. Mexico. Vera Cruz. 28.7.—3.8.: 
1 Todesfall. 4.—17.8.: 8Erkrankungen, 3 Todesfälle. Progreso. 22.—28.1.: 1 Er- 
ann Tampico. 27.7.-—22.8.: 1 Erkrankung, 1 Todesfall. Merida. 22.6. bis 
28 6 Todesfälle. Ill. Costa Rica. Port Limon. 28.7.—11.8.: 8 Todesfälle, am 
11.8 noch 6 Kranke in Behandlung. IV. Columbien. Bocas del Toro. 2]. 7. bis 
14.8.: 3 Erkrankungen. V. Cuba. Havana. 27.7.—8.8.: 3 Erkrankungen, 1 Todesfall. 
Marianao. 27.7.—3.8.: 1 Erkrankung, 1 Todesfall. Matanzas. 28.7. .: 1 Todes- 
fall. Pinar del Rio. 28. 7.--3.8.: 1 Erkrankung. Regla. 28.7.—3.8.: 1 Todesfall. 

Jacobitz (Halle a. S.). 


Verlag von Angust Hirschwald, Berlin N.W. — Druck von L. Schumacher in Berlin. 


Hyeienische Rundschau. 


Herausgegeben 
von 
Dr. Carl Fraenkel, Dr. Max Rubner, Dr. Carl Günther, 
Prof. der Hygiene in Halle a.;8. Geh. Med.-R., Prof. der Hygiene in Berlin. a. o. Professor in Berlin. 


Berlin, 1. November 1901. W 21. 


XI. Jahrgang. 


Die internationale Konferenz zu Brüssel im Jahre 1899 und die in Preussen 
zur Bekämpfung der Geschlechtskrankheiten seither getroffenen Maassnahmen. 
Von 


Geh. Ober-Med.-Ratı Dr. Schmidtmann (Berlin)!). 


Die Veranstaltung der internationalen Konferenz zur Bekämpfung der 
Syphilis und der venerischen Krankheiten bedeutet an sich eine That und 
die officielle Beschickung durch zahlreiche Vertreter der Kulturstaaten einen 
offenkundigen Erfolg, der mit einem Schlage die Fesseln gelöst hat, in denen 
bisher die Bekämpfung der venerischen Krankheiten und deren öffentliche 
Diskussion gehalten war. Die im September 1899 in Brüssel tagende inter- 
nationale Versammlung hat endgültig die Bahn frei gemacht und die Unter- 
lagen geschaffen für die nationale Gemeinschaft und das Zusammenwirken in 
der zielbewussten planmässigen Aufnahme des Kampfes, ohne welche ein Er- 
folg gegen die am Mark aller Kulturvölker zehrenden, die Volksgesundheit 
und den Volkswohlstand schädigenden Krankheiten nicht denkbar ist. 

Es sind demnächst zwei Jahre seit dieser denkwürdigen Konferenz ver- 
flossen, eine Zeit, zu kurz, um schon grosse Erfolge gegen eine Volksseuche, 
wie sie durch die venerischen Krankheiten dargestellt wird, zu erwarten, aber 
doch lang genug, um einen gewissen Anhalt dafür zu geben, ob die Anre- 
gungen der internationalen Konferenz auf fruchtbaren Boden gefallen sind, 
und ob insbesondere die einzelnen Regierungen sich ihrer Pflicht bewusst ge- 
worden sind, die begründeten Vorschläge der Konferenz nach Möglichkeit in 
die That umzusetzen und die gesetzlichen und administrativen Machtmittel 
zum Schutze der gefährdeten öffentlichen Gesundheit auf diesem Gebiete zu 
entfalten. Aus diesen Erwägungen heraus habe ich geglaubt, der wiederholten 
Bitte des um diese Sache so hochverdienten Generalsekretärs der internatio- 
valen Vereinigung zur Wahrung der Gesundheit und Sittlichkeit Herrn Dr- 
Dubois-Havenith entsprechen zu sollen, und gebe nachfolgend einen kurzen 


1) Die vorliegende Arbeit ist zuerst veröffentlicht in dem Bulletin de la société 
internationale de prophylaxie sanitaire et morale. Tome I. 1901. No. 3. Secrétariat 
general Bruxelles. 


~ 
x 


1030 Sohmidtmann, 


Ueberblick über den Stand der Angelegenheit in Preussen und über die 
Maassnahmen, welche seit der Konferenz und zumeist in direktem Anschlusse 
an die dort gefassten Beschlüsse theils ausgeführt, theils vorbereitet sind. 

Die erste These der Konferenz lautete: „La conference émet le voeu 
de voir les Gouvernements user de tous leurs pouvoirs en vue de 
la suppression absolue de toute prostitution de filles en état de 
minorité civile“. 

Diesem Wunsche zu genügen, bot bis vor kurzem eine beschränkte und 
unvollkommene Handhabe das preussische Zwangs-Erziehungsgesetz von 1878, 
indem es eine Zwangserziehung für die verwahrlosten Kinder vorsah, welche 
im Alter von 6—12 Jahren sich einer strafbaren Handlung schuldig machten, 
aber wegen ihres Alters nicht strafrechtlich verfolgt werden konnten. An 
Stelle dieses Gesetzes, welches vornehmlich kriminalistischen Zwecken diente, 
ist seit dem 1. April d. J. das Preussische Fürsorge-Erziehungsgesetz 
vom 2. Juli 1900 in Kraft getreten, das den auf abschüssieer Bahn dahin- 
gleitenden Minderjährigen die helfende, rettende Haud entgegenstrecken will, 
und sich dergestalt als ein social-reformatorisches Werk von grösster Trag- 
weite darstellt. Nach diesen Bestimmungen ist die Fürsorgeerziehung zulässig 
bis zum vollendeten 18. Jahre: 

Erstens, wenn Kinder, die unter elterlicher Gewalt stehen, durch schuld- 
haftes Verhalten der Eltern in Gefahr gerathen zu verwahrlosen; 

Zweitens, wenn bei bevormundeten Minderjährigen die Fürsorge-Erziehung 
zur Verhütung der Verwahrlosung notbwendig ist; 

Drittens, wenn Minderjährige, auch ohne dass ein Verschulden der Eltern 
vorliegt, verwahrlosen und die erziehliche Einwirkung der Eltern, der sonstigen 
Erzieher oder der Schule nicht ausreichen, um ein völliges sittliches Verderben 
zu verhäten. 

In der dritten Gruppe werden besonders die Minderjährigen in Frage 
kommen, welche sich der Aufsicht der Eltern und Erzieher entziehen oder 
widersetzen und gegen deren Willen sich im schlechter Gesellschaft bewegen, 
wo sie Anreizung zum lüderlichen Leben haben oder zur Begehung von Straf- 
thaten finden, also diejenigen, welche uns im vorliegenden Falle zumeist 
interessiren. 

Angeordnet wird die Fürsorgeerziehung vom Vormundschaftsgericht und 
zwar von Amtswegen oder auf Antrag; die Ausführung liegt den Provinzial- 
verbänden ob, die zugleich darüber bestimmen, ob der Zögling in einer Familie 
oder in einer Erziebungsanstalt untergebracht werden soll. Die Fürsorge- 
erziehung endet spätestens mit dem 21. Lebensjahr. Die Aufhebung kann 
vorher auf Widerruf unter der Bedingung erfolgen, dass sich der Minderjährige 
der über ihn angeordneten Aufsicht unterstellt. 

Dies in Kürze der wesentliche Inhalt des Gesetzes, auf Grund dessen der 
an sämmtliche Regierungspräsidenten ergangene Erlass des Ministers des Innern 
vom 28. Mai 1901 bezüglich der en weiblichen Minderjährigen fol- 
gende Anordnung trifft: 

„Gegen weibliche Minderjährige unter 18 Jahren, welche sich der gewerbs- 
mässigen Unzucht ergeben haben, und bei denen die Stellung unter sittenpolizei- 


Die internationale Konferenz zu Brüssel im Jahre 1899 u.s.w. 1031 


liche Kontrole in Frage kommt, oder die bereits dieser Kontrole unterstehen, 
ist auf Grund des Gesetzes über die Fürsorgeerziehung Minderjähriger vom 
2. Juli 1900 stets der Antrag auf Fürsorgeerziehung durch die dazu berech- 
tigten und verpflichteten Behörden zu stellen. Die sittenpolizeiliche Kontrole 
darf künftig erst angewendet werden, wenn das Vormundschaftsgericht die 
Anordnung der Fürsorgeerziehung abgelehnt hat und die dagegen eingelegte 
Beschwerde fruchtlos geblieben ist.“ 

„Die Bestimmungen wegen der Zwangsheilung der geschlechtskrank be- 
fandenen Personen bleiben unberührt.“ 

Der Erlass bewegt sich ganz im Geiste des vorerwähnten Beschlusses der 
Konferenz, und das Gesetz vom 2. Juli 1900 bietet nunmehr eine wirksame 
Hilfe zu seiner Ausführung und weiterhin auch zu der Beachtung der Pro- 
position IV A der Konferenzbeschlüsse. 

Die Verbreitung und Vertiefung der Keuntniss von den venerischen 
Krankheiten ist Gegenstand des dritten Beschlusses der Konferenz. Hier- 
bei ist zuerst an die Ausbildung der Mediciner auf der Universität gedacht und 
weiterhin gefordert, dass das Gebiet der venerischen Krankheiten zum be- 
sonderen Prüfungsgegenstand erhoben und von Specialisten geprüft werden soll. 

Die Ermittelungen, die seitens der Preussischen Unterrichtsverwaltung 
über den Unterricht an den Universitäten gepflogen sind, haben dazu 
geführt, neue Lehraufträge in den Haut- und Geschlechtskrankheiten für Halle 
unter Schaffung einer ausserordentlichen Professur und für Kiel mit Subvention 
einer Poliklinik für Hautkrankbeiten zu ertheilen. An den kleineren Univer- 
sitäten, wo dem besonderen Unterricht wegen Beschaffung ausreichenden 
Demonstrationsmaterials Schwierigkeiten entgegenstehen, ist gleichzeitig Für- 
sorge für einen erweiterten Unterricht in Geschlechtskrankheiten dadurch ge- 
troffen, dass zumeist in Verbindung mit der medicinischen Klinik regelmässige 
Vorlesungen über die venerischen Krankheiten stattfinden, und dass an- 
schliessend an vorkommende Krankheitsfälle die Geschlechtskrankheiten in 
den einzelnen Kliniken eingehend besprochen werden. 

Indem in dieser Weise für die Zukunft gesorgt wurde, galt es zugleich 
auch der Gegenwart gerecht zu werden, die mit den auf dem Gebiete der 
Geschlechtskrankheiten unzureichend vorgebildeten Aerzten rechnen muss; es 
war also neben die Ausbildung der werdenden Aerzte die Fortbildung und 
Unterweisung der bereits in der Praxis thätigen Aerzte zu setzen. 

Das nächstliegende war, die Geschlechtskrankheiten zu einem besonderen 
Lehrgegenstand bei den Fortbildungskursen zu erheben, welche bereits an 
vielen Universitäten von Docenten während der Ferien für praktische Aerzte 
gegen Bezahlung abgehalten werden. 

Sodann sind unentgeltliche Vortragscyklen an Universitäten in die Wege 
geleitet und bereits in Berlin und Breslau abgehalten, in denen das Gebiet 
der venerischen Krankheiten in einschlägigen Kapiteln wie: Syphilis und Er- 
krankungen des Centralnervensystems, die syphilitischen Knochenleiden, Er- 
krankungen der inneren Organe, Gonorrhoe und Frauenkrankheiten, Geschlechts- 
krankheiten in ihrem Einfluss auf die Volksgesundheit u. s. w., von wissen- 
schaftlichen Fachautoritäten behandelt wird. 

72* 


1032 Schmidtmann, 


Diese Einrichtung ist demnächst auch für die grösseren Städte geplant 
und gestaltet sich besonders aussichtsvoll, nachdem das ärztliche Fortbildungs- 
wesen in Preussen durch die Schaffung eines Centralcomites neuerdings in 
feste Bahnen gebracht ist. Auch soll in den Aerztevereinen das Interesse für 
diese wichtigen Krankheiten durch specialistische Vorträge, zu denen erforder- 
lichenfalls die Redner von ausserhalb herangezogen werden, gehoben werden. 
Der preussischen Medicinalverwaltung erschien es bei der Förderung der allge- 
meinen Kenntniss der venerischen Krankheiten unter dem höheren und niederen 
Medicinalpersonal besonders wichtig, solches Wissen unter den Kranken- 
kassenärzten, den Sittenärzten und den Hebammen zu verbreiten. 

Demgemäss ist bei den Krankenkassenvorständen angeregt, die Kassen- 
ärzte auf die stattfindenden Vorträge und ihre Bedeutung besonders hinzu- 
weisen. 

Die Ausbildung und Fortbildung der Sittenärzte behandelt der gemein- 
schaftliche Erlass der Herren Minister der geistlichen u.s.w. Angelegenheiten 
und des Inneren vom 14. April 1900. Iu ihm ist u. a. Folgendes ausgeführt: 

„Wir legen Gewicht darauf, dass bei den Sittenärzten besondere Kennt- 
nisse auf dem Gebiete der Geschlechtskrankheiten und ein tüchtiges, der fort- 
schreitenden Wissenschaft entsprechendes Wissen vorhanden sind. 

„Da die Approbation als Arzt und die ärztliche Beschäftigung dies nicht 
ohne weiteres Gewähr leistet, so ist als Sittenarzt binfort nur derjenige Arzt 
zu bestellen, der den Nachweis einer eingehenden praktischen Beschäftigung 
auf dem Gebiete der Geschlechtskrankheiten erbringen kann; soweit dies an- 
gängig ist, wird der Bewerber um die Stelle eines Sittenarztes zunächst aus- 
hilfsweise unter Aufsicht eines Polizeiarztes zu beschäftigen und zu erproben 
sein. Um den bereits angestellten Sittenärzten Gelegenheit zur Vertiefung 
ihrer Kenntnisse zu bieten, erscheint die Einrichtung von Demonstrationskursen 
geeignet. Der Direktor der Chariteklinik für syphilitische Krankheiten, Prof. 
Dr. Lesser, ist demgemäss von mir, dem Minister der geistlichen u. s. w. 
Angelegenheiten, beauftragt worden, einen derartigen Kursus für die in Berlin 
thätigen Sittenärzte abzuhalten. Derselbe soll 6 Stunden umfassen und während 
der Zeit vom 17.—27. April d. J. stattfinden. Da eine freiwillige Betheiligung 
wohl angenommen werden darf, so ist zunächst davon abzusehen, dieselbe zu 
fordern. Sie wollen daher den Sittenärzten von dem stattfindenden Demon- 
strationskursus mit dem Bemerken Kenntniss geben, dass die Betheiligung 
kostenfrei und erwünscht ist.“ 

Nachdem dieser erste Aerztekursus mit Erfolg zur Befriedigung aller 
Theilnehmer durchgeführt war, sind weitere Kurse durch den Erlass des Herrn 
Ministers der geistlichen u. s. w. Angelegenheiten vom 12. März 1901 in Berlin, 
Breslau, Düsseldorf, Kiel und Königsberg behufs Unterweisung der Sitten- 
polizeiärzte in der Erkennung der Syphilis und anderer Geschlechtskrankbeiten 
angeorduet. Der Kursus wird jetzt an zwei Tagen mit einer täglichen Unter- 
richtsdauer von etwa 3 Stunden abgebalten. Um den Unterricht den Zwecken 
der sittenpolizeiärztlichen Untersuchung anzupassen, werden vor allem solche 
Fälle vorgeführt und besprochen, welche von differentialdiagnostischem Werth 
für die Unterscheidung von venerischen Krankheitssymptomen sind. Auch 


Die internationale Konferenz zu Brüssel im ‚Jahre 1899 u.s. w. 1033 


wird die mikroskopische Feststellung der Gonorrhoe geübt. Die Zahl der 
Theilnehmer an einem Kursus ist auf etwa zehn festgesetzt. Der Unterricht 
ist unentgeltlich, sonstige Bezüge wie Tagegelder u. s. w. werden nicht gewährt. 

Derartige Kurse haben bereits im April unter reger Betheiligung statt- 
gefudden, weitere werden im Oktober abgehalten werden. 

Mit dem Unterricht der Hebammen-Schülerinnen in der Weiterbildung 
der Hebammen beschäftigt sich der Erlass des Ministers der geistlichen u.s.w. 
Angelegenheiten an die Oberpräsidenten vom 7. December 1899, der erstrebt, 
die Hebammen bei der Prophylaxe gegenüber den venerischen Krankheiten 
mitwirken zu lassen, und den ich seiner Wichtigkeit wegen wörtlich folgen lasse. 


Berlin, den 7. September 1899. 

Die Bedeutung, welche den Geschlechtskrankheiten nach dem übereinstimmenden 
Urtheile der medicinischen Sachverständigen fürSchwangerschaft, Geburt und Wochen- 
bett beigelegt werden muss, lässt es geboten erscheinen, die Kenntniss der venerischen 
Krankheiten auch bei den Hebammen nach Möglichkeit zu vertiefen. 

Ein mangelhaftes Wissen auf diesem Gebiete und Unkenntniss der äusseren 
Zeichen und Erscheinungen der venerischen Krankheiten birgt ausserdem die Gefahr 
in sich, dass die Hebamme bei der Ausübung ihrer Thätigkeit nicht nur sich selbst 
ansteckt, sondern auch auf ihre Pflegebefohlenen unbewusst den Ansteckungsstoff 
überträgt. 

Gegen solche bedauerlichen Vorkommnisse schützt vor Allem eine sachgemässe 
Ausbildung in der Kenntniss der syphilitischen Erkrankungen. Es ist deshalb Werth 
darauf zu legen, dass die Hebammenschülerinnen nicht blos theoretisch über diese 
Krankheiten belehrt, sondern dass ihnen die Krankheitserscheinungen an Krankheits- 
fällen auch demonstrirt werden. 

Soweit hierfür das Material der Hebammenlehranstalt an Schwangern keine Ge- 
legenheit bietet, werden die Direktoren es sich angelegen sein lassen, geeignete Fälle 
für den Unterricht anderweit zu beschaffen. In Städten, in welchen Kliniken für sy- 
philitische Kranke bestehen, dürfte sich dies unschwer erreichen lassen, und wird es 
sich gegebenen Falles empfehlen, den Hebammen durch den Arzt an der klinischen 
Anstalt eine Unterweisung an Krankheitsfällen geben zu lassen, wie dies u. a. in der 
Charit& in Berlin geschieht. Wo derartig günstige Verhältnisse nicht vorliegen, wird 
angestrebt werden müssen, mit Unterstützung der ortsansässigen Aerzte das fehlonde 
Demonstrationsmaterial zu erhalten. 

Ich ersuche ergebenst, das hiernach Erforderliche in geeigneter Weise zu veran- 
lassen. Zugleich werden die Regierungspräsidenten und der Polizeipräsident in Berlin 
in meinem Namen zu beauftragen sein, den Regierungs- und Medicinalrath als Vor- 
sitzenden der Hebammen-Prüfungs-Kommission sowie dio Kreisphysiker anzuweisen, 
die venerischen Krankheiten bei der Prüfung der Hebammenschülerinnen bezw. bei 
der Nachprüfung der Hebammen zum Gegenstand der Besprechung zu machen, das 
Wissen über die Ursachen, Verbreitung, Erscheinungen und Folgen dieser Krankheiten 
festzustellen und nach Möglichkeit zu erweitern. 

Ueber das Veranlasste sehe ich Ihrem Bericht ergebenst entgegen. 

(Unterschrift.) 
An die Herren Ober-Präsidenten. 


Schliesslich ist auch die Belehrung des Publikums in Wort und 
Schrift in Erwägung gezogen worden, wie solche durch den Beschluss VII 


der Konferenz angeregt wurde. 
73 


1034 Sohmidtmann, 


Man wird keinen Zweifel darüber hegen, welcher Nutzen durch sach- 
gemässe Vorträge, in welchen weitere Kreise über die Gefahren der vene- 
rischen Krankheiten belehrt werden, und durch populär gehaltene Schriften 
gestiftet werden kann; andererseits wird man sich aber nicht verhehlen dürfen, 
dass gerade in diesem Punkte eine weitgehende Vorsicht geboten ist, und dass 
insbesondere einem behördlichen Vorgehen enge Grenzen gezogen sind. Hier 
eröffnet sich ein grosses und dankbares Feld für das persönliche Wirken in 
Vereinen und bestimmten Gesellschaftsklassen und -Kreisen. Mit Befriedigung 
ist hier die anerkennenswerthe Thätigkeit der ärztlichen Centralkommission 
der Krankenkassen Berlins und Umgebung zu begrüssen. Sie hat nicht nur 
bei den hygienischen Vorträgen für die Mitglieder der Kassen auch die Ge- 
schlechtskrankheiten berücksichtigt, sondern weiterhin auch den Weg der 
Aufklärung in diesen Kreisen erfolgreich betreten durch die von Dr. Blaschko 
gemeinverständlich verfasste ausgezeichnete Schrift: „Die Geschlechtskrank- 
heiten, ihre Gefahr, Verhütung und Bekämpfung“, welche gedruckt den Kassen- 
mitgliedern zugänglich gemacht und zum Preise von 10 Pfg. erhältlich ist. 

Erwähnung verdient weiter der Aufruf und das offene Wort, welches die 
„Freie Vereinigung Deutscher Hochschullehrer der Hygiene“ an die Jugend 
unserer Hochschulen gerichtet hat. Diese kurz gefasste Druckschrift soll jedem 
Studirenden bei seiner Einschreibung an der Universität behändigt werden. 
Sie legt die Gefahren eines unbedachten geschlechtlichen Verkehrs dar und 
betont eindringlichst die Wahrung der Gesundheit. 

Als eine besondere Erschwerung bei Bekämpfung der Geschlechtskrank 
heiten und der Heilung der Geschlechtskranken wird mit Recht angesehen 
und von ärztlicher Seite verurtheilt, wenn die Leistungen allgemeiner Wohl- 
fahrtseinrichtungen für die venerischen Kranken durch gesetzliche oder statu 
tarische Bestimmungen aufgehoben oder beschränkt werden. In diesem 
Punkte ist in Preussen ein erheblicher Wandel zum Besseren in den letzten 
Jabren festzustellen. Auf Veranlassung des Herrn Ministers der geistlichen 
u. s. w. Angelegenheiten sind, nachdem er seinen Standpunkt in dieser 
Frage durch den Erlass vom 22. December 1899 deutlich kundgegeben 
hat, die Bestimmungen in den Statuten für die Akademischen Kranken- 
kassen, welche die mit venerischer Krankheit Behafteten von der Vergünsti- 
gung der Kasse ausschlossen, aufgehoben, sowie die Sätze des Reglements für 
die Provinzial-Hebammen-Lehranstalten, durch welche syphilitische 
Schwangere bezw. Gebärende von der Aufnahme ausgeschlossen waren, ge- 
strichen. 

Eine weitere sehr bedeutsame Verbesserung in der allgemeinen Lage für 
die Heilung der Geschlechtskranken wird gegeben sein, wenn, wie es in der 
Absicht der verbündeten Regierungen liegt, bei der in Aussicht genommenen 
Novelle zum Kranken-Versicherungs-Gesetz die beschränkenden Bestim- 
mungen der $$ 6, Abs. I, Ziffer 2 und 26a, Abs. 2, Ziffer 2 fallen, wonach 
durch Krankenkassenstatut bestimmt werden kann, „dass Mitglieder, welche 
sich die Krankheit durch geschlechtliche Ausschweifungen zugezogen haben, 
das statutenmässige Krankengeld gar nicht oder nur theilweise zu gewähren 
ist“, Bedauerlicherweise haben von diesem Rechte etwa 90 pCt. der Kranken- 


Die internationale Konferenz zu Brüssel im Jahre 1899 u.s. w. 1035 


kassen Gebrauch gemacht, trotz eines von den Herren Ministern der geistlichen 
u. s. w. Angelegenheiten, des Innern und für Handel und Gewerbe unter dem 
9. April 1893 ergangenen gemeinsamen Erlasses, in welchem auf die Nach- 
theile einer zu rigorosen Handhabung dieser Bestimmung und die Nothwen- 
digkeit einer schnellen und zuverlässigen Heilung der geschlechtskranken Mit- 
glieder thunlichst in Krankenhäusern hingewiesen wird. 

Die Sonderbestimmungen, welche sich früher auch in dem Reichs-Inva- 
liditäts- und Altersgesetz fanden, sind dort durch die am 1. Januar 1900 
in Kraft getretene Novelle beseitigt worden. Es lässt sich von der Einsicht 
der Volksvertretung erhoffen, dass auch bei der bevorstehenden Revision des 
Krankenkassengesetzes eine Bestimmung endlich in Wegfall gebracht wird, 
welche zur Verheimlichung und schleichenden Verbreitung der Geschlechts- 
krankheiten führen muss und deshalb ein erhebliches Hinderniss bei der er- 
folgreichen Ausrottung dieser Seuche unter der Arbeiterbevölkerung bisher 
bietet. 

Einen wichtigen Faktor bei der Bekämpfung der venerischen Krankheiten 
können nach Lage der socialpolitischen Gesetzgebung in Deutschland die 
Landesversicherungs-Anstalten abgeben, insbesondere nachdem ihnen 
durch das Gesetz gestattet ist, die Behandlung von Kranken zur Verhütung 
vorzeitiger Invalidität selbst in die Hand zu nehmen. Es kann für Aerzte 
kaum zweifelbaft sein, dass die Geschlechtskrankheiten, namentlich die in ihren 
letzten Folgen so vielgestaltige Syphilis, eine der häufigsten Ursachen für die 
zu vorzeitiger Erwerbsunfähigkeit führenden Krankheiten ist. 

Mit Rücksicht hierauf haben also die Landesversicherungs-Anstalten ein 
erbebliches Interesse an der rechtzeitigen und wirksamen Behandlung der vene- 
rischen Krankheiten, für deren Durchführung die gesetzlichen Leistungen der 
Krankenkassen zumeist nicht ausreichen. Die durch den Berichterstatter ge- 
gebene Anregung hatte zur unmittelbaren Folge, dass in den Etat der Landes- 
versicberungs-Anstalt für Berlin ein Betrag von 20000 Mark für die Ueber- 
nahnıe des Heilverfahrens bei venerischen Kranken alsbald eingestellt wurde. 
Nachdem auch seitens der Anstalt für Brandenburg ein gleiches Entgegen- 
kommen gezeigt war, ist durch Vermittelung des Herrn Reichskanzlers die 
Mitarbeit sämmtlicher Landesversicherungs-Anstalten iu Deutschland officiell 
in die Wege geleitet. Dabei ist zugleich hervorgehoben, dass eine den Zwecken 
dieser Anstalten entsprechende durchgreifende Behandlung am besten in Kranken- 
häusern durchgeführt werden kann. Bei den vielfachen Schwierigkeiten, welche 
noch der Unterbringung solcher Kranken sowohl wegen des allgemeinen Platz- 
mangels, als auch aus besonderen Gründen, wie Stiftungsbestimmungen u.s. w., 
sich entgegenstellen, werden die Anstalten nur durch Schaffung von eigenen 
Krankenhäusern ihren Zweck voll erreichen können. Die Versicherungsanstalt 
Berlin ist auch hier bereits mit gutem Beispiele vorausgegangen, und ibre bei 
Berlin im Bau begriffene Heilstätte dürfte noch in diesem Jahre eröffnet werden. 
Wenn ihr Vorgehen Nachahmung findet, so wird einem tiefempfundenen Be- 
dürfniss abgeholfen und es mit Hilfe dieser finanzkräftigen Anstalten gelingen, 
die in gesundheitlichem Interesse der einzelnen Person sowohl wie der Allge- 


73* 


1036 Schmidtmann, 


meinheit erwünschte und gebotene Unterbringung der Geschlechtskranken in 
Krankenanstalten in erheblichem Umfange zu sichern. 

Die Landesversicherungs-Anstalten sind bei den allgemeinen Maassnabmen 
zur Bekämpfung der venerischen Krankheiten ferner noch dadurch betheiligt 
worden, dass sie veranlasst sind, die Zahl der mit Geschlechtskrankheiten 
zusammenhängenden Unfälle bei der alljährlichen Heilbehandlungs-Statistik 
festzustellen, um so den Umfang des Eingreifens der Versicherungs-Anstalten 
in die Heilbehandlung der Geschlechtskranken darzuthun und zu ergründen, 
in wieweit diese Krankheiten bei der Erwerbsunfähigkeit eine Rolle spielen. 
Die ärztlichen Bescheinigungen sind durch entsprechende Fragen erweitert 
worden. 

Hiermit komme ich zum Gebiet der Statistik, für welche die Brüsseler 
Konferenz ihre Wünsche in den Propositionen zu VI und VIII niedergelegt hat. 
In keinem Punkte besteht wohl eine grössere Einmüthigkeit als in dem, dass 
es ungeheuer schwierig ist, eine eindeutige. zweifelsfreie Statistik über die 
Verbreitung der venerischen Krankheiten zu schaffen. Wer hiervon noch 
nicht überzeugt war, dem bot sich hierzu auf der Internationalen Konferenz 
reichlich Gelegenheit, indem dortselbst die widersprechendsten Interpretationen 
und Schlüsse auf denselben Zahlen aufgebaut und mit Energie vertreten wurden. 

Für die preussische Medicinalverwaltung kam in Betracht, eine feste 
statistische Unterlage für ihr Vorgehen und Stellungnahme zu den legislativen 
Vorschlägen hinsichtlich der Abänderung des Krankenkassengesetzes u. s. w. 
zu gewinnen, und damit den Nachweis der Schädlichkeit der Geschlechts- 
krankheiten für die Volksgesundheit zu führen, und die Nothwendigkeit be- 
sonderer Maassnahmen zur Abwehr zu begründen. Von diesem Gesichtspunkte 
ist die Statistik angeordnet worden, welche die an einem bestimmten Tage 
in Preussen in ärztlicher Behandlung befindlichen Geschlechtskranken beiderlei 
Geschlechtes und jeden Standes festlegen und mit dieser sozusagen Moment- 
aufnahme den Schleier zerreissen oder wenigstens lüften sollte, der sehr zum 
Nachtheile der Sache beute über diese delikate Angelegenheit gebreitet wird 
und die ungeheure Schädigung des Volkskörpers den Augen der grossen 
Masse verhällt. 

Nachdem durch Verhandlungen mit dem Ausschusse der preussischen 
Aerztekammern die Mitwirkung dieser Stellen vorbereitet und gesichert war, 
ist alsdann durch den nachstehend wörtlich wiedergegebenen Erlass des Herrn 
Medicinal-Ministers an die Oberpräsidenten die Erhebung für den 80. April 1900 
angeordnet und durchgeführt worden. 


Berlin, den 1. März 1900. 
Beifolgend übersende ich Ew. Excellenz eine Anzahl Muster, nach denen unter 
Beihülfe der Aerztekammern, entsprechend der mit dem Ausschusse derselben ge- 
troffenen Vereinbarung, eine statistische Erhebung über die am 30. April d.J. in ärzt- 
licher Behandlung befindlichen Geschlechtskranken ausgeführt werden soll, um da- 
durch eine Unterlage für die Beurtheilung der Mittel zu gewinnen, welche zur Be- 
kämpfung dieser an dem Marke unseres Volkes zehrenden Krankheiten geboten sind. 
Die eigenartigen Verhältnisse, welche bei diesen Leiden vielfach eine besondere 
Rücksicht auf die Erkrankten verlangen, haben es zweckdienlich erscheinen lassen, 


Die internationale Konferenz zu Brüssel im Jahre 1899 u.s. w. 1037 


die Ermittelungen thunlichst des amtlichen Charakters in den Augen der Kranken zu 
entkleiden und die Mitwirkung der Aerztekammern in Anspruch zu nehmen. Indessen 
müssen auch die Behörden bestrebt sein, den Erfolg der von den Aerztekammern aus- 
geführten Feststellungen zu sichern. Dieselben sind deshalb ungesäumt von der ge- 
planten statistischen Erhebung und dem Zwecke derselben zu benachrichtigen, um in 
ihrem Dienstbereiche in amtlichen oder öffentlichen Stellungen thätige Aerzte — Medi- 
cinalbeamte, Krankenhaus-, Kassen-, Armenärzte — anzuweisen, dass sie die ihnen 
von der Aerztekammer zugehenden Fragebogen gewissenhaft ausfüllen. 

Ew. Excellenz ersuche ich, hiernach das Weitere zu veranlassen und die über- 
sandten Druckformulare, nachdem sämmtliche Briefumschläge an die Aerzte und den 
Vorsitzenden der Aerztekammer mit dem dortigen Dienstsiegel abgestempelt sind, 
dem Vorstande der Aerztekammer mit thunlichster Beschleunigung zuzustellen. 

Die ausgefüllten Fragebogen bitte ich mir mit einer statistischen Gesammtüber- 
sicht und einem kurzen zusammenfassenden Bericht, für dessen Bearbeitung Ew. Ex- 
cellenz Sich der Hülfe des Regierungs-Medicinalraths bedienen wollen, bis zum 1. Juni 
d. J. einzusenden. 

(Unterschrift.) 


An den praktischen Arzt Herrn Dr....... 
N ns 
Geehrter Herr Kollege! 

Die Bedeutung, welche die Geschlechtskrankheiten für dieVolksgesundheit haben, 
gebietet, einen Ueberblick über die Verbreitung derselben zu gewinnen. Zu demZwecke 
ist beabsichtigt, die Zahl der an einem bestimmten Tage in ärztlicher Behandlung 
befindlichen Kranken festzustellen. Das Ergebniss dieser Ermittelung kann von ent- 
scheidendem Einflusse auf die Entschliessung über die Mittel zur Bekämpfung dieser 
Volksseuche werden. 

Sie werden daher gebeten, auch Ihrersoits zu dem Gelingen dieser statistischen 
Erhebung, für welche der Aerztekammer-Ausschuss dem Herrn Minister der geistlichen, 
Unterrichts- und Medicinal-Angelegenheiten die Mitwirkung der Aerztekammern zu- 
gesagt hat, durch Ausfüllung der angebogenen Zählkarte beizutragen und dieselbe 
ausgefüllt oder mit Vacatvermerk am 1. Mai d. J. an den Unterzeichneten zurück- 
zusenden. 

Der Vorsitzende der Aerztekammer. 


An den Vorsitzenden der Aerztekammer Herrn Dr... . in... 

Am 30. April 1900 
standen in meiner Behandlung* wegen venerischer Erkrankung und zwar: 
Männlich 


Wegen Weiblich 


Gonorrhoe und Folgezustände . |———— 
Ulcus molle . Eee 

2.0 fprimär und sekundär. [| — | 

Sy phitis prina er 


zusammen { 


. - .„ den 1900. (Unterschrift.) 


* Die Zahlenangabe soll nicht nur die am Aufzeichnungstage behandelten, son- 


1038 Ott, 


dern alle seit dem 1. April 1900 (sei es in der Praxis, in Polikliniken oder in Kranken- 
häusern) behandelten oder in Behandlung befindlichen Personen umfassen. 

Bei gleichzeitiger Erkrankung an mehreren der genannten Krankheitsformen ist 
der Kranke nur unter einer der Klassen zu zählen. 

Die Ergebnisse dieser statistischen Aufnahme sind im Auftrage des Ministers 
von dem Königl. Preussischen Statistischen Bureau bearbeitet. Ihre Veröffent- 
lichung steht in Kürze bevor. Ich darf mich deshalb an dieser Stelle darauf 
beschränken, hervorzuheben, dass eine über Erwarten erfrenliche Betheiligung 
der Aerzte zu konstatiren war, und dass somit der Erfolg des Vorgehens durch- 
aus den gehegten Erwartungen entspricht und das Ergebniss geeignet ist, auch 
die weitgehendsten Maassnahmen zur Bekämpfung und thanlichsten Ausrottung 
der Geschlechtskrankheiten zu begründen. 

Es ist gegründete Hoffnung vorhanden, dass die gleiche statistische Er- 
bebung zum 30. April 1902 in allen deutschen Bundesstaaten durchgeführt 
werden kann. Wenn auch dies mit dem gewünschten und erhofften Erfolge 
geschehen ist, so dürfte wohl der Beweis für die Durchführbarkeit auch io 
noch grösserem Stile geliefert sein. Man wird dann erwägen können, ob die 
in Deutschland erprobte statistische Ermittelung geeignet ist, die Grundlage 
für eine internationale Erhebung abzugeben, wie sie in der Prosposition VIII 
„La Conference émet le voeu de voir dresser la statistique des maladies vene- 
riennes sur des bases uniformes pour tous les pays“ gefordert wird. 

Schliesslich möchte ich nur noch kurz erwähnen, dass die Verhandlungen 
der Brüsseler Konferenz der preussischen Regierung Anlass geboten haben, 
auch die sittenärztliche Untersuchung der Prostituirten und die polizeiliche 
Kontrole derselben in einigen wichtigen Punkten nach dem heutigen Stande 
der ärztlichen Wissenschaft zu reformiren, so dass auch in dieser Richtung 
zielbewusst weiter gearbeitet und der Weg für Verbesserungen angebahnt ist. 


Aus den Heilstätten für Lungenkranke. 
Bericht über das Jahr 1900. 
Von 
Dr. A. Ott, Heilstätte Oderberg. 


Nachdem jetzt eine grössere Anzahl von Heilstätten auf eine miv- 
destens einjährige Thätigkeit zurückblicken kann, dürfte es auch für die 
Leser dieser Zeitschrift nicht ohne Interesse sein, einen Ueberblick zu be- 
kommen über die in diesen Anstalten gemachten Erfahrungen und die erzielten 
Erfolge; sind doch die Heilstätten als eine Hauptwaffe gedacht in dem mit 
so grossem Eifer aufgenommenen Kampfe gegen die Tuberkulose. In 
nachfolgender Tabelle sind die wichtigsten statistischen Angaben zusammen- 
gestellt, so weit sich darüber Mittheilungen in den Jahresberichten der ein- 
zelnen Heilstätten finden liessen!). (Tabelle siehe folgende Seiten.) 


1) Die Jahresberichte sind fast alle in Broschürenform erschienen und von der 
Direktion der betr. Anstalt zu beziehen. Der Bericht über Belzig findet sich in der 


Aus den Heilstätten für Lungenkranke. 1039 


Was bei der Durcharbeitung der einzelnen Jahresberichte zuerst auffällt, 
ist die ausserordentliche Verschiedenheit derselben; es sind kaum zwei zu finden, 
die überall von derselben Grundlage ausgehen und die ihre Statistik einheitlich 
bearbeitet haben. Der eine wendet die Bezeichnung „geheilt“ ziemlich frei- 
gebig an, der andere verpönt dieselbe durchaus und will nur Besserungen 
anerkennen; der eine giebt die Zahlen für das Verhalten des Lungenbefundes 
und der Erwerbsfähigkeit getrennt, der andere fasst beides zusammen, der 
dritte endlich theilt nur eins von beiden mit; der eine berechnet die Procent- 
zahlen von den Entlassenen, der andere von den Aufgenommenen u. s. w.; es 
liesse sich ohne Mühe noch eine stattliche Reihe von Differenzpunkten zu- 
sammenstellen. Die in der Tabelle angegebenen Zahlen sind dementsprechend 
auch nicht alle Originalzahlen, sie mussten zum Theil aus den vorhandenen 
Angaben erst herausgeschält und berechnet werden, und es ist nicht bei allen 
Garantie gegeben, dass sie auf gleicher Grundlage beruhen. Wo in den Be- 
richten Procentzahlen angegeben sind, sind sie meist bis auf 1, stellenweise 
sogar auf 2 Decimalstellen berechnet, eigentlich ein recht zweckloses Unter- 
nehmen, da bei Zahlenangaben, wie es die vorliegenden sind, Differenzen von 
1—2 pCt. doch auch nicht die geringste Rolle spielen. 

Die grossen Differenzen in der Berichterstattung seitens der einzelnen 
Anstalten sind recht bedauerlich. Es wird dadurch unmöglich gemacht, die 
sämmtlichen Statistiken einheitlich zusammenzufassen und so durch grosse 
Zahlen eine werthvollere Unterlage für die Beurtheilung zu schaffen, als sie 
die kleineren Zahlenangaben der einzelnen Anstalten für sich allein geben 
können; hoffentlich gelingt es recht bald, in dieser Beziehung eine allgemeine 
Einigung herbeizuführen. ` 

Wie aus der Tabelle ersichtlich, schwanken die Procentzablen für Besse- 
rung des Lungenbefundes zwischen 63 und 91 pCt., die für wiederbergestellte 
resp. gefestigte Erwerbsfäbigkeit zwischen 63 und 95 pCt. Diese verhältniss- 
mässig grossen Unterschiede haben ihren Grund einerseits wohl in einem ge- 
wissen, nie ganz auszuschliessenden subjektiven Moment bei der Beurtheilung 
des Erfolges, hauptsächlich aber in .der Verschiedenheit des den Anstalten 
zugewiesenen Krankenmaterials. Die Heilstätten sollen Heil- aber keine Pflege- 
stätten für Phtbisiker sein, es sollen ihnen somit im Wesentlichen nur Kranke 
des 1. Stadiums (nach Turban), höchstens noch des 2. überwiesen werden. 
Wie verbält es sich aber hiermit in Wirklichkeit? Ein Blick auf die Kolonnen 
der Tabelle, die das Procentverhältniss angeben, in dem die einzelnen Stadien 
vertreten waren, zeigt vielfach recht niederdrückende Ergebnisse, 20, 30, ja 
bis zu 46 pCt. aller Kranken waren im 3., d. h. unheilbaren Stadium. Auch 
in denjenigen Anstalten, bei denen diesbezügliche Angaben feblen, sind die 
Verhältnisse meist nicht viel besser gewesen, wie aus der in fast allen Be- 
richten stereotyp wiederkehrenden Klage über die zu häufige Ueberweisung 


Zeitschr. f. Tub. u. Heilst. Bd. 2. H. 1, der über Schömberg im Württemberg. med. 
Korrespondenzbl. 1901; der Bericht über die Weicker’schen Anstalten ist noch nicht 
fertig gestellt, die angegebenen Zahlen verdanke ich brieflicher Mittheilung des Herrn 
Dr. Weicker selbst. 


1040 Ott, 


5 N aL Geschlecht 
E N T aee Arzt. der Anzahl. 
S) . 

5 ii Kranken. 
1. | Albertsberg in Sachsen | Dr. Gebser männlich 437 aller, — 
2. | Alland bei Wien Dr. v. Weissmayer| männlich 300 _ 713,6 
3. | HeilstättebeiAltenai.W. | Dr. Stauffer männlich 398 375 _ 
4. | Albrechishaus beiStiegel Dr, Köhler männlich 239 | 238 | 6m 
5. |Pasler Beilstātte in \ Dr, Niemann) 19 | — | 81s 
6. | Heilstätte bei Belzig | Dr. Moëller a N 233 | alle | 828 
y en bei Ham- y Dr. Ritter männlich 26 | — la 
8. | Engelthal bei Nürnberg | Dr. Bauer männlich 93 Br 11,8 
9. | Friedrichsheim inBaden | Dr. Rumpf männlich 541 alle 877 
10 acan ee) Dr. Servaes weiblich 170 162 72,9 
11. | Loslau in Oberschlesien | Dr. Schrader männlich 306 E 87,2 
12. f Marienheim bei Stiege }| Dr, Köhler weiblich 106 | 106 | 76,5 
13. | Oberkaufungen b. Cassel | Dr. Pickert ae 288 263 80 
ee Amarens Ni Dr Otik männlich | 366 | 349 |77 
15. | Pitkäjärvi in Finland | Dr. v. Pezold abe | 70 63 | 635 
16. | Rehburg(Prov.Hannover)| Dr. Michaelis Tiai u4 | 102 | — 
17. | Reknaes in Norwegen Dr. Kaurin ra 7 222 == 73 
18. | Ruppertshain im Taunus | Dr. Nahm männi =y ese | — | - 
19. | Schömberg i.Schwarzwald| Dr. Koch nl 449 433 89 
20. | Vogelsang b. Magdeburg | Dr. Schudt weiblich _ 283 89 
à i : männlich u. 9 
21. | Wald i. d. Schweiz Dr. Staub weiblich } 268 251 79 
22. | Krankenheim i. Görbers- ; männlich u. 

Kar }| Dr. Weicker abia 105 | — | sı 


ungeeigneter Fälle hervorgeht. Auch an anderer Stelle haben sich Heilstätten- 
ärzte, speciell Rumpf!), Nahm2) und Liebe?) genöthigt gesehen, eindringlichst 
auf die Nothwendigkeit, hier Abhülfe zu schaffen, hinzuweisen. Nur einzelne 
Anstalten sind in dieser Beziehung besser daran, ganz besonders Oderberg 
(sowie auch Glückauf), das fast ideale Verhältnisse aufzuweisen hat, wie 
aus der Tabelle hervorgeht. Für die genannten Anstalten werden alle 
Kranke, die ja günstigerweise aus einem lokal eng begrenzten Bezirk, den 
3 Hansestädten, sich rekrutiren, erst durch Vertrauensärzte genau untersucht; 
da diese Vertrauensärzte durch langjährige Thätigkeit auf diesem Gebiete 


1) Aerztl. Mitth. f. Baden 1900. 
2) Zeitschr. f. Krankenpfl. 1901. No. 3. 
3) Aerztl. Vereinsbl. 1899. 


‚Aus den Heilstätten für Lungenkranke. 1041 


Durch- 5 
schnitts- | schnitts- | Erblich 
zunahme. laufenthalt. belastet. 


Erwerbs- 
fähig. 
Tuberkel- 
bacillen 
Tuberkel- 
bacillen 
verloren. 


= 
Q 
ai 


Tage 


11,9 
19 
10 
u 
16,2 
9,02 
4 | 86 70 29 1 5,9 = 26 2 |— 
= 6,14 2 
_ 32 27 m Sup) 7901 | 5578| 825 | 184 
- |ı7 35 46 19 5,81 85,1 46 5 | — 
17,7 | — 40,54 | 44,60 | 14,80 | 7,2 91,2 = 53,49 | 14,6 
— |8 = = u 5,2 _ 30 = |- 
— |3 39 31 38 5,2 64,1 29,3 | s4 |12 
— 18 — Z — 3,6 89 x er 
— | 809 | 35 34 31 5,05 120 = 51,1 | 95 
— |708 |470 | 41 | 119 = 79.2 = - |- 


grosse Erfahrungen besitzen, so gelingt es hier, fast alle ungeeigneten Fälle 
fern zu halten. Eigene Voruntersuchungsstellen haben ferner noch die Heil- 
stätten Grabowsee, Belzig, Rehburg, Engelthal und Edmundsthal. Wie sehr 
der Erfolg von dem Stadium beeinflusst wird, in dem sich die Kranken be- 
finden, zeigen die diesbezüglichen Statistiken der Heilstätten Altena, Baseler 
Heilstätte, Friedrichsheim, Oderberg, Pitkäjärvi, Rehburg, Reknaes, Schöm- 
berg und Wald, auf die nur verwiesen werden kann. Es ist hier nicht am 
Platze, auf die Gründe einzugeben, welche die schlechte Auswahl verursachen, 
es sollen nur kurz die hier zur Abhülfe vorgeschlagenen Mittel gestreift werden. 
Am wirksamsten scheint mir, wo aus räumlichen Gründen nicht die Anstellung 
von Vertrauensärzten vorzuziehen ist, der Vorschlag von Rumpf!) zu sein, 


1) Verhandl. d. Berliner Centraleomites. Herausgeg. v. Pannwitz. 1901. 
74 


1042 Ott, 


in grösseren Städten eigene Untersuchungsstellen unter der Leitung auf diesem 
Gebiete gut geschulter Aerzte, am besten früherer Heilstättenärzte, einzurichten; 
dahin hätten sich die Kranken zuerst zur Untersuchung zu begeben und würden 
erst von diesen der Heilstätte überwiesen. Etwa vermehrte Ausgaben durch 
Reisekosten und dergl. würden bald dadurch wett gemacht, dass nicht mehr 
den heilbaren Kranken durch die Ungeeigneten auf längere Zeit der Platz 
in der Anstalt weggenommen würde. Diese Anstalten, sowie die bereits in 
einzelnen Städten bestehenden Polikliniken, wären am besten mit Tuberkulose- 
krankenhäusern resp. Asylen nach dem Vorschlag von B. Fraenkel!), deren 
Errichtung sich doch bald als unabweisbares Bedürfniss herausstellen wird, 
zu verbinden. 

Die Durchschnitts-Gewichtszunahme der Kranken in den Heilstätten 
ergiebt Zahlen, die sich zwischen 3,6 und 7,4 kg bewegen, ein vorzügliches Resul- 
tat. Wenn man der Gewichtszunahme auch keine allzugrosse Bedeutung für die 
Beurtheilung des Lungenbefundes beimessen darf, — erlebt man doch nicht selten, 

. dass fiebernde Patienten mit fortschreiternder Verschlechterung des Lungenbe- 
fundes vorübergehend erheblich zunehmen, — so ist sie gleichwohl nicht be- 
deutungslos. Einerseits wird sehr selten, fast nur bei vorher nicht oder kaum 
abgemagerten Patienten, eine Besserung des Lungenbefundes ohne gleichzeitige 
Gewichtszunahme erzielt; andererseits wird dem Kranken in dem aufge 
speicherten Fett eine gewisse Reserve mitgegeben für die erste, schwerste 
Zeit nach seiner Rückkehr, wo er wieder anfangen soll zu arbeiten. Wenn 
einzelne Autoren in der Gewichtszunahme fast lediglich Fettanhäufung erblicken, 
so ist das nach Analogie mit den Rekonvalescenten von anderen Krankheiten 
wohl als ein Irrthum anzusehen: auch in der Ruhe setzt der Phthisiker zweifel- 
los Eiweiss an, wenn auch meist nur bis zu einem gewissen, dem früheren 
Ernährungszustande etwa entsprechenden Grade. 

Es wäre sehr verlockend, auch noch auf eine weitere Anzahl anderer in 
den Heilstättenberichten berührter Punkte einzugehen, indess ich muss mir 
das in Rücksicht auf den mir zugewiesenen Raum versagen und mir vorbe- 
halten, darauf in den nächsten, regelmässig jedes Jahr an dieser Stelle er 
scheinenden Berichten einzugehen. Nur einen Punkt möchte ich noch kurz 
besprechen, nämlich die Sputumuntersuchungen. Wenn man eine Zeit lang. 
speciell gleich Anfangs nach der Koch’schen Entdeckung, die Bedeutung des Nacb- 
weises von Tuberkelbacillen überschätzt hat und daraus nicht nur diagnostische, 
sondern auch prognostische Schlüsse zu ziehen sich für berechtigt hielt, so 
scheint jetzt an manchen Stellen eine entgegengesetzte Strömung sich bemerk- 
bar zu machen, die dem Nachweis dieser Infektionsträger nur die Stelle eines 
wissenschaftlichen Nebenbefundes zuerkennen will. Das ist wohl entschieden 
zu weit gegangen; denn man darf nicht ausser Acht lassen, dass man ohne 
Nachweis von Tuberkelbacillen, wenn auch nicht sehr oft, so doch in manchen 
Fällen auch bei ausgesprochener und alleiniger Lokalisation des Processes auf 
die oberen Theile der Lunge diagnostischen Irrthümern ausgesetzt ist; ich 


1) Zeitschr. f. Tub. u. Heilst. Bd. 2. H. 4. 


Aus den Heilstätten für Lungenkranke. 1043 


erinnere nur an die Teichmüller’sche Schilderung des eusinophilen Katarrhs!), 
einen wahrscheinlich hierhergehörigen Fall habe ich früher mitgetheilt?), ferner 
anf das Vorkommen von lediglich auf die Spitzen lokalisirter Reininfektion 
mit Influenzabacillen, das von Brieger und Neufeld?) beobachtet worden 
ist. Daraus geht meines Erachtens die Nothwendigkeit systematischer Tuberkel- 
bacillenuntersuchungen in den Heilstätten klar hervor. Von grosser Beweis- 
kraft wäre es auch, dann eine Sonderstatistik über den Erfolg bei den Kranken 
mit positivem Bacillenbefund zu geben. Von den in der Tabelle enthaltenen 
Anstalten haben eine solche nur Oderberg, Rehburg und Pitkäjärvi mitgetheilt. 
Anders liegen die Verhältnisse bei der Frage nach dem Verschwinden der 
Bacillen im Verlauf resp. in Folge der Kur; ich glaube, dass dem ebenso 
wenig Bedeutung beizulegen ist, wie der allmählichen Abnahme ihrer Zahl, 
worauf man eine Zeit lang so grossen Werth legte. 

Zum Schlusse darf noch eine Statistik nicht übergangen werden, die den 
Grundstein für die Beurtheilung der Heilstättenresultate bildet, ich meine die 
Statistik der Dauererfolge. Von einem Dauerresultat pflegt man bei der Lungen- 
tuberkulose nach dem Vorgange von Dettweiler erst dann zu sprechen, wenn 
mindestens 4—5 Jahre seit Beendigung der Kur vergangen sind, ohne dass 
die geheilte Krankheit wieder aufgetreten, resp. die zum Stillstand gelangte 
weitere Fortschritte gemacht hätte. Den bequemsten Maassstab dafür giebt bei 
den Patienten unserer Anstalten, die ja doch alle auf ihrer Hände Arbeit ange- 
wiesen sind, das Verhalten der Erwerbsfäbigkeit, über das man durch Nach- 
frage leicht Kenntniss erhalten kann. Die meisten Anstalten müssen sich aus 
räumlichen Gründen damit begnügen; nur die Landesversicherungsanstalt der 
Hansestädte ist in der glücklichen Lage, auch den Lungenbefund bei der Mehr- 
zahl der Kranken ärztlich wieder feststellen zu lassen. Verschiedene Anstalten, 
so Altena, Baseler Heilstätte, Edmundsthal, Friedrichsheim und Loslau haben 
im letzten Jahresbericht Angaben über Dauerresultate gemacht, die sich aber 
erst auf 1—2 Jahre erstrecken. Nur 2 sind in der Lage, auf längere Zeit- 
räume zurückzugreifen, das Weicker’sche Krankenheim in Görbersdorf und 
die hanseatische Versicherungsanstalt. Der Weicker’sche Bericht für 1900 
ist noch nicht erschienen, der für 1899 an anderer Stelle dieser Zeitschrift 
besprochen, so dass nur der Bericht der hanseatischen Versicherungsanstalt*) 
in Frage kommt. Diese grosse, bis auf das Jahr 1893 zurückgreifende Statistik 
bietet eine ausserordentliche Fülle von Material, da sie sich nicht auf die einfache 
Feststellung der Zahl der aus jedem Jahrgang noch Erwerbsfähigen beschränkt, 
sondern auch den Einfluss einer grossen Reihe specieller Faktoren auf die 
Dauer des Erfolges klar zu legen sucht. Während in früheren Jahren der 
Bericht sich lediglich auf die Mittheilung der Zahlen beschränkte, ist in diesem 
Jahre zum ersten Male eine kurze Zusammenfassung der Ergebnisse angefügt 


1) Deutsch. Arch. f. klin. Med. Bd. 60. 

2) Ibid. Bd. 68. 

3) Deutsche med. Wochenschr. 1900. No. 6. 

4) Die Handhabung des Heilverfahrens bei Versicherten. Vom Vorstande der 
Landesversicherungsanstalt der Hansestädte in Lübeck zu erhalten. 


714* 


1044 Wasser. 


worden, ein Punkt, auf dessen Notbwendigkeit ich bereits in der Besprechung 
des Berichtes für 1899 in dieser Zeitschrift hinwies. Bei der Wichtigkeit der 
hier mitgetheilten Resultate verdient eine kurze Wiedergabe Platz zu finden: 
Von 2450 in den Jahren 1893—1900 in den Heilstätten behandelten Langen- 
schwindsüchtigen waren um die Wende 1900— 1901, also zum mindesten während 
eines Jahres, vielfach aber bis zu 5 und 6 Jahren nach der Kur, noch über 
7/jo erwerbsthätig. Erbliche Belastung gestaltet den Verlauf der Fälle keines- 
wegs ungünstig, ja im Gegentheil, diese Gruppe hat bessere Erfolge aufzu- 
weisen, als die Abkömmlinge nicht schwindsüchtiger Eltern. Nachtheilig ist 
demgegenüber die als körperliche Beanlagung, als Habitus phthisicus bezeich- 
nete, lange flache Bildung des Brustkorbes; hier tritt die Zahl der arbeitsfähig 
Gebliebenen nicht unmerklich zurück. Von grossem Interesse ist weiterhin, 
dass in unverkennbarer Weise mit jedem späteren Jahrzehnt des Lebensalters 
sich die Prognose schlechter stellt. Wie von vornherein zu erwarten, erweist 
sich der Umfang der bereits eingetretenen Lungenveränderung und der Grad 
der Schädigung des Gesammtbefindens als ausschlaggebend für den erzielbaren 
Dauererfolg; weniger klar ist die Bedeutung, welche der Krankbeitsdauer, d.h. 
der Dauer der Krankheitssymptome vor Einleitung des Heilverfahrens inne- 
wohnt; doch sind gerade bei dieser Frage die nur auf den Angaben, auf der 
Erinnerung der Patienten basirenden thatsächlichen Unterlagen recht unsicher. 
Nur langsam sinkt mit den mehr zurückliegenden Jahren, in denen das Heil- 
verfahren eingeleitet wurde, die Summe der voll Erwerbsfähigen: die Wirkung 
der eingeleiteten Kuren erwies sich demnach als nachhaltig trotz mancher 
schädlicher Einflüsse der Wohnungs-, Arbeits-, Ernährungs- und sonstigen 
Lebenseinflüsse, unter welchen viele der Kranken nach der Heilbehandlung 
wieder zu leben gezwungen waren, oder denen sie sich auch trotz der ibnen 
während der Kur gewordenen Anweisung überhaupt nicht, oder doch nicht in 
dem Maasse entzogen, wie es ihnen möglich gewesen wäre. 

Es fehlt in diesem Berichte eine Zusammenstellung der Dauerresultate 
bei den Kranken mit positivem Bacillenbefund, ein Punkt, auf den ich gleich- 
falls in meiner oben erwähnten Besprechung hingewiesen habe. Wenn ich 
auch keineswegs bestreiten will, dass vielleicht alle die in Frage kommenden 
Patienten tuberkulös gewesen sind, so dürfte doch einer derartigen Zusammen- 
stellung eine noch grössere Ueberzeugungskraft nicht wohl abgesprochen 
werden. 


Schlicht A., Zur Verbesserung des Leitungswassers bei Verwendung 
von Oberflächenwasser. Zeitschr. f. öffentl. Chem. 1900. S. 506. 

Bei der Versorgung der Städte mit Oberflächenwasser wird im Sommer 
die hohe Temperatur des Leitungswassers unangenehm empfunden. Verf. 
versuchte nun die Verdunstungskälte zur Abkühlung des Wassers nutzbar zu 
machen. Auf sein Anrathen liess der Magistrat in Stralsund ein Probe 
Gradierwerk errichten, dasselbe hatte eine Höhe von 6 m; obenauf stand ein 
durchlöcherter Trog, in Abständen von je 1,4m wurden darunter 3 durchlöcherte 


Wasser. 1045 


Böden angebracht, die Zwischenräume wurden zur Hälfte mit Reisig ausgefüllt, 
unter dem untersten Boden wurde ein Sandfilter aufgestellt; das Wasser rie- 
selte so 4,2 m tief abwechselnd durch Luft und über Reisig. Das Gradier- 
werk war der direkten Bestrahlung durch die Sonne ausgesetzt; trotzdem konnte 
Verf. (im August—September 1900) eine Abkühlung des Wassers durch das 
Rieseln um 2,0 bis 8,7% unter die Temperatur des benutzten Wassers kon- 
statiren, meist hatte es sogar eine nicht unbeträchtliche Abkühlung unter die 
Lufttemperatur erfahren. Das Wasser hatte einen angenehm erfrischenden 
Geschmack angenommen; durch ein dem Reinigen durch Sandfilter 
vorangehendes Gradieren ist man demnach in der Lage, die Ge- 
brauchsfähigkeit eines Oberflächenwassers ganz erheblich zu 
steigern. Für einen Tagesbedarf von 3000 cbm sind nach der Schätzung 
des Verf.’s 100 laufende Meter von dem Gradierwerk, die natürlich in Reihen 
von beliebiger Länge angeordnet werden können, reichlich genügend. 
Wesenberg (Elberfeld). 


Mastbaum H., Einwirkung einer langen Leitung auf die Zusammen- 
setzung des geführten Wassers zu verschiedenen Jahreszeiten. 
Zeitschr. f. angew. Chem. 1901. S. 31. 

Von der zur Versorgung von Lissabon täglich nöthigen Wassermenge 
von 30000 cbm werden etwa 24—26000 cbm durch den 114 km langen 
Alviellakanal der Stadt zugeführt; dieses Wasser stammt aus einer Quelle in 
Kalkbergen, die dem mittleren Jura angehören. Verf. bestimmte nun die 
Veränderungen, welche das Wasser während seines 3 Tage beanspruchenden 
Laufes, theils im halbgefüllten gemauerten Kanal, theils in den vollen unter 
Druck stehenden Siphons erlitt, indem er zu verschiedenen Zeiten des Jahres 
sowohl an der Quelle als auch an dem Ankunftsreservoir (3 Tage später) 
Proben entnahm. Es zeigte sich, dass durch die Leitung eine Abnahme 
des Gesammtrückstandes, entsprechend der Abnahme des Kalkes und 
der Magnesia, stattfindet, und zwar ist dieselbe von der Temperatur ab- 
hängig, indem eine höhere Temperatur augenscheinlich auch eine stärkere 
Zersetzung der Bikarbonate des Kalkes und der Magnesia bedingt; mit den 
Karbonaten wird dann auch wohl ein Theil des Gypses mit niedergerissen, 
wie aus der Abnahme der Schwefelsäuremenge hervorgeht. Die Glüh- 
verluste (organische Substanzen) sind in den Ankunftsproben stets niedriger, 
als in den entsprechenden Quellenproben, was wohl durch eine „Selbstreini- 
gung“ durch Oxydation bedingt ist, zumal die Salpetersäure eine geringe 
Vermehrung in einigen Fällen zeigt. Nicht recht erklärlich ist eine kon- 
stante Zunahme des Chlors durch den Transport des Wassers; auf Ver- 
dunstung allein ist diese Erscheinung wohl kaum zurückzuführen, und eine 
Infiltration von Schmutzwässern in den Kanal scheint auf Grund der bakterio- 
logischen Untersuchung, bei völligem Fehlen von salpetriger Säure und 
Ammoniak, ausgeschlossen. 

Bemerkt sei noch, dass das Alviellaquellwasser selbst eine ausserordentlich 
schwankende Zusammensetzung zeigt, die ausser von den Niederschlägen 
noch von anderen Faktoren abhängig sein muss, da z. B. innerhalb 7 Wochen 


1046 Wasser. 


die Menge des Chlors auf etwa 2/;, der Schwefelsäure auf 1/,, der Magnesia 
sogar auf !/; zurückgegangen ist, während die Kalkmenge nur um etwa 1/19 
vermindert ist. Wesenberg (Elberfeld). 


Thomann J., Ueber die Brauchbarkeit verschiedener Nährböden für 
die bakteriologische Wasseruntersuchung. Centralbl. f. Bakteriol. 
1900. Abth. II. Bd. 6. No. 24. S. 796. 

Bei Wasseruntersuchungen prüfte der Verf. die verschiedenen 
Arten von Gelatine, welche an verschiedenen Orten benutzt werden. 
Die Herstellungsmethode variirt, je nachdem Fleisch, Fleischextrakt, 
Peptone und Albumosen benutzt werden, auch fällt die Gelatine nicht 
jedesmal gleich aus, weil das verwendete Fleisch nicht gleichmässig zu- 
sammengesetzt ist. 

Thomann verglich insbesondere eine Gelatine nach der alten Koch’schen 
Vorschrift mit der von Abba angegebenen und endlich auch mit der, deren 
Vorschrift in den Vereinbarungen deutscher Nahrungsmittelchemiker 
niedergelegt ist. 

Die Abba’sche und die letztgenannte Gelatine wird aus Liebig's 
Fleischextrakt hergestellt; da jedoch die Phosphate fehlen, so stehen 
beide Arten insofern der Koch’schen Gelatine nach, als auf ihnen die fluo- 
rescirenden Arten keinen Farbstoff bilden. Diesem Uebelstand kann man jedoch 
abhelfen, wenn man Dikaliumphosphat zusetzt. 

Für die Wasseruntersuchung ist aber das Wichtigste die Keimzahl und 
die Schnelligkeit des Wachsthums der Keime. 

Hierin weichen die 3 Arten insofern von einander ab, als die Gelatine 
„nach der Vereinbarung“ die allerwenigsten Keime entwickeln lässt, während 
die nach Abba und Koch angefertigte Gelatine in dieser Beziehung fast 
gleich sind. 

Der von Hesse und Niedner empfohlene Albumoseagar wurde gar 
nicht berücksichtigt, weil er nach Abba’s Untersuchungen nur ?/ der Gesammt- 
zahl der Keime zum Vorschein kommen lässt. 

Thomann entschloss sich daher, den Abba’schen für den geeignetsten 
zu erklären, nachdem er der ursprüglichen Vorschrift nach 1 pCt. Pepton und 
0,5 pCt. Kochsalz zugefügt hatte. 

Die Vorschrift lautet nun: 


Fleischextrakt Liebig . , . . 6g 
Pepton Witte . .. . . . . 10g 
Kochsalz. . . T S 
Dikaliumphosphat . et 2g 


werden in 1000 g destillirtem Wasser auf dem "Dampfbad gelöst und dieser 
Lösung 100—120 g (je nach der Jahreszeit) Gelatine zugefügt. Nach Auf- 
lösung der letzteren wird mit Normalnatronlauge neutralisirt (Indikator empfod- 
liches blaues Lakmuspapier) und der neutralen Flüssigkeit 1,5 g krystall. Soda 
= 15 cem einer 10 proc. Sodalösung) zugefügt. Nach t/z stündigem Kochen 
im Dampftopf oder besser noch nach !/, stündigem Erwärmen im Autoklaren 
aut 110° wird filtrirt und in gewohnter Weise die Gelatine abgefüllt. 


Wasser. 1047 


Diese Gelatine hat den Vorzug der konstanten Zusammensetzung und Gleich- 
mässigkeit und ist ausserdem in bedeutend kürzerer Zeit fertig zu stellen. 
R. O. Neumann (Kiel). 


Krull F., Wassersterilisirung durch ozouisirte Luft nach dem Ver- 
fahren von Abraham und Marmier. Journ. f. Gasbel. u. Wasserversorg. 
1901. No. 6. 8. 102. 

Es werden eingehende Mittheilungen über die technischen Vervollkomm- 
nungen des Verfahrens der Ozonsterilisirung gemacht, welche Abraham 
und Marmier gelungen sind. Ueber die Kosten des Verfahrens, die Verringe- 
rung der Keimzalıl und des Gehaltes an löslicher organischer Substanz fehlen 
Zahlenangaben. Es wird nur das günstig lautende Gutachten von Roux über 
die Ergebnisse der bei Emmerin, nahe der Stadt Lille, ausgeführten Versuchs- 
anlage wiedergegeben. Nach ihm verbleibt ausschliesslich der Heubacillus im 
Wasser, während alle übrigen Mikrobien vernichtet werden. Irgend welche Nach- 
theile übt das Verfahren nicht aus, Geschmack und Geruch desWassers werden 
eher verbessert als verschlechtert. H. Chr. Nussbaum (Hannover). 


Sitzung der Kommission zur Feststellung von Vereinbarungen 
über die Beurtheilung u.s.w. von Mineralwässern. Zeitschr. f. 
öffentl. Chem. 1901. S. 2. 

Die Kommission war von der Dresdener Hauptversammlung des „Ver- 
bandes selbständiger Öffentlicher Chemiker Deutschlands“ eingesetzt worden 
und tagte unter dem Vorsitze von Dr. Kayser (Nürnberg) in Berlin am 
7. Januar 1901. Der Kommission gehörten Vertreter von verschiedenen be- 
sonders interessirten Handelskammern, vom „Allgemeinen deutschen Bäder- 
verband“, vom „Verein der Kurorte und Mineralquelleninteressenten Deutsch- 
lands, Oesterreich-Ungarns und der Schweiz“ und Mitglieder des obengenannten 
Vereins an. Referenten für die bis zu einem gewissen Grade einander ent- 
gegenstehenden Anschauungen waren Dr. Popp (Frankfurt a. M.) und Dr. Hintz 
(Wiesbaden). lm Nachstehenden mögen die einstimmig gefassten Beschlüsse 
wegen ihrer Wichtigkeit im Wortlaut wiedergegeben werden: 

nl. Als „„natürliche Mineralwässer*“ kurzweg dürfen nur solche 
bezeichnet werden, welche bei dem Abfüllen keine willkürliche Veränderung 
erfahren haben. Das abgefüllte Wasser darf also in seiner Zusammensetzung 
gegenüber dem Wasser der Quelle nur insofern Abweichungen zeigen, als dies 
durch das Abfüllen bedingt ist. 

Nicht beanstandet soll die Benutzung von Kohlensäure zur Luftverdrän- 
gung bei dem Abfüllen von Stahlwasser werden. 

Wird abgefülltes natürliches Mineralwasser als Wasser einer bestimmten, 
benannten Quelle in den Handel gebracht, so muss es in seiner Zusammen- 
setzung derjenigen der genannten Quelle entsprechen. 

2. Wird aus irgend einem Grunde die Uebersättigung eines natürlichen 
Mineralwassers mit Kohlensänre vorgenommen, so ist das abgefüllte Wasser 
zu bezeichnen: „„Natürliches Mineralwasser mit Kohlensäure ver- 


1048 Wasser. 


setzt““. Stammt die Kohlensäure aus der Quelle selbst, so kann dies be- 
sonders hervorgehoben werden. 

3. Natürliche Mineralwässer, welche eisenhaltige, alkalische oder erdige 
Säuerlinge sind oder Zwischenglieder, dürfen auch nach dem Enteisenen und 
Versetzen mit Kohlensäure bezeichnet werden: „„Natürliches Mineral- 
wasser doppeltkohlensaurer Füllung, enteisent und mit Kohlen- 
säure versetzt““. Stammt die Kohlensäure aus der Quelle selbst, so kann 
dies besonders hervorgehoben werden. 

4. Erfahren natürliche Säuerlinge, wie in 3 erwähnt, enteisent oder nicht 
enteisent, einen Zusatz von Kochsalz, so sind dieselben zu bezeichnen: 
„„Natürliches Mineralwasser mit Kochsalz und Kohlensäure ver- 
setzt““, oder „„Natürliches Mineralwasser doppeltkohlensaurer 
Füllung, enteisent, mit Kochsalz und Kohlensäure versetzt““. 

5. „„Künstliche Mineralwässer““ werden unter Verwendung von 
destillirtem oder gewöhnlichem Wasser dargestellt. 

Zu künstlichen Mineralwässern werden gleichfalls natürliche Mineral- 
wässer, welche, abgesehen vom Kochsalz, irgend einen Salzzusatz erfahren 
haben, oder welche durch tiefergreifende Veränderungen, Enteisenungen und 
Kohlensäurezusatz ausgeschlossen, aus einem natürlichen Mineralwasser be- 
reitet sind. 

6. Die in Betracht kommenden Mineralguellen dürfen in hygienischer 
Beziehung nach Beschaffenheit und Ursprung keine Veranlassung zu einer 
Beanstandung geben. Maassgebend hierfür sind die Grundsätze, welche in 
dem Abschnitt „„Wasser““ der „„Vereinbarungen zur einheitlichen Unter- 
suchung und Beurtheilang von Nahrungs- und Genussmitteln, sowie Gebrauchs- 
gegenständen für das Deutsche Reich““ aufgestellt sind. Ausnahmen, welche 
durch die Natur oder den Charakter der Mineralwässer bedingt sind, müssen 
sinngemässe Berücksichtigung finden. 

Die Kontrole hat in entsprechenden kürzeren Zwischenräumen stattzu- 
finden, damit zwischenzeitlich eingetretene Veränderungen der Beobachtung nicht 
entgehen. 

7. Die veröffentlichten Analysen sollen klar zum Ausdruck bringen, ob 
Wasser der Quelle oder verändertes Wasser der Quelle zur Untersuchung ge- 
langt. Selbstverständlich sind veraltete, nicht mehr zeitgemässe Analysen 
werthlos. 

Anzustreben ist, dass Indikationen bezüglich der Heilwirkung unterbleiben, 
dagegen ist in den Prospekten u.s w. das zu beschaffende Material den Medi- 
einero zu eigener Interpretation zur Verfügung zu stellen.“ 

Wesenberg (Elberfeld). 


Infektionskrankheiten. 1049 


Dieudonne, Zur Frühdiagnose der Tuberkulose. Deutsche militärärztl. 
Zeitschr. 1900. S. 526. 

Arloing und Courmont hatten als Hülfsmittel zur Frühdiagnose 
der Tuberkulose die Serumreaktion empfohlen, welche in Verdünnungen 
von 1:5 bis 1:20 gelingen sollte. Die Bouillon, welche mit sogenannter 
„homogener“ Tuberkulosekultur angelegt war, sollte also bei Serumzusatz 
in wenigen Stunden sich vollständig klären und zwar nach Bendix auch 
dann, wenn klinisch das Anfangsstadium der Tuberkulose noch nicht ermittelt 
werden konnte. 

Verf. prüfte im Garnisonlazareth zu Würzburg die Angaben der genannten 
Forscher mit einer Courmont’schen Originalkultur an mehreren tuberkulösen 
Patienten nach, konnte jedoch die Befunde von Arloing, Gourmont und 
Bendix nicht bestätigen. Die Serumdiagnose ergab im ersten Fall (vor- 
geschrittene Tuberkulose) bei 1:5 positives, bei 1:10 negatives Resultat. 
Im zweiten und dritten Fall (beginnende, aber bereits klinisch deutlich dia- 
gnosticirbare Tuberkulose mit wenig T.-B. und zweifelhafter Fall mit Schwel- 
lung der Halslympbdrüsen) selbst bei 1:1 völlig negative Resultate. Dasselbe 
fand sich auch bei 2 nicht tuberkulösen Rekonvalescenten. Interessant ist, 
dass dagegen mit dem Serum zweier völlig Gesunden einmal eine Agglutina- 
tion bei 1:10 erzielt warde. Nach diesem Ergebniss stand Verf. von weiteren 
Versuchen ab, da eine brauchbare Frühdiagnose mit dieser Methode nicht zu 
ermöglichen ist. 

Im Gegensatz hierzu konnte Dieudonne eine früher von Sticker ange- 
gebene Methode als äusserst brauchbar empfehlen, nämlich die Darreichung 
von Jodkalium in kleinen Dosen (etwa 0,2 mehrere Tage hindurch). Es 
traten danach fast ausnahmslos lokalisirte typische Rasselgeräusche auf und 
im Anschluss daran mehr oder weniger reichlicher Auswurf, in welchem nun- 
mehr T.-B. nachgewiesen werden konnten, die vorher nicht zu konstatiren 
waren. Diese lokalen Erscheinungen gingen stets in 1—2 Tagen wieder völlig 
zurück, konnten aber immer wieder von neuem durch Jodkaliumgaben hervor- 
gerufen werden. Dieudonne empfiehlt deshalb die gründliche Untersuchung 
gerade in dieser Periode, in der der Auswurf vermehrt ist. 

Zur leichteren Herausbeförderung des Lungenauswurfs empfiehlt Verf. 
weiterhin die von Möller angegebenen hydriatischen Packungen in Form 
von Kreuzbinden, durch deren Wärmeentwickelung sich das Sekret ansammelt, 
und nachherige kalte Abreibung der Brust, wodurch der Kranke zum Husten 
gereizt wird und das Sputum leichter abgiebt. R. O0. Neumann (Kiel). 


Cobbett L., Diphtherie beim Pferde. Centralbl. f. Bakteriol. 1900. Bd. 28. 
No. 19. S. 631. 

Ein kleines Mädchen erkrankte spontan an Diphtherie, obne dass man 
zunächst die Ursache erkannte. Bald entdeckte man jedoch an einem Ponny, 
der dem Vater des Kindes gehörte, eitrige und leicht blutige Ausscheidungen 
aus der Nase, später auch Drüsenschwellung und Verstopfung des Kehlkopfes 
mit Athembeschwerden und Zurückziehung der Bauchwand. Es gelang, aus 
dem Sekret ein Stäbchen zu isoliren, welches alle Eigenschaften des echten 

75 


1050 Infektionskrankheiten. 


Diphtheriebacillus an sich trug. Die Pathogenität wurde erwiesen darch die 
pathologischen Befunde bei infieirten Meerschweinchen. 

Diese zufällige Entdeckung ist einmal praktisch wichtig, weil sie uns 
zeigt, dass manche unaufgeklärte Diphtherie vielleicht durch Umgang mit Pferden 
übertragen wurde, und zweitens theoretisch interessant, weil sie uns einen 
Fingerzeig dafür giebt, dass das Diphtherieantitoxin, welches zuweilen 
bei Pferden vorgefunden wird, wohl dadurch entstanden sein dürfte, dass 
eben Pferde unvermuthet Diphtherie überstanden haben. 

Ehrlich hat ja dafür freilich eine andere Auffassung. Er glaubt und 
nimmt an, dass das Antitoxin bei solchen Menschen, die, ohne nachweislich 
Diphtherie überstanden zu haben, und auch bei Pferden, die nie immanisirt 
waren, daher käme, dass durch Aufnabme irgend eines Nahrungsmittels hapto- 
phore Gruppen in den Organismus eingeführt werden könnten, die ähnlich 
wie Bakteriengifte mit den Seitenketten der Zellen in Gemeinschaft träten. 
Es würde also irgend ein Nahrungsstoff dieselbe Wirkung haben können wie 
das Diphtheriegift. 

Dem gegenüber behauptet aber Cobbett, dass bisher noch kein Nah- 
rungsstoff gefunden worden, dessen Einführung in den Thierkörper Diphtherie- 
antitoxin hervorgerufen hat; er wisse auch nicht, dass irgend ein Thier irgend 
ein bestimmtes Antitoxin in sich enthalte — ausgenommen nach überstan- 
dener Krankheit —, und so scheine ihm seine Auffassung die richtigere. 

Er bekräftigt das mit der Mittheilung, dass er bei 80 pCt. der Pferde 
aus London und nur bei 33 pCt. der Pferde aus Cambridge Diphtberie- 
antitoxin gefunden habe. Das stimme mit der Thatsache überein, dass in 
London viel hänfiger Diphtherie auftrete als in Cambridge. 

R. O. Neumann (Kiel). 


Strada F. und Traina R., Ueber eine neue Form von infektiöser Lungen- 
krankheit der Meerschweinchen. Centralbl. f. Bakteriol. 1900. Bd.28. 
No. 19. S. 635. 

Im Winter 1900 zeigte sich im pathologischen Institut in Pavia ganz 
plötzlich eine ausgedehnte Sterblichkeit der Meerschweinchen, die ihren 
Ursprung nicht im dortigen Laboratorium hatte. Auch in anderen lustituten, 
ja in der ganzen Lombardei hörte man von der rapiden Sterblichkeit. Mäuse 
und Kaninchen, die in demselben Stalle untergebracht waren, erkrankten 
jedoch nicht. ‘Die Krankheit ist erst in den letzten Tagen vor dem Tode mit 
Sicherheit zu diagnosticiren. Das Thier kauert unbeweglich, seine Atbmung 
wird immer schwerer und oberflächlicher, es zeigt gesträubtes Haar und keuchende 
Respiration. - 

Meist sind die Thiere nach dem Tode, mit wenigen Ausnahmen, sehr abge- 
magert. Die Lungen sind vergrössert und zeigen mässige Hyperämie. 
es besteht das Bild des vikariirenden Emphysems. Luftröhre, Kehlkopf. 
Nasenhöble, Milz sind normal. Leber zeigt muskatnussartiges Ausseben 
oder Fettentartung. Nieren sind stark hyperämisch, Gehirn und Rücken- 
mark ebenfalls. Nach der Sektion wurden aus Lunge und Herz in 
Bouillon, Gelatine und Agar Kulturen angelegt. Der Organismus ist ein 


Infektionskrankheiten. 1051 


kurzes ovales Stäbchen, nicht nach Gram färbbar, ohue Kapsel, sehr 
lebhafte Eigenbewegung, Gelatine wird nicht verflüssigt, anaörob kein 
Wachsthum, keine Milohkoagulation, kein Gas, kein Indol, aber Kartoffel- 
wachsthum. Auf den Platten kein allzu üppiges Wachsthum, nach der 
Beschreibung coliartig. Der Verf. giebt dem Stäbchen den Namen Bacterium 
pneumoniae caviarum. 

Zur Ermittelung der Infektiosität wurden Meerschweinchen, Kanin- 
chen, Hunden und Mäusen in die Luftröhre, in das Blut, in das Brust- 
und Bauehfell Bouillonkulturen eingespritzt. Hunde und Kaninchen zeigten 
sich immer auch gegen grosse Mengen unempfänglich; bei Meerschweinchen 
dagegen war die kleinste tödtliche Dosis 1/% oem Bouillon. 

Bei Trachealinjektionen von 1 ccm erfolgt der Tod binnen 24, bei 
solchen von 1/3 ccm binnen 48 Stunden. Die Virulenz erhielt sich über 
5 Monate ungeschwäeht. 

Spritzt man Bouillon in die Brusthöble ein, so stirbt das Thier in 
15—20 Tagen unter allgemeinem Marasmus. In die Bauchhöhle injicirt 
entsteht eine tödtliche Peritonitis. Werden die Bakterien in das Blut einge- 
führt, dann stirbt das Thier rasch. 

Merkwürdig bleibt, dass subkutane Injektionen den Tod nicht herbei- 
fübren. Es bildet sich nur eine Abscesshöhle, deren Inhalt allmählich resorbirt 
wird, oder es bildet sich nur ein Schorf. 

Zusammenfassend handelt es sich also um eine epidemische Krankheit 
der Meerschweinchen, die sich in den Lungen lokalisirt und unter der 
Form der herdweisen Pneumonie auftritt. R. O. Neumann (Kiel). 


Mayer G., Zur Kenntniss des Rotzbacillus und des Rotzknötchens. 
CentralbJ. f. Bakteriol. 1900. Bd. 28. No. 20. S. 673. 

Nach Besprechung der bisher bekannten morphologischen und patholo- 
gischen Befunde bei Infektionen mit Rotz kommt Mayer zu dem Schluss, 
dass über das Verhalten der Stäbchen im Thierkörper, ihre Ver- 
breitungsweise daselbst und über die ersten Gewebsschädigungen 
noch erhebliche Meinungsdifferenzen bestehen. Er versucht daher am inficirten 
Meerschweinchen sich weitere Auskunft zu holen. Zu diesem Zweck injieirte 
er 1/3 com einer im Achatmörser steril verriebenen Agarkultur- Bouillon- 
Aufschwemmung zugleich mit 5 ccm auf 38° erwärmter steriler Butter, um 
auf diese Weise eine ausgebreitete Krankheit in der Bauchhöhle zu bekommen. 

Bei diesem Impfmodus findet sich Drusen-, Keulen- und Zweig- 
bildung, also ganz die Merkmale, die wir den Vertretern der „Actinomy- 
ceten“ zulegen. Die Wirkung der Infektion ist eine fibrinoid-plastische 
Peritonitis. Die überall hin verstreuten Rotzstäbchen bilden Drusen, von 
denen eine rasche und eigenthümliche Nekrotisirung aller an die Drusen 
berankommenden Zellen ausgeht. Hier schreitet auch die Knötchenbildung 
rasch vorwärts, die besonders längs der I,ymphgefässe sich bemerkbar macht. 
In den Lymphdrüsen folgt der anfänglichen Zellwucherung ebenfalls Nekrose. 
Die Blutgefässe erkranken sekundär durch Thrombose des Inhaltes und 


75* 


1052 Infektionskrankheiten. 


Nekrose der Wandung. Die Rotzdrusen finden sich am ausgeprägtesten an 
der Grenze von nekrotischem und degenerireudem Gewebe. 
R. O. Neumann (Kiel). 


Schattenfroh A. und Grassberger R., Die Beziehungen der unbeweglichen 
Buttersäurebacillen zur Rauschbrandaffektion. Münch. med. Wochen- 
schr. 1900. No. 50. S. 1733. 

Die Verff. konnten durch ihre früheren Untersuchungen nachweisen, dass 
der von E. Fraenkel, Lindenthal und Hitschmann beschriebene Erreger 
der Gasphlegmone eine pathogene Varietät ihres „Granulobacillus saccharo- 
butyricus immobilis liquefaciens* sei. Dieser unbewegliche Butter- 
säurebacillus, der so sehr häufig vorkommt, soll nach den Beobachtungen von 
Sch. und Gr. nun auch im Zusammenhang mit der Rauschbrandkrankbheit 
der Rinder stehen. Ihre ersten Vermuthungen gründeten sich auf einen Be- 
fund bei einem an Rauschbrand zu Grunde gegangenen Thiere. Es fanden 
sich bei genauer bakteriologischer Untersuchung nirgends die als „Rausch- 
brandbacillus“ bekannten Bacillen, dagegen konnten sie einen Organismus 
züchten, der sich von dem genannten Granulobacillus in keiner Weise unter- 
schied. Ganz ähnliche Resultate wurden erhalten bei der Sektion von 7 Meer- 
schweinchen, welche mit rauschbrandigem Fleisch geimpft waren, und von 
denen 5 nach 20 Stunden bereits starben, die beiden anderen getödtet wurden. 
Es konnte niemals ein Bakterium gezüchtet werden, welches als der in der 
Literatur beschriebene „Rauschbrandbacillus“ hätte angesprochen werden 
können, dagegen liessen sich wiederum die Buttersäurebacillen mit Clostridium- 
formen und Granulosebildung reinzüchten. 

Die Verff. sind eben dabei, die Pathogenität dieser Organismen an Rio 
dern zu prüfen. 

Aus diesen Befunden schliessen Sch. und Gr., dass „jedenfalls eine ganze 
Anzahl von „Rauschbranderkrankungen“ nicht durch den oft beschrie- 
benen Bacillus, sondern durch den unbeweglichen Buttersäurebacillus hervor- 
gerufen wird“. R. O. Neumann (Kiel). 


Nehrkorn, Beitrag zur Purpura haemorrhagica. Münch. med. Wochenschr. 
1900. No. 40. S. 1372. 

Verf. beschreibt einen Fall von Purpura haemorrhagica, welcher in 
ganz kurzer Zeit, besonders zuletzt unter sehr stürmischen Symptomen tödt- 
lich verlief. 

Die Blutuntersuchung intra vitam ergab Herabsetzung des Hämoglobin- 
gehaltes auf 20 pCt., die Anzahl der rothen Blutkörperchen betrug 1!/, Mil- 
lionen. Mittels Pravaz’scher Spritze entnommenes Blut, auf Agar ausgestrichen, 
ergab Kolonien von Micr. pyogenes aureus, der aber, wie das Thierexperiment 
ergab, nicht mit dem Krankheitsfall in Verbindung zu bringen war. Bei der 
Sektion wurde nochmals Blut aus dem Herzen und der Milz zur Kultur 
verwendet, auch hämorrhagische Hautstücke, Oberarmmuskulatur, Tonsillen- 
stücke und Nierenabschnitte zur Untersuchung auf Gelatine und Agar be- 
nutzt, aber stets ohne Erfolg. 


Infektionskrankheiten. 1053 


Es war also nicht möglich, aus der bakteriologischen Untersuchung irgend 
welche Schlüsse auf die Aetiologie der Krankheit ableiten zu können, wäh- 
rend andererseits auch nicht die von Kolb gemachte Beobachtung über das 
Vorkommen eines specifischen Erregers der Purpura, welcher dem Bact. 
septicaemiae haemorrhagicae nahe steht, bestätigt werden konnte. Da 
ja allerdings Kolb’s Erreger von späteren Untersuchern auch nicht mehr auf- 
gefunden worden ist, so ist leider die Aetiologie dieser Krankheit noch in ein 
gewisses Dunkel gehällt. R. O. Neumann (Kiel). 


Ficker, M., Ueber den von Nakanishi aus Vaccinepusteln gezüch- 
teten neuen Bacillus. Centralbl. f. Bakteriol. 1900. Bd. 28. No. 17. 
S. 529. 

Verf. hat den von Nakanishi beschriebenen „Bacillus variabilis 
Iymphae vaccinalis“, den Nakanishi zuerst für den Erreger der Vaccine 
bezw. Variola hielt, neuerdings aber in der normalen Haut des Menschen 
und des Rindes gefunden hat, auch seinerseits in der Haut normaler unge- 
impfter Kälber nachweisen können. ` Hellwig (Halle a. S.). 


Klein E., Ueber zwei neue pyogene Mikrobien: Streptococcus ra- 
diatus und Bacterium diphtherioides. Centralbl. f. Bakteriol. Bd. 28. 
No. 14 u. 15. S. 417. 

Der Streptococcus radiatus wurde aus dem serös-fibrinösen Exsudat 
des entzündeten Euters einer Kuh isolirt. 

Die Kolonien wachsen auf Gelatine langsam und wenig üppig, sind 
aber von den anderen Streptokokken insofern unterschieden, als vom Centrum 
nach der Peripherie eine Radiärstreifung auftritt, die die Kolonie als ge- 
zähnelt am Rande erscheinen lässt. Milch wird nicht koagulirt. Für Meer- 
schweinchen ist der Organismus pathogen. Das Wachsthum auf Serum, 
Agar, Bouillon, Lakmusmilch ist der Beschreibung nach von dem anderer 
bekannter Streptokokken nicht sonderlich verschieden, und es scheint dem Ref. 
möglich, dass hier auch nur eine Varierät eines schon bekannten vorliegt, da 
wir gerade auch bei Streptokokken wissen, dass in morphologischen Merk- 
malen grosse Abweichungen vorkommen, die nicht ohne Weiteres als einer 
neuen Art angehörig aufgefasst werden dürfen. Mit dem Streptococcus 
mastitidis, sowie mit dem der gelben Galt soll er nichts zu thun haben. 

Bacterium diphtherioides fand sich in dem eitrigen Sekret des 
Euters einer Kuh. Die Form ist sehr verschieden (der Beschreibung nach 
Pseudodiphtherie. Ref.). Wachsthum auf Gelatine findet nicht statt, über- 
haupt ist dasselbe unter 25° sistirt. Bouillon bleibt ebenfalls steril, selbst 
bei Bruttemperatur. Dagegen in Milch und auf Blutserum gedeiht der Or- 
ganismus gut. Auf Glycerinagar entstehen kleine graue, langsam wachsende 
Kolonien mit durchscheinender, ein wenig unregelmässiger Randpartie. Die 
Stäbchen färben sich gut nach Gram, schlecht mit gewöhnlichen Anilinfarben. 
In Kulturen sterben die Organismen bald ab, am längsten bleiben sie in 
Serumkulturen übertragbar. Für Meerschweinchen ist der Organismus 
pathogen. R. O. Neumann (Kiel). 


1054 Infektionskrankheiten. 


Flexner $., The Etiology of Tropical Dysentery. Centralbl. f. Bakteriol. 
1900. Bd. 28. No. 19. S. 625. 

Bei den in Manila beobachteten Dysenteriefällen züchtete Flexner 
zwei Organismen. Ein Bakterium, welches alle typischen Eigenschaften 
des Typhusbacillus aufwies, und ein Stäbchen, welches dem B. coli comm. 
sehr nahe stand. Anch Microc. pyogenus aureus und Bact. pyocyaneum 
warde gefunden, doch darauf kein besonderer Werth gelegt. 

Wichtiger scheint dem Verf. die Thatsache, dass der typhusartige Orga- 
nismus in vielen Fällen mittels der Agglutinationsprobe ein positives Resultat 
gab. In denjenigen Fällen aber, wo Amoeben mit im Spiel waren, erhielt 
man keine Reaktion, ausgenommen 2 Fälle in Porto Rico. Der Organismus 
ist übrigens schwerer zu finden in allen Krankheitsfällen, welche sich in Re- 
konvalescenz befinden oder chronisch verlaufen. Letztere zeigen dann meist 
die Amoeben vorherrschend. Mänse, Meerschweinchen und Katzen 
sterben durch subkutane Impfung mittels Bouillonkulturen. 

Der coliartige Organismus ist sehr leicht zu finden, besonders in 
chronischen Fällen, während in akuten Fällen der typhusartige dominirt. 

Verf. unterscheidet eine akute und eine chronische Form der Dysen- 
terie, welche sich durch den pathologischen Befund, auf dessen ausführ- 
liche Schilderung im Original verwiesen werden muss, genau unterscheiden 
lassen. 

Seine Schlussfolgerungen sind so, dass er sowohl an eine bacilläre, als 
auch an eine Amoebenform denkt. Die bacilläre Art würde in eine 
chronische und eine akute einzutheilen sein. Die chronische Form ist 
pathologisch-anatomisch verschieden, je nachdem sie durch Bakterien oder 
Amoeben ausgelöst wurde. 

Die isolirten Bakterien könnten identisch sein mit den von Shiga in 
Japan bei Dysenterie gefandenen Stäbchen. R. 0O. Neumann (Kiel). 


Grassi B. und Noè G., Uebergang der Blutfilarien ganz ausschliess- 
lich durch den Stich von Stechmücken. Centralbl. f. Bakteriol. 1900. 
Bd. 28. No. 19. S. 652. 

Durch seine letzten Beobachtungen glaubt Grassi mit Sicherheit fest- 
gestellt zu haben, dass die Blutfilarien gerade so wie die Malaria- 
parasiten durch den Stich von Stechmücken — wenn auch der 
Uebertragungsmodus davon etwas abweicht — inokulirt werden. 

Bancroft hatte angenommen, die Larven träten aus dem Mosquitoleib 
durch die Speiseröhre und durch den Pharynx aus. Grassi und Noe 
hingegen konnten nachweisen, dass, weun die Anopheles sticht, die Larven aus 
dem Labium herausbefördert und somit in das Thier hineingebracht werden. 
Dieser Mechanismus stellt nach Grassi eine der eigenthümlichsten und merk- 
würdigsten Eigenschaften dar, die man sich in der Parasitenübertragung vor- 
stellen kann. 

Die Culieiden führen beim Stechen nun 6—9 Mundapparatstücke in die 
Tbierhaut ein; zwei davon bilden einen weiten Kanal durch Zusammen- 
legung der oberen Lippe mit dem Hypopharynx, und einen sehr engen Kanal, 


Abfallstofle. 1055 


welcher längs des Hypopharynx verläuft. Der weite Kanal dient dazu, beim 
Einstechen die in dem Säckchen angesammelten Gase herauszubefördern und 
alsdann das Blut durchfliessen zu lassen. Der zweite enge Kanal führt den 
Speichel in die Stichwunde ein. 4 Stilets (Mandibulae und Kiefern) schneiden 
durch eine sägeartige Bewegung das betreffende Gewebe durch. Von den 
übrigen Stücken des Mundapparats stehen die zwei Tasten aufrecht, während 
das Labium sich umlegt. Die Haut des Labiums reisst alsdann ein, und 
die Filarien entleeren sich in die Wunde. 

Ist das gestochene Thier ein Hund, dann setzen die Filarien ihre Ent- 
wickelung in demselben fort. Din Einzelheiten sind jedoch noch nicht ge- 
nügend aufgeklärt. Jedenfalls nehmen die Anophelesarten beim Saugen 
aus dem Hundeblut die Embryonen der Filaria immitis auf, die Embryonen 
wandern in die Malpighi’schen Gefässe hinein und vollziehen hier ihre Ent- 
wickelung, wobei sie sich beinahe wie die anderen bekannten Blutfilarien ver- 
halten. Die im Anopheleskörper zur höchsten Entwickelungsstufe gelangten 
Larven treten alsdann aus den Malpighi’schen Gefässen heraus und, ihre alte 
Cuticula zurücklassend, dringen sie in die Leibeshöhle ibres Wirthes hinein, 
schreiten nach dem Kopf hin und häufen sich rasch in der Leibeshöhlen- 
verlängerung, welche sich im Labium befindet, an, ausnahmsweise auch in 
den Tastern. R. O. Neumann (Kiel). 


Beyschlag, Ohlmüller, Orth, Gutachten über die Verunreinigung der 
Haase durch die Piesberger Grubenwässer und deren Folgen. 
Mit 2 Tafeln. Arb. a. d. Kais. Ges.-A. Bd. 17. S. 217—280. 

Das Gutachten setzt sich aus 3 Theilen zusammen und umfasst: 

1. Die geologischen Verhältnisse, von Prof. Beyschlag. 

2. Einwirkung der Piesberger Grubenwässer auf das Fluss- 
und Brunnenwasser, von Geh. Reg.-Rath Ohlmüller. 

3. Landwirthschaftliche Beurtheilung der Versalzung der 
Wiesen im Haasegebiet des Grossherzogthums Oldenburg, von Prof. 
Orth. 

Veranlassung zu den Untersuchungen gab der Umstand, dass die Gruben- 
wässer eines Kohlenbergwerkes am Piesberge in der Nähe von Osna- 
brück, welche ausser Kalium- und Caleiumchloriden vornehmlich reichlich 
Natriumchlorid enthielten, seit Janger Zeit in die Haase abgeleitet wurden 
und in jüngster Zeit durch Erweiterung des Bergbaues eine Vermehrung er- 
fahren hatten. Da die an der Haase liegenden Wiesen im preussischen und 
auch im oldenburgischen Gebiet durch das Flusswasser theils künstlich be- 
rieselt, theils von Zeit zu Zeit natürlich überfluthet werden, so hörte man 
auch bald Klagen der Wiesenbesitzer über den Schaden, der durch die Ver- 
salzung der Grasflächen und des Bodens entstanden sei und fortdauernd ent- 
stände. Durch Anlage von Klärbassins bei dem Orte Eversburg suchte 
man dem Uebel abzuhelfen, auch entstand das Projekt, die Haase durch Ueber- 
führung der Abwässer direkt nach der Ems vollständig zu entlasten, doch 


1056 Abfallstoffe. 


scheiterte letzteres Projekt, und die Zustände blieben im grossen Ganzen, wie 
sie waren. Während die Untersuchungen der Kommission noch im Gange 
waren, wurde übrigens der Betrieb der Piesberger Kohlengruben eingestellt. 

Der geologischen Beurtheilung Beyschlag’s ist nun zu entnehmen, dass 
die aus Anhydrid, Gyps und Steinsalz bestehenden Schichten am Rande 
des Piesberges einer intensiven Auslaugung anheimgefallen sind, Schichten, | 
welche in jener Gegend allenthalben das Carbon bedecken. Durch die künst- 
liche Senkung des Grundwasserspiegels innerhalb des Grubengeländes fliessen | 
die Grundwässer aus grossen Entfernungen heran und nehmen auf ihrem Wege 
die ausgelaugten Salzmassen mit sich. 

Je nachdem nun die Wasserbewegung in der Haase eine beschleunig- 
tere oder langsamere, die Wassermenge eine grössere oder geringere war, 
konnte angenommen werden, dass sich auch der Salzgeh’alt verändern würde. 
Ohlmüller nahm daher seine Untersuchungen einmal bei niedrigem Wasser- 
stande im Oktober und ein zweites Mal bei hohem Wasserstande, bei dem 
die Wiesen überschwemmt wurden, im Mai vor. Wenn auch die eben gemachte 
Annahme im Allgemeinen richtig war, so musste doch konstatirt werden, dass 
der Chlorgehalt in den einzelnen Strecken der Haase sowohl bei Hoch- wie 
bei Niederwasser ausserordentlich schwankte. So fanden sich beispielsweise 
oberhalb der Einmündung der Bergwerksgrundwässer vor Osnabrück ca. 75mg 
im Liter, hinter Osnabrück 290 mg, nach Einlauf der Grund wässer schwan- 
kend von ca. 180—2000 mg. Diese enormen Schwankungen führt Ohlmüller 
sicher mit Recht zum grössten Theil auf den Zufluss von Fabrikwässern der 
Stadt Osnabrück zurück, jedenfalls hätte der Gehalt des Flusses an Chlor 
gleichmässiger sein müssen, wenn, wie von anderer Seite angenommen wurde. 

im Flussbett kochsalzhaltige Quellen sich gefunden hätten. 

Es ist leider nicht möglich, auf die interessanten Untersuchungsergebnisse 
näher einzugehen; erwähnt sei nur noch, dass ein auffallender Unterschied 
des Chlorgehalts au der Oberfläche und in den tieferen Schichten, mit Aus- 
nahme von zwei Malen, nicht gefunden werden konnte. 

Der Salzgehalt der Brunnen im Haasethale war im Allgemeinen 
ein recht hoher. Auch hier zeigten sich ganz bedeutende Schwankungen, die 
aber wohl kaum jedesmal, wie angenommen werden konnte, mit dem Steigen 
and Sinken des Haaseflusses zusammenfielen. Jedenfalls lag bei verschiedenen 
Brunnen, die durchaus nicht den hygienischen Anforderungen entsprachen, 
Verunreinigung aus der Umgebung der Brunnen vor. 

Auf gewerbliche Thätigkeit scheint das salzhaltige Wasser keinen 
besonderen schädlichen Einfluss ausgeübt zu haben, wie auch der Fisch- 
bestand nicht unter solcher Menge von Chlor, wie sie in der Haase vor- 
kommt, zu leiden hatte. 

Ein Vergleich des Wassers auf den Wiesen mit dem Flusswasser ergab 
im Chlorgehalt keine Uebereinstimmung, da ja zuviel Faktoren, wie Verdun- 
stung, Niederschläge u. s. f., mitspielen, die die Chlormenge beeinflussen. Es 
konnte sich hier nur darum handeln, zu zeigen, wie hoch überhaupt der Chlor- 
gehalt auf den Wiesen steigen konnte (von 100 bis 2000 mg im Liter). Es 


Ernährung. 1057 


könnten aber die Resultate im Sinne einer Koncentrirung auf der Wiese ge- 
deutet werden. 

Bei der landwirthschaftlichen Beurtheilung der Versalzung der 
Wiesen stellt Orth zunächst fest, dass bei einer Berieselung mit einem Wasser 
von 0,5 pM. Salzgehalt keinenfalls eine Schädigung unter normalen Verhält- 
nissen zu fürchten ist, enthält ja doch bei manchen Versuchsproben, um den 
Ernteertrag zu ermitteln, die bestgeeignete Nährlösung 1 pM. NaCl. Immerbin 
können auch bei diesen Koncentrationsverhältnissen in trockenem Sommer 
oder bei Stagniren des Wassers schädliche Einflüsse stattfinden. Es dürfte 
aber für die vorliegenden Verhältnisse sicher sein, dass überall dort, wo 
wenig verdünntes Ablasswasser der Klärteiche resp. das Haase- 
Niederwasser auf die Wiesenvegetation gelangt ist, dasselbe sehr verderb- 
lich gewirkt hat. 

Auf die Versandung des Haasethales haben die Grubenwässer des Pies- 
berges gewiss auch ihren Antheil, sie dürfte aber procentuarisch gegenüber 
den grossen tellurisch-klimatischen Einflüssen nicht besonders ins Gewicht 
fallen; dagegen muss zugegeben werden, dass die Versalzung die zur Befruch- 
tung der Wiesen wohlthätige Schlickbildung zu Ungunsten stark beeinflusst. 

Ebenso wird der Versäuerung und Versumpfung der Wiesen durch 
das Kochsalz und Chlormagnesinm führende Wasser entschieden Vorschub ge- 
leistet und zwar in ganz bedeutendem Maasse. 

Die eigentliche Schätzung des Schadens wird in dem Gutachten nicht 
berührt, da dies von fachmännischer Seite zu geschehen hat. 

R. O. Neumann (Kiel). 


de Lange, Die Zusammensetzung der Asche des Neugeborenen und 
der Muttermilch. Zeitschr. f. Biol. 1900. Bd. 40. S. 526. 

Bereits vor Hugouneny und Camerer jun. (diese Zeitschr. 1900. S. 1002) 
hat Verfasserin die Milch von 33 Frauen (Mischmilch) und einen Neu- 
geborenen (2700 g) auf die anorganischen Bestandtheile untersucht und 
gefunden, dass die Bunge’sche Theorie, der Säugling beziehe in der Milch 
seiner Mutter ein Produkt, welches die Aschebestandtheile in denselben Ver- 
hältnissen wie sein eigener Organismus enthalte, für den Menschen jedenfalls 
nicht zutrifft. 

Mit Ausnahme des Gehalts an Kalium- und Natriumsalzen stimmt diese 
Milch mit der von Camerer untersuchten gut überein. 

E. Rost (Berlin). 


Camerer jun., Die chemische Zusammensetzung des Neugeborenen. 
Zeitschr. f. Biol. 1900. Bd. 40. S. 529. 

Zu den früher untersuchten drei normalgebildeten Neugeborenen (diese 
Zeitschr. 1900. S. 1001) fügt Verf. die Analysen eines vierten. Im Mittel betrug 
die Zusammensetzung: Wasser 71,7 pCt. und Trockensubstanz 28,3 pCt. 
(Eiweiss 11,5 pCt., Fett 12,8 pCt., Extraktivstoffe 1,4 pCt., Asche 2,6 pCt.). 


1058 Ernährung. 


Am meisten schwankte der Gehalt an Fett (um 4,4 pCt.); das Geschlecht 
liess dagegen einen wesentlichen Unterschied in der Zusammensetzung nicht 
erkennen. ; 

Derartige quantitative Untersuchungen werden, wenn sie erst aus ver- 
schiedenen Lebensmonaten des Säuglings vorliegen, ein werthvolles Material 
für die Kinderernährung bieten, um aus der Menge der gereichten Nahrang 
und der Gewichtszunahme einen Rückschluss auf die einzelnen zum An- 
satz gekommenen Bestandtheilc der Nahrung machen zu können. 

E. Rost (Berlin). 


Heinemann, H. Newton, Experimentelle Untersuchung am Menschen 
über den Rinfluss der Muskelarbeit auf den Stoffverbrauch und 
die Bedeutung der einzelnen Nährstoffe als Quelle der Muskel- 
arbeit. Arch. f. d. ges. Physiol. (Pflüger). 1901. Bd. 83. S. 441. 

Frentzel J. und Reach F., Untersuchungen zur Frage nach der Quelle 
der Muskelkraft. Ebenda. S. 477. 

Caspari W., Ueber Eiweissumsatz und -Ansatz bei der Muskelarbeit. 
Ebenda. S. 509. 

Bornstein K., Eiweissmast und Muskelarbeit. Fbenda. S. 540. 

Zuntz N., Ueber die Bedeutung der verschiedenen Nährstoffe als 
Erzeuger der Muskelkraft. (Bemerkungen zu vorstehenden Arbeiten.) 
Ebenda. S. 557. 

Die vorliegenden Arbeiten, welche aus dem thierphysiologischen Institat 
der Kgl. landwirthschaftlichen Hochschule zu Berlin stammen, sind zum 
grössten Theil schon durch Vorträge bekannt geworden, sodass hier nur kurz 
auf diese ausführlichen Mittheilungen aufmerksam gemacht werden soll. 

Während Heinemann bei seinen Arbeitsversuchen sich des verbesserten 
Gärtner’schen Ergostaten bediente, benutzten Frentzel und Reach eine 
„Tretbahn“, um so durch Gehen auf horizontaler Bahn bezw. bei Steigung 
Arbeit zu leisten. Unter Berücksichtigung einiger Nebenmomente schliesst 
Zuntz aus diesen Versuchen, dass „Fette und Koblehydrate für die Ar- 
beit einander im Verhältnisse ihrer Verbrennungswärme vertreten“; auch 
sprechen diese Versuche gegen die Annahme, dass das Fett erst unter Ver- 
lust eines Theiles seiner Energie in Kohlehydrate umgewandelt werden müsse, 
um im thätigen Muskel als Kraftquelle fungiren zu können. 

Caspari liess eine durch eine mehrmonatliche Ruhe gemästete grosse 
Hündin ebenfalls auf der Tretbahn laufen; es zeigte sich dabei, dass, im 
Gegensatz zu den Ruheperioden, während der Arbeitsperioden bei quantitativ 
nicht verändertem Futter kontinuirlich Stickstoff im Körper zurückbehalten 
wurde; gleichzeitig nahm aber das Körpergewicht ab in dem Maasse, wie die 
Menge des zurückbehaltenen Stickstoffes stieg. Bornstein fügte, als er sich 
im Stickstoffgleichgewicht befand, seiner Nahrung täglich noch 50 g Casein- 
natrium (Nutrose) mit 6,75 g N hinzu und lieferte Arbeit am verbesserten 
Gärtner’schen Ergostaten. Auch aus diesen Versuchen geht hervor, dass 
„der Organismus wohl im Stande ist, bei einseitiger Ueberernährung Eiweiss- 
ansatz zu erzielen, bei gleichzeitiger Arbeit sogar ohne jeglichen Fettansatz“. 


Ernährung. 1059 


Diese Erscheinung ist leicht erklärlich durch die „Aktivitätshypertrophie der 
Muskeln“, da durch die Arbeit eine erhebliche Kräftigung der Körpermusku- 
latur bedingt ist; und diese „Aktivitätshypertrophie wird wohl um so reich- 
licher ansfallen, je mehr Stoff vorhanden ist, ans dem die Zellen hypertro- 
phiren können“. Wesenberg (Elberfeld). 


Kaufmann, Ueber die Ursache der Zunahme der Eiweisszersetzung 
während des Hungerns. Zeitschr. f. Biol. 1901. Bd. 41. S. 75. 

Bekanntlich zeigen Hungerthiere nach einer Periode der verminderten 
und einer der geringen, annähernd gleichbleibenden Eiweisszersetzung 
ein Stadium des gesteigerten Eiweisszerfalls, die sogen. prämortale Stick- 
stoffsteigerung, die je nach dem ursprünglichen Fettgehalt der Thiere 
früber oder später eintritt, wie ja auch der Fettgehalt des Organismus die 
Lebensdauer im Hungern bedingt (Kumagawa’s und Miura’s Hund 100 Tage. 
1898). Nach Versuchen C. Voit’s und seiner Schüler (Rubner) fällt der Be- 
ginn der prämortalen Stickstoffsteigerung mit dem Aufgebrauchtsein des Reserve- 
fetts zusammen, d.h. des aus den Fettdepots abschmelzbaren und mit den 
Säften den Zellen zufliessenden, eirkulirenden Fetts. Fr. N. Schulz hat 
nun behauptet, die Ursache des Eiweisszerfalls im Endstadium sei ein grosses 
Absterben von Zellen, deren Stickstoff in die Säfte und in den Harn gelange, 
eine Ansicht, die schon deswegen durchaus unwahrscheinlich ist, weil die Zellen 
wohl mit verminderter Kraft arbeiten können, nicht aber absterben, ohne dass 
der Gesammtorganismus, dem durch den Ausfall der Thätigkeit grosser Zell- 
gebiete nicht mehr genügende kinetische Energie zur Erhaltung seiner Eigen- 
wärme und zar Ermöglichung der Thätigkeit von Herz und Lungen zugeführt wird, 
selbst vorher sein Leben einstellt. Ganz abgesehen davon, dass die Stickstoff- 
steigerang in manchen Fällen schon beginnt, wenn erst ein paar Procent Bi- 
weiss vom Körper verloren gegangen sind, wird durch die Versuche Kaufmann’s, 
in denen vorher gut ernährte Kaninchen bis 20 Tage ohne Eiweiss und Fett- 
nahrung blieben und in Folge Verfütterung von Zucker, der resorbirt und 
verwerthet, Fett vor Verbrennung schützte, die Stickstoffsteigerung nicht 
zeigten, von Neuem beweisen, dass die Ursache des prämortalen Eiweiss- 
zerfalls die Armuth des Körpers an eiweissschützendem Fett ist. 

E. Rost (Berlin). 


Moit E., Ueber die Grösse des Energiebedarfs der Thiere im Hunger- 
zustande. Zeitschr. f. Biol. 1901. Bd. 41. S. 113. 

Kleine Tbiere zeigen bekanntlich einen relativ intensiveren Stoff- 
umsatz als grössere; berechnet man aber den Energieverbrauch auf die 
Oberfläche als Einheit anstatt auf das Gewicht, so besitzen nach Rubner 
Thiere gleicher Art unter analogen Versuchsbedingungen den gleichen rela- 
tiven Energiebedarf, und der Energieverbrauch ändert sich proportional der 
Oberfläche. (Nach der Meeh’schen Formel ist Oberfläche = Konstante mal 
3. Wurzel aus Gewicht im Quadrat.) So beträgt derselbe für 1 qm beim 
Menschen 1042, beim Hund 1039, beim Schwein 1078 Kalorien; nur beim 
Kaninchen ist die entsprechende Zahl 776 Kalorien, was wohl mit dem ge- 


1060 Ernährung. 


ringen Eiweissbestand (schlechter Ernährungszustand, starke Füllung des Ver- 
dauungsschlauchs) desselben zusammenhängt. 

Neben der Wiedergabe von noch nicht veröffentlichten analogen 
Versuchen an Gänsen bespricht Verf. in äusserst interessanter Weise die 
Momente, welche die beobachteten Unterschiede im Energieverbrauch von 
Thieren derselben und verschiedener Art veranlassen könnten. Da man häufig 
sieht, dass die kleinsten Werthe bei niedrigstem Gewicht eines und desselben 
Thiers erhalten werden, dass die relative Zersetzungsgrösse mit jedem folgenden 
Hungertag kleiner wird, ist nach Ansicht des Verf.’s der Zusammenhang 
zwischen beiden Grössen, Oberflächenentwickelung und Energieverbrauch, doch 
nicht so einfach, als es bisher angenommen wurde; „der Energiebedarf 
eines Hungerthiers nimmt nicht proportional der Oberfläche ab, 
sondern vermindert sich in dem Maasse, als der Eiweissbestand 
des Thieres sinkt“. E. Rost (Berlin). 


Hartogh und Schumm, Zur Frage der Zuckerbildung aus Fett. Arch. 
f. experim. Pathol. u. Pharmak. 1900. Bd. 45. S. 11. 

Während die Entstehung von Fett aus Kohlehydraten im thierischen Körper 
als erwiesen gilt, ist die für die Pathologie des Diabetes wichtige Frage der 
Zuckerbildung aus Fett noch nicht gelöst. Im Leben der Pflanze be- 
steht diese Umwandlung jedenfalls. 

Theoretisch muss, seitdem E. Fischer die Ueberführung von Glycerin, 
des einen Komponenten der Fette, in eine Zuckerart, die Glycerose, gelungen 
ist, diese Entstehungsart des Zuckers im Stoffwechsel als durchaus möglich 
bezeichnet werden. Die hierfür erbrachten Stützen sind Beobachtungen an 
Zuckerkranken und Stoffwechseluntersuchungen, welche indirekt die Frage zu 
lösen versuchen. In neuester Zeit fand Rumpf bei einem Diabetiker während 
15 Tagen im Harn 100 g N und 1170 g Zucker. Verff. haben bei bestimmter 
Versuchsanordnung (Erzeugung von Phlorhizindiabetes bei glykogenfreien, 
fast ausschliesslich mit Fett gefütterten Hunden bis zu 60 kg) das Verhältnis 
Zucker zu Stickstoff (D:N) untersucht. Nach Minkowski ist dies 28, es 
bedeutet, dass aus Eiweiss nach Abrechnung des C, welcher für die N-haltigen 
Endprodukte im Harn verwandt wird, noch soviel ( übrig bleibt, dass 2,8mal 
mehr Zucker daraus entstehen kann, als N den Körper im Harn verlässt. Ist 
nun als Zuckerquelle ein Gehalt des Körpers an dem Polysaccharid Glykogen 
und für das Wachsen des Zählers ein Kleinerwerden des Nenners (Zurück- 
haltung von N im Körper) ausgeschlossen, so wird bei Grösserwerden des 


2,8 N 
Bruchs F als die Quelle eines Theils des Zuckers Fett angesehen. 


Die Zahlen der Verff. sind nun theilweise sehr hoch > bis = in ein- 
zelnen Versuchsabschnitten. Ein so grosses Plus von Dextrose auf die Ab- 
spaltung der Zuckergrappe der Nukleoproteide zurückzuführen, ist nicht 
angängig, da die Phosphate, ein Indikator für den grösseren Zerfall von Nukleo- 
proteiden, im Harn nicht in vermehrter Menge ausgeschieden wurden. 


Ernährung. 1061 


Diese an phlorhizinvergifteten Hunden gewonnenen Resultate sind aber 
bei der ausserordentlich schwierigen Versuchsanordnung und den schweren 
Vergiftungserscheinungen, welche Phlorhizin setzt, keineswegs ohne Weiteres 
auf den Menschen übertragbar. E. Rost (Berlin). 


Müller, Erich, Ein Beitrag zur Frage der Celluloseverdauung im 
Darmkanale. Aus dem thierphysiol. Institut der kgl. landwirthschaftl. 
Hochschule zu Berlin. Arch. f. d. ges. Physiologie. (Pflüger). 1901. Bd. 83. 
S. 619. 

Durch Versuche an einer Ziege, der für diese Zwecke eine Pansenfistel 
angelegt war, konnte Verf. nachweisen, dass bei der Gelluloseauflösung 
im Darmkanal der Pflanzenfresser — wenigstens der Ziege — 
Zucker, auch als Zwischenprodukt, nicht entsteht. In Folge der 
bei der Einwirkung des Panseninhaltes auf Heu u.s. w. entstehenden Gas- 
bildung schliesst sich Verf. der Ansicht Tappeiner’s an, dass die Auflösung 
der Cellulose bei den Pflanzenfressern durch bakterielle Gährwirkung bedingt ist. 

Wesenberg (Elberfeld). 


Woy R., Zur Kjeldahl’schen Zuckerbestimmungsmethode. Zeitschr. 
f. öffentl. Chem. 1900. S. 514. 

Die Kjeldahl’sche Zuckerbestimmungsmethode hat bislang wenig 
Verbreitung gefunden, obwohl sie sich durch Einfachheit und Genauigkeit aus- 
zeichnet; es ist die erste Methode, welche die reducirenden Zuckerarten unter 
gleichen Bedingungen reducirt und daher mit den gefundenen Kupferwerthen 
vergleichende Rechnungen auszuführen gestattet. Verf. tritt sehr für das Ver- 
fahren ein, die einzige Fehlerquelle liegt in dem Aufnahmevermögen der Lauge 
für Kohlensäure; es dürfte sich daher die Ausarbeitung von Tabellen empfehlen, 
in denen statt der Lauge Sodalösung Verwendung findet. Im folgenden sei 
kurz die Arbeitsweise angegeben: in einem 150 ccm fassenden Kölbchen (am 
besten aus Jenaer Glas) werden 10,4 g Seignettesalz in 15 ccm Natronlauge 
(genau 130 g kohlensäurefreies NaOH im Liter, durch Titration und genaues 
Einstellen erhalten) und 15 cem Kupferlösung (69,278 g krystallisirtes Kupfer- 
sulfat zum Liter) gelöst, die zu fällende Zuckerlösung wird zugegeben, zu 100 ccm 
aufgefüllt, ein Wasserstoff- oder Leuchtgasstrom eingeleitet und das Kölbchen 
genau 5 Minuten lang in ein andauernd siedendes Wasserbad eingesetzt und 
der Niederschlag sofort filtrirt. Zur Filtration dienen Papierfilter, in diesem 
Falle empfiehlt sich die Reduktion zu Cu mit Hilfe von Methylalkohol nach 
Bruhns, oder besser Gooch’sche Tiegel mit Asbest, bei deren Verwendung 
die Wägung als CuO das einfachste ist. 

Im Anschluss an seine Publikation giebt Verf. noch eine umfangreiche 
„Tabelle zur Bestimmung ven Invertzucker und Invertzucker neben Rohrzucker 
nach Jessen-Hansen (Kjeldahl)“, in der er ausser den Zahlen für Cu 
noch die für CuO als Wägungsform berechnet hat. 

Wesenberg (Elberfeld). 


1062 Ernährung. 


Ripper M., Eine allgemein anwendbare maassanalytische Be- 
stimmung der Aldehyde. Monatsh. f. Chem. 1900. Bd. 21. S. 1079. 

Zur Bestimmung der Aldehyde (Formaldehyd, Acetaldehyd, Benz 
aldehyd, Vanillin u. s. w.) benutzt Verf. die Eigenschaft derselben, sich mit 
Alkalibisulfit derart zu verbinden, dass das angelagerte Alkalibisulfit durch 
Jod nicht mehr oxydirbar ist. Von der etwa 1/, pCt. Aldehyd enthaltenden, 
am besten wässerigen, sonst schwach alkoholischen Lösung werden 25 ccm 
zu 50 ccm der Kaliumbisulfitlösung (12 g KHSO; im Liter) zugegeben; nach 
etwa 1/, Stunde wird der Ueberschuss an KHSO, mit 1/10 Normaljodiösung 
bestimmt. Aus dem Minderverbrauch an Jod zur Oxydation der KHSO,-Lösung, 
deren Jodtiter für 50 ccm vorher bestimmt wurde, nach der Einwirkung des 
Aldehyds lässt sich leicht die Aldehydmenge berechnen. Bei den angegebenen 
Koneentrationen sind Nebenreaktionen ausgeschlossen. 

Zur Herstellung der !/,, Normaljodlösung empfiehlt Verf., um die 
Lösung haltbar zu machen, die Verwendung von 35 g Kaliumjodid auf etwa 
13 g J: 1000 cem; zur Einstellung der Jodlösung empfiehlt sich die 
Benutzung von Kaliumbijodat, dessen Lösungen ihren Titer jahrelang unver- 
ändert halten. Wesenberg (Elberfeld). 


Huber J. Ch., Notizen zur Fleischkunde. Münch. med. Wochenschr. 1900. 
No. 47. S. 1628 ff. 

Verf. bat an geräucherten Rindszungen und Schweineschinken wieder- 
bolt auf dem Schnitte zahlreiche Löcher bis zu Erbsengrösse beobachtet. Auf 
Erkundigung hat Verf. erfahren, dass die Metzger seiner Gegend (in Süddeutsch- 
land) die Gewohnheit haben, die Fleischstücke beim Pökeln mit starken Ga- 
beln und Pfriemen zu durchlöchern, damit die Pökelbrühe besser eindringt. 
Verf. lässt es dahingestellt, ob die von ihm beobachteten Löcher nur die ge- 
stochenen darstellen, oder ob auch eine Gasentwickelung mitgewirkt hat, in- 
dem bei dem Durchlöchern Fäulsnisskeime eingedrungen sind. Fäulnissgeruch 
oder Verfärbung waren nicht vorhanden. Hellwig (Halle a. S.). 


Müller J., Ueber Tropon und Plasmon. Münch. med. Wochenschr. 1900. 
No. 51 u. 52. S. 1769 ff. 

Trotz einer grösseren Reihe von Untersuchungen, die von anderer Seite 
bereits gemacht wurden, unternimmt es Müller noch einmal, sich mit Tropon 
und Plasmon zu befassen. Solche Arbeiten, wie die seine, sind aber nicht 
überflüssig, sondern als wichtig zu begrüssen, da dieselbe allen Ansprüchen 
an exakte Ausführung genügt, was man von vielen anderen Stoffwechsel- 
versuchen leider nicht immer behaupten kann. 

Ausserdem ist sehr erfreulich die lange Dauer der Hauptperiede 
und vor allen Dingen die Ausführung an ein und demselben Indivi- 
duum, die einen wirklich brauchbaren Vergleich zwischen beiden Präpa- 
raten gestattet. 

Sein Versuchsobjekt ist eine Hündin. Wenn nun auch nicht immer 
ohne Weiteres vom Thier auf den Menschen geschlossen werden kann, so 
dürfte gegen diesen Versuch kaum ein Einwand zu machen sein, im Gegen- 


Ernährung. 1063 


theil, hier scheint sogar der Hund besser angebracht, weil man auı Menschen 
Versuche von 80—40 Tagen nur unter ganz günstigen Bedingungen, die sehr 
selten sind, anstellen kann. 

Die Nahrung des Hundes bestand aus Hundekuchen, Fleisch und 
Speck. In der Hauptperiode wurde dann das Fleisch und ein Theil des 
Hundekuchens durch Tropon ersetzt. Die Vorperiode dauerte 8 Tage, die 
Hauptperiode 36 Tage und die Nachperiode 6 Tage. Etwaige grössere Diffe- 
renzen in den Tagesharnen wurden durch die lange Dauer des Versuchs aus- 
geglichen. Immerhin ist es Jehrreich zu sehen, wieviel die Tagesschwankungen 
doch betragen können (hier beträgt die höchste Zahl 9,03, die niedrigste 4,23, 
die mittleren Zahlen meist 7—8 g N im Harn), selbst wenn absolut dieselben 
Verhältnisse täglich eingehalten werden; man erkennt daraus, wie wenig 
brauchbar Stoffwechseluntersuchungen von 3- 4 Tagen sind, aus denen dann 
Mittelzahlen berechnet werden. 

Das Resultat dieses Troponversuches lässt sich dahin zusammenfassen, 
dass die Ausnützung des Tropons eine schlechtere war, als die der 
gemischten Nahrung. Die Ausnützung d:s Tropons betrug nur 82,7 pCt. 
gegenüber der Ausnützung der gemischten Nahrung mit 93 pCt. 

Im Plasmonversuch erhielt die Hündin Hundekuchen, Plasmon und 
Reis. 

Die Vorperiode dauerte 6 Tage, die Hauptperiode 21 Tage, die Nach- 
periode 8 Tage. 

Hier stellte es sich heraus, dass das Plasmon in der Ausnützung der 
gemischten Nahrung fast gleich kam. Dieselbe betrug 92,3 pCt. 

Es zeigen also diese Versuche, dass das Plasmon an Ausnützung 
dem Tropon vorangeht, womit natürlich nicht gesagt ist, dass die etwas 
geringere Ausnützung die praktische Verwerthung des Tropons beeinträchtigen 
würde. 

Diese Resultate decken sich zum Theil mit denen von Schmilinsky 
und Kleine, Prausnitz, R.O. Neumann und Caspari. Ein Punkt aber, 
dem Müller bei seinen Versuchen keine oder zu wenig Beachtung geschenkt 
hat, muss noch hervorgehoben werden. Es ist die auffallend höhere Stick- 
stoffausfuhr im Harn in der Plasmonhauptperiode. Folgende Zusam- 
menstellung mit Berechnung der Durchschnittswerthe wird dies erläutern: 


Tropon Plasmon 
N-Einnahme N-Ausgabe N-Einnahme N-Ausgabe 
im Harn im Harn 
Vorperiode 7,26 6,41 8,88 7,88 
Hauptperiode 7,7 6,7 8,82 8,88 
Nachperiode 7,25 6,6 9,2 8,48 


Man sieht also, dass beim Plasmon in der Hauptperiode im Harn allein 
sogar mehr Stickstoff ausgeschieden ist, als eingenommen wurde, trotz 
seiner vorzüglichen Ausnützung. 

Beim Tropon dagegen bleibt die N-Ausfuhr im Harn in der Haupt- 
periode gleich der in der Vor- und Nachperiode. Diese Beobachtung, die 
man bei den Müller’schen Versuchen macht, konnte Ref., der an sich selbst 


1064 ß Ernährung. 


ebenfalls Vergleichsversuche mit Tropon und Plasmon ausgeführt hat, auch 
und zwar in noch deutlicherer Weise beim Vergleich von Soson und Plas- 
mon machen. 

Daraus ist zu schliessen, dass das Eiweiss aus Milch wohl sehr 
gut resorbirt, aber ein Bruchtheil des Resorbirten nicht im gleichen Maasse 
assimilirt wird wie das-Eiweiss aus Fleisch. Dieser Verlust muss also 
durch Körpereiweiss ausgeglichen werden und führt so zu einer Mehrausschei- 
dung von Stickstoff im Harn. Bei Tropon und Soson konnte in den ana- 
logen Versuchen des Ref. diese Beobachtung — genau wie bei Müller — 
nicht gemacht werden. 

Der geringe N-Verlust im Harn bei Plasmon hat natürlich praktisch 
eben so wenig zu sagen, wie der geringe N-Verlust im Koth beim Tropon. 

R. 0. Neumann (Kiel). 


Hefelmann R., Zur Beurtheilung des Stärkegehaltes der Leberwurst. 
Zeitschr. f. öffentl. Chem. 1901. S. 43. 

Verf. erinnert an den beträchtlichen Glykogengehalt der Leber, welche 
den Glykogengehalt in Leberwurst bis zu 1,7 pCt ansteigen lassen kann. 
Da nun bei den gebräuchlichen Stärke-Bestimmungsmethoden das Glyko- 
gen als Stärke mitbestimmt wird, und ausserdem etwa 1 pCt. Gewürzstärke 
in der Wurst meist enthalten ist, so ist zur Zeit der chemische Nachweis ge- 
ringer Mengen zum Zweck der Täuschung zugesetzter Stärke (Mehl, Semmel 
u. s. w.) in Leberwurst unmöglich. Der mikroskopische Nachweis der Stärke 
wird durch die Gegenwart der Gewürzstärke erschwert, sodass in manchen 
Fällen nur der Nachweis von Querzellen und Haaren für die Gegenwart von 
Cerealienmehlen beweisend sein wird. Wesenberg (Elberfeld). 


Utz, Ueber den Werth des Marchand’schen L,aktobutyrometers zur 
Bestimmung des Fettgehaltes der Milch. Pharmaceut. Zeitg. 1900. 
No. 77. N 

Vor der Benutzung des Marchand’schen Laktobutyrometers zur 

Fettbestimmung in der Milch ist schon von verschiedenen Seiten gewarnt 

worden, da die damit erzielten Werthe meist viel zu niedrig ausfallen. Auch 

Verf. bestätigt diese Erfahrung; man könne allerdings mitunter gute Werthe 

mit diesem Verfahren erzielen, „in den meisten Fällen jedoch versagt die 

Methode entweder vollständig, oder die erhaltenen Resultate bleiben zum 

mindesten hinter den auf gewichtsanalytischem Wege erzielten bedeutend 

zurück.“ Wesenberg (Elberfeld). 


Cohn M., Zur Morphologie der Milch. Virch. Arch. Bd. 162. S. 187 bis 
206. S. 406—443. 

Ausser den Milchkügelchen sind in der Milch zweierlei geformte Ele- 
mente enthalten, nämlich erstens zarte, scharfrandige Kappen und Kugeln, die 
mit den Milchkügelchen in Verbindung stehen, nnd zweitens die Kolostrum- 
körperchen (Leukocyten). 

Erstere Gebilde, die Kappen und Kugeln, finden sich nicht bei allen 


Ernährung. 1065 


Tbierarten in gleicher Häufigkeit. In der Frauenmilch sind sie konstant und 
verhältnissmässig reichlich vorhanden, in der Kuhmilch dagegen nur selten 
und spärlich. Aber auch bei der Frauenmilch ist die Menge der Kappen 
und Kugeln grossen Schwankungen unterworfen; dieselbe ist gross, wenn 
die Milchdrüse zu erhöhter Arbeitsthätigkeit übergeht, gering 
dagegen bei stagnirender Milch. Die Kappen und Kugeln mit ihren 
Milchkügelchen unterscheiden sich von Leukocyten, welche Fetttropfen ein- 
schliessen, besonders durch ihr homogenes Ausseben, durch die stärkere An- 
ziehungskraft ihres Protoplasmas für Methylenblau und dadurch, dass sie bis 
auf vereinzelte Fälle kernlos sind. Verf. hält die Kappen und Kugeln für 
Produkte der Zellthätigkeit der Milchdrüsenepithelien und sieht 
ihre Bedeutung darin, dass sie als Träger eines besonderen Eiweisskör- 
pers der Milch dienen. 

Das zweite geformte Element der Milch, die Kolostrumkörperchen, 
sind, wie zuerst Czerny ausgesprochen hat, ausgewanderte Leukocyten, 
die sich allmählich durch Aufnahme von Fetttröpfchen vergrössert 
baben. Verf. konnte ihre Leukocytennatur durch die Feststellung sichern, 
dass sie wie Leukocyten neutrophile Körnung des Protoplasmas zeigen. 
Nur bei grossen Kolostrumkörperchen fehlt letztere. Dies erklärt sich auf 
Grund von Versuchen dahin, dass die neutrophile Körnung bei einer gewissen 
Stärke der Fetteinlagerung verloren geht. Auch durch Mehrzahl, Vielgestaltig- 
keit und starke Färbbarkeit der Kerne gleichen die Kolostrumkörperchen 
ganz den Lenkocyten. Auch hier weichen die grossen Kolostrumzellen davon 
ab, indem sie meist nur einen einzigen Kern enthalten und dieser einfach ge- 
formt ist, sich auch nicht besonders stark färbt. Als Ursache für die Ein- 
wanderung der Leukocyten in die Milch hat schon Czerny die Stagna- 
tion der Milch in der Drüse erkannt. Er irrte jedoch mit der Behauptung, 
dass allzu grosse Ausdehnung der Drüse das wirksame Moment dabei wäre. 
Kolostrumkörperchen können in der Milch prall gespannter Brüste fehlen und 
andererseits im spärlichen Sekret in grosser Menge vorhanden sein. Der 
wahre Grund liegt ‚vielmehr wohl in der Bildung positiv chemotaktisch 
wirksamer Umsetzungsprodukte in der stagnirenden Milch. In 
Folge der ursächlichen Bedeutung der Stagnation findet sich ein stärkerer 
Gehalt der Milch an Kolostrumzellen oder Leukocyten hauptsächlich im Be- 
ginn und am Schluss der Laktation. So ist es im Allgemeinen auch bei 
Thieren; bei Ziegen fand Verf. jedoch auch auf der Höhe der Laktation grosse 
Mengen von Leukocyten in der Milch. — Mastzellen hat Verf. in Frauen- 
kolostren nie gefunden. Hellwig (Halle a. S.). 


Soxhlet, Ueber die künstliche Ernährung des Säuglings. Münch. 
med. Wochenschr. 1900. No. 48. S. 1658. No. 49. S. 1699. 
In Anknüpfung an die neue Schrift Zweifel’s über die Rhachitis bespricht 
Verf. einige Fragen der Säuglingsernährung. 
Zunächst erörtert Verf. die Frage, ob unter irgend welchen Umstän- 
den bei Ernährung mit Kuhmilch eine zu geringe Aufsaugung von 
Kalk stattfinden kann. Durch das Kochen der Kuhmilch wird ein Theil 


1066 Ernährung. 


der gelösten Kalksalze unlöslich. Infolgedessen hält das bei der Gerinnung 
entstehende Gerinnsel, welches stets den gesammten ungelösten Kalk ein- 
schliesst, bei der gekochten Milch viel mehr Kalk zurück, als bei der unge- 
kochten. Wenn nun bei ungenügender Salzsäurebildung im Säuglingsmagen 
die Gerinnsel und die darin eingeschlossenen Kalksalze nicht genügend ge- 
löst werden, so kann nach Zweifel trotz des grossen Kalkgehaltes der Kuh- 
wilch ein Kalkhunger eintreten. Verf. bestreitet dies, da selbst in einer 
45 Minuten lang sterilisirten Kuhmilch immer noch mindesteus so viel Kalk 
in gelöster Form vorhanden ist, wie die Frauenmilch im Ganzen enthält. 

Wohl aber kann die durch das Kochen eintretende Verminderung der 
gelösten Kalksalze einen Einfluss ausüben auf die im Magen eintretende Ge- 
rinnung der Milch, deren Schnelligkeit ja von der Menge der vorhan- 
denen gelösten Kalksalze abhängt. Für gewöhnlich wird zwar durch 
die Salzsäure des Magensaftes der unlösliche Kalk in löslichen zurück verwan- 
delt. Bei ungenügender Salzsäurebildung erfolgt dies jedoch nicht schnell 
genug, sodass die Gerinnung manchmal erst nach 1 Stunde eintritt. Da aber 
der rechtzeitige Eintritt der Gerinnung eine Vorbedingung für eine 
gute, d. h. schnelle Verdauung ist, so hält Verf. die Empfehlung ver- 
schiedener Autoren für sehr beachtenswerth, in solchen Fällen, wo der Magen 
zu wenig Salzsäure abscheidet, der Milch vor der Verabreichung eine gewisse 
Menge Salzsäure oder löslicher Kalksalze hinzuzufügen zur Ver- 
meidung nicht von Kalkhunger, sondern von Verdauungsstörungen. 

Zu einer ungenügenden Lösung der Gerinnsel ferner kommt es bei Er- 
nährung mit Kuhmilch um so leichter, als diese ein dreimal so grosses 
Säurebindungsvermögen besitzt wie die Frauenmilch und dabei nur dop- 
pelt so viel, also relativ weniger Chlor enthält. Wenn ja nun auch der 
Körper des Säuglings die erhöhte Salzsäurebildung meist vollbringt und sich 
auch mit dem Chlorverbrauch einzurichten lernt, so stellt die Verdauung bei 
der Kuhmilch in dieser Hinsicht doch immerhin eine schwierigere Aufgabe 
dar als bei der Frauenmilch und wird daher häufiger als bei dieser unvoll- 
kommen erledigt. Zweifel’s Vorschlag, der Kuhmilch, wenn sie als Säng- 
lingsnahrung dienen soll, regelmässig etwas Kochsalz zuzusetzen, ist 
daher durchaus zu billigen. Jedoch ist die Menge von 6 g auf 1 Liter Voll- 
milch, die Zweifel angiebt, zu gross, es genügen 2 g. 

Im Folgenden bekämpft Verf. die neuerdings zur Vermeidung der Bar- 
low’schen Krankheit eingeführte Ersetzung der 45 Minuten langen Br- 
hitzung durch eine 10 Minuten lange. Er führt einige Auslassangen 
von Zweifel, Biedert und Heubner an, in denen diese Autoren theils eine 
Beförderung der Entstehung der Barlow’schen Krankheit durch die Soxhlet- 
Methode in Zweifel ziehen, theils sich sonstwie lobend über die Soxhlet- 
Methode aussprechen. 

Nachdem Verf. weiterhin das interessante Versuchsergebniss von Zweifel 
erwähnt hat, dass verdünnte und unverdünnte Milch ganz gleich gut 
verdaulich sind, unterzieht er zum Schlusse die Backhaus-Milch und 
die Gaertner’sche Fettmilch einer kritischen Besprechung, welche in dem 
Satze gipfelt: „Und da schwärmen die Einen für Backhaus-Milch, die An- 


Ernährung. 1067 


deren für Gaertner’sche Fettmilch, ohne zu wissen, dass beide identisch und 
nichts anderes sind als das seit 25 Jahren bekannte Biedert’sche Rahm- 
gemenge oder das seit fast 40 Jahren bekannte Ritter’sche Gemisch.“ 
Wichtig ist der Hinweis vom Verf., dass beim Kochen von Rahm, 
auch wenn er mit Wasser verdünnt ist, Fettaugen abgeschieden werden, 
der Emulsionszustand also stark gestört wird. Dadurch wird nicht 
allein die Verdaulichkeit des Fettes verringert, sondern auch die der Casein- 
gerinnsel, welche dann bei ihrem Entstehen in ausgeschmolzenes, zusammen- 
hängendes Fett eingehüllt werden. Hellwig (Halle a. S.). 


v. Dungern, Eine praktische Methode, um Kuhmilch leichter ver- 
daulich zu machen. Münch. med. Wochenschr. 1900. No. 48. S. 1661 ff. 
Verf. empfiehlt, für die Ernährung von Säuglingen oder Kranken die 
Kubmilch dadurch leichter verdaulich zu machen, dass man sie vorher 
bei Blutwärme durch Lab zur Gerinnung bringt und das entstan- 
dene Gerinnsel durch Schütteln oder Quirlen fein zertheilt. Die 
so behandelte Milch kann im Magen keine groben Gerinnsel mehr bilden und 
wird bei Verdauungsversachen ebenso schnell verdaut wie Menschenmilch. 
Sie ist von der gewöhnlichen Milch in Geschmack und Aussehen nur wenig 
verschieden, wird von den Säuglingen gern genommen und selbst von solchen 
der frühesten Lebenszeit gut vertragen. Ein weiterer Vorzug dieses Verfah- 
rens liegt darin, dass es bei seiner Anwendung möglich ist, die Säuglinge 
schon in den ersten Monaten mit wenig oder gar nicht verdünnter Kuhmilch 

zu ernähren und so die Verwässerung ihres Körpers zu vermeiden. 

Hellwig (Halle a. S.). 


Bokerny Th., Einige vergleichende Bemerkungen über die spontane 
und die durch Lab bewirkte Milchgerinnung. Milchsäureferment 
und Labferment. Chem.-Zeitg. 1901. S. 3. 

Die Labgerinnung der Milch wurde u. A. von Soxhlet auf die im 
Labferment enthaltene Milchsäure zurückgeführt; die Menge dieser ist aber 
zu gering, um allein die Gerinnung der Milch veranlassen za können; ausser- 
dem wird, wie die vorliegenden Untersuchungen des Verf.’s von Neuem zeigen, 
das Labferment durch viele Fermentgifte in seiner Wirkung beeinflusst, ein 
Beweis, dass die Labgerinnung eine echte Fermentwirkung und nicht etwa 
eine Milchsäurewirkung ist. Während die Labgerinnung sonst fast sofort ein- 
tritt, wird sie bei Verwendung der gleichen Menge Lab durch z. B. 0,5 pCt. 
Sublimat, 0,5 pCt. Formaldehyd oder 0,5 pCt. Fluornatrium auf Tage 
verzögert. 

Des Weiteren giebt uns eine grössere Tabelle vergleichenden Aufschluss 
über die Empfindlichkeit des Milchsäurefermentes (Milchsäurebakte- 
rien) und des Labfermentes gegen eine Anzahl Chemikalien; das Milch- 
säureferment stirbt in den meisten Fällen rascher ab als das Labferment. 
Besonders zeigt sich dieser Unterschied bei der Zimmtsäure (mit Borax ge- 
löst), welche bei 0,5 pCt. wohl die Bakterien hemmt, aber die Fermentwir- 
kung des Labs erst bei 2 pCt. aufhebt, bei der Karbolsäure (Milchsäure- 


1068 Ernährung. 


gerinnung durch 0.2 pCt. verzögert, Labgerinnung durch 1 pCt. noch unbeein- 
flusst) und beim Chloroform, welches bei Sättigungskoncentration die Wirkung 
der Milchsäurebakterien völlig hemmt, dagegen die Labfermentwirkung kaum 
beeinflusst. Wesenberg (Elberfeld). 


Gernsheim F., Zur Behandlung des Brechdurchfalls mit Biedert- 
schem (künstlichem) Rahmgemenge. Münch. med. Wochenschr. 1900. 
No. 47. S. 1627. 

Verf. theilt mit, dass er mit der Anwendung der Rahmkonserve seines 
Lehrers Biedert bei Brechdurchfall der Säuglinge recht befriedigende 
Erfahrungen gemacht habe. Er hat in 25 Fällen die erkrankten Säuglinge 
mit verdünnter Rahmkonserve, in 12 Fällen aber bei sonst gleicher Behand- 
lung mit Milch-Haferschleim-Mischungen ernähren lassen und gefunden, dass 
die Rahmkonserve lieber genommen wurde und schneller Besserung erzielte. 
24 Stunden nach Beginn der Behandlung wurde mit 20fach verdünnter Rahm- 
konserve begonnen, nach weiteren 2 Tagen meist zu 15fach verdünnter Rahm- 
konserve und nach höchstens 8 Tagen allmählich wieder zu Milch überge- 
gangen. Von den 12 mit Milch-Haferschleim-Mischungen ernährten Sänglingen 
starben 2, von den 25. mit Rahmkonserve ernährten 1, und zwar letzterer 
vielleicht in Folge von Nachlässigkeit der Mutter. 

Hellwig (Halle a. S.). 


Schierbeck N. P., Ueber die Variabilität der Milchsäurebakterien 
mit Bezug auf die Gährfähigkeit. Arch. f. Hyg. Bd. 38. S. 294. 
Wie bei allen morphologischen und biologischen Merkmalen der 
Bakterien sich Veränderungen im Laufe der Generationen vollziehen, so sind 
sie auch in der Gährungserregung der Organismen anzutreffen; nur liegen 
hier viel weniger Beobachtungen vor, und die Gründe für diese Variabilität 
sind nicht bekannt. Verf. suchte deshalb die Frage zu beantworten: inwie- 
fern sich auf experimentellem Wege eine Variation des Gährvermögens 
erzielen lässt. Zu seinen Untersuchungen verwandte er ein aus Milch isolirtes, 
dem von Günther und Thierfelder gefundenen sehr ähnliches Stäbchen 
und fand zunächst, dass diese Bakterien in einer verschiedenen Zeit und bei 
verschiedenen Temperaturen ganz verschiedene Mengen Säure bilden, 
z. B. bei ? Stunden, bei 35°, bei 280 


ON See 15 15 . 

ER 17 16 

ER 20 17 

„ 10 = 41 22 ) Säuregrade (ccm !/,, Norm.-NaOH) 
BF 5, 66 44 

nd „ 84 88 


n 48 Pr 88 101 
Aber auch bei derselben Temperatur, z. B. bei 35°, kann der Säuregrad 
nach 2 Tagen von 50—100 schwanken. 
Züchtet man diese Bakterien mehrere Generationen hindurch fort, so 
steigt dann der Säuregrad entweder sehr bald zu einer bedeutenden Höhe 


Ernährung. 1069 


und bleibt dort stehen, oder er bewegt sich ausserordentlich lange in nie- 
drigen Zahlen. 

Dem niedrigen Gährungsgrade entspricht dann auch eine geringere 
Lebhaftigkeit des Wachsthums, wie auch ein relativ langsamerer Verlauf der 
Gährung. 

Um eine andauernde Herabsetzung des Gährungsvermögens 
hervorzubringen, wurde einmal — allerdings ohne Erfolg — versucht, die 
Bakterien auf zuckerfreiem Nährboden zu züchten, und zweitens dem gewöhn- 
lichen Nährboden (Milch) schwache Karbolsäurelösung zugesetzt und 
hierin die Kultivirang versucht. Es gelang hiermit, neue Kulturen zu er- 
zeugen, die bei fernerer Kultivirung auf gewöhnlicher Milch in dieser sehr 
von einander abweichende Gährungsgrade hervorriefen, die niedriger waren 
als die der ursprünglichen Kultur, und die sich eine lange Reihe von Gene- 
rationen hindurch konstant erhielten. 

Die Characteristica des Wachsthums in Bouillon, Gelatine, Agar und 
Kartoffeln blieben dieselben, sodass man hier nicht etwa von neuen Rassen 
sprechen kann, sondern von Varietäten, die sich viele Generationen hindurch 
konstant erhalten. [Dieser Befund ist ein Analogon zu der von R. O. Neu- 
mann (diese Zeitschr. 1896) gemachten Beobachtung über die Variation des 
Microc. pyogenes aureus in eine weisse, gelbe und rosa Modifikation. Ref.) 

Den Grund für diese Gährungsveränderung glaubt Verf. suchen zu sollen 
in „hemmenden Faktoren“, die in der Milch vorhanden sein müssen, welche 

. die einmal entstandene Abschwächung am Leben erhalten; wenn diese 
nicht mehr anzutreffen sind, kehrt die abgeschwächte Form sogleich in ihren 
ursprünglicben kräftigen Zustand wieder zurück. 

R. O. Neumann (Kiel). 


Weidemann H., Kefyr und Kefyrmilch. Zeitschr. f. Untersuchg. d. Nah- 
rungs- u. Genussm. 1901. S. 57. 

In seinem Vortrage, gehalten auf der 19. Jahresversammlung der freien 
Vereinigung bayerischer Vertreter der angewandten Chemie zu Bamberg, 
bespricht Verf. die Behandlung des Kefyrs und der Kefyrmilch. Inter- 
essant ist darin besonders die Bemerkung, dass es Appel-Königsberg ge- 
lungen ist, aus sterilisirter Milch, welche mit einer sterilen Citronensäure- 
lösung derart versetzt ist, dass sie das Kochen noch ohne Gerinnung erträgt, 
darch Reinkulturen von Saccharomyces Kefyr eine normale Kefyrmilch 
zu erzielen, während man früher annahm, dass die Kefyrgährung nur bei der 
Symbiose des Saccharomyces Kefyr mit anderen, bestimmten Mikroorganismen 
einträte; auf diese Weise ist also die Herstellung einer in bakteriologischer 
Hinsicht einwandsfreien Kefyrmilch ermöglicht. In welcher Weise die Milch 
sterilisirt wurde, ist nicht angegeben, dagegen ist bemerkt, dass durch 45 Mi- 
nuten langes Erhitzen auf 105° sterilisirte Milch in Folge des „Kochgeschmacks“ 
sich nicht zur Herstellung der Kefyrmilch eignet. 

Wesenberg (Elberfeld). 


1070 Ernährung. 


Wibbens H. und Huizenga H. E., Untersuchungen über die Verdaulich- 
keit der Butter und einiger Surrogate derselben. Aus dem thier- 
physiol. Institut der Kgl. landwirthschaftl. Hochschule zu Berlin. Arch. f. 
d. ges. Physiol. (Pflüger). 1901. Bd. 83. S. 609. 

Die Versuche der Verff. wurden angestellt mit Butter, Margarine und 
Sana; letztere ist ein Ersatzmittel, das völlig frei von Milchbestandtheilen 
sein soll. Die Ausnützungsversuche, welche die Verff. sowohl an sich 
selbst, alsauch an Hunden anstellten, ergaben, dass zwischen der Resorp- 
tionsfähigkeit der drei geprüften Fettarten so gut wie keine Unter- 
schiede bestehen. Aus den Aetherextrakten des Kothes berechneten 
sich nämlich folgende Verdaulichkeitswerthe: 


Person H. Person W. Hund. 
Butter . . . . 96,05 pCt. 97,33 pCt. 97,42 pCt. 
Sana . . . . 98,79 „ 95,30 „ 98,34 „ 
Margarine . . 96,08 „ 96,98 „ 97,61 „ 
Butter (Il. Periode) _ _ 9811 „ 


Wesenberg (Elberfeld). 


Soltsien P., Bemerkungen zur Halphen’schen Reaktion auf Baum- 
wollensamenöl und dem Verhalten einiger amerikanischer 
Schmalzsorten zu derselben. Zeitschr. f. öffentl. Chem. 1901. S. 25. 

In einer früheren Mittheilung (vergl. diese Zeitschr. 1900. S. 74) hatte 
Soltsien die Halphen’sche Reaktion derart modificirt, dass er bei der 
Anstellung derselben den Amylalkohol fortfallen liess. Raikow und Tscher- 
weniwanow haben aber nachgewiesen (vergl. diese Zeitschr. 1900. S. 756), 
dass diese Soltsien’sche Modifikation der Halphen’schen Reaktion weniger 
empfindlich sei, als die ursprüngliche Vorschrift. Soltsien ist durch weitere 
Versuche zu derselben Ansicht gelangt und empfiehlt nunmehr wieder die 
Anwendung von Anıylalkohol; er setzt zu dem Oel oder Fett (10 ccm) 2 ccm 
einer 1 proc. Lösang von Schwefel in Schwefelkohlenstoff und ungefähr 6 cem 
Amylalkohol und erhitzt mit aufgesetztem Steigrohr im Reagensglase, das er 
in einem Erlenmeyerkolben mit kochendem Wasser einhängt, etwa 15 Mi- 
nuten lang. Der Einfluss des Lichtes bei der Auslösung der Reaktion ist 
noch nicht klar gelegt, da in einigen Proben Belichtung die Empfindlichkeit 
der Reaktion herabsetzt, in anderen Fällen aber erhöht. 

Eine schwache Reaktion in amerikanischen Schmalzsorten kann 
nach dem Verf. vielleicht darauf zurückzuführen sein, dass das Schmalz von 
Schweinen stammt, die mit Baumwollensamenöl gefüttert sind. Zur Klärung 
dieser Frage will Verf. geeignete Versuche anstellen. 

Wesenberg (Elberfeld). 


Wrampelmeyer E., Bemerkungen zur Halphen’schen Reaktion aof 
Baumwollensamenödl. Zeitschr. f. Untersuchg. d. Nahrgs.- u. Genussm. 
1901. S. 25. 

W. hält die Soltsien’sche Modifikation der Halphen’schen Reaktion 
für einen Rückschritt (wie dies ja nach dem vorstehenden Referat Soltsien 


Ernährung. 1071 


selbst inzwischen erkannt hat. Ref.). Verf. empfiehlt folgende Arbeitsweise, 
bei deren Befolgung noch 5 pCt. Baumwollensamenöl auch in ziemlich 
dunklen Oelen eine deutliche, charakteristische röthliche Färbung geben: in 
einem weiten, dickwandigen Reagensglase werden etwa 10 ccm des betreffenden 
Oeles, 10 ccm Amylalkobol und 2 ccm einer 1 proc. Lösung von Schwefel in 
Schwefelkohlenstoff gemischt und mit aufgesetztem Steigrohr !/, Stunde lang 
in ein siedendes Wasserbad gehängt. Wesenberg (Elberfeld). 


Spaeth E., Ueber Fruchtsäfte (besonders Himbeersaft) und deren 
Untersuchung. II. Erkennung und Nachweis von mit Wasser 
vermischten Säften. Zeitschr. f. Untersuchg. d. Nahrgs.- u. Genussm. 
1901. S. 97. 

Die Verfälschung der Fruchtsäfte geschieht grösstentheils durch 
Zusatz von Wasser zum Presssafte vor dem Aufkochen mit dem Zucker. 
In reinen Himbeersyrupen beträgt der Gehalt für 100 g an Mineralbestand- 
theilen nicht unter 0,20 g, die zur Neutralisation der alkalischen Reaktion 
der Asche erforderliche Säuremenge, auf Kubikcentimeter Normalsäure berechnet, 
nicht unter 2 cem. Ein niedriger Säuregehalt des Saftes selbst, 
ein Gehalt an zuckerfreiem Extrakt unter 1,3 g, vor Allem aber 
ein Aschengehalt unter 0,20 g und ein geringerer Säureverbrauch 
für die Asche als 2 ccm Normalsäure sprechen deutlich für die 
Verwendung eines durch Wasserzusatz gefälschten Himbeersaftes 
zur Darstellung des Syrups. 

Zur Methodik ist zu erwähnen, dass die Trockensubstanzbestimmung 
selbst genau nach dem bei der Süssweinanalyse üblichen Verfahren ausgeführt 
wird, wobei der Saft vorher derart zu verdünnen ist, dass nicht mehr als 1g 
getrocknetes Extrakt zur Wägung kommt. Zur Zuckerbestimmung wird 
der aus dem Rohrzucker durch die Einwirkung der Säure gebildete Invert- 
zucker nach der Meissl’schen Vorschrift, der Rohrzucker nach der Inversion 
mit Salzsäure ebenfalls nach Meiss| bestimmt. 

Die so als Invertzucker ermittelte Gesammtzuckermenge, von dem ge- 
fundenen Trockensubstanzgehalt in Abzug gebracht, ergiebt den zuckerfreien 
Extraktgehalt. Zur Alkalinitätsbestimmung der Asche werden 20 
bis 50 g Fruchtsaft verascht und gewogen, die Asche danach in 5 ccm Normal- 
Schwefelsäure gelöst, mit Wasser verdünnt, schwach (5—10 Minuten lang) ge- 
kocht (unter Zugabe ein Platinspirale, um das Stossen zu vermeiden) und der 
Ueberschuss an Säure mit Normal-Kalilauge zurücktitrirt. 

Wesenberg (Elberfeld). 


Zega A. und Knez-Milojkovi& D., Die Wassernuss (Trapa natans L.). Chem.- 
Zeitg. 1901. S. 45. 

Die Kerne aus den Früchten der Wassernuss (Trapa natans L.) werden 
in Serbien von der ärmeren Bevölkerung als Nahrungsmittel genossen und 
zwar sowohl von der grüuen Frucht roh, als auch von der gereiften Frucht 
theils roh, theils gekocht oder gebraten. Die Zusammensetzung der Kerne 
ist von den Verff. in 2 Proben ermittelt worden: 


1072 Ernährung. 


Wasser pCt. 37,19 89,71 Holzfaser pCt. 1,36 1.27 
N-Substanzen „ 10,34 8,04 Asche n 141 1,24 
Fett a 0,71 0,80 P,O; = 0586 


Kohlehydrate „ 48,99 48,94 
Die theils runden (36—38 x Durchmesser), theils dreieckigen Stärkekörner 
beginnen bei 62—64° C. zu quellen und verkleistern gegen 76° C. Die bit- 
teren Schalen der grünen Früchte werden vom Volk als Fiebermittel ange- 
wendet. Wesenberg (Elberfeld). 


Albert R., Einfacher Versuch zur Veranschaulichung der Zymase- 
wirkung. Ber. d. Deutsch. Chem.-Ges. Bd. 83. S. 3776. 

Einen neuen Beweis für die enzymartige Wirkung der Hefe bei der 
Gährung bringt Verf. durch den folgenden, sehr einfachen Versuch: 250 g 
frische, gewaschene und durch Abpressen möglichst vom Wasser befreite 
Hefe werden durch ein Haarsieb in eine Mischung von 8 Liter absoluten 
Alkohol und 1 Liter Aether eingetragen. Nach 4—5 Minuten wird der Al- 
kohol-Aether abgesogen und der Rückstand mit etwa t/z Liter Aether nach- 
gewaschen und dann sofort auf Filtrirpapier in dünner Schicht getrocknet. 
Auf diese Weise werden etwa 90 g völlig abgetödtetes Hefepulver erzielt. 
welche in 20 proc. Rohrzuckerlösung suspendirt bald rege Kohlensäureentwicke- 
lung hervorbringen. 

Aus dieser abgetödteten Hefe lässt sich leicht ein Zellsaft 
ohne Anwendung der hydraulischen Presse gewinnen; da sich natür- 
lich auch hier der Gährungsvorgang innerhalb der Zelle abspielt, so muss der 
Extraktion eine Zerträmmerung der Zellwände vorangehen. Zur Gewinnung 
eines völlig klaren, sehr gährkräftigen Presssaftes werden 100 g des wie oben 
angegeben gewonnenen Hefepulvers mit 200 g möglichst feinem Quarzsande 
trocken zerrieben und dann noch nach Zusatz von 200 g Wasser 10 Minuten 
lang das Reiben fortgesetzt. Durch Absaugen in der Nutsche auf gebärtetem 
Filter können leicht reichlich 100 ccm eines dunkelbraunen Filtrates erzielt 
werden; da in Folge der Verdünnung die Gährwirkung in diesem Presssafte 
erst nach einiger Zeit eintritt, unterwirft man die Flüssigkeit zweckmässig 
der früher (vergl. diese Zeitschr. 1900. S. 1157) für den Hefepresssaft ange 
gebenen Alkohol-Aetherfällung. Wesenberg (Elberfeld). 


Wetzke Th., Zur Bedeutung der Furfurolreaktion bei der Beurthei- 
lung des Cognacs. Zeitschr. f. öffentl. Chem. 1901. S. 11. 

Auf Grund seiner Prüfungen einer Anzahl Cognacproben und reiner 
Weindestillate bestätigt Verf. die auch vom „Verbande selbstständiger 
öffentlicher Chemiker“ (vergl. diese Zeitschr. 1900. S. 285) vertretene An- 
sicht, dass die Furfurolreaktion im Allgemeinen unzuverlässig sei, we- 
nigstens bei so geringen Mengen von Furfurol, wie sie auch in normalen und 
reinen Cognacs mitunter vorzukommen pflegen. Ein Cognac kann sebr wohl 
reines Weindestillat sein, ohne in seinen ersten Destillationsfraktionen (oder 
überhaupt) die Furfurolreaktion eintreten zu lassen; er kann aber auch Kunst- 
produkt sein und doch Furfurolgehalt zeigen. Durchgreifende, zur Beurthei- 


Ernährung. Desinfektion. 1073 


lang verwerthbare Unterschiede zwischen reinem Weindestillat und mehr oder 
weniger vollendetem Kunstprodakte haben sich nicht ergeben. 
Wesenberg (Elberfeld). 


Beythien A. und Hempel H., Chokoladenmehle. Zeitschr. f. Untersuchg. 
d. Nahrungs- u. Genussm. 1901. S. 28. 

In „Chokoladenmehlen“, die sich als Gemische von Zucker und Mehl 
und 9—16 pCt. Kakao erwiesen, konnten die Verff. als Färbungsmittel ge- 
mahlenes Sandelholz bezw. einen braunen Theerfarbstoff nachweisen. Verf. 
halten für derartige Gemische die Bezeichnung „Chokoladenmehl“ für unzu- 
lässig, dagegen aber die Bezeichnung „Suppenpulver“ für einwandsfrei. (Ref. 
hat vor Jahren bereits denselben Standpunkt vor Gericht [in Halle a. S.) ver- 
treten und auch die Bestrafung der betr. Verkäufer von derartigen „Choko- 
ladenmehlen“ durchgesetzt.) ` Wesenberg (Elberfeld). 


Altenburg Fr., Einige Versuche über die Umwandlung des Jodoforms 
in freies Jod. Arch. intern. de Pharmocodynamie et de Therapie. 1901. 
T. 8. p. 125. 

Zur vorliegenden Arbeit gab Veranlassung die Jodoformvergiftung, 
welcher eine ovariotomirte Frau in Folge Verwendung eines faustgrossen 
Jodoformtampons erlegen war. Reagensglasversuche ergaben dem Verf., dass 
Urin, Blut und Eiter nicht im Stande sind, aus Jodoform Jod ab- 
zuspalten, wofern für absolute Sterilität (durch Zusatz von 2 pCt. Fluor- 
natrium) Sorge getragen wird, ebensowenig bedingt einfaches Aufkochen 
mit Wasser eine Jodabspaltung; den Organen des Menschen und der 
Thiere, auch ihren wässrigen Extrakten, wohnt aber eine jodo- 
formzersetzende Kraft inne, welche bei einzelnen Organen, wie Prostata, 
Dickdarm und namentlich Hoden, recht beträchtlich ist; „dieses frei werdende 
Jod ist das desinficirend, antituberkulös, aber auch das giftig Wirkende. Sehr 
bald pflegt es jedoch eine lockere Verbindung mit Eiweiss einzugehen und 
dadurch die dem freien Jod zukommende enorme Giftigkeit wieder einzubüssen“. 
Unterleibserkrankungen empfiehlt Verf. „lieber gar nicht mit Jodo- 
form zu behandeln“. 

Zur Prüfung, ob die Mikroorganismen im Stande sind, aus Jodoform 
Jod abzuspalten, wurden „die Kulturen mit Jodoform bestreut und mit 20 ccm 
Wasser mittels eines Glasstabes vermischt. Nach 24 ständigem Stehen im 
Brutschrank wurden 2 ccm der Flüssigkeit mit Chlorzinkstärkelösung und 
Acidum nitricum auf Jod untersucht“. Es zeigten, so geprüft, Jodoform- 
zersetzung nach 24 Stunden Hefe, nach 2 Tagen Staphyl. citreus, Aspergillus 
Oryzae, nach 3 Tagen Pyocyaneus, Mycoides, Subtilis und Vibrio luminescens, 
nach 4 Tagen Amylomyces Rouxii, nach 5 Tagen Aspergillus niger; nach 
6 Tagen zeigten noch keine Reaktion Staphyl. aureus und albus, Cholera 
asiat. und verschiedene Mucorarten; Nährgelatine, auf der Aspergillus niger 
gewachsen war, zeigte filtrirt ebenfalls Jodoformzersetzung. 


1074 Desinfektion. 


Ein umfangreiches Verzeichniss über die Jodoformliteratar (113 Nummern) 
ist der Arbeit beigegeben. 

Im Anhange sind von Erich Körner die analytischen Ergebnisse von 
Organtheilen der oben erwähnten Frau angegeben: In 450 g Leber hat der- 
selbe 0,07112 g, in 150 g Niere 0,02413 g, in der Galle Spuren von Jod 
gefunden; in dem Theile der Leber, welcher dem Jodoformtampon angelegen 
hatte, liess sich unverändertes Jodoform nachweisen. In Herz und Lunge war 
Jod nicht nachweisbar. 

Prof. Kobert (Rostock), auf dessen Veranlassung die vorstehend refe- 
rirten Arbeiten ausgeführt wurden, warnt im Anschluss an dieselben vor 
der übermässigen Jodoformanwendung; es „dürfte in den meisten Fällen, 
wo der Operateur Jodoform in Substanz oder in Schüttelmixtur verwendet, der 
zehnte Theil der üblichen Menge vollkommen genügen.“ 

Wesenberg (Elberfeld). 


Dieudonne, Ueber die Desinfektion mit Karboformal-Glühblocks. 
Münch. med. Wochenschr. 1900. No. 42. S. 1456. 

Die neue Methode besteht im Princip darin, dass Briketts, welche im 
Innern 50 g Paraformaldehyd enthalten, ohne besonderen Apparat zur 
Verdampfung gebracht werden. Sie glimmen, einmal angeglüht, ohne sich zu 
entzünden, bis zu Ende, und werden heiss genug, um das Paraformaldehyd 
zur Vergasung zu bringen. Die günstigen Resultate Enoch’s, welche dieser 
mittels der neuen Methode erzielte, konnte Dieudonné voll bestätigen; er 
macht aber besonders darauf aufmerksam, dass die Erfolge von einer gründ- 
lichen Befeuchtung des zu desinficirenden Raumes abhängig sind. Für die 
praktische Ausführung empfiehlt Verf., heiss gemachte Ziegelsteine mit 
kochendem Wasser zu übergiessen — 1 Ziegelstein und 2 Liter Wasser 
genügen zur Befeuchtung eines Raumes bis zu 80 cbm — und die alsdann aus 
den Glühblocks entwickelten Formaldehyddämpfe 7 Stunden einwirken zu lassen. 

Bei seinen Versuchen bediente sich Verf. als Testobjekte angetrockneter 
Milzbrandsporen, Typhus-, Cholerabakterien, Diphtheriebacillen 
und Staphylokokken, welche an verschiedenen Stellen eines Zimmers von 
120 cbm Rauminhalt angebracht wurden. Bei Verwendung von 6 Glühblocks, 
also von 2,5 Formaldehyd pro cbm, waren in sämmtlichen Versuchen alle 
vegetativen Bakterienformen abgetödtet. Auch die Milzbrandsporen waren bis 
auf 2 Testobjekte alle abgetödtet. Bei Verwendung von 5 Glühblocks starben 
alle vegetativan Zellen, von den Sporen aber nur 55 pCt. Mit 4 Glühblocks 
wurden nur noch 60 pCt. der Proben vernichtet. Verwandte Verf. aber 10 Glüb- 
blocks, so dass also 4,17 g pro cbm verbraucht wurden, dann konnte die 
Zeitdauer der Einwirkung auf 3!/, Stunden reducirt werden. Das Resultat 
war sicherer, wenn 2,5 g verbraucht wurden, die Einwirkung aber 7 Stunden 
dauerte. 

Die Methode ist besonders bei Diphtherie, Scharlach, Tuberkulose, 
Masern und Influenza verwendbar und wird von Dieudonne, der aus 
zahlreichen Versuchen aus eigener Anschauung auch die anderen Methoden 
kennt, besonders für die Landpraxis und überall da empfohlen, wo die Des 


Desinfektion. 1075 


infektion mit einem der bekannten Apparate wegen der Kostspieligkeit oder 
des ungeeigneten Personals nicht ausgeführt werden kann. 
Die Versuche Dieudonue’s werden von Enoch (Münch. med. Wochen- 
schrift. 1900. No. 48. S. 1666) bestätigt. (Ref.) 
R. O. Neumann (Kiel). 


Erne, Zur Beurtheilung der Desinfektion mit sogenannten Karbo- 
formalglühblocks. Münch. med. Wochenschr. 1900. No. 48. S. 1666. 
Die von Max Elb (Dresden) hergestellten Karboformalglühblocks 
dienten zu Desinfektionsversuchen, die in analoger Weise wie von Dieudonne 
(s. das vorhergehende Referat) ausgeführt wurden. Als Testobjekte verwendete 
Erne Cholera-, Milzbrand-, Typhus- und Staphylokokken-Bouillon- 
kulturen, mit denen er Leinwandläppchen tränkte. Es genügten 2,5 g Para- 
formaldehyd auf 40 cbm, also 1 Glühblock auf 20 cbm Raum, um alle 
Leinwandläppchen keimfrei zu machen. Die Resultate decken sich mit den 
von Dieudonne angegebenen, sodass diese vereinfachte Methode der Desin- 
fektion wohl empfohlen werden kann, R. O. Neumann (Kiel). 


Marcuse J., Antisepsis und Asepsis im Alterthum. Münch. med. 
Wochenschr. 1900. No. 47. S. 1630. 

In der interessanten Abhandlung wird gezeigt, dass im Alterthum ein 
thatsächliches Vorhandensein von Wundbehandlungsprincipien, welche die 
Reinheit der Wunde wie ihre Umgebung im Auge hatten, beobachtet werden 
konnte. Bald bediente man sich des heissen Wassers und des Weines, 
um die Wunden zu reinigen, bald bestreute man sie mit trocknenden und 
fäulnisswidrigen Pulvern, um Eiterungen vorzubeugen. Man kannte den 
Wertb der Applikation reiner Verbandstoffe und legte auch dem Ferrum 
eandens einen grossen Werth bei. Die Verwendung einer grossen Reihe 
mineralischer und vegetabilischer Mittel verrathen alle die Tendenz, die 
Wande auszutrocknen, da sich die richtige Anschauung Bahn gebrochen hatte, 
dass hierdurch einer Fäulniss vorgebeugt werden konnte. Hierin liegt nach 
der Ansicht des Verf.’s der Hauptwerth der alten Wundbehandlung, und es 
kann in dieser Methode eine instinktive Ahnung antiseptischer resp. aseptischer 
Anschauungen wahrgenommen werden. 

Die Auffassung von Anagnostakis, der denselben Stoff ausführlich be- 
handelt hat, kann Marcuse nicht theilen, dass nämlich die Mediciner im 
Alterthum schon Aseptiker im modernen Sinne gewesen seien, denn es bestehe 
doch zwischen der modernen Lehre, die die accidentellen Wundkrankheiten 
nur als eine Folge der vernachlässigten Antiseptik erscheinen lässt, und der 
rein empirisch gewonnenen Erkenntniss, dass durch Verunreinigung der Wunde 
die Heilung gehemmt wird, doch ein bedeutender (Unterschied. 

Die Pharmacie, welche auch bei Hippokrates mit ihrer vielseitigen 
Anwendung eine grosse Rolle spielte, hilft das Bild von den Grundlagen der 
Asepsis und Antisepsis im Alterthum eher verdunkeln als aufhellen. 

R. O. Neumann (Kiel). 


1076 Desinfektion. Verschiedenes. 


Braatz E., Zur Bedeutung des Alkohols für die Händedesinfektion. 
Münch. med. Wochenschr. 1900. No. 49. S. 1693. 

B. hat in der Münch. med. Wochenschr. 1900, No. 29 eine neue Erklä- 
rung für die Wirkung des Alkohols bei der Händereinigung gegeben. 
Unter Bezugnahme auf diese Mittheilung hebt er von Neuem hervor, dass der 
Alkohol nicht etwa die in den Hautporen befindliche Luft ver- 
drängt, sondern dass es sich hier um Resorption der Luft durch den 
Alkohol handelt. Nach Bunsen’s Untersuchungen und Berechnungen unter- 
liegt das chemische Verhalten des Alkohols keinem Zweifel mehr, und man 
weiss, dass Luft zehnmal leichter vom Alkohol als vom Wasser ge- 
löst wird. In den Hohlräumen der menschlichen Haut, die ohne Frage eine 
gewisse Bedeutung für den Gasaustausch besitzt, ist stets Luft nachzuweisen. 

Dieselbe setzt nun stets dem Eindringen flüssiger Agentien ein Hinderniss 
entgegen und muss deshalb zuvor beseitigt werden. Dies kann, wie nach dem 
oben Gesagten verständlich ist, durch Alkohol geschehen, in welchem die Luft 
aufgelöst und mit dem sie dann herausgeschafft wird. 

B. betont, dass diese Eigenschaft des Alkohols als sicher vorhanden nach- 
gewiesen sei, während die Belege für seine fettlösende und bakterientödtende 
Wirkung bei der Händedesinfektion noch mangelhaft erscheinen. 

Schumacher (Strassburg i. E.). 


Meyer J., Ueber Einwirkung flüssiger Luft auf Bakterien. Centralbl. 
f. Bakteriol. 1900. Bd. 28. No. 18. S. 594. 

Durch die Untersuchungen von White wurde zum ersten Mal festgestellt, 
dass Bakterien durch Einwirkung flüssiger Luft, also durch sehr niedrige 
Temperaturen nicht abgetödtet würden. Auch Allan Macfayden berichtete, 
dass dieselben bis zu 7 Tagen ihre Eigenschaften nicht verlören. 

Meyer kann sich den Resultaten ebenfalls anschliessen, da er ganz das- 
selbe fand. Er benutzte zur Prüfung Milzbrandsporen und Micrococcus 
pyogenes aureus. Die Einwirkung geschah erstens in Form eines Sprays 
von flüssiger Luft, zweitens in der Form, dass Verf. füssige Luft unmittelbar 
auf die Kulturen goss, und drittens, indem er Röhren von verschiedener Dicke 
in flüssige Luft stellte. Die Dauer der Einwirkung variirte zwischen 5, 10, 
15, 30 Sekunden bis 5, 10, 15 Minuten. Eine Abtödtnng wurde, wie gesagt, 
nicht erzielt. Die Untersuchung auf entzündetes Gewebe mittels verflüssigter 
Luft will Verf. ebenfalls vornehmen. Es dürfte dasselbe Resultat erzielt 
werden. R. O. Neumann (Kiel). 


Kassner G., Ueber Kohlenoxyd-Vergiftung und die neue Möglichkeit 
ihrer Heilung. Apotheker-Zeitg. 1901. S. 92. 

Haldane und später Mosso haben gezeigt, dass stark mit Kohlenosyd 
vergiftete Thiere (Mäuse, Hunde, Affen) am Leben bleiben, wenn der Sauer- 
stoffgehalt der Athmungsluft genügend gesteigert wird; die atmosphärische 
Luft muss zu diesem Zweck aul 10 Atmosphären gepresst werden, während 


Verschiedenes. 1077 


bei dem Aufenthalt in reinem Sauerstoff ein Ueberdruck von 2 Atmosphären 
genügt. Wird der Luftinhalt des Versuchsapparates allmählich durch frischen 
Sauerstoff ersetzt und so das aus dem Blute verdrängte Kohlenoxyd allmählich 
völlig aus dem Apparat entfernt, dann können die Versuchsthiere nach all- 
mählicher Vermindernng des Druckes der Athmungsluft wieder an die Aussen- 
luft gebracht werden; vorzeitige Entfernung gefährdet aber noch das Leben 
des Thieres. Kassner schlägt nun vor, diese Erfahrungen von Haldane 
und Mosso auch für die Rettung von mit Kohlenoxyd vergifteten 
Menschen zu verwerthen. Die Apparatur denkt sich Verf. folgendermaassen: 
Ein starkwandiger Metallcylinder, der genügend Raum für mehrere Personen 
bietet (da bei derartigen Vergiftungen meist mehrere Menschen in Gefahr 
schweben), wird mit Manometer, Ablass- und Zugangshahn, Sicherheitsventil 
und dicken Glasfenstern versehen; der weite Deckel kann hermetisch ver- 
schlossen werden. Der Sauerstoff wird in Stahlflaschen mit Reducirventil, 
das beim Gebrauch auf 2 Atmosphären einzustellen ist, vorräthig gehalten. 
Zur Absorption der Kohlensäure der ausgeathmeten Luft kann im Respira- 
tionsraum ein Behälter mit Aetzkalk Aufstellung finden. Sind die Personen 
(event. mit dem Arzte) in den Raum eingeschlossen, so wird der Sauerstoff 
eingeleitet, die Luft damit herausgedrängt und der Druck allmählich auf 
2 Atmosphären gesteigert; dann wird beständig ein langsamer Strom Sauer- 
stoff durch den Apparat geleitet. Die Durchspülung mit dem komprimirten 
Sauerstoff hätte so lange zu erfolgen, bis die aus dem Apparat austretende 
Laft völlig CO-frei ist, erst dann wird der Druck allmählich vermindert. 

Vielleicht lässt sich auf diese Weise die nicht unbeträchtliche Zahl der 
alljährlich den Kohlenoxyd-Vergiftungen erliegenden Menschen auf einen be- 
scheidenen Bruchtheil redueiren. „Es wird Sache erfahrener Kliniker (und 
auch Hygieniker. Ref.) sein, der hier gegebenen Anregung zu entsprechenden 
nützlichen Versuchen näher zu treten.“ 

Anmerkung des Referenten. In seiner 1896 unter Dreser’s Leitung 
erschienenen Dissertation: „Therapie der Kohlenoxyd-Vergiftung mit- 
tels Sauerstoffinhalation“ (Göttingen) theilt Schwartau eine von 
Gautier 1887 veröffentlichte Krankengeschichte mit, nach der Gautier 
durch Sauerstoffeinathmung eine mit Kohlenoxyd schwer vergiftete Frau ge- 
rettet hat. Schwartau kommt auf Grund seiner Thierversuche zu dem Re- 
sultat, dass „die Einathmung von reinem Sauerstoff in der That ein sehr wirk- 
sames Antidot gegen das Kohlenoxyd bildet“. „Bei der stets wachsenden 
Verbreitung des in sogenannten Gasbomben komprimirten Sauerstoffes in ver- 
schiedenen Laboratorien und auch in der Technik wäre diese Art der Therapie 
wohl auch dem praktischen Arzte zugänglicher als früher.“ Von Kassner’s 
Vorschlage ist also nur die Empfehlung der Einathmung des auf 2 Atmo- 
spären komprimirten Sauerstoffes neu. Wesenberg (Elberfeld). 


Trautmann F., Leitfaden für Operationen am Gehörorgan. („Biblio- 
thek v. Coler“. Herausgegeben von O. Schjerning. Bd. 4.) Berlin 1901. 
Aug. Hirschwald. 140 Ss. 27 Abbildungen. Preis: 4 Mk. 

Von berufenster Seite werden hier die wichtigsten kleineren und grösseren 


1078 Kleinere Mittheilungen. 


operativen Eingriffe am Ohr sowohl nach ihrer Technik, als auch nach 
Indikation und therapeutischem Werth kompendiös dargestellt. So findet u.A. 
die Tenotomie des Tensor tympani und des Musculus stapedius, die operative 
Entfernung von Hammer und Ambos, die Entfernung des Steigbügels bezüglich 
ihrer Erfolge besonnene kritische Würdigung. Bei der Freilegung des Recessus 
epitympanicus, bei der einfachen Eröffnung des Antrums und bei der Radikal- 
operation des Warzenfortsatzes steht die Technik im Vordergrunde des Inter- 
esses. Daran schliessen sich die Operation der Sinusthrombose, des Schläfen- 
lappen- und des Kleinhirnabscesses, sowie die Lumbalpunktion und die 
Ventrikelpunktion. 

Als Vorbereitung für jede grössere Operation werden folgende Maass- 
regeln empfohlen: nach dem Bade wird die ganze Kopfhaut, wenn thunlich, 
rasirt, der Gehörgang mit steriler physiologischer Kochsalzlösung, bei stinkenden 
Riterungen mit verdünnter Jodtrichloridiösung ausgespritzt, getrocknet und bis 
zur Operation mit steriler Gaze verschlossen. Kopf und Hals werden mit war- 
mem Seifenwasser, dann mit Sublimatlösung, zuletzt mit Aether oder absolutem 
Alkohol gewaschen und mit steriler Gaze getrocknet. Die zur Operation noth- 
wendigen Instrumente bleiben nach der Sterilisation in Glasschalen mit abso- 

` lutem Alkohol in Bereitschaft. Zur Assistenz erscheinen wünschenswerth: 
zwei Aerzte für die Narkose, einer für die Instrumente, einer für die Operations- 
hilfe, endlich noch ein Wärter zur Fixation des Kopfes. Nicht jeder Operateur 
wird über so zahlreiche Hilfskräfte verfügen. 

Bei Abfassung der Arbeit hatte Verf. vor Allem die Absicht, den an seinen 
Kursen theilnehmenden Schülern einen Leitfaden zu bieten. Alljäbrlich werden 
jetzt etwa 50 Mediciner aus der militärärztlichen Kaiser Wilhelms-Akademie 
in Ohrenheilkunde unterrichtet, so dass im Laufe der Zeit sämmtliche Sanitäts- 
officiere mit der Otiatrie vertraut werden. Ferner erhalten jährlich 30 Sanitäts- 
officiere jeder Charge ein Kommando zu dreiwöchentlichen Kursen an Obren- 
kliniken und zwar Oberstabsärzte und Stabsärzte nach Berlin, Ober- und 
Assistenzärzte auch nach anderen Universitäten. Diese Einrichtungen bestehen 
zum Theil schon seit Jahren, so dass die otiatrische Fachbildung in militär- 
ärztlichen Kreisen weit grössere Verbreitung besitzt und in Zukunft besitzen 
wird, als dies bei den Civilärzten der Fall ist. Für diese hat erst die neue 
Prüfungsordnung den Besuch einer Ohrenklinik zur Bedingung gemacht, die 
Prüfung in der Otiatrie bleibt aber auch jetzt noch ein Appendix der chirur- 
gischen Station. Paul Schubert (Nürnberg). 


Kleinere Mittheilungen. 


(:) Wir haben in der letzten Nummer dieser Zeitschr. S. 1027 einige Bemerkun- 
gen über die Entstehung der jetzt in Gelsenkirchen herrschenden Typhus- 
epidemie gebracht und sehen uns daher veranlasst, heute die inzwischen weiter zu 
dieser Frage bekannt gewordenen Thatsachen kurz anzuführen. Zunächst wird die 
dort schon gestreifte Annahme, dass die Typhusbacillen durch einen Rohrbruch in 
die Gelsenkirchener Leitung gelangt seien, in einem Aufsatz der Zeitschr. f. Medicinal- 
beamte vom 15. Oktober d. J. S. 683 genauer erörtert und mit grosser Sicherheit als 


Kleinere Mittheilungen. 1079 


des Räthsels Lösung hingestellt. Es heisst da: Am 15. bezw. 16. August d. J. kam 
in Königssteele ein Rohrbruch zu Stande. Das in Frage stehende Rohr lag dort einen 
Meter unter der Erde in einer Gasse, die nur 2—3 Meter breit ist. Der Rohrbruch ist 
vor einem dreistöckigen Hause entstanden, in dem 6 Familien mit 50 Köpfen wohnen. 
Im Juli d. J. ereignete sich in dem Hause ein Typhusfall, worauf der Erkrankte zum 
Krankenhaus gebracht wurde. Eine ziemliche Zeit nachher sind in dem betreffenden 
Hause noch krankhafte Erscheinungen, Durchfall u. s. w. wahrgenommen worden, so 
dass angenommen werden muss, dass Typhuskeime in dem Hause geblieben sind (sic!). 
Wenn das Rohr dicht geblieben wäre, hätte die Sache weiter keine Bedenken gehabt. 
Der im August stattgehabte Rohrbruch hatte jedoch zur Folge, dass die ganze Gasse 
überschwemmt wurde, Das Wasser drang sogar in die Mistgrube, in welche die Fä- 
kalien aus dem ganzen Hause geleitet werden. Rechnet man für die Entwickelungs- 
dauer der Typhuskeime etwa 4 Wochen, so stimmt dies mit den gemachten Beobach- 
tungen genau überein, denn am 12.—13. September begann das explosivartige Auf- 
treten des Typhus in dem ganzen Wasserversorgungsgebiet. Nach der Reparatur des 
Rohrbruches am 16. August sind die Typhuskeime durch das Durchlaufen desWassers 
weiter getragen worden und haben sich dann vermehrt“. 

Obgleich diese in vielen Punkten etwas wunderliche Darstellung nun sogar vor- 
giebt, sich auf „einwandsfreie Untersuchungsergebnisse“ des Reg.- und Medicinalraths 
Dr. Springfeld in Arnsberg berufen zu können, wird der kundige Beurtheiler 
von vornherein nicht darüber im Zweifel gewesen sein, dass die ganze „Rohrbruch- 
theorie“ den Stempel starker Unwahrscheinlichkeit an der Stirne trag. Denn, um nur 
die wichtigsten Bedenken hier ganz kurz zu streifen, einmal beträgt die Inkubations- 
zeit des Typhus — so darf man wohl die oben erwähnte „Entwickelungsdauer der 
Typhusbacillen“ deuten — nicht 4, sondern in der Regel nur 2—3 Wochen, und es 
hätte also wenigstens ein erheblicher Theil der Fälle vor dem 13. September auf- 
treten müssen. Ferner versteht man wohl, dass das aus dem Rohr an die Oberfläche 
gelangte Wasser dort Gelegenheit gefunden, Schmutzstoffe, vielleicht auch Typhus- 
bacillen aufzunehmen; aber es ist mindestens nicht ganz leicht, einzusehen, wie denn 
nun später das mit dem Unrath und den Keimen beladene Wasser wieder in die Lei- 
tung zurückgoflossen sein soll. Aber zugegeben selbst diese Möglichkeit, so hätte 
endlich und namentlich sich eine rasch vorübergehende und gelegentliche Infektion 
des Wassers vollziehen können, sicherlich aber wäre es nicht zu einer so nachhaltigen 
und reichlichen Verseuchung gekommen, wie sie sich in unserem Falle ohne Frage 
ereignet. Das geschieht vielmehr nach unseren bisherigen Erfahrungen und Kenntnissen 
nur dann, wenn die Leitung mit schlecht oder gar nicht gereinigtem 
Oberflächenwasser gespeist wird. Eben aus diesem Grunde hatte ich schon 
in meinen neulichen Bemerkungen gerade auf diese Eventualität mit Nachdruck hin- 
gewiesen und an erster Stelle hervorgehoben, dass im dortigen Versorgungsgebiet „ab- 
gezweigte Saugrohre mancher Wasserwerke unmittelbar in das Strombett 
selbst versenkt sind, um in der kritischen Periode der Dürre und 
Trockenheit in Thätigkeit zu treten“. 

Diese Vermuthung ist nun in der That auch für Gelsenkirchen durch die Ereig- 
nisse in vollstem Maasse bestätigt und bewahrheitet worden. Denn wir lesen 
in der Kölnischen Zeitung vom 21. Oktober die folgenden Zeilen, die den Sanitätsrath 
Dr. Lindemann in Gelsenkirchen zum Verfasser haben: 

Die Auffassung, dass die gegenwärtige Typhusepidemie in Gelsenkirchen auf 
eine Verseuchung der Wasserleitung zurückgeführt werden muss, findet bei allen 
Sachverständigen wohl ungetheilte Zustimmung. Dagegen bestehen in ärztlichen 
Kreisen gegen die Annahme des Regierungs- und Medicinalrathes Dr. Springfeld, 
dass diese Verseuchung durch einen Rohrbruch herbeigeführt worden sei, sehr erheb- 


1080 Kleinere Mittheilungen. 


liche Bedenken. Auf Grund meiner Beobachtungen, die ich als Arzt und Kranken- 
hausarzt seit vielen Jahren hier zu machen Gelegenheit hatte, habe ich schon im 
Jahre 1890 die Ueberzeugung gewonnen, dass die Typhusepidemien in Gelsenkirchen 
und Umgegend als Wasserepidemien anzusehen sind, und fch habe als Kreiswundarzt 
in meinem Sanitätsberichte über das Jahr 1890/91 bei Besprechung der 
damaligen T'yphusepidemie die Verseuchung der Wasserleitung auf den Gebrauch 
eines Filterrohres zurückgeführt, von dem mir bekannt war, dass es direkt aus 
der Ruhr in den Schöpfbrunnen der Wasserleitung führte und dass es'im 
Anfange der achtziger Jahre angelegt war, um den ausserordentlich steigenden Wasser- 
verbrauch der hiesigen Gegend decken zu können. Damals (im Jahre 1891) wurde 
von der damaligen Verwaltung des Wasserwerkes die Existenz bezw. der Gebrauch 
dieses Filterrohres geleugnet. Bei der Besichtigung und Untersuchung der Pump- 
station des Wasserwerkes, die am 17. d. M. im Beisein des Geheimraths Prof. Dr. 
Koch stattfand, hat die jetzige Verwaltung des Wasserwerkes rückhaltslos die Er- 
klärung abgegeben, dass eine direkte Zuleitung aus der Ruhr zu den Schöpfbrunnen 
der Wasserleitung seit vielen Jahren bestanden hat und auch bis Mitte September 
dieses Jahres benutzt worden ist. Ich glaube nicht, dass nach dieser Fest- 
stellung die Annahme des Regierungs- und Medicinalrathes Dr. Springfeld als 
einwandsfrei aufrecht erhalten werden kann. Ausserdem stehen der Annahme, dass 
eine Versenchung der Wasserleitung bei dem Rohrbruch am 15. August d. J. erfolgt 
sei, noch mancherlei Bedenken zeitlicher, örtlicher und technischer Natur entgegen. 
In einem Aufsatze: „Grundwasserleitung und Typhus“ (Centralbl. für allg. Gesund- 
heitspfl. 19. Jahrg. S. 386), der die Typhusepidemie des Jahres 1890/91 in Gelsen- 
kirchen und Umgegend bespricht und sich inhaltlich mit meinem Sanitätsberichte 
für das Jahr 1890/91 deckt, habe ich meine Ansicht über die Entstehung der hie- 
sigen Typhusepidemien mit folgenden Worten dargelegt: „Es liegt mir völlig fern, 
anzunehmen, dass der Genuss des Wassers der Gelsenkirchener Leitung die Gefahr 
der Typhusinfektion jederzeit in sich schliesst. Diese Gefahr wird erst dann ein 
beachtenswerthe, wenn ungewöhnlich schnell und in ungewöhnlicher Menge die Ruhr 
durch Abfallstoffe und mit diesen durch Typhuskeime verunreinigt wird. Dies wird 
aber jedesmal dann geschehen, wenn durch grosse Regenmassen Abfallstofle ausge- 
laugt, weggeschwemmt und der Ruhr zugeführt werden: aus diesem Grunde gingen 
den drei Typhusepidemien des Jahres 1890/91 in Gelsenkirchen jedesmal Hochwasser 
oder längerer und reichlicherer Regen voraus.“ In ganz gleicher Weise findet nach 
meiner Ansicht auch die jetzige Typhusepidemie ihre Erklärung. Diese Ansicht ge- 
winnt noch an Wahrscheinlichkeit, wenn man erwägt, dass die Abwässer von 
Königsteele unweit der Pumpstation der Wasserleitung in die Ruhr ab- 
geleitet werden. Nachdem durch langanhaltende Dürre der Wasserstand der Ruhr 
im August d. J. auf das Aeusserste herabgesunken war, fielen am 31. August and 
am 1. September unter Gewitterbildung mächtige Regenmassen in der hiesigen Ge 
gend, die mit Nothwendigkeit sämmtliche Abfallstoffe von Königsteele und Umgegend. 
die sich während der vorhergegangenen trockenen Zeit ungestört angesammelt hatten. 
auf einmal der Ruhr und aus dieser direkt der Wasserleitung zuführten. Und nach 
14 Tagen, am 15. September, war der explosionsartige Ausbruch einer Typhusepi- 
demie im Versorgungsgebiet der Wasserleitung unverkennbar.“ 

Noch bemerkenswerther fast ist aber eine Schilderung, die mir in dem Augen- 
blick, wo diese Zeilen aus der Feder fliessen, von befreundeter Seite zugeht und im 
Lippstädter Kreisblatt vom 22. Oktober enthalten ist. Es heisst dort: 

„Gelsenkirchen, 18. Okt. (Eine Enthüllung). In der am Mittwoch Abend im 
„Hotel zur Post“ stattgehabten Konferenz begründete Herr Regierungs- und Medizinal- 
rath Dr. Springfeld an der Hand eines detaillirten Kartenmaterials die von ihm 


Kleinere Mittheilungen. 1081 


aufgestellte Theorie, dass die Entstehung der gegenwärtigen Typhusepidemie auf 
einen Rohrbruch in Königssteele zurückzuführen sei. Herr Geheimrath Dr. Koch 
hielt eine solche Erklärung für die Entstehungsursache für plausibel, bemerkte jedoch, 
bevor er sich weiter dazu äusserte, zunächst die Wasserwerksanlage besichtigen zu 
wollen. Als der Herr Geheimrath und die übrigen Herren am Donnerstag, 17. d. M., 
Morgens in Steele angekommen waren, um die Besichtigung zu beginnen, wurden sie 
durch eine unerwartete, ja im höchsten Grade verblüffende Enthüllung überrascht: 
Die gleichfalls vom Wasserwerk erschienenen Herren haben gestanden, 
dass von einem Brunnen auf der rechten Seite der Ruhr von altersher 
ein Rohr direktin die Ruhr führt. Dieses Rohr ist erst im September 
d. J. beseitigt worden. Man wird begreifen, dass insbesondere diejenigen 
Herren, die seit Wochen sich die grösste Mühe gegeben haben, den Zustand der 
Wasserwerksanlage zu erforschen und zu diesem Zwecke mit der Direktion des Wasser- 
werks wiederholte und eingehende Konferenzeu hatten, im ersten Augenblick ganz 
perplex waren. Das zur Ruhr führende Stichrohr wurde zu Zeiten geringen Wasser- 
standes in Benutzung genommen, also namentlich im Sommer, und in diesem 
Sommer noch mehr als in früheren Jahren, weil derselbe eine ganz besondere 
Trockenheit mit sich brachte. Da der Wasserkonsum Sonntags um ein Drittel dem 
an Werktagen gegenüber geringer war, wurde das Stichrohr Sonntags nicht gebraucht, 
auch in den ersten Tagen der Woche nicht, weil da das inzwischen angesammelte 
Wasser noch hinreichte. Meistens war daher das Rohr von Mittwoch bis Samstag in Be- 
nutzung genommen. Bei Beurtheilung der Schuld an dieser einfach skandalen Mani- 
pulation darf man nicht ausser Betracht lassen, dass die gegenwärtige Direktion des 
Wasserwerkes die Pfuscherei vorgefunden hat und vielleicht erst später darüber infor- 
mirt worden ist. DieFrage, warum die Herren bis jetzt geschwiegen, trotzdem sie sahen, 
dass ihr Schweigen irre führen müsste, kann nur in der Erkenntniss, dass bei Preis- 
gabe des Geheimnisses das Gebahren des Wasserwerkes in sehr bedenklichem Lichte 
erscheinen müsste, eine schwache Erklärung finden. Wie es scheint, sind in der 
letzten Zeit auch einige Mitglieder des Aufsichtsrathes über den Stand der Dinge in- 
formirt worden. Dadurch würde auch die grosse Bereitwilligkeit, eine Summe in der 
Höhe von 250000 Mark für die Gemeinden herzugeben, sehr begreiflich werden. 
Nachdem jetzt feststeht, dass direktes Ruhrwasser in die Leitung und somit zum 
Konsum der Bevölkerung gekommen ist, kann es keinem Zweifel unterliegen, dass 
das Wasserwerk auch die über 250000 Mark hinausgehenden Kosten, welche für Ge- 
meinden und Private im Verlaufe der Epidemie entstanden sind oder entstehen, er- 
setzen muss“, 

Gewiss wird man aus dieser Katastrophe die Lehre und Mahnung ziehen müssen, 
die ich bereits das letzte Mal erhoben habe und die mich allein veranlasst hat, in der 
ganzen Angelegenheit überhaupt das Wort zu ergreifen: man unterwerfe die 
sämmtlichen Wasserwerke jener Gegend von Unna bis Ruhrort einmal 
einer gründlichen und schonungslosen Revision; neben manchen tadel- 
losen, unter denen z.B. dasjenige der Stadt Essen genannt sei, wird man dann gewiss 
auch andere finden, die ebenso den versteckten Pferdefuss tragen, wie dasjenige zu 
Gelsenkirchen. — C. F. 


(J) Im Monat August 1901 hatten von 279 deutschen Orten mit mehr als 
15000 Einwohnern 49 eine höhere Sterblichkeit als 35,0 auf 1000 Einwohner und aufs 
Jahr berechnet, im Juli 27. Geringer als 15pM. war die Sterblichkeit ebenso wie im 
Vormonat in 10 Orten. Mehr Säuglinge als 333,3 auf 1000 Lebendgeborene starben in 
181 Orten gegen 121, weniger als 200,0 in 16 gegen 32 im Juli. 

(Veröff. d. Kais. Ges.-A. 1901. S. 949.) 


1082 Kleinere Mittheilungen. 


Stand der Seuchen. Nach den Veröffentlichungen des Kaiserlichen Gesund- 
heitsamtes. 1901. No. 39 u. 40. 

A. Stand der Pest. 1. Italien. Neapel. In der Nacht vom 23. zum 24.9. 
wurden 12 Pestfälle unter den Hafenarbeitern, von denen 5 tödtlich verliefen, ange- 
zeigt. Bis zum 28. 9. wurde eine Uebertragung auf die Bewohner der eigentlichen 
Stadt nicht beobachtet. UI. Frankreich. Marseille. 25.9. auf dem Danıpfer „Sene- 
gal“ 2 pestverdächtige Todesfälle unter der Besatzung. Ill. Türkei. Skutari. 15.9.: 
1 Todesfall. IV. Aegypten. 6.--12.9. Alexandrien. 6 Erkrankungen, 3 Todesfälle. 
Port Said: 2Erkrankungen, 3’Todesfälle. Mit Gamr: 2Erkrankungen. Benha: IEr- 
krankung. 13.—19.9.: Alexandrien 3 Erkrankungen, 1 Todesfall. Port Said und 
Mit Gamrje 1 Erkrankung, 2 Todesfälle. Benha: 1 Erkrankung, 1 Todesfall. V.K ap- 
land. 18.—24.8.: Port Elizabeth: 8 Kranke wurden dem Pesthospital überwiesen; 
3Todesfälle, 2 Pestleichen wurden aufgefunden. Kaphalbinsel: 2 Erkrankungen, 
1 Leiche wurde gefunden. 25.—31.8.: Port Elizabeth: 4 Kranke kamen ins Hos- 
pital, 3 Todesfälle. Kaphalbinsel: keine Neuerkrankungen und kein Todesfall: in 
Behandlung noch 10 Kranke, unter Beobachtung 2 Pestverdächtige, in den Contact 
camps noch 89Personen. VI. Mauritius. 12.7.—1.8.: 2Erkrankungen, 2 Todesfälle. 
VIL Britisch-Ostindien. Präsidentschaft Bombay. 18.—24.8.: 4238 Erkran- 
kungen, 3037 Todesfälle. 25.—31. 8.: 5420 Erkrankungen, 3757 Todesfälle. Stadt 
Bombay. 18.—24. 8.: 206 Erkrankungen, 206 Todesfälle und 198 pestverdächtige 
Sterbefälle. 25.3.—31.8.: 189 Erkrankungen, von insgesammt 907 Sterbefällen, 228 
Pesttodesfälle und 179 pestverdächtige Todesfälle. Kalkutta. 11.—17. 8.: 23 Er- 
krankungen, 20 Todesfälle. 18.—24.8.: 22 Erkrankungen, 22 Todesfälle. VIII.Hong- 
kong. 3.—10. 8.: 10 Erkrankungen, 12 Todesfälle. 11.—17. 8.: 4 Erkrankungen, 
5 Todesfälle. 18.—24.8.: 2 Erkrankungen, 2 Todesfälle. IX. Japan. Formosa: von 
Beginn dieses Jahres an bis 20. Juli im Ganzen 4228 Erkrankungen und 3348 Todes- 
fälle. Im Juli zeigte sich eine deutliche Abnahme der Seuche. X. Queensland. 
3.—10.8.: keine Neuerkrankungen, keine Todesfälle. 11.—17.8.: in Brisbane soll 
eine Neuerkrankung mit tödtlichem Ausgange vorgekommen sein. XI. Neu-Kale- 
donien. 12. 8.—15. 9.: in Numea 26 Erkrankungen, 7 Todesfälle. 

B. Zeitweilige Maassregeln gegen Pest. Deutsches Reich. Mittels 
Rundschreibens des Reichskanzlers vom 27.9. ist die gesundheitspolizeiliche Kontrole 
der aus Neapel eintreffenden Seeschiffe verordnet worden. Kiautschou-Gebiet. 
Durch Verordnung des Kaiserlichen Gouverneurs ist der Hafen von Port Arthur für 
pestverseucht erklärt worden. 

C. Stand der Cholera. I. Britisch-Ostindien. Kalkutta. 11.—-17. 3.: 
7 Todesfälle. 18.—24.8.: 10 Todesfälle. IL. Niederländisch-Indien. Samarang. 
27. 7.- 21 .8.: 93 Erkrankungen und 66 Todesfälle. 

D. Stand der Pocken. Italien. Messina. Während des Monats August 
27 Erkrankungen und 13 Todesfälle. 

E. Gelbfieber. I. Brasilien. Rio de Janeiro. 16.—28. 7.: 7 Todesfälle. 
Il. Mexiko. Vera Cruz. 18.—24.8.: 1 Todesfall. Progreso. Auf einem von Tam- 
pico über Vera Cruz gekommenen norwegischen Schiffe erkrankte am 12.8. ein Heizer 
und am 15. 8. ein Matrose. III. Columbien. Bocas del Toro. 15.—21. 8.: 1 Er- 
krankung. IV. Cuba. Havana, 10.—17. 8.: 1 Erkrankung. Cumanayagua. 18. 
bis 24. 8.: 1 Erkrankung. Jacobitz (Halle a. S.). 


Stand der Seuchen. Nach den Veröffentlichungen des Kaiserlichen Gesund- 
heitsamtes. 1901. No. 41 u. 42. 
A. Stand der Pest. I. Italien. Neapel und Umgegend. 27.9.—1.10.: 6Neu- 


Kleinere Mittheilungen. 1083 


erkrankungen mit 2 Todesfällen, und zwar in Punto Franco 4 Erkrankungen und 
1 Todesfall, in San Giovanni Teduccio und in Barsa je 1 Erkrankung, eine mit 
tödtlichem Verlauf. 1.—7.10.: keine weiteren Fälle. Ueber den Ausbruch der Pest 
liegen folgende nähere Mittheilungen vor: Schon Ende August erkrankten 7 Hafen- 
arbeiter an verdächtigen Erscheinungen, 3 von diesen starben. Die behandelnden 
Aerzte gaben Leistendrüsenentzündung, Lungenentzündung und Blinddarmentzündung 
als Todesursache an, hatten also die Art der Erkrankung anscheinend nicht erkannt. 
Erst am 23.9. erfuhr die Präfektur durch Anzeige des Hafenarztes von neuen verdäch- 
tigen Fällen. H. Frankreich. Marseille. Der Dampfer „Senegal“ war am 16. 9., 
nachdem verdächtige Fälle nicht mehr vorgekommen waren, nach Palästina in See 
gegangen. Unterwegs erkrankte wiederum ein Mann der Besatzung an pestverdäch- 
tigen Erscheinungen. Der Dampfer wurde nach Marseille zurückbeordert und hier am 
13.9. wiederum unter gesundheitspolizeiliche Kontrole gestellt. Auch der von Neapel 
eingetroffene österreichische Dampfer „Szapary“ kam wegen pestverdächtiger Erkran- 
kung in Quarantäne. Auf dem am 18.9. aus Numea eingelaufenen Dampfer „Ville de 
la Ciotat“ wurde Anfangs Oktober ein Pestfall festgestellt. III. Türkei. Smyrna. 
28.9.: 1 Erkrankung. Samsun. 2.10.: 6 Erkrankungen. IV. Aegypten. 20.—26.9.: 
Alexandrien 3 Erkrankungen, 1 Todesfall; in Mit Gamr und Benha je 1 Erkran- 
kung und 1 Todesfall. 27.9.—4.10.: Alexandrien 5 Erkrankungen, 1 Todesfall; 
Port Said 1 Erkrankung; Benha 2 Erkrankungen, 1 Todesfall. Ausserdem wurden 
auf dem vor Alexandrien liegenden, von Konstantinopel gekommenen österreichischen 
Lloyddampfer „Maria Theresia“ am 26.9.: 3 pestverdächtige und seitdem 2 Pestfälle 
und ein 4. verdächtiger festgestellt. V. Kapland. 1.—7. 9.: Kaphalbinsel. 
1 Europäer erkrankt, ein anderer als Leiche unter Feststellung der Pest als Todesur- 
sache aufgefunden. Port Elizabeth. 1 Pestleiche aufgefunden. 1.10.: 3 Erkrankun- 
gen auf einer Farm bei Kapstadt. Vl.Britisch-Ostindien. 1.—7.9.: Präsident- 
schaft Bombay. 6455 Erkrankungen, 4394 Todesfälle. Stadt Bombay. 216 Er- 
krankungen und von insgesammt 953 Sterbefällen 240 festgestellte Pesttodesfälle und 
173 pestverdächtige. 8.—14.9.: Präsidentschaft Bombay 8255 Erkrankungen, 
5845 Todesfälle. Stadt Bombay: 262 Erkrankungen, 273 Pesttodesfälle, und 142 
pestverdächtige unter im Ganzen 965 Sterbefällen. Broach, Hafen in der Präsi- 
dentschaft Bombay, 15. 8.—12.9.: 171 Erkrankungen, 137 Todesfälle. Kalkutta. 
25.—31.8.: 21 Todesfälle. 1.—7.9.: 13 Todesfälle. VII. China. Nach einer Mitthei- 
lung vom 29. 8. ist in Amoy die Pest, die auch in diesem Sommer unter der einge- 
borenen Bevölkerung eine grosse Zahl von Opfern gefordert hat, erloschen. VIL. 
Queensland. Nach einer Mittheilung vom 30.8. wurden keine neuen Fälle mehr an- 
gezeigt. IX. Neu-Kaledonien. 23.9. --2.10.: Numea 2Erkrankungen, 1 Todesfall. 

B. Zeitweilige Maassregeln gegen Pest. Deutsches Reich. Die ge- 
sundheitspolizeiliche Kontrole ist auf die Seeschiffe aus türkischen Häfen an der 
asiatischen Küste des Schwarzen Meeres ausgedehnt worden. 

C. Stand der Cholera. I. Aegypten. Suez. An Bord des am 21. 9. von 
Soerabaya eintreffenden englischen Schiffes „Tuchmorr“ waren während der Reise 
6 Erkrankungen und 1 Todesfall an Cholera vorgekommen. Il. Britisch-Ostindien. 
Kalkutta. 25.—31.8.: 5 Todesfälle. 1.—7.9.: 4 Todesfälle. III. Niederländisch- 
Indien. Celebes. Makassar. 24. 8.: 1 Todesfall. 

D. Stand der Pocken. Italien. Im Monat August erkrankten (starben) in 
Neapel und Umgebung insgesammt: 911 (106) Personen, und zwar im Landkreis 
Neapel 33 (14), in Castellamare 90 (40), in Pozzuoli 56 (5) und in Casoria 
239 (39). Genua. 4.10.: Auf kürzlich von Buenos Aires, Santos, Rio de Janeiro und 
Montevideo angekommenen italienischen Schiffen sind Erkrankungen und Todesfälle 
an Pocken festgestellt worden. Auch unter den in der Nähe des Hafens wohnenden 


1084 Kleinere Mittheilungen. 


Arbeitern sind 22 an Pocken erkrankt ins Hospital aufgenommen worden, 4 hiervon 
gestorben. 
E. Gelbfieber. I. Brasilien. Rio de Janeiro. 29.7.—4.8.: 6 Todesfälle. 
II. Mexico. 25.—31.8.: 3 Erkrankungen, 2 Todesfälle. HI. Columbien. Port Li- 
mon. 19.—31.8.: 11 Erkrankungen, 3 Todesfälle. IV. Cuba. Havana. 18.—31.8.: 
12 Erkrankung, 5 Todesfälle. Matanzas. 31.8.: 2 Erkrankungen. 
Jacobitz (Halle a. S.). 


Berichtigung. 

Zu den Angaben von Reischauer No. 12, S. 588 dieser Zeitschrift über 
die Kosten der Formalindesinfektion von Wohnräumen mit dem kom- 
binirten Schering’schen Aeskulap sendet uns die Chemische Fabrik auf Aktien, 
vorm E. Schering, die folgende Berichtigung, der wir hiermit im Inter- 
esse der Sache Raum geben: 

„Es werden dort die Ausgaben der Desinfektion eines mittleren Wohn- 
zimmers nach unserem Verfahren auf etwa 8—10 Mk. berechnet. Dies ent- 
spricht jedoch nicht den thatsächlichen Verhältnissen. Der Preis der For- 
malinpastillen stellt sich auf 2 Mark pro 100 Stück. Auf diesen Preis gewähren 
wir bei Abnahme von 1000 Stück einen Rabatt von 10 pCt. und bei Abnahme 
von 10000 einen solchen von 10 + 5 pCt. Sonach berechnen sich die laufen- 
den Kosten für 100 cbm Zimmerraum wie folgt: 

Nach Vorschrift des Herrn Geh.-R. Prof. Dr. Flügge sind für unseren 
kombinirten Aeskulap pro 100 cbm Zimmerraum 250 Pastillen bei 7 stündiger 
Desinfektionsdauer erforderlich, deren Preis bei Zugrundelegung des Rabatt- 


satzes von 10+ÖöpÜt.. . : 2.220202... 427 Mk. 
beträgt; für Spiritus sind rund . . . . . . 0,80 „ 
und für Ammoniak, das zur sofortigen Beseitigung 

des Formalingeruches dient, rund . . . . 025 „ 


in Ansatz zu bringen, sodass für die Desinfektion 
eines Raumes von 100 cbm d.h. eines weit 
mehr als mittelgrossen Zimmers . . . . . 4,82 „ 
aufzuwenden sind. Hierzu würden noch die geringfügigen Kosten für den Ver- 
brauch von Material für das Abdichten des Zimmers zu rechnen sein. 

Nach dem bisherigen Verfahren (Abreiben der Wände mit Brot, Waschen 
mit Karbolsäure u. s. w., Dampfdesinfektion) werden die Kosten auf 5,50 Mk. 
bis 6 Mk. exkl. Arbeitslohn veranschlagt.“ 

Berichtigung. 

No. 17, S. 855 d. Z. enthält die Besprechung eines „Berichtes über die 
Impfungen in Bosnien u. s. f.“, als dessen Verfasser dort Dr. Karlinski 
genannt ist. Wie uns Herr Dr. Karlinski nun mitzutheilen bittet, ist diese 
Angabe unzutreffend; wir verdanken wohl seiner Freundlichkeit die Ueber- 
mittelung der lehrreichen Abhandlung, aber unsere Annahme, dass sie auch 
aus seiner Feder geflossen sei, berulte auf einer irrthümlichen Auslegung des 
Schreibens, das jene Sendung begleitete. 


Verlag von August Hirschwald, Berlin N.W. — Druck von L. Schumacher in Berlio. 


Hygienische Rundschau. 


Herausgegeben 
von 
Dr. Carl Fraenkel, Dr. Max Rubner, Dr. Carl Günther, 
Prof. der Hygiene in Halle 2/8. Geh. Med.-R., Prof. der Hygiene in Berlin. a. o. Professor in Berlin. 


XI. Jahrgang. Berlin, 15. November 1901. M 22. 


(Aus der bakteriol. Untersuchungsstation des kgl. Garnisonslazareths Würzburg.) 


Beiträge zur Trinkwasserdesinfektion mit Chlor. 
Von 
Viktor Rabs, Einjährig-freiwilligem Militärapotheker 
in Würzburg. 


Auf die Verwendung des Chlors zur Trinkwasserdesinfektion hat 
ausser M. Traube und Bassenge besonders eingehend Lode!) hingewiesen. 
Lode versetzte 1 Liter Wasser mit 0,15 g käuflichen, trockenen, am besten 
aus der Apotheke bezogenen Chlorkalks, verrieb diesen mit möglichst wenig 
Wasser zu einem dünnflüssigen Brei in einer Reibschale, trug dann den Brei 
stets gut umrührend in das zu desinficirende Wasser und setzte®ogleich die 
entsprechende Menge Salzsäure hinzu. Nach einer halben Stunde war die 
Klärung und die Desinfektion vollzogen, worauf pro Liter 0,3g Natriumsulfit 
zugesetzt wurden. 

Die Verwendung des Chlorkalks zur Trinkwasserdesinfektion hat aber, 
wie man sich bei Versuchen sofort überzeugen kann, nicht unbeträchtliche 
Nachtheile. Das Wasser wird durch ungelöste suspendirte Partikelchen von 
Chlorkalk und seinen Nebenbestandtheilen [besonders Ca(OH),] trübe. Das Aus- 
sehen wird dadurch unappetitlich und auch der Geschmack wird verändert.‘ Ein 
weiterer Nachtheil des Chlorkalks ist der ungleichmässige Gehalt an Chlor. Wird 
er in Fässern aufbewahrt, so beträgt der Gesammtverlust an wirksamem Chlor 3 
bis 4 pCt. pro Jahr, in Flaschen 1,8—2,4 pCt., durch häufiges Oeffnen verliert er 
sich noch mehr. Dieser schwankende Chlorgehalt des Chlorkalks erklärt auch 
sicher die sich oft widersprechenden Angaben über die desinficirende Wirkung 
desselben. Ausser diesem schwankenden Chlorgehalt ist ein weiterer Uebel- 
stand die schwere Benetzbarkeit. Lode giebt zwar an, man könne diesen 
Uebelstand sowohl mechanisch durch feinstes Verreiben mit Wasser, als auch 
chemisch durch Zersetzung des Chlorkalks namentlich mittels Citronensäure 
beseitigen. Wie ich mich aber bei meinen Versuchen überzeugen konnte, war 
das Wasser trotzdem trübe. 


1) Diese Zeitschr. 1899. S. 859. 
76 


1086 Rabs, 


Neuerdings empfehlen Hünermann und Deiter!) das Natriumhypo- 
chlorit. Dasselbe zeichnet sich durch hoben Chlorgehalt aus; das Chlor 
lässt sich leicht daraus freimachen. Das Natrinmhypochlorit (NaOCl) kommt 
nur gelöst in den Handel als Eau de Lavarraque. Hünermann fand, dass 
durch Zusatz von NaOCI (mit 0,04 g wirksamen Chlors) alle in 1 Liter 
Wasser enthaltenen Typhus- und Colibacillen sowie Choleravibrionen sicher 
in 10 Minuten abgetödtet werden. Doch hat nach meiner Ansicht auch da: 
Na00l für die praktische Trinkwasserdesinfektion den Nachtheil, dass gleich- 
falls der Chlorgebalt unbeständig ist. Selbsthergestelltes NaOCl nach der 
Vorschrift des Dietrich’schen Manuals, wodurch ein Gehalt von 3 pCt. erzielt 
wurde, hatte bei meinen Versuchen nach 3—4 Wochen schon einen Verlust 
von nahezu t/z pCt. erlitten. Der Gehalt einer käuflich bezogenen Eau de 
Lavarraque, welche 0,4 pCt. aktives Chlor enthalten sollte, war auf 0.3 pCt. 
herabgesunken. Die desinficirende Wirkung dieses Präparates war also nach 
einigen Wochen ganz bedeutend verringert worden. 

Bei der Bedeutung des Chlors zur Trinkwasserdesinfektion machte ich eine 
Reihe von vergleichenden Versuchen mit Chlorkalk und Natrium- 
hypochlorit. Zu den Versuchen wurden stets frische, nicht über 24 Stunden 
alte Agarkulturen von B. typhi, B. coli und Choleravibrionen verwendet Die- 
selben wurden in bestimmten Mengen sterilen Leitungswassers (eine Agarkultur 
auf 100 ccm Wasser) aufgeschwemnt, daneben wurden auch Aufschwemmun- 
gen in sterilisirttem Mainwasser, welches reich an organischer Substanz war. 
verwendet; endlich wurde auch das stark bakterienhaltige Mainwasser allein 
zu den Versuchen genommen. Derartige Versuche mit stark verunreinigtem 
Wasser sin® natürlich für die Bewerthung der praktischen Brauchbarkeit am 
wichtigsten, da man es gerade in der Praxis mit derartig stark schmatzigen 
Wässern zu thun hat. 

Die Versuchsanordnung war bei den ersten Versuchsreihen folgende: in 
die 100 ccm fassenden Kölbchen mit den Bakterienaufschwemmungen bezw 
Mainwasser wurde eine bestimmte Menge Chlorkalklösung bezw. Natriumbype- 
chlorit gegeben, hierzu eine Menge verdünnter HC) gefügt, umgeschüttelt 
und das Gemisch 30 bezw. 10 Minuten stehen gelassen. Sofort nach dem 
Zusatz von Salzsäure war deutlicher Chlorgeruch vorhanden. Die Anwesenheit 
von freiem Chlor konnte stets durch Jodzinkstärkelösung nachgewiesen werden. 
Nach 10 Minuten wurden zur Bindung des freien Chlors die entsprechenden 
Mengen Natriumsulfit zugefügt und hierauf 3 Oesen entnommen und damit 
Agarplatten gegossen. Ausserdem wurden weitere 3 Oesen in Bouillonröhrchen 
übertragen. Die Platten und die Bouillonröhrchen wurden 8 Tage bei 37' 
aufbewahrt. Die Versuche ergaben bei dieser Anordnung eine vollständige Be- 
stätigung der Angaben von Lode sowie von Hünermann. Bei dieser Versuchs- 
anordnung hatte auch der Chlorkalk schon bei Einwirkung von 10 Minuten 
eine deutlich abtödtende Wirkung. 

Weit ungünstiger wurden aber die Resultate, als ich statt dieser Methode 
auf Veranlassung des Herrn Stabsarztes und Privatdocenten Dr. Dieudonor 


1) Deutsche med. Wochenschr. 1901. No. 24. 


Beiträge zur Trinkwasserdesinfektion mit Chlor. 1087 


das nenerdings von Schüder?) bei seiner Nachprüfung des Schumburg’schen 
Bromverfahrens angegebene Peptonanreicherungsverfahren benutzte. Schüder 
schwemmte in Kölbchen mit 100 ccm Wasser 1—3 Oesen frischer Cholera- 
kultur auf, setzte hierauf Brom zu, dann das Bindungsmittel, und gab nun- 
mehr soviel von einer koncentrirten Peptonkochsalzlösung hinzu, dass eine 
1 proc. Lösung entstand, die zuerst 24 Stunden lang im Brütschrank bei 
37° aufbewahrt wurde. Hierauf wurden 0,5 ccm auf eine Reihe von Pepton- 
röhrchen übertragen, diese bei 37° aufbewahrt und dann die Choleraroth- 
reaktion angestellt. Wie Schüder mit Recht hervorhebt, hat diese Methode 
den grossen Vortheil, dass die gesammte Wassermenge auf entwickelungsfähige 
Keime untersucht wird. In der That war bei den Versuchen von Schüder 
der Erfolg bald positiv, bald negativ, ein Beweis, dass in einem grossen Theil 
des Wassers die Choleravibrionen abgetödtet sein können, im anderen Theile 
nicht, und dass es zur Gewinnung eines beweisenden Resultates nöthig ist, 
die gesammte infieirte Wassermenge auf entwickelungsfähige Keime zu unter- 
suchen. Versuche, die ich nach dieser Methode in den angegebenen Mengen 
mit Chlorkalk und Eau de Lavarraque bei einer Einwirkungszeit von 10 Min. 
mit Choleravibrionen anstellte, ergaben fast ausschliesslich ungünstige Resul- 
tate. Stets wuchsen etwa in der Hälfte der Röhrchen Choleravibrionen, aller- 
diogs meist erst nach 5—-7 Tagen, doch war die Cholerarothreaktion stets 
sehr deutlich. Die Versuche verliefen gleich ungünstig, ob ich gewöhnliches 
oder steriles Mainwasser nahm. Eine weitere Reihe von Versuchen wurden 
mit grösseren Mengen, nämlich 5 Liter, gemacht, mit demselben ungünstigen 
Resultat. Bei den Versuchen mit Typhusbacillen wurden gleichfalls, dem Rathe 
Schüder’s folgend, grössere Mengen (2 ccm) zu Agarplatten verarbeitet, da 
man hier leider kein Anreicherungsverfahren besitzt; auch hier wuchsen in 
mehr als der Hälfte Typhusbacillen. Der Ausfall dieser Versuche ist um so 
überraschender, als ich in Uebereinstimmung mit Hüänermann bei einer Reihe 
von Titrationsversuchen fand, dass bei den nicht neutralisirten Wasserproben 
in den meisten Fällen noch nach einer Stunde ein grosser Theil des ursprüng- 
lich vorbandenen freien Chlors nachweisbar war, was bei Brom nicht der 
Fall ist. 

Nach diesen ungünstigen Resultaten machte ich eine weitere Reihe von 
Versuchen, bei denen die beiden Desinfektionsmittel längere Zeit, nämlich 
30 Minuten, einwirken gelassen wurden. Hierbei waren in sämmtlichen Ver- 
suchen sowohl Choleravibrionen wie Typhusbacillen abgetödtet. . 

Demnach bedarf es für die praktische Trinkwasserdesinfektion bei 
beiden Präparaten zur absolut sicheren Abtödtung mindestens einer 
Einwirkung von 30 Minuten. 

Bei dem schwankenden Gehalt des Chlorkalks und des Natriumhypo- 
chlorits an freiem Chlor wird in vielen Fällen auch diese Zeit nicht ge- 
nügend sein. 

Da aber das Chlor sicher ein sehr wirksames Desinfektionsmittel dar- 
stellt, so käme es vor allem darauf an, ein Präparat zu finden, welches sich 


1) Zeitschr. f. Hyg. 1901. Bd. 37. H. 2. 


1088 Infektionskrankheiten. 


durch einen festbestimmten Chlorgehalt auszeichnet und dessen Gehalt an 
Chlor nicht leicht verändert wird. Ich bin zur Zeit mit Versuchen nach 
dieser Richtung hin beschäftigt. 


Tostivint et Remlinger, Note sur la rareté de la tuberculose chez les 
Israelites tunisiens. Rev. d’hyg. 1900. No. 11. p. 984. 

Die Juden haben in Tunis viel weniger als die übrige Bevölkerung 
unter der Tuberkulose zu leiden. Im Durchschnitt der 5 Jahre 1895—1899 
waren von je 100 Todesfällen unter der mohamedanischen Bevölkerung 7,13, 
unter der europäischen 3,96, unter den Juden nur 1,24 durch Tuberkulose 
veranlasst. Dabei lebt die ärmere jüdische Bevölkerung zwischen und mit 
den Arabern und ganz genau wie diese, die reichere in der europäischen Stadt 
und nach dem Vorbild der Europäer. Unterschiede bestehen nur in einer Hin- 
sicht: die Juden kennen keinen Besen. Sie reinigen ihre Wohnräume 
nur feucht, so dass kein Staub aufgewirbelt wird. Dazu kommt, dass ihre 
Wohnungen viel wenigerjMöbel, also staubfangende Objekte, als die der Europäer 
enthalten. T. und R. stehen nicht an, in diesen Verhältnissen den Grund für 
die Seltenheit der Tuberkulose unter den Juden zu sehen. Sie haben daher 
auch in den Kasernen das Fegen der Zimmer durch Aufwaschen ersetzen 
lassen und erhoffen davon einen Rückgang der Schwindsucht. 

R. Abel (Hamburg). 


Weissenfeld J., Die Veränderungen der Sterblichkeit an Diphtherie 
und Scharlach. Centralbl. f. allgem. Gesundheitspfl. 1900. Bd. 19. S. 318. 
Verf., der mit Recht sagt, dass die Wirksamkeit des Diphtheriebeil- 
serums für den Bakteriologen und für den Arzt keines Beweises mehr bedarf, 
hat aus den Veröffentlichungen des Kais. Gesundheitsamtes mit grosser Sorg- 
falt für die verschiedensten Länder die entsprechenden Zahlen von 1889 bis 
1898 ausgezogen, so für Deutschland, Oesterreich, Belgien, Frankreich, Nieder- 
lande, Schweiz, England, Norwegen, Italien, Nordamerika (Massachusetts), und 
kommt danach zu folgenden Resultaten: 

1. Die Sterblichkeit an Diphtherie, d. b. die Zahl der Todesfälle im Ver- 
hältniss zur Zahl der Einwohner, schwankt in allen daraufhin untersuchten 
Ländern des europäischen Festlandes bis zum Jahre 1894 hin und ber und 
fallt von da an plötzlich und beständig, um im letzten Beobachtungsjahre 
(1898—99) einen so niedrigen Stand zu erreichen, wie er seit dem Bestehen 
der Statistik noch nie dagewesen ist. Dieses Sinken der Sterblichkeit fällt 
zusammen mit dem Beginn: der Serumtherapie. Nur da, wo die Diphtherie 
zufällig gerade in der kritischen Periode eine abnorme Ausbreitung erfahren, 
und zugleich die Einführung der Serumtherapie Schwierigkeiten gefunden hat, 
ist der Rückgang der Sterblickkeit nur unvollkommen (in England) oder erst 
später eingetreten (Massachusetts). Es liegt in der Natur der Sache, dass in 
kleineren Bezirken und Städten der Abfall der Diphtheriesterblichkeit unter 
Umständen nicht in Erscheinung treten kann, wenn nämlich die Verminderung 


Infektionskrankheiten. 1089 


der Intensität der Krankheit neutralisirt wird durch ihre grössere Extensität. 
Auch das würde noch seltener, als es schon jetzt der Fall ist, beobachtet 
werden, wenn die prophylaktische Anwendung des Diphtherieserums mehr 
Eingang fände. 

2. Die Veränderung der Scharlachsterblichkeit ist nichts weniger als 
typisch. Man kann nur sagen, dass vielfach auch hier ein Abfall eingetreten 
ist, und zwar in England schon seit den 70er Jahren. Es giebt aber ganze 
Länder, viele Provinzen und Städte, in denen ein Rückgang nicht zu bemerken ist. 

R. Blasius (Braunschweig). 


Lindemann, Grundwasserleitung und Typhus. Centralbl. f. allgem. Ge- 
sundheitspfl. 1900. Bd. 19. S. 386. 

Verf. glaubt, dass die Ansicht von Kruse, dass die Typhusepidemien 
in Gelsenkirchen und Umgegend mit der Wasserleitung in einem ursächlichen 
Zusammenhange nicht gestanden haben, nicht einwandsfrei sei, da die bak- 
teriologischen Untersuchungen des Wassers nicht zu der Zeit ausgeführt sind, 
in der die Infektion der Bevölkerung mit Typhus erfolgt sein muss. Dieselben 
wurden post festum gemacht und haben daher keine Beweiskraft. Er stimmt 
mit Kruse darin überein, dass das Wasser in der kritischen Zeit wenigstens 
2 mal wöchentlich untersucht werden muss. R. Blasius (Braunschweig). 


Walker, Thomas James, An outbreak of typhoid fever attributed to 
the infection of a well by a convalescent soldier from Suuth 
Afrika. Brit. med. Journ. 1900. Nov. 24. No. 2082. p. 1494. 

In zwei Häusern, die gemeinsam aus einem Brunnen Trink- und Brauch- 
wasser bezogen, kamen innerhalb 20 Tagen 12 Typhuserkrankungen 
vor. Das Brunnenwasser erwies sich als verunreinigt durch Zuflüsse von dem 
in der Nähe des Brunnens vorbeifübrenden Abwasserrohr des einen Hauses. 
17 Tage vor der ersten Typhuserkrankung war in dieses Haus ein Typhus- 
rekonvalescent eingezogen. Walker nimmt an, dass dieser Rekonvalescent 
mit dem Urin noch Typhusbacillen ausgeschieden hat, dass diese durch das 
undichte und theilweise verstopfte Abwasserrohr in den Brunnen gelangt sind 
und, mit dessen Wasser genossen, die Infektionen veranlasst haben. 

R. Abel (Hamburg). 


Sedgwich et Winslow, Influence du froid sur le bacille de la fievre 
typhoide. Revue scientifique. 28. Avril 1900. p. 538. 

Auf dem im December 1899 in Newhaven abgehaltenen Kongress haben 
Sedgwich und Winslow von ihren Untersuchungen über den Einfluss 
der Kälte auf den Typhusbacillus berichtet. Sie haben 4 verschiedene 
Typhusstämme dazu benutzt und gefunden, dass am Ende der ersten Woche 
nach dem Gefrierenlassen die Zahl der Typhuskeime sich um die Hälfte 
vermindert hatte; nach 2 Wochen waren noch 10 pCt. der Keime, nach 
12 Wochen von 1000 Keimen noch 2—3 lebend. Untersuchungen über die 
Eisbildung an der freien Wasseroberfläche zeigten, dass etwa 90 pCt. 
der vorhandenen Bacillen nicht mit ins Eis eingeschlossen werden. 


1090 Infektionskrankheiten. 


Dem Schluss, den die beiden amerikanischen Autoren aus ihren Unter- 
suchungen ziehen, dass die etwa im Eis zurückbleibenden wenigen Typhus- 
keime keine ernstliche Gefahr für die menschliche Gesundheit böten, 
kann man nicht zustimmen. Sind doch schon eine ganze Reihe von Fällen 
bekannt, die gerade das Gegentheil zweifellos beweisen und zeigen, dass 
das unreine Eis nicht weniger gefährlich ist, als das unreine Wasser, ja 
letzterem gegeüber noch den Nachtheil hat, dass man etwa vorhandene Ver- 
unreinigungen mit dem Auge und dem Geschmack nicht wahrnehmen kann. 

Jacobitz (Halle a.S.). 
Bonhof W., Ueber einen Fall von Cerebrospinalmeuingitis und den 
Diplococcus intracellularis. Münch. med. Wochenschr. 1901. No. 3. 
S. 89. 

In einem Falle von idiopathischer Cerebrospinalmeningitis wurden 
bei der Lumbalpunktion Organismen gefunden, die als Weichselbaum’sche 
Meningokokken angesprochen werden mussten. Die Grösse der Kolonien, 
ihre silbergraue Farbe, das völlige Ausbleiben des Wachsthums 
bei Zimmertemperatur, die Entfärbbarkeit nach Gram, welches 
immer nach einer 20 @ekunden dauernden Alkoholwirkung eintrat, und endlich 
das leichte Absterben auf künstlichen Nährböden liessen diese Bak- 
terien leicht von ähnlichen Organismen unterscheiden. Die von Jäger ge 
machte Beobachtung, dass bei Anordnung der Kokken in längere Reihen die 
Theilungslinie in der Mitte verläuft, konnte Bonhoff nicht bestätigen. Dem 
Ref. scheint diese Erscheinung für Meningokokken auch durchaus nichts 
Konstantes oder absolut Typisches zu sein, weil zuweilen andere Kokken die- 
selbe Theilung aufweisen. 

Bemerkenswerth für das Auffinden der Erreger ist die Angabe, dass trotz 
zahlreichen Vorhandenseins in dem Ausstrichpräparat auf Agar und Glycerin- 
agar kein Wachsthum zu verzeichnen war, während auf Löfflerserum eine 
sehr spärliche Menge von Kolonien aufging, die erst in verhältnissmässig später 
Generation auch auf gewöhnlichem Agar züchtbar wurden. 

Unter den übrigen auf den Platten angegangenen Kolonien fehlten vor 
allen Dingen die Fraenkel’schen Diplokokken, die ja bekanntlich auch 
für denselben Krankheitsprocess verantwortlich gemacht werden. Der Neben- 
befund von Stäbchen, die zu den Pseudodiphtheriebacillen gehören, ist 
leicht erklärlich, da dieselben in den Respirationsorganen, besonders in der 
Nase zu finden sind und von da mit in die Kopfhöhlen gelangen können. 

R. O. Neumann (Kiel). 


Sata St., Ueber Fütterungspest und das Verhalten des Pestbacillus 
im thierischen Körper nach dem Tode des Organismus. Arch. f. 
Hygiene. Bd. 32. S. 1. 

Ratten, Mäuse und Meerschweinchen gehen nach Verfütterung 
von Pestmaterial in 2-5 Tagen oder noch später zu Grunde. Manchmal 
erliegt von zwei in gleicher Weise und mit gleichem Material gefütterten 
Thieren nur das eine, während das andere am Leben bleibt, obne jedoch re- 


Infektionskrankheiten. 1091 


fraktär zu sein, denn es erkrankt und stirbt bei Wiederholung der Fütterung. 
Mit Pestorganen gelingt die Infektion per os sicherer als mit Reinkulturen 
von Pestbacillen. Um Fütterungspest zu erzeugen, ist immer bedeutend mehr 
Bacillenmaterial nöthig, als zur Hervorrufung einer Erkrankung durch Injek- 
tion, auch ist die Krankheitsdauer bei der Fütterungspest länger als bei der 
Iojektionspest. Verbreitung und Vermehrung der Pestbacillen im Blute ist 
bei Fütterungspest fast jedes Mal vorhanden und stärker ausgesprochen als 
bei der Injektionspest, bei der der Tod in Folge Toxinwirkung oft schon ein- 
tritt, ehe noch die Bacillen sich septicämisch verbreitet haben. Metastatische 
Herde in Leber und Milz sind dagegen häufiger bei der Injektions- als bei 
der Fütterungspest. 

Fast immer findet man bei der Fütterungspest im Jejunum und Ileum 
mehr oder weniger zahlreiche lokale Erkrankungsherde, dargestellt durch die 
markig geschwollenen infiltrirtten und ecchymosirten Peyer’schen Haufen. Se- 
rosa und Schleimhaut des Dünndarms sind gewöhnlich hyperämisch, Peritonitis 
und Pleuritis leichteren Grades immer vorhanden. Die Milz ist geschwollen 
und enthält viele Pestbacillen. Die gewöhnlich ebenfalls geschwollene Leber 
„zeigt oft zerstreute kleine nekrotische Herde, welche in keinem Zusammen- 
hang mit den Bacillen stehen“. Selten sind Nekroseherde in Milz und Neben- 
niere. Die Nieren weisen trübe Schwellung in den Harnkanälchen auf. Die 

“Lunge kann normal sein, enthält aber bisweilen zerstreute bronchopneumo- 
nische Herde; selten zeigt sie ausgedehnte lobäre Pneumonie, die dann viel- 
leicht durch Aspiration von Pestmaterjal beim Fressen entstanden ist. 

Die Pestbacillen, die in der Leber, auch in der Lunge und Niere die 
Kapillaren stark anfüllen, und die im ganzen Kreislauf verbreitet sind, zeigen 
längliche Form mit bipolarer Färbbarkeit, nur in der Milz mehr ovale Bläs- 
chenform, ebenfalls mit stärker tingiblen Polstücken. Bei Färbung nach Ro- 
manowsky besitzen sie eine helle Zone um sich her, die S. als Kapsel deutet. 

Das Schicksal der Pestbacillen in der Thierleiche studirte S. an Kadavern 
pestinficirter Thiere, die z. Th. an der Luft liegend, z. Th. in Erde vergraben 
aufbewahrt wurden. Vom vierten Tage nach dem Tode etwa an beginnen 
die Pestbacillen in der Leiche ihre Form zu verändern. Sie werden unregel- 
mässig rundlich oder oval, quellen auf und verlieren ibre scharfe Begrenzungs- 
linie. Am deutlichsten sind diese Veränderungen in der Milz zu beobachten, 
am wenigsten in der Leber. Einzelne Bacillen bleiben wochenlang in ihrer 
Erscheinung normal. Bis zum vierten Tage uach dem Tode gelang die Iso- 
lirung von Pestbacillen aus Leichen auf kulturellem Wege, dann wurde sie 
wegen des Ueberwucherns anderer Bakterien unmöglich. Infektiös erwiesen 
sich noch die Organe 16 Tage alter Leichen; darüber hinaus wurde eine Prü- 
fung nicht vorgenommen. Es scheint S., als ob nur langsam fremde Bak- 
terien in die Kadaver an Pest gestorbener Thiere eindringen, und eı vermuthet, 
dass die Pestbacillen eine Art von antagonistischer Wirkung auf andere Bak- 
terien ausüben. Die Pestbacillen selbst vermehren sich noch in der Leiche, 
mehrfach wucherten sie durch die Haut bis auf deren Oberfläche hindurch. 

R. Abel (Hamburg). 


1092 Infektionskrankheiten. 


Abel, Rudolf, Was wussten unsere Vorfahren von der Empfänglich- 
keit der Ratten und Mäuse für die Beulenpest des Menschen? 
Eine Studie zur Seuchengeschichte. Zeitschr. f. Hyg. u. Infektions- 
krankh. Bd. 36. S. 89. 

Beim Studium der gesammten, ihm zugänglichen Pestliteratur des 
Alterthums, Mittelalters und der Neuzeit hat Verf. besonders darauf 
geachtet, welche Rolle den Ratten, Mäusen und anderen Nagethieren in den 
Pestepidemien von den verschiedenen Autoren zugewiesen wurde, und kommt 
dabei im Gegensatz zu Nuttall und Sticker und in Uebereinstimmung mit 
Netter und Proust zu dem Schluss, dass von einer besonderen Empfäng- 
lichkeit dieser Thiere für die Pesterkrankung und einer Bedeutung derselben 
als Träger des Pestkontagiums in der gesammten früheren, zumal in der euro- 
päischen Literatur fast nichts erwähnt war und diese hochwichtige Thatsache 
uns erst bei der letzten, noch herrschenden Pestepidemie bekannt wurde. Das 
ist um so auffallender, als man, durch die neueren Erfahrungen aufmerksam 
gemacht, bei näherer Nachforschung schon in der alten indischen Pestliteratur 
ein massenhaftes Sterben der Ratten während der Pestepidemien unter den 
Menschen und sogar die Beobachtung erwähnt findet, dass der Mensch sich 
durch Berührung einer todten Ratte die Pest zuziehen könne; ebenso ist den 
Eingeborenen endemischer Pestherde in Centralasien und Innerafrika ein Wander- 
trieb und Sterben der Ratten und anderer Nager als Zeichen herannahender 
Pest bekannt und veranlasst sie, schleunigst ihre bisherigen Wohnsitze zu 
verlassen. 

In der Bibel uud bei den Schriftstellern des klassischen Alterthums werden 
Ratten und Mäuse bei keiner Epidemie erwähnt, obwohl sonst bei zahlreichen 
Seuchen der Menschen vorher oder gleichzeitig solche unter anderen Thieren 
beobachtet sind. Auch im Mittelalter findet sich trotz der zahlreichen grossen 
Epidemien der Beulenpest und deren schriftlichen Ueberlieferungen nur eine 
einzige Angabe von einer gleichzeitigen Erkrankung der Mäuse und Ratten. 
bei Avicenna, wo zwar nicht von einem Sterben der Thiere die Rede ist, wohl 
aber von den auch heute als typisch angesehenen Krankheitserscheinungen: 
die erkrankten Thiere verlassen ihre Löcher und bewegen sich wie trunken 
umher; allerdings bezieht sich diese Angabe, deren Autor in Persien lebte, 
vielleicht nicht auf europäische, sondern auf asiatische Epidemien. Auch in 
der umfangreichen Literatur des schwarzen Todes findet sich nur eine einzige 
bestimmte Angabe über das Sterben der Ratten und Mäuse und der Hausthiere 
während der Pest, bei Nicephorus Gregoras 1347, ohne dass er aber gerade 
diesen Nagern besondere Bedeutung beilegte. In den zahlreichen Ueberliefe- 
rungen über Pestepidemien von Ende des 14. bis 18. Jahrhunderts finden sich 
bei Aerzten wie Laien allerdings häufig Angaben über eine Vermehrung und 
Auswanderung von Mäusen nebst allerlei anderem Gethier als Zeichen heran- 
nahender Pest; allein alle diese Angaben, die oft fast wörtlich übereinstimmen, 
machen durchaus den Eindruck, dass sie .als alte Ueberlieferung von einem 
Schriftsteller auf den andern übernommen wurden, und vor allem wird in 
dieser ganzen Zeit nicht von einem auffallenden Hinsterben der Mäuse oder 
Ratten etwas mitgetheilt. In der Literatur über die Pestepidemien vom 


Infektionskrankheiten. 1093 


18. Jahrhundert bis zur Jetztzeit findet sich eine positive Notiz bei Orraeus 
in der Beschreibung der Epidemie in Moskau 1771, wo die vorher zahlreichen 
Mäuse verschwanden. g 

Der Grand, weshalb die Rolle der Ratten und Mäuse in allen früheren 
europäischen Epidemien nicht erkannt wurde, während dieselbe den Einge- 
borenen Indiens und Afrikas schon längst geläufig ist und bei Beginn der 
jetzigen Pandemie in China auch sofort in die Erscheinung trat, ist nach Verf. 
darin zu suchen, dass eben „schon damals in Europa die allgemeinen Ver- 
hältnisse und die Lebensbedingungen des Einzelnen bessere waren, als sie 
jetzt in Asien sind, dass die Zahl der Ratten und Mäuse kleiner, die Rein- 
lichkeit grösser war, die Gelegenheit zur Infektion der Thiere daher im Ganzen 
seltener und die Möglichkeit der Uebertragung vom Nagethier auf den Menschen 
in Folge des weniger intimen Zusammenlebens von Mensch und Thier weniger 
bäufig war, als unter asiatischen und afrikanischen Verhältnissen“. 

Noch weniger als in den früheren Jahrhunderten wird jedenfalls heute 
bei dem Fortschritt der sanitären Zustände in Europa. seit den letzten grossen 
.Pestepidemien die Rolle der Ratten und Mäuse für die Verbreitung der Pest 
von Bedeutung sein können und sicher hier ein Unterschied gegenüber den 
heutigen asiatischen Verhältnissen sich zeigen. Verf. warnt daher auch da- 
vor, „die Nager für das ausschlaggebende Agens in der Pestepidemiologie 
anzusehen, und über dem eifrigen Streben, die Ratten und Mäuse zu vernichten, 
andere wichtige Aufgaben der Pestprophylaxe zu kurz kommen zu lassen“. 

Mayer (Berlin). 


Bliesener, Beitrag zur Lehre von der Sporenbildung bei Cholera- 
bacillen. Zeitschr. f. Hyg. u. Infektionskrankh. Bd. 36. S. 71. 

Bei Versuchen zur Herstellung keimfreien Trinkwassers durch Zu- 
satz von Chemikalien hatte Verf. stark verunreinigtes Bachwasser nach Fil- 
tration und diskontinuirlicher Sterilisation mit Cholerabacillen geimpft, 
in allen Röhrchen eine starke Vermehrung beobachtet und das Wasser von 
Zeit zu Zeit durch die Gelatineplatte auf das Vorhandensein lebender Cholera- 
bacillen untersucht. Vom 376. Tage ab entstand ein flockiger Niederschlag, 
in welchem zahlreiche Gebilde mit den morphologischen Eigenschaften von 
Sporen sich fanden; auch die Färbung dieser Gebilde nach der gewöhnlichen 
Sporenfärbungs- wie nach der Möller’schen Methode gelang, während sie bei 
der gewöhnlichen Färbung Anilinfarbstoffe nicht aufnahmen. In gleichzeitig 
gemachten Ausstrichpräparaten zeigten sich keine Involutionsformen von Cho- 
leravibrionen mehr, auf den (Gelatineplatten wuchsen stets Cholerakolonien in 
Reinkultur. Im bängenden Gelatinetropfen keimten diese Gebilde nach etwa 
6 Stunden bei 20—23° zu Vibrionen aus, welche die für Choleraerreger cha- 
rakteristischen Eigenschaften ergaben. Diese Versuche wurden stets mit dem 
gleichen Erfolge wiederholt, bis das Wasser am 878. Tage nach der Impfung 
völlig eingetrocknet war. Auch nachdem vom 573. bezw. vom 759. Tage ab 
eine Verunreinigung mit einem Kokkus bezw. Bacillus eingetreten war. liessen 
sich diese sporenartigen Gebilde trotzdem stets noch nachweisen. Eine 
vermehrte Resistenz gegen Hitze und Austrocknung hatten dieselben jedoch 


77 


1094 Infektionskrankheiten. 


nicht: 8 Stunden nach Beginn völliger Trocknung, !/, Stande nach Einrir- 
kung von 50° in wässriger Aufschwemmung war die Entwickelungsfähigkeit 
erloschen. 

Die Beobachtung, dass der Choleraerreger sich 878 Tage lang im Wasser 
lebensfähig erhalten kann, davon 305 bezw. 89 Tage lang in Symbiose mit 
2 verunreinigenden Bakterienarten, ist jedenfalls sehr bemerkenswerth. 

Mayer (Berlin). 


Schattenfroh und Grassberger, Neue Beiträge zur Kenntniss der Butter- 
säuregährungserreger und ihrer Beziehung zum Rauschbrand. 
Münch. med. Wochenschr. 1901. No. 2. S. 50. 

Nachdem die Resultate aus den früheren Untersuchungen noch einmal 
kurz zusammengestellt sind, weisen die Verff. darauf hin, dass sie nunmehr 
mit aller Bestimmtkeit es aussprechen können, dass ein in die Gruppe 
der unbeweglichen Buttersäurebacillen gehörendes Stäbchen 
(ein Clostridium) der Erreger des Rauschbrandes sei. Ihre 
Untersuchungen stützen sich jetzt auf eine noch grössere Reihe von Rausch- 
brandmaterial, welches sie aus Deutschland, Frankreich, der Schweiz 
und Oesterreich erhalten hatten, und sie suchen gleichzeitig damit zu 
beweisen, dass es bisher noch nicht gelungen war, den wirklichen Erreger 
des Rauschbrandes einwandsfrei zu ermitteln, auch den französischen 
Forschern nicht. 

Sie glauben, dass das damit zusammenhängt, dass die Untersucher nicht 
mit Reinkulturen arbeiteten; dies sei aber leicht zu verstehen, weil die spe- 
cifischen Erreger dieser Krankheit nur unter besonderen Kautelen aus dem 
Thierkörper gezüchtet werden können. Andererseits hänge es damit zusam- 
men, dass im Kadaver stets eine Menge anderer, den Rauschbrandprocess be- 
gleitender Bakterien angetroffen würden, die ebenfalls ana&rob, aber beweg- 
lich seien und ungemein leicht in den Kulturen zur Entwickelung gebracht 
werden könnten. Der Umstand, dass die von manchen Autoren gezüchteten 
Stämme tödtliche Erkrankungen der Meerschweinchen hervorrufen können, 
spricht nicht gegen die Annahme der Verff., da eben auch nicht specifische 
Erreger pathogen für Meerschweinchen sein können. 

Es steht zu erwarten, dass durch die umfassenden Untersuchungen der 
Verff, über die ganze Gruppe der beweglichen und unbeweglichen Butter- 
säurebacillen neues Licht verbreitet wird. Da sich die Autoren vorbehalten. 
am Ende ihrer Untersuchungen die ganze. Nomenklatur zweckentsprechend zu 
ändern, so darf die Bitte ausgesprochen werden, die internationalen Re- 
geln der binomialen Nomenklatur, wie sie in allen naturwissenschaft- 
lichen Disciplinen geübt wird, zu beachten und solche Bezeichnungen, wie 
z. B. Granulobacillus saccharobutyricus immobilis non liquefa- 
ciens, die eine ganze Diagnose ersetzen sollen, bei Seite zu lassen. (Ref.) 

R. O. Neumann (Kiel). 


Infektionskrankheiten. 1095 


Moro, Ernst, Ueber Staphylokokkenenteritis der Brustkinder. Jahrb. 
f. Kinderheilk. Bd. 52. S. 530. 

Ein Theil der akuten Darmkatarrhe der Brustkinder wird durch 
Staphylokokken hervorgerufen. Diese Katarrhe, die obne erkennbare Ver- 
anlassung bei sonst gesunden Säuglingen meist in den ersteu Lebenswochen 
auftreten, zeichnen sich durch ein sehr plötzliches Einsetzen und einen 
gutartigen Verlauf aus. Während der Dauer der Krankheit finden sich 
grosse Mengen von Staphylokokken und zwar gewöhnlich Staphylococcus 
albus, seltener aureus im Stuhl. Die Kokken stammen offenbar aus den 
Ausführungsgängen der Brustdrüse und werden mit der Frauenmilch aufge- 
nommen, sie scheinen aber nur dann eine Enteritis zu veranlassen, wenn sie 
iu grosser Menge vorhanden sind. H. Koeniger (Leipzig). 


Kruse, Die Ruhrgefahr in Deutschland, insbesondere im niederrhei- 
nisch-westfälischen Industriebezirk. Centralbl. f. allg. Gesundheits- 
pflege. 1900. Bd. 19. S. 189. 

Im I. Kapitel schildert Verf. die Geschichte der Ruhr in Deutschland 

und kommt zu dem Resultat, „dass dieselbe im Ganzen genommen seit 1875 

viel seltener geworden, dass aber der Fortschritt zum Besseren seit 1890 zum 

Stillstand gekommen ist, ja 1895 einem erheblichen Rückschritte Platz ge- 

macht bat“. Geradezu eine Verschlechterung ist im Regierungsbezirk Arns- 

berg und Düsseldorf zu konstatiren. — Im II. Kapitel wird die Sterbens- und 

Erkrankungsbäufigkeit, sowie die Krankheitsdauer besprochen. Gewöhnlich 

ist die Sterblichkeit bei der Ruhr unseres Klimas eine mittlere, d. h. etwa 

10 Procent. Die Empfänglichkeit, an Ruhr zu erkranken, ist in allen Alters- 

klassen etwa die gleiche, die Gefahr, an Ruhr zu sterben, in der ersten Jugend 

sehr hoch, im hohen Alter auch recht bedeutend, im mittleren Lebensalter 
aber recht gering. Die Erkrankungsdauer beträgt durchschnittlich 40 Tage. 

Die Ruhr allein verursacht in Preussen durchschnittlich jedes Jahr einen Ver- 

lust von 240 000 Arbeitstagen. — Was die Aetiologie (III. Kapitel) anbetrifft, 

so ist nach Ansicht des Verf.'s „die Amöbendysenterie von der epidemischen 

Dysenterie — speciell unseres Klimas — ätiologisch zu trennen. Der Erreger 

der letzteren ist noch unbekannt“. — Die Verbreitungsweise der Ruhr (IV. Ka- 

pitel) fasst Verf. so auf, dass die Ruhrstuhlgänge ansteckend sind, und die 

Ruhr wahrscheinlich ausschliesslich durch die Fäces kontagiös ist. Leicht 

wird die Ruhr an einem Orte endemisch, immer ist sie an eine bestimmte 

Jahreszeit gebunden; nach Hirsch begannen drei Viertel von 446 Ruhrepide- 

mien im Juli und August. Persönliche Empfänglichkeit ist ein sehr wichtiger 

Faktor. — Zur Abwehr der Ruhrseuche (V. Kapitel) macht Kruse eine Reihe 

von Vorschlägen: Meldepflicht, Unterbringung der Kranken womöglich im 

Krankenhause, wenigstens Isolirung in der Wohnung, Ausschluss der Ruhr- 

kranken von der Arbeit; Desinfektion der Ruhrstühle, Aborte u.s. w., Wäsche, 

Betten, Kleider; Beaufsichtigung des Personenverkehrs von Ort zu Ort und 

des Verkehrs mit Nahrungsmitteln in verseuchten Orten, Kontrole des Trink- 

und Nutzwassers, Wohnungshygiene, Beseitigung der Abfallstoffe, Erziehung 


1096 Infektionskrankheiten. 


der Bevölkerung zur Reinlichkeit und wissenschaftliche Erforschung der Krank- 
heitsursache. 

Der Verf. stellt dieser Arbeit entsprechend folgende Schlusssätze auf: 

1. Die Ruhr ist zwar gegen früher (1870—80) seltener geworden, aber 
doch in manchen Gegenden, besonders den östlichen Provinzen Preussens en- 
demisch geblieben. Im vergangenen Jahrzehnt hat sie sich im Westen und 
zwar im Regierungsbezirk Arnsberg einen Herd gebildet, von dem aus sie in 
den letzten beiden Jahren den Bezirk Düsseldorf überzogen hat. Die Gefahr 
der Einnistung und weiteren Verbreitung der Seuche liegt bei den regen Ver- 
kehrsverhältnissen dieser Gegenden entschieden vor. 

2. Die Ruhr befällt alle Altersstufen gleichmässig, führt aber vorwiegend 
bei Kindern und Greisen zu tödtlichem Ausgang. Die Empfänglichkeit zur 
Ruhrerkraukung ist so weit verbreitet, dass unter Umständen 20—30 pCt. der 
Bevölkerung erkranken. 

3. Die Ruhr unseres Klimas ist von der sog. Amöben-Dysenterie ver- 
schieden, ihr Erreger ist noch unbekannt. Zweifelbaft ist auch die Aetiologie 
der sporadischen Ruhr und der in Irrenhäusern beobachteten dysenterieartigen 
Erkrankungen. 

4. Die Ruhr ist eine Krankheit, die sich durch Ansteckung verbreitet; 
die Ansteckungsfähigkeit haftet an den Darmentleerungen. Die Uebertragung 
durch Trinkwasser ist noch nicht mit Sicherheit bewiesen. Die Ruhrepide 
mien fallen hauptsächlich in den Hochsommer und Herbst. 

5. Zur Bekämpfung der Seuche müssen sich Aerzte, Gesundheitspolizei 
und wissenschaftliche Forscher verbinden. In erster Linie haben sich die 
direkten Maassnahmen gegen die Verbreitung des Ruhrkeimes durch die Eat- 
leerungen zu richten. Zu den allgemeinen Vorbeugungsmitteln gehören vor 
allen Dingen die Sorge für Entfernung der Abfallstoffe und die Wohnungs- 
bygiene. R. Blasius (Braunschweig). 


Köttgen P., Ueber die 1899 in Barmen aufgetretene Ruhrepidemie. 
Centralbl. f. allgem. Gesundheitspfl. 1900. Bd. 19. S. 225. 

Der Verf. giebt genaue Angaben über die von Mitte Juni 1899 bis Mitte 
März 1900 in Barmen gemeldeten Ruhrfälle, 591 Erkrankungen mit 66 Todes- 
fällen = 11,2 pCt. Sterblichkeit, und bittet für die Folge, jede Ruhrerkran- 
kung sofort anzuzeigen, um den Ausbruch einer neuen Epidemie zu ver- 
hindern. R. Blasius (Braunschweig). 


Plehn F., Die neuesten Untersuchungen über Malariaprophylaxe in 
Italien und ihre tropenhygienische Bedeutung. Bericht an die 
Kolonialabtheilung des Auswärtigen Amtes. Arch. f. Schiffs- u. Tropenhyg. 
Bd. 4. S. 339. 

Verf. hat sich durch eigene Anschauung von den günstigen Resultaten 
der Malariaprophylaxe, wie sie durch Grassi in der Nähe von Paestum 
und durch die englische Regierungskommission in der Campagna von Rom 
versuchsweise ausgeübt wird, überzeugen können und macht im Anschluss an 


Infektionskrankheiten. 1097 


die Mittheilung obiger Versuche einige Vorschläge zu analogen Schutzvorrich- 
tungen in den tropischen Malariagegenden. 

Während sich die italienischen Forscher von der systematischen Behand- 
lung aller rückfälligen Malariakranken im Frühjahre, zu einer Zeit, wo die 
Mücken nicht stechen, bezw. die Malariaparasiten sich im Verdauungskanal 
derselben der niedrigen Temperatur wegen nicht entwickeln, den grössten 
Erfolg hinsichtlich einer Assanirung des Landes versprechen, liegen diese Ver- 
bältnisse in den Tropen leider nicht so einfach, da dort die mittlere Tages- 
temperatur nie so tief sinkt, dass die Entwickelung der Malariaerreger im 
Mückenleibe verhindert würde, und dort also Neuinfektionen zu jeder Jahres- 
zeit eintreten. Ausserdem stellen in den Tropen die Eingeberenen ein Hin- 
derniss für die allgemeine Durchführung dieser Maassregel dar, und werden 
diese stets das Infektiousmaterial für die Anopbelesmücken darbieten. Auch 
von einem Vernichtungskampf im Grossen gegen die Mücken und ihre Larven, 
wie er von Celli empfohlen wird, verspricht sich Verf. in den Tropen keinen 
Erfolg; höchstens in der Nähe von einzelnen Europäerwohnungen würde sich 
ein solcher durchführen lassen, in unkultivirten Gegenden wird er zur Un- 
möglichkeit gemacht durch die üppige Vegetation der stagnirenden Gewässer. 
Grosses Gewicht legt Verf. aber auf eine gründliche Beachtung und zweck- 
mässige Behandlung jedes einzelnen Malariafalles, um dadurch die Krankheits- 
dauer thunlichst abzukürzen und die Gelegenheit zur Weiterverbreitung zu 
verringern. Selbstverständlich muss der Malariakranke gegen den Zutritt von 
Mücken durch Ueberführung in ein mückensicheres Krankenhaus oder wenig- 
stens durch ein Mosquitonetz geschützt werden. 

Da aber die Eingeborenen stets für die Mücken als Infektionsquelle dienen, 
ist es dringend nöthig, den Europäer möglichst vor den Mücken zu sichern, 
und Verf. giebt zu diesem Zweck verschiedene Rathschläge, je nachdem es 
sich um den Aufenthalt in ständigen Niederlassungen oder um Expeditionen 
handelt. Stationen sollen möglichst entfernt von Sümpfen angelegt werden; 
wo solche vorhanden, müsseu sie dauernd trocken gelegt werden. Die Nieder- 
lassung und die einzelnen Häuser sollen möglichst dem Winde und Licht frei 
zugänglich sein, es sind daher geschlossene Häuserreihen zu vermeiden, die breiten 
Strassen sollen sich rechtwinklig kreuzen. Alle Schlupfwinkel für Mosquitos 
müssen möglichst vermieden werden, daher sind keine Bäume und Sträucher 
in der Nähe der Häuser, keine Schlingpflanzen an denselben zu dulden, Ställe 
und dunkle Schuppen müssen streng vermieden werden, auch die Wohnungen 
der Eingeborenen möglichst entfernt liegen. Nach dem Vorbild der Versuche 
in Italien wird der Schutz der Hausbewohner am sichersten erreicht durch 
möglichst mückensichere Häuser, worin die Bauhygiene der Tropen ein sehr 
dankbares Feld der Thätigkeit findet. Ein prophylaktischer Chiningebrauch 
wird unter diesen Umständen meist umgangen werden können, während er 
bei der ersten Anlage von Stationen und auf Expeditionen sich immer noch 
empfiehlt, da hier die übrigen Schutzmaassregeln nicht so sicher durchgeführt 
werden können; indessen giebt Verf. auch für diese Verhältnisse bestimmte 
und wohl durchführbare Rathschläge. Mayer (Berlin). 


1098 Immunität. Schutzimpfung. 


Schmid-Monnard, Bemerkungen zu dem Aufsatz des Privatdoc. Herrn 
Dr. Trampp-München: „Progrediente Diphtherie bei rechtzeitiger 
Serumbehandlung.“ Münch. med. Wochenschr. 1901. No. 7. S. 265. 

Verf. theilt die von Trumpp (diese Zeitschr. S. 675) ausgesprochene Ver- 
muthung, dass zu altes Diphtherieheilserum therapeutisch werthlos sei. 

Unter 300 vom Verf. mit Serum behandelten Fällen sind ihm 5 erinnerlich, in 

denen das Serum über 4 Monate alt war; er gewann in diesen Fällen den Ein- 

druck, dass die Wirkung des Serums eine verzögerte war, und die Genesung der 

Kinder viel langsamer als sonst erfolgte. Der einzige Todesfall, den Verf. 

während der Serumzeit erlebte, betraf ein Kind, bei dem ein 8 Monate altes 

Serum angewanit wurde. Verf. hat nach diesen Erfahrungen das Princip, 

stets nur höchstens 3 Monate altes Serum zu benutzen. Auf die Erkundigung 

bei einer klinischen Autorität erhielt Verf. zwar die Auskunft, dass man gegen 
das Alter des Serums keine Bedenken zu hegen brauche, altes babe sogar 
den Vortheil, keine Exantheme zu verursachen. Jedenfalls empfiehlt es sich 
aber, auf die verschiedene Wirkung des verschieden alten Serums zu achten, 
um an der Hand eines grossen Materials über diese noch strittigen und für 
die Praxis hochbedeutsamen Punkte Aufklärung zu erlangen. 

Mayer (Berlin). 


Siegert F., Tetanus mit tödtlichem Ausgang in Folge von Diph- 
therieheilserum-Injektionen in Italien. Münch. med. Wochenschr. 
1901. No. 4. S. 166. 

In den letzten Monaten des vorigen Jahres trat in Oberitalien eine 
sonst zu den seltenen Ereignissen gehörende Diphtherieepidemie auf, die 
eine ausgedehnte Verbreitung nabm. Durch energisches Einschreiten mittels 
Serumbehandlung, die sich allerorts ausgezeichnet bewährte, gelang es auch. 
die Epidemie einzudämmen. 

Merkwürdigerweise trat nun ganz plötzlich im Januar in Valdobbiadene, 
in Chindano, in Prato Sesia und Mailand Tetanus auf, der von 18 davon 
befallenen Diphtheriekranken 12 hinwegraffte. Es konnte nur das Diph- 
therieheilserum Schuld sein, da eine andere Infektionsmöglichkeit aus- 
geschlossen werden konnte. 

Bei genauer Untersuchung stellte es sich heraus, dass alle Patienten nach 
Einspritzung eines Seru ms erkrankt waren, welches im Mailänder Seruminstitut 
unter No. 34869— 835171 in 305 Fläschchen am 29. November 1900 an ver- 
schiedene Apotheken abgegeben war. Das Serum war am 15. September 
dem Pferd entnommen, am 13. November auf seine Wirksamkeit und auf 
Keimfreiheit kulturell und im Thierexperiment geprüft und als gut befanden. 
am 22. November abgefüllt und am 29. November in den Handel gebracht 
worden. 

Der Nachweis von Tetanusbacillen im Serum selbst steht noch aus. 

Die an die Apotheken abgegebenen Fläschchen wurden auf Veranlassung 
des Präfekten von Mailand natürlich sämmtlich eingezogen und auf diese 
Weise von 305 Fläschchen noch 230 am 12. Januar 1901 vorgefunden. 


Immunität. Schutzimpfung. 1099 


Es wird an diese Unglücksfälle die Erwartung geknüpft, dass wie Deutsch- 
land sich auch das Königreich Italien zu einer staatlichen Kontrole des Serums 
entschliessen möge. R. O. Neumann (Kiel). 


Kreisel A., Studien über Colibacillen. Centralbl. f. Bakteriol.. 1901. Bd. 29. 
No. 1. 8. 6. 

Lee Smith hatte gefunden, dass Colistämme aus kindlichen Stühlen 
bei der Prüfung mit der Gruber’schen Reaktion sich als durchaus zusam- 
mengehörig erwiesen und nur von dem Serum des gegen die betreffende Coli- 
art immunisirten Individuums agglutinirt werden. 

Diese seltsame Beobachtung wurde von Kreisel nachgeprüft und zugleich 
dasselbe Experiment auch bei Erwachsenen gemacht. Mehrere aus den 
Fäces isolirte Colistämme konnten durch das Serum eines Meerschweinchens, 
welches mit einem der Stämme immunisirt war, agglutinirt werden, dagegen 
gelang diese Reaktion nicht mit Colistämmen aus einem anderen Menschen. 
Bei einer späteren abermaligen Isolirung von Bact. coli aus dem ersten Erwach- 
senen zeigte sich mit dem erstmalig erhaltenen Serum dieselbe Reaktion. 

Es scheint also durch diese Versuche festgestellt, dass die Colistämme 
der Flora desselben Individuums — selbst zu verschiedenen Zeiten aus den 
Fäces gezüchtet — soweit es sich durch die Gruber’sche Reaktion beweisen 
lässt, einer Gattung angehören und in ihren biologischen Eigentbünlich- 
keiten an das Individuum gebunden sind, sodass der Beweis, den Smith für 
die Colistämme aus kindlichem Stuhl erbrachte, auch für die aus dem Stuble 
Erwachsener zu Recht besteht. 

Noch interessanter ist folgende Beobachtung: 

Von einem 21/, Jahr alten Mädchen, welches an Cystitis litt, wurde ans 
dem Harn Bact. coli isolirt und dasselbe gleichzeitig auch aus dem Stuhle 
der Patientin gezüchtet. Durch Aderlass wurde der letzteren Blut entnommen, und 
nun zeigte sich, dass dessen Seram sowohl die Colibakterien aus dem Stuhl 
wie die aus der Cystitis agglutinirte. Ein Kontrolserum von einem anderen 
Colistamme gab die Reaktion nicht. Nach 4 Wochen, als die Patientin schon 
entlassen war, gab das Serum derselben bei den Stämmen aus Cystitis immer 
noch die Reaktion in Verdünnungen bis 1: 100. 

Es ergiebt sich, so schliesst Kreisel den Beweis für diesen Fall von 
Cystitis, dass die Colibakterien durch Ueberwanderung aus dem Darm in 
die Blase gelangten und sie demnach als Abkömmlinge der Darmcolibak- 
terien desselben Individuums angesehen werden müssen. Diese interessante 
Agglutinationsprobe der Darm- und Cystitisbakterien scheint dem Ref. aber noch 
nicht durchaus den Beweis liefern zu müssen, dass dieDarmbakterien in die 
Blase übergewandert wären. Da doch die Darmbakterien mit den Körper- 
säften des betreffenden Individuums in irgendwelcher innigen Beziehung stehen — 
was sich ja aus der specifischen Agglutination ergiebt — so könnten ja auch 
‚die Cystitisbakterien, die eventuell von aussen in die Blase gedrungen 
sind, im Laufe der Erkrankung in dieselbe Beziehung zu den Körpersäften 
resp. dem Serum getreten sein und dann ebenfalls agglutinirt werden. Die 
Einwanderung aus dem intakten Darm in die sonst intakte Blase bei Lebzeiten 


1100 Immunität. Schutzimpfung. 


ist meines Wissens wohl auch sonst noch nicht mit Sicherheit beobachtet, 
dagegen die Einwanderung von aussen bei weiblichen Individuen sebr häufig. 
R. O. Neumann (Biel). 


Simon F., Ueber die Einwirkung leukocytenhaltiger Flüssigkeiten 
auf Streptokokken. Centralbl. f. Bakteriol. 1901. Bd. 29. No. 3. S. 82. 
Die Frage, ob Streptokokken von Leukocyten ausserhalb des Thier- 
körpers beeinflusst würden, hat schon eine Bearbeitung durch Bordet, Denys 
und Leclef erfahren, welche fanden, dass die von Rundzellen befreite Exsudat- 
flüssigkeit des Kaninchens vernichtend auf die Streptokokken wirkte. 

Bei einer Nachprüfung benützte Simon ausschliesslich Leukocyten von 
Kaninchen, die er nach der von Buchner angegebenen Methode gewann. Als 
Versuchsobjekte dienten 12 verschiedene Streptokokkenstämme, davon 9 schwach 
oder nicht virulente und 3 stärker virulente. 

Der erste und auch die späteren Versuche zeigten, dass mit unver- 
ändertem Exsudat nie eine entwickelungshemmende Wirkung desselben auf 
Streptokokken bewirkt werden konnte, ebenso hatte die zellfreie Exsudat- 
flüssigkeit keinen bakterieiden Einfluss auf die Streptokokken, so dass Verf. 
den Befunden von Bordet u.s. w. nicht beipflichten kann. 

Dagegen liess sich zeigen, dass eine Leukocyten-Kochsalzflüssigkeit 
auf den nicht virulenten Streptokokkus eine ständige Wirkung ausübte. 

Die nächste Frage war nun die, ob denn auch virulente Streptokokken 
eine Schädigung erlitten. Die folgenden Versuche, die in Kürze hier nicht 
wiedergegeben werden können, beweisen aber, dass dies nicht der Fall ist. 
Es würden also die baktericiden Stoffe der Leukocyten gegenüber 
stärker virulenten Streptokokken unwirksam sein. Die Erklärung 
dafür giebt Simon damit, dass er annimmt, dass durch die Kochsalzlösung 
aus den Rundzellen ein Stoff ausgeschieden wird, der auf Streptokokken ge- 
ringerer Virulenz baktericid wirkt, während stark virulente Streptokokken 
durchaus resistent gegen denselben sind. ` 

Auf Grund dieser Ergebnisse lässt sich auch der tödtliche Ausgang der 
Streptokokkeninfektion begreifen, sobald stärker virulente Kulturen 
verwendet werden. Dieselben vermögen trotz der secernirten baktericiden Stoffe 
an der Infektionsstelle zu wuchern, um nach Eindringen in die Blutbahn das 
Thier zu tödten. 

Auch die Virulenzsteigerung der Streptokokken durch wieder- 
holte Thierpassagen würde sich bis zu einem gewissen Grade erklären 
lassen. Da avirulente und schwach virulente Streptokokken beim Thier 
keine oder nur lokale Eatzündungserscheinungen hervorrufen, durcli wieder- 
holte Thierpassagen aber stark virulent werden können und nun von dem 
ausgeschiedenen Leukocytengift nicht mehr geschädigt werden, so, schliesst 
Simon, giebt es gar keine andere plausible Erklärung als die, dass durch 
die Reihe der Thierpassagen die Kokken an das Leukocytengift 
der betreffenden Thierspecies gewöhnt und immun gegen dasselbe 
geworden sind. Die Virulenzsteigerung der Streptokokken darch 


Heizung. 1101 


fortgesetzte Ueberimpfung auf Thiere der gleichen Art wäre da- 
ber — zu einem Theil wenigstens — gleichbedeutend mit einer 
Immunisirang der Kokken gegenüber den baktericiden Leuko- 
cytenstoffen des Thieres. R. O. Neumann (Kiel). 


Körting, Joh., Wassergas im Vergleich mit anderen brennbaren Gasen. 
Journ. f. Gasbel. u. Wasserversorg. 1901. No. 20 u. 21. S. 353 u. 874. 
Strache H., Bemerkungen hierzu. Ebenda. No. 21. S. 377. 

Körting giebt eine kurze Schilderung sämmtlicher Gaserzeugungs- 
verfahren, sowie eine Zusammenstellung der Werthe und Kosten der verschie- 
denen Gasarten und kommt zu folgenden Schlüssen: 

Handelt es sich um die Herstellung von eigenen, nur für Kraftzwecke zu 
benutzenden Anlagen, so vermag das Wassergas das Kraftgas nicht zu er- 
setzen. Für das Kraftgas sprechen die bessere Ausnutzung des Brennstoffes, 
die sehr viel einfachere Behandlung und die Billigkeit der Anlage. Handelt 
es sich um die Erzielung sehr hoher Temperaturen für gewerbliche Zwecke, 
so nimmt das Wassergas die erste Stelle ein und ist für manche Zwecke 
geradezu unersetzlich. Hat man jedoch die höchsten Wärmegrade nicht nöthig, 
so verdient das Kraftgas den Vorzug. 

Handelt es sich um städtische Beleuchtungen, so verdient das Steinkoblen- 
leuchtgas noch immer das ihm bis jetzt zu Theil gewordene Vertrauen, und 
es ist als ausgeschlossen zu bezeichnen, dass das Wassergas karburirt oder 
rein unter deutschen Verhältnissen das Leuchtgas verdrängt. Inwieweit in 
kleineren Ortschaften, in denen man das Gas dem elektrischen Licht vorzieht, 
und die Leuchtgasanlagen verhältnissmässig unvortheilhaft arbeiten, die Aus- 
sichten für das Wassergas günstig sind, ist eine offene Frage. Dagegen können 
die Wassergasanlagen als vortreffliche Aushülfe auf den jetzigen Leuchtgas- 
anstalten dienen: 

1. wenn Arbeiterschwierigkeiten entstehen, da Wassergasanlagen geringer 
Bedienung bedürfen, und zur Noth mit ungeübten Leuten gearbeitet werden 
kann; 

2. wenn Platzmangel entsteht; 

3. wenn die Coke schlecht verwerthbar ist. 

Im Allgemeinen dürfte es aber vortheilhafter sein, die Coke zum Betrieb 
von Sammelheizungen und Zimmeröfen zu verwerthen, als zur Wassergaserzeu- 
gung zu verwenden. 

Strache sucht den Nachweis zu erbringen, dass Körting’s Angaben 
über die Kosten der Wassergaserzeugung zu hoch gewählt sind, und stellt 
ihnen die Behauptung entgegen, dass Wassergas in gleich grossen Anlagen 
sich um die Hälfte billiger herstellen lasse als Leuchtgas. Eine eingehende 
Begründung dieser Behauptung wird in Aussicht gestellt. 

Unter Berücksichtigung aller bisherigen Betriebsergebnisse lässt sich an- 
nebmen, dass Körting besonders ungünstig, Strache besonders günstig über 
die Herstellungskosten des Wassergases urtheilen. Carburirtes Wassergas ist 

78 


1102 Heizung. 


beim sorgfältigen Vergleich von Werth und Kosten dem Leuchtgas wohl sicher 
eher unterlegen als überlegen. Dagegen dürfte reines Wassergas etwas preis- 
werther herzustellen sein, oder es wird doch das Heranziehen von Wassergas 
zur Erzeugung von Mischgas in Leuchtgasanstalten kleine wirthschaftliche Vor- 
theile bieten, sobald es sich um die Herstellung eines Blaugases handelt. Ein 
solches bietet aber m. E. ganz wesentliche Vortheile gegenüber einem leuch- 
tenden Gase, weil seine alleinige Verwendung die Vereinfachung und Ver- 
billigung aller Brenner ermöglicht und namentlich die Anwendung verdeckt 
liegender Brenner in Kochherden gestattet, wodurch eine wesentlich bessere 
Ausnützung der Heizkraft des Gases sich erzielen lässt, als die gegenwärtig 
üblichen Kocheinrichtungen sie aufweisen. 

Gerade für Kochzwecke ist aber die allgemeine Durchführung der Gas- 
feuerung von ganz besonderem Werth, weil die jetzigen Küchenfeuerungen 
doch den höchsten oder einen sehr hohen Antheil an der Rauch- und Russ- 
plage liefern, wo Flammkohle oder Fettkohle für sie Verwendung finden. 

H. Chr. Nussbaum (Hannover). 


Haller M., Zum Luftumwälzungsverfahren für Niederdruck-Dampf- 
heizkörper der Firma Gebr. Körting. Gesundheits-Ingenieur. 1901. 
No. 9. S. 148. 

Der Vortheil dieses Verfahrens wird dargelegt. Er beruht darin, dass 
man durch Einstellung des Dampfzuleitungsventils den Wärmegrad des Heiz- 
körpers zwischen den Temperaturen von 35° und 95° C. beliebig regeln 
kann. Einer der Hauptvortheile der Warmwasserheizung gegenüber der Nieder- 
druckdampfheizung wird dadurch hinfällig, ohne dass die Kosten der letz- 
teren Heizart sich erhöhen. Die auf Grund theoretischer Erwägungen dem 
Luftumwälzungsverfahren nachgesagten Mängel haben in der Praxis keine 
Bestätigung gefunden, das Verfahren hat sich vielmehr nach jeder Richtung 
bewährt und ist besonders für Räume zu empfehlen, in denen empfindliche, 
geistig angestrengt arbeitende oder leicht erregbare Menschen sich aufhalten 
werden. H. Chr. Nussbaum (Hannover). 


Schwarz, Ueber Heizanlagen in öffentlichen Schlachthöfen. Techn. 
Gemeindebl. 1901. No. 5. S. 65. 

Es wird die Nothwendigkeit hervorgehoben, den Wärmegrad verschie- 
dener Räume der Schlachthöfe auf mindestens + 6° C. zu erhalten, um den 
Aufenthalt in ihnen zu einem menschenwürdigen zu machen, die Arbeit zu 
erleichtern, das Einfrieren der Wasserleitungs- und Gasrohre zu verhüten u.s.w. 
Als Heizungsart empfiehlt sich besonders die Dampfheizung, da der Dampf 
der Kesselanlage ohne weiteres entnommen werden kann, sobald sie ent- 
sprechend grosse Ausmaasse erhält. Rippenheizrohre, verdeckte Robre und 
verhüllte Heizkörper sind nicht wohl geeignet, weil ihre Sauberhaltung von 
Staub Schwierigkeiten bereitet, glatte, schmiedeeiserne, unverhüllte Rohre. 
welche etwa 0,25 m über dem Fussboden an den Wänden entlang laufen, 
haben sich am besten bewährt. Die Ausgänge ins Freie sollten durch Wind- 
fänge vor dem Eindringen kalter Luftströme geschützt werden, der Nebel- 


Heizung. Ventilation. 1103 


bildung in der Kuttelei und in anderen Räumen ist durch Zuführung erwärmter 
Loft und Abführung des Wasserdampfs an geeigneten Stellen entgegenzuwirken. 
H. Chr. Nussbaum (Hannover). 


Die Wärmeausnutzung bei Gaskochapparaten. Gesundheits-Ingenieur. 
1901. No. 6. S. 90. 

Der mit G. R. unterzeichnete Verf. weist auf die unzureichende Wärme- 
ausnutzung hin, welche das Kochgas erfährt, und schildert kurz die Ap- 
parate des Eisenwerks Meurer in Dresden, die so eingerichtet sind, dass 
die Heizgase ein zweites Kochgeschirr bestreichen, ehe sie in den Raum ge- 
langen. 

Meines Erachtens ist eine volle Ausnutzung der Wärme des Kochgases 
erst zu erwarten, wenn an Stelle von Leuchtgas ein Blaugas benutzt wird, 
dessen Brenner eine verdeckte Lage zulassen. Ferner wird eine wesentlich 
bessere Ausnutzung erzielt, sobald an Stelle von Eisengeschirren blank gehal- 
tene Kupfergefässe zum Kochen Verwendung finden, weil dann Wärme durch 
Ausstrahlung nicht mehr verloren geht, und Kupfer ein weit günstigeres Wärme- 
leitungsvermögen aufweist als Eisen. Die gusseisernen Kochgeschirre, welche 
bei der Benutzung gewöhnlicher Kohlenherde vor den Eisenblechgeschirren 
weitaus den Vorzug verdienen, sind für Gasfeuerung als völlig unbrauchbar 
zu bezeichnen, weil ihre. Ausstrahlung so hoch, ibre Wärmezuleitung zum 
Inhalt so gering ist, dass der Gasverbrauch in ein höchst ungünstiges Ver- 
hältniss zum erzielten Nutzeffekt geräth. 

H. Chr. Nussbaum (Honnover). 


Wolpert A. und H. Wolpert, Die Ventilation. 3. Bd. der „Theorie und 
Praxis der Ventilation und Heizung“. 4. Auflage. Berlin. W. & S. Loewenthal. 
Preis: 15 Mk. 

Das Werk stellt eine fast zu eingehende, erschöpfende Abhandlung aller 
Gegenstände dar, welche mit der künstlichen Lüftung im Zusammenhange 
steben oder ihr dienen; namentlich ist den Schornsteinkappen ein Raum ge- 
währt, welcher dem mässigen Nutzen dieser nur für ganz bestimmte Fälle 
dienlichen Anlagen kaum entspricht. Trotz dieses kleinen Mangels darf in 
der vierten Auflage eine ganz wesentliche Verbesserung des Werkes gesehen 
werden, welche in erster Linie der Mitarbeit von Heinr. Wolpert zu danken 
sein dürfte. Manche früher vorhandenen Unklarheiten sind verschwunden, an 
die Stelle theoretischer Erörterungen ist vielfach das Experiment getreten, oder 
es ergänzt sie auf das vortheilhafteste, und die hygienische Bedeutung der 
gasförmigen Verunreinigungen (und ihrer Beseitigung) ist klar zum Ausdruck 
gebracht. Zum eingehenden Studium der Ventilation kann das verdienstvolle 
Werk daher auf das beste empfohlen werden. 

H. Chr. Nussbaum (Hannover). 


73* 


1104 Abfallstoffe. 


Steuernagel, Die Kanalisation und die Rieselfelder der Stadt Paris. 
Centralbl. f. allgem. Gesundheitspfl. 1900. Bd. 19. S. 404. 

In der vorliegenden Arbeit beschreibt Verf. an der Hand der von der 
Bauverwaltung der Stadt Paris bei Gelegenheit der am 8. Juli 1899 erfolgten 
Einweihung der Rieselfelderanlagen herausgegebenen Festschrift und auf Grand- 
lage einer persönlichen Besichtigung gelegentlich der Weltausstellung den jetti- 
gen Stand der Kanalisation und der Rieselfelder von Paris. Nach 
einem geschichtlichen Ueberblicke wird zunächst das Pariser Kanalnetz ge- 
schildert, das jetzt eine Länge von 1100 km hat und durchgehends ans be- 
steigbaren, gemauerten Kanälen bestebt; 66 km kommen auf die Sammelkanäle 
mit 3 Pumpstationen, 450 km auf die Nebenkanäle, ausserdem sind 3200 Spül- 
reservoire, 12 500 Strasseneinläufe, 19 000 Einsteigeschächte und 50 000 Haus- 
kanäle vorhanden. Jeder Neubau in Paris muss an die Schwemmkanalisation 
(Tout à l’egout et rien à la Seine) angeschlossen werden, und die alten Hänser 
werden nach und nach angeschlossen; es ist aber den Hausbesitzern gänzlich 
freigestellt, in dem Innern ihrer Häuser diejenigen Einrichtungen für die Ent- 
wässerung zu treffen, die ihnen gefallen, vorausgesetzt, dass sie dem Wortlaute des 
Gesetzes vom 10. Juli 1894, das das System Tout à l’egout obligatorisch macht, 
entsprechen. Bedauerlicher Weise sind daher gerade in den ärmeren Stadtviertelo 
noch die alten gesundheitswidrigen Zustände zum Theil bestehen geblieben. 

Unterhalb Clichy vereinigen sich die Sammelkanäle des rechten und 
linken Seineufers und von Clichy in einer grossen Pumpanlage; die Wässer 
werden von hier nach den Rieselfeldern gedrückt. 5 grosse Siphons mussten bei 
Clichy, Argenteuil, Herblay, Chennevières und im Oisethale angelegt werden. 
Die Kanalwässer gehen nach 4 Rieselfeldern, dem von Gennevilliers, jetzt 
900 ha aptirt, Park von Acheres, 10 km lang und 1 km breit, jetzt 1000 ha 
aptirt, Mery-Pierrelaye, jetzt 2150 ha aptirt, und Carrieres-Triel mit 950 ha 
aptirtem Terrain, so dass zur Zeit zusammen 5000 ha Rieselfläche vorhanden 
sind, die nach der officiellen Angabe jährlich 5000 X 40 000 — 200 Milli- 
onen cbm Kanalwasser reinigen können. Die Rieselfelder werden in folgender 
Weise bewirthschaftet: 1620 ha sind in Pacht ausgegeben und 3330 werden 
zu freien Kulturen benutzt, indem der Bezug von Kanalwasser mit den Eigen- 
thümern nachträglich geregelt ist. In der Nähe von Paris wird hauptsächlich 
Gemüsebau betrieben, weiter entfernt hauptsächlich Anbau von Zuckerrüben, 
Kartoffeln und Wiesen. In den letzten Jahren hat man auch viele Obstbäume 
angepflanzt, namentlich Kirschen, und Blumen, wie Rosen und Nelken gezogen. 
„Abgesehen von dem blaugrünen dunklen Laube der Obstbäume, das kein 
gutes Zeichen für die Haltbarkeit derselben sein dürfte, machen die Riesel- 
felder einen freundlichen, durchaus günstigen Eindruck, nirgends verjauchte 
Stellen, kein irgendwie belästigender Geruch und gute Kulturen.“ 

Die Kosten, die der Stadt Paris durch die Reinhaltung der Seine erwachsen 
sind, betragen: 

1. Arbeiten zu Gennevilliers, seit 30 Jahren ca. 6 000 000 Frs. 


2. Arbeiten zu Acheres bis 1895 . . . . ca. 15000000 „ 
3. Die seitdem vorgenommenen Vergrösse- 
rungsarbeiten. . » 2 . . . . . Ca, 17000000 „ 


Summa ca. 38 000 000 Frs. 


Abfallstoffe. 1105 


Die Mengen der Abwässer sind namentlich in den letzten Jahren sehr 
gestiegen, dieselben betrugen 1872 ca. 2500000 cbm, am 10. Juli 1899 über 


180 000 000 cbm. 
Die Resultate der Reiniging der Abwässer der Rieselfelder sind nach den 


mitgetheilten Analysen meist gut. 


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Kanalwasser 
| 


Collecteur von Asnières. . . | 36 | 17 [rsa]rs2]so] 34 | 630] 22) 16 q 11750000 
Drainwasser von Grèsillons Gereinigtes Wasser 

(Gennevilliers) . . 62 | 33 13095265474] 1,2|1071] 27,3) — 1175 
Draiowasser von Noyers (Ebene 

von Achères). . . 40 | 15 [216] S1[51] 0,9| 663] 15.3; — 188 
Drainwasser von Garenne (Ebene 

von Achères). . . . . . f 45 | 17 [239[108[62) 1,8] 741] 15,0 — 2450 


Die Projekte sind bearbeitet und die Arbeiten ausgeführt durch H. Bech- 
mann und H. Lunay unter Mitwirkung von H. Duloit, Dacremont, Dié- 
bold, Grelier, Lelavandier, Anderlé und Maillard. 

Verf. schliesst seinen Aufsatz mit der Bemerkung, „dass die Stadt Paris 
die ihr gestellte Aufgabe mit grosser Energie, mit vielem Geschick, zielbewusst 
und mit Erfolg zu Ende geführt und damit eins der grössten sanitären Werke 
geschaffen hat, welchem wir volle Anerkennung und Bewunderung zollen 
müssen“. 

4 Karten bezw. Kurventafeln sind der Arbeit beigegeben. 

Wer zur Weltausstellung in Paris war, konnte in dem Pavillon der Stadt 
Paris eine höchst lehrreiche Ausstellung sehen, die in grossen Plänen und 
arbeitenden Modellen die ganze Schwemmkanalisation von Paris einschliesslich 
der Rieselfelder-Bewirtbschaftung dem Beobachter darbot. 

R. Blasius (Braunschweig). 


Brix, Eine Neuerung auf dem Gebiete der Städtekanalisation. Techn. 
Gemeindebl. 1901. No. 2. S. 20. 

Brix beschreibt eine in Kaiserslautern zur Durchführung gelangte Art 
der Sinkkastenanlage, welche nicht nur deren Reinigung erleichtert, son“ 
dern eine so gründliche Spülung und Sauberhaltung der Sinkkasten und der 
Kauäle gestattet, wie sie bisher nirgends erreicht wurde. Dabei beträgt der 
Wasserverbrauch nur etwa ein Drittel der üblichen Menge. Brix empfiehlt 
daher die Anwendung dieser Einrichtung auf das Wärmste, welche dem Stadt- 
baurath Bindewald und dem Oberingenieur Teinturier in Kaiserslautern 
patentirt worden ist und sich jedem Kanal leicht einfügen lässt. 

H. Chr. Nussbaum (Hannover). 


1106 Abfallstoffe. 


Fischer, Forbät, Beitrag zur Bestimmung des Einflusses der Verzöge- 
rungauf dieinstädtischen Kanälen abzuführenden Grösstwasser 
mengen. Gesundheits-Ingenieur. 1901. No. 11. S. 169. 

Die Abbandlung giebt ein sorgfältig durchdachtes Verfahren zur genauen 
Berechnung der Grösstwassermengen, welche den Kanälen und ihren 
Nothauslässen in der Zeiteinheit zufliessen können. Als Beispiel ist der Ent- 
wurf einer Sielanlage für die Stadt Bergen in Norwegen gewählt. 

H. Chr. Nussbaum (Hannover). 


Adam C., Kelirmaschinen mit Spreng- und Aufladevorrichtung. Techn. 
Gemeindebl. 1901. No. 1. S. 6. 

Adam erstattet Bericht über die in Köln angestellten Versuche, den Kebr- 
maschinen sowohl eine Spreng- als auch eine Aufladevorrichtung an- 
zufügen. Diese Versuche dürfen als geglückt bezeichnet werden und haben 
folgendes Ergebniss gehabt: 

1. Die Verbindung von Kehrmaschinen mit einer Sprengvorrichtung ist 
möglich, ohne dass das bisher als unvermeidlich angenommene „Schmieren“ 
eintritt. 

2. Die Verbindung einer selbstthätigen Aufladevorrichtung und Spreng- 
vorrichtung mit der Kehrmaschine ist betriebsfäbig und bietet bedeutende Er- 
sparnisse an Arbeitslöhnen. 

Die Hauptvortheile der Kehrmaschinen mit Sprengvorrichtung siud: 

1. Ersparniss an Pferden und Sprengwagen; 

2. Sparsamkeit im Wasserverbrauch; 

3. stete Sprengbereitschaft; 

4. Möglichkeit des Gebrauchs der Kehrmaschinen bei O° bis — 2°, bei 
welchem Wärmegrade bisher die Arbeit der Kehrmaschinen des entstehenden 
Staubes wegen eingestellt werden musste. p 

Wesentlich erheblicher sind die Ersparnisse (an Arbeitslöhnen), wenn mit 
der Kebrmaschine auch eine Aufladevorkehrung verbunden ist, da dann die 
Handarbeit fast ganz fortfällt. Eine von J. Schopp in Düsseldorf gebaute 
Kehrmaschine dieser Art hat sich bei den Versuchen in Köln durchaus bewährt; 
die Ersparnisse an Arbeitslohn betrugen 30 Mk. für den Tag gegenüber gleich 
guten Kehrmaschinen ohne Aufladeeinrichtung. 

H. Chr. Nussbaum (Hannover). 


Voss, Staubfreier Kehrichtwagen mit Vorrichtungen zum selbst- 
thätigen Oeffnen und Schliessen beim Einfüllen des Kehrichts 
und Mülls. Techn. Gemeindebl. 1901. No. 5. S. 72. 

Der seit Oktober 1900 in Elberfeld eingeführte „staubfreiet Kebricht- 
wagen von Mörth (D. R.-P. No. 122250) wird in Wort und Bild wieder- 
gegeben und seine Anwendung empfohlen, da er ein staubfreies Einsammeln 
und Abführen des Kehrichts gestatte und sich nach jeder Richtung bewährt 
habe. H. Chr. Nussbaum (Hannover). 


Specielle sanitäre Einrichtungen. 1107 


Breullie, Alfred, Les crèches de Paris. La Rev. philanthrop. 2. V.T. 24. 
p. 671—692. 

Die ausführliche Beschreibung der zahlreichen Pariser Krippen kann 
wegen der mannichfachen Verschiedenheiten hier auch nicht auszugsweise 
wiedergegeben werden. Erwähnt sei aber, dass die meisten noch nicht über 
alle Kritik erhaben sind. Vorwiegend trifft dies die von Ordensschwestern 
gehaltenen Krippen, wo die moderne hygienische Wissenschaft noch nicht 
bingedrungen ist. Ein grosser Mangel ist in vielen Anstalten das Fehlen 
eines Gartens, wofür Spaziergänge in den Louvre-Anlagen nur ein unzureichender 
Ersatz sind. 

Die Ausgaben der einzelnen Etablissements betragen 7000— 13000 Frcs. 
jährlich, wozu Paris im Jahre 1899 125000 Fres. beisteuerte; 45000 Fres. 
wurden von der Stadt für Neuerrichtungen bewilligt (etwa die Kosten einer 
Krippe). 

Die Stadt Paris subventionirt Laienkrippen unter folgenden Bedingungen: 

1. Die künstlich ernährten Kinder erhalten nur sterilisirte Milch. 

2. Abgabe genügender Mengen sterilisirter Milch an die Mütter für die 
Nacht und für die Tage, an denen die Krippe geschlossen ist. 

3. Regelmässige Wägungen der Kinder und Notirung des Gewichts. 

4. Befolgung der Anordnungen bezüglich der Milchanalyse Seitens der 
Verwaltung, im Einvernehmen mit der Krippenkommission. 

5. Befolgung aller hygienisch u. s. w. nöthigen Anordnungen der Behörde. 

6. Die Kassenführung unterliegt der behärdlichen Kontrole. 

Die Stadt Paris errichtet eine eigene Musteranstalt, wo u. a. auch die jetzigen 
und künftigen Mütter und Pflegerinnen in allem Nothwendigen unterwiesen 
werden sollen. Stern (Bad Reinerz). 


Oubranle A., Suppleance de l’ouie chez les sourds par la lecture 
sur les lèvres. La Rev. phil. 2. V. T. 25. 

Der am Pariser Taubstummeninstitut thätige Verf. tritt warm für die be- 
kannte Methode ein, Tauben durch Ablesenlernen des Gesprochenen 
von den Lippen das Gehör zu ersetzen. Dieselbe führt bei Tauben, die 
früher gehört haben, oft in wenigen Wochen zum Ziel; bei anderen dauert es 
länger. Die Patienten können es selber vor dem Spiegel lernen, schneller 
geht es natürlich mit Hülfe eines Fachlehrers. Am Schlusse berichtet D. ein 
Curiosum: Ein mit 15 Jahren ertaubter Knabe wurde Seemann, nachdem er 
die oben erwähnte Methode erlernt hatte. Auf einer Reise erkrankte er am 
gelben Fieber und erlangte plötzlich nach Blutungen aus Nase, Mund und 
Ohren das Gehör wieder. Früher war alle specialistische Behandlung er- 
folglos gewesen. Stern (Bad Reinerz). 


Pelman, Ueber die Frrichtung von Sanatorien für Nervenkranke. 
Centralbl. f. allgem. Gesundheitspfl. 1900. Bd. 19. S. 441. 
Der bekannte Psychiater spricht sich warm für die Errichtung von 
staatlichen Anstalten für Neurastheniker aus. Dass derartige Anstalten 
überhaupt nothwendig sind, ergiebt sich daraus, dass nach Schwarz („Das 


1103 Desinfektion. 


einzige Heilmittel bei Nervenleiden.“ Leipzig 1900. Strübing) jetzt schon ca. 
500 Nervenanstalten privater Natur im Deutschen Reiche bestehen. 1891 
forderte Prof. v. Krafft-Ebing in Wien die Gründung einer Öffentlichen 
Nervenheilanstalt; er hatte keinen Erfolg. Erst 1896 war es Moebius (siehe 
dessen Schrift: „Ueber die Behandlung der Nervenkranken und die Errich- 
tung von Heilstätten“) vorbehalten, auf besseres Verständniss und willigere 
Hände zu stossen. Die Berichte der auf seine Anregung erbauten ersten An- 
stalt sind sehr günstig. Der Verf. befürwortet warm die Errichtung der- 
artiger Öffentlicher Anstalten, selbstverständlich unter ärztlicher Leitung und 
auf 150—200 Insassen beschränkt, mit möglichst einfacher und bürgerlich 
guter Verpflegung. R. Blasius (Braunschweig). 


Marx H., Zur Theorie der Desinfektion. Centralbl. f. Bakteriol. 1900. 
Bd. 28. No. 20. S. 691. 

Marx und Woithe hatten in einer früheren Arbeit erklärt, dass als 
sichtbarer Maassstab für die Virulenz der Bakterien die Bildung 
von Babes-Ernst’schen Körperchen in der Bakterienzelle anzusehen 
sei. Dies nannte Marx seine „Infektionsformel“ und konstruirte sicb nun 
im Gegensatz dazu eine Desinfektionsformel, die dann folgendermaassen 
lauten würde: 

Ein Bakterium verliert seine Virulenz (Infektionstüchtigkeit) 
zugleich mit der Vernichtung der Babes-Ernst’schen Körperchen. 
Es würde dann nach dieser Auffassung Desinficiren nicht heissen, einen 
Gegenstand von Bakterien zu befreien, sondern nur diese einzigen „Biopboren*, 
wie sie Marx nennt, zu vernichten. 

Um seine Anschauung zu beweisen, stellte er folgenden Versuch an: 
24 stündige Agarkulturen im Reagensrohr übergoss er mit Wasser, Subli- 
matlösung 1:1000, Karbollösung 3:100. Die Röhrchen wurden kräftig 
geschüttelt und nach 8—5 Minuten ihnen Material zur Untersuchung ent- 
nommen. Das Resultat war, dass Sublimat wie Karbol ein voll- 
kommenes Verschwinden der Babes-Ernst’scheu Körperchen be- 
wirkten, während das Wasser nur die Intensität der Tinktions- 
fähigkeit der Babes-Ernst’schen Körperchen merklich herabge- 
setzt hatte. Dagegen hatte einmaliges Aufkochenlassen des Wassers im 
Röhrchen die sofortige Vernichtung der Körperchen zur Folge. 

Um einen praktischen Fall herauszugreifen, nahm Verf. von der Hand zweier 
Personen etwas abgekratzte Haut und prüfte sie bakteriologisch, einmal be- 
vor die Hände gereinigt waren, das andere Mal nach gründlicher 
Waschung der Hände mit Wasser, Seife und Bürste. Der Erfolg zeigte. 
dass nach dem Waschen die Babes-Ernst’schen Körperchen fast voll- 
kommen verschwunden waren. 

Es bleibt noch weiteren Untersuchungen vorbehalten, ob wirklich durch 
Vernichtung dieser Körperchen jede Infektionsmöglichkeit ausgeschlossen 
werden kann. R. O. Neumann (Kiel). 


Desinfektion. 1109 


v. Wunschheim 0., Beeinflusst Glycerin als Lösungsmittel den Des- 
infektionswerth von Antisepticis. Arch. f. Hyg. Bd. 89. S. 101. 

Die Untersuchungen wurden mit Glycerin und Säuren und Alkalien 
angestellt, mit Glycerin und Alkohol, mit Glycerin und Kresolen, 
mit Glycerin und Thymol, Formol, Tannin und Aceton. Ausserdem 
noch mit Glycerin und Kaliseife. Als Ausgangspunkt für die Wirkung 
der in Untersuchung genommenen Antiseptica dienten Lösungen der betreffen- 
den Substanzen in Wasser; analog diesen Lösungen wurden auch Lösungen der 
Antiseptica in Glycerin hergestellt. Bei den Experimenten mit Säuren wurden 
Schwefelsäure, Salzsäure, Essigsäure und Oxalsäure verwendet; bei 
den Alkalien Aetzkali und Soda. Die näheren Einzelangaben sind im Ori- 
ginal nachzulesen. 

Als Resultat ergab sich Folgendes: 

1. Das unverdünnte Glycerin ist im Stande, auf den Gholeravibrio, 
auf Micr. pyogenes aureus und Bact. coli baktericid einzuwirken. 

2. In Glycerinwassermischungen erhalten sich Bact. coli und der Micr. 
pyogenes aureus am längsten in den am meisten Wasser enthaltenden 
Gemischen; das Verhalten in Mischungen mit hohem Glycerin-, also geringerem 
Wassergehalt scheint je nach der verwendeten Bakterienart individuell ver- 
schieden zu sein. 

3. Schwefelsäure, Oxalsäure, Aetzkali, Karbol, die drei isomeren 
Kresole, Kreolin, Saprol, Lysol, Thymol, Formol und Tannin ver- 
lieren, in Glycerin gelöst, verglichen mit den gleichen Koncentrationen in 
wässeriger Lösung, an Desinfektionskraft. 

4. Eine Ausnahme bilden Salzsäure, Essigsäure und Aceton, von 
denen, in Glycerin gelöst, Essigsäure nicht schlechter, Salzsäure und Ace- 
ton besser baktericid wirken als in wässeriger Lösung. 

5. Die Desinfektionskraft des in Glycerinwassermischungen zu 2,5 pCt. 
gelösten Karbols wächst mit dem steigenden Wassergehalte des Glycerins und 
ist bei einem Wassergehalt von ca. 50 pCt. gleich dem der rein wässerigen, 
gleichprocentuirten Karbollösung. Der Verf. empfiehlt, bei Anwendung von 
Karbolglycerin Lösungen von mindestens 10 pCt. Karbol in reinem Glycerin, 
geringere Karbolmengen aber nicht in solchem, sondern nur in Mischungen 
von Glycerin und Wasser, zu gleichen Tbeilen gelöst, zu verwenden. 

6. Karbol, Orthokresol, Lysol und Kreolin in Glycerinseifenlösung 
gelöst, desinficiren schwächer als dies bei gleichen Koncentrationen, in Seifen- 
wasser gelöst, der Fall ist. R. O. Neumann (Kiel). 


Dieudonne, Ueber eine einfache Desinfektionsmethode mit Form- 
aldehyd (Hydroformal-Desinfektion). Die ärztl. Praxis. 1901. No. 2. 
Die bisher geübte Desinfektionsmethodik mit dem Flügge’schen 
und Lingner’schen Apparat hat bereits in letzter Zeit zu einer wesentlichen 
Vereinfachung geführt durch die Verwendung von sogen. „ulühblocks“ aus 
Paraformaldehyd, deren Desinfektionswerth von Dieudonné als recht gut 
anerkannt, und deren Brauchbarkeit für die Praxis auch von Erne bestätigt 
wurde. 


1110 Desinfektion. 


Nun hat Dieudoune, um die Formalindesinfektionsmethode noch bequemer 
und einfacher zu gestalten, ein Verfahren angewendet, welches auch unter den 
einfachsten Verhältnissen ausgeführt werden kann. Es besteht darin, dass 
Ziegelsteine stark erhitzt werden und alsdann eine verdünnte Formalin- 
lösung darübergegossen und auf diese Weise verdampft wird. Dabei zeigte 
sich, dass die Desinfektionskraft des auf diese Weise verdampften Formalins 
durchaus genügte, um die Testobjekte (Milzbrand, Diphtherie und 
Staphylokokken) zu vernichten, dass aber in Folge der Verschiedenheit 
des Ziegelmaterials die darauf gegossene Menge Lösung nicht immer voll- 
ständig zur Verdampfung kam. 

Es wurden deshalb die Ziegelsteine durch „Heizelemente“, das sind Guss- 
stahlbolzen, die von gleicher Grösse auch stets und sicher die gleichmässige 
Menge Lösung zur Verdampfung bringen können, ersetzt. 

Die Gussstahblbolzen baben ein Gewicht von 3 kg und vermögen, 
wenn sie rothglühend sind, 500 g Wasser resp. dieselbe Menge Formalinlösung 
sicher zu verdampfen. Die Verdampfung erfolgt am zweckmässigsten in einem 
kleinen, von dem Hersteller der Heizelemente (Krell in Hüsten in Westphalen) 
konstruirten einfachen und billigen Apparat. Es ist ein trichterförmiges Ge- 
fäss aus Eisenblech, welches einen Aufnahmeraum für die Bolzen enthält. Das 
Gefäss ist mit einem das Verspritzen von Flüssigkeit verhindernden Siebe oder 
gelochten Deckel versehen. Die Bolzen werden glühend in den Apparat ge- 
legt und durch das Sieb die Formaldehydlösung hineingegossen. 

Aus dem käuflichen Formalin stellt mau sich eine 10proc. resp. 20proc. 
Formalinlösung her und rechnet pro cbm Raum 21/3 g bei 7 Stunden Ein- 
wirkung, 5 g bei 31/, Stunden. Die damit angestellten Versuche fielen zur 
Zufriedenheit aus, so dass Dieudonne nicht ansteht, diese Methode zu 
empfeblen. R. O0. Neumann (Kiel). 


Loeb, Richard, Ein neuer Beitrag zur Formalindesinfektion, speciell 
in der Urologie. Münch. med. Wochenschr. 1901. No. 5. S. 183. 

Von der Absicht ausgebend, für die verschiedenen Instrumente aus Glas, 
Metall oder Gummi statt der bisher angewandten Desinfektionsmethoden 
mit Wasserdampf, Sublimat oder Karbol je nach dem Material ein für alle in 
gleicher Weise anwendbares Verfahren zu finden, glaubt Verf. ein solches in 
der Anwendung des gasförmigen Formaldehyds gefunden zu haben. Seine 
Versuchsanordnung war derart, dass er Kulturen in offenen Gelatineröhrchen 
in einer fest verschlossenen Büchse den Formaldehyddämpfen, die durch Er- 
hitzung von Paraformpastillen in einem an die Büchse gelötheten Anhängsel- 
rohr erzeugt wurden, aussetzte, wodurch er sichere Abtödtung von Anthrax- 
sporen nach 6 Stunden erreichte. Genauere Mittheilungen, sowie die Be 
schreibung des zur Desinfektion der Instrumente angewandten Apparats sind 
in der in Aussicht gesteliten Monographie zu erwarten. 

Mayer (Berlin). 


Desinfektion. 1111 


Chemische Fabrik auf Aktien (vorm. Schering) in Berlin, Verfahren 
zur Desinfektion mit Formaldehyd. Zusatz zum Patente 107 244. 
Patentschr. No. 117 666. Klasse 301. 

Nach einem früheren Patent wurde ein Gemisch von Formaldehyd und 
Wasserdampf dadurch erzeugt, dass man gebrannten Kalk oder andere Sub- 
stanzen, die mit Wasser unter grosser Wärmeentwickelung reagiren, mit form- 
aldehydhaltigen Körpern bezw. Flüssigkeiten eventuell unter Wasserzusatz zu- 
sammenbringt. Da der Kalk dabei einen Theil des Formaldehyds zersetzt, 
empfiehlt es sich, um eine grössere Ausbeute an wirksamem Formaldehyd zu 
erlangen, dass man die formaldehydhaltigen Körper nicht direkt mit dem 
Kalk zusammenbringt, sondern letzteren nur auf Wasser einwirken lässt und 
den dabei entstehenden Wasserdampf durch den formaldehydhaltigen Körpe:, 
z. B. polymeren Formaldehyd oder Formaldebydlösung, in einem gesonderten 
Gefäss leitet. Mayer (Berlin). 


Frank, Georg, Ueber Desinfektionswirkung des Alkohols, insbe- 
sondere der Alkoholdämpfe. Münch. med. Wochenschr. 1901. No. 4. 
S. 184. 

Nach zahlreichen Versuchen, ein für die Borstenindustrie geeignetes 
Desinfektionsmittel zu finden, glaubt Verf. in den Alkoholdämpfen ein 
solches empfeblen zu können. Bei vergleichenden Versuchen in Bezug auf die 
Desinfektionskraft mit den Dämpfen von absolutem, 96- und 9Oproc. Alkohol 
und solchen aus Spiritus mit niedrigerem Alkoholgehalt erzielte er mit den 
ersteren viel schlechtere Resultate als mit den letzteren. „Mit der Abnahme 
des Alkoholgehalts und der Zunahme des Wassergehalts bis zu einer gewissen 
Grenze.stieg die Desinfektionswirkung.“ Am wirksamsten zeigten sich Verf. 
Dämpfe, welche aus 40 proc. Alkohol entwickelt wurden, die sehr resistente 
Milzbrandsporeu, in Filtrirpapier eingehüllt, in 5 Minuten vernichteten. Auch 
die Dämpfe von 50—80proc. Alkoholmischungen waren noch wirksam, unwirk- 
sam dagegen die der 90- bis 99- und der unter 40proc. Mischungen. Dies schein- 
bar paradoxe Verhalten ist dadurch zu erklären, dass die zur Desinfektion 
angewandten Dämpfe des bei 90° siedenden 40 proc. Alkohols einem Gemisch 
von 90 Vol.-pCt. Alkohol mit 12 Vol.-pCt. Wasser entsprechen. Diese Beob- 
achtung hinsichtlich der Desinfektionswirkung der Alkoholdämpfe stimmt also 
überein mit der von Ahlfeld mit flüssigem Alkohol gemachten, dass bis zu 
einem gewissen Grade verdünnter Alkohol stärker wirkt als höher koncen- 
trirter und absoluter, wofür Ahlfeld auch die allgemein anerkannte Erklärung 
abgab, dass dem Wasser die Bedeutung zukomme, die Hülle der Bakterien 
aufzuquellen und das Innere der Bakterienkörper dem Alkohol erst zugänglich 
zu machen. Eine gewisse Inkongruenz besteht nur insofern, als alle Versuche 
mit flüssigem Alkohol den 40— 7Oproc., F. aber ein Dampfgemisch von 90 pCt. 
Alkohol am wirksamsten fand; F. sucht die Erklärung hierfür darin, dass 
der Wasserdampf vielleicht energischer auf die Bakterienhülle einwirke als 
flüssiges Wasser von niedrigerer Temperatur. 

Verf. bält die Alkoholdämpfe für ein geeignetes Desinfektionsmittel für 
die Borstenindustrie, da Milzbrandsporen in wenigen Minuten vernichtet und 


1112 Desinfektion. Gewerbehygiene. 


die Borsten dabei nicht geschädigt werden. Auch zur Wohnungsdesinfektion 
halt F. die Anwendung des Alkohols, allerdings in flüssiger Form, für mög- 
lich, und zwar, indem man ihn gegen die Wände u. s. w. verspritze, wie es 
früher mit dem Sublimat üblich war. Mayer (Berlin). 


v. Brunn W., Bemerkung zu dem Aufsatze von Herrn Dr. Georg Frank: 
Ueber Desinfektionswirkung des Alkohols, insbesondere der 
Alkoholdämpfe. Münch. med. Wochenschr. 1901. No. 7. S. 265. 

Gleichzeitig mit Frank hat Verf. Desinfektionsversuche mit Alkohol- 
dämpfen veröffentlicht, in denen er zu denselben Resultaten gelangt war. 

Frank hält in einem Nachsatz seiner oben citirten Arbeit (siehe vorstehendes 

Referat) nur die Ausdrucksweise v. Brunn’s, dass 75- und 5Oproc. Alkohol 

auf Milzbrandsporen am intensivsten einwirke, für nicht „konform seinen 

Resultaten“; denn die Dämpfe dieser Alkoholmischungen entsprächen einem 

83- resp. 84,6proc. Alkohol. Verf. hält Frank in seiner Bemerkung ent- 

gegen, dass darin schliesslich kein Unterschied liege und er nur die leichter 

und sicher zu bestimmende Koncentration des Alkohols betont habe, den er 
zum Verdampfen brachte, während F. ein grösseres Gewicht auf die Koncen- 
tration des einwirkenden Alkoholdampfes selbst legte. Mayer (Berlin). 


Köpke, Was können wir Solinger in Bezug auf die Besserung der 
Gesundheitsverhältnisse der Metallschleifer von unserer Kon- 
kurrenzstadt Sheffield lernen? Centralbl. f. allgem. Gesundheitspfl. 
1900. Bd. 19. S. 299. 

Der Verf. hat in Anbetracht der grossen Sterblichkeit der Solinger 
Metallschleifer (durchschnittlich 72,5 pCt. derselben starben in den Jahren 
1885—1895, meistens im kräftigsten Mannesalter, an Lungenschwindsucht) im 
August 1899 Sheffield, neben Solingen unstreitig den grössten Platz für Fa- 
brikation von Schneidwaaren, besucht, um sich über die dortigen Verhältnisse 
zu unterrichten. Nach eingehender Schilderung der entsprechenden Zustände 
kommt Verf. zu dem Resultat, dass die Solinger Schleifereibetriebe den Ver- 
gleich mit den Sheffield’schen nicht zu scheuen brauchen, dass aber die Gründe, 
weshalb die englischen Arbeiter trotz ihrer schmutzigen Arbeitsstätten bessere 
Gesundheitsverhältnisse haben als die deutschen, darin liegen, dass der Shef- 
fielder Arbeiter 

1. bei der Arbeit eine gesündere Körperhaltung einnimmt, 

2. eine zweckentsprechendere Lebensweise hat. 

3. im Allgemeinen eine bessere Wohnung hat. 

In der Erreichung dieser Verbesserungen für die deutschen Arbeiter wollen 
wir den Engländern nacheifern. R. Blasius (Braunschweig). 


Gesetze und Verordnungen. i 1113 


Gesetze und Verordnungen. 


Zusammengestellt nach den Nummern 14—29 einschl. der Veröffentlichungen des 
Kaiser. Gesundheitsamtes, Jahrgang 1901. 


1. Für den Regierungsbezirk Köln ist folgende die Beschäftigung von 
Kindern mit gewerblichen Arbeiten regelnde Polizeiordnung erlassen worden: 

§ 1. Kinder, welche das neunte Lebensjahr noch nicht vollendet 
haben, dürfen nicht ansserhalb ihrer Wohnung und während der für den Schulunter- 
richt festgesetzten Stunden auch nicht in ihrer Wohnung mit gewerblichen Arbeiten 
beschäftigt werden. 

§ 2. Schulpflichtige Kinder, welche das neunte, aber noch nicht das vier- 
zehnte Lebensjahr vollendet haben, dürfen während der für den Schulunter- 
richt festgesetzten Stunden zu gewerblichen Arbeiten weder ausserhalb noch inner- 
halb ihrer Wohnung verwendet werden. 

& 3. Kinder, welche das neunte, aber noch nicht das vierzehnte Lebensjahr 
vollendet haben, dürfen ausserhalb ihrer Wohnung während der Zeit von 7 Nach- 
mittags bis 7 (in den Monaten April bis September 6!/2)Uhr Vormittags zum Aus- 
tragen von Backwaaren, Milch, Zeitungen oder anderen Gegenständen, zum Kegel- 
aufsetzen oder zu sonstigen Verrichtangen in Gast- und Schankwirth- 
schaften, zum Aufwarten, zum Handel mit Blumen oder mit anderen Gegen- 
ständen nicht verwandt werden. Die Verwendung schulpflichtiger Kinder zu 
Theater-, Cirkus- und dergleichen Aufführungen ist nur mit der vorher 
einzuholenden Genehmigung des Kreisschulinspektors und der Ortspolizeibehörde ge- 
stattet. § 4 u. s. w. u. s. w. (Veröff. d. Kais. Ges.-A. 1901. No. 15. S. 330.) 


2. Mit der Zahn- und Mundpflege bei den Schulkindern beschäftigt 
sich folgende Verordnung des Staatsministeriums von Sachsen-Weimar: 

Mit Recht wird neuerdings der Pflege der Zähne bei den Kindern grössere 
Aufmerksamkeit geschenkt, und es lässt sich nicht leugnen, dass hierin die Eltern von 
Seiten der Schule unterstützt werden können, wenn bei dem naturkundlichen Unter- 
richt und bei anderen geeigneten Gelegenheiten auf die Bedeutung der Zahn- 
und Mundpflege hingewiesen und den Schülern die erforderliche Anweisung 
gegeben wird, wie sie durch regelmässige Reinigung des Mundes mancherlei Erkran- 
kungen vorbeugen können. 

Wir empfehlen deshalb, auf eine solche gelegentliche Fürsorge Bedacht zu nehmen. 

(Veröff. d. Kais. Ges.-A. 190}. No. 23. S. 519.) 


3. Für das Königreich Bayern ist die Wohnungsaufsicht durch folgende 
Verordnung eingeführt worden: 

$ 1. Bestellung der Wohnungsaufsicht. In allen Gemeinden des König- 
reichs ist eine polizeiliche Beaufsichtigung der Wohnungen und Wohnungsräume ein- 
zuführen. Die Wohnungsaufsicht hat im Allgemeinen den Zweck, dem Wohnungs- 
wesen fortgesetzt sorgsames Augenmerk zuzuwenden, auf Verbesserung 
der Wohnungsverhältnisse, namentlich der Minderbemittelten hinzuwirken, 
Missstände zu beseitigen und hiernach das Geeignete vorzukehren. 

§ 2. Zuständigkeit. Die Handhabung der Wohnungsaufsicht obliegt den 
Ortspolizeibehörden, in München dem Stadtmagistrate bezw. der königlichen Polizei- 
direktion und der Lokalbaukommission auf Grund der bestehenden Zuständigkeitsbe- 
stimmungen. 

§ 3. Wohnungskommissionen. Nach Maassgabe des Bedürfnisses sind in 
grösseren Städten, dann in Orten mit dichter Bevölkerung eigeneWohnungskommissionen 


1114 Gesetze und Verordnungen. 


zu bestellen. Die Zahl der Mitglieder der Wohnungskommission wird durch Beschluss 
der Gemeindeverwaltung (Magistrat, Gemeindeausschuss, Gemeinderath) bestimmt. 
Durch dieselbe erfolgt auch die Wahl der Mitglieder und zwar auf die Dauer der Wahl- 
periode, in magistratischen Gemeinden auf je 6 Jahre. Es wird hierbei auch auf eine 
Vertretung des ärztlichen Standes Rücksicht zu nehmen sein. Die Thätig- 
keit der Mitglieder der Wohnungskommission ist eine ehrenamtliche, wobei jedoch 
nicht ausgeschlossen ist, dass für besondere Mühewaltung einzelner Mitglieder von 
der Gemeindevertretung eine Vergütung bestimmt und gewährt wird. Die Mitglieder 
sind auf gewissenhafte unparteiische Geschäftsführung und Wahrung 
der Amtsverschwiegenheit handgelübdlich zu verpflichten. Durch die Ge- 
meindeverwaltung ist eine Geschäftsordnung zu erlassen. 

§ 4. Wohnungsinspektoren. Im Bedürfnissfalle sind der Wohnungskom- 
mission eigene durch die Gemeinde aufzustellende Wohnungsinspektoren als Hilfs- 
organe beizugeben. Je nach den örtlichen Verhältnissen kann der Dienst eines Woh- 
nungsinspektors einem Gemeindebediensteten neben anderen Verrichtungen übertragen 
werden. Die Aufgabe der Wohnungsinspektoren ist durch eine Dienstanweisung zu 
regeln, welche von der Ortspolizeibehörde nach Einvernahme mit der Wohnungskom- 
mission zu erlassen ist. 

$5. Wohnungserhebung (Enquète). Insofern es zur Gewinnung eines Ueber- 
blicks über die Wohnungsverhältnisse geboten erscheint, sind durch die Gemeinde 
unter Mitwirkung der zur Wolnungsaufsicht berufenen Organe Wohnungserhebungen 
zu veranstalten. Das Ergebniss dieser Erhebungen bildet die Grundlage für die zur 
Beseitigung von Missständen weiter veranlassten Anordnungen. 

§ 6. Umfang der Wohnungsaufsicht. Alle Gebäude und Gebäudetheile, 
welche zum Aufenthalte für Menschen als Wohn-, Schlaf- oder Arbeitsräume dienen, 
sowie die dazu gehörigen Küchen, Aborte, Zugänge, Keller oder sonstigen Räume 
unterliegen der polizeilichen Wohnungsaufsicht. Die den Gewerbeaufsichtsorganen 
obliegende Kontrole der Arbeitsräume wird hierdurch nicht berührt. 

§ 7. Ausübung der Wohnungsaufsicht im Allgemeinen. Den mit Aus- 
übung der Wohnungsaufsicht betrauten Organen ist der Zutritt in die der Aufsicht 
unterstehenden Räume zu gestatten. Die Aufsichtsbeamten haben sich beim Betreten 
fremder Wohnungen anzumelden, sich unaufgefordert über ihre Person und ihren 
Dienst zu legitimiren und die Wohnungsbesichtigung zu einer Zeit und in einer 
Weise vorzunehmen, dass hierdurch eine Belästigung der Betheiligten thunlichst 
ferngehalten wird. 

§ 8. Abstellung von Missständen. Werden bei Ausübung der Wohnungs- 
aufsicht Missstände wahrgenommen, so ist deren Abstellung zunächst im Wege der 
Belehrung und Mahnung zu versuchen. Ist die Beseitigung beanstandeter Missstände 
auf diese Weise nicht zu erreichen, so haben da, wo besondere Organe mit Ausübung 
der Wohnungsaufsicht betraut sind, diese an die Ortspolizeibehörde Anzeige zu er- 
statten. Die Ortspolizeibehörde hat hinsichtlich der zu ihrer Kenntniss gelangenden 
Missstände, soweit dieselben auf vorstehende Weise nicht beseitigt werden können, 
nach Maassgabe der gesetzlichen Bestimmungen und der vorliegenden besonderen Ver- 
hältnisse weitere Verfügung zu treffen. Müssen althergebrachte Verhältnisse und Zu- 
stände aus gesundheitlichen Rücksichten beanstandet werden, so ist deren allmäh- 
liche Beseitigung unter Vorsteckung einer entsprechenden Frist ins Auge zu fassen. 

$ 9. Beziehen von Neubauten. Neu hergestellte Wohnungen und Wohnungs- 
räume dürfen ohne polizeiliche Genehmigung nicht bezogen werden. Diese 
Genehmigung ist schriftlich zu ertheilen und darf erst erfolgen, wenn die betreffenden 
Wohnungen oder Wohnungsräume vollständig fertiggestellt und genügend ausge- 


Gesetze und Verordnungen. 1115 


trocknet sind. Zuständig zur Ertheilung der Genehmigung ist die Ortspolizeibe- 
hörde, in München die Lokalbaukommission. 

§ 10. Luft und Licht für Wohnräume. Alle Räume, welche als Wohn-, 
Schlaf- oder Arbeitsräume benützt werden, sollen hinreichend Luft und Licht und 
zwar in der Regel unmittelbar aus dem Freien erhalten. Ausnahmen können von der 
Ortspolizeibehörde bei solchen Gebäuden gestattet werden, welche vor Erlass dieser 
Vorschriften entstanden sind. Hierbei darf jedoch den etwa früher erlassenen bau- 
und gewerbepolizeilichen Anordnungen kein Eintrag geschehen. 

§ 11. Beschaffenheit der zum Aufenthalt für Menschen bestim'n- 
ten Räume. Alle zum Aufenthalt für Menschen dienenden Räume sollen in Bezug 
auf baulichen Zustand, Trockenheit und Reinlichkeit derart beschaffen sein, dass 
aus ihrer Benützung gesundheitliche Gefahren nicht entstehen. 

§ 12. Belegung der Schlafräume. Schlafräume sollen für die hierin unter- 
gebrachten Personen einen genügenden Luftraum enthalten und dürfen nicht in 
einer Weise belegt werden, welche den Anforderungen der Sittlichkeit zuwider- 
läuft. In einzelnen Orten ist veranlassten Falls das Mindestmaass des Luftraumes 
durch ortspolizeiliche Regelung festzusetzen. 

§ 13. Heizvorrichtungen und Feuerungen. Die Heizvorrichtungen und 
Feuerungen müssen so beschaffen sein, dass durch ihren Gebrauch die Gesundheit 
nicht gefährdet wird. 

$ 14. Aborte. Die Abortanlagen müssen, unbeschadet der auf Grund des Ar- 
tikels 73 Absatz I des Polizeistrafgesetzbuches erlassenen Bestimmungen, so einge- 
richtet sein, dass ihre Benützung ohne Verletzung von Sitte und Anstand erfolgen kann. 

$ 15. Schlafgängerwesen. Jedem Schlafgänger ist eigene Lagerstätte 
zur Verfügung zu stellen. Bei der Unterbringung von Schlafgängern ist die Trennung 
nach dem Geschlechte durchzuführen; auch für die Zugänge zu den Schlafstellen 
haben die Rücksichten der Sittlichkeit Beachtung zu finden. Die an Schlafgänge- 
rinnen vergebenen Räume müssen von innen verschliessbar, jedenfalls aber mit einem 
Riegel versehen sein. Die als Schlafstellen benützten Räume dürfen in Bezug auf die 
Möglichkeit einer Rettung bei Feuersgefahr keinem Bedenken unterliegen. 

816. u.s.w. u.s. w. 5 
(Yeröff. d. Kais. Ges.-A. 1901. No. 24. S. 550—551.) 


4. Die theilweise Einführung der Leichenschau wird in Preussen durch 
folgenden Ministerialerlass vom 4. 3. 1901 angeordnet: 

Die Einführung der allgemeinen obligatorischen Leichenschau im 
Wege der Gesetzgebung ist in naher Zeit voraussichtlich nicht zu erwarten. Dagegen 
empfiehlt es sich, die im öffentlichen Interesse wünschenswerthe Leichenschau im 
Wege der Polizeiverordnung überall da einzuführen, wo sie nach den gesammten 
örtlichen Verhältnissen durchführbar erscheint und erwartet werden kann, dass die 
mit ihr verfolgten Zwecke erreicht werden. Als solche kommen die Feststellung 
des wirklich eingetretenen Todes, die möglichst zuverlässige Ermittelung 
der Todesursache, insbesondere auch mit Rücksicht auf das etwaige Vorliegen 
einer ansteckenden Krankheit oder eines nicht natürlichen Todes, und etwaige sons- 
tige für die öffentliche Gesundheitspflege wichtige Beobachtungen 
in Betracht. Der grosse Nutzen der Leichenschau für die Ermittelung an- 
steckender Krankheiten ist neuerdings auch dadurch anerkannt worden, dass 
nach § 10 des Gesetzes betreffend die Bekämpfung gemeingefährlicher Krankheiten 
vom 30. Juni 1900 für Ortschaften und Bezirke, welche von einer gemeingefährlichen 
Krankheit befallen oder bedroht sind, die amtiiche Besichtigung jeder Leiche 
vor der Bestattung angeordnet werden kann. Ihren vollen Erfolg wird je- 


1116 Gesetze und Verordnungen. 


doch die Leichenschau in Seuchezeiten nur da haben, wo sie bereits vorber 
geregelt und ein fachgeübtes Personal thätig ist. Als Leichenschauer 
werden im Allgemeinen ausser den approbirten Aerzten auch andere geeig- 
nete Personen, die ihre Befähigung durch eine Prüfung vor dem zuständigen 
Medicinalbeamten nachgewiesen haben, zu bestellen sein. Die Beschränkung auf 
approbirte Aerzte wird nur da in Frage kommen können, wo Aerzte ohne Schwierigkeit 
zu erlangen und auch vom Standpunkte der wirthschaftlichen Interessen Bedenken 
hiergegen nicht zu erheben sind. Im Interesse der leichteren Durchführung der Leichen- 
schau legen wir ferner Werth auf eine Bestimmung, wonach jeder approbirte Arzt an 
Stelle der amtlich bestellten Leichenschauer zur Vornahme der l.eichenschau berech- 
tigt und eine Schau durch die amtlich bestellten Personen dann nicht mehr erforder- 
lich ist, wenn von dem Arzte, welcher den Verstorbenen in der letzten Krankheit 
behandelt hat, der erfolgte Tod und die Todesursache bereits bescheinigt ist. Im 
Uebrigen werden zweckmässig die bereits bestehenden Polizeiverordnungen über die 
obligatorische Leichenschau, sofern sie sich bewährt haben, zu beachten sein. Wir 
bemerken hierbei, dass unter anderen von dem KreiseNiederbarnim, wo die Leichen- 
schau seit dem Jahre 1878 eingeführt ist und sich bewährt hat, am 6. Juni 1900 eine 
neue Polizeiverordnung hierüber erlassen worden ist, deren Kenntniss voraussichtlich 
von Werth sein wird (vergl. No. 18 dieser Zeitschrift). u. s. w. u. s. w. 
(Veröff. d. Kais. Ges.-A. 1901. No. 27. S. 621—622.) 


5. In einem Erlass des Ministers der u. s. w. Medicinalangelegenheiten werden 
die Grundsätze angegeben, nach welchen die gesundheitspolizeiliche Ueber- 
wachung der Seeschiffe auszuführen ist, soweit sie nicht schon nach den Be- 
u z 7 kontrolpflichtig sind. Im Ein- 
zelnen heisst es hier: 1. Alle Seeschiffe, welche im Hafen ankommen und dasel! st 
liegen, sind bis auf Weiteres einer erstmaligen Untersuchung und einer 
dauernden Ueberwachung hinsichtlich des Gesundheitszustandes der Mann- 
schaft zu unterwerfen. 2. Die erste Untersuchung der Schiffsbesatzung ist sofort 
nach dem Eintreffen des Schiffes im Hafen vorzunehmen. Vor Beendigung dieser 
Untersuchung ist den Officieren und der Mannschaft untersagt, das Schiff 
zu verlassen. Der Verkehr der Passagiere ist nicht zu beschränken, so- 
fern diese nicht an einer pestvordächtigen krankheit während der Fahrt gelitten 
haben oder noch leiden. 3. Folgende Punkte sind bei der erstmaligen Unter- 
suchung zu berücksichtigen: a) Zur Vorbereitung für die ärztliche Untersuchung 
ist der für die kontrolpflichtigen Schiffe vorgeschriebene Fragebogen auszufüllen 
und dem Schiffsführer durch den Seelootsen oder einen Beauftragten der Hafenbehörde 
zu diesem Zwecke zu übergeben. Derselbe hat ausserdem dem Schiffsführer Mitthei- 
lung von der angeordneten ärztlichen Ueberwachung zu machen. Der Nachrichten- 
dienst ist so zu regeln, dass die Ankunft des Schiffes rechtzeitig bekannt wird. bj Die 
Zahl der an Bord befindlichen Personen ist mit den Angaben der Musterrolle und des 
Schiffsjonrnals zu vergleichen. c) Ferner sind Erkundigungen einzuziehen über Er- 
krankungen, Todesfälle und sonstige sanitätspolizeilich wichtige Vor- 
kommnisse während der Fahrt und während des Aufenthaltes in den Abgangs- und 
angelaufenen Häfen. d) Es ist eine ärztliche Untersuchung der Officiere und 
Mannschaften vorzunehmen unter besonderer Berücksichtigung der Möglichkeit 
einer Pesteinschleppung. e) Desgleichen hat eine Besichtigung der Mann- 
schaftslogis und der übrigen bewohnten Schiffsräumlichkeiten, des Laza- 
reths, der Abortanlagen, die Prüfung des an Bord befindlichen Trinkwassers 


stimmungen der Polizeiverordnung vom 


Gesetze und Verordnungen. 1117 


und Feststellung seiner Herkunft zu erfolgen. f) Es ist festzustellen, ob ein auf- 
fälliges Sterben unter den Schiffsratten vorgekommen ist. 4. Die Besichti- 
gungen sind, so lange das Schiff im Hafen liegt, von Zeit zu Zeit je nach dem Er- 
messen des Hafenarztes zu wiederholen. 5. Den Schiffskapitänen oder deren Stell- 
vertretern ist die Verpflichtung aufzuerlegen, unverzüglich von jeder an Bord ihres 
Sehiffes während des Aufenthaltes im Hafen sich ereignenden inneren Erkrankung 
der Hafenpolizeibehörde Anzeige zu erstatten. 6. Werden Fälle von verdäch- 
31.7.1895 

PERE WET TE 
fahren. 7. Die obligatorische Vernichtung der an Bord befindlichen Ratten 
ist anzustreben. Nach den Erfahrungen in Hamburg sind zu diesem Zwecke pro 
1000 cbm Rauminhalt 10 kg Schwefel und 20 kg Kohlen in getrennten Behältern 
zu verbrennen, nachdem das Schiff entladen ist. 8. Für Ausbildung von Gesund- 
heitsaufsehern, welche unter Aufsicht des Hafenarztes die Schiffsbesichtigungen 
auszuführen haben, ist Sorge zu tragen. Für die Ausbildung und den Dienst der 
Gesundheitsaufseher hat die in der Anlage beigefügte „Anleitung für die Ge- 
sundheitsaufseher zur Untersuchung der ankommenden Sohiffe“ und die 
„Instruktion für die im hafenärztlichen Dienst beschäftigten Gesund- 
heitsaufseher“ zu dienen. (Veröff. d. Kais. Ges.-A. 1901. No. 29. S. 668.) 


tigen Erkrankungen gefunden, so ist nach der Verordnung vom 


6. In Preussen ist unter dem 14. 4. 1900 für die sittenärztliche Unter- 
suchung der Prostituirten folgender Runderlass gegeben worden: 

Einer wöchentlich zweimaligen Untersuchung(Klasse I) sind zu unter- 
werfen: 

a) die Prostituirten bis zum vollendeten 24. Lebensjahr, ohne Rücksicht auf das 
Lebensalter; 

b) die Prostituirten, welche noch nicht länger als 1 Jahr eingeschrieben sind; 

c) die Prostituirten, welche sich noch im sog. kondylomatösen Stadium der 
Syphilis befinden, d. i. so lange noch nicht 3 Jahre seit dem Ausbruch der Krankheit 
verstrichen sind; 

d) die Prostituirten, welche nach ihrer Persönlichkeit, nach ihrem Verhalten 
(Verfehlen gegen polizeiliche Vorschriften, Entziehung von der gesundheitlichen Kon- 
trole u. s. w.) und sonstigen Umständen die öftere Feststellung ihres Gesundheitszu- 
standes angezeigt erscheinen lassen. 

Der alle 8 Tage auszuführenden Untersuchung (Klasse II) sind alle 
Prostituirten vom beginnenden 25. bis zum vollendeten 34. Lebensjahr zu unterwerfen, 
soweit sie nicht der Klasse I zugetheilt sind. 

Der Untersuchung alle 14 Tage (Klasse III) unterliegen die über 34 Jahre 
alten Prostituirten, soweit sie nicht in Klasse I und II eingereiht sind. u. s. w. 

Ein besonderes Augenmerk ist auch auf diejenigen Dirnen zu richten, 
welche wegen angeblicher Krankheit oder aus sonstigen Gründen sich 
zur regelmässigen Untersuchung nicht stellen. Aerztliche Bescheinigungen 
müssen sich in jedem derartigen Falle zugleich darüber aussprechen, dass Zeichen 
einer bestehenden Geschlechtskrankheit bei der nicht gestellungsfähigen Dirne auf 
Grund der ausgeführten ärztlichen Untersuchung nicht festgestellt sind, sofern nicht 
durch die Natur der Krankheit (schwere Allgemeinerkrankung, Typhus u.s.w.) selbst 
ein geschlechtlicher Verkehr auszuschliessen ist. Als befugt zur Ausstellung der- 
artiger Bescheinigungen sind im Allgemeinen nur beamtete Aerzte anzusehen, aus- 
nahmsweise können jedoch auch die Atteste anderer Aerzte nach dem jeweiligen Be- 
finden oder vorheriger Bestimmung der Polizeibehörgg als gültig angenommen werden. 


1118 Gesetze und Verordnungen. 


Sofern die bei der sittenärztlichen Untersuchung fehlende Prostituirte den glaubwür- 
digen Nachweis über ihren Gesundheitszustand innerhalb 24 Stunden nicht erbracht 
hat, sind die nothwendigen Ermittelungen durch den zuständigen Exekutivbeanten 
der Sittenpolizei in der Wohnung der betreffenden Person unter Zuziehung eines Sitten- 
arztes auszuführen, welch letzterer hierbei zugleich erforderlichen Falles die Unter- 
suchung auf etwa bestehendo Geschlechtskrankheit vorzunehmen hat u. s. w. Wir 
legen ferner Gewicht darauf, dass bei den Sittenärzten besondere Kenntnisse 
auf dem Gebiete der Geschlechtskrankheiten und ein tüchtiges, der fort- 
schreitenden Wissenschaft entsprechendes Wissen vorhanden sind. 

Da die Approbation als Arzt und die ärztliche Beschäftigung dies nicht ohne 
Weiteres gewährleistet, so ist als Sittenarzt hinfort nur derjenige Arzt zu bestellen. 
der den Nachweis einer eingehenden praktischen Beschäftigung auf 
dem Gebiete der Geschlechtskrankheiten erbringen kann; soweit dies an- 
gängig ist, wird der Bewerber um die Stelle eines Sittenarztes zunächst aushilfsweise 
unter Aufsicht eines Polizeiarztes zu beschäftigen und zu erproben sein. Um den 
bereits angestellten Sittenärzten Gelegenheit zur Vertiefung ihrer Kenntnisse zu bieten. 
erscheint die Einrichtung von Demonstrationskursen geeignet. Der Direktor der 
Chariteklinik für syphilitische Krankheiten, Prof. Dr. Lesser, ist demgemäss von mir, 
dem Minister der geistlichen u. s. w. Angelegenheiten beauftragt worden, einen der- 
artigen Kursus für die in Berlin thätigen Sittenärzte abzuhalten. Derselbe soll & Stun- 
den umfassen und während der Zeit von 17.—28.4. d.J. am Dienstag, Donnerstag und 
Sonnabend von 12—1 Uhr stattfinden. Da eine freiwillige Betheiligung wohl ange- 
nommen werden darf, so ist zunächst davon abzusehen, dieselbe zu fordern. Sie 
wollen daher den Sittenärzten von dem stattfindenden Demonstrationskursus mit dem 
Bemerken Kenntniss geben, dass die Betheiligung an demselben kostenfrei und er- 
wünscht ist. — Zur sachgemässen Aus’ührung der ärztlichen Untersuchung ist es 
weiterhin geboten, dass die Sittenärzte sich über voraufgegangene Geschlechtskrank- 
heiten der Prostituirten nach Möglichkeit unterrichten und in einzelnen Fällen sich 
nicht nur auf die Feststellung der Krankheit beschränken, sondern auch den weiteren 
Verlauf und die Behandlung beobachten können. Es wird deshalb auf ein verständ- 
nissvolles Zusammenwirken der Sittenärzte und der Aerzte des Kran- 
kenhauses, welchem die Prostituirten behufs Heilung zugeführt werden, hinzu- 
wirken sein. Ew. Hochwohlgeboren wollen zu dem Zwecke die Sittenärzte anweisen. 
dass sie in Fällen, in denen eine Ueberweisung von Prostituirten an das Krankenhaus 
stattfinden muss, auch ohne dass die venerische Erkrankung offensichtlich besteht. 
dem Krankenhausarzte unter Couvert kurz mittheilen, worauf sich ihre Annahme von 
der Erkrankung gründet. Seitens des leitenden Krankenhausarztes ist dagegen dafür 
zu sorgen, dass die Diagnose der Krankheit, sowie Dauer und Art der Behandlung 
auf den der Polizeibehörde zugehenden Entlassungsscheinen kurz vermerkt wird. Die 
Polizeibehörde hat ihrerseits die Eintragung dieser Angaben in die den Aerzten vér- 
zulegenden Sittenkontrolbücher zu bewirken. Für die Sittenärzte ist zugleich die Fr- 
laubniss zu erwirken, dass sie die sie interessirenden Krankheitsfälle im 
Krankenhause nach Benehmen mit dem ärztlichen Leiter desselben beobachten 
können. 

Schliesslich stellen wir zur gefälligen Erwägung anheim, aus der Zahl der be- 
stellten Sitienärzte einen zu bezeichnen, dem unter Aufsicht und nach näherer 
Anweisung des Regierungs- und Medicinalraths die besondere Aufgabe zufall. 
die medicinisch-technische Ausführung der Sittenkontrole zu überwachen, alle Er- 
fahrungen auf diesem Gebiete zu sammeln, Verbesserungen anzuregen und mit seinem 
sachverständigem Rathe die Sittenpolizei in der Durchführung derjenigen ärztliebn 

r 


Kleinere Mittheilungen. 1119 


Maassnalımen dauernd zu unterstützen, bei denen der Regierungs- und Medicinalrath 
mangels allgemeiner Bedeutung in der Regel nicht in Anspruch genommen wird. 
(Veröff. d. Kais. Ges.-A. 1901. No. 17. S. 376.) 
Jacobitz (Halle a. S.). 


Kleinere Mittheilungen. 


(:) Das schon vorher recht rege Interesse für die gemeinsame Kundgebung 
deutscher Hochschullehrer der Hygiene an die studirende Jugend in Sachen einerVer- 
hütung derGeschlechtskrankheiten hat durch denHinweis vonSchmidtmann 
auf S. 1029 dieser Zeitschr. eine erneute und so erhebliche Steigerung erfahren, dass 
ich den zahlreichen einzelnen Anfragen und Gesuchen um Mittheilung des Wortlautes 
kaum mehr zu entsprechen vermag und daher die Gelegenheit benutzen will, um jenen 
Aufruf hier in seinem ganzen Umfange und seiner genauen Fassung der Oeffentlich- 
keit zu unterbreiten und weiteren Kreisen zugänglich zu machen. CF. 


Kommilitonen! 

Mit jedem ‚Jahre wächst die Erkenntniss, dass die zunehmende Verbreitung der 
geschlechtlichen oder venerischen Erkrankungen für unser gesammtes Volk 
eine überaus ernste und dringliche Gefahr bedeutet. Nicht nur die Zahl der Ansteckun- 
gen zeigt eine erschreckende Steigerung; die genauere und bessere Erforschung der 
krankhaften Zustände hat uns auch die traurige Wahrheit enthüllt, dass die meisten 
dieser Leiden viel schwerer sind, für Gesundheit und Leben der Befallenen weit 
verhängnissvollere und dauerndere Folgen zu hinterlassen pflegen, als man vor we- 
nigen Jahrzehnten noch wusste und vermuthen konnte. 

Als Aerzte, als Vertreter der Hygiene und als akademische Lehrer halten wir 
es daher für unsere Pflicht, dem Uebel nach Kräften zu steuern und unsere warnende 
Stimme zuerst an diejenigen Kreise zu richten, deren Wohl und Wehe uns am nächsten 
geht, an die Jugend unserer Hochschulen. Wir hoflen und sind gewiss, dass 
ein offenes Wort und eine freie Aussprache über die drohende Gefahr hier eine gute 
Stätte finden und dom schleichenden Gift manche kostbare Beute entreissen wird. 

Zuvörderst müssen wir bemerken, dass die Verbreitung der geschlechtlichen Er- 
krankungen namentlich unter den Besuchern der grossen Universitäten eine 
sehr erhebliche, eine weit höhere ist, als man dies nach der gesellschaftlichen 
Stellung und der sorgsamen Erziehung der Studirenden erwarten sollte. Sicherlich 
ist das eine Folge des ungebundenen und von jeder lästigen Fessel befreiten Lebens, 
das den Zwang der Schule ohne Uebergang ablöst. Aber wenn wir auch gewiss an 
diesem schönen Vorrecht der akademischen ‚Jugend nicht rütteln wollen, wenn wir 
überzeugt sind, dass man immer Jünglinge wird wagen müssen, um selbstständige 
und ganze Männer zu gewinnen, so muss doch der Ruf nach strafferer Selbstzucht 
gerade der grösseren Versuchung gegenüber erhoben und darauf verwiesen werden, 
dass nach tausendfältigen Erfahrungen eine weise Zurückhaltung und Beschrän- 
kung im geschlechtlichen Verkehr ohne jeden Schaden für die körper- 
liche und geistige Entwickelung des heranwachsenden jungen Mannes 
beobachtet werden kann. 

Als Geschlechtskrankheiten bezeichnet man im Allgemeinen drei verschiedene 
Leiden. 

Der weiche Schanker ist das verhältnissmässig ungefährlichste, da er nur 
mit örtlicher Geschwürsbildung und ferner n:it Vereiterung der Leistendrüsen einher- 


1120 Kleinere Mittheilungen. 


zugehen pflegt. Freilich bedingt auch er im letzteren Falle nicht selten operative 
Eingriffe und ein wochenlanges Bettlager. 

Am bekanntesten und gefürchtetsten ist die Syphilis, und in der That ver- 
dient diese Erkrankung, die stets Jahre und oft Jahrzehnte im Körper haftet, die die 
lebenswichtigsten Organe, insbesondere Gehirn und Rückenmark, in Mitleidenschaft 
ziehen und zerstören, die noch nach vielen Jahren auf andere Menschen übertragen, 
wie namentlich auf .die Nachkommenschaft vererbt werden kann, aus allen diesen 
Gründen die nachdrücklichste Beachtung. 

Aber nicht weniger unheilvoll ist der Tripper, die Gonorrhoe. Noch jetzt ist 
freilich in weiten Kreisen der veıhängnissvolle Irrthum verbreitet, dass „ein kleiner 
Tripper“ ein ziemlich harmloses und nebensächliches Uebel sei. Die ärztlichen For- 
schungen der letzten Zeit haben uns indessen gelehrt, dass auch ein einfacher Tripper 
zu den schwersten und mannigfachsten örtlichen wie allgemeinen Nach- 
krankheiten Veranlassung geben und Folgen hervorrufen kann, an denen die Be- 
troffenen ihr ganzes Leben hindurch zu tragen haben. Das gilt z. B. von zahl- 
reichen Gelenk- und Herzleiden, die unter Umständen sogar den Tod herbeizu- 
führen vermögen, das gilt in besonderem Maasse von den traurigen Schatten, die der 
Tripper oft genug auf die spätere Ehe wirft. Einmal vernichtet schon die frische 
Affektion in ihrer weiteren Ausdehnung zuweilen die Fähigkeit, Kinder zu zeugen. 
Namentlich aber erweist sich der chronische Tripper hier als gefährlich. Ist es 
doch eine der hervorstechendsten Eigenthümlichkeiten der Krankheit, sich mit hart- 
näckiger Zähigkeit in den einmal ergiffenen Theilen einzunisten und schliesslich 
eine anscheinend gutarlige, oft von ihrem Träger selbst kaum mehr bemerkte und 
beachtete Form anzunehmen, die trotzdem noch die alte Uebertragbarkeit, den an- 
steckenden Charakter der früheren Zeit besitzt. Nur die sorgfältigste Untersuchung 
durch einen sachverständigen Arzt vermag häufig diese geringen Spuren und Reste 
aufzudecken und zu beseitigen. In den weitaus meisten Fällen aber wird von diesem 
Mittel kein Gebrauch gemacht. Der Tripper gilt als geheilt, wenn er keine augen- 
fälligen Beschwerden und Erscheinungen mehr hervorruft, und zahlreiche junge 
Männer treten, von diesem Wahne befangen, schliesslich auch in die Ehe. Die unheil- 
vollen Folgen machen sich dann alsbald bemerkbar; die ahnungslosen und schuld- 
losen Gattinnen fallen der Infektion zum Opfer, diegerade im Körper des Weibes 
besonders schwere Verwüstungen anzurichten pflegt. Das vielgestaltige Heer der so- 
genannten Frauenkrankheiten ist nach dem Zeugniss der ersten Fachvertreter 
zum grossen Theile auf diese Ursache zurückzuführen, und namentlich entspringt die 
Unfruchtbarkeit der Frauen ungemein häufig gerade der hier angedeuteten Quelle: 
Fast die Hälfte aller kinderlosen Ehen soll in einem früheren Tripper 
des Mannes ihre Veranlassung haben. 

Wir haben uns in dieser kurzen Schilderung der Gefahren, mit denen die ge- 
schlechtlichen Erkrankungen verknüpft sind, von jeder Uebertreibung ferngehalten und 
nicht etwa durch das (iespenst unnöthiger Furcht zu wirken gesucht, sondern nur 
Dinge in iirer wahren Gestalt gezeigt, die freilich nicht mit den Augen des Leicht- 
sinns oder der Gleichgültigkeit angesehen werden dürfen. Aber wir hoffen, dass unsere 
Worte doch dazu beitragen werden, manchen unter Euch vor Schuld und Unglück zu 
behüten. Verzichtet also vor allen Dingen möglichst auf den geschlecht- 
lichen Verkehr. Unter den weiblichen Personen, die der freien Liebe zugänglich, 
ist thatsächlich die grosse Mehrzahl venerisch krank, mögen sie die Unzucht nur 
gelegentlich und heimlich oder unter der Aufsicht der Polizei, als „eingeschriebene“ 
Dirnen treiben, denn auch bei den letzteren giebt die ärztliche Untersuchung in der 
heute meist geübten Form nicht die geringste Gewähr gegen die Ansteckung. Auch 


Kleinere Mittheilungen. 1121 


unter den vielen sonst empfohlenen Schutzmitteln bieten nur wenige eine gewisse 
Sicherheit, und so muss jeder, der dem ausserehelichen Geschlechtsgenusse huldigt, 
mit der Möglichkeit, ja mit der Wahrscheinlichkeit einer Erkrankung rechnen. Wer 
aber von diesem Schicksal ereilt wird, der suche zu retten, was zu retten ist. Er be- 
gebe sich alsbald in sachverständige ärztliche Behandlung; er begnüge 
sich nicht mit dem quacksalberischen Rath angeblich „erfahrener“ Freunde, er werfe 
sich nicht den Pfuschern oder den verdächtigen Heilkünstlern in die Arme, die „Aus- 
wärtige brieflich heilen“ wollen, sondern er vertraue sich einem zuverlässigen Arzte 
an oder wende sich an die studentischen Krankenkassen, die an den meisten 
Hochschulen bestehen und eine sorgsame Behandlung sichern. So wird es in vielen 
Fällen gelingen, das Uebel zu heilen und die Gesundheit wieder herzustellen. Bis 
dieses Ziel aber erreicht, muss jeder geschlechtliche Verkehr unter- 
bleiben. So selbstverständlich das klingt, so nöthig erscheint es doch, dieso Pflicht 
ausdrücklich hervorzuheben. Wer gegen sie verstösst, macht sich sogar vor dem Ge- 
setz, aber sicherlich vor seinem Gewissen einer fahrlässigen oder selbst vorsätzlichen 
Körperverletzung und namentlich einer in hohem Maasse ehrlosen Ilandlung schuldig. 
Wir haben nur als Aerzte und Vertreter der Gesundheitspflege zu Euch ge- 
sprochen und die Gebote der Moral, so berechtigt sie auch erscheinen, völlig bei Seite 
gelassen. Aber es sei doch bemerkt, dass kaum an einem anderen Punkte sich zu den 
Schäden des Körpers so oft und so leicht solche des Charakters, der ganzen Denk- 
und Sinnesart gesellen, wie gerade hier. Darum hütet Euch und widersteht der 
Versuchung, indem Ihr zuletzt, aber nicht am wenigsten, auch der Forderungen 
eingedenk seid, die Euer Vaterland an Euch richtet. Ihr seid die edelste und kost- 
barste Jugendblüthe unserer Nation, auf Euch beruht die Hoffnung unserer Zukunft. 
Die hobe Sendung aber, zu der unser Volk vor anderen berufen erscheint, bedarf 
ganzer Männer, bedarf eines Nachwuchses, der gesund und fest sei an Leib und Seele. 
Discite moniti! 
H. Buchner (München). E. von Esmarch (Göttingen). Finkler (Bonn). 
B. Fischer (Kiel). C. Flügge (Breslau). Forster (Strassburg i. E.). 
C. Fraenkel (Halle a.S.). Gärtner (Jena). Gaffky (Giessen). M. Gruber (Wien). 
Heim (Erlangen). K. B. Lehmann (Würzburg). Lode (Innsbruck). 
Löffler (Greifswald). A. Neisser (Breslau). L. Pfeiffer (Rostock). 
R. Pfeiffer (Königsberg i.Pr.). Prausnitz (Graz). Schottelius (Freiburg). 
Wyss (Zürich). 


Stand der Seuchen. Nach den Veröffentlichungen des Kaiserlichen Gesund- 
heitsamtes. 1901. No. 43 u. 44. 

A. Stand der Pest. I. Italien. Neapel. 6. 10.: 1 Erkrankung. 9. 10.: 
1 Todesfall. Seitdem ist ein neuer Fall nicht mehr bekannt geworden. II. Gross- 
britannien. Glasgow. Nach einer Mittheilung vom 3. 10.: am 8. 8. erkrankte ein 
Arbeiter mit pestverdächtigen Erscheinungen, starb nach 10 Tagen; 20. oder 22. 8. 
erkrankte unter gleichen Symptomen ein l3jähriger Knabe, es wird bei ihm Pest fest- 
gestellt; am 23. 8. und 10. 9. erkrankten dessen Vater und Schwester, ersterer stirbt 
am 27. 8. Am 11, 9. erkrankte und starb am 17. 9. eine Wärterin, die die kranken 
Kinder gebadet und mit deren Kleidern zu thun gehabt hatte. Andere Erkrankungen 
sollen weiter nicht vorgekommen sein. HI. Türkei. Galata, Vorstadt von Konstanti- 
nopel. 19. 10.: in einem Haus 4 Erkrankungen, 1 Todesfall. Auf einem Dampfer der 
Messageries maritimes erkrankte ein Schiffsjunge. Samsun. 2. 10.: 2 Erkrankungen, 
1 Todesfall. IV. Aegypten. 4.--11.10.: Alexandrien 1 Erkrankung, 2 Todesfälle. 
Mit Gamr 3 Erkrankungen, 1 Todesfall. Ziftah 1 Erkrankung, 1 Todesfall. 11. bis 


1122 Kleinere Mittheilungen. 


18.10.: Alexandrien 3 Erkrankungen, 1 Todesfall. Mit Gamr 1 Erkrankung. \. 
K apland. 8.—21.9.: Port Elizabeth 10 Erkrankungen, 1 Todesfall, 3 verdächtige 
kamen unter Beobachtung. 22.—28.9.: Port Elizabeth: 1 Erkrankung, 1 Pestleiche 
wurde aufgefunden. VI. Mauritius. 9.8.—5.9.: 11 Erkrankungen, 8 Todesfälle. VIL 
Britisch-Ostindien. Präsidentschaft Bombay. 15.—21.9.:7144 Erkrankungen, 
5207 Todesfälle. 22.—28.9.: 9342 Erkrankungen, 6653 Todesfälle. Stadt Bombay. 
15.—21.9.: 202 Erkrankungen, 244 Todesfälle, die Zahl der pestverdächtigen Sterbe- 
fälle betrug 149, die Gesammtzahl der Todesfälle 914. 22.—28.9.: 205 Erkrankungen, 
224 Todesfälle, von insgesammt 912 Sterbefällen waren 183 pestverdächtige. Surat, 
Hafenort in der Präsidentschaft Bombay. 23.9.: 2 Todesfälle. Kalkutta. 8.—14.9.: 
18 Todesfälle. 15.—21. 9.: 13 Sterbefälle. VIII. Argentinien. Buenos Aires. 
20. 10. auf einem Dampfer aus Asuncion I Pestfall. IX. Brasilien. Rio de Ja- 
neiro. Nach einer Mittheilung vom 6. 9. soll das Gebäude eines Zeitungsgeschäftes 
behördlich geschlossen worden sein, weil mehrere Angestellte an Pest erkrankt sind. 
X. Queensland. Seit Mitte August sollen neue Pestlälle nicht mehr gemeldet 
worden sejn. XI. Neu-Kaledonien. 2.—7. 10.: Numoa 1 Todesfall. 

B. Zeitweilige Maassregeln gegen Pest. Deutsches Reich. Kiau- 
tschou-Gebiet. Die Quarantäne gegen Port Arthur ist durch Verfügung vom 2.1. 
aufgehoben worden. Unter dem 22.7. ist die Kontrole aller in den Hafen von Tsingtau 
einlaufenden chinesischen Fahrzeuge verfügt worden. 

C. Stand der Cholera. I. Britisch-Ostindien. Kalkutta. 8.—14.9.: 
8 Todesfälle. 15.—21.9.: 12 Todesfälle. II. Niederländisch-Indien. 1. Java, 
Stadt und Bezirk Soerabaya. 23. 5.—31. 8.: 1880 Erkrankungen, 1153 Todes- 
fälle. 8.—14.8.: 305 Erkrankungen, 197 Todesfälle. Batavia. 25.6.—23.8.: 271 Er- 
krankungen. 24. 8.—17. 9.: 201 Erkrankungen, 184 Todesfälle. Samarang. 22.8. 
bis 20.9.: 853 Erkrankungen, 523 Todesfälle. Tegal. 1.8.—10.9.: 72 Erkrankungen, 
54 Todesfälle. Indramajoe. 21.8.—10.9.: 77 Erkrankungen, 60 Todesfälle. Peka- 
longan. 1.—27.8.: 35 Erkrankungen, 14 Todesfälle. Probolingo. 8.—10.9.: 2 Er- 
krankungen, 1 Todesfall. 2. Borneo. 1.—31.8.: Baudjeumasin 100 Erkrankungen, 
69 Todesfälle. 3. Sumatra. Palembang. 13.7.—31.8.: 87 Erkrankungen, 52 Todes- 
fälle. Padang. 1.—8.9.: 1 Erkrankung, 1 Todesfall. 

D. Stand der Pocken. Italien. Messina. Im September nur noch $ Er- 
krankungen und 1 Todesfall. i 

E. Unterleibstyphus. Italien. Messina. Im September 18 Erkrankungen 
mit 7 Todesfällen. 

F. Gelbfieber. I. Brasilien. Rio de Janeiro. 5.—18. 8.: 2 Todesfälle. 
Pernambuco. 16.7.—15.8.: 1 Todesfall. II. Mexiko. Progreso. 24.—31.8.: 1 Er- 
krankung. Vera Cruz. 1.—29.9.: 8 Erkrankungen, 4 Todesfälle. Merida. 29.7. bis 
14.9.: 5 Todesfälle. III. Costa Rica. Port Limon. 8.—14.9.: 1 Erkrankung. IV. 
Trinidad. Am 1.10.: 1 Erkrankung. V. Haiti. Port au Prince. 20—26.8.: 1 Er- 
krankung, 1 Todesfall. VI. Cuba. Havana. 1.—14.9.: 2 Erkrankungen. 15.—28.9. : 
4 Erkrankungen, 2 Todesfälle. Matanzas. 1.—14. 9.: 1 Erkrankung, 1 Todesfall. 
Santjago. 20.9.: auf dem Danıpfer „Ethelbryhta“ 6 Erkrankungen, 1 Todesfall. 
Deiquiri. 8.—14. 9.: 1 Erkrankung. Jacobitz (Halle a. S.). 


Beilage zur „Hygienischen Rundschau“, 
x. Jabrgang. Berlin, 15. November 1901. i No. 22, 


Verhandlungen der Deutschen Gesellschaft für öffentliche Gesundheitspfiege 
zu Berlin:). Ä 


Sitzung vom 28. Januar 1901. Vorsitzender: Herr Wehmer, Schriftführer: 
Herr Proskauer. 

Prof. Dr. Lassar: Ueber den Stand der Volksbäder. 

M. H.! Es ist mir eine besondere Ehre, in dieser durch ihre Vitalität so 
bedeutsamen Gesellschaft und gleichsam im Namen derselben über Volks- 
bäder sprechen zu dürfen. Es könnte befremdlich erscheinen, dass man in 
unserem Kreise über eine vom hygienischen Standpunkt so selbstverständliche 
Frage hier noch das Wort nehmen muss, wenn sich nicht die Hoffnung daran 
knüpfte, dass von uns aus ein weiterer Wiederhall sich fortpflanze, der dazu 
beitragen soll, das Interesse für diese Sache, die Nothwendigkeit derselben 
immer wieder von Neuem zu betonen und gebührend hervorzuheben. Denn 
sonst könnte man ohne Weiteres annehmen, dass in dieser Versammlung nichts 
gesagt werden kann, was nicht jeder selbst längst weiss. Aber wenn diese 
Gesellschaft als solche einmüthig gerade in dieser Angelegenheit ibre Stimme 
erhebt, so wird das gewiss einen recht hervorragenden Nachball in der Oeffent- 
lichkeit finden. Die Wahl mag auf mich vielleicht deshalb gefallen sein, weil 
man weiss, dass ich mich seit beinahe zwei Jahrzehnten um diese Angelegen- 
heit bemühe, und wenn Sie fragen, weshalb ein so geringer Erfolg sich an 
die Bestrebungen der Gleichgesinnten angeschlossen, so wollen Sie daraus ent- 
nehmen, wie ungemein schwer es ist, die Initiative grosser Mengen nach einer 
so selbstverständlichen Richtung hin in Fluss zu bringen. Alles über Volks- 
bäder erscheint so selbstverständlich, dass man kaum mehr das Ohr dafür 
findet, und andererseits sind die Schwierigkeiten, allgemeine Beschlüsse dieser 
Art in die That zu leiten, durch materielle Verhältnisse und die Schwerfälligkeit 
korporativer Gesellschaften recht grosse. So ist trotz allem, was in den letzten 
20 Jahren geschehen sein mag, die Sache nur ungemein langsam vorgerückt, und 
diesem Tempo von Zeit zu Zeit einen neuen Impuls zu geben, erscheint mindestens 
sehr nothwendig. Sie wissen Alle, dass eigentlich erst seit den 80er Jahren 
das Interesse für die Volksbäder neu aufgetaucht ist und gerade Berlin es 
war, das bei Gelegenheit der hygienischen Ausstellung einige Anregungen bot. 
Für die Gruppe „Badewesen“ der Ausstellung gab es s. Z. wenig Ausstellens- 
werthes, ausser den bekannten Anstalten, die in grossen Städten bereits vor- 
handen waren. Somit musste etwas Neues geschaffen werden, und da 
kam mir der Gedanke, die in der Armee eingeführten Bäder in der Gestalt 


1) Alle auf die Herausgabe der Verhandlungen der Deutschen Gesellschaft für 
öffentliche Gesundheitspflege zu Berlin bezüglichen Einsendungen u. s. w. werden an 
die Adresse des Schriftführers der Gesellschaft, Prof. Proskauer, Charlottenburg. 
Ublandstr. 184, I, erbeten. Die Herren Autoren tragen die Verantwortung für Form 
und Inhalt ibrer Mittheilungen. 


1124 Verhandl. der Deutschen Gesellschaft für öf. Gesundheitspfl. zu Berlin. 


der Volksbäder aufzunehmen. Wir (d. h. Herr David Grove, mehrere Firmen 
und ich selbst) stellten damals die bekannte kleine Anstalt her, das Well- 
blechbrausebad, dessen Herstellung 6300 Mk. kostete und dessen Frequenz 
sich auf 10000 Badende belief. Gezeigt sollte werden, dass man in der 
einfachsten Form und Bescheidung etwas leisten könne. Dabei war als 
neues Princip der Zehnpfennigtarif eingeführt worden. Die ökonomische 
Wirthschaft, namentlich ein sparsamer Wasserverbrauch ermöglichten, die 
Betriebskosten aufzubringen. Uebrigens diente die Anstalt in der Ausstellung 
nur als Versuchs- und Anregungsobjekt. Diesem Zweck hat sie reichlich ent- 
sprochen. Nur machte sich gleich der heute noch zu Recht bestebende Ein- 
wand geltend, dass das Brausebad dem Wannenbad nachstehe, dass es ange- 
nehmer sei, ein Wannenbad mit Brause zu nebmen, als nur Brause allein. 
Aber es galt gar nicht, diesen Gegensatz auszufechten. Das Wannenbad ist 
eine Einrichtung, die jeder sich gewähren wird, wenn die Mittel dazu aus- 
reichen, und für die besser gestellte Bevölkerung war von vornherein kein 
Zweifel in dieser Beziehung. Es sollte nicht grundsätzlich zwischen Wannen- 
und Brausebädern unterschieden werden, nur musste dem absoluten Mangel an 
Badegelegenheit für die unbemittelten Klassen abgeholfen werden. Jede Ge- 
sellschaft und jede Gemeinde wird leichter das Interesse der geldbewilligenden 
Kreise finden, wenn man etwas ästhetisch Schönes anbietet, grosse Hallen und 
Schwimmbassins von architektonischer Vollendung. Aber dies lässt sich in 
grossem Maassstab erst fordern, wo die materielle Unterlage gegeben ist. So- 
weit möchte ich nach wie vor den Satz verfechten: lieber ein einfaches 
Brausebad als gar keine Bäder, und lieber die Masse der Bevölkerung 
mit einfachen Zurichtungen befriedigen als ihr alles vorenthalten, nur weil 
den meisten ein schönes Schwimmbad oder ein Wannenbad einladender als 
ein Brausebad erscheint. Jedenfalls hat allein die Einführung der Volksbrause- 
bäder in vielen Städten Deutschlands und des Auslands dem Gedanken an die 
Nothwendigkeit einer Neubelebung des Badewesens Ausdruck gegeben. In 
einer wachsenden Reihe von Ortschaften sind Volksbäder, Arbeiterbäder, Schul- 
bäder dieser Art eingeführt worden und haben dazu beigetragen, den Wunsch 
nach weiterer Ausgestaltung lebendig zu erhalten, wenn auch einstweilen noch 
nicht in so weiten Kreisen, wie es wünschenswerth erschiene. Es giebt eine 
so grosse Anzahl Forderungen der Öffentlichen Wohlfahrt, welche dringender 
als die Ausgestaltung des Volksbadewesens erscheinen. Im heissen Sommer 
zwar sind alle Volksbäder überfüllt. Aber sonst, so hört man vielfach ein- 
wenden, werden die Bäder nicht genügend benutzt, die Nachfrage ist zu unbe- 
deutend; wozu neue Bauten, wenn die Bevölkerung nicht genügenden Gebrauch 
von den bestehenden macht. Jedoch sind für die Benutzung auch vielfach 
sachliche und örtliche Gründe maassgebend. Das Volksbrausebad in Danzig 
z. B. ist von einer recht primitiven Einrichtung und liegt ganz ausserhalb des 
Verkehrs am Stadtrande. Anders in Wiesbaden, Frankfurt a. M., Hamburg. 
München, Magdeburg, Dresden, wo die Anstalten weit besser gelegen und io- 
stallirt sind. 

Das sind Gründe, die sich aus der Erfahrung sammeln. Es kommt noch 
dazu, dass das Bedürfniss häufiger Reinigung doch im Laufe der Jahrhunderte 


Verhandl. der Deutschen Gesellschaft für öff. Gesundheitspfl. zu Berlin. 1125 


eine Abgewöhnung erlitten hat. Man weiss vielfach kaum mehr, dass man 
ausserhalb der täglichen Wäsche noch baden sollte. Die Arbeiter rechnen 
dies Opfer nicht in ibren Etat hinein; hierzu kommt ferner: die aus staubiger 
Arbeit Heimkebrenden haben keine Neigung, ihre beschmutzte Kleidung und 
Wäsche wieder anzulegen, nachdem sie sich eben gesäubert haben. Im Hause 
nimmt man die grosse Reinigung 1—2 mal in der Woche vor und zieht dann 
reine Wäsche an. Deshalb werden die Arbeiterbäder in den Fabriken auch 
nicht in dem wünschenswerthen Grade ausgenutzt. Jedenfalls nicht in dem 
Maasse, dass man sich sagen sollte, der Arbeiter badet und dann geht er rein 
nach Hause, das kann er nicht. In grossen Fabriken wird es gewiss besser 
mit der Reinlichkeit werden, wo die Arbeiter den Arbeitsanzug ablegen und 
nach dem Brausebad sich frisch wieder ankleiden können. Dazu kommen 
ferner die weiten Wege, die Knappheit und Kostbarkeit der Zeit. Man soll 
einen grossen Umweg machen, und dazu fehlt Zeit wie Geld. Das Bad sollte 
thunlichst direkt am Wege liegen. Sonst kann nur eine kleine Quote der 
Bevölkerung eine Anstalt nach Gebühr ausnutzen. 

Was nützt denn schliesslich alle Sorgfalt, mit der unsere Städte gesäubert, 
die Kanalisation, die Abfuhr geregelt, die Ventilation gehoben wird, wenn der 
Mensch selbst es an der einfachsten Reinlichkeit fehlen lassen muss, und wie 
gering ist andererseits der Aufwand, um für genügende Volksbäder zu sorgen 
gegenüber den Millionen, die sonst für die Assanirung thatsächlich aufge- 
wendet werden. Es erübrigt hier Zahlen anzugeben, aber mit einer einzigen 
Million würde man Berlin mit genügenden Badegelegenheiten versorgen können, 
In Berlin wird ja thatsächlich mehr hierfür ausgegeben, fast jede einzelne der 
neuen städtischen Anstalten erfordert diesen Aufwand. Aber dieselben sind 
nur für einen geringen Bruchtheil der Bevölkerung erreichbar. Darum bleibt 
zu erwägen, ob man nicht zwischen diese grossen monumentalen An- 
stalten eine Reihe von kleinen schieben soll. Wenn unsere Gesellschaft 
hierfür eintritt, so würde sicher dieser Ruf nicht ungehört verhallen. Wenn man 
die Bäder, die wirklich existiren, ausnützte, oder umgekehrt, wenn die Leute, 
die baden sollten, sich entschlössen, dies regelmässig zu thun, so würde ja eine 
förmliche Wassernoth eintreten. Eine Kalamität besteht u. A. darin, dass die 
Leute nicht an allen Tagen baden, sondern sich vielmehr in allen Badean- 
stalten die Bevölkerung am Sonnabend Abend und Sonntag Morgen zusammen- 
drängt. Auch bier ist eine Abhilfe denkbar, wenn man die Bäder in der 
Woche billiger als sonst abgäbe. 

Bei einer von der Deutschen Gesellschaft für Volksbäder angestellten statisti- 
schen Erhebung hat sich herausgestellt, dass in ganz Deutschland nur 3000 Warm- 
Badeanstalten in Gestalt von Schwimm-, Wannen- und Brausebädern existiren. 
Das ist nicht viel. Berlin hat vach der alten Volkszählung 1 700000 Einwohner, 
in ganzBerlin giebt es 71 Badeanstalten — 9 Schwimmbassins, 14 bis 1500Wannen- 
bäder. Nun stelle man sich vor, dass alle Berliner an einem Sonnabend Abend 
baden wollten! Es giebt 207 Brausebäder, was dem vorhandenen Badebedürf- 
niss, nachdem es erst einmal geweckt worden ist, gewiss nicht genügt. Es 
kommt ausser den Schwimmbädern auf ca. 1000 Personen eine Badegelegenheit, 
sei es Brause oder Zelle. Bemerkenswerth ist, dass die Provinz Branden- 


1126 Verhandl. der Deutschen Gesellschaft für Öff. Gesundheitspfl. zu Berlin. 


burg gar nicht viel schlechter daran ist als Berlin. In der Provinz Branden 
burg giebt es zwar 40 Orte mit über 3000 Einwohnern, die gar keine Bade- 
anstalt haben, dagegen 100 Orte, welche Badeanstalten besitzen; es sind darunter 
6 Schwimmhallen, 977 Wannenbäder, 201 Brausen, so dass auch hier das 
Verhältniss von 1 auf 1000 fast erreicht wird. Ueberhaupt ist Brandenburg 
die badefreundlichste Provinz in Preussen. Am ungünstigsten daran sind West- 
und Ostpreussen. Bei ihnen kommt auf 31—36 000 Personen eine einzige 
Badeanstalt, während in der Provinz Brandenburg auf 16000 Personen eine 
Badeanstalt zu rechnen ist. Dann reiht sich gleich die Rheinprovinz an. Sie 
hat eine Badeanstalt auf 30000 Personen. In Köln und Düren und in einer 
Reihe von anderen heimischen Industriestädten giebt es zwar schöne Bade- 
anstalten, aber die meisten anderen Orte mangeln jedweder Badegelegenheit. Man 
kann noch sonst Städte nennen, die keinerlei Badeanstalt besitzen: Culmsee mit 
18 000 Einwohnern, Gransee mit 7000, Schwiebus, Nakel, Freiburg in Schlesien, 
die Stadt Lüben, wo ein ganzes Dragonerregiment steht, mit 10000 Ein- 
wohnern. Auch eine Stadt mit 55 000 Einwohnern, wie Königshütte, besitzt 
keine öffentliche Badeanstalt; hier existiren wohl Brausebäder für die Hütten, 
stehen aber dem öffentlichen Gebrauch nicht offen. Langensalza ist eine Stadt 
mit 12000 Einwohnern ohne Badeanstalt. Geestemünde mit 17000 Fin- 
wohnern hat gar keine Badeanstalt, ebensowenig Lehr und Rosslau, Kissingen, 
Nanheim, Bingen, und aufs würdigste schliesst sich ihnen Schöppenstedt an. 

1/g aller vorhandenen Anstalten sind kommunal, 1/, gehören gemeinnützigen 
Gesellschaften, 2/; sind privat; ohne Entwickelung des Privat-Bäderwesens ist 
eine Hebung der ganzen Angelegenheit nicht denkbar, und es sollte Alles 
geschehen, um die Installation und Betriebsführung privater Bäder zu fördern, 
statt sie durch einheitliche kommunale Konkurrenz zu drücken. Orte mit 
öffentlichen Badeanstalten giebt es 1550, und Orte mit über 3000 Einwohnern, 
welche keine Badeanstalt besitzen, 721. Es giebt 33 Millionen Deutsche, in 
deren Wohnorten sich gar kein öffentliches Warmbad befindet. Das ganze 
platte Land entbehrt der Badeanstalten. 

Die Schulbäder werden manchmal in den neuen Schulen eingerichtet. Aber 
die alten Schulen, in denen keine Bäder, bleiben meist wie sie waren. Werden 
neue Schulen errichtet, so kommen die Bäder immer nur der peripheren Be- 
völkerung zu gute. Die Schüler in den bereits bestehenden Anstalten und die 
Gymnasiasten gehen ganz leer aus. Auch giebt es in den Häusern nur aus- 
nehmend wenig Badezimmer, und trotzdem läge die eigentliche Lösung der 
Frage darin, dass man überall über Hausbäder verfügt. Es braucht ja nicht 
jede einzelne Arbeiterwohnung mit einer Wanne ausgestattet zu werden. Es 
giebt überall eine Waschküche, warum soll es da nicht in jedem Hause eine 
Badeküche zur Benutzung für alle Miether geben? Die Bewohner können mit 
der Benutzung der Badewanne abwechseln, wie das mit der Waschküche und 
dem Trockenboden zu geschehen pflegt. Eine Schwimmanstalt ist gewiss eine 
schöne Institution, hat aber mit der Reinlichkeitsfrage nur wenig za than. 
Wenn z.B. in den Schwimmhallen zu Breslau 180000 Bäder p. a. gegeben 
werden, wie viele Einzelpersonen haben dann diese Bäder genommen? Jeder, 
der den Schwimmsport treibt, badet einige Male in der Woche. Wenn 


Verhandl. der Deutschen Gesellschaft für ötf. Gesundheitspil. zu Berlin. 1127 


das viele thun wollten, würden die Badeanstalten schon lange nicht mehr aus- 
reichen. 

Es muss noch betont werden, dass schlecht eingerichtete Badeanstalten 
keinen Werth haben. Diese Art der Sparsamkeit sollte verlassen werden. 
Badeanstalten nutzen sich sehr schnell ab, und eine einladende Form aus 
solidem Material mit guten Kacheln und blitzendem Messingwerk ist wenig 
theurer, jedoch viel haltbarer und zweckentsprechender. 

So geht meine Aufforderung dahin, die Deutsche Gesellschaft für öffent- 
liche Gesundheitspflege wolle ihre ganze Autorität dafür einsetzen, dass auf 
die mangelnde Anzahl von Volksbädern in Deutschland aufmerksam 
gemacht werde. Sie möge namentlich für kleine, aber gut gehaltene Anstalten 
und die Forderung von Privat- und Hausbädern ihre Stimme erheben. 


Diskussion. 


Herr Jarislowsky ist der Meinung, dass die Kommunen besser thäten, eine 
grössere Zahl kleinerer Bäder einzurichten, als wenige Anstalten mit allem Comfort 
auszustatten. Würde sich in Berlin ein grosses Netz von Brausebädern ausdehnen, 
so würde der Allgemeinheit damit viel mehr geholfen sein, als es jetzt mit einer ge- 
ringen Zahl sehr grosser Bäder geschehe. 

Herr Becher weist auf den Umstand hin, dass das Baden der Arbeiter dadurch 
behindert werde, dass sie nicht in der Lage seien, ihre Wäsche und Kleidung zu 
wechseln. In Frankreich sei man auf dem Wege, etwas Aehnliches wie das Berliner 
Asyl zu schaffen, so dass die Arbeiter, während sie baden, sich die Kleider säubern 
lassen können. Die Bewegung sei noch in Fluss, in Deutschland sollte man dieser 
Frage Aufmerksamkeit zuwenden. Hausbäder seien besonders in grossen Fabriken für 
die Arheiter und deren Familien eingerichtet und bewähren sich bei einfachem Be- 
triebe sehr gut. 

Herr Lassar bestätigt, dass man in Frankreich in letzter Zeit vorwärts gegangen 
sei, besonders in Bordeaux; er hält die geplante Einrichtung für ideal und sehr wün- 
schenswerth, aber den Betrieb unverhältnissmässig erschwerend. Es gebe eine Menge 
solch ausgezeichneter Dinge, aber recht wenig Geld. Deshalb müssten die Forderungen 
auf das denkbar einfachste Maass gestellt werden. Jeder gebe immer ein neues Recept, 
aber der gemeinsame Marsch sollte am besten dahin gehen, was Alle haben können. 

Herr Orth regt an, die Wünsche betreffs der Volksbäder in einer Resolution 
oder in Leitsätzen zusammenzufassen und die Landdistrikte besonders zu berück- 
sichtigen. 

Herr Lassar schlägt vor, anstatt jetzt eine Resolution zu improvisiren, die 
Angelegenheit noch weiter vorzubereiten und dann in einer dem Vorstande des Vereins 
genehmen Weise an die Oeffentlichkeit zu geben. 

Herr Mugdan hält den Erfolg der Bewegung deswegen fürsogering, weilthatsäch- 
lich ein recht grosser Theil der arbeitenden Bevölkerung keine Sehnsucht nach Bädern 
habe. Als erstes Postulat müsse die Errichtung von Schulbädern gestellt werden, da 
hierdurch die Kinder von Jugend auf an Reinlichkeit gewöhnt würden. 

Herr Bernstein glaubt, dass eine Resolution wenig Erfolg haben werde. Er 
habe bereits vor 10Jahren auf die hervorragendenVerdienste Lassar’s um diese Frage 
aufmerksam gemacht und sich mit einer Petition, die in einer von 1000 Personen be- 
suchten Arbeiterversammlung gefasst sei, an den Berliner Magistrat gewendet. Die 
Petition sei niemals beantwortet worden. Der heutigen platonischen Schwärmerei 
könnte vielleicht dasselbe Schicksal bei den maassgebenden Behörden beschieden sein. 


1128 Verhandl. der Deutschen Gesellschaft für öf. Gesundheitspfl. zu Berlin. 


Herr Waldschmidt möchte das Baden nicht als „platonische Schwärmerei® 
aufgefasst wissen, und ist ebenfalls der Ansicht, in einer Resolution die Forderungen 
zu fixiren. Mit der Errichtung von Schulbädern werde ja bereits bei der Erbauung von 
neuen Schulen vorgegangen. Die Bevölkerung müsse zum Baden herangezogen werden, 
dem Arbeiter müsse gezeigt werden, dass das Baden nicht nur zurReinlichkeit, sondern 
auch zur Vorbeugung von Krankheiten nothwendig sei. Die Volksbadeanstalt in Char- 
lottenburg bewähre sich so gut, dass die Errichtung einer zweiten bereits in Aussicht 
genommen sei; auch sei schon die Frage ventilirt worden, an Stelle von palastähn- 
lichen Anstalten kleinere Volksbrausebäder innerhalb der Centren und der Verkehrs- 
linien, die der Arbeiter täglich zu passiren habe, zu errichten. 

Herr Baer ist zwar der Ansicht, dass durch die Schulbäder die Jugend an das 
Baden gewöhnt werden könne, doch müssten dann auch für die herangewachsene 
Generation Bäder in ausreichender Zahl vorhanden sein. Die grossen Bäder verfehlen 
oft den Hauptzweck, und nur durch die Errichtung vieler kleiner Anstalten sei das 
Ziel zu erreichen. Der Staat verpflichte die Verwaltung jeder Gefangenenanstalt, ein 
Bad zu errichten, deshalb könne diese Forderung auch bei anderen auf dem Verwal- 
tungswege gestellt werden. Bei den Kreiskrankenhäusern mussten ebenfalls Badean- 
stalten errichtet werden. Die Agitation sei eine der dankenswerthesten. Die Resolution 
dürfte nicht auf ein lokales Verhältniss abzielen, sondern müsste ganz allgemein die 
Nothwendigkeit zum Ausdruck bringen, wie sehr das Baden erforderlich sei. Die Ge- 
sellschaft für Gesundheitspflege sei sicherlich berufen, ihr Wort für diese Frage ein- 
zulegen. ` 

Herr Lassar findet gerade die Anregung dankenswerth, durch die Schule in 
die Armee und ins Leben. Eine wissenschaftliche Gesellschaft dürfte nur Gesichts- 
punkte aufstellen, aber nicht die Ausführung ihrer Arbeit übernehmen. Diese Anre- 
gungen könnten dann von einer Agitationsgesellschaft, wie es diejenige für Volk 
sei, benutzt werden. Um zum Baden anzuspornen, sei in erster Linie die mächtig 
Gemeinschaft der Krankenkassen berufen. Die Regierung allein könne nicht für diese 
Frage in Anspruch genommen werden. Die Ressortminister haben sich bisher dieser 
Frage wenig geneigt gezeigt, viel mehr kommen hierbei die Regierungspräsidenten in 
Betracht, die mit Leichtigkeit eine Förderung in dieser Beziehung herbeiführen könnten. 
Auch durch Legate an die Deutsche Gesellschaft für Volksbäder könne viel erreicht 
werden. 

Der Vorsitzende Herr Wehmer stellt durch Abstimmung die Geneigtheit der 
Versammlung fest, eineResolution zu fassen, und bittet den Referenten, in der nächsten 
Sitzung eine geeignete Resolution vorzuschlagen. 


Sitzung vom 25. Februar 1901. Vorsitzender: Herr Schaper, Schriftführer: 
Herr Proskauer. 

Herr Schaper: Da ich zum ersten Male an diesem Platze stehe, halte 
ich es zunächst für meine Pflicht, Ihnen meinen Dank für die Ehre abzu- 
statten, dass Sie mich zu Ihrem Vorsitzenden gewählt haben. Ich kann nicht 
leugnen, dass ich schwankend gewesen bin, ob ich diese Ehre annehmen 
sollte. Mit diesem Amte sind Pflichten verbunden, und es war mir zweifel- 
haft, ob ich in der Lage sein würde, diese Pflichten zu erfüllen. Aber in 
dem Gedanken an meine beiden Vorgänger an dieser Stelle, Generalarzt Mehl- 
hausen und Geheimrath Spinola, habe ich geglaubt, mich Ihrem Rufe 
nicht entziehen zu dürfen, und will bemüht sein, Ihr Vertrauen durch meine 


Verhandl. der Deutschen Gesellschaft für öff. Gesundheitspil. zu Berlin. 1129 


Geschäftsführung zu rechtfertigen. An Arbeit wird es ja niemals fehlen, 
denn kein anderer Zweig unserer ärztlichen Kunst und Wissenschaft ist so 
beweglich wie die Hygiene, weil sie wie kein anderer mit dem öffentlichen 
Leben in innigster Beziehung steht. Die grossen Fortschritte der Industrie, 
sie reflektiren immer wieder von Neuem auf die Hygiene und regen neue 
Gesichtspunkte an, stellen uns neue Aufgaben, und ältere, scheinbar gelöste 
Aufgaben erscheinen wieder in neuem Lichte. Ich will nur an einen Gegen- 
stand erinnern, der mich gerade in den letzten Tagen beschäftigte, das ist 
der grosse Fortschritt, den die Kohlenindustrie gemacht hat, die Verweudung 
von Schwefelkohlenstoff, dessen Gefahren zu beseitigen noch nicht gelungen 
ist. Das wird wieder eine neue Aufgabe der Hygiene und Gesetzgebung sein. 
Dann erinnere ich an die Wasserversorgung grösserer Städte, die bereits voll- 
kommen gelöst erschien. Aber die ausserordentlich rasche Ausdehnung Berlins, 
das Anwachsen der örtlichen Anlagen hat die Frage wieder aufgerollt, und 
sie harrt noch ihrer endgültigen Beantwortung. So könnte ich noch eine Reihe 
von Gegenständen anführen, die zur Besprechung nothwendig erscheinen. Ich 
will nur bemerken, dass es mein Bemühen sein wird, die im Vordergrunde 
des Interesses stehenden Fragen zur Sprache zu bringen, sei es in Form von 
Vorträgen, sei es in Form der Diskussion. Dazwischen werden einzelne an- 
dere Themen zur Verhandlung kommen können. 

Bevor wir in die Tagesordnung eintreten, habe ich noch des Hinscheidens 
Max von Pettenkofer’s hier zu gedenken, dessen Nachricht um so erschüt- 
ternder auf uns wirkte, als der Tod unter so ausserordentlich betrübenden 
Umständen erfolgte. Wenn wir heute mit Stolz auf die ausserordentliche 
Entwickelung der Hygiene blicken können, die zu einem mächtigen Bau empor- 
gewachsen ist, in welchem auch wir uns wohnlich eingerichtet haben, so ist 
das in erster Linie das Verdienst Pettenkofer’s, der die Steine zu seinen 
Grundlagen zusammengetragen hat. Er ist uns auch darin vorbildlich ge- 
worden, dass er in einer geradezu klassischen Form die Ergebnisse seiner 
streng wissenschaftlichen Forschungen auch den gebildeten Laien in verständ- 
lichster Weise vor Augen führte. Ich bitte die Anwesenden, unser unvergess- 
liches Ehrenmitglied dadurch zu ehren, dass Sie sich von Ihren Plätzen er- 
heben. (Geschieht.) 

Ich habe Ihnen endlich noch mitzutheilen, dass die von Ihnen in den 
Vorstand gewählten Herren sämmtlich das Amt angenommen haben. 


Es folgt darauf die 


1. Fortsetzung der Diskussion zu dem Vortrage des Herrn Prof. Dr. Lassar 
„Ueber den Stand der Volksbäderfrage“, sowie über die im Druck vorliegenden 
„Leitsätze zur Volksbäderfrage“, die Herr Lassar einleitet. Derselbe bringt in Erinne- 
rung, dass aus der Gesellschaft heraus der Wunsch laut geworden sei, die von ihm 
vorgetragenen Ansichten in Thesen oder Leitsätze zusammenzufassen. 

Wenn in diesen Leitsätzen gesagt ist, dass bis jetzt noch nicht ausreichende 
Gelegenheit zum Baden vorhanden sei, so sei das nicht unwesentlich, besonders in 
Berlin, wo man jederzeit die Antwort höre, dass die Stadt bereits genügend versorgt 
sei. Trotz aller Anerkennung des Gebotenen könne man doch hierin anderer Ansicht 
sein. Er sei auch aufgefordert worden, auf die Denkschrift des Vereins der Bade- 


1130 Verhandl. der Deutschen Gesellschaft für öf. Gesundheitspfl. zu Berlin. 


anstaltbesitzer Rücksicht zu nehmen. Nun liege der Gesellschaft zwar fern, in die 
wirthschaftliche 'Thätigkeit der Privatanstalten einzugreifen, widerspreche es doch 
durchaus der Aufgabe der öffentlichen Gesundheitspffege, die private Thätigkeit zu 
schädigen; vielmehr sollte man denselben möglichst entgegenkommen, da auch sie 
als Träger und Förderer der von der Gesellschaft ausgesprochenen Bestrebungen zu be- 
trachten sind. Je mehr und je besser eingerichtete Privatanstalten es giebt, um s 
besser für die Hebung des Gesammt-Badewesens einer Stadt. Volksbäder und Privat- 
anstalten sind nicht als Konkurrenten, sondern als kollegiale Einrichtung aufzufassen. 

Herr Herzberg hält den Gedanken des Vortragenden über Ilausbäder für sehr 
glücklich, welche den Miethern des Hauses wie die Waschküche in einem bestimmten 
Turnus überlassen werden sollten. Das würde ein grosses Kulturmittel sein. Doch 
sei für grosse Sauberkeit der Badeküchen Sorge zu tragen. 

Herr Lassar verweist auf das Stenogramm der vorigen Sitzung, aus welchem 
der Vorredner ersehen könnte, dass diese Frage genau in dem gleichen Sinne erörtert 
worden sei. Eine ungenügende Reinigung der Badeküche würde immer noch besser 
sein, als wenn gar nichts vorhanden wäre. 

Herr Herzberg bittet in die Leitsätze einzuschalten: 
für Miethshäuser*. 

Herr Orth ist der Ansicht, dass man die wirthschaftliche Seite der Frage nicht 
ganz ausser Acht lassen dürfe. Das Bad werde auf dem Lande sehr vermisst, unì in 
jedem Dorfe müsste die Möglichkeit eines Bades gegeben werden. Der Grossgrund- 
besitzer, der die Wohlfahrt auf dem Lande pflegen und die Landflucht beseitigen wolle, 
müsse für die Wohlthat eines warmen Bades sorgen. Er (Redner) gebe anheim, in 
ähnlicher Weise wie die Baugesellschaften vorzugehen, d. h. Skizzen und Pläne von 
Badeanstalten mit Preis zu veröffentlichen und die Firmen mitzutheilen, von denen 
die Einrichtungen bezogen werden können. Die Firmen würden gern die Clichés zu 
diesem Zwecke zur Verfügung stellen. 

Herr Lassar will den Herzberg’schen Vorschlag in die Worte fassen: „in 
allen Miethshäusern und anderen Neubauten“. 

llerrSchaper giebt der Besorgniss Ausdruck, die Baderäume würden in grossen 
Miethshäusern nicht immer sauber gehalten werden, sondern ebenso unsauber aus- 
sehen wie die Waschküchen. In grösseren Häusern sollte in den einzelnen Etagen für 
Bäder Vorsorge getroffen werden. 

Herr Lassar schlägt deshalb vor einzufügen: „sauber zu haltende Hausbäder“. 
Mit Bezug auf die Orth’schen Bemerkungen sei die Deutsche Gesellschaft für Volks- 
bäder in gleichem Sinne vorgegangen, allerdings mehr für die Städte. Der Verein 
würde die Anregung dankbar aufnehmen. Es würde sich empfehlen, in den Leitsätzen 
zu sagen: „sowie überall auf dem Lande“. 

Herr Guttstadt betont, dass man die wirthschaftliche Seite der Frage im Auge 
behalten müsse. Vor einigen ‚Jahren habe bereits eine freiwillige Vereinigung eine 
Besichtigung der Badeanstalten, auch der Hötelbäder, vorgenommen und das Ergeb- 
niss dem Polizeipräsidium überreicht. Auf die damalige Klage der Inhaber der Privat- 
badeanstalten, dass die Kosten für das Wasser sehr hohe wären, habe bereits diese 
Vereinigung sich an die Stadt mit der Bitte gewandt, den Inhabern das keitungswasser 
billiger anzurechnen. Damals sei der Bescheid ergangen, dass es sich um gewerbliche 
Unternehmungen handle, bei denen man mit Rücksicht auf andere Unternehmungen 
keine Ausnahme machen dürfe. Jetzt sei aber das Wasser billiger, als damals. Er 
glaube, dass man die Inhaber der Badeanstalten aus dem Kreise der gewöhnlichen 
Gewerbetreibenden herausnehmen müsse, man würde ihnen sehr zu Hilfe kommen. 
wenn man ihnen — vielleicht von einem gewissen jährlichen Quantum ab — das 


„gemeinsame Hausbäder 


Verhandl. der Deutschen Gesellschaft für öf. Gesundheitspil. zu Berlin. 1131 


Wasser zu einem billigeren Preise abgeben würde. Er würde in den Leitsätzen sagen: 
„durch thunlichste Begünstigung der Privatbadeanstalten (z. B. billige Wasser- 
lieferung)". 

Herr Herzberg hält ein solches Vorgehen für aussichtslos. Da überall genug 
Grundwasser vorhanden sei, so liege für die Badeanstalten kein Bedürfniss mehr vor, 
das verhältnissmässig theure Wasser von der Stadt zu entnehmen. Die Stadt gehe 
grundsätzlich nicht von dem Kinheitspreis ab. 

Herr Marggraff räth auch davon ab, diesen Satz aufzunehmen. Die Besitzer 
von öffentlichen Badeanstalten sollten, wie bisher, als Gewerbetreibende betrachtet 
werden. Durch eine billigere Wasserlieferung seitens der Stadt würde nur der Vor- 
theil in erster Linie den Inhabern der Anstalten zu Gute kommen. Namentlich würde 
dieses Vorgehen den Hausbesitzern nicht passen, die dann ebenfalls billigere Wasser- 
lieferung beanspruchen würden. 

Herr Jaroslowski unterstützt die Ausführungen Guttstadt’s mit dem Hin- 
weis, dass die Bäder, wenn sie auch des Erwerbs wegen errichtet werden, doch der 
allgemeinen Hygiene zu Gute kommen. Die kleinen Inhaber seien in Berlin sehr schlecht 
gestellt, weil die Stadt ihnen sehr bedeutende Konkurrenz mache; zudem sei der Zu- 
spruch zu den privaten Badcanstalten ein viel geringerer geworden. Die grossen In- 
haber können sich gewiss Grundwasser überall beschaffen, aber die Besitzer kleinerer 
Badeanstalten würden die Kosten sicherlich scheuen. Es entspreche dem öffentlichen 
Interesse, wenn den privaten Inhabern auf irgend eine Weise Entgegenkommen be- 
wiesen würde. 

Herr Guttstadt hält die Ansicht des llerrn Marggraff nicht für zutreffend, 
da den Hauptvortheil aus der Wasserlieferung die Stadt habe. Die Begünstigung der 
Privatbadeanstalten sei eine platonische, wenn nicht irgend ein Punkt in den Leit- 
sätzen sich zu ihren Gunsten ausspreche. 

Herr Marggraff bittet vor allen Dingen, den Verein nicht als Verfechter von 
privaten Interessen mit hineinzuziehen. Die Badeinhaber müssten selbst zusehen, wie 
sie sich mit der Stadt abfinden. Für den Verein sei das höchste, dass dem öffentlichen 
Interesse gedient werden solle, und das eigentliche öffentliche Interesse sei, dass öffent- 
licho Badeanstalten unter öffentlicher Aufsicht bestehen. 

Herr Lassar hält es auch für nothwendig, den jetzigen Tenor festzuhalten. 
Die Badeanstaltsbesitzer würden zufrieden sein, wenn sich eine so hervorragende Ge- 
sellschaft ihren Interessen zuwende. Falls hier etwas präjudicirt würde, so sei da- 
mit diesen Kroisen eine Gegnerschaft geschaffen, welche gerade versöhnt werden 
soll. Ihren wirthschaftlichen Kampf müssten die Anstaltsbesitzer für sich allein 
durchfechten. 

Herr Schaper schliesst sich den Ausführungen Lassar’s vollständig an und 
hält auch die Fassung der Leitsätze für weit genug gegriffen. 

Herr Lassar verliest nunmehr die Leitsätze in dem veränderten Wortlaut. Die- 
selben lauten: 


Leitsätze zur Volksbäderfrage. 


Zur Hebung des Badewesens — als eines der wichtigsten Faktoren prak- 
tischer Gesundheitspflege — erachtet die Deutsche Gesellschaft für öffentliche 
Gesundheitspflege eine unablässige Vermehrung und Verbesserung der hierzu 
erforderlichen Einrichtungen für dringend geboten. In allen Miethshäusern 
und anderen Neubauten sauber zu haltende Hausbäder einzurichten, jeden 
Wohnort mit zahlreichen, insbesondere kleineren und für den Verkehr bequem 
gelegenen Badeanstalten zu versehen, durch Errichtung gemeinnütziger Vereine 


1132 Verhandl. der Deutschen Gesellschaft für öf. Gesundheitspil. zu Berlin. 


und Erwerbsgesellschaften, durch Schaffung kommunaler Bäder in kleineren 
und grösseren Städten, sowie überall auf dem Lande und durch thunlichste 
Begünstigung auch der Privatbadeanstalten das Bedürfniss körperlicher Rein- 
lichkeitspflege in der Bevölkerung zu wecken und demselben gerecht zu werden 
— dies sind gegenüber dem notorischen Mangel an Badegelegenheiten die 
geeigneten Mittel, welche zur Aenderung des jetzigen, in hohem Grade reform- 
bedürftigen Zustandes beitragen können. 


Ref. fragt, was nun mit den Leitsätzen geschehen soll, die nur in der weitesten 
Oeffentlichkeit wirksam sein können. Die Frage des Volksbäderwesens würde an Auto- 
rität gewinnen, wenn gerade von der Gesellschaft für öffentliche Gesundheitspflege 
die Leitsätze in die Oeffentlichkeit gingen. Seiner Meinung nach müssten die Thesen 
in vielen tausenden von Exemplaren ausgegeben werden; die Deutsche Gesellschaft 
für Volksbäder, die ja die Ergebnisse der Wissenschaft fördern wolle, würde gern die 
Kosten tragen helfen. 

Herr Schaper schlägt vor, den Antrag Lassar’s zu acceptiren. Wie weit die 
Deutsche Gesellschaft für öffentliche Gesundheitspflege hierbei gehen könne, darüber 
würde sich ja eine Verständigung erzielen lassen. 

Herr Lassar bittet, die Vorstände beider Vereine die näheren Vereinbarungen 
treffen zu lassen. Die Gesellschaft für Volksbäder werde nichts ohne die Sanktion der 
Deutschen Gesellschaft für öffentliche Gesundheitspflege vornehmen. 


Verlag von August Hirschwald, Berlin N.W. — Druck von L. Schumacher in Berlia. 


Hygienische Rundschau. 


Herausgegeben 
von 
Dr. Carl Fraenkel, Dr. Max Rubner, Dr. Carl @ünther, 
Prof. der Hygiene in Halle a/8. Geh. Med.-R., Prof. der Hygiene in Berlin. a. o. Profesor in Berlin, 


XI. Jahrgang. Berlin, 1. December 1901. 


W. 23. 


(Aus dem chemisch-mikroskopischen Laboratorium von Dr. M. u. Dr. Ad. Jolles 
in Wien.) 
Einiges über die Eiweisskörper. 
3 Von 
Docenten Dr. Adolf Jolles. 


1. 

Am Schlusse meiner in No. 20 dieser Zeitschrift erschienenen Abhandlung 
habe ich der Annahme Ausdruck gegeben, dass die harnstoffbildende Gruppe, 
die allen Eiweisskörpern in erheblich grösseren Antheilen gemeinsam ist, 
auch für die Funktionen des Eiweisses als Nahrungsstoff von grösserer Wich- 
tigkeit ist. Um für diese meine Annahme einen Beweis auf experimentellem 
Wege zu erbringen, habe ich mit zwei Eiweisskörpern Ernäbrungsversuche 
vorgenommen!), und zwar wählte ich hierzu zwei Eiweisskörper, deren Ver- 
halten bei der Oxydation eine möglichst grosse Verschiedenheit aufwies: das 
Casein und das Fibrin. Das Casein giebt bei der Oxydation ca. 78 pCt. 
Stickstoff als Harnstoff, das Fibrin ca. 45 pCt. Stickstoff als Harnstoff. Es 
handelte sich nun darum, festzustellen, in wieweit sich dieser Unterschied 
bei der Verarbeitung dieser Eiweisskörper im Organismus geltend mache. 
Die angestellten Versuche bezogen sich einzig und allein auf die Ausnützung 
des Stickstoffes und sind überhaupt nur als Vorversuche zu betrachten. 
Gemäss der mir gestellten Aufgabe wurde der Versuch in zwei Perioden 
gegliedert, und zwar in eine Fibrioperiode und eine Caseinperiode. Als Ver- 
suchsperson diente der Institutsdiener J. E., ein 41jähriger, gesunder Mann, 
welcher Lust und Liebe zur Vornahme solcher Versuche zeigt und absolut 
verlässlichen Charakters ist. Um das Fibrin und das Casein in möglichst 
angenehmer Weise verabreichen zu können, wurden aus diesen Eiweisskörpern 
Cakes gebacken. Wenn wir die in den Sitzungsberichten der Wiener Akademie 
der Wissenschaften?) publicirten Zahlen des Stoffwechselversuches mit jenen 


1) Sitzungsberichte der kaiserl. Akademie der Wissenschaften in Wien. 1901. 
Bd. 110. Abth. Ilb. 
2) Mathem.-naturw. Klasse. Juli 1901. Bd. 110. Abth. IIb. 


79 


1134 Jolles, Einiges über die Eiweisskörper. 


des Oxydationsversuches vergleichen, so finden wir zunächst, dass sich die 
grossen Differenzen der Oxydationsversuche auch beim Nährver- 
suche wiederfinden. Das Casein, jener Körper, welcher erheblich mehr 
harnstoffbildende Gruppen enthält, wird weit besser ausgenützt, als das Fibrin. 
indem der ungenützt abgehende Stickstoff beim Casein 19,7 pCt.. beim Fibrin 
34 pCt. beträgt. Hieraus ist zu ersehen, dass die harnstoffbildenden 
Gruppen von grosser Wichtigkeit für die Ernährung sind. Die 
nicht in Harnstoff übergehenden Gruppen, z. B. die Hexonbasen, können 
zwar nach dem Versuchsergebnisse nicht als absolut werthlos bezeichnet 
werden, da z. B. das Casein, welches 73,3 pCt. Stickstoff als Harnstoff giebt. 
zu 83 pCt. bezüglich des Stickstoffes verwerthet wurde; jedenfalls ist ihre 
Ausnützung im Organismus aber eine relativ mangelbafte, indem eine Vermeb- 
rung der nicht-harnstoffbildenden Gruppen (beim Casein ca. 27 pCt., beim Fibrin 
ca. 55 pCt.) mit einer Vermehrung des nicht ausgenützten Stickstoffes (Casein 
16 pCt., Fibrin 34 pCt.) verbunden ist. 

Im Zusammenhange hiermit sei erwähnt, dass Hexonbasen nicht im Harn, 
wohl aber in den Fäces nachweisbar waren, so dass ein qualitativer Beweis 
erbracht ist, dass ein Theil des N-Verlustes auf Rechnung dieses Theiler des 
Eiweisskomplexes zu stellen ist. Ich hoffe, durch Beibringung eines weiteren 
Untersuchungsmateriales die vorgebrachten Ansichten exakter bekräftigen zu 
können. 

Wenn wir aus diesen Versuchen Schlüsse auf die praktische Ver- 
wendung der Eiweisskörper als Nährstoffe ziehen wollen, so ist folgendes zu 
bedenken: Ebenso wenig wie die Bruttoanalyse eines Eiweisskörpers dessen 
Nährwerth angiebt, da ja von den Elementen des Eiweisskomplexes bei 
verschiedenen Eiweisskörpern sehr wechselude Mengen dem Organismus zu 
Gute kommen, ebenso wenig giebt die kalorimetrische Ermittelung des Ver- 
brennungswerthes eines Eiweisskörpers den Energiebetrag wieder, der bei der 
Verarbeitung dieser Substanzen im Organismus auftritt. Denn hier wie dort 
muss bedacht werden, dass die verschiedenen Eiweisskörper in Folge ihrer 
verschiedenen Konstitution zu verschiedenen Spaltungsprodukten abgebaut 
werden, und speciell hier muss auf die nicht weiter verwerthbaren Spaltungs- 
produkte Gewicht gelegt werden. Gemäss einer der Grundgleichungen der 
Thermochemie ist die Wärmetönung einer chemischen Reaktion organischer 
Körper gleich der Differenz der Verbrennungswärme der betheiligten Stoffe 
vor und nach der Reaktion. Die Verbrennung giebt uns den ersten Wertb: 
der zweite Werth kann nur durch eingehende Berücksichtigung der ausge 
schiedenen Spaltungsprodukte der Eiweisskörper ermittelt werden. Streng 
genommen sind nur jene Versuche einwandsfrei, wo das Versuchsobjekt im 
Luftkalorimeter sich befindet und der ganze Nährversuch kalorimetrisch be- 
obachtet wird. Eben in Hinblick auf die auf chemischem Wege gefundener 
Unterschiede der einzelnen Eiweisskörper wäre es wünschenswerth, wenn eine 
einwandsfreie kalorimetrische Durchführung der Stoffwechselprodukte mit den 
verschiedenen Eiweisskörpern vorgenommen werden würde. 


Luft. 1135 


Gerardin A., Epuration de l’air par le sol. Compt. rend. T. 132. No. 3. 
p. 157. 

Verf. stellt folgende Sätze auf: 1. der Boden ist luftdurchgängig; 
seine Durchgäugigkeit ist unabhängig von seiner Zusammensetzung. 2. Der 
Widerstand, den er dem Durchtritt von Luft entgegensetzt, ist proportional der 
Dicke der filtrirenden Schicht und der Wassermenge, die er enthält. Auf 
Grund seiner absorbirenden Eigenschaften ist der Boden geeignet, die Luft, 
die durch ihn hindurchgeleitet wird, zu reinigen. Den Reinheitsgrad der Luft 
beurtheilt Verf. nach ihrem „ozometrischen Werth“, d. i. nach der Anzahl von 
mg Oxalsäure, die auf Permanganat dieselbe Wirkung ausübt wie die orga- 
nischen Substanzen von 1 g nicht getrockneter und nicht filtrirter Luft. In 
den Strassen von Paris fand Verf. 4 ozometrische Grade, in der Bodenluft 
2,5—3; in verschiedenen gewerblichen Etablissements mehr als 4°. In einer 
Saffıanfabrik, deren Abwässerkanal eine sehr übelriechende Luft enthielt, konnte 
Verf. durch Fortführung eines Theils der Luft durch ein Drain unter die Erde 
Desodorirung erzielen. Die Luft der das Drain bedeckenden Erdschicht zeigte 
2,8 ozometrische Grade. Paul Müller (Graz). 


Kostin S., Ueber den Nachweis minimaler Mengen Kohlenoxyd in 
Blut und Luft. Aus dem thierphysiol. Institut der Kgl. landwirthschaftl. 
Hochschule zu Berlin. Arch. f. d. ges. Physiol. (Pflüger). 1901. Bd. 83. 
S. 572. 

Als empfindlichste Proben zum Nachweise von Kohlenoxyd im Blut 
erwiesen sich dem Verf. die Kuukel-Wetzel’sche Tannninreaktion, sowie die 
Katayama’sche und Rubner’sche Probe. Das Kohlenoxyd wird vom Blut 
viel rascher und vollständiger absorbirt bei Abwesenheit von Sauerstoff, als 
bei Anwesenheit des letzteren; ausserdem nimmt abgekühltes Blut viel besser 
das Kohlenoxyd anf als warmes. Verf. beschreibt nun einen verhältnissmässig 
einfachen Apparat, der es gestattet, den Sauerstoff der abgesperrten Luft zu 
absorbiren und die Gasmischung dann wiederholt durch die Blutlösung lang- 
sam hindurchzutreiben; bei Verwendung von nur 4 Liter Luft konnte Verf. 
so noch einen Kohlenoxydgehalt von 1:40000 Luft sicher nachweisen. Be- 
züglich des Apparates und der Methodik muss auf das Original verwiesen 
werden. Wesenberg (Elberfeld). 


Adam P., l’odeur de Paris et les phosphoguanos. Rev. d’hyg. 1900. 
No. 11. p. 987. 

Nachdem lange Zeit alle Bemühungen vergeblich gewesen waren, die 
Ursache eines eigenthümlichen Geruches, den man in den Strassen von Paris 
wahrnimmt und den man geradezu als „odeur de Paris“ beseichnet hat, 
ausfindig zu machen, gelang es schliesslich, festzustellen, dass dieser Geruch 
den Superphoshatfabriken entstammt. Der Geruch entwickelt sich beim 
Aufschliessen sowohl der mineralischen Phosphate wie der Guanophosphate. 
In den Fabriken selbst macht er sich nicht deutlich bemerkbar, wohl weil 
die Riechstoffe zu koncentrirt vorhanden sind; aber die fertigen Superphos- 
phate, in eine andere Atmosphäre gebracht, geben ganz den „odeur de Paris“. 


19* 


1136 Luft. Wasser. 


Zur Beseitigung der Geruchsentwickelung hat der Service d’inspection des 
etablissements classes Kondensation aller bei der Superphosphatfabrikation 
entstehenden Gase, wie es scheint, mit Hülfe von Wasserkühlung oder -riese- 
lung, vorgeschrieben. R. Abel (Hamburg). 


Broden A. und Wolpert H., Respiratorische Arbeitsversuche bei wech- 
selnder Luftfeuchtigkeit an einer fetten Versuchsperson. Arch. 
f. Hyg. Bd. 39. S. 298. 

In weiterer Verfolgung der von Schattenfroh angestellten Respira- 
tionsversuche studirten Verff. au derselben Versuchsperson die Verhältnisse 
der Wärmeregulation während Ruhe und Arbeit, in feuchter und trockener 
Luft; die Versuchsperson (99—100 kg schwer) befand sich hierbei in 
leichter, selbstgewählter Kleidung. Für die Versuche wurden 3 Tem- 
peraturstufen gewählt: 20—220, 28—80° und 36—37°. Bei gewöhnlicher 
Temperatur und im Zustande der Ruhe zeigte sich die Wasserdampfabgabe 
des bekleideten Fetten im Wesentlichen gleich jener des Menschen mit nor- 
malem Fettpolster. Im Zustande der Arbeit war jedoch schon bei dieser 
Gruppe der Versuche die Zunahme der Wasserdampfabgabe in feuchter 
Luft grösser als in trockener. Bei Temperaturen von 28—30° nahm die 
Ausscheidung namentlich in feuchter Luft solche Dimensionen an, dass tropf- 
bar flüssiger Schweiss in grossen Mengen in den Kleidern zurückblieb. Dabei 
war die Wasserdampfabgabe sowohl bei Rube als bei Arbeit in feuchter 
Luft grösser als in trockener, ebenso die CO,-Produktion. Die Steigerung der 
Bluttemperatur betrug 0,4—0,1° C. 

Bei der dritten Gruppe der Versuche endlich (36—37°), bei welchen die 
Wärme fast ausschliesslich durch Verdunstung den Körper verlassen musste, 
ergab sich, dass der Fette auch bekleidet bei Bluttemperatur in trockener 
Luft sich relativ gut befinden kann, wenn er sich absolut ruhig verhält. 
Leichte Arbeit (5375 mkg pro Stunde) aber kostete bereits gewaltsame An- 
strengung, welche sich auch in starker Vermehrung der CO,-Ausscheidung 
äusserte. Während bei feuchter Luft in der Ruhe 186 g Wasser pro Stunde 
verdunstete, stieg diese Zahl bei leichter Arbeit auf 320—269 g. Die Körper- 
wärme erhöhte sich um 0,9° C. Es verhält sich also ein fetter Mensch hin- 
sichtlich des Ertragens hoher Temperaturen in der Ruhe, besonders aber wäh- 
rend der Arbeit als minderwerthig. In Luft von Bluttemperatur war schon 
während der Ruhe bei einer relativen Feuchtigkeit von 66° ein völliges Wärme- 
gl:ichgewicht nicht mehr zu erreichen. 

Der grösste Wasserverlust in der Ruhe betrug während der 6 stündigen 
Versuchszeit 2646 g, bei leichter Arbeit 3210 g, also Mengen, welche auch 
für einen Mann von 100 kg mit einer Blutmenge von 7—8 Liter sebr be- 
deutend sind. Paul Th. Müller (Graz). 


Koenig J. (Münster), Bestimmung des organischen Kohlenstoffs im 
Wasser. Zeitschr. f. Untersuchg. d. Nahrgs.- u. Genussm. 1901. S. 193. 
Da die Bestimmung der „organischen Substanzen“ im Wasser mit 
Hilfe der Titration mit Permanganat nur sehr unsichere Resultate ergiebt, die 


Wasser. 1137 


noch besonders durch die Anwesenheit verschiedener anorganischer Verbin- 
dungen (Ferrosalz, Nitrit u. a) stark beeinflusst werden, hat Verf. eine Methode 
ausgearbeitet, welche auf der Bestimmung des organischen Kohlenstoffs 
durch Ueberführung desselben in Kohlensäure und Wägung der 
letzteren beruht. 

Zur Ausführung der Bestimmung werden 250—500 ccm des Wassers durch 
einen grossen Gooch’schen Tiegel mit Asbestfilter unter Anwendung der Saug- 
pumpe schnell filtrirt (bei schwer filtrirenden Flüssigkeiten kann die Filtration 
ev. durch Fällen mit einer Lösung von Eisen- oder Aluminiumalaun und Di- 
natriamphosphat ohne Beeinflussung der Ergebnisse beschleunigt werden), und 
der abgesaugte Rückstand im Tiegel mit etwas destillirttem Wasser nachge- 
waschen. Das Filtrat giebt man in einen Rundkolben und kocht etwa !/, Stunde 
lang zur Vertreibung der fertig gebildet vorhandenen Kohlensäure am Rück- 
flusskühler nach Ansäuerung mit 10 ccm verdünnter Schwefelsäure. Nach 
dem Abkühlen werden 3 g Kaliumpermanganat, 10 ccm einer 20 pioc. Mer- 
curisulfatlösung und weitere 40 ccm verdünnte Schwefelsäure zugegeben und 
der Kolben mit einem doppeltdurchbohrten Gummistopfen verschlosseu, dessen 
eine Oeffnung den Rückflusskühler. dessen andere einen Kugeltrichter trägt; 
das Trichterrohr reicht bis fast auf den Boden des Rundkolbens, seine obere 
Oeffnung ist mit einem Natronkalkrohr verschlossen. Der aufrechtstehende 
Rückflusskühler ist an seiner oberen Oeffnung mittels Gummischlauch mit 5 
hintereinander geschalteten U-Röhren verbunden; von diesen ist No. 1 mit 
etwas koncentrirter Schwefelsäure beschickt, No. 2 entbält Chlorcalcium, 
No. 3 und 4 Natronkalk und die letzte zur Hälfte Natronkalk, zur Hälfte 
Chlorcalcium; No. 8 und 4, zur Absorption der bei der Oxydation gebildeten 
Kohlensäure bestimmt, werden vor und nach dem Versuche gewogen. Nach 
Verbindung des Apparates wird der Kolben mit kleiner Flamme allmählich 
erwärmt, so dass nur langsam Gasblasen sich entwickeln; wenn nach einigem 
Kochen die Gasentwickelung aufhört, wird die letzte U-Röhre mit einem Aspi- 
rator verbunden, der Hahn am Kugeltrichter geöffnet, und ein schwacher 
Luftstrom durch den Apparat gesogen, bis alle Kohlensäure in den Natron- 
kalkröhren gebunden ist; während dieser Zeit wird der Kolbeninhalt bei sehr 
guter Kühlung im schwachen Sieden erhalten. 

Soll die fertig gebildete Kohlensäure auf diese Weise bestimmt 
werden, so muss natürlich der Rückflusskühler von Anfang an mit den Ab- 
sorptionsröhren verbunden werden, auch sind dann vor dem Zusatze des KMnO, 
die Natronkalkröhren zu wechseln. 

Sind in einem Wasser flüchtige organische Kohlenstoffverbin- 
dungen vorhanden, die sich mit den Wasserdämpfen nicht wieder verdichten, 
so muss der Gesammtkohlenstoff auf diese Weise bestimmt und davan der für 
die fertig gebildete Kohlensäure auf anderem Wege (durch Zusatz von Kalk- 
wasser und Chlorcaleium u.s.w.) ermittelte CO,-Werth in Abrechnung gebracht 
werden. 

Behufs Bestimmung desorganischenKohlenstoffsinden Schwebe- 
stoffen wird der im Tiegel verbliebene Rückstand mitsammt der Asbest- 
schicht in einen kleinen Rundkolben gebracht, mit 10 ccm einer 20 proc. 


1138 Wasser. 


Mercurisulfatlösung und 5 g Chromsäure (Permanganat würde hier zu stürmisch 
oxydiren) versetzt, und dann nach völliger Armirung des Apparates unter guter 
Kühlung durch das Trichterrohr 50 ccm koncentrirte Schwefelsäure zugegeben, 
und nun langsam erhitzt; im Uebrigen wird, wie oben, weiter verfahren. Sollte 
der Filterrückstand Magnesium- oder Calciumkarbonat enthalten, so ist der- 
selbe vor der Zugabe der Chromsäure erst mit verdünnter Schwefelsäure ge- 
nügend lange zu kochen. Wesenberg (Elberfeld). 


Winkler L. W., Bestimmung des in natürlichen Wässern enthaltenen 
Caleiums und Magnesiums. Zeitschr. f. analyt. Chem. 1901. S. 82. 

Die ursprünglich von Clark angegebene Methode der Härtebestimmung 
im Wasser mit Seifelösung kann nach dem Verf. durch eine kleine Abände- 
rung leicht auch zur Bestimmung des Calciums und Magnesiums be- 
nutzt werden. Versetzt man nämlich Calcium- und Magnesiumsalze enthal- 
tendes Wasser in Gegenwart von Seignette-Salz und wenig Kaliumhydroxyd 
mit Kaliumoleatlösung, so verwandelt sich nur das Calciumsalz in Calcium- 
oleat; bei Gegenwart von wenig Ammoniumchlorid und Ammoniak gehen da- 
gegen sowohl die Calcium- wie auch die Magnesiumsalze in die Oleate über. 
Als Endpunkt der Titration gilt der durch Schütteln gebildete dichte weisse 
Schaum, der mindestens 5 Minuten lang bestehen bleiben muss, da die Bil- 
dung des Magnesiumoleats nur langsam vor sich geht. Die weingeistige 
Kaliumoleatlösung wird gegen eine Baryumchloridlösung, welche 100" 
(deutschen Härtegraden) entspricht (4,363 g frisch umkrystallisirtes, trockenes, 
jedoch nicht verwittertes BaCl, + 2 H,O zu 1000 ccm in Wasser gelöst), ein- 
gestellt, indem 10 ccm der BaCl,-Lösung in einer 200 g -Stöpselflasche mit 
etwa 100 ccm Wasser verdünnt und dann mit 5 ccm Kaliumhydroxyd-Seignette- 
salzlösung (6 g reines geschmolzenes KOH und 100 g krystallisirtes Seignette- 
salz: 500 ccm Wasser) versetzt werden; diese Mischung wird dann bis zum 
bestehen bleibenden dichten Schaum mit der etwas zu starken Kaliumoleat- 
lösung titrirt und diese dann mit verdünntem Weingeist (6 Vol. Alkohol, 4 Vol. 
Wasser) soweit verdünnt, bis 10 ccm der BaCl,-Lösung genau 10 ccm der Oleat- 
lösung entsprechen, sodass also jedes ccm dieser Kaliumoleatlösung genau 1° 
durch Kalk verursachte Härte angiebt, wenn man damit 100 ccm Wasser 
titrirt. Zur Herstellung der Kaliumoleatlösung wurden 15 ccm reinste 
käufliche Oelsäure mit 600 ccm Alkohol (90—95 pCt.) und 400 cem destil- 
lirtem Wasser gelöst und 4 g reines Kaliumhydroxyd zugegeben; nach 2—3tägi- 
gem Stehen wird die Mischung filtrirt; der Titer ist vor jedesmaligem Ge- 
brauche festzustellen. 

Zur Bestimmung der durch Kalk verursachten Härte werden 
100 ccm Wasser (das vorher event. auf etwa 10° Härte zu verdünnen ist) 
mit 5 ccm der oben erwähnten KOH-Seignettesalzlösung versetzt und dann 
mit der Kaliumoleatlösung titrirt; 1 ccm — 1° durch Kalk verursachte Härte; 
Härtegrad X 7,143 = mg Ca in 1000 ccm Wasser. 

Behufs Bestimmung der durch Magnesia bedingten Härte werden 
in 100 ccm des annähernd 10° harten Wassers Kalk und Magnesia zu- 
sammentitrirt, sodann wird nach Abzug der auf den Kalk verbrauchten Kalıum- 


Wasser. 1139 


oleatlösung aus dem Rest die durch Magnesia verursachte Härte berechnet, 
und zwar entspricht 1 ccm der Oleatlösung = 0,750 durch Magnesia bedingte 
Härte, dieser letztere mit 4,357 multiplicirt = mg Magnesium in 1000 ccm 
Wasser. Zur Ausführung der Bestimmung werden 100 cem Wasser noch mit 
100 ccm destillirtem Wasser in einer 400 ccm - Stöpselflasche verdünnt und 
dann nach Zusatz von 5 ccm einer Ammoniak-Ammoniumchloridlösung (10 g 
NH,CI, 100 cem 10proc. NH, mit Wasser auf 500 ccm gelöst) mit der Kalium- 
oleatlösung so lange titrirt, bis der durch Schütteln entstandene Schaum 5 Mi- 
nuten anhält. 

Durch Beleganalyse weist Verf. die Genauigkeit seines in der Ausführung 
recht einfachen Verfahrens nach. Wesenberg (Elberfeld). 


Hartleb C., Bestimmung der Schwefelsäure in Trinkwässern. Parma- 
ceut. Ztg. 1901. S. 501. 

Zur raschen Bestimmung der Schwefelsäure im Trinkwasser 
empfiehlt Verf. ein maassanalytisches Verfahren, das ihm genaue Werthe er- 
geben hat. 100 ccm des Wassers werden mit einer bekannten Menge !/,, Nor- 
mal-Chlorbaryumlösung (12,2 g BaCl + 2 H20 im Liter) versetzt und etwa 
4—5 Minuten lang gekocht; der Ueberschuss der BaCl,-Lösung wird dann mit 
einer Kaliumchromatlösung (etwa 9,8 g K CrO, im Liter), deren Titer vorher 
gegen die Chlorbaryumlösung festgestellt war, zurücktitrirt, indem von der 
Kaliumchromatlösung aus einer Bürette so Jange zu der kochenden Flüssigkeit 
zugegeben wird, bis ein herausgenommener Tropfen auf einem Porzellandeckel 
mit 1/1ọ Normal-Silberlösung zusammengebracht in dieser einen schwach gelb 
gefärbten Niederschlag erzeugt. 1 ccm der verbrauchten 1/19 Normal-Chlor- 
baryumlösung entspricht 0,004 g SO, in 100 ccm Wasser. 

Wesenberg (Elberfeld). 


Koenig J. und Hünnemeier B., Ueber den niedrigsten, für das Leben 
der Fische nothwendigen Sauerstoffgehalt des Wassers. Zeitschr. 
f. Untersuchg. d. Nahrgs.- n. Genussm. 1901. S. 385. 

Zum Zweck der Klärung der Frage, bei welchem niedrigsten Sauer- 
stoffgehalt des Wassers die Fische noch fortkommen können, stellten 
die Verff. eine Reihe Versuche an, in denen sie in geschlossenen Glasgefässen 
Fische so lange hielten, bis dieselben eingingen oder doch Krankheitserschei- 
nungen zeigten. Bei Beginn wie bei Beendigung der Versuche wurde sowohl 
das Wasser, wie die überstehende abgeschlossene Luft analysirt. Die einge- 
tretenen Veränderungen ergeben sich am einfachsten aus den nachstehenden 
Zahlen (Mittel von 8 Versuchen): 

Vor d. Versuch Nach d. Versuch 


Sauerstoffgehalt der Luft (Vol.-pÜt.). . . . 20,91 5,37 
Kohlensäuregehalt der Luft (Vol.-pÜt.).. . . 0,03 2,02 
Sauerstoffgehalt des Wassers (cem in 1 Liter) 4,36 0,71 
Koblensänregehalt des Wassers (mg in 1 Liter) 117,2 230,2 


Zusammensetzung des Wassers für 1 Liter in mg: 


1140 Wasser. 


Vor u. nach Vor u. nach 

dem Versuch dem Versuch 

Abdampfrückstand 219,8 282,6 Salpetrige Säure (0) 2,1 

Zur Oxydation erforder- Salpetersäure. . 41,6 26,7 

lich  . . 2.0.2209 2,7 Schwefelsäure . 598 50.0 
Ammoniak . . . h 0 10,2 


Für 1 kg Fisch und für 1 Stunde berechnet sich ein Verbrauch von 
72,1 ccm Sauerstoff und eine Ausscheidung von 139,8 ccm Koblensäure, so 


dass der respiratorische Quotient ($) gleich 1,9 ist. 
2 


Die Versuche zeigen, dass Fische, besonders Karpfen, mit einem sehr 
geringen Gehalt an Sauerstoff im Wasser fortkommen; erst bei 0,4 bis 
1,0 Vol.-pCt. O, im Wasser sind dieselben erkrankt bezw. eingegangen; dabei 
ist aber zu berücksichtigen, dass die Versuche unter sonst aussergewöhnlichen 
Verhältnissen angestellt wurden. Unter natürlichen Verbältnissen, d. b. in 
einem fliessenden Wasser, wird daher die zum Leben der Fische nothwendige 
Menge Sauerstoff noch niedriger liegen; ausserdem werden io Folge des 
raschen Austausches der Gase des Wassers mit denen der über- 
stehenden Luft Fische in einem an der freien Luft fliessenden 
oder stehenden Wasser wohl kaum oder nur selten in Folge Sauer- 
stoffmangels zu Grunde gehen; wenn sie in einem fauligen Wasser an 
der Oberfläche gleichsam nach Luft schnappen, so liegt dieses wohl weniger 
an dem Sauerstoffmangel als an sonstigen schädlichen Bestandtheilen des 
Wassers (Salzen, Farb- und Geruchstoffen), welche denselben den Aufenthalt 
verleiden und auch bei genügendem Sauerstoffgehalt äbnliche Erscheinungen 
im Verhalten der Fische hervorrufen wie Sauerstoffmangel. 

Wesenberg (Elberfeld). 


Krull F., Die Wassersterilisirung durch ozonisirte Luft nach dem 
System Abraham und Marmier. Zeitschr. f. angew. Chemie. 1901. 
S. 57. (Vergl. auch S. 1047 dieser Zeitschr.) 

Verf. beschreibt das Verfahren von Abraham und Marmier, welches 
bereits in Lille zur Wassersterilisirung mit Ozon praktische Anwen- 
dung findet und sich gut bewährt. Die Menge des bei der dunklen elektrischen 
Entladung gebildeten Ozons nimmt bekanntlich mit der Spannung za; da mit 
der Spannung nun auch die Temperatur steigt, eine höhere Temperatur aber 
das gebildete Ozon zum Theil wieder zerstören würde, so musste diese Tem- 
peraturzunahme verhindert werden, was durch Küblung der Leiter mittels 
Wasser in einfachster Weise zu erreichen ist. Die Elektroden sied bei dem 
genannten Verfahren also Hohlkörper, in deren Innerm Wasser zur Küblung 
eirkulirt. Bezüglich der weiteren Konstruktion mag auf das Original ver- 
wiesen sein. Abraham und Marmier gehen mit der Koncentration nicht 
über 2—3 pCt. des vorhandenen Sauerstoffes hinaus; es wird dadurch ver- 
mieden, dass das gereinigte Wasser einen Ozongeruch oder -Geschmack annimmt; 
pro Stunde und Pferdekraft können etwa 20 g Ozon erzeugt werden. 

Wesenberg (Elberfeld). 


Wasser. Infektionskrankheiten. 1141 


Hammerl, Hans, Neuere Untersuchungen über das Grazer Wasserwerk 
mit besonderer Berücksichtigung der Frage der Einwirkung der 
Flüsse auf Grundwasserversorgungen bei Hochwasserperioden. 
Centralbl. f. allgem. Gesundheitspfl. 1900. Bd. 19. S. 395. 

Der Verf. sucht durch eine Reihe von bakteriologischen Untersuchungen 
des Murwassers mit jedesmaliger Angabe des Wasserstandes, verglichen 
mit Untersuchungen der verschiedenen Brunnen und des Wasserleitungswassers, 
zu beweisen, dass eine direkte Antheilnahme der Mur an der Bakterienvermeh- 
rung in den einzelnen Brunnen (wie sie von Kruse: „Ueber die Einwirkung 
der Flüsse auf Grundwasserversorgungen und deren hygienische Folgen“ ver- 
muthet ist) nach den bisherigen Untersuchungsergebnissen nicht angenommen 
werden kann. R. Blasius (Braunschweig). 


Prinz E., Bau und Bewirthschaftung von Versuchsbrunnen. Vortrag, 
gehalten auf der 40. Jahresversammlung des Deutschen Vereins von Gas- 
und Wasserfachmännern in Mainz 1900. Journ. f. Gasbel. u. Wasserversorg. 
1901. No. 18 u. 19. S. 317 u. 339. 

Prinz schildert die verschiedenen Verfahren zur Bestimmung der Ergie- 
bigkeit von Grundwasserströmen und kommt zu dem Schluss, dass sie sämmt- 
lich völlig unzuverlässig sind, bis auf den Bau und den längeren Betrieb von 
Versuchsbrunnen (eine Thatsache, die heute wohl von der Mehrzahl der 
Wasserfachmänner nicht mehr bestritten wird). Zur Ersparung unnöthiger 
Kosten empfiehlt es sich, die Versuchsbrunnen von vornherein derart anzu- 
legen, dass sie als Wassergewinnungsbrunnen der zu erbauenden Anlage be- 
stehen bleiben können. Auf die Einzelheiten der interessanten Abhandlung 
einzugehen, verbietet der Raum. H. Chr. Nussbaum (Hannover). 


Brouardel P., La lutte contre la tuberculose. 208 pp. 12°. Paris 1901. 
J. B. Bailliere et fils. 

Die drei Leitsätze des Buches sind: La tuberculose est contagieuse, 
evitable, curable. In klarer, populär geschriebener Weise schildert Verf. 
den jetzigen Stand unserer Kenntnisse über die Verbreitungsart, die Prophy- 
laxe und besonders die Bekämpfung der Tuberkulose; in letzterem Kapitel wird 
wiederholt auf die in Deutschland bereits erreichten Erfolge hingewiesen. 

Dieudonne (Würzburg). 


Rebin et Binet, Les conditions du terrain et le diagnostic de la tuber- 
eulose. Compt. rend. T. 132. No. 11. p. 709. (Vergl. Kl. Mitth. S. 771 
dieser Zeitschr.) 

Im Gegensatz zu der herrschenden Lehre haben Verff. durch Untersu- 
suchungen an einer grossen Zahl von Tuberkulösen festgestellt, dass deren 
respiratorischer Gaswechsel viel grösser ist, als der von Gesunden. Die Lungen- 
ventilation wächst hiernach beim Weibe um 110 pCt., beim Manne um 80 pCt., 
die CO,-Ausscheidung pro kg und Minute um resp. 86 und 64 pCt., der Sauer- 
stoffverbrauch um 100,5 und 70 pCt., der in den Geweben absorbirte O um 

80 


1142 Infektionskrankheiten. 


162,8 und 04,8 pCt. Diese Steigerung des Gaswechsels schwankt mit dem 
Fortschritt und der Besserung des tuberkulösen Processes. Knochentuberku- 
lose, Hodentuberkulose, Pleuritis und Adenitis tuberculosa zeigen analoge Ver- 
hältnisse; hingegen fehlt die Vermehrung des respiratorischen Wechsels bei 
Meningitis und Peritonitis tuberculosa und bei Lupus. Diese Thatsachen können 
nach Ansicht der Autoren differentialdiagnostische Bedeutung gewinnen. 
Etwa 3/, der Nachkommen Tuberkulöser sollen bereits das gedachte Phä- 
nomeu aufweisen, sodass dasselbe also nicht als eine Reaktion des Organis- 
mus auf die Infektion aufzufassen sei. Paul Th. Müller (Graz). 


Lannelongue, Achard et Gaillard, De l'influence du climat sur l’evolu- 
tion de la tuberculose pleuro-pulmonaire experimentale. Compt. 
rend. T. 132. No. 3. p. 114. 

Um den Einfluss des Klimas auf den Verlauf der experimentellen 
Tuberkulose des Meerschweincbens zu studiren, wurden 300 dieser Thiere 
(Männchen) in genau derselben Weise intrapleural infieirt und dann in verschie- 
dene Gruppen getheilt, deren eine in Paris, im Institut, blieb, während eine an- 
dere ans Meer und eine dritte aufs Land geschickt wurde. Es zeigte sich io 
2 derartigen Versuchsreihen, dass die in Paris gebliebene Partie trotz ungün- 
stiger hygienischer Verhältnisse (schlechte Ventilation, Fehlen des Lichtes, Feuch- 
tigkeit des betreffenden Raumes) besser daran war, als die beiden anderen. 
welche besonders unter plötzlichen Temperaturschwankungen u. dergl. Witte- 
rungseinflüssen zu leiden hatten. Allerdings zeigten sich auch zwischen den 
Thieren einer und derselben Gruppe nicht unbeträchtliche Differenzen. 

In einzelnen Fällen schien die Infektion geheilt oder abortiv ver- 
laufen zn sein, also Verhältnisse, die an die bei der menschlichen Tuber- 
kulose gemachten Erfahrungen erinnern. Paul Th. Müller (Graz). 


Uhlenhuth und Westphal, Histologische und bakteriologische Unter- 
suchungen über einen Fall von Lepra tuberosa-anaesthetica mit 
besonderer Berücksichtigung des Nervensystems. Centralbl. f. 

. Bakteriol. Bd. 29. No. 9. S. 233. 

Das Gesammtresultat der Untersuchungen ist kurz folgendes: 

Fast sämmtliche Gewebe sind mit Leprabacillen stark durch- 
wuchert, doch entspricht die Masse der Leprabacillen nicht immer der 
Schwere der pathologisch - anatomischen Veränderungen. Was speciell das 
Nervensystem betrifft, so fanden Verff. ausgedehnte interstitielle Neu- 
ritis und Perineuritis sowie Veränderungen einer Anzahl von Spinal- 
ganglienzellen bei Intaktheit des centralen Nervensystems. Die Neuritis and 
Perineuritis ist wohl auf den enormen Bacillenreichthum zurückzuführen. ob- 
wohl andererseits die zelligen Elemente des Nervensystems trotz reichlichen 
Bacillengehaltes histologisch nicht verändert waren. Im Ganzen tritt die ge- 
ringfügige Alteration der Spinalganglienzellen gegen die erhebliche Affek- 
tion der peripheren Nerven durchaus in den Hintergrund. 

Der Fall ist ausführlich im 8. Bande des klinischen Jahrbuches mitgetheilt. 

Scholtz (Königsberg i. Pr.) 


Infektionskrankheiten. 1143 


Fraenkel C., Zur Kentniss der Smegmabacillen. Centralbl. f. Bakteriol. 
Bd. 29. No. 1. S. 1. 

Fraenkel weist nach, dass es bisber noch nicht gelungen ist, die eigent- 
lichen Smegmabacillen zu kultiviren, und dass die von Laser und Cza- 
plewski gezüchteten Stäbchen in die Gruppe der Pseudodiphtherieba- 
cillen gehören. Strich Fraenkel Smegma auf Heyden-Agar oder einen 
ähnlichen Nährboden aus und stellte sofort Klatschpräparate her, so bemerkte 
er neben zahlreichen typischen Smegmabacillen auch einige plumpere, an den 
Enden angeschwollene, den Diphtheriebacillen ähnliche Stäbchen, welche auch 
noch roth geblieben waren, aber eine mehr burgunderrothe, „venöse“ Farbe 
zeigten. Nach 24stündigem Aufenthalte im Brutschrank blieben nun die 
echten Smegmabacillen völlig unverändert, während sich die erwähnten bur- 
gunderrothen Stäbchen zu Kolonien entwickelten, welche in jeder Hinsicht 
denen von Laser und Czaplewski glichen, so dass an ihrer Identität mit 
jenen nicht zu zweifeln ist. Auch in den nächsten Tagen blieb dieses Ver- 
halten das nämliche. Scholtz (Königsberg i. Pr.). 


Koelzer Wilh., Weitere Beobachtungen über die „Widal’sche Reaktion“ 
bei Abdominaltyphus. Zeitschr. f. Hyg. Bd. 36. S. 75. 

Koelzer hat bei 31 Typhuskranken, 12 durch den Nachweis der 
Typhusbacillen sichergestellten und 19 klinisch zweifellosen Fällen, sowie 
bei 21 anderen Patienten, bei denen Typhus auszuschliessen war, die Widal- 
sche Reaktion angestellt nnd dabei die jetzt fast allgemein herrschenden 
Anschauungen über den Werth der Probe im ganzen bestätigen können. Bei 
den Kontrolfällen fiel die Reaktion stets negativ aus, während sie bei den 
Typhuskranken häufig schon relativ früh positiv war. Nur in 3 Typhus- 
fällen wurde auch bei wiederholter Untersuchung stets ein negatives Resultat 
gewonnen; doch hält es Verf. mit Recht nicht für erwiesen, dass die Reaktion 
in diesen Fällen wirklich nie positiv gewesen ist, da gerade in der kriti- 
schen Zeit die Prüfung nicht oft genug wiederholt werden konnte. Im 
Uebrigen unterscheidet Koelzer eine durchaus positive Reaktion — totale 
Agglutination und Paralyse der Bacillen —, eine unvollkommen Reaktion — 


unvollständige Agglutination — und eine vollkommen negative Reaktion. 
Die unvollkommene Reaktion betrachtet er als Vorstufe der vollkommen 
positiven. Scholtz (Königsberg i. Pr,). 


Puppel, Ueber das Agglutinationsvermögen aufbewahrten Blut- 
serums von Typhuskranken. Centralbl. f. Bakteriol. Bd. 28. No. 25. 
S. 877. 

Puppel untersuchte die Blutseren von 3 Typhuskranken auf die 
Höhe ihres Agglutinationsvermögens vom ersten bis etwa zum 70. Tage 
nach der Entnahme. Er fand dabei, dass bei der Aufbewahrung des Typhus- 
serums in jedem Falle eine Abnahme des Agglutinationsvermögens statt hatte, 
welche bald schneller, bald langsamer verlief. Bei einer Verdünnung von 
1:150 trat aber noch nach Aufbewahrung während eines Monats Agglutina- 
tion ein. Scholtz (Königsberg i. Pr.). 

80* 


1144 Infektionskrankheiten. 


Rumpel, Ueber die Methodik der Gefrierpunktsbestimmungen unter 
Berücksichtigung des Blutgefrierpunktes bei Typhus abdomi- 
nalis. Münch. med. Wochenschr. 1901. No. 6. S. 223. 

Rumpel glaubt, dass die Resultate von Waldvogel, welcher in den 
verschiedensten Stadien des Typhus abdominalis mittels der Bestimmung 
des Blutgefrierpunktes eine ganz enorme und scheinbar regellose Koncen- 
trationserhöhung des Blutes gefunden hatte, nicht zu Recht bestehen, da eine 
fehlerhafte Technik angewandt worden sei. Rumpel selbst hat bei 11 Fällen 
von Typhus mittels des Beckmann’schen Apparates stets einen normalen 
Gefrierpunkt gefunden. Scholtz (Königsberg i.Pr.). 


Henke, Zur Endocarditis pneumococcica. Virch. Arch. Bd. 163. S. 141. 

Henke beobachtete bei drei tödtlich verlaufenen Pneumoniefällen En dokar- 
ditiden, welche ebenfalls durch den Pneumokokkus hervorgerufen waren, 
wie durch mikroskopische Untersuchungen und Thierimpfungen erwiesen wurde. 
Auf Grund seiner Feststellungen und der in der Literatur niedergelegten Be- 
obachtungen kommt er zu dem Schluss, dass wir die Pneumokokken nicht 
nur als die Erreger gewisser typischer Lungenerkrankungen zu betrachten 
haben, sondern dass dieselben in die Gruppe der Eiter- und Septicämieerreger 
beim Menschen einzureihen sind, und dass es eine echte Pneumokokken-Septi- 
cämie ohne Mitbetheiligung anderer Kokken giebt. 

Scholtz (Königsberg i. Pr.). 


Kister J. und Köttgen P., Ueber die von Danysz gefundenen, für Ratten 
pathogenen Bacillen. Deutsche med. Wochenschr. 1901. No. 18. S. 275. 
Nach den Versuchen der Verff. starben Ratten nach Verfütterung der 
Danysz’schen Bacillen in 5—7 Tagen ohne Ausnahme, weisse Mäuse 
in 4—7 Tagen. Hausthiere und Geflügel, die mit den Bacillen gefüttert 
waren, blieben gesund. Von Pestbacillen lassen sich die Danysz’schen 
Bacillen leicht durch die mangelnde Polfärbung sowie durch Gasentwickelung 
in Traubenzuckeragar unterscheiden. Dieudonue (Würzburg). 


Krausz A., Erfahrungen über den Bacillus Danysz. Deutsche med. 
Wochenschr. 1901. No. 22. S. 351. 

Versuche mit dem rattenpathogenen Bacillus Danysz zeigten, dass 
derselbe kein eigentlicher Seuchenerreger ist und betreffs der Pathogenität z. B. 
nicht mit dem B. typhi murium in eine Reihe gestellt werden kann. Versuche 
in einem Kanal uud in einer Fabrik, wo Ratten in grosser Menge hausten, 
ergaben negatives Resultat; es kann daher das Verfahren für die Praxis nicht 
empfohlen werden. Dieudonne (Würzburg). 


Scholtz W., Ueber die moderne Therapie der Gonorrhoe des Mannes. 
Sonderabdruck aus „Deutsche Praxis“. Zeitschr. f. prakt. Aerzte. 1901. No. 2. 
Verf. giebt eine Uebersicht über die bei der modernen Gonorrhoebehand- 
lung brauchbaren Mittel (besonders Protargol), die Art ihrer Anwendung und 
insbesondere ihrer Indikation, Dieudonne (Würzburg). 


Infektionskrankheiten. 1145 


Köppen, Zur Diagnose und Prognose der Gonorrhoe des Mannes. 
Münch. med. Wochenschr. 1901. No. 5. S. 180. 

Köppen zeigt an der Hand einiger Fälle von Gonorrhoe und Tuber- 
kulose der Harnwege, wie wichtig die mikroskopische Untersuchung 
der Sekrete für die Diagnose ist, da die klinischen Symptome allein mit- 
unter zu Irrthümern Anlass geben können. 

Andererseits glaubt Köppen, dass man bei leichtem gelegentlichem Aus- 
flusse aus der Harnröhre, wie dies nach alten Gonorrhoen nicht selten der 
Fall ist, eine Entscheidung darüber, ob die Gonorrhoe geheilt ist oder nicht, 
häufig nicht treffen könne. Zu dieser Anschauung kommt Köppen auf Grund 
von zwei derartigen Fällen, in welchen er in dem mehrmals untersuchten 
Sekret zunächst keine Gonokokken nachweisen konnte, wo nach Einführung 
der Knopfsonde aber Gonokokken wieder auftraten. 

(Diese Fälle beweisen natürlich nur, dass es bei derartigen Patienten nicht 
genügt, nur „den Ausfluss“ zu mikroskopiren, sondern durchaus nothwendig 
ist, das sogenannte „Provokationsverfahren“ anzuwenden, wie dies auch 
in dem von Köppen citirten Vortrage des Ref. betont ist. Ja die Fälle von 
Köppen zeigen gerade, wie zuverlässig dieses Provokationsverfahren ist, und 
wie schnell es bei seiner Anwendung meist gelingt, die Sachlage zu klären, 
denn die Einführung der Knopfsonde ist eben weiter nichts als ein viel ge- 
übtes Provokationsverfahren. D. Ref.) Scholtz (Königsberg i. Pr.). 


Karo, Zwei Fälle von Rektalgonorrhoe als Folge von Entleerung 
gonorrhoischer Eiteransammlungen ins Rektum. Berliner klin. 
Wochenschr. 1901. No. 4. S. 101. 

Karo giebt die Kraukengeschichte von zwei Patienten wieder, bei denen 
es in Folge Durchbruchs eines gonorrhoischen Abscesses der Prostata resp. 
der Samenblasen nach dem Rektum zu einer äusserst hartnäckigen Rektal- 
gonorrhoe kam. Um diese Gefabr zu vermeiden, empfiehlt er für die Fälle 
von Eiteransammlung dicht unter der Rektalschleimhaut Incision des 
Abscesses, darauf mehrmalige Injektion einer 1 proc. Argentumlösung in die 
Abscesshöhle, Ausspülung des Rektums mit einer Argentumlösung 1:3000, 
Drainage und weiterhin tägliche Ausspülungen des Rektums und der Abscess- 
höhle. Scholtz (Königsberg i. Pr.). 


Wassermann M., Ein durch Gelingen der Reinkultur bewiesener 
Fall von Endocarditis gonorrhoica. Münch. med. Wochenschr. 1901. 
No. 8. S. 298. 

Wassermann berichtet über einen Kranken, welcher 3 Monate nach einer 
gonorrheischen Infektion von starkem Harndrang und Harnverhaltung und 
wenige Tage darauf unter Schüttelfrost von hohem Fieber befallen wurde und 
nach einigen Tagen unter auflallend hohen Temperaturen im Koma zu Grunde 
ging. Bei der Sektion fand sich neben einer eitrigen Prostatitis eine verru- 
köse Endocarditis, welche den genau ausgeführten mikroskopischen 
und kulturellen Untersuchungen zufolge auf eine reine Gonokokken- 
infektion zurückzuführen war. Scholtz (Königsberg i. Pr.). 


1146 Infektionskrankheiten. 


Ziemann H., Ueber das endemische Vorkommen der seuchenhaften 
Hämoglobinurie der Rinder (des sogenannten Texasfiebers) in 
Deutschland. Vorläufige Mittbeilung. Deutsche med. Wochenschr. 
1901. No. 21. S. 848. 

Verf. konnte das endemische Vorkommen der seither nur in Texas, 
Rumänien, Finnland und Sardinien bekannten verheerenden Rinderkrankheit 
auch in Deutschland und zwar im Grossherzogthum Oldenburg feststellen. 
Als Krankheitserreger wurde der beim Texasfieber gefundene Blutparasit, das 
Pirosoma bigeminum, gefunden. Verf. hält es für sicher, dass die unter 
dem Namen des „Blutharnens der Thiere“ in Deutschland wohlbekannte Krank- 
heit mit dem parasitären Texasfieber mindestens nahe verwandt ist. 

Dieudonne (Würzburg). 


Grunow, Ein Fall von Protozoen- (Coccidien?) Erkrankung des Dar- 
mes. Arch. f. exper. Pathol. u. Pharmakol. Bd. 45. S. 262. 

Bei einem Patienten der Kieler med. Klinik, der unter anderem an periodisch 
auftretenden Durchfällen litt, konnten im Stuhl und nach seinem Tode in 
dem Inhalt der verschiedenen Partien des Darmtraktes eigenthümliche runde 
Körper aufgefunden werden, welche sich im Allgemeinen schlecht färbten, 
am besten mit Karbolfuchsin unter Aufkochen. An Schnitten der Darm- 
schleimhaut, die nach der Koch’schen Tuberkelbacillenmethode gefärbt waren, 
fanden sich in den Zotten und zwar in allen Tiefen derselben rothe, runde 
bis ovale Körper mit einem meist excentrisch gelegenen Kern. Fast aus- 
schliesslich war ihre Lage in der Spitze der Zotten und nur ausnahmsweise in 
der übrigen Schleimhaut; häufig steckte nur ein Theil der Körper in der 
Schleimhaut, während der andere in das Darmlumen hineinragte. Nach einer 
eingebenden Besprechung der feineren Strukturdetails dieser Körper kommt 
Verf. zu dem Schluss, dass „nach den Schilderungen zoologischer Lehrbücher 
und Abhandlungen einzelne Merkmale für die Coccidiennatur der Parasiten zu 
sprechen scheinen“. Bei Annabme letzterer handle es sich wohl um Cocc. 
bigeminum. Die Pathogenität der Parasiten sei zwar nicht bewiesen, nach 
den pathologisch-anatomischen Veränderungen im Darmtrakt aber sehr wahr- 
scheinlich. 

Der Abhandlung ist eine Tafel mit farbigen Abbildungen beigegeben. 

Paul Th. Müller (Graz). 


Kobler, Zur Aetiologie der Leberabscesse. Virch. Arch. Bd. 163. S. 134. 
Nach einer Statistik Kobler’s wurden in Wien in den Jahren 1881 — 18% 
unter 17204 Sektionen im Ganzen 79 mal, demnach in 0,46 pCt. der Fälle, 
Leberabscesse beobachtet. Für die Entstehung der Abscesse war dabei 
in 16,5 pCt. das Gebiet der Leberarterie, in 38,0 pCt. dasjenige der Gallen- 
gänge und in 21,5 pCt. dasjenige der Vena portae anzuschuldigen. 
Demgegenüber beruht nach den Beobachtungen, welche Kubler in den 
letzten 6 Jahren in Serajewo machte, die Entstehung der Leberabscesse in 
Bosnien in der Regel auf akuter oder chronischer Dysenterie. 
Kobler ist danach zu der Ueberzeugung gelangt, dass die Aetiologie der 


Infektionskrankheiten. Immunität. Schutzimpfung. 1147 


Leberabscesse in verschiedenen Beobachtungsgebieten eine verschiedene und 

es jedenfalls nicht gestattet ist, die Bedeutung der Darmaffektionen als 

ursächliches Moment für die Entstehung der Leberabscesse zu negiren. 
Scholtz (Königsberg i. Pr.). 


Heimann 6., Zur Krebsstatistik. Deutsche med. Wochenschr. 1901. No. 16. 
S. 255. 

Die Zahl der Krebstodesfälle in der Schweiz stieg von 3847 = 11,44 
auf 10000 Einwohner im Jahre 1889 bis zum Jahre 1898 auf 4131 = 13,24 
auf 10000 Einwohner. Diese Ziffern sind viel höher als in den meisten 
anderen Staaten (in Preussen 1898: 5,73). Besonders häufig scheint die Krank- 
heit in den Kantonen Schwyz und Luzern, selten in Tessin zu sein. 

Dieudonné (Würzburg). 


Heimann G., Zur Krebsstatistik. Deutsche med. Wochenschr. 1901. No. 24. 
S. 398. 

Die Zahl der Sterbefälle an Krebs ist in Bayern seit dem Jahre 1890 
von 4520—8,1 auf 10000 Einwohner bis zum Jahre 1899 auf 6192—10,2 auf 
10000 Einwohner gestiegen. Diese Zunahme ist grossentheils dadurch zu 
erklären, dass mit der Vermehrung der Aerzte überhaupt und namentlich als 
Leichenschauer ein grösserer Procentsatz von Krebstodesfällen gegen früher 
zur Kenntniss kommt. Man kann daher nicht ohne weiteres auf eine ent- 
sprechend grössere Verbreitung der Krebskrankheit schliessen. 

Dieudonne (Würzburg). 


Calmette et Guerin, Recherches sur la vaccine experimentale. Ann. 
de !’Inst. Pasteur. 1901. No. 3. p. 161. 

Auf Grund der vorliegenden wichtigen Arbeit können die Verff. bestätigen, 
dass das Kaninchen für eine Impfung mit Vaccine empfänglich ist, wie das 
zuerst Gailleton im Jahre 1889 und später Bard und Leclerc 1891 nach- 
gewiesen haben. 

Kleine typische Impfpusteln entstehen mit Regelmässigkeit beim Kanin- 
chen, wenn man die Vaccine nicht in die scarificirte Haut, sondern auf die 
einfach rasirte Rückenhaut einstreicht. Die Pusteln sind sehr reich an 
Lymphe, es findet also eine Vermehrung des Pockenstoffes statt. Was 
die Arbeit der Verff. aber weiter wichtig macht, ist die Feststellung der 
Thatsache, dass man die Uebertragung von Vaccine auf Kaninchen dazu be- 
nutzen kann, um die Virulenz oder die Wirksamkeit der Pockenlymphe für 
Kinder oder Kälber festzustellen, da konstatirt werden konnte, dass nur wirk- 
lich virulente Lymphe bei Kaninchen Impfpusteln erzeugt, während solche 
Lymphe, die bei Kindern und Kälbern nur abortive Pusteln erzeugt, beim 
Kaninchen gar nicht angeht. Nur in der Haut beim Kaninchen findet eine 
Vermehrung der virulenten Elemente der Vaccine statt, von keinem anderen 
Organe eines mit Pockenlymphe geimpften Kaninchens konnte nachgewiesen 


1148 Immunität. Schutzimpfung. 


werden, dass die Uebertragung derselben auf empfängliche Thiere Vaccine- 
pusteln erzeugt. 

Bekanntlich wird es mit Recht immer noch als ein grosser Uebelstand 
empfunden, dass unsere Vaccine nicht steril ist, d. h. es sind fremde Bakterien 
in der Lymphe vorhanden, die gelegentlich Anlass zur Entstehung von acci- 
dentellen Impfkrankheiten geben können. Verff. konnten nun den Nachweis 
führen, dass man vermittels des Kaninchenkörpers eine vollkommen sterile 
Lymphe herstellen kann, wenn man Lymphe in die Bauchböhle eines Kanin- 
ebens injieirt und sie nach einigen Stunden wieder aus der Bauchhöhle 
extrabirt. In der Zwischenzeit haben die Phagocyten alle fremdartigen 
Bakterien aus der Lymphe in sich aufgenommen, dagegen sind die vermeint- 
lichen Erreger der Vaccine nicht benachtheiligt. Wenn auch ein sicherer 
Nachweis der Erreger den Verff. nicht gelungen ist, so sehen auch sie als die 
wahrscheinlichen Mikrobien der Vaccine schon mehrfach gesehene, sehr kleine, 
runde, glänzende, bewegliche Körperchen an, die besonders reichlich in stark 
virulenter Lymphe sich finden, während sie in unwirksamer Vaccine nur spärlich 
vorhanden sind. 

Die mitgetheilte Virulenzprüfung und das Sterilisirungsverfahren der 
Lymphe scheinen mir die Beachtung unserer Impfinstitute zu verdienen. 

Wernicke (Posen). 


Weichardt, Zur Impftechnik. Münch. med. Wochenschr. 1901. No. 10. 
S. 891. 

Weichardt empfiehlt zur Anlegung der Impfschnitte das von ihm in 
No. 28 der Deutsch. med. Wochenschr. 1897 angegebene unverrostbare Impf- 
messer aus Reinnickel. Mittels der von der Fabrik O. Seyffart in 
Altenburg i. Schl. hergestellten Lympbemensur lässt sich dasselbe in 
sehr exakter Weise mit einem bestimmten Lymphquantum armiren, so dass 
man es in der Hand hat, 2, 3 oder 4 mg Lymphe einzuimpfen. Bei den 
ersten Impflingen wird dabei die Schwelle des vollen Wirkungswertbes der 
betreffenden Lymphsorte zunächst festgestellt und das gefundene „Impfminimal- 
quantum“ dieser Lymphe dann bei den späteren Impflingen stets in Anwen- 
dung gebracht. Scholtz (Königsberg i. Pr.). 


Walker H., Ueber die bakteriolytischen Wirkungen der Typhus- und 
Choleraimmunsera unter adroben und anaöroben Verhältnissen. 
Centralbl. f. Bakteriol. Bd. 29. No. 10. S. 429. 

Verf. theilt seine diesbezüglichen Versuche, angestellt mit Immunseren 
vom Meerschweinchen, Kaninchen und mit einem Serum eines Typhuskranken 
im Beginn der 2. Kranklieitswoche, mit. Es geht aus denselben hervor, dass nur 
unter anaöroben Verhältnissen starke Abtödtung der Mikroorganismen durch diese 
Immunsera stattfand; Anwesenheit sehr geringer Mengen Sauerstoffs (welche nur 
eine leichte Blaufärbung der Kabrhel’schen Methylenblaugelatine erzeugten) ver- 
minderte deutlich die keimtödtende Wirkung des Serums; immerhin bestanden 
auch hier noch grosse Unterschiede gegenüber der rein aöroben Probe. Je 
öfter und energischer die Proben geschüttelt wurden, desto grösser war die 


Immunität. Schutzimpfung. Irrenpflege. 1149 


Zahl der aufgelösten Bacillen, wie Verf. vermuthet, aus dem Grunde, weil 
dadurch eine gleichmässige Vertheilung derselben in der Flüssigkeit stattfindet 
und ein Weiterwachsen agglutinirter und dadurch vor der Enzymwirkung ge- 
schützter Bakterien verhindert wird. Die baktericide Wirkung trat noch bei 
Verdünnungen von 1:20 deutlich hervor. 

Verf. beschreibt in dieser Arbeit ausführlich die bei seinen Versuchen 
eingehaltene Methodik, bezüglich deren auf das Original verwiesen sei. 

Paul Th. Müller (Graz). 


Uhlerhuth, Weitere Mittheilungen über meine Methode zum Nach- 
weise von Menschenblut. Deutsche med. Wochenschr. 1901. No. 17. 
S. 260. 

Verf. macht weitere Mittheilungen über seine früher beschriebene Methode 
(vergl. Referat diese Zeitschr. 1901. S. 857) zum Nachweis von Menschen- 
blut. Es zeigte sich, dass trotz intensiver, bis 3 Monate dauernder stinkender 
Fäulniss die Reaktionsfähigkeit des Blutes nicht aufgehoben wird. Aus ver- 
schiedenen, mit schwach alkalischer Seife hergestellten Blutwaschwässern war 
dasjenige, welches Menschenblut enthielt, ohne Weiteres herauszufinden, ebenso 
sicher gelang der Nachweis von Menschenblut in Menstrualurid. Ferner 
konnte von verschiedenen im Schnee bei — 10° C. 14 Tage lang gefroren 
gewesenen Blutspuren die von Menschenblut herrührende sofort diagnosticirt 
werden. Das specifische Serum verträgt eine einstündige Erwärmung auf 60°, 
ohne seine präcipitirende Eigenschaft zu verlieren. Mit 0,5 pCt. Karbol ver- 
setztes Serum scheint lange Zeit wirksam zu bleiben. 

Dieudonne (Würzburg). 


Toulouse Ed., Direction et personnel medical des Asiles d’alienes. 
La Rev. phil. 2. IV. T. 21. p. 270—282. 

Anlässlich eines neuen Gesetzentwurfs formulirt und begründet T. folgende 
Forderungen: In den Irrenanstalten muss auf 500 Kranke wenigstens ein 
Arzt kommen. Alle Anstaltsärzte sind auf ihrer Abtheiluug selbstständig. 
Wo nur ein Arzt ist, fungirt dieser zugleich als Verwaltungsdirektor, bei zweien 
einer von ihnen; bei drei Aerzten sind die Funktionen getrennt; der Arzt ist 
dort bezüglich aller ärztlichen Anordnungen, Aufnahme und Entlassung der 
Kranken, sowie des Wartepersonals völlig selbstständig und untersteht nur 
direkt der Regierung. Die übrige Verwaltung besorgt der dem Präfekten unter- 
stellte Administrator, welcher von der Commission de surveillance kontrolirt 
wird und in Fragen, welche die ärztliche Thätigkeit berühren, das aus den 
Anstaltsärzten gebildete Direktionscomite hören muss, an dessen Sitzungen er 
mit berathender Stimme tbeilnimmt. Eventuell kann er an die Regierung 
(den Präfekten) appelliren. 

Auf Verlangen des Generalraths kann der Minister auch an Anstalten mit 
nur zwei Aerzten die Funktionen trennen. 

Die Ernennung der Aerzte erfolgt auf Grund einer regionalen Wettprüfung 
(concours), doch ist die Versetzung in eine andere Gegend nicht ausgeschlossen. 

81 


1150 Schulhygiene. Kinderpflege. 


Die ärztlichen Direktoren werden vom Minister aus den wenigstens schon 
drei Jabre thätigen Anstaltsärzten mit Rücksicht auf ihre wissenschaftlichen 
Leistungen u. s. w. gewählt. Für die Hauptstädte ist das Bestehen einer be- 
sonderen Prüfung nöthig. 

Die Absetzung der Aerzte kann nur mit Einwilligung der Commission de 
surveillance und des Conseil superieur de l’assistance publique erfolgen. Zu 
letzterem wählen die Anstaltsärzte der Provinz und der Universitätsstädte je 
einen Delegirten. In den Departements mit drei oder mehr Anstalten sitzt 
ein Vertreter der Aerzte mit berathender Stimme in der Commission de sar- 
veillance. 

Die Verwaltungsdirektoren werden vom Minister ernannt. 

Stern (Bad Reinerz). 


Frenzel Fr. (Hilfsschulleiter zu Stolp), Das Lebens- und Personalbuch 
im Dienste der Pädagogik und Schulhygiene. Zeitschr. f. Schul- 
gesundheitspfl. 1900. No. 11. S. 607. 

In den Hilfsscbulen für schwachbegabte Kinder wird an vielen Orten 
schon jetzt ein Personalbuch geführt, welches alljährliche Eintragungen über 
die geistige und körperliche Entwickelung des Zöglings giebt. Verf. wünscht 
diese Einrichtung allgemein eingeführt und durch ein von den Eltern aom- 
legendes Lebensbuch ergäuzt. Das letztere soll in knapper Form auf wenigen 
Blättern entbalten: 1. allgemeine Bemerkungen, 2. das Säuglingsalter, 3. das 
Spielalter, 4. das Lernalter, 5. das Jünglings- bezw. Jungfrauenalter. Der In- 
halt eines solchen Heftchens würde schon beim Eiutritt in die Schule dem 
Lehrer manchen wichtigen Anhaltspunkt für Beurtheilung des Kindes geben. 
Doch bedarf es wohl kaum des Hinweises, dass auf Führung solcher Personal- 
akten seitens der Eltern niemals zu rechnen sein wird. Hingegen unterliegt 
es keinen Schwierigkeiten und dürfte sich in mancher Hinsicht empfehlen, die 
in manchen Schulen mit den Schulärzten eingeführten Gesundheitsbogen im 
Sinne des Verf.'s zu kleinen Heftchen zu erweitern, die auch folgende Ru- 
briken, wie er es vorschlägt, enthalten könnten: 1. Das Wesen des Kindes, 
2. sein Auffassungsvermögen, 3. sein Sprachvermögen, 4. sein Gedächtniss, 
5. besondere Neigungen und Triebe, 6. körperliche Entwickelung, 7. elterliche 
Auskunft. Paul Schubert (Nürnberg). 


Knudsen K. A. (Kopenhagen), Die neue dänische Gymnastik. Zeitschr. 
f. Schulgesundheitspfl. 1901. No. 1. S. 21. 

Die Neubelebung der Gymnastik durch Gutsmuths fand in Däne- 
mark alsbald kräftigen Wiederhall, indem Nachtigall das Werk von Gats- 
mutbs übersetzte und in Kopenhagen eifrig für Bethätigung der Körperübungen 
wirkte. Schon 1804 wurde daselbst ein militärisch-gymnastisches Institut ge- 
schaffen, und das Jahr 1814 brachte die Einführung der Gymnastik in die Volks- 
schule. Die nächsten Jahrzehnte sahen indess einen Rückgang der Bewegung, die 
erst durch jene das dänische Volksleben erschütternden Ereignisse von 1864 


Schulhygiene. Kinderpflege. 1151 


neuen Antrieb erhielt. Die Turnvereine der Städte wandten sich dabei der 
alten Nachtigall’schen Gymnastik zu, mit Hinzuziehung des deutschen Reckes 
und der Barre, während die ländlichen Vereine der von Ling geschaffenen 
schwedischen Gymnastik den Vorzug gaben. Ling hatte nach gründlichen 
anatomischen Studien ein System körperlicher Uebungen aufgebaut, das in 
gleicher Weise die lückenlose Gymnastik aller Muskelgruppen fördern und 
auch den Gesetzen der Schönheit Rechnung tragen sollte. Die von Ling 
gebauten Geräthe sollten zu möglichst vielen und guten Uebungen dienen und 
auch von vielen Schülern auf einmal benutzt werden können. Ling berück- 
sichtigte vor allem den kindlichen Körper und arbeitete nicht auf Virtuosen- 
künste hin, die immer nur von einem Bruchtheil der Turner erlernt werden, 
sondern auf harmonische Durchbildung aller Muskelgruppen bei allen Schü- 
lern. Dementsprechend gruppirte er seine Uebungen in solche für den Rücken, 
für Brust und Bauch, für Arme und Beine. Jede Turnstunde beginnt mit 
leichteren Uebungen, geht dann zu anstrengenderen über und schliesst wieder 
mit leichteren, namentlich mit Athmungsübungen. Es wird streng darauf 
geachtet, dass alle Schüler möglichst ununterbrochen beschäftigt werden, wäh- 
rend beim deutschen Gerätheturnen bekanntlich immer nur wenige Schüler 
gleichzeitig arbeiten, während die anderen ruhen. 

Um den in Dänemark entbrannten Streit zwischen den Anhängern der 
alten Nachtigall’schen Schule und den Freunden der Ling’schen Richtung 
zu schlichten, setzte die Regierung eine Kommission zum Studium dieser 
Fragen nieder. Diese hat nun als Frucht ihrer auch auf das deutsche Turnen 
ausgedehnten vergleichenden Untersuchungen ein neues Handbuch der Gym- 
nastik ausgearbeitet, das dem dänischen Turnen in Zukunft die Wege weisen 
soll. Das Handbuch folgt für die Unterstufen den Grundsätzen von Ling und for- 
dert: 1. Ordnungsübungen, 2. Beinübungen, 3. Seitenübungen, 4. Vorderseiten- 
übungen, 5. Rückenübungen, 6. Arm-, Schulter- und Halsübungen, 7. Spring- 
übungen, 8. Gleichgewichtsübungen, 9. Alhmungsübungen, 10. Spannbiegungen, 
11. Hebübungen, 12. Gewandheitsübungen. Die letzte Gruppe fasst die mannig- 
fachen Muskelgrappen zu gemeinsamer Arbeit (Koordination) zusammen. Hier 
finden dann auch die deutschen Barren- und Reckübungen und das Pferdspringen 
ihren Platz. Die Gewandheitsübungen bilden die Oberstufe und schliessen sich, 
neben den unserem deutschen Gerätheturnen entlehnten Uebungen der Methode 
von Nachtigall an; auch das Jugendspiel, insbesondere die verschiedenen 
Formen des englischen Ballspiels, haben hier Aufnahme gefunden. 

Als oberster Grundsatz wird in dem Handbuch aufgestellt, dass nicht 
etwa nur „einer kleinen Anzabl auserwählter Schüler erstaunenswürdige Fertig- 
keiten verschafft werden, während die übrigen mit Uebungen, denen sie nicht 
gewachsen sind, die Zeit verlieren“, sundern dass möglichst allen Schülern 
ein gesunderer, kräftigerer, leistungsfähigerer Körper gegeben werde. 

Paul Schubert (Nürnberg). 


81* 


1152 Schulhygiene. Kinderpflege. 


Altschul, Welchen Schädigungen können Herz- und Athmungsorgane 
durch Leibesübungen ausgesetzt werden? Zeitschr. f. Schulgesund- 
heitspfl. 1900. No. 12. S. 676. 

Der Inhalt ist einer soeben bei Leopold Voss, Hamburg, erschienenen 
Broschüre des genannten Verf.’s: „Nutzen und Nachtheile der Körper- 
übungen“ entnommen. 

Ueber die Folgen zu starker Anstrengungen des Herzmuskels bei jagend- 
lichen Individuen werden die Arbeiten von Martius, v. Schrötter und 
Schott eitirt, wobei die Häufigkeit einer angeborenen oder in der Wachsthums- 
periode ohne erkennbare Ursache auftretenden Herzschwäche hervorgehoben 
wird, die besondere Vorsicht bei Jugendspielen und Sportübungen fordert. 
Solche Kinder sind von Gymnastik keineswegs auszuschalten, sie bedürfen 
derselben vielmehr recht dringend, nur ist bei ihnen sorgsam jede Ueber- 
anstrengung des Herzens fernzuhalten. Das trifft besonders beim Fussballspiel 
und beim Radfahren zu. Wo Schulärzte bestehen, sollen diese die Auswahl 
der für diese Uebungen geeigneten Kinder treffen. Fussball soll nicht vor 
dem 12., Radfahren nicht vor dem 14. Lebensjahre erlaubt werden; wenn 
man vorsichtig sein will, ist sogar der Ablauf der Pubertätsjahre abzuwarten. 

Vermehrte Athmung tritt besonders bei Schnelligkeits- und Dauerübungen 
auf und ist bis zu einem gewissen Grade nützlich; bei Uebertreibung aber, 
wenn Cyanose des Gesichts einzutreten beginnt, von Nachtheil und nicht ohne 
Gefahr. Man achte darauf, dass keine beengende Kleidung getragen werde, 
und verbiete den Mädchen hierbei das Corset. Ferner ist darauf zu achten. 
dass der Mund geschlossen gehalten, und dass der Oberkörper nicht vorge- 
beugt und gekrümmt, sondern aufrecht getragen wird. Nach Tisch sollen 
keine Leibesübungen vorgenommen werden, weil sie aktive Hyperämie 
im Muskelsystem erzeugen, und dadurch das Blut den Verdauungsorganen 
entzogen wird, wodurch Verlangsamung und Störung der Verdauungstätigkeit 
eintritt. Paul Schubert (Nürnberg). 


Kunze H. (Lehrer), Die Hilfsschule zu Halle a. S. Vortrag. Zeitschr. f. 
Schulgesundheitspfl. 1901. No. 2. S. 85. 
Schmid-Monnard, Bericht über die an den Vortrag des Herrn Kunze 
anschliessende Diskussion. Ebenda. S. 95. 
Kläbe K. (Lehrer), Ueber die Auswahl der schwachbegabten Kinder 
für die Hilfsschule. Ebenda. S. 97. 
Obwohl die Halle’sche Hilfsschule schon 1859 gegründet wurde, blieb 
sie doch in unzulänglicher Form auf eine Klasse beschränkt, erhielt erst 1899 
eine zweite und 1900 drei weitere Klassen und wird erst im laufenden Jabre 
in den Stand gesetzt sein, alle zugehörigen Kinder des Ortes aufzunehmen. 
Die Schülerzahl jeder Klasse beträgt höchstens 25. Es sind 4 Abtheilungen 
(Stufen) gebildet, deren zweite noch weiter in 2 Klassen getheilt ist. Als 
mustergiltig wird die Leipziger Anstalt gerühmt, die für Verpflegung und 
Ueberwachung der Kinder während des ganzen Tages sorgt und mit sehr kleinen 
Klassen (15 Schülern) arbeitet. 
In der Hilfsschule zu Halle wird ein Personalbogen über jedes Kind ge- 


Schulhygiene. Kinderpflege. 1153 


führt, in welchem u. a. folgende Punkte berücksichtigt sind: 1. Krankheiten, 
Lebenswandel, Altersunterschiede, Tod und Todesursache der Eltern. 2. Aus- 
kunft über die Geschwister. 3. Entwickelungsstörungen in den ersten Lebens- 
jahren.. 4. Erkrankungen im vorschulpflichtigen Alter. 5. Unglücksfälle und 
Kopfverletzungen. 6. Missbildungen. 7. Auge, Ohr, obere Luftwege. 8. Sprach- 
gebrechen. 9. Häusliche Verhältnisse. 

Die Auswahl der Kinder für die Hilfsschule erfolgt, wie an anderen Orten, 
nach dem Grundsatz, dass die Erfolglosigkeit des gewöhnlichen Volksschul- 
unterrichts die Grenze nach oben bilden soll und die Unterrichtsfähigkeit die 
Grenze nach unten. Wirkliche Idioten werden ausgeschlossen und eigenen 
Anstalten überwiesen. Die Erfolglosigkeit des allgemeinen Unterrichts tritt 
zu Tage, wenn ein Kind 2 Jahre die Unterklasse besucht hat, ohne das Klassen- 
ziel zu erreichen. In einigen Fällen ist die Erkenntniss der ungenügenden 
Veranlagung schon im ersten Schuljahre möglich, dann erfolgt die Ueberwei- 
sung schon früher. Ausnahmsweise werden auch Kinder aus den mittleren 
Klassen nachträglich der Hilfsschule zugeschickt. Sorgsam sucht man ver- 
wahrloste, aber genügend veranlagte Kinder, deren richtige -Beurtheilung zu- 
weilen schwer ist, von der Hilfsschule fern zu halten. Die Zuziehung des 
Arztes bei der Auswahl der Kinder ist wegen der vielfachen körperlichen 
Mängel, insbesondere der Schwerhörigkeit und Schwachsichtigkeit, erforderlich. 

Unterrichtsfächer sind: Religion, Lesen und Schreiben, Anschauungsunter- 
richt, Heimathkunde, Rechnen, Zeichnen, Handarbeit für Mädchen, Handfertig- 
keit für Knaben. Die Einrichtung eines Schulgartens wird erstrebt, da die 
schwachbegabten Kinder sich insbesondere für landwirthsebaftliche Beschäfti- 
gungen eignen. 

Zöglinge der Hilfsschulen sollen der Heimathgemeinde als solche bekannt 
gegeben werden, damit sie später nicht zum Militärdienst herangezogen werden, 
und damit im Falle eines Konfliktes mit dem Strafgesetz ihre mindere Zurech- 
nungsfähigkeit Berücksichtigung findet. Paul Schubert (Nürnberg). 


Gerhardi, Ueber Anschauung. Zeitschr. f. Schulgesundheitspfl. 1901. No. 1. 
S. 3. 

Die Arbeit bildet eine Fortsetzung zu des Verf.’s im September v. J. in 
Aachen gehaltenem Vortrag über Psychologie in Bezug auf Pädagogik und 
Schulgesundheitspflege (diese Ztschr.8.910). Es wird darin dargelegt, wie 
die Anschauung physio-psychologisch zu Stande kommt, wie sehr die unmittel- 
bare Anschauung der durch Beschreibung gewonnenen Vorstellung überlegen, und 
in welchen Fällen sie als pädagogische Methode anzuwenden ist. Der Verf. spricht 
dabei wohl vorwiegend zu Lehrern, dem Arzt wird Neues nicht geboten. Der 
Satz (S. 9), dass durch das Chiasma das Netzhautbild eines jeden Auges 
doppelt in die Psyche geworfen wird, so dass es sich um die Verschmelzung 
von 4 Gesichtswahrnehmungen handelt, dürfte leicht zu Missverständniss 
führen. 

Die Folgerung, welche Verf. für die Unterrichtsmethode zieht, lautet, dass 
überall, wo Aneignung positiven Wissens bezweckt wird, möglichst ausgiebiger 
Gebrauch vom Anschauungsunterricht gemacht werden soll. Weniger ein- 


1154 Schulhygiene. Kinderpflege. 


wandsfrei ist die Polemik gegen die altphilologische „lehrhafte Lesung und 
Besprechung deutscher Bühnenwerke und die mühselige Uebersetzung Horazi- 
scher Oden und Sophokleischer Dramen“, wovon er keinen erheblichen Gewinn 
für die ästhetische und sittliche Bildung der Schüler erwartet, und die er 
durch ein Paar Dutzend Theaterbesuche im Gebiete der deutschen Klassiker 
zu ersetzen wünscht. Paul Schubert (Nürnberg). 


Kotelmann L., Ein Fall von Ueberbürdung im klassischen Alterthum. 
Zeitschr. f. Schulgesundheitspfl. 1901. No. 1. S. 16. 

Im kapitolinischen Museum in Rom befindet sich das Todtendenkmal eines 
Knaben, über den die beigefügte Inschrift berichtet, dass er im Alter von 
11 Jahren unter 52 Mitbewerbern im Dichterwettbewerb durch extemporirte 
Verse obsiegte. Aus einem beigefügten Epigramm erfährt man, dass der früh- 
reife Knabe Tag und Nacht von den Musen nicht habe ablassen können und 
deshalb durch Krankheit und Erschöpfung zu Grunde gegangen sei. 
Treffend bemerkt K., dass nicht nur der Ehrgeiz des Knaben, sondern auch 
die Eitelkeit der unverständigen Eltern an dem frühen Tode Schuld haben. 

Paul Schubert (Nürnberg). 


Georges-Martin, Mme. Marie, Promenades maternelles. La Rev. phil. 2. 
V. T. 25. 

Die Schüler der Klippschulen sollen von Lehrern und Lehrerinnen, 
denen sich vielleicht andere Schulbeamte und Patronatsdamen anschliessen, 
mindestens zweimal wöchentlich spazieren geführt werden, um ihnen den 
nöthigen Luftgenuss zu verschaffen. Die grösseren Kinder, die sich herumtum- 
meln können, bedürfen dessen nicht so sehr; aber die kleineren sind zuviel 
aufs Zimmer angewiesen, da es den Müttern meist an Zeit fehlt, sie draussen 
zu beaufsichtigen. Stern (Bad Reinerz). 


Sichelstiel G. (Ingenieur) und Schubert, Paul, Die Nürnberger Schulbank. 
Zeitschr. f. Schulgesundheitspfl. 1901. No. 2. S. 55. (Mit 5 Holzschn.) 

In Nürnberg ist seit 1877 eine zweisitzige Pultbank mit fester Minus- 
distanz eingeführt, die sich im Allgemeinen bewährt hat, jedoch in jüngster 
Zeit gegenüber der Rettigbank den Nachtheil erkennen liess, dass sie dem 
Reinigen des Fussbodens grössere Hindernisse entgegenstellt. Die Rettigbank 
ist im Wesentlichen nichts anderes als eine durch Charviere an einer Schiene 
befestigte und um diese klappbare zweisitzige Bank des alten Nürnberger 
Systems. Der Vorzug der Umlegbarkeit der Bank und der dadurch bedingten 
leichteren Reinigungsmöglichkeit des Fussbodens ist aber bei Rettig durch 
einige Nächtheile erkauft. Der Preis erhöht sich durch die Charniere um 
6 Mk. für die Bank. Die Charniere bilden schwer zu säubernde Schmutz- 
winkel, und die Befestigung jeder Bank an der Schiene macht das Aus- 
wechseln der Bänke umständlich und zeitraubend. Man hat daher in. Nürn- 
berg in letzter Zeit das Problem zu lösen gesucht, die Bank auf billigere und 
einfachere Weise aufstellbar zu machen. Eine am Boden festgeschraubte Schiene 
(Winkeleisen) läuft nach Art der Rettig’schen Schiene in der Richtungelinie 


Ernährung. 1155 


einer Bankreihe an deren rechten Seitenstollen entlang. Diese letzteren tragen 
an ihrer Unterkante einen der Schiene entsprechenden Ausschnitt, sind aber 
mit der Schiene nicht durch Gelenke verbunden, sondern nur lose an dieselbe 
angerückt. Man kaon nun (entsprechend gebaute Tintenfässer vorausgesetzt) 
die Bänke um die in der Schiene liegende Axe drehen und auf ihre Stirnseite 
stellen, genau wie bei der Rettigbank. Der Fussboden unter der Bank ist 
dann der Reinigung zugängig, und auch die Schiene selbst und der Fussboden 
an ibr entlang bieten glatte, leicht zu säubernde Flächen, die durch keine 
vorspringenden Charniertheile unterbrochen werden. Da die Bank nur lose 
an die Schiene angerückt ist, lässt sich eine Umstellung jederzeit leicht aus- 
führen. Die Preisersparniss ist bedeutend, sie beträgt sowohl wegen der ein- 
facheren Konstruktion, als auch wegen des in Wegfall kommenden Patent- 
anspruches etwa 25 pCt. gegenüber der Rettigbank. 
- Paul Schubert (Nürnberg). 


Lichtenfelt H., Ueber die Ernährungsmöglichkeit im Deutschen 
Reiche. Centralbl. f. allgem. Gesundheitspfl. 1900. Bd. 19. S. 377. 

Verf., dem wir schon mehrfach statistische Arbeiten über die Ernäh- 
rung des Menschen verdanken, kommt auf Grundlage der Reichsstatistik, der 
Angaben König’s in Bezug auf Maximum, Minimum und mittleren Gehalt 
der Körnerfrüchte und Kartoffeln an Nährstoffen, seiner eigenen Arbeit über 
den Fleischverbrauch (Landwirthschaftliche Jahrbücher 1897) für die Jahre 
1892—1897 zu dem Resultat, „dass in Bezug auf Eiweiss die heimische Pro- 
duktion in ihrem Antheil am Konsum zurückgegangen ist, und in Folge dessen, 
weil der Konsum hiervon fast ein konstanter ist, der dem Import zufallende 
Theil sich entsprechend erhöht hat. Genau das Gleiche lässt sich von den 
Kohlehydraten sagen, während dieser Umstand sich beim Fett nur in ganz 
geringem Maasse ausdrückt“. 

Der Konsum an Nährstoffen für die Jahre 1892—1897 und der Konsum 
pro Kopf und Tag, berechnet für dieselbe Zeit, wird in folgenden beiden sebr 
lehrreichen Tabellen zusammengestellt: Í 


1. Zusammenstellung des Konsums an Nährstoffen für die Jahre 


aus Produktion aus Import 


5 Kilogramm zusammen, 

> Nh Fett Nfr. Nh Fett Nfr. Nh Fett Nfr. 
animalisch . 1892 10,84 16,89 4,42 1,12 1,09 0,04 11,46 17,98 4,46 
vegetabilisch 17,42 1,95 129,18 4,92 0,85 30,24 22,34 2,80 159,42 
zusammen . 27,76 18,84 133,60 6,04 1,94 30,23 33.30 20,78 163,88 
animalisch . 1893 10,32 16,93 442 1,10 1,07 0,05 11,42 18,00 4,47 
vegetabilisch 17,46 1,96 139,19 3,70 0,69 23,65 21,16 2,65 162,84 


zusammen . 27,78 18,89 143,61 4,80 1,76 23,70 32,58 20,65 167,81 
animalisch . 1894 10,88 16,99 4,42 1.25 1,17 0,05 11.63 18,16 4,47 
vegetabilisch 16,85 1,85 127,08 556 0.98 340) 2231 2,83 161,09 
zusammen . 27,23 18,84 131,50 6,71 2,15 34.06 33,94 20,99 165,56 


1156 Ernährung. 


animalisch . 1895 10,45 17,45 442 1,10 0,96 0,04 11.55 18,41 4,46 


vegetabilisch 16,30 1,71. 133,50 5,85 1,05 36,29 22,15 2,76 169,79 
zusammen . 26,75 19,16 137,92 695 2,01 36,33 33,70 21,17 174,25 
animalisch . 1896 10,50 17,12 442 1,00 0,82 0,04 11,50 17,9% 4,46 
vegetabilisch 15,45 1,65 11841 6,87 1,20 41,58 22,32 2.85 159.99 
zusammen . 35,05 18,17 122,83 7,87 2,02 41,62 33,82 20,79 16445 
animalisch . 1897 10,54 17,17 442 1,03 0,96 0,04 11,57 18.18 446 
vegetabilisch 15,87 1,75 121,68 5,56 1,04 35,78 2143 2,79 157,46 
zusammen . 26,41 18,92 126,10 6,59 2,00 35,82 33,00 20,92 161,93 


2. Der Konsum an Nährstoffen beträgt pro Kopf und Tag in den Jahren 
Gramm 


animalisch . 1892 28,25 46,15 12,08 3,06 2,98 0,11 31,81 49,13 12,19 
vegetabilisch 47.73 5,34 353,92 13.48 233 8285 6121 767 436.17 


zusammen . 75,98 51,49 366,00 16,54 5,31 82,96 92.52 56,80 448.96 
animalisch . 1893 28,27 46,38 12,11 3,01 2,98 0,114 31,28 49,31 12.25 
vegetabilisch 47,84 5,37 381.34 10,14 1,89 64,79 57,98 7,26 446.18 
zusammen . 76,11 51,75 393,45 13,15 4,82 64,93 89,26 56, 
animalisch . 1894 28,44 46,55 12,11 343 321 0,14 31,37 49 
vegetabilisch 46.16 5,07 348.16 14.96 2,68 93,18 61,12 7, 
zusammen . 74,60 51,62 366,27 18,39 5,89 93,32 92,99 57 


animalisch . 1895 28,63 47,81 12,11 3,01 2,63 0,11 31,64 50.44 
vegetabilisch 44,66 4,68 265,75 16,03 2,88 99,43 60,69 


zusammen . 73,29 52,49 377,86 19,04 5,51 99,54 92,33 58,00 477,0 
animalisch . 1896 28,69 46,78 12,08 2,73 2,24 0,11 31,42 49,02 12,19 
vegetabilisch 4233 4,52 324,41 18,82 3,29 113,92 6115 781 43838 
- zusammen . 71,02 51,30 386,49 21,55 5,58 114,08 92,57 56,83 45052 
animalisch . 1897 28,88 47,04 12,11 2,82 2,68 0,11 81,70 49,67 12.22 
vegetabilisch 43,48 4,80 333,37 15,23 2.85 98,03 58,71 7,65 43140 
zusammen . 443,36 310,49 2179,55 1006,72 32,54 552,92 550,08 343.08 3732.47 


Durchschnitt pro 
Kopf und Tag 73,89 51,75 363,26 17,79 5,42 92,15 91,68 57,17 454 


Die Richtigkeit dieser Zahlen hat Verf. geprüft 1. durch Einzelaufnah- 
men über die Beköstigung (Centralbl. f. allgem. Gesuodheitspfl. 17. Bd. 6 u. 
7. H.), 2. aus den für den durchschnittlichen Konsum bezw. die Ernährungs- 
möglichkeiten berechenbaren Kothmengen und dem Stickstoffgehalt des Harns. 
welche die Ernährungsmöglichkeiten voraussetzen, 3. dem, was pro kg Körper- 
gewicht an Stickstoff im Durchschnitt entfallen würde (nach Quetelet ist das 
Gewicht der gesammten Bevölkerung des Reichs berechnet; dies durch die 
Einwohnerzahl getheilt, ergiebt ein Durchschnittsgewicht von 44,77 kg. und 
pro kg Körpergewicht entfallen daher 0,26 Stickstoff verdaulich). 

Verf. schliesst damit, dass das Bestreben, durch Gesetze den Import zu 
hemmen, bedenklich ist, dass die dauernden Kraftleistungen eines Volkes von 
dem ilim zu Gebote stehenden Nahrungsquantum abhängen, und, dieses zu 
verringern, eine Schädigung der Gesundheit bedeutet, namentlich da es sich 
um die bauptsächlichste Quelle animalischen Eiweisses, das Fleisch, handelt. 
„Das höchste materielle Gut eines Volkes ist die Gesundheit, auf sie muss 
der Gesetzgeber in erster Linie Rücksicht nehmen.“ 

R. Blasius (Braunschweig). 


Ernährung. 1157 


Riche A., Du choix des vases destines A preparer et & contenir les 
subsiances alimentaires et les boissons; des matières qu'il ya 
lieu d’interdire pour ces usages. Rev. d’hyg. 1900. No. 8. p. 704. 

Welche Metalle oder Metallgemische sind am besten geeignet 
zur Herstellung von Gefässen, in denen Nahrungsmittel zubereitet 
und aufbewahrt werden sollen? Obwohl es ziemlich leicht in Lösung 
geht, ist Zinn ein empfehlenswerthes Material, denn 'seioe Salze sind verhält- 
nissmässig wenig giftig und verrathen sich sofort durch ihren sehr unange- 
nehmen Geschmack. Indess ist das Metall zu weich, um aus ihm allein Ge- 
fässe herzustellen, man kann es nur in Legirung mit anderen Metallen ver- 
wenden. Am verbreitetsten sind Legirungen von Zinn mit Blei. Riche 
hält aber jede Verwendung von Blei zu Nahrungsmittelgefässen für verwerf- 
lich, in Anbetracht dass Blei sehr leicht löslich ist, dass seine Salze sehr 
giftig sind und in Folge ihres süssen Geschmacks vom Konsumenten schwer 
wahrgenommen werden. Statt der Zinnbleilegirungen empfiehlt er Zinn- 
antimonlegirungen mit 2—5 pCt. Antimon, die gleich hart, aber unendlich 
weniger gefährlich, nur etwas theurer sind. Legirungen von Zinn mit Nickel, 

Kupfer oder Aluminium eignen sich nicht. Die Aluminiumlegirungen sind 

nicht widerstandsfähig genug, die nickel- und kupferhaltigen führen, auch 

wenn nur Spuren dieser Metalle in Lösung gehen, zu Grün- und Blaufärbung 
der wit ihnen in Berübrung befindlicben Nahrungsmittel. Aus dem gleichen 

Grunde, ausserdem auch wegen ihres hohen Preises, ist die Verwendung von 

Gefässen aus reinem Nickel ausgeschlossen; im Uebrigen würde Nickel brauch- 

bar sein, da seine Salze relativ ungiftig sind. Reines Kupfer ist wegen seiner 

Löslichkeit und der Giftigkeit seiner Verbindungen nicht brauchbar. Zink 

und ebenso verzinktes Eisen ist gut verwendbar, da Ziok wenig löslich und 

in seinen Salzen nicht besonders giftig ist; nur in den Fällen, wo es mit 
sauren oder stark alkalischen Flüssigkeiten in Berührung kommt, kann man 
es nicht brauchen, da es sich unter diesen Bedingungen in zu hohem Maasse 
löst. Aluminium wird um so weniger angegriffen, je reiner es ist. Seine 

Anwendung zur Herstellung von Gefässen für Nahrungsmittel hat noch eine 

Zukunft, da es von Jahr zu Jahr in reinerem Zustande, d. h. weniger kiesel- 

säure- und eisenhaltig als in der ersten Zeit seiner Gewinnung im Grossen, 

auf den Markt gebracht wird. Gefässe aus Eisenblech und Gusseisen müssen 
zum Schutze gegen Rost innen emaillirt sein. Unbedingt muss die Emaille 
bleifrei sein. Für den Küchengebrauch hält Riche emaillirte Gefässe nicht 
für empfehlenswerth, weil die Emaille regelmässig bald Sprünge bekommt, in 
die sich Schmutz setzt, der nur schwer entfernt werden kann. 

R. Abel (Hamburg). 


Loewi 0., Untersuchungen über den Nukleinstoffwechsel. II. Mit- 
theilung. Arch f. exper. Pathol. u. Pharmakol. Bd. 45. S. 157. 
L. fasst seine Ergebnisse folgendermaassen zusammen: 
1. Die Nahrungsnukleine werden im Darm zum Theil gespalten; die 
Phosphorsäure des gespaltenen Antheils geht in die Fäces, der N-haltige Theil 


1158 Ernährung. 


wird resorbirt. Der nicht gespaltene grössere Antheil wird in toto resorbirt, 
wobei die Phosphorsäure in organischer Bindung bleibt. 

2. Es ist möglich, durch Nukleinfütterung im Körper N und P,O; in dem 
Verhältniss zum Ansatz zu bringen, in dem diese Stoffe im eingeführten Nu- 
klein vorhanden sind. 

3. Nukleinzulagen verbessern unter Umständen den N-, mitunter auch 
den P,O,-Ansatz. 

4. Ausser Harnsäure treten andere specifische N- oder P-haltige End- 
produkte des Nukleinumsatzes im menschlichen Harn in erkennbarer Weise 
nicht auf. 

5. Zufuhr von Guanin, das an Nuklein gebunden ist, führt zu beträcht- 
licher Harnsäurevermehrung. 

6. Die Harnsäureausscheidung ist in der Norm allein von der Nahrung 
abhängig. Paul Th. Müller (Graz). 


Vaillard L., Les conserves alimentaires de viande. Rev. d’Hyg. 1900. 
No. 9. p. 782. 

Alle Jahre ereignen sich in Frankreich eine Anzahl von Erkrankungen 
nach Genuss von Fleisch in Büchsen, das durch Hitze sterilisirt ist. 
Unter dem Militär scheinen solche Erkrankungen häufiger zu sein als unter 
der Civilbevölkerung, aber wohl nur deshalb, weil in der Armee Büchsenfleisch 
verhältnissmässig in weit grösserem Umfange genossen wird als vom Pabli- 
kum. Uebrigens ist die Zahl der Erkrankungen nach Büchsenfleischgenuss 
auch im Heere keine grosse. Bei Gebrauch von 3 Millionen Dosen Fleisch 
zu je 5 Tagesportionen kamen 1897 nur 201, 1898 nur 188 Erkrankungen im 
Heere vor; nur eine Erkrankung endete tödtlich. 

Vaillard bespricht, auf welche Weise Büchsenfleisch gesundheitsschädlich 
werden und wirken kann. Der Verlauf der beobachteten Erkrankungen spricht 
dafür, dass sowohl Intoxikationen wie Infektionen durch Büchsenfleisch vorkom- 
men. Toxische Substanzen können in Büchsenfleisch vorhanden sein erstens, wenn 
zu seiner Bereitung Fleisch kranker Thiere verwendet worden ist, zweitens, wenn 
es aus unreinlich behandeltem oder nicht mehr frischem und bereits bakteriell 
zersetztem Fleisch hergestellt worden ist. Ferner kommt es vor, dass Büchsen 
in den Handel gebracht werden, die bei der ersten Kochung nicht sterilisirt 
waren, beim Aufbewahren Zeichen der Zersetzung (Auftreiben des Deckels 
oder Platzen der Büchse durch bakterielle Gasbildung) zeigten und nach An- 
bohren noch einmal sterilisirt wurden; auch in diesem (dritten) Falle kann 
das Büchsenfleisch toxische (durch Bakterienwirkung entstandene) Substanzen 
enthalten. Im zweiten und im dritten Falle, manchmal auch im ersten, findet 
man bei der mikroskopischen Untersuchung zahlreiche Bakterienleiber in und 
an dem Fleische. Doppelte Sterilisation kann auch am Vorhandensein zweier 
Löthstellen erkannt werden. Toxisch und eventuell auch gleichzeitig infektiös 
kann Büchsenfleisch wirken, das ungenügend sterilisirt ist und noch lebende 
Bakterien enthält. Oft verräth sich die Anwesenheit lebender Bakterien schon 
äusserlich durch Auftreibung der Büchse in Folge von Gasentwickelung oder 
nach Oeffnen der Büchse durch Verfärbung des Fleisches, schlechten Ge- 


Ernährung. 1159 


ruch desselben, Verflüssigung der es umgebenden Gallerte. Es kommt aber 
auch vielfach vor, wie Vaillard nachweisen konnte, dass Büchsen, deren In- 
halt ganz normal beschaffen erscheint, in Folge mangelhafter Sterilisation 
zahlreiche lebende Keime enthalten. Diese vermehren sich kräftig erst von 
dem Moment an, wenn die Büchse geöffnet oder undicht geworden ist, kurz, 
wenn der Sauerstoff der Luft zutritt. Bleiben solche bakterienhaltigen Büchsen 
in einem warmen Raume einige Zeit geöffnet stehen, wie es im täglichen Leben 
vorkommen kann, so zersetzt sich ihr Inhalt durch die Wirkung der Bakterien 
schnell. 

Was geschehen muss, um Erkrankungen durch Genuss von Büchsenfleisch 
zu verhüten, ergiebt sich von selbst. Es muss überwacht werden, dass nur 
Fleisch von gesunden Thieren verarbeitet, dass die Herstellung der Konserven 
sehr sauber ausgeführt und dass die Kochung der Büchsen in einer zur Steri- 
lisirung des ganzen Inhaltes genügenden Weise vorgenommen wird. 

R. Abel (Hamburg). 


Lebbin, Georg, Die Konservirung und Färbung von Fleischwaaren. 
Mit besonderer Berücksichtigung der Denkschrift des Kais. Gesundheitsamtes 
vom Oktober 1898 kritisch beleuchtet. Berlin 1901. M. Zülzer & Co. 29 Ss. 8°. 

In einem „Vorwort“, das Prof. Dr. O. Liebreich der vorliegenden Brochüre 
beigegeben hat, betont dieser, dass „zur Bekämpfung von Konservirungs- 
mitteln häufig Thierversuche in falscher Weise herangezogen werden, welche 
für die Verwerthung der Substanzen zu kulinarischen Zwecken oft gar keine 
Bedeutung haben, und deren Resultate nur ein Kapitel eines toxikologischen 
Lehrbuches bilden könnten“, dass der übermässige Gebrauch derselben von 
Niemand vertheidigt werden kann, und dass die Beurtheilung der Gesund- 
heitsschädlichkeit nur nach der bestimmungsmässigen, nicht aber nach der 
missbräuchlichen Anwendung zu geschehen habe. 

Nachdem Lebbin im Eingange seines Schriftchens dargethan hat, dass 
die deutsche Landwirthschaft nur etwa 95 pCt. des gesammten Bedarfes an 
Fleisch und Fleischwaaren zu decken im Stande sei und daher, um Verluste 
möglichst zu vermeiden, eine angemessene Konservirung der Fleischwaaren 
und ein Auffärben der Dauerwaaren gestattet sein sollte, bespricht er die Frage 
der Giftigkeit der schwefligsauren Salze, die er bei der hier in Frage 
kommenden sachgemässen Verwendungsweise verneint; „obgleich eine bald 
20 jährige Erfahrung die Unschädlichkeit des Verfahrens nicht einzelnen For- 
schern, sondern der ganzen Welt dargethan hat, so sind doch einige Fanatiker 
eifrig bemüht, Versuche zu machen und Beobachtungen zu sammeln, aus 
welchen sie die gegentheilige Erfahrung ableiten zu können glauben“. 

Bezüglich der Wirkungen der Borsäure auf den menschlichen Or- 
ganismus beruft sich Verf. u. A. auf Liebreich und Virchow, welche die 
völlige Indifferenz des Borax und der Borsäure bewiesen haben. In Folge 
ihrer äusserst geringen Desinfektionswirkung „ist auch die Borsäure kein Mittel, 
welches im Stande ist, schon einmal verdorbene Nahrung in normalen Zustand 
überzuführen, sondern, wenn überhaupt eine Zersetzung eingetreten ist, so ver- 


1160 Ernährung. 


liert die Borsäure ihre Leistungsfähigkeit, und sie ist nur im Stande, frische 
Waare in dem natürlichen Zustande zu erhalten“. 

Was nun die Möglichkeit anbetrifft, durch Zusatz von schwefligsauren 
Salzen der Waare ein besseres Aussehen zn geben und somit eine Täuschung 
des Publikums zu veranlassen, so bestreitet Lebbin, dass es möglich ist, 
bereits grau gewordenes Fleisch durch Sulfitzusatz wieder roth zu bekommen. 
„Es ist ferner, im Gegensatz zu einer manchmal gehörten Behauptung, absolut 
unmöglich, bereits fauligem Fleische durch Zusatz selbst kolossaler Mengen 
von Meat-Preserve den Fäulnissgeruch zu benehmen, sodass faules Fleisch, 
welches ja noch häufig schön roth gefärbt erscheint, unter keinen Umständen 
durch dieses Mittel in ein dem frischen, d. h. unverdorbenen Fleische ähn- 
liches Produkt verwandelt werden kann.“ Es kann also dem Fleisch durch 
die Anwendung der Preservesalze der Anschein einer besseren Beschaffenheit 
nicht gegeben werden, wohl aber wird das Fleisch dadurch auf kurze Zeit 
(12—36 Stunden) widerstandsfähiger gegen die Fäulniss gemacht; hierzu 
genügt nach den Versuchen des Verf.’s 1/ g Meat-Preserve pro 
1 kg Fleisch, sodass er 1g pro 1 kg Fleisch als höchste zulässige 
Grenze erachtet. 

Auch gegen die künstliche Färbung der Wurstwaaren hat Verf. nichts 
einzuwenden, sofern das Fleisch vor der Färbung völlig einwandsfrei war, also 
die Färbung nicht den Zweck hatte, einen Fehler der Waare zu verdecken, 
sondern nur die Waare der Geschmacksrichtung des Publikums, das nun ein- 
mal lebhaft rothe. Waare wünscht, anzupassen; bei der heutigen Mästungsart 
ist es aber so gut wie unmöglich, ein kerniges, festes, farbstoffreiches Fleisch 
bei den Thieren zu erzielen, dieselbe liefert vielmehr ein fettes, wasserreiches 
und farbstoffarmes Fleisch; in solchem Falle entspricht also die künstliche 
Färbung nur der Geschmacksrichtung des Publikums, aus welchem Grunde 
auch die bislang noch niemals beanstandete künstliche Gelbfärbung der Butter 
oder das Bläuen des Zuckers vorgenommen wird. Natürlich ist eine Nab- 
rungsmittelfälschung dann als vorliegend anzusehen, wenn von vornherein 
der Farbstoff die Aufgabe hatte (ob mit oder ohne Erfolg, ist gleichgültig), 
einen vorhandenen Fehler zu verdecken. Wesenberg (Elberfeld). 


Gärtner (Jena), Bedingt der Zusatz von Präservesalz zum Hackfleisch 
eine Verfälschung im Sinne des $ 10 des Nahrungsmittelgesetzes’ 
Zeitschr. f. Untersuchg. d. Nahrgs.- u. Genussm. 1901. S. 241. 

Wird Hackfleisch stehen gelassen, so verändert es nach einigen Stunden 
seine rothe Farbe, indem es an der Aussenseite bräunlich bis dunkelbraun 
wird; die rothe Farbe bleibt aber erheblich länger (bis über 24 Stunden) be- 
stehen, wenn dem Fleisch grössere Mengen als 0,1 pCt. Präservesalz zugesetzt 
sind. Wird aber nur 0,1 pCt. des Salzes zugesetzt, wie es in der Verwen- 
dungsvorschrift des Präservesalzes lautet, so wird nur derselbe Effekt erzielt, 
als wenn das Fleisch bei 4° C. im Eisschrank aufgehoben wird, es bleibt 
nämlich die Frische und das Aussehen des Hackfleisches für etwa 3— 4 Stunden 
erhalten; „die Fleischer haben also Unrecht mit der Behauptung, sie könnten 
das Präservesalz nicht entbehren“. 


Ernährung. 1161 


Altes, dunkles Fleisch von bereits unangenehmem Geruch wird durch 
Zusatz von 0,1 pCt. Meat Preserve Krystall sofort wieder schön hellroth 
und verliert auch den Geruch, allerdings stellen sich Geruch und dunkle 
Farbe nach einiger Zeit wieder ein. Die vergleichende Zählung der Bakterien- 
keime ergab, dass der Zusatz von Präservesalz innerhalb der üblichen Grenzen 
und der in Betracht kommenden Zeiten eine konservirende Wirkung auf 
das Fleisch nicht ausübt, und dass man Hackfleisch im Eisschrank länger 
und besser aufheben kann als mit Zusatz von Präservesalz im Zimmer bezw. 
Laden. Es wird also dem Hackfleisch durch den Zusatz der Schein 
einer besseren Beschaffenheit gegeben, und der Verkäufer begeht 
damit eine Verfälschung. 

Der Uebergang des schwefligsauren Salzes in schwefelsaures 
Salz geht im Innern des Fleisches nur sehr langsam vor sich, da Verf. noch 
nach 24 Stunden, je nach der zugesetzten Menge, etwa 65—87 pCt. des ur- 
sprünglichen Gehaltes an SO, wiederfinden konnte. Bemerkt sei noch, dass 
das zu den vorstehend referirten Untersuchungen benutzte Präservesalz 22,9 pCt. 
schweflige Säure enthielt. 

Auf die Frage einer eventuellen Gesundheitsschädlichkeit des Prä- 
servesalzes geht Verf. in vorliegender Publikation nicht näher ein, er bezeichnet 
dasselbe aber gelegentlich im Text als ein „gesundheitlich recht bedenk- 
liches“ bezw. „gesundheitlich nicht indifferentes“ Salz. 

Wesenberg (Elberfeld). 


Soltsien P., Bemerkungen zur Halphen’schen Reaktion auf Baum- 
wollsamenöl und dem Verhalten amerikanischer Schmalzsorten 
zu derselben. Zeitschr. f. öffentl. Chem. 1901. S. 141. 

Im Anschluss an eine frühere diesbezügliche Veröffentlichung (vergl. diese 
Zeitschr. 1901. S. 1070) theilt Verf. nunmehr die Untersuchungsergebnisse von 
Schmalzproben mit, die er sich selbst hergestellt hat durch Ausschmelzen 
im Wasserbade aus Fetttheilen, die von einer amerikanischen Firma unter 
Kontrole des Kais. Deutschen Konsulats in Chicago zwei jungen Schweinen 
entnommen waren; diese Schweine waren unter Aufsicht eines Dr. Manns 
intensiv mit Baumwollensamenmehl gefüttert worden. Das so ge- 
wonnene Schmalz war von weicher Konsistenz; 

Refraktion (40° C.): 52,2; 

Halphen’sche Reaktion: sehr starke Rothfärbung; 

Salpetersäure (1,4 spec. Gew.): stark röthlichbrann, bald kaffee- 
braun werdend; 

Becchi’sche Reaktion: nur mässig stark; 

Welmanns’ Reaktion: negativ; 

Jodzahl: 68,0; Säurezahl: 6,3 (11,23 Säuregraden entsprechend); 

Cholesterin: vorhanden; Phytosterin: nicht nachweisbar. 

Die Halphen’sche Reaktion war von einer solchen Intensität, wie sie 
eintritt, wenn 25 pCt. Kottonöl dem Schmalz zugesetzt sind; von ähnlicher 
Stärke war die Salpetersäurereaktion. „Anscheinend den einzigen und zuver- 
lässigen Beweis für Abwesenheit zugesetzten Kottonöles lieferte aber die Ab- 


1162 Ernährung. 


wesenheit von Phytosterin in dem fraglichen Fette.“ Zur Ermittelung von 
Kottonöl in Schweineschmalz ist also beim Ausbleiben der Halphen’schen 
Reaktion, da noch 0,5 pCt. Zusatz sehr leicht erkennbar ist, eine weitere 
Prüfung auf dasselbe unnöthig (erst über 250° C. erhitztes Kottonöl, das aber 
zu Genusszwecken bereits untauglich ist, giebt diese Reaktion nicht mehr). 
Beim Eintreten der Reaktion ist aber eine Prüfung auf Vorhandensein von 
Phytosterin unerlässlich, will man Täuschungen, die durch Verfüttern von 
Baumwollensamenmehl an die Schweine entstehen können, entgehen. 
Wesenberg (Elberfeld). 


Beythien A. und Wrampelmeyer E., Beiträge zur Untersuchung und Be- 
urtheilung der Eierteigwaaren. Zeitschr. f. Untersuchg. d. Nahrgs.- 
u. Genussm. 1901. S. 145. 

Zum Nachweis eines Eigehaltes in Teigwaaren hat Spaeth (189%) 
die Bestimmung des Fettgehaltes und dessen Jodzahl, Juckenack später 
(vergl. diese Zeitschr. 1900. S. 1105) die Bestimmung der Asche, Gesammt- 
phosphorsäure und vor allem der alkohollöslichen (Lecithin-) Phosphorsäure 
empfohlen. Nach den Untersuchungen der Verf. schwankte der Gehalt an 
Asche und Gesammtphosphorsäure bei den verschiedenen Mehlsorten derart, 
dass deren Bestimmung keinen Anhalt für die Anwesenheit von Eiern geben 
kann; die für die Lecithin-Phosphorsäure von Juckenack angegebenen Werthe 
haben die Verff. im Ganzen bestätigen können. Allerdings wird auf diese Weise 
auch der Nachweis von weniger als 50 Eiern auf 100 Pfd. Mehl nur schwer 
erbracht; wird aber der Fettgehalt und vor allem die Jodzahl des (mit Petrol- 
äther) isolirten Fettes festgestellt, so ist noch die obige Menge Eier mit Sicher- 
heit nachzuweisen. Der durchschnittliche Wassergehalt der bierhergehörigen 
Teigwaaren (Nudeln u. s. w.) kann mit 11 pCt. angenommen werden, und kann 
daher eine Wasserbestimmung zum Zweck der Berechnung der erhaltenen Werthe 
auf wasserfreie Trockensubstanz in Fortfall kommen. 

Bezüglich der Beurtheilung künstlich gefärbter Teigwaaren stehen die Verf. 
auf dem Standpunkte, dass dieselbe ohne Deklaration stets unzulässig sei, auch 
wenn die Waare einen beträchtlichen Eigehalt aufweist; durch die Gelbfärbung 
wird nämlich ein höherer Eigehalt vorgetäuscht, oder aber einer wirklich 
reellen Eierwaare soll durch die Färbung der Anschein einer frischen Waare 
gegeben werden, da die Eiwaaren beim längeren Lagern abblassen. Dass so- 
genannte „Eiernudeln“, welche keine oder so gut wie keine Eier enthalten. 
als verfälscht anzusehen sind, ist wohl selbstverständlich. 

! Wesenberg (Elberfeld). 


Knoepfelmacher, Wilhelm, Versuche über die Ausnützung des Kuh- 
milchkaseins. Jahrb. f. Kinderheilk. Bd. 52. S. 545. 

Der Verf. untersuchte die Ausnützung des Kuhmilchkaseins sowohl 
in Bezug auf den Stickstoff wie auf den Kaseinphosphor. Aus den Ver- 
suchen, die an älteren Kindern und an Säuglingen angestellt wurden, glaubt 
er folgende Schlüsse ziehen zu dürfen: die Ausnützung des Kuhmilchkaseivs 
ist wesentlich besser, als bisher angenommen wurde. Der grössere Theil 


Ernährung. 1163 


der stickstoffhaltigen Körper des Kuhmilchkothes gehört den Verdauungs- 
säften an, ein Theil der stickstoff- und phosphorhaltigen Körper stammt aber 
aus der Nahrung. Die Ausnützung des Kaseinstickstoffes ist beim älteren 
Kinde und beim Säuglinge ziemlich gleich gut, die Ausnützung des Phosphors 
beim Säugling etwas schlechter. H. Koeniger (Leipzig). 


Moro, Ernst, Zur Charakteristik des diastatischen Enzymes in der 
Frauenmilch. Jahrb. f. Kinderheilk. Bd. 52. S. 524. 

Die stark saccharificirende Eigenschaft des Brustmilchstuhles 
und der Menschenmilch wurde vom Verf. auf das Vorhandensein eines 
echten diastatischen Fermentes zurückgeführt. Auch der Harn der 
Brustkinder enthält ausnahmslos diastatisches Ferment, das wahrscheinlich in 
direktem Zusammenhang mit dem aufgenommenen Milchenzym steht. Die 
Herkunft des Frauenmilchenzyms ist nicht ganz klar. Aus dem Blut dürfte 
es kaum stammen, da die Milch vielfach stärker diastatisch wirkt als das 
Blut. Es scheint sich also um eine Eigenthümlichkeit des Frauen- 
milchkaseins zu handeln. H. Koeniger (Leipzig). 


Utz, Nachweis gekochter und ungekochter Milch. Pharmaceut. Cen- 
tralh. 1901. S. 149. 

Zur Unterscheidung gekochter und ungekochter Milch hat sich 
dem Verf. die Guajakprobe nicht bewährt, während die Rubner’sche Methode 
brauchbare Resultate ergiebt; sehr empfehlenswerth erscheint dem Verf. die 
von Schaffer angegebene und auch in das „Schweizerische Lebensmittelbuch“ 
aufgenommene Methode, nach welcher zu 10 ccm Milch 1 Tropfen 0,2 proc. 
Wasserstoffsuperoxydlösung und 2 Tropfen 2 pros. Paraphenylendiaminlösung 
zugesetzt werden; beim starken Umschütteln wird ungekochte Milch sofort 
deutlich blau; am schönsten tritt die Reaktion bei Magermilch ein; Rahm 
giebt eine mehr graublaue, Molken eine violette Färbung; saure Milch muss 
vorher mit Kalkwasser entsäuert werden. Formaldehyd in der Milch ver- 
zögert in kleinen Mengen die Reaktion, in grösseren Mengen verhindert er die- 
selbe völlig. Kalt gewonnenes Serum (spontane Gerinnung oder durch Essig- 
säure kalt erzeugt) giebt die Färbung langsam. Nach kurzem Erhitzen 
der Milch bis auf 70°C. tritt die Reaktion noch deutlich, nach Erhitzen 
auf 80° nur noch schwach, auf 90° überhaupt nicht mehr ein; längeres Er- 
hitzen auf 70° und höher verhindert ebenfalls das Auftreten der Färbung. An 
Stelle des Paraphenylendiamins kann auch eine 2 proc. Lösung von Meta- 
phenylendiaminchlorhydrat verwendet werden; die auftretende Färbung ist 
aber etwas schwächer und mehr schmutzig-hellblau. 

Wesenberg (Elberfeld). 


Bömer A., „Kalf room“. Zeitschr. f. Untersuchg. d. Nahrgs.- u. Genussm. 
1901. S. 366. 
. Unter dem Namen „Kalf room“ (Kälberrahm) bringt eine holländische 
Firma ein Produkt in den Handel, das die Magermilch für die Kälberernährung 
geeignet machen soll; die syrupöse Masse giebt mit Wasser eine milchähn- 


1164 Ernährung. 


liche, dauerhafte Emulsion, die nur langsam aufrahmt; Verf. meint, dass wegen 
dieser Eigenschaft möglicher Weise bald der „Kalf room“ zur Herstellung 
von Vollmilch aus Magermilch Verwendung finden wird; die Erkennung 
einer solchen künstlichen Vollmilch ist durch den Rohrzuckernachweis und 
die Untersuchung des Fettes möglich, da der Kalf room wob) eine Mischung 
von frisch gefälltem Casein mit Rohrzucker und Baumwollensamenöl darstellt; 
die Untersuchung ergab folgende Werthe für das Produkt: 


Wasser. . -15,29 pCt. Rohrzucker . . . . . . 31,94 pCt. 
Gasen. . 456 „ Asche. . .2.2.2..2.024 „ 
Fett. . . 45,47 „ Sonstige Bestandtheile u.s.w. 2,50 „ 


Wesenberg (Elberfeld). 


Reicher L. Th., Ueber den Gehalt der niederländischen Buttersorten 
an flüchtigen Fettsäuren. Zeitschr. f. angew. Chem. 1901. S. 125. 
Im Anschluss an die Publikationen von van Rijn (vergl. diese Zeitschr. 
1900. S. 239) und von Kirchner und Racine (vergl. diese Zeitschr. 1901. 
S. 692) veröffentlicht Verf. die Resultate, welche ihm die regelmässigen Unter- 
suchungen zweifellos reiner holländischer Butterproben in den 
Jahren 1894—1901 ergeben haben. Wöchentlich wird im chemischen Labo- 
ratorium des städtischen Gesundheitsamtes zu Amsterdam Butter bereitet aus 
Mischmilch, welche unter Aufsicht einer Vertrauensperson gemolken wird; in 
den Jahren 1894—1898 rührte diese Milch von 8 Kühen her, in der Periode 
1898—1901 von 2 Herden von 20 bezw. 25 Stück. Aus den vorliegenden 
Zahlen geht hervor, dass im Herbst ein bedeutendes Absinken der Reichert- 
Meissl’schen Zahl in den Butterproben eintritt, welche bis zu 20,2 herunter- 
gehen kann; kurz nach der Ueberführung der Kühe in die Stallungen ist meist 
wieder ein Ansteigen der flüchtigen Fettsäuren erkennbar. Verf. ist der An- 
sicht, dass unter den obwaltenden, durch die Rasse und Futterverhältnisse 
bedingten Umständen ein Festhalten an einer Reichert-Meissl’schen Zahl 
von mindestens 25 zu unberechtigten Beanstandungen führen muss. 
Wesenberg (Elberfeld). 


Roos E., Zur Verwendbarkeit von Pflanzeneiweiss als Nährmittel. 
Deutsche med. Wochenschr. 1901. No. 16. S. 246. 

In den Presskuchen von Rapssamen finden sich grössere Mengen von 
Eiweiss, welches sich leicht in Wasser löst und durch einfache Koagnlation 
mittels Erwärmen aus diesen Lösungen gewonnen werden kann. Das auf diese 
Weise erhaltene und gereinigte Produkt (Plantose) ist ein hellgelbes, in Wasser 
unlösliches, geschmackloses Pulver. Stoffwechselversuche zeigten, dass dieses 
Präparat eine sehr gute Ausnutzung, die der des Fleisches völlig gleichkommt, 
erfährt. Bei einer Reihe von Kranken wurde durch Zugabe des Pulvers zu 
sonst reichlicher Nahrung ein Ansatz erzielt, der vor der Eiweissnahme nicht 
erreicht worden war. Die Patienten nahmen das Eiweiss in dieser Form gern 
und vertrugen es auch gut. Dieudonné (Würzburg). 


Ernährung. 1165 


Wetzke Th., Citronen - Limonadenessenzen. Zeitschr. f. öffentl. Chemie. 
1901. S. 57. 

Zur Unterscheidung der Citronen-Limonadenessenzen, welche aus 
frischen Fruchtschalen bereitet sind, von solchen Essenzen, die aus Citronenöl 
hergestellt sind, können folgende Merkmale dienen: 

Aus Oel bereitete Essenzen riechen und aromatisiren stark, scheiden 
beim Eindampfen rasch reichliche Mengen Oel ab und hinterlassen einen der 
Menge nach geringfügigen Rückstand, der wesentlich aus den im Wasserbade 
nicht flüchtigen Antheilen des Citronenöls besteht. Extraktivstoffe sind nicht 
oder nicht nachweisbar vorhanden. Die Aschenmenge (Asche ist phosphor- 
säurefrei) ist gering. Oelessenzen zeigen eine geringere Wasserlöslichkeit als 
Schalenessenzen, die Gemische mit Syrup neigen zum Trüb- und Ranzig- 
werden umsomehr, je stärker der zur Bereitung verwendete Alkohol war. 

Eine aus frischen Fruchtschalen bereitete Essenz riecht verhältniss- 
mässig schwach nach Citronen und aromatisirt dementsprechend schwach. 
Beim Eindampfen scheidet sie Oel erst gegen Schluss der Operation ab. Die 
Menge des in ihr enthaltenen Oeles wächst augenscheinlich mit der Grädig- 
keit des zur Extraktion der Schalen verwendeten Alkohols. Mit dem steigenden 
Oelgehalt vermindert sich die Löslichkeit der erhaltenen Essenz in Wasser. 
Eine aus Schalen hergestellte Essenz enthält im Verdampfungsrückstande Ex- 
traktivstoffe und hinterlässt eine phosphorsäurehaltige Asche. 

Wesenberg (Elberfeld). 


Schneegans A., Ueber die Zusammensetzung und Beurtheilung der 
Rosinenweine. Arch. der Pharmacie. 1901. Bd. 239. S. 91. 

Verf. hatte Gelegenheit, 8 reine Rosinenweine zu untersuchen, die aus 
getrockneten kleinen Rosinen (sog. Korinthen) bezw. aus den grösseren Sultania- 
Rosinen (sog. Sultaninen) einzig durch Wasserzusatz und sorgfältig geleitete 
Gährung erhalten waren. Die Weine sind vollkommen klar, von hellgelber 
bis blassrother Farbe und haben einen angenehmen, erfrischenden Geschmack, 
jedoch kein Bouquet; sie sind unbegrenzt haltbar. „Der Mangel an Bouquet 
ist nun in hygienischer Hinsicht nicht als ein Fehler, sondern vielmehr als 
eine gute Eigenschaft dieser Weine anzusehen, da, wie Schmiedeberg in 
einer kürzlich erschienenen diätetischen Studie über Naturwein und Kunstwein 
betont, die Bouquetstoffe auf den menschlichen Organismus eher einen schädi- 
genden Einfluss ausüben, und die üblen Folgen, die nach dem Genuss bouquet- 
reicher sogenannter „„schwerer Weine““ eintreten, viel mehr den in diesen 
Weinen enthaltenen Bouquetstoffen als dem Alkohol zuzuschreiben sind.“ 

Die chemische Untersuchung ergab folgende Werthe: 

Das Alkohol - Glycerinverhältniss schwankt zwischen 100:7,53 und 
100 :11,88. Der nach Abzug der nichtflüchtigen Säuren verbleibende Extrakt- 
gehalt im Minimum 1,53, im Maximum 2,65, der nach Abzug der freien 
Säuren verbleibende Extraktgehalt im Minimum 1,39, im Maximum 2,47. 
Das Verhältniss des Extraktes zur Asche schwankt zwischen 100: 7,35 und 
100 : 11,92, dasjenige der Asche zur Phosphorsäure zwischen 100: 7,69 und 


1166 Ernährung. 


100:18,80. Freie Weinsäure ist nur in zweien der untersuchten Weine in 
geringer Menge (0,01 und 0,03 pCt.) enthalten. 

Im Auszuge seien einige Analysenzahlen (g in 100 cem Wein) wieder- 
gegeben: 


Maximum Minimum Maximum Minimum 

Alkohol Gew. pCt. 11,42 5,89 Nichtflüchtige Säure 0,67 0,38 
A Vol.-pCt.. 14,39 7,42 Weinstein. . . . 0,49 0,07 
Extrakt . . . . 8,18 1,91 Glycerin . . . . 0,86 0,50 
Mineralbestandtheile 0,304 0,216 Phosphorsäure . . 0,044 0,019 
Freie Säure. . . 0,78 0,52 Schwefelsäure . . 0,027 0,013 
Flüchtige Säure . 0,15 0,09 Wesenberg (Elberfeld). 


Chauveau, Influence de la substitution de l’alcool au sucre alimen- 
taire, en quantité isodyname sur la valeur du travail musculaire 
accompli par le sujet, sur son entretien et sur sa dépense. Compt. 
rend. T. 132. No. 3. p. 110. (Vergl. diese Zeitschr. S. 915.) 

Es handelt sich um eine 108 tägige Versuchsperiode, während deren 
erster Hälfte das Versuchsthier (Hund) mit 500 g rohem Fleisch und 252 g 
Rohrzucker gefüttert wurde. In den ersten 27 Tagen der zweiten Periode 
wurden 84 g Zucker durch die isodyname Menge von 50 g 96° Alkohols 
ersetzt, während in den letzten 4 Wochen derselben abwechselnd durch ie 
1 Woche alkoholfreie und alkoholhaltige Nahrung gereicht wurde. Die Wir- 
kung dieser beiden Ernährungsarten wurde beurtheilt nach der im Tretrade 
täglich während 2 Stunden geleisteten Arbeit resp. nach dem so zurückgelegten 
Wege und nach den Gewichtsveränderungen des Thieres. 

Es stellte sich nun bei diesen Versuchen unzweifelhaft heraus, dass die 
in der Alkoholperiode geleistete Arbeit weit hinter der in der Zuckerperiode 
geleisteten zurückblieb (18,6 km gegen 24,0 km mittlerer täglicher Wegelänge, 
in 2 Stunden zurückgelegt). Während ferner das Thier in der ersten Ver- 
suchsperiode um 1 kg 245 g zugenommen hatte, hatte es am Ende der ersten 
Hälfte der zweiten Periode sogar etwas abgenommen. Der Ersatz des 
Zuckers durch Alkohol ist also durchaus irrationell; sowohl die 
Leistungsfähigkeit als der Ernährungszustand des Thieres werden 
hierdurch ungünstig beinflusst. 

Berechnet man das Verhältniss der mittleren stündlichen CO,-Ausscheidung 
des Thieres in Ruhe und Arbeit zu dem stündlich zurückgelegten Weg, so 
erhält man folgende Zahlen: 

Ohne Alkohol Mit Alkohol 
Ruhe . . . 0,678 0,885 
Arbeit. . . 4,696 5,004 

Analog ist es für die O-Aufnahme. 

Im Verhältniss zur geleisteten Arbeit steigt also in der Al- 
koholperiode die CO,-Ausscheidung und O-Aufnahme an. 

Paul Th. Müller (Graz). 


Ernährung. 1167 


Wolf J. (Paris), Ueber das Vorkommen von Methylalkohol in den 
vergohrenen Säften verschiedener Früchte und in einigen natür- 
lichen Branntweinen. Zeitschr. f. Untersuchg. d. Nahrgs.- u. Genussm. 
1901. S. 391. 

Bezüglich des Vorkommens von Methylalkohol in Fruchtsäften 
glaubte man bisher meist, dass derselbe bereits vor der Gährung in den Säften 
vorbanden sei. Durch erneute Versuche stellte Verf. fest, dass nur in dem 
Safte von schwarzen Johannisbeeren bereits vor der Gährung eine geringe 
Menge Methylalkohol vorhanden ist, die aber durch die Gährung bedeutend 
zunimmt; dagegen erwiesen sich die Säfte von Pflaumen, Zwetschen, Mirabellen, 
süssen und sauren Kirschen, Aepfeln, weissen und blauen Trauben vor der 
Gährung als frei von Methylalkobol, letzterer ist erst nach der Gährung vor- 
handen. Der durch Vergähren von weissem Krystallzucker mit Weinhefe ge- 
wonnene Alkohol war frei von Methylalkohol, ebenso Rum, Kornbranntwein, 
Kartoffelbranntwein und Industriebranntwein aller Art. Da mit den Kämmen 
oder Trestern vergohrene Traubensäfte viel mehr Methylalkohol enthalten als 
ohne Kämme vergohrene, sind in feinen Cognacs nur undeutliche Spuren des- 
selben nachweisbar, während Tresterbranntweine davon viel beträchtlichere 
Mengen enthalten. Wesenberg (Elberfeld). 


Bömer A., Gefärbter Honig. Zeitschr. f. Untersuchg. d. Nahrgs.- u. Genussm. 
1901. S. 364. 

Bei der Untersuchung eines durch seine stark citronengelbe Färbung 
auffallenden Honigs fand Verf. einen gelben Farbstoff, den er aber nicht 
. identificiren konnte. Der Farbstoff ging beim Schütteln des Honigs mit abso- 
lutem Alkohol in diesen über, die rückständige Zuckermasse völlig farblos 
lassend, während reiner Honig den Alkohol ungefärbt erscheinen lässt und 
selbst den natürlichen Farbstoff behält. Aether nimmt weder aus der sauren 
noch aus der ammoniakalischen Lösung des Honigs Farbstoff auf, dagegen 
lieferte die Arata’sche Wollprobe (Kochen von 50 ccm der Honiglösung 
[20 pCt.] mit 10 cem 10 proc. Kaliumbisulfatlösung und einem Wollfaden etwa 
10 Minuten lang) einen stark citronengelben Wollfaden, der durch Ammoniak 
nicht verändert wurde, aber beim Eintauchen in verdünnte Salzsäure lebhaft 
karminrothe Färbung annahm. Da der Honig ausserdem noch verfälscht war, 
erfolgte Beanstandung. Die Frage, ob die künstliche Gelbfärbung eines Honigs 
allein schon zur Verurtheilung des Erzeugers führen kann, beantwortet Verf. 
dahin, dass man darüber nach in ähnlichen Fällen ergangenen, neueren reichs- 
gerichtlichen Entscheidungen im Zweifel sein kann. 

Wesenberg (Elberfeld). 


Nestier A., Ein einfaches Verfahren des Nachweises von Thein und 
seine praktische Anwendung. Zeitschr. f. Untersuchg. d. Nahrgs.- u. 
Genussm. 1901. S. 289. 

Als hauptsächlichste Verfälschung des Thees darf wohl die Vermischung 
von ausgelaugtem (benütztem) Thee mit der unbenützten Waare angesehen 
werden; bei der Analyse wird sich dieser Zusatz nur selten mit Sicherheit 


1168 Desinfektion. 


feststellen lassen in Folge der grossen Schwankungen, welche die Zusammen- 
setzung des Thees zeigt. Verf. benutzt nun das Fehlen von Thein in der 
ausgezogenen Waare zum Nachweis dieser Verfälschung. Wird ein einzelnes 
gerolltes Blatt nicht extrahirten Thees zwischen den Fingern verrieben, 
das Pulver in die Mitte eines Uhrglases (von etwa 8 cm Durchmesser) gelegt, 
mit einem zweiten Uhrglase gleicher Grösse überdeckt, und das Ganze auf 
einem Drahtnetz über ganz kleiner Flamme erhitzt, so zeigt die konkave Seite 
des oberen Uhrglases nach 5 Minuten langem Erhitzen bei der mikroskopi- 
schen Betrachtung zahlreiche, sebr kleine tropfenartige Gebilde, von 1—2 x 
Durchmesser, nach 10 bis höchstens 15 Minuten sind ausser den Tropfen noch 
zahlreiche mikroskopische Nadeln vorhanden; letztere bestehen aus Thein (nach- 
weisbar durch die Bildung gelber, büschelig ausstrahlender Nadeln beim Zu- 
satz von etwas koncentrirter Salzsäure und 3proc. Goldchloridlösung). Extra- 
hirte Blätter lassen bei jenem Verfahren keine Theinkrystalle durch Subli- 
mation erkennen. Man wird also die verdächtig erscheinenden Blätter, die 
meist unregelmässig geschrumpft, schlecht gerollt und heller erscheinen werden 
als natürliche Stücke, aus dem Thee beraussuchen und dann einzeln der Theiu- 
probe unterwerfen. 

Selbstverständlich ist dieses Verfahren auch für sämmtliche anderen thein- 
(koffein-) haltigen Substanzen (Kaffee, Kola, Mate u. s. w.) anwendbar. 

Wesenberg (Elberfeld). 


Barsickow M., Ueber die bakterientödtende Wirkung des Alkohols 
und des Spiritus saponatus. Pharmaceut. Ztg. 1901. S. 49. 

Auf Veranlassung von Dieudonné (Würzburg) unterzog Verf. die An- 
gaben über die bakterientödtende Wirkung des Alkohols und des 
Seifenspiritus einer eingehenden Nachprüfung. Als Testobjekte dienten an 
Seidenfäden angetrockneter Staphylococcus pyogenes aureus, Pyocyaneus und 
Milzbrandsporen. Die Versuche ergaben, dass sowohl die Staphylokokken wie 
Pyocyaneus durch Seifenspiritus in 2 Minuten, wenn die Fäden trocken, in 
5 Minuten, wenn sie feucht hineingebracht wurden, abgetödtet waren. Die 
Milzbrandsporen, welche durch Wasserdampf in 4 Minuten, in Iprom. Sublimat- 
lösung in 30 Minuten abgetödtet waren, wurden durch Seifenspiritus selbst in 
24 Stunden nicht beeinflusst. Da der Seifenspiritus des Deutschen Arzneibuches 
im Ganzen eine etwa 10 proc. Kaliseifenlösung in 43 proc. (Gewichts-pÜt.) 
Alkohol darstellt, versuchte Verf. noch die Komponenten einzeln auf ihre 
Wirkung gegenüber Staphylokokken-Seidenfäden; eine 10 proc. wässerige 
Kaliseifenlösung erwies sich bei einstündiger Einwirkungszeit als ohne Einfluss, 
dagegen tödtete sowohl der 43proc. Alkohol allein, als eine Lösung der offi- 
cinellen Kaliseife in 43 proc. Alkohol (also gewissermaassen ein nachgeahmter 
Seifenspiritus) in 2 Minuten die genannten Kokken ab. Absoluter Aethylalko- 
hol, ebenso eine Seifenlösung in absolutem-Alkohol beeinflusste die trockenen 
Staphylokokken innerhalb 5 Stunden nicht, die feuchten dagegen in 2 Minuten, 
wohl in Folge der durch die Befeuchtung innerhalb des Fadens eingetretenen 


Desinfektion. 1169 


Verdünnung des Alkohols. 40—60 proc. Alkohol wirkte ebenso in 2 Minuten 
abtödtend, eine Verstärkung des Alkoholgehaltes über 60 pCt. bezw. eine Ver- 
dünnung unter 40 pCt. verminderte dagegen die Wirkung beträchtlich, sogar, 
wie bereits erwähnt, bis zur Wirkungslosigkeit; ganz analog wie beim Aethyl- 
alkohol sind die Verhältnisse beim Methylalkohol, dessen Desinfektionsoptimum 
ebenfalls bei einer Stärke von 40—60 pCt. liegt. 

Aus diesen Versuchen geht mit Sicherheit hervor, dass die desinfi- 
eirende Wirkung des officinellen Seifenspiritus nur auf seinem 
Alkoholgehalt beruht; da nun der Seifenspiritus mit 43 proc. Alkohol- 
gehalt dicht an der untersten Grenze der Wirksamkeit des Alkohols steht und 
daher in Folge der Verdünnung feuchte Objekte schlechter abtödtet, als trockene, 
empfiehlt sich zur Händedesinfektion die Verwendung eines etwas 
alkoholreicheren Seifenspiritus oder an dessen Stelle die Verwen- 
dung einer Lösung von 10 pCt. nentraler Seife in etwa 50 proc. 
(Gewichts-pCt.) Alkohol. Wesenberg (Elberfeld). 


Seidenschnur F., Die ökonomische Tränkung von Holz mit Theeröl. 
Zeitschr. f. angew. Chem. 1901. S. 437 u. 488. 

Die jetzt übliche Tränkung von Holz mit Theeröl, welche sich als 
durchaus zuverlässig erwiesen hat, ist in Folge der dazu nöthigen beträcht- 
lichen Menge Theeröl zu theuer; wesentlich billiger stellt sich das Verfahren 
bei Verwendung von Theeröl-Emulsionen, die nach dem D. R.-P. 117263 
(Berliner Holzkomptoir) durch Vermischen des Theeröls mit Harzseifen her- 
gestellt werden. Die 15—35proc. Emulsionen werden zur Imprägnirung be- 
nutzt, indem die Schwellen !/, Stunde bei 1!/, Atmosphären gedämpft werden; 
dann folgt 1/3 stündiges Evakuiren bei 690 mm und !/, stündiges Drücken auf 
7 Atmospbären. Zur Feststellung der zum Schutze von Holz nöthigen 
Menge Theeröls versetzte Verf. Agar- bezw. Gelatinenährböden mit wechseln- 
den Mengen Theeröls und zum Vergleich mit Zinkchlorid, dessen konservirende 
Wirkung auf Holz ja bekannt ist. Diese Nährböden wurden dann mit Peni- 
cillium glaucum, Mucor mucedo und einem aus faulendem Holz isolirten 
„schwarzen Bacillus“, der zur Proteusgruppe gehört und schwarze Kolonien 
bildet, beschickt. Wachsthum fand nicht mehr statt bei einem Gehalt des 
Nährbodens an: 


Penicillium glaucum Chlorzink 0,9 pCt. oder Theeröl 0,3 pCt. 
Mucor mucedo 3 06 „ = » Ol y 
„schwarzer Bacillus“ »  mehrals1pCt. „ e 03 „ 


Da nun in den nach oben erwähntem Verfabren mit 15 proc. Emulsion 
imprägnirten kiefernen Schwellen die geringste durch Analyse gefundene Menge 
Theeröl 5,3 pCt. betrug, so erscheint die Konservirung des Holzes gegen Fäul- 
niss u. s. w. durch dieses Verfahren gesichert. 

Da bei der Untersuchung von faulendem Holz Verf. neben dem „schwar- 
zen Bacillus“ und anderen Bakterien stets Penicillium glaucum und 
Mucor mucedo fand, so ist er der Ansicht, dass der Fäulnissprocess beim 
Holz „auf das Zusammenwirken von Pilzen und Bakterien (Symbiose) zurück- 
zuführen ist, wobei den Pilzen die Aufgabe zufällt, das für das gedeihliche 


1170 Gewerbehygiene. Verschiedenes. 


Fortkommen der Bakterien durchaus nothwendige Wasser aufzusammeln und 
zurückzuhalten“, Wesenberg (Elberfeld). 


Kruse, Die Gesundheitsverhältnisse der Aerzte, Geistlichen und 
Oberlehrer im Vergleich mit denen anderer Berufe. Centralbl. f. 
allgem. Gesundheitspfl. 1900. Bd. 19. S. 229. 

Auf Grundlage eingehender statistischer Untersuchungen kommt Verf. zu 
folgenden Schlusssätzen: 

1. Der ärztliche Beruf zeigt in der Statistik aller Länder eine hobe 
Sterbensgefahr. 

2. Ebenso allgemein erweist sich die Sterblichkeit der protestantischen 
Geistlichen als sehr niedrig. 

3. Einer viel höheren Gefährdung ihres Lebens unterliegen die katho- 
lischen Geistlichen, besonders im Greisenalter. Die katholischen Kranken- 
schwestern (Borromäerinnen) besitzen zwar eine gesteigerte Sterblichkeit, sie 
ist aber bei weitem nicht so hoch, wie man nach der Cornet’schen Statistik 
annehmen müsste. 

4. Elementarlehrer ebenso wie die akademisch gebildeten Lehrer stehen 
in den meisten Statistiken recht günstig. Auffällig ist die nach der neuesten 
Erhebung im Alter hervortretende hobe Sterblichkeit der Oberlehrer. 

5. Die sogenannten höheren Berufe geniessen, auch was ihre Sterblich- 
keit betrifft, eine gewisse Bevorzugung, doch kommen noch viele Ausnahmen 
von dieser Regel vor. 

6. Der Eintritt in einen Beruf scheint — wenigstens bei den Gebildeten — 
eine Uebersterblichkeit, die einige Jahre andauert, mit sich zu bringen. 

7. Aus der körperlichen Minderwerthigkeit der Mitglieder eines Berufes 
darf man nicht auf eine höhere Sterblichkeit schliessen. 

R. Blasius (Braunschweig). 


Königshöfer (Stuttgart), Die Propbylaxe der Augenheilkunde. (Abth. 8 
des Handbuches der Prophylaxe von Nobiling-Jankau.) München 1901. 
Seitz & Schauer. 86 Ss. Preis: 2,50 Mk. 

Die in der Einleitung hervorgehobenen Schwierigkeiten einer systema- 
tischen Darstellung einer Prophylaxe der Augenheilkunde beruhen auf 
den engen Beziehungen, welche das Sehorgan mit fast allen anderen Gebieten 
der Medicin verknüpfen, und in der Abgrenzung dieses Themas einerseits 
gegen die Hygiene, andererseits gegen die Therapie des Auges. Dank der 
jahrzehntelangen Arbeit des Verf.’s auf verwaudtem Gebiet ist es ihm gelungen, 
eine trotz gedrängter Kürze erschöpfende Abhandlung zu bieten, die für den 
praktischen Arzt, dem sie in erster Linie dienen soll, einen willkommenen 
Katechismus abgeben wird. Die Gliederung des für systematische Darstellung 
etwas spröden Stoffes ist in allgemeine, specielle und Lebensalters-Prophslaxe 
erfolgt. Den Hauptabschnitt bildet die specielle Prophylaxe mit ihren Unter- 


Verschiedenes. 1171 


abtheilungen: Prophylaxe der organischen Augenleiden, der Funktionsstörungen 
des Auges, der im Gefolge von Allgemeinerkrankungen auftretenden Augen- 
affektionen, der Gewerbe- uud Unfallkrankheiten, der Intoxikationen, endlich 
der Heredität und der Unfallprophylaxe. Es ist bei der Fülle des in allen 
diesen Kapiteln Gebotenen nicht möglich, einen Auszug, oder auch nur ein 
Inhaltsverzeichniss in so engem Rahmen zu geben. Für die Schulgesundheits- 
pflege sind folgende Stellen von besonderer Wichtigkeit: 

$ 6—12 über Blendung und $ 26—33 über Bindebautentzöndungen; 

§ 16—23: Vorschriften über die günstigsten Bedingungen bei der Augen- 
arbeit, Subsellien, Beleuchtung, Steilschrift und über das Maass der Schreibarbeit; 

§ 45—53: Verhütung und Bekämpfung der Myopie, die eingetheilt wird 
in eine der Anlage nach angeborene und von der Augenanstrengung unab- 
bängige, durch das ganze Leben progressive Form, dann in eine von der 
Augenarbeit abhängige, grossentheils gleichfalls vererbbare Form, welche ent- 
weder nur kurze Zeit, so lange die Schularbeit währt, oder bis zur Vollendung 
des Wachsthums dem Grade nach zunimmt, oder endlich durch das ganze 
Leben progressiv bleibt und gleich der ersten Form zu verderbenbringenden 
Komplikationen führen kann. Auch Rekonvalescenz nach schweren Krank- 
heiten, Anämie und Chlorose können die Kurzsichtigkeit steigern (Seite 64) 
und fordern eine besonders sorgfältige Schonung des Auges. 

Wenn man dem arbeit- und gedankenreichen Buch einen Wunsch für die 
zweite Auflage geben darf, so ist es der, es möge durch ein alphabetisches 
Register und durch Angabe der wichtigsten Literatur die Benützbarkeit als 
Nachschlagewerk für den praktischen Arzt gefördert werden. 

Paul Schubert (Nürnberg). 


Harpf A., Flüssiges Schwefeldioxyd. Darstellung, Eigenschaften 
und Versendung desselben. Anwendung des flüssigen und gas- 
förmigen Schwefeldioxydes in Gewerbe und Industrie. Stuttgart 
1900. Ferd. Enke. Sammig. chem. u. chem.-techn. Vorträge. Bd. 5. H. 7 
bis 10. Preis: 4,80 Mk. 

In der 180 Seiten umfassenden Abhandlung beschäftigt sich Verf. zum 
grössten Theil mit dem flüssigen Schwefeldioxyd; nur gelegentlich, na- 
mentlich im letzten Theil derselben, berücksichtigt er auch das Schwefel- 
dioxyd im gasförmigen Zustande. Zur Darstellung kommt haupt- 
sächlich das Verfahren von Emil Haensch und Dr. Max Schroeder, das 
eingehend beschrieben wird, in Betracht. Von den Eigenschaften des flüssi- 
gen SO, sei hier nur erwähnt der Siedepunkt (—8° bis — 10°C. bei 760 mm), 
Schmelzpunkt (— 76° bis — 79° C.), kritische Temperatur (+ 140° bis 161° 
C.), Dampfspannung (1,51 Atm. bei 40°, 2,35 Atm. bei 16° und 3,30 Atm. 
bei 20° C. [nach Pictet]), die Temperaturerniedrigung durch Verdampfen 
(— 50 bis — 70° C.). Flüssiges reines SO, greift im wasserfreien Zu- 
stande Metalle, namentlich Eisen, nicht an, bei Gegenwart geringer Wasser- 
mengen wird Eisen aber ziemlich lebhaft korrodirt; Verf. verlangt daher, 
dass die zum Versand des flüssigen Schwefeldioxyds benutzten Bomben und 
Kesselwagen alljährlich nicht nur, wie es amtliche Vorschrift ist, der Druck- 


1172 Verschiedenes. 


probe (80 Atm.) unterworfen werden, sondern auch einer inneren Besich- 
tigung, um etwa vorgekommene Zerstörungen der Kesselwände zu erkennen; 
wenn dann ausserdem beim Füllen der gesetzlich geforderte Mindest-G asraum 
von 1/ des Gesammtinhalts innegehalten wird, sodass auf je 0,8 Liter Fassungs- 
raum höchstens 1 k flüssiges SO, gefüllt wird, so erscheint eine Explosions- 
gefahr völlig ausgeschlossen. 

Von den vielfachen Verwendungsweisen, welche die schweflige Säure 
findet, und die Verf. genau beschreibt, sei hier nur an die Verwendung zur 
Eisfabrikation, zur Desinfektion und zur Konservirung erinnert. Es verdient 
besonders hervorgehoben zu werden, dass Verf. in streng sachlicher, unpar- 
teiischer Weise die Vortheile, aber auch die Nachtheile bei der Verwendung 
des flüssigen bezw. gasförmigen SO, unter Berücksichtigung der neuesten Lite- 
ratur erwähnt. Das „Lignosulfit“, welches von Seiten des Arztes Dr. Hart- 
mann in Hallein zu Inhalationszwecken gegen Tuberkulose zu theurem Preise 
in den Handel gebracht wird, ist nach dem Verf. weiter nichts als die ge- 
wöbnliche „Sulfitablauge“ von einer Sulfitcellulosefabrik; die wirksamen Be- 
standtheile derselben sind wohl geringe Mengen schwefliger Säure und Terpene. 

Wesenberg (Elberfeld). 


Zaubitzer H., Studien über eine dem Strohinfus entnommene Amöbe 
Aus der hygienischen Abtheilung des Instituts für Hygiene und experimen- 
telle Therapie der Universität Marburg. Arch. f. Hyg. Bd. 40. S. 103. 

Veranlasst wurde die Arbeit des Verf.’s durch den Umstand, dass die 
Erreger des Carcinoms, der Syphilis und der Leukämie vielleicht unter den 
Protozoen zu suchen sind und dass es in diesem Falle nothwendig ist, sich 
zunächst Klarheit über die Untersuchungsmethoden derselben zu verschaffen. 

Die vom Verf. genau untersuchte Amöbe war aus Strohinfus gewonnen 
und soweit umgezüchtet, dass sie nur noch mit einem genau beschriebenen 
Bakterium vergesellschaftet war. Ueber ihre Morphologie wird folgendes mit- 
getheilt: ihre Grösse beträgt 5—7. Sie besitzt einen Kern und eine bis 
mehrere Vakuolen. Nahrungsaufnahme, Kerntheilung und Encystirung werden 
genau beschrieben. Der Encystirung scheint eine körperliche, geschlechtliche 
Vereinigung voranzugehen. Die Cyste platzt bei der geringsten Austrocknung 
und entleert, wenn einige Tage seit der Encystirung vergangen waren, einen 
feinkörnigen Inhalt, die Sporen, die nach einem Tage wieder zur vegetativen 
Form werden. 

Die Züchtung gelingt am besten bei 15—20°%. Nicht zu verwenden sind 
als Nährböden Bouillon, Aseitesflüssigkeit und Wasser mit Froschblut versetzt; 
gut dagegen Katzen-, Hunde- und Menschenblutwasser, Peptonwasser, Heuinfus 
und besonders wässerige Lösungen von Heyden’schem Nährstoff und Soma- 
tose. Von festen Nährböden kommen Gelatine — die verflüssigt wird — und 
Heyden-, Nutrose- und Somatoseagar in Betracht; dagegen nicht Agar und 
Blutserum, obwohl die Bakterien darauf wuchsen. 

Die Untersuchung geschieht am besten im hängenden Tropfen; von den 
vielen untersuchten Farbstoffen lieferten die besten Resultate Eosin-Methylenblau, 
Hämatoxylin, Triacid und Thionin. 


Verschiedenes. Gesetze und Verordnungen. 1173 


Ferner wurden Versuche angestellt, um die Amöben von den Bakterien 
isolirt zu erhalten. Nachdem sich die gewöhnlich angewendeten Mittel als 
unzureichend gezeigt hatten, gelang es durch 13tägige Einwirkung von 20proc. 
Sodalösung die Bakterien abzutödten, während die Amöben am Leben blieben. 
Doch zeigte sich, dass nunmehr eine Fortkultivirung der Amöben nicht mehr 
möglich war, auch nicht auf abgetödteten Bakterienkulturen, sodass also auch 
diese Amöbe auf lebendes Protoplasma angewiesen ist. 

Von grossem Interesse ist schliessiich noch ein Versuch, der ergab, dass 
die mit Choleravibrionen zusammengezüchteten Amöben durch Choleraimmun- 
serum agglutinirt wurden. 

Pathogene Bedeutung kommt der beschriebenen Amöbe nicht zu. 

Kisskalt (Giessen). 


Deycke und Voigtländer, Studien über kulturelle Nährböden. Centralbl. 
f. Bakteriol. Abth. I. Bd. 29. No. 15. S. 617. 

Die Verff. stellten zunächst fest, dass die Misserfolge, die einige Autoren 
mit dem früher von Deycke angegebenen Alkalialbuminatnährboden hatten, 
darauf zurückzuführen sei, dass die fabrikmässig hergestellten Alkalialbuminate 
sich wesentlich von den von Deycke selbst hergestellten unterschieden. 

Weitere, ausführlich angestellte Versuche veranlassen die Verff. folgende 
Herstellungsmethode für Alkalialbuminatnährböden als die beste zu empfehlen: 

200 g Pferdefleisch werden mit 250 ccm 3proc. Natronlauge in einem 
Erlenmeyerkolben in den Brutschrank gebracht. Nach 24—30 Stunden 
wird mit Salzsäure neutralisirt, auf 3 Liter verdünnt, 7,5 g Kochsalz, 150 g 
Glycerin zugesetzt, mit Sodalösung alkalisirt und mit Agar oder Gelatine zu 
dem Nährboden verarbeitet. Dieselbe ist einmal wesentlich billiger als der 
gewöhnliche Glycerinagar, ferner wächst ein grosser Theil der pathogenen Bak- 
terien üppiger als auf diesem. 

Ferner wurden Versuche mit Pepsin- und Pankreatinnährböden angestellt. 
Die besten Ergebnisse hatten die Verff. mit diesen, wenn sie erst das Pepsin, 
dann noch das Pankreatin einwirken liessen. Von grossem Einfluss, aber bei 
den einzelnen Bakterien verschieden, ist die Dauer der Einwirkung des letzteren. 
Bemerkenswerth ist besonders, dass der Diphtheriebacillus auf durch lange 
Pankreaseinwirkung hergestellten Nährböden „mit einer Ueppigkeit wächst, 
die alles andere bislang Gesehene weit überholt, sodass selbst Kulturen der 
gemeinsten und am üppigsten wuchernden Schmarotzer weit dahinter zurück- 
bleiben“. Kisskalt (Giessen). 


Gesetze und Verordnungen. 


Die Nummern 30—41 einschl. der Veröffentlichungen des Kaiserl. Gesundheits- 
amtes enthalten folgende hygienisch wichtigen Gesetze und Verordnungen: 


1. Aus Anlass des Vorkommens einiger Fälle von echten Pocken hat der 
Polizeipräsident von Berlin folgende bemerkenswerthe Verfügung erlassen: 


1174 Gesetze und Verordnungen. 


Das Vorkommen einiger Fälle von echten Pocken veranlasst mich, die Anzeige- 
pfliebt der nach § 2 des Reichsgesetzes, betr. die Bekämpfung gemeingefährlicher 
Krankheiten, vom 30. Juni 1900 (R.-G.-Bl. S. 306) zur Anzeige verpflichteten Per- 
sonen bis auf Weiteres auch auf die Windpocken (Varicellen) auszudehnen, da 
diese zu den Fällen gehören, welche zur Zeit den Verdacht der echten Pocken er- 
wecken. Um die als nothwendig erachteten Schutzmaassregeln möglichst sofort in die 
Wege leiten zu können, ersuche ich den zuständigen Polizeirevieren von der Pocken- 
erkrankung schleunigst Mittheilung zu machen. Zugleich weise ich darauf hin, dass 
die durch eine erfolgreiche Impfung hervorgebrachte Festigung gegen die Ansteckung 
(Immunität) im Laufe der Jahre mehr und mehr abnimmt: nur eine erneute Impfung 
vermag die betreffenden Personen gegen die höchst ansteckende Seuche von Neuem 
zu festigen. Ich habe daher die Kreisärzte angewiesen, in Häusern, in denen Pocken 
bezw. pockenverdächtige Krankheiten ausgebrochen sind, unentgeltlich Hausimpfungen 
vorzunehmen, und kann den in solchen verseuchten Häusern oder in deren Nachbar- 
schaft wohnenden Personen in ihrem eigenen Interesse, sowie in dem ihrer Mitmen- 
schen nicht dringend genug anrathen, einem solchen an sie herantreienden Ersuchen, 
sich impfen zu lassen, Folge zu geben. 

(Veröff. d. Kais. Ges.-A. 1901. No. 30. 5. 602. 


2. Gegen die seitens der Sachsengänger durch Weiterverbreitung des 
Trachoms drohende Gefahr hat die herzogliche Regierung von Anhalt als Ergān- 
zung einer früheren Verfügung folgende Verordnung erla 

Die Arbeitgeber sind verpflichtet, die sogenannten Sachsengänger aus Ost- 
und Westpreussen, Russisch-Polen, Ungarn und Galizien sofort nach ihrem Eintreffen 
einer ärztlichen Untersuchung durch den betreffenden Krankenkassenarzt mit Bezug 
aul etwa vorhandene ansteckende Augenkrankheit unterziehen zu lassen. Das Resultat 
der Untersuchung ist mit Ablauf des nächsten Tages der herzoglichen Kreisdircktion 
mitzutheilen. Diese Mittheilung muss enthalten: 

1. Namen, Alter, derzeitigen Wohnort des Arbeiters resp. Arbeiterin. 

2. Besteht ansteckende Ausgenkrankheit? Wie lange? 

3. Erscheint Krankenhausbehandlung nöthig? 

4. Ist der Arbeiter innerhalb der letzten 10 Jahre geimpft? 

Im Allgemeinen wird sich über die Nothwendigkeit der Behandlung im Kranken- 
hause eine ganz bestimmte Vorschrift nicht geben lassen, nur sollen solche Fälle mit 
starker Lichtscheu und starker granulöser Schwellung der Lidbindehaut als für die- 
selbe geeignet angesehen werden. Die herzoglicken Kreisdirektionen haber dem be- 
treifenden herzoglichen Kreisphysikus unverweilt eine Abschrift der eingegangenen 
Krankheitsmeldungen mitzutheilen. Die Kreisphysiker haben, event. im Zusammen- 
wirken mit dem behandelnden Arzte, in zweifelhaften Fällen nach genauer Prüfung 
der örtlichen Wohn- und sonstigen Arbeitsverhältnisse zu bestimmen, ob Kranken- 
Ihausbehandlung nöthig erscheint. Tritt der Fall ein, so ist dies der herzoglichen 
Kreisdirektion und von dieser dem Arbeitgeber mitzutheilen. Die laufende Behandlung 
ausserhalb des Krankenhauses bleibt dem Kassenarzte überlassen. Periodisch jedoch 
(alle 14 Tage, vom ersten Bericht an gerechnet) ist der herzoglichen Kreisdirektion 
Bericht über den Zustand der Augenkranken zu überreichen, die dem herzoglichen 
Kreisphysikus eine Abschrift dieses Berichtes unverweilt zustellt. 

(Veröff. d. Kais. Ges.-A. 1901. No. 38. S. 882.) 


sen: 


3. Mit dem Schutze der Arbeiter auf Baustellen beschäftigt sich folgende 
Verfügung der Regierung zu Hildesheim: 
$2. Zur Unterkunft für die an Bauten beschäftigten Arbeiter bei ungün- 


Gesetze und Verordnungen. 1175 


stiger Witterung und in den Ruhepausen müssen Räume vorhanden sein, wel- 
che im Mittel eine Höhe von mindestens 2,20 m im Lichten haben, durch Wände und 
Dach wetterdicht geschützt sind und festen, trockenen Fussboden in einem Umfange 
aufweisen, dass auf jeden am Bau beschäftigten Arbeiter eine Fläche von mindestens 
0,75 qm entfällt. Auch müssen die Räume durch Fenster von mindesteus Y/j, der 
Grundfläche erhellt und in der Zeit vom 1. Oktober bis 1. April heizbar sein. Iun den 
Unterkunftsräumen müssen Sitzplätze in genügender Anzahl vorhanden sein: zur 
Lagerung von Materialien und Geräthschaften dürfen diese Räume nur dann benutzt 
werden, wenn cs ausgeschlossen erscheint, dass dadurch Belästigungen für die Arbeiter 
(Verunreinigung der Luft und dergl.) verursacht werden, und der vorgeschriebene 
Flächenraum frei bleibt. Bei Tiefbauten dürfen die Unterkunftsräume von dem 
Beschäftigungsorte eines jeden Arbeiters nicht weiter als 750 m entfernt sein. Die 
Bestimmungen über die nothwendige lichte Höhe finden auf schwimmende Unterkunfts- 
räume keine Anwendung. 

% 3. Bei jedem Bau müssen Aborte in solcher Zahl vorhanden sein, dass ein 
Abort für höchstens 25 Personen dient. Bei freier von Wohngebäuden entfernter Lage 
der Baustellen kann die Herstellung einer Erdgrube für genügend erachtet werden; 
sonst dürfen keine durchlässigen Gruben Verwendung finden. Wenn daher die Aborte 
nicht an öffentliche Entwässerungsanlagen vorschriftsmässig angeschlossen sind, wer- 
den Tonnen, Kübel, Kasten oder dergl. Gefässe angewendet werden müssen. Diese 
sind stets in wasserdichtem Zustande zu erhalten, nach Bedarf rechtzeitig zu leeren 
und durch Kalkanstrich zu desinfieiren. Die Gefässe sind durch Sitz- und Stossbretter 
zu verdecken. 

ğ 4. Die Unterkunfisräume für die Arbeiter und die Aborte sind stets in rein- 
lichem Zustande zu erhalten, auch ist dafür Sorge zu tragen, dass dieselben bei 
Dunkelheit genügend erleuchtet sind. 

§ 5. Vom 15. November bis zum 15. März dürfen Stuckateur-, Putzer- und 
Töpferarbeiten in Neubauten nur dann ausgeführt werden, wenn die Räume, in 
denen gearbeitet wird, mit verschliessbaren Thüren und Fenstern versehen sind. Die 
nur vorläufige Anbringung derartiger Verschlüsse ist für genügend zu erachten. 

§ 6. In Räumen, in denen offene Koksfeuer ohne Ableitung der entstandenen 
Gase brennen, darf nicht gearbeitet werden. Solche Räume sind gegen andere, in 
denen gearbeitet wird, dicht abzuschliessen. Sie dürfen nur vorübergehend von den 
die Kokskörbe beaufsichtigenden Personen betreten werden. 

(Veröff. d. Kais. Ges.-A. 1901. No. 35. S. 307.) 


4. In das Gebiet der Schulhygiene gehören folgende Verordnungen: 

a) Für den Regierungsbezirk Kassel ist folgende Verfügung betreffend die Be- 
theiligung von Lehrern und Schülern an Leichenbegängnissen gegeben 
worden: Es ist zu unserer Kenntniss gekommen, dass im diesseitigen Bezirke Schul- 
kinder mehrfach zum Grabgefolge Verstorbener, sowie zum Singen bei Begräbnissen 
seitens der Lehrer herangezogen werden, ohne dass dabei auf die Krankheiten, welche 
den Tod herbeiführten, Rücksicht genommen wird. Da durch die Theilnahme von Leh- 
rern und Schülern an Leichenbegängnissen solcher Personen, die an an- 
steckenden Krankheiten gestorben waren, diese Krankheiten leicht weiter 
verbreitet werden können und thatsächlich auch weiter verbreitet sind, so sehen wir 
uns zur Verhütung der Weiterverbreitung von ansteckenden Krankheiten durch die 
Theilnahme von Lehrern und Schülern an Leichenbegängnissen zu folgender Anord- 
nung veranlasst: Die Betheiligung von Schülern bei Leichenbegängnissen ist 
ausgeschlossen, wenn der Verstorbene von einer ansteckenden Krankheit 
dahingerafft, -oder wenn auch nur der Verdacht vorliegt, dass dieses geschehen sei. 


1176 Gesetze und Verordnungen. 


Vor der Zulassung der Kinder zum Leichenbegängniss (Singeleichen) ist der Lehrer 
verpflichtet, in jedem Falle zuverlässige Nachrichten einzuziehen. Die Lehrer selbst 
haben sich der Theilnahme an Leichenfeiern, sofern sie am offenen Sarge im 
Sterbehause abgehalten werden, überhaupt möglichst zu enthalten. Sollte jedoch 
der Verstorbene einer ansteckenden Krankheit erlegen sein und der Lehrer ein Be- 
treten des Sterbehauses nicht umgehen können, so hat er vor der Aufnahme des Schul- 
unterrichts die dabei getragenen Kleider zu wechseln und, sofern eine andere Desin- 
fektion nicht ausführbar ist, sie sogleich im Luftzuge oder in der Sonne zu desinfi- 

ciren. (Veröff. d. Kais. Ges.-A. 1901. No. 34. S. T34; 
b) Für das Königreich Preussen ist durch ministeriellen Erlass eine Verlän ge- 
rung der Schulpausen angeordnet worden: 1. Die Gesammtdauer der Pausen 
jedes Schultages ist in der Weise festzusatzen, dass auf jede Lehrstunde 10 Minuten 
Pause gerechnet werden. 2. Nach jeder Lehrstunde muss eine Panse eintreten. 
3. Es bleibt den Anstaltsleitern überlassen, die nach 1 zur Verfügung ste- 
hende Zeit auf die einzelnen Pausen nach ihrem Ermessen zu vertheilen. Jedoch 
finden dabei zwei Einschränkungen statt: a) die Zeitdauer jeder Pause ist mindestens 
so zu bemessen, dass eine ausgiebige Lufterneuerung in den Klassenzimmern 
eintreten kann und die Schüler die Möglichkeit haben, sich im Freien zu be- 
wegen; b) nach zwei Lehrstunden hat jedesmal eine grössere Pause einzu- 

treten. (Veröff. d. Kais. Ges.-A. 1901. No. 37. S. 859.) 
c) Die Verabfolgung warmen Mittagessens an Schulkinder hat die 

Regierung in Schwaben und Neuburg durch folgendes Rundschreiben verfügt: 
Obwohl in den letzten Jahren durch Errichtung neuer Schulen vielfach eine 
zweckmässigere Eintheilung der Schulsprengel ermöglicht werden konnte, bestehen 
doch fast in allen Verwaltungsbezirken noch Sprengelschulen, deren einzelne 
Bestandtheile vom Schulsitze so weit entfernt sind, dass die Kinder während der 
Mittagspause in die elterliche Wohnung zurückzukehren und an der Mahlzeit 
theilzunehmen nicht vermögen. Dass hieraus namentlich im Winter für die 
Gesundheit der durch die Ungunst der Witterung, schlechte Wegeverhältnisse u.s.w. 
erschöpften Kinder nachtheilige Folgen entstehen können, braucht nicht weiter aus- 
geführt zu werden. Die gründliche Behebung dieser Missstände, die zunächst durch 
Errichtung neuer Schulen anzustreben wäre, scheitert meist an den wirthschaftlichen 
und finanziellen Verhältnissen der Gemeinden. Immerhin lässt sich eine Verbesserung 
erzielen, wenn den vom Schulsitze entfernt wohnenden kindern zur Winters- 
zeit während der Mittagspause eine — wenn auch einfache — so doch wär- 
mende und kräftige Nahrung geboten werden könnte. Warme Suppe mit Einlage 
von Hülsenfrüchten, Brennsuppe, heisse Milch u. s. w. wird genügen und durch die 
Lehrerfamilie oder eine andere Privathaushaltung ohne besondere Schwierigkeiten 
beschafft werden können. In den meisten Fällen werden die Eltern der Kinder 
die geringen Auslagen selbst zu bestreiten vermögen; die Kosten für die Ver- 
pflegung armer Kinder aber könnten aus öffentlichen (Gemeinde-, Distrikts- und 
Kreis-) Mitteln bestritten werden. Die Herren Amtsvorsteher werden hiernach die 
Verabreichung warmer Mahlzeiten in den in Betracht kommenden Schulorten sich 
thatkräftigst angelegen sein lassen und gleichzeitig für jede einzelne Schule festzu- 
stellen haben, für wie viele Kinder der Aufwand aus öffentlichen Mitteln bestritten 
werden müsste, in wie weit derselbe aus Gemeinde- und Distriktsmitteln aufgebracht 
werden könnte oder Zuschüsse aus Kreisfonds erforderlich machen würde. Hierbei 
wird bemerkt, dass sich die Verköstigung nur etwa auf die Monate November bis 
Februar zu erstrecken hätte.  (Veröff. d. Kais. Ges.-A. 1901. No. 41. S. 92.) 
Jacobitz (Halle a. S.) 


Kleinere Mittheilungen. 1177 
Kleinere Mittheilungen. 


(:) In der Sitzung der Pariser académie des sciences vom 17.Juli d.J. hat Miquel 
den gewiss recht beachtenswerthen Vorschlag gemacht, zum Nachweis eines unter- 
irdischen Zusammenhangs von Quellen, Brunnen u. s. f. mit oberflächlichen 
Wasserläufen die Bierhefe zu benutzen, die in Mengen von 10—40 kg der einen 
Wasserart zugesetzt, und deren Vorkommen in der anderen dann durch Verimpfung 
einer Probe der letzieren in eine Zuckerlösung festgestellt wird. 

(Sem. med. 1901. p. 211.) 


(:) Richet und Roux haben in Fortsetzung früherer Mittheilungen am 22. Juni 
in der Pariser société de biologie berichtet, dass sie Hunde, die vorher eine Impfung 
mit Tuberkelbacillen in den Duralsack erhalten hatten und die also an einer experi- 
mentellen tuberkulösen Meningitis erkrankt waren, erfolgreich mit der Zomotherapie 
behandelt hätten. Unter 11 Thieren, die mit rohem Fleisch gefüttert, überlebten 3, 
die auch auf Injektion von Tuberkulin nicht reagirten, während von den 9 Kontrol- 
stücken nur ein Hund zunächst am Leben blieb, um dann aber auch.der Tuberkulin- 
injektion zu erliegen. (Sem. med. 1901. p. 212.) 


(:) Rappin will beobachtet haben, dass die Tuberkelbacillen in künstlichen 
Nährböden, die mit Harnstoff versetzt sind, nicht gedeihen, und behauptet weiter, 
bei inficirten Meerschweinchen durch Einspritzung von Harnstofflösungen eine erheb- 
liche Besserung erzielt zu haben. (Sem. med. 1901. p. 222.) 


(:) In Ergänzung seiner Untersuchungen über den Einfluss des Serums Typhus- 
kranker auf Typhusbacillen hatWidal die nämlichen Verhältnisse für das Blut Tuber- 
kulöser und seine Einwirkung auf die Tuberkelbacillen studirt und seine Beob- 
achtungen in der Pariser société médicale des hôpitaux vom 5. Juli mitgetheilt. Da 
die gewöhnlichen Tuberkelbacillen eine gleichmässige Aufschwemmung herzustellen 
nicht gestatten, hat er sich der „homogenen“ Kulturen von Arloing und Courmont 
bedient und mit ihrer Hilfe nachweisen können, dass im Serum von tuberkulösen 
Kranken in der That eine „substance sensibilisatrice“ vorhanden ist, die sich den 
lebenden und abgetödteten Stäbchen gegenüber Geltung zu verschaffen vermag. 

(Sem. med. 1901. p. 228.) 


(:) Anglade aus Alençon behauptet, dass auch in Fällen von Tuberkulose, 
bei denen der Darm noch nicht ergriffen ist und nur die Lungen erkrankt sind, reiche 
Mengen von Bacillen mit den Fäces ausgeschieden würden. 

(Sem. méd. 1901. p. 254.) 

(:) In bemerkenswerthen Ausführungen vertritt Poncet (Lyon) die Ansicht, dass 
sich ebenso wie bei der Gonorrhoe, dem Scharlachfieber u.s.w. auch im Verlaufe der 
Tuberkulose durch den ursächlichen Erreger dieser Affektion bedingte rheuma- 
tische Erkrankungen eines oder mehrerer Gelenke entwickeln können. Er theilt 
mehrere eigene Beobachtungen mit, die diese Behauptung belegen sollen und bei denen 
die ursprünglich rein rheumatische Entzündung und Schwellung der betreffenden Ge- 
lenke nach und nach einen fungösen Charakter annahm, also jeder Zweifel an der 
Natur auch des örtlichen Leidens ausgeschlossen werden konnte. 

(Sem. med. 1901. p. 24.) 


1178 Kleinere Mittheilungen. 


(:) In der Sitzung der Société de biologie vom 29. Juni hat Rehns über Ver- 
suche berichtet, die zeigen, dass das Diphtheriegift von der Trachea aus ebenso 
wirksam ist, wie vom subkutanen Gewebe, und ferner, dass man bei Thieren durch 
Einspritzung von aufgeschwemmten Typhuskulturen in die Lungen agglutinirende 
Eigenschaften des Blutserums erzeugen kann. (Sem. med. 1901. p. 222.) 

(:) In der Sitzung der Pariser société de biologie vom 22. Juni d. J. hat Widal 
berichtet, dass die jüngst (vergl. diese Zeitschr. S. 814) von ihm beschriebene „sub- 
stance sensibilisatrice* im Blut oder Serum von Typhuskranken nicht nur leten- 
den, sondern ebenso auch durch vorherige einstündige Erhitzung auf 60° abgetüdts- 
ten Typhusbacillen gegenüber wirksam sei. (Sem. med. 1901. p. 213. 

(:) Widal und le Sourd haben durch Versuche an künstlich immunisirten Meer- 
schweinchen festgestellt, dass die agglutinirenden und die sensibilisirenden 
Fähigkeiten des Blutes keineswegs zur gleichen Zeit auftreten und also nicht iden- 
tisch sind. Beim Menschen sind beide zwar in der Regel nebeneinander vorhanden. 
doch kommen auch hier Fälle zur Beobachtung, bei denen die eine fehlt, und die alse 
ebenfalls für die Verschiedenartigkeit sprechen. (Sem. med. 1901. p. 254.. 

(:) In der Sitzung der Pariser académie de médecine vom 30. Juli hat Lan- 
douzy über Beobachtungen von Busquet berichtet, die die Uebertragung der 
Meningitis auf Thiere zum Gegenstande hatten. Bei 3 Soldaten, die unter den 
Erscheinungen der epidemischen Cerebrospinalmeningitis erkrankt waren, fand sich 
der ‚Jaeger-Weichselbaum’sche Diplococcus intracellularis im Nasenschleim. Kleine 
Mengen des letzteren, Meerschweinchen und Kaninchen in die Nasenhöble gebracht. 
riefen bei mehreren Thieren den Tod hervor, und in der Cerebrospinalflüssigkeit dieser 
Stücke liess sich dann der Diplokokkus wieder nachweisen. Mit dem Nasenschleim der 
erkrankten und der Cerebrospinalflüssigkeit der gestorbenen Thiere konnten dann durch 
Verimpfung in die Nasenhöhle auch noch weitere gelungene Infektionen bewerkstellizt 
werden, (Sem. med. 1901. p. 


(:) Faure hat auf der Versammlung französischer Irren- und Nervenärzte. die 
vom 1..—7. August d. J. in Limoges abgehalten worden ist, die Mittheilung gemacht. 
dass er bei den verschiedenartigsten Geisteskranken, auch solchen, die ihr Leiden icı 
Anschluss an eine Infektionskrankheit erworben hatten, in der durch Lumbalpunktion 
gewonnenen Cerebrospinalmeningitis vergeblich auf irgendwelche Mikroorga- 
nismen gefahndet habe. Da er schon bei früherer Gelegenheit das gleiche negative 
Resultat auch für das Gehirn hat feststellen können, so ist er nicht geneigt, den in 
Rede stehenden Erkrankungen eine infektiüse Ursache zuzusprechen, glaubt vielmehr 
an ihre Entstehung durch Toxine. (Sem. med. 1901. p. 267.: 

(:) Legros und Lecène haben bei einem Fall von Gasgangrän, der sich it 
Anschluss an einen komplieirten Bruch des Unterschenkels entwickelt hatte, nehen 
Colibaeillen und Staphylokokken in überwiegender Menge einen lebhaft beweglicher. 
sporenbildenden Bacillus gefunden, dessen genauere kulturelle Schilderung leider it 
dem Bericht über ihre Mittheilung in der Société de biologie vom 22. Juni fehlt. der 
sich aber als pathogen für Thiere erwies und von anderen, bisher unter ähnlichen Ver- 
hältnissen chriebenen Mikrobien dadurch in auffälliger Weise unterscheidet. dis 
er streng aörober Natur ist. (Sem. med. 1901. p. 212. 


Kleinere Nittheilungen. 1179 


(:) Die französische Regierung hat von den gesetzgebenden Körperschaften 
100000 Fres. — a l’unanimite et sans discussion — bewilligt erhalten, um eine wissen- 
schaftliche Expedition zum Studium des gelben Fiebers naclı Brasilien aussenden 
zu können. Mitte Oktober wird die aus 3 oder 4 Mitgliedern zusammengesetzte und 
unter der Aufsicht des Institut Pasteur stehende Mission sich auf den Weg machen 
und nach Rio de Janeiro gehen. Eine englische Gesandtschaft mit dem gleichen 
Zweck und der nämlichen Aufgabe ist inzwischen schon in Para eingetroffen. 

(Sem. med. 1901. Annexes 113.) 


(:) Rosenberger hat eine grössere Anzahl von Thermometern, die kürzere 
oder längere Zeit vorher benutzt worden waren, um theils im Mund, theils in der 
Achselhöhle die Körperwärme von Infektionskranken der verschiedensten Art zu messen, 
auf ihren Keimgehalt geprüft und an allen Mikroorganismen nachweisen können, 
meist den Staphylokokkus oder den Heubaeillus, Sareinen u. s. w. Dagegen wurden 
Bakterien ebenso regelmässig vermisst, wenn die Instramente nach dem Gebrauch nur 
2 Minuten in Sublimatlösung getaucht worden waren. Verf. empfiehlt deshalb und 
zwar gewiss mit Recht, diese einfache und bequeme Maassnahme in jedem Falle anzu- 
wenden, um so die Uebertragung von Infektionserregern durch die Thermometer un- 
möglich zu machen. (Sem. med. 1901. p. 319.) 


C) In dieser Zeitschr. 1900 S. 1113 ist über Beobachtungen von Landouzy 
berichtet worden, die Vergiftungserscheinungen, hervorgerufen durch die anilinhaltige, 
schwarze, zum Lackiren von Schuhzeug benutzte Farbe betrafen. Jetzt hat Lop in 
Marseille einen ganz ähnlichen Fall in seiner Praxis zu verzeichnen gehabt, der am 
30. Juli in der Pariser académie de médecine zur allgemeineren Kenntniss gebracht 
wurde. (Sem. méd. 1901. p. 252.) 


(1) Im Monat September 1901 hatten von 278 deutschen Orten mit mehr als 
15000 Einwohnern eine höhere Sterblichkeit als 35 pM. 5 Orte gegenüber 49 im Au- 
gust. Geringer als 15 pM. war dieselbe in 75 gegenüber 10 Orten im Vormonat. Mehr 
Säuglinge als 333,3 auf je 1000 Lebendgeborene starben in 22 Orten gegen 151, we- 
niger als 200,0 in 132 gegen 16 im August. 

(Veröff. d. Kais. Ges.-A. 1901. S. 1045.) 


Stand der Seuchen. Nach den Veröffentlichungen des Kaiserlichen Gesund- 
heitsamtes. 1901. No. 45 u. 46. 

A. Stand der Pest. L Italien. Neapel. Wie jetzt durch amtliche Er- 
mittelungen bekannt wird, ist schon Ende August innerhalb der im Zollanschluss ge- 
legenen Speicher ein auffälliges Rattensterben bemerkt worden. Zuerst am 31. 3. trat 
dann bei einem Hafenarbeiter eine tödtlich verlaufene, anscheinend als Lungenent- 
zündung behandelte Krankheit auf. Die nächsten Fälle wurden für Lungenentzündung, 
Drüsen- und Blinddarmentzündung gehalten. Erst im Anschluss an einen am 23. 9. 
amtlich angezeigten Fall wurde durch die bakteriologische Untersuchung die Art der 
Krankheit festgestellt. lI. Grossbritannien. Glasgow. 1. 11.: 4 Erkrankungen, 
1 Todesfall, alle im Central-Station-Hotel, das sofort geschlossen wurde. Liverpool. 
Ende September und Anfang Oktober kamen hier 6 Krankheitsfälle vor, die man zu- 
erst für Influenza, später für pestverdächtig hielt. Bei 2 Giestorbenen wurde Vest fest- 
gestellt. III. Russland. Die zur Verhütung und Bekämpfung der Pest eingesetzte 
Kommission macht unter dem 2. 11. bekannt, dass am 14. 10. in Batum ein pestver- 
dächtiger Kranker gestorben sei, während ein zweiter, der am 9.10. in gleicher Weise 


1180 Kleinere Mittheilungen. 


erkrankte, bereits in Genesung begriffen ist. IV. Aegypten. 18.--25.10.: InAlexan- 
drien, Mit Gamr und Ziftah je 1 Erkrankung. 26. 10.—1. 11.: Nur in Ziftah 1Er- 
krankung und 1 Todesfall. Port Said. Auf dem aus Marseille über Alexandrien ein- 
getroffenen Dampfer „Portugal“ wurde ein Pestfall festgestellt. V. Kapland. ®. 9, 
bis 5.10. Kaphalbinsel: 2 Erkrankungen, 1 Todesfall. Port Elizabeth: 4 Erkran- 
kungen, 3 Todesfälle. 6.—12. 10.: Port Elizabeth: 3 Erkrankungen, 1 Todesfall. 
VI. Britisch-Ostindien. Präsidentschaft Bombay. 29.9.—5.10.: 9476 Erkran- 
kungen, 6532 Todesfälle. 6.—12. 10.: 10786 Erkrankungen, 7537 Todesfälle. Stadt 
Bombay. 29.9.—5.10.: 187 Erkrankungen, 177 Todesfälle, ausserdem von insgesammt 
875 Sterbefällen 185 pestverdächtige. 6.—12.10.: 156 Erkrankungen, von insgesammt 
822 Todesfällen 189 festgestellte Pesttodesfälle und 131 pestverdächtige Todesfälle. 
Kalkutta. 22.—28. 9.: 17 Erkrankungen, 16 Todesfälle. 29. 9.—5. 10.: 19 Todes- 
fälle. VII. Paraguay. In Asuncion sollen Pestfälle festgestellt worden sein. 
VIH. Queensland. Nachdem das Land am 2. 10. für pestfrei erklärt worden ist, 
wurde am 3. 10. ein neuer Todesfall angezeigt. 

B. Zeitweilige Maassregeln gegen Pest. Mittels Rundschreiben von 
8. 11. sind die Regierungen der Bundesstaaten ersucht worden, die aus Glasgow 
eintreffenden Seeschiffe der gesundheitspolizeilichen Kontrole zu unterwerfen. Gleich- 
zeitig ist die Ein- und Durchfuhr von Leibwäsche, alten und getragenen Kleidungs- 
stücken u. s. w. aus Glasgow verboten worden. 

C. Stand der Cholera. I. Britisch-Ostindien. Kalkutta. 22.28. 9.: 
T Todesfälle. 29. 9.—5. 10.: 3 Todesfälle Settlements. Singapore. 5.—8. 10.: 
3 Erkrankungen. I. Niederländisch-Indien. 1. Java. Stadt und Bezirk 
Soerabaya. 15.—28. 9.: 616 Erkrankungen, 438 Todesfälle. 29. 9.—5. 10.: 245 Er- 
krankungen, 184 Todesfälle. Batavia. 18.9.—1.10.: 169 Erkrankungen, 152 Todes- 
fälle. Samarang. 21.9.—4.1.: 394 Erkrankungen, 289 Todesfälle. Tegal. 11.—24.9.: 
17 Erkrankungen, 15 Todesfälle. Indramajoe. 11.—20. 9.: 62 Erkrankungen, 
46 Todesfälle. Pekalongan. 4.—10. 9.: 6 Erkrankungen, 5 Todesfälle. Probo- 
lingo. 16.—28.9.: 2 Erkrankungen. Cheribon. 1.—29.9.: 14 Erkrankungen, 6 To- 
desfälle. Pamanvekan. 11.—20. 9.: 8 Erkrankungen, 8 Todesfälle. Pasvervean. 
20.—23.9.: 9 Erkrankungen, 7 Todesfälle. 2. Borneo. Baudjeumasin. 1.—16.9.: 
241 Erkrankungen, 170Todesfälle. 3. Sumatra. Palembang. 1.—10.9.: 17 Erkran- 
kungen, 7 Todesfälle. Segli. 21. 8.—10. 9.: 21 Erkrankungen, 15 Todesfälle. 

D. Stand der Pocken. Grossbritannien. London (Krankenhäuser. 
Nach Mittheilungen vom 6.11.: 57 Erkrankungen und 6 Todesfälle, nach Mittheilungen 
vom 13.11.: 169 Erkrankungen und 6 Todesfälle. 

E. Gelbfieber. I. Brasilien. Rio de Janeiro. 19.8.—1.9.: 3 Todesfälle. 
U. Mexiko. Vera Cruz. 30. 9.—5. 10.: 7 Erkrankungen, 4 Todesfälle. II. Costa 
Rica. Port Limon. 29.9.—5.10.: 8 Erkrankungen, 6 Todesfälle. IV. Curaçao. 2. 
bis 28. 9.: 1 Erkrankung. V. Haiti. Kap Haiti. 5. 10.: 1 Erkrankung. VI. Cuba. 
Casieda. 20. 9.—5. 10.: 1 Erkrankung. Havana. 29. 9.—5. 10.: 3 Erkrankungen. 

Jacobitz (Halle a. S.). 


Verlag von August Hirschwald, Berlin N.W, — Druck von L. Schumacher in Berlin. 


Hygienische Rundschau. 


Herausgegeben 
von 
Dr. Carl Fraenkel, Dr. Max Rubner, Dr. Carl Günther, 
Prof. der Hygiene in Halle a./8. Geh. Med.-R., Prof. der Hygiene in Berlin. a. 0. Professor in Berlin. 


XI. Jahrgang. 


Berlin, 15. December 1901. M 2A. 


(Aus dem Hygiene-Institut der kgl. Universität Padua unter Leitung des 
Prof. A. Serafini.) 


Chemische, mikroskopische und bakteriologische Untersuchungen 
über den Hagel. 


Von 


Dr. C. M. Belli, 
kgl. Marine-Arzt I. Klasse und Honorar-Assistenten im Hygiene-Institut. 


Seit der klassischen Arbeit Volta’s bis zu unseren Tagen haben unzäh- 
lige Publikationen über das Phänomen und den Ursprung des Hagels das 
Licht der Welt erblickt, und in den letzten Jahren haben sich den Physikern 
und Meteorologen einige Bakteriologen in Nachforschungen des Mikrobien- 
gehaltes des Hagelkornes beigesellt. Immerhin ist das Feld alles Andere denn 
abgemäht, und jeder, auch der bescheidenste Beitrag kann der Lösung der 
vielen, noch streitigen Fragen dienen; deshalb scheint es mir nützlich, die 
chemischen, mikroskopischen und bakteriologischen Untersuchun- 
gen bekannt zu geben, die an im Hofe der Medieinschule zu Padua gesammeltem 
Hagel vorgenommen wurden. 

Der Hagel fiel in 3 Tagen des Monats Juli des laufenden Jahres 1901, 
immer in den Nachmittagsstunden, in verschiedenen Mengen, reichlich das 
erste Mal, weniger in den folgenden. Die Grösse der Körner war ebenfalls 
am ersten Tage bedeutender: die grossen Stücke erreichten ein Durchschnitts- 
gewicht von 25 g; in den anderen zwei Malen hatten die Körner hingegen 
geringere Dimensionen mit einem Höchstgewicht von 7—8 g. Die grössten 
Körner boten eine unregelmässig ellipsoide Form dar; die kleinen meist eine 
exakt sphärische oder abgeplattete. Die äussere Oberfläche der grösseren 
Körner erschien unregelmässig mit Vorsprüngen und Abrundungen und manch- 
mal mit dem Anschein, als ob verschiedene Körner zu einem zusammenge- 
schweisst seien; bei den kleinen hingegen zeigte sie sich glatt und regelmässig. 

Die Körner waren von einem in der Mitte oder excentrisch gelegenen 
Kern gebildet, der von wechselnden undurchsichtigen und durchsichtigen, mehr 

82 


1182 Belli, 


oder minder zahlreichen und vollständigen Schichten von gleicher Dicke um- 
geben war. 

Das in nachfolgend beschriebener Weise gesammelte Schmelzwasser hatte 
ein zum Weisslichen hinneigendes Kolorit und bläuliche Transparenz. 

Chemische Untersuchungen. Diese wurden natürlich am Schmelz- 
wasser vorgenommen, und als erste Nothwendigkeit, um beachtenswertbe Resul- 
tate zu erhalten, erschien es mir, von diesem Wasser jede äussere Verunreini- 
gung fernzuhalten. Zu diesem Behufe trug ich Sorge, die einzelnen Körner 
von allen Substanzen, die sich beim Fall angefügt hatten, vollkommen zu 
befreien, indem ich die grösseren, in einem grossen Glase gesammelten Körner 
Stück für Stück mit destillirtem Wasser ausgiebig wusch; daun schüttete ich 
die gewaschenen Körner in ein anderes gut gereinigtes Glas, in dem ich sie 
sich theilweise auflösen liess; darauf that ich sie in ein anderes Glas, wo 
sie sich vollständig auflösten, und schliesslich habe ich das Wasser derselbeu 
in einem vierten ebenfalls durchaus reinen Recipienten völlig dekantirt. 

Mit diesen Vornahmen ging viel Schmelzwasser verloren und verblieb nur 
eine ziemlich beschränkte Menge; deshalb habe ich meine Untersuchungen anf 
die gewöhnlichsten und bedeutendsten Komponenten des Wassers beschränken 
müssen. Die mit den gewöhnlichen Methoden unseres Institutes!) vorgenommene 
Analyse gab mir die nachfolgenden Resultate: 

Abwesenheit von Ammoniak, von salpetriger und Salpetersäure, von Kohlen- 
säure, Schwefel- und Phosphorsäure und Chlor. 

Zum Oxydiren der organischen Substanzen nöthiger Sauerstoff 1,5 mg in 
1000 ccm. Meine Nachforschungen in der Literatur, um andere chemische 
Analysen von Hagelschmelzwasser zu finden, beweisen, dass von diesem Ge- 
sichtspunkte aus der Hagel viel weniger Studienobjekt war, als man glauben 
könnte. 

Fusinieri2) berichtet, dass der Kern der Körner eines in Russland im 
Jahre 1830 stattgehabten Hagelfalles aus kleinen Aörolithen bestand, die aus 
Kieselsäure, Thonerde, Eisenoxyd u. s. w. zusammengesetzt waren; aber dieses 
analytische Resultat bezieht sich, mehr als auf den Hagel, auf die festen Körper, 
die sich in diesem eingeschlossen befanden. 

Richardt3) fand 1864 Abwesenheit von salpetriger Säure, 0,325 pM. Am- 
moniak und 0,52 N,O,, in welche Berechnung, wie er selbst hervorhebt, das 
eventuell vorhandene Chlor einzubeziehen ist. Er bezeichnet jedoch die Vor- 
sichtsmaassregeln nicht, welche gebraucht wurden, um das Schmutzwasser des 
Hagels zu erlangen, so dass die Möglichkeit nicht ausgeschlossen werden kann. 


1) Und zwar: das Ammoniak mit Nessler’s Reagens; die salpetrige Säure mit 
der Griess’schen Reaktion; die Salpetersäure mit Diphenylamin; die Kohlensäure 
mit Barytwasser; die Schwefelsäure mit Chlorbaryum; die Phosphorsäure mit Ammo- 
niummolybdat in Nitritlösung; das Chlor mit Silbernitrat und die organischen Sub- 
stanzen durch Oxydation nach der Kubel’schen Methode. 

2) Memorie meteorologiche. Padua 1847. p. 96. 

3) Untersuchung von Hagel auf Ammoniak, Salpetersäure und dergl. Arch. f. 
Pharm. 1364. 2. Bd. 119. 


Chemische, mikroskopische und bakteriolog. Untersuchungen über den Hagel. 1183 


dass das Ammoniak und die Salpetersäure der Verunreinigung des Hagels auf 
der Erde zuzuschreiben ist. 

Schliesslich fand Boussiugaultt) auch im Hagel 2,03 pM. Ammoniak 
und 0,83 Salpetrigsäure-Anhydrid. 

Aus meiner Untersuchung hingegen ergiebt sich, dass das Schmelzwasser 
des Hagels einem destillirten Wasser mit Spuren organischer Substanzen ver- 
glichen werden kann, jedoch eine einfachere chemische Beschaffenheit als 
Regen- und Schneewasser hat, von denen man weiss, dass sie nicht nur 
nicht frei von organischen Substanzen sind, sondern sogar mineralische ent- 
halten. $ 

Mikroskopische Untersuchungen. Wie die chemischen Untersuchun- 
gen, so fehlen auch die mikroskopischen Analysen über das Schmelzwasser 
fast vollständig, und soviel ich weiss, existirt in der Literatur nur die Beob- 
achtung Agostini’s2), der sich jedoch auf die den Meersalzkrystallen, welche 
zugleich mit dem Hagel fielen, anhaftenden Substanzen beschränkt, und die- 
jenige von Casari®), der von einem zu Padua gefallenen Hagel einen ganz 
feinen Staub erzielte, den er wegen der winzigen Menge keiner chemischen 
Analyse unterziehen konnte, der aber bei Beobachtung mit starker Linse 
aus Eisen oder Nickel, kombinirt mit etlichen anderen Substanzen, zu be- 
stehen schien. 

Ich hatte mir vorgenommen, mikroskopisch zu studiren, ob im Hagel wirk- 
lich solide Körperchen eingeschlossen sind, und welche Natur dieselben haben; 
deshalb habe ich das in bezeichneter Weise gesammelte Hagelwasser der 
Centrifugirung unterzogen und das erhaltene Sediment mit dem Mikroskop 
(300—400 fache Vergrösserung) beobachtet. Dasselbe war zusammengesetzt 
zum Theil aus ganz feinem Mineralstaub, der farblos oder verschieden pig- 
mentirt, amorph, sowie kleinsten Krystallen verschiedenen Systems gleich ist, 
und zum Theil aus vegetabilischen Zellen, Fasern, Härchen, Röhren, Schüpp- 
chen, die ganz oder in Stückchen sind, aus anderen, nicht gut bestimm- 
baren Körperchen und aus formlosen und granulösen Massen besteht. Es 
handelt sich also um ein impalpables mikroskopisches Pulver, das zu ca. 1/3 
mineralischer und zu ?/ organischer und organisirter Natur ist. 

Bakteriologische Untersuchungen. Es ist bereits festgestellt, dass 
die Luft der höheren Regionen der Atmosphäre bakteriologisch rein ist, so 
dass man annehmen könnte, dass der Hagel, der sich doch in jenen Regionen 
bildet, frei von Keimen sei. Dem ist jedoch nicht so: die unter dem Mikro- 
skop beobachteten Stäubchen organischer Natur sind zum Theil aus ganz 
winzigen lebenden Organismen zusammengesetzt, und die von Anderen schon 
früher augestellten vakteriologischen Nachforschungen am Hagel haben bereits 
erwiesen, dass letzterer thatsächlich Mikrobien enthält. Indessen variirt die 


1) Von Richardt in früher erwähnter Arbeit angegeben. 
2) Sulla gragnuola di sal marino a Mantova. Annali dell’ Uf. Centr. di Meteor. 
1879. Serie II. Vol. I. 
3) Sopra la grandine straordinaria caduta in Padova nel giorno 26 agusto 1534. 
Ann. delle scienze del Regno Lombardo-Veneto 1834. Vol. IV. A 
82 


1184 Belli, 


Zahl der bei solchen Untersuchungen gefundenen Keime sehr bedeutend: von 
21000 im ccm, die Bujwid in Warschau!) fand, zu den 729, welche Foutin 
in St. Petersburg?) feststellte, und zu den 40—300, welche Abbott in Balti- 
more?) und Abel in Greifswald antrafen; und wenn diese bedeutenden Ver- 
schiedenheiten sich mit einem Hinweis auf die verschiedene Beschaffenheit 
des zu verschiedenen Zeiten und an verschiedenen Orten gefallenen Hagels 
leicht erklären lassen, so kann man sie andererseits mit Grund auch zum 
Theil der bei den Untersuchungen gehandhabten Technik zuschreiben. In der 
That ist das Phänomen des Hagels so ausserordentlich und plötzlich, dass 
man schwerlich in den Laboratorien alles zur sorglichen Ausführung solcher 
Untersuchungen Nöthige sofort zur Hand hat, und jede, auch die kleinste Ver- 
nachlässigung kann die Ergebnisse empfindlich alteriren, da der Verunreini- 
gungsursachen viele sind, vor denen man sich nicht immer schützen kann. 

Um jede Ursache zu Irrthämern auszuschliessen, habe ich eine Methode 
benutzt, die mir Vorzüge vor den von Miquelt) und anderen Autoren ange- 
gebenen zu haben scheint. 

Ich habe zuvor die Körner Stück für Stück sorglich gewaschen und sie 
dann in Petrischälchen gethan; dann nahm ich jedes Korn mit einer jedesmal 
in der Flamme sterilisirten Pincette und tauchte es in sterilisirtes kochendes 
Wasser, bis sich die ganze äussere Schicht gelöst hatte, und schliesslich that 
ich den übrig gebliebenen Kern in sterilisirte Reagensgläser, wo ich ihn sich 
auflösen liess. Diese verschiedenen Manipulationen führte ich mit der nöthigen 
Sorgfalt aus, und ich glaube, soviel als möglich jede Verunreinigung vermieden 
zu haben. Nachdem derart das Schmelzwasser gesammelt war, bereitete ich 
unter den gewöhnlichen bakteriologischen Normen vier flache Kulturen, zwei 
in Gelatine und zwei in Agar mit 1 ccm Wasser für jede. 

Auf den Gelatineplättchen entwickelten sich nach drei Tagen auf dem 
ersten 58 und auf dem zweiten 42 Kolonien pro ccm, welche in grosser Mehr- 
heit die Gelatine verflüssigten. 

Auf den Agarplättchen: 

auf dem ersten nach 3 Tagen 64 Kolonien und nach 5 Tagen 136 Kolonien, 

n n zweiten „ „ 8 y non 19 y 
mit einem Durchschnitt also von etwa 140 Keimen pro ccm. 

Von ihnen wurden durchschnittlich 8 von Hyphomyceten (Aspergilleen und 
Penicilleen) repräsentirt und die übrigen von Schizomyceten, alle Bacillenfor- 
men, 9 Species darstellend. Von diesen wurden mit allen morphologischen, 
kulturellen und funktionellen Charakteren die nachfolgenden identifieirt: 

1. Wurzelförmiger Bacillus, ausserordentlich reichlich, etwa */, aller Ko- 

lonien bildend; 

2. der Bacillus mycoides, den auch Foutin5) im Hagel fand; 


1) Centralbl. f. Bakteriol. 1888. No. 1. 

2) Wratsch. 1889. No. 49 u. 50 und Centralbl. f. Bakteriol. 1890. No. 12. 

3) John Hopkins Hospital. Bulletin 1890. 

4) Manuel pratique d’analyse bacteriologique des eaux. Paris 1891. 

5) Nach Lehmann und Neumann (Atlas und Grundriss der Bakteriologie, 


Chemische, mikroskopische und bakteriolog. Untersuchungen über den Hagel. 1185 


der Bacillus fluorescens liquefaciens; 
der Bacillus ramosus; 
der Bacillus mesentericus vulgatus; 
. der Bacillus aquatilis (No. 69 Lustig’s!)); 
7. der gelbe Bacillus (No. 81 Lustig’s). 
Die anderen beiden Bacillen wurden nicht identificirt; bei endoperi- 
tonealer Injektion ergaben sie sich für die Meerschweinchen als nicht pathogen. 


een 


Aus den oben angegebenen Untersuchungen, welche grösseres Vertrauen 
als diejenigen von Richardt und Boussingault verdienen, weil sie ausge- 
führt wurden, nachdem die Oberfläche der Körner gut gewaschen und das 
Wasser der äusseren Schichten entfernt war, sodass also nur der genuine 
Hagel in Betracht kam, ergiebt sich, dass das Schmelzwasser desselben vom 
chemischen Gesichtspunkte aus dem destillirten Wasser weit mehr ähnelt als 
das Regenwasser und das Schmelzwasser des Schnees, indem es jener Sub- 
stanzen bar ist, welche die letzteren beim Passiren der damit versehenen 
unteren Schichten der Atmosphäre aufnehmen. Die vorgefundenen geringen 
organischen Substanzen sind mit grösster Wahrscheinlichkeit dem winzigen 
organischen Staube zuzuschreiben. der sich während der Schmelzung nicht 
zugleich mit dem schwereren anorganischen Staub niederzuschlagen vermochte. 

Und diese chemische Physiognomie des Hagelschmelzwassers bestärkt die 
Ansicht, dass sich der Hagel in bedeutenden Höhen der Atmosphäre bilde, 
wo das meteorische Wasser, indem es gefriert, jede Eigenschaft, die gasför- 
migen und suspendirten Substanzen, die es in den der Erde nahen Schichten 
antrifft, zu binden, verliert. 

Die mikroskopischen Untersuchungen beweisen, dass der Hagel einen sehr 
feinen Staub enthält, der zu ca. !/; anorganischer und zu ?/; organischer Natur 
ist, und dass sich in diesem Staubgemisch auch lebende Keime befinden. Mit 
dem Vorhandensein feinsten Staubes in den Körnern stimmen auch die älteren 
Untersuchungen Casari’s und Fusinieri’s überein. Und da nach der all- 
gemeinen Anschauung der Meteorologen, welcher das Ergebniss der che- 
mischen Analyse ebenfalls eine Stütze gewährt, der Hagel sich in sebr hohen 
atmosphärischen Regionen bildet, muss sich in jenen Regionen dieses Pulver- 
gemisch vorfinden, damit es so innig in die Körner eindringen könne. 

Obzwar Fusinieri von Aërolithen spricht, kann man dennoch das Pulver 
in solchen Höhen nicht als ein solches von extraplanetarem Ursprung anneh- 
men, d. h. als Theil jeaer Million und 500000 kg des auf der Oberfläche 
des Erdballes vorhandenen mineralischen Staubgemisches, welches nach Pater 
Secchi „von der Verbrennung der Sternschnuppen herrührt, welche zuweilen 
detonirend in die Atmospbäre unserer Erde eiudringen“; hingegen sowohl 
wegen des Inhaltes und Aussehens der organischen Substanzen, als auch um 


München 1896) wären der wurzelförmige Bacillus und der Bacillus mycoides mit ein- 
ander identisch; aber selbst bei der Annahme einer engen Verwandtschaft zwischen 
denselben scheint es mir beim gegenwärtigen Stande unserer Kenntnisse gebotener, 
zwei verschiedene Arten daraus zu machen. 

1) Diagnostica dei batteri delle acque. Torino 1890. 


1186 Belli, Chemische, mikroskop. u. bakteriol. Untersuchungen über den Hagel. 


der Gegenwart und Sonderart der Mikroorganismen willen stammt dasselbe 
zweifelsohne von der Oberfläche der Erde ab. Es ist der feinste, impalpable 
Theil des Staubes, der von den Erdregionen erhoben und durch die heftigen 
Winde, die die Hagelschauer zu begleiten pflegen, in die Höhe getragen ist. 
Thatsächlich sind der vorherrschende wurzelförmige Bacillus, der Myco- 
ides, der Fluorescens liquefaciens und der Mesentericus vulgatus 
auf der Oberfläche des Bodens ausserordentlich häufig, und wenn Bujwid 
auch den bisher nach ihm nur in faulenden Gewässern vorgefundenen Bacillus 
janthinus angetroffen hat, so lässt sich doch seine Hypothese nicht annehmen, 
dass die Hagelkörner denselben aus Tropfen faulenden Wassers fixirt haben, 
welche durch die Winde aufgeboben und in der Atmosphäre schwimmend er- 
halten wurden. In Wirklichkeit, mit Ausnahme ganz besonderer und seltener 
Fälle und in sehr beschränktem Maasse, vermögen die Winde die Wassertropfen 
von der flüssigen Oberfläche nicht aufzuheben und bis zu solchen bedeutenden 
Höhen zu tragen; aber man muss in derlei Fällen vielmebr an Staub denken, 
der von der Erde erhoben ward, und auf dem faulendes Wasser zur Trock- 
nung gelangte. 

So hoch jedoch auch solch’ feinster Staub erhoben werden kann, so er- 
scheint es jedoch nicht möglich, dass derselbe über die Schicht der niederen 
Wolken hinaus gelangen könne. Diese Erwägung nun und die Thatsache, 
dass ich das Pulvergemisch auch im Kern der Körner vorfand, könnten viel- 
leicht Anregung dazu geben, dass die Meinung jener Meteorologen abgeäudert 
werde, welche behaupten, dass die Bildung des Kernes der Hagelkörner in 
den höheren Wolken erfolge, und dass sich beim Passiren der unteren dann 
die übrigen Schichten darumlegen. Und in Wirklichkeit könnte die Anwesen- 
heit des Staubes im inneren Theile der Körner mit grösserer Wahrscheinlichkeit 
glauben machen, dass der Hagel, wennschon sich in hohen atmospbärischen 
Regionen bildend, dennoch weiter unten zur Bildung gelange, als dies jene 
Meteorologen annehmen. 

Es überschreitet den Rahmen meiner Kompetenz sicherlich, in Diskussion 
über die Theorien hinsichtlich der Hagelbildung zu treten und zu erörtern, 
wie und bis zu welchem Punkte diese Daten zur besseren Erleuchtung dieses 
meteorologischen Phänomens beitragen können. Immerhin halte ich es in 
Erwägung des Umstandes, dass, sobald eine geringe Wassermenge über eine 
staubige Oberfläche läuft, die Tropfen bald sphäroide Form annehmen, nicht 
für unnütz, die Aufmerksamkeit der Meteorologen auf das Dazwischenkommen 
des Staubes bei der Bildung der Körner zu lenken. Mit der fundamental- 
ätiologischen Dazwischenkunft des Staubes beim Hagelphänomen würde ausser 
den hier vorgelegten Nachforschungen die Thatsache übereinstimmen, dass der 
Hagel fast ausschliesslich im Sommer stattfindet, wenn von der trockenen Erd- 
oberfläche die Winde leicht den Staub erheben und auf weite Entfernungen 
transportiren. 

Vom hygienischen Gesichtspunkte aus, von dem aus mir hingegen die 
Erörterung der erlangten Resultate ganz besonders gebührt, hat der Hagel 
eine sehr beschränkte Bedeutung, sei es, dass man ihn als meteorologischen 
Faktor, sei es als hygienischen Faktor im engeren Sinne betrachtet. In ersterer 


Löhlein, Bericht über die Thätigkeit des Untersuchungsamtes u. s. w. 1187 


Beziehung kommt in Frage, dass er selten auftritt, von sehr kurzer Dauer ist und 
keinen anderen beachtenswerthen Einfluss ausübt als denjenigen der Luft- 
reinigung. die den grossen Regen folgt. Als hygienischer Faktor wird der 
Hagel zu keinerlei Zweck in der häuslichen Oekonomie nutzbar gemacht; es 
bleibt daher nichts anderes übrig, als ihn als ein mögliches Transportmittel 
pathogener Bakterien von einer Region zu einer anderen entfernten zu be- 
trachten. Bujwid lenkte in der That, da er den Bac. janthinus gefunden, 
der der Region, in der er seine Erfahrungen machte, fremd ist, die Aufmerk- 
samkeit auf dieses Mittel der Ausbreitung schädlicher oder unschädlicher Keime, 
und Foutin fand im Hagel einen Mikroorganismus (den Kokkus B) wieder, 
der für Thiere pathogen ist. In meinen Nachforschungen waren die iden- 
tificirten Keime ebensowohl als die nicht wiedererkannten alle Sapropbyten; 
ausserdem habe ich 3 ccm von Hagelschmelzwasser in die Bauchhöhle zweier 
Meerschweinchen inokulirt, ohne irgendwelchen Krankheitsprocess hervorzu- 
bringen; ich muss deshalb annehmen, dass das Wasser von pathogenen 
Keimen frei war. 

Andererseits registrirt die Epidemiologie keinerlei Epidemien in Gefolg- 
schaft von Hagelschauern, und die bakteriologischen Nachforschungen der 
früheren Autoren sind mit der einzigen Ausnahme des Foutin’schen Kokkus 
negativ gewesen; nach alledem scheint es mir nicht angezeigt, den Hagel 
als ein mögliches Mittel der Uebertragung von Infektionskrankheiten anzusehen. 


Bericht über die Thätigkeit des Untersuchungsamtes für 
ansteckende Krankheiten zu Halle a. S. vom 1. August 1900 bis 1. August 1901. 
Von 
Dr. med. Löhlein, 

Assistenten am hygienischen Institut zu Halle a.S. 


Am 1. August 1901 ist ein Jahr seit der Eröffnung des städtischen 
Untersuchungsamtes für ansteckende Krankbeiten in Halle a. S. 
vergangen. Die Einrichtung des Instituts und die Grundsätze, nach denen 
sich seine Thätigkeit gestaltet hat, sind von Herrn Prof. C. Fraenkel in 
dieser Zeitschr. 1901, No. 5 dargelegt worden. Was die Anstalt im ersten 
Jahre ihres Bestehens geleistet hat, darüber soll im Folgenden kurz berichtet 
werden. 

Von seiner Eröffnung an hat das Untersuchungsamt eine rege Benutzung 
seitens der hiesigen Aerzte erfahren: im Ganzen sind vom 1. August 1900 
bis ebenda 1901 933 Proben zur Prüfung gelangt, also etwa 80 im Monat. 
Davon rührten 707 von privaten Aerzten her, 226 wurden aus den klinische n 
Anstalten und anderen Krankenhäusern (Diakonissenhaus, Bergmannstrost 
Garnisonlazareth) eingesandt. In 533 Fällen bestand der Verdacht auf Tuber- 
kulose, in 197 auf Typhus abdominalis, in 104 auf Diphtherie, in 46 auf 
gonorrhoische Erkrankungen, 59mal handelte es sich um bakteriologische 


’ 


1188 Löhlein, 


Feststellungen verschiedener Art an mannigfaltigem Material. 136mal wurde 
bei Tuberkulose, 96 mal bei Typhus, 24mal bei Diphtherie, 22 mal bei Gonorrhoe 
ein positiver Befund erhoben. 

Wie aus dieser Zusammenstellung ersichtlich, hatten mehr als die Hälfte 
aller Untersuchungen den Nachweis von Tuberkelbacillen zum Ziele. In 
weitaus den meisten dieser Fälle handelte es sich um verdächtiges Sputum, 
einige Male um Lumbalpunktionsflüssigkeit, je einmal um Ascitesflüssigkeit, 
Pleuraexsudat, Harn, Gelenkerguss, Eiter, Schorf vom Ohrläppchen, endlich 
einmal um Gewebsfetzen aus einem erkrankten Gelenke. 

Die Prüfung eines Sputums fand stets zunächst mit Hülfe ungefärbter und 
gefärbter Ausstrichpräparate statt. . Bei der Durchsicht der ersteren wurde 
insbesondere auf das eventuelle Vorhandensein elastischer Fasern geachtet mit 
Rücksicht auf die diagnostische Bedeutung des Erscheinens dieser Elemente 
im Auswurf. 

Fanden sich bei der Durchmusterung gefärbter Präparate Tuberkelbacillen, 
so wurde in jedem Falle deren Menge nach Maassgabe der Gaffky’schen 
Skala notirt; ausserdem wurde die Aufmerksamkeit noch darauf gerichtet, ob 
gleichzeitig Streptokokken nachzuweisen waren. Auch hierüber wie über das 
Vorhandensein elastischer Fasern erfolgte ein Eintrag im Untersuchungs- 
protokoll. 

Auf diesem einfachsten Wege gelang die Feststellung von Tuberkelbacillen 
124mal. In allen Fällen, in denen das Resultat der ersten Untersuchung 
negativ war, kam weiterhin eines der verschiedenen Anreicherungs- resp. Sedi- 
mentirungsverfahren zur Verwendung, in den letzten 7 Monaten auf Grund 
der bis dahin gesammelten Erfahrungen das von Czaplewski modificirte 
Mühlhäuser’sche. In 10 Fällen wurde auf diesem Wege bei der Untersuchung 
des Sediments ein positives Resultat noch erzielt, während selbst die sorg- 
fältigste Durchmusterung der unmittelbar von Sputumpartikeln hergestellten 
Ausstriche hier erfolglos geblieben war. 

Fanden sich auch im Sediment keine Tuberkelbacillen, so wurde regel- 
mässig an den einsendenden Arzt die Bitte um nochmalige Ueberweisung von 
Material gerichtet. In 270 Fällen wurde seitens der Aerzte dieser Bitte nach 
Mittheilung des erstmaligen negativen Befundes nicht entsprochen, vermuthlich 
meist deshalb, weil inzwischen schon der Verdacht geschwunden war, dass es 
sich bei dem betreffenden Patienten um eine tuberkulöse Erkrankung handele. 
Erhielten wir weitere Proben, so erfolgte deren wiederholte Untersuchung in 
der eben beschriebenen Weise. Blieb sie wiederum resultatlos, so wurde ein 
Thierversuch eingeleitet, der uns viermal noch zur endgültigen positiven Ent- 
scheidung verhalf. 

Die Prüfung von Punktiousflüssigkeiten, Harn und Eiter erfolgte in åbn- 
licher Weise. In einem Falle von Erkrankung des Fussgelenkes wurden uns 
Gewebsfetzen daraus eingeliefert mit der Frage, ob es sich um Geschwulst- 
gewebe oder um tuberkulöse Wucherungen handle. Hier entschied die Unter- 
suchung von Schnitt- und Zupfpräparaten, die tuberkulöses Granulationsgewebe 
erkennen liess. 

Nächst der Frage, ob Tuberkulose vorliege, trat am häufigsten die nach 


Bericht über die ’Thätigkeit des Untersuchungsamtes zu Halle u. s. w. 1189 


dem Bestehen eines Typhus abdominalis an uns heran. Sie konnte mit 
Hülfe der Widal’schen Reaktion 96mal in bejahendem Sinne beantwortet 
werden, in einigen wenigen Fällen erst bei wiederholter Prüfung des Serums 
nach Verlauf einiger Tage. Einmal gelang es, zu einer Zeit, als die Reaktion 
noch negativ ausfiel, den Beweis für das Bestehen der Krankheit durch Züch- 
tung der Typhusbacillen aus den Fäces des Patienten zu erbringen. 

An dritter Stelle — nach der Zahl der eingesandten Proben — stand 
die Diphtherie. 24mal wurden im Belag der Tonsillen resp. im Conjunc- 
tivalsekret Löffler’sche Bacillen gefunden. Da der praktische Arzt gerade 
dieser Krankheit gegenüber heute besonders grossen Werth auf schnelle Sicher- 
stellung der Diagnose legen muss, so ‘wurden stets nach Beschickung von 
Serumplatten (zur Verwendung gelangte ausschliesslich Löffler’sches Trauben- 
zucker-Rinderblutseram) Ausstrichpräparate von dem eingesandten Material an- 
gefertigt und mit Löffler’s Methylenblau, sowie nach der Gram’schen Methode 
und endlich nach der Neisser’schen Methode der Polfärbung behandelt. In 
einer ganzen Anzahl von Fällen gelang es auf diesem Wege, schon unmittel- 
bar nach dem Eintreffen der Proben eine wenigstens mit grösster Wahrschein- 
lichkeit als positiv zu bezeichnende Diagnose zu stellen. 

Gaben die Deckglaspräparate keinen sicheren Aufschluss, so wurde der 
Ausfall der Kultur abgewartet. In jedem Falle wurden 6—12 Stunden nach 
Beschickung der Serumplatten Klatschpräparate von denselben untersucht. 
Ergab die Färbung mit Löffler’s Methylenblau und nach Gram verdächtige 
Stäbchen, so folgte als entscheidende Probe die Polfärbung nach Neisser. 

46 Untersuchungen erstreckten sich auf den Nachweis von Gonokokken, 
22 davon hatten ein positives Ergebniss. In weitaus den meisten Fällen 
handelte es sich um eitrigen Harnröhrenausfluss, in einer Reihe von Fällen 
um das Sekret der entzündeten Augenbindehaut; endlich wurden in einigen 
wenigen Fällen kleine Mengen von Flüssigkeit und Gewebsfetzen aus vermuth- 
lich gonorrhoisch erkrankten Gelenken eingesandt, und es gelang einmal, wenn 
auch nicht mit unbedingter Sicherheit, so doch mit grösster Wahrscheinlich- 
keit, hierin Gonokokken nachzuweisen: in Ausstrichpräparaten fanden sich 
semmelförmige Diplokokken, die sich nach Gestalt und Grösse, nach ihrer 
Lagerung und nach ihrem Verhalten gegenüber der Gram’schen Methode als 
Gonokokken darstellten. Der endgültige Beweis ihrer Eigenart durch das 
Kulturverfahren konnte aber nicht erbracht werden. 

Neben diesen häufigeren traten eine ganze Reihe von selteneren Aufgaben 
an das Untersuchungsamt heran. Hier ist namentlich zu erwähnen, dass öfter 
Material von eitrigen Processen der verschiedensten Art zur Prüfung gelangte, 
das mannigfache bakteriologische Befunde darbot. Abgesehen von den eigent- 
lichen Eitererregern (Streptokokken, Staphylokokken, unter den letzteren ein- 
mal der seltenere Staphylococcus eitreus) gelaugten in einem Falle von eitriger 
Meningitis Meningokokken zur Beobachtung, während in einem anderen Falle 
ähnlicher Art kulturell von pathogenen Bakterien ausschliesslich eine Proteus- 
art gefunden wurde. 

Relativ häufig wurde ferner die bakteriologische Prüfung von Harnproben 
gefordert. Gewöhnlich galt es festzustellen, ob tuberkulöse Processe sich im 

83 


1190 Berichtigung. 


Urogenitalapparat abspielten, seltener war an den Nachweis von Typhusbacillen 
im Urin gedacht. Der Kuriosität halber mag ein Fall erwähnt sein, bei dem 
die intensiv blaue Farbe seines Harns den Patienten beunruhigt hatte. Der 
blaue Farbstoff erwies sich als Methylenblau, und es stellte sich heraus, dass 
der „Patient“ mit diesem Farbstoff bei seiner Arbeit in ausgiebige Berührung 
gekommen war. 

Eine ganze Reihe von selteneren Proben seien noch erwähnt, die zur bak- 
teriologischen Prüfung eingegaugen sind, wenn auch ihre Untersuchung nicht 
immer zu greitbaren Resultaten geführt hat. So erhielten wir einige Male 
Darmentleerungen von Patienten der Provinzialirrenanstalt Nietleben, die an 
Dysenterie litten, zur Untersuchung auf Kruse’sche Bacillen, die sich jedoch 
in keinem der Fälle fanden. Mehrfach wurde Sputum von Keuchhustenkranken 
eingeschickt, und einige Male liessen sich darin die von Czaplewski beschrie- 
benen Polbakterien feststellen, doch war der Befund nicht konstant und das 
Material zu gering, um daraus Schlüsse auf die ätiologische Bedeutung der 
genannten Mikroorganismen zu ziehen. ; 

Zweimal erhielten wir ferner Material von Tetanuskranken, und zwar 
wurden frische Gewebsstückchen und Sekret aus der Umgebung der Wunden 
eingeschickt, die von den behandelnden Aerzten als Eingangspforten der In- 
fektion angesehen wurden. Beide Male führte unser Versuch der Züchtung 
auf Agarplatten in Wasserstoffatmosphäre zu negativem Resultat. 

Endlich sei noch erwähnt, dass wir mehrfach im Abstrich der Tonsillen 
bei ulceröser Angina die von verschiedenen Seiten (Vincent, de Stoecklin) 
beschriebenen „fusiformen“ Bacillen nachweisen konnten. 


Berichtigung 


zu meiner Arbeit „Beiträge zur Trinkwasserdesinfektion mit Chlor“. 
Diese Zeitschr. 1901. No. 22. S. 1085. 


Von 
Viktor Rabs, Einjährig-freiwilligem Militärapotheker 
in Würzburg. 


In meiner Schilderung der Versuchsanordnung von Schüder (S. 1087) 
sind verschiedene Unrichtigkeiten. 

Schüder machte seine Versuche nicht mit Kölbchen von 100 ccm und 1 bis 
3 Oesen Cholerakultur, sondern er arbeitete mit Wassermengen von mindestens 
1—5 Litern und Kulturmengen von 1 Oese bis einer Kultur; erst nach Anwen- 
dung desBromverfahrens wurde die Vertheilung der Wassermenge in kleine, 100bis 
200 ccm fassende Kölbchen vorgenommen und einem jeden so viel einer koncen- 
trirten Peptonkochsalzlösung hinzugefügt, dass eine 1 proc. Peptonkochsalzlösung 
entstand. Die Kölbchen wurden 24 Stunden bei 37° gehalten, und dann von der 
Oberfläche eines jeden 30esen in Röhrchen mit 1 proc. Peptonkochsalzlösung über- 
tragen, welche wiederum 24 Stunden bei 37° gehalten wurden. Nachdem die 
zweite Uebertragung stattgefunden, wurde mit den einzelnenKölbchen dieCholera- 


Luft. 1191 


rothreaktion angestellt, und wo eine solche nicht eintrat, wurde dieselbe mit 
dem entsprechenden Röhrchen noch einmal versucht. 

Bei den Versuchen mit Typhusbakterien wurden nicht 2 cem des dem 
Bromverfahren unterworfenen Wassers, sondern 10 ccm zu Agarplatten ver- 
arbeitet. 


Hutchinson, Robert F., Die Verbreitung von Keimen durch gewöhn- 
liche Luftströme. Aus dem Institut f. medicinische Chemie u. Hygiene 
in Göttingen. Zeitschr. f. Hyg. u. Infektionskrankh. Bd. 36. S. 223. 

Der Verf. bringt eine Reihe von Ergänzungen zu den Untersuchun- 
gen über Luftinfektion von Flügge, Germano, Weismeyer, Engel- 
mann, Buchner, Neisser, Heymann, Laschtschenko und Koeniger. 
Er benutzte ausschliesslich Aufschwemmungen des Bac. prodigiosus in 
Wasser, die er in Kopfhöhe (1,5 m) in einen Sprühregen verwandelte. Seine 
Ergebnisse sind etwa folgende: 

Zwischen die 5 mm von einander entfernten Blätter einer Buches drangen 
die Keime ein, in kleinere Spalten dagegen nicht. An Schreibpapier, welches 
1 Stunde lang in Prodigiosusluft gelegen hatte und dann in einen keimfreien 
Briefumschlag gesteckt war, hafteten nach 20 stündiger Postbeförderung noch 
lebende Keime, nach 6 tägiger nicht mehr. Von keimfrei abgeschicktem Brief- 
papier konnten nach 17 stündiger Postbeförderung einige Bakterien und 
Schimmelpilze zur Entwickelung gebracht werden. Es ist also nicht blos 
eine Verbreitung von Keimen durch Briefe, sondern sogar die Infektion 
verschlossener Briefe möglich. 

Auf dem Fussboden abgesetzte Prodigiosuskeime erfuhren zwischen der 
2. und 5. Stunde nach dem Versprühen eine erhebliche Abnahme, nach 8 Stunden 
konnten sie nur noch vereinzelt, nach 5 Tagen überhaupt nicht mehr nach- 
gewiesen werden. Hierbei ist jedoch der Einfluss des Lichts sehr ausgesprochen. 
An den Wänden wurden 20 mal weniger Keime als am Boden gefunden. 
Rauhe Tapeten beherbergten 11/, mal so viel wie glatte. 

Aus der Luft eines Zimmers senken sich die meisten versprühten 
Keime in der ersten halben Stunde zu Boden, nach 1 Stunde sind sie 
nur noch unmittelbar über dem Boden vorhanden. 

Wenn Petrischalen oder Gelatineplatten gleichzeitig nach oben und nach 
unten offen aufgestellt werden, so zeigen nur die oberen, nie die unteren 
Entwickelung von Kolonien. Auch vertikal aufgestellte Platten 
blieben frei, ebenso schräg gerichtete mit dem Nährboden nach unten; 
befand sich der Nährboden aber oben, so wurde Wachsthum beobachtet. Die 
Aufwärtsbewegung der Keime ist danach so langsam, dass sie mit entgegen- 
stehenden Flächen gar nicht in Berührung kommen oder dass dies so zart 
geschieht, dass sie selbst an klebrigen Stoffen nicht haften, sondern vorüber- 
geführt werden. 

Beim Eindringen in Schubladen oder an schwer zugängliche Stellen 
hinter oder unter Schränken spielen Luftbewegungen oder Erschütte- 

83* 


1192 Boden. Wasser. 


rungen eine wesentliche Rolle; denn hinter dem Schlüsselloch eines fest- 
schliessenden Mikroskopkastens und eines Wandschranks fand der Verf. keine 
Keime. Durch Schlüssellöcher und Thürritzen können Luftkeime aus 
einem Zimmer in das nächste gelangen. 

Durch infieirte d. h. in diesem Fall mit Prodigiosus-Aufschwemmung be- 
sprühte und getrocknete Kleider können Keime nach entfernten Räumen 
verschleppt werden. Dies ist besonders der Fall, wenn die Kleider dort 
beftig bewegt werden. Bürsten ist hierbei wirksamer als Klopfen. 

Fegen und Kehren mit Besen wirbelt die am Boden befindlichen Keime 
sehr viel stärker auf, als blosses Hin- und Hergehen. 

Der Verf. verschleppte auf einem verwickelten Weg durch verschiedene 
Zimmer mit der ihn unmittelbar umgebenden Luft Keime bis auf 53 m Ent- 
fernung. 

Bei offenen Thüren und Fenstern können Keime aus einem Stockwerk in 
ein anderes gelangen und zwar sowohl von aussen wie von innen, aber nur 
unter besonders günstigen Umständen, die keineswegs die Regel bilden. 

In der freien Luft — diese Versuche wurden auf einem Exercierplatz 
angestellt — ist die Verbreitung der Keime wesentlich vom Wind abhängig. 
Seitlich von der Windrichtung werden sie so gut wie gar nicht 
abgelenkt, in der Windrichtung selbst aber hat sie der Verf. noch aaf 
600 m in Petrischalen aufgefangen. Globig (Kiel). 


Schioesing Th., Sur les échanges gazeux entre les plantes entières 
et l’atmosphere. Compt. rend. des séances de l’acad. des sc. Paris 1900. 
T. 131. No. 18. p. 716. : 

Verf. hat untersucht, ob der Gaswechsel der Pflanzen eine Aende- 
rung erfährt, wenn dieselben ibre Stickstoffnahrung als Ammo- 
niakstickstoff anstatt als Nitratstickstoff erhalten. Eine Nitrifici- 
rung des Ammoniaksalzes wurde dabei durch Sterilisirung des Vegetations- 
gefässes, des Bodens, der Samenkörner und der Luft mit Erfolg verbindert. 
Es ergab sich, dass das Ueberwiegen des ausgeschiedenen Sauerstoffvolumens 
über das verzehrte Koblensäurevolumen, welches Verf. schon bei seinen früheren 
Versuchen beobachtet hatte, bei Ernährung mit Ammoniakstickstoff bedeutend 
geringer war als bei Ernährung mit Nitratstickstoff. Diese Erscheinung, welche 
offenbar auf dem Wegfall der Reduktion der Nitrate beruht, spricht für 
die Vermuthung, dass jener überschiessende Sauerstoff überhaupt von einer 
Reduktion aus dem Boden aufgenommener Salze herstammt. 

Hellwig (Halle a.S.) 


Hünermann und Deiter, Ueber die Desinfektion des Trink wassers mit 
Natriumhypochlorit. Deutsche med. Wochenschr. 1901. No. 24. S. 391. 
Wie die Verff. durch zahlreiche Versuche feststellten, gelingt es, alle in 

1 Liter Wasser enthaltenen Typhus- und Colibacillen, sowie Choleravibrionea 
durch Zusatz von NaOCl mit 0,04 g wirksamen Chlors mit Sicherheit in 
10 Minuten abzutödten. Das NaOCl desinficirt viel rascher als Cblarkalk, 
da das ganze in NaOCI enthaltene Chlor sich fast augenblicklich in der ganzen 


Wasser. Infektionskrankheiten. 1193 


Wassermenge vertheilt und darauf einwirkt. Es gelang Deiter eine NaOCl- 
Lösung mit 10—15 pCt. wirksamem Chlor durch verhältnissmässig einfache 
Mittel herzustellen. Die Bindung des Chlors nach beendigter Desinfektion wird 
mit Natriumsulfit (Na,S0,) bewirkt. Für 0,04 g Chlor genügen 0,14 g 
NaSO. Das desinficirte Wasser ist in seinem Aussehen, Geschmack und 
Geruch, sowie im Härtegrad nicht wahrnehmbar verändert. 

Dieudonne (Würzburg). 


Bloch, Die Geschichte der Wasserversorgung des oberschlesischen 
Industriebezirks. Deutsche Vierteljahrsschr. f. öffentl. Gesundheitspfl. 
Bd. 23. S. 223. 

Verf. giebt an der Hand des Aktenmaterials eine übersichtliche Darstellung 
der bis auf den Anfang des vorigen Jahrhunderts zurückreichenden Wasser- 
kalamität im oberschlesischen Industriebezirk, als deren Ursache 
immer deutlicher der zunehmende Grubenbetrieb und die dadurch bedingte 
Drainage des Untergrundes sich erwiesen hat. Diesen Uebelständen hatte man 
anfangs durch Einzelbrunnen. und Grubenwasserleitungen abzuhelfen gesucht, 
bis sich immer zwingender die Nothwendigkeit ergab, von dem Grubenbetrieb 
unabhängige centrale Wasserversorgungsanlagen zu schaffen. Drei grosse 
Leitungen, zwei fiskalische und eine dem Kreise Kattowitz gehörige, deren 
Versorgungsgebiete auf einer beigefügten Karte veranschaulicht sind, versorgen 
gegenwärtig den oberschlesischen Industriebezirk mit einem einwandsfreien 
Wasser. Da diese Leitungen bei dem ausserordentlich schnellen Wachsthum 
der Bevölkerung gegenwärtig bereits an der Grenze ihrer Leistungsfähigkeit 
angelangt sind, wird bei Zeiten auf die Bereitstellung weiterer Wasserbezugs- 
quellen Bedacht zu nehmen sein. Zur Zeit, als der eigentliche Bearbeiter des 
Projekts, der inzwischen verstorbene Baurath Salbach in Dresden, im Jahre 
1878 die Bohrungen und Untersuchungen für die fiskalischen Leitungen aus- 
führte, handelte es sich um ein Versorgungsgebiet von rund 237 000 Seelen, 
während gegenwärtig die Bevölkerung bis auf 582 000 gestiegen ist. 

Vielleicht noch schwieriger wird sich hier bei der zunehmenden Dich- 
tigkeit der Bevölkerung, dem fortschreitenden Grubenbau und dem Mangel 
geeigneter Vorfluther die Frage der Beseitigung der Abfallstoffe gestalten, 
zumal auch hierbei eine Centralisirung durch Zusammenfassung aneinander 
grenzender Gemeinden nicht zu umgehen sein wird. Roth (Potsdam). 


Petruschky J., Krankheitserreger und Krankheitsbild. Zeitschr. f. 
Hyg. u. Iufektionskrankh. Bd. 36. S. 151. 

Als die verschiedenen Infektionserreger entdeckt wurden, brachte man 
jeden von ihnen mit einem bestimmten klinischen Kraukheitsbilde in Zusam- 
menhang. Neuerdings hat sich aber auf der einen Seite gezeigt, dass z. B. 
der Barillus der Cholera, der Diphtherie, des Typhus bei gesunden Menschen 
vorkommt, also der Krankheitserreger ohne das Krankheitsbild, 
und auf der anderen Seite, dass das gleiche klinische Bild durch 


1194 Infektionskrankheiten. 


ganz verschiedene Erreger hervorgerufen werden kann, wie z. B. 
Diphtherie durch Diphtheriebacillen und Streptokokken, Pneumonie durch 
den Diplococeus lanceolatus, den Streptokokkus, den Diplococcus catarrhalis, 
den Influenzabacillus, den Pestbacillus. Nach eigenen Untersuchungen fügt 
der Verf. hinzu, dass das wohlgekennzeichnete Bild des Erysipels am Ka- 
ninchenohr nicht bloss durch den Streptokokkus, sondern auch durch einen 
goldgelben Eiterkokkus und manche Stämme des Bacterium coli erzeugt werden 
kann. Er erinnert ferner daran, dass bei Cholera nostras der Cholerabacillus 
fehlt, und dass Ruhr nicht bloss durch Amöben (Kartulis), sondern anch 
durch 2 Arten von Bacillen (Shiga und Kruse) verursacht werden soll. 
Daraus geht hervor, dass die Feststellung des Krankheitsbildes nicht 
genügt, um eine Diagnose zn stellen, sondern dass hierzu auch noch die 
bakteriologische Untersuchung erforderlich ist. Der Verf. fordert, 
dass diese auch in der Krankheitsbezeichnung zum Ausdruck kommen sell, 
empfiehlt die von Tavel und französischen Untersuchern gebrauchten Benen- 
nungen für die durch Kokken hervorgerufenen Krankheiten, wie Staphylosis 
phlegmonosa, Streptosis migrans (Erysipel), Streptosis tonsillaris, Streptosis 
universalis septica u. s. w., und schlägt z. I. nach diesem Muster Spirillosis 
asiatica für Cholera und sogar Plasmodiosis (tertiana) für Malaria vor. 
Globig (Kiel). 


Ascoli G., Zur Morphologie der Bakterien und ihre Beziehung zur 
Virulenz. Aus der medicin. Universitätsklinik in Genua. Deutsche med. 
Wochenschr. 1901. No. 20. S. 313. 

Marx und Woithe (vergl. diese Zeitschr. 1901. S. 660) hatten das Vor- 
bandensein von Babes-Ernst’schen Körperchen in möglichst vielen bezw. 
allen Individuen derselben Art als ein Zeichen für die höchste Lebensentfaltung 
betrachtet und daraus Folgerungen für den Pathogenitätsgrad von Bakterien 
gezogen. Nach der Anschauung des Verf.'s kann man nur soviel sagen, dass 
diese Körnuchen Gebilde darstellen, die den Bakterien in einem bestimmten 
Stadivm ihrer Entwickelung zukommen; sie erscheinen, wenn das vegetative 
Stadium der Bakterien seinem Ende sich nähert, kurz vor der Anlage der 
Dauerformen. Eine allgemein giltige Beziehung der Körnchen zur Vitalität 
und Virulenz der Bakterien besteht dagegen nicht. 

Dieudonne (Würzburg). 


Moeggerath C. T., Das Verhalten unmittelbar der Luft entstammender 
Keimformen in frischen Thierwunden. Deutsche Zeitschr. f. Chirurgie. 
1901. Bd. 58. S. 277. 

N. hat sich auf Grund zahlreicher selbst gewonnener Versuchsergebnisse, 
welche längst bekannte Thatsachen bestätigen und ergänzen, die Ueberzeugung 
gebildet, dass bei der geringen Zahl der in der Luft vorhandenen pathogenen 
Keime die Gefahr einer (Staub-) Luftinfektion für äusserst gering 
zu erachten sei. Dies lehrt namentlich der meist tadellose Heilungsverlauf 
aseptischer, lange Zeit der Luft ausgesetzt gewesener Wunden. Die spärlichen, 
während dieser Zeit auf die Wundflächen gelangenden pathogenen Mikrobien 


Infektionskrankheiten. 1195 


sind ohne sonderliche Bedeutung für den tlierischen Organismus, da dieser 
einmal der eingedrungenen Fremdlinge sich erfolgreich zu erwehren vermag, 
und weil zweitens die der Luft entstammenden Bakterien einer gewissen An- 
passungszeit an die wesentlich veränderten Lebensbedingungen bedürfen. 

Bedeutungsvoller erscheint die von der Tröpfcheninfektion her dro- 
bende Gefahr, doch kann man derselben mit ziemlicher Sicherheit durch 
Vermeiden des Sprechens, des Hustens u. s. w. über dem Wundgebiete bezw. 
auch darch Anwendung geeigneter Gesichtsmasken vorbeugen. 

Verf. hat gefunden, dass zwischen den in der Luft vorkommenden Keim- 
formen und den im Reagensglase oder im Thierkörper künstlich gezüchteten 
deutliche Unterschiede bestehen, die besonders als Abweichungen in der Form 
in die Erscheinung treten. 

Auf den Reiz der in eine Wunde eingedrungenen Mikroorganismen reagirt 
der Organismus mit der Bildung von Schutzkräften, und die Entstehung einer 
Infektion erweist sich abhängig von dem jedesmaligen Verbältniss dieser beiden 
Faktoren. Auch der Jahreszeit oder der Lufttemperatur scheint ein gewisser 
Einfluss auf die Auskeimung der aus der Luft herrührenden Mikroorganismen 
im Reagensglase sowohl wie in Wunden zuzukommen. 

Schumacher (Strassburg i. E.). 


Röse C., Untersuchungen über Mundhygiene. Aus dem hygien. Institut 
der Univers. Leipzig. Zeitschr. f. Hyg. u. Infektionskrankh. Bd. 36. S. 161. 
Der Verf. geht bei der Mittheilung seiner bemerkenswerthen Untersuchungs- 
ergebnisse davon aus, dass die Mundhöhle „wie eine Petrischale“ für 
die Ansiedelung aller möglichen Spaltpilze offen ist. In der That sind 
ja ausser den Luftbakterien auch schon die meisten pathogenen darin ge- 
funden worden, insbesondere der Pneumokokkus und der Diphtheriebacillus. 
Während sie aber auf einer straffen gesunden Mundschleimhaut 
keinen günstigen Nährboden findan, ist das Gegentheil der Fall, wenn 
die Schleimhaut ihrer Decke beraubt, chronisch entzündet und geschwollen 
ist. Deshalb ist die Gesunderhaltung der Mundschleimhaut zugleich eins der 
besten Vorbeugungsmittel gegen die Weiterverbreitung mancher Infektions- 
krankheiten. 

Je gesunder die Zähne sind, je kräftiger die Kaumuskeln arbeiten, um so 
mehr Bakterien werden bei jeder Mahlzeit aus dem Munde entfernt und in den 
Magen mit hinabgeschluckt. Der längsten Pause zwischen den verschiedenen 
Nahrungsaufnahmen entsprechend ist ihre Zahl Morgens am höchsten. Ihrer 
übermässigen Vermehrung lässt sich durch mechanische Reinigung 
und auf chemischem Wege entgegenwirken. Durch zweckmässiges Bürsten 
und Spülen werden nicht blos Speisereste und Schleim, sondern auch Bak- 
terien weggeschafft. Eine Desinfektion der Mundhöhle, welche zuden 
nie von Dauer sein könnte, ist nicht zu erreichen, weil in den Drüsen- 
ansführungsgängen, in den Falten der Zungenpapillen oder in den Lücken der 
Mandeln doch lebensfähige Keime zurückbleiben und bei der Wärme des 
Mundes um so üppiger wachsen würden, als jede Desinfektion auf die 
Schleimhaut mebr oder weniger ätzend wirkt. Man hat scharf zu unter- 


1196 Infektionskrankheiten. 


scheiden zwischen Heilmitteln für die kranke und Pflegemitteln für 
die gesunde Mundschleimhaut. Der Arzt kann mit Nutzen auch stärkere 
antiseptische Mittel, deren bestes für den Mund nach dem Verf. der Alkohol 
ist, verwenden, die Mundpflegemittel müssen aber völlig unschädlich 
sein und zwar nicht blos für den Gesammtorganismus und für die 
Zähne, sondern auch für die Mundschleimhaut selbst. Sie müssen 
ausserdem genügend bakterienfeindlich sein und zugleich einen guten 
Geschmack und Geruch haben. Für das beste derartige Mittel erklärt 
der Verf. die physiologische Kochsalzlösung, demnächst das Odol(!) in 
Lösung von 5:100 und doppeltkohlensaures Natron in Lösung von 2:100. 
Sie wirken bei Blutwärme angewendet viel besser als kalt. Eine ganze 
Anzahl von gebräuchlichen Mundwässern, wie übermangansaures Kali, Thymol, 
Tannin, Seife, Formalin, Kosmin, Borsäure soll die Mundschleimhaut erheblich 
schädigen und zu chronischer Entzündung bringen. Der Verf. hat diese Schä- 
digung nach der Menge der Epithelzellen, welche unter dem Einfluss der ver- 
schiedenen Mittel sich von der Mundschleimhaut abstossen, gemessen, indem 
er sie sich aus der Mundspülflüssigkeit in engen Röhren zu Boden setzen liess. 
Diese Epithelabstossung ist bei verschiedenen Personen verschieden, sie hält 
sich aber bei einer und derselben Person unter sonst gleichen Verhältnissen 
auf ziemlich gleicher Höhe. 

Die antiseptische Wirkung hat der Verf. in der Weise festzustellen ge- 
sucht, dass er den Mund 1 Minute lang mit Kochsalzpeptonlösung spülte und 
durch Agargelatinekulturen die Zahl der im Spülwasser enthaltenen Bakterien 
bestimmte, welche vor dem Gebrauch des zu prüfenden Mundwassers und 14, 
1/3, 21/, und 4 Stunden nachher vorhanden waren. Je kleiner die Zahlen 
ausfielen, um so besser war das Mundwasser. Die Anfangs- und die Dauer- 
wirkung ist dabei wohl zu unterscheiden. Globig (Kiel). 


Hellendall H., Die experimentelle, Lumbalpunktion zum Nachweis 
von Tuberkelbacillen. Deutsche med. Wochenschr. 1901. No. 13. S. 199. 
Der Nachweis von Tuberkelbacillen inder Lumbalflüssigkeit bei 
tuberkulöser Meningitis fällt nicht immer positiv aus. Verf. versuchte daher 
eine tuberkulöse Hirnhautentzänduug bei Meerschweinchen durch Injektion 
yon Lumbalflüssigkeit, welche an tuberkulöser Meniogitis verstorbenen Kin- 
dern unmittelbar post mortem entnommen worden war, zu erzeugen. Dies 
gelang nicht, vielmehr entstand eine Miliartuberkulose, bei der Leber, Milz 
und Lungen ergriffen waren. Offenbar wurden die Tuberkelbacillen, welche 
in den Lymphsack des Wirbelkanals injieirt worden waren, auf Lymphbahnen 
in die retroperitonealen Lymphdrüsen abfiltrirt und hatten hier Boden gefasst, um 
dann in die Milz und Leber transportirt zu werden und so in die Lunge zu 
gelangen. Die Versuche zeigen aber, dass die experimentelle Lumbalpunktion 
zum Nachweis der spärlichen Tuberkelbacillen in der Lumbalflüssigkeit ge- 
eignet ist. Da bei dieser Methode eine raschere Wirkung einzutreten pflegt, 
als bei der intraperitonealen Injektion, so ist die erstere Methode nach H. 
vielleicht der letzteren sogar überlegen. Dieudonné (Würzburg). 


Infektionskrankheiten. 1197 


Gottstein A. und Michaelis H., Zur Frage der Abtödtung von Tuberkel- 
bacillen in Speisefetten. Aus dem pharmakol. Institut der Universität 
Berlin. Deutsche med. Wochenschr. 1901. No. 11. S. 162. 

Verff. wollten prüfen, ob zur Abtödtung von Tuberkelbacillen in 
Fetten eine Temperatur von 87°C. hinreichend ist. Diese Temperatur ist 
deshalb von Wichtigkeit, weil dabei der Geschmack der Fette nicht leidet. 
In den Versuchen wurde ein Fettölgemenge benützt, das aus Oleomargarin, 
Premier jus, Neutral Lard, Sesamöl und Baumwollensamenöl bestand. Dasselbe 
wurde aut dem Wasserbad bei 40° verflüssigt und mit Tuberkelbacillen ver- 
setzt. Hierauf wurde das Oel unter stetem Umrühren auf 87° gebracht und 
auf dieser Temperatur eine Stunde lang konstant gehalten. Von Zeit zu Zeit 
wurde je 0,5 ccm des Oeles intraperitoneal Meerschweinchen injieirt. Es 
zeigte sich, dass schon eine Erhitzung von 5 Minuten vollkommen zur Abtödtung 
der Tuberkelbacillen genügt hatte. Dieudonné (Würzburg). 


Karlinski J., Zur Kenntniss der säurefesten Bakterien. Centralbl. f. 
Bakteriol. Bd. 29. No. 12. S. 521. 

Angeregt durch Sticker’s Befunde über das Vorkommen von Lepra- 
bacillen auf der Schleimhaut des Nasenrachenraumes untersuchte Verf. den 
Nasenschleim von 235 Personen, von denen 20 vollkommen gesund waren, während 
die anderen an den verschiedensten Krankheiten litten, auf das Vorhandensein 
von säurefesten Bacillen. In der That fand Karlinski in 19 Fällen 
säurefeste Stäbchen, manchmal in grosser Menge, die zwar im Originalaus- 
strichpräparat und in der Kultur dicker und kürzer sind als der Tuberkel- 
bacillus, aber auf gewissen Nährböden, z. B. auf natursaurem, glycerinhaltigem 
Fleischpeptonagar nach 2— 3 Tagen den echten Tuberkelbacillen ausserordentlich 
ähnliche zopfartige Konglomerate bilden. Trotzdem lassen sie sich von diesen 
unschwer durch die leichte Kultivirbarkeit, das Wachsthum auf Gelatine 
und den Geruch der Kulturen unterscheiden. Uebertragungen des Bacillus 
auf die künstlich gereizte Nasenschleimhaut bei Hunden, Ziegen und Kanin- 
chen blieben erfolglos. Ebenso ein Versuch des Verf.’s, ihn auf seine eigene 
Nase zu übertragen. Hingegen erlagen 4 von 6 geimpften Meerschweinchen 
nach Ablauf von 4—8 Wochen bei intraperitonealer Injektion von Bouillon- 
kultur. Bei sämmtlichen Thieren konnten Verklebung der Darmschlingen mit 
fibrinösem Exsudate, zablreiche Knötchen an der Oberfläche des Peritoneums, 
Vergrösserung der Drüsen, wie auch zahlreiche bis erbsengrosse Knötchen in 
der Milz und der Leber nachgewiesen werden. Diese grösseren Knötchen be- 
standen aus Rundzellen; sogenannte Riesenzellen fehlten gänzlich; die Mitte 
bestand aus nekrotischem Gewebe, in welchem die säurefesten Bacillen in 
grosser Menge sich fanden. 

Verf. lehnt auf Grund der von ihm konstatirten Eigenschaften die Iden- 
tität seines Bacillus mit irgend einem der bisher bekannt gewordenen, säure- 
festen Bakterien ab und warnt insbesondere vor einer Verwechselung mit dem 
Leprabacillus in der Praxis. Bruno Heymann (Breslau), 


84 


1198 Infektionskrankheiten. 


Freymuth, Ueber das Verhalten des Grasbacillus II (Moeller) im 

Kaltblüterorganismus. Centralbl. f. Bakteriol. Bd. 29. No. 12. S. 530. 

Verf. berichtet in einer vorläufigen Mittheilung über gelungene Infektioneu 

mit dem Grasbacillus Il (Moeller) an Fröschen, Kröten und Eidechsen. 
Seine Ergebnisse sind folgende: 

1. Der Tuberkelbacillus und seine Verwandten (Bac. tubercul. piscium. 
Hühnertuberkulosebacillus, Timotheebacillus, Grasbacillus II) erregen bei 
intraperitonealer Injektion bei Fröschen, Kröten und Eidechsen ein sehr leuko- 
cytenreiches Exsudat, in dem sich 10 Tage post injectionem, intra- und extra- 
cellulär gelagert, viele säurefeste Stäbchen finden. 

2. Während Frösche nach Injektion von Tuberkelbacillen monatelang am 
Leben bleiben, scheinen sie nach Injektion mit dem Grasbacillus Il (Moeller) 
regelmässig zu Grunde zu gehen. 

3. Die Sektion der so gestorbenen Thiere zeigt — nicht regelmässig, aber 
unter Umständen — das Bild einer Knötchenkraukheit. In den Knötchen finden 
sich zahlreiche säurefeste Stäbchen. : 

4. Der morphologisch in der Agarkultur vom Tuberkelbacillus recht ab- 
weichende Grasbacillus bildet nach Stägigem Aufenthalte im Froschperitoneum 
Verzweigungen und ist morphologisch vom echten Tuberkelbacillus nicht mehr 
zu unterscheiden, während andererseits der in der Kultur vom echten Tuberkel- 
bacillus morphologisch nicht zu unterscheidende Erreger der Fischtaberkulose 
nach 8tägigem Aufenthalte im Peritoneum der Kröte in die kokkenähnlichen 
Formen der Moeller’schen Organismen auf Agarnährböden übergeht. 

Bruno Heymann (Breslau). 


Remy L., Contribution a l’etude de la fièvre typhoide et de son 
bacille. Troisieme partie. Procede nouveau pour isoler le bacille 
typhique des eaux. Ann. de l’Inst. Pasteur. 1901. No. 3. p. 145. 

Nachdem Verf. in den zwei ersten Mittheilungen (Annales. 1900. No. 8 

u. 11) festgestellt hatte, dass sich B. typhi neben B. coli im Wasser ver- 

mehren kann, prüfte er die verschiedenen Verfahren (Pere, Remy), welche 

angegeben worden sind, um B. typhi und B. coli im Wasser nachzuweisen. 

Eine Anreicherung zu Gunsten des B. typhi konnte nicht beobachtet 

werden, sodass R. die Verwendung von Bouillon mit 1 pM. Karbolsäure oder 

mit 0,5 pM. Karbol- und Schwefelsäure als Vorkultur verwirft, da diese Nābr- 
böden den abgeschwächten B. typhi in seiner Entwickelang noch mehr zu 

Gunsten des B. coli beeinträchtigen. Bessere Resultate liefert die direkte 

Ueberimpfung des verdächtigen Wassers in Gelatine mit 0,25 oder 0,5 pM. 

Karbolsäure, 0,5 pM. Schwefelsäure und 3 pCt. Milchzucker. Verf. ist es ge- 

lungen, aus dem Moselwasser und aus dem Wasser der Vesdre einen typischen 

Typhusbacillus zu isoliren, ferner einen Mikroorganismus, der morphologisch 

dem Typbusbacillus entspricht, welcher aber nur sehr schwach von einem 

Antityphusserum agglutinirt wurde, und eine Reihe von typhusähnlichen, nicht 

agglutinirbaren Bakterien. R. konnte auch wiederholt typische Typhusbacillen 

im Trinkwasser nach Auftreten von Typhusfällen nachweisen. Am Schlusse 

hebt Verf. hervor, dass Typhusbacillen, welche ihre Empfindlichkeit gegenüber 


Infektionskrankheiten. 1199 


Agglutininen eingebüsst haben, nicht nur im Laboratorium, sondern auch in 
der Aussenwelt angetroffen werden. Die beste Methode, um einen morpho- 
logisch und kulturell dem Typhusbacillus entsprechenden Mikroorganismus 
als solchen zu diagnosticiren, ist die Injektion beim Meerschweinchen: handelt 
es sich um einen echten B. typhi, so wird das Serum des injicirten Thieres 
auch einen sicheren Typhusstamm agglutiniren. 

Silberschmidt (Zürich). 


Bertarelli, Eitrige, durch Eberth’sche Bacillen verursachte Thy- 
reoiditis nach Typhus abdominalis. Centralbl. f. Bakteriol. Bd. 29. 
No. 13. S. 558. 

Nach einem regelmässigen Verlauf eines Unterleibstyphus spürte der 
Kranke an seinem wallnussgrossen Kropfe ein sonst unbekanntes Reiz- und 
Schwergefühl, welches immer bedeutender wurde. Bald darauf schwoll der 
Kropf selbst an und zeigte eine deutliche eitrige Entzündung. Der durch 
Punktion entnommene Eiter enthielt eine Anzahl von Stäbchen, die in den 
Kulturen typhusähnlich aussahen. Die nähere morphologische und biologische 
Untersuchung ergab denn auch, dass wirklich echte Typhusbakterien vor- 
lagen. Die Agglutinationsprüfung und Thierversuche verliefen eben- 
falls im Sinne eines echten Typhus. 

Hiermit war der Beweis geliefert, dass die Thyreoiditis allein durch 
die vorhandenen Bakterien ausgelöst war, und es wurde dadurch auch gezeigt, 
dass sich die Organismen in einem vorher bestehenden Kropf dann an- 
siedeln können, wenn der normale Widerstand der Schilddrüse durch die 
pathologische Veränderung gegen die Einwanderung im Organismus ge- 
schwächt ist. R. O. Neumann (Kiel). 


Kühn, Ueber Spondylitis typhosa. Münch. med. Wochenschr. 1901. No. 23. 
S. 926. 

Zu den posttyphösen Erkrankungen, welche gewöhnlich erst später 
nach einem scheinbar schon überwundenen Typhus auftreten, gehören die 
Periost- und Knochenerkrankungen, die vielleicht nicht ganz so selten 
auftreten, wie es den Anschein hat, aber nicht immer mit dem Typhus in 
Zusammenhang zu bringen sind. Jedenfalls ist erst in wenigen Fällen von 
Könitzer, Schanz, Quincke und Neisser eine auf den Typhus folgende 
Wirbelerkrankung als durch den Typhusbacillus bedingt erkannt worden. 
Bei dem vom Verf. veröffentlichten Fall handelte es sich um einen jungen 
Mann, welcher einen schweren Typhus acquirirte, der durch den enormen 
Meteorismus sehr bedrohlich zu werden begann. Mitte der 6. Woche trat je- 
doch völlige Entfieberung ein, bis am 83.Krankheitstage Patient über Schmerzen 
der linken Lumbalgegend klagte. Die betreffende Gegend wurde nach 
scheinbarer Besserung druckempfindlich, der Schmerz lokalisirte sich auf 
die Dornfortsätze der unteren Lendenwirbel, welche allmählich promi- 
nirten und eine deutliche Lendenkyphose veranlassten. 

Die Erkrankung der Wirbel ging allmählich wieder zurück, und nach Ver- 
lauf von 6 Wochen war nur noch eine ganz geringe Vorwölbung der unteren 

84* 


1200 Infektionskrankheiten. 


Lendenwirbel zu bemerken. Da bei dieser Krankheit Typhus klinisch und 
bakteriologisch genau festgestellt war, so konnte kein Zweifel sein, dass bei 
der Knochenerkrankung ebenfalls die Typhusbacillen betheiligt waren. 
Auffällig bleibt, dass die Spondylitis 4 Wochen, ja bis 3 Monate 
nach der Entfieberung erst auftritt, während andere typhöse Eiterungen 
meist früher in Erscheinung treten. Man muss nach Kühn wohl annehmen, 
dass der primäre Herd im Periost oder im Knochen meist schon früber an- 
gelegt wird, und dass sich die Virulenz der Bacillen in demselben bis zum 
Ausbruch der Krankheit erhalten kann. Letzterer scheint dann darch die 
wachsenden Anforderungen an die Leistungsfäbigkeit der Wirbelsäule, wie sie 
die spätere Rekonvalescenz naturgemäss im Gefolge hat, begünstigt zu werden. 
Es empfiehlt sich deshalb in der Rekonvalescenz eine grössere Vorsicht 
beim Bücken und bei Gebversuchen, da man ja schliesslich auf eine nach- 
trägliche Spondylitis noch gefasst sein muss. R. O. Neumann (Kiel). 


Fraenkel E., Die Göttinger Typhusepidemie im Sommer 1900. Aus 
der medicinischen Universitätsklinik in Göttingen. Deutsche med. Wochen- 
schr. 1901. No. 12. S. 177 fl. 

Von den 51 Typhusfällen konnten 26 auf den gleichen Ursprung in der 
Stadt, 17 auf verschiedene Stadttheile Göttingens und 8 Fälle auf die Um- 
gebung zurückgeführt werden. Die Erkrankten der ersten Gruppe hatten 
sämmtlich Beziehungen zu einem viel besuchten Wirthshause im Herzen der 
Stadt, in dem eine grössere Anzahl Studenten ihre Mittagsmahlzeit einnahm; 
die Erkrankten waren 17 ständige Gäste, 3 Mitglieder der Wirthsfamilie und 
4 Dienstboten. Die Entstehung dieser durchweg sehr heftigen Typbusipfektion 
konnte nicht völlig aufgeklärt werden. Die Mortalität betrug 17,6 pCt., die 
der 26 Fälle allein 23,1 pCt. Offenbar handelt es sich bei diesen um eine 
ausserordentliche Virulenz des Typhusgiftes. Dieudonne (Würzburg). 


Karo W., Zwei Fälle von urogenitaler Colibacillose. Aus der Uni- 
versitätsklinik für Haut- und venerische Krankheiten in Bern. Deutsche 
med. Wochenschr. 1901. No. 15. S. 230. 

In zwei Fällen von Bakteriurie und Epididymitis bezw. Prostatitis 
war B. coli in Reinkultur nachweisbar. Ueber die Art und Weise, wie die 
Bakteriurie zu Stande kam, lässt sich nichts Bestimmtes feststellen; vielleicht 
stand sie in Zusammenhang mit gleichzeitig vorhandenen entzündlichen Vor- 
gängen im Darmkanal, denn mit dem Verschwinden der Enteritis heilte bei 
beiden Kranken die Bakteriurie. Der klinische Verlauf war besonders durch 
die starke Betheiligung der Hoden ausgezeichnet, ferner durch schwere All- 
gemeinerkrankung. Dieudonne (Würzburg). 


Weil R., Zur Biologie der Milzbrandbacillen: die Sporenauskeimung. 
Arch. f. Hyg. Bd. 39. S. 205. 
Verf. stellte sich die Frage, wann die Anthraxsporen bei verschie- 
denen Temperaturen auszukeimen beginnen und ob der Keimungs- 
process aller Sporen abgelaufen ist, bevor neue Sporen gebildet 


Infektionskrankheiten. 1201 


werden. Als Hülfsmittel zur Abtödtung der Sporen benutzte Weil hohe 
Temperaturen, 8 proc. NaCl-Lösung, gesättigtes Chloroformwasser, 
1,5 proc. Karbollösung, 1 proc. Formalinlösung und Kaninchenblut- 
serum, bei dem bereits Nuttall eine baktericide Wirkung beobachtet hatte. 

Aus den Ergebnissen seiner Untersuchungen ist folgendes hervorzuheben: 

Lässt man milzbrandsporenhaltiges Material künstlich auskeimen, so 
keimen innerhalb bestimmter, mit der Temperatur wechselnder Zeit in der 
Regel wohl die meisten, aber nicht alle Sporen aus. Es tritt dabei meist 
kein Zeitpunkt ein, an welchem nur vegetative Formen vorhanden sind; 
entweder finden sich darunter noch alte oder schon wieder aus- 
gebildete Dauerformen. Es scheint auch hieraus der Schluss berechtigt, 
dass es deshalb auch nur ausnahmsweise gelingen wird, durch sogenannte 
fraktionirte Sterilisation ein solches Material keimfrei zu machen. 

Will man grosse Mengen Sporen selbst beim Temperaturoptimum zur Aus- 
keimung bringen, so keimt doch nur eine ganz geringe Anzahl aus, die sich 
dann vermehrt und wieder neue Sporen bildet. Die Auskeimung geht aber 
nicht nach und nach, sondern auf einmal vor sich. 

Die Auskeimung beginnt in der Regel bei 37° nach 8 Stunden, bei 240 
nach 16 Stunden, bei 18° nach 70 Stunden, bei 12° nicht mehr regelmässig; 
jedoch giebt es Sporenexemplare, die bei 7°, ja wie es scheint noch bei 0° 
auszukeimen vermögen. 

Die Neusporenbildung erfolgt bei 37° nach nahezu 21 Stunden, bei 
29—30° nach 21—23 Stunden, bei 24° nach 48 Stunden, bei 18° nach 96 Stun- 
den, bei 12° nur noch ausnahmsweise. 

Das Keimungsvermögen der Milzbrandsporen wird durch chemische 
Agentien selbst in hoher Verdünnung stark beeinflusst. Eine kurze Einwirkung 
von 1 proc. Chloroform-, 1,5proc. wässeriger Phenollösung sowie 
1l proc. Formalin genügt, um die Entwickelung der Sporen auf künstlichen 
Nährböden zu verhindern. 

Kaninchenblutserum, dass 22 Minuten auf 55° erwärmt wird, besitzt 
noch sporicide Kräfte. R. O. Neumann (Kiel). 


van Leent J. B., Ueber das Verhalten des Bacillus anthracis in der 
Peritonealhöhle des Meerschweinchens. Centralbl. f. Bakteriol. 
Bd. 28. No. 21. S. 737. 

Aehnlich, wie es von Noetzel für das Kaninchen nachgewiesen werden 
konnte, ergiebt sich aus den Versuchen des Verf.’s auch bei den sonst für 
Milzbrand so äusserst empfänglichen Meerschweinchen eine ziemlich hoch- 
gradige Resistenz gegenüber Anthrax, vorausgesetzt, dass die Infektion eine 
rein intraperitoneale ist. Zu dem Zwecke mussten bei der Injektion be- 
stimmte Kautelen — vorherige kleine Incision in der Linea alba, sehr feine 
Kanüle, nachträgliche Desinfektion der Einstichstelle mit 1 prom. Sublimat- 
lösung während mindestens 15 Minuten — beobachtet werden. Auf diese 
Weise mit 24—48 Stunden alten Bouillonkulturen in einer Menge bis zu 
0,5 ccm inficirte Thiere blieben am Leben; doch kommt hierbei keine Immu- 
nität gegenüber nachfolgender subkutaner Infektion zu Stande. Wurden Thiere, 


1202 Infektionskrankheiten. 


denen 1,5 ccm 24stündige Bouillonkultur beigebracht war, 1 Stunde nach der 
Injektion getödtet, so liessen sich weder im Blute, noch in der Peritoneal- 
flüssigkeit oder in Leukocyten Bacillen nachweisen, auch blieben weitere mit den 
‚genannten Flüssigkeiten geimpfte Thiere am Leben. In Schnitten durch Netz 
und Diaphragma zeigten sich Reste von Milzbrandbacillen. Die Weiterimpfung 
beider Organe war ohne Erfolg. Wurden gleichzeitig mit der Anthraxkultur 
sterile Tusche- oder Karminsuspensionen injicirt, so wurde die baktericide Wir- 
kung des Peritoneums stark beeinträchtigt. 

Bei den Versuchen erwies sich als für die Vernichtung der Bakterien 
von grosser Bedeutung die Phagocytose durch die Endothelzellen, vor Allem 
diejenigen des Netzes, weniger die des Zwerchfelles. Das Netz wird vom Verf. 
geradezu als eine „Bakterienfalle* angesprochen. Dagegen liess sich ein 
grosser Einfluss der Leukocyten nicht konstatiren, selbst wenn sterile, mit 
Anthraxkultur getränkte Baumwoll- oder Haarpfröpfchen eingebracht worden 
waren. Die in diesen Fällen schon nach 1 Stunde nachweisbaren Degene- 
rations- und Zerfallserscheinungen einer grossen Anzahl von Bacillen sind der 
baktericiden Wirkung der Peritonealflüssigkeit zuzuschreiben. Während die 
Resorption der Bacillen und ihr Uebertritt in die Blutbahn für den inficirten 
Organismus sehr gefährlich ist, kann die Resorption der Flüssigkeit als 
vortheilhaft angesehen werden. 

Eine bakterientödtende Wirkung des Peritoneums konnte auch in Fällen, 
wo das Thier durch gleichzeitige subkutane Injektion starb, konstatirt werden. 

L. Lange (Posen). 


Ransom F., Die Injektion von Tetanustoxin bezw. -Antitoxin in den 
subarachnoidealen Raum. Zeitschr. f. physiol. Chemie. 1900. Bd. 31. 
S. 282. 

In Fortsetzung seiner früheren Versuche über die Vertheilung des Tetanus- 
toxins und -Antitoxins nach subkutaner und intravenöser Injektion hat Verf. 
Hunden, Kaninchen und Meerschweinchen Tetanusgift oder Tetanusanti- 
toxin in den subarachnoidealen Raum injicirt, und zwar theils mit- 
tels Gehirnstich, theils mittels Lumbalpunktion, und nach so und so viel Mi- 
nuten oder Stunden das Blut sowie das herauspräparirte Gehirn und Rücken- 
mark auf Toxin bezw. Antitoxin geprüft. 

Toxin sowohl wie Antitoxin gehen aus dem subarachnoidealen Raum 
schnell in das Blut über, während umgekehrt bei intravenöser oder sub- 
kutaner Injektion von Tetanustoxin oder -Autitoxin diese Stoffe nur in geringer 
Menge in die Cerebrospinalflüssigkeit treten. Man kaon also bei Behandlung 
von Tetanus mittels Antitoxin die Injektion ebensogut wie subkutan auch mit- 
tels Lumbalpunktion machen, weil auch so die Resorption schnell erfolgt; 
einen Vortheil bietet das letztere Verfahren aber nicht, weil das Tetanus- 
gift, wie gesagt, nur zum allergeringsten Theil in der Cerebrospinalflüssigkeit 
enthalten ist, also nicht etwa dort direkt neutralisirt werden kann. 

Ferner ergab sich, dass zur Entstehung des Symptomenbildes, welches 
Roux und Borrel cerebralen Tetanus nennen, und das in heftigen epi- 
leptischen Krämpfen besteht, erstens eine Verletzung des Gehirns und 


Infektionskrankheiten. 1203 


zweitens eine direkte Applikation des Giftes (mittels Gehirnstich oder 
Lumbalpunktion) erforderlich ist. Hellwig (Halle a. S.). 


Schmidt, Friedrich, Ein Beitrag zur Virulenz des Scharlachkontagiums. 
Münch. med. Wochenschr. 1901. No. 20. S. 791. 

Verf. berichtet über einen interessanten Fall von Scharlach mit lehr- 
reicher Vorgeschichte. Derselbe betraf eine Ehefrau, die kurz nach der Ent- 
bindung an typischer, schwerer Scarlatina erkrankte. Mangels jedes anderen 
Anhaltes über die Infektionsquelle forschte Verf. auch den Ehemann aus und 
erfuhr zu seiner Ueberraschung, dass derselbe vor ca. !/, Jahr während seiner 
Militärzeit einen leichten Scharlachanfall gehabt hatte und ohne Reinigung 
der schuppenden Haut „geheilt“ entlassen worden war. Eine Untersuchung 
ergab noch immer vorhandene, intensive Desquamation. Verf. fordert auf 
Grund dieser Beobachtung zu äusserst strenger Durchführung der prophylak- 
tischen Maassregeln auf, und besonders zu einer womöglich über viele Wochen 
ausgedehnten Isolirung. Bruno Heymann (Breslau). 


Jochmann, Georg, und Krause, Paul, Zur Aetiologie des Keuchhustens. 
Aus dem Neuen allgem. Krankenhause zu Hamburg-Eppendorf. Zeitschr. f. 
Hyg. u. Infektionskraukh. Bd. 36. S. 193. 

In einer kurzen Literaturübersicht werden unter andern als Erreger des 
Keuchhustens in Anspruch genommene Mikroorganismen die Deichert- 
schen Amöben, die Ritter’schen Doppelkokken und die Stäbchen von Afa- 
nassiew, von Czaplewski und Hensel, von Koplik und Spengler auf- 
geführt. Die Verff. selbst fanden im Auswurf von frischen Keuch- 
hustenfällen ausser den lanzettförmigen, den Ketten- und Haufenkokken 
kleinste eiförmige Kurzstäbchen von der Grösse der Influenzabacillen, 
die theils in Haufen, Nestern und Zügen angeordnet waren, theils auch inner- 
halb von Zellen lagen. Daraus, dass sie theils nur auf Blutagar wuchsen, 
theils nicht, und daraus, dass sie nach dem Gram’schen Verfahren 
theils entfärbt wurden, theils nicht, ging hervor, dass es sich trotz der 
übereinstimmenden Gestalt und Grösse um 3 verschiedene Bakterien han- 
deln muss. Nach der Ansicht der Verff. erklären sich hierdurch die bisherigen 
einander widersprechenden Angaben. Die auch auf blutfreien Nährböden 
wachsende, nach Gram sich entfärbende Art halten sie für die von Cza- 
plewski und Hensel beschriebene, erklären sie aber nicht als den Er- 
reger des Keuchhustens, weil sie ihr nur verhältnissmässig selten begegnet 
sind (4mal). Dagegen bezeichnen sie als solchen, wenn auch nicht unmittelbar, 
so doch durch den Namen Bacillus pertussis Eppendorf dasjenige Stäb- 
chen, welches ausschliesslich auf Blutagar in stark lichtbrechenden 
thautropfenähnlichen Kolonien wächst und die Gram’sche Färbung nicht 
festhält. Sie fanden es verhältnissmässig oft (18mal) nnd bei 3 Leichen- 
öffonngen in bronchopneumonischen Herden beinahe ausschliesslich. Tbier- 
versuche hatten keinen Erfolg. Globig (Kiel). 


1204 Infektionskrankheiten. 


Kruse W., Weitere Untersuchungen über die Ruhr und die Ruhr- 
bacillen. Deutsche med. Wochenschr. No. 23 u. 24. S. 370 f. 

Weitere Untersuchungen bestätigten die früher vom Verf. mitgetheilten 
(vgl. diese Zeitschr. 1901. S. 664) bakteriologischen Befunde bei Rubr. Ins- 
besondere zeigte sich bei einer Epidemie in einer Irrenanstalt, dass das Blut- 
seram von Ruhrkranken und -Rekonvalescenten noch in Verdünnungen von 
50—200 die Ruhrbacillen agglutinirte.e Auch ein Fall von unabsichtlicher 
Laboratoriumsinfektion eines Assistenten, der viel mit den Ruhrbacillen zu 
thun hatte, spricht für die ätiologische Bedeutung dieser Bacillen. Bei Ver- 
suchsthieren gelang es leicht, durch Impfung von abgetödteten Kulturen das 
Auftreten specifischer Substanzen im Blutserum hervorzurufen. Der höchste 
bis jetzt bei Schafen gewonnene Agglutinationswerth betrug 1000, die anti- 
bakterielle Wirkung des Immunserums ist unbedeutender. Beim Menschen 
trat nach Injektion einer abgetödteten Kultur eine Reaktion ein, die mehrere 
Tage dauerte; im Blutserum traten Agglutinine in ziemlich beträchtlicher Höhe 
(100—200) auf. Die Aussichten für eine specifische Bekämpfung der Ruhr 
sind aber nach K. bis jetzt noch keine grossen, wir sind noch auf die alten 
Methoden angewiesen, also insbesondere auf gründliche Desinfektion. Regelung 
der Abwässerverhältnisse u.a. Wie weitere Untersuchungen zeigten, kommen 
in den Irrenanstalten ruhrartige Erkrankungen vor, die mit der eigentlichen 
epidemischen Ruhr nichts zu thun haben, wahrscheinlich aber auf nahver- 
wandte Bakterien zurückzuführen sind, unter denen wir wieder mehrere Typen 
unterscheiden können. Dieudonné (Würzburg). 


Podwyssozki W. und Mankowski A., Zur Frage über den Vaccineerreger 
von Dr. M. Funck. Deutsche med. Wochenschr. 1901. No. 17. S. 261. 
Funck M., Weitere Mittheilungen über den Vaccine- und Variola- 

erreger. Ebenda. No. 21. S. 339. 

P. und M. kommen auf Grund mikroskopischer und chemischer Unter- 
suchungen zu dem Resultat, dass die von Funck beschriebenen morpho- 
logischen Elemente der Lymphe, die er als Sporoblasten bezeichnet (vergl. 
diese Zeitschr. 1901. S. 846), durch Sudan färbbaren, verfetteten Epithelial- 
zellen resp. Zellen der Talgdrüsen entsprechen. Auch von der Protozoennatar 
der anderen von Funck beschriebenen Elemente der Lymphe konnten sich 
die Verff. nicht überzeugen. 

Funck erwidert auf die obigen Einwände von P. und M., sowie von 
Silvestrini, dass deutliche Unterschiede zwischen den Protozoen der Vaccine 
und diesen cellulären Elementen, die durch Sudan gefärbt werden, bestehen. 
Eine ausführliche Arbeit darüber wird im Centralblatt für Bakteriologie er- 
scheinen. Dieudonne (Würzburg). 


Iwanoff A., Ucber die Veränderungen der Malariaparasiten während 
der Methylenblaubehandlung. Deutsche med. Wochenschr. 1901. No. 18. 
S. 281. 

Bei der Methylenblaubehandlung erscheinen am Ende des zweiten 
oder Anfang des dritten Tages Veränderungen der erwachsenen Formen 


Infektionskrankheiten. 1205 


der Tertianaparasiten; es tritt eine wesentliche Verminderung der amöd- 
boiden Beweglichkeit und die Zerreissung des Protoplasma in mehrere Kügel- 
chen ein. Die kleinen jungen Formen bleiben unverändert. Auch bei den 
Sporulationsformen zeigt sich insofern ein Einfluss, als die Entwickelung des 
Protoplasma und des Kernes unregelmässig erscheint. Bei den ringförmigen 
Parasiten der Tropica gelingt es nicht, besondere Strukturveränderungen zu 
beobachten, dagegen zeigen die Halbmonde insofern eine Beeinflussung, als 
das Protoplasma schrumpft und körnig wird. Der Unterschied der Wirkung 
des Methylenblaus im Vergleich zu der des Chivins ist der, dass das erstere 
auf das Protoplasma, das letztere hauptsächlich auf den Kern — das Chro- 
matin — des Parasiten einwirkt. Dieudonne (Würzburg). 


Mori A., Ueber die Prophylaxe der Malaria mit Euchinin. Centralbl. 
f. Bakteriol. Abth. I. Bd. 29. No. 20. S. 786. 

Neben den prophylaktischen Maassnahmen gegen den Stich der Mosquitos, 
die in äusserlichen Schutzmaassregeln, wie Fliegenrahmen nach Baldi, 
Gaze und Chlorräucherungen nach Fermi, Metalldrahtnetzen nach 
Celli und Grassi, sowie Einreibungen und Einstreuungen von Pulvern, 
Essenzen, Oelen u.s. w. nach verschiedenen Autoren bestehen, hat man 
bekanntlich auch versucht, „innerliche“* Prophylactica in Form von Chinin, 
Arsen und Methylenblau zu verabreichen. 

Die gewöhnlichen Chininpräparate können jedoch in grösseren 
zuverlässigen Dosen nicht allzulange gegeben werden, Arsen zieht leider 
schädliche Folgen nach sich, und Methylenblau gab zu Dauerstörungen und 
Blasenentzündungen Anlass. Ausserdem zeigte die Haut eine metallische Ver- 
färbung, und der Harn und der Speichel wurde ebenfalls verfärbt. 

Celli wählte deshalb zu Versuchen, die von ihm und in erweitertem 
Maassstabe vom Verf. ausgeführt wurden, Euchinin, welches lange Zeit 
ohne Schaden und ohne unangenehme Nebenwirkungen genommen werden 
kann. Und zwar verabreichte man es in Tablettenform in Dosen von 0,5 
bei Patienten über 16 Jahren, bei jüngeren Personen zu 0,25 g pro die. 

Die Versuche erstreckten sich über 6 Bauernfamilien an drei verschiedenen 
Orten, in Amatello di Affitti del Gotti und le Caldinelle e l,avoriera Bacci. 

Sämmtliche Personen hatten bereits früher mehr oder weniger stark an 
Malaria zu leiden gehabt. 

Nicht in Behandlung gezogen wurden die Bauern von Acquaviva del 
Nannviecini, die als Vergleichsobjekte dienen sollten. 

Die Chininkur wurde ca. 5 Monate fortgesetzt und schloss mit einem sehr 
günstigen Resultat ab, da von den mit Euchinin Behandelten in Amatello 
nur 6,25 pCt. von Malaria befallen wurden, während von den nicht geschützten 
„Vergleichsindividuen“ 81 pCt. erkrankten. 

In di Affitti del Gotti erkrankten etwas mehr (28,54 pCt.), weil die 
Aufsicht in diesem entlegenen Orte nicht so genügend ausgeführt werden 
konnte. Von den Nichtbehandelten erkrankten aber 85,7 pCt. 

In le Caldinelle e Lavoriera Bacci waren die Resultate am günstig- 


1206 Infektionskrankheiten. 


sten, denn hier erkrankte von den Behandelten überhaupt Niemand, 
während die Unbehandelten in 75 pCt. der Fälle von Malaria befallen wurden. 
Der Verlauf der Krankheit bei denen, welche Euchinin erhalten hatten, 
war bei Weitem milder als bei den Unbehandelten. 
Nach diesen Angaben kann dem Euchinin ein prophylaktischer Werth 
nicht abgesprochen werden. R. O. Neumann (Kiel). 


Jackschath E., Die „Malaria“ der Rinder in Deutschland. Centralbl. 
f. Bakteriol. Bd. 29. No. 14. S. 585. 

Verf. bringt ein kurzes Referat über seine anderwärts veröffentlichten 
Arbeiten betr. das Wesen einer sehr verheerenden, in bestimmt charakteri- 
sirten Gegenden Deutschlands vorkommenden Rinderkrankheit, welche 
von ihrem hervorstechendsten Merkmal Blutharnen, Rothharnen, Hämoglobinarie 
genannt wird und mit der seuchenhaften Hämoglobinurie der finnischen 
Rinder (Krogius und v. Hallens), der Rindermalaria der Campagna (Celli 
und Santori), der Hämaturie der sardinischen Rinder (Sanfelice und Loi), 
der seuchenhaften Hämoglobinurie der rumänischen Rinder (Babes), dem in 
Südafrika vorkommenden „Red water“ und dem Texasfieber (Smith) ver- 
wandt ist. Verf. schildert drei verschiedene Typen der Krankheit. Die hervor- 
stechendsten Symptome sind hohes Fieber und weitgehende Zerstörung der 
rothen Blutkörperchen. Die Krankheit wird durch einen Blutparasiten bewirkt, 
der eine „polymorphe“ Gestalt hat. In den Fällen, wo der Verlauf ein rascher 
ist und tödtlich endet, bemerkt man in den rothen Blutkörperchen bei starker 
Vergrösserung ein oder zwei blasse Körperchen von spindel-, band- oder birn- 
förmiger Gestalt, welche den Parasiten des Texasfiebers sehr ähnlich sehen. 
Ausserdem finden sich noch runde „kokkusähnliche* Formen, welche die Vor- 
stufe der erstbeschriebenen zu sein scheinen. Verf. hat mit dem Blut einer 
hochgradig kranken Kuh vier gesunde Thiere geimpft und die typischen 
Symptome der spontan erkrankten Thjere erhalten. Die 4 Thiere wurden 
nach einer noch nicht veröffentlichten Methode sämmtlich geheilt. Als den 
Ueberträger der Krankheit beschuldigt Verf. ‘die gewöhnliche Ochsenzecke 
(Ixodes reticulatus s. reduvius), die auf den kranken Thieren stets zahlreich 
angetroffen werde. Bruno Heymann (Breslau). 


Lignières J., Sur la „Tristeza“. Ann. de I’Inst. Pasteur. 1901. No. 2. 
p. 121. 

Die in Argentinien und in Uruguay unter dem Namen Tristeza 
bekannte Erkrankung des Rindviehes ist mit dem Texasfieber identisch. 
Verf. hat in Argentinien eingehende Studien dieser Krankheit vorgenommen, 
deren Ergebnisse er in der vorliegenden Arbeit kurz zusammenfasst. Folgende 
von Smith und Kilborne beim Texasfieber festgestellten Befunde konnte L. 
bestätigen: 1. die Specifität des Piroplasma bigeminum, 2. die Verände- 
rung der rotben Blutkörperchen als Hauptursache der beobachteten Läsionen 
und Krankbeitserscheinungen, 3. die Uebertragbarkeit der Erkrankung auf 
Rinder mittels subkutaner oder intravenöser Injektionen von Blat oder von 
Gewebssaft der erkrankten Thiere, 4. die Uebertragbarkeit durch Zecken, 


b 


Infektionskrankheiten. 1207 


5. die Gefahr der Verschleppung durch Transport erkrankter Thiere, 6. die 
Virulenz des Blutes von anscheinend gesunden Thieren aus infieirten Gegenden 
oder von Zecken, 7. die Empfindlichkeit erwachsener Rinder und die fast 
vollkommene Indifferenz sehr junger Thiere, 8. die Nichtübertragbarkeit der 
Tristeza auf Kaninchen, Meerschweinchen, Schafe oder Tauben. Auch bei 
Thieren, welche seit längerer Zeit inficirt sind, gelingt es, das Piroplasma 
in den Geweben nachzuweisen. Nach einem ersten Anfall ist die Immunität 
eine sehr ausgesprochene. Die Untersuchung des Blutes lässt manchmal im 
Stich, da eine atypische Form der Erkrankung vorkommt, bei welcher im 
Blutkreislauf das Piroplasma gar nicht oder erst kurz vor dem Tode auftritt. 
Von den weiteren erfolgreichen Versuchen des Verf.'s seien die Züchtung, die 
Abschwächung des Piroplasma bigeminum und die Schutzimpfung 
angeführt. L. schreibt den kleinen chromatischen Körperchen eine Hauptrolle 
bei der Verbreitung des l’iroplasma zu; die Züchtung gelang in defibrinirtem 
Blute, nicht in den gewöhnlichen Nährböden. Die Methode der Schutzimpfung, 
welche Verf. noch nicht ausführlich schildern kann, besteht darin, dass ein 
piroplasmareiches Blut mittels wiederholter Passagen auf Rinder erhalten wird, 
und dass das Piroplasma in Kulturen zu einer gewissen Zeit abgeschwächt, 
aber noch nicht abgestorben ist. Es wird über zwei öffentlich angestellte 
Versuche in Buenos Aires und in Alfort berichtet, welche beide günstige 
Resultate ergeben haben: die 7 bezw. 4 immanisirten Rinder ertrugen die 
Injektion von vollvirulentem Blute, ohne irgend welche Krankheitserscheinun- 
gen zu zeigen, während die 4 Kontrolthiere des ersten Versuchs starben; im 
zweiten Versuche wurde das Kontrolthier schwer krank, erholte sich aber 
wieder. Silberschmidt (Zürich). 


Borrel A., Les théories parasitaires du cancer. Ann. de l'Inst. Pasteur. 
1901. No. 2. p. 49. 

In der Einleitung dieser übersichtlichen, kritisch beleuchtenden Besprechung 
hebt Verf. bervor, dass die Bezeichnung Carcinom (cancer) keiner genau um- 
schriebenen Veränderung entspricht, und dass die von Alters her anerkannte 
Kontagiosität in den Beobachtungen der letzten Jahre einigermaassen eine 
Unterstützung gefunden hat. Die ersten bakteriologischen Untersuchungen 
waren nicht brauchbar: es wurden gewöhnliche Saprophyten als Krankheits- 
erreger hingestellt. 

Verf. befasst sich eingehender mit der Coccidientheorie. Bis jetzt 
sind keine Bakterien bekannt, welche eine abnorme Wucherung des Epithels 
bedingen, wohl aber Coccidien, so z. B. das Coccidium oviforme. Zuerst wurde 
von den verschiedenen Autoren (Neisser, Pfeiffer, Darier, Wickham) 
eine Epithelzelle als der Parasit angesprochen; später (Thoma, Nils Sjö- 
bring, Soudakewitch u. s. w.) werden Coccidien als die Krankheitserreger 
beschrieben, allein die Befunde sind nicht klar und eindeutig. Einen wich- 
tigen Fortschritt stellt die Arbeit von Sawtschenko dar, welcher, mit einer 
tadellosen technischen Fertigkeit ausgerüstet, Gebilde fand, welche den Coc- 
eidien viel ähnlicher waren. Verf. ist auf Grund eingehender Untersuchungen 
zum Resultate gelangt, dass es sich wahrscheinlich um eine atypische Ent- 


1208 Immunität. Schutzimpfung. 


wickelung der Carcinomzelle handelt. Aehnliche Gebilde, welche mit 
Kokken bezw. Coccidien sehr leicht verwechselt werden können, werden auch 
im normalen Hoden von Meerschweinchen gefunden. Die neueren Beobach- 
tungen von Bröman und von Heidenhain haben ergeben, dass auch unter 
normalen Verhältnissen gewisse Theile der Zelle eine sehr komplieirte Ent- 
wickelung durchmachen. Verf. hat die Annabme, dass die kokken- und 
amöbenartigen Gebilde Parasiten darstellen, fallen gelassen und erklärt diese 
Pseudoparasiten als Entwickelungsformen des Archoplasma und der 
centralen Körperchen der carcinomatösen Zelle. Die auf 3 Tafeln bei- 
gegebenen Abbildungen erleichtern das Verständniss der Borrel’schen Ansicht. 

Bei der Besprechung der Blastomycetentheorie widerlegt Verf. die 
3 Hauptpunkte, welche aufgestellt worden sind: 1. Die verschiedenen Gebilde, 
welche im Innern der Carcinomzellen gefunden worden sind, können nur bei 
ganz oberflächlicher Untersuchung als Hefezellen betrachtet werden. 2. Der 
kulturelle Nachweis von Sprosszellen in Geschwülsten gelingt bei genügenden 
Vorsichtsmaassregeln nicht. Als dritter Beweisgrund wird von den Anhängern 
der Blastomycetentheorie der Ausfall der Thierversuche angeführt. Die Er- 
zeugung von Geschwülsten nach Injektion von Spresspilzen muss als eine sehr 
interessante Thatsache bezeichnet werden; die Tumoren, welche übrigens auch 
mittels saprophytisch lebender Hefearten erzeugt werden können, stellen aber 
keine Carcinome dar. Die Schlussfolgerung, dass die Carcinome durch Hefen 
bedingt seien, ist nach Verf. nicht gerechtfertigt. 

Möglicherweise werden wir später Sporozoen-, Bakterien- und sogar Hefe- 
geschwülste haben; alle Hypothesen sind gestattet, keine einzige ist aber z. Z. 
bewiesen. Silberscbmidt (Zürich). 


Gengou 0., Contribution a l’etude de l'origine de l’alexine des sé- 
rums normaux. Travail du laboratoire de M. Metchnikoff. Ann. de 
lInst. Pasteur. 1901. No. 2. p. 68. 

Von den meisten Autoren, welche den Zusammenbang zwischen Alexin- 
bildung und Leukocyten verfolgt haben, wurden die einzelnen Arten von weissen 
Blutkörperchen nicht genügend unterschieden. Verf. untersuchte die Alexin- 
bildung in leukocytenhaltigen Exsudaten bei Kaninchen und bei Hunden. 
Nach intrapleuraler Injektion einer alkalischen Lösung von Glutenkasein 
kommt es bei Hunden und bei Kaninchen zur Exsudatbildung; bei Kaninchen 
wurde zur Erlangung. mononukleärer Leukocyten die von Metschnikoff an- 
gegebene Einspritzung von gewaschenen rothen Meerschweinchen-Blutkörperchen 
geübt. Die in der Exsudatflüssigkeit enthaltenen Leukocyten variiren je nach 
der zwischen Injektion und Aspiration verstrichenen Zeit; so sind nach 24 Stan- 
den namentlich polynukleäre Zellen vorhanden, während das nach 2—3 Tagen 
entnommene Exsudat grösstentheils einkernige Leukocyten enthält. Das asep- 
tisch aufgefangene Exsudat wird centrifugirt, gewaschen, wieder centrifugirt, 
mit gleichen Mengen Bouillon verdünnt und nach Buchner zum Gefrieren 
gebracht. Nach 2—3 Stunden kommen die Röhrchen 1 Tag lang in den e 


Immunität. Schutzimpfung. 1209 


Brutschrank bei 37°, damit das Alexin aus den Leukocyten austrete. Das 
Leukocytenextrakt, welches aus 24stündigen Exsudaten gewonnen wurde, war 
deutlich baktericid, das nicht erhitzte Blutserum ebenfalls. Einige Versuche 
fielen negativ aus, wegen des Bouillonzusatzes; auch baktericides Serum ver- 
liert diese Eigenschaft bei Zusatz von Nährbouillon. Verf. hat gefunden, dass 
das 24stündige Exsudat deutlich baktericid wirkt; er nimmt an, dass die poly- 
nukleären Leukocyten als die Quelle der baktericiden Eigenschaft 
bezw. des Alexins des normalen Blutserums zu betrachten sind. 
Hingegen haben die Versuche mit mononukleären Leukocyten keine deutliche 
Wirkung ergeben, sodass Verf. zu dem Schlusse kommt, dass diese Zellen 
nur geringe Mengen Alexin enthalten. Silberschmidt (Zürich). 


Emmerich, Rudolf, und Löw, Oscar, Dig künstliche Darstellung der 
immunisirenden Substanzen (Nukleasen-Immunproteidine) und 
ibre Verwendung zur Therapie der Infektionskrankheiten und 
zur Schutzimpfung an Stelle des Heilserums. Zeitschr. f. Hyg. u. 
Infektionskrankh. Bd. 36. S. 9. 

Die Verff. haben am Bacillus pyocyaneus früher gezeigt, dass pathogene 
Bakterien in Kulturen und im Thierkörper Stoffe bilden, welche im Stande 
sind, das Protoplasma oder die Nukleoproteide der Bakterien, durch welche 
sie erzeugt worden sind, aufzulösen. Diese Stoffe nennen sie proteolytische 
Enzyme oder Nukleasen und ihre Verbindung mit Organ- oder Blut- 
eiweiss Immunproteidine. Wenn sie nur diejenigen Bakterien auflösen, 
durch welche sie erzeugt wurden, so bezeichnen sie sie als konform, lösen 
sie aber auch noch andere Bakterienarten auf, als heteroform. Viele 
haben ausserdem noch die Fähigkeit, die Gifte zu binden oder un- 
schädlich zu machen, welche durch pathogene Bakterien in Kulturen oder 
im Thierkörper gebildet werden; so z. B. löst das Pyocyanase-Immunproteidin 
die Diphtheriebacillen auf und hebt die Wirkung des Diphtherietoxins auf. 
Neuerdings haben die Verff. diese Verhältnisse beim Schweinerothlauf ge- 
prüft und ebenfalls bestätigt gefunden. Das in Kulturen und ip Thier- 
körper hierbei entstehende Enzym nennen sie Erysipelase und seine Eiweiss- 
verbindung Erysipelase-Immunproteidin. Diese Körper sind die Ursache der 
Immunität und der Heilung beim Schweinerothlauf und das Wirksame bei den 
Schutzimpfungen. Sie werden aber im Kreislauf zersetzt und ausge- 
schieden, und deshalb hat die damit erzeugte künstliche Immunität nur die 
Dauer von einigen Wochen oder Monaten und die Anreicherung des Blutes 
mit dem wirksamen Stoff eine enggezogene Grenze. Deshalb hatte auch 
die bisherige Schutzimpfung nur eine beschränkte Wirksamkeit. Die Verff. 
haben aber den immunisirenden Stoff aus dem Blutserum ausgefällt 
und selbstständig dargestellt. Zu diesem Zweck züchteten sie z. B. den 
B. pyocyaneus und die Rothlaufbacillen in eiweissfreien Nährlösungen, die 
unter anderem Asparagin, Dikaliumphosphat und Magnesiumsulfat enthielten, 
saugten nach einigen Wochen die über den agglutinirten und am Boden ab- 
gesetzten Bacillen befindliche klare Flüssigkeit ab, filtrirten sie mit einem 

. Berkefeld’schen Filter, dampften sie ein und entfernten durch Dialyse Salze 


1210 Immunität. Schutzimpfung. 


und giftige Stoffe daraus. Indem sie die so gewonnene Pyocyanase oder Ery- 
sipelase mit Rinderblut oder frisch entnommener zerkleinerter Milz 
und Alkali (Natrinmoxalat und Aetzkali oder kohlensaurem Kali) 6—8 Stun- 
den bei 37° C. hielten, stellten sie ihre Riweissverbindungen her, 
fällten sie durch Eingiessen in die zehnfache Alkoholmenge aus und brachten 
sie durch Trocknen in die feste, in Wasser leicht lösliche Form. Durch einen 
vorhergegangenen Dextrinzusatz zu der Lösung wurde der Körper haltbarer, 
handlicher und leichter abzutheilen. Die gewonnene Menge schwankte aller- 
dings nach der Zusammensetzung der Nährböden, nach der Beschaffenheit 
und Menge der eingesäeten Kultur, nach der Dauer der Herstellung und in 
Folge von mancherlei Störungen in ziemlich weiten Grenzen. 
Globig (Kiel). 


. 

Ransom F., Saponin und sein Gegengift. Aus dem pharmakologischen 
Institut der Universität Marburg. Deutsche med. Wochenschr. 1901. No. 13. 
S. 194. 

Das Saponin pur. alb. hat deutlich hämolytische Wirkungen; nach den 
Versuchen von R. löste 2 mg Saponin 0,7 ccm Hundeblut vollständig auf. 
Bei gleichmässiger Verstärkung der Blutverdünnung und der Saponinlösung 
vollzieht sich die Lösung schneller. Sehr verdünnte Saponinlösungen greifen 
das Blut überhaupt nicht mehr an. Wird das Blut der Saponinlösung in 
Raten zugesetzt, so löst sich weniger Blut auf, als wenn man die Blutmenge 
mit einem Mal zugiebt. Das Saponin wird offenbar bei der Ausübung seiner 
hämolytischen Kraft verbraucht oder gebunden. Das serumlose Blut erweist 
sich als viel empfindlicher als das Vollblut. Das Serum ist im Stande, das 
Saponin unschädlich zu machen, indem es saponinbindende Kraft besitzt. Auch 
die rothen Blutkörperchen selbst fixiren das Saponin. Nähere Untersuchungen 
zeigten, dass der Stoff, welcher in den rothen Blutkörperchen sowohl wie im 
Serum das Saponin fixirt, in Aether löslich ist. Dieses Aetherextrakt enthält 
als Hauptbestandtheil Cholesterin. Versuche mit reinem Cholesterin zeigten. 
dass dieses gleichfalls Saponin unschädlich macht. Es existirt eine Art Affi- 
nität oder ein Löslichkeitsverhältniss zwischen Saponin und Cholesterin, wo- 
durch es dem ersteren möglich ist, auf die Gewebe, welche letzteres enthalten, 
als Gift zu wirken, das letztere aber unter gewissen Bedingungen zum Schutz- 
körper gegen das erstere macht. Es ist also hier zum ersten Male gelungen, 
direkt aus dem von einem Toxin angegriffenen Gewebe jenen Stoff, welcher 
den Angriffspunkt für das Toxin bildet, rein za isoliren und gleichzeitig zu 
demonstriren, dass derselbe Stoff auch als Schutzmittel dienen kann und that- 
sächlich dient. Dieudonné (Würzburg). 


Mertens V. E., Beiträge zur Immunitätsfrage. Aus dem hygienischen 
Institut der Universität in Königsberg. Deutsche med. Wochenschr. 1901. 
No. 24. S. 381. 

l. Ueber die Haltbarkeit der Choleraimmunkörper. R. Pfeiffer 
hatte beobachtet, dass von Hunden und Ziegen gewonnenes Typhusserum, das 
gleich nach der Entnahme neben der specifisch bakterientödtenden auch starke 


"Immunität. Schutzimpfung. 1211 


agglutinirende Wirkung zeigte, während der Aufbewahrung sich insofern ver- 
änderte, als die Bakteriolysine fast ohne Verlust erhalten blieben, während 
die Agglutinine ziemlich rasch verschwanden. Dasselbe fand Verf. für ein 
sehr hochwerthiges Choleraserum, das über 5 Jahre aufbewahrt war. Auch 
hier erwiesen sich die Immunkörper deutlich resistenter als die aggluti- 
nirenden Substanzen. Dies ist zugleich ein neuer Beweis dafür, dass beide 
Substanzen ganz verschieden von einander sind. 

II. Versuche über den Einfluss der Applikationsweise der im- 
munisirenden Substanzen. Nach der Ansicht von R. Pfeiffer erfolgt 
die Bildung der Immunkörper als specifische Reaktion gewisser Organe, näm- 
lich Milz, Knochenmark, Lymphdrüsen, auf einen specifischen, durch die Wirk- 
samkeit giftiger Bakteriensubstanzen ausgelösten Reiz. Ist diese Annahme 
richtig, so muss angenommen werden, dass eine und dieselbe Dosis abgetödteter 
Bakterienkulturen eine verschieden starke Produktion von Immunkörpern an- 
regen wird, je nachdem sie von der Blutbahn oder vom subkutanen Gewebe 
zur Wirkung gelangt, denn die gleiche Dosis wirkt erwiesenermaassen von 
der Blutbahn her stärker als vom subkutanen Gewebe. Mertens stellte 
experimentell die Richtigkeit dieser Annahme fest; durch die intravenöse In- 
jektion wurde ein Serum mit 20—100 mal höherem Titer erzielt als durch 
die subkutane. Dieudonné (Würzburg). 


Ascher, Der Einfluss der Choleradosis auf die Immunisirung. Cen- 
tralbl. f. Bakteriol. Bd. 29. No. 4. S. 125. 

Nachdem Versuche der Deutschen Pestkommission ergeben hatten, dass 
zur Erzielung eines bestimmten Immunitätsgrades bei Ratten und Affen 
eine bestimmte Dosis Pestkultur nothwendig war, stellte sich der Verf., 
einer Anregung Prof. Pfeiffer’s folgend, die Aufgabe, festzustellen, inwieweit 
sich ähnliche Verhältnisse für den Choleravibrio nachweisen liessen. 

Von einer 24stündigen Choleraagarkultur, von der 1/1ọ Oese genügte, um 
Meerschweinchen von 200 g in ca. 20 Stunden zu tödten, wurden nach Ab- 
tödtung bei 60° im Trockenschrank Mengen von !/,, bis zu 75 Oesen = 5Agar- 
röhren möglichst gleich schweren, jungen Kaninchen subkutan injieirt. Die 
Prüfung des von den einzelnen Thieren erhaltenen Serums auf seinen Immu- 
nitätsgrad nach der Pfeiffer’schen Methode ergab nun, dass schon bei so 
geringen Choleradosen, wie 1/1 und !/, Oese das Serum gegenüber normalem 
eine deutliche, wenn auch schwache specifische Wirkung erkennen liess (Titer: 
100,0 mg gegenüber 300,0 mg)!). Wesentlich höhere Schutzkraft (Titer: 5,0 
bis 3,0 mg) wurde bei Dosen zwischen 1 und 7,5 Oesen = !/, Agarröhrchen 
erzielt, und ein weiterer Sprung in der immunisirenden Wirkung wurde bei 
Dosen von 1—5 Agarröhrchen konstatirt (Titer: 0,5—< 1,5 mg). Doch schien 

1) Der Titer giebt diejenige Menge (in mg) des betreffenden Serums an, die 
gleichzeitig mit einer Aufschwemmung einer Oese virulenter Cholerakultur in 1 ccm 
Bouillon in die Bauchhöhle eines gesunden Meerschweinchens injieirt werden musste, 
wenn das Thier am Leben bleiben sollte. ‚le niedriger also der Titer, um so wirksamer 
"das Serum. 


1212 Immunität. Schutzimpfung. 


das Maximum der Wirkung (Titer: 0,5) bei Injektion von 3 Agarröhrchen 
erreicht zu sein, da der Titer des Serums des mit 5 Agarröhrchen vorbehan- 
delten Tbieres wieder etwas anstieg. 

Der Verf. weist darauf hin, dass man aus dem Ergebniss einer gewissen 
Proportionalität zwischen Virusdosen und dem erreichten Immunitätsgrad keinen 
Schluss zu Gunsten der Buchner’schen Theorie, wonach die Schutzstoffe des 
Serums immunisirter Thiere „entgiftete“ Bakterienmassen seien, ziehen dürfe. 
Kolle hatte nämlich beim Menschen mit einer einzigen Oese abgetödteter 
Cholerakultur einen über 33mal so hohen Immunitätsgrad erzielt, als der Verf. 
unter denselben Bedingungen bei dem um so vieles kleineren Kaninchen (Titer: 
0,00015 g bezw. 0,005 g). Ebenso konnte die Pestkommission beim Affen mit 
der Hälfte der für die Ratte nöthigen Virusmenge denselben Immunitätsgrad 
erzielen. Die Immunität sei demnach als der Effekt eines bestimmten Reizes 
auf den nach Rasse und auch Individuum verschieden reagirenden 
Organismus aufzufassen. Zwischen injieirter Virusmenge und Agglu- 
tinationskraft oder zwischen letzterer und Schutzkraft liess sich kein be- 
stimmtes Verhältniss nachweisen. L. Lange (Posen). 


Sclavo A., Neue experimentelle Untersuchungen über die Heilkir- 
kung des Milzbrandserums. Berl. klin. Wochenschr. 1901. No. 18 u. 
19. S. 481 ff. x 

Die früheren Versuche, welche Sclavo über die Heilwirkung des 
Milzbrandserums angestellt hatte, ergaben, dass 3 Hammel, denen er 
10-20-50 ccm Milzbrandserum in die Venen injicirt hatte, am Leben blieben; 
2 Hammel, welche subkutan mit 20 resp. 50 ccm Serum behnndelt waren, 
überwanden ebenfalls die Krankheit, dagegen starb ein mit 10 ccm Serum 
subkutan geimpftes Thier. Es zeigte also das in die Venen injieirte Serum 
eine grössere Wirksamkeit, eine Beobachtung, die auch Sobernheim ge 
macht hatte. ý 

Die neueren Versuche des Verf.’s gingen nun dahin, festzustellen, bis zu 
welchem Augenblick nach Einimpfung des Milzbrandes das Milzbrandserum 
sich als wirksam erweisen würde, um die Thiere vom Tode zu retten. 

Er verwandte zur Injektion hochvirulente, 48 Stunden alte Milzbrand: 
kulturen und injieirte jedem Schaf 1 ccm einer Emulsion, die etwa 1/, ccm 
Agarkultur entsprach. 

10 Thiere erhielten neben der Milzbrandinjektion Serum. 4 Thiere dienten 
als Kontrolobjekte.e Milzbrand bekamen alle 14 Thiere zu gleicher Zeit 
subkutan beigebracht, das Serum erhielten sie dagegen intravenös in folgender 
Anordnung: Von der 12. Stunde ab bis zur 80. wurde von 4 Paaren alle 
6 Stunden einem Paar Serum injieirt und zwar einem Schaf von jedem Paare 
nur 10 ccm, einem anderen vom ersten Paare nach 12 Stunden 20 ccm, 
vom zweiten Tage nach 18 Stunden 30 ccm, vom dritten Paare nach 24 Stunden 
40 ccm und vom vierten Tage nach 30 Stunden 50 ccm. Länger wurde nicht 
mit Seruminjektionen gewartet, weil bereits 2 Kontrolthiere unterdessen ge- 
storben waren. 

Die günstige Wirkung des Serums konnte besonders bei 2 Thieren gut’ 


Immunität. Schutzimpfung. 1213 


beobachtet werden. Sie überwanden die Infektion, trotzdem sie erst 24 Stunden 
nachher, das eine Thier mit 10 ccm, das andere mit 10 ccm Serum geimpft 
worden waren. 

Selbst als ein Schaf noch in der 80. Stunde, zu einer Zeit, wo schon 
2 Kontrolthiere gestorben waren, geimpft wurde, konnte mit 10 ccm der Tod 
um 31 Stunden hinausgeschoben werden. 

Merkwürdig ist, dass durch Dosen von 20, 30, 40 cem nicht mehr Vor- 
theile erzielt wurden als durch 10 ccm, eine Thatsache, die auch aus den 
Arbeiten Marchoux’s hervorgeht. 

Die Temperatur der Kontrolthiere ging nie über 41,8% hinaus, während 
7 von 10 mit Serum behandelten Schafen eine höhere Temperatur aufwiesen. 
Es soll nach Sclavo die hervorgerufene grössere Fieberhitze die grössere 
Anstrengung erkennen lassen, die der Organismus macht, um die Krankheit 
zu überwinden. 

Verf. hofft, dass durch diese Experimente auch für die Immunisirung der 
Menschen etwas gewonnen sei, indem sich durch rechtzeitige Anwendung von 
Milzbrandserum die Sterblichkeit sicher herabmindern lasse. 

R. O. Neumann (Kiel). 


Blumberg M., Beobachtungen bei der Behandlung von Puerperal- 
fiebererkrankungen mit Marmorek’schem Antistreptokokken- 
serum. Berliner klin. Wochenschr. 1901. No. 5 u. 6. S. 132 ff. 

B. berichtet über den Verlauf von 12 Puerperalfiebererkrankun- 
gen, die unter Verzicht auf gleichzeitige andere therapeutische Maassnahmen 
ausschliesslich mit dem 1895 von Marmorek empfohlenen Serum behandelt 
worden waren. Besonderer Werth wurde auf die bakteriologische Prüfung des 
dem Uterus nach Doederlein’s Verfahren entnommenen Lochialsekretes ge- 
legt und ermittelt, dass in 1 Falle nur anaërobe gasbildende Diplokokken, in 
4 Fällen eine Mischinfektion mit theils adroben, theils ana&roben Streptokokken 
vorlag, während zweimal das Sekret sich steril erwies und nur in 2 Fällen 
Streptokokken in Reinkultur enthielt. 

Nur bei einer von den vier Wöchnerinnen, bei denen Mischinfektion fest- 
gestellt wurde, war die Serumeinspritzung anscheinend von Erfolg begleitet. 
Bei einer der beiden Patientinnen mit reiner Streptokokkeninfektion liess es 
sich nicht klarstellen, ob vielleicht der günstige Ausgang als Wirkung des 
Serums anzusehen sei, während bei der anderen diese Annahme als berechtigt 
gelten durfte. 

B. gelangt auf Grund seiner Erfahrungen zu dem in vorsichtige Form 
gekleideten Schluss, dass „die Beobachtungen an den mitgetheilten 
Fällen es immerhin als möglich erscheinen lassen, dass das Mar- 
morek’sche Serum bei Streptokokken-Erkrankungen der Wöchne- 
rinnen einen günstigen Einfluss habe“, und steht somit dem Mar- 
morek’schen Serum etwas wohlwollender gegenüber als Scharfe, der schon 
vor einiger Zeit zu dem Resultat kam, dass das Antistreptokokkenserum keinen 
nachweisbaren Einfluss auf den Verlauf bei puerperalen Infektionen besitze. 

B. schildert dann noch etwas ausführlicher die Nebenwirkungen, welche 


1214 Immunität. Schutzimpfung. 


nach der Seruminjektion beobachtet werden, und bezeichnet dieselben als zum 
Theil belanglos, zum Theil vermeidbar. Namentlich ausgedehntere 
lokale Exantheme sind zu verbüten, wenn bei der Injektion streng darauf 
Acht gegeben wird, dass das Serum nur im subkutanen Bindegewebe vertheilt, 
das eigentliche Hautgewebe dagegen sorgsam verschont wird. Die Erschei- 
nungen des oft unvermeidbaren universellen Exanthems pflegen schon nach 
24 Stunden, ohne Beschwerden verursacht zu haben, zu verschwinden. 
Schumacher (Strassburg i. E.). 


Beck M. und Rabinowitsch L., Weitere Untersuchungen über den Werth 
der Arloing-Courmont’schen Serumreaktion bei Tuberkulose, 
speciell bei Rindertuberkulose. Aus dem Institut für Infektionskrank- 
heiten in Berlin. Deutsche med. Wochenschr. 1901. No. 10. S. 145. 

Arloing und Courmont hatten in ihrer Entgegnung (vergl. diese Zeit- 
schrift. 1901. S. 851) auf die Arbeit von Beck und Rabinowitsch 
auf die günstigen Resultate der Serumreaktion bei tuberkulösen 

Rindern hingewiesen. B. und R. prüften daher von Neuem das Blut- 

serum von frisch geschlachteten Rindern auf seine agglutinirende Fähig- 

keit, wobei das Vorhandensein nder das Fehlen der Tuberkulose durch die 

Autopsie festgestellt wurde. Unter 19 vollständig gesunden Thieren fiel 

die Reaktion nur in einem Falle negativ aus, bei den übrigen 18 Thieren 

war Agglutination bei 1:5 — 1:40 deutlich zu erkennen. In 2 Proben von 

Thieren mit eben makroskopisch wahrnehmbarer Tuberkulose war einmal das 

Verbältniss 1:5, in der anderen 1:20 zu konstatiren. Unter 15 Fällen von 

eben beginnender Tuberkulose war 3mal die Reaktion negativ, 3mal bei 1:5 

unsicher. Die tuberkulösen Veränderungen waren bei diesen Fällen derartig, 

dass sie klinisch nur schwer hätten erkannt werden können; hier wäre also 
die Serumreaktion von besonderer Bedeutung gewesen. Auch die Fälle mitt- 
leren Grades und von vorgeschrittener Tuberkulose gaben kein einheitliches 

Bild, theils negative, theils positive Reaktion. Die Verff. können daber auch 

nach den bei der Rindertuberkulose gewonnenen Resultaten der Serunreaktion 

keine specifische Bedeutung für die Tuberkulose beimessen. 
Dieudonne (Würzburg). 


Romberg E., Zur Serumdiagnose der Tuberkulose. Aus der medici- 
nischen Universitätsklinik in Marburg. Deutsche med. Wochenschr. 1901. 
No. 18 u. 19. S. 273 ff. 

Während Arloing und Courmont nach ihren Erfahrungen in der Serum- 
diagnose ein vorzügliches Mittel zur Erkennung der Tuberkulose, sogar 
von latenten kleinen Erkrankungsherden saben, kamen eine Reihe anderer, 
insbesondere deutscher Forscher zu völlig entgegengesetzten Anschauungen über 
den Werth der Agglutinationsprobe. Diese widersprechenden Urtheile dürften 
nach der Ansicht von R. wohl vor allem in Verschiedenheiten der Beschaffen- 
beit der zur Agglutination verwendeten homogenen Tuberkelbacillenkulturen 
zu suchen sein. Die Schwierigkeit, ein geeignetes, völlig gleichmässiges Test- 
objekt zu bekommen, ist gross, die Beschaffung eines in grösseren Mengen 


Immunität. Schutzimpfung. 1215 


gleichmässig herstellbaren und längere Zeit haltbaren Materials wäre daher 
von der grössten Wichtigkeit. v. Behring hat dieses Material in abgetödteten 
Kulturen gefunden, welche zunächst zerkleinert und dann in alkalischem Wasser 
emulsionirt waren. Wie v. Behring fand, agglutinirt das Serum mancher 
tuberkulöser Thiere die emulsionirten abgetödteten Tuberkelbacillen ebenso 
wie die lebenden. Die milchige Emulsion klärt sich, sie wird bei vollstän- 
diger Agglutination wasserklar und am Boden des Reagensglases setzt sich 
ein die körperlichen Bestandtheile enthaltender Niederschlag ab. Wie Verf. 
fand, können diese Emulsionen auch durch Blutserum tuberkulöser Menschen 
agglutinirt werden. Das aus dem placentaren Theil der Nabelschnur ent- 
nommene Blut von Neugeborenen, die mit denkbar grösster Wahrscheinlichkeit 
frei von Tuberkulose sind, agglutinirte niemals. Von 43 Kranken mit klinisch 
nachweisbarer Tuberkulose war bei 35 (81,4 pCt.) die Reaktion positiv, bei 8 
(18,6 pCt.) negativ. Letztere waren theils sehr schwer auftretende Phthisen, 
theils nach dem klinischen Befunde wahrscheinlich inaktiv gewordene aus- 
geheilte Tuberkulose. Von 39 Erwachsenen, die bei genauer Untersuchung 
keine tuberkulösen oder der Tuberkulose verdächtigen Veränderungen erkennen 
liessen, zeigten 17 (43,6 pCt.) negatives, 22 (56,4 pCt.) positives Resultat. 
Nach R. ist es nicht unwahrscheinlich, dass der positive Ausfall der Agglu- 
tination bei scheinbar tuberkulosefreien Menschen die Gegenwart einer aktiven 
latenten Tuberkulose anzeigt und der negative auch durch Inaktivwerden einer 
latenten Tuberkulose verursacht sein kann. Die Serumreaktion ist demnach 
kein Hilfsmittel für die sog. Frühdiagnose bereits manifester Tuberkulösen, da- 
gegen körnte der positive Ausfall der Reaktion ein Beweis für die Gegenwart 
eines fortschreitenden oder wenigstens noch nicht inaktiv gewordenen tuber- 
kulösen Processes im Körper sein, während der negative Ausfall der Reaktion 
ausser durch thatsächliches Freisein von Tuberkulose auch durch Ausheilung 
bezw. Inaktivwerden tuberkulöser Veränderungen und weiter auch durch sehr 
schweres Auftreten und rasches Fortschreiten der Krankheit herbeigeführt sein 
könnte. Verf. stellt weitere Untersuchungen darüber in Aussicht. 
Dieudonne (Würzburg). 


Dieudonné A., Beiträge zum biologischen Nachweis von Menschen- 
blut. Münch. med. Wochenschr. 1900. No. 14. S. 533. 

Spritzt man wiederholt einem Kaninchen subkutan oder intraperitoneal 
defibrinirtes Menschenblut oder zellfreies menschliches Blutserum 
ein, so erhält man ein Serum, welches in einer Menschenblutlösung einen 
starken wolkigen Niederschlag hervorbringt. Die im Serum vorbandenen 
Koaguline sind nach den Untersuchungen von Uhlenhuth, Wassermann 
und Schütze, sowie Stern specifischer Natur. Es tritt der Niederschlag nur 
bei Menschenblut auf (in vermindertem Maassstabe allerdings auch im Affen- 
blut). Mit Hilfe des Serums gelingt es auch, viele Wochen lang eingetrock- 
netes Menschenblut von anderen Blutarten unterscheiden. 

Dieudonne hat nun diese Versuche mit menschlichem Serum wiederholt 
und gleichzeitig auch auf eiweisshaltigen Harn und Pleuraexsudat 
ausgedehnt. 


1216 Immunität. Schutzimpfung. 


Die Injektionen wurden bei Kaninchen stets subkutan gemacht und zwar 
in Einzeldosen von 10 ccm und in Intervallen von 3—4 Tagen. Einige Tage 
nach der letzten Injektion wurden die Thiere entblutet und das Blut im Eis- 
schrank absitzen gelassen. Die zur Prüfung benutzten Blutlösungen von 
Menschen-, Kaninchen-, Meerschweinchen-, Tauben- und Gänseblut 
wurden nach der Verdünnung 1: 100 filtrirt und 2 ccm davon mit der gleichen 
Menge doppelt physiologischer Kochsalzlösung versetzt. Hierzu gab Verf. 
6 Tropfen des Serums und brachte die Röhrchen in den Brütschrank. 

Das Serum der mit Menschenblutserum vorbehandelten Kaninchen 
gab mit einer Lösung von Menschenblut in wenigen Minuten einen deut- 
lichen flockigen Niederschlag, der allmählich immer intensiver wurde. Das 
Serum der mit eiweisshaltigem Harn vorbebandelten Kaninchen gab in 
menschlichem Eiweissharn eine deutliche Fällung. Das Serum der mit 
Pleuraexsudat behandelten Kaninchen gab ebenfalls einen deutlichen Nieder- 
schlag. 

Bei den Kontrolversuchen konnte mit normalem Kaninchenserum 
weder im Blut noch im Harn, noch im Pleuraexsudat ein Niederschlag hervor- 
gebracht werden. 

Interessant sind aber die wechselseitigen Wirkungen der drei ver- 
schiedenen Immunsera. 

Das Kaninchenserum, welches durch Injektion von Menschenblut gewonnen 
war, gab nicht nur mit Menschenblut, sondern auch eiweisshaltigem 
Harn und mit Pleuraexsudat einen deutlichen Niederschlag. Allerdings 
waren die Niederschläge bei den letzten beiden Flüssigkeiten nicht so in- 
tensiv wie beim Blut. Ebenso verhält es sich mit den Sera aus Harn und 
Pleuraexsudat. Mit dem Blut von Thieren gelang diese Reaktion aber 
niemals. 

Mertens, der unabhängig von Dieudonne mit Blut und eiweisshaltigem 
Harn zu denselben Resultaten gekommen ist, glaubt, dass dadurch der Beweis 
geliefert sei, dass das Eiweiss im Nephritisharn thatsächlich aus dem Blut 
stammt. R. O. Neumann (Kiel). 


Mertens V. E., Ein biologischer Beweis für die Herkunft des Al- 
bumen im Nephritisharn aus dem Blute. Deutsche med. Wochenschr. 
1901. No. 11. S. 161. 

Wie Uhlenhuth, sowie Wassermann und Schütze (vergl. diese Zeit- 
schr. 1901. S. 857) zeigten, giebt das Serum mit menschlichem Blutseram 
vorbebandelter Kaninchen in Lösungen von Menschenblut einen Niederschlag. 
Verf. ging nun von dem Gedanken aus, dass, wenn das bei der Nephritis 
im Harn erscheinende Eiweiss wirklich, wie angenommen wird, dem Blute ent- 
stammt, ein solches Immunserum in Lösungen von Menschenblut wie im Biweiss- 
harn wechselseitig Niederschläge erzeugen müsse. In der That gab ein von Kanin- 
chen durch Vorbehandlung mit Menschenblutserum gewonnenes Serum sowohl 
in Menschenblut wie in wenschlichem Eiweissharn einen deutlichen Niederschlag, 
dagegen nicht in thierischem Blut und Eiweissharn. Das Serum eines Kanin- 
chens, das mit menschlichem eiweisshaltigen Harn vorbehandelt war, gab so- 


Immunität. Schutzimpfung. 1217 


wohl mit menschlichem Eiweissharn wie mit Menschenblut eine Fällung. 
Demnach stammt das Eiweiss im Nephritisharn thatsächlich aus dem Blute. 
Uebrigens kommt auch dem Serum des Jungen einer immunisirten Mutter die 
Fähigkeit zu, einen solchen Niederschlag zu erzeugen. 

Dieudonne (Würzburg). 


Zuelzer G., Zur Frage der biologischen Reaktion auf Eiweiss in 
Harn und Blut. Deutsche med. Wochenschr. 1901. No. 14. S. 219. 

lm Anschluss an die Veröffentlichung von Mertens (siehe vorstehendes 
Referat) theilt Verf. mit, dass er übereinstimmend mit den Befunden von M. 
durch subkutane Injektion von Eiweissharn bei Kaninchen ein Serum erhielt, 
das mit menschlichem Eiweissharn und Menschenblutlösung eine Fällung 
giebt. Damit ist bewiesen, dass wenigstens eine im Blut und Harn vor- 
kommende Riweissart dieselbe ist. Dieudonné (Würzburg). 


Bordet, Jules, et Gengou, Octave, Recherches sur la coagulation du 
sang et les serums anticoagulants. Travail du laboratoire de M. 
Metchnikoff. Ann. de !’Inst. Pasteur. 1901. No. 3. p. 129. 

In vorliegender Arbeit untersuchen Verff. das Fibrinferment verschie- 
dener Thierarten und die Möglichkeit, Sera herzustellen, welche die nor- 
male Gerinnung des Blutes verhindern. Als Ausgangsmaterial diente 
nicht nur Blutserum, sondern auch Blutplasma. Das Blutplasma durfte nur 
langsam oder gar nicht gerinnen: es wurde von Gänse- und von Kaninchen- 
blut gewonnen. Das Plasma von Gänseblut ist fast frei von Fibrinferment, 
bleibt lange flüssig ohne besondere Vorsichtsmaassregeln, enthält aber viel 
fibrinogene Substanzen nnd gerinnt daher rasch pach Zusatz von nicht erhitz- 
tem Blutserum von Säugethieren. Das Blutplasma von Kaninchen enthält viel 
Fibrinferment und gerinnt gewöhnlich leicht. Um diese Gerinnung zu verhin- 
dern, wurde das Blut in Röhrchen aufgefangen, deren Innenwandungen mit 
einer Paraffinschicht versehen sind. Das in der angegebenen Weise aufge- 
fangene Blut gerinnt sehr langsam, es kann centrifugirt werden, und das Plasma 
wird wiederum in einem paraffinirten Gefäss aufbewahrt. Das Kaninchen- 
plasma enthält sowohl fibrinogene Substanz als Fibrinferment; wird dasselbe 
in ein reines Glas statt in ein mit Paraffin versehenes gebracht, so erfolgt die 
Gerinnung rasch, auch wenn das Plasma ganz frei von Zellen ist. Dieses so 
verschiedene Verhalten eines und desselben Blutplasmas je nach dem Körper, 
mit welchem es in Berührung kommt, spricht nach Verff. für die Annahme, 
dass ein rein physikalischer Vorgang bei der Gerinnung eine Haupt- 
rolle spielt. Meerschweinchen, welche wiederholt mit Blutserum oder mit 
Blutplasma von Kaninchen injicirt werden, liefern 12 Tage nach der letzten 
Impfung ein Serum, welches die Gerinnung des Kaninchenblutes verhindert; 
diese antikoagulirende Wirkung rührt zum grossen Theil von der Neu- 
tralisirung des Fibrinferments her. Aehnliches wurde mit dem Blut- 
serum von Kaninchen, welche mit Meerschweinchenblut behandelt wurden, 
beobachtet. Diese Wirkung ist deutlich, wenn auch nicht absolut specifisch; 
daraus ziehen Verff. den Schluss, dass die Fibrinfermente der verschie- 


1218 Immunität. Schutzimpfung. 


denen Thierarten sehr ähnlich, aber nicht vollkommen identisch sind. 
Dasselbe hat Bordet schon für die Alexine nachgewiesen. 
Silberschmidt (Zürich) 


Netedieft, Nicolas, Serum nephrotoxique. Travail du laboratoire de 
M. Metschnikoff. Ann. de I’Inst. Pasteur. 1901. No. 1. p. 17. 

Verf. hat einigen Kaninchen 2—5 ccm einer Aufschwemmung von 1 bis 
2 frischen Meerschweinchennieren und umgekehrt Meerschweinchen eine Auf- 
schwemmung von je 1/, Kaninchenniere subkutan injieirt. Die Aufschwemmung 
wurde in einem besonders konstruirten, in der Arbeit abgebildeten Apparat 
hergestellt und zwar mit physiologischer Kochsalzlösung. Die Thiere wurden 
im Ganzen 3mal in Zwischenräumen von 8—10 Tagen behandelt, und etwa 
8—10 Tage nach der dritten Injektion entnahm Verf. das Blut aus der Carotis. 

Das Blutserum von Kaninchen, welche Niereu-Aufschwemmung 
von Meerschweinchen erhalten hatten, erwiessich als sehr toxisch 
für Meerschweinchen: eine Menge von 10 ccm dieses Serums pro kg Körper- 
gewicht war tödtlich. Neben der Allgemeinwirkung war noch eine allerdings 
geringe direkte Schädigung der Nieren nachweisbar. Die pathologisch- 
anatomischen Veränderungen der Nieren und die Menge Eiweiss im Harme 
waren proportional der Menge Aufschwemmung, welche das serumliefernde 
Kaninchen erhalten hatte. Das Blutserum von mit Kaninchennieren 
vorbehandelten Meerschweinchen erwies sich als wenig wirksam 
für Kaninchen. Das Serum von gesunden, nicht vorbehandelten Kaninchen 
war vollkommen unschädlich; ebenso das Blutserum von Thieren,” welche 
31/, Monate zuvor die Nieren-Aufschwemmung injicirt erhalten hatten. Das 
nephrotoxische Serum ist auch hämolytisch, allerdings nur in ge 
ringem Grade; ein rein hämolytisches Serum erwies sich hingegen als nicht 
nephrotoxisch. 

Das Blutserum von Kaninchen, denen ein Ureter unterbunden 
worden war, wurde ebenfalls nephrotoxisch: das Serum war 6 Wochen 
nach der Unterbiudung wirksamer als nach 3 Wochen. Es wird nicht nur 
die Niere auf der unterbundenen Seite verändert; nach einiger Zeit zeigt die 
andere Niere ebenfalls Veränderungen. Die histologischen Veränderungen der 
Niere werden auf 2 Tafeln mit 4 farbigen Abbildungen veranschaulicht. 

Silberschmidt (Zürich). 


Schütze, Albert, Ueber ein biologisches Verfahren zur Differenzirung 
der Eiweissstoffe verschiedener Milcharten. Aus dem Institut für 
Infektionskrankheiten zu Berlin. Zeitschr. f. Hyg. u. Infektionskrankh. 
Bd. 36. S. 5. 

Nach dem Vorgang Bordet’scher Versuche (vergl. diese Zeitschr. 1%U. 

S. 350) hat Verf. mit Wassermann zusammen einer Anzahl von Kaninchen 

wiederholt 10—20 ccm theils Frauenmilch, theils Kuhmilch, theils Ziegen- 

milch unter die Haut gespritzt und dabei bewirkt, dass das Blutserum dieser 

Kaninchen die Eigenschaft erhielt, die Eiweisskörper der Milch der 

entsprechenden Thierart — aber nur dieser und keiner anderen — 


Immunität. Schutzimpfung. Abfallstoffe. 1219 


auszufällen und zur Gerinnung zu bringen. Wurde die Milch eine halbe 
Stunde lang gekocht, so ging diese „Reaktion auf das Laktoserum“ verloren. 
Man ist auf diese Weise im Stande, schnell, sicher und viel be- 
quemer, als es bisher auf chemischem Wege möglich war, die Herkunft 
einer gegebenen Milch zu bestimmen. Zugleich ist damit ein neuer Beweis 
geliefert, dass die Eiweissmoleküle der Milch der einzelnen Thierarten von 
einander verschieden sind und dass sie beim Kochen wesentliche Verände- 
rungen erfahren. - Globig (Kiel). 


Camus L., Action anticoagulante des injections intraveneuses de 
lait d’une espèce animale sur le sang des animaux de même 
espèce. Compt. rend. des séances de l’acad. des sc. Paris 1900. T. 131. 
No. 27. p. 1309. 

Verf. hatte schon früher festgestellt, dass durch intravenöse Injektion 
frischer abgerahmter Kuhmilch beim Hunde eine Ungerinnbarkeit 
des Blutes sich entwickelt, und zwar in Folge irgend einer Reaktion des 
Körpers, da eine Beimischung der Milch zu entleertem Blut die Gerinnung 
eher beschleunigt. Die Erzeugung der Ungerinnbarkeit ist nicht, wie man 
glauben könnte, eine Folge des Gehaltes der Milch an Lysinen, denn die 
Injektion gekochter Milch hat die Wirkung ebenfalls, die Lysine aber werden 
schon bei etwa 55° zerstört. Delezenne hatte nun ferner die gerinnung- 
aufhebende Wirkung der intravenösen Injektion ven Kuhmilch beim Hunde 
darauf zurückführen wollen, dass die Milch von einer anderen Thierart 
herstamme, und hat angegeben, dass Injektion von Hundemilch bei einem 
Hunde diese Wirkung nicht habe. Dementgegen hat Verf. auch bei In- 
jektion von Hundemilch die Wirkung eintreten sehen, in gleicher 
Häufigkeit wie bei Anwendung der Kuhmilch. Auch bei Injektion der letz- 
teren zeigen nicht alle Hunde die Ungerinnbarkeit des Blutes. Dass Dele- 
zenne nur negative Ergebnisse hatte, erklärt sich durch die geringe Zahl 
seiner Versuche. Die Wirkung der Milch stimmt überein mit derjenigen von 
Organextrakten. Nach Contejan’s Feststellung bewirken Organextrakte 
vom Hunde, einem anderen Hunde injieirt, Ungerinnbarkeit des Blutes. 

Hellwig (Halle a. S.). 


Roth O. und Bertschinger A., Ueber Fosses Mouras und ähnliche Ein- 
richtungen zur Beseitigung der Abfallstoffe. Korrespondenzbl. f. 
Schweizer Aerzte. 1900. No. 23. S. 729. 

Die Fosse Mouras, auch Fosse automatique genannt, ist eine der- 
jenigen Vorrichtungen, welche eine Reinigung der Schmutzstoffe bezwecken, 
sodass die Abwässer unbedenklich entweder direkt in kleinere Bachläufe ein- 
geleitet oder einer ursprünglich nicht für die Aufnahme von Abfallstoffen 
bestimmten Kanalisation einverleibt werden können. Da die Einführung der 
Fosses Mouras auch für Zürich in Frage kam, wo die direkte Einleitung der 
Fäkalstoffe in die städtische Kanalisation wenigstens nicht allgemein durch- 


1220 Abfallstoffe. 


geführt werden kann, haben es Verff. unternommen, die Leistungsfähigkeit 
dieser schon 1881 beschriebenen und in neuerer Zeit wieder vielerorts auf- 
tauchenden hermetisch verschlossenen Behälter genau zu prüfen. Die vorge- 
nommenen Untersuchungen und Erhebungen beziehen sich auf die Qualität der 
Abwässer und auf die Frage der Zulässigkeit ihrer Ableitung in Kanäle oder 
direkt in Gewässer. Es wurden theils wirkliche Original-Fosses Mouras unter- 
sucht, theils solche, die sich mehr dem Typus der Fosse automatique de Bor- 
deaux nähern und entweder aus einem durch Scheidewände getheilten Be- 
hälter oder aus zwei getreunten eisernen Cylindern bestehen. Neben diesen 
Kesseln von 0,3 bis 4 cbm Inhalt wurden vergleichsweise auch die in Zürich 
gebräuchlichen Abortkübel von 0,06 cbm Inhalt geprüft, welche auf Wasser- 
verschluss umgeändert worden waren. In Bezug auf die chemische Unter- 
suchung warnen Verff. davor, ein Urtheil auf Grund der chemischen Zusam- 
mensetzung allein abzugeben. In den sog. Revisionstöpfen oder in den Sink- 
kästen, welche in geringerer oder in grösserer Entfernung der Gruben ange- 
bracht waren, wurden wiederholt grössere Fäcesklumpen und Papierstücke 
gefunden. Die Beschaffenheit des Inhaltes der Gruben war ausseror- 
dentlich verschieden. Von ganz besonderem Einfluss ist die Grösse der 
Gruben und die Menge des Spülwassers; die Systeme mit 2—4 cbm 
Inbalt gaben durchschnittlich weniger stark verunreinigtes Abwasser als die 
kleineren Modelle. Von einer annähernd vollständigen Zerstörung der 
organischen Substanz ist unter keinen Bedingungen die Rede; immer 
geht ein Theil der Fäkalien chemisch unverändert ab. Die AbwässerLeschaffen- 
heit kann nur in grösseren Apparaten, in welchen die Schmutzstoffe längere 
Zeit verweilen, wesentlich beeinflusst werden. Die Bakterienthätigkeit spielt 
hierbei die Hauptrolle, obschon die Leistung dieser Bakterienthätigkeit nach 
Ansicht der Verff. gauz bedeutend überschätzt wird. Das zweimal unter- 
suchte Gas aus einer Fosse Mouras mit reichlicher Spülung erwies sich sozu- 
sagen als reine Luft: 20,8 bezw. 20,6 pCt. Sauerstoff, kein Ammoniak und 
kein Schwefelwasserstoff. Wesentliche Mengen von Nitriten und Nitraten 
werden nicht gebildet. Inficirte Stühle und Sputa dürfen unter keinen Um- 
ständen undesinfieirt in die Gruben gelangen. Die Frage, ob die Abwässer 
der Fosses Monras in ein städtisches Kanalnetz eingeleitet werden 
dürfen, wird dahin beantwortet, dass bei nicht zu weitmaschigem Sieb 
vor dem Auslaufrohr die Einleitung gestattet werden könne, ohne dass 
eine Verschlammung von engen Kanalstrecken zu befürchten sei; es sei aber 
in Erwägung zu ziehen, wohin das Kanalwasser geleitet wird. 

Sind die Kanäle einer Stadt derartig beschaffen, dass das Schwemmsystem 
allgemein durchgeführt werden kann, so ist die Installation von Fosses Mouras 
zwecklos und, falls eine direkte Einleitung in den betreffenden "Fluss nicht 
thunlich, eine centrale Kläranlage weit vorzuziehen. Für die Zürcher Verbält- 
nisse geben Verff. den Kübeln den Vorzug. — In Bezug auf die Zulässig- 
keit der direkten Einleitung in Gewässer lassen sich keine allgemein 
gültigen Regeln aufstellen, die lokalen Verhältnisse sind stets ausschlaggebend. 
Für die Wohnungshygiene kommt die Dichtheit der Fosses automatiques 
vor allem in Betracht. Die eisernen Behälter sind leichter dicht zu halten 


Hebammenwesen. 1221 


als die Cementgruben, nur müssen dieselben unbedingt frei aufgestellt werden, 
damit Uodichtheiten sofort bemerkt werden. Die Fosses Mouras müssen zu- 
gänglich sein und benöthigen einen eigenen Raum, wie die Abortkübel. Stö- 
rungen, welche eine Reinigung fordern, sind keineswegs selten. Inner- 
halb 8 Monaten nıussten in der Stadt Zürich 9 Kessel auf 68 in 27 Gebäuden 
befindlichen gereinigt werden. Die gar nicht selten vorkommende Verstopfung 
des Ablaufrohres ist der Hauptgrund, warum Verff. sich nie mit 
der allgemeinen Einführung derartiger Gruben in einer Stadt 
einverstanden erklären könnten. Verf. heben am Schlusse nochmals 
hervor, dass die Anwendbarkeit der Fosses automatiques ganz von den lokalen 
Bedingungen abhängt, und dass die Frage der Beseitigung der Schmutzstoffe 
durch die Erfindung Mouras’ keineswegs in allgemein gültiger Weise ge- 
löst ist. Silberschmidt (Zürich). 


Schenk, Der gegenwärtige Standpunkt in der Bekämpfung des 
Kindbettfiebers. Deutsche Vierteljahrsschr. f. öffentl. Gesundheitspfl. 
Bd. 23. S. 267. 

Die wichtigsten Punkte seiner Ausführungen fasst der Verf. in folgende 
Sätze zusammen: 

Die Bekämpfung des Kindbettfiebers ist in der Hauptsache vor- 
beugender Natur. Unter den Verhütungsmaassregeln steht in erster Linie die 
Beschränkung der inneren Untersuchungen und der geburtshülflichen Ope- 
rationen auf das dringendst Nothwendige. Bei jeder inneren Untersuchung 
und jedem sonstigen inneren Eingriff ist peinlichste Reinigung der Hände und 
der zur Benutzung gelangenden Instrumente sowie der äusseren Geschlechts- 
theile und ihrer Umgebung Vorbedinguug. Speciell bei der Händedesinfektion 
kommt es weniger auf die Art des Desinficiens als auf die Gründlichkeit der 
Säuberung an. 

Die Hebammen müssen in die Lage gesetzt werden, das Wesen der Des- 
infektion dermaassen zu beherrschen, dass eine zeitweilige Suspension von der 
Praxis überflüssig wird. Um dieses Ziel zu erreichen, ist es nöthig, dass an 
die Ausbildung und Fortbildung der Hebammen höhere Ansprüche gestellt 
werden, sowie dass den Hebammen überall ein ausreichendes Mindesteinkommen 
sichergestellt und die Sorge für Alter und Invalidität abgenommen wird. Da- 
gegen erscheint eine bessere Vorbildung der dem Hebammenberuf sich wid- 
menden Frauen nicht nothwendig. Wir brauchen neben den Hebammen eine 
grössere Zahl von Krankenpflegerinnen, welche für das Wochenbett besonders 
geschult sein müssen, damit die Hebammen in jedem Falle von der Pflege 
kranker Wöchnerinnen befreit werden können. 

Bei Einhaltung aller Verhütungsmaassregeln muss die ausserhalb der An- 
stalten gegenwärtig noch sehr hohe Sterblichkeit an Kindbettfieber auf min- 
destens die Hälfte der gegenwärtigen Höhe sinken. In einzelnen kulturell 
tief stehenden Landestheilen, speciell in den östlichen Provinzen Preussens 
wird sich eine Besserung nur durch tiefgreifende sociale und hygienische Re- 
formen erzielen lassen. — 


1222 Desinfektion. 


Nicht allgemeine Zustimmung wird der Satz finden, dass eine bessere Vor- 
bildung der dem Hebammenberuf sich widmenden Frauen allgemein nicht noth- 
wendig sei; erstrebenswerth bleibt sie unter allen Umständen, wenn sie auch bei 
dergegenwärtigen socialen und wirthschaftlichen Lage kaum erreichbar erscheint. 
Das Wichtigste bleibt die Erziehung zur Reinlichkeit, die in den östlichen, mit 
polnisch-kassubischen Elementen stark durchsetzten Bezirken besonders zu 
wünschen übrig lässt, demnächst die Fortbildung der Hebammen in regel- 
mässigen Wiederholungskursen, wie solche bisher noch immer nicht in allen 
Provinzen eingerichtet sind, die Bereitstellung von Wochenpflegerinnen, auf 
deren Heranziebung nicht blos bei Erkrankungen der Wöchnerinnen, sondern 
auch aus wirthschaftlichen Rücksichten mehr wie bisher Bedacht zu nehmen 
ist, und vor Allem die Hebung der wirthschaftlichen Lage der Hebammen, 
insbesondere durch Sorge für Alter und Invalidität. Roth (Potsdam). 


Braatz E., Zur Dampfdesinfektion in der Chirurgie. Münch. med. 
Wochenschr. 1901. No. 2. S. 55. 

Während heutzutage der Frage der Händedesinfektion von allen Seiten 
ein ausserordentliches Interesse entgegengebracht wird, hat man sich gewöhnt, 
hinsichtlich der Verbandstoffe weniger skrupelhaft zu verfahren und die Steri- 
lität derselben als eigentlich selbstverständlich vorauszusetzen, sobald nur die 
Zeitdauer des Verweilens im strömenden Dampf den herkömmlichen Vor- 
schriften entspricht. Braatz hat eine erneute sorgfältige Prüfung der Richtigkeit 
der in der Chirurgie zur Zeit maassgebenden Anschauungen über Dampf- 
desinfektion für erforderlich gehalten und selbst einschlägige Versuche 
angestellt. Er ermittelte dabei zunächst, dass die Beschaffenheit der Ver- 
bandstoffbehälter einen nicht zu unterschätzenden Einfluss auf den Sterili- 
sationseffekt ausübe. 

Im Innern der alten von Schimmelbusch angegebenen Trommel erreichte 
die Temperatur erst 29 Minuten, nachdem das Thermometer für den Innenraum 
des Sterilisators Siedetemperatur angezeigt hatte, die erwünschte Höhe von 
99°C. Günstiger lagen die Verhältnisse bei Verwendung eines vom Autor 
selbst konstruirten Verbandstoffeinsatzes, desseu feste Metallwände sowohl 
Verunreinigungen sicher fernhielten, als auch dem Eindringen des Dampfes 
keinerlei Widerstand darboten. Hier ertönte die Klingel des auf 990 C. ein- 
gestellten elektrischen Kontaktthermometers, welches ganz von Verbandstof 
umhüllt war, bereits nach 5 Minuten, nach Verbesserung des Behälters durch 
Einfügung eines einfachen lockeren Drahteinsatzes sogar schon nach !', bis 
1 Minute. 

Eine zweite bedeutsame Frage ist die, ob die Verbandstoffe für die Dampf- 
desinfektion zweckmässigerweise vorzuwärmen sind oder nicht. Während 
Schimmelbusch entschieden für eine Vorwärmung eintrat, ist Braatz von 
jeber ein ausgesprochener Gegner derselben gewesen. Eine wichtige will- 
kommene Stütze seiner früheren Ansicht bildeten die für die Theorie der 
Dampfdesinfektion grundlegenden neueren Untersuchungen Rubner's. 

Dieser Forscher hatte eine auf 880 C. vorgewärmte Wolle im 100grädigen 


Desinfektion. 1223 


Dampfe einen Wärmegrad von 1340 C. annehmen sehen, ein Ereigniss, welches 
bedenklich erscheinen muss, weil erwiesenermanssen in Wolle vertheilte Milz- 
brandsporen durch überhitzten Dampf von 124—126° innerhalb von 30 Minuten 
nicht geschädigt wurden, während ein 6 Minuten langer Aufenthalt im ge- 
sättigten Dampfe von 99,8°C. zu ihrer Abtödtung hinreichte. Da Rubner 
über das die Chirurgen am meisten interessirende Material, die Verbandgaze, 
keine Erfahrungen mittheilte, und da überhaupt aus der neuen Theorie noch nicht 
die unumgänglichen Konsequenzen für die Praxis gezogen worden waren, hielt 
Braatz eine Wiederholung und Erweiterung der früheren Versuche für geboten. 
Indem er sich einer einfachen sinnreichen Versuchsanordnung bediente, kam 
er zu Resultaten, die Rubner’s Behauptungen vollauf bestätigten. Auch er 
fand, dass das Vorwärmen der Verbandstoffe genügt, trotz der nur 100° be- 
tragenden Temperatur des strömenden Dampfes das Verbandmaterial auf 
einen weit höheren Wärmegrad zu bringen, wodurch dann nur ein un- 
sicherer und mangelhafter Erfolg erzielt wurde. Wenn nun auch, wie sich 
herausgestellt hat, nicht der gesammte Inhalt der Schimmelbusch’schen 
Trommel bei der Sterilisation im Lautenschlaeger’schen Apparat von 
der Vorwärmung betroffen wird, sondern diese sich nur auf die peripheren 
Schichten erstreckt, so ist doch der Umstand, dass die Sterilität eines Theiles 
in Zweifel zu ziehen ist, Grund genug, das gesammte nach dieser Methode 
zubereitete Material zu beanstanden. 

Die bisher allgemein für zulässig, ja sogar für vortheilhaft erachtete Vor- 
wärmung der Verbandmittel muss nunmehr nach der durch Rubner 
ertheilten Belehrung als falsch und verwerflich erscheinen, eine Erkennt- 
niss, welche voraussichtlich eine Aenderung der hergebrachten Desinfektions- 
methode in der Chirurgie herbeizuführen bestimmt ist. 

Schumacher (Strassburg i. E.). 


Paul ‚Th. und Sarwey 0., Experimentaluntersuchungen über Hände- 
desinfektion. VI. Abtheilung. Allgemeines über die Chemie der 
Queksilberverbindungen als Desinfektionsmittel und über die 
Prüfung der Händedesinfektionsmethoden, mit besonderer Be- 
rücksichtigung der modernen physikalisch-chemischen Theorien. 
Münch. med. Wochenschr. 1901. No. 12. S. 449. 

Die Untersuchungen über die entwickelungshemmende Wirkung, 
welche das Sublimat, das bisher am gründlichsten studirte Quecksilber- 
präparat, auf die Bakterien ausübt, haben im Allgemeinen ein einheit- 
liches Ergebniss geliefert und die grundlegenden Resultate Koch’s und 
Behring’s bestätigt. Hinsichtlich der bakterientödtenden Kraft dieses 
Mittels sind jedoch die Anschauungen mehrfachem Wechsel unterworfen 
gewesen. Koch’s ursprüngliche Annahme, dass eine Sublimatlösung von 
1 : 20000 alle Sporen in 10 Minuten abtödte, wurde durch Geppert modi- 
ficirt, welcher nachwies, dass die geringen auf den Nährboden mit übertragenen 
Spuren des Desinficiens das Wachsthum der noch lebensfähig gebliebenen 
Mikrobien hintanzuhalten und dadurch einen zu hohen Desinfektionswerth des 
Quecksilberchlorids vorzutäuschen vermöchten. Während Behring denselben 


1224 Desinfektion. 


in erster Linie vom Gehalt an löslichem Quecksilber abhängig glaubte, unbe- 
kümmert um die besondere Art des verwendeten Präparats, konnten Kroenig 
und Paul zeigen, dass die chemische Zusammensetzung und der Lösungszu- 
stand von hoher Bedeutung sei. Ein Zusatz von Rhodankalium, Jodkalium 
oder Cyankalium setzt die Wirkung der wässerigen Sublimatlösung herab, das 
Nämliche hat bei stärkeren Koncentrationen die Hinzufügung von Kochsalz 
oder Salzsäure zur Folge. Ob als Lösungsmittel Wasser oder 50- oder 
98 proc. Alkohol, ob Aceton oder Methylalkohol dazu diente, erwies sich von 
entscheidendem Einfluss auf die Höhe der bakterientödtenden Fähigkeit 
der gelösten Substanz. 

Verfährt man bei der Prüfung einer Desinfektionsmethode nach dem 
Geppert’schen Verfahren und fällt die an den desinficirten Seidenfäden 
baftenden Sublimatspuren durch Schwefelannmonium aus, so zeigt das end- 
giltige Resultat der bakteriologischen Untersuchung nur die Minimalleistung 
der Methode an, während umgekehrt bei Fortlassung des Fällungsmittels 
der maximale Erfolg festgestellt wird. 

Im Gegensatz zu Kroenig, welcher eine künstliche Infektion der 
Hand vor dem Versuch für zweckmässig hielt, aber in Uebereiostimmung 
mit Haegeler betonen die Verff., dass eine Desinfektinnsmethode dann unzu- 
länglich genannt werden muss, wenn man von der vorschriftsmässig desinfi- 
eirten Tagesband auch ohne Anwendung von Schwefelammonium und äbn- 
lichen Stoffen doch noch entwickelungsfähige Keime entnehmen kann. Auf 
der anderen Seite ist die Sterilisation der Haut als gelungen zu bezeichnen. 
wenn keine Kolonien auf den geimpften Näbrsubstraten mehr aufgehen. 

Ein Verfahren, welches zwar keine ideale Entkeimung der Haut, aber 
doch wenigstens bessere Resultate als die grosse Menge derselben liefert, muss 
so lange für praktische Zwecke als brauchbar gelten, als nicht vollkommenere 
und absolut verlässliche Methoden ersonnen und angegeben sind. 

Von hohem Werth für den Praktiker, wie insbesondere für den Chirurgen, 
ist es, darüber Aufschluss zu haben, bis zu welchem Grade den gebräuchlichen 
Mitteln zu trauen ist. Ahlfeld’s und Schleich’s Ansichten über die sichere 
Möglichkeit, mit der Heisswasser-Alkohol-Desinfektion oder mit der 
Marmorstaub-Seifenwaschung die Haut von allen Mikrobien zu befreien. 
verdienen entschiedene Zurückweisung. In prägnanter und bedeutsamer Weise 
gelangt die von zahlreichen maassgebenden Seiten getheilte Anschauung in 
dem von v. Mikulicz vertretenen Standpunkt zum Ausdruck, dass nämlich 
durch kleinere oder grössere, mitunter unvermeidliche Misserfolge ein unheim- 
liches Gefühl der Unsicherheit erzeugt und jedenfalls dargetban wird, 
dass die Methode selbst eben nicht absolut verlässlich ist. Das 
erstrebenswerthe Ziel soll und muss das ausnahmslose Keimfreibleibes 
der Operationswunden sein, damit sie nach vollkommenem Verschlass 
die gleiche Aussicht auf reaktionslose glückliche Heilung wie subkutane Ver- 
letzungen haben. Schumacher (Strassburg i.E.). 


Gewerbehygiene. 1225 


Moritz, Ueber Gesundheitsgefahr des Schleiferberufs und ihre Ver- 
hütung. Centralbl. f. allgem. Gesundheitspfl. 1900. Bd. 19. S. 283. 

Das Gesundheitsgefährliche im Berufe der Metallschleifer liegt weniger 
in den mancherlei Unglücksfällen, die den Schleifer durch Zerspringen der 
Schleifsteine u. s. w. treffen können, als in der Staubentwickelung bei der 
Ausübung des Gewerbes. Von 1848—1873 betrug nach den statistischen Er- 
hebungen des Landraths Melbeck die Sterblichkeit unter den über 20 Jahre 
alten Schleifern 25 pM., bei einer Sterblichkeit von 12,6 pM. unter der übrigen 
Bevölkerung über 20 Jahre. Der Staub ist die Hauptursache dieser erhöhten 
Sterblichkeit. Nach den Feststellungen von Dr. Köpke producirt ein Schleifer 
pro Tag 3070 g Stahlstaub und ausserdem noch sehr viel Steinstaub, in- 
dem ein Arbeiter einen Schleifstein von 30 Zoll Durchmesser und 4 Zoll Breite 
in 4 Wochen durchschnittlich auf die Hälfte seines Durchmessers redueirt. 
Der Staub dringt in die Lunge, die rechte Lunge wurde häufiger erkrankt 
gefunden als die linke. Namentlich das trockene Schleifen ist gefährlich; 
unter den trocken arbeitenden Schleifern wurden 13,7 pCt., unter den trocken 
und nass schleifenden 11,3 pCt. Lungenkranke gefunden. Die natürlichen 
Schutzmittel gegen die Lungenschädigung durch Staub sind die Selbstreinigung 
der Lungen durch den gebildeten und den ausgehusteten Schleim und die 
Filtertbätigkeit der gesunden Nase. Beide Schutzmittel versagen mit der Zeit, 
Einathmen frischer freier Luft, öftere kurze Pausen in der Arbeit lassen die 
Schutzmittel wieder in Thätigkeit treten. Um aber die Gesundheit der Nase 
und der Lungen bei den Schleifern auf die Dauer nicht schädigen zu lassen, 
muss dahin gewirkt werden, dass 1. die Entwickelung des Staubes verhindert, 
2. der entstehende Staub sofort am Orte seiner Entstehung beseitigt und so 
für den Schleifer unschädlich gemacht werde. Es muss daher, wenn es irgend 
möglich ist, nass geschliffen werden und der Staub durch Ventilations- 
einrichtungen abgesogen werden. Eine vortreffliche Polizeiverordnung betreffend 
die Einrichtung und den Betrieb der Schleifereien vom damaligen Regierungs- 
präsidenten, jetzigen Minister Freiherrn v. Rheinbaben, vom 30. Juni 1898, 
giebt die dem entsprechenden Bestimmungen. Ausserdem sind eine richtige 
Körperpflege, Abhärtung, solides Leben, vernünftige und gute Ernährung, ge- 
sunde Wohnungen und für die an Tuberkulose (der häufigsten Schleifer- 
krankheit) Erkrankten die Behandlung in Lungenheilstätten in erster Linie 
anzurathen. R. Blasius (Braunschweig). 


Hermanni F., Die Erkrankungen der in Chromatfabriken beschäf- 
tigten Arbeiter. Münch. med. Wochenschr. 1901. No. 14. S. 536. 

Verf. theilt die Resultate mit, die seine während 21/3 Jahren an 257 Ar- 
beitern in regelmässigen Abständen von 1—4 Wochen vorgenommenen Unter- 
suchungen ergeben haben. 

Bei der Chromatfabrikation kommen die Arbeiter durch Entstehen von 
Staub, Verspritzen von chromathaltigen Flüssigkeiten und bei der Entwickelung 
von Dämpfen mit dem Chromat in Berührung. 

Die Erkrankungen sind theils durch lokale Aetzwirkung, theils durch 
Resorption der Chromate veranlasst. 


1226 Gewerbehygiene. 


Von den lokalen Aetzwirkungen ist die wichtigste die Geschwürsbildung 
auf dem knorpeligen Theile der Nasenscheidewand mit daran anschliessender 
Perforation derselben. Dieselbe wurde an sämmtlichen Arbeitern beobachtet, 
die 1 Jahr im Betriebe thätig waren; schon nach einem Monat zeigten sie fast 
50 pCt., nach 3 Monaten 79 pCt., nach 6 Monaten 94 pCt. Perforirend war 
das Geschwür oft schon nach einem Monat, in der Mehrzahl der Fälle im 
6. Monat; doch kam es bei manchen Arbeitern überhaupt nicht zur Perforation. 
Sitz, Verlauf und Aetiologie werden genau beschrieben. Dass das Schnupfen 
von Tabak schützende Wirkung hat, kann Verf. nicht bestätigen. 

Von Erkrankungen der übrigen Schleimhäute “Mund, Rachen, Kehlkopf, 
Bindehaut) beobachtete Verf. nur Conjunctivitis. 

Hautgeschwüre wurden ebenfalls bei allen Arbeitern beobachtet; zu ihrer 
Entstehung ist eine Verletzung der Epidermis erforderlich. Die Geschwüre geben 
tief, die Heilungstendenz ist eine geringe. Oefters kam auch heftiges Ekzem vor. 

Von allgemeinen Giftwirkungen der Chromate wurden weder solche auf den 
Verdauungstraktus, noch auf den Respirationstraktus — auch keine Disposition 
zur Lungentuberkulose — noch eine Chromkachexie beobachtet. 

Dass die Resultate des Verf.’s wesentlich bessere sind als die anderer 
Autoren, führt Verf. auf die genaue Beobachtung der diesbezüglichen Vor- 
schriften zurück. Bezüglich der persönlichen Prophylaxe empfieblt er den 
von Klein angegebenen Respirator, ferner genaue Beobachtung auch der 
kleinsten Hautverletzung. Kisskalt (Giessen). 


Brat H., Ueber gewerbliche (Methämoglobin-) Vergiftungen und 
deren Behandlung mit Sauerstoffinhalationen. Deutsche med. 
Wochenschr. 1901. No. 19 u. 20. S. 296 ff. 

Verf. hatte eine Reihe von Jahren Gelegenheit, in einer Anilinfabrik Fälle 
von gewerblichen Intoxikationen zu beobachten. Das Krankheitsbild ist 
meist das, dass die leute schwindlig werden, über Kopfschmerzen klagen und 
einen taumelnden Gang zeigen; die Hautfarbe der Arbeiter des Reduktionsraums 
ist blaucyanotisch. Diese Aenderung der Hautfarbe ist eine Folge von 3 Fak- 
toren: der Cyanose, der Methämoglobinbildung und des bei den Nitrover- 
giftungen auftretenden stärkeren Ikterus. Die Frühdiagnose dieser Vergiftung 
lässt sich durch den Methämoglobinnachweis im Blut und dann durch den 
Nachweis die Polarisationsebene drehender Substanzen im Urin stellen; es 
tritt Linksdrehung von 1—2 pCt. auf. Durch diese Möglichkeit einer Früh- 
diagnose der Vergiftung ist natürlich auch eine frühere individuelle Prophy- 
laxe möglich. Eine erfolgreiche Behandlung lässt sich durch eine Kombination 
von künstlicher Athmung und Sauerstoffzuführung erzielen. 

Dieudonne (Würzburg). 


Die Krupp’schen Arbeiterkolonien. Centralbl. d. Bauverw. 1900. No. 95, 
96, 97 u. 98. S. 577, 585, 589, 598. 
Die Abhandlung giebt eine kurze Entwickelungsgeschichte der Krupp- 
schen Arbeiterkolonien, sowie eine Beschreibung und Wiedergabe ihrer 
reizvollsten Wohnhäuser und der sonst hervortretenden Gebäude. Während 


Gewerbehygiene. Verschiedenes. 1227 


bis gegen das Jahr 1890 die gesammten Anlagen des Krupp’schen Werkes 
nur im Sinne der Nützlichkeit mit geringstem Kostenaufwande errichtet sind, 
ist der jetzige Leiter des Krupp’schen Hochbauamtes, Baurath Schmohl, 
bestrebt, den Kolonien künstlerischen Reiz zu verleihen. Seine Schöpfungen, 
die Kolonien Alfredshof, Altenhof und Friedrichshof, dürfen mit Fug und Recht 
als Vorbilder nach dieser und mancher anderen Richtung bezeichnet werden; 
das Studium ihrer Wiedergabe dürfte auch dem Mediciner Interesse bieten, 
sobald er mit der Anlage von Arbeiterwohnungen in irgend einer Richtung 
sich zu beschäftigen hat. H. Chr. Nussbaum (Hannover). 


Kellner F., Die Wohlfahrtseinrichtungen in der neuen Gasanstalt 
zu Mülhausen i. E. Journ. f. Gasbel. u. Wasserversorg. 1901. No. 22. 
S. 395. 

Es ist in der Anstalt ein eigenes Gebäude errichtet, welches folgende 
Räume und Einrichtungen enthält: ein Zimmer für die Ofenarbeiter, ein Zim- 
mer für die Hofarbeiter, eine Küche zum Erwärmen oder Zubereiten der von 
den Arbeitern mitgebrachten Speisen, ein Zimmer mit Schränken zum Wechseln 
und Aufbewahren der Kleider, eine Bade- und Waschanlage, enthaltend 10 Brause- 
zellen, 4 Wannenzellen und 20 Kippwaschbecken mit Zuleitung von warmem 
und kaltem Wasser. Bemerkenswerth ist, dass die Badezellen Wände aus beider- 
seits gehobelten Pitchpineholz erhalten haben, welches in Eisenrahmen ge- 
fasst ist, eine Einrichtung, die sich wesentlich besser bewährt, als Wellblech- 
oder Monierwände. H. Chr. Nussbaum (Hannover). 


Spener C., Zur Hygiene der Ladenangestellten. Deutsche med.Wochen- 
schr. 1901. No. 10. S. 155. 

Verf. bespricht die seit dem 1. April 1901 eingeführte Einrichtung von 
Sitzgelegenheit für Angestellte in offenen Ladengeschäften. Wenn 
er dieselbe auch freudig begrüsst, so möchte er doch vor der Ueberschätzung 
der Neueinrichtung warnen. Eine Reihe von Gesundheitsstörungen, wie Ver- 
krümmungen der unteren Gliedmassen und Veränderungen am’ Fussgewölbe, 
Krampfadern, Schwellungen der Füsse, Aborte, Gebärmutterleiden, Bleichsucht 
und Blutarmuth wurden im Allgemeinen dem langen Stehen zugeschrieben; 
doch glaubt Verf., dass das anhaltende Stehen in der That als schädliche 
Gelegenheitsursache nur in den Fällen anzusehen ist, in denen Anfänge 
jener Leiden oder die Anlage dazu vorhanden ist. Weiterhin macht Verf. 
auf eine Reihe anderer gesundheitlicher Missstände (schlechte Heizung 
und Lüftung, Mangel an Reinlichkeit, unzweckmässige Kleidung u. a.), deren 
Beseitigung gleichfalls anzustreben ist, aufmerksam. 

Dieudonne (Würzburg). 


Levy, William, Die Berliner Rettungsgesellschaft, ihre Ziele und ihre 
Organisation. Centralbl. f. allgem. Gesundheitspfl. 1899. Bd. 19. S. 304. 
Nach eingehender Schilderung der Berliner Rettungsgesellschaf 


1228 Kleinere Mittheilungen. 


empfiehlt Verf. ähnliche Einrichtungen, wie sie jetzt 18 Monate lang in Berlin 
bestehen, den übrigen Städten Deutschlands. R. Blasins (Braunschweig). 


Kleinere Mittheilungen. 

Stand der Seuchen. Nach den Veröffentlichungen des Kaiserlichen Gesund- 
heitsamtes. 1901. No. 47 u. 48. 

A. Stand ‚der Pest. I. Frankreich. Marseille. Der Dampfer „Saghalien* 
musste am 9.11. nach Frioul zurückgeschickt werden, weil im Schiffsraume eine grosse 
Menge todter Ratten gefunden worden war. Nach gehöriger Desinfektion konnte der 
Dampfer anı 14. 11. seine regelmässige Reise nach Konstantinopel wieder antreten. 
ll. Grossbritannien. Die 4Pestkranken befinden sich auf dem Wege der Besserung. 
Bis zum 18. 11. kein neuer Fall. Ill. Russland. Odessa. Bis 8. 11.: 2 Todes- 
fälle. 10. 11.: 2 Todesfälle. 10.—12. 11.: sollen 3 weitere Personen unter pestver- 
dächtigen Erscheinungen erkrankt sein. IV. Türkei. Konstantinopel. 4.11.: 1 Er- 
krankung. 5.11.: Dorf Jakadjid. am Golf von Ismid: 1 Todesfall. V. Augypten. 
1.--8. 11.: Alexandrien 2 Erkrankungen, 1 Todesfall; Mit Gamr: 1 Erkrankung, 
1 Todesfall; Ziftah: 1 Erkrankung, 1 Todesfall. 9.--15. 11.: Alexandrien 2 Er- 
krankungen, 1 Todesfall. VI. Kapland. 13.—19. 10.: Port Elizabeth, auf der 
Kaphalbinsol und in Uitenhage je 3 Erkrankungen und 3 Todesfälle. In Be- 
handlung blieben im Ganzen noch 12 Eingeborene, 4 Europäer und 4 Mischlinge. 
20.—26.10.: Port Elizabeth: 4 Erkrankungen, 1 Todesfall; Kaphalbinsel: 2Er- 
krankungen. VII.Mozambique. 19.11.: In Magude, 140 km von Laurengo-Marques 
entfernt, 5 Pestfälle. VIII. Mauritius. 6.9.—10.10.: 193 Erkrankungen und 136 To- 
desfälle. IX. Britisch-Ostindien. Präsidentschaft Bombay. 13.—29. 10.: 
10284 Erkrankungen, 7427 Todesfälle. 20.—26.10.: 10036 Erkrankungen, 7061 Todes- 
fälle. Stadt Bombay. 13.—19. 10.: 158 Erkrankungen, 193 erwiesene Pestfälle, 
131 Todesfälle werden als pestverdächtig bezeichnet, 505 auf andere Ursachen zurück- 
geführt. Kalkutta. 6.—12. 10.: 13 Erkrankungen, 12 Todesfälle. X. Hongkong. 
17.8.—5.10.: im Ganzen 31 Erkrankungen (3, 3, 6, 11, 2, 3, 3), 29 Todesfälle A 
6, 11, 2, 3, 2). 12. 10.: die Kolonie wird für pestfrei im Sinne der Konvention von 
Venedig K ap. II. Tit. II) erklärt. X]. Vereinigte Staaten von Amerika. San 
Francisco. 29. 8.—10. 10.: 8 Erkrankungen, 6 Todesfälle. NII. Brasilien. Rio 
de Janeiro. 27. 9.—15.10.: 59 Erkrankungen mit 20 Todesfällen. In Campos im 
Staate Rio de Janeiro soll nach einer Mittheilung vom 22. 10. die Pest mit grosser 
Heftigkeit herrschen, auch sollen in anderen Orten Pestfälle vorgekommen sein. NHL 
Argentinien. Buenos Aires: An Bord des aus Asuncion Mitte Oktober einge- 
troffenen Dampfers „Paraguay“ starb ein Reisender unter pestverdächtigen Erschei- 
nungen. XIV. Neu-Süd-Wales. Sydney. 16.11.: 1 Erkrankung. XV. Neu-Kale- 
donien. Noumea. Seit dem 7.10. sind Neuerkrankungen nicht mehr vorgekommen. 

B. Stand der Cholera. I. Niedorlande. Laut amtlicher Nachweisung ist 
im August, 1 Person an asiatischer Cholera gestorben. II. Britisch-Östindien. 
Kalku: . ”.—12. 10.: 20 Todesfälle. 

C. Gelbfieber. 1. Brasilien. Rio de Janeiro. 2.—15. 10.: 3 Todesfälle. 
ll. Mexiko. Vera Cruz. 6.--12. 10.: 10 Erkrankungen, 4 Todesfälle. 13.—19. 1%.: 
20 Erkrankungen, 7 Todesfälle. Progreso. 1.9.—6. 10.: 1 Erkrankung, 1 Todesfall. 
Valladolid. 23.—28. 9.: 4 Todesfälle; Marida 15.—28. 9.: 3 Todesfälle. HI. 
Costa Rica. Port Limon. Ta 10.: 1 Todesfall. IV. Columbien. Boras 
del Toro am 25. 10. 1 Erkrankung. V. Cuba. Havana. 6.—12.10.: 1 Erkrankung: 
Matanzas 15. 9.—12. 10.: 1 ee Jacobitz (Halle a. S.). 


Verlag von August Hirschwald, Berlin N.W. — Druck von L. Schumacher in Berlin. 


Durch ein Versehen der Druckerei sind die Seitenzahlen 669—688 zweimal zur 


Anwendung gelangt, das erste Mal an der richtigen Stelle in No. 13, das 
in No. 14, indem hier auf Seite 688 wieder Seite 669 folgt. 


zweite Mal 
Um dies im Inhaltsver- 


zeichniss zu verbessern und hervorzuheben, sind die zweiten, irrthümlicher Weise ge- 
brauchten Zahlen 669—688 im folgenden durch ein Sternchen * gekennzeichnet worden. 


Verzeichniss der Originalartikel. 


Abel, Zum Kampfe gegen die Konservirung 
zn Nahrungsmitteln durch Antiseptika 
265. 

Beitzke, Ueber Desinfektionsversuche mit 
Acetaldehyd 425. 

Belli, Chemische, mikroskopische und bak- 
teriologische Untersuchungen über den 
Hagel 1181. 

v. Esmarch, Verbreitung von Infektions- 
erregern durch Gebrauchsgegenstände 
und ihre Desinfektion 49. 

Flade, Zur Alkoholfrage 733. 

Fraenkel, Das Untersuchungsamt für an- 
steckende Krankheiten zu Halle a. S. 
210. 

— Zum Nachweis der Milzbrandbacillen 
633. 

Grawitz, Bemerkung zu dem Artikel von 
Mayer und Wolpert über „Wohnungs- 
desinfektion durch Formaldehyd“ in No. 4 
dieser Zeitschrift 395. 

Hashimoto, Zwei neue milchsäurebildende 
Kugelbakterien 821. 

Hayaschikawa, Die Verwendbarkeit der 
Harngelatine zur Züchtung der Typhus- 
bacillen 925. 

Heinze, Einiges über die Krankheiten und 
Fehler beim Weine unter besonderer 
Berücksichtigung der Infektionskrank- 
beiten desselben 321, 377. 

Jochmann, Wachsthum der Tuberkelbaeillen 
auf sauren Nährböden 1. 

Jolles, Einiges über die Fiweisskörper 981. 

— Einiges über die Eiweisskörper. 11. 1183. 

Lange, Zur Milzbrandinfektion des Menschen 
481. 

— Zur Milzbrandinfektion der Raubthiere 
529. 

Levy und Bruns, Ueber die Abtödtung der 
Tuberkelbacillen in der Milch durch Ein- 
wirkung von Temperaturen von 100°. 669*, 


Löhlein, Bericht über die Thätigkeit des 
Untersuchungs-Amtes für ansteckende 
Krankheiten zu Halle a. S. vom 1. August 
1900 bis 1. August 1901. 1187. 

Mayer und Wolpert, Beiträge zur Wohnungs- 
desinfektion durch Formaldehyd 153. 
— und Wolpert, Zur Rolle der Lufttempe- 
ratur bei Formaldehyddesinfektion. Ant- 
wort auf vorstehende Reklamation des 

Herrn Grawitz 396. 

— Ueber den Keimgehalt des käuflichen 
Hackfleisches und den Einfluss der ge- 
wöhnlichen Getränke auf den Genuss 
desselben 877. 

Middelton, Beitrag zur Unterscheidung ge- 
kochter und ungekochter Milch 601. 
Morgenroth und Weigt, Bericht über die 

'Wasserversorgunginund um Tientsin 773. 

Ott, Aus den Heilstätten für Lungenkranke. 
Bericht über das Jahr 1900. 1038. 

Pfeiffer, Zum Gedächtniss für Max v. Petten- 
kofer 717. 

Rabs, Beiträge zur Trinkwasserdesinfektion 
mit Chlor 1085. 

— Berichtigung 1190. 

Reischauer, Vergleichende Untersuchungen 
über die Brauchbarkeit verschiedener 
Verfahren zur Ausführung der Wohnungs- 
desinfektion mit Formaldehyd 577, 636 

Schmidtmann, Die internationale Konferenz 
zu Brüssel im Jahre 1899 und die in 
Preussen zur Bekämpfung der Ge- 
schlechtskrankheiten seither getroffenen 
Maassnahmen 1029. 

Schottelius, Die Bubonenpest in Bombay 
im Frühjahr 1900. 105, 158, 222. 

v. Wasielewski, Impfversuche mit Haem -- 
inoeba spec. ine. (Syn. Proteosax y 
675*. 

Weil, Zur Schnelldiagnose der Typhus- 
bacillen 485. 


Namen - Register. 


A. 


Aaron, Sind Specialabtheilungen für die 
Tuberkulösen in den Krankenhäusern 
nöthig? 533. 

Abba, Ueber die Nothwendigkeit, 

Technik der bakteriologischen Wasser- 

untersuchung gleichförmiger zu ge- 

stalten 287. 
und Rondelli, 

fektion von Wohnräumen mit 


Weitere behufs Desin- 
dem 


Flügge’schen und dem Schering'schen | 


(kombinirten Aeskulap-Apparat) formo- 
genen Apparat ausgeführte Versuche. 
HI. Mittheilung 468. 

Abel, Zum Kampf gegen die Konservirung 
von Nahrungsmitteln durch Antisep- 
tika 265. 

— Zweite Jahresversammlung des All- 

gemeinen Deutschen Vereins für Sehul- 

gesundheitspflege 816. 

Was wussten unsere Vorfahren von 
der Empfänglichkeit der Ratten und 
Mäuse für die Beulenpest des Menschen? 
Eine Studie zur Seuchengeschichte 1092. 
Achard, Lannelongue et Gaillard, Einfluss 

der Ernährung, Muskelarbeit und Staub- 

einathmung auf die Entwickelung der 

experimentellen Tuberkulose 814. 

— —De l'infuence du climat sur l'évolution 
de la tuberculose pleuro-pulmonaire ex- 
perimentale 1142. 

Adam C., Kehrmaschinen mit Spreng- und 
Aufladevorrichtung 1106. 

Adam P., L'odeur de Paris et les phos- 
phoguanus 1135. 

Adami, On the significance of bovine tu- 
berculosis and its eradication and pre- 
vention in Canada 491. 

Aderhold, Untersuchungen über das Ein- 
sauern von Früchten und Gemüsen. 
I. Gurken 1017. b 

Ahrens, Fin Beitrag zur zellenfreien Gäh- 
rung 198. 

Albert, Einfacher Versush zur Veranschau- 
lichung der Zymasewirkung 1072. 


die | 


Alexander, Diskussion zu Mendelsohn: 
„Ueber die Nothwendigkeit der Fr- 
richtung von Heilstätten für Herz- 


kranke* 979. 

Almquist, Blasius, Herzog, Holst, Hirsch- 
mann, Gauch und Weyl, Untersuchungen 
zur Strassenhygiene 143. 

Altenburg, Einige Versuche über die Um- 
wandlung des Jodoforms in freies Jod 
1073. 

Altschul, Welchen Schädigungen können 
und Athmungsorgane dureh Lei- 

ungen ausgesetzt werden? 1152. 

Ambühl, Zur Frage der Uebereinstimmung 
der gewichtsanalytisch ermittelten mit 
der berechneten Milchtroekensubstanz 
610. 

Anglade, Vorkommen von Tuberkelbacillen 
in Fäces 1177. 

Anmüller, Ueber das Zinn der in Blech- 
büchsen verwahrten Gemüsekonserven 
und dessen Resorption im Darmkanal 704. 

Arago, Le dernier mot sur les ceaux de Paris. 
Les résultats de l'enquête officielle 62. 

Arendt, Technik der Experimentalchemie 
427. 

Arloing, De l’immunite contre le charben 
symptomatique après l'injection duserum 
preventiv et du virus naturel isoles ou 
melanges 32. 

— Nouveaux procédés de vaccination contre 
le charbon symptomatique du boeuf, par 
l'association de sérum immunisant et de 
vaccins 853. 

— und Courmont, Nährboden für Diph- 
thericbacillen 714. 

— und Courmont, Ueber den Werth der 
Serumreaktion für die frühzeitige Dia- 
gnose der Tuberkulose 851. 

— und Nicolas, Antitoxinbildung bei Diph- 
therie 714. 

Arnheim, Beitrag zur Bakteriologie des 
Keuchhustens 758. 

d’Arrigo, Die Alterationen der Nieren bei 
Lungentuberkulose in Beziehung auf den 


Namen-Register. 


Uebergang des Toxins und der Tuberkel- ' 


baeillen 178. 


dA’Arrigo, Ueber die Gegenwart und über die | 


Phasen des Koch’sehen Baeillusin den sog. 
skrophulösen Lymphdrüsen 292. 

— Leber dietiegenwart und überdie Phasen 
des Koch’schen Bacillus in den skrophu- 
lösen Lymphdrüsen 

— Beitrag zum Studium der erblichen 
Urbertragung der Tuberkulose durch 
die Placenta 99 

Arustamow, Pestepidemie im Dorf 
bowka im Jarew’schen K 
Astrachan’schen (Gouvernement. 

Ascher, Ueber Rhodomyees 
nebst einem Beitrag zur Lehre von der 
Disposition 666. 

— Der Einfluss der Choleradosis auf die 
Immunisirung 1211. 

Aseoli, Zur Morphologie der Bakterien und 
ihre Beziehung zur Virulenz 1194. 

— The fractional precipitation of the 
globulin and albumin of normal horse's 
serum and diphtheria antitoxie serum 
and the antitoxie strength of the preci- 
pitates 444. 

Atkinson and Hi Serum globulin and 
diphtherieantitoxin. A comparative study 
of the amount of globulin in normal and 
antitoxie sera, and the relation of the 
globulins to the antite bodies 443. 

Auerbach, Ueber den ) i 
hacillen im Blute Typhuskranker 837. 

Aust, Ueberbürdung und Schulreform 908. 


e Kolo- 
e des 
840. 


B. 


3abes, Bemerkungen über die Becinflussung $ 


der Hundswuth dureh Injektion von 
normaler Nervensubstanz und über Wuth- 
toxine 452. 
— Die Lehre von der Hundswuth zu Ende 
des 19. Jahrhunderts 671. 
Manicatide, Sur certaine 
spécifiques dans la pellagre 
-- und Sion, Die Pellagra 548. 


Þbstanees 


Babucke, Ueber die Desinfektion mit 
Typhusbacillen intieirter Badewässer521. 

Bach, Ueber Milchuntersuchnngen und 
Milchkontrole 1015. 

Backmann, Ueber die Methode hei experi- 
imentellen Untersuchungen der Salzsäure- 


abscheidung des menschliehen Magens 
bei verschiedener Nahrung 1011. 

Baer, Diskussion zu Mendelsohn: „Ueber 
die Nothwendigkeit der Errichtung von 
Heilstätten für Herzkranke* 979. 

— Diskussion zu Lassar: „Ueber den Stand 
der Volksbäder* 1128. 

Baginsky. Handbuch der Selulhy, 

= Säuglingsernährung und 
krankheiten 85. 


erubescens | 


1231 


Baginsky. Diskussion zu Neumann: „Die 
Lage der unehelichen Kinder in Berlin“ 
258, 263. 

— Einrichtung von Heilstätten für tuber- 
kulüse Kinder 493. 

— undSommerfeld, Ueber einen konstanten 
Bakterienbefund bei Scharlach 494. 
Bail,Untersuchung von milzbrandfeindlichen 

Eigenschaften des Hundeorganismus 30. 

Baldi. 1 primi sperimenti di protezione del 

personale ferroviario della malaria 759. 


Ballner, Experimentelle Beiträge zur Me- 
thodik der Mauerfeuchtigkeits-Bestim- 
mung 75. 

Balthazard et Desgrez, Application à 
Phomme «de la régénération de lair 
confiné au moyen du bioxyde de sodium 
6778, 

Pandi et Terni, Nouvelle methode de 


préparation du vaccin antipestenx 31. 

— et Terni, Bereitung der antipestösen 
Lymphe aus dem peritoncalen Exsudat 
der infieirten Thiere 449. 

Bard ct Pehu, Sur une épidémie hospitalière 
de fièvre typhoide “développé par 
contagion 792. 

Barone, La formaldeide gassosa e la dis- 
infezione degli ambienti (glicoformal e 
igazolo) 421. 

Barsikow, Ueber die bakterientödtende 
Wirkung des Alkohols und des Spiritus 
sapvnatus 1168. 

Barth, Ueber die nachtheilige Beeinflussung 
des Sehwimmunterrichts dureh Veren- 
gerung der obersten Luftwege 912. 

Barthel, Einige Versuche über die Bildung 
von F äure in Milch dureh Milch- 
säurebakterien 518. 

Le Bassot, La cécité 
ouvrieres 713. 

Bastianelli und Bignami, Entwickelung der 
Parasiten der Tertiana im Anopheles 
claviger 668. 

Baumert, Ueber das S. Keilsche Verfahren 
zur gleichzeitigen Gewinnung von Stärke 
und Kleberteig für Bäckereizwecke u. 
dergl. 613. 

v. Baumgarten, Der gegenwärtige Stand der 
Bakteriologie 489. 

— und Tangi, Jahresbericht über die Fort- 
schritte in der Lehre von den pathogenen 
Mikroorganismen. umfassend Bakterien, 
Pilze und Protozoen 422. 

Bäumler, Zur Diagnose der durch gewerb- 
liche Stauhinhalation hervorgerufenen 
Lungenveränderungen 10. 

Baur, Die Hygiene der Leibesübungen für 
Turnlehrer, Lehrer und Aerzte 244. 

Bayr, Schulstralun 558. 

v. Bazarewski und Leiehmann, Ueber c einige 
in reifem Käse gefundene Mile 
bakterien 37. 


dans les classes 


86 


1232 


Becher, Diskussion zu Lassar: „Ueber den 
Stand der Volksbäder“ 1127. 

Beck, Experimentelle Beiträge zur Unter- 
suchung über die Marktmilch 490. 

— und Rabinowitsch, Ueber den Werth der 
Courmont'schen Serumreaktion für die 
Frühdiagnose der Tuberkulose 447. 

-- — Weitere Untersuchungen über den 
Werth der _Arloing-Courmont'schen 
Serumreaktion bei Tuberkulose, speciell 
bei Rindertuberkulose 1214. 

Beddies und Tischer, Die Bedeutung von 
Ptund’s kondensirter Milch, insbesondere 
für die Säuglingsernährung und Kranken- 
pflege 460. 

Beer, Die Arbeiten der Kommission 
deutscher und ausländischer Filtrations- 
techniker und Erfahrungen über Sand- 
filtration 428. 

Behla, Ueber neue Forschungen der Krebs- 
ätiologie 187. 

— Die Careinomliteratur 1007. 

Beitzke, Ueber Desinfektionsversuche mit 
Acetaldehyd 425. 

Belli, Chemische, mikroskopische und bak- 
teriologische Untersuchungen über den 
Hagel 1181. 

Bendix B., Beit 


ge zur Ernährungs-Phy- 
siologie uglings. I. Der Einfluss 
der Gravidität auf die Milchabsonderung 
bei der Frau 413. 
und Finkelstein, Ein Apparat für 
Stoffwechseluntersuchungen am Säugling 
684”. 
— E., Zur Serodiagnose der Tuberkulose 
30. 
— Zur Chemie der Bakterien 917. 
Bengue, Vertheilungsrad für Trioxyme- 
thylenvergaser und dergl. 43. 


Berger, Zur Hygiene der Strassenbahn 
767. 
Berliner und Cohn, Klinische Beiträge 


zur Diagnose des Abdominaltyphus 181. 
Berlioz, Versuche über den Einfluss des 
Saccharins auf die Verdauung 198. 
Berndt, Ueber die Veränderungen der 
Milzbrandbaeillen in faulendem Rinder- 
blut ausserhalb des thierischen Körpers 


Bernheim, Ueber meningokokkenähnliche 
Pneumonicerreger 665. 
Bernstein M., Wie schützt man sich vor 
geschlechilichen Erkrankungen? 809. 
— Diskussion zu TLassar, „Ueber den 
Stand der Volksbäder.*“ 1127. 
Bertarelli, Ricerche intorno ai fiammiferi 
a base di acido persolfocianico 356. 
— Sulla mortalità per difterite nelle pro- 


l 


vincie italiane dal 1887 al 1898 e sui ' 


suoi evefficienti moditicatori 435. 
— Su una solisticazione del caffe torre- 


l 


Namen-Register. 


fatto mediante aggiunto di acqua ce be- 
race 462. 

Bertarelli, Sul potere battericida dell’ alecol 
etilico 522. 

— Ueber die Verfälschung des gebrannten 


Kaffces mittels Zuzatzes von Wasser 
und Borax 702. 
— Eitrige, durch Eberthsche Bacillen 


verursachte Thyreoiditis nach Typhus 
abdominalis 1199. 

Bertschinger und Roth, Ueber Fesses 
Mouras und ähnliche Einrichtungen zur 
Beseitigung der Abfallstoffe 1219. 

Besredka, La leucotoxine et son action 
sur le système leucocytaire 550. 

— et Metschnikoff, Recherches sur l’action 
de l’hemotoxine sur l'homme 551. 

Beyschlag, Ohlmüller, Orth, Gutachten 
über die Verunreinigung der Haase 
durch die Piesberger (trubenwässer und 
deren Folgen 1055. 

Beythien, Ueber die (resundheitsschäd- 
lichkeit bleihaltiger Gebrauchsgegen- 
stände, insbesondere der Trillerpfeifen 
85. 

— Bohrisch und Deiter, Beiträge zur che- 
mischen Untersuchung des Thees 88. 

— und Bohrisch, Ueber den Schmutz- 
gehalt der Milch 196. 

— und Hempel, Chokoladenmehle 1073. 

— und Wrampelmeyer, Beiträge zur Un- 
tersuchung und Beurtheilung der Eier- 
teigwaaren 1162. 

Bezan«on, Gritfon und Le Sourd, Stepto- 
bacillen des weichen Schankers 686. 

Bienstock, Du rôle des bactéries de lin- 
intestin 1012. 

Biernacki, Moderne Heilwissenschaft, Wesen 
und (trenzen des ärztlichen Wissens 
873. 

Bietti. Typische Blennorrhoea neonatorum 
durch Bacterium esli commune 400. 

Bignami und Bastianelli, Entwickelung 
der Parasiten der Terliana im Anopheles 
claviger 668. 

Binet et Robin, Respiratorischer Stoft- 
wechsel der Tubereulösen 771. 

— — Les conditions du terrain 
diagnostic de la tubereulose 1141. 

Bing, Prophylaxe in der Ohrenheilkunde 
9. 


et le 


Bischoff und Wintgen. Beiträge zur Kon- 
servenfabrikation 685 *. 

Bizzozero, Ueber die Reinigung des Trink- 
wassers durch das Abkochen 788. 

Blanchard, Wasser und Gemüse bei Ver- 
breitung der Helminthiasis 103. 

Blasius, Almquist, Herzog, Holst, Hirsch- 
mann, Gauch und Weyl, Untersuchungen 
zur Strassenhygiene 143. 


Blauberg, Experimentelle Beiträge zur 
Frage über den Mineralstoffwechsel 


beim künstlich ernäbrten Säugling 604. 


Namen-Register. 


Blauberg, Ueber den Mineralstofwechsel | 
beim natürlich ernährten Säugling 604. | 

Bliesener. Beitrag zur Lehre von der 
Sporenbildung bei Cholerabaeillen 1093. 

Bloch, Die Geschichte der Wasserv 
sorgung des oberschlesischen Indust 
bezirks 1193. 

Blum. Ueber den Nährwerth der Heteroal- 
bumose des Fibrins und der Protalbu- 
mosen des Caseins 606. 

Blumberg, Beobachtungen bei der Behand- 
lung von Puerperaltiebererkrankungen 
mit Marmorek’schem Antistreptokokken- 
serum 1213. 

Bode, Das staatliche Verbot des Getränke- 

handels in Amerika 952. 
Das  Gothenburgische 

Schweden 954. 

Boeder, Zur Frage von der Heilkraft des 
Lichtes 677. 

Boettinger, Zum Nachweise von Aldehyd 
in Gährungsessig 617. 

Bohata und Hausenbichler, Sanitätsberieht 
des österreichischen Küstenlandes für 
die Jahre 1895 bis 1897. 92. 

Bohrisch, Beythien und Deiter, Beiträge 
zur chemischen Untersuchung des Thees 
88. 

— und Beythien, Ueber den Sehmutzgehalt 

der Milch 196. 

. Bókay, Offener Brief an die Redaktion 

553. 

Bokorny, Einige vergleichende Bemerkungen 
über die spontane und die durch Lab 
bewirkte Milehgerinnung. Milehsäurc- 
ferment und Labferment 1067. 

Bömer, Ueber. „Kalf room“ 1163. 

— tiefärbter Honig 1167. 

Bonhof, Ueber einen Fall von Cerebro- 
spinalmening und den Diplocoecus 


= System in 


s 
intracellularis 1090. 
Bordet, Les sérums hémolytiques, 


leurs 
‘rums 


antitoxines et les théories des 
eytolytiques 546. 

— et Giengou, Recherches sur la coagu- 
lation du sang et les serums anticoa- 
gulants 1217. 

Bordoni-Uffreduzzi. Relazione sui servizi 
d'lgiene e sanità nel comune di Milano 
nel biennio 1896—97. 782. 

— e Zernoni, Le Ostriche come mezzo di 
diffusione del germe della febbre tifoide 
194. 

Bornstein, Experimentelle Untersuchungen 
über die Wirkung der Saccharins 619. 

— Eiweissmast und Muskelarbeit 1058. 

Bornträger, Ucber den Nachweis der Bor- 
säure in Boraten 89. 


Borrel, Les théories parasitaires du cancer 
1207. 

v. Bötticher, Die Vulksheilstätte des rothen 
Kreuzes für lungenkranke Frauen in 
Gommern bei Magdeburg 11. 


1233 


Boureet, Sur Piode normal de Porganisme 
et son «limination 684. 

— und Gley, Présence de ljode dans le 
sang 360. 

Bra, Sur les formations endogenes du 
champignon isolé des tumeurs cancé- 
reuses 900. 

Braatz, Zur Bedeutung des Alkohols für 
die Händedesinfektion 1076. 

— Zur Dampfdesinfection in der Chirurgie 
1222. 

Braehmer, Diskussion zu Radziejewski: 
„Auge und Berufswahl“ 375. 

Brat, Ueber gewerbliche (Methämoglobin-) 
Vergiftungen und deren Behandlung 
mit Sauerstoffinhalationen 1226. 


Bredig und Müller v. Berneck. Ueber an- 
organische Fermente. 1. Ucber Platin- 
katalyse und die chemische Dynamik 
des Wasserstoflsuperoxyds 620. 

Breuille, Les ereches de Paris 1107. 

Brinkmann, Diskussion zu Neumann: „Die 
Lage der unchelichen Kinder in Berlin“ 
257, 260. 

Brix, Eine Neuerung auf dem Gebiete der 
Städtekanalisation 1105. 

Broden und Wolpert,  Respiratorische 
Arbeitsversuche bei wechselnder Luft- 
feuchtigkeit an einer fetten Versuchs- 
person 1136. 

Brouardel, La lutte contre la tuberculose 
1141. 

Bruck, Purpura rheumatica und Angina 
843. 


Brudzinski, Ueber das Auftreten von 
Proteus vulgaris in Säuglingsstühlen, 
nebst einem Versuch der Therapie 


mittels Darreichung von Bakterienkul- 
turen 898. 

Brunck, Die quantitative Bestimmung des 
Ozons 602. 

v. Brunn, Alkoholdämpfe als Desinfektions- 
mittel 522. 

— Bemerkung zu dem Aufsatze von Herrn 
Dr. Georg Frank: Ueber Desinfektions- 
wirkung des Alkohols, insbesondere der 
Alkoholdämpfe 1112. 

Brunner, Ueber Maltafieber 297. 

v. Bruns, Ueber die Behandlung infieirter 
Wunden mit Wasserstoffsuperoxyd 203. 

Bruns H. und Levy, Ueber die Abtödtung 
der Tuberkelbacillen in der Milch durch 
Einwirkung von Temperaturen unter 
100°. 669 *. 

Buchanan, The hot weather diarrhoea of 
India 754. 

Buchner E., Bemerkungen zur Arbeit von 
Maefadyan, Morris und Rowland: Ueber 
ausgepresstes Mefezellplasma (Buchner's 
Zymase) 700. 


sw* 


® 
1234 


3uchner, Zymase aus getödteter Hete 700. 
— H, Immunität 301. 
Bunte, Die Mischgastrage 454. 
— leber Gasglühlicht 904. 

rgerstein. Rathschläge, betreffend die 
stellung und Kinriehtung von Ge- 
bäuden für Gymnasien und Realschulen, 
unter besonderer Rücksichtnahme auf 


die Forderungen der Hygiene 79. 

Burkhardt, Gesetz, betreffend die Be- 
kämpfung  gemeingefährlicher Krank- 
heiten vom 30. Juni 1900. 288. 


— Ergebnisse der amtlichen Poekentodes- 
fallstatistik im Deutschen Reiche für 
das Jahr 1898 u. s. w. 500. 

— Die Ergebnisse des Impfgesehäfts im 
Deutschen Reiche für das Jahr 1897 


Busquet, Transmission de la tuberculose 
par les timbres-poste 289. 

-— Uebertragung des Diploeoeeus intra- 
cellularis auf Th 1178. 

Bütew, Diskussion zu Neumann: „Die Lage 
der uneheliehen Kinder in Berlin” 264. 

Buttersack, Wie erfolgt die Infektion des 

Darms? 835. 
Niehtarzneiliche 

Krankheiten 872. 


Therapie innerer 


C. 


Calmette, Prophylaxe der Pest 102 

—— et Guérin, Recherches sur la vaccine 
expérimentale 1147. 

Calwer, Die Berufsgefahren 
arbeiter 807. 

Camerer, Die Verdauungsarbeit, ihre Grösse 
und ihr Einfluss auf den Stoffwechsel, ins- 
besondere den Stoffwechsel des Säuglings 
B4. 

— Die chemische Zusanunensetzung des 
Neugeborenen 1057. 

Camus, Einfluss der Milch auf 

rinnbarkeit des Blutes 687. 

Action anticoagulante des injections 
intraveneuses de lait d'une espree ani- 
male sur le sang des animaux de mème 


der 


die Ge- 


espece 1219. 
— ct Gley, Action du liquide de la pro- 
state externe du hérisson sur le liquide 


des 
action. —- Sur quelques propriétés et 
reactions du liquide de la prostate in- 
terne du herissun 766. 

— et Pagnitz, Agglntinirende Fähigkeiten 
des Blutes kranker Menschen 771. 

Canalis, Luso delle falde acyuce sotter- 
rance nella alimentazione delle città 656. 

Cangitano und Muscatello, Leber die Gas- 
gangrän 540. 

Cantacuzene, Sur les variations quantita- 
tives et qualitatives des globules rouges 


Namen-Register. 


provaques chez le Japin par les injections 
de sérum hemolytigue n 
Cao, Oidien und Uidiom 


c 406. 


' Carnot und Fournier, Bac. fusiformis 715. 


| Chauveau, La production du travail mı 
Stein- | 


vesieules séminales; nature de cet , 


f Claus, 


Carrière, L'hygiene publique vn Suisse 93. 

Caspari, Ein Beitrag zur Beurtheilung ven 
Milehpräparaten 690. 

— Ueber Kiweissumsatz und -Ansatz bei 
der Muskelarbeit 10: 

Casper, Zur Pathologie und Therapie der 
Blasentuberkulose 660. 

Celli, Die neue Prophylaxis der Malaria 
in Latium 545. 

— Corso di perfezionamento 655. 

— Beitrag zur Erkenntn der Malaria- 
epidemiolugie vom neuesten Ätielogisehen 
Standpunkte aus 761. 

— und Delpino, Beitrag zur Erkenntniss 
der Malariaepidemivlogie vom neuesten 
epideinielogischen Standpunkte aus 125: 

Ceresole, Ein Bacillus als Epiedemieerr 
beim Carassius auratus der Aquarien zus. 

Chantemesse, Nouvelle methode permettan: 
de reconnaitre le bacille d’Eberth dans 
Feau 7 

Charpentier, De l’utilitÜ des pouponnières 
682 *, 

Charrin und (muillemonat, Influence des 
modifications expérimentales de Furga- 
nisme surla consommation du glyevse H11. 

— — Fütterung mit sterilisirterNahrungóTó. 

Chatin et Lesieur, De la presanee du bacille 

Loeftler et du baeille pseudo-diph- 

rique chez les enfants hospitalises 790. 


culaire utilise-t-elle, comme potentiel 
énergétique, laleool substitui nne partie 
de la ration alimentaire? 915. 
Influenee de la substitation de 
au suere alimentaire, en quantit 
name sur la valeur du travail musculaire 
accompli par le sujet, sur son entretien 
et sur sa dépense 1166. 

Chlopin, Zwei Apparate zur Bestimmung 


Valeoel 


des Sauerstofls in Gasgemengen ver- 
mittelst der Titrirmethode 58. 
de Christmas, Contribution A T’rtude du 


gonocoque et de sa toxine 543. 
' Clairmont und Kraus, Ueber experimentelle 
Lyssa bei Vögeln 69. 
Be Ueber bakteriolytische Wirkungen 
de: 


Taubenserums 72. 


ber Hämolysine und Antihämoly- 


Untersuchungen über die Bevöl- 
kerungs- und Wohnungsdichtigkeit der 
Stadt Rostock i. M. 867. 

Clemens, Die diesjährige Influenzaepidemie 
in Freiburg i. B. 496. 

Clemm, Das Piorkowski’sche Verfahren 
zum Nachweise von Typhusbacillen 
mittels Harngelatine 292. 


Namen-Register. 


Clemow, Remarks un plague in the lower 
animals 406. 

Cobbet, Diphtherie beim Pferde 1049. 

Cohn H., Die Hygiene des Auges im 19. 
Jahrhundert 558. 

— I. und Posner, Zur Frage der Allgemein- 
infektion bei Harnkrankheiten 346. 

— — Ueber die Durchgängigkeit der Darm- 
wand für Bakterien 744. 


— Martin und Berliner, Klinische Beiträge | 


zur Diagnose des Abdominaltyphus 181. 

— Mich, (tesundheitspflege und Volks- 
kindergarten 81. 

— Ueber Frauenmilch 687°. 

— Zur Morphologie der Milch 1064. 

— T. und Loewy, Ueber die Wirkung der 
Teslaströme auf den Stoffwechsel 606. 

Comte, Les colonies des vacances 561. 

Conradi, Die Hyphumyeetennatur des Rotz- 
bacillus 22. 

— Baktericidie und Milzbrandinfektion 447. 

— Bemerkungen zu einem Fall von mul- 
tipler typhöser Periostitis 663. 

Conrady, Ueber den Nachweis von Salieyl- 
säure bei Gegenwart von Citronensäure 
617. 

Courmont und Arloing, Nährboden für 
Diphtheriebaeillen 715. 

— — Ueber den Werth der Serumreaktion 
für die frühzeitige Diagnose der Tuber- 
kulose 851. 

Cowie, A preliminary report on acidresisting 
bacilli, with special reference to their 
occurrence in the lower animals 434. 

Crainiceanu, Die (resundheitspflege der 
Augen 246. 

Croner, Zur Frage der Fürsurge für die 
Tuberkulösen im fortgeschrittenen Sta- 
dium 661. 

Cronheim und Müller, Zur Kenntniss der 
Bedeutung des organisch gebundenen 


P’hosphors für den Stoffwechsel des 
Kindes 913. 
Crzellitzer, Ueber praktische Photometrie 


mittels lichtempfindlichen Papiers 455. } 


Cuntz, Rinkel, Genzmer, Schulhygienische 
Einrichtungen der Stadt Wiesbaden 818. 

Curschmann, Ueber (Cystitis typhosa 663. 

Czaplewski, Zur Bakteriologie der Lymphe 
670. 

— Ueber die Wohnungsdesinfektion mit 
Formaldehyd in Köln 863. 

Czerny, Kräftige Kost 84. 


D. 


Danysz, La destruction des rats par unc 
maladie contagieuse 25. 

— Un microbe pathogine pour les rats 
(mus decumanus et mus rattus) et son 
application à la destruction de ces ani- 
maux 184. 


1235 


Danysz, Immunisation de la bactéridie char- 
bonneuse contre l’action du sérum de rat. 
Formation et nature des „anticorps“ 1007. 

Davids. Ueber die sogenannte Actinomycosis 
musculorum suis 497. 

Debrand, Sur un nouveau proct 
du bacille du tétanos 997. 

Deelemann. Beitrag zur Händedesinfektion 
mit Dr. Schleich’s Marmorstaubseife 44. 

— Grewehröl und Panaritium 947. 

Deiter, Beythien und Bohrisch, Beiträge 
zur chemischen Untersuchung des Thees 
88. 

— und Hünermann, Ucber die Desinfektion 
des Trinkwassers mir Natriumhypochlo- 
rit 1192. 

Delezenne, Sérum antihepatique 860. 

— Serums nevrotoxiques 1009. 

Delpino und Celli, Beitrag zur Frkenntnis 
der Malariaepidemiologie vum neuesten 
epidemiologischen Standpunkte aus 185. 

Dernier et Hobbs, Etude expérimentale sur 
le ròle antiseptique des essences vis-à-vis 
le streptocoque 489. 

Desgrez et Balthazard, Application à 
U’'homme de la régénération de lair con- 
fin“ au moyen du bioxyde de sodium 677 *. 

Deutsch, Zur Frage der Agglutininbildung 
445. 

Deycke, Zur Aetiologie der Dysenterie 841. 

— und Voigtländer, Studien über kulturelle 
Nährböden 1173. 

Dick, Les colo de vacances. 
des trois. semaines 561. 


¢ de culture 


L'oeuvre 


' Dietrich, Ueber Behandlung experimenteller 


Kaninchendiphtherie mit Behring’schem 

Diphtherieheilserum 191. 

Dietsch, Fin Beitrag zur Aetiolögie des 
Heufiebers S44. 

Dieudonné, Zur Frühdiagnose der Tuber- 
kulose 1049. 

— Ueber die Desinfektion mit Karboformal- 

Glühblocks 1074. 

Ueber eine einfache Desinfektions- 
methode mit Formaldehyd (Hydroformal- 
Desinsektion) 1109. 

— Beiträge zum biologischen Nachweis 
von Menschenblut 1215. 

Doering, Ueber Infektion mit Influenza- 
baeillen und mit Bact. proteus 840. 
Donath, Zur Kenntniss der agglutinirenden 

Fähigkeiten des menschlichen Blutserums 

440. 

Dönitz, Welche Aussichten haben wir, In- 
fektionskrankheiten, insbesondere Tuber- 
kulose, auszurotten? 13. 

— Bericht über die Thätigkeit des Künigl. 
Instituts für Serumforschung und Serum- 
prüfung zu Steglitz 187. 

— Behandlung der Lepra 350. 

Doper La phagocytose dans la dysenterie 
1006. 


Erfahrungen aus 
87 


Drasche, Flecktyphus. 


1236 


vier eigens beobachteten Flecktyphus- 
epidemien in Wien 500. 

Dreyer und Dunbar, Untersuchungen über 
das Verhalten der Milchbakterien im 
Milchthermophor-412. 

v. Drigalski, Zur Wirkung der l.ichtwärme- 
strahlen 515. 

Drouineau. Annte démographique 1898. 45. 

Dubois, Sur U’velairage par la lumicre froide 
physiologique, dite lumiere vivante 907. 

Dubranle, Suppléance de l'ouïe chez les 
sourds par la lecture sur les lèvres 1107. 


Dumarest, Quelques détails d'organisation | 


au sanatorium d’Hauteville 12. 

Dunbar und Dreyer, Untersuchungen über 
das Verhalten der Milchbakterien im 
Milchthermophor 412. 

v. Dungern, Beiträge zur Immunitätslehre 
189. 

— Beitrag zur Immunitätslehre II. 511. 

— Eine praktische Methode, um Kuh- 
milch leichter verdaulich zu machen 
1067. 

Durand, Intoxication des aërostiers par 
l'hydrogène arsénić 524. 

Durno, Notes on a series of cases of 
glandular fever oeeurring in epidemic 
form 795. 


E. 


Ebstein, Stadt- und Dorfhygiene 834. 

Edinger und Treupel, Untersuchungen 
über Rhodanverbindungen 204. 

Egger, Lungentuberkulose und Heilstätten- 
behandlung 586. 

Ehret, Valeur de la présence du bacille 
filiforme dans l'estomac pour le dia- 
papu précoce du cancer de cet organ 
763. 

Einhorn, Mendelsohn, Rosen, Prophylaxe 
in der inneren Mediein 470. 

Elkan, Hygiene und Diätetik für Lungen- 
kranke 391. 

Elmquist, Undersökning af tobaksindus- 
trien i Sverige (Untersuchung über die 
Tabaksindustrie in Schweden.) 523. 

Elsberg. Ein neues und einfaches Ver- 
fahren zur Sterilisation der Schwämme 
durch Auskochen 466. 

Emmerich und Saida, Ueber die morpho- 
logischen Veränderungen der Milzbrand- 
baeillen bei ihrer Auflösung durch 
Pyocyanase 403. 

— und Löw, Die künstliche Darstellung 
der immunisirenden Substanzen (Nukle- 
asen-Immunproteidine) und ihre Ver- 
wendung zur Therapie der Infektions- 
krankheiten und zur Schutzimpfung an 
Stelle des Heilserums 1209. 

Emmerling, Ueber Spaltpilzgährungen 691. 

Engelmann. The American girl of to-day 
685. 


Namen-Register. 


Epstein A., Ucber „faule Ecken”. d.i. 
geschwürige Mundwinkel bei Kindern 


het S., Untersuchung über Milebsäure- 
gährung und ihre praktische Ver- 


werthung 38. 

Erismann, Tagesbeleuchtung der Schul- 
zimmer 318. 

— Die erste Versammlung des „Allge 
meinen Deutschen Vereins für Schul- 
gesundheitspflege” in Aachen (16. Svp- 
tember 1900). 909. 

Erne, Zur Beurtheilung der Desinfektion 
mit sogenannten Karboformalglühhlucks 
1075. 

Escherich, Studien über die 
der Kinder in verschiedenen 
klassen 525. 

— Epidemisch auftretende Brechlureh- 
fälle in Säuglingsspitälern 541. 

— Diphtherie 672. 

Eschweiler, Spätdiphtherie im Nasenrachen- 
raum 131. 

v. Esmarch, Verbreitung von Infektivns- 
erregern durch Gebrauchsgegenständ« 
und ihre Desinfektion 49. 

Etienne, Allgemeine Scpsis bei Staphyle- 
kokken 814. 

Eulenburg, Ueber gonorrhoische Nerven- 
erkrankungen 665. 

Eyre, On the presence of members of the 
diphtheria group of bacilli other than 
the Klebs-Loeffler bacillus in milk 749. 

Eysell, Ueber das Vorkummen von Ane- 
pheles in Deutschland 759. 


Morbiditit 
Alters- 


F. 


Faber, Bakteriologische Untersuchungen 
von Fällen epidemischer Cerebrospinal- 
meningitis in Kopenhagen im Sommer 
1898. 404. 

Fanto, Ueber Leguminosenbrot 614. 

Faure, Geisteskrankheit und Infection 
1178. 

Fauquet und Sebrazes, Hämolytische Eigen- 
schaften des Urins Neugeborner 575. 

Feer, Die Prophylaxe der Tuberkulose 
im Kindesalter 315. 

Fehling, Ueber die Berechtigung der 
Selbstinfektionslehre in der Geburtshili“ 
1003. j 

Feldt, Erster Bericht über die Thätigkeit 
des evangelischen Sanatoriums für 
Lungenkranke zu Pitkäjärvi (Finnland: 
537. 

Fermi und Lumbao. Beitrag zur Prophy- 
laxis der Malaria: Versuche. den Men- 
schen mittels chemischer Mittel gegen 
die Mücken zu schützen 501. 

— und Tonsini, Die Prophylaxis der 
Malaria und die Vernichtung der Mos- 
quitos auf der Insel Asinara 762. 


Namen-Register. 


Ferrari-Lelli e Valenti, Osservazioni nu- 
meriche sui microrganismi dell’ aria 
atmosferica di Modena 427. 

— — Osservazioni batteriologiche in una 
epidemia di cosidetto colera dei piccioni 
438. 

Ficker, Wachsthum der Tuberkelbacillen 
auf sauren Gehirnnährböden 18. 

— Ueber den von Nakanishi aus Vaccine- 
pusteln gezüchteten neuen Bacillus 
1053. 

Fickler und Levy, Ueber ein neues patho- 
genes keulenfürmiges Bakterium der 
Lymphe (Corynebacterium Lymphae 
vaccinalis) 349. 

Finkelnburg, Ueber Gesundheitsbeschädi- 
gungen in Folge der Kuhpockenimpfung 
und die Maassnahmen zur Verhütung 
derselben vom sanitätspolizeilichen 
Standpunkte 854. 

Finkelstein, Ueber säureliebende Bacillen 
im Säuglingsstuhl 36. 

— Ueber Sepsis im frühen Kindesalter 
68. 

— Diskussion zu Neumann: „Die Lage 
der unchelichen Kinder in Berlin“ 263. 

— Ueber Nabelsepsis 541. 

— und Bendix, Ein Apparat für Stoff- 
wechscluntersuchungen am Säugling 
684°, 

Finkh, Aufhebung der sogenannten bak- 
terieiden Wirkung des Blutserums durch 
Zusatz von Nährstoffen 849. 

Fischer F., Beitrag zur Bestimmung des 
Einflusses der Verzögerung auf die in 
städtischen Kanälen abzuführenden 
Grösstwassermengen 1106. 

— H., Leitfaden der kriegschirurgischen 
Operationen 874. 

Fisehl. Ueber chronisch reeidivirende 
exswlative Anginen im Kindesalter 68. 

Flade, Zur Alkoholfrage 733. 

Flatau. Prophylaxe bei Hals- und Nasen- 
krankheiten 95. 

Flexner, The Etiology of Tropical Dysen- 
tery 1054. 

Flick, Ein Kontrolversuch 
formal- und kombinirten 
aldehyd-Desinfektion 710. 

Forster, Warum und was essen wir? 
Rück- und Ausblicke in der Ernährungs- 
frage 912. 

Fournier und Carnot, Bae. fusiformis 715. 

Fraenkel C.. Das Untersuchungsamt für 
ansteckende Krankheiten zu Halle a. S. 
210. 

— Zum Nachweis der Milzbrandbaeillen 
633. 

— Zur Kenntuiss der Smegmabaeillen 
1143. 

— E. Ueber Roseola typhosa 662. 

— Die Göttinger Typhusepidemie im 
Sommer 1900. 1200. 


zur Glyko- 
Paraform- 


1237 


Frank, Bakteriologisches und Hygienisches 
von der 72. Versammlung Deutscher 
Naturforscher und Aerzte in Aachen 
vom 13.—20. September 1900. 312. 

—  Desinfektionswirkung der Alkohol- 
dämpfe 319. 

— Verfahren zum Desinfieiren thierischer 
Haare mittels der Dämpfe des Holz- 
essigs 710. 

— Verfahren zum Desinfieiren thierischer 
Haare mittels der Dämpfe des Spiritus- 
vorlaufes 711. 

— Ueber Desinfektionswirkung des Al- 
kohols, insbesondere der Alkoholdämpfe 
1111. 

Frankenburger, Obligatorische oder fakul- 
tative Jugendspiele? 83. 

Franz, Die Aufgaben der Gemeinden in 
der Wohnungsfrage 860. 

Frentzel und Reach, Untersuchungen zur 
Frage nach der Quelle der Muskelkraft 
1058. 

Frenzel, Das Lebens- und Personalbuch 
im Dienste der Pädagogik und Schul- 
hygiene 1150. 

Freund, Die Sterblichkeit der hereditär 
luetischen Säuglinge 900. 

Freymuth, Ucher das Verhalten de» Gras- 
bacillus II (Moeller) im Kaltblüterurga- 
nismus 1198. 

Fricke, Zinkhaltige Pflanzen 620. 

Friedmann, Ueber die Bedeutung der 
Gaumentonsillen von jungen Kindern als 
Eingangspforte für die tuberkulöse In- 
fektion 130. 

— Experimentelle Studien über die Erb- 
lichkeit der Tuberkulose. Die nach- 
weislich mit dem Samen direkt und 
ohne Vermittelung der Mutter auf die 
Frucht übergetragene tuberkulöse In- 
fektion 836. 

Fröhner, Lehrhuch der Toxikologie für 
Thierärzte 656. 

Frölich, Ueber den Militär-Gesundheits- 
dienst (irossbritanniens 869. 

Frosch, Die Pest im Lichte neuerer For- 
schungen 24. 

— und Kossel, Ueber die Pest in Oporto 
293. 

Fuchs, Ueber Beziehungen der Pressungen 
gasförmiger rper an Stauflächen in 
hohen Geschwindigkeiten 78. 

Funck, Das antileukoeytäre Serum 441. 

— Der Vaccine- und Variolaerreger 346. 

— Weitere Mittheilungen über den Vac- 
cine- und Variolaerreger 1204. 


Fürst, Zum gegenw n Stand der 
Fleischextraktfrage 312. 
— Die neueren Bestrebungen zur Her- 


stellung sogenannter Kindermilch 320. 


1238 
6. 


Gabritschewsky, Zur Prophylaxe der Diph- 
therie 943. 

Gaillard, Lannegue et Achard, Einfluss 
der Ernährung, Muskelarbeit und Staub- 
einathmung auf die Entwickelung der 
experimentellen Tuberkulose 814. 

— — De l'influence du climat sur l'évolution 
de la tuberculose pleuro-pulmonaire 
expérimentale 1142. 

Gallasch, Das Kaiser Franz Josef-Privat- 
krankenhaus in Gurkfeld 681*. 

Garbe, Die Feuersicherheit der gewerb- 
lichen Betriebsstätten 144. 

Gärtner, Sauerstoffgehalt in einer soge- 
nannten geschlossenen Heizung 77. 

— Amerikanische Versuche über Sand- 
filtration 128. 

— Eintritt von Kohlenoxyd in die Zimmer- 
luft bei Benutzung von Gasöfen und 
Gasbadenfen 140. 

— Bedingt der Zusatz von Präservesalz 
zum Hackfleisch eine Verfülschung im 
Sinne des $ 10 des Nahrungsmittel- 
gesetzes? 1160. 

Gauch, Almquist, Blasius, Herzog. Holst, 
Hirschmann und Weyl. Untersuchungen 
zur Strassenhygiene 143. 

Gautier, La fonction menstruelle et le rut 
des animaux. Röle de lars“nie dans 
Féconomie 684. 

Geherb, Ein Beitrag zur Behandlung der 
konstitutionellen Schwäche im Kindes- 
alter 83, 

Le Gendre, Le facteur moral dans les sana- 
toriums et les qualités nécessaires aux 
médecins qui les dirigent 12. 

Gengou, Contribution à Fétude de l'origine 
de lalexine des sérums normaux 1208. 

— et Bordet, Recherches sur coagulation 
Au sang ct les sérums anticoagulants 
1217. 

Genther, Ueber eine Moditicirung der 
Welmans’schen Reaktion 608. 

Genzmer, Rinkel, Cuntz, Schulhygienische 
Einrichtungen der Stadt Wiesbaden 818. 

Georges-Martin, Promenades maternelles 
1254. 

Gerardin. Epuration de l'air par le sol 
1135. 

Gerber, Ueber das Sklerom, insbesondere 
in Ostpreussen 841. 

Geret und Hahn, Ueber das Hefe-Endo- 
trypsin 614. 

Gerhard, Ueber amerikanische Filter und 
Filtermethoden, insbesondere über die 
Schnell-Wasserfilter 658. 

Gerhardi, Psychologie in Bezug auf Päda- 
gogik und Gesundheitspflege 910. 

— Ueber Anschauung 1153. 

Gerland. Handhabung der Gesundheits- 
polizei in der Stadt Hildesheim während 


Namen-Register. 


der Jahre 1892—1899 und ihre Erfolge 
714. 

Gerloff, Müller, Einführung einer einheit- 
lichen Schreib- und Druckschrift 819. 

Gernsheim, Zur Behandlung des Brech- 
durchfalls mit Biedert'schem (künst- 
lichem) Rahmgemenge 1068. 

Glaessner, Ueber die Verwerthbarkeiteinizer 
neuer Eiweisspräparate zu Kulturzwecken 
I. Allgemeine Eignung mit besonderer 
Berücksichsigung der Diphtherie 131. 

Glax, Lehrbuch der Balneotherapie 124. 

Gleim, Berichte über die Schlafkrankheit 
der Neger im Kongogebiete 797. 

Gley et Bourcet, Présence de l’jode dans 
le sang 360. 

— et Camus, Action du liquide de la 
prostate externe du hérisson sur le liquide 
des vesieules seminales: nature de cette 
action. — Sur quelques proprictis et 
reactions du liquide de la prestate in- 
terne du hérisson 766. 

Glogner, Ueber Immunität gegen Malaria 
502. 

Goebel, Der internationale (iesundheit-- 
rath in Alexandrien 660. 

Goldschmidt, Hereditäre Uebertragung der 
Tuberkulose 937. 

Gorini, Ueber die bei der mit Vaccine aus- 
geführten Hornhautimpfung vorkommen- 
den 7selleinschlüsse und über deren 
Beziehungen zu Zellinklusionen der bis- 
artigen (reschwülste 499. 

— Sulla disinfezione degli ambienti medi- 
ante la formaldeide 709. 


Gotschlich, Die Pestepidemie in Alexan- 
drien im Jahre 1899. 998. 
Gottstein und Schröder, Ist die Blut- 


körperchenvermehrung im (iebirge eine 
scheinbare oder nicht? 431. 

— und Michaelis, Zur Frage der Abtisltunr 
von Tuberkelbacillen in Speisefetten 
1197. 

Graeser, Ueber Alkoholverbände 439. 

Grahn, Die städtische Wasserversorgung 
im Deutschen Reiche sowie in einigen 
Nachbarländern. Königreich Bayern 127. 

Grassberger und Schattenfroh, Ueber Butter- 
säurebaeillen und ihre Beziehungen zu 
der (iasphlegmone 495. 

— — Die Bezichungen der unbeweglichen 
Buttersäurebaeillen zur Rauschhrand- 
affektion 1052. 

— — Neue Beiträ 
Buttersäuregährungserreger und 
Beziehung zum Rauschbrand 104. 

Grassi, Erster summarischer Bericht über 
die Versuche zur Verhütung der Malaria, 
angestellt in der Gegend von Paestum 160. 

— und Not, Uebergang der Bluttilarien 
ganz ausschliesslich durch den Stich 
von Stechmücken 1054. 


e zur Kenntniss der 
ihrer 


Namen-Register. 


Grawitz, Ein Beitrag zur Frage nach der 


Entstehung der sogenannten Tropen- 


animie 63. 
— Bemerkung zu dem Artikel von Mayer 
und Wolpert über „ Wohnungsdesinfektion 


| 


durch Formaldehyd“ in No. 4. dieser | 


Zeitschrift 395. 

— Epidemiologischer Beitrag zur Frage 
der Malariainfektion 408. 

Grchant,. Nouvelles recherches compara- 
tives sur les produits de combustion de 
divers appareils d'éclairage 903. 

Griffon, Bezançon und Le Sourd, Strepto- 
bacillen des weichen Schankers 686. 

Grimbert et Legros, Identité du bacille 
arrogene du lait et du pneumobaeille 
de Friedlaender 132. 

Grimm, Aerztliche Beobachtungen auf Yezo 
von 1887—1892. Ein Beitrag zur medi- 
einischen Geographie 178. 

tiromakowsky, Die differentielle Diagnose 
verschiedener Arten der Pseudodiphthe- 


riebacillen und ihr Verhältniss zur 
Doppelfärbung nach Neisser 181. 
Grothe, Ueber Schuleinrichtungen für 
sehwachbegabte Kinder 911. 

Grotjahn, Alkoholgenuss, Alkoholmiss- 


brauch 200. 

Gruber, Ueber die Zulässigkeit der Ver- 
wendung der Fluoride zur Konservirung 
von Lebensmitteln 457. 

— Ueber die Zulässigkeit der Verwendung 
von Chemikalien zur Konservirung von 
Lebensmitteln 457. 

— Ueber den Handel mit Eis 608. 
Grunow, Ein Fall von Protozoen (Cocei- 
dien ?)-Erkrankung des Darms 1146. 
Gurin ct Calmette, Recherehes sur la 

vaccine expérimentale 1147. 

Guillemonat et Charrin, Influence des mo- 
ditications erpérimentales de l’organisme 
sur la consommation du glycose 411. 

— — Fütterung mit sterilisirter Nahrung 


Guinard, La recherche du traitement de 
la tuberculose 11. 

Guinon. Contamination hospitalière de la 

ievre typhoide 292. 

Gutknecht. Die Granulose im Kreise Bütow 
899. 

Guttstadt, Diskussion zu Lassar: „Ueber 
den Stand der Volksbäder” 1130, 1131. 


H. 


Hacke. Kurse für Aerzte an Taubstummen- 
anstalten 683*. 
Hahn und Geret, 
trypsin 614. 
Hakonson-Hansen. Schulgebäude nach dem 
Pavillonsystem in Drentbeim 80. 
Halban, Agglutinationsversuche mit müt- 
terliehem und kindlichem Blute 308. 


Ueber das Hefe-Endo- 


1239 


Haller, Zum Luftumwälzungsverlahren für 
Niederdruck-Dampfheizkörper der Firma 
Gebr. Körting 1102. 

Hammerl, Neuere Untersuchungen über das 
Grazer Wasserwerk, mit besonderer Be- 
rücksichtigung der Frage der Einwirkung 
der Flüsse auf (irundwasserversorgungen 
bei Hochwasserperioden 1141. 

Hansen, Finnländische Wasserleitungen 659. 

Hanus, Einige Beiträge zur Frage des 
Ranzigwerdens der Butter 196. 

— und Stoc eber die chemische Ein- 
wirkung der Schimmelpilze auf die Butter 
61l. 

Harpf, Flüssiges Schwefeldioxyd, 
stellung. Eigenschaften und Verse: 
desselben. Anwendung des tlüss 
gasformigen Schwefeldioxydes 
werbe und Industrie 1171. 

Harris, Notes on the toxicity of different 
specimens of the bacillus coli communis 
obtained from various sources 182. 

— The supply of sterilised humanised Milk 
tor the use of infants in St. Helens 691. 

Hartleb, Bestimmung der Schwefelsäure in 
Trinkwässern 1139. 

— und Stutzer, Untersuchungen über die 
bei der Bildung von Salpeter beobachteten 
Mikroorganismen. H. Abhandlung: Ni- 
tratbildner 

Hartogh und Schumm. Zur Frage 
Zuckerbildung aus Fett 1060. 

v. Haselberg, Die Abnahme der Typhus- 
erkrankun; in Stralsund 20. 

Hashimoto, i neue milehsäurebildende 
Kugelbakterien 821. 

Hausenbichler und Bohata, Sanitätsbericht 


in ic- 


der 


des österreichischen Küstenlandes für 
die ‚Jahre 1895 bis 1897. 92. 
Hayaschikawa, Die Verwendbarkeit der 


Harngelatine zur Züchtung der Typhus- 
baeillen 925. 

Hectoen and Perkins, Refractory subeuta- 
neous abseesscs caused by Sporothrix 
Schenkii. A new pathogenic fungus 507. 

Hédon, Sur lagglutination des globules 
sanguins par les agents chimiques, et 
les conditions de milieu qui le favorisent 
ou l'empèchent 859. 

Hefelmann, Zur Beurtheilung des Stärke- 
gehaltes der Leberwurst 1064. 

Hegner und Rene, Der neue Schlachthof 
in Pilsen 459. 

Heim, (Grüne Inkrustrationen an Wasser- 
messern 575. 

Heimann, Zur Krebsstatistik 874. 1147. 

Heinemann, Experimentelle Untersuchung 
am Menschen über den Eintluss der 
Muskelarbeit auf den Stöffverbraueh und 
die Bedeutung der einzelnen Nährstofte 
als Quelle der Muskelarbeit 1058. 

Heinze, Einiges über die Krankheiten und 
Fehler beim Weine unter besonderer 


1240 


Berücksichtigung der Infektionskrank- 
heiten desselben 321, 377. 

Hellendall, Die experimentelle Lumbal- 
punetion zum Nachweis von Tuberkel- 
bacillen 1196. 

Hellström, Ucber Tuberkelbaeillennachweis 
in Butter und einige vergleichende Unter- 
suchungen über pathogene Keime in 
Butter aus pasteurisirtem und nicht 
pasteurisirtem Rahm 939. 

Helm, Gewinnung und Absatz von frischer, 
tuberkelbaeillenfreier Trinkmilch (Eis- 
milch) 518. 

Hempel und Beythien, Chokoladenmehle 
1073. 

Henke, Zur Endocarditis pneumococeica 
1144. 

Henkel, Klinische Beiträge zur Tuber- 
kulosc. Bin Fall von geheilter Menin- 
gitis cerebrospinalis tuberculosa 130. 

Henry, Sterilisation de l'eau par le filtre 
Lapeyrüre 429. 

Henzold, Eine neue Reaktion auf Gelatine 
und Hausenblase 620. 

Herberich, Gegenbemerkungen zu den kri- 
tischen Bemerkungen über dieMünchener 
Thesen zur Schulreform des Herrn Dr. 
Kotelmann 82. 

Hermann, Ueber das Sterilisiren der Seiden- 
katheter 466. 

Hermanni, Die Erkrankungen der in Chro- 
matfabriken beschäftigten Arbeiter 1225. 


Herz, Ucber (ionokokkenfärbung mit Neu- | 


tralroth 68. 

Herzberg, Diskussion zu Lassar: „Ueber 
den Stand der Volksbäder“ 1130, 1131. 

Herzog. Almquist, Blasius, Holst, Hirsch- 
mann, Gauch und Weyl, Untersuchungen 
zur Strassenhygiene 143. 

Hesse, Ueber das Verhalten pathogener 
Mikroorganismen in pasteurisirter Milch 
401. 

— Zur Frage der beschleunigten Züchtung 
des Tuberkelbacillus 748. 

— Ueber einen neuen Muttermilchersatz: 
Pfund’s Säuglingsnahrung 914. 

Heubner, Ueber die Verhütung der Tuber- 
kulose im Kindesalter in ihren Bezie- 
hungen zu Heil- und Heimstätten 66. 

Heuser, Bakteriologische Reinigung stid- 
tischer Abwässer 317. 

Hewlett and Roland, Preliminary nöte on 
a new quantitative method for serum 
diagnosis 440. 

Heymann,Diskussion zuMendelsohn: „Ueber 
die Nothwendigkeit der Errichtung von 
He iten für Herzkranke* 979. 

Hilbert, Ueber den Werth der Hank hen 
Methode zum Nachweise von Typhus- 
bacillen im Wasser 21. 

Hilsum,  Bakteriologische ri 
eines Schwimmbades in Bezug auf Selbst- 

inigung 142. 


Namen-Register. 


Hinterberger, Eine neue Modifikation des 
Greisselfärbungsverfahrens nach van Er- 
mengem 86. 

— Einiges über Leichenhallen 952. 

Hirsch, Diskussion zu Radziejewski: „Auge 
und Berufswahl* 376. 

Hirschfeld, Die Ernährung der Gefangenen 
im Zuchthause 563. 

Hirschmann. Almquist,, Blasius, Herzog. 
Holst. Gauch und Weyl, Untersuchungen 
zur Strassenhygiene 143. 

Hiss and Atkinson, Scerum-globulin and 
diphtherie antitoxin. A comparative 
study of the amount of globulin in 
normal and antitoxie sera, and thr re- 
lation of the globulins to the antitoxic 
bodies 443. 

Hobbs et Denier, Etude experimenta 
le ròle antiseptique des essences 
vis le streptocoque 489. 

Höber, Ueber Platinkatalyse. Beobachtun- 
gen an Gasketten 916. 


| Hülscher, Kurze Mittheilungen über ex- 


perimentelle Untersuchungen mit säure- 
festen tuberkelbacillenähnlichen Spalt- 
pilzen 941. 

Holst, Almquist, Blasius, Herzog, Hirsch- 
mann, Gauch und Weyl. Untersuchungen 
zur Strassenhygiene 143. 

Homberger, Zur Gionokokkenfärbung 25. 

Horrocks, On the value of the agglutination 
test as a means of diagnosis of the Bac. 
typhosus from coliform organisms 446. 


|! Hotmann und Wlaiew, Krebsserum 686. 


Howard, A case of general gaseous em- 
physema with gas eysts in the brain 
formed after death and due to bacillus 
mucosus capsulatus, with a consideration 
of the gas-producing properties of certain 
members of this group in the cadavers 
of animals 436. 

Huber, Notizen zur Fleischkunde 1062. 

Hueppe, Ueber die modernen Kolonisa 
bestrebungen und die Anpassungsn 
lichkeit der Europäer in den Tropen 759. 

Huizenga und Wibbens, Untersuchungen 
über die Verdaulichkeit der Butter und 
einiger Surrogate derselben 1070. 

Hünermann und Deiter, Ueber die Desin- 
fektion des Trinkwassers mit Natrium- 
hypochlorit 1192. 

Hünnemeier und Koenig, Ueber den nie- 
drigsten, für das Leben der Fische noth- 
wendigen Sauerstouffgehalt des Wassers 
1139. 

Hutchinson, Die Verbreitung von Keimen 
durch gewöhnliche Luftströme 1191. 
Hutyra, Tuberkulinversuche bei Rindern 

14. 


1, J. 
Jackschath. Die „Malaria* der Rinder in 
Deutschland 1206. 


Namen-Register. 


Jacubitz, desintfieirende Wandan- 


striche 


ber 


Jacobsohn, Geistliche und weltliche Kran- ' 


kenpflege vom ärztlich-therapeutischen 
Standpunkte 681* 

— Diskussion zu Mendelsohn: „Ueber die 
Nathwendigkeit der Errichtung von Heil- 
stätten für Herzkranke* 980. 

Jadassohn und Schmid, Prostitution 
venerische Krankheiten. 1. 
tution und die venerischen Krankheiten 
in der Sehweiz. 2. Die internationale 
Konferenz zur Verhütung der Syphilis 
und der venerischen ‘Krankheiten in 
Brüssel (Septeinber 1899) 245. 

Javhn, Ein neuerDampfsterilisationsapparat 
42 

Jakowski, Ueber die Mitwirkung der Mikro- 
organismen beim Entstehen der Venen- 
thrombose 991. 

James, On the metamorphosis of the filaria 
sanguinis hominis in mosquitos 764. 
Janssens, Statistique demoögraphique et 
mídicale de l'agglomération bruxelloise 

46. 

Jarislowsky, Diskussion zu Lassar: „Ueber 
den Stand der Volksbäder* 1127, 1131. 

‚Jeanselme, Entstehung des Tokelau 715. 

Jensen, Studien über die Enzyme im Käse 
414. 

‚Jess. Kompendium der Bakteriolögie und 
Blutserumtherapie für Thierärzte und 
Studirende 656. 

Intze, Ueber Thalsperrenwasser als Trink- 
wasser 785. 

Jochmann, Wachsthum der Tuberkelbaeillen 
aut sauren Nährböden 1. 
— und Krause, Zur Aetiologie 

hustens 1203. 

Johannessen, Ueber Laugevergiftung hei 
Kindern 713. 

Jolles, Einiges über die Eiweisskörper 981. 

— Einiges über die Eiweisskörper. IT. 1133. 


und 


des Keuch- 


Juckenack, Beitrag zur Kenntniss des 
„fadenziehenden Brotes* 87. 
Iwanoff, Ueber die Veränderungen der 


Malariaparasiten während der Methylen- 
hlaubehandlung 1204. 
K. 
Kaess. Ueber die Sterilisation von Wasser 
dureh ‚Jod, Chlor und Brom 603. 
Kamen, Ueber eine bis jetzt wenig gewür- 
digte Lokalisation des Influenzaprocesses 
94 
Karlinski, Zur Kenntniss 
Bakterien 1197. 
Karo, Zwei Fälle von Rektalgonorrhoe als 
lge von Entleerung gonorrhoischer 
Eiteransammlungen ins Rektum 1145. 
— Zwei Fälle von ursgenitaler Colibacillose 
1200. 


der säurefesten 


Die Prosti- | 


1241 


Kassner, Ueber Kohlenoxyd 
die neue Möglichkeit ihr: 

Kassowitz. Wirkt Alkohol 
toxisch? 417. 

— Audiatur et altera pars 553. 

Katsura, Ucber den Einfluss der Queck- 
silbervergiftung auf die Darmbakterien 

„526. 

Katz, Ueber Dampfkesselzerstörung durch 
saure Speisewässer 902. 

Kauer. Milchglasphotometer 456. 

Kaufmann, Bericht über die im Sommer 
1900 beobachtete Blatternepidemie 795. 

— Leber die Ursache der Zunahme der 
Eiweisszersetzung während des Hungerns 
1059 

Kayser, 
1025. 

Kellner, Die Wohlfahrtseinrichtungen in 
der „neuen Gasanstalt zu Mülhausen i. E. 


Vergiftung und 
Heilung 1076. 
nährend oder 


ährungs und 


sig Essigessenz 


isk Studie öfner 

glasindustrien i Sverige (Arbeitsstatis- 

tische Studie über die (Gilasindustrie in 

i hecden) 523. 

, Zur Pathogenität des Staphy- 

loeoceus "quadrigeminus Czaplewski 670. 

Kijanitzin, Weitere Uebersuchungen über 
den Einfluss sterilisirter Luft auf Thiere 
ATT*, 

Kirchner und Racine, Zur Kenntniss der 
Reichert-Meissl’schen Zahl von hollän- 
discher Molkereibutter 692. 

Kirschmann, Wie weit lässt sich der Eiweiss- 
zerfall durch Leimzufuhr einschränken ? 
697. 

Kisskalt, Die Erkältung als krankheits- 
disponirendes Moment 891. 

Kister und Köttgen, Ueber die von Danysz 
gelundenen. für Ratten pathogenen Ba- 
eillen 1144. 

Kitasato, Takaki. Shiga und Moriya, Bericht 
über die Pestepidemie in Kobe und 
Osaka von November 1899 bis Januar 
1900. 793. 

Kläbe, Ucber die Auswahl der schwach- 
begabten Kinder für die Hilfsschule 11 

Klebe, Ueber Arbeiter-Wohlfahrtseinrich- 
tungen in Gaswerken 1026. 

Klebs, Zur kausalen Behandlung der Tuber- 
kulose 1. 533. 

Klein. Zur Kenntniss der Verbreitung des 
Bacillus tuberculosis und pseuda-tuber- 
eulasis in der Milch. sowie der Biologie 
des Bacillus tuberculosis 180. 

— Report on the fate of pathogenie and 
other infective mierobes in the dead 
animal body 744. 

— Further report on the bacillus enteri- 
tidis sporogenes 754. 

— Ueber zwei neue pyogene Mikrobien: 
Streptoeoeeus radiatus und Bacterium 
diphtherioides 1053. 


1242 


Kleine, Ueber Entgiftung im Thierkörper 
990. 

Klett, Die Sporenbildung des Milzbrandes 
bei Anaörobiose 997. 

Klinger. Dampfheizungs- und Lüftungs- 
anlage im Saalbau der Brauerei Liesing 
902. 

Klingmüller und Scholtz, Ueber Züchtungs- 
versuche des Leprabaeillus und über 
sogenanntes Leprin 135. 

Kluge. Tuberkuloseheime 836. 

Knauff, Vorarbeiten zu Stadtkanalisationen 
650. 

Knet-Milojković und Zega, Die Wassernuss 
1071. 

Knoepfelmacher, Versuche über die Aus- 
nützung des Kuhmilchkaseïns 1162. 
Knopf, Die Tuberkulose als Volkskrankheit 

und deren Bekämpfung 289. 

— Infection des livres par le bacille de 
la tuberculose 993 

Knorr, Oeflentliche schanstalten 143. 

Knudsen, Die neue dänische Gymnastik 
115 

Kobler, 
1146. 

Kobrak, Beiträge zur Kenntniss des Ka- 
eins der Frauenmilch 86. 

— Die Bedeutung des Milchthermophors 
für die Säuglingsernährung 689. 

Koch, Dritter Bericht über die Thätigkeit 
der Malariaexpedition. Untersuchungen 
in Deutsch-Neu-Guinca während der 
Monate Januar und Februar 1900. 25 

— Vierter Berieht über die Thätig 
der Malariaexpedition. die Monate M 
und April 1900 umfassend 353. 


Zur Actiologie der Leberabscesse 


— Fünfter Bericht über die Thätigkeit | 


der Malariaexpedition, Untersuchungen 
in Neu-tminea während der Zeit vom 
25. April bis 15. ‚Juni 1900. 667, 

gkeit der 


hlussberieht über die T 

expedition S44. 

sammenlassende Darstellung der Er- 
gebnisse der Malariaexpedition 845. 

Kodjabaseheff, L'action du sérum sanguin 
sur le va 32. 

Koelzer. Weitere Beobachtungen über die 
“„Widal’sche Reaktion“ bei Abdominal- 
typhus 1143. 

Koenig F., Die Folgeerkrankungen der 
Gonorrhoe und ihre Bedeutung für die 
Chirurgie 1005. 

— J., Beziehungen zwisehen dem Chlor- 
und Salpetersäuregehalt in verunreinigten 
Brunnenwässern bewohnter Ortschaften 
61. 

— Zur Frage der unbesehränkten Zu- 
ässigkeit des Stärkesyrups für die Be- 
reitung von Nahrungsmitteln 87. 

— Beiträge zur Selbstreinigung der Flüsse 


173. 


Namen-Register. 


Koenig J., Bestimmung des vrganischen 
Kohlenstoffs im Wasser 1136. 

— und Hünnemeier, Ueber den niedrigsten. 
für das Leben der Fische nothwendigen 
Sauerstoffgehalt des Wassers 1139. 

Koeniger, Untersuchungen über die Frage 
der Tröpfcheninfektion 58. 

Kohlbrugge, Kritische Betrachtung zum 
zweiten Bericht über die Thätigkeit der 
Malariaexpedition von Herrn Geh. Med.- 
Rath Prof. Dr. R. Koch 352. 

— Betrachtungen über den Einfluss de~ 
tropischen Klimas auf den Körper 431. 

—- Syphilis in den Tropen 865. 

Koller, Die Konservirung der Nahrun.n- 
mittel und die Konservirung in der 
Grährungstechnik 1016. 

Kollmann und v. Notthaflt, Die Pruphy- 
laxe bei Krankheiten der Harnwege und 
des (ieschlechtsapparates (des Manne-' 
864. 

Königshöfer, Die Prophylaxe der Augen- 
heilkunde 1170. 

Köppen, Zur Diagnose und Prognose der 
Gonorrhoe des Mannes 1145. 

Kori. Verbrennungsöfen für Abfälle 950. 

Korn, Weitere Beiträge zur Kenntniss der 
säurefesten Bakterien 20. 

Körting, Wassergas im Vergleich mit an- 
deren brennbaren Gasen 1101. 

Kossel, 10. internationaler Kongress für 
Hygiene und Demographie 98. 

— und Frosch, Ueber die Pest in Opurto 
393. 


‘ — und Weber, Ueber die Hämoglobinuri- 


der Rinder in Finnland 503. 


' Kostjamin, Eine neue vereinfachte Unter- 


suchungsinethode zur quantitativen Be- 
stimmung der Salpetersäure im Trink- 
wasser 678*. 

Kostin, Ueber den Nachweis minimaler 
Mengen Kohlenesyd in Blut und Lurt 
1135. 

Kotelmann, Noch einmal die Münchener 
Thesen zur Schulreform 557. 

— Ein Fall von Ueberbürdung im klassi- 
schen Alterthum 1154. 

Köttgen, Ueber die 1899 in Barmen au- 
getretene Ruhrepidemie 1096. 

— und Kister, Ueber die von Danysz ge- 
fundenen, für Ratten pathogenen Bacillen 
1144. 

Krämer. Diskussion zu Radziejewski:, Auge 
und Berufswahl“ 376. 

Kraus H.. Ueber die prophylaktisch- Imi- 
munisirung kranker Kinder gegen Diph- 
therie 73. 

— R., Besitzt die Galle Lyssavirus schä- 
digende Eigenschaften? 74. 

— und Clairmont, Ueber experimentelle 
Lyssa bei Vögeln 69. 

— — Ueber bakterioly 
des Taubenserums 72. 


ische Wirkungen 


Namen-Register. 


KraustR.u. Clairmont, Ueber Hämolysine und 
Antihämol ine 302. 
Statistische Auf 
schulen Oesterreichs B 
Krause, Beiträge zur Kenntniss des Ba- 
eillus pyocyaneus 539. 
und Jochmann, Zur 
„ Keuehhustens 1203. 
sz, Erfahrungen über den Bacillus 
1144. 
Studien 


hme der Volks- 
6. 


Aetiologie des 


über Colibacillen 1099. 


y 
Kreisel, 
Kretschmar, Ein Schutzmittel gegen die 

Angriffe von Leitungswasser auf Cement- 


putzflächen 659. 


Kröhnke, Die Reinigung des Wassers für | 


häusliche und gewerbliche Zwecke 284. 
Krompecher, Erythroeytenkerne 
Serum 859. 


— Recherches sur le traitement des ani- | 


maux tubereuleux par la methode de 
Landerer et sur la virulence des bacilles 
tubereuleux 994. 

Kronecker, Die „Kala-Azar“ in der vorder- 
indischen Provin m 764. 

Krug, Aus der s 

Krull, Wassersterilisirung durch ozenisirte 
Luft nach dem System Abraham und 
Marmier 1047. 

— Die Wassersterilisirung durch ozoni- 
sirte Luft nach 
und Marmier 1140. 

Krunmacher, Ueber (len Einfluss subkutan 
injieirter verdünnter Chlornatriumlösung 
auf die Biweisszersetzung 607. 

Kruse, Ueber die Bedeutung «der Ruhr als 


Volkskrankheit und ihren Erreger. den j 


Ruhrbaeillus 318. 

— Ueber die Ruhr als 
und ihren Erreger 664. 

— Ueber die Einwirkung der Flüsse auf 
Girundwasserversurgungen und deren hy- 
gienische Folgen 784. 

— Typhusepidemien und Trinkwasser 791. 

— Beiträge zur praktischen Hygiene. 
Ueber Verunreinigung und 
nigung der Flüsse 799. 

— Die Ruhrgefahr in Deutschland, ins- 
besondere im niederrheinisch - westfü- 
lischen Industriebezirk 1095. 

— Die tresundheitsverhältnisse der Aerzte, 
Geistlichen und Oberlehrer im Vergleich 
mit denen anderer Berufe 1170. 


Volkskrankheit 


rztlichen Praxis 88. | 


dem System Abraham | 


IH. | 
Selbstrei- | 


— Weitere Untersuchungen über die Ruhr- i 


bacillen 1204. 

Krüss, Die Flamme der Hetnerlampe und 
die Messung ihrer Liinge 904. 

Kübler, Zur Diagnose des Unterle 
durch bakte: riologisehe Urinunte 
21. 

— Bekanntmachung des Reichskanzlers 
betreffend Bestimmungen zur Ausfüh- | 
rung des Gesetzes über die Bekämpfung 
gemeingefährlicher Krankheiten 659. 


| 
| 
| 


1243 


Kübler, Geschichte der Pocken und der Im- 
pfung 847. 

Kühn, r Spondylitis typhosa 1199. 

Kuntze, Ein Beitrag zur Kenntniss der 
Bedingungen der Farbstoffbildung des 
Baeillus prodigiosus 149. 

Kunze, Die Hilfsschule zu Halle a. S. 1152. 

Kurth und Stoevesandt, Der Pestfall in 
Bremen 898. 

Kutscher, Ueber das Antipepton 696. 


L. 


Laborde. Vergiftung durch ein Haarfärbe- 
mittel 770. 


E 


| van Laer, Contribution à l'étude des fer- 
lösendes 


mentations visqueuses. Recherches sur 
les bières à double face 39. 

Lam, Ueber den normalen refraktome- 
trischen Werth für Butter 36. 
Landau, Kurpfuscherei im Lichte 

Wahrheit 868. 

Landsteiner, Zur der antifer- 
mentativen, lytischen und agglutinirenden 
Wirkungen des Blutserums und der 
Lymphe 190. 

Laitinen, Ueber den Einfluss des Alkohols 
auf die Emptindlichkeit des thierischen 
Körpers für Infektionsstoffe 463. 

de Lange, Die Zusammensetzung der Asche 
des Neugeborenen und der Muttermilch 
1057. 

Lange. Zur Milzbrandinfektion des Menschen 
481. 

— Zur Milzbrandinfektion der Raubthiere 
529. 


der 


Kenntniss 


Langsdorf, Beiträge zum gegenwä 
Stande der Steilschriftbewegung 

lannelongue, Achard u. Gaillard, 
der Ernährung. Muskelarbeit und Staub- 
einathmung auf die Entwickelung der 
experimentellen Tuberkulose 814. 

— — De l'infuence du climat sur l'évolution 
de la tuberculose pleuro-pulmonaire ex- 
prrimentale 1142. 

Larkin and Norris. Two cases of neerotie 
bronchopneumonia with streptothrix 496. 

Laschtsehenko, Ueber Extraktion von 
Alexinen aus Kaninchenleukoeyten mit 
dem Blutserum anderer Thiere TL 

Lass, Untersuchungen über die Schwefel- 
ausseheidung der Muskulatur und der 
Organe ge: sunder und kranker Schlacht- 
thiere 457. 

Lassar, Ueber den Stand 
11 

— Diskussion zu Lassar: „Ueber den 
Stand der Volksbäder* 1127—1132. 


88 


der Volksbäder 


1244 


Lauk, Acht Fälle von Wurstvergiftung 
412. 
Laves, Ueber das Eiweissnährmittel „Ro- 


borat” und sein Verhalten im Organismus. 
verglichen mit Ähnlichen Präparaten 69 
Lebbin, Ueber die Vertheilung der Nähr- 
stoffe in den lHühnereiern 194. 
— Die Konservirung und Färbung von 


Fleischwaaren 1159. 
Leeene und Legros, Gasgangrän 1178. 
Leclainche et Morel, La serotlwrapie de 


la septicemie gangréneuse 448. 

— èt Vallée, Recherches experimentales 
sur le charbon symptomatique 134. 
Präcipitirende Eigenschaften des 
Serums nach 

reichem Harn 687. 
tude comparée du vibrion sep- 


tique et de la bacterie du charbon 
symptomatique 758. 

— — Recherches expérimentales sur le 
charbon symptomatique. Troisième 
partie: Immunisation 8 


Ledermann, Ueber Pflege und Lebensweise 
syphilitisch Infieirter 666. 

Ledoux-Lebard, Le bacille pisciaire et la 
tuberculose de la grenvuille due à ce 
bacille 748. 

van Leent, Ueber das Verhalten des Ba- 
eillus anthracis in der Perituncalhöhle 
des Meerschweinchens 1201. 

Leftler, Undersökning af bagerierna i Sve- 
rige. (Untersuchung der Bäckereien in 
Schweden.) 523. 

Legros et Grimbert, Identité du bacille 
acrogene du lait et du pneumobacille 
de Friedlaender 132 

— et Lesene, Gasgangrän 1178. 

Lehmann, Eine Reise in das 
Hungergebiet 10. 

Leichmann und v 
einige in reifem 
säurebakterii 

Lent, Die Medicinalreform 
868. 

Lentz. 


Bazarewski, Ueber 
e gefundene Milch- 


in Preussen 


Diskussion zu Neumann: „Die 
der unehelichen Kinder in Berlin* 


Lépine. Etude sur les Heömatomyelies 
(ehapitre: „Maladies des caissons“) 71 

Leppmann. Roth und Schlockow, Der 
Kreisarzt 204. 

Leroy, Contribution À 
olisme en Bretagne. 
la Finistère au XIX. sièele 201. 

Lesieur et Chatin, De la présence du ba- 

eille de Loeffler et du bacille pseudo- 

diphtfrique chez les enfants hospitalisés 

790. 

— et Nicolas, Agglutination bei Staphy- 
lokokken 715. 

Letulle, L’höspital et ses contaminations 
tuberculeuses 993. 


étude de l’alco- 
L’aleoulisme dans 


Einspritzung von eiweiss- | 


russische | 


Namen-Register. 


Levin, Bubonpesten i Porto 1599. 
Bubonenpest in Porto 1899; 437 
Levy, Die Berliner Rettungsgesellsel 
ihre Ziele und ihre Organisation 1 
— und Bruns, Ueber die Abtüdtung der 
Tuberkelbacillen in der Milch durch 
Einwirkung von Temperaturen unter 

100°. 669 *. 

— und Fickler, Ueber ein neues patho- 
genes keulenförmiges Bakterium der 
Lymphe (Corynebacterium 1.ymphar 
vacemalis) 349. 

Lewin, A., Untersuchungen an Kupier- 
arbeitern 704. 

— L., Ucber die toxikologische Stellung 
der Raphiden 39. 

Lewkowiez, Zur Biologie der Malariapa- 
rasiten = e 

Libman, I. Ueber einen neuen pathogenen 
Streptokokkus. 11. Ueber eine eigen- 
thümliche Eigenschaft (wenigstens man- 
cher) pathogener Bakterien 133. 

Lichtenfe\t, Ueber Abweichungen von der 
durchschnittlichen Ernährung 913. 

— Ueber die Ernährungsmöglichkeit im 
Deutschen Reiche 115: 

Liebe, Der Stand der Vo 
wegung im In- und Auslande 290. 

Liebenthal. Ueber die zeitliche Verän- 
derung der Leuchtkraft von Gasglüh- 
körpern 453. 

Lieven, Die Syphilis der Mund- und Ra- 
chenhöhle 8 

Lignières, Sur ie „Tristeza“ 1206. 

Lindemann, Grundwasserleitung und Ty- 
phus 1089. 

Lippmann, Ueber Rückfälle 129. 

Littledale and Parsons, Epidemie cerebro- 
spinal meningitis in Dublin 405. 

Löblowitz. Frauenasyle, cine hygienische 
Studie 809. 

Lode, Abhärtung und Disposition zu In- 
fektionskrankheiten 320. 

Loeb, Ein neuer Beitrag zur Formalin- 
desinfektion, speciell in der Urològie 
1110. 

Loewi, Beiträge zur Kenntniss des Nuklein- 
stoffweehsels 192. 

— Untersuchungen über den Nuklenstet- 
wechsel. II. Mittheilung 1157. * 


‚Die 


ft, 


sbeilstättenbe- 


| Loewy und Cohn, Ueber die Wirkung der 


Teslaströme auf den Stoffwechsel 606. 

— und Pickardt, Ueber die Bedeutung 
reinen P’flanzeneiweisses für die Ernährung 
913. 

Löffler, Prophylaxe der Maul- und Klauen- 
seuche 108. 

— und Uhlenhuth, Leber die Schutzimpfun« 
gegen die Maul- und Klauenseuche. im 
besonderen über die praktische An- 
wendung eines Schutzserums zur Be- 
kämpfung der Seuche bei Schweinen 
und Schafen 853. 


Namen -Rogister. 


Löhlein, Bericht über die Thätigkeit des 
Untersuchungsamtes für ansteckende 
Krankheiten zu Halle a. d. Saale vom 
1. August 1900 bis 1. August 1901. 1187. 

Loos, Ueber die Erzeugung eines kohlen- 


| 
| 
| 


oxydfreien Heizgases aus Müll (Kehricht) | 


950. 
Lop. Vergiftung durch Lackfarbe 1179. 
Laranchet, A propos de la prophylaxie de 
la diarrhée infantile 405. 
Löw. A recent observation on filaria noc- 
turna in culex: probable mode of infection 
of man 507. 


ukleasen-Immunproteidine) und ihre 

vendung zur Therapie der Infektions- 
krankheiten und zur Schutzimpfung an 
Stelle des Heilserums 1209. 

Löwit, Weitere Untersuchungen über die 
Parasiten der Leukämie 27. 

— Ueber die Hämamöben im Blute Leu- 
kämischer 301. 

Lubarsch. Ueber das Verhalten der Tu- 
berkelpilze im Froschkörper 433. 

Lubowski. Befund von Schweinerothlauf- 
baeillen im Stuhle eines ikterischen 
Kindes 842. 

Lührig, Ueber Resorptionsfähigkeit und 
Verseifungsgeschwindigkeit einiger Nah- 
rungsfette 607. 

— und Reinsch. 
keit der Milchtroekensubstanz und deren 
Werth für die Beurtheilung von Markt- 
milch 609. 


und Emmerich. Die künstliche Dar- | 
"lung der immunisirenden Substanzen | 


1245 


Malkoff, Beitrag zur Frage der Agglutina- 
tion der rothen Blutkörperchen 29. 
Manicatide et Babes, Sur certaines sub- 
stances spécifiques dans la pellagre 763. 
Mankowski und Podwyssozki. Zur Frage 
über den Vaceineerreger von Dr. M. Funek 

1204. 

Marcuse, B.. Ueber Leberlymphome bei 
Infektionskrankheiten 64. 

— Diskussion zu Mendelsohn: „Ueber die 
Nothwendigkeit der Errichtung von Heil- 
stätten für Herzkranke“ 979. 

— J. Die Ausstellung für Krankenpflege 
in Frankfurt a. M. 33. 

— Zur Frage der alkoholfreien Ersatz- 
getränke 202. 

— Die Anwendung des Wassers in der 
Heilkunde 566. 

— Bäder und Badewesen der Neuzeit 679. 

— Antisepsis und Asepsis im Altertlium 
1075. 


‘ Marggraff, Diskussion zu Lassar: „Ueber 


Ueber die Veränderlich- | 


Lumbao und Fermi., Beitrag zur Prophy- | 


rsuche, den Menschen 
mittels chemischer Mittel gegen die 
Mücken zu schützen 501. 

Lattinger, Der Typhus im Czernowitzer 
Stadtgebiete während der Zeit vom 
Jahre 1892 bis Ende 1899. Eine hygie- 
nische Studie 


laxis der Malaria 


ologie des Keuchhustens 


Pneumokokkengrippe im Kindes- 
alter 897. 


M. 


Macfadyen, Morris und Rowland, Ueber 
ausgepresstes Hefezellplasma (Buchner's 

mase“) 698. 

Macleod, On thermic tever so called siriasis, 
with special reference to its alleged 
microbie causation 438. 

Maeder, Die stetige Zunahme der Krebs- 
erkrankungen in den letzten Jahren 46. 

Mai. Wann ist eine Fleischwaare als ver- 
dorhen zu betrachten? 1012. 

Malfatti, Beitrag zur Kenntniss der pep- 
tischen Verdauung 634*, 

Maltitano, La bactériolyse de la baeteridie 
eharbonneuse 757. 


den Stand der Volksbäder.“ 1131. 

Markl, Pestgift und Pestserum 103. 

— Einige Rathsehläge für die Einriehtung 
und den Betrieb der Pestlaboratorien 405. 

— Ein neuer Apparat für die ariun 
trische Bestimmung der Mauerfeuchtig- 
keit 

Martens, Ein neuer Photometeraufsatz 142. 

Martin, Behandlung und Prophylaxe der 
Diphtherie 99. 

Martini, Ein gelegentlicher, durch Inhala- 
tion übertragbarer Erreger der Lungen- 
entzündung bei Meerschweinchen. Ba- 
eillus pulmonum glutinosus 753. 

— Allgemeine Prophylaxe 470. 

Martius F., Pathogenetische Grundanschau- 
ungen T. 

— (i, Experimenteller Nachweis der Dauer 
des Impfschutzes gegenüber Kuh- und 
Menschenlymphe 510. 

Marx, Zur Theorie der Pasteur'schen 
Sehutzimpfung gegen Tollwuth 451. 

— Zur Therrie der Infektion 660. 

— Zur Theorie der Desinfektion 1108. 

Marzinowsky, Ueber einige in den Krypten 
der Gaumenmandeln gefundene Bacillen- 
arten 349 

Mastbaum. Einwirkung einer langen Leitung 
auf, die Zusammensetzung des g rten 

rs zu verschiedenen Jahreszeiten 


apparat, insbesondere für Desinfektions- 
füssigkeiten 864. 

Masuyama und Müller. Ueber ein diasta- 

tisches Ferment im Hühnerei 35. 

Mathieu et Triboulet, L’aalevol et T’alcuo- 
lisme 705. 

di Mattei, Die Prophylaxe des Malaria- 
fiebers durch Schutz des Menschen gegen 
die Schnacken 501. 


83* 


Gelatine zu verflüssigen 757. 

— Die Einwirkung des Kochsalzgehaltes 
des Nährbodens auf die Wuchsform der 
Mikroorganismen 1002. 

Maurer. Die Tüpfelung der Wirthszelle des 
rk Zar Kohle 4. 


kileisches und den Einfluss 
wöhnlichen Getränke auf 
desselben 877. 

— und Wolpert, Beiträge zur Wohnungs- 
desinfektion durch Formaldehyd 153. 
— — Zur Rolle der Lufttemperatur bei 
der Formaldehyddesinfektion. Antwort 
auf vorstehende Reklamation des Herrn 

Grawitz 396. 

— (i. Zur Kenntniss der Infektion vom 
Kenjunktivalsack aus 288. 

— Zur histologischen Differentialdiagnose 
der säurefesten Bakterien aus der Tu- 
berkulosegruppe 291. 

—- Zur Kenntniss des Rotzbaeillus und 
des Rotzknötchens 1051. 

Mcerum Terwogt, Smits und Raken, Neues 
Verfahren zur Bestimmung von Kohlen- 

oxyd im Leuchtgas 903. 

ger. Wärmewirkung der Teppiche 75. 

kung der Doppelfenster 76. 

— Wärmewirkungder Teppiche und Wärme- 
wirkung der Doppelfenster 354. 

Meissner. Ueber das Auftreten und Ver- 
schwinden des Glykogens in der Hefe- 
zelle 519. 

— Ueber die Nothwendigkeit der Errich- 
tung von Heilstätten für Herzkranke 967. 

— Diskussion zu Mendelsohn: „Ueber die 

\othwendigkeit der Errichtung von Heil- 
stätten für Herzkranke” 979, 980. 

Mendelsohn, Einhorn. Rosen, Prophylaxe 
in der inneren Medicin 470. 

Mense. Bemerkungen und Beobachtungen 

r die Schlafsucht der Neger 798. 

Menzer, Zur Aetiologie des akuten Gelenk- 
rheumatismus 844. 

Mertens. Beiträge zurImmunitätstrage 1210. 

— Ein biologischer Beweis für die Her- 
kunft des Albumen im Nephritisharn 
aus dem Blute 1216. 4 

Messinger, Anmerkungen zur Abhandlung 
von W. Fresenius und L. Grünhut: „Kri- 
tische Untersuchungen über dieMethoden 
zur quantitativen Bestimmung der Sali- 
eylsäure” 41. 

Messner. Ucher Milchkontrole 608. 

Mitin, Note sur élimination des bactéries 
par les reins et le foie 582. 

— Quelques expériences sur 
Porto 755 

Metschnikoff. Etude sur la spermotoxine 304. 

— Sur les eytotoxines 548. 


er. gë 
den Genuss 


la peste à 


Namen-Register. 


Metschnikoff, et Besredka, Recherches sur 
l'action de ’htmotaxine sur l'homme 551. 

Metzger. Mechanisches Rechenwerk für den 
Klärbetrieb 681. 

Meyer, F., Zur Bakteriologie des akuten 
Gelenkrheumatismus 843. 

— J., Geschichte der Genfer Konvention 
862. 

— Ueber Einwirkung flü 
Bakterien 1076. 

Michaelis und tittstein. Zur Frage der 
Abtödtung vonTuberkelbacillen inSpeis- 
fetten 1197. 

Micko und Pum, Ueber künstliche Färbung 
von Orangen 698. 

Middelton, Beitrag zur Unterscheidung ge- 
kochter und ungekochter Milch 60. 

Migula, System der Bakterien. Bd. II. 
eielle Systematik der Bakterien 57. 

— Beiträge zur Kenntniss der Nitrifikatien. 
1. Nitrifikation im Waldboden 125. 

Minervini, Einige bakteriologische Unter- 
suchungen über Luft und Wasser in- 
mitten des Nordatlantischen Oevans 7 

Miquel, Nachweis eines Zusammenhang 
von Wasserläufen durch Bierhefe 1177. 

Miyamoto, Beiträge zur Tetanusvergiftung 
350. 

Moeller, Die Lungentuberkulose und ihre 
Bekämpfung 14. 

Mohaupt, Beiträge zur Frage nach der Be- 
deutung der MHautdrüsensekretion auf 
den Sterilisationseffekt bei der Haut- 
desinfektion 467. 

Mollberg, Ein neues Verfahren zur Beleuch- 
tung mit Gasglühlicht 906. 

Monti, Die wissenschaftlichen GrundsAtze 
zur Beschaffung einer der Frauenmilch 
nahezu gleichwerthigen Nahrung 681*. 

Morel et Leelainche, La sérothérapie de 
la septietmie gangréneuse 448. 

Morgan, A case of lead poisoning by beer 
915. 

Morgenroth, Ueber den Antikörper des Lab- 
enzyms 442. 

— Zur Kenntniss der Labenzyme und ihrer 
Antikörper 442. 

— und Weigt, Bericht über die Wasser- 
versorgung in und um Tientsin 773. 
Mori, Ueber die Prophylaxe der Malaria 

mit Euchinin 1205. 

Moritz, Ueber Gesundheitsgefahr des Schlei- 
ferberufs und ihre Verhütung 

Moriya, Takaki, Shiga und Kitasato, Be- 
richt über die Pestepidemie in Kebe 
und Osaka von November 1899 bis Ja- 
nuar 1900. 793. 

Moro, Ueber die nach Gram färbharen 
Bacillen des Säuglingsstuhls 414. 

— Ueber den Bacillus acidophilus n. spee- 
Ein Beitrag zur Kenntniss der normalen 
Darmbakterien des Säuglings 564. 


er Lufi aut 


Namen-Register. 


Moro, Ueber Staphylokekkenenteritis der 
Brustkinder 1095. 

— Zur Charakteristik des diastatischen 
Enzyems in der Frauenmilch 1163. 

Morris, Macfadyen und Rowland, Ueber 
ausgepresstes Hefezellplasma (Buchner's 
„Zymase*) 698. 


, Zur Verhütung der Ansteckung 
Tuberkelbacillen in Schulen, auf 
öffentlichen Strassen, im Eisenbahn- 


wagen 534. 

Mouton, Ist es möglich, die Mortal 
Folge von Masern durch gesetzliche Be- 
stimmungen herabzudrücken? 556. 

Mugdan, Diskussion zu Mendelsohn: „Ueber 
die Nothwendigkeit der Errichtung von 
Heilstätten für Herzkranke* 979. 

— Diskussion zu Lassar: „Ueber den Stand 
der Volksbäder“ 1127. 

Mülhsam, Ueber Holzphlegmeone 839. 

Müllenbach. Neuere Wasserwerksanlagen 
mit Enteisenungseinrichtung 428. 

Müller. Gerloff, Einführung einer einheit- 
lichen Schreib- und Druckschrift 319. 

— A. Zur Schwefelwasserstoff-Bestimmung 
im Leuchtgas 455. 

— E. Ein Beitrag zur Frage der Cellu- 
loseverdauung im Darmkanal 1061. 

— und Cronheim. Zur Kenntniss der Be- 
deutung des organisch gebundenen Phos- 
phors für den Stoffwechsel des Kindes 
913. 

— F., Apparat zum S 
proben aus beliebiger Tiefe 60. 

— J.. Ueber Tropen und Plasmon 1062. 

— und Masuyama, Ueber ein diastatisches 
Ferment im llühnerei 35. 

— 0. Die Verwendung des Wasserstoff- 

superoxyds in der Wundbehandlung 964. 
P., Ueber die Verwendung des von Hesse 

und Niedner empfohlenen ährbodens 

bei der bakteriologischen Wasserunter- 

suchung 787. 

— Zur Lehre von den bakterieiden und 
agglutinirenden Eigenschaften des Pyo- 
eyaneus-Immunserums Sl. 

Ohrenhygiene beim Haarschneiden 


pfen von Wasser- 


Müller v. Berneck und Bredig. Ueber an- 
organische Fermente. I. Ueber Platin- 
katalyse und die chemische Dynamik 
des Wasserstoflsuperoxyds 620. 

Murray, Chronie brass poisoning 

Museatello und Cangitans, Ueber die Gas- 
gangrän 540. 

Musehold, Ueber die Widerstandsfähigkeit 
der mit dem Lungenauswurf heraushe- 
förderten Tuberkelbacillen in Abwässern, 
im Flusswasser und im kultivirten Bo- 
den .179. 

Myers. Ueber Immunität g 


sen Proteide 859. 


1247 
N. 


y, Ueber das Verhalten virulenter 
und avirulenter Kulturen derselben Bak- 
terienspeeies gegenüber aktivem Blute 70. 

Naegeli, Ueber Häufigkeit, Lokalisation und 
Ausheilung der Tuberkulose nach 500 Sek- 
tionen des Zürcherischen Pathologischen 
Instituts 65. 

Naether, Versuche über Beseitigung der 
Diphtheriebaeillen aus der Mundhöhle 
von Rekonvaleseenten 44. 

Nakanishi, Beiträge zur Kenntniss der 
Leukoeyten und Bakteriensporen 149. 
— Baeillus variabilis Iymphae vaceinalis, 
ein neuer konstant in Vaceinepusteln 

vorkommender Bacillus 407. 

— Nachtrag zu meiner Arbeit: „Bacillus 
variabilis Iymphae vaceinalis, ein neuer 
konstant in Vaccinepusteln vorkommen- 
der Bacillus* 408. 

Napias, Action de la baeteridie charbon- 
neuse sur les hydrates de carbone 132. 

Naumann, Fin Vorschlag zur Bekämpfung 

der Lungentuberkuluse im Mittelstande 


Nefediefl, Serum nephrotoxique 1218. 

Nehrkorn, Beitrag zur Purpura haemor- 
„rhagica 1052. 

rt. C.. Bettbehandlung der akuten 
Psychosen und über die Veränderungen, 
welche ihre Einführung im Anstaltsorga- 
nismus mit sich bringt 243. 

— M., Die Bedeutung der Bakterivlagie 
für Diagnose. Prognose und Therapie 316. 

— Ueber die Vielheit der im normalen 
Serum vorkommenden Antikörper 850. 

— und Wechsberg, Ueber eine n 
fache Methode zur Beobachtung vo 
digungen lebender Zellen im Organismus 
(Bioskopie) 621. 

Nestler, Ein einfaches Verfahren des Nach- 
weises von Thein und scine praktische 
Anwendung 1167. 

Neufeld. Ueber eine specifische_ bakterio- 
logische Wirkung der Galle 450. 

— Ueber Bakterien bei Typhus und ihre 
praktische Bedeutung 836. 

Neumann, H.. Die Lage der unchelichen 
Kinder in Berlin 248. 

— Diskussion zu Neumann: „Die Lage der 
unchelichen Kinder in Berlin* 261, 264. 

— 0.. Vergleichende Untersuchungen über 
die Desinfektionskraft von „Creolin Pear- 
son“, „lzal*, „Jeyes Fluids“ und einiger 
anderer Desinfektionsmittel 90. 

Nieloux, Dosage comparatif de 
dans le sang de la mère et du 
et dans le Tait après ingestion d’aleoul. 
Remarques sur le dosage de l’alevol dans 
le sang et dans le lait 2 

Nicolas und Arloing, Antitoxinbildung bei 
Diphtherie 714. 


Valeool 


1248 


Nicolas u.Lesieur, Agglutination bei Strepto- 
kokken 715. 

Nicolaus, Ueber Gasheizung und den Nutz- 
effekt der Grasheizung 77. 

— Die Gasheizöfen 676. 

— Die Heizanlagen der deutschen Bau- 
ausstellung zu Dresden 1900. 902. 

Nietner, Wirthsehaftliche und hygienische 
Reform des grossstädtischen Milchhan- 
dels 35. 

Nikitin, Ein Fall von ausgebreiteter Akti- 
nomykose mit Lokalisation im Gehirn 
667. 

Nikalsky. 


Charbon chez les animaux nourris 
av urs aliments habituels mèlés de 
spores charbonneuses 996. 

Nobiling-Jankau, Handbuch der Prophylaxe 
95, 470. 

Noè und Grassi, Uebergang der Blutfilarien 


ganz ausschliesslich durch den Stich von | 


Stechmücken 1054. 

Nuegserath, Das Verhalten unmittelbar der 
Luft entstammender Keimformen in fri- 
schen 'Thierwunden 1194. 

Noguchi. The eflect of cold upon the vi- 
tality of the bacilli of bubonic plague 
184. 

Noli. Contribution à l'étude 
antihématiques 547. 

Norris and Larkin, Two cases of neerotie 
bronchopneumonia with streptothrix 496. 

v. Notthafft und Kollmann, Die Prophylaxe 
bei Krankheiten der Harnwege und des 
Geschlechtsapparates (des Mannes) 864. 

Nussbaum, Arbeiterwohnungen 136. 

— Erwiderung auf die Bemerkungen von 

Hofrath Meidinger: „Ueber die Wärme- 

wirkung der Teppiche und Doppelfen- 

ster* 355. 

Die Rauchbeliistigung 
Städten 512. 
= Die Vorbildung des Technikers 562. 


des sérums 


in deutschen 


0. 


Ocheke, Ueber das Rheinische Irrenwesen 
so 

Oertzen. Ueber das Vorkommen von Pneu- 
mokokken auf der normalen menschli- 
ehen Bindehaut 403. 

Ogata. Ueber die Pestepidemie in Kobe 756. 

OhImüller, Beyschlag, Orth, Gutachten über 
die Verunreinigung der Haase durch die 
Piesberger Grubenwässer und deren Fol- 
gen 1055. 

Oppenheimer, C.. Zur Theorie der Ferment- 

processe 958 

— K. Ueber die Zersetzung des Eiweisses 
beim Kochen 914. 

Orth, Beyschlag. Ohlmüller, Gutachten über 
die Verunreinigung der Haase durch die 
Pjesberger Grubenwässer und deren Fol- 
gen 1055. 


Namen-Register. 


Orth, Diskussion zu Lassar: „Ueber den 
Stand der Volkshäder“ 1127, 1130. 

Ortloff, Der Einfluss der Kohlensäu 
die Gährung 416. 

Ossipoff, Influence de l'intoxieation betu- 
linique sur le système nerveux central 
1014. 

Ostertag, Handbuch der Fleischbeschau für 
Thierärzte, Aerzte und Richter 4. 

— Untersuchungen über die Virulenz und 
den Tuberkelbacillengehalt der Milch von 
Kühen, welche lediglich auf Tuberkulin 
reagirt haben, klinische Erscheinung*n 
der Tuberkulose aber nicht zeigen 346. 

Ott, Zur Aetiologie der fibrinösen Bron- 
chitis 404. 

— A. Aus den Heilstätten für Lungen- 


¢ auf 


‚kranke. Bericht über das Jahr 1900 
1038. 
Ottolenghi, Ueber die Desinfektion der tu- 


berkulösen Sputa in Wohnräumen 

— I batteri patogeni in rapporto ai d 
infettanti. Tabelle praticbe ad uso degli 
ufficiali sanitari, dei medici e degli stu- 
denti 707. 


P. 


Pagliani, Sulle condizioni igieniche e sani- 
taric dei lavori al tratoro del Sempict 

713. 

Pagniez und Camus, \gglutinirende Fählz- 
keiten des Blutes kranker Menschen (tl. 

Panıpoukis, Quelques observations sur la 
rage 28. 

Pannwitz, Die planmässige Schwindsuchtx- 
bekämpfung in Deutschland 534. 

— Der Stand der Tuberkulosebekänprfung 
im Frühjahr 1901. 895. 

Papasotiriu. Notiz über den Einfluss des 
Petroleums auf den Diphtheriebacilh 
293. 

Pappenheim, 
676*. 


Grundriss der Farbehem!“ 


| Parsons and Littledale, Epidemie cerehn- 


spinal meningitis in Dublin 405. 

Paul und Sarwey, Experimentaluniersu- 
chungen über Händedesinfektion. VI \ 
theilung. Allgemeines über die Ch 
der Quecksilberverbindungen als Dı 
fektionsmittel und über die Prüfung d 
Händedesinfektionsmetbuden. mit 
derer Berücksichtigung der modernen ph 
sikalisch-chemischen Theorien 1223. 

Paulsen, Ein Fall von gonorrheisehen Gv- 
lenk- und Hautmetastasen im Anschluss 
an Blennorrhoea neonatorum 351. 

Pause, Zur Hygiene der Schulge! 

Pawlowsky, Zur Frage der Infektion und 
der Immunität. Das Schicksal ei 
(hauptsächlich pyogener) Mikrobien im 
Organismus empfänglicher und immuner 
Thiere 8. 


Namen-Register. 


, Sur une épidémie hospita- 

evre typhoide développće par 
contagion 792. 

Pellegrini, Ricerche sul veneno dei funghi. 
Prove di immunizzazione e sieroterapia 
307. 

— Sulla genesi dei 
delle condutture 6 

Pelman, Ueber die Errichtung von Sana- 
torien für Nervenkranke 1107. 

Perkins and Hectoen, Rene Den, subeuta- 
nevus abscesses caused by Sporothrix 
Sehenkii. A new pathogenie fungu: i: 

Petersson, Kliniskt experimentela studier 

öfver lungtuberkulosen (Klinisch-experi- 
mentelle Studien über die Lungentuber- 
kulose) 433. 

Petruschky, Vorträge 
kämpfung 14. 

— Krankheitserreger 
1193. 

Pfaundler, Zur Kenntnis: 
der Pepsinverdanung 605. 

Pfeiffer, Zum Gedächtniss für Max v. Petten- 
kofer 717. 

Pflüger, Leber die Gesundheitsschädigungen, 
welehe durch den Genuss von Pferde- 
fleisch verursacht werden 193. 

Pfuhl A.. 
genuss 1013. 

— E. Ueber die M 


ubercoli ferruginosi 


zur Tuberkulosehe- 


und Krankheitsbild 


Endprodukte 


sung der Tempera- 


Massenerkrankung nach Wurst- | 


turzunahme in Fleischkonserven, die in ' 


Kumpressionskesseln  sterilisirt werden 
654*. 

Phisalix. Sur une variété de bacille char- 
bonnenx, à forme courte et asporogene: 
Baeillus anthraeis brevigemmans 757. 

Piek, Ueber die Methoden, anatomische 
Präparate naturgetreu zu konserviren 
766. 

Piekardt uud Loewy, Ueber die Bedeutung 
reinen P’flanzeneiweisses für die Ernäh- 
rung 913 

Piefke, Beiträge zur Hydrognosie der Mark 
Brandenburg mit besonderer Berücksich- 
tigung der Berliner Verhältnisse 128. 

Pigeaud, Ueber Bakterienbefunde (bes. 
Streptokokken) in den Dejektionen ma- 
gendarmkranker Säuglinge 898. 

Pinkenburg. Die Pflasterverhältnisse der 
städtischen Strassen im Deutschen Reiche 
138. 

Piza, Ueber Hautentzündung dureh Primel- 
gift (Dermatitis e Primula obeoniea Hauce) 
917. 

Plehn, Bericht 
Deutsch - Ostafrika, 
Italien 409. 


Unteregypten und 


— Die neuesten Untersuchung« n über Ma- | 


lariaprophylaxe in Italien und ihre tro- 
sche Bedeutung 1096. 
und Mankowski, Zur Frage 


über eine Studienreise in 


| Pum und Micko, 


| 
l 
] 
ı 
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i 
| 
! 
| 
| 


1249 


über den Vaceineerreger von Dr. M.Funck 
1204. 

Poleck, Ueber die Entwiekelung der Gross- 
desinfektion mit Formaldehyd bis zu 
ihrer heutigen Gestaltung 42. 

Pommer, Die Errichtung billiger Wohn- 
häuser in Leipzig 555. 

Poncet, Tuberkulose und rheumatische 
Affektionen 1177. 

Ponfick, Ueber die Beziehungen der Skro- 

e zur Tuberkulose 314. 

ssays über Hygiene auf dem Lande 


Popp. Natürliches Mineralwasser 176. 

Posner und Cohn, Zur ge der Allge- 
meininfektion bei Harnkrankheiten 346. 

— -- Ueber die Durchgängigkeit der Darm- 
wand für Bakterien T44. 

Posselt, Die geographische Verbreitung des 
Blasenwurmleidens, insbesondere des Al- 
veolarechinokokkus der Leber und dessen 

- Rasuistik seit 1886. 69. 

Prettner, Beitrag zur Rassenimmunität 492. 

Prinz, Bau und Bewirthschaftung von Ver- 
suchsbrunnen 1141. 

Prinzing, Die Kindersterblichkeit in Stadt 
und Land 866. 

— Die eheliehe Fruchtbarkeit in Deutsch- 
land 956. 

Prip, Ueber Diphtheriebacillen bei Rekon- 
valeseenten nach Diphtherie 941. 

Pröhsting. Ueber Staarbildung bei Fener- 
arbeitern 808. 

Prochaska, Untersuchungen über die Eite- 
rungen bei Typhuskranken 8 

Prowe, Gelbfieber in Centralamerika 796. 

Ueber künstliche Färbung 
von Orangen 698. 

Puppel. Ueber das Agglutinativnsvermögen 
aufbewahrten Blutserums von Typhus- 
kranken 1143. 


R. 


Ueber die Wirkung Muoreseirender 
auf Infusorien 91. 

holtz, Recherches sur la nature 
rasitaire de l’eezema et de limprtige 


Raab, 
Stoff 
— et 


p 


Rahinowitseh, Befund von siurcfesten Tu- 
berkelbaeillen-ähnliehen Bakterien hei 
Lungengan; 19. 

— Ueber die Gefahr der Ucbertraxung der 
Tuberkulose dureh Mileh und Milchpro- 
dukte 348. 

— und Beck, Ueber den Werth der Cour- 
mont'schen S tion für die Früh- 
diagnose der Tuberkulose 447. 

— -—- Weitere Untersuchungen über 
Werth der Arloing-Courmont'schen 
rumreaktion bei Tuberkulose, spe 
bei Rindertuberkulose 1214. 


den 


1250 


Ralıs, Beiträge zur Trinkwasserdesinfektion 
mit Chlor 1085. 

— Berichtigung 1190. 

Racine und 'hner, Zur Kenntniss der 


Zahl von hollän- 


Reichert-M 


Auge und Berufswahl 364. 
ussion zu Radziejewski: „Auge und 
hi“ 376. 

Alexis, Beitrag zur Kenntniss 
des Bacterium coli (Biologie, Agglutina- 
tion, Infektion und Immu t) 401. 

— Alois. Ueber Infektion 743. 

Rahts, Ergebnisse der Todesursachensta- 
tistik 567. 

Raken, Smits und Meerum Terwogt. Neues 
Verfahren zur Bestimmung von Kohlen- 
oxyd im Leuchtgas 903. 

Rambousek, Vergleichende und kritische 
Studien, betreffend die Diagnostik des 
Bae. typhi und des Bact. coli 945. 

Ranke, Ueber die Einwirkung des Tropen- 
klimas auf die Ernährung des Menschen 
auf Grund von Versuchen im tropischen 
und subtropischen Südamerika 177. 

— Der Nahrun! darf im Winter und 
Sommer des gemässigten Klimas 683*. 
Ransom, Die Lymphe nach intravenöser 
Injektion von Tetanustoxin und Tetanus- 

antitoxin 133. 

— Weiteres über die Lymplie nach Injek- 
tion von Tetanusgift 445. 

— Die Injektion von Tetanustoxin bezw. 
-Antitoxin inden subarachnoidealenRaum 
1201. 

— Saponin und sein Gegengift 1210. 

Rapmund, Die gesetzlichen Vorschriften 
über die Schutzpockenimpfung 192. 

Rappin. Wachsthum von Tuberkelbaeillen 
auf Harnstoffnährböden 1177. 

Raschig. Verfahren. Metakresol in Kresol- 
geinischen zu bestimmen 707. 

Räskai, Zur Pathogenese der genorrhoischen 

“pididymitis S40. 

. Ratz, Die Widerstandsfähigkeit des Virus 
er Tollwuth gegen Fäulniss 506. 

Ravenel. An experiment in the transmission 
of syphilis to calves 948. 

Reach und Frentzel, Untersuchungen zur 
Frage nach der Quelle der Muskelkraft 


Recknagel, Kalender für Gesundheitstech- 
niker 1901 246. 

Rehns, Wirkung des Diphtheriegiftes von 
der Trachea und der Typhusbacillen von 
der Lunge aus 1178. 

Reibmayr, Ueber die natürliche Immuni- 
sirung bei tuberkulösen Familien 938. 

Reiche, Zur Verbreitung des Careinoms 506. 

— Zur Klinik der 1899 in Oporto beob- 
achteten Pesterkrankungen 756 

Reiehenbach, Zur Messung der 
strahlung 904. 


Wärme- 


-Namen-Register. 


Reicher, Ueber den Gehalt der viederlän- 
dischen Buttersorten an flüchtigen Feti- 
säuren 1164. 

Reille, Le easier sanitaire de la ville de 
Paris 521. 

Reineke, Leitfaden für Wohnungspfleger T4. 

— Das Medieinalwesen des Hamburgiselen 
Staates 810. 

Reinsch und Lührig, Ueber die Veränder- 
lichkeit der Milchtrockensubstanz und 
deren Werth für die Beurtheilung veu 
Marktmilch 609. 

Reischauer, Vergleichende Untersuchungen 
über die Brauchbarkeit verschiedener 
Verfahren zur Ausführung der Wohnungs- 
desinfektion mit Formaldehy: d 577. 636. 

Remlinger et Tostivint, Note sur la rai 
de la tuberculose chez les Israrlites 
tunisiens 1088. 

Remy, Contribution à l'étude de la fièvre 
typhoide et de son bacille. Proerd‘ 
nouveau pour d: le bacille d’Eberth 
dans les selles et les caux 751. 

— Contribution à létude de la terre 
typhoïde et de son bacille. Deusime 
partie. Recherches sur l'antagonisme 
entre le Bacille coli et le Bacille typhirpue 
996. 

— Contribution à 


Fétude de la fi 
typhoide et de son bacille. Troisime 
partie, Procédé nouveau pour isoler Ir 
bacille typhique des eaux 1198. 

Rene und Hegner, Der neue Schlachthet 
in Pilsen 459. 

Riche, Du ehois des vases destinés à pré- 
parer et à contenir les substances ali- 
mentaires et les boissons; des matières 
qu'il y a licu d'interdire pour ces usages 
1157. 


j Richet, Etude historique et bibliegraphique 


sur l'emploi de la viande erue dans Ie 
traitement de la tuberculose 13. 

— und Roux, Zomotherapie 1177. 

Richter, Ein Fall von Schwarzwasserfieber 
nach Euchinin 409. 

Ricken, Typhus und Molkereien 313. 

zine neue Methode zum 

Saccharins, der Saliey 
auch einer Mischung dieser beiden Körper 
GIS. 

— Eine neue sehr empfindliche Reaktion 
zum Nachw des Formaldehyds und 
des Milchzuekers in der Milch 

Rinkel, Cuntz, Genzmer, Schulhygi 
Einrichtungen der Stadt Wiesbaden S15. 

Ripper, Eine allgemein anwendbare ma: 
analytische Bestimmung der Aldehy 
1062. 

Ritchie, The bacteriology of bronchitis 182 

Robin und Binet, Res her Su 
wechsel der Tuberkulösen 771. 

Les conditions du terrain et le 

diagnostie de la tubereulose 1141. 


Namen-Register. 


Rodella, Experimenteller Beitrag zur Se- 
rumreaktion bei Proteus vulgaris 451. 

Roeger, Metapneumonischer Abscess mit 
dem Diplococcus pneumoniae in Rein- 
kultur 752. 

Roeseler, Das Wassergas, seine Herstellung, 
Verwendung und hygienische Bedeutung 
5l4. 

— (iesundheitliche Ucbelstände und Ge- 
fahren der Acetylenbeleuchtung und ihre 
Verhütung 676. 

— Die durch Arbeiten mit Schwefelkohlen- 
stoff entstehenden Erkrankungen und 
die zu ihrer Verhütung geeigneten Maass- 
nahmen 916. 

Roger und Weil, Sporozoen bei Pocken 686. 

Rohn, Kornhefe als Nahrungs- und Genuss- 
mittel und deren Untersuchung im Sinne 
des Nahrungsmittelgesetzes 701. 

Roland und Hewlett, Preliminary note on 
a new quantitative method for serum 
diagnosis 440. 

Romberg, Zur Serumdiagnose der Tuber- 
kulose 1214. 

Römer, Beitrag zur Frage der Wachsthums- 
geschwindigkeit des Tuberkelbacillus 432. 

— Ein Beitrag zur Aetielogie des Botu- 
lismus 565. 

Rona, Ueber das Verhalten der elastischen 
Fasern in Riesenzellen 532. 

Rondelli und Abba, Weitere behufs Des- 
infektion von Wohnräumen mit dem 
Flügge'schen und dem Schering’schen 
(kombinirten Aeskulap-Apparat) formo- 
genen Apparat ausgeführte Versuche. 
III. Mittheilung 468. 

Roos, Wirkung des Weines auf Meer- 
schweinchen 771. 

— Zur Verwendbarkeit von Pflanzeneiweiss 
als Nährmittel 1164. 

Röpke, Was können wir Solinger in Bezug 
auf die Besserung der (Giesundheitsver- 
hältnisse der Metallschleifer von unserer 
Konkurrenzstadt Sheffield lernen? 1112. 

Röse, Untersuchungen über Mundhygiene 
1195. 

Rosemann, Ueber die angeblich eiweiss- 
sparende Wirkung des Alkohols 416. 
Rosen, Mendelsohn, Einhorn, Prophylaxe 

in der inneren Medicin 470. 

Rosenberger, Ucbertragung von Krankheits- 
keimen durch Fieberthermometer 1179. 

Rosenfeld. Hygienische Verhältnisse der 
österreichischen Tabakfabrikarbeiter 809. 

de` Rossi, Ueber eine neue Methode zur 
Bestimmung der Mauerfeuchtigkeit 137. 

Rössing, Ueber Fischkonserven 34. 

Rostowzeff, Ueber die Nothwendigkeit der 
Individualisirung der Schulbänke: eine 
neue individuelle Schulbank 82. 

Roth. C.. Die Strahlen mineralischer Licht- 
sauger als Heil- und Entseuchungsmittel 
678. 


1251 


Roth u. Bertschinger, Ueber Fosses Mouras 
und ähnliche Einrichtungen zur Beseiti 
gung der Abfallstoffe 1219. 

— E.. Leppmann und Schlockow, Der 
Kreisarzt 204. 

Rothberger, Ueber Agglutination des Bac- 
terium coli 446. 

Rothgiesser, Der Einfluss weisser Wände 
auf die Beleuchtung 678. 

Rothwell, Experimental aspergillosis 185. 

Roux, Bestimmung der Wirksamkeit der 
Sera 98. 

— und Richet, Zomotherapie 1177. 

Rowland, Morris und Macfadyen, Ueber aus- 
gepresstes Hefezellplasma (Buchner’s 
„Zymase*) 698. 

Rubinstein, Ueber gonorrhoische Gelenk- 
entzündung 351. 

Rubner, Ueber Spaltung und Zersetzung 
von Fetten und Fettsäuren im Boden 
und Nährtlüssigkeiten 126. 

— Ueber die Anpassungsfähigkeit des 
Menschen an hohe und niedrige Luft- 
temperaturen 344. 

— Vergleichende Untersuchung der Haut- 
thätigkeit des Europäers und Negers, 
nebst Bemerkungen zur Ernährung in 
hochwarmen Klimaten 410. 

— Bemerkungen zu der Arbeit von Rei- 
chenbach: „Zur Messung der Wärme- 
strahlung“ 904. 

Ruge. Fin Beitrag zur Chromatinfärbung 
der Malariaparasiten 27. 

— Schiffsärztliches aus dem 17. und 18. 
Jahrhundert 765. 

Ruhemann, Witterung, Sonnenscheindauer 
und Infektionskrankheiten 62. 

Rumpel, Ueber die Methodik der Gefrier- 
punktsbestimmungen unter Berücksich- 
tigung desBlutgetrierpunktes bei Typhus 
abdominalis 1144. 

Rumpf, E., Zum Stande der Heilstätten- 
frage für Lungenkranke 536. 

— Th., Zur therapeutischen Verwendung 
der vegetarischen Lebensweise 563. 

— Eiweissumsatz und Zuckerausscheidung 
697. 

Runeberg, Ueber den Einfluss der Syphilis 
auf die Sterblichkeit unter den Ver- 
sicherten 186. x 

Ruppin, Beitrag zur Bestimmung der oxy- 
dirbaren Substanzen im Wasser 678*. 

Rychna, Die Nativitäts- und Mortalitäts- 
ausweise der k. k. statistischen Central- 
Kommission in Wien und des Kais. Ge- 
sundheitsamtes in Berlin 358. 


Sabrazes und Fauquet. Hämolytische 
Eigenschaften des Urins Neugeborener 
575. 

Saida und Emmerich, Ueber die morpho- 


89 


1252 


logischen Veränderungen der Milzbrand- 
baecillen bei ihrer Auflösung durch Pyo- 
cyanase 403. 

Salaksin und Zaleski, Ueber den Einfluss 
der Leberexstirpation auf den Stoff- 
wechsel bei Hunden 411. 

Salomon, Experimentelle Untersuchungen 
über Rabies 545. 

Salzenberg, Das Kugellicht 454. 

Sames, Zur Kenntniss der bei höherer 
Temperatur wachsenden Bakterien- und 
Streptothrixarten 207. 

Samways, The exstirpation of the Mosquito 
762. 

Sander, Eine Heil- und Schutzimpfung 
gegen Malaria 676. 

Sarwey und Paul, Experimentaluntersuch- 
ungen über Händedesinfektion. VI. Ab- 
theilung. Allgemeines über die Chemie 
der Quecksilberverbindungen als Desin- 
fektionsmittel und über die Prüfung 
der Händedesinfektionsmethoden, mit 
besonderer Berücksichtigung der mo- 
dernen physikalisch-chemischen The- 
orien 1223. 

Sata A., Experimentelle Beiträge zur 
Actiologie und pathologischen Anatomie 
der Pest. I. 23. 

— St., Ueber Fütterungspest und das 
Verhalten des Pestbacillus im thierischen 
Körper nach dem Tode des Organismus 
10%. 

Sehaefer, Die Wärme- und Kraftversorgung 

. deutscher Städte durch Leuchtgas 452. 

Schaer, Zur Frage der hygienischen Be- 
deutung der Nitrite im Trinkwasser 176. 

Schanz, Die Bakterien des Auges 6. 

Schaper, Trauerfeier zu Ehren Spinola’s 
474. 

— Diskussion zu Lassar, „Ueber den Stand 
der Volksbäder“ 1130, 1131, 1132. 

Schattenfroh, Respirationsversuche an einer 
fetten Versuchsperson 605. 

— und tirassberger, Ueber Buttersäure- 
baeillen und ihre Beziehungen zu der 
Gasphlegmone 495. 

Beziehungen der unbeweglichen 

urebacillen zur Rauschbrand- 
aflektion 1052. 

— — Neue Beiträge zur Kenntniss der 
Buttersäuregährungserreger und ihrer 
Beziehung zum Rauschbrand 1094. 

Scheffer, Studien über den Einfluss des 
Alkohols auf die Muskelarbeit 199. 

Scheffler, Das Neutralroth als Hülfsmittel 
zur Diagnose des Bacterium coli 350. 

Scheib, Meningitis suppurativa bedingt 
durch Bacterium lactis atrogenes 67. 

Schelenz, Frauen im Reiche Acskulaps 
148. 

Schenk F. und Zaufal, Weitere Beiträge 
zur Bakteriologie der mechanischen Des- 
infektion der Hände 708. 


Namen-Register. 


SchenkP.,DieNothwendigkeit der Errichtung 
von Trinkerheilstätten 520. 

— Der gegenwärtige Standpunkt in der 
Bekämpfung des Kindbettfiebers 1221. 

Schierbeck, Ueber die Variabilität der 
Milchsäurebakterien mit Bezug auf dir 
Gährfähigkeit 1068. 

Schierholz, Beiträge zur Wasserreinigunz, 
insbesondere über die Abscheidbarkeit 
von Kalk und Magnesia 679 *. 

Schilling, Kothrückstände im Wurstdaru: 
Wurstschmutz 686”. 

Schkarin, Eitrige Pleuritiden bei Säuglingen 
538. 

Schlesinger, Ein Beitrag zur Diphtherir 
der Conjunetiva (Conjunctivitis emup‘ 
durch Diphtheriebaeillen). Pemphigus. 
Heilserum 661. 

— Die Leukoeytose bei experimentellen 
Infektionen 939. 

Schlicht, Zur Verbesserung des Leitungs- 
wassers bei Verwendung von Oberflüchen- 
wasser 1044. 

Schlockow, Roth und Leppmann. Der Kreis- 
arzt 204. 

Schloesing, Sur les “changes gazeux entre 
les plantes entieres ct latmöspher 
1192. 

Schlossmann, Ueber Milch und Milehrem- 
lative 413. 

Schmeichler, Die Augenhygiene am Fin- 
gange des 20. Jahrhunderts 559. 

Schmid und Jadassohn, Prostitution und 
venerische Krankheiten. 1. Die Prosti- 
tution und die venerischen Krankheiten 
in der Schweiz. 2. Die internationale 
Konferenz zur Verhütung der Syphilis 
und der venerischen Krankheiten in 
Brüssel (September 1899) 245. 

Schmid-Monnard, Die Ursachen der Minder- 
begabung von Schulkindern 911. 

— Bemerkungen zu dem Aufsatz des 
Privatdoc. Herrn Dr. Trumpp-München 
„Progrediente Diphtherie bei rechtzeitiger 
Serumbehandlung“ 1098. 

— Bericht über die an den Vortrag de~ 
Herrn Kunze anschliessende Diskussion 
1152. 

Schmidt A., Die Fehler der Saugflaschen 
und ihre Vermeidbarkeit 1015. 

— C., Beitrag zur technischen trasanalyse. 
Bestimmung von Wasserstoff, Methan 
und Stickstoff 141. 

— Ein Beitrag zur Virulenz des Scharlach- 
kontagiums 1203. 

Schmidtmann, Die internationale Konferenz 
zu Brüssel im Jahre 1899 und die in 
Preussen zurBekämpfung derGeschlecht“- 
krankheiten seitber getroffenen Maas 
nahmen 1029. 

Schneegans, Ueber die Zusammensetzung 
und Beurtheilung der Rosinenweine 1165. 


Namen-Register. 


Schneider A. und Süss, Handkommentar 
zum Arzneibuch für das Deutsche Reich 
vierte Ausgabe 147. 


— E., Apparat zur Desinfektion mit 
Formaldehyd 421. 
Schödel, I. Baeilläre Magendiphtherie. 


Diphtheriebaeillen im Magen und Darm- 
inhalt und in den Dejektionen. II. Der 
Joos’sche Serumagar als Nährboden für 
Diphtheriebaeillen 494. 

Schoenstadt, Ueber vegetarische Ernährung 
und ihre Zulässigkeit in geschlossenen 
Anstalten und bei Menschen, welche 
Fr in einem Zwangsverhältniss befinden 

04. 

Scholtz, Untersuchungen über die para- 

e Natur des Ekzems 351. 

— Ueber die Wirkung der Röntgenstrahlen 
auf die Haut und ihre Verwendung bei 
der Behandlung der Hautkrankheiten 
949. 

— Ueber die moderne Therapie der Go- 
norrhoe des Mannes 1144. 

— und Klingmüller, Ueber Züchtungsver- 
suche des Leprabacillus und über soge- 
nanntes Leprin 135. 

— et Raab, Recherches sur la nature 
parasitaire de l’eezma et de l’impctigo 
542. 

Scholz, Die elektrische Osmiumglühlampe 
von Auer v. Welsbach 905. 

Sehönenberger, Alkoholfreie Getränke 464. 

Schoofs, Inconvénients des lampes fumi- 
vores hygiéniques 125. 

Schottelius, Die Bubonenpest in Bombay 
im Frühjahr 1900. 105, 158, 222. 

Schotten, Die preustische Schulreform in 
Beziehung zur Schulhygiene 817. 

Schottenhelm, Ueber einen Fall von Weil- 
scher Krankheit 408. 

Schottmüller, Ueber eine das Bild des 
Typhus bietende Erkrankung, hervorge- 
rufen durch typhusähnliche Baeillen 
664. 

Schrader, 1. Bericht der Volksheilstätte 
für Lungenkrankc im Regierungsbezirk 
Oppeln zu Loslau 0.-S. 290. 

Schröder und Gottstein, Ist die Blut- 
körperchenvermehrung im Gebirge eine 
scheinbare oder nicht? 431. 

Schubert, Soll der Schularzt durch 
Lehrer ersetzt werden? 516. 

— und Sichelstiel. Die Nürnberger Schul- 
bank 1154. 

Schüller, I. Beitrag zur Actiologie der 
Geschwülste 27. 

— Il. Beitrag zur Kenntniss der Syphilis- 
Aetiologie 28. 

Schultze, Ein Fall von anscheinender Maul- 
und Klauenseuche beim Menschen 543. 


den 


Schulz, Neue Bahnen im Geschlechtsverkehr : 


865. 


1253 


Schumburg, Weitere Untersuchungen über 
das Vorkommen von Tuberkelbacillen 
im Hackfleisch 661. 

— Zur Desinfektion des Harns bei Typhus- 
bakteriurie durch Urotropin 837. 

— und Zuntz, Studien zu einer Physiologie 
des Marsches 917. 

Schumm und Hartogh, Zur Frage der 
Zuckerbildung aus Feit 1060. 

Schürmayer, Ueber Roborat, ein vegeta- 
bilisches Eiweisspräparat 320. 

Schütz, Bakteriologisch - experimenteller 
Beitrag zur Frage gastrointestinaler In- 
fektion 400. 

Schütze, Beiträge zur Kenntniss der zellen- 
lösenden Sera 441. 

— Ueber ein biologisches Vorfahren zur 
Differenzirung der Eiweissstoffe verschie- 
dener Milcharten 1218. 

— und Wassermann, Ueber eine neue 
forensische Methode zur Unterscheidung 
von Menschen- und Thierblut 857. 

Schwalbe, Ueber Variabilität und Pleomor- 
phismus der Bakterien 683. 

Schwartz, Ueber das gesetzlich geordnete 
Zusammenwirken der die Gieburtshülfe 
ausübenden Aerzte mit den Hebammen 
714. 

Schwarz, Düngerbeseitigung auf Schlacht- 
höfen 682. 

— Ueber Heizanlagen 
Schlachthöfen 1102. 
Schwenkenbecher, Die Nährwerthberech- 

nung tischfertiger Speisen 1010. 

Selavo, Neue experimentelle Untersuchungen 
über die Heilwirkung des Milzbrand- 
serums 1212. 

Sedgwich et Winslow, Influence du froid 
sur le bacille de la fièvre typhoide 
1089. 

Seidenschnur, Die ökonomische Tränkung 
von Holz mit Theeröl 1169. 

Seiffer. Ein Fall von Beri-Beri 506. 

Senn und v. Wasielewski, Beiträge zur 
Kenntniss der Flagellaten des Ratten- 
blutes 185. 

Shiga, Kitasato, Takaki und Moriya, Be- 
richt über die Pestepidemie in Kobe 
und Osaka von November 1399 bis 
Januar 1900. 793. 

Siehelstiel und Schubert, Die Nürnberger 
Schulbank 1154. 
v. Sicherer, Ueber 
Werth des Quecksilberox 
Sieber, Ueber die Umikof 
in der Frauenmilch 610. 
Siegert, Vier Jahre vor und nach der Ein- 
führung der Serumbehandlung der Diph- 

therie 553. 

— Bemerkungen zu den verschiedenen 
Entgegnungen aus Anlass meines Auf- 
satzes 553. 


in öffentlichen 


den antiseptischen 
yanids 465. 
he Reaktion 


89* 


1254 


Siegert, Tetanus mit tödtlichem Ausgang in 
Folge von Diphtherieheilserum-Injektio- 
nen in Italien 1098. 

Siegfried, Ueber Antipepton 696. 

Silberschmidt, Ucber 2 Fälle von Pilz- 
massen im unteren Thränenkanälchen 25. 

Simon, Ueber die Einwirkung leukocyten- 
haltiger Flüssigkeiten auf Streptokokken 
1100. 

de Simoni, Beiträge zur Morphologie und 
Biologie der Mucosusbaeillen der Ozaena 
und über ihre Identität mit den Pneu- 
mobacillen 21. 

Sion, Der Einfluss des Organismus kalt- 
blütiger Thiere auf den Bacillus der 
menschlichen Tuberkulose 432. 

— und Babes, Die Pellagra 848. 

Sippel, Bemerkungen zur Tuberkulose der 
weiblichen (ienitalien und des Bauch- 
fells 834. 

Skchivan, Zur Morphologie des Pestbakte- 
riums 756. 

Smits, Raken und Meerum Terwogt, Neues 
Verfahren zur Bestimmung von Kohlen- 
oxyd im Leuchtgas 903. 

Soltsien, Bemerkungen zur Halphen’schen 
Reaktion auf Baumwollensamenöl und 
dem Verhalten einiger amerikanischer 
Schmalzsorten zu derselben 1070. 

— Bemerkungen zur Halphen’schen Reak- 
tion auf Baumwollensamenöl und dem 
Verhalten amerikanischer Schmalzsorten 
zu derselben 1161. 

— P., Diskussion zu Radziejewski: „Auge 
und Berufswahl“ 375. 

— und Baginsky, Ueber einen konstanten 
Bakterienbefund bei Scharlach. 494. 
Sommerfeld Th., Wie schütze ich mich gegen 

Tuberkulose? 13. 

Sonden, Om olägenheterna genom rök fran 
angpannecldstäder (Die  Rauchplage 
durch das Feuer der Dampfmaschinen) 
452. 

Le Sourd, Bezancon und Griffon, Strepto- 
baeillen des weichen Schankers 686. 
— und Widal, Verschiedenheit der agglu- 
tinirenden und sensibilisirenden Eigen- 

schaften des Blutes 1178. 

Soxhlet, Ueber die künstliche Ernährung 

glings 1065. 

eber Fruchtsäfte (besonders Him- 
beersaft) und deren Untersuchung. II. 
Erkennung und Nachweis von mit Wasser 
vermischten Säften 1071. 

Speier und Masurkewitz, Verdampfungs- 
apparat, insbesondere tür Desinfektions- 
flüssigkeiten 864. 

Spener, Zur Hygiene der Ladenangestellten 
1227. 

Spitta, Untersuchungen über die Verun- 
reinigung und Selbstreinigung der Flüsse 
802. 

v. Stein, 


Ueber den Einfluss chemischer 


Namen-Register. 


Stoffe auf den Process der Krystallisatisn 
des Hämoglobins 765. 
Stein, Zur Bakteriologie der Ozaena S41. 
Stern, Ueber den Nachweis menschlichen 
Blutes durch ein „Antiserum* 858. 
Stenberg, Ein anaërober Streptokokkus 
293. 

— Zur Kenntniss des Aktinomycespilzes 
297. 

— Zur Verwerthbarkeit der Agglutinatien 
für die Diagnose der Typhusbacillen 446. 

Steuernagel, Zur Kanalisation der Stadt 


Köln. Die Pumpstation für das Tief- 
gebiet 680. 
— Die Probekläranlage bei Nichl 951. 


— Die Kanalisation und die Rieselfelder 
der Stadt Paris 1104. 

Stocky und Hanus, Ueber die chemische 
Einwirkung der Schimmelpilze auf die 
Butter 611. 

Stoevesandt und Kurth, Der Pestfall in 
Bremen 898. 

Stoklasa, Ueber den Einfluss der Bakterien 
auf die Knochenzersetzung 282. 

Strache, Bemerkungen zu der Arbeit vun 
Körting: „Wassergas im Vergleich mit 
anderen brennbaren Gasen“ 1101. 

Strada und Traina, Ueber eine neue Fern 
von infektiöser Lungenkrankheit der 
Meerschweinchen 1050. 

Strassburger, 1. Ein verändertes Sedimen- 
tirungsverfahren zum mikroskopischen 
Nachweise von Bakterien. II. Ueber den 
Nachweis von Tuberkelbacillen in den 
Fäces 17. 

Strebel, Haar- und Haarbodenkrankheiten 
nebst einem Mittel zu deren Bekämpfung 
9. 

— Untersuchungen über die baktericide 
Wirkung des Hochspannungs-Funkeo- 
lichtes nebst Angabe einer Methode zur 
besseren Ausnützung der bakterieiden 
Kraft des Volta-Bogenlichtes 906. 

Strubell, Ein neuer Beitrag zur Therapie 
des Milzbrandes 133. 

Stübben, Stadtbauplan und Stadtbaucrl- 
nung, in besonderer Rücksicht auf die 
Ermöglichung guter und billiger kleiner 
Wohnungen 861. 

— Die weiträumige Bauweise im Stadter- 
weiterungsgelände zu Stuttgart 861. 

v. Stühlern, Beitrag zur Bakteriologie der 
lobären Typhus-Pneumonien 131. 

Stumpf, Ergebnisse der Schutzpocken- 
impfung im Königreiche Bayern im 
Jahre 1899. 671. 

Stutzer und Hartleb, Untersuchungen über 
die bei der Bildung von Salpeter beub- 
achteten Mikroorganismen. UI. Abhand- 
lung: Nitratbildner 281. 

Stüve, Die Tuberkulose als Volkskrankheit 
und ihre Bekämpfung 14. 


Namen-Register. 


Süss, Zum Nachweis von Natriummono- 
und -bikarbonat in der Milch 611. 

— Ueber den Salieylsäure-Nachweis in der 
Milch 611. 

— und Schneider, Handkommentar zum 
Arzneibuch für das Deutsche Reich vierte 

Ausgabe 147. 

‚Der gegenwärtige Stand des Findel- 

wesens in Ungarn 33. 


T. 


Takaki. Kitasato, Shiga und Moriya, Bericht 
über die Pestepidemie in Kobe und Osaka 
von November 1899 bis Januar 1900. 793. 

Talamon, Behandlung der Pneumonie mit 
Diphtherieheilserum 771. 

— Herpes zoster und Pneunokokkus 814. 

Tangl und v. Baumgarten, Jahresbericht 
über die Fortschritte in der Lehre von 
den pathogenen Mikroorganismen. um- 
tassend Bakterien, Pilze und Protozoen 
422. 

Tehistoviteh Th., Etudes sur la phagoey- 
tose dans une infection mortelle 1009. 

— Epid“mie de peste au village de 
Kolobovka 22. 

Teelu, Zur quantitativen Bestimmung des 
Ozons 61. 

Terni et Bandi, Nouvelle méthode de pré- 
paration du vaccin antipesteux 31. 

— — Bereitung der antipestösen Lymphe 
aus dem peritonealen Exsudat der inti- 
eirten Thiere 449. 

Thalmann. Zur Aetiologie des Tetanus 66. 

— Züchtung der (ionokokken auf einfachen 

Nährböden 439. 

Thiele, Ein Fall von anscheinender Maul- 
und Klauenseuche beim Menschen 28. 
Thiersch, Ueber Korset und Reformkleidung 

566. 

Thomann. Beitrag zur Kenntniss des „faden- 
ziehenden Brotes 415. 

— Ueber die Brauchbarkeit verschiedener 


Nährböden für die bakteriologische 
Wasseruntersuchung 1046. 
Thomas, Die flüssige Kohlensäure des 


Handels 40. 

Tischer und Beddies. Die Bedeutung von 
Pfund’s kondensirter Milch, insbesondere 
für die Säuglingsernährung und Kranken- 
pflege 460. 

Tobler, Beitrag zur Frage des Vorkommens 


von Tuberkelbacillen und anderen siure- | 


festen Baeillen in der Marktbutter 938. 

Töllner, Eine neue Waffe gegen den Al- 
koholismus 955. 

Tonsini und Fermi, Die Prophylaxis der 
Malaria und die Vernichtung der Mos- 
quitos auf der Insel Asinara 762. 

Tonzig, Contributo allo studio dei cosidetti 
saponi disinfettanti 708. 


1255 


Tostivint et Remlinger, Note sur la rareté 
de la tuberculose chez les Isratlites tu- 
nisiens 1088. 

Toulouse, Direction et personnel médical 
des Asiles d'aliénés 1149. 

Traina und Strada, Ucber cine neue Form 
von infektiöser Lungenkrankheit der 
Meerschweinchen 1050. 

Trautmann, Leitfaden für Operationen am 
Gehörorgan 1077. 

Treupel, Ueber den gegenwärtigen Stand 
unserer Kenntnisse von der Tuberkulose, 
speciell der Lungentuberkulose 130. 

— und Edinger, Untersuchungen über 
Rhodanverbindungen 204. 

Triboudeau, Erreger des Tokelau 715. 

Triboulet et Mathieu, L’aleool et Taleoo- 
lisme 705. 

Trumpp, Entgegnung auf die Arbeit von 
Siegert 553. 

— Progrediente Diphtherie bei rechtzeitiger 
Serumbehandlung 675. 

Turban. Die Vererbung des Locus minoris 
resistentiae beider Lungentuberkulose 10. 

Türk, Ueber die Häimamöben Löwit's im 
Blute Leukämischer 300. 

Turro. Zur Bakterienverdauung 850. 


U. 

Veltzen, Das Flugblatt des Arztes Theo- 
dorieus Ulsenius im Jahre 1496 über 
den deutschen Ursprung der Syphilis und 
seine Illustration 842. 

Uhlenhuth, Neuer Beitrag zum speeifischen 
Nachweis von Eiereiweiss aufbiologischem 
Wege 85 

— Eine Methode zur Unterscheidung der 
verschiedenen Blutarten, im besonderen 
zum differential-diagnostischen Nachweise 
des Menschenblutes 857. 

— Weitere Mittheilungen über meine Me- 
thode zum Nachweis von Menschenblut 
1149. 

— und Loeffler, Ueber die Schutzimpfung 
gegen die Maul- und Klauenseuche, im 
besonderen über die praktische Anwen- 
dung eines Schutzserums zur Bekämpfung 
der Seuche bei Schweinen und Schafen 
853. 

— und Westphal, Histologische und bak- 
teriologische Untersuchungen über einen 
Fall von Lepra tuberosa-anaesthetica, 
mit besonderer Berücksichtigung des 
Nervensystems 1142. 

Uhthoff, Bemerkungen zur Skrophulose und 
Tuberkulose nebst einem Beitrag zur 
Tuberkulose der Conjunctiva 892. 

Utz, Ueber den Werth des Marchand’schen 
Laktobutyrometers zur Bestimmung des 
Fettgehaltes der Milch 1064. 

— Nachweis gekochter und ungekochter 
Milch 1163. 


1256 


vV. 


Vagedes, Ueber die Pest in Oporto 293. 

Vaillard, Fleischkonserven 100. 

— Les conserves alimentaires de viande 
1158. è 

Valenti e Ferrari-Lelli, Osservazioni nu- 
meriche sui microorganismi dell’ aria at- 
mosferica di Modena 427. 

— — Osservazioni batteriologiche in una 
epidemia di cosidetto colera dei piccioni 
438. 

Vallće et Leclainche Recherches expéri- 
mentales sur le charbon symptomatique 
134. 

— — Präcipitirende Eigenschaften des 
Serums nach Einspritzung von eiweiss- 
reichem Harn 687. 

— — Etude comparée du vibrion septique 
et de la bactérie du charbon symptoma- 
tique 758. 

— — Recherches expérimentales sur le 
charbon symptomatique. Troisicme par- 
tie: Immunisation 852. 

Vana, Messung der Schulkinder zum Zwecke 
der Anschaffung richtiger Schulbänke 517. 

Velde, Bericht über die Verbreitung der 
Lepra in China 839. 

Villaret, Handwörterbuch der pesammten 
Medicin 526. 

Vincent, Bac. fusiformis 715. 

— Typhusbacillen im Harn 771. 

— Anginen mit fusiformen Bacillen 771. 

Vincenzi, Ueber die Aetiologie einer oti- 
tischen Leptomeningitis 67. 

Virchow, Traumaticismus und Infektion 897. 

Voigtländer und Deycke, Studien über kul- 
turelle Nährböden 1173. 

Voit, Ucber die Grösse des Energiebedarfs 
der Thiere im Hungerzustande 1059. 
Vollbreeht, Hände- und Hautdesinfektion 

mittels Seifenspiritus 43. 

Voller, Das Grundwasser in Hamburg 284. 

Voss, Staubfreier Kehrichtwagen mit Vor- 
richtungen zum selbstthätigen Oeffnen 
und Schliessen beim Einfüllen des Keh- 
riehts und Mülls 1106. 

Vossius, Ein Beitrag zur Lehre von der 
Aetiologie, Pathologie und Therapie der 
Diphtheritis eonjunetivae 537. 


$ wW. 


Wahl, Ueher den Gehalt des Tabakrauches 
an Kohlenoxyd 41. 

Waldschmidt, Diskussion zu Lassar: „Ueber 
den Stand der Volksbäder“ 1128. 

Waldvogel, Das Verhalten des Blutgefrier- 
punktes beim Typhus abdominalis 838. 

Walker H., Ueber die bakteriolytischen 
Wirkungen der Typhus- und Cholera- 
immunsera unter aëroben und anaöroben 
Verhältnissen 1148. 


Namen-Register. 


Walker T. J., An outbreak of typhoid fever 
attributed to the infection of a well by 
a convalescent soldier from South Afrika 
1089. 

Warnecke, Befund von Xerosebacillen bei 
progredienter Phlegmone, sekundärer 
Wundinfektion und Otitis interna 749. 

v. Wasielewski, Impfversuche mit Haem- 
amocba spec. inc. (Syn. Proteosoma) 675°. 

— und Scenn, Beiträge zur Kenntniss der 
Fiagellaten des Rattenblutes 185. 

Wassermann, A., Ueber neue Versuche auf 
dem Gebiete der Serumtherapie 190. 

— Ueber die Ursachen der natürlichen 
Widerstandsfähigkeit gegenüber gewissen 
Infektionen 849. 

— und Schütze, Ueber eine neue foren- 
sische Methode zur Unterscheidung ven 
Menschen- und Thierblut 857. 

— M., Ein durch Gelingen der Reinkultur 
bewiesener Fall von Endocarditis go- 
norrhoica 1145. 

Weber, Die Bakterien der sogenannten 
sterilisirten Milch des Handels und ihre 
Beziehungen zu den Magendarmkrank- 
heiten der Säuglinge, mit besonderer 
Berücksichtigung der giftigen pepteni- 
sirenden Bakterien Flügge's 683". 

— und Kossel, Ueber die Hämoglobinurie 
der Rinder in Finnland 503. 

Wechsberg und Neisser, Ueber cine neue 
einfache Methode zur Beobachtung ven 
Schädigungen lebender Zellen im Orga- 
nismus (Bioskopie) 621. 

Welmer, Trauerfeier zu Ehren Spinola's 

[2 

— Diskussion zu Mendelsohn: „Ueber die 
Nothwendigkeit der Errichtung von Hvil- 
stätten für Herzkranke* 979. 

— Diskussion zu Lassar: „Ucber den Stand 
der Volksbäder* 1128. 

Weichardt, Zur Impftechnik 1148. 

Weidemann, Kefyr und Kefyrmilch 1069. 

Weigt und Morgenroth, Bericht über die 
Wasserversorgung in und um Tient«in 
773. 

Weil E., und Roger, Sporozoen bei Pecken 
686. 


— R., Zur Schnelldiagnose der Typhus- 
bacillen 485. 

— Die Entstehung des Solanins in den 
Kartoffeln als Produkt bakterieller Ein- 
wirkung 698. 

— Zur Biologie der Milzbrandhacillen: 
Die Sporenauskeimung 1200. 

Weinland, Ueber die Bildung von Glykogen 
nach Galaktosefütterung 686”. 

— Ueber die Laktase des Pankreas 6S6*. 
Weiss, Zur Actiologie und Pathologie der 
Otitis media im Säuglingsalter 539. 
Weissenberger, Diphtherieserumtberapie 
und Intubation im Kinderspital in Basel 

851. 


Namen-Register. 


Weissenfeld, Die Veränderungen der Sterb- 
lichkeit an Diphtherie und Seharlach 
1088. 

Weleminsky, Ueber die mechanische Ge- 
winnung bakterieider Leukocytenstoffe?71. 

Welmanns, Die Hübl’sche Jodadditions- 
methode 85. 

Welmans, Nachweis von Tragantlı und 
Dextrin in Kakao und Chokoladen und 
annähernde Bestimmung des Dextrins 
durch Polarisation 703. 

Wendel, Zur Hygiene der Rasirstuben 834. 

Wendland, Die Rauchbelästigung in deut- 
schen Städten 901. 

Wesener, Ueber Behandlung von Lungen- 
kranken in Volksheilstätten 535. 

Westphal und Uhlenhuth, Histologische 
und bakteriologische Untersuehungen 
über einen Fall von Lepra tuberosa- 
anaesthetica, mit besonderer Berück- 
sichtigung des Nervensystems 1142. 

Wetzke, Zur Bedeutung der Furfurolreak- 
tion bei der Beurtheilung des Cognacs 
1072. 

— Citronen-Limonadencssenzen 1165. 

Wex, Ueber das Hebammenwesen im Kreise 
Düren 313. 

Weyl Th., Almquist, Blasius, Herzog, Holst, 
Hirschmann und Gauch, Untersuchungen 

zur Strassenhygiene 143. 

Wibbens und Huizenga, Untersuchungen 
über die Verdaulichkeit der Butter und 
einiger Surrogate derselben 1070. 

Widal. Auftreten des Ehrlich’schen Zwischen- 
körpers im Blute Typhuskranker 814. 

— Substance sensibilisatriee im Blute Tu- 
berkulöser 1177. 

— Substance sensibilisatricee und Typhus- 
bacillen 1178. 

— und Le Sourd, Verschiedenheit der 
agglutinirenden und sensibilisirenden 
Eigenschaften des Blutes 1178. 

Widenmann, Die hämatologische Diagnose 
des Unterleibstyphus 944. 

Windisch, Ueber die Veränderungen des 
Fettes beim Reifen der Käse 693. 

Windscheid, Prophylaxe in der Nerven- 
heilkunde 95. 

Winkler H., Pressluft-Gasglühlampe 79. 

— L. W., Bestimmung des in natürlichen 
Wässern enthaltenen Caleiums und Mag- 
nesiums 1138. 

Winslow et Sedgwich, Influence du froid 
sur le bacille de la fièvre typhoide 1089. 

Winter, Ueber Milehsterilisation 565. 

Wintgen und Bischoff, Beiträge zur Kon- 
servenfabrikation 685*. 

Wirthle, Ueber den Nachweis von Saecharin 
in Wein und Bier, wenn dieselben keine 
Salieylsäure enthalten 702. 

Wlaiew und Hotmann, Krebsserum 686. 

Wohlgemuth, Beitrag zur Zuckerabspaltung 
aus Eiweiss 607. 


| 


1257 


Woldert, Original specimens of Zygotes of 
estivo-autumnal malarial parasites in the 
middle intestine of the mosquito (Ano- 
pheles quadrimaculata) 762. 

Wolff A., Zur Reduktionsfähigkeit der Bak- 
terien 423. 

— J., Ueber das Vorkommen von Methyl- 
alkohol in den vergohrenen Säften ver- 
schiedener Früchte und in einigen na- 
türlichen Branntweinen 1167. 

— M., Die Methoden des Nachweises von 
Tuberkelbacillen mit Demonstrationen 
und praktischen Uebungen 349. 

Wolpert A., und Wolpert H., Die Ventila- 
tion 1103. 

— H. und Broden, Respiratorische Ar- 
beitsversuche bei wechselnder Luftfeuch- 
tigkeit an einer fetten Versuchsperson 
1136. 

— und Mayer, Beiträge zur Wohnungs- 
desinfektion durch Formaldehyd 153. 
— — Zur Rolle der Lufttemperatur bei 
der Formaldehyddesinfektion. Antwort 
auf vorstehende Reklamation des Herrn 

Grawitz 396. 

— und Wolpert, A., Die Ventilation 1103. 
Woy, Vorbereitung von Mehlproben zur 
mikroskopischen Untersuchung 197. 

— Zur Kjeldahl’schen Zuckerbestimmungs- 
methode 1061. 

Wrampelmeyer, Bemerkungen zur Halphen- 
schen Reaktion auf Baumwollensamenöl 
1070. 

— und Beythien, Beiträge zur Untersu- 
chung und Beurtheilung der Eierteig- 
waaren 1162. 

Wulffert, Einiges über Ziele und Aufgaben 
der Berliner Gesellschaft abstinenter 
Aerzte 706. 

v. Wunschhein, Ueber einen Apparat zur 
Erzeugung von gesättigtem Wasserdampf 
und sterilem Wasser 420. 

— Beeinflusst Glycerin als Lösungsmittel 
den Desinfektionswerth von Antisepticis? 
1109. 

Wutzdorff, Die im Zinkhüttenbetriebe beob- 
achteten Gesundheitsschädigungen und 
die zu ihrer Verhütung erforderlichen 
Maassnahmen 711. 


Z. 


Zaleski und Salaksin, Ueber den Einfluss 
der Leberexstirpation auf den Stoff- 
wechsel bei Hunden 411. 

Zammit, Milk poisoning in Malta 405. 

Zaubitzer, Studien über eine dem Stroh- 
infus entnommene Amöbe 1172. 

Zaufal und Schenk, Weitere Beiträge zur 
Bakteriologie der mechanischen Desin- 
fektion der Hände 708. 

Zega und Knet-Milojkovic, Die Wassernuss 
1071. 


1258 


Zernoni e Bordoni-Uffreduzzi, Le Ostriche 
come mezzo di diffusione del germe della 
febbre tifoide 194. 

Ziegler, Augenübung im Anschluss an den 
Turnunterricht 912. 

Ziemann, Ueber die Beziehungen der Mos- 
quitos zu den Malariaparasiten in Ka- 
merun 352. 

— Ueber das Schwarzwasserfieber 670. 


— Zweiter Bericht über Malaria und Mos- 
quitos an der afrikanischen Westküste 
845. 

— Ueber das endemische Vorkommen der 
seuchenhaften Hämoglobinurie derRinder 
(des sogenannten Texasfiebers) in Deutsch- 
land. Vorläufige Mittheilung 1146. 

v. Ziemssen, Die Bedeutung ländlicher 
Sanatorien für die Zukunft der öffent- 
lichen Krankenpflege 33. 


Namen-Register. 


Zimmermann, Bakterien unserer Trink- 
und Nutzwässer 430. 

Zollinger, Die neue Verordnung, betriffend 
das Volksschulwesen des Kanten Zürich 
vom 7. April 1900. 81. 

Zoltán v. Vämossy, Ist Phenolphthalein 
ein unschädliches Mittel zum Kenntlich- 
machen von Tresterweinen? 616. 

Zuelzer, Zur Frage der biologischen Re- 
aktion auf Eiweiss in Harn und Blut 
1217. 

Zuntz, Ueber die Bedeutung der verschie- 
denen Nährstoffe als Erzeuger der Mus- 
kelkraft 1058. 

— und Schumburg, Studien zu einer Phy- 
siologie des Marsches 917. 

Zupnik, Ueber experimentellen Tetanus 
descendens 838. 


Sach-Register. 


Abfallstoffe. 


Adam, Kehrmaschinen mit Spreng- und 
Aufladevorrichtung 1106. 

Almquist, Blasius. Herzog, Holst. Hirsch- 
mann, Gauch und Weyl, Untersuchungen 
zur Strassenhygiene 143. 

Beyschlag, Ohlmüller, Orth. Gutachten 
über die Verunreinigung der Haase 


durch die Piesberger Grubenwässer und 
deren Folgen 1055. 
Bri 


Eine Neuerung auf dem Gebiete der 
tekanalisation 1105. 

n Beitrag zur Bestimmung des Ein- 
der Verzögerung auf die in 
wn Kanälen abzuführenden 
assermengen 1106. 

Heuser, Bakteriologische Reinigung städti- 

scher Abwässer 317. 
Knauff, Vorarbeiten zu Stadtkanalisationen 


ige zur Selbstreinigung der 


se 173. 

Kori. Verbrennungsöfen für Abfälle 950. 

Kruse. Beiträge zur praktischen Hygiene. 
H. Ueber Verunreinigung und Selbst- 
reinigung der Flüsse 799. 

Loos, Leber die ugung eines kohlen- 
oxydfreien Heizgases aus Müll (Kehricht) 
950. 

Metzger, Mechanisches 
den Klärbetrieb 681. 

Musehold. Ueber die Widerstandsfähigkeit 
der mit dem Lungenauswurf herausbe- 
förderten Tuberkelbaeillen in Abwässern, 


Rechenwerk 


im Flusswasser und im kultivirten Boden. 


179. 


Pr: ischer Ministerialerlass betr. die 
orge für die Reinhaltung der tie- 
er vom 20. 2. 1901. 959. 

Roth und Bertschinger, Ueber Fosses 
Mouras und ähnliche Einrichtungen zur 
Beseitigung der Abfallstoffe 1219. 

Schwarz, Düngerbeseitigung auf Schlacht- 
höfen 682. 


für | 


Verfügung in Potsdam ü 


reinigung und Selbstreinigung der Flüsse 
802 


Steuernagel, Zur Kanalisation der Stadt 
Köln. Die Pumpstation für das Tief- 
gebiet 680. 

— Die Probekläranlage bei Niehl 951. 

— Die Kanalisation und die Rieselfelder 
der Stadt Paris 1104. 

Stoklasa, Ueber den Einfluss der Bakterien 
auf die Knochen; 282 


von Trinkwasserleitungen 
sehluss von Klosets 627 

Voss, Staubfreier Kehricht 
richtungen zum selbstthätigen Oeffnen 
und Schliessen beim Einfüllen des Keh- 
richts und Mülls 1106. 


durch An- 


en mit Vor- 


Alkoholismus. : 


Arsenikvergiftung beim Biertrinken 151. 
Bode, Das staatliche Verbot des Getränke- 
handels in Amerika 952. 
— Das Gothenburgische System in Schweden 
954. 
Chauveau, Le production du travail mus- 
culaire utilise-t-elle, comme potentiel 
čnergétique, lalcool substitué à une 
partie de la ration alimentaire ? 915. 
Inttuenee de la substitution de 
Paleool au sucre alimentaire, en quan- 
tité isorlyname sur la valeur du travail 
musculaire aecompli par le sujet, sur 
son entretien et sur sa dépense 1166. 
Flade. Zur Alkoholfrage 733. 
Französisches tiesetz über Besteuerung 
vergohrener (retränke 151 
Graeser, Ueber Alkoholverbä 


nährend oder 


toxisch ? 417. 


Spitta, Untersuchungen über die Verun- | 


Kongress gegen den Alkoholismus 362. 

Laitinen, Ueber den Finfluss des Alkohols 
auf die Empfindlichkeit des thierischen 
Körpers für Infektiensstoffe 463. 


90 


1260 


Leroy, Contribution à l'étude de l’alcoo- 
lisme en Bretagne. L'aleoolisme dans 
la Finistère au XIX. siècle 201. 

Marcuse, Zur Frage der alkoholfreien Er- 
satzgetränke 202. 

Nicloux, Dosage comparatif de l'alcool 
dans le sang de la müre et du foetus 
et dans le lait après ingestion d'alcool. 
Remarques sur le dosage de l'alcool dans 
le sang et dans le lait 200. 

izeiverordnung gegen den Missbrauch 

iger Getränke inSteinbruchbetrieben 
für den Kreis Striegau 922. 

Roos, Wirkung des Weines auf Meer- 
schweinchen 771. 

Rosemann, Ueber die angeblich eiweiss- 
sparende Wirkung des Alkohols 416. 
Rubner. Ucber die Anpassungsfähigkeit 
des Menschen an hohe und niedrige 

Lufttemperaturen 344. 

Scheffler, Studien über den Einfluss des 
Alkohols auf die Muskelarbeit 199. 
Schenk, Die Nothwendigkeit der Errichtung 

von Trinkerheilstätten 520. 

Sehönenberger, Alkoholfreie Getränke 464. 

Tüllner, Eine neue Waffe gegen den Al- 
koholismus 955. 

Triboulet et Mathieu, L'alcool et T’alcoo- 
lisme 705. 

Trinkerasylc 465. 


Wulffert, Einiges über Ziele und Aufgaben | 


der Berliner Gesellschaft abstinenter 
Aerzte 706. 
Bäder. 
Babucke, Ueber die Desintektion mit 


Typhusbaeillen intieirter Badewässer 
521. 

Baer, Diskussion zu Lassar: „Ueber den 
Stand der Volksbäder“ 1128. 

Barth, Ueber die nachtheilige Beeinflussung 
des Schwimmunterrichts durch Veren- 
gerung der obersten Luftwege 912. 

Becher, Diskussion zu Lassar: „Ueber den 
Stand der Volksbäder.“ 1127. 

Bernstein, Diskussion zu Lassar: „Ueber 
den Stand der Volksbäder* 1127. 

Deutschlands Heilquellen und Bäder 33. 

Gärtner, Eintritt von Kohlenoxyd in die 
Zimmerluft bei Benutzung von (Gasöfen 
und Gasbadeöfen 140. 

Glax, Lehrbuch der Balneotherapie 124. 

Guttstadt, Diskussion zu Lassar: „Ueber 
den Stand der Volksbäder“ 1130, 1131. 

Herzberg, Diskussion zu Lassar: „Ueber 
den Stand der Volksbäder* 1130, 1131. 

Hilsum, Bakteriologische Untersuchung 
eines Schwimmbades in Bezug auf Selbst- 
reinigung 142. 

Jaristowsky. Diskussion zu Lassar: „Ueber 
den Stand der Volksbäder* 1127, 1131. 

Knorr, Oeffentliche Waschanstalten 148. 


Sach-Register. 


Lassar, Ueber den Stand der Volksbäder 
1123. 

Diskussion zu Lassar: „Ucher den 
Stand der Volksbäder* 1127—1132. 
Marcuse, Die Anwendung des Wassers in 

der Heilkunde 566. 

— Bäder und Badewesen der Neuzeit 679. 
Marggraff, Diskussion zu Lassar: „Ueber 

den Stand der Volksbäder* 1131. 
Mugdan, Diskussion zu Lassar: _Uxrber 

den Stand der Volksbäder* 1127. 
Orth, Diskussion zu Lassar: „Ueber den 

Stand der Volksbäder“ 1127, 1130. 
Schaper, Diskussion zu Lassar: „Ueber den 

Stand der Volksbäder“ 1130, 1131, 1132. 
Volksbäder 48. 

Waldschmidt, Diskussion zu Lassar: „Urber 

den Stand der Volksbäder“ 1128. 
Wehmer, Diskussion zu Lassar: „Ucher 

den Stand der Volksbäder” 1128. 


Beleuchtung. 


Bunte, Die Mischgasfrage 454. 

— Ueber Gasglühlicht 904. 

Crzellitzer, Ueber praktische Phetometrie 
mittels lichtempfindlichen Papiers 455. 

Dubois, Sur l'éclairage par la lumiere 
froide physiologique, dite lumière vi- 
vante 907. 

Erismann, Tagesbeleuchtung der Schul- 
zimmer 318. 

Gréhant, Nouvelles recherches comparatives 
sur les produits de combustion de divers 
appareils d'éclairage 903. 

Kauer, Milchglasphotometer 456. 

Körting, Wassergas im Vergleich mit an- 
deren brennbaren Gasen 1101. 

Krüss, Die Flamme der Hefnerlampe und 
die Messung ihrer Länge 904. 

Liebenthal, Ueber die zeitliche Verän- 
derung der Leuchtkraft von Gasglüh- 
körpern 453. 

Loos, Ueber die Erzeugung eines kehlen- 
oxydfreien Heizgases aus Müll (Kehricht! 
950. 

Martens, Ein neuer Photometeraufsatz 142. 

Mollberg, Ein neues Verfahren zur Bev- 
leuchtung mit Gasglühlicht 906. 

Müller, Zur Schwefelwasserstoffbestimmung 
im Leuchtgas 455. 

Reichenbach, Zur Messung der Wärme- 
strahlung 904. 

Roeseler, Das Wassergas. seine Herstellung. 
Verwendung und hygienische Bedeutung 
514. 

— Gesundheitliche Uebelstände und Ge- 
fahren der Acetylenbeleuchtung und ihre 
Verhütung 676. 

Rothgiesser, Der Einfluss weisser Wände 
auf die Beleuchtung 678. 

Rubner, Bemerkungen zu der Arbeit von 


Sach-Register. 


Reichenbach: „Zur Messung der Wärme- 
strahlung.“ 904. 

Salzenberg, Das Kugellicht 454. 

Schaefer. Die Wärme und Kraftversorgung 
deutscher Städte durch Leuchtgas 452. 

Schmidt. Beitrag zur technischen Gasana- 
Iyse, Bestimmung von Wasserstofl, Methan 
und Stickstoff 141. 

Schslz, Die elektrische Osmiumglühlampe 
von Auer v. Welsbach 905. 

Smits. Raken und Meerum Terwogt, Neues 
Verfahren zur Bestimmung von Kohlen- 
oxyd im Leuchtgas 903. 

Strache, Bemerkungen zu der Arbeit von 
Körting: „Wassergas im Vergleich mit 
anderen brennbaren Gasen“ 1101. 

Strebel, Untersuchungen über die bakteri- 
cide Wirkung des Hochspannungs- 
Funkenlichtes nebst Angabe einer Me- 
thode zur besseren Ausnützung der bac- 
terieiden Kraft des Volta-Bogenlichtes 
906. 

Winkler, Pressluft-Gasglühlampe 79. 


Boden. 


Gérardin, Epuration de l'air par le sol 1135. 

Klein. Report on the fate of pathogenic 
and ather infective microbes in the dead 
animal hody T44. 

Migula, Beiträge zur Kenntniss der Nitrifi- 
kation 1. Nitriflkation imWaldboden 125. 

Rubner, Ueber Spaltung und Zersetzung 
von Fetten und Fettsäuren im Boden 
und rllüssigkeiten 126. 

Sehlorsing, Sur les “changes gazeuses entre 
les plantes entières et l'atmosphère 1192. 

Stoklasa, Ueber den Einfluss der Bakterien 
auf die Knochenzersetzung 282. 

Stutzer und Hartleb, Untersuchungen über 
die bei der Bildung von Salpeter beob- 
achteten Mikroorganismen. II. Abhand- 
lung: Nitratbildner 281. 

Voller. Das (irundwasser in Hamburg 284. 


Desinfektion. 


Abba und Rondelli, Weitere behufs Des- 
infektion von Wohnräumen mit dem 
Flügge’schen und dem Schering’schen 
(kombinirten Aeskulap-Apparat) formo- 
senen Apparat ausgeführte Versuche. 
Il. Mittheilung 468. 

Altenburg. Einige Versuche über die Um- 
wandlungdes.lodoformnsin freies Jod 1073. 

Babucke, Ueber die Desinfektion mit Ty- 
phusbacillen infieirter Badewässer 521. 

Barone. La formaldeide gassosa e la dis- 
infezione «egli ambienti (glieoformal 
e igazolo) 421. 

Barsikow, Ueber die bakterientödtende 
Wirkung des Alkohols und des Spiritus 
saponatus 1168. 


1261 


Beitzke, Leber Desinfektionsversuche 
Acetaldehyd 425. 

Bengu‘, Vertheilungsrad für Trioxymethy- 
lenvergaser und dergl. 43. 

Berichtigung der Frage zur Formalindesin- 
fektion 1084. 

Bertarelli, Sul potere batterieida dell’ al- 
cool etilico 522. 

Braatz, Zur Bedcutung des Alkohols für 
die Händedesinfektion 1076. 

— Zur Dampfdesinfektion in der Chirurgie 
1222. 

Brunck, Die quantitative Bestimmung des 
Ozons 602. 

v. Brunn, Alkoholdämpfe als Desinfektions- 
mittel 522. 

— Bemerkung zu dem Aufsatze von Herrn 
Dr. Georg Frank: Ueber Desinfektions- 
wirkung des Alkohols, insbesondere der 
Alkoholdämpfe 1112. 

v. Bruns, Ueber die Behandlung intieirter 
Wunden mit Wasserstoflsuperoxyd 203. 

Chemische Fabrik auf Aktien (vorm. 
E. Schering). Berlin. Apparat zur Des- 
infektion mit Formaldehyd 420. 

Chemische Fabrik auf Aktien (vorm. E.Sche- 
ring). Berlin. Apparat zur Desinfektion 
mit Formaldehyd 421. 

Chemische Fabrik auf Aktien (vorm. 
E. Sehering) in Berlin, Verfahren zur 
Desinfektion mit Formaldehyd 1111. 

Czaplewski, UeberdieWohnungsdesinfektion 
mit Formaldehyd in Köln 863. 

Deeleman, Beitrag zur Händedesinfektion 
mit Dr. Schleich’s Marmorstaubseife 44. 

Dieudonné, Ueber die Desinfektion mit 
Karboformal-Glühblocks 1074. 

— Ueber eine einfache Desinfektionsme- 
thode mit Formaldehyd (Hydroformal- 
Desinfektion) 1109. 

Dunbar und Dreyer, Untersuchungen über 
das Verhalten der Milchbakterien im 
Milchthermophor 412. 

Elsberg. Ein neues und einfaches Verfahren 
zur Sterilisation der Schwämme durch 
Auskochen 466. 

Erne, Zur Beurtheilung der Desinfektion 
mit sogenannten Karboformalglühblocks 
1075. 

v. Esmarch, Verbreitung von Infektions- 
erregern durch trebrauchsgegenstände 
und ihre Desinfektion 49. 

Fliek, Ein Kontrolversuch zur (lykatormal- 
und kombinirten Paraformaldehyd-Des- 
infektion 710. 

Frank, Desinfektionswirkung der Alkohol- 
dämpfe 319. 

— Verfahren zum Desinfieiren thierischer 
Haare mittels der Dämpfe des Holzessigs 
710. 

— Verfahren zum Desintieiren thierischer 
Haare mittels der Dämpfe des Spiritus- 
vorlaufes 711. 


mit 


90* 


1262 


Frank. Ueber Desinfektionswirkung des Al- 


kohols, insbesondere der Alkoholdämpfe | 


1111. 

Gorini, Sulla disinfezione degli ambienti 
mediante la formaldeide 709. 

Grawitz, Bemerkung zu dem Artikel von 
Mayer und Wolpert über „Wohnungs- 
desinfektion durch Formaldehyd“ in 
Nu. 4 dieser Zeitschrift 395. 

Henry, Sterilisation de leau par le filtre 
Lapeyrire 429. 

Hermann, Ueber das Sterilisiren der Seiden- 
katheter 466. 

Hesse, Ueber das Verhalten pathogener 
Mikroorganismen in pasteurisirter Milch 
401. 

Hobbs et Denier. Etude expérimentale sur 
le ròle antiseptique des essences vi is 
le streptocoque 489. 

Hünermann und Deiter, 


Ueber die Desin- 


fektion des Trinkwassers mit Natrium- | 
hypoehlorit 1192. 
Jacob: Ueber desintieirende Wandan- 


striche 955. 
Jachn, Ein neuerDampfsterilisationsapparat 


Kaess, Ueber die Sterilisation von Wasser | 


durch Jod, Chlor und Brom 603. 
Knopf, Infection des livres par le bacille 
de la tuberculose 993. 


Krull, Die Wassersterilisirung durch ozo- | 


nisirte Luft nach dem System Abraham | 


und Marmier 1140. 

Loeb, neuer Beitrag zur Formalindesin- 
fek speciell in der Urologie 1110. 

Marcuse. Antisepsis und Asepsis im Alter- 
thum 1075. 

Marx, Zur Theorie der Desinfektion 1108. 

Masurkewitz und Speier. Verdampfungs- 
apparat, insbesondere für Desinfektions- 
flüssigkeiten 864. 

Mayerund Wolpert, Beiträge zur Wohnungs- 
desinfektion dureh Formaldehyd 153. 

— — Zur Rolle der Lufttemperatur bei 
der Formaldehyddesinfektion. Antwort. 
auf vorstehende Reklamation des Herrn 

Grawitz 396. 

Meyer, Ueber 
auf Bakteri 

Mohaupt, Beitr 7 
deutung de: 1iäufarünfnäckrchin auf 
den Sterilisationseflekt bei der Hautdes- 
infektion 467. 

Müller. Die Verwendung des Wasserstoff- 


mit dem Lungenauswurf herausbe- ' 
‚ Seidenschnur, Die ökonomische Tränkung 


lerten Tuberkelbaeillen in Abw 

im Flusswasser und im kultivirten 
179. 

Nasther, 


ache 
‚riebaeillen aus der Mundhöhle 
ekonvalescenten 44. 


von. R 


Sach-Register. 


Neisser und Wechsberg, Ucber eine neue 
einfache Methode zur Beobachtung von 
Schädigungen lebender Zellen im Orga- 
nismus (Bioskopie) 621. 

Neumann, Vergleichende Untersuchungen 
über die Desinfektionskraft von „Creolin 
Pearson“, „Izal*. „Jeyes’ Fluid“ und 
einiger anderer Desinfektionsmittel 90. 

Ottolenghi, Ueber die Desinfektion der 
tuberkulösen Sputa in Wohnräumen 421. 

— I batteri patogeni in rapporte ai dis- 
infettanti. Tabelle pratiche ad uso degli 
ufficiali sanitari, dei medici e degli stu- 
denti 707. 

Papasotiriu, Notiz über den Einfluss des 
Petroleums auf den Diphtheriehaeillus 
293. 

Paul undSar xperimentaluntersuchun- 
gen über Händedesinfektion. VI. Abthei- 
lung. Allgemeines über die Chemie der 
Quecksilberverbindungen als Desinfek- 
tionsmittel und über die Prüfung dir 
Händidssint ktionsmethoden, mit besan- 

chtigung der modernen 

hemischen Theorien 1225. 

Pfuhl. Ueber die Messung der Temperatur- 
zunahme in Fleisehkonserven, die in 
Kompressionskesseln sterilisirt werden 
(H Sa 

Poleck. Ueber die Entwiekelung der Gres» 
desinfektion mit Formaldehyd bis zu ihrer 
heutigen Gestaltung 42. 

Raab, Ueber die Wirkung fluor«seirender 
Stoffe auf Infusorien 91. 

Rabs, Beiträge zur Trinkwasserdesinfektivn 
mit Chlor 1085. 

— Beriehtigung 1190. 

Raschig. Verfahren, Metakresol in Kresil- 
gemischen zu bestimmen 707. 

Reille, Le casier sanitaire de la ville de 
Paris 521. 

Reischauer, Vergleichende Untersuchungen 
über die Brauchbarkeit verschiedener 
Verfahren zur Ausführung der Wehnung-- 
desinfektion mit Formaldehyd 577. 636. 

Röse, Untersuchungen über Mundhygiene 
1195. 

Roth, Die Strahlen mioeralischer Licht- 
sauger als Heil- und Entseuehungsmittel 
BTB. 

Schenk und Zaufal. Weitere Beiträge zur 
Bakteriologie der mechanischen Desin- 
fektion der Hände 708. 

Schneider, Apparat zur Desinfektion mit 
Formaldehyd 421. 

Schutzmaassregeln bei ansteckenden Krank- 
heiten 63. 


von Holz mit Theeröl 1169. 


| v, Sicherer, Ueber den antiseptischen Werth 
über Beseitigung der | 


des Quecksilberoxyevanids 465. 
Société Marseillaise d'hygiène publique et 
de désinfection à Marseille. Verfahren 


Sach-Register. 


zur Desinfektion 
dämpfen 711. 

Strebel, 
nebst einem Mittel zu deren Bekämpfung 9. 

— Untersuchungen über die bakterieideWir- 
kung des Hochspannungs-Funkenlichtes 
nebst Angabe einer Methode zur besseren 
Ausnützung der bakterieiden Kraft des 
Volta-Bogenlichtes 906. 

Teclu, Zur quantitativen Bestimmung des 
Ozons 61. 

Tonzig, Contributo allo studio dei cosidetti 
saponi disinfettanti 708. 

Treupel und Edinger, Untersuchungen über 
Rhodanverbindungen 204. 

Vellbrecht, Hände- und Hautdesinfektion 
mittels Seifenspiritus 43. 

Winter, Ueber Mi rilisation 565. 

v. Wunschheim, Ueber einen Apparat zur 
Erzeugung von 
und sterilem Wa: 420. 

— Beeinflusst Gl rin als Lösungsmittel 
den Desinfektionswerth von Antiseptieis? 
1109. 


mittels Formaldehyd- 


Ernährung. 
Allgemeines. 

Backmann, Ucher die Methode bei experi- 
mentellen Untersuchungen der Salzsäure- 
abscheidung des menschlichen Magens 
bei ve dener Nahrung 1011. 

Bagins uglingsernährung und Säug- 
lingskrankheiten 35 

Bendix und Finkelstein, Ein Apparat für 
Stoffwechseluntersuchungen am Säug- 
ling 684*. 

Blauberg. Experimentelle Beiträge zur Frage 
über den Mincralstoffwechsel beim künst- 
lich ernährten Säugling 604. 

— Ueber den Mineralstoffwechsel beim na- 
türlieh ernährten Säugling 604. 

Blum, Ueber den Nährwerth der Hetero- 
albumose des Fibrins und der Protalbu- 
mosen des Caseins 606. 

Bornstein, Fiweissmast und Muskelarbeit 
1058. 

Broden und Wolpert, Respiratorische Ar- 
beitsversuche bei wechselnder Luftfeuch- 
tigkeit an einer fetten Versuchsperson 
1136. 

Camerer, Die Verdauungsarbeit, ihre Grüsse 
und ihr Einfluss auf den Stoffwechsel, 
insbesondere den Stoffwechsel des Säug- 
lings 84. 

— Die chemische Zusammensetzung des 
Neugeborenen 1057. 

Caspari, Ueber Eiweissumsatz und -Ansatz 
bei der Muskelarbeit 1058. 

Charrin und “uillemonat, Influence des 
modifications expérimentales de l'orga- 
nisme sur la consommation du glycose 
411. 

— Fütterung mit sterilisirter Nahrung 575. 


Haar- und Haarbodenkrankheiten | 


ttigtem Wasserdampf | 


1263 


Cronheim und Müller. Zur Kenntniss der 
Bedeutung des organisch gebundenen 
Phosphors für den Stoffwechsel des 
Kindes 913. 

Czerny, Kräftige Kost 84. 

Finke Ueber säurelicbende Baeillen 
im 

Forster, Warum und was essen wir? Rück- 
und Ausblicke in der Ernährungsfrage 
912. 

Frentzel und Reach, Untersuchungen zur 
Frage nach der Quelle der Muskelkraft 
1058. 

Genther, Ueber eine Modifieirung der Wel- 
mans’schen Reaktion 608. 

Hartogh und Schumm, Zur Frage 
Zuckerbildung aus Fett 1060. 

Heinemann, Experimentelle Untersuchung 
am Menschen über den Eintluss der 
Muskelarbeit auf den Stoffverbrauch und 
die Bedeutung der einzelnen Nährstoffe 
als Quelle der Muskelarbeit 105: 

Hirschfeld, Die Ernährung der Gefangenen 
im Zuchthause 563. 

Jolles, Einiges über die Eiwei 


der 


körper 981. 


— Einiges über die Eiweisskörper. I. 
1133. 

Kassowitz, Wirkt Alkohol nährend oder 
toxisch? 417. 


Kaufmann, Ueber die Ursache der Zu- 
nahme der Eiweisszersetzung während 
des Hungerns 1059. 

Kirschmann, Wie weit lässt sieh der Ki- 
weisszerfall durch Leimzufuhr einschrän- 
ken? 697. 

Krummacher, Ueber den Einfluss subkutan 
injieirter verdünnter Uhlornatriumlösung 
auf die Fiweisszersetzung 607. 

Kutscher, Ueber das Antipepton 696. 

de Lange, Die Zusammensetzung der Asche 
des Neugeborenen und der Muttermilch 
1057. 

Lichtenfelt, Ueber Abweichungen von der 
durchsehnittlichen Ernährung 913. 

— Ueber die Ernährungsmöglichkeit im 
Deutschen Reiche 115. 

Loewi, Beiträge zur Kenntniss des Nuklein- 
stoffwechsels 192. 

— Untersuchungen über «den Nuklein- 
stoffwechsel. H. Mittheilung 1157. 

Loewy und Cohn, Ueber die Wirkung der 
Teslaströme auf den Stoffwechsel 606. 

Lührig, Ueber Resorptionsfähigkeit und 
Verseifungsgeschwindigkeit einiger Nah- 
rungsfette 607. 

Malfatti, Beitrag zur Kenntnis» der pepti- 
schen Verdauung 684”. 

Marcuse, Die Anwendung des Wassers in 
der Heilkunde 566. 

Müller, Ein Beitrag zur Frage der Cellu- 
loseverdauung im Darmkanal 1061. 
Östertag, Handbuch der Fleisehbeschau 

für Thierärzte, Aerzte und Richter 4. 


1264 


Pfaundler, Zur Kenntniss der Endprodukte 
der Pepsinverdauung 605. 

Ranke, Ueber die Einwirkung des Tropen- 
klimas auf die Ernährung des Menschen 
auf Grund von Versuchen im tropischen 
und subtropischen Südamerika 177. 

— Der Nahrungstedarf im Winter und 
Sommer des gemässigten Klimas 683*, 

Ripper. Eine allgemein anwendbare maass- 
analytische Bestimmung der Aldehyde 
1062. 

Robin und Binet, Respiratorischer Stoff- 
wechsel der Tuberkulösen 771. 

Roos. Zur Verwendbarkeit von Pflanzen- 
eiweiss als Nährmittel 1164. 

Rosemann, Ueber die angeblich eiweiss- 
sparende Wirkung des Alkohols 416. 

Rubner, Ucher die Anpassungsfähigkeit 
des Menschen an hohe und niedrige 
Lufttemperaturen 344. 

— Vergleichende Untersuchung der Haut- 
thätigkeit des Europäers und Negers, 
nebst Bemerkungen zur Ernährung in 
hochwarmen Klimaten 410. 

Rumpt. Zur therapeutischen Verwendung 
der vegetarischen Lebensweise 563. 

— Eiweissumsatz und Zuckerausscheidung 
697. 

Salaksin und Zaleski, Ueber den Einfluss 
der Leberexstirpation auf den Stoff- 
wechsel bei Hunden 411. 

Schattenfroh. Respirationsversuche an einer 
fetten Versuchsperson 605. 

Scheffer, Studien über den Einfluss des 
Alkohols auf die Muskelarbeit 199. 

Sehoenstadt, Ueber vegetarische Ernäh- 
rung und ihre Zulässigkeit in geschlos- 
senen Anstalten und bei Menschen, 
welche sich in einem Zwangsverhältniss 
befinden 604. 

Sehwenkenbeeher, Die Nährwerthberech- 
nung tischfertiger Speisen 1010. 

Siegfried, Ueber Antipepton 696. 

Voit, Ueber die Grösse des Energiebedarfs 
der Thiere im Hungerzustande 1059. 
Weinland, Ueber die Bildung von Glyko- 

gen nach Galaktosefütterung 686*. 

— Ueber die Laktase des Pankreas 686*. 

Welmanns. Die Hühl’sche Jodadditions- 
methode 85. 

Wohlgemuth, Beitrag zur Zuckerabspal- 
tung aus Riweiss 607. 

Woy. Zur Kjeldahl’schen Zuekerbestim- 
mungsmethode 1061. 

Zuntz. Ueber die Bedeutung der verschie- 
denen Nährstoffe als Erzeuger der 
Muskelkraft 1058. 

— und Schumburg. Studien zu einer Phy- 
siologie des Marsches 917. 


Sach-Register. 


Fleisch. 


Adami, On the significance of bovine 
tuberculosis and its eradication and pre- 
vention in Canada 491. 

Bach, Ueber Milchuntersuchungen 
Milchkontrole 1015. 

Bienstock, Du ròle des bactéries de Vin- 
testin 1012. 

Bischoff und Wintgen, Beiträge zur Ken- 
servenfahrikation 685*. 

Bordoni-Uffreduzzi e Zernoni, 


und 


Le Ostriche 


come mezzo di diffusione del gerne 
della febbre tifoide 194. 
Fürst, Zum gegenwärtigen Stand der 


Fleischextrakttrage 312. 

Gärtner, Bedingt der Zusatz von Präserve- 
salz zum Hackfleisch eine Verfälschung 
im Sinne des $ 10 des Nahrungsmittel- 
gesetzes? 1160. 

Hausschlachtungen und Fleisehschauges#tz 
631. 

Hefelmann, Zur Beurtheilung des Stärke- 
gehaltes der Leberwurst 1064. 

Hegner und Rene, Der neue Schlachthöf 
in Pilsen 459. 

Huber, Notizen zur Fleischkunde 1062. 

Hutyra, Tuberkulinversuche bei Rindern 
14. 

Jolles, Einiges über die Eiweisskö 

— Einiges über die Eiweisskö 
1133. 

Lass, Untersuchungen über die Schwefel- 
ausscheidung der Muskulatur und der 
Organe gesunder und kranker Schlacht- 
tbiere 457. 

Lauk, Acht Fälle von Wurstvergiftung +12. 

Lebbin, Die Konservirung und Färbung 
von Fleischwaaren 1159. 

Mai, Wann ist eine Fleischwaare als ver- 
dorben zu betrachten? 1012. 

Mayer, Ueber den Keimgehalt des käuf- 
lichen Hackfleisches und den Einfius 
der gewöhnlichen Getränke auf den 
Genuss desselben 877. 

Ossipofl, Influence de Tintoxication betu- 
linique sur le systeme nerveux central 
1014. 

Pfaundler, Zur Kenntniss der Endprodukte 
der Pepsinverdauung 605. 

Pflüger, Ueber die Gesundheitsschädigun- 
gen, welche durch der Genuss ven 
Pierdefleisch verursacht werden 193. 

Pfahl, Ueber die Messung der Temperatur- 
zunahme in Fleischkonserven, die in 
Kompressionskesseln sterilisirt werden 
684. 

— Massenerkrankung nach 
1013. 

Polizeiverordnung in Charlottenburg über 
Transport von Fleisch 630. 

Polizeiverordnung in Gumbinnen 
Handel mit Fleisch 629. 


Wurstgenuns 


über 


Sach-Register. 


Prettner, Beitrag zur Rassenimmunität 
492. 
Römer, Ein Beitrag zur Aetiologie des 


Botulismus 565. 

Rössing, Ueber Fischkonserven 34. 

Schilling, Kothrückstände im Wurstdarm; 
Wurstschmutz 686*. 

Schmidt, Die Fehler der Saugtlaschen und 
ihre Vermeidbarkeit 1015. 

Schumburg, Weitere Untersuchungen über 
das Vorkommen von Tuberkelbaeillen 
im Hackfleisch 661. 

Schwarz, Düngerbeseitigung aut Schlacht- 

höten 682. 

Ueber Heizanlagen 
Sehlachthöfen 1102. 
Vaillard, Les conserves 

viande 1158. 
Verfügung in Potsdam über Behandlung 

des Fleisches mit Präservesalzen 629. 


= in öffentlichen 


alimentaires de 


Milch, Butter, Käse, Eier. 


Ambühl, Zur Frage der Uebereinstimmung 
der gewiehtsanalytisch ermittelten mit 
der berechneten Milchtrockensubstanz 
610. 

Barthel, Einige Versuche über die Bildung 
von Essigsäure in Milch durch Milch- 
säurebakterien 518. 

Beck, Experimentelle Beiträge zur Unter- 
suchung über die Marktmilch 490. 

Bendix, Beiträge zur Ernährungs-Physio- 
logie des Säuglings. I. Der Einfluss der 
Gravidität auf die Milchabsonderung bei 
der Frau 413. 

Bohrisch und Beythien, Ueber den Schmutz- 
gehalt der Milch 196. 

Bokorny. Finige vergleichende Bemerkungen 
über die spontane und die durch Lab 
bewirkte Milchgerinnung. Milchsäure- 
ferment und Labferment 1067. 

Bümer, „Kalf room“ 1163. 

Camerer, Die chemische Zusammensetzung 
des Neugeborenen 1057. 

Caspari, Fin Beitrag zur Beurtheilung von 
Milchpräparaten 690. 

Cohn, Ueber Frauenmilch 687 *. 

— Zur Morphologie der Milch 1064. 

Dunbar und Dreyer, Untersuchungen über 
das Verhalten der Milchbakterien im 
Milchthermophor 412. 

v. Dungern, Eine praktische Methode, um 
Kuhmilch leichter verdaulich zu machen 
1067. 

Emmerling, Ueber Spaltpilzgährungen 691. 

Epstein, Untersuchungen über Milchsäure- 

rung und ihre praktische Verwerthung 


Eyre, On the presence of members of the 
diphtheria group of bacilli other than 
the Klebs-Loeffler bacillus in milk 749. 


1265 


Fürst, Die neueren Bestrebungen zur Her- 
stellung sogenannter Kindermilch 320. 

Genther, Ueber eine Modilieirung der 
Welmans’schen Reaktion 608. 

Gernsheim, Zur Behandlung des Breech- 
durchfalls mit Biedert’schem (künst- 
liehem) Rahmgemenge 1068. 

Gottstein und Michaelis, Zur Frage 
Abtödtung von Tuberkelbaeillen 
Speisefetten 1197. 

Hanus, Einige Beiträge zur Frage 
Ranzigwerdens der Butter 196. 

— und Stocky, Ueber die chemische 
Einwirkung der Schimmelpilze auf 
die Butter 611. 

Harris, The supply of sterilised 
nised milk for the use 
St. Helens 691. 

Hashimoto, Zwei neue milchsäurebildende 
Kugelbakterien 821. 

Hellström, Ueber Tuberk«lbacillennachweis 
in Butter und einige vergleichende 
Untersuchungen über pathogene Keime 
in Butter aus pasteurisirtem und nicht 
pasteurisirtem Rahm 939. 

Helm, Gewinnung und Absatz von frischer, 
tuberkelbaeillenfreier Trinkmilch (Eis- 
milch) 518. 

Hesse. Ueber das Verhalten pathogener Mi- 
kroorganismen i in pasteurisirter Milch 401 

— Ueber en neuen Muttermilchersatz: 
Pfund's glingsnahrung 914. 

Hölscher, Kurze Mittheilung über experi- 
mentelle Untersuchungen mit säurefesten 
tuberkelbaeillenähnlichen  Spaltpilzen 

941. 

Jensen. Studien über die Enzyme im Käse 
414. 

Kirchner 


der 
in 


des 


huma- 
of infants in 


und Racine, Zur Kenntniss der 
Reichert-Meissl’schen Zahl von hollän- 
discher Molkereibutter 692. 

Klein, Zur Kenntniss der Verbreitung des 
Bacillus tubereulosis und pseudotuber- 
eulosis in der Milch, sowie der Biologie 
des Bacillus tuberculosis 180. 

Knoepfelmacher. Versuche über die 
nützung des Kuhmilehkaseins 116 

Kobrak, Beiträge zur Kenntniss des Ka- 
seins der Frauenmilch 86. 

— Die Bedeutung des Milchthermophors 
für die Säuglingsernährung 689. 

Lam, Ueber den normalen refraktome- 
trischen Werth für Butter 36. 

de Lange, Die Zusammensetzung der Asche 
des Neugeborenen und der Muttermilch 


Lebbin, Ueber die V: 
stoffe in den Hühn 


rtheilung der Nähr- 
ern 194. 


-Leiebmann und v. Bazarewski. Ueber 
einige in reifem e gefundene Milch- 


säurebakterien 37. 
Levy und Bruns, Ueber die Abtödtung 
der Tuberkelbaeillen in der Milch durch 


1266 
Einwirkung von Temperaturen unter 
100°. 669*. 

Loranchet. A propos de la prophylaxie 
de la diarrhee infantile 405. 


Lührig, Ueber 
Verseifungsgeschwindigkeit einiger Nah- 
rungsfette 607. 

Messner. Ueber Milchkontrole 608. 

Middelton, Beitrag zur Unterscheidung 
gekoehter und ungekochter Milch 601. 

Monti, Die wissenschaftliehen Grundsätze 
zur Beschaffung einer der Frauenmilch 
nahezu gleichwerthigen Nahrung 687*. 


Morgenroth, Ueber den Antikörper des 
Labenzyms 442. 
— Zur Kenntniss der Labenzyme und 


Antikörper 442. 

Moro, Ueber den Bavillus acidophilus n. 
spee. Ein Beitrag zur Kenntniss der 
normalen Darmbakterien des Säuglings 
Abt, 

— Zur Charakteristik des diastatischen 
Enzyems in der Frauenmilch 1163. 
Müller und Masuyama, Ueber ein diasta- 

tisches Ferment im Hühnerei 35. 

Nietner, Wirthschai : und hygienische 
Reform des grossstädtischen Milchhandels 
35. 

Oppenheimer, Ueber die Zersetzung des 
Eiweisses beim Kochen 914. 

Ostertag. Untersuchungen über die Viru- 

A und den Tuberkelbacillengehalt 
der Milch von Kühen. welche lediglich 
auf Tuberkulin reagirt haben, klinische 

Erscheinungen der Tuberkulose aber 
"ht zeigen 346. 

Polizeiverordnung über den Verkauf von 
Kindermilch 626. 

Rabinowitsch. Ueber die Gefahr der Ueber- 
tragung der Tuberkulose dureh Milch 
und Milchprodukte 348. 

Reieher. Ueber den Gehalt der nieder- 
indischen Buttersorten an lNüchtigen 

tsäuren 1164. 

Reinseh und Lührig. Ueber die Veränder- 
lichkeit der Milchtrockensubstanz und 
deren Werth für die Beurtheilung von 
Marktmilch 609. 

Ricken, Typhus und Molkereien 313. 

Riegler, Eine neue schr empfindliche Reak- 
tion zum Nachweise des Formaldehyds 
und des hzuckers in der Mileh 692. 

‚ Ueber die Variabilität der 

rebakterien mit Bezug auf die 

ährfäbirkeit 1068. 

Sehlossmann, Ueber Milch und Milchregu- 
lative 413. 

Sieber, Ueber die Umikoff’sche Reaktion 
in der Frauenmileh 610. 

Soltsien, Bemerkungen zur Halphen'schen 
Reaktion auf Baumwollensamenöl und 
dem Verhalten einiger amerikanischer 
Schmalzsorten zu derselben 1070. 


ihrer 


Resorptionsfähigkeit und | 


Sach-Register. 


Soltsien, Bemerkungen zurHalphen’schenR+-- 
aktion auf Baumwollensamenöl und dem 
Verhalten amerikanischer Schmalzserten 
zu derselben 1161. 

Soxhlet, Ueber die künstliche Ernährun: 
des Säuglings 1065. 

Süss, Zum Nachweise von Natriummons- 

und -bikarbonat in der Milch 611. 
Ueber den Salieylsäure-Nachweis in 

der Milch 611. 

Thiele, Ein Fall von anscheinender Maul- 
und Klauenseuche beim Menschen 25. 

Tischer und Beddies, Die Bedeutung ven 
Pfund’s kondensirter Milch, insbesondere 
für die Säuglingsernährung und Kranken- 
pflege 460. 

Tobler, Beitrag zur Frage des Vorkommen 
von Tuberkelbacillen und anderen säurr- 
festen Baeillen in der Marktbutter 

Utz, Ueber den Werth des Marchand’schn 
Laktobutyromeiers zur Bestimmung des 
Fettgehaltes der Milch 1064. 

— Nachweis gekuchter und ungekechter 
Milch 1163. 

Verordnung über den Verkehr mit Milch 
in Sachsen-Koburg-Gotha 918. 

Verordnung über den Verkehr mit Milch 
in Strassburg i./E. 920. 

Weber, Die Bakterien der sogenannirn 
sterilisirten Milch des Handels und ibre 


Beziehungen den Magendarnkrank- 
heiten der Säuglinge, mit besonderer 
Berücksichtigung der giftigen pepte- 


nisirenden Bakterien Flügge's 658*. 
Weidemann, Kefyr und Kefyrmileh 1064. 
Welmanns, Die Hübl’sche Jedadditiens- 

methode 85. 

Wibbens und Huizenga. Untersuchungen 
über die Verdauliehkeit der Butter und 
einiger Surrogate derselben 1070. 

Windisch, Ueber die Veränderungen dr> 
Fettes beim Reifen der Käse 693. 

Winter, Ueber Milchsterilisation 565. 

Wrampelmeyer, Bemerkungen zur Halph-u- 
schen Reaktion auf Baumwollensamen‘! 
1070. 

Zammit, Milk poisoning in Malta 405. 


Mehl, Brot u. s. f. 


Babës et Manicatide, Sur certaines sub- 
stances spécifiques dans la pellagre T685. 

— und Sion, Die Pellagra 848. 

Baumert. Ueber das S. Keil’sche Verfahren 
zur gleichzeitigen Gewinnung von Stärke 
und Kleberteig für Bäekereizwecke u. 
dergl. 613. 

Beythien und Wrampelmeyer. Beiträg 
zur Untersuchung und Bcurtheilung der 
RER Hase 1162. 

“anto, Ueber Leguminosenbrot 614. 

Tokeni. Beitrag zur Kenntniss des 
rfadenzichenden Brotes“ 87. 


Sach-Register. 


Laves. Ueber das Eiweissnährmittel „Ro- 
borat“ und sein Verhalten im Organismus, 
verglichen mit ähnlichen Präparaten 695. 

Loewy und Pickardt, Ucher die Bedeutung 
reinen Pflanzeneiweisses für die Ernäh- 
rung 913. 

Roos, Zur Verwendbarkeit von Pflanzen- 
eiweiss als Nährmittel 1164. 

Thomann, Beitrag zur Kenntniss des „faden- 
ziehenden Brotes* 415. 

Verordnung in Baden über Einrichtung 
und Betrieb von Bäckereien und Kon- 
ditoreien 628. 

Woy, Vorbereitung von Mehlpreben zur 
mikroskopischen Untersuchung 197. 


Gemüse. 


Aderhold, Untersuchungen über das Ein- 
sauern von Früchten und Gemüsen. 
l. Gurken 1017. 

Anmüller, Ueber das Zinn der in Blech- 
büchsen verwahrten Gemüsekonserven 
und dessen Resorption im Darmkanal 704. 

Blanchard, Wasser und Gemüse bei Ver- 
breitung der Helminthiasis 103. ` 

Bornträger, Ueber den Nachweis der Bor- 
säure in Boraten 89. 

Koenig, Zur Frage der unbeschränkten 
Zulässigkeit des Stärkesyrups für die 
Bereitung von Nahrungsmitteln 87. 

Lewin, Ueber die toxikologische Stellung 
der Raphiden 39. 

Pellegrini, Ricerche sul veneno dei funghi. 
Prove di immunizzazione e sieroterapia 
307. 

Weil, Die Entstehung des Solanins in den 
Kartoffeln als Produkt bakterieller Ein- 
wirkung 698. 


Konserven. 


Abel, Zum Kampfe gegen die Konservirung 
von Nahrungsmitteln durch Antiseptika 
265. 

Aderhold, Untersuchungen über das Ein- 
sauern von Früchten und tiemüsen. 
I. Gurken 1017. 

Anmüller, Ueber das Zion der in Blech- 
büchsen verwahrten (iemüsckonserven 
und dessen Resorption im Darmkanal 704. 

Biseboff und Wintgen, Beiträge zur Kon- 
servenfabrikation 685 *. 

Bornstein, Experimentelle Untersuchungen 
über die Wirkung des Saccharins 619. 

Bornträger, Ueber den Nachweis der Bor- 
säure in Boraten 89. 

Conrady, Ueber den Nachweis von Salieyl- 
säure bei Gegenwart von Citronensäure 
617. 

Gärtner, Bedingt der Zusatz von Präserve 
salz zum Hackfleisch eine Ve 
im Sinne des § 10 des Nahrungsmittel- 
gesetzes? 1160. 


schung | 


1267 


Gruber. Ueber die Zulässigkeit der Ver- 
wendung der Fluoride zur Konser 
von Lebensmitteln 457. 

— Ueber die Zulässigkeit der Verwendung 
von Chemikalien zur Konservirung von 
Lebensmitteln 457. 

Koenig. Zur Frage der 
Zu gkeit des Stärkesyrups 
Bereitung von Nahrungsmitteln S7. 

Koller, Die Konservirung der Nahrungs- 
mittel und die Konservirung in der 
Gährungstechnik 1016. 

Laugkopf, Ueber den Nachweis von Salieyl- 
siure bei Gegenwart von Citronensäure 
617. 

Lebbin, Die Konservirung und Färbung 
von Fleischwaaren 1159. 

Mayer, Ueber den Keimgehalt des käuf- 
lichen Hackfleisches und den Einfluss 
der gewöhnlichen Getränke auf den Ge- 
nuss desselben 877. 

Messinger, Anmerkungen zur Abhandlung 
von W. Fresenius und L. Grünhut: 
„Kritische Untersuchungen über die Me- 
thoden zur quantitativen Bestimmung 
der Salieylsäure* 41. 

Pfuhl, Ueber die Messung der Temperatur- 
zunahme in Fleischkunserven, die in 
Kompressionskesseln  sterilisirt werden 
684°, 

Riegler. Eine neue Methode zum Nachweise 

Saecharins. der Salieylsäure oder 
auch einer Mischung dieser beiden 
Körper 618. 

Rössing, Ueber Fisehkonserven 34. 

Süss, Ueber den Salieylsäure-Nachweis in 
der Milch 611. 

Vaillard. Fleischkonserven 100. 

— Les conserves alimentaires de viande 
1158. 

Verfügung in Potsdam über Behandlung 
des Fleisches mit Präservesalzen 629. 


Kaffee, Thee, Kakau. 


Bertarelli, Su una solistieazione del caffe 
turrefatto mediante aggiunta di aequa 
e borace 4 

— Ueber die Verfälschung des gebrannten 
Kaffees mittels Zusatzes von Wasser 
und Borax 702. 

Beythien, Bohrisch und Deiter, Beiträge 
zur chemischen Untersuchung des Thees 
Ss. 

— und Hempel, Chokvladenmechle 1073. 

Nestler. Ein einfaches Verfahren des N 
wei von Thein und seine prak 
Anwendung 1167. 

Wabl, Ueber den tiehalt des Tabakrauches 
an Kohlenoxyd 41. 

Welmanns. Die Hübsche 
methode 85. 


he 


Judadditions- 


1268 


Welmanns, Nachweis von Tragantlı und 
Dextrin in Kakao und Chokoladen und an- 
ernde Bestimmung des Dextrins durch 
Polarisation 703. 


Bier, Wein, Branntwein. 


in Beitrag zur zellenfreien Gährung 


Albert, Einfacher Versuch zur Veranschau- 
lichung der Zymasewirkung 1072. 

Buchner. Bemerkungen zur Arbeit von 
Macfadyen, Morris und Rowland: Ueber 
ausgepresstes Hefezellplasma (Buchner's 
Zymase) 700. 

— Zymase aus getödteter Hefe 700. 

Chauvcau, La production du travail mus- 
culaire utilise-t-elle, comme potentiel 
énergétique, l’aleool substitu® à une 
partie de la ration alimentaire? 915. 

— Influenee de la substitution de l'alcool 
au sucre alimentaire, en quantitie iso- 
dyname sur la valeur du travail muscu- 
laire aceompli par le sujct, sur son 
entretien et sur sa dépense 1166. 

Hahn und Geret, Ueber das Hefe-Endo- 


trypsin 614. 
Heinze, Einiges über die Krankheiten und 
Fehler 


beim Weine unter besonderer 
htigung der Infektionskrank- 
sselben 321, 377. 

Alkohol nährend 


Kassowitz, oder 
toxiseh ? 

van Laer, Contribution à Pétude des fer- 
mentations visqueuses. Recherches sur 
les bières à double face 39. 

Macfadyen, Morris und Rowland, Ueber 
ausgepresstes Hefezcllplasma (Buchner's 

Zymase*) 698. 

Mare Zur Frage der alkoholfreien Er- 

getränke 202. 


417. 


Meisner: Ueber das Auftreten und Ver- 
schwinden des Glykogens in der Hefezelle | 
519. 

Morgan, A case of lead poisoning by beer 
915. 

Nielous, Dosage comparatif de Paleool 
dans le sang de la mère et du foetus 


et dans le lait après ingestion d’aleool. 
Remarques sur le dosage de lalcool 
dans le sang et dans le lait 200. 

Ortloff. Der Einflusa der Kohlensäure auf 
die irung 416. 

Polizeiverordnung über den Ausschank 
und Verkauf von Bier in Crimmitschau 
922. 

Rohn. Kornhefe als Nahrungs- und Ge- 
nussmittel und deren Untersuchung im 
Sinne des Nahrungsmittelgesetzes 701. 

Roos. Wirkung des Weines auf Meer- 
sehweinchen 771. 

Rosemann. Ueber die angeblich eiweissspa- 
rende Wirkung des Alkohols 416. 


ı Zoltán 


Sach-Register. 


Scheffler, Studien über den Einfluss des 
Alkohols auf die Muskelarbeit 199. 
Scehneegans, Ueber die Zusammensetzung 

und Beurtheilung der Rosinenweine 1165. 

Sehönenberger, Alkohölfreie Getränke 464. 

Sitzung der vom „Verbande selbständigen 
öffentlicher Chemiker Deutschlands” 
gesetzten „Cognac-Kommission” 10 

Thomas, Die flüssige Kohlensäure des 
Handels 40. 

Wetzke, Zur Bedeutung der Furfurolreaktion 
bei der Beurtheilung des ('ognaes 1072, 

Wirthle, Ueber den Nachweis von Saceharin 
in Wein und Bier. wenn dieselben keine 
Salieylsäure enthalten 702. 

Wolf, Ueber das Vorkommen von Methyl- 
alkohol in den vergohrenen Säften ver- 
schiedener Früchte und in einigen na- 
türlichen Branntweinen 1167. 

v. Vämossy, Ist Phenolphthal-in 

ein s Mittel zum Kenut- 

lichnachen von Tresterweinen ? 618. 


Sonstiges. 

Berlioz, Versuche über den Einfluss des 
Saccharins auf die Verdauung 198 

Beythien, Ueber die Gesundheitsschä: 
keit bleibaltiger Gebrauchsgegen 
insbesondere der Trillerpfeiten 

Boettinger, Zum Nachweise von Aldehyd 
in Gährungsessig 617. 

Bömer, Gefärbter Honig 1167. 

Bornstein, Experimentelle Untersuchungen 
über die Wirkung des Saecharins 619. 

Conrady, Ueber den Nachweis von Salieyl- 
säure bei Gegenwart von Citronensäure 
617. 

Frieke, Zinkbaltige Pflanzen 620. 

Henzold. Eine neue Reaktion auf Gelatine 
und Hausenblase 620. 

Jolles, Einiges über die körper 981. 
Einiges über die Eiw: örper. II. 1135. 

er, t(rährungsessig und Essigessenz 


inde. 


f, Ueber den Nachweis von Sali- 
bei Gegenwart von Citronen- 


— Nachweis von Kirschsaft im Himbeer- 
saft 618. 

Laves. Ueber das Eiweissnährmittel „Ro- 
borat* und sein Verhalten im Organismus, 
verglichen mit ähnlichen Präparaten 695. 

Loewy und Pieckardt, Ueber die Bedeutung 
reinen Pflanzeneiweisses für die Ernäh- 
rung 913. 

Müller, Ueber Tropon und Plasmen 1062. 

Popp. Natürliches Mineralwasser 176 

Pum und Micko, Ueber künstliche 
von Orangen 698. 

Riche, Du choix d 
parer et à eonteni 
mentaires et les hoissons: 


rbung 


ses destinés à pri- 
les substances ali- 
des matiires 


Sach-Register. 


qu'il ya lieu d'interdire pour ces usages | 
1157. 

Riegler, Eine neue Methode zum Nachweise 
des Saceharins, der Salieylsäure oder 
auch einer Mischung dieser beiden Körper 
618. 

Schürmayer, Ueber Roborat, ein vegita- | 
bilisches Eiweisspräparat 320. 

Sitzung der Kommission zur Feststellung 
von Vereinbarungen überdie Beurtheilung 
u. s. w. von Mincralwässern 1047. 

Soltsien, Bemerkungen zur Halphen’schen 
Reaktion auf Baumwollensamenöl und 
dem Verhalten amerikanischer Schmalz- 
sorten zu derselben 1070, 1161. 

Spaeth, Ueber Fruchtsäfte (besonders Him- 
beersaft) und deren Untersuchung. 1. 
Erkennung und Nachweis von mit Wasser 
vermischten Säften 1071. 

Wetzke, Citronen-Limonadenessenzen 1165. 

Zega und Knet-Milojkovie. Die Wassernuss 
1071. 


Gerichtliche Medicin. 


Abel, Zum Kampfe gegen die Konservirung 
von Nahrungsmitteln durch Antiseptika 
265. 

Beythien, Ueber die (iesundheitsschäd- 
lichkeit bleihaltiger tiebrauchsgegen- 
stände, insbesondere der Trillerpfeifen 
85. 

Dicudonné, Beiträge zum biologisehen 
Nachweis von Menschenblut 1215. 

Johannessen. Ueber Laugevergiftung bei 
Kindern 713. 

Lop. Vergiftung dureh Lackfarbe 1179. 

Mertens, Ein biologischer Beweis für die 
Herkunft des Albumen im Nephritisharn 
aus dem Blute 1216. 

Polizeiverordnung über Leichenschau im 
Kreise Nieder Barnim 920. 

Schloeckow, Roth und Leppmann, 
Kreisarzt 204. 

Stern, Ueber den Nachweis menschlichen 
Blutes dureh ein „Antiserum“ 858. 
Uhlenhuth. Eine Methode zur Unterschei- 
dung der verschiedenen Blutarten, im 
besonderen zum differential- diagnos- 
tischen Nachweise des Menschenblutes 

857. 

Weitere Mittheilungen über meine 
Methode zum Nachweis von Menschen- 
blut 1149. 

Wassermann und Schütze. Ueber eine 
neue forensische Methode zur Unter- 
scheidung von Menschen- und Thier- 
blut 857. 

Zuelzer, Zur Frage der biologischen Reak- 
tion auf Eiweiss in Harn und Blut 1217. 


Der | 


Gesetze. 


HRe 


(5. Verordnungen.) 


Gewerbehygiene. 


Amtliche Mittheilungen aus den Jahres- 
berichten der Gewerbe- Aufsichtsbeamten 
classes 


dans les 


ouvrières 713. 

Bäumler, Zur Diagnose der durch gewerb- 
liche Staubinhalation hervorgerufenen 
Lungenveränderungen 10. 

Bertarelli, Rieerche intorno ai fiammiferi 
a base di acido persolfocianico 356. 
Bestimmung über di häftigung jugend- 

licher Arbeiter 9 

Bestimmung über Sitzgelegenheit für An- 
gestellte in offenen Verkaufsstellen für 
das deutsche Reich 921. 

Braehmer, Diskussion zu Radziejewski: 
„Auge und Berutswahl* 375. 

Brat, Ucber gewerbliche (Methämoglobin-) 
Vergiftungen und deren Behandlung mit 
Sauerstoffinhalationen 1226. 

Calwer. Die Berufsgefahren 
arbeiter 807. 

Die Krupp’schen Arbeiterkolonien 1226. 

Durand. Intoxication des aërostiers par 
Uhydrogene arsenie 524. 

Undersökning af tobaksindustrien 

i Sverige. (Untersuchung über die Ta- 

baksindustrie in Schweden.) 

Frank, Verfahren zum Desinlieiren thie- 
rischer Haare mittels der Dämpfe des 
Holzessigs 710. 

— Verfahren zum Desinfieiren thierischer 
Haare mittels der Dämpfe des Spiritus- 
vorlaufes 711. 

Garbe. Die Feuersicherheit 
lichen Betriebsstätten 144. 

Harpf, Flüssiges Schwefeldioxyd. Darstel- 
lung. Eigenschaften und Versendung 
desselben. Anwendung des flüssigen 
und gasfürmigen Sehwefeldioxyds in 
Gewerbe und Industrie 1171. 

Hermanni, Div Brkrankungen der in Chro- 
matfabriken beschäftigten Arbeiter 1225. 

Hirsch. Diskussion zu Radziejewski: „Auge 
und Berufswahl“ 376. 

Katz. Ueber Dampfkesselzerstörung durch 
saure Speisewässer 902. 

Kellner, Die Wohltahrtseinrichtungen in 
der neuen Gasanstalt zu Mülhausen i. E. 

t. 

y-Aberg, Arbetsstatistisk Studie öfner 
glasindustrien i Sverige. (Arbeitsstatisti- 
sche Studie über die Glasindustrie in 
Schweden.) 528. 

Klebe, Ueber Xrbeiter-Wohlfahrtseinrich- 
tungen in Gaswerken 10: 

Krämer, Diskussion zu Radz 
und Berufswahl” 376, 

Kruse, Die Gesundheitsverhältnisse der 
Aerzte, Geistlichen und Oberlehrer im 
Vergleieh mit denen anderer Berufe 1170 


der Stein- 


der gewerb- 


wski: „Auge 


1270 

Lange, Zur Milzbrandinfektion des Men- 
schen 481. 

Leffler, Undersökning af bagerierna i Sv 
rige. (Unte 
Sehweden.) 

Lepine, Etude sur Hématomyélies (cha- 
pitre: „Maladies des caissons“) 712. 

Lewin, Untersuchungen an Kupferarbeitern 
704. 

Moritz. Ueber tiesundheitsgefahr des 
ferberufs und ihre Verhütung 

Murray, Chronic brass poisoning 524. 

Nussbaum. Arbeiterwohnungen 136. 


'hlei- 


— Die Rauehbelästigung in deutschen 
Städten 512. 
Ott, Zur Aetiologie der fibri 


ehitis 404. 
Vagliani. Sulle eondizioni igieniche e sa 
ie dej lavori al traforo del Sempione 


eiverordnung für den Regierungsbezirk 
Köln über Beschäftigung von Kindern 
mit gewerbliehen Arbeiten 1113. 
Polizeiverordnung gegen den Missbrauch 
geistiger Getränke in Steinbruchbetrieben 
für den Kreis Striegau 9 
Die Errie 
ser in Leipzig 
ting. Ueber Staarbildung bei Feuer- 


Wohn- 


billiger 


Radzi Auge. und Beruf 

— Diskussion zu Radziejew: 
Berufswahl” 376. 

Roeseler, Das Wassergas, seine Herstellung, 
Verwendung und hygienische Bedeutung 
Alf. 

— Die dureh Arbeiten mit Schwefelkohlen- 
stoff entstehenden Erkrankungen und die 


zu ihrer Verhütung geeigneten Maass- 
nahmen 916 
Röpke. Was können wir Solinger in Bezug 


auf die Besserung der Gesundheitsver- 
hältni der Metallschleifer von unserer 
Konkurrenzstadt i en? 1112. 
Rosenfeld, Hygien tnisse der 
terreichische arbeiter 809. 
"holz. Beitri sserreinigung, 
insbesondere über die heidharkeit 
von Kalk und Magnesi 
pihe it für Gesek 


fisange: stellte in 


wski: 


SaN, 
» und Berufsv 


Diskussion zu Radzie) 
hi“ 375. 
Zur Hygiene der Ladenangestellten 


gung der Regierung in Hildesheim 
über den Schutz der Arbeiter auf Bau- 
stellen 1174. 


Verordnung in Baden 
und Betrieb von Bäc 
ditoreien 628. 

Wendland. Die Rauchbelästigung in deut- 
sehen Städten 901. 


über Einrichtung 
reien und Kon- 


uchung der Bäckereien in | 


Sach-Register. 


Wutzdorfl, Die im Zinkbüttenbrtriebe be- 
obachteten Gesundheits: lirungen und 
die zu ihrer Verhütung erforderlichen 
Maassnahmen 711. 


Hebammenwesen. 


Schenk. 
der Bel 


Der gegenwärtige Standpunkt in 
ämpfung des Kindbettfiebers 1221. 


Heilstättenwesen, 


Aaron, Sind Speeialabtkeilungen für die 


Tuberkulösen in den Krankenhäusern 
nöthig? 533. 
Baginsky, Einrichtung von Heilstätten 


für tuberkulöse Kinder 493. 

v. Böttieher, Die Volksheilstätte des rothen 
Kreuzes für lungenkranke Frauen in 
Gommern bei Magdeburg 11. 

Croner, Zur Frage der Fürsorge für die Tu- 
berkulüsen im fortgesehrittenen Stadium 
661. 

Dumarest, Quelques details d'organisation 
an sanatorium d’Hauteville 12. 

Egger, Lungentuberkulose und Heilstätten- 
behandlung 536. 

Elkan, Hygiene und Diätetik für Lungen- 
kranke 291. 

Feldt, Erster Berieht über die Thäti 
des evangelischen Sanatoriunıs für Lun- 
genkranke zu Pitkäjärvi (Finnland 

Le Gendre, Le facteur moral dans 
natoriums et les qualité 
aux médecins qui les dirigent 12. 

Guinard. La recherche du traitement de 
la tuberculose 11. 

Heubner, Ueber die Verhütung der Tu- 
berkulose im Kindesalter in ihren Be- 
zichungen zu Heil- und Heinistätten 66. 

Jahresbericht für das Jahr 1899 der Ba- 
seler Heilstätte für Brustkranke in Davos 
und des Baseler Hilfsvereins für Brust- 
kranke 536. 

Kluge, Tuberkuloseheime 836. 

Liebe, Der Stand der Volksheilstättenbe- 
wegung im fn- und Auslande 290. 

Naumann, Ein Vorschlag zur Bekämpfung 
der Lungentuberkulose im Mittelstande 
537. 

Ott, Aus den Heilstätten für Lungenkranke. 

rieht über das Jahr 1900. 1038. 

Die planmässige Schwindsucht-- 

ıpfung in Deutschland 534. 

— Der Stand der Tuberkuloschekämpfung 
im Frühjahr 1901. 895. 

Rumpf, Zum Stande der Heilstättenfrag« 
für Lungenkranke 53 

Schrader, 1. Bericht der Volksheilstätte für 
Lungenkranke i. Regierungsbezirk Oppeln 
zu Toslau O.-S. 290. 

StädtischesSanatorium Harlaching- München 
895. 


saires 


Sach-Register. 


Volksheilstätten und Rekonvalescenten- 
häuser in Oesterreich 681 *. 

Wesener, Ueber Behandlung von Lungen- 
kranken in Volksheilstätten 535. 

Zur 'Tuberkulosehekämpfung 893. 


Heizung und Ventilation: 


Anweisung zur Herstellung und Unter- 
haltung von Centralheizungs- und Lüf- 
tungsanlagen 686. 

Brauss, Die Berechnung der Feuerungen 77. 

— Etwas über Füllfeuerungen 676. 

Die Wärmeausnutzung bei (askochappa- 
raten 1108. 

Fuchs, Ueber Beziehungen der Pressungen 
gasförmiger Körper an Stauflächen in 
hohen tieschwindigkeiten 78. 

Gärtner, Sauerstoflgehalt in einer soge- 
nannten geschlossenen Heizung 77. 

— Eintritt von Kohlenoxyd in die Zimmer- 
luft bei Benutzung von (Grasöfen und 
Gasbadeöfen 140. 

Haller, Zum Luftumwäl 
Niederdruck-Dampfhei 
Gebr. Körting 1102. 

Kassner, Ueber Kohlenoxyd-Vergiftung und 
die neut Möglichkeit ihrer Heilung 1076. 

Katz, Ucber Dampfkesselzerstörung durch 
saure Speisewässer 902. 

Klinger, Dampfheizungs- und Lüftungs- 
anlage im Saalbau der Brauerei Liesing 
902. 

Meidinger, Wärmewirkung der Teppiche 75. 

~- Wärmewirkung der Doppelfenster 76. 

— Wärmewirkung der Teppiche und 
Wärmewirkung der Doppelfenster 354. 

Nicolaus. Ueber Gasheizung und den Nutz- 
effekt der Gasheizung 77. 

Die Gasheizöfen 676. 

— Die MHeizanlagen der deutschen Bau- 
ausstellung zu Dresden 1900. 902. 

Nussbaum, Erwielerung aut die Bemerkungen 
von Hofrath Meidinger: „Ueber die Wärme- 
wirkung der Teppiche und die Wärme- 
wirkung der Doppelfenster” 355. 

Rauehbelästigung in deutschen 

Städten 512. 

Recknagel, Kalender für Gesundheitstech- 
niker 1901. 246. 

Reichenbach. Zur Messung der Wärme- 
strahlung 904. 

Roeseler, Das Wassergas, seine Herstellung, 
Verwendung und hygienische Bedeutung 
514. 

Rubner, Bemerkungen zu der Arbeit von 
Reichenbach: „Zur Messung der Wärme- 
strahlung“ 904. 

Schmidt, Beitrag zur technischen Gasana- 
Iyse. Bestimmung von Wasserstoff, 
Methan und Stickstoff 141. 

Schovufs, Inconvénients des lampes fumivores 
hygieniqnes 125. 


ngsverfahren für 
körper der Firma 


| 


1271 


Schwarz, Ueber Heizanlagen in öffentlichen 
Schlachthöfen 1102. 

Sonden, Om olägenheterna genom rök fran 
angpanneeldstäder. (Die Rauchplage 
durch das Feuer derDampfmaschinen)452. 

Wendland, Die Rauchbelästigung in deut- 
schen Städten 901. 

Wolpert A. und Wolpert H., Die Ventila- 
tion 1103. 


Jahresberichte, 


Amtliche Mittheilungen aus den Jahresbe- 
richten der (rewerbe-Aufsichtsbeamten 
146. 

v. Baumgarten und Tangl, Jahresbericht 
über die Fortschritte in der Lehre von den 
pathogenen Mikroorganismen, umfassend 
Bakterien, Pilze und Protozoen 42 

Bericht über die Thätigkeit der Berliner 
Rettungsgesellschaft für das dritte Ge- 
schäftsjahr vom Oktober 1899 bis 30. 
September 1900. 862. 

Bericht über die Verwaltung und den Stand 
der Gemeindeangelegenheiten der Haupt- 
und Residenzstadt Stuttgart in den Jahren 
1896—1898. 205. 

Bohata und Hausenbichler. Sanitätsbericht 
des österreichischen Küstenlandes für die 
Jahre 1895 bis 1897. 92. 

Bordoni-Uffreduzzi, Relazione sui servizi 
d'lgiene e sanità nel eomune di Milano 
nel biennio 1896—97. 682. 

Feldt, Erster Berieht über die Thätigkeit 
des evangelischen Sanatoriuns für Lungen- 
kranke zu Pitkäjärvi (Finnland) 537. 

Fraenkel, Das Untersuchungsamt für an- 
steckende Krankheiten zu Halle a. S. 210. 

Gerland, Handhabung der Gesundheits- 
polizei in der Stadt Hildesheim während 


derJahre 1892—1899 und ihreErfolge 714. 
Geschäftsbericht des Stadtrathes der Stadt 


Zürich 1899. 205. 

Jahresbericht für das Jahr 1899 der Baseler 
Heilstätte für Brustkranke in Davos und 
des Baseler Hilfsvereins für Brustkranke 
536. 

Jahresbericht über die allgemeine Poli- 
klinik des Kantons Basel-Stadt im Jahre 
1399. 206. 

Jahresbericht über die Verbreitung von 
Thierseuehen im Deutschen Reiche 569. 

Löhlein, Bericht über die Thätigkeit des 
Untersuchungsamtes für  ansteekende 
Krankheiten zu Halle a. S. vom 1. August 
1900 bis 1. August 1901. 1187. 

Ott, Aus den Heilstätten für Lungenkranke. 
Bericht über das Jahr 1900. 1038. 

Sociale Verwaltung in Oesterreich am Ende 
des 19. Jahrhunderts. I. Band: Social- 
ökonomie. H. Band: Hygiene und öffent- 
liches Hilfswesen 307. 


1272 


Tabellarische Uebersichten. 
Civilstand der Stadt Frankfurt a. M. im 
Jahre 1899. 958. 

Verslag omtrent de verrichtingen van den 
gemeentelijken gezondheitsdienst te Am- 
sterdam over 1899. 358. 


Immunität. Schutzimpfung. 


Arloing. De l'immunité contre le charbon 
symptomatique après l'injection du sérum 
préventif et du virus naturel isolés ou 
mélangés 32. 

— Nouveaux procédés de vaccination contre 
le charbon symptomatique du boeuf, 
par l'association de sérum immunisant 
et de vaccins 853. 

Ascher, Der Einfluss der Choleradosis auf 
die Immunisirung 1211. 

Babes. Bemerkungen über die Beeinflussung 


der Hundswuth durch Injektion von 
normaler Nervensubstanz und über 
Wuthtoxine 4: 


Bericht über die Impfungen in Bosnien 
und der Herzegowina und den Einfluss 
derselben auf das Vorkommen der Blattern 


im Lande 855. 
Blumberg, Beobachtungen bei der Be- 
handlung von  Puerperaltiebererkran- 


kungen mit Marmorek’schem Antistrepto- 
kokkenserum 1213. 

Boeder, Zur Frage von der Heilkraft des 
Liehtes 677. 

Buchner, Immunität 301. 

Burkhardt, Ergebnisse der amtlichen Pocken- 
todesfallstatistik im Deutschen Reiche 
vom Jahre 1898 u. s. w. 500. 

— Die Ergebnisse des Impfgeschäfts im 
Deutschen Reiche für das Jahr 1597. 508. 

Calmette, Prophylaxe der Pest 102. 

— et Guérin, Recherehes sur la vaccine 
expérimentale 1147. 

Charrin und Guillemonat, Influence des 
modifications expérimentales de l'orga- 
nisme sur la consommation du glycose 
41l. 

— — Fütterung mit sterilisirter Nahrung 


m Immunisation de la baetéridie 

bonneuse contre Taction du sérum 
de rat. Formation et nature des „anti- 
corps” 1007. 

Die Thätigkeit der im Deutschen Reiche 

hteten staatlichen Anstalten zur 
Gewinnung von Thierlymphe wiihrend 
des Jahres 1899. 509. 

Dopter, La phagoeytose dans la dysenterie 
1006. 

v. Drigalski, Zur Wirkung der Lichtwärme- 
strahlen 515. 

v. Dungern. Beiträge zur Immunitätslchre 
189 

— Beitrag 


zur Immunitätsichre HM 511. 


betreffend den ' 


Sach-Register. 


Emmerich und Löw, Die künstliche Dar- 
stellung der immunisirenden Substanzen 
(Nukleasen-Immunproteidine) und ihre 
Verwendung zur Therapie der Infektion» 
krankheiten und zur Schutzimpfung an 
Stelle des Heilserums 1209. 

Escherich. Diphtherie 672. 

Finkelnburg. Ueber Gesundheitsbeschäli- 
gungen in Folge der Kuhpoekenimpfung 
und die Maassnabmen zur Verhütung 
derselben vom sanitätspolizeilichen Stand- 
punkte 854. 

Funck, Weitere Mittheilungen über den 
Vaccine- und Varivlaerreger 1204. 

Glogner, Ueber Immunität gegen Malaria 
502. 

Halban, 


Agglutinationsversuche mit mütter 
lichem und kindlichem Blute 303. 
Hutyra, Tuberkulinversuche bei Rindern 14. 

Keimfreie Kuhpoekenlymphe 150. 

Klebs. Zur kausalen Behandlung der Tu- 
berkulose 1. 533. 

Koch, Dritter Bericht über die Thätigkeit 
der Malariaexpedition. Untersuchungen 
in Deutsch-Neu-Guinea während der 
Monate Januar und Februar 1900. 25. 

— Vierter Bericht über die Thi it der 
Malaria-Expedition, die Monate März und 
April 1900 umfassend. 

— Fünfter Bericht über die Thätigkeit der 
Malariaexpedition, Untersuchungen in 
Neu-Guinea während der Zeit vum 
28. April bis 15. Juni 1900. 667. 

— Schlussbericht über die Thätigkeit der 
Malariaexpedition 844. 

— Zusammenfassende Darstellung der 
Ergebnisse der Malariaexpeditivu 84. 

Kraus H., Ueber die prophylaktische Im- 
munisirung kranker Kinder gegen Diph- 
therie 73. 

— R, Besitzt die Galle Lyssavirus schä- 
digende Eigenschaften? 74. 

— und Clairmont, Ueber Hämulysine und 
Antibämolysine 302. 

Kübler, Geschichte der Pueken und der 
Impfung 847. 

Laitinen, Ueber den Einfluss des Alkohals 
auf die Empfindlichkeit des thierischen 
Körpers für Infektionsstoffe 463. 

Leelainche et Vallée, Recherches expiri- 
mentales sur le charbon symptom: 
Troisième partie: Immunisation 852. 

Löffler, Prophylaxe der Maul- und Klauen- 
seuche 103. 

— und Uhlenhuth, Ueber die Schutzimpfung 
gegen die Maul- und Klauenseuche. im 
besonderen über die praktische Anwen- 
dung eines Schutzserums zur Bekämpfung 
der Senche bei Schweinen und Schaten 
853. 

Lubarsch, Ueber das Verhalten der Tu- 
berkelpilze im Froschkörper 433. 


Sach-Register. 


Martin. Behandlung 
Diphtherie 99. 
Martius, Allgemeine Prophylaxe 470. 
— Fr., Patlwgenetische 

ungen 7. 

Experimenteller Nachweis der Dauer 
des Impfschutzes gegenüber Kuh- und 
Menschenlymphe 510. 

Marx, Zur Theorie der Pasteur’'schen 
Sehutzimpfung gegen die Tollwuth 451. 

Mertens, Beiträge zur Immunitätsfrage 1210. 

Metsehnikofl, Etude sur la spermotoxine 
304. 

Ministerialerlass in Preussen über ärztliche 
Untersuchung und Impfung ausländischer 
Arbeiter vom 13. Juni 1900. 574. 

Ministerialerlass in Preussen über Sehutz- 
impfung gegen Tollwuth vom 10. Juli 1899 
570. 

Pampoukis, Quelques observations sur la 
rage 28. 

Pawlowsky, Zur Frage der Infektion und 
der Immunität. Das Schicksal einiger 
(hauptsächlich pyogener) Mikrobien im 
Organismus empfänglicher und immuner 
Thiere 8. 

Pellegrini, Ricerche sul veneno dei funghi. 
Prove di immunizzazione e sieroterapia 
307. 


und Prophylaxe der 


— G 


Podwyssozki und Mankowski, Zur Frage 
über den Vaceincerreger von Dr. M. Funck 
1204. 


Prettner, Beitrag zur Rassenimmunität 492. 

Ransom, Die Injektion von Tetanustoxin 
bezw. -Antitoxin in den subarachnvide- 
alen Raum 1201. 

— Saponin und sein Gegengift 1210. 
Rapmund, Die gesetzlichen Vorschriften 
über die Schutzpockenimpfung 192. 
Ravenel, An experiment in the transmission 

calves 948. 

Ztude historique et bibliographique 
sur l'emploi de la viande crue dans le 
traitement de la tuberculose 13. 

Roux, Bestimmung der Wirksamkeit der 
Sera 98, 

Sander, F 
Malaria 6 

Scholtz und Klingmüller, Ueber Züchtungs- 
versuche des Leprabacillus und über 
sogenanntes Leprin 135. 

Selavo. Neue experimentelle Untersuchungen 
über die Heilwirkung des Milzbrandserums 
1212. 

Sion, Der Einfl 


leil-undSchutzimpfung gegen 


des Organismus kalt- 


blütiger Thiere auf den Bacillus der 
menschlichen Tuberkulose 432. 
Stumpf, Ergebnisse der Schutzpockenim- 


pfung im Königreiche Bayern im Jahre 
1899. 671. 

Tehistovitch, Etudes sur la phagocytose 
dans une infeetion mortelle 1009. 


Grundansehau- | 


1273 


į Terni et Bandi, Nouvelle methode de 
j _ preparation du vacein antipesteux 31. 
‘ Turban, Die Vererbung des Locus minoris 
resistentiae beider Lungentuberkulose 10. 
; Weichardt, Zur Impftechnik 1148. 
Wlaiew und Hotman, Krebsserum 686. 


| Antikörper des Blutes. 


Arloing, Nouvcaux proeddes de vaccination 
contre le charbon symptomatique du 
boeuf. par l'association de sérum immu- 
nisant et de vaccins 853. 

— und Courmont, Ueber den Werth der 
Serumreaktion für die frühzeiti i 
gnose der Tuberkulose 851. 

— und Nicolas. Antitoxinbildung bei Diph- 
therie 714. 

Ascher, Der Einfluss der Choleradosis auf 
die Immunisirung 1211. 

Atkinson, The fraetional preeipitation of 
the globulin and albumin of normal 
horse's serum and diphtheria antitoxic 
serum, and the antitoxic strength of the 
precipitates 444. 

Babes et Manicatide, Sur certaine» sub- 
stances spécifiques dans la pellagre 763. 

Bail, Untersuchungen über milzbrandteind- 
liche Eigenschaften des Hundeorganismus 
30. 

Beck und Rabinowitsch, Ueber den Werth 

Courmont’schen Serumreaktion für 

ühdiagnose der Tuberkulose 447. 

— — Weitere Untersuchungen über den 
Werth der Arloing-Uourmont'schen Se- 
rumreaktion bei Tuberkulose, speciell 
bei Rindertuberkulose 1214. 

Bendix, Zur Serodiagnose der Tuberkulose 
30. 

Bertarelli, Sulla mortalità per difterite nelle 
provincie italiane dal 1887 al 1898 c 
sui suoi coefficienti modificatori 435. 

Besredka, La leucotoxine et son action 
sur le systeme leucocytaire 550. 

Blumberg. Beobachtungen bei der Behand- 
lung von Puerperaltiebererkrankungen 
mit Marmorck’schem Antistreptokokken- 
serum 1213. 

v. Bókay, Offener Brief an die Redaktion 


558. 

Bordet, Les serums hemolytiques. leurs 
antitwxines et les théories des serums 
eytulytiques 546. 

— et Gengeu. Recherches sur la coagu- 
lation du sang et les serums antievagu- 
lants 1217. 

Camus, Einfluss der Milch auf die Gerinn- 
barkeit des Blutes 687. 

— Action anticoagulante des injeetiens 
intraveneuses de lait dune espeee ani- 
male sur le sang des animaux de mème 
espeee 1219. 

I — et tiley, Action du liquide de Ja pro- 


state externe au hérisson sur le liquide 
des i s; nature de cette 
action. — Sur quelques propriétés et 
reactions du liquide de la prostate in- 
terne du hérissı 

Camus u. Pagniez, AgglutinirendeFähigkeiten 
des Blutes kranker Menschen 771. 

Cantaeruzene, Sur les variations quanti- 
tatives et qualitatives des globules rouges 
provoquces ehez le lapin par les injec- 
tions de sérum hömolytique 549. 

Conradi.Bakterieidieund Milzbrandinfektion 
47. 

Danysz, Immunisation de la bacteridie 
eharbonneuse contre l'action du sérum 
de rat. Formation et nature des „anti- 
corps” 1007. 

Delezenne, Serum antihépatique 860. 

— ums névrotoxiques 1009. 

Deutsch, Zur Frage der Agglutininbildung 
44a. 

Dietrich, Ueber Behandlung experimenteller 
Kaninehendiphtherie mit Behring’schem 
Diphthericheilserum 191. 

Dieudonn“, Beiträge zum biologischen 
Nachweis von Mensehenblut 1215. 

Donath, Zur Kenntniss der agglutinirenden 


Fähigkeiten des menschlichen Blut- 
serums 440. 

Bericht über die Thätigkeit des 

Instituts erumforschung 


und Serumpr: Steglitz 187. 

v. Dungern, Beiträge zur Immunitätslchre 
159. 

— Beitrag zur lmmunitätslehre I. 511. 

Emmerich und Löw, Die künstliche Dar- 
stellung der immunisirenden Substanzen 

{Nukleasen-Immunproteidine) und ihre 

Verwendung zur Therapie der Infek- 
tionskrankheiten und zur Schutzimpfung 
an Stelle des Heilserums 1209. 

Eseherich. Diphtherie 672. 

Finkh, Aufhebung der sogenannten bak- 
terieiden Wirkung des Blutserums durch 
Zusatz von Nährstoffen 849. 


Funck. Das antileukoey erum 441. 
Gengou, Contribution à P’etude de l’origine 
de xine des serums normaux 1208. 


Halban, Agglutinationsversuche mit mütter- 
lichem und kindliehem Blute 303. 

Hedon,. Sur lagglutination des globules 
sanguins par les agents chimiques, et 

eonditions de milien qui la favo- 
risent ou lempschent 859. 

Hewlett and Roland, Preliminary note on 
a new quantitative method for serum 
diagnosis 440. 


Hiss and Atkinson, Serum-globulin and 
diphtherie antitoxin. A comparative 
study of the amount of globulin in 


normal and antitoxie sera, and the re- 
lation of the globulins to the antitoxie 
bodies 443. 


Sach-KRegister, 


Horrocks, On the value of the agglutina- 
tion test as a means of diagnosis of the 
Bac. typhosus from coliform organisms 
446. 

Jess, Kompendium der Bakterivlogie und 
Blutserumtherapie für Thierärzte und 
Studirende 656. 

Kassowitz, Audiatur et altera pars 553. 

Kodjabaschefl, L'action du sérum sanguin 
sur le vaccin 32. 

Koelzer, Weitere Beobachtungen über die 
„Widal’sche Reaktion“ bei Abdominal- 
typhus 1143. 

Kraus, Besitzt die Galle Lyssavirus schi- 
digende Eigenschaften? 74. 

— und Clairmont, Ueber bakteriolytische 
Wirkungen des Taubenserums 72. 

Ueber Hämolysine und Antihäms- 
lysine 302. 

ireisel, Studien über Colibacilien 1094. 

Krompecher, Erythrocytenkerne lüsendes 
Serum 859. 

Landsteiner, Zur Kenntniss der antiter- 
mentativen, lytischen und agglutinirenden 


Wirkungen des Bilutserums und der 
Lymphe 190. 
Laschtschenko, Ueber Extraktion ven 


ten mit 


Alexinen aus Kaninchenleuk‘ 
dem Blutserum anderer Thiere 71. 

Leelainche ct Morel, La therapie 
la septicemie gangréneuse 448. 

— und Vallée, Präeipitirende Eigenschaften 
des Serums nach Einspritzung ven 
eiweissreichem Harn 687. 

— — Recherches expérimentales sur l- 
charbon symptomatique. Treisicme 
partie: Immunisation 

van Leent. Ueber das Verhalten des Ba- 
eillus anthracis in der Peritömealhöhle 
des Meersehweinchens 1201. 

Loeffler und Uhlenhuth, Ueber die Schutz- 
impfung gegen die Maul- und Klauen- 
seuche, im besonderen über div prak- 
tische Anwendung vines Schutzserums 
zur Bekämpfung der Seuche beiSchweinen 
und Schafen 853. 

Malkoff, Beitrag zur Frage der Agglutination 
der rothen Blutkörperchen 29. 

Markl, Pestgift und Pestserum 103. 

Martin, Behandlung und Prophylaxe «er 
Diphtherie 98. 

Martius. Experimenteller Nachweis der 
Dauer des Impfschutzes gegenüber Kulı- 
und Menschenlymphe 510. 

Mertens, Beiträge zur Immunitätsfrag 
1210. 

— Ein biologischer Beweis für die Her- 
kunft des Albumen im Nephritishars 
aus dem Blute 1216. 

Metschnikoff, Etude sur 
304. 

— Sur tes eytotoxines 548. 


de 


la spermotoxine 


Sach-Register. 


Metschnikofl. et Besredka, Recherches sur 
action de Uh@motoxinesur homme 551. 

Morgenroth, Ueber den Antikörper des 
Labenzyms 442. 

— Zur Kenntniss der Labenzyme und 
ihrer Antikörper 442. 

Müller. Zur Lehre von den bakterieiden 
und agglutinirenden Eigenschaften des 
Pyocyaneus-Immunserums 851. 

Myers, Ueber Immunität gegen Proteide 
859. 

Nadoleezny, Ueber das Verhalten viru- 
lenter und avirulenter Kulturen der- 
selben Bakterienspecies gegenüber ak- 
tivem Blute 70. 

diefi, Sérum nephrotoxique 1218. 

r, Ueber die Vielheit der im nor- 

en Serum vorkommenden Antikörper 
850. 

Neufeld, Ueber eine speeifische bakterio- 
logische Wirkung der Galle 450. 

Nicolas und Lesieur, Agglutination bei 
Staphylokokken 715. 

Nolf. Contribution à l’etude des serums 
antih@matiques 547. 

Pellegrini, Rieerche sul veneno dei funghi. 
Prove di immunizzazione e sieroterapia 
307. 

Puppel, Ucher das Agglutinationsvermögen 
aufbewahrten Blutserums von Typhus- 
kranken 1143. 

Radz > Beitrag zur Kenntniss des 

ium coli (Biologie, Agglutination, 
Infektion und Immunität) 401. 

Ransom, Weiteres über die Lymphe nach 
Injektion von Tetanusgift 445. 

— Die Injektion von Tetanustoxin bezw. 
-Antitoxin in den subarachnoidealen 
Raum 1201. . 

Rehns, Wirkung des Diphtheriegiftes von 
der Trachea und der Typhusbacillen 
von der Lunge aus 1178. 

Rodella, Experimenteller Beitrag zur Serum- 
reaktion bei Proteus vulgaris 451. 

Romberg, Zur Serumdiagnose der Tuber- 
kulose 1214. 


Rothbeiger, Ucber Agglutination des Bae- | 


terium coli 446. 

Roux, Bestimmung der Wirksamkeit der 
Sera 98. 

Sabrazes und Fauquet, Hämolytische Eigen- 
schaften des Urins Neugeborener 575. 

Salonıon, Experimentelle Untersuchungen 
über Rabies 545. 

Schmid-Monnard. Bemerkungen zu dem 

- Aufsatz des Privatdoc. Herrn Dr. Trumpp- 
München: „Progrediente Diphtherie bei 
reehtzeitiger Serumbehandlung” 1098. 

iträge zur Kenntniss der zellen- 

nden Sera 441. 

— Ueber ein biologisches Verfahren zur 
Ditferenzirung der Eiweissstoffe verschic- 
dener Milcharten 1218. 


Selavo, Neue experimentelle Untersuchungen 
über die Heilwirkung des Milzhrand- 
serums 1212. 

Siegert, Vier Jahre vor und nach der 
Einführung der Serumbehandlung der 
Diphtherie 553. 

— Bemerkungen zu den verschiedenen 
Entgegnungen aus Anlass meines Auf- 
satzes 553. 

— Tetanus mit tödtlichem Ausgang in 
Folge von Diphtherieheilserum - Injek- 
tionen in Italien 1098. 

Simon, Ueber die Einwirkung leukocyten- 
haltiger Flüssigkeiten auf Streptokokken 
1100. 

Stern, Ueber den Nachweis menschlichen 
Blutes durch ein „Antiserum“ 858. 
Sternberg, Zur Verwerthbarkeit der Agglu- 
tination für die Diagnose der Typhus- 

bacillen 446. 

Talamon, Behandlung der Pneumonie mit 
Diphtherieheilserum 771. 

Terni und Bandi, Bereitung der antipes- 
tösen Lymphe aus dem peritonealen 
Exsudat der inticirten Thiere 449. 

Trumpp, Entgegnung auf die Arbeit von 
Siegert 553. 

— ProgredienteDiphtherie bei rechtzeitiger 
Serumbehandlung 675. 

Turrò, Zur Bakterienverdauung 850. 

Uhlenhuth, Neuer Beitrag zum speeifischen 
Nachweis von Eiereiweiss auf biologischem 
Wege 856. 

— Eine Methode zur Unterscheidung der 
verschiedenen Blutarten, im besonderen 
zum differential -diagnostischen Nach- 
weise des Menschenblutes 857. 

— Weitere Mittheilungen über meine Me- 
thode zum Nachweis von Menschenblut 
1149. 

Walker, Ueber die bakteriolytischen Wir- 
kungen der Typhus- und (holeraim- 
munsera unter aöroben und anaöroben 
Verhältnissen 1148. 

Wassermann, Ueber neue Versuche auf 
dem Gebiete der Serumtherapie 190. 
— Ueber die Ursachen der natürlichen 
Widerstandsfähigkeit gegenübergewissen 

Infektionen 849. 

— und Schütze, Ueber eine neue foren- 
sische Methode zur Unterscheidung von 
Menschen- und Thierblut 857. 

Weissenberger,  Diphtherieserumtherapie 
und Intubation im Kinderspital in Basel 
851. 

Weleminsky, Ueber die mechanische Ge- 
winnungbakterieider Leukoeytenstoffe 71. 

Widal, Auftreten des  Ehrlich’schen 
Zwischenkörpers im Blute Typhuskranker 
814. 

— Substance  sensibilisatriee 
Tuberkulöser 1177. 


im Blute 


1276 


Widal, Substance seosibilisatriee und Ty- 
phusbaeillen 1178. 

— und Le Sourd, Verschiedenheit der 
agglutinirenden und sensihilisirenden 
Eigenschaften des Blutes 1178. 

Zuelzer, Zur Frage der biologischen Re- 
aktion auf Eiweiss in Harn und Blut 1217. 


Infektionskrankheiten. 
Allgemeines. 


d’Arrigo, Die Alterationen der Nieren bei 
Lungentuberkulose in Beziehung auf den 
Uebergang des Toxins und der Tuberkel- 
bacillen 178. 

Ascher, Ueber Rhodomyceserubescens nebst 
einem Beitrag zur Lehre von der Dis- 
position 666. 

Ascoli, Zur Morphologie der Bakterien und 
ihre Beziehung zur Virulenz 1194. 

Baumgarten, Der gegenwärtige Stand der 
Bakteriologie 489. 

Bendix, Zur Chemie der Bakterien 917. 

Boeder, Zur Frage von der Heilkraft des 
Lichtes 677. 

Busquet, Transmission de la tubereulose 
par les timbres-poste 289. 

Buttersack, Wie erfolgt die Infektion des 
Darıns? 835. 

Camus und Pagniez, Agglutinirende Fähig- 
keiten des Blutes kranker Menschen 771. 
v. Drigalski, Zur Wirkung der Tächtwärme- 
strahlen 515. 

Ebstein, Stadt- und Dorfhygiene S34. 

Emmerich und Saïda, Ueber die morpho- 
logischen Veränderungen der Milzbrand- 
bacillen bei ihrer Auflösung durch Pyo- 
cyanase 403. 

v. Esmarch, Verbreitung von Infektions- 
erregern durch Gebrauchsgegenstände 
und ihre Desinfektion 49. 

Faure, Geisteskrankheit und Infektion 1178. 

Finkelstein, Ueber Sepsis im frühen Kindes- 
alter 68. 

Fraenkel, Das Untersuchungsant für an- 
steekende Krankheiten zu Halle a. S. 210. 

Friedmann, Ueber die Bedeutung der 
Gaumentonsillen von jungen Kindern als 
Eingangspforte für die tuberkulüse In- 
fektion 130. 

— Experimentelle Studien über die Erb- 


lichkeit der Tuberkulose. Die nach- 
weislich mit dem Samen direkt und 
obne Yermittelung der Mutter auf die 


Frucht übertragene tuberkulöse Infektion 
836. 
Glaessner, Ueber die Verwerthbarkeiteiniger 
neuer Eiweisspräparate zu Kulturzwecken. 
e Eignung mit besonderer 
ing der Diphtherie 131. 
Hinterberger, Eine Modifikation des Geissel- 
färbungsverfahrens nach van Ermengem 
96, 


Sach-Register. 


Hutchinson, Die Verbreitung von Keimen 
durch gewöhnliche Luftström- 1191. 
Jakowski, Ueber die Mitwirkung der Mi- 
kroorganismen beim Entstehen der Venen- 

thrombose 991. 

Katsura, Ueber den Einfluss der Queck- 

silbervergiftung auf die Darmbakterien 

526. 

Kisskalt. Die Erkältung als krankheitslis- 
ponirendes Moment 891. 

Klein. Report on the fate of pathogenic 
and other inteetive microbes in the drad 
animal body TH. 

Kleine, Ueber Entgiftung im Thierkörper 
990. 

Koeniger, Untersuchungen über die Frage 
der Tröpfcheninfektion 58. 

Kuntze, Ein Beitrag zur Kenntniss der 
Bedingungen der Farbstoffbildung des 
Bacillus prodigiosus 149. 

Laitinen, Ueber den Einfluss des Alkuhols 
auf die Empfindlichkeit des thierischen 
Körpers für Infektionsstöffe 463. 

Libinan, 1. Ueber einen neuen pathogenen 
Streptokokkus. II. Ueber eine vigenthüm- 
liche Eigenschaft (wenigstens mancher) 
pathogener Bakterien 153. 

Lippmann, Ueber Rückfälle 

Lode, Abhärtung und Disposition zu In- 
fektionskrankheiten 320. 

Löhlein. Berieht über die Thätigkeit des 
Untersuchungsamtes für ansteckende 
Krankheiten zu Halle a.S. vom 1. August 
1900 bis 1. August 1901. 1187. 

Marcuse, Ucber Leberlymphome bei In- 
fektionskrankheiten 64. 

Markl. Pestgift und Pestserum 103. 

Martius, Allgemeine Prophylaxe 470. 

— Fr., Pathogenetische tirundanschauungen 


T. 

Marx, Zur Theorie der Infektion 660. 

Matzuschita, Die Einwirkung des Köch- 
salzgehaltes des Nährbodens auf die 
Wuchsform der Mikroorganismen 1002. 

Mayer, Zur Kenntniss der Infektion vom 
Konjunktivalsack aus 258. 

Metin. Note sur Utlimination des bactéries 
par les reins et le foie 532. 

Miyamoto, Beiträge zur Tetanusvergiftung 
350. 

Nakanishi, Beiträge zur Kenntniss der 
Leukoeyten und ea kteri poren 149. 

Napias, Action de la bactéridie charbon- 
neuse sur les hydrates de carbone 132. 
isser, Die Bedeutung der Bakteriologie 

r Diagnose, Prognose und Therapie 316. 

— und Wechsberg, Ueber eine neur 
fache Methode zur Beobachtung wn 
Schädigungen lebender Zellen im Orga- 
nismus (Bioskopie) 621. 

Neufeld, Ueber eine specifische bakterio- 
logische Wirkung der Galle 450. 

Nocggerath, Das Verhalten unmittelbar 


N 


Sach-Register. 


der Luft entstammender Keimformen in 
frischen Thierwunden 1194. 

Noguchi, The effect of cold upon the vitality 
of the bacilli of bubonie plague 184. 
Pawlowsky, Zur Frage der Infektion und 
der Immunität. Das Schicksal einiger 
(hauptsächlich pyogener) Mikrobien im 
Organismus empfänglicher und immuner 

Thiere 8. 

Petruschky, Krankheitserreger und Krank- 
heitsbild 1193. 

Posner und Cohn, Zur Frage der Allgemein- 
infektion bei Harnkrankheiten 346. 

— — Ueber die Durchgängigkeit der Darm- 
wand für Bakterien 744. 

Prowe, Gelbfieber in Centralamerika 796. 

Raab, Ueber die Wirkung fluoreseirender 
Stoffe auf Infusorien 91. 

Radzievsky, Alexsis, Beitrag zur Kenntniss 
des Bacterium coli (Biologie, Agglutina- 
tion, Infektion und Immunität) 401. 

— Alois, Ueber Infektion 743. 

Ransom, Die Lymphe nach intravenöser 
Injektion von Tetanustoxin und Tetanus- 
antitoxin 133. 

Ritchie, The bacteriology of bronchitis 182. 

Röse, Untersuchungen über Mundhygiene 
1195. 

Rosenberger, Uebertragung von Krankheits- 
keimen durch Fieberthermometer 1179. 

Ruhemann. Witterung, Sonnenscheindauer 
und Infektionskrankheiten 62. 

Sames, Zur Kenntniss der bei höherer 
Temperatur wachsenden Bakterien- und 
Streptothrixarten 207. 

Schanz, Die Bakterien des Auges 6. 

Schlesinger, Die Leukocytose bei experi- 
mentellen Infektionen 989. 

Schütz, Bakteriologisch -experimenteller 
Beitrag zur Frage gastrointestinaler 
Infektion 400. 

Schutzmaassregeln bei ansteckenden Krank- 
heiten 63. 

Sehwalbe, Ueber Variabilität und Pleomor- 
phismus der Bakterien 683. 

v. Stein, Ueber den Einfluss chemischer 
Stoffe auf den Process der Krystallisation 
des Hämoglobins 765. 

Strebel, Untersuchungen über die bakte- 
ricide Wirkung des Hochspannungs- 
Funkenlichtes nebst Angabe einer Me- 
thode zur besseren Ausnützung der 
baktericiden Kraft des Volta-Bogenlichtes 
906. 

Thalmann, Zur Actiologie des Tetanus 66. 

Turban, Die Vererbung des Locus minoris 
resistentiae beider Lungentuberkulose 10. 

Virchow, Traumatieismus und Infektion 897. 

Wolff. Zur Reduktionsfähigkeit der Bakterien 
423. 


1277 


Aktinomykose. 


Davids, Ueber die sogenannte Actinony- 
e musculorum suis 497. 

Nikitin, Ein Fall von ausgebreiteter Akti- 
nomykose mit Lokalisation im Gehirn 667. 

Norris and Larkin, Two cases of neerotie 
bronchopneumonia with streptothrix 496. 

Silberschmidt, Ueber 2 Fälle von Pilzmassen 
im unteren Thränenkanälchen 25. 

Sternberg. Zur Kenntniss des Aktinomyees- 
pilzes 297. 


Bacillus pyoeyancus. 


Krause, Beiträge zur Kenntniss des Ba- 
eillus pyocyaneus 539. 

Müller, Zur Lehre von den bakterieiden 
und agglutinirenden Eigenschaften des 
Pyocyaneus-Immunserums 851. 


Bacterium coli commune. 


Bietti, Typische Blennorrhoea neonatorum 
durch Bacterium coli commune 400. 
Deycke, Zur Aetiologie der Dysenterie 841. 
Escherich, Epidemisch auftretende Brech- 
durchfälle in Säuglingsspitälern 541. 
Finkelstein, Ucber säureliebende Baeillen 

im Säuglingsstuhl 36. 

Harris, Notes on the toxicity of different 
specimens of the bacillus coli communis 
obtained from various sources 182. 

Hayashikawa, Die Verwendbarkeit der 
Harngelatine zur Züchtung der Typhus- 
bacillen 925. 

Horrocks, On the value of the agglutination 
test as a means of diagnosis of the Bac. 
typhosus from coliform organisms 446. 

Karo, Zwei Fälle von urogenitaler Coli- 
bacillose 1200. A 

Katsura, Ueber den Einfluss der Queck- 
silbervergiftung auf die Darmbakterien 
526. - 

Kreisel, Studien über Colibacillen 1099. 

Kruse, Ucber die Ruhr als Volkskrankheit 
un ihren Erreger 664. 

Moro, Ueber die nach Gram färbbaren 
Bacillen des Säuglingsstuhles 414. 

— Ueber den Bacillus aridophilus n. spee. 
Ein Beitrag zur Kenntniss der normalen 
Darmbakterien des Säuglings 564. 

Radzievsky, Beitrag zur Kenntniss des 
Bacterium coli (Biologie, Agglutination, 
Infektion und Immunität) 401. 

Rambousck, Vergleichende und kritische 
Studien, betreffend die Diagnostik des 
Bac. typhi und des Baet. coli 945. 

Remy, Contribution à l'étude de la 
typhoide et de son bacille. Deuxième 
partie. Recherches sur l'antagonisme 
entre le Bacille coli et le Baeille ty- 
phique 996. 


1278 


Rothberger, Ucher Agglutination des Bac- 
terium coli 446° 

Scheffler, Das Neutralroth als Hülfsmittel 
zur Diagnose des Bacterium coli 350. 

Scheib, Meningitis suppurativa bedingt durch 
Bacterium lactis aërogenes 67. 

Sternberg, Zur Verwerthbarkeit der Agglu- 
tination für die Diagnose der Typhus- 
bacillen 446. 

Weil, Zur Schnelldiagnese der Typhus- 
bacillen 485. 


Cholera. 


Ascher, Der Einfluss der Chuleradosis auf 
die Immunisirung 1211. 

Bliesener, Beitrag zur Lehre von derSporen- 
bildung bei Cholerabacillen 1093. 

Buchanan, The hot weather diarrhoea of 
India 754. 

Mertens, Beiträge zur Immunitätsfrage 1210. 

Walker, Ueber die bakteriolytischen Wir- 
kungen der Typhus- und Choleraimmun- 
sera unter aöroben und anaëroben Ver- 
hältnissen 1148. 


Diphtherie. 


Arloing und Nicolas, Antitoxinbildung bei 
Diphtherie 714. 

Atkinson, The fractional precipitation of 
the globulin and albumin ofnormal horse’s 
serum and diphtheria antitoxic serum, 
and the antitoxic strength of the preci- 
pitates 444. 

Bertarelli, Sulla mortalità per difterite 
nelle provincie italiane dal 1887 al 1898 
e sui suoi coefficienti modificatori 435. 

v. Bókay, Offener Brief an die Redaktion 
553. 

Carnot und Fournier, Bac. fusiformis 715. 

Chatin et Lesieur, De la presence du ba- 
cille de Loeffler et du bacille pseudo- 
diphthérique chez les enfants hospitalisés 
790. 

Cobbett, Diphtherie beim Pferde 1049. 

Courmont und Arloing. Nährboden für 
Diphtheriebacillen 715. 

Dietrich, Ueber Behandlung experimenteller 
Kaninchendiphtherie mit Behring’schem 
Diphthericheilserum 191. 

Dönitz, Bericht über die Thätigkeit des 
Königl. Instituts für Serumforschung und 
Serumprüfung zu Steglitz 187. 

Escherich, Diphtherie 672. 

Eschweiler. Spätdiphtherie im 
rachenraum 131. 

Eyre, On the presence of members of the 
diphtheria group of bacilli other than 
the Klebs-Loeffler bacillus in milk 749. 

Gabritschewsky, Zur Prophylaxe der Diph- 
therie 943. 

Glaessner, Ueber die Verwerthbarkeit 
einiger neuer Eiweisspräparate zu Kultur- 


Nasen- 


Sach-Register. 


zwecken. T. Allgemeine Eignung mit 
besonderer Berücksichtigung der Diph- 
therie 131. 

Gromakowsky, Die differentielle Diagnose 
verschiedener Arten der Pseudodiphthe- 
riebaeillen und ihr Verhältniss zur Doppel- 
färbung nach Neisser 181. 

Hiss and Atkinson, Serum-globulin and 
diphtherie antitosin. A comparative 
study of the amount of globulin in 
normal antitoxic sera, and the relation of 
the globulins to the antitoxic bodies 443. 

Kassowitz, Audiatur et altera pars 553. 

Klein, Zur Kenntniss der Verbreitung des 
Bacillus tuberculosis und pseudotuher- 
culosis in der Milch, sowie der Biologie 
des Bacillus tuberculosis 180. 

— Ueber zwei neue pyogene Mikrobien: 
Streptococcus radiatus und Bakterium 
diphtherioides 1053. 

Kraus, Ueber die prophylaktische Immu- 

nisirung kranker Kinder gegen Diphtherie 
73. 

Levy und Fickler, Ueber ein neues patho- 
genes keulenförmiges Bakterium der 
Lymphe (Corynebakterrum Lymphae 
vaccinalis 349. 

Martin, Behandlung und Prophylaxe der 
Diphtherie 99. 

Marzinowsky, Ueber einige in den Krypten 
der Gaumenmandeln gefundene Barillen- 
arten 349. 

Naether, Versuche über Beseitigung der 
Diphtheriebaeillen aus der Mundhöhle 
von Rekonvalescenten 44. 

Papasotiriu, Notiz über den Einfluss des 
Petroleums auf den Diphtheriebaeillus 
293. 

Prip, Ueber Diphtheriebacillen bei Rekon- 
valescenten nach Diphtherie 941. 

Rehns, Wirkung des Diphtheriegiftes von 
der Trachea und der Typhusbaeillen von 
der Lunge aus 1178. 

Roux, Bestimmung der Wirksamkeit der 
Sera 98. 

Schlesinger, Ein Beitrag zur Diphtherie 
der Conjunctiva (Conjungtivitis crouposa 
durch Diphtheriebacillen). Pemphigus. 
Heilserum 661. 

Schmid-Monnard, Bemerkungen zu dem 
Aufsatz des Privatdocent Herm Dr. 
Trumpp-München: „Progrediente Diph- 
therie bei rechtzeitiger Serumbehandlung” 
1098. 

Schödel, I. Bacilläre Magendiphtherie. Diph- 
theriebaeillen im Magen und Darminhalt 
und in den Dejektionen. II. Der Joos- 
sche Serumagar als Nährboden für Diph- 
theriebaeillen 494. 

Siegert, Vier Jahre vor und nach der Ein- 
führung der Serumbehandlung der Diph- 
therie 553. 


Sach-Register. 


Siegert, Bemerkungen zu den verschie- 
denen Entgegnungen aus Anlass meines 
Aufsatzes 553. 

— Tetanus mit tödtlichem Ausgang in 
Folge von Diphtherieheilserum-Injektio- 
nen in Italien 1098. 

Talamon, Behandlung der Pneumonie mit 
Diphtherieheilserum 771. 

'Trumpp, Entgegnung auf die Arbeit von 
Siegert 553. 

— Prugrediente Diphtherie bei rechtzeitiger 
Serumbehandlung 675. 

Vincent, Bac. fusiformis 715. 

Vossius, Ein Beitrag zur Lchre von der 
Actiologie, Pathologie und Therapie der 
Diphtheritis conjunetivae 537. 

Warnecke, Befund von Xerosebaeillen bei 
progredienter Phlegmone, sekundärer 
Wundinfektion und Otitis interna 749. 

Weissenberger,  Diphtherieserumtherapie 
und Intubation im Kinderspital in Basel 
851. 

Weissenfeld, Die Veränderungen der Sterb- 
lichkeitan Diphtherieund Scharlach 1088. 


Dysenterie. 


Deycke, Zur Actiologie der Dysenterie 841. 

Dopter, La phagoeytose dans la dysenterie 
1006. 

Flexner, The Etiology of Tropical Dy- 

ntery 1054. 

gen, Ueber die 1899 in Barmen auf- 
getretene Ruhrepidemie 1096. 

Kruse, Die Ruhrgefahr in Deutschland, 
insbesondere im  niederrheinisch-west- 
fälischen Industriebezirk 1095. 

— Weitere Untersuchungen über die Ruhr- 
bacillen 1204. 


ki 


Eiterung, Staphylokokken, Streptokokken. 


Baginsky und Sommerfeld, Ueber einen 
konstanten Bakterienbefund bei Scharlach 
494. 

Beck, Experimentelle Beiträge zur Unter- 
suchung über die Marktmilch 490. 

Bertarelli, Eitrige, durch Eberth’sche Ba- 
cillen verursachte Thyreoiditis nach 
Typhus abdominalis 1199. 

Blumberg, Beobachtungen bei der Be- 
handlung von Puerperalfiebererkran- 
kungen mit Marmorek’schem Antistrepto- 
kokkenserum 1213. 

Bruck, Purpurarheumatica und Angina 843. 

v. Bruns, Ueber die Behandlung infieirter 
Wunden mit Wasserstoffsuperoxyd 203. 

Czaplewski, Zur Bakteriologie der Lymphe 
670. 

Deeleman, Gewehröl und Panaritium 947. 

‚Etienne, Allgemeine Sepsis durch Staphylo- 
kokken 814. 

Fehling, Ueber die Berechtigung der Selbst- 
infektionslehre in der Geburtshilfe 1003. 


1279 


Finkelstein, Ueber Sepsis im frühen Kindes- 
alter 68. 

— Ueber Nabelsepsis 541. 

Fischl, Ueber chronisch ri 
sudative Anginen im Kindesalter 68. 

Hobbs et Denier, Etude expérimentale sur 
le ròle antiseptique des essences vis-à-vis 
le streptocoque 489. 

Kiescritzky, Zur Pathogenität des Staphy- 
loeveeus quadrigeminus Czaplewski 670. 

Klein, Ueber zwei neuc pyogene Mikrobien : 
Streptococcus radiatus und Bacterium 
diphtherioides 105 

Kühn, Ueber Spondylitis typhosa 1199. 

Libman, I. Ueber einen neuen pathogenen 
Streptokokkus. IT. Ucher eine eigenthüm- 
liche Eigenschaft (wenigstens mancher) 
pathogener Bakterien 183. 

Menzer. Zur Aetiologie des akuten Gelenk- 
rheumatismus 844. 

Meyer, Zur Bakteriologie des akuten Ge- 
lenkrheumatismus 843. 

Moro, Ueber Staphylokokkenenteritis der 
Brustkinder 1095. 

Nicolas und Lesieur, Agglutination bei 
Staphylokokken 715. 

Noeggerath, Das Verhalten unmittelbar 
der Luft entstammender Keimformen in 
frischen Thierwunden 1194. 

Pigeaud, Ueber Bakterienbefunde (bes. 
Streptokokken) in den Dejektionen magen- 
darmkranker Säuglinge 898. 

Röse, Untersuchungen über Mundhygiene 
1195. 

Schlesinger, Ein Beitrag zur Diphtherie 
der Conjunetiva (Conjunctivitis erouposa 
durch Diphtheriebaeillen). Pemphigus. 
Heilserum 661. 

Scholtz, Untersuchungen über die parasitäre 
Natur des Ekzems 351. 

— et Raab, Recherches sur la nature 
parasitaire de l’eez#ma et de l’impitigo 
542. 

Simon, Ueber die Einwirkung leukoeyten- 
haltiger Flüssigkeiten auf Streptokokken 
1100. 

Sternberg, Einanatrober Streptokokkus 293. 

Tehistovitch, Etudes sur la phagocytose 
dans une infection mortelle 1009. 

Virchow, Traumatieismus und Infektion 897. 


Fadenpilze, pathogene. 


Ascher, Ueber Rhodomyces erubescens nebst 
einem Beitrag zur Lehre von der Dispo- 
sition 666. 

Cao, Oidien und Oidiomykose 406. 

Davids, Ueber die sogenannte Actinomy- 
cosis musculorum suis 497. 

Hectoen and Perkins, Refractory subeuta- 
neous abscesses caused by Sporothrix 
Schenkii. new pathogenic fungus 507, 

Jeanselme, Entstehung des Tokelau 715, 


1280 


Nikitin. Ein Fall von ausgebreiteter Akti- 
nomykose mit Lokalisation im Gehirn 667. 

Norris and Larkin, Two cases of necrotic 
bronchopneumonia with streptothrix 496. 

Rothwell, Experimental aspergillosis 185. 

Sames, Zur Kenntniss der bei höherer 
Temperatur wachsenden Bakterien- und 
Streptothrixarten 207. 

Sternberg. Zur Kenntniss des Aktinomyces- 
pilzes 297. 

Triboudeau, Erreger des Tokelau 715. 


Gonorrhoe. 
(Siche auch Prostitution). 


de Christmas, Contribution à l'étude du 
gonocoque et de sa toxine 543. 

Eulenburg, Ueber gonorrhoische Nerven- 
erkrankungen 665. 

Herz, Ueber tionokokkenfärbung mit Neutral- 
roth 68. 

Homberger. Zur Gonokokkenfärbung 25. 

Jadassohn und Schmid, Prostitution und 
venerische Krankheiten. 1. Die Prosti- 
tution und die venerischen Krankheiten 
in der Sehweiz. 2. Die internationale 
Konferenz zur Verhütung der Syphilis 
und der venerischen Krankheiten in 
Brüssel (September 1899) 245. 

Karo, Zwei Fälle von Rektalgonorrhoe als 
Folge von Entleerung gonorrhoischer 
Fiteransammlungen ins Rektum 1145. 

Koenig, Die Folgeerkrankungen der Go- 
norrhoe und ihre Bedeutung tür die 
Chirurgie 1005. 

Köppen, Zur Diagnose und Prognose der 
Gonorrhoe des Mannes 1145. 

Paulsen, Ein Fall von gonorrheischen Ge- 
lenk- und Hautmetastasen im Anschluss 
an Blennorrhoea neonatorum 351. 

Ráskai, Zur Pathogenese der genorrhoischen 
Epididymitis 840. 

Rubinstein, Ueber gonorrhoische Gelenk- 
entzündung 351. 

Scholtz, Ueber die moderne Therapie der 
Gonorrhoe des Mannes 1144. 

Thalmann, Züchtung der Gonokokken auf 
einfachen Nährböden 439. 

Wassermann. Ein durch Gelingen der 
Reinkultur bewiesener Fall von Endo- 
carditis gonorrhoica 1145. 


Hefen, pathogene. 

Bra, Sur les formations endogènes du 
champignon isolé des tumeurs cancéreu- 
ses 900. 

Cao, Oidien und Oidiomykose 406. 


Hundswuth. 

Babes. Bemerkungen über die Beeinflussung 
der Hundswuth durch Injektion von 
normale: ensubstanz und über Wuth- 
toxine 45 


Sach-Register. 


Babes, Die Lehre von der Hundswuth zu 
Ende des 19. Jahrhunderts 671. 

Kraus, Besitzt die Galle Ly»savirus schä- 
digende Eigenschaften? 74. 

— und Clairmont, Ueber experimentell” 
Lyssa bei Vögeln 69. 

Marx, Zur Theorie der Pasteur’'schen 
Schutzimpfung gegen Tollwuth 451. 
Ministerialerlass in Preussen über Schutz- 

impfung gegen Tollwuth 570. 
Pampoukis, Quelques observations sur la 
e 28. 
v. Ratz, Die Widerstandsfähigkeit des Virus 
der Tollwuth gegen Fäulniss 506. 
Salomon, Experimentelle Untersuehungen 
über Rabies 545. 


Influenza. 


Clemens, Die diesjährige Influenzarpidvni: 
in Freiburg i. B. 496. 

Doering, Ueber Infektion mit Influenza- 
bacillen und mit Bact. proteus $40. 

Kamen, Ueber eine bis jetzt wenig gewür- 


digte Lokalisation des Influenzapror 
943. 


Keuchhusten. 


Arnheim, Beitrag zur Bakteriologie de> 
Keuchhustens 758. 

Jochmann und Krause, Zur Aetiologie des 
Keuchhustens 1203. 

Luzzatto, Zur Actiologie des Keuchhusten» 
407. 


Lepra. 


Dönitz, Behandlung der Lepra 350. 

Karlinski, Zur Kenntniss der säurelesten 
Bakterien 1197. 

Lepra im südlichen Frankreich 715. 

Scholtz und Klingmüller, Ueber Züchtung»- 
versuche des Leprabacillus und über 
sogenanntes Leprin 135. 

Uhlenhuth und Westphal, Histologische 
und bakteriologische Untersuchungen 
über einen Fall von Lepra tuber 
anaesthetica, mit besonderer Berück- 
sichtigung des Nervensystem» 1142. 

Velde, Berieht über die Verbreitung der 
Lepra in China 839. 


Malaria. 


Baldi, I primi sperimenti di protezione del 
personale ferroviario dalla malaria 159. 

Bastianelli und Bignami, Entwickelung 
der Parasiten der Tertiana im Anopheles 
claviger 668. 

Bernegau, Zur Bekämpfung der Mosquites 
669. 

Celli, Die neue Prophylaxis der Malaria 
in Latium 545. 


Sach-Register. 


Celli, Beitrag zur Erkenntniss der Malaria- 
epidemiologie vom neuesten ätiologischen 
Standpunkte aus 761. 

— und Delpino, Beitrag zur Erkenntniss 
der Malariaepidemiologie vom neuesten 
epidemiologischen Standpunkte aus 185. 

Eysell, Ueber das Vorkommen von Ano- 
pheles in Deutschland 759. 

Fermi und Lumbao, Beitrag zur Prophy- 
laxis der Malaria; Versuche, den Men- 
schen mittels chemischer Mittel gegen 
die Mücken zu schützen 501. 

— und Tonsini, Die Prophylaxis der 
Malaria und die Vernichtung der Mos- 
quitos auf der Insel Asinara 762. 

Glogner, Ueber Immunität gegen Malaria 

Ô: 


Grassi, Erster summarischer Bericht über 
die Versuche zur Verhütung der Malaria, 
angestellt in der Gegend von Paestum 
760. 

Grawitz, Ein Beitrag zurFrage nach der Ent- 
stehung der sogenannten Tropenanämie 
63. 

— Epidemiologischer Beitrag zur Frage 
der Malariainfektion 408. 

Jackschath, Die „Malaria“ 
Deutschland 1206. 

Iwanoff, Ueber die Veränderungen der 
Malariaparasiten während der Methylen- 
blaubehandlung 1204. 

Koch, Dritter Bericht über die Thätigkeit 
der Malariaexpedition. Untersuchungen 
in Deutsch-Neu-Guinea während der 
Monate Januar und Februar 1900. 25. 

— Vierter Bericht über die Thätigkeit 
der Malariaexpedition. die Monate März 
und April 1900 umfassend 353. . 

— Fünfter Bericht über die Thätigkeit 
der Malariaexpedition. Untersuchungen 
in Neu-Guinea während der Zeit vom 
28. April bis 15. Juni 1900. 667. 

— Schlussberieht über die Thätigkeit der 
Malariaexpedition 844. 

— Zusammenfassende Darstellung der 
Ergebnisse der Malariaexpedition S45. 

Kohlbrugge. Kritische Betrachtung zum 
zweiten Bericht über die Thätigkeit der 
Malariaexpedition von Herrn (ich. Med.- 
Rath Prof. Dr. R. Koch 352. 

Kossel und Weber, Ueber die Här 
binurie der Rinder in Finnland 5 

Kronecker. Die „Kala-Azar“ in der vorder- 
indischen Provinz Assam 764. 

Lewkowicz, Zur Biologie der Malaria- 
parasiten 298. 

di Mattei, Die Prophylaxe des Malaria- 
fiebers dureh Schutz des Menschen 
gegen die Sehnacken 501. 

Maurer, Die Tüpfelung der Wirthszelle 
des Tertianaparasiten 544. 

Mayer, Zur Epidemiologie der Malaria 26. 


der Rinder in 


glo- 


1281 


Mori, Ueber die Prophylaxe der Malaria 
mit Euchinin 1205. 

Plehn, Bericht über eine Studienreise in 
Deutsch - Ostafrika, Unteregypten und 
Italien 409. 

— Die neuesten Untersuchungen über 
Malariaprophylaxe in Italien und ihre 
tropenhygienische Bedeutung 1096. 

Richter, Ein Fall von Schwarzwasserfieber 
nach Euchinin 409. 

Ruge, Ein Beitrag zur Chromatinfärbung 
der Malariaparasiten 27. 

Samways. The exstirpation of the Mosquito 
762. 

Sander, Eine Heil- und Schutzimpfung 
gegen Malaria 676. 

The malaria expedition to Sierra-Leone 297. 

Woldert. Original specimens of Zygotes 
of estivo-autumnal malarial parasites 
in the middle intestino of the mosquito 
(Anopheles quadrimaculata) 762. 

Ziemann, Ueber die Bezichungen der Mos- 
quitos zu den Malariaparasiten in 
Kamerun 352. 

eber das Schwarzwasserfieber 670. 

— 7weiter Bericht über Malaria und 
quitos an der afrikanischen Wes 
845. 


Meningitis. 


Bernheim‘, Ueber meningokokkenähnliche 
Pneumonicerreger 665. 

Bonhoff, Ueber einen Fall von Cerebro- 
spinalmeningitis und den Diplococcus 
intracellularis 1090. 

Busquet. Uebertragung des Diplocoecus 
intracellularis auf Thiere 1178. 

Faber, Bakteriologische Untersuchungen 
von Fällen epidemischer Cerebrospinal- 
meningitis in Kopenhagen im Sommer 
1898. 404. 

Henkel, Klinische Beiträge zur Tuber- 
kulose. Ein Fall von geheilter Menin- 
gitis eerebrospinalis tuberculosa 130. 

Parsons and Littledale, Epidemie cerebro- 
spinal meningitis in Dublin 405. 

Scheib, Meningitis suppurativa bedingt 
durch Bacterium lactis ařrogenes 67. 

Vincenzi, Ueber die Avtiologie einer oti- 
tischen Leptomeningitis 67. 


Milzbrand. 


milzbrand- 
des Hundt- 


Bail, Untersuchungen über 
feindliche Eigenschaften 
organismus 30. 

Berndt, Ueber die Veränderungen der 
Milzbrandbaeillen in faulendem Rinder- 
blut ausserhalb des thierischen Körpers 
538. 

Conradi, Bakterieidie und Milzbrandinfektion 
447. 

Danysz. Immunisation de la baeteridie 
eharbonneuse contre Taction du sérum 


1282 


de rat. Formation et nature des „anti- 
corps* 1007. 


Emmerich und Saida, Ueber die morpho- | 


logischen Veränderungen der Milzbrand- 
baeillen bei ihrer Auflösung durch Pyo- 
eyanasc 403. 

Fraenkel, Zum Nachweis der Milzbrand- 
bacillen 633. 

Klett, Die Sporenbildung des Milzbrandes 
bei Anatrobiose 997. 

Lange, Zur Milzbrandinfektion des Menschen 
481. 

— Zur Milzbrandinfektion der Raubthiere 
529. 

van Leent, Ueber das Verhalten ns Ba- 
cillus anthracis in der Peritoncalhöhle 
des Mcerschweinchens 1201. 

Malfitano, La bactvriolyse de la bacteridie 
eharbonneuse 757. 

Matzuschita, Ueber die Veränderlichkeit 
der Eigenschaft des Bacillus anthracis, 
Gelatine zu verflüssigen 757. 

Napias, Action de la bacteridie charbon- 
neuse sur les hydrates de carbone 132. 

Nikolsky. Charbon chez les animaux 
nourris avee leurs aliments habituels 
mèlés de spores charbonneuses 996. 

Phisalix, Sur une variété de bacille char- 
bonneux, à forme courte et asporo X 
Bacillus anthracis brevigemmans 757. 

Selavo. Neuc experimentelle Untersuchungen 
über die Heilwirkung des Milzbrand- 
serums 1212. 

Strubell, Ein neuer Beitrag zur Therapie des 
Milzbrandes 133. 

Weil, Zur Biologie der Milzbrandbaeillen: 
Die Sporenauskeimung 1200. 


Pest. 


Abel, Was wussten unsere Vorfahren von 
der Empfänglichkeit der Ratten und 
Mäuse für die Beulenpest des Menschen? 
Eine Studie zur Seuchengeschichte 1092. 

Arustamow, Pestepidemie im Dorfe Kolo- 
bowka im Jarew’schen Kreise des As- 
trachan’schen Gouvernements $40. 

Calmette, Prophylaxe der Pest 102. 

Clemow, Remarks on plague in the lower 
animals 406. 

Danysz, La destruction des rats par une 
maladie contagicuse 25. 

— Un mierobe pathogène pour les rats (mus 
decumanus et mus rattus) et son appli- 
cation à ladestruetion de cesanimaux 184. 

Frosch, Die Pest im Lichte neuerer For- 
schungen 24. 

Gotsehlich, Die Pestepidemie in Alexan- 
drien im Jahre 1899. 998. 

Kister und Köttgen, Ueber die von Danysz 
gefundenen, für Ratten pathogenen Ba- 
cillen 1144. 

Kitasato, Takaki, Shiga und Moriya, Bericht 


Sach-Register. 


über die Pestepidemie in Kobe und 
Osaka von November 1899 bis Januar 
1900 793. 

Kossel und Frosch, Ueber die 
Oporto 293. 

Krausz, Erfahrungen über den Bacillus 
Danysz 1144. 

Kübler, Bekanntmachung desReichskanzlers 
betreffend Bestimmungen zur Ausführung 
des Gesetzes über die Bekämpfung gr- 
meingefährlicher Krankheiten 65 

Kurth und Stoevesandı, Der Pestiall in 
Bremen 898. 

Levin, Bubonpesten i Porto 1399. 
Bubonenpest in Oporto 1899) 437. 

Markl, Pestgift und Pestserum 103. 

— Einige Rathschläge für die Einriebtung 
und den Betrieb der Pestlaboratorien 405. 

Matzuschita, Die Einwirkung des Kochsalz- 
gehaltes des Nährbodens auf die Wuchs- 
form der Mikroorganismen 1002. 

Mctin, Quelques expériences sur la peste 
à Porto 755. 

Ministererlass in Preussen über die gesund- 
heitspolizeiliche Kontrolle der einen 
preussischen Hafen anlaufenden See- 
schifle 571. 

Noguchi, The effect of cold upen the 
vitality of the bacilli of bubonic plague 
184. 

Ogata, Ueber die Pestepidemie in Kebe 
756. 

Plehn, Bericht über eine Studienreise io 
Deutsch - Ostafrika, Unteregypten und 
Italien 409. 

Reiche, Zur Klinik der 1899 in Operto 
beobachteten Pesterkrankungen 756. 
Sata, A., Experimentelle Beiträge zur 
Aetiologie und pathologischen Anatomie 

der Pest. I. 23. 

— St., Ueber Fütterungspest und das 
Verhalten des Pestbacillus im thierischen 
Körper nach dem Tode des Organismus 
1090. 

Schottelius, Die Bubonenpest iu Bombay 
im Frühjahr 1900. 105. 158, 222. 

Skehivan, Zur Morphologie des Pestbak- 
teriums 756. 

Tehistowitch, Epidemie de peste au village 
de Kolobovka 22. 

Terni et Bandi, Nouvelle methode de 
preparation du vaccin antipesteux 31. 

— — Bereitung der antipestösen Lympbe 
aus dem peritonealen Exsudat der in- 
fieirten Thiere 449. 

Vagedes, Ueber die Pest in Oporto 298. 


Pest in 


{Die 


Pneumonie. 


Berliner und Cohn, Klinische Beiträge 
zur Diagnose des Abdominaltyphus 181. 

Bernheim, Ueber Meningokokkenähnliche 
Pneumonieerreger 665. 


Sach-Register. 


1283 


Grimbert et Legros, Identité du bacille | Finkeluburg, Ueber Giesundheitsbeschädi- 


aérogène du lait et du pneumobacille 
de Friedlaender 132. 

Henke, Zur Endocarditis pneumococeica 
1144. 

Luzzato, 
Kindesalter 897. 

Martini, Ein gelegentlicher, durch Inha- 
lation übertragbarer Erreger der Lungen- 
entzündung bei Meerschweinchen, Ba- 
eillus pulmonum glutinosus 753. 

Neufeld, Ueber eine speeifische bakterio- 
logische Wirkung der Galle 450. 

Oertzen, Ueber das Vorkommen von Pneu- 
mokokken auf der normalen menschlichen 
Bindehaut 403. 

Ott, Zur Aetiologie der fibrinösen Bron- 
chitis 404. 

Roeger, Metapneumonischer Abscess mit 
dem Diplococeus pneumoniae in Rein- 
kultur 752. 

Sehkarin, Eitrige Pleuritiden bei Säug- 
lingen 538. 

de Simoni, Beiträge zur Morphologie und 
Biologie der Mucosusbacillen der Ozaena 
und über ihre Identität mit den Pneu- 
mobacillen 21. 

Stüblern, Beitrag zur Bakteriologie der 

öbären Typhus-Pneumonien 131. 

Talamon, Behandlung der Pneumonie mit 
Diphtherieheilserum 771. 

— Herpes zoster und Pneumococeus 814. 

Vineenzi, Ueber die Aetiologie einer oti- 

hen Leptomeningitis 67. 

S Zur Aetiologie und Pathologie der 

Otitis media im Säuglingsalter 539. 


Pocken. 


Anzeigepflicht für Windpoeken iu Berlin 
1173. 

Bericht über die Impfungen in Bosnien 
und der Herzegowina und den Einfluss 


derselben auf das Vorkommen der 
Blattern im Lande 855. 
Burkhardt, Ergebnisse der amtlichen 


Pockentodesfallstatistik im Deutschen 
Reiche vom Jahre 1898 u. s. w. 300. 
— Die Ergebnisse des Impfgeschäfts im 


Deutschen Reiche für das Jahr 1897 
508. 
Calmette et Guérin, Recherches sur la 


vaccine expérimentale 1147. 

Czaplewski, Zur Bakteriologie der Lymphe 
670. 

Die Thätigkeit der im Deutschen Reiche 
errichteten staatlichen Anstalten zur 
Gewinnung von Thierlymphe während 
des Jahres 1899. 509. 

Ficker, Ueber den von Nakanishi aus 
Vaceinepusteln gezüchteten neuen Ba- 
eillus 1053. 


Ueber Pneumokokkeugrippe im : 


gungen iu Folge der Kuhpockenimpfung 
und die Maassnabmen zurVerhütung der- 
selben vom sanitätspolizeilichen Stand- 
puukte 854. 

Funck, Der Vaccine- und Variolaerreger 
846. 

— Weitere Mittheilungen über den Vaceine- 
und Variolaerreger 1204. 

Gorini, Ueber die bei der mit Vaccine 
ausgeführten Hornhautimpfung vorkom- 
menden Zelleinschlüsse und über deren 
Beziehungen zu Zellinklusionen der bös- 
artigen Greschwülste 499. 

Kaufmann, Bericht über die im Sommer 
1900 beobachtete Blatternepidemie 795. 

Keimfreie Kubpockenlymphe 150. 

Kieseritzky, Zur Pathogenität des Staphy- 
lococeus quadrigeminus Czaplewski 670. 

Kodjabascheff, L’action du sérum sanguin 
sur le vaccin 32. 

Kübler, Geschichte der Pocken und der 
Impfung 847. 

Levy und Fickler, Ueber ein neues patho- 
genes keulenfürmiges Bakterium der 
Lymphe (Corynebacterium Lymphae 
vaceinalis) 349. 

Martius, Experimenteller Nachweis der 
Dauer des Impfschutzes gegenüber Kuh- 
und Menschenlymphe 510. 

Ministererlass in Preussen über die ärzt- 
liche Untersuchung und Impfung aus- 
ländischer Arbeiter vom 13. Juni 1900 


i, Bacillus variabilis Iymphae 
vaccinalis, ein neuer konstant in Vaccine- 
pusteln vorkommender Bacillus 407. 

— Nachtrag zu meiner Arbeit „Bacillus 
variabilis Iymphae vaccinalis, ein neuer, 
konstant in Vaceinepusteln vorkom- 
mender Bacillus.“ 408. 

Podwyssozki und Mankowski, 
über den Vaccineerreger 
M. Funck 1204. 

Rapmund, Die gesetzlichen Vorschriften 
über die Schutzpockenimpfung 192. 
Ravenel, An experiment in the trans- 

mission of syphilis to calves 948. 

Roger und Weil, Sporozoen bei Pocken 
686. 

Stumpf, Ergebnisse der Schutzpocken- 
impfung im Künigreiche Bayern im 
Jahre 1899. 671. 


Zur Frage 
von Dr. 


Protozoen, exkl. Malaria. 


Gorini, Ueber die bei der mit Vaceine 
ausgeführten Hornhautimpfung vorkom- 
menden Zelleiuschlüsse und über deren 
Beziehungen zu Zellinklusionen der büs- 
artigen tieschwülste 499. 

Jackschath, Die „Malaria* 
Deutschland 1206. 


der Rinder in 


1284 


James, On the metamorphosis of the filaria 
sanguinis hominis in mosquitos 764. 
Kossel und Weber, Ueber die Hämoglo- 
binurie der Rinder in Finnland 503. 

Lignieres, Sur la „Tristeza“ 1206. 

Low, A recent observation on filaria 
noeturna in culex: probable mode of 
infection of man 507. 

Löwit, Weitere Untersuchungen über die 
Parasiten der Leukämie 27. 

— Ueber die Hämamöben im Blute Leu- 
kämischer 301. 

Roger und Weil, 
656. 

Schüller, l. Beitrag zur Aetiologie der 
Geschwülste 27. 

— II. Beitrag zur Kenntniss der Syphilis- 
Actiologie 28. 

Türk, Ueber die Hämamöben Löwit’s im 
Blute Leukämischer 300. 

v. Wasielewski, Impfversuche mit Hacma- 
moeba spec. ine. (Syn. Proteosoma) 
675” 

Ziemann, Ueber das endemische Vorkommen 
der seuchenhaften Hämoglobinurie der 
Rinder (des sogenannten Texastiebers) 
iu Deutschland. Vorläufige Mittheilung 
1146. 


Sporozoen bei Packen 


_ 


Rauschbrand. 


Arloing. De P’immunite contre le charbon 

symptomatique après l'injection du 

sérum préventif et du virus naturel 

isolés ou mélangés 32. 

Nouveaux procédés de vaccination 

contre le charbon symptomatique du 

boeuf, par l'association de sérum im- 

munisant et de vaccins 858. 

Leclainche et Vallée, Recherches expéri- 
mentales sur le charbon symptomatique 
134. 

— — Etude comparée du vibrion sep- 
tique et de la bactérie du charbon 
symptomatique 758. 

— — Recherches expérimentales sur le 
charbon symptomatique. Troisième par- 
tie: Immunisation 852. 

Schattenfroh und Grassberger, Ueber 
Buttersäurebaecillen und ihre Beziehungen 
zu der Gasphlegmone 495. 

— — Die Beziehungen der unbeweglichen 
Buttersäurebaeilleu zur Rauschbrand- 
aflektion 1052 

— -— Neue Beiträge zur Kenntniss der 
Buttersäuregäbrungserreger und ihrer 
Beziehung zum Bauschbrand 1094. 


Rotz. 
Conradi, Die Hyphomycetennatur des 
Rotzbaeillus 22. 
Mayer, Zur Kenntniss des Rotzbaeillus 


und des Rotzknötchens 1051. 


Sach-Register. 


Scharlach. 


Bagiusky und Sommerfeld, Ueber einen 
konstanten Bakterienbefund bei Schar- 
lach 494. 

Lippmann, Ueber Rückfälle 129. 

Schmidt, Ein Beitrag zur Virulenz des 
Scharlachkontagiums 1203. 

Weissenfeld, Die Veränderungen der Sterb- 
lichkeit an Dipbtherieund Scharlach ION. 


Syphilis. 
(Siehe auch Prostitution.) 
Bezancon, Griffon und Le Sourd. 
bacillen des weichen Schankers 68 
Freund, Die Sterblichkeit der bereditär 
luetischen Säuglinge 900. 
Kohlbrugge., Syphilis in deu Tropen 885. 
Ledermann, Ueber Pflege und Lebensweise 
sypbilitisch Intieirter 666. 
Lieven, Die Syphilis der Mund- und Racheu- 
höhle 842. 
Ravenel, An experiment in the transmis- 
sion of syphilis to calves 948. 
Ueltzen, Das Flugblatt des Arztes Thei- 
doricus Ulsenius vom Jahre 1496 über 
den deutschen Ursprung der Syphilis 
und seine Illustration 842. 


Streptö- 


Tetanus. 


Debraud. Sur un nouveau pr 
culture du bacille du tétanos 

Miyamoto, Beiträge zur Tetanusvergiftung 
350. 

Ransom, Die Lymphe nach intravenöser 
Injektion von Tetanustoxin und Tetauus- 
antitoxin 133. 

— Weiteres über die Lymphe nach In- 
jektion von Tetanusgiit 445. 

— Die Injektion von Tetanustoxin bezw. 
-Antitoxin in den subarachnoidealrn 
Raum 1201. 

Siegert. Tetanus mit tödtlichem Ausgang 
in Folge von Diphtherieheilserum-Injek- 
tionen in Italien 1098. 

Thalmann, Zur Actiologie des Tetanus 66. 

Zupnik, Ueber experimentellen Tetanus 
descendens 838. 


'Thierische Parasiten exkl. Malaria. 


Blanchard, Wasser und Gemüse bei Ver- 
breitung der Helmiuthiasis 103. 

Grassi und Noè, Uebergang der Bluttilarien 
ganz ausschliesslich durch den Stich 
von Stechmücken 1054. 

Grunow. Ein Fall von Protozoen-(Coeeidieu?) 
Erkrankung des Darmes 1146. 

James. On the metamorphosis of the filaria 
sanguinis hominis in mosquitos 764. 
Kossel und Weber, Ueber die Hämagl- 
binurie der Rinder in Fiunland 503. 

i Low, A recent observation on filaria vec- 


Sach-Register. 


turna in culex; probable mode of in- 
fection of man 507. 

Posselt, Die geographische Verbreitung des 
Blasenwurmleidens, insbesondere des 
Alveolarechinokokkus der Leber und 
dessen Kasuistik seit 1886. 69. 

v. Wasielewski und Senn, Beiträge zur Kennt- 
niss der Flagellaten des Rattenblutes 185. 


Thierseuchen. 


Arloing, Nouveaux procédés de vaccination 
contre le charbon symptomatique du 
boeuf, par l'association de sérum immu- 
nisant et de vaccins 853. 

Ceresole, Ein Bacillus als Epidemieerreger 
beim Carassius auratus der Aquarien 798: 

Jackschath, Die „Malaria“ der Rinder in 
Deutschland 1206. 

Jahresbericht über die Verbreitung von 
Thierseuchen im Deutschen Reiche 869. 

Leclainche et Morel, La serotherapie de 
la septic&mie gangreneuse 448. 

— et Vallée, Recherches erperimentales 
sur le charbon symptomatique 134. 

— — Etude comparée du vibrion septique 
et de la bactèrie du charbon sympto- 
matique 758. 

— — Recherches expérimentales sur le 
charbon symptomatique. Troisième par- 
ti Immunisation 852. 

Lignières, Sur la „Tristeza“ 1206. 

Löffler, Prophylaxe der Maul- und Klauen- 
seuche 103. 

— und Uhlenhuth, Ueber die Schutz- 
impfung gegen die Maul- und Klauen- 
seuche, im besonderen über die prak- 
tische Anwendung eines Schutzserums 
zur Bekämpfung der Seuche beiSchweinen 
und Schafen 853. 

Lubowski. Befund von Schweinerothlauf- 
bacillen im Stuhle eines ikterischen 
Kindes 342. 

Schultze, Ein Fall von anscheinender Maul- 
und Klauenseuche beim Menschen 548. 

Strada und Traina, Ueber eine neue Form 
von infektiöser Lungenkrankheit der 
Meerschweinchen 1050. 

Thiele, Ein Fall von anscheinender Maul- 
und Klauenseuche beim Menschen 28. 

Valenti e Ferrari-Lelli, Osservazioni bat- 
teriologiche in una epidemia di cosidetto 
colera dei piccioni 438. 

Ziemann, Ueber dasendemische Vorkommen 
der seuchenbaften Hämoglobinurie der 
Rinder (des sogenannten Texastiebers) 
in Deutschland. Vorläufige Mittheilung 
1146. 


Tuberkulose. 


Aaron, Sind Specialabtheilungen für die 
Tuberkulösen in den Krankenhäusern 
nöthig? 533. 

Adami, On the significance of bovine tuber- 


1285 


eulosis and its eradication and preven- 
tion in Canada 491. 

Anglade, Vorkommen von Tuberkelbacillen 
in Fäces 1177. 

Arloing und Courmont, Ueber den Werth 
der Serumreaktion für die frühzeitige 
Diagnose der Tuberkulose 851. 

@Arrigo, Die Alterationen der Nieren bei 
Lungentuberkulose in Beziehung auf den 
Uebergang des Toxins und der Tuberkel- 
bacillen 178. 

— Ueber die Gegenwart und über die 
Phasen des Koch’schen Bacillus in den 
sogenannten skrophulösen Lymphdrüsen 
292. u 

— Ueber die Gegenwart und über die 
Phasen des Koch’schen Bacillus in den 
skrophulösen Lymphdrüsen 937. 

— Beitrag zum Studium der erblichen 
Uebertragung der Tuberkulose durch 
die Placenta 992. 

Baginsky, Einrichtung von Heilstätten für 
tuberkulöse Kinder 493. 

Bäumler. Zur Diagnose der durch gewerb- 
liche Staubinhalation hervorgerufenen 
Lungenveränderungen 10. 

Beck, Experimentelle Beiträge zur Unter- 
suchung über die Marktmilch 490. 

— und Rabiuowitsch, Ueber den Werth 
der Courmont’schen Serumreaktion für 
die Frühdiagnose der Tuberkulose 447. 

— — Weitere Untersuchungen über den 
Werth der Arloing - Courmont’schen 
Serumreaktion bei Tuberkulose, speciell 
bei Rindertuberkulose 1214. 

Bendix, Zur Serodiagnose derTuberkulose30. 

Berger, Zur Hygiene der Strassenbahn 767. 

v. Bötticher, Die Volksheilstätte des Rothen 
Kreuzes für lungeukranke Frauen in 
Gommern bei Magdeburg 11. 

Brouardel, La lutte contre la tuberculose 
1141. 

Busquet, Transmission de la tuberculose 
par les timbres-poste 289. 

Buttersack, Wie erfolgt die Infektion des 
Darms? 835. 

Calwer, Die Berufsgefahren der Stein- 
arbeiter 807. 

Casper, Zur Pathologie und Therapie der 
Blasentuberkulose 660. 

Cowie. A preliminary reportonacidresisting 
bacilli, with special reference to their 
occurrence in the lower animals 434. 

Croner, Zur Frage der Fürsorge für die 
Tuberkulösen im fortgeschrittenen Sta- 
dium 661. 

Dieudonne, Zur Frühdiagnose der Tuber- 
kulose 1049. 

Dönitz, Welche Aussichten haben wir, 
Infektionskrankheiten, insbesondere Tu- 
berkulose. auszurotten? 13. 

Dumarest, Quelques details d’organisation 
au sanatorium d’Hauteville 12. 


1286 


Egger, Lungentuberkulose und Heilstätten- 
behandlung 536. 

Elkan, Hygiene und Diätetik für Lungen- 
kranke 291. a 

Feer, Die Prophylaxe der Tuberkulose im 
Kindesalter 315. 

Feldt, Erster Bericht über die Thätigkeit 
des evangelischen Sanatoriums für Lun- 
genkranke zu Pitkäjärvi (Finnland) 537. 

Ficker, Wachsthum der Tuberkelbaeillen 
auf sauren Gehirnnährböden 18. 

Fraenkel, Zur Kenntniss der Smegmaba- 
eillen 1143. 

Freymuth, Ueber das Verhalten des Gras- 
bacillus II (Moeller) im Kaltblüterorga- 
nismus 1198. 

Friedmann, Ueber die Bedeutung der 
Gaumentonsillen von jungen Kindern 
als Eingangspforte für die tuberkulüse 
Infektion 130. 

— Experimentelle Studien über die Erb- 
lichkeit der Tuberkulose. Die nach- 
weisslich mit dem Samen direkt und 
ohne Vermittelung der Mutter auf die 
Frucht übertragene tuberkulöse Infektion 
836. 

Le Gendre, Le facteur moral dans les sa- 
natoriums et les qualités nécessaires aux 
médecins qui les dirigent 12. 

Goldschmidt, Hereditäre Uebertragung der 
Tuberkulose 937. 

Gottstein und Michaelis, Zur Frage der Ab- 
tödtung von Tuberkelbacillen in Speise- 
fetten 1197. 

Guinard, La recherche du traitement de 
la tuberculose 11. 

Hellendall, Die experimentelle Lumbal- 
punktion zum Nachweis von Tuberkel- 
bacillen 1196. 

Hellström, Ueber Tuberkelbacillennachweis 
in Butter und einige vergleichende 
Untersuchungen über pathogene Keime 
in Butter aus pasteurisirtem und nicht 
pasteurisirtem Rahm 939. 

Henkel, Klinische Beiträge zur Tuber- 
kulose. Ein Fall von geheilter Menin- 
gitis cerebrospinalis tuberculosa 130. 

Hesse. Zur Frage der beschleunigten 
Züchtung des Tuberkelbacillus 748. 

Heubner. Ueber die Verhütung der Tuber- 
kulose im Kindesalter in ihren Bezie- 
hungen zu Heil- und Heimstätten 66. 

Hölscher, Kurze Mittheilung über experi- 
mentelle Untersuchungen mit säurefesten 


tuberkelbaeillenähnlichen  Spaltpilzen 
941. 

Hutyra, Tuberkulinversuche bei Rindern 
14. 

Jahresbericht für das Jahr 1899 der 
Baseler Heilstätte für Brustkranke in 


Davos und des Baseler Hilfsvereins für 
Brustkranke 536. 


Sach-Register. 


Jochmann, Wachstbum der Tuberkelba 
cillen auf sauren Nährböden 1. 

Karlinski, Zur Kenntniss der säurefesteu 
Bakterien 1197. 

Klebs, Zur kausalen 
Tuberkulose I. 533. 

Klein, Zur Kenntniss der Verbreitung des 
Bacillus tuberculosis und pseudotuber- 
culosis in der Milch, sowie der Biologie 
des Bacillus tuberculosis 180. 

Kluge. Tuberkuloseheime 836. 

Knopf, Die Tuberkulose als Volkskrankheit 
und deren Bekämpfung 289. 

— Infeetion des livres par le bacille de 
la tuberculose 993. 

Koeniger, Untersuchungen über die Frage 
der Tröpfcheninfektion 58. 

Korn, Weitere Beiträge zur Kenntniss der 
säurefesten Bakterien 20. 

Krompecher, Recherches sur le traitement 
des animaux tuberculeux par la methode 
de Landerer et sur la virulence des 
bacilles tuberculeux 994. 

Lannelongue, Achard uud Gaillard, Ein- 
fluss der Ernährung, Muskelarbeit und 
Staubeinatbmung auf die Entwickeluug 
der experimentellen Tuberkulose 314. 

— — — De l'influence du climat sur 
evolution de la tuberculose pleuro-pul- 
monaire expérimentale 1142. 

Ledoux-Lebard, Le bacille pisciaire et la 
tuberculose de la grenouille due À ce 
bacille 748. 

Letulle, L’höpital et ses eontaminations 
tubereuleuses 993, 

Levy und Bruns, Ueber die Abtödtung 
der Tuberkelbacillen in der Milch durch 
Einwirkung von Temperaturen unter 
100°. 669 *. 

Liebe, Der Stand der Volksheilstättenbe- 
wegung im In- und Auslande 290. 

Lubarsch, Ueber das Verhalten der Tuber- 
kelpilze im Froschkörper 433. 

Maeder, Die stetige Zunahme der Krebs- 
erkrankungen in deu letzten Jahren 46. 

Marzinowsky, Ueber einige in den Krypten 
der Gaumenmandeln gefundene Bacillen- 
arten 349. 

Mayer, Zur histologischen Differeutialdia- 
gnose der säurefesten Bakterien aus 
der Tuberkulosegruppe 291. 

Ministerialerlass im Königreich Sachsen 
betreffend die Anzeigepflicht bei Tuber- 
kulose 628. 

Moeller, Die Lungentuberkulose und ibre 
Bekämpfung 14. 


Behandlung der 


Moritz, Ueber Gesundheitsgefahr des 
Schleiferberufs und ibre Verhütung 
1225. 


Mosler, Zur Verhütung der Ansteckung 
mit Tuberkelbacilleu in Schulen, auf 
öffentlichen Strassen, im Eiseunbahnwagen 
534. 


Sach-Register. 


Musehold, Ueber die Widerstandsfähigkeit 
der mit dem Lungenauswurf herausbe- 
förderten Tuberkelbaecillen in Abwässern 
im Flusswasser und im kultivirten Boden 
179. 

Naegeli, Ueber Häufigkeit. Lokalisation 
und Ausheilung der Tuberkulose nach 
500 Sektionen des Zürcherischen Patho- 
logischen Instituts 65. 

Naumann, Ein Vorschlag zur Bekämpfung 
der Lungentuberkulose im Mittelstande 
537. 

Ostertag, Untersuchungen über die Viru- 
lenz und den Tuberkelbacillengehalt 
der Milch von Kühen, welche lediglich 
auf Tuberkulin reagirt haben. klinische 
Erscheinungen der Tuberkulose aber 
nicht zeigen 346. 

Ott, Aus den Heilstätten für Lungenkranke. 
Bericht über das Jahr 1900. 1038. 

Ottolenghi, Ueber die Desinfektion der 
tuberkulösen Sputa in Wohnräumen 421. 

Pannwitz, Die planmässige Schwindsuchts- 
bekämpfung in Deutschland 534. 

-— Der Stand der Tuberkulosebekämpfung 
im Frühjahr 1901. 895. 

Petersson, Kliniskt cexperimentela studier 
öfver lungtuberkulnsen (Klinisch-experi- 
mentelle Studien über die Lungentuber- 
kulose) 433. 

Petruschky, Vorträge zur Tuberkulosebe- 
kämpfung 14. 

Poncet, Tuberkulose und 
Affektionen 1177. ` 

Ponfick, Ueber die Bezichungen der Skro- 
phulose zur Tuberkulose 314. 

Prettner, Beitrag zur Rassenimmunität 
492. 

Rabinowitsch. Befund von 
Tuberkelbaeillen - ähnlichen 
bei Lungengangrän 19. 

— Ueber die Gefahr der Uebertragung 
der Tuberkulose durch Milch und Milch- 
produkte 348. 

Rappin. Wachsthum von Tuberkelbacillen 
auf Harnstoffnährböden 1177. 

Reibmayr, Ueber die natürliche Immuni- 
sirung bei tuberkulösen Familien 938. 

Richet, Etude historique et bibliographi- 
que sur l’emploi de la viande crue dans 
le traitement de la tuberculose 13. 

— und Roux, Zomotherapie 1177. 

Robin und Binet, Respiratorischer Stoff- 
wechsel Tuberkulöser 771. 

— — Les conditions du terrain et 
diagnostie de la tubereulose 1141. 

Romberg, Zur Serumdiagnose der Tuber- 
kulose 1214. 

Römer. Beitrag zur Frage der Wachsthums- 
geschwindigkeit des Tuberkelbaeillus 
432. 

Rona, Ueber das Verhalten der elastischen 
Fasern in Riesenzellen 532. 


rheumatische 


säurefesten 
Bakterien 


le 


1287 


Rosenfeld, Hygienische Verhältnisse der 
österreichischen Tabakfabrikarbeiter 809. 

Rumpf, Zum Stande der Heilstättenfrage 
für Lungenkranke 536. 

Schrader, 1. Bericht der Volksheilstätte 
für Lungenkranke im Regierungsbezirk 
Oppeln zu Loslau O.-S. 390. 

Schumburg, Weitere Untersuchungen über 
das Vorkommen von Tuberbacillen im 
Hackfleisch 661. 

Sion, Der Eintluss des Organismus kalt- 
blütiger Thiere auf den Bacillus der 
menschlichen Tuberkulose 432. 

Sippel, Bemerkungen zur Tuberkulose 
der weiblichen Genitalien und des 
Bauchfells 834. 

Sommerfeld, Wie schütze ich mich gegen 
Tuberkulose? 13. 

StädtischesSanatoriumHarlaching-München 
895. 

Strassburger, 1. Ein verändertes Sedimen- 
tirungsverfahren zum mikroskopischen 
Nachweise von Bakterien. II. Ueber den 
Nachweis von Tuberkelbacillen in den 
Fäces 17. 

Stüve, Die Tuberkulose als Volkskrankheit 
und ihre Bekämpfung 14. 

Tobler, Beitrag zur Frage des Vorkommens 
von Tuberkelbacillen und anderen säure- 
festen Bacillen in der Marktbutter 938. 

Tostivint et Remlinger, Note sur la rareté 
de la tuberculose chez les Israclites 
tunisiens 1088. 

Treupel, Ueber den gegenwärtigen Stand 
unserer Kenntnisse von der Tuberkulose. 
speciell der Lungentuberkulose 130. 

Turban, Die Vererbung des Locus minoris 
resistentine bei der Lungentuberkulose 
10. 

Uhthoff, Bemerkungen zur Skrophulose 
und Tuberkulose nebst einem Beitrag 
zur Tuberkulose der Conjunctiva 892. 

Wesener, Ueber Behandlung von Lungen- 
kranken in Volksheilstätten 535. 

Widal, Substance sensibilisatricee im Blut 
Tuberkulöser 1177. 

Wolff, Die Methoden des Nachweises von 
Tuberkelbaeillen mit Demonstrationen 
und praktischen Uebungen 349. 

Zur Tuberkulose-Bekämpfung 893. 


Typbus. 


Auerbach, Ueber den Nachweis von 
Typhusbacillen im Blute Typhuskranker 
837. 

Babucke, Ueber die Desinfektion mit 
Typhusbaeillen infeirter Badewässer521. 

Bard et Péhu, Sur une épidémie hospi- 
talière de fièvre typhoide développée 
par contagion 792. 

Berliner und Cohn, Klinische Beiträge 
zur Diagnose des Abdominaltyphus 181. 


1288 


Bertarelli, Eitrige, durch Eberth’sche Ba- 
cillen verursachte Thyreoiditis nach 
Typhus abdominalis 1199. 

Bordoni-Uffreduzzi e Zernoni, Le Ostriche 
come mezzo di diffusione del germe 
della febbre tifoide 194. 

Chantemesse. Nouvelle methode permettant 
de reconnaitre le bacille d’Eberth dans 
Peau 752. 

Clemm, Das Piorkowski’sche Verfahren 
zum chweise von Typhusbacillen 
mittels Harngelatine 292. 

Conradi. Bemerkungen zu einem Fall von 
multipler typhüser Periostitis 663. 

Curschmann, Ueber Cystitis typhosa 663. 

Ebstein, Stadt- und Dorfhygiene 834. 

Fraenkel, Ueber Roseola typhosa 662. 
Die Göttinger Typhusepidemie 

Sommer 1900. 1200. 

Guinon. Contamination hospitalière de la 
fievre typhoide 292. 

v. Haselberg, Die Abnahme der Typhus- 
erkrankungen in Stralsund 20. 

Hayashikawa, Die Verwendbarkeit der 
Harnge latine zur Züchtung der Typhus- 
baeillen 

Hilbert, Ueber den Werth der Hankin’schen 
Methode zum Nachweise von Typhus- 
baeillen im Wasser 21. 

Horrocks, On the value of the agglutination 
test as a means of diagnosis of the Bac. 
typhosus from coliform organisms 446. 

Koelzer, Weitere Beobachtungen über die 
„Widalsche Reaktion“ bei Abdominal- 
typhus 1143. 

Kruse, Ueber die Ruhr als Volkskrankheit 
und ihren Erreger 664. 

— Typhusepidemien und Trinkwasser 791. 

Kübler, Zur Diagnose des Unterleibstyphus 
durch bakteriologische Urinuntersuchung 
21 

Kühn, Ueber Spondylitis typhosa 1199. 

Lindemaun. Grundwasserleitung und 
Typhus 1089. 

Luttinger, Der Typhus im Czernowitzer 

dtg.biete während der Zeit vom Jahre 

892 bis Ende 1899. Eine hygienische 
Studie 750. 

Marcuse, Ueber Leberlymphome bei In- 
fektionskrankheiten 64: 
Neufeld, Ueber Bakterien bei Typhus und 

ihre praktische Bedeutung 836. 

Prochaska, Untersuchungen über 
Eiterungen bei Typhuskranken 837. 

Puppel, Ueber das Agglutinationsvermögen 
aufbewahrten Blutserums von Typhus- 
kranken 1143. 

Rambousek, Vergleichende und kritische 
Studien. betreffend die Diagnostik des 
Bae. typhi und des Bact, coli 945. 

Rehns, Wirkung des Diphtheriegiftes von 
der Trachea und der Typhusbaeillen 
von der Lunge aus 1178. 


im 


die 


Sach-Register. 


Remy. Contribution à l'étude de la firsre 
typhoide et de son bacille. Procédė 
nouveau pour déceler le bacille d’Eberth 
dans les selles et les eaux 7. 

— Contribution à Pétude de la fierre ty- 
phoide et de son bacille. Deuxième 
partie. Recherches sur l’autagonisme 
entre le Bacille coli et le Bacille ty- 
phique 996. 

— Contribution à l'étude de la fievre ty- 
phoide et de son bacile. Troisi-me 
partie. Procédé nouveau pour iseler ie 
bacille typhique des eaux 1198. 

Ricken, Typhus und Molkereien 313. 

Rumpel, Ueber die Methodik der Gefrier- 
punktsbestimmungen unter Berücksich- 
tigung desBlutgefrierpunktes bei Typbus 
abdominalis 1144. 

Schottmüller, Ueber eine das Bild des 
Typhus bietende Erkraukung, hervor- 
gerufen durch typhusähnliche Bacillen 
664. 

Schumburg, Zur Desinfektion des Harns 
bei Typhusbakteriurie durch Urotrapin 
837. 

Sedgwich et Winslow, Influence du {raid 
sur le bacille de la fièvre typhoide 1089. 

Sternberg, Zur Verwerthbarkeit der Agglu- 
tination für die Diagnose der Typhu-- 
bacillen 446. 

v. Stühlern, Beitrag zur Bakteriologie der 
lobären Typhus-Pneumanien 131. 

Symposium on typhoid fever 946. 

Typbusepidemie in Gelsenkirchen 1027. 
1073. 

Vincent, Typhusbacillen im Harn 771. 

Waldvogel, Das Verhalten des Blutgefrier- 
puoktes beim Typhus abdominalis 833. 

Walker, H., Ueber die baktermlytiseben 
Wirkungen der Typhus- und Choleraim- 
munsera unter aëroben und anarroben 
Verhältnissen 1148. 

— T. J.. An outbreak of typhoid fever 
attributed to the infection of a well by 
a convalescent soldier from South Afrika 
1089. 

Wassermann, Ueber neue Versuche auf 
dem Gebiete der Serumtherapie 190. 
— Ueber die Ursachen der natürlicheu 
Widerstandsfähigkeit gegenüber gewissen 

Infektionen 349. 

Weil, Zur Schnelldiaguose der Typhust- 
eillen 485. 

Widal, Auftreten des  Ebrlich'scheu 
Zwischenkörpersim Blute Typhuskranker 
814. 

— Substance sensibilisatrice und Typhus- 
baeillen 1178. 

Widenmann, Die hämatologische Diagnose 
des Unterleibstyphus 944. 


Sach-Register. 


Andere Infektionskrankheiten. 


Babs et Manicatide, Sur certaines sub- 
stance čcifiques dans la pellagre 763. 

— und Sion. Die Pellagra 848. 

Behla, Ueber neue Forschungen der Krebs- 
Ätiologie 187. 

— Die Careinomliteratur 1007. 

Bezancon, Griffon und Le Sourd, Strepto- 
bacilleu des weichen Schankers 686. 


Borrel, Les théories parasitaires du cancer 
1207. 
Bra, Sur les formations endogènes du 


champiguon isolé des tumeurs cancéreuses 
900. 
Bruck, Purpura rheumaticaund Angina $43. 
Brudzinski, Ueber das Auftreten von Pro- 
teus vulgaris in Säuglingsstühlen, nebst 
einem Versuch der Therapie mittels 
Darreichung von Bakterienkulturen 898. 
Brunner, ‚Ueber Maltaftieber 297. 


Buchanan. The hot weather diarrhoea of 
India . 
Busquet, Uebertragung des Diplocnecus 


intracellularis auf Thiere 1178. 

Carnot und Fournier, Bac. fusiformis 715. 

Ceresole, Ein Bacillus als Epidemieerreger 
beim Carassius auratus der Aquarien 798. 

Cowie, A preliminary reporton acidresisting 
bacilli, with special reference to their 
occurrence in the lower animals 434. 

Danysz, La destruction des rats par une 
maladie contagicuse 25. 

— Un microbe pathogène pour les rats 
(mus decumanus et mus rattus) et son 
application à la destruetion de ces ani- 
maus 154. 

Dietsch. Ein Beitrag zur Aetiologie des 
Heutiebers 844. 


Drasche, Flecktyphus. Erfahrungen aus 


vier eigens beobachteten Flecktyphus- | 


epidemien in Wien 500. 

Durno, Notes on a series of cases of glan- 
dular fever occurring in epidemic farm 
795. 

Ehret. 
filiforme dans 


Valeur de la présence du bacille 
Vestomae pour le dia- 


gnostic précoce du cancer de cet organ , 


Epstein, Ueber „faule Ecken“, d. i. ge- 
schwürige Mundwinkel bei Kindern 64. 


Escherich, Epidemisch auftretende Brech- | 
| Mühsam, Ueber Holzphlegmone 839. 


durchfälle in Säuglingsspitälern 541. 

Ficker, Ueber den von Nakanishi aus 
Vaceinepusteln gezüchteten neuen Ba- 
eillus 1053. 

Fischl, Ueber chronisch reeidivirende ex- 
sudative Anginen im Kindesalter 68. 
Fraenkel, ZurKenntnissderSmegmabaeillen 

1143. 
Gerber, Ueber das Sklerom, insbesondere 
in Ostpreussen 841. 


1289 


Gleim, Berichte über die Schlafkrankheit 
der Neger im Kongogebiete 797. 


į Gutknecht, Die Granulose im Kreise Bütow 


899. 
Heimann, Zur Krebsstatistik 847, 1147. 
Howard, A case of general gaseous em- 


physema with gas cysts in the brain 
formed after death and due to bacillus 
mucosus capsulatus, with a consideration 
of the gas-producing properties of cer- 
tain members of tbis group in the ca- 
davers of animals 436. 

Klein, Furtber report on the bacillus en- 
teritidis sporogenes 754. 

Kobler, Zur Aetiologie der Leberabscesse 
1146. 

Kronecker, Die „Kala-Azar“ in der vorder- 
indischen Provinz Assam 764. 

Kruse, Ueber die Bedeutung der Ruhr als 
Volkskrankheit und ihren Erreger, den 
Ruhrbacillus 318. 

— Ueber die Ruhr als Volkskrankheit und 
ihren Erreger 664. 

Leclainche et Morel, La serotherapie de 
la septietmie gangréneuse 449. 

Legros und Leeöne, (rasgangrän 1178. 

Lehmann, Eine Reise in das russische 
Hungergebiet 10. 

Loranchet, A propos de la prophylaxie 
de la diarrhée infantile 405. 

Löwit, Weitere Untersuchungen 
Parasiten der Leukämie 27. 

— Ueber die Hämamöben im Blute Leu- 

kämischer 9 301. 3 

Lubowski. Befund von Schweinerothlauf- 
bacillen im Stuhle eines ikterischen 
Kindes 842. 

Macleod, On thermie fever so called si- 
iasis, with special reference to its alleged 

bie causation 438. 

Martini, Ein gelegentlicher, durch Inhalation 

bertragbarer Erreger der Lungenent- 
zündung bei Meerschweinchen, Bacillus 
pulmonum glutinosus 753. 

Mense, Bemerkungen und Beobachtungen 
über die Schlafsucht der Neger 798. 
Menzer, Zur Aetiologie des akuten Gelenk- 

rbeumatismus 844. 

Meyer. Zur Bakteriologie des akuten Ne 
lenkrheumatismus 843. 

Mouten, Ist es möglich, die Mortalität in 
Folge von Masern durch gesetzliche Be- 
stimmungen herabzudrücken ? 556. 


über die 


Muscatello und Cangitano, Ueber die 
Gasgangrän 540. 

Nehrkorn, Beitrag zur Purpura haemor- 
rhagieca 1052. 

Ritchie. The bacteriology 
182. 

Rothwell. Experimental aspergillosis 185. 


Runeberg, Ueber den Einfluss der Syphilis 


of bronchitis 


1290 


auf die Sterblichkeit unter den Ver- 
sicherten 186. 

Schanz, Die Bakterien des Auges 6. 

Schattenfroh und Grassberger, Ueber Butter- 
säurebacillen und ihre Beziehungen zu 
der (asphlegmone 495. 

Scholtz, Untersuchungen über die parasitäre 
Natur des Ekzems 351. 

Schottenhelm. Ueber einen Fall 
Weil’scher Krankheit 408. 

Schüller, I. Beitrag zur Aetiologie der 
Geschwülste 27. 

Schultze, Ein Fall von anscheinender 
Maul- und Klauenseuche beim Menschen 
543. 

Seiffer, Ein Fall von Beri-Beri 506. 

Silberschmidt, Ueber 2 Fälle von Pilz- 
massen im unteren Thräuenkanälchen 
25. 

de Simoni, Beiträge ‚zur Morphologie und 
Biologie der Mucosusbacillen der Ozaena 
und über ihre Identität mit den Pneu- 
mobacillen 21. 

Strada und Traina, Ueber eine neue Form 
von infektiöser Lungenkrankheit der 
Meerschweinchen 1050. 

Stein, Zur Bakteriologie der Ozaena 841. 

Strebel, Haar- und Haarbodenkrankheiten 
nebst einem Mittel zu deren Bekämpfung 
9. 

Thiele, Ein Fall von anscheinender Maul- 
und Klauenseuche beim Menschen 28. 

Türk, Ueber die Hämamöben Löwit's im 
Blute Leukämischer 300. 

Verfügung im Regierungsbezirk Minden, 
in Mecklenburg u. s. w. über Verhütung 
der granulüsen Augenentzündung 624, 
625. 

Vincent, Bac. fusiformis 715. 

— Anginen und Fusiformen 771. 

Vincenzi, Ueber die Aetiologie einer oti- 
tischen Leptomeningitis 67. 

Zammit, Milk poisoning in Malta 405. 


von 


Irrenpflege. 


Oebeke, Ueber das Rheinische Irrenwesen 
908. 

Toulause, Direetion et personnel medical 
des Asiles d’alienes 1149. 


Kanalisation. 
(s. Abfallstoffe.) 


Kinderpflege. 


Baginsky, Säuglingsernährung und Säug- 
lingskrankheiten 35. 


— Diskussion zu Neumann: „Die Lage | 


der unehelichen Kinder in Berlin“ 258, 
263. 

Bendix, Beiträge zur Ernährungs-Physio- 
logie des Säuglings. I. Der Einfluss der 


Sach-Register. 


Gravidität auf die Milcbabsonderung bei 
der Frau 413. 

Bendix u. Finkelstein, Ein Apparat für Stoff- 
wechseluntersuchungen am Säugling 
634 *. 

Bienstock. Du ròle des bactéries de l'in- 
testin 1012. 

Blauberg. Experimentelle Beiträge zur 

Frage über den Mineralstoffwechsel beim 

künstlich ernährten Säugling 604. 
Ueber den Mineralstoffwechsel 

natürlich ernährten Säugling 604. 

Breuille. Les crèches de Paris 1107. 

Brinkmann, Diskussiou zu Neumann: „Die 
Lage der unehelichen Kinder in Berlin* 
257, 260. 

Brudzinski, Ueber das Auftreten von Prò- 
teus vulgaris in Säuglingsstühlen. nebst 
einem Versuch der Therapie mittels 
Darreichung von Bakterienkulturen 898. 

Bütow, Diskussion zu Neumann: „Die 
Lage der unehelicheu Kinder ju Berliu* 
264. 

Camerer, Die Verdauungsarbeit, ihre Grüsse 
und ihr Einfluss auf den Stoffwechsel, 
insbesondere den Stoffwechsel des Säug- 
lings 84. 

— Die chemische Zusammensetzung des 
Neugeborenen 1057. 

Charpentier, De l'utilité des pouponnieres 
682*. 

Cohn, Gesundheitspflege und Volkskinder- 
garten $1. 

— Ueber Frauenmilch 687 *. 

Czerny, Kräftige Kost 84. 

Dunbar und Dreyer, Untersuchungen über 
das Verhalten der Milchbakterien im 
Milchthermophor 412. 

| v- Dungern, Eine praktische Methode. um 
Kubmilch leichter verdauhlich zumachen 
1067. 

Escherich, Studien über die Morbidität 
der Kinder in verschiedenen Alters- 
klassen 525. 

— Epidemisch auftretende Brechdurchfälle 
in Säuglingsspitälern 541. 

Feer, Die Prophylaxe der Tuberkulose im 
Kindesalter 315. 

Finkelstein, Ueber säureliebende Bacillen 
im Säuglingsstuhl 36. 

— Ueber Sepsis im frühen Kindesalter 68. 

— Diskussion zu Neumann: „Die Lage 
der unehelichen Kinder in Berlin“ 263. 

Freund, Die Sterblichkeit der hereditär 
luetischen Säuglinge 900. 

Fürst, Die neueren Bestrebungen zur Her- 

‚ stellung sogenannter Kindermilch 3%. 

` Geheeb, Ein Beitrag zur Bebaudlung der 

konstitutionellen Schwäche im Kindes- 

alter 83. 

! Gernsheim, Zur Behandlung des Brech- 

durchfalls mitBiedert'schem(künstlichem) 

| Rahmgemenge 1068. 


beim 


Sach-Register. 


Harris, The supply of sterilised humanised 
milk for the use of infants in St. Helens 
691. 

Hesse, Ueber einen neuen Muttermilcher- 
satz: Pfund’s Säuglingsnahrung 914. 
Kobrak, Beiträge zur Kenntniss des Ka- 

seins der Franenmilch 86. 

— Die Bedeutung des Milchtbermophors 
tür die Säuglingsernährung 689. 

de Lange, Die Zusammensetzung der Asche 
des Neugeborenen und der Muttermilch 
1057. 

Lentz, D’skussion zu Neumaun: „Die 
Lage der unehelichen Kinder in Berlin“ 
259. 

Levy und Bruns, Ueber die Abtödtung 
der Tuberkelbacillen in der Milch durch 
Einwirkung von Temperaturen unter 100° 
669 *. 


Loranchet, A propos de la prophylasie | 


de la diarrhée infantile 405. 

Monti, Die wissenschaftlichen Grundsätze 
zur Beschaffung einer der Frauenmilch 
nahezu gleichwerthigen Nahrung 687*. 

Moro, Ueber die nach Gram fürbbaren 
Baeillen des Säuglingsstuhles 414. 

— Ueber den Bacillus acidophilus n. spec. 
Ein Beitrag zur Kenntniss der normalen 
Darmbakterien des Säuglings 564. 

— UcherStaphylokokkenenteritis derBrust- 
kinder 1095. 

— Zur Charakteristik des diastatischen 
Enzyems in der Frauenmilch 1163. 
Neumann, Die Lage der unchelichen Kinder 

in Berlin 248. 

— Diskussion zu Neumann: „Die Lage 
der unehelichen Kinder in Berlin“ 261, 
264. 

Pigeaud, Ueber Bakterienbefunde (bes. 
Streptokokken) in den Dejektionen 
magendarmkranker Säuglinge 898. 

Polizeiverordnung in München über den 
Verkauf von Kindermilch 626. 

Prinzing, Die Kindersterblichkeit in Stadt 
und Land 366. 

Schkarin. Eitrige Pleuritiden bei Säuglingen 
538. 

Schmidt. Die Fehler der Saugflaschen und 
ihre Vermeidbarkeit 1015. 

Schoenstadt, Ueber vegetarische Ernährung 
und ihre Zulässigkeit in geschlossenen 
Anstalten und bei Menschen, welche 
sich in einem Zwangsverbältniss befinden 
604. 

Sieber, Ueber die Umikoffsche Reaktion 
in der Frauenmilch 610. 

Soxhlet, Ueber die künstliche Ernährung 
des Säuglings 1065. 

Tischer und Beddies, Die Bedeutung von 
Pfund’s kondensirter Milch, insbesondere 
für die Säuglingsernährung und Kranken- 
pflege 460. 


1291 


Verorduung des Staatsministeriums in 
Sachsen-Weimar über die Zahn- und 
Mundpflege der Schulkinder 1113. 

Weber. Die Bakterien der sogenannten 
sterilisirten Milch des Handels und 
ibre Beziehungen zu den Magendarm- 
krankheiten derSäuglinge, mit besonderer 
Berücksichtigung der giftigen peptoni- 
sirenden Bakterien Flügge’s 688* 

Weiss, Zur Aetiologie und Pathologie der 
Otitis media im Säuglingsalter 539. 

Winter, Ueber Milchsterilisation 565. 


Kleidung. 


Lop, Vergiftung durch Lackfarbe 1179. 
| Rubner, Ucber die Anpassungsfähigkeit 
| des Menschen an hohe und niedrige 
Lufttemperaturen 344. 

; Thiersch, Ueber Korset und Reformkleidung 
566. 


| Klima. 


Gottstein und Schröder, Ist die Blutkör- 
perchenvermehrung im Gebirge eine 
scheinbare oder nicht? 431. 

Grawitz, Ein Beitrag zur Frage nach der 
Entstehung der sogenannten Tropen- 
anämie 63. 

Grimm, Aerztliche Beobachtungen auf 
Yezo von 1887—1892. Ein Beitrag zur 
medieinischen Geographie 178. 

Hueppe, Ueberdie modernen Kolonisations- 
bestrebungen und die Anpassungsmög- 
lichkeit der Europäer in den Tropen 789. 

Kisskalt, Die Erkältung als krankheitsdis- 
ponirendes Moment 891. 

Koch, Dritter Bericht über die Thätigkeit 
der Malariaexpedition. Untersuchungen 
in Deutsch-Neu-Guinea während der 
Monate Januar und Februar 1900. 25. 

— Vierter Bericht über die Thätigkeit 
der Malaria-Expedition, die Monate 
März und April 1900 umfassend 353. 

— Fünfter Bericht über die Thätigkeit 

| der Malaria-Expedition, Untersuchungen 

' in Neu-Guinea während der Zeit vom 

! 28. April bis 15. Juni 1900. 667. 

-— Schlussbericht über die Thätigkeit der 
Malariaexpedition 344 

— Zusammenfassende Darstellung der Er- 
gebnisse der Malariaexpedition 945. 

Kohlbrugge. Kritische Betrachtung zum 
zweiten Bericht über die Thätigkeit der 
Malaria-Expedition von Herrn Geh. Med.- 
Rath Prof. Dr. R. Koch 352. 

— Betrachtungen über den Einfluss des 
tropischen Klimas auf den Körper 431. 

| Macleod, On thermic fever so called siri- 
asis, with special reference to its alle- 
ged microbie causation 438. 

Mayer, Zur Epidemiologie der Malaria 26. 


1292 


Ranke, Ueber die Einwirkung des Tropen- 
klimas auf die Ernährung des Menschen 
auf Grund von Versuchen im tropischen 
und subtropischen Südamerika 177. 

— Der Nahrungsbedarf im Winter und 
Sommer des gemässigten Klimas 683*. 

Rubner, Ueber die Anpassungsfähigkeit 
des Menschen an hohe und niedrige 
Lufttemperaturen 344. 

— Vergleichende Untersuchung der Haut- 


thätigkeit des Europäers und Negers, | 


nebst Bemerkungen zur Ernährung in 
hochwarmen Klimaten 410. 

Ruhemann, Witterung, Sonnenscheindauer 
und Infektionskrankheiten 62. 


Kongresse. 
(S. Versammlungen). 


Krankenpflege. 


Aaron. Sind Specialabtheilungen für die 
Tuberkulösen in den Krankenhäusern 
nöthig? 533. 

Admission de malades de province dans 
les höpitaux de Paris 680*. 

Bard et Pehu, Sur une épidémie hospita- 
lière de fièvre typhoide développée par 
eontagiou 792. 

Bericht über die Thätigkeit der Berliner 
Rettungsgesellschaft für das dritte Ge- 
schäftsjahr vom Oktober 1899 bis 
30. September 1900. 862. 

Chatin et Lesieur, De la presence du ba- 
cille de Loeffler et du bacille pseudo- 
Sipnberique chez les enfants hospitalisés 
790. 

Croner, Zur Frage der Fürsorge für die 
Tuberkulösen im fortgeschrittenen Sta- 
dium 661. 

Deutschlands Heilquellen und Bäder 33. 

Ecoles municipales d’infirmiers de Paris 
680*. 

Gallasch, Das Kaiser Franz Joseph-Privat- 
Krankenhaus in Gurkfeld 681*. 

Guinon, Contamination hospitaliere de la 
fièvre typhoide 292. 

Hacke, Kurse für Aerzte an Taubstummen- 
austalten 683*. 

Jacobsohn, Geistliche und weltliche Kran- 
pflege vom ärztlich-therapeutischenStand- 
punkte 681*. 

L’assistance médicale gratuite en 1897 
680*. 

Le nouveau règlement des élèves des hô- 
pitaux de Paris 574. 

Le patronage dans les höpitaux 679°. 

Ledermann, Ueber Pflege und Lebensweise 
syphilitisch Infieirter 666. 

Les bäteaux-höpitaux 681*. 

Les malades aisés dans les höpitaux 680*, 

Letulle, L’höpital et ses contaminations 
tubereuleuses 993. 


Sach-Register. 


Marcuse, Die Ausstellung für Krankenpfirge 
in Frankfurt a. M. 33. 

a Geschichte der tienfer Konvention 
862. 

Neisser, Bettbehandlung der akuten Psy- 
chosen und über die Veränderungen, 
welche ihre Einführung im Anstaltsor- 
ganismus mit sich bringt 243. 

StädtischesSanatoriumHarlaching-Müuchen 
895. 

Szalärdi, Der gegenwärtige Stand des Findel- 
wesens in Ungarn 33. 

Volksbäder 48. 

Volksheilstätten und Reconvalescenten- 
häuser in Oesterreich 681*. 

v. Ziemssen, Die Bedeutung ländlicher 
Sanatorien für die Zukunft der äffent- 
lieben Krankenpflege 33. 


Lehrbücher. 


Arendt, Technik der Experimeutalchemie 
427. 

Baginsky, Handbuch der Schulbygiene 3. 
Baur, Die Hygiene der Leibesübungen für 
Turnlehrer, Lehrer und Aerzte 244. 
Bing. Prophylaxe in der Ohrenheilkunde 

95. 

Burgerstein, Rathschläge, betreffend die 
Herstellung und Einrichtung von Ge- 
bäuden für Gymnasien und Realschulen, 
unter besonderer Rücksichtnahme auf 
die Forderungen der Hygiene 79. 

Celli, Corso di perfezionamento 655. 

Einhorn, Mendelsohn, Rosen, Prophylaxe 
in der inneren Medicin 470. 

Flatau, Prophylaxe bei Hals- und Nasen- 
krankheiten 95. 
Fröhner, Lehrbuch 
Thierärzte 656. 
Glax, Lehrbuch der Balneotherapie 124. 
Jess, Kompendium der Bakteriologie und 
Blutserumtherapie für Thierärzte und 

Studirende 656. 

Martius, Allgemeine Prophylaxe 470. 

Migula, System der Bakterien. Bd. IL 
Specielle Systematik der Bakterien 57. 

Moeller, Die Jungentuberkulese und ihre 
Bekämpfung 14. 

Nobilipg-Jankau, Handbuch der Prophr- 
laxe 95, 470. 

Ostertag, Handbuch der Fleischbeschau 
für Tbierärzte. Aerzte und Richter 4. 

Ottolenghi, I batteri patogeui in rapperte 
ai disinfettanti. Tabelle pratiche ad us 
degli ufficiali sanitari, dei medici e 
degli studenti 707. 

Pappenheim, Grundriss der Farbebemie 
676 *. 

Petruschky, Vorträge zur Tuberkulosebe- 
kämpfung 14. n 
Rapmund, Die gesetzlichen Vorschriften 
über die Schutzpockenimpiung 192. 


der Toxikologie tür 


Sach-Register. 


Schanz, Die Bakterien des Auges 6. 

Schlockow, Roth und Leppmann, Der Kreis- 
arzt 204. 

Schmeichler, Die Augenhygieue am Ein- 
gange des 20. Jahrhunderts 559. 

Schneider und Süss, Handkommentar zum 
Arzneibuch für das Deutsche Reich 
vierte Ausgabe 147. 

Sommerfeld, Wie schütze ich mich gegen 
Tuberkulose? 13. 

Stüve, Die Tuberkulose als Volkskrankheit 
und ihre Bekämpfung 14. 

Triboulet et Mathieu, L’aleool et l’alcoo- 
tisme 705 

Villaret, Handwörterbuch der gesammten 
Medicin 526. 

Windscheid, Prophylaxe in der Nerven- 
heilkunde 95. 

Wolpert, A., und Wolpert, H., Die Ventila- 
tion 1103. 

Zimmermann, Bakterien unserer Trink- 
und Nutzwässer 430. 


Leichen- und Bestattungswesen. 


Hinterberger, Einiges über Leichenhallen 
952. . 

Klein, Report on the fate of pathogenic 
and other infective microbes in the dead 
animal body 744. 

Ministerialerlass vom 4. März 1901 über 
Leichenschau in Preussen 1115. 

Polizeiverordnung über Leichenschau im 
Kreise Nieder-Barnim 920. 

Rubner. Ueber Spaltung und Zersetzung 
von Fetten und Fettsäuren im Boden 
und Nährflüssigkeiten 126. 

Verfügung der Regierung in Kassel über 
Betheiligung von Lehrern und Schülern 
an Leichenbegängnissen 1175. 


Luft. 


Adam. L’odeur de Paris et les phospho- 
guanos 1135. 

Ballner, Experimentelle Beiträge zur Me- 
thodik der Mauerfeuchtigkeits -Bestim- 
mung 75. 

Belli, Chemische, mikroskopische und bak- 
teriologische Untersuchungen über den 
Hagel 1181. 

Broden und Wolpert, Respiratorische Ar- 
beitsversuche bei wechselnder Luftfeuch- 
tigkeit an einer fetten Versuchsperson 
1136. 

Chlopin, Zwei Apparate zur Bestimmung 
des Sauerstoffs in Gasgemengen vermit- 
tels der Titrirmethode 58. 

Desgrez et Balthazard, Application ä 
l'homme de la régénération de Pair 
confiné au moyen du bioxyde de sodium 
677°. 


1293 


Gerardin, Epuration de l’air par le sol 1135. 
Hutchinson, Die Verbreitung von Keimen 
durch gewöhnliche Luftströme 1191. 
Kijanitzin, Weitere Untersuchungen über 
den Einfluss sterilisirter Luft auf Thiere 

677*. 

Kisskalt, Die Erkältung als krankheits- 
disponirendes Moment 891. 

Koeniger, Untersuchungen über die Frage 
der Tröpfcheninfektion 58. 

Kostin, Ueber den Nachweis minimaler 
Mengen Kohlenoxyd in Blut und Luft 
1135. 

Lépine, Etude sur les Hématomyélies (cha- 
pitre: „Maladies des caissons“*) 712. 
Minervini. Einige bakteriologische Unter- 
suchungen über Luft und Wasser in- 
mitten des Nordatlantischen Oceans 783. 
Noeggerath, Das Verhalten unmittelbar der 
Luft entstammender Keimformen in fri- 

schen Thierwunden 1194. 

Nussbaum, Die Rauchbelästigung in deut- 
schen Städten 512. 

Rubner, Ueber die Anpassungsfähigkeit 
des Menschen an hohe und niedrige Luft- 
temperaturen 344. 

Sehloesing, Sur les échanges gazeux entre 
les plantes enticres et l’atmosphere 1192. 

Schoofs, Inconvénients des lampes fumi- 
vores hygiéniques 125. 

Sondén, Om olägenheterna gerom rök fran 
angpanneeldstäder (Die Rauchplage durch 
das Feuer der Dampfmaschinen) 452. 

Teclu, Zur quantitativen Bestimmung des 
Ozons 61. 

Valenti e Ferrari-Lelli, Osservazioni nu- 
meriche sui microorganismi dell’ aria at- 
mosferica di Modena 427. 

Wendland, Die Rauchbelästigung in deut- 
schen Städten 901. 


Medicinalwesen. 


Abel, Zum Kampfe gegen die Konservi- 
rung von Nahrungsmitteln durch Anti- 

| septika 265. 

Anzeigepflicht für Windpocken in Berlin 
1173. 

Bach, Ueber Milchuntersuchungen 
Milchkontrole 1015. 

Bericht über die Impfungen in Bosnieu 
und der Herzegowina und den Einfluss 
derselben auf das Vorkommen der Blat- 
tern im Lande 855. 

Bericht über die Verwaltung und den 
Stand der Gemeindeangelegenheiten der 
Haupt- und Residenzstadt Stuttgart in 
den Jahren 1896—1898. 205. 

Bohata und Hausenbichler, Sanitätsbericht 

| des österre'chischen Küstenlandes für 

die Jahre 1895-—1897. 92. 

| Bordoni-Uffreduzzi, Relazione sui servizi 


und 


1294 


A’lgiene e sanità nel comune di Milano 
nel biennio 1896—97. 632. 

Burkhardt, Gesetz. betreffend die Bekäm- 
pfung gemeingefährlicher Krankheiten 
vom 30. Juni 1900. 288. 

— Ergebnisse der amtlichen Pockentodes- 
fallstatistik im Deutschen Reiche vom 
Jahre 1898 u. s. w. 500. 

Carrière, L’'hygiene publique en Suisse 93. 

Claus, Untersuchungen über die Bevölke- 
rungs- und Wohnungsdichtigkeit der 
Stadt Rostock i. M. 867. 

Deutschlands Heilquellen und Bäder 33. 

Die Sterblichkeit nach Todesursachen u. 
s. w. im preussischen Staate während 
des Jahres 1898. 525. 

Drouineau, Année démographique 1398. 45. 

Escherich, Studien über die Morbidität der 
Kinder in verschiedenen Altersklassen 
525. 

Finkelnburg. Ueber Gesundheitsbeschädi- 
gungen in Folge der Kuhpockenimpfung 
und die Maassnahmen zur Verhütung 
derselben vom 
Standpunkte 854. 

Fraenkel, Das Untersuchungsamt für an- 
steckende Krankheiten zu Halle a.S. 210. 

Frölich, Ueber den Militär-Gesundheits- 
dienst (irossbritanniens 869. 

Gerland, Handhabung der Gesundheits- 
polizei in der Stadt Hildesheim während 


der Jahre 1892—1899 und ihre Erfolge | 


714. 

Geschäftsbericht des Stadtrathes der Stadt 
Zürich 1899. 2 

Gesundheitsrath 360. 

Goebel, Der internationale Gesundheits- 
rath in Alexandrien 660. 

Hausschlachtungen und Fleischschaugesetz 
631. 

Hinterberger, Einiges über Leichenhallen 
952. 

Jadassobu und Schmid, Prostitution und 
venerische Krankheiten. 1. Die Prosti- 
tution und die venerischen Krankheiten 
in der Schweiz. 2. Die internationale 
Konfereuz zur Verhütung der Syphilis 
und der venerischen Krankheiten in 
Brüssel (September 1899) 245. 

Jahresbericht über die allgemeine Poli- 


klinik des Kantans Basel-Stadt im Jahre | 


1899. 206. 

Janssens, Statistique démographique et mé- 
dieale de l’agglomiration bruxelloise 46. 

Johannessen, Ueber Laugevergiftung bei 
Kindern 713. 

Kossel und Frosch, Ueber 
Oporto 293. 

Kübler, Bekanntmachung des Reichskanz- 
lers. betreffend Bestimmungen zur Aus- 
führung des Gesetzes über die Bekäm- 
pfung gemeingefährlicher Krankheiten 
659. 


die Pest in 


sanitätspolizeilichen | 


Sach-Register. 


Landau, Kurpfuscherei im Licbte der Wahr- 
heit 868. 

Lent, Die Medieinalreform in Preussen 868. 

Leroy, Contribution à l’etude de l’alcov- 
lisme en Bretagne. L’aleoolisme dans 
la Finistère au XIX. siecle 201. 

Levy, Die Berliner Rettungsgesellschaft, 
ihre Ziele und ihre Organisation 1227. 

Messner, Ueber Milchkontrole 608. 

Ministerialerlass vom 4. März 1901 über 
Leicheuschau in Preussen 1116. 


| Ministerialverfügung im Königreich Sachsen 


betreffend Anzeigepflicht bei Tuberku- 
lose 628. 

Polizeiverordnung gegen den Missbrauch 
geistiger (retränke in Steinbruchbetrieben 
für den Kreis Striegau 922. 

Polizeiverordnung in München über deu 
Verkauf von Kindermilch 626. 

Polizeiverordnung über Leichenschau im 
Kreise Nieder-Barnim 922. 

Posselt, Die geographische Verbreitung 
des Blasenwurmleideus, insbesondere 
des Alveolarechinokokkus der Leber und 
dessen Kasuistik seit 1886. 69. 

Preussischer Ministerialerlass betreffend 
medieinische Eingriffe am Menscheu 965. 

Preussischer Ministerialerläss über die ge- 
sundheitspolizeiliche Ueberwachung vou 
Seeschiffen 1116. 

Reille. Le casier sanitaire de la ville de 
Paris 521. 

Reincke, Leitfaden für Wohnungspfleger 74. 

— Das Medieinalwesen des Hamburgischen 
Staates 810. 

Runderlass über die sittenärztliche Unter- 
suchung Prostituirter in Preussen vam 
14. April 1900. 1117. 

Rychna, Die Nativitäts- und Mortalitäts- 
ausweise der k. k. statistischen Central- 
Kommission in Wien und des Kaiserl. 
Gesundheitsamtes in Berlin 358. 

Schelenz, Frauen im Reiche Aeskulaps 148. 

Schenk, Der gegenwärtige Standpunkt in 
der Bekämpfung des Kindbetttiebers 1221. 

Schlockow, Roth und Leppmann, Der 
Kreisarzt 204. 

Sehmidtmann, Die internationale Konie- 
renz zu Brüssel im Jahre 1899 und die 
in Preussen zur Bekämpfung der Ge- 
schlechtskrankheiten seither getroffenen 
Maassnahmen 1029. 

Schneider und Süss, Haudkommeotar zum 
Arzneibuch für das Deutsche Reich, 
vierte Ausgabe 147. 

Schwartz, Ueber das gesetzlich angeord- 
nete Zusammenwirken der die Ge- 
burtshülfe ausübenden Aerzte mit den 
Hebammen 714. 

Seuchenstand 48, 97, 152, 208, 247, 311, 
368, 424, 471, 527, 576, 631, 687. 688. 
716, 772, 815, 875, 924, 965, 1028. 
1082, 1121, 1179, 1228. 


Sach-Register. 


Soeiale Verwaltung in Oesterreich am 
Ende des 19. Jahrhunderts. I. Band: 
Socialökonomie. II. Band: Hygiene und 
öffentliches Hilfswesen 307. 

Sterblichkeit 48, 152, 247. 

Stumpf, Ergebuisse der Schutzpockenim- 
pfung im Königreiche Bayern im Jahre 
1899. 671. 

Szalärdi, Der gegenwärtige Stand des 
Findelwesens in Ungarn 33. 

Tabellariselie Uebersichten, betreffend den 
Civilstand der Stadt Frankfurt a./M. im 
Jahre 1899. 958. 

Vagedes, Ueber die Pest in Oporto 293. 

Verfügung der Regierung in Anhalt über 
Maassregeln gegen die Verbreitung des 
Trachoms durch Sachsengänger 1174. 

Verfügung im Regierungsbezirk Minden, 
in Mecklenburg u. s. f. über Verhütung 
der granulösen Augenentzündung 624. 

Verordnung in Baden über Einrichtung 
und Betrieb von Bäckereien und Kon- 
ditoreien 628. 

Verordnung über den Verkehr mit Milch 
in Sachsen-Koburg-Gotha 918. 

Verordnung über den Verkehr mit Milch 
in Strassburg i./E. 920. 

Verslag omtrent de verrichtingen van den 
gemeentelijken gezondheitsdienst te 
Amsterdam over 1899. 358. 

Weltausstellung zu Paris 1900. Deutsches 
Reich. Verzeichniss der auf dem Ge- 
biete der Hygiene und der sonst vom 
K. Gesundheitsamte vorbereiteten Vor- 
führungen 309. 

Wex, Ueber das 
Kreise Düren 313. 

v. Ziemssen, Die Bedeutung ländlicher 
Sanatorien für die Zukunft der öffent- 
lichen Krankenpflege 33. 


Hebammenwesen im 


Nahrungsmittel. 
(s. Ernäbrung.) 


Prostitution. 


Aufruf der deutschen Hochschullehrer der 
Hygiene an die studirende Jugend zur 
Verhütung der Geschlechtskrankheiten 
1119. 

Bernstein, Wie schützt man sich vor ge- 
schlechtlichen Erkrankungen? 809. 

Bezançon, Griffon und Le Sourd, Strepto- 
bacillen des weichen Schankers 686. 

Jadassohn und Schmid, Prostitution und 
venerische Krankheiten. 1. Die Prosti- 
tution und die venerischen Krankheiten 
in der Schweiz. 2. Die internationale 
Konferenz zur Verhütung der Syphilis 
und der venerischen Krankheiten in 
Brüssel (September 1899) 245. 

Kohlbrugge, Syphilis in den Tropen 865. ı 


1295 


Löblowitz, Frauenasyle, eine hygienische 
Studie 809. 

v. Notthafft und Kollmann, Die Prophy- 
laxe bei Krankheiten der Harnwege und 
des Geschlechtsapparates (des Mannes) 
864. 

Runderlass über sittenärztliche Unter- 
suchung der Prostituirten in Preussen 
vom 14. April 1900. 1117. 

Runeberg. Ueber den Einfluss der Syphilis 
auf die Sterblichkeit unter den Ver- 
sicherten 186. 

Sehmidtmann, Die internationale Konferenz 
zu Brüssel im Jahre 1892 und die in 
Preussen zur Bekämpfung der Ge- 
schlechtskrankheiten seither getroffenen 
Maassnahmen 1029. 

Schutz, Neue Bahnen im Geschlechtsver- 
kehr 865. 


Spezielle sanitäre Einrichtungen. 


Alexander, Diskussion zu Mendelsohn: 
„Ueber dieNothwendigkeit derErrichtung 
von Heilstätten für Herzkranke, 979. 

Baer, Diskussion zu Mendelsohn: „Ueber 
‚die Notbwendigkeit der Errichtung von 
Heilstätten für Herzkranke 979. 

Breuille, Les crèches de Paris 1107. 

Charpentier, De l’utilit des pouponnieres 
682*. 

Cohn, Gesundheitspflege und Volkskinder- 
garten 81. 

Dubranle, Suppleance de l’ouie chez les 
sourds par la lecture sur les lèvres 1107. 

Elkan, Hygiene und Diätetik für Lungen- 
kranke 291. 

Fraenkel, Das Untersuchungsamt für an- 
steckende Krankheiten zu Halle a. S. 
210. 

Hacke, Kurse für Aerzte an Taubstummen- 
anstalten 683*. 

Heubner, Ueber die Verhütung der Tuber- 
kulose im Kindesalter in ihren Bezie- 
bungeu zu Heil- und Heimstätten .66. 

Heymann, Diskussion zu Mendelsohn : 
„Ueber die Nothwendigkeit der Errich- 
tung von Heilstätten für Herzkranke.* 
979. 

Jacobsohn, Diskussion zu Mendelsohn: 
„Ueber die Nothwendigkeit der Errich- 
tung von Heilstätten für Herzkranke.“ 
980. 

Jahresbericht über dieallgemeine Poliklinik 
des Kantons Basel-Stadt im Jahre 1899 
206. 

Knorr, Oeffentliche Waschanstalten 143. 
Liebe, Der Stand der Volksheilstätten- 
bewegung im In- und Auslande 290. 
L’office des nourrices dans les Vosges 682*. 
Marcuse, Diskussion zu Mendelsohn : 

„Ueber die Nothwendigkeit der Errich- 


1296 


tung von Heilstätten für Herzkranke* 
979. 

Mendelsohn, Ueber die Nothwendigkeit 
der Errichtung von Heilstätten für Herz- 
kranke 967. 

— Diskussion zu Mendelsohn: „Ueber die 
Nothwendigkeit der Errichtung von 
Heilstätten für Herzkranke.“ 979, 980. 

Mugdan, Diskussion zu Mendelsohn: 
„Ueber die Nothwendigkeit der Errich- 
tung von Heilstätten für Herzkranke.* 
979. 

Neisser, Bettbehandlung der akuten Psy- 
chosen und über die Veränderungen, 
welche ihre Einführung im Anstaltsorga- 
nismus mit sich bringt 243. 

Oebeke, Ueber das Rheinische Irrenwesen 
908. 

Pelman, Ueber die Errichtung von Sana- 
torien für Nervenkranke 1107. 

Schrader, 1. Bericht der Volksheilstätte 
für Lungenkranke im Regierungsbezirk 
Oppeln zu Loslau 0.-S. 290. 

Städtisches Sanatorium Harlaching - Mün- 
chen 895. 

Szalärdi, Der gegenwärtige Stand des 
Findelwesens in Ungarn 33. 

Toulouse, Direction et personnel medical 
des Asiles d’aliönes 1149, 

Volksheilstätten und Rekonvalescenten- 
häuser in Oesterreich 681*. b 

Wehmer, Diskussion zu Mendelsohn: 
„Ueber die Nothwendigkeit der Errich- 
tung von Heilstätten für Herzkranke.* 
979. 

v. Ziemssen, Die Bedeutung ländlicher 
Sanatorien für die Zukunft der öffent- 
lichen Krankenpflege 33. 


Schulhygiene. 


Abel, Zweite Jahresversammlung des All- 
gemeinen Deutschen Vereins für Schul- 
gesundheitspflege 816. 

Altschul, Welchen Schädigungen können 
Herz- und Athmungsorgane durch Leibes- 
übungen ausgesetzt werden? 1152. 

Anweisung des Ministeriums in Sachsen- 
Meiningen für Schulärzte 623. 

Arbeiten der Kommission für Schulgesund- 
heitspflege zu Nürnberg über die Be- 
schaffenheit des Druckes der Schulbücher 
in Hinsicht auf die Hygiene des Auges 
517. 

Aust, Ueberbürdung und Schulreform 908. 

Baginsky, Handbuch der Schulbygiene 3. 

Barth, Ueber die nachtheilige Beeinflussung 
des Schwimmunterrichts durch Veren- 
gerung der obersten Luftwege 912. 

Baur, Die Hygiene der Leibesübungen für 
Turnlehrer, Lebrer und Aerzte 244. 

Bayr, Schulstrafen 558. 


Sach-Register. 


Braehmer, Diskussion zu Radziejewski: 
„Auge und Berufswahl“ 375. 

Burgerstein, Rathschläge, betreffend die 
Herstellung und Einrichtung ven Ge- 
bäuden für Gymnasien und Realschuleu, 
unter besonderer Rücksichtnahme auf 
die Forderungen der Hygiene 79. 

Cohn. H., Die Hygiene des Auges im 
19. Jahrhundert 558. 

— M., Gesundheitspflege und Volkskinder- 
garten 81. 

Comte, Les colonies de vacances 561. 

Crainiceanu, Die Gesundheitspflege der 
Augen 246. 

Dick ‚Les colonies de vacances. 
des trois semaines 561. 

Die neueren Schulbauten der Stadt Manu- 
heim 912. 

Dienstanweisung für Schulärzte in Char- 
lottenburg 621. 

Dubranie, Suppl&ance de l’ouie chez les 
sourds par la lecture sur les lèvres 1107. 

Engelmann, The American girl of to-day 
685 

Erismann, Tagesbeleuchtung der Schul- 
zimmer 318. 

— Die erste Versammlung des „Allg-- 
meinen Deutschen Vereius für Schul- 
gesundheitspflege“ in Aachen (16. Sep- 
tember 1900) 909. 

Erlass des hessischen Ministeriums des 
Innern über schulhygienische Unterwei- 
sung der Lehrer 923. 

Frankenburger, Obligatorische oder fakul- 
tative Jugendspiele? 83. 

Frenzel, Das Lebens- und Personalbuch 
im Dienste der Pädagogik und Schul- 
hygiene 1150. 

Geheeb, Ein Beitrag zur Behandlung der 
konstitutionellen Schwäche im Kindes- 
alter 83. 

Georges-Martin, Promenades maternelles 
1154. 

Gerhardi, Psychologie in Bezug auf Päda- 
gogik und (iesundheitspflege 910. 

— Ueber Anschauung 1153. 

Grothe, Ueber Schuleinrichtungen für 
schwachbegabte Kinder 911. 

Hacke, Kurse für Aerzte an Taubstummen- 
anstalten 683*. 

Hakonson-Hansen, Schulgebäude uach dem 
Pavillonsystem in Drontheim S0. 

Herberich. Gegenbemerkungen zu den kri- 
tischen Bemerkungen über die Münche- 
ner Thesen zur Schulreform des Herrn 
Dr. Kotelmann 32. 

Hirsch, Diskussion zu Radziejewski: „Auge 
und Berufswahl“ 376. 

Kläbe, Ueber die Auswahl der schwach- 
begabten Kinder fürdie Hilfsschule 1152. 

Knudsen, Die neue dänische Gymnastik 
1150. 


L'oeuvre 


Sach-Register. 1297 


Königshöfer, Die Prophylaxe der Augen- 
heilkunde 1170. 

Kotelmann. Noch einmal die Münchener 
Thesen zur Schulreform 557. 

— Ein Fall von Ueberbürdung im klassi- 
schen Alterthum 1154. 

Krämer, Diskussion zu Radziejewski: „Auge 
und Berufswahl“ 376. 

Kraus, Statistische Aufnahme der Volks- 
schulen Oesterreichs 556. 

Krug. Aus der schulärztlichen Praxis 83. 

Kunze, Die Hilfsschule zu Halle a.S. 1152. 

Langsdorf, Beiträge zum gegenwärtigen 
Stande der Steilschriltbewegung 557. 

Ministerialerlass in Preussen über Verlän- 
gerung der Schulpausen 1176. 

Mosler, Zur Verhütung der Ansteckung 
mit Tuberkelbacillen in Schulen, auf 
öffentlichen Strassen, im Eisenbahnwagen 
534. 

Mouton, Ist es möglich, die Mortalität in 
Folge von Masern durch gesetzliche Be- 
stimmungen herabzudrücken? 556. 

Müller, Gerloff, Einführung einer einheit- 
lichen Schreib- und Druckschrift 819. 

Nussbaum, Die Vorbildung des Techni- 
kers 562. 

Pause, Zur Hygiene der Schulgebäude 81. 

Radziejewski, Auge und Berufswahl 364. 

— Diskussion zu Radziejewski: „Auge und 
Berufswahl“ 376. 

Rinkel, Zuntz, Genzmer, Schulbygienische 
Einrichtungen der Stadt Wiesbaden 818. 

Rostowzeff, Ueber die Nothwendigkeit der 
Individualisirung der Schulbänke; eine 
neue individuelle Schulbank 82. 


Rundschreiben der Regierung in Schwaben | 


und Neuburg über Verabfolgung warmer 
Mittagessen au Schulkinder 1176. 

Schmeichler, Die Augenhygiene am Ein- 
gange des 20. Jahrhunderts 559. 

Schmid-Monnard, Die Ursachen der Minder- 
begabung von Schulkindern 911. 

— Bericht über die an deu Vortrag des 
Herrn Kunze anschliessende Diskussion 
1152. 

Schotten, Die neue preussische Schulreform 
in Beziehung zur Schulhygiene S17. 
Schubert, Soll der Schularzt durch den 

Lehrer ersetzt werden? 516. 

Sichelstiel uud Schubert, Die Nürnberger 
Schulbank 1154. 

Sommerfeld, Diskussion zu Radziejewski: 
„Ange und Berufswahl“ 375. 

Vana, Messung derSchulkinder zum Zwecke 
der Anschaffung richtiger Schulbänke 
517. 

Verfügung der Regierung in Kassel über 
die Betheiligung von Lehrern und Schü- 
lern an Leichenbegängnissen 1175. 

Verfügung im Regierungsbezirk Minden, in 
Mecklenburg u. s. f. über Verhütung der 
granulösen Augenentzündung 624. 


Verordnung des Staatsministeriums in 
Sachsen-Weimar über Zahn- und Mund- 
pflege bei Schulkindern 1113. 

Ziegler, Augenübung im Anschluss an den 
Turnunterricht 912. 

Zollinger, Die neue Verordnung, betreffend 
das Volkschulwesen des Kanton Zürich 
vom 7. April 1900. 81. 


Schutzimpfung. 
(S. Immunität.) 


Statistik. 


Bericht über die Verwaltung und den 
Stand der Gemeindeangelegenheiten der 
Haupt- und Residenzstadt Stuttgart in 
den Jahren 1896—1893. 205. 

Bertarelli, Sulla mortalità per difterite 
nelle provincie italiane dal 1887 al 1898 
e sui suoi coefficienti modificatori 435. 

Bohata und Hausenbichler, Sanitätsbericht 
des österreichischen Küstenlandes für 
die Jahre 1895—1897. 92. 

Bordoni-Uffreduzzi, Relazione sui servizi 
d’Igiene e sanità nel comune di Mi- 
lano nel biennio 1896—97. 682. 

Burkhardt, Ergebnisse der amtlichen Pocken- 
todesfallstatistik im Deutschen Reiche 
vom Jahre 1898 u. s. w. 500. 

— Die Ergebnisse des Impfgeschäfts im 
Deutschen Reiche für das Jabr 1897. 508. 

Carrière, L’bygiene publique en Suisse 93. 

Claus, Untersuchungen über die Bevölke- 
rungs- und Wohnungsdichtigkeit der 

| Stadt Rostock i. M. 867. 

Die Sterblichkeit nach Todesursachen u.s.w. 
im preussischeu Staate während des Jahres 
1898. 525. 

Die Thätigkeit der im Deutschen Reiche 
errichteten staatlichen Anstalten zur 
Gewinnung von Thierlymphe während 
des Jahres 1899. 509. 

Drouineau, Année démographique 1898.45. 

Escherich, Studien über die Morbidität der 
Kinder in verschiedenen Altersklassen 
525. 

Geschäftsbericht des Stadtrathes der Stadt 
Zürich 1899 205. 

Grabn, Die städtische Wasserversorgung 
im Deutschen Reiche sowie in einigen 
Nachbarländern. Königreich Bayern 

| 127. 

| Heimann, Zur Krebsstatistik S47, 1147. 

Janssens, Statistique démographique et mé- 
dicale de l'agglomération bruxelloise 46. 

Kraus, Statistische Aufnahme der Volks- 
schulen Osterreichs 556. 

| Kruse, Die Gesundheitsverhältnisse der 

Aerzte, Geistlichen und Oberlehrer im 

Vergleich mit deneu anderer Berufe 1170. 


1298 


Maeder, Die stetige Zunahme der Krebs- 
erkrankungen in den letzten Jahren 46. 


Posselt, Die geographische Verbreitung 
des Blasenwurmleidens, insbesondere 
des Alveolarechinokokkus der Leber 


und dessen Kasuistik seit 1886. 69. 

Prinzing, Die Kindersterblichkeit in Stadt 
und Land 866. 

— Die eheliche Fruchtbarkeit in Deutsch- 
land 956. 

Rahts, Ergebnisse der Todesursachensta- 
tistik 567. 

Reiche, Zur Verbreitung desCareinoms 506. 

Reille, Le casier sanitaire de la ville de 
Paris 521. 

Runeberg, Ueber den Einfluss der Syphilis 
auf die Sterblichkeit unter den Ver- 
sicherten 186. 

Rychna, Die Nativitäts- und Mortalitäts- 
ausweise der k. k. statistischen Central- 
Kommission in Wien und des Kais. Ge- 
sundheitsamtes in Berlin 358. 

Seuchenstand 48, 97, 152, 208, 247, 311, 
363, 424, 471, 527, 576, 631, 687, 688, 
716, 772, 815, 875, 924, 965, 1028, 
1082, 1121. 1179, 1228. 

Sociale Verwaltung in Oesterreich am Ende 
des 19. Jahrhunderts. I. Band: Social- 
ükonomie. 1.Band: Hygiene und öffent- 
liches Hilfswesen 307. 

Sterblichkeit 48, 152, 247. 

Tabellarische Uebersichten, betreffend den 
Civilstand der Stadt Frankfurt a. M. 
im Jahre 1899. 958. 

Verslag omtrent de verrichtingen van den 
gemeentelijken gezondheitsdienst te Am- 
sterdam over 1899 358. 

Weissenfeld, Die Veränderungen der Sterb- 
lichkeit an Diphtherie und Scharlach 
1088. 


Transportwesen. 


Berger, Zur Hygiene der Strassenbahn 767. 

Gesetzvorlage über neue Wasserbauten in 
Frankreich 686. 

Ministerialerlass in Preussen über die ge- 
sundheitspolizeiliche Kontrole der einen 
penissen Hafen anlaufenden Seeschiffe 
Il. 

Mosler, Zur Verhütung der Ansteckung 
mit Tuberkelbaeillen in Schulen, auf 
öffentlichen Strassen, im Eisenbahnwagen 
534. 

Preussischer Ministerialerlass über gesund- 
heitspolizeiliche Ueberwachung von See- 
schiffen 1116. 

Ruge, Scbiffsärztliches aus dem 17. und 
18. Jahrhundert 765. 


‚Sach-Register. 


Tropenhygiene. 


Celli, Die neue Propbylaxıs der Malaria 
in Latium 545. 

— und Delpino, Beitrag zur Erkenntuiss 
der Malariaepidemiologie vom neuesten 
epidemiologischen Standpunkte aus 185. 

Fermi und Lumbao, Beitrag zur Propby- 
laxisderMalaria; Versuche, den Menschen 
mittels chemischer Mittel gegen die 
Mückeu zu schützen 501. 

Gleim, Berichte über die Schlafkrankheit 
der Neger im Kongogebiete 797. 

Glogner, Ueber Immunität gegen Malaria 
502. 

Grawitz, Ein Beitrag zur Frage nach der 
Entstehung der sogenannten Tropeu- 
anämie 63. 

— Epidemiologischer Beitrag zur Frage 
der Malariainfektion 408. 

Grimm, Aerztliche Beobachtungen auf Yezo 
von 1887—1892. Ein Beitrag zur medi- 
einischen Geographie 178. 

Hueppe, Ueber die modernen Kolonisations- 
bestrebungen und die Anpassungsmög- 
lichkeit der Europäer in den Tropen 789. 

James, On the metamorphosis of the 
filaria sanguinis hominis in mosquitos 
764. 

Koch, Dritter Bericht über die Thätigkeit 
der Malariaexpedition. Untersuchungen 
in Deutsch-Neu-Guinea während der 
Monate Januar und Februar 1900. 25. 

— Vierter Bericht über die Thätigkeit der 
Malaria-Expedition, die Monate März und 
April 1900 umfassend 358. 

— Fünfter Bericbt über die Thätigkeit der 
Malariaexpedition, Untersuchungen in 
Neu-Guinea während der Zeit vom 28. 
April bis 15. Juni 1900 667. 

— Schlussbericht über die Thätigkeit der 
Malariaexpedition 844. 

— Zusammenfassende Darstellung der Er- 
gebnisse der Malariaexpedition S45. 
Koblbrugge, Kritische Betrachtung zum 
zweiten Bericht über die Thätigkeit der 
Malaria-Expedition von Herrn Geh. Med.- 

Rath Prof. Dr. R. Koch 352. 

— Betrachtungen über den Einfluss des 
tropischen Klimas auf den Körper 431. 

— Syphilis in den Tropen 865. 

Kronecker, Die „Kala-Azar“ in der vorder- 
indischen Provinz Assam 764. 

Lewkowicz, Zur Biologie der Malariapara- 
siten 298. 

Macleod, On thermic fever so called siri- 
asis, with special reference to its 'alle- 
ged microbie causation 488. 

di Mattei, Die Prophylaxe des Malaria- 
fiebers durch Schutz des Menschen gegen 
die Schnacken 501. 


Sach-Register. 


Mense, Bemerkungen und Beobachtungen | 
über die Schlafsucht der Neger 798. | 

Morgenroth und Weigt, Bericht über die | 
Wasserversorgung in und um Tientsin ! 
713. 

Plehn, Bericht über eine Studienreise in 


Deutsch-Ostafrika, Unteregypten und 
Italien 409. 
— Die neuesten Untersuchungen über 


Malariaprophylaxe in Italien und ihre 
tropenhygienische Bedeutung 1096. 
Prowe, Gelbfieber in Centralamerika 796. 
Ranke, Ueber die Einwirkung des Tropen- 
klimas auf die Ernährung des Menschen 
auf Grund von Versuchen im tropischen 
und subtropischen amerika 177. | 

Richter, Ein Fall von Schwarzwasserfieber 
nach Euchinin 409. 

The malaria expedition to Sierra-Leone 297. 

Ziemann, Ueber die Beziehungen der Mos- 
quitos zu den Malariaparasiten in Ka- 
merun 352. 

— Ueber das Sehwarzwasserfieber 670. 

-- Zweiter Bericht über Malaria und 
Mosquitosan der afrikanischen Westküste 
$45. 


Ventilation. 
(S. Heizung). 


Verhandlungen der Deutschen Gesell- 
schaft für öffentliche desundheitspflege 
zu Berlin, 


Lassar. Ucher den Stand der Volksbäder 
1123. 

Mendelsohn, Ucber die Nothwendigkeit 
der Errichtung von Heilstätten für Herz- 
krauke 967. 

Neumann, Die Lage der unehelichen Kinder 
in Berlin 248. 

Radziejewski, Auge und Berufswahl 364. 

Schaper, Trauerfeier zu Ehren Spinola’s 
474. 

Wehmer, Trauerfeier zu Ehren Spinola’s 
473. 


Verordnungen und Gesetze. 


Anweisung des Ministeriums in Sachsen- 
Meiningen für Schulärzte 623. 

Anweisung zur Herstellung und Unter- 
haltung von Centralheizungs- und Lüf- 
tungsanlagen 686. 

Anzeigepflicht für Windpocken in Berlin 
1173. 

Bestimmungen über die Beschäftigung ju- 
gendlicher Arbeiter 922. 

Bestimmung über Sitzgelegenheiten für 
Angestellte in offenen Verkaufsstellen 
für das deutsche Reich 921. 


1299 


Burkhardt, Gesetz, betreffend die Bekä 
pfung gemeingefährlicher Krankheiten 
vom 30. Juni 1900. 288. 

Dienstanweisung für Schulärzte in Char- 
lottenburg 621. 

Erlass des Hessischen Ministeriums des 
Innern über schulbygienische Unterwei- 
sung der Lehrer 923. 

Französisches Gesetz über Besteuerung 
vergohrener Getränke 151. 

Gesetzvorlage über neue Wasserbauten in 
Frankreich 686. 

Ministerialerlass in Preussen über ärzt- 
liche Untersuchung und Impfung aus- 
ländischer Arbeiter vom 13. Juni 1900 
574. 

Ministerialerlass in Preussen über die ge- 
sundheitspolizeiliche Kontrole der einen 
preussischen Hafen anlaufenden Seeschiffe 
571. 

Ministerialerlass in Preussen über Schutz- 
impfung gegen Tollwuth vom 10.Juli 1899 
570. 

Ministerialerlass in Preussen über Verlän- 
gerung der Schulpausen 1176. 

Ministerialerlass vom 4. März 1901 über 
Leichenschau in Preussen 1115. 

Ministerialverfügung im Königreich Sachsen 
betr. die Anzeigepflicht bei Tuberkulose 
628. 

Polizeiverordnung für den Regierungsbezirk 
Danzig über Ausübung des Frisir-, Bar- 
bier- und Haarschneidegewerbes vom 
5. Mai 1900. 569. 

Polizeiverordnung für den Regierungsbe- 
zirk Köln über Beschäftigung von Kin- 
dern mit gewerblichen Arbeiten 1113. 

Polizeiverordnung gegen den Missbrauch 
geistiger Getränke in Steinbruchbetrieben 
für den Kreis Striegau 922. 

Polizeiverordnung in Charlottenburg über 
Transport von Fleisch 630. 

Polizeiverordnung in Gumbinnen über 
Handel mit Fleisch 629. 

Polizeiverordnung in München über den 
Verkauf von Kindermilch 626. 

Polizeiverordnung über den Ausschank 
und Verkauf von Bier in Crimmitschau 
922. 

Polizeiverordnung über Leichenschau im 
Kreise Nieder-Barnim 920. 

Preussischer Ministerialerlass betr. die 
Fürsorge für die Reinhaltung der Ge- 

ässer vom 20. Februar 1901. 959. 

Preussischer Ministerialerlass betr. medi- 
einische Eingriffe am Menschen 965. 

Preussischer Ministerialerlass über ge- 
sundheitspolizeiliche Ucberwachung von 
Seeschiffen 1116. 

Rapmund, Die gesetzlichen Vorschriften 
über die Schutzpockenimpfung 192. 


1300 


Runderlass über die sittenärztliche Unter- 
suchung der Prostituirten in Preussen 
vom 14. April 1900. 1117. 


Rundschreiben der Regierung in Schwaben ' 


uud Neuburg über Verabfolgung warmer ' 


Mittagessen an Schulkinder 1176. 

Sitzgelegenheit für Geschäftsangestellte in 
Frankreich 151. 

Verfügung der Regierung in Anhalt über 
Maassregelu gegen die Verbreitung des 
Trachoms durch Sachsengänger 1174. 

Verfügung der Regierung in Bromberg 
über die Beziehbarkeit der Wohnungen 
in neu erbauten Häusern 569. 

Verfügung der Regierung in Hildesheim 
über Schutz der Arbeiter auf Baustellen 
1174. 

Verfügung der Regierung in Kassel über 
die Betheiligung von Lehrern und 
Schülern an Leichenbegängnissen 1175. 

Verfügung im Regierungsbezirk Minden, 
in Mecklenburg u.s.f. über die Verhütung 
der granulösen Augenentzünduug 624. 

Verfügung in Potsdam über Behandlung 
des Fleisches mit Präservesalzen 629. 

Verfügung in Potsdam über Verunreini- 
gung von Trinkwasserleitungen durch 
Anschluss von Klosets 627. 

Verordnung des Staatsministeriums in 
Sachsen-Weimar über Zahn- und Mund- 
pflege bei Schulkindern 1113. 

Verordnung iu Baden über Einrichtung 
und Betrieb von Bäckereien und Kon- 
ditoreien 628. 

Verordnung über den Verkehr mit Milch 
in Sachsen-Koburg-Gotha 918. 

Verordnung über den Verkehr mit Milch 
in Strassburg i. E. 920. 

Wohnungsaufsichtfür das Königreich Bayern 
1113. 


Versammlungen, 


(S. a. Verhandlungen der Deutschen Ge- 
sellsehaft für öffentliche Gesundheitspflege 
zu Berlin). 

Abel, Zweite Jahresversammlung des All- 
gemeinen Deutschen Vereins für Schul- 
gesundheitspflege 816. 

Deutscher Verein für öffentliche Gesund- 
heitspflege 208, 423, 875. 

Erismaun, Die erste Versammlung des 
„Allgemeinen Deutschen Vereins für 
Schulgesundheitspflege* in Aachen (16. 
September 1900) 909. 

Frank, Bakteriologisches und Hygienisches 
von der 72. Versammlung Deutscher 
Naturforscher und Aerzte in Aachen 
vom 13.—20. September 1900. 312. 

Jadassohn und Schmid, Die internationale 
Konferenz zur Verhütung der Syphilis 
und der venerischen Krankheiten in 
Brüssel (September 1899) 245. 


Buttersack , 


Sach-Register. 


19. Kongress für innere Medicin 150, 362. 

Kongress gegen den Alkoholismus 362. 

Kossel, 10. interuationaler Kongres» für 
Hygiene und Demographie 98. 

Versammlung deutscher Naturforscher und 
Aerzte 768. 


Verschiedenes. 


Arendt, Technik der Experimentalchemie 
427. 

Baumgarten, Der gegenwärtige Stand der 
Bakteriologie 489. 

Baur. Die Hygiene der Leibesübungen für 
Turnlehrer, Lehrer und Aerzte 24. 
Behla, Ueber neue Forschungen der Kreb»- 

ätiologie 187. 

Bendix, Zur Chemie der Bakterien 917. 

Biernacki, Moderne Heilwissenschaft, We: 
und Grenzen des ärztlichen Wissens S 

Bing, Prophylaxe in der Obrenheilkun« 

Bourcet, Sur l’iode normal de I organisme 
et son ċlimination 6S4. 

Bredig und Müller v. Berneck, Ucher an- 
organische Fermente. 1. Ueber Platin- 
katalyse und die chemische Dynamik 
des Wasserstofsuperoxyds 620. 

Nichtarzneiliche Therapie 
innerer Kraukheiten 872. 

Camus et Gley, Action du liquide de Ja 
prostate externe du hérisson sur le li- 
quide des vésicules séminales: vature 
de cette action. — Sur quelques prò- 
pri et réactions du liquide de ia 
prostate iuterne du hérisson 766. 

Crainiceanu, Die Gesundheitspflege 
Augen 240. 

Deycke und Voigtländer, Studien über 
kulturelle Nährböden 1173. 

v. Drigalski, Zur Wirkung der Lichtwär- 
mestrahlen 515. 

Dubois, Sur Féelairage par la lumière 
froide physiologique, dite lumicre vivante 
907. 

Ehret, Valeur de la préseuce du baville 
filiforme dans l'estomac pour le dia- 
gnostic précoce du cancer de cet orgau 
763. 

Einhorn, Mendelsohn, Rosen, Prophylaxe 
in der iunern Medicin 470. 

Engelmann, The American girl of to-day 
685. 

Fischer, Leitfaden der kriegschirurgischeu 
Operationen 874. 

Flatau, Prophylaxe bei Hals- und Nasen- 
kraukheiteu 95. 

Französische Expedition zur Erforschung 
des gelben Fiebers 1179. 

Fricke, Zinkhaltige Pflanzen 620. 

Garbe, Die Feuersicherheit dergewerblicben 
Betriebsstätten 144. 


der 


Sach-Register. 


Gautier, La fonction menstruelle et le rut ! 
des animaux. Role de l’arsenie dans 
Péconomie 64. 

Gley et Bourcet, Présence de l’jode dans le | 
sang 360. 

Harpf, Flüssiges Schwefeldioxyd. Darstel- 
lung, Rigenschaften und Versendung 
desselben. Anwendung des flüssigen und 
gaslörmigen Schwefeldioxydes in Gewerbe 
und Industrie 1171. 

Hinterberger, Eine Moditikation des Geis- 
selfärbungsverfahrens nach van Ermen- 
gem 96. 

Höber, Ueber Platinkatalyse. Beobachtun- 
gen an Gasketten 916. 

Jolles, Einiges über die Eiweisskürper 981. 

— Einiges über die Eiweisskörper II. 1133. 

Kassner, Ueber Kohlenoxyd-Vergiftung 
und die neue Möglichkeit ihrer Heilung 
1076. 

Katsura, Ueber den Einfluss der Queck- 
silbervergiftung auf die Darmbakterien 
526. 

Kuorr, Oeffentliche Waschanstalten 143. 

Königshofer, Die Prophylaxe der Augen- 
heilkunde 1170. 

Kuntze, Ein Beitrag zur Kenntniss der 
Bedingungen der Farbstoffbildung des 
Bacillus prodigiosus 149. 

Laborde, Vergiftung durch ein Haarfärbe- 
mittel 770. 

Le nouveau règlement des élèves des hò- 
pitaux de Paris 574. 

Lehmann, Eine Reise 
Hungergebiet 10. 

Levy, Die Berliner Rettungsgesellschaft, 
ihre Ziele und ihre Organisation 1227. 

— und Fickler, Ueber ein neues patho- 
genes keulenförmiges Bakterium der 
Lymphe (Corynebacterium Lymphae 
vaccinalis) 349. 

Lewin, Ueber die toxikologische Stellung 
der Rapbiden 39. 

Loewy und Cohn, Ueber die Wirkung 
der Teslaströme auf den Stoffwechsel 
606. 

Lop, Vergiftung durch Lackfarbe 1179. 

Löwit. Weitere Untersuchungen über die 
Parasiten der Leukämie 27. 

Maeder, Die stetige Zunahme der Krebs- 
erkrankungen in den letzten Jahren 46. 

Marcuse, B., Ueber Leberlymphome bei 
Infektionskrankheiten 64. 

— J., Die Anwendung des Wassers in der ! 
Heilkunde 566. | 

Martius, Allgemeine Prophylaxe 470. 

-—- Fr., Pathogenetische (Grundansehau- 
ungen 7. 

Migula, Beiträge zur Kenntniss der Nitriti- | 
kation 1. Nitrifikation im Waldboden ER 

Müller, Ohrenhygiene beim Haarschneiden | 


in das russische 


A | 
758. 
Nachruf an Max von Pettenkofer F 209. ' 


1301 


Nakanishi, Beiträge zur Kenntniss der 
Leukocyten und Bakteriensporen 149. 
Neisser und Wechsberg, Ueber eine neue 
einfache Methode zur Beobachtung von 
Schädigungen lebender Zellen im Organis- 

mus (Bioskopie) 621. 

Nobiling-Jankau, Handbuch der Prophylaxe 
95, 470. 

Nussbaum, Die Vorbildung des Technikers 
562. 

Oppenheimer, Zur Theorie der Ferment- 
processe 958. 

Pfeiffer, Zum (edächtniss für Max v. Pet- 
tenkofer 717. 

Pick, Ueber die Methoden, anatomische 
Präparate naturgetreu zu konserviren 
766. 

Piza, Ueber Hautentzündung durch Pri- 
melgift (Dermatitis e Primula obconica 
Hauce) 917. 

Polizeiverordnung für den Regierungsbezirk 
Danzig über Ausübung des Frisir-, Bar- 
bier- und Haarschneidegewerbes vom 
5. Mai 1901. 569. 

Poore, Essays über Hygiene aut dem 
Lande 870. 

Preussischer Ministerialerlass betr. medi- 
einische Eingriffe am Menschen 965. 
Raab, Ueber die Wirkung fluoreseirender 

Stoffe auf Infusorien 91. 

Recknagel, Kalender für (esundheitstech- 
niker 1901. 246. 

Reiche, Zur Verbreitung des Careinoms 
506. 

Rosenberger. Uebertragung von Krankheits- 
keimen durch Fieberthermometer 1179. 

Roth, Die Strahlen mineralischer Licht- 
sauger als Heil- und Entseuchungs- 
mittel 678. 

Rubner, Ueber Spaltung und Zersetzung 
von Fetten und Fettsäuren im Boden 
und Nährtlüssigkeiten 126. 

Salaksin und Zaleski, Ucber den Einfluss 
der Leberexstirpation auf den Stoff- 
wechsel bei Hunden 411. 

Sames, Zur Kenntniss der bei höherer 
Temperatur wachsenden Bakterien- und 
Streptothrixarten 207. 

Schanz, Die Bakterien des Auges 6. 

Schaper, Trauerfeier zu Ehren Spinola’s 
474. 

Schelenz, Frauen im Reiche Acskulaps 
148. 

Scholtz, Ueber die Wirkung der Röntgen- 
strahlen auf die Haut und ihre Verwen- 
dung bei der Behandlung der Haut- 
krankheiten 949. 

Schüller, I. Beitrag zur Actiologie der 
tieschwülste 27. 

— Il. Beitrag zur Kenntniss der Syphilis- 
Actiologie 28. 

Schulz, Neue Bahnen im (ieschlechtsver- 
kehr 865. 


1302 


Schwalbe, Ueber Variabilität und Pleo- 
morphismus der Bakterien 683. 

v. Stein, Ueber den Einfluss chemischer 
Stoffe auf den Process der Krystalli- 
sation des Hämoglobins 765. 

Strebel, Haar- und Haarbodenkrankheiten | 
nebst einem Mittel zu deren Bekämpfung 
9. 

Thomas, Die 
Handels 40. 

Trautmann, Leitfaden für Operationen am 
Gehörorgan 1077. 

Villaret, Handwörterbuch der gesammten 
Medicin 526. 

Wehmer, Trauerfeier zu Ehren 
473. 

Weltausstellung zu Paris 1900. Deutsches | 
Reich. Verzeichniss der auf dem Ge- 
biete der Hygiene und der sonst vom 
K. Gesundheitsamte varbereiteten Vor- 
führungen 309. 

Wendel, Zur Hygiene der Rasirstuben 
834. 

Windscheid, Prophylaxe in der Nerven- 
heilkunde 95. 

Wolf, Zur Reduktionsfähigkeit der Bak- 
terien 428. 

Zaubitzer, Studien über eine dem Stroh- | 
infus entnommene Amübe 1172. 

Zuntz und Schumburg, Studien zu einer 
Physiologie des Marsches 917. 


flüssige Kohlensäure des 


Spinola’s 


Wasser: 


Abba, Ueber die Nothwendigkeit, die | 
Technik der bakteriologischen Wasser- ' 
untersuchung gleichfürmiger zu gestalten 
287. 

Arago, Le dernier mot sur les eaux de 
Paris. Les résultats de Penquète offi- 
cielle 62. 

Beer, Die Arbeiten der Kommission deut- 
scher und ausländischer Filtrations- | 
techniker und Erfahrungen über Sand- | 
filtration 428. 

Belli, Chemische, mikroskopische und bak- 
teriologische Untersuchungen über den 
Hagel 1181. 

Beyschlag, Ohlmüller, Orth, Gutachten 
über die Verunreinigung der Haase | 
durch die Piesberger Grubenwässer und | 
deren Folgen 1055. i 

Bizzozero, Ueber die Reinigung des Trink- 
wassers durch das Abkochen 788. 

Blanehard, Wasser und Gemüse bei Ver- 
breitung der Helminthiasis 108. 

Bloch, Die Geschichte der Wasserversorgung 
des oberschlesischen Industriebezirks 
1193. 

Brunck, Die quantitative Bestimmung des À 
Ozons 602. 


Sach-Register. 


Canalis, L’uso delle falde acjuee setter- 
ranee nella alimentazione delle città 
656. 

Chantemesse, Nouvelle méthode permettant 
de reconnaitre le bacille d’Eberth dans 
leau 752. 

Gärtner, Amerikanische 
Sandfiltration 128. 
Gerhard, Ueber amerikanische Filter und 
Filtermethoden, insbesondere über die 

Schnell-Wasserfilter 658. 

Grahn, Die städtische Wasserversorgung 
im Deutschen Reiche sowie in einigen 
Nachbarländern. Königreich Bayern 127. 

Gruber, Ueber den Handel mit Eis 603. 


Versuche über 


! Hammerl, Neuere Untersuchungen über 


das Grazer Wasserwerk. mit besonderer 
Berücksichtigung der Frage der Ein- 
wirkung der Flüsse auf Grundwasser- 


versorgungen bei Hochwasserperioden 
1141. 
Hansen, Finnländische Wasserleitungen 
659. 


Hartleb, Bestimmung der Schwefelsäure 
in Trinkwässern 1139. 

v. Haselberg, Die Abnahme der Typhus- 
erkrankungen in Stralsund 20. 

Heim, Grüne Inkrustrationen an Wasser- 
messern 575. 

Henry, Sterilisation de leau par le tiltre 
Lapeyrere 429. 

Hilbert, Ueber den Werth der Hankin- 


schen Methode zum Nachweise von 
Typhusbacillen im Wasser 21. 
Hilsum, Bakteriologische Untersuchung 


eines Schwimmbades in Bezug auf Selbst- 
reinigung 142. 

Hünermann und Deiter, Ucber die Desin- 
fektion des Trinkwassers mit Natrium- 
hypochlorit 1192. 

Intze, Ueber Thalsperrenwasser als Trink- 
wasser 785. 


—XKaess, Ueber die Sterilisation von Wasser 


durch Jod, Chlor und Brom 603. 

Katz, Ueber Dampfkesselzerstörung durch 
saure Speisewüsser 9 

Koenig. Beziehungen zwischen dem Chlor- 
und Salpetersäuregehalt in verunrei- 
nigten Brunnenwässern bewohnter Ort- 
schaften 61. 

— Beiträge zur Selbstreinigung der Flüsse 
173. 

— Bestimmung des organischen Kohlen- 
stoffs im Wasser 1136. 

— und Hünnemeier, Ueber den niedrix- 
sten, für das Leben der Fische uöth- 
wendigen Sauerstoffgehalt des Wassers 
1139. 

Kostjamin. Eine neue vereinfachte Unter- 
suchungsmethode zur quantitativen Be- 
stimmung der Salpetersäure im Trink- 
wasser 678*. 


Sach- Register. 


Kretschmar, Ein Schutzmittel gegen die 
Angriffe von Leitungswasser auf Cemeut- 
putzflächen 659. 

Kröhnke, Die Reinigung des Wassers für 
häusliche und gewerbliche Zwecke 284. 


- Krull, Wassersterilisirung durch ozonisirte 


Luft nach dem Verfahren von Abraham 
und Marmier 1047. 

— Die Wassersterilisirung durch ozonisirte 
Luft nach dem System Abraham und 
Marmier 1140. 

Kruse, Ueber die Einwirkung der Flüsse 
auf Grundwasserversorgungen und deren 
hygienische Folgen 784. 

— Typhusepidemien und Trinkwasser 791. 

— Beiträge zur praktischen Hygiene. II. 
Ueber Verunreinigung und Selbstreini- 
gung der Flüsse 799. 

Lindemann, Grundwasserleitung und Ty- 
phus 1089. 

Luttinger, Der Typhus im Czeruowitzer 
Stadtgebiete während der Zeit vom Jahre 
1892 bis Ende 1899. Eine hygienische 
Studie 750. 

Mastbaum, Einwirkung einer langen Bei- 
tung auf die Zusammensetzung des ge- 
führten Wassers zu verschiedenen Jahres- 
zeiten 1045. 

Minervini, Einige bakteriologische Unter- 
suchungen über Luft und Wasser in- 
mitten des Nordatlantischen Ozeans 783. 

Miquel, Nachweis eines Zusammenhanges 
von Wasserläufen durch Bierhefe 1177. 

Morgenroth und Weigt, Bericht über die 
Wasserversorgung in und um Tientsin 
173. 

Müllenbach, Neuere Wasserwerksanlagen 
mit Enteisenungseinrichtung 428. 

Müller, F., Apparat zum Schöpfen von 
Wasserproben aus beliebiger Tiefe 60. 

— P., Ueber die Verwendung des von 


Hesse und Niedner empfohlenen Nähr- ; 


bodens bei der bakteriologischen Wasser- 
untersuchung 787. 

Pellegrini, Sulla genesi dei tubercoli ferru- 
ginosi delle condutture 657. 

Piefke, Beiträge zur Hydrognosie der Mark 
Brandenburg mit besonderer Berück- 
sichtigung der Berliner Verhältnisse 128. 

Popp, Natürliches Mineralwasser 176. 

Preussischer Ministerialerlass betreffend 
die Fürsorge für die Reinhaltung der 
Gewässer vom 20. Februar 1901. 959. 

Prinz, Bau und Bewirthschaftung von Ver- 
suchsbrunnen 1141. 

Rabs, Beiträge zur Trinkwasserdesinfek- 
tion mit Chlor 1085. 

— Berichtigung 1190. 

Remy, Contribution à l'étude de la fièvre 
typhoïde et de son bacille. Procédé 
nouveau pour déceler le bacille d’Ebertb 
dans les selles et les eaux 751. 


1303 


Remy, Contribution à l'étude de la fièvre 
typhoide et de son bacille. Troisième 
partie. Procédé nouveau pour isoler 
le bacille typhique des eaux 1198. 

Ruppin, Beitrag zur Bestimmung der oxy- 
dirbaren Substanzen im Wasser 678*. 

Sehaer, Zur Frage der hygienischen Be- 
deutung der Nitrite im Trinkwasser 176. 

Schierholz, Beiträge zur Wasserreiniguug, 
insbesondere über die Abscheidbarkeit 
von Kalk und Magnesia 679*. 

Schlicht, Zur Verbesserung des Leitungs- 
wassers bei Verwendung von Oberflächen- 
wasser 1044. 

Sitzung der Kommission zur Feststellung 
von Vereinbarungen über die Beurthei- 
lung u.s. w. von Mineralwässern 1047. 

Spitta, Untersuchungen über die Verun- 
reinigung und Selbstreinigung der Flüsse 
802. 

Teclu, Zur quantitativen Bestimmung des 
Ozons 61. 

Thomaun, Ueber die Brauchbarkeit ver- 
schiedener Nährböden für die bakterio- 
logische Wasseruntersuchung 1046. 

Typhusepidemie in Gelsenkirchen 1027, 
1078. 

Verfügung in Potsdam über Verunreini- 
gung von Trinkwasserleitungen durch 
Anschluss von Klosets 627. 

Voller, Das Grundwasser in Hamburg 284. 

Walker, An outbreak of typhoid fever 
attributed to the infection of a well 
by a couvalescent soldier from South 
Afrika 1089. 

Weil, Zur Schnelldiagnose der Typhus- 
bacillen 485. 

Winkler, Bestimmung des in natürlichen 
Wässern enthaltenen Caleiums und 
Magnesiums 1138. 

Zimmermann, Bakterien 
und Nutzwässer 430. 


unserer Trink- 


Wohnungshygiene, 


Almquist, Blasius, Herzog, Holst, Hirsch- 
mann, Gauch und Weyl, Untersuchun- 
gen zur Strassenhygiene 143. 

Ballner, Experimentelle Beiträge zur Me- 
thodik der Mauerfeuchtigkeits- Bestim- 
mung 75. 

Barone, La formaldeide gassosa e la dis- 
infezione degli ambienti (glicoformal e 
igazolo) 421. 

Franz, Dic Aufgaben der Gemeinden in 
der Wohnungsfrage 860. 

Jacobitz, Ueber desinficirende 
anstriche 955. 

Les habitations à bon marché 861. 

Markl, Ein neuer Apparat für die aräo- 
metrische Bestimmung der Mauerfeuch- 
tigkeit 555. 


Wand- 


85 


1304 Sach-Register. 


Meidinger, Wärmewirkung der Teppiche 75. 

— Wärmewirkung der Doppelfenster 76. 

— Wärmewirkung der Teppiche und 
Wärmewirkung der Doppelfeuster 354. 

Nussbaum, Arbeiterwohnungen 136. 

— Erwiderung auf die Bemerkungen von 


Hofrath Meidinger: „Ueber die Wärme- | 


wirkung der Teppicbe und Doppel- 
fenster“ 355. 
Ottolenghi, Ueber die Desinfektion der tu- 
berkulösen Sputa in Wohnräumen 421. 
Pinkenburg, Die Pflasterverhältnisse der 


städtischen Strassen im Deutschen | 


Reiche 138. 

Pommer, Die Errichtung billiger Wohn- 
häuser in Leipzig 555. 

Reille, Le casier sanitaire de la ville de 
Paris 521. 


Reincke, Leitfaden für Wohnungspfleger 74. 
i de’ Rossi, Ueber eine neue Methode zur 
Bestimmung der Mauerfeuchtigkeit 187. 
| Seidenschnur, Die ökonomische Tränkung 
von Holz mit Theeröl 1169. 

| Stübben, Stadtbauplan und Stadtbauord- 
nung, in besonderer Rücksicht auf die 
Ermöglichung guter und billiger kleiner 
Wohnungen 861. 

į — Die weiträumige Bauweise im Stadt- 
erweiterungsgelände zu Stuttgart 861. 
| Verfügung der Regierung in Bromberg 
über Beziehbarkeit der Wobnungen in 
neuerbauten Häusern 569. 

į Wohnungsaufsicht für das Königreich Bayern 
1113. 


Verlag von August Hirschwald, Berlin N.W. — Druck von L. Schumacher in Berlin. 


RSITY OF MICHIGAN 


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