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Full text of "Hygienische Rundschau 16.1906"

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Hygienische Rundschau. 


Herausgegeben 
von 
Dr. Carl Fraenkel, Dr. Max Rubner, Dr. Carl Günther, 
Geh. Med.-Kat. Prof. der Hygiene Geh. Med.-Rat, Prof. der Hygiene Geh. Med.-Rat, a.o. Prof. der Hygiene 
in Halle a.'S. in Berlin. in Berlin. 


XVI. Jahrgang (1906). 


Berlin 1906. 
Verlag von August Hirschwald. 


N.W. Unter den Linden 68. 


Hygienische Rundschau. 


Herausgegeben 


von 


Dr. Carl Fraenkel, Dr. Max Rubner, Dr. Carl @ünther, 


Geh. Med.-Rat, Prof. der Hygiene Geh. Med.-Rat, Prof. der Hyxiene Goh. Med.-Rat, a.o.Prof. der Hygiene 
in Halle a./s. in Berlin. in Berlin. 


XVI. Jahrgang. Berlin, 1. Januar 1906. Ll 


Ueber bakteriologische Regierungs-Laboratorien. 
Von 


Reg.- u. Med.-Rat Dr. Salomon 
in Coblenz. 


Auf der 1. Hauptversammlung des Deutschen Medizinalbeamtenvereins in 
München im September 1902 schloss ich bei einer Diskussion über Regierungs- 
Laboratorien meine Ausführungen!) mit folgenden Worten: 

„Wie auch immer die staatlichen Laboratorien sich entwickeln mögen, 
ob als Glieder von Universitäts- oder kommunalen Anstalten oder als selbst- 
ständige Gebilde, eine Forderung muss meiner Ansicht nach stets im Vorder- 
grunde bleiben, nämlich die, dass sie nicht ausserhalb und neben der Landes- 
polizeibehörde stehen dürfen. Sie würden sonst nicht allein im Publikum 
als eine höhere Instanz jener Behörde angesehen werden, sondern, wie manche 
Erfahrungen gelehrt haben, sich leicht auch als solche gerieren. 

Was uns fehlt, sind bakteriologisch vollwertige Regierungs-Labora- 
torien als unmittelbare Organe der Landespolizeibehörde.“ 

Der Munificenz des Herrn Ministers der Medizinalangelegenheiten gegen- 
über dem Regierungsbezirk Coblenz habe ich es zu verdanken, dass es mir 
vergönnt gewesen ist, ein Laboratorium in dem vorgetragenen Sinne im 
Sommer 1904 im Regierungsgebäude in Coblenz einrichten, organisieren und 
zum September desselben Jahres einem Bakteriologen übergeben zu können. 
Da es nunmehr Jahr und Tag in Betrieb gewesen ist, dürfte es am Platze sein, 
mit den Erfahrungen und Erfolgen des ersten Geschäftsjahres an die Oeffent- 
lichkeit zu treten. 

Die Arbeit bei der fast ausschliesslich als Typhuslaboratorium betriebenen 
Untersuchungsstelle war derart umfangreich, dass sie von blos einem Bak- 
teriologen, der obne Assistenten allein auf die Hülfe des Dieners angewiesen ist, 
zeitweise nur mit der allergrössten Anstrengung geleistet werden konnte. 
Da die bakteriologisch weniger stürmischen Zeiten für die medizinalamtliche 


1) Officieller Bericht S. 78. 


HERD 


2 Salomon, 


Ausbildung des gleichzeitig die Kreisassistenzarztstelle bekleidenden Bakteriologen 
sorgsam ausgenutzt werden mussten, sind die Anforderungen an die Leistungs- 
fähigkeit des Stelleninhabers ausserordentlich hohe gewesen. 

Die von Anderen mehrfach ausgesprochene Ansicht, dass ein Medizinal- 
beamter die für einen Regierungsbezirk erforderlichen bakteriologischen Arbeiten 
nebenamtlich bewältigen könne, hat sich demnach unter den hiesigen Ver- 
hältnissen als durchaus irrig erwiesen. Möglich ist das nur — entweder in 
Zwergbezirken oder in solchen mit sehr geringer Typhusziffer oder schliesslich 
allenfalls dann, wenn man sich auf die bakteriologische Untersuchung der 
bereits als Typhus gemeldeten Fälle beschränkt. Damit geht natürlich ein 
Hauptzweck des Laboratoriums, möglichst frühzeitige Diagnosen herbeizuführen, 
gänzlich verloren, ganz abgesehen vou vielen anderen Gründen gegen ein 
solches Vorgehen. 

Eine Ausdehnung der Untersuchungen auf andere Infektionskrankheiten 
wäre. hier völlig unmöglich gewesen. Bei der hohen Zahl von beiläufig 
1770 Typbusuntersuchungen war es ohnehin schwer genug, die Zeit für eine 
Reihe unumgänglicher chemischer und bakteriologischer Wasseruntersuchungen 
zu erübrigen. 

Der Umfang der Arbeiten des Bakteriologen ist hier auch nach anderer 
Richtung ein viel grösserer gewesen, als von den Verteidigern bakteriologischer 
Nebenämter an Regierungs-Laboratorien vielfach behauptet worden ist. Denn 
für eine auf den heutigen Forschungsergebnissen sich aufbauende rationelle 
Typhusbekämpfung genügt es keineswegs, wenn der Bakteriologe in mehr oder 
weniger schematisch-mechanischer Weise nur die spontan einlaufenden Proben 
auf positiven oder negativen Ausfall untersucht. Er muss vielmehr zur Fest- 
stellung der Herkunft der einzelnen Typhusfälle meistens eine grössere Zahl 
von Blut- und Kot- bezw. Urinproben auch von Personen aus der Umgebung 
der Patienten, sowie bis zur Feststellung der bakteriologischen Heilung der 
Erkrankten wiederholt Proben von deren Ausscheidungen untersuchen. Ferner 
muss er über den Stand des Typhus im ganzeu Bezirk jederzeit aufs genaueste 
orientiert und in ständiger Zusammen- und gegenseitig sich ergänzender Mit- 
arbeit mit dem Medizinalreferenten der Regierung sein. Dazu ist es erforderlich, 
dass er von den einlaufenden kreisärztlichen Berichten, sowie von den er- 
lassenen Verfügungen Kenntnis nimmt, sich über alle für die epidemiologische 
Beurteilung in Frage kommenden Verbältnisse unterrichtet und in nicht ge- 
rade seltenen Fällen zur Unterstützung und Anleitung der Kreisärzte bei 
schwierigen Feststellungen und Erhebungen in den Bezirk reist. Neben einer 
recht umfangreichen Listenführung hat er dann auch noch eine zeitraubende 
Kleinkorrespondenz zur Benachrichtigung der Aerzte und Kreisärzte über den 
Ausfall der eingesandten und zur Einforderung weiterer Proben zu bewältigen. 

Dass alles verlangt, zumal auch die entsprechende Specialliteratur sorg- 
fältig zu studieren ist, die volle Arbeitskraft eines ganzen Mannes. 

Es bedarf hiernach kaum noch einer weiteren Begründung, dass die An- 
gliederung bakteriologischer Regierungs-Laboratorien an Universitäten oder 
Kommunalanstalten, wie ich sie mir 1902 noch als möglich gedacht habe, 
nur in ganz besonders gearteten Ausnahmefällen möglich ist, und’in Bezirken, 


Ueber bakteriologische Regierungs-Laboratorien. 3 


die viel von Typhus heimgesucht sind, geradezu ein Fehler wäre. Denn wenn 
die Untersuchungen nicht nur pro forma gemacht, sondern nach einem sorg- 
fältig durchdachten und den praktischen Verhältnissen angepassten Plane wirklich 
durchgeführt werden sollen, ist zwischen Kreisärzten, Aerzten, Laboratorium 
und dem Medizinalreferenten der Regierung ein so inniger Wechselverkehr 
erforderlich, wie er bei einer Trennung von Regierung und Laboratorium nicht 
durchführbar wäre. 

In dem reichen Inhalt der nachfolgenden Arbeit von Dr. Friedel dürften 
auf jeder Seite Beweise dafür enthalten sein, dass die lebendige Fühlung des 
Bakteriologen eines Regierungs-Laboratoriums mit der Aussenwelt unumgänglich 
notwendig ist. Wird das anerkannt, so ergibt es sich von selbst, dass ein 
öfterer Wechsel in der Person dieses Beamten sehr unerwünscht ist, oder mit 
anderen Worten, dass die Stellen für Bakteriologen bei den Regierungs-Labora- 
torien am besten zu vollbesoldeten zu machen sein werden. 

Doch auch damit würde die Einrichtung noch keine vollkommene sein. 
Denn es kann von keinem Bakteriologen gefordert werden, dass er — nament- 
lich in Typhuslaboratorien — jahraus jahrein die immerhin recht einseitigen 
Arbeiten leistet ohne Entlastung von der mehr mechanischen Tätigkeit durch 
einen Assistenten. Auch die Vertretungsfrage macht nicht geringe Schwierig- 
keiten. Die Kontinuität in den Arbeiten und die unmittelbare Vergleichbarkeit 
der Ergebnisse würde erheblich leiden, wenn bei Abwesenheit des Bakterivlogen 
auf mehrtägigen Dienstreisen, auf Urlaub u. s. w. die Untersuchungen nicht mit 
absolut gleichen Methoden angestellt würden. Die Uebernahme der Arbeiten 
in solchen Fällen durch den Medizinalreferenten selbst, wie ich es hier einen 
Mouat lang habe durchführen können, wird nur in Ausnahmefällen möglich 
sein. Man wird deshalb bei der Vollbesoldung der fraglichen Posten auch 
zugleich Assistenten- und Volontärstellen oder ähnliches schaffen müssen. 

Von bedeutsamer Wichtigkeit ist ferner die Etatisierung der Anstalten. 
In einzelnen Bezirken sind die Regierungs-Laboratorien teils durch Unterbrin- 
gung in den Räumen kommunaler oder ordensgenossenschaftlicher Gebäude, 
teils durch Benutzung anderweit zur Verfügung gestellter Hülfskräfte in ein 
gewisses Abhängigkeitsverbältnis zu Faktoren gekommen, die mit der Landes- 
polizeibehörde nichts zu tun haben. Eine andere Art von Abhängigkeit ist 
da vorhanden, wo Zuschüsse von Kreisen und Städten gezahlt oder wo Gebühren 
für die einzelnen Untersuchangen erhoben werden. Bei der Knappheit der 
zur Verfügung stehenden staatlichen Mittel ist es gewiss hier und da besser, 
lieber derartig eingeschränkte Regierungs-Laboratorien zu haben, als gar keine. 
Solche Ansatzpunkte für spätere Weiterentwickelung sind sehr wertvoll; nur 
darf man sich nicht der Illusion hingeben, dass diese Laboratorien für die 
Bekämpfung der Infektionskrankheiten, besonders des Typhus, wirklich etwas 
wesentliches leisten. Der in dem Kriege gegen die Seuchen den Laboratorien 
zuzuweisende Aufklärungsdienst ist zu Fuss auf ausgetretenen Strassen erfolg- 
reich nicht zu leisten. Es muss mit der Beweglichkeit der leichten Kavallerie, 
wo erforderlich, auf flotten Pferdehen auch querfeldein geritten werden dürfen. 
Dazu gehört wie bei allen Kriegen Geld, Geld, Geld. Für ein Laboratorium 


1. 


4 Salomon, Ueber bakteriologische Regierungs-Laboratorien. 


wie das Coblenzer ist ohne einen Jahresetat von 2400 M. nicht auszu- 
kommen. 

Wie ausserordentlich bescheiden eine solche Forderuug ist, dürfte nicht 
besser illustriert werden können, als durch die Angaben von Köttgen im 
Centralbl. f. a. G.-Pfl. 1904, S. 230 (vergl. das Referat in dieser Zeitschr. 
1905. No. 23. S. 1222) über das Hygienische Laboratorium der Stadt Dort- 
mund. Für den ersten Jahresbetrieb dieser Anstalt waren 6000 M. ausgesetzt, 
und zwar 3000 M. für Gehalt der Assistenten, 1500 M. für Gehalt des Instituts- 
dieners und 1500 M. für den laufenden Betrieb. Ausser bakteriologischen 
Wasseruntersuchungen sind in 1!/, Jahren vom Oktober 1902 bis Januar 1904 
„Krankheiten betreffend“ im ganzen 241 Untersuchungen gemacht worden. Ob 
der Etat der Dortmunder Anstalt ausgereicht hätte, wenn dort, wie im 
Coblenzer Regierungslaboratorium, binnen 12 Monaten 1775 Typhusunter- 
suchungen auszuführen gewesen wären? 

Aus der ständigen Gemeinsamkeit der Arbeit des Medizinalreferenten mit 
dem Bakteriologen ergibt sich von selbst, dass deren Arbeitsräume möglichst 
nahe bei einander liegen müssen. In den Mietsräumen des bislang benutzten 
provisorischen Regierungsgebäudes war das leider nur in unvollkommener 
Weise der Fall; doch hat eine telephonische Verbindung darüber hinwegge- 
holfen. In dem zum Februar 1906 zu beziehenden Neubau sind die Labora- 
toriumsräume in direkter Verbindung mit dem Dienstzimmer des Medizinal- 
referenten angelegt. 

Von grosser Wichtigkeit für die Laboratorien ist auch die Dienerfrage. 
Wenn einem vollbesoldeten Bakteriologen, wie ausgeführt, auf die Dauer nicht 
zuzumuten ist, ohne einen Assistenten, Gehülfen oder dergl. zu arbeiten, so 
wird man ihm erst recht nicht zumuten dürfen, etwa die komplicierten Nähr- 
böden, die zu gewissen Zeiten in ganz erstaunlichen Mengen gebraucht werden, 
selbst herzustellen. In einem Laboratorium mit einem Arbeitsgebiet wie hier 
ist deshalb ohne die Hülfe eines in der Herstellung der Näbrböden vollkommen 
geübten ständigen Dieners nicht auszukommen. Und — ein Diener ist nur dann 
imstande, die zeitweise übergrosse Arbeitslast zu bewältigen, wenn er wie der 
unsere in hervorragender Pfliichttreue sowohl die frühesten Morgen- wie die 
späten Abendstunden als Arbeitszeit zu Hülfe nimmt. 

Diese kurzen Angaben über die im ersten Betriebsjahre gemachten Er 
fahrungen mögen einstweilen genügen, um darzutun, dass sie sich nach jeder 
Richtung in dem Rahmen bewegt haben, den ich auf der Münchener Medizinal- 
beamten-Versammlung mit folgenden Worten bezeichnet habe: 

„Bei solcher Arbeit würde sich eine nutzbringende gegenseitige Förderung 
der Kenntnisse und Erfahrungen zwischen dem Regierungs- und Medizinal-Rat 
und dem Bakteriologen herausbilden. Und Bakteriologen, die einige Jahre in 
einem solchen Regierungs-Laboratorium in unmittelbarer Fühlung mit der 
Sanitätspolizei gearbeitet hätten, würden sich für die Medizinalbeamtenlauf- 
bahn hervorragend eignen.“ 


Friedel, Die Typhusuntersuchungen d. Laboratoriums d. Kgl. Regierung i.Coblenz. 5 


Die Typhusuntersuchungen des Laboratoriums der Königlichen Regierung in 
Coblenz. 


Von 


Kreis-Assistenzarzt Dr. Friedel in Coblenz. 


Den Typhusarbeiten im Goblenzer Regierungs-Laboratorium 
warde folgendes Arbeitsprogramm zu Grunde gelegt: 

1. In jedem Fall von Typhus oder Typhusverdacht durch Untersuchung 
der von den Aerzten oder Kreisärzten des Bezirkes eingesandten Proben die 
bakteriologische bezw. sero-diagnostische Diagnose zu erbringen; 

2. unerkannt gebliebene Erkrankungen, die nach der Heilung etwa den 
Verdacht auf abgelaufenen Typhus erweckten, klarzustellen; 

3. bei jedem Typhusrekonvalescenten den Ablauf der bakteriologischen 
Heilung zu kontrollieren; 

4. bei besonderen Veranlassungen an Ort und Stelle Nachforschungen 
und Untersuchungen zur Ermittelung des Infektionsweges und der Infektions- 
quelle vorzunehmen. 

Einzelne Punkte dieses Programmes erfordern eine besondere Besprechung. 

Die grosse Gefahr, die aus dem Uebersehen eines Typhus erwachsen kann, 
ist allseitig anerkannt; um hier nur ein Beispiel aus unseren Beobachtungen 
anzuführen, hat ein zugereister Typhuskranker, dessen Krankheit von zwei 
Aerzten als „fieberhafter Magendarmkatarrh“ angesehen wurde, in einem Dorf 
Erda unseres Bezirkes von 900 Einwohnern eine Epidemie von 46 festge- 
stellten Erkrankungen mit 12 Todesfällen verursacht; aus der hohen Morta- 
lität ist za ersehen, dass jedenfalls eine grössere Zahl von Erkrankungen nicht 
zur Kenntnis gelangt ist. Es erübrigt sich danach zu betonen, wie wichtig es 
ist, den Aerzten ein Mittel an die Hand zu geben, das sie in den Stand setzt, 
io bequemer, zuverlässiger Weise bei typhusähnlichen Erkrankungen zu einer 
Diagnose zu gelangen. Dagegen könnte man einwenden, dass eine bakterio- 
logische Diagnose bei klinisch sicherem Typhus praktisch wertlos sei. In 
unserem Bezirk, in dem der Paratyphus eine so überaus häufige Erkrankung 
darstellt, ist jedoch die nur bakteriologisch zu stellende Differentialdiagnose 
zwischen Typhus und Paratyphus für die sanitätspolizeilichen Massnahmen 
unbedingt notwendig. Wir haben öfter ein gleichzeitiges benachbartes Auf- 
treten von Typhus und Paratyphus beobachten können und wären bei der 
Ermittelung des Infektionsweges und der Infektionsquelle durch Zusammen- 
werfen der verschiedenen Ketten sicherlich in die grössten Irrtümer verfallen, 
die zu verfehlten Bekämpfungsmassregeln veranlasst hätten. Aus diesem 
Grunde wurden daher sowohl Verdachtfälle als auch ausgesprochene Typhen 
von uns untersucht, soweit Proben zu erlangen waren. Um die hierzu not- 
wendige Mitwirkung der Aerzte zu erhalten, wurde an sie eine kleine Schrift 
des Verf.’s: „Die Typhusdiagnose mit Hilfe einer centralen Untersuchungs- 
stelle“ (Coblenz, Druckerei des evangelischen Stiftes) versandt, in der eine 

2 


6. Friedel, 


Anweisung zur Entnahme und Versendung von Proben, sowie eine Belehrung 
über die Bewertung des Untersuchungsergebnisses erteilt wurde. Versand- 
fertige Gefässe für Stuhl-, Urin- und Blutproben in frankiertem Umschlage 
wurden den Aerzten auf Wunsch von den Kreisärzten oder auch vom Labora- 
torium zugesandt. Das Resultat der kostenlosen Untersuchung wurde brieflich, 
in vielen Fällen auch telegraphisch, dem absendenden Arzte und dem be- 
treffenden Kreisarzte mitgeteilt. Bei negativem Ergebnis wurde in der Regel 
ein besonderer Hinweis auf seine Bedeutung, die ja den Umständen nach eine 
sehr verschiedene sein kann, beigefügt. So wird z. B. ein absolut negativer 
Widal nach dreitägigem Fieber ganz anders zu bewerten sein als nach 14tägi- 
gem Fieber. Um bakteriologische Diagnosen wertvoll zu machen und bei den 
Aerzten das Vertrauen zu diesen ihnen vielfach noch unbekannten Methoden 
zu erwecken, ist unbedingt erforderlich, dass die Untersuchungen nicht durch 
Sparsamkeitsrücksichten oder Zeitmangel beschränkt werden. Ein Anstellen 
der Widalschen Reaktion mit Typhusbacillen allein oder eine Stuhlunter- 
suchung mit Hilfe einiger ausgestrichener kleiner Petrischalen, wie beides 
noch vielfach üblich, ist nicht nur oft wertlos, sondern direkt schädlich; denn 
durch nichts wird der Wert der bakteriologischen Methode in den Augen der 
Aerzte so sehr herabgesetzt, als durch häufiges negatives Ergebnis bei der 
Untersuchung von Proben, die von sicheren Typhen stammen. 

Der 2. Punkt unseres Programms bedarf keiner Begründung. 

Die in dem 8. Punkt gestellte Aufgabe ist von der allergrössten Be- 
deutung. Nachdem zuerst von v. Drigalski und Dönitz festgestellt ist, 
dass Typhusrekonvalescenten unter Umständen Jahre lang Typhusbacillen im 
Stuhl oder Urin ausscheiden, ist eine Typhusbekämpfung ohne bakteriologische 
Kontrolle der Rekonvalescenz nicht mehr rationell!). Bisher beschränkte man 
sich darauf — und tut das auch jetzt noch vielfach — den Typhuskranken 
zu isolieren, die Abgänge, die Wäsche zu desinficieren und nach der Genesung 
die Schlussdesinfektion der Wohnung vorzunehmen. Infolge unserer fort- 
schreitenden Erkenntnis müssen wir hente weitergehende Ansprüche stellen. 
Auch wir haben, wie weiter unten ausgeführt wird, feststellen können, dass 
ein grosser Teil der Rekonvalescenten in den ersten Wochen bis 2 Monate 
nach der Genesung im Stuhl oder Urin Bacillen ausscheidet, dass eine geringe 
Anzahl von ihnen darüber hinaus auf lange Zeit diese Ausscheidung beibebält. 
Dass diese, von chronischen Bacillenträgern stammenden Bacillen wirklich 
virulent sind oder sein können, darüber besteht heute kein Zweifel mehr 
(siehe Lentz, l. c. St. 490); auch wir verfügen über die Beobachtung einer 
Anzahl Infektionen, die wir auf chronische Typhusträger als Quelle zurück- 
führen müssen, wenn auch die grosse Mehrzahl der Kontaktinfektionen von 
“den sehr viel häufigeren Bacillenträgern mit Ausscheidung nur während der 
ersten 8 bis 10 Wochen nach der Genesung, die wir hier temporäre Typhus- 
träger nennen, oder von Typhuskranken ausgeht. 

1) Siehe Lentz, Ueber chronische T’yphusträger. Klin. Jahrbuch. Bd. 14. H.5 
S. 474, mit Literaturangaben; ferner Seitze: Ueber Kontaktinfektionen als Aetiologie 
des Typhus. Ebenda S. 507. 


Die Typhusuntersuchungen des Laboratoriums der Königl. Regierung in Coblenz. 7 


Im Urotropin besitzen wir, wie bekannt, ein sehr wirksames Mittel zur 
Heilung der Typhasbakteriurie; wir haben daher den Aerzten unseres Bezirks 
empfohlen, jeden Rekonvalescenten in der Weise zu behandeln, dass während 
dreier Tage täglich 2 bis 3 g Urotropin gegeben und nach 8 Tagen dieselbe 
Medikation wiederholt wird. Während in der Mehrzahl unserer Fälle mit 
Bakteriurie die Bacillen bereits nach der ersten Urotropinperiode aus dem 
Urin verschwanden, erwiesen sich leider zwei davon als erheblich hartnäckiger; 
bei ihnen hörte erst bei weiterem 8 tägigen Urotropingebrauch von 3 g pro 
Tag die Ausscheidung auf. Nach diesen Erfahrungen glauben wir uns nicht 
unbedingt auf die Urotropinwirkung verlassen zu können, sondern halten eine 
Kontrolle durch die Urinuntersuchung für notwendig. 

ür die Unerlässlichkeit dieser Kontrolle wollen wir hier nur einen Fall 
aus unseren Beobachtungen anführen, in dem eine alte Frau, deren Erkrankung 
nicht als Typhus erkannt war, im Laufe der ersten 6 Wochen nach der Re- 
konvalescenz 11 ihrer Kinder und Enkel direkt oder indirekt inficierte; dann 
erst wurde Typhusbakteriurie bei ihr festgestellt. 

Oft war es nur unter gewissen Schwierigkeiten möglich, das Material zu 
diesen Schlussuntersuchungen zu erhalten (die so lange fortgesetzt wurden, bis 
die in etwa &tägigen Zwischenräumen vorgenommene Untersuchung 3 mal 
nacheinander negativ ausfiel), da zu dieser Zeit die Rekonvalescenten in der 
kegel sich nicht mehr in ärztlicher Behandlung befinden. Der einfachste Weg 
ist wohl der, dass der Kreisarzt bei seinen Ermittelungsbesuchen die Ange- 
börigen über die Probeentnahme belehrt und ihnen zur Zeit der Rekonvales- 
cenz die versandfertigen Probegefässe zuschickt, die sie dann ihrerseits füllen 
und an das Laboratorium einsenden. In vielen Fällen ist es aber zweck- 
mässiger, den amtlichen Desinfektor mit der Einsendung der Proben zu beauf- 
tragen. Die Mehrzahl unserer Kreise hat die Bestreitung der nur geringen 
Kosten für die Entnahme und Versendung durch den Desinfektor aus Kreis- 
mitteln übernommen. 

Die Bedeutung von Punkt 4 unseres Programms bedarf keiner Erörterung. 
Ich möchte dazu nur bemerken, dass man bei lokalen Nachforschungen nach 
Typhuserkrankungen auf dem Lande die besten Aufschlüsse durch Befragen 
der Schulkinder in Verbindung mit der Durchsicht der Schulversäumnislisten 
erhält, da die erwachsene ländliche Bevölkerung aus Furcht vor etwa daraus 
erwachsenden Kosten sich derartigen Nachforschungen gegenüber stets sehr 
ablehnend verhält. Es ist daher zweckmässig, in einem Dorfe mit den Er- 
mittelungen in der Schule zu beginnen, bevor die Kinder ihre besonderen 
Instruktionen seitens der Angehörigen erhalten können, ein Verfahren, das 
ich Herrn Dr. Lentz verdanke und das uns stets die besten Dienste ge- 
leistet bat. 

In der Ausführung dieses Programms sind in dem Zeitraum des ersten 
Betriebsjahres vom 8. September 1904) bis Ende September 1905 1765 Proben 
untersucht worden, und zwar 589 Blutproben auf Widalsche Reaktion, davon 
positiv: 297; 704 Stuhlproben, davon positiv: 173; 472 Urinproben, davon 
positiv: 29. g i 

1l; Im September 1904 gingen naturgemäss die Proben nur sehr spärlich ein. 


J» 


8 Friedel, 


Zur amtlichen Kenntnis gelangten während dieser Zeit, sehr oft erst in- 
folge unserer bakteriologischen Diagnose, 444 Typhuserkrankungen. Von 
90 Erkrankungen gingen aus verschiedenen Gründen zu diagnostischen Zwecken 
überhaupt keine Proben ein; bei den übrigen 854 Fällen wurde 330 mal eine 
positive Diagnose von Seiten des Laboratoriums erbracht, während die Unter- 
suchung bei 24 als Typhus gemeldeten Fällen negativ ausfiel. Unter diesen 
letzteren 24 Erkrankungen befinden sich zweifellos eine Anzahl, die keine 
Typhen waren; doch können darüber nähere Angaben nicht gemacht werden. 

Unter den 330 von uns festgestellten Erkrankungen waren 264 durch 
den Bac. Typh. Koch-Eberth und 66 durch den Bac. paratyph. B. verursacht. 

Aus diesen Zusammenstellungen ist zu ersehen, dass wir unser oben ent- 
wickeltes Programm nicht durchaus erfüllen konnten. 

Einmal fehlt bei den Erkrankungen, von denen überhaupt keine Proben 
eingingen, die verlangte Differentialdiagnose zwischen Typhus und Paratyphus; 
dann aber sind unsere Schlussuntersuchungen nicht in allen Fällen vollständig, 
wenn auch bei der Betrachtung der angegebenen Zahlen zu berücksichtigen 
ist, dass die Schlussuntersuchungen der im August und September 1905 Er- 
krankten hier nicht mit einbegriffen sind. Der Grund für die unvollkommene 
Erfüllung unseres Programms liegt darin, dass die rationelle Benutzung des 
neu errichteten Laboratoriums sich erst allmählich bei den Aerzten und Kreis- 
ärzten des Bezirks einbürgern kann, dann aber auch in den leider sehr be- 
schränkten Betriebsmitteln des Laboratoriums, die uns nicht gestatteten, den 
Nährbodenverbrauch weiter auszudehnen und unseren Vorrat an Versand- 
gefässen, der zu gewissen Zeiten nicht ausreichte, zu vergrössern. 

Wenn hiernach unser Beobachtungsmaterial auch keinen Anspruch auf 
grossen Umfang machen kann, so glauben wir doch durch Veröffentlichung 
einiger Erfahrungen einen Beitrag zur Lösung noch umstrittener Fragen liefern 
zu können. 

Von der in Heft 3, 1905, Ztschr. f. Medizinalbeamte beschriebenen Technik 
der Widalschen Reaktion abzuweichen, fand sich keine Veranlassung; danach 
wurde, um die Beschreibung hier kurz zu wiederholen, in jedes Serum min- 
destens in den Verdünnungen 1:30, 60, 120 eine Spur frischer Agarkultur 
von T- und Pt-Bacillen auf dem Deckglas verrieben und bei Lupenvergrösse- 
rung die Agglutination im hängenden Tropfen geprüft. Der Grenzwert wurde 
jedesmal bestimmt. Meist mussten wir uns mit dieser „orientierenden Agglu- 
tinationsbestimmung“ wegen der geringen Serummenge begnügen; seltener 
wurde die Kollesche quantitative Methode angewendet, die übrigens keine 
wesentlich anderen Resultate ergibt. Die Reaktion wurde als positiv ange- 
sehen, wenn bei mindestens 1:60 eine deutliche Agglutination bei schwacher 
Lupenvergrösserung nach 1 bis 2 Stunden in die Erscheinung trat. 

Betrachten wir unsere 297 positiven Widals, so lassen sie sich ohne 
weiteres in 3 Gruppen einteilen. Eine Gruppe A umfasst diejenigen Reak- 
tionen, bei denen in einer Verdünnung über 1:60 Pt-Bacillen agglutiniert 
wurden, T-Baeillen dagegen entweder gar nicht oder so gering, dass der Grenz- 
wert weit unter dem für Pt-Bacillen blieb. Diese Gruppe bilden 49 Reak- 
tionen. In 28 von diesen 49 Fällen standen ausser den Serumproben auch 


Die Typhusuntersuchungen des Laboratoriums der Königl. Regierung in Coblenz. 9 


Stuhlproben zur Verfügung, in allen 28 Fällen konnten Pt-Bacillen im Stuhl 
nachgewiesen werden. Diese Fälle sind in der Liste 1 wiedergegeben. Aus 
dieser Liste ist zu ersehen, dass nur 2mal der Grenzwert für T bei 1: 120 
lag, gegenüber dem für Pt von 1:2000, dass einmal der Grenzwert für T 
1:30, gegenüber dem von Pt von 1:2000 betrug, und dass bei allen anderen 
Reaktionen der Grenzwert für T unter 1:80, oft sogar unter 1:15 und 1:10 
blieb bei zum Teil recht hohen Grenzwerten für Pt. 

Bei den 21 Widals der Liste 2 aus dieser Gruppe A standen keine Stuhl- 
proben zur Verfügung; wir legten auch keinen Wert darauf, sie zu erhalten, 
da wir den Schluss auf Pt-Erkrankungen allein aus dem Verlauf der Widal- 
schen Reaktion für berechtigt halten, der auch bei den meisten noch durch 
die Bemerkungen über die Herkunft der Sera gestützt wird. Bei keinem 
dieser 21 Sera betrug der Grenzwert für T 1:60 und darüber, bei den meisten 
blieb er erheblich darunter, wie aus Liste 2 ersichtlich. 

Die Gruppe B der positiven Reaktionen wird von solchen gebildet, bei 
denen der Grenzwert für T sehr erheblich den für Pt übersteigt. 

Die 3. Gruppe C endlich wird von Reaktionen gebildet, bei denen zwar 
der Grenzwert für T fast ausnahmslos den für Pt noch übersteigt, bei denen 
aber der Unterschied zwischen beiden kein sehr erheblicher ist. Hier nähern 
sich öfter beide Grenzwerte einander und werden mitunter auch gleich. 

Zwischen Gruppe B und C kann nur eine willkürliche Grenze gezogen 
werden, da man oft im Zweifel darüber sein kann, ob eine Reaktion noch zu 
B oder zu C zu rechnen ist, während die Grenze zwischen diesen beiden und 
der Gruppe A eine ganz scharfe ist; ich gebe daher auch nur Beispiele be- 
sonders deutlich ausgebildeter Fälle der Gruppe C in der Liste 3. 

Aus den Stuhlproben, die von den Fällen der Gruppe B und C stammten, 
gelang es niemals Paratyphusbacillen zu züchten, wohl aber in 35 Fällen 
Typhusbacillen. Diese Zahl würde noch eine höhere sein, wenn wir uns nicht 
oft aus Sparsamkeitsgründen auf die Diagnose mittels Widal allein beschränkt 
und daher bei einwandfreiem Ausfall des Widal die Untersuchung miteinge- 
sandter Stuhblproben unterlassen hätten. Das negative Ergebnis, dass es nie- 
mals in diesen Fällen gelang, Pt-Bacillen in den Fäces nachzuweisen, möchte 
ich als entscheidend gegen Paratyphus ansehen, da wir in dem Malachitgrünver- 
fahren nach Lentz und Tietz eine geradezu ideale Methode für den Nach- 
weis von Pt-Bacillen besitzen, die auch uns 100°/, positiver Resultate ge- 
geben hat. 

Aus den aufgeführten Beobachtungen erscheint der Schluss berechtigt: 
positiver Widal. erlaubt sehr sicher die Differentialdiagnose zwischen Typhus 
and Paratyphus; beim Paratyphus werden stets Pt-Bacillen erheblich höher 
agglutiniert als T-Bacillen, die in der Regel überhaupt nicht wesentlich mit- 
beeinflusst werden; beim Typhus dagegen kommt eine bemerkenswerte Mit- 
agglutination von Pt-Bacillen vor, die sogar mitunter der der Typhusbaeillen 
gleich sein kann!). 


1) Siehe hierzu: Bakteriolog. Beobachtungen bei einer Paratyphus-Epidemie, 
von Schottelius, Med. Woche. 1905. No. 44, woselbst ausführliche Literatur- 
angaben über diese Frage. 


10 Friedel, 


Ausser auf die Frage der Mitagglutination richtete ich die Aufmerksamkeit 
besonders auf das Vorkommen von Hemmungerscheinungen, doch konnte ich 
deutliche Hemmungszonen nicht beobachten. Wohl kam es hin und wieder 
vor, dass die Agglutination in höberen Verdünnungen eines Serums klarer 
und deutlicher in die Erscheinung trat, als in stärkeren Konzentrationen; 
aber ein vollständiges Ausfallen bei gewissen Verdünnungen, das bei etwaiger 
Beschränkung auf diese allein ein negatives Ergebnis zur Folge gehabt hätte, 
babe ich nicht konstatieren können. 

Die Methoden zum Nachweis der Typhusbacjlien in Fäces lassen 
trotz der Fortschritte, die hierin gemacht sind, noch viel zu wünschen übrig; 
nur der Nachweis der Paratyphusbacillen gelingt heute bereits mit absoluter 
Sicherheit mit Hilfe des Malachitverfahrens nach Lentz und Tietz. Nachdem 
mir Lentz im März d. J. sein Verfahren in Idar demonstriert hatte, wendete 
ich es bei 35 Paratyphuserkrankungen an, von denen während der Erkrankung 
Stuhl eingesandt war; in allen 35 Fällen gelang der Nachweis sofort bei der 
ersten Stuhlprobe; einige dieser Proben stammten, bei Gelegenheit einer Para- 
typhusepidemie, aus den ersten Krankheittagen, eine sogar aus der Zeit kurz 
vor der eigentlichen Erkrankung. Einen Vergleich mit dem Kulturverfahren 
auf v. Drigalskis Nährboden allein vermag ich nicht zu geben, da aus Sparsam- 
keitgründen sehr bald nur das Malachitverfahren angewendet wurde, nachdem 
bei wenigen Versuchen sich seine bedeutende Ueberlegenheit erwiesen hatte. 
Wenn Typhusbacillen überhaupt nicht in Frage kommen, z. B. bei Schluss- 
untersuchungen Paratyphuskranker und ähnlichen Fällen, kann man zweck- 
mässig den Gehalt an Malachitgrün erheblich verstärken und erhält dann 
entweder Paratyphuskolonien in Reinkultur oder sterile Platten. Leider ist 
die Leistungsfäbigkeit dieser Methode für den Nachweis der Typhusbacillen 
nicht in gleicher Weise eine ideale, wenn auch hierbei immerhin eine be- 
trächtliche Resultatsverbesserung erzielt wird. Eine beweisende grössere 
Zahlenreihe vermag ich allerdings nicht vorzulegen, weil bei zweifellos posi- 
tivem Widal die während der Erkrankung zu diagnostischen Zwecken etwa 
miteingesandten Stuhlproben aus Sparsamkeitsrücksichten, wie bereits bemerkt, 
sehr oft nicht untersucht wurden, nachdem dem praktischen Zweck, dem 
ausschliesslich unser Laboratorium zu dienen hatte, mit der Stellung der Dia- 
gnose durch die Blutuntersuchung genügt war. Die Kosten einer Stuhl- 
untersuchung auf Typhusbacillen nach Lentz sind nämlich recht erheblich, 
da für eine Probe fast 300 g Agar-Nährboden verbraucht werden, während 
die Untersuchung auf Paratyphusbacillen sich mit 100 g ausführen lässt, ja 
sogar nur mit 10 g in den nicht seltenen Fällen, in denen die Kolonien di- 
rekt auf der grünen Platte identificiert werden können; während hiernach 
die Diagnose „Paratyphus“ sich in sehr einfacher und zuverlässiger Weise 
durch Fäcesuntersuchung stellen lässt und zwar mit solcher Sicherheit, dass 
ein negatives Ergebnis geradezu Paratyphus ausschliesst, ist beim 
Typhus die Serodiagnose der Stuhluntersuchung noch immer bedeutend 
überlegen. 

Bei der Kontrolle der bakteriologischen Heilung fallen diese heute noch 
der Stuhluntersuchung bei Typhus anhaftenden Mängel glücklicherweise nicht 


Die Typhusuntersuchungen des Laboratoriums der Königl. Regierung in Coblenz. 11 


sehr ins Gewicht, da die chronischen Typhusträger fast stets so reichlich 
Bacillen im Stuhl ausscheiden, dass der Nachweis mit Hilfe der v. Dri- 
galskischen Methode allein leicht gelingt. Unter den 16 chronichen Typhus- 
trägern des Bezirkes befindet sich nur einer, bei dem der Nachweis öfter 
allein mit dem Malachitverfahren möglich war, während Lentz das gleiche 
nur von 3 unter seinen 27 Fällen berichtet. Ganz anders verhalten sich in 
diesem Punkte die temporären Bacillenträger; bei ihnen ist der Nachweis 
oft nicht leicht. Wenn man sich aber daran gewöhnt, Rekonvalescenten im 
allgemeinen etwa bis zum Ablauf des 2. Monats nach der Entfieberung noch 
als infektiös anzusehen, erwachsen hieraus weiter keine üblen Folgen. 

Die 16 chronischen Typhusträger sind in der Tabelle 4 zusammen- 
gestellt; No. 1 bis 6 haben wir von Lentz übernommen, der vor der Er- 
öffnung des Laboratoriums in Coblenz in einzelnen seiner Untersuchungstelle 
in Idar benachbarten Kreisen unseres Bezirkes Typhusuntersuchungen aus- 
geführt hat; ebenso hatte er bereits No. 11 aufgefunden, ohne dass es mir zur 
Kenntnis gelangt war. 

Von grösster Bedeutung ist die Frage nach der Infektiosität dieser Per- 
sonen; dass Rekonvalescenten innerhalb der ersten 8 bis 10 Wochen Infek- 
tionen in ihrer Umgebung verursachen können, ist ja eine alte Erfahrung; ich 
selbst möchte diesen Prozentsatz recht hoch veranschlagen. Das Material, das 
wir bis jetzt über Infektionen durch chronische Typhusträger besitzen, ist da- 
gegen noch zu wenig umfangreich, um ein begründetes Urteil über die Be- 
deutung der Bacillenträger in der Epidemiologie des Typhus zu gestatten. 

Um diese Frage lösen zu können, bedarf es wohl noch eifriger systema- 
tischer Arbeit, die von bakteriolugischen Untersuchungsstellen in Verbindung 
mit besonders geschulten Kreisärzten zu leisten sein wird. 

Von vornherein ist zu erwarten, dass die von Typhusträgern ausgehende 
Gefahr — gleiche Virulenz der Bacillen vorausgesetzt, die wir vorläufig nicht 
abzumessen imstande sind — in ihrer Intensität von sehr zahlreichen äusseren 
Umständen abhängen wird, auf die hier kurz hingewiesen werden soll. Es 
wird darauf ankommen, ob der Person ihre Eigenschaft als Bacillenträger 
bekannt ist oder nicht, ob sie die ihr angeratenen Vorsichtsmassregeln befolgt 
oder ausser Acht lässt; wie hoch ihre Intelligenz, ihr Reinlichkeitsgefühl ent- 
wickelt ist; ob sie für sich allein lebt oder z. B. als Hausfrau die Wirtschaft, 
die Küche für ihre Familie führt, oder etwa als Köchin in einem grösseren 
Betrieb oder als Schweizer in einer Molkerei tätig ist. Es wird ferner mit- 
sprechen, ob ihre nähere Umgebung bereits durchseucht und immun ist, was 
sehr häufig der Fall sein wird; wie die allgemeinen hygienischen Verhältnisse, 
in denen sie lebt, vor allem die Abortanlagen, die Wasserversorgung beschaffen 
sind. Noch manche andere Punkte werden hierbei eine Rulle spielen, die 
sich erst aus der genauen Betrachtung im einzelnen Fall ergeben werden. 

Unter Berücksichtigung dieser Umstände wollen wir die von unseren 
Typhusträgern wabrscheinlich ausgegangenen bekannt gewordenen Infektionen 
untersachen. 7 

No. 1. Frl. V.*), in ihrem Haushalte nur ein Dienstmädchen, gute hy- 
Be Der beigefügte Stern bedeutet, dass die Person als Typhusträger seit ihrer 
Rekonvalescenz festgestellt und über ihren Zustand belehrt ist. 


12 Friedel, 


gienische Verhältnisse; ein Tischler, der erkrankte, arbeitete während der In- 
kubationszeit im Februar 1905 in ibrer Wohnung. 

No. 2. Frau K.*); gleichzeitig mit ihr 4 Familienglieder, ebenso in zwei 
Nachbarfamilien je 7 und 3 Mitglieder erkrankt gewesen. Wasserleitung; 
keine weitere Infektion. 

No. 3. E. Kr.*); gleichzeitig 3 Familienmitglieder, ebenso 2 weitere 
Hausbewohner, sowie zahlreiche Nachbarn erkrankt gewesen. Wasserleitung; 
schlechte hygienische Verhältnisse, keine weitere Infektion. 

No. 4. Frau W.*); gleichzeitig von 3 Familienmitgliedern 2 erkrankt, 
ebenso das Nachbarhaus durchseucht; Wasserleitung; gute hygienische Ver- 
hältnisse; befolgt überpeinlich die Vorsichtsmassregeln. Keine weitere In- 
fektion. 

No. 5. Fr. Bl.*); Familie aus 3 Personen; gute hygienische Verhältnisse; 
im Januar 1905 erkrankte eine Person, mit der sie verkehrte. 

No. 6. Fr. W.*); gleichzeitig war ibr Mann erkrankt; seit 11/, Jahren 
aus dem Bezirk nach O. verzogen; dort sind in einem Nachbarhaus 2 Typhus- 
fälle vorgekommen; näheres war nicht zu erfahren. 

No. 7. Frau M.*); Familie aus 3 Personen; gute hygienische Verhält- 
nisse; im Oktober 1904 erkrankte eine Person, mit der ihr Mann, der nicht 
erkrankt war, verkehrte (zweifelhafte Infektion). 

No. 8. Fr. R.*); Familie aus 5 Personen; ein Sohn war gleichzeitig er- 
krankt; Wasserleitung und Kanalisation, befolgte die Vorsichtsmassregeln 
nicht; im December 1904 erkrankte eine Tochter, im Juli 1905 ein Sohn. 

No. 9. N.*); der einzige Mann unserer Liste; Dauer der Ausscheidung 
nur 4 Monate, dann Heilung; lebt mit seiner Mutter allein; gute hygienische 
Verhältnisse; keine weitere Infektion. 

No. 10. Frl. Sch. in Anstalt Andernach, siehe Besprechung unten. 

No. 11. Frl. H.; glänzende hygienische Verhältnisse; im Januar 1905 
erkrankte eine Freundin an Paratyphus; diese Erkrankung führte zur Auf- 
findung von Frl. H, seitdem belehrt; keine weitere Infektion. 

No. 12. A.P.; idiotisches Mädchen in Anstalt; gleichzeitig mit ihr waren 
7 Kinder in ihrer Umgebung erkrankt: auch weiterhin noch einige Fälle, bei 
denen aber keine Differentialdiagnose zwischen Typhus und Paratyphus, der 
allein in Betracht kommt, gestellt wurde; seit Februar 1905 belehrt; gute 
hygienische Verhältnisse; keine weitere Infektion. 

No 13. Fr. K.*); im Haushalt 3 Personen; gute hygienische Verhält- 
nisse; im November 1905 erkrankte ihr Schwager an Paratyphus. 

No. 14. Fr. H.*); die schlechten hygienischen Verhältnisse (Brunnen, 
Abort) wurden verbessert; im Haushalt 5 Personen; bis jetzt noch keine In- 
fektion. 

No. 15. Fr. M.*); im Haushalt 6 Personen; gute Verhältnisse; im De- 
cember 1904 erkrankte 1 Knecht; Fr. M. verzog im Juni 1905 nach G. (Bayern) 
zu ihrem Schwager; dieser erkrankte nach 4 Wochen; im Laufe der folgenden 
Monate erkrankten weitere 4 Familienmitglieder. 

No. 16. Fr. G.*); die denkbar schlechtesten hygienischen Verhältnisse; 
Schöpfbrunnen, kein Abort; als solcher diente der Dunghaufen ohne Jauche- 


Die Typhusuntersuchungen des Laboratoriums der Königl. Regierung in Coblenz. 13 


grube; an ihre Erkrankung im März 1905 schlossen sich unmittelbar an 
7 Erkrankungen in ihrem Hause, sowie 19 Erkrankungen in der nächsten 
Nachbarschaft. Trotz energischer Assanierung des Hauses folgte noch eine 
Erkrankung in ihrem Hause im Oktober 1905. 

Die mit No. 10 in Verbindung stehende Typhusepidemie in der Irren- 
anstalt Andernach muss ausführlich erörtert werden. 

Die Provinzial-Heil- und Pflegeanstalt in Andernach wird von 
durchschnittlich etwa 650 Personen bewohnt, die sich in 4 Gruppen, mit fol- 
gendem Bestand am 1. September 1905 einteilen lassen: 


A. Pfleglinge (männliche und weibliche) . . . 500 Personen 
B. Pfleger (36 männliche und 36 weibliche) . . 72 j 
C. Wirtschaftspersonal . . 2 2 2... 20 = 
D. Familien . . x > 45 z 


Gemeinsam ist allen nur r die Vorens aus der eigenen Anstalts-Wasser- 
leitung; gemeinsam ist ferner den Gruppen A, B und C die Verpflegung aus 
der Anstaltsküche, während die Familien der Gruppe D, die in einzelnen ab- 
seits gelegenen Villen wohnen, eigene Küche führen. 

Vor dem Jahre 1901 kamen ganz vereinzelte Typbuserkrankungen unter 
den Anstaltsbewohnern vor, bei denen fast stets die Infektion als ausserhalb 
der Anstalt erfolgt nachgewiesen wurde. Seitdem traten folgende Endemien auf: 

1. 1901 im Mai 9 Fälle; sie betrafen: 1 Arzt, 5 männliche Pfleger, 
3 männliche und einen weiblichen Pflegling. 

2. 1901 im Oktober 12 Fälle; sie betrafen: 9 Pflegerinnen, 1 Pfleger, 
1 männlichen und 1 weiblichen Pflegling. 

In beiden Endemien bewohnten die Erkrankten ganz verschiedene An- 
staltsgebände. 

3. 1905 im Mai.7 Fälle; sie betrafen: 1 Pfleger und 6 männliche Pfleg- 
linge; alle bewohnten das Männerhaus No. 4. 

Zwischen diesen Endemien verteilt kamen 7 Einzelfälle zur Beobachtung. 
6 mal musste die Infektion in der Anstalt stattgefunden haben, ein Fall nur 
war eingeschleppt. 

Die Verteilung der Erkrankungen auf die verschiedenen Gruppen in diesen 
Eodemien ist eine sehr eigentümliche. In der ersten Endemie sind fast aus- 
schliesslich Männer erkrankt und zwar 14°/, der Pfleger, 1%/, der männlichen 
Pfleglinge; in der zweiten fast nur weibliche Pfleger und zwar 25°/,; in der 
dritten nur die Bewohner eines Hauses. Danach kommt als Infektionsquelle 
die Wasserleitung nicht in Betracht; dagegen musste notwendig der Verdacht 
auf die Anstaltsküche gelenkt werden. Diese bezieht Fleisch von Andernacher 
Schlächtereien, Butter aus einer Meierei in Baden, die anderen Lebensmittel, 
Milch, Früchte, Gemüse u. s. w. aus eigenem Anstaltsbetrieb. Das Essen wird 
für die verschiedenen Verpflegungsklassen in der Küche gemeinsam zubereitet, 
dann für die einzelnen Gruppen und Häuser abgeteilt und verteilt. Das Essen 
für die Pfleger und das Hauspersonal wird in besonderen Portionen auf die 
Stationen versendet und hier verzehrt; Reste davon werden regelmässig von 
einzelnen Pfleglingen genossen. 

Alle Nachforschungen, die bei Gelegenheit der ersten und zweiten Endemie 

3 


14 Friedel, 


in der Annahme angestellt wurden, dass vielleicht ausserhalb der Anstalt in- 
ficierte Lebensmittel in die Küche geliefert sein könnten — in Betracht kamen 
Fleisch und Butter — blieben resultatlos. Da Ermittelungen nach dieser Rich- 
tung auch bei der 3. Endemie, bei der ich selbst die Untersuchungen anstellte, 
völlig ergebnislos waren. sprach ich die Vermutung aus, es müsse innerhalb 
der Anstalt ein unbekannter Typhusträger!) vorhanden sein, der in irgend einer 
Beziehung zu den Nabrungsmitteln stände; speciell dachte ich hierbei an die 
Angestellten der Anstaltsmolkerei und der Küche. Daraufhin untersuchte ich 
eine Reihe von Personen, die in Frage kommen konnten, aber nur insoweit, 
als bei ihnen Typhus nachweislich vorausgegangen war; ebenfalls mit nega- 
tivem Erfolg. Aus verschiedenen Gründen konnte ich im Sommer 1905 diese 
Untersuchungen nicht weiter ausdehnen, ich sprach jedoch die Absicht aus, 
sie im Spätherbst wieder aufzunehmen, da sie mir nicht die Gewissheit einen 
Typhusträger ausschliessen zu können erbracht hätten. 

Ehe dieser Plan ausgeführt werden konnte, trat im September 1905 die 

4. Endemie auf: es erkrankten 35 Personen, und zwar: 
männliche Pfleger e> 
8 weibliche Pfleger } Zen 
4 Männer vom Hauspersonal = 25/, von C. 
5 männliche und 10 weibliche Pfleglinge = 3 /, von A 
und von Gruppe D niemand. 

Bei alleo Erkrankungen fiel der beobachtete Krankheitsbeginn in die 
Zeit vom 1.—20. September; nur bei einer Geisteskranken wurde zwar die 
Erkrankung zuerst am 29. September konstatiert, da sie aber am 8. Oktober 
bereits im Stadium der beendeten Geschwürsreinigung, wie die Sektion ergab, 
starb, ist auch bei ihr wohl der Beginn um mindestens 8 Tage zurück zu 
datieren. Nach dem 16. September erkrankten ausser dieser Person 4 Anstalt- 
bewohner, und zwar 2 am 18. und 2 am 20. September; das Blut der am 
18. Erkrankten agglutinierte bereits am 20. in einer Verdünnung von über 
1:240; das Blut der am 20. erkrankten Personen bereits am 22. in einer Ver- 
dünnung von über 1:500, resp. 1:120. Auch bei diesen wird die Krankheit 
einige Tage vorher begonnen haben. Danach wird man, ohne den Beob- 
achtungen Zwang anzutun, den Beginn der ersten Erkrankungen auf den 
1. September, der letzten auf den 16.—18. September setzen müssen. Nehmen 
wir eine gleichzeitige Infektion an und verlegen diese auf den 24. August. 
so wird die Inkubation zwischen 8 und 23 Tagen etwa schwanken und durch- 
schnittlich 15 Tage betragen. Bei der Annahme einer gleichzeitigen Infektion, 
die auch für die 3 ersten Endemien am wahrscheinlichsten ist, muss diese 
am 22. August oder bald dannch erfolgt sein, da ein an diesem Tage einge- 
tretener Pfleger am 7. September erkrankte. Es starben 3 = 8,5%. Bei 
allen Erkrankten wurde, ebenso wie bei denen der 3. Endemie, die Diagnose 
durch Widal erbracht, nachdem gleich zu Beginn in einigen Fällen auch aus 
den Faeces Typhusbacillen gezüchtet waren. Erwähnenswert ist ferner, dass 


œ% 


1) Siehe Verf., Typhushäuser. Zeitschr. f. Med.-Beamte. 1905. H. 2. 


Die Typhusuntersuchungen des Laboratoriums der Königl. Regierung in Coblenz. 15 


bei einem Rekonvaleszenten auch aus dem Eiter eines periostalen Rippen- 
abscesses Typhusbacillen gezüchtet wurden. 

Auch bei dieser 4. Endemie war infolge der eigenartigen Verteilung trotz 
des explosionsartigen Auftretens die Wasserleitung als Vermittler anszu- 
schliessen, dagegen wiederum die Anstaltsküche in den Vordergrund gerückt, 
da wiederum ausschliesslich von ibr verpflegte Personen erkrankt waren. Es 
wurde daher am 15. September damit begonnen, die Fäces und den Urin 
aller Personen zu untersuchen, die in der Kochküche, Spülküche, Molkerei 
uud Wäscherei beschäftigt waren, gleichgiltig, ob bei ihnen ein vorausge- 
gangener Typhus bekannt war oder nicht. Es braucht wohl nicht betont zu 
werden, dass die Ermittelungen sich nicht nur in einseitiger Weise nach dieser 
Richtung erstreckten, sondern dass daneben alle auch nur entfernten Möglich- 
keiten zur Erklärung der Endemie sorgfältig ins Auge gefasst und verfolgt 
wurden. Während die Annahme einer ausserhalb der Anstalt gelegenen In- 
fektionsquelle auch nicht die kleinste Stütze fand, war das Resultat der Stuhl- 
untersuchungen, dass noch im September die Ausscheidung von Typhus- 
bacillen nahezu in Reinkultur in den Fäces einer imbecillen 65 jährigen 
Person, der T. S., die seit 6 Jahren in der Anstaltsküche dauernd beschäftigt 
war, festgestellt wurde. Diese Ausscheidung hielt auch in der gleichen Weise 
au bis zur letzten Untersuchung am 12. December, kurz vor der Drucklegung 
dieser Arbeit. An Typhus will diese Person niemals erkrankt gewesen sein, 
doch ist naturgemäss auf diese Angabe einer Imbecillen kein Gewicht zu 
legen. Io der Anstalt ist jedenfalls eine Erkrankung an ihr nicht beobachtet 
worden, auch hat sie sich während der letzten Endemie stets wohl gefühlt. 
Die Widalsche Reaktion ergab bei ihr am 30. September starke Aggluti- 
nation in der Verdünnung von 1:30 nach 1/, Stunde, und darüber hinaus 
überhaupt nicht mehr. Dieser Verlauf der Reaktion hat sich seitdem eben- 
falls nicht weiter bis zum 1. December verändert. 

Die T. S., eine fleissige, willige Person, wurde zwar auch vielfach in der 
eigentlichen Kochküche als Aushilfe verwandt; ihre eigentliche Domäne war 
aber das Schneiden von Kartoffeln zu Kartoffelsalat, von Fleischstücken zu 
Fleischsalat, von Zwiebeln zu diesen Salaten sowie überhaupt das Mischen 
und Herrichten dieser und anderer Salate. 

Alle anderen gesunden Personen, die in Beziehung zu Nahrungsmitteln 
gestanden hatten, waren frei von Typhusbacillen, ebenso auch alle Erkrankten 
bis auf einen bald nach der Rekonvalescenz. 

Zwei Fragen sind nun zu beantworten: war die T. S. bereits längere Zeit 
vor ihrer Entdeckung Bacillenträger, und wenn ja, ist hierin die Ursache der 
Erkranknngen in der Anstalt zu erblicken? 

Denkbar wäre es ja, dass die T. S. sich ebenso wie die anderen Er- 
krankten in der Anstalt inficiert hätte, vielleicht in der letzten Endemie, 
und dann, ohne zu erkranken, erst wenige Tage vor ihrer Auffindung Typhus- 
träger geworden sei; denkbar wäre es auch, dass sie seit langer Zeit Typhus- 
träger sei, dass aber die verschiedenen Endemien von irgend einer anderen 
Infektionsquelle ihren Ausgangspunkt genommen hätten. Diese Möglichkeiten 
sind jedenfalls von vornherein nicht von der Hand zu weisen. 

lg» 


16 Friedel, 


Gegen die Annabme, dass die T. S. erst wenige Tage vor ihrer Auf- 
findung Typhusträger geworden sei, spricht ohne alle Berücksichtigung der 
Begleitumstände die Konstanz der Bacillenausscheidung nabezu in Reinkultur, 
sowie die Konstanz im Verlauf der Widalschen Reaktion. Beides ist typisch 
für chronische Typhusträger und deutet darauf hin, dass es sich um einen 
stationären, nicht in der Entwickelung und Veränderung begriffenen Zustand 
handelt. Ferner spricht dagegen, dass bis jetzt noch keine sichere Beob- 
achtung darüber vorliegt, dass eine Person zum chronischen Typhusträger ohue 
vorausgegangene Erkrankung werden kann. Wohl hat man in seltenen Fällen 
eine rasch vorübergehende Bacillenausscheidung bei Personen, die Gelegenheit 
zur Infektion hatten, ohne dass sie selbst erkrankten, beobachtet, eine an- 
dauernde Ausscheidung in Reinkultur dagegen noch nicht. 

Endlich spricht gegen die Annahme einer frischen Infektion der Umstand, 
dass gerade unter dem Küchenpersonal in der letzten Endemie und auch 
früber niemand erkrankt war; man wäre also gezwungen, anzunehmen, dass 
unter allen Personen der näheren Umgebung nur diese eine den Infektionsstofl 
in sich aufgenommen hätte, und nur diese eine, ohne zu erkranken, Typhus- 
träger geworden wäre. 

Lassen wir die danach schon an sich wahrscheinlichere Annahme zu, 
dass die T. S. bereits lange, vielleicht viele Jahre vor ihrer Auffindung ein 
Typhusträger war, so gewinnt diese Annahme weiterhin dadurch die aller- 
grösste Wahrscheinlichkeit, dass sich dann die Anstaltsendemien in einfachster 
Weise erklären lassen, die andernfalls nach wie vor ein Rätsel bleiben würden. 

Die Eigenart aller Endemien liess nur die Deutung zu, dass aus der 
Anstaltsküche von Zeit zu Zeit inficierte Speiseportionen hervorgingen, die 
jedesmal nur für gewisse Gruppen bestimmt waren; einmal nur für männliche 
Pfleger, danu wieder nur für weibliche Pfleger, ein andermal nur für die Be- 
wohner eines Hauses, und endlich einmal für Pflege- und Hauspersonal. Es 
befinden sich zwar, wie oben angegeben, unter den Erkrankten dieser vierten 
Endemie auch 15 Pfleglinge; doch konnte von fast allen davon sicher nach- 
gewiesen werden, dass sie zur Zeit der Infektion Reste des für das Pflege- und 
Hauspersonal bestimmten Essens genossen hatten. Diese Pfleglinge waren 
sämtlich als Aushilfe in den verschiedenen Spülküchen der einzelnen Stationen 
beschäftigt, wo gewöhnlich Reste des Pflegeressens ihnen zufallen. Da zu 
diesen Arbeiten in den Spülküchen Frauen naturgemäss zahlreicher heran- 
gezogen werden, erklärt sich die stärkere Beteiligung des weiblichen Ge- 
schlechtes — 10 weibliche gegenüber 5 männlichen Pfleglingen. 

Dieser Schluss auf die Beteiligung der Anstaltsküche wurde auch in 
gleicher Weise von dem Direktor und den Aerzten der Anstalt gemacht; die 
weitere Erklärung, dass nach ‚Ausschluss aller anderen Möglichkeiten als 
Ursache nur ein Typhusträger in der Küche vorhanden sein könne, war für 
mich so zwingend, dass ich in sicherer Erwartung eines positiven Erfolges 
die Arbeit des Aufsuchens in Angriff nahm. Das Resultat dieser zielbe- 
wussten Untersuchungen?!) ist die Feststellung der T. S. als chronischer Typhus- 


1) Der grösste Teil dieser umfangreichen Untersuchungen fiel in den Oktober 
1905 und ist daher in den oben mitgeteilten Zahlenangaben noch nicht enthalten. 


Die Typhusuntersuchuugen des Laboratoriums der Königl. Regierung in Coblenz. 17 


träger. Dieser Typhusträger, eine Imbecille mit schwach entwickeltem Rein- 
lichkeitsgefühl, kann nicht nur, sondern muss geradezu mit Notwendigkeit 
bin und wieder die Speisen, an deren Zubereitung sie tätig ist, und weiter- 
hin, wenn diese Speisen durch nachträgliches Kochen nicht wieder unschädlich 
gemacht werden, einzelne Gruppen, für die sie bestimmt sind, inficieren. 
G=eignet zur Vermittlung der Infektion wäre z. B. Kartoffelsalat, aber auch 
anderer Salat, wie Fleischsalat, an dessen Herstellung sich besonders die T. S. 
beteiligte. Auf den geschnittenen Kartoffeln, einem für Typhusbacillen aus- 
g-zeichneten Nährboden, war insofern hier besonders gute Gelegenheit zur 
Anreicherung einiger weniger hineingelangter Keime gegeben, als bei dem 
grossen Bedarf die Kartoffeln stets am Tage vor dem Genusse geschnitten 
werden mussten. Die Bacillen konnten so zu Kolonien auswachsen, und bei 
dem dann erst erfolgenden Mischen des Salates musste eine Durchsetzung mit 
Pacillen eintreten. Es erscheint auch nicht merkwürdig, dass Erkrankungen 
nicht noch häufiger auftraten; man darf nicht etwa einen kontinuierlich von 
Tvpbusträgern ausgehenden Infektionsstrom erwarten, da zum Zustandekommen 
von Infektionen, besonders von Endemien, das Ineinandergreifen verschiedener 
nicht zu häufiger Umstände erforderlich ist. 

Als letztes Glied der Kette ist der Nachweis zu erbringen, dass die Er- 
krankten zu der Zeit, als die Infektion erfolgt sein muss, tatsächlich Speisen, 
die als Vermittler besonders geeignet waren, genossen haben. Zu dem Zwecke 
folgt hier ein Auszug aus dem Speisezettel des Pflege- und Hauspersonals 
der Tage vom 21. bis 28. August, in dem nur solche Gerichte aufgeführt sind, 
die zur Vermittelung der Infektion besonders geeignet sind. 

Da. wie oben auseinandergesetzt wurde, aus anderen Gründen der 24. An- 
gust wahrscheinlich den Zeitpunkt der Infektion darstellt, so erscheint die 
Annahme, dass der an diesem Tage ausgegebene Salat die Vermittlerrolle ge- 
spielt hat, gut begründet zu sein. So erklärt sich auch in sehr einfacher 
Weise der auffällige Umstand, dass bei der 1., 2. und 4. Endemie das Pflege- 
personal besonders an den Erkrankungen beteiligt ist: diese Lente erhalten 


Mittags 


Abends 


21. Fleischsalat, Kopfsalat. 
22. _ 

23. _ 

24. Kartoffelsalat mit Gurken. 
25. _ 

26. Bohnensalat. 

97. Kopfsalat. 

28. Fleischsalat. 


als Abendkost sehr häufig kaltes Fleisch mit Salat, besonders Kartoffelsalat, 
während an die grosse Masse der Pfleglinge solche Speisen nur selten verab- 
folgt werden; ihre regelmässige Abendkost besteht aus Suppen. 

Unter Berücksichtigung aller Umstände sehe ich eine zu weitgehende, 
unfruchtbare Skepsis in der Behauptung, dass die Feststellung der T. S. als 
Typhusträger ein nebensächlicher Befund ist, der nicht als Ursache, sondern 
als Folge der Anstaltsinfektionen zu denken ist, oder der überhaupt in keinem 


18 Friedel, 


Zusammenhang mit ibnen steht. Möglich ist schliesslich nahezu alles; aber 
wie in allen wissenschaftlichen Fragen kommt es hier nicht darauf an, an 
sich mögliche, aber unbewiesene Behauptungen aufzustellen, sondern unter den 
verschiedenen Möglichkeiten diejenige auszuwählen, die die grösste Wahr- 
scheinlichkeit für sich hat, und die am einfachsten die beobachteten Erschei- 
nungen erklärt. 

Es braucht wohl kaum erwähnt zu werden, dass die T. S. sofort isoliert 
wurde. 

Ueberblicken wir unsere mitgeteilten Beobachtungen von Infektionen in 
der Umgebung von Typhusträgern, so ergibt sich, dass die Tatsachen gut mit 
den oben aufgestellten Bedingungen für das Zustandekommen von Uebertra- 
gungen übereinstimmen. Da die Typhusträger im Gegensatz zu Typbuskranken 
nur die Bacillen mit dem Stuhl ausscheiden, so sehen wir, dass intelligente 
Menschen, die über ihren Zustand belehrt sind, in guten hygienischen Verhält- 
nissen, in Wohnungen mit Spülkloset und Kanalisation wie No. 7, No. 9, 
No. 11 Infektionen in ihrer Umgebung vermeiden können. Wir sehen weiter, 
dass auch da keine Infektionen, wenigstens nicht bei Hausgenossen und nächsten 
Nachbarn vorgekommen sind, wo diese durch die vorangegangene Epidemie 
immun geworden sind, wie bei No. 2, 3 und 4. Es ist damit aber durchaus 
nicht erwiesen, dass überhaupt keine Uebertragungen stattgefunden haben; bei 
den vielfachen Wechselbeziehungen, die sicherlich auch zwischen den Typhus- 
trägern und ferner stehenden Personen bestanden haben, mag wohl noch manche 
Erkrankung auf ihr Konto zu setzen sein: nur können wir sie nicht als von 
Typhusträgern ausgehend erweisen; wir müssen uns bei unseren Nachforschugen 
ja notwendig auf Erkrankungen in der Umgebung beschränken, da es sich um 
eine bei uns endemische Krankheit handelt. Wir sehen ferner da, wo die Um- 
gebung nicht zugleich immun geworden ist und Versichtsmassregeln ausser 
Acht gelassen werden, von Zeit zu Zeit"einzelne Infektionen von den Typhus- 
trägern ausgehen, was besonders klar bei No. 8 und No. 15 zu Tage tritt. 
Endlich zeigt sich, dass der theoretisch ungünstigste Fall auch tatsächlich die 
grösste Anzahl Infektionen gesetzt hat: eine imbecille Person, deren Eigen- 
schaft als Typhusträger unbekannt ist, in der Küche eines grossen Betriebes 
beschäftigt, und zwar besonders mit der Zubereitnng kalt zu geniessender 
Speisen! 

Diese Beobachtungen, die in dem kurzen Zeitraum eines Jahres mit ver- 
hältnismässig beschränkten Mitteln in einem räumlich nicht sehr ausgedehnten 
Bezirk gesammelt wurden, berechtigen nach meiner Ansicht keineswegs dazu, 
die Rolle der Typhusträger in der Epidemiologie als gering anzuschlagen. 
Ich kann daher Springfeld nicht beistimmen, der auf der 30. Versammlung 
des Deutschen Vereins für öffentliche Gesundheitspflege in Mannheim erklärt 
hat: es lobne sich nicht, viel Mühe auf ihre Auffindung zu verwenden!). Ich 
glaube im Gegenteil, dass der Punkt 3 unseres Programms so lange eine 
unerlässliche Aufgabe jeder rationellen Typhusbekämpfung bleiben muss, bis 
entweder umfangreichere Forschungen das Irrige der hier vertretenen An- 


1) Nach dem Bericht in dieser Zeitschr. 1905. No. 20. S. 1070. 


Die Typhusuntersuchungen des Laboratoriums der Königl. Regierung in Coblenz. 19 


schauungen erweisen oder bis wir ein Mittel besitzen, das, äbnlich wie das 
Urotropin die Bakteriurie, die Ausscheidung im Stuhl heilt. 

Die Aussichten auf dieses Mittel sind trotz aller Anstrengungen nach der 
Richtung noch recht gering. Es sei hier nur kurz erwähnt, dass auch von 
mir in mehreren Fällen angestellte Versuche mit Kalomel, Ricinusöl, Karls- 
bader Salz, Ipecacuhana sine Emetin und Griserin völlig ergebnislos verliefen. 
Es wurden in unserem Bezirk im December 1904 Vorschriften und Beleh- 
rungen für Typhusträger (abgedruckt in der Beilage No. 5 der Zeitschr. f. 
Med.-Beamte 1905) erlassen, deren wesentliche Forderungen sind: Desinfektion 
der Fäkalien, Händewaschen und Händedesinfektion nach Stuhlentleerungen, 
Vorsicht in der Behandlung der Wäsche und das Verbot von Nahrungsmittel- 
— besonders Milchverkauf. Desinfektionsmittel werden aus Kreisfonds geliefert. 

Ausser in den beschriebenen Andernacher Anstaltsendemien traten in 
unserem Bezirk Typbuserkrankungen in epidemischer Form im Berichtsjahre 
noch 3mal auf, und zwar in Sobernheim, Wetzlar und dem Dorfe Erda im 
Kreise Wetzlar. 

Die bereits Eingangs erwähnte Epidemie iu Erda war verursacht durch 
Typhusbacillen, sie zog sich über ein halbes Jabr hin und beruht zum Teil 
auf Kontakt-, zum Teil auf Brunneninfektion. Der Typhusträger No. 16 ent- 
stammt dieser Epidemie. 

Die in ihrem Verlaufe gemachten Beobachtungen zeigen keine Besonder- 
heiten, weshalb ich hier auf eine eingehende Besprechung verzichten will. 

Die Epidemie in Sobernheim von 16 bakteriologisch gesicherten und 
11 verdächtigen Paratyphuserkrankungen ist von Lemke in der Zeitschr. 
für Medizinalbeamte 1905, Heft 8, beschrieben worden. Da während dieser 
Epidemie im September und Oktober 1904 die Einrichtung des Labaratoriums- 
betriebes, Anlernung des Dieners u.s. w. mich noch zu sehr in Anspruch 
nahmen, konnte ich selbst lokale Ermittelungen nicht ausführen und kann 
daher nur auf die Abhandlung von Lemke hinweisen. 

Die 3. Epidemie in Wetzlar war wiederum eine Paratyphusepidemie, die 
ein gewisses Interesse beanspruchen kann. In Wetzlar erkrankten im Juli 
1905 12 Personen in Haushaltungen, die räumlich weit von einander entfernt 
in der Stadt zerstreut lagen, an Paratyphus, wie bei allen der Befund aus 
den Fäces ergab, und zwar 2 am 16., 2 am 19., 5 am 22., eine am 24., eine 
am 28. und eine am 31. Juli. Die einzelnen Gruppen hatten keinerlei weitere 
Beziebungen zu einander, doch hatten 11 von ihnen auf einem Volksfest in 
Wetzlar am 13. Juli eine Gastwirtschaftsbude besucht; bier hatten 9 von 
diegsen-11 mit Schinken und Zungen belegte Brötchen gegessen; die beiden 
anderen waren auch in dieser Wirtschaft gewesen, behaupteten aber, keine 
Brötchen, sondern Kuchen und Bier hier verzehrt zu haben. Die 12. Person 
endlich war die Schwägerin des betreffenden Wirtes; sie war wegen Gravi- 
dität nicht auf diesem Fest, hatte aber in der in der Stadt gelegenen Wirt- 
schaft ihres Schwagers ebenfalls Schinkenbrötchen gegessen. Es besteht da- 
nach kein Zweifel, dass diese Brötchen die Rolle des Infektionsträgers ge- 
spielt haben; dass 2 Personen angeblich keine Brötchen gegessen haben, 
scheint mir nicht von Belang zu sein, bei ihnen bestand sicherlich die Mög- 


Friedel, 


Tabelle 1. 28 Widalsche Reaktionen bei Pt-Nachweis in Fäces. 


J.-No. Name Pt T Fäces 
l 

29 M. H. 1:500 + 1:10— +Pt 

65 J. S. 1:1000 + 1:30 — + Pt 
115 Ss. W. 1:400+ 1:20 — +Pt 
455 K. K. 1:1204 | 1:30 — +Pt 
603 H. K. 1:2000+ |1:120+; 1:240 — + Pt 
640 K. B. 1 : 200 + 1:15 — + Pt 
737 Be V: 1:120 + 1:15 — +Et 
751 L. E. 1:120+ |! 1:15 — +Pt 
769 E. A. 1:100+ 1:25 — +Pt 
770 F. Sch. 1:400+ 1:10 — +Pt 
799 M. H. 1:2000+ |1:120 +; 1:240 — +Pt 
861 E. H. 1:120 + | 1:30— +Pt 
857 E. M. 1:120 + 1:15 — +Pt 
869 E. K. 1:2000 + | 1:30 — +Pt 
845 F. M. ı 1:120+ | 1:30+4; 1:60 — +Pt 
844 R. G. 1:240 + 1:15— +Pt 
881 K. B. 1:120 + 1:30 — + Pt 
893 W. K. 1:240 + 1:30 — ` +Pt 
907 E. R. 1:60 + 1:15 — +Pt 
923 F. H. 1:1000 + 1:15— +Pt 
917 H. 1:60 + 1:15 — +Pt 
961 B. P 1:500 + 1:30 — +Pt 
1060 E. S 1:60+ 1:30 — +Pt 
1091 M. R 1:20 + | 1:30 — +Pt 
1115 D 1:60 + 1:15 — + Pt 
1210 J. L 1:60 + 1:15— +Pt 
1157 W. K | 1:120+ 1:30 — + Pt 
1183 HE 1:120 + 1:30 — +Pt 


Tabelle 2. 21 Widalsche Reaktionen bei Pt ohne Nachweis in Fäces. 


Name Pt T ces 
| | 

75 F. F. 1:200 + 1:60 — | Aus Pt-Epidemie. 

79 T. 2. 1:1000 + | 1:10 — do. 

82 J. H. 1:1000+ | 1:60— do. 

33 L. S. 1:60 + : 1:10 — do. 

84 KF: 1:100 + 1:20 — do. 

87 J. B. 1:300 + 1:50 — do. 

94 Fr. R. 1:150 + 1:30 — | Vereinzelter Fall. 
108 P. H. 1:1000+ | 1:20 — | Aus Pt-Epidemie. 
112 R. R. 1:200 + 1.30 — | Vereinzelt. 

120 F. S. 1:200 + 1:10— | Verwandt mit No. 65. 
292 0. B. 1:160+ 1:40 — | Infizirt von No. 29. 
714 JS. 1:80+ 1:10 — | Vereinzelter Fall. 
716 Ph. J. 1:300+ 1 do. 

731 WwW. G 1:150 + 1 do. 

740 C. Sch 1:120 + 1 do. 

828 J. N 1:250 + 1: | do. 

870 CI. E 1:120 + 1:30— | Pt-Epidemie. 

960 SR 1:180 + 1:30 — do. 
1020 O. Chr. | 1:240 + 1:30 — do. 

1064 cu. T. 1:240 + 1:30 — | Vereinzelter Fall. 
1154 GiH: 1:200 + 1:10 — do. 


Die Typhusuntersuchungen des Laboratoriums der Königl. Regierung in Coblenz. 21 


lichkeit der Infektion durch Teller oder Messer. Dass jedenfalls in dieser 
Wirtschaft die Infektion erfolgt ist, beweist die mathematische Wahrschein- 
lichkeitsrechnung mit jeder wünschenswerten Sicherheit. Hier endeten aber 
auch alle weiteren Ermittelungsversuche; es liess sich noch feststellen, dass 
einzelne Gäste den Schinken wegen seines schlechten Ausschens und Ge- 
sebmackes zurückgewiesen hatten; aber nicht mehr, was weiter aus ihm ge- 
worden ist, noch woher er stammte, da der betreffende Wirt hierüber zwei- 
fellos falsche Angaben machte. Mit grosser Wahrscheinlichkeit ist demnach 
diese kleine Epidemie als Fleischvergiftung aufzufassen. Die Inkubationszeit 
betrug 3—18 Tage, durchschnittlich 9 Tage. Die Krankheit verlief bei allen 
leicht bis mittelschwer. Einer der Erkrankten ist No. 13 der Typhusträgerliste. 
Tabelle 3. 10 Widalsche Reaktionen der Gruppe C. 


J.-No. Name | Positive Grenzwerte Bemerkungen 
für T für Pt 
1 30 G. 1:1000 | 1:120 Aus Typhus-Epidemie. 
2 9 Sch. 1:1000 | 1:200 | Fäces — 
3 122 K. 0. 1:160 1:100 | Fäces — 
4 163 J. F. 1:400 1 : 200 Fäces + T. 
5 164 H. S. 1:120 1:120 | Fäces + T. 
1:15 1:60 Nach 3 Wochen. 
6 169 FF. 1:250 1:250 | Mutter von No. 4. 
7 313 M. S. 1:30 1:80 Fäces + T. 
S 362 K. M. 1:2000 | 1:500 Aus Typhus-Epidemie. 
9 786 A. J. 1: 240 1:120 | Fäces +T. 
10 903 C. K. 1 : 500 1:120 | Fäces — 
Tabelle 4. Chronische Typhusträger. 
An Typhus Erster Seitdem dauernde 
. [Name , Ort | 3 Stand trank Bakterien- Ausscheidung 
z = erkrankt | Nachweis beobachtet bis 


54; Rentnerin 1903 Aug.| 1903 Dec. T [1905 Oktober. 
‚51 | „Ackerersfrau |.1903 Okt.| 1903 Dec. T |1905 November. 
117) Landarbeiterin |1903 Dec. 1903 Dec. T 1905 November. 
"57 Hebamme 1903 Dec.| 1903 Dec. T |1905 Oktober. 
{30 | Arbeiterfrau 1903 Dec. | 1904 Jan. T |1905 Oktober. 
i Rentnerin 1903 Nov. 1903 Dec. T |1905 Oktoter. 


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B. |28 | Postbeamtenfrau | 1904 Sept. 1905 März T |1905 Oktober. 
R. c. j5l Eisenbahn- 1904 Aug.! 1904 Sept. T 11905 Oktober. 
|  beamtenfrau 
3I N. C. |18 Schlosser 1905 Jan. | 1905 Febr. T |1905 Mai; dann Hei- 
lung. 
10| T. S.| A. |65| Imbeeille in ? 1905 Sept. T |1905 December. 
| Anstalt 
11| M. H. C. |19 Landgerichtsrats-| 1904 Aug. | 1904 Dec. Pt 1905 Mai; weitere 
| tochter | Proben verweigert! 
R| A. B K. |15 | Idiotin in Anstalt | 1903 Sept., 1905 Febr.Pt |1905 Mai: weitere 
? Proben nicht erhältl. 
13| K. W. 25 | Mechanikersfrau | 1905 Juli | 1905 Juli Pt 1905 November. 
l4] H. C. {36 Hausirerin 1905 Juli 1905 Juli Pt 11905 November. 
15| M. G. |28| Ackerersfrau |1904 Juli | 1904 Juli Pt |1905 Juni; dann ver- 
zogen. 
16] G. E. |31| Ackerersfrau |1905 März 1905 Juni T |1905 November. 


22 Lehrbücher. Wasser. 


Gärtner A., Leitfaden der Hygiene. Berlin 1905. Verlag von S. Karger. 
570 Ss. 8°. Preis: broschiert 6 M., gebunden 7 M. 

Das jetzt in vierter Auflage vorliegende bekannte Lehrbuch des Verf.'s 
ist den früheren Auflagen gegenüber nicht unwesentlich vergrössert und neu- 
eren Forschungsergebnissen entsprechend umgearbeitet. Besonders das Kapitel 
der Infektionskrankheiten, demnächst der Abwasserbeseitigung und Wasser- 
versorgung haben eine vollständige Umarbeitung erfahren. Im ganzen ist die 
Anordnung des Stoffes die gleiche geblieben und entspricht etwa der der 
übrigen Lebrbücher der Hygiene. Das Gärtnersche Werk soll im wesent- 
lichen den Studierenden der Medizin zur Einführung in das Gebiet der Hy 
giene dienen, es soll aber auch für Techniker und Verwaltungsbeamte ein 
kurzes Nachschlagewerk darstellen. Ref. ist der Ansicht, dass das Werk 
seine Aufgabe voll erfüllt und dass die meue Auflage dem Werk neue 
Freunde hinzugewinnen wird. Die dem Werk beigegebenen Abbildungen sind 
gut durchgearbeitet und übersichtlich verteilt; die Auswahl des Stoffes ist 
trotz aller Kürze sehr reichhaltig und für den Zweck des Buches vielfach als er- 
schöpfend zu bezeichnen; Gelegenheit zu weiterem Studium geben die Hinweise 
auf Speciallehrbücher und wichtigere Abhandlungen, die den einzelnen Kapiteln 
angefügt sind. Besondere Berücksichtigung finden überall die auf das Einzel- 
gebiet sich beziehenden gesetzlichen Bestimmungen. Die Darstellung ist kurz. 
klar und bestimmt und verrät überall den Meister des Worts und der Schrift. 

Hayo Bruns (Gelsenkirchen). 


Lemoine 6. H. und Grisel R., Modifications a apporter aux st&rilisateurs 
d’eau à vapeur sous pression. Rev. d’hyg. T. 27. p. 212. 

Die neueren Apparate zur Sterilisation von Trinkwasser durch 
Erhitzen in ständigem Strömen pflegen aus zwei konstruktiven Teilen zu be- 
stehen, nämlich dem Kocher und dem Vorwärmer bezw. Kühler. Der Letztere 
hat den Zweck, das Rohwasser allmählich anzuwärmen, das gekochte Wasser 
allmählich abzukühlen. Es wird dies dadurch erreicht, dass die Leitungsröhren 
für das Rohwasser in zahlreichen Windungen unmittelbar neben den Ableitungs- 
röhren für das Reinwasser geführt sind, so dass ein Wärmeausgleich zwischen 
dem Inhalte beider stattfinden kann. Dabei sind sowohl die Roh- wie die 
Reinwasserröhren sehr eng und dünnwandig, um besser den Zweck der Wärme- 
übertragung zu erreichen. Die Verff. machen darauf aufmerksam, dass sehr 
leicht die dünnen Trennwände zwischen den Roh- und Reinwasserröhren schad- 
haft werden können, womit die Möglichkeit des Eintrittes unerhitzten Roh- 
wassers in die Reinwasserleitung gegeben ist. Die bakteriologische Unter- 
suchung lässt ein solches Vorkommnis natürlich erkennen, braucht aber 
24—48 Stunden dazu. Um sofort eine etwa eingetretene Undichtigkeit wahr- 
nehmen zu können, empfehlen die Verff, folgende Anordnung: In die Roh- 
wasserleitung wird unmittelbar vor ihrem Eintritt in den Erhitzerteil (Kocher) 
des Sterilisators ein Stück Glasrohr eingeschaltet, in die Reinwasserleitung 
dicht hinter ihrem Austritt aus dem Erhitzerteil ein Absperrhahn. Zur Aus- 
führung der Dichtigkeitsprobe färbt man das zulaufende Rohwasser mit Fluo- 


Waaser. 23 


rescein. Sobald in dem Glasrohrstücke das grün gefärbte Wasser sichtbar wird, 
schliesst man den Absperrhahn im Reinwasserrohr. Das bis dahin abgelaufene 
Reinwasser muss noch frei von Fluoresceinfärbung sein; zeigt es solche Färbung, 
so ist der Beweis geliefert, dass im Vorwärmerteil eine Kommunikation zwischen 
der Roh- und Reinwasserleitung besteht. (Grössere Undichtigkeiten dürften 
sich auch dadurch bemerkbar machen, dass nach Abschluss des Absperrbahns 
im Reinwasserrohr bei gleichzeitigem Offenbleiben des Rohwasserzuflussbahns 
der Abfluss vom Wasser aus dem Reinwasserrohr nicht aufhört.) 
R. Abel (Berlin). 


Utz, Ueber das Verfahren Frerichs zur Bestimmung der Salpeter- 
säure im Wasser Chem.-Ztg. 1905. S. 177. 

Das Verfahren von Frerichs (Arch. d. Pharm. 1903. Bd. 241. S. 47) - 
gründet sich darauf, dass die im Wasser vorkommenden Nitrate durch Salz- 
säure leicht in Cbloride verwandelt werden, während der Ueberschuss an 
Salzsäure durch Erhitzen auf dem Wasserbade entfernt werden kann. Je nach 
der Menge der vorhandenen Nitrate werden 100 oder mehr ccm Wasser in 
einer Glas- oder Porzellanschale eingedampft; man behandelt den trockenen 
Rückstand mit destilliertem Wasser und filtriert vom Unlöslichen ab. Das 
Filtrat wird dann mit 50 ccm Salzsäure in einer Porzellanschale auf dem 
Wasserbade zur Trockne verdampft, bis kein stechender Geruch wahrnehmbar 
ist, und die Schale dann noch für etwa !/, Stunde im Trockenschranke auf 
100° erhitzt. Dieser Abdampfrückstand wird dann in 30—50 ccm Wasser 
gelöst, ein Tropfen davon mit einem Tropfen Diphenylamin-Schwefelsäure 
auf völlige Abwesenheit von Nitrat geprüft — eventuell muss das Abdampfen 
mit Salzsäure noch einmal wiederholt werden —, und dann der Chlorgehalt 
durch Titration mit Silbernitrat unter Zusatz von Kaliumchromat als Indikator 
ermittelt. Gleichzeitig bestimmt man den nichtflüchtigen Chlorgehalt der Salz- 
säure durch Eindampfen von 50 ccm derselben Salzsäure zur Trockne und 
Titration; von der im Rückstande des Wassers aufgefundenen Menge Chlor 
subtrabiert man nun diejenige Menge Chlor, welche ursprünglich im Wasser 
enthalten war, und die für den Rückstand der Salzsäure gefundene; der Rest 
wird dann zur Ermittelung der vorhanden gewesenen Salpetersäure (N,O,) mit 
1525 multipliciert, da 1 mg Cl = 1,525 mg N,0, entspricht. 

Utz konnte bei einer Reihe von Kontrollprüfungen die Zuverlässigkeit des 
so einfachen Frerichsschen Verfahrens für Wasser bestätigen; die einzelnen 
Titrationen müssen natürlich scharf ausgeführt werden, da sich das Endergebnis 
ja aus 3 verschiedenen Titrationen berechnet. 

Aach zur Bestimmung von Salpeter in Wurst und Fleischwaren 
bat Utz das Verfahren benutzt, indem er. 5 g oder mehr der entfetteten 
Wurst wiederholt mit etwa 20 ccm Wasser auskochte und in den vereinigten 
Filtraten, nach dem Auffüllen zu einem bestimmten Volumen, einerseits das 
von vornherein vorhandene Chlor, andererseits das durch Salzsäurebehandlung 
erzielte Plus an Chlor ermittelte. Wesenberg (Elberfeld). 


4* 


24 Wohnungshygiene. 


Nussbaum H. Chr., Die Schutzmittel gegen aufsteigende Feuchtigkeit 
und Schlagregen. Gesundh.-Ing. 1904. S. 457. 

Die Trockenerhaltung der Gebäude, also der Schutz gegen auf- 
steigende Feuchtigkeit und Schlagregen, ist mindestens eben so wichtig 
oder gar noch wichtiger als die Austrocknung eines Neubaues. Die bestehenden 
Vorschriften der Bauordnungen enthalten hierüber wenig. Um die Grundlage 
für schärfere, unzweideutige Bestimmungen zu geben, bespricht der Verf. nach 
eigenen Erfahrungen und Untersuchungen einige von den technischen Schutz- 
mitteln. 

Teer, Gudron, Asphaltfilz, Teerpappe und dünne Bleiplatten 
versagen den Dienst, wenn sie mit frischem Mörtel in Berührung stehen. 
Die Alkalien des Mörtels verseifen die öligen Bestandteile und greifen das 

- Blei an. Auch verwittern diese Schutzmittel rasch. 

Das Erdwachs, auch Ceresin genannt, ist geeignet. Das Mauerwerk 
wird geglättet, mit Erdwachs bestrichen und mit einem heissen Bügeleisen 
behandelt. Stark wasserhaltiges Mauerwerk wird mit der Lötrohrflamme er- 
wärmt, bevor es bestrichen wird. Das Bügeln ist dann unnötig. Diese Be- 
handlung ist für wagerechte, wie für senkrechte Flächen brauchbar. Der 
Ueberzug ist undurchlässig für Flüssigkeit, lässt aber Wasserdampf durch, 
ist also der Austrocknung nicht hinderlich. 

Gegen Wasserdruck ist es nötig, der Isolierschicht eine Unterbettung 
zu geben, am besten aus gesinterten Ziegeln mit fettem Trassmörtel, Trass- 
cementmörtel oder Milchkalkmörtel. 

Gussasphalt ist ebenfalls als Isolierschicht geeignet. Weil er aber in 
geringem Masse verwittert, ist die Dauer seiner Undurchlässigkeit begrenzt. 

Die vom Erdboden berührten Flächen erhalten am besten eine 
Verblendung mit gesinterten Ziegeln in fettem Trassmörtel, Trasscement- 
mörtel oder Milchkalkmörtel. Mörtelverputz ist nicht zu empfehlen, weil 
er rissig wird, es sei denn, dass man Milchkalkmörtel nimmt. 

Die freistehenden Wandflächen sollen auf den Wetterseiten, also 
im Norden und Westen gegen Schlagregen geschützt werden. 

In den Küstengebieten ist das auf allen Seiten nötig, weil das mit der 
Feuchtigkeit eindringende Salz durch seine wasserauziehende Kraft die Durch- 
feuchtung beschleunigt. 

Als Schutz der Flächen empfiehlt sich ebenfalls eine Verblendung mit 
gesinterten Ziegeln. Für bessere Häuser kann man Verblendsteine von ent- 
sprechender Wasserundurchlässigkeit verwenden. Bei Putzflächen setzt man am 
besten eine Verblendung aus gesinterten Ziegeln darunter, kratzt die Fugen 
2cm tief aus und verputzt dann mit fettem Milchkalkmörtel. Dieser Verputz 
ist dauerhaft, wasserundurchlässig, lässt aber Wasserdampf durchtreten. 

Um gewöhnlichen Mörtelverputz nachträglich einigermassen wasserun- 
durchlässig zu machen, ist Kaliwasserglas geeignet. Frischer Kalkmörtel 
kann mit Magermilch gestrichen werden. 

Wenn Sandsteine oder andere durchlässige Steine als Verblender dienen, 
soll man sie mit fettem Milchkalkmörtel versetzen und hinterfüllen. 


Wohnungshygiene. 25 


Vortrefflich ist das Bekleiden von Wandflächen mit undurchlässigen 
Platten aus dichtem Naturstein, Steinzeug, glasiertem Ton, Glas, unter hohem 
Druck erbärtetem Cementguss und dergl. Die Platten werden mit schmalen 
Fugen in fettem Cementmörtel oder Milchkalkmörtel befestigt. 

Schliesslich sind noch Dachziegel, Schiefer, Schindeln und Dielen aus 
barzreichem Holz zu erwähnen, die auf Latten vor dem Manergrund befestigt 
werden. Imhoff (Berlin). 


v. Esmarch E., Die Erwärmung der Wohnungen durch die Sonne. 
Zeitschr. f. Hyg. Bd. 48. S. 485. 

Der Verf. hat mit einer sehr einfachen Vorrichtung vergleichende Ver- 
suche über den Einfluss angestellt, welchen verschiedene Dachbe- 
deckungen unserer Häuser und Wärmeschutzvorrichtungen vor unsern 
Fenstern auf die Erwärmung der Innenräume unter dem Einfluss 
der Sonnenstrahlen ausüben. Er beobachtete nämlich die Thermometer- 
unterschiede im Innern von 2 ganz gleichen Kasten aus starkem Holz, die 
aussen mit dickem Korkstein bekleidet und mit weisser Oelfarbe angestrichen 
waren und deren Deckel genau passend und abschliessend aus den verschie- 
densten Stoffen hergestellt, den Sonnenstrahlen möglichst senkrecht entgegen- 
gerichtet wurden. 

Es ergab sich zunächst, dass das Wärmeleitungsvermögen von grosser 
Bedeutung ist: ein Pfannendach (aus Ziegeln) schützt besser als Schiefer, dieser 
besser als Dachpappe und Zinkblech; besonders wirksam ist aber eine unter 
der Dachbekleidung angebrachte Isolierschicht, wie z. B. eine Holzver- 
schalung. Wichtig ist die Farbe: schwarzes Holz bewirkte in 2 Stunden eine 
doppelt so grosse Erwärmung wie weisses. Bei den Fensterverkleidungen 
kommt es ausser der Farbe auch auf die Dichte des Gewebes an: ein ein- 
facher weisser leinener Vorhang gibt guten Wärmeschutz, besonders wirksam 
sind aber doppelte Vorhänge. Grosse Bedeutung haben Doppelfenster und 
Jalousien. Am Schluss wird die Berankung der Aussenwände der 
Häuser mit Wein, Epbeu und dergl. als wirksamer Wärmeschutz warm be- 
fürwortet und ihre Verdächtigung als Ursache von Wandfeuchtigkeit entkräftet. 

Globig (Berlin). 


Fabarius, Die Bedeutung der Baupolizeiordnung für das städtische 
Wohnungswesen mit besonderer Rücksicht auf die Stadt Kassel. 
(Mit 4 Abbildungen.) Centralbl. f. allgem. Gesundheitspfl. Jahrg. 23. 1904. 
S. 137. 

Im Anschluss an einen Auszug aus der Baupolizeiordnung für Kassel, 
Hanau und Marburg vom 23. November 1900 ($$ 21, 23, 26, 27, 30, 78 und 
&0) wendet sich Verf. speciell zu den Kasseler Verhältnissen und schlägt vor, 
im Gesamtgebiete der Bauordnung folgende 3 Gebiete zu unterscheiden: 

„A. Zinshans-Bebauung (Innenstadt, nördliche und östliche Aussenstadt). 
Gebäudefläche 5/ der Grundstücksfläche, bei Eckgrundstücken 5/6. 4 Wohn- 
geschosse; bei grösseren Läden oder Geschäftsräumen 5. Für bereits bebaute 


26 Wohnungshygiene. Heizung. 


Grundstücke sind bei Neu- und Anbauten Ausnahmen zulässig, worüber Näheres 
zu bestimmen. 

B. Gemischte Bebauung .(nordwestliche Aussenstadt). 

Vorderland-Bebauung voll bis zur Tiefe der Strassenbreite, freien Hof bis 
zur doppelten Tiefe, Hinterland-Bebauung 25—350/, der Grundfläche. Geschoss- 
zahl bis 15 m. Strassenbreite: 3, an breiteren Strassen 4. An 18 m breiten 
und breiteren Strassen, bei grösseren Läden und Geschäftsräumen: 5, Hinter- 
gebäude: 3. 

C. Bürgerhaus-Bebauung (die übrige westliche Aussenstadt). 

Bauwich 6 m. Gebäudeflächen wie in B. Geschosszahl ebenso, jedoch 
bis 15 m Strassenbreite nur 2 volle Geschosse und ausgebautes Dachgeschoss, 
Hinterbäuser nur 2 Geschosse.“ R. Blasius (Braunschweig). 


Pröbsting, Ein Franzose über das Arbeiterwohnungswesen in Deutsch- 
land. Centralbl. f. allgem. Gesundheitspfl. Jahrg. 23. 1904. S. 297. 

Der Verf. hat sich ein Verdienst dadurch erworben, einen sehr interessanten 
Vortrag von Emil Cacheux, bekannt durch seine Schriften und seine eigene 
Arbeiterwohnungsfürsorge in Paris, hier in freier Uebersetzung wieder- 
zugeben. Unser westlicher Nachbar hat sich gründlich in unserem Vaterlande 
umgesehen, sich reiches statistisches Material von Staats- und städtischen Be- 
hörden verschafft und in seinem Vortrage bearbeitet. Einzelheiten müssen in 
demselben nachgelesen werden. Es wird besprochen: die Einwanderung der 
ländlichen Bevölkerung in die Städte und die Zunahme der Haushaltungen in 
einem Hause; die Zunahme der kleinen Wohnungen, häufig nur mit einem 
heizbaren Raum, in manchen Städten; das Kostgänger- und Schlafburschen- 
wesen; das Bestreben des Staates und der Gemeinde, den Wohnungsübelständen 
abzuhelfen a) durch baupolizeiliche Vorschriften, b) durch Bewilligung von 
Geldsummen zur Errichtung von billigen Wohnungen; die Förderung dieser 
Bestrebungen durch die Alters- und Invaliditätsversicherungen, die Sparkassen 
und Lebensversicherungsgesellschaften, die philanthropischen und Wohltätig- 
keitsgesellschaften, das System Peabody u.s.w. Verf. schliesst mit der 
Anerkennung, dass die Frage der kleinen Wohnungen in Deutschland ernst- 
haft erwogen wird; „grosse Summen werden jährlich für die Errichtung von 
billigen Wohnungen ausgegeben, und es wäre wünschenswert, dass in unserem 
Lande (nämlich in Frankreich!) seitens der Behörden ebensolche Anstren- 
gungen für die Verbesserung der Arbeiterwohnungen gemacht würden wie bei 
unseren Nachbaren“. R. Blasius (Braunschweig). 


Randel, Ueber Fernheizungen, Gesundh.-Ing. 1904. S. 498. 

Die ersten Fernheizungen in Amerika waren Luftheizungen. Dann 
ging man zu überhitztem Wasser und hochgespanntem Dampf über. 

Auch in Deutschland sind seit 1890 viele ziemlich grosse Anlagen gebaut 
worden. Die grösste ist die bekannte Anlage in Dresden, die nach voll- 
ständigem Ausbau 12 königliche Gebäude bis auf 1 km Entfernung versorgt. 


Heizung. 27 


Man hat damit zwar keine Ersparnis gegenüber Einzelanlagen erreicht, der 
Betrieb ist aber sicherer und die Rauchplage ist beseitigt worden. 

Die elektrische Fernheizung ist in Deutschland noch doppelt so teuer 
wie eine gewöhnliche Sammelheizung. 

Der Verf. bespricht nun eingehend die Fernheizung mit Kraftgas. Das 
Kraftgas soll von Centralen in Rohrleitungen genau wie Leuchtgas abgegeben 
und in den Feuerungen der einzelnen Sammelheizungen verwendet werden. 
Gegenüber den Wasser- und Dampffernheizungen hat dies den Vorteil, dass 
die Leitungen einfacher und billiger werden und dass die abgegebene Energie 
leichter gemessen werden kann. 

Für einen bestimmten Fall werden die Kosten der Kraftgasfernheizung 
mit denen der elektrischen Fernheizung verglichen. Die Gasheizung ist 
dabei bis zu einer Entfernung von 5 km billiger. Imhoff (Berlin). 


Okmes K., Selbsttätige Temperaturregler bei Centralheizung in den 
Vereinigten Staaten von Nordamerika. Gesundh.-Ing. 1904. S. 545. 
Der Johnsonregler ist der verbreitetste. Er hat eine Luftdruckleitung 
mit 1 Atm. Ueberdruck nötig, die die nötige Kraft zum Bewegen der Ventile 
abgibt. Der wichtigste Teil an dem Regler ist eine Blattfeder, die aus einem 
Messingblech und einem Stahlblech zusammengelötet ist. Die Spannung der 
Feder ändert sich mit der Temperatur. Die Feder wird so eingestellt, dass 
sie eine kleine Oeffnung frei gibt, sobald eine bestimmte Temperatur beim 
Heizen erreicht ist und dass sie dieselbe Oeffnung wieder verschliesst, wenn 
die Temperatur unter das bestimmte Mass sinkt. Die Oeffnung steht mit der 
Luftdruckleitung in Verbindung und veranlasst beim Oeffnen und Schliessen, 
dass ein kleiner Luftdruckmotor das Ventil des zugehörigen Heizkörpers öffnet 
und schliesst. 

Der Regler arbeitet auf Bruchteile eines Grades genau. Seine Tempe- 
ratar kann bis auf 3° unter oder über die gewöhnliche Temperatur eingestellt 
werden. Auch kann man die Heizung ganz abstellen. 

Die Powersregler benützen leichtsiedende Flüssigkeiten, deren Spannung 
sie auf eine gewellte Scheibe übertragen. Die Spannung unmittelbar auf das 
Ventil des Heizkörpers zu übertragen, soll sich nicht bewährt haben. Man 
benützt hier als Bewegungskraft auch Druckluft. 

Die Baukosten der Regelungsanlagen betragen nach mehreren ameri- 
kanischen Beispielen 6,6—10%, der Kosten der Heizungsanlagen und 1°), 
der Gesamtbaukosten. 

Die Betriebskosten sollen gering sein. Ein Regler braucht an Arbeits- 
kraft durchschnittlich weniger als 1/5% Pferdekraft. Für kleine Anlagen werden 
die Luftpumpen mit Druckwasser, für grössere mit Elektricität oder Dampf 
betrieben. 

Für die Unterhaltung einer Anlage in einem mittelgrossen Wohnhaus 
rechnet die Unternehmergesellschaft 20 Dollar im Jahr. 

Imhoff (Berlin). 


28 Ernährung. 


Winckel M., Ueber belichtete und ranzige Fette. Zeitschr. f. Untersuchg. 
d. Nahrgs.- u. Genussm. 1905. Bd. 9. S. 90. 

Die Veränderung, welche die Fette beim Aufbewahren im Sonnenlicht 
erleiden, ist eine andere, als die, welche im Dunkeln (ohne Eintritt der Ran- 
zigkeit) erfolgt; beide Arten von Zersetzungsprocessen erfolgen auf chemischem 
Wege. Der Eintritt der Ranzigkeit der Fette erfolgt unter Mitwirkung 
von Mikroorganismen. Der Eintritt der Phloroglucin-Salzsäure-Reaktion auf 
Verdorbenheit der Fette fällt nicht zusammen mit dem Eintritt der Ranzigkeit 
derselben. Der chemische Vorgang bei der Veränderung des Butter- 
fettes ist ein anderer als bei den übrigen Fetten. Der Nachweis der Ran- 
zigkeit eines Fettes wird am besten durch die Sinnenprüfung erbracht, da die 
Reaktionen auf Verdorbensein (nach H. Kreis: Gleiche Volumina Fett und 
Salzsäure von 1,19 spec. Gew. werden gemischt und dann mit 1 Volumteil 
einer 1 prom. ätherischen Phloroglucinlösung gemischt: talgig gewordene oder 
gebleichte Fette geben eine Rotfärbung; nach A. Schmidt: 20g Fett mi: 
100 cem Wasser im Wasserdampfstrom destilliert und 100 ccm abdestilliert 
hinein in 5ccm einer frischen Metaphenylendiaminchlorhydrat-Lösung: ver- 
dorbene Fette geben stark gelbe bis gelb-braune Färbung) bei der Butter im 
Stich lassen, bei den übrigen Fetten zu scharf sind. Bei der Zersetzung der 
Fette nimmt die Oelsäure den wesentlichsten Anteil, ihre. Zersetzungspro- 
dukte bedingen das Eintreten der genannten Reaktionen auf Verdorbenbeit. 

Wesenberg (Elberfeld). 


Gogitidse S., Vom Uebergang des Nahrungsfettes in die Milch. Aus 
der Abteilung für experimentelle Medizin des bakteriologischen Institutes zu 
Kiew (Prof. W. Lindemann). Zeitschr. f. Biol. 1905. Bd. 46. S. 403. 

Durch frühere an milchenden Tieren angestellte Fütterungsversuche mit 
Leinöl (Zeitschr. f. Biol. Bd. 45) hat Verf. unzweideutig gezeigt, dass Lein- 
öl unverändert, und zwar der Hauptsache nach unmittelbar, zum Teil je- 
doch auch erst durch die Fettdepots des Organismus in die Milch über 
geht. Ein neuer Versuch mit japanischem Wachs (Cera japonica) an einer 
milchenden Ziege verlief dagegen ergebnislos, was wohl vor allem auf den 
hohen Schmelzpunkt (54°) und dadurch bedingte schlechte Resorption desselben 
zurückzuführen ist. 

Zur Entscheidung der Frage, ob nur die neutralen Fette der Nahrung 
und der Depots als Material zur Bildung des Milchfettes oder ob dazu auch 
die Fettsäuren dienen können — im letzteren Falle müsste das Milchdrüsen- 
epithel imstande sein, durch Synthese Fett aus den Komponenten zu bilden — 
wurden Ziegen mit Fettsäuren, in Form von Seifen, gefüttert und das Milchfett 
untersucht. Die Versuche mit Leinölseife ergaben nach deren Verfütterung 
im Milchfett zweifellos das Auftreten von neutralem ungesättigtem Glycerid 
der Leinölsäure, welches also nur durch Synthese gebildet sein konnte; das- 
selbe Ergebnis wurde mit stearinsaurem Natron erzielt, während die Ver- 
suche mit Jaurinsaurem Natron, welches der Ziege wegen seines Geruches 
und Geschmackes nur in kleinen Mengen beigebracht werden konnte, negativ 
ausfielen. Zwei Ziegen mit Walrat (Spermacet), dessen Hauptbestandteil der 


Ernährung. 29 


Palmitinsäurecethylester ist, gefüttert, enthielten in der Milch keinen Cethyl- 
alkohol; die höheren Alkohole der Nahrung gehen also nicht in die Milch 
über, weshalb auch ein Transport von unverseiftem Fett im Körper unwahr- 
scheinlich erscheint. 

Bei stillenden Frauen, denen mit der Nahrung täglich nur 15—30 g 
Leinöl, bezw. 20—40 g Hanföl gereicht wurden, zeigte sich eine merkliche 
Aenderung der Zusammensetzung des Milchfettes unter dem Einfluss des Fettes 
der Nahrung, wobei das Hanföl noch einen merklichen Rückgang der Milch- 
menge bedingte. Hieraus ergibt sich, dass die qualitative Zusammensetzung 
des Ammenmilchfettes mehr Aufmerksamkeit verdient, während bisher nur 
allein der Milchfettgehalt berücksichtigt wurde. Andrerseits können vielleicht 
Dyspepsien der Kinder, welche häufig nur durch Ammenwechsel zu heilen 
sind, durch Aenderung des Nahrungsfettes der Amme günstig beeinflusst 
werden. Wesenberg (Elberfeld). 


Völtz W., Untersuchungen über die Serumhüllen der Milchkügelchen. 
Arch. f. d. ges. Physiol. 1904. Bd. 102. S. 373. 

Nach den Untersuchungen des Verf.s besitzen die Fettkügelchen 
der Milch Hüllen mit festen Substanzen, wahrscheinlich wirklich feste 
Membranen; dieselben enthalten ausser stickstoffhaltigen und stickstofffreien 
organischen Verbindungen noch Kalk, Phosphorsäure, Magnesia und (wahr- 
scheinlich aus organisch gebundenem Schwefel entstammende) Schwefelsäure. 
Das Verhältnis ‚dieser Substanzen zu einander, wie die Stärke der Hüllen ist 
bei der Milch verschiedener Tiere derselben Art ausserordentlichen Schwan- 
kungen unterworfen und zwar schwankte das Verhältnis 


von N zu Asche . . . . . „zwischen 1:0,09 und 1:14,7 
„ organischer Substanz zu Asche i 1:0,01 „ 1: 0,86 
a NiP. 2.222222. 100:0,15 „ 100:15,5 
n Asche zu POs Dr $ y 100:0,34 „ 100 : 48,43 


Aber auch die Hüllen der früher oder später aufsteigenden Milchkügel- 
chen besitzen eine untereinander sehr abweichende chemische Zusammensetzung, 
wie ūberhaupt die Hüllen der Milchkügelchen sehr labile, in ihrer 
Zusammensetzung sich vielfach verändernde Gebilde sind. 

Statt der wenig glücklichen Bezeichnung „Serumhüllen“ möchte Verf. 
die von Ascherson eingeführte Bezeichnung „Haptogenmembran“ wieder 
aufgenommen wissen. Wesenberg (Elberfeld). 


Popper R., Ueber die Formelemente des Colostrums, ihre Entstehung 
und Bedeutung. Aus den physiologischen Institute der Universität Wien. 
Arch. f. d. ges. Physiol. 1904. Bd. 105. S. 573. 

Verf. gibt folgende Schlusssätze: 

1. Colostrum ist das Sekretionsprodukt der Milchdrüsen des Menschen 
und der Säugetiere beiderlei Geschlechts und jeden Alters zu jenen Zeiten zu 
nennen, in welchen es Zellen nicht entzündlichen Ursprungs in grösserer Zahl 
entbält. Die verschiedenen Arten des Colostrums: das Sekret der Graviden, 
der Wöchnerinnen, das Endcolostram (Colostrum nach beendeter Laktation), 


30 Ernährung. 


das Sekret der Neugeborenen, das Sekret der Frauen jahrelang nach der Ge- 
burt u. s. w. haben eine qualitativ gleichartige Zusammensetzung, wenn auch 
in der Ursache der Entstehung Unterschiede bestehen. 

2. Die Colostrumkörperchen sind Epithelzellen, welche von dem Epithel 
der Alveolen oder Gänge losgelöst, in das Lumen geraten, wo sie wohl noch 
einige Zeit Lebenserscheinungen bieten können, aber schliesslich der fettigen 
Degeneration anheimfallen. Wesenberg (Elberfeld). 


Camerer (Urach), Mitteilung über den Eisengehalt der Frauenmilch. 
Zeitschr. f. Biol. 1905. Bd. 46. S. 371. 

Camerer teilt Aschen- und Eisenbestimmungen von 2 Proben 
Frauenmilch mit, welche Söldner ansgeführt hat; es handelte sich um 
Frühmilch vom 3.—12. Tage der Laktation. Die erste Analyse ergab auf 
100 cem Milch 0,21 mg FeO, bezw. auf 100 g Asche 66,4 mg F&,0;: bei 
der zweiten Analyse wurden erhalten auf 100 ccm Milch 0,13 mg Fe,0, bezw. 
auf 100 g Asche 50,2 mg Fe,0;. 

In einem früheren Versuch (vergl. diese Zeitschr. 1903. S. 986) hatte 
Söldner in 100 g Frühmilch 0,22 mg Fe,0;, in 100 g Spätmilch 0,12 mg 
F&0;. Wesenberg (Elberfeld). 


Bonnema A. A., Untersuchung pasteurisierter Milch. Chem.-Ztg. 1905. 
No. 14. S. 182. 

In Holland ist der Gebrauch sogenannter krankheitskeimfreier 
Milch sehr verbreitet, die pasteurisierte Milch daher ein ziemlich bedeu- 
tender Handelsartikel. Zur Prüfung, ob die Milch richtig pasteurisiert ist, 
füllt B. mit derselben sterile 100 g-Stöpselflaschen vollkommen an, und stellt 
in den Thermostaten bei 37°; nach Verlauf von ein paar Tagen tritt Butter- 
säurebildung und Gasentwickelung ein, falls die Milch gut pasteurisiert war, 
da in diesem Falle nur die Buttersäurebacillensporen lebend geblieben sind, 
während die Milchsäurebakterien durch das Pasteurisieren abgetötet sind. 
Tritt dagegen Milchsäurebildung ohne Gasentwickelung ein, so war die Milch 
ungenügend erhitzt. War andererseits die Milch zu hoch erhitzt, so hat sie 
Kochgeschmack und Kochgeruch angenommen und ist ebenfalls zu beanstanden. 
Ausserdem muss die Milch die Storchsche Reaktion auf Oxydase geben (be- 
züglich dieser Reaktion vergl. diese Zeitschr. 1905. S. 188. Ref.). 

Wesenberg (Elberfeld). 


Höft H., Ueber Trockensubstanzbestimmung in Formalinmilch. 
Chem.-Ztg. 1905. H. 5.8. 54. 

Zur Michkonserviernung für spätere Untersuchung genügt bekanntlich 
in der Regel ein Zusatz von 4 Trofen Formalin (40 proz.) zu 100 ccm 
Milch. Ein derartiger Zusatz hat nach des Verfs. Versuchen bei 25 tägiger 
Einwirkung keine Veränderung des Trockensubstanzgehaltes bewirkt; erst ein 
Zusatz von 0,6 ccm und mehr zu 100 ccm Milch hat eine Erhöhung des 
Trockensubstanzgehaltes um 0,10%% und darüber verursacht. Die Dauer der 
Einwirkung lässt keinen besonderen Einfluss erkennen, dagegen scheint die 


Ernährung. 31 


Trocknung schwieriger zu erfolgen, wenn Formalin längere Zeit mit der Milch 
gemischt gewesen ist. Wesenberg (Elberfeld). 


Renard A., La conservation du lait. Rev. d’hyg. T. 26. p. 97. 
Nicolle C. et Duclaux E., Recherches expérimentales sur la conser- 
vation du lait. Ibidem. p. 101. 

Beide Abhandlungen empfehlen Wasserstoffsuperoxyd als Konser- 
vierungsmittel für Milch. Sobald als möglich nach dem Melken soll der 
Milch 0,06°/, (bis höchstens 0,09%/,) H,O, zugesetzt werden. Durch das 
Wasserstoffsuperoxyd wird die Milch zwar nicht steril gemacht, ihre Bakterien- 
zahl aber wesentlich verringert und dadurch die Haltbarkeit der Milch, nament- 
lich wenn ibre Aufbewahrung bei niederer Temperatur erfolgt, bedeutend 
verlängert. Dieselbe Wirkung kann man natürlich auch mit anderen Kon- 
servierungsmitteln erreichen. Was das H,0, von diesen unterscheidet, ist 
aber der Umstand, dass es, in den angegebenen Mengen (nicht über 0,090/,) 
zugesetzt, sich innerhalb einiger (6—8—10) Stunden zersetzt und so von 
selbst wieder aus der Milch verschwindet. Zur Prüfung auf H,O, koaguliert 
man die Milch mit verdünnter H S0,, filtriert und schüttelt das Filtrat mit 
etwa seinem halben Volumen Aether, dem einige Tropfen Chromsäurelösung 
zugesetzt sind. Färbt sich der Aether nicht mehr blau, so ist kein H,O, mehr 
vorhanden und die Milch unbedenklich geniessbar. Bei ausgedehnten Versuchen, 
die mit solcher Milch als Säuglingsnahrung in Rouen angestellt worden sind, 
hat sich ihre völlige Unschädlichkeit und Bekömmlichkeit erwiesen. 

Hervorgehoben muss werden, dass Wasserstoffsuperoxyd in der Menge von 
0,06°;, nicht imstande ist, pathogene Bakterien wie Bacillus typhi, coli, pyo- 
cyaneus und Vibrio cholerae, sowie Keime von Milchkrankheiten (Bacillus 
cyanogenes und prodigiosus) sicher abzutöten, so dass also die H,0,-Konser- 
vierung nicht von sorgfältiger Behandlung der Milch entbindet. 

Bemerkenswert ist ferner, dass in gekochter oder auch nur auf 75° er- 
hitzter Milch eine Zersetzung des Wasserstoffsuperoxyds nicht statthat; ebenso 
nicht, wenn das Wasserstoffsuperoxyd roher Milch zugesetzt und diese dann 
gekocht wird. R. Abel (Berlin). 


Olig A. und Tillmanns J, Ueber das mittlere Molekulargewicht der 
nichtflüchtigen Fettsäuren holländischer Butter. Zeitschr. f. 
Untersuchg. d. Nahrgs.- u. Genussm. 1904. Bd. 8. S. 728. 

Nach Juckenack und Pasternack (vergl. diese Zeitschr. 1905. S. 185) 
soll eine Butter, bei welcher das mittlere Molekulargewicht der nicht- 
flüchtigen Fettsäuren über 261 liegt, als verfälscht erklärt werden. Aus 
Geldringen (Holland) und Umgegend bezogene Milchproben wurden von 
den Verff. im Laboratorium verbuttert und diesbezüglich untersucht. Im Sommer 
lag diese Zahl bei der Butter meist, jedoch nicht immer, innerhalb der von 
Juckenack und Pasternack angegebenen Grenzen, erhob sich aber im Herbst 
meist weit über 261 (sogar bis 271,6); auch mehrere Ende August aus einer 
Molkerei bei Cleve entnommene Milchproben ergaben Butter mit einem mitt- 
leren Mol.-Gew. der nichtflüchtigen Fettsäuren von etwa 267. Auch Reimsch 
(vergl. diese Zeitschr. 1905. S. 1049) weist auf dieselbe Beobachtung hin. 


32 Ernährung. 


Die Reichert-Meissische Zahl fanden die Verf. im Sommer in der 
selbsthergestellten Butter aus holländischer Milch zwischen 25,5 und 32,6, 
Ende August sank diese auf 23,3, anfang Oktober sogar auf 20,9 (dazwischen 
wurden aber auch höhere Werte bis 29,9 ermittelt). 

Wesenberg (Elberfeld). 


Forster, Talkum auf Graupen. Zeitschr. f. öfl. Chem. 1905. S. 36. 

Nach einer Bekanntmachung des Reichskanzlers vom 26. Januar 1905 
sind, „polierter Reis, polierte Graupen und polierte Erbsen hinsicht- 
lich der Politur nur dann zu beanstanden, wenn an der Oberfläche der Körner 
wägbare Mengen Talkummehles nachzuweisen sind.“ Zur Vorprobe auf An- 
wesenheit von Talkum schüttelt Verf. das Material im Reagensglase mit Chloro- 
form und mikroskopiert den eventuell entstandenen Bodensatz; bei Gegenwart 
grösserer Mengen Talkum werden 5 g Material in Platinschale verkohlt, dann 
wit Soda und Salpeter geschmolzen; nach dem Aufnehmen mit Wasser wird 
die ansgeschiedene Magnesia abfiltriert, gewaschen, in verdünnter Salzsäure 
gelöst und die Lösung mit Ammoniak übersättigt; eine hierbei etwa auftretende 
Fällung (Tonerde) wird abfiltriert und im Filtrat die Magnesia, wie üblich, 
mit phosphorsaurem Natron bestimmt. Die chemische Zusammensetzung des 
Talkums ist: H,Mg3Si, 0,2. 

Nach den Beobachtungen des Verf. gelangen ausser Talkum auclı andere 
{z. B. tonerdehaltige) Poliermittel zur Verwendung. 

Wesenberg (Elberfeld). 


Evers F., Ueber die Prüfung von Himbeersirup. Zeitschr. f. öffentl. 
Chem. 1904. S. 319. 

Spaeth E., Ueber die Untersuchung und Beurteilung von Himbeer- 
sirup. Zeitschr. f. Untersuch. d. Nahrungs- u. Genussm. 1904. Bd. 8. S. 538. 

Beythien A., Einige weitere Analysen von Fruchtsäften und Beeren- 
früchten. Ebenda. S. 544. 

Juckenack A und Pasternack R., Ueber die Zusammensetzung der Frucht- 
säfte und Fruchtsirupe. Ebenda. S. 548. 

Evers fand bei der Prüfung einer Reihe reiner Himbeerrohsäfte 
des Jahres 1904 nur einen Aschengehalt von 0,39—0,53 %/, (im Mittel 0,43 %/,) 
und eine Alkalität der Asche zwischen 1,9—2,8 ccm (Mittel 2,3 ccm). Mit 
Zucker im Verhältnis 7:13 eingekucht, berechnet sich der Aschengehalt von 
0,14—0,19 %, (Mittel 0,15 %,), die Alkalität der Asche zwischen 0,7—1,0 ccm 
(Mittel 0,8 ccm), während Spaeth (vergl. diese Zeitschr. 1901. S. 1071) min- 
destens 0,2 %, Asche und 2,0 cem Alkalität für reine Himbeersirupe forderte. 
Verf. glaubt, für diese Abweichungen event. Standort, Jahrgang und Kultur 
verantwortlich machen zu müssen. 

Spaeth fand, im Gegensatz zu Evers, in reinen Himbeersirupen aus dem 
Jahre 1904 wieder 0,220—0,298 °/, Asche, deren Alkalität = 2,20— 2,80 ccm 
Normalsäure entsprach. Auffallend ist auch bei den Eversschen Zahlen das 
Missverhältnis zwischen Asche und Alkalität, welches bei Evers etwa 1:5, 
bei Spaeth und allen anderen Untersuchern etwa 1:10 ist. 


Ernährung. 33 


Auch Beythien kann für 1904 die Befunde von Evers für reine 
Himbeersirupe nicht bestätigen. Der Aschegehalt für Rohsäfte schwankte 
zwischen 0,538—0,800 °/,, die Alkalität der Asche zwischen 5,35 und 8,02 ccm, 
so dass also wenigstens die Forderung -on Juckenack einer Alkalität von 
mindestens 5 ccm für Rohsaft berechtigt erscheint. Das Missverhältnis von 
Asche und Alkalität bei Evers sucht sich Beythien durch die Verwendung 
schwefelhaltigen Leuchtgases von seiten Evers zu erklären. Des weiteren 
weist B. nach, dass durch Verwendung nasser (beregneter) Himbeeren 
nur etwa 10 %;, Wasser dem Succus zugeführt werden. 

Juckenack und Pasternack fanden in Robsäften des Jahres 1904, in- 
folge der auffallend trockenen Witterung, zum Teil sogar recht hohe Werte 
von 0,59—1,20 %/, Asche mit 6,88—15,10 ccm Alkalität. 

Die Eversschen Angaben sind also hinfällig. 

Wesenberg (Elberfeld). 


Windisch N. und Röttgen Th., Ueber die Veränderungen der Zusammen- 
setzung der Weine durch Schönen mit Hausenblase, Gelatine, 
Eiweiss und Spanischer Erde. Zeitschr. f. Untersuchg. d. Nahrgs.- u. 
Genussm. 1905. Bd. 9. S. 129. 

Im Anschluss an ihre frühere Mitteilung betr. Schönungsmittel für Wein 
(vgl. diese Ztschr. 1905. 8.1058) prüften die Verf. noch die obigen Mittel bezüglich 
ihres Einflusses auf die Zusammensetzung des damit behandelten Weines. Aus den 
gesamten Untersuchungen ergibt sich, dass die chemische Zusammensetzung der 
Weine durch die Schönung nur wenig beeinflusst wird; ganz besonders gilt dies 
von den gebräuchlichsten Schönungsmitteln, der Hausenblase und der Gela- 
tine. Die Befürchtung, durch die Schönung werde die chemische Zusammensetzung 
der Weine so stark verändert, dass die Beurteilung derselben nach Massgabe 
des Weingesetzes, insbesondere bezüglich des Extrakt- und Mineralstoffgehaltes, 
dadurch beeinflusst werde, besteht somit nicht, am wenigsten bei Benutzung 
von Gelatine und Hausenblase. Durch diese Mittel wird nur der Gerbstoff 
vermindert, der in der Regel nur bei der Frage, ob einem Wein Tresterwein 
beigemischt ist, von Bedeutung ist. Hier kann allerdings durch wiederholte 
starke Gelatineschönungen das Bild erheblich verschleiert werden. Gute für 
Schönungszwecke geeignete Spanische Erde verändert die Zusammensetzung 
fast gar nicht; es ist bei derselben aber zu beachten, dass manche Sorten 
erbebliche Mengen von kohlensaurem Kalk enthalten, und dann natürlich den 
Wein stark entsäuern können. Wesenberg (Elberfeld). 


Freehner A., Zur Analyse des Weinessigs. Zeitschr. f. Untersuchg. d. 
Nahrgs.- u. Genussm. 1905. Bd. 9. S. 361. 

Verf. konnte in einer angesehenen Weinessigfabrik die verschiedenen 
Stufen der Fabrikation durch chemische Analysen verfolgen; es kamen zur 
Untersuchung: 

1. Der verwendete Wein, denaturiert mit Essigsäure; 

2. die daraus. bereitete Maische, angeblich hergestellt aus 150 Liter 


34 Ernährung. 


Wein, 45 Liter 30grädigem mit Essigsäure denaturierten Spiritus und 150 
Liter Wasser; 

3. das Endprodukt aus drei Essigbildnern. 

Da der Essig aus 50°), Wein enthaltender Maische hergestellt ist und 
7—90!, Essigsäure enthält, so kann er vom Kleinhändler noch mit der gleichen 
Menge Wasser verdünnt werden, ohne dass das Gemisch nach den jetzt üb- 
lichen Beurteilungsnormen (Weingebalt mindestens 20%/,) beanstandet werden 
kann, selbst wenn der verwendete Wein bezüglich Extraktgehalt u.s. w. den 
reichsgesetzlichen Anforderungen nicht ganz entspricht. 

Die Untersuchung ergab folgende Werte (g. in 100 cem): 


Wein  Maische Essig 

I II 1 
Specifisches Gew. . . . 0,9946 0,9916 1,0167 1,0179 1,0144 
Alkohol . 2... 2... 787 8,00 o 0 Spur 
Extrakt © . . . . . 1,59 0,92 1,12 1,14 1,135 
Mineralstoffe. . . 0,245 0,144 0,148 0,145 0,145 
Alkalität (=cem N- „Säure) 2,08 1,26 1,37 1,44 1,31 
Glycerin . . . 0,291 0136 0126 0,153 0,154 
Gesamtsäure (als Essigs.) 1,25 1,09 8,47 9,03 1,83 
Weinsäure . . . . . 0,084 0,036 0,031 0,032 0,030 
Milchsäure `~ . . . . 0,399 0,258 0221 0247 0,215 


Invertzucker. . . . . 0,043 0,129 0,248 0,247 0,251 

Phosphorsäure . . > 0,021 0,012 0,011 0,012 0,011 
Extrakt, Mineralstoffe, deren Alkalität, und Phosphorsäure zeigen also 
eine geringe Erhöhung infolge der Verdunstung, Glycerin und Weinsäure 
bleiben unverändert. Die Erhöhung des Reduktionsvermögens ist wohl auf 
die Bildung aldehydartiger Körper zuzückzuführen (Vergl. diesbezüglich diese 
Zeitschr. 1900. S. 284 die Arbeit von Farnsteiner). Da zur Weinessig- 
bereitung in der Regel nur überständige und stichige Weine verwendet werden, 
so dürfte Milchsäure überhaupt als ein normaler Bestandteil des 
Weinessigs anzusehen und die Bestimmung derselben geeignet sein, die 

Anhaltspunkte für dessen Beurteilung zu vermehren. 
Wesenberg (Elberfeld). 


Orth E., Beitrag zur Untersuchung und Beurteilung kandierter 
Kaffees. Zeitschr. f. Untersuchg. d. Nahrgs.- u. Genussm. 1905. Bd. 9. 
S. 137. è 

Nach den „Vereinbarungen“ soll der Höchstgehalt des abwaschbaren Ueber- 
zuges bei kandierten (karamelisierten) Kaffees, Bestimmung mit dem 

Hilgerschen Verfahren, 4°/, nicht übersteigen. Durch eine Reihe von im grossen 

(mit meist 50 kg Kaffee) angestellten Versuchen weist Verf. nun nach, dass 

bei dem üblichen und von den Chemikern anerkannten Zuckerzusatz von 100/9 

während des Röstens meist ein fertiges Produkt entsteht, welches über 50/, 

bis sogar 60%, abwaschbaren Ueberzuges besitzt. b 

Wesenberg (Elberfeld). 


Ernährung. 35 


Ludwig W. und Haupt H., Zucker als natürlicher Bestandteil der 
Macis. Zeitschr. f. Untersuchg. d. Nahrgs.- u. Genussm. 1905. Bd. 9. 
S. 200. 

Als Verfälschungsmittel für Macis wurde in letzter Zeit Zucker und 
Dextrin beobachtet; für deren Bestimmung ist es nun wichtig, den natür- 
lichen Gehalt der Macis an Zucker zu kennen; daher wurden je 6,512 g 
selbst gemablener Macis (=!/, des Normalgewichtes des Polarisationsapparates 
— Ventzke-Soleil —) 6 Stunden lang mit Petroläther entfettet; der Rückstand 
bei 100° getrocknet und dann im 100 cem-Kölbchen mit Wasser 15—20 Stunden 
lang kalt digeriert, nachdem die Mischung zu Anfang 3 Minuten lang im 
kochenden Wasserbade gewesen war zum Zwecke der Abtötung etwaiger En- 
zyme. Das Filtrat diente dann zur Polarisation und Zuckerbestimmung nach 
Allihn. 

Die Polarisation betrug im 200 mm-Rohr (auf 26,048 g:100 ccm be- 
rechnet) für verschiedene selbstgemahlene Macissorten (Banda, Menado und 
Papua) + 6,4 bis + 8,4, für Bombay aber nur 40,8; der Zuckergehalt (als 
Glykose berechnet) schwankte zwischen 1,65—4,28%,, Bombay 2,34%/,; bei 
der Inversion findet nur eine geringe Zunahme im Zuckergehalt statt. Bei 
der Berechnung eines eventuellen Zuckerzusatzes zur Macis ist der natürliche 
Zuckergehalt selbstverständlich zu berücksichtigen. 

Ein interessantes Ergebnis lieferte noch die Untersuchung der Petroläther- 
extrakte, welche kurz zusammengestellt seien. 

des Petrolätherextraktes 
Petroläther Refraktion Jodzahl 
extrakt %/, bei 40° 


Banda-Maeis . . . 2... 23,45 = 91,0 
Menado-Macis . . . ... 24,96 _ 87,6 
Papua-Macis . . 2... 49,88 80,0 718,7 
Bombay-Macis. . . $ 28,55 52,3 57,7 


Macis des Handels (5 Proben) 24,1— 29,82 93,5—101,5 87,5—90,1 
Auch hier nimmt also die als Verfälschung aufzufassende Bombay-Macis 
eine ganz gesonderte Stellung ein. Wesenberg (Elberfeld). 


Strauss H., Zum Nachweis von schwefliger Säure in Wurstwaren. 
Chem.-Ztg. 1905. H. 3. S. 38. 

In knoblauchhaltigen Wurstwaren kann die Gegenwart von 
schwefliger Säure vorgetäuscht werden, wenn man zum Nachweis des 
Sulfts mit Zink und Salzsäure behandelt und den gebildeten Schwefelwasser- 
stoff mit Bleipapier nachweist, indem auf diese Weise das im Knoblauch 
enthaltene Senföl gleichfalls zu Schwefelwasserstoff bezw. schwefelhaltigen 
Koblenwasserstoffen reduciert wird. Im Falle der Anwesenheit von Knoblauch 
io der Wurst empfiehlt sich daher die Prüfung auf schwefligsaures Salz mit 
Kaliumjodatpapier nach den Ansäuern mit Schwefelsäure oder Phosphorsäure. 

Wesenberg (Elberfeld). 


36 Ernährung. Desinfektion. 


Brückmann J. M., Untersuchung der bleiglasierten irdenen Geschirre 
in hygienischer Hinsicht. Aus dem hygien. Institut zu Odessa (Prof. 
Dr. G. W. Chlopin). Zeitschr. f. Untersuchg. d. Nahrgs.- u. Genussm. 1905. 
Bd. 9. S. 1. 

Bei der russischen Landbevölkerung sind fast ausschliesslich die 
gewöhnlichen irdenen Geschirre, neben einigen Holzgeschirren, in Gebrauch; 
zur Untersuchung auf Blei- und Kupferabgabe kamen 108 Geschirre aus 
17 verschiedenen Töpfereien, die teils in Jurjew, teils in verschiedenen Ge- 
genden Livlands, Kurlands und Kownos zusammengekauft waren. Von den 
108 Geschirren gaben nur 4 beim ersten !/, ständigen Auskochen mit 4 proz. 
Essigsäure kein Blei ab; alle übrigen gaben geringe Spuren bis 4055 mg Blei, 
als metallisches Pb auf 1 Liter Auskochessig berechnet, ab; die Durchschnitts- 
zahl lag bei 126 mg Pb auf 1 Liter. 50 Geschirre, die bei der ersten Aus- 
kochung durchschnittlich 101 mg Pb abgegeben hatten, lieferten bei einer 
zweiten Auskochung 42 mg Pb im Liter; bei 4 Proben hatte die Bleiabgabe 
zugenommen und bei 6 war sie auf fast O gefallen; die höchste Bleiabgabe 
betrug bei der zweiten Auskochung noch 209 mg auf 1 Liter. Bei der dritten 
Abkochung von 25 Stück wurden z. T. noch sehr beträchtliche Pb-Mengen 
gefunden; in einem Falle stieg diese sogar über die bei der ersten und zweiten 
Auskochung gefundene Menge bis auf 697 mg, vermutlich, weil die dünne gut- 
gebrannte Glasur beim wiederholten Auskochen gelitten hatte und dadurch die 
minder gut verglasten Schichten freigelegt waren. 

Die grün glasierten Geschirre gaben neben grösseren Mengen Blei meist 
auch Spuren von Kupfer ab. Speisen, wie Säfte, Marmeladen, saure Salate 
u.s. w. in solchen bleihaltigen Geschirren, welche, z. T. wiederholt, vorher 
mit Essig ausgekocht waren, aufbewahrt, nahmen mehr oder weniger grosse 
Mengen Blei auf. 

Schuld an dieser schlechten Beschaffenheit der russischen Geschirre sind 
teils die primitiven Brennöfen, vor allem aber die ungenügende Ausbildung der 
Töpfer, die meist Bauern oder andere Handwerker sind. Diesem Uebelstand 
könnte am allerersten abgeholfen werden darch Erlass eines entsprechenden 
Gesetzes in Russland, wie solche in den meisten Staaten bereits bestehen. 

Wesenberg (Elberfeld). 


Greiff, Karl, Desinfektion von Fäkalien in Lazaretten und Kasernen 
bei Ausbruch von Epidemien. Inaug.-Dissert. Berlin 1904. 

Von den zur Desinfektion der Fäkalien gebräuchlichen in Betracht kommenden 
chemischen Mitteln ist das Sublimat ungeeignet, da es mit Eiweiss, Schwefel- 
wasserstoff, Kalksalzen und mit Ammoniak unwirksame Niederschläge bildet. 
Karbolsäure ist höchstens zur Desinfektion von Stechbecken u.s.w. brauchbar, 
im grossen aber ist sie schon wegen ihres hoben Preises nicht zu empfehlen. 
Saprol eignet sich gut zur Desinfektion von Gruben, da es langsam von der 
Oberfläche her in den Grubeninhalt eindringt; zur Desinfektion im kleinen ist 
es wegen seiner langsamen Wirkung unbrauchbar. Kresole (Lysol, Solveol 


Desinfektion. 37 


u.s. w.) sind in der Praxis noch nicht genügend erprobt. Die desinficierende 
Kraft des Torfmulls ist zu gering. Am geeignetsten und auch am billigsten 
ist frisch bereitete Kalkmilch zur Desinfektion von Fäkalien im kleinen wie 
im grossen, nur muss für gründliche Durchmischung und Herbeiführung von 
alkalischer Reaktion gesorgt werden. Ausserdem wird durch Kalkmilch im 
Gegensatz zu anderen Desinficientien der Dungwert der Fäkalien nicht ver- 
mindert. Da in Epidemiezeiten auch scheinbar Gesunde oft das infektiöse 
Virus in sich beherbergen, so ist zweckmässig den Gruben oder Tonnen 
Saprol zuzusetzen. Baumann (Metz). 


Sarwey 0., Bakteriologische Bemerkungen zur Heisswasser-Alkohol- 
desinfektion. Aus der Frauenklinik d. Univers. in Tübingen. Deutsche 
med. Wochenschr. 1905. No. 1. S. 13. 

Der Verf. wendet sich gegen das Verfahren von Ahlfeld zur Hände- 
desinfektion mit Heisswasser und Alkohol und seine neue Art der 
bakteriologischen Untersuchung desinficierter Hände mit der „Gummi- 
handschuhmethode“, die darin besteht, dass die Hand längere Zeit in einen 
mit keimfreier Fleischbrühe gefüllten keimfreien Gummihandschuh gehalten 
und dann die Fleischbrühe und die Hand selbst auf ihren Keimgehalt geprüft 
werden. Zunächst macht er geltend, dass der Erfolg der eigenen Versuche 
Ahlfelds keineswegs genügend ist, da er von 75 Hebammenschülerinnen 
nur bei 40 nach einer Stunde die Hände ohne Keime fand. Der Verf., 
dessen Versuchspersonen grösstenteils Aerzte und in der Händedesinfektion 
wohl geübt waren, hatte aber ein noch viel ungünstigeres Ergebnis, da er den 
Keimgehalt der Hände nach der Heisswasser-Alkoholdesinfektion zwar 
stets stark vermindert, aber niemals beseitigt fand. Er erklärt den 
Unterschied dadurch, dass er einerseits sehr viel zahlreichere (15) Einzel- 
proben von derselben Hand untersuchte als Ahlfeld (3) und andererseits 
Agar hierzu verwendete, in welchem stets Handkeime aufgingen, während von 
Fleischbrüberöhrchen, wie sie Ahlfeld benutzte, unter ganz gleichen Be- 
dingungen mehr als 1/3 kein Wachtstum zeigte. Endlich fand er auch, dass 
die Art, in welcher die Abschabung der desinfieierten Handflächen mit 
Hölzchen vorgenommen wurde, von Einfluss auf die Anzahl der ge- 
fundenen Keime war. Globig (Berlin). 


Vincent H., Kecherches sur les propriétés antiseptiques du sulfate 
ferrique. Rev. d’byg. T. 26. p. 481—488. 

Das im Handel befindliche Ferrisulfat, hergestellt durch Einwirkung 
son Schwefelsäure auf die Rückstände der Röstung von Pyriten, enthält neben 
Ferrisulfat Ferrosulfat und 15—18°/, Schwefelsäure. Sein Preis beträgt etwa 
4 M. für 100 kg. Nach den Angaben von Vincent ist es als Desinficiens 
für Fäkalien und Abwässer brauchbar. In Menge von 50 kg pro cbm, also 
im Verhältnis 5:100, zugesetzt soll es in einem oder einigen Tagen die in 
den menschlichen Abgängen vorkommenden pathogenen Bakterien (Cholera- 
vibrionen, Typhusbacilen, auch Bact. coli) abtöten. Notwendig ist eine nicht 
zu niedrige Temperatur: So wurden Typhusbacillen bei 17—29° von 4: 100 


38 Kleinere Mitteilungen. 


in 36 Stunden abgetötet, bei niedrigerer Temperatur nicht einmal von 9: 100. 
Sehr bedeutend überlegen ist das Ferrisulfat an Desinfektionskraft dem Ferro- 
sulfat, mit dem es ein beträchtliches Desodorierungsvermögen teilt. Der Gehalt 
des Ferrisulfats an freier Schwefelsäure erhöht seine Desinfektionskraft nur 
unerheblich; auch nach Neutralisierung der Schwefelsäure. wie sie bei der 
Anwendung zur Desinfektion von Fäkalgruben sich infolge des Ammoniak- 
A der Fäkalien vollzieht, bleibt das Ferrisulfat in der Konzentration 
:1000 wirksam. R. Abel (Berlin). 


Kleinere Mitteilungen. 


(:) Die Geburten und Sterbefälle, sowie die Todesursachen im 
Preussischen Staate während des Jahres 1903. (Nach Hett 189 und 190 der 
Preussischen Statistik.) 

Im Jahre 1903 sind im Königreich Preussen 633612 Knaben und 601601 Mädchen, 
zusammen 1235213 Kinder als lebendgeboren, 39453 Kinder als totgeboren 
gemeldet. Die Geburtenziffer, welche schon im Vorjahre eine Abnahme gegen das 
Jahr 1901 zeigte, ist im Berichtsjahre weiter gesunken; es sind 20631 Lebend- und 
780 Totgeburten weniger gemeldet als im Jahre 1902 (einschl. Nachmeldungen). Auf 
je 1000 Geburten trafen im Berichtsjahre 30,95 Totgeburten gegen 31,04 und 31,29 
ın den Jahren 1902 und 1901. Während von den Lebendgeborenen 43805 Knaben 
und 41835 Mädchen, zusammen 85640 Kinder oder 6,93°/, ausserehelich geboren 
waren, betrug die Gesamtzahl der ausserehelichen Totgeburten 4041 oder 10,24 9/9. 
Im ganzen kamen auf jo 100 ehelich geborene Kinder 7,57 ausserehelicher Abkunft. 
An Mehrgeburten gelangten im Berichtsjahre 16341 Zwillings- und 169 Drillings- 
geburten zur Meldung; von diesen 33189 Kindern wurden 1661 (500/00) totgeboren. 

Die auf je 1000 Einwohner errechnete Geburtsziffer des Berichtsjahres (der 
beiden vorhergehenden Jahre) war 


für den Staat . 2 2 2202000. 835,8 (37,0 und 37,7), 
n» die Stadtgemeinden . . . . . 32,5 (33,3 „ 34,5), 
n n Landgemeinden u.s.w. . . 38,5 (39,8 „ 40,2), 
sonach war im Gesamtstaate die — seit 37 Jahren niedrigste — Geburtsziffer des 


Jahres 1871, welche 35,3 betragen hatte, nahezu erreicht. 

Die Sterblichkeitsverhältnisse gestalteten sich im Berichtsjahre gleichfalls 
etwas ungünstiger als im Vorjahre, immerhin aber noch günstiger als in jedem der 
übrigen Jahre seit 1875. Es starben ohne die Totgeborenen 707950 Personen gegen 
677405 im Jahre 1902; von je 1000 der am 1. Januar des Berichtsjahres (der beiden 
vorhergehenden Jahre) Lebenden starben männliche Personen 21,1 (20,5 und 22,0), 
weibliche 18,7 (18,2 und 19,4), überhaupt 19,9 (19,3 und 20,7). 

Infolge der Abnahme der Geburten und Zunahme der Sterbefälle ist der Ge- 
burtenüberschuss, welcher sich in den beiden Vorjahren in steigender Richtung 
bewegt hatte, zurückgegangen. Er betrug auf je 1000 der zu Anfang des Berichts- 
jahres (der beiden Vorjahre) Lebenden 14,8 (16,5 und 15,8); eine niedrigere Ziffer 
weist im letzten Jahrzehnt nur das Jahr 1900 mit 14,4 auf. 

Die seit 1900 beobachtete Besserung der Sterblichkeitsverhältnisse in 
den für das Erwerbsleben hauptsächlich in Betracht kommenden Altersklassen zwischen 
dem 20. und 50. Lebensjahre hat bei der männlichen Bevölkerung im Berichtsjahre 
weitere Fortschritto gemacht, bei den weiblichen Personen aber nur in den Alters- 


Kleinere Mitteilungen. r 39 


klassen von 30—50 Jahren; im Alter von 20—30 Jahren war bei diesen eine Aenderung 
gegen das Vorjahr nicht eingetreten. Eine günstigere oder mindestens nicht grössere 
Sterblichkeit ist im Berichtsjahre gegenüber dem Vorjahre auch für die höheren Alters- 
klassen zu verzeichnen gewesen. In den Altersklassen von 2—20 Jahren war die 
Sterblichkeit annähernd die gleiche wie im Vorjahre, dagegen hat sio in der Alters- 
klasse von 1—2 Jahren, besonders aber im Säuglingsalter, stark zugenommen. Auf 
je 100 Lebendgeborene starben 19,4 Kinder des ersten Lebensjahres gegen 17,2 im 
Vorjahre. 

Auf die männliche Bevölkerung entfielen im ganzen 32732 Todesfälle mehr als 
auf die weibliche, erst in den Altersklassen nach dem vollendeten 60. Jahre überwogen 
die Todesfälle weiblicher Personen um 8324; während die weibliche Bevölkerung an 
der Gesamtsterblichkeit nur mit 47,7"/, beteiligt war, stieg dieser Anteil im höheren 
Alter auf 52,40/,. Die schon in den Vorjahren gemachte Erfahrung bezüglich der 
grösseren Lebensdauer der weiblichen Personen wurde demnach wiederum bestätigt. 
Die meisten Sterbefälle waren im August, demnächst im Januar zu verzeichnen (68798 
bezw. 68484 einschl. Totgeburten), die wenigsten entfielen auf den November und 
Juni (54838 bezw. 55513); auf je 1 Monatstag kamen im August 2219, im Januar 2209, 
demgegenüber im November 1828 und im Juni 1850 Todesfälle. 

Die 707950 im Berichtsjahre 1903 zur Anmeldung gelangten Todesfälle betrafen 
370341 männliche und 337609 weibliche Personen. An der geringen Zunahme der 
Sterbefälle gegenüber dem Vorjahre waren beide Geschlechter nahezu gleichmässig 
beteiligt. Von je 1000 Lebenden der betr. Altersklassen starben im Alter von 5—15 
and 25—30 Jahren mehr weibliche als männliche Personen, in allen übrigen Alters- 
klassen, besonders auch im Säuglingsalter, überwogen die Todesfälle beim männlichen 
Geschlecht. Diese höhere Sterblichkeit der männlichen Personen zeigte sich bei 
fast allen Todesursachen, ausgenommen Altersschwäche, Keuchhusten, Influenza, 
krebsleiden. 

Für einzelne wichtige Todesursachen ergibt ein Vergleich mit dem Vorjahre 
folgendes: Es starben auf 1 Million Lebende 

i. J. 1903 i. J. 1902 


an Tuberkulose s r 2 2 2 ana a 1964 1904 
mesKrebsleiden. erg... 72 wurd S re 659 624 
OERD oi sa % Pe a a 8 8 
n Scharlach, Masern did Röteln et rege 622 606 
n Diphtherie und Croup . . 2 22000. 419 405 
m Keuchhusten . . . 2. 2 nn nen 328 379 
Influenza: E wu Be EI ER 173 107 
n Brechdurchfall »- . » 2 2 2 202. 821 452 
n Lungenentzündung . . . en 1525 1596 
„ sonstigen Krankheiten der Atmungsorgane e 1008 1030 
» Krankheiten der Kreislaufsorgane (Herz u.s.w.) 1132 545 
n Krankheiten der Harn- und Geschlechtsorgane 309 267 
„ Altersschwäche (über 60 Jahre) . . . . 2092 2195 
aus angeborener Lebensschwäche . . . . . 1305 1252 
auf gewaltsame Weise . . SE, 604 602 


Bemerkenswert ist die starke Zunahme der Todesfälle infolge von Brechdurchfall 
und an Krankheiten der Kreislaufsorgane (Herz u. s. w.). Von einzelnen weiteren 
Todesursachen veranlasste die Zuckerkrankheit 1872 (1670), Säuferwahnsinn 
857 (699), Syphilis 433 (339), Sonnenstich 51 (65), Hundswut 8 (4) Todesfälle. 
Trichinosis war im Berichtsjahre als Todesursache nicht verzeichnet. 


40 Kleinere Mitteilungen. 


Die meisten Todesfälle an Influenza ereigneten sich im Januar (1826) und 
Februar (1588), die wenigsten im August (80) und September (82). An diesen Sterbe- 
fällen infolge von Influenza war die Landwirtschaft, Gärtnerei und Tierzucht treibende 
Bevölkerung hervorragend beteiligt, von weiblichen Personen sind 423 mehr als von 
männlichen der Influenza erlegen. 
Selbstmord verübten 5878 männliche und 1592 weibliche Personen gegenüber 
5728 und 1499 im Vorjahre. Als Beweggründe waren u. a. angegeben: 
in 2164 Fällen Geisteskrankheiten, 
» 863 „ körperliche Leiden, 
» 819 „ Kummer oder Trauer, 

743 „ Laster oder Leidenschaften, 
» 527 „ Reue und Scham, Gewissensbisse, 
n 443 „ Lebensüberdruss im allgemeinen, 
» 155 ,„ Aerger und Streit. 

Durch Erhängen wurden 4164 Selbstmorde ausgeführt, durch Ertränken 1332, 
Erschiessen 1118, Einnehmen von Gift oder Einatmen giftiger Gase 337; durch die 
Eisenbahn liessen 191 sich überfahren u. s. w. 

Tödlich verunglückt sind 13341 Personen, darunter nur 2582 weibliche. 
Von den Verunglückten waren 170 unbekannten Alters; 2213 waren 0—5 Jahre, 1585 
5—15 Jahre, 7696 15—60 ‚Jahre und 1677 über 60 Jahre alt. 3436 von diesen Ver- 
unglückten ertranken, 2708 stürzten von Bäumen, Gerüsten oder dergl., 2059 wurden 
überfahren u. s. w. 

Dem Mord und Totschlag fielen 690 Personen zum Opfer, darunter sind aber 
10 hingerichtete Personen mit einbegriffen; am meisten wurden männliche Personen 
betroffen, und zwar im ganzen mehr als doppelt so viele männliche wie weibliche, nur 
im jugendlichen Alter waren mehr Kinder weiblichen als männlichen Geschlechts er- 
mordet oder totgeschlagen. Von den 680 Getöteten standen nämlich im Alter von 
0—15 Jahren: 87 Personen männlichen und 107 weiblichen Geschlechts, in höherem 
Alter: 376 männlichen und 110 weiblichen Geschlechts (die 10 hingerichteten Personen 
sind hier nicht berücksichtigt). Was die einzelnen Provinzen betrifft, so entfielen die 
— auf je 100000 Lebende der Bevölkerung errechneten — höchsten Verhältnisziffern 
‘der durch Mord und Totschlag umgekommenen Personen, abgesehen von Hohenzollern 
(wo 3 auf diese Weise umkamen), auf Hessen-Nassau, demnächst auf Posen und die 
Rheinprovinz, die niedrigsten auf Hannover und Brandenburg. Die Zahl der Hin- 
richtungen hatte in den 3 Vorjahren (1900— 1902) 58 betragen, ist also im Jahre 1903 
vergleichsweise gering gewesen. 

(Veröff. d. Kais. Ges.-A. 1905. No. 28. S. 766—768.) 


Beilage zur „Hygienischen Rundschau“, 
XVI. Jahrgang. Berlin, 1. Januar 1906. f No. 1. 


Verhandlungen der Deutschen Gesellschaft für öffentliche Gesundheitspfiege 
zu Berlin:). 


Sitzung vom 3. Oktober 1905. Vorsitzender: Herr Wehmer, Schriftführer: 
Herr Proskauer. 

Herr Wehmer: M. H.! Nachdem wir erst vor wenigen Jahren unseren 
ersten Vorsitzenden, unseren unvergesslichen Spinola, der Erde zurückgegeben 
haben, ist uns schon wieder unser allverehrter erster Vorsitzender, Herr Ge- 
oeralarzt Schaper durch den Tod entrissen worden. Vor wenigen Tagen 
haben wir ibn zur ewigen Ruhe gebettet. Der Vorstand hat der Witwe das 
allerinnigste Beileid ausgesprochen; wir haben seiue Bahre geschmückt, wir 
baben ihm in den Zeitungen einen warmempfundenen Nachruf gewidmet, wir 
siod in grosser Zahl seiner Leiche gefolgt. Aber der Vorstand hat auch den 
Beschluss gefasst, dass wir uns, gleich wie wir es nach dem Heimgange 
Spinolas getan haben, gemeinsam seiner erinnern, indem wir ihm zu Ehren, 
dessen Bild wir heute vor uns sehen, eine besondere Trauerfeier veranstalten 
wollten. Und so haben wir denn denjenigen, der mit ihm gemeinsam ge- 
arbeitet, Herrn Geheimrat Pütter gebeten, ihm hier noch einige Worte der 
Erinnerung nachzurufen. 

Ich darf Sie, verehrter Herr Geheimrat Pütter, wohl nunmehr bitten, 
an meinen Platz zu treten. 

Herr Pätter: Hochansehnliche Versammlung! Als früberem Mitdirektor 
des Herrn Generalarzt Schaper ist mir von dem Vorstand unseres Vereins 
die ebrenvolle Aufforderung zugegangen, unserm hochgeschätzten, nun dahin- 
gegangenen Vorsitzenden einen Nachruf an dieser Stelle zu widmen. 

Ich unterziehe mich dieser Aufgabe um so lieber, als ich mit dem uns 
allen teuren Verblichenen stets in allerfreundlichster Beziehung gestanden 
babe, die so bis zu seinem Lebensende geblieben ist. 

Hermann Schaper entstammte sowohl väterlicher- wie mütterlicherseits 
einer Aerztefamilie. Sein Vater war Regierungs- und Geheimer Medizinalrat 
zuletzt in Aachen, auch sein Grossvater mütterlicherseits war Arzt und dessen 
Brader der bekannte Geheime Medizinalrat Prof. Dr. Berends von 1815 
bis 1826 Direktor der medizinischen Klinik in Berlin. 

So war es natürlich, dass auch Hermann Schaper sich dem medi- 
zinischen Studium zuwendete und, wie die spätere Zeit bewies, mit grossem 
Interesse und Erfolge. 

Am 10. September 1840 zu Elbing geboren, besuchte er die Gymnasien 


1) Alle auf die Herausgabe der Verhandlungen der Deutschen Gesellschatt für 
»ffentliche Gesundheitspflege zu Berlin bezüglichen Einsendungen u. s. w. werden an 
die Adresse des Schriftführers der Gesellschaft, Geh. Reg.-Rat Prof. Proskauer, 
Charlottenburg. Ublandstr. 184, I, erbeten. Die Herren Autoren tragen die Verant- 
wortung für Form und Inhalt ihrer Mitteilungen. 


42 _Verhandl. der Deutschen Gesellschaft für öff. Gesundheitspfl. zu Berlin. 


zu Danzig und Koblenz und bezog dann die Kaiser Wilhelms-Akademie, wo er 
unter bekannten Lehrern seinen Studien oblag; ich nenne nur die Namen von 
Reichert, Lieberkübn, du Bois-Reymond, Mitscherlich, Dove, 
Traube, v. Frerichs, Virchow, v. Lauer und v. Langenbeck. Am 1. Ok- 
tober kam er als Unterarzt an die Königliche Charite. 

Als Assistenzarzt machte er den Feldzug gegen Oesterreich und die 
Schlachten bei Münchengrätz und Königgrätz mit. In dem Kriege gegen 
Frankreich, in dem er als Feldstabsarzt dem Feldlazarett No. 3 des Garde- 
korps zugeteilt war, führte er eine Anzahl grosser Operationen aus, die Zeugnis 
von seiner chirurgischen Tüchtigkeit ablegten. Er wurde mit dem eisernen 
Kreuz lI. Kl. am weissen Bande dekoriert und sein Name als Operateur in 
dem Kriegssanitätsbericht (Band V) ehrenvoll aufgeführt. 

Nach dem Kriege wurde er Assistent an der Kaiser Wilhelms-Akademie 
und kebrte dann im Herbst 1871 zur Charité zurück: Zunächst wurde er 
Bardelebens Assistent an der chirurgischen Klinik, danach Schöllers an 
der geburtshilflichen und später Henochs an der Kinderklinik, überall in 
gleich nnısichtiger und gewissenhafter Weise seine Praxis ausübend. 

Seiner Tüchtigkeit wurde eine weitere Anerkennung dadurch gezollt, dass 
er im Jahre 1873 Leibarzt des Prigzen Albrecht, jetzigen Regenten von Braun- 
schweig, wurde. Er ist dies bis an sein Lebensende geblieben. 

Im Gefolge des Prinzen bereiste er viele europäische Länder und 
sammelte dabei überall Erfahrungen auf medizinischem Gebiete. Später wurde 
er dann noch mit besonderen Aufträgen zum Studium der Einrichtungen von 
Krankenhäusern nach Frankreich, Italien und den skandinavischen Ländern 
geschickt. 

So war er denn für die Stelle des Direktors eines grossen Krankenhauses 
mit ausgezeichneter Vorbildung versehen und wurde, nachdem er 1883 Ober- 
stabsarzt II. und 1889 Oberstabsarzt I. Klasse geworden war, im Oktober 
1892 als Mehlhausens Nachfolger zum ärztlichen Direktor der Kgl. Charite 
berufen und unter Stellung à la suite des Sanitätskorps zum Generalarzt 
II. Klasse befördert. Ehrungen dienstlicher und ausserdienstlicher Art begleiteten 
und verschönten seine nun nicht gerade dornenlose Arbeit an der Charite. 

Es kostete manchen Kampf, ehe alle die Hindernisse, die dem Neu- und 
Umbau der Charité entgegenstanden, aus dem Wege geräumt waren; es war 
und ist ein Kampf nach allen Seiten; die neuen Gebäude werden bekanntlich 
im alten Grundstück unter Aufrechterhaltung des vollen Betriebes aufgeführt. 
Alle Beteiligten werden in ihrer Ruhe und Arbeit gestört, was nicht jeder 
sanft binpimmt; dann kommt der Kampf um die Anordnung und Einrichtung 
der neuen Gebäude; der dirigierende Arzt kann sie nicht schön und gross 
genug bekommen, die Bauverwaltung und das Kultusministerium bemühen sich 
angemessenen Wünschen gerecht zu werden, der Finanzminister aber streicht 
stets etwa ein Drittel der veranschlagten Bausumme, und dann geht die Vor- 
lage an die Charitedirektion mit dem Auftrage zurück, mit den reducierten 
Mitteln etwas Gutes zu schaffen. 

Dieser Kampf wogt nun schon seine 10 Jahre in unveränderter Stärke, 
und Schaper hat sein redlich Teil an demselben getragen und sich manch’ 


Verhandl. der Deutschen Gesellschaft für öf. Gesundheitspil. zu Berlin. 43 


bleibendes Verdienst um die Durchsetzung guter Baupläne, sanitärer Räume 
und guter Apparate erworben. Auch bei den alten Gebäuden versuchte er 
den modernen Anforderungen der Hygiene gerecht zu werden, so gut es eben 
ging, und er hat auch hier das Möglichste geleistet. 

Treue Arbeit verknüpft sein Gedächtnis mit der Charite, an der er in so 
verschiedenen Stellen tätig gewesen war, bis er schliesslich als ihr ärztlicher 
Direktor mit an die Spitze der Verwaltung trat. 

Eine Marmorbüste, von Hartzers Meisterhand geschaffen, soll späteren 
Geschlechtern künden, dass Schaper sich grosse Verdienste um die Charite 
erworben hat; wir, seine Mitarbeiter, tragen ihn und sein Wesen im Herzen. 

Seine Arbeit beschränkte sich zu keiner Zeit auf sein engeres Amt. Er 
bielt Vorträge, beschäftigte sich u. a. eingehend mit der Serumtherapie nach 
Bebring und Roux und schrieb verschiedene Aufsätze und Artikel in Fach- 
blättern. Ausser zwei selbständigen Schriften „Ueber Kinderpflege“ und „Vor- 
träge über Gesundheitspflege“, der Herausgabe der Charite-Annalen seit 
1893 und den hierin enthaltenen Mitteilungen aus seiner Feder hat 
Schaper namentlich in der Deutschen militärärztlichen Zeitschrift 
sich mit einer Reihe wertvoller Arbeiten literarisch betätigt. Gleich der 
erste Jahrgang (1872) enthielt seinen Aufsatz über „Uebertragung der Pocken 
durch Implantation während des Prodromalstadiums“, es folgte 1881 ein Be- 
richt über Thorakocenthesen im Garnisonlazarett Hannover, 1882 eine Mit- 
teilung über Purpura haemorrhagica, 1888 über akuten Gelenkrbeumatismus, 
über Antifebrin und über die Weilsche Krankheit in der Armee, 1891 über 
den Gesundheitsdienst im russisch-türkischen Kriege 1877/78. Von anderwärts 
veröffentlichten Aufsätzen seien insbesondere hervorgehoben: Ein Beitrag in 
der Festschrift der hundertjährigen Stiftungsfeier des medizinisch-chirurgischen 
Friedrich-Wilhelmsinstituts, „Die Pflege der Tuberkulösen in Krankenhäusern, 
Lungenheilstätten und Lungenheimstätten“ in der Zeitschr. f. diät. u. physik. 
Therapie und „Die Krankenpflege im Kriege“ in „der ärztlichen Kriegswissen- 
schaft“. 

Fs konnte nicht ausbleiben, dis viele Vereine sich um die Mitarbeit 
eines Mannes mit so reichen Erfahrungen, wie Schaper sie besass, bewarben. 
Seine‘ Vereinstätigkeit war denn auch eine ausserordentlich ausgedehnte. Er 
war Ehrenmitglied des Vereins für innere Medizin, Mitglied der Kuratorien der 
Krankenhäuser Bethanien, des Augusta-Hospitals, des Kaiserin Auguste Victoria- 
hauses in Weissensee, des Oentralcnmites vom Roten Kreuz, Vorstandsmitglied 
des Frauenvereins in Berlin, Vorsitzender der Gesellschaft der Chariteärzte und 
unserer Deutschen Gesellschaft für öffentliche Gesundheitspflege zu Berlin. 

Auf sein Wirken in all’ diesen Vereinen einzugehen, muss ich mir ver- 
sagen; jeder derselben weiss, was er an Schaper verloren hat, und wird seiner 
hohen Verdienste dankbar gedenken. Nur aus seiner Tätigkeit in unserm Ver- 
eine will ich einiges hervorlieben. 

Schaper gehörte dem Verein seit seiner Ernennung zum ärztlichen 
Direktor der Charité an; seit dem 28. Januar 1901 war er unser Vorsitzender, 
Er hat nicht nur durch lebhafte Teilnahme an den Diskussionen die Wirkung 
der Vorträge zu steigern verstanden, sondern mehrfach selbst Referate er- 


44 _Verhandl. der Deutschen Gesellschaft für öff. Gesundheitspil. zu Berlin. 


stattet:. So berichtete er am 20. Januar 1902 über den Stand der Charité- 
Neubauten, ‚wobei er eine klassische Zusammenfassung darüber gab, welche 
sanitären Forderungen an Krankenhäuser zu stellen sind. Am 30. November 
1903 sprach er über „die Erfolge der I,upusbekämpfung in Dänemark“ und 
schloss daran Mitteilungen über die „Krankenfürsorge in Dänemark, Schweden 
und Norwegen“. Am 18. Mai 1904 bielt er im Bürgersaale des Berliner Rat- 
hauses in einer Versammlung von Delegierten deutscher Städte, des Vereins 
für Kinderbeilstätten an den deutschen Seeküsten und unserer Gesellschaft einen 
längeren einleitenden Vortrag, in dem er für die Erschliessung der Seeheilstätten 
für die Behandlung der an Skrophulose und örtlicher Tuberkulose leidenden 
Kinder eifrig eintrat. 

Wir können die Betrachtungen über unsern hochverehrten bisherigen 
Vorsitzenden nicht schliessen, ohne seiner grossen Liebenswürdigkeit, seiner 
steten Hülfsbereitschaft, der Güte, die in seinem Wesen lag, und seiner Schlicht- 
heit wehmütig zu gedenken. Die Harmonie der Musik, deren Verehrer und 
Meister zugleich er war, hatte sich gleichsam auf sein ganzes Wesen über- 
tragen und machte den amtlichen und persönlichen Verkehr mit ihm so an- 
ziehend. Wie Viele hat er nicht mit seinem meisterlichen Cello-Spiel erfreut 
und erhoben! Nicht nur im Freundeskreise führte er den Bogen, nein, auch 
in den Dienst der öffentlichen Wohltätigkeit stellte er seine Kunst. Ie der 
Charité führte er musikalische Unterhaltungen für die Patienten ein und 
labte durch sein Spiel manch’ müde Seele. 

Jetzt ist er dahingegangen. Seine Gattin und Kinder haben ihn auf 
seinem Schmerzenslager treu und sorgsam gepflegt und mit ihm gelitten. Er 
hat überwunden! 

Zahlreich sind die Ehrungen, die er von hohen und höchsten Stellen er- 
fahren hat, tiefe Dankbarkeit folgt ibm ins Grab. Wir aber, die wir ihm 
näher gestanden haben, behalten den schlichten, liebenswürdigen Mann in 
dankbarem Gedächtnis als Vorbild strenger Pflichterfüllung und weiser Milde: 

Er war ein treuer deutscher Mann. 


Herr Wehmer: Ich danke Ihnen herzlich, Herr Geheimrat, für die warm- 
empfundenen und schönen Worte, die vorzubringen Ihnen gewiss schwer ge- 
worden sind, und die uns alle noch einmal mit schmerzlicher Freude erfüllt 
haben, mit Freude darüber, dass wir den uns so teuren Mann, unseren lieben 
Schaper, so lange an der Spitze unserer Vereinigung gesehen haben. Sie, 
m. H., haben sich ja bereits zu Ehren des Verstorbenen von Ihren Plätzen 
erhoben. Sein Andenken wird bei uns immer unvergessen bleiben! 

Der Vorsitzende gedenkt noch mit warmen Worten der verstorbenen Mit- 
glieder Sanitätsrat Dr. Heinrich Strassmann, Prof. Dr. Moritz Elsner 
und Sanitätsrat Dr. Vogelreuter. Zu Ehren des Andenkens dieser Herren 
erbeben sich die Anwesenden von ihren Sitzen. 

N. H.! Der Vorstand hatte erwogen, ob wir, wie wir es bei Spinolas 
Hinscheiden getan hatten, eine besondere Sitzung für unseren dahingeschiedenen 
Vorsitzenden abhalten sollten. Aber das Kapitel, welches wir heute behandeln 
wollen, duldet keinen Aufschub, und so haben wir es denn für erforderlich 


Verhandl. der Deutschen Gesellschaft für öf. Gesundheitspfl. zu Berlin. 45 


gehalten, sowohl die Trauerfeier, wie unsere erste wissenschaftliche Sitzung an 
einem Abend abzuhalten. 


Ich bitte nunmehr Herrn Geheimrat Gaffky, den uns gütigst zugesagten 
Vortrag über „Die Cholera und ihre Bekämpfung“ halten zu wollen. 

Herr Gafiky: M. H.! Der Aufforderung unseres Vorstandes, Ihnen im 
Anschluss an den Vortrag über die früheren Choleraepidemien, den Herr 
Guttstadt für heute zugesagt hatte, über das derzeitige Auftreten der Cho- 
lera und die zu ihrer Bekämpfung ergriffenen Massregeln einiges mitzuteilen, 
komme ich mit Vergnügen nach. Ich werde Ihnen leider nichts neues sagen 
können, denn heute werden alle Vorkommnisse auf diesem Gebiete so ein- 
gehend von der Tagespresse behandelt, dass jeder, der die Zeitung liest, 
darüber orientiert ist. 

Wir befanden uns anscheinend wieder sozusagen im Cholerafrieden — 
denn das für den Sommer befürchtete Wiederauflammen der Seuche in Russ- 
land war bis dahin ausgeblieben, die Krankheit vielmehr nach den amtlichen 
Erklärungen seit dem April im ganzen russischen Reiche erloschen —, als am 
21. August im Institut für Infektionskrankheiten aus Culm eine Sendung ein- 
traf, die auf Cholerakeime zu untersuchen war. Es handelte sich um einige 
Darmschlingen, die von einem russischen Flösser herstammten, der am 17. Au- 
gust auf seinem Floss auf der Weichsel gestorben und am 19. in Culm obduciert 
worden war. Schon am Tage nach dem Eintreffen dieser Sendung konnten 
wir so gut wie sicher sagen, dass wir die Cholera im Lande hatten. Ich be- 
gab mich begreiflicherweise sofort in das Kultusministerium, und es wurde 
dort beschlossen, dass wir, Herr Geheimrat Kirchner und ich, uns alsbald 
nach Westpreussen begeben sollten, um an Ort und Stelle die weiteren Fest- 
stellungen zu machen und die erforderlichen Anordnungen zu veranlassen. 
Wir fuhren noch am selben Abend ab und trafen am Morgen des 23. in Culm 
ein. Hier konnten wir folgendes feststellen: Das Floss, auf dem der Todesfall 
vorgekommen war, gehörte zu einer Anzahl von Traften, die aus Pinsk in 
Russland gekommen waren. Pinsk liegt im Gouvernement Minsk an der Pina, 
einem Seitenfluss des Pripet, und steht durch den Königskanal in Verbindung 
mit dem Bug und durch diesen mit der Weichsel. Bis Brest-Litowsk hatten 
zahlreiche russische Flösser den Flosstransport getreidelt. Diese Leute waren 
dann grösstenteils in Brest abgelohnt worden, und es. waren andere Flösser an 
ihre Stelle getreten, überwiegend Galizianer. Die Traften hatten bereits am 
4. August bei Schillno unsere Grenze überschritten, und erst am 16. August 
soll dann zwischen Thorn und Culm die Erkrankung des verstorbenen Flössers 
eingetreten sein. Wahrscheinlich wäre die Leiche übrigens beerdigt worden, 
obne dass man Verdacht geschöpft hätte, wenn nicht noch ein zweiter russischer 
Flösser von demselben Flosse unter den Erscheinungen eines schweren Brech- 
durchfalls erkrankt wäre. Auf der inficierten Traft befanden sich noch 27 
andere Flösser. Ihre Entleerungen wurden sofort untersucht, und in der Tat 
noch bei 2 von ihnen Choleravibrionen nachgewiesen. Der eine ist dann nach- 
träglich noch an leichter Cholera erkrankt. 

Woher stammte nun die Infektion dieser Leute? Sie werden sich er- 


46 Verhandl. der Deutschen Gesellschaft für öff. Gesundheitspfl. zu Berlin. 


innern, dass im Jahre 1904 Persien von einer schweren Choleraepidemie heim- 
gesucht worden ist. Anfang Juli 1904 sollen in Teheran täglich etwa 250 
Menschen der Seuche erlegen sein. Im August wurde sie dann nach Russ- 
land verschleppt. Sie trat in Baku und im Transkaspigebiet auf, ging die 
Wolga aufwärts, verbreitete sich in den Gouvernements Astrachan, Saratow, 
Samara und hat namentlich auch südlich des Kaukasus in dem Gouvernement 
Eriwan Fuss gefasst. Im Winter 1904/05 trat dann ein Nachlass ein, und 
allmählich verstummten die Nachrichten über die Cholera. Offiziell ist sie 
seit dem 21. April 1905 in Russland erloschen. Ganz Russland soll seit 
diesem Tage frei von der Seuche gewesen sein. Die Zuverlässigkeit dieser 
Nachrichten erscheint allerdings sehr fraglich. Der Krieg mit den Anforde- 
rungen an die. Aerzte, die herausgenommen wurden aus den verschiedensten 
Teilen des Reiches, die politischen Verhältnisse, die ja allgemein bekannt 
sind, machen es durchaus verständlich, dass kleinere Ausbrüche von Cholera 
und namentlich vereinzelte Fälle überhaupt gar nicht zur Kenntnis der Be- 
hörden gelangt sind. Ist nun die Cholera zu uns gekommen aus dem Wolga- 
gebiet? Möglich ist dies ja, zumal gerade die letzten Fälle im Gouvernement 
Saratow vorgekommen sein sollen. Die Seuche müsste dann immerhin über 
eine erhebliche Strecke Land nach Westen verschleppt worden sein. Mir 
scheint es in Anbetracht des Umstandes, dass russische Flösser die Erster- 
krankten gewesen sind, wahrscheinlicher. dass die Cholera vom Schwarzen 
Meer auf dem Wasserwege zu uns gekommen ist. Ich sagte ja schon, dass 
sie südlich vom Kaukasus verbreitet gewesen ist. Von hier aus kann sie sehr 
leicht durch den Schiffsverkehr bis zur Mündung des Dniepr und auf diesem 
dann — eventuell durch sogenannte Choleraträger — stromaufwärts bis Pinsk 
und von hier auf den bereits erwähnten Wasserwegen bis in die Weichsel ver- 
schleppt sein. Uebrigens ist es auch sehr wohl denkbar, dass jenseits unserer 
Grenze in Russisch-Polen die Seuche schon länger unbemerkt sich eingenistet, 
einen sogenannten Herd gebildet hatte, von dem aus uns dann die Keime zu- 
geschickt worden sind. In Bezug auf die Auffassung, dass die Seuche vom 
Schwarzen Meer her auf dem Wasserwege zu uns gekommen ist, möchte ich 
noch auf eine Zeitungsnotiz aufmerksam machen. Es wurde nämlich vor etwa 
2 Wochen gemeldet, dass in Lipkani in Bessarabien Cholerafälle vorgekommen 
seien. Es scheint mir demnach nicht ausgeschlossen, dass die Cholera auch 
den Dnjestr herauf verschleppt ist. Feststellen lässt sich dies alles freilich 
nicht, es handelt sich eben um mehr oder weniger wahrscheinliche Annahmen. 
Die in Betracht kommenden Wasserläufe veranschaulicht Ihnen diese schema- 
tische Skizze (Demonstration). 

Unsere Befürchtung, dass es bei den ersten Cholerafällen nicht sein Be- 
wenden haben würde, sollte sich bald bestätigen. Schon während unserer 
Anwesenheit in Westpreassen kamen weitere Fälle zu unserer Kenntnis. Zu- 
nächst handelte es sich um einen preussischen Staatsangehörigen, einen Flösser, 
der nach Schillno gefahren war, um von dort russisches Holz herunterzubringen. 
Er wurde unterhalb Schulitz schwerkrank von seinem Floss heruntergenommen, 
nach Bromberg transportiert und starb dort. Wir hatten Gelegenheit, der 
Obduktion beizuwohnen. Die Diagnose auf Cholera wurde durch die bakte- 


YVerhandl. der Deutschen Gesellschaft für ölf. Gesundheitspil. zu Berlin. 47 


riologische Untersuchung bestätigt. Ferner waren: in derselben Gegend, dort, 
wo die Brabe mündet, in Fordon zwei auf der Weichsel auf russischem Holz 
beschäftigte Arbeiter bereits erkrankt. Sie haben beide zugegeben. Weichsel- 
wasser getrunken zu haben. Der eine ist bald darauf in Fordon gestorben; 
der andere wurde nach Bromberg ins Krankenhaus gebracht und ist genesen, 
bei beiden ist die Cholera sicher festgestellt. Sehr bald trat dann die Krank- 
heit auch weit stromabwärts dicht bei Danzig auf. Es sind dort und zwar in 
Einlage, am Anfangspunkte des neuen Weichseldurchsticher, zwei russische 
Flösser am 27. bezw. 29. August erkrankt. Der letztere ist gestorben. Eine 
weitere Erkrankung betraf einen Kahbneigner in Neufahrwasser. Schon an- 
fänglich gaben Leute, die durch Weichselwasser offenbar sich inficiert hatten, 
zu sogenannten Kontaktinfektionen Veranlassung. So hat der eine jener beiden 
Arbeiter, die bei Fordon auf der Weichsel tätig gewesen waren, die Krankheit 
auch in seine Familie verschleppt. Seine Frau und zwei seiner Kinder sind 
an der Cholera erkrankt. In Culm erkrankte eine Frau, die ihrem an der 
Weichsel arbeitenden Manne das Mittagessen zur Arbeitsstätte gebracht hatte. 
Der Mann beschäftigte sich mit Weiden, die im Weichselwasser aufgeweicht 
wurden. Offenbar hat die Frau dort den Krankheitskeim aufgenommen. In 
ihrer Familie und Umgebung sind dann einige weitere Fälle vorgekommen. 
Ibr Sohn inficierte sich, und das 7 jährige Kind einer in demselben Hause 
wobnenden Familie wurde ebenfalls mit Cholera inficier. Als man die Um- 
gebung untersuchte, zeigte es sich, dass die Mutter des letzterkrankten Kindes 
auch bereits die Krankheitskeime bei sich beherbergte, obwohl sie anscheinend 
gesund war. 

Auch auf ihrem weiteren Wege nach Westen hat die Cholera in der auf- 
fallendsten Weise an die Wasserstrassen sich gehalten. Sie gelangte mittels 
des Flussverkehrs durch die Brahe in den Bromberger Kanal, in die Netze, 
Warthe und in die Oder. Es waren auch hier zunächst fast ausschliesslich 
Flösser, Schiffer, Wasserarbeiter u. s. w., welche erkrankten. Zum besseren 
Verständnis der Choleraverbreitung durch die Flösser möchte ich Ihnen noch 
kurz ein Beispiel anführen: In Zantoch, da wo Netze und Warthe zusammen- 
fliessen, wohnen zahlreiche Flösser, die mit der Eisenbahn den talwärts be- 
stimmten Flössen und zwar in der Regel bis nach Weissenhöhe entgegenzu- 
fahren pflegen. Hier gehen sie auf die Flösse und führen sie stromabwärts 
in die Oder. In Glietzen, an der Stelle, wo der Finowkanal von der Oder 
sich nach Westen hin abzweigt, werden sie dann gewöhnlich abgelohnt und 
fahren mit der Bahn nach Zantoch zurück. Ein solcher Transport war etwa 
am 25. August von Weissenhöhe abgegangen. Der Flossmeister, der diesen 
Transport führte, hatte sich mit der Bahn bis nach Schulitz begeben, hatte 
dort die Flösse übernommen, sie nach Weissenhöhe geführt und hier neue 
Flösser aus Zantoch angeworben. Als dieser Transport bei Zantoch vorüber- 
kam. hat man in der Nacht den ersten Cholerakranken seiner Frau sterbend 
ins Haus gebracht. Auf der Weiterfahrt erkrankte der Flossmeister selbst 
und bat, namentlich auf der Oderstrecke von Küstrin bis nach Glietzen, alle 
Viertelstunde seine Entleerungen in das Wasser hineingeschickt. Wenn Sie 
berücksichtigen, dass die Flösser und viele andere auf und an den Flüssen 


48 _Verhandl. der Deutschen Gesellschaft für öf. Gesundheitspfl. zu Berlin. 


lebende Personen das Flusswasser auch zum Trinken benutzen, so wird es 
Ihnen verständlich sein, dass eine derartige Verseuchung wohl geeignet ist, 
auch an entfernteren Stellen Gelegenheit zur Infektion zu geben. Ich möchte 
bei dieser Gelegenheit auf den Begriff „Verseuchtsein eines Flusses“ kurz ein- 
gehen. Man darf sich die Sache nicht so vorstellen, dass etwa jedes Wasser- 
teilchen mit Choleravibrionen durchsetzt sei. Eine Choleraentleerung, die 
schleimiger Natur zu sein pflegt, schwimmt den Fluss herunter, bleibt in ge- 
wissem Zusammenhange, und nur, wer zufällig gerade von einer solchen Stelle 
Wasser schöpft, ist der Infektion ausgesetzt. Mit einer derartigen Auffassung 
stimmt in der Tat unsere epidemiologische Erfahrung überein. Dass das Fluss- 
wasser in der unmittelbaren Nachbarschaft eines inficierten Flosses besonders 
gefährlich ist, liegt auf der Hand. Die elenden Strohhütten, in denen die 
Flösser nächtigen, bieten auch für die Kontaktinfektionen die günstigste Ge- 
legenheit. 

Ich sagte Ihnen bereits, dass der jenen Transport führende Flossmeister 
auf der Fahrt stromabwärts erkrankt ist. Er ist daun von Glietzen aus mit 
der Bahn nach Zantoch zurückgekehrt und ist dort genesen. Von den Leuten, 
die er mit sich hatte, und die ebenfalls mit der Eisenbahn zurückfuhren, ist 
noch einer unterwegs erkrankt. Bei seiner Ankunft in Zantoch war er bereits 
so schwer erkrankt, dass ihn seine Genossen auf einer Karre in die Wohnung 
bringen mussten. Sterbend wurde er seiner Familie ins Haus gebracht. Es 
ist wohl in erster Linie dem alsbaldigen sachverständigen Eingreifen des in 
Zantoch praktieierenden Arztes zu danken, dass weitere Erkrankungen im An- 
schluss an diese Fälle nicht vorgekommen sind. 

Bezeichnend für die Art, wie das Flusswasser unter Umständen inficiert, 
wenn es Cholerakeime beherbergt, ist noch ein Fall aus Raumerswalde. Es 
handelte sich um eine Besitzersfrau, deren Haus etwa 100 m von der Warthe 
entfernt liegt und die an der Cholera erkrankt und gestorben ist. Als man 
der Ursache nachforschte, stellte sich heraus, dass die Frau täglich Warthe- 
wasser sich hatte holen lassen, weil sie diesem als Waschwasser den Vorzug 
vor dem Brunnenwasser gab. 

Während es so im ausgesprochensten Masse die Flussläufe waren, an 
welche die Cholera sich heftete und zwar zunächst Weichsel, Netze und Warthe, 
trat plötzlich und ganz überraschend mitten in Ostpreussen im Kreise Rasten- 
burg ein Cholerafall in die Erscheinung. Es handelte sich, wie Sie gelesen 
haben werden, um eine Familie, die aus Bochum zugereist war. Die Familie 
hatte sich unterwegs auf den Bahnhöfen in Schneidemühl und in Tborn auf- 
gehalten und zugestandenermassen hier auch Wasser getrunken. Da auf dem 
Bahnhofe in Thorn ein grosser Flösserverkehr stattfindet, so ist es sehr wahr- 
scheinlich, dass dort die Infektion erfolgt ist. Es erkrankte nach der Ankunft 
in Warnikeim zunächst die Frau. Einige Fälle haben sich dann noch ange- 
schlossen, aber durch die energischen Massregeln, die sofort ergriffen wurden, 
ist der kleine Cholerabrand erstickt worden. Ein anderer Fall dieser Art er- 
eignete sich in Gnesen. Im dortigen Strafgefängnis erkrankte ein Mann an 
der Cholera, -der kurz vorher in das Strafgefängnis zu Krone an der Brahe 
eingeliefert und von dort nach Gnesen transportiert war. Wo und wie dieser 


Verhandl. der Deutschen Gesellschaft für öf. Gesundheitspfl. zu Berlin. 49 


Gefangene sich inficiert hat, darüber ist mir bisher nichts bekannt geworden. 
Obwohl auch in diesem Falle der ersten Erkrankung einige Kontaktinfektionen 
sich anschlossen, wurde man doch der Gefahr bald Herr. Uecberraschend 
wurde auch aus Hamburg ein Choleratodesfall gemeldet und zwar am 29. Au- 
gost. Hier handelte es sich um einen russischen Auswanderer, der aus der- 
selben Gegend stammte, aus der unsere zuerstgenannte russische Traft ge- 
kommen war. Als die Diagnose Cholera bei ihm gestellt wurde, hatte er im 
Krankenhause bereits seinen Bettnachbar inficiert. Ein dritter Fall in Ham- 
burg betraf eine heruntergekommene Person, die nachgewiesenermassen auf 
Elbkähnen mehrfach genächtigt hatte. Sie starb am 7. September. Seitdem 
ist in Hamburg kein weiterer Fall konstatiert worden. In Marienburg haben 
sich einige Fälle auf eine niedere Herberge zurückführen lassen, in der ein 
Cholerakranker verkehrt hatte. In ähnlicher Weise haben einige zum Teil 
erst durch die bakteriologische Untersuchung ermittelte, lokalisiert gebliebene 
Infektionen in Graudenz stattgefunden. Ich will Sie hier nicht mit den Einzel- 
heiten ermüden. 

Bekanntlich wandert die Cholera nicht nur stromab, sondern auch strom- 
auf; denn es sind ja nicht nur die Flösser, sondern auch die Schiffer, welche 
das Wasser verunreinigen und andererseits wieder mit ihm in die innigste 
Berübrung kommen, es überaus häufig auch immer noch als Trinkwasser be- 
nutzen. So sehen wir Mitte September eine Schiffersfrau in Posen erkranken 
auf einem Kahn, der von Stettin die Oder und Warthe herauf gekommen war. 
Auch hier blieb es nicht bei dem einzigen Fall. Das Kind der Frau erkrankte, 
und bei dem Manne, der ebenfalls auf diesem Kahn sich befand, wurden die 
Vibrionen in den normalen Entleerungen festgestellt. Ebenso ist die Cholera 
Oder-aufwärts bis nach Breslau gelangt. Hier handelte es sich um ein Schiffers- 
kind, das schon in Fürstenberg einen gewissen Verdacht hervorgerufen hatte. 
Die im Institut für Infektionskrankheiten vorgenommene Untersuchung einer 
diesem Kinde entnommenen Blutprobe mit Hilfe des sogenannten Agglutinations- 
versuches hatte die Infektion mit Cholera höchst wahrscheinlich gemacht. 
Dementsprechend wurden dann in Breslau in den wieder ganz normalen Ent- 
leerungen Choleravibrionen gefunden. Zwei weitere in Breslau noch festge- 
stellte Fälle sind mit Wahrscheinlichkeit auf jenen Kahn als Infektionsquelle 
zurückgeführt. 

Stromabwärts gelangte die Cholera die Oder hinunter bis nach Stettin. 
Durch den Finowkanal kämen die Keime offenbar auch in die Elbe, denn in 
Dömitz am Zusammenfluss von Elde und Elbe wurden 2 Cholerafälle fest- 
gestellt. 

Dass Berlin unter solchen Verhältnissen gefährdet erschien, war klar. 
So oft aber auch dank der Wachsamkeit der Aerzte und Behörden verdächtige 
Fälle der bakteriologischen Untersuchung zugeführt wurden, blieb duch zunächst 
das Ergebnis stets ein negatives, und die der Vorsicht wegen isolierten Per- 
sonen konnten regelmässig bald entlassen werden. Aber, wie Sie ja alle 
wissen, ist auch Berlin nicht ganz von der Cholera verschont geblieben. Am 
22. September ist im Urbanhafen ein Kahnschiffer, der die Warthe und Oder 
herunter gekommen und durch den Finowkanal und die Hafel gefahren war, 


50 Verhandl. der Deutschen Gesellschaft für öf. Gesundheitspfl. zu Berlin. 


nach seiner Ankunft in Berlin an der Cholera erkrankt und schnell gestorben, 
Nachdem die Insassen des Kahnes — es handelte sich um 10 Personen — 
sofort nach Moabit in die Krankenbaracken übergeführt waren, ergab die 
bakteriologische Untersuchung auch bei der Schiffersfrau das Vorhandensein 
von Cholerakeimen. Zur Zeit ist aber auch sie frei davon, und wir dürfen 
zu unserer Freude annehmen, dass Berlin wieder völlig cholerafrei ist. Am 
Finowkanal sind übrigens noch in den letzten Tagen 2 Fälle vorgekommen, 
die uns von neuem zur Vorsicht mahnen. Auch noch weiter nach Westen 
in der Nähe von Brandenburg a.H., in Weseram, ist ein zweifellos auf das 
Havelwasser zurückzuführender Fall von Cholera festgestellt worden. Einen 
Ueberblick über den zeitlichen Verlauf des diesjährigen Auftretens der Cho- 
lera gibt ihnen die hier aufgehängte Tafel, auf der von Tag zu Tag die 
tödlich verlaufenen Fälle durch schwarze Säulen, die in Genesung über- 
gegangenen durch rote und die sogenannten Choleraträger durch gelbe Säulen 
gekennzeichnet sind. Sie sehen, wie nach den verhältnismässig wenigen Fällen 
in den ersten zehn Tagen die Zahl der Erkrankungen zunimmt und namentlich 
auch die Zahl der Todesfälle sich steigert. An keinem Tage aber hat die 
Zahl der sicher festgestellten Erkrankungsfälle im ganzen preussischen Staate 
mehr als 18 betragen; die höchste Zahl der Todesfälle an einem Tage belief 
sich auf 7. In der letzten Zeit hat, wie Sie sehen, die Zahl der sogenannten 
Bacillenträger im Vergleich zu den auch klinisch als Cholera gekennzeichneten 
Fällen zugenommen. Ich habe mehrfach die Auffassung vertreten gehört, 
dass es sich hier um eine Abschwächung der Krankheitskeime handele. Ich 
kann mich dieser Ansicht nicht ohne weiteres anschliessen. Auch nach den 
Erfahrungen aus der Hamburger Epidemie von 1892 kann ich sagen, dass 
ausserordentlich schwere und schnell tödlich verlaufende Fälle noch gegen 
das Ende der Epidemie vorgekommen sind. Jene Erscheinung dürfte vielmehr 
in der Hauptsache darauf zurückzuführen sein, dass in immer grösserer Zahl 
die in der Umgebung von Cholerakranken befindlichen Personen auf Cholera- 
vibrionen bakteriologisch untersucht worden sind. Haben wir doch im In- 
stitut für Infektionskrankheiten in den letzten drei Tagen die Dejektioneu 
von über 90 Personen untersucht, ohne auch nur in einem einzigen Falle 
noch Choleravibrionen zu finden. 

Die geographische Verteilung der Cholerafälle soll Ihnen diese Karte 
hier veranschaulichen, auf der die Fälle durch farbige Papierscheibchen mar- 
kiert sind (Demonstration). 

Sie sehen, wie in der Tat sich fast alles auf die genannten Flussläufe 
zusammendrängt mit alleiniger Ausnahme der Vorkommnisse im Kreise 
Rastenburg (Warnikeim und Paaris) und im Strafgefängnisse zu Gnesen. Ich 
will übrigens erwähnen, dass die Fälle, in denen die Seuche von den Fluss- 
läufen aus gelegentlich einmal auf eine kurze Entfernung in ein benachbartes 
Dorf verschleppt worden ist und vereinzelte Erkrankungen verursacht hat, bei 
dieser Darstellung nicht zur Anschauung kommen. 

Was den Weg betrifft, den der Kahn des in Berlin verstorbenen Schiffers 
gemacht hat, möchte ich Sie auf diese Karte hier verweisen (Demonstration). 

Wie Sie zugeben werden, ist es als ein besonders glücklicher Umstand 


Verhandl. der Deutschen Gesellschaft für öf. Gesundheitspil. zu Berlin. 51 


zu betrachten, dass weitere Krankheitsfälle sich hier nicht angeschlossen 
haben. Wäre nicht alsbald so energisch eingegriffen, so dürfte der Verlauf 
ein weniger günstiger gewesen sein. — 

Das Auftreten der Cholera in diesem Jahre hat wieder zwei bemerkens- 
werte Züge gezeigt, einmal die Verbreitung durch den Flösser- und Schiffer- 
verkehr und damit das Gebundensein an die Flussläufe, und zweitens die 
Leichtigkeit, mit der bei der Cholera sogenannte Kontakinfektionen zu 
Stande kommen, zumal in überfüllten und unreinlichen Wohnungen. Im 
Augenblick lässt sich noch nicht übersehen, wie viele von den bis heute 
festgestellten 254 Cholerafällen Leute betroffen haben, die mit Wahrschein- 
lichkeit als durch das Flusswasser inficiert gelten müssen. Unter 128 Fällen, 
für welche mir die Angaben zugänglich waren, betrafen nicht weniger als 
120 Flösser und Schiffer nebst ihren Frauen und Kindern, Fischer, Wasser- 
and Buhnenarbeiter n.s. w. Sehr bemerkenswert ist sodann der 'schon be- 
rührte, durch die bakteriologischen Untersuchungen erbrachte Nachweis der 
Häufigkeit des Vorkommens von ganz leichten Choleraerkrankungen und von 
sogenannten Choleraträgern, die für die Verbreitung der Seuche offenbar von 
der grössten Bedeutung sind. Durch die Einbeziehung jener ‘nur leicht 
kranken bezw. in klinischem Sinne gesunden inficierten Personen in die Sta- 
tistik erklärt sich auch die geringe, wenig mehr als 30°/, betragende Gesamt- 
mortalität (von insgesamt 254 Fällen sind nur 87 tödlich verlaufen). 

Berücksichtigt man die Leichtigkeit, mit der die Krankheit von Person zu 
Person sich überträgt, und vergegenwärtigt man sich andererseits die Tatsache, 
dass jene 254 Fälle sich räumlich ausserordentlich weit verteilt haben und 
auf mehr als 100 verschiedene Plätze sich beziehen, so dass durchschnittlich 
auf jeden Platz nur 2—3 Erkrankungen kommen, dann wird man den Aerzten 
und den Behörden die Anerkennnng‘ nicht versagen, dass sie ihre Pflicht und 
Schuldigkeit in vollem Masse getan haben. A 

Verschont geblieben sind wir in diesem Jahre von der Infektion einer 
centralen Wasserversorgung. Was ein derartiges Ereignis bedeuten kann, das 
bat uns in unvergesslicher Weise im Jahre 1892 die Hambarger Epidemie 
gelehrt, zu einer Zeit, wo die Stadt noch mit unfiltriertem Elbwasser ver- 
sorgt war. Bei einer Bevölkerung von ca. 600 000 Einwohnern sind damals 
17 000 Erkrankungen und 8600 Todesfälle konstatiert worden. Ein anderes 
derartiges Beispiel hat uns im Winter 1892/93 die Epidemie in der Irren- 
anstalt Nietleben gegeben. Die Anstalt hatte mit dem Wärterpersonal ca. 
1000 Insassen. In wenigen Wochen erkrankten 122 Insassen und 52 er- 
lagen der Krankheit. Wie Sie sich erinnern werden, waren die Rieselfelder 
der Anstalt gefroren, die Abwässer einschl. der Dejektionen gingen über sie 
upgereinigt hinweg in einen Saalearm, aus welchem die mit unzureichenden 
Filteranlagen versehene Anstalt ihr Wasser entnahm. Auf den Rieselfeldern, 
im Saalewasser und im Leitungswasser der Anstalt wurden damals durch 
Robert Koch Choleravibrionen nachgewiesen, und der Circulus vitiosus lag 
damit ganz klar zu Tage. Ereignisse, wie die eben erwähnten, sind uns, wie 
gesagt, in diesem Jahre erspart geblieben. Ja selbst eine lokale Häufung von 


52 _Verhandl. der Deutschen Gesellschaft für öf. Gesundheitspfl. zu Berlin. 


Fällen, bedingt durch einen inficierten Brunnen oder inficierte Milch, ist nicht 
bekaont geworden. 

Wir verdanken jene erfreuliche Erfahrung ohne Zweifel nicht in letzter 
Linie dem Umstande, dass mit unermüdlichem Eifer sowohl seitens der Staats- 
wie der Kommunalbehörden auf die Verbesserung der Wasserversorgung bin- 
gewirkt wird und grosse Erfolge auf diesem Gebiete seit der letzten Cholera- 
beimsuchung erzielt worden sind. 

Gestatten Sie mir, m. H., zum Schluss noch über die gegen die Cholera 
ergriffenen Massregeln einige Worte anzuschliessen. Wir sind bierbei den 
Lehren gefolgt, die uns unser grosser Meister Robert Koch gegeben hat. Durch 
das Reichsseuchengesetz und die Ausführungsbestimmungen dazu ist die Mög- 
lichkeit geschaffen, vollkommener, als das früher möglich war, jene Lehren 
in die Praxis zu übertragen. 

In dem Heftchen, das ich Ihnen hier vorlege (Anweisung des Bundesrats 
zur Bekämpfung der Cholera vom 28. Januar 1904 nebst den dazu erlassenen 
preussischen Ausführungsvorschriften vom 12. September 1904) finden sie alle 
bezüglichen Vorschriften, Ratschläge und Belehrungen zusammengestellt, und man 
kann sagen, dass in diesem kleinen Buche in den Hauptzügen alles, was die an 
derCholerabekämpfung beteiligten Aerzte und Verwaltungsbeamten wissen müssen, 
verzeichnet ist. Dank der bis in alle Einzelheiten hinein getroffenen Vorbereitungen 
war man in Preussen sozusagen mobil, als die Einschleppung erfolgte. Bei 
der Cholera heisst es vor allen Dingen: Principiis obsta! Es gilt bei jedem 
ersten Auftreten gleich kräftig zuzugreifen, um den drohenden Brand sofort 
zu ersticken. Das ist auch in der nachdrücklichsten Weise geschehen. Wir, 
trafen am 23. August in Kulm ein und am 25. funktionierte schon dank dem 
energischen Eingreifen des Herrn Geheimrat Kirchner die Stromüberwachung 
in Schillno und Schulitz, d. h. die ständige Ueberwachung des Schiffsverkehrs 
durch Aerzte war hier sofort gesichert. Diese Stromüberwachung ist dann 
alsbald auch die Weichsel herunter bis zu ihrer Mündung eingerichtet worden; 
sie hat sich über die Brahe, Netze, Warthe, Oder, Havel und Elbe, sowie 
die Memel erstreckt, so dass heute mehr als 60 Ueberwachungsstellen in Be- 
trieb sind mit über 120 Aerzten. Die beschränkte Zeit gestattet es mir nicht, 
auf diesen Flussüberwachungsdienst im einzelnen einzugehen; das Wesentliche 
ist, dass jeder auf dem Wasser befindliche Flösser- und Schiffer täglich von 
einem Arzte auf seinen Gesundheitszustand revidiert wird, damit beim Vor- 
kommen auch nur verdächtiger Erkrankungen sofort die geeigneten Massnahmen 
ergriffen werden können. Für getrennte Unterbringnng von Kranken, von 
Krankheitsverdächtigen und Ansteckungsverdächtigen ist auf den Stationen 
vorgesorgt. Frühzeitig Kenntnis zu bekommen von etwa eintretenden Er- 
krankungen, ist natürlich auch bezüglich der Landbevölkerung von der grössten 
Wichtigkeit. Es wurde daher die gesetzliche Anzeigepficht in Erinnerung 
gebracht. Eine vortreffliche Massregel, die für die Zeit der Choleragefahr 
ebenfalls alsbald für die bedrohten Flussgebiete in Betrieb gesetzt wurde, ist 
die obligatorische ärztliche Leichenschau, eine Massregel, die leider noch nicht 
allgemein in Preussen besteht. Fertig zum Versand lagen dank der weit- 
blickenden Vorsicht der Centralbehörde auch die gedruckten Belehrungen für 


Verhandl. der Deutschen Gesellschaft für öf. Gesundheitspil. zu Berlin. 53 


die Bevölkerung, die Ratschläge für die Aerzte und die Merkblätter für die 
Schiffer, die im Kaiserlichen Gesundheitsamte zusammengestellt sind, bereit, 
so dass es nur eines Wortes bedurfte, um von der Centralstelle aus alsbald 
diese Drucksachen ausgehen zu lassen. Die Berührung mit verdächtigem 
Flusswasser wurde tunlichst eingeschränkt. So sind alsbald die Flussbade- 
anstalten in den gefährdeten Gebieten geschlossen; auch hier in Berlin ist ja 
vor dem Baden in der Spree gewarnt worden. Des weiteren handelte es sich 
darum, die festgestellten Erkrankungsfälle zu isolieren, die Ansteckungsver- 
dächtigen zu beobachten und tunlichst schnell durch die bakteriologische 
Untersuchung zu ermitteln, wer von den letzteren tatsächlich bereits inficiert 
war. Denn gerade die an leichten Choleradiarrhöen erkrankten und die an- 
scheinend gesunden inficierten Personen, die sogenannten Bacillen- oder 
Choleraträger, sind ja bekanntlich überaus gefährliche Verschlepper der Seuche. 
Ein wesentlicher Anteil an der bakteriologischen Arbeit ist dem Institut für 
Infektionskrankheiten zugefallen. Wenn ich Ihnen sage, dass in den wenigen 
Wochen die Entleerungen von über 1500 Personen untersucht worden sind, so 
können sie daraus entnehmen, dass das Institut recht viel zu tun hatte. Etwa 
10%, jener Untersuchungen sind positiv gewesen. Zu den Massregeln von 
besonderer Bedeutung gehört auch die Desinfektion. Nach dieser Richtung 
war ebenfalls zielbewusst vorgesorgt worden und zwar durch tunlichste Förde- 
rung der Ausbildung von Desinfektoren. Alle diese Massregeln zusammen 
haben daon ihre Schuldigkeit offenbar getan. 

Wenn wir in die Zukunft blicken, so dürfen wir zuversichtlich hoffen, 
dass, mag uns vielleicht auch noch diese oder jene Ueberraschung zuteil 
werden, die Cholera im Laufe des Herbstes oder doch Winters im Gebiete 
des Deutschen Reiches völlig erloschen sein wird. Ob dasselbe für Russland 
gilt, ist wohl in hohem Masse zweifelhaft. Wir müssen damit rechnen, dass 
auch weiterhin die Cholera von Osten her uns bedroht, und dass namentlich 
dann, wenn im nächsten Jahre die Flösserei und Flussschifffahrt wieder be- 
ginnt, der Kampf von neuem aufgenommen werden muss. Aber wir dürfen 
uns auch sagen, dass wir auf diesen Kampf gerüstet sind. Die Aerzte und 
die Verwaltungsbeamten sind überzeugt von der Notwendigkeit und der 
Wirksamkeit der Massregeln, sie haben Verständnis für die Art, wie die Sache 
anzugreifen ist, und so dürfen wir auch der Zukunft mit vollem Vertrauen 
entgegensehen. 


Diskussion. 


Herr Hirsch fragt an, ob auch bei einer starken Durchseuchung des Müggelsees 
unsere Filtrationswerke für Cholerakeime nicht durchlässig sind, und weist hierbei 
auf eine Typhusepidemie hin, die vor etwa 10 Jahren durch die Wasserwerke veran- 
lasst war. 

Herr Marcuse meint, dass der Choleraausbruch für uns nicht überraschend 
gekommen ist, nachdem Prof. M. Hahn von seiner Reise im südlichen Russland und 
in Persien berichtet hatte, dass dort überall Cholera herrscht. Er erinnert auch an den 
Aerztekongress in Russland, der zur Beratung über die Cholera angesetzt, regierungs- 
seitig aber verboten worden ist. 

Herr Proskauer erwidert Herrn Hirsch, dass er wohl die im Winter 1858/89 


54  Verhandl. der Deutschen Gesellschaft für öff. Gesundheitspfl. zu Berlin. 


vorhanden gewesene Typhusepidemie meine, die speciell den Osten Berlins betroffen 
hatte. Dieser wurde damals mit Wasser aus dem Stralauer Wasserwerk versorgt. Dieses 
Wasserwerk, welches Wasser aus der Spree entnahm und bereits in den $er Jahren 
von einer englischen Gesellschaft errichtet worden war, war nicht mit den Ein- 
richtungen ausgerüstet, die unsere modernen Filterwerke behufs Erzielung sicherer 
Filtrationseffekte besitzen. Das Verseuchtsein des Stralauer Wassers mit Typhuskeimen 
rührte wohl daher, dass dem Stralauer Wasserwerk meist offene und nur zwei ge- 
schlossene Filter zur Verfügung standen. Die offenen Filter waren während des starken 
Frostes zugefroren, infolge dessen musste das vom Stralauer Werk zu liefernde Wasser- 
quantum von den gedeckten Filtern allein geliefert werden, so dass eine schr schnelle 
und ungenügendefFiltration des schlechten Spreewassers stattfand. Es war daher ein Zu- 
rückhalten aller damals im Spreewasser vorhandenen Typhuskeime nicht möglich. Die 
Folge davon war das Auftreten von Typhuserkrankungen in den vom Stralauer Werke 
versorgten Stadtteilen, im Osten von Berlin. Schon damals war das vom Stralauer Werk 
bezogene Spreewasser durch die von den anliegenden Gemeinden kommenden Abgänge 
stark verunreinigt, so dass die Filtration eine sehr schwierige war. Seit dem Jahre 1593 
ist das Stralauer Wasserwerk verlassen worden und dafür das Wasserwerk am Müggel- 
see in Funktion getreten, das mit allen Einrichtungen zur Innehaltung der bei der 
Filtration erforderlichen Vorsichtsmassregeln und mit den unentbehrlichen Kontroll- 
vorrichtungen versehen ist und ein viel reineres Wasser, als das Spreewasser es war, 
für die Filtration za verwenden in der Lage ist. Da zudem jetzt schon neben filtriertem 
Müggelwasser einwandsfreies Grundwasser vom Müggelwerke gefördert wird, so liegen 
die Verhältnisse günstiger, wie früher, und es ist nicht zu befürchten, dass sich Vor- 
kommnisse, wie im Winter 1888/89 jetzt wiederholen werden. Nach jedem menschlichen 
Ermessen ist eine Lieferung von cholerainficiertem Wasser vom Müggelwerke nicht zu 
befürchten. Das Tegeler Werk liefert nur Grundwasser in die Stadt. 

Herr Anklam gibt genauere Mitteilungen über die Berliner Wasserversorgung. 
Berlin wird hiernach von zwei Seiten mit Wasser versorgt, von Nordwesten durch das 
Tegeler Werk, das seit 2 Jahren bereits ausschliesslich Grundwasser an die Stadt ab- 
gibt, und von Südosten durch das Müggelwerk, das bis zum Frühjahr dieses ‚Jahres nur 
Obertlächenwasser geliefert hat. Die zur Verfügung stehende Filtertläche ist aber eine 
so grosse, dass die Filtrationsgeschwindigkeit, mit der das Wasser gereinigt werden 
kann, eine ausserordentlich geringe ist; es wird hier selten mit einer grösseren Ge- 
schwindigkeit als 60 mm gearbeitet, während die durch Bundesraterlass zulässige 
100 mm beträgt. Seit einigen Monaten hat man sogar mit einer Geschwindigkeit von 
40, 20 mm und noch darunter arbeiten können, so dass also auch bei der Filtration 
mit Oberllächenwasser wohl jede Gewähr geboten ist, dass cholerafreies Wasser nach 
der Stadt abgegeben werden kann. Seit Mai ist ein Drittel des Wasserwerkes bereits 
auf Grundwasser umgebaut; innerhalb 3 Jahren soll der ganze Umbau vollzogen sein. 
Programmgemäss sollte das Wasserwerk jetzt bis zu 60000 cbm Grundwasser liefern. 
Unter Heranziehung aller Reserven konnte die Wassermenge, die nach der Stadt ab- 
gegeben wurde, sogar schon bis zu 105000 cbm gesteigert werden. Im nächsten Früh- 
jahr wird das Wasserwerk in der Lage sein, 120000, eventuell sogar 150000 cbm Grund- 
wasser nach Berlin zu schicken. 

Herr Zadeck bedauert, unter Hinweis auf die Fränkel-Piefkeschen Unter- 
suchungen, die bei Versorgung mit Öberflächenwasser die Durchlässigkeit der Filter 
für pathogene Keime konstatiert haben, dass es Berlin noch nicht so weit ge- 
bracht hat, ausschliesslich nur auf Grundwasser angewiesen zu sein. Redner ist 
erstaunt, warum nicht vor der Einmündung der Spree in den Müggelsee eine Ueber- 
wachungsstation eingerichtet worden ist. Er weist ferner darauf hin, wie zweifelhaft 


Verhandl. der Deutschen Gesellschaft für öf. Gesundheitspfl. zu Berlin. 55 


in Orten, die noch von der Cholera verschont geblieben sind, zwecks Feststellung von 
ersten Fällen der Begriff „krankheitsverdächtig‘“ und „choleraverdächtig“ ist. Als ein- 
ziges Kriterium bleibt nur die Untersuchung des Falles bestehen, und nach dieser 
Richtung haben die Behörden die Aerzte ganz im Stich gelassen. Die erlassenen Be- 
stimmungen sind unzureichend, die Anweisungen, auf die verwiesen worden ist, hätten 
den Aerzten übersandt werden müssen. Drittens müsste man aber den Aerzten die 
Möglichkeit geben, ohne viele Mühe und Kosten die erforderlichen Massnahmen zu 
treffen. Als Muster sei hier das städtische Gesundheitsamt in New York zu empfehlen. 
Wenn von einem derartigen Apparat in Endemien Gebrauch gemacht ist, so wird dieser 
Apparat auch in Epidemiezeiten funktionieren. Durch ständige Ueberwachung des 
Flussverkehrs in normalen Zeiten muss überhaupt dafür Sorge getragen werden, dass 
unsere Flussläufe nicht verseucht werden können. Auch die Fleischnot und Fleisch- 
teuerung, die eine unzureichende Ernährung und deshalb — besonders im Sommer — 
leicht Verdauungsstörungen zur Folge habe, sollte aus diesem Grunde als ein Faktor 
bei einer Choleraepidemie nicht ausser Acht gelassen werden. 

Herr Kirchner hebt hervor, dass bei der letzten Choleraepidemie unser Vater- 
land von ausserordentlichem Glück begünstigt worden sei. Allerdings seien die mass- 
gebenden Stellen voll gerüstet gewesen, bei Auftreten einer Seuche sofort einzugreifen. 
Bereits im vorigen Herbst seien durch Kommissionen, die aus Wassersachverständigen, 
Medizinal- und Regierungsbeamten bestanden, die sämtlichen Wasserwerke auf das 
(senaueste untersucht und die vorhandenen Fehler abgestellt worden. Im Juli seien 
alsdann die Anweisungen für die Massnahmen gegen die Cholera an die Aerzte ver- 
schickt worden, und bei Konstatierung des ersten Falles von Cholera sei sofort der 
noch aus den Jahren 1892/94 vorhandene Apparat, der sich so vorzüglich bewährt 
hatte, inWirksamkeit getreten. Ueber 60 Ueberwachungsstellen, über das ganze Gebiet 
von der Weichsel bis zur Elbe verstreut, seien alsbald errichtet worden, und sämtliche 
Flösse und Schiffe, die auf dem Wasserwege nach Berlin kommen, hätten nicht we- 
niger als 20 Untersuchungsstellen zu passieren. 

Ueber den Begriff „krankheitsverdächtig“ gebe das Reichs-Seuchengesetz unzwei- 
deutige bestimmte Auskunft. Die ganze Reichs-Seuchengesetzgebung könne nur mar- 
schieren, wenn die Aerzte sich mit voller Ueberzeugung in den Dienst dieser Sache 
stellen und alles tun, was geeignet sei, um dieses Gesetz durchführen zu helfen. Die 
Behörden seien gerade jetzt dabei, Erleichterungen für die praktischen Aerzte zu 
schaffen, um verdächtiges Krankheitsmaterial sofort zur diagnostischen Untersuchung 
zu bringen. Die dauernde Aufrechterhaltung der Flussüberwachungsstellen, auch ge- 
genüber inländischen Seuchen, sei nicht zweckmässig, da der Apparat zu kostspielig 
und zu anstrengend sei, und zudem eine so schleunige Verschleppung von Krank- 
heitsfällen, z. B. beim Typhus, wie dies bei der Cholera der Fall ist, doch nur ganz 
ausnahmsweise vorkomme. Würde dieser grosse Apparat auch auf einheimische Krank- 
heiten ausgedehnt werden, so stünde zu befürchten, dass diese Massnahmen in Mis- 
kredit geraten. Die erfolgreiche und schnelle Bekämpfung der Cholera sei vor allem 
der Mitwirkung der Aerzte zu danken, die wieder einmal bewiesen hätten, dass sie die 
Freunde des Volkes seien. 

Herr Henke weist darauf hin, dass in Charlottenburg seit dem 1. April d. J. 
nach dem Muster des New Yorker Städtischen Gesundheitsamtes eine bakteriologische 
diagnostische Untersuchungsstelle eingerichtet und an die Apotheken Entnahmegefässe 
für das zu untersuchende Krankheitsmaterial (Sputum, Fäces und dergl.) abgegeben 
sınd. Eine grosse Anzahl Diphtherie- und Typhusfälle seien in dieser Untersuchungs- 
stelle bereits zur Untersuchung gelangt, und der Apparat funktioniere sehr gut. 

Herr George Meyer macht darauf aufmerksam, dass auch die glänzenden Ver- 


56 Verhandl. der Deutschen Gesellschaft für öff. Gesundheitspfl. zu Berlin. 


besserungen im Krankentransportwesen, so die gründliche Desinfektion der Kranken- 
wagen und des Krankenpersonals nach jedem Transport, als wirksamer Faktor in der 
Seuchenbekämpfung Geltung haben. 

Herr Nesemann macht Herrn Zadeck darauf aufmerksam, dass die Anwei- 
sungen zur Desinfektion nachträglich an alle Acrzte gesandt worden seien. Er hält 
es für Berlin für zweckmässiger, dass die krankheitsverdächtigen Fälle sofort dem 
Kreisarzt oder dem Polizeirevier mitgeteilt werden, und weist alsdann noch auf die 
schlechten Wasserverhältnisse an der Niederelbe hin und auf die Kanalisation der dort 
belegenen Ortschaften, die meist eine sehr primitive sei. Er glaubt auch, dass, je 
ruhiger fliessend ein Wasser sei, desto grössere Gefahr für dessen Verseuchung be- 
stehe; deshalb seien die Epidemien in den Städten, die an grossen Flüssen liegen, nicht 
so umfangreich wie die Epidemien in denjenigen Städten, die an Kanälen liegen. 

Herr Gaffky teilt, wie er in seinem Schlusswort ausführt, auch den Wunsch, dass 
das Wasser unserer Flussläufe wieder so rein werden möge, dass man aus ihnen trinken 
könne, hält aber die Aussicht, dass dies in absehbarer Zeit eintreten werde, für über- 
aus gering. Die gefährlichsten Verunreinigungen kommen durch die Entleerungen der 
Schiffer und Flösser in die Flussläufe. Dieser Uebelstand werde wohl niemals ganz 
vermieden werden können, so dankenswert es auch sei, dass in neuerer Zeit durch 
Aufstellung von Abtrittskübeln auf den Schiffen Abhülfe angestrebt werde. Durch die 
fortschreitende Aufklärung über die dem Gienusse ungereinigten Flusswassers entgegen- 
stehenden Bedenken dürfte auch die von jenen Bevölkerungskreisen drohende Gefahr 
immer geringer werden. — Die Filtration der Müggelsee- Wasserwerke sei ohne Zweifel 
eine ausserordentlich sorgfältige, und eine Infektion des von diesen Werken gelieferten 
Wassers sei bei den derzeitigen Vorsichtsmassregeln nicht zu besorgen. In Ham- 
burg sei, nachdem seit der letzten grossen Choleraepidemie sorgfältig filtriertes Elb- 
wasser zur Benutzung gelange, die allgemeine Sterblichkeit von mehr als 25°/o auf 
etwa 170/90 heruntergegangen, obwohl das Elbwasser bei Hamburg zweifellos ein 
weniger gutes Rohwasser sei, als das Müggelseewasser bei Berlin. — Die Zahl der zum 
Schutze Berlins eingerichteten Flussüberwachungsstellen sei nach seiner Ansicht aus- 
reichend und ihre Anordnung zweckentsprechend. Der Redner schliesst mit dem Aus- 
druck des Dankes an Robert Koch, der die Choleravibrionen gefunden, ihre Lebens- 
eigenschaften kennen gelehrt und die Mittel und Wege zur erfolgreichen Bekämpfung 
der Seuche gewiesen habe. 

Herr Wehmer schliesst die Sitzung, indem er es für eine gerechte Pflicht er- 
achtet, neben Robert Koch und der Arbeit der Aerzte an der diesjährigen Cholera- 
bekämpfung auch der unermüdlichen, umsichtigen Tätigkeit der Herren Kirchner 
und Gaffky, die den Erfolg herbeigeführt hat, zu gedenken. 


Verlag von August Hirsehwald, Berlin N.W, — Druck von L. Schumacher in Berlin N. 24. 


Hygienische Rundschau. 


Herausgegeben 


von 


Dr. Carl Fraenkel, Dr. Max Rubner, Dr. Carl Günther, 


Geh. Med.-Rat, Prof. der Hygiene Geh. Mod.-Rat, Prof. der Hygiene Goh. Med.-Rat, a.o.Prof. der Hygiene 
in Halle a.'S. in Benin. in Berlin. 


XVI. Jahrgang. Berlin, 15. Januar 1906. W 2, 


(Aus dem hygienischen Institut der Universität Halle a. S. 
[Direktor: Geb.-Rat Prof. Dr. C. Fraenkel.]) 


Ueber den Nachweis von Typhusbacillen im Trinkwasser durch Fällung 
mit Eisenoxychlorid. 


Von 


Dr. A. Nieter, 
Oberarzt beim Gren.-Rgt. König Friedrich IH. (2. Schles.) No. 11, 
komm. zum hygienischen Institut. 


Die Unvollkommenheit und Unsicherheit der Untersuchungsmethoden für 
den Nachweis der Typhusbacillen aus den menschlichen Entleerungen 
und ganz besonders für die bakteriologische Typhusdiaguose aus inficiertem 
Trinkwasser ist trotz der zahlreichen in den letzten Jahrzehnten erfolgreich 
ausgearbeiteten und empfohlenen Verfahren nicht beseitigt worden. Wirklich 
brauchbare Verfahren sind nur in beschränkter Anzahl vorhanden, und kein 
einziges ist derart, dass es für sich allein ausschlaggebend ist. Alle stellen 
sowohl an die Zeit, wie an die Arbeit des Untersuchers sehr hohe Ansprüche. 
Trotz aller Bemühungen vermissen wir noch immer ein ähnlich brauchbares 
Verfahren zur Anreicherung für Typhusbacillen, wie es das Peptonwasser- 
verfahren für Cholera ist. Ein solches würde mit einem Schlage die Züchtung 
der Typhusbacillen aus Stuhlgang, so wie aus verunreinigtem Wasser ausser- 
ordentlich erleichtern. 

Während alle auf dem Wege der Anreicherung, auf mechanischem, biolo- 
gischem Wege gemachten Versuche für den Typhusnachweis bisher zu sehr wenig 
vefriedigenden Resultaten geführt haben, sind auf chemischem Wege mittels 
der Fällungsmethoden verhältnismässig bessere Ergebnisse erzielt worden. 

So hat Müller!) in jüngster Zeit eine Arbeit (aus dem hygien. Institut 
der Univ. Jena) veröffentlicht. Der Autor hat das Fickersche Verfahren 


1) Müller, Ueber den Nachweis von Typhusbacillen im Trinkwasser mittels 
chemischer Fällungsmethoden, insbesondere durch Fällung mit Eisenoxychlorid, Zeit- 
schr. f. Hyg. Bd. 51. H. 1. 


o 


58 Nieter, Uober den Nachweis von Typhusbacillen im Trinkwasser u.s.w. 


(3 Liter Wasser in hohem Glascylinder mit einem bestimmten Bruchteil einer 
Oese ioficiert, mit 12 ccm 10 proz. Sodalösung alkalisiert und mit 101/, ccm 
10 proz. Ferrisulfatlösung versetzt) nachgeprüft und dann dahin modificiert, 
dass er die Centrifuge fort liess und von einer Wiederauflösung des Nieder- 
schlages durch weinsaures Kali absah. Dafür filtrierte er den Niederschlag 
durch ein steriles Papierfilter. Von dem an den Filterwänden anhaftenden 
Niederschlag entnahm er mittels Platinspatels eine reichliche Menge (etwa 
0,5—0,8 cem), welche er auf Drigalskiplatten verstrich, ohne dabei die 
Platten zu stark zu verschmieren. In gleicher Weise stellte er dann noch 
zahlreiche Versuche an mit dem noch schneller Fällungen bewirkenden 
Eisenoxychlorid (5 ccm auf 3 Liter Wasser). Das Ergebuis seiner Unter- 
suchungen war ein sehr befriedigendes. Er konnte bei einer Einsaatmenge 
von bis zu !/ooooo Oese und darüber in 3 Liter Wasser noch zahlreiche 
Typhuskolonien nachweisen. 

Auf Veranlassung des Herrn Geh. Rat Fraenkel habe ich das von 
Müller angegebene Verfahren nachgeprüft unter gleichzeitiger vergleichsweiser 
Heranziehung der von Ficker angegebenen Versuchsanordnung. 

Meine eigenen Versuche, deren Zahl sich neben mehreren Parallelver- 
suchen auf 20 beläuft, habe ich genau nach der von Müller angegebenen 
Methodik angestellt. Auch ich habe möglichst keimfreies Leitungswasser 
benutzt, damit das inficierte Wasser einen geringen Gehalt an Begleitbakterien 
aufwies. Inficiert habe ich das von mir untersuchte Wasser mit 1/500, 1/1000, 
1/2000, */4000; */s000; 1/10000» */16000, "/20000, "/25000, 1/30000, +/40 000, */50000> */soooo Und 
so fort bis 1/12000 Oese. Meine bei allen Versuchen benutzte Oese entsprach 
ungefähr der Grösse einer Normalöse. Vergleichsweise habe ich bei sämt- 
lichen von mir angestellten Versuchen mit inficiertem Wasser von !/so bis 
1/30000 Oese das Fickersche Verfahren (Sodalösung 10 proz. und Ferrisulfat- 
lösung 10 proz.) herangezogen, auch mit Weglassung der Centrifuge in der Weise, 
dass ich den lockeren Niederschlag durch ein steriles Filter filtrierte. Ge- 
genüber der Fällung mit Eisenoxychlorid wies die Fickersche Methode einen 
sehr erheblichen Unterschied auf. Nicht nur konnten regelmässig weniger 
Kolonien auf den Platten gezählt werden, sondern in den mit über 1/29000 
Oese inficierten Wässern waren auf den Platten Typhuskolonien überhaupt 
nicht mehr festzustellen. 

Aus den mit Eisenoxychlorid angesetzten Versuchen bei einer Einsaat der 
Wässer bis 1/500oo Oese habe ich im wesentlichen die von Müller gefundenen 
Resultate bestätigen können. Darüber hinaus konnte ich nicht mehr die gleiche 
Anzahl der Typhuskolonien, wie Müller sie angibt, wiederfinden; ich hatte 
mehrfach ganz negative Resultate, £ 

Um eine höhere Kolonienzahl zu erhalten, habe ich immer auch noch 
Ausstriche vorgenommen auf einer Malachitgrünagarplatte (nach Lentz und 
Tietz). Nach Abschwemmung der Platte habe ich auf diese Weise in der 
weitaus grössten Anzahl der Versuche mehr Typbuskolonien wahrnehmen 
können; vielfach habe ich sogar auch dann, wenn der Nachweis von Typhus- 
bacillen auf den Drigalskiplatten im Stich gelassen hatte, noch Typhus- 
bacillen durch das Malachitgrünverfahren auffinden können. 


Infektionskrankheiten. 59 


Zusammenfassend geht aus den Versuchen von Müller und aus meinen 
cigenen hervor, dass das neue mit Eisenoxychlorid angestellte Verfahren vor 
den bisher bekannten Fällungsverfahren grosse Vorzüge besitzt. Es zeichnet 
sich sowohl in der Anwendung durch grössere Einfachheit, durch 
die raschere Fällbarkeit, als auch durch die Schnelligkeit bei der 
Ausführung aus. 

Mithin dürfte auf chemischem Wege immerhin das Verfahren vorläufig 
eine wertvolle und schätzenswerte Untersuchungsmethode beim Nachweis von 
Typhusbacillen aus Trinkwasser sein, welche sich unter gleichzeitiger Mither- 
anziehung der Vorkultur auf Malachitgrünagarplatten noch günstiger gestaltet. 

Trotz alledem aber möchte ich vorerst die übrigen Untersuchungsmethoden 
auf dem Wege der Anreicherung (Ficker-Hoffmann) und auf biologischem 
Wege mittels specifischen Serums nicht missen, sie vielmehr auch immer zum 
Nachweis von Typhusbacillen aus inficiertem Wasser in jedem Falle beran- 
ziehen. 


Respke O. und Huss €., Untersuchungen über die Möglichkeit der 
Uebertragung von Krankheitserregern durch den gemeinsamen 
Abendmahlskelch nebst Bemerkungen über die Wahrscheinlich- 
keit solcher Uebertragung und Vorschlägen zu ihrer Vermeidung. 
Aus d. Eisenbahnheilstätte Stadtwald in Melsungen. Deutsche med. Wochen- 
schr. 1905. No. 3 u. 4. 

Die Frage, ob an Stelle des bisherigen gemeinsamen Kelches beim evan- 
gelischen Abendmahl der Einzelkelch aus hygienischen Gründen ein- 
geführt werden muss, ist vielfach bejaht worden, weil die Möglichkeit 
der Lebertragung ansteckender Krankheiten auf diesem Wege „nicht 
ganz von der Hand zu weisen ist“, wie es in einem Bericht des Präsi- 
denten des Kaiserlichen Gesundheitsamtes heisst, und weil tatsächlich in ver- 
einzelten Fällen „Erkrankungen an Tuberkulose und anderen anstecken- 
den Krankheiten auf den Gebrauch gemeinsamer Trinkgefässe — wenn 
auch nicht gerade der Abendmahlskelche — zurückzuführen gewesen 
sind“. Zugleich wird in diesem Bericht der Rat erteilt, „bei der Spendung 
des Abendmabls den Kelch nach jedesmaliger Darreichung um ein Weniges 
zu drehen, so dass die Mundfläche der nächstfolgenden Person eine reine 
Stelle des Gefässrandes berührt, und den letzteren öfter mit einem reinen 
Tuch abzuwischen“. 

Die Verff. haben zur Klärung dieser Frage Versuche angestellt, in- 
dem sie je 5—7 Kranke ihrer Heilstätte, die sich auf verschiedenen 
Stufen der Lungentuberkulose befanden, aber sämtlich Tuberkelbacillen im 
Auswurf hatten, nach einander aus einem Kelch wie beim Abendmahl 
Rotwein trinken liessen und dann 1. die sichtbaren Lippenabdrücke und 
Weinreste vom Rande mit keimfreien Gazebäuschen abtupften, 2. den äusse- 
ren und inneren Rand zunächst mit einem keimfreien Gläsertuch kräftig 
abrieben und dann nochmals mit Gazetupfern abwischten, 3. die Aussen- 
fläche und 4. die Innenfläche des oberen Teils des Kelches mit Gaze- 


5* 


60 Infektionskrankheiten. 


tupfern abwischten und die Tupfer (zum Teil nach 5stündigem Aufenthalt in 
Fleischbrühe bei Brütwärme) Meerschweinchen in die Bauchhöhle ein- 
führten. Bei allen 4 Arten des Verfahrens wurde das Auftreten von 
Tuberkulose beobachtet, im ganzen von 11 Meerschweinchen bei 8. Ausser- 
dem wurde aus einem Weinrest am Rande des Kelches ein pathogener 
Traubenkokkus gezüchtet und in einem Weinrest vom Grunde des Kelches 
Kettenkokken und spärliche Tuberkelbacillen nachgewiesen. Hiernach ist 
nicht blos der obere Rand des Kelchs aussen und innen, sondern 
auch der Wein selbst als Ueberträger von Tuberkelbacillen, Ketten- 
und Traubenkokken und zugleich das Drehen und Abwischen des 
Kelchs als unzureichender Schutz dagegen erwiesen. 

Die Verff. halten es bei der Verbreitung der Tuberkulose und bei der 
leicht verständlichen Neigung der nicht bettlägerigen Kranken dieser Art, die 
Tröstungen der Kirche aufzusuchen, für wahrscheinlich, dass sich in jeder 
Reihe von Abendmahlsgästen einer oder mehrere von ihnen vorfinden werden, 
und erklären bei der sebr mangelhaften oder ganz fehlenden Mundpflege der 
breiten Volksschichten die Uebertragung von Eiterkokken und von den Er- 
regern der Pneumonie, Diphtherie, Grippe durch den Abendmahlskelch 
aus dem Munde scheinbar ganz Gesunder oder Genesener auf die Nachfolgen- 
den für unvermeidlich. Fälle von Infektion durch den Kelch beim Abend- 
mahl sind zwar noch nicht bekannt, aber gewiss nicht seltener als durch 
andere gemeinsame Trinkgefässe. Uebertragung von Syphilis auf 
diese Weise ist nichts Seltenes und die Verff. teilen zwei neue Beispiele 
davon mit. 

Die Verff. kommen schliesslich zu der Forderung, dass in denKirchen 
Einzelkelche für diejenigen, welche sich ihrer bedienen wollen, in genügen- 
der Anzahl bereitgehalten und in wirksamer Weise, z. B. durch Aus- 
waschen mit 2 v. H. Sodalösung von mindestens 50° während 1 Minute, ge- 
reinigt werden sollen. Für die Kirchen von Bade-, Kurorten und 
Sommerfrischen für Lungenkranke und für Krankenhäuser und 
Heimstätten sind Einzelkelche eine dringende Notwendigkeit. Die 
vollkommmenste Lösung der Frage ist die, dass jeder Einzelne ebenso wie 
sein Gesangbuch auch seinen eigenen Kelch besitzt und zur Abendmahls- 
feier mitbringt. Globig (Berlin). 


Ravenel, P. Mazyck, The passage of tubercle bacilli through the normal 
intestinal wall. Laboratorium des „State Live Sanitary Board“ von 
Pennsylvania. Journ. of medical Research Vol. 10. No. 3. 1903. p. 460. 

Die Frage, ob die Wandungen des normalen Intestinaltraktus für Tuberkel- 
bacillen durchgängig sind, suchte Verf. in einer kleinen Versuchsreihe 
an Hunden zu prüfen. Das Resultat war, dass in dem Chylus und den 

Mesenterialdrüsen bei 8 von 10 mit Tuberkelbacillen gefütterten 

Tieren die Bacillen sich durch Meerschweinchenimpfung nachweisen liessen. 

Bei den zwei negativen Fällen waren Tuberkelbacillen menschlichen Ur- 
sprungs und von geringer Virulenz verwandt worden. Alle Hunde hatten vor 
der Fütterung ein Abführmittel bekommen und dann 24 Stunden gehungert. 

Liefmann (Halle a. S.). 


Infektionskrankheiten. 61 


Maciadyen, Allan und Macconkey, Alfred, Untersuchung von Mesenterial- 
drüsen, Tonsillen und adenoiden Wucherungen. Bacteriological 
department, Jenner institute of preventive medicine. British med. Journ. 
18. Juli 1903. 

Verff. untersuchten die Mesenterialdrüsen von 28 Kindern unter 5 
Jahren und die Tonsillen von 44 Patienten von 2—21 Jahren auf Tuberkel- 
bacillen. In 10 (von 28 Fällen) konnten mittels Meerschweinchenimpfung 
io den Mesenterialdrüsen Taberkelbacillen nachgewiesen werden. In keinem 
der Fälle waren bei der Sektion tuberkulöse Veränderungen am Intestinaltraktus 
nachgewiesen worden, in 8 Fällen waren aber anderweitige Organe von Tuber- 
kulose befallen gewesen. Hingegen wurden in den Tonsillen kein ein- 
tiges Mal Tuberkelbacillen nachgewiesen. Die Verff. geben an, einmal 
in den Mesenterialdrüsen eines totgeborenen Kindes Tuberkelbacillen 
nachgewiesen zu haben. Liefmann (Halle a.S.). 


Ritchie, The wax of tubercle bacilli in relation to their acid resi- 
stance. Journ. of pathol. and bacteriol. Vol. 10. p. 334. 

Verf. hat sich noch einmal mit der bekanntlich schon vielfach behandelten- 
Frage nach dem Fettgehalt der Tuberkelbacillen beschäftigt, und ist hierbei 
zu dem Ergebnis gelangt, dass es sich um ein Wachs handelt, das gerade 
beim Tuberkelbacillus und anderen säurefesten Stäbchenarten in besonders 
grosser Menge vorhanden ist, C. Fraenkel (Halle a. S.). 


Spengler, Carl, Ceber Splittersputa Tuberkulöser. Zeitschr. f. Hyg. 
Bd. 49. S. 541. 

„Splitter“ nennt der Verf. Teile der Tuberkelbacillen, Körnchen, die aus 
dem Kettenverband herausgelöst sind. Wenn sie vereinzelt im Auswurf 
vorkommen, sind sie schwer zu erkennen und richtig zu deuten; wenn 
sie aber in Gruppen zusammenliegen, ermöglichen sie oft eine sichere 
Diagnose. Es handelt sich dabei um Rückbildungsformen mit erheblich 
herabgesetzter Lebensfähigkeit. In Kulturen findet man sie, wenn die Ernäh- 
rungsbedingungen ungünstig sind, und beim Menschen verhält es sich nach 
der Meinung des Verf.s ähnlich: ihr Vorkommen ist dort ein Zeichen von 
natürlicher oder durch specifische Behandlung erreichter Wider- 
standsfähigkeit. Nach den Erfahrungen des Verf.’s sind Splittersputa be- 
sonders häufig, wenn es sich um Perlsuchtinfektion bei Menschen handelt, 
was nach seinen Beobachtungen unter 100 Fällen etwa 1 mal vorkommt. 

Globig (Berlin). 


Rupprecht, Johannes, Ueber säurefeste Bacillen nebst Beschreibung 
eines Falles von spontaner Froschtuberkulose. Inaug.-Dissert. 
Freiburg. Stuttgart 1904. > 

Verf. bespricht die bisherigen Funde säurefester Bakterien in und ausser- 
halb des Tierkörpers und schildert einen Fall spontaner Froschtuberku- 
lose, die in der Leber ihren Sitz hatte, und dort zur Bildung kugeliger 

Knoten (Abscesse) führte. Die gefundenen Stäbchen waren säurefest, aber 

6 


62 Infektionskrankheiten. 


in relativ geringem Grade. Angeregt durch diesen merkwürdigen Befund 
stellte Verf. einige Untersuchungen über die Ursachen der Säurefestigkeit an, 
insbesondere über die Frage, ob diese Erscheinung eine Eigenschaft der Bacillen 
darstelle, die erworben werden könne, oder nicht. Im Gegensatz zu Bien- 
stock und Gottstein ist es dem Verf. nicht gelungen, künstlich säure- 
feste Bacillen herzustellen, und zwar weder durch Impfung auf fett- 
haltige Nährböden, noch durch Imprägnierung der auf dem Deckglas fixierten 
Bakterien. & 
Er hält die Säurefestigkeit daher für eine charakteristische Eigen- 
tümlichkeit der Bakterien aus der Gruppe der Tuberkelbacillen. 
Liefmaun (Halle a. S.). 


Buerger, Leo, Studies of the pneumococcus and allied organisms 
with reference to their occurrence in the human mouth. Jonrn. 
of exper. med. Vol. 7. No. 5. p. 1—50. 

In zahlreichen Fällen hat Verf. die Pneumokokken als Bewohner des 
Mundes bei an Pneumonie erkrankten wie bei gesunden Personen nach- 
gewiesen, und für die letzteren namentlich eine Uebertragung durch 
Taschentücher, Trink- und Essgefässe u.s. w. von Individuen, die schon 
mit den Mikroorganismen behaftet waren, angenommen. Als Nährboden 
hat sich am meisten ein 2 proz. Traubenzuckerserum oder aber ein mit Inulin 
zusammengesetztes Substrat erwiesen, das folgendermassen bereitet wurde: 
100 ccm Rinderserum und 200 ccm destilliertes Wasser wurden 10 Minuten 
im Dampftopf zusammen gekocht; 6 g Pepton wurden über kleiner Flamme 
in 25—30 cem Wasser gelöst, dann filtriert, abgekühlt und endlich der ersten 
Mischung zugefügt; endlich kommen noch 1°/, Inulin und die genügende Menge 
von Lakmuslösung hinzu. In diesem Nährboden bilden alle Pneumokokken 
Säure, wenn auch nicht in sämtlichen Kulturen. Als eine bemerkenswerte 
Eigentümlichkeit bezeichnet Verf. ferner das Aussehen der Kolonien, die 
eine Ringform annehmen, d. h. aus mehreren konzentrisch geschichteten und 
angeordneten Abschnitten bestehen. Alle Pneumokokken sollen ferner durch 
ein Immunserum agglutiniert werden und ein derartiges Serum ferner 
auch den gleichen Einfluss ausüben auf eitererregende Streptokokken und ver- 
schiedene Stämme des Str. mucosus capsulatus. (Wie eine Durchsicht der von 
A. Kindborg in der Zeitschr. f. Hyg. Bd. 51 veröffentlichten Arbeit ergibt, 
hat sich hier eine Agglutination nur als eine streng specifische für den Stamm, 
mit dem die Immunisierung ausgeführt wurde, ergeben, und es wird Sache 
weiterer Arbeiten sein müssen, den hier eben flüchtig hervorgehobenen Unter- 
schied aufzuklären.) C. Fraenkel (Halle a. S.). 


Neumann, Paul, Ein Beitrag zur Statistik des Unterleibtyphus im 
Grossherzogtum Hessen. Aus d. Hygien. Institut d. Univ. Giessen. 
Zeitschr. f. Hyg. Bd. 49. S. 287. 

Der Verf. gibt Zusammenstellungen und Vergleiche der Typhustodesfälle 

im Grossherzogtum Hessen, für die 3 Provinzen (Starkenburg, Oberhessen 

und Rheinhessen) und für die Kreise seit 1880, für die 11 grössten Gemeinden 


Infektionskrankheiten. 63 


seit 1870. Sie gründen sich auf die darch obligatorische Leichenschau er- 
mittelten und amtlich veröffentlichten Zahlen. Auch die Erkrankungen an 
Typhus mit in den Rahmen der Arbeit zu ziehen, musste unterbleiben, weil 
bierfür das Material nicht gleichmässig genug war. 

Bis 1896 hat eine im Allgemeinen stetige Abnahme stattgefunden, 
welche die Sterblichkeit an Typhus von etwa 2—3 auf 0,3—0,4 von je 10000 
Einwohnern verminderte. Seitdem ist keine weitere Verminderung eingetreten, 
in Rheinhessen sogar eine geringe Erhöhung. 

In der 2. Hälfte des Jahres waren die Todesfälle an Typhus häufiger als 
in der 1., am zahlreichsten im September. Globig (Berlin). 


de Franceschi E., Influence du sol sur la virulence du bacille ty- 
phique. Rev. d’hyg. T. 26. p. 415. 

Um die Virulenzveränderungen des Typhusbacillus beim Ver- 
weilen in Erde zu erforschen, stellte de Franceschi Aufschwemmungen von 
Typbusagarkulturbelägen in Wasser her und verteilte sie in steriler Gartenerde 
von einer Korngrösse bis za 2 mm in grossen Petrischalen. Zur Anfeuchtung 
fügte er in einigen Versuchen steriles Wasser, Bouillon oder einen sterilisierten 
wässerigen Auszug aus menschlichen Fäkalien hinzu. Nachdem er die Schalen 
unter wechselnden Bedingungen verschiedene Zeit lang der Wirkung von Sonne 
and Luft ausgesetzt hatte, entnabm er kleine Mengen der Erde aus den Schalen 
zur Aussaat in Bouillon, bebrütete die Bouillon 24 Stunden bei 38° und infi- 
cierte dann mit verschiedenen Mengen davon Meerschweinchen intraperitoneal; 
gleichzeitig injicierte er anderen Meerschweinchen intraperitoneal zur Kontrolle 
entsprechende Mengen von Bouillonkulturen des im Laboratorium fortgezüchteten 
Typhusstammes. 

Durch solche Versuche will de Franceschi festgestellt haben, dass im 
nicht befeuchteten Boden der Typhusbacillus schnell, schon nach 24 Stunden, 
av Virulenz merkbar verliert. In dem mit Wasser befeuchteten Boden ist die 
Virulenz nach 24 Stunden nicht verringert, bei Befeuchtung des Bodens mit 
Bouillon oder Fäkalauszug ist sie nach 24 Stunden deutlich erhöht und durch 
weitere Bodenpassage noch mehr zu steigern. In allen Fällen aber nimmt sie 
nach mebrtägigem Verweilen des Typhusbacillus im Boden deutlich ab. Verf. 
lässt es unentschieden, ob die Virulenzerhöhung Folge einer „Reifung“ ist, die 
der Typhusbacillus im Boden erfährt oder ob sie sich aus einer Art „natür- 
licher Selektion“ der Baeillen erklärt, indem die schwächeren Bacillen im 
Boden zu Grunde gehen und nur die widerstands- und infektionsfähigsten über- 
leben und sich fortpflanzen. Bestimmte Beobachtungen sprechen ihm für 
die „natürliche Selektion“. Aeusserlich sollen sich übrigens an den Bacillen 
insofern Veräuderungen beobachten lassen, als sie bei Züchtung im feuchten 
Boden lange, sehr bewegliche Fäden bilden. R. Abel (Berlin). 


Wilson, The isolation of b. typhosus from infected water, with notes 
on a new process. Journ. of byg. Vol. 5. p. 429. 
Verf. hat die verechiedenen, neuerdings angegebenen Verfahren zum 
Nachweis der Typhusbacillen im Wasser miteinander verglichen und 
6* 


64 Infektionskrankheiten. 


spricht sich auf Grund einer mehr oder minder genauen und sorgfältigen 
Prüfung schliesslich zu Gunsten der von Hoffmann und Ficker (in dieser 
Zeitschr.) veröffentlichten Methode aus, die mit Zusatz von Koffein arbeitet 
und so die gleichzeitige Entwickelung der Colibacillen zu verhindern oder 
mindestens stark zu beschränken imstande ist. Da aber das Koffein einen 
wechselnden und ungleichmässigen Einfluss ausüben, namentlich auch den 
einzelnen Stämmen des Typhusbaeillus gegenüber eine veränderliche Wirkung an 
den Tag legen soll, so empfiehlt Verf. zugleich mit der Benutzung des Koffeins 
noch einen zweiten Weg einzuschlagen, der ihm in einigen Laboratorinmsversuchen 
sehr gute Ergebnisse geliefert hat, nämlich das verdächtige Wasser mit Alaun 
0,5 g auf das Liter zu versetzen und den entstandenen Niederschlag alsdann 
auf Copradi-Drigalski-Platten zu verarbeiten. 
C. Fraenkel (Halle a. S.). 


Klein E., Experiments and observations on the vitality of the 
bacillus of typhoid fever and of sewage microbes in oysters and 
other shellfish. London 1905. 

Auf Veranlassung der Gilde der Fischhändler in London hat sich der 
Verf. mit der Frage nach dem Verhalten der Typhusbacillen und anderer 
ähnlicher Mikroorganismen in Austern und sonstigen Schaltieren beschäftigt, 
da man gerade in Englaud schon zu wiederholten Malen ganze Epidemien von 
Typhus beobachtet hat, die sich ohne jeden Zweifel an den Genuss von 
Austern angeschlossen hatten. Klein hat nun frische Austern u.s. f. mit 
einer dichten Aufschwemmung der Typhusbacillen behandelt, die er zwischen 
die beiden Schalen der Muschel eingoss und dann die Tiere entweder in 
einem, vorher sterilisierten und alle Tage gewechselten Seewasser oder aber 
trocken aufbewahrt, um nun die Lebensfähigkeit der in ihnen eingeschlossenen 
Typhuserreger zu prüfen. In der Regel konnte er so feststellen, dass die 
Bakterien nach 6—7 Tagen bei den erst erwähnten Tieren verschwunden waren, 
während sie sich bei den im trockenen Zustande gehaltenen noch nach 
11 Tagen nachweisen liessen. 

Indessen ist doch auch der ersterwähnte Termin nnr als der des meist 
eintretenden Absterbens anzusehen, und jedenfalls erscheint mir das hier vom 
Verf. empfohlene Verfahren, die Austern mit reinem Seewasser für etwa 
8 Tage zu behandeln, keineswegs eine zuverlässige Gewähr gegen ihre 
Infektiosität zu bieten. Gegenüber der gebräuchlichen - Methode, die 
Austern von Zeit zu Zeit in mehr oder weniger verdünntem Ab- 
wasser zu halten, sie mit demselben zu füttern, ist wohl nur der 
völlige Verzicht auf den Genuss der rohen Tiere eine Massnahme von 
genügender Sicherheit; mag es auch schwer sein, seinen Geschmacksnerven 
dieses Opfer zuzumuten, so habe ich mir dasselbe doch schon seit länger als 
10 Jahren, seit damals aus England Berichte über die gelegentliche Ueber- 
tragung der Cholera auf diesem Wege laut wurden, auferlegt, und ich wüsste 
ferner eine ganze Anzahl von Typhuserkrankungen bei mir bekannten Persön- 
lichkeiten anzuführen, die namentlich in Italien durch den gelegentlichen Ge- 
nuss von Austern erworben worden waren. 


Infektionskrankheiten. 65 


Auch die übrigen Schaltiere sind vom Verf. ganz in der gleichen 
Weise untersucht worden und haben zum Teil noch nach sehr viel längerer 
Zeit Typhusbacillen und andere Mikroorganismen gezeigt, als das eben von 
den Austern berichtet worden ist. Mag dies auch gerade hier nicht als so 
gefährlich erscheinen, da diese Tiere meist in vorher gekochtem oder doch 
erhitztem Zustande genossen werden, so kommt es doch vor, dass besondere 
„Liebhaber“ sie roh verzehren, und also die hier in Rede stehenden Bakterien 
mit aufzunehmen Gelegenheit finden. Klein schlägt deshalb den Verzicht auf 
die eben erwähnte Unsitte vor und macht ferner darauf aufmerksam, dass 
eine kurz dauernde Behandlung der Tiere durch Erhitzung unter Druck sie 
völlig sterilisiere, dagegen sonst ganz unangetastet lasse, also ein Verfahren 
der Zubereitung sei, das dem sonst üblichen unbedingt vorzuziehen wäre. 

Bei seinen Versuchen hat sich Verf. stets mit grossem Vorteil der Dri- 
galskiplatten bedient. C. Fraenkel (Halle a. S.). 


Savage, William, Bacteriological studies of two cases of paratyphoid 
infection. Journ. of pathol. and bacteriol. Vol. 10. p. 841. 

Verf. beschreibt 2 Fälle von Paratyphus, bei deren einem er jedoch 
einen Bacillus aus dem Harn des Kranken züchtete, der sich als echter 
Tsphusbacillus charakterisierte. Allerdings muss ich offen gestehen, dass mir 
auch die genaue Beschreibung der kulturellen Eigenschaften dieses fraglichen 
Mikroorganismus noch nicht jeden Zweifel an seiner Typhusnatur zu beseitigen 
scheint. C. Fraenkel (Halle a. S.). 


M'Naught, A note on two varieties of bacillus typhosus simulans 
isolated from drinking water. Journ. of pathol. and bacteriol. Vol. 10. 
p. 380. 

Kurze Beschreibung zweier fūr Tiere nicht virulenter Mikroorga- 
nismen, die aus einem nicht verdächtigen Wasser isoliert wurden und manche 
Aehnlichkeit mit echten Typhusbacillen besitzen. 

C. Fraenkel (Halle a. S.). 


Castellani, Aldo, Some researches on the etiology of dysentery in 
Ceylon. Journ. of hyg. Vol. 4. p. 495. 

Castellani, der zur Zeit Direktor des bakteriologischen Instituts zu 
Colombo ist, veröffentlicht hier die Befunde, die er bei der Untersuchung von 
23 Fällen von Ruhr auf Ceylon erhalten hat. In 19 Erkrankungen konnte 
er Bakterien feststellen, die nach allen Richtungen, auch was die Unbeweg- 
lichkeit angeht, durchaus den von Kruse beschriebenen Mikroorga- 
nismen glichen; einmal konstatierte er eine nahe Abart dieser Bakterien- 
gruppe, die sich nur durch ihr Verhalten gegen das specifische Serum und 
durch ihre Rotfärbung der Lakmusmilch von ihr unterschied, und zweimal 
endlich zeigten sich im Stuhl grosse Mengen von Amöben, die von C. für die 
von Schaudinn näher bestimmte A. histolitica angesprochen werden. 

C. Fraenkel (Halle a. S.). 


66 Infektionskrankheiten. 


Lüdke, On the dysentery toxin, Journ. of pathol. and bacteriol. Vol. 10. 
p. 328. 

In den Elberfelder Farbfabriken und im bakteriologischen Institut in 
` Barmen hat Verf. Versuche angestellt, um das Gift der Dysenteriebacillen 
aus deren Leibern zu gewinnen und hierbei auch brauchbare Ergebnisse erzielt, 
als er sie zuerst im Vakuumtrockenapparat bei Zimmerwärme, dann 
über flüssiger Luft behandelte und schliesslich mit der Hand zerkleinerte. So 
erhielt er eine Masse, von der 0,05—0,1 cem noch Kaninchen in kurzer Zeit 
tötete. Bei den hier in aller Kürze geschilderten Experimenten hat sich Verf. 
auch selbst mit den Ruhrbacillen inficiert, ist aber im Laufe von 10 Tagen 
wieder hergestellt worden. È C. Fraenkel (Halle a. S.). 


Todd, Charles, On a dysentery toxin and antitoxin. Journ. of. byg. 
Vol. 4. p. 480. 

Verf. hat in 4—6 Wochen alten Kulturen der Dysenteriebacillen in 
Fleischbrühe, ebenso aber auch in jungen, erst 24 Stunden alten Stäbchen 
selbst ein also in die Gruppe der Proteine gehöriges, durch Temperaturen 
von 60° nicht, wobl aber durch Erhitzung auf 70° rasch zerstörtes, sehr 
wirksames Gift feststellen können, das sich besonders Pferden und Kaninchen 
gegenüber als toxisch erwies, während z. B. Meerschweinchen, ebenso wie 
auch andere Versuchstiere verhältnismässig unempfindlich waren. Durch vor- 
sichtige und fortgesetzte Behandlung von Pferden mit Filtraten alter Bouillon- 
kulturen oder mit den Leibern junger Bacillen gelang es dem Verf., ein 
Antitoxin zu gewinnen, das eine ausserordentliche Kraft an den Tag legte 
und zum Beispiel in Mengen von 1/10 cem Kaninchen gegen die Einführung 
der 20fachen, sonst sicher tödlichen Gabe des Giftes zu schützen vermochte. 
Das Gift und das Gegengift verlangen eine gewisse von der umgebenden Tem- 
peratur abhängige Zeit, um im Reagenzglase ihre gegenteilige Wirkung aus- 
zuüben, und so verstreichen z. B. bei 0° 2 Stunden, bei 37° nur 5 Minuten, 
bis die Mischung ihr toxisches Vermögen eingebüsst hat. Endlich hat Verf. 
noch feststellen können, dass das Antitoxin eine viel geringere, wenn auch 
immerhin noch bis zu einem gewissen Grade nachweisbare Kraft gegenüber 
dem Gift der Flexnerschen Stäbchen und einiger anderer Arten der Dysen- 
teriebacillen an den Tag legte und damit auch die Verschiedenheit dieser 
Stäbchen bewies. C. Fraenkel (Halle a. S.). 


Baxter-Tyrie, Report of an outbreak of plague in Queensland during 
the first six months of 1904. Journ. of hyg. Vol. 5. p. 311. 

In der ersten Hälfte des Jahres 1904 trat die Pest auch in Queens- 
land, besonders in der Hauptstadt Brisbane und ihrer unmittelbaren Umge- 
bung auf, eingeschleppt höchst wahrscheinlich durch Ratten, die auf dem See- 
wege, auf den Schiffen aus Bombay und Calcutta inficiert worden waren, indem 
sie die vorher von Pestkranken benutzten Jutesäcke angenagt oder sich sonst 
mit ihnen zu schaffen gemacht hatten. Unter den Ratten und Mäusen inner- 
halb des bedrohten Bezirkes wurde deshalb auch stark aufgeräumt, und im 
ganzen mehr als 37 000 Tiere in kurzer Zeit getötet; 313 unter ihnen erwiesen 


Infektionskrankheiten. 67 


sich bei der Prüfung von 14755 Stück als mit Pestbacillen behaftet. Mit 
Lebhaftigkeit wendet sich Verf. bei dieser Gelegenheit gegen die ja auch 
unter den australischen Fachleuten verbreitete Ansicht, dass die Infektion 
der Tiere im wesentlichen durch den Biss von vorher auf anderen 
kranken Exemplaren der gleichen Art hausenden Flöhen veranlasst 
werde und verweist demgegenüber gewiss mit Recht auf zahlreiche andere und 
leichtere Möglichkeiten der Ansteckung, so vor allen Dingen auf die durch 
das Futter, durch die Nahrung gegebene. 

Im übrigen ist der Aufsatz wesentlich klinischer Natur und bringt eine 
ganze Anzahl in dieses Gebiet gehöriger Einzelheiten. 

; C. Fraenkel (Halle a. S.). 


Wherry, Some observations on the biology of the cholera spirillum. 
Journ. of hyg. infectious diseases. Vol. 2. p. 309. 

Die Eigenschaften des Aussehens, bei der künstlichen Züchtung und endlich 
bei der Uebertragung auf Tiere seitens 7 verschiedener Cholerakulturen hat 
Verf. des genaueren untersucht und berichtet nun in der vorliegenden Arbeit 
über die erhaltenen Ergebnisse. So empfiehlt er für den regelmässigen Ein- 
tritt der Rotreaktion nach dem Vorgange von Bleisch (Zeitschr. f. Hyg. 
Bd. 14) der Peptonlösung Nitrate hinzuzufügen, so hat er die genaue Menge 
des Zusatzes von NaOH oder Na¿CO; festgestellt, so wurde in einigen Ver- 
suchen auch die pathogene Kraft seiner Kulturen ermittelt uud auf diese 
Weise gefunden, dass ein alter, seit 9 Jahren auf künstlichen Nährböden fort- 
gezüchteter Stamm seine Virulenz völlig verloren hatte, während einige neuere 
für die hauptsächlich geprüften Tauben noch eine verhältnismässig starke 
Virulenz besassen. C. Fraenkel (Halle a. S.). 


Hill, Ernest and Haydon, The epidemic of malarial fever in Natal 1905. 
Journ. of hyg. Vol. 5. p. 467. 

In Natal, das sonst von Malaria so gut wie völlig frei geblieben war, 
brach zu Anfang dieses Jahres plötzlich eine schwere und weit verbreitete, 
die schwarze, eingeborene, wie die weisse Bevölkerung ergreifende Epidemie 
der eben genannten Krankheit aus, die den Verff. der vorliegenden Arbeit ein 
reiches Feld für eine ausgedehnte und angestrengte Tätigkeit brachte. Auch 
hier erwiesen sich natürlich wieder die Stechmücken aus der Klasse der Ano- 
pheles als die Ueberträger des Ansteckungsstoffes, und eine Tafel mit mikro- 
photographischen Darstellungen von Sporozoiten in reicher Zahl gibt 
uns auch einen Einblick in sehr bezeichnende Präparate, die dort von infi- 
eierten Anopheles angefertigt worden sind. Wie und von wo die Malaria 
eigentlich ihren Einzug gehalten hat, ist trotz vielfacher Bemühungen nach 
dieser Richtung aufzuklären nicht gelungen. 

C. Fraenkel (Halle a. S.). 


Cropper, The malarial fevers of Jerusalem and their prevention. 
Journ. of hyg. Vol. 5. p. 460. 

Die Arbeit berichtet über das ausserordentlich häufige Vorkommen des 

Malariafiebers unter den Eingeborenen, namentlich unter der jüdischen 


68 Infektionskrankheiten. 


Bevölkerung in Palästina. Von besonderem Interesse ist, dass auch hier 
sehr zahlreiche Fälle von Infektion bei Kindern, selbst solchen jüngsten Alters, 
festgestellt werden konnten. Unter den möglichen Mitteln zur Ausrottung des 
Ansteckungsstoffes, bezw. seiner Uebertragung durch Anophelesmücken, hält 
Verf. nur die reichliche Verteilung von Chinin, sowie das Ausschwefeln der 
zahlreichen Cisternen für ausführbar und nützlich. 

C. Fraenkel (Halle a. $.). 


Stephens and Christophers, The practical study of malaria and other 
blood parasites. London 1904. 

Die Verff. wollen nach ihren in der Vorrede zu vorliegendem Werke ge- 
gebenen Ausführungen insbesondere eine für den praktischen Gebrauch 
passende Anleitung zum Studium der durch die Malariaplasmodien und 
ähnliche Parasiten veranlassten Veränderungen des menschlichen Blutes geben 
und haben diese Aufgabe in zweifellos ausgezeichneter Weise gelöst. Auf 396, 
mit zahlreichen Tafeln und sonstigen, meist ganz vortrefflichen Abbildungen 
versehenen Seiten bringen sie alles das für die Kenntnis der Malariaparasiten, 
wie der mehr oder minder verwandten grossen Klasse von Schmarotzern, so 
der Trypanosomen, der Piroplasmen u. s. f. wichtige Material und verweilen 
namentlich auf das genaueste bei der Beschreibung der Ueberträger, der ver- 
schiedenen Mückenarten, die sie in eingehendster Weise behandeln. Das Werk 
kann allen für diese Fragen genauer interessierten Fachgenossen auf das an- 
gelegentlichste empfohlen werden. C. Fraenkel (Halle a. $.). 


Nuttall, Note on the prevalence of anopheles. Journ. of hyg. Vol. 5. 
p. 485. 

Nuttall macht darauf aufmerksam, dass er im letzten Jahre eine auf- 
fällige Verminderung in der Zahl der Anophelesmücken in und um Cam- 
bridge herum hat feststellen können. Indem er die Beantwortung der Frage, 
ob es sich bier nur um ein zufälliges Zusammentreffen oder aber um eine 
dauernde Abnahme dieser Parasiten handelt, offen lässt, weist er doch darauf 
hin, dass sich so ein starkes Absinken in der Zahl der möglichen An- 
steckungen von Menschen mit Malariaplasmodien vollzogen habe. 

C. Fraenkel (Halle a. S.). 


Dutton and Todd, First report of the Trypanosomiasis expedition 
to Senegambia (1902). Thompsons Yates and Johnston Laboratories 
report. Vol. 5. (New Series). Part II. p. 1. 

Der vorliegende Bericht enthält eine sebr genaue Darstellung der von 
den Verff. auf ihrer Reise nach Senegambien erhaltenen Aufschlüsse über 
die Entstehung der durch eine Infektion mit Trypanosomen er- 
zeugten Krankheiten und zwar sowohl beim Menschen, schwarzen und 
weissen, wie namentlich auch bei Tieren, insbesondere Pferden, sowie ferner 
bei Fröschen und Mäusen. Die Versuche, die Parasiten zu züchten oder ihre 
Uebertragung durch Stechfliegen herbeizuführen, misslangen sämtlich, und die 
Verff. vertrösten ihre Leser auf weitere Mitteilungen, die das hier vorgetragene 


. Infektionskrankheiten. 69 


näher ausführen und begründen sollen. Mehrere Tafeln mit zum Teil sehr 
schönen mikrophotographischen oder zeichnerischen Darstellungen begleiten 
die Veröffentlichung. ; ©. Fraenkel (Halle a. S.). 


Mac Neal, Ward J., An improved medium for cultivating trypanosoma 
Brucei. Sixth annual report of the Michigan Academy of science. p. 173. 
In der vorliegenden Arbeit berichtet der Verf., dass er wiederhoientlich, 
bis zu 30 mal und mehr, vergebliche Versuche angestellt hat, das Tr. Brucei 
za züchten und erst neuerdings zu besseren und regelmässigeren Erfolgen 
durchgedrungen ist, seitdem er die Zusammensetzung des Nährbodens 
verändert hat. Er benutzt jetzt meist das folgende Substrat: Das Agar wird 
bereitet mit Fleischwasser 1:8, 2°/, Pepton und 1/2°/ NaCl; dazu kommt dann 
Blut und zwar Kaninchenblut 2:1. Dieses Gemisch wird in kleinen Kölbchen, 
die ein Fassungsvermögen von 50 ccm haben, aufbewahrt, dann mit einer 
kleinen Menge des trypanosomhaltigen Blutes inficiert und endlich 2—3 Wochen 
bei 250 aufbewahrt. C. Fraenkel (Halle a. S.). 


Kech R., Ueber die Unterscheidung der Trypanosomenarten. Sitzungs- 
berichte der Königlich preussischen Akademie der Wissenschaften. . Sitzung 
vom 23. Nov. 1905. 46. S. 958. 

Als eine wertvolle Gabe von seiner letzten Forschungsreise nach Ostafrika 
legt uns R. Koch hier die Ergebnisse seiner vergleichenden Untersuchungen 
an verschiedenen Arten von Trypanosomen vor, die ihn in den Stand 
gesetzt haben, für zwei Glieder der grossen, aber immer noch nicht mit ge- 
böriger Sicherheit von einander zu unterscheidenden Schar der hierher ge- 
börigen Krankheitserreger sichere Merkmale aufzufinden. Bei der Prüfung von 
Stechfliegen nämlich, der Glossina morsitans und der Glossina fusca, welche 
das Tr. Brucei, sowie der Gl. palpalis, welche das Tr. Gambiense, das der 
Schlafkraukheit übertragen, fand er im Verdauungskanal zwei Typen, die 
nach Analogie mit den Entwickelungsformen anderer Protozoen als geschlecht- 
liche anzusprechen waren und sich so zu erkennen gaben, dass der weibliche 
ausgezeichnet war durch „starken Breitendurchmesser, reichlichen Gehalt an 
Plasma, welches bei Anwendung der durch. Giemsa modificierten Romanowsky- 
Färbung einen blauen Farbenton annimmt, und einen rundlichen Kern von 
lockerem Gefüge“, während der männliche „einen geringeren Durchmesser 
uod infolge dessen eine schlanke Gestalt, vollständigen Mangel an blauge- 
färbtem Plasma und einen Janggestreckten, fast stabfürmigen Kern von dichtem 
Gefüge, welcher eine dunkle Chromatinfärbung annimmt“, zeigt. 

Die so charakterisierten Geschlechtsformen des Tr. Brucei und des Tr. 
6ambiense lassen sich aber weiterhin dadurch von einander unterscheiden, dass 
biernach die sichere Trennung in zwei verschiedene Arten möglich wird. 
Während nämlich das Tr. Brucei einen kleinen rundlichen Blepharoplasten 
von 1 a Durchmesser hat, besitzt das Tr. Gambiense einen grossen, bei der 
Färbung intensiv gefärbten derartigen Einschluss. Er hat eine ovale Gestalt, 
kann zuweilen ein geradezu stäbchenartiges Aussehen annehmen und zeigt 
1-5, Breite bei 2--5 4 Länge. Der längliche Blepharoplast ist ausserdem 

7 


70 ‚Infektionskrankheiten. . 


immer quer zur Längsachse des Trypanosomenkörpers gestellt. Auch die 
Grössenverhältnisse der beiden Arten liefern ein wichtiges Unterscheidungs- 
merkmal: die weiblichen Exemplare des Tr. Brucei scheinen kleiner zu sein 
als die des Tr. Gambiense, während umgekehrt die mäunlichen wieder der 
letzteren viel schlanker und zierlicher sind als die des Tr. Brucei. So ge- 
lingt also eine sichere Unterscheidung der hier in Rede stehenden. Parasiten- 
arten — freilich bisher nur in dem oben angedeuteten Entwickelungsstadium, 
das sich auf das Wachstum in der Fliege bezieht, welche die Uebertragung 
vornimmt. C. Fraenkel (Halle a. S.). 


Mattam, A note on bovine piroplasmosis. Journ. of. hyg. Vol. 5. p. 271. 
Die Arbeit besteht in einer kurzen Beschreibung des Vorkommens von 
Piroplasmen im Blute von Rindern, die an verschiedenen Stellen in Irland 
gehalten wurden. Als Ueberträger macht sich dabei eine Zeckenart geltend, 
der Ixodes reduvius. C. Fraenkel (Halle a. S.). 


Siegel, John, Beiträge zur Kenntnis des Vaccineerregers. Sitzungs- 
berichte der Königl. Preussischen Akademie der Wissenschaften. 1904. 
Jahrg. 30. 

Verfasser berichtet über seine Versuche, den Erreger der Variola nicht 
nur in der Cornea von Versuchstieren (Kaninchen und Meerschweinchen). 
sondern auch im Innern ihrer Organe aufzufinden. Besonders in der 
Niere glaubt er Formen gefunden zu haben, die eine Aehnlichkeit mit ge- 
wissen Entwickelungsstadien von Protozoen aufweisen, und die z. T. auch 
mit den in der Cornea sich findenden Körperchen übereinstimmen sollen. 

Liefmann (Halle a. S.). 


Ross, Ronald, A new parasite of man. Tompson Yates and Johnston Labo- 
ratories report. Vol. 5. (New Series). Part II. p. 79. 

Der bekannte Entdecker des Zwischen- oder richtiger gesagt des Haupt- 
wirtes der Malariaparasiten gibt in der hier vorliegenden kurzen Abhandlung 
eine Schilderung mehrerer Präparate, die er von Donovan aus Indien erhalten 
bat und die von Menschen stammen, die an der eigentümlichen, zuerst von 
Leisbman, dann von Donovan beschriebenen Erkrankungen litten bezw. 
gestorben waren. Er bemüht sich, Licht in die dunkle Lebensgeschichte 
und namentlich die Stellung der Parasiten im System zu bringen und gibt 
der Meinung Ausdruck, dass es sich hier um eine neue Art von Sporozoön 
handele, für die er den Namen Leishmania donovani Laveran in Vor- 
schlag bringt. 5 C. Fraenkel (Halle a. S.). 


De Korte, On the presence of a sarcosporidium in the thigh muscles 
of macacus Rhesus. Journ. of hyg. Vol. 5. p. 451. 

Die Arbeit bringt eine kurze Beschreibung und 2 mikrophotographische 
Abbildungen eines Sarkosporidiums, gefunden in einem Muskelstückchen 
von einem Affen, der im übrigen schon zur Zeit der Entdeckung des Para- 
siten verbrannt worden war. - C. Fraenkel (Halle a. S.). 


Infektionskrankheiten. Ke! 


French and Boycott, The prevalence of trichocephalus dispar. Journ. 
of hyg. Vol. 5. p. 274. 

Sämtliche Insassen von Guys Hospital in London, in 10 Monaten 500 an 
Zahl, wurden auf das Vorkommen von Trichocephalus dispar untersucht, 
uod dieser Parasit bei 39 auch durch wiederholtes Ausschütteln der Fäces 
mit Wasser gefunden. Da ein Erkranken nur durch die Aufnahme von 
Resten menschlicher Entleerungen mit der Nahrung zustande kommt, so machen 
die Verff. hierfür namentlich den gerade bei den unteren Schichten der Be- 
völkerung so verbreiteten Genuss von Gartenkresse verantwortlich. 

C. Fraenkel (Halle a. S.). 


Graham-Smith, A new form of parasite found in the red blood cor- 
pusculus of mole. Journ. of hyg. Vol. 5. p. 453. 

In 10 unter 102 Maalwürfen, also in 10°/, der Tiere, fand Verf. eine 
mehr oder minder grosse Zahl eigentümlicher Parasiten der roten Blut- 
körperchen, die bald einzeln, bald oder häufiger aber zu vielen, zu 50 und 
mehr, in einer derartigen Wirtszelle auftraten. Ihrer Gestalt nach erinnern 
sie am ehesten an degenerierte oder involvierte Stäbchen. Uebertragungsver- 
suche wurden nicht angestellt. Die Arbeit ist von 2 Tafeln begleitet, von 
denen die eine die Schmarotzer in Zeichnung, die andere in mikrophoto- 
graphischer Abbildung wiedergibt. Offen gesagt, habe ich mich von dem 
Charakter der bier gezeigten Einschlüsse als Mikrobien noch nicht endgiltig 
überzeugen können. C. Fraenkel (Halle a. $.). 


Musgrave and Clegg. Amebas: their cultivation and etiological 
significance. Journ. of infectious diseases. Vol. 2. p. 334. 

Die Verff. haben sich in Manila mit der Frage nach dem Vorkommen 
und der Bedeutung von Amöben in den Darmentleerungen der Menschen 
beschäftigt und dabei auch die schon von vielen Forschern erhobene Tatsache 
bestätigen können, dass es nicht gelingt, diese Schmarotzer auf unseren 
künstlichen Nährböden für sich allein zu züchten, man ihnen vielmehr stets 
Bakterien der verschiedensten Art als Futter zur Verfügung stellen müsse. 
Im übrigen haben die Verf. auch gelungene Uebertragungsversuche 
auf Affen ausgeführt, und namentlich auch einen Menschen mit Dysenterie- 
amöben inficiert. Der betreffende, ein gesunder Mann, bekam 3 Kapseln mit 
abgekratzten 3 Wochen alten Kulturen von Amöben, die aus einem dysente- 
rischen Stuhl zusammen mit einem nicht pathogenen Bakterium gewonnen 
worden waren. 12 Tage später erkrankte er an einer milden Diarrhöe mit 
ınässigem Tenesmus; die Amöben liessen sich in seinem Stuhlgange leicht 
nachweisen. C. Fraenkel (Halle a. $.). 


Dupuy J, Navires et moustiques (Stegomyia fasciata). Rev. d’hyg. 
T. 26. p. 289—301. 

Dupuy verbreitet sich über die Frage, ob die das Gelbfieber über- 
tragenden Mosquitos (Stegomyia fasciata) mit dem Schiffsverkehr lebend 
und infektionstüchtig aus Gelbfiebergegenden nach Europa gebracht werden 

7 


12 Infektionskrankheiten. 


- können. Seinen Erfahrungen nach ist das sehr wohl möglich. Er hat selbst 
erlebt, dass Stegomyias im November auf einem von Rio de Janeiro kommen- 
den Schiff bis su den Balearen hin lebend gefunden wurden. Man hat Stego- 
myias noch 57 Tage, nachdem sie sich inficiert hatten, Gelbfieber übertragen 
sehen. Sie gelangen in Südamerika selbst auf Schiffe, die mehrere Kilometer 
vom Lande entfernt auf der Rhede liegen, sei es, dass der Wind sie zum 
Schiffe treibt, sei es, dass sie mit Waren, Lebensmitteln u.s. w. zum Schiffe 
kommen. An Bord finden sie besonders in den Baderäumen sichere Unter- 
schlupfe, während sie aus den Kabinen durch kräftige Lüftung verhältnismässig 
leicht zu vertreiben sind. Die zu ihrer Erhaltung nötige Temperatur von mehr 
als 17° ist in den Sommermonaten auch in Europa vorhanden. Unwahrschein- 
lich ist es dagegen, dass an Bord eine neue Generation heranwächst, da dort 
ruhendes Wasser, wie es für die Entwickelung der Larven nötig ist, fehlt. 
Als Massnahmen gegen die Verschleppung von Stegomyias durch Schiffe 
empfiehlt Dupuy Wahl möglichst mosquitofreier Liegeplätze in den gelbfieber- 
verseuchten Häfen, Schutz der Schiffsöffnungen in den Kabinen und Laden- 
räumen wäbrend der Nacht durch Mosquitonetze oder feingelochte Metallein- 
sätze; nach der Abfahrt Verbrennung von Pyrethrampulver in den Kabinen 
(15 g auf den cbm), danach energische Lüftung; Entwickelung von schwefliger 
Säure mit dem Claytonschen Apparat in den Laderäumen und Wiederholung 
dieser Massnabme nach der Ankunft in Europa. R. Abel (Berlin). 


Studies from the Rockefeller Institute for Medical Research. 1904. 
Vol. II. 

Die erste Arbeit des vorliegenden Bandes enthält sehr interessante, bak- 
teriologische und klinische Studien über die Sommerdiarrhöde der Kinder, 
die in den Jahren 1902 und 1903 in mehreren nordamerikanischen Städten 
unter der Leitung Simon Flexners angestellt worden sind. Die Ergeb- 
nisse können dahin zusammengefasst werden, dass bei einem hohen Prozent- 
satze der an Sommerdiarrhöe leidenden Kinder in den Fäces Dysenterie- 
bacillen zu finden sind. In der Mehrzahl der Fälle handelte es sich um 
den Flexner-Harrisschen, nicht den Shiga-Kruseschen Typus dieses Ba- 
eillus. In 237 klinisch beobachteten Fällen wurde der erste Typ 207 mal 
gefunden, der Shiga-Krusesche 23 mal, beide zusammen 7 mal. Andererseits 
war, wie aus den Untersuchungen M. Wollsteins, einer Mitarbeiterin Flex- 
ners hervorgeht, der Dysenteriebacillus bei 32 gesunden Kindern nicht zu 
finden, hingegen bei 21 kranken Kindern (die aber nicht an Sommerdiarrhöe 
litten), 2 mal. Das Blut der Patienten agglutinierte zu bestimmten Zeiten 
den Bacillus selbst in hohen Verdünnungen. Von 100 Patienten zeigten 45 
eine agglutinierende Fähigkeit des Serums bei einer Verdünnung von 1:100 
oder höher. 

Da die Pathogenität des Dysenteriebacillus nach Flexner für den 
Menschen als erwiesen gilt, hält er sich auf Grund dieser Untersuchungen für 
berechtigt, einen ursächlichen Zusammenhang zwischen dem Bacillus 
und der Sommerdiarrhöe der Kinder anzunehmen. 


Infektionskrankheiten. 73 


ll. Eine weitere Arbeit dieses Bandes von W. W. Ford befasst sich mit 
den Darmbakterien des Menschen. 

An der Hand eines Materials von 50 Leichen untersucht der Verf. nicht 
nur die Morphologie der gefundenen Mikroorganismen, sondern auch ihren 
Sitz in einzelnen Partien des Darmes. Für die Klassifikation der Bacillen 
gibt ihm 1. die Alkali- oder Säureproduktion in Lakmusmolke, 2. die 
Verflüssigung von Eiweisstoffen, [a) Gelatine, b) Kasein, c) Blutserum], 
3. die Zersetzung von Kohlehydraten [a) Dextose, b) Laktose, c) Sac- 
charose] die Richtschnur an. Er gelangt auf diese Weise zu einer Anordnung 
der Bacillen, die wohl sehr übersichtlich ist, in die sich aber einige der 
wichtigsten pathogenen nur schwer einordnen lassen, und die ausserdem, wie 
Verf. selbst sagt, der natürlichen Verwandtschaft der Mikroorganismen oft nur 
wenig gerecht wird. 


Ill. Wm. H. Park und L. Emmet Holt berichten über die Resultate 
der Ernährung von Kindern mit reiner und mit unreiner Milch. 

Aus ihrer Arbeit sei die folgende Tabelle wiedergegeben, die die Resultate 
mit pasteurisierter und roher Milch wiedergibt. 


B 2 

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2378 2 EJ 
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A n 


Pasteurisierte Milch (1000—50000 Keime pro cem) | 41 | 31; 10,4 3,9) 1 
Rohe Milch (1200000—50000000 Keime pro cem) | 51*. 17 | 33 3,5 :11,5| 2 


* 13 dieser Kinder bekamen vor Beendigung dieses Versuches pasteurisierte Milch 
wegen schwerer Erkrankung. 


Die Verff. legen das Hauptgewicht auf die Art der Ernährung, und 
halten die übrigen Lebensbedingungen, unter denen die Säuglinge aufwachsen, 
ihrer Bedeutung nach für untergeordnet. 


IV. S. E. Sweet behandelt die Reaktion des Blutes bei experimen- 
tellem Diabetes. . 

Die komplete Pankreasexstirpation hat beim Hunde den vollständigen 
Verlust der baktericiden Kraft des Blutserums gegenüber Coli-, Typhus- 
und Dysenteriebacillen zur Folge, und zwar infolge des Verlustes des bakterio- 
Istischen Komplementes. 


V. Ueber die gelungene Kultivierung des Trypanosoma Brucei be- 
richten F. G. Novy und W. S. Mc Neal. 

Während das Trypanosoma Lewisi leicht zu züchten ist, gelingt die Kultur 
des Trypanosoma Brucei nur bei sehr reichlichem Blutgehalt des Nähr- 


74 Infektionskrankheiten. 


bodens (3:1). Die erzielten Kulturen liessen sich durch mehrere Generationen 
fortzüchten, sie besassen die gleiche Virulenz wie diejenigen im Originalblut. 
Einige wenige Immunisierungsversuche wurden angestellt, die anscheinend 
ein günstiges Resultat hatten, aber zu weitergehenden Schlüssen noch nicht 
berechtigen. 


VI. R. J. Perkins berichtet über den Bacillus mucosus capsulatus. 

Er fasst unter diesem Namen eine Reihe von Bacillen zusammen, unter 
denen der Bac. pneumoniae Friedländer, capsulatus mucosns, a@rogenes, acidi 
lactici, capsulatus Pfeiffer, ozaenae Abel, rhinoscleromatis die bekanntesten 
sind. Das Wachstum auf den gebräuchlichen Nährböden erlaubt eine Klassi- 
ficierung dieser Gruppe nicht, wohl aber ibr Verhalten gegenüber ver- 
schiedenen Zuckerarten (Laktose, Saccharose). Einige Stämme schienen 
ihre anfängliche Pathogenität, sowie das Vermögen, Gas zu bilden, später ein- 
gebüsst zu haben. i 


VII. E. L. Opie berichtet über „Eosinophile Granulationen und ihre 
Beziehungen zur Ernährung“.. 


VIII S. B. Wolbach und H. C. Ernst berichten über die „Morpho- 
logie des Tuberkelbacillus des Menschen und des Rindes“. 


Die Arbeiten von 
IX. P. Ehrlich und H. T. Marshall „Ueber die komplementophilen 
Gruppen der Amboceptoren“ und von 
X. P. Kyes „Ueber die Isolierung von Schlangengift-Lecithiden“ 
sind bereits in der Berliner klin. Wochenschrift veröffentlicht worden. 
Liefmann (Halle a. S.). 


Luzzani, Lina, Zur Diagnose der Tollwut. Aus dem Laborat. f. allg. 
Pathol. u. Histolog. d. K. Univ. Pavia. Zeitschr. f. Hyg. Bd. 49. S. 305. 
Die Arbeit berichtet über die mit Hülfe der Wutschutzanstalten in Mai- 
land und Faënza angestellten mikroskopischen Untersuchungen von 179 wut- 
verdächtigen Tieren — 165 Hunden, 12 Katzen, 1 Rind, 1 Pferd — auf das 
Vorhandensein der Negrischen Wuterreger in der Gegend des Ammonshorns. 
Bei 102 davon wurden sie gefunden, während durch Impfung nur fünf 
Tiere mebr, nämlich 107 als wutkrank ermittelt wurden. Auf Grund dieses 
Ergebnisses werden die Impfungen zur Feststellung von Wut bei positivem 
Ausfall der Untersuchung nach Negri für entbehrlich erklärt; nur bei 
negativem sind sie am Platze. 

Die Untersuchung soll einfacher und rascher vor sich gehen als bisher, 
wenn man kleine Stücke des Hirns aus der Gegend des Ammonshorns in 
Zenkerscher Flüssigkeit härtet, dann mit Wasser auswäscht und nun eine in 
der Frontalebene liegende Schnittfläche mit einem Messerchen oder einer 
Nadel abkratzt. Die dabei gewonnene fein verteilte Masse wird in Wasser 
oder verdünntem Alkohol untersucht und enthält stets zahlreiche Zellen, in 


Infektionskrankheiten. 75 


denen der Negrische Parasit der Wut meistens leicht nachgewiesen werden 
kann, falls er überhaupt vorbanden ist. Versagt dieses Verfahren, so werden 
die Hirnstücke eingebettet und in Schnitten nach Mann gefärbt. 

Globig (Berlin). 


Nekteen, Experimental measles. Journ. of infectious diseases. Vol. 2. 
p. 238. i 

Um die Uebertragung der Masern mit dem Blate von Kranken 
festzustellen, hat Verf. in 2 Fällen von Masern am zweiten und vierten Tage 
der Infektion Blut entnommen, in Gefässe mit Blutbouillon fliessen lassen, 
diese einen Tag im Brutschrank aufbewahrt und alsdann, da die Kölbchen 
steril blieben, 4—5 ccm von ihren Inhalt auf je einen Menschen verimpft, 
der dann auch am 11. oder 13. Tage von den Masern befallen wurde. Sonder- 
barer Weise befanden sich die beiden Versuchspersonen in der Rekonvalescenz 
vom Scharlachfieber; doch liess der Ausbruch der neuen Infektion keinen 
Zweifel, dass es sich wirklich um Masern handelte. 

C. Fraenkel (Halle a. S.). 


Stell, Otto, Beiträge zur morphologischen und biologischen Cha- 
rakteristik der Penicilliumarten. Inaug.-Dissert. Würzburg 1904. 

Verf. studierte 7 Penicilliumarten, die sich durch die Art ihres 
Wachstums auf Kartoffeln, auf saurem und alkalischem Agar und Gelatine 
sowie auf Zuckergelatine unterschieden. Differenzen zeigten sich auch in den 
Grössenverhältnissen der Hyphen und Conidien, sowie der Anzahl und Grösse 
der Basidien. A 

Verf. beobachtete an sich selbst einen heftigen Nasenhatarrh mit 
Blutspuren nach Einbringung von Sporen des Penicillium crustaceum in die 
Nase. Liefmann (Halle a. S.). 


Beycatt A. E., Further observations on the diagnosis of ankylostoma 
infection with speciel reference tho the examination of the 
blood. Journ. of hyg. Vol. 4. p. 437. 

Verf. berichtet in der vorliegenden Arbeit über seine Befunde in den 
Metallbergwerken von Cornwall, die mit Ankylostoma in mehr oder weniger 
reichem Masse verseucht sind, und empfiehlt für eine schnelle und einigermassen 
oberflächliche Feststellung der Diagnose namentlich die Untersuchung des 
Blutes auf das Vorkommen und die prozentische Vermehrung der eosinophilen 
Zellen. a C. Fraenkel (Halle a. S.). 


Baycstt, A case of skin infection with ankylostoma. Journ. of byg. 
Vol. 5. p. 280. 

Verf. berichtet über einen erfolgreichen Versuch, die Larven der Anky- 
lostomen von der äusseren Haut des Armes aus unter Vermeidung aller 
übrigen sonst denkbaren Möglichkeiten der Infektion bei einem Arzte zur 
Aufnahme zu bringen. Am 50. Tage nach der so bewirkten Infektion traten 
die ersten Eier im Stuhle auf; zugleich machte sich auch eine starke Ver- 


76 Infektionskrankheiten. Immunität. Schutzimpfung. 


mehrung der eosinophilen Zellen im Blute und endlich Erscheinungen von 
Seiten des Darmkanals bemerkbar. . ©. Fraenkel (Halle a. $.). 


Stephens and Boyce, Rubert, A parasitic disease in the haddock. 
Thompson Yates and Johnston Laboratories report. Vol. 5. (New Series). 
Part II. p. 105. Į 

In einem geräucherten Kabeljau wurden Parasiten gefunden, deren 
genaue Beschreibung die Verff. geben, deren Stellung im System oder gar 
deren Uebereinstimmung mit schon bekannten Arten aber vorläufig noch nicht 
möglich erscheint. Wenigstens vermögen sich die Verff. nicht der Ansicht 
eines um seine Meinung gefragten zoologischen Fachmanns anzuschliessen, 
nach der es sich um Würmer aus der Ordnung der Acanthocephala und um 

deren Eier handeln solle. C. Fraenkel (Halle a. S.). 


Kelsch, La pratique de la vaccination. Rev. d’hyg. T. 26. p. 885—408. 

Das Gesetz vom 15. Februar 1902 sur la protection de la santé publique 
bat Vaccination und Revaccination in Frankreich obligatorisch gemacht. 
Ministerialerlasse vom 28. und 30. März 1904 regeln die Herstellung der 
Lymphe und die Art ihrer Anwendung; zur Erläuterung der Erlasse dient die 
von Kelsch im Namen der Academie de medecine verfasste, im Titel genannte 
Abhandlung. Im grossen und ganzen schliessen sich die Vorschriften eng an 
die in Deutschland bestehenden an, die augenscheinlich als Muster gedient 
haben. Im einzelnen verdienen folgende Punkte Erwähnung: Als Impfstoff 
für öffentliche Impfungen soll ausschliesslich Tierlymphe dienen. Ihre Her- 
stellung erfolgt in öffentlichen oder privaten Anstalten, die unter staatlicher 
Aufsicht stehen. Der Präfekt des Departements ernennt auf Vorschlag des 
Conseil departemental d’hygiene eine Kommission von 2 Aerzten und 1 Tier- 
arzt, die mindestens alle 3 Monate eine Revision der Lymphgewinnungsanstalt 
vorzunehmen hat; die Académie de médecine übt die Oberaufsicht-aus. Die 
Vorschriften über die Einrichtung der Lymphgewinnungsanstalten, die Impfung 
der Kälber, die 4—5 Monate alt sein sollen, die Kontrolle ihrer Gesundheit, 
die Abnahme und Versendung der Lymphe entsprechen im wesentlichen den 
in Deutschland ergangenen. Gemäss den in Frankreich herrschenden Anschau- 
ungen von der Artverschiedenheit der Variola und der Vaccine ist die Ge- 
winnung einer Variolavaceine durch Impfung von Kälbern mit menschlichem 
Pockenstoff nicht vorgesehen, dagegen die Abimpfung von authentischen Kuh- 
pocken- oder Pferdepockenfällen erlaubt. Die Verdünnung des vom Kalbe 
gelieferten Pockenmaterials mit Glycerin soll im Verhältnis 1:1 erfolgen. 
Jeder Impfstoff muss vor Abgabe am Kalbe auf seine Wirksamkeit geprüft 
werden. Die Abgabe soll nicht später als höchstens 30 Tage nach der Ab- 
erntung geschen. 

Die öffentlichen Impfärzte haben ebenfalls im allgemeinen die gleichen 
Verpflichtungen wie in Deutschland. Sie sollen über die Reinlichkeit der 
Impfräume wachen, die Impflinge genau auf ihren Gesundheitszustand unter- 
suchen. Die von den Lymphgewinnungsanstalten gelieferte Lymphe ist mög- 


Immunität. Schutzimpfung. 17 


lichst schnell zu verwenden. In den Orten, wo Lympbgewinnungsanstalten 
bestehen, ist direkte Abimpfung vom Kalbe auf den Arm gestattet. Für 
Wiederimpflinge wird allgemein die Verwendung möglicht frischer Lymphe 
empfohlen, während für Erstimpflinge auch ältere (bis 40 Tage alte) Glycerin- 
lymphe Verwendung finden darf. Die Wahl der Impfmethode ist dem Impf- 
arzte überlassen, doch raten die Erläuterungen die Schnittmethode in erster 
Linie an, obne die Impfung durch Stiche zu verwerfen. Die Nachschau der 
Impflinge darf vom 7. Tage nach der Impfung an vorgenommen werden. 
R. Abel (Berlin). 


d'Astros, Huit années de serotherapie antidiphterique à Marseille. 
Rev. d’hyg. T. 25. p. 531. 

Mit dem Beginn der Diphtherieserumbehandlung, Finde 1894, m wurde 
in Marseille für die Stadt und das Departement Bouches-du-Rhöne ein Labo- 
ratorium zur bakteriologischen Diphtherieuntersuchung eingerichtet, das jetzt 
vom Departement unterhalten wird und auch andere bakteriologische Arbeiten 
vornimmt. 1895 —1902 hat das Laboratorium 5756 Untersuchungen auf Diph- 
therie ausgeführt, davon 3374 mit positivem Erfolg. Für Diphtherieserum, 
das aus dem Institut Pasteur zu Paris bezogen wird, besteht eine Hauptnieder- 
lage in Marseille; Nebenniederlagen, in denen der Serumvorrat mindestens einmal 
jährlich erneuert wird, befinden sich in allen grösseren Ortschaften des Departe- 
ments auf dem Bürgermeisteramt oder an sonstigen geeigneten Stellen. Aus 
den Niederlagen können die Aerzte, anscheinend unentgeltlich, Serum enthalten; 
auch wird ihnen auf ihren Wunsch unmittelbar aus der Hauptniederlage ein 
Seramvorrat überlassen, wenn in ihrem Sprengel Diphtherie epidemisch herrscht. 

Als Erfolg dieser Massnahmen sieht Verf. die erhebliche Abnahme der 
Diphtberiemortalität in der Stadt Marseille an (für das Departement fehlen 
dem Verf. die Zahlen, ebenso zuverlässige Angaben über die Morbidität). 

Es starben an Diphtherie von 100 000 Einwohnern 


1880 121 Personen 1892 138 Personen 
1881 110 „ 18983 86 , 
1882 110 „ 1894 78 , 
1883 100 „ 1895 28 „ 
1884 89 , 1896 29 , 
1885 95 , 1897 12 č , 
1886 155 ,„ 1898 13 , 
1887 187 ,„ 1899 18 , 
1888 120 „ 1900 21 s 
1889 92° , 1901 15 , 
1890 169 ,„ 1902 13 , 


1891 198 Y 
Im Mittel der Jahre 1880—1893 (vor Einführung der Serumbehandlung) 
starben von 100 000 Einwohnern an Diphtherie 123, von 1894—1902 (nach 
Einfûhrung der Serumbehandlung) nur 18,5. Wertvoller noch als diese allge- 


78 Immunität. Schutzimpfung. 


meinen Ziffern wäre eine Sammelforschung bei den Aerzten, die Diphtherie- 
seram verwendet haben, über ihre therapeutischen Ergebnisse gewesen. 
R. Abel (Berlin). 


Bruck, Carl, Ueber die Bindungsverhältnisse von Toxin und Anti- 
toxin im homologen Organismus. Ein Beitrag zur Frage der anti- 
toxischen Therapie mit homologem Tetanus-Antitoxin. Aus d. Instit. 
f. Infektionskrankh. in Berlin. Zeitschr. f. Hyg. Bd. 49. S. 282. 

Bei passiven Immunisierungen fanden v. Behring, Ransom, Kitashima, 
Jörgensen und Madsen, Schütze, dass Antikörper, die einem Tiere mit 
homologem d.b. artgleichem Serum zugeführt werden, sich viel länger 
im Organismus halten und nachweisen lassen, als wenn sie, wie gewöhn- 
lich, mit heterologem Serum eingebracht werden. Dieser Unterschied zwischen 
homologen und heterologen Antitoxinen legte die Frage nahe, ob etwa auch 
in ihrer Wirksamkeit und ihrem chemischen Verhalten Verschiedenheiten 
bestehen, insbesondere ob homologes Antitoxin sich fester mit dem Toxin 
verbindet, als heterologes, weil hieraus für die praktische Serumbehandlung 
sich wichtige Folgen ergeben lıaben würden. Der Verf. hat nun unter Be- 
nutzung der Adrenalinwirkung (vergl. diese Zeitschr. 1905. S. 553) bei Meer- 
schweinchen mit Tetanustoxin Versuche angestellt und gefunden, dass nach 
1/, Stunde zwischen der Bindungskraft homologer und heterologer 
Antitoxine für ihre Toxine keine Unterschiede vorhanden sind. 

Globig (Berlin). 


Leishman, Harrisson, Smallman, Tuloch, An investigation upon the blood 
changes following antityphoid inoculation. Journ. of hyg. Vol. 5. 
p. 380. 

Die Verff- haben sich auf das eingehendste mit der Bestimmung der 
Mengenverhältnisse u.s. f. von Typhuskulturen beschäftigt, mit denen 
106 Soldaten, die demnächst nach Indien abgehen sollten, geimpft und zum 
grösseren Teile auch wiedergeimpft wurden. Das endgiltige und entscheidende 
Ergebnis dieses Eingriffs wird in einer später erscheinenden Arbeit mitgeteilt 
werden. Auch nach der Verabfolgung einer verhältnissmässig sehr bescheidenen 
Menge des Impfstoffes stellten sich im Blute der Menschen zum Teil sehr be- 
trächtliche Veränderungen ein, die z. B. in einer starken Erhöhung der agglu- 
tinierenden Eigenschaften bestanden. Im übrigen wurde die Impfung selbst 
stets ohue jeden Schaden vertragen. C. Fraenkel (Halle a. S.). 


Mc Clintock, Boxmeyer and Siffer, Studies on hog cholera. Journ. of 
infectious diseases. Vol. 2. p. 351. 

Da das Serum anch von gesunden Schweinen die Hogcholerabacillen 
gelegentlich in Verdünnungen bis 1:250 deutlich zu agglutinieren vermag, 
so haben nur Reaktionen mit höheren Werten als 1:300 eine eigentlich 
diagnostische Bedeutung. Doch hat sich auch bei den Versuchen der Verff. 
wieder die Tatsache ergeben, dass die Agglutination häufig bei der Erkrankung 
ausbleibt, und zwar ibr positiver Ausfall beweisend ist, aber ihr negativer 


Immunität. Schutzimpfung. Abfallstofle. 79 


nichts gegen das Bestehen der Affektion aussagt. Nach einer Impfung 
der Tiere mit dem Impfstoff, der durch Erhitzen von 3 Tagen alten Kulturen 
der Bacillen auf 50° für eine halbe Stunde erhalten wurde, trat 6—7 Tage 
darauf eine sebr hohe agglutinierende Kraft im Blute auf. Auch durch Ueber- 
tragung von sorgfältig durch Berkefeldsche Filter gegangene Kulturen liess 
sich der Tod von nicht vorbehandelten Tieren in 19—38 Tagen herbeiführen, 
eine Tatsache, die anscheinend den Beweis für die starke Gifterzeugung der 
Mikroorganismen über jeden Zweifel erhob; vielleicht aber waren diese Er- 
folge auch dadurch bedingt, dass der Ansteckungsstoff wie bei der Rinder- 
pest, der Maul- und Klauenseuche u. s. w. die Filter zu passieren vermag. 
Endlich wird auch noch über gelungene Immunisierungsversuche be- 
richtet, bei denen durch die gleichzeitige Einspritzung von Blut kranker und 
immunisierter Tiere ein hoher Grad von Seuchenfestigkeit bewirkt wurde. 

C. Fraenkel (Halle a. S.). 


Juchley, Pilocarpine and other reagents in relation to precipitin 
immunity. Journ. of byg. Vol. 5. p. 285. 

Verf. hat Pilokarpin, Terpentin, Chinin, Nuklein, zimtsaures Natron u.s.f. 
in wechselnden Mengen Tieren eingespritzt, um festzustellen, ob sich irgend ein 
Einfluss auf den Verlauf der Immunisierung, d.h. der Einführung von 
fremden Blut- oder Serumarten feststellen liesse. Doch konnte eine einiger- 


massen gleichbleibende Wirkung nicht ermittelt werden. 
C. Fraenkel (Halle a. S.). 
Creiten, A method of testing antibacterial sera, with some obser- 
vations on the immunising bodies in them. Journ. of byg. Vol. 5. 
p. 444. 

Nach der Ansicht von A. E. Wright soll ein „Opsonin“ benannter, 
nach der Einspritzuug durch Erhitzen abgetöteter Bakterien auftretender Körper 
im Blute der immunisierten Geschöpfe die Mikroorganismen geeignet machen, 
durch Phagocyten in den weissen Blutscheiben. zerstört zu werden, und erst 
die Anwesenheit des Opsonins diese Fähigkeit überhaupt zustande kommen 
lassen. Verf. ist nun bemüht, diese Ansicht durch eine Anzahl von Versuchen 
zu bekräftigen, die jedoch im ganzen noch zu spärlich erscheinen, als dass 
sie als Beweisstücke für die aufgestellte Hypothese dienen können. 

C. Fraenkel (Halle a. S.). 


Mitteilungen aus der Königlichen Prüfungsanstalt für Wasserver- 
sorgung und Abwässerbeseitigung. Herausgeg. von A. Schmidtmann 
und C. Günther. Heft 4. Berlin 1904. August Hirschwald. 182 Ss. 8°, 

1. Steuernagel (Cöln), Die Probekläranlage zu Cöln-Niebl und die 
daselbst angestellten Untersuchungen und erzielten Ergebnisse. 
5S. 1— 124. 

Steuernagel hat sowohl über Bau und Einrichtung dieser Probeklär- 
anlage sowie auch über die Untersuchungen und Eıfolge schon an anderer 
g* 


80 Abfallstoffe. 


Stelle berichtet und sind diese Veröffentlichungen in dieser Zeitschrift referiert 
worden (Jahrg. XI. 1901. S. 680 und Jahrg. XIV. 1904. S. 334); ebenso 
ist das Gutachten C. Fraenkels, welches für den Bau und Betrieb dieser 
Anlage die leitenden Grundsätze aufstellte, schon referiert (Jahrg. VIH. 1898. 
S. 29). St. gibt nunmehr in vorliegender Arbeit eine Uebersicht über die 
Entwickelung, die die Frage der Abwasserklärung der Stadt Cöln im Laufe 
der Jahre genommen hat, die damit endigt, in welcher Weise die Abwasser- 
klärung in Zukunft geschehen wird. 

Der Stadt Cöln war seiner Zeit auferlegt worden, ihre Kanalwässer vor 
der Einleitung in den Rhein einem gründlichen Reinigungsverfahren zu unter- 
ziehen, so dass 1 ccm des gereinigten Abwassers nur höchstens noch 300 ent- 
wickelungsfähige Keime enthalten dürfte. Eine derartige Reinigung wäre nur 
durch ein chemisch- mechanisches Reinigungsverfabren zu erreichen gewesen. 
Die Stadtverwaltung trug Bedenken, an die Ausführung einer derartigen An- 
lage heranzutreten, da unterhalb der Stadt keine Ortschaften direkt am Rhein 
liegen und keine derselben ihr Trinkwasser aus demselben entnimmt, auch der 
Rhein mit seinen gewaltigen Wassermengen, welche bei einem abnorm niedrigen 
Wasserstande noch 783 cbm pro Sekunde betragen, ganz besonders günstige 
Verhältnisse für die gefahrlose Unterbringung der Schmutzwässer bietet. Durch 
Untersuchungen von Stutzer (Bonn), Knoblauch (Cöln-Ehrenfeld) und 
Schenk (Bonn) wurde die Verunreinigung und die Selbstreinigung des 
Rheins nach Einleitung der Abwässer untersucht und darauf im Mai 1893 bei 
der Staatsregierung der Antrag gestellt, von dieser Auflage abzusehen und 
eine mechanische Reinigung der Schmutzwässer genehmigen zu wollen. Durch 
Ministerialerlass aus dem Jahre 1894 wurde sodann der Stadt die chemische 
Klärung erlassen und eine mechanische Reinigung in Flachbecken unter ge- 
wissen Bedingungen gestattet, von denen die wichtigste die war, dass die Durch- 
flussgeschwindigkeit in den Becken nicht mehr als 4 mm in der Sekunde 
betragen dürfe. Gegen diese Auflage erhob die Stadt Cöln Widerspruch und 
schlug an Stelle der Geschwindigkeit von 4 mm eine solche von 15 mm vor. 
C. Fraenkel schlug in einem Gutachten (1896) vor, ein Probeklärbecken, 
welches bei der definitiven Anlage beibehalten werden könne, zu erbauen, und 
in dieser Versuche anzustellen, welche ermitteln sollten, wie sich die Kanal- 
wässer unter dem Einflusse verschiedener Strömungsgeschwindigkeiten in ihrer 
Beschaffenheit verändern und namentlich ihrer suspendierten Bestandteile ent- 
ledigen. 

Die Kanalwässer der Stadt Cöln werden zuerst in einem Sandfange und 
durch Siebvorrichtungen zur Beseitigung der Schwimm- und Schwebestoffe vor- 
gereinigt. Die z. Z. bestehende Anlage soll demnächst aufgegeben und durch 
eine neue verbesserte ersetzt werden. Das vorgereinigte Wasser tritt durch einen 
Doppelkanal in eine Gallerie, welche sich nach dem Klärbecken hin durch 
zwei breite, nur durch einen Pfeiler getrennte Einläufe öffnet. Diese Einläufe 
sind nicht als Ueberfallwehre ausgebildet, sondern ihre Sohle geht glatt nach 
dem Becken durch und fällt etwas nach der Tiefe zu ab. Es soll durch diese 
Ausbildung erreicht werden, dass sich das eintretende Wasser möglichst rasch 
und ohne Wirbel auf den ganzen Beckenquerschnitt verteilt und eine Ver- 


Abfallstoffe. 81 


schlammung der Einlaufgallerie, welche einen unregelmässigen Wasserzufluss 
hervorbringt und bei Wehranlagen eintritt, verhindert wird. Das Klärbecken 
besteht aus dem tiefen zweiteiligen Schlamm- oder Pumpensumpf und dem 
eigentlichen flacheren Klärbecken, dessen Sohle nach dem Ablaufe hin ansteigt. 
Zwischen dem Pumpensumpf und dem Becken sind hölzerne Stromregulierungs- 
schützen eingebaut, welche dazu dienen, durch Drosselung des Zustromes die 
Stosswirkung des eintretenden Wassers zu brechen und eine gleichmässige Ver- 
teilung und Geschwindigkeit derselben über den ganzen Abflussquerschnitt zu 
erzielen. Das Wasser fliesst über ein Wehr, welches durch einen besonderen 
Mechanismus von oben aus leicht bewegt werden kann, in die Ablaufgallerie 
und von da durch ein kurzes Kanalstück in den Hauptsammler nach dem Rhein. 
Etwa 1,5 m vor dem Ueberlaufrohr ist im Becken noch ein Schwimmbaum 
angelegt, welcher bewirken soll, dass die bei längerem Klärbetriebe etwa 
aufsteigenden Schlammkuchen festgehalten werden und nicht in den Ablauf 
gelangen. 

Die Reinigung des Beckens erfolgt in der Weise, dass zuerst das Wasser 
über dem Schlamm abgelassen wird. Nach Abstellung des Zulaufs bleibt 
das Becken 1 Stande in Ruhe, damit sich das über dem Schlamm stehende 
Wasser klärt und Wasser ‘und Schlamm sich möglichst trennen. Sodann lässt 
man das Ablaufwehr bis zum Wasserspiegel der Ablaufgallerie herunter. Fliesst 
kein Wasser mehr über dasselbe ab, so wird ein selbsttätiger Schwimmer, 
welcher im Pumpensumpf angebracht und für gewöhnlich in die Höhe gezogen 
ist, herunfergelassen.. Das in denselben eintretende Wasser wird durch eine 
Saug- und Druckpumpe in den Sammelkanal übergeführt. Nach Abpumpen 
des Wassers: wird der im Pumpensumpf abgelagerte Schlamm durch die Saug- 
und Druckleitung auf die Schlammlager gepumpt und gleichzeitig der Schlamm 
im Klärbecken fortlaufend durch Arbeiter nach dem Pumpensumpf vorgetrieben. 

Nach Passieren der Kläranlagen werden die Kanalwässer dem Hauptaus- 
lasskanal, welcher durch eine Wiesenniederung nach dem Rheine hinzieht, zu- 
geführt. Die Wiesenniederung wird nach dem Rhein zu durch ein steiles Ufer 
abgeschlossen, welchem ein flaches Vorland vorlagert. Das Rheinbett hat hier 
mehr als normale Breite. Der Hauptauslasskanal ist bis zu dem steilen Ufer 
geführt und endet in einem mit Flügelmauern versehenen Auslassbauwerk. 
Innerhalb dieses Bauwerkes befindet sich ein trichterförmiger Absturz, an 
welchem ein Eisenrohr anschliesst, welches durch das Vorland hindurch in 
stromabwärts geneigter Richtung bis zur Vorderkante der Buhnschwellen in 
den Rheinstrom hineinverlegt ist. Die Ausmündung dieses Rohres liegt bei 
Niederwasser noch in 35 m und bei Mittelwasser in 145 m senkrechtem Ab- 
stande von dem Ufer in die Strömung des Rheins hinein. Da der Rhein nur 
etwa 29 Tage unter Niederwasser fällt und Mittelwasser etwa an 150 Tagen 
eintritt, so erscheint eine sehr gute und schnelle Verteilung der Kanal- 
wässer im Rheinstrom vollständig gesichert und sind Uferanlandungen aus- 
geschlossen. Bei normalen Wasserständen und kleineren Regenfällen wird 
alles Schmutzwasser ohne weiteres durch das Eisenrohr abgeführt; damit 
dieses aber auch bei grösseren Regenfällen noch der Fall ist, hat man die 
Anordnung getroffen, dass die Ausmündung des frei am Ufer ausmündenden 


82 Abfallstoffe. 


gemauerten Kanals durch eine schwer bewegliche Pendelklappe geschlossen 
ist, Dieselbe öffnet sich nur bei grossem Ueberdruck im Kanal. Bei mittleren 
Regenfällen bildet sich durch den Klappenverschluss im Kanal ein Aufstau, 
so dass alles Wasser durch das Eisenrohr mit grosser Geschwindigkeit in den 
Rhein hineingepresst wird. Es tritt alsdann nur derjenige Teil des Kanal- 
wassers am Ufer aus, welcher durch das Eisenrohr keinen Abfluss findet. Diese 
Einrichtung bietet den grossen Vorteil, dass selbst bei grossen Regenfällen 
fast das gesamte Kanalwasser bis weit in den Rhein hineingelangt und dass 
sich das Eisenrohr durch die in demselben zeitweise auftretenden sehr grossen 
Wassergeschwindigkeiten vollkommen rein erhält und die Ausmündungsstelle 
stets frei gespült wird. Der Auslass wurde im Jahre 1893 ausgeführt und 
hat sich vorzüglich bewährt. 

Der mittlere Tagesabfluss der Kanalwässer betrug im Jahre 1901 rund 
55 000 cbm, der niedrigste am 8. April 34 560 cbm, der höchste am 10. August 
71 460 cbm. Bei 848,600 an die Kanalisation angeschlossenen Personen betrug 
der Abfluss proTag und Kopf 160Liter. Davon entfallen überschläglich 114 Liter 
auf das der städtischen Wasserleitung entnommene Wasser und der Rest von 
46 Liter auf Privatbrunnen für industrielle Zwecke und den Gleneler und 
Frecherner Bach (mit je 4000 cbm). Sehr auffallend ist, dass im Winter 
der Nachtabfluss fast die gleiche Höhe erreicht wie im Sommer;. es wird 
dies mit den vielen Nachtfestlichkeiten im Winter erklärt. Der tägliche 
Abfluss ist am geringsten in den Morgenstunden zwischen 4 und 6 Uhr 
(390 Sek.-Liter), am höchsten in den Mittagsstunden zwischen 11 und 12 Uhr 
(920 Sek.-Liter). Hierzu sei bemerkt, dass die Kläranlage mehrere Kilometer 
von dem Entwässerungscentrum entfernt liegt und das Kanalwasser von da ab 
etwa 2 Stunden braucht, um diesen Weg zurückzulegen. 

Die Menge des dem Klärbecken zufliessenden Wassers ist bei einer Durch- 
flussgeschwindigkeit von 4 mm auf 60 Liter pro Sekunde, bei einer solchen von 
20 mm 300 Liter und bei der von 40 mm 600 Liter pro Sekunde berechnet. 

Aus einer grösseren Zahl von Einzeluntersuchungen ist die Menge der 
groberen Sinkstoffe auf 623 Liter (13°%/,), die der Schwebestoffe auf 3320 Liter 
(69°%/,) und die der Schwimmstoffe auf 867 Liter (18%, der Gesamtmenge von 
4810 Litern) berechnet. 

Die niedrigste Temperatur im Becken wurde bei —6° R. Lufttemperatur 
zu 10°R. Wärme und die höchste bei -—+29,5°R. Lufttemperatur zu 18° R. 
festgestellt. Die mittlere Temperatur im Becken wird zu 13—14°R. anzu- 
nehmen sein. Während des Durchlaufs durch das Klärbecken bei 4 mm 
Durchflussgeschwindigkeit nimmt die Wasserwärme auch bei niedrigster Luft- 
temperatur nur um 0,5—1° ab. Eine Erhöhung der Temperatur des ein- 
laufenden Wassers durch die Aussentemperatur ist nicht beobachtet worden. Bei 
den 4tägigen Versuchen mit 4 mm Durchflussgeschwindigkeit traten an heissen 
Sommertagen Spuren von Gärung vereinzelt schon am Ende des ersten, zumeist 
allerdings erst am Morgen des zweiten Tages auf. Im Winter war dies überwiegend 
erst am Anfang des dritten Tages und in einzelnen Fällen am Ende des dritten 
Tages der Fall. Mit zunehmender Durchflussgesch windigkeit tritt der Zersetzungs- 
process etwas rascher ein. Derselbe beginnt stets kurz nach dem Einlauf und 


Abfallstoffe. 83 


pfanzt sich von da nach dem Ablaufe zu fort. Um einer fortschreitenden 
Fäulnis vorzubeugen, empfiehlt deswegen St. im Sommer möglichst alle 2 bis 
4 Tage, im Winter alle 3—5 Tage eine Reinigung der Becken vorzunehmen. 

Das Cölner Kanalwasser ist im Vergleich zu anderen Grossstädten ausser- 
ordentlich arm an suspendierten organischen Stoffen (282 mg im Liter nach 
Fraenkel, 303 mg im Liter nach Grosse-Bohle). Die Morgenwässer ent- 
hielten 279 mg, die Mittagwässer 311 mg, die Abendwässer 219 mg, die Nacht- 
wässer 56 mg suspendierte Stoffe durchschnittlich im Liter. 

Die prozentuale Abnahme der suspendierten organischen Stoffe im ge- 
klärten Kanalwasser betrug: 

bei4mm bei20mm bei 40mm 


bei den Morgenwässern 69,5 69,2 60,49%/, 
n»n n» Mittagwässern 75,4 70,8 61,0%, 
n  „ Abendwässern 72,8 66,9 52,70%, 
» n Nachtwässern 48,8 57,4 — h 


In den geklärten Tageswässern sind im Durchschnitt aus 9 Versuchen 
noch 88 mg (53—118) suspendierte Stoffe enthalten. In dem geklärten 
Wasser sedimentierten bei 12stündiger Ruhe noch 30,3 mg oder 11,7°/, des 
Gesamtgehaltes des ungeklärten Wassers. Aus diesen Ergebnissen schluss- 
folgert St.: 

1. dass es keinen Zweck hat, die Nachtwässer durch die Kläranlage zu 
schicken, sondern dass es sich vielmehr empfiehlt, dieselben direkt in den 
Rhein einzuleiten. 

2. dass rund 20°/, der im Cölner Kanalwasser enthaltenen ausserordentlich 
feinen suspendierten Stoffe durch mechanische Klärung im Klärbecken über- 
haupt nicht ausgeschieden werden. 

Der Effekt der mechanischen Klärung beträgt bei den gesamten suspen- 
dierten Stoffen bei 

4 mm Geschwindigkeit von 286,7 mg auf 76,5 mg oder rund 730, 

20.» n 0» 3162 p „p 940 4 y n 70% 

10 y » 393,9 „n „1548. „ n 61% 
bei den saspondierien mineralischen Stoffen bei 

4 mm Geschwindigkeit von 78,8 mg auf 16,4 mg oder rund 79°/% 

20, y no An nn 78% 

0, a TO E 5 707 
bei den gesamten organischen Substanzen bei 

4mm Geschwindigkeit von 438,3 mg auf 269,2 mg oder rand 390/9 

2, s » 450,0 n n 288,9 p n n 36% 

41 p 2 n 548,6 5 n 880,6 p nn B1% 
bei den suspendierten organischen Stoffen bei 

4 mm Geschwindigkeit von 299,3 mg auf 60,6 mg oder rund 70,9% 

20, 4 n 219,0 „p n 68,7 n p n 6899 

40 „ a 2707 p „102 p n n 58,9% 

Mit Abzug der Nachtstunden erhöht sich die Abnahme der suspen- 
dierten organischen Bestandteile 


84 Abfallstoffe. 


bei 4 mm Geschwindigkeit von 70,9°%/, auf 72,319, 
„20, a n 680%» 6908? 
D Er n n = 57,9%01 n 58,9 9% 
„102, 5 41,091, 42,0 Yo 

Aus diesen Zahlen ergibt sich, dass der. Kläreffekt zwischen 4 mm und 20 mm 
Durchflussgeschwindigkeit nur wenig verschieden ist, dass der Prozentsatz 
nämlich nur 3,23 beträgt, während letztere Geschwindigkeit das 5fache be- 
trägt, und dass bei der 10fachen Durchflussgeschwindigkeit der Kläreffekt nur 
um 13,410/, geringer ist. 

Das rohe Kanalwasser, bei Luftabschluss aufbewahrt, verfiel starker 
Fäulnis, bei Luftzutritt machten sich die Fäulniserscheinungen weniger stark 
bemerklich.. Das bei 20 mm gereinigte Wasser zeigte bei Luftabschluss etwas 
geringere Fäulniserscheinungen, bei Luftzutritt verhielt es sich wesentlich 
anders. Schwefelwasserstoffgeruch wurde nicht beobachtet, der Geruch war 
nicht stinkend, sondern schwach faulig, ähnlich dem Geruch eingemachten 
Sauerkrauts. 

Ueber die Vorgänge, welche in den Klärbecken stattfinden, bat St. schon 
an anderer Stelle das gleiche veröffentlicht (Ref. diese Ztschr. 1904. S. 334). 

Die Versuche am Cölner Klärbecken haben des weiteren ergeben, dass 
erstens die Schlammmenge ohne wesentliche Erhöhung des Kläreffektes bei 
kleinerer Durchflussgeschwindigkeit sich vermehrt und dass zweitens der Schlamm 
einen viel höheren Wassergehalt hat, beides Faktoren, welche für den Betrieb 
der Anlage und die Drainierung und Unterbringung des Schlammes und damit 
auch für ‚die Höbe der Betriebskosten von allergrösster Bedeutung sind. 

die Schlamm- die Trockensubstanz 


Es betrug menge des Schlammes 
aus 1000 cbm 
Kanalwasser 
bei 4 mm Durchflussgeschwindigkeit 4,04 cbm 4,43%, 
„20 „ i 2,474 5, 7,13% 
„40 y n 1,838 „ 8,660, 


Man erhält also bei grossen Durchflussgeschwindigkeiten in kurzer Zeit 
annähernd dieselbe Schlammtrockensubstanz in viel weniger verwässertem Zu- 
stande als wie bei geringerer Geschwindigkeit. 

Die bakteriologischen Untersuchungen ergaben mit vereinzelten Ausnahmen 
eine wesentliche Abnahme in dem Ablaufwasser, welche sich bei der 40 mm 
Klärung am deutlichsten bemerkbar machte. 

Infolge der grossen Wassermenge des Rheines steigt das Verunreinigungs- 
verhältnis bezüglich der Gesamtstoffe nach Einleitung der Kanalwässer von 
a auf ur ist also verschwindend gering. Das Rheinwasser ist mit 
Sauerstoff gesättigt und ist der Sauerstoffgehalt nach Einleitung der Kanal- 
wässer noch annähernd der gleiche wie vorher. Die gewaltigen rasch dahin- 
strömenden Wasserfluten des Rheins bieten also den zum chemischen und 


1) Diese Zahlen sind nicht ermittelt, sondern interpoliert. 2) Ein Versuch. 


Abfallstoffe. 85 


biologischen Abbau der eingeleiteten fein verteilten und ausserordentlich ver- 

dünnten organischen Substanzen nötigen Sauerstoff in ausreichender Menge, und 

die einzelnen Schmutzteilchen werden durch die grosse Wassergeschwindigkeit des 

Rheins, welche bei Cöln bei niedrigstem Wasserstand von +1,00 C. P. noch etwa 

1,08 m beträgt und daher die Geschwindigkeit des Kanalwassers im Haupt- 

sammler wesentlich übertrifft, bis zu ihrer Auflösung und Umsetzung fort- 

während in der Schwebe erhalten. Es können Sedimentierungen mit stinkender 

Fänlnis überhaupt nicht vorkommen, sind auch tatsächlich nie festgestellt 

worden. 

Bei dem bisherigen Probebetriebe hat es schon schwer gehalten, den im 
Klärbecken gewonnenen Schlamm an die Landwirtschaft unterzubringen, während 
die Siebstoffe gerne abgenommen werden und noch eine Vergütung dafür geleistet 
wird. Da es nun bei den Cölner Vorflutverbältnissen nach Ansicht St. genügt, 
eine ausreichende Entfernung der Schwimm- und Schwebestoffe, welche zu Ver- 
landungen an den Ufern neigen und eintretendenfalls zu erheblichen ästhetischen 
Bedenken Veranlassung geben würden, zu erreichen, wird es Pflicht der Stadt 
Cöln sein, diese Aufgabe in befriedigender Weise zu lösen. Eine solche Lösung 
lässt sich schon durch Errichtung geeigneter Siebanlagen in hygienisch ein- 
wandsfreier Weise erzielen. Es ist daraufhin von der Stadt beantragt worden, 
für Cöln eine Reinigung zuzulassen, welche nach Abscheidung der groben 
Sinkstoffe eine Entfernung der Schwimm- und Schwebestoffe bis zu 3 mm Grösse 
durch geeignete Siebanlagen erreicht und bis zur Vorlage eines desfallsigen 
Projektes die heute bestehende Siebanlage mit Klärbecken mit der Massgabe 
zum „definitiven Betriebe“ zuzulassen, dass die Nachtwässer direkt nach dem 
Rhein abgelassen werden können, um während dieser Zeit eine Reinigung des 
Beckens zu ermöglichen. Trotz der guten Erfolge, welche in den Klärbecken 
erzielt wurden, will die Stadt diese Anlage also aufgeben und an Stelle der- 
selben die mechanische Klärung mit Sieben und Rechen einführen. Ob die 
Resultate dann noch annähernd so gut sein werden, wird die Zukunft lehren. 
Diese Anträge der Stadt Cöln sind von der Aufsichtsbehörde unter der Vor- 
aussetzung vorläufig genehmigt, dass der Betrieb der Kläranlage und die Ein- 
wirkung der Kanalwässer auf den Rhein einer fortlaufenden hygienisch-sachver- 
ständigen Beaufsichtigung unterstellt wird. 

2. Marsson M., Die Abwasser-Flora und -Fauna einiger Kläranlagen 
bei Berlin und ihre Bedeutung für die Reinigung städtischer 
Abwässer. S. 125—166. 

Untersucht wurden erstens die Kläranlage und die Rieselfelder der 
Charlottenburger Abwässer in Carolinenhöhe bei Gatow uud zweitens die 
Kläranlage, die Rieselfelder und die Teiche in Tempelhof bei Berlin. Aus 
den erhobenen Befunden seien hier die Schlüsse angeführt, welche für die 
Praxis besonders bedeutungsvoll erscheinen: 

1. In dem aus den Druckrohren strömenden Wasser sind schon die 
meisten für eine durchgreifende Selbstreinigung wichtigen Keime von pflanz- 
lichen und tierischen Organismen enthalten. Schon im Faulraume treten die- 
selben auf. Gleich bei Austritt des Rohwassers in die belichteten Räume 
bilden sich chlorophyligrüne Algen, sowie blaugrüne Oscillatorien einschliess- 


86 Abfallstoffe. 


lich der schwarzen Phormidien. Eine Uebertragung bez. Impfung von reinigenden 
Mikroorganismen ist deshalb nicht nötig, dagegen erscheinen Versuche mit der 
Einbringung von grösseren Würmern (Lumbriculiden) in die Filterkörper der 
Kläranlagen mit intermittierendem Betriebe (Füllkörper) wünschenswert. Diese 
Würmer lockern ununterbrochen den Schlamm und beseitigen einen nicht un- 
beträchtlichen Teil durch direkte Aufnahme. Infolge der hohen Eigenwärme 
der Filterkörper bleiben diese Würmer auch im Winter tätig. Beim kontinuier- 
lichen Betriebe werden die Schlammmassen ununterbrochen aus den Filter- 
körpern wieder abgeschlemmt. die Einbringung von Würmern in diese erscheint 
deshalb unzweckmässig. 

2. In den untersuchten Kläranlagen treten bei gleichen Lebensbedingungen 
auch die gleichen Lebewesen auf. Die Bildung der roten Schwefelbakterien 
findet dann am lebhaftesten statt, wenn durch Absetzenlassen in grossen 
Schlammbecken und durch Ueberlauf ihre Vermehrung begünstigt wird. Ein 
nicht unbeträchtlicher Teil des gebildeten Schwefelwasserstoffes wird durch 
diese Schwefelbakterien gebunden. Die gleichfalls Schwefelwasserstoff zersetzen- 
den und Schwefel speichernden weissen Beggiatoen treten nur bei stärkerer Strö- 
mung und demgemäss reicherer Sauerstoffzufuhr, wie in den Zuflussgräben, auf. 

3. Wenn im Winter die biologischen und physikalischen Faktoren für die 
Reinigung der Abwässer auf den Rieselfeldern nicht in dem Masse zur Gel- 
tung kommen, wie in der wärmeren Jahreszeit bei lebhafterer Vegetation von 
höheren Pflanzen, wäre durch Aufstauung und Einrichtung von grösseren 
Klärteichen die Bildung gewisser mikroskopischer Lebewesen zu unterstützen. 

4. Die Tempelhofer Teiche, welche das von der Kläranlage und den 
Rieselfeldern ablaufende Wasser aufnebmen, zeigen uns, dass in solchen 
grösseren vorgereinigten Wasseransammlungen die Fauna in einer Weise zur 
Eotwickelung gelangt, wie es an anderen Orten unter natürlichen Verhältnissen 
kaum möglich ist. Es ist deshalb die Anlage von umfangreichen Teichen auf 
den Rieselfeldern zu empfehlen. 

Die Bildung von Daphnien, welche das vorzüglichste natürliche Fisch- 
futter geben, namentlich für die so wertvollen Karpfen und Schleien, hatte im 
Tempelhofer Teiche einen solchen Umfang angenommen, dass, wenn nicht 
viele Fischzüchter ihren ganzen grossen Bedarf mit diesen Krebschen gedeckt 
hätten, der Teich durch das Massensterben derselben von Neuem verjaucht 
wäre. Es liegt nun nichts näher, als einen solchen Krustaceenreichtum für 
die Fischzucht direkt verwertbar zu machen, die Teiche also selbst mit ge- 
eigneten Fischen zu besetzen. Auf diese Weise würden die Faulstoffe des 
Sielwassers nicht bloss für Tiere (Regenwürmer, Vögel u. s. w.) nutzbar ge- 
macht, sondern auch für Menschen wirtschaftlich. 

3. Beseler, Erörterung über die Zweckmässigkeit einer Düngung der 
Aecker und Wiesen des Klostergutes Weende mit Wasserfäkalien 
der Stadt Göttingen. S. 167—175. 

Das Klostergut Weende besitzt Lehm- und Tonboden. Eine alte Erfahrung 
lehrt, dass derartige Böden sich in ihrer physikalischen Beschaffenheit mehr 
und mehr verschlechtern, wenn ihnen für den durch die Ernten entnommenen 
Humus nicht Ersatz geboten wird durch Stallmist oder andere Humus liefernde 


Abfallstoffe, 87 


Sobstanzen. Bei Düngung der Aecker und Wiesen des Klostergutes Weende 
mit Wasserfäkalien würde also eine Beidüngung gegeben werden müssen. 
Da der Gehalt der Wasserfäkalien an Stickstoff immer schwanken wird, so 
würde man auch niemals imstande sein, in den Wasserfäkalien das richtige 
Quantum an Stickstoff den Pflanzen zuzuführen und bald Schaden erleiden 
durch Zufuhr von zu wenig, bald durch Zufuhr von zu viel Stickstoff. Die 
Einführung der Wasserfäkalwirtschaft auf dem Klostergute Weende würde also 
mutmasslich den Ertrag erheblich herabdrücken anstatt zu erhöhen. Dazu 
kommt noch, dass die betreffenden Aecker in der Nähe des Göttinger Militär- 
schiessstandes liegen und dass vielleicht die Sanitätspolizei eines Tages die 
Wasserwirtschaft der üblen Gerüche wegen verbieten würde. 

4. Spitta, Beitrag zur Frage der Desinfektionswirkung des Ozons. 

S. 176—182. 

Die Vereinigungsgesellschaft für Steinkohlenbau im Wurmrevier zu Kohl- 
scheid beabsichtigte auf ihrer Grube Gouley eine Brausebadanlage zu errichten. 
In Ermangelung einer anderen Gelegenheit, Wasser zu entnehmen, wollte sie 
das Grubenwasser hierzu verwenden. Das Grubenwasser sollte zuerst nach 
dem Patent Desrumeaux von den mechanisch beigemengten Sinkstoffen ge- 
reinigt und danach nach dem Verfahren von Siemens & Halske A.-G. ozonisiert 
werden. Die Ozonisierung sollte deswegen angewendet werden, um der Gefahr 
der Infektion durch das Ankylostomum duodenale vorzubeugen. Die Versuche, 
welche angestellt wurden, um zu prüfen, ob die Larven des Ankylostomum 
duodenale, d. b. dasjenige Entwickelungsstadium des Parasiten, welches als 
direkter Infektionserreger allein in Frage kommt, durch Ozonisierung abge- 
tötet werden könnten, gaben ein absolut negatives Resultat; selbst bei einer 
Konzentration von 4015 mg Ozon auf 1 Liter Wasser und halbstündiger Ein- 
wirkungsdauer blieben ältere encystierte Formen am Leben. Es musste also 
in diesem Falle von einer Ozonisierung des Wassers abgeraten werden. 

Georg Frank (Wiesbaden). 


Moritz F., Entwässerungs- und Kläranlagen für Schlacht- und Vieh- 
höfe. Gesundh.-Ing. 1904. S. 484. 

Es ist zu empfehlen, möglichst alle Unratsstoffe an einer Stelle, in der 
Kläranlage, zusammenzufassen. Die Wassereinläufe sollen deshalb keine 
Schlammfänge haben, sondern nur Roste mit 15 mm Stabweite und Wasser- 
verschlüsse wie bei Klosetten. Die Roste sollen mit Steckschlüsseln ver- 
schliessbar sein, damit die Arbeiter die groben Stoffe, die die Rohrleitungen 
verstopfen könnten, abnehmen müssen und nicht in Versuchung kommen, die 
Roste abzuheben. 

Fettfänge sind nur bei der Talgschmelze nötig und auch zu empfehlen, 
weil sich das Fett verwerten lässt. 

Der Verf. beschreibt dann die von A. Braun & Co. in Wiesbaden aus- 
geführte Kläranlage des Schlachthofes in Posen nach einigen Schnitt- 
zeichnungen. 

Die Anlage soll in der Stunde höchstens 50 cbm Wasser verarbeiten. 
Bei Regen kann ein Teil des Wassers umgeleitet werden. 


88 Schulhygiene. Kinderpflege. 


Das Wasser durchfliesst zuerst eine kleine Yorgrube, wo grobe Stücke 
abgefangen werden, dann 2 Schlamm- und Fettfänge mit zusammen etwa 
30 cbm Inhalt, dann 2 Absitzbecken von zusammen etwa 50 cbm Inhalt und 
schliesslich zwei kleine Koksfilter mit etwa 6 cbm Material. Das so mecha- 
nisch gereinigte Wasser wird mit grossen Mengen von Kühlwasser verdünnt 
und fliesst dann nach der Warthe ab. 

Der Schlamm aus allen Räumen kann, nachdem das darüberstehende 
Wasser abgelassen ist, in einen Schlammsumpf abfliessen und wird von hier 
mit einem Saugekessel ausgehoben und abgefahren. Der Schlamm wird 
einmal in der Woche entfernt. Dabei werden wöchentlich 10 cbm Schlamm 
erhalten. 

Bei Bedarf kann hinter der Vorgrube ein Desinfektionsmittel zugesetzt 
werden. Imhoff (Berlin). 


Oietz, Ludwig, Ucber Heizung und Lüftung der Schulräume. Sonder- 
abdruck aus der Zeitschrift „Das Schulzimmer“. 1905. H. 4. Verlag von 
Joh. Müller & Co. Charlottenburg. 

Ueber Lüftung und Heizung der Schulräume ist schon viel ge- 
schrieben worden. Technik und Hygiene reichen sich die Hand, um auf dem 
Gebiete der Heizungs- und Lüftungseinrichtungen öffentlicher und privater Ge- 
bäude das musterhafteste zu leisten. Wer sich deshalb für diese Fragen inter- 
essiert, findet in der Praxis und Literatur reichlich Gelegenheit zum Studium. 
Doch kann jeder den Gegenstand in verständlicher Weise behandelnde Aufsatz 
für die Aufklärung nützliche Dienste leisten, und auch das vorliegende Schrift- 
chen ist recht lesenswert. Der Verf. steht im allgemeinen auf dem Boden der 
heutigen Anschauungen. Er ist für centrale Heizungs- und Lüftungsanlagen. 
Unter den centralen Heizanlagen gibt er den Niederdruckdampfheizungen den 
Vorzug wegen der schnellen Regulierbarkeit und Anpassungsfähigkeit an die 
äusseren Verhältnisse der Temperatur und Witterung. Feuerluftbeizungen er- 
klärt er ebenfalls als absolut untauglich wenigstens für Schulen. Als förder- 
lich für eine gleichmässige Durchwärmung des Raumes bezeichnet er die Auf- 
stellung der Heizkörper (Radiatoren) an der Aussenwand. Die in den Raum 
einzuführende Frischluft soll vorgewärmt werden; das fördert auch die Venti- 
lation. Dagegen ist der Verf. gegen Anfeuchtung der Luft. Tatsächlich sind 
ja die Klagen über Lufttrockenheit häufig nicht der geringen Luftfeuchtigkeit, 
sondern einer starken Beimengung von Staub und zu hoher Raumtemperatur 
zuzuschreiben. Immerhin wird man im Winter, wo der Sättigungspunkt der 
Frischluft sehr tief liegt, ohne Anfeuchtung nicht auskommen und zwar mit 
Rücksicht auf die Gesundheit der Rauminsassen. Die Anfeuchtung soll aller- 
dings nicht zu stark ausfallen, damit nicht im Raume die unangenehmen 
Folgen einer hoch temperierten und mit Wasserdampf gesättigten Luft ein- 
treten. Durchaus richtig ist es, unausgesetzt auf die Notwendigkeit eines 
geordneten, pünktlichen Betriebes der Heizungs- und Lüftungsanlagen hinzu- 


Schulhygiene. Kinderpflege. 89 


weisen, da nur dann die Vorteile der centralen Anlagen voll zur Geltung 
kommen. 
Wir empfehlen das Schriftchen zam Studium. Kraft (Zürich). 


Reichenbach H., Zur Frage der Tageslichtmessung. Aus dem hygien. 
Institut zu Breslau. Abdruck aus dem Klin. Jahrb.- Bd. 14. Jena 1905. 
Verlag von Gustav Fischer. 

Der Verf. geht von der Tatsache aus, dass in weiten Kreisen der Fach- 
leute die photometrische Bestimmung der Platzhelligkeit als der zuverlässigste 
Massstab für die Beurteilung der Tagesbeleuchtung eines Schulraumes be- 
trachtet wird. Nun anerkennt er vollauf die Bedeutung des Weberschen 
Photometers für die wissenschaftliche Erfassung der Hygiene der Beleuchtung, 
aber er ist nicht der Ansicht, dass die photometrische Messung ein ebenso 
ausschlagebendes Moment für die Praxis sei. 

Nach Reichenbach messen wir mit dem Photometer nur die Platz- 
helligkeit eines Platzes zu einer bestimmten Zeit, und diese Grösse ist recht 
variabel und abhängig von äussern Verhältnissen. Viel weniger trifft dieser 
Einwand zu für die trigonometrische Methode mit dem Weberschen 
Raumwinkelmesser, welcher uns erlaubt, die Grösse und den Neigungs- 
winkel des beleuchtenden Himmelsstückes festzustellen und so gewissermassen 
die Beleuchtungsquelle der Räume in wohl vergleichbaren Werten zu erfassen 
und die Tagesbeleuchtung eines Raumes zu charakterisieren. 

Die Raumwinkelbestimmung ist allerdings auch etwas umständlich, und des- 
halb der Wunsch begreiflich, ein noch einfacheres abgekürztes Verfahren zu 
Messungszwecken zur Hand za haben. Gotschlich glaubte darauf hinweisen 
zu müssen, dass es nicht in allen Fällen nötig sei, den ganzen Raumwinkel 
zu messen und dass der Breitenwinkel in der Regel vernachlässigt werden 
dürfe, weil die moderne Hygiene und Bautechnik dafür sorgen, dass der 
Breitenwinkel eine hinreichende Grösse besitze. Es handle sich also ledig- 
lich darum, den Oeffnungs- und Elevationswinkel festzustellen, um ein ge- 
nügendes Kriterium zu erhalten. : 

Die Gotschlichsche Ansicht findet allerdings Widerspruch. So hat 
Gruber in einem Vortrage in Nürnberg darauf hingewiesen, dass, um zu- 
verlässige Vergleichswerte zu erhalten, der ganze Raumwinkel gemessen 
werden müsse, und auch Reichenbach neigt dieser Ansicht zu. Die Frage 
ist also noch Streitfrage. 

Der Praktiker fühlt allerdings das Bedürfnis nach einfachen, zuverlässigen 
Methoden, die ihm erlauben, rasch zu ermitteln, wie die Beleuchtungsverhält- 
nisse eines Raumes sind, und als eine solche Methode kann in der Tat die 
Messung mit dem Weberschen Photometer nicht bezeichnet werden; übrigens ver- 
bietet schon der hohe Preis des Instrumentes die allgemeine Anwendung. 
Jeder Beitrag zu einer besseren Lösung der Frage ist deshalb begrüssenswert 
und in diesem Sinne auch die Schrift Reichenbachs zum Studium zu emp- 
fehlen. Kraft (Zürich). 


90 Schulhygiene. Kinderpflege. Jahresberichte. 


Köttgen und Steinhaus F., Ueber Reinigung von Schulzimmern und 
Anwendung stanbbindender Fussbodenöle. Centralbl. f. allgem. 
Gesundheitspflege. Jahrg. 23. 1904. S. 117. 

Verff. setzen in der Einleitung die Notwendigkeit auseinander, den Staub 
in den Schulzimmern möglichst zu beschränken im gesundheitlichen Inter- 
esse der Schulkinder, besprechen dann die bisherige Literatur, schildern die 
Versuchsanordnung und Versuchsreihe 1. während des Unterrichts (6 Versuche), 
2. während des Reinigens der Zimmer (5 Versuche) und kommen darnach zu 
folgenden Schlussfolgerungen: 

„1. Die bisher übliche Methode der Reinigung von Schulzimmern genügt 
den Anforderungen nicht, die man vom hygienischen Standpunkt aus an diese 
stellen muss. 

2. Eine wesentliche Minderung des Staubgebaltes in den Klassenzimmern 
und eine leichtere Reinigung als durch die bisher geübte oberflächliche Methode 
lässt sich durch den Fussbodenanstrich mit staubbindenden Oelen erzielen, 
deren Wirkung auch nach unseren Versuchen ausser allem Zweifel steht. 

3. Da die staubbindenden Fussbodendle zur Zeit ein hervorragendes Mittel 
darstellen, um die Luft in den Schulzimmern zu verbessern, so dürfte es sich 
empfehlen, der Benutzung der Oele Eingang zu verschaffen. 

4. Die Verwendung der Fussbodenöle ist sowohl im gesundheitlichen 
Interesse der Lehrer und Schüler wie auch in dem des Reinigungspersonals 
gelegen. 

5. Ein wesentlicher Unterschied in der Wirkung des von uns geprüften 
Dustlessöls und des „Deutschen Fussbodenöls“ (Nicolai, Leipzig) liess sich 
bei unsern Versuchen nicht konstatieren. 

6. Die geringen Nachteile, die der Oelanstrich der Fussböden mit sich 
bringt, kommen gegenüber dem erheblichen Nutzen, den er stiftet, nicht in 
Betracht. 

7. Die Auslagen, die für den Etat eiuer Schule aus der regelmässigen 
Verwendung des Oeles entstehen, erscheinen nicht zu hoch gegenüber dem 
Werte des Oeles für die Hygiene unserer Schulen.“ 

R. Blasius (Braunschweig). 


Geschäftsbericht des Stadtrates der Stadt Zürich 1903. Gesundheits- 
und Landwirtschaftswesen. S. 107—142. gr. 8°, 

Der ständigen von 9 tierärztlichen Beamten geübten Kontrolle unterlagen 
u.a. 3 öffentliche und 38 private Schlachthäuser, die Fleischhalle, 7 Fleisch- 
handlungen, 147 Verkaufslokale für Fleisch- und Wurstwaren, 125 Wurstereien, 
125 Räuchereien, 29 7Fleischmagazine 4 Öffentliche, 47 private Fleischhacke- 
reien, der Fisch- uud Geflügelmarkt, 3 Finnenbanklokale. Zur Untersuchung 
kamen 66 164 Stück Vieh, darunter 27 803 Schweine und 20 256 Kälber, ein- 
schliesslich des eingeführten insgesamt 9 485 287,85 kg Fleisch. Der tägliche 
Fleischverbrauch stellte sich für den Kopf auf 159,5 g. Die Uebertretungen 
von Vorschriften über die Fleischbeschau führten zu 62 Verwarnungen und 


Kleinere Mitteilungen. 91 


22 Bestrafungen. Im Laboratorium wurden 16 556 (1902 : 16 768) Nahrangs- 
mittel pp. untersucht, davon Gewürze mit 23,0, Bier mit 8,2, Butter pp. mit 
6,7%, Beanstandungen. k 

Von 513 kontrollierten Kostkindern waren 329 ausserehelicher Abkunft. 
Io 120 Fällen ergab sich unzweckmässige Ernährung, in 118 mangelhafte 
Körperpflege. Die Sterblichkeit der Kostkinder betrug 2,0 (1902 : 3,6)%o. 

Am verbreitetsten von den anzeigepflichtigen Krankheiten war Scharlach 
mit 1174 Fällen, von denen indessen nur 22 tödlich verliefen; demnächst kamen 
Keuchbusten mit 276, Diphtherie mit 238 und Varizellen mit 224 Fällen in 
Betracht. 

Die Sterblichkeit der ortsansässigen Bevölkerung betrug 14,74 
(192 : 15,92),- infolge von Tuberkulose 2,16 (1,87)%/%. Der Brechdurchfall 
als nächstbedeutende Todesursache forderte 229 (299) Opfer. Die Desinfektion, 
welche unentgeltlich erfolgt und bei Scharlach, Diphtherie, Typhus, Pocken, 
Kindbettfieber obligatorisch, bei Tuberkulose fakultativ ist, wurde in 2132 
(1333) Fällen ausgeführt, 1192 (257) mal wegen Scharlach, 273 (286) mal 
wegen Tuberkulose, und erstreckte sich auf 2726 (810) Wohnräume und 
46 258 (36 877) Gegenstände. 

In 60 Pissoiranlagen waren 216 Stände vorhanden; die öffentlichen 
Aborte wurden von 54 852 Personen benutzt. — Die Badeanstalten hatten 
228 283 zahlende Besucher. Würzburg (Berlin). 


Kleinere Mitteilungen. 


C) Deutsches Reich. Zufolge der Druckschrift „Die Arbeitszeit der 
Fabrikarbeiterinnen, nach den Berichten der Gewerbeaufsichtsbeamten bearbeitet 
im Reichsamt des Innern, Berlin 1905“ waren nach den Ergebnissen einer am 1. Ok- 
tober 1902 auf Ersuchen des Reichskanzlers veranstalteten Erhebung im Deutschen 
Reiche insgesamt 813560 über 16 Jahre alte Arbeiterinnen in Fabriken und in diesen 
gleichgestellten Anlagen beschäftigt. Bei weitem den grössten Umfang innerhalb der 
einzelnen Gewerbegruppen hatte die Frauenarbeit in der Textilindustrie, die allein 
3455353 Arbeiterinnen (d. i. 42,90/, der Gesamtzahl) beschäftigte; danach kamen die 
Industrie der Nahrungs- und Genussmittel mit 119744 (14,7°/,), die Gruppe der Be- 
kleidungs- und Reinigungsgewerbe mit 93635 (11,50/,), die Industrie der Steine und 
Erden mit 49917 (6,1%/9) erwachsenen weiblichen Personen, so dass allein auf die 
ersten 3 Gruppen 69,1°/, aller ermittelten Arbeiterinnen und auf die übrigen 11 Ge- 
werbegruppen 30,9°/, derselben entfielen. Dabei machten in der Textilindustrie die 
erwachsenen Arbeiterinnen 46,6°/,, in der Gruppe der Bekleidungs- und Reinigungs- 
gewerbe 53,1°/,, in der Nahrungs- und Genussmittelindustrie 25,0°/,, in der Industrie 
der Steine und Erden 9,9°/, des gesamten Arbeiterpersonals aus. Von den insgesamt 
gezählten 33706 Betrieben mit 813560 Arbeiterinnen hatten eine Arbeitszeit von 9Stun- 
den oder weniger: 6768 Betriebe (17,50/,) mit 86191 Arbeiterinnen (10,6°/,), von mehr 
als 9 bis einschl. 10 Stunden: 18267 Betriebe (47,2%/0) und 347814 Arbeiterinnen 
(42,70), also insgesamt von 10 Stunden oder weniger 25035 Betriebe (64,7°/o) mit 
434005 Arbeiterinnen (53,3°/,). Mehr als 10 Stunden betrug dagegen die Arbeitszeit 
in: 14053 Betrieben (36,30/0) mit 379555 Arbeiterinnen (46,7°/0). Von den länger 


92 Kleinere Mitteilungen. 


als 10 Stunden beschäftigten Arbeiterinnen entfielen 246765, (65°/,) allein auf die 
Textilindustrie. Dabei hatten von der Gesamtzahl der in der Textilindustrie beschäf- 
tigten Arbeiterinnen 29,20/, eine Arbeitszeit von höchstens 10 Stunden, während für 
70,8°%/, eine längere, zwischen 10 und 11 Stunden liegende längere Beschäftigungs- 
dauer ermittelt wurde. 

Die tägliche Mittagspause betrug — bei einer Gesamtzahl von 38706 Betrieben 
mit 813560 Arbeiterinnen — in 18330 Anlagen (47,3%/,) mit 351030 Arbeiterinnen 
(43,2%/6) mehr als 1—2 Stunden; sie überstieg in 20376 Anlagen (52,7%/,) mit 462530 
weiblichen Personen (56,8°/,) die gesetzliche Mindestdauer von 1 Stunde nicht. Eine 
die Zeitdauer von 1!/2 Stunden überschreitende Mittagspause wurde nur in 3534 Be- 
trieben (9,1°/,) mit 34738 Arbeiterinnen (4,3°/,) ermittelt. 

Bezüglich des Arbeitsschlusses am Sonnabend und an den Vorabenden der Fest- 
tage wurde festgestellt, dass die Zahl der Betriebe, welche ihro Arbeiterinnen an 
diesen Tagen vor der gesetzlich vorgeschriebenen Zeit, also vor 51/2 Uhr nachmittags 
entlassen, nur gering ist. 

Ueber die Frage, ob die Verkürzung der nach § 137 Abs. 2 der Gewerbeordnung 
zulässigen täglichen Arbeitszeit aus gesundheitlichen und sittlichen Rücksichten im 
Interesse der Arbeiterschaft erwünscht und mit Rücksicht auf die wirtschaftlichen 
Interessen der Arbeitgeber und der Arbeiterschaft auch durchführbar sei, hat sich der 
weitaus grösste Teil der Berichterstatter im bejahenden Sinne ausgesprochen, von 34 
haben sich 66 grundsätzlich für die gesetzliche Einführurg des lOstündigen Arbeits- 
tages erklärt. 

Als Gründe, welche für die Herabsetzung der täglichen Arbeitszeit auf 10 Stun- 
den für alle Arbeiterinnen über 16 Jahre sprechen, sind hauptsächlich angeführt: dio 
eigenartige körperliche Verfassung der Frau, der Mutterberuf der Frau, die Erhaltung 
des Hausstandes, die Ernährung und Erziehung der Kinder und schliesslich die von 
einer solchen Herabsetzung zu erwartende Hebung der körperlichen, geistigen und 
sittlichen Entwickelung der Arbeiterbevölkerung. 

(Veröff. d. Kais. Ges.-A. 1905. No. 26. S. 721.) 


(2) Preussen. Bevölkerungsdichtigkeit und Wohndichtigkeit in den 
Grossstädten, 

Einer Abhandlung von Reg.-Rat Dr. Kühnert in der Zeitschr. des Kgl. Preussi- 
schen Statistischen Bureaus über die Städte Preussens (Jahrg. 1904. S. 276—310) 
sind folgende Angaben über die Bevölkerungsdichtigkeit und Wohndichtigkeit in eini- 
gen Grossstädten entnommen. 

Auf 1 qkm A der Gesamtfläche, B der mit Häusern (einschl. der Hofräume und 
Hausgärten) bebauten Fläche entfallen Bewohner: 

A B 
in Berlin . . . . 29746 62962 
n Breslau. . . . 11765 5 
» Essen . o e e 945 


n Königsberg. . . 9316 b 

n» Charlottenburg . . 8805 33865 
OE E A ns 7408 39487 
„ Barmen . 5 27245 
n» Hannover 32061 
n Kiel. n 25810 
n Dortmund . . . 5158 21825 


„Elberfeld . > . 0013 30717 


Kleinere Mitteilungen. 93 


A B 
in Kassel . . . . 497 25581 
„Danzig . . . . 4665 26939 
n» Düsseldorf . . . 43% 22543 
n» Magdeburg . . . 4139 27472 
„Crefeld . . 2... 392 24962 
„Halle >... . 3921 24663 
n Posen . . . . 3543 32152 
n Aachen. . . .: 3454 35129 
„Cm. 2 20.20.3351 30435 
„Stettin. . 2.8137 34769 
n Frankfurt . . 3081 25942 


Auf eine Wohnstätte entfielen in Charlottenburg 47,6, in Berlin 46,5, dem 
gegenüber in Crefeld nur 13,6, in Cöln 15,3 Bewohner, ferner in Breslau 38,8, Posen 
37,3, Stettin 34,1, Magdeburg 31,1, Königsberg 30,1, andererseits in Aachen 16,8, 
Frankfurt a.M. 7,3, Barmen 17,7, Elberfeld 18,4, Essen 18,6, Altona 18,7 Bewohner, 
in den übrigen Grossstädten des Staates schwankte die Zahl der auf eine Wolinstätte 
fallenden Bewohner zwischen 19 und 25. Von den Städten mit 50000—100000 Be- 
wohnern zeichneten sich Bochum durch eine sehr hohe, Spandau und Erfurt durch 
eine sehr geringe — auf die Gesamtfläche errechnete — Bevölkerungsdichtigkeit aus. 

Bemerkenswert sind auch die Schwankungen der Bevölkerungsdichtigkeit in den 
einzelnen Städtegruppen, wenn man die Städte regierungsbezirksweise gruppiert; 
bierbei sind alle Städte, auch diejenigen mit nicht mehr als 2000 Einwohner, deren 
es 304 in Preussen gibt, berücksichtigt. 

Die meisten Bewohner auf je 1 qkm hatten danach die Städte der Regierungs- 
bezirke Breslau, Düsseldorf, Danzig, Cöln und Auricht), die geringste Bevölkerungs- 
dichtigkeit hatten die Städte der Reg.-Bez. Sigmaringen, Cöslin, Marienwerder, Kassel 
und Frankfurt. Während im Gesamtstaate auf das qkm der städtischen Fläche über- 
haupt durchschnittlich 684 Bewohner kommen, sinkt die Durchschnittsziffer in den 
Städtegruppen von weniger ats 2000 Einwohnern bis auf 134 und steigt andererseits 
in den höheren Gruppen bis auf 6416, wobei jedoch von Berlin, das mit fast 30000 Be- 
wohnern auf das Quadratkilometer weitaus am dichtesten bevölkert ist, abgesehen ist. 
Die Gesamtfläche der Städte des Preussischen Staates beträgt 22367,25 qkm, nimmt 
also etwa 6,4°/, der Gesamtfläche des Staates ein; im Reg.-Bez. Düsseldorf entfielen 
21,1%‘, der Gesamtfläche des Bezirks auf die Städte, im Reg -Bez. Aurich nur 1,6°/o. 

1) Im Reg.-Bez. Aurich zeigen die Städte Norden und Aurich eine ausserordent- 
lich hohe Bevölkerungsdichtigkeit mit über 3000 Bewohnern auf das Quadratkilometer. 

(Veröff. d. Kais. Ges.-A. 1905. No. 26. S. 727—728.) 


(:) Preussen. Eheliche Fruchtbarkeit in den einzelnen Regierungs- 
bezirken. (Zeitschr. des Kgl. Preuss. Statist. Landesamtes. 1905. I. S. 9.) 

Die eheliche Fruchtbarkeit wurde durch Gegenüberstellung der in einem be- 
stimmten Zeitraum vorhandenen, gebärfähigen, verheirateten Frauen mit der Zahl 
der in demselben (einjährigen) Zeitraume ehelich geborenen Kinder gemessen und als 
Höchstgrenze der Gebärfähigkeit hierbei das 50. Lebensjahr angenommen. Bei den 
5 Jahre aus der Zeit von 1880—1901 umfassenden Untersuchungen stellte es sich 
heraus, dass in Preussen drei Gebiete mit sehr hoher ehelicher Fruchtbarkeit vor- 
banden sind: ein grosses östliches Gebiet, welches die Provinzen Westpreussen, Posen 
und den Reg.-Bez. Oppeln umfasst, sowie zwei kleinere westliche Gebiete, nämlich 
einerseits die Reg.-Bez. Arnsberg und Münster, andererseits die Reg.-Bez. Aachen 


94 Kleinere Mitteilungen. 


und Trier. Die niedrigste Ziffer der ehelichen Fruchtbarkeit wurde während der Jahre 
1880/81 und 1885/86 im Reg.-Bez. Lüneburg, während der Jahre 189/91, 1895/96 
und 1900/01 im Stadtkreise Berlin festgestellt. Während des letzten Beobachtungs- 
zeitraumes wurden eheliche Fruchtbarkeitsziffern über 300 in den Reg.-Bez. Münster 
(341,1), Oppeln (325,8), Bromberg (320,5), Trier (319,7), Marienwerder (318,8), Arns- 
berg (317,6), Aachen (316,5), Posen (307,2) und Danzig (302,1), dagegen niedrigere 
als 200 in Berlin (148,8) und den Reg.-Bez. Potsdam (186,6), Lüneburg (198,4), 
Magdeburg (198,9) festgestellt. Die Schwankungen sind also sehr erheblich, denn die 
Grenzwerte waren letzthin 148,8 und 341,1. Seit 15 Jahren hat sich, wie bei der all- 
gemeinen Geburtszilfer, so auch bei der ehelichen Fruchtbarkeitsziffer, eine deutliche 
Abnahme gezeigt. Im Gesamtstaate Preussen betrug letztere 

1880/81: 267,1, 1895/96: 261,7, 

1885/86: 268,9, 1900/01: 253,1. 

1890/91: 265,5, 

Diese sinkende Tendenz prägte sich zwar in den meisten, aber keineswegs in 
allen Regierungsbezirken aus, die Fruchtbarkeitsziffer hat vielmehr von 1880/81 bis 
1900/01 in einigen Reg.-Bez. beträchtlich zugenommen, namentlich in Münster, 
Oppeln, Posen, Bromberg, Trier, Danzig, Osnabrück, Aurich, Marienwerder, Arns- 
berg, demgegenüber ist sie z.B. in Berlin im Laufe der 20 Jahre von 228,1 auf 148,8 
gesunken. 

Von wesentlichem Einfluss auf die Höhe und Entwickelung der festgestellten 
Ziffern sind nicht nur die Anziehungskraft der Industrie, die Altersverteilung der Be- 
völkerung, die wirtschaftliche Lage, das Erbrecht, die Ehedauer u. s.w., sondern vor 
allem auch Stammesgewohnheiten, willkürliche Beschränkung .der Kinderzahl und 
andere mehr persönliche Umstände, z.B. Altersunterschied der Ehegatten. 

(Veröff. d. Kais. Ges.-A. 1905. No. 30. S. 831—832.) 


(:) Oesterreich. Die Bewogung der Bevölkerung der im Reichsrate 
vertretenen Königreiche und Länder im Jahre 1901. (Nach Heft 1, Bd. 72 
der Oesterreich. Statistik. Wien 1904.) 

Die 14 im Reichsrate vertretenen Königreiche und Länder des österreichischen 
Staates waren nach den Ergebnissen der am 31. December 1900 stattgehabten Zäh- 
lung von 26150708 Personen bewohnt; für den 31. December 1901 ist die effektive 
Gesamtbevölkerung auf 26203397 errechnet, ausschliesslich der 229037 Mannschaften 
des Heeres und der Landwehr. 3 

Unter dieser Gesamtbevölkerung sind während des Berichtsjahres 961501 Kinder 
als lebendgeboren und 27484 als totgeboren eingetragen, gestorben sind 631377 Per- 
sonen. Gegenüber dem Vorjahre 1900 hatte die Zahl der Lebendgeborenen um 0,67%/,, 
die der Sterbefälle um 4,15°/ abgenommen. Zugenommen hatten die Sterbefälle in 
Steiermark, Krain, der Bukowina und in Dalmatien, die beträchtlichste Abnahme war 
in Salzburg, Tirol und Vorarlberg und im Küstenland zu verzeichnen. 

Die auf je 1000 Bewohner errechnete Sterbeziller — im Durchschnitt 24,13 -— 
war am höchsten in Dalmatien (28,74), der Bukowina (25,65), Galizien (25,61) und 
Triest mit Gebiet (25,60), sehr niedrig dagegen in Vorarlberg (20,21). Die in gleicher 
Weise errechnete Zilfer der Lebendgeborenen war am höchsten in Galizien (44,06) und 
Schlesien (40,63), am niedrigsten in Vorarlberg (30,28) und Steiermark (30,92). 

Ausserehelicher Abkunft waren 128156 lebendgeborene und 5104 totgeborene 
Kinder, d.i. von je 100 lebendgeborenen Kindern 13,3, von je 100 totgeborenen 18,5. 
Bei 11693 Zwillingsgeburten, 152 Drillingsgeburten und 2 sonstigen Mehrgeburten 
wurden 22366 Kinder lebend, 1485 tot geboren; das Verhältnis der lebendgeborenen 


Kleinere Mitteilungen. 95 


Kinder zu den totgeborenen war im allgemeinen — 1000 : 28,6, dagegen bei Mehr- 
geburten = 1000 : 66,5. 

Was das von den Gestorbenen erreichte Lebensalter betrifft, so waren 346 in 
unbekannten Alter gestorben, unter den übrigen befanden sich 200906 Kinder des 
ersten Lebensjahres, 110687 Kinder von 0—15 Jahren und 158649 — darunter 84236 
weibliche — Personen, welche das 60. Lebensjahr überschritten hatten. Von je 1000 
nach Vollendung des 15. Lebensjahres gestorbenen Personen bekannten Alters hatten 
mithin 496 ein Alter von mindestens 60 Jahren erreicht, im Deutschen Reich während 
desselben Jahres, soweit Angaben vorliegen, 519. Die Säuglingssterblichkeit war in 
Oesterreich höher als im Deutschen Reich, denn während hier im Jahre 1901 auf je 
1000 Lebendgeborene 206 Kinder des ersten Lebensjahres gestorben waren, sind in 
den österreichischen Ländern 209 Kinder des ersten Lebensjahres auf je 1000 Lebend= 
geborene gestorben. Von den in Oesterreich gestorbenen Kindern des ersten Lebens- 
jabres waren 34522, d. i. 17,18°/,, ausserehelicher Abkunft; die auf je 1000 Lebend- 
geborene errechnete Säuglingssterblichkeit betrug für dieausserehelichen Kinder 269,3, 
für die ehelichen Kinder 199,7. 

Die Todesursache war bei 193997 der Gestorbenen d. h. bei 30,7°/, derselben 
ärztlich beglaubigt. Im ganzen starben an Pocken 96 (davon 53 in Galizien und 22 
in Dalmatien), an Fleckfieber 291 (davon 285 in Galizien), an Ruhr 2712 (davon 1083 
in Galizien und 243 in der Bukowina), an Unterleibstyphus 5587 (davon 3260 in Ga- 
lizien), an Diphtherie 13152, an Scharlach 12512, an Masern 8166, an Keuchhusten 
12123, an Kindbettfieber 1944, an einheimischen Brechdurchfall 9105 (darunter 8872 
Kinder), an Wundinfektionskrankheiten 3478, an übertragbaren Tierkrankheiten 90, 
an Tuberkulose der Lungen oder anderer Organe 87897, an Lungenentzündung 59594; 
an bösartigen Neubildungen 19154. Es starben ferner durch Selbstmord 4291 (darunter 
949 weibliche) Personen, durch Mord und Totschlag 406 männliche und 143 weib- 
liche, durch zufällige Beschädigungen 5901 männliche und 2316 weibliche, im ganzen 
322537 männliche und 308840 weibliche Personen. Für die lebende Gesamtbevölke- 
rung vom 31. December 1901 war das Verhältnis der männlichen zu den weiblichen 
Personen angeblich = 12994747 : 13437687. 

(Veröff. d. Kais. Ges.-A. 1905. No. 27. S. 736.) 


(G) Im Sommer d.J. wird in Wien — in der Rotunde im Prater — eine Inter- 
nationale Hygienische Ausstellung stattfinden, deren Eröffnung für den 12. Mai 
geplant ist. Die Ausstellung wird in nachfolgende 10 Gruppen eingeteilt sein: 1. Haus- 
und Wohnungshygiene; 2. Gesundheits- und Krankenpflege; 3. Oeffentliche Hygiene, 
Städte-, Sommerfrischen-, Kurorte- und Bäderwesen; 4. Unfallverhütung, Sanitäts- 
und Rettungswesen; 5. Chemie und Pharmacie; 6. Nahrungsmittel- und Getränke- 
Industrie; 7. Bekleidungs- und Wäsche-Industrie; 8. Fremdenverkehr und Reisewesen ; 
9. Sport und Spiele; 10. Literatur und graphische Industrie. — Auskünfte, Programme 
und Anmeldescheine sind von der Ausstellungs-Direktion in Wien, II., Marxergasse 13, 
kostenlos erhältlich. 


Beilage zur „Hygienischen Rundschau“, 
` XVI. Jahrgang. Berlin, 15. Januar 1906. f Mo. 2. 


Hygienisches vòn der 77. Versammlung 
Oeutscher Naturforscher und Aerzte in Meran vom 24.—30. Septemher 1905. 
Von 
Dr. med. H. Ziesche (Leipzig). 


Um an die letzte Naturforscherversammlung einen gerechten Mass- 
stab anzulegen, muss man sich daran erinnern, dass noch keine ihrer Vor- 
gängerinnen in einem so kleinen und doch so schönen Orte getagt hat. 

Die Kleinheit des Städtchens hatte erhebliche Schwierigkeiten zur Folge, 
die zahlreichen z. T. recht gut besetzten Abteilungen in passenden Räumen 
unterzubringen. Wenu es auch ohne Mühe gelang, genügend grosse Räume 
zu finden, so war doch fast nirgends hinreichend Gelegenheit für die un- 
entbehrlichen mikroskopischen Demonstrationen. Die Entfernung der vorbe- 
reitenden Universität Innsbruck vom Versammlungsorte hatte es unmöglich 
gemacht, allen Uebelständen abzuhelfen. 

Die sprichwörtliche Schönheit Merans und seine günstige Lage hatten 
auch sehr viele Damen veranlasst, ihren wissenschaftlich tätigen Gatten und 
Vätern zu folgen. Ein besonders reicher Damenflor gab der diesjährigen 
Tagung eine eigenes, festliches Gepräge. Dass das rein wissenschaftliche Leben 
dadurch nicht gefördert wurde, ist nicht zu leugnen. Doch sorgte das leider 
recht ungünstige Wetter dafür, dass die allgemeinen und Abteilungssitzungen 
eine stattliche Beteiligung fanden. 

Auch dies Jahr erschwerte die Teilung der Gesamtarbeit in die zahbl- 
reichen Abteilungen die Teilnahme. Gerade der Hygieniker und besonders 
der Bakteriologe haben darunter zu leiden. Die Bakteriologie wird als Hilfs- 
wissenschaft von allen klinischen Disciplinen getrieben, und da die über 
Bakteriologie sprechenden Referenten, soweit sie nicht vom Fache sind, auf 
die Zuhörer ihrer Specialwissenschaft nicht verzichten wollen, kommt es, 
dass in allen möglichen Abteilungen bakteriologische Referate erstattet werden, 
am wenigsten in der Sektion für Hygiene und Bakteriologie. Dadurch wird 
auch der Teil der Versammlungsteilnehmer von der Diskussion ausgeschlossen, 
der besonders dazu berufen wäre, anregend und empfangend an ihr teilzu- 
nehmen. Eine straffere Konzentration der Referate im Rahmen der einzelnen 
Abteilungen wäre im Interesse der Sache ausserordentlich zu wünschen. 

Die Abteilung für Hygiene war von Herrn Prof. Lode, dem Inns- 
brucker Hygieniker, aufs Beste vorbereitet worden. Eine grosse Anzahl von 
Referaten war angemeldet worden, von denen jedoch nur etwa die Hälfte 
zur Erledigung kamen, obwohl es an Zeit und z. T. auch an dem Referenten 
nicht fehlte. Die Zahl der Teilnehmer an den Sitzungen der Sektion war 
recht gross. 


Die erste Sitzung wurde von Herrn Lode eröffnet, worauf, auf dessen Vor- 


77. Versammlung Deutscher Naturforscher und Aerzte, 97 


schlag durch Akklamation gewählt, Herr Geheimrat Rubner (Berlin) den Vor- 
sitz übernahm. 

Als erster sprach Herr Trommsdorf (München) „Ueber den Mäuser 
typbusbacillus und seine Verwandten“. 

Vortragender referiert zunächst die Ergebnisse der bisherigen Arbeiten 
über diese nach seinen Erfahrungen auch für die menschliche Pathologie nicht 
unwichtige Gruppe, zu der folgende biologisch nicht differenzierbare Arten ge- 
hören: Mäusetyphus, Fleischvergifter Typ. Enteritidis (Gärtner), 
Paratyphus Typ. B., Schweinepest und Psittakosis. 

Trommsdorf schliesst auf Grund der sich z. T. direkt widersprechenden 
Angaben der Autoren sowie seiner eigenen umfassenden Agglutinationsversuche, 
dass der Agglutinationsprüfung in dieser Bakteriengruppe kein grosser Wert 
beigelegt werden kann. Trotzdem glaubt er sich zur Annahme verschiedener 
Gruppen von Paratyphus B sowie Schweinepestbacillen und der Sonderstellung 
der Enteritidisgruppe berechtigt. Die Frage der Identität sämtlicher aufge- 
säblter Bakterienarten ist jedoch nicht zu beantworten; man muss sich aber 
stets der möglichen Gefährlichkeit derselben auch für den Menschen bewusst 
bleiben. 

Uhlenhath schloss sich auf Grund eigener umfassender Versuche der 
Meinung des Vortragenden völlig an. 


Darauf sprach Uhlenhuth (Greifswald) aber „Eine Methode zur Unter: 
suchung verwandter Blutarten“. 

Mit Hülfe des biologischen Verfahrens sind. wir heutzutage in der Lage 
die verschiedenen- Blutarten. mit Sicherheit zu erkennen und von einander zu 
unterscheiden. Nur die ganz nahe verwandten Blüutarten, wie z. B. Pferde-, 
Esel-, Hammel- und Ziegenblut, Menschen- und Affenblut konnte man bisher 
biologisch nicht sicher differenzieren, wenigstens im angetrockneten Zustande 
nicht, wo man auf genaues quantitatives Arbeiten verzichten muss. Aus An- 
lass eines Einzelfalles, in dem es zu entscheiden galt, ob die Blutproben an 
einem Stocke von Fuchs, Hase oder Gans herrührten, ist U. zu einer einfachen 
Lösung des Problems gekommen. 

Um ein Serum vom Hasenblut zu bekommen, hätten Kaninchen’ mit 
Hasenblut vorbehandelt werden müssen. Dagegen erheben sich theoretische 
Bedenken, denn es war bisher eine allgemein gültige Ansicht, dass nahe ver- 
wandte Tiere, wie es Kaninchen und Hase sind, auf die Einspritzung ihres 
gegenseitigen Blutes nicht mit der Bildung von Präcipitinen reagieren. 

U. nahm daher zunächst Hühner zur Vorbehandlung mit Hasenblut. Diese 
Tiere lieferten Sera, welche in Hasenblut eine starke Reaktion auslösten; aber 
fast ebenso stark trat die Reaktion in Kaninchenblut auf, so dass man mit 
diesem Serum Hasen- und Kaninchenblut nicht unterscheiden konnte. Trotz 
der herrschenden gegenseitigen Ansicht spritzte U. doch 3 Kaninchen Hasen- 
blat ein. Alle 3 lieferten hochwertige Sera, welche Hasenblut präci- 
pitierten, nicht aber das artgleiche Kaninchenblut. So konnte U. mit 
Sicherheit Hasen- und Kaninchenblut unterscheiden. 

In ähnlicher Weise konnte er durch kreuzweise Immunisierung Hühner- 
und Taubenblut unterscheiden. Auch die Differenzierung von Menschen- und 


98 77. Versammlung Deutscher Naturforscher und Aerzte. 


Affenblut gelang ihm auf diesem Wege. Es bestehen also zwischen dem Blut- 
eiweisse nahe verwandter Tiere doch noch biologische Unterschiede. Die 
Präcipitinbildung ist vielleicht das feinste Reagens auf den Grad der Bluts- 
verwandtschaft unter den Tieren. 

Dem interessanten Vortrage Uhlenhuths, durch dessen Ergebnisse die 
praktische Verwertung der biologischen Blutprobe eine bedeutende Erweiterung 
erfahren hat, folgte 


das Referat des Frh. von Pirquet (Wien) über „Leberempfind- 
lichkeit und beschleunigte Reaktionsfähigkeit“. 

Tiere reagieren auf Injektion artfremden Serums anfangs anscheinend gar 
nicht; nach späteren Injektionen zeigen sich lokale und allgemeine Krankheits- 
erscheinungen. Eine ähnliche Verstärkung der krankhaften Reaktion findet 
man nach Injektion verschiedenartiger Örganextrakte, Tuberkel- und Diphtherie- 
bacillen, dann im Verlaufe der Immunisierung mit Tetanus- und Diphtherie- 
toxin. Diese Ueberempfindlichkeit, zu welcher auch die Tuberkulinreaktion zu 
rechnen ist, ist nicht durch Summation an Giftwirkung, nicht durch Absorp- 
tion natürlicher Schutzstoffe, sondern durch Antikörper zu erklären, welche 
das Antigen zu giftiger Wirkung bringen, sei es als Amboceptoren, sei es als 
bakteriologische Enzyme, sei es dadurch, dass die Verbindung zwischen Anti- 
gen und Antikörper toxisch wirkt. 

Eine verwandte Immunitätsform ist die beschleunigte Reaktion, welche die 
Grundlage der vaccinalen Immunität darstellt. Der einmal Vaceinierte ist für 
Vaccine überempfindlich. 12 Stunden nach der Impfung zeigt sich beim viel- 
fach Vaccinierten schon das Maximum der Lokalreaktion, während der Erst- 
vaccinierte dieselbe lokale Entwickelung erst nach 6 Tagen aufweist. Vor- 
tragender demonstriert eine Moulage, welche Successivimpfungen bei einem 
Revaccinierten darstellt. 


Von hervorragender praktischer Bedeutung erwiesen sich die Mitteilungen 
von Prof. L. Heim (Erlangen), die von allen Seiten mit dem grössten 
Interesse aufgenommen wurden: „Eine neue Methode zum schärferen 
Nachweis der Verunreinigungen von Abwasser, Flusswasser und 
. Trinkwasser“. 

Bei den Untersuchungen über Flussverunreinigungen, von denen der Vor- 
tragende ausging, kommt es in erster Linie auf die schwebenden Stofle an, 
deren quantitativer Nachweis bis jetzt nicht einwandsfrei gelungen ist, weil 
im Abdampfrückstand des Filtrats neben den gelösten Stoffen immer noch 
Suspendiertes vorhanden zu sein pflegt. Denn bei der gebräuchlichen Filtra- 
tion durch Papier werden die schwebenden Teile nur unvollkommen zurück- 
gehalten, die feineren und feinsten Teile gehen ins Filtrat über. Gehärtete 
Filter leisten nichts Besseres und haben noch andere Nachteile. Kieselgur- 
und Tonfilter, die imstande wären, alles Schwebende zurückzuhalten, ver- 
schlicken zu bald, und der Filterrückstand wird zum Teil in die feinen Poren 
hineingepresst. Der Vortragende hat den Asbest am geeignetsten gefunden, 
wenn in der nachher anzugebenden Weise ringsum ein Metallsieb ange- 
ordnet wird. Bei Anwendung von positivem. Druck wird das schmutzige 


-77. Versammlung Deutscher Naturforscher und Aerzte. 99 


Kanalwasser in kurzer Zeit völlig keimfrei und infolge dessen auch frei von 
schwebenden Teilen. Die Differenz der Abdampfrückstände von Rohwasser 
und Filtrat gibt um 30°, und mehr schwebende Teile als bei den bisherigen 
Methoden. Im Filtrate lassen sich die gelösten Stoffe, insbesondere auch Stick- 
stoff und Oxydierbarkeit mit viel grösserer Genauigkeit bestimmen. Die 
Filteranordnung kann nicht bloss zur Wasseruntersuchung, sondern auch zur 
Gewinnung keimfreien Trinkwassers vorteilhaft verwendet werden. 

Derselbe: „Einfachstes Bakterienfilter“. 

Das vorgenannte Filter ist deshalb das einfachste für alle bakteriologi- 
schen Zwecke. Die günstige Eigenschaft des Asbestes ist schon vor Jahrzehnten 
gewürdigt worden; es fehlte aber bisher an der richtigen Anordnung, weil 
zwischen dem Asbest und der Wand der Gefässe Keime hindurch ins Filtrat 
gingen. Der Vortragende hat eine pilzförmig gestaltete Siebbüchse von Metall 
ins Innere der Asbestmasse verlegt, so dass die zu filtrierende Flüssigkeit den 
Asbest durchsetzen muss; mag sie von oben, von unten oder von der Seite 
kommen. Auf diese Weise gelang es, auch die kleinsten Bakterien, wie die 
der Hühnercholera, des Schweinerotlaufs und selbst Spirillum parvum mit 
Sicherheit zurückzuhalten, gegen welches sich die andern Filter nicht als aus- 
reichend erwiesen haben. Das Filter eignet sich auch dazu, die in der Flüs- 
sigkeit enthaltenen Keime im Rückstand aufzufinden; dadurch wird die 
Zentrifugierung und Sedimentierung in vielen Fällen vorteilhaft ersetzt und 
die Auffindung von Typhus- und ähnlichen Keimen im Wasser, von sehr 
spärlichen Tuberkelbacillen im Auswurfe wesentlich erleichtert. 

Das Filter übertrifft die Kieselgur- und Tonzellen durch Einfachheit der 
Anordnung, Ünzerbrechlichkeit, leichte Sterilisierbarkeit, grössere Leistungs- 
fähigkeit hinsichtlich Menge und Zeit, und durch Sicherheit der Keimfreimachung. 


Die zweite, unter dem Vorsitz von Prof. L. Heim (Erlangen) stattfindende 
Sitzung eröffnete Reibmayr (Innsbruck) mit einer Mitteilung über „Beleuch- 
tungsverhältnisse bei direktem Hochlicht“. 

Es wird eine Beleuchtangsart geschildert, bei der allein durch hohe In- 
stallation der Beleuchtuugskörper, nebst gleichmässiger Verteilung derselben 
über die ganze Decke des Raumes, und hellen Anstrich der Wände ohne Be- 
pützung jeglicher Reflektoren eine Belichtung der Räume erzielt wird, die, 
wie die angestellten Messungen lehren, sich der indirekten und halb indirekten 
Beleuchtung vollwertig an die Seite stellen kann. 

Die Untersuchungen richteten sich hauptsächlich auf die Verteilung des 
Lichtes, auf den Grad der Schattenbildung und dann auch auf das Verhältnis 
der verwandten Lichtstärke zur erreichten Beleuchtungsstärke. 

Die Messungen wurden zunächst im Hörsaal des hygienischen Institutes 
zu Innsbruck angestellt. Dieser ist durch 34 elektrische Glühlichter erleuchtet, 
deren Glühschlingen bloss 13 cm vom Niveau der Decke entfernt sind. Ver- 
gleichbende Untersuchungen wurden ausgeführt im Hörsaal der Physiologie, in 
dem sich 6 Glühlichter an der Decke in ungeeigneter Verteilung fanden. 

Die Verteilung des Lichtes im hygienischen Hörsaal erwies sich sowohl 
bei Einschaltung aller Glühkörper als bei Einschaltung bloss der Hälfte .der- 
selben als ausgezeichnet. Der Verteilungsgrnd, wurde für die einziehen, I ängs- 


100 77. Versammlung Deutscher Naturforscher und Aerzte. 


reihen bestimmt. Mit Glühkörpern von derselben Kerzenstärke konnte für die 
Gesamtheit der Plätze keine gleichmässige Verteilung erzielt werden, da die 
Sitzreihen amphitheatrisch ansteigend georduet waren. Ein befriedigendes 
Resultat ergab sich in. dieser Hinsicht, wenn die vorderen Glüblämpchen 
mit 32 K.-Glühkörpern, die rückwärtigen mit 16 K.-Glühkörpern versehen 
wurden. Der durchschnittliche Verteilungsgrad in den einzelnen Reihen belief 
sich bei den Messungen in verschiedener Anordnang (alle Glühkörper, jeder 
zweite, ohne Schirme u.s. w.) im hygienischen Hörsaale auf 78—84, im phy- 
siologischen Hörsaal auf 53; die Schattenbildung 3—13°/, im hygienischen 
Hörsaal gegen 2—42°/, im physiologischen Hörsaal. 

Das Hochlicht wirkt in der Weise günstig, dass dem Licht der einzelnen 
Lichtquellen Gelegenheit gegeben wird, eine grosse Anzahl von Plätzen zu 
versorgen. Da die Glühkörper überall verteilt sind, wird das einzelne Schreib- 
palt mit Licht von den verschiedensten Richtungen versehen. Bei dieser 
reien Entfaltung von Strahlenbündeln vom Plafond aus bekommen auch die 
Decke und vorzüglich die Wände sehr viel Licht, das sie wieder, weil von 
heller Färbung, in den Raum zurückstrahlen. 

Die Untersuchung ergab, dass die Hälfte des dem Platze zäkoiimeñden 
Lichtes indirekt. ist, welches der Hauptsache nach von den Seitenwänden ge- 
liefert wird. Die Helligkeit des Plafond ist nur im Umkreis von 30—35 cm 
um die Lichtquelle eine bedeutendere. 

Die zur Abhaltung die Glühkörper umgebenden gerippten Schirme nehmen 
120/, des Lichtes weg; sie beteiligen sich in der Weise an der Verteilung des 
Lichtes, dass sie in der Vertikalen viel weniger Licht durchlassen; dagegen 
ist die Lichtstärke vermehrt in den um 20—30° von der Senkrechten ab- 
weichenden Strablenrichtungen. 

Bezüglich der Schattenbildung ergab sich die Abhängigkeit von der Ver- 
teilung der Lichtquellen. Die Schatten z. B. der schreibenden Person waren 
im hygienischen Hörsaal wenig sichtbar, von sehr verschwommenen Grenzen. 
Der durch die Messung mit dem Weberschen Photomer gefundene Wert des 
Lichtverlustes durch Schattenbilduug ging nicht parallel mit der störenden 
Wirkung durch den Schatten. 

Weitere Untersuchungen wurden angestellt in einem Raume, in welchem 
bei denselben Verhältnissen Lusterbeleuchtung, Hochlicht, indirekte Beleuchtung 
in Verwendung treten konnte. 

Während der Verteilungsgrad und der Grad der Schattenbildung bei 
Hochlicht und bei indirektem Licht ungefähr derselbe war, ergab sich bei 
letzterem ein Lichtverlust von 32%/,. ' 

Die Lusterbeleuchtung ergab bei ungefähr derselben Lichtstärke gegen 
Hochlicht einen Verteilungsgrad 27 gegen 70. Verlust des Lichtes durch 
Schattenbildung 10—67 °/ gegen 4—33°/, bei Hochlicht. 

Ein weiterer Raum mit dunkelen Wänden und dunkler Decke zeigte, ob- 
wohl‘ die Beleuchtungskörper an der Decke allerdings schlecht verteilt ange- 
bracht sind, einen Verteilungsgrad von 20 und einen Lichtverlust durch 
Schatten im Mittel von 430/,. 

... Drei Räume mit rein indirekter Beleuchtung (Auerbrenner) zeigen eben- 
falis žin} Bezug: auf Liehiyerteilyng und Lichtverlust durch Schattenbildung 


77. Versammlung Deutscher Naturforscher und Aerzte. 101 


nicht bessere Verhältnisse als bei der Beleuchtungsart mit direktem Hochlicht, 
dagegen einen zur aufgewandten Lichtstärke in keinem Verhältnis stehenden 
Verlust an Beleuchtungsstärke. 

Bei den erwähnten Vorzügen im Verein mit dem Fehlen jeglicher Blendung 
und Belästigung durch die strahlende Wärme (infolge der weiten Entfernung 
der Beleuchtungskörper) eignete sich die Beleuchtung von Räumen durch 
direktes Hochlicht — wenn man die Verwendung von elektrischen Glühlicht 
beabsichtigt — vorzüglich; insbesondere gilt dies für Hörsäle und Schulzimmer. 
Erforderlich ist gute Verteilung der Beleuchtungskörper unmittelbar an der 
Decke, weisse Decke und Wände. 


Den nächsten Vortrag hielt Neumann (Heidelberg): „Ueber das Wesen 
des gelben Fiebers und seine Bekämpfung“. 

Der Vortrag brachte in grossen Zügen die Beobachtungen und Ergebnisse, 
welche R. O. Neumann und Otto vom Seemannskrankenhause in Hamburg ge- 
meinsam auf ihrer Reise zum Studium des gelben Fiebers in Brasilien im 
Sommer 1904 gemacht hatten. 

Es war vor allem notwendig, an Ort und Stelle, wo die Krankheit en- 
demisch auftritt, sie zu studieren und vor allen Dingen die Bekämpfungsmass- 
nahmen, wie sie von Seiten der dortigen Behörden angewendet werden, kennen 
zu lernen. . 

Insbesoudere wurden die Verhältnisse in Rio de Janeiro, Santos, 
Babia und Pernambuco untersucht. 

Die theoretischen Studien konnten im Gelbfieberhospital Sao Seba- 
stiao in Rio de Janeiro, wo sich zu derselben Zeit auch die französische 
Gelbfieberexpedition befand, ausgeführt werden. 

Von den vielen, im Vortrage berührten Fragen können hier nur die 
wichtigsten Punkte wiedergegeben werden; die ausführlichen Mitteilungen 
sind bereits in der Zeitschrift für Hygiene erschienen. 

Neumann und Otto teilen die Ansicht, dass das Gelbfieber nur durch 
Stechmücken und zwar durch Stegomyia fasciata übertragen wird. 

Jede Kontaktinfektion durch Ausscheidungsstoffe der Kranken und dergl. ist 
auszuschliessen. Alle Untersuchungen und Nachprüfungen, welche sich auf 
eine eventuelle Ermittelung eines bakteriellen Erregers erstreckten, ver- 
liefen resultatlos. 

Ueber den Erreger selbst sind wir noch völlig im Unklaren. Es wurde 
zum ersten Mal in Brasilien von den Autoren zur Nachforschung nach dem 
unsichtbaren Erreger das Ultramikroskop benutzt. Jedoch gelang es trotz 
der ımonatelangen angestrengten Bemühungen nicht mit Sicherheit das unsicht- 
bare Agens zu ermitteln. Es wurden kleinste Körperchen in der Lum- 
balflüssigkeit der Gelbfieberkranken gesehen; der Vortragende liess es 
aber unentschieden, welche Bedeutung jenen Dingen beizulegen sei. Festge- 
stellt ist, dass der Erreger vom 4. Tage an aus dem Blut der Gelbfieberkranken 
verschwunden ist. 

Die Morphologie und Biologie des Ueberträgers, der Stegomyia 
fasciata, ist sehr eingehend studiert worden, da es gelang, lebende Gelb- 
fiebermücken aus Brasilien nach Hamburg zu überführen und dort weiter zu 


102 77. Versammlung Deutscher Naturforscher und Aerzte. 


züchten. Ihre Entwickelungszeit beträgt bei gleichmässiger Temperatur von 
25—270 ca. 14—16 Tage. Unsere Temperaturen in Deutschland, welche auch 
in den Sommermonaten kaum ein Mittel über 20° aufweisen, dürften nicht 
ausreichen, den Moskitos zur Weiterentwickelung zu verhelfen, da schon wenig 
geringere Temperaturen als 25° genügen, um die Entwickelung sehr zu ver- 
langsamen. 

Als Ueberträger fungieren nur die Weibchen; sie allein stechen, und 
zwar nur am Abend. 

Die Krankheitssymptome sind ausserordentlich schwer; trotzdem ist 
die Diagnose des Gelbfiebers nicht leicht, besonders wenn die charakteristischen 
Erscheinungen noch nicht eingetreten sind. Der Tod erfolgt in vielen Fällen 
bei vollem Bewusstsein. Meist tritt vollständige Anurie ein. Die Sterblich- 
keit betrug 75—80°/,. 

Therapeutisch ist leider noch nicht viel erreicht worden. Die fran- 
zösische Kommission hat sich bemüht, serumtherapeutische Erfolge zu er- 
zielen, allein bisher noch mit geringer praktischer Bedeutung. 

In grossem Massstabe werden jetzt in Brasilien, besonders in Rio de 
Janeiro, nach dem Vorbilde der Amerikaner in Havanna die Bekämpfungs- 
massregeln gegen das Gelbfieber betrieben. Die Bestrebungen richten sich 
pur noch gegen den inficierten Menschen und gegen die inficierten 
Moskitos und gegen alle Moskitos. Die Gelbfieberkranken bringt man 
unter Netze, damit sich Stegomyien nicht an ihnen inficieren können. Den 
Mücken geht man in den Häusern und den Kanälen mit schwefliger Säure 
zu Leibe, die Mückenbrut wird durch Petroleum, Trockenlegung der Wasser- 
stellen und dergl. vernichtet. 

Für Deutschland kommt eine Gelbfiebergefahr praktisch kaum in Betracht, 
da die Einschleppung von Stegomyien und die Einführung Gelbfieberkranker 
nur unter den ungünstigsten Bedingungen zu erwarten wäre. 

Zur Erläuterung des mit viel Beifall aufgenommenen Vortrages wurden 
vom Vortragenden angefertigte Bilder, Karten und Zeichnungen, ebenso die 
Entwickelungsstadien der Moskitos und lebenden Stegomyien herumgereicht. 


Als folgender Redner trat Herr Ballner (Innsbruck) auf, der sich ver- 
breitete über „Die hygienische Bedentung des hängenden Gasglüh- 
lichtes“. 

Die in den Bereich der Untersuchung gezogenen Konstruktionstypen für 
das hängende Gasglühlicht, das Kramerlicht und das Wiener Gasglüh- 
licht, zeigen solche Unterschiede in der Konstruktion im Vergleiche zum 
stehenden Auerbrenner, dass es nicht ohne weiteres angeht, die für letzteren 
ermittelten Werte namentlich in Bezug auf Wärmeentwickelung und Wärme- 
strahlung auf das hängende Gasglühlicht zu übertragen. 

Die Messungen der Lichtstärke ergaben, dass die Helligkeitskurve in 
der unteren Halbkugel für die 2 untersuchten Brennertypen nahezu ein Halb- 
kreis ist und dass der specifische Verbrauch, d. i. der Quotient aus Gaskonsum 
pro Stunde und Lichtstärke, für das hängende Gasglühlicht ungefähr denselben 
Wert erreicht wie für den stehenden Auerbrenner. 

Die Messungen der Wärmestrahlung wurden nach der von Rubner aus- 


77. Versammlung Deutscher Naturforscher und Aerzte. 103 


gearbeiteten Methode der Verbindung einer Thermosäule mit einem empfind- 
lichen Galvanometer vorgenommen. Die Beobachtungen an den zwei Brenner- 
konstruktionen für das hängende Gasglühlicht hatten das gemeinsame Resultat, 
dass auch hier gerade so wie beim stehenden Anerbrenner die Wärmestrahlung 
eine ungemein geringe ist. Beim Kramerlicht ergab sich als Mittelwert für 
die Strahlung pro 1 ccm und 1 Minute in 37,5 qcm Entfernung der Betrag von 
1,72, beim Wiener Gasglühlicht der noch geringere Wert von 1,4 Mikrokalorien, 
während Rubner für den stehenden Auerbrenner den Mittelwert von 1,3 
Nikrokalorien gefunden hatte. 

Auch die Wärmeentwickelung ist, für gleiche Helligkeit berechnet, eine 
äusserst geringe, sie beträgt, als natürliche Verbrennungswärme ausgedrückt, 
für das Kramerlicht 8,84, für das Wiener Gasglühlicht 8,7 Kalorien pro Stunde 
und Kerze; für stehende Auerbrenner ist als Durchschnitt der Wert von 8,07 
Kalorien ermittelt worden. 

Das hängende Gasglühlicht steht in Bezug auf Ausnützung der für die 
Lichterzengung aufgewendeten Energie sowie in Bezug auf die geringen Wärme- í 
entwicklungs- und Wärmestrahlungsverhältnisse hinter dem stehenden Auer- 
brenner in keiner Weise zurück, es entspricht den hygienischen sowie den öko- 
nomisch-praktischen Anforderungen, die man an eine brauchbare Lichtquelle 
stellen muss, sehr gut, und es ist begründete Aussicht vorhanden, dass das 
hängende Gasglühlicht eine gute Aufnahme in der Praxis finden wird. 


„Das Wesen der Beriberi und der Indischen Spruw“ behandelte 
Herr Maurer (München). 

Die Indische Spruw ist eine sehr chronische Krankheit; klinisch treten 
im Beginne neurasthenische Beschwerden in den Vordergrund, später gesellen 
sicb dazu Störungen der Verdauung, des Stuhlgangs, der Leberfunktionen; 
anatomisch ist sie in, vorgeschrittenen Fällen charakterisiert auch durch all- 
gemeine Atrophie aller Körperorgane mit mehr oder weniger ausgesprochenen 
degenerativen Processen, welche häufig bis zur Lebercirrhase und manch- 
mal auch zu Schrumpfniere führen. Die Ursache der Erkrankung ist in 
erster Linie zu suchen in übermässiger und abnormer Säurebildung im 
Darme, wobei anfänglich mehr die giftigen Eigenschaften der Säuren 
hervortreten durch störende Einwirkung auf die Funktionen der Nerven und 
Muskeln, dann deren Reiz und Aetzwirkung mit Schädigung der Schleim- 
haut des Verdauungstraktus und endlich die alkalientziehende Wirkung 
der Säuren, als deren Folgen mehr oder weniger ausgebreitete Oedeme 
auftreten. 

In jedem Stadium der Spruw kann es durch aussergewöhnliche Steigerung 
der Säureproduktion zu akuten oder subakuten Exacerbationen der Krankheits- 
symptome kommen; dabei äusseren sich die Aetz- und Reizwirkungen in 
dysenterischen d. b. blutigschleimigen Entleerungen, die Giftwirkungen in 
Fieber und ernsteren Störungen der Nerven-, Herz- und Leberfunktionen, die 
alkalientziehende resp. alkalibindende Wirkung endlich in einer Ueber- 
säuerung des Organismus, nämlich als Acidosis. Je nach der Art der 
Säuren, welche diese Acidosis der Spruw erzeugt haben, ist das Krankheits- 
bild verschieden. Der klinische Ausdruck der einfachen Uebersäuerung 


104 77. Versammlung Deutscher Naturforscher und Aerzte. 


ist das Herabgehen der Harnmenge und Zunahme des Wassergehaltes in den 
Geweben, d.h. es treten allgemeine Oedeme auf und es entsteht ein Krank- 
heitsbild, welches vollkommen identisch ist mit der sogenannten hydropischen 
Beriberi; durch Alkalizufuhr werden diese Oedeme prompt und schnell zum 
Verschwinden gebracht. Wurden aber neben den- harmloseren Gärungssäuren 
auch solche mit besonders giftigen Eigenschaften gebildet, so wird das Bild 
der Acidosis ein ganz anderes; es entwickelt sich dann neben den Oedemen 
ein höchst gefährlicher, oft schnell letal endender Zustand, der klinisch durch 
hochgradige Atemnot, Cyanose, Geruch der Atemluft nach Aceton, und ana- 
tomisch durch zahlreiche Nekroseherde in der Leber, wie wir sie bei Eklamp- 
sie und Phosphorvergiftung finden, ausgezeichnet ist. F 

Es drängt sich die Frage auf, ob denn der Giftstoff, welcher die einfache 
Uebersäuerung der Spruw in das Krankheitsbild der Beriberi überführt, nicht 
für die Beriberi charakteristisch und mit jenem Gifte identisch ist, welches 
die Degenerationen der Nerven und Muskeln der atrophischen und kardialen 
Beriberi hervorruft? 

Der Vortragende glaubt diese Frage bejahen zu können und sieht in der 
Oxalsäure dieses Beriberigift, nachdem er, durch Tierversuche auf die 
Sänre aufmerksam geworden, nicht nur regelmässig reichliche Oxalsäureaus- 
scheidung bei Beriberikranken fand, sondern aus den Stühlen der Kranken 
auch niedere Organismen züchten konnte, welche in zuckerbaltigen Nährböden 
grosse Mengen Oxalsäure zu bilden vermögen. Je nach der Menge der im Darme 
auftretenden Oxalsäure, der Beschaffenheit der Nahrung und des Körperzu- 
standes der betroffenen Individuen entwickeln sich mehr Degenerationen in 
den Nerven und Muskeln der Extremitäten und des Stammes mit Paresen, 
also die atrophische Beriberi (Scheube), oder Degenerationen des Vagus 
und der Herzmusknlatur mit Insufficienz dieses Organs, die kardiale Beriberi. 

Die Beriberikrankheiten und die Indische Spruw sind demnach als Auto- 
intoxikationen zu betrachten und zwar hauptsächlich als Vergiftungen durch 
Säuren, welche bei amylumreicher Nahrung unter bestimmten Um- 
ständen im Magendarmkanale der Kranken gebildet werden. Während bei 
der Spruw die ätzenden und alkalibindenden resp. alkalientziehenden Säuren 
in den Vordergrund treten, ist die Beriberi vorwiegend eine Oxalsäurever- 
giftung. Aetiologisch eng sind mit der Indischen Spruw eine grosse Reihe 
von Ernährungsstörungen anderer Zonen verbunden und es könnte die Erfor- 
schung derselben, von welchen Vortragender nur den Skorbut, die Segelschiff- 
beriberi und insbesondere die Pellagra hervorhebt, vielleicht einigen Gewinn 
bringen, wenn sie von den Gesichtspunkten ausgehen würde, welche bier für 
die Spruw aufgestellt wurden. 


Herr v. Wunschheim (Innsbruck) berichtete über seine fortgesetzten 
Untersuchungen „Zur Aetiologie der Hundestaupe*. 


Der letzten Abteilungssitzung der Hygienischen Sektion präsidierte Herr 
Prof. Gärtner (Jena). 

In ihr berichteten zunächst die Herrn Kraus und Pribram (Wien) 
„Ueber ein akut wirksames Toxin in Cholerakulturen“. 


77. Versammlung Deutscher Naturforscher und Aerzte. 105 


Untersuchungen an Vibrionen, welche F. Gotschlich aus Stühlen von 
Pilgern gezüchtet hatte, die an Colitis und Dysenterie zu Grunde gegangen 
waren, ergaben das überraschende Resultat, dass die — mit Choleraserum 
und durch den Pfeifferschen Peritonealversuch — als sichere Choleravibri- 
onen identifieierten Stämme im Gegensatz zu allen bisher bekannten Cholera- 
erregero in Bouillonkulturen intensive Hämotoxine producieren. Gleichzeitig 
fanden die Autoren bei allen sechs untersuchten Stämmen äusserst wirksame 
Toxine, die Kaninchen, Meerschweinchen und Tauben in wenigen Minuten zu 
töten imstande sind. Normales Pferdeserum neutralisiert das Toxin, nicht 
aber das Hämotoxin. Gelegentlich dieser Untersuchungen wurde auch bei 
einem, mit Choleraserum nicht agglutinierenden Vibrio (Berlin, No. 35) ein 
akut tötendes Toxin neben stark hämotoxischen Eigenschaften gefunden. 

Damit erscheint die vor Jahren von Metschnikoff und seinen Mitarbeitern 
angenommene Toxinproduktion der Choleravibrionen, die der Theorie endo- 
zellulärer Giftproduktion Pfeiffers gewichen war, wieder diskutabel. 


Dem Gebiete der Serumlehre gehörten auch die nächsten Referate an. 
Die Herrn Lode und Ballner (Innsbruck) berichten über noch nicht völlig 
abgeschlossene Untersuchungen „Ueber antitoxische Nebenkomponen- 
ten im Heilserum“ und „Ueber ein Blutserumhämometer“. Darauf 
gab Herr Porges (Wien) einen Beitrag „Zur Theorie der Aggluti- 
nation“. 2 

Die von Zangger, Landsteiner und Jagic, Biltz, Neisser und 
Friedemann sowie Bechhold u. A. begründete kolloidale Theorie der Im- 
muukörperreaktionen sollte in einem Teilgebiete der Immunitätslehre, auf dem 
Gebiete der Bakterienagglutination auf alle Einzelbeobachtungen ausgedehnt 
und so ihre prinzipielle Bedeutung geprüft werden. Zunächst ergab es sich, 
dass die durch ihre Eiweisskörper in Suspension gehaltenen Bakterien demge- 
mäss die Reaktionsverhältnisse der Eiweisskörper bieten. Sie lassen sich wie 
die Eiweisskörper aussalzen und zwar nach denselben Gesetzen. Die Salz- 
fällungsgrenzen der einzelnen Bakterienspecies sind je nach ihrer Agglutinabi- 
lität verschieden. Es ergab sich, dass schwerer agglutin:ble Bakterien ent- 
sprechend höhere Fällungsgrenzen haben; die Salzfällungsgrenzen steigen in 
der Reihe Cholera <Typhus <B. coli <B. Friedländer, während die Agglu- 
tinabilität in derselben Reihe abnimmt. Auch. bei verschieden vorbehandelten 
Kulturen einer und derselben Species lässt sich ein Parallelismus zwischen 
Agglutinabilität und Salzfällungsgrenzen feststellen. Für die Erscheinung 
der sogenannten Agglutinoide liess es sich wahrscheinlich machen, dass sie 
auf der kolloidalen Reaktionseigentümlichkeit eines Fällungsoptimums beruht, 
wobei die Hitzeveränderung des Serums als durch die gleichzeitig erfolgende 
pbysikalisch-chemische Zustandsänderung seiner Eiweisskörper bedingt ange- 
sehen wird. Dementsprechend liess sich eine Reihe von Reaktionseigentüm- 
lichkeiten der Kolloide, z. B. die sogenannte Schutzwirkung derselben, bei der 
Kombination Bakterien und Agglutinin nachahmen, Schliesslich wurde die 
Rolle der Salze und ihr Verhältnis zum Agglutinin untersucht und dabei unter 
anderem ermittelt, dass bei grösseren Agglutininmengen eine geringere mini- 
male Salzmenge zur Erzielung des Agglutinationseffektes erforderlich ist, ohne 


106 77. Versammlung Deutscher Naturforscher und Aerzte. 


dass aber der Gesamteffekt eine einfache Summe der Teilwirkungen von Ag- 
glutinin und Salz wäre. Bei der Untersuchung der Einwirkung von ver- 
schiedenen Salzen der Leichtmetallsalze fiel die starke Wirksamkeit der 
Magnesiumsalze auf. 


Herr Becher (Berlin) sprach über ein schon an diesem Orte von ihm 
behandeltes Thema „Ueber Walderholungsstätten für Kranke“ und fand 
mit seinen Mitteilungen über die in Berlin auf diesem Gebiete errungenen 
Fortschritte grossen Beifall. 


Nachdem noch Herr Peer die Zeit der Versammlung mit der Verlesung 
einer schon im Jahre 1903 publicierten kasuistischen Mitteilung „Ueber 
einen Fall von Cholera an Bord eines Schiffes“ in Anspruch genommen 
hatte, dessen Diagnose mangels bakteriologischer Untersuchung zudem nicht 
sicher erscheint, berichtete 


in Vertretung von Bamberger (Wien) Herr Boeck (Wien) über „Pneu- 
matogen, ein neues System von Atmungsapparaten“. 

Es handelt sich um Rettungsapparate zur Erzeugung der notwendigen 
Einatmungsluft bei Unglücksfällen im Bergwerkbetriebe. Die Erfinder gingen 
bei der Konstruktion ihrer Atmungsapparate von dem neuen Gedanken aus, 
den zur Aufrechterbaltung normaler Atmung notwendigen Sauerstoff nicht in 
Form des fertigen stark komprimierten Gases, sondern in Form eines chemischen 
Präparates ohne Ueberdruck im Apparate unterzubringen und ihn aus diesem 
erst im Bedarfsfalle zu erzeugen. Die Regeneration der Ausatmungsluft er- 
folgt auf trockenem Wege. Als Regeneratoren dienen sauerstoffreiche Sub- 
stanzen mit der Eigenschaft, Kohlensäure und, Wasserdampf der ausgeatmeten 
Luft schnell und vollständig zu absorbieren und gleichzeitig eine entsprechende 
Menge von Sauerstoff in Gasform zu entbinden. Nach Versuchen mit ver- 
schiedenen Alkali- und Erdalkalisuperoxyden wurde als geeigneter Stoff das 
Natriumkaliumsuperoxyd (NaKO,) gefunden. Die Wirkungsweise lässt sich 
durch folgende drei Gleichungen charakterisieren. . 

I. NaKk0, + H,0 = NaOH + KOH-+0, 
II. NaOH ~- KOH -+ CO; = NaKC0, + H20 
III. NaKO, + CO, = NaKCO; + 0,. 

Das Prinzip der Pneumatogenapparate besteht darin, dass die ausgeatmete 
Luft durch die Superoxydschicht durchgeblasen, gewissermassen also durch- 
filtriert wird und sich sodann in einem Atmungssack sammelt, von wo sie 
bereits vollkommen regeneriert zur Lunge zurückkehrt. Die technischen Einzel- 
heiten der Apparate können hier nicht geschildert werden. 


Den Beschluss der Redner machte Herr Feinberg (Berlin). Er referierte 
in vorgerückter Stunde über „Die Erreger von Geschwäülsten, speciell 
des Krebses“. 

An der Hand schematischer Zeichnungen setzte er seine Anschauungen 
über die Aetiologie des Krebses auseinander, der seiner Meinung nach durch 
ein Protozoon, das Histosporidium carcinomatosum_ hervorgerufen wird. 


77. Versammlung Deutscher Naturforscher und Aerzte. 107 


Als Zwischenwirt soll der in stehenden und langsam fliessenden Gewässern 
vorkommende Cyclops quadricornis zu betrachten sein. Die Prophylaxe 
läge sodann in der möglichsten Vermeidung äusserer oder innerer Verwendung 
unfiltrierten Wassers. 

Die vorgeschrittene Zeit machte eine Diskussion über den Vortrag unmög- 
lich; doch hatte es den Anschein, als ob sich nur wenige der parasitären 
Krebstbeorie anschliessen würden, die ja auch von Tag zu Tag an Ansehen 
und Boden verliert. 


Eingeladen war die Hygienische Abteilung zu einer ganzen Reihe von 
Vorträgen von der Sektion für Kinderheilkunde. 

Hier bielt zunächst Herr Camerer (Stuttgart) einen sehr lehrreichen Vor- 
trag über „Untersuchungen über die Säuglingssterblichkeit in 
Arbeiterkreisen“. 

Statistische Untersuchungen über die Säuglingsernährung sind in den 
letzten Jahren mehrfach vorgenommen worden. Doch haben sie zu divergenten 
Ergebnissen geführt, da sie nach verschiedener Methode und von verschiedenen 
Gesichtspunkten aus ausgeführt wurden. Endlich ist die Anzahl der Unter- 
suchungen, durch welche sociale Einflüsse wie die verschiedene sociale Lage, 
Beschäftigung, Rasse u. s. w. illustriert werden sollen, nicht gross. 

Diese Gründe veranlassten den Redner, eine in Stuttgart sich darbietende 
günstige Gelegenheit zur Ausführung einer derartigen Untersuchung zu benutzen, 
über deren Resultate in folgendem kurz berichtet sei. 

Im Jahre 1892 wurde vom Stuttgarter Verein zum Wohl der arbeitenden 
Klassen die Arbeiterkolonie Ostheim gegründet; dieselbe besteht gegenwärtig 
aus gegen 400 1—2 stöckigen Häusern, welche in ganz einfachem Villenstil 
gebalten sind. Es wohnen in der Kolonie 1200 Familien mit durchschnittlich 
4 Köpfen, in einem Hause demnach 3 Familien. Der Einzelfamilie steben 
durchschnittlich 2 grosse Zimmer und entsprechendes Zubehör zur Verfügung. 
Dem Beruf nach sind die Koloristen fast auschliesslich Handwerker, Arbeiter 
und kleine Gewerbetreibende. 

Um diese geeignete Gelegenheit zur Erforschung der Säuglingsernährung 
in Arbeiterkreisen zu benutzen, liess C. sämtlichen Familien der Kolonie, bei 
welchen im Jahre 1904 ein Kind geboren, das unter einem Jahr gestorben 
war, einen ausführlichen Fragebogen zugehen. In Betracht kamen 169 Familien, 
son welcben 157 die Bogen in meist einwandsfreier Weise beantworteten, 
während nur 12 mal eine Antwort nicht zu bekommen war. 

Von den 169 Kindern waren 32 im 1. Jahre wieder gestorben; die 
Säuglingssterblichkeit beträgt also 190/9. 

Die 157 beantworteten Bogen verteilen sich auf 126 Lebende und 31 wieder 
verstorbene Kinder. 

Von den 126 Lebenden wurden überhaupt gestillt 60%, und von diesen 
13%, weniger als 2 Monate lang. 

Als Gründe für das Aufhören des Stillens sind angegeben: Milchmangel 
und Krankheit der Mutter in 75%. Genügend langes Stillen (7 Monat und 
darüber) in 10%/,. 

Also nur in ’/,o der Fälle wurde aus physiologischen Gründen mit dem 


108 77. Versammlung Deutscher Naturforscher und Aerzte. 


Stillen aufgehört, während in der überwiegenden Mehrzahl Milchmangel als 
Grund angeführt wird. Diesem Sammelnamen liegen bekanntlich die ver- 
schiedensten, meist nicht stichhaltigen Ursachen zu Grunde. 

Bei den überhaupt nicht Gestillten wurde als Grund für das Nichtstillen 
angegeben: Milchmangel und Krankheit der Mutter in 80°/,, Hohlwarze in 
50/,, Kind geht nicht an die Brust in 5°/,. 

Also auch hier zeigt sich als Hauptgrund für das Nichtstillen Milchmangel 
und Krankheit der Mutter. 

Von den verstorbenen Kindern siud 50%, gestillt, und zwar wurde 
nur 1/, derselben über 2 Monate gestillt. 

Als Gründe für das Aufhören des Stillens sind angegeben: Milchmangel 
und Krankheit der Mutter 80%,, Tod des Kindes 20°/,. 

Ueberhaupt nicht gestillt wurden von den verstorbenen Kindern 50%, 
und zwar wegen Milchmangels und Krankheit der Mutter 90®/,, Fabrikarbeit 10°/,. 

Es sind demnach 60°/ der am Leben gebliebenen Kinder gestillt worden, 
darunter 1/, über 2 Monate, während von den Verstorbenen 50°/, gestillt 
warden, darunter !/, über 2 Monate. 

Was das Alter der Mütter betrifft, so stillten von solchen mit 25—30 
Jahren 80°/,, 80—40 Jahren 47°/,, über 40 Jahren 30°),. 

Einen Beruf hatten Mütter 30%/,; von diesen stillten 40°%/,. In der Haus- 
haltung waren Mütter 70°/,, von diesen stillten 70%),. 

Von Interresse ist, dass auch die Geschwister der Gestillten zu 75°/, ge- 
stillt wurden, während die Geschwister der künstlich Ernährten in der grossen 
Mehrzahl (zu 73°/,) künstlich ernährt wurden. 

Von den gestillten Kindern starben an Darmkatarrh 60%,, Schwäche 10°/,, 
Infektionskrankheiten 20°%/,. Fast dieselben Zahlen fanden sich bei den nicht 
gestillten, verstorbenen Kindern. 

In mehr als der Hälfte der Fälle trat der Tod vor Vollendung des 2. 
Monats ein, und zwar starben diese Kinder fast ausschliesslich an Ernährungs- 
störungen; je älter die Kinder wurden, desto häufiger waren Infektionskrauk- 
heiten die Todesursache. 

Die Zahl der Einzelmablzeiten in 24 Stunden betrug 

5—6 in 25°/, der Fälle 
78 560% n m 
9—12 „15% nn 

Die Grösse der Einzelmablzeiten betrug anfangs 60—100 ccm, später 
150—250 ccm im Durchschnitt. 

Die Grösse der Pausen zwischen den Einzelmahlzeiten betrug am Tag in 
75°/, der Fälle 2 Stunden, beim Rest 3—4 Stunden. 

Es war demnach die Anzahl der gereichten Flaschen eine zu grosse, 
während die Pausen zwischen den Mahlzeiten zu klein waren. 

Die Nahrung selbst wurde in der Hälfte der Fälle sogleich in Einzel- 
flaschen, in der andern Hälfte im Ganzen zubereitet. 

Die Dauer des Kochens betrug 

bis zu 15 Minuten in 60°/, der Fälle 
n n 80 , n 30%% y 
n n 60 y n 10% 


» 


n 


77. Versammlung Deutscher Naturforscher und Aerzte. 109 


Rohe Milch wurde 2 mal gegeben. 
Die Aufbewahrung der Nahrung geschah 
bei 75°, im Keller oder fliessenden Wasser, 
n»n 25°/, in der Wohnung, ohne Abkühlung. 
Die Bezugsquellen der Milch waren 
bei 70%, der Milchbändler 
n» 20°/, die Kinderkrippe 
„ 10°/, wurde die Milch direkt vom Stall abgeholt. 
Es wurde demnach fast ausschliesslich gewöhnliche Handel- und Marktmilch 
für die Herstellung der künstlichen Nahrung verwendet. 

Die Untersuchung debnte sich noch auf zahlreiche andere Punkte aus; 
kurz erwähnt sei, dass von den Verstorbenen nur 10°/, die überhaupt ersten 
Kinder in der Familie waren, von den am Leben gebliebenen dagegen 25%, 
und ferner, dass die Kindersterblichkeit um so geringer war, je mehr Zimmer 
die Einzelwohnung hatte. 

3%, von der Gesamtzahl der Kinder waren uneheliche; von diesen wurden 
gestillt 600%/,, nicht gestillt 40%,. Es starben im ganzen 400/,, und zwar 
ausschliesslich nicht gestillte Kinder. 


Weiterhin sprach Herr Moro (Wien) über „Die Bedeutung der phy- 
siologischen Darmflora“. 

Die Ergebnisse der bekannten Versuche von Nuttall und Thierfelder 
an neugeborenen Meerschweinchen und jene von Schottelius am ausge- 
krochenen Hühnchen stehen einander diametral gegenüber. Während die bei- 
derseits unter sterilen Kauteln gehaltenen Tiere im ersteren Versuche am 
Leben blieben und sogar eine, obgleich sehr geringe Gewichtszunahme auf- 
wiesen, boten die Hühnchen im Schotteliusschen Versuche die ausge- 
sprochenen Anzeichen der Lebensschwäche dar und gingen, falls ihnen nicht 
rechtzeitig Gelegenheit zur Infektion des Darmes mit Darmbakterien geboten 
wurde, zu Grunde. 

Verf. suchte nun einen weiteren Beitrag zur Beantwortung der wich- 
tigen Frage zu liefern, indem er analoge Versuche am Kaltblütler (Knob- 
lauchkröte) anstellte. Die im sterilen Medium und mit steriler Nahrung 
gefütterten Tiere blieben in ihrer Entwickelung hinter den Kontrolltieren weit 
zurück; eines der Versuchstiere ging an Lebensschwäche zu Grunde. 

Der Versuch, dessen Dauer 34 Tage betrug und der allen Anforderungen 
der aseptischen Technik entsprach, verlief demnach im Sinne von Schottelius 
und liess den Schluss zu, dass die Anwesenheit von Bakterien für das 
Gedeiben und für die Ernährung der Tiere und, in der weiteren 
Uebertragung des Ergebnisses auf den Menschen, für den Säugling 
notwendig ist. 

Eine der wichtigsten Aufgaben der physiologischen Darmbakterien beim 
Säugling ist die durch die gärende Tätigkeit derselben hintangehaltene Fäulnis 
des Darminhaltes, die für den empfindlichen Säuglingsdarm von schädlichen 
Folgen begleitet wäre. Eine weitere bedeutungsvolle Arbeitsleistung der 
normalen Darmbakterien ist darin zu erblicken, dass ihre Masse ohne Zweifel 
eine hervorragende Schutzvorrichtung gegenüber der darmfremden Infektion 


110 - 77. Versammlung Deutscher Naturforscher und Aerzte. 


vorstellt, was sich auch experimentell nachweisen lässt, insofern als Fäces- 
nährböden auf das Wachstum darmfremder Bakterien einen hemmenden Einfluss 
ausüben, während darauf die normalen Darmbakterien gut gedeihen. 

Einen weiteren Nutzen der Darmbakterien findet Verf. in der Bildung der 
Darmgase. Die Darmgase nehmen auf die Topographie der Baucheingeweide 
einen hervorragenden Einfluss und regulieren die intestinale Statik. Sie er- 
halten das Darmlumen für den Durchtritt der Ingesta offen. Durch Gasfüllung 
des Darms wird seine Schleimhautoberfläche vergrössert und die geschlängelten 
Blutgefässe der Darmwand beträchtlich erweitert, wodurch einerseits die Re- 
sorption gefördert, anderseits die Bluteirkulation begünstigt wird. Damit er- 
klärt sich allerdings noch nicht das Ergebnis des Versuches unter sterilen 
Verhältnissen, da ja die angeführten Momente in diesem Falle nicht in Be- 
tracht kommen können. Man wird vielmehr zur weiteren Annahme gezwungen, 
dass das Zusammenwirken der Darmbakterien auch an der Verdauung und 
an der Ernährung selbst, in einer bisher allerdings noch nicht genügend er- 
forschten Weise direkt oder indirekt beteiligt ist. 


Endlich sprach noch Herr Voigt (Hamburg) „Ueber die Verwendung 
der Kaninchen zur Gewinnung des Kuhpockenimpfstoffes“. 

Der dem rasierten Kaninchenrücken aufgestrichene, dem Menschen oder 
dem Rinde entnommene Kuhpockenimpfstoff veranlasst im Laufe von 3 Tagen 
eine etwas verschiedene Reaktion. Schwächlicher Impfstoff ruft nur eine kon- 
fluierende Rötung hervor, die zu einer Abschilferung führt; stärkerer Impfstoff 
veraulasst die Bildung von Papeln, welche zu dicken Borken werden. Zur 
Entwickelung von eigentlichen Pusteln kommt es kaum. 

Wie der Impfstoff kräftig entwickelter Kalbspusteln kräftiger wirkt als 
ein Impfstoff, welcher schwächlichen Kalbspusteln entstammt, so besitzt anch 
ein aus kräftigen Papeln gewonnener Kaninchenimpfstoff oder Lapine eine 
grössere Wirksamkeit als eine aus schwächlicher vaceinaler Entzündung hervor- 
gegangene Lapine. 

Wird der kräftig entwickelte Impfstoff eines Kaninchens dem am 3. oder 
4. Tage p. v. getöteten Tiere mit der Kurette entnommen, mit dem gleichen 
Teile physiologischer Kochsalzlösung und der doppelten Menge Glycerins ver- 
rieben und gesiebt, so erhält man eine Emulsion, welche während mehrerer 
Wochen wirksam bleibt und zur Impfung von 100 oder mehr Menschen ans- 
reicht. Das Kaninchen liefert also viel mehr Impfstoff, als zu einer Impfung 
erforderlich ist und kann aus diesem Grunde zur Herstellung von Impfstoff 
verwendet werden: zudem ist das Kaninchen ein billiges und sehr bequem 
verwendbares Impftier, das schon nach 3 Tagen erntereifen Impfstoff liefert, 
während die Abimpfung am Kalbe nicht vor dem 4. Tage erfolgen kann. 

Der dem Kaninchen aus papelförmig entwickelter Vaccine entnommene 
und in geeigneter Weise zubereitete Impfstoff ruft, dem Menschen übertragen, 
Impfpusteln hervor, welche sich durch reizlosen Verlauf auszeichnen. Ein 
solcher Impfstoff wirkt so haftsicher, dass man darauf wird rechnen können, 
ihn als Impfstoff der Bevölkerung auszunutzen. 

Heisses Sommerwetter schadet dem Gedeihen wirksamer Lapine kaum, 


77. Versammlung Deutscher Naturforscher und Aerzte. 111 


wobl aber der wirksamen Entwickelung der Vaccine am Rinde. Daher wird 
in den heissen Ländern, zumal in heissen Ländern mit sparsamen Rindvieh- 
stande, die Lymphegewinnung unter Mitbenutzung der Kaninchen sich leichter 
bewerkstelligen lassen als bisher. . 

Auch der Impfstoffgewinnung in Deutschland nützte der Gebrauch der 
Kaninchenlymphe wiederholt zur Aufkräftigung eines schwächlich gewordenen 
Stammes der Kalbslymphe. 

Bedenken gegen die Verwendung der Lapine dürften nicht erhoben werden, 
denn der Arzt vermag die Gesundheit der inneren Organe eines zur Lymphe- 
gewinnung benutzten Kaninchens sofort selbst festzustellen, während diese 
Feststellung au den geimpften Rindern erst nach der Ausschlachtung der 
Tiere erfolgen kann, also umständlicher ist. 

Auch die im Darm und der Leber der Kaninchen nicht seltenen Coceidien 
dürften keine Kontraindikation gegen die Verimpfung der Lapine abgeben, 
weil die etwa zufällig in die Glycerinemulsion gelangten Sichelkeime der 
Coeeidien im Glycerin alsbald zu Grunde gehen würden. 

Nach allem Obigen bietet uns die Lapine einen sehr wertvollen, billigen, 
leicht zu beschaffenden Impfstoff, der sich, als zur Aufkräftigung schwäch- 
licher Kalbsvaceine tauglich, bewährt”hat, der auch zur Impfung der Menschen 
brauchbar erscheint, dessen Verwertung und Anwendung seitens der Regierungen 
allerseits sachverständiger Erprobung bald überwiesen und ausgestaltet werden 
sollte, um diese Verwertung dort, wo sie nützlich erscheint, zu ermöglichen. 


Auch unter den übrigen Referaten der pädiatrischen Abteilung be- 
landen sich einige, die für die Hygieniker von grossem Interesse sind. 

Vor allem gilt dies dem Doppelreferate der Herrn Selter (Solingen) und 
Göppert (Kattowitz) „Ueber die Stellung der Kinderheilkunde zur 
Schulhygiene*.  ' 

Herr Selter hatte seinem Referate „Ergebnisse und Leistungen des 
Schularztsystems“ folgende Gedanken zu Grunde gelegt: 

Die Einstellung der Schulneulinge nach Massgabe der ärztlicherseits fest- 
zustellenden körperlichen und geistigen Schulreife und unter Berücksichtigung 
der ärztlicherseits zu konstatierenden Gebrechen ist in allen ärztlich beauf- 
sichtigten Schulsystemen zwar eingeführt, aber nicht vollkommen genug ge- 
handhabt und ausgebildet. Die schulärztlichen Sprechstunden und Revisionen 
bisherigen Musters ermöglichen nur einen oberflächlichen Ueberblick über die 
gesundheitlichen Verhältnisse der Schule und Schüler und sind als Mittel zur 
Bekämpfung der Infektionskrankbeiten nicht geeignet. Die direkte hygienische 
Einwirkung des Schularztes auf die Schüler und die direkte Teilnahme an 
der bygienischen Gestaltung des Unterrichtes und der Unterrichtsgegenstände 
ist durch das bisherige Schularztsystem nicht erreicht. Die jetzige schul- 
ärztliche Kontrolle kann die notwendige Vermehrung und Verbesserung der 
wissenschaftlichen Grundlage für die Schülerbeurteilung in ausreichendem 
Masse nicht erzielen. Die schulärztliche Beaufsichtigung (Wiesbadener Muster) 
bedeutet jedoch eine wesentliche Verbesserung gegenüber der früher gänzlich 
fehlenden Kontrolle. 


112 77. Versammlung Deutscher Naturforscher und Aerzte. 


Herr Göppert (Kattowitz) führte etwa folgendes aus in seinem Korreferate: 
„Ueber Art und Ziel der Tätigkeit des Schulkinderarztes“. 

Die Aufgabe des Schularztes erstreckt sich der Schule gegenüber auf 
Feststellung der körperlichen und geistigen Schulfähigkeit und auf eine 
sanitätspolizeiliche Ueberwachbung der Schüler. Dem Schüler gegenüber muss 
sich seine Tätigkeit im wesentlichen auf Feststellung des Krankseins, nicht 
der Krankheit beschränken. Zur Aufklärung der zahlreichen Fälle chronischen 
Nichtgedeihens und der Frühformen der Tuberkulose ist er nicht imstande. 
Wissenschaftlich kann er nur grob statistisches Material liefern, von dem 
jedoch namentlich die Angaben über Gewicht und Körpermasse von Bedeutung 
sind. Da die Schule das einzige Gegengewicht gegen die zunehmende nervöse 
Haltlosigkeit bietet, soll der Schularzt jede Bestrebung unterstützen, die 
erziehliche Wirkung der Schule durch Verkleinerung der Klassen und 
Iodividualisierung des Unterrichtes zu vertiefen. Es muss versucht werden, 
die Institution des Schularztes zu benützen, um auf die allgemeine Volkser- 
ernährung einzuwirken. 


Darauf demonstrierte Herr Auerbach (Berlin) einen Milchpasteurisie- 
rungs- bezw. Sterilisierungsapparat für Milchküchen in Säuglings- 
heimen u. s. w., der wegen der geringen Raumbeanspruchung und seiner be- 
quemen und raschen Erhitzung sowie unmittelbar folgenden Kühlung der Milch 
Beachtung verdient. Die schnelle Kühlung ist erforderlich, weil pasteurisierte 
und nur teilweise sterilisierte Milch bei Temperaturen von 18% C. aufwärts 
eine geringe Haltbarkeit besitzt. Der vorgeführte Apparat, der 83 Viertelliter- 
flaschen aufnimmt — kleinere mehr — beansprucht nicht viel mehr als 1/; qm 
Bodenfläche, ist leicht transportabel und wird an die Gas- und Wasserleitung 
angeschlossen. Die Vorzüge des Apparates bestehen, abgesehen von der so- 
liden Ausführung, in der Herstellung einer sehr grossen Heizläche durch 
Führung der Heizgase nicht nur an den Boden, sondern auch an die mit einem 
eisernen Isoliermantel umgebenen Seitenflächen, in der Verwendung zahlreicher, 
einzeln abstellbarer Rapid-Gasbrenner und in der beyuemen und sicheren Me- 
thode der Kühlung der Milch ohne Flaschenbruch. Unmittelbar nach der 
Sterilisierung der Milch, welche im Wasserbade erfolgt und 25 Minuten nach 
der Entzündung der Gasflammen beendet ist, lässt man aus der Leitung durch 
Oeffnen eines am Boden befindlichen Dreiwegehabns das kalte Wasser zu- 
strömen; dieses mischt sich dabei teilweise mit dem heissen und entzieht den 
Milchflaschen die Wärme. Vermittels eines Ueberlaufrohres, welches bis zur 
Halshöhe der Milchflaschen reicht, fliesst oben eben so viel warmes Wasser 
ab, als unten einströmt. Das fliessende Wasserbad kühlt die Milch in 5 


Minuten. 
(Schluss folgt.) 


Verlag von August Hirschwald, Berlin N.W. — Druck von L. Schumacher in Berlin N. 24. 


Hyeienische Rundschau. 


Herausgegeben 
von 


Dr. Carl Fraenkel, Dr. Max Rubner, Dr. Carl Günther, 


Geh. Med.-Rat, Prof. der Hygiene. (seh. Med.-Rat, Prof. der Hygiene Geh. Mod.-Rat, a.o.Prof. der Hygiene 
in Hallo a'S. in Berlin, in Berlin. 


L Jahrgang. 


Berlin, 1. Februar 1906. 8. 


(Aus dem hygienischen Institute der Universität Göttingen. 
[Direktor: Prof. E. v. Esmarch.]) 
Die Beeinflussung der Lebensdauer von Krankheitskeimen im Wasser durch 
Protozoen. 
Von 
Dr. Fehrs, 


ehemal. Assistenten des Instituts, jetzigem Assistenten an der Kaiserl. 
bakteriol. Anstalt in Metz. 


Die Frage nach der Lebensfähigkeit von Krankheitskeimen im 
Wasser, nach der Dauer der Infektionsgefahr eines verseuchten Wassers hat eine 
grosse Anzahl von Forschern beschäftigt!). Die Untersuchungen einiger derselben 
beschränkten sich darauf, die Lebensdauer pathogener Keine in sterilisiertem 
und destilliertem, in Glasgefässen aufbewahrtem Wasser festzustellen; andere 
verwandten bei ihren Versuchen Rohwasser verschiedener Herkunft, Brunnen-, 
Leitungs-, Flusswasser. Wieder andere suchten durch Aquariumsversuche den 
natürlichen Verhältnissen möglichst nahe zu kommen. Einige, darunter Emme- 
rich?), inficierten Brunnen und stellten fest, wie lange sich die eingesäten 
Keime in denselben nachweisen liessen. Im vorigen Jahre veröffentlichten 
Jordan, Russel und Zeit?) Versuche, bei denen sie sich, um die beim Ge- 
brauche von Glasgefässen entstehenden Fehler zu umgehen, aus Celloidin und 
aus pflanzlichem Pergament angefertigter Säcke bedienten; diese Säcke be- 
schickten sie mit dem zu untersuchenden inficierten Wasser uud tauchten sie 
dann in diejenigen Flüsse, Seen, Drainagekanäle, deren Wasser dem Inhalte 
der Säcke entsprach. Dass’die Resultate aller dieser Versuche weit von ein- 
ander abweichen, kann nicht Wunder nehmen, wenn man die verschieden- 
artigen Versuchsbedingungen berücksichtigt und die zahlreichen Faktoren ins 


1) Näheres siehe D. Konradi, Centralbl. f. Bakt. Bd. 36. S. 203. und Kolle 
und Wassermann, Handb. der pathog. Mikroorganismen. Bd. 1. S. 192. 

2) Emmerich u. Pinto, Arch. f. Hyg. 1859. Bd. 9. 

3j Jordan, Russel and Zeit, Tho longevity of the typhoid-bacillus in water. 
Tte Journ. of infect. diseases. 1904. Vol. I. No. 4. p. 640—659. 


114 Fehrs, 


Auge fasst, welche sich bei diesen Versuchen als wichtig für das Leben der 
Bakterien im Wasser herausgestellt haben. Schon bei Versuchen mit destilliertem, 
in Glasgefässen verwahrtem Wasser sind die Verhältnisse verwickelt infolge 
unübersehbarer oligodynamischer Einflüsse, osmotischer Wirkungen, individu- 
eller Eigentümlichkeiten des eingesäten Kulturstammes u. s. w. Bei Rohwasser 
und unter natürlichen Verhältnissen müssen die Dinge natürlich noch viel 
komplicierter liegen; Verschiedenheit des Gehaltes an gelösten Stoffen, an 
organischer Substanz, die Konkurrenz der Wasserbakterien, der Einfluss der 
Temperatur und der Belichtung, die Bewegung des Wassers, die Anwesenheit 
niederer und höherer Pfanzen und Tiere können eine Rolle spielen und sind 
auch von verschiedenen Autoren für die Vernichtung der pathogenen Keime 
verantwortlich gemacht worden. Ferner darf man bei Beurteilung wenigstens 
der älteren Versuchsergebnisse nicht vergessen, dass die Hülfsmittel der bak- 
teriologischen Diagnose früher bedeutend unvollkommener gewesen sind als 
heute und dass die damals bekannten Unterscheidungsmerkmale zur genauen 
Identificierung der Typhusbacillen oder Choleravibrionen keineswegs ausreichten. 

Auf einen bisher bei der Betrachtung der Lebensbedingungen von Krank- 
heitskeimen im Wasser noch nicht hinreichend gewürdigten Faktor lenkte 
Emmerich gelegentlich seines Berichtes über die Beurteilung des Wassers 
von bakteriologischem Standpunkte, welchen er auf der 3. Jabresversammlung 
der freien Vereinigung deutscher Nahrungsmittelchemiker in Stuttgart am 
14. Mai 1904 erstattete, die Aufmerksamkeit!). Nach Emmerich sind es die 
in jedem, auch dem reinsten Wasser vorkommenden Protozoen, welche die 
Vernichtung pathogener, in ein Wasser gelangender Keime so schnell und 
gründlich besorgen, dass eine Infektionsgefahr völlig ausgeschlossen ist. Er 
fand bei seinen zusammen mit Gmund ausgeführten Untersuchungen folgendes: 
Bei Zusatz von Typhusbacillen zu Ruhrwasser in einer Menge von 21 600 000 
Keimen auf 1cem waren nach 105 Stunden, bei Zusatz von 10 543 000 Keimen 
auf 1 ccm Mangfallleitungswasser (Münchener Wasserleitung) nach 48 Stunden 
Typhusbacillen nicht mehr nachzuweisen; bei Zusatz von 24 300 000 Keimen 
pro ccm zum Wasser aus dem Brunnen des Münchener hygienischen Institutes, 
welches sehr reich an Protozoen, namentlich auch Flagellaten, sowie Infusorien, 
Cyklopiden ist, war (die Wasserproben wurden bei 21°C. aufbewahrt) der 
Keimgehalt nach 48 Stunden bereits auf 2885 714 Keime zurückgegangen. 
Dass diese Wirkung den Protozoen und nicht der Konkurrenz der Wasserbak- 
terien zuzuschreiben ist, hält Emmerich für erwiesen auf Grund seiner Be- 
obachtung, dass in sterilisiertem Wasser innerhalb der oben genannten Zeit- 
räume eine wesentliche Verminderung eingesäter pathogener Keime nicht 
stattfindet, während ein Wasser, welches man so lange hat stehen lassen, bis 
es keimfrei ist, trotzdem noch Typhusbacillen abtötet. Emmerich beob- 
achtete, wie die Typhusbacillen von den Flagellaten aufgefressen und verdaut 
wurden; in einigen Abbildungen von — nach Giemsa gefärbten — Präpa- 
raten, welche !/; Stunde nach Einsaat von Typhusbacillen angefertigt wurden, 


1) Emmerich, Die Beurteilung des Wassers von bakteriologischem Standpunkt 
Zeitschr. f. Untersuchg. d. Nahrgs.- u. Genussm. 1904. Bd. 8. H. 1. 


Die Beeintlussung der Lebensdauer von Krankheitskeimen im Wasser u.s.w. 115 


zeigt er Flagellaten, welche mehr oder weniger zerfallene Keime einschliessen. 
Als Grund dafür, dass gerade die pathogenen Keime der Vernichtung anheim- 
fallen, während die Wasserbakterien derselben entgehen, führt E. die den 
letzteren allein eigene, auf ihre bescheidenen Nahrungsbedürfnisse sich grün- 
dende Fähigkeit, sich im Wasser zu vermehren, ins Treffen. 

Es erübrigt sich wohl, auf Emmerichs hieraus gezogene Schlussfolgerung, 
Infektionen durch Trinkwasser seien unmöglich, näher einzugehen, denn auch 
bei einer so beschränkten Lebensdauer, wie sie E. festgestellt hat, ist die 
Möglichkeit einer Infektion des Menschen nicht auszuschliessen. Dem Ein- 
wande, in homöopatbischer Verdünnung genossen seien Typhusbacillen un- 
schädlich, sind die epidemiologischen Erfahrungen entgegenzuhalten. Die Ver- 
suche E.’s sind also nicht imstande, die Annahme der Verbreitung von Seuchen 
durch inficiertes Wasser zu widerlegen. 

E.’s Beobachtung, dass Krankheitskeime bereits nach ganz kurzer Zeit im 
Wasser nicht mehr nachzuweisen sind, deckt sich mit den Resultaten der Ver- 
suche von Karlinski!), Emmerich und Pinto (Il. c.), welche Brunnen mit 
grossen Mengen Typhus-, Cholera- oder Anthraxkulturen inficiert hatten; nach 
36—72 Stunden waren die pathogenen Keime verschwunden. Auch Jordan, 
Russel und Zeit konnten in ihren oben erwähnten Versuchen Typhusbacillen 
mr 4—5, Paratyphusbacillen bis 3 Tage und Ruhrbacillen (Shiga) 1—3 Tage 
im Michigansee, dem Chicagofluss und dem Chicagoer Drainagekanal nach- 
weisen. Weniger gut stimmen zu E.’s Beobachtungen die epidemiologischen 
Erfahrungen, die Befunde von Typhusbacillen und Choleravibrionen im Wasser 
bezw. im Bodenschlamme von Wasseransammlungen, ferner die Beobachtungen 
einer Reihe von Forschern, welche in künstlich inficiertem Rohwasser Cholera- 
und Typhuskeime wochen- und monatelang nachweisen konnten. Bei den 
Aquariumsversuchen von Wernick e?) erhielten sich Cholerakeime im Schlamm 
3 Monate lang entwickelungsfäbig. Hoffmann?) wies in einem Zimmeraqua- 
rium, das Wasserpflanzen, Schnecken, kleine Fische enthielt, die eingeimpften 
Typhusbacillen mit Hilfe der Koffeinanreicherungsmethode 4 Wochen lang im 
Wasser und 8 Wochen lang im Bodenschlamm nach. D. Konrädi®) teilte 
mit, dass Typhusbacillen sogar 542 Tage in gewöhnlichem Wasser am Leben 
geblieben seien. Dass Konrädi so ausserordentlich lange entwickelungsfähige 
Typhusbacillen nachweisen konnte, erklärt sich wohl aus einer beim Zusatz 
der Bakterien stattgehabten Mitübertragung grösserer Mengen Nährmaterial. 
Konrädi brachte nämlich die pathogenen Keime in Organteilen oder mit Eiter 
ins Wasser; aus der Beschreibung seiner Versuche mit Reinkulturen ist nicht 
ersichtlich, welche Mengen er zusetzte und wieviel Nährmaterial dabei mitein- 
geführt wurde. 


l) Karlinski, Arch. f. Hyg. Bd. 9. S. 113 u. 432. 

2; Wernicke, Ueber die Persistenz der Choleravibrionen im Wasser. Diese 
Feitschr. 1895. S. 736. 

>) Hoffmann, Untersuchungen über die Lebensdauer von T’yphusbaeillen im 
Ayuariumwasser. Arch. f. Hyg. Bd. 52. H. 2. 

4) Konrädi, Ueber die Lebensdauer pathogener Bakterien im Wasser. Centralbl. 
f. Bakt. Abt. 1. Bd. 36. No. 2. S. 203. 


9i 


116 Fehrs, 


Ein wesentlicher Grund für die auffallende Verschiedenheit der Resultate 
der einzelnen Autoren und die dadurch bedingte Unsicherheit in unseren An- 
schauungen über die Lebensverhältnisse pathogener Keime im Wasser scheint 
mir in dem Umstande zu liegen, dass besonders bei den neueren Untersuchun- 
gen fast lediglich dem Schicksale der pathogenen Keime Aufmerksamkeit ge- 
widmet wurde, während die dieses Schicksal herbeiführenden Faktoren zu wenig 
berücksichtigt und im einzelnen studiert wurden. Zu diesen letzteren gehören 
die Protozoen, auf die Emmerich aufmerksam machte; sie bilden den Gegen- 
stand der folgenden auf Veranlassung von Herrn Prof. v. Esmarch unter- 
nommenen Versuche. 

In seinem Referate hat Emmerich leider die genaue Versuchsanordnung 
nicht angegeben. Es geht nur soviel aus seinen Schilderungen hervor, dass 
er bestimmte Mengen von Rohwasser und von sterilisiertem (1 stündiges Er- 
hitzen im strömenden Dampfe) Wasser mit einer kleinen Oese Typbusbacillen 
inficierte, die Wasserproben bei 210 C. aufbewahrte, sofort nach Zusatz der 
Typhusbacillen und dann nach gewissen Zeiträumen die Anzahl der pathogenen 
Keime feststellte. 

Es ist ausserordentlich mühselig und zeitraubend, in einem Wasser, welches 
rasch sich vermehrende Wasserbakterien enthält, nach Verlauf von Stunden 
oder gar Tagen die Zahl der pathogenen Keime gesondert festzustellen. Selbst 
bei Anwendung starker Verdünnungen und mikroskopischer Feststellung der 
Keimart ist man Täuschungen unterworfen, so dass auch für an sich keimarme 
Wässer das Resultat höchst unsicher bleibt, da man unmöglich jede einzelne 
verdächtige Kolonie mit allen zur Typhusdiagnose gehörenden Hilfsmitteln 
prüfen kann. Bei Wässern aber mit einem Keimreichtum, wie er z. B. in 
offenen Flussläufen in der Regel auch an den reinsten Stellen vorhanden zu 
sein pflegt, wird eine auch nur annähernd richtige Feststellung der Zahl der 
eingesäten Keime zur Unmöglichkeit. Aus diesem Grunde muss ich Zweifel 
an der Genauigkeit der zahlenmässigen Angaben E.’s über die Befunde von 
Typhusbacillen im Rohwasser hegen. lch stand nach einer Anzahl müh- 
seliger Versuche von der quantitativen Feststellung ab, zumal ein rein quali- 
tatives Verfahren Klärung der Frage erwarten liess. 

Den Nachweis der Typhusbacillen in den Wasserproben lieferte ich folgender- 
massen. Nach gehörigem Umschütteln der Proben beschickte ich Drigalski- 
platten mit 4—5 Oesen des Wassers und prüfte am folgenden Tage die ver- 
dächtigen Kolonien auf ihre Agglutinationsfähigkeit mittels eines in Verdünnung 
1: 100 verwandten Serums, welches einem Kaninchen entnommen war, das mit 
dem bei den Untersuchungen verwandten Typhusstamme immunisiert war; der 
Titer des Serums war 1:1000. Gelang so der Nachweis von Typhusbacillen 
nicht, so nahm ich 1 cem zur Aussaat. Blieb auch dann das Resultat erfolg- 
los, so stand ich von weiteren Versuchen ab. Ich beschränkte mich auf die 
Anwendung des gewöhnlichen Plattenverfahrens nach Drigalski-Conradi 
mit Rücksicht auf die anerkanntermassen guten Resultate desselben und in der 
Erwägung, dass etwaige Fehler, welche durch das Nichtbenutzen von Anreiche- 
rungsmethoden entstehen konnten, bei vergleichenden Versuchen, um die es 


Die Beeinflussung der Lebensdauer von Krankheitskeimen im Wasser u.s.w. 117 


sich hier fast durchweg handelt, weniger ins Gewicht fallen, weil sie ja beide 
Seiten in gleicher Weise betreffen. 

Der Nachweis der Choleravibrionen geschah nach — nötigenfalls wieder- 
holter — Anreicberung mit Peptonwasser durch Gewinnung von Reinkulturen 
von Agar oder dem von Hirschbruch!) für Cholerabakterien angegebenen 
Nährboden und Prüfung derselben mit dem Mikroskop und mit Hilfe der 
Nitrosoindolreaktion. Es wurden 3 Oesen bezw. 0,5—1 ccm des zu prüfenden 
Wassers zur Anreicherung in Peptonwasser übertragen oder bei negativem 
Ausfalle 50 ccm der Proben mit konzentriertem Peptonwasser versetzt. Da in 
den untersuchten Wässern Vibrionen, welche zu Verwechselungen hätten führen 
können, nicht vorhanden waren, so wurde von weiteren diagnostischen Hilfs- 
mitteln (Agglutination, Pfeifferscher Versuch) Abstand genommen. Die Auf- 
bewabrung der beschickten Wasserproben fand bei Lichtabschluss und Zimmer- 
temperatur statt. 

Zunächst musste ich mich naturgemäss von der Richtigkeit der Behaup- 
tung E.’s überzeugen, dass in jedem natürlichen Wasser Protozoen vorhanden 
sind. Nach Emmerichs Angaben setzte.ich verschiedenen, steril entnommenen 
und in sterilen Gefässen aufbewahrten Wasserproben — Leitungs-, Brunnen- 
und Flusswasser —, in welchen mir der Nachweis von Flagellaten zunächst 
nicht gelang, je eine kleine Oese Typhusbacillen zu. Nach 6—9 Tagen hatte 
bereits eine derartige Anreicherung der Flagellaten stattgefunden, dass in jedem 
Tropfen mehrere Exemplare von Flagellaten ohne weiteres nachzuweisen waren. 
Ich fand wie E. zwei Arten von Flagellaten, welche ich auch als Bodo saltans 
und Bodo ovatus ansprechen möchte. Zu dem gleichen Resultate kam ich, 
wenn an Stelle der Typhusbacillen Choleravibrionen eingesät wurden. Die 
Leitungswässer der Städte Göttingen, Lauterbach a. H., Metz, 4 Brunnenwässer 
(aus Göttinger Brunnen), sowie das Wasser des Leineflusses wurden in dieser 
Richtung geprüft; es fand sich für alle 8 Wässer die Angabe E.’s, dass in 
jedem natürlichen Wasser Flagellaten vorhanden seien, bestätigt. Die che- 
mische Zusammensetzung und den durchschnittlichen Keimgehalt (in 1 ccm) 
dieser Wässer, soweit sie auch zu den weiteren Untersuchungen verwandt 
wurden, macht die Tab. 1 ersichtlich. 

In Präparaten, welche ich !/, Stunde und länger nach Einsaat von Typhus- 
bacillen bezw. Choleravibrionen in Wasser, welches reich an Flagellaten war, 
anfertigte und nach Giemsa färbte, konnte auch ich, freilich nicht so massen- 
haft wie E., im Leibe der Flagellaten Einschlüsse nachweisen, welche man als 
mebr oder weniger in Zerfall begriffene Bakterien ansprechen konnte. 

Um nun zu ermitteln, ob den Fiagellaten wirklich die ihnen von E. zu- 
geschriebene einschneidende Rolle bei dem Untergange pathogener Keime zu- 
falle, beschickte ich Rohwasser verschiedener Herkunft (Göttinger und Lauter- 
bacher Wasserleitung, Brunnen des hygienischen Institutes, drei weitere Göttinger 
Brunnen, Leine) mit Typhus- bezw. Cholerabakterien, stellte nach einigen Tagen 
die Anwesenheit von Flagellaten fest und orientierte mich durch in gewissen 


1) Hirschbrach u. Schwer, Bemerkungen über feste Nährböden zum Zwecke 
der Choleradiagnose. Centralbl. f. Bakt. Abt. I. Bd. 36. No. 10 S. 144. i 


10 


118 . Fehrs, 


100 cem 


Trockenrück- 
stand im Liter 
Härte (Deutsche 
Härtegrade) 
Chlorgehalt im 
Liter 
Sauerstoffver- 
brauch pro Liter 
Salpeter- 
säure 
Ammoniak 


Göttinger Leitungs- | 675 mg| 23,5° | 13,5 mg |07 mg Spur | 0 | 0 0 
wasser ; j ! | 
Leitungswasser der | 110 mg! 5° | 11,5 mg 1,732 mg geuliehe Spur; O ; 0 
Stadt Lauterberg | al | 
a. Harz 
Brunnen I 2313 mg| 37,5% | 19,3 mg |4,24 mg | kräftige | + Mo 0 
Brunnen II 2018 mg | 29,5°| 17,4 mg |3,76 mg| do. a 0 
Brunnen III 0123,50 |45 mg [422 mg. do. = 0 
Brunnen des hygien. | 816 mg | 22,80 49 mg |3,12 mg schwach.) 4 foz m + 
| 


Institutsi.Göttingen 


Zeiträumen auf die oben geschilderte Weise vorgenommene Untersuchungen 
über das Vorhandensein oder Fehlen der eingesäten pathogenen Keime. So 
konnte ich, wie Tabelle 2 zeigt, Typhusbacillen bis zum 20., Choleravibrionen 


Tabelle 2. 


Typhusbacillen Choleravibrionen 
Zahl der- | Zahl der- | 
100 ccm selben so- noch nach- nicht mehr] selben so- inoch nach- nicht mehr 
fort nach | weisbar |nachweis-| fortnach | weisbar | nachweis- 
d.Einsaat am? | bar am? | d.Einsaat | am? bar am? 
l | 
Göttinger Leitungs- [30 000 000, 7. Tag | 13. Tag 30.000 000: — | 4 Tag 
wasser ji 
Lauterberger Lei- |15000000 5. „ |13. „ [15000 000! — | Or 
tungswasser ! | ! 


Brunnen 1 15 000 000; 4. 8. 15000 000, 4. Tag 8. 


» » r 
Brunnen Il 15 000 000 "8. „ 12. „ [15000000 8. „ 128% 
Brunnen IH 15000000 4. „ 8. „ [150000001 4. „ DIRS 

Brunnen des hygien. [30 000 000 20. „ : 83. „ [30 000000, 10. „ | 24. „ 

Instituts | | | 


Leine 30000000; 6. . 13. „ 180000 oo| — OAS 
t 

bis zum 10. Tage nachweisen. In einer 2. Reihe von Versuchen verglich ich 
rohes und durch Kochen sterilisiertes Wasser mit einander und fand (Tab. 3), 
dass sich in dem letzteren Typhusbacillen bis zum 76. Tage, Choleravibrionen bis 
zum 52. Tage (weiter wurden die Beobachtungen nicht fortgesetzt) hielten, 
während in dem Rohwasser der Nachweis nur bis zum 20. (für Typhusbacillen) 
bezw. 10. Tage (Choleravibrionen) gelang. Durch diese Versuche war zwar 
die Tatsache des rascheren Unterganges eingesäter Krankheitskeime im Roh- 
wasser bestätigt, die Frage jedoch nicht geklärt, ob der Gehalt an Flagellaten 
das wesentliche Moment dabei ist; das Vorhandensein anderer Bakterien im 
Rohwasser und die Verschiedenheit in der chemischen Zusammensetzung bei 


Die Beeinflussung der Lebensdauer von Krankheitskeimen im Wasser u.s.w. 119 


Tabelle3. 


Typhusbacillen Choleravibrionen 
Zahl der- Zahl der- 

100 cem selben so- noch nach-|nicht mehr|selben so- noch nach-nicht mehr 
fort nach | weisbar |nachweis-| fort nach | weisbar | nachweis- 
d.Einsaat am? bar am? | d.Einsaat am? bar am? 

roh f 1kl.Oese | 20. Tag | 32. Tag _ —_ _ 
Göttinger | steril [en mephi 39, „| 46. „ — — — 
Leitungs- (gekocht) | kultur | 
wasser roh [30 000 000) 7. „ 13. „ 130.000 000° _ 4. Tag 
steril [30 000 000; 46. „ _ 30 000 000, 24. Tag Ho 
roh |30 000000) 6. „ 15. „ _ — _ 
Brunnen- steril [30 000 000| 76. „ 
ee: roh [30000000 20. „ 33. „ [80000000 10. Tag | 24. Tag 
g.Inst.) f steril |30 000000 60. „ | — [80000000 52. „ = 
roh ft kl. Oese Ty- Pe 13,2% = = = 
A husbouil- 
(stenn | pitau | 42, 
a roh 30000000) — |in „ = = _ 
Ser rob |15000000) 6. „ 13. „ = _ = 


rohem ui durch Kochen sterilisiertem Wasser durfte nicht ausser Acht ge- 
lassen werden. Ich verglich deshalb Rohwasser und steriles Wasser mit ste- 
rilem Wasser, dem auf die oben beschriebene Anreicherungsmethode nach 
Emmerich gewonnene Flagellaten künstlich zugesetzt waren. 

Tab. 4 zeigt nun, dass bei sonst ganz gleichen Versuchsbedingungen 
in den Wasserproben, welche Flagellaten enthalten, die Typhusbacillen und’ 


Tabelle 4 


Typhusbacillen Choleravibrionen 


Zahl der- Zahl der-| 
100 cem selben so- noch nach- nicht mehr] selben so- 'noch nach-Inicht mehr 
fort nach | weisbar | nachweis-[ fort nach | weisbar | nachweis- 
d.Einsaat; am? | ? |d.Einsaat am? bar am? 
Göttinger ( mb [80000000 7. Tag | 13. „ [30000000 — 4. Tag 
t steril [30 000 000, 46. „ ee 30 000 000) 24. Tag | 31. „ 
AUES steril u. [30 000 000, 13. „ 18. „ fšooo0000 — 6. „ 
wasser z g 
roh [30000000 20. „ | 33. „ [30000000 10. Tag | 24. Tag 
Brunnen- steril [30 000 000; 60. „ | = 30 000 000 52. „ = 
wasser steril u. 130 000 000; 19. „ | 32. „ [80 000 000 = = 
; Zusatz v. - 
byg. lust.) | Pisek- 
laton 


Choleravibrionen erheblich früher zu Grunde gehen als in dem von Protozoen 

freien Wasser, gleichgültig, ob das protozoenhaltige Wasser noch nebenbei 

andere Lebewesen wie die Wasserkeime enthält — Rohwasser — oder nicht — 

steriles Wasser + Flagellaten. Es muss also den Protozoen eine wesentliche 

Rolle bei der Vernichtung der pathogenen Keime zugewiesen werden. Selbst- 

verständlich ist damit nicht gesagt, dass sie allein den Untergang derselben 
107 


120 Fehrs, 


veranlassen. Bei unseren Versuchsbedingungen kommt neben der Wirksamkeit 
der Wasserbakterien nur noch die chemische Zusammensetzung des Wassers 
in Frage. In Tab. 2 sind chemisch recht verschieden zusammengesetzte 
(Tab. 1) Wässer mit einander verglichen. Unterschiede in der Lebensdauer 
der in sie eingesäten Typhus- bezw. Cholerakeime sind zwar vorhanden (Typhus- 
bacillen 4—20, Choleravibrionen 1—10 Tage nachweisbar), können aber auch 
durch einen verschieden grossen Gehalt an Flagellaten bedingt sein. Die 
chemische Zusammensetzung kann natürlich nur dann von Belang sein, wenn 
es sich nicht nur um eine Verschiedenheit an Stoffen handelt. welche für die 
betreffenden Krankheitskeime indifferent sind, sondern wenn die verglichenen 
Wässer verschiedenen Gehalt an Stoffen haben, welche für die eingesäten 
Keime different sind, sei es, dass sie entwickelungsfördernde oder -hemmende 
Eigenschaften besitzen. Finden die betreffenden pathogenen Keime für die 
Vermehrung günstige Bedingungen, so wird den Protozoen ihr Vernichtungs- 
werk sehr erschwert. Bolton!) hat nachgewiesen, dass die Lebensdauer 
patbogener Keime im Wasser bei Zufuhr auch nur geringer Mengen guter 
Nährstoffe erheblich verlängert wird. Dass in der Tiefe von Flüssen, im 
Schlamme derselben die Keime zuweilen sehr günstige Ernährungsbedingungen 
finden, lehrte uns die Feststellung Kochs, dass Choleravibrionen zur ständigen 
Flora des Schlammes mehrerer Flüsse gehören. Den Ausfall folgender von 
mir angestellter Versuche möchte ich auch mit dem grösseren Gehalte an 
Nährstoffen erklären. Zu 5cem Abwasser, welches an Flagellaten und Para- 
maecien sehr reich war, setzte ich 5 ccm einer Peptonwasserkultur von Cholera- 
vibrionen hinzu; noch nach 5 Tagen konnte ich Choleravibrionen nachweisen, 
am 7. Tage waren sie nicht mehr nachweisbar. In einem anderen Versuche 
fügte ich -zu Wasserproben (100 ccm), welche mit einer Aufschwemmung von 
Choleravibrionen (etwa 15—20 000 600 Keime) inficiert waren und von denen 
die eine durch Kochen, die andere durch Filtrieren keimfrei gemacht worden 
war, je 1 ccm eines Abwassers hinzu, das an Flagellaten und Paramaecien 
reich war; in der ersteren Probe konnten nach 6, in der letzteren nach 8 Tagen 
noch Choleravibrionen nachgewiesen werden, während am 12. Tage der Nach- 
weis derselben nicht mehr gelang. Es hielten sich also trotz sehr reichlicher 
Mengen Protozoen die Choleravibrionen verhältnismässig sehr lange. 

Dass chemische Veränderungen reiner Wässer, wie sie beim Sterilisieren 
durch Kochen oder beim Destillieren vor sich gehen, nur eine unbedeutende 
Rolle bei dem Untergange pathogener Keime spielen können, geht aus Tab. 5 
bervor. Das Göttinger Leitungswasser ist darin in rohem, destilliertem, ge- 
kochtem (die ausgefallenen Salze noch enthaltenden) und durch Berkefeldfilter 
filtriertem — also der chemischen Zusammensetzung nach dem Rohwasser ent- 
sprechendem, aber von Mikroorganismen befreitem — Zustande verglichen mit 
Wässern, welche in gleicher Weise vorbereitet, aber mit Flagellaten versetzt waren. 
Das Ergebnis dieser Versuche war, dass in den von Flagellaten freien Proben 
noch am 46. Tage (länger wurde die Beobachtung nicht fortgesetzt) Typhus- 


1) Bolton, Ueber das Verhalten verschiedener Bakterienarten im Trinkwasser. 
Zeitschr. f. Hyg. Bd. 1. S. 109. 


Die Beeintlussung der Lebensdauer von Krankheitskeimen im Wasser u.s.w. 121 
Tabelle5. 


Typhusbaeillen Choleravibrionen 
Zahl der- ! ! Zahl der- 
selben so-'noch nach-'nicht mehr] selben so- |noch nach- nicht mehr 
fort nach | weisbar |nachweis-| fort nach | weisbar |nachweis- 
d.Einsaat am? |bar am? |d.Einsaat am? bar am? 


100 cem 


} 
rob Bone 7. Tag | 13. Tag 30 000 000, 

gekocht [30000 000: 46. „ 30 000 000; 24. Tag | 31. 
destilliert |30 000 000 46. | — — — 
filtriert [|30 000 000 46. _ 30 000 000: 19. Tag 

3 j gekocht s4 15 000 000; 9. ; 16. Tag j15 000 000. — 

destilliert= = 115 000 000: 16. 111295 a u | Ze -= 
| filtriert zen 16. | 22. » [15000000 * 8. Tag | 12. Tag 


susues 


bacillen und bis zum 19. bezw. 24. Tage Choleravibrionen nachweisbar waren, 
wäbrend in den Flagellaten enthaltenden Proben der Nachweis der Typhus- 
bacillen nur bis zum 16., der der Choleravibrionen nur bis zum 8. Tage ge- 
lang. Da bei den Parallel-Versuchen -die sonstigen Versuchsbedingungen ganz 
gleich sind, kann die Ursache für die beschleunigte Vernichtung der Typhus- 
und Cholerakeime lediglich in der Anwesenheit der Protozoen liegen. Dass 
diese auch unter natürlichen Verhältnissen in derselben Richtung wirken 
werden, darf man wohl annehmen, selbstverständlich ohne damit zu sagen, 
dass sie allein den Untergang der pathogenen Keime herbeiführen. 

Nach dem Ergebnis meinerVersuche muss ich also den Angaben Emmerichs 
über die Mitwirkung der in jedem natürlichen Wasser vorhandenen Protozoen 
beim Vernichtungskampfe gegen Krankheitskeime im Wasser zustimmen. Die 
Promptheit der Vernichtung ist aber selbst bei Einsaat wesentlich geringerer 
Mengen pathogener Keime, als sie E. bei seinen Versuchen anwandte, keines- 
wegs stets so gross, wie sie E. beim Mangfallleitungswasser, bei dem Wasser 
des Brunnens des hygienischen Institutes in München und beim Ruhrwasser 
feststellen konnte. Emmerich geht also entschieden zu weit, wenn er den 
Beweis für erbracht hält, dass die Verbreitung von Seuchen durch Wasser 
unmöglich sei. Die Mengenverhältnisse der im Wasser enthaltenen Flagellaten 
mögen für die Schnelligkeit der Vernichtung in die Wagschale fallen. Jeden- 
falls spielen aber auch chemische Eigenschaften des Wassers, insofern sie den 
pathogenen Keimen mehr oder weniger günstige Ernährungsbedingungen bieten, 
eine nicht unwesentliche Rolle, wohl ebenso wie die vielartigen, unter natür- 
lichen Verhältnissen vorhandenen anderen Faktoren, deren genaueres Studium 
sicherlich zur Aufbellung des Dunkels und zur Klärung der Unsicherheit bei- 
tragen würde, welche zur Zeit noch unsere Anschauungen über das Verhalten 
pathogener Keime im Wasser beherrschen. 


Meinem sehr verehrten früheren Chef, Herrn Prof. Dr. E. v. Esmarch 
verfehle ich nicht auch an dieser Stelle für die Anregung zu der bevorstehenden 
Arbeit verbindlichst zu danken. 


122 Lehrkücher. 


Hiller A., Die Gesundheitspflege des Heeres. Ein Leitfaden für Offi- 
ziere, Sanitätsoffiziere und Studierende. Berlin 1905. August Hirschwald. 
XV und 406 Ss. 8°. Preis: 8 M. 

Das Buch, aus Vorlesungen des Verf.'s über Heeresgesundheitspflege für 
die Studierenden der Kaiser Wilbelms-Akademie hervorgegangen, gibt eine 
vortreffliche Darstellung des gegenwärtigen Standes der Militärhygiene in den 
deutschen Heeren. An geeigneten Stellen werden auch die Verhältnisse in 
den Heeren der übrigen europäischen Grossmächte zu Vergleichen herangezogen. 
Ein Vergleich mit der letzten zusammenfassenden Darstellung des Gegenstandes 
in dem 1896 vollendeten Grundriss der Militär-Gesundheitspflege von Martin 
Kirchner lässt erkennen, welche Fortschrtte die Hygiene im allgemeinen und 
diejenige des Militärs im besonderen in den letzten 10 Jahren gemacht hat. 
Wegen seiner Uebersichtlichkeit und klaren Anordnung ist das Buch besonders 
geeignet, zur Einführung in diesen Teil der Hygiene zu dienen und schnell 
Auskunft über bestimmte Fragen zu erteilen. Gut ausgewählte und meistens 
auch gut ausgeführte Abbildungen erleichtern das Verständnis. Dass einzelne 
Gebiete, auf denen der Verf. mit eigenen wissenschaftlichen Untersuchungen 
hervorgetreten ist (militärische Bekleidung, Hitzschlag), im Vergleich zu an- 
deren ziemlich ausführlich behandelt worden sind, ist leicht erklärlich. 

Der Stoff ist in 11 Kapitel gegliedert. Nach einer kurzen Einleitung 
über den Wert der militärischen Gesundheitspflege werden zunächst Ernäh- 
rung, Genussmittel, Kleidung und militärische Ausrüstung (Be- 
lastung des Soldaten und Trageweise des Gepäcks) besprochen. Bei den Ka- 
sernen werden die Anforderungen, die Bausysteme (Benutzung von Schlössern 
u. s. w., geschlossene Höfe, offene Höfe, zerstreute Bauart), das Mannschafts- 
zimmer, die Nebenräume, Waschvorrichtungen, Schlafräume, Baderäume und 
die Beseitigung der Abfallstoffe geschildert. Dann folgen vorübergehende 
Unterkunftsräume (Bürgerquartier, Baracken, Zelte, Arrest) und das La- 
zarett (Anforderungen, Bauweise, Baracken, Zelte). Hieran schliesst sich die 
Besprechung der Gesundheitspflege im inneren Dienst, zunächst bei der 
Rekrutenausbildung, die Wirkung des Dienstes auf die körperliche Entwicke- 
lung, die Reinlichkeit, die Gesundheitsstörungen bei Fussexerzieren, Maschieren, 
Gewehrübnngen und Schiessen, Turnen, Reiten, Baden, Schwimmen und Nacht- 
dienst; endlich folgen die Gesundheitsstörungen im äusseren Dienst, 
nämlich beim Marsch, namentlich Fusskrankheiten und Hitzschlag, bei Ge- 
fechtsübungen (Manöver) und im Lager (Biwak); bei letzterer Gelegenheit 
wird die Wasserversorgung und die Herstellung genussfähigen Wassers be- 
handelt. Das Schlusskapitel beschäftigt sich mit der Bekämpfung an- 
steckender Krankheiten und zerfällt in die frühzeitige Ermittelung, die 
Absonderung der Erkraukten und die Desinfektion. Globig (Berlin). 


Wasser. 123 


Jordan, Edwin 0., The Self-Purification of Streams. The Decennial 
Publications of the University of Chicago. Vol. 10. Chicago 1903. 

Verf. benutzt zum Nachweis der Selbstreinigung der Flüsse die 
quantitative Bestimmung des B. coli in ähnlicher Weise, wie es Petruschky 
und Pusch s. Z. angegeben haben. Da aber bei der Entnahme zahlreicher 
Wasserproben und Ausführung der dazu gehörigen vielen Verdünnungen eine 
jedesmalige Isolierung und genaue Identificierung des B. coli praktisch schwer 
durchführbar ist, so benutzt Verf. eine vereinfachte, praktisch seiner Ansicht 
nach genügend sicher arbeitende Metbode, welche sich der Fähigkeit des B. 
coli bedient, Traubenzucker zu vergären. Aus der Menge und der Zusammen- 
setzung des gebildeten Gases zieht Verf. seine Schlüsse auf das etwaige Vor- 
handensein des B. coli. Kontrolluntersuchungen ergaben, dass man mit dieser 
vereinfachten Methode in 85%, der Fälle richtige Resultate erhält. 

Mit dieser Methode konstatierte Verf. an einer grösseren Serie von Proben, 
dass der Gehalt an B. coli im Illinoisfluss von Chicago abwärts trotz der 
starken Verschmutzung des Flusses durch diese Stadt ständig und sehr er- 
heblich abnimmt. Da das B. coli im allgemeinen als widerstandsfähiger gilt 
als der Typhusbacillus, so schliesst der Verf. auch auf eine entsprechende 
starke Abnahme etwa in den Fluss eingeschwemmter Typhuskeime. 

Spitta (Berlin). 


Kaiser M., Ueber die Bedeutung des Bacterium coli im Brunnen- 
wasser. Arch. f. Hyg. Bd. 52. S. 122. 

Die Frage, ob und welche Bedeutung das Bacterium coli im Brunnen- 
wasser hat, ist trotz vieler Arbeiten, die diesen Gegenstand behandeln, noch 
nicht entschieden. Mit ihr hängt die Frage nach der eventuellen Ubiquität 
der Golibacillen zusammen. Während manche Forscher dem Bac.coli Ubiquität zu- 
schreiben und darum seinem Vorkommen im Wasser jede Bedeutung absprechen, 
erklären andere den Nachweis der Colibacillen im Wasser, namentlich wenn 
derselbe ein reichlicher ist, für das Zeichen einer Fäkalverunreinigung. 

Dem Verf. hat sich als Anreicherungslösung für B. coli besonders ein 
3proz. Heuinfus bewährt; er konnte bei Brunnen mit einem Keimgehalt von 
über 200 in 90°/, Colibacillen (typische -+ atypische) nachweisen, bei Brunnen 
mit einem Keimgehalt von 50—200 in 66,6°/,, bei Brunnen mit einem Keim- 
gehalt unter 50 in 26,9%/,. Er erklärt die Ansicht, dass typisches Bact. coli 
eder die Coliarten im Brunnenwasser allgemein verbreitet seien, für irrig; 
eine gewisse Wahrscheinlichkeit soll zu Gunsten der Verwertung des Bact. 
coli als Indikator für Fäkalverunreinigung sprechen. 

Hayo Bruns (Gelsenkirchen). 


Schuhmacher, Probeentnahmeapparate für Flussuntersuchungen mit 
besonderer Berücksichtigung der im Hamburger. hygienischen 
Institut in Anwendung befindlichen. Gesundh.-Ing. 1904. S. 418, 
434, 454 u. 497. 

Eine Zusammenstellung der für die sterile Entnahme von Wasser- 
proben für die bakteriologische Untersuchung angegebenen Apparate. Verf. 


124 ’ Klima. 


trennt zwei Hauptgruppen. Die eine benutzt als Schöpfgefäss Glas- 
röhren nach Pfublschem Prinzip (evakuierte sterilisierte Röhren), die 
andere gewöhnliche sterilisierte Flaschen. Die Oeffnung der ersteren 
in der gewünschten Wassertiefe erfolgt entweder durch Zug mittels Schnur 
(Zega, Miquel) oder durch Federvorrichtungen (Frankland, Kraus) oder 
durch Fallvorrichtungen (Sclavo, Praum, Russel, Bolley, Röttger). Bei 
der zweiten Gruppe erfolgt der Wiederverschluss der Flasche nach Oeffnung 
durch Federwirkung (Wyat, Hill, Malmejac, Friedrich, Meyer) oder 
ohne dieselbe (Bujard, Kruz, Goncalves, Chatteway, Müller, Dié, 
v. Esmarch). Besonderer Konstruktionen bei ihren Apparaten bedienen sich 
Sigsbee, Lepsius, Salomon und Hühnermann. 

Schliesslich beschreibt Verf. auch einige Schlammfängerapparate (Apparate 
von Heyroth, Russel, Zacharias u. a. m.). 

Für die Untersuchung des Elbwassers hat Dunbar einige Apparate kon- 
struiert, die im Hamburger hygienischen Institut in Gebrauch geblieben sind 
und sich auch bei der starken Strömung der Elbe und grösseren Tiefen dauernd 
bewährt haben sollen. S 

Für die physikalisch-chemische Untersuchung wird das Wasser aus 
der gewünschten Tiefe durch einen versenkten Schlauch heraufgepunipt. Das 
System kann vorher mit dem zu untersuchenden Wasser gespült werden. Für 
die bakteriologische Untersuchung dient ein Abschlagapparat mit verstell- 
barem Gläschenhalter und Aufschlagambos. Zur Gewinnung einwandfreier 
Grundproben aus der Elbe wird ein Apparat verwandt, bei welchem der 
Grund (Schlamm u.s. w.) durch plötzlich ausgelösten Wasserdruck in das 
Entnahmegefäss eingespült wird. Š 

Die Konstruktion aller genannten Apparate muss im Original nachgelesen 
werden. Spitta (Berlin). 


Bürker K, Die physiologischen Wirkungen des Höbenklimas. T. 
Die Thoma-Zeisssche Zählkammer. Die Gerinnungszeit des 
Blutes im Hochgebirge. Der Eisengehalt der blutbereitenden 
Organe und des Blutes im Hochgebirge. Arch. f. d. ges. Physiol. 
1904. Bd. 105. S. 480. 

Die Versuche wurden teils in Tübingen (314 m über dem Meer), teils im 
Sanatorium Schatzalp im Kanton Graubünden (1863 m über dem Meer) aus- 
geführt. Die Thoma-Zeisssche Zählkammer ist nach den Versuchen des 
Verf.'s unabhängig von dem Luftdruck; sie ist stets indirekt „Schlitzkammer“, 
da die Ränder des Deckglases nie an allen Stellen vollständig dicht aufliegen, 
so dass die von E. Meissen im Deckglas vorgeschlagenen Schlitze überflüssig 
sind. Unter der Luftpumpe ändert sich die Kammerhöhe nur im Momente des 
Auspumpens und Einströmens der Luft; der erhöhte oder berabgesetzte Luft- 
druck als solcher hat auf die Kammerhöhe keinen Einfluss. Auch Erwär- 
mung ändert den Kammerinhalt nur unwesentlieh. Bezüglich des Zählresul- 
tates ist es auch gleichgültig, ob die Newtonschen Streifen am Kammerrande 
trocken oder feucht erzielt werden, da sich im letzteren Falle die Kammerhöht 


Heizung. 125 


nor unwesentlich (etwa 0,3%/,) erhöht; dennnoch empfiehlt es sich nicht, die 
Streifen feucht zu erzeugen. Da selbst beim raschen Arbeiten infolge des 
Sedimentierens der in der Hayemschen Lösung suspendierten Blutkörperchen 
uogleichmässige, in der Mitte der Zählkammer dichtere, Verteilung der Blut- 
körperchen stattfindet, empfiehlt Verf. die Blutmischung bei zum grössten Teil 
bereits aufgelegtem Deckglase durch Kapillarität in den Kammerraum sich ein- 
saugen zu lassen. 


Die Gerinnungszeit des Blutes erfährt im Hochgebirge eine geringe ` 


Beschleunigung. 

Der Eisengehalt der Leber von Kaninchen (nach A. Neumann, Zeit- 
schr. f. physiol. Chem. 1902. Bd. 37. S. 115, bestimmt), welche aus dem 
Tieflande ins Hochgebirge gebracht wurden, steigt zunächst beträchtlich, sinkt 
dann immer mehr und mehr, um schliesslich nach 3 Wochen vermindert zu 
sein. Der Eisengehalt der Milz lässt keine regelmässigen Schwankungen 
unter denselben Verhältnissen erkennen. Der Eisengehalt des Blutes 
steigt zunächst, sinkt dann wieder, um schliesslich definitiv auzusteigen, wie 
es auch für den Hämoglobingehalt bekannt ist. Die schwankenden Literatur- 
angaben über den Hämoglobin- und Blutkörperchengehalt erklären sich daher 
wohl zum Teil dadurch, dass in ganz verschiedenen Phasen der Blutrevolution 
untersucht wurde. 

Das von der Leber abgegebene Eisen deckt etwas mehr als die Hälfte 
des zur Hämoglobinneubildung notwendigen Eisens, der übrige Teil des Eisens 
muss aus anderen Depots, wahrscheinlich aus dem Knochenmark, stammen. 

Wesenberg (Elberfeld). 


Weipert A. und H. Wolpert, Die Heizung. Berlin 1904. W. & S. Loewen- 
thal. 475 Ss. 8°, Preis: 13 M. 

Das Buch ist der vierte Band des in 4. Auflage erscheinenden Lehrbuches: 
Theorie und Praxis der Ventilation und Heizung. Der erste Band 
des Werkes (Preis: 12 M.) behandelt die Physikalisch-chemische Propädeutik 
mit besonderer Berücksichtigung der Ventilation und Heizung, der zweite 


Band (10 M.) die Luft und die Methoden der Hygrometrie und der dritte 


(15 M.) die Ventilation. Ein fünfter Band wird noch Anwendungen und Er- 
gänzungen nebst einem Gesamtregister bringen. 

Der vorliegende vierte Band enthält zwei Abschnitte, den ersten über 
beizungstechnische Grundlagen, den zweiten über Heizungsanlagen. 

Im ersten Abschnitt findet man das wichtigste über den Verbrennungs- 
prozess, den kalorimetrischen und pyrometrischen Effekt, die Reduktion und 
Dissociation der Verbrennungsprodukte, die Brennmaterialien und deren Heiz- 
werte, die Emission und Transmission der Wärme, die Arten und Werte der 
Heizflächen, die Feuerungsroste und Schornsteine. 

Im zweiten Abschnitt sind die einzelnen Heizungsverfahren beschrieben. 
Von der Einzelheizung sind behandelt: die Heizkamine und die Zimmer- 
öfen, und zwar namentlich die Mantelöfen. Von den Zimmeröfen sind unter 

11 


126 Bäder. Abfallstoffe. 


vielen anderen die Oefen von Wolpert, Meidinger und Winter, der 
Berliner Kachelofen, der amerikanische Füllofen, die Petroleum- und die 
Spiritusgasöfen behandelt. 

Von den Sammelheizungen werden besprochen: die Luftheizung, die 
Dampfheizung und die Wasserheizung mit ihren vielen Spielarten und den 
wichtigsten baulichen Einzelheiten. í 

Aus dem Gebiete der Gasheizung sind etwa 20, meist neuere Verfabren 
beschrieben. 

Zum Schluss folgen noch einige Arten der elektrischen Heizung. 

Die Kanalbeizung, d. h. die Heizung des Fussbodens oder auch der 
Wände, mit eingebauten Röhren wird in dem Buche auch für Wohnungen 
warm empfohlen. Eine neue technische Lösung dieser Heizungsart stellen die 
Verff. für den später erscheinenden letzten Band in Aussicht. In diesem Er- 
gänzungsband wird vermutlich noch einiges näher behandelt werden, was man 
hier vielleicht vermissen könnte, so z. B. Kostenvergleiche und Gütevergleiche 
zwischen den zur Zeit gebräuchlichsten Heizungsarten unter verschiedenen 
Verhältnissen der Praxis. 

Das Buch ist ein Lehrbuch und ist für den Lernenden geschrieben. Es 
soll „grundlegende Kenntnisse für das Verständnis der vorhandenen und das 
Ausdenken neuer Heizungseinrichtungen vermitteln“. Dies haben die Verff. 
namentlich durch die eingehende Behandlung der Grundlagen erreicht. An 
technischen Einzelheiten sind neben manchen alten Bauarten, die noch histo- 
risches Interesse haben, auch die wichtigsten Neuerungen im Bilde vorgeführt 
und beschrieben. In dieser Beziehung ist die neue Auflage gegenüber den 
früheren bedeutend erweitert; sie wird deshalb als Nachschlagewerk gute 
Dienste leisten. Imboff (Berlin). 


Giynn and Matthews, Bacteria in public swimming baths. Thompson 
Yates and Johnston Laboratories report. Vol. 5. (New Series). Part. II. p. 89. 
Verff. haben die Badeanstalten in Liverpool einer gründlichen Unter- 
suchung auf ihren Bakteriengehalt unterzogen und kommen nach ihren Er- 
mittelungen zu einer verhältnismässigen günstigen Beurteilung der dortigen 
Zustände. 

Namentlich morgens, wo noch wenige Besucher mit dem Wasser in Be- 
rührung getreten sind, finden sich sehr wenig Keime vor, und auch nach 
mebrstündiger Benutzung hält ihre Zahl sich in durchaus erträglichen Grenzen. 

C. Fraenkel (Halle a. S.). 


Schoofs F., L’cpuration des eaux résiduaires industrielles. Extrait 
de la Revue „La technologie sanitaire“. Louvain 1904. 27. pp. 

Nachdem Verf. die verschiedenen Ansichten registiert hat, welche in Be- 

zug auf den zu verlangenden Reinheitsgrad von Abwässern vor ihrer Einlei- 

tung in die Vorflut bestehen, und nachdem er die Methoden der physikalischen 


Abfallstoffe. 127 


und chemischen Abwasseruntersuchung besprochen bat, teilt er die Ergebnisse 
von Untersuchungen mit, welche er im hygienischen Laboratorium der Univer- 
sität Lüttich über die biologische Reinigung von Brennereiabwässern 
angestellt hat. Seine kleine Versuchsanlage repräsentierte einen Faulraum 
nit dabinter geschaltetem primärem und sekundärem Koksfüllkörper. 

Er schliesst aus seinen Versuchen, dass die genannten Abwässer der 
biologischen Reinigung einen gewissen Widerstand entgegensetzen, und dass 
für dieselbe die Vorbebandlung in Faulräumen von Vorteil ist. 

Spitta (Berlin). 


Schoefs F., Les eaux résiduaires des tanneries. Extrait de la Revue 
La Technologie Sanitaire. No. du 15 septembre 1904. 

Schoofs F., Les eaux résiduaires des Industries-Lainières. Extrait de 
la Revue La Technologie Sanitaire. No. du 15 octobre 1904. Louvain 1904. 

Der Verf. hat sich mit 2 Industrieabwässern beschäftigt, welche der 
Reinigung besondere Schwierigkeiten entgegenstellen, nämlich mit denjenigen 
der Gerbereien und der Woll- und Tuchfabriken. Beide enthalten grosse 
Mengen von organischen leicht zersetzlichen Stoffen, die zum Teil schon in 
Fäulnis begriffen sind, ferner Farbstoffe und nicht selten Infektionserreger 
ıMilzbrand, Rotz). In den Gerbereiabwässern kommen Gerbsäureverbindungen 
und unter Umständen Arsenverbindungen in Konzentrationen vor, die für 
Fische giftig sind; die Wollfabrikabwässer sind durch ihren Gehalt an eigen- 
tūmlichen Fetten ausgezeichnet. Der Verf. macht zunächst einige Angaben 
ais der Literatur über die Zusammensetzung beider Abwässer und über 
die Herkunft ihrer Bestandteile aus den Rohstoffen und den verschiedenen 
Stufen ihrer, Bearbeitung, dann führt er die wichtigsten früheren Berichte über 
bei ihnen angewandte Reinigungsverfahren, Rieselfelder, chemische Fällung 
und insbesondere die biologische Behandlung auf. Dies sind u.a. für die 
Gerbereiabwässer Arbeiten von Rideal, Tatton, Thudichum, Dibdin, 
burford und Reader Smith aus Leeds, Maidstone, Yeovil und anderen 
Orten in England, von Dunbar und Thumm aus Hamburg, für die Woll- 
fıbrikabwässer Arbeiten von Clark aus Massachusetts, von Campbell aus 
Huddersfield, von Richardson aus Bradford, von Malvoz, Prost und van 
lee und von Calmette und Rolants aus Verviers. 

Hierauf folgen die Berichte des Verf.’s über seine eigenen im Laufe des 
Sommers 1902 mit zweifachen Füllkörpern aus gröberem und feinerem Koks 
idie Korngrösse ist nur zum Teil angegeben) angestellten Versuche. 

Das von ihm untersuchte Gerbereiabwasser war trübe, dunkel gefärbt, 
och faulig und hatte neutrale oder alkalische, niemals sauere Reaktion. Es 
wurden damit zwei parallele Versuchsreihen angestellt, indem das Abwasser 
entweder unmittelbar den Füllkörpern zugeführt wurde oder vorher noch einen 
Faulraum durchlaufen musste. Die Beschaffenheit des Ablaufs aus dem ersten 
Fällkörper befriedigte nicht, er hatte noch Fäulnisgeruch und faulte nach. 
Dagegen fehlte dem aus dem zweiten Füllkörper ablaufenden Wasser der Ge- 
ruch meistens völlig oder fast ganz und sie faulten nicht mehr nach. Die 


11* 


128 Säuglingspflege. 


Bildung von Nitriten und Nitraten war genügend. Die Abnahme der Oxydier- 
barkeit betrug zwischen 16 und 83 v.H. und war in der Versuchsreihe mit 
dem Faulraum beträchtlicher als in derjenigen, wo dieser fehlte. Mit Eisen- 
chlorür entstanden durch Verbindung mit Gerbsäure im Rohabwasser und im 
Abwasser des Faulraums schwarze Niederschläge oder schwarze Färbungen, 
im Ablauf des ersten Füllkörpers eine Braunfärbung, derjenige des zweiten 
Füllkörpers blieb unverändert. 

Das Abwasser der Wollfabriken, welches der Verf. zu seinen Ver- 
suchen verwendete, war ebenfalls neutral oder alkalisch; seine Farbe wechselte 
von grau und rotbraun bis schwarz, es war getrübt, flockig und hatte den 
eigentümlichen Wollegeruch dieser Abwässer. Es wurde zunächst einem Faul- 
raum zugeleitet, in welchem es dunkler und übelriechend wurde, sein Gehalt 
an Fetten ab, an Schwefelwasserstoff und Ammoniak zunahm. Nach Durch- 
laufen des ersten Füllkörpers, dessen Koksstücke 1—2 cm gross waren, war 
das Abwasser noch trübe, besass noch seinen eigentümlichen Geruch, wenn 
auch in geringerem Grade, und ging bei einem Teil der Proben nachträglich 
in Fäulnis über. Auch im Ablauf des zweiten Füllkörpers, dessen Korngrösse 
0,5 cm betrug, waren Trübung und Geruch noch nicht verschwunden, aber es 
trat keine Nachfaulung mebr ein. Die Oxydierbarkeit hatte im günstigsten 
Falle um 72,1 v. H. abgenommen. 

Am Schluss wird ein Versuch über das Verhalten von Fetten im 
Faulraum mitgeteilt. In 2 Glaskolben wurde je !/, Liter Abwasser mit 2 g 
wasserfreien Lanolins keimfrei gemacht, dann wurde dem einen eine geringe 
Menge von der Schwimmschicht aus einem Faulraum zugesetzt, der andere 
blieb mit Watte verschlossen. Nach 2 Monaten bei Aufbewahrung im Dunkeln 
in Zimmerwärme hatte sich in dem ersten Kolben Pilzwachstum entwickelt 
und die in Aether löslichen Stoffe hatten einen Gewichtsverlust um etwa 1/, 
im Vergleich zu dem keimfrei gebliebenen Kolben erfahren. 

Globig (Berlin). 


v. Ohlen, Die Bekämpfung der Säuglingssterblichkeit durch öffent- 
liche Organe und private Wohltätigkeit mittels Beschaffung 
einwandsfreier Kindermilch unter specieller Berücksichtigung 
Hamburger Verhältnisse. Zeitschr. f. Hyg. Bd. 49. S. 199. 

Der Verf. erörtert zunächst, dass die Säuglingssterblichkeit richtiger 
ermittelt wird, wenn man sie mit der Zahl der lebend Geborenen vergleicht, 
als wenn man sie zur Einwohnerzahl oder zur Zahl der in der Altersklasse 
unter 1 Jahr Lebenden in Beziehung setzt, und zeigt, dass sie sich in Ham- 
burg von 1892—1902 im allgemeinen in Zunahme befunden bat, wenn 
man von dem Jahre 1902 absieht, welches wegen seines kühlen Sommers be- 
sonders günstig war. Sie übertraf die Sterblichkeit der Personen über 70 Jahre 
um das Doppelte und mehr und war im übrigen Deutschen Reich noch 
höher als in Hamburg, ganz besonders hoch in den Königreichen Sachsen 
und Bayern. 


Säuglingspflege. 129 


Der gangbarste Weg der Bekämpfung der Kindersterblichkeit ist die Ver- 
besserung der Säuglingsnahrung und die Versorgung namentlich der ärmeren 
Volksschicbten mit möglichst guter und möglichst billiger Milch. Es wird 
nun im Einzelnen geschildert, auf welche Weise bisher von den öffentlichen 
Organen und von der privaten Wohltätigkeit die Beschaffung einwandsfreier 
Rindermilch vor allem für die unbemittelten Klassen versucht worden ist. Die 
erste Einrichtung zur Durchführung der Soxhletschen Ansichten über 
dieKeimfreimachungder Milch warin Deutschlandundüberhauptinder 
Weltdie Milchküche, welche in Hamburg der Pastor Manchot 1889 für die 
St. Gertrud Gemeinde ins Leben rief. Dazu kam 1901 die Milchküche des 
Elisenbeims, welche Dr. Wentzel einrichtete.e Die Milch, deren laufende 
Prüfung durch das hygienische Institut geschieht, wird in diesen Küchen durch 
Erhitzen bis 90° sterilisiert, dann abgekühlt und in trinkfertigen Portionen 
(100, 200, 250 g) und dem Alter der Kinder entsprechenden Mischungen mit 
Wasser bereit gehalten; ibr Preis beträgt 22 und 25 Pfennige. Für die Bin- 
richtung und für notwendige Neubeschaffungen sorgt die Wohltätigkeit, 
der Betrieb erbält sich selbst. Aehnliche Anstalten bestehen in Hallea.S. 
seit 1902, in Linden bei Hannover, in Magdeburg, in Posen (schon seit 
1892), Stettin, Strassburg (seit 1899) und Stuttgart. An einzelnen dieser 
Orte bedarf die Stallhygiene, die Gewinnung und Kühlung der Milch noch 
der Verbesserung. Ueberall fehlt in Deutschland die Förderung der Ernährung 
durch die Mutterbrust und bis auf Stuttgart die ärztliche Ueberwachung der 
Päeglinge. 

Aus Nordamerika werden 3 Anstalten beschrieben — in Yonkers (seit 
1894), Kochester (seit 1897) und New York (Straus Milk Charity seit 
1893) — in welchen ebenfalls die Sorge für die Ernährung durch die Mutter- 
brust und die ärztliche Ueberwachung fehlt, aber grosse Sorgfalt auf die 
Untersuchung der Gesundheit der Kühe und der Ställe und auf die 
aseptische Gewinnung der Milch sogar beim Melken verwendet wird. 
Hierdurch sowie durch die ausgedehnte Benutzung von Fis und durch grösste 
Schnelligkeit beim Transport der Milch wird erreicht, dass an einigen 
Stellen selbst von der Sterilisierung als unnötig Abstand genommen werden 
kann. Für die verschiedenen Altersstufen sind bestimmte Mengen von Fett, 
Zucker und Proteinstoffen in der Milch vorgeschrieben und werden durch Zu- 
mischung der berechneten Mengen von Wasser oder Zuckerlösung oder Rahm 
hergestellt. Die Erfolge sind gut, wenigstens soll die Kindersterblichkeit ab- 
genommen haben. 

Aehnlich wie in Amerika sind die englischen Milchküchen eingerich- 
tet, von welchen diejenige in St. Helens seit Anfang der 90er Jahre be- 
steht, die in Liverpool 1901, in Battersea und in 4 anderen Städten noch 
später gegründet wurden. f 

In Frankreich hat man wegen der geringen Geburtenziffern die Wohl- 
fabrtseinrichtungen zur Verminderung der Säuglingssterblichkeit besonders 
sorgfältig und umfangreich ausgebaut. Im Anschluss an die ersten Erfolge 
Soxhlets gründete Budin 1892 an der Charite in Paris die erste „Consul- 
tation de nourrissons“, eine Art von Poliklinik, in welcher in erster Linie 


130 Säuglingspflege. 


die Stillung der Säuglinge an der Mutterbrust gefördert, die Entwickelung der 
Kinder an der Hand von 1—2 wöchigen Wägungen ärztlich überwacht, und 
nur bei tatsächlichem Mangel an Muttermilch sterilisierte Milch zur künstlichen 
Ernährung abgegeben wurde. Später wurden mehr solche Anstalten, meist im An- 
schluss an geburtshilfliche Institute errichtet, so dass im Oktober 1903 allein 
in Paris ihrer 25 bestanden. Nach fast gleichen Grundsätzen traf Dufour 
in Fecamp 1894 eine Einrichtung, die er „Goutte de lait“ nannte; die dort 
verausgabte Milch wurde maternisiert d. h. ihre Zusammensetzung der der 
menschlichen angenähert, indem ihr !/; Wasser und auf 1 Liter 15—20 g 
frischer Rahm, 35 g Lactose und 1 g Kochsalz zugesetzt wurden. An vielen 
Orten hat man aber die Pflege der Brusternährung fallen lassen und so aus 
den Gouttes de lait nur Verteilungsanstalten für sterilisierte Milch gemacht. 
Ausser diesen Einrichtungen sorgen grosse gemeinnützige Vereine dafür, dass 
in den Grossstädten Milch an einer Centralstelle, meistens gleich in der 
Molkerei, sterilisiert und dann von Niederlagen aus billig, zum Teil unentgeltlich 
an die weniger bemittelten Familien abgegeben wird. Derartige Gesellschaften 
sind 1’Oeuvre philanthropique du lait in Paris, l’Oeuvre du bon lait 
in Nancy u.a. Sie zeigen im einzelnen eine grosse Mannigfaltigkeit ihrer 
Grundsätze und Arbeitsweise. Alle derartigen Bestrebungen sind in der 
Ligue contre la mortalité infantile vereinigt. Der Erfolg dieser Tätig- 
keit zeigt sich in einer Abnahme der Kindersterblichkeit. Dass diese bei den 
Consultations deutlicher ist als bei den Gouttes du lait, erklärt sich daraus, 
dass bei jenen die Brustkinder weit überwiegen. 

In Stockholm und einigen anderen schwedischen Städten bestehen An- 
stalten nach französischem Vorbild, wie schon aus dem Namen „Milchtropfen“ 
hervorgeht. In Kopenhagen gibt es keine besonderen Anstalten für Kinder- 
milchversorgung, vielmehr wird für Säuglinge pasteurisierte Milch von den 
grossen Privatgesellschaften geliefert, welche die allgemeine Versorgung der 
Stadt betreiben, und deren Vorschriften über Stallhygiene, Gewinnung und 
Transport der Milch als Muster gelten können. 

Am Schluss spricht der Verf. aus, dass wir uns in der Organisation 
der Milchversorgung der Säuglinge und der Pflege der Brusternährung 
nach den Franzosen, in der technischen Einrichtung nach den 
Amerikanern, in der Milchgewinnung nach den Dänen richten sollten. 

Globig (Berlin). 


Groth A., Die wahrscheinliche Ausdehnung der natürlichen und 
künstlichen Ernährung in München und ihr Einfluss auf die 
Säuglingssterblichkeit. Münch. med. Wochenschr. 1904. No. 21. S. 923. 

G. hat zur Klarstellung der Gründe der ausserordentlich hohen 

Säuglingsmortalität, die für München im Jahre 1902 240), betrug, 

Nachforschungen in der Weise angestellt, dass er die Mütter, welche ibre 

Kinder zur öffentlichen Impfung brachten, über die Art der Ernährung be- 

fragte. G.’s Erhebungen umfassen die Zahl von 2816 Kindern. 

Durch einfache Berechnung ergab sich, dass Kinder, die nicht oder 
nur ungenügend lange gestillt wurden, 14mal mehr gefährdet sind 


Säuglingspflege. Alkoholismus. 131 


als die hinreichend an der Mutterbrust genährten Säuglinge. Hiermit steht 
die schon bekannte Tatsache in Einklang, dass künstlich genährte Kinder 
sehr viel häufiger tödlich erkranken als gestillte. 

Die Zahl der nicht oder nur 1 Monat lang gestillten Kinder beträgt nach 
den Impflisten 62,7— 68,9°%/,, während die amtlichen Totenscheine für die 
gleiche Kategorie Prozentzahlen von 92,9 und 94,0%, angeben. Derartige 
Zahlenverhältnisse beweisen aufs Schlagendste die Berechtigung der Forderung, 
dass jede Mutter nach Möglichkeit ihrem Kinde selbst die Brustnahrung 
geben soll. 

G. schlägt vor, in der von ihm begonnenen Weise weitere und umfang- 
reichere Erhebungen anstellen zu lassen, um den zur Zeit herrscheuden An- 
sichten und Forderungen bezüglich der rationalen Säuglingsernährung noch 
festeren Rückhalt zu gewähren. Schumacher (Hagen i.W.). 


Ibrahim, Jussuf, Ueber Milchpumpen und deren Anwendung (mit An- 
gabe eines nenen Modells). Münch. med. Wochenschr. 1904. No. 24. 
8. 1056. 

I. hat wegen der Unvolikommenheit der bisher gebräuchlichen Milch- 
pumpen eine neue Modifikation angegeben. Der wesentlicheVorzug derselben 
soll darin bestehen, dass der an dem bedeutend verlängerten und nach oben 
gebogenen Stiel angebrachte Milchrecipient an seinem tiefsten Punkt 
eine durch Gummistopfen verschliessbare Oeffnung trägt. Mittels dieser 
letzteren ist eine exakte Säuberung der gläsernen Recipienten leicht durch- 
zuführen. Die von dem Säugling geübte Technik des Saugens ist nach 1. 
mit dieser Pumpe vorzüglich nachzuahmen. Die Milchpumpen werden dort 
besonders gern Anwendung finden, wo man wegen Luesverdacht die 
Kinder nicht an die Brust anlegen mag, oder wo zu früh geborene 
Kinder zum Saugen an der Brust noch zu schwach sind, wäbrend man aber 
doch Wert darauf legt, den Säuglingen Mutter- bezw. Ammenmilch zu geben. 
Auch in den Fällen, wo nach längerer Unterbrechung der Ernährung an der 
Brust die Muttermilch versiegte und zwecks erneuter Anlegung des 
Säuglings die schwache Milchsekretion wieder angeregt werden 
sollte, hat sich die Milchpumpe als wichtiges Hilfsmittel bewährt. 
Wenn dann erst das Kind wieder richtig an der Brust zu trinken anfängt, 
steigt auch die Menge der producierten Muttermilch auf die frühere Stufe. 

Schumacher (Hagen i.W.). 


Stell, Hans, Alkohol und Kaffee in ihrer Wirkung auf Herzleiden 
und nervöse Störungen. Zweite umgearbeitete Auflage. Leipzig 1905. 
Verlag von Benno Konegen. 

Der Ueberverbrauch von Nervenkraft ist charakteristisch für die moderne 
Zeit, damit zusammenhängend die erschreckende Verbreitung der Neurasthenie, 
diese wieder nach Stoll abhängig von periodischen Schwankungen in der 
Herzgrösse. Alkohol, Koffein und Nikotin vereinen sich, um in an- 


132 Alkoholismus. 


dauerndem Zerstörungswerk den Herzmuskel entarten zu lassen. 
Die Selbstregulierung des Herzens wird allmählich aufgehoben. Dass aber 
„überhaupt Nervosität ohne Affektion des Herzens nach heutigem Stande der 
Wissenschaft nicht mehr denkbar ist“, — darin kann man St. doch unmög- 
lich folgen. Nur unter Entziehung von Alkohol oder Tropenkaflee kann ein 
geschwächtes Herz sich erholen. Die Ausführungen des Generalarztes Dr. 
Hermann Nicolai, der experimentell die genussgiftige Wirkung des Kaffees 
auf das Herz nachwies („Der Kaffee“ Friedr. Vieweg u. Sohn, Braunschweig 
1901) bestehen zu Recht. Die Annahme, dass das Koffein die Aufnahme von 
Nährmitteln mindere, ist nur allzu verhängnisvoll. Vielmehr braucht der Kaffee- 
trinker, da er erhöhte Wärmeabgabe hat, mehr Nahrung als der Kaffee nicht 
Geniessende. Neben der Havanna ist der Mokka nach dem alkoholschwangeren 
Mahle „der gefährlichste Feind der Herren der vornehmen Gesellschaft“. Die 
Kaffeepeitsche wirkt kaum anders als die Alkoholpeitsche, der Erregung folgt 
die Erschlaffung; die vermehrte Leistung ist künstlich. Wie kann der Kaffee 
das wieder gut machen, was der Alkohol verdorben hat! Wenn Stoll zum 
Kampfe gegen Kaffee und Tee aufruft als zu einer ebenso notwendigen Auf- 
gabe, wie es der Kampf gegen den Alkoholismus ist, so dürfte das freilich 
weit übers Ziel geschossen sein. Eine Kaffee- oder Teefrage wird nie 
einer Alkoholfrage gleich bedeutend werden. Denn die breiten Volks- 
massen geniessen den Kaffee in so geringer Konzentration und den Tee noch 
so wenig, dass es nur lebhaft zu begrüssen wäre, wenn sie das mehr als bis- 
her auf Kosten des Alkohols täten und wenn vor allem der Teegenuss den 
abendlichen Biertrunk mehr und mehr verdrängen wollte. 
Flade (Dresden). 


Blitstein, Max (Nürnberg), Alkobol und Schule. Zeitschr. f. Schulgesund- 
heitspfl. 1904. No. 8. S. 535. 

Die Temperenz- ist mit Abstinenzbewegung darin einig, dass für das Kindes- 
alter Alkoho! in jeder Form nachteilig ist. Dennoch lehren Umfragen in 
verschiedenen Gegenden Deutschlands, Oesterreichs und Hollands, dass der 
Alkoholgenuss unter den Schulkindern keineswegs selten ist. Daher erwächst 
der Schule die Pflicht, diesem Missstand entgegenzutreten. Das soll nach 
dem Verf. durch folgende Massregeln geschehen. 

Disciplinäres Verbot aller alkoholischer Getränke für Volks- und Mittel- 
schüler. Aufklärung über die Wirkung des Alkohols durch Vorträge in der 
Schule und auf Elternabenden. Aufhängen von Tafeln, die die Schädigung der 
Organe durch Alkoholgenuss vor Augen führen. Durchsicht der Unterrichts- 
mittel mit Rücksicht auf obigen Zweck. Persönliches Beispiel der Lehrer. 
Begünstigung alkobolgegnerischer Schülerverbindungen. Aushändigung eines 
entsprechenden Merkblattes an die Eltern. Paul Schubert (Nürnberg). 


Desinfektion. 133 


Beltz, Hans, Untersuchungen über die Einwirkungen von Metall- 
pulvern auf Bakterien. Inaug.-Dissert. Giessen 1904. Homburg a. d. Ohm. 
Günstige Erfolge, die man seit längerer Zeit mit Metallpulvern bei 
der Behandlung von Wunden und Hautkrankheiten erzielt hat, gaben 
die Anregung zu dieser Arbeit. Zunächst handelte es sich um die Feststellung, 
ob diese Pulver als chemische Desinficientien wirken, oder nur einen physika- 
lischen Einfluss ausüben. Das Ergebnis der Untersuchungen ist, dass die 
Metallpulver mit dem Eiweiss der Nährsubstrate Verbindungen eingehen, die 
je nach der Art des Metalls in verschiedenem Grade hemmend auf das Bak- 
terienwachstum einwirken. Der Einfluss der Metallpulver auf Kulturen 
ist sonach ein rein chemischer. Beim Aufstreuen der Pulver auf geimpfte 
Platten erwies sich Zink als das am kräftigsten wirkende, während in 
Lösungen Milzbrandsporen am intensivsten von Kupfer beeinflusst wurden. 
Liefmann (Halle a. S.). 


Schaefer R., Antiseptische oder mechanische Händedesinfektion? 
Vortrag in der Gesellschaft für Geburtshilfe und Gynäkologie. Therapen- 
tische Monatshefte. November 1904. 

Der Verf. gibt eine Darlegung über die Ursachen der Widersprüche in 
den einzelnen Resultaten bei den Abimpfmethoden. Als ersten Grund führt 
er die einzelnen bekannten Methoden auf: 

1. Eintauchen der Fingerspitzen in eine Agarplatte (Kümmel). 

2. Abimpfen mittels Platinöse von der Hand. 

3. Abkratzen mittels scharfen Nagelreinigers von der desinficierten 
Hand. 

4. Durchziehen ca. 15 cm langer steriler Seidenfäden durch die Hände 
(Haegler). 

5. Abkratzen mittels steriler hölzerner Zahnstocher von der Hand (Krönig). 

6. Einweichen der Hände in heissem Wasser, darauf in heisser 1 prom. 
Natronlösung mit nachfolgender Verreibung mit grobkörnigem Marmorsand unter 
reichlichem Wasserzusatz. 

Als 2. Grund bezeichnet er die Tatsache, dass zu den Untersuchungen von 
den einzelnen Autoren nicht immer die eigenen Hände, sondern auch die von 
Gehilfen u. s. w. benutzt sind, und 

als 3. Grund die weitere Tatsache, dass auch die Untersuchung an eben 
denselben Händen keineswegs gleichmässige und mit einander vergleichbare 
Resultate liefere. 

Beim Kontrollieren am künstlichen Objekt (Aussetzen von inficiertem Glas, 
Seidenfäden in desinficierende Lösungen) hat Verf. die Ansicht gewonnen, „dass 
sir überhaupt kein Antiseptikum besitzen, welches — in für die Hände an- 
wendbarer Konzentration und innerhalb der für die Hände allein in Betracht 
kommenden Zeitdauer von 5, allerhöchstens 10 Minuten — imstande wäre, auch 
mr die Eiterbakterien mit Sicherheit zu töten“. 

In dem 2. Teile der Arbeit wendet sich der Verf. gegen Krönig, Blum- 
berg und Füth, welche schon in der abgeschwächten Virulenz der Bakterien 
einen genügenden Schutz sehen und besonders das Sublamin empfehlen. Durch 

12 


134 Desinfektion. Transportwesen. 


eigene Nachprüfungen am künstlichen Objekt ist er für das Sublamin zu dem 
Ergebnis gelangt, dass das Sublamin in keimtötender und virulenzvernichtender 
Hinsicht minderwertig sei. Nur durch Alkohol mit seiner die Haut härtenden 
und schrampfenden Eigenschaft wird eine Abgabe von Keimen aus der Haut 
vermieden. Er spricht nach seinen Erfahrungen dem Alkohol das Wort und 
betont, dass nach Alkobolwaschung die Hände nicht in wässerige (sogenannte 
antiseptische) Lösungen, auch nicht in physiologische Kochsalzlösung getaucht 
werden dürfen, da sonst die Hauthärte verschwinde. Zum Abwaschen der 
Hände bei blutigen Operationen empfiehlt er als Spülwasser 25 proz. Alkohol. 

Zum Schluss hebt er nochmals hervor, dass bei der Wertlosigkeit der 
Händedesinfektion durch Antiseptika der entscheidende Nachdruck auf die 
mechanische Behandlung der Hand zu legen sei, und empfiehlt die von 
Ahlfeld begründete Heisswasser - Alkohol - Methode. 

Nieter (Halle a. S.). 


Kronacher, Transportabler Sterilisationsapparat für Verbandstoffe 
und Instrumente. Münch. med. Wochenschr. 1504. No. 19. S. 841. 

K. hat an einem schon vor 10 Jahren angegebenen transportablen 
Sterilisator, der inzwischen einige Modifikationen erfahren hatte, neuerdings 
mehrere Verbesserungen angebracht. 

K. suchte das Kondensationswasser zu beseitigen, um die Ver- 
bandstoffe vor der früher schwer vermeidbaren Durchnässung zu bewahren. 
Dies wurde in der Weise erreicht, dass der Deckel doppelwandig herge- 
stellt wurde, mit konkaver Krümmung der inneren bezw. unteren 
Fläche. Das Kondenswasser tropft nun von den seitlichen Kanten dieser 
konkaven Fläche durch einen rings um den eigentlichen Verbandstoffbehälter 
vorgesehenen Spaltraum in eine Hohlrinne, von wo es durch eine an einer 
der Schmalseiten befindliche Oeffnung nach aussen abfliesst. Auf diese Weise 
ist ein Feuchtwerden der Verbandmaterialien nicht mehr möglich. 

Instrumente und Verbandstoffe können zugleich oder getrennt sterilisiert 
werden. Bei ersterem Verfahren wird, wie auch bei anderen Sterilisatoren 
üblich, der Verbandstoffkasten auf die Instrumentenpfanne aufgesetzt. „Tote 
Eckchen“ entstehen in dem Apparat nicht, vielmehr durchdringt der strö- 
mende Dampf, von unten nach oben aufsteigend, den ganzen Innenraum. 
Desinfektionsversuche, welche mit dem Apparate angestellt wurden, ergaben, 
dass frische Staphylokokken und Milzbrandkulturen innerhalb 
30 Minuten abgetötet wurden. Schumacher (Hagen i.W.). 


Plumert A., Ventilation moderner Kriegsschiffe. Arch. f. Schiffs- u. 
Tropenhyg. 1904. S. 189. 

Die natürliche Ventilation, die auf den alten Kriegsschiffen die 
Hauptsache war, kommt heutzutage kaum mehr in Betracht, da die Luft- 
cirkulation durch die geschlossenen Panzerdecks und wasserdichten Schotten 
vollständig gehindert wird. Für die künstliche Ventilation kommt die Druck- 


Gerichtl. Medizin. Jahresberichte. 135 


methode und die Saugmethode in Betracht. Das Edmondsche Verfahren 
verbindet die beiden Methoden, indem je nach der Stärke des Windes Aspi- 
rations- oder Presswirkung ausgeübt wird. Durch Druckwirkung kommt auch 
die Ventilation durch sogenannte „Schwanenhälse“ zu Stande, Schläuche von 
Segeltuch, deren oberes Ende dem Wind zugekehrt wird, der oben an ein 
Segel anprallt und in die Unterdeckräume reflektiert wird. Mehr empfiehlt 
Verf. die Absaugung der Luft und zwar durch Flügelräder, weniger durch 
Turbinen, da diese zu grosse Feuchtigkeit im Gefolge haben. Nach dem 
Greenschen Verfahren kann ferner die Absaugung der Luft durch ausströmende 
komprimierte Luft geschehen. Die Heiz- und Maschinenräume besitzen meist 
natürliche Ventilation. Besondere Sorgfalt ist der Ventilation der Kohlen- 
depòts zuzuwenden, da sonst leicht schlagende Wetter entstehen. Den Schluss 
der interessanten Arbeit bildet die Schilderung der Ventilationsanlagen einiger 
Schiffe der österreichischen, italienischen, englischen und amerikanischen Marine. 
Kisskalt (Giessen). 


v. Boltenstern O., Die Vergiftungen. Medizinische Bibliothek f. praktische 
Aerzte. No. 166—170. C. G. Naumann. Leipzig. kl. 8%. XI u. 355 Ss. 
Preis: 2,50 M.° 

Das vorliegende Kompendium gibt in möglichst knapper Form eine Zu- 
sammenfassung des theoretisch und praktisch Wichtigen auf dem Gebiete der 
Vergiftungen, wobei diejenigen Fragen, welche mehr toxikologisches als 
praktisches Interesse bieten, meist nur kurz gestreift sind. Da das Buch vor 
allem für die praktischen Aerzte berechnet ist und die grössereu Lehr- und 
Handbücher der Toxikologie keineswegs ersetzen soll, so ist auf die Auffüh- 
rung der Literatur verzichten worden; ebenso sind bezüglich des Nachweises 
der Gifte in vivo oder in der Leiche meist nur kurze Hinweise gegeben, da 
der behandelnde Arzt ja nur selten in die Lage kommt, bezw. imstande ist, 
den Nachweis des Giftes in exakter Weise selbst zu führen. 

Infolge seiner präcisen, klaren Darstellungsweise, welche trotz aller Kürze 
alles Wesentliche — auch seltenere Vergiftungen — bringt, wird sich das 
Werkchen seit seinem Erscheinen sicher bereits viele Freunde gewonnen haben 
und auch noch neue erwerben. Für den Hygieniker interessant sind u. a. die 
Ausführungen betr. Vergiftung mit Blei, Koblenoxyd, Ricin und Abrin, sowie 
besonders betr. Vergiftung durch Schlangengift, Fleisch, Wurst, Fisch, Käse, 
Pilze etc. Durch ein gutes Inhaltsverzeichnis und Sachregister wird das rasche 
Auffinden der einzelnen Artikel ermöglicht. Wesenberg (Elberfeld). 


Heckmann J. und Lauffs A., Bericht über die Tätigkeit des chemischen 
Untersuchungsamtes der Stadt Elberfeld für das Jahr 1904. EI- 
berfeld 1905. 

Aus dem vorliegenden Jahresbericht sei hier nur folgendes kurz erwähnt: 
Von den 7294 Gesamt-Untersuchungen waren 2393 Nahrungsmittel che- 
129 


136 Jahresberichte. 


mischer Art (darunter 81 Fleichwaren, 111 Wurstwaren, 1129 Milch, 100 
Butter, 135 Margarine und Oleomargarine, 373 Schweineschmalz, 169 Wasser). 
Von 73 Hackfleischproben enthielten 2: 0,0278 bezw. 0,0403°%/, SO;. 

Von 111 Wurstwaren waren 3 verdorben, 11 borsäurehaltig und 7 
mehlhaltig. 

Das Fleischkonservierungsmittel „Borussia“ bestand aus Koch- 
salz 800/,, benzoesaures Natrium 10°/,, Weinstein 109/9. 

Von 100 Butterproben wurden 3 Proben wegen Beimischung fremder 
Fette, 10 Proben wegen zu hohen Wassergehaltes beanstandet; 4 Proben hollän- 
discher Butter enthielten (bis zu 0,7 g pro kg) Borsäure, ausserdem waren 
eine Anzahl holländischer Proben der Beimischung fremder Fette stark ver- 
dächtig. 

Ein stark fadenziehendes Brot enthielt den Bacillus mesentericus vulg. 
Flügge fast in Reinkultur. 

Alle (17) getrockneten Aprikosen enthielten (0,0322 bis 0,1395 %/,) 
schweflige Säure; auch bezüglich der über 0,1250, SO,, welche Menge als 
oberste Grenze nach der Ministerial-Verordnung vom 12. Januar 1904 bis auf 
weiteres gelten soll, enthaltenden Proben wurde das eingeleitete Verfahren 
aus unbekannten Gründen wieder eingestellt. 

Das Elberfelder Leitungswasser wurde 4mal chemisch und 104 
mal bakteriologisch untersucht, wobei es sich als vorzügliches Trinkwasser 
erwies; der Keimgehalt betrug im Durchschnitt 10,4, schwankend zwischen 
O und 51. 

Alle (10) Braunbierproben waren salicyliert. 

Farbkreiden der verschiedensten Farben erwiesen sich als bleihaltig 
(3,04—26,140%/,); „solange besondere gesetzliche Bestimmungen gegen die 
Herstellung solcher bedenklicher Gebrauchsgegenstände fehlen, kann vor deren 
Gebrauch nur gewarnt werden“. Mit Wachs getränkte Farbstifte, welche 
ebenfalls als bleihaltig befunden wurden, können dagegen als unbedenklich 
angesehen werden, da bei ihnen die Gefahr eines Verstaubens ziemlich aus- 
geschlossen erscheint. 

Waschpulver „Paloma“ enthält 28,08%, Wasser, 7,87°/, Natronseife, 
41,60°/, wasserfreies Natron und 21,340), Wasserglas, sowie etwas freies 
Alkali und Tonerde. Das Waschpulver „Elvira“ enthält 30,760, Wasser, 
36,060), Natronseife, 32,46°/, Soda (wasserfrei), Rest 0,72°/%. 

Von Wupperwasser wurden an den verschiedenen Stellen der Stadt 
3006 Reaktionsbestimmungen vorgenommen; es ergab sich hierbei höchstens 
schwach saure bezw. schwach alkalische Reaktion, obwohl die Abwässer 
der verschiedenen Fabriken, welche bislang in die Wupper eingeleitet 
werden, (in 1854 Proben) meist recht beträchtlichen Säuregehalt aufwiesen; 
diese Neutralisierung der Abwässer beim Einlauf in die Wupper ist wohl 
hauptsächlich auf den Kalk der Gesteinsschichten des Wupperbettes zurück- 
zuführen; bei dem in Zukunft stattfindenden Einleiten der Abwässer in die 
neue Kanalisationsanlage würden die Siele durch diese nicht neutralisierten 
Abwässer angegriffen werden. 1 ccm Wupperwasser enthielt beim Eintritt 
in Elberfeld (also beim Austritt aus Barmen) 110 600, in Elberfeld unterhalb 


Verschiedenes. 137 


der chemischen Fabriken 78800 Keime. (Referent ermittelte vor einigen 
Jabren gelegentlich den Wupperwasser-Keimgehalt in 2 Proben zu etwa 50 000 
bezw. 60 000 pro 1 ccm.) Wesenberg (Elberfeld). 


Heiaze, Berthold, Ueber die Bildung und Wiederverarbeitung von 
Glykogen durch niedere pflanzliche Organismen. Zusammen- 
fassende Darstellung nach der einschlägigen Literatur, unter Verwertung 
eigener Beobachtungen und Untersuchungen. Centralbl. f. Bakt. Abt. Il. 
Bd. 12. S. 43 ff. 

Der Verf. bringt zunächst im 1. Kap. der vorliegenden Abhandlung ein- 
leitend allgemeine Literaturangaben. Danach ist bekanntlich Glykogen zu- 
erst im Jahre 1855 von Cl. Bernard und fast gleichzeitig von Hensen in 
der Leber aufgefunden worden und stellt ein Kohlehydrat vor, welches dem 
Dextrin und der Stärke nahesteht: diese von Bernard als „matiere glyco- 
gene“ oder von den Deutschen kurzweg als Glykogen (Zuckerbildner) be- 
zeichnete Substanz ist ein Körper, welcher nach den bisherigen Mitteilungen 
eine Mittelstellung zwischen Stärke und Fett einnimmt und wegen seines Vor- 
kommens in tierischen Organen (Leber, Lunge, wie auch im Fleische, Blute 
u.s. w.) auch als „tierische Stärke“ bezeichnet worden ist. Sehr genau ist 
alsdann das Glykogen von Brücke, Külz und vielen anderen Physiologen 
and Chemikern insbesondere wegen seiner Wichtigkeit für die Lehre des 
Diabetes studiert worden. 

Im Stoffwechsel der höheren Tiere, wie auch des Menschen, ist ja eine 
der wichtigsten Erscheinungen die in der Leber vor sich gehende Bildung von 
Zucker. Dieser letztere entsteht nun in der Leber aus der soeben gekenn- 
zeichneten Substanz als ein in ihren wichtigsten Merkmalen der pflanzlichen 
Stärke — Amylum — ähnliches Kohlebydrat, wie durch zahlreiche frühere 
und spätere Untersuchungen festgestellt werden konnte. (Vergl. hierzu, sowie 
zu den folgenden Angaben auch die Mitteilungen von R. Tollens, F. Lafar, 
A. Fischer und P. Lindner; siehe später aufgeführte Literatur.) 

Verf. bespricht zunächst 

A. Allgemeines Vorkommen des Glykogens im Tier- und Pflanzenreiche, 
ferner 

B. Die Gewinnung des Glykogens, sowie 

C. Die Eigenschaften, das Verhalten und die etwaige chemische Kon- 
stitution des Glykogens. 

In Kap. 2 berichtet Verf. „Ueber die Bildung von Glykogen durch ver- 
schiedene Organismen pflanzlicher Natur“, und zwar zunächst 

A. Ueber das Vorkommen im Pflanzenreiche. Soweit die diesbe- 
zügliche Literatur dem Verf. bekannt geworden ist, hat man das Glykogen 
bisher in folgenden Pilzen und Mikroorganismen in oftmals grösseren, 
bisweilen weniger grossen Mengen nachweisen können: 

1. Tuber aestivum, brumale u. s. w., und zwar in den jungen Asci der 
Trüßelknollen; 2. Claviceps purpurea, Mutterkorn; 3. Clitocybe nebularis; 


138 Verschiedenes. 


Coprinus niveus; 4. Phallus impudicus, Giftmorchel; 5. Boletus edulis, essbarer 
Steinpilz; 6. Amanita muscaria, Fliegenschwamm; 7. Sphaerobolus sternatus, 
sternförmiger Kugelschleuderer; 8. Oidium lactis, Milchschimmel; 9. Clado- 
sporium herbarum; 10. Erysiphe aceris; späterhin konnte überhaupt die weite 
Verbreitung des Glykogens in der Gruppe der 11. Askomyceten, 12. Basido- 
myceten, sowie auch 13. der Mucoraceen nachgewiesen werden; 14. Evernia 
prunastri, eine sogenannte Strauchflechte; 15. Saccharomyces cerevisiae, Bier- 
hefe; 16. Saccharomyces ellipsoideus II., Weinhefe; Saccharomyces lactis, so- 
genannte Milchzucker vergärende Hefen bezw. Torula-Formen; 18. Bacillus 
subtilis, Heubacillus, Bac. megatherium; 19. Bacterium coli commune; 20. Ba- 
cillus granulobacter; 21. Bacillus lactis aërogenes. 

Schon nach den speciellen Angaben über das Vorkommen des Glykogens, 
insbesondere aber auch auf Grund anderweitiger Beobachtungen hält Verf. die 
Annahme für einigermassen berechtigt, dass man in Zukunft das Glykogen 
viel allgemeiner verbreitet antreffen wird, wenn man die einzelnen Ent- 
wickelungszustände der verschiedensten Organismen, zumal bei abnormer 
Ernährung, mehr als bisher geschehen ist, berücksichtigt. 

Einen weiteren glykogenbildenden Organismus dürfte übrigens 
bereits Krüger bei seinen Untersuchungen über die Organismen der Saft- 
flüsse der Laubbäume unter den Händen gehabt haben, nämlich die soge- 
nannten Prototheca Zopfii (cf. Beiträge zur Morphologie und Physiologie 
niederer Organismen. Arb. a. d. Kryptogamischen Laborat. d. Univ. Halle a. S. 
von W. Zopf. H. 4. S. 71 u. ff. Leipzig 1894). 

Was nun weiterhin einige glykogenbildende Organismen anbelangt, 
so konnte Verf. selbst vor einiger Zeit zunächst eine Alge (die wahrscheinlich 
mit Chlorella protothecoides identisch ist), und ferner eine Prototheca- 
art, beide aus einem Molkereiabwasser, isolieren. Der letztere Organismus ist 
sebr wahrscheinlich identisch mit der von Beyerinck aus Birkensaftflüssen, 
Abies pinsapo und Faeces hominis isolierten und von Krüger Prototheca 
Beyrinckii genannten Art. 

Die eben erwähnten Organismen wurden vom Verf. auch bei Boden- 
untersuchungen neben anderen glykogenbildenden Organismen, wie 
beispielsweise anderen Algen, ferner neben einer sogenannten Dematium- 
hefe und einem Dematiumschimmel sowie den äusserst wichtigen so- 
genannten Azotobakterorganismen angetroffen. Im übrigen sind diese 
wichtigen N-sammelnden Organismen nach neueren Untersuchungen des 
Verf.’s ganz allgemein verbreitet: auch dürfte gerade für diese Organismen 
vom Verf. der volle Beweis erbracht worden sein, dass in dem mit Jodjod- 
kalium sich rotbraun färbenden Körper nach unseren bisherigen Kennt- 
nissen nichts anderes als Glykogen vorliegt. 

Nach einigen gelegentlichen Vorversuchen mit Leguminosenbakterien- 
kulturen (Vicia faba, V. sativa, Phaseolus vulgaris, Pisum sativum) 
dürften auch in den sogenannten Bakteroidengebilden dieser Organismen 
zuweilen recht beträchtliche Mengen Glykogen gebildet werden. die Ver- 
mutung, dass der mit Jodjedkalium sich rotbraun färbende Körper Glykogen 
sein möchte, wird übrigens auch in den neuesten von Hiltner und Störmer 


Verschiedenes. 139 


bekannt gegebenen, umfangreichen, in vieler Hinsicht sehr interessanten 
Untersuchungen über die Wurzelknöllchen und deren Erreger ausgesprochen. 
(cf. Arb. a. d. biolog. Abt. d. Kais.-Ges.-Amtes. Bd. 3. H. 3. S. 151—307. 
Berlin 1903. Paul Parey). 

Der Verf. berichtet alsdann: 

B. Einiges über die Bedeutung der Glykogenbildung, sowie über 
glykogenbildende Stoffe u.s.w.; bezüglich der Einzelheiten muss indessen auf 
das Original verwiesen werden. 

Weiterhin wird der 

C. Mikrochemische Nachweis, die Gewinnung und quantitative 
Bestimmung des Glykogens behandelt und 

D. Einiges über die Physik und die Chemie des pflanzlichen 
Glykogens erörtert. Vor allem aber wird auf Grund der verschiedensten 
Reaktionen der Nachweis geführt, dass wir nach unseren gegenwärtigen 
chemischen Kenntnissen in dem bei den sogenannten Azotobakterorganismen 
mit Jod sich rotbraun färbenden, oftmals in recht grossen Mengen vorkommen- 
den Körper nichts anderes als Glykogen vor uns haben. 

Im 3. Kapitel wird die Wiederverarbeitung von Glykogen durch 
niedere Organismen besprochen, und zwar werden zunächst die 

A. Bisherigen Mitteilungen über die etwaige Spaltung des Glykogens durch 
Mikroorganismen wiedergegeben; ferner werden 

B. Einige neue Beobachtungen des Verf.’s über die Verarbeitung von 
Glykogen durch Organismen mitgeteilt, sowie 

C. Die etwaigen Spaltungsproduckte bei der Glykogenverarbeitung durch 
die geprüften Organismen besprochen. 

Aus den gemachten Mitteilungen mag der Nachweis nicht unerwähnt 
bleiben, dass neben anderen Organismen, wie beispielsweise neben den für 
die Gärungsgewerbe wichtigen Hefen insbesondere auch gerade die überaus 
wichtigen N-assimilierenden Azotobakterorganismen das Glykogen 
zu verarbeiten und intermediär Zucker (Dextrose) zu bilden imstande sind, 
und dass gerade das Glykogen für die gesamten N-Assimilationsvor- 
gänge durch Organismen eine bedeutsame, wenn nicht überhaupt die 
wichtigste Rolle spielt, wie dies u.a. auch im letzten 4. Kapitel: 

„Einiges über die Bedeutung des Glykogens als Stoffwechsel: 
produkt niederer pflanzlicher Organismen sowie einige Schlussbemerkungen“ 
(S. 190—191; S. 365—371) etwas eingehender zu erörtern gesucht wird. In 
Bezug auf mannigfache Einzelheiten in der Glykogenfrage muss Verf. auf 
das Original verweisen. Wenn indessen nach den gemachten Erörterungen 
diese Frage (nämlich die Bildung und der Abbau des Glykogens durch 
niedere pflanzliche Organismen) gegenwärtig auch wohl immer noch 
mehr theoretisch wissenschaftlichen als praktischen Wert besitzt und dement- 
sprechend unser Interesse auch noch mehr in wissenschaftlicher als in prak- 
tischer Hinsicht fesselt, so kann Verf. wenigstens drei Punkte hervorheben, 
welche z. T. schon gegenwärtig bezw. späterhin in der angewandten Natur- 
wissenschaft sehr wahrscheinlich eine nicht unwichtige Rolle spielen werden. 
Es sind dies: 


140 Verschiedenes. 


1. das Vorkommen des Glykogens im Eiter und seine etwaige Ver- 
arbeitung durch Organismen; 

2. die Bedeutung des Glykogens für die Gärungsgewerbe (für Wein- 
bereitung, Bierbereitung, eventuell auch für die Bereitung von Kefir und kefir- 
ähnlichen Getränken mit sogenannten Kefirhefen), und zwar in erster Linie 
für die sogenannte Selbstgärung der Hefe, sowie für die Abstiche der Gär- 
produkte; 

3. die Bedeutung des Glykogens (Bildung und Wiederverarbeitung) für die 
durch Organismen (Azotobacter, Leguminosenbakterien) ausgelösten Prozesse 
zur Assimilierung des freien ungebundenen Stickstoffes der Luft. 

Bezüglich des letzten Punktes mag schliesslich nicht unerwähnt bleiben und 
nochmals besonders hervorgehoben werden, dass gerade die sogenannten Azo- 
tobakterorganismen unter geeigneten, des näheren erörterten Bedingungen 
sehr reichlich Glykogen aufspeichern, und dass man für eine reichliche 
Vermehrung derselben im Ackerboden nach neueren Beobachtungen und Unter- 
suchungen des Verf.’s folgende Punkte als unter Umständen recht vorteilhaft 
berücksichtigen und weiterhin im Auge wird behalten müssen: Es sind dies 
ein Kalken und eventuell auch schwaches Gypsen des Ackerbodens; Zufuhr 
von geeigneten Phosphorsäuredüngern; reclitzeitiges Unterpflügen der 
Stoppeln u.s. w. kurz nach der Ernte oder schon während derselben; aus- 
reichende Lüftung durch Lockerung bei einigermassen ausreichendem Feuch- 
tigkeitsgehalte des Bodens; Brachhaltung bezw. der Brachhaltung einiger- 
massen entsprechende Massnahmen (Teilbrachen: Kartoffel-, Rübenhacken u.s.w.). 

Nach weiteren Untersuchungen und Beobachtungen des Verf.’s wirkt als- 
dann gerade eine Schwefelkohlenstoff-Behandlung günstig auf die gly- 
kogenbildenden, N-sammelnden Organismen im Boden ein; insbesondere werden 
nämlich die Azotobakterorganismen u.a. bei einer CS,-Behandlung der 
Kulturen bezw. des Bodens insofern in ihrer Entwickelung sehr gefördert, als 
schon relativ geringe Mengen CS, genügen, die eigentlichen Gärungs- 
organismen verschiedener Art in ibrer Entwickelung zu hemmen, wenn 
nicht ganz und gar zu unterdrücken; die sogenannten Azotobakterorga- 
nismen werden indessen selbst durch grössere Gaben CS, nur wenig oder 
gar nicht in ihrer Entwickelung beeinflusst. Nach der Ansicht des Verf.’s 
kann nun der CS, für diese Organismen wohl kaum selbst ein direktes Er- 
nährungsmittel (also eine O-Quelle) abgeben; schon eher mögen vielleicht 
seine Umwandlungsprodukte, wie beispielsweise Sulfoharnstoff, Senföle u. s. w. 
eine derartige Rolle spielen. Die auffallend günstige Wirkung des CS, wird 
in dem vorliegenden Falle vorwiegend darin beruhen, dass die für eine reichliche 
Entwickelung von Azotobacter unbedingt notwendigen, ziemlich beträcht- 
lichen Mengen geeigneter O-Verbindungen (Pektinstoffe, Humussub- 
stanzen, Stärke, auch Zucker in geringen Mengen im Boden; organische Salze) 
bei Vorhandensein von CS, nicht von anderen Organismen, wie z. B. den oben 
genannten Gärungsorganismen verarbeitet werden können, wenigstens nicht 
zum weitaus grössten Teile, und dass infolgedessen genügende C-Verbindun- 
gen zur Bildung einer reichlichen Azotobacter-Vegetation zur Verfügung 
bleiben. 


Verschiedenes. Kleinere Mitteilungen. 141 


Auf alle Fälle lassen die Erörterungen des Verf.’s ein weiteres Studium 
der Glykogenfrage, besonders ihrer Beziehung zur niederen pflanzlichen Orga- 
nigmenwelt nicht unerwünscht erscheinen. B. Heinze (Halle a. S.). 


Harden, The chemical action on glucose- of the lactose-fermenting 
organismes of faeces. Journ. of hyg. Vol. 5. p. 488. 

In einer kurzen Untersuchung hat Verf. noch einmal die Frage geprüft, 
wie sich die verschiedenen Milchzucker vergärenden Bakterien der Glukose 
gegenüber verhalten und ist dabei zu dem Ergebnis gelangt, dass hier Alkohol 
und Essigsäure entweder in ungefähr der gleichen Menge oder aber erheblich 
mehr Alkohol als Essigsäure gebildet wird. Je nachdem die einzelnen Mikro- 
organismen in die eine oder die andere dieser beiden Gruppen gehören, lassen 
sie sich leicht trennen. C. Fraenkel (Halle a. S.). 


Swellengrehel N., Quelques notes sur la morphologie et la biologie 
du Bact&rium Zopfii (Kurth). Ann. de l’Inst. Pasteur. 1904. No. 11. 
p- 712. 

Das von Kurth in dem Darminhalt eines Huhns entdeckte Bact. Zopfii 
wurde von Kuhn in faulenden Substanzen, von Günther in einer Wurst, von 
Berlioz im Entenblut, im Wasser, in Erde und vom Verf. in Milch gefunden. 
Dieser Mikroorganismus ist somit bei Fäulnisprocessen zu finden. Die Eigen- 
schaften des Bact. Zopfii werden von den einzelnen Autoren nicht über- 
einstimmend geschildert. Verf. beschreibt diesen Mikroorganismus .als ein 
sehr bewegliches, mit zahlreichen peritrichen Geisseln versehenes, Gram posi- 
tives Stäbchen; S. will ferner die Auskeimung von Sporen beobachtet 
haben (die Widerstandsfähigkeit der Kulturen gegen höhere Temperaturen 
wird nicht angegeben!). Es werden die kulturellen und die biologischen 
Eigenschaften (Säure — aber keine Gasbildung, Indol- und H,S-Bildung nicht 
regelmässig, Nitritbildung in nitrathaltigem Nährboden) beschrieben. Verf. 
schlägt vor, den Mikroorganismus nach der Einteilung von A. Fischer Bac- 
terium Zopfii zu nennen. Silberschmidt (Zürich). 


Bodin E. et Castex E., Appareil pour l'agitation continue des cul- 
tures. Ann. de l’Inst. Pasteur. 1904. No. 4. p. 264. 
Beschreibung und Abbildung eines einfachen selbsttätigen A pparates zum 
Schütteln von Kultnren. Silberschmidt (Zürich). 


Kleinere Mitteilungen. 


(:!) Preussen. Erlass, betr. die Unterlagen für die zur Begutachtung 
kommenden Entwürfe von Wasserversorgungsanlagen. Vom 7. Juli 1905. 

Bei der Prüfung der zur Begutachtung kommenden Entwürfe von Wasserver- 
sorgungsanlagen hat sich gezeigt, dass in vielen Fällen die vorgelegten Unterlagen 
für die Beurteilung nicht ausreichten, weil wichtige Fragen dabei unberücksichtigt 
geblieben waren. Die hierdurch verursachten Rückfragen verzögern die rechtzeitige 


142 Kleinere Mitteilungen. 


Inangriffnahme der vorgesehenen Bauausführungen in unerwünschter Weise und führen 
dadurch oftmals zu empfindlichen Schädigungen. Zur Vermeidung derartiger Unzu- 
träglichkeiten ist von der Königlichen Versuchs- und Prüfungsanstalt für Wasserver- 
sorgung und Abwässerbeseitigung ein Fragebogen aufgestellt worden, in welchem die 
für den Entwurf einer Wasserversorgungsanlage und dessen Prüfung wichtige Punkte 
zusammengestellt sind. Euer Hochwohlgeboren lasse ich ..... . Exemplare des Frage- 
bogens zur Verteilung an Kreisärzte und sonstige bei den Angelegenheiten der Wasser- 
versorgung beteiligte Beamte mit dem Bemerken zugehen, dass in Zukunft bei Anträgen 
nach Massgabe meines — des Ministers der geistlichen, Unterrichts- und Medizinal- 
Angelegenheiten — Erlasses vom 26. Februar 1904 und unseres gemeinsamen Er- 
lasses vom 19. April 1905 ein ausgefüllter Fragebogen beizufügen ist. Die für Anträge 
erforderlichen Fragebogen können von der Königlichen Versuchs- und Prüfungsanstalt 
für Wasserversorgung und Abwässerbeseitigung in Berlin S W. 12. Kochstrasse 73 II 
bezogen werden. ` 
Der Min.d, geistl. u.s.w. Angelegenheiten Der Min. f. Landwirtschaft u.s.w. 


Fragebogen für die Wasserversorgung von.... 
Kreis: . . . . Reg.-Bez.: . . . .Provinz:... 
Vom Gemeindevorstande und vom Entwurfverfasser auszufüllen. 
A. Unterlagen. 

1. Wolche Unterlagen sind dem Entwurfe beigelegt? (Die beigelegten Unterlagen 
sind zu unterstreichen.) 

a) Unterlagen für vorläufige Entwürfe (in Fällen, wo die Verhältnisse nicht 
ganz klar liegen, wo verschiedene Wasserbeschaffungsmöglichkeiten in Betracht 
kommen oder wo es sich um grössere Anlagen, z. B. Gruppenversorgungen handelt, 
die bedeutende Mittel in Anspruch nehmen): 
mindestons 1 Erläuterungsbericht (ausgefüllter Fragebogen), 

1 Kostenschätzung, 

1 Messtischblatt mit eingezeichnetem Entwurf. 

b) Unterlagen für endgültige Entwürfe: 

2 ausgefüllte gleichlautende Fragebogen, 

1 Krläuterungsbericht (kann in Fällen einfachster Art auf wenige, den Frage- 
bogen — leere Seiten — ergänzende Bemerkungen beschränkt werden), 

1 Zusammenstellung zuverlässiger Wassermessungen. 

1 Kostenanschlag, 

] Messtischblatt mit eingezeichnetem Entwurf, 

1 Lageplan der ganzen Anlage mit eingeschriebenen Höhenzahlen, 

1 Längenprofil, 

Einzelzeichnungen der Fassungsanlagen, sämtlicher Bauwerke, der maschinellen 
Anlagen u.s.w.; 

1 Gutachten des Kreisarztes gemäss $ 74 und 37 der Dienstanweisung für Kreis- 
ärzte vom 23. März 1903 mit Angabe der Härte des Wassers und einer Angabe dar- 
über, ob etwa im Wasser vorhandenes Eisen nach kıäftigem Schütteln mit Luft und 
darauffolgendem mehrtägigem Stehen sich als Niederschlag ausscheidet und in welchem 
Grade, 

1 vollständiger Untersuchungsbefund, wenn nach dem Urteil des Kreisarztes 
nötig, mit Angaben über äussere Beschaffenheit, Reaktion, Härte, Chlor quantitativ, 
Oxydierbarkeit, salpetrige Säure qualitativ, Ammoniak qualitativ und — wenn zu 
Hausanschlüssen Bleiröhren gewählt werden — Angaben, ob das Wasser die Eigen- 
schaft besitzt, Blei zu lösen. 

1 bakteriologischer Untersnchungsbefund, wenn nach dem Urteil des Kreisarztes 


Kleinere Mitteilungen. 143 


nötig. (Bakteriologische Untersuchungen sind zweckmässig in der Regel erst nach 
Ausfübrung der Wasserfassung vorzunehmen und möglichst an Ort und Stelle einzu- 
leiten.) 

Etwa sonst vorhandene (geologische u.s.w.) Gutachten. 


B. Bestehende Wasserversorgung. Gesundheitsverhältnisse. 

2. Wie erfolgt zur Zeit die Wasserversorgung für Menschen und Vieh? 

Angaben, ob aus Hausbrunnen, öffentlichen Brunnen, Wasserläufen, Teichen; 
Beschaffenheit des z. Z. verwendeten Wassers. 

3. Herrschten während der letzten 3 Jahre in der Gemeinde ansteckende Krank- 
beiten (Ruhr, Typhus u.s.w.)? Wie viel Fälle in den einzelnen Jahren? 


C. Wassergewinnungsstelle. 

4. Wo liegt das betreffende Gelände? (Höhenanlage über N. N.; Entfernung 
vom Ort u.s.w.) ` 

5. Liegt die Entnahmestelle im Ueberschwemmungsgebiet? 

6. In welcher Umgebung liegt die Entnahmestelle? 

Beschreibung des Geländes, der Bodenbewirtschafturg, künstliche und natür- 
liche Düngung, Beweidung, Angaben über Abführung des Tagewassers, benachbarte 
Wohnstätten, Fabriken, Ställe, Dunggruben, Schindäcker, Friedhöfe, Rieselanlagen, 
vorüberführende Wege, Wasserläufe, Gräben, Rinnsteine, Abwasserkanäle u.s.w.; in 
solchen Fällen ist Einzelzeichnung der Umgobung, möglichst durch Profile er- 
läutert, erforderlich. 

7. In welcher Tiefe unter der Erdoberfläche soll das Wasser entnommen werden? 

Angaben über die Erdschichten, aus denen das Wasser stammt: Beschaffenheit, 
Felge und Mächtigkeit der einzelnen Schichten, eventuell Zeichnung des Boden- 
profils beizulegen; von wem sind die geologischen Feststellungen erfolgt? 

8. Sind Vorkehrungen zum Schutze der Entnahmestelle gegen Verunreinigungen 
beabsichtigt und welche? 

9. Ist das Gelände Gemeindeeigentum oder wird Kauf beabsichtigt und in 
welchem Umfang? Wenn nicht, welche Vertragsbestimmungen mit dem Eigentümer 
wegen Grundstücksbenützung, Unterlassung von Düngung mit menschlichen und tie- 
rischen Abfallstoffen sind beabsichtigt? 

Trotz Eintragung im Grundbuch werden solche Bestimmungen mit der Zeit 
leicht vergessen; auch eine geordnete Ueberwachung ist schwierig. 

10. Ist die Entnahmestelle schon geschürft oder gefasst? (Beschaffenheit der 
Fassung, Holz, Mauerwerk, mit cementierten, offenen, mit Moos u. s. w. verstopften 
Fugen), bei Brunnen: ist der Brunnenkessel offen oder abgedeckt? Womit? Haben 
sich im Schürfgraben oder in der Fassung Absätze von Eisenschlamm gezeigt? 

11. Wann und durch wen wurden die Wasserproben für die Wasseruntersuchung 
entnommen? 

D. Wasserbedarf. 

12. Wie gross ist die Zahl a) der Einwohner, b) des Grossviehs, c) des Klein- 
viehs? Befindet sich das Vieh zu gewisser Zeit auf der Weide? 

13. Welches ist die vorwiegende Beschäftigungsweise der Einwohner? 

14. Sind Gewerbebetriebe vorhanden, welche mit Wasser versorgt werden sollen 
(Brauereien, Färbereien, Fabriken u.s.w.)? Wie hoch ist deren Wasserbedarf? 

15. Steigt die Bevölkerungszahl? Jährlicher prozentischer Zuwachs wieviel? 

16. Sind Hausanschlüsse vorgesehen? 

17. Sollen öffentliche Ventilbrunnen oder laufende Brunnen gespeist werden? 

18. Wie hoch ist demgemäss der grösste tägliche Wasserbedarf berechnet? 


144 Kleinere Mitteilungen. 


Für Landgemeinden wird im allgemeinen eine Wassermenge pro Tag von 50 Liter 
für jeden Einwohner, 50 Liter für jedes Stück Grossvieh und 15 Liter für jedes Stück 
Kleinvieh als ausreichend anzunehmen sein; für Orte mit mehr städtischem Charakter 
wäre, alles einbegriffen, ein täglicher Höchstbedarf von 75—100 Liter für jeden Ein- 
wohner zu rechnen. Ein etwaiger Zuschlag für Bevölkerungszuwachs ist den örtlichen 
Verhältnissen anzupassen. Wo besondere Verhältnisse vorliegen, welche eine Abwei- 
chung von den angegebenen Verbrauchszahlen rechtfertigen könnten, ist dies besonders 
anzugeben. 

E. Vorhandene Wassermenge. 

Zusammenstellung der vorhandenen Wassermengen und Kritik ihres Wertes. 

19. Durch wen sind die in der vorgelegten (mit Datum, Angaben über Luft- 
und Wassertemperatur, Wasserklarheit versehenen) Liste angegebenen Wassermessungen 
vorgenommen worden? in welcher Weise? 

Auf den Wert zuverlässiger, über längere Zeit sich erstreckender 
Ergiebigkeitsmessungen kann nicht dringend genug hingewiesen 
werden; besonders bei (uellwasserversorgungen kommen die meist geringen Kosten 
hierfür in der Regel kaum in Betracht im Vergleich zu der grossen Gefahr, dass eine 
auf unzureichende Wassermessungen gestützte Wasserleitung später nahezu wertlos 
werden kann. Angaben über ausgeführte Ergiebigkeitsmessungen sind des- 
halb unerlässlich. Bei grösseren Anlagen sind zuverlässige Messungen regelmässig, 
etwa 14 tägig, vorzunehmen; Angaben über die den Messungen vorhergegangenen 
Witterungsverhältnisse sind hierbei von Wichtigkeit. Wenn Pumpversuche vorge- 
nommen worden sind, so ist bei den Mitteilungen über Datum, Zeitdauer, Absenkung, 
Wassermenge auch anzugeben, ob sich bei der Ergiebigkeitsbestimmung der Wasser- 
spiegel im Beharrungszustande befunden hat, und in welcher Zeit nach Aufhören des 
Pumpens der frühere Wasserspiegel sich wieder eingestellt hat. Einschränkungen des 
Umfangs der Wassermessungen sind nur zulässig, wo für eine spätere Erweiterung 
der Anlage geeignete, ganz zweifellos ausreichende Wassermengen zur Verfügung 
stehen. 

(Für einfache Wassermessungen genügt ein genau geeichtes Messgefäss von 
mindestens 10 Liter Inhalt; zur Vornahme der Messung wird der Schürfgraben abge- 
dämmt und in die Abdämmung ein etwa 2 m langes Rohr oder eine Rinne eingebaut, 
durch die sämtliches Wasser abfliessen muss.) 

20. Sind ausser den in der Liste angegebenen Wassermessungen auch noch 
andere Wasserbezugsorte beobachtet und gemessen worden? 

Derartige Messungen sind in vielen Fällen zweckmässig und liefern zuverlässige 
Unterlagen für spätere Erweiterungen. 

F. Technische Einzelheiten. 

21. Wie erfolgt die Zuleitung vom Wassergewinnungsorte zum Versorgungsge- 
biet und die Verteilung in diesem? (Kurze übersichtliche Beschreibung der Gesam t- 
anlage unter Angabe der Entfernungen, Höhenunterschiede, Lichtweiten und Längen 
der Rohrstrecken, Lage des Behälters u.s.w. 

22. Was ist über die in der Zeichnung dargestellte Fassungsanlage im be- 
sonderen etwa zu sagen? (Beschreibung der Fassungsart, der Schutzmassregeln gegen 
das Eindringen verunreinigter Tage- und Sickerwässer, Staub, Schmutz.) 

23. Wo künstliche Wassererhebung nötigwird: WelcheArt von Hebemaschinen 
ist gewählt? Welche Motoren zum Antrieb der Ilebemaschinen? Wie gross ist die 
Förderhöhe? Welcher Betrieb soll eingerichtet werden? (Wieviel Stunden täglich ? 
auch Sonntags? 

24. Welchen Fassungsraum soll der Hochbehälter erhalten? 


Kleinere Mitteilungen. 145 


Der Behälter hat, wenn geringe Ergiebigkeit der Entnahmestelle oder unter- 
brochener Pumpenbetrieb dies erfordert, zum Ausgleich der Verbrauchsschwankungen 
während des Tages zu dienen und erhält zu diesem Zwecke einen Fassungsraum, der 
in der Regel die berechnete höchste Tagesbedarfsmenge nicht übersteigt; über die für 
Feuerlöschzwecke ausserdem vorrätig zu haltende Wassermenge vergleiche unter 38. 

25. Was ist über Lage, Konstruktion des Behälters, Ausrüstung desselben (Zu- 
lauf, Ablauf, Leerlauf, Ueberlauf, Schwimmervorrichtungen), Schutz vor Verunreini- 
gungen durch fremdes Wasser, Staub, Schmutz, Insekten, Vögel u.s.w. im besonderen 
etwa zu sagen? 

Bei einkammeriger Anlage ist der Behälter, falls er zwischen Entnahmestelle und 
Versorgungsgebiet liegt, zum Zwecke der Reinigung und Ausbesserung ausschaltbar 
einzurichten. 

26. Sind Anlagen für eine Reinigung des Wassers vorgesehen und welche? 

Wo die Beschaffenheit des Wassers die Notwendigkeit einer Reinigungs- oder 
einer Enteisenungsanlage nicht ohne weiteres ausschliesst, ist im Entwurfe die 
für diese (in nächster Zeit der Entnahmestelle zu entrichtende) Anlage erforderliche 
Gefallshöhe in Betracht zu ziehen, auch für ausreichende u des 
ganzen Rohrnetzes ist Sorge zu tragen. 

27. Sind sonstige Anlagen zur Sammlung, Verteilung u. s. w. . des Wassers ge- 
plant? (Sammelbrunnen, Sandfänge, Verteilungsschächte, Revisionsschächte, Druck- 
verminderungskammern). 

28. Aus welchem Material sollen die Röhren bestehen? 

29. Ist bei Messung der Rohrweiten darauf Rücksicht genommen, dass die Lei- 
tung auch nach längerem bei später eintretenden Querschnittsverengerungen die 
nötige Wassermenge unter dem im betreffenden Fall erforderlichen Druck zu liefern 
im Stande ist? 

Der Bemessung der Rohrweite ist der grösste Stundenverbrauch zugrunde zu 
legen, der entweder bei gewöhnlichem Höchstbedarf für häusliche Zwecke oder, wie 
es in der Regel bei kleinen Gemeinden der Fall sein wird, im Brandfalle eintritt 
(s. Frage 38). 

30. Besitzt die Rohrleitung Entlüftungs- und Entleerungsvorrichtungen? (Im 
Längenprofil und Lageplan ersichtlich zu machen). 

31. Wie hoch ist die gewählte Rohrüberdeckung? 

32. Wird die Durchführung der Rohrleitungen durch fremden Grundbesitz, durch 
Erwerb einer im Grundbuch einzutragenden Grunddienstbarheit gesichert? 

33. Welches Material und welche Lichtweite ist für dio Hausanschlüsse gewählt? 

Für die Strassenleitung? 

Für die Leitungen innerhalb der Gebäude? 

34. Sind Wassermesser vorgesehen? Nach welchen Grundsätzen soll die Wasser- 
abgabe berechnet werden? 

35. Ist mit dem Bau der Anlage oder einzelner Teile bereits begonnen worden? 

G. Feuerlöschwesen. 

36. Sind zur Zeit ausreichende Mengen Löschwasser vorhanden? (Aus Brand- 
weihern, Wasserläufen, Pumpbrunnen, Laufbrunnen u.s.w.). 

37. Sind Hydranten vorgesehen? Unterflurhydranten ? Oberflurhydranten? Welche 
Durchgangsweite? 

38. Welche sekundliche Wassermenge sollen die Hydranten liefern? 

Die für einen Hydranten verfügbare Wassermenge soll im allgemeinen nicht 
unter 5 Liter in der Sekunde betragen; um im Brandfall Wasser zum Feuer- 

löschen nahezu 3 Stunden lang zur Verfügung zu haben, würde bei Bemessung des 
Behälterinhaltes ausser dem zum Ausgleich dertäglichen Verbrauchsschwankungen 


146 Kleinere Mitteilungen. 


dienenden Ansatzes (s. Frage 24), für Feuerlöschzwecke noch weitere 50 cbm 
Fassungsraum vorzusehen sein. Wenn es sich um kleinere Gemeinden mit weit- 
läufiger Bebauung handelt, kann diese Forderung in Zwischenstufen ermässigt und 
für die Hydrantenleistung bis auf 2,5 Liter in der Sekunde, für den als Brand- 
vorrat dienenden Teil des Behälterinhaltes bis auf 25 cbm herabgesetzt werden. Im 
Einzelfalle, z. B. bei besonderer Armut der Gemeinde, kann noch weiter herabge- 
gangen werden, wenn in anderer Weise für Löschhilfe (durch Brandweiher u. s. w.) 
gesorgt ist; in derartigen Fällen ist jedesmal ein besonderer Nachweis zu erbringen. 

39. Soll direkt aus den Hydranten gespritzt werden, oder sollen diese nur als 
Zubringer zum Füllen der Feuerspritzen dienen ? 

Die freie Druckhöhe soll überall ausreichen, um die Spritzen mit der geforderten 
sekundlichen Wassermenge füllen zu können, wenn sich ohne wosentliche Kostener- 
höhung ein direktes Spritzen aus den Hydranten nicht erreichen lässt. 

‚40. Wie gross sind die höchsten Gebäudehöhlen in der Nähe des am ungünstig- 
sten gelegenen Hydranten? 5 

H. Kosten. 

41. Wie hoch sind die Gesamtkosten der Anlage veranschlagt? Wie hoch stellen 
sich die Anlagekosten, auf den Kopf der Bevölkerung berechnet (ohne Hausanschluss- 
kosten)? 

(Angaben, ob die Kosten der Hausanschlüsse von der Gemeinde oder von den 
Hauseigentümern übernommen werden). 

42. Soll die Anlage seitens der Gemeinde oder seitens eines Interessentenkreises 
gebaut werden? . 

I. Weitere Erläuterungen. 

Hier können erforderlichen Falls eingehende Erläuterungen zu den vorstehend 
beantworteten Fragen Platz finden, ferner Angaben allgemeiner Art über den geolo- 
gischen Aufbau der betreffenden Gegend u.s.w. 

(Veröff. d. Kais. Ges.-A. 1905. No. 40. S. 1068—1071.) 


(:) Frankreich. Aus dem 31. Bande der Arbeiten des Comité consul- 
tatif d’hygiene publique de France. Jahrgang 1901. 

Ein Teil der im Berichtsjahre vom Comité abgegebenen Gutachten beschäftigt 
sich mit der geeigneten Wasserversorgung mehrerer Gemeinden. Die Stadt 
Annonay (Ardèche) hatte den Plan einer neuen Filteranlage für ihr aus dem Bache 
Ternay entnommenes Trinkwasser zur Prüfung unterbreitet. Der vom hygienischen 
Standpunkte aus durchaus notwendige Entwurf hatte nach Ansicht der Sachverstän- 
digen den Fehler, dass die Geschwindigkeit der Filtration eine zu grosse, und dass 
die Notwendigkeit der bakteriologischen Untersuchung des Trinkwassers fast ganz 
ausser Acht gelassen war. 

In Bar-le-Duc, das sein Trinkwasser aus einer etwa 3 km weit entfernten Quelle 
bezieltt, waren in den letzten Jahren mehrere Typhusepidemien vorgekommen; durch 
eine bakteriologische Untersuchung der Quelle wurde zweifellos festgestellt, dass sie 
durch die Abwässer des 5 km entfernt gelegenen Dorfes Combles verunreinigt wird. 
Dem Plan, durch eine geeignete Kanalisation den Zufluss dieser Abwässer zur Quelle 
zu verhindern, wurde vom Comité zugestimmt, da eine Wasserversorgung durch ent- 
fernter gelegene Quellen sich nur unter Schwierigkeiten ermöglichen lässt. Auch die 
Stadt Cannes beabsichtigt, ihre Wasserversorgung hygienisch einwandfrei zu gestalten. 
Sie bezog bis jetzt ihr Trinkwasser von dem ungedeckten Siagne-Kanal, auf dessen 
Verunreinigungen seit dem Jahre 1591 von verschiedenen Seiten hingewiesen wurde. 
Der neue Entwurf will 3 Quellen des Loup mit einer täglichen Wassermenge von 
30200 cbm bei niedrigstem Wasserstand, der sich während des grössten Teils des 


Kleinere Mitteilungen. 147 


Jahres sogar auf 60400 cbm erhöht, fassen und in gedeckter Leitung der Stadt zu- 
führen. Abgesehen von den hygienisch bedenklichen, in Cannes gebräuchlichen 
Hausreservoirs und von dem vorgesehenen geringen Fassungsvermögen der Hauptreser- 
voirs kann das Comité den im übrigen vorzüglichen Plan der Stadt Cannes nur 
billigen, vorausgesetzt, dass eine strenge Trennung des Quellwassers von dem künftig- 
hin ausschliesslich zu ökonomischen Zwecken zu verwendenden Wasser des Siagne- 
Kanals durchgeführt wird. 

Ein weiteres Gutachten beschäftigt sich mit der eitrigen Bindehautent- 
zündung der Neugeborenen und die dagegen gesetzlich anwendbaren Massregeln. 
Zur Vorbeugung der Erkrankung soll den Hebammen die strengste Reinlichkeit 
“Waschen der Augengegend mit abgekochtem Wasser) eingeschärft werden. Eine vor- 
beugende Behandlung durch Einträufeln von keimtötenden Mitteln, insbesondere 
Kaliumpermanganat, von Seiten der Hebammen hält das Comité für nicht angebracht. 
Eine Belehrung der Eltern eines ohne Beistand eines Arztes oder einer Hebamme ge- 
borenen Kindes über die Gefahren der Krankheit und die unschädlichen Vorbeugungs- 
massregeln dagegen wird für erwünscht erachtet. Ist einmal eine eitrige Bindehautent- 
zündung zum Ausbruch gekommen, so soll die Hebamme auf das strengste angehalten 
sein, sofort einen Arzt zu benachrichtigen und die Erkrankung zur Anzeige zu bringen. 

Die Frage der Uebertragbarkeit der Maul- und Klauenseuche des Rindes auf 
den Menschen wird in einem weiteren Gutachten erwogen. Es wird darin die zweifel- 
lose Möglichkeit einer solchen Uebertragung zugegeben. Genaue statistische Erhebungen 
sollen nach Ansicht des Berichterstatters nicht wie bisher durch das Landwirtschafts- 
ministerium, sondern durch Vermittelung der Medizinalbehörden angestellt werden. 
Auf diese Weise kann durch die Departementstierärzte ein genaueres Ergebnis erzielt 
werden, da diese in den einzelnen Fällen das Zustandekommen der Uebertragung der 
Krankheit gut beobachten können und auch über die hauptsächlichsten Krankheitser- 
scheinungen, die beim Menschen auftreten, gut unterrichtet sind. 

Eine Anfrage des Präfekten des Loire-Departements hinsichtlich der Gefährlich- 
keit der Veranstaltung von privaten oder öffentlichen Zusammenkünften in Schul- 
räumen ist gleichfalls zur Begutachtung vorgelegt. Der Gefahr einer Uebertragung 
von Krankheitskeimen, besonders vom Tuberkelbacillen auf die Schulkinder durch die 
Erwachsenen und die — allerdings erheblich seltenere — Gefahr einer Ansteckung 
von Erwachsenen durch im Entstehen begriffene Schulepidemien (Scharlach, Masern, 
Diphtherie) wird voll anerkannt. Dem uneingeschränkten Verbot der Abhaltung von 
Zasammenkünften von Erwachsenen in den Schulräumen stehen jedoch schwerwiegende 
Bedenken gegenüber, da davon auch die Fortbildungskurse betroffen werden würden. 
Deshalb finden auch die von den Departements-Medizinalbehörden vorgeschlagenen 
Desinfektionsvorschriften die Zustimmung des Comités. Zunächst sollen öffentliche 
oder private Versammlungen nur in solchen Schulräumen zugelassen werden, deren 
gründliche Desinfektion möglich ist. Diese erstreckt sich auf ein Ausfegen des Fuss- 
bodens und nachheriges Bestreuen mit antiseptisch imprägnierten Sägespänen. Die 
Fassgesimse und Fensterbänke sollen abgewaschen, ausserdem antiseptische Mittel 
zerstäubt werden. Die Kosten haben die Veranstalter der Versammlungen zu tragen. 

Die Bürgermeister von Lyon und Bordeaux hatten Vorschriften für den Verkauf 
von entrahmter Milch erlassen, wonach solche nur mit ausdrücklicher und genau 
vorgeschriebener Bezeichnung und in Lyon auch nur in Blechgefässen zum Verkauf 
zugelasssen werden soll. Auf eine Anfrage der Ministerien des Innern und der Land- 
wirtschaft erklärt das Comité solche Bestimmungen allgemeiner Art seitens der Go- 
meindebehörden für zulässig, nicht aber, dass auch Vorschriften über die Grösse und 
Farbe der Aufschriften, sowie über die Art der Gefässe, in denen die entrahmte Milch 
verkauft wird, erlassen werden. 


148 Kleinero Mitteilungen. 


Ein auf eine Eingabe des Verbandes der Lebensmittelgrosshändler durch den 
Minister des Innern verlangtes Gutachten spricht sich dahin aus, dass dem Zusatz von 
Sulphonaphthol als Färbemittel zu Backwaren gesundheitliche Bedenken nicht 
entgegenstehen. 

Eine Verwendung von Natriumfluorid zur Konservierung von Butter wird 
als hygienisch bedenklich bezeichnet. 

Ein Zusatz von animalem oder vegetabilem Wachs zur Margarine wird wegen 
der schweren Verseifbarkeit aller Wachsarten und der dadurch bedingten Unverdau- 
lichkeit als nachteilig erachtet. 

Ein Gutachten behandelt den Ersatz von Bleiweiss durch Zinkoxyd im Maler- 
gewerbe und hält es für hygienisch durchaus geboten, dass bei staatlichen Bauten in 
allen Fällen, wo ein solcher Ersatz ohne technische Nachteile möglich ist, mit gutem 
Beispiel vorangegangen wird. 

In Saint-Claude herrscht seit mehreren Jahren der Typhus epidemisch. Die 
ersten Fälle reichen bis zu den Jahren 1895 und 1896 zurück, und seitdem ist die 
Krankheit nie ganz erloschen. Eine vom Minister des Innern angeordnete Untersuchung 
der hygienischen Verhältnisse ergab, dass in der am meisten verseuchten Stadtgegend 
durchaus ungesunde Wohnungsverhältnisse bestanden. ` Ausserdem ist das Trinkwasser 
aus einer der Hauptquellen, welche Saint-Claude versorgen, durchaus nicht einwand- 
frei, da die Abwässer einiger höher gelegener Dörfer, in denen der Typhus seit 1893 
endemisch herrscht, durch Erdspalten mit dieser Quelle in Verbindung kommen können. 

Gleichfalls auf einer T'rinkwasserverunreinigung beruht eine Typhusepidemie, 
die Endo 1900 in der Stadt Béthune ihren Anfang nahm. Dass auch die Insassen des 
dortigen Zellengefängnisses zum Teil erkrankten, kam daher, dass dieselben zwar 
stets abgekochtes Wasser, daneben aber auch unabgekochte Milch zu trinken bekamen, 
und diese hatte der Händler vorher wahrscheinlich mit Wasser verdünnt. Zur Ver- 
besserung des Trinkwassers empfiehlt der Berichterstatter der Stadt die Einführung 
des Ozonisierungsverfahrens. 

Aus einer grossen Anzahl der beim Ministerium eingegangenen Medizinalberichte 
der einzelnen Departements geht hervor, dass in vielen Gemeinden noch in jeder Hin- 
sicht unbefriedigende hygienische Verhältnisse herrschen, und dass zum Teil 
auch die Präfekten es an der nötigen T’atkraft bei der Durchführung gesundheitspolizei- 
licher Massregeln fehlen lassen. Als besonders anerkennenswert werden die Frage- 
bogen genannt, welche der Präfekt des Departements Hautes-Alpes und die Unterprä- 
fektur von Vitré an die Kreisärzte bezw. Bügermeister gerichtet haben; darin wird 
eine eingehende Schilderung der hygienischen Verhältnisse der einzelnen Gemeinden 
verlangt. 

Erfreulich ist, dass eine aussergewöhnlich grosse Zahl von Gemeinden der 
Frage einer einwandfreien Trinkwasserversorgung näher getreten ist. 

Ein grosses Hindernis für eine statistische Verwertung der Vierteljahrsberichte 
der einzelnen Medizinalbehörden bildet immer noch die. durchaus verschiedene, in 
manchen Gegenden sogar unzuverlässige Ausübung der Anzeigepflicht bei ansteckenden 
Krankheiten. Das Comité bringt den Behörden den Art. 21 des Gesetzes vom 30. No- 
vember 1892 in Errinnerung, wonach Aerzte, die eine vorgeschriebene Anzeige pflicht- 
widrig unterlassen, eine Geldstrafe von 50—200 Fres. zu gewärtigen haben. 

Aus dem Epidemieberichte für das.Jahr 1899/1900 verdient besondere Erwähnung 
die epidemische Augenbindehautentzündung, welche zum Teil in sehr schwerer Form, 
unter Mitbeteiligung der Hornhaut und Iris, in der Gemeinde Lavalette (Arr. Carcas- 
sonne) in ca. 50 Fällen auftrat. Die ausserordentlich ansteckende Krankheit konnte 
durch geeignete Absonderungs- und Desin(ektionsmassregeln zum Aufhören gebracht 
werden. 


Kleinere Mitteilungen. 149 


Grippe, Scharlach und Masern haben in allen Gegenden geherrscht, doch 
sind Besonderheiten im Auftreten dieser Krankheiten nicht zu verzeichnen. 

Auch die Diphtherie ist in vielen Departements endemisch aufgetreten; be- 
merkenswert ist eine Verschleppung der Krankheit nach dem gebirgigen Arrondisse- 
ment Roanne durch Kinder aus Lyon, die zur Erholung dorthin gesandt worden waren. 

Ruhrfälle wurden aus mehreren Bezirken gemeldet; in Bougenais konnte ein 
aus den Kolonien zurückgekehrter Soldat als Vermittler der Ansteckung festgestellt 
werden. Besonders heftig trat die Ruhr im Arrondissement Chäteaulin auf, wo die 
Bevölkerung leider ein geringes Verständnis für die Notwendigkeit ärztlicher Mass- 
nahmen zeigte. In Pampelonne (Arr. Albi) kamen in den Monaten September und 
Oktober 50 Fälle von Ruhr vor, von denen 2 tödlich endeten. 

Trsphusfälle wurden im letzten Viertel des Jahres 1899 fast überall in grosser 
Zahl beobachtet, was auf die ausserordentliche Trockenheit um diese Zeit zurückzu- 
führen ist. Auf den Dörfern spielte dabei die Verunreinigung der Schöpfbrunnen 
durch die zum Teil auf den Strassen angelegten Senkgruben und Misthaufen eine 
grosse Rolle. In dem Dorfe Conteaux (Arr. Puy) z. B. herrschte die Krankheit mit 
einer bis dahin ungekannten Heftigkeit und verdankte zweifellos einer Verunreinigung 
der Ziehbrunnen ihr Entstehen. In Epernay konnte das Auftreten des Typhus ebenfalls 
mit der Brunnenverunreinigung in Verbindung gebracht werden. Dass auch die Quell- 
Wasserversorgung nicht immer einwandsfrei ist, beweist eine Typhusepidemie in Beau- 
mont (Arr. Verdun), wo das Wasser, ohne gefasst zu sein, erst einen Kirchhof passiert. 

Ein Fall von Fleckfieber wurde aus Penanguesen Pont-Croix (Arr. Quimper) 
gemeldet. 

Die Pocken, die in Marseille endemisch herrschen, hatten im dritten Viertel 
des Jahres 1899 einen besonders schweren Charakter angenommen; nach einem vor- 
übergehenden Rückgang der Krankheit verdoppelte sich die Zahl der Erkrankungen 
nahezu und stieg auf 704. Von Marseille aus verbreiteten sich die Pocken in die 
ganze Umgezend, zum Teil auch in sehr entfernte Bezirke. Im Frühjahr 1900 wurden 
in Nizza 100 Fälle gezählt. In Dijon nahm eine Pockenepidemie ihren Ausgang vom 
Hospital, in dem ein junger Mensch im Anfangsstadium der Erkrankung Aufnahme 
gefunden hatte. Die äusserst mangelhaften Einrichtungen und der ganze Betrieb des 
betreffenden Hospitals trugen daran zum grossen Teil die Schuld. 

Auf die Notwendigkeit der Einhaltung der ministeriellen Vorschriften, wonach 
Kinder im Alter von über 10 Jahren einer zwangsweisen Wiederimpfung zu unter- 
ziehen sind, wird von Neuem dringend hingewiesen. 

Aus den Medizinalberichten für das zweite Halbjahr 1900 geht hervor, dass 
wegen der enormen Truckenheit, welche die Leute zum Teil zwäng, Wasser aus 
Pfützen zu trinken, wiederum eine hohe Typhusmorbidität bestand. Die Sterblich- 
keit an dieser Krankheit hatte besonders in Nantes einen erschreckenden Grad erreicht. 
Fast überall konnte der Nachweis erbracht werden, dass es sich um Trinkwasser- 
epidemien handelte; durch direkten Kontakt lassen sich die Epidemien von Saint- 
Paulien und Pegone erklären, wo 15 Fälle vorkamen. Die dortigen Wohnungsver- 
hältnisse sind gesundheitlich ausserordentlich schlecht. Viele in Grenoble aufgetre- 
tene Erkrankungen an 'I'yphus wurden durch die Verunreinigung des Waschwassers, 
mit dem die Bütten und Eimer, in welchen die Stadt ihre Milch bezog, ausgespült 
worden waren, erklärt. 

Auch die Ruhr trat infolge der grossen Trockenheit und der dadurch bedingten 
schlechten Beschaffenheit des Trinkwassers ziemlich häufig auf. Die Departements 
Finistere und Morbihan wurden am meisten betroffen. Im Arrondissement Brest kamen 
im Öktober in 4 Gemeinden 80 Erkrankungen mit 22 Todesfällen vor. Im Arron- 
dissement Pontivy zählte man im Anfange des zweiten Halbjahres in 15 Dörfern 150Er- 


150 Kleinere Mitteilungen. 


krankungs- und 35 Todesfälle. Im ganzen konnte jedoch im Vergleich mit den Vor- 
jahren eine gewisse Abnahme der Ruhrmorbidität verzeichnet werden. 

Cholerafälle kamen in der Berichtszeit nicht zur Beobachtung. 

Die Diphtherie trat im ganzen Lande gleichmässig auf, und es gab nur wenige 
Arrondissements, aus denen keine Krankheitsfälle gemeldet wurden. In Donville 
(Arr. Bergerac) zählte man 29 und in La Roche-Millay (Chäteau-Chinon) 22 Erkran- 
kungen mit 8 bezw. 12 T'odesfällen. Einen endemischen Charakter gewann, angeblich 
infolge der ärmlichen und schmutzigen Wohnungsverhältnisse, die Diphtherie im 
Arrondissement Briancon. 

Die Pocken sind in Südfrankreich in der Berichtszeit nie erloschen. In Mar- 
seille kamen im 3. Vierteljahr 63, im 4. Vierteljahr 19 Fälle vor. 23 Erkankungen 
wurden in Toulon, 11 in Ollioules und 4 in La Seyne beobachtet. Bemerkenswert sind 
die Epidemien in Laon (68 Fälle), Esonnes (7 Fälle) und Champlost (8 Fälle). 

Zu erwähnen sind noch 1 Fall von Fleckfieber in Marseille und eine kleine 
Epidemie von Genickstarre in Arcangues (Basses-Pyrénées), wo von 7 Erkrankten 
3 starben. 

Ein weiterer Bericht beschäftigt sich mit dem (uarantänelazarett von Frioul. 
Dort mussten 193, wissenschaftlichen und parlamentarischen Kreisen angehörende 
Passagiere des Dampfers Senegal isoliert werden, da auf dem Schiff ein zweifelloser 
Pestfall vorgekommen war. Gegen den sanitären Dienst im Lazarett erhoben sich 
zahlreiche Stimmen in der Presse und auch in der Académie de médecine kamen die 
Missstände zur Sprache. Der Berichterstatter weist viele Uebertreibungen der Be- 
schwerden zurück, gibt aber auch manche Missstände zu. 

Aus der Zusammenstellung des Vorkommens von Infektionskrankheiten in den 
französischen Kolonien während des Jahres 1900 geht hervor, dass die Grippe 
in allen Kolonialgebieten sowohl unter den Europäern wie unter den Eingeborenen 
geherrscht und teilweise, besonders in Guyana, eine ziemlich erhebliche Sterblichkeit 
im Gefolge hatte. In Dahomey trat sie während der Regenzeit auf, richtete grosse 
Verheerungen unter den eingeborenen Kindern und Greisen an und dehnte sich von 
der Küste nach dem Gebirge zu aus. 

Typhus ist in Neu-Caledonien unter der Civil- wie Militärbevölkerung sehr 
verbreitet. Wenn auch die Trinkwasserverhältnisse in den Kasernen selbst gute zu 
nennen sind, so haben die Soldaten doch reichliche Gelegenheit, ausserhalb derselben 
verunreinigtes Wasser zu geniessen. Häufig trat ferner der Typhus auf in Tonkin, 
Cochinchina, in Französisch-Indien, auf Madagaskar und Reunion, im Senegal, auf 
Martinique, in Guadeloupe, Guyana und in Saint-Pierre-et-Miquelon, wohin er durch 
Fischereischiffe eingeschleppt worden war. 

Die Schiffsmannschaft lebt dort in räumlich sehr beschränkten und schmutzigen 
Verhältnissen und entnimmt ihr Trinkwasser Holzfässern, die nur ungenügend gereinigt 
zu werden pflegen. Im Jahre 1899, wo von einigen Rhedern Verbesserungen der 
hygienischen Verhältnisse auf den Schiffen vorgenommen und vor allen Dingen Metall- 
behälter für das Trinkwasser angebracht worden waren, fiel die Zahl der Typhuser- 
krankungen auf den Schitferfahrzeugen auf 36, stieg allerdings im Berichtsjahre wieder 
auf 56. Wichtig für die Frage der Einschleppung des Typhus in die Kolonien ist der 
Umstand, dass die Transporte von Soldaten sowie die der Strafdeportierten durch die 
Handelsschilfe erfolgen, was früher durch Staatsdampfer geschah, auf denen eine 
schärfere sanitäre Ueberwachung möglich war. So brach z. B. auf allen 35 Schilfen, 
die in der Berichtszeit nach Neu-Caledonien fuhren, die Krankheit aus. Die ersten 
Erscheinungen zeigten sich meist einige Wochen nach der Ausfahrt aus dem Heimats- 
hafen, die Fälle mehrten sich, ohne eine besondere Heftigkeit zu erreichen und bei 
der Ankunft in den Kolonien war trotz der Aufnahme der Kranken in die Kranken- 


Kleinere Mitteilungen. 151 


häuser Gelegenheit zur Weiterverbreitung der Erkrankung gegeben. Auch die in den 
übrigen Kolonien zur Beobachtung gekommenen T’yphusepidemien, welche durchweg 
einen günstigeren Verlauf als in Europa zeigten, liessen sich in ihrem ersten Ur- 
sprung auf eine Einschleppung durch Schiffe zurückführen. 

Im Senegal herrschte das Gelbfieber vom 16. April 1900 bis zum 20. Februar 
1%1. Man zählte 416 Fälle, von denen 255 tödlich verliefen. Die Epidemie zeigte 
im Gegensatz zu den früheren insofern einen besonderen Charakter, als sie mitten in 
der kalten Jahreszeit einsetzte. Der Ursprung der Epidemie blieb unbekannt; eine 
Vermutung, dass in Dakar und Rufisque durch das Ausgraben von Leichenteilen von 
Personen, die an Gelbfieber gestorben waren, die Krankheit weiter verbreitet worden 
sei, hat wenig Wahrscheinlichkeit für sich. 

Die Cholera herrschte in Französisch-Indien, Laos, Cambodja und Cochin- 
china. In den indischen Besitzungen wurden 1356 Fälle festgestellt, von denen 
1075 tödlich endigten; jedoch werden diese Zahlen als recht unzuverlässig bezeichnet. 
Die Epidemie von Cambodja bildete den natürlichen Fortgang der vorjährigen; es 
erkrankten daselbst 1067 Eingeborene und 6 Europäer, von denen 925 bezw.5 starben. 
In Cochinchina trat die Krankheit in der trockenen Jahreszeit auf und verschwand mit 
dem Eintritt der Regenzeit. Genaue Angaben über die Häufigkeit der Cholera in dieser 
Kolonie fehlen. 

Die Pest kam imBerichtsjahre in Neu-Caledonier. (40 Erkrankungen mit 12 Todes- 
fällen), auf Reunion (67 Erkrankungen mit 46 Todesfällen) und Madagaskar (wo nur 
wenige Fälle festgestellt wurden) vor. 

Von Beri-Beri wurden im November und Dezember 1900 japanische Minen- 
arbeiter in Neu-Caledonien befallen, jedoch zeigte die Krankheit einen durchweg 
günstigen Verlauf. Des weiteren wurden Beri-Berifälle beobachtet im Kongogebiet, in 
Guyana, auf Réunion und Madagaskar. Erheblich betroffen wurde wieder Indo-China, 
wo ein grosser Teil der Erkrankungen auf die Gefängnisse fällt. Immerhin hat sich 
auch hier durch Besserung der hygienischen Verhältnisse ein Nachlassen der Krank- 
heit erreichen lassen. 

Die Lepra, welche in allen französischen Kolonien heimisch ist, hat seit einigen 
Jahren zugenommen, Besonders in Neu-Caledonien verbreitet sie sich auch unter 
der europäischen Bevölkerung in beunruhigender Weise. Während man dort im Jahre 
16% unter den Enropäern insgesamt 6 Erkrankungen zählte, sind während des 
Jahres 1900 allein 36 Neuerkrankungen vorgekommen. Auch auf Madagaskar ist die 
Zahl der Leprösen eine beträchtliche. 

Pockenerkrankungen wurden aus Indo-China, Madagaskar und Französisch- 
Indien gemeldet. Ferner zeigte sich die Krankheit in zwei Provinzen von Cochinchina, 
wo sie bald unterdrückt werden konnte. In Französisch-Indien wurden 1354 Todes- 
fälle an Pocken festgestellt, jedoch gibt diese Zahl keine Vorstellung von der Häufig- 
keit der Krankheit in dieser Kolonie. Ein grosses Hindernis bei ihrer Bekämpfung 
bildet der Widerstand der eingeborenen Indier gegen die Impfung. 

Zu erwähnen sind noch zahlreiche Erkrankungen an Augenbindehautentzündung 
in Französisch-Indien, hervorgerufen durch kleine Mücken, welche sich in den Binde- 
hautsack verirren und dort kleben bleiben, endlich das Auftreten von 39 Fällen einer 
unbekannten fieberhaften, von einem maserähnlichen Ausschlag begleiteten Erkran- 
kung im Eingeborenenhospital zu Choquan. 

(Veröff. d. Kais. Ges.-A. 1905. No. 35. S. 946—949.) 


Beilage zur „Hygienischen Rundschau“. 
XVI. Jahrgang. Berlin, 1. Februar 1906. Mo. 3. 


. Hygienisches von der 77. Versammlung 
Deutscher Naturforscher und Aerzte in Meran vom 24.—30. September 1905. 
Von 
Dr. med. H. Ziesché (Leipzig). 
(Fortsetzung und Schluss aus No. 2.) 


Einen breiten Raum nahmen in der Kinderabteilung die Verhandlungen 
über die Tuberkulose ein. 

Roeder (Berlin) sprach über „Die Tuberkulose im schulpflichtigen 
Alter“. 

Kirchner hat nachgewiesen, dass das männliche wie das weibliche Ge- 
schlecht in dem Alter von 10—15 Jahren gegenüber den übrigen In- 
fektionskrankheiten die meisten Toten durch Tuberkulose verliert. 
Diese Beobachtung wird in gewissem Sinne verständlich durch Untersuchungen 
über die Ausbreitung der Tuberkulose im schulpflichtigen Alter. Schulärztliche 
Untersuchungen nehmen bei dieser wichtigen Frage die erste Stelle ein. Da 
dieselben, soweit Berlin in Betracht kommt, ad hoc geführt und mit teilweiser 
Unterstützung der Tuberkulose-Fürsorgestellen geprüft werden, verdienen die 
Ergebnisse um so mehr Beachtung. Bei der Untersuchung der zur Einschulung 
gelangenden Kinder (nach vollendetem 6. Jahr) wurden ausgesprochene tuber- 
kulöse Lungenerkrankungen selten festgestellt, wohl aber fanden sich relativ 
häufig tuberkuloseverdächtige Veränderungen. 

Besonders bedenklich waren inspiratorische Abweichungen bei normalem 
Perkussionsbefund. Wenngleich die offene Tuberkulose, die Phthise, auch in 
den späteren Altersstufen nicht allzuoft angetroffen wurde, so nahm die Zahl 
der Fälle mit latenter Tuberkulose von Jahr zu Jahr in erschreckendem Masse 
zu. In einigen Fällen gelang der bacilläre Nachweis bei geringem Lungen- 
befund und bei wenig Sputum. Das weibliche Geschlecht ist im schulpflichtigen 
Alter und der Gesamtziffer der tuberkulösen Lungenerkrankungen und der 
Fälle mit tuberkulöseverdächtigen Veränderungen in höherem Masse beteiligt 
als das männliche, während für das erwerbsfähige Alter bekanntlich das Um- 
gekehrte der Fall ist. 

Völlige Aufklärung über die Ausbreitung dieser Erkrankungen und über 
ihre Gefahren erwartet Roeder von einer Durchmusterung aller Schulkinder 
sämtlicher Jahrgänge. 

Da die tuberkuloseverdächtigen Kinder, wenn die nötigen Gegenmassregeln 
ausbleiben, die späteren Phthisiker werden, ist auf die Untersuchung und 
Ueberwachung dieser Fälle der ganze Nachdruck zu legen. Diese Kinder 
sind also den Tuberkulösen praktisch gleichzuachten. Hier hat der Kampf 
gegen die Tuberkulose im grössten Stil einzusetzen. 

Entfernung aus der Schule und aus der Familie, Ueberweisung in Wald- 
erholungsstätten, Seehospize, Ferienkolonien, Wiederholungen der vorge- 


77. Versammlung Deutscher Naturforscher und Aerzte. 153 


nommenen Kur, ev. Aufnahme in eine Waldschule sind die wichtigsten An- 
ordnungen der ärztlichen Schulaufsicht. Zu einer wirksamen Bekämpfung der 
Tuberkulose im schulpflichtigen Alter und der Tuberkulose überhaupt ist die 
Einrichtung von Kinder-Lungenheilstätten wünschenswert. 

Unter den innerhalb des Schulbetriebes gültigen prophylaktischen Mass- 
nahmen ist die Aufnahme der Tuberkulose in das für die Schulen gültige 
Regulativ über die Bekämpfung und Verhütung der Infektionskrankheiten vom 
Jahre 1684 an erster Stelle zu nennen. 


Mit der Tuberkulose der Kinder beschäftigte sich auch Ganghofner 
(Prag) in seinem praktisch richtigen Vortrage „Ueber die therapeutische 
Verwendung des Tuberkulins im Kindesalter“. i 

Die mehrfachen günstigen Erfahrungen, welche im Laufe der letzten 
Jahre über die Tuberkulinbehandlung Erwachsener, namentlich aus den 
Lungenheilstätten mitgeteilt worden sind, veranlassten G., der seit 1891 von 
ihm aufgegebenen Tuberkulinbehandlung im Kindesalter wieder näher zu 
treten. 

Bei Durchführung der Tuberkulinkur wurde an folgenden Grundsätzen 
festgehalten: Sorgfältige Auswahl der Fälle und tunlichste Vermeidung 
höherer Fiebertemperaturen; Beginn mit minimalen Dosen und zwar nicht 
eher, bevor nicht mehrere Tage hindurch die Temperatur normal gewesen, 
vorsichtige Steigerung der Dosis erst dann, wenn die vorhergehende Gabe 
fieberlos vertragen wurde entsprechend der Methode von Goetsch. Die bei 
Beginn der Versuche mit !/,, mg alten Tuberkulins gewählte Anfangsdosis 
wurde infolge verschiedener Erfahrungen auf 5/0 —!/ıoo mg herabgesetzt und 
im Verlaufe der Kur bei Zehntelmilligrammen und ganzen Milligrammen nicht 
um eine ganze Einheit, sondern nur um Bruchteile derselben gestiegen. 

Dabei kam es nur ausnahmsweise zu grösseren Temperatursteigerungen 
(auf 38° oder darüber), und die Reaktion an der Injektionsstelle fiel sehr 
mässig aus. 

Die Tuberkuliokur wurde an 12 Fällen durchgeführt, die Dauer der- 
selben schwankte zwischen einigen Wochen und mehreren Monaten, in einem 
Fall betrug sie ein volles Jahr. Die Fälle waren folgende: ein Knabe mit 
tuberkulöser Infiltration einer Lungenspitze (Resultat der Kur: Schwinden der 
Dämpfung und des Bronchialatmens, Gewichtszunahme), ein Mädchen mit 
Kehlkopftuberkulose und einseitiger Spitzentuberkulose (Resultat: Abheilung 
der Kehlkopfaffektion, Gewichtszunahme), ferner 7 Fälle von Skrophulose, 
von welchen 3 mit Otitis komplizierte sich als überempfindlich erwiesen (Misch- 
infektion), wesbalb bei ihnen die Kur bald abgebrochen wurde. Bei den 4 
längere Zeit injicierten Skrophulösen wurden durchwegs Gewichtszunahmen 
konstatiert, zum Teil recht beträchtliche, und in 2 Fällen Verkleinerung von 
Drüsenschwellungen. Unter den Injicierten befanden sich ferner 2 Fälle von 
tuberkulöser Peritonitis mit Ascites, welcher nach mehrwöchentlicher Behandlung 
schwand, und ein Kind mit chronischer Bronchitis und Verdacht auf Tuber- 
kulose. Bei den minimalen Dosen, welche zur Verwendung kamen, blieb die 
Temperatur nach den Infektionen entweder normal oder sie erhob sich um 


154 77. Versammlung Deutscher Naturforscher und Aerzte. 


einige Zehntel über 370, höhere Temperaturen konnten meistens vermieden 
werden. 

Aın wenigsten empfindlich zeigten sich die Fälle von chronischer Lungen- 
tuberkulose, viel empfindlicher die Skrophulösen. Im Ganzen ergab sich, dass 
die Tuberkuliakur gut vertragen wurde und jedenfalls in den bierfür geeigneten 
Fällen keine nachteilige Wirkung hatte, was auch in den ansehnlichen Körper- 
gewichtszunahmen, dem guten Aussehen und Wohlbefinden fast aller durch 
längere Zeit injicierten Kinder seinen Ausdruck fand. 

Mehr lässt sich bei der geringen Anzahl der behandelten Fälle nicht 
sagen, namentlich kein Urteil über den tatsächlichen Einfluss der Injektionen 
auf die tuberkulösen Prozesse abgeben; immerhin empfiehlt es sich, den Wert 
des Tuberkulins bei infantilen Tuberkulosen einer neuerlichen Prüfung zu 
unterziehen. 


Von sonstigen wichtigen Arbeiten über Tuberkulose will ich nur folgende 
erwähnen. 

v. Baumgarten (Tübingen) spricht „Ueber das Verhalten der Tu- 
berkelbacillen an den Eingangspforten der tuberkulösen In- 
fektion“. 

v. B. hält an dem Satze fest, dass die Tuberkelbacillen nirgends in den 
fertigen Körper eindringen können, ohne an der Eintrittsstelle tuberkulöse 
Veränderungen hervorzurufen. Trotzdem lässt sich aber aus der Lokalisation 
der Tuberkulose an einer der Eingangspforten der äusseren Infektion nicht mit 
Sicherheit schliessen, dass die tuberkulöse Infektion an den betreffenden Stellen 
ihren Einzug in den Körper gehalten hat. Denn es können alle einer Infektion 
von aussen her zugänglichen Körperstellen und Organe auch von innen her, 
vom Blute aus und zwar in gleicher anatomischer Form tuberkulös erkranken, 
wie nach äusserer Infektion. So ist auch die so häufige scheinbare oder wirk- 
liche primäre Lokalisation in den Lungen kein Beweis dafür, dass die Lungen- 
tuberkulose in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle durch Inhalation des 
specifischen Bacillus entstehe, weil auch auf anderem Wege in den Körper 
eingedrungene Bacillen aus anatomischen Gründen vorwiegend bezw. primär in 
der Lunge deponiert werden können. Nach v. B. ist uns der Infektionsweg 
der menschlichen Tuberkulose nur in wenigen Fällen, z. B. beim Leichentuberkel 
genau bekannt. In den meisten Fällen ist uns die Erkenntnis der Herkunft 
und der Eintrittsstelle des Infektionserregers verschlossen. Man muss daher 
bei den prophylaktischen Massnalımen alle überhaupt -in Betracht kommenden 
Infektionswege, also auch die kongenitale Uebertragung entsprechend berück- 
sichtigen. 


Von theoretischem Interesse war auch der Vortrag von Bahrdt (Leipzig) 
„Ueber die Beziehungen der Tuberkulinempfindlichkeit zum tuber- 
kulösen Prozess“. 

Es wurde an subkutan tuberkulös inficierten Meerschweinchen durch zahl- 
reiche Serienversuche die tödliche Tuberkulindosis in verschiedenen Stadien 
der Erkrankung bestimmt unter genauer Berücksichtigung des Körpergewichtes 
und anatomischer sowie histologischer Kontrolle des tuberkulösen Prozesses. 


77. Versammlung Deutscher Naturforscher und Aerzte. 155 


Die Tuberkulinüberempfindlichkeit liess sich durch die vitale Reaktion auch 
in den früheren Stadien der Erkrankung prüfen. 

Eine fortschreitende Tuberkulose mittlerer Virulenz beim 
Meerschweinchen ist von einer dauernden, früh beginnenden und 
dem tuberkulösen Prozess parallel wachsenden Tuberkulinüber- 
empfindlichkeit begleitet. 

Ferner wurden tuberkulösen Meerschweinchen in mehreren Stadien der Er- 
krankung die Infektionsgeschwulst und die tuberkulösen Achseldrüsen exstirpiert 
und gleichzeitig bezw. etwas später die tödliche Tuberkulindosis bestimmt. Es 
trat in den frühen Stadien normale Tuberkulinempfindlichkeit und in den 
späteren Stadien eine sehr deutliche Verminderung der Tuberkulinempfind- 
lichkeit ein. 

Die Tuberkulinüberempfindlichkeit beruht nicht ausschliess- 
lich auf einer Umstimmung des Gesamtorganismus durch die 
Tuberkulose, sondern ist sehr wesentlich an die Gegenwart des 
lokalen Herdes geknüpft. 

Die Frage bleibt offen, welcher Teil des tuberkulösen Herdes 
für das Zustandekommen der Tuberkulinreaktion wichtig ist. Man 
kann an eine histogene Ueberempfindlichkeit des tuberkulösen 
Gewebes oder an die Gegenwart von reichlichem tuberkulösen 
Virus, bakterieller, wie toxischer Art, in dem Herde denken. 


Die in der letzten Zeit so häufig in Angriff genommene Frage nach der 
Aetiologie des Keuchhustens behandelte Reyher (Berlin) in seinem Vortrage 
über „Bakteriologische Untersuchungen bei Keuchhusten“. 

Um die Verschiedenheit der bisherigen bakteriologischen Untersuchungs- 
ergebnisse bei Keuchhusten hinsichtlich mancher morphologischer und biolo- 
gischer Eigenschaften des von den meisten Autoren gefundenen Kurzstäbchens 
aufzuklären zu versuchen, hat R. nochmals eingehende, auf 30 weitere Fälle 
sich erstreckende bakteriologische Untersuchungen des Keuchhustensputums 
angestellt und ausserdem in zwei zur Sektion gekommenen Fällen von Keuch- 
husten Schnittpräparate vom Larynx und Ausstrichpräparate vom Schleim der 
oberen Luftwege durchsucht. R. ging dabei in der Weise vor, dass er in jedem 
einzelnen Falle zahlreiche Deckglasausstrichpräparate vom Sputum in den ver- 
schiedenen Stadien des Keuchhustens durchmusterte und durch möglichst viele 
Klatschpräparate von angelegten Blutserum- wie auch Blutagarplatten sich ein 
Bild von der aufgegangenen Bakterienflora machte. Als Ergebnis dieser Unter- 
suchungen stellte sich heraus, dass sich im Keuchhusteneputum zwei morpho- 
logisch nahestehende Stäbchenarten vorfinden, und zwar konstant ein, im Ver- 
gleich zu dem anderen, grösseres polgefärbtes, mehr regelmässig geformtes 
Stäbchen, welches auf allen Nährböden in meistensteils sehr winzigen Kolonien 
wächst, und in der Minderzall der Fälle (25mal unter 30 Fällen) ein vom 
Influenzabacillus mit den heutigen Mitteln nicht differenzierbaren Bacillus, 
welcher aber mit Ausnahme zweier Fälle in weit geringerer Anzalıl vorhanden 
war, als ersterer. Eine Vergleichung der Präparate aus verschiedenen Stadien 
der Erkrankung ergab, dass im katarrhalischen Stadium die grösseren Pol- 
bakterien mehr vereinzelt und in fischzugartiger Anordnung vorgefunden wurden, 


146 Kleinere Mitteilungen. 


dienenden Ansatzes (s. Frage 24), für Feuerlöschzwecke noch weitere 50 cbm 
Fassungsraum vorzusehen sein. Wenn es sich um kleinere Gemeinden mit weit- 
läufiger Bebauung handelt, kann diese Forderung in Zwischenstufen ermässigt und 
für die Hydrantenleistung bis auf 2,5 Liter in der Sekunde, für den als Brand- 
vorrat dienenden Teil des Behälterinhaltes bis auf 25 cbm herabgesetzt werden. Im 
Einzelfalle, z. B. bei besonderer Armut der Gemeinde, kann noch weiter herabge- 
gangen werden, wenn in anderer Weise für Löschhilfe (durch Brandweiher u. s. w.) 
gesorgt ist; in derartigen Fällen ist jedesmal ein besonderer Nachweis zu erbringen. 

39. Soll direkt aus den Hydranten gespritzt werden, oder sollen diese nur als 
Zubringer zum Füllen der Feuerspritzen dienen ? 

Die freie Druckhöhe soll überall ausreichen, um die Spritzen mit der geforderten 
sekundlichen Wassermenge füllen zu können, wenn sich ohne wesentliche Kostener- 
höhung cin direktes Spritzen aus den Hydranten nicht erreichen lässt. 

40. Wie gross sind die höchsten Gebäudchöhlen in der Nähe des am ungünstig- 
sten gelegenen IIydranten? 5 

H. Kosten. 

41. Wie hoch sind die Gesamtkosten der Anlage veranschlagt? Wie hoch stellen 
sich die Anlagekosten, auf den Kopf der Bevölkerung berechnet (ohne Hausanschluss- 
kosten)? 

(Angaben, ob die Kosten der Hausanschlüsse von der Gemeinde oder von den 
Hauseigentümern übernommen werden). 

42. Soll die Anlage seitens der Gemeinde oder seitens eines Interessentenkreises 
gebaut werden? i 

I. Weitere Erläuterungen. 

Hier können erforderlichen Falls eingehende Erläuterungen zu den vorstehend 
beantworteten Fragen Platz finden, ferner Angaben allgemeiner Art über den geolo- 
gischen Aufbau der betreffenden Gegend u.s.w. 

(Veröff. d. Kais. Ges.-A. 1905. No. 40. S. 1068—1071.) 


(:) Frankreich. Aus dem 31. Bande der Arbeiten des Comité consul- 
tatif d'hygiène publique de France. Jahrgang 1901. 

Ein Teil der im Berichtsjahre vom Comité abgegebenen Gutachten beschäftigt 
sich mit der geeigneten Wasserversorgung mehrerer Gemeinden. Die Stadt 
Annonay (Ardeche) hatte den Plan einer neuen Filteranlage für ihr aus dem Bache 
Ternay entnommenes Trinkwasser zur Prüfung unterbreitet. Der vom hygienischen 
Standpunkte aus durchaus notwendige Entwurf hatte nach Ansicht der Sachverstän- 
digen den Fehler, dass die Geschwindigkeit der Filtration eine zu grosse, und dass 
die Notwendigkeit der bakteriologischen Untersuchung des Trinkwassers fast ganz 
ausser Acht gelassen war. 

In Bar-le-Duc, das sein Trinkwasser aus einer etwa 3 km weit entfernten Quelle 
bezieht, waren in den letzten Jahren mehrere T'yphusepidemien vorgekommen; durch 
eine bakteriologische Untersuchung der Quelle wurde zweifellos festgestellt, dass sie 
durch die Abwässer des 5 km entfernt gelegenen Dorfes Combles verunreinigt wird. 
Dem Plan, durch eine geeignete Kanalisation den Zufluss dieser Abwässer zur Quelle 
zu verhindern, wurde vom Comité zugestimmt, da eine Wasserversorgung durch ent- 
fernter gelegene (Quellen sich nur unter Schwierigkeiten ermöglichen lässt. Auch die 
Stadt Cannes beabsichtigt, ihre Wasserversorgung hygienisch einwandfrei zu gestalten. 
Sie bezog bis jetzt ihr Trinkwasser von dem ungedeckten Siagne-Kanal, auf dessen 
Verunreinigungen seit dem Jahre 1891 von verschiedenen Seiten hingewiesen wurde. 
Der neue Entwurf will 3 Quellen des Loup mit einer täglichen Wassermenge von 
30200 cbm bei niedrigstem Wasserstand, der sich während des grössten Teils des 


Kleinere Mitteilungen. 147 


Jahres sogar auf 60400 cbm erhöht, fassen und in gedeckter Leitung der Stadt zu- 
führen. Abgesehen von den hygienisch bedenklichen, in Cannes gebräuchlichen 
Hausreservoirs und von dem vorgesehenen geringen Fassungsvermögen der Hauptreser- 
voirs kann das Comité den im übrigen vorzüglichen Plan der Stadt Cannes nur 
billigen, vorausgesetzt, dass eine strenge Trennung des Quellwassers von dem künftig- 
hin ausschliesslich zu ökonomischen Zwecken zu verwendenden Wasser des Siagne- 
Kanals durchgeführt wird. 

Ein weiteres Gutachten beschäftigt sich mit der eitrigen Bindehautent- 
zündung der Neugeborenen und die dagegen gesetzlich anwendbaren Massregeln. 
Zur Vorbeugung der Erkrankung soll den Hebammen die strengste Reinlichkeit 
(Waschen der Augengegend mit abgekochtem Wasser) eingeschärft werden. Eine vor- 
beugende Behandlung durch Einträufeln von keimtötenden Mitteln, insbesondere 
Kaliumpermanganat, von Seiten der Hebammen hält das Comité für nicht angebracht. 
Eine Belehrung der Eltern eines ohne Beistand eines Arztes oder einer Hebamme ge- 
borenen Kindes über die Gefahren der Krankheit und die unschädlichen Vorbeugungs- 
massregeln dagegen wird für erwünscht erachtet. Ist einmal eine eitrige Bindehautent- 
zündung zum Ausbruch gekommen, so soll die Hebamme auf das strengste angehalten 
sein, sofort einen Arzt zu benachrichtigen und die Erkrankung zur Anzeige zu bringen. 

Die Frage der Uebertragbarkeit der Maul- und Klauenseuche des Rindes auf 
den Menschen wird in einem weiteren Gutachten erwogen. Es wird darin die zweifel- 
lose Möglichkeit einer solchen Uebertragung zugegeben. Genaue statistische Erhebungen 
sollen nach Ansicht des Berichterstatters nicht wie bisher durch das Landwirtschatts- 
ministerium, sondern durch Vermittelung der Medizinalbehörden angestellt werden. 
Auf diese Weise kann durch die Departementstierärzte ein genaueres Ergebnis erzielt 
werden, da diese in den einzelnen Fällen das Zustandekommen der Uebertragung der 
Krankheit gut beobachten können und auch über die hauptsächlichsten Krankheitser- 
scheinungen, die beim Menschen auftreten, gat unterrichtet sind. 

Eine Anfrage des Präfekten des Loire-Departements hinsichtlich der Gefährlich- 
keit der Veranstaltung von privaten oder öffentlichen Zusammenkünften in Schul- 
räumen ist gleichfalls zur Begutachtung vorgelegt. Der Gefahr einer Uebertragung 
von Krankheitskeimen, besonders vom Tuberkelbacillen auf die Schulkinder durch die 
Erwachsenen und die — allerdings erheblich seltenere — Gefahr einer Ansteckung 
von Erwachsenen durch im Entstehen begriffene Schulepidemien (Scharlach, Masern, 
Diphtherie) wird voll anerkannt, Dem uneingeschränkten Verbot der Abhaltung von 
Zasammenkünften von Erwachsenen in den Schulräumen stehen jedoch schwerwiegende 
Bedenken gegenüber, da davon auch die Fortbildungskurse betroffen werden würden. 
Deshalb finden auch die von den Departements-Medizinalbehörden vorgeschlagenen 
Desinfektionsvorschriften die Zustimmung des Comités. Zunächst sollen öffentliche 
oler private Versammlungen nur in solchen Schulräumen zugelassen werden, deren 
gründliche Desinfektion möglich ist. Diese erstreckt sich auf ein Ausfegen des Fuss- 
bodens und nachheriges Bestreuen mit antiseptisch imprägnierten Sägespänen. Die 
Fassgesimse und Fensterbänke sollen abgewaschen, ausserdem antiseptische Mittel 
zerstäubt werden. Die Kosten haben die Veranstalter der Versammlungen zu tragen. 

Die Bürgermeister von Lyon und Bordeaux hatten Vorschriften für den Verkauf 
vonentrahmter Milch erlassen, wonach solche nur mit ausdrücklicher und genau 
vorgeschriebener Bezeichnung und in Lyon auch nur in Blechgefässen zum Verkauf 
zugelasssen werden soll. Auf eine Anfrage der Ministerien des Innern und der Land- 
wirtschaft erklärt das Comité solche Bestimmungen allgemeiner Art seitens der Ge- 
meindebehörden für zulässig, nicht aber, dass auch Vorschriften über die Grüsse und 
Farbe der Aufschriften, sowie über die Art der Gefässe, in denen die entrahmte Milch 
verkauft wird, erlassen werden. 


156 77. Versammlung Deutscher Naturforscher und Aerzte. 


während im konvulsivischen Stadium ibr Vorhandensein in Plattenepithelien 
überwog. Diese Beobachtung stimmt überein mit den Befunden in den Schnitt- 
präparaten vom Larynx, wonach zumal’ in der Regio interarytaenoidea, die 
daselbst vorhandenen Plattenepithelien häufig vollgepfropft erschienen mit den 
Polbakterien des grösseren Typus. Auf Grund dieser Erhebungen möchte der 
Vortr., welcher die grösseren Stäbchen in vielen Fällen einfacher Bronchitis 
nicht nachweisen konnte, dagegen immer in einigen Fällen von Keuchhusten 
bei Erwachsenen, den Polbakterien des grösseren Typus mit grosser Wahr- 
scheinlichkeit eine ätiologische Bedeutung bei Keuchhusten einräumen. 


Auch die allgemeinen Versammlungen waren diesmal von grossem Inter- 
esse. Gleich in der ersten Sitzung beider Hauptgruppen brachte in Vertretung 
Nochts (Hamburg) Neumann (Heidelberg) dessen Manuskript zur Kenntnis 
„Ueber Tropenkrankheiten“. 

Man kann die Tropenkrankheiten in drei Gruppen teilen. Die erste Gruppe 
bilden die direkt durch das Tropenklima verursachten Krankheiten, wie Sonnen- 
stich, Hitzschlag, gewisse nervöse Störungen u. a. Die zweite Gruppe umfasst 
die tropischen Infektionskrankheiten. In die dritte Gruppe reiht der Vortr. 
Tropenkrankheiten von unbekannter Aetiologie ein, von denen man zum Teil 
auch noch nicht weiss, ob das klinische Bild, das sie bieten und das man 
mit einem Krankheitsnamen bezeichnet, tatsächlich immer eine und dieselbe 
Krankheit darstellt. Hierzu rechnet der Vortr. u.a. die Beriberikrankheit. 
Er gibt eine Uebersicht über die verschiedenen, zum Teil mit einander ganz 
unvereinbaren Theorien über das Wesen dieser Krankheit, die zum grössten 
Teil aber wohl begründet erscheinen. Der Umstand, dass sie dabei so sehr 
von einander divergieren, lässt sich vorläufig nicht anders erklären, als dass 
wir es bei der Beriberi nicht mit einer einheitlichen Krankheit, sondern mit 
einem Symptomenkomplex zu tun haben, dem verschiedene Ursachen zu Grunde 
liegen können. 

Die Tropenkrankheiten, in deren Erkenntnis wir am weitesten vorge- 
schritten sind, sind die tropischen Infektionskrankheiten. Obenan steht als 
wichtigste Krankheit die Malaria, die jetzt, während sie bis vor wenigen 
Jahren allen Versuchen, in ihr Wesen tiefer einzudringen, hartnäckigen Trotz 
bot, zu den am besten gekannten Infektionskrankheiten gehört. Natürlich 
sind auch hierbei immer noch Lücken auszufüllen, aber die Grundlage der 
Einsicht in das Wesen der Malaria steht unerschüttert fest. Um den weiteren 
Ausbau unserer Kenntnisse über die Malaria hat sich namentlich Schaudinn 
verdient gemacht, insbesondere durch seine Entdeckung der Latenzformen der 
Malariaparasiten und die Feststellung der Art, wie diese Latenzformen sich 
wieder zu vermehren anfangen und Recidive der Krankheit hervorrufen. 

Die Bekämpfung der Malaria hat sich schwieriger gezeigt. als man es 
bei den ersten mit Begeisterung unternommenen Angriffen, die nach der 
Klarstellung der Malariaätiologie vor wenigen Jahren überall begonnen wurden, 
glaubte. Indessen sind auch in den Tropen doch schon sehr bemerkenswerte 
Erfolge erzielt worden, namentlich haben die Todesfälle von Europäern an 
Malaria überall in den Tropen entschieden abgenommen. Die Pathogenese der 
wichtigsten Komplikation der Malaria, des Schwarzwasserfiebers, hat in den 


77. Versammlung Deutscher Naturforscher und Aerzte. 157 


letzten Jahren keine weitere Aufklärung gefunden; nur soviel steht fest, dass 
die einzelnen Anfälle von akuter Hämolyse bei dieser Krankheit in fast allen 
Fällen durch medikamentöse Einwirkungen, meist durch Chinin, aber auch durch 
andere Mittel, z. B. auch durch Methylenblau, ausgelöst werden und dass die 
Disposition dazu sich immer auf dem Boden einer Malariainfektion entwickelt. 

Die Kenntnis von dem Generations- und Wirtswechsel der Malariaproto- 
zoen hat uns den Schlüssel zu dem Verständnis der Aetialogie einer Anzahl 
anderer wichtiger tropischer Tier- und Menschenkrankheiten geliefert. Wir 
verstehen es jetzt, warum gerade die protozoischen Blutinfektionen das Cha- 
rakteristische in dem Gesamtbilde der Krankheiten der wärmeren Länder aus- 
machen. Die Erreger dieser Krankheiten bedürfen zu ihrer Uebertragung auf 
gesunde Menschen oder Tiere einer komplicierten Eutwickelung in blutsaugen- 
den Insekten, die gerade in den Tropen in besonderer Mannigfaltigkeit und 
Menge verbreitet sind. Unter dem Einfluss der erhöhten Temperatur und 
Feuchtigkeit in den Tropen finden die pathogenen Protozoen in diesen Insekten 
besonders günstige Entwickelungs- und Vermehrungsbedingungen. 

Abgesehen von der Malaria ist für unsere tropischen Kolonien augenblick- 
lich die Trypanosomenkrankheit die wichtigste protozoische Blutinfektion. 
Von den Trypanosomen können wir zwei Gruppen unterscheiden, nämlich solche, 
die in den Tieren, in deren Blut sie leben, keine deutlichen Krankheitserschei- 
nungen verursachen, und solche, die ihre Wirte mehr oder weniger durch ihren 
Parasitismus schädigen. Dabei besteht das interessante Verhältnis, dass. die 
Trypanosomen der harmloseren Gruppe je nach ihrer Art immer nur ein und 
derselben Tierspecies, in deren Blut sie leben, sich angepasst haben, also ähn- 
lich wie die meisten übrigen Protozoen sich verhalten, während die pathogenen 
Trypanosomen natürlich und künstlich auf eine grosse Anzahl von Tieren über- 
tragen werden können und dabei grosse Schwankungen in ihrem morpholo- 
gischen Verhalten wie in ihrer krankmachenden Wirkung zeigen. R. Koch 
führt dies darauf zurück, dass diese Trypanosomengruppe noch nicht lange 
parasitiert und sich noch in einer Periode der Mutabilität befindet. 

Zu dieser Gruppe gehören auch die Trypanosomen des Menschen. Die 
durch sie bedingten Krankheiten herrschen in weiten Bezirken des tropischen 
Afrika endemisch; in den am schwersten ergriffenen Gegenden sind 50—75°/, 
der Einwohner inficiert befunden worden. Auch Europäer bleiben von der 
Infektion nicht verschont. Die Krankheit verläuft fast immer sehr chronisch, 
oft macht sie nur sehr wenig Erscheinungen. Wo sie virulenter auftritt, 
äussert sie sich ia unregelmässigen, mit eigenartigen Erscheinungen im Gefäss- 
system einhergehenden Fieberanfällen, die allmählich zur Kachexie und zum 
Tode führen, vielleicht aber auch heilen können. Einen Fall von Trypanoso- 
menfieber bei einem Europäer hat Vortr. längere Zeit in seinem Institut be- 
obachtet. Der Kranke ist jetzt wieder in Afrika tätig und beherbergt die 
Trypanosomen nun bald vier Jahre in seinem Körper. 

Mit der Trypanosomeninfektion in engstem Zusammenhange steht die 
jetzt im tropischen Afrika so sehr um sich greifende Schlafkrankheit, die 
schon weite Gebiete verheert und auch schon mehrere Europäer ergriffen hat. 
Auch einen solchen Fall hat Vortr. in seinem Institut beobachtet. Er endete 


158 77. Versammlung Deutscher Naturforscher und Aerzte. 


wie alle Fälle von Schlafkrankheit tödlich. Die Trypanosomen, die man bei 
dieser Krankheit immer und zwar in der durch Lumbalpunktion gewonnenen 
Cerebrospinalflüssigkeit findet, sind von den Erregern des Trypanosomenfiebers 
nicht zu unterscheiden. Man nimmt vielfach an, dass die Trypanosomeninfek- 
tion dann die Wendung zur Schlafkrankheit nähme, wenn die Trypanosomen 
in den Cerebrospinalraum Eingang gefunden hätten. Indessen liegen die Ver- 
hältnisse wohl nicht so einfach. Man findet bei allen an Schlafkrankheit 
Verstorbenen ausser der Trypanosomeninfektion eine chronische Kokkenmenin- 
gitis, und es liegt nahe, die eigentlichen Symptome der Schlafkrankheit. auf 
diese Meningitis zn beziehen. Da die Trypanosomiasis anscheinend immer die 
primäre Krankheit ist, so wird man annehmen müssen, dass dadurch eine be- 
sondere Disposition zu Kokkeninfektionen und zur Lokalisation dieser Kokken- 
infektion in den nervösen Centralorganen geschaffen wird. 

Dasselbe gilt von einer asiatischen Krankheit, die bisher vielfach ledig- 
lich für eine besonders bösartige Malaria gehalten wurde, der tropischen 
Splenomegalie, auch Kalar-Azar genannt. Bei dieser Krankheit findet man 
in den inneren Organen (Milz, Leber, Knochenmark), aber nicht im peripheren 
Blut, eigenartige Gebilde, die anscheinend Ruhezustände von trypanosomenähn- 
lichen Flaggellaten darstellen. Die Krankheit ist besonders in Indien ver- 
breitet, ist aber in einzelnen Fällen auch schon in anderen Gegenden Asiens 
beobachtet, so von Marchand bei einem aus Ostasien zurückgekehrten 
deutschen Soldaten. Vielleicht beruhen manche Fälle von Bantischer Krank- 
heit auf einer solchen Infektion. 

Auch das gelbe Fieber ist wahrscheinlich eine protozoische Blutinfek- 
tionskrankheit. Die Erreger dieser Krankheit gehören zwar zu den ultramikro- 
skopisch kleinen und darum für uns unsichtbaren Lebewesen. Ihre Uebertragung 
auf Mücken und der Umstand, dass die damit inficierten Mücken erst nach 
einer gewissen Zeit, nämlich nach Ablauf von mindestens 12 Tagen die 
Krankheit wieder auf Menschen übertragen können, und andere Beobachtungen 
machen ihre Protozoenatur schr wahrscheinlich, zumal Schaudinn nachge- 
wiesen hat, dass es Protozoen gibt, die sich durch fortwährende Teilung 
schliesslich soweit verkleinern, dass die einzelnen Individuen hart an der 
Grenze der mikroskopischen Sichtbarkeit stehen. Sehr interessant ist die 
jüngste Entdeckung von Marchoux, dass die Gelbfiebererreger sich auf die 
nächste Mückengeneration vererben, was im Einklange mit Beobachtungen bei 
anderen protozoischen Blutschmarotzern, die durch blutsaugende Insekten 
übertragen werden, steht. 

Charakteristisch für die meisten protozoischen Blutinfektionen scheint eine 
Vermehrung der grossen mononukleären Leukocyten zu sein; diese hat deshalb 
für den Fall, dass man, wie nicht selten, die Parasiten selbst nicht sofort im 
Blute findet, eine grosse diagnostische Bedeutung. 

Sehr verwickelt sind die Verhältnisse bezüglich der Immunität bei den 
tropischen protozeischen Infektionskrankheiten. Eine angeborene Immunität 
der Eingeborenen dagegen gibt es nicht. Wo man Immunität der Eingeborenen 
beobachtet, ist sie dadurch erworben, dass die Leute schon als Kinder er- 
krankten, im Laufe der Jabre genasen und immun wurden; z. T. wird diese 


77. Versammlung Deutscher Naturforscher und Aerzte. 159 


Immunität unter grosser Kindersterblichkeit und Rückgang der Bevölkerung 
erworben. 

Dabei kann man zwei Arten von erworbener Immunität unterscheiden. 
Bei manchen Tropenkrankheiten verschwinden mit der Genesung und der 
Ausbildung der Immunität die Krankeitserreger aus dem ergriffenen Organis- 
mus, und die Individuen sind dann ungefährlich für ihre Umgebung. So ver- 
hält es sich beim Rückfallfieber, beim gelben Fieber, bei der südafrikanischen 
Pferdesterbe, bei der brasilianischen Spirochätenkrankheit der Hühner u. a. 
Bei anderen protozoischen Krankheiten aber bleiben die Parasiten noch jahre- 
lang nach der Genesung im Körper, und wir haben dann das komplicierte 
Verhältnis, dass die Genesenen selbst zwar immun sind, dass ihr Blut aber 
weiter Parasiten enthält und deshalb zu Neuinfektionen Gesunder Veranlassung 
geben kann. Solche Beobachtungen macht man auch bei der Malaria, und 
diese Verhältnisse erschweren auch die Bestrebungen zur künstlichen Immu- 
nisierung gegen diese Tropenkrankheiten. Man kann z. B. durch wiederholte 
Infektion mit Trypanosomen und anderen protozoischen Blutparasiten wohl 
Tiere immunisieren, schafft sich aber Parasitenträger, die für andere Tiere ge- 
fährlicb werden. Man kann aber doch vielleicht durch regelrechte Durch- 
impfung des ganzen Tierbestandes einer endemisch ergriffenen Gegend wirt- 
schaftlich brauchbare Ergebnisse erzielen. 

Die Bestrebungen für die passive Immunisierung gegen diese Krankheiten, 
also durch Schutzstoffe unter Ausschluss der Parasitenwirkung auf den zu 
immunisierenden Körper, befinden sich noch in den ersten Anfängen. 


Sehr stark besucht war die gemeinschaftliche Sitzung der medizinischen 
Hauptgruppe, in der „Ueber Natur und Behandlung der Pellagra“ ver- 
handelt wurde. Dieses Thema erfreute sich eines aktuellen Interesses, da 
ja leider in Südtirol von Jahr zu Jahr die Menge der Pellagrakranken im 
Steigen ist. Nicht weniger als fünf Redner, die Herren Neusser (Wien), 
Sturli (Wien), Tuczek (Marburg), Merk (Innsbruck), v. Haberler (Inns- 
bruck) teilten sich in die Aufgaben. Die Referate von Tuczek und Merk, 
die über die nervösen und Hauterscheinungen bei der Pellagra sprachen, ent- 
behrten, da sie specialistischen Inhaltes sind, allgemeinen Interesses. Den ein- 
leitenden, allgemein orientierenden Vortrag hielt v. Neusser (Wien). 

In Europa ist die Pellagra in den Balkanhalbländern, Frankreich und den 
südlichen Staaten Oesterreichs vor allem aufgetreten. Bei den Juden gehört 
sie zu den seltensten Ausnahmen. Beide Geschlechter vom Säugling bis zum 
Greise werden ergriffen. Eine direkte Vererbung der Pellagra ist nicht be- 
kannt. Gegen die Infektiosität der Pellagra spricht das völlige Verschont- 
bleiben der Stadtbevölkerung inmitten von Pellagraherden. Auffallend ist die 
bedeutende Zunahme der Krankheitsfälle und die Exacerbation der Symptome 
im Frühjahr und Herbst. Das grösste Kontingent stellt die arme Bevölkerung, 
die sich fast ausschliesslich von Maispolenta nährt; doch erkranken auch Per- 
sonen, die nie Mais genossen haben. 

Der Verlauf der Krankheit ist chronisch und kann dann 10—15 Jahre 
dauern, oder akut. In den foudroyanten Fällen der sogenannten Pellagra ty- 


160 77. Versammlung Deutscher Naturforscher und Aerzte. 


phosa kann der Tod in wenigen Tagen erfolgen. Heilungen können nur in 
den Anfangsstadien durch Versetzung in günstigere Lebensverhältnisse erzielt 
werden. Sowohl die klinischen Erscheinungen als auch die gefundenen patho- 
logisch-anatomischen Veränderungen im Rückenmarke lassen einen Vergleich 
mit dem chronischen Etgotinismus nicht zu. Fast alle von N. untersuchten 
Patienten hatten Parasiteneier wie Ascaris, Oxyuris, Trichocephalus, aber nie 
Ankylostomum im Stuhle. Diese Befunde sind nicht zu unterschätzen, da es 
möglich ist, dass zum mindesten ein Teil der nervösen Störungen bei Pella- 
grösen durch die Darmparasiten bedingt sein kann. Von Mikroorganismen 
fanden sich neben den gewöhnlichen Bakterien der Fäces ziemlich konstant 
Clostridien in reichlicher Menge, dagegen ergab sich keine Zunahme der gram- 
positiven Darmflora. Der grampositive Bacillus maidis von Kubony ist nach 
den Untersuchungen Paltaufs mit dem Kartoffelbacillus identisch, der sich in 
verdorbenen Maiskörnern fast immer nachweisen lässt. Ceni hat aus dem 
Stuhle mehrere Aspergillusarten gezüchtet. Die aus den Fäces Kranker ge- 
züchteten Colibacillen waren für Tiere ausserordentlich virulent. Serena hat 
Tiere gegen Maisgifte resistent gemacht, und Babes konnte die toxische Wir- 
kung von Maisextrakten durch das Blutserum geheilter Pellagröser neutrali- 
sieren. Antonini und Mariani haben durch die erfolgreiche Vorbehandlung 
von Ziegen mit Maisextrakten die Serumtherapie der Pellagra angebahnt. Eine 
specifische Therapie gegen die mörderische Seuche gibt es vor der Hand 
noch nicht. 


Ueber die Aetiologie der Pellagra sprach darauf Herr Sturli (Wien). 

Referent betont, dass in Italien schon Ende des XVII. Jahrhunderts der 
Verdacht rege wurde, dass die Maisnahrung Ursache der Pellagra sei. All- 
mählich teilten sich aber die Forscher in zwei Lager. in die sogenannten 
Zeisten, d.h. diejenigen, die die Frucht der Zea Mais an und für sich als 
pathogen betrachteten, weil sie angeblich kein vollwertiges Nährmittel liefern 
könne, und in die Toxikozeisten, die behaupteten, dass in ihr unter Einwirkung 
Ausserer Agentien toxische Substanzen entstehen können. Hauptvertreter der 
ersteren Lehre war Lussana, der letzteren Lombroso. Die Theorie der 
Unterernährung wurde allmählich unhaltbar, und es erhielt sich nur die 
Theorie, die den verdorbenen Mais als Vermittler oder Urheber der Pellagra 
beschuldigt. Diese Lehre wurde aber später vielfach modificiert. Die beutigen 
Anschauungen betrachten die Pellagra entweder als eine Autointoxikation 
(Giaxa, Neusser) oder als eine exogene Intoxikation (Antonini, Ceni, 
Di Pietro, Gosio). Giaxa meint, dass der Mais pellagrogen wirken könne, 
weil in dem mit Maisresten überfüllten Darme die Colibacillen giftige Zer- 
setzung und Stoffwechselprodukte erzeugen können, Neusser hingegen, dass 
im verdorbenen Mais nur Muttersubstanzen des Giftes vorgebildet seien, die 
erst im krankhaften Darme zu echten Giften umgestaltet werden und so eine 
Autointoxikation hervorrufen. Ausserdem ist Neusser der Ansicht, dass auch 
der aus verdorbenem Mais bereitete Branntwein specifisch toxisch wirken 
könne. Die Forscher, die für die Theorie der exogenen Intoxikation eintreten, 
beschuldigen hauptsächlich die Schimmelpilze als Urheber der Noxe: Di Pietro 


77. Versammlung Deutscher Naturforscher und Aerzte. 161 


nur eine Varietät der Penicillien, die er Penicillium toxicum nennt; Ceni 
hauptsächlich die Aspergilleen (besonders den Aspergillus fumigatus); Gosio 
beide, besonders aber das Penicillium glaucum, das in verschiedenem Grade 
toxisch sein kann, und misst zugleich dem Maisnährboden eine hervorragende 
Bedeutung bei, der eine Steigerung der Toxicität des Schimmelpilzes, wie es 
schon Paltauf für den Maisbacillus nachgewiesen hatte, verursachen kann. 
Versuche des Referenten mit einigen ihm aus Italien zugeschickten toxischen 
Pilzarten (Penicillien und Aspergilleen) konnten diese Toxicität nicht bestätigen, 
so dass Referent sich zu einer gewissen Reserve in seinem Urteile verpflichtet 
fühlt, wenigstens in dem Sinne, dass diese Toxicität grossen Schwankungen 
unterliegt, und dass eine Abschwächung derselben viel leichter und rascher, 
als es bei anderen Mikroorganismen bekannt ist, eintreten kann. Endlich 
kommt Referent zu folgenden Schlüssen: Die Aetiologie der Pellagra ist noch 
völlig unaufgeklärt; es scheint sicher zu sein, dass es sich dabei um eine In- 
toxikation, wahrscheinlich um eine exogene handle, und dass das toxische 
Agens mit der vegetabilischen Nahrung in den menschlichen Organismus ge- 
lange. Der Verdacht, dass die erste Ursache dieser Vergiftung toxische Hypbo- 
mycetenarten seien, scheint wohl begründet, ist aber noch immer, besonders in 
Bezug auf den dabei stattfindenden Vorgang, nicht einwandfrei bewiesen. Ein Zu- 
sammenbang zwischen Mais und Pellagra, obwohl mehr als wahrscheinlich, 
wäre erst nach einer für die Maistheorie günstigen Entscheidung über die 
Natur der in Spanien beobachteten Endemie (wo angeblich in einigen Gegen- 
den Mais weder angebaut noch gegessen wird und doch Pellagra herrschen 
soll) als sicher zu betrachten. Auf jeden Fall muss man bei allen Theorien 
über die Aetiologie der Pellagra eine besondere krankhafte Disposition des 
befallenen menschlichen Organismus als notwendig voraussetzen. Referent 
meint noch, dass man sich höchstwahrscheinlich auf der richtigen Fährte be- 
finde, dass aber ernste, methodische, genaue Untersuchungen in der bezeich- 
neten Richtung durchaus notwendig seien, und dass, bevor nicht die wabre 
Ursache der Krankheit erforscht sein wird, Prophylaxe und Therapie ziemlich 
hilflos dieser Plage gegenüberstehen werden. 


Ueber die „Massnahmen der Medizinalbehörden zur Bekämpfung 
der Pellagra“ sprach darauf Herr v. Haberler (Innsbruck). 

Man kann nicht nur an eine Isolierung der Kranken und sonstige kleinere 
hygienische Einrichtungen denken, sondern muss vor allem an der wirtschaft- 
lichen Hebung der befallenen Landstriche arbeiten. Denn dass die Städier 
der Krankheit gegenüber fast immun sind, liegt lediglich an den besseren 
Ernährungsbedingungen. Obwohl der Beweis für die ätiologische Bedeutung 
des Mais noch nicht unumstösslich erbracht ist, muss man doch darnach 
trachten, den Maisbau einzuschränken und die Bevölkerung zum Kornbau zu- 
rückzuführen. 

Die Maisüberwachung ist auch aus dem Grunde besonders nötig, da es 
erwiesen, dass die arme Bevölkerung häufig schlechten, zum Viehfutter be- 
stimmten Mais als Nahrung erhält. Zur Besserung der allgemeinen Ernährungs- 
verhältnisse ist aber auch eine Hebung der Frauen notwendig, die Errichtung 


162 77. Versammlung Deutscher Naturforscher und Aerzte. 


von Kochschulen, damit sie sich nicht wie bisher mit der Herrichtung von 
Polenta und Kaffee begnügen. Das Hanpterfordernis ist indessen die Schaffung 
besserer Erwerbsverhältnisse durch Errichtung von Industrieschulen für Frauen, 
durch tatkräftige Hebung von Handwerk, Industrie und Ackerbau. 

Die Zahl der Pellagrösen im südlichen Oesterreich beträgt 8053. Die 
Zahl der ergriffenen Gemeinden ist von 93 im Jahre 1895 auf 153 im Jahre 
1904 gestiegen. Im letzten Jahre sind 183 Personen an Pellagra gestorben, 
ohne die durch die tückische Krankheit verursachten Selbstmorde zu rechnen. 


Von rein hygienischer Bedeutung war noch der in der Sektion für 
Militärsanitätswesen gehaltene Vortrag von Ballner (Innsbruck) über „die 
Methoden der Reinigung des Trinkwassers im Felde“. 

Referent bespricht. die Methoden der Reinigung des Trinkwassers, die uns 
für Manöver- und Feldzwecke zur Verfügung stehen. Es werden die drei 
üblichen Sterilisationsverfahren: Filtration, Abkochen des Wassers und die 
Reinigung durch Zusatz von chemischen Agentien einer ausführlichen Be- 
sprechung unterzogen; die Filtration und Sterilisation durch Siedehitze wären 
gewiss verlässlich, doch es scheitert ihre allgemeine Durchführung für die 
oben erwähnten Zwecke zum Teile an der Umständlichkeit in der Handhabung 
und in der für die grossen Massen mangelnden Ergiebigkeit, teils an dem hohen 
Kostenpunkt, auf den sich eine grössere Einführung der neuartigen trag- und 
fahrbaren Trinkwasserbereiter stellen würde. 

Von den Reinigungsmitteln, die uns die Chemie zur Verfügung stellt, wäre 
vor allen die Ozonmethode zu erwähnen, für deren grössere Verwendung 
sich ebenso wie bei den Trinkwasserbereitern nach Rietschel und Henne- 
berg der hohe Kostenpunkt hindernd in den Weg stellt. Für das Brom wurde 
in letzterer Zeit durch zahlreiche Untersuchungen nachgewiesen, dass seine 
Sterilisationskraft für die von Schumburg angegebene Konzentration keine 
verlässliche sei. Aus der ganzen Reihe der chemischen Desinfektionsmittel 
hätte höchstens noch das Chlor, das die energischesten Wirkungen unter den 
Halogenen entfaltet, Aussicht auf praktische Verwertbarkeit. > Die nach der 
strengsten bakteriologischen Untersuchungstechnik (Umgestaltung der gesamten 
inficierten und nachher sterilisierten Wassermasse in eine Nährlösung) durch- 
geführten Untersuchungen hatten ergeben, dass die Menge von 30 mg wirk- 
samen Chlors pro Liter sich hinreichend erweist, wenn die Sterilisationszeit 
bis zu einer Stunde ausgedehnt wird. Da aber den Chblorpräparaten wegen 
ihrer schweren Haltbarkeit mancherlei Uebelstände anhaften, schlägt Ballner 
vor, flüssiges Chlor zu verwenden, das in Stahlkapseln nach Art der Kohlen- 
säuresparklets eingefüllt wird und in denselben unbegrenzt lange haltbar bleibt. 
Zur Herstellung solcher Sparklets wurden bereits die nötigen Schritte einge- 
leitet; es wird über die Brauchbarkeit derselben in der nächsten Zeit be- 
richtet werden. 


Von den übrigen, wie schon erwähnt, in den verschiedenen Abteilungen 
zahlreich gehaltenen Referaten bakteriologischen Interesses können nur die 
wichtigsten erwähnt werden. 


77. Versammlung Deutscher Naturforscher und Aerzte. 163 


Brion (Strassburg) sprach „Ueber neue Erfahrungen mit Typhus 
und Paratyphus“. 

Er teilt einen Fall von Infektion mit Bac. paratyphi A mit, bei dem die 
Bacillen aus dem Blut, Stuhl und Urin gezüchtet werden konnten und sich 
mit den Bacillen des ersten Strassburger Paratyphusfalles als identisch er- 
wiesen. Ferner erwähnt Brion einen Fall von Infektion mit Bac. paratyphi B, 
der tödlich verlief und bei der Sektion typische Typhusgeschwüre im Darme 
aufwies. Im Anschluss an diese Beobachtungen sprach Vortr. noch über die 
sich z. Z. geltend machende Anschauung, dass der Typhus wie der Paratyphus 
mehr als eine Bacillhämie, denn als eine Darmerkrankung aufzufassen sei. 


Von bedeutendem Interesse war das auf jahrelang fortgesetzten Studien 
beruhende Referat des Herrn v. Hibler (Innsbruck) „Ueber die Differen- 
tialdiagnose der pathogenen Anaërobier“. 

Leider fand es von dem Forum der pathologischen Sektion nicht die 
Beachtung, die es verdient und in der bakteriologischen Abteilung wehl auch 
gefunden hätte. A 

Der Vortr. untersuchte die meisten der bisher bekannt gewordenen pa- 
thogenen Anaërobier: den Tetanusbacillus, Bac. phlegmones emphysematosae 
Fraenkel (unbeweglichen Buttersäurebacillus von Schattenfroh und Grass- 
berger), Bac. oedematis maligni Koch, den Ghon-Sachsschen Bacillus, 
Bac. enteritidis sporogenes Klein, Bac. oedematis maligni II Novy, den 
Pseuduödembacillus Liborius und weiter auch, abgesehen von dem Bacillus V 
und anderen seiner vorliegenden Mitteilung, mehrere nicht pathogene Arten: 
den Bac. amylobacter, Bac. cadaveris sporogenes Klein, Clostridium foedidum, 
uod zwar zum Teil in einer grossen Anzahl von Stämmen nach den verschie- 
densten Richtungen hin, um zu einer zuverlässigen Unterscheidung derselben 
zu gelangen. Dabei zieht er Grösse und Gestalt der verschiedenartigen 
Bacillen nur in geringem Masse in Betracht, mehr jedoch deren Verhalten 
inbetreff Bildung von Sporen, Granulose, Involutionsformen und in- 
betreff Eigenbewegung. Für sehr beachtenswert hält er die herrschenden 
Verschiedenheiten hinsichtlich der Widerstandsfähigkeit der Sporen gegen- 
über Einwirkungen von Siedehitze. Weiter unterscheidet er die einzelnen 
Arten je nach ihren Einwirkungen auf bestimmte Nährsubstrate, namentlich 
auf Gelatine, hitzekoaguliertes Serum (der verschiedensten Art) — 
nach welcher Richtung drei verschiedene Gruppen sich ergeben —, auf Milch 
und auf Gehirnbrei — wonach je 2 verschiedene Gruppen bestehen. 

Auf Grund des morphologischen Verhaltens der Agarkolonien lässt sich 
eine sichere Unterscheidung der Arten nicht erzielen, sondern nur in einzelnen 
wenigen Beziehungen können sie bei der Diagnose Verwertung finden. In 
etwas weiterem Masse und in sicherer Weise gelingt eine Differenzierung an 
Gelatinekolonien, so z.B. des Bac. phlegmiones emphysematosae und des 
Rauschbrandbacillus. 

Nach dem Verhalten bei Tierimpfversuchen lassen sich die Anaörobier 
ausser in pathogene und nicht pathogene in solche unterscheiden, die toxisch 


164 77. Versammlung Deutscher Naturforscher und Aerzte. 


wirken und nicht zur Ausbreitung im Körper gelangen, und in solche, die 
progressive Entzündungen erregen und schon zu Lebzeiten der Versuchs- 
tiere deren seröse Häute besiedeln; in letzterer Gruppe wird — darauf legt 
der Vortragende Gewicht — durch das Verhalten der Arten hinsichtlich Ver- 
bandbildung an den serösen Häuten die Unterscheidung zweier weiterer Gruppen 
ermöglicht, nämlich solcher, die, unmittelbar nach dem Tode der Versuchstiere 
beobachtet, lange Fadenverbände zeigen, und solche, bei denen die Ver- 
bandbildung über 2—4 Zellen nicht hinausgeht. 

Die Hindernisse, die sich in der Variabilität der Anaörobier ihrer Diffe- 
renzierung auf Grund des verschiedenen Verhaltens nach all’ den angedeuteten 
Richtungen hin entgegenstellen, bewältigt v. Hibler durch vorwiegende Ver- 
wendung von hoch und kompliciert zusammengesetzten Nährsubstraten (Sera, 
Gebirnbrei, Muskeln), durch entsprechenden Wechsel der Nährsubstrate bezw. 
durch Zusätze von Kohlehydraten oder durch Aenderung der Reaktion der 
Nährböden. 

Die Virulenzschwankungen und Abschwächungen, die insbesondere 
bei aus saprophytischen Zuständen heraus gewonnenen Arten bestehen können, 
behebt er in schwierigen Fällen durch zeitweilige Anwendung von Mischin- 
fektionen (namentlich mit dem Tetanusbacillus, wenn es sich um die Virulenz- 
erweisung der Erreger von progressiven Entzündungen handelt). 

Um den reinen Bestand der Kulturen und alles Untersuchungsmateriales 
überhaupt zu bewahren, bedient sich der Vortragende zum grössten Teil 
zuschmelzbarer Glaskölbchen oder -Röhrchen (als Kulturgefässe) und 
zur Kolonienentwickelung durchweg des Röhrchenverfahrens. 

Auf Grund seiner Untersuchungen kommt er zu den Schlüssen: 1. dass 
der Bacillus des malignen Oedems (Koch) im Sinne Flügges, v. Baumgartens, 
Janssens (und auch im eigenen Sinne des Vortragenden) von dem Ghon- 
Sachsschen Bacillus verschieden sei, letzterer also eine eigene Art darstelle, 
2. in Uebereinstimmung mit Schattenfroh und Grassberger, dass der Bac. 
phlegmon. emphys. Fraenkel mit dem unbeweglichen Buttersäurebacillus 
Schattenfroh und Grassberger identisch sei, und 3., dass der Rauschbrand- 
bacillus im Sinne der Autoren (Feser, Bollinger, Kitasato, Kitt, Arloing, 
Cornevin, Thomas, Sanfelice u. s. w.) zu Recht bestehe, ein Uebergang 
(Denaturation) desselben in den unbeweglichen Buttersäurebacillus, wie 
Schattenfroh und Grassberger behaupten, oder umgekehrt, seinen Beob- 
achtungen nach niemals erfolge. 

Als Belege seiner Ausführungen zeigt der Vortragende zahlreiche Photo- 
gramme von Kolonien und auch eine grosse Anzahl von Kulturröbrchen, die 
das charakteristische Verhalten der verschiedenartigen Mikrobien in Serum, 
Gehirnbrei und Milch darbieten. 


Zupnik (Prag) behandelte in einem anregenden, von den allgemein üb- 
lichen Anschauungen vielfach abweichenden Vortrage „Die Pathogenese des 
Tetanus“. 

Der Vortragende beweist, dass das Tetanustoxin zwei verschiedene Gewebs- 
arten für sich getrennt angreift: Central die Ganglienzellen des Rückenmarkes, 


77. Versammlung Deutscher Naturforscher und Aerzte. 165 


peripher das Muskelgewebe. Die Intoxikation der ersteren hat ausschliess- 
lich eine vermehrte Reflexerregbarkeit zur Folge; die Muskelstarre entsteht 
vom Nervensystem ganz unabhängig im Muskel selbst. 

Von den einzelnen Beweismomenten für diese Anschauung verdienen 
folgende eine besondere Beachtung: 1. subkutane Infektionen in muskelfreien 
Gebieten, so z. B. dicht über dem Sprunggelenk, in dem Raume zwischen 
Tibia und Achillessehne erzeugen bei allen Versuchstieren einen mit Trismus 
einsetzenden und nachher descendierenden Tetanus, wo hingegen jegliche 
primäre Berührung des Toxins mit Muskelgewebe, sowohl bei Mensch wie Tier 
ausnahmslos eine primäre lokale Starre zur Folge hat. 2. Intramuskuläre 
Injektionen einer doppelten, minimalen, tödlichen Dosis erzeugen eine Dauer- 
starre in enervierten Muskelgebieten (Durchschneidung der peripheren 
Nerven). 3. Direkte intraneurale Injektionen subletaler Giftmengen erzeugen, 
in muskelfreien Gebieten appliciert, einen isolierten Trismus. 

Aus diesen Tatsachen geht hervor, dass die peripheren Nerven keinerlei 
leitende und bindende Beziehungen zum Tetanustoxin besitzen und dass die 
Muskelstarre im Muskel selbst entsteht. 

In einer einfachen und einleuchtenden Weise erklärt nun der Vortr. so- 
wohl das primäre Auftreten des Trismus beim Tetanus descendens, wie die 
Descendenz und Ascendenz der Starre: kam das Toxin primär mit Muskel- 
gewebe in Kontakt, dann binden die in loco infectionis vorhandenen Muskeln 
das Gift zuerst; es resultiert eine lokale Starre und ein konzentrisches Weiter- 
schreiten derselben (Ascendenz). Kommt hingegen das Infektionsmaterial in 
muskelfreien Gebieten zu liegen, dann gelangt das Toxin vom lokalen Binde- 
gewebe in die Blutbahn und wird von hier aus von der gesamten Körper- 
muskulatur in einer qualitativ und quantitativ gleichen Weise gebunden; dem- 
zufolge ist der Tonus überall kontinuierlich im Steigen begriffen, und 
es muss diese stetig wachsende Kontraktur, aus einfachen physikalischen und 
physiologischen Gründen, zu allererst in jenen Körpergebieten zum Vorschein 
kommen, wo die grobe, mechanische Kraft der Agonisten und Ant- 
agonisten im allergrössten Missverhältnisse zu einander steht. 
Letzteres ist bei nahezu allen Tierarten im Gebiete der Kaumuskulatur der Fall. 

Während die genannten Versuche in unzweifelhafter Weise den rein 
muskulären Ursprung der Starre dartun, haben direkte Injektionen in das 
Centralnervensystem bewiesen, dass das zweite Kardinalsymptom des Tetanus, 
die reflektorischen Krämpfe, im Rückenmark entsteht. Es bekam der Vor- 
tragende bei Katzen nach Injektionen von !/,o—"/20 der von der Subcutis er- 
mittelten, minimalen, tödlichen Dosis zunächst eine Uebererregbarkeit des 
korrespondierenden einen Beiues, dann des anderseitigen, in weiterem Verlaufe 
aller vier Extremitäten und schliesslich des ganzen Körpers. Der geringste 
Reiz löst in diesem Zustande einen allgemeinen, reflektorischen 
Streckkrampf aus. In den Pausen ist die gesamte Muskulatur 
völlig schlaff. 

Die praktischen Konsequenzen dieser Erkenntnis lassen alle neuralen, 
subarachnoidealen und cerebralen Injektionen unbegründet erscheinen und 
leiten -- da die specifische Therapie die gehegten Hoffnungen nicht erfüllt 


166 77. Versammlung Deutscher Naturforscher und Aerzte. 


hat — alle therapeutischen Massnahmen auf die beiden Kardinalsymptome. 
Die empirischen Mittel der Altmedizin: Narkotika und die prophylaktische 
Fernhaltung aller Reize müssen als Kampfmittel gegen die erhöhte Reflex- 
erregbarkeit verbleiben und haben durch die Untersuchungen des Vortr. eine 
experimentelle Begründung erfahren. Gegen das bei weitem gefährlichere, 
weil die Grundlage des Erstickungstodes abgebende Symptom: die permanente 
Muskelstarre müssen wir nach Heilmiteln erst zu suchen anfangen. 


Die serotberapeutische Seite der Bakteriologie betrat Herr Polano 
(Würzburg) in seinem Vortrage „Ueber Prophylaxe der Streptokokken- 
infektion bei Geburt und Operation durch aktive Immunisierung“. 

Trotz der Vollkommenheit unserer aseptischen Massnahmen versagen diese 
bäufig bei Wunden an Organen, die den genannten Massnahmen infolge ihrer 
histologischen Struktur oder topographischen Lage nicht zugänglich sind. Zu 
diesen Organen gehört der weibliche Genitalapparat, insbesondere der Uterus- 
körper. Bei bakterieller Infektion hierselbst — die Hauptrolle spielen die 
Streptokokken — kann der Verlauf sich klinisch völlig verschieden gestalten, 
trotzdem es_sich um die gleichen Bakterien handelt. Die von den meisten 
Klinikern hierfür verantwortlich gemachte wechselnde Virulenz der Bakterien 
stellt im einzelnen Falle nichts Stabiles, Selbständiges dar, sondern 
ist im wesentlichen abhängig von dem Nährboden, auf dem die 
Wundinfektionserreger zur Entwickelung Gelegerheit haben. Hier- 
aus ergibt sich neben der Asepsis und Antisepsis die neue Forderung im Kampfe 
gegen die Wundinfektion: Umstimmung des als Nährboden dienenden 
Organismus, so dass eine Entwicklung und Virulenzentfaltung der 
Bakterien unmöglich wird. Neben allgemeinen Massnahmen gibt uns die 
moderne Immunitätslehre zwei Möglichkeiten an die Hand zur Erreichung 
einer derartigen biologischen Antisepsis: die passive und aktive Immunisierung, 
zunächst gegen die Streptokokken. Vortr. berichtet über diesbezügliche kli- 
nische_und experimentelle Versuche, mittels Injektion von abgetöteten menschen- 
pathogenen Streptokokken die Infektionsgefahr bei Geburt und Operation 
prophylaktisch zu bekämpfen. Wenn ein derartiges neues Immunisierungs- 
verfahren allgemeine Anerkennung finden soll, so muss 1. die Harmlosigkeit, 
2. die Wirksamkeit im Tierexperiment und 3. der klinische Erfolg 
gewährleistet werden. 

Nach vorbergehendem Ausprobieren am eigenen Körper hat Vortr. die 
Methode in nunmehr 60 Fällen bei Schwangeren, Gebärenden, Wöchnerinneu 
und gynäkologisch kranken Frauen — vor allem vor schweren Operationen — 
zur Anwendung gebracht und sich von der absoluten Harmlosigkeit des 
Verfahrens überzeugt: die lokale und allgemeine Reaktion hält sich in mässigen 
Grenzen. Experimentell konnte der Beweis erbracht werden, dass es in der 
grössten Zahl der Fälle gelingt, Tiere gegen sonst sicher tödliche 
Streptokokkeninfektionen zu schützen und zwar gegen Streptokokken 
anderer Provenienz als zur Immunisierung verwendet wurden. Wenn auch durch 
eine derartige prophylaktische einmalige Injektion keine hochgradige Immunität 
gegen vielfach tödliche Dosen zu erreichen ist, so ist doch eine specifische 


77. Versammlung Deutscher Naturforscher und Aerzte. 167 


Resistenzerhöhung jederzeit wahrnehmbar. Da nun im klinischen Leben 
die Verhältnisse unendlich viel günstiger liegen als im Tierex- 
periment, so genügt für prophylaktische Zwecke eine derartige 
specifische Resistenzvermehrung durchaus, und man ist berechtigt, von 
einer experimentell erbrachten Begründung dieser Methode zu 
reden. 


Spitzer (Wien) berichtet über seine „Erfahrungen, syphilitisch er- 
krankte Menschen aktiv zu immunisieren“. 

Zur Injektion wurde diluierte, menschliche Sklerose verwendet und sub- 
kutan injiciert. Die Patienten kamen so früh als möglich zur Behandlung, in 
der Regel 2—3 Wochen nach der Infektion. 

Die Ergebnisse dieser Immunisierungsversuche waren folgende: 

Die verabreichten Injektionen haben niemals Störungen allgemeiner oder 
lokaler Natur bervorgerufen. - 

Von den 15 geimpften Kranken bekamen 7 das Exanthem und andere 
luetische Erscheinungen zur normalen Zeit. 

Bei 2 Kranken trat das primäre Syphilid wesentlich verspätet auf. 

Die 6 übrigen Kranken bekamen überhaupt keine Erscheinungen an der 
äusseren Haut. 

Vier von diesen letzteren Kranken haben bis heute, d.i. nach 12 Monaten 
überhaupt keine auf Lues bezüglichen Erscheinungen geboten. Zwei dagegen 
boten 4, resp. 7 Monate nach der Infektion Drüsenveränderungen, die für 
Syphilis beweisend waren. 

Die Schlüsse, die aus diesen Ergebnissen zn ziehen sind, wären dahin zu 
fixieren, dass allem Anscheine nach der Krankheitsverlauf durch die Injektion 
aktivierter Sklerose eine auffallende Veränderung erfahren hat. Erst die 
Nachprüfung an einer grossen Zalıl von Kranken wird bestimmte Anhaltspunkte 
ergeben über die Quantität und Konzentration der zu injicierenden Flüssigkeit. 


Das biologische Verfahren des Blutnachweises wurde, und damit ist der 
Schluss der hier interessierenden wichtigen Vorträge erreicht, von Strauch 
(Berlin) in der gerichtlich-medizinischen Abteilung behandelt. Der Vortrag 
gibt den Beweis für die Unzweckmässigkeit der von mir anfangs beklagten 
Zerstreuung zusammengehöriger Themata. Während in der hygienischen Ab- 
teilung Uhlenhutb die Erweiterung seiner Methode pnblicierte, wurde hier 
vor theoretisch bisher nicht zulässigen Verallgemeinerungen gewarnt. Wären 
beide Referate an einem Orte gehalten wurden, so hätte die sich anschliessende 
Diskussion Klärung und vor allem die Möglichkeit zum Austausche persönlicher 
Erfahrungen gegeben. 

Das Thema des Herrn Strauch (Berlin) war „Der serodiagnostische 
Nachweis von Menschenblut vor Gericht“. 

Her Strauch tritt energisch dagegen auf, dass nach vorgenommener Unter- 
suchung einer Blutspur nach dem neuen biologischen (sogenannten Uhlenhuth- 
schen) Verfahren jetzt so häufig das Gutachten vor Gericht ohne jede Ein- 
schränkung dahin abgegeben wird: es ist Menschenblut vorhanden. Er betont, 


168 77. Versammlung Deutscher Naturforscher und Aerzte. 


dass unbedingt stets auch auf die Möglichkeit hinzuweisen sei, dass es sich 
um Affenblut handeln kann: allein der Richter hat zu beurteilen, ob im ge- 
gebenen Falle Affenblut auszuschliessen ist. Die Uhlenhuthsche Probe sei 
durchaus zuverlässig zur Erkennung, von w2lcher Tierspecies die Blutspur her- 
rühre, ob Blut von Hund, Rind, Hammel, Pferd, Huhn u. s. w. vorliegt; aber 
beim Nachweis verwandter Blutarten und gerade ob es sich um Menschenblut 
oder Tierblut handelt, arbeite die Probe nicht so sicher, wie es in den Er- 
lassen der Justizministerien von Preussen, Württemberg und Baden ausgedrückt 
ist. Menschenblut und Affenblut gäbe bis heute wenigstens die gleiche Reaktion. 
Der Vortragende hält die Möglichkeit, dass einmal auch Affenblut hier bei 
uns in Europa in Frage kommen kann, für selten, aber keineswegs für ausge- 
schlossen. Er hat ausgedehnte Erhebungen bei Tierimporthäusern, Zollämtern 
u.s. w. angestellt über den Umfang des Affenimports nach Europa. Dieser 
ist in den deutschen, englischen, französischen, belgischen und italienischen 
Häfen umfangreicher, als man denkt. Ausserdem würden durch die Passagiere 
und die Matrosen der Handels- und Kriegsschiffe noch privatim eine beträcht- 
liche Menge Affen beständig eingeführt. Alles in Allem müsse man die Zahl der 
jährlich nach Europa eingeführten Affen auf ca. 5000—6000 veranschlagen. 
Der Vortr. ging dann des Näheren auf den Verbleib der Affen hier ein und 
auf den vielgestalteten und besonders innigen Verkehr mit den Menschen, auf 
die grosse Sterblichkeit der Affen und auf die Art, wie deren Leichen beseitigt 
werden. Ganz besonders bedeutsam ist es, dass z. B. in Berlin von der jähr- 
lich grossen Zabl von Affenleichen der fiskalischen Abdeckerei in 22 Jahren 
nur 3—4 zur Vernichtung übergeben worden sind. Meist werden die Affen, 
wenn nicht wissenschaftlich untersucht und konserviert, abgehäutet, in die 
Flussläufe geworfen, oder an der Peripherie in Laubenkolonien und Gärten 
irgendwo verscharrt. An einzelnen ausführlichen Beispielen zeigt der Vortr., 
wie leicht unter all’ diesen Umständen eine Spur von Blut auch bei uns in 
Europa einnal vom Affen herrühren kann, und wie man bei Vornahme jenes 
Blutuntersuchungsverfahrens auch daran denken muss. Bei Abgabe aber der- 
artiger Gutachten vor Gericht, die so eminent wichtig und folgenschwer sind, 
sei es durchaus die Pflicht eines jeden Gerichtsarztes, besonders wenn es sich 
um herrenlose Gegenstände wie Kisten, Körbe, blutiges Einwickelungspapier 
u. s. w. handelt, stets wenigstens zu erwähnen, dass auch Affenblut vorliegen 
kann, und dass das Uhlenhuthsche Untersuchungsverfahren bisher Menschen- 
blut und Affenblut noch nicht zu differenzieren vermag. 


Dass es nach den anstrengenden Sitzungen an Zerstreuung nicht fehlte, 
bedarf keiner Versicherung. Die unvergleichliche Schönheit des Ortes lud zu 
Spaziergängen ein, und die räumliche Beschränkung der kleinen Stadt ermög- 
lichte es, den Abend bei anregender Unterhaltung im leicht gefundenen Kreise 
der Fachgenossen zu beschliessen, Hätte sich nicht der Regen als Patron der 
strengen Wissenschaft gezeigt, ich glaube, die Versammlungsräume wären über- 
all zu gross gewesen. 


Verlag von August Hirschwald, Berlin N.W, — Druck von L. Schumacher in Berlin N. 24. 


Hygienische Rundschau. 


Herausgegeben 


von 


Dr. Carl Fraenkel, Dr. Max Rubner, Dr. Carl Günther, 


seh. Med.-Rat. Prof. der Hygiene Geh. Med.-Rat, Prof. der Hygiene Geh. Med.-Rat. a.0.Prof. der Hygiene 
in Halle a. 5. in Berlin. in Berlin. 


IVL Jahrgang. Berlin, 15. Februar 1906. MA. 


Statistische Unterschiede in der Hinfälligkeit gegenüber einzelnen Krankheiten. 
Von 


Prof. M. Neisser 
in Frankfurt a.M. 


Die statistische Vergleichung zweier Klassen von Menschen zur Erkennung 
ibrer Disposition oder ihrer Resistenz einzelnen Krankheiten gegenüber liefert 
selten eindeutige Resultate, weil es schwer ist, zwei Klassen von Menschen zu 
finden, deren sociale Stellung, Beruf, Lebensführung u. s. w. so gleichartig sind, 
dass statistisch gefundene Unterschiede allein auf die verschiedene Dis- 
position und nicht auf die verschiedene Exposition, auf das verschiedene Milieu 
zurückzuführen sind. Die grössere Mortalität der erwachsenen Männer an Tuber- 
kulose z. B. gegenüber den Frauen kann bei der Verschiedenheit der äusseren 
Bedingungen nicht ohne weiteres auf eine grössere natürliche Veranlagung des 
männlichen Geschlechtes zur Tuberkuloseerkrankung bezogen werden. Es 
schien mir deshalb nicht uninteressant, die Kinder der ersten Lebensjahre 
geschlechtsweise zu vergleichen, da das Milieu für, beide Geschlechter im 
frühesten Kindesalter dasselbe ist. Diese Vergleichung ist um so leichter, als 
in dem vorzüglichen statistischen Jahrbuch der Stadt Berlin vom Jahre 1904 
eine nach Altersklassen und Geschlechtern aufgestellte Statistik über 24 Todes- 
ursachen der 20 Jahre 1881—1900 zu finden ist (und zwar für jedes Jabr- 
fünft getrennt), aus welcher durch Umrechnung leicht die Zablen der Mor- 
talität für die einzelne Krankheitsursache auf je 1000 der Lebenden der 
betreffenden Altersklasse und des betreffenden Geschlechts zu entnehmen sind. 

Es schien nun zweckmässig, für diese Vergleichung das Alter 1—3 Jahre 
herauszugreifen, weil das Lebensjahr O—1 durch die dominierende Todesur- 
sache der Verdauungskrankheiten, zu denen noch Lebensschwäche, Atrophie 
biozukommen, eine besondere Stelle einnimmt, weil ferner das 1. Lebensjahr 
gerade den gewöhnlichsten Infektionskrankheiten gegenüber verhältnismässig 
wenig exponiert ist und weil der Knabenüberschuss und die bekannte allge- 
meine grössere Hinfälligkeit der Knaben im 1. Jahr eine Vergleichung er- 
schwert (durchschnittliche Mortalität der Knaben 283° 9, der Mädchen 2360/0). 

13, 


170 Neisser, 


Die späteren Jahre aber, 3.—5. Lebensjahr, welche in der Berliner Statistik 
zusammengefasst aufgestellt sind, wurden ausgeschaltet, weil hier schon, 
wenigstens im Alter 4—5, Unterschiede des Milieus für beide Geschlechter 
möglich sind, weil ferner die Mortalitätszahlen für einzelne Krankheiten in 
diesen Jahren überhaupt gering sind und somit statistische Ausschläge auf 
Zufälligkeiten beruhen könnten (allgemeine Mortalität etwa 15,8%/,,). e 

Alle diese Fehlerquellen fallen bei der Zusammenfassung der Altersklassen 
1—3 fort; die Zahlen 1!/, Million Lebende mit 70 000 Todesfällen, entsprechend 
einer Mortalität von etwa 55%), sind für statistische Zwecke gross genug, 
die Zahl der männlichen und weiblichen Individuen ist annähernd gleich 
(634 668 Knaben, 638 550 Mädchen) und die allgemeine Mortalität beider Ge- 
schlechter nicht sehr verschieden von einander (55,7%/,, bei den Knaben, 
53,8°/% bei den Mädchen). 

Schliesslich ist noch nötig, um die Verwendung zu kleiner Zahlen zu 
vermeiden, diejenigen Todesursachen auszuschalten, bei denen die Mortalität 
weniger als 1°/% der Lebenden der betreffenden Altersklasse beträgt (Herz- 
krankheiten, Herzlähmung, Nierenkrankheiten u.s.w.). Die übrigen 11 Todes- 
ursachen wurden nun derart zusammengefasst, dass zunächst nur die Durch- 
schnitte der 20jährigen Periode, getrennt naclı Geschlechtern und Todesursachen 
für das Lebensalter 1—3 berücksichtigt wurden. Es wurden hierfür die Todes- 
zahlen im Verhältnis der Lebenden des betreffenden Geschlechts berechnet 
und der Uebersicht balber die für das männliche Geschlecht dabei gefundenen 
Werte in allen Fällen — 100 gesetzt. Die folgende Tabelle zeigt dann, wie 
sich die resultierende Mortalität des weiblichen Geschlechts dieser Altersklassen 
für die einzelnen Todesursachen verhält. 

Tabelle 1. 
Mortalität der Mädchen im Alter 1—3 nach Krankheitsursachen. 
Mortalität derKnaben im Alter 1— 3 überall=100 (BerlinerStatistik 1881—1900). 


Keuchhusten . . 2 22 a e al ra e a 
Lungenentzündung . . 2 2 2 2202020..104 
MASErn 2.2 en ee ie 102 
Tuberkulose . . . ee SE LOL 
Brechdurchfall und Diarrhöe . Se er 300 
Allgemein; u... 200 te an ee, 
Scharlachser. a ae ent bil 2 0 
Krämpfe . . .. SER REN Er TAGA! 
Atrophie, englische Krankheit ee 893 
Unbestimmte und sonstige Todesursachen u. E92: 
Gehirnkrankheiten . . 2 2 222202292 
Diphtherie und Croup. . 2 2 2 2220...90 


Diese Zusammenstellung lehrt folgendes: 

1. Im Lebensalter 1—3 ist im allgemeinen die Hinfälligkeit des weib- 
lichen Geschlechts etwas geringer als diejenige des männlichen. Setzen wir 
die Mortalität (also das Verhältnis der Lebenden zu den Gestorbenen) des 
männlichen Geschlechts dieses Alters =100, so ist die allgemeine Sterb- 
lichkeit des weiblichen Geschlechts dieses Alters = 97. 


Statistische Unterschiede in der Hinfälligkeit gegenüber einzelnen Krankheiten. 171 


2. Im direkten Gegensatz zu dieser allgemeinen Hinfälligkeit der Knaben 
steht die ausgesprochene höhere Hinfälligkeit der Mädchen dieses Alters gegen 
Keuchhusten: 

Mortalität der Knaben im Alter von 1—3 gegenüber Keuchhusten = 100 
„ n Mädchen„ „ „ 1—8 » » =132 . 

3. Umgekehrt, wenn auch weniger ausgesprochen, ist das Verhältnis bei 
der Diphtherie: 

Mortalität der Knaben im Alter von 1—3 Jahren an Diphtherie = 1001) 
n n Mädchen „ „ n 1-23 p» n ” = 90) 

Dass diese Zahlen der Ausdruck einer Gesetzmässigkeit sind, geht aus 
folgender Tabelle hervor. Sie zeigt für die einzelnen Jahrfünfte die Mortalität 
der Lebensalter 1—2, 2—8 in °/,. der Lebenden der betreffenden Altersklasse 
und des betreffenden Geschlechts und zwar 1. für Keuchhusten, 2. für 
Diphtberie. 

Keuchhusten Diphtherie 
Jahr männlich weiblich männlich weiblich 
1881/85 1—2 3,94 411 15,15 13,10 


2—3 0,72 1,32 14,95 13,02 
1896/90 1—2 3,89 4,23 9,39 7,55 
2—3 0,68 1,20 8,31 8,28 
189195 1-2 3,23 3,60 6,53 6,15 
2—3 0,68 0,90 6,10 5,68 
1896/00 1—2 4,18 4,90 3,67 2,98 
2—3 0,85 1,03 2,84 2,42 


Man sieht, mit welcher Regelmässigkeit bei Keuchhusten überall die Mor- 
talität der Mädchen, bei Diphtherie die Mortalität der Knaben überwiegt. 
Diese Regelmässigkeit in der überwiegenden Sterblichkeit des einen Geschlechts 
findet sich bei keiner anderen Todesursache in diesen Jahren. Da die Expo- 
sition bei beiden Geschlechtern als gleich anzusehen ist, so können nur 
Dispositionsunterschiede als Erklärung angenommen werden. Natürlich lassen 
diese Zahlen nicht erkennen, welches Geschlecht eine grössere Disposition zu 
einer dieser Erkrankungen hat. Es ist möglich, dass bei gleicher Er- 


1) Durch das ausserordentliche Entgegenkommen des Herrn Stadtphysikus 
Bentzens und des 2. Gesundheitsinspektors, Herrn Dr. Ustvedt, wurden mir die 
entsprechenden Zahlen aus der vorzüglichen Statistik von Christiania für die Jahre 
1550—1904 zugänglich gemacht. Im Alter von 1—3 Jahren waren in diesen 25 ‚Jahren 
219514 Kinder vorhanden (110190 männliche, 109324 weibliche). An Keuchhusten 
starben in diesen Altersklassen 626 (243 männliche, 383 weibliche). An Diphtherie 
und Croup 1327 (702 männliche, 625 weibliche). Setzt man die Mortalität der Knaben 
in diesem Alter wieder — 100, so ergibt sich 

bei Keuchhusten für die Mädchen die Mortalität von 158 


» Diphthere . . 2 22 2.2..W= 8 

wäbrend z. B. die entsprechenden Zahlen für die 
Mädchen bei Scharlach . . 222... 

und bei Masern. . 2 2 22 


betragen. 
135 


172 Wasser. 


krankungsziffer das eine Geschlecht eine grössere Hinfälligkeit zeigt, es ist aber 
auch möglich, dass die Hinfälligkeit gleich ist, aber die Erkrankungsziffer 
des einen Geschlechts (infolge grösserer Disposition zur Erkrankung) eine 
grössere ist. Es geben deshalb diese Zahlen zunächst nicht das Recht, zu 
einer ungünstigen Prognose quoad vitam bei der Erkrankung eines Mädchens 
an Keuchhusten oder bei der Erkrankung eines Knaben an Diphtherie. Die 
letzte Möglichkeit ist, dass sowohl Disposition zur Erkrankung wie Hinfälligkeit 
bei dem einen Geschlecht überwiegen. Die allgemeinen Angaben von Henoch, 
Heubner, Sticker für Keuchhusten lassen die letztere Möglichkeit als die 
den tatsächlichen Verhältnissen am meisten entsprechende erscheinen. 


Forschungsberichte aus der biologischen Station zu Plön. Heraus- 
gegeben von O. Zacharias. 6 Tafeln, 8 Tabellen und 34 Abbildungen im 
Text. Stuttgart 1905. Erwin Naegele. Preis: 28 M. 

Der für die Süsswasserbiologie unermüdlich werbende Gründer und 
Leiter der Plöner Station hat mit einem ihn eifrig unterstützenden 
Stabe von Mitarbeitern in den letzten 12 Jahren zahlreiche wichtige Anre- 
gungen behufs Erforschung der Hydrozoen und Hydrophyten gegeben; manche 
neue Entdeckungen sind gerade von Plön ausgegangen. Es seien von den 
bearbeiteten Wissensgebieten hier nur hervorgehoben: die grosse Bedeutung 
des pflanzlichen Planktons für den Sauerstoffgehalt der Gewässer und die 
Verminderung der Bakterien, ebenso die Wichtigkeit desselben als Urnahrung 
(aus zersetzter organischer Substanz, wie aus Abwässern und anderen faulen- 
den Stoffen hervorgegangen) für das Zooplankton und weiter für die Fische; 
ferner die Wanderung und Verbreitung der Mikrofauna, die Verkettung, durch 
welche alle diese ein und dasselbe Wasserbecken bewohnenden Lebewesen bio- 
logisch mit einander verbunden sind u. a. m. 

Die Plöner Station eignet sich auch zur Anstellung von physiologischen 
Experimenten, welche sich auf das Zellleben erstrecken oder die Verdauungs- 
funktion der niederen Tiere betreffen, worüber noch wenig exakte Arbeiten 
vorliegen. Auch das Verhalten der Einzelligen zu schwachen elektrischen 
Strömen, zu verschiedenen Lichtarten und Lichtintensitäten, sowie ihre eigen- 
tümlichen, durch chemische und physikalische Einflüsse hervorrufbaren Tro- 
pismen können in einer biologischen Süsswasserstation ebenso gut wie in einer 
marinen zum Gegenstande eingehender Forschungen gemacht werden. 

So finden wir in den bisher erschienenen 12 Bänden der Forschungsbe- 
richte manche wertvollen Arbeiten, welche zum Teil auch für den Hygieniker 
von Interesse sind. Für die Reinhaltung unserer Gewässer kommen alle die 
Lebewesen, wie sie ohne Eigenbewegung im Wasser treiben (Plankton), auch 
die vielen Insektenlarven, Würmer und niederen Urustaceen, die den schlammi- 
gen Grund der Flüsse u. s. w. von Fäulnisstoffen befreien, viel mehr in Be- 
tracht, als man bisher geahnt hat. Den tieferen Einblick in alle diese Ver- 
hältnisse haben wir wesentlich der schnell aufstrebenden Wissenschaft der 
Hydrobiologie mit zu danken. 


Infektionskrankheiten. 173 


Von den im vorliegendem 12. Bande enthaltenen 15 Publikationen, die 
meist zoologischen und algologischen Inhaltes sind, sei hier die Arbeit von 
M. Voigt hervorgehoben. Um die Beziehungen des Planktons zu dem 
Gehalte des Wassers an Stickstoff, Sauerstoff und Kohlensäure 
festzustellen, wurde von ihm gleichzeitig mit Hülfe des Schliessnetzes die ver- 
tikale Verbreitung des Planktons im Grossen Plöner See untersucht. Das Er- 
gebnis war, dass zu Zeiten in der ganzen Wassersäule dieses Sees von der 
Überfläche bis zur Tiefe keine Spur von Kohlensäure vorhanden war, und dass 
zur Zeit des Fehlens dieses Gases das pflanzliche Plankton überwog; es ver- 
braucht die Kohlensäure sofort nach ihrem Auftreten. Während die wasser- 
blütebildenden Algen sich mehr in der Oberflächenschicht des Sees aufhalten, 
dringen die freischwebenden Formen der Kieselalgen in grössere Tiefen vor 
und verbrauchen auch in diesen Regionen das Kohlendioxyd. 

Der Leiter der Plöner Station, Dr. Zacharias, schildert in fesselnder Weise 
seine fischereiwirtschaftlichen Beobachtungen auf einer Reise durch 
Italien und die Schweiz, die er unternahm, um vergleichende Untersuchungen 
der in den alpinen und subalpinen Gewässern vorhandenen Organismen mit 
denen aus den holsteinischen Seen anzustellen. Die grosse Transparenz des 
Wassers der ersteren veranlasst die lichtscheuen Kleinkruster, besonders die 
Cupepoden, während der Tageszeit viel tiefer unten zu verweilen, als in un- 
seren baltischen Seen; in diesen ist durch viele Zuflüsse organischer Natur 
meist eine üppige Vegetation von Schwebealgen vorhanden, welche das auf- 
fallende Sonnenlicht stark abdämpft. Bricht dann die Nacht herein, so 
kommen die Krebschen wieder nach oben, um hier ihre Nahrung, die Schwebe- 
algen, zu suchen. Diese durch die Leukophobie bedingten Migrationen der 
kleinen Crustaceen bedingen auch wieder den Zug gewisser Fische. 

Den Schluss des Bandes bildet eine von Prof. v. Dalla Torre mit vieler 
Mühe zusammengestellte Arbeit (60 Seiten) über diejenige Literatur der 
biologischen Forschung, welche in den Jahren 1901 und 1902 im In- 
und Auslande erschienen ist. Es geht aus der Durchsicht derselben hervor, 
wie schoell in allen Kulturländern das Interesse an bydrobiologischen Arbeiten 
gewachsen ist, und wie bedeutend die Anzahl der Publikationen in dem ver- 
flossenen Decennium von Jahr zu Jabr zugenommen hat. 

M. Marsson (Berlin). 


Gradwehl R. B. H., Importance de l’examen bacteriologique pratiqué 
sur les cadavres. Ann. de lInst. Pasteur. 1904. No. 12. p. 767. 

Der Wert der bakteriologischen Blutuntersuchung am Sektions- 
tisch wurde früher sehr hoch angeschlagen; in letzter Zeit hat Canon nament- 
lich die von Simmonds mitgeteilten Resultate kritisiert und gefunden, dass 
das Herzblut viel früher mit Lungen- und anderen Bakterien inficiert wird als 
das Blat eines peripheren Gefässes, wie z.B. der V. media basilica. Die 
Ansicht Canons wird auch von anderen Autoren geteilt, welche die Unter- 
suchang des peripheren Blutes vorziehen. Verf. hat in Saint Louis (Mo.) bei 

14 


174 Infektionskrankheiten. 


50 Sektionen das Blut aus dem Herzen und dasjenige aus der Armvene bak- 
teriologisch untersucht; einige Leichen wurden innerhalb 2 Stunden nach dem 
Tode seciert. In diesen 50 Leichen, welche die verschiedenartigsten Erkran- 
kungen aufwiesen, waren die Kulturen aus dem Herzblut 39 mal (78/,) positiv 
und 11 mal (22%/,) negativ (Methode der Agarplatten nach Schottmüller); 
die Blutkulturen aus der Armvene fielen hingegen nur 3 mal positiv aus in 
Fällen von Allgemeininfektion. Auf Grund seiner Befunde teilt Verf. die An- 
sicht Canons, empfiehlt die Untersuchung des Blutes aus der V. media 
basilica und betont, dass die Resultate der bakteriologischen Untersuchung 
des Herzblutes unter Umständen irreführen können. 
Silberschmidt (Zürich). 


Boeg, Ueber erbliche Disposition zur Lungenphthisis. Eine Unter- 
suchung auf den Färdern. Zeitschr. f. Hyg. Bd. 49. S. 161. 

Der Verf. geht davon aus, dass Cohnheim schon 1881 die vermeintliche 
erbliche Veranlagung zur Lungenschwindsucht für nichts anderes als 
die im engen Familienkreis grössere Gelegenheit zur Infektion erklärt 
und dass Koch 1882 für diese Behauptung den Beweis geliefert hat. Wer 
demgegenüber an der Erblichkeit der Lungenschwindsucht festhält, sofern da- 
runter nicht etwa blos eine flache Brust verstanden wird, sondern etwas 
Wesentliches, „un etat diathesique bacilliphile“, dem liege auch der Beweis 
hierfür ob, und dieser könne, da das bakteriologische Experiment ausgeschlossen 
sei, nur auf dem klinisch-epidemiologischen Wege geführt werden. Derartige 
Untersuchungen lassen sich nur in kleinen abgeschlossenen Gemeinden, wo die 
Familien und die einzelnen Personen genau bekannt sind, anstellen und der 
Verf. hat eine solche Ende der 90er Jahre auf den Färöern, wo er über 
10 Jahre lang amtlich tätig war, unternommen. Von diesen Inseln sind 17 
durch beinahe 13000 Einwohner (nach einer Zählung von 1890) in etwa 
100 Dörfern und Flecken bewohnt; der Verkehr zwischen ihnen ist vielfach 
schwierig und oft lange Zeit unterbrochen. Die Post kommt monatlich ein- 
mal. Das Leben spielt sich fast ganz wie vor mehreren hundert Jahren ab, 
die mündliche Ueberlieferung spielt eine grosse Rolle und sie ist zuverlässig, 
wie der Verf. durch Nachprüfung bei Einsicht von Totenscheinen, Kirchen- 
büchern, Krankenblättern des Amtshospitals und aus Berichten der Kreisärzte 
und des Physikats feststellen konnte. 

Lungenschwindsucht ist auf den Färödern keineswegs unbekannt, wie 
bisher allgemein und auch von Hirsch angegeben wurde, sondern von Alters 
her vorkommend. Auch Panums Angaben über das Fehlen des Krebses 
sind irrig. Unter den Rindern ist Tuberkulose selten und erst nach 1880 
mit eingeführten Tieren eingeschleppt. Bei einer Tuberkulinprüfung im Jahre 
1898 reagierten von 868 Rindern nur 33, d.h. etwa 4 v.H. Ueberhaupt vor- 
handen waren damals 4516 Rinder. 

Der Verf. hat nun aus den Jahren 1879—1898 alle vorgekommenen 
Todesfälle an Lungenschwindsucht — 305 an Zahl — und Angaben 
über die 49 am Ende 1898 auf den Inseln lebenden Kranken dieser Art 
gesammelt; einen grossen Teil der letzteren hat er auf eigens zu diesem 


Infektionskrankheiten. 175 


Zweck unternommenen Reisen selbst untersucht und befragt. Im Durchschnitt 
der 20 Jahre von 1879—1898 betrug die Sterblichkeit an Lungenschwind- 
sacht 1,18 v. T.; von sämtlichen Todesfällen fielen auf Lungenschwindsucht 
8«.H. Oertlich ist die Krankheit sehr ungleich verteilt: es gibt Dörfer 
und Inseln, wo sie ganz fehlt, während sie in anderen verhältnismässig häufig 
ist. Der Zusammenhang der einzelnen Fälle liess sich leicht verfolgen; von 
Retten, die sich aus 2—9 Gliedern zusammensetzten, werden Beispiele mit- 
geteilt. 

Für die Frage nach der erblichen Veranlagung wurden die gesammelten 
354 Fälle nach dem Verwandtschaftsverhältnis geordnet. Bei 136 
(40 v. H.) von ihnen waren entweder die Eltern oder die Grosseltern oder 
beide lungenschwindsüchtig. Von 337 Fällen waren bei 158 (47 v.H.) Ge- 
schwister schwindsüchtig. Im ganzen hatten von 342 Schwindsüchtigen 222 
(65 v. H.) Eltern, Grosseltern oder Geschwister, die an derselben Krankheit 
litten. Als Infektionsmöglichkeit wurde trockener Staub (Cornet) in 
keinem Falle, versprühte Tröpfchen (Flügge) dagegen in 262 Fällen 
(7 v. H.) angesehen. Der Verf. fand die Zahl der Schwindsüchtigen, deren 
Eltern ebenfalls schwindsüchtig waren, nicht grösser, als wenn ausser 
den Eltern auch noch die Grosseltern von Schwindsucht befallen waren. 
Er verglich ferner die Zahl der Schwindsüchtigen, deren Vorfahren gesund 
waren, mit denen, deren Vorfahren schwindsüchtig waren, fand aber 
keinen Unterschied, der über die Fehlergrenzen hinausgegangen wäre, obwohl 
dic Gelegenheit zur Infektion bei den letzteren fast doppelt so häufig war als 
bei den ersteren. Die Lebensdauer stellte sich bei 196 Schwindsüchtigen 
mit gesunden Vorfahren im Durchschnitt auf 37 Jahre, bei 99 mit schwind- 
sächtigen Vorfahren auf 30 Jahre. Dieser Unterschied erklärt sich aber leicht 
daraus, dass die letzteren in jüngerem Alter als die ersteren Gelegenheit zur 
Infektion gehabt hatten. 

Das Endergebnis ist, dass der Verf. nach seinen Erfahrungen auf den 
Färdern die Annahme von erblicher Veranlagung zur Lungen- 
schwindsucht für nicht haltbar erklärt. Globig (Berlin). 


Trestiein A., Beitrag zur primären Darmtuberkulose beim Kalb. 
Münch. med. Wochenschr. 1904. No. 28. S. 1246. 

Bei einem Kalbe, dessen Tonsillen, Cervikaldrüsen, Bifurkationsdrüsen 
und Lunge selbst bei genauer mikroskopischer Prüfung nicht die geringsten 
tuberkuloseverdächtigen Veränderungen aufwiesen, hat Tr. im Dünndarm 
-allerfeinste beginnende Geschwürchen“, verkäste tuberkelba- 
eillenbaltige Peyersche Plaques und ein dazu gehöriges enormes mesen- 
teriales Lympbdrüsenpacket gefunden, welches zum Teil in Verkäsung, zum 
Teil in Verkalkung übergegangen war. 

In diesem seiner Meinung nach für primäre Fütterungstuberkulose 
charakteristischen Falle sieht Tr. die Wand des Dünndarms als die 
Eingangspforte der Krankheitserreger an. Im Euter der zugehörigen Mutter- 
kub liess sich eine walnussgrosse prallelastische Geschwulst nach- 
weisen, die nach dem Ausfall der mit der Milch dieses Tieres an Meerschwein- 

I* 


176 Infektionskrankheiten. 


chen angestellten Infektionsversuche immerhin den Verdacht auf das 
Vorliegen einer tuberkulösen Mastitis nahe legen konnte. Dieser Ver- 
mutung diente auch der positive Erfolg der diagnostischen Tuber- 
kulinimpfung der Mutterkuh als wichtige Stütze. Besonders wertvoll war 
dann schliesslich, dass bei einem schon 1!/, Jahre alten, von dem gleichen 
Muttertier stammenden Rinde schwere, ganz und gar dem Bilde einer 
Fütterungstuberkulose entsprechende Organveränderungen ange- 
troffen wurden. Tr. steht auf dem Standpunkt, dass ebenso wie in diesen 
beiden Fällen beim Rinde, so auch beim Menschen durch tuberkel- 
bacillenhaltige Milch eine infantile tuberkulöse Darminfektion 
hervorgerufen werden kann. Denn da sich, entgegen Rob. Kochs Ansicht, 
der Menschentuberkelbacillus doch auf das Rind übertragbar er- 
wiesen hat, so vermag Tr. nicht einzusehen, weshalb nicht auch der Rinder- 
tuberkulosebacillus beim menschlichen Säuglinge die gleiche 
Eingangspforte wie in den beiden angeführten Fällen beim Kalbe zu be- 
nutzen und dieselben schweren tuberkulösen Krankheitserscheinungen zu ver- 
ursachen vermag. Schumacher (Hagen i.W.). 


Barthel Chr. und Stenström 0., Weitere Beiträge zur Frage des Ein- 
flusses hoher Temperaturen auf Tuberkelbacillen in der Milch. 
Centralbl. f. Bakt. Abt. I. Orig. Bd. 87. S. 459. 

Die von den verschiedenen Autoren gewonnenen Resultate über die Ab- 
tötung von Tuberkelbacillen in Milch bei höheren Temperaturen 
sind nicht gleichmässige. Verff. sachen diesen Unterschied zu erklären durch ` 
den verschiedenen Alkalitäts- resp. Säuregrad der Milch. Sie fanden nämlich 
in einer Anzahl von Versuchen, dass, wenn die Milch zum Gerinnen gebracht 
war, mag sie nun vorher alkalisch oder sauer gewesen sein, die in ihr ent- 
haltenen Tuberkelbacillen schwerer abzutöten waren, als wenn die Milch 
flüssig geblieben war. Sie nehmen an, dass die koagulierten Teilchen der 
Milch die in ihnen eingeschlossenen Tuberkelbacillen bei der Erwärmung der 
Milch von der Hitze isolieren. 

‚Da eine derartige Koagulation im gewöhnlichen milchwirtschaftlichen 
Betrieb bei der Pasteurisierung ja nicht vorkommt, empfehlen Verff. das in 
Dänemark eingeführte Verfahren, nach dem die Milch während 1!/,—2 Mi- 
nuten der Temperatur von 80° ausgesetzt wird. 

Hayo Bruns (Gelsenkirchen). 


Moeller A., Beitrag zur Frage der Uebertragung von Infektionskrank- 
heiten bei der Abendmahlsfeier und Vorschlag zu einer Modi- 
fikation der Feier. Deutsche med. Wochenschr. 1905. No. 14. 

Vom Rande und aus den Resten des Inhaltes von Abendmahls- 
kelchen, die an verschiedenen Orten benutzt waren, hat der Verf. unter 
6 Tierversuchen einmal Tuberkelbacillen, durch Kultur Influenzabaeillen, 
Trauben- und Kettenkokken gefunden und hält hierdurch die Möglichkeit 
der Uebertragung von Infektionskrankheiten durch den gemeinsamen Abend- 
mahlskelch für bewiesen, namentlich für durch Krankheit oder Siechtum ge- 


Infektionskrankheiten. 177 


schwāchte Menschen. Eine besondereGefahr erblickt er hierin bei Krankheiten, 
die mit Wunden oder Geschwäürsbildungen im Munde einhergehen wie 
Syphilis, Aktinomykose, Soor, Angina, Aphthen. 

Zur Lösang der Frage schlägt er vor, dass nicht mehr unmittelbar, 
sondern mittelbar aus dem gemeinsamen Abendmablskelch getrunken werden 
soll, und empfiehlt zu diesem Zweck die Benutzung löffelartiger Gefässe, 
mit welchen Wein für den Einzelnen aus dem Kelch geschöpft wird, und 
welche je nach dem Stoff, aus dem sie verfertigt sind, entweder erst nach 
Reinigung und Behandlung mit heissem Sodawasser von Neuem benutzt 
(Metall) oder vernichtet (Papier mache) werden sollen. Globig (Berlin). 


Deycke und Reschad, Neue Gesichtspunkte in der Leprafrage. Aus 
dem Kaiserl. Ottoman. Lehrkrankenhause Gülhane in Konstantinopel. 
Deutsche med. Wochenschr. 1905. No. 13 u. 14. 

Die Verff. brachten flache Schnitte von der unteren Fläche keimfrei 
ausgeschnittener Lepraknoten in keimfreie physiologische Kochsalzlösung, 
hielten sie lange Zeit (Monate) im Brütschrank und beobachteten unter einer 
grossen Anzahl derartiger Kulturen bei 3 das Wachstum einer alkohol- 
und säurefesten Streptothrixart, die dann auch auf Agar, am besten 
auf Menschenhirnagar, fortgepflanzt werden konnte, aber auch auf allen an- 
deren gebräuchlichen Nährböden fortkam und häufig einen schönen orange- 
toten Farbstoff bildete. Bei 40° entwickelten sich daraus rundliche Pilz- 
drusen bis zu Erbsengrösse in Rindfleischbrühe, dereh Einspritzung bei dem 
Leprakranken, welcher den Ausgangspunkt für diese Kulturen gebildet 
hatte, eine sehr auffällige subjektive und objektive Besserung be- 
wirkte. Bei anderen Leprakranken war dieser Erfolg nicht so stark ausgeprägt, 
jedoch war ebenfalls ein günstiger Einfluss in den meisten Fällen zu bemerken 
und äusserte sich besonders in der Zurückbildung der diffusen, dem Saftstrom 
leicht zugänglichen leprösen Infiltrationen; die eigentlichen Lepraknoten da- 
gegen blieben für die Beobachtung mit blossem Auge fast unverändert, liessen 
aber unter dem Mikroskop gleichfalls eine Abnahme und Auflösung der Lepra- 
bacillen erkennen. Da die Einspritzungen nicht bloss eine sehr deutliche 
örtliche Anschwellung aller, auch der kleinsten leprösen Gebilde zur 
Folge hatten, sondern auch eine stürmische allgemeine Reaktion, die der 
Tuberkulinreaktion sehr ähnlich war, beobachtet wurde, so nehmen die Verff. 
keinen Anstand, hierin einen ganz specifischen Einfluss auf die Lepra- 
erreger zu erblicken. Abweichend von den bei Tuberkulösen gemachten 
Beobachtungen fanden sie auch eine unmittelbare bakterientötende 
Wirkung ihrer Vaccins auf die Leprabacillen. Natürlich ist die von 
den Verff. gewonnene Streptothrix nicht identisch mit den Hansenschen 
Leprabacillen, aber ein verwandschaftliches Verhältnis zwischen beiden wird 
nach Vorstehendem wohl vorliegen, wenn auch seine Klarstellung bisher noch 
nicht gelungen ist. 

In der überwiegenden Mehrzahl der Kulturen, welche in der Eingangs 
erwähnten Weise angelegt waren, beobachteten die Verf. nach wenigen Tagen 
bis einigen Wochen die Entwickelung einer und derselben Bakterienart, einer 


178 Infektionskrankheiten, 


„Diphtheridee“, die sie mit der von Bordoni-Uffreduzzi, Babes und an- 
deren Untersuchern bei Lepra gefundenen für identisch halten. Im Ganzen 
haben sie sie aus 30 Lepraknoten von 9 Kranken mit Leichtigkeit züchten 
können und einmal in sehr zahlreichen Kolonien auf Blutagarplatten aus dem 
Armblutaderblut eines an schwerer Lepra zu Grunde gehenden Kranken 
beobachtet. Auf Grund dieser in grosser Anzahl regelmässig erhobenen Be- 
funde balten die Verff. die Diphtheridee für eine saprophytische Wuchs- 
form des Lepraerregers und schliessen sich der zuerst von Cornil 
ausgesprochenen Ansicht an, dass die parasitische Form, die Armauer 
Hansenschen Bacillen, sehr schnell absterben und als tote sehr widerständige 
Fremdkörper lange im Gewebe liegen bleiben. Sie sind der Meinung, dass 
eine im Verhältnis zu den ungeheuren Mengen der Leprabacillen nur sehr 
geringe Anzahl von Keimen in den Geweben lebendig und in Vermehrung 
begriffen ist, und sehen hierin den Grund für die Schwierigkeiten und das 
häufige Fehlschlagen der Impfversuche. Einen gewissen Grad von Widerstand 
der nach Ziehl gefärbten Zellen gegen Säure beobachteten die Verff. stets bei 
ihrer Diphtheridee, besonders in den Keulen- und Körnerbildungen, sie ver- 
mochten aber durch Züchtung in Milch und in Gegenwart eines als 
Verunreinigung auf den Platten angetroffenen fadenbildenden Mikroor- 
ganismus stets die vermisste oder beschränkte Säurefestigkeit bis zu 
einem hohen Grade herzustellen. Sie sprechen die Vermutung aus, ob 
nicht etwa eine ähnliche Umwandlung der säureempfindlichen Diphtherideen 
in säurefeste Leprabacillin in der Nasenhöhle von Leprakranken vor sich 
gehen möchte. Uebrigens machen sie darauf aufmerksam, dass auch die 
Säurebeständigkeit der Tuberkelbacillen nicht ohne Schwankungen ist, und 
dass z. B. ganz junge und sehr alte Tuberkelbacillen eine geringere Wider- 
standsfähigkeit zu zeigen pflegen als die voll entwickelten. 
Globig (Berlin). 


Uffenheimer, Albert, Beiträge zur Klinik nnd Bakteriologie der 
Angina ulcerosa-membranacea. Münch. med. Wochenschr. 1904. 
So. 27. S. 1198. 

U. hat bei 5 Fällen von Angina ulcerosa-membranacea, welche 
nach der bei dieser Erkrankungsform üblichen Regel gutartig verliefen, 
bakteriologische Untersuchungen angestellt. In den ersten beiden Fällen 
wurde die Diagnose erst nach Vornahme der bakteriologischen 
Untersuchung, in den letzten drei Fällen dagegen allein auf Grund 
des klinischen Bildes gestellt. Besonders auffällig war die Dauer des 
Leidens und der mit demselben verbundene Foetor ex ore. Die Unter- 
suchung ergab das Vorhandensein von Spirochäten und des Bacillus fusi- 
formis. Da U. bei anderer Gelegenheit wahrnahm, dass das Nachlassen des 
Geruches zeitlich mit dem Verschwinden der Spirochäten zusammenfiel, so 
schiebt er den letzteren die Hauptschuld an der Erzeugung des unangenehmen 
Geruches zu. 

Die Spirochäten in Reinkultur zu züchten, ist U. ebensowenig wie früheren 
Untersuchern gelungen. Dagegen glückte es, den Bac. fusiformis ineinem 


Infektionskrankheiten. 179 


konzentrierten flüssigen Nährboden mit Zusatz von sterilem 
menschlichen Speichel durch 3 Generationen rein zu züchten, während 
die Kultivierung auf den gewöhnlichen erstarrten Nährböden unmöglich war. 

Alle auf Feststellung der Infektiosität des Bac. fusiformis und der Spiro- 
chäte abzielenden Versuche an Tieren und an Menschen sind negativ 
ausgefallen. 

Zur radikalen Heilung der Angina ulcerosa-membranacea empfiehlt 
U. während des letzten Krankheitsstadiums die Tonsillotomie, die er selbst 
in solchen Fällen mit bestem Erfolge ausgeführt hat. 

Schumacher (Hagen i.W.). 


Mayer, Martin und Schreyer, Osear, Zur Klinik und Aetiologie der 
Angina ulcerosa membranacea (Plaut-Vincent). Aus d. Seemanns- 
krankenhaus u. Institut f. Schiffs- u. Tropenkrankbeiten in Hamburg. 
Deutsche med. Wochenschr. 1905. No. 16. 

Es wird ein tödlich ausgegangener Fall von Mandelentzündung mit 
geschwürig zerfallendem Belag beschrieben, in dem die von Plaut und 
Vincent zuerst beschriebenen spiessförmigen Stäbchen und feinen Spiro- 
chäten vorhanden waren, Der ungewöhnlich schwere Verlauf der Erkrankung 
wird auf eine gleichzeitige schwere „perniciöse Anämie“ zurückgeführt, die 
vermutlich mit lange fortgesetzter schlechter Schiffskost (geräucherten Fischen) 
in Zusammenhang stand. 

Im Anschluss hieran ist zusammengestellt, was über die mikroskopi. 
schen Befunde bei der Plaut-Vincentschen Angina und über Züchtungs- 
versuche der spiessförmigen Bacillen bekannt geworden ist. Die Kultur der 
letzteren ist erst vor Kurzem Ellermann mit Serumagar und Serumfleisch- 
brühe bei Luftabschluss geglückt. Globig (Berlin). 


Ellermann V., Ueber die Kultur der fusiformen Bacillen. Centralbl. 
f. Bakt. Abt. I. Orig. Bd. 87. S. 729. 

Es ist bisher nicht gelungen, die bei nekrotischen Prozessen des Menschen 
(Gangrän, Noma, Angina Vincenti), gefundenen Spirillen und spindelförmigen 
Bacillen (Bac. fusiformes) zu züchten. Verf. erhielt eine Reinkultur der 
Bacillen auf Serumagar (2 Teile Agar, 1 Teil flüssiges Pferdeserum) unter 
streng anaeroben Verhältnissen. Die Kolonien erscheinen nach 2 Tagen, können 
bis za 1!/, mm gross werden; sie baben ein filzig verzweigtes Aussehen von 
leicht gelblicher Farbe, die Kultur ist übelriechend. Es ist Verf. gelungen, 
durch 9 Generationen sie fortzuzüchten. 

Der beschriebene Bacillus entspricht der langen Form der Vincentschen 
Bacillen, er ist unbeweglich, gerade gestreckt, mit zugespitzten Enden. 

Verf. spricht die Ansicht aus, dass man unter den in den oben genannten 
pathologischen Produkten gefundenen Bac. fusiformes 2 Arten unterscheiden 
müsse, die eben beschriebenen längeren Formen und kurze dicke, komma- 
fürmige Bacillen. Auch diese kurzen Fusiformes vermochte er anadrob auf 
Seramagar zu züchten. Die Kolonien bleiben sehr klein, erscheinen nach 
3 Tagen erst. Die jungen Bacillen sind lebhaft beweglich. 

Hayo Bruns (Gelsenkirchen). 


180 Infektionskrankheiten. 


Ghon A. und Sachs M., Beiträge zur Kenntnis der anaeroben Bakterien 
des Menschen. III. Zur Aetiologie der Peritonitis. Centralbl. f. 
Bakt. Abt. I. Orig. Bd. 38. S. 1. ff. 

Aus einer Perforationsperitonitis, die im Anschluss an ein Magenkarcinom 
entstanden war, isolierten Verff. eine Reinkultur von Bacillen, die folgendes 
Verhalten zeigten: Im Eiterausstrich reichlich kleine, influenzaähnliche, gram- 
negative Bacillen. In Kulturen zeigten dieselben grosse Neigung, fadenförmige, 
gewundene, oder auch fassförmige, gequollen erscheinende Degenerationsformen 
zu bilden. Wachstum nur bei höherer Temperatur, sowie nur unter streng 
anaöroben Verhältnissen. Keine Sporenbildung. In Bouillon Trübung mit 
Bodensatz, in Gelatine keine Verflüssigung. Gutes Wachstum in traubenzucken- 
haltigen Nährböden. Auf erstarrtem Eiweiss und in Serumkulturen Erweichung, 
fast Verflüssigung des Nährbodens. Tierversuche blieben vollständig resultat- 
los, ausser geringen Infiltrationen an der Impfstelle. Verff. sprechen den von 
ihnen gezüchteten Bacillen ätiologische Bedeutung für die Entstehung der 
Bauchfellentzändung zu. Die Bacillen gehören zur Gruppe des sogen. Bac. 
fusiformis. Hayo Bruns (Gelsenkirchen). 
Hoffmann W., Untersuchungen über die Lebensdauer von Typhus- 

bacillen im Aquariumwasser. Arch. f. Hyg. Bd. 52. S. 208. 

Verf. prüfte mit Hülfe des von ihm und Ficker angegebenen Koffein- 
Nutrose-Anreicherungsverfahrens, wie lange Typhusbacillen im Wasser 
eines Aquariums lebendig blieben. In ein grösseres Aquarium wurde 
eine 7 cm hohe Schicht von Kies und Pflanzenerde eingefüllt, 10 Liter Leitungs- 
wasser eingegossen, einige Wasserpflanzen, Schnecken und Fische eingesetzt. 
Dann wurden 3 Typhusbouillonkulturen dem Leitungswasser zugesetzt. Es ergab 
eine Bestimmung, dass pro ccm ca. 300000 Typbusbacillen und ca. 60 000 
anderweitige saprophytische Wasserbakterien vorhanden waren. Nach 3 Tagen 
wurden noch spärliche Typhusbacillen in 4 Oesen des Wassers durch direkte 
Verimpfung auf Drigalski-Conradi-Platten nachgewiesen. Mit Hülfe der 
Koffeinanreicherung und nachfolgender Sedimentierung mit Typhusserum konnten 
noch nach 4 Wochen Typhusbacillen nachgewiesen werden; als aus dem Wasser 
selbst keine positiven Befunde mehr zu erzielen waren, gelang der Nachweis 
der Typbusbacillen im Schlamm des Beckens jedoch immer noch ohne jede 
Schwierigkeit. Im ganzen liessen sich noch nach 2 Monaten im Schlamm 
Typhusbacillen auffinden. 

Es ist in der Beziehung interessant, darauf hinzuweisen, dass es in einem 
Fall Tavel (Centralbl. f. Bakt. Bd. 33. S. 166), und in einem weiteren Fall dem 
Ref. (Klin. Jahrb. 1904. S. 29) gelang, aus dem Bodensatz in einem Brunnen, 
der wegen der Verbreitung von Typhus angeschuldigt war, Typhusbacillen zu 
züchten. Hayo Bruns (Gelsenkirchen). 


Ströszner E., Typhusbacillen in dem Wasser eines Hausprunnens. 
Centralbl. f. Bakt. Abt. I. Orig. Bd. 38. S. 19. 

Aus dem Wasser eines Hausbrunnens (in dem zugehörigen Hause waren 

3Typhusfälle vorgekommen; der Brunnen war ein undichter Kesselbrunnen, der in 


Infektionskrankheiten. 181 


gedüngter Erde stand; die Nachtgeschirre des Hauses, auch während der Krank- 
beit, wurden direkt am Brunnen gespült) züchtete Verf. Typhusbacillen, 
deren Identität auch durch wechselseitige Agglutination und durch den positiven 
Ausfall des Pfeifferschen Versuches sicher gestellt wurde. Die Isolierung ge- 
schah nach der von Ficker und Hoffmann (Arch. f. Hyg. Bd. 49. H. 3) ange- 
gebenen Methode mit Hülfe einer Koffeio-Nutrose-Anreicherung. Der positive 
Befund, der nach Ausicht des Ref. wohl einwandsfrei erhoben ist, wurde etwa 
4—5 Wochen nach der letzten Erkrankung (leider ist nicht gesagt, ob der 
Beginn oder das Ende der Kraukheit gerechnet ist) erhoben. 


Hayo Bruns (Gelsenkirchen). 


Richter, Etwas über „Typhushäuser“ und „Typhushöfe“. Zeitschr. f. 
Med.-Beamte. 1904. S. 840. 

R. beschreibt, nachdem er kurz die Literatur besprochen hat, 22 Fälle 
von Typhus abdom., welche in sogenannten Typhushäusern und Typhus- 
böfen entstanden waren. Die Pausen zwischen den einzelnen Fällen, welche 
in den Typbushäusern vorkamen, waren teilweise sehr lang. Man wird die 
Tatsache, dass es Typhushäuser und Typhushöfe gibt bezw. gegeben hat, 
nicht wohl nach den Ausführungen des Verf.’s in Abrede stellen können. Es 
fragt sich nur: wie kann man die langen Pausen des Auftretens der einzelnen 
Fälle erkläreu? Die Keime müssen vorhanden sein, sonst kann kein Typhus 
entstehen. Früher, vor ‘der Zeit der Desinfektion, wurden Typbuskeime 
massenhaft in der Umgebung der Patienten verstreut und abgelagert. In den 
bewohnten Räumen wurden sie beim Wechsel der Bettwäche, beim Ausfegen der 
Wohnungen, was im Winter vielleicht auch ohne Oeffnen der Fenster geschehen 
sein mag, mit dem Staube aufgewirbelt und gelangten auf Schränke, in stille 
Winkel, an rauhe Wandstellen und durch die Ritzen der Dielen in die in den 
iu Betracht kommenden Fällen meist nicht unterkellerten Fussboden der Woh- 
nungen, wo sie von den sie vernichtenden Sonnenstrablen nicht getroffen 
wurden. Es besteht nach Verf. mithin gar kein Hindernis, anzunehmen, dass 
die Keime hier keimfähig liegen bleiben, solange von bakteriologischer Seite 
nicht nachgewiesen wird: „dies ist unmöglich“. Es ist nicht ausgeschlossen, dass 
die Keime Jahre, Jahrzehnte im Boden ruhen und nach der Aufnahme in den 
menschlichen Organismus je nach der körperlichen Beschaffenheit und dem 
Gesundheitszustande des Wirtes untergehen oder krankmachende Wirkung 
entfalten können. Es ist also sehr wohl denkbar, dass bei einem grossen 
Reinigeu, oder Fortzug des einen, Einzug des nächsten Bewohners die Keime 
durch mechanische Wirkung von Möbeln, Wänden, aus Winkeln mit dem 
Besen abgestaubt werden, sich in dem betreffenden Raum auf Esswaren nieder- 
lassen und auf diese Weise in den Menschen gelangen. Es ist auch denkbar, 
dass die undesinficierten, in Hof und Garten eingegrabenen Stuhlgänge durch 
Aufgraben der betreffenden Stellen an das Tageslicht kommen; der Betreffende, 
der das Grabscheit führt, trägt die Keime dann mit der seinem Schuhzeug 
anhaftenden Erde in das Haus. Es eröffnet sich bier ein grosser Teil der 
Wege, auf welchem sonst die „Kontaktinfektion“ zustande kommt. Kin an- 
derer sehr in Betracht zu ziehender Faktor als Träger und Verbreiter der Typhus- 


15 


182 Infektionskrankheiten. 


keime in Typhushäusern ist die Bewegung der Bodenluft, welche die in dem 
Boden abgelagerten Keime mit sich führt und in den darüber liegenden Wohn- 
räumen ablagert. Wer auf der Erde im Freien schläft und zum Lager eine 
Stelle wählt, aus der vergrabene Typhuskeime mit aufsteigender Luft an ihn 
gelangen, kann ebenso gut den Typhus bekommen, wie z. B. ein unvorsichtiger 
Wärter oder Pfleger, der Typhuskeime verstäubt. Die Schwankung der Luft 
im Boden ist selbstverständlich vom steigenden oder fallenden Grundwasser 
und von jedem stärkeren Regen beeinflusst. Zur Beseitigung der Typhusträger 
ist die Desinfektion im Krankenzimmer selbst notwendig und zwar die der Ab- 
gänge der Kranken, der Bettwäsche, des Zimmers, der Wände, der Möbel u.s.w. 
Dann kann eine Uebertragung nur noch durch einen genesenen Bacillenträger 
möglich sein. Ein Zusammenwirken der Aerzte, des Pflegepersonals und des 
Publikums ist erforderlich. Engels (Gummersbach). 


Georgii, Typhushandschuhe. Münch. med. Wochenschr. 1904. No. 16. S. 712. 

G. wünscht die in der Geburtshilfe und in der Chirurgie mit so schönem 
Erfolge seit Jahren verwendeten Handschuhe auch bei der Behandlung 
Infektionskranker einzuführen, um durch verbesserte Prophylaxe und 
den Schutz der Hände und Unterarme der Pflegerinnen vor den keim- 
haltigen Abgängen z. B. der Typhuskranken die Häufigkeit der Infektions- 
krankheiten zu verringern. 

Die für einen solchen Zweck geeigneten Handschuhe müssen handlich 
sein und leicht und ohne Zeitverlust gewechselt und gereinigt 
werden können. G. hat aus dünnem, weichem und hellem Paragummi- 
stoff lange bis an den Ellenbogen reichende stulpenartige Hand- 
schube anfertigen lassen, die durch ein Gummiband festgehalten werden; 
am Handgelenk bewirkt ein volar gelegener Gummizug besseren Schluss. 
Für Aerzte wird eine kürzere Form ausreichen. Die Handschuhe mussten 
genäht werden. Wenn auch, wie G. betont, auf exakte Naht ganz besonderer 
Wert gelegt worden ist, so kann erst.die Erfahrung lehren, ob nicht bei 
längerem Gebrauch leicht Undichtigkeiten der Naht entstehen, die doch 
Verunreinigungen der Hand mit infektiösem Material zulassen. Ueber 
die Dichtigkeit der Handschuhe werden eingehende bakteriologische Unter- 
suchungen deshalb Aufschluss zu geben haben. Einstweilen erblicken wir 
den Nutzen dieser Art Handschuhe nur darin, dass grobe augenfällige 
Verunreinigungen mit dem gefährlichen, meist flüssigen Ansteckungsstoff 
leichter vermieden werden. Schumacher (Hagen i.W.). 


Bornträger, Ist die Ruhr zur Zeit in Preussen auszurotten? Eine 
sanitätspolizeiliche Studie. Zeitschr. f. Med.-Beamte. 1904. S. 569. 

Verf. fasst die Ergebnisse seiner höchst interessanten Studie in folgende 
Sätze zusammen: 

1. Die Ruhr ist in Preussen in solchem Grade verbreitet, dass ein auf 
Ausrottung abzielender Kampf berechtigt erscheint; nach Lage der gesamten 
Verhältnisse entspricht ein solcher Kampf gerade zur Zeit vollen Erfolg in 
einer kurzen Reihe von Jahren. 


Infektionskrankheiten. 183 


2. Dieser Kampf kann auf Grund der einheitlichen Ausnutzung der mass- 
geblichen gesetzlichen Bestimmungen seitens der zuständigen Behörden aufge- 
nommen worden; weit wirksamer würde es sein, wenn für das planmässige 
Vorgehen eine gewisse staatliche Centrale vorübergehend geschaffen würde, 
welche nur weniger Kräfte und Mittel bedürfte. 

3. Der Kampf wäre nach 3 Fronten zu führen: 

a) Verhütung von Einschleppung der Ruhr aus dem Auslande. 

b) Bekämpfung der ausgebrochenen Ruhr im Inlande, wobei am wich- 
tigsten sind: Feststellung der endemischen Ruhrherde, Aufklärung 
der Bevölkerung, Durchführung der Anzeigepflicht, bakteriologische 
Untersuchung, ausreichende Mitwirkung der Medizinalbeamten unter 
Verfolgung der Einzelfälle, Krankenhauseinweisung, Absonderung, 
fortlaufende und abschliessende Desinfektionen, eventuell Immuni- 
sierung, Verhütung der Umberschleppung. 

c) Aufspürung und Vernichtung der Ruhrkeime in den seuchefreien 
Zwischenzeiten, also zunächst regelmässig im Winter und Frühjahr, 
insbesondere durch Auffinden, Untersuchung und Verfolgung der ver- 
dächtigen Darmkatarrbe und eventuell bakteriologische Untersuchung 
der Abgänge der Hausgenossen sowie durch Entseuchung inficierter 
Stätten. 

Verf. schliesst seine Ausführungen mit den Worten: Das Wichtigste für 
das Aufnehmen dieses Vertilgungskrieges gegen die Ruhr ist der Wille, alles 
übrige ist vorhanden; daber ans Werk, wer zur Mitarbeit berufen und bereit 
ist, der Erfolg wird dem Wohle des Vaterlandes dienen. 

Engels (Gummersbach). 


Beitzke H., Ueber einen Fall von Meningitis, verursacht durch Bac- 
terium lactis aörogenes. Centralbl. f. Bakt. Abt. I. Orig. Bd. 37. S. 496. 
Ein nach 3 Wochen gestorbenes kongenital syphilitisches Kind zeigte bei 
der Sektion neben allgemeinem Ikterus und parenchymatöser Nephritis eine 
diffuse eitrige Leptomeningitis. Aus dem Eiter der Hirnhäute konnte Verf. 
in Reinkulturen ein Stäbchen züchten, das er mit dem Bact. lactis aöro- 
genes identificierte. Der Bacillus war bei subkutaner und bei intraperitone- 
aler Infektion für Mäuse, Meerschweinchen nnd Kaninchen ziemlich stark pa- 
thogen. Bei subduraler Infektion gelang es ihm nicht, Meningitis zu er- 
zeugen. Verf. schreibt seinem Bacillus lactis aörogenes ursächliche Bedeutung 
für das Eutstehen der Meningitis zu. Hayo Bruns (Gelsenkirchen). 


Radmana, Bemerkungen über die Genickstarre in Oberschlesien. 
Aus d. Knappschaftslazarett Laurahütte. Deutsche med. Wochenschr. 1905. 
No. 18. 

Der Verf. erklärt die gegenwärtige Epidemie von Genickstarre in Ober- 
schlesien nicht blos für erheblich weiter ausgedehnt (etwa 1400 Fälle) 
als die früheren, sondern auch durch höhere Sterblichkeit (mindestens 
10 v. H.) und grössere Ansteckungsfähigkeit ausgezeichnet; sie sei aus- 
gesprochener als sonst eine Kinderkrankheit. Unter 30 Fällen, die er 


b5 


184 Infektionskrankheiten. 


selbst behandelt hat, waren 4 Gruppen von 2—4 Erkrankungen iu den- 
selben Familien oder Häusern; er konnte bei ihnen die Inkubationszeit 
zu 11/,—2 Tagen bestimmen. In 4 Fällen hat er kurz nach dem Ausbruch 
der Krankheit Hautausschläge beobachtet, die meistens mit der Roseola 
bei Typhus grosse Aehnlichkeit hatten, aber vorzugsweise ihren Sitz an den 
Gliedern hatten; sie verschwanden in wenigen Tagen. Globig (Berlin). 


Franga, Carlos, Zur Behandlung der epidemischen Meningitis. 
Deutsche med. Wochenschr. 1905 Nr. 20. 

Der Verf. hat während der Genickstarreepidemie von 1902 in Lissabon 
bei eitriger Hirnbautentzündung gute Erfolge davon gehabt, dass er an 
die Punktion des Lendenmarkkanals Spülungen mit physiologischer 
Kochsalzlösung und Einspritzungen von 1:1000 Lysollösung anschloss. 

Globig (Berlin). 


Wertheimber Th., Ueber den diagnostischen und therapeutischen 
Wert der Lumbalpnnktion bei der Meningitis. Münch. med. Wochen- 
schr. 1904. No. 23. S. 1004. 

In der durch das Quinckesche Verfahren aus dem Cerebrospinalsack des 
Menschen gewonnenen Flüssigkeit finden sich bei Hydrocephalus, bei Ge- 
hirntumoren und bei der Meningitis serosa keine Bakterien, wäh- 
rend in dem bei tuberkulöser Meningitis gewonnenen serösen Exsudat 
bei gründlichem Suchen die specifischen Bacillen nachzuweisen sind. Der 
normalerweise 40—60 mm Wasser betragende Druck, unter dem die Cerebro- 
spinalflüssigkeit steht, kann bei Vermehrung derselben auf 300, ja auf 700 mm 
ansteigen. Die entleerten Mengen schwanken sehr und betragen 3—100 ccm 
Flüssigkeit. 

Bei einem Teile der kindlichen Meningitiden empfiehlt W. die 
Punktion des Subduralraumes, und zwar namentlich in den Fällen, 
welche im Gefolge einer Pneumonie oder einer anderen akuten Erkrankung 
auftreten. Besonders wenn der Augenbefund einen erhöhten Hirndruck er- 
kennen lässt, soll man punktieren und so lange damit fortfahren, bis der 
Hirndruck nachgelassen hat. Auf diese Weise wird es oft gelingen, die schwer 
bedrohte Funktion des Auges und manchmal auch sogar das gefährdete Leben 
der kleinen Patienten zu retten. Schumacher (Hagen i.W.). 


v. Drigalski, Beobachtungen bei Genickstarre. Aus d. bakteriolog. Ab- 
teilung des XI. Armeekorps in Kassel. Deutsche med. Wochenschr. 1905. 
No. 25. 

Von 7 klinisch der Genickstarre verdächtigen Fällen hat der Verf. bei 

3 den Meningococcus intracellularis durch Kulturen nachweisen können und 

zwar bei 2 in der trüben Punktionsflüssigkeit aus dem Rückenmarkskanal 

und in dem Inhalt von Herpesbläschen. Bei dem 3. in 38 Stunden mit 

Tod endenden Falle war die Hirn- und Rückenmarksflüssigkeit völlig klar, 

Meningokokken wurden aber aus dem Halsmark, aus einer Seitenhöhle 

des Gehirns und neben Fraenkelschen Diplokokken aus einem pneumoni- 

schen Lungenherd gezüchtet. Globig (Berlin). 


Infektionskrankheiten. 185 


v. Lingelsheim, Berichte über die in der hygienischen Station zu 
Beuthen O.-S. vorgenommenen bakteriologischen Untersuchungen 
bei epidemischer Genickstarre. Aus d. Akten d. Kgl. Preuss. Kultus- 
ministeriums. Deutsche med. Wochenschr. 1905. No. 26. 

In der Zeit vom 3. December 1904 bis 10. Mai 1905 wurde 243 mal 
Punktionsflüssigkeit von Kranken untersucht und in 138 Fällen davon der 
Weichselbaumsche Meningococcus intracellularis gefunden, meistens 
gleichzeitig durch Kultur und mikroskopischen Nachweis. Unter 139 Leichen, 
von denen Inhalt des Rückenmarkkanals oder der Hirnhöhlen oder Gebirnteile 
eingesandt wurden, fand sich der Meningokokkus bei 68. Dass der Nachweis 
nicht öfter gelang, hing zum Teil von der schon eingetretenen Fäulnis, zum 
Teil davon ab, dass die Untersuchung erst später als 2 Tage nach dem Tode 
vorgenommen werden konnte. Wie eigens angestellte Versuche ergaben, erfolgt 
nämlich schon nach 24 Stunden eine erhebliche Abnahme der Menin- 
gokokken und nach 48 Stunden sind sie in der Regel völlig abge- 
storben. 

Der Verf. hat besonderes Augenmerk auf das Vorkommen des Menin- 
gokokkus in der Nase und in den oberen Luftwegen gerichtet, weil er 
dort die Eintrittspforte der Infektion vermutete. Den behandelnden Aerzten 
wurden Entnahmevorrichtungen für Untersuchungsmaterial wie bei Diphtherie 
— mit Watte umwickelte Metallsonden in keimfreien Reagensgläschen, die 
sun einer Holzhülle umgeben waren — zugestellt. So wurden Proben von 
635 Kranken und 289 Gesunden erhalten und von jenen bei 146, von 
diesen bei 26 (sämtlich nahen Bekannten oder Angehörigen von Kranken) der 
Meningokokkus festgestellt. Es ergab sich, dass auch hier die Zeit zwischen 
Entnahme und Untersuchung von wesentlicher Bedeutung ist; denn 
wäbrend bei den Einsendungen aus Beuthen selbst oder seiner nächsten Um- 
gebung fast regelmässig der Meningokokkus nachgewiesen wurde, war dies 
bei länger unterwegs befindlichen Sendungen nicht der Fall. Wichtig ist ferner, 
dass die Sonde bei der Entnahme durch die Nase hindurch bis zum Rachen 
durchgeführt wird; denn der Hauptsitz der Kokkenwucherung sind nicht 
Gaumen und Mandeln, sondern die obersten Rachenteile und der Schlund- 
kopf. Unter 56 Kindern einer Volksschule in Königshütte beherbergten 
4 Meningokokken, 1 ziemlich reichlich, 3 nur in geringer Zahl. Sie 
stammten sämtlich aus Hänsern, in denen Genickstarre geherrscht hatte. 

Vom 11. Mai bis 1. Juni 1905 wurde von 57 Punktionsflüssigkeiten 
bei 26 und von 37 Leichen bei 8 der Meningokokkus nachgewiesen. Bei 
Untersuchung sehr bald nach dem Tode (2 Stunden) wurde er stets und 
ansschliesslich in den Hirnhäuten, wenn auch in wechselnder Menge 
gefunden, dagegen nicht in der Milz, in Drüsen und im Blut. Anreicherungs- 
verfahren haben sich bisher nicht bewährt. In dem Nasen- und Rachen- 
schleim von 163 Kranken wurde bei 18, von 18 Gesunden bei 2 (der Mutter 
eines an Genickstarre kranken Kindes und der Dienstmagd in einer Familie 
mit 2 solchen Kindern) der Meningokokkus gefunden. Bei Tierversuchen 
wurde keine Infektion erzielt, aber es kam Tod durch Intoxikation vor. 

Globig (Berlin). 


186 Infektionskrankheiten. 


Schaudinn, Fritz und Hofmann, Erich, Ueber Spirochaetenbefunde im 
Lymphdrüsensaft Syphilitischer. Aus dem Protozo@u-Laborator. d. 
Kais. Gesundbeitsamtes u. d. Kgl. Univ.-Klinik f. Haut- und Geschlechts- 
krankh. in Berlin. Deutsche med. Wochenschr. 1905. No. 18. 

In dem anfangs Mai 1905 ausgegebenen 2. Heft des 22. Bandes der Ar- 
beiten aus dem Kaiserlichen Gesundheitsamte haben die Verff. einen „vor- 
läufigen Bericht über das Vorkommen von Spirochaeten in syphi- 
litischen Krankheitsprodukten und bei Papillomen“ erstattet, in dem 
sie mitteilten, dass sie nicht blos an der Oberfläche syphilitischer „Papeln 
und Primäraffekte“, sondern auch in der Tiefe ihres Gewebes und selbst in 
specifisch erkrankten Leistendrüsen echte Spirochäten gefunden haben. Sie 
glaubten schon damals, 2 Arten von Spirochäten unterscheiden zu können, 
eine gröbere, leichter und dunkel zu färbende mit flacheren und 
weiten Windungen (Spirochaete refringens), welche nur auf der Ober- 
fläche der Geschlechtsteile und bei Verletzungen und Geschwüren derselben 
nur in den oberflächlichen Gewebsschichten vorkommt, und eine blasse, 
zarte, nur sehr schwer färbbare mit zahlreicheren, steileren und 
engeren korkzieherartigen Windungen (Spirochaete pallida), welche 
nur im Innern syphilitischer Gewebsveränderungen lebt. Die 
weiter fortgesetzten Untersuchungen der Verff. haben diese Annahme bestärkt. 
Um ein möglichst einwandfreies Untersuchungsmaterial ohne zufällige Bei- 
mischungen zu erbalten, haben sie es bei 8 unzweifelhaften Fällen 
frischer Sypbilis, über die nähere Mitteilungen gemacht werden, den 
geschwollenen indolenten Leistendrüsen entnommen, von denen ein Teil 
(2 Fälle) im ganzen herausgeschnitten war, bei dem andern (6 Fälle) Saft 
aus dem Innern mit einer Spritze herausgesaugt war. In allen Fällen 
liess sich in frischen oder mit der Giemsaschen Eosin-Azurmischung ge- 
färbten Präparaten die Spirochaete pallida, zum Teil nur vereinzelt, zum 
Teil in sehr grosser Anzahl nachweisen. 

Die Verff. teilen diesen regelmässigen Befund mit, unterlassen es aber, 
ein bestimmtes Urteil über seine ätiologische Bedeutung abzugeben. 

Globig (Berlin). 


Buschke A. und Fischer W., Ueber das Vorkommen von Spirochäten 
in inneren Organen eines sypbilitischen Kindes. Aus d. syphilido- 
logisch. Abt. d. Städt. Krankenhauses am Urban zu Berlin. Deutsche med. 
Wochenschr. 1905. No. 20 und Nachtrag hierzu No. 21. 

Im Milzsaft und Lebersaft eines 10 Wochen alten Kindes mit einem 
ausgebreiteten syphilitischen Papelnausschlag, bei welchem die Leichenöffnung 
Verhärtung der Milz, hämorrhagische Nierenentzündung. Gelbsucht und diffuse 
interstitielle Leberentzündung ergeben hatte, fanden die Verff. ausserordent- 
lich zahlreiche kürzere und lange Spirochäten, wie sie von Schaudinn 
und Hoffmann beschrieben sind. Nachträglich haben sie die gleichen Mikro- 
organismen auch noch in einem bei Lebzeiten des Kindes angefertigten Blut- 
präparat nachweisen können. Globig (Berlin). 


Infektionskrankheiten. 187 


Pierkowski, Weitere Mitteilung über Syphilisimpfung am Pferde. 
Deutsche med. Wochenschr. 1905. No. 23. 

Der Verf. berichtet, dass er 4 Wochen nach Einspritzungen von Blut 
syphilitischer Menschen in die Drosselblutader eines Pferdes das Auftreten 
son linsen- bis erbsengrossen Papeln am Rumpf beobachtet hat, die, zunächst 
spärlich, in einigen Wochen zahlreich wurden, daun zum Teil verschwanden 
und anderwärts wieder auftraten. Sie bildeten kleine Borken, deren Abkratzen 
eine leichte Blutung und einen braun-rötlichen Schorf hervorrief. Allmählich 
verschwanden diese Papeln, doch waren nach 6 Monaten noch einige bis zu 
Bohnengrösse vorhanden, und es bildeten sich am Kopf und den Gliedern neue. 
Gleichzeitig bewirkte Haarausfall viele lichtere Stellen. Die Lymphdrüsen 
waren nach 8 Wochen deutlich geschwollen, fühlbar, nicht schmerzhaft; sie 
gingen dann wieder zurück, 

Durch wiederholte Uebertragung von Blut dieses Pferdes auf ein 
anderes wurden dieselben Erscheinungen bei diesem hervorgerufen. 
Bei Kaninchen hat der Verf. ähnliche Beobachtungen gemacht. 

Globig (Berlin). 


Reitmann, Karl, Zur Färbung der Spirochaete pallida Schaudinn. 
Aus d. K. K. Universitätsklinik für Dermatologie u. Syphilidologie in Wien. 
Deutsche med. Wochenschr. 1905. No. 25. 

Der Verf. bringt die an der Luft getrockneten und mit absolutem Alkohol 
fixierten Präparate auf 5 Minuten in 2: 100 Phosphorwolframsäurelösung 
und färbt nach Entfernung dieser Beize durch destilliertes Wasser und 
70 v.H. Alkohol mit Karbolfuchsin unter Erwärmung. Dann sollen nach 
Abspülung in Wasser und Alkohol die Spirochäten „ziemlich intensiv und prä- 
cise rot gefärbt, sein. Globig (Berlin). 


Herxheimer, Karl und Hübner, Hans, Ueber Darstellungsweise und Be- 
fund der bei Lues vorkommenden Spirochaete pallida. Aus d. 
Hautkrankenstation des Städt. Krankenh. in Frankfurt a. M. Deutsche med. 
Wochenschr. 1905. No. 26. 

Die Verff. haben gefunden, dass man eine scharfe dunkelblaue Färbung 
der Schaudinnschen Spirochaete pallida in Ausstrichen und auch in 
Gewebschnitten mit wässeriger Lösung von Nilblau BR, die man 16—24 
Stunden einwirken lässt, erzielen kann. Sie bestätigen die schon bekannten 
Befunde dieser Spirochaete allein ohne andere Mikroorganismen im Gewebs- 
saft von der Unterfläche frisch herausgeschnittener Schankergeschwüre und 
breiter Feigwarzen, während in Abstrichpräparaten von der äusseren Oberfläche 
ausserdem zahlreiche Bakterien und auch die Spirochaete refringens vorhanden 
waren. Gewöhnlich war die Spirochaete pallida nur in sehr geringer 
Anzahl nachzuweisen und die Untersuchung wurde noch erschwert durch ihre 
Zartheit und die Ungewohntheit ihres Anblickes, in einem Fall aber war 
ihre Menge so gross, dass sie im hängenden Tropfen mit den von 
Schaudinn beschriebenen Bewegungen beobachtet werden konnte. 

Globig (Berlin). 


188 Infektionskrankheiten. 


Giemsa 6., Bemerkungen zur Färbung der Spirochaeta pallida 
(Schaudinn). Aus d. Institut f. Schiffs- u. Tropenkrankh. in Hamburg. 
Deutsche med. Wochenschr. 1905. No. 26. 

Während der Verf. bisher zur Herstellung der Romanowskyschen 
Färbung von Chromatinkörpern bei Protozoön u.s.w. getrennte Lösungen, 
einerseits der basischen Farbstoffe (Azur I] und reines Methylenblau zu gleichen 
Teilen), andererseits des sauren Eosins verwendete, die erst kurz vor dem 
Gebrauch in bestimmten Verbältnissen gemischt wurden, hat er neuerdings 
eine einzige gebrauchsfertige haltbare Lösung noch besser bewährt 
gefunden, die folgende Zusammensetzung hat: 

Azur II-Eosin 3,0 g 
Azur II 0,8 g 
Glycerin (Merck, chemisch rein) 250,0 g 
Methylalkohol (Kahlbaum I) 250,0 g 

Damit kann Schaudinns Spirochaete pallida schon in 15 Minuten bis 
1 Stunde gefärbt werden. Dass in dieser Lösung saprophytische Keime sich 
erhalten und vermehren könnten, erklärt der Verf. wegen ihrer Zusammen- 
setzung aus konzentriertem Glycerin und absolutem Methylalkohol für ausge- 
schlossen. Globig (Berlin). 


Citron, Julius, Ueber das Verhalten der Favus- und Trichophytonpilze 
im Organismus. Aus d. kgl. Instit. f. Infektionskrankh. in Berlin. 
Zeitschr. f. Hyg. Bd. 49. S. 120. 

Zahlreiche Untersuchungen haben dazu geführt, dass jetzt die verschie- 
denen Favusarten als zusammengehörig und nur als Varietäten einer und 
derselben Art betrachtet werden. Für die bei Trichophytie gefundenen Pilze 
aber ist diese Frage noch nicht entschieden; nur darüber ist man so gut wie 
einig, dass sie vom Favus wesentlich verschieden sind. Mit dem Verhalten 
dieser Pilze bei Einbringnng in den tierischen Organismus haben sich nur 
wenige Arbeiten beschäftigt, vermutlich weil die ersten Untersuchungen ohne 
Ergebnis blieben. Sabrazes (1893) und Bukowsky (1900) fanden, dass 
durch Einbringung konzentrierter Kulturaufschwemmungen in die Blut- 
adern oder die Bauchhöhle Kaninchen getötet wurden, durch dünnere Kulturen 
aber nicht. Wenn sie Tiere der letzteren Art indessen innerhalb von 2 Wochen 
töteten, so beobachteten sie in den Lungen und am Bauchfell graue 
Knötchen von Hanfkorngrösse, welche aus Leukocyten bestanden und in 
ihrer Mitte Pilzfäden einschlossen. Der Verf. konnte diese Befunde bei 
Mäusen, Meerschweinchen und Kaninchen bestätigen und fand sogar noch nach 
3 Monaten Pilzfäden in den Knötchen. Frösche vertrugen grössere Mengen 
von den Kulturaufschwemmungen und liessen insofern einen Unterschied zwischen 
Favus und Trichophyton erkennen, als bei den letzteren Phagoeytose auftrat. 
Die Abwehr geschieht überhaupt nur durch Leukocyten; in den Körper- 
flüssigkeiten sind keinerlei die Favus- und Trichophytonpilze 
lösenden Bestandteile gefunden worden. 

Der Verf. macht auf die Uebereinstimmung mit dem Tuberkulose- 
erreger, der übrigens ebenfalls ein mycelbildender Pilz ist, aufmerksam, 


Infektionskrankheiten. 189 


dass nicht blos die lebenden, sondern auch abgetötete Kulturen 
einen „formativen Reiz“ auf die Gewebe ausüben und Knötchenbildung 
bervorrufen. Er sucht den Ursprung desselben in einer toxischen Wirkung 
der Pilzleiber und findet hierin eine Erklärung für die Hartnäckigkeit der 
durch Favus hervorgerufenen Hautkrankheiten, zu deren Heilung eine Desinfektion 
allein nicht ausreicht, sondern auch noch eine mechanische Entfernung, 
wie sie z. B. bei der Haarausziehung geschieht, erforderlich ist. Nach- 
dem Muster des Tuberkulins wurde auch ein „Favin“ und „Trichophytin“ 
auf die von Plato angegebene Weise hergestellt. Dieser Forscher hatte von 
Trichophytin bei gesunden Kaninchen keine Wirkung beobachtet, wohl aber 
eine Temperatursteigerung um 1° bei Tieren, denen 4 Tage vorher Trichophyton- 
Kultur eingespritzt worden war. Gleiches festzustellen gelang dem Verf. nicht, 
dagegen schien ihm öfter, wenn auch nicht regelmässig, eine Beschleunigung 
der Heilung dadurch bewirkt zu werden. Eine aktive Immunisiernung 
gegen Favus und Trichophyton liess sich bei Mäusen bis zu einem ge- 
wissen Grade erreichen, eine passive gelang bisher nicht. Auf 
Agglutination konnte nicht geprüft werden, weil sich keine gleichmässige 
Verteilung der Aufschwemmung herstellen liess; Präcipitine wurden nach- 
gewiesen und ergaben eine nabe Verwandschaft aller untersuchten Favus- und 
Trichophytonarten. Dies sind wichtige Punkte, in welchen ebenfalls Ueber- 
einstimmung mit dem Tuberkuloseerreger vorhanden ist. Globig (Berlin). 


Novy, Mc Neal and Hare, The cultivation of the Surra trypanosoma 
of the Philippines. Journ. of the American med. Association. 28. Mai 1904 
Um die immer noch strittige Frage nach dem gegenseitigen Verhältnis 
der Surra, Nagana und des Mal de Caderas zu lösen und festzustellen, 
ob es sich hier um getrennte oder gleichartige Krankheiten handle, haben 
die Verff. sich von den Philippinen wiederholentlich mit Blut von Surra- 
kranken beschickte Kulturröhrchen kommen lassen und an solchen auch zu 
verschiedenen Malen eine deutliche und kräftige Entwickelung wahrnehmen 
können. Genauere Untersuchungen beseitigten dann jeden Zweifel, dass es 
sich hier um sicher von den anderen ebengenanntenTrypanosomen, demTr. Bru cei 
und dem Tr. Lewisi verschiedene Mikroorganismen handle, und weiter 
liessen die Beobachtungen auch kaum einen Zweifel, dass sogar die Surra- 
parasiten, die von den Philippinen, und diejenigen, die von den Mauritius- 
inseln stammten, besonderen, wenn auch nahe miteinander verwandten Arten 
angehörten. C. Fraenkel (Halle a. S.). 


Kleine F. K, Die Ergebnisse der Forschungen Robert Kochs über 
das Küstenfieber der Rinder und über die Pferdesterbe gele- 
gentlich seiner letzten Expedition nach Südafrika. Deutsche med. 
Wochenschr. 1905. No. 23. 

Das Küstenfieber verläuft nach etwa 10 tägiger Inkubation mit un- 
gefahr 14 tägigem hohen Fieber und tötet 85—90 v.H. der befallenen Rinder. 
Die Krankheit verursacht Schwellung und Blutungen der Lymphdrüsen, kleine 
Infarktbildungen der Nieren uud Leber und Oedeme der Lungen und Luftröhre. 

16 


190 Infektionskrankheiten. 


Die Erreger der Krankheit sind kleine stäbchenförmige oder ringförmige 
Parasiten in den roten Blutkörperchen; ihre Zahl nimmt allmählich 
zu, so dass schliesslich fast alle Blutkörperchen befallen sind und manche 
von ihnen sogar mehrfach. Man hatte die Krankheit vorher für ein besonders 
schweres Texasfieber gehalten, da dessen Parasiten sich in manchen Fällen 
nachweisen liessen, Koch zeigte aber, dass das Texasfieber nur eine hinzu- 
tretende Krankheit ist, für welche der Boden durch das Küstenfieber bereitet 
wird. Das Ueberstehen des Küstenfiebers macht die Rinder immun. Künst- 
liche Uebertragung desselben durch Blut, selbst in grosser Menge, gelingt 
nicht. Die natürliche Uebertragung erfolgt durch Zecken (Rhipicephalus). 
Die Krankheit war Ende 1900 zuerst in einer Rinderherde ausgebrochen, 
die Cecil Rhodes aus Australien nach Beira hatte bringen lassen, und hatte 
sich von dort über den grössten Teil von Südafrika verbreitet. Koch nimmt 
an, dass die an der Küste einheimischen Rinder von der Krankheit seit langem 
durchseucht und immun sind, aber wie alle Tiere, welche Protozo@nkrankheiten 
überstanden haben, eine gewisse, wenn auch geringe Zahl der erregenden 
Mikroorganismen in ihrem Blut beherbergen, und dass diese letzteren durch 
einen Zwischenwirt auf die neuen Ankömmlinge übertragen werden. Dieser Zu- 
sammenhang wird dadurch bewiesen, dass mehrere Rinder von der Küste Deutsch- 
Ostafrikas, die für diesen Zweck eigens nach Rhodesia gebracht wurden, dort 
unter zahlreichen erkrankten Tieren gesund blieben. Da eine Ausrottung der 
Zecken unmöglich ist, so wurde Schutz gegen die Krankheit durch Immu- 
nisierung zn erreichen gesucht und schliesslich zu diesem Zweck empfohlen, 
4—5 Monate lang alle 14 Tage je 5ccm (von seinem Faserstoff befreites) 
Blut von einem nach schwerer Krankheit genesenen Rind einzuspritzen. Die 
Ergebnisse dieser Art von Impfung genügten. 

Die Pferdesterbe, welche Pferde und Maulesel befällt, ist schon seit 
100 Jahren bekannt; sie kommt vorzugsweise in Tälern, an Flüssen und 
Wasserstellen vor. Wahrscheinlich wird sie durch Stiche eines Insekts 
während der Nacht hervorgerufen; wenigstens lassen vorsichtige Farmer ibre 
Pferde nicht vor Tagesanbruch und nicht nach Anfang der Dunkelheit auf 
den Weiden. Nach einer Inkubation von 3—10 Tagen bricht hohes Fieber 
aus, welches in 3—4 Tagen unter Cyanose und Anschwellung der Augen, 
Lippen, Zunge meist mit Lungenödem zum Tode führt. Der Erreger der 
Krankheit ist nicht bekannt, wahrscheinlich wegen seiner Kleinheit nicht 
sichtbar. Von Tier zu Tier ist die Krankheit nicht ansteckend, aber durch 
Blut künstlich übertragbar und dann fast für alle Tiere tödlich. Die natür- 
liche Ansteckung wird dagegen von einer gewissen Anzahl von ihnen über- 
standen, oft, ohne dass eine Erkrankung überbaupt bemerkt wird; sie sind 
dann immun, „gesalzen“. Koch stellte ein Schutzserum dadurch her, 
dass er alten „gesalzenen“ Tieren grosse Mengen (2 Liter) frischen virulenten 
Blutes 5—6 mal in etwa 2 wöchigen Zwischenräumen in die Blutadern ein- 
spritzte. Dieses Serum, zu 100 ccm 1 Tag vor und 1—4 Tage nach der In- 
fektion angewendet, hinderte den Ausbruch der Krankheit, beeinflusste aber 
die ausgesprochene Sterbe nicht mehr. Durch Einspritzuag dieses Serums 
abwechselnd mit steigenden Mengen konservierten virulenten Blutes (mit 


Infektionskrankheiten. 191 


Wasser und Glycerin zu gleichen Teilen und 1 auf Tausend Karbolsäure ver- 
setzt) konnten Pferde aktiv immunisiert werden. Bei Mauleseln liess sich 
noch der beginnende Anfall durch Serumeinspritzung bekämpfen und Immuni- 
sierung auf einmal erreichen. Globig (Berlin). 


Brüning, Hermann, Ueber die Bedeutung der Koplikschen Flecke für 
die Diagnose und Differentialdiagnose der Masern. Aus d. Univ.- 
Kinderklinik in Leipzig. Deutsche med. Wochenschr. 1905. No. 10. 

Die Meinungen über die Häufigkeit des Vorkommens und die Be- 
deutung der 1896 von Koplik als kennzeichnend für Masern beschrie- 
benen und nach ihm benannten Flecke auf der Wangenschleimhaut 
sind noch immer sehr verschieden. Deshalb ist es von besonderem Wert, dass 
in der Leipziger Kinderklinik 1904 eine Nachprüfung stattfand, als ein Aus- 
bruch von Masern auf der Scharlach- und auf der Diphtheriestation eine ge- 
naue Beobachtung auch der frühesten Entwickelungsstufen dieser 
Krankheit ermöglichte. Von den 100 letzten Masernfällen der Klinik waren 
48 mit schon bestehendem oder im Ausbruch befindlichem Ausschlag von aus- 
wärts aufgenommen worden: von diesen wurden bei 9 (19 v.H.) die Koplik- 
schen Flecke gefunden. Die übrigen 52 Fälle waren innerhalb desKranken- 
hauses zur Entwickelung gekommen, und bei allen bis auf 2, welche 
von der chirurgischen Station verlegt wurden, liessen sich die Koplikschen 
Flecke nachweisen. Sie wurden 3 mal am 5. oder 6., 4mal am 4., Tmal 
am 3., 1l mal am 2. und 25 mal am letzten Tage vor dem Ausbruch des 
Masernausschlages festgestellt und verschwanden so schnell wieder, dass sie 
nur bei 17 Kindern noch gleichzeitig mit dem Hautausschiag vorbanden waren; 
bei 2 blieben sie bis zu dessen Verblassen bestehen. Ihre Zahl schwankte 
sehr; meistens waren sie sehr klein und auf die Umgebung der Mündung des 
Stenonschen Ganges beschränkt, kamen aber auch auf der Schleimhaut der 
Lippen, des Gaumens und am Zahnfleisch vor. Im allgemeinen waren sie 
leicht beim blossen Oeffnen des Mundes zu sehen, in manchen Fällen aber 
erst bei sorgfältiger Besichtigung und unter Zuhülfenahme von Spateln. Zer- 
streutes Tageslicht liess sie leichter erkennen als künstliche Beleuchtung. 
Waren sie deutlich vorhanden, so wurden die Kinder sofort auf die 
Masernabteilung oder in das Mischinfektiousbaus verlegt und bei keinem 
blieb der Ausschlag aus. Dagegen wurden die Koplikschen Flecke bei 
Scharlach, Röteln und Serumausschlägen stets vermisst und der Verf. stellt 
sie als eine bei genauer Untersuchung stets nachweisbare, völlig sichere 
Früberscheinung der Masern hin, welche für die Erkennung, Unterschei- 
dung und Vorbeugung der Krankheit die grösste Bedeutung hat. 

Globig (Berlin). 


Ziemann, Hans, Beitrag zur Filariakrankheit der Menschen und Tiere 
in den Tropen. Deutsche med. Wochenschr. 1905. No. 11. 

Während der Verf. in Kamerun unter den eingeborenen Negern bei 
einem Drittel (54 von 184), darunter zahlreichen anscheinend völlig Gesunden, 
Embryonen von Filaria perstans im Blut gefunden hat, traf er sie bei 

16* 


192 Infektionskrankheiten. 


Weissen nur in 4 von 180 Fällen an und zwar ausschliesslich bei Personen, 
die an vorübergehenden Schwellungen, meistens an Armen und Beinen, 
und an leichten allgemeinen Krankheitserscheinungen litten. Die Schwel- 
lungen, von Walnuss- bis Gänseeigrösse, waren vielleicht durch Verstopfungen 
der Lymphgefässe hervorgerufen, welche von Filarien ausgingen; sie ver- 
schwanden plötzlich oder langsam, oder sie wanderten, oder sie gingen in 
Eiterung über. 

Filaria loa mit Sitz des erwachsenen Wurms unter der Bindehaut des 
Augapfels hat der Verf. 4 mal, darunter einmal bei einem Weissen beobachtet. 
Da in 3 dieser Fälle im Anschluss an das Verchwinden des Wurms aus dem 
Auge Embryonen von Filaria perstans sich im Blut zeigten und eben so oft 
wandernde Schwellungen vorhanden waren, kommt der Verf. zu der Vermutung, 
dass die Filaria loa das Muttertier für die Embryonen von Filaria perstans ist. 

Ausser Elephantiasis, Blat- und Chylusharnen und anderen bekannten 
durch Filarien verursachten Krankheitserscheinungen hat der Verf. auch allein 
remittierendes oder intermittierendes Fieber mit ausgesprochenem 
Krankheitsgefühl beobachtet, welches leicht auf Malaria hätte bezogen 
werden können, aber durch Blutuntersuchung schnell als durch Filarien bedingt 
richtig erkannt werden konnte. 

An Heilmitteln wurden Thymol und Methylenblau versucht, sie blieben 
aber ohne Erfolg. Die Prognose der Krankheit ist im allgemeinen nicht 
ungünstig, weil ohne Zweifel die Pilarien in vielen Fällen wieder aus dem 
Blut verschwinden. Da ihre Uebertragung dem Anopheles costalis und 
einem schwarzen weissgesprenkelten Culex zugeschrieben wird, so kommen 
für die Einschränkung der Weiterverbreitung dieselben Massnahmen wie gegen 
Malaria in Betracht. 

Von Tieren hat der Verf. bisher nur 2 Schimpansen und ein Schaf mit 
Filarien behaftet gefunden. K Globig (Berlin). 


Loeb L. und Smith A. J., Ueber eine die Blutgerinnung hemmende 
Substanz in Ankylostoma caninum. Centralbl. f. Bakt. Abt. I. Orig. 
Bd. 37. S. 98. 

Die bei den schweren Fällen von Ankylostomainfektion als häufiges 
Symptom vorkommende Anämie wird von den einzelnen Forschern verschieden 
erklärt, teils durch die Annahme eines hämolytischen oder sonstwie toxischen 
Stoffes im Sekret des Parasiten, teils aber auch direkt durch Summierung der 
vielfachen kleinen Blutverluste beim jedesmaligen Biss der Würmer und beim 
Absaugen des Bluts, teils auch durch die Möglichkeit der Aufnahme von toxi- 
schen Stoffen aus dem Darmkanal des Patienten infolge der vielfachen Läsionen 
der Darmschleimhaut. In Analogie mit dem von Haycraft im Kopfende von 
Blutegeln gefundenen blutgerinnungshemmenden „Hirudin“ suchten Verff. 
auch bei Ankylostoma caninum eine ähnliche Substanz nachzuweisen, in- 
dem sie das Extrakt von einer Anzahl zerriebener Ankylostomawürmer direkt 
mit Hundeblut iu Berührung brachten. Es zeigte sich eine ganz ausgesprochene 
Verlangsamung der Gerinnung, die in den Kontrollröbrchen nach einigen 
Minuten, in den mit Extrakt versetzten erst nach Stunden, gelegentlich nach 


Immunität. Schutzimpfung. 198 


24 Stunden, auftrat. Der Hauptsache nach enthält die vordere Körperhälfte 
(die Ankylostomawürmer besitzen am Kopf und am Oesophagus eine Anzahl 
Drüsen, die möglicherweise die toxischen Produkte secernieren) die bei weitem 
grösste Menge der gerinnungshemmenden Substanz, die hintere Hälfte nur ge- 
legentlich ganz wenig. Durch Kochen wird diese Substanz nicht vollständig 
zerstört. Wahrscheinlich ist diese gerinnungshemmende Substanz von Wich- 
tigkeit für das Zustandekommen der Anämie bei der Ankylostomainfektion. 
Hämolytisch wirkende Stoffe liessen sich im Ankylostomaextrakt nicht 
nachweisen. Hayo Bruns (Gelsenkirchen). 


Wassermann A. und Citron, Julius, Die lokale Immunität der Gewebe 
und ihre praktische Wichtigkeit. Aus d. Institut f. Infektionskrankh. 
Deutsche med. Wochenschr. 1905. No. 15. 

Je nachdem die Verff. Typhusbacillen in die Blutbahn oder in die Brust- 
höble oder die Bauchhöhle von Kaninchen einbrachten, zeigte entweder das 
Serum oder die Brustfellausschwitzung oder die Bauchfellflüssigkeit besonders 
stark ausgesprochene specifische typhusbakterien-vernichtende Eigenschaften. 
Daraus geht hervor, dass in den Geweben, mit welchen Infektionsstoffe in 
Berührung kommen, örtliche Immunisierungen vor sich gehen. Die Verff. 
erinnern hierbei an die alte chirurgische Erfahrung, dass der Mastdarm und 
die Mundhöhle sehr wenig in Gefahr sind, inficiert zu werden, während dies 
bei der Bauchhöhle, Brusthöhle und selbst bei Gelenkhöhlen in hohem Grade 
der Fall ist. Der Zusammenhang erklärt sich. dadurch, dass diejenigen Ge- 
webe, welche im gesunden Zustande mit Bakterien nicht in Berührung kommen, 
Infektionserregern gegenüber sich besonders empfindlich verhalten, während 
umgekehrt diejenigen Gewebe, welche beständig mit allen möglichen Mikro- 
organismen in sehr enger Verbindung stehen, nur wenig empfindlich sind. 
Hiermit stimmt es überein, dass z. B. das Bacterium coli für junge Tiere und 
Kinder als Erreger von Darmkrankheiten eine erhebliche Rolle spielt, während 
es bei den höheren Altersstufen unschädlich ist, wenigstens für die Darm- 
schleimhaut; denn in anderen Organen wie z. B. Nierenbecken oder Harnleiter 
kann es auch bei Erwachsenen sehr ernste Infektionen hervorrufen. 

Die unter der Einwirkung von Infektionserregern entstehende Fähigkeit 
der Gewebe, örtlich gegebenen Falles Antikörper zu erzeugen, wird von den 
Verff. mit einer bleibenden „tieferen biologischen Umstimmung der 
Gewebe“ in Verbindung gebracht, die schliesslich in einer Unempfind- 
lichkeit des betreffenden Gewebes gegen bestimmte Infektionserreger Aus- 
druck finden soll. Als Beispiel hierfür werden die „Typhusbacillenträger“ 
angeführt, deren Darmschleimhaut gegen Typhusbacillen völlig unempfindlich 
ist. Wenn hier bei der Berährung mit den Typhusbakterien specifische Immun- 
körper gebildet würden, so müsste die agglutinierende und baktericide Wirkung 
des Blutes oder der Organe eine Erhöhung erfahren. Dies ist aber nach zahl- 
reichen Untersuchungen nicht der Fall. Von mangelnder Virulenz kann hier 
nicht die Rede sein, da bekanntlich die Ausleerungen der „Typhusbacillenträger“ 


194 Immunität. Schutzimpfung. 


für andere Personen sehr infektiös sind. Die Verff. machen darauf aufmerk- 
sam, dass derartige „biologische Umstimmungen der Gewebe“ immer 
nur unter dem Einfluss lebender, niemals aber toter Bakterien ein- 
treten. Worauf dieser Unterschied beruht, und welche Verhältnisse überhaupt bei 
der „Umstimmung* obwalten, darüber sind Untersuchungen noch erforderlich. 
Globig (Berlin). 


Ibrahim J, Ueber Schutzimpfung mit Diphtherieheilserum. Aus d. 
Universitätsklinik in Heidelberg. Deutsche med. Wochenschr. 1905. No. 11. 
Der Verf. berichtet über die Art, wie in der Heidelberger Universitäts- 
Kinderklinik Impfungen mit Diphtherieheilserum zur Verhütung von 
Diphtherieausbruch in der Umgebung von Diphtheriekranken ausgeführt 
werden, und unterscheidet hierbei folgende Gruppen: 1. Die Geschwister 
der in die Anstalt wegen Diphtherie aufgenommenen Kranken, soweit sie 
unter 10 Jahr alt sind, erhalten 250—300 (früher 500) Immunisierungseinheiten. 
Misserfolge sind nicht vorgekommen. 2. Bei Hausinfektionen mit Diph- 
therie, welche durch Einschleppung mit besuchenden Angehörigen von 
Zeit zu Zeit vorkommen, werden allen Kindern, die sich in demselben Saal 
befinden oder in den nächsten Tagen aufgenommen werden, 250—500 Immuni- 
sierungseinheiten eingespritzt. Derartige Massenimmunisierungen sind 
seit 1895 29 vorgenommen worden; niemals ist ein geimpftes Kind erkrankt. 
3. Bei Mischinfektionen kann das gleichzeitige Befallenwerden eines Kindes 
durch Scharlach und durch Masern grosse Verlegenheiten bereiten, weil es von 
allen andern abgesondert werden muss; wenn sich aber Diphtherie zu 
Scharlach oder Masern hinzugesellt, so werden derartige Kranke unter 
die übrigen Scharlach- oder Masernkranken gelegt, nur erhalten 
diese 500 oder (neuerdings bei Masern) 1000 Immunisierungseinheiten. In 
dieser Gruppe ist 1901 ein Misserfolg getreten, da ein mit Scharlach und 
Keuchhusten aufgenommenes 3jähriges Kind trotz Immunisierung mit 1000 Im- 
munisierungseinheiten 4 Tage später von Rachendiphtherie befallen wurde. 
4. Im Vertrauen auf die Zuverlässigkeit der Schutzimpfung wurden auch 
Kinder, welche nicht von Diphtherie befallen waren, zu den Diph- 
theriekranken gelegt. Hierzu gehörten zunächst solche mit klinisch 
verdächtigen Halsentzündungen, welche 1000 Immunisierungseinheiten 
erhielten, dann alle Fälle von Pseudocroup und schwerer akuter Kehlkopf- 
entzündung bei jüngeren Kindern, welchen 1500 Immunisierungseinheiten 
eingespritzt wurden, endlich Kinder, bei welchen aus ganz anderen Gründen 
als Diphtherie der Luftröhrenschnitt in Frage kam und nur die Rück- 
sicht auf die genauere Beobachtung und bessere Operationsmöglichkeit mass- 
gebend war; auch diese erhielten 1000 Immunisierungseinheiten. Misserfolge 
sind in dieser Gruppe ebenfalls völlig ausgeblieben. 

Dass der Erfolg aller dieser Impfungen so hervorragend günstig 
ausgefallen ist, wird vom Verf. der Höhe der angewendeten Mengen des 
Heilserums zugeschrieben, die niemals unter 250, gewöhnlich 500—600, 
oft 1000 Immunisierungseinheiten betrugen. Wegen der Kürze der Dauer 
des Impfschutzes müssen auf den Stationen für Diphtheriekranke und für 


Immunität. Schutzimpfung. 195 


an Mischinfektionen Leidende die Immunisierungen alle 3 Wochen wieder- 
holt werden; bei Masernkranken, die besonders durch Diphtherie gefährdet 
sind, ist es sogar ratsam, dass dies in Zwischenräumen von 14 Tagen ge- 
schieht. Globig (Berlin). 


iversen, Jul. G., Ueber die Schwankungen des Agglutinationsvermögens 
des Serams im Verlaufe des Typhus abdominalis. Eine klinisch- 
bakteriologische Studie. Aus d. Obuchow-Hospital zu St. Petersburg. 
Zeitschr. f. Hyg. Bd. 49. S. 1. 

An eine Uebersicht der weit ausgedehnten Literatur über die Widalsche 
Probe und ihre biologische Bedeutung schliesst der Verf. den Bericht über 
seine Untersuchungen, die er 1901 und 1902 an 60 Typhuskranken angestellt 
hat, indem er deren Serum alle 3—4 Tage prüfte. Das Blut wurde aus dem 
Öhrläppchen genommen, in Glaspipetten aufgesaugt, gerann darin in 1—2 
Stunden und wurde nach Entfernung des Gerinnsels mit einer Platinöse 
tropfenweise in Verdünnungen mit keimfreier Fleischbrühe, zunächst von 
1:100 im hängenden Tropfen untersucht.. Nur bei 2 Fällen wurde keine 
Agglutination festgestellt, sondern erst bei sich anschliessenden Rückfällen, 
je einmal erfolgte sie bei Verdünnungen von 1:20 und 1:40 und bei 52 
(56,7 v. H.) in Verdünnungen, die stärker als 1:100 waren. Die Agglu- 
tination zeigt sich bald nach Beginn der Krankheit mehr oder weniger stark, 
steigt in einfachen regelrecht verlaufenden Typhusfällen zuerst 
langsam, dann schnell bis zum Gipfel, der am Ende des Fiebers oder 
bei Beginn der Genesung erreicht wird; hierauf fällt sie in 3—4 Tagen 
schnell zu niederen Stufen ab und hält sich dort lange Zeit gleichmässig, 
so dass sie manchmal noch nach 10 Jahren schon bei Verdünnungen von 
1: 100 sich einstellt. Bei Rückfällen zeigt das Agglutinationsvermögen dasselbe 
Verhalten, ist aber stets höher als bei der ersten Krankheit. Klinisch schwere 
Fälle mit tödlichem Ausgang sind mit schnell ansteigender Agglu- 
tination obne Abfall verbunden. Bei schweren und komplicierten Fällen 
ist die Linie der Agglutination unregelmässig, bald sehr niedrig, bald 
mässig schwankend mit mehreren Erhebungen, bald abfallend. bei gleich- 
zeitiger Lungenentzündung bleibt die Agglutination niedrig. Bei Gelbsucht, 
Lungentuberkulose und septischer Diphtherie kommt starke Agglutination vor, 
ohne dass Typhus vorhanden ist oder jemals bestanden hat. 

Für die Diagnose hat der positive Ausfall der Widalschen 
Probe eine wichtige Bedeutung, in zweifelhaften Fällen kann aber auch 
das Fehlen des Agglutinationsvermögens von grossem Wert sein, wie der Verf. 
bei 10 Erkrankungen von Flecktyphus erprobt hat. 

Für die Prognose ist das Verhalten des Agglutinationsvermögens nicht 
zu benutzen, weil die Schwere des Falles zur Höhe und Dauer des Agglu- 
tinationsvermögens nicht in Beziehungen steht. 

Der Verf. hält die Agglutination für ein Zeichen, dass im Blut eine den 
Typbusbacillen schädliche Veränderung vor sich geht, und schliesst sich in 
der Frage nach dem Wesen der Agglutination der Ansicht derjenigen an, 
welche sie als der Immunität nahe stehend, vielleicht als einen ihrer 
Vorläufer betrachten. Globig (Berlin). 


196 Immunität. Schutzimpfung. 


Sehrwald, Steigerung der Agglutinierbarkeit der Typhusbacillen 
und ihr Wert für die Typhusdiagnose. Deutsche med. Wochenschr. 
1905. No. 7. 

Der Verf. hat gefunden, dass die Zeit, welche ein Typhusstamm bis 

zur Vollendung der Agglutination braucht, erheblich (auf 1/3— 1/6) 

abgekürzt werden kann, wenn man ihn auf durch Dampf keimfrei gemachten 

Kartoffelstücken züchtet. Dies ist von Wichtigkeit für die Anstellung 

der Widalschen Probe und beim Nachweis, ob eine Bakterienkultur aus 

Typhusbacillen besteht oder nicht. Kartoffelsaft wirkt ähnlich, jedoch 

bei weitem nicht so stark wie die festen Kartoffeln. Bei Rückimpfung auf 

andere Nährböden geht die Beschleunigung der Agglutination wieder 
verloren. Der Verf. hält diese Wirkung des Kartoffelnährbodens auf die 

Agglutinierbarkeit ebenso wie die unter gleichen Bedingungen auftretende 

Bildung von langen Fäden in der Typhuskultur für eine durch Nahrungs- 

mangel verursachte Entartungserscheinung. Die Erkennbarkeit der Typhus- 

kolonien an ihrer klaren Durchsichtigkeit auf Drigalskischem Blauagar wird 
nicht beeinträchtigt, wenn bei dessen Herstellung statt des Fleischwassers 

Kartoffelwasser verwendet wird. Globig (Berlin). 


Selter, Hugo, Zur Typhusdiagnose mittels des Typhusdiagnostikums 
von Ficker. Münch. med. Wochenschr. 1905. No. 3. S. 108. 

Fiatau G. und Wilke A., Ueber Fickers Typhusdiagnostikum. Münch. 
med. Wochenschr. 1905. No. 3. S. 110. 

Eichler F., Ueber die Verwertbarkeit des Fickerschen Typhusdia- 
gnostikums in tropischen Gegenden. Münch. med. Wochenschr. 1905. 
No. 3. S. 112. 

Die drei In der gleichen Nummer der Münch. med. Wochenschr. erschie- 
nenen Artikel behandeln alle die Verwertbarkeit des Fickerschen Ty- 
phusdiagnostikums zur Agglutination, jedoch zum Teil von etwas verschie- 
denem Standpunkt aus. 

Sämtliche drei Arbeiten erkennen, wie übrigens bereits eine ganze Anzahl 
früherer, z. T. an dieser Stelle bereits besprochener Arbeiten an, dass das 
Typhusdiagnostikum von Ficker zweifellos unsre diagnostischen Mittel gegen- 
über dem Typhus um ein wichtiges vermehrt hat. Die Unabhängigkeit von 
lebender Typhuskultur, Brutschrank und eventuell sogar vom Mikroskop wird 
allgemein als Vorzug der Methode angesehen und ermöglicht es dem von 
einer bakteriologischen Untersuchungsstelle entfernt wohnenden praktischen 
Arzt, dem Militärarzt, dem Schiffsarzt auf Seereisen, sich der Methode zu be- 
dienen. Die letzterwähnte Arbeit von Eichler bringt vor allem den Nach- 
weis, dass das Typhusdiagnostikum sich auch auf einer längeren Seereise in 
den Tropen (dasselbe wurde etwa 5 Monate lang bei einer Durchschnittstem- 
peratur von 30—340 aufbewahrt) unverändert wirksam hielt. Damit ist 
seine besondere Brauchbarkeit gerade für Schiffsreisen erwiesen. 

Bezüglich der Frage, ob das Diagnostikum imstande ist, die lebende 
Kultur vollständig zu ersetzen, gehen die Angaben der ersten beiden Arbeiten 
etwas auseinanter. Während Flatau und Wilke im grossen ganzen die Frage 


Immunität. Schutzinpfung. 197 


bejahen, ja sogar gelegentlich mit dem Diagnostikum bessere Resultate er- 
halten haben, weist Selter darauf hin, dass ihm und anderen Autoren gele- 
gentlich die Diagnostikumreaktion im Verlauf eines Typhus später aufgetreten 
und früher versehwunden sei, als die Reaktion mit lebender Kultur. Selter 
vertritt lebhaft den Vorschlag, dsss die Agglutinationsreaktionen mehr als es 
bisher geschieht, central gelegenen bakteriologischen Untersuchungsstellen 
überlassen bleiben sollen. Zweifellos gehört auch zur Beurteilung einer Agglu- 
tinationsreaktion, mag sie nun mit lebenden Bacillen oder mit Diagnostikum 
angestellt sein, im Einzelfall oft ein grosses Mass von Uebung und Kritik- 
fähigkeit. Hayo Bruns (Gelsenkirchen). 


Grünberg und Rolly, Beitrag zur Frage der agglutinierenden Eigen- 
schaften des Serums Typhuskranker auf Paratyphus und ver- 
wandte Bakterien. Münch. med. Wochenschr. 1905. No. 3. S. 105. 

Verff. untersuchten das Seram von klinisch sicheren Typhusfällen auf 
der Höhe seiner Agglutinationsfähigkeit sowohl gegenüber dem Bac. typhi, 
als auch den Bact. paratyphi, dem Bact. coli, Bact. enteritidis Gärtner und 
dem Bac. botulinus van Ermengem. Im ganzen kam das Blutserum von 
40 Typhaskranken zur Verwendung; bei 82 von ihnen wurden im Blut 
Typhusbacillen nachgewiesen. Der Agglutinationsvorgang wurde mikroskopisch 
beobachtet, gelegentlich auch makroskopisch. Kurz zusammengefasst sind die 
wesentlichen Resultate folgende: 

Die Höhe des Agglutinationswertes der Typhusserums auf Typhusbacillen 
gibt ebenso wenig einen Anhaltspunkt für die Schwere der Erkrankung, wie 
die Anzahl der im Blut gefundenen Typhusbacillen. Hierfür entscheidet immer 
in erster Linie demnach das gesamte klinische Bild des Falles. 

Gegenüber den Bakterien des Paratyphus gaben 70°/, der sämtlichen Fälle 
eine Mitagglutination im Verhältnis von 1:30 oder höher, ja in 33%% der 40 
angeführten Fälle war die Mitagglutination ganz bedeutend höher als die Agglu- 
tination des Serums auf die Typhusbacillen. Mehrfach wurden gerade bei 
diesen Fällen lediglich echte Typhusbacillen aufgefunden. Darum kaun es 
sich nach Ansicht der Verff. hier nicht um eine Mischinfektion, sondern nur 
um eine Mitagglutination handeln. 

Vielfach zeigte nur der eine Typus der Paratyphusbacillen diese Mitagglu- 
tination. Das ist aber nicht merkwürdig, weil es sich bei den beiden Typen 
der Paratyphusvacillen, wenn auch um ähnliche Gruppen, so doch immerhin 
um artverschiedene Bakterien handelt. 

Aehnliche Verhältnisse liegen auch gegenüber dem Bacillus enteritidis 
Gärtner vor, der in sämtlichen untersuchten Fällen eine sehr starke Agglu- 
tination zeigte. Gegenüber dem Bacterium coli trat meist nur eine nicht sehr 
intensive Mitagglutination ein, gegenüber dem Bac. botulinus van Ermengem 
nur Andeutungen von Agglutination. — Manche der Resultate der beiden Forscher 
widersprechen früheren Angaben anderer Autoren. So erscheint die Angabe. 
dass Paratyphusbacillen in etwa 70°, und Bac. enterit. gar in annähernd 
100%, der Fälle eine Mitagglutination gegenüber dem Serum von Typhuskrauken 
gezeigt haben, etwas auffallend. Vielleicht ist die immerhin nicht allzu grosse 


198 Immunität. Schutzimpfung. 


. Zahl von Fällen (40 resp. 22 Proben) für die Erklärung dieser hohen Ver- 
hältniszahlen mit heranzuziehen, vielleicht würden sich bei grösseren Unter- 
suchungsreihen die Verhältniszahlen doch noch ermässigen. 

Hayo Bruns (Gelsenkirchen). 


Rodet M. A., A propos de la propriété agglutinative de certains 
sérums normaux pour le bacille d’Eberth. Centralbl. f. Bakt. Abt. 1. 
Orig. Bd. 37. S. 714. 

Das normale Serum von neugeborenen Kaninchen besitzt aggluti- 
nierende Kraft gegenüber Typhus-, Coli- und Cholerabakterien. Jedoch 
sind diese normalen Agglutinine von „specifischen Agglutininen“ (d.h. den 
durch Immunisierung mit einem bestimmten Bakterium gewonnenen) darin ver- 
schieden, dass sie durch Erhitzen auf 55--60° vernichtet werden. In dieser 
Beziehung stehen die normalen Agglutinine den Alexinen nahe. 

Verf. hat ausserdem beobachtet, dass beim Zusatz des normalen Serums 
von jungen Kaninchen zu filtrierten Typhusbacillenkulturen Präcipitation (im 
Sinne von Kraus) auftrat. Fällt man diese Präcipitine durch weiteren Zu- 
satz von Kulturfiltrat aus, so findet auch keine Agglutination mehr statt. 
Daraus sei zu schliessen, dass Agglutinine und Präcipitine dasselbe wirksame 
Prinzip enthalten. Hayo Bruns (Gelsenkirchen). 


Kolle W., Ueber den Stand der Typhus-Schutzimpfungsfrage auf 
Grund der neuesten Untersuchungen. Deutsche med. Wochenschr. 
1905. No. 12. 

Die Gefährlichkeit des Unterleibstyphus als Kriegsseuche ist wie 
in früherer Zeit auch bei den kriegerischen Verwickelungen der letzten Jahre 
sehr hervorgetreten, nämlich im Burenkriege der Engländer, bei der China- 
expedition der vereinigten europäischen Mächte, im spanisch-amerika- 
nischen Kriege und im Hereroaufstande. Da im Kriege die Bekämpfung 
der Krankheit sich nicht oder nicht so wie im Frieden durchführen lässt, 
liegt der Gedanke an eine Schutzimpfung nahe. Auf Wrights Betreiben 
sind im Burenkriege auf englischer Seite bei über 100000 Menschen Im- 
munisierungen (mit abgetöteten Fleischbrühekulturen) vorgenommen worden. 
Dass das Ergebnis dieser Impfungen aber kein unzweifelhaftes gewesen 
st, liegt nach dem Verf. teils an der Unvollständigkeit der gewonnenen Zahlen, 
teils daran, dass die Impfung grösstenteils nur einmal vorgenommen und nicht 
wiederholt worden war, dass die Infektionsbedingungen für Geimpfte und Nicht- 
geimpfte ungleich und dass die Zeiträume der Beobachtung zu lang waren, um 
beweisend zu sein. Man schätzt die Dauer des Schutzes der Immunisierung 
nur auf 6—8 Monate. k . 

Auf Anregung von R. Koch hat die Königlich Preussische Medizinal- 
abteilung des Kriegsministeriums die Schutzimpfung der für den Feld- 
zug in Südwestafrika bestimmten Offiziere und Mannschaften in Angriff 
genommen. Zunächst wurde durch eingehende vergleichende Versuche 
mit den bekannt gewordenen Typhus-Immunisierungsverfahren im Institut 
für Infektionskrankheiten unter Leitung des Verf.’s zu ermitteln ge- 


Immunität. Schutzimpfung. 199 


sucht, welches von ihnen zugleich ungefährlich und zuverlässig, praktisch 
durchführbar, wissenschaftlich gut begründet und kontrollierbar war. Am 
meisten Aussichten auf Erfolg versprach das von Pfeiffer und dem 
Verf. angegebene, bei welchem möglichst grosse Mengen Impfstoff — 24stündige 
Agarkulturen von bestimmten besonders geeigneten Typhusstämmen, die mit 
gleichen Mengen physiologischer Kochsalzlösung aufgeschwemmt, durch Er- 
wärmung auf 60° während einer Stunde abgetötet und mit 0,3 v.H. Karbol- 
säure versetzt sind — in steigender Menge 2 mal oder wo möglich 3 mal in 
8—10 tägigen Zwischenräumen eingespritzt werden. Von Januar bis März‘ 
1905 sind auf diese Weise über 2000 Personen, die sich freiwillig dazu 
gemeldet haben, teils vor der Einschiffung, teils an Bord während der Aus- 
reise behandelt worden, und es ist durch Aufnahme eines Vermerks über die 
Typhusschutzimpfung in das Nationale und durch Ausgabe von Typhuszähl- 
karten Sorge dafür getragen, dass ein klares Bild über die Wirksamkeit dieser 
Massregel im Felde gewonnen werden kann. Globig (Berlin). 


Bassenge R. und Mayer, Martin, Zur Schutzimpfung gegen Typhus. 
Aus d. Laborator. d. hydrotherapeut. Anst. d. Univ. in Berlin u. d. Institut 
f. Schiffs- u. Tropenkrankh. in Hamburg. Deutsche med. Wochenschr. 
1905. No. 18. 

Die Verf. haben das von Brieger und Mayer zuerst bei Cholera (vgl. 
diese Zeitschr. 1904. S. 518), dann bei Typhus angewendete Verfahren, im 
Schüttelapparat mit destilliertem Wasser aus lebenden Kulturen 
specifische bakteriolytische und agglutinierende Stoffe auszuziehen und dann 
durch Filtration von den Bakterienleibern und Nährbodenresten zu trennen, 
zur Gewinnung eines Schutzimpfstoffes gegen Typhus ausgebildet. Sie 
erhielten so eine klare, gelbliche etwas opalescierende Flüssigkeit, welche 
durch Zusatz von etwas Karbolsäure haltbar gemacht, jedenfalls weit leichter 
auf ihre Reinheit kontrolliert werden kann als Bakterienaufschwemmungen. 
Ausser der genauen Dosierbarkeit besitzt sie noch den Vorzug, dass sie nur 
ein erträgliches Gefühl von Spannung und Schmerz (olwe oder fast ohne 
Rötung) an der Impfstelle hervorruft, und dass die allgemeine Reaktion nur 
in Kopfweh, Mattigkeit und in geringer (nur in einem Fall 38° übersteigender) 
Erböhung der: Körperwärme besteht. Zunächst wurde versucht, durch gemein- 
sames Ausziehen verschiedener Typhusstämme einen multivalenten Impfstoff 
zu erhalten, doch befriedigten die Ergebnisse hiervon die Erwartungen keines- 
wegs; dagegen erwies sich ein aus Menschenblut gewonnener Typhusstamm 
des Hamburger Instituts für die Zwecke der Verfl. ganz besonders geeignet. 
Sie konnten damit zuletzt die wirksamen Stoffe einer ganzen Typhus- 
kultur auf 2ccm Flüssigkeit zusammendrängen und so mit einer 
einzigen Einspritzung eine bedeutende und ausreichende Schutzstoff bildung 
hervorrufen, welche bis jetzt mindestens 6 Monate lang vorgehalten hat. 

Globig (Berlin). 


200 Immunität. Schutzimpfung. 


Libbertz und Ruppel, Ueber Immunisierung von Rindern gegen Tuber- 
kulose (Perlsucht) und über Tuberkulose-Serumversuche. Deut- 
sche med. Wochenschr. 1905. No. 4 u. 5. 

Trotz der allgemein gefassten Ueberschrift ist die Arbeit ausschliesslich 
gegen F. F. Friedmann (vgl. diese Zeitschr. 1905. S. 1098) gerichtet und 
dessen Angaben über die Wirksamkeit seiner Schildkröten-Tuberkulose- 
kulturen. Die Verff. geben zu, dass es nicht gelingt, damit bei Warmblütern 
Tuberkulose hervorzurufen, sie bestreiten aber die Unschädlichkeit ihrer 
Einverleibung in grösseren Mengen, da sie sowohl akute Giftwirkungen 
wie chronische Veränderungen (Verdichtungen, Luftleere, Knötchenbildung 
in den Lungen) danach beobachtet haben. Durch Einspritzung von Schild- 
kröten-Tuberkulosekulturen in die Blutadern werde allerdings eine gewisse 
Verzögerung im Verlauf der späteren Infektion mit virulenten (Menschen-) 
Tuberkelbacillen veranlasst, von einem dadurch bedingten zuverlässigen 
Immunitätsschutz haben sie sich jedoch nicht überzeugen können. 
Auch die Friedmannsche Behauptung, dass im Serum von mit Schildkröten- 
Tuberkelbacillen vorbehandelten Meerschweinchen und Rindern Immunkörper 
aufträten, welche Tuberkulose zu verhüten, zu hemmen oder zu heilen imstande 
seien, verneinen sie, wenigstens für Rinderserum, und erklären scheinbar 
günstige Erfolge durch die grosse individuelle Verschiedenheit der einzelnen 
Meerschweinchen und durch Zufälligkeiten. Globig (Berlin). 


Friedmann, F. F., Zur Tuberkuloseimmunisierung mit Schildkröten- 
tuberkelbacillen. Erwiderung auf die Libbertz-Ruppelschen 
Ausführungen. Deutsche med. Wochenschr. 1905. No 5. 

Der Verf. hält gegen Libbertz und Ruppel (s. d. vorstehende Referat) 
seine früheren Behauptungen in vollem Umtange aufrecht. Die akute 
Giftwirkung der Schildkröten-Tuberkulose-Kultur-Einspritzungen erklärt 
er als Tuberkulinvergiftung in Folge von Ueberempfindlichkeit, wie sie 
bei Immunisierungen gegen Tuberkulose nicht selten vorkommt, und die 
chronischen Veränderungen in den Lungen als Folgen von Verstopfung 
der Haargefässe durch die im Anfang der Versuche noch mangelhafte 
Gleichmässigkeit der eingespritzten Aufschwemmungen; er weist darauf 
hin, dass Knötchenbildung anch durch abgetötetete Tuberkelbacillen und andere 
Fremdkörper hervorgerufen werden kann. Andererseits machte er Angaben 
über ganz erstaunlich grosse Mengen Schildkröten-Tuberkulosekulturen 
— bis 36 g — welche glatt vertragen wurden. Auch für die erfolgreiche 
Immunisierung von Meerschweinchen mittels Schildkröten-Tuberkulosekul- 
turen werden beweiskräftige Versuche mitgeteilt. Wegen der Möglichkeit 
der Herstellung wirksamen Tuberkuloseserums beruft sich der Verf. auf 
ähnliche Versuche von Baumgarten und Hegler. Globig (Berlin). 


Menzer (Halle a. S.), Ergebnisse der Serumbehandlung des akuten 
und chronischen Gelenkrheumatismus. Münch. med. Wochenschr. 
1904. No. 33. S. 1461. 

M. fasst den Gelenkrheumatismus als eine von den oberen Luft- 
wegen ausgehende Streptokokkeninfektiom auf und, will dagegen ein 


Immunität. Schutzimpfung. 201 


von ibm erfundenes Antistreptokokkenserum angewendet wissen, bei 
dessen Herstellung das Tavelsche Prinzip zu Grunde gelegt ist, die auf 
Virulenzsteigerung abzielenden Tierpassagen zu vermeiden. 

M. sieht in dem Symptomenkomplex des akuten Geleukrheumatismus, wie 
der Arthritis Pleuritis und Endokarditis einen Heilungsvorgang oder eine 
reaktive heilende Hyperämie, welche die Vernichtung und Resorption 
der schon im Anfang der Krankeit sich bildenden bakteriellen Herde zur 
Aufgabe bat und deshalb unter keinen Umständen irgendwie eine Störung 
durch therapeutische Massnahmen erfahren darf. Es sollen diese Begleiter- 
scheinungen an sich also nicht bekämpft, sondern nur Verhältnisse herbeige- 
führt werden, unter denen für diese Einzelsymptome die denkbar günstigsten 
Heilungsbedingungen vorliegen. 

Die Serumbehandlung ist kontraindiciert bei grösserem perikardi- 
tischen oder pleuritischen Exsudat und verbietet sich namentlich bei 
stärkerer Stenosierung der Herzostien im Gefolge von chronischen endokardi- 
tischen Prozessen. 

Sonst aber hält sich M. auf Grund seiner gesamten bisherigen günstigen 
Erfahrungen, insbesondere gestützt auf eine Reihe guter Dauererfolge bei 
akuten primären und sekundären chronischen Formen für berechtigt, die 
Streptokokkenserumbehandlung des Gelenkrheumatismus aufs wärmste zu em- 
pfehlen. Die Ueberlegenheit des neuen Heilverfahrens beruhe nicht nur dar- 
auf, dass unter seinem Einfuss auch chronisch gewordene Erkrankungen ge- 
bessert und geheilt werden, sondern dass auch die akuten Formen einen 
günstigeren Verlauf nehmen und dass namentlich die Endokarditis bessere 
Heilungstendenz zu zeigen scheint. Schliesslich sollen nach den bisherigen 
Beobachtungen Rückfälle seltener und bei schweren und veralteten 
Fällen deutliche Besserung und selbst Heilung zu erzielen sein. 

Es ist zuzugeben, dass die von M. vorgeschlagene Neuerung manches 
Verlockende an sich hat. Immerhin wird man gut tun, mit einem endgiltigen 
Urteil noch zurückzuhalten, bis umfassende Nachprüfungen den wirklichen 
Wert derselben in einwandsfreier Weise klargestellt haben. 

Schumacher (Hagen i.W.) 


Ball 0., Untersuchungen über natürliche und künstliche Milzbrand- 
immunität. XI. Erster Bericht über Milzbrandschutzimpfungen 
an Schafen. Centralbl. f. Bakt. Abt. I. Orig. Bd. 87. S. 270. 

Verf. berichtet weiter über seine Versuche, die darauf hinauslaufen, Schafe 
durch „Lysine“ (im Kruseschen Sinn) gegen Milzbrand zu immunisieren. 
Die Immunisierung geschieht durch sterilisierte Oeden-Flüssigkeit von milz- 
brandkranken Tieren, die den Schafen subeutan in Dosen von 5—15 ccm bei- 
gebracht wird. Nach 4-5 Tagen ist noch keine Immunisierung erfolgt; im 
Gegenteil, Verf. dentet den Ausfall einiger Versuche so, als ob nach dieser 
Zeit eine besondere Empfindlichkeit gegenüber den Milzbrandbacillen vorhanden 
sei. Wenigstens ist das eine oder andere Versuchstier schneller unter den Er- 
scheinungen des Milzbrands gestorben, als das Kontrolltier. Nach etwa 10 bis 
12 Tagen ist dagegen eine gewisse Immunisierung bei den vorbehandelten 


202 Immunität. Schutzimpfung. 


Tieren unverkennbar, da diese je nach der Menge des Iysinhaltigen Oedems 
infolge der Milzbranddosis leicht erkrankten oder ohne jede Reaktion blieben, 
während das Kontrolltier jedesmal der Infektion mit der gleichen Bakterien- 
menge (es handelt sich durchschnittlich um etwas mehr als 2000 Milzbrand- 
bacillen, die eingesprilzt wurden) erliegt. Der Impfschutz ist noch nach etwa 
14 Tagen deutlich nachweisbar. Einzelheiten der Versuche müssen im Original 
nachgelesen werden. Hayo Bruns (Gelsenkirchen). 


Uhlenhuth, Das biologische Verfahren zur Erkennung und Unter- 
scheidung von Menschen- und Tierblut, sowie anderer Eiweiss- 
substanzen und seine Anwendung in der forensischen Praxis. 
Jena 1905. Gustav Fischer. 

Der als Mitbegründer des biologischen Verfahrens zur Eiweiss- und 
Blutdifferenzierung rühmlichst bekannte Verf. hat seine in den verschiedenen 
Zeischriften verstreuten Arbeiten über die biologische Differenzierung von Ei- 
weiss und die vornehmlich in forensischer Beziehung so wichtigen Veröffent- 
lichungen über die Blutunterscheidung in ein Buch zusammen gefasst. Er 
hat, um die Entwickelung dieses Verfahrens möglichst getreu wiederzugeben, 
nicht die Form monographischer Darstellung gewählt, sondern eine in der 
Hauptsache chronologisch geordnete Zusammenstellung seiner hierher gehörigen 
Arbeiten und Vorträge gegeben. Das wird ihm jeder Dank wissen, der mit 
dem biologischen Verfahren sich beschäftigen will oder muss, nicht nur der 
biologische Forscher, sondern vor allem Gerichtsärzte, gerichtliche Sachver- 
ständige und Juristen. 

Eine Anzahl gerichtlicher Gutachten des Verf.’s, die die Bedeutung 
des Verfahrens der forensischen Blutdifferenzierung treffend illustrieren, und 
eine Reihe amtlicher Verfügungen, die die Einführung dieses Verfahrens 
in die gerichtliche Praxis in verschiedenen Ländern und Landesteilen betreffen, 
geben dem Buche einen vervollständigenden Abschluss. 

Jacobitz (Karlsruhe). 


Hamburger H. J., Zur Differenzierung des Blutes (Eiweiss) biologisch 
verwandter Tierspecies. Eine Erweiterung der üblichen serodiagnosti- 
schen Methode. Deutsche med. Wochenschr. 1905. No. 6. 

Es machte bisher Schwierigkeiten, durch das biologische Ver- 
fahren nach Uhlenhuth Ziegenblut von Rinderblut, und noch mehr, 
Ziegenblut von Schafblut zu unterscheiden, weil bei der nahen Verwandt- 
schaft dieser Tierarten im Serum von Kaninchen, die mit Ziegenserum vorbe- 
handelt waren, nicht blos durch Ziegenblut, sondern auch durch Rinder- und 
Schafblut Niederschläge entstehen. Immerhin ist die Fällung in dem Serum, 
welches durch Vorbehandlung mit Blut der gleichen Tierart gewonnen 
wurde, stärker als in den anderen und hierauf hat der Verf. sein Verfahren 
gegründet. Er behandelt 3 Kaninchen in ganz gleicher Weise entweder mit 
Ziegen- oder mit Rinder- oder mit Schafserum und kann, wenn er den so er- 
haltenen 3 Kaninchenserumarten Blut in gleicher Menge hinzusetzt, aus der 
Stärke des entstehenden Niederschlages die Art des Tieres, von 


Immunität. Schutzimpfung. 203 


dem das Blut stammt, bestimmen. Natürlich muss der Wirkungswert der 
drei verschiedenen Kaninchenserumarten ungefähr gleich sein. 

Ganz in derselben Weise lässt sich auch die Zugehörigkeit von Fleisch 
zu den genannten 3 Tierarten bestimmen, wenn man es fein zerhackt und 
mit 0,9 v.H. Kochsalzlösung auszieht, die 0,5 v.H. Karbolsäure enthält. 

Globig (Berlin). 


Uhlenhuth, Ueber die Bestimmung der Herkunft von Mumienmaterial 
mit Hülfe specifischer Sera. Deutsche med. Wochenschr. 1905. No. 6. 
Der Verf. hat das von ibm zur Uuterscheidung von Blut, Organen und 
Fleisch verschiedener Tierarten z. B. in Hackfleisch und Wurst angegebene 
Verfahren schon 1903 auch auf eine Mumie angewendet, jedoch mit nega- 
tivem Ergebnis. Dem widersprachen die Befunde von v. Hansemann 
und Meyer (vgl. diese Zeitschr. 1905. No. 13. S. 684) an zwei ägyptischen 
Mumien und aus diesem Anlass hat der Verf. seine Untersuchungen wieder 
aufgenommen und auf 27 teils ägyptische, teils peruanische Mumien von 
mehrtausendjährigem Alter ausgedehnt. In keinem einzigen Fall 
erhielt er mit Flüssigkeiten, die aus den Weichteilen oder den Knochen der 
Mumien ausgelaugt waren, eine Trübung, wie sie frisches Menschenblut noch 
in der Verdünnung von 1:20000 hervorrief. Dagegen konnte bei 7 mumi- 
ficierten Körperteilen von Menschen, Rindern und Kälbern, die 10 bis 
20 Jahre, ja sogar 49 und 66 Jahre lang aufbewahrt waren, regelmässig 
mit Leichtigkeit die Reaktion erhalten werden. 

Wo die Grenze liegt, von welcher ab das biologische Verfahren ohne 
Ergebnis bleibt, und welches der Grund hierfür ist, ob etwa die Art der 
zum Einbalsamieren verwendeten Stoffe Einfluss hat, bleibt noch fest- 
zustellen. ; Globig (Berlin). 


Ganghofner und Langer J. (Prag), Ueber die Resorption genuiner Ei- 
weisskörper im Magendarmkanal neugeborener Tiere und, Säug- 
linge. Münch. med. Wochenschr. 1904. No. 84. S. 1497. 

Nach Römers Ermittelungen gilt es als Tatsache, dass genuine Eiweiss 
körper die Intestinalschleimhaut neugeborener Fohlen, Kälber 
und kleinerer Versuchstiere ganz unverändert durchwandern und 
auf den Gesamtorganismus genau so wirken, wie wenn sie direkt in 
die Blutbahn eingeführt werden, während andererseits bei erwach- 
senen Geschöpfen aller Tierarten diese genuinen Eiweissstoffe zunächst ver- 
daut und in Peptone umgewandelt werden müssen, um die Darmschleim- 
haut passieren zu können. So wies v. Behring die im Diphtherie- und 
im Tetanusheilserum enthaltenen genuinen Heilkörper im Blute der Neuge- 
borenen, denen diese antitoxischen Eiweissstoffe stomachal einverleibt waren, 
unverändert nach; im Blute der Erwachsenen dagegen konnte er keine Spur 
derselben entdecken. 

Die Verf. stellten sich die Aufgabe, zu eruieren, ob auch „unter den 
gewöhnlichen Verhältnissen der Nahrungsaufnahme der Uebergang 
der fraglichen Stoffe aus dem Säuglingsdarm in die Blutbahn sich 


204 Immunität. Schutzimpfung. 


durch die biologische Methode nachweisen lasse“ und bis zu welchem 
Zeitpunkt die Darmwand diese Permeabilität bewahre. 

Die Versuche, welche an neugeborenen und älteren Hunden, an Kätzchen. 
an Kaninchen und an Zickeln, sowie schliesslich an einigen Säuglingen an- 
gestellt wurden, ergaben foigendes Resultat. 

Zunächst wird von neugeborenen Tieren das verfütterte körper- 
fremde Eiweiss teilweise im Magendarmkanal resorbiert, und es 
dauert diese Erscheinung bis zum 8. Lebenstage, nie aber über diesen Zeit- 
punkt hinaus. 

Beim menschlichen Säugling liegen ganz ähnliche Verhältnisse 
vor. Ob hier der Uebergang von unverändertem Eiweiss in die Blutbahn von 
längerer Dauer als beim Tiere ist, wie es wohl den Anschein hatte, müssen 
erst noch weitere Untersuchungen feststellen. 

Bei älteren Tieren tritt stomachal eingeführtes artfremdes Ei- 
weiss nur unter abnormen Verhältnissen durch, d. h. wenn entweder 
eine übermässige Eiweisszufuhr stattfindet, oder eine anatomische oder funktio- 
nelle Schädigung der Epithelauskleidung des Magendarmtraktus vorliegt. 

Als Folge der Aufnahme unveränderten Eiweisses durch den Magendarm- 
kanal erfolgt, wie ein am neugeborenen Zickel unternommener Versuch lehrte, 
Antikörperbildung, ein Prozess, welcher schwer schädigende, ja even- 
tuell tödliche Wirkungen nach sich ziehen kann. So ist auch zu erwägen. ob 
nicht beim normalen Neugeborenen ebenso gut wie beim magendarmkranken 
älteren Säugling dies vom Magen und Darm aus direkt resorbierte körperfremde 
Eiweiss unverändert ins Blut gelangen, dort specifische Reaktionen in dem be- 
treffenden Organismus auslösen und dadurch zu erheblicher Schädigung des 
letzteren den Anlass bilden kann. Schumacher (Hagen i.W.). 


Braun K., Leber einen Antikörper gegen die fettspaltende Wirkung 
der Samen von Abrus precatorius. Chem.-Ztg. 1905. No. 3. S. 34. 
Die Samen von Abrus precatorius (Paternostererbse) besitzen die Fähig- 
keit, Fette in ihre Komponenten zu zerlegen; dem aus den Samen rein her- 
gestellten Abrin (Jequiritin) kommt diese Eigenschaft aber nicht zu. 

Mit einem wässerigen Auszuge der geschälten und klein zerstossenen 
Samen (10 g mit 50 ccm Wasser 3 Stunden bei 20° digeriert, und das Filtrat 
mit Glycerin ad 100 g gebracht) wurden Kaninchen wiederbolt subkutan inji- 
ciert. Das so gewonnene Kaninchenserum wurde dann auf seinen Einfluss gegen- 
über der spaltenden Wirkung einer Abrussamen-Ricinusöl: Emulsion (1 g Samen 
mit 10 g Wasser längere Zeit verrieben und dann 10 g Ricinusöl in der 
Mischung emulgiert) geprüft. Die Ergebnisse mögen in der nachfolgenden 
Tabelle aufgeführt sein, wobei nur die betreffende Aciditätszunahme (d. h. die 
durch Titration mit alkoholischer 1/1ọ Normalkalilauge unter Zusatz von Phe- 
nolphthalein ermittelte Gesamtacidität nach Abzug der ursprünglichen Acidität) 
aufgeführt ist: 


Schulbygiene. Kinderpflege. 205 


Temp. Zeit Acidität(ccm 


1/0Norm.KOH) 
Mischung ohne Zusatz . . . . 180 8Std. 2,1. 


mit 30 Tropfen normal. ‘Kaninchen: 


serum 18° 8 „ 1,4 
% T i 4; Antiserum . . . 180° 8 „ 0,4 
7 0 s EE e: A 0,3 
A „30 „ 5 5 LE, 0,5 
er ohne Zusatz . . . ee a HIBOT TER 7 2,3 ccm 
n mit 10 Tropfen Antiserum ....180 14 „ 06 „ 
A PES m f . . 180 14 „ 05, 
” ohne Zusatz . . . E i AE RDS 
A mit 20 Tropfen Antiserum. 500 8 „ 33 p 
x BO «2 A . . 500 8 „, 54, 
N n 30 „ normal, Kaninchen- 


serum 50° 8 , 3,6 

Bei gewöhnlicher Temperatur wirkt also bereits das normale 

Kanuinchenserum, noch stärker aber das Antiserum, hemmend auf 

die Fettspaltung; bei höherer Temperatur dagegen werden bei 

Gegenwart sowohl von normalem wie von Antiserum höhere Aci- 
ditätszahlen erzielt. Wesenberg (Elberfeld). 


Schneider, Zur Schulbankfrage. Zeitschr. f. Med.-Beamte. 1904. S. 773. 

Verf. geht zunächst kritisch ein auf die Punkte in der Schulbankfrage, 
über die Einigkeit herrscht, und dann die strittigen, sowie die noch sonst be- 
merkenswerten Punkte. Einig ist man sich vor allem darüber, dass die Bank- 
grössen den Körpergrössen der Schulkinder möglichst entsprechen müssen und 
z. B. die früber vielfach beliebte Einteilung der Bänke in solche für grosse, 
mittlere und kleine Schüler jetzt nicht mehr genügt. Aber die Anschaffung 
der besten Bänke nützt nichts, wenn sie nicht richtig verwendet werden. Man 
wird nicht von der Forderung ablassen können, dass in jedem Schulhalbjahr 
die Schulkinder gemessen und danach auf die Bänke verteilt werden. In sehr 
grossen, vielklassigen Schulen sollen ferner Reservebänke für abnorm grosse 
und abnorm kleine Schüler vorhanden sein; im Bedarfsfalle sollen auch die 
Klassen die Bänke mit einander tauschen können. Für ganz abnorm gestaltete 
Kinder sind Bänke, deren einzelne Teile verstellbar sind, eine unabweisbare 
Forderung. Das sogenannte Certieren, das Setzen der Schüler nach den Leistun- 
gen, hat damit freilich ein Ende gefunden. Ein zweiter Punkt, über den jetzt 
ziemlich allgemein Einigkeit herrscht, betrifft einige wichtige Abmessungen 
der Schulbänke. Man rechnet nämlich die Differenz ziemlich allgemein jetzt 
= 17%, der Körpergrösse, die Sitzbreite = 20%,, die Sitzhöhe = 27%,. Auch 
bezüglich der Tischplatte ist man darüber einig, dass sie leicht schräg geneigt 
sein muss. Zweckmässig nimmt man das Verhältnis der Neigung 1:6 an. 
Eine grosse Plusdistanz ist zu verwerfen. Ob nun Null- oder geringe Minus- 
distanz für die Schreibhaltung gewählt wird, ist nach Ansicht des Verf.'s 


206 Schulhygiene. Kinderpilege. 


unwesentlich. Keine Einigkeit berrscht noch über die Fussroste, die Umlege- 
vorrichtung, wie man sie bei der Rettigschen Bank hat, und über die Lehne. 
Es ist zweifellos besser, wenn jede Sitzbank ihre eigene, mit ihr verbundene 
Lehne hat. Auch darüber herrscht nicht Einigkeit, ob die Sitzbank mit dem- 
jenigen Pult, welches das auf ihr sitzende Kind benutzt, fest zu verbinden sei 
(deutsches System), oder mit dem hinter der Bank befindlichen (amerikanisches 
System). Verf. spricht sich entschieden für das deutsche System aus. Der 
Hauptstreitpunkt ist der, ob Bänke mit beweglichen oder solche mit unbeweg- 
lichen Teilen den Vorzug verdienen. Es wird sodann die Rettigbank ein- 
gehend besprochen. Das wirklich neue an derselben ist bekanntlich allein 
die Umlegevorrichtung. Verf. geht ein auf einige Nachteile der Rettigbauk. 
Für Schneider verdienen die Bänke den Vorzug, die einen veränderlichen 
Lehnenabstand haben, der für die Schreibhaltung und die Ruhehaltung ver- 
schieden eingestellt werden kann, während für das Stehen entweder noch ein 
dritter Lehbnenabstand oder Beweglichkeit des Sitzes vorhanden sein muss. 
Um einen veränderlichen Lehnenabstand zu erhalten, gibt es folgende Einrich- 
tungen: verschiebliche Sitze, verschiebliche Lehne, verschiebliche Tischplatte, 
aufklappbare Tischplatte, Ansätze an die Tischplatte, Verbindungen von zweien 
dieser Einrichtungen. Näher besprochen wird hierbei die Schulbank von Kreis- 
arzt Dr. Berger; dieselbe hat Vorteile und Nachteile. Nach Möglichkeit soll 
eine Bank nur 2 Sitze haben. Für Musterschulen dürfte wohl auch bei uns 
die verstellbare einsitzitzige Bank in Frage kommen. Schneider kommt am 
Schlusse der Betrachtung zu dem Ergebnis, daas es zur Zeit keine einzige 
Schulbank gibt, die man schlechthin als die beste zur Anschaffung empfehlen 
könnte, dass man aber bei dem grossen Wettbewerbe auf dem Gebiete der 
Schulbankfabrikation und dem Hochstande unserer Technik mit Sicherheit auf 
weitere Fortschritte in der Schulbankfrage rechnen darf, während kaum zu 
erwarten ist, dass sie jemals eine einheitliche Lösung finden wird. 
Engels (Gummersbach). 


Berger, Zur Schulbankfrage. Erwiderung auf den Artikel des Herru Kreis- 
arzt Dr. Schneider (Arnsberg) in No. 22 der Zeitschr. f. Med.-Beamte. 
Zeitschr. f. Med.-Beamte. 1904. S. 819. 

Berger stimmt den allgemeinen Ausführungen Schneiders über die 
Schulbankfrage zum grössten Teil bei. Er berichtigt Schneider in einem 
Punkte besonders: An der Bergerschen Bank ist die Lehne mit dem Sitz 
verschieblich, an dem sie fest sitzt, und zwar die Lehne im ganzen, nicht nur 
ihr unterer Teil. Schneider hatte wiederholt dahingegen betont, dass an der 
Bergerschen Bank die Lehne nicht mit dem Sitz verschieblich sei. Berger 
glaubt, eine Bank in der Tat konstruiert zu haben, die den Anforderungen der 
Gesundheitspflege und der Pädagogik gerecht wird, die also allen Ansprüchen 
genügt; der Schluss Schneiders, dass es zur Zeit keine einzige Schulbank 
gibt, die man schlechthin als die beste zur Anschaffung empfehlen könnte, sei 
daher nicht gerechtfertigt und bedürfe der Modifikation zu Gunsten der Schul- 
bank „System Berger“. Engels (Grummersbach). 


Ernährung. 207 


Selter, Paul, Die Gerüche der Säuglingfäces. Münch. med. Wochenschr. 
1904. No. 40. S. 1839. 

S. will die Aufmerksamkeit der Aerzte auf die Geruchseigenschaften 
pathologisch veränderter Säuglingsfäces lenken und empfiehlt, künftig- 
hin mehr als bisher auf diese einfache Untersuchungsmethode Wert zu legen 
und dieselbe fleissiger zu üben. S. glaubt bei einiger Uebung schon Tage 
vorher am Stuhlgeruche feststellen zu können, wenn eine Fett- 
diarrhöe, eine Kohlenhydratgärung oder Eiweissfäulnis droht, die 
durch die exakten Untersuchungsmethoden erst einige Tage später sicher zu 
eruieren wäre. Eine gewisse Schulung und Erfahrung in der Geruchsdiagnose 
ist allerdings Vorbedingung, wenn man jede Abweichung von dem 
normalen, aromatisch säuerlichen Geruche alsbald wahrnehmen will. 
Jedenfalls ist aus einer Veränderung des ursprünglichen Geruches, mag es 
sich nur nm eine einfache Verschärfung des sauren Geruches, oder um Bei- 
mengung von üblen, stinkigen Gerüchen handeln, das Bestehen einer gewissen 
Störung zu entnehmen, deren Art durch die weitere Stuhluntersuchung oder 
durch den übrigen klinischen Verlauf klargestellt wird. Schon Biedert 
hatte auf den leichten Gestank, welcher von guten Kuhmilchstühlen 
ausgeht, und den S. als fäka] bezeichnet, hingewiesen. - Da das Kubeiweiss 
für den Säugling schwerer verdaulich ist, als das „arteigene“ Brust- 
milcheiweiss, und erst einer speciellen Umwandlung im Säuglingsdarm be- 
darf, so unterliegt ein Teil des Kuhmilcheiweisses einem Fäulnisprozess, 
welcher dic bekannten üblen käseartigen Gerüche in allen Abstufungen ent- 
stehen lässt. So kann Geruch nach schönem sauren Rahm, nach frischem 
Rahmkäse (Gervais) und auch kratzig-ranzigsaurer Geruch nach Buttersäure 
oder nach intensiv riechenden Käsesorten, wie z. B. Neuchäteler auftreten. Die 
auf diese Weise dem Geruchsinn sich offenbarende Störung der Fettverdauung, 
welche das Auftreten von freiem Fett und Fettsäuren im Stuhl zur Folge hat, 
wird mit Sicherheit durch Darreichung fettfreier bezw. fettarmer Kost beseitigt. 

Bei schleimigen Darmkatarrhen nimmt der Stuhl oft einen fade 
aromatischen, nicht mehr üblen, sondern etwa nach nassem Heu riechen- 
den Duft an. 

Auch der Zucker der Milch kann durch seine Vergärung zu Störungen 
führen. Bei reichlicherer Mehlernäbrung, etwa mit Teinhardts 
Kinudermehl, beobachtete S. deutlichen Geruch nach Zwieback oder 
Malz (nach Malzsuppe). Wenn aber infolge schlechter Verdauung Mehl und 
Zucker der Gärung unterliegen, so wird ein scharfer, stechender Geruch 
auftreten. 

Nach alledem dürfte -sich eine häufigere Anwendung der Geruchsdiagnose 
im Verein mit den modernen chemischen und mikroskopischen Untersuchungs- 
methoden künftighin empfehlen. Schumacher (Hagen i.W.). 


Mac Conkey, Lactose-fermenting bacteria in faeces. Journ. of hyg. 
Vol. 5. p. 338. 

Der Verf. der vorliegenden Arbeit hat menschliche und tierische Fäces, 

Milch u. s. w. auf das Vorkommen von Bakterien untersucht, die Milchzucker 


208 Ernährung. 


zu vergären imstande waren und unter den im ganzen 480 coliähnlichen, auf 
diese Weise gefundenen Mikroorganismen wieder 4 Gruppen je nach ihrer 
Fähigkeit, Rohrzucker und Dulcit anzugreifen oder nicht, unterschieden. Da- 
neben zeigte sich auch noch in 19 Proben der Bac. cloacae (Jordan), der 
Gelatineböden nach Ablauf einer Frist von 3 Monaten zu verflüssigen begann. 
Der Bac. lactis aerogenes ist ohne Frage vom Bac. acidi lactici (Hueppe) ver- 
schieden und beide sind sicherlich nicht einfach unbewegliche Formen des 
Bac. coli communis. Der letztere steht zweifellos in besonders engen Bezie- 
hungen zu den Fäces, und so ist man berechtigt, aus seinem Vorkommen auf 
eine „Verunreinigung“ des betreffenden Materials zu schliessen. 
C. Fraenkel (Halle a. S.). 


Passini, Fritz, Studien über fäulniserregende anaërobe Bakterien 
des normalen menschlichen Narmes und ihre Bedeutung. Aus d. 
hygien. Instit. d. Univ. Wien. Zeitschr. f. Hyg. Bd. 49. S. 135. 

Der erste Teil der Arbeit befasst sich mit den von Grassberger und 
Schattenfroh beschriebenen „streng ana@robischen Buttersäureba- 
eillen“, die der Verf. aus normalen Stuhlgängen zu züchten gesucht und von 
denen er den „unbeweglichen“ stets, den „beweglichen“ wiederholt. 
den „fäulniserregenden“ oft gefunden hat. Bienstock, der den letzteren 
als Bac. putrificus bezeichnet, konnte ibn zwar jederzeit in Strassenkot, 
Erde, Leichenjauche nachweisen, aber nie in Fäces und erklärte diesen Be- 
fund durch einen Antagnnismus zwischen dem Bact. coli und dem Bac. 
putrificus, welcher die Entwickelung des letzteren hemmen sollte. Nun haben 
schon die Untersuchungen von Tissier und Martelly gezeigt, dass es die 
Säurebildung des Bact. coli ist, welche den Bac. putrificus hemmt, und dass 
andere Bakterien, die ebenfalls aus Zucker Säure bilden, dieselbe Wirkung 
haben; aber auch aus Versuchen des Verf.’s geht hervor, dass die Entwicklung 
des Bac. putrificus in Milch bei Gegenwart von Bact. coli von dem Vor- 
handensein einer bestimmten Menge leicht vergärbarer Kohlenhydrate, zugleich 
aber von dem ihm gebotenen Eiweissmaterial abhängig ist. Die Hinderung 
der Fäulnis traf stets mit einer Hemmung des Wachstums des Bac. putrificus 
zusammen. Dass der Verf. den letzteren mehrmals im Kindspech, in dem Stuhl- 
gang gesunder Brustkinder seltener als bei Flaschenkindern und regelmässig 
in den Fäces von Erwachsenen auffand, spricht ebenfalls gegen die Ansicht 
von Bienstock. Der Verf. fand ferner im Stuhl gesunder Säuglinge den 
Bac. des malignen Oedems nicht regelmässig, dagegen stets den Bac. 
der Gasphlegmone (Bac. empbysematos von E. Fraenkel), welcher im 
Darm Sporen bilden kann. Auch diese Bakterien gehören der Buttersäure- 
bacillengruppe an und besitzen die Fähigkeit, Eiweissstoffe zur Fäulnis 
zu bringen. 

Der zweite Teil der Arbeit beschäftigt sich mit den von Flügges Milch- 
sterilisationsversuchen her bekannten anaerobischen Bakterien- 
arten, welche zu den proteolytischen gehören und im Stande sind, ge- 
ronnenes Eiweiss wieder zu verflüssigen und für die Aufnahme durch die 
Epithelien der Darmwand geeignet zu machen. Diese Wirkung geht von 


Ernährung. 209 


einem Enzym der Bakterien aus, welches dem Trypsin ähnlich ist und Nab- 
rungs-Eiweissarten, die bis dahin bei der biologischen Reaktion sich als 
körperfremd erwiesen, in arteigene umzuwandeln vermag. Auch in dem Bac. 
putrifieus ist nach den Untersuchungen des Verf.’s ein derartiges Ferment 
enthalten. 

In einer nachträglichen Bemerkung fügt der Verf. hinzu, dass im Gegen- 
satz zu vielen andern Untersuchern, welche bei dem Eiweissabbau durch ana- 
erobe Fäulniserreger weder Indol noch Skatol entstehen sahen, er selbst in 
Reinkulturen des Gasphlegmonebacillus auf Blutserum reichliche Indol- 
bildung beobachtet hat. Globig (Berlin). 


Cronheim W., Beiträge zur Beurteilung der Frage nach dem Nähr- 
wert der Spaltungsprodukte des Eiweisses. I. Vergleich der 
Verdauungsarbeit von Fleisch und Somatose. Aus dem tierphysiol. 
Institut der kgl. landwirtschaftl. Hochschule (Geh.-Rat Zuntz) in Berlin. 
Arch. f. d. ges. Physiol. 1904. Bd. 106. S. 17. 

Zur Bestimmung der Verdauungsarbeit, welche für dieselbe Stickstoff- 
menge Fleisch und Somatose, als Albumosenpräparat, erforderlich ist, diente 
die gasanalytische Methodik der Bestimmung des Sauerstoffverbrauchs und der 
Kohlensäureproduktion. Es ergab sich bei Versuchen am Menschen und am 
Hunde, dass dieselbe Menge Somatose, welche vom Erwachsenen bis zu 80 g 
ohne jegliche Darmerscheinungen gut vertragen wird, eine geringere Ver- 
dauungsarbeit benötigt als die N-Aquivalente Menge Fleisch. 

Wesenberg (Elberfeld). 


Bernstein K., Ueber den Schwefel- und Phosphorstoffwechsel bei 
abundanter Eiweisskost. Ein neuer Beitrag zur Frage der Ei- 
weissmast. Aus dem physiol. Institut zu Leipzig. Arch. f. d. ges. Physiol. 
1904. Bd. 106. S. 66. 

Bei der Verbrennung des Eiweiss im Organismus geht der Schwefel 
und Phosphor zum grössten Teil als Salz in den Harn über, während ein 
kleinerer Teil in organischer Form als sogenannter „nichtoxydierter“ oder 
„neatraler* Phosphor und Schwefel im Harn erscheint. Die Oxydationskraft 
der Zelle zeigt sich demnach auch in dem Verhältnis zwischen beiden Formen 
des S. und P. im Harn. Durch Stoffwechselversuche, welche nach Erreichung 
der Stickstoffbilanz unter Zugabe von 60g Milcheiweiss (Plasmon) pro die 
über die gewöhnliche Fleischkost hinaus angestellt wurden, weist Verf. nach, 
dass auch das damit zugeführte Mehr an Phosphor und Schwefel ausgezeichnet 
oxydiert wird. „Durch eine Ueberernährung mit mässigen Mengen 
Eiweiss werden minderwertige Organismen mehrwertig, ihre 
Zellen werden an Art und Menge besser, es tritt eine Eiweissmast, 
Zellmast ein“. Wesenberg (Elberfeld). 


210 Ernährung. 


Fischer K. und Peyau H., Beiträge zur Kenntnis des Baumwollsamen- 
öles und der Halphenschen Reaktion. Zeitschr. f. Untersuchg. d. 
Nahrgs.- u. Genussm. 1905. Bd. 9. S. 81. 

In der zum „Fleischbeschaugesetz“ erlassenen „Anweisung zur Unter- 
suchung von Fleisch und Fetten“ ist zum Nachweis von Baumwollsamenöl 
an Stelle der in der „amtlichen Anweisung zur Untersuchung von Fetten und 
Käsen“ vorgeschriebenen Becchischen Reaktion die weit schärfere Halplıen- 
sche Reaktion aufgenommen worden. Eine aus gleichen Teilen Baumwoll- 
samenöl, Kokosfett und Talg bestehende als „Mixture perfect“ bezeichnete 
Mischung gab nun die Halphensche Reaktion nicht. Die Verff. suchten daher 
die Frage aufzuklären, durch welche Behandlungsweise das Baumwollsamenöl 
derart verändert werden kann, dass es die Halphensche Reaktion nicht mehr 
gibt, ohne aber im Geschmack verändert zu werden, wie dieses beim längeren 
Erhitzen auf 250° der Fall ist (vergl. diesbezüglich auch diese Zeitschr. 1901. 
S. 1070 u. 1161). Es stellte sich bei diesen Versuchen heraus, dass durch 
Behandeln mit schwefliger Säure und darauffolgendes Entsäuern 
das Baumwollsamendöl — ohne in Bezug auf Farbe, Geruch und Ge- 
schmack Aenderung zu erleiden und auch ohne wesentliche Verschiebung der 
chemischen Konstanten — gegenüber der Halphenschen, sowie auch 
der Becchischen und Welmansschen Reaktion völlig inaktiviert 
werden kann. Aehnlich wirkt das Chlor, welches aber auch Geruch u. s. w. 
beeinflusst. 

Zum Nachweis derartig behandelten Oeles in Schmalz u. s. w. muss da- 
her eventuell die Phytosterinprobe vorgenommen werden, da bis zu gewissen 
Prozentsätzen sich ja fremde Beimischungen zum Schmalz u. s. w. durch die 
Aenderung der chemischen Konstanten nicht erkennen lassen. 

Wesenberg (Elberfeld). 


Koenig J. und Rintelen P. (Münster i. W.), Ueber die Proteinstoffe des 
Weizenklebers und seine Beziehungen zur Backfähigkeit des 
Weizenmehles. II. Beziehungen zwischen dem Klebergehalt und 
der Backfähigkeit eines Weizenmehles. Zeitschr. f. Untersuchg. d. 
Nahrgs.- u. Genussm. 1904. Bd. 8. S. 721. 

Nach E. Fleurent soll die Backfähigkeit eines Weizenmehles 
einerseits von der Menge des Klebers, andererseits aber vorwiegend von dem 
Verhältnis von Glutenkasein (Glutenin) zu Gliadin abhängen, und zwar 
soll das günstigste Verhältnis von Glutenin: Gliadin wie 25:75 sein. Die 
Nachprüfung der Angaben von Fleurent durch die Verff,, wobei sowohl das 
Fleurentsche, wie ein abgeändertes Verfahren und der praktische Back- 
versuch angewendet wurde, ergab meist ein Verhältnis von etwa 66:34, nur 
einmal von 71:29. Ein Mehl von Spelzweizen, welches ein unbrauchbares Gebäck 
lieferte, ergab ebenfalls ein Verhältnis von 66,7:33,3; daraus folgt, dass der 
Kleber allein die Backfähigkeit eines Mehles ebensowenig bedingt, als das 
Verhältnis vom Gesamtkleber bezw. von dem alkoholunlöslichen (Gliadin) zu 
dem alkohollöslichen (Glutenin) Anteil desselben. Entweder spielen ausser 
dem Kleber noch andere seiner Wirkung entgegenstehende Ursachen bei der 


Ernährung. 211 


Backfähigkeit mit, oder die bisherigen Verfahren bei der Beurteilung der Be- 
schaffenheit des Klebers sind noch zu ungenau und nicht ausreichend. 
Wesenberg (Elberfeld). 


Otte R. und Tolmacz B., Untersuchungen „alkoholfreier Getränke. 
Zeitschr. f. Untersuchg. d. Nahrgs.- und Genussm. 1905. Bd. 9. S. 267. 

Die Verff. analysierten 16 Proben von „alkoholfreien Getränken“ 
und fanden, dass sich aus dem spec. Gewicht, dem Wasser-, Säure und Zucker- 
gehalt u. s. w. eines Saftes wichtige Schlüsse auf seine Zusammensetzung und 
seinen Wert als Nahrungs- bezw. Genussmittel ziehen lassen. Zur Untersuchung 
kamen: 

No. I u. II. Apfelmoste aus dem Kgl. pomologischen Institut zu Pros- 
kau, 0.-S., aus welchem auch die vorliegende Arbeit stammt. 

No. III. Donaths Naturmost aus Aepfeln hat offenbar einen nicht 
unerheblichen Wasserzusatz erfahren, desgleichen 

No. IV. Donaths Naturmost aus Kirschen, welcher trotz seiner Be- 
zeichnang als „alkoholfrei“ 0,42 g Alkohol in 100 ccm enthält. 

No. V. Donaths Naturmost aus Heidelbeeren ist stark gewässert 
und gezuckert und enthält 0,47 g Alkohol in 100 cem, ebenso ist 

No. VI. Donaths Naturmost aus Preisselbeeren kein Naturmost 
und enthält 0,26 g Alkohol in 100 ccm. 

No. VII. Frutil aus Donaths alkoholfreien Naturmosten ist offen- 
bar ein künstlich aus Dörrobst hergestelltes Produkt mit Zusatz von Citronen- 
säure und Kohlensäure. 

No. VIII. Alkoholfreier Traubensaft (Weisswein) von H. Lampe 
& Co, Worms ist offenbar ein Kunstprodukt und kein Natursaft; der 
Alkobulgehalt wurde zu 0,36 g in 100 ccm gefunden. 

No. IX. Alkoholfreier Birnenwein Nektar der Kellerei Nektar in 
Worms a.Rh. ist offenbar ein aus Birnen hergestellter Natursaft. 

No. X. Alkoholfreier Burgunder (naturreiner Traubensaft) von 
Flach & Co. in Geestemünde riecht nach Aepfeln anstatt nach Trauben und 
schmeckt wie gezuckerter Most; es ist fraglich, ob naturreiner Traubensaft 
vorliegt. 

No. XI. Alkoholfreier Gravensteiner (naturrein) von Flachs & Co. 
in Geestemünde enthält 0,22 g Alkohol in 100 ccm; gegen dieses Produkt 
dürfte sich kaum etwas einwenden lassen, wenngleich ein Wasserzusatz nicht 
ausgeschlossen erscheint. 

No. XII. Apfelblümchen ist mit Kohlensäure imprägniert, riecht nicht 
nach frischen Aepfeln und schmeckt nach schlechtem Dörrobst. i 

No. XIII. Bilz Limetta (alkoholfreies Erfrischungsgetränk), welches mit 
Zuckerwasser vermischt genossen werden soll, ist wohl ein völliges Kunst- 
produkt, das mit frischem Obst so gut wie gar nichts zu tun hat. 

No. XIV. Agathon, konzentriertes alkoholfreies Getränk von 
Flach & Co., Geestemünde, erscheint den Verff. als ein noch minderwertigeres 
Kunstprodukt als No. XIII. 

No. XV. Pomril, alkoholfreies Getränk der Pomril Gesellschaft 


212 Ernährung. 


Kölu a. Rh. wird gleichfalls als „ein minderwertiges Kunstproduckt, stark mit 
Kohlensäure imprägniert“ bezeichnet. 

No. XVI. Apfellin, konzentrierter unvergorener Apfelsaft, 
alkoholfrei, erscheint als ein besseres Produkt als die vorgenannten und 
ist hier die Herstellung aus frischen Obst nicht ausgeschlossen. 

Nach Ansicht der Verff. „sind von den 16 untersuchten Getränken am 
besten No. I, 1I, IX und XI, daran würden sich anschliessen als noch brauch- 
bar No. III, IV, V, VI und XVI; als minderwertig und schlecht erscheinen 
dagegen No. VII, VIII, X, XII, XIII, XIV und XV, also nahezu die Hälfte 
der untersuchten Produkte. Wenn auch in sehr vielen Fällen aus Geschmacks- 
rücksichten ein entsprechender Wasser- und Zuckerzusatz bei der Herstellung 
dieser alkoholfrejen Getränke nicht zu umgehen sein wird, so sollte man doch 
derartige Erzeugnisse niemals als „Naturmoste‘ bezeichnen, unter welchem 
Namen wir die ungewässerten und ungezuckerten Säfte aus frischen Früchten, 
nicht aus Dörrobst verstanden wissen möchten. Die Bezeichnung „Alkohol- 
freie Weine“ für derartige sterilisierte, unvergorene Getränke ist ganz unzu- 
lässig, da, bei uns in Deutschland wenigstens, „Wein“ immer ein durch „alko- 
bolische Gärung“ genommenes Erzeugnis ist. Die meisten Getränke mit 
Phantasienamen, wie Frutil, Pomril, Bilz Limetta, Agathon n.s. w. sind aus 
Dörrobst und ähnlichen Robstoffen hergestellt und häufig nur mit Koblensäure 
imprägnierte Mischungen von Zucker, Säure, aromatischen Stoffen, Wasser u.s.w.“ 

Es ist recht bedauerlich, dass die alkoholfreien Getränke, trotz ihres ver- 
hältnismässig recht hohen Preises, von so zweifelhafter Herkunft sind, vor 
allem aber auf Schmackhaftigkeit so wenig Wert legen. 

Wesenberg (Elberfeld). 


Windisch K. und Röttgen Th., Die Bestimmung der flüchtigen Säuren 
im Wein. Zeitschr. f. Untersuchg. d. Nalırgs.- u. Genussm. 1905. Bd. 9. 
S. 70 u. S. 278. 

Nach der „amtlichen Anweisung“ sollen zur Bestimmung der flüch- 
tigen Säuren im Wein aus 50ccm Wein mittels Wasserdampf 200 ccm 
Destillat erhalten werden, welche dann zur Titration kommen. Die Verff. 
weisen darauf hin, dass besser übereinstimmende Zahlen (unter den Bestimmungen 
in derselben Probe), als das jetzt möglich ist, erhalten werden, wenn nicht 
200 sondern 300 cem Destillat zur Titration kommen. Für viele Zwecke wird 
sich ein einfacheres Verfahren der indirekten Bestimmung der 
flüchtigen Säuren, welches die Verff. ausgearbeitet haben, eignen: Man 
‚ titriert die Gesamtsäure in 25 ccm Wein in üblicher Weise. Dann dampft 
man andere 25 ccm Wein in einer Porzellanschale auf dem Wasserbade auf 
3—5 cem ein, löst den Rückstand in etwa 25 cem heissem Wasser, dampft 
wieder auf 3—5 ccm ein, löst abermals in 15 ccm Wasser und verdampft 
zum dritten Male auf 3—5 ccm. Dann nimmt man den Rückstand mit heissem 
Wasser auf und titriert ihn wie die Gesamtsäure. Man erhält so die nicht- 
flüchtigen Säuren des Weines als Weinsäure berechnet. Die Differenz in dem 
Säuregehalt zwischen beiden Bestimmungen mit 4/5 multipliciert ergibt den 
Gehalt an flüssigen Säuren, als Essigsäure berechnet. 

Wesenberg (Elberfeld). 


Ernährung. Kleinere Mitteilungen. 213 


Sellgmann E., Das Verhalten der. Kuhmilch zu fuchsinschwefliger 
Säure und ein Nachweis des Formalins in der Milch. Aus d. 
Instit. f. Infektionskrankh. in Berlin. Zeitschr. f. Hyg. Bd. 49. S. 325. 

Den Nachweis von Formalin in der Milch durch Zusatz von 
Fuchsinlösung, die durch schweflige Säure (Natriumsulfit) entfärbt 
ist (Schiffs Reagens), zum Destillat der Milch, wobei eine violett-rote Färbung 
entsteht, hat der Verf. vereinfacht. Er hat nämlich ermittelt, dass die 
Eiweisskörper, vor allem das Kasein, in schwächerem Grade auch das 
Albumin, die „Fuchsinschwefligsäurereaktion“ der Milch bedingen, 
und dass sie schon durch geringen Zuzatz von Säuren oder konzentrierter 
Natronlauge derart verändert werden, dass sie die Reaktion nicht mehr geben. 
Wird also die Fuchsinreaktion des Milcheiweisses durch Säurezusatz unter- 
drückt, so tritt sie bei Gegenwart von Formalin wieder hervor. 

Nach der Vorschrift des Verf.’s soll man zu 5 ccm Milch 2—3 Tropfen 
verdünnter Schwefelsäure und dann 1 ccm einer durch Natriumsulfit gerade 
entfärbten Fuchsinlösung hinzufügen. Bei Anwesenheit von Formalin tritt 
dann nach 1—2 Minuten eine rötlich-violette Färbung auf. Eine Kontroll- 
probe ist erforderlich. Die Reaktion soll noch in Verdünnungen von 1: 40000 
deutlich, wenn auch etwas langsamer eintreten. Globig (Berlin). 


Kleinere Mitteilungen. 


iz) Preussen. Berlin. Verwaltungsbericht des Magistrats zu Berlin 
über das städtische Strassenreinigungswesen, die städtischen Wasser- 
werke und die städtischen Badeanstalten für das Etatsjahr 1903. 

Die täglich zu reinigende Strassenfläche betrug am Schlusse des Berichts- 
jahres 6239719 qm; sie hat sich im Laufe des ‚Jahres um 288208 qm vergrössort. 
Die Länge sämtlicher der Reinigung unterworfenen Strassen belief sich auf 489,37 km. 
Durch Neu- und Umpflasterungen sind 1699 qm Steinpflaster 1.—3. Klasse hinzuge- 
treten, ‘so dass nunmehr die Gesamtfläche dieses Pflasters 3150861 qm ausmacht. 
Das Asphaltpflaster hat sich um 151395 qm vermehrt, seine Gesamtfläche umfasste 
am Schlusse des Berichtsjahres 2305761 qm. Das Holzpflaster, das zu Anrampungen 
und Brückenbelägen Verwendung findet, hat sich um 6439 qm vermehrt. Zur Zeit 
sind etwa 5546832 qm besten Strassenpllasters im Stadtgebiet vorhanden; das alte 
schlechte Steinpflaster ist nur noch in den weniger verkebrsreichen älteren Neben- 
strassen vorhanden. 

Die Abfuhr des Strassenkehrichts und Schnees ist einem Unternehmer 
übertragen, der für die Kehrichtabfuhr eine Pauschalsumme von 910400 M. (122800 M. 
mehr als im Vorjahr) und für die Schneeabfuhr eine Entschädigung von 2,85 M. für 
die Fuhre von 2 cbm Inhalt erhält. Abgefahren wurden 156692 Fuhren Kehricht, also 
durchschnittlich nahezu 429 Fuhren täglich und 47289 Fuhren Schnee. Zur Strassen- 
besprengung mittels 339 Sprengwagen waren 1264594,50 cbm Wasser (151662 cbm 
mehr als im Vorjahr) erforderlich. Bespannung, Bedienung und Unterhaltung der 
Sprengwagen sind an einen Unternehmer vergeben und erfordern bei einem Einheits- 
satz von 8,40 M. für den Tag und den Wagen einen Kostenaufwand von 591891,70 M. 

Die Zahl der öffentlichenBedürfnisanstalten beträgt 200, davon sind 35 zwei- 
ständig, 135 siebenständig, 5 zehnständig, 1 elfständig, 1 fünfständig, 1 vierständig, 


214 Kleinere Mitteilungen. 


1 dreiständig; ausserdem sind 11 Anstalten für Frauen und Kinder, 3 Anstalten für 
Kinder, 5 Anstalten für Frauen und Männer und 2 Anstalten für Männer vorhanden. 

Die an den öffentlichen Wasserläufen befindlichen Rettungsgeräte wurden 
weder vermehrt noch in ihren Standorten verändert. 

Organisation und Betrieb auf den städtischen Abladeplätzen haben insofern 
eine Aenderung erfahren, als vom 1. April 1903 ab der Abladeplatz in der Müller- 
strasse geschlossen, der Einladeplatz an der Stralauer Allee und die Abladeplätze zu 
Spreenhagen und Pinnow an oinen Privatunternehmer gegen Zahlung einer jährlichen 
Pauschalsumme von 20000 M. vermietet wurden. Im gesamten Strassenreinigungs- 
betriebe wurden ständig 1859 Personen beschäftigt, für deren Löhnung 2161288,23 M. 
ausgegeben wurden. 

Der Wasserverbrauch, welcher im Jahre 1902 hinter dem Verbrauch des Jahres 
1901 zurückgeblieben war, hat im Berichtsjahre wieder eine Steigerung erfahren. Die 
Umgestaltung des Oberflächenwasserwerks in Tegel in ein Grundwasserwerk war zu 
Anfang des Berichtsjahres so weit gediehen, dass im Mai 1903 der Betrieb im vollen 
Umfange aufgenommen werden konnte. Für den Umbau des Werkes Müggelsee in ein 
Grundwasserwerk wurden die Versuche zur Feststellung der Richtung und Geschwindig- 
keit desGrundwasserstroms sowie die Messungen des Grundwasserstandes an den Schau- 
rohrbrunnen fortgesetzt. Die gewonnenen Ergebnisse sind in einer Denkschrift nieder- 
gelegt worden. Die insgesamt geförderte Wassermenge belief sich auf 57765376 cbm. 
Von dieser Wassermenge förderten die Werke in Charlottenburg 39,84°/,, in Lichten- 
berg 59,71°/%, in Tegel und am Müggelsee zusammen 0,4509. Das Verteilungsrohr- 
system hatte eine Länge von 979364,2 m, ausserdem waren 5123 Schieber, 6243 Hy- 
dranten, 2 Rückschlagventile und 61 Luftventile vorhanden. Am 31. März 1904 betrug 
die Zahl der an das Rohrsystem der Berliner Wasserwerke angeschlossenen Zuleitungen 
27038, d.i. 558 (—2,06°/,) mehr als im Vorjahre. Aus 26390 Zuleitungen wurde das 
Wasser (= 83,709°/, der Gesamtwassermenge) gegen Zahlung, aus 461 Zuleitungen 
unentgeltlich entnommen, 232 Zuleitungen wurden nicht benutzt. Die Einnahmen der 
städtischen Wasserwerke im Jahre 1903 betrugen 8045404,43 M., die Ausgaben 
5689181,58 M., so dass sich ein Ueberschuss von 2356222,85 M. ergab. Der erzielte 
Verkaufspreis für J cbm Wasser betrug 0,13928 M., der Selbstkostenpreis 0,09849 M. 
Im Jahresdurchschnitt für 1903 wurde städtisches Leitungswasser von 1939088 Per- 
sonen benutzt, so dass eine Vermehrung gegen das Vorjahr um 1,56°/, zu verzeichnen 
ist. Für den Kopf und Tag betrug der Wasserverbrauch 81,24 Liter. In der Woche 
des stärksten Betriebes (29.Juni bis 5.Juli) lieferten die Werke zusammen 1369717 cbm 
(täglich 195674 cbm), in der Woche des schwächsten Betriebes (28. December bis 
3. Januar) 900513 cbm (täglich 128645 cbm). 

Die städtischen Flnssbadeanstalten waren dem Publikum im Berichtsjahre 
vom 16. Mai bis 30. September von 5 Uhr morgens bis 8 Uhr abends zugänglich. Sie 
wurden von 701514 männlichen, 315279 weiblichen, zusammen von 1016793 Per- 
sonen, d.i, 214117 Personen mehr als im Vorjahre benutzt. Freibäder wurden 637431 
(462536 männlichen, 17495 weiblichen) Personen gewährt, 369362 (238978 männ- 
liche, 140384 weibliche) Personen entrichteten zusammen 33773,60 M. In den städti- 
schen Volksbadeanstalten badeten im Jahre 1903 insgesamt 2495976 Personen, 319873 
mehr als im Vorjahre, im Durchschnitt täglich 6886 Personen. Die Gesamtzahl der 
verabfolgten Bäder in den 5 Volkshadeanstalten betrug 714231 Wannenbäder, 872081 
Brausebäder und 909664 Schwimmbäder. ; 

(Veröfl. d. Kais. Ges.-A. 1905. No. 37. S. 1001—1002.) 


(:) Das öffentliche Gesundheitswesen in Frankfurt a, M. im Jahre 
1903. (Nach dem vom ärztlichen Verein herausgegebenen Jahresberichte, 47. Jahrgang.) 
Die Sterblichkeitsziffer der Bevölkerung Frankfurts)betrug im Jahre 1903: 


Kleinere Mitteilungen. 215 


16,8%;90 gegen 14,8°%/% im Jahre 1902, bei einer mittleren Sterbliohkeit von 18,5°/00 
für die 50 Jahre von 1851—1900 und einem Durchschnitt der Jahre 1896 bis 1900 
von 16,1°/oo. Die Steigerung der Sterblichkeitsziffer im Vergleich mit dem 50jährigen 
Durchschnitt ist im wesentlichen veranlasst durch eine beträchtliche Vermehrung der 
Todesfälle an angeborener Lebensschwäche, an Masern und Lungenentzündung; die 
Todesfälle an Erkrankungen von Herz und Gefässen überschritten 175,3 auf 100000 
Einwohner den 5Ojährigen Durchschnitt um 58,5. Dagegen zeigten andere Erkran- 
kungen, wie Scharlach, Keuchhusten und Diphtherie eine beträchtliche Verminderung 
der Sterbefälle. Die Sterblichkeit der im ersten Lebensjahr stehenden Kinder erreichte 
mit 197,4°/90 der gleichalterigen Lebenden nahezu den Durchschnitt der Jahre 1851 
bis 1900 mit 199,4%/oo. ; 

Die nordöstliche Aussenstadt und Bornheim, sowie die Altstadt und das innere 
Sachsenhausen wiesen eine gesteigerte Zahl von Todesfällen auf, während in den 
Vororten Oberrad und Niederrad ein Rückgang in der Sterblichkeit bestand. Seckbach, 
das 1902 eine besonders günstige Sterblichkeitsziffer hatte, zeigte diesmal eine Ver- 
doppelung der Sterbefälle. Auch in der Zahl der Geburten wiesen die einzelnen 
Stadtteile ausserordentliche Verschiedenheiten auf; so hatte die nordwestliche Aussen- 
stadt 10,8% 99 Geburten gegen 44,5°/9 in Bornheim; ähnlich günstige Geburtszahlen 
wie Bornheim zeigten noch Niederrad und Oberrad. 

Die mittlere Bevölkerungsziffer von Gross-Frankfurt für das Jahr 1903 wird 
von dem Städtischen Statistischen Amte auf rund 304000 am 1. Januar 1903 und 
für den Januar 1904 auf rund 312000 angegeben; hiernach entspricht die Summe 
der 8563 Lebendgeborenen und 310 Totgeborenen des Berichtsjahres einer Geburts- 
ziffer von 28,8%/90, die'Zahl der Gestorbenen (5188) ohne die Totgeborenen einer 
Sterbeziffer von 16,80/% und der Geburtenüberschuss (3375) einem natürlichen Wachs- 
tum um 42,0°%/o0. Von 1210 nach Ablauf des 60. Lebensjahres Gestorbenen sind 169 
über $0 Jahre, 15 über 90 Jahre alt geworden, und von den 631 im Alter von 1—15 
‚Jahren Gestorbenen entfielen 469 auf Kinder zwischen 1—5 Jahren, mithin 162 auf 
Kinder von 5—15 Jahren, so dass in dieser letzteren Altersklasse die Sterbeziffer 
3,3%/00 (2,6°/oo im Vorjahr) niedriger war als an jeder der sechs höheren Altersklassen, 
welche das Statistische Amt zu Frankfurt unterscheidet. 

Von anzeigepflichtigen Krankheiten wurden im Jahre 1903 gemeldet 
(endeten tödlich) 951 (31) Fälle an Diphtherie, 621 (16) von Scharlach, 3287 (107) 
von Masern, %) (7) von Unterleibstyphus, 17 (8) von Wochenbetttieber. Von den 90 
Typhusfällen erfolgte die Infektion bei 19 ausserhalb Frankfurts. Von den 17 Fällen 
an Kindbettfieber verliefen 9 in Heilung, 4 davon ohne ärztliche Hilfe, während in 
4 anderen Fällen es sich um leichte Hausepidemie handelte. 

Dem Berichte über die Leistungen der Hospitäler ist zu entnehmen, dass 
allein in das städtische Krankenkaus im Laufe des Berichtsjakres 5365 männliche 
und 3296 weibliche Kranke aufgenommen wurden. Im städtischen Siechenhaus wurden 
383 Kranke verpflegt, 209 im sädtischen Krankenhaus Bockenheim; 557 wurden in 
die städtische Entbindungsanstalt aufgenommen, 1485 in der Anstalt für Irre und 
Epileptische verpflegt. 

Den 14 Schulärzten Frankfurts sind 34 Schulen mit 25988 Schülern unter- 
stellt, so dass auf einen Schularzt im Durchschnitt 1856 Kinder kamen. Interessant 
ist im Bericht die Mitteilung, dass, da der Rat des Schularztes bei der Berufswahl 
der zur Schulentlassung kommenden Kinder an diese selbst erfahrungsgemäss zu 
keinem Erfolg führt, mehrere Schulärzte im Einvernehmen mit der Schulbehörde 
beschlossen haben, Elternversammmlungen zu berufen und die Berufswahl auch vom 
hygienischen Standpunkte zu erörtern. 

(Veröff. d. Kais. Ges.-A. 105. No. 35. S. 939.) 


216 Kleinere Mitteilungen. 


(:) Aus dem 35. Jahresbericht des Landes - Medizinalkollegiums 
über das Medizinalwesen im Königreich Sachsen auf das Jahr 1903. 

Das Landes-Medizinalkollegium hielt im Berichtsjahre eine Plenar- und 
28 gewöhnliche Sitzungen ab. In der Plenarsitzung wurde beraten: 1. über den von 
dem Ministerium des Innern aufgestellten II. Entwurf einer abgeänderten ärztlichen 
Ehrengerichtsordnung (der I Entwurf war in der Plenarsitzung 1902 durchberaten 
worden); 2. über den Entwurf des abgeänderten Gesetzes, betr. die ärztlichen Bezirks- 
vereine; 3. über den Antrag des Sanitätsrates Dr. Findeisen: „Aussprache über 
Massnahmen gegen die durch die Hausindustrie entstehenden Gefahren der Weiter- 
verbreitung ansteckender Krankheiten“; 4. über einen Antrag des Sanitätsrates Dr. 
Schellenberg: „Das Landes-Medizinalkollegium wolle dahin wirken, dass die 
Impfungen der ausländischen Arbeiter nach einheitlichen Gesichtspunkten für das 
ganze Land geregelt werden“. Im weiteren Verlauf der Sitzung stellte Med.-Rat Dr. 
Chalybäus den Antrag: Das Landes-Medizinalkollegium wolle an das Ministerium 
des Innern das Ersuchen richten, zu veranlassen, 

1. dass a) die Ausübung der Heilkunde durch nicht approbierte Personen zu 
untersagen ist, wenn Tatsachen vorliegen, welche die Unzuverlässigkeit des Gewerbe- 
treibenden in Bezug auf diesen Gewerbebetrieb dartun, und dass b) Personen, welche 
ohne approbiert zu sein, das Heilgewerbe beginnen, hiervon der zuständigen Behörde 
Anzeige zu erstatten haben, 

2. dass mit Geltung für das Deutsche Reich eine Verordnung erlassen werde, 
die sich an die vom Staate Hamburg unter dem 1. Juni 1900 erlassene Verordnung, 
bezw. an die Verordnung des Preussischen Medizinalministers anschliesst und vor 
allem die prahlerischen Ankündigungen von Geheimmitteln und Heilverfahren unter 
Strafe stellt, 

3. dass bei Strafe verboten werde 

a) die ausschliessliche oder gewerbsmässige Behandlung Kranker aus der Ferne, 
bei welcher kranken Personen in Briefen oder öffentlichen Blättern oder Büchern Heil- 
vorschriften gegeben werden, und 

b) die Ankündigung und Anpreisung solcher Fernbehandlung; falls aber ein für 
alle Bundesstaaten gleichmässiges Vorgehen in der bezeichneten Richtung nicht zu 
erreichen ist, für das Königreich Sachsen eine dem Sinne der Preussischen Verordnung 
vom 28. Juni 1902 entsprechende Verordnung zu erlassen. 

Der letzte Gegenstand der Beratung betraf den Antrag des ärztlichen Kreisver- 
einsausschusses im Regierungsbezirk Dresden: „Die Bekanntmachung des Königlichen 
Landes-Medizinalkollegiums vom 10. Juli 1901, betreffend die Uebertragung von Krank- 
heiten in den Barbierstuben und Friseurgeschäften, möge in Form polizeilicher Vor- 
schriften in geeigneter Weise zur allgemeinen Kenntnis des Publikums gebracht 
werden“. 

Die Zahl der Aerzte erhöhte sich im Laufe des Berichtsjahres — ebenso wie 
im Vorjahre — um 37. Im Hebammenstande fanden im Berichtsjahre mehrfache 
Veränderungen statt, indem u.a. 62 in den Ruhestand traten, 18 starben und 112 neu 
angestellt wurden. 

Bei einer berechneten mittleren Bevölkerungszahl für 1903 von 4383050 betrug 
die Zahl der Gestorbenen 86928 (im Vorjahr 83494) = 19,8 (19,4)0/g9, die Zahl 
der Lebendgeborenen 148852 (154395) — 34,0 (35,8)%/g9, die Zahl der Totgeborenen 
5237 (5382) = 3,4 (3,4)%/, aller Geborenen. 

Die Zahl der Todesfälle mit ärztlich beglaubigter Todesursache ist in den 
letzten Jahren stetig gestiegen, sie betrug im Berichtsjahre 60,60/, aller Sterbefälle. 
Es starben an Diphtherie einschl. Croup 957 (im Vorjahre 854), Keuchhusten 685 (768), 
Scharlach 647 (466), Masern 592 (692), Typhus 211 (220), Tuberkulose der Lungen 


Kleinere Mitteilungen. 217 


6390 (6798), Tuberkulose anderer Organe 1019 (1282), croupöser Lungenentzündung 
4232 (4072), sonstigen entzündlichen Kıankheiten der Atmungsorgane 4520 (4075), 
Magendarmkatarrh und Atrophie der Kinder 14702 (15511), Kindbettfieber 286 (280), 
Neubildungen 3964 (4168), angeborener Lebensschwäche 4070 (4686), Altersschwäche 
8725 (6940), infolge von Verunglückungen 1183 (1207), durch Selbstmord 1416 (1406) 
und an sonstigen bekannten Krankheiten 32999. 

Die Diphtheriesterbeziffer ist von 0,20 auf 0,22°/,, gestiegen. An den Todes- 
fällen war die Bevölkerung der Städte unter 8000 und des platten Landes stärker be- 
teiligt, als die der Städte von 8000 und mehr Einwohnern. Die Zahl der Todesfälle 
durch Typhus hat gegen das Vorjahr eine geringe Abnahme um 9 erfahren, dagegen 
haben sich die zur Kenntnis der Bezirksärzte gekommenen Erkrankungsfälle (1285) 
gegen das Vorjahr nicht unwesentlich und zwar um 306 vermehrt. Die Sterblichkeit 
betrug daher 16,4°/, gegen 22,5°/, im Vorjahre. Die Typhustodesfälle, bei denen es 
sich zumeist um Personen mittleren Alters handelte, verteilten sich auf sämtliche 
Monate des Jahres. Die Höchstzahl im September und Oktober war je 25, die Mindest- 
zahl im April 9; die städtische Bevölkerung war wie im Vorjahre geringer als die 
ländliche betroffen. Die Sterblichkeit durch Lungentuberkulose hat wie schon 
seit 1891 eine weitere erfreuliche Verminderung erfahren, indem die Zahl der Todes- 
fälle von 6798 im Vorjahre auf 6390 gesunken ist, also um 6°/, sich verringert hat, 
und dem entsprechend die Verhältnisziffer der an Schwindsucht Gestorbenen von 1,58 
auf 1,46°/,, heruntergegangen ist. Die Zahl der an Krebs Gestorbenen ist von 4168 
auf 3964, also von 0,97 auf 0,90°/,, gesunken. An Pocken erkrankten in Leipzig 
14 Personen, und zwar 12 geimpfte, davon 11 Erwachsene, und 2 ungeimpfte Kinder, 
son denen eines starb; im Medizinalbezirk Dippoldiswalde, in Pirna und Schwarzen- 
berg kam je einFall vor. Von epidemischerOhrspeicheldrüsenentzündung kamen 
im Medizinalbezirk Rochlitz 40 Fälle, im Medizinalbezirk Freiberg mehrere, im Medi- 
zinalbezirk Grossenhain 30 Fälle zur Anzeige. 

Die Zahl der Tollwutanfälle bei Hunden ist von 28 im Vorjahre auf 21 ge- 
sunken ; im ganzen sind, soweit amtlich festgestellt ist, 13 Personen durch Biss wut- 
kranker und wutverdächtiger Hunde verletzt worden; 11 davon haben sich in Berlin 
einer Schutzimpfung unterzogen. Von Milzbrandfällen bei Rindern kamen nach 
dem Berichte über das Veterinärwesen 372 gegen 390 im Vorjahre zur Beobachtung; 
von Uebertragungen des Milzbrandes auf Menschen sind den Bezirkstierärzten 16 Fälle 
— gegenüber 12 im Vorjahre — bekannt geworden, 5 sind tödlich verlaufen. In den 
Krankenanstalten Sachsens kamen 24 Fälle von Milzbrand bei Menschen zur Be- 
handlung, von welchen einer mit Tod endigte. 

Tuberkulose wurde bei 127941 geschlachteten Tieren festgestellt, und 
zwar bei 69820 Rindern, 1527 Kälbern, 233 Schafen, 1276 Ziegen, 55038 Schweinen, 
18 Pferden und 29 Hunden. Mit Finnen waren 1407 der geschlachteten Tiere — 
1255 Rinder, 5 Kälber, 2 Schafe und 145 Schweine — behaftet. T'richinen wurden 
bei 63 Schweinen, das sind 0,0055°/, der geschlachteten, sowie bei 2 Hunden nach- 
gewiesen. 

Von den 9009 voruntersuchten Proben Milch wurden 767 als verdächtig der 
chemischen Untersuchungsanstalt eingeliefert und davon 524 wegen nicht vorschrifts- 
mässigen Fettgehaltes beanstandet. Es sind dies 5,80/ der gesamten untersuchten 
Proben gegenüber 7,5°/, im Vorjahre. 

Die Erstimpfungen ergaben einen Erfolg bei 93,72°/, und die Wiederimpfun- 
gen bei 96,18%/o. 

Das Heilpersonal bestand am Schlusse des Berichtsjahres aus 2031 (1994) 
Aerzten, 134 (133) Zahnärzten, 1 (1) Wundarzt. Die Zahl der Apotheken betrug 
318 (314). Die Zahl der Kurpfuscher belief sich auf 1001 (1008), davon 687 männ- 


218 Kleinere Mitteilungen. 


lichen und 314 weiblichen Geschlechts. Die Zahl der öffentlichen Krankenhäuser be- 
trug 151 (148). Hiervon erstatteten 141 gegen 139 im Vorjahre Formularanzeigen über 
ihre Krankenbewegung. Unter diesen 141 Krankenanstalten, welche 9700 Betten ent- 
hielten, gab es 34 mit 60 und mehr Betten. Verpflegt wurden insgesamt 66224 (58394) 
Kranke. Die durchschnittliche Verpflegungsdauer belief sich auf 34,2 Tage und die 
Belegzeit für je 1 Bett auf 233 Tage. In der Heilstätte Alberisberg für lungenkranke 
Männer sind im Berichtsjahre 655 (630) Kranke verpflegt mit 45117 (44881) Ver- 
pflegungstagen; zur Entlassung kamen 543 Kranke. In der Heilstätte Carolagrün für 
lungenkranke Frauen wurden im Laufe des Jahres 431 Personen behandelt und 340 
im Laufe des Jahres entlassen. 

Die Landes-Heil- und Pflegeanstalten für Geisteskranke zu Sonnen- 
stein, Untergöltzsch, Zschadrass und Hubertusburg A und B, die Pilegeanstalt Colditz 
und die Heil- und Pflegeanstalt für Epileptische zu Hochweitzschen hatten zu Beginn 
des Berichtsjahres einen Gesamtbestand von 4382 Kranken gegen 4722 zu Beginn des 
Vorjahres. Aufgenommen wurden im Laufe des Jahres 831, davon kamen 26 aus 
anderen Anstalten, 805 gingen von aussen zu. 

Von den Kurorten hatten Bad Elster mit 7041 Kurgästen und 1716 Passanten 
und das Mineral- und Moorbad Oppelsdorf mit 1478 Kurgästen die höchsten Besuchs- 
ziffern. (Veröff. d. Kais. Ges.-A. 1905. No. 30. S. 815—816.) 


(:) England und Wales. Geburts- und Sterblichkeit im Jahre 1903. 
(Nach dem 66. annual report of the Registrar-General.) 

Die Bevölkerung wurde für die Mitte des Berichtsjahres auf 33378338, darunter 
17244994 weibliche Personen berechnet. Lebendgeboren wurden 948271 Kinder, 
darunter 37302 ausserehelich. Die Zahl der lebendgeborenen Kinder war zwar um 
7762 höher als während des Vorjahres, doch hat die auf je 1000 weibliche Personen 
gebärfähigen Alters errechnete Fruchtbarkeitsziffer in England während der 
letzten ‚Jahrzehnte stetig abgenommen, denn auf je 1000 weibliche Personen von 15 
bis 45 Jahren entfielen 

Lebendgeburten 
während der 3 Jahre 1870—1872 im Mittel 153,7 
N n 3 „n 1880—1882 „ „ 147,7 
j » 8p 1890—1897 „ „ 129,7 
N n 3 „ 1900—1902 „ „ 114,8 
im Jahre 103 . . 2. T A a n aa S 

Von den während des Berichtsjahres eingetragenen 514628 Sterbefällen ent- 
fielen nur 248338 auf weibliche Personen, so dass die Sterblichkeitsziffer für diese 
nur 14,4, für männliche Personen dagegen —16,5°/,, war. DieSterbezitler derKinder 
des ersten Lebensjahres betrug 132 auf je 1000 Lebendgeborene, da 124718 Kinder 
im ersten Lebensjahre gestorben sind; ein Lebensalter von 65 Jahren und darüber 
hatten 65418 der Gestorbenen (12,7°/,) erreicht, ein Lebensalter von-75 Jahren und 
darüber 49675, von $5 Jahren und darüber 12631, davon 7685 Gestorbene weiblichen 
Geschlechts. 

Es starben an Pocken 760, an Masern 9150, ausserdem 39 an Röteln, 4158 an 
Scharlach, 3347 an Typhus und 69 an Flecklieber, 6322 an Influenza, 6077 an Diph- 
therie, 68 anGenickstarre, 9522 an Keuchhusten, 7742 an „epidemischer Diarrhöe* 
oder „infektiöser Enteritis“, ausserdem 10357 an „einfacher Diarrhöef, 
Von den letzterwähnten 18099 Sterbefällen an Durchfall betrafen 12961 Kinder des 
ersten Lebensjahres, so dass nur wenig mehr als ein Zehntel der im ersten Lebens- 
jahre gestorbenen Säuglinge (10,4%/,) einem solchen Leiden der Verdauungsorgane 
erlegen ist. Tetanus ist 257 mal, Malaria 69mal als Todesursache angegeben. Von 


Kleinere Mitteilungen. 219 


den durch Syphilis verursachten 1820 Sterbefällen entfielen 1271 auf Kinder des 
ersten Lebensjahres, von den durch Alkoholismus (oder Säuferwabnsinn) verur- 
sachten 2550 Sterbefällen entfielen 1075, d. i. mehr als 40°/,, auf weibliche Per- 
sonen. An Lungenschwindsucht starben nicht weniger als 23022 männliche und 
17110 weibliche Personen, zusammen 40132, davon fast die Hälfte (46,2"/,) im lebens- 
kräftigsten Alter von 25—45 Jahren; ausserdem starben an tuberkulösen Leiden noch 
17975 meist dem jugendlichen Alter angehörige Personen. Krebs(Carcinoma), Sarkom 
und sonstige bösartige Geschwülste (Cancer u.s.w.) sind bei 11799 männlichen 
und 17290 weiblichen Personen als Todesursache angegeben; von diesen 29089 Ge- 
storbenen hatten 19081, also etwa ?/ der Gesamtzahl, ein Lebensalter von mindestens 
55 Jahren erreicht. Durch Selbstmord starben 3511 Personen, darunter 871 weib- 
liche, durch Mord oder Totschlag 295, im Kampfe 2, durch Hinrichtung 25, sonst auf 
gewaltsame Weise, d.h. durch Verunglückung u.s.w., 15464 Personen. Nicht an- 
gegeben oder ungenügend bezeichnet war die Todesursache bei49455.der Gestorbenen, 
u.a. bei 30007, welche das 65. Lebensjahr überschritten hatten. 
(Veröff. d. Kais. Ges.-A. 1905. No. 31. S. 856—857.) 


(:) Geburten und Todesfälle in Schottland in den Jahren 1903 und 
1904. (Nach dem 49. und 50. annual report of the Kegistrar-General on the births, 
deaths and marriages registered in Scotland during the year 1903 bezw. 1904 und 
dem 39. sowie 40. annual report on vaccination.) 

Bei einer um die Mitte des Jahres 1903 (1904) auf 4579223 (4627 656) Personen, 
davon 2229414 (2254607) männlichen Geschlechts, errechneten Bevölkerung sind 
133499 (132570) Kinder geboren worden, d. h. 29,2 (28,65) auf je 1000 Einwohner. 
Von den Neugeborenen waren 68074 (67798) männlichen, 65425 (64772) weiblichen 
Geschlechts und 8183 oder 6,13°/ (8566 oder 6,46°/,) ausserehelicher Abkunft. Todes- 
fälle gelangten 75973, d. i. 16,59°/% d. E. (77961 d. i. 16,850/90) zur Meldung. Die 
Sterblichkeitsziffer in den Landbezirken betrug dabei durchschnittlich 15,3 (15,2)%/oo, 
in den grösseren Stadtbezirken 18,5 (18,0)%/oo- 

Von den 8 grössten Städten Schottlands mit einer auf 1702912 (1726236) Per- 
sonen geschätzten Einwohnerzahl hatten in den Berichtsjahren die höchste Sterblich- 
keitsziffer Glasgow mit 19,2 (Dundee mit 20,2 und Glasgow mit 19,3), die niedrigste 
Leith mit 16,2 (Leith mit 14,7 und Edinburg mit 16,6°/o0). In allen 8 Städten war 
die Sterblichkeitsziffer in beiden Berichtsjahren niedriger als im Durchschnitt der 
letzten 10.Jahre. Unter den 30863 (31769) vorgekommenen Todeställen in den8Städten 
waren 27 (96) durch Pocken, 615 (682) durch Masern, 194 (124) durch Scharlach, 
207 (169) durch Influenza, 971 (1198) durch Keuchhusten, 222 (221) durch Diph- 
therie, 7 (6) durch Fleckfieber, 246 (178) durch Unterleibstyphus, 2781 (3112) durch 
Lungenentzündung, 4149 (4171) durch Tuberkulose verursacht. 

Die Zahl der in dem Jahre 1902 (1903) in Schottland als geboren angemeldeten 
Kinder betrug 132360 (133593); von diesen sind 112321 d. i. 84,86°/, (113599 d. i. 
35,03°/,) mit Erfolg geimpft worden. Zurückgestellt von der Impfung wurden 2858 
(2557) Kinder, während 12239 oder 9,25°/ (12699 oder 9,51°/,) vor dem impfpflich- 
tigen Alter starben. 

Im Jahre 1902 erlagen in ganz Schottland den Pocken 80 Personen, von denen 
47 geimpft, 30 nicht geimpft waren und 3 einen zweifelhaften Impfzustand aufwiesen. 
Aus den Jahren 1903 und 1904 ist nur über die in den 8 grössten Städten vorge- 
kommenen, oben bereits erwähnten 27 (96) Pockentodesfälle berichtet, da aus den 
anderen Teilen des Landes die diesbezüglichen Mitteilungen noch nicht eingegangen 
waren. (Veröff. d. Kais. Ges.-A. 1905. No. 29. S. 791.) 


Beilage zur „Hygienischen Rundschau“, 
XVI. Jahrgang. Berlin, 15. Februar 1906. No. 4. 


VIII. Internationaler Tierärztlicher Kongress in Budapest 1905. 


Bericht von Dr. Burow in Halle a.S. 


Vom 2.—9. September 1905 tagte in Budapest der VIII. internationale 
tierärztliche Kongress, beschickt mit 1400 Mitgliedern und officiellen 
Vertretern aller Kulturstaaten. 

An der Spitze des Exekutivcomites standen der Rektor der Tierärztlichen 
Hochschule in Budapest Prof. Dr. Hutyra und Prof. Dr. v. Rätz von der- 
selben Hochschule. Die Sitzungen fanden statt in 4 Sektionen, der veterinär- 
polizeilichen, der biologischen, der pathologischen und der tropischen Sektion. 

Alle zur Zeit im Vordergrund des Interesses stehenden Fragen wurden in 
der überaus grossen Zahl der auf das eingehendste bearbeiteten Referate be- 
handelt. In dem gegenwärtigen Bericht seien von den Resolutionen des Kon- 
gresses folgende erwähnt: 


Beziehungen zwischen der Tuberkulose des Menschen, des Rindes, 
des Geflügels und anderer Haustiere (hauptsächlich der Hunde), 


Der Kongress spricht aus: 

1. dass die Rindertuberkelbacillen den Menschen inficieren können; dass 
beim Menschen Tuberkelbacillen anzutreffen sind, welche dem Rinde sehr 
gefährlich sein können, dass eine gegenseitige Infektion in gewissen Fällen 

möglich ist; 
a 2. dass es wünschenswert ist, weiter zu erforschen, inwiefern die Ge- 
flügeltuberkulose eine Gefahr für den Menschen und die Säugetiere bilde; 

3. dass es jedenfalls unentbehrlich ist, die Schutzmassregeln gegen die 
Gefahren fortzusetzen, welche die Rindertuberkulose dem Menschen verur- 
sachen kann. 


Bekämpfung der Tuberkulose der Haustiere. 


1. Die Bekämpfung der Tuberkulose der Rinder ist dringend notwendig 
nicht allein wegen der durch dieselbe hervorgerufenen wirtschaftlichen Ver- 
luste, sondern auch wegen der Gefahr einer Ansteckung des Menschen. 

2. Die Tilgung der Tuberkulose der Rinder seitens der Besitzer (frei- 
willige Tilgung) ist durchführbar und allgemein anzustreben. Sie erfordert 
möglichst frühzeitige Abschlachtung der gefährlich tuberkulösen Tiere, sowie 
sorgfältige Verhütung der Ansteckung der Kälber und der gesunden übrigen 
Viehstücke. 

Die freiwillige Tilgung der Rindertuberkulose ist staatlich durch Ver- 
breitung richtiger Anschauungen über die Natur der Tuberkulose, über deren 
Ansteckungswege und über die Bedeutung der Tuberkulinprobe anzuregen 
und durch Gewährung von Staatsmitteln zu unterstützen. 

Bei der Bekämpfung der Tuberkulose der Haustiere empfiehlt es sich, 


VII. Internationaler Tierärztlicher Kongress in Budapest. 221 


das Tuberkalin als das beste bis jetzt bekannte diagnostische Mittel zu ver- 
wenden. 

Die Tuberkulinabgabe ist staatlich zu kontrollieren. Jedenfalls darf 
Tuberkulin nur an Tierärzte abgegeben werden. 

3. Eine staatliche Bekämpfung der Tuberkulose der Rinder ist durchaus 
empfehlenswert. Sie ist, wenn mit einer gewissen Vorsicht angewendet, durch- 
fübrbar und wird die weitere Zunahme der Seuche verhindern und eine all- 
mähliche Eindämmung derselben herbeiführen. Die Bekämpfung erfordert 

a) die Verpflichtung des Tierarztes, von jedem in der Ausübung seines 
Berufes festgestellten Tuberkulosefall Anzeige zu erstatten. 

b) die baldmöglichste Beseitigung der gefährlich tuberkulösen Tiere 
(namentlich der mit Euter-, Gebärmutter-, Darmtuberkulose, sowie 
der mit Lungentuberkulose behafteten) gegen Entschädigung unter 
Beihilfe von Staatsmitteln, und das Verbot der Magermilch aus 
Sammelmolkereien im unsterilisierten Zustande. 


Schutzimpfung gegen die Tuberkulose der Rinder. 


Der VIII. internat. Kongress ersucht die hohen Staatsregierungen dringend, 
die Mittel zu ausgedehnten Versuchen flüssig zu machen, welche die Schutz- 
impfung gegen die Tuberkulose der Rinder unter den verschiedenen Bedin- 
zungen der landwirtschaftlichen Praxis erproben sollen. 

Bis zur endgültigen Feststellung der Grenzen der Leistungsfähigkeit der 
Schutzimpfung ist aber die Durchführung der sanitären, schon von Erfolg 
gekrönten Massnahmen als notwendig anzunehmen. 


Feststellung einheitlicher Grundsätze für die Beurteilung 
der Tuberkulinreaktion. 


1. Die Herstellung und Abgabe des Tuberkulins ist unter die Aufsicht 
des Staates zu stellen. 

2. Nur solche Rinder sind der Tuberkulinprobe zu unterwerfen, deren 
Körpertemperatur zur Zeit der Injektion 39,50 nicht übersteigt. 

3. Bei allen Rindern, welche zur Zeit der Tuberkulineinspritzung keine 
39,500. übersteigende Temperatur aufweisen, ist jede 40° C. übersteigende Er- 
höhung der Körpertemperatur als positive Reaktion aufzufassen. 

4. Alle Temperaturerhöhungen über 39,5—40°C. sind als zweifelhafte 
Reaktion zusammenzufassen und für sich zu beurteilen. 


Feststellung einheitlicher Grundsätze für die Beurteilung 
der Malleinreaktion. 


1. Um eine vom Mallein hervorgerufene Reaktion als diagnostisch positiv 
{konfirmativ) bezeichnen zu können, ist es notwendig, dass sie die Charaktere 
einer typischen Reaktion zeige. 

2. Unter typischer Reaktion hat man eine Temperatursteigerung von 
mindestens zwei Graden zu verstehen, die über 40° reicht und die im Laufe 
des ersten Tages gewöhnlich ein Plateau oder zwei Kulminationen, ferner am 
meiten Tage, zuweilen selbst noch am dritten Tage eine-mehr oder minder 


222 VII. Internationaler Tierärztlicher Kongress in Budapest. 


hohe Ansteigung aufweist und von einer lokalen sowie allgemeinen Reaktion 
begleitet wird. $ 

3. Jede Temperatursteigerung bis unter 40° sowie höhere atypische Reak- 
tionen erfordern eine Nachprüfung. 

4. Eine allmählich ansteigende und dann hochbleibende Temperatur ist 
ein Zeichen von Rotz, wenn sie auch vom gewöhnlichen Typus der diagnosti- 
schen Reaktion abweicht. 

5. Die lokale typische Infiltration der Injektionsstelle ist ein sicherer 
Beweis des Vorhandenseins von Rotz, auch wenn die Temperatursteigerung 
und die allgemeine organische Reaktion ausbleibt. 

6. Sämtliche malleinisierte Tiere, gleichviel, ob sie reagierten oder nicht, 
müssen stets zweimal dem Versuche unterzogen werden und zwar im Zeitraum 
von 10—20 Tagen. 

7. Die Herstellung des Mallein darf nur wissenschaftlichen Staatsinsti- 
tuten gestattet werden oder Instituten, die vom Staate koncessioniert und über- 
wacht sind. 

8. Um den vollen Wert des Mallein zu erforschen und um manche noch 
unaufgeklärte Punkte der Malleinreaktion zu beleuchten, ersucht der Kongress 
die Regierungen, in jedem Lande eine Kommission mit dieser Aufgabe zu 
betrauen. 


Bekämpfung und Tilgung der Wutkrankheit. 


1. Die Bekämpfung und Tilgung der Wutkrankheit in einem kontinen- 
talen Staate kann nur danu erfolgreich sein, wenn auch in den Nachbarländern 
die veterinärpolizeilichen Schutzmassregeln sachgemäss und streng zur Durch- 
führung gelangen. Es ist daher dringend erforderlich, dass die Handhabung 
der Veterinärpolizei bezüglich der Tollwut in allen Ländern und zu derselben 
Zeit nach denselben Grundsätzen erfolgt. 

2. Die Anzeigepflicht, welche bisher nur für tollwutkranke und der 
Tollwut verdächtige Hunde vorgeschrieben ist, muss sich auch erstrecken auf 
alle Tiere, welche von tollwutkranken oder tollwutverdächtigen Hunden ge- 
bissen worden sind. Zur Anzeige müssen nicht nur die Besitzer der Tiere 
und die in $ 9 des deutschen Seuchengesetzes bezeichneten Personen, sondern 
auch alle diejenigen verpflichtet werden, welche Kenntnis davon haben, dass 
Tiere von solchen Hunden gebissen worden sind. 

3. Es ist zu erwägen, ob es nicht wünschenswert wäre, die Hundesperre 
auf einen grösseren Umkreis als bisher und auf eine längere Zeit als 3 Monate 
auszudehnen. 

4. Als wünschenswert ist die Einführung eines in allen Ländern gleich- 
mässig gültigen und streng durchzuführenden Hundehaltungsgesetzes zu be- 
zeichnen, welches folgeude Bestimmungen enthalten müsste: 

a) Jeder Hund in den Städten und auf dem Lande ohne Ausnahme ist 
anzumelden und unter Eintragung in eine Liste zu besteuern. 

b) Alle eingetragenen Hunde sind am Halsband mit einer Marke zu ver- 
sehen, welcher den Namen des Besitzers und die Nummer des Hundes 
in der Steuerliste trägt. 


VIII Internationaler Tierärztlicher Kongress in Budapest. 223 


c) Hunde ohne Marke und ohne Maulkorb werden eingefangen und, 
wenn sie nicht bis zu einem bestimmten Termin reklamiert sind, 
getötet. 

Tropenkrankheiten. 


Es sollten in den tierärztlichen Schulen der tropischen sowie der Kolo- 
nialländer die tropischen Krankheiten speciell Unterrichtsgegenstand werden; 

Es mögen die einzelnen Regierungen über den Gesundheitszustand der 
Haustiere ihrer Kolonien und hauptsächlich über das Vorhandensein von Proto- 
zoen (von Protozoön verursachten Krankheiten) Forschungen einleiten; 

es möge die geographische Verteilung der verschiedenen infektiösen Krank- 
heiten, sowie die allgemeinen Gesetze ihrer Verbreitung festgestellt werden; 

in jeder Kolonie sollte ein centrales Institut für Parasitologie geschaffen 
werden, mit ausgiebigen Mitteln versehen und einem technischen Personal aus- 
gestattet sein, das speciell in Bakteriologie, Mykologie, Parasitologie und Ento- 
mologie ausgebildet ist; 

in den Kolonien, die mit einem veterinärpolizeilichen Senat noch nicht 
versehen sind, ist eine derartige Körperschaft zu konstituieren, von der die 
Seuchenbehörden abhängen und welchem die ausgedehntesten Machtbefugnisse 
im Kampfe gegen die infektiösen Krankheiten zukommen; 

das Institut für Parasitologie, der sanitätspolizeiliche Senat und die Seuchen- 
bebörden sollten sich ferner einer völligen Autonomie erfreuen und bloss von 
den höchsten civilen Behörden abhängig sein; 

endlich sollen die wirtschaftlichen sowie administrativen Funktionäre dieser 
verschiedenen Institutionen die Stufen ihrer Karriere in derselben Kolonie, oder 
wenigstens in den Kolonien derselben geographischen Regionen durchschreiten, 
da bloss den sanitären Verhältnissen eines Landes angepasste, methodische 
Studien von Erfolgen gekrönt sein können. 


Die Milch und deren Behandlung, mit besonderer 
Berücksichtigung auf die Reform des Melkens, entsprechend den 
hygienischen Anforderungen. 


1. Es ist notwendig, dass die Milchhygiene, mit einem praktischen Kursus 
über Milchbakteriologie und polizeiliche Milchkontrolle, als Fach in den Lehr- 
plan der tierärztlichen Hochschulen aufgenommen wird. 

2. Es ist streng darauf zu achten, dass Bezeichnungen wie „tuberkulose- 
freie Milch, Kindermilch, hygienische Milch u. s. w.“ nicht zu Reklame- 
zwecken benutzt werden und dass die Gewinnung solcher Milchsorten an be- 
stimmte Forderungen geknüpft sei. (Dauernde Ueberwachung des Gesund- 
heitszustandes, der Fütterung und Haltung der Tiere, saubere Gewinnung und 
sofortige Kühlung nach dem Melken.) 

3. In den polizeilichen Verordnungen über Milchkontrolle ist zu verlangen, 
dass jegliche zum Verkauf. gelangende Milch keinen Schmutz enthält. Zur 
praktischen Kontrolle empfiehlt sich hierbei, die zu untersuchende Milch in 
eine Literflasche aus hellem Glase zu giessen. Nach dreistündigem Stehen 
darf sich hier kein Bodensatz zeigen. 


224 VII. Internationaler Tierärztlicher Kongress in Budapest. 


Verfälschung des Fleisches und der Fleischprodukte und die zu deren 
Nachweis dienenden neueren Untersuchungsmethoden. 


Der VIII. internat. tierärztl. Kongress spricht aus, dass nur die als un- 
schädlich anerkannten Mittel, z. B. Salz, Salpeter und Zucker, sowie Räuchern 
zur Konservierung von Fleisch und Fleischwaren verwendet werden dürfen. 
Alle anderen Stoffe, welche absichtlich hinzugesetzt werden, um das betreffende 
Nahrungsmittel zu konservieren oder zu färben, sind zu verbieten, erstens. 
weil diese mit betrügerischer Absicht benutzt werden können, um der Ware 
ein besseres Aussehen als dasjenige, welches derselben nach deren Natur 
gebübrt, zu verleihen, zweitens, weil man keine Sicherheit hat, dass diese 
nicht gesundheitsschädlich wirken könnten. 


Promotion zum Dr. med. vet. 


1. Der Kongress hält es für notwendig, dass die tierärztlichen Bildungs- 
anstalten, mögen dieselben Fakultäten oder selbständige Hochschulen sein, 
das Recht der Verleihung des Grades eines Doktors der Veterinärmedizio 
erhalten. 

2. Der Kongress erachtet es für geboten, dass die derzeit von einer 
Universitätsfakultät verliehene Würde eines Doktors der Veterinärmedizin 
allenthalben ebenso anerkannt werde, wie die von den übrigen Fakultäten 
dieser Universität verliehenen Grade. 

3. Der Kongress beauftragt seine ständige Kommission, die zur Fr- 
reichung dieses Zieles erforderlichen Schritte zu tun. 


Verlag von August Hirschwald, Berlin N.W. — Druck von L. Sehmmacher in Berlin N. 24. 


Hygienische Rundschau. 


Herausgegeben 


von 


Dr. Carl Fraenkel, Dr. Max Rubner, Dr. Carl Günther, 


feb. Med.-Rat, Prof. der Hygiene (ich. Med.-Rat, Prof. der Hygiene Geh. Med.-Rat, a.o.Prof. der Hygiene 
in Halle a.'S. in Berlin. in Berlin. 


XVI. Jahrgang. Berlin, 1. März 1906. M5. 


Heilstätten, Heimstätten und Fürsorgestellen im Kampf gegen die Tuberkulose. 


Nach einem im Fortbildungskursus für Aerzte in Düsseldorf 
gehaltenen Vortrage. 


Von 


Dr. J. Borntraeger, Regierungs- u. Medizinalrat 
in Düsseldorf. 


Wenn man die mit besonderer Energie betriebenen Forschungen der 
letzten Jahrzehnte über die Tuberkulose überblickt, so lassen sich u.a. 
3 wichtige ermittelte Tatsachen feststellen: 

1. Die Tuberkulose ist eine chronische Infektionskrankheit und in einer 
soichen Weise verbreitet, dass man das Menschengeschlecht nahezu als tuber- 
kuloseverseucht bezeichnen könnte; diese Tatsache ergeben die bekannten 
Morbiditäts- und Mortalitätsziffern wie ganz besonders die Sektionsbefunde an 
Leichen aller möglichen Art, indem, je nach dem Lebensalter der gestorbenen 
Personen, bei bis zu 97°/, derselben tuberkulöse Processe, ausgeheilt oder be- 
stehend, nachgewiesen wurden (Naegeli). Mit offenkundiger Tuberkulose gibt 
es io Deutschland allein etwa 1 Million Menschen, und an Tuberkulose sterben 
hier jährlich rund 100 000; verhältnismässig noch höher sind die Tuberkulose- 
zifern in Frankreich, Oesterreich-Ungarn und Russland; von je 1 Million 
lebender starben in russischen Städten jährlich rund 4000 Menschen an Tuber- 
kulose. Ein Achtel bis ein Zehntel aller Invalidenrenten empfangenden Ar- 
beiter in Deutschland ist durch Tuberkulose erwerbsunfähig geworden, ja, bei 
den industriellen männlichen Arbeitern ist über die Hälfte der Rentenempfänger 
tuberkulös. unter 35 Jahren sogar fast zwei Drittel! 

Die Regierungsbezirke Münster, Osnabrück, Cöln und Breslau mit einer 
Tuberkulosesterbeziffer von rund 256— 245/000 stehen in Preussen fortgesetzt 
am schlechtesten, am besten sind Marienwerder, Königsberg, Gumbinnen mit. 
einer solchen Sterbeziffer von rund 130—1400’,000, also der Osten; der Re- 
gierungsbezirk Düsseldorf hat immer noch 2150/9000, der Durchschnitt des 
preussischen Staates ist 1700/900 Tuberkulosesterblichkeit. Die Rheinprovinz 
ist also ganz erheblich ergriffen. 


17 


226 Borntraeger, 


2. Die Tuberkulose ist heilbar. Diese bis vor Kurzem noch mehr 
oder minder bezweifelte Tatsache ist einerseits durch die praktischen Erfah- 
rungen der Neuzeit, insbesondere in Sanatorien und Heilstätten, andererseits 
durch die sub 1 erwähnten Leichenbefunde ausgeheilter tuberkulöser Affek- 
tionen erhärtet worden, und zwar hat sich ergeben, dass Ausheilungen häufiger 
sind, als selbst die wenigen, an die Heilbarkeit der Tuberkulose schon früher 
glaubenden Aerzte angenommen haben, abgesehen von dem jahrelang vor- 
kommenden Stillstande oder der wesentlichen, mit wiedererworbener Erwerbs- 
fähigkeit verbundenen Besserung des Leidens. 

3. Die Summe unserer gegen die Tuberkulose gerichteten 
Massnahmen ist nachweislich von Erfolg gekrönt. Das ergibt die 
Statistik. Denn es starben z. B. in Preussen 1876/86 von je 100 000 Personen 
der Bevölkerung jährlich rund 310—316; 1889 und 1890 waren es rund 280. 
1895 und 1896 rund 230, 1900 nur noch rund 211, 1902 rund 190. In 
15—25 Jahren hat sich also die Tuberkulosesterblichkeit um 110—115 auf 
je 100000 Lebende bezw. um rund ein Drittel in Preussen vermindert, 
während sie in England in derselben Zeit 1886—1901 von rund 240 auf 
ebenfalls 1900/0000 herabgesunken ist. 

Alle diese Erfahrungen beweisen, dass wir auf dem rechten Wege sind, 
wenn wir mit der Tuberkuloseforschung uud -bekämpfung in der begonnenen 
Weise energisch fortfahren, ja, dass es unsere Pflicht ist, in diesem Kampfe 
fortzufabren, immer unter dem Grundsatze: Die Tuberkulose ist eine an- 
steckende und schon deswegen eine überwindbare Krankheit. 

Der Kampf selbst besteht, wie bekannt, in einer Vielbeit von Massnahmen, 
er gruppiert sich aber doch, da ja die Ansteckung im wesentlichen von 
Menschen ausgeht, wenn wir von der Uebertragung der Tiertuberkulose ab- 
sehen, hauptsächlich um die 3 Kardinalforderungen: 

Auffindung . . . des tuberkulösen Menschen 
Heilung ers Li N ni 
Unschädlichmachung „ en 

Auch für die Durchführung dieser Kardinalforderungen gibt es verschie- 
dene Wege; mir liegt es nur ob, über 3 hervorragende Einrichtungen zu 
sprechen: über Heilstätten, Heimstätten und Fürsorgestellen für 
Tuberkulöse. 

Zunächst einige Worte über Heilstätten: 

Der Zweck der Heilstätten ist, wie der Name sagt, die Heilung der 
Tuberkulösen. Und zwar soll die Heilung hier auf physikalisch-diätetischem 
Wege unter reichlicher Einwirkung reinster Luft erfolgen. Die Heilstätten 
gehören zu der Klasse der Sanatorien. Man errichtet luftige Gebäude in 
reiner, rauch- und staubfreier Luft, in waldreicher, tunlichst mit Nadelholz 
bestandener Gegend mit Windschutz, die Front möglichst gegen Süden, even- 
tuell auch mit Veranden. Das Speeifische der Anstalt sind die Liege- 
hallen, d. b. tunlichst nach Süden oder doch nach Südosten oder Südwesten 
offene, übrigens überdeckte Hallen, in welchen die Kranken kurmässig gewisse 
Stunden des Tages zu liegen haben: dazu kommen planmässige Spaziergänge, 
eine Art Ueberernährung im Freien. Dazu treten Gymnastik, Baden, abbärtende 


Heilstätten, Heimstätten und Fürsorgestellen im Kampf gegen die Tuberkulose. 227 


Proceduren, denen von den verschiedenen Heilstättenärzten eine verschiedene 
Bedeutung beigemessen wird, Duschen, Uebergiessungen und dergl.; ferner 
Verbot des Rauchens und des erheblicheren Alkoholgenusses. Je nach An- 
schauung des Leiters wird auch mit Medikamenten oder Tuberkulin behandelt. 

Der Auswurf wird sorgfältig in Spuckgläsern aufgefangen und regelmässig, 
einschliesslich dieser, desinficiert. 

Wie bekannt, ist es den Erfolgen von Brehmer, dann Dettweiler zu 
verdanken, dass die Lungenheilstätten auch in deutscher Luft als wirksam 
anerkannt wurden, und man hat jetzt wohl die Parole ausgegeben: der 
Tuberkulöse muss in der Luft gesund werden, in der er später leben und 
arbeiten muss. Ob das richtig ist, ob es nicht vielmehr doch bevorzugte Kli- 
mate, z. B. mit dünner, besonders reiner Luft, viel Sonnentagen und Sonnen- 
strablung, Windstille und dergl. mehr, gibt, muss die Zukunft lehren; zur 
Zeit gilt die officielle Lehre: die deutschen Heilstätten leisten dasselbe wie 
Madeira, Teneriffa, Aegypten, Davos, Riviera, Höhenklima, Seeklima u. s. w. 

Auf Grund dieser Anschauung und der mit Geschick und Energie be- 
triebenen Heilstättenbewegung haben wir es erreicht, dass wir jetzt in Deutsch- 
land bereits 115 Heilstätten für Lungenkranke im Betriebe haben — darunter 
83 Volksheilstätten und 32 Privatheilstätten — mit insgesamt rund 10000 Betten, 
so dass, da die Kur im Winter und im Sommer zu machen ist und durch- 
sebnittlich 3 Monate in Anspruch nimmt, jährlich etwa 40000 Lungentuber- 
löse darin behandelt werden können (die Kinderheilstätten für Tuberkulöse 
sind unberücksichtigt geblieben). In der Rheinprovinz allein sind 9 Lungen- 
heilstätten, darunter 8 Volksheilstätten, und zwar 6 für Männer und 2 für 
Frauen, darunter wieder 3 allein im Regierungsbezirk Düsseldorf (2 für Männer, 
1 für Frauen). 

Die Kosten für jede in einer Volksheilstätte behandelte versicherte tuber- 
kulöse Person betragen nach der Berechnung des Reichsversicherungsamtes 
durchschnittlich 855 M.; in der Rheinprovinz ist der tägliche Satz für diese 
3. Klasse täglich 3,50 M., für 2. Klasse 6 M. 

Die Erfolge der Lungenheilstätten-Behandlung werden nun sehr ver- 
schieden beurteilt. 

Viele Angaben, zumal der Privatheilanstalten, sind deswegen nicht gut 
brauchbar, weil „Geheilte“ und „Gebesserte“ da unter einer Rubrik figurieren 
und nicht zu ersehen ist, was alles unter „gebessert“ verstanden wird. 

Legt man die Erwerbsfähigkeit zu Grunde, so berechnet das Reichs- 
versicherungsamt 74,4 0/, derartige Erfolge der erreichten Erwerbsfähigkeit. 
Bei der Landesversicherungsanstalt Rheinprovinz schwankten die Heilerfolge 
in den 5 Jahren von 1899—1903 zwischen 78—93/, erreichter Erwerbs- 
fähigkeit. Eine Bearbeitung von über 6200 im Kaiserlichen Gesundheits- 
amt zusammengestellten Fällen ergab 70,4 %/, Erwerbsfähigkeit bei der Ent- 
lassung. 

Dies Resultat erscheint gut. 

Nun entsteht die Frage, wie lange diese Erwerbsfähigkeit anhielt. 
Die Rheinprovinz konnte von den 1899 Eingewiesenen 1903, also im 5. Jahre, 
noch 23— 24%), Erwerbsfähige, von den 1901 Eingewiesenen, also im 3. Jahre, 

17° 


228 Borntraeger, 


noch rund 45°/, Erwerbsfähige, von den 1900 Eingewiesenen 1904, also im 
5. Jahre, noch rund 18°/, (23°/, bei den Männern, 13°/, bei den Frauen) zählen. 

Das Reichsversicherungsamt fand nach 5 jähriger Beobachtungszeit noch 
25—300/, Erwerbsfähige unter den Männern, 32—38°/, unter den Frauen, im 
Durchschnitt 31°, der Eingewiesenen. 

Die Pensionskasse für Arbeiter der preussisch-hessischen Eisenbahn-Ge- 
meinschaft hatte im 7. Jabre nach der Einweisung noch über 370/, Erwerbsfähige. 

In allen diesen Fällen ist Erwerbsfähigkeit im Sinne der Invaliditätsver- 
sicherung gleich „nicht über 662/; erwerbsbeschränkt“ genommen, es ist also 
nicht volle Arbeitsfähigkeit anzunehmen. Immerhin erscheinen diese Erfolge 
beachtenswert. 

Geht man vom Verschwinden der Tuberkelbacillen im Auswurf 
aus, so verloren diese in der Heilstätte zu Sülzhayn 40°;,, zu Konsdorf 43,30; ,. 
Röpke („Tuberkulose und Heilstätte“ in „Beiträge zur Klinik der Tuberkulose“ 
Bd. 3. H. 1. S. 16) gibt an, dass nach den allgemeinen Heilstättenberichten 
20°/, der mit Bacillen im Auswurf in die Anstalt eintretenden dieselben ver- 
lieren, so dass, da 40°/, von vornherein bacillenfrei sind, insgesamt 60°:, der 
Entlassenen als bacillenfrei und als für den Augenblick nicht ansteckend ange- 
sehen werden können. 

Turban und Rumpf fanden Bacillenverlust während der Heilstättenbe- 
handlung in 32,7%/, der Fälle, Gebhard (in „Der Stand der Tuberkulose- 
bekämpfung in Deutschland“ S. 165, von B. Fraenkel für den internationalen 
Tuberkulosekongress 1905 bearbeitet) berechnet ilın in 8 Anstalten als in 
12,7°/ der Fälle vorkommend. 

Die Angaben schwanken also zwischen 12,7 und 43,3%/,; es dürften in der 
Tat wohl nicht über 20%, Bacillenverluste im Durchschnitt zu rechnen sein. 

Geht man von wirklichen Heilungen aus, so stellt sich nach Geb- 
hard (l. c.) der Prozentsatz der relativen Heilung (ungestörtes Wohlbefinden, 
Fehlen von Husten und Auswurf, Mangel an Rasselgeräuschen, aber Zurück- 
bleiben von Schallverkürzungen und von Veränderungen des Atmungsgeräusches) 
anf 11,9%/,, der absoluten Heilung (klinisch völlig normaler Lungenbefund) 
auf nur 3,4%,. Stauffer rechnet 17%, Heilungen, in Belzig konnten nur 12 bis 
150/,, in Ronsdorf gar nur 2—3°/, gereclinet werden. 

Hier sieht die Sache anders aus, 

Trotzdem rechnen Öptimisten selbst auf mehr als 84%, Dauererfolge. 

Anders die Pessimisten. 

Sie stehen allen diesen Statistiken sehr skeptisch gegenüber und behaupten, 
dass die Mehrheit der in den Heilstätten „von Tuberkulose Geheilten“ niemals 
Tuberkulose gehabt hätte, dass bei sehr vielen, welche als „erwerbsfähig“ 
entlassen wären, diese Erwerbsfähigkeit auch bei der Einweisung bestanden 
hätte, bei anderen bei der Entlassung nur auf dem Papier vorhanden gewesen wäre 
oder nur ganz kurze Zeit angedauert hätte; und die Franzosen haben ja auch 
diesmal wieder auf dem Tuberkulosekongress betont, dass die Heilstätten im 
Verhältnis zu ihren Leistungen viel zu viel Geld kosteten. 

Diesen Einwendungen ist keineswegs jede Berechtigung abzusprechen. 

Ganz zweifellos sind durchaus nicht alle, die in Lungenheilstätten ge- 


Heilstätten, Heimstätten und Fürsorgestellen im Kampf gegen die Tuberkulose. 229 


sandt werden, tuberkulös, und solange die Heilstättenärzte selber zugeben 
müssen, dass 40°), aller Eingewiesenen ohne Tuberkelbacillen im Auswurf 
eintreten, und manche erklären, dass es gar nichts schade, wenn Re- 
konvalescenten, z. B.. von Lungenentzündung, oder Blutarme, Chlorotische 
in die Lungenheilstätten gesandt würden, solange wird man nicht jeden Er- 
folg io der Heilstätte als Heilung von Lungentuberkulose rechnen dürfen. 

Ebenso ist es ganz unzweifelhaft, dass recht viele, welche in die Heil- 
siätten gewiesen werden, noch gar nicht erwerbsunfähig sind, auch nicht im 
Sinne des Invaliditätsversicherungsgesetzes, und auch ohne Heilstättenbehand- ` 
lung in den nächsten Jabren gar nicht erwerbsunfähig geworden wären, wie 
es ja bekannt ist, dass Tuberkulöse sich auch ohne jede Behandlung Jahre, 
ja Jahrzehnte arbeitsfähig erhalten können und zu allen Zeiten erhalten haben, 
io allen Ständen und Berufen, wie jeder einigermassen erfahrene Arzt weiss 
und stets gewusst hat. Wenn solche Leute nun erwerbsfähig die Anstalt ver- 
lassen, so ist damit nicht gesagt. dass sie die Erwerbsfähigkeit daselbst 

` wiedererlangt hätten; sie haben sie eben da nicht verloren, günstigen Falles 
da gefestigt, und der Erfolg der Heilstättenbehandlung könnte in Wirklichkeit 
nur so erkannt werden, wenn man sich die sehr schwer, wenn überhaupt zu 
beantwortende Frage vorlegte: wie lange hat die Erwerbsfähigkeit nach der 
Heilstättenbehandlung angehalten? und wie lange würde sie angehalten haben 
ohne Heilstättenbehandlung? In der Tat wird ja von niemand, der in eine 
Heilstätte geschickt wird, verlangt, dass er schon erwerbsunfähig sei; ins- 
besondere sind die Landesversicherungsanstalten, welche ja doch die eigent- 
lichen Träger des Heilverfahrens gegen Lungentuberkulose sind — Rhein- 
provinz liess z. B. 1904 allein behandeln 3165 Tuberkulöse für über 1 Million 
Mark und besetzt fortlaufend etwa 90°/, aller vorhandenen Betten 3. Klasse 
in den Lungenbeilstätten —, zum Eingreifen ja schon berechtigt, wenn ($ 18 
des Versicherungsgesetzes) „als Folge der Krankheit Erwerbsunfähigkeit zu 
besorgen ist“. Und so wird auch tatsächlich gehandelt, das Gegenteil hätte 
auch gar keinen Sinn. Nach eben diesem § 18 ist die Versicherungsanstalt 
befugt, „zur Abwendung dieses Nachteiles — d. b. des Eintrittes der Er- 
serbsunfähigkeit — ein Heilverfahren in dem ihr geeignet erscheinenden 
Imfange eintreten zu lassen“. 

Den: Versicherungsanstalten ist es also nur erwünscht, wenn sie die Tuber- 
kulösen ganz im Anfangsstadium und bei noch völlig vorhandener Arbeits- 
fäbigkeit in die Hand bekommen und in eine Heilanstalt schicken können, 
und sie geben mit Reeht darauf aus, solche Fälle zu erhalten, während sie 
das Heilverfahren für fortgeschrittene, nicht mehr recht besserungsfähige und 
arbeitsunfähige Tuberkulöse ebenfalls mit Recht und in Befolgung jenes § 18 
ablehnen. 

Wenn also die Sachen nun so liegen, dass a) bei weitem die meisten 
aller in Lungenheilstätten Eingewiesenen, allerwenigstens ®/,, von den Landes- 
versicherungsanstalten dahin gesandt werden, dass b) diese Anstalten nur im 
Anfange der Erkrankung stehende und voraussichtlich besserungsfähige 
Kranke dahin schicken, um den Eintritt der Erwerbsunfähigkeit abzuwenden, 
% ist klar, dass c) diese Eingewiesenen bei ihrer Aufsuchung der Heilstätte 

18 


230 Borntraeger, 


fast sämtlich momentan und voraussichtlich für Jahre noch erwerbsfäbig 
waren — auch ohne Heilstättenbehandlung. 

Der Umstand, dass vielleicht seitens der begutachtenden Aerzte vielfach 
bei den anf Heilverfahren zu untersuchenden Tuberkulösen Erwerbsunfäbigkeit 
schon angegeben wird, kann nicht ohne weiteres massgebend für die Beur- 
teilung sein. Erfabrungsgemäss neigen nicht wenige Aerzte dazu, das Be- 
steben einer solchen Erwerbsunfähigkeit etwas leichter anzunehmen, als es 
nach den Bestimmungen berechtigt ist, und diese Erwerbsunfähigkeit würde 
keineswegs anerkannt werden, wenn es sich um die Bewilligung einer Invaliden- 
rente — und nicht um ein Heilverfahren handeln würde. 

Augenscheinlich meinen auch manche Aerzte, die Versicherungsanstalt über- 
uebme erst dann ein Heilverfahren, wenn schon Erwerbsunfähigkeit bestehe, und 
tatsächlich lassen gelegentlich die Formulare der einen oder anderen Anstalt 
eine solche Deutung auch zu, und so meinen denn die Aerzte im Sinne ihrer 
Patienten ‘zu handeln oder lassen sich durch Mitleid und Gutmütigkeit be- 
stimmen, früher Erwerbsunfähigkeit anzunehmen, als sie es nach den Be- 
stimmungen eigentlich dürften. 

Und was die Danererfolge anlangt, so ist doch auch noch zu fragen, 
ob diese nach einmaliger oder zweimaliger oder dreimaliger Kur erst beob- 
achtet werden konnten. 

Und endlich ist es wohl auch richtig, wenn gesagt wird, dass es mit der Er- 
werbsfäbigkeit der aus den Heilanstalten Entlassenen auch nicht immer so 
bestellt sei, wie es auf dem Papier den Anschein habe. In der Tat wird so 
mancher als „gebessert“ und „wieder erwerbsfähig“ entlassen, der sich sofort 
wieder mit einem Antrage auf Rente meldet oder in wenigen Tagen oder Wochen. 
Kommt es doch tatsächlich selbst vor, dass Leute, welche nach 8 Tagen als 
„zur Heilstättenbehandlung nicht mehr geeignet“ entlassen wurden, das Prädikat 
„Heilerfolg B“, d. b. „gebessert und wieder erwerbsfähig“ erhalten hatten 
— nicht einmal so ganz mit Unrecht; denn sie sind zwar nicht „gebessert“, 
aber doch noch „erwerbsfähig“ — auch sie waren es also trotz des schon 
so vorgeschrittenen Stadiums noch oder schon vor der Einweisung. Und doch 
alteriert das „B“ in der Statistik leicht. 

Nein, so wundersam wirken doch leider unsere Heilstätten nicht, dass sie 
dieselbe Lungentuberkulose, welche trotz aller Kurorte bis vor Kurzem für 
unheilbar gehalten wurde, und welche in sehr glücklichen Fällen, wenn der 
Kranke sich nach Belieben lange — 1 bis 3 Jahre — unter den allerbesten Ver- 
hältnissen am geeignetsten Kurorte aufhalten kann, völlig ausbeilt oder sich sehr 
bessert, nun so generell in 3 Monaten oder auch in 2X8 Monaten heilen oder für 
Jahre bessern. Dieser Täuschung wollen wir uns doch lieber nicht hingeben. 

Trotzdem geht aber auch die pessimistische Ansicht wieder zu weit. 

Unter allen Umständen ist durch die Heilstättenbewegung der frühere 
Nihilismus überwunden und dem Unbemittelten die Möglichkeit geschaffen, 
das, was der Vermögende sich an teuren Kurorten verschaffen konnte, 
nun auch, wenn auch in beschränktem Grade, zu erreichen. Beachten wir 
das subjektive Befinden, das Körpergewicht, die Lungenbefunde, das Aussehen 
bei den in die Heilstätten Eintretenden und bei den sie Verlassenden, so 


Heilstätten, Heimstätten und Fürsorgestellen im Kampf gegen die Tuberkulose. 231 


werden wir nicht umhin können, bei den richtig ausgewählten Fällen doch 
recht oft eine wirkliche Besserung und anscheinend auch eine solche von 
Dauer zu konstatieren; und wenn wir uns auch mit vielleicht nur 15°%/, Dauer- 
erfolgen, d. h. Wiedererlangung der in der Tat vorher geschwundenen 
Erwerbsfähigkeit auf 3—5 Jahre, und mit vielleicht. 5°%/, wirklicher Ausheilungen 
sollten begnügen müssen, so wäre damit die Berechtigung der Lungenheil- 
stätten immer schon nachgewiesen. 

Schliesslich ist der Mensch ja auch nicht dazu da, ewig zu leben, und 
wenn einem sonst dem Tode in 1—2 Jahren Verfallenen das Leben um 3 bis 
5 Jahre verlängert, er selbst um diese Jahre erwerbsfähig nnd als Ernährer 
der Familie, als Vater oder Mutter den Kindern, als Gattin dem Gatten er- 
halten wird, so ist das zweifellos schon ein nennenswerter Erfolg. Und wenn 
die Lungenheilstätten diesen Erfolg immerhin bei einer Reihe der Eingewiesenen 
tatsächlich nachweisen können, so ist ihre Existenzberechtigung dargetan. 

Dazu kommt, dass die Eingewiesenen, auch die nicht geheilten, zum Teil 
ihre Tuberkelbacillen eben im Auswurf für eine gewisse Zeit verlieren, also 
für ibre Umgebung ungefährlicher werden, und dass sie mit ihrem, Auswurf 
sachgemäss und umschädlich umgehen lernen — lauter Vorteile hygie- 
nischer Art. 

Die Volksbeilstättenärzte, die Klarheit in die Sache bringen können, sollten 
das grösste Gewicht schon im Interesse der Statistik darauf legen, in jedem 
einzigen Falle mit allen ihnen zu Gebote stehenden Mitteln (also bakterio- 
logische Untersuchung des Auswurfs, Tuberkulin u.s. w.) festzustellen, ob tat- 
sächlich Tuberkulose besteht, wie die Erwerbsfähigkeit beim Eintritt und bei 
der Entlassung in der Tat war, und wie sioh bei den erwiesenen Tuber- 
kulösen die Dauererfolge tatsächlich stellen. 

Wirkliche Klarheit über die Erfolge der Heilstättenbehandlung werden 
wir aber wohl erst dann erlangen, wenn ein grösserer ‘Verband, z. B. eine 
Landesversicherungsanstalt, sich entschliessen würde, einmal eine Zeit lang, 
sagen wir 1—2 Jahre, alle Eingewiesenen beim Eintritt in die Heilstätte durch 
eine völlig unbeteiligte Kommission auf ihren Krankbeitszustand (also 
sicher Tuberknlose, welche Körperbeschaffenheit, welcher Lungenbefund, ob 
erwerbsfähig, eventuell auf voraussichtlich wie lange, oder nicht erwerbs- 
fähig) untersuchen und diesen Befund festlegen und nach der Entlassung nach 
dreimonatiger Kur wieder von derselben Kommission kontrollieren lassen wollte; 
dann könnte man sehen, wie der Erfolg in unseren Volkssanatorien in Wirk- 
lichkeit ist. 

Wer soll nun in die Lungenheilstätten eingewiesen werden? 

Die Antwort ist zunächst: In die Heilstätten für Tuberkulöse gehören 
sur Tuberkulöse. 

Diese Forderung erscheint selbstverständlich, da die Tuberkulose eine In- 
fektionskrankheit ist. Aber wie man Jahrzehnte lang, und leider zum Teil 
auch heute noch, Typhus und Ruhr nicht als wirkliche Austeckungskrank- 
heiten gelten lassen will und sich vielfach damit tröstet, man habe die an- 
steckenden Effluvien in der Hand, d. h. man fasse sie, wenn man den 
Stublgang und allenfalls noch den Urin sicher in Gefässen auffange, und man 

18% 


232 Borntraeger, 


könne demgemäss die Typhus- und Ruhrkranken zwischen andere Kranke 
legen, 80 soll auch die Spuckflasche in der Hand des Tuberkulosekranken seine 
Ansteckungsgefährlichkeit brechen, und man gibt die Parole aus, in einer 
gut geleiteten Lungenheilstätte sei die Uebertragung gleich null, zumal da ein 
Teil der Eingewiesenen (40°/,) gar keine Tuberkelbacillen im Auswurf habe, 
andere sie verlieren und der Rest das Sputum sicher beseitige. Man weist 
darauf hin, dass Uebertragung von Tuberkulose auf Erwachsene in Kranken- 
häusern überaus selten sei, dass Krankenpflege- und Aerztepersonal im ganzen 
nicht häufiger an Tuberkulose erkranke als andere Sterbliche auch, dass 
selbst die Ehe zwischen Tuberkulösen und Nichttuberkulösen kaum eine Ge- 
fahr für letztere biete, dass in Kurorten für Tuberkulöse und in der Um- | 
gegend von Lungenheilstätten die Tuberkulose nicht zunehme — ja, man 
hat da gelegentlich eine Abnahme herausgerechnet — , dass Uebertragungen von 
Tuberkulose in Lungenbheilstätten nicht nachgewiesen seien, und was dergleichen 
negative Argumente mehr sind. Man folgert also, es sei noch gar nicht 
erwiesen, dass Erwachsene von Mensch zu Mensch so einfach angesteckt 
würden; man könne mithin ganz gut unter die Tuberkulösen Blutarme, Bron- 
chialkatarrhalische, Rekonvalescenten von Lungenleiden gelegentlich aufnehmen, 
zum Mindesten schade das nicht, nütze letzteren vielmehr erfahrungsgemäss. 

Da nun jene negativen Beweisführer auch gern noch annehmen, dass die 
Tuberkelbacillen im Staube und überhaupt in der Aussenwelt schnell zu Grunde 
gehen, allerdings im Gegensatz zu mancherlei Erfahrungen und Untersuchungen, 
so bleibt es bei dieser Beweisführung nur unerfindlich, woher es denn eigent- 
lich kommt, dass fortgesetzt so viele, viele Menschen tuberkulös sind und 
werden. Dass die Infektion im wesentlichen lediglich im frühesten Kindes- 
alter erfolge und im späteren Lebensjahre manifest werde, ohne dass Neuin- 
fektionen hinzukämen, wird man angesichts einerseits der doch nicht seltenen 
Späterkrankungen von in keiner Weise familiär Belasteten oder etwa früher 
skrofulös Gewesenen, andererseits der dauernden Ausheilung zahlreicher Skro- 
fulöser unmöglich annehmen können. 

Nein, angesichts der Tatsachen, dass die Tuberkulose eine notorisch über- 
tragbare Krankheit ist, die vor keinem Alter Halt macht, dass der Auswurf 
zum mindesten so vielfach Tuberkelbacillen enthält, dass die Sprübtröpfchen 
vom Munde sie ebenfalls oft in sich .bergen, dass in Mund und Nase von 
Personen, welche Tuberkulöse untersucht hatten, unmittelbar nachher wieder- 
holt Tuberkelbacillen gefunden sind, welche sonst nicht da waren (Moeller), 
dass die Finger und Hände Tuberkulöser nach Massgabe der Kratzübertra- 
gungen und bakteriologischen Untersuchungen diese specifischen Bakterien 
ebenfalls an sich haften haben, dass diese sich nach Experimenten Monate 
lang in der Ausseuwelt halten, endlich dass zahlreiche positive Ansteckungen 
von Erwachsenen auf Erwachsene nachgewiesen sind, darf darüber kein 
Zweifel herrschen, dass ein Lungentuberkulöser wegen der Ansteckungsgefahr 
für andere Leute gefährlich ist und demgemäss nicht mit andern Kranken 
zusammengetan werden darf, am allerwenigsten aber mit Schwachen, Blut- 
armen, Rekonvalescenten, von denen wir doch annehmen, dass sie besonders 
leicht solchen Infektionen verfallen. 


Heilstätten, Heimstätten und Fürsorgestellen im Kampf gegen die Tuberkulose. 233 


Es kann auf diese Dinge hier nicht näher eingegangen werden, nur auf 
einige Punkte sei kurz hingewiesen. 

Wenn die Tuberkulose für Erwachsene so wenig gefährlich wäre — wozu 
brauchen wir denn eigentlich Heimstätten für Tuberkulöse? Warum wird 
denn von den Tuberkulosebekämpfern verlangt, dass Tuberkulöse in besonderen 
Krankenhäusern isoliert werden? Nicht in allen Familien, aus denen man die 
Taberkulösen berausnimmt, sind doch kleine Kinder! Ferner: Wenn die 
Lungenheilstätten so gefahrlos sind, wie kommt es denn, dass manche Lungen- 
heilstättenärzte ihre Ansprüche auf Pensionen und andere Sicherstellungen mit 
dem Hinweis auf grade die Ansteckungsgefahr begründen? Weiter: In 
einer Darstellung fand sich, dass an einer Stelle der Autor bei dem Kapitel, 
dass Lungenheilstätten die Umgebung nicht gefährden, auf den geringen Tuber- 
kuloseprozentsatz in der Bevölkerung dieser Orte hinwies, dagegen bei dem 
Kapitel, in welchem es nachzuweisen galt, dass unsere Heilstätten dasselbe 
leisten wie südliche Kurorte, hervorbob, wie verbreitet die Tuberkulose in 
der Bevölkerung von Madeira sei: Ja, ist sie denn das immer gewesen? 
Oder ist sie es erst geworden infolge der vielen fremden dort hingesandten 
Tuberkulösen? 

Ich möchte schliesslich noch auf die interessante Arbeit von Schwarz- 
kopf (Ueber die Bedeutung der Infektion, Heredität und Disposition für die 
Entstehung der Lungentuberkulose. Deutsches Arch. f. klin. Med. Bd. 78) und 
von F. Fischer (Ueber die Entstehung und Verbreitungsweise der Tuberkulose 
io den Schwarzwalddörfern Langenschilbach und Gremmelsbach — Beiträge zur 
Klinik der Tuberkulose) hinweisen, aus denen auf Grund eingehender Unter- 
suchungen hervorgeht, dass das Zusammenleben mit Tuberkulösen, nicht 
das Abstammen von erblich belasteten Familien den Grund für die Erkrankung 
von Tuberkulose abgibt. 

Wie übrigens gelegentlich Tuberkulose übertragen wird, dafür ein Beispiel. 
Eine kräftige, nicht prädisponierte Frau, gegen 40 Jahre alt, hat eine Reihe von 
Jahren an der Seite eines tuberkulösen Mannes gelebt, ‚ohne nachweislich selbst 
zu erkranken. Da fällt sie mit der rechten Seite gegen eine schwere Tisch- 
kante, und zwar stösst sie mit der Brustseite unter dem Schultergelenk auf. 
Sie klagt an dieser Stelle fortgesetzt über Schmerzen, beginnt zu husten und 
bat nach 1/, Jahre ausgesprochene Lungentuberkulose (Verdichtung) und zwar 
in der Lunge ebenda, wo der Stoss erfolgt war. Die Frau also, welche viel- 
leicht so und so viele Tuberkelbacillen Jahre lang schadlos in ihrem Körper 
vernichtet hatte, verfällt der Infektion, als durch einen Stoss ein Locus minoris 
resistentiae in ihrem Körper geschaffen wird — übrigens auch ein Beispiel von 
der geringen Zuverlässigkeit der „mangelnden Disposition“. 

Der Grund der verschiedenen Auffassung über die Uebertragbarkeit der 
Tuberkulose dürfte dieser sein: Wenn jemand sich heute mit Tuberkelbacillen 
inficiert und der Körper sie nicht etwa alsbald überwindet, so vergehen Monate, 
ja vielleicht Jahre (angeblich selbst bis 5), bis klinische und physikalische Symp- 
tome der Tuberkulose auftreten; da lässt sich dann mit Worten trefflich streiten, 
woher sie stammen möchte; und da die unmittelbare Anschauung fehlt, da 
nieht wie bei der Cholera oder Ruhr 1—3 Tage nach dem Zusammensein mit 


234 Borntraeger, 


einem Kranken der Ausbruch der Krankheit folgt, so wirkt das Verhältnis 
von Ursache und Wirkung nicht so überzeugend auf den Arzt ein. Daher trotz 
der weiten Verbreitung der Tuberkulose die unberechtigte Missachtung ihrer 
Ansteckungskraft. 

Nein, die Logik wie die Erfahrung fordert, dass wir den Tuberkulösen 
als einen ansteckenden Menschen ansehen und, soweit es ohne Grausamkeit 
möglich ist, auch behandeln müssen; jedenfalls müssen sie, wie in Kranken- 
häusern, so auch in Lungenheilstätten für sich gehalten werden. 

Dasselbe Prinzip gilt übrigens meines Erachtens durchaus für die Wald- 
erholungsstätten: entweder sie sind für Tuberkulöse oder für Nichttuber- 
berkulöse, aber nie für Beide. 

Ich glaube auch nicht, dass so leicht ein Arzt selbst, der das Unglück 
bätte, ein blutarmes, schwächliches, zu Katarrben geneigtes Kind zu besitzen, 
dies absichtlich und bewusst Tag für Tag mit tuberkulösen Hustern, sei es in 
Lungenheilstätten oder in Walderholungsstätten zusammenbringen würde. 

Welche Lungentuberkulösen gehören nun in die Lungenheil- 
stätten, welche nicht? 

Allgemein lässt sich zunächst sagen, dass nicht hingehören alle dieje- 
nigen, welche hindernde Nebenleiden oder Nebenzustände haben, z. B. schwere 
Herz- oder Gefässerkrankungen, Nierenleiden, auch Schwangere in den 
letzten Monaten; ferner nicht gut Rheumatiker, insofern sie die Liegekur nicht 
ertragen, zum wenigsten nicht im Winter; auch nicht Leute im vorgeschrittenen 
Stadium, also mit Einschmelzungen des Lungengewebes, Kavernen, diffus aus- 
gebreitetem Lungenbefund, hohem Fieber, tieferen Kehlkopfgeschwüren,anderen, 
tuberkulösen Erkrankungen, z. B. Pleuritis, Tuberkulose des Darmes, der 
Gelenke, Amyloid; endlich nicht Leute in höheren Lebensjahren (über 60) oder 
recht junge (unter 20), wenn der Process einigermassen ausgebreitet ist, weiter 
nicht solche mit reduciertem Allgemeinzustande, auch wenn hier der Lungen- 
befund an sich nicht als schwer zu erweisen ist; z. B. eignen sich Männer, auch 
kleine, mit einem Körpergewicht von nur 55—60 kg, Frauen von nur 45—50 kg 
im Allgemeinen meines Erachtens nicht recht mehr. Aerztliche Atteste, welche 
sich dabin aussprachen, grosse Eile tue not, tragen den Stempel des Verkennens 
der Sache in sich und bewirken, dass Leute, eben angekommen, sofort aus 
den Heilstätten hinausgesandt werden müssen und manchmal kaum noch die 
Heimat wieder erreichen können, was zum mindesten sehr hart für sie selbst ist. 

Im übrigen ist zwischen den Privatheilanstalten für Wohlhaben de 
und den Volksheilstätten scharf zu unterscheiden. Leute, welche Zeit und 
Geld haben, beliebig lange ihrer Gesundheit zu leben, welche nur ihr Leben 
verlängern wollen, aber nicht wieder erwerbsfähig zu werden brauchen, welche 
also Jahre lang sich ihrer Kur widmen können, die kann man in geeignete 
Heilstätten noch senden in einem Stadium und mit Nebenleiden, : welche eine 
Kur für den Unbemittelten unmöglich machen müssen, dem nur 3, höchstens 
4 Monate bewilligt werden können, allenfalls Wiederholungen. 

Ganz besonders ist hier der Landesversicherungsanstalten zu gedenken, 
welche nach § 18 ihres Gesetzes ein Heilverfahren nur zur Abwendung 
einer zu befürchtenden Invalidität eintreten lassen dürfen. Ob diese 


Heilstätten, Heimstätten und Fürsorgestellen im Kampf gegen die Tuberkulose. 235 


Insalidität auf Grund eines Lungenleidens oder eines andern Leidens eintritt, 
ist einerlei. Daraus folgt, dass Personen auch mit ganz geringen Lungen- 
affektionen auf Kosten der Versicherungsanstalten u. a. dann nicht einem 
Heilverfahren in einer Lungenheilstätte zugewiesen werden können, wenn sie 
etwa ausserdem ein ausgeprochenes Herzleiden oder Nierenleiden oder Nerven- 
leiden u.s.w. haben oder nahezu blind oder taub oder lahm sind; denn auch 
bei geheiltem oder stark gebessertem Lungenleiden würden sie wegen der 
übrigen Leiden erwerbsunfähig sein. Nas ist zu beachten. 

Sodann eignen sich für die Landesversicherungsanstalten auch schon 
die mittleren Stadien der Lungentuberkulose nicht mehr recht, bei denen die 
Herstellung bis zur Erwerbsfähigkeit nicht mehr wahrscheinlich ist, zum we- 
nigsten nicht in 3—4 Monaten. Diese Kurzeit, die eventuell ein- oder auch 
zweimal wiederholt werden kann, darf deswegen nicht überschritten werden, 
weil die Leute es kaum länger in den Heilanstalten aushalten oder dort sich 
der Arbeit so entwöhnen, dass sie kraftlos werden oder faul, jedenfalls später 
die Arbeit nicht wieder aufnehmen mögen; auch würden die Kosten zu hoch 
werden und nur wenige eingewiesen werden können. 

Alles in allem eignen sich also für Lungenheilanstalten am besten: 
Tuberkulöse in mittlerem Lebensalter — von noch einigermassen kräftigem 
Frnährungszustande — ohne wesentliche Nebenleiden, ohne erhebliches Fieber, 
ohne tiefere Kehlkopferkrankungen und ohne Halsdrüsenvereiterungen — im An- 
fangsstadium der Krankheit, d. h. mit Spitzenaffektionen (nur oberhalb der 
Clavicula), womöglich nur katarrhalischer Art, allenfalls mit geringen Ver- 
dicbtungen, am besten nur einseitig; auch nicht ausgedehnte pneumonische 
Processe geben übrigens bei guiem Allgemeinzustande oft noch eine ganz 
gute Prognose. 

Jedenfalls sind die Anfangsstadien der Lungentuberkulose das eigent- 
liche Material für die Lungenheilstätten, zumal für die Volksheilstätten; hier 
können sie ihre ganze Heilkraft entfalten und ihren Zweck erfüllen. Von 
enormer Wichtigkeit ist es daher, Kranke im Beginn der Tuberkulose 
zu erkennen und sofort den Heilstätten zuzuführen, ohne erst die Zeit mit 
aussichtslosen medikamentösen Versuchen zu Hause zu verlieren. Mit der 
Sicherbeit der richtigen Auswahl für die Heilstätten wird auch deren Heil- 
wirkung steigen. 

Uebrigens dürfte sich meiner Meinung nach die Heilwirkung der Lungen- 
heilstätten auch sonst noch steigern lassen. Zunächst leisten die Liegehallen 
nicht immer das, was sie könnten. Man gehe nur einmal hin und beobachte, 
welch eine Luft bier herrscht, wenn die Leute, dicht zusammengedrängt, einige 
Zeit gelegen haben; ich empfehle diese Untersuchungen den Heilstättenärzten; 
die Laft ist da keineswegs immer das Ideal einer „reinen ozonhaltigen Wald- 
luft“, am allerwenigsten, wenn auch noch Vorhänge gegen Regen und Wind 
end Sonne vorgeknüpft werden. Ueberhaupt diese Angst vor der Sonne. 
die man so oft findet! Den Tuberkulösen ist die Sonne erst recht ein Freund. 

Welchen Wert ein hervorragender Arzt — Sir Herrmann Weber — 
bereits im Jabre 1885 auf eine reine Luft legte, geht aus seinen Worten 
bervor. Er meint, Davos könnte dadurch, dass zu viele und häufig nicht 


236 - Borntraeger, 


geeignete Fälle hingeschickt werden, durch seine eigenen Vorzüge gewisser- 
massen ruiniert werden; „denn Reinheit und aseptische Beschaffenheit der 
Luft ist mit dem Zusammendrängen einer grossen Menge von Kranken un- 
vereinbar“ (Hygienische und klimatische Behandlung der chronischen Lungen- 
phthise S. 33). 

Dann müsste man meines Erachtens das Heilen auch während der Nacht 
fortzusetzen suchen. Was nützt es, die Kranken während des Tages sich im Freien 
aufhalten zu Jassen, wenn man sie des Nachts in gemeinsame Schlafsäle zu- 
sammenlegt! Mögen die Heilstättenärzte einmal die Luft in solchen Sälen am 
Morgen beim Aufstehen der Leute genau, auch auf den Kohlensäuregehalt, unter- 
suchen. Warum legt man die Leute nicht auch Nachts in Liegehallen oder 
lässt sie in Hängematten draussen zwischen den Bäumen schlafen — alles 
schon dagewesen und z. T. noch da. In mückenfreien Tannenwäldern geht 
das sehr gut, zum wenigsten sollte man mit Auswahl das gestatten, freilich 
nach Bedarf unter Aufsicht. Zum allerwenigsten sollte man die Säle ver- 
meiden und, wie das z. B. in England geschieht, nur genügend grosse Zimmer 
für 1 oder 2 Personen einrichten, die Fenster nur mit Drahtgaze schliessen, 
so dass die Luft auch Nachts hinein und heraus kann. Die belgische Heil- 
stätte Borgoumont bei Spa hat nur Zimmer für 1, 4 und 6 Kranke. 

Ferner könnte man die so sehr wichtige Sonne noch mehr ausnützeh 
und zwar durch Einrichtung platter Dächer zum Liegen und sonstigen Auf- 
enthalt, wie ich das gelegentlich bereits 1902 in Danzig einmal vorzuschlagen 
mir erlaubt habe; neuerdings geschieht das meines Wissens in Hamburg. 

Man sollte also meines Erachtens den jetzigen Bau der Lungenheilstätten 
doch variieren: platte Dächer, Einzelzimmer, Lufthäuschen und Nachtliegekur; 
ausserdem liesse sich vermutlich auch noch das Luftbad als Heilfaktor wir- 
kungsvoll verwerten. Dazu richtige Auswahl der Frühpatienten und genügend 
lange Kurdauer, eventuell Zuhilfenahme von Tuberkulin — und der wirkliche 
Heilerfolg der Lungenheilstätten würde gewiss noch erheblich steigen. 

Ich möchte diesen Abschnitt nicht schliessen, ohne auch hier meinem 
Bedauern darüber Ausdruck zu geben, dass man die früher so geschätzte 
Seebehandlung der Tuberkulose so sehr in den Hintergrund gleiten lässt. 
Kurmässige Seereisen von 3—6 Monaten und länger würden zweifellos 
noch manchen Tuberkulösen im Anfang und manchen Skrofulösen heilen, den 
die Landheilstätten nicht in Ordnung bekommen. Ich empfehle die Wieder- 
aufnahme dieses Heilfaktors der reinen salzhaltigen bezw. auch jodhaltigen 
Meeresluft mit der körperlichen und geistigen Ruhe des Seelebens und dem 
gesteigerten Appetit eindringlichst der Beachtung der Fachgenossen. 

Soweit die Heilstätten für Genesungsfähige. Aber was wird nun 
aus den Unheilbaren und Arbeitsunfähigen, sei es, dass sie schon 
wiederholt und vergeblich durch die Heilstätten gegangen sind, sei es, dass 
sie, wenn sie sich melden, schon einer Heilung nicht mehr zugänglich sind? 
Auch für sie hat man neuerdings besondere Anstalten vorgesehen, das sind 
die Heimstätten (Asyle, Siechenhäuser, Pflegestätten, Kranken- 
häuser für Tuberkulöse). 

Man unterscheidet bekanntlich Kranke und Sieche und versteht unter 


Heilstätten, Heimstätten und Fürsorgestellen im Kampf gegen die Tuberkulose. 237 


letzteren Leute, die nichts mehr verdienen können und an einer Krankheit 
oder Schwäche langsam „dahinsiechen“, aber einer fortlaufenden ärztlichen 
Behandlung nicht bedürfen, und man hat vielfach besondere Siechenhäuser 
errichtet. Hierher kommen Gelähmte, körperlich und geistig Gebrochene, 
Emphysematiker, Entstellte, schwere Bruchleidende, Verstümmelte, Asthmatiker, 
Altersschwache u.a.m., auch Lungen- und selbst Krebskranke findet man 
wohl bier. Und wie man schon längst für gewisse Sieche aus verschie- 
denen Gründen besondere Häuser gebaut hat — ich erinnere an die An- 
stalten für unheilbare Geisteskranke, an die Blindenanstalten —, so geht man 
jetzt an die Errichtung von Häusern für Lungensieche, welche ihrer Be- 
stimmung nach am meisten mit den Leprahäusern zu vergleichen sind; 
denn beide haben den Zweck, einen chronisch ansteckenden Siechen 
aus der allgemeinen Gemeinschaft herauszuziehen und ihn un- 
schädlich unterzubringen; sie fügen also dem den Siechenhäusern ge- 
meinen Zweck der Aufnahme und Versorgung die hygienische Massnahme der 
Absonderung hinzu. 

Die in Deutschland bestehenden Heimstätten für Tuberkulöse sind teils 
von den Landesversicherungsanstalten errichtet, teils nicht. Die Bewegung 
datiert erst von 1900, und die ersten Heimstätten wurden von der Versiche- 
rungsaostalt Berlin in Lichtenberg und von derjenigen der Hansestädte in 
Gross-Hansdorf bei Hamburg errichtet; das sind besondere, nur für diesen 
Zweck gebaute Anstalten. Bei Bielefeld ist durch den bekannten Pastor 
v.Bodelschwingh die Pflegestätte Wilhelmsdorf-Senne, in Ostritz in Schlesien 
vom Verein „Frauenhilfe“ das Päegeheim, „Bergfrieden“ 1903 errichtet, diese 
also für Nichtversicherte. Die Versicherungsanstalten rechnen etwa durch- 
schoittlich 500 M. für den Kopf der in Heimstätten Untergebrachten jährlich: 

Anderwärts hat man besondere Abteilungen der Krankenhäuser 
als Heimstätten für Tuberkulöse eingerichtet, wie man ja in England mehr- 
fach Krankenhäuser nur für Tuberkulöse hat. So ist z. B. die Landesver- 
sicherangsanstalt Westfalen vorgegangen, ebenso Rheinprovinz, welche inner- 
halb des Regierungsbezirks Düsseldorf für katholische Männer eine Abteilung 
des Krankenhauses Mariahilf in M.-Gladbach (30 Betten), für evangelische 
des Diakonenkrankenhauses in Duisburg bestimmt hat, ausserdem noch andere 
ionerhalb der Rheinprovinz, nämlich bisher eine besondere Anstalt in Nieder- 
reidenbach an der Nahe, welche von der Rheinischen Diakonissenanstalt zu 
Kreuznach ausgerüstet ist, und eine Abteilung des St. Josefshauses in Commern, 
Kreis Euskirchen. Für Frauen ist eine Abteilung des Krankenhauses in 
Niederkrüchten bestimmt. 

Ueber die an diese Heimstätten zu stellenden Anforderungen ist noch keine 
Uebereinstimmung erzielt. Auf der einen Seite hält man an dem Vorbilde des 
Krankenhauses fest, beansprucht tägliche ärztliche Fürsorge, will noch Heil- 
versuche anstellen, wünscht und beansprucht daher sogar Liegehallen und 
dergl. mehr; man geht von dem Grundsatze aus, der Schwerschwindsüchtige 
sei unter allen Umständen als Kranker aufzufassen und zwar als ein solcher, 
der jeden Augenblick ärztlicher Hilfe benötigen könne, übrigens unter Um- 
ständen anch noch zu heilen sei. Tatsächlich sind auch vereinzelte der in 


19 


238 Borntraeger, 


Heimstätten eingewiesenen Tuberkulösen, z. B. auch der Rheinprovinz, soweit 
wiederhergestellt worden, dass sie demnächst einer Lungenheilstätte zugeführt 
werden konnten. i 

Auf diese Weise werden allerdings die Unterbringungskosten hoch werden. 

Auf der anderen Seite hält man sich streng an den Begriff „Sieche“ und 
„unheilbar“; man verzichtet auf Heilversuche, soweit nicht etwa die Natur 
unter den günstigeren Lebensbedingungen wider alles Erwarten vou selbst 
heilt, hält fortlaufende ärztliche Versorgung nicht für nötig, sieht daher von 
Gebäuden nach Art von Krankenhäusern und Heilstätten ab und bevorzugt 
ländliche kleinere Unterkunfthäuser, welche mehr den Charakter des famili- 
ären Zusammenlebens bieten. So betont der Vorstand der Versicherungsanstalt 
der Hansestädte, dass in ländlicher Gegeud, abseits des grossen Verkehrs, 
aber ihm immerhin nahe genug, um bequem erreicht und versorgt werden 
zu können, eine Reihe von einfachen Wohnhäusern für je 25—30 Sieche er- 
richtet sei; der Anstellung eines besonderen Arztes bedürfe es nicht, die ärzt- 
liche Versorgung werde den in der Nachbarschaft wohnenden Aerzten 
übertragen. 

Ich trete für diese letztere Anschauung ein. 

Der Zweck der Tuberkuloseheime ist, wie gesagt, der, die nicht mehr 
heilbaren Tuberkulösen aus den Familien herauszunehmen und so unschäd- 
lich zu machen; dass sie dabei menschenwürdig unterzubringen sind, besser als 
bisher, ist selbstverständlich; damit ist aber auch dem Zwecke genügt. Heil- 
versuche mit ihnen anzustellen, ist unlogisch, weil die Annahme der Unheil- 
barkeit eben die conditio sine qua non für die Aufnahme in die Heimstätten 
ist; wird ein Kranker noch für beilbar gehalten, so gehört er eben nicht in 
eine Heimstätte, sondern in eine Heilstätte oder zum mindesten in ein Kranken- 
haus, und wenn ab und zu wohl einmal ein lungensiecher so weit wieder 
besser wird, dass er in eine Lungenheilstätte zur Heilung eingewiesen werden 
kann, so bedeutet das eben nur einen Irrtum in der Prognose, der nicht 
dazu veranlassen kann, allgemein mit den Heimstätten Heilbestrebungen 
zu verbinden. Auch in Irrenanstalten für Unheilbare findet man ab und 
zu einen Geheilten, und in der Tuberkulosebewertung gibt es naturgemäss auch 
Irrtümer und Differenzen. Fand ich doch z. B. gerade soeben bei einem 
Mädchen, das vor einem Jahr von einer Heilstättenbehandlung auf Grund 
eines ärztlichen Attestes, welches weit vorgeschrittene Tuberkulose beider 
Lungen angab, als nicht mehr geeignet abgewiesen wurde und seitdem obne 
jede Kur in ärmlichsten Verhältnissen lebte, bei eigener Untersuchung über- 
haupt kein Zeichen von Tuberkulose, so dass ich vorläufig noch im Zweifel 
bin, ob sie überhaupt tuberkulös ist. Worauf beruht nur diese Differenz? 

Dass ein Schwerschwindsüchtiger einer fortlaufenden Arztfürsorge be- 
dürfe, ist meines Erachtens ebenfalls nicht richtig. Diese Ansicht beruht ent- 
weder auf Verkennung der Sachlage oder vielleicht auf Ueberschätzung des 
ärztlichen Könnens gegenüber der vorgeschrittenen Tuberkulose. Wie leben 
diese Schwindsüchtigen sonst, wenn sie nicht in Heilstätten untergebracht 
sind? In engen Wohnungen, oft weitab in Dörfern oder auch verstreuten Ge- 
höften, stundenweit ab vom Arzt. Und was schadet ihnen diese Abgelegenheit 


Heilstätten, Heimstätten und Fürsorgestellen im Kampf gegon die Tuberkulose. 239 


etwa? Das einzige, was als Gefährliches gelegentlich einmal ganz plötzlich 
eintreten kann, ist wohl eine Blutung; diese ist aber doch nicht so häufig und 
nicht so leicht tödlich; ihretwegen braucht man doch keinen Arzt besonders 
stets in der Nähe zu haben. Die übrigen Krankheitssymptome können aber doch 
ganz gut bei gelegentlichen ärztlichen Besuchen genügend berücksichtigt 
werden. 

Dann aber sollen meines Erachtens die Kranken gar nicht fortgesetzt das 
Gefühl haben, dass sie krank seien und ärztlicher Hilfe bedürfen. Man tue 
sie also aufs Land, in ähnliche Wohnverhältnisse, wie sie bisher gewöhnt sind, 
meinetwegen in ein gewöhnliches Haus mit einer Reihe von Stuben, in denen 
einzeln oder wenige zusammen hier Kranke wohnen; das Haus habe einen 
grossen Garten, wo möglich ein weites waldiges Feld, in dem die Leute nach 
Belieben umbhergehen, stehen, sitzen, rauchen, plaudern, und wenn sie wollen, 
— gegen Entgelt — etwas arbeiten (z. B. weist man ihnen an manchen Stellen 
— Bielefeld — Gartenarbeit zu) oder spielen können, um über ihre trüben 
Gedanken hinwegzukommen; das Ganze sei umzäunt, damit die Siechen das 
Grundstück ohne Erlaubnis nicht verlassen können. Die Kost sei kräftig, der 
Bereitungsweise der Leute angepasst. Alkoholabstinenz sei nicht vorgeschrieben, 
die Hausordnung so lax wie angängig, und darum nicht an ein Krankenhaus 
erinnernd. Eine Pflegerin sorge für das Ganze, event. ein Pflegepaar mit 
Hilfskräften, ein Arzt sei in erreichbarer Nähe, einige Kilometer ab schadet 
nichts. Trennung nach Geschlechtern halte ich nicht für unbedingt erforder- 
lich, tuberkulöse Ehepaare könnten z. B. für sich untergebracht werden. 

Das wäre dann also ähnlich, wie von einigen Versicherungsanstalten (Han- 
nover und Oldenburg) ländliche Kolonien für aus den Heilstätten Ent- 
lassene. also zu anderem Zwecke — anscheinend freilich ohne Erfolg — er- 
tichtet worden sind. 

Ist eine Anzahl solcher Heimstätten über das Land zerstreut, so dass die 
Leute nicht zu weit von ihrer Heimat untergebracht zn werden brauchen, wie es 
die Laudesversicherungsanstalt Rheinprovinz einrichtet, so ist meines Er- 
achtens der Zweck erreicht; mehr ist nicht nötig. 

Stellt sich heraus, dass jemand sich wider Erwarten, bessert, so kann er, 
wenn man ihn nicht, was vielleicht das Beste wäre, unter den bisher betref- 
fenden Verhältnissen weiter belassen will, in eine Heilstätte verbringen; wird er 
bettlägerig, so kann man ihn, falls es für unerlässlich erachtet wird, in ein 
Krankenhaus schaffen. 

Hiermit ist natürlich nicht gesagt, dass die Verbindung der Lungenheim- 
stätte mit einem Krankenhause für verkehrt erachtet werde; es ist gewiss gut, 
wenn man den Siechen fortlaufende ärztliche Hilfe angedeihen lassen kann, 
nach Möglichkeit ihr Leiden immer noch zu heilen und wenigstens zu lindern, 
ibr Leben zu verlängern sucht; aber die Folgerung ständiger ärztlicher Für- 
sorge und wohl gar Krankenhausfürsorge darf nicht sein, dass die Einrichtung 
einfacher zerstreuter Landaufenthalte gehemmt, die Unterbringung zu teuer 
gestaltet wird, und dass diese Leute, welche man im Interesse der Allgemein- 
beit aus ihren Familien nimmt, nun. unter eine Krankenhauszucht gebracht 
werden. Allenfalls könnte man sich des Krankenhauses noch in suggerierender 

19% 


240 Borntraeger, 


Absicht bedienen, d. h. um bei den Siechen den Gedanken zu erwecken, man 
wolle sie heilen; indes ist dies nicht unbedenklich. 

Im übrigen lehrt die Erfahrung, dass die Lungensiechen nicht leicht ge- 
willt sind, sich in Heimstätten unterbringen zu lassen; sie fühlen sich, wie 
ja auch in Aerztekreisen bekannt ist, oft bis ins letzte Stadium noch nicht 
so krank, dass sie teilnahmslos sind und auf die Freuden des Lebens und 
der Städte verzichten wollen. So bot die Landesversicherungsanstalt West- 
falen 400 Tuberkulösen die Unterbringung in Heimstätten 1902 an, aber nur 
12 acceptierten; indes bald änderte sich das Verhältnis doch, und im Jahre 
1903 liessen sich schon 116 einweisen. Dabei wird von den Pfleglingen nur 
der Verzicht auf die Rente verlangt, wobei die Versicherungsanstalt täglich 
50 Pfg. pro Kopf zuschiesst und etwaige Mehrkosten von den Heimatgemeinden 
beansprucht. Aehnlich ist die Landesversicherungsanstalt Rheinprovinz vor- 
gegangen; die Durchschnittsjahresrente von 150 M. genügt nicht als Pflege- 
satz, der das Dreifache etwa, nämlich 432 M. durchschnittlich, oder 1,80 M. 
für den Tag (einschliesslich Arzt, Apotheke und Kleider) beträgt; den Ueber- 
schuss zahlt hier im hygienischen Interesse die Versicherungsanstalt. 

Auch hier steigt die Zahl der sich Meldenden, die Anfangs wenige waren 
oder grösstenteils sehr bald das Heim wieder verliessen; seit 1904 liegen Er- 
fabrungen mit 97 Pfleglingen vor, von denen manche nunmehr 1!/, Jahre 
untergebracht sind; manche auch, die wieder fortgegangen waren, kamen zum 
grossen Kochtopf des Heims zurück; am besten eignen sich einzelstehende 
ältere Personen männlichen Geschlechts, weibliche haben weniger Neigung. 

Da nun die meisten Tuberkulösen weder in Heilstätten noch in Heim- 
stätten oder Krankenhäusern Unterkunft suchen, so bleiben viele eben in 
den Familien, in denen sie um so gefährlicher sind, je beengter und ungünstiger 
die Wohnverhältnisse sind. Hier bleibt noch einzugreifen, und das haben zu- 
nächst die französisch-belgischen Dispensaires antituberculenx über- 
nommen. Seit dem Hygienekongress in Brüssel 1903 haben diese Dispen- 
saires auch in Deutschland schnell Eingang gefunden und sind hier als Für- 
sorgestellen, als Wohlfahrtsstellen für Lungenkranke in variierten 
Fassungen erstanden; der Zweck ist nicht ganz derselbe geblieben. In Frank- 
reich und Belgien sind die Dispensaires im wesentlichen social-hygienische 
Veranstaltungen, sie haben mit Therapie direkt wie indirekt nichts zu tun, 
sie wirken da allenfalls als Adjuvantien; wenigstens war das bis vor 
kurzem so, neuerdings beginnt man freilich in Paris z. B. auch schon mit 
Heilbestrebungen, wie Liegehallen, ärztlicher Behandlung; jedenfalls sind sie 
für die Arbeiter und Armen bestimmt. 

Die Einrichtung der Dispensaires, deren es in Belgien 19 gibt, ist ja 
jetzt im allgemeinen bekannt. 

In irgend einem Hause wird von einem wohltätigen Vereine oder einer 
Kommune u. s. w. eine Anzahl von Zimmern gemietet — seltener wird ein 
Haus ad hoc gebaut; Wartezimmer, Untersuchungszimmer, Arztzimmer, Bureau 
werden eingerichtet, alles untersteht einem Arzte, der besondere Dienststunden 
hat. Das Besondere ist der Ouvrier enquêteur oder Pisteur, d.h. ein 
Mann, der aus der Klasse der zu Versorgenden sein soll, also ein Arbeiter; 


Heilstätten, Heimstätten und Fürsorgestellen im Kampf gegen die Tuberkulose. 241 


in Lüttich war es ein Waffenarbeiter, in Brüssel ein Tischlermeister. Ersterer 
bielt uns über die Bestimmung der Dispensaires des tuberculeux und die 
Erfolge einen so wohlgesetzten Vortrag, dass wir samt und sonders ihn an- 
fangs für einen Specialarzt hielten, der sich mit diesem Fache besonders be- 
schäftigt hätte und ausserdem eine grosse Rednergabe besässe. 

Die Tätigkeit der Dispensaires verläuft nun so: Irgend jemand meldet 
sich, sei es von seinem Arzt geschickt, sei es von selbst, da er tuberkulose- 
verdächtig ist, im Dispensaire. Man stellt im Bureau nach einem bestimmten 
Formular aufs Bingehendste seine Personalien fest, untersucht ihn ärztlich und 
fordert sein Sputum ein, das sofort im Laboratorium untersucht wird. Ist er 
nicht tuberkulös, so hat das Dispensaire mit ihm nichts zu tun. Ist er 
aber tuberkulös, so werden seine Personalien vervollständigt nach näheren 
Familienverhältnissen, Vermögenslage, Zabl der Wohnungsinsassen, der Zimmer, 
der Familienmitglieder, der Betten u. s. w., die vorhandenen eingehenden For- 
mulare werden ausgefüllt, und es wird ein besonderes Journal angelegt. Dann 
erhält der Kranke das sogenannte Necessaire, d. h. Spuckflasche, Lysollösung 
zum Desinficieren derselben und Zahnbürste mit Zahnpulver zur Mundpflege, 
nebst gedruckten Verhaltungsmassregeln über Lebensweise, Vermeidung der 
Ansteckung, Behandlung des Auswurfs, Desinfektion der Spuckflaschen; ein 
meines Erachtens allzugrosses Gewicht wird hierbei auf die Enthaltung von 
jedem Alkohol gelegt. 

Nun beginnt die eigentliche Tätigkeit des Ouvrier enqueteur; er sucht 
den Kranken auf, kontrolliert die gemachten Angaben, untersucht die Lebens- 
weise, Reinlichkeit der Familie, befragt die Angehörigen über ihren Gesund- 
heitszustaud, die eventuell ebenfalls zum Dispensaire bestellt werden, erläutert, 
iostruiert, zeigt und gibt die nötigen Ratschläge über die Lebensweise, Be- 
seitigung des Auswurfs, Verbot des Aufdieerdespuckens und berichtet dem 
Arzte. Dann kommen die materiellen Hilfen des Vereins: Milch, Eier, Speck 
und andere kräftige Nahrungsmittel, im Winter Kohlen, ferner nach Bedarf 
Kleider, Wäsche; eventuell wird ein Bett geliehen, um das Alleinschlafen des 
Kranken zu ermöglichen, oder es wird ihm sogar ein Zimmer für diesen 
Zweck angemietet oder eine geeignete Wohnung verschafft. Endlich wird 
für regelmässige periodische Desinfektion der Wäsche, Betten u. s. w. gesorgt. 

Reichen die Mittel nicht aus, so wird die Hilfe von andern Wohltätigkeits- 
vereinen vermittelt. Geld wird seltener, aber doch gegeben. 

Im weiteren besucht der Pisteur die Kranken regelmässig, kontrolliert 
sie, ob den Weisungen gefolgt, nicht auf den Fussboden gespuckt, das Bett 
von den Kranken allein benutzt, gehörig gelüftet wird u.s.w., er belehrt, führt 
eventuell Aenderungen des Regime herbei oder bewirkt Abbruch der Unter- 
stützungen, wenn die Leute nicht gut tun. Er ist also ein sehr mächtiger 
und wichtiger Mann, der ganz besonders dadurch so nützlich ist, dass er aus 
dem Stande der Versorgten hervorgegangen ist, ihre Bedürfnisse kennt, ihr 
Vertrauen hat, sieb in ihrer Vorstellungsweise mit ihnen bereden, auf sie ein- 
wirken kann. Ab und zu stellen sich die Kranken im Dispensaire wieder vor. 

Je weniger das Dispensaire sich aber aufsuchen lässt, je mehr es selbst 
zufsucht, desto mehr leistet es; und hier kann eben der Pisteur Bestes tun. 


242 Borntraeger, 


Im Dispensaire zu Lille ist die Desinfektion in besonders guter Weise 
geregelt (die Wohnung alle 3 Monate, die Leib- und Bettwäsche alle 14 Tage, 
das Dispensaire selbst mit Formalin’1—2 mal wöchentlich); in zwei Stunden 
wird die Wäsche in einem ingeniösen Apparate Calmettes für 60 Pf. desin- 
ficiert, gewaschen und getrocknet. 

Diese Dispensaires antitubereuleux wirken also zunächst hygienisch- 
prophylaktisch, d. h. die Ansteckungsgefahr mindernd; ferner social und 
stärkend, damit also auch die Heilung begünstigend: aber von vorn- 
herein wenigstens nicht direkt heilend. Die Heilkunst des Arztes geht, 
meines Wissens auch jetzt noch in Belgien, ganz unabhängig nebenher. 

Diesen Dispensaires sind in Deutschland die Fürsorgestellen oder 
Wohlfahrtsstellen für Lungenkranke nachgebildet und haben sich ver- 
schiedene Charaktere geschaffen. Die verschiedenen Verhältnisse bewirkten 
schon verschiedene Gestaltung. Das Krankenkassenwesen, die Unfallgesetz- 
gebung, die Invaliditäts- und Altersversicherung — das alles waren Institu- 
tionen, die das Ausland nicht kennt, wenigstens nicht im entferntesten in 
unserem Masse. Dazu trat die freie Krankenschwester, die das französisch- 
belgische Ausland ebenfalls in dieser Art nicht hat, und die das Amt eines 
Pisteurs übernehmen konnte. Endlich war ein besonderes Moment die deutsche 
Aerzteorganisation mit ihrem grossen Widerstreben gegen alle bestimmten 
Arztstellen, wit ihren ausgesprochenem Drang nach freier Arztwahl. 

Ein Moment ist dann noch für die deutschen Fürsorgestellen hinzugetreten, 
das ist die Vermittelung der Heilung in Heilanstalten oder der Ueber- 
weisung in Heimstätten. Die Fürsorgestellen sind bei uns ganz wesentlich 
mit dazu bestimmt, die Kranken den Heilstätten zuzuführen bezw. eine Aus- 
wahl für diese zu treffen. Das ist ganz besonders wichtig und war in Frank- 
reich und Belgien schon deshalb nicht möglich, weil es dort keine Heilstätten 
gab (in Belgien jetzt 2), bei uns aber von besonderem Werte; in den Fürsorge- 
stellen soll eventuell von besonders erfahrenen Aerzten festgestellt werden, 
ob der Kranke an Tuberkulose leidet, ob in einem solchen Grade, dass er 
sich noch für eine Heilstättenbehandlung eignet, oder ob er als dauernd er- 
werbsunfähig und unheilbar anzusehen und demgemäss einer Heimstätte 
zuzuweisen sein wird, und die Fürsorgestellen haben demgemäss das Nötige 
zu vermitteln. 

Diese Verbindung mit den Heilstätten ist aber auch umgekehrt zu pflegen, 
d. h. die aus den Heilstätten Entlassenen sind den Fürsorgestellen mitzuteilen, 
die dann sofort die Ueberwachung und Unterstützung jener in der oben ge- 
schilderten Weise übernehmen bezw. wieder einleiten, um den Heilerfolg zu 
sichern und eventuell Ansteckungen zu vermeiden, oder die Zuführung in die 
Heimstätten vermitteln. 

Diese Verbindung der Heilstätte mit den Fürsorgestellen ist z. B. im 
Kreise Ruhrort durchgeführt, wo jede der 8 Bürgermeistereien eine Art 
Fürsorgestelle bildet und mit der Heilstätte Holsterhausen dig Beziehung 
unterhält. 

So haben sich die Fürsorgeanstalten in Deutschland eben verschieden von 
den belgisch-französischen und auch verschieden unter sich entwickelt; meist siud 


. 


Heilstätten, Heimstätten und Fürsorgestellen im Kampf gegen die Tuberkulose. 243 


es auch hier private, d. h. Vereinsanstalten, oder kommunale Anstalten, d. h. 
von Gemeinden errichtet und unterhalten, vereinzelte von Kreisen, von einer 
Landesversicherungsanstalt, von einer Krankenkasse. Bald bestehen sie für 
sich allein, bald sind sie an Krankenhäuser oder Polikliniken oder auch 
an eine Lungenheilstätte angeschlossen; manchmal auch sind sie ohne eigenes 
Lokal, nur eine Organisation, angeschlossen an die Bürgermeistereien, an die 
Armenverwaltungen. Oft vermitteln sie nur das Nötige, oft nehmen sie die 
Leistungen selbst in die Hand und sorgen für die Kranken, und hier hat sich 
auch unsere Krankenschwester besonders bewährt. 

Nach einer von dem Herrn Beigeordneten Mannkopff in Remscheid ver- 
anstalteten Umfrage und Feststellung gab es am 1. Juni 1905 in Deutschland 
bereits 42 derartige Fürsorgestellen, davon in Preussen 31, in der Rbein- 
provinz 8; geplant waren weitere 40 Stellen in Deutschland, davon in Preussen 
30. Das alles ist geschehen in noch nicht 2 Jahren! 

Innerhalb des Regierungsbezirks Düsseldorf haben wir nur eine volle Für- 
sorgestelle, nämlich in Remscheid, eine Vereinsstelle, vom Kreisarzt eingerichtet. 
Diese Stelle besteht seit Juli 1904 und hat innerhalb des ersten Betriebsjahres 
250 Kranke versorgt. Auch hier kamen die Kranken teils von selbst, teils 
von Kassen oder Aerzten geschickt. Die letzteren behalten die Behandlung, so 
lange die Kranken wollen und eine Heilstättenbehandlung nicht Platz greift. 

In M.-Gladbach ist eine Untersuchungsstelle für Tuberkuloseverdächtige 
seitens des Arztes der Iungenheilstätte eingerichtet. 

In Düsseldorf selbst ist die Sache neuerdings ebenfalls geregelt und an 
die Armenverwaltung angeschlossen, ohne besondere Untersuchungsstelle. 

In Lennep hat der Kreisarzt eine öffentliche Untersuchungsstelle, zu- 
nächst aus eigenen Mitteln und für sich, eingerichtet. 

Die Landesversicherungsanstalten haben auch diese Fürsorgestellen unter- 
stützt; so ist diejenige der Rheinprovinz bereit, in folgender Weise die Sache 
zu fördern: für die Versicherten durch Uebernahme der Kosten: 

1. Für zu verabfolgende Necessaires, 

2. für eine etwaige Kur (also indirekt), 

3. für kräftige Speisen, 

4. der Angehörigenunterstützung bis zum 11/,fachen Krankengeld bezw. 
3, des ortsüblichen Tagelohnes bei Aussendung der Versicherten in eine Anstalt, 

5. der Untersuchung bei Ausstellung eines Gutachtens und 

6. durch Bestellung der Fürsorgestelle zur „Vorstation“, d. b. zur Nach- 
begutachtungsstelle, für versicherte Lungenkranke des Bezirkes, ob sie etwa 
in eine Lungenheilstätie gehören oder mit Aussicht auf Erfolg eingewiesen 
werden können. 

Zur weiteren Wirksamkeit der Stelle gehört nun, dass die Fürsorgestellen 
und ihre Träger sich alle die Hilfsquellen zunutze machen, welche in unseren 
vaterländischen Organisationen vorhanden sind, seien sie nun staatlicher, pro- 
vinzieller, kreislicher, gemeindlicher, vereinlicher, krankenkasslicher, privater 
Natur oder wie sonst immer. Bedingung muss bleiben, dass Polizei und Zwang 
ferogehalten werden, dass, wie das auch schon überall geschehen, die Wohl- 


244 _Borntraeger, Heilstätten, Heimstätten und Fürsorgestellen u. s. w. 


taten nicht den Charakter der Armenunterstützung annehmen, also nicht in 
gewisser Weise entrechten, dass eben alles „wohltuend“ wirkt. 


Werfen wir nun einen Blick rückwärts auf die Trias der Einrichtungen 
Heilstätte, Heimstätte und Fürsorgeanstalt für Lungenkranke, so 
so ist die Arbeitsteilung derart: 

1. Für heilbare und bis zu längerer Arbeitsfähigkeit besserungsfähige 
Lungentuberkulöse sind die Heilstätten da. 

2. Für unheilbare und fortgeschrittene, nicht mehr erwerbsfähig zu 
haltende oder zu gesialtende, in beschränkten Wohnungen lebende Lungen- 
tuberkulöse sind die Heimstätten da. 

3. Für weder in Heilstätten noch in Heimstätten untergebrachte, zumal 
für in beschränkten Wohnungen lebende, insbesondere auch für noch erwerbs- 
fähige, aber nicht mehr heilbare Lungentuberkulöse sind die Fürsorge- 
stellen da. 

Die Nummern 1 und 2 haben nur je eine Bestimmung, Heilung oder 
Unterbringung; nicht so Nummer 3: die Fürsorge- oder Wohlfahrts- 
stelle hat eine dreifache Aufgabe: 

a) Feststellung der Lungentuberkulose und ihres Grades wie 
ihrer mutmasslichen Heilbarkeit, also der Geeignetheit für Heilstätte 
oder Heimstätte; 

b) eventuell Vermittelung der Ueberweisung in eine Heilstätte oder 
Heimstätte, oder, wenn beides nicht angängig, 

c) die Uebernahme der hygienisch-prophylaktisch-socialen Fürsorge im 
Hause des Kranken selbst, nach Bedarf auch unter Vermittelung 
der ärztlichen Behandlung. 

Die Fürsorgestelle ist also bei weitem das vielseitigste und delika- 
teste unter den 3 Gebilden. 

Die Aerzte werden in dem Kampfe gegen die Tuberkulose dann das 
Meiste leisten, wenn sie sich auch mit diesen 3 Einrichtungen und ihren 
Aufgaben nicht nur ausreichend bekannt machen, sondern mit ihnen in ste- 
tiger Fühlung bleiben und sie reichlich benutzen. Immer wieder ist darauf 
hinzudeuten, wie ungemein wichtig es in diesem Kampfe ist, einmal die aller- 
ersten Anfangsformen der Krankheit zu erkennen und ohne Verzug die nötigen 
wirksamen Heilmassnahmen einzuleiten, sodann aber auch die ansteckenden 
Kranken tunlichst unschädlich zu machen. Mögen die praktischen Aerzte, 
ohne deren Mitwirkung der Kampf gegen die Tuberkulose nicht zu denken 
ist, sich bei Beratung ihrer Klienten in Sachen der Tuberkulose und des 
Tuberkuloseverdachtes stets daher erinnern der 3 Einrichtungen: 

Heilstätte 
Heimstätte und für Tuberkulöse! 
Fürsorgestelle 


Immunität. Schutzimpfung. 245 


Sachs H., Ueber die Bedeutung des anysz-Dungernschen Kriteri- 
ums, nebst Bemerkungen über Prototoxoide. Centralbl. f. Bakt. 
Bd. 37. S. 251. 

Im Anschluss an die Experimente von Danysz, v. Dungern, Morgen- 
roth und Sachs untersucht Verf., ob das sogenannte Danysz-Dungernsche 
Kriterium, d. bh. das Phänomen der Toxicitätserhöhung bei fraktioniertem 
Zusatz des Toxins zum Antitoxin, das bisher beim Ricin, Diphtheriegift 
und beim Tetanushämolysin beobachtet wurde, auch beim Staphylolysin 
eintritt. 

Zu diesem Zweck wurden zu einer willkürlich gewählten Menge Immun- 
antistaphylolysin sowie normalem Antistaphylolysin des Pferdeserums wech- 
selnde Mengen Staphylolysin hinzugesetzt, und nach 20 stündigem Stehen der 
Proben bei Zimmertemperatur durch weiteren Giftzusatz die Lọ und L+-Dosis 
bestimmt. Wie sich herausstellte, war diese bei fraktioniertem Giftzusatz 
stets geringer als bei totalem. Dieses Phänomen war auch bereits nach 1/,stün- 
digem Digerieren des Toxins mit dem Antitoxin vollkommen ausgeprägt. Das 
Anutistaphylolysin des Pferdeserums geht — im Gegensatz zu dem alkohollös- 
lichen Antihämolysin — in den durch Alkohol erzeugten Eiweissniederschlag 
quantitativ über. 

Das Resultat dieser Versuche war also, dass auch für das 
Staphylolysin die Reaktion mit dem Antitoxin nicht als rever- 
sible Reaktion zwischen einheitlichen Substanzen aufgefasst 
werden darf. A 

Denselben Nachweis konnte dann Sachs auch für das Arachnolysin, 
das hämolytische Gift der Kreuzspinne, und für das Lab und Antilab er- 
bringen. Auch hier zeigt sich das Phänomen der erhöhten Wirksamkeit bei 
faktioniertem Gift- bezw. Fermentzusatz. 

Die Reaktionen zwischen Toxin und Antitoxin sind somit wenigstens zum 
grösseren Teil als irreversibel zu betrachten; jedenfalls spielt bei den- 
selben die „Verfestigung“ der Toxin-Antitoxinverbindung, die mit 
der Zeit eintritt, eine grosse Rolle. Paul Th. Müller (Graz). 


Jürgens, Ueber die Entstehung der Typhusimmunität. Berl. klin. 
Wochenschr. 1905. No. 4. S. 141. 

An einem Typhuspatienten, der 2 Monate nach Beendigung der ersten 
Typhuserkrankung wiederum mit den Erscheinungen des Typhus in die Charité 
eingeliefert wurde, machte Verf. eine Anzahl von serodiagnostischen Unter- 
suchungen, die gewisse negative Schlüsse auf die Entstehung der Typhusimmu- 
nität zuliessen. Während der ersten Krankheitszeit gelang der Nachweis von 
Typhusbacillen im Blut und in den Fäces, ebenso von Agglutininen und bak- 
tericiden Stoffen im Blutserum. Das Blutserum zeigte in der 5. Woche eine 
Agglutinationskraft bis 1:1000, in der 7. Woche bei der Entlassung eine 
solche von 1: 200; zu gleicher Zeit betrug der baktericide Titer des Blut- 
serums 0,006. 4—5 Wochen später, 56 Tage nach der ersten Entfieberung, 
als Patient wiederum wegen eines Typhus die Charite aufsuchte (Verf. lässt 
es zweifelhaft, ob es sich um ein Recidiv oder eine Neuinfektion handelt), 

20 


246 Immunität. Schutzimpfung. 


wurden wiederum Typhusbacillen im Blut, in den Fäces, im Urin und im 
Roseolensaft aufgefunden. Das Blutserum agglutinierte im Verhältnis von 
1:200—300 (in der nächsten Woche von 1:800) und zeigte einen Titer 
seines baktericiden Wertes noch von 0,01. Dieser änderte sich auch zunächst 
nicht und stieg erst in der 5. Woche der Neuinfektion in die Höhe. Die Neuin- 
fektion fiel also in die Zeit, wo die Immunitätsreaktion deutlich ausgebildet 
war und noch deutlich bestand. Dies weist also darauf hin, dass die Immu- 
nität trotz normaler Bildung von Agglutininen und baktericiden Stoffen aus- 
bleiben kann; es müssen also noch andere Gründe bei der Entstehung der 
Immunität wirksam sein. Verf. nimmt an, dass diese Erscheinung, sowie die 
auffallende Tatsache der Aenderung des epidemiologischen Verhaltens der 
Typhusepidemien an manchen Orten nicht allein von dem inficierenden Bak- 
terium abhängig sein können, sondern glaubt noch andere epidemiologische 
und individuelle Faktoren, über die man zur Zeit sich noch keine Rechen- 
schaft ablegen kann, zur Erklärung dieser Beobachtungen heranziehen zu 
müssen. Hayo Bruns (Gelsenkirchen). 


Sadler K, Ueber den Einfluss des Temperaturoptimums von 55°C. 
auf die Agglutination beim Fickerschen und Widalschen Ver- 
such. Berl. klin. Wochenschr. 1905. No. 10. S. 255. 

Nach anderweitigen Versuchen auf der v. Jakschschen Klinik in Prag 
soll sowohl bei der Verwendung lebender Typhuskultur wie des Typhusdia- 
gnostikums bei 55° schneller und intensiver Agglutination eintreten, als bei 
niederer Temperatur (87°). Verf. führt Untersuchungen an einem Patienten 
der Klinik an, die den günstigen Einfluss der höheren Temperatur bestätigen, 
bei denen aber gleichzeitig die Agglutination mit dem Fickerschen Diagnosti- 
kum erheblich schärfere Resultate ergab, als die Verwendung lebender Kultur. 
Der Fickersche Versuch, bei 55° angestellt, soll darum besondere Bedeutung 
für den praktischen Arzt haben. 

Ob aber „der praktische Arzt“ in der Lage ist, sich eine Dauertempe- 
ratur von 55° herzustellen? Ficker sieht gerade einen Vorteil seines Ver- 
fahrens darin, dass es „den praktischen Arzt“ von der sonst benötigten höheren 
Temperatur (370) unabhängig macht. Hayo Bruns (Gelsenkirchen). 


Güttler W. J, Vorteile und Nachteile von Fickers Typhusdiagno- 
stikum. Berl. klin. Wochenschr. 1904. No. 51. S. 1313. 

Im ganzen weichen die von Güttler gegebenen Schlussfolgerungen über 
die Brauchbarkeit des Diagnostikums von denen mancher andrer Forscher 
ab. Verf. prüfte an dem grossen Typhusmaterial der Prager Klinik vergleichend 
die Höhe der Agglutination mit dem Diagnostikum und mit lebenden Kulturen. 
Im ganzen wurde bei 41 Typhusfällen der oberste Titerwert des Serums 
sowohl gegen lebende Kulturen, wie gegen das Diagnostikum ermittelt; es 
zeigte sich, dass stets der Wert der Titergrenze für die lebende Kultur weit 
höher war als für das Diagnostikum. Mehrfach gab das Diagnostikum nur 
eine zweifelhafte Reaktion im Verhältnis von 1:40, während die Benutzung 
lebender Kulturen ein stark positives Resultat (im Verhältnis von 1:200 und 


Immunität. Schutzimpfung. 247 


darüber) ergab. Andererseits zeigte gelegentlich trotz der Annahme eines rish- 
tigen Typbus abdominalis (Eberth) die Agglutination gegenüber den Para- 
typhusbacillen höhere Werte als gegenüber dem Typhusdiagnostikum. Endlich 
aber tritt die Agglutination mit dem Diagnostikum nicht nur schwächer, 
sondern auch erheblich langsamer auf als mit lebender Kultur. In 8 Fällen 
von sicherem Typhus fehlte die Diagnostikumreaktion vollständig, während sie 
mit lebender Kultur im Verhältnis von 1:80 und 1:200 deutlich ausge- 
sprochen war. Ebenso gab in mehreren Fällen von Abortivtyphus das Ficker- 
sche Diagnostikum viel ungünstigere Resultate. 

Im gauzen kommt G. zu folgenden Schlüssen: Das Diagnostikum steht 
in Bezug auf den zeitlichen Verlauf und die absolute Höhe der positiven 
Reaktion gut agglutinablen Typhusstämmen :nach. Diese geringere Agglutina- 
bilität hat zur Folge, dass gelegentlich Paratyphusbacillen vielfach stärker 
agglutiniert werden und dadurch eine ätiologisch irrige Diagnose verursacht 
sein kann, ferner aber, dass bei beginnenden Typhuserkrankungen die Reaktion 
noch negativ sein kann zu einer Zeit, zu der lebende Kulturen deutlich Agglu- 
tination geben. Als Vorteil sieht Verf. den Umstand an, dass es von dem 
Serum abgelaufener Typhuserkrankungen seltener und niedriger beeinflusst 
wird. Diese Vorteile aber werden von den Nachteilen reichlich über- 
wogen, so dass die Verwendung lebender Kulturen empfohlen und das Dia- 
gnostikum nur als Nothehelf angesehen wird. 

Hayo Bruns (Gelsenkirchen). 


Aaser P., Ueber die makroskopische Agglutinationsprobe beim 
Typhoidfieber. Berl. klin. Wochanschr. 1905. No. 10. S. 256. p 

Verf., der anscheinend ohne Kenntnis der Literaturangaben über das 
Fickersche Typhusdiagnostikum arbeitete, empfiehlt die makroskopische 
Agglutinationsprobe unter Verwendung abgetöteter Kulturen. Die Ab- 
tötung der Kulturen kann erfolgen durch Zusatz von Formalin, Chloroform 
oder Toluol, nicht jedoch durch Beifügung von Karbol oder durch Erwärmen 
auf 65%, da durch beide Verfahren die Agglutinabilität der Typhusbacillen 
vernichtet wird. Die makroskopische Probe soll auch bei Zimmertemperatur 
angewandt werden; man soll die Röhrchen zur Beobachtung 1—2 Tage lang 
stehen lassen. Verf. betont, dass man vollständig keimfrei arbeiten müsse, 
da verunreinigende Bacillen, die etwa in dem Serumkulturgemisch wachsen 
würden, je nach ihrer Wachstumseigenart entweder das Fehlen oder gerade 
das Auftreten einer Agglutination vortäuschen können. 

Ob die Methode einen Fortschritt in der Technik der Agglutination dar- 
stellt, muss dahingestellt bleiben; von Interesse sind manche Versuche des 
Vert.'s., so insbesondere auch die Ermittelung, dass natürliche Häufchenbildung 
(Pseudoagglutination) im stark alkalischen Nährböden (Peptonzuckerwasser) 
deutlich auftrat, dagegen in schwach alkalischem und schwach saurem Nähr- 
boden vollständig fehlte. Hayo Bruns (Gelsenkirchen). 


20? 


248 Immunität. Schutzimpfung. 


Ballner und v. Sagasser, Ueber die Bildung von homologen und hete- 
rologen Agglutininen im Tierkörper. Arch. f. Hyg. Bd. 51. S. 245. 
Mit Rücksicht auf die bereits mehrfach gemachte Beobachtung, dass manche 
Immunsera neben ihrer Agglutinationsfähigkeit gegenüber der homologen 
Bakterienart, welche also zu ihrer Erzeugung gedient hatte, auch manche 
beterologen Bakterienarten, oft in recht bedeutenden Verdünnungsgraden zu 
agglutinieren vermochten, sahen sich die Verff. veranlasst, „das quantitative 
Verhalten der Agglutinine verschiedenen Bakterienarten gegenüber in tieri- 
schen Normalseris einerseits, in den durch die verschiedenartigsten Immuni- 
sierungsprocesse gewonnenen Immunseris andererseits festzustellen. Zur 
Immunisierung dienten Bact. typhi, coli, dysenteriae, Vibrio cholerae, Bac. 
Friedländer, rosa Hefe, Bac. cholerae gallinarum, Schimmelpilzsporen, Bac. 
erysipelat. suum, Bac. rhinosclerom., Bac. tetani, Actinomyces hominis, Bac. 
anthracis, diphtheriae, ferner Erythrocyten von Kaninchen und Hund und end- 
lich Flimmerepithelien. 

Das Ergebnis dieser Versuche war ein höchst interessantes und wichtiges. 
Es liessen sich die verschiedenen gewonnenen Immunsera in mehrere Gruppen 
einteilen. 

Bei der ersten Gruppe, welcher das Typhus-, Coli-, Dysenterie- und 
Choleraimmunserum angehörte, fand starkes Ansteigen des Titers des homo- 
logen (Haupt-) Agglutinins statt, neben welchem jedoch auch heterologe 
Agglutinine vorhanden waren, deren Menge in mehr oder weniger erheblichem 
Grade gesteigert erschien. 

Bei der 'zweiten Gruppe handelte es sich um Bakterien, die selbst gar 
kein oder nur sehr wenig homologes Agglutinin zu erzeugen vermögen, während 
andere im Normalserum bereits vorgebildete Agglutinine beträchtlich in die 
Höhe gehen. In diese Kategorie gehörten die mit Bac. Friedländer, rosa Hefe, 
Hühnercholera, Schimmelpilzsporen, Schweinerotlauf, Rhinosklerom, Tetanus 
erzeugten Sera. Besonders auffallend waren die Ergebnisse bei den mit rosa 
Hefe erzielten Seren, welche die Hefezellen unverändert liessen, Typhus- und 
Dysenteriebacillen dagegen noch in Verdünnungen von 1: 1000 agglutinierten. 
Allerdings traten in dieser Beziehung deutliche individuelle Differenzen bei 
den verschiedenen immunisierten Tieren zu Tage. 

Verff. schliessen sich der Auffassung Wassermanns an, dass es sich 
bei den Immunagglutininen nur um eine gesteigerte Produktion der schon 
normaler Weise in vielen Seren enthaltenen Agglutinine handle. 

Bei einzelnen Iimmunisierungen (Bac. anthrac., Actinomyces, B. diphtheriae) 
liess sich jedoch überhaupt keine Steigerung des Agglutinationsvermögens 
erzielen. 

Es kann somit bei Immunisierungsprocessen der Organismus 
in verschiedener Weise reagieren: entweder specifisch, mit hohem 
Ansteigen des Agglutinins, oder nicht specifisch, mit Vermehrung 
der heterologen Agglutinine. „Eine Bakterienart, die nicht durch eine 
Seitenkette verankert wird, weil keine specifische Bindung erfolgt, kann da- 
ber kein homologes Agglutinin producieren, sondern gibt .. . Veranlassung 
zur Bildung verschiedener, annähernd gleich hochstehender Agglutinine. Es 


Immunität. Schutzimpfung. 249 


müsste nach der Seitenkettentheorie angenommen werden, dass die ungleich- 
mässig ausgebildeten haptophoren Gruppen der Ausgangskörper von den Seiten- 
ketten partiell verankert werden, so dass der Organismus, unfähig, specifisch 
zu reagieren, in einer ihm geläufigeren Form der Agglutininproduktion 
antwortet.“ 

Dass diese Tatsachen für die diagnostische Bedeutung der Widalschen 
Reaktion von grösster Wichtigkeit sind, ist selbstverständlich und wird von 
den Verff. des Näheren ausgeführt. Diesbezüglich sei auf das Original ver- 
wiesen. Paul Th. Müller (Graz). 


Ballner und v. Sagasser, Ueber specifische Bindung von Agglutininen 
bei Absorptionsversuchen. Arch. f. Hyg. 1904. Bd. 51. S. 266. 

Durch besondere Versuche, deren Technik im Original nachgesehen werden 
möge, wurde gezeigt, „dass eine homologe Bakterienspecies aus einem Immun- 
serum nur die ibr zukommenden Anteile des Gesanıtagglutinins, nicht aber 
auch Partialanteile, die eine andere Bakterienspecies agglutinieren, zu entziehen 
vermag. Andererseits bindet eine heterologe Bakterienart nur ihre Partialan- 
teile, nicht aber auch andere Anteile des Gesamtagglutinins, so dass dem- 
nach die Absorption der Agglutinine durch homologe wie hetero- 
loge Mikroorganismenarten als eine streng specifische Reaktion 
aufzufassen ist“. 

Eine Abspaltung der von den Bakterien gebundenen Agglutinine gelang 
den Verff. bei ihrer Versuchsanordnung nicht. 

Paul Th. Müller (Graz). 


Fischer H., Die Bedeutung der Agglutination zur Diagnose zur pa- 
thogenen und sapropbytischen Streptokokken. Centralbl. f. Bak- 
teriol. Abt. I. Bd. 37. S. 449. 

Die Untersuchungen des Verf. erstrecken sich auf 21 Streptokokken- 
stämme verschiedener Herkunft; 7 davon wurden zur Erzeugung agglutinie- 
render Sera beim Kaninchen verwandt. Die Resultate der sehr fleissigen 
Arbeit sind folgende: „Ein monovalentes Streptokokkenserum, welches mittels 
Streptokokken, die nicht durch Tierpassage verändert worden sind, hergestellt 
wnrde, agglutiniert stets den homologen Stamm. Ein solches Serum ist nicht 
imstande, sämtliche Streptokokken zu agglutinieren. Heterologe, nahe ver- 
wandte Stämme werden von dem Serum gleichfalls stark, bisweilen höher 
als der homologe Stamm, agglutiniert. Bei der Agglutination treten graduelle 
Unterschiede auf. je nachdem die Stämme mehr oder weniger verwandt sind. 
Eine Diagnose der saprophytischen und pathogenen Streptokokken 
lässt sich durch die Agglutination nicht stellen. Das sehr verschiedene Ver- 
halten der einzelnen Streptokokkensera gegenüber den heterologen Stämmen 
ist ein weiterer Beweis dafür, dass eine grosse Multiplicität der Streptokokken- 
stämme existiert. Beitzke (Berlin). 


250 Immunität. Schutzimpfung. Säuglingspflege. 


Bumm, Ueber Serumbehandlung beim Puerperalfieber. Berl. klin. 
Wochenschr. 1904. No. 44. S. 1145. 

Die Beurteilung der Wirkung des Streptokokkenserums ist schwierig, da 
oft spontane plötzliche Entfieberung und Heilung der Kranken eintritt nach 
anfangs bedrohlichen Erscheinungen. Wegen der überzeugenden Kraft des 
Tierversuches hat Verf. immer wieder auf das Streptokokkenserum zurück- 
gegriffen und berichtet nunmehr über seine 10 jährigen Erfahrungen. Von 
18 Fällen von allgemeiner septischer Peritonitis, Septikämie mit und ohne 
Endocarditis und von thrombophlebitischer Pyämie genas nur 1 Fall; in allen 
übrigen waren die Serumeinspritzungen ohne Erfolg. Unter 53 septischen 
Endometritiden waren 21 von vornherein leicht und erforderten kaum eine 
specifische Behandlung. Von den übrigen 32 schweren Fällen starben bei 
Serumbehandlung nur 6. Dass der günstige Ausgang der genesenen Fälle 
zum grossen Teil dem Serum zu verdanken ist, schliesst Verf. einmal aus dem 
klinisch offensichtlichen Einfluss der Seruminjektionen, zweitens aus dem Um- 
stande, dass sich 12 Stunden nach der Einspritzung stets eine lebhafte Phago- 
cytose der Streptokokken im Lochialsekret beobachten lässt, eine Erscheinung, 
die auch bei Spontanheilungen beim Eintritt der Entfieberung zu finden ist. 
Somit ist das Streptokokkenserum nicht imstande, über die ursprüngliche 
Eintrittspforte hinaus entstandene Läsionen, wie Phlegmonen, Peritonitiden, 
metastatische Abscesse u.s.w. klinisch nachweisbar zu beeinflussen. Sind die 
Streptokokken dagegen noch nicht über die Eintrittspforte am Endometrium 
hinausgelangt, dann kann man auf eine günstige Wirkung des Serums rechnen. 
Verf. empfiehlt möglichst frühzeitig zu injizieren und zwar stets 50 ccm oder 
mehr, 2—3 Tage hintereinander; der subkutanen Injektion ist unbedingt der 
Vorzug zu geben. Die Wirkungsweise des Serums erklärt sich Vef. in Ueber- 
einstimmung mit der Metschnikoffschen Schule als eine Stimulierung der 
Phagocyten. £ Beitzke (Berlin). 


Pröscher, Die Gewinnung von Antistaphylokokkenserum. Centralbl. 
f. Bakteriol. Abt. I. Bd. 37. S. 295. 

Durch intravenöse Injektionen von Staphylokokkenkulturen gelang 
es Verf. bei einer Ziege und einem Pferd wirksame Sera zu erhalten, von 
welchen 0,0004 bezw. 0,0003 cem gegen 0,1 ccm Staphylolysin und 1,5 ccm 
ein Kaninchen gegen die tödliche Kulturdosis schützten. Beide Sera agglu- 
tinierten hoch; jedoch stand der Agglutinationstiter in keinem Verhältnis zum 
Schutzwert des Serums. Beitzke (Berlin). 


Finkelstein H., Fürsorge für Säuglinge. Handb. d. Hyg. 4. Suppl.-Bd. 
S. 389. Jena. Gustav Fischer. S.-A. 20 Ss. 8°. Preis: 75 Pfg. 

Zu den Bestrebungen, welche auf eine Hebung des ganzen Niveaus der 
unteren Bevölkerungsschichten in materieller, hygienischer umd intellektueller 
Beziehung hinarbeiten, gehört auch die öffentliche Fürsorge für Säuglinge. 
Je nach den einzelnen Ländern ist dieselbe sehr verschieden organisiert. 


Säuglingspflege. 251 


Hauptsächlich sind das germanische und das romanische System zu 
unterscheiden. Als Beispiel des ersteren schildert F. die in Deutschland 
herrschenden Gebräuche. 

Die gesamte Erhaltungspflicht liegt hier wie beim ehelichen, so auch 
beim unehelichen Kinde den Angehörigen ob. Deshalb wird in beiden 
Fällen bei vorhandener Bedürftigkeit zunächst der Mutter die Armenunter- 
stützung zugewendet und erst, wenn keine genügende Sicherheit für gute 
Pflege von Seiten derselben vorhanden ist, tritt die vorübergehende oder 
dauernde Aufnahme in Waisenpflege ein. Eine schwierige Aufgabe erwächst 
der öffentlichen Fürsorge in der bevormundenden und beaufsichtigenden 
Tätigkeit, die feststellen soll, ob die Angehörigen den im Interesse des 
Kindes gesetzlich geltend zu machenden Forderungen auch wirklich nachkommen. 

Das uneheliche Kind hat nach $ 1705 ff. des B. G.-B. im Verhältnis zur 
Mutter und deren Verwandten die gleiche Stellung wie das eheliche Kind, 
während die elterliche Gewalt der Mutter nicht zu steht. Dem Vater liegen 
die Kosten der Entbindung, des Unterhalts für die ersten 6 auf dieselbe fol- 
genden Wochen und sonstiger nötiger Aufwendungen ob, auch muss er dem 
Kinde bis zum vollendeten 16. Jahre den der Lebensstellung der Mutter ent- 
sprechenden Unterhalt gewähren. Der Vormund nimmt die Interessen des 
Kindes wahr und übt die Kontrolle über die gesamte Pflege. Ihn beaufsichtigt 
der Waisenrat, den ehrenamtliche Waisenpflegerinnen hierbei unterstützen. 
Sehr zweckmässig erscheint die Einrichtung eines dem Armenamt zugeteilten 
Ziehkinderamtes, einer in Leipzig und Dresden getroffenen Neuerung. Hier 
ist die Ueberwachung der Säuglinge einem oder mehreren Aerzten unter 
Beistand bezahlter vorgebildeter Pflegerinnen übertragen. 

Von grösster Wichtigkeit ist natürlich die Fürsorge für die Kinder im 
Krankheitsfall, in welchem die Ueberweisung an den Armenarzt zu er- 
folgen hat. 

Für verlassene oder verwaiste Säuglinge iritt die Armenwaisen- 
pflege in Tätigkeit, die dem Kinde nicht nur lediglich einen Unterschlupf 
bieten, sondern ihm die Pflege der eigenen Mutter bezw. der eigenen Familie 
durch liebevolle stellvertretende Fürsorge nach Kräften ersetzen soll. Im all- 
gemeinen fallen die erwachsenden Kosten der Gemeinde zur Last, in 
welcher der Unterstützungswohnsitz der Mutter bezw. der Eltern sich 
befindet. 

Ganz anders ist die Organisation des romanischen Systems, das die 
bedingungslose und geheime Uebernahme des Säuglings in öffent- 
liche Fürsorge zum Prinzip hat. Hierdurch wird das Kind ökonomisch 
und verwandtschaftlich von den Angehörigen gelöst und zum Findling gestempelt. 
Das Findelbaus bidet allerdings keinen ständigen, sondern. nur einen vorüber- 
gehenden Aufenthalt für die Säuglinge. Auch wird die Findelpflege in dieser 
ganz schroffen Form der ausschliesslich geheimen Uebernahme nur noch in 
wenigen Staaten, wie Spanien, Brasilien und Teilen Italiens geübt. An man- 
chen Orten werden bei der Aufnahme in ein Findelhaus neuerdings Angaben 
über die Personalien verlangt ‘und eine Annäherung an das germanische System 
angestrebt. 


252 Säuglingspflege. 


In Frankreich ist das System der Säuglingsfürsorge, da der Still- 
stand der Bevölkerungszahl zu besonderen Anstrengungen Anlass gibt, sehr 
hoch entwickelt. Jede bedürftige Ehefrau wird durch das Bureau de 
bienfaisance, jede verlassene oder verwitwete Ehefrau durch die Assi- 
stance des Departements unterstützt, auch gelangt bei freiwilliger Ab- 
gabe sogar ein eheliches Kind als enfant assisté in staatliche Pflege. 
Die Haltepflege ist gerade in Frankreich durch die Loi Roussel vorzüglich 
geregelt. Alle gegen Entgelt bei Fremden in Pflege gegebenen Kinder unter- 
stehen bis zum vollendeten 2. Jahre der öffentlichen Aufsicht. Die 
Brustnahrung wird diesen Pflegekindern in Frankreich in grösserem Um- 
fange als in andern Ländern zu teil. Weitere Einzelheiten der dort und in 
anderen Staaten getroffenen Institutionen sind aus dem sehr lesenswerten 
Aufsatz selbst zu ersehen. 

Gegen die Findelpflege sind schwerwiegende ethische Bedenken 
mit Recht geltend gemacht worden, auch die schlechten gesundheitlichen 
Verhältnisse der Findelhäuser mit 60, stellenweise bis 70°/, Mortalität 
und der sehr hohe Kostenaufwand sprechen gegen das ganze System. 

In Deutschland hat das Bedürfnis nach einem schneller und erfolgreicher 
funktionierenden System an einigen Orten zu der Einrichtung der durch Art. 78 
des Ausführungsgesetzes zum B. G.-B. vorgesehenen Generalvormundschaft 
geführt, welche der Armenbehörde übertragen wird. Auf diesem Wege 
können die Säuglinge, namentlich wenn ein Notstand vorliegt, auf kürzestem 
und einfachstem Wege in Waisenpflege übernommen werden. Das System der 
Beaufsichtigung der Säuglinge wird erst dann befriedigende Erfolge erzielen, 
wenn ärztliche Kräfte in weitgehendem Masse hierfür herangezogen und ihnen 
ein massgebender Einfluss gewährt wird. 

Die Ergebnisse der öffentlichen Fürsorge sind sowohl bei dem romani- 
schen wie bei dem germanischen System nicht günstig. Besonders zuver- 
lässig sind die statistischen Angaben in Frankreich, wo man für die im Jahre 
1897 unter Aufsicht befindlichen Kinder unterhalb eines Jahres eine Sterb- 
lichkeit von 420, berechnet hat, während von den unter behördliche Pflege 
gestellten „Enfants assistes“ 250/ starben. 

Die staatliche Fürsorge für Säuglinge wird in mancher Beziehung noch 
wirkungsvoll ergänzt. Kinderschutzvereine, Vereine zum Zweck der Für- 
sorge für Schwangere und Wöchnerinnen finden ein segensreiches Feld 
der Tätigkeit. Man hat ausser den Wöchnerinnenheimen Säuglingsheime 
oder Säuglingsasyle mit grossem Erfolg ins Leben gerufen. Namentlich 
auf diesem Gebiete der Krankenfürsorge für Säuglinge hat noch viel zu 
geschehen. Es bedarf hier einer besonderen Organisation mit speciell 
ausgebildetem Pflege- und Aerztepersonal, einer genügenden Zahl von 
Ammen und vorzüglicher hygienischer Einrichtungen. Auch die 
Krippen werden bei hinreichender Berücksichtigung der hygienischen Forde- 
rungen Gutes leisten können. 

Schliesslich sind alle Bestrebungen von Bedeutung, die auf dieGewinnung 
und preiswürdige Abgabe einer hygienisch einwandfreien Kuhmilch 
hinzielen. Schumacher (Hagen i.W.). 


Säuglingspflege. Desinfektion. 253 


Trempp, Versorgung der Städte mit Kindermilch. Münch. med. Wochen- 
schr. 1904. No. 38. S. 1692. 

Da in Deutschland alljährlich etwa 200000 Säuglinge an den Folgen 
von Magendarmkrankheiten sterben, welche zu 75°, durch unzweck- 
mässige oder verdorbene Nahrung, speciell Kuhmilch verursacht 
werden, so ist die Beschaffung einwandfreier Kindermilch eine Frage 
von höchster Bedeutung. Der Staat, die einzelnen Kommunen und alle 
Vereine, welche die Linderung schwerer Notstände zu ihrer Aufgabe gemacht 
haben, sollten an der Lösung dieser wichtigen Aufgabe mitarbeiten. Namentlich 
den Frauenvereinen vom Roten Kreuz will Trumpp hier ein neues 
Feld der Tätigkeit zaweisen, indem sie die organisatorische Arbeit übernehmen 
und das Aufsichtspersonal stellen sollen, während die Beschaffung der nötigen 
Aerzte und Tierärzte Sache des Staates sein wird und die pekuniäre Unter- 
stützung den einzelnen Gemeinwesen zur Last fällt. 

Grosse Gutsverwaltungen sollen nach Tr.’s Vorschlag in der Nähe 
der Städte und zwar höchstens eine Bahnstunde entfernt, veranlasst werden, 
Stallung und Milchbetrieb nach bestimmten, den modernen Anforderungen ge- 
nügenden Grundsätzen einzurichten. 

Abgesehen von der peinlichsten Reinlichkeit ist eine genaue häufige 
Kontrolle des Gesundheitszustandes des Personals und der Kühe erforderlich. 

Trockenfütterung ist nicht unbedingt notwendig, wenn nur in 
Gärung übergehende und andere schädliche Futtermittel streng vermieden 
werden. 

Die gewonnene Voll- oder Magermilch und der Rahm wird sodann in 
grossen Gefässen den städtischen Centralen zugeführt, hier in entsprechen- 
der Weise verarbeitet bezw. mit den nötigen Zusätzen versehen und schliess 
lich in Einzelportionen nach Soxhlets Vorschrift abgefüllt und steri- 
lisiert oder pasteurisiert. Diese Flaschen müssen dann vor Gebrauch von den 
Müttern erwärmt und mit Saughütchen versehen werden. Möglichst zahl- 
reiche und den Abnehmern bequem gelegene Filialen, eventuell auch die 
Apotheken geben die Flaschen an die Verbraucher ab. Unbemittelte sollen 
die Milch umsonst, Arbeiterfamilien zum Selbstkostenpreise und Bemittelte 
um einige Pfennige teurer erhalten. Schumacher (Hagen i.W.). 


Hensgen, Leitfaden für Desinfektoren. Anleitung zur Vernichtung 
und Beseitigung der Ansteckungsstoffe. Im amtlichen Auftrage 
herausgegeben. Zweite veränderte Aufl. Berlin 1905. Verlag von Richard 
Schoetz, Luisenstr. 36. 77 Ss. 80. Preis: 1,50 M. 

Die Einteilung und Gliederung des Stoffes geht im wesentlichen von der 
Grandauffassung aus, von den Desinfektoren auch bakteriologische Kennt- 
nisse allgemeinster Art zu verlangen. Wenngleich wir ja aus Erfahrung wissen, 
dass wir bei dem heutigen Desinfektorenpersonal im allgemeinen nicht zu viel 
Intelligenz voraussetzen dürfen, so halte ich es doch für einen glücklichen 
Griff des Verf.’s, den Desinfektoren die Kenntnisse über Gestalt und Wesen 


254 Desinfektion. 


der hauptsächlichsten Krankheitserreger durch gemeinverständliche Erläute- 
rungen beibringen zu wollen. Diese Basis sollen die ersten 9 Abschnitte 
schaffen. In knapper Form bringen sie das Wichtigste, was die Desinfek- 
toren unbedingt wissen müssen, sollen sie nicht ganz mechanisch arbeiten, 
ohne zu wissen, weshalb die für sie komplicierten Desinfektionen notwendig 
sind. Der folgende Teil behandelt in verständlicher Form die Desinfektion 
im allgemeinen und die einzelnen, gebräuchlichsten Desinfektionsmittel. Das 
neue Ersatzmittel für Sublimat, Sublamin, findet noch keine Würdigung, ob- 
schon dasselbe in der Wirkung dem Sublimat nicht nachsteht, hingegen aber 
noch viel weniger giftig ist und auch andere Vorteile vor dem Sublimat hat. 
In dem Kapitel „Specielle Desinfektion“ kommen die Desinfektion von Körpern 
und Körperteilen zur Besprechung, sodann eingehend die von geschlossenen 
Räumen. Den breitesten Raum nimmt hier naturgemäss die Formalindesin- 
fektion der Wohnräume ein. Ein-Vorteil ist es, dass in diesem Abschnitt nicht 
einseitig auf einen bestimmten Apparat Bezug genommen wird, sondern die 
bekanntesten Verfahren beschrieben und durch übersichtliche Abbildungen er- 
läutert werden. Weiterhin weist der Verf. auf die Notwendigkeit der Dampf- 
desinfektion bei einer Anzahl von Krankheiten gebührend hin und beschreibt 
auch diese in gemeinverständlicher Weise an der Hand von Abbildungen. Für 
die Desinfektoren kommen für den Reg.-Bez. Arnsberg speciell eine Reihe 
von Verfügungen in Betracht, an der Hand deren sich jeder Desinfektor stets 
die erlassenen Bestimmungen ins Gedächtnis zurückrufen kann. Das Büchel- 
chen eignet sich infolge dessen ganz vortrefflich als ein Nachschlagebuch für 
den Desinfektor, als ein Handbuch auch für die Ausbildung der Desinfektoren, 
aber auch für die Gesundheitsaufseher, welche den Kreisarzt in der Seuchen- 
bekämpfung zu unterstützen haben. Die von der Kgl. Regierung zu Arnsberg 
am 6. Mai 1901 erlassene „Ordnung für Desinfektoren und Gesundheitsauf- 
seher“ sieht u. a. auch die Zulassung weiblicher Desinfektoren (Desinfektiösen) 
vor. Aus dem ganzen Leitfaden ersieht man, dass die Desinfektion zwecks 
Bekämpfung der ansteckenden Krankheiten im Reg.-Bez. Arnsberg nicht mehr 
in den Kinderschuhben steckt, sondern wohl durchdacht organisiert ist. Nar 
stellt die „Ordnung“ etwas zu grosse Anforderungen an den Gesundheitsauf- 
seher, was nur praktischen Erfolg haben kann, wenn die Gesundheitsaufseher 
mehr Intelligenz besitzen, als der Durchschnitt der Desinfektoren tatsächlich 
meistens besitzt. Jedenfalls ist der vorliegende Leitfaden in jeder Weise her- 
vorragend sowohl zur Ausbildung der Desinfektoren wie als Nachschlagebuch 
für diese und die sogenannten Gesundheitsaufseher. 
Engels (Gummersbach). 


Engels, Eugen, Die Desinfektion der Hände. Klin. Jahrb. Bd. 13. S.-A. 
158 Ss. 8%. Jena 1905. Gustav Fischer. Preis: 5,50 M. 

In einer sehr fleissigen Arbeit berichtet E. über sehr zahlreiche Desin- 
fektionsversuche, durch welche hauptsächlich ermittelt werden sollte, ob nicht 
durch Zusatz gewisser Desinficientien zum Alkohol bessere Erfolge 
in der Händedesinfektion erzielt werden könnten. 

Wollte er doch Häglers Standpunkt nicht teilen, der eine sichere Ent- 


Desinfektion. 255 


keimang der Handoberfläche auch nur für einen Augenblick als unmöglich 
betrachtet und von neuen Methoden auf dem „jetzt ausgebauten Gebiete“ der 
Händereinigung und Händedesinfektion keinerlei Fortschritte mehr erwartete. 

Zunächst prüfte E. die baktericide Wirkung der drei als besonders 
günstig bekannten Desinfektionslösungen auf Bakterienkulturen, und zwar des 
2proz. Lysoform-Alkohols, des 2 proz. Bacillol-Alkohols und des 
2proz. Sublamin-Alkohols. Diese in 99 proz. Alkohol gelösten Desinfi- 
cienta entfalteten gegenüber Bakterienkulturen einen etwas höheren Wirkungs- 
grad als die entsprechenden wässerigen Mischungen. Gute Dienste leistete 
E. namentlich die Granatenmethode, welche er durch Verwendung eines 
besonderen Haarnetzbänkchens modificierte und dadurch zu einem be- 
sonders exakten Verfahren machte. 

Sodann wurden die auf verschiedene Methoden desinficierten Hände mit 
Hilfe des Paul-Sarweyschen Kastens geprüft. Herangezogen wurden die 
Heisswasser-Alkohol-Desinfektionen (die Ahlfeldsche Methode), die 
Seifenspiritus-Desinfektion nach v. Mikulicz, die Desinfektion mit 
Alkobol-Formalinmischung, mit Lysoform-Alkohol, mit Bacillol- 
Alkobol und mit Sublamin-Alkohol. 

Da bei Heisswasser-Alkohol-Desinfektion die oberflächlich gele- 
genen Mikroorganismen abgetötet wurden, die tiefer verdeckt liegenden dagegen 
lebensfähig blieben, empfiehlt E. dieselbe nur für kurzdauernde, nicht aber 
für geburtshilflicbe und chirurgische Operationen. 

Die Seifenspiritus-Waschung ergab nicht einmal eine erhebliche Keim- 
verringerung, geschweige denn Keimfreiheit, so dass der Vorzug der bei diesem 
Verfahren erzielten Zeitersparnis nicht mehr ins Gewicht fallen dürfte. 

Formaldehyd-Alkohol entfaltet sichere baktericide Wirkungen in 
1—2jund 3 proz. Lösungen, ist aber wegen des stets auftretenden Hautekzems 
und des unangenehmen scharfen Geruches zur Händedesinfektion schlecht 
verwendbar. 

Dagegen übertrifft der 2 proz. Lysoform-Alkohol sowohl die Seifen- 
spiritus- als auch die Heisswasser-Alkohol-Desinfektionsmethode an Wirk- 
samkeit. 

Bei der Waschung mit Bacillol-Alkohol wird die Haut durch den 
seifigen Anteil des Bacillols weich, geschmeidig und locker, so dass dann so- 
wohl der Alkohol, wie der Kresolbestandteil des Bacilluls unschwer in die 
Hauttiefe eindringen und die dort verborgenen Mikrobien erreichen und ab- 
töten kann. 

Diese ausgezeichnete Wirkung des Bacillol-Alkohols wird noch vom Sub- 
lamin-Alkohol übertroffen. Der letztere hat so stark entkeimend ge- 
wirkt, dass E. auf eine Zeit hoffen zu dürfen glaubt, wo’ mit Hilfe noch weiter 
vervollkommneter Kombination von Desinficientien eine absolute Entkei- 
mung der Hände sich erzielen lassen wird. 1—3 proz. Sublaminlösungen 
in 99 proz. Alkohol wirken sehr baktericid, namentlich auch auf tiefeinge- 
bettete Bakterien, ohne die Haut oder die Instrumente irgendwie an- 
zugreifen. Die Haut wird aufgelockert und geschmeidig. Da leider 


256 Desinfektion. 


die Sublaminpastillen in Alkohol nur zum Teil löslich sind, ist es erforderlich, 
diesem Uebelstande in wirksamer Weise abzuhelfen. 

Die Nachprüfung der Krönig-Blumbergschen Methodik mit Einschiebung 
des Tierexperimentes misslang, da der verwendete Tetragenus einen zu 
geringen Virulenzgrad besessen hatte, die Kontrollmaus dementsprechend am 
Leben blieb und andere Tetragenuskulturen von ausreichender Virulenz absolut 
nicht zu beschaffen waren. 

Das kulturelle Verfahren unter Benutzung des Paul-Sarweyschen sterilen 
Kastens nach künstlicher Infektion der Hände mit Tetragenus lehrte, dass die 
fraglichen Keime durch den 2 proz. Lysoform- bezw. Bacillol-Alkohol und 
durch den 2 proz. Sublaminalkohol an den Händen mit Sicherheit vernichtet 
und unschädlich gemacht werden. 

Schwerer als Tetragenus waren durch die 3 genannten Desinfektionsmittel 
Staphylokokken an den Händen abzutöten, doch war auch hier der desinfek- 
torische Effekt ein verhältnismässig hoher. 

Bei der Erklärung der guten Desinfektionsresultate kommen ausser der 
Schwebefällung, den fettlösenden und den luftverdrängenden Eigen- 
schaften des Alkohols, bauptsächlich die Heranbringung des Desin- 
ficiens an von Fett möglichst befreite Bakterien in Betracht. 

E. kommt deshalb zu der Schlussfolgerung, dass man in Zukunft bei Hände- 
desinfektionen weder den Alkohol allein, noch in Verbindung mit 
einem in Wasser gelösten Desinficiens nach Fürbringers Verfahren 
verwenden solle. Vielmehr soll die Zusammenziehung der letztgenannten 
Methode, indem das Desinfektionsmittel in alkoholischer Lösung ange- 
wendet wird, als der weitaus sicherste und zuverlässigste Weg zur 
absoluten Entkeimung der Hand angesehen werden. 

E. empfiehlt für die Praxis, eine 10 proz. Sublamin-Lösung vorrätig 
zu halten, zu welcher 96 ccm 50 proz. Alkohol und 0,15 ccm 1 proz. Eosin- 
lösung nebst 10 g Sublamin verwendet werden. Von dieser Stammlösung 
braucht man dann nur das nötige Quantum in Alkohol zu lösen, um die ge- 
wünschte 1—3 proz. Sublaminlösung zu gewinnen. 

E. wünscht zum Schluss eine gründliche Nachprüfung seiner Versuche 
und zwar besonders an Hebammenschulen, da an deren Schülerinnenmaterial 
am leichtesten eim zutreffendes Urteil über die praktische Brauchbarkeit der 
kombinierten Alkohol-Desinficientien zu gewinnen sein würde. 

Schumacher (Hagen i.W.). 


Fromme und Gawronsky, Ucber mechanische Sterilisation der Gummi- 
handschuhe. Münch. med. Wochenschr. 1904. No. 40. S. 1773. 

Die Verff. haben die schon von Dettmer und von Wandel und Hoehne 
angestellten Versuche, die Handschuhoberfläche auf mechanischem 
Wege zu entkeimen, mittels einer vervollkommneten Versuchsanordnung 
nachgeprüft. Die Forderung Wormsers, jedesmal neue steril verpackte 
Gummibandschuhe mitzuführen, stösst namentlich wegen des Kostenpunktes 
in der Praxis auf grosse Schwierigkeiten. Um so wertvoller werden uns 
aber die Gummihandschube, wenn es durch eine gründliche mechanische 


Verschiedenes. 257 


Reinigung der unverletzten Handschuhoberfläche gelingt, völlige Sterilität 
derselben auf leichte und einfache Weise zu erzielen. 

Aus allen Versuchen. auf deren Einzelheiten hier nicht des näheren ein- 
gegangen werden soll, erhellt, dass eine einfache Heisswasser-Seifen- 
waschung zur Erzielung der Keimfreiheit der Handschuhe nicht genügt. 
Lässt man dagegen dieser Waschung, welche 4 Minuten zu dauern hat, eine 
2 Minuten lange Sublimatwaschung nachfolgen, so wird die glatte 
Handschuhoberfläche, selbst wenn sie zuvor mit infektiösem Eiter verunreinigt 
war, sicher steril. Dettmer sowie Wandel und Hvebne, welche bei ihren 
bakteriologischen Versuchen feste Nährböden verwendet hatten, wollten auf 
Sublimatwaschung verzichten und behaupteten, allein durch Wasser-Seifen- 
waschung zum Ziele gelangen zu können. Das gegensätzliche Kesultat von 
Fromme und Gawronsky beruht wohl auf der grösseren Empfindlichkeit 
und Exaktheit des Verfahrens, bei dem den flüssigen Nährböden die Haupt- 
rolle zufiel. 

Die Verff. empfeblen deshalb für die Praxis das Mitführen nicht- 
steriler Handschuhe, die auf dem angegebenen einfachen Wege, sowohl vor 
einer einzelnen Operation, als auch, wenn wir einer 'unsauberen Operation 
einen streng aseptischen Eingriff folgen lassen, stets absolut keimfrei zu machen 
‚sind. Wenn die allgemeine Erfahrung diesen Versuchen Recht geben wird, 
so dürfte sich der Verbreitung und Anwendung der Gummihandschuhe noch 
ein weites Feld eröffnen. Schumacher (Hagen i.W.). 


Paschkis, Heinrich, Kosmetik für Aerzte. Dritte, umgearbeitete und ver- 
mehrte Auflage. Wien 1905. Alfred Hölder, I. Rotenturmstr. 13. VIL und 
335 Ss. gr. 80. Preis: 6,80 M. 

Seit dem Erscheinen der ersten Auflage vor etwa 11/, Jahrzehnten er- 
freute sich die bereits 1893 in zweiter herausgekommene ärztliche Kos- 
metik einer um so grösseren Beliebtheit, als die Handbücher der Gesundheits- 
pflege und Diätetik über das betreffende Gebiet meist kurz hinweggehen. 
Dabei zählen Reinigungsmittel, Haarpomaden, Schminken, Depilatorien und 
dergl. doch mit kaum geringerem Rechte, als Gewürze, Luxusgetränke oder 
Seife zur Öffentlichen Gesundheitspflege. Denn das hierbei Ausschlaggebende 
ist im wesentlichen die aus der Allgemeinheit der Verwendung folgende ge- 
sundheitliche Gefährdung einer Vielzahl von Menschen. 

Der Verf. bringt nach einer kulturgeschichtlichen Einleitung über die 
„Schönheit der Formen“ den reichen Stoff in vier Abschnitte: Haut, Haare, 
Nägel und Mund. Ausser den Kosmetica im engeren Sinne finden sich auf 
Haut und Haare angewandte Arzneien, wie Jod, Schwefel, Metallsalze, Fuss- 
schweissmittel, Depilatorien und dergl., berücksichtigt. Von den Zusätzen in 
der dritten Auflage sind hervorzuheben ein Anhang (zum 1. Abschnitte) über 
Massage (S. 194—205), insbesondere die durch 3 Abbildungen (Fig. 3—5) 
veranschaulichte des Gesichts; ferner das Kapitel: Epilation, worin die Er- 
fahrangen des Verf.’s über Elektrolyse (Fig. 6—8), und Galvanokaustik zur 


258 Verschiedenes. 


Geltung kommen. Hierbei werden auch die X-Strahlen eingehend (S. 265 bis 
272) gewürdigt, wobei der Verf. zu dem Ergebnisse gelangt: „die Elektrolyse 
ist eine leicht zu erlernende und zu handhabende, nicht von "Zufälligkeiten 
abhängige, sicberen und dauernden Erfolg verbürgende Methode; die Behand- 
lung mit Röntgenstrahlen ist in der Methodik unsicher, in der Anwendung 
gefährlich, ihre Erfolge sind zweifelhaft, beziehungsweise negativ“. S 
Ein ausführliches alphabetisches Sachregister erleichtert die wissenschaft- 
liche Verwertbarkeit der zahlreichen Einzelheiten, zu deren ausgiebiger Aus- 
nutzung bei weiteren Auflagen noch die Anfügung eines ebensolchen Namen- 
Registers beitragen würde. Ausstellungen lassen sich bei solcher Fülle von 
Tatsachen hie und da machen; nur einige seien hier beigebracht weniger 
ihrer Erheblichkeit wegen, als zum Nachweise, dass der Berichterstatter mit 
Teilnahme gelesen hat. Neben dem stinkenden Atem und dem Stinkschweisse 
hätte die Ozaena eine Stelle verdient; die Nase erscheint überhaupt etwas 
stiefmütterlich behandelt. Bei den Ohren wird zwar der Verkleinerung und 
des Schminkens gedacht, jedoch keine Stellung zu der häufigeren Durch- 
bohrung des Läppchens genommen. Die Entfärbung der durch Kaliumperman- 
ganat erzeugten Bräunung geschieht zweckmässiger, als durch Oxalsäure (S. 248), 
wit schwefliger Säure, die seit Jahren in haltbarer, wässeriger Lösung (1,024 
= 40/ 502) im Handel billig (kg = 30 Pfg.) zu haben ist. Das von Martial, 
II 74. erwähnte Epilatorium „Dropax“ ist nicht, wie (Seite 15) angegeben, ` 
„unbekannt“, sondern anscheinend der griechische öpwraf oder dpwra&, ein 
Pechpflaster. Dasselbe gilt (S. 14) von den: „Mattiacas pilas“ desselben 
Dichters (XIV,27), die handschriftlich unter „Sapo“ geführt und als Mar- 
burger Seifenkugeln aus Ziegentalg und Buchenasche gedeutet werden.- 
Helbig (Radebeul). 


Sperling, Arthur, Gesundbeit und Lebensglück. Aerztlicher Ratgeber 
für Gesunde und Kranke. Berlin 1904. Ullstein & Co. 762 Ss. 8°. 
Preis: 7,50 M. 

Der ansehnliche, mit zahlreichen guten Abbildungen versehene Band be- 
trachtet die Hygiene vom Standpunkt der Pflege und Behandlung 
des Geistes und der gesunden und kranken Nerven. In unserer Zeit, wo 
Nervosität und Nervenkrankheiten weitaus im Vordergrunde stehen, wendet 
sich der Verf. an alle Gebildeten, um sie zu belehren, und an die Aerzte, 
um ihnen Anregungen zu geben. Hoffentlich wird der erstere Zweck ebenso 
vollständig erreicht, wie dies mit dem letzteren der Fall sein wird, obwohl 
bei der eigentümlichen Anordnung des Stoffes Wiederholungen nicht ver- 
mieden siud, wie schon aus der nachstehenden kurzen Inhaltsangabe hervor- 
gehen wird. 

Zunächst wird der Wert der Gesundheit für den Einzelnen, die Familie, 
die Gesellschaft erörtert und hieraus die Notwendigkeit der Erziehung zur 
Gesundheit abgeleitet, die sich nicht blos auf den Körper, sondern auch 
auf den Geist und den Willen erstrecken soll. Der nächste Abschnitt be- 
handelt die Abhängigkeit des Menschen von der Aussenwelt und 
zeigt, wie der menschliche Organismus, ein Produkt von Geburt und Erziehung, 


Verschiedenes. 259 


durch die Einwirkungen der Aussenwelt im Gange erhalten wird, wie die 
Nahrungsmittel, Luft, Licht ibm Spannkräfte zuführen, die durch Nerven- 
tätigkeit in lebendige Kräfte verwandelt werden. „Gesundheit ist der 
normale Ablauf der Bewegung der Moleküle in unserm Körper —. 
Die Einflüsse der Aussenwelt so zu modificieren, dass sie uns 
keinen Schaden tun, und den Körper so zu stärken, dass jene ihm 
nichts anhaben, das ist die Kunst.“ Hi@rauf folgt eine Schilderung der 
kolle der Nerven im Organismus und eine sehr ins Einzelne gehende 
Darstellung der Entwickelung, des Baus und der Tätigkeit des mensch- 
lichen Nervensystems und seiner einzelnen Teile, Gehirn, Kopfmark, 
Rückenmark, Bewegungsnerven, Empfindungsnerven, Sympathikus, Sinnesor- 
gane, Vagus und Rückenmarksnerven. „Leben und Nervenleben“, „Ner- 
vosität und Nervenkrankheit“, „Individuelles Nervenleben“, „Ueber 
den Schmerz“, „Ueber den Schlaf“, Ueber die Ursachen der Nervosität 
und Nervenkrankheit“, „Vorsicht mit dem Alkohol“, „Wenn sich 
die Nerven melden“ sind die Ueberschriften der sich anschliessenden Ab- 
schnitte. Nun erst folgt der besonders anziehend geschriebene Teil über die 
„Gesundheitspflege im täglichen Leben“ mit den Unterabteilungen 
„Erziehung unserer Nerven zur Gesundheit und Leistungsfähigkeit“, 
Geistige Zucht als Mittel, Arbeit als Quelle der Gesundheit, Luft 
und Licht, Wohnung und Kleidung, Waschen und Baden, Tägliche 
Leibesübungen, Sport, Spiel und Turnen, Essen und Trinken. 
Hieran schliesst sich eine alphabetische Aufführung und teils nur kurze Ueber- 
setzung und Begriffsbestimmung, teils ausführlichere Beschreibung von Krank- 
heiten und Krankheitszeichen der Nerven und eine Schilderung der Heil- 
mittel für Nervenkranke, unterschieden als psychische, physikalische und 
Massage. Den Schluss bilden eine Anleitung für „Erste Hülfe bei plötz- 
lichen Erkrankungen und Unglücksfällen“ und eine Liste der deutschen 
Kurorte und Anstalten für Nervenkranke. Globig (Berlin). 


Esch W. G., Zur Erkältungsfrage. Zeitschr. f. diätet. u. physikal. Therapie. 
Bd. 8. S. 670. 

Manche ältere Arfschauung, die ein übertriebenes Streben nach wissen- 
schaftlicher Exaktheit leichthin beseitigt hatte, erhält durch die neueren For- 
schungen wieder Daseinsberechtigung und wird nachträglich als begründet 
und richtig erkannt. Die Lehre von dem Wesen der Erkältung hat allerlei, 
Wandlungen durchmachen müssen. Die älteste Retentionstheorie lehrte 
die Unterdrückung der Hautsekretion als Folge der Abkühlung 
mit dadurch verursachter Zurückhaltung schädlicher Stoffe, deren Ablagerung 
io irgend einem Organ eine Erkrankung desselben nach sich zog. 

An die Stelle dieser zugleich mit der Humoralpathologie beseitigten 
Lehre trat dann die Reflextheorie, welche reflektorisch durch Kälteein- 
wirkung auf die sensiblen Nerven allerhand sensible, motorische, vasomoto- 
rische und trophische Störungen entstehen liess. 

Danach wurden die sogenannten Erkältungskrankheiten von Seiten der 


260 Verschiedenes. 


„reinen“ Bakteriologen einfach für Infektionen erklärt, doch liess sich 
gerade diese Auffassung am kürzesten aufrecht erhalten. 

Von besonderer Bedeutung ist die Erkenntnis geworden, dass der Dispo- 
sition erhöhte Beachtung geschenkt werden müsse, da dieselbe sowohl bei 
den Infektions- wie bei fast allen übrigen Krankheiten eine sehr wichtige 
Rolle spielt. „Die Disposition ist aufzufassen als eine erworbene oder 
ererbte Minderwertigkeit des Körperprotoplasmas, als eine Kon- 
stitutionsverschlechterung oder herabgesetzte Vitalität, infolge deren 
der Organismus auf bestimmte Reize in krankhafter Weise reagiert.“ Hervor- 
gerufen wird dieser Zustand abgesehen von allerhand sonstigen Schädlichkeiten 
durch eine nach Menge und Beschaffenheit unrichtige Ernährung, die eine 
fehlerhafte Verarbeitung der Nahrungsstoffe und ungenügende Tätigkeit der 
Ausscheidungsorgane zur Folge hat. 

Wenige Momente sind aber für das Zustandekommen von Erkrankungen 
ähnlich bedeutsam wie Kältereize, welche die Körperoberfläche treffen. Die 
Haut ist ein überaus wichtiges Organ, da es in seinem enormen Kapillar- 
netz ?/, der gesamten Blutmenge in sich aufnehmen kann. So ist sie für die 
Cirkulation und die Wärmeregulierung äusserst wichtig und leistet auch 
bei der perspiratorischen und exosmotischen Ausscheidung von 
toxischen Stoffwechselprodukten, „Leukomainen*, wertvolle Dienste. 
Kältereiz vermag diese Tätigkeit zu unterbrechen, und das in der Haut be- 
findliche mit Ausscheidungsstoffen überladene Blut infolge der reflektorischen 
Gefässverengerung nach dem Körperinnern zurückzudrängen und dort zu stauen. 
Bleibt dann die natürliche Reaktion mit dem Zurückströmen des gestauten 
Blutes zur Haut ans, so erfahren die betroffenen Organe eine entzündliche 
oder katarrbalische Schädigung, während dank dem Fehlen der nor- 
malen Widerstandskraft der Gewebe der Boden für das Eindringen und Ein- 
nisten pathogener Mikroorganismen vorbereitet wird. 

„Die Erkältungskranukheiten entstehen“ nach Ansicht des Verf.’s 
„also hämatogen durch Kongestionierung prädisponierter Organe 
mit dysämischem Blut“. Diese Vorgänge aber spielen sich ziemlich genau 
im Sinne der alten Retentionstheorie ab. 

Wenn auch diese Anschauung bisher noch nicht übBrall durchgedrungen ist, 
so erhofft E. derselben doch den Sieg und wünscht, dass die Aerzte „an Stelle 
der ewig wechselnden therapeutischen Mode einheitliche und bleibende Gesichts- 
punkte für die Behandlung“ bei Annahme seiner Theorie gewinnen mögen. 
Eine gesundheitsgemässe Lebensweise wird die Anhäufung toxi- 
scher Produkte im Blut und die daraus erwachsende Gewebsschädigung 
verhüten müssen. Reichliche Luftzufuhr und Lungengymnastik, 
Muskelübung und gute Pflege des Hautorgans, einhergehend mit einer 
verständnisvollen Reform unserer Kleidung sind die Hauptfaktoren für die 
Erzielung einer kräftigeren Oxydation, einer genügenden Durchblutung und 
Ausscheidungsfähigkeit von Lungen, Nieren und Haut. 

. Schumacher (Hagen i.W.). 


Kleinere Mitteilungen. 261 
Kleinere Mitteilnngen. 


(:) Deutsches Reich. Aus dem 25. Jahresberichte des Vereins für 
Kinderheilstätten an den deutschen Seeküsten. 

Im Seehospiz „Kaiserin Friedrich“ inNorderney wurden im Jahre 1904 
insgesamt 978 Kinder, einschliesslich 43 Pensionärinnen und 1 Pensionär verpflegt. 
Die durchschnittliche Aufenthaltsdauer eines Pfleglings betrug 56,54 Tago im Hospitz 
und 44,27 Tage im Pensionat. Zur Beurteilung des Kurerfolges kamen nur 973 Kinder 
in Frage; von diesen wurden 699 bis zu 6 Wochen und 274 über diese Zeit hinaus be- 
handelt und von den ersteren (den letzteren)als geheilt 274—39,20°/, (130—47,44%/,), 
als gebessert 265—37,91°/, (69—25,18°/o), als ungeheilt 114—16,30%/, (23—8,390/,) 
entlassen. Es litten an Anämie im ganzen 451, an Anämie mit Nervosität 49, an 
Tuberkulose der Lungen, Gelenke, Knochen, Drüsen 64, an Skrofulose und Rachitis 
236, an Erkrankungen der Atmungsorgane 146 Kinder. In den Winterbetrieb waren 
100 Pfleglinge übernommen worden. Während ihres Aufenthaltes in der Anstalt 
wurden einige Pfleglinge von Masern befallen, die Erkrankungen nahmen duıchweg 
einen leichten Verlauf. Zu Beginn des Berichtsjahres waren 3 Todesfälle zu verzeichnen, 
und zwar einer an Lungenembolie, einer an Tuberkulose und einer an plötzlich auf- 
tretender Bauchfellentzündung. Gewichtszunahmen wurden bei 374 Knaben bis zu 
11,1 kg, bei 410 Mädchen his zu 9,0 kg und bei 39 Pensionärinnen bis zu 11,9 kg 
festgestellt; das Körpergewicht blieb gleich bei 4 Knaben und 3 Mädchen und nahnı 
ab bei 26 Knaben, 9 Mädchen und 2 Pensionärinnen. An Bädern wurden 9256 warme 
und 3902 kalte verabfolgt. 

Im Hospital in Wyk auf Föhr wurden im Berichtsjahre 504 Kinder behandelt 
und zwar 458 während 6 Wochen und 46 über diese Zeit hinaus. Von den ersteren 
iden letzteren) wurden als geheilt bezw. wesentlich gebessert 290—63,32°/, 
132—69,58%/), als gebessert 165—36,03%/, (14—30,42°/), und als ungeheilt 3 ent- 
lassen. An Anämie litten 95, an Anämie und Rachitis, Nervosität oder Skrofulose 51, 
an Tuberkulose der Lungen, Haut, Knochen, Gelenke 15, an Skrofulose und Rachitis 228, 
an Erkrankungen der Atmungsorgane 40, an Magendarmkatarrh 4. Eine Gewichts- 
zunahme bis zu 6,7 kg wurde bei 487 Kindern festgestellt. Das Gewicht blieb gleich 
hei 4 und nahm bis zu 1,8 kg bei 13 Pfleglingen ab. Es wurde 4691 mal warm und 
1555 mal kalt gebadet; ausserdem wurden 107 Dampf-, 5043 Luft- und 10 elektrische 
Bäder verabfolgt. 

Das Friedrich Franz-Hospiz in Gross-Müritz verpflegte während des 
Berichtsjahres 363 Kinder. Auf jedes Kind kamen durchschnittlich 42,22 Verpflegungs- 
tage. und es wurden 70 Pfleglinge—=19,3°/, als geheilt, 109—30,0°/, als sehr ge- 
bessert, 179—48,3°/, als gebessert und 5—=1,3°/, als nicht gebessert entlassen. An 
Krankheiten wurden behandelt u.a.: Anämie 105mal, Skrofulose und Rachitis 140 mal, 
Atrophie und allgemeine Schwäche 39 mal, Tuberkulose der Knochen Imal, Katarrh 
der Lungenspitzen 22 mal. Ein Knabe erkrankte kurz nach seiner Ankunft an Schar- 
lach: eine Weiterverbreitung der Krankheit fand nicht statt. Gewichtszunahmen bis 
za 6,4 kg wurden bei 287 Kindern festgestellt, während Gewichtsabnahme nur 6mal 
eintrat. Es wurden 2931 warme und 5583 kalte Bäder verabfolgt. Der Anstaltsbetrieb 
dauerte vom 16. Mai bis 29. September. 

Im Hospiz in Zoppot bei Danzig erhielten 190 Kinder ärztliche Behandlung. 
Die Zahl der Verpflegungsdauer betrug 6847; die durchschnittliche Aufenthaltsdauer 
eines Kindes 36 Tage. Der längste Aufenthalt eines Pfleglings währte 108 und der 
kürzeste 7 Tage. Von den Kindern litten u.a. 36 an allgemeiner Körperschwäche, 64 an 
Blutarmut, 53 an Skrofulose, 13 an tuberkulösen Gelenkentzündungen, 8 an Bronchial- 
katarrh. Als geheilt wurden 105=55,2°/o, als bedeutend gebessert und;gekräftigt 54, 


262 Kleinere Mitteilungen. 


als leicht gebessert 17 und als gekräftigt 12 entlassen. Die Gewichtszunahme betrug 
bei 176 Kindern bis zu 6,0 kg; das Körpergewicht blieb gleich bei 10 und nahm ab 
bis zu 1,5 kg bei 4 Pfleglingen. Die Zahl der verabfolgten warmen Bäder betrug 106 
und die der kalten 3990. (Veröff. d. Kais. Ges.-A. 1905. No. 41. S. 1109.) 


(:) Schlechte Abortverhältnisse in einigen bayerischen Städten. 

Man schreibt der Soz. Praxis: die Wohnungserhebungen in einer Anzahl bayeri- 
scher Städte lassen neben anderen socialhygienischen Momenten namentlich in Bezug 
auf den Stand des Abortwesens interessante Streiflichter erkennen. In Nürnberg 
entsprachen der Normalforderung, wonach jede Wohnung einen eigenen allein benützten 
Abort haben soll, 61,98°/,, in Ausgsburg 41,60°/,, in Fürth 35,4°/, der vorhandenen 
Wohnungen. Häuser, die gar keine Abortanlagen aufweisen, gibt es in Nürnberg 54, 
in Augsburg 27, in Fürth 22, in Schwabach 73, in Nördlingen 71. Die Zahl der 
Wohnungen, die keinen Abort haben, beläuft sich in Augsburg auf 107=0,52°/,, in 
Fürth auf 660,47 °/,. Die Höchstzahl der Wohnungen, welche auf einen Abort an- 
gewiesen sind, beträgt in Fürth 12, in Nürnberg 13, in Augsburg 17. Die höchste 
Anzahl von Personen, denen nur ein Abort zur Verfügung steht, beläuft sich in Fürth 
auf 41, in Nürnberg auf 57, in Augsburg auf 60. In Augsburg lebt ein Fünftel aller 
in Hauseigentümer- und Mietwohnungen lebenden Personen unter ungünstigen Abort- 
verhältnissen und zwar lediglich aus dem Grunde, weil der jeweils zur Verfügung 
stehende Abort von Massengruppen von 16—60 Personen oder noch von fremden 
Menschen benutzt werden muss. In Nürnberg war dies beim zehnten Teil der Personen - 
‚ler Fall. Der Mangel an Aborten unter der Bevölkerung ist gross. Damit wenigstens 
‚las Ziel erreicht wird, dass alle Personen überhaupt einen Abort haben und schlech- 
terdings nicht mehr als je 15 bezw. 10 Personen auf einen Abort angewiesen sind, 
müssen in Augsburg im ganzen 360 bezw. 1183 Aborte neu gebaut, bezw. Abortan- 
lagen ausgebaut werden. Die Aborthygiene liegt in vielen Punkten schr im argen. 
Lage und Beschaffenheit der Aborte, Mängel in Bezug auf Sitte und Anstand, die 
Ableitung der Fäkalien und andere Beanstandungen ergänzen die obigen Zahlenan- 
gaben zu einem höchst unerfreulichen Gesamtbilde, welches den Fortschritten in 
Kultur und Hygiene höhnisch ins Gesicht schlägt. 

(Münch. med. Wochenschr. 1905. No. 46.) 

(:) Aus dem Jahrbuche der Medizinalverwaltung in Elsass-Loth- 
ringen. (17. Bd. Jahrg. 1905.) 

Lebendgeboren wurden 1903: 51626 Kinder oder 30,0 (1898/1902 im Mittel 
31,0) auf je 1000 Einwohner, darunter 3554 (3933) ausserehelicher Abkunft, totge- 
boren 1563 (1633) einschl. 135 (180) ausserehelicher. Auf 100 Geburten kamen 2,9 
(3,1) Totgeburten, auf 10000 Einwohner 21,5 (24,5) aussereheliche Geburten über- 
haupt. Der Geburtenüberschuss bezifferte sich auf 16823 (17089). 

Gestorben sind 34503 Personen oder 20,2 (20,8)°/o der Bevölkerung. Im 
1. Lebensjahre starben 9776 Kinder oder 18,9 (18,8) von 100 Lebendgeborenen. Dem 
Typhus erlagen 261 Personen (auf 100000 Einwohner 15), dem Kindbettfieber 78 
(auf 1000 Geburten 1,5), Masern und Röteln 270 (auf 100000 Einwohner 16), Keuch- 
husten 621 (36), Scharlach 86 (5), Diphtherie und Croup 233 (14), Lungenschwind- 
sucht 3851 (223), Krebs und anderen Geschwülsten 1433 (83), Gehirnschlag 1363 (79), 
Krankheiten der Atmungsorgane einschl. Influenza 5757 (335), Magen- und Darm- 
katarrh 4033 (237), durch Selbstmord 236 (14), durch Verunglückung 898 (52). 

Von 47638 Impf- (37094 Wiederimpf-)ptlichtigen wurden 88,1 (88,4)%/, mit 
2,8 (9,3) ohne Erfolg, 0,2 (0,1) mit unbekanntem Erfolg geimpft. Zu den Impfungen 


Kleinere Mitteilungen. 263 


diente ausschliesslich animale Lymphe. Wegen vorschriftswidriger Entziehung blieben 
20 10,4) "/, ungeimpft. 

Zur Anzeige gelangten im Jahre 1904 1777 Erkrankungen anScharlach, 2051 
an Diphtherie, 1925 an Typhus, 127 an Kindbettfieber, 1 an Lepra, in der Zeit von 
April bis December 1904 18 an Ruhr und von März bis December 1904 50 an Pocken. 

Wegen Diphtherie wurden 1904 in Strassburg 56 Desinfektionen vorge- 
nommen, wegen Scharlach 73, wegen Typhus und Typhusverdachts 327, wegen 
Masern 6, wegen Tuberkulose 242, aus sonstigen Ursachen 206. 

Bakteriologische Arbeitsstätten (Stationen für Typhusbekämpfung). Die 
Hauptstation in Strassburg nahm 1904: 4882 Untersuchungen in Bezug auf Typhus- 
diagnose mit 14,4°/, positivem Ergebnis vor. Die Aussenstation des Unter-Elsass hat 
erst in den beiden letzten Vierteljahren über 851 Untersuchungen mit 25,6°/, Erfolgen 
berichtet. In Lothringen hat die Hauptstation Metz 2491 Untersuchungen, davon 1893 
auf Typhus, 153 auf andere Krankheiten, 445 Wasserproben, die Aussenstation Dieden- 
hoten 2075 Untersuchungen, davon 2022 auf Typhus, ausgeführt. 

Nahrungsmittel. Im Jahre 1903 bezogen sich Beanstandungen für den Stadt- 
kreis Metz auf Butter (über 20°/, Nichtfette enthaltend), Fische, Käse, Margarine, 
Milch, Most, Tomatensauce (salicylsäurehaltig), Wasser, Wein, Kleie (mit Kreide ver- 
unreinigt), Käse (zinkhaltig). Bei 2 Hühnern wurden Phosphorvergiftungen, bei zwei 
Hunden Sırychnin nachgewiesen. — Von dem chemischen Laboratorium der Polizei- 
direktion Strassburg wurden 2247 Untersuchungen vorgenommen. U.a. lagen 1134 
Weinproben vor. Als Tresterweine wurden 17 Proben beanstandet. Die durch Private 
eingelieferten Weinproben führten zu 65 Beanstandungen. Von 114 für Gemeinden 
untersuchten Trinkwasserproben wurden 28 als hygienisch verdächtig bezeichnet. 

(Veröff. d. Kais. Ges.-A. 1905. No. 41. S. 1097.) 


(:) Stand der Tierseuchen in Ungarn im Jahre 1903. (Aus dem Jahres- 
bericht über das Veterinärwesen in Ungarn. 15. Jahrgang 1903. Herausgegeben vom 
kön. ung. Ackerbauminister. Budapest 1904.) 

Die durch ansteckende Krankheiten verursachten Verluste an Haustieren im 
‚Jahre 1903 betrugen 1412 Pferde (gegen 1633 im Vorjahre), 5988 Rinder (4586), 
3622 Schafe und Ziegen (2652 Schafe), 126696 Schweine (153350), zusammen 
137718 Tiere. 

An Milzbrand erkrankt sind in 59 Komitaten, 12selbständigen Städten, 352 Be- 
zirken, 1690 Gemeinden, 2970 Gehöften u.s.w., 283 Pferde, 3297 Rinder, 502 Schafe, 
46 Schweine. Die meisten Seuchenfälle kamen wieder in den Komitaten im Theiss- 
Maros-Becken (901), demnächst in denjenigen am rechten Donauufer (724), vor. Der 
Verlust betrug heiPferden 272 Stück—96,2°/,, beiRindern 3210=97,4°/,, beiSchafen 497 
=99%/,, bei Schweinen 17-=36,9%,. Die Anlässe zu den Seuchenausbrüchen be- 
standen meistens in Benutzung niedrig gelegener Weiden an überschwemmten Fluss- 
gebieten, unzweckmässiger Beseitigung von Milzbrandkadavern, in der Einführung 
lebender kranker Tiere, in Verfütterung von Futtersorten von schlammigen, sumpligen 
Wiesen und von solchem Futter, welches durch Kadaverteile inficiert war, sowie durch 
Benutzung einer Tränke, in die das Blut eines wegen Milzbrand notgeschlachteten 
Tieres gelangte. Schutzimpfungen wurden im allgemeinen mit günstigem Ergebnisse 
vorgenommen. 

Die Tollwut ist in 61 Komitaten, 326 Bezirken, 1247 Gemeinden aufgetreten; 
es erkrankten 1596 Hunde, 158 Katzen, 26 Pferde, 135 Rinder, 12 Schafe und Ziegen 
und 113 Schweine. Die grösste Zahl wutkranker Hunde (342) ist aus den Gebieten 
des rechten Donauufers gemeldet. 


264 Kleinere Mitteilungen. 


Der Rotz ist in 51 Komitaten, 145 Stuhlbezirken, 276 Gemeinden, 456 Gehöften 
u.s.w. bei 703 Pferden festgestellt worden. Von diesen sind 678 getötet und 25 ge- 
fallen. Ausserdem wurden 46 Pferde wegen Rotzverdachtes getötet, welche sich in- 
dessen bei der Sektion als nicht rotzkrank erwiesen. Am stärksten betroffen waren 
die Komitate im Thheiss-Maros-Becken (232 Fälle). 

Die Maul- und Klauenseuche ist im Laufe des Berichtsjahres wieder in 
grösserer Ausdehnung und in zahlreicheren Fällen beobachtet worden, als im Vor- 
jahre. Die Gesamtzahl der Erkrankungsfälle beträgt 475705. Erkrankt sind in 61 Ko- 
mitaten (1902: 47), 330 Stuhlbezirken (184), 2516 Gemeinden (1155), 90349 Gehöften 
u.s.w. (62260), 434221 Rinder (254623), 30253 Schafe (49849), 280 Ziegen (23), 
10951 Schweine (8926); hiervon sind 1952 Rinder (650), 180 Schafe (6), 233 Schweine 
(361) verendet. 

Die Lungenseuche ist im ‚Jahre 1903 nicht vorgekommen. Wegen Seuchen- 
verdachts wurden 46 Rinder getötet, ohne dass die Seuche bestätigt werden konnte. 
An Entschädigung für diese behufs Tilgung der Lungenseuche behördlich getöteten 
Tiere wurden 4369 K. gegen 5842 K. im Vorjahre gezahlt. 

An Schafpocken sind in 21 Komitaten, 29 Stuhlbezirken, 43 Gemeinden, 
146 Gehöften u.s.w. 3760 Schafe erkrankt, von denen 485 verendeten oder getötet 
wurden. Der Verlust betrug demnach 12,8°/, der erkrankten Tiere gegen 13,3%;, im 
Vorjahre. Am meisten verbreitet war die Krankheit in diesem Berichtsjahre im Theiss- 
Maros-Becken. 

Die Zuchtlähme der Pferde ist im Berichtsjahre nicht festgestellt worden. 
Bläschenausschlag wurde beobachtet in 42 Komitaten, 101 Stuhlbezirken, 241 Ge- 
meinden, 926 Gehöften u.s.w. bei 344 Pferden und 1161 Kindern; hiervon verendete 
ein Rind. 

Die Räude wurde amtlich ermittelt in 58 Komitaten, 261 Stuhlbezirken, 991 Ge- 
meinden, 2793 Gehöften u.s.w. an 4819 Pferden und 10151 Schafen. Die Krankheit 
war bei den Pferden am häufigsten im Theiss-Maros-Becken (1812 Erkrankungsfälle), 
bei den Schafen wieder am rechten Theissufer (4350). 5 

An Schweinerotlauf sind in 58 Komitaten, 267 Stublbezirken, 1025 Gemein- 
den, 5995 Gehöften u.s.w. 21334 Schweine erkrankt (gegen 31031 im Vorjahre), von 
denen 15400 verendeten und 474 getötet wurden. Am stärksten verseucht waren 
wieder die Komitate des rechten Donauufers (7105 Erkrankungsfälle), am wenigsten 
wieder diejenigen in Siebenbürgen (1189). 

Die Schweineseuche und Schweinecholera ist in 63 Komitaten, 348 Stuhl- 
bezirken, 2144 Gemeinden, 17755 Gehöften u.s.w. bei 192261 Schweinen festgestellt. 
Von den erkrankten Tieren sind 106068 gefallen, 4391 getötet. Ausserdem wurden 
wegen Seuchenverdachts 1973, wegen Ansteckungsverdachts 776 Schweine getötet. Der 
Gesamtverlust betrug mithin 113208 Schweine gegen 135824 im Vorjahre. Die meisten 
Erkrankungsfälle traten wieder in den Komitaten des linken Theissufers auf. 

Die Büffelseuche ist in 13 Komitaten, 35 Stuhlbezirken, 151 Gemeinden, 
478 Gehöften u.s.w. in 714 Fällen festgestellt, darunter 690 mit tödlichem Ausgang. 

In der staatlichen Kontumazanstalt Steinbruch sind 62069 Schweine aus 
Ungarn und 156985 Schweine aus Serbien, zusammen 199054 Stück, aufgetrieben 
worden. Eine Ausfuhr von Schweinen nach Deutschland hat im Berichtsjahre nicht 
stattgefunden. (Veröff. d. Kais. Ges.-A. 1905. No. 43. S. 1160—61.) 


Beilage zur „Hygienischen Rundschau“. 
XVI. Jahrgang. Berlin, 1. März 1906. f r Mo. 5. 


Verhandiungen der Deutschen Gesellschaft für öffentliche Gesundheitspflege 
zu Berlin:). 


Sitzung vom 7.November 1905. Vorsitzender: Herr Wehmer, Schriftführer: 
Herr Proskauer. 


Herr Wehmer: M.H.! Ich muss die Sitzung leider mit der traurigen 
Mitteilung eröffnen, dass wir wieder zwei schwere Verluste erlitten haben. 
Aus der Zabl unserer Mitglieder ist Herr Apotbeker Hartsch gestorben. Er 
war jahrelang früher Besitzer der hiesigen Pelikan-Apotheke und stets ein 
eifriges und treues Mitglied unserer Gesellschaft. 

Wir haben ferner Herrn Med.-Rat Dr. Karl Schacht verloren, unser 
langjähriges Vorstandsmitglied. Schacht ist längere Zeit leidend gewesen; 
dasselbe schmerzliche Magenleiden, dem vor vielen Jahren sein Vater erliegen 
musste, hat auch ihn dahingerafft. 40 Jahre hindurch hat er die Polnische 
Apotheke, vom Jahre 1864—1904 verwaltet, lange Jahre hat er in den ver- 
schiedensten Staatsstellungen dem Staate und der Allgemeinheit treue Dienste 
geleistet, so als Mitglied der Technisch-pharmaceutischen Kommission, als Mit- 
glied des Reichsgesundheitsamts und des Medizinalkollegiums; im Deutschen 
Apothekerverein hat er eine führende Rolle gespielt. Als Schatzmeister unserer 
Gesellschaft hat er es verstanden, die Finanzen unseres Vereins in vortrefflicher 
Weise zu verwalten und auf der Höhe zu halten. Aber darüber hinaus war er uns 
als Mitglied des Vereins ganz besonders ans Herz gewachsen. Jeder, der ihn ge- 
kannt hat, wird, wie ich, von tiefstem Schmerze ergriffen sein, dass ihm ein 
so schweres Leiden beschieden gewesen ist. Wir werden sein Grab in üblicher 
Weise schmücken und auch einen Nachruf in den Zeitungen erlassen. Ich 
darf Sie wohl bitten, sich zu Ehren der beiden Verstorbenen von Ihren Plätzen 
zu erheben. (Geschieht.) 


Herr Guttstadt: Die Choleraepidemien in früherer Zeit. 

M. H.! Meine Mitteilungen sind nur in Aussicht genommen als Ergänzung 
zu dem Vortrage des Herrn Geheimrat Gaffky, der infolge seiner Beteiligung 
an den epochemachenden Entdeckungen Kochs entschieden wertvolle Mittei- 
lungen zu machen in der Lage war. Mit Rücksicht darauf, dass die Nach- 
richten über das beschränkte Auftreten der Cholera in Preussen sehr erfreu- 
liche sind, dürfte es der Mühe wert sein, einige Angaben über frühere 
Epidemien, insbesondere einige von den zahlreichen Gesichtspunkten, die 
sich dabei nach eigener Erfahrung ergeben, Ihnen kurz vorzuführen. 


1) Alle auf die Herausgabe der Verhandlungen der Deutschen Gesellsehatt für 
:ffentliche Gesundheitspflege zu Berlin bezüglichen Einsendungen u. s. w. werden an 
lie Adresse des Schriftführers der Gesellschaft, Geh. Reg.-Rat: Prof. Proskauer, 
Charlottenburg. Uhlandstr. 184, I, erbeten. Die Herren Autoren tragen die Verant- 
wortung für Form und Inhalt ihrer Mitteilungen. 


-4 


266 Verhandl. der Deutschen Gesellschaft für Öff. Gesundheitspfl. zu Berlin. 


Fest steht, dass vor dem Jahre 1817 eine Cholerakrankheit in dem 
Sinne, wie wir sie jetzt kennen, nicht bei uns, auch nicht in Indien bekannt 
war und dass die Verbreitung durch ein Choleragift erst seit jener Zeit aner- 
kannt ist. Die verschiedenen Züge der Verbreitung, die die Cholera seit jener 
Zeit genommen hat, werden, je nachdem man vom Standpunkt des Bericht- 
erstatters für ein Land, für eine Stadt, für ganz Europa oder für die ganze 
Welt aus urteilt, zeitlich verschieden ausfallen. Die allgemeinsten Züge sind 
so aufzufassen, dass in den Jahren 1817—1823 nur Asien (Indien, Arabien, 
China) der Schauplatz der Cholera war, dass von 1826—1837 auch Europa 
von der Cholera heimgesucht worden ist. Dann trat eine Ruhepause bis zum 
Jahre 1846 ein. Von 1846—1861 hat die Cholera wieder Europa heimgesucht 
und nach einem kurzen Zwischenraum in den Jahren 1863—1875 wieder bei 
uns gewütet. Dann ist eine cholerafreie Zwischenzeit bis zum Jahre 1883 
anzunehmen, und seitdem haben wir uns mit der Cholerafrage ernstlich zue 
beschäftigen. Gerade beim Beginn dieser Pandemie ist die epochemachende 
Entdeckung Kochs zur Kenntnis der ganzen Welt gekommen. Wenn man 
untersucht, woher es kommt, dass die Verbreitung dieser Seuche eine solche 
Ausdehnung hat gewinnen können, so ist naturgemäss auf den Verkehr hin- 
zuweisen, und zwar auf den Verkehr in jeder Form. Die Grundlage für diese 
Annahme bilden Gewohnheiten im Orient, die in Bezug auf grosse Ansamm- 
lungen von Menschen früher nicht so bekannt geworden sind. Nach einem 
Gebote des Koran soll jeder gläubige Muselmann wenigstens einmal in seinem 
Leben in den heiligen Orten in Hedjaz gewesen sein und an den Pilgerfesten 
„Kurban-Bairam“ in Mekka teilgenommen haben. Die Ueberlieferung in dieser 
Beziehung ist so streng, dass jeder, der stirbt, ohne in Mekka gewesen zu sein, 
ebenso gut als Jude oder Christ sterben könnte. Nur den Angehörigen einiger 
Sekten, wenn sie nachweisen, dass sie nicht im Besitze der Mittel sind, ist es 
gestattet, von dieser Reise Abstand zu nehmen. Auf diese Weise erklärt es 
sich, dass unter den Pilgern sehr viele anzutreffen sind, welche, selbst wenn 
sie Geldmittel mitgenommen haben, auf die Spenden der Wohlhabenden ange- 
wiesen sind und in der ungesundesten Weise leben und sich nähren. Diesem 
Uebelstand hätte man nur durch energische Massregeln entgegentreten können, 
wie die Regierung von Niederländisch-Indien es versucht hat, indem sie be- 
stimmte, dass jeder Pilger nachzuweisen habe, dass er genügende Mittel besitze. 
Diese Massregel ist jedoch von anderen Regierungen nicht nachgeahmt worden. 
Auf diese Weise ziehen viele Tausende, schlecht ernährte und gebrechliche 
Menschen, jährlich dorthin, und wenn das Zusammenströmen von Menschen an 
einem Orte schon an und für sich ausreichend ist, um den Satz zu beweisen, 
dass der Mensch des Menschen grösster Feind ist, so sind die Gebräuche, die 
dort geübt werden (Gebete in Freien, Bäder im heiligen Wasser, das auch 
zum Trinken benutzt wird), derartig, dass man allen Grund hat anzunehmen, 
dass die Entstehung der Cholera und ihre Weiterverbreitung auf diese Weise 
erfolgt ist. Nachdem die Schifffahrt Eingang für den Verkehr gefunden hat, 
ist natürlich der mühselige Landweg nicht mehr in solchem Umfange benutzt 
worden. lu welcher Weise aber die Beförderung auf den Schiffen und auch 


Verhandl. der Deutschen Gesellschaft für öf. Gesundheitspfl. zu Berlin. 267 


die Verpflegung vor sich ging, kann man sich leicht vorstellen, wenn man 
noch frühere Auswandererschiffe kennt. 

Nachrichten von der russischen Regierung über die Cholera, eine merk- 
würdige Krankheit, die Persien verwüstete, sollen bereits 1824 hierher gelangt 
sein. Man schenkte der Nachricht damals wohl weniger Aufmerksamkeit, und es 
dauerte bis 1830, als die Cholera aus Russland bereits drohte, dass zum ersten Male 
eine ärztliche Kommission von Berlin zum Studium derCholerafälle nach Russland 
ging und die Verbreitung durch Ansteckung anerkannte. Dass damals Berliner 
Aerzte behaupteten, diese rätselhafte Krankheit würden sie erfolgreich bekäm- 
pfen, sie würden wohl der Maske die Larve abreissen, ist bekannt. Was man 
über die Cbolera wusste, war nur, dass die Krankheitserscheinungen überall 
dieselben waren. Es ist gewiss von Interesse, zu sehen, dass bereits im Jahre 
1832 auf einer Karte!) dargestellt worden ist, wie die Cholera von Ort zu Ort 
gezogen sein soll, indem nämlich bei jedem Ort von Indien an bis zu uns das 
Datum des ersten Auftretens der Cholera mitgeteilt ist. Man muss erstaunt 
sein, wie es damals schon möglich‘ war, so eingebende Nachrichten zu ver- 
öffentlichen. Jedenfalls geht daraus hervor, dass der Eindruck, den die 
Krankheit machte, schon ein sehr gewaltiger war. 

Wenn indes die Cholera die einzelnen Länder befiel, ist dies nicht so 
aufzufassen, als wenn nun alle Ortschaften von der Cholera auch heimgesucht 
wären, es stellte sich stets heraus, dass die einzelnen Orte mehr oder weniger oder 
gar nicht betroffen waren. Für Deutschland war die Lage immer eine sebr 
gefährliche. Zu allen Zeiten der Pandemien, die ich aufgeführt habe, war 
Deutschland immer durch die Nachbarländer bedroht, und es ist von Interesse, 
festzustellen, dass aus denjenigen Ländern, welche einen grossen Hafenverkelhr 
haben, in neuerer Zeit die Cholera verschleppt wurde, und so auch nach 
Deutschland gelangte. Dann ist aber der Landweg über Russland zu uns der 
Hauptverbreitungsweg für die Cholera gewesen. Es ist bekannt, dass wohl 
kein einziges Land von der Cholera nicht betroffen worden ist. Ueberall aber 
zeigte die Krankheit unter allen möglichen Lebensbedingungen der Menschen 
dieselbe Eigentümlichkeit, ihre Symptome traten überall so gleichartig und 
imponierend auf, dass die ganze Welt in der Bekämpfung der Cholera eine 

- Wohltat sah und sieht. Internationale Vereinbarungen für diesen Zweck 
hätten mit Leichtigkeit zustande kommen und ausgeführt werden müssen, wenn 
nicht England dagegen gewesen wäre und wenn nicht auch die Türkei einen 
eigentünlichen Standpunkt eingenommen hätte. Selbst im Jahre 1883 noch 
telegraphierte der Minister der auswärtigen Angelegenheiten in London an die 
französische Regierung, dass die Nachrichten über das Auftreten der Cholera 
in der Weise, dass englische Schiffe, die von Indien abgegangen seien, die 
Cholera verbreiteten, vollständig erfunden seien. England müsse entschieden 
Protest einlegen gegen alle Vorkehrungen, die den Handel beein- 
trächtigen. Ueberall also, wo besondere Interessen im Spiele waren, waren 
auch die Widerstände vorhanden gegen eine einheitliche Bekämpfung der 
Cholera. x 


1) Die morgenländische Brechruhr, nach ihrem Zuge und ihrer Verbreitung, auf 
3 Karten bildlich dargestellt von Karl Friedrich Vollrath Hoffmann. Stuttgart 1832. 


268 Verhandl. der Deutschen Gesellschaft für öff. Gesundheitspfl. zu Berlin. 


In einzelnen Ländern sind ganz besonders gewisse Städte die Haupt- 
quellen für die Verbreitung der Cholera gewesen, so bei uns Danzig und 
Hamburg, in Frankreich Toulon, Marseille, in Oesterreich Triest, ferner in 
Russland Moskau, Warschau u.s.w. Ziebt man überhaupt die einzelnen Städte 
in Betracht, so muss es sehr auffallen, dass im Innern des Landes nicht alle 
Städte, die grossen Verkehr hatten, gleichmässig heimgesucht worden sind. 
So ist z. B. München gar nicht so häufig betroffen worden, nämlich nur in 
den Jahren 1836, 1854 und 1873, Frankfurt a.M. in den Jahren 1849, 1854 
und 1866. Strassburg i. E. 1849, 1854 und 1855, während andere Städte, wie 
Braunschweig, Hannover, Nürnberg, Kassel, Leipzig, fast gar nicht heimgesucht 
wurden, und Cöln, das eine nach den Nachbarländern exponierte Stellung hat, 
nur 3 mal über Cholerafälle zu berichten hat, und zwar während der Jahre 
1849, 1866 und 1867. Dagegen ist Hamburg noch öfter als Berlin befallen 
worden. Es gibt aber eine Reihe von kleineren Städten, von denen man sicher 
weiss, dass Cholera dort nie beobachtet worden ist. Man hat sich auch be- 
mübt, die Ursache dafür zu erforschen. Einmal war anzunehmen, dass Orte, 
die fern vom Verkehr lagen, auch von der Cholera nicht betroffen wurden. 
Dann sind aber Theorien aufgestellt worden, die darauf hinausliefen, die Ab- 
hängigkeit der Verbreitung der Cholera von einer Luftvergiftung oder von den 
Bodenverhältnissen nachzuweisen. Ein Hauptvertreter der letzteren Richtung 
war Pettenkofer in München, und es ist von grossem Werte, dass dadurch, 
dass Pettenkofer einen so bestimmten Standpunkt eingenommen hat, ein sehr 
gutes Material über die Bodenverhältnisse verschiedener Orte gewonnen worden 
ist. Pettenkofer hat, wie er in der Konferenz 1885 im Gesundheitsamte 
hervorhob, noch immer folgenden Standpunkt eingenommen. Er sagte, die 
wesentlichen Momente der örtlichen und zeitlichen Disposition für Cholera seien: 

1. die physikalische Beschaffenheit des Bodens, des Untergrundes unserer 
Wohnungen, dann 

2. der Wassergehalt in diesem Boden und sein Wechsel (Grundwasser) und 

3. kommt hinzu das Vorhandensein von Nährsubstanz für niedrige Orga- 
nismen (Imprägnierung des Bodens). Uebrigens sah Pettenkofer als Grund- 
wasser nur dasjenige Wasser im Boden an, welches durch dieselbe Oberfläche, 
unter der es sich befindet, hindurch filtriert ist. Der Einfluss eines Flusses ` 
auf das Grundwasser hört nach 20—30 Schritten vom Ufer vollständig auf. 

Es ist bekannt, welche grosse Literatur gerade nach dieser Richtung hin 
entstanden ist und wie Koch diese Anschauung nicht als richtig anerkannt 
hat; auch Virchow hat in dieser Konferenz im Jahre 1885 sich nicht 
auf die Seite Pettenkofers gestellt. Dass eine Stadt auf felsigem Boden 
immun gegen Cholera sei, oder dass die oberste Bodenschicht, wenn sie 
aus Lehm besteht, den Ort, der darauf steht, davor schütze, dass Cholera 
sich verbreiten könne, diese Behauptungen sind angegriffen worden, weil z.B 
diese Lehmschicht nicht in allen den Orten vorhanden ist, in denen die 
Cholera nicht aufgetreten ist, jedoch vorhanden ist an Orten, wo die Seuche 
auftrat. Es ist eine schwierige Frage, weil die Bodenbeschaffenheit durchaus 
vicht einheitlich durch einen ganzen Ort hin angetroffen wird. Jedenfalls 
war die Auffassung Pettenkofers massgebend für die bayerische Regierung, 


Verhandl. der Deutschen Gesellschaft für öff. Gesundheitspfl. zu Berlin. 269 


so dass die Ansteckungsfähigkeit der Cholerakranken dort nicht anerkannt 
wurde. Aus diesem Grunde hat man dort nichts von Isolierung gehalten, den 
Verkehr mit den Cholerakranken nicht verboten, und die Cholera, die 1873 
dort auftrat, hat auch nicht viel mehr Opfer dahingerafft als in früherer Zeit. 
Die Behauptungen Pettenkofers wurden auch in Bezug auf diejenigen Er- 
fahrungen verfochten, welche aus Indien vorlagen, und bekanntlich hat Koch 
für die befallenen Orte in Indien ein ganz vorzügliches Material zur Widerle- 
gung von Pettenkofers Ansichten herbeigeschafft. 

Von den ersten Cholerazeiten an hat die Frage, wie die Cholera sich 
verbreite, die Aerzte geteilt in solche, die an ein Miasma oder an ein Kon- 
tagium glauben. Nun ist es ganz merkwürdig, dass man unter Miasma die 
Verbreitung der Cholera durch die Luft verstand, während das Wort Miasma 
gar nicht auf die Luft hindeutet, sondern nur andeutet, dass ein Gift vor- 
handen ist, denn das griechische Wort maów heisst besudeln, vergiften. Ob 
das Gift sich durch die Luft verbreitet oder auf andere Weise, ist durchaus 
nicht damit ausgesprochen. Der Sprachgebrauch bediente sich aber dieses 
Ausdruckes, als wenn in der Luft das Gift verbreitet wäre. Infolgedessen er- 
kläre es sich, wurde ausgeführt, dass eine Explosion, zahlreiche Erkrankungen 
zu einer Zeit, auftritt und dass, wenn das Gift sich erschöpfe, auch weniger 
Erkrankungen sich einstellen. Es gab Aerzte, die erklärten, dass, wenn ein 
Cholerafall an einem Orte vorgekommen sei, die den Kranken ‘umgebende 
Luft von diesem Choleragift etwas abbekommen habe und diese Luft gesunde 
Menschen vergifte. Es dauerte aber nicht sehr lange mit dieser Theorie, da 
die freibleibenden Atmungsorgane während der Erkrankung gegen diese Art 
der Vergiftung zu deutlich sprachen. 

Hier ist gleicb hinzuzufügen, dass die Anschauung von Pettenkofer, 
die Bodenbeschaffenheit allein trage zur Verbreitung der Cholera bei, ihn auch 
zu der Behauptung verführt hat, dass ein Schiff durchaus keinen Boden für die 
Cholera abgebe, und dass Choleraepidemien auf Schiffen durchaus nicht vor- 
kämen. Wenn aber Nachrichten darüber bekannt geworden waren, so erklärte 
er sie in der Weise, dass das Gift vom Lande mitgenommen sei und sich all- 
mähblich auf dem Schiffe unter den Insassen verbreitet habe, während doch 
nach zahlreichen Nachrichten kein Zweifel besteht, dass es auch Schiffsepide- 
mien gibt, die nur durch Anstecküng zu erklären sind. Diese Auffassung ist 
wegen der „Schiffsquarantäne“ von grosser Bedeutung. In Bezug auf grosse 
Personenzahlen ist für die Sicherung der Postdampfschiffe und Auswanderer- 
schiffe der Standpunkt in dieser Frage massgebend. Es ist durch Pfuhl, 
der gutes Material auf diesem Gebiete gesammelt hat, der Nachweis geführt 
worden, dass die Cholera an Bord durch Einzelne eingeschleppt werde entweder 
dadurch, dass sie in einem kranken Zustand an Bord kommen oder dass sie 
von Cholerakranken beschmutzte Wäsche mitnehmen. So hat er das Auftreten 
von Schiffsepidemien 1893 beschrieben zu einer Zeit, als die brasilianische 
Regierung die Auswanderung von Italien nach dorthin förderte. Die Auswanderer 
bekamen freie Fahrt nach Brasilien, so dass 10 Schiffe mit ihnen von Neapel 
und von Genua (je 5) ausliefen. Da in Neapel die Cholera herrschte, sind wahr- 
scheinlich Cholerakranke aufgenommen worden, denn 4 Schiffe mit je 1312 bis 


270 Verhandl. der Deutschen Gesellschaft für öff. Gesundheitspfl. zu Berlin. 


1635 Personen an Bord hatten so zahlreiche Erkrankungs- und Todesfälle, dass 
auf einem Schiffe allein 145 Passagiere dabingerafft wurden. Die Schiffe 
wurden wegen der Cholerakranken verhindert, in Brasilien zu landen, sie mussten 
die Reise zurückmachen, und während der langen Reisezeit sind natürlich zahl- 
reiche Todesfälle vorgekommen. Solchen Nachrichten gegenüber verharrte Pet- 
tenkofer dennoch auf dem Standpunkt, dass die Cholera auf einem Schiffe da- 
durch zum Erlöschen gebracht werde, dass d:s Schiff in See sticht. Nun ist es 
natürlich, dass die Cholera auch oft aufhörte, wenn das Schiff in die See gegangen 
war. Solche Erfahrung hat sich England zu Nutze gemacht; denn es ist vorge- 
kommen, dass englische Schiffe auf Anordnung ihrer Regierung sich nicht den 
Quarantänemassregeln im Suezkanal unterworfen haben, dass sie mit ihren 
Kranken weiter segelten und schliesslich ohne Kranke nach England kamen. 

Aus diesen Mitteilungen bitte ich zu entnehmen, dass die Frage, ob es 
eine Verbreitung der Schiffscholera gibt, für den Seeverkehr doch von unge- 
heuerer Bedeutung ist. Im Anschluss daran möchte ich noch erwähnen, dass 
1886 in Antwerpen ein von mir besuchter Kongress stattfand, um die Frage der 
Chöleraquarantäne für die Schifffahrt zu beraten. Es sind dort ärztliche Angaben 
gemacht worden, die für Quarantänemassregeln sich aussprachen, während Ver- 
treter des Handels sich energisch dagegen wehrten, darauf hinweisend, dass z. B. 
für Belgien Antwerpen, der einzige Ausfubrhafen, leicht gesperrt werden könne, 
während es unmöglich sei, die Landesgrenze abzusperren. Weshalb wollte 
man gerade die Seeseite absperren? Ausserdem wurde darauf hingewiesen, 
dass die Quarantäneeinrichtung doch eine sehr belästigende und unangenehme 
Massregel sei. Es ist damals eine Schilderung von Prof. Prutz über Qua- 
rantäneerlebnisse in der Nationalzeitung erschienen, die ein grelles Licht auf 
die Behandlung von Reisenden warf, welche zu Cbolerazeiten nach der Türkei 
fuhren. Das Schiff „Danaë“ auf der Reise nach Smyrna hatte am 28. August 
Brindisi berührt, lief 5 griechische Häfen an und erhielt überall freie Fahrt. 
Im Piräus gingen am 2. September 148 Passagiere, darunter 112 Deckpassa- 
giere an Bord. Die Landung in Smyrna wurde untersagt, weil der Sultan für 
Schiffe, welche nach dem 27. August einen italienischen Hafen berührt hätten, 
eine 12 tägige Quarantäne in dem Nebenhafen Klazomenä befoblen hatte. Die 
Passagiere I. Klasse mussten 25 Frcs., die I. Klasse 18 Fres. täglich für 
Aufenthalt und Verpflegung bezahlen, während 112 Deckpassagiere frei Logis 
hatten, aber sich selbst verpflegen mussten. Nun war das Schiff garuicht dar- 
auf eingerichtet, so viele Menschen so lange zu verpflegen, und es war die 
Gefahr vorhanden, dass, wenn ein einziger Cholerafall sich ereignete, die 
Quarantäne von 12 auf 21 Tage verlängert wurde. Man telegraphierte an die 
zuständigen Botschafter; es hiess, die Massregeln der Türkei müssten durch- 
geführt werden.. Die armen Deckpassagiere haben Entsetzliches durchgemacht 
in Bezug auf Essen und namentlich auf Trinken. Dass die Bedürfniseinrich- 
tungen sehr mangelhafte waren, liegt auf der Hand. Inzwischen kamen täg- 
lich noch mehr Schiffe an, so dass bald eine ganze Flotte sich in dem Hafen 
Klazomenä versammelt hatte. Nach 12 Tagen konnte das Schiff fort- 
fahren, aber jeder Passagier hatte noch 15 Fres. Quarantänegebühr zu zahlen, 
so nst durite das Schiff nicht weiterfahren. 


Verhandl. der Deutschen Gesellschaft für öff. Gesundheitspfl. zu Berlin. 271 


Solche Mitteilungen regten natürlich den Kongress sehr auf, und man hat 
damals versucht, mildere Massregeln für eine Schiffsquarantäne durchzusetzen. 
Verschiedene Fragen, die dabei zu erörtern waren, wurden dort erledigt, 
namentlich die Frage nach der Inkubationsdauer für Cholera, die für die 
ärztliche Untersuchung der Reisenden ‘besonders zu beachten ist. Mit ganz 
besonderem Bedauern ist damals ausgesprochen worden, dass wir keine ein- 
heitlichen Bestimmungen haben, die für das ganze Deutsche Reich gelten. 
Es ist glücklicherweise jetzt erreicht, dass im Jahre 1900 ein Reichsgesetz .er- 
schien, welches über die Bekämpfung derjenigen Krankheiten, welche als exo- 
tische bezeichnet werden, Bestimmungen enthält. Durch dieses Gesetz ist 
erreicht worden, was damals wirklich noch für ideal galt. 

Ausser diesen Verhältnissen auf den Schiffen, die das Meer befahren, 
kamen auch noch die Verhältnisse zur Sprache, die die Binnenschifffahrt 
betreffen. Es ist im Jahre 1873 zum ersten Male in Berlin eine Quarantäne- 
station eingerichtet worden und zwar an den Schleusen in Plötzensee, die mir 
übergeben wurde; die Tätigkeit begann am 25. Juli und dauerte bis zum 
18. Oktober 1873. Es durfte kein Schiff die Schleuse passieren, dessen Be- 
wobner nicht von mir untersucht waren. Mit Hilfe der Schiffspapiere wurde 
festgestellt, wieviel Personen auf den Schiffen waren, und die Anwesenheit 
von Schutzleuten war dabei nützlich. Denn es war nicht so einfach, mit den 
Schiffern zu verkehren, und es gab unangenehme Scenen genug, bis ich in 
dem Kahn die Untersuchung ausführte. Ganz besonders erschwerend war da- 
für die damals klägliche Einrichtung, dass mir kein Polizeiboot zur Verfügung 
stand, sondern dass ich den Schiffer auffordern musste, mich an Bord zu holen. 
Während des Bestehens der Quarantänestation wurden 12668 Menschen von 
mir untersucht auf 4372 Fahrzeugen, deren Anzahl täglich 72 im Durchschnitt 
betrug. Diese Fahrzeuge waren mit Holz, Steinen oder Mehl beladen; auf 
ihnen befanden sich 11 087 Erwachsene und 1581 Kinder. Diese grosse Zahl von 
Kindern erklärt sich dadurch, dass die Schiffer die Kinder während des Sommers 
nicht in die Schule schickten, sondern auf ihren Fahrten mitnahmen. Merk- 
würdigerweise ist kein einziges Kind erkrankt. Im ganzen habe ich nur 
18 Cholerakranke herausgefunden, von denen aber 16 gestorben sind. Es 
sind schwere Fälle von Cholera gewesen, die ich dem Barackenlazarett Moabit 
überweisen konnte. Im ganzen sind 714 Todesfälle im Jahre 1873 in Berlin 
vorgekommen, und der Bericht, den das Polizeipräsidium veröffentlichte, ent- 
hält ganz bemerkenswerte Angaben darüber. Reg.- und Med.-Rat Müller, 
der die früberen Epidemien, namentlich 1866, mitgemacht hatte, hielt von 
der Desinfektionswirkung nicht viel aus dem Grunde, weil es sich bei der 
Desinfektion doch fast niemals um die ersten Fälle handelte, sondern um 
Fälle, die im Laufe der Verbreitung der Krankheit zur Kenntnis der Behörde 
gekommen waren. Damals hatte man keine Sicherheit, bei dem ersten 
Falle zu entscheiden, dass es sich um Cholera asiatica handele, und diese 
Unsicherheit lähmte die Massnahmen, die zur Bekämpfung der Seuche hätten 
ergriffen werden können. Die Berliner Aerzte haben sich dieser Frage stets 
mit Eifer angenommen. So ist schon im Jahre 1831 festgestellt, dass die 
berühmtesten Aerzte sich mit der Erforschung der Cholera beschäftigten und 


272 Verhandl. der Deutschen Gesellschaft für öff. Gesundheitspfl. zu Berlin. íi 


Uebersicht der Todesfälle an’Cholera in Preussen $- 


. Königsberg . 
. Gumbinnen. 


1 

2 

3. Danzig . 

4. Marienwerder 
5. 

6 

7 


. Stadt Berlin 


. Potsdam 
. Frankfurt 
8. Stettin 
9. Köslin 
10. Stralsund 
11. Posen 
12. Bromberg 
13. Breslau . 
14. Liegnitz . = 
15. Oppeln . _ 
f 
16. Magdeburg . | —| 1 2 22 | 4694 Io 4951| 
17. Merseburg . | — 1| 59 — | 164 1 | 1 103 | 6982 — ; 5 
18. Erfurt _ a _ 16 - =- _ 1462) — 
| | | 
` 19. Schleswig ee S 47| 138| =| -| — 48 | Dol = 
l i l | 

20. Hannover . | — — 2 1 1 — =: — | 35 $ 4 
21. Hildesheim . | — -i — 4 18 = _ _ 217 124, — 
22. Lüneburg _ —| 4 111 | 215 _ 13) — 33 — > J 
23. Stade a I 89 | 113 3 | - 56! = 
24. Osnabrück . | — -| - 2 = _ ze 18: A 
25. Aurich —! =| ı — 2| -| =; = _ 19| - 
26. Münster . lee -| — -| — ls —-. - 
27. Minden . | | 37 — _ 
28. Arnsberg | 193 | 1970. — | a 
29. Kassel . . 4 17 l 4 31l u re 
30. Wiesbaden . —; — 1 3 2 _ rn 9 25 — =; 
31. Koblenz . vol El ach rel So sel is uel — | — 
32. Düsseldorf . _ 6 18 | 2 aa — ! 60 ; 2636 2448 — | 9 
33. Cölna . — 1 2 He a | 1) 678 3386| — | 
34. Trier . i j | =; j 7) 1697 — | — 
35. Aachen . ee aa 
i è ! 


1 \ - | 85 1021! 


36. Sigmaringen | | | ı F 


Stat | 1) 478| 289 | 866 28634. 120 | 432; 64 |6086 1147768! 15 E 
! j 


1) Diejenigen Jahre, in denen Todesfälle an Cholera nicht zu 


verzweifelt darüber waren, dass man nicht herausfinden konnte, was die Ent- 
stehung der Krankheit verhinderte und auch die Heilung der Kranken herbei- 


Verhandl. der Deutschen Gesellschaft für öf. Gesundheitspfl. zu Berlin. 273 


1831—1904?) nach Regierungsbezirken. 


‚1857 | 1856 1855 | 1854 | 1858 | 1852 | 1851 | 1850 | 1849 | 1948 | 1837 | 1832 | 1831 
233 226| 4669 | 134| 896 | 5239| — | — 1624 |4088. 722| -- | 5691 
3 —:1291 | 357| 314| 1049| —' — | 114 | 1826 1081| — | 2370 
34, 10/2874] — | 995 | 5448 2534 | 1855 | 910| — | 3715 
165| — 4057) — | 427| 6882| — | — |2583 |3594 | 1014 | — | 5206 
f | 
4. — 1385) 43| 940| 165| — ! 711 | 3558 | 1599 | 2338 | 411 | 1426 
vn! —jaiz37| 41| 272| 1045| — | 311] 91 |ısso| 511| 237| 666 
=| — |1752 | —| 363| 39| — | 111 197 1126| —j 61 | 1092 
a — 1605 2591 | 337| — j| 130 |2524 |3285) 188 | 117| 994 
=- =| ml —j 7359| 16| —| — | 7333| m) - 12] 6&4 
- =] 427] -| aj] —| —?' 6e! 316! 236| —| — _ 
-' — 3083| —| 34ļi4764| — | 29 3073 | 2025 | 535| — | 3086 
1712861 59 | 2074| — | — 6051 |1671 | 396| — | 4592 
[i 
-| —j150| — 821| 271 | 6692 | 1511 | 3246 | 3477 | 935 
= =j] 137) -| — 2| — | 113 '1334| 11| —| 860 27 
— | 2319 2005| 34 2509 | 269 | 551 | 1485 | 1086 
$. — 2361| 63| — — | 7453 | 1282 | 1507 | 213 | 136 | 552 
-— 636 — í 1500 | 2427| —| — | 502 | 410 
si -| 50| -| — — | 1517 | 367| —| — | 80 — 
| 
SUN MER = ! = Er 
Sr ee ee er a ee ER: 
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E E a Ea — = = 
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-, =l 12| -| -| —| -| =| 6s} —| —| 254 — 
| 
236 130535 | 775 | 8268 |40342 | 305 13126 145202 126337 111650 


is der Behörden gelangten, sind fortgelassen. 


führen konnte. Eine Zusammenstellung der Todesfälle an Cholera in Preussen 
in allen Regierungsbezirken vom Jahre 1881—1900 lege ich hier vor (s. Tabelle). 


274  Verhandl. der Deutschen Gesellschaft für öf. Gesundheitspfl. zu Berlin. 


Das schlimmste Jahr für Preussen war das Jahr 1866. Unter den damals 
114 776 festgestellten Choleratodesfällen kamen 5206 allein auf Berlin, wo 
rund 8000 Erkrankungen angemeldet waren. In Bezug auf den Wert dieser stati- 
stischen Ermittelungen sind allerdings Zweifel ausgesprochen worden; eine Zu- 
sammenstellung der Cholerakranken in Krankenhäusern und derer, die zu 
Hause geblieben waren, ergab, dass die Mortalität in den Krankenhäusern 
eine kleinere war, als in den Wohnungen. Von allen Erkrankten waren 


1866 1873 
den Heilanstalten überwiesen. . . 31 v.H. 38 v.H. 
davon sind gestorben . . ... 53 „ 56 pn 
in den Wohnungen sind von den Er- 
krankten gestorben . . . . 72 n TEDY 
in Berlin überhaupt von den Er. 
krankten gestorben . . . 67 „ 68 


Daraus geht hervor, dass die Zahl der Erkrankten, die zu Hause geblieben 
waren, nicht vollständig genug bekannt war. Denn das ist unstreitig, 
dass die Zahl der Anmeldungen der Erkrankten (bis auf die heutige Zeit) be- 
züglich der Vollständigkeit etwas zweifelhaft ist. Nachweisen liess sich die 
Berechtigung des Zweifels auch dadurch, dass fast 1500 Todesfälle im Jahre 
1866 von Personen in Berlin festgestellt wurden, deren Erkrankung nicht ge- 
meldet war. 

Die Statistik der Cholera verdient übrigens noch ganz besonders erörtert 
zu werden aus dem Grunde, weil die Ergebnisse namentlich in Bezug auf die 
Sterblichkeit an verschiedenen Orten zu verschieden ausgefallen sind. Man 
muss annehmen, dass die eigentliche Cholera asiatica, mit einem Stadium 
asphycticum, eine Sterblichkeit von 90 v.H. der Erkrankten veranlasst. 
Rechnet man die Fälle von Cholerine hinzu, so ergibt sich eine Sterblichkeit 
von 60 v.H., und rechnet man die choleraverdächtigen Fälle hinzu, so kommt 
man natürlich auf einen niedrigeren Prozentsatz; auf diese Weise erklärt sich 
der Unterschied der Sterblichkeitsstatistik, die von verschiedenen Autoren an- 
gegeben wird. Dass aber die Cholera eine imponierende Krankheit ist, geht 
daraus hervor, dass die Entscheidung über Leben und Tod in kurzer Frist ber- 
beigeführt wird. Im Durchschnitt kann man sagen, dass innerhalb 6 Tagen 
(nach meiner Berechnung im Jahre 1866) das Schicksal des von Cholera 
befallenen Menschen entschieden ist. Von grossem Interesse beseelt, waren 
im Jahre 1566 Virchow und seine damaligen Assistenten Cohnheim und 
Kühne eifrig beschäftigt, durch Obduktionen der Choleraleichen in das 
Wesen der Cholera einzudringen. Hier möchte ich noch darauf hinweisen, dass 
die Mittel, die man früher in Choleralazaretten hatte, um wissenschaftlich 
zu forschen, sehr schwach waren. Die Lazarette waren überall öffentliche 
Einrichtungen der Gemeinden, aber ihre Behörden standen auf dem Standpunkt, 
dass die Doktoren ein solches warmes Interesse für die Wissenschaft haben, 
dass sie sich alle Forschungsmittel selbst anschaffen. Mikroskope wurden 
nicht geliefert, die Technik der Mikroskopie stand gegen die hentige Zeit 
weit zurück; man konnte nicht färben, man verstand nicht zu züchten. Trotz- 

m war man damals immer auf der Suche nach der eigentlichen Ursache 


Verhandl. der Deutschen Gesellschaft für öff. Gesundheitspfl. zu Berlin. 275 


der Cholera. Der Professor der Botanik Hallier in Jena hat mit seinen For- 
schungsergebnissen keinen Anklang gefunden. Ein praktischer Arzt glaubte 
die Ursache in einem Lebewesen im Darme gefunden zu haben und nannte 
es „Choleraphyton“. Prof. Leuckart in Leipzig aber wies nach, dass es 
Eier von Ascaris lumbricoides waren. Die Schwierigkeiten, auf diesem Ge- 
biete die Ursache der Cholera zu finden, zeigten sich so sehr bei den Unter- 
suchungen, dass man die Forschung eigentlich aufgab. Auf Grund von 
96 Obduktionen babe ich als Assistenzarzt eines städtischen Choleralazarettes 
meine Doktordissertation über den anatomischen Charakter der Cholera-Epi- 
demie zu Berlin im Jahre 1866 veröffentlicht. Beispielsweise war damals 
Dipbtherie der Schleimbäute beobachtet. -Dieses Vorkommen war nicht zu 
erklären, da von einer Erkrankung an Dipbtherie nicht die Rede sein konnte. 
Es wurde aber folgendes festgestellt. In den schwersten Fällen der Cholera 
wird beispielsweise kein Urin mehr produciert, und trotzdem versuchten 
es Aerzte, die sich nicht vorstellen konnten, dass die Niere nicht funktio- 
niere, durch den Katheter Urin aus der Blase zu entleeren. Wenn man sich 
vorstellt, welchen Wasserverlust die Schleimhaut erleidet, so wird man sich 
erklären können, dass die Schleimhaut sehr leicht brüchig wird, und wenn 
ein Instrument, das die Schleimbaut berührt, in die Blase geführt wird, 
vermag schon eine Verletzung der Schleimhaut zu entstehen, die dann einen 
diphtberischen Belag bekommt. Bei den Sektionen haben wir damals festgestellt, 
dass namentlich in der Blase an den Berührungsstellen mit dem Katheter 
diphtherischer Belag vorkommt, wie auch in Mastdarm infolge von Klystieren 
an bestimmten Stellen ebenfalls Verletzungen der Schleimhaut mit Diphtherie- 
belag sich zeigten. Selbst im Magen sind diphtherische Stellen gefunden 
worden, die auch ganz lokal, wohl durch nicht resorbierte Medikamentenab- 
lagerung entstanden sind. Die Schwere der Krankheit zeigt sich eben darin, 
dass selbst die Hauptdrüsen vollständig untätig sind, so die Leber, Nieren, 
Speicheldrüsen, sowie auch die Hautdrüsen. Es ist die Cholera eine sehr 
merkwürdige Krankheit, die in diesem Stadium jeden mit Entsetzen erfüllt, 
denn die Prognose ist unzweifelhaft eine sehr ungünstige. Die Studien über 
die Behandlung der Krankheit waren in den Choleralazaretten ernst und 
eifrig, namentlich durch den Einfluss unserer hervorragendsten Professoren, 
ich erinnere an den Ophthalmologen v. Graefe, der im Jahre 1866 ein 
Choleralazarett am Tempelbofer Ufer übernahm und durch Strychnininjektionen 
günstig einwirken wollte. Zur Linderung der entsetzlichen Schmerzen, die 
durch die Wadenkrämpfe veranlasst werden, wandte man damals zuerst die 
Morphiuminjektionen an, Kalomelpulver und andere Mittel versagten in den 
schweren Krankheitsfällen. Alle diese Arbeiten haben es aber nicht vermocht, 
Sicherheit in die Behandlungsverhältnisse hineinzubringen. 

Für das Auftreten der Cholera in kleineren Orten war es wohl möglich, 
die Art der Einschleppung festzustellen. Für die grösseren Orte waren aber 
die Verkehrswege doch so, dass man nicht mit Sicherheit die Einschleppung 
der Cholera festzustellen in der Lage war, zumal man immer daran denken 
muss, dass wirklich Cholerakranke nicht auf die Reise gehen, sondern dass 
Personen, die die Cholera verschleppen, nur im Stadium prodromorum der 


276 Verhandl. der Deutschen Gesellschaft für öff. Gesundheitspil. zu Berlin. 


Krankheit noch reisen können. Ich muss auch noch bemerken, dass das 
Ergebnis der vielen Obduktionen der foudroyanten Fälle, die plötzlich die 
Menschen dahinraffen, allgemein zur Annahme führte: Die anatomischen Ver- 
änderungen im Körper dieser Menschen sind derartig, dass sie nicht in der 
kurzen Zeit, während die Symptome sichtbar auftreten, entstanden sein können, 
sondern schon älteren Datums sein müssen, deshalb ist die einfache Diarrböe 
zur Obolerazeit ernstlich zu beachten. 

Es ist daher, als Koch das epochemachende Ereignis seiner Entdeckung 
mitteilte, mit Freuden begrüsst worden, dass der Kliniker mit Sicherheit durch 
die Untersuchungen auf den Cholerabacillus festzustellen in der Lage war, 
dass es sich bei anscheinend leichter Erkrankung um Cholera asiatica 
handelt. In verschiedenen Städten hat man Gegenversuche gegen Kochs 
Entdeckung angestellt, doch sind alle glänzend widerlegt worden, so dass 
heute wohl ein Zweifel darüber nicht vorhanden ist, dass der Cholerabacillus 
die eigentliche Ursache der Krankheit ist. Die Frage drehte sich ferner immer 
darum: wie verbreitet sich der Bacillus, und es ist als Bedingung für die Ver- 
breitungsfähigkeit die Forderung gestellt worden, dass der Bacillus ausserhalb 
des menschlichen Körpers auch existieren könne. Nachdem der Nachweis dafür 
gelungen ist, handelte es sich darum, festzustellen, auf welchem Wege diese 
Verbreitung geschieht. Dass der Weg durch die Luft nicht anerkannt werden 
kann, ist nach allen Erfahrungen sicher. Es ist daran zu erinneru, dass von 
Koch mit Bestimmtheit nachgewiesen ist, dass Trockenheit den Lebensfaden 
des Bacillus abschneidet und er nur in feuchtem Zustand die Cholera ver- 
breitet. Auf diese Weise erklärt es sich, dass durch die Ausscheidungen des 
Cholerakranken, durch Wäsche u.s.w. die Krankheit weitere Verbreitung findet. Die 
Nachweisung des Bacillus durch bakteriologische Untersuchung hat dazu ge- 
führt, die Massregeln zur Bekämpfung der Cholera demgemäss einzurichten, 
und wir haben von Geh.-Rat Gaffky gehört, dass die Untersuchungsstationen 
zur Zeit in der Lage waren, Cholerafälle auf diese Weise festzustellen. 

Es ist deshalb das Ergebnis der jetzigen Bekämpfung der Cholera freudig 
zu begrüssen, indem es darnach gelungen zu sein scheint, die weitere Ver- 
breitung der Cholera durch die behördlichen Bekämpfungsmassregeln zu ver- 
hindern. Es fragt sich nur, ob damit der Cholerazug ins Deutsche Reich 
erschöpft ist; nach den Erfahrungen aus früheren Epidemien kann man das 
nicht sicher annehmen. Es ist doch zu befürchten, dass die Cholera in 
unserem Vaterlande später auftritt, weil in anderen Ländern das Auftreten der 
Cholera festgestellt ist. Deshalb ist es besonders wertvoll, dass die Veröffent- 
lichungen über das Auftreten von Seuchen, wie sie das Kais. Gesundheitsamt 
und die Medizinalbteilung des preussischen Kultusministeriums in ihrem Mini- 
sterialblatte für das Medizinalwesen veranstalten, uns in die Lage versetzen, 
zu erkennen, wo augenblicklich Cholera herrscht. So baben wir zur Zeit, 
wo wir fast befreit zu sein scheinen, gehört, dass in Russland Cholera fest- 
gestellt ist. Es ist nicht genug zu würdigen, dass diese Feststellung des Auf- 
tretens der Cholera im Auslande unsere Behörden sich nicht in Sicherheit 
wiegen lässt. Das ist eine Einrichtung die man früher, vor 40 Jahren, vor 
der Erstehung des Deutschen Reichs gar nicht hätte durchführen können. 


Verhandl. der Deutschen Gesellschaft für öf. Gesundheitspfl. zu Berlin. 277 


Es gibt aber noch andere Massregeln, deren Wert wir anerkennen 
müssen, beispielsweise, dass durch die Behörden angeordnet wird, dass die- 
jenigen Einrichtungen, die zur Bekämpfung der Cholera dienen, revidiert 
werden, ob sie gebrauchsfähig sind, z. B. Krankenhäuser, Desinfektionsapparate, 
Trinkwasserleitungen u. s. w. Dass man durch behördliche Revisionen fest- 
stellt, ob der Betrieb dieser Anstalten gesichert ist, wird entschieden von 
grosser Bedeutung sein. 

Ferner ist eine Massregel von grossem Werte, für die wir in ärztlichen 
Kreisen immer eingetreten sind, die Möglichkeit, dass man eine ärztliche 
Leichenschau gesetzlich einführt in Gegenden, wo sie nicht besteht, sie ist 
durch das Reichgesetz vom 30. Juni 1900 § 10, betreffend die Bekämpfung ge- 
meingefährlicher Krankheiten, und die Ausführungsbestimmungen der einzelnen 
Bundesstaaten sicher gestellt. Mit Recht wird aber darauf hingewiesen, dass 
es nun darauf ankommt, wenn die Leichenschau plötzlich eingeführt wird, auch 
sachverständiges Personal zur Verfügung zu haben. Bekanntlich haben wir 
in Preussen keine landesgesetzlichen Bestimmungen über die ärztliche Leichen- 
schau: wo sie existiert, ist sie durch Polizeiverordnungen eingeführt. Wir 
müssen also warten, bis verdächtige Erkrankungen von Seuchen auftreten, 
um die ärztliche Leichenschau gesetzlich durchzusetzen. Bereits erreicht ist, 
dass in einer grossen Zahl von grösseren Städten die ärztliche Leichen- 
schau ausgeführt wird, und dass in 5 Regierungsbezirken Preussens alle 
Orte, die mehr als 2000 Einwohner haben, die Leichenschau haben. Die 
Leiehenschaufrage hat, so lange die Cholera die Menschen ängstigte, eine 
grosse Rolle gespielt, und zwar deshalb, weil gerade bei den Todesfällen von 
Cholera häufig der Verdacht auftrat, dass Gestorbene doch noch am Leben 
sein könnten. Es ist im Jahre 1836 bereits von Dr. Benediet Lessing auf 
die Einrichtung von Leichenschauhäusern dringend hingewiesen worden. 
Bisher ist es uns auch in Berlin nicht geglückt, Leichenschauhäuser von der 
Bedeutung wie in München zu schaffen, wo 95 v.H. aller Gestorbenen aus den 
Sterbehäusern nach den würdig ausgestatteten Leichenhallen des Friedhofes 
übergeführt werden. Dass die Leichen der an Cholera Gestorbenen sofort aus 
dem Hause entfernt werden müssen, leuchtet ja ein. Man muss aber auch 
dafür sorgen, dass die Unterbringung der Leichen in würdiger Weise erfolgt. 
Bei den Choleraleichen ist es ganz merkwürdig gewesen, s dadurch, dass 
nach dem Tode die Temperatur sogar ansteigt und dass eine Bewegung der 
Muskeln durch eine mechanische Berührung hervorgerufen werden kann, der 
Verdacht. dass es sich um Scheintote handele, sehr leicht entstanden ist. Ich 
selbst bin in der Lage gewesen, von den Wärtern nach dem Leichenraum ge- 
holt zu werden, die behaupteten, da lebe noch Einer. Durch irgend eine me- 
chanische Berührung wurden die Muskeln zur Zusammenziehung gebracht, und 
da die Leichen so zahlreich waren, dass sie neben einander lagen, ist es 
wohl vorgekommen, dass die Bewegung sich auch auf andere Leichen fort- 
pflanzte. Ist es doch vorgekommen, dass an einem Tage von 38 Cholera- 
kranken. die ins Lazarett aufgenommen wurden, 26 innerhalb 24 Stunden 
starben. Bei den an Cholera Verstorbenen, die zu Hause im Bett belassen 
wurden, ist wirklich festgestellt, dass während des Lebergangs von Cholera zu 


7 


278 Verhandl. der Deutschen Gesellschaft für Öff. Gesundheitspfl. zu Berlin. 


Choleratyphoid nur ein totenähnlicher Schlaf die Kranken befallen hatte, ein 
Arzt aber den eingetretenen Tod bescheinigte. Alle diese Erfahrungen während 
der Cholerazeiten haben dazu beigetragen, die Frage nach der Errichtung von 
Leichenhallen, nach der frühzeitigen Entfernung der Leichen aus dem Sterbe- 
hause in Fluss zu bringen. 

Noch einige andere Gesichtspunkte möchte ich erörtern. Während der 
Epidemie im Jahre 1866, in der ich im Lazarett in der Pallisadenstrasse, 
nachher am Tempelhofer Ufer als Assistenzarzt beschäftigt war, geschah die 
Abwartung der Kranken so, dass sie einem wirklichen Mitleid mit den Kran- 
ken durchaus nicht genügte. Die Stadtverwaltung verfuhr, wie in früheren 
Zeiten. Zum Chefarzt wurde der Armenarzt des Bezirks ernannt, als In- 
spektor ein beliebiger Mann ohne Vorbildung für die Oekonomie. Es wäre 
nicht möglich gewesen, Ordnung und Verpflegung aufrecht zu erhalten, 
wenn damals nicht Stadtrat Runge gewesen wäre, der aus innerem Berufe 
sich der Sache so angenommen hat, dass er sich täglich im Lazarett einfand 
und als Decernent in der Lage war, einzelne Wünsche schleunigst zu befrie- 
digen. In Bezug auf das Wartepersonal erfasste Einen Mitleid mit den Kranken, 
weil man sie solchen Leuten anvertrauen musste, die nicht allein keine Vor- 
bildung führ ihren Dienst, sondern durchweg kein Gefühl für die Leidenden 
hatten. Wenn man sich vorstellt, dass ein Cholerakranker von einer kolossalen 
Unruhe geplagt wird, dass er dürstet, sich beschmutzt, so ist es klar, dass 
ein Wartepersonal vorhanden sein muss, das mit Liebe sich dieser Kranken 
annimmt. Die Wärter waren bisweilen so unangenehm, dass sie den Kranken 
den verordneten Wein wegtranken; wenn sie Beobachtungen über Häufigkeit 
des Erbrechens u. s.w. zu machen hatten, so schrieben sie Zahlen erst auf, wenn 
der Arzt ins Zimmer trat. Daber war es mit Freude zu begrüssen, als im 
Jahre 1893 37 deutsche Diakonissenkrankenhäuser zusammentraten und ihr 
Personal den Behörden zur Verfügung stellten unter Vereinbarungen, die den 
Stadtverwaltungen u. s.w. bekannt gemacht wurden. Erfreulich ist auch nach 
dem Ministerialerlass vom 25. März 1905 das Entgegenkommen des Preussi- 
schen Landesvereins vom Roten Krenz. 

Auch möchte ich noch darauf eingehen, wie die Krankenhäuser selbst 
beschaffen waren. Schon im Jahre 1831 hat man mit der grössten Liberalität 
zugleich 5 Häuser als Krankenhäuser eingerichtet, aber selbst im Jahre 1866 
ist es noch geschehen, dass als Choleralazarette 4 ganz gewöhnliche Gebäude 
bestimmt wurden, die den Anforderungen für die Krankenhauseinrichtungen 
nicht genügten; in diesen Räumen die Cholerakranken, deren Zahl 2533 be- 
trug, zu behandeln, war eine schwere Aufgabe. Der Transport der Kranken 
war damals auch kläglich. Sie wurden gr 
Ich habe selbst bei einem Ausgang die T 


tenteils in Körben getragen. 
er eines Gholerakranken, der in 
einem Korbe auf der Strasse lag, aus einer Destillation herausgeholt, damit 
sie den Kranken schnell ins Lazarett brachten. Es waren wirklich in dieser 
Beziehung so elende Verhältnisse noch im Jahre 1866, dass man, wenn man 
die heutigen Transporteinrichtungen für Krauke ansieht, gestehen muss, es 
ist so viel erreicht, wie man es damals gar nicht für möglich gehalten hätte. 

Was die Krankenfürsorge überhaupt betrifft, so ist auch als ein Segen der 


Verhandl. der Deutschen Gesellschaft für Öff. Gesundheitspfl. zu Berlin. 279 


Cholerazeit die Kabinettsordre vom 8. August 1835 zu Stande gekommen, ein 
Seuchengesetz, das so vorzüglich gewesen ist, dass wir verschiedene Bestim- 
mungen noch in die heutige Zeit hinübergenommen haben. Es waren damals 
schon die Sanitätskommissionen eingerichtet, sie hatten das Recht, auf 
Kosten der Gemeinden für das Unterkommen der Kranken zu sorgen. Auf diese 
Weise konnte jede Stadt gezwungen werden, für diesen Zweck Krankenhäuser zu 
stellen. Die Charite in Berlin war ebenfalls verpflichtet, Cholerakranke auf- 
zunehmen; nur die Medizinalpolizei ist in der Lage, unter Umständen die Auf- 
nahme derartiger Kranken dort zu verbieten. Die Stadt Berlin musste beim 
Ausbruche von Seuchen die Krankenhäuser stellen und hat dieser Aufgabe nur mit 
unwillkommenem Zeitverlust und grossem Kostenaufwand genügen können, 
wie es eben damals möglich war. Zur jetzigen Zeit ist sie besser auf dieses 
Bedürfnis vorbereitet, da sie jetzt eigene Krankenanstalten besitzt. Im Jahre 
1871, als die Pockenepidemie ausbrach, wurden die Baracken auf dem Tempel- 
hofer Felde, die für die Verwundeten eingerichtet waren, mit Pockenkranken 
belegt, nachdem ich nach meiner Rückkehr aus dem Kriege zum ärztlichen 
Leiter ernannt war. In diesem Lazarett und io noch besonderen Anstalten 
warden 1871/72 10818 Pockenkranke behandelt. Da die Militärbehörde das 
Tempelhofer Feld im Frühjahr 1872 benutzen musste, so hat die Stadt 
während der Epidemie ein eigenes Krankenhaus schleunigst errichtet und 
zwar das Barackenlazarett Moabit. So ist dieses als Seuchenlazarett ent- 
standen; als es aber fertig war, hörte plötzlich die Pockenepidemie auf, des- 
halb wurde es für andere Zwecke eingerichtet. Wie kam Berlin in den Besitz 
anderer Krankenhäuser? Nur dadurch, dass wohltätige Bürger die Stadtver- 
waltung beinahe dazu gezwungen haben. So vermachte der Rentier Fasquel 
1504 der Stadt 150 000 M. mit der Bedingung, dass bis Ende 1868 ein Kranken- 
haus errichtet werde. Bankier Saling hat noch 75000 M. hinzugefügt. Ende 
1868 begann der Bau unter der Mitwirkung von Virchow. Das Krankenhaus 
am Urban ist auf dieselbe Weise entstanden. Von Fräulein Beschort wurden 
der Stadı 500000 M. unter der Bedingung vermacht, dass die Summe der 
Stadt nur für den Fall gehöre, dass ein Krankenhaus im Süden der Stadt er- 
richtet würde. Das 4. Krankenhaus, das Virchow-Krankenlıaus, verdankt 
dem unabweisbaren Bedürfnis nach Vermehrung der Bettenzahl für Kommunal- 
krauke seine Entstehung und wird mit 2000 Betten demnächst eröffnet werden. 

Dem Auftreten der Cholera haben wir direkt und indirekt viel zu ver- 
danken. Durch diese Krankheit und die Kochsche Bacillustheorie ist die 
Aufmerksamkeit auf die Trinkwasserfrage gelenkt worden, der nun in der 
zanzen Welt eine grosse Bedeutung beigelegt wird. Als im Jahre 1892 
in Hamburg die Cholera herrschte und wir in Berlin davon verschont 
waren, sagte Baurat Hobrecht gelegentlich zu mir: „Ich glaube, sie 
werden mir in Berlio doch noch ein Denkmal setzen“. Die Durchführung der 
Kanalisation in Berlin ist in der Tat ein Werk, das nicht genug anerkannt 
wird von der jetzigen Generation. Aber diejenigen, die Berlin aus der früheren 
Zeit kennen, werden die Bedeutung des Werkes würdigen. Es wird die Frage 
öfter erörtert, ob die Trinkwasserleitung oder die Kanalisation für die 
öffentliche Gesundheitspflege mehr Wichtigkeit hat. Als im Jahre 1873 die 
Reichs-Cholerakommission hier tagte, wurde mir vom (Polizeipräsidium ein 


280  Verhandl. der Deutschen Gesellschaft für öf. Gesundheitspfl, zu Berlin. 


Dampfer gestellt, auf dem ich die Mitglieder der Cholerakummission die Spree 
vom Schlossplatz bis Plötzensee herabführtee Damals sah man noch auf der 
Oberfläche der Spree eine „Haut aus organischen Bestandteilen“, man sah die 
Hauskanäle durch ihre Ausflussöffnungen sogar oberhalb des Spiegels der Spree 
ihren Inhalt in den Fluss ergiessen. Von 16400 Grundstücken waren 1873 
nur 2630 mit Wasserklosets versehen, davon entwässerten 1139 in die Strassen 
und Rinnsteine, 1261 in unterirdische Kanäle und 230 direkt in die Spree; 
7370 Häuser waren damals ohne Wasserleitung. Man kann sich also vor- 
stellen, was damals noch für Entwässerungsverhältnisse in Berlin herrschten. 
Trotz der Trinkwasserleitung seit 1856 war die Sterblichkeit noch so un- 
günstig, dass die Notwendigkeit der Kanalisation der Stadt vornehmlich mit 
Rücksicht darauf bewiesen wurde. Wenn nun die Kanalisation mit solcher 
Sicherheit mit Hilfe des von Hobrecht angegebenen Radialsystems die Stadt 
entwässert, so muss man gestehen, dass Berlin in dieser Beziehung sehr viel 
geleistet hat. Dazu kommt als eine dritte vorzügliche Leistung die Errich- 
tung des Gentralschlachthauses. Wenn man sich vorstellt, wie früher 
in den Häusern von den Fleischern geschlachtet wurde, und jetzt die Ver- 
hältnisse der Fleischversorgung der Stadt betrachtet, so sind in der Tat 
Ideale aus früherer Zeit verwirklicht worden. Als vierte bedeutende Leistung 
ist noch die gesetzliche Beaufsichtigung der Nahrungsmittel anzuführen. 
Als Ergebnis dieser Leistungen zusammen kann man sagen, dass eine Ver- 
breitung der Cholera in Berlin und in allen Orten mit guten hygienischen Ein- 
richtungen wahrscheinlich nicht erfolgen wird; eine Entstehung der Cholera 
bei uns ist sicher nicht zu befürchten. 
Diskussion. 

Herr Salzwedel fügt hinzu, dass alle nach dem Jahre 1831 erschienenen Bücher 
über Krankenpflege stets damit beginnen, die Missstände zu schildern, die in den Cho- 
leraepidemien aufgetreten sind. Er glaubt, dass das jetzt ausgebildete Personal im 
Falle einer Pandemie doch noch immer nicht ausreichen dürfte und dann durchaus 
ungeeignete Hilfskräfte herangezogen werden müssten. Deshalb müsse auf der Forde- 
rung bestanden werden, dass der Staat dem Krankenpflegepersonal eine obligatorische 
Prüfung auferlegt oder die Möglichkeit einer fakultativen Prüfung schafft, die das Per- 
sonal sucht, um sich legitimieren zu können. Erst dann werde ein Personal vorhanden 
sein, das auch zu Zeiten einer Pandemie die verlangte Tätigkeit entfaltet. 

Herr George Meyer erinnert an die von Berlin ergangene Verordnung, die zur 
Errichtung von Cholera-Schutzkommissionen aufiorderte, die auch während der dies- 
rigen Epidemie wieder eingesetzt wurden sind. An der Hand einiger Aktenstücke 
ist der Redner auf die Pflichten dieser Schutzkommissionen hin, gedenkt der lange 
vor dem Jahre 1837 erschienenen Herzschen Broschüre (zur Wiederbelebung von 
Scheintoten), welche die Errichtung von Leichenhallen dringend forderte, und legt 
ausser einigen „Cholerazeitungen“ einen Brief vor, der nach damaliger Sitte mit 
einem Pfriem durchstochen war, um mit Chlorgas desinliciert zu werden. 

Herr Lassar weist auf die Einrichtung der Sanitätskommissionen hin, die nur 
an dem Mangel an Machtvollkommenheit gelitten hätten, da mit Aengstlichkeit dafür 
gesorgt worden sei, dass sie kein Geld ausgeben, und kritisiert schliesslich die wäh- 
rend der Choleraepidemien im Reiche von den Sanitätskommissionen vollzogenen Mass- 
nahmen, die eine weitere Verbreitung der Cholera in Berlin verhütet haben. 

Herr Guttstadt verzichtet auf das Schlusswort. 


V 


Verlag von August Hirschwale, Berlin N.W. — Druck ven kaysehanmacher in Berlin N. 24 


Hygienische Rundschau. 


Herausgegeben 


von 


Dr. Carl Fraenkel, Dr. Max Rubner, Dr. Carl Günther, 


Geh. Med.-Rat, Prof, der Hygiene Geh. Med.-Rat, Prof. der Hygiene Gch. Med.-Rat, a.o.Prof. der Hygiene 
in Halle a.iS. in Berlin. in Berlin. 


IVI. Jahrgang. Berlin, 15. März 1906. 3.6. 


Zwei Registrierinstrumente für Sonnenschein und Windrichtung. 
Von 


Professor E. von Esmarch, Göttingen. 


Bei Gelegenheit von Untersuchungen über den Einfluss unseres Klimas 
auf die Wohnungen war es mir von Wert, registrierende Angaben, namentlich 
über Sonnenscheindauer, Windrichtung und Windstärke hier am Ort 
zu erhalten... 

Nun gibt es ja Instrumente für solche Aufzeichnungen, welche namentlich 
aufmeteorologischen Stationen vielfach Anwendung finden, doch sind dieselben 
meist so teuer, dass ihre Anschaffung bei den beschränkten Mitteln meines In- 
stituts nicht in Frage kommen konnte. 

Ich habe daher versucht, mir selbst einige etwas einfachere und demge- 
mäss auch billigere Apparate zu konstruieren, und da dieselben ihren Zweck 
ganz gut erfüllen und vielleicht auch gelegentlich anderen gute Dienste 
werden leisten können, gebe ich im Nachfolgenden eine kurze Beschreibung 
derselben. 

Von Sonnenscheinregistratoren waren mir nur der Maurersche und 
der Campbellsche Sunshine-recorder bekannt; beide haben das Unbequeme, 
dass sie nur für einen Tag registrieren, also täglich neu montiert werden 
müssen. Ferner werden nur die Zeiten des ungetrübten Sonnenscheins, geringe 
Verschleierangen der Sonne aber nicht oder nur unvollkommen angezeigt und 
difuses Tageslicht macht keinen Eindruck auf dem Registrierpapier. 

Der von mir konstruierte Apparat geht volle 8 Tage und markiert die ver- 
schiedenen Tageshelligkeiten sehr gut, so dass selbst der dunkelste Novembertag 
chne Sonne in seinen einzelnen Phasen noch ganz gut zu analysieren ist (siehe 
Abb. 3). 

Die Konstruktion des Apparates ist kurz die folgende: 

Auf einem eisernen Sockel a (Abb. 1) befindet sich ein feststehender 
Cylinder T, welcher im Innern ein gewöhnliches 8 Tage gehendes Uhrwerk 
enthält, wie solche für Barographen und andere Instrumente oft gebraucht 
werden. Auf dem Cylinder T sitzt unbeweglich ein mit einer schrägen Rille 

21 


282 v. Esmarch. 


versehener Stab f, welcher durch die 
Röhre h einem weiteren Cylinder c als 
Führung dient. Der Cylinder c, welcher 
also über den Cylinder T gestülpt wird, 
dreht sich einmal täglich um seine Axe 
mittels eines Zahnrades, welches seiner- 
seits durch die von dem Uhrwerk be- 
wegte gezähnte Spindel t! seinen Antrieb 
erhält. Dabei rutscht der Cylinder c durch 
die kleine federnde Nase g gehalten ver- 
möge seiner Schwere auf der schrägen 
Rinne des Führungsstabes langsam ab- 
wärts, so dass er täglich zugleich mit 
seiner Drehung um seine Axe etwa 5 mm 
tiefer sinkt. Bei Sp befindet sich nun in 
dem Cylinder ein feiner Spalt, durch 
welchen das Tageslicht, resp. die Sonne 
auf den Cylinder T fallen kann, der bei 
Gebrauch mit gewöhnlichem Bromsilber- 
positivpapier, das in jeder photographi- 
schen Handlung in der nötigen Grösse 
zu haben ist, umspannt wird. Der Bügel e 
hält das Papier fest, genau wie bei den 
Thermo- oder Barographen. S ist ein 
kleines Schutzdach mit Glimmerdeckel, 
Abb. 1. um das Eindringen von Regen bei Sp zu 
verhüten. Der untere Teil des Cylinders c, 
mit c! bezeichnet, ist doppelt und ‘greift in den feststehenden Cylinder b ein, 
er dient dazu, um diffuses Licht von dem Cylinder T und seinem licht- 
empfindlichen Papier fernzuhalten. 

Auf diesem Cylinder b ist eine einfache Stundeneinteilung angebracht 
und zwar so markiert, dass Tag- und Nachtstunden leicht zu unterscheiden 
sind. Durch Drehen des oberen Cylinders ce mit der Hand kann man jeder- 
zeit den Apparat so einstellen, dass der Spalt Sp senkrecht über der Zeit 
steht, in welcher man den Apparat in Betrieb setzt. Das Uhrwerk ist so ge- 
nau, dass dann auch nach 8 Tagen Spalt und Stunde stets übereinander stehen. 
Zum Gebrauch wird der Apparat aufgezogen, der Cylinder T mit dem Papier 
umgeben, was ohne weiteres in jedem mässig hellen Raum, z. B. auf einem 
Dachboden geschehen kann, da das Papier nicht zu lichtempfindlich ist; so- 
dann wird der Cylinder c übergestülpt und das Instrument an einem freien 
Ort, etwa auf einem Hausdach auf einer schrägen hölzernen keilförmigen 
Unterlage p aufgestellt. Im Sommer muss die Neigung des Apparates dem 
höheren Stande der Sonne gemäss etwas grösser, in unseren Breiten etwa 25° 
zur Horizontalen betragen, im Winter ist nur eine geringe Neigung von 15° 
nötig. Ich habe mir zu dem Zweck die auf der Abbildung nur gestrichelt 
gezeichnete Unterlage aus 2 Brettern herstellen lassen, die an der Nordseite 


Zwei Registrierinsirumente für Sonnenschein und Windrichtung. 283 


durch ein Scharnier zusammengehalten, nach Süden durch einen Holzkeil mehr 
oder weniger auseinaudergedrängt werden, wodurch die Neigung des oberen 
Brettes ebenfalls vermebrt oder vermindert wird. Das Instrument wird darauf 
durch einfache Fenstervorreiber festgehalten und hält, wie jetzt nach 9monat- 
licbem ununterbrochenem Betrieb wohl zu sagen ist, jeder Witterung stand. 
Beim erstmaligen Aufstellen desselben, welches am besten Mittags bei klarem 
Himmel erfolgt. wird der Cylinder c so gedreht, dass die Sonne gerade in 
den Spalt Sp fällt und ist darauf der untere Cylinder b mit der Zahl 12 
senkrecht unter den Spalt Sp zu bringen. Diese Stellung wird auf dem 
Holzbrett, das unveränderlich auf dem Dache angeschraubt wird, markiert, und 
es ist sodann für späteres Aufstellen des Instrumentes eine bestimmte Zeit 
ebenso wie Sonne nicht mehr nötig, da man stets nur Spalt und richtige 
Tageszeit auf der unteren Trommel übereinander zu drehen braucht, welche 
dann immer wieder in der erstmalig markierten Stellung auf dem Brett auf- 
gestellt wird. Nach 8 Tagen wird das Papier abgenommen und im gewöln- 
lieben Tonfixierbad fixiert. Die Abbildungen 2 und 3 geben eine verkleinerte 
Ansicht von je 5 achttägigen Kurven, dieselben lassen allerdings die Feinheiten 
des Originals bei weitem nicht erkennen. 


Abb. 3. 


Ungetrübter Sonnenschein ist stets als tiefschwarzer Strich markiert, Ver- 
deckangen durch Wolken, selbst von allerkürzester Dauer treten sofort als 
hellere Linien scharf hervor, und bei bedecktem Himmel bekommt man eine 


21? 


284 v. Esmarch, 


ganze Stufenleiter von Schwärzungen, die getreu den momentanen Grad der 
diffusen Tageshelligkeit erkennen lassen. 

Mit Hülfe eines aufgelegten Papierstreifens, auf welchen man die Tages- 
zeiten ein für allemal aufgetragen hat, ist es sofort möglich festzustellen. wie 
lange und zu welchen Zeiten bis auf Minuten genau die Sonne an einem 
Tage geschienen hat, oder der Himmel mehr oder weniger verschleiert ist. 
Ich glaube daher, dass uns das kleine Instrument, welches von Fuess in 
Steglitz für 112 M. zu erhalten ist, für manche Gelegenheit ganz wertvolle 
Anzeigen geben kann, und denke da in erster Linie an meteorologische, land- 
wirtschaftliche und hygienische Institute. 

Es ist wohl zweifellos, dass Klima, Pflanzenwuchs und Hygiene durch 
Sonne und Tageshelligkeit in vielfach noch nicht geklärter Weise beeinflusst 
werden, was eines weiteren Studiums wohl wert wäre. 

Ein anderer kleiner Apparat, den ich im Nachfolgenden kurz beschreiben 
möchte, dient zur Registrierung der Windrichtung und zugleich auch, bis zu 
einem gewissen Grade genau, zur Aufzeichnung der Windstärke. 

Beides sind ja ebenfalls wichtige Faktoren für klimatische Beobachtungen 
und werden wohl auf allen grossen meteorologischen Stationen dauernd re- 
gistriert, aber die hierfür gebräuchlichen Instrumente sind, soweit mir be- 
kannt, alle so kompliciert und natürlich auch so kostspielig, dass sie für 
allgemeineren Gebrauch kaum in Frage kommen können. Diese Nachteile 
besitzt nun zweifellos mein Apparat nicht. 

Derselbe besteht, wie aus der beigefügten Abbildung 4 zu ersehen ist, 
aus einem 23 cm hohen Metallcylinder ce, welcher 
im Innern ein ganz einfaches Räderwerk mit 
einer gewöhnlichen Uhrunruhe enthält. Durch 
seine eigene Schwere gleitet er an der seitlich 
mit einer Zähnelung versehenen Stange b herunter 
und wird durch das Uhrwerk dieses Abgleiten so 
reguliert, dass der Cylinder c in der Stunde 
9,5 mm, in 24 Stunden also 23 cm absinkt. Auf 
dem Cylinder wird täglich ein Papierstreifen mittels 
gummierten Bandes befestigt, auf welchem der 
Schreibstift e die Registrierung der Windrichtung 
bewirkt. Dieser Schreibstift, es kann dazu ein 
weicher Bleistift oder besser noch ein Tintenstift 
genommen werden, sitzt an einem Bügel fest, 
welcher direkt mit einer auf dem Dache der Station 
befindlichen Wetterfahne d verbunden ist. In 
meinem Fall ‘wurde dazu die in Deutschland bei 
den metcorologischen Stationen 2. Ordnung ge- 
bräuchliche Fahne benutzt, die sich dazu sehr 
wohl eignet, zumal, wenn man dieselbe durch 
Verlängerung der Fahnenflügel noch etwas empfind- 
licher für ganz schwache Luftströme macht. Der 
Registrierapparat wird direkt unter der Wetterfahne auf einen Tisch fest aufge- 


Far. 
Abb. 4. 


Zwei Registrierinstrumente für Sonnenschein und Windrichtung. 285 


stellt und mit der hohlen Fahnenstange durch eine Verlängerung von b lose 
verbunden. 

Es ist nun wohl ohne weiteres klar, dass jede Bewegung der Fahne genau 
in denselben seitlichen Ausschlägen von dem Schreibstift e mitgemacht wird 
ond dass beim Absinken des Cylinders c dieser Stift die Bewegungen der 
Fahne genau in einer fortschreitenden Linie auf dem Registrierpapier ver- 
merken wird. 

Einmal täglich wird das Papier erneuert und zugleich der Cylinder c mit 
der Hand wieder in die Höhe. gehoben, ein Aufziehen des Uhrwerkes fällt 
bier fort, da die Schwere des-Cylinders eben als treibende Kraft wirkt. 

Zur besseren Illustration des Gesagten möge die verkleinerte Abbildung 

einer Tageskarve dienen (Abb. 5), die zugleich zeigt, wie dieselbe richtig ab- 
zulesen ist, indem man seitlich einen . 
Papierstreifen mit einer Stundenein- 
teilung, oben einen solchen mit den 1ng seem 
Windrichtungen an die Kurve hält, 
woraus sich ohne weiteres ergibt, 
welche Windrichtung zu den einzelnen 
Tageszeiten geherrscht hat. 

Zugleich gibt uns aber, wie schon == 
oben bemerkt, auch die Kurve ein 
Urteil über die Windstärke ab; denn 
wie jeder, der Windfahnen einmal be- 
obachtet hat, weiss, pflegt die Zahl 
und die Grösse der Ausschläge einer 
Windfahne ziemlich gleich mit der 
Stärke des Windes zuzunehmen, und 
so erhalten wir denn auch bei stür- 


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at 
T 


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FEHKRIRERKIEELESBANEITRTS 


mischer Witterung ein dichtgedrängtes L- 1 0 See 
Netz von seitlichen Ausschlägen auf Abb. 5. 


dem Papier verzeichnet, während diese Es ist absichtlich, um die Abbildung zu ver- 

bei abflauendem Winde immer seltener infachen, ein ganz windstiller Tag ausge- 
X oy wählt, in der Regel ist die Kurve eine viel 

und wenig ausgiebig werden. Voll- bewegtere. 

kommeneWindstille, die aber nur selten 

vorkommt, wird durch einen senkrecht verlaufenden Strich markiert. 

Ich möchte glauben, dass das Instrament, welches mir von der Firma 
Gebr. Ruhstrat, Göttingen angefertigt worden ist und in Einfachheit der 
Konstruktion und Bedienung wohl kaum von einem anderen übertroffen werden 
wird, namentlich für meteorologische Stationen 2. Ordnung wird gute Dienste 
leisten können. 


22 


286 Lehrbücher. Luft. 


Abel, Rudolf, Bakteriologisches Taschenbuch, enthaltend die wich- 
tigsten technischen Vorschriften zur bakteriologischen Labora- 
torienarbeit. 9. Auflage. Würzburg 1905. A. Stubers Verlag (C. Kabitzsch) 
117 Ss. 12°. Preis: 2 M. 

Die Tatsache, dass während der letzten drei Jahre jährlich eine neue 
Auflage erscheinen musste, spricht eigentlich allein schon für die Beliebtheit 
und Brauchbarkeit des vorliegenden Büchleins. Die jetzt erschienene neunte 
Auflage zeigt, dem raschen Fortschritt der Wissenschaft entsprechend, zahl- 
reiche Abänderungen, indem am vielen Stellen neue Methoden und neue For- 
schungsergebnisse berücksichtigt werden. Trotzdem ist der Umfang des Buches 
nur um wenige Seiten gewachsen. Die Uebersichtlichkeit ist in der letzten 
Auflage noch erhöht durch umfangreiche Anwendung verschiedenartigen Druckes, 
ausserdem wurde das Register wesentlich > vergrössert. So ist das Buch in 
der Tat schon lange ein unentbehrlicher Ratgeber für einen jeden, der 
bakteriologisch arbeitet, geworden. Baumann (Metz). 


Dieudonné, Immunität, Schutzimpfung und Serumtherapie. Zu- 
sammenfassende Uebersicht über die Immunitätslehre. Vierte 
umgearbeitete Auflage. Leipzig 1905. Johann Ambrosius Barth. 198 Ss. 
8°, Preis: 6 M. 

Innerhalb zehn Jahren musste das rühmlich bekannte Buch viermal 
aufgelegt werden, ein Erfolg, dem keine weitere Empfehlung hinzugefügt zu 
werden braucht. Auch in der neuen Auflage ist Verf. seinem Ziele treu ge- 
blieben, den der Immunitätslehre Fernstehenden eine kurze und klare 
Orientierung über das schwierige Thema zu bieten. Er hat es daher vermieden, 
zur Zeit noch strittige Punkte und Theorien des Breiteren zu erörtern, sondern 
hat vielmehr im theoretischen Teil nur die wichtigsten Grundzüge der Lehre 
wiedergegeben. In der Darstellung der praktischen Schutzimpfung und 
Serumtherapie sind dagegen alle neueren Forschungsergebnisse nachgetragen, 
insbesondere auch ein Abschnitt über das Heufieber neu eingefügt worden. 

Beitzke (Berlin). 


Flügge C., Ueber Luftverunreinigung, Wärmestauung und Lüftung 
in geschlossenen Räumen. Zeitschr. f. Hyg. Bd. 49. S. 363. 

Brown-Séquard und d’Arsonval stützten im Jahre 1888 durch 
Tierversuche die Lehre, dass Menschen und Tiere giftige Stoffe mit ihrer 
Atmungsluft ausscheiden. Nur Merkel und neuerdings Wolpert haben 
sie bestätigt. Dagegen ist schon 1883 von Hermans, später von Beu, Rauer, 
Lübbert, Lehmann und Jessen, Formänek, 1893 von Rietschel, 1899 
von Krieger, 1903 von Mehl ausgesprochen worden, dass es sich bei der 
bekannten schädlichen Wirkung mangelhafter Lüftung geschlossener Räume — 
Unbehagen, Beklemmung, Kopfweh, Schwindel, Brechneigung — nicht um che- 
mische, sondern vielmehr um thermische Einflüsse handelt. Auffälliger- 
weise halten die Handbücher der Hygiene und Lüftungstechnik fast ohne Aus- 


Luft. 287 


nabme gleichwohl noch immer an der Vergiftungsgefahr fest. Der Verf. 
vermutet, dass die Wirksamkeit thermischer Einflüsse bisher deshalb noch 
nicht allgemeiner anerkannt worden ist, weil sie sich nur auf wenige und 
zwar an Tieren (nicht an Menschen) angestellte Versuche stützt. Er hat daher 
Anlass genommen, diese Lücke durch Untersuchungen an gesunden und 
kranken Menschen ausfüllen zu lassen, über welche Heymann, Paul und 
Ercklentz besonders berichten (vergl. die folgenden Referate). 

Io einem geschlossenen Glaskasten von etwa 3 cbm Inhalt konnte durch 
den Aufentbalt von Menschen in: verhältnismässig !kurzer Zeit ein Kohlen- 
säuregehalt von 10—15 wiT. — also erheblich höher als für gewöhnlich 
selbst starker Luftverunreinigung entspricht — hervorgerufen werden, ohne dass 
das Woblbefinden und die geistige und körperliche Leistungsfähigkeit 
beeinträchtigt wurde; so lange gleichzeitig auch die Temperatur und 
Feuchtigkeit der Luft im Kasten niedrig blieb. Dagegen stellten sich 
üble Wirkungen ein, wenn die Wärme 26° erreichte bei mässigem 
Feuchtigkeitsgebalt, und bei 21—23°, wenn die Feuchtigkeit höhere Grade 
erreichte. Die Empfindlichkeit der einzelnen Personen war verschieden. Ob- 
jektiv wurde die Grenze erreicht, wenn die Feuchtigkeit (mit Wursterschen 
Kleiderhygrometern bestimmt) um 20—30 v. H. gestiegen war und die Haut- 
wärme der Stirn (mit Thermo-Elementen gemessen) bis 34— 35° oder bei empfind- 
lichen Personen bis 32—33° sich erhöht hatte. Hiernach handelt es sich 
also um Wärmestauung. Dass dies richtig ist, geht daraus hervor, dass 
die blosse Bewegung der schlechten Kastenluft ohne sonstige Verände- 
rung die eingetretenen Störungen wieder beseitigte — offenbar durch 
Besserung der Wärmeabgabe —, dass ferner die Atmung frischer von 
aussen zugeführter Luft, während der Körper im Kasten blieb, keine 
Besserung schaffte, und dass endlich umgekehrt die verunreinigte Kasten- 
luft von aussen Befindlichen (unter Vorsichtsmassregeln gegen ihren üblen 
Geruch) ohne Schaden geatmet werden konnte. 

An praktischen Folgerungen ergibt sich hieraus zunächst die Sorge für 
Schutz der Wohnungen gegen zu grosse Wärme, und zwar nicht blos im Sommer 
durch die Bauart der Häuser, sondern auch im Winter durch Vermeidung 
der sehr häufigen Ueberheizung, durch Verminderung der Bewohner- 
zahl u. s. w. Die Zimmerwärme soll 21° niemals übersteigen, 17— 19° be- 
tragen, wenn die Bewohner sich ruhig verhalten, 13 -15°, wenn sie sich 
bewegen. Von guter Wirkung auf die Folgen überwarmer Räume ist es, wenn 
ihre Luft in Umlauf gesetzt wird, wie es auf Schiffen, in Eisenbahnen, 
Hörsälen u. s. w. schon geschieht. Andere Mittel, um den Aufenthalt in ge- 
schlossenen Räumen erträglich zu machen, sind die Zufuhr trockener und 
kühler Luft. Indessen macht die Trocknung der Luft noch technische 
Schwierigkeiten und die Einleitung kalter Luft bringt die Gefahr von Er- 
kältungen mit sich, so dass z. B. für Schulen die periodische Lüftung der 
son den Schülern in den Pausen verlassenen Klassenzimmer ratsamer ist, 
als die dauernde während des Unterrichts. Mit richtig aufgehängten 
Thermometern und genauer Beaufsichtigung des Heizbetriebes sollte es nicht 


229 


288 Luft. 


zu schwer sein, in den Schulen die rechte Wärme und damit die Frische und 
Leistungsfäbigkeit der Schüler zu erhalten. 

Belästigende Gerüche in mangelhaft gelüfteten Räumen stammen teils 
von Ausscheidungen der Haut und Schleimbäute ihrer Bewohner und von 
Zersetzungen derselben, hohlen Zähnen u. s. w., teils von stark riechenden oder 
verdorbenen Nahrungsmitteln. Unmittelbare giftige Wirkungen sind 
hiervon kaum zu befürchten, wohl aber vermögen sie Ekel zu erregen und 
müssen deshalb bekämpft werden. Die Empfindlichkeit dagegen und die Gewöh- 
nung daran ist freilich bei den einzelnen Menschen und Gerüchen sehr ver- 
schieden. Das wirksamste Mittel dagegen ist die Beseitigung ihres Ursprunges. 
Wenn Lüftung angewendet wird, muss sie natürlich in Absaugung bestehen. 
Auch Geruchszerstörung — Desodorisation — welche nicht mit Desinfektion 
zu verwechseln ist, kann in Betracht kommen. 

Luftverunreinigungen durch Staub und Tröpfchen mit Ansteckungs- 
stoffen lassen sich durch Lüftung nicht beseitigen. Fussreiniger, staub- 
bindende Fussbodenölungen, Absonderung von Infektionskranken sind hier 
wirksamer als Lüftung. Globig (Berlin). 


Heymann, Bruno, Ueber den Einfluss wieder eingeatmeter Exspira- 
tionsluft auf die Koblensäure-Abgabe. Aus d. hyg. Institut d. Univ. 
Breslau. Zeitschr. f. Hyg. Bd. 49. S. 388. 

Der Verf. hat die Arbeit von Wolpert (vgl. diese Zeitschr. 1904. S. 558) 
nachgeprüft, welche zur Aufstellung des Satzes geführt hat, dass in unzu- 
reichend gelüfteten Räumen durch die sich ansammelnde Ausatmungsluft 
die Kohlensäureausscheidung des Menschen innerhalb gewisser Grenzen 
mit stetiger Zunahme herabgesetzt wird. Wolpert betrachtet dies als eine 
schädliche Einwirkung auf den normalen Stoffwechsel und sucht die Ursache 
dafür nicht in einer Anhäufung der Kohlensäure oder des Ammoniaks oder 
in einer Verminderung des Sauerstoffes, sondern in chemischen Stoffen 
unbekannter Natur, welche in der Ausatmungsluft enthalten sind. Der 
Verf. äussert zunächst Zweifel an der von Wolpert angenommenen völlig 
gleichmässigen Verteilung der Kohlensäure in dem Versuchsraum bei 
dem ganz ruhigen Verhalten der Versuchspersonen und bei der Schwierigkeit, 
einen wirklich vollständig dicht haltenden Abschluss gegen die Aussenluft 
berzustellen, und macht dann wesentliche Einwände gegen die Be- 
rechnungsweise Wolperts für den Kohlensäuregehalt, wegen deren auf die 
Arbeit selbst verwiesen werden muss. Danach ergibt sich zwar für einen 
Teil der angestellten Versuche eine stetig wachsende Abnahme der Kohlen- 
säureausscheidung, bei andern aber hält sie sich auf gleicher Höhe oder macht 
unregelmässige Sprünge, so dass von einer Gesetzmässigkeit, wie sie Wolpert 
gefunden haben will, nicht die Rede sein kann. Der Verf. kommt ferner (zum 
Teil auf Grund eigener Versuche) zu dem Ergebnis, dass die Abnahme der 
Kohlensäureausscheidung in dem Versuchskasten schon durch das ruhige 
Verbalten der Versuchspersonen, durch ihre lange Nahrungsenthaltung 
und durch die Temperaturerhöhung im Kasten während der Versuche 
erklärt werden kann. Endlich macht er darauf aufmerksam, dass ebenso wie 


Luft. 289 


Tiere, welche den Kopf zwischen den Gliedern oder unter den Federn ver- 
steckt balten, auch der Mensch oft, z. B. im Schlaf, wenn Kissen oder Decken 
sich in der Nähe seines Mundes befinden, eine Luft einatmet, deren Kohlen- 
säuregehalt im Vergleich zur sonstigen Zimmerluft ganz bedeutend 
erhöht ist, and zwar ohne dass irgend welche schädliche Wirkungen davon 
zu beobachten wären, welche nicht fehlen dürften, wenn Wolperts Ansichten 
richtig wären. Auch nach dieser Richtung hin hat der Verf. bemerkenswerte 
Versuche angestellt, die mitgeteilt werden. Globig (Berlin). 


Paul L., Die Wirkungen der Luft bewohnter Räume. Aus dem hygien. 
Instit. d. Univ. Breslau. Zeitschr. f. Hyg. Bd. 49. S. 405. 

Der Verf. benutzte zu seinen Versuchen einen gut gedichteten Glas- 
kasten von ungefähr 3 cbm Inhalt, der mit Einrichtungen zur Erwärmung 
(Dampfschlangen), Befeuchtung, Trocknung und Bewegung (Ventilator) 
der eingeschlossenen Luft versehen war, und Personen, die teils den besseren 
Klassen angehörten, an Reinlichkeit, Haut- und Mundpflege gewöhnt waren, 
teils aus den niederen Volksschichten stammten und einen Gegensatz zu 
jenen bildeten. Durch 3--4stündigen Aufentbalt eines Menschen in dem 
Kasten wurde der Kohlensäuregehalt der Kastenluft auf 10—-150/,, erhöht, 
wäbrend in Schulen, Kasernen, Kirchen u. s. w. der Grad von 100/% schwerlich 
jemals erreicht wird. Es kam darauf an, festzustellen, wann die in der 
„schlechten Luft“ zahlreich besuchter und mangelhaft gelüfteter Räume 
oft beobachteten Beschwerden — Kopfweh, Beklemmung, Uebelkeit, 
Ohnmacht — sich bei den Versuchen einstellen würden, und es ergab sich 
zunächst, dass sie ganz ausblieben, wenn die Temperatur im Kasten 
20° nicht wesentlich überschritt. Auch Messungen mit dem Gaertner- 
schen Tonometer, mit dem Mossoschen Ergographen, dem Griesbachschen 
Aesthesiometer und Proben mit Rechen- und Kombinationsaufgaben ergaben 
unter diesen Verhältnissen keinen Unterschied. Auch in einer Schulklasse 
mit 50—60 Kindern blieben während 2—3stündigen ununterbrochenen 
Aufenthalts, wenn nur die Temperatur nicht 19° und die Feuchtigkeit nicht 
50°‘, überschritt, trotz merklicher Ansammlung der gasförmigen Ausscheidungen 
und bedeutender Kohlensäurezunahme die unangenehmen Erscheinungen 
bei Lehrern und Kindern völlig aus, und es konnten am Schluss keine Zeichen 
‚der Ermüdung (Rechenaufgaben) festgestellt werden. Dagegen stellten sich 
die angegebenen Störungen schon nach 10—30 Minuten ein, wenn die 
Kastentemperatur bei 50%, Feuchtigkeit 26°, bei 75°), Feuchtigkeit 
24° erreichte und bei von aussen erwärmten Kastenwänden schon, wenn 
sie 210 betrug. Noch vor dem Auftreten der subjektiven Beschwerden zeigte 
sich eine Erhöhung der Temperatur der Stirnhaut (durch empfindliche 
Thermo-Elemente bestimmt) etwa von 32 auf 35° und ein Anstieg der 
Wursterschen Kleiderhygrometer und -Thermometer, die auf der 
blossen Haut unter den Kleidern getragen wurden, von 35°/, auf 55°%/, Feuch- 
tigkeit. Durch Bewegung der Luft im Kasten, ohne dass ihre chemische 
Zusammensetzung sich änderte, wurden die Beschwerden augenblicklich 
beseitigt, auch die Stirntemperatur ging schnell herunter, die Temperatur 


290 Luft, 


und die Feuchtigkeit der bekleideten Haut folgten allerdings etwas langsamer. 
Die Versuchspersonen hatten den angenehmen Eindruck, als ob ibnen frische 
Luft zugeführt wurde. Geht hieraus schon hervor, dass es sich beim Auf- 
treten der Beschwerden um die Folgen von Wärmestauung handelt, so 
wird dies noch deutlicher bewiesen durch Versuche, bei welchen die Möglichkeit 
geschaffen war, den Kopf oder wenigstens den Mund aus dem Kasten heraus- 
zustecken. Dann wurde durch Einatmung frischer Aussenluft keine 
günstige Wirkung auf die Beschwerden der im Kasten befindlichen Personen 
ausgeübt, wohl aber trat diese ein, wenn die Kastenluft in Bewegung gesetzt 
wurde. Umgekehrt konnte die „verdorbene“ Kastenluft von ausserhalb 
befindlichen Personen, die nur durch den üblen Geruch belästigt wurden, 
geatmet werden. ohne dass die Beschwerden sich zeigten. 
Globig (Berlin). 


Ercklentz W., Das Verhalten Kranker gegenüber verunreinigter Wob- 
nungsluft. Aus d. hygien. Instit. d. Univ. Breslau. Zeitschr. f. Hyg. 
Bd. 49. S. 483. 

In demselben Glaskasten und ganz in derselben Weise wie Paul bei 
Gesunden (vgl. das vorhergehende Referat), hat der Verf. das Verhalten von 
Kranken in der mit ihren gasförmigen Ausscheidungen verunrei- 
nigten Luft untersucht. Darunter befanden sich Kranke mit Herzklappen- 
fehlern, chronischen Nierenleiden, Emphysem und Lungenkatarrh, Basedow- 
scher Krankheit. Asthmatische standen ihm zu seinem Bedauern nicht zur 
Verfügung. Zu seinen Versuchspersonen gehörten ferner 4 skrophulöse im 
Wachstum zurückgebliebene Schulkinder, die in der Schule sehr leicht un- 
aufmerksam und teilnahmslos wurden. Bei niederen Temperaturen wurden 
niemals „Wärmestauungserscheinungen“ beobachtet trotz 4stündiger Dauer der 
Versuche und Kohlensäureanhäufung auf 11—15%/go. Bei mässig gesteigerter 
Temperatur und Feuchtigkeit blieben die Schulkinder ebenfalls völlig frei 
von Beschwerden, während gesunde Erwachsene Unbehagen verspürten. 
Die Kranken mit Emphysem und Nierenleiden zeigten auch bei hoher 
Wärme und Feuchtigkeit nur geringe Reaktion, meistens geringere als 
Gesunde unter gleichen Verhältnissen. Dagegen waren Herzkranke und 
eine an Basedowscher Krankheit Leidende besonders empfindlich. 
Der Verf. vermutet, dass sich Nervöse und Neurasthenische ebenso erhalten 
möchten. Globig»(Benlin]: * 


Wolpert H., Wird die Kohlensänreabgabe des Menschen durch Bei- 
mengung von Ausatmungsluft zur Einatemluft beeinflusst? Eine 
Entgegnung. Aus d. hygien. Institut d. Univers. Berlin. Zeitschr. f. Hyg. 
Bd. 50. S. 529. 

Gegenüber Flügge (vgl. diese Zeitschr. 1906. S. 286) bestreitet der 
Verf., dass er (vgl. diese Zeitschr. 1904. S. 558) eine Giftwirkung oder 
sonstige Schädigungen durch gasförmige Bestandteile der Ausatmungsluft 
behauptet habe. Er habe festgestellt, dass die Kohlensäureabgabe mit der 
steigenden Ansammlung von Kohlensäure in der Atemluft eines geschlossenen 


Luft, 291 


Raumes eine Abnahme erfährt, aber die Frage, ob diese Verminderung 
durch Stoffe bedingt werde, die der Atmungsluft beigemengt werden, oder 
ob es sich um eine nervöse Beeinflussung handele, babe er ausdrücklich 
offen gelassen und messe ihrer Beantwortung nur eine untergeordnete Be- 
deutung für die praktische Hygiene bei. Auch die Bemängelung seiner 
Versuchsanordnung und seiner Berechnungsweise durch Heymann (vgl. 
diese Zeitschr. 1906. S. 288) und Flügge erkennt er nicht an. Von dem 
lange Zeit fortgesetzten ruhigen Aufenthalt im Versuchsapparat, 
welchen diese Forscher neben anderen Möglichkeiten zur Erklärung der Ab- 
nahme der Kohlensäureausscheidung heranziehen wollen, behauptet er, dass 
dadurch vielmehr eine allmähliche Steigerung bedingt werde. Wäh- 
rend Flügge und Heymann der Ansicht sind, dass eine zeitweilige Ver- 
ringerang der Kohlensäureabgabe, wie sie Wolpert beobachtet hat, keine 
Schädigung des Körpers darstellt, erklärt der Verf., dass der täglich 
eine Reihe von Stunden dauernde Aufenthalt in einem Raum, welcher eine 
derartige Verringerung der Kohlensäureausscheidung zur Folge hat, keines- 
wegs gleichgültig oder harmlos sein könne. Globig (Berlin). 


Heymann B., Erwiderung auf vorstehende Entgegnung Wolperts: 
„Wird die Koblensäureabgabe des Menschen durch Beimengung 
von Ausatmungsluft zur Einatemluft beeinflusst?“ Aus d. hyg. 
Institut zu Breslau. Zeitschr. f. Hyg. Bd. 50. S. 535. 

Der Verf. wünscht von Wolpert eine Erklärung, wie der von diesem 
Beobachter als möglich bezeichnete nervöse Einfluss der schlechten Luft 
zu Stande kommen soll, ohne dass bestimmte Bestandteile derselben wirk- 
sam wären, und worin der Unterschied zwischen guter und schlechter 
Luft bestehe, wenn die gewöhnlichen Unterschiede (Wärmegrad, Kohlensäure- 
gehalt, Feuchtigkeit) zur Erklärung nicht ausreichen. Den grössten Teil seiner 
Ausstellungen an Wolperts Versuchsanordnung hält er aufrecht. 
Wenn der Nachweis einer Schädigung durch die Verminderung der Kohlen- 
säureabgabe durch Wolpert wirklich erbracht wäre, so wäre die Ermitte- 
lung ihrer Ursache durchaus nicht gleichgültig und von untergeordneter 
Bedeutung, sondern eine dringende Forderung der Hygiene. 

Globig (Berlin). 


Weipert, H., Bemerkungen zu Dr. Heymanns Erwiderung: „Wird die 
Koblensäure-Abgabe des Menschen durch Beimengung von Aus- 
atmungsluft zur Einatemluft beeinflusst?“ Aus d. byg. Instit. d. 
Univ. Berlin. Zeitschr. f. Hyg. Bd. 51. S. 175. 

Der Verf. erklärt, dass er bei seinen Untersuchungen des Einflusses durch 
Atmang verunreinigter Luft die Beobachtung subjektiver Folgen als unzuver- 
lässig aufgegeben und statt dessen lieber die objektive Wirkung auf die 
Atmungsvorgänge geprüft habe. Ueber die Ursachen der von ihm ge- 
fündenen Tatsache Näheres zu ermitteln, sei nicht Gegenstand seiner 
Versuche gewesen. Seine letzte Bemerkung bezieht sich auf die Versuchs- 
anordnung und auf die Berechnungsweise. Globig (Berlin). 


292 Infektionskrankheiten. 


Rothberger $., Ueber ein akut wirkendes Bakterientoxin. Il. Experi- 

mentelle Analyse der Giftwirkung. Centralbl. f. Bakt. Bd. 38. S. 165. 

Die Versuche mit dem von Kraus beim Vibrio Nasik beschriebenen akut 
wirkenden Bakterientoxin hatten folgendes Ergebnis: 

„Das Toxin läbmt 1. das Herz und führt auf diese Weise schon nach 
wenigen Minuten zum Tode, 2. verändert das Blut, indem es a) dessen Ge- 
rinnbarkeit erhöht, b) zu einer hochgradigen Veränderung der roten Blut- 
körperchen führt, welche teils ihre Färbbarkeit verlieren, teils zu homogenen 
Schollen verquellen, welche die Konturen der einzelnen Blutkörperchen nicht 
mehr erkennen lassen. Diese Schollen sind nicht nur in Proben des cirku- 
lierenden Blutes, sondern auch insbesondere in Schnittpräparaten der Lunge 
nachzuweisen. Ein kausaler Zusammenhang zwischen den Veränderungen des 
Blutes und dem Tode der Versuchstiere ist nicht immer nachweisbar. Da- 
gegen wird man ‚wohl die Blutungen in Myocard und unter dem Endocard 
sowie die hämorrhagischen Infarkte der Lunge auf sie zu beziehen haben. 
3. die dem Vibrio Nasik wie vielen anderu choleraähnlichen Vibrionen zu- 
kommende Darmwirkung steht in keinem Zusammenhang mit der tödlichen 
Wirkung des Toxins“. — Bezüglich der näheren Details sei auf das Original 
verwiesen. Paul Th. Müller (Graz). 


Küster K., Ueber eine erfolgreiche Behandlung der Schwindsucht 
und anderer schwerer Infektionskrankheiten durch ein inneres 
Desinfektionsmittel. Berl. klin. Wochenschr. 1904. No. 43. S. 1125. 

Empfehlung eines inneren Desinficiens, des Griserins, Metajod- 
orthooxychinolinanasulfonsäure (C,H,J . OH . SOHN), das schon vor Jahren 
unter dem Namen Loretin als Jodoformersatz in den Handel kam, sich aber 

nicht behaupten konnte. Es soll ungiftig sein und selbst in Gaben bis 5,0 g 

genommen keine schädlichen Wirkungen entfalten. - Für die Krankenbe- 

handlung werden Dosen von 0,2—0,5 g empfohlen. Der Verf. will mit diesem 

Mittel Phthise, Diphtherie, Scharlach, Ruhr, Krebs, Sarkom, chronische Pneu- 

monie mit Endocarditis, Oophoritis und Syphilis, lauter schwere, hoffnungs- 

lose Fälle teils geheilt, teils günstig beeinflusst haben. Aus der Wirkung des 

Präparates hält er den Beweis für die bakterielle Aetiologie der malignen 

Tumoren erbracht. — Leider ist die Abhandlung durchaus unkritisch und mehr 

im Sinne einer Reklameschrift als einer ernsten wissenschaftlichen Arbeit 

geschrieben. Tierversuche liegen nicht vor. Bei den behandelten Phthisikern 

hat anscheinend nicht einmal eine fortgesetzte Untersuchung des Auswurfes 
auf Bacillen stattgefunden. Es sind daher weitere, ernstere Mitteilungen ab- 
zuwarten. Die Redaktion der Berl. klin. Wochenschr. hat die Verantwortung 
für den Inhalt des Artikels ausdrücklich abgelehnt. 

H. Ziesch& (Leipzig). 


Petruschky, Kann durch Griserin eine innere Desinfektion bewirkt 
werden? Berl. klin. Wochenschr. 1904. No. 50. S. 1296. 

Prüfung der desinficierenden Wirkung von Loretin und Griserin, die 

in der Weise vorgenommen wurde, dass der Nährbouillon diese Chemikalien 


Infektionskrankheiten., 293 


in verschiedener Konzentration zugesetzt und nach drei Tagen durch 
Aussaat auf frische Nährböden die Desinfektionswirkung geprüft wurde. Die 
abtötende Konzentration des Griserins lag für Streptokokken bei 1:4000, 
Staphylokokken unter 1:400, Milzbrand 1: 8000, Bact. coli und Typhus unter 
1:400, Pneumokokken 1:10000, Diplococe. catarrhal. 1: 10000, Diphtherie 
1:4000, Streptothrix 1:1000, Penicillium unter 1:400, Soor 1:4000. Ver- 
suche über die Giftigkeit für weisse Mäuse ergaben, dass Griserin im Ver- 
hältnis 1 : 3000 des Köpergewichts eine tödliche Giftwirkung ausübt, 1:5000 
noch ertragen wird. Versuche, durch: gleichzeitige Griserininjektion Mäuse vor 
der Milzbrandinfektion zu schützen,’ fielen negativ aus. 
H. Ziesch6 (Leipzig). 


Schmorl und Geipel, Ueber die Tuberkulose der menschlichen Pla- 
centa. Münch. med. Wochenschr. 1904. No. 38. S. 1676. 

Bisher waren nur 10 Fälle von Placentartuberkulose bekannt ge- 
worden, die meist bei an akuter Miliartuberkulose oder an weit vorgeschrittener 
Lungentuberkulose verstorbenen Frauen gefunden wurde. Man hielt deshalb 
die taberkulöse Infektion der Placenta für ein sehr seltenes Ereignis. Nach 
den neuesten Untersachungen der Verff. ist aber eine andere Ansicht am 
Platze. Von zwanzig untersuchten Placenten boten 9 tuberkulöse Ver- 
änderungen. Von den Wöchnerinnen litten je eine an beginnender und an 
mittelschwerer Tuberkulose, fünf an weit vorgeschrittenen Formen, eine war 
an akuter Miliartuberkulose und eine an Meningitis tuberculosa gestorben. 
In dem Fall von Miliartuberkulose waren die ausgedehnten Veränderungen 
schon makroskopisch als tuberkulöse zu erkennen, in zwei anderen Placenten 
von sehr phthisischen Frauen fanden sich stecknadelkopf- bis erbsengrosse 
käsige Knoten, die durch den Bacillennachweis und die histologische Unter- 
suchung als tuberkulös erkannt wurden. 

Am häufigsten haben die tuberkulösen Herde an der Oberfläche 
and in den intervillösen Räumen ihren Sitz. Sodann kann auch das 
tuberkulöse Granulationsgewebe primär im Zotteninnern sich entwickeln, 
wobei manchmal circumscripte Epitheldefekte vorhanden sind. Bei einer 
dritten Form treten die durch die Tuberkelbacillen bedingten Veränderungen 
in der Decidua basalis auf, wobei weniger eigentlich Tuberkel, als vielmehr 
ausgedehnte, rasch verkäsende Rundzelleninfiltrate zu Stande kommen 
und zwar teils in den tiefen uterinwärts gelegenen Schichten der Basalis, 
teils und besonders häufig in der Nähe des Nitabuchschen Fibrinstreifens. 
Schliesslich und viertens wird hauptsächlich die choriale Deckplatte der Pla- 
centa betroffen, indem sie, wie es in zwei Fällen geschah, sekundär durch 
einen intraperitonealen Käseherd in Mitleidenschaft gezogen wird. Sogar 
das Amnion war bei dem zerstörenden Process einmal mit ergriffen und durch- 
brochen, so dass käsiger Detritus und Tuberkelbacillen in die Eihöhle selbst 
eingedrungen waren. 

Es können, nachdem so die Histologie der Placentartuberkulose im we- 
sentlichen klargestellt worden ist, alle an dem Aufbau der Placenta 
beteiligten Teile tuberkulös erkranken. Da nicht nur die Krankheits- 

23 


294 „Infektionskrankheiten. 


erreger allein, sondern auch echte tuberkulöse Erkrankungsherde in der Pla- 
centa gefunden wurden, so ist eine kurz vor der Geburt bezw. vor dem 
Tode der Frauen stattfindende Tuberkelbacillen-Einschwemmung in die 
Placenta ausgeschlossen, vielmehr muss die Infektion schon vor ge- 
raumer Zeit in den einzelnen Fällen eingetreten sein. Nicht bloss 
am Ende der Schwangerschaft, sondern auch in früheren Stadien kommt die 
Placentarinfektion zu Stande. Nur finden sich im letzteren Falle ausgedehnte 
Herde in der Decidua basalis, die in späteren Monaten nie anzutreffen sind. 
Dagegen bieten die fötalwärts befindlichen Placentarschichten in den späteren 
Stadien-einen Lieblingssitz für die intervillösen Tuberkel. AR 

Die Placentartuberkulose kommt nicht nur bei Milartuberkulose und bei weit 
entwickelten Fällen der Lungentuberkulose, sondern auch bei mässig vor- 
geschrittener und sogar bei gerade erst beginnender Phthise vor. 
Dieser letztere Nachweis erhöht die Bedeutung der intrauterinen Ueber- 
tragung von Mutter auf Kind ganz wesentlich, da auch von den kleinen 
Placentarherden aus die Tuberkelbacillen in den fötalen Orga- 
nismus übertreten können. Entsprechend der v. Behringschen Ansicht, 
dass eine angeborene Disposition zur Tuberkulose nicht besteht, sondern dass 
die Disposition für eine im späteren Leben mögliche tuberkulöse Erkrankung 
erst durch eine im frübesten Kindesalter auf dem Wege des Magendarm- 
kanals erfolgende Tuberkelbacilleninfektion geschaffen werden muss, würde 
durch den jetzt erbrachten Nachweis einer nicht selten erfol- 
genden placentaren Ansteckung der Kinder tuberkulöser Frauen 
vielleicht das Vorkommen einer angeborenen Disposition in diesem 
v. Behringschen Sinne wahrscheinlich gemacht werden. Die vorliegenden 
Beobachtungen an menschlichen Placenten sind deshalb besonders wertvoll, 
da wegen des so verschiedenen Baues menschlicher und tierischer Placenten 
durch Tierversuche keine Fortschritte in der Lösung der einschlä- 
gigen Fragen zu erwarten sind. Schumacher (Hagen i.W.). 


Baumgarten, Experimente über die Ausbreitung der weiblichen Ge- 
nitaltuberkulose im Körper. Berl. klin. Wochenschr. 1904. No. 42. 
S. 1098. 

In einer früheren Arbeit (Arbeiten aus dem patholog. Institut Tübingen. 
Bd. 4. H. 2) hat B. über experimentelle Untersuchungen über die Aus- 
breitung der männlichen Urogenitaltuberkulose, die er mit Kraemer zu- 
sammen vornahm, berichtet. Es fand sich damals, dass die Ausbreitung 
innerhalb eines Systems stets nur in einer bestimmten Richtung erfolgt und 
ein Uebergreifen der Tuberkulose von einem System auf das andere nur in 
beschränktem Masse stattfindet. In der vorliegenden Arbeit berichtet Verf. 
über analoge Untersuchungen, die er über die weibliche Genitaltuber- 
kulose mit Basso zusammen angestellt bat. 

Als Infektionsstoff wurden ausschliesslich Perlsuchtbacillen verwandt, weil 
sie allein progrediente Tuberkulose beim Kaninchen hervorrufen. Die Ba- 
eillen wurden entweder in einer Suspensionsflüssigkeit oder in Form von 
fester, aus frischer Impfperlsucht stammender Knötchensubstanz in den weib- 


Infektionskrankheiten. 295 


lichen Genitaltraktus eingeführt; als Infektionsstelle diente teils der obere, 
teils der untere Abschnitt der Vagina (unter Vermeidung jeder Schleimhaut- 
verletzung), teils ein Uterushorn, wobei entweder ein Minimum von Suspen- 
sionsflüssigkeit injiciert oder ein bacillenhaltiges Gewebsstückchen durch eine 
kleine Schnittwunde möglichst nahe bis zur Ansatzstelle der sehr engen Tube 
vorgeschoben und dann die kleine Schnittwunde im Uterushorn sorgfältig ver- 
näht und desinficiert wurde. In einer anderen Versuchsreihe wurden bacillen- 
haltige Flüssigkeit oder Gewebsstückchen in den vorderen oder hinteren 
Douglas injiciert resp. versenkt, um zu ermitteln, ob vom Peritoneum aus eine 
Genitaltuberkulose zu erzeugen sein würde. Diese Versuche ergaben durch- 
weg ein negatives Resultat. Stets trat eine schwere Tuberkulose des Becken- 
peritoneums ein, die nie auf die eigentliche Wand des Genitaltraktus, auch 
nach mehrmonatiger Lebensdauer des Tieres, überging. Dagegen hatten die 
Versuche mit direkter Infektion des Genitaltraktus ein positives Ergebnis, in- 
dem jedesmal eine typische Tuberkulose des Genitaltraktus auftrat, die je 
nach dem Ausgangspunkt konstante Verschiedenheiten in Lokalisation und 
Ausbreitung aufwies. 

Bei Inficierung des unteren Vaginalabschnittes bleibt die Tuberkulose 
auf diesen Teil beschränkt und macht an der Grenze von unterem und oberem 
Abschnitt halt, die durch eine zarte ringförmige Falte gekennzeichnet ist und 
unterhalb welcher die Harnröbre in die Vagina mündet. Die Tuberkulose 
des unteren Vaginalabschnittes setzt-sich aber regelmässig in die Urethra fort, 
doch geht sie nicht auf die Blase über: Der Sphincter vesicae bildet hier 
die Grenze. Ureteren und Nierenbecken bleiben gleichfalls verschont. 

Bei Infektion des oberen Vaginalabschnittes bleibt die Erkrankung 
auf diesen beschränkt, ohne nach aufwärts auf die Uterushörner oder nach 
abwärts auf den unteren Vaginalabschnitt überzugreifen. 

Die Uterushörner zeigen. bei der Infektion ein gegensätzliches Ver- 
halten; sie entsprechen dem uterinen Teil der menschlichen Tuben. Selbst 
weon die Infektion nur durch Einbringung eines minimalen tuberkulösen Ge- 
websstückchens in das Horn nahe am lateralen Endstück bewirkt wird, schreitet 
die danach entstehende Tuberkulose des Uterushornes von der Infektionsstelle 
kontinuierlich längs des Hornes nach der Vaginalpartie fort und geht von hier 
auf den oberen Vaginalabschnitt über. Erst an jener Grenzlinie zwischen 
oberem und unterem Vaginalabschnitt macht sie halt und geht nicht oder nur 
in vereinzelten miliaren Eruptionen auf die untere Vagina und nicht auf die 
untere Urethra über; auch setzt sie sich nie auf das andere nicht geimpfte 
Horn und ebensowenig distalwärts auf die Tube des geimpften Horns fort. 
Trotzdem führt die Tuberkulose des Uterushornes in späteren Stadien bisweilen 
zur typischen Bauchfelltuberkulose, wenn zerfallene subserös gelegene Knöt- 
chen des tuberkulös iuficierten Kanals das sie bedeckende Bauchfell durch- 
brechen. 

Eine allgemeine tödliche Tuberkulose tritt in allen Fällen ein; sie wird 
namentlich durch eine stark entwickelte Tuberkulose der regionären Lymph- 
gefässe und Lympbdrüsen bedingt. 

Die Ausbreitung der weiblichen Genitaltuberkulose ist also an bestimmte 

23 


296 Infektionskrankheiten. 


Richtungen und ist an bestimmte anatomische Grenzen gebunden. Ist beim Manne 
die Richtung des Samenstromes bestimmend für die Ausbreitung innerhalb des 
Kanalsystems, so folgt die weibliche Genitaltaberkulose der Richtung desjenigen 
Sekretstromes, welcher die losgelösten Eichen durch die Tuben hindurch in 
den Uterus einführt. 

Die Fortsetzung der absteigenden Tuberkulose auf den unteren Abschnitt 
der Vagina wird wohl hauptsächlich mechanisch durch die Grenzfalte, durch 
‘die Spülwirkung des Urins, vielleicht auch chemisch durch das Vaginalsekret 
gebemmt. 

Ein Aufsteigen der Genitaltuberkulose ‘wurde niemals beobachtet. 

Auch im Harnapparat ist die Ausbreitung der Tuberkulose von der Richtung 
des Sekretstromes (d. i. des Harnes) abhängig: sie greift aus der unteren 
Vagina auf die Harnröhre über, wo kein dauernder Strom vorhanden ist; 
höher nicht. 

Die sogenannte Urogenitaltuberkulose ist daher weder im männlichen 
noch im weiblichen Körper eine einheitliche Erkrankung. Die Tuberkulose 
des Genitalapparates und die der Harnwerkzeuge sind vielmehr selbständige, 
meist völlig getrennte Erkrankungen mit nur beschränkten Stellen, wo die 
Erkrankung eines Systems auf das andere übergehen kann. Diese Stellen sind 

1. für den Mann: 

bei Genitaltuberkulose: die pars prostatica urethrae, 
bei Tuberkulose der Harnorgane: die Prostata, 

2. für das Weib: 

bei Genitaltuberkulose: die Harnröhre, 
bei Tuberkulose der Harnorgane: die untere Vagina. 

Ueber diese Stellen hinaus greift der tuberkulöse Process in das andere 
System nicht über: eine Tuberkulose der Urethra geht nicht auf die Blase, 
Ureteren und Nieren, eine Tuberkulose der Prostata nicht auf Vas deferens 
und Hoden, eine Tuberkulose der Vagina nicht auf Uterus und Tuben über. 

Damit stimmen auch die Erfahrungen in der Literatur überein. 

` Speck (Berlin). 


Oestern, Beitrag zur Kenntnis der Bakterienflora der erweichten 
tuberkulösen Herde des Rindes. Centralbl. f. Bakt. Bd. 37. S. 178. 
Die Vorschriften für das Gebiet des Deutschen Reiches in den Ausfüb- 
rungsbestimmungen zum Gesetze betr. die Schlachtvieh- und Fleischbeschau 
vom 3. Juni 1900 lassen der „Tuberkulose mit Erweichung“ eine beson- 
ders strenge Beurteilung zu teil werden. Die Gründe, die hierzu führten, 
liegen darin, dass man diese Form als besonders gefährlich ansah, weil man 
die Erweichung der Tuberkulose mit der Ansiedelung von Eitererregern in 
Verbindung brachte. 

Diese Anschauung entbehrte jedoch wissenschaftlicher Grundlagen, und 
Verf. hat es sich daher in der vorliegenden Arbeit zur Aufgabe gemacht, in 
dieser Frage Klarheit zu schaffen. 

Die Ergebnisse der zahlreichen, im Detail angeführten Untersuchungen 
waren folgende: 


Infektionskrankheiten. 297 


1. In den erweichten tuberkulösen Herden des Rindes sind Tuberkelba- 
cillen regelmässig vorhanden. 

2. Neben den Tuberkelbacillen befinden sich in den erweichten tuber- 
kulösen Herden weisse und gelbe Staphylokokken. 

3. Die pyogenen Staphylokokken des Rindes sind morphologisch und 
biologisch von den menschlichen nicht zu unterscheiden. 

Daher muss man den Vorschriften des Fleischbeschaugesetzes durchaus 
beistimmen, wenn es eine differente Behandlung des Fleisches tuberkulöser 
Tiere danach festlegt, ob Erweichungsherde vorhanden sind oder nicht, denn 
im ersten Falle ist mit 2 pathogenen Keimen zu rechnen. 

Speck (Berlin). 


Bartel und Stein, Zur Biologie schwachvirulenter Tuberkelbacillen. 
Centralbl. f. Bakt. Bd. 38. S. 154. 

Verff. unternahmen es, folgende Fragen zu ergründen: In wiefern ändert 
der Tuberkelbacillus seine biologischen Eigenschaften, wenn er in dem 
von ibm specifisch veränderten Gewebe bei Abwesenheit anderer Mikroorga- 
nismen bei Bruttemperatur in feuchter Kammer gehalten wird. Dabei handelte 
es sich darum: Einmal zu prüfen, ob unter den genannten Verhältnissen eine 
Vermehrung der Tuberkelbacillen eintritt; ob eine solche, wenn sie stattfindet, 
günstigere Verhältnisse für die noch immer schwierige Kultivierung des Tuberkel- 
bacillus bietet; welcher Art die morphologischen Veränderungen des Tuberkel- 
bacillus sind, desgleichen, wie er sich in seinem färberischen Verhalten ändert; 
endlich, inwieweit eine Abschwächung der Virulenz der Tuberkelbacillen ein- 
tritt, und wie sich dieselbe äussert. Jm Anschluss daran sollte geprüft werden, 
ob und inwieweit abgetötete, gleicherweise nur in geringer Zahl in dem von 
ihnen specifisch veränderten Gewebe in natürlicher Verteilung vorhandene 
menschliche Tuberkelbacillen am Impftier Veränderungen makroskopischer und 
mikroskopischer Natur hervorrufen und, wenn solches der Fall ist, welcher 
Art diese Veränderungen sind. Die Technik der Untersuchungen, zu denen 
Tuberkelbacillenstämme verschiedener Herkunft benutzt wurden, war kurz 
folgende: Tuberkulös veränderte, lebenswarm unter allen Kautelen steril aus 
dem Tierkörper entnommene Organstückchen wurden in eine Reihe annähernd 
gleichgrosser Proben geteilt und jede derselben gesondert in eine Glasschale 
mit Deckel gebracht. 

Die einzelnen Proben wurden verschieden behandelt. Eine wurde gleich 
frisch verarbeitet, andere tagelang in trockener und feuchter Kammer bei 38° aut- 
bewahrt. Einmal wurden Organstücke in toto im Dampfsterilisator 11/2 Stunden 
dem strömenden Dampf ausgesetzt, ein anderes Mal die Organstücke in Bouillon 
verrieben und dann 35 Minuten gekocht. Die Proben wurden dann in Aus- 
strich- und Schnittpräparaten, durch Kulturverfahren und den Tierversuch weiter 
verarbeitet, um die eingangs erwähnten Fragen zu erforschen. 

In ausführlichen Protokollen sind in der Arbeit alle Resultate in der 
detailliertesten Weise dargelegt und müssen dort nachgelesen werden. Hier 
können wir uns nur darauf beschränken, die aus der Arbeit von den Verf. 
selbst gezogenen Schlussfolgerungen, wie folgt wiederzugeben: 


298 Infektionskrankheiten. 


5 „Eine Vermehrung von Tuberkelbacillen post mortem in dem von ihnen 
specifisch veränderten Gewebe bei Abwesenheit anderer Mikroorganismen unter 
den günstigen Temperaturbedingungen von 37° und in feuchter Kammer er- 
scheint uns nur wahrscheinlich. 

Die weitere Frage, ob durch die in unseren Versuchen gesetzten Verhält- 
nisse günstigere Kulturbedingungen geschaffen werden können, konnten wir 
nicht in positivem Sinne entscheiden, wiewohl uns die Kultivierung gelegentlich 
leicht gelang. 

Morphologische Veränderungen, wig Segmentierung, körniger Zerfall, Ver- 
zweigung, bald mehr plumpe, bald schlanke Bacillenformen, sowie Aenderungen 
des färberischen Verhaltens — blassroter oder mehr braunroter Farbenton — 
waren wir gleichfalls in der Lage zu konstatieren. 

Ferner glanben wir uns dahin aussprechen zu können, dass bezüglich der 
Wirkungsweise schwachvirulenter, lebender und toter Tuberkelbacillen, sind 
dieselben in dem von ihnen specifisch veränderten Gewebe in natürlicher Ver- 
teilung eingeschlossen, das Gleiche gilt, was Krompecher bezüglich schwach- 
virulenten, lebenden und toten Kulturmateriales gefunden hat, nämlich: 

Schwachvirulente, abgetötete Tuberkelbacillen, in den von ihnen specifisch 
veränderten Organen in natürlicher Verteilung eingeschlossen, sind nicht im- 
stande, am Impftiere Veränderungen specifischer Natur oder auch nur Marasmus 
zu erzeugen. 

Findet man infolge dessen bei Impftieren, die lediglich mit sicher schwach- 
virulenten Bacillen inficiert wurden, Tuberkelbildungen, so kann man aus den- 
selben, auch wenn es sich nur um lokalisierte Tuberkulose handelt, auf die 
Anwesenheit lebender Erreger schliessen, wenn auch von sehr herabgesetzter 
Virulenz und von geringer Zahl. Durch fortgesetzte Abschwächung gelang es 
uns, Tuberkel zu erzeugen, die fast ausschliesslich aus Riesenzellen bestanden; 
ausgesprochene Verkäsung sahen wir dann nur ausnahmsweise; auch Bacillen 
waren nur gelegentlich noch nachzuweisen. 

Eine Zunahme des verkäsenden Processes in den Tuberkelu konnten wir 
nicht sehen. Auch, wenn das Gewebe bei 370 der Austrocknung ausgesetzt 
wurde, blieb die Kernfärbung und Struktur leidlich erhalten. Der postmortale 
Einfluss der spärlich vorbandenen Tuberkelbacillen auf das Gewebe scheint 
demnach ein ausserordentlich geringer zu sein. Speck (Berlin). 


Dworetzky, Erfahrungen: mit der Spenglerschen Formalinmethode 
zur Reinzüchtung von Tuberkelbacillen aus Bakteriengemischen. 
Centralbl. f. Bakt. Bd. 37. S. 626. i 

D. hat in einer Reihe von Versuchen ganz genau nach den Anweisungen 
Spenglers (Zeitschr. f. Hyg. 1903. Bd. 42. S. 90) sich bemüht, aus Sputis, 
die neben zahlreichen Begleitbakterien auch gut färbbare Tuberkelbacillen 
aufwiesen, diese herauszuzüchten. Sowohl bei den Versuchen, die er mit der 
von Spengler angegebenen Formalindosis vornahm, als auch bei denjenigen, 
wo er diese Dosis modificierte, erzielte er durchweg völlig negative Resul- 
tate. Diese Misserfolge werden durch die Arbeiten anderer Autoren mit einer 


Infektionskrankheiten. 299 


einzigen Ausnahme (Weber und Taute, Deutsche med. Wochenschr. 1904. 
No. 28) bestätigt. 

Auch die von Piatkowski (Deutsche med. Wochenschr. 1904. No. 24) 
angegebene Modifikation der Spenglerschen Methode prüfte Verf. nach; auch 
hier erbielt er durchweg negative Resultate. Speck (Berlin). 


v. Niessen, Notiz zu Spenglers Mitteilung über Tuberkelbacillen- 
splitter. Zeitschr. f. Hyg. Bd. 50. S. 540. 

Der Verf. weist darauf hin, dass er zuerst und vor Spengler Beob- 
achtungen über eben sichtbare Tuberkelbacillenteilchen im Auswurf 
und in der Kultur veröffentlicht und ermittelt hat, dass diese Teilchen lebend 
und entwickelungsfähig sind. Globig (Berlin). 


de Jung, Die Steigerung der Virulenz des menschlichen Tuberkel- 
bacillus zu der des Rindertuberkelbacillus. Centralbl. f. Bakt.' 
Bd. 38. S. 146. 

Verf. ist im Gegensatz zu der Ansicht Kochs der Meinung, dass die 
eventuellen Unterschiede zwischen menschlichen und Rindertuberkel- 
bacillen nicht als Artunterschiede aufzufassen sind, sondern als solche, welche 
zwischen den: einzelnen Individuen derselben Art mannichfaltig vorkommen, 
auch durchaus nicht konstant sind und sich namentlich als Virulenzunter- 
schiede zeigen. Um die Richtigkeit dieser von ihm und anderen Forschern 
geteilten Auffassung zu prüfen, hat Verf. versucht, die Virulenz von Menschen- 
tuberkelbacillen auf die von Rindertuberkelbacillen zu steigern. Er impfte eine 
Ziege in die V. jugularis mit einer aus der Niere eines Menschen herausge- 
züchteten Tuberkulosekultur. Das Tier starb nach 31/, Jahren. Aus dieser 
Ziege wurde nach Meerschweinchenpassage der Bacillus wieder herausgezüchtet 
and tötete nun eine Ziege bei subkutaner Injektion nach einem Monat. Ein 
mit einer Mediastinaldrüse dieser zweiten Ziege geimpftes Kalb starb nach 
3 Wochen an einer Mischinfektion von Tuberkulose- und Nekrosebacillen. Die 
Taberkelbacillen wurden aus dem Kalb durch Meerschweinchenpassage heraus- 
gezüchtet; die Reinkultur tötete nach subkutaner Injektion ein Kalb innerhalb 
eines Monats. Zugleich mit der ersten Ziege waren mit der Ausgangskultur 
(menschlicher Tuberkelbacillus) ein 2 jähriges Rind und ein 21/, Monate altes 
Kalb intravenös geimpft worden. Beide Tiere zeigten nur geringe, zur Heilung 
neigende Krankheitserscheinungen und blieben am Leben. 

Eine zweite Versuchsreihe ergab dieselben Resultate. Die aus der ersten 
Ziege nach Meerschweinchenpassage herausgezüchtete Kultur hatte bei einem 
Kalbe 116 Tage nach der (subkutanen) Injektion eine progressive, langsam 
verlaufende Tuberkulose hervorgerufen. Aus der Bugdrüse dieses Kalbes an- 
gelegte Reinkulturen töteten bei subkutaner Impfung ein anderes Kalb inner- 
halb eines Monats. Bei den Obduktionen fand sich stets eine starke pro- 
gressive Tuberkulose. Die subkutan eingespritzten Bacillen hatten also eine 
Wirkung gehabt, welche nach der Kochschen Schule nur einem Rinderbacillus 
zukommt. Daher glaubt Verf. aus diesen Versuchen folgern zu können, dass 
kein prinzipieller, kein Artunterschied zwischen Tuberkelbacillen des Menschen 


300 Infektionskrankheiten. 


und des Rindes existiert, dass also die neue Meinung der Kochschen Schule 

unrichtig ist. Ein schwach virulenter Menschenbacillus lasse sich mittels Tier- 

passage zu der Virulenz steigern, welche der Rinderbacillus in der Regel 

besitzt. 7 Speck (Berlin). 

Bruns, Oskar, Impftuberkulose bei Morphinismus. Münch. med. Wochen- 
1904. No. 37. S. 1643. 

Den bisher in der Literatur durch König, Eiselsberg, Winniwarter 
und Legrain bekannt gewordenen Fällen von Hauttuberkulose im An- 
schluss an subkutane Morphiuminjektionen fügt B. eine neue eigene 
Beobachtung hinzu. 

Bei einem 28 jährigen seit 1898 an Tuberculosis pulmonum leidenden 
Steinmetz, welcher seit einigen Jahren in immer steigendem Masse dem Mor- 
phinismus verfallen war, zeigten sich an verschiedenen Stellen des Bauches 
und der Oberschenkel stecknadel- bis linsenkorngrosse Knötchen, auf denen 
im Verlauf weniger Tage gelbe Bläschen auftraten. Nach Entleerung hellgelber 
Flüssigkeit trockneten die Blasen ein, und es bildeten sich dicke, festsitzende 
Borken, unter denen das Geschwür nach der Umgebung weiter frass und 
unregelmässige, unterwühlte Ränder bekam. Immer mehr zu Ge- 
schwüren sich umwandelnde Knötchen traten auf, so dass Oberschenkel und 
Bauchgegend schliesslich von 50 zum Teil zusammenfliessenden Geschwüren 
bedeckt waren. Der Patient, welcher zuletzt täglich 9 volle Spritzen gebraucht 
hatte, hatte die betreffende Injektionsstelle jedesmal mit seinem 
Speichel befeuchtet und die Kanüle der Spritze zur Prüfung auf 
Durchgängigkeit in den Mund genommen und Luft durchgeblasen, be- 
vor er die Lösung injicierte. 

Die bakteriologische Untersuchung des Sputums ergab das Vor- 
handensein massenhafter Tuberkelbacillen. 3 Meerscheinchen, welche 
mit dem aus drei subkutanen Knoten aseptisch entnommenen Eiter intraperi- 
toneal, bezw. eins davon in die vordere Augenkammer geimpft waren, boten 
bei der 6—7 Wochen nachher vorgenommenen Tötung das typische Bild 
der Bauchfell- und Mesenterialtuberkulose. Auch bei dem in die 
Augenkammer geimpften Tiere entstand ein charakteristischer Iristuberkel 
mit beginnender centraler Verkäsung. 

Wurden die Morphiuminjektionen unter aseptischen Kautelen ausgeführt, 
so heilten die unter einem Uhrschälchenverband geschützten Stiche reaktionslos, 
und es blieb auch weiterhin jegliche Veränderung an Cutis oder Subacutis aus. 
Anders verhielten sich die an der korrespondierenden rechten Brustseite ge- 
setzten Einstiche, welche nach dem oben beschriebenen Verfahren des 
Patienten vorgenommen wurden. 5 Injektionsstellen blieben reaktionslos; 
an den anderen drei traten jedoch nach 14 Tagen langsam wachsende 
subkutane Knötchen auf, die allmählich erweichten, die Haut durchbrachen 
und gelben Eiter entleerten. 

Dies Ergebnis bewies schlagend, dass nicht etwa die subkutanen Morphium- 
injektionen nur partes minoris resistentiae für die im Körper des Patienten 
zur Ausiedelung überreichlich vorhandenen Tuberkelbacillen schufen, sondern 


Infektionskrankheiten. 301 


dass die tuberkulösen Hautveränderungen ektogen durch die beim 
Einspeicheln mit tuberkelbacillenhaltigem Sputum inficierte Nadel 
verursacht worden waren. l 
Es sei noch erwähnt, dass die bistologische Untersuchung eines unter 
Lokalanästbesie entfernten verkästen und vereiterten Knotens das charakte- 
ristische Bild der tuberkulösen Veränderungen ergab. : 
Schumacher (Hagen i.W.). 


Marki, Ueber den Mechanismus der Abwehr des Organismus bei 
der Infektion mit Tuberkelbaciilen. Centralbl. f. Bakt. Bd. 38. S. 69. 
Nach einer kurzen Uebersicht über die in der Literatur vorhandenen 
Arbeiten über Phagocytose berichtet Verf. über seine eigenen Stadien des Ab- 
wehrmechanismus gegen die Infektion mit Tuberkelbacillen. Zur 
Anwendung gelangten drei virulente Stämme menschlicher Tuberkulose und 
ein Stamm von Perlsucht. Nach 6—8 wöchentlichem Wachstum aef Glycerin- 
agar bei 37° wurden die Kulturen im sterilen Mörser ohne Flüssigkeitszusatz 
auf das feinste zerrieben, dann in physiologischer Kochsalzlösung aufgeschwemmt 
und Meerschweinchen in Dosen von 1/1ọ—!/s einer Agarkultur (=25 mg) intra- 
peritoneal injiciert. Den inficierten Tieren wurden dann von Zeit zu Zeit aus 
der Bauchhöhle Exsudattröpfchen mittels Glaskapillaren entnommen, auf Deck- 
gläschen mit Aetheralkoholmischung fixiert und nach Gabbet auf Tuberkel- 
bacillen gefärbt. 

Die detaillierten, in der Arbeit niedergelegten Beobachtungsergebnisse 
können hier nicht wiederholt werden. Im allgemeinen sei nur hervorgehoben, 
dass Verf. eine ausgedehnte Phagocytose beobachten konnte, die sich in folgen- 
der Weise abspielt: Zuerst treten die polynukleären Leukocyten in Aktion, 
welche die Tuberkelbacillen aufnehmen und in ihrem Innern derart beein- 
flussen, dass sie die charakteristische Färbbarkeit einbüssen und in Granula 
zerfallen. Dabei degenerieren’ allerdings die Phagocyten selbst: ihre Kerne 
färben sich schlecht, ihr Protoplasma sättigt sich mit Zerfallsprodukten der 
Tuberkelbaeillen und zeigt die für diese charakteristische Färbung. An ihrer 
Stelle treten nunmehr die mononukleären und neue polynukleäre Leukocyten. 
Ausser diesen cellulären Elementen sind aber auch noch andere Kräfte in 
Tätigkeit. 

Schon in den ersten Stunden nach der Infektion schwellen die extra- 
cellulär gelegenen Tuberkelbacillen an und verlieren an Färbbarkeit. Im 
späteren Verlaufe kann man extracellulär rosarote, farblose oder sogar kon- 
trastgefärbte Riesen- und Schattenformen und kleine Granula beobachten, welche 
in Auflösung begriffene Tuberkelbacillen darstellen. Diese Auflösung scheint 
jedoch nicht ohne Beteiligung der Leukocyten allein durch die Peritoneallymphe 
hervorgerufen zu werden. Denn erstens kann man in vitro, wenn frisches mit 
Tuberkelbacillen versetztes Serum bei 370 beobachtet wird, niemals Verände- 
rungen der Tuberkelbaciilen wahrnehmen. Zweitens aber spricht dafür die 
Beobachtung, dass die meisten Granula erst knapp vor oder nach dem Ab- 
klingen der Phagocytose zum Vorschein kommen. Es hat sogar den Anschein, 


24 


302 Infektionskrankheiten. 


` dass in dieser Phase die Granula aus den Phagocyten austreten, welche ihre 
Aufgabe bereits vollbracht haben. Speck (Berlin). 


Heubner 0., Ueber die familiale Prophylaxis der Tuberkulose. Re- 
ferat, erstattet auf dem Tuberkulosekongress in Paris. Zeitschr. f. Tuber- 
kulose. 1905. Bd. 8. H. 1. 

In dem Vortrage behandelt Heubner die Frage: „Was kann die 
Familie tun oder verhindern, um ihre einzelnen Glieder vor der Er- 
krankung an Tuberkulose sicherzustellen?“ Vor der eigentlichen Er- 
örterung dieser Frage bespricht er zunächst das Eingehen einer Ehe von Seiten 
tuberkulös Erkrankter. Er beantwortet diesen wichtigen Punkt dahin, dass 
sich innerhalb der Familie durch Ueberredung oder auch durch Zwang der 
Eingehung der Ehe mit einem tuberkulös Erkrankten mit Erfolg vorbeugen 
lässt. Den Arzt, der von einem Tuberkulösen um Rat gefragt wird, sollten 
zum mindestens zwei Bedingungen an diese Erlaubnis leiten: 

1. der krankhafte Process müsste unter Zuhilfenahme und 
wiederholter Anwendung aller Untersuchungsmethoden als völlig 
geheilt und zwar wenigstens 2 Jahre lang erkennbar sein; 

2. dem gegenteiligen Eheaspiranten müssen die Verhältnisse 
völlig klar und offen dargelegt werden, damit im Falle der Min- 
derjährigkeit dem Vater, im Falle der Mündigkeit ihm selbst die 
Entscheidung und eigene Verantwortung ermöglicht werde. 

Bei der Beantwortung der Frage, ob eine tuberkulöse Mutter ihr Kind 
nähren darf, ist Heubner der Meinung, dass dies wegen Gefährdung der Mutter 
und des Kindes von vornberein zu verbieten sei, und dass hier die mit 
aller Sorgfalt ausgewählte Ammenbrust bezw. die künstliche Ernährung ein- 
Setzen müsse. 

Ueber die Wege des Tuberkuloseschutzes im Familienschosse tritt er mit 
besonderer Betonung für die allergrösste Aufmerksamkeit ein, die der künst- 
lichen Ernährung des Säuglings in den ersten Lebenswochen zu widmen sei, in 
der die Ueberwachung der Kinder fremden Personen (Hebamme, Kinderfrau) 
anvertraut ist. In die Hebammenlehrbücher müsse ein neues Kapitel „Lehre 
der gegen die Tuberkulose schützenden Pflege und Ernährung der 
ganz jungen Säuglinge“ aufgenommen und den Hebammen darin eingehende 
Unterweisung zu teil werden. 

Bei der weiteren Einrichtung des Familienschutzes wendet er sich der 
Wohnungshygiene jeder einzelnen Familie zu. Er befürwortet eine bessere 
Erziebung der Mädchen nach der Schulentlassung in der Haus- 
haltung und Familienhygiene; es wären dazu Haushaltungsschulen — 
wie die Fortbildungsschulen für Jünglinge — mit Schulzwang einzuführen. 

Von Seiten des Staates und der Gemeinden müssten die allgemeinen hy- 
gienischen Bedingungen durch Schaffung grosser bepflanzter Plätze inmitten 
der neu anzulegenden Arbeiterviertel in der Grosstadt, von Volksbädern, 
Volksparks, von Spiel- und Sportplätzen, Versorgung mit gutem Trinkwasser, 
Kanalisationen, Beleuchtung u. s. w. eingehendere Berücksichtigung finden, wie 


Infektionskrankheiten. 303 


ferner auch die Errichtung von Rekonvalescentenheimen im Anschlusse an die 
Krankenhäuser für Erwachsene und Kinder in Betracht zu ziehen seien. 

Zum Schlusse wendet er sich noch der Kinderarbeit und der Wahl des 
Berufes zu. Nieter (Halle a. S.). 


Westenhoeler, Das Reichs - Fleischschaugesetz in Bezug auf die 
Taberkulose nebst einigen Bemerkungen über die Ausführung 
der Fleischbeschau. Berl. klin. Wochenschr. 1904. No. 45. S. 1165. 

Verf. impfte Meerschweinchen und Kaninchen mit dem Fleisch tuber- 
kulöser Rinder, indem er ihnen kleine Fleischstückchen unter die Haut oder 
in die Bauchhöhle implantierte. Das Ergebnis war, dass alle Tiere gesund 
blieben mit Ausnahme eines, welches mit Fleisch eines an akuter Miliartuber- 
kulose erkrankten Rindes geimpft worden war; daraus zieht Verf. folgende 
praktische Konsequenzen: 

1. Das Fleisch von Rindern mit lokaler oder abgelaufener generali- 
sierter Tuberkulose kann nach Entfernung der erkrankten Teile dem freien 
Verkehr übergeben werden. 

2. Das Fleisch von Rindern mit akuter Miliartuberkulose oder überhaupt 
mit den Zeichen einer frischen Generalisation ist als gesundheitsschädlich zu 
vernichten oder nur zu technischen Zwecken zu verarbeiten. 

3. Können Teile nicht so einwandsfrei von den an ihnen haftenden tuber- 
kulösen Erkrankungsherden befreit werden, dass entweder das Fleisch verun- 
reinigt oder durch die Präparation in seinem Aussehen herabgesetzt wird, so 
wird der betreffende Abschnitt dem Verkehr entzogen (z.B. bei Muskel-, Knochen- 
und Gelenktuberkulose). 

4. Hat die Tuberkulose bereits zu völliger Abmagerung oder Veränderung 
des Fleisches geführt, so ist dasselbe ohne Rücksicht auf den allgemeinen oder 
lokalen Charakter des Falles zu vernichten oder technisch zu verwerten. 

Wenn auch die Tuberkulose an besonderer Bedeutung für die Fleisch- 
beschaa verloren hat, so verdient doch die Ausführung der Fleischbeschau, 
speciell hinsichtlich des von ausserhalb in die Städte eingeführten Fleisches 
grosses Interesse. Dies ist durch das Reichs-Fleischbeschaugesetz fest- 
gelegt, unter Geltendlassung diesbezüglicher landesrechtlicher Vorschriften. Im 
Jahre 1902 erschien das preussische Ausführungsgesetz, dessen $5 die 
sogenannte Freizügigkeit des Fleisches behandelt und am 1. Oktober 1904 in 
Kraft getreten ist. Dieser Paragraph verbietet die Nachbeschau von Fleisch, 
welches einmal zur amtlichen Begutachtung vorgelegen hat. Verf. kritisiert 
eingehend diese Bestimmung und kommt auf Grund seiner Darlegungen zu 
folgendem Schlusse: 

Der § 5 des preussischen Ausführungsgesetzes ist eif erheblicher Rück- 
schritt in der allgemeinen Hygiene. Durch ihn wird die Bestrebung der Städte, 
Schlachthöfe zu bauen, aufgehalten, da die Freizügigkeit des Fleisches die Er- 
richtung von Schlachthöfen überflüssig macht. 

Im Gegensatz zu diesem Paragraphen stellt Verf. folgende Thesen auf: 

1. Alles in Städte mit öffentlichen Schlachthöfen eingeführte Fleisch muss 
emer Nachbeschau durch Sachverständige unterliegen. 

24° 


304 Infektionskrankbheiten. 


2. Kopf, Brusteingeweide, Milz und Nieren sind mit vorzulegen in Verbin- 
dung mit dem Körper, oder, wenn dies nicht geht, durch ein amtliches Attest 
als zu dem betreffenden Fleischteile gehörig zu bezeichnen. 

3. Das eingeführte Fleisch muss sofort nach der Ankunft einer der Unter- 
suchungsstationen zugeführt werden. 

4. Für diese Nachbeschau werden Gebübren nicht erhoben. 

5. Städte mit öffentlichen Schlachthöfen sind verpflichtet, Fleischvernich- 
tungsanstalten einzurichten und in eigenen Betrieb zu nehmen. 

6. In Städten mit öffentlichen Schlachthöfen dürfen Hausschlachtungen zu 
privaten Zwecken nicht vorgenommen werden. 

7. Die Fleischbeschautierärzte auf dem Lande und in den Städten sind so 
zu besolden, dass sie auf Praxis verzichten können. 

8. Es ist dahin zu streben, dass in jedem Beschaubezirk ein öffentlicher 
Schlachthof errichtet wird, der so liegt, dass er von allen zugehörigen Ort- 
schaften bequem erreicht werden kann. 

Als Leiter solcher Bezirksschlachthöfe sind vom Staate zu ernennende 
und zu besoldende Tierärzte anzustellen. Speck (Berlin). 


Duehäcek, Neue biologisch -chemische Untersuchungen über den 
Bacillus typhi abdominalis und das Bacterium coli commune. 
Centralbl. f. Bakt. Bd. 37. S. 161. 

Bis jetzt ist es noch niemals einwandsfrei gelungen, den Typhusbacillus 
in das Bacterium coli umzuwandeln oder den Beweis dafür zu erbringen, 
dass der B. typhi eine Abart des B. coli sei. Vielmehr steht wohl die Mehr- 
zahl der Forscher auf dem Standpunkte, dass beide Mikrobien zwar morpho- 
logisch sehr ähnlich, aber dennoch mit Rücksicht auf ihre chemisch- 
biologischen Eigenschaften als zwei vollständig verschiedene Arten anzusehen 
sind. In der vollkommenen Kenntnis dieser chemisch-biologischen Figenschaften 
ist der Schlüssel zu ihrer Erkennung und Unterscheidung zu suchen. In 
dieser Ueberzeugung hat Verf. die Einwirkung der beiden Mikrobien auf Glu- 
kose, Weinsäure und Stickstoffsubstanzen verfolgt. Die Details der Versuchs- 
anordnung müssen im Originale nachgelesen werden; hier seien nur die Haupt- 
ergebnisse der Arbeit kurz aufgeführt; es sind folgende: 

1. Beide Mikrobien attackieren die Glukose leichter bei genügendem Luft- 
zutritt als in der Atmosphäre des Wasserstoffes; dabei ist dem B. coli, wie 
wir es auch bei anderen Kohlehydraten finden, ein grösseres Zersetzungsver- 
mögen eigen. 

2. Ungewöhnlich leicht und rasch, vollkommenerer als Glukose, vermögen 
beide Mikrobien die Weinsäure zu spalten; auch in diesem Falle kommen wir 
nur zu den Unterschieden quantitativer Natur, aber diesmal zeichnet sich der 
Typhusbacillus durch ein grösseres Zersetzungsvermögen aus. 

3. Bezüglich der stickstoffhaltigen Nährsubstanzen werden einige schon 
bestehende Auffassungen bestätigt: Beide Mikrobien reducieren Nitrate in Ni- 
trite, welche aus der Lösung auf unbekannte Weise schwinden; dabei ist wie- 
der das Reduktionsvermögen des B. coli viel mächtiger ausgebildet, als das 
des B. typhi. Dieses Vermögen gewinnt beim B. coli bedeutend an Ausmass, 


Infektionskrankheiten. 305 


sobald wir die Luftzufuhr beschränken, denn dann ist es gezwungen, seinen 
Sauerstoffverbrauch durch die Zersetzung der Nitrate zu deoken. 

4. Beide Mikrobien vergären die Glukose hauptsächlich in zwei organische 
Säuren, nämlich in die Milch- und Essigsäure. Weil nun der Colibacillus 
für Glukose mit grösserem Zersetzungsvermögen und gegenüber der Acidität 
des Nährmediums mit bedeutenderem Widerstande ausgestattet ist als der 
Trpbasbacillus, vermag er auch in der Lösung weit grössere Mengen beider 
Säuren zu producieren. 

Bringen wir aber die nach längerer Zeitdauer gebildeten organischen 
Säuren ins Verhältnis zur vergorenen Glukose, so finden wir folgendes: 

a) Bei vollkommenem Luftzutritt entwickelt das B. coli aus Glukose 
viel Essigsäure; diese entsteht wahrscheinlich aus der Milchsäure, 
deren Menge mit dem Alter der Kultur abnimmt. Der B. typhi ent- 
wickelt aus Glukose während der ganzen Dauer gleichmässig viel 
Milchsäure und wenig Essigsäure. 

b) In der Atmosphäre des Wasserstoffs befasst sich der B. typhi haupt- 
sächlich mit der Bildung der Milchsäure, neben welcher er nur un- 
bedeutende Mengen Essigsäure produciert. Das B. coli bietet ung in 
diesem Falle ein ähnliches Bild wie der bei vollkommenem Luftzu- 
tritt gezüchtete B. typhi. 

5. Von den konstatierten Unterschieden ist nur einer qualitativer Natur. 


Es ist dies die Bildung des Kohlendioxyds, die bloss dem B. coli eigen ist. 


Achtet man darauf, dass das B. coli in steter Berührung mit der Luft ver- 
bleibt, so findet man, dass mehr Kohlendioxyd entwickelt wird, als wenn 
es in Wasserstoffatmosphäre gezüchtet wird. Speck (Berlin). 


v. Calcar, Ueber die Konstitution des Diphtheriegiftes. Berl. klin. 
Wochenschr. 1904. No. 39. S. 1028. 

Durch Arrhenius und Madsen war das Vorhandensein von Toxonen 
auf das Heftigste bestritten worden; sie führten, von der Ansicht ausgehend, 
dass die Verbindung Toxin-Antitoxin eine reversible ist und dem Massenwir- 
kungsgesetze gehorcht, die Toxonwirkung auf den Effekt einer dissociierenden 
Verbindung zwischen Toxin und Antitoxin zurück. Durch ein besonderes 
Dialysationsverfabren ist es dem Autor gelungen, aus der Diphtheriegift- 
bouillon selbst die beiden Komponenten, das Toxin und das Toxon, getrennt 
darzustellen. Die Dialyse ist abhängig von der Grösse des Molekularvolumens 
der dialysierten Körper und der Grösse der Poren der durchlässigen Membran, 
Durch Erhöhung der Spannung der Membran kann man die Porenweite ver- 
grössern, so dass diese. die vorher nur Kristalloide diffundieren liess, nun 
auch Kolloide hindurchlässt. Durch Anwendung eines in der Abhandlung ab- 
gebildeten und genauer beschriebenen Apparates, der eine willkürliche Spannung 
der durchlässigen Membran ermöglicht, kann man eine vorher durch gewöhn- 
liche Dialyse von Salzen befreite Diphtheriebouillon von den Toxinmolekülen 
völlig befreien, so dass in der Bouillon nur noch Toxon zurückbleibt. Es ist 
also durch diese glückliche Versuchsanordnung gelungen, durch Diffusionen 


306 Infektionskrankheiten. 


Toxin und Toxon von einander zu scheiden; ferner ergibt sich die nicht un- 
wichtige Tatsache, dass das Toxinmolekül kleiner ist, als das des Toxons. 
H. Ziesche (Leipzig). 


Creite, Zum Nachweis von Tetanusbacillen in Organen des Men- 
schen. Centralbl. f. Bakt. Bd. 37. S. 312. 

C. berichtet über einen tödlich verlaufenen Fall von Tetanus im An- 
schluss an Hautverletzungen des Ellenbogens. Ein mit dem intra vitam exci- 
dierten Wundrande geimpftes Meerschweinchen blieb am ‚Leben, während da- 
mit beschickte anaërobe Bouillonröhrchen neben Strepto- und Staphylokokken 
typische Tetanusbacillen enthielten. Ein mit der Hirnventrikelflüssigkeit 
des Verstorbenen geimpftes Meerschwein zeigte gar keine Krankheitserscheinungen. 
Dagegen starb ein anderes Tier, dem ein 2g schweres Milzstückchen des 
toten in eine Tasche unter die Rückenhaut gebracht worden war, unter teta- 
nischen Krämpfen nach ca. 2 Tagen. Die Impfstelle zeigte einen gleichmässig 
schmutzig graurötlichen, intensiv stinkenden Belag. Die von diesem Belage 
gemachten Deckglaspräparate wiesen typische Tetanusbacillen auf, und gleich- 
falls konnten in anaëroben Bouillonröhrchen solche nachgewiesen werden. 
Eine Reinzüchtung nach dem Verfahren von Kitasato misslang, desgleichen 
fielen alle weiteren Tierimpfungen mit dem bacillenhaltigen Material nega- 
tiv aus. 

Es ist also dem Verf. gelungen, in der Milz eines an Tetanus Verstorbenen 
die Anwesenheit von Tetanusbacillen nachzuweisen. Verf. ist jedoch der 
Ansicht. dass dieser Befund eine Ausnahme darstellt. In 5 weiteren Fällen 
von Tetanus gelang es ihm nie, im Milzgewebe durch Tierimpfungen oder 
Kulturversuche Tetanusbacillen nachzuweisen. Speck (Berlin). 


Varaldo, Francesco, Bakteriologische Untersuchungen über Cervicitis 
und Endocervicitis bei Schwangerschaft. Centralbl. f. Bakteriol. 
Abt. I. Bd. 37. S. 229. 

Verf. untersuchte bei 10 schwangeren Erstgebärenden mit normaler 
Cervix und bei 32 Schwangeren mit Cervicitis das Sekret des Uterus- 
halses. Das Resultat der sehr sorgfältigen Studie ıst folgendes: „Das aus 
den Läsionen des schwangeren Uterus genommene Sekret reagiert beständig 
alkalisch; das an der Seitenwand der Scheide gesammelte Sekret dagegen hat 
stets saure Reaktiom. Der Schleim des Cervicalkanals des schwangeren Uterus 
übt keine baktericide Wirkung auf die gewöhnlichen Eitererreger aus, zeigt 
sich aber auch nicht als geeignetes Kulturmittel. Die bakteritische Flora 
bei Cervicitis und Endocervicitis während der Schwangerschaft besteht hanpt- 
sächlich aus 3—4 Arten saprophytischer Mikroorganismen. Häufig jedoch 
sieht man dieselben von den gewöhnlichen pathogenen Keimen begleitet. In 
35°/, der Fälle gelang es, die gewöhnlichen pathogenen Keime mit Ausnahme 
des Gonokokkus zu züchten. Der aus dem Genitalkanal entnommene Strepto- 
kokkus wächst aöreb und anaörob, in sauren und alkalischen Nährmitteln, ist 
pathogen für ‚Mäuse und differiert nicht von dem gemeinen Streptococcus 
pyogenes“. Beitzke (Berlin). 


Infektionskrankheiten. 307 


Schenk und Scheib, Zur Differenzierung von Streptokokken aus 
Uteruslochien normaler Wöchnerinnen. Münch. med. Wochenschr. 
1904. No. 48. S. 2129. 

Bei 100 normalen Erst- und Mehrgebärenden fand sich die Uterushöhle 
im Frühwochenbett (3.—5. Tag) in 64,6°%/,, im Spätwochenbett (8.—9. Tag) 
in 28,5%, der Fälle steril. Bei ersterem wurden in 9,20/, pathogene Keime 
nachgewiesen, im Spätwochenbett dagegen in 37.1°/,. Berücksichtigt man nur 
die an Mehrgebärenden gewonnenen Resultate, so war das Lochialsekret des 
Frühwochenbetts in 73,1°/,, das der späteren Tage in 28,5°/, steril, während 
pathogene Bakterien in 2,4 bezw. 40°/, der Fälle gezüchtet wurden. 

Die Verff. haben aus normalen Uteruslochien 16 Streptokokken- 
stämme gezüchtet und einer eingehenden Untersuchung unterzogen. Die Er- 
gebnisse der Prüfung der kulturellen, tinktoriellen und morphologischen Eigen- 
schaften. welche bestimmte Unterschiede hervortreten liess, sind am besten in 
der Originalarbeit einzusehen. Jedenfalls scheinen die untersuchten Strepto- 
kokken dem pathogenen Streptokokkus artgleich zu sein. 

Die an weissen Mäusen angestellten Tierversuche lehrten, dass von 
10 Streptokokkenstämmen 6 vollvirulent waren und die Versuchstiere inner- 
halb 18 Stunden bis 4 Tagen an eitriger Peritonitis eingehen liessen. 

Ausserdem immunisierten die Verff. 5 Kaninchen mit 5 verschiedenen 
aus gesunden Uteruslochien isolierten Streptokokkenstämmen. Das Serum 
dieser Tiere agglutinierte dann die eigenen Streptokokken sowohl, wie die der 
anderen 4 Fälle. Auch ein als Testobjekt dienender, für Menschen pathogener 
Streptokokkenstamm wurde von allen 5 Seris agglutiniert. 

Demnach sind auch nach dem Ausfall der Agglutinationsprüfung die aus 
normalen Uteruslochien gezüchteten Streptokokken mit dem 
Streptococcus pyogenes identisch. Weshalb die Streptokokken des Uterus- 
innern nicht in jedem Falle eine Temperatursteigerung bewirken, ist zur 
Zeit noch nicht zu entscheiden. Immerhin ist die Annahme berechtigt, dass 
die erst in den späteren Tagen des Puerperiums in das Uteruscavum ge- 
langenden Kokken auf der dann bereits granulierenden Schleimhaut 
ungünstige Existenzbedingungen antreffen und keine pathogenen Wir- 
kungen mehr entfalten können. Schumacher (Hagen i.W.). 


Posner, Eiterstudien. Berl. klin. Wochenschr. 1904. No. 41. S. 1088. 

Als Untersuchungsobjekt benutzte Verf. vorwiegend gonorrhoischen Eiter, 
als Untersuchungsmethode die May-Grünwaldsche Doppelfärbung (eosinsaures 
Methylenblau in Methylalkohol). Verf. konnte zunächst dle allgemein bekannte 
Tatsache bestätigen, dass in allen Stadien der gonorrhoischen Urethritis die 
Mebrzahl aller Formelemente von mehr- oder gelapptkernigen neutrophilen 
Leukocyten gebildet wird. Besonders beschäftigte er sich mit der Frage, ob 
etwa akute und chronische Eiterung sich durch Veränderung der Eiterzellen 
erkennen lassen, indem bei letzterer wesentlich Degenerationsformen (Vakuolen- 
bildung und Kernveränderungen) auftreten. 

Verf. fand nun ausgesprochene Vakuolisierung massenhafter Zellen schon 
oft am 2., 4. und 7. Tage der Erkrankung, während sie in späteren Stadien 


308 Infektionskrankheiten. 


manchmal fehlte. Bei einem typischen Falle einer nicht gonorrhoischen 
Urethritis fanden sich die Vakuolen am 6. Tage sehr ausgesprochen. Diagno- 
stische Folgerungen sind daher vorderhand aus dem Befunde von Vakuolen 
noch nicht zu ziehen. 

Unter den Veränderungen des Kerns trifft man am häufigsten den soge- 
nannten Kugelkern (Leuchs). Während der normale Kern gelappt ist und 
bei der Färbung ein deutliches Chromatingerüst zeigt, ist der Kugelkern rund, 
kleiner und gleichmässig tief gefärbt. Verf. fand diese Kernform bei 41 Fällen 
akuter Gonorrhoe 2 mal (am 2. und am 21. Tage; das erste Mal mit Vaku- 
olenbildung), unter 13 Fällen chronischer Urethritis einmal nach 2jähriger 
Dauer der Krankheit mit Vakuolenbildung. Auch hier lässt sich also kein 
diagnostischer Anhalt finden. Auffälligerweise wurden unter 4 Fällen nicht 
gonorrhoischer Urethritis 8 mal Kugelkerne beobachtet. Daher erscheint die 
Vermutung, dass diese Art der Kernveränderung vielleicht das Produkt anderer 
Bakterien als der Gonokokken sei, beachtenswert. 

Schliesslich untersuchte Verf. auch den Eiter auf seinen Gehalt an eosi- 
nophilen und mononukleären Leukocyten. Er fand, dass das Auftreten 
der eosinophilen Zellen sein Maximum in der 4—6 Woche der Erkrankung 
erreicht; bei nicht gonorrhoischen Urethritis kamen sie nur ausnahmsweise 
in grösserer Menge vor. Daraus ergibt sich der diagnostisch wichtige Satz: 
Das Auftreten sehr zahlreicher eosinophiler Zellen deutet — ceteris paribus — 
mit Wahrscheinlichkeit darauf hin, dass der Fall sich etwa in der 4.—6. Woche 
befindet und dass es sich um eine echte Gonorrhoe handelt. 

Das Auftreten mononukleärer Zellen berechtigt nach Ansicht des Verf.’s 
nicht zu bestimmten Schlüssen; verbältnismässig häufig findet man sie bei 
Urethritis non geonorrhoica. 

Bezüglich der Epithelzellen schliesst sich Verf. der Ansicht Ultz- 
manns an, dass das reichliche Auftreten derselben auf Regenerationsprocesse 
und damit auf die beginnende Heilung hindeutet. Speck (Berlin). 


Hahn M., Ueber einige Beobachtungen während der diesjährigen 
Choleraepidemie in Südrussland und russisch Mittelasien. Berl. 
klin. Wochenschr. 1905. No. 2. S. 25. 

Des Aufsatz ist die Veröffentlichung eines Vortrages über Beobach- 
tungen gelegentlich der Choleraepidemie in Russland, den Hahn 
in der Berliner medizinischen Gesellschaft gehalten hat. Im ganzen sind kli- 
matische Faktoren in Südrussland vielfach Schuld an dem Tiefstand der 
Hygiene in den dortigen Gegenden, so die geringe Bevölkerungsdichte, das 
Fehlen von Süsswasser in den kaspischen Gegenden, endlich die starken 
Temperaturschwankungen (es werden mittlere absolute Jahresschwankungen 
von 70° beobachtet). Vielleicht bedingt auch das Klima das Auftreten von 
Religionen, in denen fatalistische Prinzipien Geltung haben — alle diese 
Punkte hindern natürlich die Bekämpfung der Cholera sehr. Der Uebertritt 
der Cholera von Persien auf russisches Gebiet ist wahrscheinlich auf dem 
Wege der Karawanenstrassen von Meschew nach Kaachga erfolgt, und Hahn 
empfiehlt deshalb nachdrücklich die sanitäre Ueberwachung dieser Strassen. 


Infektionskrankheiten. 309 


Die öffentlichen sanitären Massnahmen waren die üblichen: Anzeigepflicht, 
Desinfektion, Sorge für Fäkalienbeseitigung, für Beschaffung von Trinkwasser, 
Isolierung der Erkrankten; manche dieser Massnahmen wurden immerhin nur 
anvollkommen ausgeführt. Eine Massnahme der persönlichen Prophylaxe, das 
Händewaschen nach der Defäkation, wird aus religiösen Gründen von den 
Mubamedanern dagegen strenger befolgt wie bei uns. Von Schutzimpfungen 
wurde mit Rücksicht auf den Tiefstand der ganzen Kulturverhältnisse der 
Bewohner Abstand genommen. Die bakteriologische Diagnose ging in der 
gewöhnlichen Weise vor sich mit Hülfe von getrocknetem Choleraserum, das 
aus dem Berliner Institut für Infektionskrankheiten stammte. 
Hayo Bruns (Gelsenkirchen). 


Sanfelice, Streptothrix-Pseudotuberkulose. Centralbl. f. Bakt. Bd. 38. 
S. 30. 

Streng wissenschaftlich gebührt der Name Pseudotuberculosis nur 
solchen Infektionen, deren Entstehen einem dem Tuberkelbacillus durch mor- 
phologische sowie durch ‚kulturelle Eigenschaften verwandten Mikroorganismus 
zuzuschreiben ist, und welche andrerseits ein anatomisch-pathologisches Krank- 
heitsbild aufweisen, dass dem von Kochs Bacillus herrührenden histologisch 
sebr äbnlich ist. Durch die Bildung echter Verzweigungen beweist der 
Tuberkelbacillus seine Verwandtschaft mit den Streptotricheen, und eine weitere 
gemeinschaftliche Eigentümlichkeit beider ist die Säurefestigkeit. In einer 
früheren Arbeit (Centralbl. f. Bakt. 1904.) hat Verf. die Streptotricheen 
auf Grund des Studiums ihrer Säurefestigkeit in 3 Gruppen eingeteilt. Die 
erste Gruppe von dem Typus Streptothrix alba widersteht der Ent- 
färbung durch Säuren nicht. Der zweite Typus, Streptothrix flava erleidet 
durchweg in Berührung mit Schwefel- oder Salpetersäure eine partielle Ent- 
färbung. Streptothrix violacea, der typische Repräsentant der dritten 
Gruppe, und die ihm zugeteilte Streptothrix viridis sind in jungen und 
alten Kulturen säurefest. Die Streptotricheen der ersten Gruppe erlangen 
Säurefestigkeit durch den Aufenthalt im Organismus. Viele Arten dieser 
Gruppe, widerstehen, auf tierische Fette, namentlich Butter und Schmalz gesät, 
nach einiger Zeit der Entfärbung durch Säuren. So erklärt sich das häufige 
Vorkommen säurefester Bacillen in der Butter von selbst. Höchst wahr- 
scheinlich gehören alle widerstandsfähigen "Mikroorganismen, die uns im Ce- 
rumen, auf der Cutis u.s. w. begegnen, der Streptotricheenfamilie an, und ihr 
Vorkommen ergibt sich von selbst in der Frequenz der Streptothrix in der 
uns umgebenden Luft, während andrerseits der Fettgehalt jener Fundorte als 
Grund der Säurefestigkeit erscheint. 

So ist das Gruppenbild der Pseudotuberkulose fixiert. 

Dem Bacillus der Tuberkulose ähnlich an Gestalt, an Widerstandsfähigkeit 
gegen Säuren und im Entwickelungsmodus der Aussaat auf künstlichem Nähr- 
boden — wobei sich dicke, runzliche, dem Substrat stark adhärierende Beläge 
bilden — besitzen die Streptotricheen ausserdem pathogene Eigenschaften, indem 
sie als Urheber chronischer Knötchenkrankheiten die Gewebe in ganz ähnlicher 
Weise schädigen wie der Bacillus Koch. 


310 Infektionskrankheiten. 


In der oben erwähnten früheren Arbeit berichtete Verf. über die patho 
gene Wirksamkeit einiger aus der Luft isolierter Streptothrixarten; die vorliegende 
liefert die Resultate der histologischen Untersuchungen, aus der die Analogie 
zwischen Tuberkulose und Pseudotuberkulose noch deutlicher hervorgeht. 

Durch endovenöse Injektionen von Kulturen von Str. alba und Str. violacea 
erzielte Verf. bei Kauinchen und Merrschweinchen akute und chronische In- 
fektionskrankheiten. Auf die akuten erfolgte der Tod nach 3—4 Tagen und 
die Sektion wies an Leber und Lungen eine grosse Menge von Miliarknötchen 
auf. Bei Tieren, die erst nach 14—25—30 Tagen der chronischen Infektion 
erlagen, beobachtete Verf. in Lungen, Leber, Nieren und Milz Knötchen von 
grösserem Umfange aber geringerer Zahl, gelblichweiss, mit einem eiterartigen 
Kern im Centrum, der an käsige Substanz erinnerte. Bei Hunden erzeugen 
Adereinspritzungen pathogener Streptothrix entzündlicheKrankheitserscheinungen 
ähnlich denen bei endovenöser Einverleibung von Tuberkulosekulturen beob- 
achteten; es bilden sich dann Knötchen mit einer Tendenz zu rapider Degene- 
ration der centralen Zellelemente. Manchmal wurden Läsionen von neopla- 
stischem, an Sarkome erinnerndem Typus beobachtet. 

Für Hunde erwies sich nur Str. alba Il pathogen, auch diese nicht kon- 
stant, da von 17 Hunden nur 5 starben. Die pathologisch-anatomischen Sek- 
tionsbefunde waren insofern interessant, als sich ausser stecknadelkopfgrossen 
Knötchen zweimal in der Lungenspitze an ihren Wänden mit Eiter bekleidete 
Höhlen vorfanden. In bei der Sektion angelegten und nach Ziehl-Gabbet 
gefärbten Ausstrichpräparaten waren durchweg säurefeste Bacillen nachzuweisen, 
die zum Teil dem Tuberkelbacillus zum Verwechseln ähnelten. Kulturversuche 
gelangen, jedoch nicht konstant. Mit dem Sektionsmaterial endovenös geimpfte 
Kaninchen und Meerschweinchen starben nach 1—11/, Monaten unter pseudo- 
tuberkulösen Krankheitserscheinungen an Lungen und Nieren, in denen sich 
säurefeste Bacillen in grosser Anzahl nachweisen liessen. Doch blieben Züch- 
tungsversuche erfolglos. Unter solchen Umständen ist es, wenn die Kultur 
nicht gelingt, möglich, dass ein Streptothrix-Pseudotuberkulosefall für wirkliche 
Tuberkulosekrankheit angesehen werden kann. Gelingt aber die Züchtung, 
so ist die Differentialdiagnose leicht. Denn der Tuberkelbacillus entwickelt 
sich sehr langsam und erfordert 37° C., während die Streptotricheen sich durch 
rapides Wachstum auszeichnen und, wie es scheint, bei Zimmertemperatur 
besser gedeihen. Jener bildet auf Glycerinagar und auf Kartoffeln einen kom- 
pakten, doch nicht zäh am Nährboden heftenden Belag; ganz im Gegensatz 
hierzu lassen sich die eben so dichten Beläge der Streptotricheenkulturen nur 
schwer mit der Nadel zerreissen und vom Nährboden trennen. 

An 2 Hunden vorgenommene Jugulariseinspritzungen mit Menschentuber- 
kulose hatten in 1!/; und 3 Monaten den Tod der Tiere zur Folge. Beide 
wiesen lediglich Schädigungen der Mesenterialdrüsen auf; im Ausstrich fanden 
sich nur spärliche Tuberkelbacillen. 

In der Bildung der Initialknötchen zeigen die Streptotricheen mit dem 
Tuberkelbacillus auch nach mikroskopischem Befunde eine täuschende Aehn- 
lichkeit. Auch bei ihnen beginnt die Degenerationsphase vom Centrum des 
Tuberkels aus mit Zerstörung der Riesenzellen. Die entarteten Knötchen ent- 


Infektionskrankheiten. 311 


halten eine Substanz, die Anilinfarben nicht aufnimmt und hier und da Kern- 
detritus, hier und da kalkigen Detritus aufweist. 

Zum Schluss zählt Verf. bisher in der Literatur erschienene bei Menschen 
beobachtete Lungensireptotrichosekrankheitsfälle auf. Eine stichhaltige Diffe- 
renzierung zwischen einem Pseudotuberkulose- und einem echten Lungen- 
schwindsuchtsfall zu treffen, ist nur dann gestattet, wenn Kulturversuche ge- 
lungen sind. Liegen keine solchen vor, so ist die Diagnose als unzuverlässig 
zu betrachten; denn unter dem Mikroskop erscheint die Form der Parasiten 
in beiden Fällen absolut identisch und das anatomisch-pathologische wie das 
histologische Ergebnis liefert keine so voneinander abweichende Daten, dass 
zwischen dem einen und dem anderen Infektionsprocess eine Scheidewand mit 
Sicherheit sich aufstellen liesse. 

Alle Versuche, die Verf. mit Serumimmunisierung und Serumtherapie 
anstellte, sind erfolglos geblieben. Speck (Berlin). 


Schwarz, Ueber einen neuen, für Kaltblüter pathogenen Mikroorga- 
nismus (B. hypothermos). Centralbl. f. Bakt. Bd. 38. S. 11. 

Verf. fand bei der Sektion einer gestorbenen Brückenechse (Hatteria 
punctata) vor und hinter dem Brustbein gelegene Abscesshöhlen, aus deren 
lobalt er einen Mikroorganismus mit folgenden Eigenschaften züchten konnte: 

Es handelte sich um ein ‚kleines Stäbchen von 1,0—1,4 „ Länge, das im 
mikroskopischen Präparate oft zu zweien angeordnet sich vorfand. In keinem 
Kulturmedium war eine gruppen- oder fadenförmige Anordnung der Stäbchen 
nachweisbar. Es färbt sich leicht mit den gewöhnlichen Farbstoffen und wird 
nach Gram entfärbt. Frisch dem Tierkörper entnommene Stäbchen mit 
Löfflers Methylenblau gefärbt, lassen oft stark gefärbte Pole und einen fast 
ungefärbten Innenteil erkennen. Sie sind lebhaft beweglich, tragen sehr lange, 
zahlreiche, peritriche Geisseln. An frisch dem Tierkörper entnommenen Stäb- 
chen lässt sich auch mit den gewöhnlichen Methoden eine deutliche Kapsel 
nachweisen; Sporenbildung konnte jedoch auch in mehrere Monate alten Kul- 
turen nicht beobachtet werden. 

Der Wachstumsoptimum liegt bei 15— 20° C.; oberhalb dieser Temperatur 
nimmt das Wachstum allmählich ab und erlischt vollkommen bei 37°. Es 
gedeiht aërob und anaërob. Das Stäbchen ist auf allen gewöhnlichen Nähr- 
böden , leicht züchtbar und zeigt bereits nach 24 Stunden üppiges Wachstum. 

Für Gelatine besitzt es ein sebr bedeutendes Peptonisierungsvermögen, 
das jedoch bei anaöroben Bedingungen sehr herabgesetzt ist. Auf der Gela- 
tineplatte finden sich nach 20 Stunden kleine, rundliche, oft gelappte, häut- 
chenartige Kolonien, an Typhuskolonien erinnernd. Der Agarstrich zeigt nach 
24 Stunden sehr üppigen, grauweissen, schleimigen Belag, ähnlich den Kul- 
turen der Kapselbacillen. Auf der Agarplatte rundliche, fein granulierte häut- 
chenartige, im Centrum braun gefärbte Kolonien. Bouillon und Peptonwasser 
zeigen nach wenigen Stunden gleichmässige Trübung ohne Kahmhautbildung. 
Milch wird in 48 Stunden konstant zur Gerinnung gebracht. Aeltere Kar- 
toffelkolonien zeigen gashaltige, später platzende Blasen. Auf Rinderserum 
unter Verflüssigung üppiges Wachstum. Der Mikroorganismus bildet Indol, 


312 Infektionskrankheiten. 


aber keinen Schwefelwasserstoff und besitzt ein kräftiges Reduktionsvermögen. 
In Traubenzucker bildet er erst vom 2. Tage an wenig Gas (50°, davon 
Kohlensäure). 

Für Warmblüter (Kaninchen, Meerschweinchen, Katten, weisse Mäuse) er- 
wies er sich weder durch subkutane noch durch intraperitoneale Infektion als 
pathogen. Hingegen erwiesen sich alle untersuchten Kaltblüter (Frösche, 
Tritonen, Salamander, Eidechsen, Schildkröten) empfänglich. Alle Kaltblüter, 
“mit Ausnahme der Frösche, gingen nach subkutaner Infektion mit einer oder 
einer halben Oese (0,012 mg) fast regelmässig nach 3—4 Tagen ein. Frösche 
zeigten ein eigentümliches Verhalten. Während in den Monaten März und 
April sämtliche Frösche nach subkutaner oder intraperitonealer Infektion 
(zum Teil erst am 14. Tage) eingingen, blieben sie in den Sommermonaten 
(Juni bis August) selbst nach Infektion mit einer grossen Bakterienmenge un- 
verletzt. Der Grund dafür ist in einer veränderten Disposition der Frösche 
zu suchen, wie sie schon Ernst beobachtet hat. Wurden inficierte Frösche 
5—8 Tage im Thermostaten bei 25°C. gehalten, so blieben sie am Leben, 
während bei niederer Temperatur gehaltene Kontrollfrösche zu Grunde gingen. 
Selbst nach Infektion mit grossen Dosen (1/;—1 Agarkultur) blieben die 
Warmfrösche am Leben. Die so behandelten Frösche zeigten jedoch keinerlei 
Erscheinungen von Immunität. Bei einer anderen (am Leben gebliebenen) 
Brückenechse fanden sich in einem Abscess in der Kloakengegend dieselben 
Stäbchen vor. Experimentell konnten derartige chronische Abscesse jedoch 
nicht erzeugt werden. In selbst viele Monate alten Kulturen konnte eine 
Toxinbildung nicht nachgewiesen werden. 

In der Literatur konnte Verf. keinen ausschliesslich für Kaltblüter 
pathogenen Mikroorganismus finden, der mit dem beobachteten identisch ge- 
wesen wäre. Er hält sich daher für berechtigt, ihn mit dem gesonderten 
Namen B. hypothermos zu belegen. Speck (Berlin). 


Prausnitz C., Zur Natur des Heufiebergiftes und seines specifischen 
Gegengiftes. Berl. klin. Wochenschr. 1905. No. 9. S. 227. 

Die Versuche bilden die Fortsetzung der von Dunbar unternommenen 
Untersuchungen über Aetiologie und specifische Therapie des Heufiebers. Das 
Heufieber wird nach Dunbar durch das Gift verschiedener Pollenarten (Pollen- 
toxin) erzeugt; mit Hilfe der giftigen Pollen gelingt es, bei Tieren ein antito- 
xisches Serum zu gewinnen; dieses, Pollantin genannt, zeigt intensive specifisch 
heilende Eigenschaften. Die zum Referat stehende Abhandlung gibt Versuche 
über die Natur des Pollentoxins, des Pollantins und über die Wirkungsweise 
des Gemisches beider Komponenten. 

Das Pollentoxin ist ein proteinartiger Körper, oder doch an Proteinsub- 
stanzen gebunden. Früher glaubte Dunbar, das Gift sei an die „Stärke- 
stäbchen“ des Pollenplasmas, an die sogenannte Favilla angelagert; doch ist 
er von dieser Anschauung zurückgekommen, da durch wiederholtes Waschen 
und Centrifugieren gereinigte Pollenstärke vollkommen unwirksam war, da 
ferner in manchen wirksamen Pollen diese Stärkeschicht vollständig fehlt. 
Die Alkoholfällung des Pollenextrakts ist das Pollentoxin; bei empfindlichen 


Infektionskrankheiten. 313 


Personen ist gelegentlich schon nach Einverleibung von 1/10000 mg deutliche 
Reaktion aufgetreten. Das Pollentoxin ist thermostabil; Erhitzung auf 100 g 
schädigt zwar seine Wirksamkeit, vernichtet sie aber nicht ganz. 

Die Bestimmung der Wirksamkeit des Antitoxins ging an 2 Heufieber- 
patienten vor sich, von denen der eine schon auf eine Dosis von 1/40000 Mg 
des Toxins deutlich mit objektiven und subjektiven Erscheinungen reagierte, 
der zweite bei 1/2% mg. Die Wertigkeit des Serums wird durch diejenige 
Verdünnung dargestellt, die gerade noch das Toxin neutralisiert. Die Er- 
scheinungen, die durch das Toxin hervorgerufen werden, sind successive 
Juckreiz, Hitzegefühl, Rötung und Schwellung der Karunkel, Injektion der 
Konjunktiven, Lidödem, Niesen und Schwellung der Nasenschleimhaut der 
entsprechenden Seite. Nach dieser Methode zeigt sich, dass ein für den 
weniger empfindlichen Patienten neutrales Toxin-Antitoxingemisch auch für 
den 20fach empfindlicheren Patienten unwirksam war. Es handelt sich 
bei dieser Neutralisierung‘ ebenso um eine Giftabsättigung, wie z. B. bei 
Diphtherie- und Tetanustoxin. Eine feste chemische Verbindung aber wird 
durch diese Neutralisierung nicht hervorgerufen; das Antitoxin wird durch 
Erwärmen auf 75° völlig zerstört; ebenso wird in einem anfangs neutralisierten 
Toxin-Antitoxingemisch durch halbstündiges Erhitzen auf 75° die Toxicität 
wieder hergestellt. Eine gleiche Disseciierbarkeit durch Hitze finden wir 
beim Schlangengift, Abrin- und Diphtheriegift. Von Interesse ist, dass die 
Toxiu-Antitoxinbindung nicht nach konstanten Proportionen verläuft, sondern 
es sind zur Neutralisation eines doppelt resp. dreifach stärkeren Toxins we- 
sentlich mehr als die doppelt resp. dreifache Antitoxinmenge (gegenüber dem 
gewöhnlichen Toxin) notwendig. Dies wird nur dadurch erklärt werden 
können, dass man auch in jedem scheinbar neutralen Gemisch die selbstständige 
Existenz von freiem Toxin und freiem Antitoxin neben der Toxin-Antitoxin- 
mischung annehmen muss (Guldberg und Waagesches Gesetz), dass dann 
bei disponierten Individuen eine grössere Affinität des Toxins zu manchen 
Zellreceptoren angenommen werden muss, als selbst zum Antitoxin. 

Hayo Bruns (Gelsenkirchen). 


Jancsó, Der Einfluss der Temperatur auf die geschlechtliche Gene- 
rationsentwickelung der Malariaparasiten und auf die experi- 
mentelle Malariaerkrankung. Centralbl. f. Bakt. Abt. I. Orig. Bd. 38. 
S. 650. 

Verf. berichtet von sehr interessanten Versuchen, die er machte, um den 
Einfluss der Aussentemperatur auf die Entwickelung der Gameten 
in der Mücke klar zu stellen. Er inficierte Anopheles claviger durch Saugen 
an Kranken mit verschiedenen Malariaplasmodien, brachte die inficierten 
Mücken an verschieden temperierten Plätzen unter und führte in gewissen Zwischen- 
räumen die Sektion aus. Für Haemamoeba vivax und praecox ergaben sich 
dieselben Resultate. Die Entwickelung ging am besten und schnellsten vor 
sich, wenn die Mücken ständig bei einer Temperatur von 24—30° gehalten 
warden. Höhere Temperaturen vertragen die Anopheles selbst sehr schlecht. 
Bei niederer Temperatur zog sich die Entwickelung in die Länge. Wenn 


314 Infektionskrankheiten. 


die Temperatur vom Augenblick des Blutsaugens an ständig 160° oder weniger 
beträgt, bleibt Cystenbildung aus. Werden die Mücken zuerst bei günstiger 
Temperatur gehalten, so dass die Cystenbildung bereits eingesetzt hat, wenn 
die Temperatur auch weit unter diese untere Grenze fällt, so fanden sich 
neben degenerierten Cysten auch ganz normale, die infektivnstüchtige Keime 
enthielten. Gameten von Laveran. mal. konnten nur 2mal zur Weiterent- 
wickelung gebracht werden (bei 20 und 24°C.). 

Verf. hält die Zahl der Untersuchungen für zu gering, um sich eine klare 
Vorstellung über den Einfluss der Temperatur auf die geschlechtliche Gene- 
ration der einzelnen Parasitenarten im Anopheles zu bilden, jedoch hält er 
es für wahrscheinlich, dass dieser Einfluss nicht die verschiedene geographische 
Verbreitung und das verschiedene Auftreten der beiden Arten erklären kann. 

In 15 Fällen liessen sich durch inficierte Mücken Menschen stechen, 5mal 
blieb die Erkrankung aus. Aus dem Verlaufe dieser Versuche schliesst Verf., 
dass die Erkrankung von der Temperatur, bei welcher die inficierten Ano- 
pheles gehalten wurden, und auch im allgemeinen von der Zahl der inoku- 
lierenden Anopheles unabhängig ist. Die Inkubationszeit variierte, bei Haem. 
praecox zwischen 7 und 14 Tagen. Den ausgesprochenen Schüttelfrösten ging 
stets ein Prodromalstadium voraus, dass durch Allgemeinsymptome und un- 
regelmässige Temperatur gekennzeichnet war. 

Trembur (Wilbelmshaven). 


de Celebrini, Relazione della campagna antimalarica nel littorale 
austriaco nell’ anno 1903. Atti della soc. per gli studi della Malaria 
1904. Bd. 5. S. 349. 

Die Kommission hatte eine dreifache Aufgabe: Vernichtung der Parasiten 

im menschlichen Körper, Vernichtung der Anophelesmücken, Schutz 
der Menschen vor dem Mückenstich. Zu diesem Zwecke wurde der zu sanie- 
rende Landstrich in 7 Bezirke eingeteilt mit je einem Arzt. Dieser erhielt 
eine Anzahl Gehilfen, ein Mikroskop und die nötigen Utensilien zur Blutunter- 
suchung und endlich ausreichende Mengen von Chinin und Arsen. Die grossen 
Kosten für die Arzneimittel wurden teils von der Provinz, teils von den Ge- 
meinden getragen. Von den Aerzten und ihren Gehilfen wurde dann die 
ganze Bevölkerung systematisch durchuntersucht. Die Kochsche Methode, 
sich nur auf: die Blutuntersuchung zu stützen, erklärt Verf. für unzu- 
länglich. Neben der Anamnese und der körperlichen Untersuchung (Milz!) 
wurde selbstverständlich auch die mikroskopische Prüfung des Blutes ver- 
wertet. Chinin wurde prophylaktisch in frischen Fällen gegeben und zwar 
nach Oellis Vorschrift täglich in Pastillen von 0,4 g. Bei Malariakachexie 
wurde mit gutem Erfolg Chinin, kombiniert mit Arsen (nach Grassi), gereicht. 
Die Bevölkerung stand den Bemühungen der Kommission im allgemeinen 
freundlich gegenüber, ausser im Orte Fasana, wo sich viele der Behandlung 
entzogen und man infolge dessen eine Anzahl ganz frische Infektionen zu 
Gesicht bekam. Zur Vernichtung der Mückenlarven wurde mit Vorteil das 
Präparat „Larvieid“ verwandt. Die Kosten beliefen sich auf 2161,78 Kr. Der 
Erfolg war sehr zufriedenstellend; wenn er aber dauernd sein soll, muss der 


Infektionskrankheiten. 315 


Feldzug in den nächsten Jahren fortgesetzt werden. Bezüglich der statistischen 
Daten und zahlreicher Einzelheiten sei auf das Original verwiesen. 
Beitzke (Berlin). 


Celi, Die Malaria in Italien im Jahre 1903. Arch. f. Hyg. Bd. 52. S. 88. 

In der vorliegenden Arbeit gibt der Verf. einen zusammenfassenden Be- 
richt über die epidemiologischen und prophylaktischen Forschungen der italie- 
nischen Gesellschaft für Malariaforschung im Jahre 1903. Im folgenden 
seien die Ergebnisse wiedergegeben, die allgemeines Interesse beanspruchen 
können. . “ 

Das leichte Auftreten der Epidemie im Jahre 1903 beweist, dass die 
spontane Malariaabnahme seit 1900 in Italien weiter fortschreitet. Die Dia- 
gnose der latenten Malaria hat hingegen gar keine oder nur wenig Fort- 
schritte gemacht. Da nach Capogrossis Feststellungen die Isoagglutination 
gar keinen diagnostischen Wert hat, so kann man die Recidive bis jetzt nur 
darch Blutuntersuchung, klinisch oder durch Analogie diagnosticieren. Man 
kann die Recidive im allgemeinen und für jede der 3 Fiebergruppen in drei 
Gruppen teilen: 

1. nach wenig Tagen (sogenannter Rückfall), 

2. nach kurzer Zeit (nach einer Woche oder innerhalb eines Monats), 

3. nach langer Zeit (nach einem oder mehr Monaten und nach einem und 
mehr als einem Jahr seit der ersten Infektion). 

Nach Caccini u. a. werden die Recidive durch zufällige Ursachen oft 
bervorgerufen, wie 

1. schlechte Ernährung, Idiosynkrasie vor gewissen Speisen, 

. Magen- und .Darmstörungen, 

. schwere und lang fortgesetzte Arbeit, 

. nersöse Aufregungen (Furcht), 

. plötzliche Erkältungen (Regen, Feuchtigkeit), 
Klima- und Temperaturwechsel, 

. Traumen, chirurgische Operationen, 

8. Schwangerschaft und normale Niederkünfte, 

9. andere Infektionen, wie Lungenentzündung u. s. w., 

10. Heilmittel, Tuberkulin, manchmal auch Jodkalium (Mischinfektionen). 

Das Problem der Recidive muss im allgemeinen, aber besonders bei den 
Aestivo-Autumnal- und (uartanfiebern noch genauer studiert werden. 

Um genau die Zeitgrenzen der Entwickelung der neuen Epidemie festzu- 
stellen. müsste man bei jedem frischen Malariafieber besonders die Inkubations- 
zeitdauer und die klinischen Symptome der ersten Malariainfektion in Betracht 
ziehen. Auf jeden Fall muss man alle zweifelhaften Fälle ausschliessen und 
als wirklich frische Infektionen nur die der im Winter geborenen Kinder und 
die der aus gesunden Gegenden hergezogenen Personen bezeichnen. Auf diese 
Weise konnten in Nord- und Süditalien einige vereinzelte Tertianainfektionen 
im Frübjahr - festgestellt werden. Da anderwärts die frischen Infektionen 
nicht genau von den Recidiven unterschieden werden, kennt man nicht genau 
Anfang und Dauer des eigentlichen Epidemiejahres. 


nom wm 


316 Infektionskrankheiten. 


Was den Zusammenhang des Lebens der Stechmücken mit der Malaria- 
epidemie anlangt, so wurde in mehreren Orten die Beobachtung gemacht, 
dass Paludismus und Anophelismus nicht in demselben Verhältnis zu den 
Erkrankungen stehen, d. h. man findet auf bestimmter Höhe Anopheles obne 
Malaria und an manchen Orten Abnahme der Malaria trotz verbreitetem Ano- 
phelismus. 

Trotzdem in Algier und Italien die Zahl der inficierten Anopheles sehr 
gering ist (1903 betrug sie kaum 1,66%/,), erkrankten 48,5%, der Einheimi- 
schen an Malaria (Recidive und frische Infektionen). In Trinitapoli, wo 2,5%, 
der Stechmücken infieiert waren, kamen viele Recidive und wenig frische In- 
fektionen (kaum 8%/,) vor. 

Was den Einfluss der Landwirtschaft auf die Malaria anlangt, so ergab 
sich, dass Zuckerrübenbau Anophelismwus an Orten hervorruft, die bis dahin 
bei trockenem Boden ohne stehende Gewässer ganz malariafrei waren. Von 
der Ausdehnung der Reisfelder wurde an einigen Orten keim ungünstiger Ein- 
fluss auf die Malariaabnahme beobachtet; an einigen Orten, die an und für 
sich sehr wasserreich sind, schienen die Reisfelder die Vorbedingungen für 
die Malaria (Sümpfe) eher zu verbessern als zu vermehren. Andererseits steht 
fest, dass der Reisbau die lokalen prädisponierenden Malariaursachen ver- 
schärft. An vielen Orten sind die Reisfelder aber nicht die einzige Ursache 
des Paludismus, und dieser bleibt, wenn auch der Reisbau aufhört. Daher 
ist Verf. nach wie vor der Ansicht, dass man den sehr erträglichen Reis- 
bau bestehen lassen und die Bevölkerung durch prophylaktische Massregeln 
schützen soll. 

Ueber den Zusammenhang der meteorologischen Faktoren und der ein- 
zelnen Epidemien konnte nichts neues festgestellt werden. 

Die Malariaprophylaxis muss gegen die Krankheitserreger und gegen 
die prädisponierenden Ursachen gerichtet sein. Folgende Massnahmen kommen 
dabei in Frage, die im Jahre 1903 eingehender studiert wurden: 

1. Die Radikalkur der Recidivfieber. Mit einer energischen Chininbehand- 
lung können die Recidive zwar vermindert, aber nicht ausgerottet werden, auch 
nicht, wenn zu dem Chinin Eisen und Arsen hinzugefügt wird. 

2. Die Behandlung der Malariarecidive in der präepidemischen Zeit. Sie 
wird schlecht vertragen, ist teuer und an und für sich ungenügend, um das 
Ausbrechen der neuen Epidemie zu verhindern. Sie kann daher unterlassen 
oder auf ein Minimum beschränkt werden. Besser ist, vor Ausbruch der Epi- 
demie die prophylaktische Behandlung mit kurativen Dosen zu beginnen (5 bis 
8 Tabletten), diese 10 Tage lang fortzusetzen und 3 statt 2 Tabletten täglich 
zu verabreichen. 

3. Chemische Prophylaxis. Sie beschränkt sich im allgemeinen auf die 
Epidemiezeit und besteht 

a) in täglicher Chininvehandlung aller Bewohner eines Malariaortes 

(2 Tabletten Chin. bisulf.), 
b) in Chininbehandlung mit therapeutischen Dosen (6—8 Tabl.) 7 bis 
8 Tage lang im Falle frischer Infektionen oder Recidive bei den 


Infektionskrankbeiten. 317 


prophylaktisch Behandelten, darauf Fortsetzung der täglichen Be- 
handlung. 

Diese chemische Prophylaxis mittels täglichen Gebrauchs der Staatschinin- 
tabletten hat grösstes Vertrauen bei Bauern und Landarbeitern erworben und 
hat auch an Orten mit schwerer Malaria die frischen Infektionen und Recidive 
ausserordentlich beschränkt. Sie wird bei denen, die in ungeschützten Häusern 
wohnen und des Nachts oder in für Malaria gefährlichen Stunden arbeiten 
müssen, ein gewöhnliches Gebrauchsmittel werden. 

4. Mechanische Prophylaxis. Sie wird am besten in den Wohnungen 
der Eisenbahn- und Steuerbeamten, der Strassen- und Assanierungswächter, 
der bei öffentlichen Arbeiten beschäftigten Arbeiter und allen den Leuten an- 
gewendet, die auf dem Lande wohnen und imstande sind, die nötigen hygieni- 
schen Massregeln zu befolgen. Durch diese mechanische Prophylaxis wird die 
Zahl der frischen Infektionen auf ein Minimum beschränkt. Die Zahl der 
Recidive bleibt im allgemeinen hoch, wenn sie auch im Vergleich abnehmen, 
da die Pseudorecidive aufhören. 

5. Stechmückenausrottung. Im allgemeinen gilt es als feststehend, dass 
es unmöglich ist, die Stechmücken auszurotten, ‚wenn die Sümpfe sehr ausge- 
breitet sind. Bei der Ausrottung in beschränkten Grenzen leistet das Petroleum 
bessere Dienste als das Larvicid. 

6. Hydraulische und agrarische Assaniernong. In Gegenden, wo beide 
Massregeln durchgeführt sind, hat die Malaria trotz überbleibendem Anophe- 
lismus bedeutend abgenommen. Dagegen ist dort, wo Latifundien mit ihren 
Extensivkulturen erhalten geblieben sind, die Malaria noch immer sehr schwer. 
Latifundien und Malaria sind also eng miteinander verbunden wie Ursache und 
Wirkung. 

7. Sanitätsgesetzgebung. Durch Gesetze, welche noch weiter vervoll- 
kommnet werden, ist die Abgabe von Chinin für die Arbeiter der Malariage- 
genden und der Chininverkauf zu Vorzugspreisen an Gemeinden und Wohl- 
fahrtseinrichtungen geregelt. Der Verkaufsgewinn wird zu Gunsten von 
Unterstützungen zur Verminderung der Malariaursachen verwendet. 

8. Durch eine ausgedehnte Volkspropaganda endlich wurde versucht, die 
neuen Gesetze in die Gebräuche des Volkes übergehen zu lassen. 

Speck (Berlin). 


Halberstaetter L., Untersuchungen bei experimentellen Trypano- 
somenerkrankungen. Centralbl. f. Bakt. Abt. I. Orig. Bd. 38. S. 525. 
Versuche mit Dourine-, Mal de Caderas- und Naganatrypanosomen an 
weissen Mäusen und Kaninchen. In der üblichen Weise mit einer Auf- 
schwemmung von trypanosomenhaltigem Blut in physiologischer NaCl- 
Lösung intraperitoneal inficiert, liessen sich bei weissen Mäusen die Parasiten 
nach einer Latenzzeit von 24—48 Stunden im Schwanzblut nachweisen, nach 
4—6 Tagen erfolgte der Tod. Bei Kaninchen tritt ein 6—8 Wochen dauern- 
des Krankheitsbild auf, ausgezeichnet durch eitrige Conjunctivitis und Oedeme 
an verschiedenen Körperstellen, besonders au den Lidern und Genitalien. 
Kurz vor dem Tode klonisch-tonische Krämpfe. Verlauf der Infektion wie 


318 Infektionskrankheiten. 


Sektionsbefund bei allen 3 Arten gleich. Parasiten im peripheren Blut bei 
Mäusen reichlich, bei Kaninchen fehlend oder sehr spärlich. Aber auch wenn 
keine Parasiten im hängenden Tropfen des Kaninchenblutes nachgewiesen 
werden konnten, war es für Mäuse infektiös, jedoch die Inkubationszeit ver- 
längert. Analoge Verhältnisse ergaben sich beim Weiterimpfen des mikrosko- 
pisch parasitenfreien Mäuseblutes. 

Die Versuche mit Trypanrotinjektionen bestätigen Bekanntes. Verimpfte 
Verf. Blut mit Trypanrot behandelter Mäuse, das zahlreiche, lebhaft beweg- 
liche Parasiten enthielt, so trat ein protrahierter Krankheitsverlauf mit einer 
Inkubationszeit von 2—4 Wochen auf, was um so auffälliger ist, als nach 
den Versuchen von Laveran und Mesnil durch äussere Einflüsse unbeweg- 
lich gemachte und deformierte, also immerhin schwer geschädigte Parasiten 
imstande sind, Mäuse mit nur geringer Verlängerung der Inkubationszeit zu 
inficieren. 

Durch Trypanrotbehandlung gegen Mal de Caderas immun gewordene 
Mäuse liessen sich ‚mit Dourine und Nagana prompt inficieren. Zur Schnitt- 
färbung mit Sublimat-Eisessig fixierter Organe benutzt Verf. polychromes 
Methylenblau. In den Mäuseorganen, besonders in der Leber, fanden sich 
die Parasiten zahlreich im Innern der Kapillaren, während sie beim Kaninchen 
hier fehlten und zwischen den durch Oedem auseinandergedrängten Gewebs- 
zellen und im subkutanen Gewebe gefunden wurden. 

Trembur (Wilhelmshaven). 


v. Wasielewski, Ueber infektiöse Epithelerkrankungen und ihre Be- 
ziehungen zu den Epitheliomen. Verhandl. d. Comités f. Krebsforsch. 
1903/04. H. 3. $. 24. 

Vortr. referiert ausführlich die Arbeiten von Borrel über Epitheliosen. 

Er nimmt im Gegensatz zu diesem an, dass die Vaccinekörperchen keine Leuko- 

cyten oder deren Zerfallsprodukte sind, da sie sich nur bei Impfung mit Vaccine 

und nicht bei anderweitiger Reizung der Kaninchencornea finden. Der Beweis 
für ihre Parasitennatur sei zwar noch nicht strikte erbracht, doch sei diese 

Annahme gegenwärtig die bestbegründete. Im Hinblick auf die in neuerer 

Zeit bekannt gewordene Psorospermosis cutis fordert Vortr. zu Kulturversuchen 

bei Darierscher und Pagetscher Krankheit auf. Beitzke (Berlin). 


v. Leyden, Weitere Untersuchungen über die parasitäre Theorie des 
Krebses. Verh. d. Comités f. Krebsforsch. 1903/04. H. 3. S. 13. 

Vortr. begründet nochmals seine schon vielfach verfochtene Ansicht von 
der parasitären Entstehung des Krebses. Allein die parasitäre Theorie 
sei imstande, auf alle bezüglich des Krebses schwebenden Fragen eine be- 
friedigende Antwort zu geben. Sie werde durch verschiedene Beobachtungen 
gestützt: Zunächst durch die geographische Verbreitung des Krebses. Die 
schwarze Rasse Afrikas war immun, so lange sie mit der weissen nicht näher 
in Berührung kam; gegenwärtig aber werden die Schwarzen in Amerika eben- 
so häufig von Krebs befallen, wie die weissen. Ferner die Verbreitung des 
Krebses unter den Tierklassen; fast nur Haustiere werden befallen, wilde Tiere 


Infektionskrankheiten. 319 


so gut wie gar nicht. Vortr. weist schliesslich erneut auf die von ihm als 
Parasiten gedeuteten vogelaugenartigen Einschlüsse in Krebszellen hin. 
Beitzke (Berlin). 


Juliusburger, Krebs und Lebensversicherungs-Gesellschaften. Verb. 
d. Comités f. Krebsforsch. 1903/04. H. 3. S. 68. 

Vortr. hat das Material von 7081 Todesfällen an Krebs bei einer Lebens- 
versicherungs-Gesellschaft verarbeitet. Er fand, dass die wenigsten Krebs- 
kranken das 70. Lebensjahr überschritten hatten, dass die bemittelten Kreise 
viel mehr Krebsfälle aufwiesen, als die unbemittelten, dass die Entwickelung 
des Krebses mit der Berufsart in einem gewissen Zusammenhange stehe und 
dass von den befallenen Organen der Magen die erste, die Gebärorgane die 
zweite Stelle einnahmen. Irgend ein zwingender Hinweis auf eine der Theorien 
für die Aetiologie des Krebses ergab sich aus diesen Studien nicht. 

Beitzke (Berlin). 


Loeb, Leo, Ueber das endemische Vorkommen des Krebses beim 
Tiere. Centralbl. f. Bakteriol. Abt. 1. Bd. 37. S. 235. 

Verf. berichtet eine Anzahl bemerkenswerte teils von ihm, teils von 
andere gemachte Beobachtungen über Krebsendemien bei Tieren. Cooper 
sab drei Fälle von Krebs der Speicheldrüsen und der Zunge bei Kühen in 
einem 11/, Meilen grossen Landbezirk. Loeb und Jobson fanden unter den 
2000 Rinderr einer Ranch innerhalb eines Jahres zwei Fälle von Carcinom des 
inneren Augenwinkels, während dies Leiden sonst höchstens einmal unter 
50.000 Rindern aufzutreten pflegt. Hanau beobachtete drei Vulvacarcinome 
unter 100 Ratten des Züricher pathologischen Instituts, Borrel mehr als 
20 Fälle von Carcinom unter 200 Ratten. Verf. selbst fand im Laufe von 
4 Jahren in den sehr sauber gehaltenen Käfigen des Chicagoer pathologischen 
Laboratoriums nacheinander in grösseren Zwischenräumen drei Ratten mit 
cystischem Sarkom der Thyreoidea, das sich in den beiden ersten Fällen auf 
mehrere Generationen von Ratten übertragen liess. Die spontanen Fälle 
traten immer ersf längere Zeit nach Entfernung der letzten mit einem Im- 
plantationstumor behafteten Tiere aus dem Laboratorium auf. Verf. lässt es 
zweifelhaft, ob hier ein hereditärer Faktor oder ein infektiöses Agens zu Grunde 
liegt. Im letzteren Falle ist es, namentlich auch im Hinblick auf die ander- 
weitigen mitgeteilten Beobachtungen, sehr wahrscheinlich, dass durch Struktur 
und Sitz verschiedene Tumoren auch durch verschiedene Mikroorganismen 
hervorgebracht werden. Beitzke (Berlin). 


Balp, Stefano, Dati statistici ed eziologici sull’ endemia gozzocre- 
tinica nella provincia di Torino. Giorn. della reale accad. di med. 
di Torino. 1904. No. 4. 

Ausführliche statistische Angaben über Kropf und Kretinismus in 
den Alpentälern des Turiner Bezirks. Verf. ist auf Grund derselben zu fol- 
genden Ansichten gelangt: Ursache des Kropfes und des Kretinismus ist eine 
lnsuffieienz der Schilddrüse. Die Krankheit hat endemischen Charakter, aber 


320 Infektionskrankheiten. 


mit deutlichen epidemischen Schüben. Die Krankheit und ihre Folgen bleiben 
leicht, wenn sie einen Erwachsenen befällt. Schwerer Verlauf findet sich, 
wenn die Krankheit angeboren oder in der Kindheit erworben ist, oder wenn 
sie gar einen erblich Belasteten trifft; sie hat die Eigentümlichkeit, die Ent- 
wickelung der Intelligenz des befallenen Kindes an dem Punkte aufzuhalten, 
wo die Krankheit einsetzte. Die Erblichkeit spielt eine grosse, aber keine 
ausschliessliche und keine notwendige Rolle. Perioden gesteigerter Tätigkeit 
der Schilddrüse (jugendliches Alter, wiederholte Schwangerschaften) disponieren 
zur Erkrankung. Schlechte hygienische Wohnungsverhältnisse tragen zu ihrem 
Ausbruch bei, indem sie die Krankheitskeime am Leben erhalten und ihnen 
durch Schwächung des Körpers den Boden vorbereiten. Das hauptsächlichste 
Vehikel des Infektionsstoffes ist das Trinkwasser. In der Bekämpfung des 
Kropfes ist das Wesentlichste die Verbesserung der Wohnungs- und Wasser- 
versorgungsverhältnisse. Die Opotherapie hat nur dann Ansicht auf Erfolg. 
wenn die Erkrankten die Kropfgegenden verlassen, weil sie dort sonst stets 
aufs Neue inficiert werden. Beitzke (Berlin). 


Balp, Stefano, Risultati di alcune esperienze di tiroidismo speri- 
mentale. Giorn. della reale accad. di med. di Torino. 1904. No.9 e 10. 
Verf., welcher ein überzeugter Anhänger der infektiösen Entstehung 
des Kropfes ist, sammelte aus Ställen, die Familien mit Kretins und Kropf- 
kranken gehörten, Schmutz von den Wänden und schmutzige Flüssigkeit und 
mischte sie teils unverändert, teils nach voraufgegangener Filtration jungen 
Hunden unter das Futter. Sämtliche Tiere erkrankten mit schweren Affektionen 
der Schilddrüse, und zwar handelte es sich un eine lokale, specifische Er- 
krankung des Organs, nicht nur um eine einfache Hyperämie oder um eine 
Allgemeinerkrankung mit blosser Beteiligung der Schilddrüse. 
Beitzke (Berlin). 


Bruns H., Versuche zur Frage der Desinfektion bei Ankylostomiasis. 
Münch. med. Wochenschr. 1905. No. 2. S. 73. 

Nach der heutigen Anschauung kommt die Infektion mit Ankylostoma 
hominis durch eingekapselte Larven zu Stande. Zur Desinfektion bei 
Ankylostomiasis können also Mittel in Betracht kommen, die 

1. die eingekapselten Larven selbst vernichten, 

2. die Entwickelung der Eier zu eingekapselten Larven verhindern. 

In einer früheren Arbeit berichtete Verf. über in dieser Richtung ange- 
stellte Laboratoriumsversuche (Klin. Jahrb. 1904. Bd. 12. S. 1). Diese Ver- 
suche hat er jetzt in ausgedehntem Masse fortgesetzt und mit danach ausge 
wählten Mitteln die Desinfektion ganzer Grubenstrecken versucht. 

Die Laboratoriumsversuche wurden in folgender Weise angestellt: 
Es kam darauf an. festzustellen. 1. nach welcher Zeit die Desinfektionslösung 
die eingekapselten Larven vernichtete, und 2. in welcher Verdünnung sie die 
Entwickelung der Eier zu Larven verhinderte. Zu diesem Zwecke wurden 
eierhaltige Fäces mit Holzkohle verrieben (um dem zur Entwickelung der Eier 
notwendigen Sauerstoff möglichst überall Zutritt zu verschaffen) und 5—6 Tage 


Infektionskrankheiten. 321 


im Brutschrank belassen. Nach einigen Tagen wurde das Gemisch mit Wasser 
begossen, in das die Larven überwandern. Liess man dann das Wasser in 
einem Glascylinder stehen, so erhielt man einen an Larven überaus reichen 
Bodensatz. Zu dieser Larvenflüssigkeit wurden gleiche Teile des Desinfektions- 
mittels zugesetzt und durch mikroskopische Betrachtung geprüft, wann die 
Larven tot waren. Doch ist Bewegungslosigkeit nicht immer ein sicheres 
Zeichen des Todes. Erst wenn die letzte Larve dauernd unbeweglich war, 
wurde das Resultat fixiert. Der Grund des individuell verschiedenen Ver- 
baltens der Larven gegen das Desinfektionsmittel ist wohl im Alter, der Dicke 
der Chitinkapsel u. a. zu suchen. Bei der Desinfektion spielen wahrscheinlich 
die Gesetze der Diffusion eine ausschlaggebende Rolle. Bei stärkeren Lösungen 
treten oft während des Lebens Veränderungen im Larveninhalt (Schrumpfungen) 
ein, so dass der Augenblick des Todes nicht feststellbar ist. 

Bei den Versuchen mit Eiern wurde so vorgegangen, dass verschiedenen 
Verdünnungen eines Desinfektionsmittels kleine Portionen eierhaltiger Fäces 
zugesetzt wurden; es wurde dann zugesehen, in welchen Schälchen noch Ent- 
wickelung eintrat. In sämtlichen Kontrollschälchen mit Leitungswasser oder 
physiologischer Kochsalzlösung musste zur Verwertbarkeit des Resultats Ent- 
wickelung eingetreten sein. 

Bei diesen Versuchen kamen eine grosse Reihe verschiedener Desinfektions- 
mittel zur Anwendung; die einzelnen Resultate sind in Tabellen niedergelegt, 
die im Original nachgelesen werden müssen. Im allgemeinen hatten die Ver- 
suche folgendes Ergebnis: Es gelingt allerdings mit starken Giften, starken 
Mineralsäuren, ferner durch wasseranziehende Mittel (wie Chloride, Glycerin, 
Alkohol), endlich auch durch eigentliche Desinfektionsmittel (Karbol, Kresol, 
Saprol u.s. w.) eine Abtötung der Larven zu erzwingen. Diese Resultate werden 
aber nur erzielt, wenn die Larven dauernd in einem Desinfektionsmittel von 
bestimmter Konzentration gehalten wurden. Für die Auswahl der Versuche in 
einer Grubenstrecke selbst konnten daher diese Versuche wohl einen Anhalts- 
punkt bieten, aber nicht allein entscheidend sein. Die Versuche bestätigen 
durchaus die grosse Widerstandskraft der eingekapselten Ankylostomalarven 
gegenüber sämtlichen geprüften Desinfektionsmitteln, die erheblich diejenige 
der Erreger der übrigen Infektionskrankheiten überschreitet, zu deren Be- 
kämpfung wir mit Desinfektionsmitteln vorgehen. Aus den Eierabtötungsver- 
suchen ist der Schluss zu ziehen, dass Verhinderung der Entwickelung zu 

Larven schon durch schwächere Lösungen erzielt wird, als die Abtötung der 
eingekapselten, doch sind hierzu auch noch immer im Vergleich zu den gegen- 
über Typhus, Cholera u. a. wirksamen Mitteln stärkere Lösungen nötig. Da- 
bei muss auch hier wieder bedacht werden, dass ein derartig dauernder Kon- 
zentrationsgrad des Desinfektionsmittels, wie er in den Versuchen tagelang zur 
Anwendung kam, in der Grube selbst nur in Ausnahmefällen zu erzielen ist. 
Wenn man endlich noch überlegt, dass bei den übrigen Infektionskrankheiten 
die zur Verwendung kommenden Desinfektionsmittel imstande sind, innerhalb 
ganz kurzer Zeit die Erreger zu vernichten, dass dies jedoch bei den Erregern 
der Ankylostomiasis auf keine Weise möglich ist, so sind die Aussichten auf 


322 Immunität. Schutzimpfung. 


einen guten Erfolg der Desinfektionsversuche ganzer Gruben von vornherein 
sehr gering. 

Bei den praktischen, in der Grube selbst vorgenommenen Desinfek- 
tionsversuchen liegt eine grosse Schwierigkeit darin, dass man es dabei 
nicht mit einigen örtlich scharf lokalisierten Infektionsherden za tun hat, 
sondern mit einer Verteilung des Infektionsstoffes über das ganze Gruben- 
gelände rechnen muss. Von den im Laboratorium erprobten Mitteln mussten 
einige aus Gründen der Giftigkeit oder des Preises von vornherein in Wegfall 
kommen. Denn da man zur Desinfektion für jedes laufende Meter Strecke 
ca. 10 Liter rechnen muss, sind enorme Mengen: Desinfektionsflüssigkeit not- 
wendig. Zur Anwendung gelangte neben anderen Mitteln auch die Abwässer- 
flüssigkeit der schwefelsauren Ammoniakfabrikation der Zeche Shamrock I/II, 
die im Liter 0,9 Kalk und 0,83 Karbol enthielt. Davon standen täglich 
ca. 200 cbm zur Verfügung. Diese Flüssigkeit wurde in 600 Liter fassenden 
Förderungen an die einzelnen Stellen des Bergwerkes gebracht, aus diesen 
30 Liter fassende Kübelspritzen gefüllt und in starkem Strahl überall hinge- 
spritzt. Als Testobjekte dienten Kotbaufen mit Eiern, die auf Brettchen aus- 
gelegt waren. Davon wurden täglich eine Anzahl Proben entnommen und 
mikroskopisch und durch Bebrütung untersucht. 

Im allgemeinen waren die Resultate wenig ermutigend. 10 proz. Kochsalz- 
lösung zeigte ein gutes Resultat, aber erst nach 11maliger Berieselung der 
Strecke. Das würde für jeden laufenden Meter Strecke 1 kg Kochsatz, für 
die Desinfektion der ganzen Grube im vorliegenden Falle täglich ca. 140 000 kg 
NaCl erfordern! Andere Mittel, darunter auch Kalkmilch, erwiesen sich auch 
nach langdauernder Berieselung als unwirksam. Daher ist auf eine Desinfektion 
der Grube zu verzichten. Auch die Desinfektion der Abortkübel gab schlechte 
Resultate. Selbst bei ordnungsmässig mit Kalkmilch behandelten Kübeln kann 
man nicht mit einiger Wahrscheinlichkeit darauf rechnen, dass alle Anky- 
lostomaeier vernichtet sind. Gerade der Glaube daran verleitet nur zu unvor- 
sichtigem Handhaben der Kübel. Bei richtig konstruierten und richtig be- 
handelten Kübeln kann der Kübelinhalt als ungefährlich angesehen werden. 
Die Kübel werden zweckmässig in cementierte Bassins entleert, wo die Eier 
durch Gärung und Fäulnis schnell zu Grunde gehen. Wichtig ist hingegen 
die Desodorisation der Kübel. Diese verbreiten nämlich einen so pene- 
tranten Gestank, dass empfindliche Leute von ihrer Benutzung abgeschreckt 
werden, wodurch die Gruben dann immer von neuem inficiert werden. Dahin 
angestellte Versuche ergaben, dass die oben erwäbnten Abwässer und die Kalk- 
milch sich als Desodorisationsmittel gut bewährten. Speck (Berlin). 


Baumgarten, Ueber Immunisierungsversuche gegen Tuberkulose. 
Berl. klin. Wochenschr. 1904. No. 43. S. 1124. 
Seit Mai 1902 hat B. sich mit Immunisierungsversuchen gegen 
Tuberkulose an Rindern beschäftigt, und ist zu folgenden Resulaten dabei 
gelangt: 


Immunität. Schutzimpfung. 323 


1. Rinder sind durch Einverleibung menschlicher Tuberkelbacillen gegen 
eine spätere für Kontrollrinder tödliche Infektion mit Perlsuchtbaeillen immun. 
Diese Immunität bat bis jetzt 21/, Jahre fortbestanden. 

2. Zur Erreichung der Immunität genügt schon eine einmalige sub- 
kutane Impfung mit menschlichen Tuberkelbacillen. 

3. Der beim Rinde bei der subkutanen Impfung entstehende Lokalaffekt 
ist keine Tuberkulose, da die Bacillen an der Impfstelle bald zu Grunde gehen, 
und auch histologisch nur die Erscheinungen der Reizwirkung von Fremd- 
körpern nachweisbar sind. Diese Immunisierung gegen Perlsucht ist also 
nicht, wie v. Behring meint, von dem Uebersteben einer Tuberkulose ge- 
ringeren Grades abhängig. Somit steht sie auch ganz in Uebereinstimmung 
mit der Kochschen Lehre von der Verschiedenheit der Menschen- und Rinder- 
tuberkulose. 

4. Mit dem Blutserum der gegen Tuberkulose immunisierten Rinder ist es 
Verf. nicht gelungen, bei Meerschweinchen oder Kaninchen eine immunisierende 
oder heilende Wirkung .auszuüben. Versuche an Kälbern sind noch im Gange. 

5. Wenn ein Heilserum gegen Tuberkulose nicht gefunden werden sollte, 
so müsste man daran denken, den Menschen mit Rindertuberkelbacillen zu 
inmunisieren, aber erst dann, wenn die Nichtidentität von Menschen- und 
Rindertuberkelbacillen erwiesen ist. Speck (Berlin). 


Sommerfeld, Besitzen die löslichen Eiweisskörper der Milch speci- 
fische baktericide Eigenschaften? Centralbl f. Bakt. Bd. 37. S. 716. 
Um die Behauptung v. Behrings, dass die löslichen Eiweisskörper 
der Milch Träger baktericider Eigenschaften seien, auf ihre Richtigkeit 
zu prüfen, hat S. folgende Versuche unternommen. Er filtrierte Milch 30 bis 
45 Minuten nach dem Melken mittels steriler Pukal-Tonfilter. Die Filtration 
erfolgte bei einem Druck von durchschnittlich 15 mm und lieferte nach ca. 
5—6 Stunden etwa 50 ccm eines wasserbellen Filtrates, das alle Eiweiss- 
reaktionen zeigte. Abgemessene Mengen dieses Milchserums, welches sich stets 
als keimfrei erwies, wurden nun mit bestimmten Mengen von Keimen (Typhus- 
bacillenkultur und Kochsalzaufschwemmungen von B. coli) versetzt und nach 
verschiedenen Zeiten die Keime (durch Plattengiessen) gezählt. In allen 
6 Versuchen fand ein ungehindertes Wachstum und starke Vermehrung der 
Keime statt. Es geht somit aus diesen Versuchen hervor, dass den löslichen 
Eiweisskörpern der Milch eine specifische baktericide Wirkung gegen B. coli 
eommune und gegen B. typhi nicht zukommt. Speck (Berlin). 


Neisser Max, Die Agglutination. Vortrag, gehalten in der 13. Versamm- 
lung des ärztlichen Landes-Vereins zu Braunschweig am 22. Oktober 1904. 
In dem Vortrag bespricht Neisser das Phänomen der Agglutination 

in seiner Eigenart und Bedeutung. Das Agglutinin, welches ein Reaktions- 
produkt des Körpers, eine vom Organismus abgesonderte Substanz ist, ist 
nach der Ehrlichschen Seitenkettentheorie als Zellreceptoren des Orga- 
nismus aufzufassen, die aus zwei Molekülkomplexen, aus zwei Gruppen, 
der haptophoren und der agglutinophoren Gruppe bestehen und deren 


324 Beleuchtung. Säuglingspflege. 


reichlicher Uebertritt in das Blut als ein regenerativer Process sich darstellt. 
Sodann wendet sich N. der Frage zu, worin die eigentümliche Wirkung der 
agglutinophoren Gruppe besteht, dass aus den beweglichen Typhusbacillen 
unbewegliche und aus den Einzelliegenden in Haufen Zusammenliegende werden. 
Die Antwort darauf fasst er dahin zusammen, dass die Bakterien Molekül- 
komplexe (haptophore Gruppen) besitzen, welche specifische Affinität 
zu manchen Molekülkomplexen (Receptoren des Organismus) haben. Das ent- 
stehende Agglutinin besteht aus zwei Teilen, indem es ausser der specifisch 
affinen Gruppe noch eine Gruppe enthält, welche auf den Schutzkörper der 
Bakterien einwirkt und ihn so ausser Funktion setzt. 

Zum Schluss würdigt er noch die Bedeutung der Agglutination für die 
praktische Medizin. Nieter (Halle a. S.). 


Albrand, Beitrag zur Vereinfachung der Helligkeitsprüfung in ge- 

schlossenen Räumen. Berl. klin. Wochenschr. 1904. No. 52. S. 1353. 

Angabe einer Modifikation des Wingenschen Helligkeitsmessers, die 

es gestattet, Helligkeitsgrade von 4—2500 Meterkerzen zu messen; doch sind 

die Resultate nur bis zu 400 Meterkerzen genaue. Die an der Hand von Ab- 
bildungen gegebene Beschreibung muss im Originial nachgelesen werden. 
H. Ziesche (Leipzig). 


Schmalfuss, Stellung und Aufgaben des Ammen-Untersuchungsamtes. 
Handb. d. socialen Medizin. Bd. 7. . Jena. Gustav Fischer. S.-A. 34 Ss. 8°. 
Preis: 1,20 M. 

Eine staatliche Ammenkontrolle besteht in Hamburg erst seit dem 
Jahre 1833, in welchem ein fest besoldeter Ammenarzt angestellt und diesem 
die Untersuchung der von den Ammen-Nachweisungscomptoiren empfohlenen 
Ammen übertragen wurde. Es blieb jedermann indessen freigestellt, sich auf 
eigene Gefahr eine Amme zu verschaffen. Eine äusserst genaue Instruk- 
tion wurde für den Ammenarzt erlassen und ihm amtliche Formulare 
zur Verfügung gestellt, die bei der ärztlichen Untersuchung auszufüllen waren. 
Aus den erst von 1842 an vorhandenen Jahresberichten geht hervor, dass die Zahl 
der für untauglich erklärten Ammen eine beträchtliche war; so 
wurden von 5567 in den Jahren 1842—1853 sich meldenden Ammen 1266 
als ungeeignet zurückgewiesen. 

Im Laufe der Jahre erfuhren die ursprünglichen Einrichtungen mancherlei 
Abänderungen. Vor allen Dingen ist seit dem Erlass einer neuen Dienstboten- 
ordnung im Jahre 1899 die Ammen-Untersuchung streng obligatorisch 
geworden, so dass nur eine von dem Ammenarzt ausgefertigte amtliche Be- 
scheinigung der Uebernahme einer Ammenstelle gestattet. 

Der als pensionsberechtigter Beamter angestellte Ammenarzt untersteht 
der Polizeibehörde und untersucht in den täglich in besonderen Amtsräumen 


Desinfektion. 325 


abgehaltenen Sprechstunden die sich meldenden Ammen. Die Ausfüllung der 
zahlreichen eingehenden Fragen des umfangreichen Fragebogens erheischt neben 
einer guten Anamnese besonders eine äusserst exakte Untersuchung des ganzen 
Körpers. Von grösster Bedeutung ist die Prüfung der äusseren und 
inneren Genitalien, da mitunter trotz völlig normalem Verhalten der oberen 
Körperhälfte bei anscheinend blühenden Personen an den Genitalien die ausge- 
sprochenen Zeichen von Lues entdeckt werden. Nichts ist wichtiger und 
schwieriger bei der Ammenuntersuchung als die Ausschaltung aller Syphi- 
litischen oder auf Syphilis Verdächtigen. Namentlich die Erkennung 
der latenten Formen, bei denen oft nicht ein einziges Residuum nach- 
weisbar ist, stösst auf besondere Hindernisse. Trotzdem konnten innerhalb 
113/, Jahren während der Tätigkeit des zur Zeit amtierenden Ammenarztes 
von etwa 10000 Ammen 508 Personen = 5,0°/, als syphilitisch bezw. su- 
spekt zurückgewiesen werden. Nicht weniger wertvoll und schwerwiegend ist 
die frühzeitige Erkennung versteckter Tuberkulose, die natürlicherweise 
eine Person sofort zur Uebernahme eines Ammenpostens ungeeignet macht. 
Die Tauglichkeitsscheine der Ammen haben immer nur eine dreitägige 
Gültigkeit. Will die Amme erst nach Ablauf dieser Frist eine neue Stelle 
antreten, so wird alsbald eine erneute Untersuchung notwendig. Vorläufig 
zurückgewiesene Ammen können bei wiederholter Nachprüfung späterhin noch 
tauglich befunden und mit der Qualifikation versehen werden. Die angeführten 
Zahlen lehren nachdrücklich, wie notwendig gerade in grossen Städten eine 
derartige Ammenkontrolle wird, um unabsehbare traurige Folgen der syphi- 
litischen Ansteckung nach Kräften zu verhüten. Der hohe Prozentsatz der in 
Hamburg wegen Lues zurückgestellten Ammenbewerberinnen redet eine ein- 
dringliche Sprache und beweist, wie segensreich die Tätigkeit des 
dortigen Ammenarztes in der Verhütung grossen Unheils gewirkt hat. 
An Verbesserungen wünscht Verf. eine genauere Auskunft über die 
Kinder der Ammen und eventuell auch eine Untersuchung derselben. 
Dieser Forderung stehen ebenso, wie dem wünschenswerten Nachweis über 
die sittliche Qualifikation, welche in Frankreich z. B. notwendig ist, 
bisber unübersteigbare Hindernisse entgegen. In Frankreich wird einer ärzt- 
lich tauglich befundenen Amme die Aufnahme in die amtliche Ammenliste 
unbedingt verweigert, wenn die Polizeibehörde über ihr Vorleben oder die 
Moralität der betreffenden Person ungünstige Nachrichten besitzt oder noch 
erhält, Schumacher (Hagen i.W.). 


Kirstein, Fritz, Leitfaden für Desinfektoren in Frage und Antwort. 
Zweite vermehrte und verbesserte Auflage. Berlin 1905. Verlag von Julius 
Springer. 37. Ss. 8°. Mit Tabellen. Preis: 1,40 M. 

Die äussere Form des vorliegenden Leitfadens ist in Fragen und 
Antworten gefasst, da erfahrungsgemäss in dieser Weise das Verständnis 
für den Gegenstand bei den auszubildenden Personen am leichtesten geweckt 
und die Festhaltung der Erlernten am ehesten gewährleistet wird. Die Glie- 


326 Desinfektion. 


derung des Stoffes ist auch in der zweiten Auflage im wesentlichen dieselbe 
geblieben. Jedoch war eine Erweiterung des Büchleins unter Berücksichtigung 
der seitherigen Erfahrung und insbesondere der neueren amtlichen Bekannt- 
machungen, so der vom Bundesrat festgestellten Anweisungen zur Bekämpfung 
gemeingefährlicher Krankheiten vom 3. Juli 1902 bezw. vom 28. Januar 1904, 
sowie der für das Reich empfohlenen Massnahmen zur Bekämpfung von Unter- 
leibstyphus (Veröffentl. des Kais. Ges.-A. 1903. No. 86) nicht zu umgehen. 
Weiterhin ist die Dienstvorschrift für die Desinfektionsanstalten der Polizei- 
behörde zu Hamburg vom 20. April 1904 verwertet worden. In einem allge- 
meinen Teile sind zunächst einige zum Gegenstand gehörige Grundbegriffe be- 
handelt. Im Hauptteile sind zunächst die gebräuchlichsten Desinfektionsmittel 
angeführt und ihre Verwertung in der Praxis. Hier wäre noch die Erwähnung 
eines neuen Mittels, des Sublamins, eines Ersatzmittels für das giftige Sub- 
limat, angebracht gewesen; sie ist gewiss unterblieben, da dasselbe noch zu wenig 
bekannt ist und sich noch nicht in der wünschenswerten Weise eingebürgert 
bat. Die Anwendung der Desinfektionsmittel soll sich nach den in 3 Gruppen 
geschiedenen ansteckenden Krankheiten richten. Die Gliederung der Krank- 
heiten in 3 Gruppen ist für die Desinfektoren eine Komplikation, daher 
eine wenig günstige. Die Einteilung wäre meines Erachtens zweckmässiger nur 
in 2 Gruppen geschehen, indem die Gruppen 2 und 3 hätten zusammengezogen 
werden können. Dann dürfte dle Desinfektionsvorschrift für die 3. Gruppe 
für die zusammengefasste 2. und 3. Gruppe Geltung baben können. Einseitig 
ist die Breslauer Methode zur Wohnungsdesinfektion empfohlen worden, obschon 
andere Apparate dieselbe Wirkung zu verzeichnen haben, wie der Flüggesche 
Apparat. Für die ländlichen Bezirke ist z. B. die Anwendung des Breslauer 
Apparates mit grossen Schwierigkeiten verbunden. Ich erinnere nur an die- 
jenigen Ortschaften, zu denen man nur auf kleinen, schmalen Fusspfaden ge- 
langen kann. Neu ist die Erläuterung der Desinfektion einer Person bezw. 
die Behandlung infektiöser Leichen noch. Auch „die besonders zu beachtenden 
Regeln“ für den Desinfektor sind erweitert worden. Was die Reihenfolge der 
Vorrichtungen bei der Ausführung der Desinfektion anlangt, so ersieht der 
Desinfektor dieselbe aus den Anlagen A, B und C. In diesen Anlagen findet 
der Desivfektor ausserdem ein Verzeichnis derjenigen Gegenstände, welche er 
je nach der Art der Krankheit zur Desinfektion mitzuführen hat. - Jedenfalls 
ist das vorliegende Büchlein als Ratgeber für Desinfektoren sowie als Unter- 
stützung bei deren Ausbildung sehr zweckmässig, wie Ref., der mehrere Kurse 
nach demselben mit geleitet hat, aus eigener Erfahrung bestätigen kann. 
Engels (Gummersbach). 


Kuhn Fr., Ein Minutensterilisator. Münch. med. Wochenschr. 1904. 
No. 26. S. 1156. 

K. hatte sich die Aufgabe gestellt, einen Apparat zu konstruieren, der 
möglichst wenig Wasser gebraucht, dabei der heizenden Flamme eine 
recht grosse Angriffsfläche bietet und eine tunlichste Ausnutzung 
des Wassers seitens der Instrumente gestattet. Dies erreichte K., indem er 
dem Auskochgefäss einen keilförmigen Querschnitt gab und den Behälter 


Verschiedenes. Gesetze und Verordnungen. 327 


kahnförmig mit sehr schmalem Kiele gestaltete. Als Heizquelle dient 
ein mit zwei Reihen Flammen brennender Junkerscher Rohrbrenner. Auf 
diese Weise wird die Heizkraft des Gases in bestmöglicher Weise ausgenutzt, 
so dass man nur für 1/;—!/, Pfennig Gas zu verbrennen braucht, um in 
1—2 Minuten eine zum Sterilisieren eines Katheters oder der Taschenbesteck- 
Instrumente hinreichende Menge kochenden Wassers zu erhalten. Der an- 
scheinend recht empfehlenswerte Apparat, welcher sich dem Erfinder bei täg- 
lichem Gebrauche gut bewährt hat, wird in zwei verschiedenen Grössen 
angefertigt. Als Einsatz dient ein nach Art eines Buchdeckels auf- 
klappbares Sieb, das auf ebener Unterlage auseinanderfällt und den In- 
strumenten eine gute Liegefläche bietet. Schumacher (Hagen i.W.). 


Baycatt, A note on the poisonousness of worms. Journ. of pathol. and 
bacteriol. Vol. 10. p. 383. 

Verf. hat eine ganze Anzahl verschiedener Eingeweidewürmer, wie den 
Ascaris lumbricoides, die Taenia solium, die Taenia mediocanellata, einen 
Bandwurm aus dem Darm des Schafes, einen aus dem des Rindes und endlich 
Nematoden aus Fischen einer Untersuchung auf das Vorkommen giftiger 
Stoffe unterworfen, dabei aber fast nur gänzlich negative Ergebnisse erzielt. 

C. Fraenkel (Halle a. S.). 


Gesetze und Verordnungen. 


Bekanntmachung, betreffend die Einrichtung und den Betrieb der 
Bleihütten. Vom 16. Juni 1905. 

Auf Grund des § 120e der Gewerbeordnung hat der Bundesrat über die Ein- 
fichtung und den Betrieb der Bleihütten folgende Vorschriften erlassen: 

Allgemeine Vorschriften. 

§ 1. Die Räume, in denen Bleierze geröstet, gesintert oder geschmolzen, Werk- 
blei gewonnen und weiter verarbeitet, Weichblei abgerieben, Glätte, Mennige oder 
andere oxydische Bleiverbindungen hergestellt, gemahlen, gesiebt, gelagert oder ver- 
packt werden oder Zinkschaum abdestilliert wird, müssen geräumig, hoch und so ein- 
gerichtet sein, dass in ihnen ein ausreichender beständiger Luftwechsel stattfindet. 

Sie müssen mit einem ebenen und festen Fussboden versehen sein, der eine leichte 
Beseitigung des Staubes auf feuchtem Wege gestattet. 

Die Wände müssen, damit Staubansammlung vermieden wird, eine ebene Ober- 
fläche haben; sie müssen mindestens einmal jährlich entweder abgewaschen oder mit 
Kalk angestrichen werden. Diese Bestimmung findet auf Röstschuppen mit Holzwänden 
keine Anwendung. 

§ 2. Für die Arbeiter an den Oefen und Schmelzkesseln muss in der Nähe der 
Arbeitsstellen gutes, gegen Eindringen von Staub geschütztes Trinkwasser in reich- 
lichen Mengen derart bereitgehalten werden, dass sie es jederzeit bequem erreichen 
können, ohne ins Freie zu treten. 

In der Nähe der Oefen sind Einrichtungen zum Besprengen des Fussbodens an- 
zubringen. 


328 Gesetze und Verordnungen. 


Der Fussboden der im $ 1 bezeichneten Räume ist mindestens einmal täglich 
feucht zu reinigen. 

§ 3. Aufbereitete Bleierze und bleihaltige Hüttenprodukte dürfen, wenn sie nicht 
feucht sind, nur in Apparaten zerkleinert werden, die so eingerichtet sind, dass das 
Eindringen von Staub in die Arbeitsräume tunlichst verhindert wird. Auf das Röstgut 
aus den Konvertern findet diese Bestimmung keine Anwendung. 

Säcke, in denen Bleierze oder bleihaltige Stoffe verpackt waren, dürfen nur in 
staubdichten Apparaten oder durch Waschen entstaubt und gereinigt werden. 

& 4. Die zum Beschicken der Schachtöfen bestimmten bleihaltigen Stoffe müssen, 
wenn sie oxydisch sind urd stauben, angefeuchtet werden, bevor sie, mit anderen 
Materialien gemischt, auf dem Gichtboden gelagert und in die Schachtöfen eingeführt 
werden. Auf das Röstgut aus den Konvertern findet diese Bestimmung keine An- 
wendung. 

§ 5. Staub, Gase und Bleidämpfe, die den Oefen und Konvertern, den Abstich- 
rinnen, den Abstichkesseln, dem Vorsumpf, den Schlackentiegeln, den Schlackenwagen 
oder den Schlackentriften und den aus den Oefen gezogenen glühenden Rückständen 
sowie den Raffinierkesseln entweichen, müssen möglichst nahe an der Austrittsstelle 
abgefangen und unschädlich abgeführt werden. 

Flugstaubkammern und Flugstaubkanäle sowie ausgeblasene Oefen sind, wenn 
sie von den Arbeitern betreten werden müssen, vor dem Ausräumen ausreichend ab- 
zukühlen und zu durchlüften. 

Besondere Vorschriften für die Betriebsabteilungen, in denen 

Bleifarben hergestellt werden. 

§ 6. Beim Mahlen, Sieben und Packen trockener bleihaltiger Stolfe, beim Be- 
schicken und Entleeren der Glätte- und Mennigeöfen, beim Mennigebeuteln und bei 
sonstigen Verrichtungen, bei denen sich bleihaltiger Staub entwickelt, muss durch 
Absauge- und Abführungsvorkehrungen oder durch andere geeignete Vorrichtungen 
das Eintreten von Staub in die Arbeitsräume verhindert werden. 

§ 7. Apparate, welche bleihaltigen Staub entwickeln, müssen, insoweit nicht 
nach ihrer Einrichtung und Benutzungsart das Austreten von Staub wirksam verhütet 
wird, an allen Fugen durch dicke Lagen von Filz oder Wollenzeug oder durch Vor- 
richtungen von gleicher Wirkung so abgedichtet sein, dass das Eintreten von Staub in 
die Arbeitsräume verhindert wird. 

Apparate dieser Art müssen mit Einrichtungen versehen sein, welche eineSpannung 
der Luft in ihnen verhindern, Sie dürfen erst dann geöffnet werden, wenn der in ihnen 
entwickelte Staub sich abgesetzt hat und völlig abgekühlt ist. 

Besondere Vorschriften für die Zinkschaum-Destillationsanlagen. 

% 8. Neu zu erbauende Zinkschaum-Destillationsöfen, für die gemäss $$ 161f., 
§ 25 der Gewerbeordnung eine besondere Genehmigung erforderlich ist, müssen so an- , 
gelegt werden, dass 

1. vor ihren Beschickungsöffnungen ein lichter Raum von mindestens 3 m vor- 
handen ist; 

2. die unter den Destillationsräumen etwa vorhandenen Gänge (Röschen) geräumig, 
im Scheitel mindestens 3,5 m hoch, hell und luftig sind. 

§ 9. Staub, Gase und Dämpfe, die den Zinkschaum-Destillationsöfen entweichen, 
müssen möglichst nahe an der Austrittsstelle abgefangen und zum Hüttenraume hinaus- 
geführt werden. 

Durch geeignete Abführungsvorkehrungen muss auch das Eindringen der Feue- 
rungsgase in den Hüttenraum tunlichst verhindert werden. 

§ 10. DasSieben und Verpacken der bei derZinkschaum-Destillation gewonnenen 


Gesetze und Verordnungen. 329 


Nebenprodukte (Poussière, Flugstaub) darf nur in einem besonderen, von anderen 
Arbeitsräumen getrennten Raume ausgeführt werden, der den Vorschriften des § 1 
entspricht. 

Das Sieben darf nur in Apparaten vorgenommen werden, die so eingerichtet sind, 
dass eine Verstäubung nach aussen nicht stattfinden kann. 

Beschäftigung von Arbeitern. 

$ 11. Arbeiterinnen und jugendlichen Arbeitern darf in den im § 1 bezeichneten 
Räumen, in den Flugstaubkammern und Flugstaubkanälen und beim Transporte des 
Flugstaubs eine Beschäftigung nicht gewahrt und der Aufenthalt in den genaunten 
Räumen nicht gestattet werden. 

§ 12. In den im § 1 bezeichneten Räumen, in den Pagsiaabkammora ana Flug- 
staubkanälen sowie zum Transporte des Flugstaubs dürfen Personen zur Beschäftigung 
neu nur eingestellt werden, wenn durch ein Zeugnis eines von der höheren Verwal- 
tungsbehörde dazu ermächtigten Arztes bescheinigt wird, dass weder ihre Gesundheit 
noch ihre körperliche Entwickelung zu Bedenken gegen die Beschäftigung Anlass 
geben. Die Bescheinigungen sind zu sammeln, aufzubewahren und den Gewerbe-Auf- 
sichtsbeamten (§ 139b der Gewerbeordnung) sowie dem zuständigen Medizinalbeamten 
auf Verlangen vorzulegen. 

§ 13. Die bei der Bedienung der Schachtöfen tätigen Arbeiter, abgesehen von 
den Arbeitern auf den Gichtböden, dürfen nicht länger als 8 Stunden täglich beschäf- 
tigt werden. Dasselbe gilt für Arbeiter, die im Innern kaltgestellter Oefen beschäftigt 
sind oder beim Ausräumen von Flugstaubkammern und Flugstaubkanälen, welche 
nassen Flugstaub enthalten. 

Beim Ausräumen von Flugstaubkammern und Flugstaubkanälen, die trockenen 
Flugstaub enthalten, dürfen Arbeiter im Innern der Kammern und Kanäle täglich 
höchstens 4 Stunden, mit Räumungs- und Transportarbeiten dieser Art, überhaupt 
aber nicht länger als 8 Stunden täglich beschäftigt werden. 

Die übrigen Arbeiter, welche in den im § 1 bezeichneten Räumen arbeiten, dürfen 
innerhalb eines Zeitraums von 24 Stunden nicht länger als 10 Stunden ausschliesslich 
der Pausen beschäftigt werden. 

Ausgenommen von den vorstehenden Bestimmungen sind diejenigen Arbeiter, 
welche zur Herbeiführung‘ des wöchentlichen Schichtwechsels mit Arbeiten beschäftigt 
werden, die nach den reichsgesetziichen Bestimmungen über die Ausnahmen von der 
Sonntagsruhe am Sonntag erlaubt sind. 

Arbeitskleider, Waschgelegenheit und dergl. 

$ 14. Der Arbeitgeber hat die mit dem Ausräumen der Flugstaubkammern und 
Flugstaubkanäle, die mit der Ausbesserung kaltgestellter Oefen sowie die mit dem 
Mahlen, Sieben und Verpacken von Glätte, Mennige und anderen Bleifarben beschäf- 
tigten Arbeiter mit vollständigen Arbeitsanzügen einschliesslich einer Mütze sowie mit 
Mundschützern (Respiratoren, Mundschwämmen oder dergl.) zu versehen. 

§ 15. Arbeiten, bei denen eine Berührung mit gelösten Bleisalzen stattfindet, 
darf der Arbeitgeber nur durch Arbeiter ausführen lassen, welche zuvor die Hände 
entweder eingefettet oder mit undurchlässigen Handschuhen versehen haben. 

$ 16. Die in den $$ 14, 15 bezeichneten Arbeitsanzüge, Mundschützer (Respi- 
ratoren, Mundschwämme oder dergl.) und Handschuhe hat der Arbeitgeber jedem da- 
mit zu versehenden Arbeiter besonders in ausreichender Zahl und zweckentsprechender 
Beschaffenheit zu überweisen. Er hat dafür Sorge zu tragen, dass diese Gegenstände 
stets ihrer Bestimmung gemäss und nur von denjenigen Arbeitern benutzt werden, 
welchen sie zugewiesen sind, und dass sie in bestimmten Zwischenräumen, und zwar 
die Arbeitsanzüge mindestens jede Woche, die Mundschützer (Respiratoren, Mund- 


330 Gesetze und Verordnungen. 


schwämme oder dergl.) und Handschuhe vor jedem Gebrauche gereinigt und während 
der Zeit, wo sie sich nicht im Gebrauche befinden, an dem für jeden Gegenstand zu 
bestimmenden Platze aufbewahrt werden. 

§ 17. In einem staubfreien Teile der Anlage muss für die Arbeiter ein Wasch- 
und Ankleideraum und, getrennt davon, ein Speiseraum vorhanden sein. Beide Räume 
müssen sauber und staubfrei gehalten und während der kalten Jahreszeit geheizt werden. 
An einer geeigneten Stelle muss sich Gelegenheit zum Erwärmen der Speisen befinden. 

In dem Wasch- und Ankleideraume müssen Wasser, Seife und Handtücher sowie 
Einrichtungen zur getrennten Verwahrung der Arbeitsanzüge und derjenigen Kleidungs- 
stücke, welche vor Beginn der Arbeit abgelegt werden, in ausreichender Menge vor- 
handen sein. ; es 5 

Der Arbeitgeber hat den mit dem Ausräumen und Reinigen der Flugstaubkammern, 
Flugstaubkanäle und der kaltgestellten Oefen beschäftigten Arbeitern täglich nach Be- 
endigung dieser Arbeit, den übrigen mit oxydischen bleihaltigen Stoffen in Berührung 
kommenden Arbeitern mindestens einmal wöchentlich während der Arbeitszeit Gelegen- 
heit zu geben, in einem geeigneten, während der kalten Jahreszeit geheizten Raume 
innerhalb der Betriebsanlage ein warmes Bad zu nehmen. 

Veberwachung des Gesundheitszustandes. 

$ 18. Der Arbeitgeber hat die Ueberwachung des Gesundheitszustandes der 
Arbeiter einem der höheren Verwaltungsbehörde hierzu ermächtigten, dem Gewerbe- 
Aufsichtsbeamten ($ 139b der Gewerbeordnung) namhaft zu machenden Arzte zu über- 
tragen, von diesem mindestens einmal monatlich die Arbeiter im Betrieb aufzusuchen 
und bei ihnen auf die Anzeichen etwa vorhandener Bleierkrankungen achten zu lassen. 

Der Arbeitgeber darf Arbeiter, die nach ärztlichem Urteil einer Bleierkrankung 
verdächtig sind, zur Beschäftigung in den im § 1 bezeichneten Räumen, zum Aus- 
räumen der Flugstaubkammer, Flugstaubkanäle und kaltgestellten Oefen und zum 
Transporte des Flugstaubs bis zu ihrer völligen Genesung nicht zulassen. Solche 
Arbeiter, die sich den Einwirkungen des Bleies gegenüber besonders empfindlich er- 
weisen, sind dauernd von jenen Beschäftigungen auszuschliessen. 

§ 19. Der Arbeitgeber ist verpflichtet, zur Kontrolle über den Wechsel und Be- 
stand sowie über den Gesundheitszustand der Arbeiter ein Buch zu führen oder durch 
einen Betriebsbeamten führen zu lassen. Er ist für die Vollständigkeit und Richtigkeit 
der Eintragungen, soweit sie nicht vom Arzte bewirkt werden, verantwortlich. 

Dieses Kontrollbuch muss enthalten: 

1. den Namen dessen, welcher das Buch führt, 

2. den Namen des mit der Ueberwachung des Gesundheitszustandes der Arbeiter 
beauftragten Arztes, 

3. Vor- und Zunamen, Alter, Wohnort, Tag des Eintritts und des Austritts jedes 
Arbeiters sowie die Art seiner Beschäftigung, 

4. den Tag und die Art der Erkrankung eines Arbeiters, 

5. den Tag der Genesung, 

6. die Tage und Ergebnisse der im § 18 vorgeschriebenen allgemeinen ärztlichen 
Untersuchungen. 

Das Krankenbuch ist dem Gewerbe-Aufsichtsbeamten ($ 139b der Gewerbeord- 
nung) sowie dem zuständigen Medizinalbeamten auf Verlangen vorzulegen. 

Schlussbestimmungen. 

§ 20. Der Arbeitgeber hat für die Arbeiter verbindliche Vorschriften folgenden 
Inhalts zu erlassen: 

1. Die Arbeiter dürfen Nahrungsmittel nicht in die Arbeitsräume mitnehmen. 
Das Einnehmen der Mahlzeiten ist nur ausserhalb der Arheitsräume gestattet. 


Kleinere Mitteilungen. 331 


2. Die Arbeiter dürfen erst dann den Speiseraum betreten, Mahlzeiten einnehmen 
oder die Hütte verlassen, wenn sie zuvor ihre Arbeitsanzüge ($ 14) abgelegt und. 
Hände und Gesicht sorgfältig gewaschen haben. 

3. Die Arbeiter haben die Arbeitsanzüge, Mundschützer (Respiratoren, Mund- 
schwämme oder dergl.) und Handschuhe in denjenigen Arbeitsräumen und bei den- 
jenigen Arbeiten, für welche sie geliefert sind, zu benutzen. 

4. Das Rauchen von Cigarren und Cigaretten während der Arbeit ist verboten. 

5. Die ir der Anlage vorhandene Badeeinrichtung soll von den mit dem Aus- 
räumen und Reinigen der Flugstaubkammern, Flugstaubkanäle und .kaltgestellten Oefen 
beschäftigten Arbeitern täglich nach Beendigung dieser Arbeit, von den-übrigen mit 
oxydischen bleihaltigen Stoffen in Berührung kommenden Arbeitern einmal wöchentlich 
benutzt werden. Diese Vorschrift findet auf diejenigen Arbeiter keine Anwendung, für 
welche das Baden von dem im § 18 bezeichneten Arzte als unzuträglich erachtet wird. 

Ausserdem ist in den zu erlassenden Vorschriften vorzusehen, dass Arbeiter, 
welche trotz wiederholter Warnung den vorstehend bezeichneten Vorschriften zuwider- 
handeln, vor Ablauf der vertragsmässigen Zeit und ohne Aufkündigung entlassen 
werden können. 

Ist für den Hüttenbetrieb eine Arbeitsordnung erlassen ($ 134a der Gewerbe- 
ordnung), so sind die vorstehend bezeichneten Vorschriften in die Arbeitsordnung auf- 
zunehmen. 

§ 21. In jedem Arbeitsraume sowie in dem Ankleide- oder dem Speiseraume 
muss eine Abschrift oder ein Abdruck dieser Bestimmungen und der gemäss $ 20 vom 
Arbeitgeber erlassenen Vorschriften an einer in die Augen fallenden Stelle aushängen. 

Der Arbeitgeber ist für die Handhabung der im $ 20 Abs. 1 bezeichneten Vor- 
schriften verantwortlich. Er hat einen Meister oder Vorarbeiter zu beauftragen, die 
genaue Befolgung der im $ 20 Abs. 1 unter No. 2 und 5 vorgesehenen Bestimmungen 
ständig zu überwachen. Die zur Ueberwachung bestellte Person ist nach Massgabe des 
$ 151 der Gewerbeordnung für die Befolgung der Vorschriften und für die Anwendung 
der nötigen Vorsicht verantwortlich. 

$ 22. Neue Bleihütten dürfen erst in Betrieb gesetzt werden, nachdem ihre Er- 
richtung dem zuständigen Gewerbe-Aufsichtsbeamten ($ 139b der Gewerbeordnung) 
angezeigt ist. Dieser hat nach Empfang der Anzeige durch persönliche Revision fest- 
zustellen, ob die Einrichtung der Hütte den erlassenen Vorschriften entspricht. 

§ 23. Die vorstehenden Bestimmungen treten mit dem 1. Januar 1906 in Kraft. 

Soweit zur Durchführung der Vorschriften der $$ 1, 5 Abs. 1, §§ 6, 9, 10 und 
17 bauliche Veränderungen erforderlich sind, können hierzu von der höheren Verwal- 
tungsbehörde Fristen bis höchstens zum 1. Januar 1908 gewährt werden. 

Wenn es aus überwiegenden Gründen des öffentlichen Interesses dringend ge- 
boten ist, kann der Bundesrat für einzelne Betriebe diese Frist bis zum 1. Januar 1913 
verlängern, auch bis dahin Ausnahmen von den Vorschriften des $ 13 Abs. 1 und 2 
zulassen. 

Berlin, den 16.Juni 1905. Der Stellvertreter des Reichskanzlers. 
Graf v. Posadowsky. 
(Min.-Bl. f. Med.- u. med. Unterrichts-Angel. 1905. No. 22. S. 492—496.) 


Kleinere Mitteilungen. 


(:) Aus dem statistischen Jahrbuche der Haupt- und Residenzstadt 
Budapest. V. Jahrgang 1902. 
Die Einwohnerzahl von Budapest wurde im Jahre 1902 auf 767661 einschl. 


332 Kleinere Mitteilungen. 


16484 Militärpersonen berechnet. TLebend geboren wurden 23054 Kinder oder 
30,0 auf je 1000 Einwohner; 11831 davon waren männlichen und 11223 weiblichen 
Geschlechts; 27,5°/, waren ausserehelich geboren. Von den 701 Totgeborenen 
waren 35,9°/, ausserhalb der Ehe geboren. Mehrgeburten kamen in 240 Fällen vor; 
zwei davon waren Drillingsgeburten. 

Gestorben sind 7769 männliche, 6963 weibliche, zusammen 14732 Personen 
oder 19,2°/% der Bewohner. Auf je 1000 Lebendgeborene kamen 146,1 verstorbene 
Kinder im 1. Lebensjahre und 234,8 im Alter unter 5 Jahren. Ihren höchsten Stand 
hatte die Kindersterblichkeit im Monat April und den niedrigsten im Oktober erreicht. 

Todesursachen. Es sind an Pocken verstorben 5 Personen, Masern 293, 
Scharlach 301, Diphtherie und Croup 188, Keuchhusten 78, Unterleibstyphus 54, 
Kindbettfieber 22, Lungensohwindsucht 2595, Tuberkulose anderer Organe 384, Lun- 
genentzündung1484, an sonstigen entzündlichen Erkrankungen der Atmungsorgane 789, 
Influenza 43, Darmkatarrh 1122, Krebsleiden 700, an sonstigen Neubildungen 169, 
angeborener Lebensschwäche 868, Altersschwäche 547; eines gewaltsamen Todes 
starben 576. 

Erkrankungen an Infektionskrankheiten wurden insgesamt 16386 ge- 
meldet, darunter an Masern 8724, Scharlach 1912, Diphtherie und Croup 1394, Keuch- 
husten 868, Typhus 235, Ruhr 16 und Kindbetttieber 34. In 42 Krankenhäusern 
sind 84936 Personen zusammen 2743665 Tage lang verpflegt worden; auf jeden 
Kranken entfielen durchschnittlich 32,3 Verpflegungstage. Von diesen Kranken wurden 
46520 als geheilt, 21352 als gebessert und 4242 als ungeheilt entlassen; 5277 sind 
gestorben. 

Das Heilpersonal in Budapest bestand aus 1089 Aerzten, 770 Hebammen und 
261 Apothekern. Die Zahl der Apotheken betrug 86. Die aus 521 ausübenden Mit- 
gliedern bestehende freiwillige Rettungsgesellschaft trat 11145 mal in Tätig- 
keit, und zwar in 5842 Fäilen zur ersten Hilfeleistung, 995 mal zu ambulanten Wachen, 
3736 bezw. 572mal zu Kranken- und Irrenbeförderungen. 

Die Centraldesinfektionsanstalt vollzog Desinfektionen von 3895 Woh- 
nungen, 350819 Gegenständen in solchen und von 183477 Gegenständen in der Des- 
infektionsanstalt, sowie von 9204 Personen. 

Nahrungs- und Genussmittel wurden in 8603 Fällen durch die chemische 
und Lebensmitteluntersuchungsanstalt mit einem Gesamtkostenaufwand von 56160 K. 
untersucht. Die öffentlichen Bäder sind von insgesamt 1715196 Personen benutzt 
worden. (Veröff, d. Kais. Ges.-A. 1905, No. 42. S. 1121.) 


(:) Die Tätigkeit des Gesundheitsrates für das Seine-Departement 
im Jahre 1904. (Nach Compte rendu des séances du Conseil d'Hygiène publique 
etc. 1904.) 

Im Berichtsjahre wurden dem Gesundbheitsrate des Seine-Departements 565 Ge- 
genstände gegen 600 im Jahre 1903 und 702 im Jahre 1902 zur Beratung vorgelegt. 
Der Rückgang der Anzahl der zu beratenden Gegenstände erklärt sich daraus, dass 
in den Vorjahren mehrere kleine Industriewerke, welche bis dahin ohne Erlaubnis ge- 
arbeitet hatten, diese nachträglich einholten. Die Verhandlungen betrafen u.a.: die 
Fortsetzung der Prüfung des Entwurfes eines Gesundheitsreglements, die Vergrösserung 
und Neuanlage von Kirchhöfen, Berichte über einige Haarfärbemittel, die Einrichtung 
einer Fabrik zur Herstellung von Kienruss in Nanterre, die Anlage einer Akkumula- 
torenfabrik in Puteaux, und die gewerbliche Aenderung des Verzeichnisses der klassi- 
ficierten gewerblichen Anlagen, Massregeln, um die Verbreitung der Mücken in Paris 
zu verhindern, die Einsetzung einer Kommission zur Ueberwachung der Anstalten zur 


Kleinere Mitteilungen. 333 


Gewinnung von Pockenlymphe in Paris und dem Seine-Departement, die Schaffung 
einer öffentlichen Pferdeschlächterei in Paris u.s.w. 

In der Verhandlung über die Trinkwasserversorgung von Paris äusserte sich ein 
Berichterstatter dahin, dass dem Mangel an Trinkwasser, wie er bereits zweimal im 
Taufe des Jahres durch unvorhergesehenen Ausfall des Quellwassers stattgefunden 
habe, abgeholfen werden könnte, indem man die Filter der Wasserwerke von Ivry ver- 
doppele, wodurch der Stadt 30000 cbm Wasser mehr geliefert würden. Der Gesund- 
heitsrat stimmte dem zu, bezeichnete es jedoch als wünschenswert, auch neue Quellen 
zur Wasserversorgung heranzuziehen, um für die Zukunft auf jeden Fall gesichert 
zu sein, 

Einem Berichte über die Verwendung von Aluminiumblättern zum Einwickeln 
von Nahrungsmitteln an Stelle des Stanniol ist zu entnehmen, dass drei Fabrikate dem 
Gesundheitsrate vorlagen: davon waren zwei metallisiertes Papier und das dritte 
Metallblätter. Das eine der Fabrikate wird in Deutschland hergestellt. Alle drei Er- 
zeugnisse wurden im städtischen Laboratorium auf ihre Bestandteile geprüft; keines 
von ihnen enthielt Arsenik oder andere Gifte. Nach Vergleichen zwischen dem Stanniol, 
dem zur Verbilligung oft Blei zugesetzt werde, und dem Aluminiumpapier, kam der 
Berichterstatter zum Schluss, dass letzteres nicht allein der wohlfeileren Herstellung 
wegen, sondern auch in hygienischer Beziehung den Vorzug zu verdienen scheine. 

Im Laufe des Berichtsjahres kamen in Paris (und in der Bannmeile) von an- 
zeigepflichtigen Krankheiten zur Meldung: Typhus 2635 (905) Erkrankungen, Pocken 
und Yariolis 822 (219), Scharlach 3265 (987), Masern 8548 (2057), Diphtherie und 
Croup 3707 (1260), choleraartige Krankheiten 11 (17), Ruhr 0 (7), Kindbettfieber und 
Augenentzündungen der Neugeborenen zusammen 166 (38), epidemische Genickstarre 
3 3). Bei den meisten der oben angeführten Krankheiten war im Vergleich mit dem 
Vorjahre eine Abnahme zu beobachten, eino zum Teil sehr bedeutende Zunahme 
zeigten Masern, Typhus, Pocken und die choleraartigen Erkrankungen. 

Aus dem Berichte des ärztlichen Nachtdienstes geht hervor, dass dieser im Be- 
richtsjahre im ganzen 9284 Personen Hilfe zuteil werden liess; in 920 Fällen waren 
ès ansteckende Krankheiten, bei 1266 Kranken handelte es sich um geburtshilfliche 
oder gynäkologische Fälle. (Veröff. d. Kais. Ges.-A. 1905. No. 30. S. 817.) 


C) Erkrankungen und Todesfälle im englischen Heere während des 
Jahres 1903. (Nach dem Army Medical Department Report for the year 1903.) 
Von der Gesamtkopfzahl des englischen Heeres, welche für das Jahr 1903 auf 
durchschnittlich 242182 beziffert wird, entfielen 
auf die Heimat (Grossbritannien und Irland) 110565 Mannschaften 


» Inlien enre e 2 000.00 220% 22% 69613 m 
a adne a on Gr a SS A 
a a a E nee le E EE ji 
» Aegypten und Cypem . . . . . 4954 » 
„Gibraltar: du tr... 2 a in > 24080 m 
51. Bermudas. > 12 cr ne ar ra de j 
ET A u E na E ee 1086 ü 
a Nord- und Süd-Chna . . . . . 1692 " 


a ON N A ee en RE X 
ferner weniger als 1000 Mannschaften u.a. auf Barbados (882), die Straits Settlements 
‘3131, Mauritius (746), Jamaika (564), St. Helena (405), Westafrika (198); an Bord 
von Schiffen befanden sich 4158 Mann. 


Von der Gesamtzahl wurden 183508 ‚1 %/go, in die Hospitäler aufgenommen, 


334 Kleinere Mitteilungen. 


4922 (19,95°/00) wurden als invalide entlassen, 1881 (7,13%;,5) starben und 3973 
wurden ais „invalide“ bezw. tropendienstunfähig von den auswärtigen zu heimatlichen 
Truppenteilen gesandt. Jeder Kranke wurde durchschnittlich 28,77 Tage behandelt. 
Die auf je 1000 der Kopfstärke errechnete Verhältnisziffer der Toton war am höchsten 
in Nordchina (19/99) und Westafrika (150/00), demnächst in den Straits Settlements 
(14,8%/90) und Ostindien (13,33 0/%0); die höchste Ziffer der als „invalide“ zu heimat- 
lichen Truppen geschickten Mannschaften entfiel auf Westafrika (910/99). 

Ausser den 242182 Mannschaften gehörten dem Heere 4545 Offiziere an; auch 
12433 Weiber und 23277 Kinder werden als zum Heere gehörig aufgeführt. Von 
69553 „Rekruten, (darunter 2756 Knaben unter 17 Jahren) wurden von vornherein 
22382 als dienstuntauglich zurückgewiesen, 1022 erwiesen sich innerhalb der ersten 
3 Monate ihrer Dienstzeit als untauglich, so dass im ganzen kaum ?/, der „Rekruten“ 
(6635°/,) zur Ergänzung des Heeres herangezogen werden konnten. 

Von den 1881 Todesfällen unter den Mannschaften des Heeres waren u. a. 
verursacht: 481 durch Typhus, 72 durch Ruhr, 56 durch Cholera, 46 durch 
Malariafieber, 20durch Pocken oder „andere mit Ausschlag einhergehende Fieber“, 
ferner 96 durch Tuberkulose, 19 durch sekundäre Syphilis, 22 durch septische 
Krankheiten, 16 durch Alkoholismus, endlich 290 durch Verletzungen, 16 durch Gifte, 
205 durch Krankheiten der Verdauungsorgane, 203 durch Krankheiten der Atmungs- 
organe, 183 durcb Krankheiten der Kreislaufs- und Harnorgane u.s.w. 

Von den 183598 kranken Mannschaften, welche im Laufe des Berichts- 
jahres den Lazaretten zugingen, litten 31479 (130°%/oo der Kopfstärke) an venerischen 
Krankheiten, 24164 an Krankheiten der Verdauungsorgane, 21180 (87,5°/oo) an 
Malariafieber, 21714 (80,7 0/,,) an Verletzungen, 2791 an Typhus und 3540 an anderen 
anhaltenden Fiebern (zusammen 26,1%/,,), 3059 an Influenza, 2022 an Ruhr, nur 9 
an Pest, Cholera oder Gelbfieber, aber 1339 an Pocken und „anderen mit Ausschlag 
verbundenen Fiebern“, endlich 6774 an „parasitären Krankheiten“ (Entozoen, Epi- 
zoen u.s.w.). Von den 8895 als invalide entlassenen oder in die Heimat gesandten 
Mannschaften hatten 350 an Typhus und 165 an „anderen anhaltenden Fiebern* ge- 
litten, ferner 511 an venerischen Krankheiten, 337 an Malarialiebern, 860 an Krank- 
heiten der Verdauungsorgane, 1432 an Krankheiten der Kreislaufsorgane, 479 an 
„barasitären Krankheiten®, 511 an Tuberkulose, 543 an Körperschwäche, 227 an 
Rheumatismus u.s.w. 

Die venerischen Krankheiten (Schanker, Syphilis, Tripper», welche unter 
den Krankheitsformen bei den Mannschaften der englischen Armee einen so breiten 
Raum einnehmen, haben im Verhältnis zur Kopfstärke die meisten Erkrankungen in 
Ostindien (wo 340,2%/,, der Kopfstärke daran erkrankten), in den Straits Settlements 
(328,5 0/00) und in Südchina (319,7 9,0), sowie in Barbados (330,1 0/0), vergleichs- 
weise wenige in Grossbritannien und Irland (127,6%/,9) verursacht. 

(Veröll. d. Kais. Ges.-A. 1905. No, 42. S. 1122.) 


(:) Grossbritannien. Milzbrand bei gewerblichen Arbeitern. (Nach 
The Milroy Lectures on Industrial Anthrax, by T. M. Legge, His Majesty’s Medical 
Inspector of Factories.) 

Die Kenntnis des Gewerbemilzbrandes in Grossbritannien ist dadurch erheblich 
gefördert werden, dass mit dem Fabrik- und Werkstättengesetz vom Jahre 1901 die 
Anzeigepflicht für diejenigen Milzbrandfälle eingeführt worden ist, deren Entstehung 
in einem ursächlichen Zusammenhang mit gewerblichen Beschäftigungen gebracht wird. 
In dem Zeitraume von 1599—1904 sind dort insgesamt 261 Fälle von Milzbrand bei 
gewerblichen Arbeitern (224 bei männlichen, 37 bei weiblichen Personen) gemeldet: 


Kleinere Mitteilungen. 335 
von ihnen endigten 67, d.i. 25,6%, mit dem Tode. Von den Erkrankungen entfielen 
auf die Industrie der Garne und Wolle $8, der Rosshaare und Borsten 0, der Häute 
und Felle 86 und auf sonstige Industrien 17. In der Wollindustrie kamen die meisten 
Milzbrandfälle beim Sortieren, Krempeln und Spinnen der Wolle vor, in der Rosshaar- 
industrie beim Krempeln der Haare für Polsterungszwecke sowie bei der Bürstenan- 
fertigung, in der Industrie der Häute und Folle bei den Arbeiten auf den Docks, in 
den Speichern, in den Gerbereien und vereinzelt bei der Lederbearbeitung. Was die 
sonstigen gewerblichen Beschäftigungen anlangt, so ereigneten sich vereinzelte Fälle 
instesondere bei Hornarbeitern, bei Lumpensortierern, bei Arbeitern, die Getreide- 
oderKartoffelsäcke zu verladen hatten, und bei Arbeitern in chemischen Düngerfabriken. 

Von den in der Wollindustrie beobachteten Milzbrandfällen kamen 64 bei Arbeitern 
vor, die beim Sortieren oder Krempeln der Wolle beschäftigt waren. 

Bei einer Gesamtzahl von 4264 in Grossbritannien mit solchen Arbeiten beschäf- 
tigten Personen entfiel sonach auf 1,3%, oder aufs Jahr berechnet auf 0,21°/, eine 
Erkrankung. In Rosshaarbetrieben sind mindestens 40 Milzbranderkrankungen vorge- 
kommen, oder bei den insgesamt 2206 Arbeitern dieser Betriebe eine Erkrankung auf 
1,8°;,, oder aufs Jahr berechnet auf 0,3%. Der Milzbrand bei Arbeitern der Woll- 
industrie ist besonders in der Umgebung von Bradford aufgetreten, wo vorwiegend 
Wolle aus Klein-Asien und Persien, die danach im Rohzustande besonders gefährlich 
zu sein scheint, bearbeitet wird. In der Lederindustrie war das Vorkommen von Milz- 
brand hauptsächlich auf die Häfen von London und Liverpool beschränkt. 

Unter den 261 Fällen gewerblichen Milzbrandes fanden sich nur 6 von inner- 
licher Erkrankung; diese sind sämtlich in Bradford vorgekommen und haben alle töd- 
lih geendet. In 248 von den übrigen Fällen äusserlichen Milzbrandes ist der Sitz der 
Pustel festgestellt worden: sie fand sich 108mal (d.i. 43,5%) am Kopfe oder im Ge- 
sicht, 103 mal (41,50/,) im Nacken, 31mal (12,5°/,) an den oberen, 3mal (1,2°/,) an 
den unteren Gliedmassen, 8mal (1,2°/%) am Rumpfe. Nach der Beschäftigungsweise 
der Erkrankten war der Sitz der Pustel ein verschiedener. In der Industrie der Häute 
und Felle fand sie sich in 49,4°/, der Fälle im Nacken, dagegen bei Arbeitern der 
Wollindustrie dort nur in 29,5%,, was offenbar im Zusammenhange damit steht, dass 
die Häute auf der Schulter getragen zu werden pflegen. Die Arme waren vornehmlich 
twfallen bei Personen, die mit Kadavern an Milzbrand verendeter Tiere zu tun hatten. 

Was die Herkunft des Rohmaterials anlangt, das zu den Erkrankungen an Ge- 
werbemilzbrand Veranlassung gab, so waren in der Wollindustrie 30 Erkrankungen 
mit Sicherheit, wahrscheinlich aber 40 auf persische Wolle zurückzuführen, mindestens 
21 auf Mohair und Van Mohair, der aus’der europäischen und asiatischen Türkei 
stammte. In der Rosshaarindustrie waren wenigstens 22 Fälle durch chinesisches 
Material und in der Bürstenanfertigung einige Fälle durch russische oder sibirische 
Borsten verursacht. In der Industrie der Häute und Felle konnten auf grüne und ge- 
salzene Häute, die besonders von Italien und Süd-Afrika eingeführt wurden, nur zwei 
Erkrankungen mit ziemlicher Sicherheit bezogen werden, obwohl z. B. im Jahre 1902 
die Einfuhr an solchem Rohmaterial 1595109 Lst. betrug. Trockene Häute (aus China, 
aus Bombay und anderen Orten Ost-Indiens) wurden dagegen in 19 Fällen Ursache 
von Milzbranderkrankungen, obwohl z.B. im ‚Jahre 1902 nur für 353411 Lstr. solcher 
Ware zur Einfuhr gelangt ist. (Veröff. d. Kais. Ges.-A. 1905. No. 37. S. 1003.) 

(:) Todesursachen in Italien während des Jahres 1902. (Nach Statistica 
delle cause di morte nell’ anno 1902.) 

Von der Gesamtbevölkerung Italiens, welche am 1. ‚Juli 1902 nach Schätzung 
von zuständiger Seite 32831644 betrug, starben im Berichtsjahre 727181 (22,15 0/90), 


336 Kleinere Mitteilungen. 


d. i. 12145 mehr als im Jahre vorher; die Zahl der aus unbekannter oder nicht näher 
bezeichneter Ursache gestorbenen Personen betrug 8998—1,24/, der Gesamtzahl, im 
Vorjahre 9457—1,32°/,. 

Die Sterblichkeitsverhältnisse in den 284 Hauptorten und bevölkertsten 
Orten des Landes sind gesondert betrachtet, und zwar sind einerseits die 206 Pro- 
vinzial- und Bezirkshauptstädte, andererseits 78 andere Orte, welche ohne Haupt- 
städte zu sein, bei der letzten Volkszählung vom 10.Februar 1901 mehr als 20000Ein- 
wohner gehabt hatten, von der Gesamtheit aller anderen Gemeinden des Landes 
getrennt. Unter diesen Hauptorten u. s. w. befinden sich die 11 Grossstädte Neapel, 
Mailand, Rom, Turin, Palermo, Genua, Florenz, Bologna, Catania, Venedig, Messina 
mit zusammen 3282471 Bewohnern und 273 Mittelstädte mit zusammen 6790917 Be- 
wohnern; in der Gesamtheit dieser 284 Städte starben während des Berichtsjahres 
229759 Personen, was einer Sterblichkeitsziffer von 22,810/,, gleichkommt. Von den 
einzelnen Modesursachen sind namentlich Typhus, Tuberkulose, Syphilis und Selbst- 
mord in den grösseren Orten häufiger beobachtet, dagegen ist z. B. Tod infolge von 
Malaria in den kleineren Gemeinden weit häufiger auf je 10000 Einwohner verzeichnet. 

Es starben während des Berichtsjahres A im ganzen Lande, B in den 254 
Hauptorten und sonstigen grösseren Städten: 


A B 

an den Pocken . . . 2... 2413 859 
» Typhus . . ne ne 11358 3931 
» Diphtherie und Croup ee 4514 1396 
go Masern» 4 ur 0 ri 9961 3064 
pn Scharlach . 2. 2.2... 1338 330 
» Keuchhusten. . . 2... 7202 1415 
SaMalarla nn, RR 99081) 2160 
n Tuberkulose. . . . . . 52032 20934 
n» Lungenentzündung?) . . . 74073 24378 
» Durchfallkrankheiten . . . 111518 32142 
n Kindbettfieber . . 20.2. 1037 314 
a PaRa ne a ae Mrz a 2376 133 
„ Syphilis... LIN E 2009 1284 
» Chron. Alkoholismus AT 400 163 
durch zufällige Beschädigung . . 10493 3212 

» Selbstmord . 2. 202. 2010 998 


Von sonstigen T'odesfällen sind hervorzuheben 3 an Fleckfieber, 9 an epidemi- 
scher Hirnhautentzündung, 3821 an Influenza, 615 an Starrkrampf (tetano), 403 an 
Milzbrand, 56 an Tollwut, 17634 infolge von bösartigen Geschwülsten, d. i. 493 mehr 
als im Vorjahre, 52 an Ruhr, 1415 an Eingeweidewürmern, 1332 durch Mord und 
Totschlag. Von den 2413 Pockentodesfällen des Berichtsjahres entfielen 1857 auf 
Apulien und Campanien, mithin nur etwa 23°/, auf alle übrigen Provinzen. 

(Veröff. d. Kais. Ges.-A. 1905. No. 43. S. 1156.) 


1) Davon 7319 an Malariaficbern, 2589 infolge von Malariakachexie. 
2) Davon an croupöser Lungenentzündung: A 40481, B 12509, an akuter Bron- 
chopneumonie: A 33592, B 11869. 


Verlag von August E Hin eiaa ald, Berlin N.W. — Druck von L. Schumacher in Berlin N 2. 


_ Hygienische Rundschau. 


Herausgegeben 


von 


Dr. Carl Fraenkel, Dr. Max Rubner, Dr. Carl Günther, 


Geh. Med.-Rat, Prof. der Hygiene Geh. Med.-Rat. Prof. der Hygiene Geh. Med.-Rat, a.0.Prof. der Hygiene 
in Halle a.'s. in Berlin. in Berlin, 


IVI. Jahrga; 


ng. Berlin, 1. April 1906. MT 


Jahresbericht über die Tätigkeit des Untersuchungsamtes 
für ansteckende Krankheiten zu Halle a.S, (1. Januar bis 31. December 1905). 


Von 


Dr. Manteufel, 
Assistenten am hygienischen Institut der Universität. 


Während die bisherigen Jahresberichte gewöhnlich den Zeitraum vom 
1. April des einen bis zum 31. März des folgenden Jahres umfassen, soll in 
Zukunft aus Gründen der Zweckmässigkeit jedesmal über das abgelaufene 
Kalenderjahr berichtet werden. So betrifft die vorliegende Mitteilung das 
ganze Jahr 1905. Es müssen infolge dessen hier einige Zahlen wiedergegeben 
werden, die schon in dem letzten Jahresbericht enthalten!) sind. 

Zum Bereich des Untersuchungsamtes gehörten während der in Rede 
stehenden Zeit die beiden Regierungsbezirke Merseburg und Erfurt und das 
Herzogtum Anhalt mit insgesamt rund 2 Millionen Einwohnern und 950 Aerzten 
(Medizinalkalender 1906). Daneben wurden uns von einer ganzen Reihe Aerzten 
aus dem Regierungsbezirk Magdeburg und den Thüringischen Staaten Proben 
zur Untersuchung gesandt. Gegenüber dem Kalenderjahr 1904 mit 4162 Unter- 
suchungen ist auch diesmal eine bedeutende Steigerung der Gesamt- 
leistungen zu verzeichnen, wie denn im ganzen 5868 Untersuchungs- 
proben verarbeitet worden sind. Das bedeutet ein Anwachsen um 
1706 Proben. Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass der Regierungs- 
bezirk Erfurt erst im April 1904 und das Herzogtum Anhalt im August 1904 
angegliedert worden sind. Der diesjährige Tagesdurchschnitt be- 
rechnet sich aus diesen Zahlen auf 16 gegen 11,4 Proben im Jahre 
1904. Die höchste Zahl der bisher erreichten täglichen Leistungen 
war 36. Auf die 4 Bezirke, die zu der Unterhaltung des Untersuchungs- 
amtes beitragen, verteilen sich die Untersuchungen folgendermassen: 


1) Diese Zeitschr. 1905. No. 12. 


257 


338 Manteufel, 


Stadtbezirk Halle. . . . 1302 (1449)1) 
Regierungsbezirk Merseburg 2271 (1905) 
= Erfurt. . 1770 (667) 
Herzogtum Anhalt . . . 525 (141) 
5808 (4162) 
Es ist also für Halle eine Abnahme um 147, für den übrigen 
Regierungsbezirk Merseburg ein Anwachsen um 336, für Erfurt um 
1103, für Anhalt um 384 Proben zu verzeichnen. 
Die monatlichen Summen sind sämtlich höher als in den entsprechenden 
Monaten des Jahres 1904, wie die folgende Tabelle zeigt. 
Reg.-Bez. ` Reg.-Bez. Herzogtum 


1905 Halle Merseburg Erfurt Anhalt Summa 
Januar 98 (164) 143 (120) 86 — 48 — 375 (284) 
Februar 102 (138) 164 (135) 122 — 28 — 416 (273) 
März 95 (116) 206 (168) 160 — 48 — 509 (284) 
April 69 (100) 147 (125) 128 (48) 44 — 388 (273) 
Mai 103 (120) 213 (163) 212 (64) 54 — 582 (347) 
Juni 110 (122 220 (168) 184 (79) 39 — 553 (369) 
Juli 93 (104) 166 (168) 159 (65) 25 — 443 (337) 
August 139 (101) 211 (165) 146 (61) 49 (25) 545 (342) 
Septmibr. 134 (132) 241 (193) 152 (88) 49 (28) 576 (441) 
Oktober 130 (126) 186 (187) 129 (69) 54 (28) 499 (410) 
Novmbr. 111 (103) 193 (146)  148(103) 49 (13) 581 (365) 
Dezbr. 118 (1 181 (167) 144 (90) 38 (47) 481 (427) 


1302(1449) 227111905) 17700667)  525(141)  BRCELLIS2) 
Die niedrigste Zahl der monatlichen Untersuchungen betrug 375 im Monat 
Januar, die höchste 582 im Mai. 
Die Einsender waren auch in diesem Jahre hauptsächlich 
praktische Aerzte, wie aus der folgenden Zusammenstellung 
hervorgeht. Es stammten 


Proben von Proben von 
Privatärzten Krankenhausärzten 
auscHälle 22.2: 2 4% 809 493 
„ dem Reg.-Bez. Merseburg 2197 74 
a jr Erfurt. . 1631 139 
T ANUN ne ES a A 517 8 
Summa: 154 714 


Das Verhältnis der von privaten Aerzten eingeschickten Proben 
zu den aus Krankenhäusern stammenden, unter denen wiederum 
etwa die Hälfte (345) aus den königlichen Kliniken herrührt, be- 
läuft sich danach auf 7:1, und damit ergibt sich wieder ein zahlen- 
mässiger Beleg für das Interesse und Bedürfnis des praktischen 
Arztes nach einer derartigen Centrale. 


1) Die in Klammern stehenden Zahlen geben den betr. Wert für 1904 an. 


Jahresbericht über die Tätigkeit des Untersuchungsamtes zu Halle a.S. 339 


Von den im Reichs-Medizinalkalender 1906 verzeichneten Aerzten ent- 
fallen 
212 auf die Stadt Halle 
379 „ den Reg.-Bez. Merseburg 
204 „ „ Reg.-Bez. Erfurt 
155 „ das Herzogtum Anhalt 
Sa.: 950 

Rechnet man alle diejenigen Herren, die keine selbständige Praxis aus- 
üben oder aus anderen Gründen hier nicht in Betracht kommen. ab (Militär- 
ärzte und Assistenten), so hätten wir mit einer optimalen Teilnehmer- 
zahl von rund 800 Aerzten zu rechnen. Nach unseren Protokollbüchern 
haben im verflossenen Jahre rund 400 verschiedene Aerzte Proben zur 
Untersuchung eingeliefert; es stehen demnach noch etwa die 
Hälfte der vorhandenen Aerzte der erörterten Einrichtung mehr 
oder weniger teilnahmslos gegenüber. Man kann daher mit Sicherheit 
erwarten, dass für die nächste Zeit noch eine wesentliche Steigerung der In- 
anspruchnahme unseres Untersuchungsamtes erfolgen wird, zumal gerade die 
Jüngeren Aerzte lebhafter von der Einrichtung Gebrauch machen. Eine spe- 
tielle Berechnung ergibt. dass sich aus dem Stadtbezirk Halle etwa 3/,, 
aus den Regierungsbezirken Merseburg und Erfurt je die Hälfte 
und aus dem Herzogtum Anhalt etwa 2/, der in Betracht kommen- 
den Herren als Klienten des Untersuchungsamtes betätigen. 

Die für den Postverkehr bestimmten Untersuchnngsobjekte haben laut 
Verfügung des Reichspostamtes eine weitere Sicherung gegen das Zerbrechen 
und die dadurch ermöglichte Verbreitung von Infektionsstoff erfahren, indem 
die aus Glas bestehenden und mit einem Korkstopfen verschlossenen Entnahme- 
gefässe durch eine Blechbüchse mit weit übergreifendem Deckel abgedichtet 
und so in die äussere Holzkapsel eingepasst worden sind; diese letztere wird 
dann in die mit der Adresse versehenen Hülle von starkem Papier hineinge- 
steckt. Uebrigens ist nach unseren Erfahrungen auch früher eine Beschädi- 
gung derart, dass dadurch eine Infektionsmöglichkeit geschaffen wurde, nur 
höchst selten vorgekommen. 

Was die Art der geforderten Untersuchungen anlangt, so nahm wie in 
den früheren Jahren die Untersuchung auf Tuberkelbacillen an Zahl 
den ersten Platz ein, indem unter 5868 Gesamtuntersuchungen 3557, also 
etwa 3/4, auf die Tuberkulose entfielen. Das Material war in den weitaus 
meisten Fällen Auswurf, seltener Urin und Operationsmaterial. Die erzielten 
Ergebnisse sind in der folgenden Tabelle wiedergegeben. 

Es wurden auf Tuberkulose untersucht: 


Aus dem Stadtbezirk Halle 688 Proben, davon 165 positiv, 523 negativ 

~ »„» Reg.-Bez. Merseburg 1422 A BI 1050 y 

~ „ Reg.-Bez. Erfurt 1077 n el 859 er 

a  „ Herzogtum Anhalt 370 k „14 „ KB 
3557 859 positiv, 2695 negativ 


Es konnten demnach 240%), der eingesandten Untersuchungen 
auf Tuberkulose positiv beantwortet werden. 
26 


340 Manteufel, 


An nächster Stelle sind 1052 Untersuchungen auf Typhus zu 
verzeichnen, unten denen der bei weitem überwiegende Teil Gruber- 
Widalsche Reaktionen sind. Dabei wurde 431 mal, d.i. in 41,8%, der 
Fälle, ein positives und 555 mal ein negatives Urteil abgegeben, 
während in den weiteren Fällen, die übrigens nur Widalsche Reaktionen be- 
treffen, nur eine Wahrscheinlichkeitsdiagnose gestellt werden konnte. Sowohl 
die Zahl der Typhusuntersuchungen als auch die der positiven 
Diagnosen ist grösser als im Jahre vorher. Den Hauptanteil an den 
positiven Diagnosen hat wie im Jahre 1904 der Regierungsbezirk Merseburg 
mit 207, dann kommt der Regierungsbezirk Erfurt mit 142, die Stadt Halle 
mit 67 und das Herzogtum Anhalt mit 23 positiven Fällen. Auf die einzelnen 
Monate verteilen sich die positiven Fälle, wie folgt. 


JAnDar: 1.04 a en ee ee 
Februar... 50 u 2 arte a aA 
März ne Pe A 210 
AIG ne er A en en 16 
MAAS EEE HEN N 
nie sr an re een ae 18 
[N RE ER T A 
Ausb. ne a 2 ne 90 
September . . 2 22 ana e ir O 
Oktober. u ya te. an ce are DT 
November . . 2 222200. 4 
December . . 2 a aarre 

439 


Die Höhe der Frequenzkurve fällt also in die Monate August und Sep- 
tember, wie das jährlich der Fall ist, doch ist der Abfall nur langsam von 
statten gegangen und lässt sich bis in den December hinein verfolgen. Aus- 
gesprochene Typhusherde lassen sich aus diesen Zahlen im vergangenen 
Jahre nicht deutlich erkennen. 

Die Gesamtsumme der ausgeführten Diphtherieuntersuchungen 
betrug im vergangenen Jahre 586, und zwar ergaben aus der Stadt Halle 
von 284 84, aus dem übrigen Regierungsbezirk Merseburg von 94 38, aus 
Erfurt von 188 60, aus Anhalt von 20 8 Untersuchungen einen positiven 
Befund von Löfflerschen Stäbchen. Das Gesamtresultat der positiven 
Ergebnisse war also 188—=32,4%,. In 4 Fällen konnte bei diesen zur 
Untersuchung auf Diphtherie eingesandten Proben der Befund der Plaut- 
Vincentschen Angina erhoben werden. 

Untersuchungen von Harnröhren-, Scheiden- und Cornealsekret auf Gono- 
kokken wurden im ganzen 430 mal gefordert und dabei 145, d. i. 
33,90%, positive Ergebnisse erzielt. 

Endlich sind unter „Sonstiges“ 442 Untersuchungen mit 88 posi- 
tiven und 152 negativen Erfolgen verzeichnet. Sie betrafen die ver- 
schiedenartigsten bakteriologischen und histologischen Untersuchungen, die in 
der Praxis des Arztes vorkommen, u. a. auch mikroskopische Harndiagnostik und 
Untersuchungen pathologisch-anatomischer Natur. Erwähnt mag hier sein. 


Jahresbericht über die Tätigkeit des Untersuchungsamtes zu Halle a.S. 341 


dass in 5 auf Milzbrand zu untersuchenden Fällen 3mal, in 2 auf Tetanus zu 
untersuchenden 1 mal die betreffenden Mikroorganismen gefunden wurden. 
3mal warden Diphtheriebacillen im Sputum nachgewiesen. 

In diese Rubrik fallen ferner 78 Untersuchungen auf epidemische Genick- 
starre und 21 auf die Erreger der Cholera asiatica, auf die weiter unten noch 
eingegangen wird. Im ersten Falle hatten wir zwei positive, im 
letzten nur negative Ergebnisse. 

Was nun die bei den laufenden und täglich vorkommenden Untersuchungen 
geübte Methodik anlangt, so haben wir uns bei erstmaligen Untersuchungen 
aufTuberkelbacillen daraufbeschränkt, nurein Objektträger-Ausstrichpräparat 
gründlich za durchmustern; dabei wurde auf die Auswahl des zur Untersuchung 
benutzten Materials besondere Sorgfalt verwendet. Da wir mit einem relativ 
grossen Prozentsatz von Tuberkuloseuntersuchungen zu rechnen haben, würde 
eine regelmässige Durchmusterung mehrerer Präparate bei den vorhandenen 
Arbeitskräften auf Schwierigkeiten stossen. Jedem negativen Bescheid 
werden ohne Ausnahme gedruckte Anweisungen beigelegt, in 
denen betont ist, dass ein negatives Ergebnis der Untersuchung 
durchaus nicht gegen die Möglichkeit der in Frage stehenden 
Infektion spricht, und zur Wiederholung der Einsendung aufge- 
fordert wird. Auf diese Weise bekommen wir verdächtige Proben doch 
einige Male zur Untersachung. Bei zweimaliger oder öfterer Einsendung eines 
derartigen Materials wird ausser dem gewöhnlichen Ausstrichpräparat das 
Sedimentierverfahren nach Biedert-Mühlhäuser-Czaplewski ange- 
wandt und bei dessen negativtm Ausfall auf Wunsch ein Infektionsversuch 
an Meerschweinchen gemacht. Das Material wurde dazu gewöhnlich, wenn 
Begleitbakterien vorhanden waren, vorher 1/, Stunde auf 60° erhitzt und sub- 
kutan in der Leistengegend eingespritzt. Unter 298 Untersuchungen nach 
dem Sedimentierverfahren, die im Laufe des vergangenen Jahres 
gemacht worden sind, haben wir so 10 positive Ergebnisse erzielt, 
wo das gewöhnliche Verfahren nicht zum Ziele geführt hat (3,3%,). 
In 5 Fällen wurde bei negativem Originalausstrichpräparat und 
Degativem Ausfall des Sedimentierverfahrens durch den Tierver- 
sach noch ein positives Ergebnis erhalten. Der Tierversuch wurde 
femer in jedem Falle angestellt, wenn säurefeste Stäbchen in einem nicht 
enwandsfrei gewonnenen tuberkuloseverdächtigen Urin gefunden wurden und 
eine Entnahme des Urins mittels Katheters nicht angängig war. Falls bei 
forcierter Entfärbung mit Salzsäure-Alkohol (1%) die Stäbchen die rote 
Farbe behielten, wurde eine Wahrscheinlichkeitsdiagnose gestellt und der end- 
gültige Bescheid vom Ausfall des Tierversuches abhängig gemacht. Wir haben 
diese Methodik für notwendig befunden, da tatsächlich im Laufe der Zeit 
Fälle vorgekommen sind, in denen bei positivem mikroskopischen Befund — 
es handelte sich stets um weibliche Personen — der Tierversuch ergebnislos 
gewesen ist. Mit der Sektion der inficierten Tiere wurde, falls sie nicht der 
Infektion vorher erlagen, mindestens 8 Wochen gewartet. 

Bei der Untersuchung auf Typhusbacillen hat uns der Malachitgrünagar, 
der jetzt genau nach der Vorschrift, die Lentz und Tietz im Klinischen 


26* 


342 Manteufel, 


Jahrbuch 1905 gaben, hergestellt wird, nach wie vor ausgezeichnete Dienste 
geleistet, sonderlich, wenn es sich darum handelte, sie aus Stuhl zu isolieren. 
Die betreffenden Ergebnisse sind nicht als endgültig zu betrachten, da die 
Beobachtungszeit teilweise noch zu kurz ist. 

Seit etwa 11/, Jahren wird er regelmässig bei derartigen Untersuchungen 
benutzt. Da durch die Unterdrückung des Coliwachstums eine bedeutende 
Auslese unter den mit dem Ausgangsmaterial auf die erste Platte gebrachten 
Keimen stattfindet, so sind auch bei Verwendung reichlicher Mengen oft 
bereits auf der 2., sicher aber auf der 3. Platte isolierte Kolonien zu finden, 
so dass man im allgemeinen mit Serien von 3 Platten (1. Platte Malachit- 
grünagar, 2. und 3. Drigalskiagar) gut auskommt und überdies die grossen 
Drigalskischalen, die im Betrieb sehr kostspielig sind, durch gewöhnliche Petri- 
schalen ersetzen kann. In Bezug auf Einzelheiten der Methodik haben wir 
uns ebenfalls an die betreffende Arbeit gehalten. Diese Vereinfachung und 
verbilligung ist praktisch von ganz erheblicher Bedeutung. Die auf diese 
Weise isolierten Stämme werden gegen hochwertiges agglutinierendes 
Typhusserum nach der Kolleschen Methode ausgewertet und gleich- 
zeitig auf die zur Differentialdiagnose gebräuchlichen Nährböden 
verimpft. Wir benützen dabei gewöhnlich Milch, Gärungsröhrchen mit 
Traubenzuckerbouillen und Barsiekowscher Milch- und Traubenzuckerlösung. 
Diese regelmässige Prüfung auf Nährböden dient nebenbei dazu, auf Para- 
typhus- oder ähnliche Fälle aufmerksam zu machen. 

Bei den Serumuntersuchungen nach Widal-Gruber haben wir im ver- 
gangenen Jahr nach wie vor an der mikfoskopischen Methode fest- 
gehalten, vor allem deshalb, um mit möglichst geringen Serum- 
mengen auskommen zu können. Zur Blutentnahme werden im hiesigen 
Untersuchungsamt gerade Kapillaren verwendet, von denen immer 4 zusammen 
in einer Holzkapsel versandt werden. Ein kleiner Einstich in das Ohrläppchen 
genügt bei richtiger Handhabung, um sie sämtlich zu füllen. Die bequeme Art 
der Blutgewinnung hat sich auch leicht Eingang in die Praxis verschafft; doch 
birgt sie neben diesem grossen Vorteil auch den Mangel in sich, dass die Serum- 
menge, namentlich bei schlechter Handhabung der Kapillaren eine sehr geringe 
sein kann. Zur Agglutinationsprobe im Reagensglas oder im Blockschälchen 
reicht die Quantität gewöhnlich nicht aus, besonders seitdem es sich 
als notwendig herausgestellt hat, auch die Paratyphusbacillen 
dabei zu berücksichtigen. Das ist im vergangenen Jahre regel- 
mässig geschehen. Während der ganzen Zeit, seitdem überhaupt hier auf 
diese Verhältnisse geachtet wird (Januar 1904), ist indes nur ein einziger 
sicherer Fall von Paratyphus bekannt geworden. Sowohl die Serum- 
reaktion als auch Stuhl- und Urinuntersuchung ergab in diesem Falle — es 
handelte sich klinisch um einen leicht verlaufenden Typhus bei einem jungen 
Mädchen — die Diagnose Paratyphus B. Ein Anhaltspunkt dafür, wie 
die Patientin zu der Infektion gekommen ist, da die Krankheit in der hiesigen 
Gegend nicht endemisch zu sein scheint, hat sich leider nicht gefunden. 
Uebrigens wäre dieser Fall wahrscheinlich nicht in seiner Bedeu- 


A , 

pA Gebrüder Borntraeger 
BERLIN SW flo o o o o 
Dessauerstrasse 29 o o o o 


„ Mürz 1906 beginnt zu erscheinen: 


Hygienisches Centralblatt 


unter Leitung von 


A. Baginsky P.Frosch A. Herzberg F. Löffler G. Meyer R. Pfeiffer 
B. Proskauer F. Renk H. Rietschel! A. Schattenfroh CI. Sohilling 
A. Schlosemann H. Schmieden R. Wehmer 


herausgegeben von 


Dr. Paul Sommerfeld 


Vorstand des Laboratoriums am städtischen Kaiser und Kaiserin Friedrich- 
Kinderkrankenhaus zu Berlin. 


Durch den gewaltigen Fortschritt der Naturwissen- 
schaften und der Technik hat die Hygiene in der kurzen 
Frist, in der sie als selbständige Disziplin anerkannt ist, 
einen solchen Umfang gewonnen und einen so grossen 
Einfluss auf alle Gebiete des öffentlichen Lebens erlangt, 
dass sie nicht mehr einen Zweig der Medizin darstellt, 
den der Arzt wie alle anderen Spezialfächer seiner Wissen- 
schaft betreiben muss, sondern sie ist eine Wissenschaft 
geworden, die Gemeingut aller auf irgend einem Gebiete 
der Medizin, der angewandten Naturwissenschaften, der 
Technologie, der Nationalökonomie, des öffentlichen Lebens 
überhaupt Arbeitenden sein muss. 


Gibt es doch heute keinen Zweig von Wissenschaft 
und Technik, von Industrie und Landwirtschaft, keine 
öffentliche Einrichtung, kurz keinen Zweig menschlichen 
Könnens und menschlicher Arbeit, in dem nicht die Hygiene, 
die öffentliche Gesundheitspflege, eine wichtige Rolle spielt. 


Jeder Fortschritt der Kultur und der Wissenschaft 
eröffnete der Hygiene neue Gebiete: Die Erforschung der 
Kolonien schuf mit der Erkenntnis der tropischen Seuchen 
und ihrer Bekämpfung die Tropenhygiene: der Ausbau der 
sozialen Gesetzgebung, besonders in Deutschland, hatte die 
grossartige Entwickelung des Fürsorgewesens zur Folge, 
welches, angeregt durch den internationalen Kampf gegen 
die Tuberkulose, sich nach und nach auf unsere gesamten 
sozialen Verhältnisse ausdehnte, und mit der Säuglings- 
fürsorge, dem Heilstättenwesen, dem Rettungswesen, der 
Wohnungsaufsicht, dem Versicherungswesen nun den 
jüngsten, nicht zum wenigsten fruchtbaren Spross der 
jungen Wissenschaft: die „soziale Hygiene“ bildete. 


Naturgemäss ist es bei einem so umfangreichen, aus 
den heterogensten Fächern sich zusammensetzenden Gebiete 
schwierig alle Veröffentlichungen zu verfolgen, und zur 
Unmöglichkeit wird es für den einzelnen, dieselben im 
Original zu lesen. 


Einen vollständigen Überblick über alle einschlägigen 
Arbeiten durch kurze, sachliche, und vor allem schnell, 
möglichst im unmittelbaren Anschluss an die Originalarbeiten 
erscheinende Referate will das 


Hygienische Oentralblatt 


geben. Es wird nur Referate — gelegentlich auch Sammel- 
referate über ein kleines Spezialgebiet — enthaltend, ein 
internationales Kollektaneum der gesamten Hygiene dar- 
stellen, weiches dem Forscher sowohl, wie dem praktischen 
Hygieniker, dem Verwaltungsbeamten, den mit hygienischen 
Anlagen sich befassenden Ingenieuren und Architekten, aber 
auch dem praktischen und besonders dem beamteten Arzte 
Gelegenheit gibt, allein der zum Teil nur schwer zugänglichen 
und dem einzelnen oft fernliegenden Literatur zerstreuten 
Erscheinungen hygienischen Inhaltes kennen zu lernen und 


die Fortschritte der Hygiene zu verfolgen. Das Centralblatt 
wird demnach im wesentlichen über folgende Gebiete 
berichten: 


- 


Atmosphäre — Boden — Klima — Kleidung. 
II. Wasserversorgung — Beurteilung und Untersuchung 
des Trinkwassers. 
. Ernährung — Nahrungsmittel — Fleischbeschau. 
IV. Allgemeine Bau- und Wohnungshygiene: 
Heizung. 
Ventilation. 
Beleuchtung. 
Wohnungsaufsicht. 
V. Spezielle Bauhygiene: 
Krankenhäuser. 
Gefängnisse. 
Theater. 
Sonstige öffentliche Anstalten. 
VI. Städtereinigung — Abfallstoffe - Flussverunreinigung. 
VII. Verkehrswesen: 
Eisenbahn. 
Schiffahrt. 
Elektrische Betriebe. 
* VIII. Schnlhygiene. — Sport und Spiel. 
IX. Gewerbehygiene. 
X. Infektionskrankheiten — Tiersenchen — Schutz- 
impfung — Desinfektion. ` 
XI. Tropenhygiene — Tropenkrankheiten. 
XII. Militärsanitätswesen. 
XIII. Soziale Hygiene: 
Fürsorgewesen füc körperlich und geistig Kranke und 
Rekonvaleszenten. 
Säuglingsfürsorge. 
Kinderschutz. 
Prostitution. 
Rettungswesen — Krankentransport. 
XIV. Gesetzgebung — Statistik. 
XV. Patente, 
XVI. Berichte aus hygienischen Gesellschaften. 


= 
= 


Das neue Centralblatt soll, wie aus der Inhaltsangabe 
ersichtlich, und wie nochmals ausdrücklich hervorgehoben 
sei, kein Konkurrenzorgan für bestehende Zeitschriften 
hygienischen Inhaltes, auch nicht für solche referierender 
Natur sein; es stellt sich vielmehr die Aufgabe, diese zu er- 


gänzen, und deren Inhalt möglichst schnell und kurz zur 
Kenntnis aller Fachgenossen im weitesten Sinne zu bringen. 

Die Organisation des Blattes wird sich an die des 
Biochemischen Centralblattes, die sich in ausgezeichneter 
Weise bewährt hat, anlehnen. Eswerdensoweit wiemöglich, 
von den Autoren selbst Referate erbeten, die sofort nach Er- 
scheinen der Hauptarbeit publiziert werden. Diese Auto- 
referate, wie auch alle anderen Referate überhaupt, sollen 
in sachlichster Kürze die Methoden und die Ergebnisse der 
Arbeit enthalten unter Fortfall von theoretischen und pole- 
mischen Betrachtungen. Sämtliche in Betracht kommende in- 
und ausländische Zeitschriften werden dauernd kontrolliert, 
und von geeigneten Referenten der betreffenden Spezial- 
gebiete besprochen werden. Bücher werden mit Titel an- 
gezeigt, besprochen aber in der Regel nur, wenn sie der 
Redaktion eingesandt werden. 

Die Referate ausländischer Autoren sollen in deutscher 
Sprache erscheinen. 

Arbeiten, über die Autoreferate eingesandt sind, sollen 
innerhalb vier Wochen, alle anderen spätestens innerhalb 
sechs Wochen nach dem Erscheinen besprochen werden. 

Das Blatt wird in Heften von je etwa zwei Bogen Gross- 
Oktav vierzehntägig erscheinen; je 24 Hefte bilden einen 
Band. Jeder Band wird ein genaues Sach-, Autoren- und 
systematisches Register enthalten. 


Das Leiter-Kollegium 


A. Baginsky P.Frosch A. Herzberg F. Löffler 6.Meyer R. Pfeiffer 
8. Proskauer F. Renk H. Rietschel A. Schattenfroh Ci. Schilling 
A. Schlossmann H. Schmieden R. Wehmer 


Der Herausgeber 
Dr. Paul Sommerfeld 


Die unterzeichnete Verlagsbuchhandlung ladet zum Abonnement 
ein. Der Preis eines Bandes beträgt 30 Mark. Probenunmern 
stehen gratis und franko zu Diensten. 


ET 


Berlin SW 11 Dessauerstrasse 29 


Jahresbericht über die Tätigkeit des Untersuchungsamtes zu Halle a.S. 343 


tang erkannt worden, wenn die Widalsche Reaktion nur mit einem 
Typhusstamm angesetzt worden wäre. 

Die Technik der Widalschen Reaktion ist freilich, da man vou voro- 
herein auf derartige Fälle Rücksicht nebmen muss, sehr viel zeitraubender 
und schwieriger geworden, zumal wenn infolge Gruppenreaktion die Deutung 
der Befunde erschwert wird. Sera von Typhuskranken zeigen bekanntlich 
ziemlich häufig eine Mitagglutination der Paratyphusbacillen, die namentlich 
im Beginn der Erkrankung, also zu einer Zeit, wo gewöhnlich die Blutproben 
zur Untersuchung eingeschickt werden, eine klare Erkenntnis erschweren 
kaon. Das ist allerdings mehr von theoretischem als praktischem Interesse; 
denn praktisch genügt es schliesslich, dafür zu sorgen, dass die Paratyphus- 
fälle bei der Anstellung der Widalschen Reaktion nicht gänzlich unerkannt 
bleiben. Immerhin bieten gerade diese Fälle so viel des Interessanten, das 
es verlohnt, ihnen nachzugehen. 

Castellani?) hat bekanntlich zur Entscheidung, ob es sich in den Fällen, 
wo Typhus- und Paratyphusbacillen durch das Krankeuserum gleichzeitig agglu- 
tiniert werden, um Typhus, Paratyphus oder eine Mischinfektion beider Typen 
handelt, seinen Absättigungsversuch vorgeschlagen. Leider braucht man dazu 
grössere Mengen Serum und viel Zeit, so dass in der Praxis grösserer Betriebe 
kein regelmässiger Gebrauch davon gemacht werden kann. Auch der Satz, 
den Zupnik in seiner Veröffentlichung?) aufstellt, dass nämlich Sera, die 
Typhus- und Paratyphusbacillen noch in schwächeren Konzentrationen gleichzeitig 
agglutinieren, als Typhussera anzusehen seien, besteht sicher nicht für jeden 
Fall zu Recht. In dem oben erwähnten Paratyphusfall z. B. zeigten sowohl der 
Typhus- als auch die Paratyphus A- und B-Stänıme ziemlich starke Agglutination 
(Typhus 200 +, Paratyphus A 100 + und Paratyphus B 200-500 +), während 
aus Urin und Stuhl nur ein Paratyphus-B-Bacillus isoliert wurde, d. h. wo es 
sich ziemlich sicher um eine reine Infektion mit diesem Stamm gehandelt hat. 
Auch die theoretisch einwandfreie Methode, in derartigen zweifelhaften Fällen 
die Entleerungen des Kranken zu untersuchen, um die specifischen Erreger 
festzustellen, lässt häufig genug im Stich, da oft keiner der betreffenden 
Mikroorganismen gefunden wird; ausserdem können derartige Untersuchungen 
sehr zeitraubend sein, so dass sie ebenfalls nicht praktisch in Betracht kommen. 
Die direkte Blutuntersuchung nach Schottmüller?) scheitert daran, dass 
gewöhnlich nicht die notwendige Blutmenge zu bekommen ist, die überdies 
infolge der auf dem Transport bis an die Stelle der Untersuchung eintretenden 
Gerinnung immerhin weniger brauchbar wird. Um diesen letzten Uebelstand 
zu vermeiden, gibt Conradit) an, dass er Röhren, die sterilisierte Rinder- 
galle enthalten, zum Auffangen solchen Blutes mit Vorteil benutzt habe. Ob 
sich dieses Verfahren in die allgemeine Praxis Eingang verschaffen wird, er- 
scheint ebenfalls wenig aussichtsvoll. Es bleibt also z. Z. als einfachstes 


1) Zeitschr. f. Hyg. Bd. 40. 

2) Deutsche med. Wochenschr. 1905. No. 44. 
3) Deutsche med. Wochenschr. 1900. No. 32. 
4) Ebenda. 1906. No. 3. 


344 Manteufel, 


Mittel, wenn man zweifelhaften Fällen auf den Grund geben will, übrig. die 
Sera auf ihren Agglutiningehalt gegenüber den betreffenden Stämmen auszu- 
werten. Das ist in einer sehr grossen Zahl der Fälle im verlaufenen Jahr 
bei uns getan worden, soweit sich die Zeit dafür erübrigen liess. Die Ergebnisse, 
.die wir bei diesen Untersuchungen erzielt haben, sind seinerzeit veröffentlicht 
worden?!), und ich kann hier hinzufügen, dass uns auch jetzt noch 
kein sicherer Fall bekannt geworden ist, in dem bei wiederholter 
Untersuchung der Grenzwert bei der Agglutination für Typhus 
nicht am grössten gewesen wäre. (Der eine wiederholt erwähnte Paraty- 
phusfall zählt hier natürlich nicht mit.) Nach unseren Erfahrungen ist also 
in derartigen Fällen das Austitrieren ein brauchbares Mittel, den 
specifischen Erreger wahrscheinlich zu machen oder wenigstens auf 
ihn aufmerksam zu machen. Diesen Erfahrungen stehen bekanntlich die Be- 
richte anderer Untersucher gegenüber, die den Agglutinationswert für Para- 
typhus gleich oder höher fanden, wenn aus dem Stuhl Typhusbacillen isoliert 
worden waren. Die Umständlichkeit des Verfahrens erweist sich leider auch 
bier als ein grosses Hindernis für die regelmässige Anwendung. 

Bereits in der früheren Mitteilung über den Gegenstand hatte ich darauf 
aufmerksam gemacht, dass auch in den Fällen, wo Paratyphus A oder B 
relativ stark mitagglutiniert waren, während der Grenzwert für Typhus am 
höchsten lag, von vornherein das mikroskopische Bild der Agglutination Unter- 
schiede erkennen liess. Die weiteren Beobachtungen über diesen Punkt scheinen 
das zu bestätigen, wenigstens ist bei mehr als 800 Widals noch kein Fall 
bekannt geworden, wo derartige qualitative Unterschiede gefehlt hätten. Be- 
trachtet man nämlich solche Fälle, in denen Typhus und Paratyphus A oder B. 
oder alle 3 Stämme gleichzeitig agglutiniert sind, genauer im hängenden 
Tropfen, so findet man beispielsweise bei der ersten Serumverdünnung (1:50) 
mit schwacher Vergrösserung, dass in dem einen Falle (bei uns gewöhnlich 
der Typhustropfen) ziemlich gleichgrosse Häufchen gleichmässig über das ganze 
Gesichtsfeld verstreut sind, während in dem anderen (bei uns gewöhnlich 
bei Paratyphustropfen) ungleichmässig grosse — neben ganz grossen Klumpen 
auch kleine und kleinste Häufchen — in ganz ungleichmässiger Verteilung 
zu sehen sind. Indessen ist dieser Unterschied auch öfter im Bilde der 
schwachen Vergrösserung so wenig ausgesprochen, dass Einem nichts Be- 
sonderes auffällt. Bei Betrachtung mit einem starken Trockensystem oder 
mit der Immersion sieht man dagegen regelmässig, dass in dem 
ersten Falle eine totale Agglutination vorhanden ist, indem aus- 
schliesslich Häufchen und dazwischen keine bezw. ganz verein- 
zelte unagglutinierte oder bewegliche Stäbchen sichtbar sind, 
während in dem letzten Falle neben mehr oder weniger grossen 
Häufchen massenhaft unagglutinierte und z.T. gut bewegliche 
Stäbchen im Gesichtsfeld erscheinen, und das oft in derartiger Ver- 
teilung, dass in dem einen Gesichtsfelde absolut keine Agglutination, sondern 
nur unagglutinierte Bacillen, in dem nächsten mehrere Häufchen zu bemerken 


1) Münch. med. Wochenschr. 1905. No. 28. 


Jahresbericht über die Tätigkeit des Untersuchungsamtes zu Halle a.S. 345 


sind; wenn man sich an die Vorschrift. des Reichsgesundheitsamts hält, das 
zur positiven Diagnose bei der Agglutinationsprobe nach Widal eine totale 
Agglutination in der Serumverdünnung 1:50 vorschreibt, sind diese unvoll- 
ständigen Agglutinationen also durchaus nicht positiv zu nennen, obwohl sich 
oft bis in höhere Serumverdännungen hinein das gleiche Phänomen der Häuf- 
chenbildung zeigt. Dieser Mangel einer regelrechten Abstufung ist 
ein zweiter Unterschied gegen die andere „echte“ Agglutination. 
Die Bilder erhält man, wenn tierische Typhussera, mit einem ähnlich geringen 
Agglutinationstiter, wie ihn Krankensera meist haben, mit Typhus- und Para- 
typhusstämmen austitriert werden. Die Agglutination gegenüber dem homo- 
logen Stamm erweist sich dabei immer vollständiger und deutlicher abgestuft 
als gegenüber heterologen Stämmen. Man kann also gewöhnlich schon 
an den ersten Verdünnungen erkennen, ob es sich um specifische 
oder um Mitagglutination handelt. Ohne eine Erklärung für diese 
qualitativen Verschiedenheiten geben zu wollen, erscheint doch damit eine 
Möglichkeit gegeben, diese Differenzen praktisch zur Differentialdiagnose zu 
verwerten, wenn an die Arbeitskraft höhere Anforderungen nicht gestellt 
werden können. Man braucht nur ausser den nötigen Kontrollen von den 
drei in Frage kommenden Stämmen, eventuell auch nur von Typhus und Para- 
typhus B, da Paratyphus A nur höchst vereinzelt vorzukommen scheint, die 
Serumverdünnungen 1:50 und 1:100 anzulegen und kann daraus schon einen 
Schluss auf den wahrscheinlichen Erreger machen. Bei einiger Aufmerksam- 
keit sind meines Erachtens die Unterschiede recht auffällig. Sollten dennoch 
Unklarheiten dabei zu Tage treten, so kann eine nachträgliche Auswertung 
noch Aufschluss geben. Der Vorteil der Methode beruht darin, dass sie es 
ermöglicht, bei geriugen Serummengen und Ersparnis an Zeit und Arbeit der 
Forderung nach Gründlichkeit gerecht zu werden. 

Von diesen eben besprochenen Gesichtspunkten ausgehend, haben wir 
in der letzten Zeit — seit etwa 3—4 Monaten — nicht jeden einzelnen 
Widal, bei dem zwei oder alle drei geprüften Stämme Agglutination zeigten, 
bis za den Grenzwerten austitriert, sondern uns aus Gründen der Zeiter- 
sparnis von vornherein darauf beschränkt. ausser den nötigen Kontrollen nur 
die Seramverdüpnungen 1:50 und 1:100 für Typbus und 1:50 für die beiden 
Paratyphen zu prüfen und haben gewöhnlich daraus schon mit Leichtigkeit 
die Difterentialdiagnose stellen können. Irgendwie zweifelhafte Fälle, die 
namentlich bei minderwertigen Seren aufstossen, sind nach wie vor austitriert 
worden, und dabei ist bis jetzt die anfängliche Diagnose immer bestätigt 
worden. Auf den oben mehrfach erwähnten Paratyphusfall sind wir lediglich 
dadurch aufmerksam gemacht worden, dass die Agglutivation für Paratyphus B 
das Aussehen der specifischen, für die beiden andern Stämme das der Neben- 
agelutination zeigte. Gelegentliche Stichproben, bei denen die Erreger nach- 
träglich aus den Entleerungen des Kranken gezüchtet werden konnten, haben 
bislang unsere auf diese Weise erhaltene Serumdiagnose noch kein einziges 
Mal widerlegt. 

Zu erwähnen bleibt noch, dass in 57, also relativ zahlreichen Fällen 
keine sichere Diagnose über positiven oder negativen Ausfall der Widalschen 


346 Manteufel, 


Reaktion abgegeben werden konnte. Es ist möglich, dass darunter eine ge- 
wisse Zahl bei minder strenger Beurteilung hätte als positiv bezeichnet 
werden können und vielleicht auch tatsächlich positiv war. Da wir uns aber 
ganz an die Vorschrift hielten, haben wir die betreffenden Fälle, weil die 
Agglutination bei 1:50 nicht total war, nur als angedeutet beantwortet und 
eine zweite Einsendung gefordert. Leider sind diese zwei Einsendungen nur sehr 
spärlich erfolgt. Einige Male hatten wir indes die Gelegenheit, zu erkennen, 
dass die Zweifel an der positiven Reaktion gerechtfertigt waren, indem die 
Untersuchung negativ ausfiel; in anderen Fällen ergab die zweite Untersuchung 
ein einwandfreies positives Ergebnis. 

Die Agglutinationsprüfung auf Paratyphus mit Mischkulturen von Typus 
A und B, wie sie in manchen Untersuchungsämtern — offenbar auch wegen 
Zeitersparung — geübt wird, ist dieser Art der Beurteilung nicht günstig; wir 
haben sie deshalb vermieden. 

Das eine lässt sich aus der hier gegebenen Schilderung mit Sicherheit 
entnehmen, dass die richtige Beurteilung der Agglutination jetzt 
doch ein gewisses Mass von Erfahrung und eine genaue Kenntnis 
der Reagentien voraussetzt, so dass sie in der Hand des prakti- 
schen Arztes, der doch nur selten in dieLage kommt, die Reaktion 
anzustellen, nicht das sichere diagnostische Hülfsmittel sein 
kann, wie es in derartigen Untersuchungscentralen möglich ist. 

Bei den Diphtherieuntersuchungen hat uns die Neissersche Fär- 
bung und zwar in der von Neisser ursprünglich augegebenen Form!) nach 
wie vor sichere Hilfe geleistet, obwohl wir uns nicht ganz an die Vorschrift 
gehalten haben. Nachdem der mit dem zu untersuchenden Material beladene 
Tupfer auf eine Platte von erstarrtem Rinderblutserum ausgestrichen ist, wird 
mit dem Rest ein Objektträger-Ausstrichpräparat angefertigt und nach der 
Neisserschen Methode gefärbt. Die Platte selbst wird nach 7—8 Stunden zum 
ersten Mal untersucht, und zwar werden, wenn das Wachstum nicht so üppig ist, 
dass es sich aus naheliegenden Gründen verbietet, Klatschpräparate gemacht, im 
anderen Falle wird mit der Oese von verschiedenen verdächtigen Stellen Material 
entnommen und ein Ausstrichpräparat auf dem Objektträger angefertigt. Im 
ersten Falle wird je ein Präparat mit Löfflerschem Blau und ein zweites nach 
Neisser, im letzteren Falle wird lediglich nach Neisser gefärbt. Bei der Dia- 
gnose entscheidet neben der charakteristischen Färbung die Lagerung und das 
morphologische Verhalten der Stäbchen. Beides findet sich meines Erachtens 
im Klatschpräparat sehr schön vereint. Wenn das sonstige Verhalten für Diph- 
therie spricht, stellt sich auch die Polfärbung regelmässig ein, allerdings 
bäufig erst später als nach 8 Stunden Wachstum. Andererseits kann man 
sonstige Stäbchen, die Polfärbung annehmen, durch Grösse, Färbeverhältnisse 
und Lagerung leicht von den Löfflerschen Stäbchen unterscheiden. Ich kann 
mich aus der ganzen Zeit nur eines Falles erinnern, in dem die Diagnose 
zweifelhaft gewesen ist, weil bei sonstigem diphtherieähnlichen Verhalten die 
Polfärbung ausblieb. Die Polfärbung nach Neisser hat dagegen in 74 Fällen 


1) Zeitschr. f. Hyg. 1897. Bd. 24. 


Jahresbericht über die Tä tigkeit des Untersuchungsamtes zu Halle a.S. 347 


schon auf Grund des Originalpräparates eine positive Diagnose stellen lassen, 
die später durch das Kulturverfahren bestätigt wurde. Ich gebe die dies- 
bezüglichen Resultate hier wieder: 
Originalpräparat positiv, Züchtung positiv, 74 Fälle 
= E is negativ, 1 Fall 
5 verdächtig, d. b. vereinzelte diphtherieähnliche 
Stäbchen, ohne Polfärbung, Züchtung negativ, 3 Fälle. 

Falls also im Originalpräparat mehrere diphtherieähnliche pol- 
gefärbte Stäbchen vorhanden sind, kann mit grösster Wahrschein- 
lichkeit eine positive Diagnose gestellt werden. Es erscheint so- 
gar gerechtfertigt, die aus dem Originalpräparat gestellte positive 
Diagnose aufrecht zu erhalten, selbst wenn das Kulturverfahren 
einmal aus unkontrollierbaren Gründen im Stich lassen sollte. 

Andererseits empfiehlt es sich in Fällen, wo nach 8 Stunden bei sonst 
guten Wachstum der Platte keine Diphtheriebacillen durch das Präparat 
nachgewiesen werden, mit der Beantwortung noch zu warten, da öfter noch 
später ein positives Ergebnis zu erzielen ist. Die von Neisser angegebene 
Modifikation seiner Färbetechuik!) hat bei uns die ursprüngliche Methode nicht 
verdrängen können. 

Bei den histologischen Untersuchungen hat uns die von Henke und 
Zeller?) angegebene Methode der Schnelleinbettung (Aceton-Paraffin) wert- 
volle Dienste geleistet. Die Stellung der Diagnose wird dadurch ganz wesent- 
lich vereinfacht und beschleunigt, da Gewebsstückchen in 2 Stunden fertig 
zun Schneiden sind. 

Im übrigen stand das Berichtsjahr im Zeichen zweier Epidemien, indem 
sowoll die Genickstarreepidemie in Oberschlesien als die Cholera in Preussen 
auch im Bereich unseres Untersuchungsamtes lebhafte Beunruhigung hervor- 
gerufen batte. Gleich im Beginn der Zeit, wo häufiger Untersuchungen auf 
epidemische Genickstarre gefordert wurden, waren an die sämtlichen Herren 
Kreisärzte unseres Bezirks sterilisierte und mit ausgekochtem Gummistopfen 
versehene Reagensgläser mit starker Wandung ausgegeben worden, um die 
gewöhnlich als Untersuchungsmaterial dabei benutzte Lumbalpunktionsflüssigkeit 
aufzufangen. Einige Male bekamen wir auch Abstriche von Nasensekret auf 
dem für die Diphtherieuntersuchung benutzten Sondentupfer zur Untersuchung 
und hatten dabei Gelegenheit, zu bestätigen, dass sich im eitrigen Nasensekret 
häufiger intraleukocytär gelegene Doppelkokken finden, ohne dass damit das 
Vorhandensein einer Meningokokkeninfektion wahrscheinlich gemacht würde. 
Gerade in diesem Falle ist die Bestätigung des Befundes durch die Kultur 
unbedingt zum Beweis notwendig. Mehr beweisend ist jedenfalls der Befund 
von intraleukocytär gelegenen Doppelkokken in dem Exsudat der Meningen, 
doch ist auch hier zur Diagnosenstellung mindestens das gramnegative Ver- 
halten zu fordern. Auf diese Weise haben auch wir das Bestehen einer 
Meningokokkeniufektion zweimal wahrscheinlich machen können, doch hat 


1) Diese Zeitschr. 1903. No. 14. 
2) Virch. Arch. 
27 


348 Infektionskrankheiten. 


leider das Kulturverfahren beide Male im Stich gelassen. In dem einen der 
beiden Fälle, der hier zur Sektion kam, sind sowohl die aus der eitrigen 
Lumbalpunktionsflüssigkeit als auch die bei der Sektion angelegten Kulturen 
auf Serum steril geblieben; mikroskopische Präparate, Sektionsbefund und der 
klinische Verlauf liessen indes die Diagnose aufrecht erhalten. Der Fall lehrt 
aber, dass es auch angängig ist, die Diagnose von dem Ausfall des Kultur- 
verfahrens unbedingt abhängig zu machen. 

Unter den erwähnten 21 Untersuchungen auf Cholera asiatica befanden 
sich 10 Wasseruntersuchungen, meist Elbwasserproben von der bei Tanger- 
münde errichteten Ueberwachungsstelle. Die Vibrionen, die dabei verschiedent- 
lich mittels der Peptonmethode gezüchtet wurden, liessen sich mit Hülfe der 
Agglutination leicht von echter Cholera unterscheiden, so dass der Pfeiffer- 
sche Versuch niemals nötig erschien. 


v. Liebermann, Leo, Sind Toxine Fermente? Aus d. hygien. Institut d. 
Universität in Budapest. Deutsche med. Wochenschr. 1905. No. 33. S. 1301. 
Oppenheimer bejaht die in der Ueberschrift gestellte Frage in seinem 
Buche: „Die Fermente und ihre Wirkungen“ und die gleiche Meinung ist 
sehr allgemein verbreitet. Der Verf. erklärt als Kennzeichen eines 
Ferments (Enzyms, Katalysators) seine Fähigkeit, die Geschwindig- 
keit chemischer Reaktionen zu beeinflussen, ohne selbst daran teilzunehmen. 
Ein Ferment geht aus der Reaktion, die es einleitet, beschleunigt oder ver- 
zögert, unverändert hervor, wird dabei nicht verbraucht und kann nach getaner 
Arbeit unter günstigen Bedingungen dieselbe Leistung immer wieder vollbringen. 
Kann man also nachweisen, dass ein Toxin oder seine Einwirkung auf tieri- 
sche Zellen verbraucht wird oder verschwindet, so ist das Toxin kein 
Ferment. Nach den Versuchen des Verf.’s ist dies ganz sicher der Fall 
bei der die roten Blutkörperchen agzlutinierenden Wirkung des Ricins und 
Abrins. Beim Abrin verschwindet mit der agglutinierenden zugleich 
die allgemein toxische Wirkung, so dass man annehmen kann, es handelt 
sich hier um ein einheitliches Gift, während im Ricin ein Agglutinin und ein 
allgemein wirkendes Toxin weniger eng mit einander verbunden sind. Die 
Möglichkeit, dass etwa bei der Agglutination ein Einfluss gewisser im Ricin 
oder Abrin oder in den Blutkörperchen vorhandener Fermente 
tätig sein könnte, verneint der Verf., weil durch Zusatz eines heftigen Enzym- 
giftes, der Blausäure, und ebenso durch Erhitzung auf 65— 80° die Blutkörper- 
chen-Agglutination nicht verzögert wird. 

Bisher gibt es nach ihm keine Tatsache, welche für die Fermentnatur 
der Toxine beweisend wäre. Er wundert sich, dass der Ferment-Theorie 
von Anfang an nicht grössere Zweifel entgegengebracht worden sind, weil sie 
der Ehrlichschen Theorie nicht entspricht und nach dieser die Toxine 
chemisch gebunden werden. 


Die Tatsache, dass die Toxine in ausserordentlich kleinen Mengen wirk- 
sam sind, erklärt der Verf. entweder dadurch, dass sie nur auf kleine Zellen- 


Infektionskrankheiten. 349 


gruppen von sehr hoher pbysiologischer Bedeutung wirken, oder dadurch, dass 
sie Stoffe schädigen, welche im normalen Tierkörper vorhanden sind und 
physiologisch wichtige Wirkungen entfalten. Globig (Berlin). 


v. Zebrowski, Eduard, Zur Frage der Untersuchung der pleuritischen 
Exsudate auf Tuberkelbacillen. Aus d. med. Klinik d. Universität 
in Kiew. Deutsche med. Wochenschr. 1905. No. 36. S. 1425. 

Der Verf. bat die Joussetsche Inoskopie zum Nachweis von Tuberkel- 
bacillen in gewonnenen Ausschwitzungen des Brust- und Bauchfells (vgl. diese 
Zeitschr. 1904. S. 455 u. 1905. S. 19) einer Nachprüfung unterzogen und 
damit ungünstige Ergebnisse gehabt im Vergleich mit dem unmittel- 
baren Nachweis in den Niederschlägen, die sich aus den Flüssigkeiten 
abgesetzt hatten. Er empfiehlt sogar, die Gerinnung der Ausschwitzung 
durch ihre Einleitung in 1v.H. Phthornatronlösung zu hindern 
oder aufzuhalten und so den Tuberkelbacillen länger (24 Stunden) die 
Möglichkeit zu geben, sich abzusetzen. Er konnte auf diese Weise von 26 
serösen Brustfellausschwitzungen in 17 Fällen, bei 2 serös-eitrigen und 3 blutigen 
in allen Fällen, von 3 primär-eitrigen Exsudaten in keinem Falle Tuberkel- 
bacillen nachweisen; von 2 serös-eitrigen Bauchfellabsonderungen gelang ihm 
dies in einem Fall. 

Die Bemerkung Joussets, dass man bei seinem Verfahren nicht stark 
entfärben dürfe, gibt dem Verf. Anlass zu der Vermutung, jener Untersucher 
habe es statt mit Tuberkelbacillen mit anderen säurefesten Ba- 
cillen zu tun gehabt. Globig (Berlin). 


v. Behring E., Ueber alimentäre Tuberkuloseinfektionen im Säug- 
lingsalter. Beiträge zur Klinik der Tuberkulose. Bd. 3. S. 83. 

Flügge C., Erwiderung auf v. Behrings Artikel. Ebenda. S. 101. 

v. Behring E., Schlussbemerkungen. Ebenda. S. 109. 

Flügge C.. Schlussbemerkungen. Ebenda. S. 121. 

Im Mittelpunkt der in obigen Artikeln erfolgenden, im ganzen unerquick- 
lichen Auseinandersetzungen steht die Aufklärung eines „Missverständnisses“. 
Während die Mehrzahl derjenigen, welche v. Behrings Arbeiten gelesen resp. 
seinen Berliner Vortrag gehört hatten — unter ihnen auch Flügge und seine 
Assistenten — die Auffassung gewonnen hatten, dass v. Behring im wesent- 
lichen in der Kuhmilch die Hauptquelle für die Tuberkuloseinfektion im 
Säuglingsalter erblicke, will dieser Forscher den von ihm gebrauchten Aus- 
druck Säuglingsmilch in seiner vollen Bedeutung verstanden wissen, d. h. es 
sind seiner Auffassung nach für Kinder — je nach der Art der Ernährung in 
der Säuglingsperiode — die mit der Muttermilch, der Ammenmilch, der Kuh- 
milch, der Ziegenmilch oder mit sonst irgendwelcher Ernährungsflüssigkeit in 
den Verdauungsapparat gelangenden Tuberkelbacillen von entscheidender Be- 
deutung für die Disposition zur späteren Phthise. 

Die infantile Infektion mit Tuberkulosevirus kann — je nach der Virulenz 
der Tuberkelbacillen, je nach dem aufgenommenen Quantum, je nachdem die 
Bacillen nur einmal oder öfters in die Säftemasse hineingelangen, je nach den 

27% 


350 i Infektionskrankheiten. 


chemischen und physikalischen Schädigungen, die sie vor der Aufnabme in 
das Blut und die Organe erleiden, je nach der Eintrittspforte in die bedrohten 
Organe u. s. w. — ganz verschiedene Folgezustände bedingen, nämlich 

1. chronische Zustände der manifesten Skrofulose mit Ausgang in rela- 
tive Heilung, 

2. lokalisierte Tuberkuloseprocesse verschiedenster Art, u.a. Lungentuber- 
kulose, 

3. klinisch latente Krankheitszustände, gelegentlich durch Feststellung 
einer Tuberkulinüberempfindlichkeit diagnosticierbar, 

4. Immunität obne nachweisbare Tuberkulinüberempfindlichkeit, 

ö. keine Aufnahme des Virus in die Gewebssäfte, sondern folgende Passage 
durch den Darmtraktus. 

Der Ausbruch der Tuberkulose im juvenilen, virilen und senilen Lebens- 
alter wird, ohne dass es dazu des Eindringens von Luftbacillen in die Lunge 
erwachsener Menschen bedarf, befördert durch die tuberkulosebegünstigende 
Einwirkung von bestimmten Entwickelungszuständen (Pubertätsperiode, Puer- 
perium), von Erkältungen, Verletzungen, Gemütserregungen, Mangel an Luft 
und Licht und von manchen gewerblichen Schädlichkeiten (Einatmung von 
Metall- und Steinstaub u. a.). 

Das tatsächliche Vorkommen tuberkulöser Lungenerkrankungen mit schliess- 
lichem Ausgang in Schwindsucht, durch Infektion erwachsener Menschen, z. B. 
auf dem Wege der Einatmung tuberkelbacillenhaltigen Staubes oder ebensolcher 
Tröpfchen, gesteht v. Behring in dem Sinne zu, dass häufig auf der Grund- 
lage einer im frühen Kindesalter erfolgten Infektion eine Lungenschwindsucht 
erst zum Ausbruch gelangt, wenn spätere Infektionen noch hinzukommen. 
Denn, so argumentiert er, würden wir eine gleich grosse Bacillenmenge, wie 
die in Schwindsuchtslungen sich vorfinden, einem noch nicht partiell immuni- 
sierten Menschen in die Gewebssäfte einbringen, dann würde er eine akut 
zum Tode führende Miliartuberkulose, aber nie im Leben eine Lungenschwind- 
sucht bekommen. Die Gelegenheit zur Infektion mit Tuberkelbacillen reprä- 
sentiert also an sich keinen entscheidenden Faktor. v. Behrings Auffassung 
von der sehr verschiedenen prognostischen Bedeutung additioneller Infektionen 
im juvenilen, virilen und senilen Lebensalter stebt in intimem Zusammenhang 
mit den erwähnten so sehr verschiedenen Möglichkeiten der Folgeerscheinungen 
nach der infantilen Infektion. 

Die Säuglingsmilch stellt aber nach v. Behrings Anschauung nicht nur 
die Hauptquelle der Infektion dar, sondern „sie vermittelt auch Infektionen, 
ohne dass in ihr ursprünglich Tuberkelbarillen enthalten zu sein brauchen. 
Was von Tuberkulosevirus durch Kussübertragung von schwindsüchtigen Eltern, 
Verwandten und Hauspersonal auf die Säuglingslippen und auf die 
Zunge gerät, was aus einem tuberkulosedurchseuchten Schlafzimmer. sei 
es mit dem Zimmerstaub oder durch suspendierte Tröpfchen bei der Atmung 
sich in der Mundhöhle absetzt, das alles muss doch schliesslich von der Milch- 
nahrung aufgenommen und in den Magen und Darm hinuntergespült werden. 
So kann also auch ein Säugling, der seine Nahrung von der Mutterbrust 
empfängt, tuberkulös inficiert werden auf dreierlei Art, nämlich 


Infektionskrankheiten. 351 


1. indem die Muttermilch selbst bacillenhaltig ist, 

2, indem die Mamma tuberkulös erkrankt ist, 

3. indem sich auf der Brustwarze Tuberkelbacillen aus der Umgebung 
angesiedelt haben. 

In tuberkulosedurchseuchten Wohnungen und in schwindsuchtbelasteten 
Familien muss also der an der Mutterbrust aufgezogene Säugling den Schwind- 
suchtskeim fast unfehlbar in sich aufnehmen; entzieht man ihn aber der Mutter 
und ernährt ihn künstlich mit Kuhmilch, so liegen die Verhältnisse nicht anders 
und zwar aus folgenden Gründen: 

Die Rindertuberkulose entsteht ebenso wie die Menschentuberkulose wesent- 
lich durch infantile Infektion. Früher glaubte man durch Ausfindigmachen 
aller tuberkulösen Individuen mittels Tuberkulins und mit nachfolgender Be- 
seitigung der reagierenden Tiere die Rindertuberkulose allmählich ausrotten 
zu können. Das war ein Irrtum. Man mag noch so sorgfältig darauf achten, 
dass in Musterställe einer Sanitätsmolkerei bloss nichtreagierende Kühe hin- 
einkommen; wenn sie aus tuberkulosedurchseuchten Gegenden herstammen» 
agieren sie schliesslich doch nach ein paar’ Jahren, da die tuberkulosebe- 
günstigenden Momente der intensiven Milchproduktion, der Stallfütterung 
u.».w. vollkommen dazu genügen, um schliesslich das im Säuglingsalter 
inficierte Rind dem Tuberkuloseprocess zum Opfer fallen zu lassen. Da aber 
die „Sanitätsmolkereien“, „Milchkuranstalten“, „Musterstallungen“ u. s.w. ihren 
Viehbestand wohl bei der Aufnabme, nicht aber auch fernerhin in regelmässigen 
Zwischenräumen mittelst Tuberkulins auf Tuberkulosereinheit kontrollieren, 
so liefern sie Milch, welche wegen der Unkosten nur etwa zum Preise von 
0 Pfennigen pro Liter abgegeben werden kann und dennoch keine Gewähr 
für Tuberkulosereinheit bietet. So kann es kommen, dass die Säuglinge, 
welchen diese teure Kindermilch als Rohmilch im Vertrauen auf ihre tadellose 
Beschaffenheit verabreicht wird, der intestinalen Tuberkuloseinfektion mehr 
ausgesetzt sind, wie solche Säuglinge, welche die billige Marktmilch im ab- 
gekochten Zustande erhalten. Dafür sind dann freilich die letzteren denjenigen 
Ernährungsstörungen mehr unterworfen, welche namentlich im Sommer die hohe 
Kindersterblichkeit im Gefolge haben. 

Nun gibt es freilich in Mecklenburg-Strelitz auf manchen Gütern gänz- 
lich tuberkulosefreie Milchviehbestände. Die aus diesen frisch gewonnene 
Milch ist natürlich als Nahrung für menschliche Säuglinge sehr wertvoll, ver- 
trägt aber ohne besondere konservierende Massnahmen nicht den 10—16stün- 
digen Transport in die Grossstädte. Durch Erhitzen vor dem Sauerwerden für 
einige Tage geschützte Milch ist aber nur ein sehr minderwertiger Ersatz für 
die Mutter- und Ammenmilch. 

v. Behring glaubt diese Verhältnisse bessern zu können. indem er zur 
Herstellung von Säuglingsmilch tuberkelbacillenfreie Kuhmilch benutzt, die er 
von tuberkuloseimmunisierten Kühen gewinnt. 

Fr vermochte junge Rinder mit lebenden Tuberkelbacillen tuberkuloseim- 
mun zu machen. Er verzichtete dabei auf die subkutane Vorbehandlung, be- 
nutzte statt dessen ausschliesslich die intravenöse Injektion. Als Immunisie- 
Fungsvacein wählte er wenig Rd-virulente Tb-Msch (3267), ging dann über zu 


352 Infektionskrankheiten. 


Tb-Rd (Nocard) und benutzte schliesslich als stärkstes Tuberkulosevirus eine 
Ziegenpassagekultur. 

Für Rinderimmunisierungen in der landwirtschaftlichen Praxis dient 
v. Behrings Tuberkelbacillenstamm Tb 1 (3267); für weit von Marburg ab- 
gelegene Gutsbezirke gibt er jedoch den Impfstoff in Trockenform ab, mit der 
Weisung, dass gesunde Kälber im Alter von 3—12 Wochen zum ersten Mal. 
12 Wochen später zum zweiten Male geimpft werden sollen. Gegenwärtig 
existiert schon eine grössere Anzahl von Kühen, welche durch Immunisierung 
gegen Perlsuchterkrankung mit vollem Erfolge geschützt sind. Jedoch werden 
noch Jahr und Tag vergehen, ehe eine sichere Antwort auf folgende Fragen 
zu erwarten ist: 

a) Bleiben die gegenwärtig ganz tuberkulosefreien Kühe auch nach 
längerer Benutzung zur intensiven Milchproduktion gegen Perlsucht 
geschützt? 

b) Bleibt die Mischmilch aus Stallungen, in welchen einwandfrei immu- 
nisierte Kühe in grösserer Zahl aufgestellt sind, dauernd, auch bei 
genauster Prüfung, frei von Tuberkelbacillen, so dass wegen der Ge- 
fahr der Uebertragung von tuberkulösem Virus eine Milchsterilisierung 
nicht mehr erforderlich ist? 

c) Kann mit der Milch von hochimmunen Kühen auf Säuglinge Tuber- 
kuloseschutz übertragen werden? 

Das Problem, eine tuberkelbacillenfreie Kuhmilch, ohne Sterilisierung durch 
Hitze, zur künstlichen Ernährung gesunder menschlicher Säuglinge geeignet 
und die trinkfertig hergestellte Säuglingsmilch — unter Berücksichtigung des in 
der frischen Frauenmilch in Bezug auf Albumin, Kasein, Fett, Zucker, säure- 
bindende Körper und Milchenzyme festzustellenden Mischungsverhältnisses — 
für mehrere Tage haltbar zu machen, hat in v. Behrings eignem Milchbe- 
triebe eine wesentliche Förderung erfahren durch die Benutzung der Gaulin- 
schen Homogenisierungsmaschine, und es besteht die Hoffnung, mit dieser 
Milch die erschreckend hohe Sterblichkeit der künstlich ernährten Säuglinge 
auch in den Grossstädten mit Erfolg bekämpfen zu können. 

A. Alexander (Berlin). 


Korezynski, L., Ueber den Einfluss der Tuberkelbacillengifte auf 
Wachstum und Giftigkeit anderer Bakterien, speciell des Bact. 
coli commune. Aus dem Institut f. allgemeine u. experimentelle Patho- 
logie der Universität Krakau. Wien. klin. Wochenschr. 1905 No. 2. S. 29. 

Der Autor bemüht sich auf Grund der Unterschiede von Parallelkulturen 
von Bact. coli, einerseits auf gewöhnlicher Bouillon, andererseits auf Tuber- 
kulinhaltiger Bouillon gezüchtet, eine Reihe von Punkten aufzustellen, die 
sich auf eine Steigerung der Wachstumsfähigkeit und „Giftigkeit“ von 

B. coli und anderen Bakterien unter dem Einfluss der „Tuberkelbacillen- 

gifte“ beziehen. 

Die Versuchsanordnung ist eine dürftige, die Präcision in der Bezeichnung 
der Objekte recht mangelhaft und die Kritik der Versuchsergebnisse nicht 


Infektionskrankheiten. 353 


überzeugend. Alles in allem kann die vorliegende Arbeit nicht als eine Be- 
reicherung unseres bakteriologischen Wissens betrachtet werden. 
Grassberger (Wien). 


Bartel J, Die Infektionswege bei der Fütterungstuberkulose. Aus 
dem patbologisch-anatomischen Institut in Wien. Wien. klin. Wochenschr. 
1905. No. 7. S. 155. x 

Verf. berichtet in diesem Aufsatz über die Endergebnisse seiner im Jahre 
1904 No. 15 derselben Zeitschrift publicierten experimentellen Studie: 

1. Kaninchen und Meerschweinchen erhielten in einmaliger Dose Kultur- 
aufschwemmungen in das leere Maul getropft. Es entwickelte sich, anscheinend 
ohne Veränderung der in Betracht kommenden Schleimhäute eine Hals-, Bron- 
chial. und Mesenterial-Lymphdrüsen-Tuberkulose. 

2. Waren die Tuberkelbacillen in Kulturaufschwemmung der Nahrung bei- 
gemengt, so zeigten sich in der Folge besonders häufig die Mesenteriallymph- 
drüsen betroffen. 

3. Noch mehr trat das fast ausschliessliche Beteiligtsein der Mesenterial- 
drüsen in Erscheinung, wenn Tuberkelbacillen enthaltende Organstückchen 
verfüttert worden waren. 

Trotz makroskopisch normalen Aussehens der Gewebe waren mikroskopisch 
Epitheloidzellentuberkel u. s. w. nachweisbar. Oft konnte die Gegenwart der 
Tuberkelbacillen in den Iymphatischen Gewebsgruppen erst durch den Tier- 
versuch festgestellt werden, in manchen Fällen durch direkte Kultivierung. 
Die verschiedene Ausbreitung des Processes je nach Art der sub 1, 2, 3 an- 
geführten Verfütterungsweisen verdient volle Beachtung. In einem Falle konnte 
B. bei einem Versuchstiere, 104 Tage nach der einmaligen Verfütterung von 
Tuberkelbacillen trotz fehlender makroskopischer und mikroskopischer Ver- 
änderungen die allgemeine Anwesenheit von Tuberkelbacillen im Iymphatischen 
Gewebe der Tonsillen, Hals- und Mesenteriallymphdrüsen nachweisen. Der 
Verf. schliesst auf Grund dieses Befundes, dass eventuell eine manifeste Tuber- 
kulose nicht immer an die regionären Lymphdrüsengruppen der Infektionsstelle 
zebnnden zu sein brauche. Damit wäre nach B. — vorausgesetzt, dass man 
die Tierbefunde auf den Menschen übertragen kann — die Aufmerksamkeit 
bezüglich der Tuberkuloseverhütung gleichmässig auf alle möglichen Eintritts- 
pforten gelenkt. Möglicherweise können weit entfernt liegende Iymphatische 
Gewebsgruppen bei Infektion an anderer Stelle manifest erkranken, während 
die regionären Gewebe makroskopisch und mikroskopisch normal sind, obwohl 
bei ausgebreiteter Propagation der Tuberkelbacillen diese hier wie dort vor- 
handen sind. Nach Bartel kommt es nicht nur gelegentlich, sondern 
regelmässig auch bei einmaliger Aufnahme von Tuberkelbacillen 
in den Verdauungstraktus zur Invasion der Tuberkelbacillen 
durch die unveränderte Schleimhaut, bei welcher Passage die Bacillen 
allerdings abgeschwächt werden, so dass zeitweise ihr Nachweis auf keinerlei 
Weise gelingt, während sie später, oft trotz fehlender mikroskopischer Ver- 
änderungen wieder dem Nachweis (Kultur, Tierversuch) zugänglich werden. 
Meistens vermochten die Bacillen, die in diesem 2. Stadium isoliert wurden, 


354 Infektionskrankheiten. 


keine specifischen Veränderungen mehr zu erzeugen. Ihre Virulenz ist (zeitweise) 
vermindert, aber sie sind vermehrungsfähig und verharren vielleicht nur zeit- 
weise in diesem Stadium der Latenz. 
Die vorliegende Studie von Bartel gibt mit ihren interessanten Ergeb- 
nissen einen wertvollen Beitrag zur experimentellen Tuberkulose. 
Grassberger (Wien). 


Bartel J. und Spieler F., Der Gang der natürlichen Tuberkulosein- 
fek:ion beim jungen Meerschweinchen. Aus dem pathologisch-ana- 
tomischen Institut in Wien. Wien. klin. Wochenschr. 1905. No. 9. S. 218. 

In der Erwägung, dass die bisher angestellten Experimente, die sich auf 
das Studium des Infektionsmodus der Tuberkulose bezogen, zum Teil 
recht unnatürliche Bedingungen zur Grundlage hatten, versuchten die Autoren, 
auf einem anderen ebenso einfachen, als zweckentsprechenden Wege zum Ziel 
zu gelangen. Eine grössere Anzahl von Meerschweinchen wurde bei einer 
Familie von Phthisikern durch Tage bis Wochen in Pension gegeben. Hierbei 
wurde eine Serie von Tieren im Käfig gehalten, eine zweite Serie in voller 
Bewegungsfreiheit belassen. Die Tiere wurden nach verschiedenen Zeiten 
abgeholt, längere Zeit beobachtet bezw. getötet und genauestens bakteriologisch 
verarbeitet, indem von den verschiedensten Organen sowohl Kulturen angelegt, 
als Uebertragungsversuche an Meerschweinchen angestellt wurden. 

Die Ergebnisse des Versuches sind sehr bemerkenswert. 

Die im Käfig gehaltenen Tiere zeigten zum grössten Teile Halslymph- 
drüsen-Anschwellungen, oft rasches Abmagern, ohne dass es gelang, die An- 
wesenheit von Tuberkelbacillen zu erschliessen. Bei 2 Tieren dieser Reihe 
kam hingegen eine ausgesprochene Lymphdrüsen- und Organtuberkulose zur 
Entwickelung. Noch häufiger fanden sich die Tiere der 2. Reihe mit Tuber- 
kulose afficiert. Nicht selten konnten in den Iymphatischen Geweben durch 
den Impfversuch Tuberkelbacillen nachgewiesen werden, obwohl dies Gewebe 
noch nicht specifisch tuberkulös verändert war (siehe das vorstehende Referat). 
Wichtig ist ferner. dass die weitaus meisten Fälle von frühzeitig nachweis- 
barer Lymphdrüsentuberkulose nicht die Bronchialdrüsen, sondern die Hals- 
und Mesenteriallymphdrüsen betrafen. Auf Grund dieser Beobachtung glauben 
die Autoren namentlich für die Infektion des kindlichen Organismus annehmen 
zu müssen, dass die Bedeutung von „Mundhöhle, Nasenrachenraum, Darm- 
kanal“ als Kintrittspforten weitaus das von anderen Autoren über Gebühr ge- 
würdigte direkte Eindringen der Bacillen in die tieferen Respirationswege über- 
wiege. Dies gelte nicht nur für die Tuberkulose im allgemeinen, sondern auch 
für die Lungentuberkulose. 

So ausserordentlich interessant und wichtig die Ergebnisse der Versuche 
v. B. und Sp. sind, bleibt doch zu bedenken. ob es angeht, die Versuche an 
Meerschweinchen derzeit schon in so bestimmter Form auf die Verhältnisse 
bei den Menschen zu übertragen. Jedenfalls weisen aber die Resultate neuer- 
dings auf die Wichtigkeit der Rolle von „Schmutz- und Schmierinfektion“ der 
Kinder hin. _ Grassberger (Wien). 


Infoktionskrankheiten. 355 


Weichselbaum A. und Bartel J., Zur Frage der Latenz der Tuberkulose. 
Vorläufige Mitteilung aus dem pathologiscb-anatomischen Institut in Wien. 
Wien. klin. Wochenschr. 1905. No. 10. S. 241. 

Nach Anschauung der Mehrzahl unter den Forschern spielt unter den 
möglichen Eintrittspforten des Tuberkelbacillus der Respirationstrakt die 
Hauptrolle, sei es, dass die Bacillen direkt oder auf dem Umweg über die 
Bronchialdrüsen zur Tuberkulose führen. 

Die in der Minderheit vorhandenen Anhänger der intestinalen Infektion 
sind nicht darüber einig, ob Tonsillen, Halslymphdrüsen, oder Darmschleim- 
baot bezw. Mesenterialdrüsen die häufigste Eintrittstelle darstellen. 

Weder die klinische Beobachtung noch die anatomischen und experi- 
mentellen Befunde, wie sie bisher vorliegen, sind nach W. und B. geeignet, 
in dieser Frage Aufschluss zu geben, da keineswegs immer der Ort der inten- 
sissten tuberkulösen Veränderungen mit der Nähe der Eintrittspforte zu- 
sammenhängt. Baumgarten, v. Behring und andere betonen die Häufigkeit 
des Jatenten Zustandes der Tuberkelbacillen, und die Untersuchungen von 
Bartel bezw. Bartel und Spieler (siehe vorstehende Referate) zeigen, in 
welchem Umfange in anscheinend nicht veränderten Organen der Versuchstiere 
Tuberkelbacillen im latenten Zustand vorkommen. Vorliegende Publikation hat 
die Prüfung der diesbezüglichen Verhältnisse an menschlichem Material zum 
Gegenstand. Seit 1902 wurden die Leichen von Kindern, die an Masern, 
Diphtherie, Scharlach u. s. w. gestorben waren, und bei denen selbst die 
genaueste anatomische Untersuchung keinerlei tuberkulöse Veränderungen fest- 
stellen konnte, eingehend auf Vorhandensein latenter Tuberkelbacillen unter- 
sucht, indem die Lymphdrüsen der verschiedensten Regionen histologisch und 
bakteriologisch verarbeitet wurden. Aus der vorläufigen Mitteilung ist zu 
erschen. dass in 8 Fällen trotz fehlender tuberkulöser Veränderungen (histo- 
logische Untersuchung von zahlreichen Schnitten) in den Lymphdrüsen bezw. 
Tonsillen durch den Tierversuch Tuberkelbacillen nachgewiesen werden konnten. 

Die Autoren erwähnen, dass Harbitz in einer eben publicierten Arbeit 
m ganz analogen Resultaten gekommen sei. W. und B. sind im Gegensatz 
zu diesem Autor, der sich hinsichtlich der zu vermutenden Dauer der Latenz- 
periode reserviert ausspricht, eher geneigt, das häufige Bestehen eines längeren 
latenten Zustandes anzunehmen. Jedenfalls schaffen die mitgeteilten Beob- 
achtungen die Forderung, in Zukunft die Frage nach Vorhandensein oder 
Fehlen von Tuberkelbacillen mit viel grösserer Vorsicht, als dies bisher ge- 
schehen, anzugehen. Grassberger (Wien). 


Fischer, Ferd., Ueber die Entstehungs- und Verbreitungsweise der 
Tuberkulose in den Schwarzwalddörfern Langenschiltach und 
Gremmelsbach. Beiträge zur Klinik der Tuberkulose. Bd. 3. S. 19. 

Auf der Suche nach Ortschaften, in denen die Familie durch wirtschaft- 
liche und lokal-geographische Umstände mehr als anderswo eine geschlossene 
Einheit bildet, wurde Verf. auf diese beiden Dörfer aufmerksam. Durch Zu- 
sammenstellung der Stammbäume konnten 45 grosse Stämme mit 1269 Per- 
sonen festgestellt werden. Verf. ging von Haus zu Haus und fragte alle Ein- 

28 


356 Infektionskrankheiten. 


wohner bezüglich der bei der Tuberkuloseforschung wichtigen Verhältnisse 
einzeln aus. Er gelangte so zu folgenden Schlüssen: 

1. Die Tuberkulosemorbidität ist weit höher, als sie von der staatlichen 
Eintagsstatistik von 1901 für Baden berechnet ist. 

2. In der landwirtschaftlichen Bevölkerung sind Morbidität nnd Sterblich- 
keit an Phthise beinabe um die Hälfte geringer, als in den übrigen Berufsarten. 

3. Social und hygienisch niedrig stehende Betriebe zeigen erhöhte Morbi- 
dität und Sterblichkeit. 

4. Die Tuberkulose ist keine Krankeit grosser Familienstämme, 
sondern einzelner Haushaltungen! 

5. Eine hereditäre Dispositon ist für die Verbreitung der Krankheit 
nicht massgebend, dagegen ist dies die Infektionsgefahr. 

6. Ein gewisser Schutz durch das Höhenklima ist wahrscheinlich. 

A. Alexander (Berlin). 


Zur Tuberkulosebekämpfung 1904. Verhandlungen des Deutschen Central- 
comites zur Errichtung von Heilstätten für Lungenkranke in der 8. General- 
versammlung am 20. Mai 1904. Redigiert von Oberstabsarzt a. D. Dr. Nietner, 
Generalsekretär des Centralcomites. Berlin 1904. Deutsches Centralcomite 
u.s.w. W. 9, Eichhornstr. 9. 

Aus der Eröffnungsansprache des Vorsitzenden, Dr. Grafen 
v. Posadowsky-Wehner interessiert die Mitteilung, dass mit Beginn des 
Jahres 1904 im Deutschen Reich 69 Volksheilstätten mit zusammen 5800 Betten 
im Betriebe waren. Dazu kommen noch 25 Privatanstalten, von denen die 
Mehrzahl gleichfalls auch Minderbegüterten und Kranken der Versicherungs- 
anstalten zu mässigem Preise Aufnahme gewährt. Im Bau begriffen sind zur 
Zeit 9 Heilanstalten, projektiert ausserdem noch 18 Anstalten. Die Zahl 
aller im Betriebe befindlichen Anstalten überhaupt, einschliesslich 
von 51 Kinderheilstätten für Vortuberkulöse, hat sich auf 235 erhöht. Nach 
der Statistik starben in 10 Bundesstaaten während der 4 Jahre 1897—1900 
trotz der Zunahme der Bevölkerung im Durchschnitt jährlich 7566 Personen 
weniger an Tuberkulose, als während der Jahre 1892—1895. Ferner betrug 
in 20 Bundesstaaten der Rückgang der Tuberkulosesterblichkeit von 
1900—1901 4,40°/,, von 1901—1902 1,04 %/,. 

Generalsekretär Prof. Dr. Pannwitz (Berlin) berichtet, dass sich auch die 
Zahl derjenigen Anstalten vermehrt hat, die für Kranke vorgeschrittenen 
Stadiums bestimmt sind, ebenso wie die Erholungsstätten, welche ein ganz 
hervorragendes Hilfsmittel bieten, die Fürsorge der Krankenkassen zu erweitern. 
Letztere haben sich zusammen mit gemeinnützigen Vereinen, insbesondere 
solchen des Roten Kreuzes, besonders der Errichtung von Erholungsstätten 
gewidmet. Die Hanptträger der Tuberkulosebekämpfung sind nach 
wie vor die Landesversicherungsanstalten. Den Gemeinden liegt neuerdings 
nach einem Erlass des Reichskanzlers die Pflicht ob, in bestimmtem Umfange 
und nach bestimmten Grundsätzen für Lungenkranke Aufwendungen zu machen. 
Die nicht versicherten Bevölkerungsklassen stehen vielfach schlechter 
da, als die versicherten, so dass das Bedürfnis, Freistellen zu schaffen, immer 


Infektionskrankheiten. 357 


dringender wird. Um den Platzmangel in den Anstalten auszugleichen, müssen 
die Patienten noch mehr wie bisher den Winterkuren zugeführt werden. 
Die Vorlage, betreffend eine beschränkte Anzeigepflicht, wie sie in 
Sachsen, Baden u. s. w. erfolgreich eingeführt ist, hat beim Landtage wiederum 
nicht genügende Unterstützung gefunden. Die Militärbehörden beteiligen 
sich an der Tuberkulosebekämpfung in dem Sinne, dass im Zusammenwirken 
mit den Civilbehörden ein Verfahren der frühzeitigen Ermittelung Tuberkulöser 
bei der Musterung, Aushebung und Einstellung immer mehr ausgebildet wird. 
Was die Ergebnisse der Heilstättenbehandlung anbetrifft, so bestätigt 
sich immer wieder, dass mindestens 2/;, und mehr der in Heilstätten Behan- 
delten ihre Erwerbsfähigkeit wiedererlangen. Was die Dauererfolge anbe- 
trifft, so waren nach der Statistik des Reichsversicherungsamtes am Ende der 
ersten Kontrollperiode von 5 Jahren 27°/ der Behandelten noch erwerbsfähig, 
und ist am Schluss der zweiten Kontrollperiode diese Zahl auf 31°/, gestiegen. 
Die Ansteckungsfurcht ist noch immer so gross, dass sie z. B. dem Stutt- 
garter Heilstättenverein beim Erwerb geeigneter Bauplätze hinderlich ist. Die 
Bestrebungen, Heilstättenentlassene nach der Kur noch mit besserer Kost 
zu versehen, haben sich bewährt. Die ländlichen Kolonien (die hannover- 
sche Landesversicherungsanstalt unterhält eine solche bei Stübecksborn in der 
Lüneburger Heide) haben die Erfahrung gezeitigt, dass Heilstättenentlassene 
der Arbeit nicht so leicht zuzuführen sind, als diejenigen, welche direkt aus 
ihren Arbeitsverhältnissen in die ländliche Kolonie übernommen sind. Der 
Erfolg für die Pfleglinge war ein recht günstiger. Gleichfalls gute Erfahrungen 
machte der Volksheilstättenverein vom Roten Kreuz mit der Begründung einer 
ländlichen Kolonie im Auschluss an die Kinderheilstätte Hohenlychen. Auch 
die Wobnungsfürsorge entwickelt sich immer mehr, indem 1. die Versiche- 
rungsanstalten zu billigem Zinsfuss Baugelder ausleihen, 2. die Gemeinden die 
Wohnungsdesinfektion unentgeltlich durchzuführen bestrebt sind. Die Armen- 
direktion Breslau hat im geeigneten Falle die Zumietung eines besonderen 
Zimmers zur Isolierung des Erkrankten von seinen Familienangehörigen grund- 
sätzlich für zulässig erklärt. Geh. Kommerzienrat Selve hat auf seinen In- 
dustriewerken in Altena geschickt angelegte Wohnhäuser für Familien mit 
tuberkulosebehafteten Mitgliedern erbaut, in denen nicht bloss die Isolierung 
möglich ist, sondern zugleich auf Veranden Liegekuren durchgeführt werden 
können. Indem internationalen Centralbureau zur Bekämpfung der 
Taberkulose sind jetzt 20 Länder vereinigt. 

Nachdem durch Prof. Pannwitz, Geh.-R. Prof. Dr. Kraus und Dr. Graf 
v. Posadowsky-Wehner in ehrender und zu Herzen gehender Weise des 
Verlustes zweier der hervorragendsten Mitglieder des Centralcomites, des Geh.-R. 
Peter Dettweiler und des Generals v. Groimann gedacht worden war, 
stellt der Präsident des Reichsversicherungsamtes Gaebel (Berlin) folgenden 
Antrag: - 

„Das Präsidium möge bei den Heilstätten dahin wirken, dass 
sie auf ihre Kosten zur Sicherung der bei ihnen angestellten 
Aerzte für den Fall der Erwerbsunfähigkeit Pension und für den 


28° 


358 Infektionskrankheiten. 


Fall des Todes Versorgung der Hinterbliebenen durch Anschluss 
an bestehende Versicherungsgesellschaften herbeiführen.“ 

Io ausführlicher Auseinandersetzung erklärt der Ref., dass es sich zur 
Zeit um die Versicherung von nur 60 Personen handelt und dass mit 60 Per- 
sonen eine auf die Dauer berechnete eigene Pensionskasse absolut nicht be- 
gründet werden kaun. 


Es folgen nun die beiden, den Hauptteil der Verhandlungen darstellenden 
Vorträge: 

I Die Aufgaben der Gemeinden bei der Tuberkulosebekämpfung. 
Berichterstatter: Beigeordneter Brugger (Cöln). 

Die unmittelbar auf die planmässige Bekämpfung der Lungen- 
tuberkulose gerichteten Massnahmen gehen zweckmässig von einer von 
den Gemeinden zu schaffenden Centralstelle aus und sollen darauf abzielen, dass 

1. armenrechtlich hilfsbedürftige Lungenkranke auf Kosten der Gemeinde 

a) in einer Heilstätte untergebracht werden, wean eine solche Unter- 
bringung nach ärztlichem Gutachten das einzige, einen wesentlichen 
Heilerfolg verheissende Mittel ist; 

b) bei vorgeschrittenem Leiden zur Aufnahme in besondere Abteilungen 
der Krankenhäuser bestimmt und im Falle der Ablehnung innerhalb 
der Familie durch Hergabe der für Beschaffung eines eigenen Schlaf- 
raumes, Bett, Spuckflasche, Ess- und Trinkgeschirr erforderlichen 
Mittel abgesondert werden; 

2. dass gegebenenfalls dieselben Massregeln für versicherungspflichtige 
Personen durch Inanspruchnahme der zuständigen Stelle (Krankenkasse, Ver- 
sicherungsanstalt) erwirkt werden; 

3. dass für wenig bemittelte lungenkranke Personen, welche weder armen- 
rechtlich hilfsbedürftig noch versicherungspflichtig sind, in gleicher Weise durch 
die Heranziehung von Wohltätigkeitsvereinen gesorgt wird. 

Um die nachteiligen Folgen zu vermeiden, welche sich aus dem Bezug 
von Armenunterstützung ergeben, sind die notwendigen Aufwendungen ent- 
weder aus hierzu bereitgestellten Fonds oder aus Stiftungsmitteln zu bestreiten. 

Für die unter 1—3 genannten Personen ist mindestens im Todesfalle oder 
beim Wohnungswechsel, zweckmässig auch in bestimmten Zwischenräumen 
unentgeltlich eine Desinfektion der Wohnung vorzunebmen. 

Die mittelbar dem Kampfe gegen die Tuberkulose dienenden 
Massregeln bestehen: 

1. in einer zeitgemässen Bodenpolitik, Aufstellung von Bebauungsplänen, 
die den Bau kleiner Wohnungen begünstigen, 

2. im Bau von Arbeiterwohnungen für die Gemeindebetriebe, 

3. in Unterstützung der gemeinnützigen Baugenossenschaften: 

a) durch Hergabe von Gelände zu mässigem Kaufpreis, 

b) durch Ermässigung der Strassenbaukosten, 

c) durch Beleihung der Hausgrundstücke oder durch Uebernahme von 
Zinsgarantie für Darlehen der Versicherungsanstalten. 

Redner gelangt zu diesen Schlusssätzen an der Hand einer Schilderung 


Infektionskrankheiten. 359 


der Tätigkeit der in Cöln im Anschluss an die Armenverwaltung begründeten 
Centralstelle zur Bekämpfung der Lungentuberkulose, einer Schilderung, die 
noch viele lesenswerte Einzelheiten enthält. 
II. Fürsorgestellen für Lungenkranke. 
a) Berichterstatter Prof. Dr. Paul Jacob (Berlin). 

Der Fürsorge bedürfen: 

1. Diejenigen besserungs- resp. heilfähigen Phthisiker, denen aus irgend 
einem Grunde die Aufnahme in eine Heilstätte versagt bleibt, 

2. die Familien dieser Kranken und deren Umgebung, 

3. diejenigen Patienten, denen Aufnahme in eine Heilstätte zugesagt ist, 
während der Wartezeit bis zum Moment der Aufnahme, sowie auch nach der 
Entlassung aus der Heilstätte, 

4. die Familien dieser Kranken und deren Umgebung, 

5. die vorgeschrittenen und unheilbaren Fälle von Tuberkulose und ihre 
Angehörigen. 

Für die Kranken der ersten Gruppe lässt sich sorgen: 

a) durch Belehrung, sei es durch Verteilung populärer Tuberkulose- 
schriften, oder durch öftere gemeinverständliche Vorträge des ärztlichen 
Leiters der Fürsorgestelle, durch persönliche Beratung von Seiten 
der die Familien besuchenden Schwestern, eventuell auch durch Be- 
such der ständigen Ausstellung für Arbeiterwohlfahrt in Charlotten- 
burg, 

b) durch Desinfektion und zwar 1. des Kranken selbst — Ver- 
teilung von Zahnbürste und Zahnpulver, Speiflaschen, 2—3 proz. Lysol- 
lösung zur Reinigung der letzteren sowie als Zusatz zum Abwaschwasser 
des Essgeschirrs und zum Stubenreinigen, 2. der Wäsche des 
Kranken — in zu liefernde Wäschebeutel wird die Wäsche einer 
Woche hineingelegt. Die gefüllten Beutel werden für 24 Stunden 
in 2proz. Lysollösung gelegt, was der Wäsche nicht schadet, sodann 
1—2 Stunden in einem Kessel gebrüht und dann erst in Gemein- 
schaft mit der Wäsche der Gesunden zusammen gewaschen, 3. der 
Wohnung des Kranken nach Uebersiedelung in ein anderes Quartier 
resp. in die Heilstätte, 

c) durch direkte Behandlung, sofern die die Fürsorgestelle auf- 
suchenden Kranken nicht bereits in ärztlicher Behandlung stehen. 
Es gehören hierher hydrotherapeutische, diätetische und medikamentöse 
Verordnungen. Ferner Verabreichung von Wertmarken oder Karten, 
auf welche hin sich die Patienten Kräftigungsmittel umsonst oder zu 
mässigem Preise an bezeichneten Stellen besorgen können (in Berlin 
beim Verein der Volksküchen, der Kindervolksküchen, der Kranken- 
küche der Frau v. Rath, den Kaffeestuben des Deutschen Vereins 
für Volkshygiene), 

d) durch Vermittelung der Unterstützung durch öffentliche 
und private Organe, resp. humanitäre Vereine, die den Kranken 
gar nicht bekannt sind. Unterbringung in Erholungsstätten u. s. w., 
Versendung in ländliche Kolonien, 


360 Infektionskrankheiten. 


e) durch Hebung der Wohnungsnot. Hygienische Einrichtung der 
vorhandenen Räume. Getrenntes Aufstellen der Betten, richtige Lüftung 
der Zimmer, absolute Sauberkeit. Durch Stiftung eines Bettes ist da- 
für zu sorgen, dass der Lungenkranke nicht gemeinsam mit einem 
Gesunden das Lager teilt. Bei besonders unhygienischen Verhältnissen 
ist der Wirt durch eine Abschlagszahlung dazu zu bewegen, den Mieter 
vom Kontrakte zu entbinden. Auf besonders schreiende Missstände 
sind die Polizeibehörden aufmerksam zu machen. Die Breslauer Armen- 
verwaltung isoliert Kranke durch Hinzumieten eines Zimmers, 

f) durch Unterbringung in geeignete Berufe. 

Die Fürsorge für die Personen der II. Gruppe erfolgt derart, dass die Für- 
sorgeschwestern die Familien der Kranken aufsuchen, sich ein Bild von den 
Verbältnissen machen, krankheitsverdächtige Familienmitglieder, besonders 
skrofulöse und tuberkulöse Kinder der Fürsorgestelle zuführen. Letztere werden 
einer Heilstätte, einer Ferienkolonie und dergl. überwiesen oder, wenn dies 
nicht möglich ist, ständig überwacht und beim Eintritt ins erwerbsfähige Leben, 
wenn nötig, einem geeigneten Berufe überwiesen. An Infektionskrankheiten 
erkrankte Kinder sind viele Monate von ihren tuberkulösen Eltern zu isolieren, 
damit sie sich nicht während der Rekonvalescenz inficieren. In Zukunft ist 
danach zu streben, Kinder schon wenige Tage nach der Geburt von den tuber- 
kulösen Müttern zu trennen und in einer geeigneten Anstalt unterzubringen. 
Die Kinder, namentlich die Säuglinge, sind mit guter Milch zu versorgen (in 
Berlin durch Vermittelung der Gesellschaft zur Bekämpfung der Säuglings- 
sterblichkeit). 

Während der Wartezeit von 6—8 Monaten ist dem Phthisiker, welchem 
Aufnahme in eine Heilstätte zugesagt ist, dieselbe Fürsorge zu gewähren, wie 
den Phthisikern der Gruppe I, damit er während dieser Zeit nicht untauglich 
für die Heilstättenbehandlung wird. Ist er in die Heilstätte eingetreten, so 
hat die Fürsorgestelle seine Wohnung zu desinficieren und eventuell für ge- 
eignete Beschäftigung nach der Kur zu sorgen. Für die Familien lungen- 
kranker Frauen sorgt der Verein Hauspflege, indem er geeignete Bürgerfrauen 
in die Familien während der Zeit entsendet, während welcher die Frauen und 
Mütter den Hausstand nicht versorgen können. 

Für die vorgeschrittenen und unheilbaren Fälle sind nach dem Vorschlage 
B. Fränkels besondere Asyle zu schaffen. Die Landesversicherungsanstalten 
in Berlin und den Hausastädten haben derartige Anstalten gegründet. Bleiben 
derartige Patienten in der Familie, so ist natürlich für sie und ihre Ange- 
hörigen in gleicher Weise zu sorgen, wie für die heilfähigen Phthisiker. 

b) Mitberichterstatter Stadtrat Samter (Charlottenburg) 
erörtert vom Standpunkte des Verwaltungsbeamten 2 Fragen: 

1. Wie sind die Fürsorgestellen einzurichten, wenn sie das leisten sollen, 
was von ihnen erwartet wird. 

2. Wer soll sie errichten und wer die Kosten tragen, die durch ihren 
Betrieb und die von ihnen für notwendig befundenen Massnahmen erwachsen? 

Die Beantwortung dieser beiden Fragen gibt der Redner in folgenden 
Leitsätzen: 


Infektionskrankheiten. 361 


1. Die Fürsorgestellen sollen, wenn möglich, unter der Leitung eines 
Arztes stehen und mit einer Poliklinik, sowie Krankenabteilung verbunden 
sein, die ärztliche Behandlung aber nur dann übernehmen, wenn die Kranken 
nicht bereits in Behandlung eines anderen Arztes sich befinden, bezw. in diese 
überwiesen werden können. Auch die nichtärztliche Fürsorge sollen sie nur 
im Einverständnis mit dem etwaigen behandelnden Arzte ausführen. 

2. Fürsorgestellen obne ärztliche Leitung sollen immer nur Hand in Hand 
mit dem behandelnden Arzte arbeiten. 

3. Für Versicherte sind die Landesversicherungsanstalten und Kranken- 
kassen, für Nichtversicherte die Gemeinden, als die Träger der öffentlichen 
Krankenfürsorge überhaupt, auch die gegebenen Träger der Fürsorgestellen. 
Soweit Versicherungsanstalten, Krankenkassen und Gemeinden nicht eigene 
Fürsorgestellen errichten, sollen sie die von anderen Stellen begründeten in 
jeder Weise fördern und unterstützen. 

4. Die Wirksamkeit der Fürsorgestellen im Kampfe gegen die Tuberkulose 
beruht wesentlich auf ihrem Zusammenarbeiten mit allen Stellen, die für den 
einzelnen Kranken und seine Familie helfend einzutreten in der Lage und 
verpflichtet sind. 

5. Die Versicherungsanstalten sind auf Grund des $ 18 des Invalidenver- 
sicherungsgesetzes berechtigt, die Krankenkassen (insbesondere, soweit sie auch 
„andere* Heilmittel als die im $ 6 Inv.-Vers.-Ges. genannten gewähren oder 
Familien und Rekonvalescentenfürsorge üben) nnd die Gemeinden, als Träger 
der öffentlichen Armenpflege, soweit Hilfsbedürftigkeit vorliegt, sind verpflichtet, 
regelmässig die Kosten der einzelnen Massnahmen, welche die Fürsorgestellen 
treffen, zu tragen. 

Besonders interessant sind die Ausführungen des Redners, Satz 5 be- 
treffend, in denen er sich mit der juristischen Auslegung der bezüglichen 
Paragraphen beschäftigt. 

In der Diskussion berichtet zunächst Dr. Wolf Becher (Berlin) über 
die Fürsorgestelle, welche der Verein der freigewählten Kassenärzte in 
Berlin errichtet hat. Sie arbeitet lediglich mit Aerzten und Krankenkassen, 
bewahrt den Aerzten auf dem Gebiete der Tuberkulosebekämpfung die volle 
Tätigkeit, die sie bisher gehabt haben, und richtet ihr ganzes Vorgehen darauf, 
möglichst wenig an die Oeffentlichkeit zu treten, vielmehr dafür zu sorgen, 
dass nach aussen der wirklich agierende immer der behandelnde Arzt ist. 
Wohltätigkeitsgesellschaften wurden nicht in Anspruch genommen, vielmehr 
alles im Rahmen der Versicherung versucht. Wo die Fürsorge der Kassen 
Dicht ausreichte, wurde eine Kombination zwischen ihr und der Armenpflege 
herbeigeführt. 

Geheimrat Pütter teilt mit, dass in Berlin auf Betreiben des Herrn 
Ministerialdirektors Althoff eine kleine Anzahl Männer zusammengetreten 
sind, um eine Stelle zu schaffen, in der alle Gelder, die für Tuberkulöse ge- 
opfert werden, zusammenfliessen sollen, und die von sich aus die verschiedenen 
Fürsorgestellen, die in Berlin errichtet werden sollen, mit Geld und sonst 
nötigen Mitteln versehen soll. 

Prof. Dr. A. Baginsky (Berlin) appelliert an die Vertreter der Städte, 


362 Infektionskrankheiten. 


dass die an örtlichen tuberkulösen Affekten leidenden Kinder in die Secheil- 
stätten gebracht werden. 

Geh. Sanitätsrat Dr. Pauly (Posen) meint, dass die hygienischen Institute 
nicht ohne weiteres für die berufenen Vertreter der Fürsorgestellen zu halten 
seien. Sie sollen nur diagnostisch-hygienische Stätten, nicht diagnostisch-thera- 
peutisch-hygienische Stätten sein. Kein Arzt wird es sich nehmen lassen, in 
Bezug auf die Auslese der Tuberkulosekranken tätig zu sein, und so würde als 
dauernder Gewinn aus der Tuberkulosebewegung die Vertiefung der Beziehungen 
zwischen Arzt und Kranken resultieren — statt eines Receptes die Fürsorge 
für das Individuum. Ferner verweist Redner die Stellung der Krankenhäuser 
zur Tuberkulosebewegung. Er wüuscht provinzielle Fürsorgestellen an Stelle 
der kommunalen, damit auch für die Landbewohner etwas geschähe. Die in 
den Heilstätten während des Winters etwa leer bleibenden Stellen sollen mit 
den bei der militärischen Aushebung übersehenen, aber in den kommenden 
3 Monaten bei Revisionen festgestellten Fällen latenter Tuberkulose io der 
Armee besetzt werden. Schliesslich wünscht Pauly, dass jeder der Herren 
Minister einen besonderen Tuberkuloseetat bekommt, um in einzelnen Fällen 
voll und ganz die komplicierten und langdauernden Heilungsvorgänge der 
Tuberkulose ohne Hülfe der Privatvereine anzustreben und zu befördern. 

Geh. Med.-Rat Dr. M. Wolff (Berlin) berichtet, dass die Jacobschen 
Forderungen zum grossen Teil bereits seit 5 Jahren in der Berliner Poliklinik 
für Lungenleidende erfüllt sind. 

Direktor Dr. Petruschky (Danzig) berichtet über die Danziger Fürsorge- 
stelle, welche der hygienischen Untersuchungsanstalt angegliedert ist. Das 
erste, was dieselbe dem Kranken selbst leistet, ist die Diagnose. Die ganz 
ungefährlichen diagnostischen Tuberkulininjektionen, welche durchaus nicht 
latente Herde zu mobilisieren vermögen, sichern die Frühdiagnose. Eine wich- 
tige Aufgabe der Fürsorgestelle ist die Nachprüfung der aus den Heilstätten 
entlassenen Kranken. Jeder derselben bleibt so lange unter Beobachtung, bis 
er im Laufe eines halben Jahres zweimal auf Nachprüfung mit Tuberkulin 
nicht mehr reagiert hat. Diejenigen, welche noch reagieren, werden ambu- 
latorisch behandelt. 

Direktor Gebhard (Lübeck) hält es nicht für richtig, zu sagen, dass die 
Versicherungsanstalten, sowie die Krankenkassen und die Gemeinden die be- 
rufenen Träger von Fürsorgestellen sind, sondern glaubt, man kann nur dahin 
kommen, zu sagen, dass die Gemeinden, überhaupt die Kommunalverbände 
allein die Träger sind. Die Gemeinde hat für Nichtversicherte und Versicherte 
in gleicher Weise die Pflicht, einzutreten. Die Versicherung hat nur den Zweck, 
die Fürsorgetätigkeit der Kommunalverbände möglichst unnötig zu machen. 

Rendant Kohn (Berlin) weist darauf hin, dass die Krankenkassenkon- 
trolleure, die doch aus den Kreisen der Versicherten stammen und deren Ver- 
trauen geniessen, vollständig befähigt sind, in Deutschland den Dienst zu über- 
nehmen, den in Frankreich und Belgien die Ouvriers enqueteurs ausüben. 
Eventuell würden sie durch Vorträge über Wohnungspflege zu belehren sein. 

Schatzrat v. Campe (Hannover) bemängelt, dass die in Fürsorgeerziehung 
befindlichen Kinder, welche an beginnender oder fortgeschrittener Tuberkulose 


Infektionskrankheiten. 363 


leiden, in den von den Landesversicherungsanstalten gegründeten Heilstätten 
someist nicht Aufnahme finden. Diese Kinder sind nicht so verworfen, dass 
sie unter keinen Umständen mit den andern Insassen der Anstalt in Berührung 
gebracht werden dürften. Es wäre wünschenswert, dass eine möglichst central 
belegene Anstalt eine abgesonderte Abteilung für sie einrichte. 

A. Alexander (Berlin). 


Bericht über die Il. Versammlung der Tuberkuloseärzte. Berlin, 
. 24.—26. November 1904. Herausg. von Oberstabsarzt a. D. Dr. Nietner 
Berlin 1905. Deutsches Centralcomite u.s.w. W. 9. Eichhornstr. 9. 

Nach einer Eröffnungsansprache von Seiten des Vorsitzenden Wirkl. 
Geb. Ober-Regierungsrat Dr. Köhler (Berlin) berichtet in der ersten Sitzung 
Überstabsarzt Dr. Nietner über die Vorbereitung zum Pariser Kongress 
(Ausarbeitung einer Denkschrift, betreffend den Stand der Tuberkulosebekäm- 
pfung in Deutschland, durch Geh.- R. Prof. B. Fränkel. Mitteilung der zur 
Diskussion gelangenden 6 Hauptthemata). Hauptgegenstand der Tagesordnung 
bilden folgende 3 Vorträge: 

1. Gegenwärtiger Stand der Forschung über die Beziehungen 
zwischen menschlicher und Tiertuberkulose. Berichterstatter: Stabs- 
amt Dr. Weber (Berlin). 

Weber berichtet über die Nachprüfung der Kochschen Untersuchungen 
im Reichs-Gesundheitsamte während der Jahre 1902 —1904 durch Regierungs- 
rat Dr. Kossel, Oberveterinär Dr. Heuss und den Vortragenden. Der Be- 
richt gleicht in seiner präcisen Form selbst einem Referat, so dass er im Original 
gelesen werden muss. Hier sei nur erwähnt, dass sich in Bestätigung der 
Kochschen Anschauung deutliche Unterschiede zwischen den aus menschlicher 
Tuberkulose einerseits und aus Rindertuberkulose andererseits gewonnenen 
Bacillenstämmen ergaben, denen zufolge man einen Typus humanus und 
einen Typus bovinus unterscheiden muss. Die Unterschiede sind morpho- 
logischer, kultureller und tierpathogener Art. Während aber in allen tuber- 
kulösen Veränderungen des Rindes und Schweines nur der Typus bovinus 
nachgewiesen werden konnte, fanden sich in 6 von 56 untersuchten Fällen 
menschlicher Tuberkulose gleichfalls der Typus bovinus, in den übrigen 50 
freilich der Typus humanus. In diesen 6 Fällen handelt es sich um Kinder 
im Alter von 13/,—61/, Jahren. In ö von diesen 6 Fällen hatte man es mit 
einer primären Darm- und Mesenterialdrüsentuberkulose zu tun. Die Frage, 
ob die Bacillen des Typus bovinus imstande sind, eine allgemeine, zum Tode 
führende Tuberkulose hervorzurufen, liess sich bisher nicht beantworten, da 
man in diesbezüglichen Fällen an verschiedenen Teilen des Körpers Bacillen 
beider Typen fand, so z. B. in den Mesenterialdrüsen Bacillen des Typus 
bovinus, in der Milz solche des Typus humanus und dergl. Auch sind an 
tin- und derselben Körperstelle beide Bacillenarten gefunden worden. An die 
sogenannte Umwandlungs- oder Anpassungstheorie, d. h. die Annahme, dass 
derartige Unterschiede zwischen den einzelnen Typen der Tuberkelbacillen nur 
auf einer vorübergehenden Anpassung an einen bestimmten Organismus 
beruhen,’ aber kein bleibendes Merkmal seien, glaubt Redner nicht und erör- 

29 


364 Infektionskrankheiten. 


tert die Gründe seines Zweifels. Die praktischen Ergebnisse dieser 
Untersuchungen sieht der Vortragende in der Erkenntnis, dass als einzige 
Quelle für die Bacillen des Typus humanus der tuberkulöse Mensch in Be- 
tracht kommt. Bei ihm haben also in erster Linie unsere Massnahmen gegen 
die Weiterverbreitung der Tuberkulose einzusetzen. Aber auch die Bacillen 
des Typus bovinus sind nicht ohne Gefahr für den Menschen, namentlich in 
seinen. ersten Lebensjahren. Es sind daher auch die in dieser Richtung be- 
reits bestehenden Vorsichtsmassregeln nicht ausser Acht zu lassen. 

Die sehr eingehende Diskussion drebt sich einmal um die von Geh.-R. 
Prof. Dr. Max Wolff angeregte Frage, welche Dosis nötig sei, um die pro- 
batorische Tuberkulinreaktion bei Rindern sicher zu stellen, sowie um die 
nicht unwichtige Erwägung, ob sich aus Rindertuberkelbacillen hergestelltes 
Tuberkulin in seiner Wirkung von dem aus menschlichen Tuberkelbacillen ge- 
wonnenen unterscheidet, eine Frage, über welche die im Gesundheitsamte im 
Gange befindlichen Immunisierungsversuche vielleicht Aufschluss geben werden. 


2. Abwässerbeseitigung in den Heilstätten. Berichterstatter: Geh. 
Reg.-R. Prof. B. Proskauer (Berlin). 

Der Vortragende bespricht in aller Kürze sämtliche für den Heilstätten- 
betrieb in Betracht kommenden Methoden der Abwässerbeseitigung. In erster 
Linie müsse stets die Frage gründlich erwogen werden, die Abwässer durch 
Bodenberieselung zu reinigen. Die künstlichen biologischen Klärmethoden 
kommen erst in Frage, wenn es die sonstigen lokalen Verhältnisse erheischen, 
den Abwässern einen intensiveren Reinheitsgrad zu erteilen, oder wenn Riesel- 
flächen in erreichbarer Entfernung von der Heilstätte nicht zu erlangen sind. 

In der Diskussion berichten nicht weniger als 10 Chefärzte von Heil- 
anstalten über ihre diesbezüglichen Erfahrungen, über Vorzüge und Fehler der 
bei ihren Anstalten befindlichen Anlagen. Oberstabsarzt Dr. Nietner (Berlin) 
teilt das Ergebnis einer Rundfrage über die Art der Abwässerbeseitigung 
in den Heilstätten mit. Danach haben 25 Anstalten biologisches Verfahren, 
15 haben Rieselfelder, 8 klären mechanisch, 5 haben noch Grubensystem, 
5 Tonnensystem; in einer Anstalt findet sich eine Anlage nach dem Kohle- 
breiverfahren; in einer Anlage werden die sämtlichen Abwässer in ausgedehnte 
Moorlager geleitet. 


3. Formalindesinfektion und ihre Grenzen. Berichterstatter: Prof. 
Dr. Elsner (Berlin). 

Redner schildert zunächst die Konstruktion verschiedener brauchbarer 
Formalindesinfektionsapparate und zwar 

1. des Lingnerschen Sprayapparates, der mit einer Lösung von Glycerin 
in Formalin arbeitet, 

2. des Czaplewskischen Sprayapparates „Colonia“, 

3. des Scheringschen Verdampfungsapparates „kombinierter Aesculap“, 
der mit Formalinpastillen, d. h. dem in feste Form gebrachten polymerisierten 
Formalin, arbeitet, 

4. des Flüggeschen Apparates und 


Infektionskrankheiten. 365 


5. eines neuen von Elsner und Proskauer konstruierten Apparates, 
den die Firma Lautenschläger unter dem Namen „Berolina“ in den Handel 
gebracht bat. 

Jeder Apparat hat seine eigene, genau zu befolgende Gebrauchsanweisung. 
Alle Apparate sind auf eine siebenstündige Desinfektionsdauer berechnet, 
der Apparat Berolina auf eine nur vierstündige; die angewendeten Formalin- 
mengen betragen bei „Berolina“ 20 g pro Kubikmeter. Die Formalindesin- 
fektion ist ausschliesslich eine Oberflächendesinfektion. Deshalb ist eine 
gewisse manuelle Reinigung der Räume ebensowenig wie eine anderweitige 
Desinfektion gewisser Effekten neben der Formalindesinfektion zu entbehren. 
Dementsprechend ist die Instruktion für die Berliner städtische Desinfektion 
ausgearbeitet, aus der Vortragender einige Sätze, die auch für die Desinfektion 
in Lungenheilanstalten gelten können, verliest. 

Die überaus lebhafte Diskussion dreht sich im wesentlichen um die 
wichtige Frage der Desinfektion der Liegehallendecken, aus welcher hervor- 
geht, dass sich dieselben ohne Gefährdung ihrer Dauerhaftigkeit durch Dampf 
sterilisieren lassen, wenn die diesbezüglichen Apparate richtig konstruiert 
sind und gnt gehandhabt werden. Geheimrat Gaffky (Berlin) warnt, durch 
eine zu weitgehende Kritik der Desinfektionsverfahren Misstrauen im Publikum 
gegen die Desinfektion selbst zu erzeugen, zumal wir zur Zeit nichts Besseres 
an die Stelle des Formalinverfahrens zu setzen vermögen. Die mit der Des- 
infektion verbundene gründliche Zimmerreinigung ist allein schon für unsere 
arme Bevölkerung von hoher Bedeutung. 


In der zweiten unter dem Vorsitz des Geh. M.-R. Prof. Dr. B. Fränkel 
(Berlin) stattfindenden Sitzung werden nach einer Eröffnungsansprache von 
Seiten des Vorsitzenden und einer durch Geh. Ober-Med.-R. Prof. Dr. Kirchner 
(Berlin) im Namen des Ministers erfolgenden Begrüssung der in den Räumen 
des Kultusministeriums tagenden Versammlung, folgende 4 Vorträge gehalten: 

I. Fürsorge für die aus der Heilstätte ungebessert entlassenen 
Kranken. Berichterstatter: Chefarzt Dr. Ritter (Edmundsthal-Hamburg). 

Redner hält die Lösung dieser Frage auf dem Wege der Errichtung von 
Asylen weder für erfreulich noch für ausreichend. Asyle zur ausschliesslichen 
Isolierung Unheilbarer und mit demgemäss weniger sorgfältiger örtlicher Führung 
und Ueberwachung stellen in den Augen der Kranken von vornherein eine Mass- 
regel dar, die sehr den Charakter eines Begräbnisses trägt. Ueberdies ist eine 
grosse Anzahl der „Ungebesserten“ resp. Unheilbaren für die dauernde Untätig- 
keit in einem Asyl nicht reif, wenn auch ihre zeitweilige Versorgung in ge- 
schlossenen Anstalten dringend erwünscht ist. 

Zweckmässiger ist die Einrichtung sachgemässer Tuberkuloseabteilungen, 
die allen Anforderungen am besten und zwanglosesten, womöglich im Anschluss 
an ein allgemeines Krankenhaus genügen. Dringend erforderlich ist dabei die 
Anlage kleiner Zimmer von höchstens 4—6 Betten. Eventuell lassen sich 
grosse Säle durch balbhohe Wände in kleine Abteilungen zerlegen. Es müssen 
Liegehallen und geeignete Räume für eine Wasserbehandlung vorhanden sein. 
Wenn durch individuelle psychische und somatische Behandlung den Lungen- 


29* 


366 Infektionskrankheiten. 


kranken der Aufenthalt auf den Tuberkuloseabteilungen angenehm gemacht 
wird und das Motiv der Isolierung gegen das Motiv der Hülfe zurücktritt, so 
werden derartige Abteilungen auch ohne gesetzlichen Zwang gefüllt werden. 
Auf ständige sachgemässe Belehrung und Schulung in hygienischen Fragen 
muss hier der gleiche Wert gelegt werden, wie in den Heilstätten, da auch 
von diesen Kranken viele zeitweilig wieder zu ihrer Arbeit und ihrer Familie 
zurückkehren. Die weitere Ueberwachung und Behandlung dieser letzteren 
wäre unter Oberleitung des Krankenhauses den Kassen- und Armenärzten gegen 
eine besondere Vergütung zu überweisen. In grösseren Städten sind daneben 
noch eine oder mehrere Fürsorgestellen zu errichten. 

In der Diskussion erörtert Geh.-R. Pütter (Berlin), Direktor der Kgl. 
Charite, die Zwecke und Ziele der Fürsorgestellen. Sie sollen in erster Linie 
der Verbreitung der Tuberkulose in der Familie vorbeugen, sodann aber die 
Taberkulösen in den Stand setzen, angebrachten ärztlichen Anordnungen nach- 
zukommen. Im übrigen bittet P. dringend, dass seitens der Invaliditätsanstalten 
und der Städte auch in Kranken- oder Siechenhäusern Einrichtungen geschaffen 
werden, die es gestatten, vorgeschrittene Tuberkulöse unter günstigen hygie- 
nischen Verhältnissen wochenlang daraufhin zu beobachten, ob sie noch so 
besserungsfähig sind, dass ihre Aufnahme in eine Heilstätte ratsam erscheint. 

Geh. Sanitätsrat Dr. Pauly (Posen) wünscht, dass die Fürsorgestellen nur 
diagnostische und sociale, nicht aber therapeutische Stätten sein sollen; denn 
ohne Mobilmachung der praktischen Aerzte und ohne ibr volles Einverständnis 
ist nicht viel zu machen, wenn man einen Tuberkulösen vom Anfang des 
Processes bis zum Ende geleiten will, bis er stirbt oder gesund ist. Analog 
dem Vorbilde der Armee sollte jede Previnz ein Invalidenheim bauen, und 
wenn sich die Landesversicherungsanstalten sträuben, so sollte man die reli- 
giösen Orden dafür interessieren. 

Dr. Wolf Becher (Berlin) schildert die Einrichtung der Fürsorgestelle 
des Vereins freigewählter Kassenärzte zu Berlin, der die Walderholungsstätten 
ganz besonders zur Pflege derjenigen Tuberkulösen heranzieht, welche nicht 
mehr in Heilstätten aufgenommen werden können. Besonders viel mache die 
Wohnungsfrage zu schaffen. Man müsste an die Städte mit der Frage beran- 
treten, ob sie nicht in ihrem Besitz befindliche Häuser nur den Tuberkulösen 
vermieten möchte. 

Krankenhausdirektor Prof. Ernst Neisser (Stettin) glaubt, dass Invaliden- 
heime und Tuberkulose-Abteilungen in den grossen Krankenhäusern dem ge- 
wünschten Zweck nur sehr ungenügend dienen. Es gibt nur eine ideale 
Lösung. Tuberkulöse Kranke sollen in einem Tuberkulose-Kranukenhause ver- 
sorgt werden. Ein solches kaun die Heilstätte und womöglich auch die Poli- 
klinik mit umfassen. 

Vorsitzender Geh.-R. Prof. Dr. B. Fränkel (Berlin) sagt, es handle 
sich darum, die Gesunden zu schützen, auch wenn das eine Härte für die 
Kranken bedeuten sollte. Zu diesem Zwecke brauche man Specialkranken- 
häuser für diejenigen Fälle, welche nicht mehr in eine Heilstätte hineinkommen. 
Wie man diese Specialkrankenhäuser nennt, sei gleichgiltig. 

Dr. Feldmann (Eckardtsbeim-Minden) macht Mitteilung von der Eröff- 


Infektionskrankheiten. 367 


nung einer für 30 Betten eingerichteten Anstalt für zurückgewiesene Tuber- 
kulöse in Eckardtsheim, welche „Gute Hoffnung“ genannt ist und eine Zweig- 
anstalt der Bodelschwinghschen in Bielefeld ist. 

Landesrat Meyer (Berlin) meint, dass die bisherigen Vorschläge zu sehr 
auf grosse Städte zugeschnitten seien. Die Armenverwaltungen könnten Frei- 
betten in bestehenden Asylen stiften. Im übrigen können nur grössere Kom- 
munalverbände etwas wertvolles schaffen, also Provinzen oder Kreise, die sich 
zu Zweckverbänden zusammenschliessen. Die Provinz Brandenburg hat freilich 
erklärt, dass es nicht ihre Aufgabe sei, Krankenhäuser zu errichten. Das sei 
Sache der Kommunen. Infolge dessen ist M. auf den Ausweg gekommen, 
einen Verein zu gründen, der es sich zur Aufgabe macht, für Brandenburg 
und die Vororte von Berlin ein Asyl für invalide Lungenkranke zu errichten. 
Einen Teil der Kosten trägt die Provinz, einen grösseren Beitrag erhofft man 
von den Kommunalständen der Niederlausitz, ferner von Vereinen und Kom- 
munen die Stiftung von Freibetten. 

Dr. Freymuth (Breslau) erörtert die Verhältnisse der schlesischen Landes- 
versicherangsanstalt, wo vieles, was hier vorgeschlagen wurde, zum Teil schon 
realisiert ist. 

Geh.-R. Prof. Dr. Max Wolff (Berlin) meint, dass die Heilstättenärzte die 
Erkrankten doch zu ausschliesslich nach erkrankten Interkostalräumen beur- 
teilen. Auch er wünscht eine mildere Praxis bezüglich der Aufnahme in die 
Heilstätte. 

Geh. Sanitätsrat Dr. Pauly (Posen) weist darauf hin, dass Invaliden- 
heime viel billiger sind, als Heilstätten. 

Reg.- u. Geb. Med.-R. Dr. Rapmund (Minden i.W.) rät auch dazu, bei 
der Aufnahme von Tuberkulösen in die Heilstätten nicht zu ängstlich zu sein; 
dann würden die Heilstätten, namentlich im Winter, keine Plätze mehr frei 
baben. 


IL. Weitere Erfahrungen über Tuberkulinanwendung in Heil- 
stätten. Berichterstatter: Krankenhausdirektor Prof. Ernst Neisser (Stettin). 

Nach einer Zusammenstellung der seit dem Jahre 1903 von den verschieden- 
sten Seiten veröffentlichten praktischen Erfahrungen über Tuberkulinanwendung 
gelangt Referent zu dem Schlusse, dass das Interesse insbesondere der Heil- 
stättenkollegen an der Tuberkulintherapie im Wachsen begriffen sei. Es sind 
in diesem Jahre keine Fälle mitgeteilt, die weitgehende Schlüsse zu Ungunsten 
des Tuberkulins erlaubten; was dagegen die Indikation zur Anwendung im 
einzelnen Falle, das Verhalten der individuellen Reaktion zur anzuwendenden 
Dosis betrifft, so scheinen hierfür genügend sichere wissenschaftliche Grund- 
lagen noch nicht vorhanden. 

Dies gilt auch für die Tuberkulindiagnostik. Im übrigen bleibt das 
Tuberkulin das feinste Reagens auf die Anwesenheit von Tuberkelbacillen im 
Körper; die Fehlerquellen scheinen nicht genügend gross, um der Methode 
Abbruch zu tun. 

Dagegen liegt eine Anzahl von Beweisen vor, dass durch den positiven 
Ausfall der Reaktion die Anwesenheit von Bacillen, nicht aber eine tuber- 


368 Infektionskrankheiten. 


kulöse Erkrankung bewiesen wird; positiv Reagierende können gesund sein und 
bleiben; es bedarf zur Uebernahme des Heilverfahrens ausser der positiven 
Reaktion noch anderer klinischer Anhaltspunkte dafür, dass eine Erkrankung 
vorliegt oder zu befürchten ist. 

In der Diskussion bespricht Chefarzt Dr. Kremser (Sülzhayn a. Südharz) 
in ausführlicher Weise seine grossen Erfahrungen, welche darin gipfeln, dass 
bei vorsichtiger Anwendung des Alttuberkulins bis zu 75°/, der im ersten und 
zweiten Stadium befindlichen Kranken bacillenfrei werden; dieses Resultat ist 
um so bemerkenswerter, als nach den statistischen Mitteilungen Weickers 
die Patienten, welche ihre Bacillen am Ende der Kur verloren haben, erfahrungs- 
gemäss eine weit günstigere Prognose für die Zukunft abgeben. Der hoch- 
interessante, auf das sorgfältigste ausgearbeitete und kritisch abgefasste Bericht 
Kremsers verdient von Freunden und Gegnern des Alttuberkulins im Original 
gelesen zu werden. Mit Neutuberkulin machte K. weniger günstige Erfahrungen. 

Sanitätsrat Dr. Hager (Magdeburg) bespricht die Tuberkulinkur vom 
Standpunkt des praktischen Arztes. Er glaubt, dass man durch Tuberkulin- 
impfungen tuberkuloseverdächtiger Schulkinder eine gewisse Immunität, einen 
erhöhten Anstoss zur Autoimmunisierung erzielt. Er rät zur Anwendung von 
TR und TE, welche besser wirken sollen und deren Reaktion man besser be- 
stimmen könne. 

Chefarzt Dr. Pickert (Beelitz) hat bei vorgeschrittenen Fällen, die nach 
längerer Beobachtung keine Besserung zeigten, durch Anwendung der Bacillen- 
emulsion oft erbebliche Besserungen erzielt; in anderen Fällen aber auch ein 
Weitergehen der tuberkulösen Erkrankung, namentlich bei Kranken mit festen, 
teilweise schon in Zerfall begriffenen Infiltrationen, gesehen. Die Verwendung 
des Alttuberkulins zu diagnostischen Zwecken sei nur in Ausnahmefällen nötig; 
meist genügt die klinische Diagnose. Er hat, freilich nur ausnahmsweise. 
schwere Störungen des Allgemeinbefindens nach probatorischen Tuberkulininjek- 
tionen beobachtet, öfters aber Reaktionen, die stärker waren, als es erwünscht ist. 

Prof. Dr. Benda (Berlin) bittet die pathologischen Forschungen dadurch 
zu unterstützen, dass man den Pathologen tuberkulöses Material zugänglich 
macht, das eine Zeitlang einem Heilverfahren unterworfen war und daun zu- 
fällig, etwa durch eine Operation oder durch den Tod an einer interkurrenten 
Erkrankung ‘erhalten wurde. Ganz besonders gelte das für das Tuberkulin. 
Am zweckmässigsten wäre die Schaffung ein Centralstelle für diese Unter- 
suchungen. 

Chefarzt Dr. Rumpf (Friedrichsheim-Baden) ist nach vielen Versuchen 
mit den neueren Tuberkulinpräparaten wieder zum alten Tuberkulin zurück- 
gekehrt, dessen Anwendung am häufigsten bei den Kranken des zweiten Stadiums 
in Frage komme. Uebrigeus solle man auf die Beachtung der Reaktion auch 
in der Lunge sowohl bei der Behandlung, wie bei der diagnostischen An- 
wendung des Tuberkulius mehr Gewicht legen. 

Dr. Schoeler (Berlin) hat über 50 Fälle lokaler Augentuberkulose mit 
Tuberkulin behandelt und ganz ausgezeichnete Erfolge erzielt. Er hat mit 
TO gearbeitet. Auch bei Anwendung des Tuberkulins zu diagnostischen Zwecken 
hat er üble Zufälle nicht geseben. 


Infektionskrankheiten. 369 


Chefarzt Dr. Jo&l (Görbersdorf) berichtet, dass er mit Tuberkulin weiter 
arbeite, ohne besondere Erfolge verzeichnen zu können. Der Lungenbefund 
ändere sich selten derart, dass es für unserere physikalischen Untersuchungs- 
methoden nachweisbar ist. Unter Heilung verstehe er nicht das Verschwinden 
der Bacillen, sondern die sociale Heilung, die es dem Kranken ermöglicht, 
seinem Berufe nachzugehen. 

Chefarzt Dr. Jacubasch (St. Andreasberg) wünscht auch eine Einigung 
über den Begriff „Heilung“. 

Chefarzt Dr. Roeske (Melsungen) tritt gleichfalls für Alttuberkulin ein 
und berichtet, dass man dasselbe eventuell auch zur Bekämpfung leichten Fiebers 
benutzen könne, wie dies auch Dönitz vorgeschlagen hat. 

Prof. Dr. Hammer (Heidelberg) hat seit 4 Jahren in der Heidelberger 
Poliklinik in ausgiebiger Weise Tuberkulin zu diagnostischen und therapeuti- 
schen Zwecken angewandt und berichtet über die günstigsten Erfahrungen. 

Chefarzt Dr. Besold (Falkenstein) hält eine weitere Verfeinerung der 
physikalischen Untersuchungsmethoden, Auskultation, Perkussion und Thermo- 
metrie für wünschenwert. Die Körpertemperaturen sind ausserordentlich 
charakteristisch für das Vorhandensein einer aktiven oder nicht aktiven 
Tuberkulose, während das Tuberkulin die Entscheidung überhaupt nicht gibt. 
Das Tuberkulin sei durchaus nicht nötig, um eine sichere Diagnose zu stellen. 

Geb. Sanitätsrat Dr. Pauly (Posen) möchte, trotz Zustimmung zu den 
Worten des Vorredners, dennoch die diagnostische Anwendung des Tuberkulins 
unter keinen Umständen entbehren. Bei unreinen Herztönen würde er jedoch 
das Tuberkulin niemals diagnostisch anwenden. 

Chefarzt Dr. Pickert (Beelitz) vermischt bei Injektion grösserer Tuber- 
kulindosen den Inhalt verschiedener Flaschen, da er den Eindruck gewonnen 
hat, dass schwere Vergiftungserscheinungen durch die Qualität des Tuberkulins 
bedingt sind. Nun sollte man freilich versuchen, ohne Reaktion auszukommen, 
doch scheinen kleine Reaktionen den Verlauf günstig zu beeinflussen. 

Chefarzt Dr. Köhler (Holsterhausen) bemängelt die günstige Belziger 
Statistik, da prognostisch von vorne ‚herein verschiedenartige Gruppen von 
Material zu den Injektionen herangezogen seien. Die negative Tuberkulin- 
reaktion sei nach den jetzigen Erfahrungen für den Heilungsbegriff nicht 
massgebend. Er warnt, an den bisher veröffentlichten Fällen, die die Gefährlich- 
keit des Tuberkulins beweisen, schweigend vorüberzugehen. Unter Bezugnahme 
auf die von Weber berichtete zu feine Reaktion des Tuberkulins macht er 
die Aufnahme in seine Heilanstalt nicht vom Ausfall der Tuberkulinreaktion 
abhängig. Ist der physikalische Befund noch unklar, so wartet man eben, 
bis die ersten Knistergeräusche auftreten. Ueberdies rät er mit Petruschky, 
bei der therapeutischen Verwertung des Tuberkulins von Zeit zu Zeit eine 
Injectio vacua vorzunehmen, da die Temperatur der Tuberkulösen suggestiv 
beeinflussbar ist. 

Geh.-R. Prof. Dr. Max Wolff (Berlin) kann in der Poliklinik bei der 
Masse der Patienten nicht warten, bis in allen zweifelhaften Fällen auf phy- 
sikalischem Wege die Diagnose sichergestellt ist. In allen verdächtigen Fällen 


370 Infektionskrankheiten. 


wird injiciert, da es im vitalen Interesse des Kranken liegt, möglichst früh- 
zeitig zur Behandlung zu gelangen. 


Die beiden folgenden Vorträge und zwar 

III. Die Verpflegung in den Heilstätten. Berichterstatter: Chefarzt 
Dr. Krebs Planegg). 

IV. Ruhe und Beschäftigung der Kranken in den Heilstätten, 
und: sollen Heilstättenpfleglinge zur Arbeit herangezogen werden? 
(Berichterstatter: Chefarzt Dr. Nahm, Ruppertshain) fassen nur das Altbe- 
kannte referierend zusammen, ohne nene Anregungen zu geben. Bei der vor- 
geschrittenen Zeit findet auch nur eine geringe Diskussion statt. 

Geb.-R. Fränkel, der inzwischen noch Mitteilgpg über eine in der 
Gründung befindliche Dettweiler-Stiftung gemacht hatte, die für Heilstätten- 
ärzte und ihre Hinterbliebenen dienen soll, schliesst die Sitzung mit dem 
Ausdruck der Ueberzeugung, dass in derselben etwas Gutes geleistet sei. 

A. Alexander (Berlin). 


Roepke, Tuberkulose und Heilstätte. Beiträge z. Klinik der Tuberkulose. 
Bd. 3. S. 9. 

In diesem auf dem V1. Verbandstage deutscher Bahnärzte in Metz (11. Au- 
gust 1904) gehaltenen Vortrage erörtert R. die Vorteile, welche die Konzen- 
tration der Kräfte auf ein bestimmtes und eng begrenztes Interessengebiet für 
eine wirksame Tuberkulosebekämpfung bietet. Der Interessenbezirk der 
Pensionskasse für die Arbeiter der Preussisch-Hessischen Eisenbahn-Gemein- 
schaft umfasst 240000 Eisenbahnarbeiter, Handwerker und Hilfsbeamten, 
welche vor ihrer Einstellung in den Dienst auf Kräfte- und Gesundheitszustand 
untersucht werden und deren Arbeits- und Lebensbedingungen eine erhöhte 
Tuberkulosemorbidität nicht bedingen. Unter Zugrundelegung einer Statistik 
des Reichsgesundheitsamtes muss man die Zahl derjenigen unter ihnen, deren 
tuberkulöses Leiden eine Krankenhausbehandlung notwendig bezw. zeitweiliges 
Aufgeben der Berufstätigkeit erforderlich macht, auf rund 1800 Personen 
schätzen. Ihnen stehen zur Zeit die beiden Heilstätten Moltkefels in Nieder- 
Schreiberhau und Stadtwald in Melsungen mit 220 Betten, bezw. bei 12 bis 
13 wöchentlicher Kurdauer, rund 900 Plätzen jährlich zur Verfügung. Es 
können also sämtliche tuberknlösen Mitglieder der Pensionskasse im Laufe 
von 2 Jahren in eine Heilstätte kommen, während im deutschen Reiche nach 
statistischen Berechnungen bei den zur Zeit vorhandenen 8000 Betten nur 
jeder 7. über 15 Jahre alte Tuberkulöse aufgenommen werden kann. Die 
Vorteile der Heilstättenbehandlung sieht R. in folgenden Punkten: 

1. Das unbedingte heilsame Muss zwingt den, fremden Einflüssen ent- 
zogenen, Patienten zur jederzeitigen minutiösesten Befolgung des jeweilig 
Richtigen. 

2. Die Erlaubnis zur Einleitung einer Tuberkulintberapie ist vom Patienten 
erfahrungsgemäss in der Heilstätte leichter zu erlangen, als in der Privat- 
praxis. Die Anwendung des Tuberkulins erfordert eine grosse Erfahrung, wie 
sie nicht jedem praktischen Arzte zur Verfügung steht. Die Durchführung 


Infektionskrankheiten. 371 


der Kur und die dabei notwendige Öftere Beobachtung des Patienten ist in 
der Anstalt leichter’ möglich, als in der Privatpraxis. 

3. Der erzieherische Einflass der Heilstätten ist ein grosser, sie haben 
zu der im letzten Jahrzehnt bemerkbar gewordenen Umstimmung der breiten 
Volksmassen in hygienischen Dingen am meisten beigetragen. 

4. Von je 100 entlassenen Kranken sind 60 bacillenfrei und nur 40 in- 
fektionsfähig, letztere sind aber zu einer Husten- und Spuckdisciplin erzogen 
and gedrillt, die einem Versiegen der Infektionsquelle gleichkommt. 

Roepke tadelt, dass man die Leistungsfähigkeit der Heilstätten nach 
den Dauererfolgen beurteilt ohne Rücksicht auf die allgemeinen hygienischen 
und socialen Verhältnisse, in welche die aus der Heilstätte Entlassenen zurück- 
kehren müssen. Er wünscht demgemäss das Prädikat „geheilt“ durch ein 
„gebessert mit Aussicht auf Dauererfolg“ ersetzt zu sehen. 

Unter Berücksichtigung der Tatsache, ‚dass für den schliesslichen Erfolg 
einer Volkserziehung nicht die Belehrung und das gute Beispiel allein, als 
vielmehr das Bildungsmaterial ausschlaggebend ist — was am besten an dem 
Scheitern aller antialkoholischen Bestrebungen zu erkennen sei — verlangt R., 
dass die Landesversicherungsanstalten die Auslese der Kranken in die Heil- 
stätte nicht allein nach medizinischen, sondern gleichzeitig auch nach mora- 
lischen Gesichtspunkten treffen. 

Da die Volksheilstättenpatienten gleich wieder hinaus ins feindliche Leben 
müssen, so sollen in der somatischen Behandlung des fieberfreien Durchschnitts- 
kranken die übenden Heilfaktoren gegenüber den schonenden in den Vorder- 
grund treten. Die Liegekur ist gegen Ende der Behandlung auf 1—2 Stunden 
zu ermässigen. Leichte körperliche Arbeit im Freien oder in hygienisch ein- 
wandfreien Beschäftigungsräumen und Werkstätten ist zu einem Kurfaktor zu 
erheben. Atemgymnastik, Turnübungen an Widerstandsapparaten, schnelle 
Steigerung der hydriatischen Massnahmen sollen die Widerstandskraft des 
Organismus gegen äussere Einflüsse herbeiführen. 

Der Heilplan der Heilstätten ist zu erweitern. Ausnutzung aller Mittel- 
chen der medikamentösen Therapie, Einrichtung von Inbalatorien, Anschaffung 
von Apparaten der Licht- und Massagetherapie und vor allem Aufnabme des 
Tuberkulins in den Heilschatz! Roepke meint, dass nur diejenigen Heil- 
stätten auf die Dauer segensreich wirken, die sich über die der- 
zeitigen Tendenzen einer engherzigen Auslese der Kranken hin- 
ausheben und andererseits ihre Tätigkeit nicht ausschliesslich 
nach der bureaukratischen Richtung einstellen, die sich für die 
Erhaltung der Erwerbsfähigkeit mehr interessiert, als für den 
Zustand der Erkrankung. A. Alexander (Berlin). 


Kirchner M., Die Verbreitung der Lepra in Deutschland und den 
deutschen Schutzgebieten. Bericht, erstattet auf dem 5. Internatio- 
nalen Dermatologenkongress zu Berlin 1904. Klin. Jahrb. Bd. 14. Jena 
1905. Gustav Fischer. Sep.-Abdr. 18 Ss. 8°. Preis: 0,60 M. 

Der Bericht befasst sich in erster Linie mit der Entstehung, Ver- 
breitung, Erforschung und Bekämpfung der Lepra im Kreise Memel, 


372 Infektionskrankheiten. 


deren Vorhandensein erst um die Mitte der 80er Jahre des vorigen Jahr- 
bunderts bekannt wurde, obwohl ihre Einschleppung aus Russland in 
5 verschiedene räumlich von einander getrennte Herde sich zum Teil bis 
in das Jahr 1848 hat zurückführen lassen. Die Gesamtzahl der dortigen 
Leprakranken, soweit sie amtlich ermittelt werden konnte, betrug 68, von 
denen bis zum September 1904 58 gestorben waren. Im Jahre 1876 waren 
es 10, 1887 20, von 1888—1893 wurden die höchsten Zahlen mit 23—25 
erreicht, dann folgte eine verhältnismässig schnelle merkliche Abnahme. Es 
darf gehofft werden, dass die endemische Lepra im Kreise Memel in abseh- 
barer Zeit verschwindet. Von den 68 Kranken litten 60 an der tuberösen, 
8 an der makulo-anästhetischen Form der Lepra. Innerhalb einzelner Familien 
wurden 5, 7, 8 Mitglieder von Lepra ergriffen, andererseits blieben zahlreiche 
Personen trotz langjähriger inniger Berührung mit Leprakranken völlig gesund. 
Bei einigen verdächtigen Fällen hat es viel Zeit und Mühe gekostet, bis ent- 
schieden war, dass es sich bei ihnen nicht um Lepra handelte. 

Sonst ist Lepra in Deutschland nirgends heimisch, aber Per- 
sonen, die sich im Ausland (vorzugsweise in Indien und Ostasien sowie 
in Südamerika) damit angesteckt hatten, haben sich vorübergehend an 
verschiedenen deutschen Orten aufgehalten. Solcher Fälle gab es in 
Preussen 16, in Bayern 3, in Sachsen 1, io Mecklenburg und Elsass-Lothringen 
je 1, in Hamburg 39. 

Die Anzeigepflicht für Lepra wurde in Preussen und anderen deutschen 
Bundesstaaten 1897 eingeführt; seit 1900 ist ihre Bekämpfung durch das 
Gesetz betreffend die Bekämpfung der gemeingefäbrlichen Krankheiten für 
gauz Deutschland einheitlich geregelt. Das staatliche Lepraheim in Memel 
mit 16 Betten ist seit Juli 1899 im Betrieb. Im September 1904 beherbergte 
es 12 Kranke, darunter 7 aus dem Kreise Memel, 3 aus Bayern. Die Be- 
handlung mit Chaulmograöl scheint von Nutzen zu sein und Stillstand, ja 
Rückgang des Leidens herbeizuführen. Bei zwei Fällen wird behauptet. dass 
Heilung eingetreten sei, doch soll sich erst noch entscheiden, ob sie von 
Dauer ist. Alle Leprakranke, welche in das Lepraheim aufgenommen werden, 
erfahren eine Besserung und ihr Leben wird merklich verlängert. 

Die Angaben über das Vorkommen von Lepra in den deutschen 
Kolonien können natürlich nur allgemein gehalten sein. In Deutsch-Öst- 
afrika ist sie an der Küste und im Innern verbreitet, aber nur in ein- 
zelnen Fällen. Die Regierung hat dort 2 Leproserien errichtet, welche in- 
dessen nicht genügen und durch zwei neue ergänzt werden sollen. Auch in 
Togo und Kamerun ist Lepra verbreitet, dagegen scheint sie in Süd- 
westafrika zu fehlen. Auf den deutschen Südseeinseln und in Deutsch- 
Neu-Guinea kommt sie vor, aber anscheinend nicht in grosser Verbreitung. 

Globig (Berlin). 


Friedel, Typhushäuser. Zeitschr. f. Med.-Beamte. 1905. S. 38. 

Verf. bekämpft die von Richter in derselben Zeitschrift 1904 S. 840 
vertretene Anschauung, dass die Typhusbacillen in den Typhushäusern 
sich länger, als man bisher glaubt, im Staub, wie Erdboden, in Dielenritzen, 


Infektionskrankheiten. 373 


im Mauerwerk der Häuser lebend erhalten können und zur Neuinfektion führen. 
Nach Friedels Ansicht beruht die Existenz solcher Typhushäuser meist, wenn 
nicht stets, auf der Anwesenheit eines Bacillenträgers, der jedenfalls zunächst 
mit Sicherheit ausgeschlossen werden muss, ehe andere Erklärungen in Frage 
kommen. Verf. gibt Fälle an, bei denen die Erkrankung 4—16 Monate zu- 
rücklag und bei denen in jeder Stublprobe Bacillen fast in Reinkultur nach- 
gewiesen werden konnten. Wie lange Zeit noch diese Bacillenträger die Keime 
ausscheiden werden und ob sie überhaupt jemals frei von ihnen werden, ent- 
zieht sich vorläufig der Beurteilung. Als prächtig wirkendes Mittel für solche 
Bacillenträger wird das Urotropin empfohlen. Ohne Zweifel bleiben diese 
Bacillen vollvirulent, wofür zwei eklatante Beispiele angegeben werden. Es 
empfiehlt sich demnach in Typhushäusern systematische Stubl- und Urinunter- 
suchungen anzustellen; die Mühe wird sicherlich oft belohnt werden. 
Engels (Gummersbach). 


Riehter, Erwiderung zu vorstehendem Aufsatz von Friedel. Zeitschr. 
f. Med.-Beamte. 1905. S. 40. 

R. bält nach den Erfahrungen des täglichen Lebens die genesenen Bacillen- 
träger nur in sehr beschränkter Weise für geeignet, durch ihre Ausleerungen, 
Kot und Urin, Typbuskeime auf ihre Umgebung zu übertragen, schon des- 
wegen, weil ein Genesener seinen Stuhl und Urin nicht, wie der Kranke, im 
Bett oder in die Bettschüssel, sondern in das Kloset entleert und sich dabei der 
Reinlichkeit befleissigt, welche der oft bewusstlose Patient nicht anwenden kann. 
In grösseren Städten lässt der Bacillenträger seinen Stuhl mit den Bacillen in 
das Kloset, von wo diese in die Dunggrube oder in den Kanal gelangen und 
schon nach 1—2 Tagen von Fäulnisbakterien überwuchert werden; auf dem 
Lande, falls der Stubl in den Abtritt gelangt, werden die Bacillen ebenfalls 
sehr bald von den Antagonisten überwuchert. Im Freien abgelegte Stühle ver- 
lieren sehr bald ihre ansteckende Wirksamkeit, indem die in ihnen haftenden 
Bacillen durch die Sonnenstrahlen unbedingt vernichtet werden. Es gehört 
mithin schon ein gewisses Zusammentreffen mehrfacher glücklicber Umstände 
dazu, sich vom Stuble eines Bacillenträgers ohne weiteres anzustecken. Was 
den Urin anbetrifft, so sind die einzelnen Entleerungen der Blase-in Kloset 
und Pissoirs nicht geeignet, eine Gefahr zu erzeugen, da sie fortgespült werden; 
der Urin, der einzeln im Freien abgesetzt wird, verliert durch Fäulnis und 
eventuelle Einwirkung der Sonnenstrahlen seine Infektiosität. Der Bacillen- 
träger bietet daher eigentlich nur eine Gefahr für die Dienerschaft, die sein 
Nachtgeschirr von Urin reinigt. Engels (Gummersbach). 


Jehle L, Ueber zwei Dysenteriefälle mit erfolgreicher Behandlung 
mit „Kruse-Serum“. Aus d. Gesellschaft f. innere Med. u. Kinderheilk. 
in Wien. Pädiatrische Sektion. Wien. med. Wochenschr. 1905. No. 48. 
S. 2316. 

Die beiden Fälle betreffen einen 4!/,jährigen Knaben und ein 21/, jähriges 

Mädchen, bei welchen im Stuhl reichlich Dysenteriebacillen „Kruse-Shiga* 

nachgewiesen warden. Nach subkutaner Injektion von 25 cem Serum besserte 


374 Infektionskrankheiten. 


sich in eklatanuter Weise das Allgemeinbefinden, während die subfebrile Tem- 
peratur unverändert anhielt und ausserdem in den Stühlen, die an Zahl etwas 
weniger geworden waren, noch regelmässig Dysenteriebacillen gefunden wurden. 
Bemerkenswert ist die Beobachtung, dass die Colibakterien fast gänzlich in 
frischen Dysenteriefällen fehlten. Die Wirkung des Serums ist eine anti- 
toxische; ein Einfluss auf die Bakterien ist nicht zu erkennen. 

Zum bequemen und raschen Nachweis der Darmflora speciell bei Ruhr- 
fällen wird ein Nährboden aus 1 Teil Rinderserum, 3 Teilen physiolo- 
gischer NaÜl-Lösung, dem 1°/, Mannit und Lakmus bis zur Blaufärbung zu- 
gesetzt ist, empfohlen. Die Flüssigkeit wird in der Menge von Iccm in 
Röhrchen gefüllt und sterilisiert, darauf erfolgt Impfung von den Kolonien 
der Agarstrichplatte. Reaktion schon nach wenigen Stunden deutlich; Coli- 
bacillen (Rotfärbung), Dysenteriebacillen keine Aenderung. 

Nieter (Halle a.S.). 


Hoke E., Ueber die aggressive Wirkung von Diplokokkenexsudaten. 
Aus dem bakt. Laborat. der med. Universitätklinik in Prag. Wien. klin. 
Wochenschr. 1905. No. 14. S. 348. 

Bails „Aggressinlehre“ veranlasste den Autor, auch den Diplococcus 
pneumoniae auf „Aggressinwirkung“ zu untersuchen. Diplokokkenexsu- 
date von Kaninchen (Pleura) wurden centrufigiert und toluoliert, mit den 
sterilen Exsudaten, die der Autor‘ der Kürze halber mit „Aggressin“ be- 
zeichnet, wurden eine Reihe von Versuchen angestellt. 

Zwei gleich schweren Kaninchen wurden je 1 ccm frischen Diplokokken- 
exsudates intrapleural injiciert; in einem Falle mit, im 2. Falle obne Beigabe 
von „Aggressin“. Das eine Tier starb in 14, das 2. Tier in 87 Stunden. 
Analog verliefen noch mehrere andere Versuche, bei welchem z.T. statt „Exsu- 
dat“ Exsudatkokken injieiert wurden: auch bei intravenöser Injektion von 
„Aggressin“ post infectionem liess sich eine Abkürzung der Krankheitsdauer 
feststellen. In anderen Fällen, die leider nicht mit der gleichen Ausführlich- 
keit besprochen worden, liess das Exsudat keine „Aggressin“wirkung, sondern 
im Gegenteil eine Schutzwirkung erkennen. 

Derartige Differenzen, wie sie auch Bail bei seinen Versuchen beobachtet 


hat, will der Autor in weiteren Versuchen aufklären. Tiere, die wieder- 
holte Injektionen von „Axgressin“ bekommen, sind vor der Diplokokken- 
infektion geschützt oder zeigen — wie der Autor sagt — „wenn man will, 


einen ‚antiaggressiven‘ Zustand“. Es muss nach Anschauung des Referenten 
fraglich erscheinen, ob durch die weitgehende Verwendung der Ausdrücke 
„Aggressin“ bezw. „Antiaggressin“ die Uebersichtlichkeit der Versuchsergebnisse 
gewinnt, da bisher keineswegs bewiesen ist, dass den von Bail und seinen 
mit- bezw. Nacharbeitern besprochenen „Aggressinen“ in der Tat die von 
ihnen vermuteten Substanzen zu Grunde liegen. Grassberger (Wien). 


Infektionskrankheiten. 375 


Viach, Aat., Ein Beitrag zur Kenntnis der Pneumokokkensepsis als 
Sekundärinfektion. Aus d. II. med. Klinik d. deutsch. Universität in 
Prag. Deutsch. med. Wochenschr. 1905. No.39. S. 1533. 

Zunächst wird Krankheitsgeschichte und Leichenbefund eines Falles mit- 
geteilt, in welchem bei einem älteren, dem Trunk ergebenen Mann an eine 
regelrechte croupöse Lungenentzündung Sepsis mit Erscheinungen 
von Hirnbautentzündung sich anschloss und im Blut und in der Rücken- 
marksflüssigkeit bei Lebzeiten und nach dem Tode ausschliesslich 
in grosser Zahl die Fraenkel-Weichselbaumschen Doppelkokken ge- 
fanden wurden. 

Daran schliesst sich die Schilderung und Besprechung eines Falles von 
Sepsis im Gefolge einer Frühgeburt, bei welchem es sich um eine 
Mischinfektion von Pneumokokken und Kettenkokken gehandelt hat. 
Die ersteren wurden bei Lebzeiten im Auswurf und sehr zahlreich im Blut 
nachgewiesen, in der Leiche fanden sie sich zusammen mit Kettenkokken in 
einer Blutung zwischen den Hirnhäuten und die letzteren allein in Infarkten 
der Milz und Leber. Globig (Berlin). 


v. Lingelsheim, Berichte über die in der Hygienischen Station zu 
Beuthen O.-S. vorgenommenen bakteriologischen Untersuchungen 
beiepidemischer Genickstarre. 3. Bericht vom 16. Juni 1905 über 
die Zeit vom 1.—15. Juni. 4. Bericht vom 2. Juli 1905 über die Zeit 
vom 16.—30. Juni. Deutsche med. Wochenschr. 1905. No. 31. S. 1217. 

Als das Wichtigste ist aus den Berichten hervorzuheben, dass der Verf., 
wenn er wenige Stunden nach dem Tode Untersuchungen der Gehirn- 
häute, des Blutes, der Milz, des Rachens vornehmen konnte — bisher 
ist das bei 33 Leichen geschehen — jedes Mal den Meningococcus intra- 
cellularis in Reinkultur fand. In einigen dieser Fälle konnte er aber 
schon 24 Stunden später nicht mehr nachgewiesen werden. 

Ferner ist es dem Verf. gelungen, bei einer Affenart durch Einspritzung 
in den Rückenmarkskanal schwere Krankheitserscheinungen hervorzurufen, 
welcbe in der Hauptsache denen der .Genickstarre des Menschen eutsprachen. 

Globig (Berlin). 


Spill, Bruno, Ueber die Meningitis cerebrospinalis nach 60 im Knapp- 
schaftslazarett zu Zabrze während der Epidemie 1904/05 beob- 
achteten Fällen. Dissertation. Breslau 1905. 

Die beobachteten Fälle betrafen zu 14 °/, Kinder unter einem Jahr, 35 %/, 
solche von 1—5 Jahren, 30 %, 5—10 Jahren, 10%, von 10—16 Jahren, Er- 
wachsene 50/. Es wurden Formen gesehen, die in 16—90 Stunden zum 
Exitus kamen, und andererseits solche, die nach 30—50 tägiger Dauer noch 
genesen sind. 54 mal wurden Weichselbaumsche Diplokokken mikroskopisch 
in der Punktionsflüssigkeit nachgewiesen. Die Prüfung des Blutserums auf 
Agglutination ergab meistens ein negatives Resultat, auch wenn in der Lum- 
balpunktionsflüssigkeit Meningokokken nachgewiesen waren. 

Manteufel (Halle a. S.). 


376 Infektionskrankheiten. 


Mäckel Th. (Gelsenkirchen), Beitrag zur Epidemiologie und Bakterio- 
logie der Meningitis cerebrospinalis-Epidemien. Deutsche Aerzte- 
Ztg. 1905. No. 22. 

Beschreibung von 6 Fällen epidemischer Genickstarre, bei denen die 
Diagnose aus den klinischen Erscheinungen und durch mikroskopische Unter- 
suchung gestellt wurde. 4 Fälle betrafen kleine Kinder, 2 Erwachsene. In den 
vier ersten Fällen wurden die Weichselbaumschen Kokken in der Lumbal- 
punktionsflüssigkeit gefunden und auf Glycerinagarplatten, die mit menschlichem 
Blut bestrichen waren, zur Entwickelung gebracht. In den beiden letzten Fällen 
wurde keine Lumbalpunktion gemacht. Bei der Sektion fand man zwar im 
Eiter der Meningen charakteristisch aussehende gramnegative Doppelkokken; 
doch gelang die Züchtung nicht. In den Fällen, wo die Züchtung gelungen 
war, konnten die von Weichselbaum geforderten Merkmale bestätigt werden; 
das wechselnde Verhalten gegenüber der Gramfärbung und grosse Widerstands- 
fähigkeit ausserhalb des Organismus, wie das von Jäger angegeben worden 
ist, wurden nicht beobachtet. Manteufel (Halle a. S.). 


Silberschmidt, Ueber zwei Fälle von Gerebrospinalmeningitis. Ge- 
sellsch. d. Aerzte in Zürich. 2. Sommersitzung 24. Juni 1905. Korrespon- 
denzbl. f. Schweizer Aerzte. Jahrg. 35. No. 21. S. 683, 

In dem einen tödlich endenden Falle wurde der sogenannte Meningo- 
kokkus, Meningococcus intracellularis meningitidis (Weichselbaum) in der 
intra vitam punktierten Cerebrospinalflüssigkeit, sowie post mortem im Eiter, 
der sich in den Seitenventrikeln an der Gehirnbasis und an der Dorsalseite 
des Rückenmarkes abgelagert hatte, nicht aber im Herzblute nachgewiesen. 

In dem zweiten Falle fand sich mikroskopisch und kulturell in der punk- 
tierten Flüssigkeit (Lumbalpunktion) nicht der Meningokokkus, sondern ein 
dem sogenannten Pneumokokkus bezw. Streptococcus lanceolatus entsprechen- 
der Mikroorganismus. Die Diagnose dieses letzten Falles war mit Hinsicht 
auf den vorausgegangenen Verlauf auf Meningitis tuberculosa gestellt. Der 
weitere Krankheitsverlauf zeigte kritischen Fieberabfall unter Schweissausbruch, 
völliges Verschwinden der Nackensteifigkeit und der Genickschmerzen und Auf- 
treten von Husten und spärlichen Rasselgeräuschen (r. Oberlappen). Dämpfung 
und Bronchialatmen waren aber nicht nachweisbar. Die Meningitis war also 
sekundärer Natur, durch latente Pneumonie veranlasst. Bemerkenswert ist 
noch, dass schon am ersten Tage nach der Lumbalpunktion Nackensteifigkeit 
und Genickschmerzen ganz wesentlich gesinger geworden waren. 

Nieter (Halle a.S.). 


Cohn, Paul, Eine primäre, nicht gonorrhoische Urethritis mit auf- 
fallend reichlichen Influenzabacillen. Aus der Hauptstation des 
Städtischen Krankenhauses in Frankfurt a.M. Deutsche med. Wochenschr. 
1905. No. 29. S. 1152. 

Krankengeschichte und Besprechung eines Falles von Tripper mit eigen- 
tümlich zäher schleimig-glasiger Absonderung, im weiteren Verlauf mit Neben- 
hodenentzündung und Blasenkatarrh verbunden, bei welchem durch Mikroskop 


Infektionskrankheiten. 377 


und Kultur (Taubenblutseram) Kapselbacillen und Influenzabacillen, aber 
keine Tripperkokken festgestellt wurden. Globig (Berlin). 


Martini, Erich, Ueber einen gelegentlichen Erreger von Sepsis puer- 
peralis. Aus d. hyg. Untersuchungsanstalt d. Marinestation d. Nordsee in 
Wilhelmshaven. Deutsche med. Wochenschr. 1905. No. 33. S. 1307. 

Bei einem Fall von Sepsis im Wochenbett hat der Verf. aus dem Blut 
der Armblutader, später auch aus der Absonderung der Gebärmutter und aus 
dem Haru ein Bakterium gezüchtet, welches er zwar als den Colibakterien 
nahestehend erklärt, aber als B. haemolyticum besonders bezeichnet, weil 
es in hervorragendem Masse die Eigenschaft besitzt, rote Blutkörperchen in 
grosser Menge und in kurzer Zeit zu zerstören. Globig (Berlin). 


Detre L. und Seilei J., Die hämolytische Wirkung des Tetanusgiftes. 
Aus dem Laboratorium des Jenner-Pasteur-Instituts in Budapest. Wien. klin. 
Wochenschr. 1905. No. 18. S. 451. 

Die Autoren hatten in einer früheren Arbeit nachzuweisen versucht, dass 
die blutzellenvergiftende (hämolytische) Wirkung des Sublimats durch die 
Blutzellenlipoide vermittelt werde und dass eben dieselben Lipoide, wenn sie 
in der Blutflüssigkeit enthalten sind, infolge ihrer Verwandtschaft zum Sublimat 
als Gegengifte wirken. Sie hatten bereits damals die Vermutung ausge- 
sprochen, dass etwa diese Jipoide sich, nicht nur gegenüber Sublimat, sondern 
auch gegenüber anderen Giften, z. B. Bakteriengiften als Gegengifte thera- 
peutisch verwenden lassen. Vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit dem Ver- 
halten der Lipoide gegenüber dem Tetanolysin. 

Einige Schwierigkeiten, welche sich infolge der schon von Madsen be- 
tonten geringen Haltbarkeit der Tetanolysinlösungen herausstellten, konnten 
durch strenge Beachtung bestimmter Versuchsbedingungen überwunden werden. 
Es gelang auf diese Weise festzustellen, dass Tetanolysinlösungen ähnlich wie 
Sublimat auf gewaschene isolierte Blutzellen stärker wirken als auf native 
(in Blutflüssigkeit befindliche). Das Serum wirkte also schützend, und es 
konnte ebenso wie bei den „Sublimatversuchen“ gezeigt werden, dass aus dem 
Serum durch Ausschütteln mit Aether nnd Benzin die schützende Substanz 
ausgezogen wird. Auch sonst ergaben sich manche Analogien im Verhalten 
von Sublimat bezw. Tetanolysin zu den im Seram bezw. in den Blutkörperchen 
enthaltenen schützenden Substanzen. 

Die Autoren kommen auf Grund ihrer Untersuchungen zu dem Schluss, 
dass die normalen Antikörper im Gegensatz zu den immunen Antikörpern 
durch einige, als Produkt des normalen Stoffwechsels ständig in die Körper- 
säfte tretende fettartige Lipoidstoffe dargestellt werden. Diese Stoffe sollen 
nach D. und S. ganz allgemein eine Affinität zu zahlreichen antigenen und 
nichtantigenen Giftstoffen besitzen. Grassberger (Wien). 


378 Infektionskrankheiten. 


Kisskalt, Zur pathogenetischen Bedeutung des Bacillus funduli- 
formis. Aus d. hygien. Institut d. Univers. in Giessen. Deutsche med. 
Wochenschr. 1905. No. 32. S. 1270. 

Im stinkenden Eiter eines Abscesses, der mit einer Ausschwitzung 
innerhalb der Bauchhöble einer jungen Frau in Zusammenhang stand, fand 
der Verf. Stäbchen, welche nur bei Sauerstoffausschluss und nur bei 
Brütwärme in Ketten und Fäden wuchsen, vielfach gequollene und kugelig 
aufgetriebene Formen und wechselnde Grösse zeigten, schlecht färbbar waren 
und bei Kaninchen nach Impfung unter die Haut oft Schwellung, Knistern 
und Abscessbildung hervorriefen. Der Verf. spricht sie als übereinstimmend 
mit dem zuerst von Halle, später von Courmont und Cade sowie neuer- 
dings von Ghon und Sachs beschriebenen Bacillus funduliformis 
(schleuderförmig) an. 

Das anaerobische Wachstum gab Anlass, bei der Behandlung des Abs- 
cesses Sauerstoff in der Form von Wasserstoffsuperoxyd mit gutem Erfolg 
anzuwenden. Globig (Berlin). 


Vincent H., Ueber die Entdeckung der durch den Bacillus fusiformis 
verursachten Angina. Deutsche med. Wochenschr. 1905. No. 28. S. 1119. 
Der Verf. behauptet, dass die von Plaut 1894 beschriebene Form von 
Angina sich klinisch wesentlich von der durch den Bac. fusiformis 
hervorgerufenen unterschieden habe, und dass Plaut keine Beschreibung 
des von ihm dabei gefundenen Mikroorganismus gegeben hätte, aus welcher 

seine Uebereinstimmung mit dem Bac. fusiformis hervorginge. 

Globig (Berlin). 


Plaut H. C., Antwort auf vorstehende Bemerkungen. Deutsche med. 
Wochenschr. 1905. No. 28. S. 1119. 

Der Verf. weist Vincent gegenüber darauf hin, dass Bareggi schon 
1895 an 10 Fällen seine (Plauts) Beobachtungen über die eigentümliche An- 
ginaform mit dem Bac. fusiformis bestätigt habe, dass also die Beschreibung 
derselben doch wohl ausreichend gewesen sein müsse. Auch habe er 
noch kürzlich in Hamburg an seinen aus den Jahren 1892 und 1893 stammen- 
den Präparaten gezeigt, dass es sich damals um den Bac. fusiformis 
gehandelt hat. Globig (Berlio). 


Doerr, Ueber Spirilum pyogenes Mezincescu. Uentralbl. f. Bakteriol. 
Bd. 38. S. 15. 

In einem Falle von doppelseitiger eitriger Pleuritis und eitrig-hämorrha- 
gischer Pericarditis fand Verf. als einzigen Mikroorganismus in grossen Mengen 
ein bereits von Mezincescu (vergl. d. Zeitschr. 1904. S. 694) beschriebenes 
kleines Spirillum, das öfter durch Aneinanderlagerung mehrerer Einzelindi- 
viduen schöne lange Schraubenwindungen bildete. Dasselbe war unbeweglich, 
schwer färbbar, gramnegativ. Kulturversuche misslangen anfangs. Nachdem 
jedoch eine intraperitoneal mit dem Eiter geimpfte Maus nach 48 Stunden 
verendet war, liessen sich die Spirillen aus dem Peritonealexsudat, in welchem 


Infektionskrankheiten. 379 


sie in ungehearen Mengen vorhanden waren, in Bouillon züchten. Das Wachs- 
tum erfolgte sehr langsam, in den ersten Tagen mit einer zarten, seidenartig 
glänzenden Trübung, später mit grauweisslichem Bodensatz bei fortbestehender 
gleichmässiger Trübung der Flüssigkeit. Ueberimpfungen in Bouillon gelangen 
stets leicht. Auch auf Serum- und Ascitesagar konnten kleine, influenzaähn- 
liche Kolonien erzielt werden, deren Uebertragbarkeit aber schon mit der 
3. Generation erlosch. Der Mikroorganismus bedarf zum Wachsen freien 
Sauerstoffs und Bruttemperatur. Für die üblichen Laboratoriumstiere ist er an- 
scheinend nicht pathogen; die mit Eiter geimpfte Maus war offenbar nicht an 
einer Infektion, sondern an einer Intoxikation zu Grunde gegangen, da das 
Berzblut steril war und weitere Uebertragungen mit dem Bauchböhleninhalt 
dieses Tieres misslangen. Trotzdem ist Ursache vorhanden, das Spirillum als 
den Erreger der eitrigen Pleuroperikarditis zu betrachten. 
Beitzke (Berlin). 


Blaschko A., Syphilis als Berufskrankheit der Aerzte. Berl. klin. 
" Wochenschr. 1904. S. 1349. 

Weitaus die meisten Primäraffekte der im ärztlichen Beruf erworbenen 
Syphilis sitzen begreiflicherweise an den Fingern. Die Diagnose wird, 
wie nicht selten bei extragenitalem Sitz, oft erst sehr spät gestellt. Besonders 
wenn der Herd das Aussehen eines Panaritiums hat, legen der lange Bestand, 
die bläuliche Infiltration und der sich schmierig belegende Grund der Wunde 
erst den Verdacht auf Syphilis nahe. In anderen Fällen ist der Primäraffekt 
klein, wenig schmerzhaft und heilt schnell; auch dann entgeht das Leiden zu- 
nächst der Diagnose. 5 

Die Infektion erfolgt durch Wunden, welche dem Arzte während der 
Operation an syphilitisch erkrankten Geweben zugefügt werden, oder häufiger 
ivfolge Eindringens des Giftes in schon bestehende, aber übersehene oder nicht 
hinreichend geschützte Wunden. 

Einen absoluten Schutz gegen die Gefahr der syphilitischen Infektion 
gibt es nicht; man kann nur versuchen, derselben durch Vorsicht bei Prüfung 
der Kranken und hinsichtlich der eigenen Hände und Finger möglichst zu 
beregnen. 

Haben alle Schutzmittel jedoch versagt, so kann nur ganz schnelles Ein- 
greifen noch wirken. Von den Desinfektionsmitteln erscheint Argentum nitricum 
als ungeeignet. Auch blosse Sublimatwaschungen der Wunden sind nicht aus- 
reichend. Verdächtige Stichwunden möge man mit einfachem Wasser reichlich 
auswaschen und dann Jodtinktur in den Stichkanal fliessen lassen; vielleicht 
eignet sich das neue Mercksche Wasserstoffhyperoxyd dazu noch besser. 

Der syphilitisch erkrankte Arzt muss sich operativer Eingriffe, gynä- 
kölogischer Untersuchungen u.s.w. enthalten, solange der Primäraffekt am 
Finger besteht oder wenn an den Händen sich ein Recidiv in Form einer 
Paronychie, einer nässenden, rhagadenbildenden oder ulcerierten Papel zeigt. 
Man kann vielleicht auch verlangen, dass, wenn an der Hautoberfläche sich 
slbst trockene, von Epidermis bedeckte Exantheme finden, Roseolaflecke, 
schuppende Papeln u.s. w., der Arzt sich von allen solchen Eingriffen fern- 


380 Infektionskrankheiten. 


halten soll. Aber die gleiche Forderung für die recidivfreien Zeiten würde 
zu weit gehen. Würzburg (Berlin). 


Hoffmann, Die Bedeutung der neueren Versuche, Syphilis auf Tiere 
zu übertragen. Berl. klin. Wochenschr. 1905. No. 6. S. 154. 

Kurzes Sammelreferat. Roux und Metschnikoff gelang es zuerst in 
einwandsfreier Weise, Syphilis auf antbropomorphe Affen (zwei Schimpansen) 
zu übertragen. Unter 12 von denselben Forschern geimpften Makaken er- 
krankten vier mit bald wieder verheilenden lokalen Erosionen. bezw. Papeln, 
die aber nicht von Allgemeinerscheinungen gefolgt waren. Aus der Gering- 
fügigkeit und der kurzen Dauer dieser „Primärläsionen“ ziehen die Autoren 
den Schluss, dass es sich um abgeschwächte Syphilis handle. Ein von einer 
solchen Primärläsion bei Makaken geimpfter Schimpanse bekam nur geringe 
örtliche Erscheinungen; eine spätere Impfung desselben Tieres mit mensch- 
lichem Syphilisvirus blieb erfolglos. Die Verff. wollen hieraus schliessen, dass 
die erste Impfung mit von Makaken stammendem syphilitischen Virus den 
Schimpansen gegen menschliches Syphilisgift immunisiert: habe. Jedoch ist 
dieser Schluss mit Vorsicht aufzunehmen. A. Neisser gelang die Lebertragung 
von Syphilis auf Makaken nicht, wohl aber auf verschiedene Species anthropomor- 
pher Affen. Das durch Berkefeldkerzen filtrierte Syphilisgift war unwirksam, 
ebenso das defibrinierte Blut und das Blutserum Syphilitischer; letzteres ver- 
mochte selbst in grossen Mengen (422 ccm) einen Schimpansen nicht vor 
einer späteren syphilitischen Infektion zu schützen. Uebertragung der 
Syphilis auf Haus- und Laboratoriumstiere ist bisher in einwandsfreier Weise 
nicht gelungen. Bei dem Pferde Piorkowkis liegt wahrscheinlich ein Serum- 
exanthem vor. Die Herstellung eines Syphilisheilserums ist also vorläufig 
noch im weiten Felde und keine so sehr notwendige Forderung, da wir ja in 
Quecksilber und Jod vorzügliche Heilmittel besitzen. Beitzke (Berlin). 


Reischauer, Ein weiterer Spirochaetenbefund bei hereditärer Lues. 
Aus d. bygien. Institut d. Univers. in Jena. Deutsche med. Wochenschr. 
1905. No. 34. S. 1350. 

Der Verf. verfertigte von einem totgeborenen Kind einer syphilitischen 
Mutter je 20 Ausstrichpräparate von Blut und den frischen Schnittflächen der 
Leber, Milz, Lunge und Niere. Mit der Giemsaschen Färbung fand er in 
jedem Ausstrich der Leber mehrere Individuen der Spirochaete pallida; 
in der Milz und Lunge waren sie nur ganz vereinzelt vorhanden, in der 
Niere und dem Blut fehlten sie. Auch der Nachweis in Schnitten der 
Leber gelang nicht. Globig (Berlin). 


Oppenheim M. und Sachs 0., Eine einfache und schnelle Methode zur 

deutlichen Darstellung der Spirochaete pallida. Aus der k.k. 

. Universitätsklinik f. Syphilidologie u. Dermatologie in Wien. Deutsche med. 
Wochenschr. 1905. No. 29. S. 1156. 

Wenn die recht dünn bestrichenen Deckgläser, welche an der Luft ge- 

trocknet werden müssen und nicht in der Flamme fixiert werden dürfen, mit 


Infektionskrankheiten. 381 


alkoholischer Karbol-Gentianaviolettlösung über einer Flamme er- 
wärmt werden, bis Dampfwolken aufsteigen, so färbt sich die Schaudinnsche 
Spirochaete pallida sehr deutlich blau. Die Verf. empfehlen dies 
Färbeverfahren, weil es besondere Uebung weder bei der Herstellung der Prä- 
parate noch beim Aufsuchen der Spirochaeten erfordert. 

Globig (Berlin). 


Nigris, Guido, Spirochaete pallida und refringens nebeneinander im 
Blut bei hereditärer Lues. Aus der Universitäts-Kinderklinik in Graz. 
Deutsche med. Wochenschr. 1905. No. 36. S. 1431. 

Im Blut aus einem „maculo-papulösen“ Ausschlag mit unversehrter 
Oberhaut von der Fusssohle eines 1 Monat alten Kindes mit vererbter Syphilis 
fand der Verf. zahlreich die Spirochaete pallida und etwas seltener 
die Spirochaete refringens. Die erstere allein konnte er im kaum ge- 
trübten Inhalt einer 48 Stunden alten Blase nachweisen, die er durch 
Spanisch-Fliegenpflaster auf gesunder Haut erzeugt hatte. Blut aus den Ohr- 
läppchen und Milzsaft des Kindes, welcher durch Einstich gewonnen war, 
enthielten keine Spirochaeten. Globig (Berlin). 


Grouveu C. und Fabry H., Spirochaeten bei Syphilis. Aus d. Universi- 
tätsklinik f. Syphilis u. Hautkrankheiten in Bonn. Deutsche med. Wochen- 
schr. 1905. No. 37. S. 1469. 

Die Verff. teilen ihre Befunde bei 20 Syphilisfällen mit. Sie haben mit 
der Zeit und mit wachsender Uebung die Spirochaete pallida weit 
regelmässiger und zahlreicher als im Anfang ihrer Untersuchungen mit 
der Giemsaschen Färbung und mit Karbolfuchsin in syphilitischen Verände- 
rungen aller Art nachgewiesen. Sie heben besonders hervor, dass sie sie 
bei 2 Fällen von ererbter Syphilis aufgefunden haben, einerseits in der 
Milz und Leber einer totfaulen Frucht, andererseits in den Granulationen 
einer sypbilitischen Verdickung am Kinn eines 2monatigen Kindes. 

Globig (Berlin). 


Scholtz W., Ueber den Spirochaetennachweis bei Syphilis. Aus d. 
hygien. Institut d. Universität u. d. Universitäts-Poliklinik f. Hautkranke in 
Königsberg i. Pr. Deutsche med. Wochenschr. 1905. No. 37. S. 1467. 

Der Verf. hat die Spirochaete pallida teils allein, teils zusammen mit 
der Spirochaete refringens bei 50 Fällen von syphilitischen Gewebsverände- 
rangen, namentlich bei „erodierten Primäraffekten“, bei Feig- 
warzen und „Plaques“, seltener und spärlicher bei unverletzten 
syphilitischen Papelu gefunden. Er traf sie auch im Pemphigus-Blasen- 
iphalt bei 2 von 3 Kindern mit ererbter Syphilis, konnte sie aber 24 und 
34 Stunden nach dem Tode dieser Kinder in deren inneren Organen nicht 
nachweisen. Er empfiehlt dringend zunächst die Untersuchung im hängenden 
Tropfen ohne Färbung, weil sich hierbei die Spirochaete pallida leichter von 
der refringens unterscheiden lässt. Gute Färbungen erhielt er mit dem 


382 Infektionskrankheiten. 


Giemsaschen Verfahren, mit Krystallviolett (Pfeiffer) und mit Karbol- 
Gentianaviolett (Sachs). Das verhältnismässig seltene und spärliche Vor- 
kommen der Sp. pallida in syphilitischen Krankheitserzeugnissen mit unver- 
sehrter Hautbedeckung und, dass er sie in einem wenn auch nur vereinzelten 
Fall von spitzen Feigwarzen fand, veranlassen ihn, zur Vorsicht bei 
der Beurteilung ihrer ätiologischen Bedeutung zu mahnen trotz der 
auch nach seinen Untersuchungen auffallenden und beachtenswerten Häufigkeit 
ihres Vorkommens in syphilitisch veränderten Geweben. 

à Globig (Berlin). 


Kieseritzki G. und Bornhaupt L., Ueber einige unter dem Bilde der 
Aktinomykose verlaufende Affektionen. Aus d. chir. Abt. d. städt. 
Krankenh. in Riga. Arch. f. klin. Chir. Bd. 76. H. 4. S. 835. 

Die Verf. berichten über 10 unter dem klinischen Bilde der Aktino- 
mykose verlaufende Krankheiten. Zur Erörterung der Frage, ob diese durch 
verschiedene Mikroorganismen veranlassten Krankheiten auch Unterschiede in 
den durch sie hervorgerufenen Krankheitsbildern ergeben würden, gibt der 
eine (Kiseritzki) eine genaue Darstellung des bakteriologischen Befundes, 
während der andere (Bornhaupt) das klinische Verhalten beschreibt. 

Actinomyces bovis et hominis wurde einmal unter den 10 Fällen nach- 
gewiesen; Cladothrix liquefaciens (Hesse) 2 mal. In 3 Fällen wurden Pilze 
ähnlich dem von Berestenew gezüchteten gefunden, die sich im Gewebe 
von Actinomyces bovis et hominis nicht unterschieden, zwischen denen, wenn 
auch spärlich, Fäden beobachtet wurden. Aus zwei Fällen wurden Pilze ge- 
züchtet, die im mikroskopischen Bilde Stäbchen — ähnlich dem von Sawt- 
schenko beschriebenen — erkennen liessen. Die beiden letzten Fälle zeigten 
mikroskopisch Kurzstäbchen, Ketten von Kurzstäbchen, Fäden oder kokkoide 
Formen; im Tierversuch wiesen sie verschiedenes Verhalten (der eine nicht 
pathogen und auf künstliche Nährböden leicht übertragbar) auf. Verff. 
weisen sie bezüglich ihrer Stellung, wegen ihres komplicierten Baues, unter 
die höher organisierten Pilze in die Nähe der Aktinomyces. 

Ueber das klinische Verhalten dieser Fälle wird von Bornhaupt zu- 
sammenfassend angegeben: 

1. Auch unter dem klinischen Bilde der Aktinomykose verlaufen Krank- 
heiten, die nicht durch den Strahlenpilz hervorgerufen sind. 

2. Klinisch unterscheiden sich am wenigsten von der echten Aktinomy- 
kose die Erkrankungen, welche durch Oladothrix liquefaciens (Hesse) und die, 
welche durch den dem vonBerestene w gezüchteten ähnlichen hervorgerufen sind. 

3. Von der echten Aktinomykose unterscheiden sich klinisch die Er- 
krankungen, bei welchen die den Sawtschenkoschen Stäbchen ähnlichen Mikro- 
organismen gefunden worden sind: a) durch den stinkenden Eiter, b) durch 
einen milderen, gutartigen Verlauf, c) durch die Möglichkeit einer primären, 
centralen Knochenerkrankung. 

4. Es unterscheiden sich von der echten Aktinomykose schliesslich auch 
die beiden letzten angeführten Fälle a) durch eine schnell zunehmende Menge 
eines übelriechenden Eiters, b) durch rapides Fortschreiten des Processes bei 


Infektionskrankheiten. 383 


hober Temperatur ohne Neigung zur Heilung, c) durch sichtlich schnellen 
rasch zum Tode führenden Kräfteverfall. Nieter (Halle a. S.). 


Jürgens, Ueber die diagnostische und ätiologische Bedeutung der 
Varialkörperchen. Charit6-Annalen. Jahrg. 29. 

Verf. bespricht in eingehender und übersichtlicher Weise den derzeitigen 
Standpunkt über die Forschungen und Ergebnisse der Vaccine- und Variola- 
frage und geht besonders auf die Siegelsche Arbeit über die Protozoönnatur 
der Guarnierischen Körperchen ein. Zum Schluss fasst er seine Ansicht da- 
bin zusammen: 1. dass die Guarnierischen Körperchen in ursächlicher Be- 
ziehung zur Vaccine und Variola stehen, 2. dass sie wahrscheinlich Parasiten 
und zwar die Erreger der Varjola sind, 3. dass für die Pockendiagnose als 
brauchbares ätiologisches Hilfsmittel Verimpfung des Pustelinhaltes auf die 
Kaninchenkornea vorgenommen werden kann, da die danach auftretenden Ver- 
änderungen in der Kornea eindeutig und charakteristisch sind. 

Nieter (Halle a. $.). 


Herxheimer und Bornemann, (Frankfurt a. M.), Ueber die Orientbeule. Ver- 
handl. d. 5. Internat. Dermatologen-Kongresses. Bd. 2. 

Die Verff., welche im Jabre 1903 Gelegenheit hatten, einen Fall von 
Orientbeule zu beobachten und zu behandeln, berichten zur Erhärtung der 
klinischen Diagnose in eingehender Weise über das histologische Bild der 
Orientbeule und kommen in ihrem Falle zu dem Resultat, dass sich das Bild 
der Orientbeule nicht immer auf einen in Nekrose endigenden Infiltrations- 
process beschränke, sondern dass es sich mit eigentümlichen karcinomähn- 
lichen Epithelwucherungen vergemeinschaften kann. Dann geben sie des 
Näheren ein auf die bisher bekannt gewordenen Ergebnisse bezüglich der Er- 
reger der Orientbeule und besprechen das von ihnen in Unmenge in den 
Efflorescenzen aufgefundene Körperchen, in welchem sie mit Sicherheit den 
Erreger der Orientbeule zu erkennen glauben. (Von Schaudinn für ein Proto- 
zoon und zwar als das typische Helcosoma tropicum der Delbibeule angesehen 
and für zunächst verwandt mit Trypanasomen gehalten). Herstellung von 
Reinkulturen und Ueberimpfung ist nicht gelungen. Als Ueberträger der 
Parasiten sind Fliegen anzunehmen. Zum Schluss folgen noch einige thera- 
peutische Bemerkungen. Neben eingehender chirurgischer Behandlung glauben 
die Verf. auch die Behandlung mit Röntgenstrahlen empfehlen zu können. 

Nieter (Halle a. S.). 


Taussig, S., Die Hundskrankheit (endemischer Magenkatarrh) in der 
Herzegowina. Aus dem k. u. k. Garnisonsspital No. 26 in Mostar. Wien. 
klin. Wochenschr. 1905. No. 6. S. 129. 

In mehreren Städten der Herzegowina tritt in den Sommermonaten seit 
Jabren eine akute fieberhafte Erkrankung auf, die zahlreiche Menschen be- 
fällt und in ihrem Verlaufe sowie ihren Erscheinungen ein sehr charakte- 
ristisches Bild gibt. Der von Pick, Karlinski, Gabel geschilderte Sympto- 
menkomplex wird von dem Verf. in dieser gründlichen Studie an der Hand 


384 Infektionskrankheiten. 


eines grossen Materiales ergänzt. Nach den Ausführungen des Verf.'s ver- 
läuft die Erkrankung unter dem Bild einer Infektionskrankheit. 

Nach ‘einem Inkubationsstadium von 5—7 Tagen und einem sehr kurzen 
Prodromalstadium kommt es unter plötzlichem hohen Temperaturanstieg zu 
intensiven Allgemeinerscheinungen. Daneben prävalieren Erscheinungen von 
Seiten des Verdauungstraktes, schmerzhafte Sensationen und Druckempfindlich- 
keit der Körpermuskulatur, Gelenkschmerzen ohne Gelenkschwellung, Druck- 
empfindlichkeit der Augäpfel und eine charakteristische schmerzhafte Empfind- 
lichkeit des Oberlides. Das Fieber hält 1—2 Tage an, dem akuten Stadium 
folgt eine länger dauernde Rekonvalescenz mit auffälliger Abgeschlagenheit. 
Auf Grund einer Reihe von Tatsachen sieht sich Verf. veranlasst, die Ent- 
stehung dieser Krankheit mit dem Stich einer in Mostar und anderen Orten 
in den heissen Sommermonaten zeitweise in grossen Schwärmen auftretenden 
Kriebelmücke (einer Abart von Simulia reptans) in Zusammenhang zu bringen, 
wenn auch vorderhand noch kein direkter Beweis für diese Hypothese vor- 
liegt. Nach der Anschauung T.’s verleiht die überstandene Hundskrank- 
heit eine lange dauernde Immunität. Grassberger (Wien). 


v. Leyden, Ueber die parasitäre Theorie in der Aetiologie der 
Krebse. Berl. klin. Wochenschr. 1905. No. 13. S. 345. 

Nachdem Verf. die Ansichten älterer Aerzte, die Krebsepidemien und die 
Uebertragungsversuche besprochen, welche für die Infektiosität des Krebses 
in die Wagschale fallen, legt er dar, dass die sonstigen Theorien nicht im- 
stande sind, das Entstehen des Krebses, vor allem die schraukenlose Wuche- 
rung des Krebsepithels, zu erklären. Es sei dazu die Annahme eines Parasiten 
notwendig, welcher innerhalb der Zelle wächst, sich vermehrt und welcher 
auch die Vermehrung der Zellen zu einem neuen Tumor vermittelt. Die spon- 
tane Entwickelung des Krebses aus den gesunden Zellen des eigenen Körpers 
und deren gelegentliche Umwandlung zu Krebszellen ist zurückzuweisen; es 
geschieht das nur an einer bestimmten Stelle, der Ausgangsstelle des Krebses, 
unter Einwirkung der von aussen eindringenden Keime. Die parasitäre 
Theorie des Krebses erfährt eine gewichtige Stütze durch den gelungenen 
Nachweis von Parasiten innerhalb der Krebszellen. Es sei eine unberechtigte 
Forderung, Reinzüchtung dieser Parasiten und Wiedererzeugung eines Krebses 
mit der Reinkultur zu verlangen. Man künne diese Parasiten, über deren 
Natur er sich noch nicht bestimmt aussprechen wolle, nicht ohne weiteres 
mit den Bakterien in Parallele setzen. Einen Beweis dafür, dass die von ihm 
mehrfach beschriebenen „Vogelaugen“ Parasiten seien, erblicke er darin, dass 
man verschiedene Entwickelungsphasen der betreffenden Gebilde nachweisen 
könne. Zu Gunsten der parasitären Theorie sprechen auch chemische Unter- 
schiede des Krebsgewebes von den übrigen Geweben des Körpers. 

Beitzke (Berlin). 


Israel 0., Die biogenetische Theorie der Geschwülste und die Aetio- 
logie des Carcinoms. Berl. klin. Wochenschr. 1905. No. 13. S. 350. 

Verf. bestreitet die Möglichkeit specifischer Parasiten. Seine Anschauung 

ist kurz folgende: Alle möglichen Schädlichkeiten der allgemeinen Aetiologie, 


Ernährung. 385 


funktionelle, mechanische, thermische, chemische, infektiöse u. a. können 
Tumorbildung hervorrufen. Die durch diese Schädlichkeiten gesetzten Defekte 
werden durch Ueberkompensation ausgeglichen, und das infolge rekurrierender 
Defektbildungen immer wieder von neuem ausgelöste Teilungsgeschäft ist es, 
das an nicht verletzten Zellen die Eigenschaft schrankenloser Wucherungsfähig- 
keit hervorbringt. Anpassung und Vererbung steigern die Fähigkeit der Zellen 
für diese Funktion, und diese einseitige Funktion führt zum Zurücktreten anderer 
Funktionen. „So bildet sich die Krebszelle mit allen ihren von denjenigen 
der regulären Deckzellen so weit abweichenden Eigenschaften. Sie alle sind _ 
erworben in der Descendenz von der ersten heterotopen, in die Bindesubstanz- 
Basis gelangten Zelle und unter der unaufbörlichen Einwirkung der hier zur 
Geltung gelangenden abweichenden Bedingungen“. Beitzke (Berlin). 


Ostertag R., Handbuch der Fleischbeschau für Tierärzte, Aerzte 
und Richter. Fünfte, neubearbeitete Auflage. Mit 265 in den Text ge- 
druckten Abbildungen und 1 Farbentafel. Verlag von Ferdinand Enke. 
Stuttgart 1904. 781 Ss. 8%. Preis: 18,40 M. 

Als Verf. im Februar 1902 die 4. Auflage seines Handbuches erscheinen 
liess, waren die Ausführungsbestimmungen zum Reichsgesetz, betreffend die 
Schlachtvieh- und Fieischbeschau, noch nicht bekannt geworden. Gleich- 
wohl liess sich erwarten, dass, wie Ref. bei der Besprechung der 4. Auflage an 
dieser Stelle hervorhob, die Ausführungsvorschriften nicht im Widerspruch mit 
den von Ostertag in seinem Handbuch niedergelegten Ansichten stehen, 
sondern mit ihnen übereinstimmen werden. Dies ist denn auch, wie sich bei 
der späteren Veröffentlichung der genannten Bestimmungen ergab, der Fall 
gewesen. 

Nachdem das Reichsfleischbeschaugesetz in vollem Umfange und mit ihm 
die dazu erlassenen Ausführungsbestimmungen am 1. April 1903 in Kraft 
getreten waren und die von Ostertag in der Fleischbeschau aufgestellten 
Forderungen und Anschauungen gewissermassen zur gesetzlichen Geltung ge- 
bracht worden sind, hat auch die vorliegende 5. Auflage eine grundsätzliche 
Aenderung nicht zu erfahren brauchen. Von den Ausführungsbestimmungen 
sind die Abschnitte, die für die Regelung der Schlachtvieh- und Fleischbe- 
schau sowie für die Ausführung der Untersuchungen in Betracht kommen, 
ferner die Prüfungsvorschriften für die Fleischbeschauer im Wortlaut angeführt 
worden. Die gemeinfassliche Belehrung für nichttierärztliche Beschauer ist, 
weil für den Zweck des Buches ohne Bedeutung, unberücksichtigt geblieben, 
ebenso das Verzeichnis der Einlass- und Untersuchungsstellen für das in das 
Zollinland eingehende Fleisch. Dagegen sind die Vorschriften für die Unter- 
suchung und gesundheitspolizeiliche Behandlung des ausländischen Fleisches 
und die Prüfungsvorschriften für die Trichinenschauer bei den Kapiteln über 
eingeführtes Fleisch nnd Trichinenschau behandelt. 


386 Ernährung. 


Seiner Wichtigkeit entsprechend ist auch das Preussische Ausführungsge- 
setz vom 28. Juni 1902 wörtlich aufgenommen worden. 

Sehr wesentlich ist in sanitätspolizeilicher und forensischer Beziehung, 
dass Verf. bei der Beurteilung der einzelnen Mängel und krankhaften Zustände 
der Schlachttiere und deren Organe auf die betreffenden Paragraphen in den 
gesetzlichen Bestimmungen hinweist. In der Erwägung, dass die Vorschriften 
des Nahrungsmittelgesetzes zwar unberührt geblieben, durch das Reichsfleisch- 
beschaugesetz aber von geringerer Bedeutung geworden sind, hat Verf. die 
in den früheren Auflagen sehr ausgedehnten Erläuterungen zu dem N.-M.-G. 

“erheblich gekürzt. 

Im übrigen hat er alle neuen beachtenswerten Forschungsergebnisse auf 
dem weiten Gebiet der wissenschaftlichen und praktischen Fleischbeschau bei 
der Neubearbeitung berücksichtigt. 

Erwähnt seien hiervon nur in Kap. XIII (über Fleischvergiftungen) die 
Vermehrung der Kasuistik, ferner Abhandlungen über Diagnostik der septischen 
pyämischen Erkrankungen, den histologischen Befund und die Reaktionen der 
Muskulatur bei Sepsis; ferner im Kap. XIV (über postmortale Veränderungen): 
Vorschriften für den Versand erlegter Hasen und Kaninchen, Nachweis von 
Karbol im Fleisch, nach Glage, die Molischschen Untersuchungen über leuch- 
tendes Fleisch, erweiterte Ausführungen über das Wesen der Fäulnis, über 
Hackfleischvergiftungen, Schmutzgehalt der Wursthüllen u. s. w., im Kap. XVII 
die Beschreibung des Frankeschen und Hönnickeschen Fleischdämpfers 
zur Brauchbarmachung bedingt tauglichen Fleisches 'und des Garthschen 
Sammelgefässes, das zur sicheren Aufbewahrung und hygienisch zuverlässigen 
technischen Ausnützung der Konfiskate dient. 

Schliesslich sind auch noch die amtlichen Vorschriften über die unschäd- 
liche Beseitigung beanstandeten Fleisches im Wortlaut angeführt. 

Die Literaturbinweise, die früher in den Text eingefügt waren, hat Verf. 
zum Teil fortgelassen, weil er zur Zeit der Herausgabe des Buches eine 
Bibliographie der Fleischbeschau in Druck gegeben hatte (die Bibliographie ist 
inzwischen erschienen; vergl. das folgende Referat). 

Die 5. Auflage des Ostertagschen Handbuches, das bereits in die russi- 
sche und englische Sprache übersetzt worden ist, reiht sich den älteren Auf- 
lagen würdig an und verdient unstreitig als ein Musterwerk bezeichnet zu 
werden, das auch für Hygieniker unentbehrlich ist. Henschel (Berlin). 


Ostertag R., Bibliographie der Fleischbeschau. Zugleich Ergänzung 
zum Handbuch der Fleischbeschau desselben Verfassers. Verlag 
von Ferdinand Enke. Stuttgart 1905. 446 Ss. 80, Preis: 13 M 

Seitdem die Fleischbeschau weiter ausgebildet worden ist und be- 
sonders in den letzten Decennien sich als Specialfach der veterinären Medizin 
und Hygiene entwickelt hat, ist erklärlicher Weise eine enorme Fülle an 

Literatur auf diesem weiten Gebiete erstanden. Denn die Fleischbeschau, zu 

der im weiteren Sinne auch die Untersuchung vor dem Schlachten, die soge- 

nannte Lebendbeschau oder Schlachtviehbeschau, zu rechnen ist, umfasst ja 
bekanntlich nicht nur die normale und pathologische Anatomie, Physiologie, 


Ernährung. 387 


Zoologie, Toxikologie, Bakteriologie, sowie die Pathologie der Schlachttiere 
und zum Teil auch der Menschen (Zoonosen, Fleischvergiftungen!), sondern 
auch die Schlachtkunde, das Vieh- und Schlachthofwesen, Nahrungsmittelver- 
fälschungen, marktpolizeiliche Kontrolle der animalischen Nahrungs- und Ge- 
pussmittel (Vergiftungen durch faulige Fische und Krustentiere, Miesmuscheln 
u. s. w.), und ferner verlangt die Ausübung der Fleischbeschau genaue Kennt- 
nisse der einschlägigen polizeilichen und gesetzlichen Vorschriften. 

Alle diejenigen, die sich mit Einzelfragen der wissenschaftlichen und 
praktischen Fleischbeschau zu beschäftigen haben, werden das bisherige Fehlen 
einer Zusammenstellung der Fleischbeschauliteratur oft und schwer empfunden 
haben. 

Wie schon ans dem Titel der vorliegenden Bibliographie ersichtlich ist, lehnt 
diese sich eng an das Ostertagsche Handbuch, speciell die 5. Auflage des- 
selben an. 

Kap. I enthält die Literatur betreffend: Allgemeines über Fleisch- 
beschau, Kap. II über die reichsgesetzlichen Grundlagen für die 
Regelung des Fleischverkehrs, III. Schlachtkunde, einschliesslich 
der Besichtigung der Tiere vor dem Schlachten, IV. Untersuchung der 
ausgeschlachteten Tiere, V. Fleischkunde (Normale Beschaffenheit der 
einzelnen Teile der Schlachttiere nebst Bemerkungen über ihre Verwendung. 
Unterscheidung des Fleisches der verschiedenen Schlachttiere: Erkennung des 
Alters und Geschlechts an ausgeschlachteten Tieren). Kap. VI. Von der 
Norm abweichende physiologische Verhältnisse, die sanitäts- 
polizeiliches Interesse besitzen. VII. Allgemeine Pathologie der 
Schlachttiere vom Standpunkt der Sanitätspolizei. VIII. Besonders 
erwähnenswerte Organkrankheiten. IX. Blutanomalien. X. Ver- 
giftungen (Intoxikationen). Wirkung riechender Medikamente auf das Fleisch 
und die sogenannten Autointoxikationen. XI. Tierische Parasiten (In- 
vasionskrankheiten). Parasitologische Lehrbücher und Allgemeines (1. Para- 
siten, die auf den Menschen nicht übertragbar sind, 2. die durch Fleischgenuss 
übertragbar sind, und 3. die erst nach vorgängigem Wirtswechsel der mensch- 
lichen Gesundheit schädlich werden können). XII. Pflanzliche Parasiten 
(Infektionskrankbeiten). Die Literaturzusammenstellung über dieses Kapitel 
umfasst allein 32 Abschnitte. XII. Notschlachtungen wegen schwerer 
infektiöser Erkrankungen; Fleischvergiftungen, Unglücksfälle, natürlicher Tod. 
XIV. Postmortale Veränderungen des Fleisches. XV. Mehlzusatz 
zu Würsten, Färben, Aufblasen und andere Verfälschungen. XVI. 
Konservierung des Fleisches (Allgemeines, Salzen und Räuchern, Konser- 
vierung durch Borsäure, schweflige Säure, Salieylsäure, Formaldehyd, Fluoride 
und andere chemische Mittel, Trocknen und Hitze. Herstellung von Büchsen- 
fleisch, Fleischpepton und Fleischextrakt, Allgemeines über Kühlen, Gefrieren- 
lassen, Einwirkung tiefer Kältegrade auf Bakterien, gekühltes und gefrorenes 
Fleisch und Kühlanlagen, Natureiskühlanlagen, Kühlwaggons, maschinelle Kühl- 
anlagen). XVIl. Kochen, Dampfsterilisation und unschädliche Be- 
seitigung des beanstandeten Fleisches. 

Bei der Bearbeitung der Bibilographie hat Verf. sämtliche deutschen und 


388 Kleinere Mitteilungen. 


ausländischen tierärztlichen Zeitschriften berücksichtigt. ausserdem von der 
medizinischen Literatur die Jahresberichte Virchow-Hirsch bis 1890, von da an 
die Deutsche und Münchener med. Wochenschrift, die Zeitschrift für Hygiene, 
das Archiv für Hygiene, das Oentralblatt für Bakteriologie und die Hygienische 
Rundschau. Die ausländische Literatur konnte aus den Zusammenstellungen 
in der Revue generale de médecine vétérinaire und der Münchener med. 
Wochenschrift ausgezogen werden. Bei Titeln aus schwerer zu erlangenden 
ausländischen Zeitschriften ist auf die in jeder grösseren Bibliothek vorhan- 
denen Werke verwiesen worden, in der die betreffenden Referate erschienen sind. 

Die Bibliographie besteht aus einem Hauptteil und einem Nachtrag. 
Der erstere umfasst die Literatur bis zum Jahre 1903, der Nachtrag diejenige 
Literatur, die der Bearbeitung der 5. Auflage des Ostertagschen Handbuchs 
der Fleischbeschau zu Grunde lag, soweit sie nicht bereits im Hauptteil ent- 
halten ist (bis 1. Juli 1904). In den Nachtrag sind ausserdem noch ältere 
Literaturangaben eingefügt worden, die im Hauptteil fortgeblieben waren. 

Weitere Nachträge, die in regelmässigen Zwischenräumen herausgegeben 
werden sollen, werden die vorliegende Bibliographie vervollständigen. Druck 
und Ausstattung des Werkes sind sehr gut; besonders muss hervorgehoben 
werden. dass die Titel in schöner, leserlicher Schrift gesetzt sind, dass dem Werke 
ein alphabetisches Sachregister beigefügt ist und ein Literaturverzeichnis über 
Amtliches und kasuistische Notizen den Schluss jedes Kapitels bildet. 

Die äusserst mühevolle, aber dankenswerte Aufgabe, die sich Ostertag 
durch Schaffung einer Zusammenstellung der gesamten Fleischbeschauliteratur 
gestellt hat, hat er durch die vorliegende Bibliographie aufs beste gelöst und 
den Mangel, der sich, wie oben erwähnt, immer fühlbarer gemacht hat, be- 
seitigt. Henschel (Berlin). 


Kleinere Mitteilungen. 


(:) Preussen. Stadt Breslau. Verwaltungsbericht über die städti- 
schen Kanalisationsanlagen einschl. der Rieselfelder für das Geschäfts- 
jahr vom 1. April 1904 bis 31. März 1905. (Sonderabdruck aus Bd. 25. H. 3 der 
Breslauer Statistik.) 

Das Kanalnetz ist während des Verwaltungsjahres um 12085,78 m vermehrt 
worden, und zwar an gemauerten Kanälen um 902,00 m und an Rohrkanälen um 
11183,78 m. Am Schlusse des Etatsjahres waren somit 256033,54 m Kanäle gegen 
243 947,76 m des Vorjahres vorhanden. Die Kosten der Unterhaltungsarbeiten betrugen 
im verflossenen Verwaltungsjahre 6335,08 M. gegen 7063,68 M im Vorjahre. Zur Rei- 
nigung kamen 266803 laufende Meter Kanäle gegen 381563 laufende Meter im Vor- 
jahre. Davon entfielen 103120 laufende Meter auf gemauerte Kanäle und 158633 
laufende Meter auf Rohrkanäle. Die Reinigungsarbeiten wurden mit dem selbsttätigen 
Reinigungsapparat ausgeführt und verursachten einen Kostenaufwand von insgesamt 
14520,21 M. Die durchschnittlichen Kosten der Reinigung des laufenden Meters be- 
trugen somit 5,4 Pfr. gegen 4,5 Pfg. im Vorjahre. An Sinkstoffen wurden aus den 
Kanälen gefördert 1009 cbm gegen 1616 cbm im Vorjahre. Zur Spülung der Kanäle 
wurden 164772 cbm Wasser aus dem Wasserwerk verbraucht. Verstopfungen in den 
Hauptkanälen sind nicht eingetreten. 


Kleinere Mitteilungen. 389 


Die Einsteigeschächte sind im verflossenen Verwaltungsjahre um 246 vermehrt 
worden, so dass am Schlusse des Berichtsjahres 4592 vorhanden waren. Die jähr- 
lichen Unterhaltungskosten für die Einsteigeschächte beliefen sich auf 2405,60 M.; 
daher für das Stück auf 0,52 M. Die Zahl der Rinnsteineinlässe ist von 6048 auf 
6371 gestiegen. Betriebsstörungen traten in 55 Fällen ein, deren Ursachen auf Ver- 
stopfungen und Einfrieren im Wasserverschluss zurückzuführen waren. Die Kosten 
für die Unterhaltung beliefen sich einschl. des Materials auf 9668,08 M., oder für 
einen Einlauf auf 1,52 M. Die Regen- und Spüleinlässe sind im verflossenen Ver- 
waltungsjahre nicht vermehrt worden. Betriebsstörungen sind bei den Drücker- und 
Heberanlagen nicht eingetreten. Die Zahl der an die Heber angeschlossenen Grund- 
stücke und deren Einwohnerzahl hat sich gegen das Vorjahr nicht verändert und be- 
trug nach dem Bestande vom 1. December 1900: 71 Grundstücke mit 2215 Einwohnern. 
Beschwerden über Austritt von üblem Geruch aus den zur Lüftung des Kanalnetzes 
benutzten Dachabfallrohren sind nicht bekannt geworden. Schnee wurde nur in solche 
Kanäle geworfen, in denen genügend Wasser fliesst, weshalb auch die Abführung der 
Schneemassen Uebelstände nicht mit sich gebracht hat. 

Die Gesamtlänge der öffentlichen Grundwasserableitung betrug am Schlusse 
des Verwaltungsjahres 23654.18 m; die Zahl der an die Grundwasserableitung ange- 
schlossenen Grundstücke stieg von 335 auf 339. Betriebsstörungen an den Grand- 
wasserableitungen und deren Zweigleitungen sind nicht eingetreten. 

Im verflossenen Verwaltungsjahr wurden bei der Betriebsabteilung 304 Zweig- 
kanäle und 458 Regenrohrleitungen beantragt und ausgeführt. Von diesen Zweig- 
kanälen wurden 236 in Benutzung genommen. Zur Zeit sind 9458 Zweigkanäle (gegen 
9222 im Vorjahre) für 8715 Grundstücke an die Kanalisation angeschlossen. Die Be- 
triebskosten beliefen sich im Durchschnitt für. jedes Grundstück auf 9,42 M.; in 
diesen Grundstücken wohnten rund 460000 Menschen, daher kamen auf den Kopf der 
Bevölkerung rund 18 Pfg. gegen 22 Pfg. im Vorjahre. Die Zahl der bei der Kanal- 
betriebsabteilung eingegangenen Meldungen auf Beseitigung von Verstopfungen in 
den Hausanschlussleitungen betrug im Berichtsjahre 112 gegen 95 im Vorjahre. 

Die Zahl der Pissoirs am Schlusse des Berichtsjahres betrug 30; davon waren 
20 mit Oelverschluss und 10 mit Wasserspülung versehen. Für letztere wurden zu- 
sammen 137568 cbm Wasser aus dem städtischen Rohrnetz entnommen. Die Gesamt- 
ausgaben für die Pissoirs beliefen sich zusammen auf 7804,47 M. 

Die Aptierungsarbeiten auf dem Rieselgute Weidenhof wurden fortgesetzt. An 
Kosten wurden hierfür verausgabt 28707,83 M. Die Rieseltelder umfassten insgesamt 
eine Fläche von 1063 ha, 72 a, 4 qm. Den Rieselfeldern wurden 22763316 cbm Ab- 
wasser zugeführt; in die Oder wurde kein Abwasser geleitet. In dem Umfange und 
der Bestellung der Rieselfelder ist ausser der aptierten Fläche in Weidenhof in diesem 
Verwaltungsjahre eine Aenderung nicht eingetreten. Die Erträge sind ungefähr die- 
selben wie in den Vorjahren geblieben. Das finanzielle Ergebnis des Rieselgüter- 
betriebes besteht in einem Ueberschuss von 63066,47 M. In den an die Riesel- 
felder angrenzenden Ortschaften Oswitz und Ransern haben die Rieselfelder auf den 
Gesundheitszustand der 2107 Einwohner keinen nachteiligen Einfluss ausgeübt. 

(Veröff. d. Kais. Ges.-A. 1905. No. 50. S. 1356.) 


(:) Grossbritannien. Gesundheitszustand in Birmingham während 
des Jahres 1904. (Nach dem Report of the Medical Officer of Health of the City of 
Birmingham for the Year 1904.) 

Für die Mitte des Berichtsjahres wurde die Einwohnerzahl der Stadt Birmingham 
auf 537965 Personen geschätzt; von diesen waren 250692 männlichen und 278273 


390 Kleinere Mitteilungen. 


weiblichen Geschlechts. Die Zahl der Geburten belief sich auf 16902 oder 31,5 auf 
1000 Einwohner. Gestorben sind 10340 oder 19,3 (im Vorjahre 17,2) °/oo der Ein- 
wohner. Die höhere Sterblichkeitsziffer wird teilweise darauf zurückgeführt, dass die 
wohlhabende und kräftige Bevölkerung es vorzieht, in den Vororten zn wohnen, wo- 
durch die Stadt an widerstandsfähigen Einwohnern verliert. Rechnet man die 10 Vor- 
orte mit der Stadt Birmingham zusammen, so betrug die Einwohnerzahl 920115 See- 
len; die Zahl der Todesfälle stellte sich in Grossbritannien auf 15742, somit die 
Sterblichkeitsziffer auf 17,1. Ungünstig beeinflusst wurde besonders die Kindersterb- 
lichkeit dadurch, dass zu Beginn des Jahres der Keuchhusten und in den Sommer- 
monaten Durchfälle gehäuft auftraten. Von Kindern unter einem Jahr starben allein 
3302 (im Vorjahre 2668) oder 195 auf 1000 Geburten. 

Pockenfälle kamen 8 zur Anzeige, von denen 7 auf Einschleppung zurückzu- 
führen waren; keiner der Fälle verlief tödlich. An Masern starben 207 Kinder; die 
grösste Sterblichkeit zeigte sich unter den Kindern im Alter unter 4 Jahren. Schar- 
lachfälle wurden 1659 gemeldet, 65 mit tödlichem Ausgang. Von den Scharlach- 
kranken wurden 1437 oder 87°/, in Krankenhäusern untergebracht. In 1042 oder in 
84°/, der 1235 mit Scharlach inficierten Häuser kamen keine weiteren Fälle im Laufe 
des Jahres vor. Diphtherie trat im Berichtsjahre weniger heftig als im Vorjabre 
auf; 630 Fälle kamen zur Anzeige. Die Sterblichkeit dagegen war recht beträchtlich, 
da 115 Todesfälle entsprechend 18°/, der gemeldeten Fälle zu verzeichnen waren; 
251 Gaben Antitoxin wurden verabreicht. Nur bei 102 der 630 gemeldeten Diphtherie- 
fälle wurde eine bakteriologische Untersuchung vorgenommen; 70 davon zeigten 
Diphtheriebaeillen, bei den übrigen war der Erfolg ein negativer. Infolge von Keuch- 
husten waren 467 Todesfälle zu verzeichnen. Die Gesundheitsinspektoren machten 
die Familien darauf aufmerksam, dass die Kranken in den ersten Tagen der Krankheit 
im Bett zu halten seien, um Folgekrankheiten vorzubeugen und verteilten Keuch- 
husten-Merkblätter oder gaben mündliche Belehrungen über die Verhütung weiterer 
Ansteckung. 

Typhusfälle wurden 248 gemeldet; 118 oder ungefähr 50%, der Kranken 
wurden in ein Krankenhaus übergeführt. Von diesen starben 16 oder 140/,, während 
von den in der eigenen Behausung behandelten Kranken 29 oder 220/, der Krankheit 
erlagen. An Durchfall starben 1110 Personen, darunter 856 Kinder unter einem 
Jahre. Es waren angeblich meist gesunde, kräftige Kinder, die dieser Krankheit er- 
lagen. Von den Säuglingen unter 6 Monaten, welche in den Monaten Juli, August 
und September an Durchfall starben, waren 7,8 auf je 1000 Lebendgeborene mit Mutter- 
milch, 26,5 mit Muttermilch und anderer Nahrung und 252,3 ganz ohne Muttermilch 
ernährt worden. 

An Kindbettfieber starben 27 Personen, an Tuberkulose 1071, an Syphi- 
lis 22, an Alkoholismus 32, an Krebs 400. Bemerkenswert ist, dass 99 Personen 
ihren Tod durch Ersticken fanden; unter diesen befanden sich 83 Kinder, die im Bett 
erstickt waren, was teilweise auf Nachlässigkeit der Mütter, teilweise auf den gemein- 
samen Gebrauch desselben Bettes durch Mutter und Kind zurückzuführen war. 

Der Milchinspektor besichtigte 5050 Milchgeschäfte. Die Kühe der Molkereien 
wurden einmal im Monat besichtigt: im ganzen wurden von dem Tierarzt der Gesund- 
heitsbehörde TOL solcher Untersuchungen ausgeführt. 

(Veröff. d. Kais. Ges.-A. 1905. No. 45. S. 1228.) 


Beilage zur „Hygienischen Rundschau“. 
XVI. Jahrgang. Berlin, 1. April 1906. No. L 


Verhandlungen der Deutschen Gesellschaft für öffentliche Gesundheitspfliege 
zu Berlin:). 


Sitzung vom ő. December 1905. (Gemeinschaftlich mit dem Ber- 
liner Verein für Schulgesundheitspflege.) Vorsitzender: Herr Wehmer, 
Schriftführer: Herr Proskauer. 

Herr Wehmer begrüsst als Vorsitzender der „Deutschen Gesellschaft für 
öffentliche Gesundheitspflege“ und als stellvertretender Vorsitzender des Berliner 
Vereins für Schulgesundheitspflege die Erschienenen und spricht die Hoffnung 
aus, dass das gewählte Thema bei den Mitgliedern beider Vereine Anklang 
finden werde. 

Alsdann gedenkt er des Heimgangs des Herrn Generalstabsarztes der 
Armee Excellenz Dr. v. Leuthold und des Chemikers und Fabrikbesitzers 
Herrn Dr. Oskar Knöfler, welche beide zu langjährigen Mitgliedern der 
Gesellschaft zählten. (Die Versammlung erhebt sich zu Ehren der Verstorbenen 
von ihren Plätzen.) 

Alsdann erhält das Wort Herr Prof. Wickenhagen zu seinem Vortrage: 
„Ueber Schülerrudern". 

Hochansehnliche Versammlung! Es ist vor etwa 14 Tagen hier in Berlin 
der Grundplan entworfen worden für ein neues Schülerboothaus im Westen 
der Stadt an einer der schönsten Stellen des Grunewalds. Dieses Gebäude 
wird, wenn der Gedanke zur Verwirklichung kommt, 6—10 höhere Schulen 
des Westens in sich vereinigen. Es wird eine Schwesteranstalt werden zu 
dem Boothaus in Niederschönweide, welches etwa 12 Schulen in sich vereinigt, 
und zu dem des Königin Augusta-Gymnasiums in Charlottenburg. Es ist sehr 
wohl möglich, dass wir dann in Berlin etwa 25 höhere Schulen haben, die 
dem Schülerrudern ibre Tore geöffnet haben. In der Begründung für diese 
Neuschöpfung wird darauf aufmerksam gemacht, dass seit einer grossen Reihe 
von Jahren, besonders im letzten Jahrzehnt, sich das Schülerrudern als „Wasser- 
turnen“ innerhalb des Schulbezirks sehr wohl bewährt, vor allen Dingen die 
Eigenschaft gezeigt habe, die Schüler abzulenken von mancherlei Zerstreuungen 
der Grossstadt, dass eine Störung des Schulbetriebs sich nirgends eingestellt 
habe und der ganze Ruderbetrieb entschieden auch die Kraft zeige, die Schüler 
zu selbständigen Naturen zu erziehen. 

Ich gehe jetzt aus Berlin heraus. Vor etwa einem halben Jahre — es 
war am 28. Mai — wurde in der Nordmark ein Schülerfest gefeiert, der 
25. Geburtstag des Primaner-Ruderklubs in Rendsburg, des ältesten Verbandes 


1) Alle auf die Herausgabe der Verhandlungen der Deutschen Gesellschaft für 
öffentliche Gesundheitspflege zu Berlin bezüglichen Einsendungen u. s. w. werden an 
die Adresse des Schriftführers der Gesellschaft, Geh. Reg.-Rat: Prof. Proskauer, 
Charlottenburg, Uhlandstr. 184, I, erbeten. Die Herren Autoren tragen die Verant- 
wortung für Form und Inhalt ihrer Mitteilungen. 


392 Verhandl. der Deutschen Gesellschaft für öff. Gesundheitspfl. zu Berlin. 


dieser Art in Deutschland. Unter einer geradezu überraschenden Teilnahme 
von Gästen, Vertretern der königlichen Behörden, des Senats und der Stadt- 
-verordneten, von Direktoren aus der Nähe, Vätern und Schülern vollzog sich 
diese Festlichkeit. Und die Anwesenden waren nicht ohne Geschenke ge- 
kommen. Die Stadt selbst hatte reich geflaggt, sie hatte es sich nicht nehmen 
lassen, die Eiderufer mit Fahnenmasten zu schmücken und zwei silberne Becher 
mit Sinusprüchen zu schenken. Die städtische Spar- und Leihkasse hatte eine 
Summe von 1000 M. zur Verfügung gestellt und eine gleiche Summe die 
früheren Schüler. Vom Kultusministerium wurde ein neues Boot gestiftet und 
von den Damen der Stadt eine prachtvolle Vereinsfahne. Ich bin vielleicht 
in dieser Darstellung zu ausführlich geworden. Aber eines geht sicher daraus 
hervor: all’ diese Gratulanten und Spender waren sicherlich erschienen, um 
einer erziehlichen Einrichtung, über deren Wert sie sich ein abgeschlossenes 
Urteil gebildet, ihr Wohlwollen zu zeigen; sie waren nicht bloss gekommen, 
um nach langer Treunung sich wieder die Hände zu drücken, sondern um 
ihren Dauk abzutragen, der denn auch in geradezu rührender Weise bei den 
Festlichkeiten, so beim Festaktus in der Aula wie beim Festessen in der Stadt- 
halle, zum Ausdruck kam. 

Man hat oft genug von Weltverbesserern gesprochen, wenn man auf das 
Schülerrudern hinwies, als ob wir den Mond vom Himmel herunterholen 
wollten. Seifenblasen haben noch nie ein langes Leben gehabt, anderseits 
kann man sagen, aus einem gesunden Korn ist noch immer ein kräftiger Halm 
hervorgewachsen. Es ist mir wertvoll, dass ich lange Zeit das Protektorat 
des Rendsburger Klubs in den Händen haben konnte, und wenn ich nachher 
im weiteren Verlaufe der Zeit Gelegenheit gefunden habe, mich in den ver- 
schiedensten Gauen Deutschlands umzuschen, am Rhein, in Neuwied, Frank- 
furt a.M., oder im Osten in Königsberg, so darf ich wohl sagen, dass ich 
imstande bin, ein Urteil über das Schülerrudern abzugeben, und ich danke 
verbindlichst den beiden Vereinen für das Vertrauen, das sie mir geschenkt 
haben, wenn sie mich zu einem bezüglichen Vortrage einluden. 

Eine Wirkung erhält ihren Adel immer erst durch die Ursache. Ich 
werde hier einmal kurz die Frage beantworten müssen, auf welche Anre- 
gungen hin der erste Schülerruderklub entstanden ist. Ende her 7Ver Jahre 
ging durch unser höheres Schulwesen eine grosse Bewegung. Es war dies 
vom Erscheinen einer Schrift her, die das Verbindungswesen au norddeutschen 
Gymnasien behandelte und viel Aufsehen erregte. Die Enthüllungen, die dort 
gemacht wurden, waren nicht nur so, das 
sondern auch die Oeffentlichkeit eine gew 


s Direktoren und Lehrerkollegien, 
sse Besorgnis bezüglich des Schick- 
sals ihrer Angehörigen hatten, und diese Besorgnis zeigte sich auch an allen 
denjenigen Stellen und in denjenigen Schulen, in denen man vielleicht 
glaubte, dass das Haus in Ordnung sei. So wurde im Frühjahr 1880 in 
Rendsburg eine Konferenz abgehalten, in der die Frage auf der Tagesordnung 
stand: wie kann man den üblen Gepflogenheiten der Schüler im Erholungs- 


leben einen Damm vorschieben. Nach einem längeren Gedankenaustausche 
kam man zu dem Hauptergebuisse, dass man vor allen Dingen darauf be- 
dacht sein müsse, jenes zu veredeln und ihm einen gesunden Inhalt zu geben, 


Yerhandl. der Deutschen Gesellschaft für ölf. Gesundheitspfl. zu Berlin. 393 


der einerseits die Schüler für geistige Arbeit tüchtig machen könne, zweitens 
aber auch das ganze Interesse der Schüler in Anspruch nehme. Langeweile, 
sagte man, ist der Urgrund alles Uebels, und ebensowohl wie die Schule die 
Verpflichtung hat, den Schülern die Oekonomie der Arbeit zu lehren, so 
liegt ihr auch die weitere ob, ihnen die Oekonomie der Erholung beizu- 
bringen; denn bei wahrer Tätigkeit soll die Ruhe eine andre Art der Arbeit 
sein: geistiges und körperliches Schaffen sollen sich gegenseitig zur Erfrischung 
dienen. 

Es kawen dabei noch andere Gedanken in Betracht. Man sagte sich, 
bei diesen Schülerverbindungen sind auch manche gute Ziele: Die Freude 
am Kameradschaftsleben, die Neigung der Jugend, Freundschaften zu schliessen. 
Diese letzteren Gedanken. legten es nahe, den Begriff „Verein“ beizubehalten. 
Unter diesen Anschauungen reifte der Plan, dass man Vereine mit edlerem 
Inbalt und Ziele gründen solle. Gesang- und Rudervereine kamen zum Vor- 
schlag. Gegen den Gesangverein sprach das: „Holsatia non cantat“, ander- 
seits für das Rudern das nahe Wasser, das sich für Uebungszwecke 
ausserordentlich gut verwenden liess. Von wisseuschaftlichen Vereinen nahm 
man grundsätzlich Abstand, weil die Erfahrung gezeigt hat, dass sie zu einer 
gewissen Oberflächlichkeit und Eitelkeit führen, ausserdem dem Satze „vari- 
atio delectat“ nicht gerecht werden. So wurden bald nach jener Konferenz 
drei neue Boote in Hamburg angekauft und ein Schülerverein gebildet, der 
zunächst aus 26 Primanern bestand. Es war ein glücklicher Griff, dass gleich 
von Anfang an nach zwei Richtungen hin der Nagel auf den Kopf getroffen 
wurde. Zunächst von der Schule, insofern sie sich vor jeder überflüssigen 
Bevormundung freibielt, den Verein nicht durch Reglementieren in seiner 
Entwickelung störte, sondern darauf bedacht war, ihn aus sich selbst heraus 
entstehen zu lassen. Richtig war es ferner, dass von Vereinswegen von An- 
fang an sehr genaue Aufzeichnungen über den Entwickelungsgang gemacht 
wurden. Diese Protokolle sind in späterer Zeit von ganz besonderem Nutzen 
gewesen. 

Ich brauche wohl nicht zu betonen, dass die Kinderkrankheiten auch bei 
dieser Schöpfung nicht ausgeblieben sind. In den ersten Jahren wussten die 
Mitglieder noch nicht, wie sie die Einrichtung aufzufassen bätten. Irgend- 
welche Ausschreitungen sind aber nicht vorgekommen. Man sah sich um 
bei den öffentlichen Rudervereinen, und es dauerte nicht lange, da fand die 
Schülerschaft in der gauzen Einrichtung ein gewisses Vorrecht des Primaner- 
tums. Man räumte dem Ruderbetriebe bestimmte Stunden ein und sah in 
dem ganzen Institute eine Brücke von dem Zwange des Schülerlebens hinüber 
in die akademische Freiheit und in die Selbstbestimmung der Oeffentlichkeit. 

Nun wird man vielleicht fragen: wie hat sich die Einrichtung bewährt? 
Auf diese Frage ist nach zwei Jahrzehnten eine gründliche Antwort gesucht 
und gegeben worden. Im Jahre 1900 ist ein Programm in Rendsburg er- 
schienen, welches die 20 Jahre überblickt. Für dieses Programm sind die 
Anstaltsakten benutzt worden, also zunächst die Tagesbücher, ferner die Kunfe- 
renzprotokolle, Versetzungsprotokolle und schliesslich die Akten des Vereins, 
vor allem die Mitgliederlisten. Hierbei hat es sich herausgestellt — und 


394 Verhandl. der Deutschen Gesellschaft für öff. Gesundheitspfl. zu Berlin. 


zwar sind die Ergebnisse auf Grund des denkbar zuverlässigsten Materials ge- 
funden worden —, dass die Mitglieder des Rudervereins zu den tüchtigsten 
und zuverlässigsten Schülern der Anstalt gehört haben. Es hat sich ferner 
ergeben, dass die Auszeichnungen, wie sie die Schule zu vergeben hatte, z.B. 
Prämien und Stipendien in den meisten Fällen in die Hände von Vereinsmit- 
gliedern gekommen sind, ohne dass innerhalb des Lehrerkollegiums bekannt 
war, wer gerade dem Verein angehörte. Anderseits zeigte es sich, dass solche 
Schüler, die der Schule Schwierigkeiten machten, welche zurückblieben oder 
abgehen mussten, in der überwiegenden Zahl nicht Mitglieder des Vereins 
waren. In einigen Fällen waren die Ergebnisse sogar überraschend. So 
stellte es sich z.B. heraus, dass in 2—3 Fällen Schüler, die wegen discipli- 
narischer Vergehen verwiesen werden mussten, einige Zeit vorher aus dem 
Ruderklub aus ähnlichen Gründen ausgestossen worden waren, so dass also 
die Schule gerade aus dem Vereinsleben günstige Beobachtungen hätte machen 
können. 

Ich muss übrigens bemerken, dass ähnliche Beobachtungen auch an 
auderen Stellen gemacht worden sind. So wird in der Direktorenkonferenz 
von Westfalen im Jahre 1899 die Frage der Königl. Oberpräsidenten, wie es 
mit Schülerverbindungen stebe, von Provinzialschulrat Dr. Hechelmann da- 
hin beantwortet, Schülerverbindungen seien nirgends mehr vorhanden, die 
Direktoren führten diese günstige Erscheinung auf die Gründung von gymna- 
stischen Vereinen zurück. Solche Vereine, heisst es weiter, seien ausserordent- 
lich zu empfehlen. Aehnliches ist auch aus Königsberg im vorigen Jahre be- 
richtet worden, und ich kann noch hinzufügen, dass Berliner Direktoren 
gelegentlich in den letzten Jahren auf ihre günstigen Erfahrungen hingewiesen 
haben. (Vergl. auch das eben erschienene Buch „Schülerverbindungen und 
Schülervereine“ von Direktor Dr. M. Nath, Leipzig, Teubner.) 

Bisher habe ich mich mit rein Erziehlichem beschäftigt, es sind jedoch 
auch praktische Gesichtspunkte mit massgebend gewesen. So lag die Grün- 
dung besonders da nahe, wo für Landturnen nicht der nötige Raum vorhanden 
war, anderseits Wasser für Uebungszwecke zur Genüge sich darbot. 
Man bat denen, die für das Wasserturnen eintraten, mancherlei entgegenge- 
halten. So sagte man: Rudern ist Caviar für das Volk, Turnen ist 
Gerstenbrot. Der erste Teil dieses Satzes ist entschieden anfechtbar, schon 
deshalb, weil die ganze Ruderbewegung sich gar nicht an das ganze Volk 
wendet, sondern zunächst nur an die höheren Schulen und innerhalb dieser 
auch nur an die gereifteren Schüler. Man hat auch davon geredet, es sei 
eine noble Passion, die den Schülern sehr viel Geld koste. Wer etwas der- 
artiges sagt, denkt nicht daran, dass die früberen Gepflogenheiten, denen die 
Schüler nachgingen, doch auch mit Geldkosten verbunden waren. Und ausser- 
dem sollte man bedenken, welche Summen und Unsummen die Gemeinden 
und auch der Staat für Turnhallen und für Einrichtungen der Turnhallen, die 
teilweise viel zu reichhaltig sind, bereits ausgegeben hat. Dabei haben 
wir doch keineswegs eine Vollkommenheit erreicht, und die Klagen über die 
Mängel der Turnhallen sind bisher nicht verstummt. Und wenn wir gar auf 
Spielplätze zu sprechen kommen, so versagen die Grossstädte vollkommen. 


Verhandl. der Deutschen Gesellschaft für öff. Gesundheitspfl. zu Berlin. 395 


Ich möchte mich nicht bei Berlin aufhalten. Gerade hier ist in mangelhaftester 
Weise für Spielplätze gesorgt. Ich könnte Sie darauf hinweisen, dass noch 
im vorigen Sommer ein Gesuch, einen Teil des alten Botanischen Gartens 
für Spielplätze zu gewinnen, glatt abgelehnt wurde. Die Interessenpolitik ist 
in allen Städten ein Hindernis. Wird wirklich mal ein Hektar frei gemacht, 
dann kommt die Jugend noch lange nicht dran. Dann werden Anlagen ge- 
macht, es finden sich zunächst die Spaziergänger, aber auch vielerlei unge- 
ladene Gäste. Da kommen Freunde des „blauen Montags“, verschämte und 
unverschämte Pärchen, Mädchen mit Kinderwagen, und man muss sich fragen, 
ob man seine Kinder einem derartigen Platze zuführen kann. Wenn eine oder 
die andere Stadt in der günstigen Lage ist, eine weitere Anlage zu haben, so 
werden wir die Jugend nicht von ihr wegholen. Verfügt z. B. Königsberg 
über seinen Walter Simon-Platz, auf dem sämtliche Schulen unterkommen 
können, oder Hamburg über sein Heiliggeistfeld, so mag die Jugend in Gottes 
Namen da bleiben. Aber wenn anderseits kein Gelände vorhanden ist, wohl 
aber in der Nähe grosse Wasserbecken, wie bier in Berlin, weshalb soll man dann 
das Anerbieten der Natur zurückweisen? Es ist das äbnlich wie im Verkehrs- 
leben. Wenn uns auf dem Lande der Platz mangelt, dann müssen wir uns 
auf das Wasser hin begeben; es bleibt uns nichts anderes übrig. 

Und dann die dritte Turnstunde. Wir haben in Preussen die dritte Turn- 
stunde erhalten; sie wird jedoch weidlich angefeindet, und man muss sich 
fast wundern, dass sie heute noch besteht. Viele sprechen ihre Gegnerschaft 
nicht so laut aus, wie sie es vielleicht möchten. 

Die dritte Turnstunde ist eine Gabe Sr. Majestät, und wir verdanken sie der 
Schulreform. Man beurteilt es durchaus falsch, wenn man ihren Wert darin 
erkennt, dass die Jugend Gelegenheit bekommen hat, in der Woche 50 Minuten 
mehr zu turnen. Der Schwerpunkt liegt darin, dass von massgebender Stelle 
aus den körperlichen Uebungen eine entschieden höhere Wertung zu 
teil geworden ist. Dieser Gewinn kommt nicht bloss den Schulen zu gute, 
sondern dem ganzen Volke. Seitdem wir die dritte Turnstunde haben, ist das 
körperliche wie das turnerische Leben gewaltig in die Höhe gegangen. Wenn 
man aber nun eine höhere Wertung ansetzte, so musste allerdings naturgemäss 
noch etwas weiteres geschehen: Man musste dann für eine Erweiterung des 
Uebungsstoffes sorgen, und das hat sich nicht über Nacht machen lassen. 
Dazu war Zeit nötig. Der erwachsene Schüler, der 18—20 Jahre alt ist, ist 
nicht ohne weiteres mit derselben Kost zufrieden, die man dem (uartaner 
gibt. Er sehnt sich nach grösserer Mannigfaltigkeit, er verlangt auch einen 
gewissen Zusammenhang mit dem öffentlichen Leben. Früher, als unsere 
Schülerverbindungen noch vorhanden waren, war die Universität und der 
Bruder Studio das Ideal für den Primaner. Deshalb liebte er auch den Fecht- 
sport und die Neigung zum Kommersieren. Wenn nun heute unsere Schüler 
sich höhere Ziele gesteckt haben, und wenn sie in dem Staatenleben ihre 
Ideale suchen, will man das denn verurteilen? Der Schüler lebt in der Zeit, 
wo es eine Lust und Freud ist, Deutscher zu sein. Die Bilder aus dem Welt- 
staatleben steifen ihm den Nacken und wölben ihm die Brust, und er sucht 
sehon während seiner Schülerzeit einen gewissen Zusammenhang mit dem 


396 Verhandl. der Deutschen Gesellschaft für öff. Gesundheitspfl. zu Borlin. 


späteren Leben und hat das Gefühl, er müsse sich für die späteren Aufgaben 
kräftigen und würdig machen. 

Aber auch das wird nicht ohne weiteres anerkannt. Ja, sagen pedan- 
tische Leute, sehr schön, aber, Rudern ist Sport, manche reden sogar von 
„englischem Sport“, als ob man zwischen englischem und deutschem Sport 
etwa wie zwischen englischen und deutschen Kohlen scheiden müsse. Dann 
gibt es wieder andere, steifleinene Pädagogen, die klagen: Ihr zerstört uns 
das wissenschaftliche Arbeiten. Die Eltern haben auch hin und wieder ibre 
Bedenken. Die Mutter sagt, das Wasser hat keine Balken, der Vater hat viel 
von Herzkrankheiten reden hören. Das Wort Sport treibt schon an und für 
sich vielen Leuten das Blut zu Kopf. Sie definieren dieses Wort je nach der 
Liebe oder dem Hasse, die sie im Innern tragen und die sie kräftigen Uebungen 
entgegenbringen. Der Däne Müller macht zwischen Turnen und Sport einen 
Unterschied, der bestechend ist. Er sagt, wer seinen Körper kräftig machen 
will, der turnt, und wer ein bestimmtes Ziel erreichen will, der treibt Sport. 
Das klingt sehr schön, aber beides lässt sich nicht von einander trennen. Man 
hat gesagt, Sport ist Ausländerei. Ja, was soll ein solcher Vorwurf? Mit 
demselben Recht können wir sagen, unser Unterricht ist Ausländerei. Wenn 
von den 30 Stunden der Prima über die Hälfte dem fremdsprachlichen Unter- 
richt und der Literatur zugestanden werden, und wenn es so ist, dass wir die 
Feinheiten der deutschen Sprache auf den Umwege über das Ausland kennen 
lernen müssen, dann steht es damit ähnlich. Anderswo ist man weniger eng- 
herzig. Unsere deutsche Schulausstellung in St. Louis wurde rückhaltlos 
gelobt, und die Amerikaner haben es durchaus nicht verschmäht, alles das- 
jenige sich zu Nutze zu machen, was sie brauchten. Was sollte man auch 
heute dazu sagen, wenn die Kriegswissenschaft, die Technik, Landwirtschaft 
nicht mehr auf die Errungenschaften des Auslands achten? Man würde 
ihnen die bittersten Vorwürfe machen! Man hat auch von Einseitigkeit des 
Sports gesprochen. Einseitigkeit ist nicht immer ein Tadel. Es ist eine be- 
kannte Erscheinung, dass Leute, die mit einer gewissen Liebhaberei sich auf 
bestimmte Gebiete werfen, einseitig werden müssen. In Wirklichkeit besteht 
der Sport auch auf wissenschaftlichem Gebiete, z. B. wenn jemand sich nur 
mit historischen (uellenforschungen beschäftigt. Als einen Tadel kann man 
das wahrlich nicht hinstellen. Geheimrat v. Leyden hat gelegentlich gesagt, der 
Sport finde sich nur bei intelligenten Nationen, und die Geschichte bestätigt 
das; denn gerade die geistig hervorragenden Nationen haben dem Sport ge- 
huldigt. Und diese Intelligenz, die man dem Sporte nachrühmen kann, ist es 
nicht allein. Er hat auch sonst gute Eigenschaften, und wenn z. B. Fürst 
Bismarck einmal das Wort gesagt hat, die „Diplomatie ist heute kein Sport 
mehr“, so soll das so viel heissen, die Ritterlichkeit und Vornebmheit in der 
Diplomatie ist leider verloren gegangen. Die Olympiasieger waren die ge- 
wandtesten Sportleute, die es gegeben hat, und mancher, der auf dem Katheder 
die Olympiasieger hoch preist, denkt nicht daran, dass er im Tagesleben sich 
als Feind des Sports gibt. Es wird uns von einem Argiver erzählt, er sei, 
nachdem er in Olympia den Lorbeerkranz errungen hatte. am selben Tage 
noch nach seiner Heimat geeilt, um seinen Mitbürgern diesen Sieg zu be- 


Verhandl. der Deutschen Gesellschaft für öff. Gesundheitspfl. zu Berlin. 397 


richten. Er legte an demselben Tage noch 75km zurück und und wurde von 
seinen Mitbürgern festlich empfangen. Das war jedenfalls ein ganz gewöhn- 
licher Mensch, der tüchtig laufen konnte, aber sein Ruhm ist bis zu uns ge- 
drungen, und wird noch heute verkündet, obgleich wir über 2000 Jahre weiter 
sind. Und doch hat es immer Leute gegeben, die es mit jenem Idealmenschen 
aufnehmen. Der Berliner Fritz Käpernick z. B. hat viel mehr’ geleistet. Er 
ging im Jahre 1870/71 mit in den Feldzug als Regimentsjunge und machte 
sich sehr nützlich, indem er allerhand Botendienste übernahm. Nach Beendi- 
gung des Feldzuges kam er nach Berlin wieder zurück, wo er einige Jahre 
darauf dienen musste. In dieser Zeit kam ein englischer Meisterschaftsläufer 
berüber, der zum Wettkampfe im Dauerlaufe aufforderte. Käpernick machte 
seinen täglichen Dienst bis 11 Uhr, dann lief er in Konkurrenz mit dem Eng- 
länder. In 6 Tagen hatte er 270 englische Meilen zurückgelegt, d. h. pro Tag 
etwa 70 km. Er gewann einen Preis von 1000 M. Natürlich wurde er von 
der Oeffentlichkeit bewundert, aber seine vorgesetzte Behörde gab ihm nicht 
einen Lorbeerkranz, sondern 3 Tage Mittelarrest. 

Wenu wir endlich von Uebertreibung beim Sport reden, müssen wir 
bedenken, dass es in gewissen Gebieten ohne Uebertreibung gar nicht ab- 
geben kann, überdies lassen sich Kraft- und Leistungsmessungen bei den 
Lebewesen gar nicht entbehren. Uebrigens soll der deutsche Turner bei solchen 
Vorwürfen vorsichtig sein. Wer Uebungen am Reck und Barren bewundert 
bat, wird sich sagen, sie lassen sich kaum noch übertreffen. Gehen wir 
einen Schritt weiter, dann kommt das schwarze Verhängnis; gibt es noch 
einen vernünftigen Fortschritt. so ist es das Besinnen auf sich selbst! 

Rudern ist jedenfalls viel mehr Turnen als Sport. Wer das bestreitet, 
der hat eben die Turngrenze sich so zurecht gemacht, wie er es in seiner 
Jugend zufällig gelernt hat. Wenn die alten Turnpatriarchen, ein Jahn, ein 
Gutsmuths, die Rudergeräte gehabt hätten, die wir besitzen, so würden wir 
es gar nicht nötig haben, von einem Unterschiede zwischen Rudern und Turnen 
zu reden. 

Was unser Sportboot anbetrifft, so ist es ein Meisterwerk. Aus der alten 
Jolle, in der noch heute der Fährmann mit der breiten und ungeschickten 
Schaufel den Verkehr vermittelt, ist später die Dollengig entstanden. 
Schlanker, zierlicher gebaut und leichter als die Jolle ist sie doch immer 
noch ein schwerfälliges Gerät. Die Dollengig dient erstens dem Verkehr und 
zweitens der Uebung, die Jolle dient dem Verkehr und dem Vergnügen; ich 
verweise bezüglich der ersteren auf die Dienstordnung unserer Marine. Die dritte 
Entwickelungsstufe zeigt den Halb- und Ganzausleger. Dieses Boot ist in 
jeder Beziehung für turnerische Uebungen eingerichtet; für Verkehrsverhält- 
nisse kann es so gut wie nicht in Betracht kommen. Die Mannschaft verfolgt 
ausschliesslich das Ziel, sich geschmacklich, sittlich, turnerisch zur höchsten 
Vollkommenheit auszubilden. Dem allgemein erziehlichen Zwecke dienen alle 
Einzelheiten des Bootes, so das Verhältnis zwischen Länge und Breite; es ist 
beim Halbausleger 10:1, beim Ganzausleger 23:1. Es hat also das Boot 
hierdurch die Gestalt eines Fisches bekommen. Ferner dient diesem erzieh- 
lichen Zwecke die Leichtigkeit; durch sie wird erreicht, dass jede Bewe- 


398 Verhandl. der Deutschen Gesellschaft für öff. Gesundheitspfl. zu Berlin. 


gung der Ruderer in die Erscheinung tritt. Weiter kommt die Raumbemessung 
in Betracht. Es ist jedem einzelnen Ruderer nur soviel Platz zugestanden, 
als ihm für die korrekte Erfüllung seiner Aufgabe zugestanden zu werden 
braucht. Ferner erwähne ich die sogenannte Auslegereinrichtung. Durch 
Eisengerüste am Aussenbord wird die Abhängigkeit der Ruderlänge von der 
Bootsbreite beseitigt, insofern der Ruderhebel einen Stützpunkt findet, der 
ausserhalb des Bootes liegt. Man ist so imstande, mit dem denkbar engsten 
Fahrzeuge die denkbar längsten Ruder zu verbinden. Endlich will ich auch 
noch den Rollsitz anführen. Er bringt es mit sich, dass die Ruderarbeit auf 
den ganzen Körper von der Sohle bis zum Scheitel verteilt wird und zwar 
in der Weise. dass man sagen kann, jeder einzelne Körperteil komme nach 
seiner Leistungsfähigkeit dabei in Betracht und werde dauach in Dienst ge- 
stellt. Also man kann wohl sagen, dass dieses Boot ein Kunstwerk ist, in 
dem der Ballast, der Körper in lebende, treibende und bewegende Kraft um- 
gewandelt werden. Die Rudermannschaft wird in ihrer physischen Leistung 
noch um so mehr herangezogen, als korrekte Haltung beim Rudern Vorbe- 
dingung für das Gelingen der Uebung ist, nicht etwa wie bei einem Frei- 
sprung willkommene und angenehme Zugabe; denn der Körper muss bei den 
pendelartigen Schwingungen sich immer streng in einer Ebene halten, die 
etwa senkrecht liegt zum Wasserspiegel und durch die Kiellinie in ihrer 
Richtung bestimmt wird. Das sind alles Dinge, die das Rudern zu einer 
hervorragenden turnerischen Uebung machen; bedenkt man ferner, dass diese 
Uebung sich in der besten, nämlich staubfreien Luft vollzieht, dann wird 
man auch wissen, dass die edlen Organe, Herz und Lunge, bei diesem Ruder- 
betriebe eine um so günstigere Beeinflussung erfahren, als durch das regelmässige 
Beugen und Strecken auch die Atmung ganz bestimmten Regeln unterworfen wird. 

Vergleiche man hiermit das Radeln. Wie anders ist es da! Der Radler 
verwendet seine Maschine für ganz andere Zwecke; er will vorwärts, über 
Zeit und Raum sich hinwegsetzen, und bei diesem Bemühen lässt er oft genug 
die Rücksicht auf Herz und Lungen ganz fallen, und das Gerät, auf dem er 
sich befindet, ist nicht so auf sein Wohl bedacht, wie das Boot. Die nach 
unten gebogene Lenkstange verleitet ihn sogar, krumm zu sitzen und sich an 
seiner eigenen Gesundheit zu versündigen. 

Damit komme ich auf einen Punkt zu sprechen, der heutzutage oft nnd 
viel erwähnt wird, auf die Herzkrankheiten. Man hört heute, wenn man vom 
Rudern und Radeln spricht, recht häufig die etwas leichtfertige Bemerkung: 
„Dass durch das Rudern und Radeln Herzkrankheiten entstehen, ist statistisch 
nachgewiesen“. Wenn man fragt, wie ist es denn nachgewiesen, dann bleibt 
der Betreffende gewöhnlich die Antwort schuldig, und erkundigt man sich 
weiter, wo ist es nachgewiesen, dann erst recht. Ein statistischer Beweis ist 
in den meisten Fällen schon deshalb unmöglich. weil der Ruderer ein Mensch 
ist, der körperliche Uebungen liebt und neben dem Wasserturnen auch Leibes- 
übungen zu Lande pflegt; findet man doch in neueren Boothäusern z. B. in 
Hamburg. auch Räume für planmässigen Turnbetrieb. Das eine lässt sich 
nicht in Abrede stellen, dass man heute mit Herzkrankheiten sehr vie) zu 
tun hat. Aber zunächst liegt die Sache so, dass sie beim weiblichen Ge- 


Verhandl. der Deutschen Gesellschaft für öff. Gesundheitspfl. zu Berlin. 399 


schlecht ebenso oft vorkommen wie beim männlichen, und, wie ich mich 
unmittelbar durch Untersuchungen überzeugen konnte, bei kleinen Jungen, die 
so gut wie noch gar nicht in die Turnhalle gekommen sind, ebenso häufig 
sind wie bei den Erwachsenen. Also die Sache muss doch andere Gründe 
baben, und der Arzt weiss auch ganz genau, dass in vielen Fällen Blutarmut, 
allgemeine Erschöpfung, geistige Ueberbürdung die erste Ursache sind. Wenn 
das aber der Fall ist, so sollte man wahrlich nicht daraus den Gedanken 
ableiten, dass man die Jugend von zweckdienlichen körperlichen Uebungen 
fernbalten müsse, sondern man sollte im Gegenteil dadurch bedacht sein, 
durch frische Luft ihr eine bekömmliche Ernährung zu gewähren. Im übrigen 
siod wohl die Herzkrankheiten meist darauf zurückzuführen, dass unser heuti- 
ges Wohlleben noch nicht mit der sehr gesteigerten Pflichterfüllung hat iu 
Einklang gebracht werden können. Beides, Wohlleben und angestrengte Ar- 
beit, lassen sich eben nicht vereinen. 

Will man irgend einer sportlichen Uebung einen Vorwurf machen, so 
wird jedenfalls zunächst das Radeln genannt werden müssen, denn aus dem 
Obigen geht hervor, dass die Einwirkungen nicht dieselben sind wie beim 
Turnen. Aber es wäre auch da nicht recht, gleich mit dem Schwerte der 
Vernichtung vorzugehen; denn es ist bisher noch immer so gewesen, dass neue 
Erscheinungen zunächst falsch aufgefasst wurden. Allmählich wird die Oeffent- 
lichkeit durch Schaden klug, und dann kommt gewöhnlich bald die Remedur. 

Man hat über die Schülerregatten gesprochen und gesagt, wenn Herzkrank- 
heiten nun einmal drohen, so soll man sich vor der Regatta hüten. Und in der 
Tat ist man noch nicht vollständig klar darüber, ob die Regatta oder das Muster- 
rudern oder endlich das Tourenrudern in den Vordergrund zu stellen sei. Die 
Mannschaft muss so weit mit ihren edlen Organen durchgebildet sein, dass 
sie die Regatta ohne Ueberhastung nimmt. Uebrigens ist es ganz klar, dass die 
örtlichen Verhältnisse bei dieser Wahl der Uebungen mitsprechen werden. Wenn 
jemand an einem schmalen Flusse wohnt, so muss er andere Bedingungen gelten 
lassen als an unseren norddeutschen Seen. Das Wort Regatta hat immer nur 
einen guten Klang im Munde eines durchgebildeten Ruderers. Andererseits ist 
die Regatta aus erziehlichen Gründen im Schülerrudern unentbehrlich. 

Weiter hat man gefragt: Wie wollt ihr das Rudern in den Lehrplan der 
böheren Schulen hineinbringen? Zunächst muss darauf hingewiesen werden, 
dass die Bestrebung darauf hinausgeht, das Erholungsleben auszufüllen, 
also zunächst keinen Eingriff in das Schulleben zu machen. Hierauf 
wird man sich allerdings nicht beschränken dürfen. Es sollen bei alledem 
Neigungen in der Jugend erweckt werden, die dem späteren Leben Ziel 
und Richtung geben. Wer das anerkennt, dass die Schule für die Er- 
ziehung zu sorgen hat, der wird auch ganz entschieden diesen Gedanken 
unterschreiben. Es bat der Kaiser bei der Schulreform im Jahre 1887 Worte 
gesprochen, die etwa so lauteten: „Wenn die Schule die Jugend so lange dem 
elterlichen Hause entzieht, wie sie es tut, dann muss sie auch für die Eızie- 
hung der Kinder sorgen und die Verantwortung dafür übernehmen“. Nicht 
allein für das Wissen also haben wir zu sorgen, sondern auch für das Können. 
Moltke hat einmal gesagt: „Das Wissen ist es keineswegs allein, welches den 


400 Verhandl. der Deutschen Gesellschaft für öf. Gesundheitspfl. zu Berlin. 


Menschen fähig macht, Opfer zu bringen für das Vaterland. Dazu gehört die 
ganze Erziehung des Menschen.“ Solcher und ähnlicher Urteile wollen wir 
doch auch bei unseren Bestrebungen gedenken! Uebrigens ist es dem Turnen 
vor Jahren nicht besser gegangen wie dem Rudern; es wurden gegen die 
Turnfreunde die heftigsten Angriffe gemacht. Da hiess es in der ersten Hälfte 
des vorigen Jahrhunderts, der Unterricht wird gestört, die Jugend wird nur 
eitel, roh und gleichgiltig, sie treibt allerhand Unfug. Der Regierung blieb 
damals nichts anders übrig, als durch eine Kommission ein Gutachten ausar- 
beiten zu lassen. Dr. v. Koenen schrieb eine Broschüre: „Turnen und Leben“. 
Io dieser trat er männiglich für die Sache der körperlichen Erziehung ein, 
und von da ab beruhigte sich die Oeffentlichkeit. So ist es gerade auch 
jetzt. Der gesunde Wechsel zwischen geistigem und körperlichem Tun, den der 
Arzt jedem Menschen vorschreibt, soll er etwa für den Primaner nicht gelten? 
Es klingt auch so, als ob der Musterschüler in litteris auch immer ein 
Mustermensch werden müsste. Wenn einer stundenlang hinter seinem Arbeits- 
tisch sitzen kann, so ist hier und da doch aus ihm auch ein Mensch geworden, 
der es stundenlang hinter dem Biertisch aushält. Wenn wir gerecht urteilen 
wollen, dann müssen wir einen jungen Mann, der die Zeit, die ihm frei zur 
Verfügung gestellt ist, dazu benutzt, tüchtig und rüstig sich zu betätigen, der 
ebensowohl bei dem kalten Nord- wie bei dem nassen Westwind hinausgeht 
in die freie Natur, sich in Reih und Glied stellt und Gesetzen unterwirft, die 
er selbst mit entworfen hat und die er schon deshalb sehr gern befolgt, weil 
er ihre wohltuenden Einwirkungen immer wieder am eigenen Organismus ver- 
spürt, doch mit einer gewissen Hochachtung betrachten. 

Uebrigens hat sich das Schülerrudern in Provinzialstädten ohne weiteres 
und leicht eingeführt. In der Grossstadt ist es nicht so schnell gegangen. 
Hier in Berlin sind mancherlei Schwierigkeiten zu überwinden. Der Turn- 
unterricht hat natürlich im Sommer einige Zeit dazu hergeben müssen, aber 
wir müssen uns auch davor hüten, den Schulturnunterricht zu überschätzen. 
Ich will den Turnern, in dessen Dienste ich ja schon seit Jahrzehnten stehe, 
gewiss nichts am Zeuge flicken, aber das muss man doch bedenken, dass die 
Vorbedingungen für den Turnbetrieb nicht immer die günstigsten sind. Die 
Turnstunde ist eine Unterrichtsstunde wie die übrigen. Der Schüler der 
Grossstadt hat es ja nicht leicht und hat bisweilen lange Wege bis zu dem 
Schulgebäude zurückzulegen. Die Luft ist weniger schmackhaft und kräftig 
wie in der Provinz, die an den Schüler herantretenden Aufgaben sind 
meistens schwieriger. Kommt der Schüler in das Schulgebäude, findet er 
einen nur kleinen Raum für seine Bewegungen. Das Schreien und Rufen ist 
mit Rücksicht auf die Nachbarschaft der Schule verboten, also bleibt für ibn 
nichts weiter übrig, als die Sitzstunde im Schulzimmer. Das Laufen in der 
Pause ist in manchen Anstalten noch dazu verboten. Wenn die 4—5—6 
Stunden zu Ende sind, dann kommt die sogenannte „Freiheit“ der Turnstunde, 
d. h. einer Freiheit, wie sie schwüle und enge Schulräume zu bieten pflegen. 
Es liegt nahe, dass der Turnlehrer demgegenüber eine schwere Stellung hat, 
und wenn man über die Vermehrung der Turndispensationen klagt, so muss 
man erwägen, dass die Eltern mit allen diesen Schwierigkeiten der Turnstunde 


Verhandl. der Deutschen Gesellschaft für öff. Gesundheitspfl. zu Berlin. 401 


rechnen. Freie Plätze sind in der Grossstadt selten vorhanden und durch 
den Turnunterricht am Nachmittag würden neue Wege entstehen. Wir müssen 
auch den Direktoren eine gewisse Erleichterung in den Schulstunden schaffen. 
Ver allen Dingen sollte man darauf bedacht sein, dass die Stunden nicht 
bloss gegeben werden, weil sie auf dem Stundenplan stehen, sondern damit 
die Schüler in Wirklichkeit die Erfrischung haben, die ihnen mit Rücksicht 
auf die Last der Arbeit notwendig ist. Von diesem Standpunkte aus müsste 
gerade die Grossstadt gewisse Ziele in Aussicht nehmen, an die die Klein- 
stadt weniger zu denken braucht. Die erstere ist ja leider für viele das Grab 
nicht allein der Naturfreude, sondern auch der sittlichen, geistigen und kör- 
perlichen Widerstandskraft. In der Hast des Tageslebens steigen Geschlechter 
eben so schnell empor, wie sie niedersinken und verschwinden, und aus 
ländlichen Bezirken erfolgt ein regelmässiger Zuzug, um eben denselben 
Wechsel an sich zu erfahren. Man sage nicht: Mit dieser Tatsache müssen 
wir uns abfinden; gerade die Schule hat die Verpflichtung, dem Nachwuchs 
zu zeigen, dass es noch Wege gibt, die die Widrigkeiten des Berufslebens 
umgeben, und dass, wenn der gute Wille vorhanden ist, sich auch Mittel 
finden lassen, die Spuren zu finden und gute Gedanken in die Wirklichkeit 
umzusetzen. e 

Was nun die praktische Durchführung des Wasserturnens betrifft, so 
bleibt bestehen, dass unsere grossstädtischen Schulbehörden, wenn der Jugend 
die Wohltat einer gründlichen Durchlichtung und Durchlüftung der Lungen 
und des ganzen Körpers zu Teil werden soll, einen ganzen Nachmittag frei 
geben müssen, frei geben von Unterrichtsstunden und von Schulaufgaben. 
Im Ausland, wo der Tag auch nur 24 Stunden hat, und wo auch etwas ge- 
leistet wird, geht man wirtschaftlicher mit der Volksgesundheit um. In 
Frankreich wird nicht nur ein ganzer Tag in der Woche freigegeben, sondern 
auch die Ferien sind bei weitem reichlicher zugemessen als bei uns. In 
Russland, Skandinavien, Oesterreich und in der Schweiz geht man noch viel 
weiter. Wenn es aber wirklich als Pflicht der Schule anerkannt wird, auch 
die körperliche Erziehung unter Gottes freiem Firmament, — die Freilicht- 
gymnastik — zu pflegen, dann kommen wir um das Wasserturnen gar nicht 
herum, denn es gibt keinen Zweig der Gymnastik, der so gebieterisch ins 
Freie hinaustreibt, wie das Wasserturnen, und wir sollten eine Kraft, die uns 
dahin führt, wo die Bäche rieseln, die Wiesen grünen, die Wellen rauschen, 
wahrlich nicht von uns weisen! R 

Das Schwimmen und Rudern sollte, so weit es möglich ist, als verbind- 
licher Zweig des Turnens eingeführt werden. Das verbindliche Schwimmen 
lässt sich sozusagen über Nacht durchführen, wenn nämlich Anordnungen ge- 
troffen werden, dass solche Schüler, die in den Schwimmunterricht eintreten, 
bis zum Tage der Schwimmprobe vom Turnunterricht befreit werden. Das 
Rudern muss eine Auszeichnung bleiben für erwachsene Schüler. Zutritt 
haben nur diejenigen, die das volle Vertrauen des Lehrerkollegiums 
besitzen. Sie haben fernerhin ein Zeugnis vom Turnlehrer beizubringen. 
dass sie an den körperlichen Uebungen im Winter sich rege beteiligt haben. 
dann natürlicher Weise ein Zeugnis über die Gesundheit und Schwimmfähigkeit. 


402 Verhandl. der Deutschen Gesellschaft für öff. Gesundheitspfl. zu Berlin. 


Solchen aber sollte man eine Ausnahmestellung in dem Schülercoetus gut und 
gerne zugestehen. Die Rückwirkung wird ganz sicher nicht ausbleiben; wir 
werden selbständig durchgebildete Charaktere bekommen! Für die Pflege des 
Gehorsams haben wir auch in unseren Schulen nun gerade Mittel genug; was 
uns fehlt, sind die Mittel zur Bildung der Selbständigkeit. In der Herde mit- 
zulaufen ist leichter, als eine eigene Meinung oder Handlung zu vertreten. 
Wenn der Student imstande sein soll, im Drange der Zeit und in der Stunde 
der Gefahr eine Korporalschaft, Bootsmannschaft zielbewusst zu führen, muss 
der Primaner auf der Schule das Befehlen ebenso wohl wie das Gehorchen 
gelernt haben. r 

Es hat ein Mann, den wir alle sehr hoch schätzen, und der in viel trüberen 
Zeiten gelebt hat, als wir, Ernst Moritz Arndt, mit einem prophetischen 
Blick ausschauend gesagt: „Der Deutsche ist ein Wassermann“, und er fährt 
weiter fort: „Wir waren volle Männer, wir waren auch starke Männer, als wir 
unsere Küsten und Flüsse noch hatten, als die Flotten von Brügge, Antwerpen, 
Lübeck und Danzig unsere Meere beherrschten. Welch ein Leben würde es 
sein, wenn unsere Ostsee und Nordsee uns Deutschen aufgeschlossen wären, 
wenn wir mit den Kriegsschiffen deutscher Flagge frei und fröhlich in die 
weite Welt hinauswimpeln und fortsausen könnten? Glaubt nur, solche Lust 
und solcher Mut wirkt bis ins innerste Volk zurück. Die Kraft, Rüstigkeit 
und Entschlossenheit des Seemanns ist weiland in die deutschen Seelen durch 
alle Adern des Reichs hindurchgeströmt“. So ein echt deutscher Mann. Das, 
was er gehofft, was schon lange vor ihm kein Geringerer als der Grosse 
Kurfürst ersehnt, hat sich erfüllt. Heute können wir uns rühmen, in einem 
kräftigen Staate zu leben. Unser deutsches Vaterland ist zur Weltmacht ge- 
worden. Dann aber muss es wahrlich für uns auch Pflicht sein, das, was 
deutsche Kraft und deutscher Mut geschaffen haben, mit Gewissenhaftigkeit 
zu erhalten. Die Zeit des Philosophierens und Träumens ist vorbei. Wer binüber- 
blickt auf die nervenerschütternden Begebenheiten des ostasiatischen Feldzugs, 
der weiss, dass wir uns heute nicht mehr beschränken dürfen auf die Erziehung 
von W asserratten, und wer gar das geheimnisvolle Treiben der neuzeitlichen Welt- 
politik ins Auge fasst, der wird wissen, dass wir nicht nur unser Pulver trocken 
und das Schwert geschliffen, sondern auch unser Ruder und Steuer fertig und 
flott nalten müssen. Wir wissen alle nicht, was die Zukunft bringt. Leichter 
wird es unser Nachwuchs sicher nicht haben, als wir es gehabt haben, und 
grosse Aufgaben sind ihm vielleicht vorbehalten. Wenn dem so ist, daun 
sollen wir alle darauf bedacht sein, dass jeder das Seinige von der Schule 
mitnehme. Welchem Vater oder welcher Mutter kann es gleichgiltig sein, ob 
in stürmischer Zeit die Söhne schwach dahinsiuken, oder ob sie gut ausge- 
stattet mit geistigem, sittlichem und leiblichem Reisegut in die Welt ziehen? 
Gewiss, es gibt noch viele Fragen zu erledigen, und unsere Schule wird tag- 
täglich mit neuen Aufgaben angegangen. Aber sollen wir deshalb die Hände 
in den Schooss legen? Vielleicht gilt auch für uns in Berlin, die wir von 
den herrlichen märkischen Seen uns umgeben sehen, das Wort des alten 
Arndt: „Diese Kraft, die von den Küstenbewohnern ausgeht, wird dermaleinst 
das deutsche Vaterland durchdringen.“ Das wollen wir beherzigen, und ich 


Verhandl. der Deutschen Gesellschaft für öff. Gesundheitspfl. zu Berlin. 403 


möchte den einen Wunsch aussprechen, dass der heutige Abend dazu beitragen 
möge, auch das Wasserturnen hier in Berlin mehr zu fördern. Die junge 
Welt, unser Nachwuchs, lässt’s an Neigung gewiss nicht fehlen; dem Bedäch- 
tigen. dem die Vergangenheit mehr gilt als die Zukunft, rufe ich zu: Wage 
mit einem frischen, kräftigen Hip, hip, hurrah! nur erst einmal den ersten 
Schritt, und der zweite wird dir dann schon leichter werden! 


Diskussion. 

llerr Patschkowski berichtet über die ärztlichen Untersuchungen, die er bei 
den Mitgliedern sämtlicher Berliner Schülerrudervereine, vor und nach dem Wett- 
rudern, angestellt und über deren Ergebnisse er dem Kultusministerium hat Bericht 
erstatten müssen. Seine Aufmerksamkeit lenkte er besonders auf die Beschaffenheit 
des Herzens und der Lunge, hauptsächlich auch auf die Differenz der Maasse des 
Brustumfangs zwischen tiefster Einatmung und tiefster Ausatinung. Er kam zu fol- 
genden Thesen: 

1. Das Rudern der Schüler auf Booten mit Grleitsitzen ist als eines der besten 
Minel für die Kräftigung der Jugend zu empfehlen. 

2. Am geeignetsten für die Ausbildung des jugendlichen Körpers ist das soge- 
nannte Skullrudern, wobei jeder Teilnehmer mit 2 Rudern arbeitet. 

3. Das Wettrudern derSchüler ist zu verbieten. Sollte es dennoch beliebt werden, 
š sind gewisse Aenderungen des bisherigen Modus notwendig. 

Redner schlägt vor, das Wettrudern nur mit Skullrudern zu veranstalten, da bei 
nur einseitiger Rudertätigkeit gewisse Rückgratsverkrüämmungen beobachtet worden 
sind. Nach dem Wettrudern ist bei einem nicht kleinen Prozentsatz der Teilnehmer 
eine erhebliche Schwäche des Herzens und ein gewisser Kollaps in die Erscheinung 
gerelen, so dass das Wettrudern doch nicht als ungefährlich betrachtet werden darf. 
Kelner gesteht allerdings zu, dass er einen dauernden gesundheitlichen Schaden durch 
das Schülerrudern niemals hat konstatieren können; stets hat er eine Kräftigung des 
llerzens, eine Zunahme des Brustumfangs, oft sogar Besserung der Blutarmut festzu- 
steilen vermocht, wie sie vielleicht durch wenige andere Uebungen zu erzielen ist. So 
it das Sehülerrudern durchaus zu begünstigen, doch muss dasselbe unter sachver- 
ständiger Leitung stehen, und eine ständige ärztliche Ueberwachung der Teilnehmer 
ist dringend erforderlich; 

Herr Wehmer weist darauf hin, dass das Wort „Sport“ sich von dem alteng- 
lischen disport, bez. dem altfranzösischen desport, déport (von deportare, disportare, 
wobei natürlich „se“ zu ergänzen ist) herleitet und somit nur eine Tätigkeit zum 
Ausdruck bringt, bei der eine Bewegung, d. h. etwa eine Hinausbewegung in frischer 
Luft stattfindet, so dass vieles den Namen „Sport“ ganz zu Unrecht führt. Er be- 
‚ont sodann, dass nicht nur beim Rudern, sondern auch bei jeder anderen Sportart 
jedwede Uebertreibung gesundheitlich von Nachteil sein könne. Die Vorwürfe, die 
Yonturnerischer Seite dem Rudern gemacht werden, besonders der Vorwurf der durch 
dasRudern entstehenden Herzstörungen, können somit für alle Sportarten, sobald sie in 
ünvernünftiger Weise betrieben werden, gelten. Eine äussere, den erwähnten Einflüssen 
Srzenüber günstige Nebenwirkung aller Sportarten besteht auch darin, dass neben der 
Körperkräftigung cino gesunde Ermüdung hervorgerufen werde, und dass dadurch in 
Sitlicher Beziehung Gefahren vermieden werden, die gerade bei der heranwachsenden 
Jugend auf den Körper schwer einwirken. Denn ein ermüdeter Körper ist zu sexuellen 
'irdanken und Taten nicht geeignet. Eine besonders streng zu meidende Schädlich- 
keit während der Ausübung jeglichen Sports ist der Alkoholgenuss. Durch die ge- 
waltsame Ueberanstrengung der Kräfte wird freilich häufig der Grund zu einem spi- 


404 Verhandl. der Deutschen Gesellschaft für öff. Gesundheitspfl. zu Berlin, 


teren Herzleiden gelegt; dies gilt aber sowohl für das Rudern wie für das Radeln 
und Bergsteigen. Sämtliche körperlichen Schädigungen lassen sich jedenfalls beim 
Rudern leicht vermeiden. Sehr empfehlenswert, weil ohne alle Gefahren, ist auch das 
einfache T'ourenrudern, das noch den Vorteil mit sich bringt, dass man die z. T. sonst 
unerreichbaren landschaftlichen Schönheiten des Vaterlandes auf dem Wasserwege 
kennen lernt. 

Herr Sommerfeld glaubt, dass der Rudersport kaum noch Angriffe aus turne- 
rischen Kreisen erfahren dürfte, nachdem viele Turnvereine jetzt auch Ruderriegen 
eingerichtet haben. 

Herr Wickenhagen verweist in seinem Schlusswort darauf, dass noch immer 
in turnerischen Zeitungen sich Ausfälle gegen das Rudern finden, und schliesst mit 
dem Wunsche, dass man vor allem darauf bedacht sein sollte, eine versöhnende Hal- 
tung zwischen der deutschen Turnerei und deutschen Ruderei anzubahnen. 


Verlag von August Hirschwald, Berlin N.W, — Druck von L, Schumacher in Berlin N- 


4. 


Hyeienische Rundschau. 


Herausgegeben 


von 


Dr. Carl Fraenkel, Dr. Max Rubner, Dr. Carl Günther, 


Geh. Med.-Rat, Prof. der Hygiene Geh. Mod.-Rat, Prof. der Hygiene Goh. Mod.-Rat, a.o.Prof. der Hygiene 
in Halle a./8. in Berlin. in Berlin. 


IVL Jahrgang. Berlin, 15. April 1906. MS. 


(Aus dem Hygienischen Institut der Universität Berlin. 
Direktor: Geh. Med.-Rat Prof. Dr. Rubner.) 
Ueber Choleranährböden. 

Von 
Dr. med. Doebert und Akop Johannissian. 


Im Jahre 1903 haben Hirschbruch und Schwer!) für die Cholera- 
diagnose einen „Specialagar“ empfohlen, der eine Modifikation des Typhusnähr- 
bodens nach v. Drigalski und Conradi ist und die Alkalibildung der 
Cholerakolonie benutzt, um sie in blauer Farbe hervortreten zu lassen. Die 
Aenderungen bestehen darin, dass Hirschbruch und Schwer statt Rindfleisch 
Fleischextrakt nehmen, Nutrose fortlassen und 2%, Agar vorschreiben. Die 
Vorzüge dieses Nährbodens bestehen vor allem in dem deutlichen Farben- 
unterschied zwischen der blauen Cholera- und der roten Colikolonie und der 
Zurückhaltung von saprophytischen Stublkeimen. Auch die tiefliegenden 
Kolonien nehmen eine tiefblaue Färbung an und haben dadurch ein relativ 
charakteristisches Aussehen. Das sind Vorteile, die bei bestehendem Ver- 
dacht die Auffindung von Kolonien auf der Platte erleichtern und, wenn 
man von der Platte weg auf Agglutination prüft, die Erkennung erster Fälle 
beschleunigen könnten. Man wird aber von einem „Special-“Nährboden 
nicht nur verlangen, dass er die Erkennung der ausgekeimten Kolonien 
besser ermöglicht, sondern er muss auch für die betreffende Keimart mög- 
lichst günstige Bedingungen zum Auswachsen bieten, er darf nicht neben 
einer Unzahl gleichgültiger Keime, die vielleicht nur in geringer Zahl vor- 
handenen gesuchten hemmen. Es musste daher die Hirschbruch-Schwer- 
sche Agarzubereitung zunächst von diesem Gesichtspunkte aus geprüft werden. 
Es sind bereits im vorigen Sommer auf Anregung von Herrn Geh. Med.-R. 
Rubner von Johannissian aus Baku Versuche darüber unter Prof. Fickers 
Leitung gemacht worden, die aus äusseren Gründen nicht zu Ende geführt 


1) Die Choleradiagnose mit Hilfe eines Specialagars. Centralbl. f. Bakt. 1903. 
Bd. 34. S. 587. — Vergl. ausserdem Hirschbruch u. Schwer, Centralbl. f. Bakt. 
Bd. 36. S. 144 u. Hirschbruch, Klin. Jahrb. 1904. Bd. 12. 


30 


406 Doebert u. Johannissian, 


wurden. Ich gebe zunächst die Worte Johannissians nach seinem Manuskript 
mit unwesentlichen Aenderungen wieder: 

„Für sämtliche Versuche wurden folgende Bakterienverdünnungen herge- 
stellt. Eine Oese von 24 stündiger Choleraagarkultur wurde in 50 ccm sterile 
indifferente Aufschwemmungsflüssigkeit 1) enthaltender Tropfflasche durch 
Schüttelo suspendiert. 1—2 Tropfen von dieser Lösung kamen in eine zweite 
Tropfflasche, die auch 50 ccm der Aufschwemmungsflüssigkeit enthielt. 

Von dieser II. Verdünnungsflasche wurde die gleiche Tropfenanzahl einer- 
seits in verflüssigte, auf 40 bezw. 43° abgekühlte Kochsche und Hirsch- 
bruch-Schwersche Agarröhrchen gegeben, der geschüttelte Röhrcheninhalt 
wurde auf Platten ausgegossen (=Mischplatten), andererseits wurde von der 
gleichen Choleravibrionen-Suspension eine Anzahl Tropfen auf die Oberfläche 
vorher gegossener und erstarrter steriler Agarplatten nach Koch und dieselbe 
Anzahl Tropfen in entsprechender Weise auf Hirschbruch-Schwerschen 
Nährboden gebracht und mit Glasspatel verteilt (=Oberflächenaussaat). Die 
Platten wurden nach 1—2 Tagen makroskopisch bezw. mit Lupe gezählt. 


Verhältnisdes 


3 Mischplatten-Ernte Oberflächen-Ausstrich- Oberfl.-Aus- 

2 auf a Ernte auf SEEN 

H strichs bei H.- 
Pr H.-S.-Agar | Kochschem A.| H.-S.-Agar | Kochschem A.f S. u. bei Koch 


96 1270 382 1300 1:34 
0 421 260 1027 1:3,9 
0 50 42 600 1:14 
_ _ 95 800 1:8 
— _ 40 360 1:9 


Aus dieser Tabelle ist ersichtlich, dass bei Mischplattenaussaat, die ich bei 
etwas über 430 vorgenommen habe (Versuch 2 und 3), die H.-S.-Platte steril 
blieb. Es scheint, dass der betreffende Nährboden resp. Kristallviolett bei 
dieser Temperatur vernichtend auf Cholerabakterien einwirkt. Macht man 
diesen Versuch bei etwas niedrigerer Temperatur (40°, Versuch 1), so wachsen 
die Kolonien jedoch im Verhältnis zum Kochschen Agar wie 1:13. Auch 
bei der Ausstrichmethode tritt eine beträchtliche Hemmung ein, das Wachs- 
tum im Verhältnis zur Kochschen Platte ist bei den verschiedenen Stämmen 
verschieden gross und zwar ungefähr wie 1:4, 1:8, 1:9, 1:14. 

Es wurde dann festgestellt, in welchem Verhältnis die Leichtigkeit der 
Isolierung des Cholerakeims aus Wasser auf H.-S.-Platte zu derjenigen auf 
Kochscher Platte steht. Zu dem Zwecke wurden 10 Tropfen von Cholera- 
Verdünnungsflüssigkeit mit 50 cem Spreewasser gemischt. Je ein Tropfen 
von letzterem kam auf Kochsche resp. H.-S.-Platte und wurde ausgestrichen. 
Nach 12—20 Stunden wurden verdächtige Kolonien abgestochen und mikro- 
skopisch und durch Agglutination auf ihre Choleranatur geprüft. Die Ver- 
suche wurden mit und ohne Peptonwasser-Anreicherung angestellt. Es ver- 
steht sich, dass gleichzeitig die Keimzahl in einem Tropfen Cholera-Verdün- 
nungsflüssigkeit und diejenige in Spreewasser (für jede Platte 0,1 ccm) auf 
Gelatineaussaatplatte bestimmt wurde. 


1) Ficker, Zeitschr. f. Hyg. Bd. 29. S. 54. 


Ueber Choleranährböden. 407 


Prepon 
Spreew. mit Cholera- | Isolierte Chol.-Vibr. | d aropfen an erian 
keimen aus Stamm j auf H.-S. | auf K. enthielt enthielt | zu Wasser.-K. 


57 mit Y Anreiche- 
ohne rung 
Baku mit \ Anrei- 

„ ohne } cherung] 


u 


Es ist hieraus ersichtlich, dass es mir auf Kochschem Agar viel leichter 
als auf der H.-S.-Platte gelang, Vibrionen aufzufinden. Die Zahl der Cholera- 
kolonien gelten für je 10 angestochene verdächtige Kolonien. Auf den H.-S.- 
Platten, wo wir Cholerakolonien erwartet hatten, begegneten wir stets kurzen 
Stäbchen von Proteusarten. Der Vorteil des Nährbodens soll darin liegen, 
dass er Wasserkeime zurückhält. Diese Wirkung ist gegenüber dem Koch- 
schen Agar nicht allzu gross, sie ist aus folgender Tabelle ersichtlich. Aus 
einem Tropfen Spreewasser wachsen auf 


Kochscher Platte] H.-S.-Platte | Verhältnis 
| 
1 150 | 95 1,58:1 
2 130 | 


80 1,62:1 


Das Wachstum der Wasserkeime verhält sich also auf der blauen Platte 
zur Kochschen Platte wie 1: 1,58 bezw. 1,62, das der Cholerakeime dagegen 
wie 1:3— 14.“ 


Es geht also aus diesen Versuchen Johannissians schon hervor, dass 
auf dem Kristallviolett-Nährboden der Choleravibrio etwas gehemmt wird. Es 
kam uns darauf an, diese Hemmung noch etwas genauer festzustellen, be- 
sonders da Hirschbruch und: Schwer mehrfach angeben, dass „nach ver- 
gleichenden Versuchen die Kolonienzahl nicht verringert“ und auch „die 
Grössenbildung der Kolonien nicht beeinträchtigt würde,“ genauere Zahlen 
darüber aber bei ihnen fehlen. Infolge des Einbruchs der Cholera in Deutsch- 
land waren wir auch nicht mehr genötigt, mit den vielleicht weniger wider- 
standsfähigen alten Laboratoriumsstämmen zu arbeiten, ich experimentierte 
mit dem kurz zuvor aus dem ersten Berliner Fall isolierten Stamm, den ich 
durch die Güte des Herrn Prof. Frosch vom Institut für Infektionskrank- 
heiten erhielt. Die inzwischen herausgekommene „Anweisung des Bundesrats 
zur Bekämpfung der Cholera!)“ gab natürlich Veranlassung, den darin amt- 
lich empfohlenen Agar der Hirschbruch-Schwerschen Zubereitung gegen- 
über zu stellen. Der amtliche Agar wurde genau nach der Vorschrift S. 53/54 
hergestellt, der nach Hirschbruch und Schwer genau so, wie es von 
Hirschbruch im Klin. Jahrbuch?) angegeben ist. Die Versuchsanordnung 
war dieselbe wie bei Johannissian; nur wurden jedesmal 15 Tropfen in 


1) 1905, bei Richard Schoetz. 
2) 1904. Bd. 12. S. 7 (des S.-A.). 
30* 


408 Doebert u. Johannissian, Ueber Choleranährböden. 


die zweite Verdünnung gegeben und davon 5 Tropfen ausgesät, einige Male 
wurde auch eine dritte Verdünnung hergestellt. Die Mischplatten wurden 
stets zwischen 42,5 und 41,00 besät und fertig gegossen, der Oberflächenaus- 
strich wurde mit je einem, den anderen möglichst gleichen Drigalski- 
Spatel vorgenommen. Es wurden stets 2 Platten besät; die angeführten 
Ziffern sind die Durchschnittszahlen. Die Grössenmessung wurde an den auf- 
liegenden Kolonien mit einem Okularmikrometer vorgenommen, bei dem ein 
Teilstrich 0,1 mm entspricht. Das Mikrometer war in einem Leitz-Okular 2 
befestigt, als Objektiv diente Leitz-Objektiv 3. 


< 
Ernte auf = Platten Grössenmessung nach 
Aussaat amti. | H.-8.- |£ o; 8] gezählt nach 24 Stunden auf 
Agar | Agar H Stunden amtl. Agar H.-S.-Agar 


A. Mischplatten. 


1. a) II. Verd. 


5 Tropfen | 29269 Grösste 1,41, 'Eine von 1,29.mm 
vielel,24mm Die nächst grösste 


| 0,56—bis0, 73mm 


Grösste Grösste 3mm 
33/mm 
i 


b) II. Verd. 
5 Tropten 


1078 


48 


2. a) II. Verd. 


5 Tropfen | 69475 | 1202 


or 
a 


24 Grösste 1,46, | Grösste 1,41, 
vielel,36mm ; einige 1,36 mm 
b) III. Verd. 


5 Tropfen ı 1484 53 |1:28 [H.-S.-Pl. erst _ _ 
n.48St.zählb. 
3. IL. Verd. | 
5 Tropfen | 6054: 1540 [1:4 24 = | _ 
4. II. Verd. | 


5 Tropfen] 4628| 494 [1:9 |H.-S.-Pl. erst f Grüsste etwa | Grösste 0,66 mm 
l n.48St. sicher 1,99 mm 


B. Oberflächen- zählbar. 
Ausstrich 
5.111.Verd.2Tropf. 30 | 6 11:5 24 Grösste 3mm | Grösste 1 mm 
6.111. Verd.1Tropf. 9 2 |1:4,5 24 Grösst.41/zmm| Grösste 3mm n. 


nach48Stdn. 48 Stunden 

Es geht also auch aus diesen Versuchen eine deutliche Hemmung des 
Cholerakeims auf dem H.-S.-Nährboden hervor. Bei sämtlichen Versuchen 
war schon bei dem blossen Anblick der Platten zu sagen, dass die Kolonien 
auf dem blauen Agar an Zahl wie an Grösse deutlich zurückstehen. Die 
Grössenunterschiede waren besonders deutlich bei dem Oberflächenausstrich 
(Versuch 5 u. 6); aber auch bei dem Versuch 2a, wo die Kolonien auf dem 
blauen Agar 57mal so viel Platz hatten, sich auszudehnen, erreichten sie 
nicht ganz die Grösse der auf dem amtlichen Agar gewachsenen. 

Der Grad der Hemmung ist nicht nur bei den verschiedenen Cholera- 
stämmen ein verschiedener, sondern auch bei demselben Stamm, besonders bei 
Mischplatten ungleichmässig. Es mag dies zum Teil daran liegen, dass bei 
der Abhebung von der Agarkultur nicht immer gleich viel gleich lebens- 


Christian, Untersuchungen über Wasserstoffsuperoxyd. 409 


kräftige Individuen gefasst werden, und dass nicht immer ganz genau gleiche 
Mengen Agar ausgegossen werden. Vielleicht spielen auch die schwer ver- 
meidbaren geringen Temperaturdifferenzen bei der Einsaat eine Rolle. 

Bei geringerer Einsaat in den Agar scheint, wie besonders aus den beiden 
ersten Versuchen hervorgeht, das Verhältnis der auf dem H.-S.-Agar ange- 
wachsenen Kolonien etwas weniger ungünstig zu werden, nur einmal erhob 
es sich auf 1:1,5, im Durchschnitt steht es 1:14. Nach alledem ist er- 
wiesen, dass, im Gegensatz zu der Meinung von Hirschbruch und Schwer, 
die Kolonienzahl durch die von ihnen angegebene Agarzubereitung verringert 
und auch die Grössenbildung der einzelnen erheblich beeinträchtigt wird. 

Eine Hemmung des Cholerakeims auf Kristallviolett war auch von vorn- 
herein zu erwarten, da eben alle Bakterien, wenn auch in sehr verschiedenem 
Grade, durch diesen Farbstoff geschädigt werden; der sehr empfindliche Cholera- 
vibrio wird viel härter davon betroffen als der Typhusbacillus. Das ist aber, 
wie wir meinen, ein wesentlicher, ja ausschlaggebender Punkt bei der Be- 
wertung eines Choleranährbodens. Gerade die diesjährige Epidemie hat ge- 
zeigt, wie häufig auch bei der Cholera asiatica die „Bacillenträger“ sind, und 
bei der weittragenden Bedeutung, die die Feststellung eines Choleraträgers 
hat, müssen wir unter allen Umständen dem Nährboden den Vorzug geben, 
der für alle, auch für in ihrer Lebensenergie schon geschwächte Individuen 
die möglichst günstigen Bedingungen zum Auskeimen bietet. Für Unter- 
suchungen von Wasser auf Cholera tritt der erwähnte Nachteil womöglich 
noch stärker hervor, da in Wasserproben der Choleravibrio unter Umständen 
noch grössere Mengen von Begleitbakterien haben kann als im Stuhle eines 
Cholerakranken oder Bacillenträgers. Mit dem amtlich empfohlenen kann 
jedenfalls der Hirschbruch-Schwersche Agar als Nährboden keinen Ver- 
gleich aushalten. Ob das von Coliarten differente Wachstum diesen Nachteil 
ausgleichen kann, müssten noch ausgedehntere praktische Untersuchungen 
zeigen; die beiden orientierenden Versuche von Johannissian sind jedoch 
auch nicht zum Vorteil der Hirschbruch-Schwerschen Agar-Modifikation 
ausgefallen. 


(Aus dem Hygienischen Institut der Universität Berlin. 
Direktor: Geh. Med.-Rat Prof. Dr. Rubner.) 


Untersuchungen über die desinficierende Wirkung des Wasserstoffsuperoxyds 
in statu nascendi. 
Von 
Oberarzt Dr. Christian. 


In neuerer Zeit hat in der Chemie das Studium der Per-Verbindungen 
einen immer grösseren Umfang angenommen. Ausser der Ueberchromsäure, 
welche früher die einzige derartige Verbindung war, gibt es jetzt eine 
ganze Reihe ähnlich gebauter Substanzen. Es scheint, dass nicht nur anor- 
ganische, sondern auch organische Verbindungen unter dem Einfluss des 

3I 


410 Christian, 


Wasserstoffsuperoxyds einer erhöhten Oxydationsstufe zugeführt werden 
können, sich trennen und darstellen lassen. Manche dieser Verbindungen zer- 
legen sich dann auch wieder leicht und spalten Wasserstoffsuperoxyd ab. 
Dieser Körper stellt, wie man weiss, einen für Desinfektionszwecke recht 
verwendbaren Stoff dar. 

Der Gedanke, statt des Wasserstoflsuperoxyds Verbindungen, welche diesen 
Körper abspalten, zu verwenden, liegt nahe. Der Desinfektionseffekt 
kann möglicherweise grösser sein bei allmählicher Abspaltung des Wasser- 
stoffsuperoxyds als bei momentaner Zugabe des ganzen Quantums, bezw. es 
kann dem Wasserstoffsuperoxyd in statu nascendi eine erhöhte Wirksamkeit 
zukommen. 

Von diesem Gedanken ausgehend, hat Ed. Bonjean!) das Verhalten von 
Wasserstoffsuperoxyd und Calciumsuperoxyd miteinander verglichen. Er ver- 
wandte die im Handel erscheinende Wasserstoflsuperoxydlösung (ca. 3°%/,) und 
ein Calciumsuperoxydpräparat, dessen Analyse einen Gehalt von 58,15%), CaO, 
ergab. Den Versuchen wurde Seinewasser zu Grunde gelegt, dem einerseits 
3, 5 und 10 ccm Wasserstoffsuperoxydlösung auf 1 Liter, andererseits 0,5 und 
1,0 g Calciumsuperoxyd zugesetzt wurden. Die Menge des beim Versuch in 
Lösung befindlichen H,O, wurde ermittelt durch Titration mit Kaliumperman- 
ganat (1 ccm = 0,538 mg H,0,) nach Zusatz von Schwefelsäure. 

Aus den Tabellen geht hervor, dass Wasserstoffsuperoxydlösung 10 ccm 
(= 0,291 g H,0,) das Versuchswasser nach 6 Stunden, 0,5 g Caleiumsuper- 
oxyd (= 0,060 g H,0,) aber bereits nach 4 Stunden keimfrei machen. 

Eine Nachprüfung dieser Untersuchungen ergab ein vergleichbares Resultat. 
Als Testobjekt diente Spreewasser, dessen Keimgehalt zwischen 35000 und 


Tabelle 1 


0,0056 gl 0 F £ P & oae P æ o 
0,009 g 0 % £ % % ra P oo 
0,012 g 0 F œ 1440 | 1320 286 
0,023 g| 0 1250 | 700 878 408 20 40 
0,040 g 0 166 112 152 28 13 0 3 — 
0,080 g| 0 80 52 31 0 0 0 — 
0,0032 g r: P 14000 | 9700 | 7000 | 4900 | 3170 
0,008 ç y 520 290 22 10 0 0 — 
0,0065 gļ0, ; 520 24 25 0 0 — 
0.00: 21 4 6 0 -| — _ 
0,0016 gļ0, 0 0 0 | = 

0 0,210 g 0 0 0 

0 0,406 g 0 0 0 0 — 


Erläuterung: Die ccm und g sind berechnet auf 1 Liter Wasser, die übrigen 
Zahlen bedeuten die Menge der Keime in 1 ccm Wasser, œ bedeutet eine sehr grosse 
Zahl von Keimen. 


1) Compt. rend. de Acad. d. Sc, 1905. No. I. 


Untersuchungen über die desinficierende Wirkung d.Wasserstoffsuperoxyds u.s.w. 411 


60000 in 1 ccm schwankte, die Wasserstoffsuperoxydlösung enthielt 2,76%, 
H,O, und das Caleinmsuperoxydpräparat 48,98°%/, CaO, (titriert mit Kalium- 
permanganat in schwefelsaurer Lösung). Die Keimzählungen ergaben, dass 
nach Zusatz von 10 ccm Wasserstoffsuperoxydlösung auf 1 Liter Wasser einer- 
seits und 0,5 g Calciumsuperoxyd auf 1 Liter andererseits in 4—6 Stunden 
eine Sterilisierung des Spreewassers eintrat. Die Resultate waren nicht immer 
vollkommen gleich; doch schien dem ersteren Zusatz in den meisten Fällen 
eine stärkere Wirksamkeit zuzukommen, abweichend von B.’s Feststellungen. 
Bei Verwendung von weniger als 2 ccm Wasserstoffsuperoxydlösung pro Liter 
war eine desinficierende Wirkung kaum wahrzunehmen; von°2 ccm ansteigend 
trat diese Wirkung immer deutlicher hervor, bis bei 10 ccm in der Regel nach 
4 Stunden Sterilisation festzustellen war. Bei Verwendung von 0,5 g Calcium- 
superoxyd -pro Liter fand sich dieser Effekt meist erst nach 6 Stunden, 
während 1,0 g Caltiumsuperoxyd im Durchschnitt nach 5 Stunden Spreewasser 
keimfrei machte.- 

Was nun das in der Lösung nachweisbare Wasserstoffsuperoxyd anlangt, 
so gibt B. ziemlich hobe Zahlen an, fügt aber nicht hinzu, nach welcher Zeit 
er die bezüglichen Bestimmungen gemacht hat. H,O, hält sich wohl bei 
geringer Konzentration in reinem Wasser längere Zeit, in unreinem aber wird 
es durch Bakterienwirkung und wohl auch rein chemische Umsetzungen ziem- 
lich rasch zersetzt (s. Tab. 2 u. 3). Gerade in der ersten Zeit der Einwirkung 
geht die Zerlegung am raschesten von statten, und es ist schwer, in dieser Zeit 
so genau zu arbeiten, dass man vergleichbare Resultate erhält. Ich habe daher 
erst nach 4 Stunden der Einwirkung den Gehalt der Lösung an H,O, festgestellt, 
weil nach dieser Zeit die Zerlegung des Stoffs durch lebende Bakterien in der 
Hauptsache als beendet angesehen werden muss. Die in der Tabelle 1 gegebenen 
Zahlen sind auf diese Weise gewonnen worden. Dabei zeigt sich, dass der 
grösste Teil des Wasserstoffsuperoxyds verloren gegangen ist. Beispielsweise 
können von den 0,276 g H,0,, die bei Zusatz von 10 ccm der käuflichen 
Lösung im ersten Moment in 1 Liter vorhanden gewesen sein müssen, nur 
noch 0,08 g nachgewiesen werden, während B. 0,291 g angibt, was dem theo- 
retisch ausgerechneten H,0,-Gehalt entsprechen würde. 

Beim Calciumsuperoxyd fällt auf, dass die für das in Lösung befindliche 
H,O, ermittelten Zahlen sehr klein sind in Anbetracht des Umstandes, dass 
fortwährend frisches H,O, von dem Stoff abgespalten werden soll. Wenn man 
aber aus der Tabelle 1 den Beweis als erbracht ansehen wollte, dass 0,008 g 
H,0,, abgespalten aus 0,5 g Calciumsuperoxyd, in der Wirkung annähernd 
gleich kämen den 0,08 g H,O, aus der Wasserstoffsuperoxydlösung,; so wäre 
das ein Trugschluss. Es fällt schon ohne weiteres in die Augen, dass bei 
gesteigertem Zusatz von Calciumsuperoxyd der Gehalt an H,O, abnimmt, während 
die desinficierende Wirkung wächst. Bei Verwendung von 3,0 g Calciumsuper- 
oxyd finden wir nach 2 Stunden vollkommene Keimfreiheit bei einem Gehalt 
von 0,0016 g H202; andererseits ist bei der kleinsten Dose von 0,2 g Calcium- 
superoxyd (0,0032 g H,0,) eine desinficierende Wirkung kaum festzustellen. 

Die Frage spitzt sich nun dahin zu: Ist der Desinfektionseffekt der Dosis 
0,5 g Calciumsuperoxyd dem entstehenden H,O, oder einem anderen Agens zuzu- 

sh“ 


412 Christian, Untersuchungen über Wasserstoffsuperoxyd. 


schreiben? Dieses andere Agens kann hier nur der Kalk sein. B. glaubt die 
Kalkwirkung ausschliessen zu können; er stellt Kontrollversuche mit karbonat- 
freiem Kalk an und findet, dass eine erhebliche Wirkung bei Dosen von 1,0 
und 0,5 g ausbleibe. Dieses Resultat würde unsern bisherigen Erfahrungen 
widersprechen, die für 1- und !/, prom. Kalklösungen einen hohen Desinfek- 
tionswert annehmen. In Wahrheit zeigt sich dieser Wert. auch bei B. u.a. in 
dem Umstand, dass bei 1,0 CaO nach 1 Stunde nur 11 Keime gefunden 
werden, doch sicherlich ein Zeichen, dass eine kräftige Baktericidie im Gange 
ist. Trotzdem schätzt B. die Wirkung des Kalks gering ein und glaubt sie 
vernachlässigen zu dürfen in Erwägung des Umstandes, dass diese ange- 
wandten Dosen 10 bezw. 5 mal grösser seien als diejenigen, die bei 0,5 g 
CaO, theoretisch frei werden könnten. Dagegen ist zweierlei einzuwenden: 
Erstens kann man nicht annehmen, dass in einem kohlensäurehaltigen Wasser 
die gesamte zugesetzte Kalkmenge als Ca(OH} in Lösung geht, vielmehr wird 
ein Teil immer als Calciumkarbonat ausfallen. Es wird sich sogar bei den 
kleinen Körnchen oft ein Ueberzug von Karbonat bilden, der dem Auflösen 
des Kalks im Innern mehr oder weniger lange Zeit Widerstand leistet; wenigstens 
zeigt sich, dass der Gehalt an Kalkbydroxyd im Verlauf von vielen Stunden 
dauernd zunimmt, wofür kaum eine andere Erklärung beizubringen ist (s. Tab. 
2—4). Ich habe bei Kalk, der bis zur Gewichtskonstanz geglüht war, auch 
nach 24 Stunden nicht mehr als 73,30%), als in Lösung befindlich nachweisen 
können. Es wäre also richtiger gewesen, wenn B. in jedem einzelnen Falle 
- den nachweisbaren Gehalt an CaO angegeben hätte. 


Tab. 2. 
Dosis: CaO, 1,0 g pro Liter. 


Tab. 8. 


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Lehrbücher. 413 


Tab. 4. 
Dosis: CaO 0,5 g pro Liter. 


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Zweitens nimmt B. an, dass im kohlensäurehaltigen Wasser eine voll- 

stäudige Dekomposition des Calciumsuperoxyds nach der Formel: 

Aq + Ca0, + H20 + CO, = Aq + CaCO; + H,O, 
eintritt. Dass dies nicht der Fall ist, sondern dass Ca(OH); in Lösung bleibt, 
davon kann man sich schon durch Lakmuspapier, das stark geblänt wird, 
überzeugen. Mit -= 5 Schwefelsäure titriert, ergeben sich (s. Tab. 1) sogar 
nicht unerhebliche Mengen von gelöstem Kalk. 

Ein weiterer Blick auf die Tab. zeigt ferner, dass der Desinfektionseffekt 
mit dem H,0,-Gehalt in keine Beziehung zu bringen ist, während er 
sich proportional dem nachweisbaren Kalkgehalt verhält. Damit 
dürfte bewiesen sein, dass der Hauptanteil an der Wirkung des Calciumsuper- 
oıyds dem Kalk zukommt und nicht dem entstehenden H,0,. Mit der Versuchs- 
anordnung B’s kann also die Hypothese von der stärkeren Wirkung 
des Wasserstoffsuperoxyds in statu nascendi nicht glaubhaft ge- 
macht werden. Ob die Hypothese richtig ist oder nicht, darüber geben vor- 
stehende Untersuchungen noch keinen endgültigen Aufschluss; dazu wird man 
einen Körper verwenden müssen, der H,O, abzuspalten vermag, ohne dass ein 
so stark desinficierendes Nebenprodukt wie Kalk entsteht. 


Brouardel P. et Mosny E., Traité d’Hygiene, publié en fascicules. 
1. Courmont, Jules, et Lesieur, Charles, Atmosphère et Climats. 
Paris 1906. J.-B. Bailliere et fils. 124 Ss. 8°. Preis 3 Fres. 

Wie die Herausgeber in der Vorrede hervorheben, beabsichtigen sie, nicht 
blos den neuesten Fortschritten der einzelnen Wissenschaften Rech- 
nung zu tragen, auf welche sich die Hygiene stützt, sondern auch der mo- 
dernen Entwickelung der verschiedenen Verbände und Lebensgemein- 
schaften, innerbalb deren sich der Mensch befindet. Dementsprechend er- 
hält das neue Werk eine von den bisherigen Lehrbüchern der Hygiene ab- 


414 Klima. 


weichende Einteilung und beschäftigt sich zunächst mit dem Individuum und 
seinen Lebensbedingungen, Luft, Klima, Boden, Wasser, individuelle 
Hygiene, Nahrungshygiene. Dann geht es von den einfachsten Lebens- 
gemeinschaften zu den verwickelteren über, von der Wohnungshygiene zur 
Schulbygiene, Gewerbehygiene, Krankenhaushygiene, Militärhygiene, 
Schiffshygiene, Kolonialhygiene und behandelt die Gemeindehygiene 
sowohl des flachen Landes wie auch der Städte, die Versorgung mit 
Wasser und Nahrungsmitteln, die Beseitigung der Abfallstoffe, 
Ursachen und Vorbeugung der übertragbaren Krankheiten, endlich die 
Organisation des Gesundheitswesen und die Socialhygiene. Unter 
der letzteren sollen Demographie, Kinderschutz, Arbeiterschutz, Gesundheit der 
Wohnung, der Gemeinden, die socialen Krankheiten (Aussatz, Alkoholismus, 
Geschlechtskrankheiten, Tuberkulose) Zweck der Gesundheitslehre und Be- 
teiligung der Staats- und Gemeindebehörden, der Orts- und Zweckverbände 
and der Privattätigkeit zusammengefasst werden. In die Bearbeitung der ein- 
zelnen Gebiete haben sich 30 Gelehrte mit meistens auf das Vorteilhafteste 
bekannten Namen geteilt. 

Das vorliegende erste Heft des Sammelwerks enthält „Luft“ von Cour- 
mont und „Klima“ von Lesieur. Jener behandelt zunächst die chemi- 
schen Bestandteile der Luft im Freien und in geschlossenen Räumen, 
dann ihre physikalischen Eigenschaften (Druck, Temperatur, Licht, 
elektrischer Zustand, Bewegung u.s. w.), endlich Rauch und Staub und 
zwar zuerst die leblosen, dann die lebenden Verunreinigungen der Luft. 
Lesieur bestimmt den Begriff des Klimas als Gesamtheit der Gegenden 
mit gleichen meteorologischen, physiologischen und pathologischen Eigen- 
schaften, bespricht die allgemeine Einflüsse der Temperatur, des Wasser- 
gehalts, der Niederschläge, des Windes der Meersströmungen und 
wendet sich dann zu dem gemässigten Klima, bei dem er Festlands- 
klima, Seeklima und Höhenklima unterscheidet und für Europa und 
Frankreich im Einzelnen betrachtet. Daran schliessen sich das warme und 
heisse oder tropische Klima einerseits, das kalte und Polarklima 
andererseits. Den Schluss bildet die Akklimatisation. 

Globig (Berlin). 


Ekelöf E., Gesundheits- und Krankenpflege während der schwe- 
dischen Südpolar-Expedition. Stockholm 1904. Lithographisches Insti- 
tut des Generalstabes (Kungl. Boktryckeriet). 30 Seiten 40, 

Die vorliegende Abhandlung bildet die 3. Lieferung des 1. Bandes des 
unter Leitung von Otto Nordenskjöld erscheinenden Werkes: „Wissen- 
schaftliche Ergebnisse der schwedischen Südpolarexpedition 1901—1903*. 
Das Unternehmen war insofern von Missgeschick verfolgt, als es nicht gelang, 
den Polarkreis zu erreichen, vielmehr bereits unter 64° südlicher Breite auf 
der Insel Snow-Hill die “Ueberwinterungs-Partie“ verbleiben musste, und bei 
dem Versuche, diese durch das Schiff der Expedition: „Antarctic“ wieder 


Immunität. Schutzimpfung. 415 


aufzunehmen, letztere am 12. Februar 1903 im Erebus- und Terror-Golf 
durch Treibeis unterging. Dank der geringen Breite, der verhältnismässig 
milden Kälte, der guten Ausrüstung und des angemessenen Verhaltens gelang 
es, die 29 Teilnehmer bis auf zwei wohlbehalten am 10. Januar 1904 zurück- 
sabringen. Einer, der Docent A. Ohlin, verliess wegen Lungentuberkulose 
am 22. August 1902 zu Port Stanley die Expedition und verschied in Schweden 
während des nächstfolgenden Juli. Ein Matrose starb ausserhalb ärztlicher 
Behandlung auf der Paulet-Insel wahrscheinlich an septischer Endocarditis in- 
folge eines alten Gelenkrheumatismus. Von Krankheiten kamen hauptsächlich 
Koliken und Diarrhöen vermutlich infolge des Genusses von Seewasser, das 
nicht sowohl wegen Mangels an gutem Trinkwasser, sondern als Ersatz des 
fehlenden Kochsalzes zur Verwendung kam. Auffallend und ätiologisch dunkel 
erschien eine Strangurie, von der nicht nur die 20. Schiffbrüchigen auf der 
Paulet-Insel, sondern auch die unter günstigen Verhältnissen in einem mit- 
gebrachten Wohnbause zu Snow-Hill überwinterten sechs Leute, wenn auch 
geringer, befallen wurden. Der Verf. vermutet (S. 21) als Ursache das Ver- 
zehren der Leber und bez. „Nieren des Robbens“. Erkältungskrankheiten, wie 
Schnupfen, Laryngitis, Bronchitis, Gelenkrheumatismus und dergl. fehlten; die 
wenigen Erfrierungen verliefen günstig. 

Unter den zahlreichen Einzelheiten der lesenswerten Darstellung sei hier 
nur die bakteriologische Beschaffung von Hefe zur Brotteigbereitung (S. 19) 
und die Ursache des Scorbuts (S. 24) erwähnt. Dieser, von dem die Ex- 
pedition verschont blieb, wird nicht dem Fehlen gewisser Stoffe, wie Pflanzen- 
säuren, in der Verpflegung zugeschrieben, sondern er soll dadurch entstehen, 
dass: „mit der Nahrung ein dem Organismus fremdes und schädliches, nicht 
organisiertes Agens dem Körper zugeführt wird“. Wenig Beifall dürfte die 
(8. 4) berichtete Behandlung eines Falles von Scabies „mit Ung. sulph. 
comp. und Bädern“ finden. Für die Schiffspraxis wird. entweder Balsamum 
peravianum oder Styrax oder ein ähnliches Mittel vorzuziehen sein, bei dem 
sich überdies die Desinfektion der „Kajüte und Kleider“ erübrigt. 

Helbig (Radebeul). 


Stumpf L., Bericht über die Ergebnisse der Schutzpockenimpfung 
im Königreiche Bayern im Jahre 1903. Münch. med. Wochenschr. 
1904. S. 2184 ff. 

Erfolgreich waren 98,99%), der Erst-, 99,120, der Wiederimpfungen, 
ohne Erfolg 0,93 und 0,82°%/,. Nur 1,85%, der Geimpften, 0,07%, der Wieder- 
geimpften wurden mit anderer als aus der Centralimpfanstalt bezogener Lymphe 
geimpft. Bei den Impfungen entwickelten sich durchschnittlich 3,93 Pusteln, 
Fälle mit nur je einer Pustel waren zu 3,79°;, vorhanden. Von 100 erfolg- 
reichen Wiederimpfungen ergaben 76,36 vollkommene Blattern, 23,64 Bläschen 
oder Knötchen. 

471 650 Portionen Emulsion, 6000 weniger als im Vorjahre, wurden 
gewonnen, und zwar von 18 Stierkälbern und 52 Kuhkälbern. Durch die 


416 Immunität. Schutzimpfung. 


Impfung mit animaler Lymphe wurden an 9 Tieren 9,03 Rohertrag, durch 
solche mit Menschenlymphe an 61 Tieren 567,29 g geerntet, mithin an jedem 
Tier durchschnittlich von der ersten Sorte 1,0, von der letzteren 9,79 g; ein 
so erheblicher Unterschied zu Ungunsten der Impfung mit Tierlymphe war 
bisher noch nicht beobachtet worden. Die Lympheerzeugung der einzelnen 
Tiere bewegte sich zwischen 0,58 und 17,12 g Rohstoff. Die Amtsärzte er- 
hielten 337097, die Privatärzte 5210, die Militärärzte 38111 Portionen. 

Die Heeresimpfungen waren zu 10260 erfolgreich, zu 1337 erfolglos. 
die Privatimpfungen, deren 12428 gegen 12638 im Vorjahre vorgenommen 
wurden, erzielten im Falle der Erstimpfung 98,3, der Wiederimpfung 92,5°,, 
Erfolge. s 

Die Lymphe ist fast überall den Anforderungen der Konstanz der Wirkung 
für die ganze Zeit, welche die Durchfübrung des Impfplanes in den verschie- 
denen Amtsbezirken erforderte, gerecht geworden. 

Besonders bei Privatimpfungen wurden nicht selten Schutzverbände 
angelegt. Alle erfahrenen Impfärzte sind jedoch darin einig, dass jeder feste 
Verband auf der Impfstelle vom Uebel sei. 

Verschiedentlich wurden Krankheitszustände beobachtet, welche durch 
eine in die Zeit nach dem Kontrolltermine fallende Infektion der Impfstelle 
und ihrer offenen Blattern erzeugt wurden, in erster Reihe nekrotische und 
ulceröse Veränderungen des die Pusteln umgebenden Hautgewebes. Ein nicht 
allzu seltenes Krankheitsbild boten die Nebenpocken in der Umgebung der 
Impfstelle dar. Daran schliessen sich Beobachtungen von Inokulierungen des 
Vaceinevirus auf entferntere Körperstellen. Mehrmals wurde das Virus auf 
andere Menschen übertragen. Zwei ernstere Erkrankungen, welche als Erysipel 
anzusehen waren, endeten in Genesung. Mehrere nach einer Impfung erfolgte 
Todesfälle standen ohne ursächliche Beziehung zu derselben. 

Fälle von Widersetzlichkeit gegen die Impfung kamen in jedem 
Regierungsbezirke vor. Würzburg (Berlin). 


Grassberger R. und Schatteniroh A., Toxin und Antitoxin. Aus dem hyg. 
Institut d. Universität Wien. Wien. klin. Wochenschr. 1905. No. 15. S. 369. 
Der vorliegende Aufsatz entspringt dem Wunsche der Autoren, die in 
einer grösseren Monographie (Toxin und Antitoxin, Deuticke, Wien, Februar 
1904) beschriebenen Versuchsergebnisse einem grösseren Leserkreise auszugs- 
weise mitzuteilen, da bisher in der neueren Polemik über Toxin und Antitoxin 
von manchen Seiten eine Reihe von in dieser Arbeit enthaltenen Beobachtungen 
auffallenderweise verschwiegen wurden. Dies muss um so befremdender er- 
scheinen, als durch einen glücklichen Zufall das von den Autoren eingehend 
untersuchte „Toxin des Rauschbrandbacillus“ in mancher Hinsicht viel einfachere 
Verhältnisse bietet als das Diphtheriegift und so den Spielraum für Hypothesen 
und Hilfshypothesen wesentlich einschränkt. Es scheint allerdings, als ob 
gerade dieser Umstand das Misfallen der Ehrlichschen Schule erregt hat, die 
sich, sonst so kampfbereit, gegenüber den hier besprochenen Ergebnissen bis- 
her recht schweigsam verhält. Die Vorteile, welche das Rauschbrandgift für 
die Entscheidung prinzipieller Fragen bietet, sind folgende: 


Immunität. Schutzimpfung. . 417 


1. Eklatante Erscheinungen bei subkutaner Injektion und ungemein kurze 
Inkubationszeit. 

2. Fehlen von Toxoiden. 

3. Unbegrenzte Haltbarkeit des Antitoxins. 

Die Autoren zeigen zunächst, dass auch beim Rauschbrand nach Injektion 
von unvollkommen neutralisierten Toxin-Antitoxingemisshen „Toxonwirkungen“ 
„auftreten, obwohl das Fehlen von eigentlichen „Toxonen“ hier festgestellt wurde, 
dass demnach qualitativ andere Wirkungen von Gift-Serumgemischen nicht not- 
wendig auf die Wirkung besonderer Körper bezogen werden müssen. 

Besonders bemerkenswerte Resultate zeigten Versuche, die mit gelagerten 
resp. erhitzten Gemischen angestellt wurden. Da hier zum ersten Male der- 
artige Versuche in extenso mit allen Variationen des Verhältnisses von Gift 
und Serum vorgeführt wurden, so seien die Ergebnisse kurz angeführt: 

1. Konzentrierte „Toxongemische“ rufen, unmittelbar nach ihrer Herstellung 
iojiciert, die gleichen Veränderungen hervor, wie nach mehrtägigem Lagern. 

2. Frisch hergestellte Glattgemische wurden durch kleinste Giftmengen 
giftig (Toxonerscheinung), brauchen jedoch zur Herbeiführung von tödlicher 
Wirkung Zusatz von mehrfachen Mengen der an sich tödlichen Dosis. 

3. Ueberserumgemische lassen sofort nach Herstellung bereits nur einen 
verhältnismässig kleinen Teil des überschüssig zugesetzten Serums titrierbar 
erscheinen; die Bindung dieses überschüssigen Antitoxins schreitet beim Lagern 
rasch vor. (Diese Beobachtung, die wir nach Danysz gleichzeitig und unab- 
hängig von v. Dungern ausführlich beschrieben, wird seitdem schlechtweg als 
Danysz- Dungernsches Phänomen (!) bezeichnet.) 

4. Uebertoxingemische enthalten noch nach mehreren Stunden den ge- 
samten Toxinüberschuss titrierbar. 

5. Glattgemische und Gemische mit geringem Toxinüberschuss (Toxonge- 
mische) werden durch Erwärmen regelmässig so verändert, dass !/,—!/, der 
Gesamtantitoxinmenge sich als neuerlich titrierbar erweist. Ueberserum- 
gemische verlieren beim Erhitzen je nach Menge des überschüssigen Anti- 
toxins wenig oder gar keine Antitoxinwirkung. In frischen Uebertoxinge- 
mischen wird im Gegensatz beim Erhitzen fast das ganze Antitoxin frei. 

Weitere Versuchsreihen beschäftigen sich mit der Immunisierung von Tieren 
durch Toxin-Antitoxingemische, wobei eine Anzahl von Beobachtungen ange- 
stellt werden konnten, die für die Klarlegung des Verhältnisses von Toxin und 
Antitoxin von Wichtigkeit sind. Zum Schlusse folgt eine Auseinandersetzung 
über die zu vermutenden Vorgänge bei der Reaktion von Toxin und Antitoxin. 
Die Autoren zeigen, dass es nicht angeht, den strengen Standpunkt von Arr- 
henius und Madsen anzunehmen und die Vorgänge blos auf Grund des 
Massenwirkungsgesetzes zu erklären, ebensowenig dürfe man den Anschauungen 
Ehrlichs folgen. 

Hingegen verdient die Anschauung Bordets, dass Toxin und Antitoxin 
sich mit einander in variablen Proportionen verbinden, Beachtung. Mit Hilfe 
dieser Hypothese lassen sich eine Reihe der im vorhergehenden besprochenen 
Erscheinungen, so insbesondere die beim Erhitzen von Gemischen beobachteten 
Veränderungen in befriedigender Weise erklären. 

32 


418 Immunität. Schutzimpfung. 


Beiden Hypothesen, sowohl der Ehrlichschen als auch derjenigen von 
Arrhenius-Madsen liegt die falsche Annahme zu Grunde, dass 1 Molekül 
Toxin sich nur mit 1 Molekül Antitoxin zu einem Molekül Toxin-Antitoxin 
verbinde. Grassberger (Wien). 


Neugebauer F., Ein Beitrag zur Behandlung des Wundstarrkrampfes 
mit „Duralinfusion“. Wien. klin. Wochenschr. 1905. No. 18. S. 449.. 
Verf. berichtet über 2 Fälle von Tetanus, die mit Duralinfusion von 
Behringschem Heilserum behandelt wurden. Im einen Fall wurde die 1. In- 
jektion 13 Tage nach der Verletzung bezw. 48 Stunden nach Auftreten von 
Trismus, Opisthotonus und Schlingbeschwerden vorgenommen. Der Patient 
genas. Im 2. Falle begannen die Injektionen unmittelbar nach Auftreten der 
charakteristischen Symptome, 14 Tage nach stattgefundener Verletzung; der 
Fall endete trotz ulm Wiederholung der Injektion von 100 A.-E. letal. 
Grassberger (Wien). 


Wassermann A. und Citron, Julius, Zur Frage der Bildung von bakteri- 
ellen Angriffsstoffen im lebenden Organismus. Aus d. Institut f. 
Infektionskrankh. in Berlin. Deutsche med. Wochenschr. 1905. No. 28. 
S. 1101. 

Nach der Meinung von Kruse und Deutsch beruht die Wirkung patho- 
gener Bakterien auf Stoffen, welche die Widerstandskraft der Zellen und Säfte 
der Tiere, für welche sie pathogen sind, aufheben. Sie wurden deshalb als 
Lysine oder Aggressine bezeichnet. Neuerdings will Bail derartige Stoffe 
gewonnen haben, indem er aus Ausschwitzungen der Brust- und Bauchhöhle, 
welche er durch Einspritzung von Typhus- oder Cholerabacillen erzeugt hatte, 
die Mikroorganismen so weit wie möglich durch Centrifugieren entfernte und 
den Rest abtötete: ohne selbst giftig za sein, machten sie andere 
Infektionen schwerer verlaufend und schneller tödlich. Bail er- 
klärte sie für bisher unbekannte Körper, welche sich im lebenden Körper bilden 
und besser als Bakterien und deren Stoffwechselerzeugnisse geeignet sind, zu 
Immunisierungen zu dienen. 

Die Verff. haben eine Nachprüfung vorgenommen, um festzustellen, ob 
diese Angriffsstoffe wirklich nur im lebenden Organismus gebildet werden. 
Sie haben durch Aleuronat Ausschwitzungen der Brust- und Bauch- 
höhle erzeugt, keimfrei entnommen, mit Typhusbacillen und den Bacillen der 
Schweineseuche oder Schweinepest im Reagensglas versetzt und diese nach 24 
Stunden in derselben Weise wie Bail wieder sterilisiert. Sie beobachteten 
dann genau dieselbe Aggressinwirkung wie Bail. Ganz dasselbe Ergebnis 
hatten sie, wenn sie normales Kaninchenserum verwendeten, und sogar, 
wenn sie die Kulturen nur mit destilliertem Wasser schüttelten oder ab- 
schwemmten. Nach ihrer Meinung handelt es sich um nichts anderes, als die 
Bindung der natürlichen Schutzkräfte durch gelöste Leibessubstanzen 
der betreffenden Infektionserreger. Globig (Berlin). 


Immunität. Schutzimpfung. 419 


Pfeifer R. und Friedberger E., Weitere Untersuchungen über die anta- 
gonistische Wirkung normaler Sera. Aus d. hyg. Institut d. Univ. 
in Königsberg i. Pr. Deutsche med. Wochenschr. 1905. No. 29. S. 1145. 

Die Verff. haben ihre früberen Untersuchungen (vgl. diese Zeitschr. 1905. 
S. 1257) über die antagonistische Wirkung normaler Sera fortgesetzt, 
durch welche diese imstande sind, nach Ausfällung mit bestimmten Bakterien 
zu verhindern, dass die Auflösung dieser Bakterien durch die specifischen 
Immunamboceptoren in der Bauchhöhle von Meerschweinchen vor sich geht 
Es ergab sich dabei, dass es nicht etwa von den Bakterien bei der Aus- 
fällung zurückgebliebene Stoffe sind, welche diese Hemmung verur- 
sachen; denn wenn die Bakterien statt mit Serum mit physiologischer 
Kochsalzlösung oder mit destilliertem Wasser ausgezogen wurden, 
fehlte die hemmende Wirkung. Ob die Bakterien durch Centrifugieren 
oder Filtrieren entfernt wurden, machte keinen Unterschied. Durch Erwärmen 
auf 65— 70° während 1/2 Stunde wnrde die antagonistische Wirkung stark 
geschädigt. 

Dass es sich hierbei nicht etwa um Kruses und Bails Lysine oder 
Aggressine handelt, die unter dem Einfluss der lebenden Bakterien ent- 
stehen, schliessen die Verff. aus den grossen, bis zum 6—10 fachen gehenden 
Unterschieden zwischen den einzelnen ganz gleich behandelten 
Normalseren derselben Tierart, ferner daraus, dass auch Bakterien, die 
bis auf 100° erhitzt waren, die hemmende Wirkung erzeugen, und dass weder 
der Virulenzgrad noch die Menge der zur Ausfällung verwendeten Bak- 
terien hierauf von Einfluss sind. 

Endlich schliessen sich die Verff. auch Sachs nicht an, welcher die übrigens 
auch für die Hämolyse geltende Hemmungswirkung ausgefällter Sera dadurch 
zu erklären sucht, dass in einer Mischung von Immun- und Normalambocep- 
toren letztere die höhere Affinität zum Komplement besitzen und dieses wie 
bei dem Neisser-Wechsbergschen Phänomen. von den Immunamboceptoren 
ablenken sollen. Versuche, bei welchen in Gegenwart von antagonistischem 
Serum die Einbringung von Bruchteilen, selbst nur !/,, der kleinsten tödlichen 
Bakterienmenge in die Bauchhöhle doch den Tod der Tiere herbeiführte, 
lassen sich nach ihrer Meinung mit der Anschauung von Sachs nicht ver- 
einigen. Sie halten die antagonistische Wirkung für eine ursprüng- 
liche Eigentümlichkeit der Normalsera und messen ihr für die Auf- 
fassung der Infektions- und Immunitätsvorgänge grosse Bedeutung bei. 

Globig (Berlin). 


Bail, Oskar, Ueber den Zusammenhang zwischen Aggressivität und 
Leibessubstanz von Bakterien. Aus d. hyg. Institut d. deutsch. Univ. 
in Prag. Deutsche med. Wochenschr. 1905. No. 37. S. 1471. 

Der Verf. wendet sich gegen Wassermann und Citron und gegen 
Pfeiffer und Friedberger (vergl. die vorstehenden Referate) und weist 
auf einen Aufsatz in der Münch. med. Wochenschr. hin, in welchem er den 
Nachweis erbringe, dass die Aggressivität eng mit der Organisation der 


32° 


420 Immunität. Schutzimpfung. 


Bakterien zusammenhängt, und dass von einer Bindung bakteri- 
cider Stoffe durch Aggressine keine Rede sein kann. 
Globig (Berlin). 


Weil E., Die passive Aggressinimmunität bei Hühnercholera. Aus 
dem hygien. Institut d. deutschen Universität in Prag. Wien. klin. Wochen- 
schr. 1905. No. 16. S. 406. 

Ebenso wie bei anderen Bakterienkrankheiten lässt sich nach Bail und 
seinen Mitarbeitern auch bei Hübnercholera durch wiederholte Injektion 
von Pleuraexsudaten (hervorgerufen durch Injektion von Hühnercholerabacillen, 
bakterienfrei centrifugiert = Aggressin) aktive Immunität erzielen, die nicht 
auf baktericiden Eigenschaften beruht. Weil zeigt in der vorliegenden Publi- 
kation, dass das Serum der so vorbehandelten Tiere ausgesprochen schützende 
Eigenschaften gegenüber der Injektion von Hühnercholerabacillen besitzt, 
wenigstens soweit Kaninchen in Frage kommen. Versuche an Vögeln sollen 
später angestellt werden. Grassberger (Wien). 


Bail 0., Aggressinimmunität gegen Tuberkelbacillen und Cholera- 
vibrionen. Vorläufige Mitteilung. Aus dem hygien. Institut der deutschen 
Universität Prag. Wien. klin. Wochenschr. 1905. No. 17. S. 428. 

Die neueren Untersuchungen haben gezeigt, dass bei der Immunität 
gegenüber Bakterienkrankheiten die Bakteriolyse eine viel weniger entscheidende 
Rolle spielt, als früher angenommen wurde. Selbst bei Dysenterie, Typhus, 
Cholera wird heute die Bedeutung der Bakteriolysine von vielen Seiten ange- 
zweifelt. So lässt sich bei Typhus leicht der Nachweis erbringen, dass eine 
echte Immunität zu erzielen ist, obne dass es zum Auftreten der Bakterio- 
lysine kommt. : 

Bail beschreibt in der vorliegenden Arbeit die aktive bezw. passive 
Immunisierung mit Hülfe von bakterienfreien Exsudaten bezw. Serum von 
Tieren, die mit solchen Exsudaten (Aggressin im Sinne Bails) vorbehandelt 
waren. Der Autor glaubt, mit seiner „Aggressinmethode“ eine neue, die bis- 
herigen weit übertreffende Immunisierungsmethode gefunden zu haben. 

Grassberger (Wien). 


Freih. v. Pirquet C. und Schiek B., Zur Frage des Aggressins. Aus 
der k. k. pädiatischen Klinik der Universität Wien. Wien. klin. Wochen- 
schr. 1905. No. 17. S. 481. 

P. und Sch. wenden sich in dieser Mitteilung gegen die Bailsche Ag- 
gressintheorie. Bekanntlich hat Bail (siehe vorhergehende Referate) die 
Tatsache, dass tuberkulöse Meerschweinchen in einem bestimmten Stadium 
der neuerlichen Injektion von Tuberkelbacillen akut erliegen, dass weiterhin 
auch vorher gesunde Tiere akut zu Grunde gehen, wenn ihnen Exsudat von 
tuberkulösen Meerschweinchen zugleich mit Tuberkelbacillen eingespritzt wird, 
durch das Vorhandensein von besonderen Stoffen „Aggressinen“ in den Exsu- 
daten bezw. im Körper der tuberkulösen Meerschweinchen zu erklären versucht. 
Diese Aggressine sollen von den Tuberkelbacillen ausgeschieden werden und 


Immunität. Schutzimpfung. 421 


durch Fernbaltung der Leukocyten für den tuberkulösen Organismus deletär 
wirken. 

Zur Erklärung der akuten Wirkung nimmt Bail das Freiwerden von 
Endotoxinen bei dem Zerfall der Tuberkelbacillen an. 

An dieser Stelle setzen die Einwände von P. und Sch. ein. Indem sie 
darauf hinweisen,. dass Bail zur Erklärung der Aggressinwirkung mit 
dem „Aggressin“, den von ihm supponierten bakteriellen Substanzen nicht das 
Auskommen finde, sondern auch dem Organismus eine wichtige Rolle zu- 
schreiben müsse, sprechen sie die Ansicht aus, dass für die Erklärung der 
Bailschen Versuche die Reaktionsprodukte des Organismus allein voll- 
kommen ausreichen und demnach die Annahme von „Aggressin“ überflüssig 
sei. Ueberempfindlichkeit, vergleichbar derjenigen von tuberkulösen Meer- 
scbweinchen, finde sich auch bei Erkrankungen, die durch nicht vermehrungs- 
fäbige Substanzen hervorgerufen werden so bei den von P. und anderen 
studierten „Serumkrankheiten“. Menschen, die zum ersten Mal Pferdeserum inji- 
ciert bekommen, erkranken erst am 8.—12. Tag mit Exanthem, Fieber u.s.w., 
nachher bildet sich ein Stadium der „sofortigen Reaktionsfähigkeit“ aus, das 
ungefähr 3—6 Wochen anhält und dadurch gekennzeichnet ist, dass nach 
neuerlichen Seruminjektionen innerhalb 24 Stunden oft stürmische Allgemein- 
und Lokalerscheinungen auftreten. Selbst noch nach einem bis mehreren Jahren 
zeigt der Reinjicierte gegenüber dem Erstinjicierten eine recht auffällige Ab- 
kürzung der Inkubationszeit (beschleunigte Reaktionsfähigkeit). Ueberdies sind 
in vielen Fällen die Erscheinungen nach der 2. Injektion viel schwerer. 

Die Erklärung für diese Ueberempfindlichkeit ist nach den Autoren in 
dem Mechanismus der nach solchen Injektionen auftretenden Antikörperbildung 
zu suchen (Präcipitin u.s.w.), die sich beim Menschen in der 3. Woche zeigt. 
Bei der Reinjektion erscheinen die Antikörper nach viel kürzerer Zeit. Dies 
führte die Autoren zu einer engeren Verknüpfung der Begriffe „Antikörper- 
bildung“ und „Krankheit“. Nach der an anderer Stelle vor 2 Jahren ver- 
öffentlichten Anschauung ist es nicht das artfremde Serum, das krank macht, 
sodern die unter dem Einfluss des Organismus veränderten Reaktionsprodukte 
des artfremden Serums. Das raschere Auftreten der Reaktionsprodukte fällt 
mit der Ueberempfindlichkeit zusammen. 

In gleicher Weise wie hier wollen die Autoren auch bei den Bailschen 
Versuchen die Ueberempfindlichkeit mit Antikörperreaktion erklären. Unter 
Hinweis auf die Versuche von Richet, der sich eingehender mit der Ueber- 
enpfindlichkeit beschäftigt, die nach Erstinjektion von Aktiniengift auftritt, 
führen sie des Näheren aus, wie diese Ueberempfindlichkeit gesetzmässig eine 
Vorstufe der Immunität darstellt. 

Besonders schwerwiegend ist der Vorwurf, welchen die Autoren gegen 
Bails Theorie erheben, dahingehend, dass nach Babes und Proca, Strauss 
und Gamaleia auch Vorbehandlung mit toten Tuberkelbacillen eine bei 
Reinjektion zu Tage tretende Ueberempfindlichkeit erzeugt. Hier kann dem- 
nach von Sekretion der „Aggressine“ nicht die Rede sein. 

Die Versuche von Bail und Hocke wären nach den Autoren so zu erklären: 
Nach Vorbehandlung des Organismus mit Tuberkulose u.s. w. entstehen Anti- 


422 Immunität. Schutzimpfung. 


körper, welche das Antigen in irgend einer Weise aufschliessen und hierdurch 
die klinische Krankheit hervorrufen. Wird einige Zeit nachher die Injektion 
mit grösseren Mengen wiederholt, so werden durch den Antikörper selbst 
grössere Mengen Antigens aufgeschlossen und hierdurch verbältnismässig viel 
giftige Substanz frei gemacht. Auch die „aggressive“ Eigenschaft des Peri- 
tonealexsudats erkläre sich durch die Anwesenheit von Antikörpern neben Anti- 
gen, die bei Mitinjektion von Tuberkelbacillen, im gleichen Sinne wie oben, in 
verhängnisvoller Weise zur raschen Aufschliessung von Antigen und hiermit 
zur akuten Schädigung des Organismus führen. Grassberger (Wien). 


Spengler, Carl, Ein neues immunisierendes Heilverfahren der Lungen- 
schwindsucht mit Perlsuchttuberkulin. Das Agglutinationsver- 
mögen, ein Selbstinfektionsversuch und eine differentialdia- 
gnostische Färbemethode der Perlsuchtbacillen. ` Weitere (2.) Mit- 
teilung. Deutsche med. Wochenschr. 1905. No. 31. S. 1228. 

Die Behandlung mit Perlsuchttuberkulin nach dem Verf. unter- 
scheidet sich wesentlich von dem Kochschen alten Tuberkulinverfahren: 
während bei den letzteren fieberhafte Reaktionen geradezu verlangt werden, kann 
durch Perlsuchttuberkulin das Agglutinationsvermögen hervorgerufen und bis 
zu den höchsten Werten (1:1000 und 1:2000) gesteigert werden, ohne dass 
auch nur Spuren von Fieber aufzutreten brauchen, und während es bloss 
an den Injektionsstellen zu örtlichen Reaktionen kommt. Dabei 
liegen die mittleren Agglutinationswerte erheblich höher als bei dem Koch- 
schen Verfahren. Die Hauptsache aber ist, dass das Agglutinationsver- 
mögen, welches durch die Perlsuchtimmunisierung erzielt wird, nicht 
vorübergehend ist und keine Pseudoimmunität darstellt, wie bei der Koch- 
schen Tuberkulintherapie, sondern eine dauernde und echte Immunitäts- 
erscheinung ist. Wie der Verf. erklärt, handelt es sich hier nicht etwa 
bloss um verschiedene Giftigkeitsgrade eines und desselben Stoffes, sonderu 
um zwei verschiedene Stoffe; denn mit den Perlsuchttoxinen kaon 
man wohl gegen die höchsten Giftmengen menschlicher Tuberkulose 
immunisieren, aber das Umgekehrte ist nicht der Fall; vielmehr 
schützen die höchsten Gaben von Tuberkelbacillengift noch nicht gegen die 
Anfangsmengen der Perlsuchtstoffe. Letztere sind Vaccins für Menschen 
mit Tuberkelbacilleninfektion. Auch das Umgekehrte scheint der Fall 
zu sein: die menschlichen Tuberkelbacillen dienen zur Immunisierung der 
Rinder. 

Ausser chemischen Eigenschaften unterscheiden sich die Perlsucht- 
bacillen von den Tuberkelbacillen durch ihr sehr viel geringeres Sauer- 
stoffbedürfnis. Während die letzteren nur selten vom Darm her einzu- 
dringen vermögen, sind Perlsuchtinfektionen beim Menschen nur vom Darm 
ber und von gequetschten Wunden aus nachgewiesen. Mit Rücksicht hierauf 
Spritzte sich der Verf., der sich früher schon mit Tuberkulin behandelt 
hatte, im Juli 1904 1/ mg lebende Perlsuchtbacillen ein. Nach 12 Stun- 
den stellte sich vorübergehendes Fieber und Schweiss ein; an der geröteten 
und verdickten Einspritzungsstelle bildete sich langsam ein Abscess, der nach 


Immunität. Schutzimpfung. 423 


34 Tagen von selbst durchbrach und erst in 8 Monaten sich wieder schloss; 
im Abscesseiter waren weisse Blutkörperchen und Perlsuchtstäbchen und -splitter 
enthalten. Drüsenschwellung oder -schmerzhaftigkeit fehlte vollständig. Die 
Agglutinationsprüfung nach 9 Monaten ergab 1: 500. Eine Impfung mit Tuberkel- 
bacillen verläuft dagegen ganz anders. Der Verf. hält es für möglich, durch 
Behandlung mit Perlsuchtbacillen zu einem Tuberkulose-Schutzver- 
fahren für gesunde Menschen zu kommen, Heilung von Tuberkulose 
auf diesem Wege hält er aber nicht für wahrscheinlich, weil die Immu- 
nisierung zu schnell ansteigt und die bakterienfeindliche Wirkung des Orga- 
nismus nicht genug zur Entfaltung kommen lassen würde. 

Dass die Bacillen der Perlsucht und der Tuberkulose mindestens 
verschiedenen Rassen angehören — entgegen der Ansicht v. Behrings 
— geht dem Verf. auch aus Verschiedenheiten ihres Verhaltens 
gegen Farbstoffe hervor, welche eine schnelle Unterscheidung zwischen 
iboen möglich machen.» Die Perlsuchtbacillen sind nämlich von einer Wachs- 
schicht umgeben, welche die Ziehlsche Lösung schon in kaltem Zustand 
schnell aufnimmt, aber schon bei geringer Säurewirkung wieder abgibt. Durch 
ein besonderes Verfahren mit Ziehischer Lösung und Löfflers Methylenblau 
unter Verwendung von Alkohol, aber Vermeidung von Säure lassen sich die 
Perlsuchtbacillen leuchtend „arteriell“ rot färben und erscheinen 
dann grösser, dicker und länger als die „venös“ roten oder vio- 
letten Tuberkelbacillen. Eine die Wachshülle von dem Bacillenkörper 
unterscheidende Färbung ist dem Verf. nur vereinzelt gelungen. Ueber die 
durch diese Färbung ermöglichte Bestimmung der Zahl der Perlsucht- 
bacillen im Auswurf stellt der Verf. eingehende Mitteilungen für später 
in Aussicht, doch sollen die Perlsuchtbacillen viel öfter vorkommen, 
als anzunehmen war, und nahezu stets in Gesellschaft von Tuberkel- 
bacillen sich befinden. Globig (Berlin). 


Spengler, Carl, Ein neues immunisierendes Heilverfahren der 
Lungenschwindsucht mit Perlsuchttuberkulin. Ueber das Ag- 
glutinationsvermögen von 80 mit Perlsuchttoxinen immuni- 
sierten Tuberkulösen. 3. Mitteilung. Deutsche med. Wochenschr. 1905. 
No. 34. S. 1358. 

Die für die Bestimmung des Agglutinationswertes erforderlichen 4 ccm 
Blut entnimmt der Verf. aus Armblutadern und unterwirft sie womöglich so- 
fort der Centrifugierung. Er betont die Notwendigkeit, mit durchaus klarem 
Serum zu arbeiten und es sogleich (auf das Zehnfache bezw. Hundertfache) 
zu verdünnen, weil in konzentrierten Mischungen von Serum und Test- 
flüssigkeiten leicht Eiweissniederschläge entstehen, die mit Aggluti- 
nalionstrübungen verwechselt werden können. Nach der Meinung des 
Verf.'s handelt es sich bei der Tuberkulose-Agglutination nicht bloss um 
Bakterienzusammenballung, sondern auch, und zwar hauptsächlich ume 
Toxinfällungen, und es soll hierdurch das Verständnis der günstigen Wir- 
kung der Perlsuchtbehandlung auf fiebernde Tuberkulöse erleichtert werden. 

Der Verf. stellt dann die von ihm mit Perlsuchttuberkulinen bei 80 


ER, 


424 Immunität. Schutzimpfung. 


Tuberkulösen erreichten Agglutinationswerte denjenigen gegenüber, welche 
R. Koch bei 74 Kranken durch Einspritzung von Tuberkelbacillen- 
emulsion in die Blutadern erhalten hatte. Bei seinen Kranken sehwankten 
die Werte zwischen 1:100 und 1:3000 und bei 60 von ihnen zwischen 
1:300 und 1:3000, bei Kochs Kranken hielt sich dagegen das Agglutination- 
vermögen nur zwischen 1:25 und 1:300 und bei 51 von ihnen zwischen 
1:25 und 1:75. 

Der gleichzeitigen Anwendung von Jod in der Form von Jodol wird vom 
Verf. eine wesentliche die Heilung durch Perlsuchttuberkulin fördernde 
Wirkung zugeschrieben. 

Eine kleine Zahl von Tuberkulösen verträgt Perlsuchttoxine nicht und ibr 
Agglutinationsvermögen ist hierdurch nicht in die Höhe zu bringen. Nach 
der Meinung des Verf.’s handelt es sich hier um Perlsuchtinfektionen und 
man muss bei ihnen zur Anwendung von Alttuberkulin oder von Tuberkel- 
bacillenemulsionen übergeben. . Globig (Berlin). 


Weil, Ueber den Mechanismus der Bakterienagglutination durch 
Gelatine. Centralbl. f. Bakt. Abt. I. Bd. 37. S. 426. 

Die Untersuchungen bilden die Fortsetzung früher erschienener Studien „über 
den Einfluss der Temperatur auf die specifische und nicht specifische Aggln- 
tination. Es wurde dort gezeigt, dass die Gelatine, die bei Typhusbacillen 
und Choleravibrionen Agglutination hervorbringt, auf dieselbe Substanz wirkt 
wie das specifische Serum. Es sollte nun untersucht werden, wie sich die 
agglutinierende Substanz der Gelatine zu den specifischen Agglutininen iu 
Bezug auf ihre Einwirkung auf die Bakterien verhält, ob die Gelatine, 
ebenso wie das specifische Serum auf die haptophore Gruppe der Bakterien, 
auf ihren specifischen Receptor wirkend zur agglutinierbaren Substanz gelangt. 
Durch Erhitzen des agglutinierten Serums werden die Agglutinine in Agglu- 
tinoide verwandelt, bei denen nur noch die haptophoren Gruppen erhalten 
sind. Diese Agglutinoide besetzen den Receptor der Bakterien, so dass sie 
nun für das specifische aktive Serum inagglutinabel sind. 

Derartig vorbereiteten Typhusbacillenaufschwemmungen wurde nun, und 
zwar zu je l ccm derselben, 1/3 ccm 10 proz. Nährgelatine zugesetzt und sie 
mit den Kontrollen 2 Stunden im Wasserbade bei 55° belassen. Während 
in den Kontrollen schon nach einer Stunde deutliche Agglutination einge- 
treten war, wiesen die vorbehandelten Bakterien keine Spur derselben auf. 
Aus diesen Versuchen muss man schliessen, dass die Gelatine auf den speci- 
fischen Receptor der zu agglutinierenden Bakterien einwirkt. In derselben 
Weise wirkt Gelatine auf Üholeravibrionen. Durch Absorptionsversuche 
konnte gezeigt werden, dass die Gelatine nur eine Substanz besitzt, mit der 
sie auf alle Bakterien, die sie agglutiniert, einwirkt. Doch’ zeigen die ver- 
schiedenen Bakterien hinsichtlich der Absorption Verschiedenheiten. 

Weiterhin konnte gezeigt werden, dass sich die agglutinierende Wirkung 
der Gelatine mit der des specifischen Serums summiert. Die Wirkungen der 
Gelatine und der Agglutinine sind also gleichwertige Funktionen. Auch bei der 


Immunität. Schutzimpfung. 425 


Gelatineagglutinatiin kommt wie beim specifischen Serum den krystallo- 
iden Körpern eine grosse Bedeutung zu, hier wahrscheinlich den Kalksalzen. 
H. Ziesche (Leipzig). 


Hahn G., Ueber die baktericide Wirkung des menschlichen Blut- 
serums gegenüber Typhusbacillen (Nachweis des Zwischen- 
körpers). Aus d. Med. Univers.-Poliklinik Breslau. Deutsches Arch. f. 
Klin. Med. Bd. 82. S. 294. r 

Nach einer ausführlichen Besprechung der über die baktericide Wirkung 
des menschlichen Blutserums gegenüber Typhusbacillen in den 
letzten Jahren vorgenommenen zahlreichen Untersuchungen (1. baktericide 
Wirkung im Reagensglas, 2. baktericide Wirkung im Tierexperiment, 3. Nach- 
weis des Zwischenkörpers [substance sensibilisatricee] im menschlichen 
Blutseram, wobei er auch in eingehender Weise die Absorptionsmethode Bor- 
dets berührt, bei welcher er die genaue Versuchsanordnung der französischen 
Forscher angibt und dann auf den quantitativen Nachweis des Gehaltes an 
Zwischenkörper durch die baktericide Reaktion eingeht), behandelt Verf. aus 
Anlass der mehrfach vorgekommenen Fehldiagnosen mit der Gruber-Widal- 
schen Reaktion die von ihm angestellten Versuche zur Prüfung menschlicher 
Sera auf den Gehalt der auf Typhusbacillen wirksamen Zwischenkörper. 
Die Versuchsanordnung, die der von Korte und Stern angegebenen entspricht, 
gibt Verf. in genauer Weise an. Die in 2 Tabellen mitgeteilten Versuche 
betreffen solche, die mit dem Serum vollkommen gesunder Menschen, und 
solche, die mit dem Serum von Menschen, die an verschiedenen Krankheiten 
litten, vorgenommen wurden. Von den untersuchten Fällen fand Verf., dass 
etwa 2/3 (21 von 27 Seris Gesunder und 48 von 43 Seris Erkrankter) selbst 
in den stärksten Konzentrationen keine Wirkung zeigten, während die übrigen 
Sera ein sehr verschiedenartiges Verhalten aufwiesen, so in der Mehrzahl 
schon in 80—500 facher Verdünnung keine oder nur ganz unbedeutende Wir- 
kung erkennen liessen. Bei Seris an verschiedenen Krankheiten leidender 
Menschen wurde der baktericide Titer über 100 häufiger (etwa in 26°/,) an- 
getroffen, als bei Seris gesunder Menschen (etwa in 15°, der Fälle). 

Zum Schluss gibt Verf. in einer Zusammenfassung an, dass es im in- 
aktivierten Serum von Nichttyphuskranken im einzelnen sogar in 1000 facher 
und stärkerer Verdünnung nicht selten gelingt, einen auf Typhusbacillen wirk- 
samen Zwischenkörper nachzuweisen. Bei über 2/; der untersuchten nicht- 
typbösen Sera (69 unter 100) war jedoch in der stärksten untersuchten Kon- 
zentration eine Zwischenkörperwirkung nicht nachweisbar. 

5 Nieter (Halle a. S.). 


Korte und Steinberg, Weitere Untersuchungen über die baktericide 
Reaktion des Blutserums Typhuskranker. Deutsches Arch. f. klin. 
Med. Bd. 82. 

In Fortführung der von Stern und Korte begonnenen Versuche (Berl. 
klin. Wochenschr. 1904. No. 9) teilen die Verf. das Resultat von 60 bak- 
tericiden Reagensglasversuchen mit. In allen Fällen liess sich Baktericidie 

33 


426 Immunität. Schutzimpfung. 


nachweisen, und zwar zwischen den Werten 1/400o—!/4000000. Ein Parallelismus 
zwischen dem Agglutinationstiter und dem baktericiden Titer war dabei nicht 
zu verzeichnen, ebensowenig wie sich aus der Stärke der Reaktion Schlüsse 
auf die Schwere der Infektion machen liessen. Da auch dem normalen mensch- 
lichen Serum mitunter ein erheblicher baktericider Titer für Typhus zu- 
kommt, wie aus den Untersuchungen Hahns hervorgeht, so dürfte erst ein 
positiver Ausfall der baktericiden Reaktion bei 1/10000 mit einiger Wahrschein- 
lichkeit für Typhus sprechen. Berücksichtigt man ferner die technischen Um- 
ständlichkeiten, so kommt der Reaktion diagnostisch nur dann eine Bedeutung 
zu, wenn die Agglutination zweifelhafte Resultate ergibt. 
- Manteufel (Halle a. S.). 


Kraus R. und Doerr R., Ueber Dysenterieantitoxin. Aus dem staatlichen 
serotherapeutischen Institut in Wien. Wien. klin. Wochenschr. 1905. No. 7. 
S. 158. 

Kraus hat in einer früheren Arbeit mitgeteilt, dass unter Umständen 
„normales“ Antitoxin (in Serum gesunder Tiere) sich von dem durch Immu- 
nisierung gewonnenen durch die geringere Reaktionsgeschwindigkeit gegenüber 
Toxin unterscheidet, dass weiter auch Immunantitoxine beim Lagern sich so 
verändern können, dass sie das Gift nur in vitro neutralisieren, hingegen 
bei getrennter Einspritzung von Gift und Antitoxin nicht mehr kurativ wirken. 

K. und D. konnten bei dem von ihnen gewonnenen antitoxischen Dys- 
enterieserum analoge Befunde erheben, indem im Verlaufe des Immunisie- 
rungsprocesses an einem und demselben Tiere zunächst ein Serum erhalten 
wurde, das antitoxisch war, aber bei getrennter Einspritzung nicht kurativ 
wirkte, während das nach dem zweiten Aderlass gewonnene Serum ohne 
nennenswertes Ansteigen der Wertigkeit auch kurativ wirkte. 

Nach K. und D. handelt es sich demnach um qualitative Verschieden- 
heit des Antitoxins. Es gibt gegenüber einem und demselben Gift verschiedene 
Antitoxine, die sich durch ihre grössere oder geringere Reaktionsgeschwindig- 
keit unterscheiden. 

Die Autoren betonen, dass in Zukunft bei Feststellung des kurativen 
Wertes der antitoxischen Sera auf dieses Verhalten besonderes Gewicht gelegt 
werden sollte. Die hier mitgeteilten Befunde von K. und D. verdienen alle 
Beachtung. Sie weisen darauf hin, dass — um bei dem bekannten Gleichnis 
zu bleiben — auf ein Schloss nicht nur ein Schlüssel, sondern verschiedene 
Schlüssel passen, und warnen uns vor einem übertriebenen Optimismus gegen- 
über den Aussichten der antitoxischen Serumtherapie. Freilich liegen die Schwie- 
rigkeiten und Rätsel noch auf ganz anderem Gebiete. Schattenfroh und 
Referent konnten in neuester Zeit auf Grund ausgedehnter Experimente zeigen, 
dass unter Umständen hochwertige antitoxische (400 f. N.) Sera trotz prompter 
kurativer Wirkung gegenüber dem Toxin keinerlei präventiven Schutz gegen- 
über den minimalsten Mengen der betreffenden Bakterien besitzen. 

Antitoxische Immuntiere und passiv immunisierte Tiere unterliegen unter 
den typischen Vergiftungserscheinungen der einfach tödlichen Bakterienmenge, 
wobei das Blut bis zum Tode enorme Ueberschüsse von Antitoxin entbält. 


Immunität. Schutzimpfung. 427 


Beobachtungen, die es wünschenswert erscheinen lassen, dass mehr als bisher 
der antitoxische Wert der Heilsera von dem Heilwert der antitoxischen Sera 
scharf getrennte werde. Grassberger (Wien). 


Kikuchi J., Ueber die Aggressinimmunität gegen den Shiga-Kruse- 
schen Dysenteriebacillus. Aus dem hygien. Institut der deutschen 
Universität in Prag. Wien. klin. Wochenschr. 1905. No. 17. 8. 430. 

Im Arch. f. Hyg. Bd. 52, S. 378 wurde gezeigt, in welcher Weise Kanin- 
chen gegen den Dysenteriebacillus durch Behandlung mit Exsudaten aktiv 
immunisiert werden können. Nach den in der vorliegenden Arbeit enthaltenen 
Angaben verleiht das Serum der so vorbehandelten Tiere auch eine ausge- 
sprochene passive Immunität. Grassberger (Wien). 


Delfino, Immunisierung des Kaninchens gegen das Bakterium der 
Geflügelcholera (Vaccin Lignières). Centralbl. f. Bakteriol. Abt. I. 
Bd. 38. S. 231. 

Lignières hat im Institute von Palermo (Buenos Ayres) einen Impf- 
stoff gegen die virulente Inokulation der Hühnercholera im Kaninchen her- 
gestellt, mit einer tatsächlich immunisierenden Wirkung, die bisher noch kein 
einziger Vaccin aufgewiesen hat. 

Die Schutzimpfung umfasst zwei Inokulationen mit einem Intervall von 
10 Tagen. 10 Tage nach der zweiten Einspritzung bleibt das Tier dauernd 
immun. An der Impfstelle zeigen sich vereinzelt lokale Reaktionen. (Ueber 
die Herstellung des Vacein wird in der Arbeit nichts mitgeteilt.) 

Kontrollversuche des Serums ergaben nun: 1. die Schutzimpfung Ligni- 
eres gegen die Septikämie der Vögel bei dem Kaninchen verleiht demselben 
eine kräftige Immunität, welche es befähigt, der Wirkung von verhältnismässig 
enormen Quantitäten virulenter Kulturen zu widerstehen, 2. die Quantität des 
Impfstoffes kann nicht willkürlich erhöht werden, 3. der Impfstoff ist ein 
gegen die Hühnercholera specifischer. ° H. Ziesch& (Leipzig). 


Rossiwall E. und Schick B., Ueber specifische Agglutination von Strep- 
tokokken aus Scharlachanginen und extrabuccalem Primär- 
affekt. Aus der Escherichschen Klinik in Wien. Wien. klin. Wochenschr. 
1905. No. 1. S. 3. 

Die seit längerer Zeit strittige Frage nach der ätiologischen Bedeutung 
der beim Scharlach gefundenen Streptokokken, welche nach Heubner 
und Anderen sekundäre Krankheitserreger, nach Baginsky, Moser und An- 
deren die specifischen Scharlacherreger sind, ist auch nach der ausgedehnten 
Anwendung der biologischen Methode bisher zu keinem befriedigenden Ab- 
schluss gelangt. 

Rossiwall und Schick lenken in der vorliegenden Publikation die Auf- 
merksamkeit auf den Umstand, dass in sehr vielen Fällen zumal im Rachen 
der Scharlachkranken neben solchen Streptokokken, welche exquisit durch 
Scharlachserum agglutiniert werden, gleichzeitig auch solche vorkommen, 
welche sich gegenüber dem gleichen Serum vollkommen indifferent verhalten. 

33 


428 Immunität. Schutzimpfung. 


Aus ihren diesbezüglichen Untersuchungen ist besonders ein Fall von frischem 
Scharlach zu erwähnen, bei welchem sie aus einem extrabuccalen Primär- 
affekt (Scharlach im Anschluss an eine Radikaloperation nach Bassini) 
typisch agglutinierbare Streptokokken züchten konnten, während die aus dem 
Rachen gezüchteten Streptokokkenstämme durch Scharlachserum nicht agglu- 
tiniert wurden. Mit anerkennenswerter Vorsicht lassen die Autoren derzeit 
noch die Frage offen, ob die von ihnen im übrigen erhobenen Befunde aus- 
reichen, die specifische Bedeutung der Scharlachstreptokokken sicherzustellen, 
indem sie auf die Möglichkeit hinweisen, dass gerade die von ihnen gefun- 
denen, durch Scharlachserum agglutinierten Kokken diejenigen seien, die 
regelmässig zur Sekundärinfektion des scharlachkranken Organismus führen. 

Nur für den oben angeführten Fall von primärem Abscess in der Inguinal- 
gegend wollen sie diesen Einwand nicht gelten lassen. 

Es ist allerdings nicht einzusehen, warum gerade dieser Fall, bei der von 
der Norm völlig abweichenden Lokalisation des Primäraffektes, als beweisend 
geltend soll. Es ist doch, selbst angenommen, dass die frische Operations- 
wunde für die Scharlacherreger die Eintrittspforte darstellte, die Möglichkeit 
nicht von der Hand zu weisen, dass die im Abscess gefundenen Streptokokken 
derartige sekundär beteiligte Kokken waren. Grassberger (Wien). 


Kerner, Experimenteller Beitrag zur Hämolyse und Agglutination 
der Streptokokken. Centralbl. f. Bakteriol. Bd. 38. S. 223 u. 329. 

Die hauptsächlichsten Ergebnisse der fleissigen Arbeit sind folgende: Von 
16 untersuchten Streptokokkenstämmen verschiedener Herkunft und ver- 
schiedener Virulenz für Versuchstiere zeigten 11 deutliche hämolytische 
Eigenschaften; unter diesen letzteren befanden sich zwei nicht tierpathogene, 
aus Scharlachfällen isolierte Stämme. Die Höhe der burgunderroten Verfärbung 
des Bouillonröhrchens ist unter gleichen Versuchsanordnungen ziemlich kon- 
stant und gestattet eine Messung des hämolytischen Vermögens. Der direkt 
aus dem Tierkörper stammende Streptokokkus wirkt besonders stark hämoly- 
tisch. Durch 15 Minuten lange Erhitzung auf 55° wird die Hämolyse bedeutend 
abgeschwächt, durch 30 Minuten langes Erhitzen aufgehoben. Filtrate von 
Bouillonkulturen wirkten nicht hämolytisch, wohl aber die Filtrate vor Kulturen 
in flüssigem Blutserum. Der Titer eines künstlich erzeugten agglutinierenden 
Serums ist nicht proportional der injicierten Menge und der Zahl der Injektionen. 
Der homologe Stamm wird von dem betreffenden Serum am stärksten agglu- 
tiniert, schwächer andere hochvirulente Stämme. Von den geprüften nicht 
tierpathogenen Streptokokken wurden einige agglutiniert, andere nicht, Von 
den 2 aus Scharlachfällen gewonnenen Streptokokkenstämmen wurde der eine 
mit allen Seris, der andere nur mit einem Serum agglutiniert. Die stark 
agglutinierend wirkenden Sera ergaben auch die Präcipitationsreaktion, allerdings 
in viel schwächerem Grade. Sichere Schlüsse über die Arteinheit bezw. Art- 
vielheit der Streptokokken glaubt Verf. aus seinen Untersuchungsergebnissen 
nicht ziehen zu sollen, da sich keine scharfen Grenzen zwischen den Eigen- 
schaften einzelner Streptokokkenstämme aufstellen liessen. s 

Beitzke (Berlin). 


Immunität. Schutzimpfung. 429 


Meyer, Fritz, Die klinische Anwendung des Streptokokkenserums. 
Berl. klin. Wochenschr. 1905. No. 8. S. 197. 

Verf. nimmt bezüglich der Wirkungsweise seines Serums an, dass die in 
demselben vorhandenen Immunkörper sich mit den Bakterien verbinden, die- 
selben schädigen und so zur Abgabe ihrer specifischen Toxine, der Endotoxine, 
veranlassen. Diese letzteren werden von den Antitoxinen des Serums und den 
herbeigelockten Leukocyten unschädlich gemacht, während die Leiber der 
widerstandsfähigen Bakterien von ihnen aufgenommen und fortgeschafft werden. 
Dementsprechend geht bei streptokokkenkranken Menschen und bei inficierten 
Tieren dem auf die Serumeinspritzung folgenden Nachlassen der Symptome 
fast stets eine Steigerung aller Krankheitserscheinungen voraus. Kondraindiciert 
ist daher die Serumbehandlung, wenn bereits grössere Organläsionen vorliegen 
(vorgeschrittene Endocarditis ulcerosa, ausgedehnte Erkrankung der serösen 
Häute und der Lungen, drohende Anurie, Pyämie), da das Serum hier aus 
schweren Läsionen schwerste-zu machen imstande ist. Verf. injiciert alle 24 
Stunden 5—15 ccm Serum und macht kurz vorher eine Kochsalzinfusion von 
200—300 ccm; auf letztere legt er infolge klinischer und experimenteller Er- 
fahrangen besonderen Wert. Seine Schlusssätze lauten folgendermassen: „Zur 
tberapeutischen Anwendung am Menschen darf nur ein als wirksam erprobtes 
Streptokokkenserum verwandt werden. Die Wirksamkeit des Streptokokken- 
serums ist behördlich zu prüfen und zwar mittels solcher Streptokokken, welche 
verändert aus menschlichen Krankheiten gezüchtet worden sind und sich nicht 
in der Hand der Serumdarsteller befunden haben. Der Praktiker, welcher 
Streptokokkenserum anwendet, ist verpflichtet, soweit über den theoretischen 
Vorgang der Serumwirkung orientiert zu sein, um Indikation und Gegenindi- 
kation zu stellen. Die Streptokokkenserum-Behandlung darf nicht als letztes 
Mittel in Anwendung gezogen werden, sondern ist als Prophylaxe im weitesten 
Sinne zu betrachten“. Beitzke (Berlin). 


Beitzke (Berlin), Ueber Agglutination der Staphylokokken durch 
menschliche Sera. Verhandl. d. deutschen pathol. Gesellsch. 8. Tagung. 
Breslau 18.—21. Sept. 1904. 

Verf. hat Untersuchungen über Häufigkeit und Stärke von menschlichen 
Staphyloagglutininen und Verwertbarkeit derselben nach Art der 
Widal-Reaktion am Krankenbett bei schwankender klinischer Diagnose zwischen 
Typhus, Miliartuberkulose und ulceröser Endocarditis angestellt. Er isolierte 
41 Staphylokokkenstämme aus Leichenblut, aus verschiedenartigen Eiterungen 
an der Leiche und am Lebenden und prüfte auf Hämolysinbildung und Agglu- 
tinierbarkeit durch specifische Sera. In einer Tabelle bringt er eine Zusammen- 
stellung seiner gewonnenen Resultate: 33 Stämme bilden Hämolysin und zeigen 
Agglutination in erheblichen Unterschieden; die 8 letzten, welche als nicht 
pathogen angesehen werden, lassen keine dieser Eigenschaften erkennen. Eine 
unmittelbare Beziehung zwischen Menschenvirulenz, Hämolysin und Aggluti- 
nierbarkeit durch specifische Sera ist nicht nachzuweisen. Eine praktisch- 
klinische Verwertung kommt aus den Ergebnissen aller Untersuchungen deshalb 
nicht in Betracht. Verf. glaubt aber als schätzenswertes Hilfsmittel zur Identi- 


430 Immunität. Schutzimpfung. 


ficierung aus der Leiche gezüchteter Mikroorganismen und zur Entscheidung 
der Frage, ob ein in der Kultur gewachsenes Bakterium zu Lebzeiten des 
Individuums eine Rolle gespielt hat oder post mortem ins Blut eingewandert 
ist, darauf hinweisen zu müssen, die Agglutination bei der bakteriologischen 
Diagnose an der Leiche mehr als bisher in Anwendung zu bringen. 

Nieter (Halle a. S.). 


Bruck, Garl, Michaelis, Georg, und Schultze, Ernst, Beiträge zur Sero- 
diagnostik der Staphylokokkenerkrankungen beim Menschen. 
(Vorläufige Mitteilung.) Aus d. Instit. f. Infektionskrankh. u. d. chir. 
Universitätsklinik in Berlin. Zeitschr. f. Hyg. Bd. 50. S. 144. 

Die Verff. haben versucht, durch Zusammenwirken der v. Bergmannschen 
Klinik und des Instituts für Infektionskrankbeiten in ähnlicher Weise, wie 
die Gruber-Widalsche Probe bei Typhus verwertet wird, eine Serumreaktion 
für die Diagnose der Staphylokokkenerkrankungen ausfindig und 
praktisch brauchbar zu machen. Für die oft schwierige Erkennung von 
Knochen- und Knochenhaut-Entzündungen, versteckten Abscessen und dergl. 
würde dies einen wichtigen Fortschritt bedeuten. Die von den Staphylokokken 
ausgehende Agglutininbildung war hierzu nicht geeignet, wohl aber zeigte 
sich für diesen Zweck die Hämoglobinwirkung brauchbar, da sie — ohne 
Unterschied zwischen dem goldgelben und weissen Traubenkokkus — nicht 
blos ganz regelmässig in jedem inficierten Organismus sich voll- 
zieht, sondern auch an der der Reaktionsfähigkeit des Körpers entsprechenden 
Menge des gebildeten Gegengiftes gemessen werden kann. Aller- 
dings ist, wie Neisser und Wechsberg schon feststellten, auch in normalen 
Serumarten z. B. beim Pferde oft Antilysin vorhanden, aber die Verf. fanden 
bei 17 gesunden und nicht an Staphylokokkenkrankheiten Leiden- 
den den Antilysinwert nur in einem einzigen Falle 5mal höher, sonst 
ebenso hoch oder niedriger als in dem als Massstab benutzten im Iuft- 
leeren Raum eingetrockneten normalen Placentarserum. Dagegen stellten 
sie in 19 unter 25 Fällen von Staphylokokkenerkrankung den Anti- 
lysinwert als 10—100 mal höher fest und nur in 6 Fällen als 5 mal so 
hoch oder noch weniger im Vergleich zu dem erwähnten Placentarserum. 
Natürlich hängt die Menge des gebildeten Antilysius nicht blos von 
der Dauer der Krankheit und der Virulenz der Staphylokokken, 
sondern auch von der Reaktionsfähigkeit des Organismus ab, aber 
auch bier gilt, wie von der Gruber-Widalschen Probe für Typhus, dass 
der negative Ausfall kein Beweis gegen Staphylokokken, wohl aber 
der positive Ausfall ein starker Beweis für ihr Vorhandensein ist. 


Globig (Berlin). 


Pfeiffer H., Ueber die nekrotisierende Wirkung normaler Seren. Aus 
dem Institut für gerichtliche Medizin der Universität in Graz. Wien. klin. 
Wochenschr. 1905. No. 18. S. 465. 

In Bestätigung der Befunde Uhlenhuths fand Pfeiffer, dass eine An- 
zahl von Tieren (Rind, Taube, Schwein) Sera liefern, die, Meerschweinchen 


Immunität. Schutzimpfung. 431 


subkutan beigebracht, am Orte der Einverleibung eigentümliche Nekrosen er- 
zeugen, dass weiter Tiere, wiederholt mit solchen nekrotisierenden Seris 
behandelt wurden, ein Serum liefern, das artgleiche Tiere vor der Wirkung 
des zur Immunisierung verwendeten Serums schützt. Durch eine Reihe von 
Versuchen konnte der Autor zeigen, dass die nekrotisierende Wirkung der 
Seren auf’s Innigste mit der hämolytischen Wirkung zusammenhängt, da beide 
Wirkungen bei Erhitzen, Belichtung u.s.w. gleichzeitig schwinden, da ferner 
bei Absorptionsversuchen das Serum sowohl seiner hämolytischen als nekroti- 
sierenden Wirkungen beraubt wird und weiter antinekrotische Immunsera auch 
antilämolytisch wirken. Pfeiffer glaubt auf Grund seiner Experimente, dass 
geradezu die nekrotische Substanz und das Hämolysiu identisch sind. 
Grassberger (Wien). 


Martini, Erich, Untersuchungen über die Tsetsekrankheit zwecks 
Immunisierung von Haustieren. Unter Leitung des Geh. Med.-Rats 
Prof. Dr. Robert Koch ausgeführt. Zeitschr. f. Hyg. Bd. 50. S. 1. 

Der Verf. hatte 1902 von R. Koch den Auftrag erhalten, mit Benutzung 
von einem Paar Barbarponies des Berliner zoologischen Gartens, 
welche infolge von Infektion in Togo an der Tsetsekrankheit litten, 
ein Immunisierungsverfahren gegen diese Krankheit für Pferde und 
Esel ausfindig zu machen, äbnlich demjenigen, welches R. Koch 1897 für 
Rinder erprobt hatte und welches darin bestand, dass die Virulenz der Para- 
siten mittels Passagen durch Ratte und Hund herabgesetzt wurde und infolge 
davon nach der Impfung nur eine leichte Krankheit und im Anschluss daran 
Immunität gegen sonst tödliche Infektionen entstand. 

Bei der mikroskopischen Untersuchung wurden Tsetseparasiten 
nur im Blut des Togohengstes nachgewiesen, sie müssen aber auch im Blut 
der Togostute vorhanden gewesen sein, da sie einige Zeit nach der Einbringung 
von grösseren Mengen (50 ccm) ihres Blutes unter die Haut oder in die Bauch- 
höhle von jungen Hunden auch bei diesen festgestellt wurden. Es liessen 
sich 2 Formen von ihnen unterscheiden, eine grosse mit langen Geisseln 
und eine kleine, kurze, schmale, bei welcher die Geisseln nur kurze Stunmel 
bildeten. Beide sind aber nur Spielarten desselben Parasiten und gingen 
in einander über. Im allgemeinen schien der kurzgeisseligen Form eine ge- 
tingere Virulenz zuzukommen; aber auch das Gegenteil wurde beobachtet. Die 
Ursachen, weshalb bald die eine, bald die andere Form vorherrschte oder aus- 
schliesslich vorkam, sind nicht aufgeklärt. 

Der Verf. übertrug Parasiten mit Blut oder Hirn-Rückenmarks- 
flüssigkeit, die er durch eine Pravazsche Spritze entnahm und andern 
Tieren unter die Haut, in die Bauchhöhle oder in die Blutadern brachte. Die 
Wirkung hing weit mehr von der Virulenz der Parasiten als von ihrer in 
dem übertragenen Blut vorhandenen Anzahl ab; nur die Inkubation war bei 
einer grösseren Menge von Parasiten gewöhnlich abgekürzt. Parasitenhaltiges 
Blut blieb bei Zimmerwärme 4 Tage, auf Eis nur 2 Tage infektionsfähig. Ver- 
suche der Uebertragung durch Stechfliegen (Stomoxys caleitrans) von Pferden 
auf junge Hunde und Ratten blieben erfolglos. 


432 Immunität. Schutzimpfung. 


Uebertragung des Blutes des Togohengstes und des Stammes „Togo- 
hengst“ auf Pferde, Esel, Hunde, Katzen, Schweine, Ziegen, Kaninchen, Meer- 
schweinchen, Ratten und Mäuse tötete diese Tiere regelmässig, aber die 
Zeit bis zum Tode schwankte zwischen 15 und 127 Tagen und betrug meistens 
21—53 Tage. Eine Büffelkuh verendete nach 41 Tagen, ein Zebra nach 4 Mo- 
naten. Die tödliche Infektion des Zebras ist um so bemerkenswerter, 
als es von allen Beobachtern, auch von R. Koch als in seiner Heimat gegen 
die „Feldinfektion“ durch die Tsetsefliege (Glossina morsitans) immun 
bezeichnet wird. Der Togohengst selbst erlag der Krankheit nach 80 tägiger 
Beobachtung, etwa 100—120 Tage nach der Infektion in Togo. Widerstand 
gegen seine Parasiten leisteten allein 3 (europäische) junge Rinder; sie 
erkrankten nur leicht nach der Infektion und in ihrem Serum entstanden 
nach längerer Zeit Schutzstoffe. Das Blut der Togostute und des Stammes 
nTogostute“ war viel weniger virulent als das des Hengstes; die Inku- 
bation dauerte erheblich länger, und nur bei einem einzigen Tier, einem Hunde, 
führte die Infektion nach 102 Tagen zum Tode. 

Die klinischen und pathologisch-anatomischen Erscheinungen 
entsprachen durchaus den durch die Tsetsefliege hervorgerufenen und 
zeigten grosse Aehnlichkeit mit der Schlafkrankheit des Menschen. 
In 5—12 Tagen nach der Infektion stellte sich Fieber ein und gewöhnlich 
wurden 1 Tag später die ersten Parasiten mikroskopisch festgestellt. Das 
Fieber wiederholte sich dann anfallsweise und wurde in den tödlichen Fällen 
schliesslich dauernd; das Körpergewicht nahm meistens ab, es kam aber auch 
das Gegenteil zur Beobachtung; bei Pferden entstanden stets Oedeme an den 
Lippen, den Geschlechtsteilen und anderen Körpergegenden; bei Hunden, Katzen 
und Kaninchen kam es oft zu Erblindung durch diffuse Hornhauttrübung unter 
Anwesenheit von Tsetseparasiten in der vorderen Augenkammer; das Blut 
büsst erheblich an Fibrinbildungsvermögen ein; die Tiere nehmen eine schlaffe, 
kopfhängerische Haltung ein, die für Tsetse kennzeichnend ist, der 
Gang wird schleppend und kreuzlahm; schliesslich stürzen sie nieder und 
verenden an Benommenheit, oft unter Krämpfen. Unmittelbar nach dem Tode 
waren die Parasiten massenhaft vorhanden, aber schon nach einer Stunde 
wurden sie nur selten oder gar nicht mehr gefunden. Die Hirn-Rückenmarks- 
flüssigkeit war beträchtlich vermehrt. 

Die Einzelheiten der zahlreichen mühsamen Tierversuche müssen in 
der Arbeit selbst eingesehen werden. Bei den meisten Tieren bildete sich 
bei fortgesetzter Verimpfung eine Steigerung der Virulenz des Stammes 
„Togohengst“ für die gleiche Tierart aus, besonders deutlich bei Mäusen 
und Ratten. Das Blut der letzteren Tiere war für Esel nur wenig virulent, 
machte sie nur leicht und vorübergehend krank: in ihrem Blut waren nur 
wenige Parasiten enthalten, aber es wurde die Bildung specifischer Stoffe 
ausgelöst, welche die Tiere gegen sonst tödliche Infektion schützten; sie 
blieben lange danach (eins über 275 Tage) noch am Leben. Das Serum 
dieser Esel schützte auch andere Tiere, gerade wie das Serum der 
Rinder, gleichviel auf welche Weise sie inficiert worden waren. Von vorn- 
herein waren bei keiner Tierart Schutzstoffe gegen das Virus des Stammes 


Wohnungshygiene. 433 


nTogohengst“ vorhanden, auch bei der Togostute und den von ihr abgeimpften 
Tieren nicht; denn die Togostute selbst ging an einer Impfung mit dem Stamm 
„Togohengst“ ein. Der anfangs sehr schwach virulente Stamm „Togostute“ 
konnte beim Durchgang durch andere Tiere zu tödlicher Virulenz herange- 
züchtet werden. 

Der Verf. macht selbst darauf aufmerksam, dass alle seine Beobachtungen nur 
für die künstliche Infektion gelten, und dass es noch der Prüfung be- 
darf, ob und wie weit sie auch für die Stiche inficierter Tsetsefliegen zutreffen. 
Er weist aber darauf hin, dass sich manche Besonderheiten der „Feld- 
infektion“ nach seinen Untersuchungen leichter erklären lassen als 
bisher z. B. die wechselnde Virulenz. Dass einzelne Pferde, welche Tsetse- 
parasiten in ihrem Blut beherbergen, trotzdem jahrelang rüstig bleiben, braucht 
nicht auf ihrer aussergewöhnlichen Widerstandsfähigkeit zu beruhen, sondern 
kann durch eine Virulenzabschwächung ihrer Parasiten begründet sein. Anderer- 
seits können Tiere mit schwach virulenten Parasiten, wenn sie von Tsetsefiegen 
gestochen werden, der Ausgangspunkt für Infektionen mit stärker virulenten 
werden. Daraus folgt, um die Seuche auszurotten, die Notwendigkeit, 
alle Tsetseparasitenträger unter dem Wild und unter den Haustieren 
unschädlich zu machen, weil es ausgeschlossen ist, der übertragenden 
Insekten Herr zu werden. Immunisierungen werden nur gelegentlich 
in Frage kommen, z. B. um Reit- oder Last- oder Schlachttiere durch eine 
Tsetsegegend hindurchzubringen; am Bestimmungsort angelangt, müssten auch 
sie getötet werden, weil sie Parasiten in ihrem Blut haben. 

Globig (Berlin). 


Baumert (Dr., Justizrat), Zum preussischen Wohnungsgesetzentwurf. 
Berlin 1905. Carl Heymanns Verlag. 86 Ss. 8°. Preis: 1 M. 

Die vorliegende Besprechung des Preussischen Wohnungsgesetzent- 
wurfs vom Interessenstandpunkt des Landesverbandes der Preussischen Haus- 
und Grundbesitzervereine, dessen Vorsitzender der Verf. ist, kommt zu einem 
im allgemeinen ablehnenden Urteil, wenn auch einzelne Bestimmungen des 
Entwurfs als berechtigt anerkannt werden. Dieser im allgemeinen ablehnende 
Standpunkt des Verf’s. findet in dem ersten seiner Schlusssätze dahin Aus- 
druck, dass der Entwurf so, wie er veröffentlicht ist, nicht Gesetz werden dürfe. 

Die geplanten Abänderungen des Baufluchtliniengesetzes vom 2. Juli 1875 
erachtet Baumert für im allgemeinen empfehlenswert, hält es aber für 
dringend geboten, dass auch die sonstigen zweifelhaften Bestimmungen des 
Baufuchtliniengesetzes eine Klarlegung und Ergänzung erfahren, und dass die 
teilweise Befreiung von den Anliegerbeiträgen dahin geregelt werde, dass sie 
allgemein für kleinere Häuser in Strassen mit geringerer Breite gewährt 
werden. Zuzugeben ist, dass das Baufluchtliniengesetz nicht nur zu gunsten 
der Bauunternehmer, sondern noch mehr zu Gunsten der Gemeinden einer 
derchgreifenden Umgestaltung bedarf. In dieser Beziehung darf auf die Vor- 
schläge von Brandts (Zeitschrift für Wohnungswesen 1904. No. 22) und von 
Küster (Techn. Gemeindebl. 1904. No. 14—16) Bezug genommen werden. 


434 Wohnungshygiene. 


Die freie Betätigung der Grundbesitzer, von der Baumert alles Heil er- 
hofft, verfolgt nicht sowohl den Zweck, Wohnhäuser zu bauen, als vielmehr 
das Strassenland möglichst hoch zu verwerten und zu diesem Zweck mit 
den Baugrundstücken zurückzuhalten, bis sie baureif werden. 

Hinsichtlich des Artikels 2 „Bebauung der Grundstücke“ kann zugegeben 
werden, dass der Erlass eines allgemeinen Baugesetzes vorzuziehen und auch 
in Preussen sehr wohl erreichbar gewesen wäre, zumal nachdem durch das 
sächsische Baugesetz der Beweis erbracht worden, dass es auf diese Weise 
gelingt, zugleich allgemeine Grundsätze gegen die Bodenspekulation aufzustellen. 

Hinsichtlich des Artikels 3 des Entwurfs bleibt hygienischerseits zu 
fordern, dass die alte deutsche Bauweise, das Kleinhaus und Dreifensterhaus, 
und das daraus hervorgegangene Bürgerhaus möglichst überall wieder zur 
Geltung kommt, da diese Kleinwohnungen in socialer und hygienischer Hin- 
sicht unendlich weit über den Hofwohnungen der Mietskasernen stehn. 

Ganz besonders interessieren den Hygieniker die Artikel 4 und 5 des 
Entwurfs, die auf die Benutzung der Wohnungen, die Mietswohnungen, Schlaf- 
räume der Dienstboten u.s. w. und die Wohnungsaufsicht sich beziehen. Dass 
es nicht gerechtfertigt ist, die Vorschriften über die notwendige Beschaffenheit 
der Wohnungen auf Gemeinden über 10000 Einwohner zu beschränken, ist 
wiederholt schon von anderer Seite und auch vom Berichterstatter hervorgehoben 
worden. Unverständlich ist es dagegen vom gesundheitlichen Standpunkt, wenn der 
Verf. die Forderung, dass jede Wohnung einen eigenen verschliessbaren Abort, 
einen eigenen Ausguss und einen eigenen Wasserhahn besitzen soll, als zu 
weitgehend und unannehmbar bekämpft. „Ein gemeinsamer Abort, Wasser- 
hahn und Ausguss würde selbst bei Neubauten für 2 kleinere Wohnungen ge- 
nügen.“ Wenn Baumert von derartigen unabweisbaren gesundheitlichen 
Forderungen einen Vermögensraub befürchtet, so meine ich, dass der ärgste 
Vermögensraub der Gesundheitsraub ist, und einen solchen bedeutet es, wenn 
in einem Wolhnungsgesetzentwurf diesen fundamentalsten Forderungen der 
Hygiene nicht Rechnung getragen würde. Ohne auf die gesundheitlichen und 
sittlichen Gefahren weiter einzugehen, die die gemeinsame Benutzung eines 
Aborts oder eines Ausgusses in den Arbeitermassenquartieren mit sich bringt, 
kann nur immer wieder betont werden, dass alle gesundheitlichen Einrichtungen 
ihren Zweck nur dann erfüllen, wenn ihre Benutzung möglichst bequem ge- 
halten wird. Ebenso unhaltbar sind die Ausführungen des Verf's. über den 
vorzuschreibenden Luftraum, wobei dafür plädiert wird, für Räume ohne 
Tapeten und ohne Doppelfenster ein geringeres Raummass vorzuschreiben. 
Dass Wandanstriche unter Umständen undurchlässiger sein können wie Tapeten, 
einfache Fenster dichter schliessend wie Doppelfenster, dass aber, hiervon ab- 
gesehen, der freiwilligen Ventilation enge Grenzen gezogen sind, bleibt ausser 
Berücksichtigung. Wollen die Hausbesitzer auf eine gesundbeitsgemässe Woh- 
nungsbenutzung hinwirken, so empfiehlt Referent, den Mietsverträgen kurzge- 
fasste Regeln über gesundheitsgemässe Wohnungsbenutzung beizufügen. 

Durchaus anfechtbar sind auch die Ausführungen des Verf's. gegen die 
Vorschriften der Geschlechtertrennung. Wenn der Verf. das Zusammenleben der 
Familienglieder in einem Raum für sittlich höher bewertet, als das Getrennt- 


Wohnungshygiene. 435 


leben nach Geschlechtern, so ist das eine Auffassung, die vielleicht vom 
ideal-sittlichen Standpunkt verständlich erscheint, die aber gegenüber den 
wirklichen Verhältnissen und vor dem ästhetischen Empfinden des heutigen 
Geschlechts nicht bestehen kann. 

Die Bestimmungen über die Schlafräume der Dienstboten und Gewerbe- 
gehülfen wie über Aufnahme von Schlafgängern, ebenso über die Schaffung 
von Wohnungsämtern finden den Beifall des Verf’s., nur empfiehlt er, die Woh- 
nungsämter nicht aus angestellten Beamten zu bilden, sondern aus ehrenamt- 
lich tätigen Personen. 

Den Schluss der Schrift bildet der Vorschlag, zur Gesundung des Hypo- 
thekarkredits Pfandbriefinstitute für Häuser nach dem Vorbild der Preussischen 
Landschaften ins Leben zu rufen, ein Vorschlag, der, nachdem der Wohnungs- 
bau in erheblichem Grade Gegenstand der Kapitalverwertung geworden ist, an 
sich beachtenswert erscheint, der aber gegenüber dem Grundübel, der fort- 
schreitenden Steigerung der Bodenpreise und der Bodenspekulation, keine Ab- 
hülfe entspricht. E. Roth (Potsdam). 


Nussbaum, Beiträge zur Bekämpfung der Holzkrankheiten. Arch. f. 
Hyg. Bd. 52. S. 218. 

Eines der wichtigsten Mittel zur Bekämpfung der Holzkrankheiten 
wird gegenwärtig in der ausschliesslichen Verwendung lange abgelagerten 
Holzes gesehen, wodurch sein Preis allerdings erheblich verteuert wird. Bei 
der Untersuchung der Frage, ob der durch das Ablagern des Bauholzes ge- 
botene Schutz erheblich ist. kam Verf. zu folgendem Ergebnis. Im vollen 
Safte befindliche Nutzholzstämme gelangen überhaupt nie zur Verwendung, 
weil wegen des hohen Gewichtes ihre Beförderuug aus dem Walde mit zu 
grossen Kosten und Mühen verbunden ist. Um die Beförderungskosten zu 
ermässigen, erfährt alles Nutzholz vor seiner Verwendung eine beträchtliche 
Austrocknung. Der Grad der Austrocknung des in Neubauten verwendeten 
Holzes ist aber nicht von wesentlicher Bedeutung für seine Dauerhaftigkeit; 
denn alles vor dem Fertigstellen der Eindeckung in Neubauten verbrachte 
Holzwerk wird dort wieder mit Wasser bereichert, vielfach sogar gesättigt, 
mag es auch vorher einen noch so hohen Grad der Austrocknung besessen 
haben. Das Holz bekommt dieses Wasser entweder durch die Niederschläge, 
denen es stets längere Zeit ausgesetzt ist, zugeführt, teils nimmt es dasselbe 
aus der in Neubauten stets sehr feuchten Luft oder direkt aus dem frischen 
Mauerwerk in sich auf. Nicht viel günstiger ist die Sachlage bei dem Holz- 
werke, das erst nach der Fertigstellung der Eindeckung und der Verputzungen 
in die Neubauten gelangt. Erst dann, wenn das Mauerwerk der Neubauten 
annäbernd lufttrocken ist, besitzt auch das Holzwerk annähernd seinen früheren 
Grad der Austrocknung. Völlige Lufttrockenheit des Holzwerkes tritt in der 
Regel erst ein, wenn das Haus einen Winter über geheizt und bewohnt worden 
war. Man darf daber sagen, dass das Holzwerk in Neubauten mindestens ein 
Jahr lang einen Wassergehalt zugeführt erhält, welcher der Lebenstätigkeit 
der Hutpilze förderlich ist. Dabei ist es ziemlich gleichgültig, ob das ein- 
gebrachte Holzwerk waldtrocken, lufttrocken oder jahrelang abgelagert war. 


436 Wohnungshygiene. 


Das Lagern der gefällten Stämme im Walde hat für das Nutzholz be- 
deutende Nachteile im Gefolge, die sich besonders bei dem einer erneuten 
Durchfeuchtung ausgesetzten Bauholze bemerklich machen. Durch das La- 
gern ist die Infektion des Nutzholzes infolge des Eindringens von Mycel der 
im Walde zahlreich vorkommenden Hutpilze in die Wundstellen der Stämme 
und Astlöcher ermöglicht. Bei hinreichend warmer Witterung ist auch das 
Auskeimen und die Fortentwickelung von Sporen zu gewärtigen, welche der 
Wind den Stämmen zuträgt. Die bei längerem oder sonnigem Lagern im 
Walde erfolgende Splintrissbildung befördert das Haften und Eindringen der 
Sporen. Die vielfach vorkommende Schädigung des Nutzholzes durch In- 
sekten ist ebenfalls in erster Linie dem Lagern der gefällten Stämme im 
Walde während der Paarungszeit zuzuschreiben. Daher sollte an Stelle des 
Lagerns der Stämme wieder allgemein die stehende Austrocknung gesetzt 
werden, die darin besteht, dass die Stämme zur Sommerszeit „geringelt“ 
werden. Um den unteren Teil des Stammes wird ein Streifen Rinde entfernt; 
dadurch wird das Aufsteigen von Wasser aus dem Erdboden sogut wie ver- 
hindert, während Blätter oder Nadeln dem Stamme seinen Saftgehalt ent- 
ziehen. Mit dem Welkwerden der Blätter pflegt dann Lufttrockenbeit der 
Stämme einzutreten, und zwar wird dieser Zustand binnen einer verhältnis- 
mässig kurzen Frist erreicht. Dazu kommt, dass die Rinde in der Zeit zwischen 
dem Ringeln und dem Fällen den ohne Wundstellen bleibenden Stamm vor 
dem Eindringen der Hutpilzsporen schützt, während das rasche Austrocknen 
ihr Auskeimen und das Entwickeln etwa bereits vorhandenen Mycels verlang- 
samt oder hindert. 

Ein weiteres Schutzmittel gegen die Infektion des Holzes ist darin ge- 
geben, dass das Holz nur in fertig geschnittenem Zustande und ringsum ge- 
hobelt zur Versendung gelangt. Das ist z. B. bei dem nordischen Holze der 
Fall. In Deutschland findet man dagegen an den Balken, an den Fussboden- 
lagerhölzern und anderem Holzwerk fast allgemein sämtliches Splintholz be- 
lassen, vielfach noch Bast und sogar Rinde haften. In den Niederlanden, wo 
fast nur nordisches Holz verwendet wird, sah daher Verf. in keinem der be- 
sichtigten Häuser eine Spur kranken Holzes, weil dort die Uebertragung der 
Hutpilze aus dem Walde in die Häuser durch das Hobeln des Holzes auf ein 
Mindestmass beschränkt ist. 

Bei der Untersuchung der Frage, an welchen Stellen bei Bauten Holzwerk 
angewendet werden darf, und wie die aus ihm hergestellten Konstruktionen 
beschaffen sein müssen, um gegen Holzkrankheiten geschützt zu sein, haben 
sich folgende Grundregeln ergeben. Völlig gesundes und von Hutpilzsporen 
freies Holz bietet dort keine Gefahr, wo Ansteckung ausgeschlossen ist. In 
Deutschland sind wir jedoch gezwungen, mit der letzteren zu rechnen. Man 
darf daher Holzwerk nur an solchen Stellen verwenden, wo die es zerstörenden 
Pilze ihre Lebensbedingungen nicht finden, d. h. wo es dauernd trocken er- 
halten bleibt. Da aber selbst in den bestgeschützten Gebäuden eine Durch- 
feuchtung des Holzwerkes gelegentlich erfolgen kann, so muss ihm unter allen 
Umständen die Möglichkeit raschen Austrocknens geboten werden; es soll da- 


Wohnungshygiene. 437 


her nicht von der Luft abgeschlossen, sondern vielmehr mit mindestens einer 
Seite von ihr frei umspielt werden. 

Wo diese Bedingung nicht erfüllt werden kann, müssen Stein- oder Eisen- 
konstruktionen und dergl. an die Stelle des Holzwerkes treten. Dasselbe gilt 
von Räumen, in denen häufig Flüssigkeiten zur Verschüttung gelangen, Urin oder 
andere tierische Abgänge an das Holzwerk gelangen können, oder die Luft an 
Wasserdampf reich zu sein pflegt. Wendet man diese Grundregeln auf Bau- 
werke an, so gelangt man zu dem Ergebnis, dass für Fussboden oder die Decke 
des Kellers, sowie die über den Kellergewölben befindlichen Fussböden Holzwerk 
keine Anwendung finden darf. Als verwerflich muss die Anwendung von Holz- 
fussböden, Holzbalken oder Holzbohlendecken ferner bezeichnet werden in 
Wasch-, Spül- und Kochküchen, Badezimmern, Laboratorien, Operationszimmern, 
Klosetts, Stallungen und anderen Räumen, welche mit Wasserausgüssen und 
dergl. versehen werden. Besonders gefährdet ist auch alles Holzwerk, welches 
die nach Wetterseiten freiliegenden Wände berührt oder in sie eingreift, falls 
sie nicht gegen das Eindringen des Schlagregens gerichtet werden. Mit Vor- 
liebe suchen die Hutpilze ferner die Dachgespärre und Dachschalungen auf, 
sobald die Dacheindeckung keine oder geringe Luftdurchlässigkeit aufweist. 
Deon die emporgedrückte warme Luft gelangt zum Teil an die Eindeckung des 
Daches und erfährt hier, wenn sie nicht rasch genug entweichen kann, eine 
zar Schwitzwasserbildung führende, oft hochgradige Abkühlung. Endlich treten 
die Holzkrankheiten häufig und üppig iu Gebäuden auf, welche der gelegent- 
lichen Ueberschwemmung durch Grundwasser oder Oberflächenwasser ausgesetzt 
sind. Deswegen muss das Holzwerk in den tiefliegenden Geschossen dieser 
Häuser auf Türen und Fenster beschränkt bleiben, und die höher gelegenen Ge- 
schosse sind durch eine auf die Dauer undurchlässige Schicht von ihnen abzu- 
trennen. 

Die Gebälke der Zwischendecken sind bei der gegenwärtig üblichen Bau- 
art besonders gefährdet, weil sie an ihrer Unterkante durch einen wagerechten 
Verputz von der Luft abgeschlossen werden und der im „Fehlboden“ enthaltene 
Lehm das Holzwerk durch Zuführung von Wasser und Verzögerung der Aus- 
trocknung schädigt. Daher ist die übliche Bauart der Zwischendecken als ver- 
werflich zu bezeichnen. Und zwar sollte die Unterkante des Gebälkes sichtbar 
gelassen und Lehmschlag nicht weiter verwendet werden. Als Ersatz für den 
Lehmschlag eignet sich sehr gut der Milchkalkmörtel, welcher hohe Festigkeit 
und Zähigkeit mit innigem Haften am Material verbindet und dem Holzwerk 
Schutz gegen Wasseraufnahme gewährt. 

Was die Desinfektion vorhandener Krankheitsberde anlangt, so ist sie nicht 
leicht auszuführen. Die Entfernung der erkrankten Holzteile reicht dazu nicht 
aus; vielmehr muss auch vom gesunden Holze auf ea. 1 m Länge alles entfernt 
werden, was mit dem kranken irgendwie in Verbindung gestanden hat. Beim 
echten Hausschwamm und beim Porenschwamm müssen ausserdem auch das 
nahe befindliche Mauerwerk, die Füllstoffe und andere poröse Körper sorgfältig 
untersucht werden. Nach Beseitigung sämtlicher Krankheitsherde muss dann 
noch das etwa vorhandene feine Mycel und die Sporen der Pilze vernichtet 
werden. Das geschieht am besten durch Uebergehen mit der Lötrohrflamme. 


438 - Heizung. 


Von chemischen Stoffen haben sich Kreosotöl und die es enthaltenden Flüssig- 
keiten bewährt, sind aber ihres Geruches wegen kaum anwendbar. Das Zink- 
chlorid hat sich ebenfalls leidlich bewährt, während das gleichfalls fast geruch- 
freie Antinonnin in seiner Wirkung noch recht zweifelhaft ist. 

Speck (Berlin). 


Ascher, Louis, Der Einfluss des Rauchs auf die Atmungsorgane. 
Stuttgart 1905. Ferd. Enke. 

Der weitaus grösste Teil der Arbeiten, die sich mit der Rauchplage be- 
schäftigen, ist vom technischen Standpunkte aus geschrieben; die gesundheitliche 
Bedeutung der Frage wird wohl erwähnt, aber zumeist nicht wissenschaftlich 
begründet. Diese Lücke sucht die Arbeit Aschers auszufüllen, indem sie 
den exakten Nachweis führen will, dass der Rauch sich 

1. statistisch als eine wichtige Krankheitsursache feststellen lässt, und 

2. experimentell seine Schädlichkeit demonstriert werden kann. 

Wenn nun auch die Folgerungen des Verf.'s mit den Ansichten der Hy- 
gieniker sich wohl in jeder Beziehung decken, so ist nach Ansicht des Ref. 
die Beweiskraft der Ascherschen Darlegungen doch keine ganz durchschla- 
gende. Der Verf. geht von der Tatsacche aus, dass, während die Anzahl der 
Todesfälle an Tuberkulose in den letzten Jahrzehnten abgenommen hat, bei 
den nicht tuberkulösen Erkrankungen der Atmungsorgane eine Zu- 
nahme zu konstatieren ist. Welches ist die Ursache dieser Erscheinung? 
Dreierlei kommt nach dem Verf. zunächst in Betracht: Infektion, Witte- 
rungseinfluss, verminderte Widerstandskraft. Aber keiner dieser 
Faktoren soll zur Erklärung herangezogen werden können, vor allem die kli- 
matischen Verhältnisse nicht, weil sie sich nicht geändert haben, die Wider- 
standskraft der Bevölkerung nicht, weil gegen andere Erkrankungen sogar 
eine erhöhte Resistenz sich zeigt (insbesondere in den Gegenden, wo die akuten 
Respirationskrankheiten sich mehren), und schliesslich auch der Infektions- 
faktor nicht, weil die Zahl der Todesfälle an Infektionskrankheiten, insbeson- 
dere in der Stadt, ständig abgenommen hat. Dem infektiösen Moment wird 
Verf. zweifellos nicht ganz gerecht. Die Zunahme der Todesfälle an akuten 
Respirationskrankheiten wird nun aber erklärt durch eine Gegenüber- 
stellung von Landwirtschaft und Industrie Es zeigt sich, dass 
in den landwirtschaftlichen Kreisen Östpreussens etwa 3 mal weniger Kinder 
im ersten Lebensjahre an nicht tuberkulösen Respirationskrankheiten starben, 
wie in den Industriegegenden des Rheinlandes und Schlesiens; 
sodann ist die Sterblichkeit an nicht tuberkulösen Respirationskrankheiten bei 
den Bergarbeitern des Ruhrgebietes um etwa 135%, höher als der Durch- 
schnitt in ganz Preussen. Die Ursache dieses Verhaltens kann nur der Rauch 
der Kohlenfeuerungen sein. Verf. wendet sich gegen die Ansichten, dass der 
Rauch unschädlich sei; er bewirkt nicht nur höhere Sterblichkeit an 
akuter Respirationskrankheit, sondern beschleunigt auch den Ver- 
lauf der Tuberkulose. Diesen auf statistischen Erhebungen sich aufbau- 


Lüftung. 439 


enden Schlüssen hat nun Verf. experimentelle Beweise hinzuzufügen ver- 
sucht. Er hat Kaninchen den Einwirkungen des Russes allein, wie auch aller 
Rauchbestandteile zusammen, ausgesetzt, und geprüft, ob der Rauch eine Dis- 
position für akute Lungenkrankheiten erzeugt, und ob er den Verlauf einer 
Lungeutuberkulose zu beschleunigen vermag. Beide Fragen werden nach den 
Resultaten der Tierversuche mit ja beantwortet. Durchschnittlich starben 
die starkem Rauche ausgesetzten Tiere doppelt so schnell an den Infek- 
tionen, wie solche, die nur geringe Spuren Rauch einzuatmen Gelegenheit 
gehabt hatten. 

Die Arbeit Aschers stellt einen der ersten Versuche dar, das Studium 
der Rauch- und Russplage in Deutschland auch von gesundheitlichem Stand- 
punkt aus auf eine wissenschaftliche Basis zu stellen, sie sollte daher 
von allen, die sich für diese Fragen interessieren, gelesen werden. 

Liefmann (Halle a. S.). 


Wolpert, Ueber die Grösse der Luftbewegung in der Nähe unserer 
Wohnungen. Arch. f. Hyg. Bd. 52. S. 22. 

Wolpert hat eine grössere Reihe von Windmessungen in unmittelbarer 
Nähe von Wohnhäusern vorgenommen, um die Frage beantworten zu können: 
„Wie gross ist die Geschwindigkeit des Windes in nächster Nähe der Um- 
fassungsmauern von Wohnhäusern, iusbesondere von den Fenstern und in Höfen, 
im Verhältnis zur Geschwindigkeit des Windes über Dach“. Die Messungen 
wurden mit kleinen Ropinsonschen Schalenkreuzanemometern ausgeführt, 
die Versuchszeit betrug in der Regel 24 Stunden. 

Zunächst wurde die Windgeschwindigkeit vor den Fenstern in 
Berlin und Vororten bestimmt. An einem Südfenster eines Hauses von Berlin 
C. betrug die Geschwindigkeit bei N.-W.-Wind 0,11 m-Sek.; in Charlottenburg 
an einem Nordfenster bei N.-W.-Wind 0,4 m-Sek.; an einem Balkonfenster von 
Heringsdorf als Mittel einer 16tägigen Versuchsreihe gar 0,65 m-Sek. Aus 
Versuchen, die in Adlershof bei Berlin angestellt wurden, ergab sich, dass der 
Wind, welcher auf die Mauern eines freistehenden Hauses einwirkt, innerhalb 
ausserordentlich weiter Grenzen schwanken kann, die erhaltene Windgeschwin- 
digkeit lag in 9 Tagen zwischen 2 und 3635 m-Sek.; er braucht auch nicht 
mit gleicher Stärke auf sämtliche Fenster einer Strassenseite einzuwirken. 

Bei Vergleichen der Windgeschwindigkeit vor dem Fenster und auf dem 
Dache wurden im Mittel 7°/, der Dachgeschwindigkeit vor dem Fenster ge- 
funden. Auch die Windseite ist natürlich von Einfluss; bei einem bei S.-SW.- 
Wind angestellten Versuche wurde die Geschwindigkeit der Windseite (W), 
der windabgewandten (A) Seite und des Daches mit folgendem Ergebnis ver- 
glihen W:A:Dach = 6,7: 2,3: 100. 

Auch die Windgeschwindigkeit in Höfen wurde gemessen und mit Fenster- 
und Dachgeschwindigkeit verglichen. Die Hofgeschwindigkeit war stets grösser 
als die am Fenster z. B. H :F : Dach = 4,0:0,3:100. Vergleicht man einen 
grossen und einen kleinen Hof unter einander, so war die Geschwindigkeit in 
letzerem geringer, kl. H:gr. H : Dach = 0,2: 28,0 : 100. 

Vergleicht man verschiedene Stockwerke mit einander, so steigt gewöhn- 


440 Lüftung. 


lich die Windgeschwindigkeit mit der Höhe, z.B. 1. E. : 2. E. : D. = 0,62 : 6,88 
: 100; doch wurde gelegentlich auch umgekehrtes Verhalten beobachtet 1. E. 
:2.E.:D.=2:1:100. 

An gleichen Tagen in Berlin C. und den Vororten angestellte Versuche 
ergaben, dass sich die Windgeschwindigkeit Adlershof zu der Berliner C. wie 
100:56 betrug. 

Im grossen Ganzen lässt sich sagen: „Die Windgeschwindigkeit in nächster 
Nähe eines Wohnhauses, insbesondere vor den Fenstern und in Höfen, 
beträgt nur in seltenen Fällen mehr als etwa 10°/, der freien Windgeschwin- 
digkeit, meistens aber nur einige wenige Prozent, zuweilen nur einige Promille 
dieser Grösse“. H. Ziesche (Leipzig). 


Wolpert, Ueber den Einfluss der landhausmässigen Bebauung auf 
die natürliche Ventilation der Wohnräume. Arch. f. Hyg. Bd. 52. S. 46. 
Die Versuche Wolperts, die jetzt, wo der Entwurf eines preussischen 
Wohnungsgesetzes vorliegt, von aktuellem Interesse sind, hatten zum Zweck, 
die hygienische Bedeutung der landhausmässigen Bebanung und über- 
haupt der offenen Bauweise hinsichtlich der natürlichen Ventilation der 
Wohnräume zahlenmässig festzustellen. 

Die Versuche wurden in Wohnräumen freistehender Häuser in Adlershof 
bei Berlin ausgeführt. Die Ventilationsbestimmung selbst geschah anthrako- 
metrisch mit Hilfe der Seidelschen Formel 

K,—k 

E = 2,3 log wi p 
worin auch k, der CO,-Gehalt der Aussenluft experimentell erhoben und stets 
um 0,4 p.m gefunden wurde. Die Versuchszeit wurde meist auf 4—5 Stunden 
normiert. Ausnahmslos wurden sämtliche Luftproben doppelt entnommen und 

nach der Pettenkoferschen Methode analysiert. 

Die Zimmer der freistehenden Häuser hatten für die Stunde durchschnitt- 
lich eine 0,35 malige, jene des eingebauten Hauses hingegen nur eine 0,19 
malige Lufterneuerung. 

Ausser der Lage der Häuser für die Grösse des Lufterneuerungswertes 
auch noch das Baumaterial von Bedeutung. So ergab von zwei sonst sich 
gleichenden Häusern das eine doppelt so hohe Werte; es war aus minder 
hart gebrannten Backsteinen gemauert. 

Wolpert zieht aus seinen Beobachtungen folgende Schlüsse: 

1. Bei landhausmässiger Bebauung ist die sommerliche natürliche Venti- 
lation der Wohnräume um reichlich die Hälfte gesteigert. 

2. Bei landhausmässiger Bebauung ventilieren die Wohnungen im Sommer 
ebenso gut wie vielfach die eingebauten Wohnungen der Grosstadt erst unter 
dem Einfluss der Heizung im Winter. 

2. Durch eine landhausmässige Bebauung wird im Hinblick auf die Er- 
höhung der Lüftungsgrösse eine Temperaturdifferenz von mehr als 10° auf- 
gewogen. H. Ziesche (Leipzig). 


Abfallstoffe. 441 


Salomon, Hermann (Reg. u. Med.-Rat in Coblenz), Die städtische Ab- 
wässerbeseitigung in Deutschland. Wörterbuchartig angeordnete 
Nachrichten und Beschreibungen städtischer Kanalisations- und Kläranlagen 
in deutschen Wohnplätzen. (Abwässer-Lexikon). I. Bd. Das deutsche Maas-, 
Rhein- und Donaugebiet umfassend, nebst einem Anhang: Abwässerbeseiti- 
gungsanlagen in grösseren Anstalten. Mit 40 Tafeln, einer geographischen 
Karte und 9 Abbildungen im Text. Verlag von Gustav Fischer in Jena. 
1906. S. 1—576. Preis: 20 M. 

Der Verf. des in seinem ersten, das Maas-, Rhein- und Donaugebiet um- 
greifenden Bande vorliegenden „Abwässerlexikons“ hat sich seit Jahren auf das 
eingehendste gerade mit den hier in Betracht kommenden Fragen beschäftigt 
und namentlich auch auf umfassenden Studienreisen, die ihn beispielsweise 
durch England und das ganze Gebiet der Vereinigten Staaten führten, das ein- 
schlägige Material in seltener Vollständigkeit zusammengetragen. Haben ihn 
seine vielfachen Amts- und Dienstgeschäfte auch bisber noch nicht die nötige 
Musse und Zeit finden lassen, deu angehäuften Stoff in übersichtlicher Weise 
zu verarbeiten, so hat sich doch zunächst die Möglichkeit ergeben, für das 
westliche Deutschland ein in der Form eines Lexikons, d. h. also 
alphabetisch angeordnetes Verzeichnis der in den einzelnen Orten vor- 
handenen Einrichtungen zur Beseitigung der Abfallstoffe zu geben, 
das durch eine Darstellung der in den übrigen Teilen unseres Vaterlandes 
eingeführten Verfahren demnächst seine Ergänzung und Vervollständigung er- 
balten soll. Die unmittelbare Auskunft seitens der verschiedenen Städte u.s.f. 
selbst, und die sachverständige Bearbeitung der eingegangenen Antworten auf 
die ausgegebenen Anfragen seitens des Verf.'s haben so ein Werk entstehen 
lassen, dem sicherlich eine bedeutsame Rolle auf dem Sondergebiete zuge- 
wiesen werden kann, über das es sich verbreitet. War man bisher doch ge- 
nötigt, bei jeder Beantwortung einer der zahlreichen Fragen, die sich gerade 
auf diesem Felde einem Sachverständigen immer von neuem wieder bieten, 
entweder durch unmittelbare Anfrage an zuständiger Stelle um Auskunft zu 
bitten oder aber die an unendlich vielen, zum Teil schwer zugänglichen Stellen, 
wie in den mannigfachen Fest- und Gelegenheitsschriften verstreute Literatur 
zu durchmustern und einzusehen, während man jetzt ein mit unendlichem 
Fleisse und nicht geringem Sachverständnis zusammengetragenes und gesich- 
tetes Material vor sich hat. Gewiss wird deshalb jeder mit diesen Fragen aus 
Beruf oder aus Neigung beschäftigte, jede staatliche oder städtische Verwal- 
tungsbehörde von dem hier in seltener Fülle ausgebreiteten Stoffe mit Vorteil 
Gebrauch machen können, und so zweifle ich nicht daran, dass der aufge- 
wendeten beträchtlichen Mühe auch ein reicher Erfolg beschieden sein wird. 

C. Fraenkel (Halle a. $.). 


442 .  Säuglingspilege. 


Negri G., Ueber das Stillen und die Ursachen des Nichtstillens. 
Aus der Universitäts-Kioderklinik in Graz. Wien. klin. Wochenschr. 1905. 
No. 18. S. 459. 

Nach der Anschauung Bunges ist die grosse Mehrzahl der Frauen, die 
ihre Kinder nicht selbst stillen, tatsächlich physisch unfähig zu stillen. 
Dieser Ausspruch Bunges, dem sich auch zahlreiche andere Aerzte anschliessen, 
steht im Einklang mit der von Bunge betonten Annahme einer Rassenent- 
artung, als welche die wechselnde Unfähigkeit unserer Frauen zum Stillgeschäft 
aufzufassen sei, wobei insbesondere Alkoholismus der Ascendenz als ursäch- 
liches Moment anzuschuldigen sei. In der vorliegenden Publikation bekämpft 
der Autor die These Bunges, deren kritiklose Weiterverbreitung durch populäre 
Schriften u. s. w. er für geradezu verhängnisvoll erklärt, da sie geradezu der 
ohnehin in unseren Ländern vielfach herrschenden Abneigung der Mütter gegen 
das Stillen Vorschub leiste. 

Zeigen doch die statistischen Aufnahmen von Shibata bezw. Strauss in 
Müuchen, dass in einem messbaren Zeitraum (1889—1895) von einer solchen 
„zunehmenden Unfähigkeit zum Stillen“ nichts wahrzunehmen ist, während 
andererseits Autoren wie Madame Dluski, Marfan, Blacker, Nordheim, 
Selter nachweisen, dass an vielen Orten auch heute die Stillfähigkeit unter 
den Müttern in weitaus den meisten Fällen die Regel ist. 

Verf. bemühte sich, an der Hand des Materials der Grazer Gebärklinik, 
über "welches seit Jahren genauere Aufzeichnungen vorliegen, die in Frage 
stehende Abnahme der Stillfähigkeit zu prüfen. Von 6961 Frauen, die von 
1896—1903 in Behandlung standen, stillten 83,130), ihre Kinder ausschliesslich 
selbst, bei 7,79°/ wurde neben Brusternährung oder nach anfänglicher Brust- 
ernährung künstliche Ernährung eingeleitet, 9,08°/, ernährten ihre Kinder aus- 
schliesslich künstlich. 

Die Ursache für das Nichtstillen war bei den 1174 Müttern nur in 
200 Fällen nachgewiesener Milchmangel oder Missbildung der Warze. Die 
vorgefundenen Zahlen sprechen also zum mindesten nicht für die Anschauung 
Bunges. Ebenso konnte keineswegs beobachtet werden, dass bei den Wöchne- 
rinnen die Fähigkeit und Eignung zum Stillen im Rückgang begriffen waren. 
Hierüber belehrt die Sichtung des Materiales nach den einzelnen Jahren. 

Der Autor gibt zu, dass wie bei jeder derartigen Statistik auch hier Fehler- 
quellen unterlaufen können; er ist aber gewiss im Rechte, wenn er meint, 
dass bei dem Mangel einer erkennbaren Verschiebung der Zahlen zu Gunsten 
der These Bunges nichts für das Zutreffen derselben im vorliegenden Falle 
spreche. Es sei demnach nach wie vor das Hauptgewicht bei der ganzen 
Frage auf eine energische und zielbewusste Aufklärung der Mütter über die 
Pflicht, das Stillen der Säuglinge vorzunehmen, zu legen. 

` Grassberger (Wien). 


Hohlfeld, Martin, Ueber den Umfang der natürlichen Säuglingser- 
nährung in Leipzig. Aus d. Universitätskinderklinik in Leipzig. Deutsche 
med. Wochenschr. 1905. No. 35. S. 1391. 

Die Statistik des Verf.s stammt aus der Poliklinik des Kinderkranken- 
hauses, in welcher ein Hauptteil der Bevölkerung Leipzigs, Fabrikarbeiter, 


Säuglingspilege. 443 


Handwerker, kleine‘ Beamte und Gewerbtreibende zusammenströmen. Während 
des Jahres 1904 wurden dort bei allen Kindern bis zu 15 Jahren Nach- 
fragen wegen der Art der Ernährung im Säuglingsalter gehalten: es 
waren im ganzen 5023, von denen 1666 im ersten Jahr standen. Ueber 182 
konnte nichts io Erfahrung gebracht werden, von den übrigen 4891 waren 
2725 = 55,7 v. H. an der Brust gestillt, d. h. sie waren mindestens 8 Tage 
lang ausschliesslich mit Frauenmilch genährt worden. Also die Hälfte 
aller Kinder erhielt die Brust überhaupt nicht oder kürzere Zeit 
als 8 Tage. Nimmt man an, dass erst eine 6monatige Brusternährung 
für einen menschlichen Säugling ausreicht, so traf dieses bei 1090 Kindern, 
d.h. 48,6 v.H. der über 6 Monate alten Gestillten, 27,5 v. H. aller 
Kinder zu. Der Verf. hatte zwar eine noch niedrigere Verhältniszahl erwartet, 
aber er weist auf das Bedenkliche hin, das darin liegt, dass sie von Jahr 
zu Jabr weiter zurückgeht. 

Bei 1000 nicht gestillten Kindern der ersten 3 Lebensjahre hat der Verf. 
nach den Gründen geforscht, weshalb das Stillen unterblieb. In 46 
Fällen lagen diese Gründe bei dem Kinde, in allen übrigen bei den Müttern 
und zwar hatten 425 Mütter angeblich keine Nahrung, 325 wurden durch 
Krankheiten und 146 durch ihre schlechte sociale Lage am Nähren 
verbindert. Die angeblich „unzureichende Nahrung“ lässt der Verf. nicht 
gelten, weil er hierfür den Beweis erst durch einen Ernährungsversuch und 
Rückgang des Körpergewichts geführt wissen will. Statt der Empfehlung von 
allerlei Ersatzmitteln für die Muttermilch erklärt er die Belehrung und 
Erziehung der Mütter zum Stillen für das wichtigste und dankbarste 
Nittel, um dem Rückgang der natürlichen Ernährung entgegenzuwirken. Unter 
den durch Krankheiten am Stillen verhinderten Müttern waren 51, bei welchen 
die verschiedensten Organe ernsthaft ergriffen waren, 54 mal handelte es sich 
um Entzündungen der Brüste und Mängel der Warzen, 196 Mütter bezeichneten 
sich als zu blutarm, zu nervös oder zu schwach zum Stillen, 24 erklärten 
sich für kränklich. Bis auf die Fälle, wo schwere Organerkrankungen das 
Stillen hinderten, weist der Verf. auch hier die angegebenen Gründe für das 
Nichtstillen zurück und ist -der Meinung, dass die Versuche, die Mütter 
zum Stillen anzubalten, vielfach gelingen würden, wenn sie richtig 
und ernstlich angestellt würden. 

Anders freilich liegt die Sache bei 146 Kindern, deren Mütter „auf Ar- 
beit mussten“ und die deshalb in Pflege gegeben wurden. Hier muss die 
sociale Fürsorge eingreifen und wenigstens einem Teil der Kinder die 
natürliche Nahrung ermöglichen. Globig (Berlin). 


Cassel (Berlin), Bericht über Versuche, Säuglinge mit einwandsfreier 
Kubmilch zu versorgen. Arch. f. Kinderheilk. Bd. 41. H. 3/4. 

Von einem Damencomit6 des Vereins für häusliche Gesundbheitspflege 
wurden Säuglinge, die das Ambulatorium des Verf.’s besuchten, mit ein- 
wandsfreier Kuhmilch versorgt. Die Milch wurde in rohem Zustande abge- 
gebeu und den Müttern zugleich mit einer schriftlichen Belehrung über die 
Behandlung der Saugflasche direkt ins Haus geliefert. Von 115 Säuglingen 


444 Säuglingspflege. 


waren 79 darmgesund. Davon erkrankten während der Beobachtungszeit 15 
an Magendarmstörungen und 3 starben daran. 24 Säuglinge zeigten bei der 
Aufnahme ein den Durchschnittswert nach Camerer übersteigendes Gewicht. 
Am Ende der Verpflegungszeit hatten nur noch 17 ein Mehrgewicht, 7 da- 
gegen ein Mindergewicht. 92 Fälle zeigten bei der Aufnahme ein Minderge- 
wicht. Bei der Entlassung wiesen 5 davon ein Mehrgewicht auf. Im ganzen 
sind von den 115 Fällen 4 gestorben. Manteufel (Halle a. S.). 


Engel (Berlin), Die Gründe der hohen Säuglingssterblichkeit in den 
Städte. Med. Woche. 1905. No. 18/14. 

An der Hand statistischer Daten und eigner Erfahrungen in Berlin macht 
Verf. folgende Umstände für die hohe Säuglingssterblichkeit in den 
Städten haftbar. 

1. Das steigende Abnehmen des Stillens der Mütter. 

2. Die durch unangebrachte Forderungen der Polizeiverordnungen über 
den Verkehr mit Kuhmilch und Sahne hervorgerufene Verteuerung der 
Kindermilch. 

3 .Die Verschlechterung der gewöhnlichen Milch durch Mischen von 
Magermilch und Vollmilch, wodurch die gewöhnliche Milch besonders unge- 
eignet für die Säuglingsernährung wird. 

4. Das mangelnde Verständnis der Mütter für die künstliche Ernährung 
der Säuglinge. Manteufel (Halle a. S.). 


Meder, Eduard, Das Sänglingskrankenhaus als wichtiger Faktor 
zur wirksamen Bekämpfung der hohen Säuglingssterblichkeit. 
Monatsschr. f. Gesundheitspfl. 1905. No. 4. 

Verf. bespricht kurz die verschiedenen Wege, auf denen man versucht hat, 
die Säuglingssterblichkeit einzuschränken. Die Errichtung von eigens auf 
Säuglingspflege und -erziehung eingerichteten Krankenhäusern erscheint ihm 
als das geeignetste Mittel. Er erörtert dann ausführlich die Einrichtung eiues 
derartigen Spitals und erwähnt am Schluss die Erfolge, die anderswo, nament- 
lich in Frankreich, damit erzielt worden sind. Die Anstalten sollen möglichst 
der Forderung Rechnung tragen, dass der Säugling natürlich ernährt wird. 

Manteufel (Halle a. S.). 


Neumann H., Der Säuglingsskorbut in Berlin. Berl. klin. Wochen- 
schr. 1905. S. 15. 

Durch die längere Einwirkung eines niedrigen Hitzegrades oder die kürzere 
einer starken Erhitzung oder durch die auf einander folgende, wenn auch 
weniger intensive Einwirkung beider wird die Milch so verändert, dass ihre 
ausschliessliche Darreichung während mindestens fünf Monaten zum Säug- 
lingsskorbut (Barlowsche Krankheit) führt. Von der besonders starken 
Disposition einiger weniger Kinder abgesehen, ist unter solchen Bedingungen 
auch für ein normales Kind die Erkrankungswahrscheinlichkeit sehr gross, 
mindestens darf man ein anämisches Aussehen, auch Widerwillen gegen die 
Nahrung erwarten. 


Desinfektion. 445 


Hieraus ergibt sich, dass das Publikum behufs zweckmässiger Behandlung 
der Milch darüber unterrichtet sein muss, ob dieselbe schon vor dem Verkauf 
einer Erwärmung unterworfen war. Es sollte daher gesetzlich vorgeschrieben 
werden, dass pasteurisierte Milch beim Verkauf als solche gekennzeichnet wird. 

Würzburg (Berlin). 


Heim L, Die Widerstandsfähigkeit verschiedener Bakterienarten 
gegen Trocknung und die Aufbewahrung bakterienhaltigen Mate- 
rials insbesondere beim Seuchendienst und für gerichtlich-medi- 
zinische Zwecke. Aus dem hygien.-bakt. Institut der Univ. Erlangen. 
Zeitschr. f. Hyg. Bd. 50. S. 123. 

Die bekannte Schwierigkeit, Pneumokokken in Kulturen länger als 
einige Tage lebendig und virulent zu erhalten, hat der Verf. dadurch 
überwunden, dass er eine von Berckholtz bei Cholerabakterien gemachte 
Beobachtung verwertete und Seidenfäden mit Kultur oder pneumo- 
kokkenhaltigem Blut belud, an der Luft trocknen liess und sie dann im 
Exsiccator über Chlorcalcium oder Phosphorsäure-Anhydrid auf- 
bewahrte. Auf diese Weise konnte er Pneumokokken 1 Jahr und 
4 Monate lang lebendig und infektionsfähig erhalten. In derselben Art 
liessen sich Tetanusbacillen aus Eiter, Tetragenus und sporenfreie Milz- 
brandbacillen aus Maus- und Meerschweinchenblut 2 Jahre und darüber, 
Diphtheriebacillen aus einer Serumkultur, Traubenkokken aus Eiter 
u.a. über 1 Jahr lebensfähig aufbewahren. Wenig geeignet erwies sich 
dagegen das Verfahren bei Choleravibrionen, Geflügelpest und Schweineseuche. 
Für die praktische Anwendung hat sich am zweckmässigsten bewährt, 
dass die mit Kultur oder Blut beladenen Seidenfäden in kleine, an beiden 
Enden mit Watte verschlossene Röhrchen gebracht und diese Röhrchen in 
gewöhnlichen Reagensgläsern aufbewahrt werden, die am Boden Chlor- 
calcium enthalten und mit Gummikappen verschlossen werden. 

Bei der Einfachheit dieses Verfahrens lassen sich leicht von jedem Eiter, 
von Kot, Blut u.s.w., die zur Untersuchung bestimmt sind, aber auch von 
Organsäften, Leichenteilen, Magen- und Darminhalt Proben nehmen und auf 
lange Zeit gebrauchsfähig erhalten. Globig (Berlin). 


Jacobson J. (Berlin), Ueber Melioform in Vergleich mit anderen 
Desinficientien, speciell mit Lysol und Lysoform. Med. Klinik. 
1905. No. 49. 

Von dem praktischen Wert eines Desinfektionsmittels ausgehend, sucht 
Verf. diesen darzulegen an den bekannten Desinfektionsmitteln: Karbolsäure, 
Sublimat, Lysol, Lysoform und an einigen neueren wie Septoform (Konden- 
sationsprodukt von Dioxynaphthylmethan und Formaldehyd, gelöst in alkoho- 
lischer Leinölseifenlösung, Formysol (40 proz. Formaldehydlösung, die flüssigen 
und weichen Kaliseifen zu 10 und 25 °/ zugesetzt: Formysolseifen) und end- 
lich Melioform (aus Formaldehyd, dem Lysoform nahestehend, und bei 


46 Desinfektion. 


` welchem der Formaldehydgeruch durch Korrigentien verdeckt ist). Die Giftig- 

keit ist dieselbe wie bei I,ysoform. Dann bringt er eine von Nagelschmidt 
aufgestellte Tabelle über die Giftigkeit (letale Dosis) einiger Desinfektions- 
mittel, herechnet pro Kilo Kaninchen: 


Sublimat. . 2. 2 2 22 202.20...0015 
Karbolsäure. . . 2 .2.2.2.2.2.2...0,208—0,348 
1 7) Ve N Sr A e eal ©) 

Bacilol . . 2 2 2 2 2200002. 2,87—8,55 
Lysoform bezw. . . 2.22.20. 5,15 subkutan 
Melioform . . . re 7,0 intern 


Melioform ist an baktericider Wirkung Men Lysoform überlegen. 
Es entsprechen einander Lösungen von: 


bre o 2.2 200: aa er S 
Lysoform.:.. e 2.2 e en N 
Melioform.. . . 220.20. 08—0,5 o 


Für praktische Zwecke gelangen ve von Lysol 8 proz., von Lysoform 2—3 proz., 
von Melioform 0,5 proz. Lösungen zur Verwendung. Der Preis von je 100 g 
Lysol 0,5 M., Lysoform 0,65 M., Melioform 1,15 M., mithin 1 Liter Desinfektions- 
flüssigkeit: Lysol 0,15 M.; Lysoform 0,13 —0,195 M.; Melioform 0,057 M. 
Danach ist Melioform am billigsten; ausserdem sind Melioformlösungen 
wasserklar. Als Nachtteil wird hervorgehoben, dass Melioformlösungen 
an den Händen der Operateure enorme Trockenheit hervorrufen. 

Nieter (Halle a. S.). 


Assmann H., Versuche über den Wert des Aethylalkohols, insbeson- 
dere des alkalischen Alkohols als eines Desinfektionsmittels 
bei bakteriologischen Sektionen. Aus der hygien.-Untersuch.-Anstalt 
zu Danzig. lnaug.-Diss. Königsberg. 

Nach einer allgemeinen Zusammenstellung der, bisher bekannt gewordenen 
Durchschnittsergebnisse über die desinficierende Kraft des Alkokols be- 
handelt Verf. seine über die Desinfektionswirkung des Alkohols in seinen 
verschiedenen Konzentrationen angestellten Versuche, welche den bei einer 
bakteriologischen Sektion vorliegenden praktischen Verhältnissen mög- 
lichst nahe kommen. Zur vergleichenden Benutzung gelangten: 1. Alkohol, 
Aether aa, 2. Alcohol absol., 3. Alkohol 96-50 proz. Ferner durch Zusatz 
von Soda, Natronlauge alkalisch gemachter Alkohol; weiter Seifenspiritus 
und alkalisch-wässerige Lösungen. Angestellt wurden die Versuche 1. an Skal- 
pellen mit glatter Schnittfläche, an denen Bakterien in Bouillonkultur ohne 
und mit Zusatz von Blut angetrocknet waren, 2. an Seidenfäden, 3. an keim- 
haltigen Leichenorganen. Aus den zahlreichen in anschaulicher und über- 
sichtlicher Weise beschriebenen Versuchen kommt Verf. zu dem Ergebnis, 
dass die beste desinficierende Wirkung der 1°%/, NaOH enthaltende 50 proz. 
Alkohol zeigt und er dem officinellen Seifenspiritus gleichzustellen ist, vor 
diesem sogar für die praktische Verwendung den Vorzug verdient. Bei häu- 
figer und dauernder Benutzung übt der 1°/ NaOH enthaltende Alkohol auf die 
Epidermis eine angreifende Wirkung aus. Nieter (Halle a.S.). 


Desinfektion. 447 


Essinger L., Ueber die Wirkung photodynamischer (fluorescierender) 
Stoffe auf Fadenpilze. Inaug.-Diss. München. 

Gestützt auf die Untersuchungen von Raab, Jacobson, v. Tappeiner 
und anderen Autoren prüfte Verf. den Einfluss fluorescierender Stoffe auf 
‚Fadenpilze. Er benutzte als nicht pathogenen Pilz Penicillium glaucum 
und als pathogenen Achorion Schoenleinii. In verschiedenen Versuchs- 
reihen, in welchen von fluorescierenden Stoffen in Lösungen verschiedener 
Konzentrationen Methylenblau, Phenosafranin, Eosin, Erythrosin, Rose bengale, 
Dichloranthracen, disulfosaures Na, Acridinchlorid zur Anwendung kamen und 
belichtet und unbelichtet gelassen wurden, stellt Verf. sodann seine Er- 
gebnisse zusammen. Er fand im wesentlichen für Penicillium glaucum: 
Tötung durch Giftwirkung in Hell und Dunkel durch Rose bengale; Tötung 
durch Photodynamie bei Erythrosin und Phenosafranin; keine sichtbare 
Schädigung durch Mythylenblau, Acridin, Eosin und Dichloranthracen weder 
im Hellen noch im Dunkeln. Für Achorion Schoenleinii: Tötung der Keime 
in Eosin, Erythrosin, Phenosafranin und Rose bengale hell; Fntwickelungs- 
hemmung durch Methylenblau und Acridin bell und Rose bengale dunkel; 
Dichloranthracendisulfosäure hatte völlig versagt. Gegen photodynamische 
Stoffe zeigte sich Achorion Schoenleinii empfindlicher als Penicillium glaucum. 
Im grossen Ganzen wurden die mit den Bakterien bisher erzielten Resultate 
übereinstimmend gefunden. Zum Schluss gibt Verf. Anregung zur Anstellung 
therapeutischer Versuche mit einer der stark wirkenden Substanzen bei Favus, 
wo positive Ergebnisse auch zu erwarten wären. Nieter (Halle a. S.). 


Vogel, Karl, Experimentelle Beiträge zur Frage der Desinfektion 
der Haut. Aus d. chirurg. Abt. d. Johannishospitals in Bonn. Deutsche 
med. Wochenschr. 1905. No. 30. S. 1179. 

Die Bierschen Heissluftkasten für die Behandlung chronischer Gelenk- 
leiden hat der Verf. zu Versuchen an seinen eigenen Händen benutzt, um bei 
Temperaturen bis 105° durch starke Schweisserzeugung die Bakterien, 
welche in der Tiefe der Haut, sei es in den Drüsengängen, sei es zwischen 
den Epithelien sitzen, heraus an die Oberfläche zu schwemmen. Er 
verzichtete auf künstliche Infektionen und benutzte bei den Versuchen nur 
seine sogenannte „Tagesband“. An dem Vorhandensein oder Fehlen der Bak- 
terien im Schweiss nach !/, stündiger Dauer des Versuchs hatte er einen 
Massstab dafür, ob eine vorausgegangene Händedesinfektion bis in die tieferen 
Schichten der Haut hinein wirksam gewesen war oder nicht. Ein Vergleich 
zwischen der Seifenspirituswaschung nach Mikulicz und dem Heiss- 
wasser-Alkohol-Sublimat-Verfahren Fürbringers fiel zu Gunsten 
des letzteren aus. Die Verbindung von Alkohol und Sublimat wirkt dabei 
sicherer als jedes dieser Mittel für sich. 

Schliesslich empfiehlt der Verf. die Reinigung der Haut von Keimen durch 
länger fortgesetztes Schwitzen für solche chirurgischen Fälle, bei 
welchen ein Versagen des Asepsis von besonders üblen Folgen be- 
gleitet sein würde, z. B. bei Operationen an Sehnen, Nerven und Gelenken. 

Globig (Berlin). 


448 Desinfektion. Gewerbehygiene. 


Meyer G., Notwendigkeit und Art der Desinfektion der Kranken- 
beförderungsmittel. Berl. klin. Wochenschr. 1905. S. 397. 

Um vor einer Verbreitung von Krankheiten durch den Kraukentransport 
sicher zu sein, muss eine Desinfektion der Krankentransportmittel 
nach einem jeden Transport erfolgen. Die Diagnose kann zur Zeit des Trans- 
ports noch unsicher sein oder dieser wird nicht wegen einer gleichzeitig be- 
stehenden übertragbaren Krankheit, wie Tuberkulose, sondern aus anderer 
Ursache vorgenommen. 

Neben den Krankenwagen, den Decken, Laken, Tragbahrenüberzügen und 
Tragen bildet die Person der Träger ein Mittel zur Verbreitung von Krankheiten. 

Zur Desinfektion von Krankenwagen sind nicht alle Desinfektionsmittel 
geeignet. Stark riechende Stoffe, wie Karbolsäure, sollten dazu nicht benutzt 
werden. Ferner soll die Desinfektion einfach und schnell ausführbar sein, 
damit sie leicht erlernt und vorgenommen werden kann, und die Transport- 
mittel dem Betriebe nicht zu lange entzogen werden. Auch müssen letztere 
durch die Desinfektion möglichst wenig leiden. 

Behufs wirksamer Ausführung der Desinfektion müssen die Wagen eigens 
für diesen Zweck gebaut und eingerichtet sein. Sie müssen innen ganz glatte 
Decken, Wände und Fussböden haben, alle Ecken müssen abgerundet, die 
Wände und Decken mit einer Farbe gestrichen sein, welche eine häufige und 
wirksame Desinfektion zulässt. Der Fussboden ist mit Linoleum zu belegen, 
vorspringende Leisten der Decke durch einen übergelegten doppelten Boden 
glatt zu verkleiden. Im Innern des Wagens sind ein oder besser zwei Klapp- 
sitze für Begleiter vorzusehen. Die möglichst einfach aus Metallrohr herge- 
stellte und mit Emaillefarbe gestrichene Tragbahre hat einen einfachen Segel- 
tuchüberzug, welcher im Desinfektionsapparat leicht desinficiert werden kann. 
Künstliche Beleuchtung des Wageninnern geschieht durch die äusseren am 
Kutschersitz angebrachten Wagenlaternen. Natürliches Licht fällt durch Fenster 
an den Seitenwänden ein. Die Lüftung erfolgt durch Fenster in der Tür und 
an der Stirnseite. Die Art der Desinfektion der Krankenwagen ist in den 
einzelnen Städten sehr verschieden. Versuche darüber sind neuerdings ange- 
stellt worden. 

Die Träger haben waschbare Uebermäntel anzulegen, welche mit den 
Decken, Laken und Ueberzügen der Tragbahre nach jedem Transport im Dampf- 
apparat desinficiert werden. Es sind eigene Krankenträgerkolonnen auszu- 
bilden. Zu diesem Zweck sind Feuerwehr- oder Sanitäts- oder Samariter- 
kolonnenmitglieder heranzuziehen oder eigene Krankentransportkolonnen seitens 
der Behörden heranzubilden. Würzburg (Berlin). 


Lewin L, Krankheit und Vergiftung. Berl. klin. Wochenschr. 1904. 
S. 1099. 

Es gibt kein Organ des menschlichen Körpers und keine Gewebsart, die 
nicht durch bestimmte Gifte so erkranken können, wie durch Leidensur- 
sachen anderer Art. Für die kausale Beurteilung eines Leidens müssen daher 
ausser dessen Symptomen noch andere Hilfsmittel herangezogen werden. Dem- 


Gowerbehygiene. 449 


nach dürfte es beispielsweise unzutreffend sein, in das Krankheitsattest eines 
Bleiarbeiters, welcher Gliederschmerzen hat, Rheumatismus zu schreiben; aller 
Wabrscheinlichkeit nach leidet derselbe an Blei-Gliederschmerzen oder Blei- 
Gelenkschmerzen. 

Wird die Ursache nicht berücksichtigt, so wird die wahre Erkenntnis 
über den Umfang der in den Giftbetrieben vorkommenden Erkrankungen un- 
möglich. Daraus ergeben sich schwere Nachteile für die Wissenschaft, wie 
für die Arbeiter. Eine unzulängliche Statistik verfehlt ihren Zweck, eine 
Handhabe zur Ergreifung geeigneter Massnahmen zu bieten. 

Soll diesen Uebelständen abgeholfen werden, so muss in den ärztlichen 
Attesten die volle Wahrheit zum Ausdruck kommen. Dazu muss der Arzt 
aber auch mit den Giftgefahren der Betriebe, in denen seine Klienten arbeiten, 
vertraut sein. Würzburg (Berlin). 


Kühn W., Bleivergiftung sonst und jetzt. Med. Klinik. 1905. No. 52. 
S. 1346. 

Verf. macht darauf aufmerksam, dass die Gefahren der Bleivergif- 
tangen in letzter Zeit auch infolge des Emporblühens der Elektrotechnik 
den Arbeitern der Akkumulatorenfabriken drohen. In der neuen mit dem 
1. Jan. 1906 in Kraft getretenen Verordnung ist dieser Gefahr keiner Erwäh- 
nung getan. Nach Böttrich (Arzt der Akkumulatorenfabrik A.-G. Hagen i.W.) 
geschieht die Aufnahme das Bleies und der Bleiverbindung hauptsächlich durch 
den Verdauungstraktus, selten durch die Atmungsorgane. Von den Fabriken 
wird zar Verhütung folgender Weg eingeschlagen: „Der von den Maschinen, 
bezw. Räumern abgezogene Bleistaub wird in Gefässe geleitet, welche ange- 
säuertes Wasser enthalten, und dann erst geht die Luft völlig gereinigt in die 
Atmosphäre“. Nach einer Besprechung der bei Bleivergiftung einzuschlagenden 
Therapie berührt Verf. auch die Anwendung des Schwefels. Der sauer rea. 
gierende Schweiss der Hand führt die unlöslichen Bleiverbindungen in lösliche 
über. Durch gewöhnliche Seife werden nach Neutralisieren der Ameisensäure 
im Schweiss unlösliche Bleiverbindungen gebildet, die sich schwer abwaschen 
lassen. In den Fabriken wird zur Entfernung daher auf eine energische Be- 
nutzung von Nagelbürsten grosser Wert gelegt. Von diesem Prinzip ausgehend 
haben die chemischen Werke (G. m. b. H. Freiburg i. Br.) eine neue Seife — 
Akrenninseife — eingeführt, welche eine Umwandlung der Bleiverbindungen 
in Schwefelblei bewirkt. Beim Waschen mit dieser Seife tritt Braunfärbung 
der Hand infolge Ueberganges der Bleiverbindung in Bleisulfid ein, das dann 
mit gewöhnlicher Seife und Bürste zum Schwinden gebracht werden kann. 

Populäre Darstellungen zur Aufklärung der Arbeiter hält Verf. für 
wichtiger als alle Verordnungen und Prophylaxen. Nieter (Halle a.S.). 


Bleivergiftungen in hüttenmännischen und gewerblichen Betrieben. 
Ursachen und Bekämpfung. I. Teil. Bericht über Erhebungen in 
Blei- und Zinkbütten. K. K. Arbeitsstatisches Amt im Handelsministerium. 
Wien 1905. Alfred Hölder. 51 Ss. 4°. 

Die zunehmende Erkenntnis der Grösse der Bleigefahr, die ihren Aus- 
druck in den Verhandlungen der internationalen Vereinigung zum gesetzlichen 


450 Gewerbehygiene. 


Arbeiterschutz gefunden hat, sowie eine im Jahre 1903 im österreichischen 
Abgeordnetenhause eingebrachte Interpellation veranlassten das arbeitsstatistische 
Amt, durch eingehende Untersuchungen an Ort und Stelle Material zu sammeln, 
das weiterhin einer unter Heranziehung von Interessenten und Fachmännern 
gebildeten Kommission zur weiteren Durchberatung vorgelegt werden soll. 
Die Resultate dieser Erhebungen liegen im I. Teil vor, in dem die ein- 
schlägigen Verhältnisse in einer grossen Zahl von Blei- und Zinkhütten in 
anschaulicher und eingehender Weise zur Darstellung gebracht werden, während 
der zweite Teil die Verhältnisse in den Bleifarbenfabriken zum Gegen- 
stand haben soll. Zuerst werden die Produktions-, Arbeits- und Lohnverbält- 
nisse der betreffenden Werke geschildert und im Anschluss daran die sani- 
tären Einrichtungen und die gesundheitlichen Verhältnisse der Bergarbeiter, 
letztere auf Grund zahlenmässiger Unterlagen, der Aussagen der dort be- 
schäftigten Aerzte und der an Ort und Stelle gepflogenen Erhebungen. Hier- 
bei wird die Tatsache bestätigt, dass in allen diesen Betrieben in grossem 
Umfange Bleierkrankungen vorkommen, und zwar in allen Stadien des Pro- 
duktionsprocesses. Zugleich konnte bestätigt werden, dass überall mit einer 
Besserung der Arbeitsverhältnisse, der Herabsetzung der Arbeitsdauer, der 
Besserung des Betriebs- und Arbeiterschutzes, die Gefahr bis zu einem be- 
stimmten Grade herabgesetzt und ein Zurückgehen der Erkrankungen nach Zahl 
und Intensität festgestellt werden konnte, so dass die Hoffnung einer weiteren 
Eindämmung der hier drohenden Gefahren berechtigt erscheint, wenn überall 
die praktischen Folgerungen aus diesen Erhebungen gezogen werden. Eine 
Reihe von Photographieen und Plänen dienen zur Veranschaulichung des 
Textes. E. Roth (Potsdan). 


Lennhoft, Rudolf und Levy-Dorn, Untersuchungen an Ringkämpfern. 
Deutsche med. Wochenschr. 1905. No. 22. 

Die Verf. haben die Ringkämpfe im Cirkus Busch in Berlin im 
Winter 1904/05 benutzt, um — der eine durch Perkussion, der andere mit 
dem Röntgenverfahren — die Folgen zu untersuchen, welche Ueberanstren- 
gung für das Herz hat, im Besonderen, ob die frühere Annahme richtig ist, 
dass hierbei eine akute Erweiterung des Herzens zu Stande komme, 
die nach kurzer Zeit wieder verschwindet. Hoffmann und v. Criegern 
haben sich schon 1902 hiergegen ausgesprochen und die Verff. haben jetzt 
bei 20 Herzuntersuchungen an 10 Ringern, die 10—30 Minuten nach Beendi- 
gung des Ringens vorgenommen wurden, nichts derartiges beobachtet. 
Die Pulskurven und Blutdruckmessungen lieferten aber Bilder, aus denen 
die Grösse der vorhergegangenen Anstrengung hervorging. Bei 6 der Ringer 
wurde ein- oder zweimal Eiweiss im Harn (zuweilen auch hyaline Cylinder) 
gefunden; bei einem Ringer, der dauernd Eiweissharn hatte, stieg die Menge 
des Eiweisses nach jedem Ringkampf auf das Dreifache. Die Körperwärwe 
in der Achselhöhle, die in der Rube bei keinem der Ringer 36,70 überstieg, 
wurde nach den Ringkämpfen zu 37,2 bis 38,80 festgestellt; ihre Erhöhung 
entsprach im allgemeinen der Dauer und Anstrengung des Kampfes. 

Globig (Berlin). 


Gesetze und Verordnungen. 451 


Gesetze und Verordnungen. 


Im Regierungsbezirk Liegnitz ist folgende „Polizeiverordnung be- 
treffend den Bau von Gasthäusern, Logierhäusern und sonstigen zur 
gewerbsmässigen Aufnahme von Logiergästen bestimmten Gebäuden 
in den ländlichen Bezirken“ erlassen worden: 

I. Ueberwachung der Bauausführung. 

% 1. Von der Vollendung des Rohbaues hat der Bauherr oder Bauleiter 
der Ortspolizeibehörde Anzeige zu erstatten. Auf die Anzeige ist spätestens inner- 
halb 8 Tagen eine Untersuchung der Bauausführung vorzunehmen. Der Unter- 
suchung hat der Bauherr oder Bauleiter beizuwohnen. Die zu prüfenden Gebäude- 
teile müssen für die Untersuchung zugänglich und sichtbar sein. Bei Bauten von 
geringerer Bedeutung kann von der Untersuchung des Rohbaues abgesehen werden, 
sofern die bauleitende Person der Behörde als so zuverlässig bekannt ist, dass sie 
hinreichende Gewähr für eine vorschriftsmässige Bauausführung bietet. 

§ 2. Ueber die Abnahme des Rohbaues wird, sofern Ausstände sich nicht 
ergeben haben, alsbald eine schriftliche Bescheinigung erteilt, die in der Regel auf 
der Bauerlaubnis zu vermerken ist. Vor Beseitigung der vorgefundenen Baumängel 
und Erteilung der Bescheinigung über die Rohbauabnahme darf der Bau nicht fortge- 
setzt werden. 

$ 3. Nach Vollendung des Baues hat auf Antrag des Bauherrn oder Bauleiters 
spätestens innerhalb 8 Tagen die Schlussabnahme zu erfolgen. Dabei sind zu- 
gleich die Beleuchtungs- und Wasserversorgungsanlage zu prüfen. Die 
Gebäude dürfen erst in Gebrauch genommen werden, wenn die Ortspolizeibehörde die 
Schlussabnahme bescheinigt hat. 

$ 4. Die Polizeibehörden haben, sofern sie dies wegen des Umfangs oder der Art 
des Baues oder der Person des Bauleiters für erforderlich erachten, zur Prüfung des 
Baugewerbes, zur Abnahme des Rohbaues und zur Schlussabnahme einen Bausach- 
verständigen zuzuziehen. 

U. Bestimmungen über die Ausführung der Bauten. 

$ 5. Die Gebäude sind mit massiven Aussenwänden von angemessener 
Tragfähigkeit herzustellen und feuersicher einzudecken. Ebenso müssen die be- 
lasteten Innenwände hergestellt werden. 

§ 6. Jeder Bau muss so angelegt sein, dass für den Feuerlöschverkehr der 
erforderliche Raum vorhanden ist. Grundstücke, auf welchen ausser Vordergo- 
bäuden auch Seiten- und Hintergebäude errichtet werden, müssen mit einer für die 
Feuerlöschgeräte ausreichend breiten Durghfahrt (von 2,5 m Breite und eben solcher 
Höhe) von der Strasse aus versehen sein.- 

§ 7. Alle Wohn- und Schlafräume müssen mit dem Ausgange des Gebäudes 
und sofern sie in Stockwerken liegen, mit der Treppe durch feuersichere und dem 
Tageslicht zugängliche Flure oder Gänge von mindestens 2 m Breite in unmittelbarer 
Verbindung stehen. Als feuersicher ist ein Raum anzusehen, wenn er von massiven 
oder feuersicher verwahrten Wänden und Decken eingeschlossen ist. Feuersicher 
verwahrte Wände sind solche, die unter Verwendung von Holz aufgebaut, mit Kalk- 
mörtel abgeputzt oder sonst in gleich wirksamer Weise gegen die Uebertragung von 
Feuer gesichert sind. Hohlräume in derartigen Wänden sind mit unverbrennlichen 
Materialien auszufüllen. Balkendecken gelten als feuersicher verwahrt, wenn sie 
unterhalb mit unverbrennbarem Material verkleidet und in den Zwischenfeldern, von 
der Balkenoberkante abwärts, wenigstens 10 cm stark mit unverbrennbarem Material 
ausgefüllt sind. 


452 Gesetze und Verordnungen. 


§ 8. Decken in Wohn- und Schlafräumen und in Räumen mit Feuerstätten 
müssen, wenn sie nicht massiv sind, feuersicher verwahrt werden. 

§ 9. Die Treppen müssen so angelegt werden, dass sie von jedem Wohn- oder 
Schlafraume "nicht mehr als 15 m entfernt sind. In Gebäuden mit mehr als zwei be- 
wohnbaren Geschossen über dem Erdgeschoss sind mindestens zwei Treppen in ge- 
sonderten Räumen anzulegen. 

§ 10. In Gebäuden mit nicht mehr als einem bewohnbarem Geschosse über dem 
Erdgeschosse sind die Treppen durchweg massiv, entweder gemauert oder in Stein, 
oder in Eisen herzustellen. Die Stufen dürfen, wenn sie massiv oder in undurch- 
brochener Eisenkonstruktion ausgeführt sind, mit Holz belegt sein. 

§ 11. Die Treppenräume müssen dem Tageslicht überall hinreichenden Zu- 
tritt gewähren. Derartige Räume sind in allen Geschossen, einschliesslich des Dach- 
geschosses, mit massiven, mindestens einen Stein starken Wänden, die nur durch die 
unbedingt erforderlichen Licht- und Verbindungsöffnungen unterbrochen werden, zu 
umgeben. Im Dachgeschoss sind die Treppenräume mit einer massiven Decke oder 
mit einer feuersichern verwahrten Balkendecke, die oberhalb noch durch ein flach- 
seitiges Ziegelpflaster oder durch einen Lehm- oder Gipsbestrich zu schützen ist, ab- 
zuschliessen. Unter hölzernen Treppen dürfen keine Holzverschläge angelegt werden. 

§ 13. Alle unmittelbar ins Freie führenden Türen sind zum Aufschlagen nach 
aussen einzurichten. 

§ 14. Die Hausflure sowie die zu bewohnten Räumen führenden Treppen und 
die Zugänge zu denselben sind mit ausreichenden, eine Feuergefahr ausschliessenden 
Beleuchtungsvorrichtungen zu verschen. 

II. Allgemeine Bestimmungen. 

§ 15. Die vorstehenden Bestimmungen finden sinngemäss’ auch dann Anwen- 
dung, wenn Wohnhäuser oder Teile von solchen in Logierhäusern angewendet oder 
zur gewerbsmässigen Aufnahme von Logiergästen benutzt werden sollen. 

§ 16. Bei Baulichkeiten, die nur aus Erd- und Dachgeschoss bestehen und in 
letzterem nicht mehr als 3 für den Fremdenverkehr bestimmte Wohn- oder Schlaf- 
räume enthalten, können seitens der Ortspolizeibehörden Abweichungen von den Be- 
stimmungen dieser Polizeiverordnung, mit Ausnahme des § 7, nachgelassen werden, 
wenn und soweit ihre Durchführung nur mit verhältnismässigem Kostenaufwande sich 
ermöglichen lässt und nicht überwiegend Bedenken im Sicherheitsinteresse entgegen- 
stehen u. s. w. (Veröff. d. Kais. Ges.-A. 1906. No. 10. S. 209). 


In Berlin ist folgende Polizeiverordnung über „die Verordnung des 
Rücktritts unreiner Flüsigkeit indie Reinwasserleitung“ erlassen worden: 

$ 1. Spülabtritte, Badewannen, Wasch- und Spülbecken und sonsti- 
ge aus einer Wasserleitung gespülte oder gespeiste Anlagen, sowie Grundablässe 
(Haupthähne mit Entleerung) sind derartig einzurichten, dass aus ihnen ein Rück- 
fliessen oder Rücksaugen von Flüssigkeiten oder anderen Stoffen in die Reinwasser- 
leitung unter keinen Umständen eintreten kann. 

Die hierzu gewählte Einrichtung muss der Beaufsichtigung zugänglich sein und 
auch bei längerem Gebrauche ein Zurücktreten irgend welcher Stoffe in die Leitung 
sicher verhüten. 

Sie bedarf in jedem einzelnen Falle der polizeilichen Genehmigung. Bestimmte 
Einrichtungen und Apparate, welche den polizeilichen Anforderungen genügen, 
werden öffentlich bekannt gegeben. 


Kleinere Mitteilungen. 453 


§ 2. Anlagen, die den Anforderungen des $ 1 nicht genügen, müssen spätestens 
6 Wochen nach ergangener Aufforderung geändert werden. 
(Yeröff. d. Kais. Ges.-A. 1906. No. 11. S. 232). 
Baumann (Metz). 


Kleinere Mitteilungen. 


(:) Das Gesundheitswesen des Preussischen Staates im Jahre 1903. 
Bearbeitet von der Medizinal-Abteilung des Ministeriums der geistlichen u. s. w. An- 
gelegenheiten. 

Stand und Bewegung der Bevölkerung. Am 1. Januar 1903 bezifferte 
sich die in Preussen lebende Bevölkerung auf 35565445. Die Zahl der Neugeborenen 
betrug im Berichtsjahre 1274666, davon waren 1235213 lebend- und 39453 totge- 
boren. Die Lebendgeburtenziffer war wie in den früheren Jahren in den östlichen 
sowie in den industriereichen westlichen Regierungsbezirken durchweg höher als in 
den übrigen Bezirken; die Höhe dieser Ziffer schwankte zwischen 43,40°/oo der Einw. im 
Regierungsbezirk Oppeln und 24,20°/% im Stadtkreise Berlin, im Durchschnitt betrug 
sie 34,730%/90. Gestorben sind mit Ausschluss der Totgeborenen im ganzen 707950 
Personen oder 19,9 von je 1000 Einwohnern; die Grenzzahlen in den einzelnen Be- 
zirken stellten sich auf 15,45 im Reg.-Bez. Aurich und auf 25,06 im Reg.-Bez. Bres- 
lau. Von den Gestorbenen standen 239858 im ersten Lebensjahre, 36947 waren über 
50 Jahre alt. Die Säuglingssterblichkeit in den Grossstädten, auf je 1000 lebende 
Säuglinge berechnet, bewegte sich zwischen 143,82 in Barmen und 357,18 in Danzig; 
in Berlin betrug sie 234,06. 

Gesundheitszustand. Das Berichtsjahr wird bezüglich der Gesundheitsver- 
hältnisse durchschnittlich als ein günstiges bezeichnet, wenn auch. die günstigen 
Verhältnisse des Vorjahres nicht völlig erreicht worden sind. Als Hauptgrund hier- 
für war der erheblich wärmere Sommer 1903 anzusehen, der besonders fördernd auf 
die Sterblichkeit der Säuglinge gewirkt hat, jedoch nicht in der Weise, dass sie den 
Durchschnitt der letzten 10 Jahre auch nur annähernd erreicht hätte. Die anstecken- 
den Krankheiten wurden ebenso eifrig, wie bisher, von den Behörden bekämpft, so dass 
ihre schon seit Jahren beobachtete Abnahme auch im Berichtsjahre Bestätigung findet. 

Die Sterblichkeit an Infektionskrankheiten kann alseine verhältnismässig niedrige 
bezeichnet werden. Es starben an Influenza nach den standesamtlichen Nach- 
sichten 6147, gegenüber 4608 bezw. 3464 in den beiden Vorjahren. Die Sterbeziffer 
an einheimischen Brechdurchfall hat sich gegen das Vorjahr fast um das 
Doppelte vermehrt. Am häufigsten ist der einheimische Brechdurchfall im Osten und 
an der Ostseeküste, am geringsten in den westlichen Bezirken Aurich, Minden, Trier, 
Coblenz, Osnabrück und Wiesbaden aufgetreten. Insgesamt starben daran 29202 Per- 
sonen (8,21 auf je 10000 Lebende). Die Zahl der sanitätspolizeilich genielden Er- 
krankungen an Unterleibstyphus belief sich auf 16356. Auch im Berichtsjahre 
zeigte die grösste Zahl der Krankheitsmeldungen der Reg.-Bez. Arnsberg mit 1002 
Fällen (gegenüber 1134 im Jahre 1902), dann folgten Marienwerder mit 916, Königs- 
berg mit 850 und Trier mit 803 Fällen. Dagegen sind die Sterblichkeitsverhält- 
nisse im Reg.-Bez. Arnsberg wesentlich besser geworden, so dass die Typhus- 
sterbeziffer dort nur noch wenig über dem Durchschnitt des Staates stand. Nach den 
standesamtlichen Meldungen starben in Preussen an Unterleibstyphus 2574 Personen, 
d. h. 0,81 von je 10000 Lebenden. An Fleckfieber sind nur zwei Erkrankungs- 
fälle und ein Todesfall zur Anzeige gebracht. Erstere betrafen die Reg.-Bez. Königs- 


454 Kleinere Mitteilungen. 


berg und Oppeln, letzterer den Reg.-Bez. Marienwerder. Die Sterblichkeit an Ruhr 
ist im Berichtsjahre gestiegen. Es erlagen dieser Krankheit 330 Personen (gegenüber 
250 im Jahre 1902). Am meisten betroffen waren die Reg.-Bez. Gumbinnen, Merse- 
burg, Lüneburg, Magdeburg, Marienwerder und Liegnitz, während Stade, Minden, 
Trier, Aachen und Sigmaringen frei von Sterbefällen an Ruhr waren. Epidemische 
Genickstarre wurde im ganzen in 144 Fällen zur Anzeige gebracht, von denen je- 
doch nur 121 als sichere Fälle betrachtet werden können. Von den 121 Erkrankten 
ist der Verlauf bei 117 bekannt geworden. Es verliefen 70 Fälle = 59,8 v. H. töd- 
lich; am stärksten waren die Provinzen Hessen-Nassau, Westfalen, Sachsen, Schlesien 
und Schleswig-Holstein mit 26 bezw. 18, 14, 13 und 10 Erkrankungsfällen betroffen. 
Die wie in den Vorjahren vom Staate unterstützte und beaufsichtigte Bekämpfung 
der ansteckenden Augenkrankheit (Granulose) hat im allgemeinen den Erfolg 
gehabt, dass ein weiterer Rückgang in der Zahl der Erkrankungen bewirkt worden 
ist. Pockenerkrankungen wurden im ganzen in 93 Fällen mit zusammen 13 Todes- 
fällen gemeldet. Während im Jahre 1902 die Provinz Ostpreussen an der Spitze 
stand, nahm sie im Berichtsjahre erst die viert@ Stelle ein. Die Rheinprovinz wies 
die meister Fälle auf, darauf folgten Schleswig-Hotstein und Schlesien. Die Zahl 
der Fäile von Wundstarrkrampf betrug im Berichtsjahre 78 (gegenüber 93 im 
Jahre 1902), von denen 57 tödlich endeten; von 13 mit Heilserum behandelten 
Kranken genasen 6. An ansteckenden Geschleohtskrankheiten wurden in den 
allgemeinen Heilanstalten 33287 Personen behandelt, und zwar an Gonorrhöe 15637 
und an Syphilis 17650. Auch im Jahre 1903 wiesen die Regierungsbezirke mit den 
grossen Städten: Berlin, Cöln, Wiesbaden, Hannover, Schleswig, Danzig, Breslau und 
Düsseldorf die höchsten Erkrankungsziffern auf. Die Todesfälle an Kindbettfieber 
haben gegen das Vorjahr eine Zunahme erfahren. Es starben im Kindbett nach den 
standesamtlichen Nachrichten 4339 Mütter. Auch die Sterblichkeitsziffer an Dip h- 
therie und Croup hat im Berichtsjahr eine wenn auch geringe Zunahme erfahren. 
Es starben 14914 Personen; auf je 10000 Lebende entfielen 4,19 Todesfälle gegen 
4,05 im ‚Jahre 1902 und 12,17 im Durchschnitt der Jahre 1888—1897. Erkrankungen 
waren 63955 gemeldet worden. Nach den sanitätspolizeilichen Meldungen erkrankten 
70764 Personen an Scharlach, 42427 starben an dieser Krankheit. Die höchsten 
Sterbeziffern wiesen auch im Berichtsjahr die östlichen Bezirke auf. Masern und 
Röteln veranlasste 9702Sterbefälle. An Keuchhusten starben 11663 Personen; von 
diesen gehörten 7587—65,05v.H. dem 1., 2673=22,91 v.H.dem 2.Lebensjahre an. Die 
Gesamtzahl der Sterbefälle an Tuberkulose überstieg noch erheblich diejenige der 
Sterbefälle an Typhus, Ruhr, Pocken, Scharlach, Diphtherie und Croup, Masern und 
Röteln und im Kindbett zusammengenommen. Es starben an Tuberkulose nach den 
standesamtlichen Meldungen 70049 Personen. Am Schlusse desBerichtjahres befanden 
sich im Leprakrankenheim bei Memel 16 Kranke in Pflege. Uebertragung des Milz- 
brandes aufMenschen wurde in97 Fällen festgestellt. Im Berichtsjahre wurden 307Per- 
sonen von tollen oder tollwutverdächtigen Tieren gebissen; davon suchten 281 das 
Instit. f. Infektionskrankh. in Berlin auf, woselbst 4 trotz vorgenommener Schutzimpfung 
starben. Von den 26 Personen, welche sich nicht impfen liessen, starben 2. Von den 
307 Bissverletzungen entfielen 114 auf die Provinz Schlesien. In vereinzelten Fällen 
ist Uebertragung von Rotz, Maul- und Klauenseuche, Sohweinerotlauf und 
Räude auf Menschen berichtet worden. An Trichinose erkrankten in 3 Regierungs- 
bezirken zusammen 134 Personen. Von diesen entfielen 130 auf den Reg.-Bez. Kassel, 
wo die Krankheit im Kreise Homburg epidemisch auftrat. Die Erkrankungen verliefen 
durchweg milde, mit nur 1 Todesfall. Die Jahre 1902 ergriffenen und streng durch- 
geführten Massregeln zur Bekämpfung der Wurmkrankheit im Oberbergamtsbezirke 


Kleinere Mitteilungen. 455 


Dortmund haben schon jetzt ein erfreuliches Ergebniss gehabt. In anderen Bezirken 
sind nur vereinzelt Fälle von Wurmkrankheit gemeldet worden. Wenn auch im Berichts- 
jahre über das Auftreten des Krebses in den Bezirksberichten häufiger als in den 
Vorjahren zahlenmässige Angaben enthalten sind, können doch aus dem immerhin 
noch dürftig zu nennenden Material keine bindenden Schlüsse gezogen werden. Be- 
merkerswert ist jedoch, dass auch in diesem Jahre ein gehäuftes Vorkommen des 
Krebses in sumpfigen Niederungen der östlichen Provinzen gemeldet wird, und dass 
der Magenkrebs am häufigsten auftritt. 

Das Desinfektionswesen und die Krankenabsonderung nach Kräften 
zu fördern, ist auch im Berichtsjahr eine Hauptaufgabe der Kreise und städtischen 
Gemeinwesen, sowie einzelner Landgemeinden gewesen. Alle haben deutlich das 
eifrige Streben erkennen lassen, die zur Desinfektion notwendigen Einrichtungen und 
die erforderlichen Absonderungsräume zu beschaffen. 

Wohnungen und Wohnungshygiene. Hand in Hand mit den Kreisärzten und 
den Gesnndheitskommissionen lassen die Städte und auch zahlreiche Landgemeinden 
es sich angelegen sein, die Wohnungsverhältnisse zu bessern. Die rege Tätigkeit dieser 
Faktoren in Verbindung mit der äusserst lebhaften Beteiligung der Behörden und ge- 
meinnützigen Bauvereine haben auf die Regelung der Wohnungshygiene einen fördern- 
den Einfluss gehabt, so dass im Berichtsjahr ein wesentlicher Fortschritt festgestellt 
werden konnte. Im R.-B. Frankfurt sind Wohnungsbesichtigungen seitens der Gesund- 
heitskommissionen in halbjährlichen Zwischenräumen vorgeschrieben, auch bestehen in 
Frankfurt a.0. und Cottbus ständige Wohnungs-Aufsichtskommissionen, denen die 
Kreisärzte angehören. Eine Polizeiverordnung, durch welche die Verhältnisse der 
kleinen Wohnungen geregelt werden sollen, steht in Stolp in Aussicht, während im 
Reg.-Bez. Coblenz der Regierungspräsident unterm 20. Nov. 1903 eine neue Polizei- 
verordnung, betr. Beschaffenheit und Benutzung von Wohnungen, erlassen hat. Be- 
sondere Beachtung wurde den vom Hochwasser heimgesuchten Orten geschenkt, in- 
dem man sofort die zur Austrocknung und Assanierung nötigen Massregeln traf. Auch 
in der allmählichen Beseitigung unzulänglicher ländlicher Wohnstätten werden stetige 
Fortschritte — besonders auf Grund der Ortsbesichtigungen — gemacht. Wenn auch 
von einer Besserung der Wohnungsverhältnisse in Stadt und Land die Rede sein 
darf, so sind trotz dem noch mannigfache Missstände vorhanden. In einigen Stadtteilen 
Magdeburgs z. B haben die Kommissionen zu starke Belegung der Räume, Unrein- 
lichkeit auf.den Höfen und in den kleinen Wohnungen, völlige Vernachlässigung der 
Wohnungen bemängelt. Die kleinen Wohnungen des Reg.-Bez. Merseburg, besonders 
im Saalkreise, waren zumeist überfüllt und nicht ausreichend ventiliert. In Berlin 
ist die als dringend erforderlich erachtete Regelung der Wohnungsaufsicht auch im 
Berichtsjahre noch nicht eingeführt. Neubauten sind besonders in den Vororten von 
Berlin oft zu früh bezogen worden. 

Das Schlafstellenwesen ist im allgemeinen durch Polizeiverordnungen geregelt. 
Die von Zeit zu Zeit stattfindenen polizeilichen Besichtigungen werden mit aller 
Strenge durchgeführt, so dass zwangsweise Räumungen von Schlafstellen nicht zu 
den Seltenheiten gehörten. 

Wasserversorgung. Die Bemühungen der Regierung und der Kreisärzte hin- 
sichtlich der Brunnenverhältnisse scheitern leider oftmalsan der Unkenntnis der Brunnen- 
bauer, sowie an dem Widerstand derGemeinden. Amtlicherseits wurde nach Möglichkeit 
versucht, diese Hindernisse zu beseitigen, indem man einerseits die Brunnenbauer 
über die hygienischen Anforderungen an die Beschaffenheit der Brunnen durch Vor- 
träge und Uebersendung von „Grundsätzen“ für die Anlage von Brunnen zu belehren, 
andererseits aber die Bevölkerung über den Wert einer einwandsfreien Wasser- 


456 Kleinere Mitteilungen. 


versorgung aufzuklären versuchte. In einzelnen Gemeinden mussten sogar Zwangs- 
massregeln angewandt werden. Trotzdem darf aber auch im Berichtsjahr im allge- 
meinen von einer weiteren Bosserung der Wasserversorgung gesprochen werden. Cen- 
trale Wasserleitungen wurden im Berichtsjahr 181 neu angelegt; von diesen führen 
32 Grund- und 72 Quellwasser, von 77 lagen bestimmte Angaben nicht vor. Die 
Königl. Versuchs- und Prüfungsanstalt für Wasserversorgung und Ab- 
wässerbeseitigung in Berlin hat auch im Berichtsjahre eine segensreiche Tätig- 
keit entfaltet. In der wiederum erhöhten Inanspruchnahme zeigte sich von Neuem 
das wachsende Interesse der beteiligten Kreise und die allgemeine Bedeutung der An- 
stalt. Demgemäss wurde stetig darauf Bedacht genommen, sie immer mehr auszu- 
bauen, was am Schlusse des vorhergehenden und im Laufe des jetzigen Berichtsjahres 
nach der wassertechnischen Seite hin geschehen ist. Hervorzuheben ist noch, dass 
eine teilweise Gebührenherabsetzung stattgefunden hat, und dass der Anstalt ein 
neuer wichtiger Wirkungskreis durch die Abhaltung von Unterweisungskursen er- 
öffnet worden ist. 

Die Beseitigung der Abwässer und Abfallstoffe hat auch im Berichts- 
jahre stetige Fortschritte gemacht, was zum grossen Teil dem Einflusse der kreisärzt- 
lichen Ortsbesichtigungen zu verdanken ist. Während in einer grossen Anzahl von 
Orten im Jahre 1903 mit dem Bau einer Kanalisation begonnen wurde, sind in anderen 
die vorhandenen Anlagen erweitert worden. Bis zum 31. März wurden hergestellt 
166287,78 m Kanäle und 710227,21 m Tenrohrleitungen auf Berliner Gebiet; auf 
benachbartem Gebiet sind 7033,34 m Kanäle und 44813,99 m 'lonrohrleitungen 
hergestellt. Eine erhebliche Erweiterung erfuhr die Kanalisation inRixdorf; 25Strassen 
wurden ganz oder teilweise neu kanalisiert und das Rohrnetz auf eine Gesamtlänge 
von 96865,97 m verlängert. In Stettin wurden 5120 m des Leitungsnetzes neu gebaut 
und insgesamt 1788 m Kanäle erneuert. Auch die Stadt Breslau hat ihr Kanalnetz 
um 8021,56 m erweitert, so dass es jetzt 356165 m lang ist, während die Gesamtfläche 
der Rieselfelder 1325 ha beträgt. In der Stadt Celle ist die Kanalisation im wesent- 
lichen beendet und in Betrieb genommen; die Gesamtlänge des Kanalnetzes beträgt 
25000 m, die Zahl der Anschlüsse 1400. Die Beseitigung von Strassenkehricht und 
Müll wird nach Kräften zu bessern gesucht, doch befindet sich zur Zeit das Verfahren 
einer einwandsfreien Müllbeseitigung für grosse Städte noch im Versuchsstadium. 
Die im Vorjahr für die Stadt Thorn erlassene Polizeiverordnung für die Aufbewahrung 
und den Transport von Haushaltungsabfällen und Asche ist auch für die Stadt 
Marienwerder in Kraft getreten. Durch eine Polizeiverordnung vom 14. Januar 1904 
ist auch für Berlin das gewerbsmässige Durchsuchen des Mülls nach Knochen, 
Lumpen u. s. w. verboten. Im Reg.-Bez. Aachen ist unterm 14. März 1903 eino 
Polizeiverordrung betr. Beseitigung des Strassen- und Iauskehrichts erlassen. 

In der gesundheitlichen Ueberwachung des Nahrungsmittelverkehrs sind 
grundsätzliche Aenderungen nicht zu verzeichnen. Das wichtigste Ereignis auf dem 
Gebiete der Nahrungsmittelkontrolle ist die allgemeine Schlachtvieh- und Fleisch be- 
schau, die am 1. April 1903 auf Grund des preussischen Ausführungsgesetzes in 
Kraft getreten ist. Der Mangel an einer geeigneten Untersuchungsanstalt hat sich im 
Berichtsjahr u. a. im Reg.-Bez. Erfurt fühlbar gemacht. Die Zahl der öffentlichen 
Schlachthäuser ist von 413 auf 434 gestiegen. Von den in diesen Schlachthäusern 
geschlachteten 7793579 Tieren waren 1166468 Stück Rindvieh, 1125920 Kälber 
unter 6 Wochen, 1156051 Schafe, 50653 Ziegen und 4294457 Schweine. Mit Tuber- 
kulose waren behaftet 227906 Stück Rindvieh, 1367 Kälber, 901 Schafe, 156 Ziegen 
932 Schweine. Es wurden wegen Finnen beanstandet 7092 Stück Rindvieh 
und 2776 Schweine, während 449 Schweine trichinös befunden wurden. Vielfache 


Kleinere Mitteilungen. 457 


Klagen wurden laut über den Zustand der Privatschlachthäuser. Im Kreise Malmedy 
war deren Verwahrlosung teilweise derartig, dass mit polizeilichen Zwangsmassregeln 
vorgegangen werden musste. Amtliche Fleischbeschauer in Preussen, ausschliess- 
lich Schleswig, wo ihre Zahl unbekannt ist, gab es 28356 gegen 28264 im Vorjahre. 
Es wurden von ihnen 10442645 Schweine untersucht; von diesen wurden 793 trichi- 
nösund 4605 finnigbefunden. Rossschlächtereien bestanden in418Gomeinden (gegen- 
über 407 im Vorjahre); dieZahl der geschlachteten Pferde ist von 85820 auf 77282 zurück- 
gegangen. Von diesen waren 83 mit Tuberkulose, 13 mit Rotzkrankheit behaftet; im 
ganzen wurden 2010 Pferde, darunter 25 wegen Tuberkulose gänzlich, als ungeeignet 
zur menschlichen Nahrung verworfen. 

Der Schuihygiene wurde auch im Berichtsjahr von allen beteiligten Kreisen 
die grösste Beachtung geschenkt. In äusserst gedeihlicher Arbeit wirkten die Medi- 
zinalbeamten zusammen mit Lehrern, Schulvorständen und Ortsschulinspektoren. Be- 
sonders betont wurde von den Kreisärzten das bereitwillige Entgegenkommen und das 
meist einsichtsvolle Verständnis der letzten drei Faktoren. In 20 Regierungsbezirken 
wurden in 954 Fällen beim Auftreten ansteckender Krankheiten die Schliessung der 
Schule angeordnet. Im allgemeinen wurden jedoch die Schulschliessungen aus sani- 
tätspolizeilichen Gründen auf ein möglichst geringes Mass beschränkt. Eine besondere 
Verfügung dahin, dass Schulschliessungen nach Möglichkeit zu vermeiden seien, ist 
in den Bezirken Liegnitz und Hildesheim von den Regierungspräsidenten erlassen worden. 

Während das Vorjahr keine besonderen Fortschritte hinsichtlich der Anstellung 
von Schulärzten aufweisen konnte, ist im Berichtsjahr erfreulicherweise auch hierin 
eine Besserung eingetreten. Die anfängliche Abneigung der Lehrerkreise gegen die 
Anstellung von Schulärzten kann im wesentlichen als überwunden gelten. In Berlin 
sind vom ]. September 1903 ab 36 Schulärzte angestellt, im Beg.-Bez. Potsdam waren 
13 Schbulärzte tätig. 

Die Hilfsschulen für schwach befähigte Kinder und für Schwachsinnige haben 
auch im Berichtsjahr eine Vermehrung erfahren. Die Ferienkolonien werden von Jahr 
zu Jahr stärker beschickt, namentlich hat die Unterbringung von Kindern in Kolonien 
in Berlin besondere Ausdehnung erreicht. 

Gewerbliche Anlagen. Der Bericht gibt ferner eingehende Auskunft über 
Zahl und Art der Betriebe, der Geworbeaufsicht, die Arbeitsräume, Arbeitszeit, über 
die Beschäftigung jugendlicher Arbeiter, Unfallverhütung und Wohlfahrtseinrichtungen. 
Besonderer Erwähnung bedarf die rege Teilnahme der grösseren Betriebe und Gewerke 
an dem Kampf gegen den Alkoholismus. Eine Anilinfabrik im Reg.-Bez. Potsdam 
bat ihren Arbeitern Kaffee geliefert. Des Verbrauch belief sich an heissen Tagen bis auf 
2 Liter für jeden Arbeiter. Auch im Reg-Bez. Oppeln hat ein grosses industrielles 
Werk mit der Gewährung von Freikaffee an die Arbeiter während der Sommermonate 
gute Erfolge erzielt. Im Sommer des Berichtsjahres entnahmen der dortigen Kaffee- 
küche 200—250 Arbeiter täglich Kaffee. Eine Fabrik im Reg.-Bez. Arnsberg zahlt 
ihren Arbeitern Prämien für gänzliche Enthaltsamkeit von alkoholischen Getränken; 
es wird berichtet, dass seit September 1896 im ganzen etwa 350 Belohnungen ausge- 
zahlt worden sind; ein Zwang wird auf die Arbeiter in keiner Weise ausgeübt. 

Ein weiter Fortschritt auf dem Gebiete der Krankenfürsorge, besonders der 
Anstaltspflege, war auch im Berichtsjahre nicht zu verkennen. Es waren in Preussen 
2114 allgemeine Heilanstalten mit 118623 Betten vorhanden. In diesen Heilanstalten 
wurden 897424 Kranke an 27801887 Verpflegungstagen verpflegt. Auf je 10000 Ein- 
wohner kamen 33,35 Betten und 252,33 Verpflegte. Die höchste Bettenzahl kam im 
keg.-Bez. Münster mit 63,87, die niedrigste im Reg.-Bez. Stade mit 8,25, die höchste 
Zahl der Verpflegten im Stadtkreise Berlin mit 477,80, die niedrigste im Reg.-Bez. 
Stade mit 68,76%/,00 Yor. 


„458 Kleinere Mitteilungen. 


Die Badeanstalten und Volksbäder erfreuten sich auch im Berichtsjahre 
eines äusserst regen Zuspruches nnd lassen eine stetige Vermehrung an Zahl und 
Besuch deutlich erkennen. Der Wert der Flussbadeanstalten wird vielfach durch die 
unreine Beschaffenheit des Wassers beeinträchtigt. Infolge der günstigeren Witterung 
einerseits und andererseits der Besserung der allgemeinen wirtschaftlichen Verhältnisse 
war in den meisten Kur- und Badeorten ein grösserer Verkehr als im Vorjahre zu 
verzeichnen. 

Leichenwesen. Die obligatorische Leichenschau machte in kleineren Städten 
und auf dem Lande nur langsame Fortschritte; sie beschränkt sich hauptsächlich 
auf die grossen Städte. Im ersteren Falle wirkt weniger der Mangel an geeigneten 
Persönlichkeiten als die Kostenfrage hindernd auf die Entwickelung ein. Neu einge- 
führt wurde die obligatorische Leichenschau insgesamt in 54 Städten und 21 Ort- 
schaften. Ganz ohne Leichenschau waren auch im Berichtsjahr nur noch zwei Re- 
gierungsbezirke, nämlich Stade und Aurich. Die Leichenhallen sind im Berichtsjahre 
um 37 vermehrt worden. Auch in diesem Jahr konnte die Wahrnehmung gemacht 
werden, dass die Loichenhallen wenig bei Todesfällen an ansteckenden Krankheiten 
benutzt werden, sondern fast ausschliesslich zur Aufnahme der Selbstmörder, der 
aulgefundenen Leichen und der totgeborenen Kinder dienen. Begräbnisplätze wurden 
250 (gegenüber 107 im Vorjahre) neu angelegt. Wenn auch die letzteren in den 
Städten zu Beanstandungen wenig oder gar keinen Anlass boten, so machten sich in 
grösserem Masse bei den ländlichen Kirchhöfen Missstände bemerkbar. Begräbnis- 
ordnungen fehlten überaus häufig. 

Heilpersonal. Die Zahl der Aerzte betrug 18219 gegenüber 1239 Zahn- 
ärzten und 20339 Hebammen. 3277 Apotheken waren in Betrieb. Durchschnittlich 
kamen auf 1952 Einwohner ein Arzt, auf 1749 eine Hebamme und auf 10853 eine 
Apotheke. Vergleichsweise die meisten Aerzte hatte auch im Berichtsjahr wiederum 
der Stadtkreis Berlin, wo ein solcher auf 728 Einwohner kam, während sich im Reg.- 
Bez. Gumbinnen das Verhältnis auf 1 : 4129 stellte. Die grösste Anzahl von Heb- 
ammen hatte der Reg.-Bez. Sigmaringen (1: 646), relativ die wenigsten der Stadt- 
kreis Berlin (1:3007) und der Reg.-Bez. Posen (1:2782). Apotheken waren am 
meisten im Reg.-Bez. Sigmaringen (1: 6112), am wenigsten im Reg.-Bez. Oppeln 
(1 : 16970) vorhanden. 

Die Wissenschaftliche Deputation für das Medizinalwesen hat in 
ihrem Geschäftskreise im Berichtsjahre 269 Angelegenheiten bearbeitet, darunter be- 
fanden sich 63 Obergutachten in forensischen Angelegenheiten, 13 gutachtliche Be- 
richte über sanitätspolizeiliche Angelegenheiten, 175 kreisärztliche Prüfungsange- 
legenheiten und 18 andere Arbeiten. 

Ueber die Tätigkeit der Kreis- und Gerichtsärzte gibt der Bericht nach- 
stehendes Bild. Es wurden von diesen im Berichtsjahre 21283 gerichtsärztliche 
Untersuchungen vorgenommen; die Zahl der Dienstreisen betrug 309, die der wahr- 
zunehmenden gerichtsärztlichen Termine 12322. In sanitätspolizeilichen Angelegen- 
heiten fanden im ganzen 14494 Termine statt und waren 27073 Dienstreisen not- 
wendig, die Tagebücher wiesen zusammen 388948 Nummern auf, 

Kurpfuscherei. Die Zahl der Personen, welche, ohne approbiert zu sein, die 
Heilkunde gewerbsmässig ausübten, ist von 4104 im Jahre 1902 auf 5148 im Berichts- 
jahre gestiegen. Aus 149 Kreisen wurden keine Kurpfuscher gemeldet, während z. B. 
im Kreise Gumbinnen 8 Aerzten 10 Pfuscher gegenüberstanden. Der Bericht hebt je- 
doch hervor, dass eine Gleichmässigkeit der Berichterstattung auf Grund des Erlasses 
des Ministers der Medizinalangelegenheiten vom 30. Januar 1903 auch im Berichts- 
jahr nicht erzielt worden ist, und dass die zahlenmässigen Aufstellungen der Regie- 


Kleinere Mitteilungen. 459 


rungs- und Medizinalräte daher auch noch nicht als erschöpfend angesehen werden 
können. Das Ergebnis der behördlichen Beaufsichtigung wird eine Urteilsfällung erst 
zulassen, wenn über längere Zeit hin fortgesetzte Beobachtungen vorliegen. 

(Veröff. d. Kais. Ges.-A. 1905. No. 46. S. 1243—1246.) 


(:) Niederlande. Amsterdam. (Gremeinde-Gesunheitsdienst 1904. 
(Nach Verslag omtrent de verrichtingen van den gemeentelijken gezondheidsdienst te 
Amsterdam over 1904.) 

Nahrungsmittel. Die Probenehmer machten 77216 Besuche in Läden, da- 
runter 66078 bei Schlächtern und Verkäufern von frischem Fleisch; sie fanden 
2014 mal untaugliche Waren vor, u.a. bei 476 Markthändlern und 158 Strassen- 
bändlern, nur 1380 mal in Läden. 6 mal wurde frisches Fleisch oder Fett beanstandet, 
ater 322 mal die „frischen Fische“, 55 mal Wurst, 54 mal geräucherte oder sonst kon- 
servierte Fische, 510 mal Obst, 346 mal frisches Gemüse, 236mal Milch, Buttermilch, 
Batter oder Käse u. s. w. Das Wasser der Duin- und Vechtwasserleitung wurde 
täglich untersucht, namentlich auf seinen Gehalt an organischen Stoffen, an Chlor 
und schädlichen Metallen, ausserdem wöchentlich zweimal im bakteriologischen 
Laboratorium auf seinen Bakteriengehalt. Die Ergebnisse zahlreicher bakteriologischer 
Wasseruntersuchungen — auch des Brunnenwassers — werden in Tabellenform mit- 
geteilt, ebenso die Ergebnisse vieler Untersuchungen der Milch von unter Aufsicht 
gemolkenen Kühen einiger Molkereien, von Marktmilch, Stallmilch, Buttermilch u.s.w. 
Weitere Tabellen enthalten die Untersuchungsergebnisse zahlreicher Proben von Butter, 
Schweinefett, Brot, Mehl (auch Kindermehl und Leguminosenmehl), Käse, Limonade, 
Bier, Mineralwässern, Büchsengemüse, Tafelsalz u. a. Nahrungs- und Genussmitteln. 
Von 2347 untersuchten Schinken wurde 1 trichinös befunden, Blasenwürmer wurden 
hierbei niemals angetroffen. 

Ansteckende Krankheiten. Im Laufe des Jahres sind 373 Fälle von Typhus 
{9% mehr als im Vorjahre), 42 Fälle von Pocken, 410 Fälle von Diphtherie zur An- 
zeige gekommen; von den letzteren endeten 50, von den Typhusfällen 46, von den 
Pockenfällen 7 tödlich, an Tuberkulose starben 1122 Personen, darunter 820 an 
Lungen- und Kehlkopftuberkulose; 22 Schiffe wurden wegen der Pestgefahr auf 
katten untersucht, und beim „Schwefeln“ von 4 dieser Schiffe wurden im ganzen 
1253 Ratten getötet.- Die Zahl der als verseucht im Laufe des Jahres gekennzeich- 
neten Häuser betrug 476, darunter 313 wegen Scharlach, 96 wegen Typhus, 43 wegen 
Diphtherie, 24 wegen Pocken. 

Von den 1165 Desinfektionen werden u. a. 333 wegen Tuberkulose vorge- 
nommen, 229 wegen Typhus, 176 wegen Scharlachs, 88 wegen Diphtherie, 61 wegen 
Krebs, 45 wegen Pocken, 42 wegen Rose, je 15 wegen Syphilis und wegen Nieren- 
entzündung, 14 wegen Masern, 4 wegen Krätze u. s. w. Nur 336 Desinfektionen 
erfolgten gegen Vergütung, die übrigen 829 unentgeltlich, darunter auch die 4 er- 
wähnten Schiffsdesinfektioneu wegen der Anwesenheit von Ratten an Bord. 

(Veröff. d. Kais.-A.-Ges. 1905. No. 48. S. 1310.) 

(:) Aus dem japanischen Sanitätsberichte für 1901. (Annual report of 
the Central Sanitary Bureau of the Home Department of the Imperial ‚Japanese Go- 
vernment. Tokyo 1905.) 

Am Ende des Berichtsjahres 1901 hatte Japan angeblich 45227464 Bewohner, 
was einem Bevölkerungszuwachs um 517391 oder 11,44 °/,. während des letzten Jahres 
entspricht. Die mittlere Bevölkerungsdichtigkeit des Landes kam etwa derjenigen in 
der Preuss. Prov. Hessen-Nassau gleich, denn auf ein Quadrat-Ri kamen 1826 Be- 


460 Kleinere Mitteilungen. 


wohner, d. i. 118,4 auf 1 qkm t). Am dichtesten bewohnt war der Verwaltungsbezirk 
von Tokio, demnächst der von Osaka; im ersten kamen nicht weniger als 19237 Bew. 
auf jedes Quadrat-Ri, d. i. 1248 auf je 1 qkm (etwa LA mal so viel wie durchschnitt- 
lich im Königreich Sachsen). Die Gesamtzahl der Lebendgeborenen des Berichts- 
jahres wird auf 1487477 (= 32,9°/,, der Bew.), der Totgeborenen auf 155147 
(= 9,44 auf je 100 Geburten) beziffert. Die Zahl der Eheschliessungen im Be- 
richtsjahre war 378262 (— 8,4 auf je 1000 Bew.) und entsprach somit derjenigen im 
Königreich Preussen vom Jahre 1902. Gestorben sind im Berichtsjahre 932204 Per- 
sonen, d. h. um 2)856 mehr als im Vorjahre; auf je 1000 Einw. sind darnach 20,6 
Sterbefälle eingetragen und der natürliche Bevölkerungszuwachs imJahre war 12,30/g0- 

Von den Gestorbenen standen 221527 im 1. Lebensjahre, was einer Säuglings- 
sterblichkeit von nur 149 auf je 1000 Lebendgeborene entspricht. Ein hohes 
Lebensalter von mehr als 70 Jahren hatten 15,86°/,, ein Alter von mindestens 80Jahren 
5,70/o der Gestorbenen erreicht, und 5947 (0,6°/,) sind sogar erst im Alter von 
% oder mehr Jahren gestorben. (Im Deutschen Reiche hatten von allen während 
des Jahres 1902 Gestorbenen 16,7°/, das Alter von 70 Jahren, 5,4%/, das Alter 
von 80 Jahren und 0,36°/, ein Alter von 90 Jahren erreicht oder überschritten.) 

Was die Todesursachen betrifft, so erlagen im Berichtsjahre 54758 Personen 
den Infektionskrankheiten, darunter 10889 der Ruhr, 5411 dem Typhus, 4686 der 
Diphtherie, 67 der Cholera, 3 der Pest, 4 den Pocken; 9936 starben aus unbekannter 
Ursache. Es erlagen ferner 205551 Personen Krankheiten der Atmungsorgane, dar- 
unter 81637 der Lungenschwindsucht, 197409 den Krankheiten der Verdauungsorgane, 
51485 den Krankheiten der Kreislaufsorgane, 1322 einer Vergiftung, 22403 starben 
eines gewaltsamen Todes durch äussere Einwirkung u. s. w. 

Die Zahl der festgestellten Erkrankungen an Pocken beirug 92, an Cholera 
101, an Fleckfieber 21, an Pest 3, an Diphtherie 14882, an Ruhr 49365, an Typhus 
24112. 

Der Schutzpockenimpfung wurden im Berichtsjahre 2639042 Personen 
unterworfen, davon 1337057 einer Erstimpfung, ein Erfolg wurde bei den Erstimp- 
fungen in 86,59, sonst in 32,73°/, der Fälle erzielt. Ausserdem fanden 68868 ge- 
legentliche Impfungen, darunter 29,46%, mit Erfolg statt. Von Diphtherieserum 
wurden 43114 Imm.-Einheiten im Jahre hergestellt und 48116 verkauft. 

An Aerzten gab es im Berichtsjahre 33508, so dass auf je 100000 Personen 
73 Aerzte oder 1 Arzt auf 1350 Bewohner kam; Pharmaceuten gab es 2515, da- 
neben 24224 Drogisten, die Zahl der Apotheken betrug 2585. Unter den 23456 
Hebammen befanden sich 9464 geprüfte. An 530 Stellen fand eine Untersuchung 
der Prostituierten auf Syphilis statt; durchschnittlich wurden im ganzen Lande an 
jedem Tage 40355 Prostituierte untersucht, von denen 2,75°/, mit Syphilis behaftet 
befunden worden sind. (Veröff. d. Kais. Ges.-A. 1905. No. 47. S. 1275.) 


1) Ein Ri=3927 m, mithin 1 Quadrat-Ri=15,42 qkm. 


Verlag von Angust Hirschwald, Berlin N.W. — Druck von L, Schumacher in Berlin N. 24. 


Hygienische Rundschau. 


Herausgegeben 


von 


Dr. Carl Fraenkel, Dr. Max Rubner, Dr. Carl Günther, 


Geh. Med.-Rat, Prof. der Hygiene Geh. Med.-Rat, Prof. der Hygione Goh. Med.-Rat, a.o.Prof. der Hygiene 
in Halle a.'S. in Berlin. in Berlin. 


IVL Jahrgang. Berlin, 1.Mai 1906. © M9. 


Zur Aikoholfrage. 


Berichte aus den wichtigeren Abhandlungen und Mitteilungen des „Alko- 

holismus“ (Vierteljahrsschrift zur wissenschaftlichen Erörterung der Alkohol- 

frage), der „Mässigkeitsblätter“ (Mitteilungen des Deutschen Vereins gegen 

den Missbrauch geistiger Getränke) und der „Internationalen Monats- 

schrift zur Bekämpfung der Trinksitten“ (Organ des Alkoholgegnerbundes 
und des Vereins abstinenter Aerzte des deutschen Sprachgebietes). 


Von 
Dr. Erich Flade, Dresden. 


II. Halbjahr 1905. 


Mitte September tagte in Budapest der 10. Internationale Kongress 
gegen den Alkoholismus. Die überaus zahlreichen und hochinteressanten 
Vorträge, die dort gehalten wurden, müssen im Kongressbericht nachgelesen 
werden. Hier möge nur der Schlusssatz des Berichtes, der in der Internat. 
Monatsschrift zur Erforschung des Alkoholismus und Bekämpfung der Trink- 
sitten erschien, wiedergegeben sein: „Der 10. Internationale Kongress gegen 
den Alkoholismus war ein wirklicher Erfolg. Er hat der Bewegung gegen 
den Alkohol in Ungarn und den Balkanländern einen neuen Impuls gegeben 
und in mehr als einer Beziehung Klarheit geschaffen. Obgleich die Stadt 
Budapest bereits an den Pforten des Orients und weit entfernt von jenen 
Ländern liegt, wo der Kampf gegen den Alkohol am intensivsten geführt 
wird, und obgleich die Zeit eine politisch bewegte genannt werden muss, war 
doch die Beteiligung des Publikums eine sehr rege und das Interesse der 
weitesten Kreise anerkanntermassen sehr gross. Behörden und Bevölkerung 
der ungarischen Haupt- und Residenzstadt haben an officiellen glänzenden 
Veranstaltungen und mit beständiger Zuvorkommenbeit alles getan, um bei 
den fremden Mitgliedern des Kongresses einen unauslöschlichen Eindruck zu 
hinterlassen und für den Erfolg unserer Bestrebungen aufs beste zu sorgen.“ 

Auch der 3. deutsche Abstinententag in Dresden hat sich im allge- 
meinen eines guten Verlaufs erfreuen dürfen. Etwas weniger Reklame vorher 

84 


462 Flade, 


und weniger „Begrüssungen“ vor Beginn der grossen Öffentlichen Versammlung 
wären zu wünschen gewesen. An dem letzteren Uebel leiden aber fast alle 
Versammlungen; auch unsere ärztlichen Tagungen sollten sie auf das unbe- 
dingt Nötige beschränken. Der erste Abend war dem Bunde abstinenter Frauen 
gewidmet. Er brachte einige recht gute Vorträge von vortrefflichen Redne- 
rinnen. Der zweite Abend hielt sich nicht auf dieser Höhe. Viel Neues 
brachten die Ansprachen wie auch die in der Hauptversammlung gehaltenen 
Reden einiger namhafter Abstinenzvertreter nicht. Die Reform der Geselligkeit, 
die Aufgabe der Presse im Kampf gegen den Alkoholismus, die Trunksucht 
vor dem Strafrichter und andere Themata wurden behandelt. Die Vorträge 
sind im Druck erschienen. Der Leiter der Tagung, Lehrer F. Haehnel 
(Bremen), entledigte sich seiner schweren Aufgabe mit Geschick und grosser 
Hingabe. 

Der Deutsche Verein gegen den Missbrauch geistiger Getränke, 
der sich insofern mit seinen Bestrebungen auf einer gesunden Linie bewegt, 
als er die persönliche Stellung des Einzelnen unangetastet lässt, es jedem 
überlässt, ob er Temperenzler oder Abstinenzler sein will, auf der anderen 
Seite gewissenhaft und eingehend erörtert, welche Anträge bei den gesetz- 
gebenden Körperschaften oder bei Behörden und Verwaltungen Aussicht auf 
Erfolg haben, welche Massnahmen wirklich auch in praxi durchführbar er- 
scheinen, der es im übrigen an Aufklärungsarbeit und Förderung praktischer 
Einrichtungen zur Bekämpfung des Alkoholmissbrauchs nicht fehlen lässt, 
tagte im Oktober in Münster i.W. Diese Tagung — die 22. seit seinem Be- 
stehen — war die glänzendste, die der Verein bisher abhielt. Der Vorsitzende des 
dortigen Zweigvereins, Regierungspräsident v. Gescher, hatte Hand in Hand 
mit dem Generalsekretär Gonser die Versammlungen in vortrefflicher Weise 
vorbereitet, so dass die Vorträge vor vollen Sälen und Vertretern aller Berufs- 
kreise und hoher und höchster Behörden — auch der Oberpräsident von der 
Recke zeichnete die Hauptversammlung durch eine Ansprache aus — statt- 
fanden. Im Mittelpunkte der Beratungen standen die Vorträge des Regierungs- 
rats Dr. Weymann (Berlin) „Arbeiterversicherung und Alkoholismus“ und des 
bekannten Socialpolitikers Sohnrey „Das Wirtshaus auf dem Lande“. Nament- 
lich der erste der beiden Vorträge erregte lebhaftes Interesse und eine lange 
Aussprache namhafter Kenner der Arbeiter- und Alkoholfrage. Wie schon seit 
einer längeren Reihe von Jahren tagte zugleich der „Verband der Trinker- 
heilstätten des deutschen Sprachgebiets“ unter Oberregierungsrat Falch 
(Stuttgart). Hier sprach u. a. Dr. Colla (Finkenwalde) über „Die Erziehung zur 
Abstinenz“, der Besitzer der Heilstätte „Villa Margareta“ bei Loxstedt Chr. 
G. Tienken über „Heilmittelschwindel und Heilung der Trunksucht“. Der 
Bericht über diese Tagung zu Münster ist im Mässigkeitsverlag, Berlin W. 15, 
Fasanenstr. 59, erschienen. Der Preis von 75 Pfg. ist gering im Hinblick auf 
den auf 170 Seiten gebotenen Inhalt und die gute Ausstattung. Der vortreff- 
liche Weymannsche Vortrag ist nebenher noch gesondert erschienen (Stück 
30 Pfg., 100 Stück 25 M.). 

Unter der Leitung des Vorsitzenden des Vereins, Senatspräsidenten Dr. 
v. Strauss und Torney, stehen auch die alljährlich im Frühjahr stattfinden- 


Zur Alkoholfrage. 463 


den Wissenschaftlichen Kurse zum Studium des Alkoholismus in 
Berlin. Die in dem letzten Kursus gehaltenen Vorträge sind vom Centralver- 
band zur Bekämpfung des Alkoholismus unter dem Titel „Der Alkoholismus, 
seine Wirkungen und seine Bekämpfung“ herausgegeben. (Verlag B.G.Teubner 
[Leipzig]. Preis des Bandes brosch. 1 M., geb. 1,25 M.) 

Die Frage einer geeigneten Trinkerfürsorge, inbesondere der Behand- 
lung Trunksüchtiger in Heilstätten zeitigt allmählich feste Grundsätze, und 
ibre Erörterung dürfte mit der Zeit zu dem dringend nötigen Trinkerfürsorge- 
gesetz führen. Im Sommer 1905 hat die Heilstätte Waldfrieden bei Fürsten- 
walde ihre Neubauten, durch die ein Betrieb für 150 Pfleglinge gesichert ist, 
eingeweiht. Die bei dieser Gelegenheit durch einen ihrer Leiter, Stadtrat Dr. 
Waldschmidt (Charlottenburg), gemachten Ausführungen sind für weitere 
Kreise lehrreich und bringen zum Teil ganz neue Gesichtspunkte in das be- 
sagte Gebiet. Folgendes ist besonders bemerkenswert: In den 5 Jahren ihres 
Bestehens 1900—1905 wurde die Anstalt Waldfrieden von 382 Personen auf- 
gesucht. Von diesen bleiben für eine zweifelsfreie Aufstellung 282 mit einem 
Durchschnittsaufenthalt von 146 Tagen. 92 davon haben sich abstinent ge- 
halten (32,6°/,), 43 (15,4°/,) leben mässig und sind arbeitsfähig geblieben. 142 
(rund 50°/,) haben als unheilbar zu gelten. Es sind geworden bezw. geblieben 


von den Selbstzahlern . . 382/30/, abstinent, 121/,0/, mässig; Erfolg 51°/, 
» n Kranken d. Armen- 

verwaltung. . . 22%, " 11% a e 30h 
» n» Krankenkassen- 

mitglieder . . . 28% n o A z no 52% 


» »„ durch Landesver- 
sicherungsanstalt. 


überwiesenen . . 162/30), PR 162/3 %0 n ao 331%% 
n » durch Berufsge- 
nossenschaften 
überwiesen. . . 16?/3°/o „50% n n 662/3% 


Zu beklagen bleibt die verhältnismässig zu kurze Aufenthaltsdauer. Bei 
längerem Verbleib würde der — wohl als Dauererfolg nicht zu schwer wie- 
gende — Prozentsatz der „mässig“ lebenden sich gewiss zu Gunsten der ent- 
haltsam Gewordenen mindern. Waldschmidt nimmt einen vollen Dauer- 
erfolg für ein Drittel der Entlassenen an. Das würde den allgemeinen, 
namentlich auch in den schweizerischen Anstalten gemachten Erfahrungen 
entsprechen. Es ist erfreulich, dass neuerdings die höheren Verwaltungsstellen 
der Notwendigkeit einer angemessenen Trinkerfürsorge sich nicht mehr ver- 
schliessen, vielmehr die unterstehenden Behörden auf diese wichtige staatliche 
und kommunale Aufgabe hinweisen. Das ist beispielsweise geschehen durch 
den Regierungspräsidenten von Düsseldorf, dessen Verfügung besonders auf eine 
rechtzeitige Unterbringung von Alkoholikern hinweist und hervorhebt, dass 
die Aufwendungen, die durch den Aufenthalt von Trinkern in einer Anstalt 
entstehen, bei erfolgreicher Kur geringer seien, als die dauernden Unterstüt- 
zungen, welche anderenfalls dem gänzlich verkommenen erwerbsunfähigen 
Trinker oder seinen Hinterbliebenen auf Grund des Unterstützungswohnsitzge- 

34% 


464 Flade, 


setzes gewährt werden müssen, zumal wenn noch die Vererbung lasterhafter 
Anlagen auf die Nachkommenschaft des Trinkers und das schlechte Beispiel 
für seine Familie in Betracht gezogen werden muss. In ähnlicher Weise 
äussert sich eine Verfügung des Regierungspräsidenten zu Potsdam. 

Bemerkenswert ist weiterhin, dass die Krankenkassen jetzt weit mehr be- 
reit sind, eine sechsmonatige Kur in einer Heilstätte für Trunksüchtige zu 
gewähren. 69 Pfleglinge wurden von Krankenkassen nach Waldfrieden über- 
wiesen, von Berufsgenossenschaften 6. Auch schickte das Schiedsgericht für 
Arbeiterversicherung einige Alkoholiker zur Beobachtung und Begutachtung 
hinaus. Die landesversicherungsanstalten halten sich leider noch zurück. 
Die Provinz Brandenburg und Sachsen wollen hünftighin geeignete Alkoholiker 
aus Irrenanstalten nach Waldfrieden abgeben lassen, ebenso die Stadt Berlin. 
Bekanntlich dürfen Trunksüchtige nicht gegen ihren Willen in die Heilstätten 
überführt und dort zurückgehalten werden, es sei denn, dass man sie ent- 
mündigte, und — die Entmündigung erfolgt meist erst so spät, dass es auch 
zu einer Heilung zu spät ist. Diesem Mangel abzuhelfen, ist ein vom Verband 
der Trinkerheilstätten des deutschen Sprachgebiets beschlossener, durch Stadt- 
rat Kappelmann (Erfurt) verfasster „Entwurf zu einem Reichsgesetz betr. 
die Fürsorge für Trunksüchtige“ bestimmt. Derselbe fordert für Alkoholkranke 
dieselben Massnahmen, die durch Gesetz vom 11. Juli 1892 (für Preussen) 
betr. die Unterbringung der Geisteskranken, Epileptischen, Idioten, Blinden 
und Taubstummen vorhanden sind. „Hierauf beruht unsere Hoffnung für die 
Zukunft der Trinkerfürsorge“. Der Entwurf ist dem Bericht über die Heil- 
stätte Waldfrieden angefügt und im „Alkoholismus“ H. 3, 1905, S. 192—219 
zu lesen. 

Der Schutz der Arbeiter vor dem Alkoholmissbrauch und nament- 
lich vor dem gewohnheitsmässigen Branntweingenuss gehört zu den wichtigsten 
Erfordernissen der Wohlfabrt der Arbeitnehmer wie der Arbeitgeber. Von der 
Nüchternheit der Arbeiterschaft hängt deren Leistungsfähigkeit wesentlich ab, sie 
bedingt den weiteren Fortschritt unserer Industrie und ‘ihr Bestehen an erster 
Stelle unter den konkurrierenden Völkern. Der Bericht der badischen Fabrik- 
inspektion — diese geht in dieser Hinsicht schon lange anderen vorbildlich 
voran — gibt wiederum Kenntnis vom Alkohnlnotstand unter den Bauhand- 
werkern bzw. Bauarbeitern. Dass die Maurer und Ziegelträger zu den stärksten 
Gewohnheitstrinkern gehören, ist bekannt. In Baden scheint der Biergenuss 
deu Schnapsverbrauch zu überwiegen. Bei uns in Sachsen trinken sie Bier 
(Flaschenbier!) und Branntwein in grosser Menge. Natürlich begnügt man 
sich schon längst nicht mehr mit dem „einfachen“ leichten Getränk, sondern 
bevorzugt „Bairisch“ oder „Lager“. Unter diesen Verhältnissen reicht freilich 
der Lohn nicht hin und her. Für solchen Durst bleiben es immer „Hunger- 
löhne“. Jener Bericht schreibt grosse Schuld dem Missstand zu, dass Poliere 
oder ihre Angehörigen den Bierverkauf besorgen und 2—3 Pf. Gewinn an 
der Flasche nehmen bzw. von den Brauereien „Trinkgelder“ erhalten. Der 
mässige Arbeiter muss dabei immer fürchten, von dem Polier, wenn er wenig 
ihm abnimmt, gemassregelt oder gar zur Entlassung empfohlen zu werden. 
In einem Steinbruch des badischen Öberlandes entnahmen nach jenem Berichte 


Zar Alkoholfrage. 465 


viele Arbeiter 8—12, einzelne bis zu 22 Flaschen Bier pro Tag aus der 
Kantine. Der Unternehmer wurde wegen Ueberschreitens des Selbstkosten- 
preises und Kreditgewährens bestraft. Die Aufsichtsbehörde hatte ersucht, 
nicht mehr als 3 Flaschen Bier pro Mann und Tag abzugeben. Das genügte 
den Arbeitern nicht; sie gingen nach den nächsten Schankstätten, bis sie die 
Gewähr von 5 Flaschen ertrotzt hatten, d. i. der, 5.—4. Teil des lohnes. 
Verschiedene Brauereien haben endlich die Menge des Freibiers von 5 auf 
3 Liter herabgesetzt und dafür mehr Lohn gegeben und zwar mehr als das 
abgelöste Bier Wert hat. Das hat etwas geholfen. 2 Brauereien in Karlsruhe 
haben den Freitrunk ganz beseitigt, bezahlen ebenfalls viel höheren Lohn, 
Die Arbeiter müssen sich das Bier jetzt kaufen und trinken halbe statt ganze 
Liter. Leider sind verschiedene Betriebe nach versuchter Ablösung des Bieres 
bestoblen und dadurch von dem guten Vorhaben abgeschreckt worden. 

Mit Jlebhafter Genugtuung dürfen wir das Eintreten von Heer und 
Marine in den Kampf gegen den Alkobolismus begrüssen. Es ist in früheren 
Berichten auf dem Trunke vorbeugende Massnahmen seitens höherer Kommando- 
stellen hingewiesen worden. Zwecks Aufklärung der Mannschaften wird 
künftighin jedem in Landheer und Marine eintretenden Rekruten eine kleine 
Schrift „Alkohol und Wehrkraft“ überreicht und seitens der Vorgesetzten in 
passender Weise besprochen werden. Diesen bedeutenden Fortschritt verdanken 
wir wiederum dem unermüdlichen Wirken des Deutschen Vereins gegen den 
Missbrauch geistiger Getränke. In seinem Verlag (Berlin W. 15., Fasanenstr. 59) 
ist auch die Schrift erschienen. Seit 1903 besteht in der Marine ein Ent- 
baltsamkeitsverein. Er wächst sehr langsam. Der „Marine-Alkoholgegner- 
bund“ hat in erster Linie den Zweck, die Enthaltsamkeitsbestrebungen in der 
Marine zu fördern, insbesondere durch Abhaltung von populär- wissenschaft- 
lichen Vorträgen und Diskussionen und durch Verbreitung von Enthaltsamkeits- 
literatur. Daneben will der Bund Unterhaltungs- und Gesellschaftsabende 
veranstalten, die Kameradschaft in der Marine fördern und mit allen Mitteln 
gute Sitte pflegen. In den Kantinen der Schiffe wird Branntwein nicht ge- 
führt. Bier wird noch viel verbraucht. Auf S. M. Schiff „Wettin“ waren 
kurze Zeit alle geistigen Getränke verboten. Das hat sich in soweit nicht 
recht belohnt, als die Mannschaften an Land sich um so schadloser hielten. 
Als vortreffliche praktische Einrichtung im Kampf gegen den Alkoholismus 
dürfen die Seemannsheime gelten. Namentlich das Seemannshaus in Kiel er- 
freut sich starken Zuspruchs, auch das neue Haus in Tsingtau; ein gleiches 
ist für Dar es Salaam geplant. Einen berechtigten Druck auf die Wirte haben 
mehrere sächsische Bezirkskommandos rücksichtlich der Kontrolversammlungen 
u.s. w. ausgeübt. Sie fordern von den Inhabern der Lokale, wo solche abge- 
halten werden, Ausschluss jeden Verschanks von Branntweinen und Likören 
irgend welcher Art, dafür Bereithaltung von Selterswasser (nicht über 15 Pf. 
die Flasche) und einfachem Bier (t/z Liter f. 10 Pf.), vor allem aber von Trink- 
wasser, unentgeltlich in Gläsern zu verabreichen. Den Seemannshäusern ent- 
sprechend haben sich für das Landheer die Soldatenheime überall vortrefflich 
bewährt, in denen grundsätzlich kein Alkohol verabreicht wird. 

Anlässlich &es immer deutlicher erkennbaren Zusammenhanges zwischen 

35 


466 Flade, 


Alkoholmissbrauch und Unfallgefahr hat neuerdings auch die hannover- 
sche Baugewerks - Berufsgenossenschaft folgende Bestimmungen aufgestellt: 
1. „Für Betriebsinhaber und Betriebsbeamte: der Genuss von Branntwein, 
Lagerbier und: sonstigen geistigen Getränken während der Arbeitszeit ist ver- 
boten, insbesondere ist der Handel mit geistigen Getränken auf der Arbeits- 
stelle streng zu verbieten. Der Arbeitgeber ist jedoch verpflichtet, für geniess- 
bares Trinkwasser auf der Baustelle Sorge zu tragen. 2. Für Arbeitnehmer: 
der Genuss von Branntwein, Lagerbier und sonstigen geistigen Getränken ist 
während der Arbeitszeit verboten. Auch wird der Handel mit solchen Ge- 
tränken auf den Arbeitsstellen streng untersagt“. 

Auf der 77. Versammlung Deutscher Naturforscher und Aerzte hat 
Privatdocent Dr. Hecker (München) in der Sektion für Kinderheilkunde das 
zeitgemässe Thema: „Alkohol und Schulkind“ behandelt. Das Material 
über den gewohnheitsmässigen Alkoholgenuss der Jugend häuft sich immer 
mehr, seit Aerzte und Lebrer mit vereinten Kräften diesem Missstand nach- 
forschen und seine Beseitigung betreiben. Hecker berichtete über seine an 
4 Münchener Volksschulen angestellten Erhebungen mit einer Schülerzahl von 
4672 Kindern. Nur 13,7%), hatten keine alkoholischen Getränke erhalten, 
650/, aber regelmässig getrunken, davon 41°), ein-, 14%, zweimal am Tage 
Bier oder Wein. 6,40%, der Kinder erhalten zeitweise oder auch ziemlich regel- 
mässig Schnaps. Die regelmässigen kleinen Trinker finden sich vor allem in 
den an der Peripherie gelegenen Schulen. Erfreulich zu hören ist, dass die 
meisten abstinent lebenden Kinder Familien von gelehrten Berufen, Offizieren, 
Künstlern, Technikern und Handwerkern angehören; in den Vorortsschulen 
stellen die Arbeiterfamilien viel enthaltsame Kinder. Auch nach Heckers 
Untersuchungen haben schon kleine aber täglich genossene Mengen Alkohols 
einen nachteiligen Einfluss auf die Leistungsfähigkeit der Schüler, ebenso auf 
Fleiss und Auffassungsvermögen. 

In der VIl. Klasse einer Volksschule in Nordhausen hatten von 49 (7jäh- 
rigen) Kindern 38 schon Wein, 40 schon Schnaps und alle, darunter ein Teil 
regelmässig, Bier getrunken. In einer 4. Klasse hatten von 28 Mädchen 27 
schon Wein, 14 schon Schnaps und 28 schon Bier bekommen; 14 trinken 
regelmässig Bier, „weil man davon stark wird“. 

Anknüpfend an die schweren Eisenbahnunglücke der letzten Jahre (Sprem- 
berg u.s. w.) hat der Deutsche Verein enthaltsamer Eisenbahner an 
den Reichstag und die einzelnen Landtage Eingaben gemacht, die um mora- 
lische und finanzielle Unterstützung der Vereinssache bitten. „Sicher ist — 
heisst es u. a. in der Eingabe —, dass Alkoholgenuss des Personals sehr viel 
häufiger die unmittelbare oder auch nur mittelbare Ursache von Eisenbahnun- 
fällen ist, als in der Oeffentlichkeit oder auch nur an den leitenden Stellen 
innerhalb der Eisenbahnverwaltung bekannt wird. Oefters werden Unfälle 
nur durch besonders glückliche Umstände und Zufälligkeiten mit knapper 
Not vermieden. Der enthaltsame Eisenbahnerverband bittet um Unterstützung 
seiner Aufgaben, die vor allem Aufklärung durch Vorträge und sachgemässe 
Schriften bezwecken, und geeignete Massnahmen, die dem Trunk vorbeugen. 
Auch sollte man gewisse Zwangsbestimmungen nicht scheuen, denn „wo solch’ 


Zur Alkoholfrage. 467 


schwer wiegende Interessen der Gesamtheit auf dem Spiele stehen, wird man 
auch vor einem Eingriff in die persönliche Freiheit nicht zurückschrecken 
dürfen“. Und durchaus berechtigt sind die einem Bericht einer grossen 
amerikanischen Eisenbahngesellschaft entnommenen Worte: „Die Phrase von 
der persönlichen Freiheit gilt nicht für einen Dienst, zu dem nüchterne Leute 
und klare Köpfe nötig sind“. Trotzdem haben sich die meisten deutschen 
Eisenbahnverwaltungen noch nicht bisher dazu entschliessen können, den Ge- 
nuss alkoholischer Getränke auch nur während des Dienstes ausnahmslos zu 
verbieten; aber man sollte wenigstens mit allen geeigneten Mitteln dahin wirken, 
dass ein möglichst grosser Teil des Personals besonders im Lokomotiv-, Fahr- 
und Stationsdienst freiwillig die Verpflichtung zu völliger Enthaltung über- 
nimmt. In einem Erlass der Eisenbahndirektion Altona wird das Mitbringen 
von Schnaps in den Dienst streng untersagt. „Es wird vorerst davon abge- 
sehen, jede Art von Alkoholgenuss während des Dienstes und während der 
Arbeit zu verbieten, aber einzelnen Beamten und Arbeitern, die sich wieder- 
bolt des übermässigen Alkoholgenusses schuldig gemacht haben, ist der Genuss 
von alkoholischen Getränken während des Dienstes ganz untersagt.“ Auch 
bei Aufnahme in das Beamtenverbältnis und Beförderung soll Rücksicht auf 
die Stellung des in Frage kommenden zum Trunke Rücksicht genommen werden. 
Nachabmenswert erscheint das Vorgehen der Eisenbahnverwaltung in Kassel 
mit eigener Herstellung von Selterswasser und Brauselimonade für ihre Ange- 
stellten. Für die Bahnbofswirte ausserordentlich „wohltätig“ erscheint mir 
dabei, dass die Leute nunmehr nicht mehr 20 oder 30 Pfg., sondern 2 
bezw. 4 Pfg. zablen müssen (bei Einbehaltung der Flasche 15 und 20 Pfg.). 
Dabei soll freilich nicht vergessen sein, dass der Staat, so lange er die Bahn- 
bofswirtschaften als Erwerbsquelle mit hober Pachtsumme betrachtet, an den 
dort üblichen Preisen selbst mit Schuld trägt. Auch in Frankfurt a.M. wird 
jetzt in ausgezeichneter Weise für das Bahnpersonal gesorgt. Die Gesellschaft 
für Wohlfahrtseinrichtungen hat im Hauptbahnhof geeignete Räume zu billigen 
Preisen von der Direktion gemietet, von denen aus sie die Verpflegung von 
Beamten und Arbeitern betreibt. Reichliche Mittagsmahlzeiten werden für 
30 Pfg., mit 0,4 Liter Bier für 42 Pfg. geliefert. Es besteht kein Trinkzwang. 
Auf den Tischen wird frisches Trinkwasser bereit gehalten. Der Umsatz wächst 
immer mehr an. Man beabsichtigt, den Betrieb zu erweitern und Uebernach- 
tungsräume, Lesezimmer, Badegelegenheit u. s. w. zu schaffen. Der Biergenuss 
ist nur halb so gross wie früher. Für die Werkstättenarbeiter sorgt ein 
Speisewagen. Auch unter ihnen steigt beständig der Verbrauch alkoholfreier 
Getränke gegenüber dem des Bieres. Für das Fahrpersonal nimmt man neuer- 
dings Kochkisten mit. 3 

Die Sterblichkeit in den Alkoholgewerben wird nach dem Beispiel 
englischer, amerikanischer und holländischer Versicherungsgesellschaften neuer- 
dings auch von den deutschen besonders beobachtet. Die Gothaer Lebensver- 
sicherungsbank hat ihre Erfahrungen durch Dr. Andrae, Versicherungsmathe- 
matiker in Gotha bearbeiten lassen. Seine diesbezügliche Arbeit ist in der 
Zeitschr. f. d. ges. Versicherungswissensch. (Bd. 5. H. 3. S. 405—4?) nieder- 
gelegt und bestätigt die Mitteilungen englischer und amerikanischer Gesell- 


35t » 


468 Flade, 


schaften. Wenn auch erheblich über dem Sterblichkeitsdurchschnitt (100) 
stehend, schneiden die Hoteliers, Gasthofbesitzer und Oberkellner mit 131 
immer noch verhältnismässig günstig ab. Weit schlechter stehen die Gast- 
wirte mit 147 und die Schankwirte, Kellner und Bierhändler mit 155 da. 
Bei Brauereibesitzern, Brauereidirektoren u. s. w., die nicht direkt an Her- 
stellung und Ausschank des Bieres beteiligt sind, sinkt die Ziffer auf 141, um 
bei den Brauereibediensteten auf 162 zu steigen. Die Brenner weisen eine Sterb- 
lichkeit von 121 auf; merkwürdig günstig halten sich die Weinhändler mit 
104. Bei den Weinküfern, Kellermeistern u.s. w. erhebt sich die Zahl wieder 
anf 144. Die einzelnen Zeitabschnitte von 1852—1902 beweisen auch in 
dieser Statistik die beständige Zunahme des persönlichen Alkoholkonsums in 
den letzten Jahrzehnten. So ist die Sterblichkeit der Gastwirtsgruppe im 
Zeitraum 1852—66 mit 137 angegeben, im Zeitraum 1867—80 mit 148, von 
1881—1902 mit 168, die der Brauergruppe in den gleichen Zeitabschnitten 
mit 117, 153 und 191. Beide grosse Gruppen ergeben nach einer anderwei- 
tigen Zusammenstellung, die die einzelnen Zugangs- und Beobachtungsperioden 
berücksichtigt, eine Uebersterblichkeit von 55 und 53°/, in den höheren Ver- 
sicherungsjahren. 

Die Alkoholverseuchung Belgiens ist bekannt. Namentlich ist in den 
letzten Jahren der Bierverbrauch ausserordentlich gestiegen, während der 
Branntweinkonsum etwas nachgelassen hat. Um so anerkennenswerter ist, 
dass letztere Tatsache einem zielbewusst gegen den Alkoholismus ankämpfenden 
Teile der Arbeiterschaft zu danken ist. Als ibr namhaftester Führer ist van 
der Velde anzuführen. Dazu kommt, dass von 1896—1903 die Steuer auf 
Herstellung einheimischen Branntweins erst von 64 Frcs. pro hl 50grädigen 
Schnapses auf 100 Frcs. und dann auf 150 Frcs. heraufgesetzt wurde. In 
gleicher Weise wurde der Einfuhrzoll bedeutend erhöht. Jedenfalls sank der 
Verbrauch von 1890—1903 von 10 Liter pro Kopf und Jahr auf 6 Liter her- 
unter. Nicht minder bedeutungsvoll ist das 1905 beschlossene Verbot der 
Herstellung, des Transportes, Verkaufs und Ausschanks von Absynth. Wenn- 
schon der Absynthverbrauch noch längst nicht die Höhe des Konsums in 
Frankreich erreicht hat, so hat man doch durch dieses vorbeugende Gesetz 
noch zu rechter Zeit eine schwere Gefahr vom belgischen Volke abgewandt. 

In gleicher Weise sucht man auch in der Schweiz rechtzeitig der 
Absynthgefahr zu begegnen. Man steuert auf eine direkte Prohibition zu, 
die man in der Tat rücksichtlich der ausserordentlichen Stärke dieses Giftes 
für alle Länder wünschen möchte. E. W. Milliet berechnet für 1893—1902 
einen Alkoholkonsum von 15,78 Liter pro Kopf und Jahr. Das ist in der 
Tat ein hoher Satz; davon kommen noch nicht 3 Liter auf gebrannte Getränke. 
Vorerst beziffert sich die Absynthfabrikation erst auf 9200 hl. Da das Ge- 
tränk aber 750°% Alkohol enthält und immer mehr Anhänger findet, ist die 
Befürchtung der Volksfreunde ob dieses Feindes wohl berechtigt. Als freies 
Gewerbe gilt in der Schweiz der Grosshandel mit gebrannten Wassern (von 
40 Litern au). Der Kleinhandel ist von Bundeswegen erlaubt, jedoch nur 
mit Bewilligung der kantonalen Behörden und entsprechender Verkaufssteuer 
an diese zulässig. In einem an den Bundesrat eingegangenen Antrag wird 


Zur Alkoholfrage. 469 


nun Fabrikation, Einfuhr und Verkauf des Absynthes in allen seinen Formen 
(Extrakten, Essensen, Derivaten) im ganzen Umfange der Eidgenossenschaft 
verboten. , 

Denjenigen Lesern dieser Zeitschrift, die für die Alkoholfrage besonderes 
Interesse und Zeit haben, besondere Gebiete derselben näber zu studieren, 
dürfte es nicht unerwünscht sein, einmal die besten Erscheinungen aus der 
Literatur der letzten Jahre zusammengestellt zu sehen. Letztere hat in 
kurzer Zeit einen so grossen Umfang angenommen, dass es nur schwer hält, 
die wertvolleren Veröffentlichungen noch herauszufinden. Es mögen folgende 
hier aufgeführt sein: 

Anschütz G., Prof. Dr., Die Bekämpfung der Trunksucht im Verwaltungs- 
wege. (2. Aufl. 1900. 60 Pfg.) 

Demme R., Prof. Dr., Ueber den Einfluss des Alkohols auf den Organis- 
mus des Kindes. 2,40 M. 

Delbrück A., Hygiene des Alkoholismus. 

Baer A., Die Trunksucht in ihrer Bedeutung für die Gesundheit und die 
Gesundheitspflege. 

Forel A., Prof. Dr., Die Trinksitten, ihre hygienische nnd sociale Be- 
deutung. Ihre Beziehungen zur akademischen Jugend. (10 Cts.) 

Hoppe, Hugo, Dr. (Nervenarzt), Die Tatsachen über den Alkohol. Mit 
zahlreichen statist. Tabellen. 3. Aufl. 5 M. 

Kommerel, Eugen, Oberarzt Dr., Aerztliches über das Trivkon. Gemein- 
verständlich erörtert. 1899. (30 Pfg.) 

Grotjahn A., Dr. med. (Berlin), Alkohol und Arbeitsstätte. 1,50 M., 
geb. 2 M. 

Helenius M., Die Alkoholfrage. Eine he a a Unter- 
suchung. 6M. 

Hartmann M. und Weygandt W., Die höhere Schule und die Alkohol- 
frage. 40 Pfg. 

Moritz, Prof. Dr., Das Bier in der Alkoholfrage. 1902. (10 Pfg.) 

Sladeczek A. (Rektor), Die vorbeugende Bekämpfung des Alkoholismus 
durch die Schule. Theoretisch-praktisches Hilfsbuch für die Hand der Lehrer. 
2M., geb. 2,40 M. 

v. Strümpell A., Prof. Dr. (Erlangen), Ueber die Alkoholfrage vom ärzt- 
lichen Standpunkt aus. 0,60 M. 

Stumpf L., Med.-Rat Dr., Ueber Alkoholgenuss in der Jugend. 1899. 
(10 Pfg.) 

Stubbe Chr., Der Deutsche Verein gegen den Missbrauch geistiger Ge- 
tränke. 1,50 M., geb. 2M. 

Ziegler, Theobald, Prof. Dr., Der Kampf gegen die Unmässigkeit auf 
Schule und Universität. 1898. (25 Pfg.) 

Ziehen, Prof. Dr., Alkohol und Nervensystem. (20 Pfg.) 

Die Schriften können bezogen werden von der Geschäftsstelle des 
Deutschen Vereins gegen den Missbrauch geistiger Getränke (Mässigkeitsverlag), 
Berlin W. 15, Fasanenstr. 59. 


470 Infektionskrankheiten. 


Gossner, Zur bakteriologischen Diagnose. Münch. med. Wochenschr. 
1905. No. 8. S. 347. - 

G. wünscht unter allen Umständen und mit allen Mitteln eine möglichst 
frühzeitige bakteriologische Diagnose der Infektionskrankheiten 
Da aber die Mehrzahl der Infektionskranken nicht in Krankenhäuser gelangt, 
wo im allgemeinen die Stellung der bakteriologischen Diagnose auf keine 
Schwierigkeiten stösst, sondern in der Privatwohnung behandelt wird, so liegt 
dem ersten Untersucher, dem Hausarzt, die schnelle Stellung der Diagnose ob. 

Bei Tuberkulose, Gonorrhoe, Diphtherie, Influenza, Meningitis cerebrospi- 
nalis ist der Nachweis teils durch das eigene Mikroskop, teils unter Mithilfe 
des bakteriologischen Laboratoriums leichter zu stellen, dem zur Untersuchung 
geeignetes Material eingesandt wird. 

Schwerer sind bei Typhus abdominalis, Bacillenrubr und Cholera asiatica 
die specifischen Erreger aus dem mit einer üppigen Bakterienflora gesegueten 
Darminhalt zu isolieren. Hier werden vielfach die staatlichen Unter- 
suchungsämter in Anspruch genommen, um an Ort und Stelle Material 
zur Prüfung zu gewinnen und sodann im Laboratorium der Centralstelle die 
weitere Untersuchung anzuschliessen. Weit häufiger wird aber das verdäch- 
tige Material einfach an die Untersuchungsinstitute eiogesandt. Die Schwierigkeit 
einer einwandfreien Zusendung und die Gefahr der Ueberwucherung der speci- 
fischen Krankheitserreger durch die übrigen nebensächlichen Darmbakterien 
sprechen gegen dieses Verfahren. 

Von um so grösserer Bedeutung sind deshalb alle Bestrebungen, die den 
behandelnden Arzt selbst zur Vornahme der nötigen bakteriologischen Unter- 
suchung in den Stand setzen wollen, ohne dass er tiefere bakteriologische 
Kenntnisse und Fertigkeiten oder einen komplicierten Apparat nötig hat, 
oder dass’die Methoden nicht ohne grösseren Zeitverlust ausführbar sind. 

Bei typhusverdächtigen Objekten kommt hier der Drigalski- 
Conradische oder Endosche Nährboden in Frage. Die mit diesen Nähr- 
böden versehenen Petrischalen werden von dem Arzte am Krankenbett auf 
einfache und überall leicht ausführbare Weise geimpft und in Cylindergestelle 
verpackt dem Laboratorium zugesandt, in welchem dann die weitere Ver- 
arbeitung erfolgt. 

Die Gruber-Widalsche Reaktion kann der praktische Arzt mit den 
durch Formol abgetöteten Bouillonkulturen, welche eine monatelange Halt- 
barkeit besitzen, selbst ausführen. 

Schottmüllers kulturelle Untersuchungsmethode des Blutes auf Typhus- 
bacillen dürfte dagegen auf die Krankenhauspraxis beschränkt bleiben müssen, 
da dieselbe grössere Vorkehrungen und eine gewisse Vertrautheit mit der- 
artigen subtilen Arbeiten erfordert. 

Wenn so der praktische Arzt für die Feststellung der baktariologischen 
Diagnose durch eigene Beteiligung mitinteressiert wird, so ist zu hoffen, dass 
es mit der Zeit immer leichter gelingen wird, den Infektionsherden auf die 
Spur zu kommen. Schumacher (Hagen i.W.). 


Infektionskrankheiten. 471 


Fürst, Livius, Die intestinale Tuberkuloseinfektion mit besonderer 
Berücksichtigung des Kindesalters. Stuttgart 1905. Ferd. Enke. 
319 Ss. 8°. Preis: 10 M. 

Unter Aufbietung der gesamten Literatur, besonders der. pathologisch- 
anatomischen und bakteriologischen, sucht Fürst einen objektiven Standpunkt 
zu gewinnen in der für die Volksernäbrung und besonders für die Säuglings- 
diätetik hochwichtigen Frage, ob die Einverleibung tuberkulösen Materials, 
vor allem der Kubmilch den menschlichen Organismus tuberkulös machen kann 
oder nicht. Er gibt zunächst einen allgemeinen Ueberblick über die Kinder- 
tuberkulose im allgemeinen und betont die Wichtigkeit der anatomischen 
Befunde. Die Statistik, welche sorgfältig zusammengestellt wird, ergibt, dass 
die Tuberkulosesterblichkeit im ersten Jahre sehr gering ist, dass dagegen in 
den ersten 5 Jahren in toto nahezu die Hälfte der zur Obduktion kommenden 
Kinder den Befund Tuberkulose aufweist. Hierbei steht die respiratorische 
Infektion sehr stark im Vordergrund, es bleibt aber doch ein wenn auch 
kleiner Prozentsatz intestinaler Infektionen übrig, so dass die tatsäch- 
liche Möglichkeit einer solchen sich ergibt. Die englischen Prozentzahlen 
sind dabei ungeheuer viel grösser als die in Deutschland angenommenen. Im 
folgenden Kapitel wird die Pathogenese der Kindertuberkulose in 6 Gruppen 
(aörogene, enterogene, amygdalogene, lympho- und hämatogene, dermogene 
hereditäre [germinative] und kongenitale) geteilt und jede einzelne genau 
besprochen. Mit der Möglichkeit einer enterogenen Tuberkuloseinfektion ist 
auf jeden Fall zu rechnen, und auch die Tonsillen sind sehr wahrscheinlich 
als direkt-primäre Infektionspforte zu betrachten. Da die Disposition ein 
wichtiger Faktor bei der Infektion ist, wird ihr ein Kapitel gewidmet. Eine 
bedingte, an gewisse Voraussetzungen gebundene Tuberkulosedisposition ist ` 
für das Kindesalter speciell nicht zu leugnen. Infektion kommt auf intesti- 
nalem Wege nur dann zustande, wenn eine gewisse Intensität des Virus mit 
einer lokal oder allgemein gesteigerten Empfänglichkeit zusammentrifft, was 
nicht oft der Fall ist. Jahrelange Latenz virulenter Bacillen ist im mensch- 
lichen Körper als möglich anzunehmen. 

Verf. gebt sodann auf die eigentliche Hauptfrage ein. Es wird die Perl- 
sucht und insbesondere Eutertuberkulose besprochen und auf ihre grosse Ver- 
breitung und somit die grosse Gefahr, die eventuell in der Milch liegen könnte, 
hingewiesen. Ein Parallelismus zwischen Häufigkeit der Perlsucht und der 
Tuberkulose ist aber nicht zu konstatieren. Erstere soll zunehmen, letztere 
abnehmen. Dass die Milch infektiöse Perlsuchtbacillen enthalten kann, ist 
anzunehmen, ebenso die Butter, während deren Pseudobacillen ungefährlich 
für das Kind sind. 

Unter den Bedingungen intestinaler Infektion durch Perlsucht- oder Tuberkel- 
bacillen ist hervorzuheben, dass die intakte Schleimhaut des Darms zumal beim 
Kinde zuweilen passierbar zu sein scheint, die lädierte sogar leicht durchgängig 
ist. An der Möglichkeit der Resorption korpuskulärer Elemente von der Grösse 
der Bacillen durch die makroskopisch normale Schleimhaut ist kaum zu zweifeln. 
Auch ist eine intestinale Infektion ohne nachweisbare Örtliche Tuberkulose als 
möglich anzunehmen. 


472 Infektionskrankheiten. 


Primäre Intestinaltuberkulose — und das ist ja die einzig in Frage stehende 
— wird als solche definiert, bei der Darm oder Darm und Mesenterialdrüsen 
oder letztere allein die einzigen oder ältesten tuberkulösen Veränderungen auf- 
weisen. Mit Recht wird auf die Schwierigkeit im Beurteilen der Invasions- 
stelle besonders hingewiesen. Nach den meisten Autoren ist diese primäre 
Intestinaltuberkulose nach Befunden bei Sektionen eine recht seltene. Speciell 
betont dies Orth für Berlin, während Heller bekanntlich eine weit grössere 
Häufigkeit annimmt, ebenso manche anderen Autoren. Wenn Fürst bei ver- 
mebrtem und aufmerksamem Durchmustern der Kinderleichen einen Zuwachs 
der Statistik erwartet, so kann dem Ref. nicht völlig beistimmen, da er seine 
Aufmerksamkeit seit Jahren speciell diesem Punkte gewidmet, aber primäre 
Darmtuberkulose auch bei Kindern nur extrem selten annehmen konnte. Für 
den Hauptgesichtspunkt des Fürstschen Buches ist aber mit ihm daran fest- 
zuhalten, dass auch jedenfalls nach den Sektionsergebnissen die Möglichkeit 
und das Vorkommen intestinaler Infektion als sicher konstatiert anzunehmen 
ist. Es wird dies noch im besonderen durch eine sehr genaue Zusammen- 
stellung der Kasuistik erörtert, welche 124 Fälle unanfechtbarer primärer 
Darmtuberkulose, und 53 zweifelhafte umfasst. Auch die primäre Mesenterial- 
drüsentuberkulose — welche ein Analogon zu derjenigen der Bronchialdrüsen 
darstellt — und die isolierte Bauchfelltuberkulose, von der 19 veröffentlichte 
Fälle angezogen werden, wird besprochen und die Wege verfolgt, auf denen 
die Tuberkulose vom Intestinaltraktus aus sich generalisieren kann. Auch der 
Tierversuch ist eine Hauptstütze für die Annahme intestinaler Infektion. 

Es folgt das wichtigste Kapitel, die „Identitätsfrage menschlicher und 
boviner Tuberkulose“. Es wird hervorgehoben, dass Kochs und Baumgartens 
jetzige Anschauungen gegen ihre früheren nicht so kontrastieren, wie es zu- 
nächst scheint. Auf der einen Seite werden die Gründe für die Identität zu- 
sammengestellt — vor allem die Versuche Orths, die Anschauung v. Behrings 
und die Experimente Kossels — auf der anderen Seite der entgegengesetzte 
Standpunkt besonders Kochs und Virchows besprochen. Morphologische 
und kulturelle Unterschiede bestehen zwar zwischen dem Tuberkel- und Perl- 
suchtbacillus, sind aber durch lange Züchtung in einem anderen Organismus 
zu erklären. Die Virulenz ist wichtiger; deshalb ist der Tierversuch das Ent- 
scheidende. Diese werden genau zusammengestellt und in 3 Perioden, bis zur 
Entdeckung des Tuberkelbaeillus (18 Experimentatoren), bis zu Kochs Londoner 
Vortrag (59 Experimentatoren) und nach diesem (39 Experimentatoren) ein- 
geteilt. In der letzten Gruppe sind die interessanten, aber in einer (spanischen) 
südamerikanischen Zeitschrift vergrabenen Versuche Dessys nicht angeführt. 
Es wird der Schluss gezogen, dass „eine vollständige Nichtidentität, eine unbe- 
dingte Resistenz des Rindes gegen Tuberkelbacillen, eine absolute Immunität 
gegen menschliche Tuberkulose nicht besteht“. Auch eine unfreiwillige Ueber- 
tragung vom Menschen auf das Rind wird in 6 Fällen berichtet, ebenso die 
Fälle kutaner Impfung des Menschen mit Perlsuchtbacillen zusammengestellt. 
Ferner sprechen die Fälle perlsuchtartiger Erkrankung seröser Häute beim 
Menschen — 11 Fälle — gegen die scharfe Differenz der Rinder- und Menschen- 
tuberkulose. Also die Möglichkeit einer primären Infektion des Rindes mit 


Infektionskrankheiten. 413 


Perlsuchtbacillen auf intestinalem Wege ist nach allem anzunehmen. „Die 
bisherigen Schutzmassregeln bezüglich der Produktion, des Vertriebes und der 
häuslichen Verwendung der Kindermilch sind beizubehalten.“ 

Das Buch Fürths spiegelt keine eigenen Anschauungen wieder und bringt 
für denjenigen, der dieser ganzen hochwichtigen und so sehr aktuellen Frage 
in den letzten Jahren gefolgt ist, keinerlei neue Gesichtspunkte. Als zusammen- 
fassende Uebersicht des derzeitigen Standpunktes der Frage und wegen seiner 
ausserordentlich reichhaltigen Literatur wird das Buch jedoch Manchem 
schätzenswert sein. Herzheimer (Wiesbaden). 


v. Holst M., Tuberkulose und Schwangerschaft. Münch. med. Wochen- 
schr. 1905. No. 9. S. 417. 

H. berichtet über einen Fall von rapider Ausbreitung der Lungen- 
tuberkulose bei einer schwangeren Frau, welche zuvor in 6 Jahren 
ömal gravid gewesen war und darunter 1 Abort und 1 Frühgeburt durchge- 
macht hatte. 

Im 6. Monat der siebenten Schwangerschaft konnte v. H. beiderseits über 
den oberen Lungenparticn Rasselgeräusche konstatieren, es bestand Husten, 
Auswurf war nicht vorhanden. Die ersten Anzeichen einer drohenden Früh- 
geburt nahmen zu und nach 8 Tagen erfolgte die Geburt eines bald an 
Lebensschwäche sterbenden Kindes. 

Vier Stunden post partum trat eine starke Hämoptoe ein, die am nächsten 
Tage eine ausgiebige Kochsalzivfusion notwendig machte. Unter Erscheinungen, 
wie sie dem Ausbruch einer Psychose vorauszugehen pflegen, trat zunehmender 
Kräfteverfall ein, und in der zweiten Nacht post partum erfolgte Exitus. 

Die Sektion ergab eine floride Tuberkulose der beiden oberen 
Lungenlappen. Links bis wallnusgrosse Kavernen, von denen eine ein 
grösseres Gefäss arrodiert und so die starke Blutung bewirkt hatte. Dass 
der ganze Process sehr frisch war und dass die Tuberkulose eine schr rasche 
Entwickelung genommen hatte, sah man daran, dass das ganze Lungenparen- 
chym in käsige Herde und Kavernen von kleinster bis grosser Form ver- 
wandelt war. 

v. H. wünscht, dass, sobald eine latente Tuberkulose in der 
Schwangerschaft florid wird, der Arzt berechtigt ist, durch künstliche 
Fehlgeburt die Gravidität zu unterbrechen und damit weiteren Fortschritten 
der Krankheit Einhalt zu tun. Auch im obigen Falle würde er diesen Weg 
ohne Zögern eingeschlagen haben, wenn nicht der Verlauf ihm zuvorgekommen 
wäre. 

Diese Ansicht dürfte jedoch kaum unwidersprochen bleiben, da andere 
Autoren sich ganz gegensätzlich abwartend verhalten und sich von der Ein- 
leitung des Abortes bezw. der künstlichen Frühgeburt wenig Erfolg bei der 
Heilung florider Fälle von Lungenphthise versprechen. 

Schumacher (Hagen i.W.). 


36 


474 Infektionskrankheiten. 


Reiche F., Tuberkulose und Schwangerschaft. Münch. med. Wochenschr. 
1905. No. 28. S. 1331. 

O. berichtet über das Ergebnis seiner an dem reichhaltigen Hamburger 
Krankenmaterial gesammelten Erfahrungen. Er hat 701 weibliche Kranke aus 
den Jahren 1894—1902, welche meist 12—13 Wochen in Heilstättenbehandlung 
gewesen waren, in den Jahren 1903 und 1904 nachuntersucht, so weit sie 
noch zu ermitteln waren, und hat Anfang 1904 noch 440 von der Gesamtheit 
dieser Frauen sowohl nach ihrem Gesamtbefinden wie nach dem objektiven 
Krankheitsprocess als voll und voraussichtlich dauernd erwerbsmässig befunden. 
Für diejenigen Patienten, welche aus dieser Zahl geheiratet hatten, erwies 
sich die Ehe mit Schwangerschaften und Entbindungen als ein 
keineswegs allgemein verhängnisvoller Faktor, wobei allerdings zu 
berücksichtigen ist, dass es sich hier um Lungenaffektionen mit meist statio- 
nären und latent gewordenen, teilweise sogar relativ geheilten tuberkalösen 
Processen handelte. 

Wenn die Gefahren der Ehe und der Gravidität bei Frauen mit leichten, 
umschriebenen oder rückgängig und obsolet gewordenen Formen der Lungen- 
phthise wirklich so gross wären, wie vielfach angenommen wird, so würden 
bei der enormen Verbreitung der Tuberkulose gerade in den Jahren der Blüte 
und der Fortpflanzung viel häufiger in der Gravidität entstandene oder auf 
das Wochenbett zu beziehende Phthisen zur Beobachtung kommen. R. bemisst 
die Spanne Zeit, die nach Rückgang der Krankheitssymptome verflossen sein 
soll, ehe der Arzt seinen Konsens zur Verlobung und Ehe mit gutem Gewissen 
geben darf, auf 2—3 Jahre. Doch soll auch in diesen Fällen die schlum- 
mernde Gefahr nie verschwiegen werden, und unter zweifelhaften Umständen 
muss mit allen Kräften ein Aufschub verlangt werden. 

Gans anders ist das Verhalten des Arztes bei manifester Lungentuber- 
kulose. Da hier die „Schwangerschaft stetsalseinezu schweren Be- 
sorgnissen Anlass gebende Komplikation“ gelten muss, ist die baus- 
ärztliche Zustimmung zu einer Eheschliessung streng zu verweigern und bei 
verheirateten Frauen die Konception ausdrücklich zu widerraten. Tritt trotz- 
dem Gravidität ein, oder wird eine Lungentuberkulose erst intra graviditatem 
erkannt, so hängt das ärztliche Gesamtbefinden namentlich auch von dem 
Stadium der Gravidität ab und ist in jedem Einzelfalle besonders zu entscheiden. 

Da die künstliche Frühgeburt einen schweren Eingriff darstellt, 
dessen Gefahren denen eines Wochenbetts nicht viel nachstehen, so wird in 
allen schweren Lungenphthisefällen mit Kehlkopfkomplikationen, hohem 
Fieber und rascher Abmagerung jedes aktive Vorgehen namentlich in 
späteren Schwangerschaftsmonaten besser unterbleiben. Hier ist es Haupt- 
aufgabe, wenn möglich das Kind lebensfähig werden zu lassen und so wenig- 
stens ein Leben zu retten, da die Tage der Mutter doch gezählt sind. Wenn 
aber ein der Schwangerschaft allein zur Last zu legendes Moment gegen Ende 
der Gravidität bedrohlich wird, und der vach oben drängende Uterus eine 
behinderte Exkursionsfähigkeit des Thorax mit Atembeschwerden und unvoll- 
kommenem Gasaustausch in den Lungen verursacht, so bringt die Unter- 
brechung der Gravidität und die Entleerung des Uterus die erwartete sichere Hilfe. 


Infektionskrankheiten. 475 


Der artificielle frühzeitige Abort wird notwendig, wenn in einem 
günstig erscheinenden Falle progressive Lungenveränderungen bestehen, der 
Kräftezustand zurückgeht und Fiebersteierungen oder Haemo- 
ptysen auftreten, schliesslich bei den mit der Grayidität verknüpften diges- 
tiven Störungen, wie Hypermesis gravidarum. 

Auch bei Larynxtuberkulose sollten schon die leichtesten Grade der- 
selben Anlass sein, gleich im Beginn die Gravidität zu unterbrechen. Sobald 
in frühen Schwangerschaftsperioden -der künstliche Abort in Frage kommt, ist 
die auf der Mutter lastende Gefahr eine unverhältnismässig grosse, da die lange 
Reibe der bis zur rechtzeitigen Niederkunft noch vor ihr liegenden Monate 
an ihren Kräften zu zehren droht, während andererseits auf eine Frucht doch 
doch nicht mit Sicherheit zu rechnen sein wird. 

Dass das Stillen des Kindes als eine der gefährlichsten Ge- 
legenheitsursachen für einen verhängnisvollen Verlauf der Phthise 
angesehen werden muss und deshalb in allen Fällen „von Tuberkulose, Tuber- 
kuloseverdacht und auch Tuberkuloseheilung“ ärztlicherseits streng verboten 
werden sollte, ist von den meisten Seiten als richtig anerkannt, da den 
jungen Müttern wegen ihres kranklıaften Zustandes jeglicher Kräfteverlust 
nach Möglichkeit zu ersparen ist. Schumacher (Hagen i.W.). 


Tiesier G., Tuberkulose und Schwangerschaft. Inaug.-Diss. Königs- 
berg 1905. 

Nach einer sehr ausführlichen und eingehenden Darstellung der Ansichten 
der verschiedensten Autoren über den Einfluss der Schwangerschaft auf 
die Tuberkulose spricht Verf. nach den in der Literatur gewonnenen Er- 
gebnissen und eigenen Beobachtungen seine Ansicht dahin aus: dass die 
Gravidität ganz entschieden in den meisten Fällen ein schädigendes > 
Moment bei einer an Tuberkulose erkrankten Frau bildet, dass aber auch 
Fälle vorkommen, in denen auf die tuberkulöse Erkrankung absolut kein Ein- 
fluss ausgeübt wird. Durch die Geburt kann es zu akuten plötzlichen Ver- 
schlimmerungen kommen; im Wochenbett drohen gleichfalls nicht unbeträcht- 
liche Gefahren, die einen weiteren schädigenden Einfluss auszuüben vermögen. 

Durch eine rechtzeitige Unterbrechung ist es möglich, einen Stillstand 
des tuberkulösen Processes herbeizuführen. 

Tuberkulöse Mädchen sollten möglichst nicht heiraten; geschieht es doch, 
so sollte der Rintritt der Schwangerschaft nach Möglichkeit verhütet werden. 
besonders bei florider Tuberkulose. 

Nach eingetretener Schwangerschaft sollte bei Verschlechterung des Be- 
findens zuerst mit hygienisch-diätetischen Mitteln eine Besserung versucht 
werden. 

Künstliche Frühgeburt sollte nur in leichteren Fällen mit ganz rapider 
Verschlechterung und als Indicatio symptomatica in Frage gezogen werden. 

In im Fortschreiten der Tuberkulose begriffenen Fällen ist der künstliche 
Abort, besonders bei Multiparen, einzuleiten. 

Auf die Kehlkopftuberkulose übt die Schwangerschaft nach allen Er- 
fahrungen einen verderblichen Einfluss aus. Verf. glaubt auch hier in schweren 


36% 


476 Infektionskrankheiten. 


Fällen mit ausgesprochener schneller Progredienz der Larynxtuberkulose Ein- 
leitung der künstlichen Frühgeburt anraten zu sollen. Nieter (Halle a. S.). 


Hinz R., Ueber den diagnostischen Wert des Tuberkulins in der 
Kinderpraxis. Inaug.-Diss. Rostock 1905. 

Nach einer kritischen Betrachtung der Tuberkulinfrage überhaupt 
stellt Verf. die von ibm im Auftrage von Prof. Martius auf der Kinderstation 
in Rostock an 17 Fällen (bis zum 14. Lebensjahre) systematisch vorge- 
nommenen Tuberkulininjektionen zusammen und glaubt trotz des geringen zur 
Verfügung stehenden Materials aus den gewonnenen Ergebnissen beachtens- 
werte Schlüsse ziehen zu können. Zur Verwendung gelangten dem Alter ent- 
sprechend bis zu 2 mg Tuberkulin, welches zwischen beiden Schulterblättern 
injiciert wurde. Fiebermessungen wurden 2stdl. vorgenommen. Von den 
17 Fällen reagierten 4 positiv; von den übrigen 13 negativen waren nur 
3 sowohl dem Befunde wie der Anamnese nach als vollständig frei von Tuber- 
kulose anzusehen; die übrigen waren nach dem klinischen Befunde verdächtig. 
Auf Grund dieser Beobachtungen schliesst sich Verf. auch für die Kinder- 
praxis den Anschauungen Schlüters, der ebenfalls an 100 erwachsenen 
Patienten Injektionen vorgenommen hatte, an und fasst seine Ergebnisse dahin 
zusammen: 

1. die an Tuberkulose Kranken reagieren, auch diejenigen mit aktiver 
Tuberkulose, bei denen die übrigen Methoden zur Stellung der Diagnose nichts 
beitragen konnten (aktiv latente). 

2. Latente inaktive Fälle und 

3. völlig tuberkulosefreie Individuen reagieren dagegen auf die üblichen 
Dosen nicht. Nieter (Halle a. S.). 


Blumenthal, Philipp M., Die sociale Bekämpfung der Tuberkulose als 
Volkskrankheit in Europa und Amerika. Denkschrift, der Tuberku- 
lose-Kommission der Pirogoff-Gesellschaft Russischer Aerzte vorgelegt und 
dem VIII. Pirogoff- Aerztekongress gewidmet. (Frankreich, Belgien, England, 
Deutschland.) Deutsche Bearbeitung von Dr. A. Dworetzky. Mit einem 
Vorwort von E. v. Leyden. Berlin 1905. August Hirschwald. 192 Ss. 8%. 

Das Buch enthält einen im Auftrag der in der Ueberschrift genannten 

Kommission erstatteten Bericht über den jetzigen Stand der Tuberkulose- 

bekämpfung in Westeuropa. Abgesehen von der Heilstättenbewegung gab 

es bisher keine zusammenfassende Schilderung, der Verf. musste vielmehr auf 
die zwar zahlreichen und mannigfaltigen, aber unbearbeiteten Quellen zurück- 
gehen, sie sammeln, sichten, ordnen. Dass er mit vielen der leitenden Per- 
sönlichkeiten zunächst in schriftlichen Verkehr und später, als er die be- 
schriebenen Einrichtungen und Anstalten in Augenschein nahm, auch in 
unmittelbare Berührung gekommen ist, vermehrt den Wert des Buches. Es 
enthält, so weit als möglich in historischer Darstellung, eine erstaunliche Menge 
von tatsächlichen Angaben und ermöglicht interessante Vergleiche zwischen 
den einzelnen Ländern, auf welche sich die Schilderung bezieht. 

In Frankreich beträgt die Sterblichkeit an Tuberkulose in den 


Infektionskrankheiten. 477 


Städten mit über 10000 Einwohnern etwa 40 auf Tausend, in den Städten zwischen 
5000 und 10000 Einwohnern 35 auf Tausend und in den Städten mit weniger 
als 5000 Einwohnern 33 auf Tausend; in der letzten Zeit ist sie in den 
grösseren Städten etwas gesunken, aber in denen mit unter 5000 Einwohnern 
gestiegen, was als ein schlechtes Zeichen angesehen wird. Bis Ende der 
80er Jahre geschah, abgesehen von der Fürsorge für skrofulöse und 
lungenkranke Kinder (in Seehospizen, in Villepinte und in Ormesson) fast 
nichts, um der Tuberkulose Einhalt zu tun. Damals erst wurde durch hervor- 
ragende Aerzte die öffentliche Meinung geweckt und wurden Verbände — 
Ligue (préventive) contre la tuberculose und Société de préservation contre 
la tuberculose par l'éducation populaire — gegründet welche mit Wort und 
Schrift, Bildern, Vorträgen u.s.w. Belehrung und Aufklärung zu ver- 
breiten und die Volksvertretung, Gemeinde- und Staatsbehörden zum Eingreifen 
in den Kampf zu bestimmen suchen. Andere Vereinigungen bezwecken ausser- 
dem auch die Errichtung von Heilstätten verschiedener Art für die 
weniger Bemittelten, haben aber bisher nach dieser Richtung hin erst geringe 
Erfolge aufzuweisen. Grosse Verbreitung haben dagegen die „Dispensaires 
antituberculeux“, Polikliniken für Lungenkranke gefunden, deren erste 
1901 von Calmette in Lille errichtet wurde, und deren Hauptaufgabe es ist, 
den Kranken häusliche Hülfe zu bringen, ihre Lebensführung zu verbessern 
und durch Belehrung und praktisches Zugreifen dem Umsichgreifen der Krank- 
heit in den Familien vorzubeugen. Eine wichtige Rolle spielt hierbei vielfach 
neben den Aerzten der „Administrateur“ oder „Assistant ouvrier“. Ein Zu- 
sammenschluss aller Kräfte wurde 1902 in der „Federation des Oeuvres 
antituberculeuses françaises“ erreicht. Nun erst begann auch die Regierung 
sich der Sache anzunehmen, teils indem sie Untersuchungskommissionen 
für das Studium einzelner Fragen einsetzte, teils indem einzelne Ministerien 
für ihren Bereich Vorschriften zur Einschränkung der Tuberkulose trafen. 
Für die Aufklärung der Bevölkerung ist viel geschehen, die Zahl der Heil- 
stätten nimmt aber vorläufig noch erst ziemlich langsam zu und die Sterb- 
lichkeit ist noch hoch. 

Belgien ist in günstigerer Lage als Frankreich, da die Sterblichkeit 
an Tuberkulose dort nur gering ist. Eine planmässige, auf wissenschaftlicher 
Grundlage beruhende Bekämpfung der Krankheit hat erst 1898 mit der Grün- 
dung der „Ligue nationale Belge contre la tuberculose“ begonnen, deren 
Zwecke und Art der Tätigkeit sich eng an die Vorbilder des benachbarten 
Frankreichs anschliessen. Wie dort, ist viel für Aufklärung und Be- 
lehrung geschehen, die eigentliche Bekämpfung beschränkt sich aber bis jetzt 
fast nur auf Dispensaires; die Errichtung von Heilstätten ist noch nicht 
weit über ihre Anfänge hinausgekommen. 

England hat die geringste Sterblichkeit an Tuberkulose in 
Europa und, was besonders wichtig ist, diese befindet sich schon seit 50 
Jahren in beständiger Abnahme. Dass sich abweichend hiervon die Darmtuber- 
kulose, besonders bei Kindern unter einem Jahr vermehrt hat, wird mit 
Milchinfektion von Kühen her in Verbindung gebracht. Die Abnahme der 
Tuberkulose ist indessen nicht eine Folge bewussten Kampfes gegen die 


478 Infektionskrankheiten. 


Krankheit, sondern günstige Wirkung der Gesamtheit der englischen 
Sanitätsgesetzgebung und der Fortschritte auf den Gebieten der 
Wohnungsfürsorge und der Arbeiterwohlfahrtsbestrebungen. England 
besitzt eigene Hospitäler für Lungenkranke schon seit 1814 und, wenn 
auch die älteren unter ibnen wesentlich nur Isolierhäuser für die vorge- 
schrittenen Fälle gewesen sind, so hat man die neueren in grosser Zahl und 
mit allen modernen Erfordernissen als Heilstätten für die beginnende Krank- 
heit errichtet. Die gesamten Kräfte und Mittel zur Bekämpfung der Tuber- 
lose sind seit 1898 in der „National Association for Prevention of Consumption 
or other Forms of Tuberculosis“ vereinigt. Verhütung ist der Hauptzweck, 
„Sanitation“ das Hauptmittel, welche man in England der Tuberkulose 
entgegengestellt hat, und der damit erreichte Erfolg ist gross. 

In Deutschland hat der Kampf gegen die Tuberkulose die Gestalt der 
„Heilstättenbewegung“ angenommen, deren Anstalten in einem dichten, 
immer enger werdenden Netz das Land überziehen. Sie beruht auf der zuerst 
von Brehmer ausgesprochenen Erkenntnis der Heilbarkeit der Tuberkulose 
durch die hygienisch-diätetische Behandlungsweise und auf der socialpoli- 
tischen Gesetzgebung über die Krankheits- und Invaliditätversiche- 
rung der Arbeiter. Es wird gezeigt, wie in gleicher Weise der Vorteil der 
Versicherungsanstalten und der tuberkulös gewordenen Arbeiter fordert, dass 
diese in geeigneten Anstalten wieder erwerbsfähig gemacht werden. Im Ein- 
zelnen wird geschildert, wie bei deren Errichtung eigens für diesen Zweck 
gegründete Vereine, das Rote Kreuz, die Versicherungsanstalten, die 
Krankenkassen, die Arbeitgeber, die Gemeinden und der Staat be- 
teiligt sind, wie für Belehrung und Aufklärung (Merkblätter, Preisschriften, 
Museum u.a.) gesorgt wird, und wie die Anstaltsbehandlung durch Poli- 
kliniken für Lungenkranke (1899 zuerst in Berlin eingerichtet), durch 
Fürsorgestellen nach Art der Dispensaires für die Familien, für die 
Rekonvalescenten, durch Arbeitsvermittelung für aus den Heilstätten 
Entlassene, durch Erholungsstätten, durch Invalidenheime, durch 
Kinderheilstätten, durch Ferienkolonien, durch Arbeitergärten und 
durch Förderung des Wohnungswesens ergänzt wird. Der Verf. be- 
zeichnet die Tuberkulusebekämpfung in Deutschland als „ein stolzes, kunst- 
voll, planmässig und mustergiltig aufgeführtes Gebäude, an dem nun eifrig 
weiter gebaut wird“. 

Der vorstehende kurze Ueberblick wird genügen, um einen Begriff von 
dem reichen, wohlgeordneten, fesselnd und kurz dargestellten Inbalt des 
Buches zu geben, welches leicht ermöglicht, sich schnell über bestimmte 
Einzelheiten zu unterrichten. Sein Studium wird als nützlich und angenehm 
angelegentlich empfohlen. Globig (Berlin). 


Die Errichtung und Verwaltung von Auskunfts- und Fürsorge- 
stellen für Tuberkulöse. Herausgegeben von Geh.-R. Pütter und Dr. 
A. Kayserling. Berlin 1905. Verlag von Aug. Hirschwald. 63 Ss. 8°. 

Nach einem kurzen Ueberblick über die bisherige Entwickelung 
der Tuberkulosebekämpfung in Deutschland, der den Segen der 


Infektionskrankheiten. 479 


deutschen Arbeiterversicherung gebührend hervorhebt und das Prinzip des 
gesetzlich gewäbrleisteten „vorbeugenden“ Heilverfahrens von Seiten der Landes- 
versicherungsanstalten, der öffentlichen Armenpflege und dergl. erläutert, wird 
die Notwendigkeit einer organisierten Fürsorge für die Tuber- 
kulösen im vorgeschrittenen Stadium begründet und die Ansicht aus- 
gesprochen, dass für viele leichter Erkrankte, die jetzt in eine Heilstätte 
kommen, der Aufenthalt in der billigeren Walderholungsstätte unter ständiger 
ärztlicher Aufsicht genügen würde, wenn seitens der Fürsorgestellen dafür 
gesorgt wird, dass sie zu Hause in leidlich günstigen Verhältnissen schlafen. 
Dann liessen sich die Aufnahmegrenzen in Heilstätten wesentlich erweitern, 
um so mehr, als man häufig die Beobachtung macht, dass vorgeschrittene 
Fälle nach anfänglicher Krankenhausbehandlung einen günstigen Verlauf nehmen. 
Fälle, die diese Aussicht bieten, sind daraufhin in einem mit Garten oder 
Veranda versehenen Kraukenhause oder in einer Heimstätte resp. Walderholungs- 
stätte 6—8 Wochen zu beobachten. Erfolgt eine Besserung, so rechtfertigt 
sich die Kur in der Heilstätte, wo nicht, muss die Hauspflege einsetzen. Das 
Centrum der gesamten Tuberkulosebekämpfung müssen die Aus- 
kunfts- und Fürsorgestellen werden, welche im Interesse des Kranken 
wie des Gesunden die bestmögliche Ausnützung sämtlicher der Tuberkulose- 
bekämpfung gewidmeten Einrichtungen gewährleisten. In mehreren Kapiteln 
wird die Einrichtung einer solchen Auskunfts- und Fürsorgestelle, 
die Tätigkeit des Vorsitzenden, des Fürsorgearztes und der Fürsorgeschwester 
eingehend geschildert und sodann eine Uebersicht über die diesbezüg- 
lichen Einrichtungen in Berlin gegeben, unter besonderer Berücksich- 
tigung der Verteilung der Fürsorgestellen über die Stadt, der bisherigen Arbeits- 
ergebnisse (1. September 1904 bis 31. März 1905) und der entstandenen Kosten. 
Nachdem sodann der Unterschied der Auskunfts- und Fürsorgestellen 
von den Polikliniken und Dispensaires erläutert ist, werden in einem 
Anbang die Formulare der Berliner Auskunfts- und Fürsorgestellen 
vnd eine Anleitung zur Ausfüllung der Fürsorgejournale abgedruckt, desgl. die 
wichtigsten Bestimmungen des Invalidenversicherungs-Gesetzes vom 
13. Juni 1899, welche ‘die Krankenfürsorge betreffen, und ein Rundschreiben 
des Kanzlers des Deutschen Reiches, betreffend die Krankenfürsorge für 
Tuberkulöse in vorgeschrittenen Stadien. A. Alexander (Berlin). 


Schröder G., VI. Jahresbericht der Neuen Heilanstalt für Lungen- 
kranke zu Schömberg, O.-A. Neuenburg, nebst Bemerkungen zur 
Behandlung der oberen Luftwege des Phthisikers Anhang: 
Witterungsbericht des Jahres 1904 für Schömberg, O.-A. Neuen- 
burg. Stuttgart 1905. 7 Ss. 4°. 

Schröder veröffentlicht in bekannter Weise seine Resultate (86,40/, posi- 
tive Erfolge). Es bedient sich der streng diätetisch-pbysikalischen Heilmethode, 
unterstützt von Medikamenten. Tuberkulin wurde nicht angewandt. Was die 
Behandlung der zahlreichen gleichzeitigen Affektionen der oberen Luft- 
wege anbetrifft, so rät Sch. zu einer weisen Mässigung in der Therapie der- 
selben. Von Inhalationen hat er keinen wesentlichen Erfolg gesehen. Die 


480 Infektionskrankheiten. 


damit verbundenen Atemübungen hält er für unheilvoll. Besteht neben einer 
chronischen, nicht tuberkulösen Erkrankung der Nase, des Rachens oder 
Larynx eine Phthise, so hat letztere für die Wabl eines Kurplatzes den Aus- 
schlag zu geben. Es gibt klimatische Faktoren von emimenter Wichtigkeit 
für die Therapie der Phthise, welche wir an der See, im Binnenlande, in 
niederen, mittleren und höheren Gebirgsregionen finden können. Es gibt aber 
kein die Phthise specifisch heilendes Klima. Nur unser therapeutisches 
Handeln unterstützende Momente sind in jedem Klima der gemässigten Zonen 
‚enthalten. Durch eine Sammelstatistik wird diese Behauptung gestützt. Die- 
jenigen klimatischen und hygienischen Anforderungen, die an einen Kurort 
für Lungenkranke zu stellen sind, werden folgendermassen präcisiert: 

1. Trockenheit, Porosität und Salubrität des Bodens, 

2. Vorhandensein reichlichen guten Quellwassers. 

3. Sanft ansteigende Terrainverhältnisse. 

4. Fehlen von Industrie und allen luftverunreinigenden Betrieben; spär- 
liche, zerstreute Bevölkerung. 

5. Ausgedehnte (Nadel-)Wälder in unmittelbarer Nähe des Kurplatzes. 

6. Fehlen schnellerer und schroffererWitterungsumschläge, möglichst gleich- 
mässige Temperaturen, geringe nächtliche Abkühlung, relativer Windschutz be- 
sonders gegen Nord- und Ostwinde, Seltenheit von Nebel, mässige Niederschläge; 
im Winter möglichst andauernde Schneedecke bei grösster Sonnenscheindauer 
und Intensität der Sonnenstrahlung. 

In mehreren Tabellen wird der Nachweis geführt, dass Schömberg diesen 
Anforderungen im hohen Grade entspricht. 

Bei Halstuberkulose wird seit einiger Zeit die direkte Bestrahlung des 
erkrankten Organes mit Sonnenlicht durchgeführt. 

A. Alexander (Berlin). 


Reischauer, Ueber den Nachweis von Typhusbacillen in den Darm- 
entleerungen mit Verwendung der neueren Anreicherungsmetho- 
den. Centralbl. f. Bakt. Orig. Bd. 39. S. 116. 

Die Arbeit gibt, auf eigne Versuche gestützt, einé kritische Besprechung 
der zur Gewinnung von Typhusbacillen aus den Fäces neuerdings ange- 
gebenen Methoden. Die wichtigsten Schlussfolgerungen des Verf.'s sind etwa 
folgende: 

Für die Bedürfnisse der bakteriologischen Untersuchungsstellen, in denen 
es darauf ankommt, rasch ein Resultat zu erhalten und billig zu arbeiten, 
empfiehlt sich nach wie vor das Arbeiten nach dem v. Drigalskischen oder 
dem Endoschen Verfahren. Allerdings muss man sich bewusst bleiben, dass 
es lange nicht in allen Fällen (die günstigsten Berichte sprechen von ca. 60°/,) 
gelingt, in sicheren Typhusfäces die Typhusbacillen aufzufinden. Für genauere 
Untersuchungen empfiehlt es sich, die neueren Verfahren anzuwenden. Diese 
erfordern jedoch mehr Arbeit und Zeit. Von diesen neueren Verfahren wurden 
geprüft: 1. Zusatz von Koffein zu verschiedenen Nährböden nach Ficker- 
Hoffmann. Dadurch wird jedoch keine absolute, nur eine relative Anreiche- 
rung bedingt, indem manche Fäcesbakterien im Wachstum zurückgehalten 


Infektionskrankheiten. 481 


werden. Gelegentlich aber können andre durch Ueberwucherung die Typhus- 
bacillen verdecken. Zusatz von Koffein zu Drigalskiagar gab keine besseren 
Resultate als der Drigalskiagar allein, ebensowenig ein Zusatz von Natrium 
salieylicum. 2. Zusatz von Malachitgrün nach Löffler bezw. Lentz-Tietz. 
Auch das Verfahren gibt eine gewisse relative Anreicherung; doch schädigt 
auch Malachitgrüän das Wachstum von Typhusbacillen bis zu einem gewissen 
Grade. Verf. schlägt vor, an Stelle des Malachitgrüns zu Agarnährböden 
Koffein zuzusetzen und damit eine Vorkultur auf einer Koffeinagarplatte . anzu- 
stellen; er will damit nicht ungünstige Resultate erzielt haben. Allen diesen 
Methoden haftet jedoch der Nachteil an, dass immer nur sehr geringe Mengen 
der Fäces zur Verarbeitung kommen. Um etwas grössere Mengen zur Unter- 
suchung zu erhalten, hat Verf. auch die. verschiedenen Fällungsmethoden 
(nach Schüder mit Eisenchlorid und Natriumhyposulfit, nach Windelbandt- 
Altschüler mit hochwertigem Typhusserum) für die Untersuchung der Fäces 
herangezogen, aber alle ohne günstiges Resultat; ebensowenig ergab das von 
Ficker und Hoffmann für Wasseruntersuchungen ausgearbeitete Verfahren, 
wenn Verf. dasselbe auf eine Fäcesaufschwemmung übertrug, oder das Cam- 
biersche Verfahren (schnelle Durchwanderung der Typhusbacillen durch Ton- 
kerzen sowobl mit wie ohne Zusatz von Koffein zur Nährlösung) ihm wesent- 
liche Erfolge. 

Einzelheiten über die angestellten Versuche sind im Original nachzulesen. 

Hayo Bruns (Gelsenkirchen). 


Rullmann W., Ueber das Verhalten des in Erdboden eingesäten Ty- 
phusbacillus. Centralbl. f. Bakt. Abt. I. Orig. Bd. 38. S. 380. 

Verf. säte Typhusbacillen in sterile Erdproben ein, und zwar in 
roten Flusssand, durchgesiebten Humus- und Bauschutt. Nach 6 Monaten waren 
noch in allen drei Proben zahlreiche lebende Typhusbacillen vorhanden, nach 
11/2 Jahren im Sand keine mehr, im Humus spärliche und im Schutt ziemlich 
viele, trotzdem inzwischen die Proben staubtrocken geworden waren. Die 
Agglutinationsfähigkeit dieser Bacillen hatte merklich gelitten (Grenze der 
Agglutination vorher 1:10000 und 1:40 000, nachher 1:2500). Auf den 
Humusplatten traten abnorme Kolonien auf, die jedoch bei weiterem Abimpfen 
wieder reguläre Typhuskolonien bildeten. 

Von Interesse ist vielleicht nach die Angabe, dass einige der Typhus 
stämme des Verf.’s Indol zu bilden vermochten. 

Hayo Bruns (Gelsenkirchen). 


Maldagne L., Bacilles d’Eberth dans un kyste de l’ovaire après la 
guérison d’une fièvre typhoide. Centralbl. f. Bakt. Abt. I. Orig. 
Bd. 38. S. 249. 

Befund von Typhusbacillen, die durch Agglutination mit hochwertigem 
Typhusserum und dem Serum der Patientin als solche identificiert wurden, 
in einer während des Typhus anscheinend erst entstandenen, mit 6 Litern 
eines weisslichen Eiters gefüllten Ovarialeyste. 

Hayo Bruns (Gelsenkirchen). 
37 


482 Infektionskrankbeiten. 


Krenker E., Zur Biologie der Typhus-Coli-Gruppe. Centralbl f. Bakt. 
Orig. Bd. 39. S. 14. i 

Die Arbeit gibt eine tabellarische Uebersicht der in neuerer Zeit zur 
Unterscheidung . angegebenen biologischen und chemischen Eigenschaften 
der zur Typhus-Coli-Gruppe gehörenden Bakterien. Nach den Resultaten, 
die bei der Prüfung von 17 verschiedenen Bakterienarten gewonnen wurden, 
unterscheidet Verf. 5 Gruppen, und zwar: 

1. B. coli-Gruppe, 

2. die Gruppe der Fleischvergiftungsbacillen mit B. typhi murium. B. sui- 
pestifer und B. paratyphi A und B. Diese bildet den Uebergang zum 

8. B. typhi abdominalis, 

4. B. dysenteriae Shiga-Kruse, 

5. B. faecalis alcaligenes. 

Geprüft wurde ausser der Beweglichkeit, der Indolreaktion und der Pro- 
teinochromreaktion das Wachstum auf den verschiedenen zur Differenzierung 
angegebenen Nährböden. Für die bakteriologische Untersuchungspraxis ist 
vielleicht die Tatsache hervorzuheben, dass auf Drigalskiagar und Findoagar 
nur die Coligruppe sich durch ibr Wachstum von den übrigen Gruppen 
unterscheidet, während z. B. hinsichtlich des Wachstums auf Rothberger- 
schem Neutralrotagar die grosse zweite Gruppe der Coligruppe gleich steht. 

Hayo Bruns (Gelsenkirchen). 


Kranepuhl, Abscessbildung durch den Bacillus paratyphosus B. 
Münch. med. Wochenschr. 1905. No. 28. S. 1331. 

Bei einem unter ruhrähnlichen, wenig typhusähnlichen Symptomen er- 
krankten Patienten entwickelte sich nach einer Kochsalzinfusion an der In- 
fusionsstelle am Oberschenkel ein Abscess, in dem Paratyphusbacillen 
des Typus B gefunden wurden. Das Serum agglutinierte Typhusbacillen und 
Paratyphusbacillen des Typus A nicht, wohl aber den Typus B bis zu 1:640. 
Mit einem polyvalenten Hogcholera- (Schweinepest-)serum agglutinierte der 
gefundene Bacillus im Verhältnis von 1:6400. Die Erkrankung wurde als 
Paratyphuserkrankung aufgefasst, die unter dem Bilde einer Fleischvergiftung 
verlief. Hayo Bruns (Gelsenkirchen). 


$hibayama G., Paratyphus in Japan. Centralbl. f. Bakt. Bd. 38. H. 5. 
S. 497. 

Mitteilung einzelner Paratyphusfälle in Japan; aus mehreren dieser 
Fälle wurden Bakterien gezüchtet, die dem Typus B der Paratyphusbacillen 
entsprachen und sich auch binsichtlich der Agglutinationsverhältnisse gegen- 
über Paratyphusserum, sowie bezüglich der Pfeifferschen Immunitätsreaktion 
diesen gleich verbielten. Hayo Bruns (Gelsenkirchen). 


Klein E. (London), Ueber die Verbreitung des Bacillus enteritidis 
Gärtner in der Kuhmilch. Centralbl.. f. Bakt. Abt. I. Orig. Bd. 38. 
S. 392. 

Von 39 Milchproben rief bei 20 Proben die Einverleẹibung des Milchab- 


Infektionskrankheiten. 483 


- satzes in die Leiste oder Bauchhöhle von Meerschweinchen eine chronische 
Entzündung der Milz mit Bildung miliarer Knötchen hervor. In sämtlichen 
Tieren, die diese Erkrankung zeigten, liess sich der B. enteritidis Gärtner 
finden, der auch durch rasche Agglutination mit specifischem Serum als 
solcher "anerkannt wurde. Der Bacillus kommt in Milch nur in kleinen Mengen, 
aber anscheinend häufig vor. Als Ursache für das Auftreten des Bacillus 
wurde in allen Fällen grosse Unreinlichkeit beim Abmilchen festgestellt. 
Die mit diesem Bacillus inficierten Milchproben werden unter Umständen als 
gesundheitsschädlich anzusehen sein. 

Aus der kurzen Veröffentlichung geht (nach Ansicht des Ref.) nicht mit 
Sicherheit hervor, dass der isolierte Bacillus mit dem B. enteritidis Gärtner 
identisch ist, da gerade dieser letztere infolge Gruppenagglutination recht 
verwickelte Agglutinationsverhältnisse darbietet. 

Hayo Bruns (Gelsenkirchen). 


Meyer H., Versuche über Behandlung des Tetanus mit Brom, zugleich 
ein Beitrag zur Frage über die Todesursache beim Tetanus. Aus 
d. Path. Institut Berlin. Med. Klinik 1905. No. 51. 

Verf. bezieht sich auf eine frühere Arbeit; er hat bereits früher darauf 
hingewiesen, inwieweit es möglich ist, den Strychnintetanus durch Brom- 
präparate, speciell Bromokoll zu paralysieren. Auch beim Bakterientetanus 
liegt dieser Gedanke nahe, bei dessen Behandlung in Betracht kommt: 

1. Neutralisation des Tetanustoxins, 

2. Paralysierung der pharmakologischen Wirkung des Tetanustoxins, 

3. Ermöglichung der besonders durch den Trismus behinderten Ernährung. 

Die mit Bromkaliam und Bromokoll in Lösung angestellten Versuche des 
Verf.’s ermutigen zur Nachprüfung und Beachtung bei Tetanus. 

Nieter (Halle a. S.). 


$cagliosi, Ueber veränderte Eigenschaften des Bacillus anthracis. 
Centralbl. f. Bakt. Abt. I. Bd. 37. S. 649. 

Der Autor hat die biologischen und morphologischen Veränderungen 
eines Milzbrandstammes untersucht, der 10 Jahre (in Palermo) in Sporenform 
an Seidenfäden angetrocknet aufgehoben worden war. 

Die Seidenfäden waren in üblicher Weise mit der Aufschwemmung einer 
bei 370 gewachsenen 20stündigen Agarkultur getränkt, sodann getrocknet und 
unter Abschluss des Lichts in einem Reagensglas aufgehoben worden. Der 
Stamm war damals höchst virulent. Er tötete 150—300 g wiegende Meer- 
schweinchen in 48 Stunden. 

Nach 10 Jahren liessen sich aus den Sporen wieder Bacillen züchten. 
Das Wachstum in Bouillon ist sehr verlangsamt, ebenso auf Gelatine und 
Agar. Die Gelatineverflüssigung tritt später, erst am 7.—8. Tage ein. Die 
Bacillen bildeten nicht Fäden, sondern waren höchstens zu 2—3 Individuen 
vereinigt. Mit Sclavos Serum trat innerhalb 1/3 Stunde in einer Verdünnung 
von 50—100 Agglutination ein. Meerschweinchen von 250—300 g wurden 
erst nach 72—96 Stunden getötet. 

37* 


484 Infektionskrankheiten. 


Die Ursache dieser Wandlungen liegt vielleicht in den Temperatur- 
schwankungen Palermos. Die mittlere Temperatur im Winter beträgt 15%; 
nur ausnabmsweie zur Nachtzeit bewegt sie sich um 0°%. Im Sommer beträgt 
das Temperaturmittel 30—32°, H. Ziesch& (Leipzig). 


Koeppen A., Zur Diagnose der Influenza und zur Pathogenese ihrer 
Symptome. Deutsche med. Wochenschr. 1905. No. 31. S. 1230. 

Nach dem Verf. ist das Anfangs starke, später abgeschwächte gleich- 
zeitige Auftreten der Eiweiss- und Diazoreaktion im Härn während der 
Dauer des gestörten Allgemeinbefindens für Influenza kennzeichnend und 
eine Folge der Resorption der von den Influenzabacillen gebildeten Toxine. 
Bei der Verwertung dieser Tatsache ist zu berücksichtigen, dass das Gleiche 
auch bei Typhus und Tuberkulose vorkommt. Globig (Berlin). 


Lohr A., Zur Frage der Hämolysinbildung pathogener Staphylo- 
kokkenstämme. Münch. med. Wochenschr. 1905. No. 11. S. 504. 

L. züchtete von einer im Anschluss an ein Panaritium an Sepsis ver- 
storbenen Frau 3 Staphylokokkenstämme und zwar aus dem Panaritium- 
eiter, aus dem Sekret der Cervix uteri und aus dem durch Venaepunktion ar aus 
der linken Kubitalvene gewonnenen Blute. 

Mit jedem Stamme wurde ein 50 ccm Bouillon von der Alkalität 2/, ent- 
haltendes Kölbchen beimpft und 8 Tage bei Bruttemperatur aufbewahrt. Die 
durch Reichelfilter geschickte Bouillon wurde mit Karbollösung versetzt 
und auf Eis gestellt. Sodann wurden auf eine Reihe von Reagensröhrchen 
verschiedene Mengen des Filtrates verteilt, welche durch Zugabe von 0,85 proz. 
Natriumchloratlösung auf 2 ccm aufgefüllt wurden. Dieser Mischung wurde 
je 1 Tropfen frischen, defibrinierten Kaninchenblutes zugesetzt. Darauf ver- 
weilten die Röhrchen 2 Stunden im Thermostaten und schliesslich mehrere 
Stunden im Eisschrank. 

Es ergab sich nun, dass nur der aus dem Panaritiumeiter gezüch- 
tete Stamm Hämolysin bildete und komplette Lösung bewirkte, während 
bei den anderen beiden Staphylokokkenstämmen kein Erfolg eintrat. 

Eine Prüfung, ob Agglutination erfolgte, fiel negativ aus. In diesem 
Falle lieferte also die Untersuchung auf Hämolysinbildung bei Sta- 
phylokokkensepsis kein verwertbares Resultat, und es erwies sich 
unmöglich, durch das beschriebene Verfahren eine Identificierung bezw. Diffe- 
renzierung der einzelnen Stämme vorzunehmen. 


Schumacher (Hagen i.W.) 


Neumann R. 0., Kapseltragende pathogene Streptokokken im Nasen- 
rachenraum. Üentralbl. f. Bakt. Abt. I. Originale. Bd. 36. S. 481. 

Der Verf. gibt eine kurze übersichtliche Beschreibung über von ihm in 

8 Fällen im Speichel, Tonsillenbelag und Sputum isolierte Kapselstreptokokken. 

Das auffallendste Merkmal, woran der Streptokokkus sofort er- 

kannt werden kann, sind die glasigen, wassertröpfchenähnlichen, 

hellen, durchsichtigen Kolonien auf Gelatine oder Agar; ferner 


Infektionskrankheiten. 485 


die wohlausgebildeten, dicken Hüllen und die ziemliche Grösse 
der einzelnen Kokken. Von seinen sonstigen Eigenschaften seien noch 
genannt: Häufig findet man zwei runde grosse Kokken, von einer dicken 
Kapsel umgeben, noch häufiger vier solche; Ketten sind seltener, doch kommen 
dieselben bis zu 30 Gliedern vor. Mitunter zeigen die Kokken mehr ovale, 
an Strept. lanceolat. erinnernde Formen. Manche Stämme färben sich nach 
Gram, andere nicht. Die Kapsel färbt sich mit Anilinfarben nicht oder 
wr ganz schwach. Auf Glycerin- und Zuckeragar gedeihen die Kolonien 
ebenso gut wie auf gewöhnlichem Agar und auf Gelatine, weniger gut auf 
Loefflerserum. In Bouillon entsteht eine schwache Trübung ohne merk- 
lichen Bodensatz. Auf Kartoffeln ist das Wachstum bei einigen Stämmen 
minimal, bei anderen bildet sich ein schleimiger Belag. Milch wird meist 
nach mehreren Tagen koaguliert, ein späteres Peptonisieren des Koagulums 
tritt nur selten auf. Gasbildung, Schwefelwasserstoff- und Indol- 
bildung findet nicht statt. Gelatine wird nicht verflüssigt. Anaörob ge- 
deihen die Streptokokken ebenso gut wie aërob. Länger als 2 Monate hin- 
durch konnte Neumann keine Kultur erbalten-und fortzüchten. Pathogenität 
besteht für weisse Mäuse, Meerschweinchen und Kaninchen, und zwar genügen 
schon Bruchteile von Milligrammen, um den Tod der Versuchstiere in 2 bis 
4 Tagen herbeizuführen. 

Der Verf. gibt sodann noch eine Uebersicht aus der Literatur über 
Befunde von gleichartigen und ähnlichen Streptokokken. Die Frage, ob die 
Kapselstreptokokken an den pathologischen Processen mitbeteiligt oder etwa 
die Urheber derselben sind, lässt der Verf. offen. Dass sie, ähnlich wie die 
gewöhnlichen Streptokokken, häufiger bei Mischinfektionen beteiligt sind, ist 
arzunebmen. Gleichwohl finden sie sich auch in normalen Sekreten, ohne 
dass ihre Pathogenität zunächst zur Wirkung käme. Verf. ist der Ansicht, 
dass den pathogenen Kapselstreptokokken keine andere Bedeutung zukomme, 
als den hüllenlosen Kettenkokken und dass dieselben nur als Varietäten der 
letzteren aufzufassen seien. Jacobitz (Karlsruhe). 


Fraenkel, Eugen, Leber menschenpathogene Streptokokken. Münch. 
med. Wochenschr. 1905. No. 12. S. 548. 

Bei der Züchtung von Streptokokken leisten die von Schottmüller em- 
pfohlenen Blutagar-Mischplatten ausgezeichnete Dienste. Mit Hilfe der- 
selben bat man ausser den bekannten Streptokokken zwei besondere Arten 
kennen gelernt, die sich durch ihr kulturelles Verhalten sowohl untereinander, 
als auch dem Streptococcus pyogenes gegenüber konstant unterscheiden. 
Schottmüller hat den einen derselben als Streptococcus viridans s. 
mitior, den anderen als Streptococcus mucosus bezeichnet. 

Bei dem bekannten Streptococcus pyogenes wird der Blutfarbstoff 
des genannten Nährbodens im Bereich des Impfstrichs und zu beiden Seiten 
desselben aufgelöst und die beimpften Stellen gewinnen ein fast durch- 
sichtiges Aussehen. Der Streptococcus viridans verwandelt den Blut- 
farbstoff in ein schönes, gesättigt grünes Pigment. Die dritte Strepto- 
kokkenart bildet zwar auch einen grünen Farbstoff, seine Kolonien, welche 


486 Infektionskrankheiten. 


übrigens sehr zart sind, fallen aber durch eigentümlich schleimige Be- 
schaffenheit auf. 

Der Streptococcus mitior findet sich besonders bei klinisch sehr pro- 
trabiert und unter eigentümlichen Fiebererscheinungen verlaufenden Endokar- 
ditisfällen, während der Streptococcus mucosus in einer Anzahl von 
Fällen als Erreger der echten fibrinösen lobären Pneumonie anzusehen 
ist. An der frischen Schnittfläche derartiger Lungen fällt eine dünne Schicht 
eines dünnschleimigen, fadenziehenden, durchsichtigen Saftes auf, die wie ein 
heller Firnisüberzug erscheint. Ganz anders erscheint der trockene, glanzlose 
Querschnitt der Lunge eines an Diplococcus lanceolatus-Pneumonie Gestorbenen. 

Wenn dieser Befund sich allseitig als konstant erweisen sollte, würde 
schon am Sektionstisch aus dem makroskopischen Bilde ein Schluss 
auf den den pneumonischen Process im Einzelfalle veranlassenden Krankheits- 
erreger zulässig sein. 

So bieten auch die Lungen bei den durch den Friedländerschen Ba- 
eillus erzeugten Pneumonien ein makroskopisch erkennbares charakteristisches 
Verhalten dar. ` 

F. regt an, auch gegen die genannten Streptokokkenarten specifische 
Sera herzustellen und mit denselben die fraglichen Krankheiten zu bekämpfen. 

F. hebt schliesslich den grossen Wert der Leichenblutuntersuchung 
hervor, die eine sehr einfache Untersuchungsmethode sei und ausgezeichnete 
Resultate liefere. Er bestreitet, dass postmortal stets Bakterien in die Blut- 
babn eindringen und die Befunde der Leichenblutuntersuchung deshalb unver- 
wertbar werden. Bei gut konservierten Leichen können noch 70 Stunden 
post mortem gültige Untersuchungen vorgenommen werden. Wenn man bei 
derartigen Leichen unter allen Cautelen postmortal Blut entnimmt und in 
demselben Mikroorganismen feststellt, so muss man annehmen, dass diese 
auch bereits ante mortem in demselben enthalten waren. 

Schumacher (Hagen i.W.). 


Heim L., Beobachtungen an Streptococcus mucosus. Zeitschr. f. Hyg. 
Bd. 50. S. 139. 

Verf. beschreibt einen im Eiter einer Knochenentzündung des Mittelohrs 
gefundenen ziemlich grossen Doppelkokkus, der 4gliederige Ketten bildet, 
nach Gram nicht entfärbt wird, mit einer Kapsel umgeben ist und 
Mäuse innerhalb von 24 Stunden tötet. Er erklärt ihn für den zuerst von 
Schottmüller 1903 beschriebenen Streptococcus mucosus, der wahr- 
scheinlich auch mit dem von R. O. Neumann 1904 gefundenen Kettenkokkus 
übereinstimmt. Schon Schottmüller hatte beobachtet, dass er meistens in 
6—8 Tagen seine Uebertragungsfähigkeit einbüsst, und der Verf. fand ihn 
auch an Seidenfäden angetrocknet und im Exsiccator aufbewahrt (vergl. das 
vorhergehende Referat), erheblich weniger widerstandsfähig als den Pneumo- 
kokkus, aber immerhin noch nach fast 5 Monaten lebend und infektionstüchtig, 
wenn auch nicht an allen Seidenfäden. Globig (Berlin). 


Infektionskrankheiten. 487 


Wagner, Puerperalerkrankung bei Meerschweinchen. Centralbl. f. 
Bakt. Abt. I. Bd. 37. S. 26. 

Es gingen häufig Meerschweinchen, die trächtig waren, kurz vor oder 
nach dem Wurfe ein, ohne dass sich mit Sicherheit eine Ursache dafür verant- 
wortlich machen liess. Seit 1902 wurden alle vorkommenden Fälle systema- 
tisch untersucht. 3 

Der pathologische Befund war typisch folgender: Der Fruchtsack 
zeigte eine mehr oder minder starke Entzündung, Herzmuskel, Leber und 
Niere waren fettig entartet, grosser Milztumor. In einigen Fällen bestanden 
Entzündungen des Peritoneums, der Pleura und des Pericard. Bei einigen 
Tieren wurden pyämische Metastasen in Lungen und Leber gefunden. Es lag 
somit der Befund teils eines septikämischen, teils eines pyämischen 
Krankheitsprocesses vor. 

Die bakteriologische Untersuchung ergab in den meisten Fällen Strepto- 
kokken in Reinkultur in den befallenen Organen. Die Streptokokken 
wuchsen aörob wie anaërob ähnlich dem gewöhnlichen Streptokokkus, zeigten 
aber keine Hämolysinbildung. Für Kaninchen und Meerschweinchen waren 
sie bei subkutaner Impfung nicht pathogen, wohl aber für Mäuse. 

Die histologische Untersuchung ergab eine eitrige Entzündung aller 
Schichten der Fruchtsackwand, oft mit Abscessbildung, parenchymatöse und 
fettige Degeneration von Herz, Leber und Nieren, in den Lungen häufig lobu- 
lär pneumonische Herde. In allen untersuchten Organen konnten reichlich 
Streptokokken nachgewiesen werden. 

Nach diesen Befunden, auch im Herzblut der erkrankten Tiere wurden 
Streptokokken nachgewiesen, musste man sie als Erreger der puerperalen Er- 
krankung ansehen. Zum Beweise dieser Ansicht wurden zwei gesunde, eben 
entbundene Meerschweinchen intrauterin mit einer Agaraufschwemmung eines 
von einem kranken Tiere isolierten Streptokokkenstammes inficiert. Das eine 
Tier verendete am zweiten, das andere am dritten Tage nach hohem Fieber. 
Der pathologisch-anatomische wie der bakteriologische Befund stimmte mit 
dem der spotan gestorbenen Tiere überein. 

Die aus der Vagina nicht gravider oder auch hochträchtiger Meer- 
schweinchen gezüchteten Streptokokken vermochten, in den Fruchtsack puerpe- 
raler Tiere gebracht, nicht, eine Erkrankung hervorzurufen, während die aus 
Fällen der Epizootie gezüchteten Stämme die inficierten Tiere prompt töteten. 
Die in der Scheide der Meerschweinchen normaler Weise vorkommenden 
Streptokokken sind also harmlose Saprophyten. H. Ziesche (Leipzig). 


Stross 0., Ueber das Wachstum der Gonokokken auf serumbaltigen 
Nähbrböden. Centralbl. f. Bakt. Abt. I. Orig. Bd. 38. S. 492. 

Verf. untersuchte verschiedene Serumarten auf ihre Fähigkeit, dasWachs- 
tum der Gonokokken zu befördern. Menschenserum gibt immer günstige 
Wachstumsbedingungen, wenn es in Mengen von !/,—3 ccm dem Agar beige- 
fügt wird. Tierserum gibt manchmal günstige, manchmal ungünstige Resultate, 
und zwar muss man nach den Ermittelungen des Verf.’s den Grund in indi- 
viduellen Momenten bei den einzelnen Tieren suchen. Da gelegentlich bei 


488 Infektionskrankheiten. 


Zusatz kleiner Mengen Wachstum, bei Zusatz grösserer Mengen des gleichen 
Serums Ausbleiben des Wachstums beobachtet wird, nimmt Verf. die Anwesen- 
heit von wachstumshemmenden Stoffen an. Für diese ganzen Verhältnisse 
spielt nicht die Beschaffenheit der Salze des Serums eine Rolle, sondern die 
der Eiweisskörper, der Kolloide. Durch Erhitzen geht die wachstumsfördernde 
Eigenschaft des Serums nicht verloren. Versuche, das Serum durch ander- 
weitige Eiweissstoffe zu ersetzen, haben nicht zu vollständig eindeutigen Resul- 
taten geführt. Das besondere Verhalten des ‚menschlichen Serums gegenüber 
dem mancher Tierarten steht wahrscheinlich in Zusammenhang mit der Dis- 
position gerade der Menschen für Gonokokkenerkrankungen. 
Hayo Bruns (Gelsenkirchen). 


Riemer, Kurze Mitteilung über eine bei Gänsen beobachtete exsu- 
dative Septikämie und deren Erreger. Centralbl. f. Bakt. Abt. I. 
Originale Bd. 37. S. 641. 

Der Verf. berichtet über den übereinstimmenden Bakterienbefund bei zwei 
an verschiedenen Orten unter den Gänsen aufgetretenen septikämischen Massen- 
Erkrankungen. Nach den ausführlich mitgeteilten morphologischen und bio- 
logischen Eigenschaften des in Rede stehenden Mikroorganismus und nach 
dem Vergleich mit den Erregern anderer, ähnlicher, in der Literatur ange- 
führter Erkrankungen unter Wasservögeln haben wir es mit einer bisher noch 
nicht beschriebenen Art zu tun. Der beschriebene Bacillus ist als ein 
für sich stehender, wohl charakterisierter Krankheitserreger zu 
betrachten und kann vorläufig einer besonderen Gruppe nicht bei- 
geordnet worden. Der Verf. bezeichnet seinen Mikroorganismus als Bacillus 
Septicaemiae anserum exsudativae. Jacobitz (Karlsruhe). 


Mori, Ueber eine bei Katzen aufgetretene, durch einen besonderen 
Mikroorganismus bedingte Epizootie. Centralbl. f. Bakteriol. Abt. I. 
Bd. 38. S. 42 ff. 

In Siena trat eine in wenigen Tagen zum Tode führende Epidemie unter 
Katzen auf. Die Tiere magerten sehr stark ab. Vom pathologischen Be- 
fund war nur die sehr stark vergrösserte Milz sowie eine fettige Degeneration 
der Leber von Interesse. Aus dem Blute, der Milz und Leber liessen sich Mikro- 
organismen in Reinkultur züchten, die der Autor des Näheren studiert hat. 
Die Bacillen, um die es sich handelt, besitzen eine sehr lebhafte Eigen- 
bewegung; ihre Länge variiert von 0,8—2,0 a, in alten Kuluren finden sich 
sehr lange Involutionsformen; sie sind gramnegativ und besitzen 6—8 peri- 
triche Geisseln. Fakultativ a@rob, Temperaturoptimum 30 — 37°. Sehr 
widerstandsfähig gegen Eintrocknen. Wachstum auf Löfflers Bouillon unter 
Häutchenbildung. Gelatine wird nicht verflüssigt. Auch auf Agar, Löffler- 
serum und Kartoffel üppiges Wachstum. Indolreaktion ist negativ. Neutral- 
rot wird entfärbt. Nach ausgedehnten Versuchen des Autors gehört der 
Bacillus zu den indirekt denitrificierenden Keimen. Er ist pathogen für 
alle untersuchten Tiere: Katze, Meerschweinchen, Kaninchen, Taube, weisse 
Maus und Igel. Specifisches durch Immunisierung von Kaninchen gewonnenes 


Infektionskrankheiten. 489 


Seram agglutinierte bei 1:500. Die Kulturen bilden ein thermostabiles Hämo- 
lysin. Auch durch Bakterien nicht enthaltende Bouillonfiltrate wurden 
Kaninchen getötet. Durch fünfmonatliche Fortzüchtung auf Agar wurde die 
Pathogenität für Meerschweinchen wesentlich abgeschwächt. Der Bacillus er- 
hält den Namen: Bacillus caticida. H. Ziesch& (Leipzig). 


Prausnitz C., Zur Frage der Differenzierbarkeit von Cholera- und 
choleraähnlichen Vibrionen mittels des Blutagars. Berl. klin. 
Wochenschr. 1905. No. 19. S. 561. 

Viele Vibrionen, und zwar sowohl choleraähnliche, wie veritable 
Choleravibrionen rufen deutliche Hämolyse hervor. Die bei weitem grösste 
Auzahl der choleraähnlichen Vibrionen zeigt diese Eigenschaft in stärkerem 
Masse als die Choleravibrionen. Schon Kraus hat diese Verschiedenheit be- 
nutzt, um durch Verwendung von Blutagar eine Methode zur Unterscheidung 
der Choleraerreger zu schaffen. Prausnitz hat an dem grossen Vibrionen- 
material des Hamburger Hygienischen Instituts, das 49 Cholerastämme und 
156 choleraähnliche Vibrionenkulturen umfasste, diese Frage zu entscheiden 
gesucht. 

Besonders gut eigneten sich für diese Versuche Kaninchen- und Kalbs- 
blut, das steril aufgefangen und defibriniert wurde. Auf 10 proz. Blut- 
agar zeigten innerhalb’ 24 Stunden die sämtlichen Cholerakolonien, die 
isoliert lagen, bei makroskopischer Besichtigung keine Hämolyse (Bildung 
eines hellen Lösungshofes); nach mehr als 24 Stunden, und auch beim Wachs- 
tum im dicken Impfstrich, dagegen trat auch hier eine Aufhellung des Nähr- 
bodens auf. Von den 149 choleraähnlichen Wasservibrionen dagegen zeigten 
144 schon innerhalb 24 Stunden bei einzeln liegenden Kolonien deutlich 
helle Höfe, während nur fünf sich ähnlich wie echte Cholera verhielten. 
Von 7 choleraähnlichen Darmvibrionen dagegen verhielten sich 6 wie Cholera- 
vibrionen, einer wie die Wasservibrionen. Verf. schlägt vor, bei der Cholera- 
diagnose aus der Peptonvorkultur Blutagarplatten zu beschicken, da hierdurch 
leichter die Choleravibrionen von den unter Umständen ebenfalls in den. 
Fäces vorhandenen choleraähnlichen Vibrionen getrennt werden könnten. 

Die Eigenschaft der Hämolyse beruht im wesentlichen auf dem Inhalt 
der Vibrionenleiber selbst, nicht in den löslichen filtrierbaren Stoffwechsel- 
produkten. Ein aus diesen Leibern durch Zerreiben hergestelltes Extrakt 
zeigte starke hämolysierende Eigenschaften. Die Hämolyse selbst ist aller Wahr- 
scheinlichkeit noch eine primäre Zerstörung des Hämoglobins. 

Hayo Bruns (Gelsenkirchen). 


Klein, Ueber einen neuen tierpathogenen Vibrio — Vibrio cardii. 
Centralbl. f. Bakt. Orig. Bd. 38. S. 173. 

Der Verf. hat Untersuchungen über die Bakterienflora der Austern und 
Muscheln angestellt und hierbei mit Hilfe des Drigalski-Conradischen 
Nähragars aus einer Herzmuschel (Cardium edule) einen tierpathogenen 
Vibrio isoliert, für den er den Namen Vibrio cardii vorschlägt. Eine Oese 
einer 24—48 stündigen Agarkultur tötet intraperitoneal eingespritzt Meer- 


490 Infektionskrankbeiten. 


schweinchen innerhalb 20 Stunden. Subkutan injiciert rufen selbst grosse 
Dosen nur einen lokalen Tumor hervor. Die Kolonien auf Drigalski-Con- 
radiagar sind blau, rundlich, im Centrum erhaben, flach am Rande, erreichen 
in 2—3 Tagen einen Durchmesser von mehreren Millimetern. Die Gelatine 
wird verflüssigt, beim Gelatinestich entsteht dieselbe trichterförmige Ein- 
ziehung wie beim Choleravibrio. In Peptonsalzwasser und Bouillon 
wächst der Vibrio gut und bildet nach mehreren Tagen ein uuvollkommenes 
Häutchen, das aus einer Masse von wellenförmigen und spiraligen Fäden be- 
steht. Nitrosoindol wird nicht gebildet. Lakmusmilch wird gerötet, 
doch bleibt die Milch 8 Tage hindurch flüssig, später tritt Gerinnung ein. 
Erstarrtes Blutserum wird langsam zu einer syrupösen, braunen Masse ver- 
flüssigt. Jacobitz (Karlsruhe). 


Galli-Valerio und Rochaz-de Jongh, Ueber die Wirkung von Aspergillus 
niger und A. glaucus auf die Larven von Culex und Anopheles. 
Vorläufige Mitteilung. Centralbl. f. Bakt. Orig. Bd. 38. S. 174. 

Die Verff. stellten Versuche an über die geeignetsten Mittel zur Ver- 
nichtung der Larven der Culiciden durch pflanzliche Parasiten. 
Versucht wurde die Infektion mit Bac. megatherium, B. subtilis, B. proteus, 
B. pneumoniae, Actinomyces chromogenes, Penicillium glaucum, Aspergillus 
niger und Asperg. glaucus. Nur mit den beiden letzgenannten gelang es 
einigen Erfolg zu erreichen. Die Verff. beobachten nach Inficierung von 
Wasser eines kleinen Behälters mit Asp. niger- und Asperg. glaucus-Sporen 
eine eigentümliche Veränderung der Culex- und Anopheleslarven, die darin 
bestand, dass bei denselben nach Verschlucken der Sporen der genannten 
Pilze eine Verstopfung des Darmkanals eintrat und dass beim Versuch, 
diese auszustossen, oft der ganze Darmtraktus mit herausgetrieben wurde. 
Die meisten Larven gingen alsdann zu Grunde. Weniger gūnstig war das 
Resultat, als man die Inficierung der in einem 30 Liter enthaltenden Wasser- 
tümpel vorhandenen zahlreichen Culex- und Anopheleslarven auf dieselbe 
Weise versuchte, und ebenso, als das Verfahren angewendet wurde, um die in 
einem Fasse befindlichen Culex- und Anopheleslarven zu inficieren. Die Verff. 
konnten zwar die Inficierung mehrerer Larven feststellen, doch fehlte die 
Bildung der charakteristischen Verlängerung. Eine schädigende Wirkung der 
Sporen auf Fische wurde, wie besondere Versuche zeigten, niemals beob- 
achtet. Die Experimente sollen fortgesetzt werden. 

Jacobitz (Karlsruhe). 


Roos E., Die im menschlichen Darm vorkommenden Protozoen und 
ihre Bedeutung. Med. Klinik. 1905. No. 52. S. 1328. 

Verf. gibt eine Zusammenstellung der Ansichten über das Vorkommen und 
die Schädlichkeiten der Darmprotozoön. Gefunden sind im Darm bereits 
Angehörige aller der 4 Hauptklassen der Protozoön und zwar von Sporozoen: 
Coccidien; von Mastigophoren: verschiedene Flagellaten; von Ciliaten: einzelne 
Infusorien und von den Rhizopoden: die Amöben. 

Während die klinischen Erfahrungen bei Coccidienbefund verhältnismässig 


Infektionskrankheiten. 491 


geringe sind, sind diese grösser bei den Flagellaten, von denen in Betracht 
kommen Megastoma, Cercomonas und Trichomonas. Bei allen ist die patho- 
gene Bedeutung noch nicht genügend festgestellt. Die mit den Flagellaten 
zusammenhängenden Darmstörungen sind zwar vielfach hartnäckig, doch scheinen 
tiefere Läsionen der Darmschleimhaut nicht vorzukommen. Anders verhält es 
sich in dieser Hinsicht mit dem bisher von den Ciliaten im Darm allein be- 
obachteten Balantidium coli, dem nach allen Beobachtern eine entschiedene 
pathogene Wirkung zukommt. Die Balantidien des Schweines scheinen eine 
andere Art zu sein. Sie unterscheiden sich durch ihre Grösse; die mensch- 
lichen sind etwas kleiner, 60—70 u, die des Schweines 70—100 a. Bei den 
Amöben muss man zwei verschiedene Arten unterscheiden und zwar nach 
Quincke, Schaudinn und Verf. Amoeba coli felis und Amoeba coli mitis, 
die in der Beschaffenheit ihres Protoplasmas und in ihrer Dauerform Ver- 
schiedenheiten aufweisen. Amoeba coli mitis ist etwa den Flagellaten gleich- 
zustellen, sie enthält niemals rote Blutkörperchen, sundern nur andere körper- 
liche Elemente; dagegen Amoeba coli felis ruft schwere ulceröse Colitis hervor. 
Sie dringt in die Darmdrüsen und Drüsenlumina ein; Verf. sah sie auch in 
Blutgefässen. Nieter (Halle a. S.). 


Nissie A., Beobachtungen am Blut mit Trypanosomen geimpfter 
Tiere. Arch. f. Hyg. Bd. 53. S. 181. 

Sie erweitern die vorläufige Mitteilung im Novemberheft 1904 und bringen 
die Ergebnisse langwieriger und mühevoller Untersuchungen, die Verf. in dem 
hygienischen Institut der Universität Berlin seit 1904 vorgenommen hat. Er 
experimentierte mit den verschiedensten Trypanosomenarten bei Ratten, 
Mäusen und Meerschweinchen. Biutausstriche fixierte er in Alcohol. absol. 
und färbte nach der älteren Giemsaschen Methode. Im allgemeinen liess er 
die Tr.-Infektion einen hohen Grad erreichen, um sie dann plötzlich zu ver- 
ringern, dabei stellt er morphologische Veränderungen der roten Blutzellen 
fest, versucht sie zu deuten und liefert dadurch Beiträge, die unsere Kenntnis 
der normalen und pathologischen Blutelemente fördern können. Nach ihm 
können Tr. derch rote Blutkörperchen hindurchschlüpfen, sie können auch in 
ihnen verharren, so dass sie färberisch nachweisbar werden. 

Die Erfahrung, dass auf künstlichen Nährböden gezüchtete Trypanosomen 
bakterieller Verunreinigung sofort erliegen, übertrug Verf. auf Tr. im cirku- 
lierenden Blut, indem er weissen Ratten auf der Höhe der Tr.-Infektion 
kleine Mengen Prodigiosus intraperitoneal beibrachte. In einem Fall "gelang 
es ihm, 45 Stunden nach der Prodig.-Injektion die vorher schr reichlich vor. 
banden gewesenen Parasiten bis auf ganz spärliche Exemplare zu vernichten. 
lm Blut dieser Ratten fand er grosse Mengen polychromatophiler Erythrocyten 
und Megalocyten, von denen häufiger hufeisenförmige Gebilde umschlossen 
waren, deren Konturen Tr. entsprachen, die undeutliche Andeutung des Kerns 
und grössere oder kleinere Mengen roter Körnchen “enthielten. In einem 
Megalocyten waren besonders deutlich die Konturen eines geissellosen Tr. mit 
blassem Kern und leuchtend rotem Centrosom erkennbar. Die Ansicht, dass 
chromatiorote, diplokokkenähnliche, auch an in Teilung begriffene Geissel- 


492 Infektionskrankheiten. 


wurzeln erinnernde, punktförmige Gebilde von 1/;—1/; u Grösse, meist von 
einem schmalen Hof umgeben, die im Blut von Ratten mit künstlich zurück- 
gedrängter Tr.-Infektion und bei grauen Ratten festgestellt wurden, die an 
Orten gefangen waren, wo Tr. Lewisii angetroffen wird, Latenzzustände der 
Tr. darstellen, konnte bei weiteren Untersuchungen nicht aufrecht erhalten 
werden, da sie sich allerdings erst bei längerer Färbung auch im normalen 
Blut weisser Ratten nachweisen liessen. Deshalb nimmt Verf. eine Einwan- 
derung von Tr. in die Blutkörper mit Recht nur dann als zweifelsfrei an, wenn 
zugleich ein umschriebener Plasmakörper mit Kern und Geisselwurzel vor- 
handen ist. Nach sorgfältiger diagnostischer Vergleichung dieser Doppel- 
körnchen in den Blutzellen mit in der Literatur beschriebenen ähnlichen Ge- 
bilden stellt Verf. sie den Dehlerschen Centrosomen in den Blutkörperchen 
von wenige Tage alten Hühnerembryonen am nächsten. Auch die von Dehler 
zuerst beschriebene reifenartige Einfassung der Blutzellen hat Verf. bei poly- 
chromatophilen Blutzellen von Meerschweinchen feststellen können, bei denen im 
Verlauf einer Caderas- und Naganainfektion spontane Remission eingetreten 
war, ganz vereinzelt auch im Blut normaler Meerschweinchen und merkwür- 
digerweise auch im Blut von fieberhaft erkrankten Menschen. 

Des weiteren werden die Verschiedenheiten in der Art der Bewegung von 
Tr. Brucei und equinum einerseits, Lewisii andererseits näher analysiert, dann 
die Gründe erörtert für die Annahme eines Durchschlüpfens der Tr. durch 
Blutzellen. Bezüglich des Aufsuchens von Heilmitteln gegen Trypanosomen- 
krankheiten macht Verf. darauf aufmerksam, dass sowohl durch Injektion von 
Prodigiosus, Malachitgrün, arseniger Säure und Trypanrot wie auch durch 
rascheren, nicht künstlich beeinflussten Abfall der Infektion, hämolytisch wir- 
kende Stoffe erzeugt werden in solcher Ausdehnung, dass nach vollständiger 
Heilung der Infektion der Tod durch Anämie eintreten kann. 

Trembur (Wilhelmshaven). 


v. Wasielewski, Ueber die Technik des Guarnierischen Impfexperi- 
mentes und seine Verwendung zum Nachweis von Vaccineer- 
regern in den inneren Organen von Impftieren. Münchener med. 
Wochenschr. 1905. No. 25. S. 1189. 

v. Wasielewski bespricht eingehend die von ihm zum Studium des 
Vaccineerregers gründlichst erprobte Impfung der Kaninchenhornhaut 
mit Vaccine. Die Vaccinereaktion ist da, wenn an der Impfstelle 

1! eine über den physiologischen Regenerationsvorgang hinausgehende 
Epithelvermehrung eingetreten ist, 

2. wenn nach 48—72 Stunden mit Kernfärbung darstellbare Zellein- 
schlüsse in der Nähe des Impfstiches zahlreich sind, die den Kernen anliegen 
und, die der Art verschieden geformt und verschieden gross sind, dass die 
grössesten Zelleinschlüsse nahe der Rinstichsstelle, die kleineren von ihr ent- 
fernter liegen. 

v. Wasielewski hat auch die Organe der geimpften Kaninchen auf ihre 
vaceinale Virulenz geprüft. Aus den Nieren konnte er die Keime der Vaccine 
erst am 5. Tage gewinnen und mittels Hornhautimpfung nachweisen. Zum 


Infektionskrankheiten. 493 


Zwecke der Untersuchung der Guarnierischen Zellveränderungen tötet W. 
die Kaninchen nicht, es genügt den Augapfel und die Nickhaut zu fixieren 
und etwas von der getrübten Stelle der Hornhaut abzuschaben. 

Voigt (Hamburg). 


Negri A., Experienze sulla filtrazione del virus vaccinico. Gaz. 
med. Ital. 1905. p. 1337. Referat darüber: Centralbl. f. Bakt. Referate. 
Bd. 36. S. 748. 

Prowazek S., Untersuchungen über das Wesen des Vaccineerregers. 
Deutsche med. Wochenschr. 1905. No. 19. S. 752. 

Rouget M. J., Contribution à Pétude du virus vaccinal. Compt. rend. 
de la Soc. de Biol. 1905. p. 970. 

Die Ergebnisse der Forschungen nach dem Wesen des Variola- und 
Vaccineerregers laufen mehr und mehr darauf hinaus, dass die als Cyto- 
ryctes Guarnieri viel beschriebene Zellveränderung nicht der Erreger selbst 
ist. Einer vorläufigen Mitteilung Prowazeks zufolge ist eine grössere Arbeit 
aus dem Protozoönlaboratorium des Kais. Gesundheitsamtes, die sich auch in 
diesem Sinne aussprechen wird, zu erwarten. Prowazek hält den Erreger 
an das Protoplasma der Zellen für gebunden. Die ausserordentliche Kleinheit 
des Erregers wird ersichtlich aus den von Negri und von Rouget ange- 
stellten Filtrierversuchen der Vaccine. Sie bekamen im Filtrat den Erreger 
nicht zu Gesicht, doch hatte er die Filter passiert. 

Negri hat 10—12 fach verdünnte animale Vaccine mit 2—3 Atmosphären 
Druck durch Berkefeldfiilter filtriert. Das Filtrat erwies sich auf verschiedenen 
Nährböden als steril, rief aber in der Kaninchenkornea die bekannten Guar- 
nierischen Zellveränderungen hervor, und es gelang Negri auch, an einem 
Kalbe, dem dieses Filtrat an 15 Schnittflächen eingeimpft worden war, eine 
wirkliche Vaceinepustel hervorzurufen. Als Negri aber diese Masse durch 
Chamberland filtrierte, erhielt er ein unwirksames Filtrat. Rouget hat 
die Vaccine durch Berkefeld V und W filtriert, die erhaltene Masse zu je 
40 g, also in grossen Mengen, 4 Rindern subkutan eingespritzt. Eine örtliche 
Reaktion blieb zwar aus, aber die Tiere erwiesen sich der nachfolgenden 
Probevaccination gegenüber als immunisiert. Das Kontagium der Vaccine 
hatte also auch in diesen Fällen ein Filter passiert; ganz enge Filter scheinen 
für das Kontagium aber doch undurchgängig zu sein. 

Voigt (Hamburg). 


Bertarelli und Volpino, Experimentelle Untersuchungen über die Wut. 
Filtration des Strassenvirws und Erschöpfung des Virus durch 
die Filter. II. Bericht. Centralbl. f. Bakt. Abt. I. Originale. Bd. 37. S. 51. 

Die Verff. haben Versuche angestellt, die den Zweck hatten, zu prüfen, 
ob sich das Strassen- und Durchgangsvirus bei der Filtration 
durch Berkefeldfilter ebenso wie der Virus fixe verhielten, und ob 
es gelang, durch allmähliche Verdünnungen des Filterrückstandes nach 
einer ersten Filtration das Virus ganz durch den Filter hindurchzu- 
bringen. Die zu den Versuchen benutzten Filterkerzen waren von der Firma 


494 Infektionskrankheiten. 


Berkefeld präpariert, und zwar so, dass sie unter Druck von 3 Atmosphären 
5—10 Liter pro Minute abgaben. Zur Einspritzung der Kaninchen wurden 
nicht nur die Filtrate und der allmählich stark verdünnte Rückstand, sondern 
auch die durch Abschabungen von den Filterkerzen gewonnene und einer be- 
sonderen Behandlung unterworfene Kerzenmasse selbst verwendet. Die Verf. 
folgern aus ihren Versuchen, auf die im Einzelnen nicht näher eingegangen 
werden soll, dass im Gegensatz zu dem, was andere Autoren behauptet haben, 
im Wutvirus Elemente sich vorfinden, die umfangreicher sind, als 
die Poren dieser Kerzen (also nicht unter 0,5%) und im Stande, die 
Wut zu übertragen. Jacobitz (Karlsruhe). 


Konrädi, Ist die Wut vererbbar? Centralbl. f. Bakt. Abt I. Originale. 
Bd. 38. S. 60. 

Eine sichere placentare Uebertragung von Mutter auf Kind wurde schon 
beobachtet bei Infektionen mit Milzbrand, Pneumonie, Typbus, pyogenen 
Kokken, Febris recurrens, Variola, Malleus, Syphilis und Tuberkulose. Da 
die Mitteilungen in der Literatur über die Vererbbarkeit der Wut einander 
widersprechen, ist der Verf. dieser Frage experimentell näher getreten, und 
zwar wurde sowohl Durchgangs-, als auch Strassenwirus benutzt. Auf Grund 
seiner Versuche kommt der Verf. zu den Ergebnissen: 

1. das Virus geht von der Mutter auf den Fötus über (wohl auf 
dem Wege durch das Placentarblut), scheint aber inzwischen abgeschwächt zu 
werden. 

2. Zu solchen Untersuchungen sollte man nicht nur Kaninchen, sondern 
auch Meerschweinchen benutzen, da diese für die Wut empfänglicher sind. 

3. Die Beobachtungsdauer muss auf ungefähr 1!/, Jahr verlängert werden. 

Jacobitz (Karlsruhe). 


Konrädi, Weitere Untersuchungen zur Kenntnis der Symptome und 
Propbylaxe der experimentellen Lyssa. Centralbl. f. Bakt. Originale. 
Bd. 38. S. 194. 

Die mitgeteilten Untersuchungen bilden die Fortsetzung früherer (vergl. 
Centralbl. f. Bakt. Orig. Bd. 33). Sie gehen darauf aus, die Zeit festzu- 
stellen, binnen welcher bei der Lyssa mit einer Lokalbehandlung 
Erfolg zu erwarten sei. Ausgeführt wurden diese Versuche an Kaninchen. 
Zwei Versuchsreihen und die dabei gemachten Beobachtungen werden aus- 
führlich mitgeteilt. Die Schlussfolgerungen, die der Verf. aus denselben zieht, 
sind folgende: 

1. Den Ausbruch der Wutkrankheit kann man mit einer Lokal- 
behandlung verhindern, 

2. diese Lokalbehandlung muss bei Verletzungen der Extremi- 
täten innerhalb 12, bei Gesichtswunden binnen 3 Minuten folgen, 
kann.aber auch nach 30 Minuten von Nutzen sein, 

3. die Lyssa kann auch recidivieren, wie die anderen Infek- 
tionskrankheiten, 


Infektionskrankheiten. 495 


4. das Lyssavirus scheint im schweren Kampfe mit dem tieri- 
schen Organismus in seiner Virulenz abgeschwächt zu werden, 
5. die individuelle Empfänglichkeit soll auch bei Laborato- 
rinmsuntersuchungen in Betracht genommen werden. 
Jacobitz (Karlsrube). 


v. Hansemann, Was wissen wir über die Ursachen der bösartigen 
Geschwülste? Berl. klin. Wochenschr. 1905. No. 12. S. 313. 

Die herrschenden Theorien bewegen sich in drei Richtungen. Die eine 
sieht den Krebs als eine parasitäre Erkrankung an, eine andere legt 
das Hauptgewicht auf erbliche-Verhältnisse, die dritte auf Traumen. 

Was die parasitäre Theorie anlangt, so spricht zunächst dagegen, dass 
Uebertragungen von Krebsen vom Menschen auf Tiere bisher nicht gelungen 
sind. Wohl liessen sich bösartige Tumoren von Tier zu Tier innerhalb der- 
selben Species übertragen; es handelte sich dabei aber stets um Transplan- 
tationen, nicht um Infektionen. Man hat zum Beweise der parasitären Theorie 
die häufig beschriebenen Krebsendemien bei Menschen und Tieren, den Cancer 
à deux u.s. w. herangezogen; indes sind die in der Literatur niedergelegten 
Tatsachen in der genannten Hinsicht wenig beweisend. Ebenso ist die viel- 
fach behauptete grosse Zunahme des Krebses nur eine scheinbare, einmal, 
weil jetzt das Durchschnittsalter gestiegen ist und somit häufiger das durch 
Krebs am meisten gefährdete Lebensalter erreicht wird, ferner, weil jetzt 
bessere Diagnosen gestellt werden; nach de Bovis betrifft die Zunahme allein 
die Krebse der inneren Organe, nicht die gut diagnosticierbaren äusseren Krebse. 
Was endlich bei Krebs als Parasiten angesprochenen Gebilde betrifft, so ist 
noch für keines der einwandfreie Beweis geliefert worden. Es liegt überhaupt 
gar kein logisches Bedürfnis vor, den Krebs als eine parasitäre Krankheit 
anzusprechen. Vor allem besteht gar keine Analogie mit bakteriellen Er- 
krankungen. 

Die für die Vererbungstheorie anzuführenden Tatsachen sind dürftig 
und halten der Kritik nicht Stand. Höchstens könnte man die Vererbung einer 
gewissen Disposition anerkennen, mit einer Berechtigung aber nur beim Xero- 
derma pigmentosum. fi 

Bezüglich der traumatischen Aetiologie der bösartigen Geschwülste 
lehnt Verf. die Möglichkeit der Entstehung einer solchen Geschwulst durch 
ein einmaliges, heftiges Trauma ab. Es kommen vielmehr nur geringere, aber 
chronisch einwirkende Reize in Frage, so auch alte entzündliche Processe. 
Freilich lässt sich eine solche Aetiologie nicht für alle Krebse nachweisen, 
doch ist Verf. durchaus der Ansicht, dass Krebse durch solche chronische 
Reizzustände, die Traumen im weitesten Sinne darstellen, entstehen können. 
Verf. formuliert seine Anschauung kurz folgendermassen: Alles, was in der 
menschlichen Pathologie geschieht, kommt durch die Wechselwirkung von 
Reiz und Reizbarkeit zustande. Die Reizbarkeit der menschlichen Gewebe ist 
variabel, und so gibt es jedenfalls Menschen, die gegenüber der Krebsent- 
wickelung vollkommen hinfällig sind und bei denen irgend ein geringfügiger, 
sonst nebensächlicher Reiz genügt, um Krebs zu erzeugen. Neben dieser Dis- 


496 Infektionskrankheiten. 


position, die angeboren und wahrscheinlich auch erworben sein kann, sind 
Qualität und Quantität des Reizes massgebende Faktoren. Es ist unrichtig, 
von einer einzigen Aetiologie der Geschwülste zu sprechen. Man wird später 
vielleicht für jede einzelne Gruppe der Geschwülste andere Ursachen nach- 
weisen können. Beitzke (Berlin). 


Chantemesse A. et Borel Fr., Moustiques et fièvre jaune. Paris 1905. 
J.-B. Bailliere et fils. 96 pp. 8°. 1 Frcs. 50 Cent. 

Mit der kleinen, äusserst anregend geschriebenen Monographie beabsich- 
tigen die Verff., die Frage klar zu stellen, ob Frankreich besondere sani- 
tätspolizeiliche Massregeln treffen muss, um sich vor Gelbfieberinvasion zu 
schützen. Sie nehmen nicht nur die heute, wohl allseitig anerkannten Grund- 
sätze über die Weiterverbreitung des Gelbfiebers als Ausgangspunkt für ihre 
Betrachtung, sondern sie unterziehen auch die Gelbfieberfälle und -epidemien 
in europäischen Häfen seit 1700 einer kritischen Besprechung. Da hierbei 
auch den Fortschritten der Schiffshygiene in den letzten Decennien nach jeder 
Richtung Rechnung getragen wird, bietet das Buch eine Fülle des Interessanten. 
Deshalb möge dem Referat ein etwas weiterer Raum als sonst üblich ge- 
währt werden. 

Das erste Kapitel beginnt mit einer kurzen geschichtlichen Entwickelung 
der heutigen Theorie über Gelbfieberverbreitung. Dass Carlos Finlay (der 
bereits seit 1881 die Ueberzeugung vertreten hat, dass Stechmücken und zwar 
Culex fasciatus die Zwischenträger sind, Ref!) jetzt nach 24 Jahren von den 
Verff. die Ehre zugesprochen wird, als erster die Mückentheorie bei Gelbfieber 
ausgesprochen zu haben, verdient Beachtung. Die von den verdienstvollen 
Forschern Reed, Caroll und Agramonte, Marchoux, Simond und Sa- 
limbeni aufgestellten Leitsätze sind einzeln wiedergegeben. 

Gelbfieber kommt ausschliesslich da zur Weiterverbreitung, wo Stegomyia 
fasciata vorkommt, deren Existenz nur zwischen den 43. Breitengraden möglich 
ist, wo sie die für ihre Entwickelung und Fortpflanzung notwendige Wärme 
von ca. 28° © findet. Frankreich liegt zum grössten Teil ausserhalb dieser 
Breite. Der kleine südlichste Teil des französischen Festlandes, der südlich 
von 43° liegt, kommt deshalb nicht in Betracht, da der einzige kleine Hafen- 
ort dort Port Vendres kaum jemals von Schiffen aus Gelbfiebergegenden an- 
gelaufen wird. Von den französischen Kolonien jedoch liegen alle mit Aus- 
nahme von zwei kleinen Inseln St. Pierre und Miquelon südlich von Neufund- 
land im Bezirk der Stegomyia. (Die deutschen Kolonien liegen alle innerhalb 
der 43. Breitengrade. Ref.) Zwei übersichtliche Kartenskizzen veranschaulichen 
diese Verhältnisse. 

Ausserhalb dieser Breitengrade bildet ein Gelbfieberkranker keine Gefahr. 
Selbst wenn mit ihm einige inficierte Mücken eingeführt sind, gehen diese 
bald zu Grunde. Von dem an Land gebrachten Kranken kann eine Weiter- 
verbreitung nicht ausgehen, da die Zwischenträger fehlen. 

Aus der geschichtlichen Betrachtung entnehmen wir, dass nur in Spanien 
und Portugal Gelbfieberepidemien vorgekommen sind, die meist von Cadiz, 
auch von Lissabon und Barcelona ausgingen. Auch in Livorno, das auf 43,50 


Infektionskrankheiten. 497 


liegt, also fast noch auf der Schwelle der Grenzbreite, schloss sich an einen 
von Spanien importierten Fall 1804 eine heftige Epidemie, die 600 Tote 
forderte. Im Laufe des vorigen Jahrhunderts sind eine Reihe von Gelbfieber- 
kranken in Marseille, Brest, Falmouth, Southampton, London, Triest u. a. aus- 
geschifft. In keinem Fall kam es zu einer Verbreitung, ohne dass die Qua- 
rantäne- und Desinfektionsmassregeln andere gewesen sind als in den beiden 
südlicheren Ländern. Die einzigste Erklärung ist das Vorkommen bezw. Fehlen 
der Zwischenträger. Die ersten Häfen gehören zu den inficierbaren, die letz- 
teren zu den nicht inficierbaren Gegenden. 

Seit 1870 ist die Zahl der in Europa eingeführten Gelbfieberfälle fast 
plötzlich zurückgegangen, obwohl der Schiffsverkehr mit Westindien, Süd- und 
Centralamerika gerade in dieser Zeit sich enorm vergrössert hat, und ohne 
dass im System und der Handhabung der Gegenmassregeln eine Aenderung 
eingetreten wäre. Diese zunächst paradox erscheinende Tatsache erklären die 
Verf. mit dem Umschwung im Baw und der Einrichtung der Schiffe. Wenn 
dieser Umschwung auch nicht in erster Linie auf hygienische Bestrebungen 
zurückzuführen ist, sondern hauptsächlich im Interesse der Konservierung der 
Ladung erfolgte, so kamen doch alle diese Aenderungen der Schiffshygiene 
zu Gute. Die hölzernen Schiffe wichen den eisernen. Diese können fast völlig 
trocken gehalten werden, während jene in ihren untersten Räumen stets 
stagnierendes Wasser enthielten, welches bald in Fäulnis überging und Mücken 
als Ablagestelle für ihre Eier dienen konnte. 

Die besseren Lüftungseinrichtungen und die Art der Trinkwasserunter- 
bringung in geschlossenen eisernen Tanks, wie überhaupt die verbesserte Trink- 
wasgerversorgung an sich trugen dazu bei, das Leben und die Weiterentwicke- 
lung von Stechmücken zu erschweren. Von grosser Bedeutung ist auch die 
Erhöhung der Fahrgeschwindigkeit gewesen. Auf Segelschiffen, die 40 bis 
50 Tage und noch länger für eine Fahrt aus Gelbfieberländern nach europäi- 
schen Häfen gebrauchten, hatten die mitgenommenen Mücken Zeit sich zu 
vermehren, sich an den an Bord befindlichen Kranken von Neuem zu infi- 
cieren und so die Infektion unter sich und der Besatzung zu unterhalten. 
Dampfer erledigen dieselbe Fahrt in 15—25 Tagen, sie bringen die mitge- 
nommenen Mücken viel schneller in für sie ungünstige äussere Verhältnisse, 
so dass sie vermehrungsunfähig werden oder bald absterben. 

In 3 Kapiteln gehen die Verff. näber auf die einzelnen Gelbfieberfälle in 
europäischen Häfen ein, besprechen zunächst das Schicksal der in nördlich 
vom 43.0 gelegenen Hafenplätzen eingeschleppten Fälle, dann die Epidemien 
in südlichen Häfen und schliesslich den Verlauf und die Verbreitung auf 
Schiffen während der Fahrt. Das, was früher bei vielen dieser Fälle uner- 
klärlich erschien, findet heute im Lichte der modernen Theorie ungezwungene, 
einwandsfreie Deutung. Fünf sinnreich angelegte Tabellen machen es leicht, 
sich über die einzelnen, des weiteren ausgeführten Fälle zu orientieren. 

Im 8. und letzten Kapitel werden die notwendig gehaltenen Vorbeuge- 
und Abwehrmassregeln gegen Gelbfieber aufgeführt. Sie sollen bestehen auf 
Schiffen in Gelbfieberhäfen in Schutz der Besatzung gegen Mückenstiche durch 
Messinggazejalousien aller Schiffsfenster, durch Verbot an Land zu schlafen, 


498 Infektionskrankheiten. 


Vermeiden von Wassertümpeln im Schiffe besonders in der Küche und in leeren 
Konservenbüchsen, die oft zu irgend welchen Zwecken in verborgenen Winkeln 
verwahrt werden, im Verbot, im Logis der Mannschaft, in den Kammern der 
Offiziere und Passagiere Pflanzen zu halten, die häufig Stechmücken zum Unter- 
schlupf dienen (siehe auch Gudden, Arch. f. Schiffs- u. Tropenhyg. Bd. 9. 
„Gelbfiebermücken an Bord.“ Ref.). 

Gelbfieberkranke sind in besonders luftigen Kammern, in denen Mücken 
feblen, unter Moskitonetz zu lagern. Auf der Rückkehr, in nördlicheren Breiten 
angekommen, sind die in der Nähe der Maschinen gelegenen warmen Räume 
nach Mücken besonders abzusuchen. 

Bei der Ankunft eines Schiffes aus Gelbfiebergegenden im Heimatshafen, 
in dem Stegomyia nicht vorkommt, sind keine desiufektorischen Massregeln 
nötig. Nur wenn sich durch zeitliche Zwischenräume getrennte Krankheits- 
serien ereignet haben, wird eine Desinfektion mit SO, der Mannschaftsräume 
und Kammern für nötig erachtet und eventuell auch der Laderäume, wenn 
die Ladung aus frischen Früchten, Zucker in Ballen u. s. w. bestanden hatte. 

Am Schlusse warnen die Verff. vor gänzlich unbegründeten und über- 
flüssigen hafenpolizeilichen Bestimmungen in Frankreich Provenienzen aus 
Gelbfiebergegenden gegenüber unter Hinweis auf die hervorragenden Erfolge, 
die dort bezüglich der Unterdrückung dieser so gefürchteten Krankheit erzielt 
sind. Gelbfieber kann in Frankreich nicht als eine kontagiöse Krankheit be- 
handelt werden. „Considérons plutôt notre inertie en matière d’hygiene urbaine, 
surtout dans nos ports, et prenons garde de voir un jour, peut-être proche, 
les peubles de la jeune Amérique combattre, à leur tour, l'importation sur leur 
sol, redevenu vierge, de ce qu’ils appelleront les maladies pestilentielles euro- 
peennes.“ Trembur (Wilhelmshaven). 


Carroll, Notiz,. Gelbfieber betreffend. Centralbl. f. Bakt. Abt. I. Origi- 
nale. Bd. 37. S. 666. 

In einer kurzen Kontroverse wendet sich der Verf. gegen Angaben eines 
in Paris erschienenen kleinen Buches von M. Neveu-Lemaire „Parasitolo- 
gie animale“. Der Abschnitt „das Gelbfieber“ enthält falsche Mitteilungen 
über die Versuche und die Tätigkeit der amerikanischen Armeekommission 
zum Studium des Gelbfiebers, die richtig zu stellen der Verf. für seine Pflicht 
hält. Jacobitz (Karlsruhe). 


Schlüter H., Zur Kenntnis der Anguillula-Erkrankung beim Menschen. 
Aus dem Städt. Krankenhause in Kiel. Med. Klinik 1905. No. 51. S. 1305. 
Verf. berichtet von einem in das Krankenhaus aufgenommenen Seemann, 

bei welchem Anguillula gefunden wurde. Nach Besprechung der eingeleiteten 
Therapie, die in Kalomel, Santonin, Thymol, Ricinus u. s. w. bestand und in 
diesem Falle erfolglos blieb, gibt er Mitteilung über Kulturversuche, die nach der 
von Leichtenstern und Wilms angegebenen Methode gemacht wurden. In 
eine Petrischale wird eine 1 cm hohe Lage Kot mit einer in der Mitte frei- 
bleibenden Stelle (etwa dreimarkstückgross), in welche Wasser kommt, getan. 
Schon nach 6 Stunden deutliches Längenwachstum; nach 24 Stunden hatten viele 


Ernährung. 499 


Exemplare das 3fache der früheren Länge erreicht. Nach 48 Stunden trat 
ein weiteres Entwickelungsstadium, die sogenannte Filariaform auf. Am 3. Tage 
wurde auch die gescblechtliche Form Rhabditis stercoralis beobachtet; Männchen 
0,7, Weibchen 1 mm lang. Die Infektion auf Tiere, Katzen, Kaninchen, Meer- 
schweinchen zu übertragen missglückte. Nieter (Halle a. S.). 


Ranke, Ueber die Abhängigkeit der Ernährung vom Wärmehaus- 
halt, nach Versuchen in den Tropen, im gemässigten Klima und 
im Hochgebirge. Münch. med. Wochenschr. 1905. No. 2. S. 64. 

Verf. hat in den letzten Jahren eine Reihe von Arbeiten veröffentlicht 
über Stoffwechselversuche, die er an sich selbst für längere Zeiträume unter 
sehr verschiedenen klimatischen Bedingungen angestellt hat. Die Resultate 
dieser Experimente und eines weiteren Hochgebirgsversuchs verwertet er 
in der vorliegenden Arbeit zu einer Zusammenfassung über die Beziehungen 
zwischen Ernährung und Klima. Unter Klima versteht er in Anlehnung 
an die mathematisch-astronomische Definition dieses Begriffes die Gesamtheit 
der thermischen Lebensbedingungen an irgendeinem Punkte der Erdoberfläche 
und drückt nach dem Vorgange von Rubner den Klimawert aus in Aequiva- 
lenten der Lufttemperatur. Da nun die thermischen Faktoren irgend eines 
Milieus nicht direkt für den Organismus in Betracht kommen, sondern modi- 
ficiert werden durch Kleidung, Heizung und audere Schutzmittel gegen Kälte 
bezw. Hitze, unterscheidet er dementsprechend Aussenklima und physiologisches 
Klima. Hinsichtlich der Klimawirkung schliesst er sich zwar der Rubner- 
schen Auffassung an, dass der Organismus im kalten Klima mittels der che- 
mischen Wärmeregulation, im heissen mittels der physikalischen seine 
Eigenwärme konstant erhält, schränkt die Gültigkeit dieser Einrichtung aber 
ein auf ein begrenztes Temperaturgebiet, welches sich von dem Optimum = 16 
bis 18°C. nach oben und unten erstreckt, den Temperaturspielraum; wird 
dieser verlassen, so versagen die regulierenden Mechanismen und pathologische 
Erscheinungen treten ein. Hiernach ist bei dem Studium der Klimawirkung 
ausser der Art der Wärmeregulation als ein zweiter und wesentlicher Punkt 
auch der zu berücksichtigen: „Hält sich z. B. für einen Europäer in allen 
Klimaten das physiologische innerhalb seines Temperaturspielraumes?" Diese 
Frage wird von den meisten bejaht und etwa auftretende schädliche Folgen 
nicht den thermischen Lebensbedingungen, sondern anderweitigen schädlichen 
Einflüssen zugeschrieben. 

Verf. betrachtet zunächst seine Resultate über die Einwirkung des kalten 
Klimas. Ein Versuch im Winter des gemässigten Klimas (München) zeigte 
ihm, dass dort der Europäer mit Hülfe der Heizung und Bekleidung ein phy- 
siologisches Klima analog 16° C. Lufttemperatur erreicht; da dies dem Opti- 
mum entspricht, so wird dort auch jede chemische Regulation vermieden. Ein 
zweiter Versuch wurde im Hochgebirgswinter angestellt, wo das physiologische 
Klima einen Wert von 10—11°C. hatte; die dadurch eintretende grössere 
Wärmeentziehung veranlasste die chemische Regulation, und diese reichte zur 


500 Ernährung. 


Erhaltung der Eigenwärme aus. Für die kalten Klimate ergibt sich somit 
eine Bestätigung der Rubnerschen Ansichten. Verf. weist mit Benutzung der 
von anderen bewiesenen Tatsache, dass die chemische Regulation beim Menschen 
nur unter Heranziehung der muskulären Verbrennungsvorgänge stattfindet, 
daraufhin, dass also das kalte Klima beim Gesunden zu vermehrter Muskel- 
tätigkeit anregt, oder bei einem Organismus, der schon aus anderen Gründen 
eine erhöhte Wärmeproduktion besitzt, so dass dadurch allein die Wärmeent- 
ziehung ausgeglichen wird, eine Wärmeregulation unnötig macht. Diese Eigen- 
schaft des kalten Klimas, erhöhte Nahrungszufuhr oder grosse Arbeitsleistung 
ohne Inanspruchnahme irgendwelcher stets als Anstrengung empfundenen Wärme- 
regulation zu ermöglichen, scheint dem Verf. einen grossen Teil der therapeu- 
tischen Verwendung des Hochgebirgsmilieus zu erklären. Dass eine erhebliche 
Stoffwechselsteigerung etwa durch nichtthermische Faktoren des Hochgebirgs- 
aufenthaltes hervorgerufen würde, konnte Verf. durch eine geeignete Versuchs- 
anordnung ausschliessen. Die aus der chemischen Regulation sich ergebende 
erhöhte Wärmeproduktion steigert entsprechend den Appetit. 

Im gemässigten Klima wird der Temperaturspielraum nicht verlassen; 
daher bleibt entweder jede Regulation erspart, oder aber chemische, bezw. 
physikalische treten in Funktion. 

Komplicierter ist die Einwirkung eines langdauernden Aufenthaltes im heissen 
Klima; Verf. verfügt über Versuche im tropischen und subtropischen Süd-- 
amerika. Von den nun in Funktion tretenden Faktoren der physikalischen Wärme- 
regulation ist der wichtigste die Wasserverdunstung, welche bis zu 70°/, und 
mehr die Wärmeabgabe deckt, so dass eine Behinderung der Wasserdampf- 
abgabe den Temperaturspielraum wesentlich einschränkt. In kurzdauernden 
Versuchen sind diese Verhältnisse von Rubner klargelegt; dabei zeigte sich, 
dass die obere Temperaturschranke bei 24°C. Lufttemperatur und 80°/, rela- 
tiver Luftfeuchtigkeit erreicht, wenn nicht schon überschritten ist. Aus des 
Verf.’s langdanernden Experimenten geht hervor, dass bei mässig heissem 
Klima anfangs die physikalische Regulation genügt, dass aber bald bei einem 
Klimawert analog 25°C. Lufttemperatur ein neuer Faktor herangezogen werden 
muss, die freigewählte Nahrungsaufnahme; diese sinkt zunächst auf den Bedarf 
eines schwach arbeitenden Menschen, und damit tritt also schon bei 250 eine 
Herabsetzung der Arbeitsfähigkeit ein. Steigt der Klimawert weiter, so sinkt 
auch die Nahrungsaufnahme stetig, ja bis ganz erheblich unter das Erhaltungs- 
minimum, ohne dass diese Verminderung der Nahrungsaufnahme zum Bewusst- 
sein kommt, denn der Appetit sinkt gleichfalls mit steigender Temperatur. 
So tritt Unterernährung ein und damit notwendig eine Schwächung aller 
Körperfunktionen, so dass uns der schädigende Einfluss des Tropenklimas ver- 
ständlich wird, und zwar scheint hierfür allein die Störung der Wärmeökonomie, 
die sich aus dem Verlassen des Temperaturspielraumes ergibt, ursächlich zu 
sein. Kinder, welche zu ihrer Entwickelung einen viel lebhafteren Stoffwechsel 
nötig haben wie Erwachsene, müssen um so empfindlicher auf die Herabsetzung 
der Nahrungsaufnahme reagieren. Schutzmittel nun, wie wir sie für das kalte 
Klima besitzen, haben wir in zureichender Weise für das heisse Klima nicht. 
Denn die technisch mögliche Abkühlung der Wohnräume bringt insofern grosse 


Ernährung. 501 


Gefahren mit sich, als der dann in hohem Stoffwechsel befindliche Mensch 
zwar den chronischen Störungen des Tropenklimas entgeht, aber den akuten 
zum Opfer fallen kann. Erleichtern wird man den Aufenthalt können durch 
Besserung des Wärmewechsels, wie ihn die Trocknung der Luft ermöglicht. 
Für die Tropenkrankenhäuser schlägt Verf. eine Abkühlung und Trocknung 
der Luft vor, denn eine ausreichende Rekonvalescenz können wir nur bei 
hohem Stoffwechsel zu Wege bringen; ausserdem bringt die Abkühlung als 
weiteren Vorteil einen Schutz gegen Moskitos. Fr. Peters (Berlin). 


Müller, Joh., Ueber den Einfluss der Temperatur der Speisen auf die 
Magenfunktionen. Zeitschr. f. diät. u. physikal. Therap. Bd. 8. S. 587. 
Verf. experimentierte mit Flüssigkeiten von 5, 38 und 50° C. an gesunden 
Versuchspersonen, die im Schlucken der Sonde, sowie in der Expression des 
Mageninhalts sehr grosse Uebung besassen. Zunächst stellte er fest, dass 
der Magen zu einem ausgiebigen und raschen Temperaturausgleich befähigt 
ist. Freilich wurde ein völliger Ausgleich mit der Körperwärme nur bei den 
Flüssigkeiten von 50°C. gefunden; bei den kalten, zumal wenn sie in 
grösseren Mengen genommen werden, tritt ein beträchtlicher Teil in den Darm, 
ehe die Temperatur auf diejenige des Körpers gestiegen ist. An dem Tem- 
peraturausgleiche sind Mundhöhle und Speiseröhre beteiligt, wie für die er- 
stere in besonderen Versuchen gezeigt wurde. Als Massstab für die moto- 
rische Leistung des Magens diente die Menge Flüssigkeit, welche von ge- 
schluckten 400 ccm nach 15 Minuten exprimiert werden konnte. Dabei stellte 
sich heraus, dass von der Körperwärme stark abweichende Temperaturen die 
Entleerung des Magens verzögern. Ein Einfluss der Temperaturunterschiede 
allein auf die Säuresekretion liess sich nicht konstatieren; wurde aber zu den 
kalten Getränken Alkohol hinzugesetzt, so konnte Verf. eine nachweisbare 
Säuresekretion beobachten. Es wurde weiterhin versucht, durch Eingeben von 
Zuckerlösungen und Bestimmen der Konzentrationsänderung derselben nach 
längerem Verweilen im Magen ein Bild zu bekommen von der. Beeinflussung 
des Resorption durch verschiedene Temperaturen, aber obne Erfolg, denn ab- 
geschen von anderen Momenten wird in diesem Falle die Kritik der Ver- 
suchsergebnisse noch dadurch erschwert, dass bei Anwendung kalter Flüssig- 
keiten eine temperaturausgleichende Flüssigkeitsekretion stattfindet. Ausführ- 
liche Protokolle zu der vorliegenden Arbeit sind enthalten in der Dissertation 
von Hurck, Würzburg 1904. Fr. Peters (Berlin). 


Einhorn M., Ueber die Kunst, richtig zu essen (Euphagie), und die 
Schäden von zu schnellem und zu langsamem Essen (Tachy-‘und 
Bradyphagie). Zeitschr. f. diät. u. physik. Therapie. Bd. 8. S. 622. 

In seinen Betrachtungen geht der Verf. davon aus, dass das Essen dem 
Körper Befriedigung und Genuss bringen soll. Die Euphagie besteht darin, 
dass man den Organismus durch vorherige Arbeit zum Essen vorbereitet; die 
Mahlzeiten sollen dann in den Ruheperioden aufgenommen werden, und es ist in 
der Zeit, welche nicht zu kurz bemessen werden darf, dem Essen allein die 
volle Aufmerksamkeit zu schenken und darauf zu achten, dass die Speisen 


502 Ernährung. 


gut durchgekant werden. Schmackhafte Zubereitung, wie wohlgefälliges 
Servieren erhöhen den Genuss. Man trinke zu jeder Mahlzeit Wasser und 
ruhe nach dem Essen eine kurze Zeit. 

Die Nachteile der Tachyphagie entstehen daraus, dass die Speisen nicht 
genügend zerkleinert werden, um den Verdauungssekreten ein hinreichendes 
Eindringen zu ermöglichen, dass zu grosse Quantitäten in kurzer Zeit aufge- 
nommen werden, und dass zu heisse oder zu kalte Speisen in den Verdauungs- 
kanal gelangen. Die Folge davon sind langwierige Verdauungsaffektionen. 

Die Bradyphagie, ein verhältnismässig selten vorkommendes Uebel — 
Verf. führt zwei Beispiele an —, entspricht nur einer Art Sitophobie und kann, 
wenn sie auch kein organisches Leiden darstellt, doch durch die psychische 
Depression, welche sie hervorruft, zu einer bedenklichen chronischen Inanition 
führen. 

Beide Leiden sind zumeist durch entsprechende Belebrungen des Arztes 
zu beseitigen; genügt dies bei der Bradyphagie nicht, sind eventuell sedative. 
Heilmittel, wie Brom, Baldrian u. s. w. anzuwenden. 

Fr. Peters (Berlin). 


Stoklasa J., Ueber Kohlehydratverbrennung im tierischen Orga- 
nismus. Ber. d. deutsch. chem. Gesellsch. 1905. Jahıg. 38. H. 2. S. 664. 
O. Cohnheim (Ztschr. f. physiol. Chem. 1904. Bd. 42) hat die vom Verf. 
(vergl. diese Zeitschr. 1904. S. 394 u. 1905 $.323 ) beobachtete Kohlehydrat- 
zersetzung durch tierische Presssäfte auf Bakterienverunreinigung zurück- 
geführt. St. weist nun nach, dass bei der Verarbeitung von gefrorenen Muskeln, 
wie Cohnheim verfuhr, ein fast wirkungsloser Presssaft resultiert, während 
der nach der ursprünglichen Vorschrift von St. bei 2—60 hergestellte Press- 
saft starke CO,-Entwickelung in Zuckerlösungen — auch hei Gegenwart von 
1%/, Toluol — hervorruft. Durch weitere Untersuchungen wurde der Nach- 
weis erbracht, dass der Abbau der Kohlehydrate durch diese Muskelpresssäfte 
mit der Bildung der Milchsäure und derjenigen des Alkohols und des 
Kohlendioxyds nicht abgeschlossen ist, sondern dass bei Sauerstoffzutritt 
auch immer Essigsäure entsteht; auch die Bildung von Ameisensäure 
konnte nachgewiesen werden. Wenn die Gärung — bei vollem Luftzutritt — 
länger als 24 Stunden dauert, so ist in dem entwickelten Gase neben CO, 
mit voller Sicherheit auch Wasserstoff nachweisbar, welches von der leben- 
den Zelle in statu nascendi wohl direkt zu Wasser oxydiert wird. 

Die primären, die Lebensenergie unterhaltenden Processe im Protoplasma 
werden also hervorgerufen 1. durch die Enzyme der Laktolase, welche die 
Milchsäurebildung, 2. durch die der Alkoholase, welche die Alkohol- und 
Kohlendioxydbildung verursacht. Die sekundären Produkte, welche sich durch 
weitere Degradation der Abbauprodukte kennzeichnen, gehen nur bei Gegen- 
wart von Sauerstoff vor sich; es sind die Enzyme Acetolase nnd Formi- 
lase, welche den Abbau fortsetzen. Wesenberg (Elberfeld). 


Ernährung. 503 


Oberndörfer, Die Wirkung der Chinasäure auf den Kalkstoffwechsel 
des Menschen. Berl. klin. Wochenschr. 1904. No. 41. S. 1068. 

Verf. weist zunächst darauf hin, dass von den zahlreichen Arbeiten über 
Kalkstoffwechsel sich nur wenige mit dem Studium der mit Vermehrung 
des Kalkbestandes einhergehenden Krankheiten beschäftigt haben; auch über 
Versuche der Bekämpfung solcher Kalkablagerungen ist wenig bekannt. In 
Betracht kommt erstens die Verminderung der Kalkeinfuhr durch Verabreichung 
einer kalkarmen Diät; jedoch wird diese auf die Dauer keine nennenswerte 
Kalkentziehung hervorrufen können, sondern der Organismus wird nach einiger 
Zeit mit einer Verringernng der Ausscheidung antworten. Zweitens kann 
man die Kalkausfuhr steigern und zwar durch Medikamente, in erster Linie 
durch Säuren, welche die Erdphospbate in leicht lösliche Verbindungen über- 
fübren sollen, die dann zur Ausscheidung gelangen. Verf. führt verschiedene 
Arbeiten an, welche bewiesen haben, dass es möglich ist, dem’ menschlichen 
Körper durch Säuren Kalk in erheblichen Quantitäten zu entziehen. Weiterhin 
zieht er Versuche von Rumpf an, der durch Kombination von kalkarıner 
Diät mit Medikamenten, denen eine Säurewirkung zukommt, eine gesteigerte 
Kalkausscheidung beim Menschen erreichte. Verf. untersuchte nun an seiner 
Person die Wirkung der Chinasäure auf den Kalkstoffwechsel; dieselbe 
wird im Körper nicht verbraucht, ist auch in grossen Dosen ganz unschädlich 
und im Geschmack nicht unangenehm und bildet ein äusserst leicht lösliches 
Kalksalz. Die Nahrung wurde so eingerichtet, dass sie einen möglichst gleich- 
mässigen Ca-Gehalt aufwies; in einigen der Nahrungsmittel wurde die Menge 
des Ca analysiert, in den anderen nach bekannten Tabellen berechnet oder 
nach dem negativen Ausfall der qualitativen Probe als praktisch nicht in 
Betracht kommend vernachlässigt. Der Versuch zerfiel in eine Vorperiode 
von 3 Tagen, die Hauptperiode von 4 Tagen, wo pro die 15g Chinasäure 
genommen wurde, und eine Nachperiode von 2 Tagen. In der Vorperiode 
wurden im ganzen aufgenommen 3,9576 g Ca und ausgeschieden 3.9795 g, 
wovon 8,8415 g (= 96,56°/,) im Kot enthalten waren und 0,1380 g im Harn; 
es bestand also nahezu ein Kalkgleichgewicht: 0,0219 g Ca wurden vom 
Körper abgegeben. In der Hauptperiode wurden im ganzen eingeführt 5,3743 g 
Ca und ausgeschieden 6,9749 g, davon 6,6584 g (= 95,48%/,) mit dem Kot 
und 0,3165 g mit dem Harn: somit ist die Ausfuhr gestiegen um 31,45°/, 
gegen die Vorperiode, und der Körper hat dabei 1,6006 g Ca im ganzen von 
seinem Bestande verloren. In der 2tägigen Nachperiode ist die Kalkaus- 
scheidung noch sehr hoch; einer Einnahme von 1,8434 g Ca gegenüber steht 
eine Ausfuhr von 4,3742 g, wovon 4,1998 g (= 96,1%.) auf die Fäces ent- 
fallen und 0,1744 g auf den Harn; der Körper hat also verloren 2,5308 g Ca. 
Addiert man die Werte der Haupt- und Nachperiode und vergleicht ihre 
Summe mit der Zahl der Vorperiode, so sieht man, dass unter dem Einfluss 
der Chinasäure die Kalkausscheidung um 42,6%, erhöht ist gegen die Vor- 
periode. Diese Steigerung der Kalkausfuhr ist nicht etwa die Folge einer 
Störung in der Resorption des eingeführten Ca, sondern sie ist durch eine 
gesteigerte Abgabe von Kalk nach der Darmschleimhaut bedingt, und zwar 
hat dieser Kalk zum grössten Teil nicht als Phosphat, sondern an Chinasäure 


504 Ernährung. 


gebunden den Körper verlassen. Das Nachklingen der Chinasäurewirkung 
ist wohl durch eine verzögerte Ausscheidung der in grossen Mengen aufge- 
nommenen Säure zu erklären. Ueber den therapeutischen Wert müssen weitere 
Untersuchungen entscheiden. Fr. Peters (Berlin). 


Schütz, Fäulnisbakterien als Erreger chronischer Verdauungs- 
störungen. Deutsches Arch. f. klin. Med. Bd. 80. 

Verf. berichtet über einen merkwürdigen Fall einer eigenartigen chro- 
nischen Verdauungs- und Ernährungsstörung bei einem 13jährigen 
Mädchen, bei welchem die baktericide Wirkung von Seiten des Darms völlig 
fehlte und bei welchem stets eine überaus reichliche Menge von Bakterien im 
Darm zur Entwickelung kamen. Die Patientin litt seit dem 1. Lebensjahre 
an Verdauungsstörungen und hatte mehr oder weniger stets bei den einzelnen 
Entleerungen eine auffallend grosse Kotmenge, die keineswegs durch Genuss 
von Gemüse oder einer sonst schlackenreichen Kost veranlasst war. Die 
mikroskopische Betrachtung ergab ausserordentlich grosse Mengen von Bak- 
terien; es fanden sich unter anderen Buttersäurebakterien, verflüssigende und 
nicht verflüssigende fluorescierende, Fäulnisbakterien, ferner Proteus, Strepto-, 
Staphylokokken u.a.m. Nieter (Halle a. S.). 


Ekelöf, Ueber Präservenkrankheiten. Erster Band, 4. Lieferung der 
Wissenschaftl. Ergebnisse der Schwedischen Südpolarexpedition. 1901—1903. 
Stockholm 1904. 

Unter Verwertung seiner Erfahrungen als Arzt der schwedischen Südpolar- 
Expedition und auf Grund der Polarexpeditions-Literatur bezeichnet Ekelöf 
als die wichtigsten Präservenkrankheiten den Skorbut und Beri-Beri. 

Der Skorbut wird nicht durch Mangel an frischen Vegetabilien hervor- 
gerufen; denn nicht nur Nansen und Johansen haben 1895/96 9 Monate 
ausschliesslich von animalischen Nahrungsmitteln (Fleisch und Speck von Wal- 
rossen und Eisbären) gelebt, ohne zu erkranken, sondern viele Eskimostämme 
leben den grössten Teil des Jahres ohne jede vegetabilische Beigabe zur Kost; 
bier ist der Skorbut unbekannt, Er entsteht vielmehr durch bestimmte Ver- 
änderungen in der animalischen präservierten Nahrung (Büchsenkonserven, 
gesalzenes, gepökeltes u. s. w. Fleisch). Bei Polarexpeditionen blieben stets 
diejenigen Partien von Skorbut frei, in deren Nahrung derartige präservierte 
animalische Stoffe nicht vorkamen; alle, die erkrankten, batten aber von einer 
Kost gelebt, „in der präservierte, animalische, eiweisshaltige Nahrungsstoffe in 
mehr oder weniger bedeutender Quantität vorkamen“. Diese chemischen Ver- 
änderungen im Fleisch entstehen nicht durch Bakterien, auch nicht 
durch Enzyme (die ja beim Kochen der Büchsenkonserven unwirksam werden), 
sondern durch Prozesse, die den autolytischen Vorgängen ähnlich sind, aber 
äusserst langsam verlaufen. In allen Fällen von Skorbut-Epidemien sollen 
die präservierten Nahrungsmittel verhältnismässig alt gewesen sein. Der 
Skorbut ist nach Ekelöf „eine Intoxikation mit Stoffen, die in präservierter, 
eiweisshaltiger, animalischer Nahrung durch Autolyse oder durch eine andere 
Art spontaner (nicht fermentativer) Umsetzungen entstanden“ sind. Die Heilung 


Ernährung. 505 


von Skorbut erfolgt nicht durch Geniessen von Vegetabilien, sondern von 
frischer animalischer Nahrung, die zur antiskorbutischen Kost gehört. 
Beri-Beri ist ebenfalls eine Intoxikation. Die Ursache ist auch hier 
der Gennss präservierter, animalischer Nahrung. Das Beri-Beri-Gift wird aber 
erst im Darmkanal des Menschen gebildet, wenn grössere Mengen stärke- 
reicher Nahrung sich gleichzeitig mit dem Skorbutgift im Darmkanal vor- 
finden. E. Rost (Berlin). 


Raikew P. N., Ueber den Zustand des Schwefels in den Eiweiss- 
körpern. Aus dem chemischen Laboratorium der Universität zu Sofia. 
Chem.-Ztg. 1905. No. 69. S. 900. 

Infolge zahlreicher Untersuchungen bezüglich der Schwefelbindung 
in den Eiweisskörpern hat man in letzter Zeit wohl fast allgemein an- 
genommen, dass im Eiweissmolekül der Schwefel in 2 Formen vorhanden ist, 
von denen die eine, z. B. beim Kochen mit Alkalien, leicht als Schwefel wasser- 
stoff abgespalten werden kann, während die andere erst beim völligen Ver- 
brennen des Eiweisses zum Vorschein kommt; der früber angenommene „uxy- 
dierte“ d. h. mit Sauerstoff verbundene Schwefel sollte aber im Eiweiss fehlen 
(vergl. Cobnheim, Chemie der Eiweisskörper). Verf. beobachtete nun bei 
der Einwirkung von sirupöser Phosphorsäure auf Wolle, welche selbstver- 
ständlich nicht mit schwefliger Säure etwa zum Zwecke des Bleichens u. s. w. in 
Berührung gekommen war, bei gewöhnlicher Temperatur eine langsame Ge- 
ruchsentwickelung von schwefliger Säure, welche beim längeren Stehen in 
dem Masse zunahm, als die Destruktion der Wolle fortschritt. Menschliche 
Haare verbielten sich ganz analog, nur verlief hier entsprechend der derberen 
Struktur, der Vorgang bedeutend langsamer. Bei dieser Zersetzung wurde 
aber weder Schwefelwasserstoff noch Ammoniak gebildet. ` Durch diese Ver- 
suche wird also festgestellt, dass „entgegen der bisherigen Annahme, 
ein Teil des Schwefels in den Eiweisskörpern, speciell in dem 
Keration direkt in Verbindung mit dem Sauerstoff steht, so dass 
man mit Recht von oxydiertem und nichtoxydiertem Schwefel im 
Eiweiss reden kann“. 

Bezüglich der Art der vorliegenden Bindung kommt Verf. auf Grund 
einiger Versuche zu der Ansicht: „dass die schwefelhaltige Gruppe im Keratin, 
welche bei der Behandlung desselben mit Phosphorsäure bei gewöhnlicher 
Temperatur Schwefeldioxyd liefert, keine sulfosäure- oder sulfatähnliche Gruppe 
sein kann. Am wabrscheinlichsten ist es, dass ein Teil des Schwefels im 
Keratin sulfitartig gebunden ist oder wenigstens bei der Spaltung der Kera- 
tinmolekel ein Teil des Sebwefels zeitlich in eine solche Bindung übergeht, 
worauf durch die Wirkung von Phosphorsäure unmittelbar freies Schweflig- 
säureanhydrid entsteht*. Wesenberg (Elberfeld). 


Butjagn, Die chemischen Veränderungen des Fleisches beim 
Schimmeln (Penicillium glaucum und Aspergillus niger). Arch. 
f. Hyg. Bd. 52. S. 1. 

Verf. gibt zunächst eine Uebersicht über die Resultate, welche von anderen 


506 Ernährung. 


Autoren gewonnen wurden beim Studium der Einwirkung von Schimmelpilzen 
auf vegetabilische Nahrungsmittel. Diese Untersuchungen ergaben, dass vor 
allem die N-freien Bestandteile betroffen werdeh, indem ein Verlust an Fett 
und Koblehydraten statthat unter Ausscheidung von CO,, und dass die Ver- 
änderungen des Eiweisses erst in zweiter Linie in Betracht kommen, wobei 
der Stickstoff in seiner Gesamtmenge meistens erhalten bleibt, aber zum Teil 
io wasserlösliche Verbindungen übergeführt wird. Verf. unternahm die Unter- 
suchung der Einwirkung von Schimmel auf animalische Nahrungsmittel, ein 
Gebiet, welches äusserst wenig erforscht ist und vielleicht auch dazu beiträgt, 
die Rolle der Schimmelpilze bei dem Zerstörungsprocess von Leichen aufzu- 
klären. Zu den Experimenten benutzt wurde Rindfleisch, welches im Dampf- 
topf an zwei auf einander folgenden Tagen in den zu den weiteren Versuchen 
dienenden Erlenmeyerkolben sterilisiert war; nach Feststellung der Sterilität 
wurden die einen Portionen zur chemischen Analyse benutzt, die anderen 
mit Penicillium glaucum oder Aspergillus niger inficiert und bei 15 
bis 170 gehalten. Die ausgeschiedene CO, und NH, wurden durch Absorption 


in titrierter Ba(OH),-Lösung, bezw. 15.8250, bestimmt. Die CO,-Entwicke- 


lung beginnt schon in den ersten 24 Stunden und erreicht ihren Höhepunkt 
nach 2—4 Wochen, wo die tägliche Ausscheidung 500—900 mg beträgt (Aus- 
gaugsmaterial: 100 g frisches Fleisch), darauf sinkt sie allmählich ab, hatte 
aber nach Verlauf von 4—5 Monaten noch eine Grösse von 20—100 mg pro 
die. Die NH;-Produktion beginnt erst nach längerer Schimmelwirkung und 
erreicht bedeutend niedrigere Werte, so. dass die täglich ausgeschiedene Menge 
selten mehr wie 4—10 mg beträgt. Die Schimmelpilze scheinen die Fähigkeit 
zu haben, ein Ferment zu bilden, welches die der CO,- und NH;-Produktion 
zu Grunde liegenden Umsetzungen hervorruft, denn eine Prüfung des Materials 
auf Lebensfähigkeit der Schimmelpilze verlief zu einer Zeit, wo noch reichlich 
CO, und NH, entwickelt wurde, negativ. Die Vergleichung der chemischen 
Analysen des verschimmelten Fleisches mit denjenigen der Kontrollproben 
ergab, dass eine Verminderung der Trockensubstanz, bezw. eine Vermehrung 
des Wassergehaltes stattgefunden hat, ausserdem eine Bildung von flüchtigen 
Säuren und eine Zunahme der Alkalinität. Auch die Zusammensetzung der 
Trockensubstanz ist insofern eine andere geworden, als erstens der Gehalt an 
Gesamt-N zwar nur wenig verändert ist, aber das Quantum der in Wasser lös- 
lichen N-Verbindungen — hauptsächlich Amidosäuren und deren Amidverbin- 
dungen — zugenommen hat und zweitens die Menge des Aetherauszuges merk- 
lich geringer geworden ist. Die Einwirkung des Penic. glauc. ist in fast allen 
Punkten energischer wie die des Asperg. nig. Das Ammoniak wird aus dem 
vorhandenen Eiweiss entstanden sein; die Herkunft der CO, kann Verf. nicht 
mit Sicherheit entscheiden, jedenfalls kann sie nicht allein aus dem ver- 
schwundenen Fett sich gebildet haben, ein Teil derselben wird aus Kohle- 
hydraten und jedenfalls noch ein weiterer Teil aus Eiweiss stammen, eine 
Annahme, die durch das Auftreten erheblicher Mengen von NH, und Amido- 
körpern wahrscheinlich gemacht wird. Fr. Peters (Berlin). 


Ernährung. 507 


Rehmet, Zur Beurteilung der Fische als menschliches Nabrungs- 
mittel. Berl. tierärztl. Wochenschr. 1905. No. 48. 

R. führt in einem Vortrage aus, dass die Fische für die Ernährung 
des Menschen eine fast unermessliche Reserve bilden, dass die Bewohner 
sehr grosser Gebiete fast nur von Fischen zu leben gezwungen sind, dass 
auch in Deutschland in letzter Zeit von Staats wegen viel geschieht, um die 
Fischzucht zu heben. In Europa ist nach Schleiden der Gesamtverbrauch 
von Fischen pro Jahr auf ca. 500 Millionen Pfund zu veranschlagen. 

Die Fischereifrage ist für unsere ganze so rapid wachsende und immer 
mehr Nahrungsmittel benötigende Bevölkerung von grösster Wichtigkeit; es 
werden consumiert per Kopf und Jahr in Berlin 47 kg, Magdeburg 43 kg, 
Stettin 42 kg, Köln 40 kg, Wien 78 kg, Paris 79 kg, London 85 kg. Das 
Fischfleisch kann dem Fleisch der Säugetiere und Vögel fast ebenbürtig an 
die Seite gestellt werden, ist im grossen ganzen reicher an Wasser (BU—85°/,), 
jedoch ärmer an Eiweiss und Fett, andererseits reicher an leimgebenden Sub- 
stauzen, deren Nährwert dem des Eiweisses nahe kommt. Hinsichtlich der 
Verdaulichkeit steht es dem Säugetierfleisch durchaus gleich. 

Um vollwertig in Bezug auf den Genusswert zu sein, müssen die Fische 
aus guten Gewässern stammen und im mittleren Lebensalter stehen. In der 
Mitte zwischen zwei Laichperioden ist das Fleisch am besten, denn die Ent- 
wickelang des Rogens und der Milch geht auf Kosten des Wohlgeschmacks. 
Zwar werden auch während der Laichzeit Fische ven vorzüglicher Qualität 
gefangen, z. B. Lachse, Forellen. Diese sind jedoch steril, wenigstens für das 
laufende Jahr unfruchtbar. 

Um den höchsten Anforderungen an den Wohlgeschmack zu genügen, 
muss der Fisch „lebendfrisch“ sein und folgendes Aussehen haben: Glänzendes 
Auge, frische Röte der Kiemen, die Körperoberfläche ist derb und resistent, 
das Fleisch elastisch, gegen Druck wenig nachgiebig. Die Schuppen sind 
glatt und glänzend und fallen nicht leicht aus. Der Geruch ist der eines 
frischen Fisches. Tote, frische Fische sinken im Wasser unter. 

Ein Fisch soll weder im Wasser absterben, noch soll er in diesem seinem 
Element zu Tode gequält werden; das schadet seinem Wohlgeschmack und 
unserer Gesundheit. Geschlachtete Fische schmecken besser als umgestandene, 
und zwar geschieht dieses Schlachten am besten in der Weise, dass die Ent- 
blutung nach vorangegangener Betäubung durch einen Stich hinter dem Kopf 
oder vor dem Schwanz herbeigeführt wird. 

In Holland macht man beim Einkauf (}uerschnitte in das Fleisch. Klafft 
es hierbei auseinander, so gilt der Fisch als vor dem Tode geschlachtet und 
wird teurer bezahlt. 

Zur Konservierung für einige Tage wird Einstreuen von Zuckerpulver 
empfohlen; das meist geübte Konservierungsverfahren ist jedoch das Gefrieren- 
lassen. Keine andere Speise verliert soviel an Wohlgeschmack und Güte als 
ein gefrorener Fisch; denn durch den grossen Wassergehalt kommt es beim 
Gefrieren zur Lockerung und Zertrümmerung der Fleischmasse, besonders wenn 
das Auftauen rapid vorgenommen wird. 

Vortr. geht dann auf die gebräuchlichsten Methoden der Raubfischerei über. 


508 Ernährung. 


So werden z. B. Dynamitpatronen oder Flaschen mit ungelöschtem Kalk ins 
Wasser geworfen. Durch die eintretende Explosion werden die Fische be- 
täubt oder getötet und können mühelos eingesammelt werden. In derartigen 
Fällen lässt sich bei der Sektion stets ein Platzen der Schwimmblase konsta- 
tieren. Auch ins Wasser geworfene und von den Fischen verzehrte Kokkels- 
körner (Fructus cocculi) üben stark betäubende Wirkung aus. 

Durch Abwässer von Fabriken kommen bekanntlich oft Fischvergiftungen 
im grössten Umfange vor. Zur Sicherung der Diagnose sei im besonderen 
Falle erwähnt, dass, wenn ein Fisch an einer natürlichen Todesursache zu 
Grunde gegangen ist, die Kiemen nach dem Tode völlig gleichmässig ab- 
blassen; wenn dagegen chemische Einwirkungen stattgefunden haben, so sind 
die Kiemen nicht gleichmässig abgeblasst, sondern an einzelnen Stellen hell, 
an anderen dunkler. Burow (Halle a. S.). 


Svəboda H., Ueber gebrochenes Melken unter Anwendung der Hege- 
lundschen Melkmethode. Chem.-Ztg. 1905. No. 34. S. 468. 

Unter Verweisung auf das umfangreiche Tabellenmaterial seien hier nur 
die Schlussfolgerungen wiedergegeben: 

1. Die Milchergiebigkeit der einzelnen Euterviertel einer Kuh ist eine 
sehr verschiedene. Die hintere Ruterhälfte ist bedeutend ergiebiger als die 
vordere. Bei gleichzeitigem Melken (rechte bezw. linke Euterhälfte zusammen) 
ist infolge der intensiveren Behandlung der rechten Euterhälfte durch den 
rechtssitzenden Melker diese der linken Hälfte im Milchertrag weit voraus. 

2. Die allgemein verbreitete Ansicht, dass beim gebrochenen Melken 
vom Anfange bis zum Schluss des ganzen Gemelkes der Gehalt an Fett- und 
Trockensubstanz steigt, bezw. das specifische Gewicht der Milch fällt, ist falsch. 
Diese Erscheinungen treten beim gebrochenen Melken jedes einzelnen Euter- 
viertels bezw. beim gleichzeitigen Ausmelken einer Euterhälfte oder aller vier 
Striche auf einmal ein. 

3. Wenn jedes einzelne Euterviertel oder gleichzeitig eine Euterhälfte 
oder gleichzeitig alle 4 Striche einer Kuh auf einmal gemolken werden, so 
zeigt die so gewonnene Milch vom Anfange bis zum Schlusse des Gemelkes 
folgende qualitative Verschiedenheiten: a) der Fettgehalt steigt, infolge dessen 
steigt auch der Gehalt der Trockensubstanz und fällt das specifische Gewicht 
der Milch; b) der Gehalt an fettfreier Trockensubstanz, also an N-Substanz, 
Asche und Milchzucker, fällt beträchtlich, wenn auch nicht im gleichen Masse, 
wie der Fettgehalt steigt. N-Substanz, Asche und Milchzucker sinken meistens 
gleichmässig, die Zusammensetzung der fettfreien Trockensubsianz ist anfangs 
und am Ende eine gleichbleibende. Vielleicht gilt die Beschränkung, dass 
das Abnehmen des Gehaltes an N-Substanz und Asche in der Mehrzahl der 
Fälle ein etwas grösseres ist, als das des Milchzuckers, der demgemäss der 
stabilste Milchbestandteil beim gebrochenen Melken wäre. 

4. Die unter Punkt 3a und b beschriebenen Erscheinungen treten um so 
deutlicher hervor, je mehr Milch aus einem Euterviertel ermolken wird, d. b. 
je frischmelkender und milchergiebiger eine Kuh ist und umgekehrt. 

5. Beim Ausmelken eines Euterviertels nach dem anderen stehen die 


Ernährung. 509 


nacheinander einsetzenden Minima im Fettgebalte in keiner regelrechten Be- 
ziehung zu einander, wie etwa in der eines gleichmässigen Ansteigens; eher 
scheint ein gleichmässiges Sinken der nacheinander auftretenden Fettmaxima 
am Schluss jedes Gemelkes aus den einzelnen Eutervierteln stattzufinden. 
Wahrscheinlich lassen sich diesbezüglich überhaupt keine allgemein giltigen 
Regeln aufstellen. 

6. Angesichts der bedeutenden Unterschiede in Menge und Beschaffenheit 
der Milch, welche während einer Melkzeit aus den einzelnen Eutervierteln 
einer Kuh ermolken wird, ist man fast genötigt, nicht nur jede Kuh, sondern 
sogar jedes einzelne Euterviertel einer Kuh als Individuum aufzufassen. 

Wesenberg (Elberfeld). 


Engel, Ueber die Kontrolle billiger Säuglingsmilch. Zeitschr. f. ärztl. 
Fortbildung. 1905. No. 13. 

Nach allgemeiner Darlegung der bekannten Forderungen, welche an Säug- 
lingsmilch zu stellen sind, hält Verf. zur rationellen Kontrolle der Säug- 
lingsmilch noch für erforderlich: G 

1. Festlegung eines bestimmten Mindestmasses von Forderungen, nach 
denen im Stall bis zur Abgabe an den Konsumenten zu verfahren ist, und die 
sich erstrecken auf 

a) die Gesundheit der Kühe und das Unverdorbensein des Futters; 

b) Sauberkeit der Kühe überhaupt und Sauberkeit der Euter vor dem 
Melken; 

c) Gesundheit des Melkpersonals und das Fernhalten aller Personen mit 
ansteckenden Krankheiten (Verbot von Bettstroh als Streu); 

d) Abkühlung der Milch sofort nach dem Melken auf 120 C. 

2. Sorgfältige regelmässige Ueberwachung der Milchprodukte, am besten 
durch Tierärzte. 

3. Regelmässige Prüfung der in den Ställen zum Verkauf stehenden Milch 
in einem Laboratorium. Nieter (Halle a. S.). 


Speck A., Kühlkissen zur Kühlung der Säuglingsmilch im Hause. 
Aus d. byg. Institut d. Universität in Breslau. Deutsche med. Wochenschr. 
1905. No. 32. S. 1273. 

Durch hohe Sonnenwärme werden Veränderungen der Milch be- 
wirkt, welche bei ihrer Verwendung zur künstlichen Säuglingsernährung 
namentlich unter der ärmeren Bevölkerung, die keine Eisschränke besitzt, 
sehr eng und in den obersten Stockwerken der Häuser wohnt, eine Steige- 
rung der Kindersterblichkeit herbeiführen. Wie der Verf. zeigt, lässt 
sich dieser Schädlichkeit in Städten, welche eine Grundwasserversorgung 
besitzen, durch das Leitungswasser entgegenwirken. Unmittelbare 
Kühlung durch den Strom des ausfliessenden Wassers ist freilich ausge- 
schlossen, weil sie allzu grosse Wassermengen erfordern würde, wohl aber 
lässt sie sich in einfacher, billiger und bequemer Weise bewirken, 
wenn die Milch in ein grösseres Wassergefäss (Blecheylinder von 6 Liter 
Inhalt) gestellt und dieses von schlechten Wärmeleitern in derselben 


510 Ernährung. 


Art wie bei den bekannten Kochkisten umgeben wird. Ob Heu, Holz- 
wolle oder Papier hierzu verwendet wird, macht keinen Unterschied. Aus 
den Versuchen des Verf.’s geht bervor, dass man auf diese Weise mit Leitungs- 
wasser von 11° Milch, die soeben gekocht hat und an der Luft auf etwa 
75° abgeküblt ist, in einer Stunde auf 14° abkühlen kann, wenn man 
uach !/, Stunde das Wasser wechselt, und dass man Milch dauernd auf 
18—20° halten kann, wenn man das Wasser jedesmal nach 8 Stunden 
erneuert. Globig (Berlin). 


Lohnstein Th., Das Galakto-Lipameter, ein neuer Apparat zur Be- 
stimmung des Fettgehaltes der Milch. Allgem. med. Central-Ztg. 
1905. No. 4. 

Verf. hat das Galakto-Lipometer ersonnen, um dem Apotheker und Arzt, 
die gelegentlich vor die Aufgabe einer Milchfettbestimmung gestellt 
werden, eine brauchbare Methode zu geben. An eine solche stellt er die An- 
forderung, dass sie in ihrer Ausführung einfach, in ibren Resultaten leidlich 
genau und in Bezug auf den technischen Apparat und die Chemikalien billig 
ist. Das vielfach angewandte Gerbersche Verfahren scheint dem Verf, einen 
für derartige gelegentliche Untersuchungen zu teuren Apparat zu benötigen 
den grossen Vorzug der Gerberschen Methode, dass man sehr schnell das 
Resultat erfährt, gewährt allerdings das neue Verfahren nach des Verf.’s 
eigenen Worten nicht. Die Methode, welche mit einem einfachen und leicht 
za reinigenden Apparat ausgeführt wird, beruht darauf, dass die das Fett um- 
gebenden Kaseinhüllen durch Kalilauge gelöst werden, das Fett in Aether auf- 
genommen, darauf der Aether verdunstet und das Volumen des flüssigen Fettes 
direkt abgelesen wird. Die Ausführung wird in der vorliegenden Arbeit genau 
beschrieben. Hinsichtlich der Genauigkeit gibt der Verf. an, dass die Ergeb- 
nisse des neuen Apparates, verglichen mit der gewichtsanalytischen Methode 
in der Modilikation nach Hoppe-Seyler, zufriedenstellende Resultate ergaben, 
indem die Differenz durchschnittlich weniger als 0,1 und niemals mehr als 
0,2 betrug. Fr. Peters (Berlin). 


Engel, Die Baudouinsche Reaktion beim Menschen. Aus den Säug- 
lingsheim (Prof. Schlossmann) zu Dresden. Chem.-Ztg. 1905. No. 27. 
S. 363. 

Die Verfütterung von Sesamkuchen bezw. Sesamöl an Tiere hat den ver- 
schiedenen Untersuchern wechselnde Resultate ergeben, indem die Baudouin- 
sche Furfurolreaktion in dem Milchfett teils positiv, teils negativ ausfiel. 

Verf. reichte den Hausammen jeweils 100 g Sesamöl, die in einem 
Salat oder einer Majonnaise enthalten waren; aus der in den darauffolgenden 
24 Stunden in Pausen von je 3—4 Stunden abgedrückten Milch wurde das 
Fett mit Aether extrahiert und untersucht. Uebereinstimmend ergab sich 
folgendes Resultat: „Schon wenige Stunden nach der Oelmahlzeit war 
die Furfurolprobe positiv und blieb so durchschnittlich 4—5 Stun- 
den; hierauf trat ein Interwall von 6—10 Stunden ein, wo keine 
Reaktion zu erzielen war; hierauf stellte sie sich wieder, wenn 


Ernährung. 511 


auch schwächer, für 4—5 Stunden ein, um alsdann endgiltig zu 
verchwinden“. Die Baudouinsche Reaktion war selbst schon zu einer 
Zeit vorhanden, wo sich der Uebergang des Sesamödles in die Milch sonst 
noch nicht nachweisen liess. Die Sesamöldarreichung in der angegebenen 
Menge war nicht imstande, die Milchproduktion ungünstig zu beeinfussen. 
Eine ausführliche Mitteilung der Versuche und Ergebnisse soll an anderer 
Stelle erfolgen. Wesenberg (Elberfeld). 


Sommerfeld, Paul, Ueber Formalinmilch und das Verhalten von 
Formalin gegenüber einigen Bakterienarten. Aus d. Laborat. des 
städt. Kaiser u. Kaiserin Friedrich-Kinderkrankenhauses zu Berlin. Zeitschr. 
f. Hyg. Bd. 50. S. 153. > 

Der bekannte Vorschlag v. Behrings hat den Verf. zu einer Reihe von 
Nachprüfungen veranlasst, von deren Ergebnissen kurz Folgendes hervorzu- 
heben ist. Die Keimzablen roher Milch vermindern sich in der 
ersten Zeit nach dem Melken, manchmal erheblich und auf verhältnismässig 
lange Zeit (bis 48 Stunden), namentlich wenn die Milch kühl erhalten 
wird. Formalinzusatz im Verhältnis von 1:5000 und 1:10000 hindert 
die Vermehrung der Keime in der Milch und setzt ihren Keimgehalt 
auf eine geringe Zahl herunter, wenn die Aufbewahrungstempe- 
ratur 10—15° beträgt); bei 20° hält diese Wirkung oft nur 24 Stunden 
an und bei 37° fehlt sie ganz. Formalin ist ein gutes Mittel, um Milch 
für Untersuchungszwecke haltbar zu machen, aber nicht für den Ge- 
nass. Für den letzteren Zweck kommt nur saubere Gewinnung, s80- 
fortige Abkühlung und Kühlhaltung in Betracht. 

In Milch, welche mit Formalin 1:5000 versetzt, 24 Stunden bei 
Zimmerwärme und 24 Stunden bei 37° gehalten war, waren Diphtherie- 
bacillen nicht abgetötet. Ebenso verhielt es sich mit Typhus- 
bacillen. Bacterium coli in Fleischbrühe wurde durch Formalin 1: 1000 bei 
21° in 24 Stunden sicher getötet, durch Formalin jedoch nicht vernichtet, 
sondern nur in der Entwickelung gehemmt; Formalin 1:10 000 hatte keinen 
Einfluss mehr. 

Typhusbacillen wurden durch Formalin 1:5000 in Fleischbrühe bei 210 
in 24 Stunden vollständig abgetötet; im Verhältnis 1:10 000 bemmte Forma- 
lin nur die Entwickelung der Typhusbacillen, tötete sie aber nicht. 

Der Bac. pyocyaneus wurde in Fleischbrühe von 20° in 24 Stunden durch 
Formalin 1:1000 getötet, durch 1:5000 und 1: 10000 aber nicht. Auch in 
Formalinmilch 1:10000 blieb der Bac. pyocyaneus unter gleichen Ver- 
hältnissen am Leben. Globig (Berlin). 


Brüning H., Rohe oder gekochte Milch. Münch. med. Wochenschr. 1905. 
No. 8. S. 349. 

Die natürliche und die künstliche Säuglingsernährung sind bio- 
logisch grundverschieden. Bei der ersteren geniesst das Kind direkt 
aus der Mutterbrust die blutwarme native Rohmilch der eigenen 
Gattung; bei der Flaschenfütterung wird ihm dagegen artfremde Tier- 


512 Ernährung. Kleinere Mitteilungen. 


milch einverleibt, die bisher immer nur gekocht und dadurch ihrer Nativi- 
tät beraubt verabfolgt zu werden pflegte. Da aus diesem Verhältnis die 
grosse Ueberlegenheit der arteigenen Muttermilch über die gekochte artfremde 
Tiermilch ersichtlich ist, so besteht neuerdings vielfach das Bestreben, die 
für die künstliche Säuglingsernährung zu verwendende Tiermilch in unge- 
kochtem Zustande zu verabreichen. 

B. sucht durch einen Tierversuch Aufschluss über die Frage zu erhalten. 
Von vier neugeborenen Hunden erhielten zwei dauernd die Mutterbrust, einem 
wurde gekochte, dem vierten rohe Kuhmilch mit der Flasche gegeben. 

Die an der Brust genäbrten Hunde entwickelten sich sehr gut und er- 
reichten ein Gewicht von 2215 bezw. 2864 g. Der mit gekochter Kuhmilch 
gefütterte, ursprünglich bei der Geburt am meisten wiegende Hund uahm dage- 
gen nur bis 1785 g zu, hatte mässig aufgetriebenen Bauch und struppige Haare. 

Das mit rober Kuhmilch gefütterte Tier schliesslich entwickelte 
sich am schlechtesten und kam nur auf 1105 g nach 75 Tagen. Es blieb 
im Ernährungszustand auffallend zurück und bot Knochenverände- 
rungen dar, welche mit der menschlichen Rhachitis die grösste Aehnlich- 
keit besitzten. Eine Tuberkulose des Verdauungstraktus, welche bei der Ver- 
fütterung roher Kuhmilch nicht unwahrscheinlich war, musste nach dem nega- 
tiven Ausfall der Tuberkulinreaktion für ausgeschlossen gehalten werden. 

Deshalb kann nur die artfremde rohe Kuhmilch, als eine für die Auf- 
zucht junger Hunde nicht geeignete Nahrung mit dem Auftreten der beschrie- 
benen pathologischen Erscheinungen in kausale Beziehung gesetzt werden. 
Jedenfalls ist aber die Frage der Rohmilchernährung noch keineswegs spruch- 
reif und bedarf vor ibrer Einführung noch gründlichster allseitiger Prüfung. 

Schumacher (Hagen i.W.). 


Utz, Ein neues Verfahren zum Nachweise von Formalin in Milch. 
Chem.-Ztg. 1905. No. 49. S. 669. 

Milch mit dem gleichen Volumen Salzsäure vom spec. Gew. 1,19 und 
etwas Vanillin erwärmt (Reaktion von M. Winkel für den Nachweis von Fer- 
menten angegeben), zeigt eine prächtige violette oder himbeerrote Färbung; 
enthält aber die zu untersuchende Milch auch nur Spuren von Formalin, so 
färbt sich die Flüssigkeit gelb; der Farbunterschied ist sehr deutlich, die 
Reaktion äusserst empfindlich. Die Verwendung anderer Aldebyde als Vanillin 
empfiehlt sich nicht, da dieselben keine oder doch nicht so intensive Färbungen 
gaben. 

Anzufügen wäre noch, dass sich Vanillinsalzsäure zum Nachweis von For- 
malin in anderen Nahrungsmitteln (ausser Milch) nicht eignet. 

Wesenberg (Elberfeld). 


Kleinere Mitteilungen. 


(:) Königreich Sachsen. Aus dem Verwaltungsbericht des Rates 
der Stadt Leipzig für das Jahr 1903. ` 

Die Einwohnerzahl betrug, auf die Mitte des Berichtsjahres berechnet, 485139. 

Lebendgeboren sind 14594 Kinder oder 30,08 (1902: 31,4), totgeboren 510 


Kleinere Mitteilungen. 513 


oder 1,04 (1,11) auf je 1000 Einwohner. Es starben 8662 Personen oder 17,8(16,1)%/on, 
über 1 Jahr 5097 oder 10,5 (10,2). Der Geburtenüberschuss machte 5932 (7321) aus. 
Im 1. Lebensjahre starben 3565 Kinder oder 24,4 (18,8)°/, der J.ebendgeborenen. 
Auf Magen- und Darmkatarrh und Kinderatrophie, welche hauptsächlich die Kinder- 
sterblichkeit veranlassten, entliclen 2155 Todesfälle unter 1 Jahr oder 60,4 (49,1) 
von je 100 im 1. Lebensjahre überhaupt gestorbenen Personen. 

Todesursachen. An Diphtherie gingen 157 (1902: 123) Personen zu Grunde, 
an Scharlach 139 (84), Masern 51 (87), Keuchhusten 88 (75), Typhus 17 (14), Lungen- 
tuberkulose 854 (877), Tuberkulose anderer Organe 260 (228), an croupöser Lungen- 
entzündung 438 (376), an sonstigen entzündlichen Krankheiten der Atmungsorgane 
450 (492), Kindbetttieber 42 (34), anderen Folgen der Geburt 21 (11), Neubildungen 
509 (485), Lebensschwäche 435 (496), Alterschwäche 303 (321), Magen- und Darm- 
katarrh und Atrophie 2274 (1464). Von den letzteren 'Todesfällen trafen 1498 allein 
auf die Monate „Juni bis einschliesslich September. 

Erkrankungen an Diphtherie sind 1477 (1161), an Scharlach 3082 (1840), 
an Typhus 108 (103) gemeldet worden. Die Vermehrung der Diphtheriefälle hatte 
schon im Herbst 1902 eingesetzt. Nach einem Nachlass im Sommer trat im September 
wieder eine Steigerung ein. Der Charakter der Krankheit ist als ungünstig zu be- 
zeichnen. Ohne Heilserum behandelte Fälle wiesen wieder eine weit höhere Sterb- 
lichkeit auf. Im Januar und Februar trat eine nicht ausgebreitete Pockenepidemie auf, 
welche vermutlich durch einen Handlungsreisenden aus Russland eingeschleppt war. 
Befallen wurden 14 Personen, darunter 2 noch im Vorjahre, 12 geimpfte und 2 un- 
geimpfte Kinder, von denen eins starb. Drei Monate später kam noch ein weiterer 
Pockenfall vor. 

Seitens der Desinfektionsanstalt wurden 1900 (1704) Desinfektionen vorge- 
nommen, 958 mit Dampf, 669 mit Karbol, 273 mit Formaldehyd. 1360 Desinfektionen 
erfolgten aus Anlass der Lungentuberkulose, 86 wegen Diphtherie, 151 wegen Schar- 
lach, 58 wegen Typhus. 

Von 13058 impfpflichtig (10412 wiederimpfilichtig) verbliebenen Kindern 
wurden 75,0 (98,2) 0/, geimpft, darunter 98,5 (93,5)°%/, mit, 1,5 (6,5)%/, ohne Erfolg; 
2) Kinder wurden der Impfung vorschriftswidrig entzogen. Die Zahl der Impfungen 
ändischer Arbeiter betrug 2008, davon waren 1711 mit Erfolg. 

Im Auftrage der Stadt wurden vom Nahrungsmittelchemiker Dr. Röhrig 3604 
Untersuchungen von Nahrungsmitteln u.s.w., deren 1148 zu beanstanden waren, 
ausgeführt. U. a. unterlagen der Beanstandung 77 Proben von Fleisch und Fleisch- 
waren (von insgesamt 208) wegen Gehalts an Konservierungsmitteln, 52 Proben von 
Wurstwaren (357) wegen Zusatzes von Mehl oder Färbung, 573 Proben von Milch 
und Molkereinebenabfällen (786) wegen Entrahmung oder Wässerung, 52 von Butter 
(309) wegen zu hohen Wasser- und Kochsalzgehalts oder Verdorbenseins, 22 von Teig- 
waren (60) wegen Färbung, 14 von Muskatblüte (84) wegen Gehalts an Bombaymaeis, 
Zwieback oder Zucker, 10 von Essig (49) wegen zu geringen Essigsäuregehaltes, 84 
von Fruchtsäften, Gelée u.s.w. (158) wegen Färbung oder Salicylsäurezusatzes, 33 von 
Kakao und Schokolade (212) wegen Mehlzusatzes, 27 von Spielwaren (60) wegen Ge- 
halts an Blei und giftigen Farben, 35 von Gebrauchsgexensti inden, Ess- Trink- und 
Kochgeschirr (73) wegen Gehalts an Blei, 15 von Fischen, Krebsen, Fischkonserven (30) 
wegen Borsäurezusatzes. Ferner wurden von der Ratswache 8242 Proben von Milch 
und 375 von Hackfleisch erledigt und als den Anforderungen entsprechend befunden. 

Der Giesamtauftrieb zum Vieh- und Schlachthof umfasste 255209 Tiere, dar- 
unter 153504 Schweine. Der Fleischverbrauch betrug auf den Kopf der Bevölkerung 
63,12 (1902: 60,08) kg, wozu von dem eingeführten verarbeiteten Fleische noch 
2,50 kg gerechnet werden können. Zur Schlachtvichbeschau kamen 336245 Tiere, 


au; 


514 Kleinere Mitteilungen. 


von denen 1196, darunter 390 wegen Räude, 243 wegen Knochenbrüche, 140 wegen 
Hinfälligkeit, der Sanitätsanstalt überwiesen wurden. Die Schlachtungen und Unter- 
suchungen im Schlachthofe und in derSanitätsanstalt erstreokten auf sich 322152 Tiere. 
Als untauglich zum Genusse für Menschen erwiesen sich 212 Tiere, desgleichen mit 
Ausnahme des Fettes 65, als bedingt tauglich (gedämpft) 447, als minderwertig 1497; 
von letzteren waren 807 Viertel als bedingt tauglich verwertbar. Zu beanstanden 
waren ferner 70448 Organe, darunter 34755 Lungen und 453 Fleischteile im Gewichte 
von 25573 kg. Im Schauamte für eingeführtes Inlandfleisch wurden 15 Rinderviertel, 
2 Schweine, 2 Kälber, 1 Kalbskeule, 153 kg Fleischstücke zurückgewiesen, 8 Lebern, 
29 kg Fleischstücke und verschiedene Organe der zum Verkehr zugelassenen Tiere 
beanstandet, ferner wurden an zubereitetem Fleisch 1027 Schweinslebern und 4 Stück 
Büchsenfleisch beanstandet. Die Beschaustelle für eingeführtes Auslandfleisch bean- 
standete 48,15 kg frisches und 9776,49 kg zubereitetes Fleisch. Im Trichinenschau- 
amte wurden bei 5 Schweinen Trichinen nachgewiesen. 

Der Gesamtverbrauch an Wasser stieg gegen das Vorjahr um 647000 cbm oder 
5,6"/, auf 12112000 chm. Für den Kopf und Tag betrug er 66 Liter. Zur Erweite- 
rung und Ergänzung des öffentlichen Rohrnetzes wurden 6537 laufende Meter Rohr, 
65 Stück Schieber, 59 Stück Posten neu verlegt und eingebaut. Am Schluss des Be- 
richtsjahres bestand es aus 381120 m Rohr, 2462 Schiebern und 3011 Posten. Ange- 
schlossen waren 13132 (1902: 12475) zahlungspflichtige Grundstücke. 

Aus 24959 Gruben sind 118674 cbm Masse geräumt worden, davon aus 
Wasserklosetanlagen 21624 cbm. 

Durch eine besonders dazu ausgebildete Abteilung der Ratswache sind 567 Woh- 
nungsrevisionen ausgeführt worden, die 125 Anzeigen über Wohnungsüberfüllung 
und andere gesundheitliche Missstände zur Folge hatten. Auf Grund von Anzeigen 
oder Beschwerden fanden ausserdem 600 ausserordentliche Revisionen durch die Rats- 
wache, 304 durch den Stadtbezirksarzt, 820 durch städtische Bausachverständige statt. 
Im November 1904 (1903) standen 4834 (4457) Wohnungen und 983 (1013) Ge- 
schäftslokale leer. Neue Wohnungen sind 4911 (5204) geschaffen worden. 

(Veröfl. d. Kais. Ges.-A. 1905. No. 44. S. 1200.) 

(:) Gesundheitswesen in Nürnberg im Jahre 1904. (Nach dem vom 
Verein für öffentliche Gesundheitspflege unter Mitwirkung des Stadtmagistrats heraus- 
gegebenen Berichte.) 

Der Bericht enthält in seinem 1. Abschnitt eine Abhandlung über die klima- 
tischen Verhältnisse Nürnbergs, von Prof. Rudel, dem Vorstande der meteorologischen 
Station. 

Den Berechnungen der Sterblichkeit und Morbidität ist eine mittlere Bevölkerung 
von 280000 zu Grunde gelegt. 

Die Gesamtzahl der Geborenen betrug 10575 (im Vorjahre 10342) = 3,78 
(3,81)%/00 der Bevölkerung; von dieser Ziffer entfielen 3,64 (3,66)°/oo auf Lebendge- 
borene. Unter den 8694 ehelich Geborenen befanden sich 308=3,49°/,, unter den 
1881 ausserehelich Geborenen 85=4,52°/, Totgeborene. Im ganzen waren 17,79 
(17,05) °/o aller Geburten ausserehelich gewesen. Den 10182 Lebendgeborenen standen 
6115 Gestorbene gegenüber, entsprechend einem Bevölkerungszuwachse von 4067 
Seelen. Die Sterblichkeitsziller betrug 2,18 (2,24)°/oo der Bevölkerung; es starben 
2707 Kinder des ersten Lebensjahres, mithin 26,6 auf je J00 Lebendgeborene. Die 
grösste Zahl der Sterbefälle hatte der Monat August mit 741, die geringste der Monat 
November mit 344 'Todesfällen. 

Die hauptsächlichsten Todesursachen des Berichtsjahres 1904 (1903) waren: 
Tuberkulose in 871 (870), croupüse Lungenentzündung und andere Entzündungen der 


Kleinere Mitteilungen. 515 


Atınungsorgane— ausschl. Entzündung der Nase, des Kehlkopfes und der Bronchien -- 
in 623 (610), Darmkatarrh der Kinder in 555 (517), Brechdurchfall in 517 (396), Ge- 
hirn und Rückenmarksleiden in 377 (371) Fällen. Es starben ferner an Neubildungen 
2% (270), Diphtherie 44 (63), Scharlach 26 (188), Masern 101 (237), Keuchhusten 
100 (60), Typhus 7 (9), Kindbettfieber 14 (16), Rotlauf 21 (19) Personen. Der Milz- 
brand forderte auch in diesem Berichtsjahre kein Opfer. 

Im ganzen wurden von etwa 180 Aerzten 9403 Fälle von Infektionskrankheiten 
angezeigt, gegen 12887 im Vorjahre, was bei einer Einwohnerzahl von 280000 Seelen 
einem Prozentsatz von 3,36 (4,75) entspricht. Von denjenigen Infektionskrankheiten, 
welche im Berichtsjahr häufiger als im Vorjahre gewesen sind, ist in erster Linie 
der Brechdurchfall zu nennen, sonst besonders Mumps, Röteln und Keuchhusten. 
Die meisten Erkrankungsfälle an Röteln und Mumps fielen in den Beginn des schul- 
pflichtigen .Alters, dagegen wurde der Keuchhusten von den meisten Kindern schon 
vor dem 6. Lebensjahr überstanden. Während bei Diphtherie, Gelenkrheumatismus, 
Lungenentzündung, Rotlauf und Kindbettfieber sowohl in der Zahl der Erkrankungs- 
fälle als auch in der Art und Weise des Auftretens gegen das Vorjahr eine wesent- 
liche Verschiebung nicht eingetreten ist, zeigte sich ein Anwachsen der Fälle von 
Unterleibstyphus. Die meisten dieser Erkrankungen fielen in die Monate April 
bis Juni und am stärksten war die Altersklasse von 21—30 Jahren dabei beteiligt. 
Die Zahl der gemeldeten Erkrankungen betrug im Jahre 1904 u. a. für Scharlach 662, 
Brechdurchfall 1130, Influenza 1440, Masern 1880, Diphtherie 468, Röteln 428, Wind- 
pocken 561, kontagiöse Augenkrankheit 63, Mumps 207, Keuchhusten 827, Rotlauf 399, 
Kindbettfieber 29, Wechselfieber einschl. intermittierender Neuralgie 27. 

Die Zahl der Praxis ausübenden Aerzte betrug am Schlusse des Jahres 179, da- 
runter 4 Militärärzte, gegen 169 im Vorjahre, die der Hebammen 132, die der Leichen- 
schauer 15. 

Die Zahl der Krankenbetten im städtischen allgemeinen Krankenhause war 958; 
für lungenkranke Frauen soll ein eigenes Gebäude eırichtet werden. Verpflegt wurden 
5105 Kranke an 123030 Tagen, hiervon trafen auf die 195 über 13 Wochen Ver- 
pflegten nach Ablauf dieser 13 Wochen 7543 Verpflegungstage. Zur Entlassung 
kamen als geheilt 4665, gebessert 2208, ungeheilt 325 Kranke. 

Zur Aufnahme in die Nürnberger Heilanstalt Engelthal gelangten 294 
Kranke, dazu kamen vom Vorjahre 62 Kranke, um Aufnahme hatten sich 446 be- 
worben. Von 66 Betten der Anstalt waren im Mittel 65,1 täglich belegt. Bei ihrer 
Entlassung waren voll erwerbsfähig mit Aussicht auf längere Dauer des Erfolges 
163=59,7°/, der Ausgeschiedenen, nicht voll, aber noch erwerbsfähig, im Sinne des 
§ 5 des Inv.-Versich. -Gesetzes waren 5=1,8°/,, voll orwerbsfähig, jedoch mit in 
Fragestellung der längeren Andauer dieses Erfolges 57=20,9°/,, teilweise erwerbs- 
fähig mit fraglicher Dauer 32=11,7°/,, erwerbsunfähig 16=5,90/6; gestorben sind 
2 Kranke. Die Nachforschungen über die Dauererfolge ergaben, dass seit der Ent- 
lassung im Jahre 1903 gebessert 71, unverändert 25, gestorben 10 Personen waren, 
bei 14 der im Vorjahre Entlassenen hatte sich der L,ungenbefund verschlechtert. 

Von den im Jahre 1904 ausgeführten 1255 Desinfektionen wurden 1012 in 
der Desinfektionsanstalt und 243 in den betreffenden Wohnungen vorgenommen. 

In der Untersuchungsanstalt für Nahrungs- und Genussmittel 
wurden nur 8810 Proben untersucht, gegenüber 11390 während des Jahres vorher. 
Diese im Vergleich zum Vorjahre beträchtliche Minderung der Zahl der Untersuchungs- 
gegenstände ist wesentlich darauf zurückzuführen, dass im Vorjahre 9050, im Berichts- 
jahre aber nur 6126 Milchproben zu untersuchen waren. 

(Veröff. d. Kais.-Ges.-A. 1905. No. 51. S. 1379.) 


516 Kleinere Mitteilungen. 


(:) Grossbritannien. Gesundheitsdienst im Hafen von London im 
Jahre 1904. (Nach dem 60. Jahresbericht des Hafenarztes.) 

Während des Berichtsjahres wurden bei der Ankunft in Gravesend 2559, in 
Sheerness 308 Schiffe ärztlich besichtigt; im ganzen wurden 35385 Besichtigungen 
von Fahrzeugen u.s.w. im Hafen von London vorgenommen (gegen 33117 im Durch- 
schnitt der letzten 5 Jahre). Von den besichtigten Fahrzeugen führten 83,99%), die 
britische, 4,99°/, die skandinavische, 3,53°/, die deutsche Flagge. 

In dem Bericht wird ein Auszug aus den auf der internationalen Sanitätskonfe- 
renz zu Paris im Jahre 1903 vereinbarten Bestimmungen gegeben und dazu bemerkt, 
dass diese Vorschriften schon seit mehreren ‚Jahren im Londoner Hafen beobachtet 
werden. Während aber z. B. nach der Pariser Uebereinkunft die Ausräucherung von 
pestverseuchten Schiffen vor oder nach der Entladung vorzunehmen ist, empfiehlt 
der Bericht, in Zukunft alle Teile des betreilenden Schiffes mit Ausnahme der Lade- 
räume sogleich bei der Ankunft in Gravesend auszuräuchern und zu desinficieren, da- 
nach die Ladung zu löschen und nunmehr nochmals das ganze Schiff auszuräuchern. 
Ein Ausräuchern des ganzen Schiffes vor dem Ausladen wird nicht für ratsam erklärt, 
da sonst Schadenersatzansprüche zu befürchten scien. Es wird erwähnt, dass seitens 
des Local government board eine Untersuchung über das beste Verfahren, Ratten und 
Ungezieler auf Schiffen ohne Schädigung der Ladung zu vernichten, im Gange sei. 

Von ansteckenden Krankheiten gelangten während des Berichtsjahres 153 
Fälle zur Anzeige (d. h. 76,8%, unter dem Durchschnitt der letzten 5 Jahre), von 
denen 73 in das Hafenkrankenhaus aufgenommen wurden. 

Auf 3 Schiffen waren unterwegs je 1—2 choleraverdächtige Fälle vorgekommen; 
bei der Ankunft in London wurde jedoch auf keinem Schiffe ein verdächtiger Fall 
vorgefunden. Ueber Fälle von Gelbfieber ist nicht berichtet. Unter 6 Fällen von 
Pestverdacht wurde einmal Pest bakteriologisch festgestellt. Der betreffende Kranke 
war ein Kohlenträger auf dem Dampfer „Weybridge“ und anscheinend in Rosario an- 
gesteckt worden; er genas, nachdem er mit Antipestserum behandelt worden war. 
Weitere Erkrankungen schlossen sich nicht an; nach Ausräucherung des Schiffes 
wurden 245 tote Ratten gefunden. Im Laufe des Jahres wurden auf Schiffen und in 
den Docks 65595 Ratten vernichtet. Von. Infektionskrankheiten ausser der Pest kanıen 
zur Anzeige: Pocken 11, Scharlach 11, Diphtherie 3, Typhus 50, Masern 38, Rotlauf 1, 
„Continued fever“ 12, andere Krankheiten (einschl. Windpocken) 17 Fälle. 

Bei den zahlreichen zur behördlichen Kenntnis gelangten und im Berichte er- 
wähnten Missständen auf Schiffen handelte es sich oft um Rauchplage oder um 
Mängel der Lüftung, Beleuchtung, Heizung, Wasserversorgung, oder auch um gesund- 
heitsgefährliche Ladung auf solchen Schiffen, die nicht mit den dazu erforderlichen 
Einrichtungen versehen waren. In 16 von 1250 derartigen Fällen wurde ein gericht- 
liches Verfahren eingeleitet. 

Bei der Untersuchung der Nahrungsmittel wurden zahlreiche Proben als gesund- 
heitsschädlich beanstandet. 

Die Aufmerksamkeit wird auch auf die häufig mangelhaften Unterkunftsräume für 
die Schiffsmannschaft gelenkt, insbesondere sei die Beleuchtung und Lüftung dieser 
Räume oft ungenügend. Es wird im Berichte empfohlen, 1. beim Neubau von Schiffen 
Pläne der Mannschaftsräume der Gesundheitsbehörde zur Begutachtung vorzulegen 
und 2, allgemeine Bestimmungen über die Beschaffenheit dieser Räume zu erlassen. 

(Veröff. d. Kais. Ges.-A. 1995. No. 48. S. 1310). 


Verlag von August Hirschwald, Berlin N.W. — Druck von L. Schumacher in Berlin N. #4. 


Hygienische Rundschau. 


Herausgegeben 


von 


Dr. Carl Fraenkel, Dr. Max Rubner, Dr. Carl @ünther, 


Geh. Med.-Rat, Prof. der Hygiene Geh. Med.-Rat, Prof. der Hygiene Geh. Med.-Rat, a.o.Prof. der Hygiene 
in Halle a./S. in Berlin. in Berlin. 


XVL Jahrgang. Berlin, 15. Mai 1906. 3%. 10. 


(Aus dem Hygienischen Institut der Universität Halle a. S. 
Direktor: Geh. Med.-Rat Prof. Dr. C. Fraenkel.) 


Untersuchungen über den hakterientötenden und gärungshemmenden Einfluss 
des haltbaren 3proz. cbemisch reinen, Merckschen Wasserstoßsuperoxydes, 
unter besonderer Berücksichtigung seiner Verwertung als Mundspülwasser. 


Von 


Bodo Schmidt, 
cand. med. dent. 


Das Wasserstoffsuperoxyd wurde vor ca. 87 Jahren von Thenard 
entdeckt und, nachdem es durch Verbesserungen der Darstellungsweise für die 
Chemie und Industrie in grösserem Masse nutzbar gemacht war, auch in die 
Therapie mit Erfolg eingeführt. So wurde es in der Chirurgie, besonders aber 
in der Zahnheilkunde bäufig als Antiseptikum benutzt, da die gebräuchlichen 
Antiseptika wegen ihrer Giftigkeit, Aetzwirkung und ihres unangenehmen Ge- 
schmackes, Eigenschaften, welche dem Wasserstoffsuperoxyd beinahe gänzlich 
fehlen, im Munde nur beschränkte Anwendung finden können. 

Eine störende Eigenschaft der H,O,-Präparate schränkte jedoch die Brauch- 
barkeit für die Zahnheilkunde bedeutend ein. Um nämlich die leicht zersetz- 
lichen H,O,-l’räparate haltbar zu machen, wurden Säuren zugefügt, die einen 
dauernden Gebrauch des H,O, als Mundwasser wegen der damit verbundenen 
Gefährdung der harten Zahnsubstanzen ausschlossen. Da war es ein grosser 
Fortschritt, als die Firma E. Merck in Darmstadt das chemisch reine, 
also säurefreie, hochprozentige Hydrogenium peroxydatum in den Handel 
brachte, welches bei sachgemässer Behandlung vollkommen haltbar ist. Da 
das Mercksche Präparat aber immerhin sehr vorsichtig aufbewahrt werden 
muss (dunkel und kühl aufzustellen), hat es sich ausserhalb des zahnärztlichen 
Operationszimmers nicht die erwünschte Ausbreitung verschaffen können. Das 
Bedürfnis nach einem Mittel zur regelmässigen Desinfektion der Mund- 
höhle, d. h. nach einem Mundspülwasser hat auf Veranlassung von Herrn 
Prof. Dr. med. H. Koerner Herrn Geh. Med.-R. Prof. Dr. med. Freiherrn 
v. Mering und Herrn Dr. phil. Heinrici dazu geführt, yerdünnte, Lösungen 

88 


518 Schmidt, 


des Merckschen H,0,-Präparates durch einen minimalen Zusatz (0,05/,) eines 
neutralen Körpers aus der Klasse der Alkylamide, Alkylimide, der Alkylderi- 
vate der aromatischen Basen u.s. w. haltbar zu machen. Von der Firma 
Krewel & Cie. in Köln wird eine 3 proz. Lösung als Perhydrolmundwasser 
(3 proz., chemisch reines, „haltbares“ Mercksches Wasserstoffsuper- 
oxyd) in den Handel gebracht, das mit 2 Teilen Wasser verdünnt, also als 
1 proz. H0, gebraucht werden soll. 

Es sind schon vielfach mit Wasserstoffsuperoxyd-Präparaten bakteriolo- 
gische Untersuchungen angestellt worden, die gezeigt haben, dass H,O, eine 
bedeutende baktericide und entwickelungshemmende Kraft in sich birgt. Die 
hohe praktische Bedeutung des haltbar gemachten H,0,-Präparates für die 
Zahn- und Mundpflege liess es wünschenswert erscheinen, mit diesem Mittel 
ähnliche Versuche unter besonderer Berücksichtigung seiner Bedeutung als 
Mundspülwasser vorzunehmen. 

Daher veranlasste mich Herr Prof. Dr. Koerner, der Bearbeitung dieser 
Frage experimentell näher zu treten, wofür ich ihm an dieser Stelle besten 
Dank sage. Zugleich möchte ich hier Gelegenheit nehmen, Herrn Geh.-R. 
Prof. Dr. C. Fraenkel für die liebenswürdige Ueberlassung der Hilfsmittel 
des Hygien. Institutes und ganz besonders Herrn Prof. Dr. Sobernheim für 
das ausserordentliche Interesse, das er meinen Versuchen entgegengebracht 
hat, und für seine überaus freundliche Unterstützung bei der ganzen Arbeit 
meinen herzlichsten Dank ergebenst auszusprechen. Auch den Herren Assi- 
stenten danke ich für ihre stets liebenswürdige Hilfe. 

Zu meinen Untersuchungen war mir von Herrn Dr. Heinrici (Hirsch- 
apotheke in Halle) eine, durch einen der obengenannten Körper haltbar ge- 
machte, 8 proz. Lösung von Mercks Hydrogenium peroxydatum purissimum 
freundlichst zur Verfügung gestellt, die in einer farblosen Glasflasche mit 
Korkstopfen bei Tageslicht aufbewahrt auch nach !/, Jahre noch 3 proz. war. 

Bei den ersten orientierenden Versuchen kam es mir zunächst darauf an, 
zu prüfen, inwieweit überhaupt beim Spülen des Mundes mit dem neuen 
Wasserstoffsuperoxyd - Präparat die Mikroorganismen der Mund- 
höhle beeinflusst werden. Ich bediente mich zu diesem Zweck der mir 
zur Verfügung stehenden 3 proz. H,0,-Lösung und stellte die Versuche stets, 
ohue vorher geraucht oder die Zähne mechanisch gereinigt zu haben, 2 bis 
3 Stunden nach dem ersten Frühstück an, so dass sie immer unter relativ 
gleichen Verhältnissen vorgenommen wurden. 

Von genannter Lösung nahm ich 15 ccm in den Mund und spülte eine 
Minute lang kräftig, wobei stets ein äusserst lebhaftes Aufschäumen erfolgte. 
Danach befreite ich den Mund von dem Spülmaterial und entfernte das zu- 
rückgebliebene H,O, durch Nachspülen mit sterilem Wasser. Hierauf entnahm 
ich aus dem Munde mit steriler Platindse bestimmte Mengen Speichel und 
ebenso Zahnbelag und strich sie auf erstarrtem Glycerinagar in Petrischälchen 
möglichst gleichmässig aus. Zur Kontrolle wurden jedesmal vor der Spülung 
nach Möglichkeit die gleichen Mengen Speichel und Zahnbelag wie nach der 
Spülung in derselben Weise auf Glycerinagar ausgestrichen. In einer Reihe 
weiterer Versuche wurde die Dauer der Mundspülung etwas länger ausgedehnt, 


Untersuchungen über Wasserstoffsuperoxyd. 519 


im übrigen aber genau in der gleichen Weise verfahren. Die 3 proz. H,O,- 
Lösung wurde 2, 3, 4 resp. 5 Minuten im Munde behalten und danach 
Speichel und Zahnbelag auf erstarrtem Glycerinagar gleichmässig verteilt. 
Die Glycerinagarplatten wurden bei 37°, 26° und bei Zimmertemperatur auf- 
bewahrt, und mehrere Tage beobachtet. 

Nach 24 stündigem Wachstum zeigte sich zwischen den Platten, die vor 
und nach der Spüluug angelegt waren, stets ein grosser Unterschied, der 
auf den Platten mit den Speichelproben stärker hervortrat, als auf denen mit 
Zahnbelag. Dieser letztgenannte Umstand lässt sich aus der Konstitution des 
Zahnbelages erklären und kommt praktisch weniger in Frage, da vor dem 
Gebrauche des Mundwassers die Zähne energisch gebürstet werden sollen. 
Ganz auffällig war zunächst die Differenz in der Zahl der aufgegangenen 
Kolonien. Während die Kontrollplatten so dicht bewachsen waren, dass 
kaum einige Stellen des Nährbodens frei blieben, waren die Platten mit den 
Proben, welche der Einwirkung des H,O, ausgesetzt waren, ziemlich 
schwach mit isolierten Kolonien bedeckt. Von einer Zählung der Kolonien 
musste ich Abstand nehmen, da das Material durch das Ausstreicben nicht 
genügend gleichmässig verteilt und an manchen Stellen der Agarplatten der 
Bakterienbelag ein zu dicbter war. Aber nicht nur in der Zahl, sondern auch 
in der Art der Bakterienkolonien war ein deutlicher Unterschied vorhanden. 
Auf den Platten vor der Spülung wuchs ein dichter, feiner Rasen von tau- 
tröpfchenähnlichen Kolonien (grösstenteils Streptokokken) und dazwischen in 
grosser Anzahl Staphylococcus aureus und albus; ferner gelbe und rosa Sar- 
cine und eine Art von gelblichen, nabelartig geschrumpften, stecknadelkopf- 
bis linsengrossen Kolonien, die eine zähe Haut bildeten. Auf den Platten 
nach der Spülung fand sich wieder der feine Rasen von Kolonien und 
höchstens 1—5 Staphylokokkenkolonien und hier und da eine von den gelb- 
lichen, geschrumpften; gelbe und rosa Sarcine fehlte immer. Die Zahl der 
Kolonien nahm entsprechend der längeren Einwirkung des H,O, stärker ab. 
Auf den Platten, die bei 37° aufbewahrt wurden, war das Wachstum kräftiger 
als auf den anderen. 

Mehrfache Wiederholungen dieser Versuche boten immer wieder dasselbe 
Bild und bewiesen, wie bedeutend die Zahl der Bakterien in der Mundhöhle 
durch die 3 proz. Lösung dieses H,0,-Präparates reduciert wird. 

Dieselben Resultate erhielt ich auch bei Spülversuchen, die ich unter 
gleicher Versuchsanordnung durch eine andere Person ausführen liess. 

Da das H,O, aber zum Mundspülen als 1 proz. Lösung verwendet 
werden soll, stellte ich weitere Versuche mit einer 1 proz. Lösung an, die 
ich durch Verdünnung der 3 proz. Lösung (1 H,0,:2 Wasser) erhielt. Bei 
dieser Versuchsreihe verfuhr ich im allgemeinen folgendermassen: Zunächst 
spülte ich mit 15 ccm sterilen Wassers den Mund, verteilte eine Oese von 
dem mit bakterienhaltigem Speichel gemischten Spülwasser in flüssigen Gly- 
cerinagar und goss diesen in ein Petrischälchen. Dann spülte ich mit 15 cem 
der 1 proz. H,0,-Lösung, entnahm, ohne die H,0,-Lösung aus dem Munde 
zu entleeren, nach 1, 3 und 5 Minuten jedesmal eine Oese von dem Mund- 
inhalt und goss in gleicher Weise Glycerinagarplatten. _Die Platten wurden 

33* 


520 Schmidt, 


dann bei 37°, 26° und bei Zimmertemperatur aufbewahrt, und nach 24 Stunden 
mit Lupe und Zählplatte die aufgegangenen Kolonien gezählt. 

Die Zählung ergab stets eine deutliche Abnahme in der Keimzahl infolge 
der Einwirkung der 1 proz. H,0,-Lösung. Wie aus Tabelle I ersichtlich, war 
Tabelle I 
Spülung der Mundhöhle mit 1 proz. H203- Lösung. 


Keimzahl in einer Oese der Spülflüssigkeit 
vor der 
Spülung 


nach 1 Min. | nach 3 Min. nach 5 Min. 


die Zahl der Mundbakterien nach 1 Minute meist bis etwa auf die Hälfte, 
nach 3 Minuten noch mehr und nach 5 Minuten ungefähr auf den 4.—5. Teil 
reduciert. Auch hier fand ich wieder, dass die Staphylokokken der Mund- 
höhle in stärkerem Masse abgetötet werden als die Streptokokken. 

Da es wegen des komplicierten anatomischen Baues der Mundhöhle nicht 
möglich ist, genau vergleichbare Mengen aus ihr zu entnehmen, und die ver- 
schiedensten Arten von Bakterien sich in ihr aufhalten, ist es ausgeschlossen, 
den baktericiden Effekt des H,O, durch obige Versuche genau zu analysieren. 
Deshalb stellte ich eine Reihe von Reinkulturversuchen in Reagens- 
gläsern an. 

Zu diesen Versuchen wählte ich zunächst zwei ziemlich indifferente Bak- 
terien aus meinem Munde: gelbe und rosa Sarcine, dann einige Gärungser- 
reger, weil sie durch die Bildung von Säuren an der Zerstörung der harten 
Zahnsubstanzen stark beteiligt sind: Bac. acidi lactici, Bac. laevolactici und 
Bac. coli, ferner zwei Hefen: Weinhefe und Rosahefe aus der Sammlung des 
hygienischen Instituts, und einige Eitererreger: Staphylococcus pyogenes aureus 
und albus aus meinem Munde, einen virulenten Staphylococcus pyogenes aureus 
von einer vereiterten Glandula axillaris und einen ebenfalls virulenten Strepto- 
coccus pyogenes von eitrigem Tonsillenbelag bei Dipbtherie aus der Instituts- 
sammlung. 

Von diesen Bakterienarten stellte ich mir immer am Tage vor dem Ver- 
suche Strichkulturen auf Glycerinagar her und bewabrte sie bei Brüttempe- 
ratur auf. Am folgenden Tage machte ich von diesen frischen Kulturen in 
steriler, physiologischer Kochsalzlösung möglichst konzentrierte Aufschwem- 
mungen. 

Um die Konzentration der Bakterienaufschwemmungen einigermassen zu 
illustrieren, lasse ich hier einige Zahlen folgen, die ich bei Reinkulturver- 
suchen feststellen konnte. Bei einem Experiment mit Bac. acidi lactici waren 
in 0,1 ccm der konzentrierten Bakterienaufschwemmung 2000 Millionen Keime, 
bei einem anderen 603,9 Millionen Keime, bei einem dritten 427 Millionen 
und bei einem weiteren 2257 Millionen Keime enthalten. Ich bediente mich 
derartig konzentrierter Aufschwemmungen, um einerseits recht hohe Anforde- 


Untersuchungen über Wasserstoffsuperoxyd. 521 


rungen an das H,O, zu stellen, da ja auch im Munde diesbezüglich von einem 
Desinficiens sebr viel verlangt wird, und um andererseits die H,0,-Lösungen 
durch die Bakterienaufschwemmungen möglichst wenig zu verdünnen. 

Von solch’ einer Aufschwemmung wurde 0,1 ccm mit 6 ccm einer H303- 
Lösung zusammengebracht und nach bestimmten Zeiträumen je eine Oese von 
dem Gemisch auf Glycerinagar ausgestrichen und eine in Fleischbrühe gebracht. 
Vor der jedesmaligen Entnahme einer Oese wurde das Versuchsmaterial auf- 
geschüttelt, um die Bakterien möglichst gleichmässig in der Flüssigkeit zu 
verteilen. Ausserdenn wurde zur Kontrolle 0,1 cem der konzentrierten Auf- 
schwemmung mit 6 ccm sterilen Wassers verdünnt und hiervon gleichfalls eine 
Oese auf Glycerinagar und eine in Fleischbrühe übertragen. Die Kulturen 
wurden dann in den Brütschrank gesetzt und 5—7 Tage beobachtet; Wein- 
hefe und Rosahefe wurden bei 26° aufbewahrt. Im allgemeinen bediente ich 
mich des Glycerinagars; nur für die beiden Hefen benutzte ich Bierwürzagar. 
Diese Reinkulturversuche wurden mit derselben Bakterienaufschwemmung nach- 
einander mit 1-, 2- und 3 proz. H,O,-Lösung ausgeführt, so dass man die Resultate 
auch in Rücksicht auf den Einfluss der verschiedenen Konzentration der H20% 
Lösungen vergleichen kann. 

Diese Reinkulturversuche ergaben mit der 1 proz. H,0,-Lösung folgendes 
Resultat: 

Durch die 1 proz. H,0,-Lösung erfolgte bei der Mehrzahl der untersuchten 
Bakterienarten bereits nach 1 Minute eine Verminderung 'in der Zahl, nach 
3 Minuten eine weitere Reduktion und nach 5—20 Minuten völlige Abtötung. 
Weinhefe und Rosahefe waren nach 25 Minuten noch nicht vollkommen ver- 
nichtet, und der virulente Staphylokokkus widerstand noch nach 1 Stunde mit 
einigen Keimen, während nach 20 Stunden auch diese abgestorben waren. 
Das Nähere ist aus der Tab. Ila zu ersehen. Die dem „+“ in den Tabellen 

Tabelle Ia. 


Einwirkung der 1 proz. Hz0,-Lösung auf konzentrierte, wässerige Aufschwemmungen 
von Reinkulturen. 


Erfolg!) der H>0,-Einwirkung nach: 
Art der verwendeten | s g g 1 = 


= g S] € 
Bakterien } = = = 2. 58 = EZ) 
& A E E A 8 
Gelbe Sareine + + + ł $ =; — | 
Rosa Sarcine . Ht — -- — _ =: 
Bac. acidi lactiei tt + t5 t1 = == 
Bac. laevolactici + titea.50 — — => 
Bac. coli +i ti 735 — — = 
Weinhete HH + + + = 
Rosahefe ftl t + + +16 
Štreptococcus Pyog. + 1 fr tea.100/ +30 | — | ! 
Stapbyl.pyog. aureus. ti + d $ tea.300 toa 2307 155 Fca.163|1 186,1 761 — 


1) r=Wachstum, ——kein Wachstum, also Abtötung. } 
Die beigefügten Zahlen geben die Zahl der aufgegangenen Kolonien an. 


beigefügten Zahlen geben an, wie viele Bakterien in einer Oese noch ent- 
balten waren. 
Um nun zu sehen, in welchem Masse die Bewegung beim Spülen die 
39 


522 Schmidt, 


baktericide Wirkung beeinflusst, stellte ich mehrere Reinkulturversuche mit 
Bacillus acidi lactici und mit Bacillus laevolactici mit der 1 proz. H,O,-Lösung 
wie oben an, schüttelte aber das Versuchsmaterial während des ganzen Ver- 
suches. Wie Tab. IIb zeigt, wurde Bac. acidi lactici zwar schneller, Bac. 
laevolactici nach derselben Zeit wie bei den vorherigen Versuchen abgetötet. 


Tabelle IIb. 
Einwirkung der 1 proz. H0,-Lösung auf konzentrierte, wässerige Aufschwemmungen 
unter gleichzeitigem Schütteln des Versuchsmateriales. 


Erfolg der H20,- Einwirkung nach: 


Art der verwendeten Bakterien | 
1Min. | 3Min. | 5Min. |10 Min.\15 Min. ‚20Min. '25 Min. 
E | 
Bac. acidi lactiei +t + | 
Bac. laevolactiei t t | +24 piz -| = ke 


Dass das Schütteln scheinbar nur einen sehr geringen Einfluss auf die Resul- 
tate ausübt, hat seinen Grund wohl darin, dass auch bei den anderen Rein- 
kulturversuchen vor der jedesmaligen Entnabme einer Oese, also in kurzen 
Zwischenräumen das Versuchsmaterial zwecks gleichmässiger Verteilung der 
Bakterien aufgeschüttelt wurde. 

Die Resultate der Reinkulturversuche mit der 2 und 3 proz. H,O,-Lösung 
waren folgende: 

Durch die 2 proz. H,O,-Lösung wurden die Bakterien schon nach 1/3 Minute 
stark vermindert und nach 3—10 Minuten abgetötet. Auch hier wiederstanden 
die Keime der Weinhefe nach 20 Minuten noch teilweise der Einwirkung des 


H0; (Tab. 11). 
Tabelle Ill. 

Einwirkung der 2 proz. H0,-Lösung auf konzentrierte, wässerige Aufschwemmungen 
von Reinkulturen. 


Arts der verwendeten Erfolg der Hz0,-Einwirküng nach: 


Bakteri | ! 
ar 1/3 Min.! 1Min. | 2Min. | 3Min. 5Min. ‚10 Min. 15 Min. 20 Min. 
i 

Gelbe Sareine . + + + +5 — — — 
Rosa Sarcine + 12 _ — — — — — 
Bac. acidi lactici . $ t +t +23 +5 _ _ — 
Bac. laevolactici . t t +30 — — — — 
Bac. coli t +t i + _ _ — 
Weinhefe t + + + + + + 
Rosahefe . ae + Tr t +63 rl — -— 
Streptococcus pyog. . + | te.160 ‚rt ca.30,} ca.30! — _ 

Staph. pyog. aureus . $ | $ t ca.80 t ca.80|t ca.80! — — 


Durch die 3 proz. H,0,-Lösung endlich gingen die Bakterien schon nach 
1/2 bis 5 Minuten zugrunde. Von der Weinhefe waren jedoch noch nach 
10 Minuten eine Anzahl Zellen am Leben. (Tab. IV). 

Interessant ist es, dass Staphylokokken, sogar der virulente Stamm schon 
nach 3 Minuten vollkommen abgetötet wurde, während z. B. Decius, der bei 
seinen Versuchen gleiche Mengen von frischen Staphylokokken-Fleischbrühe- 
kulturen und 6proz. H,0,-Lösung zusammenbrachte, so dass 3 proz. H303- 
Lösung zur Wirkung kam, überhaupt keine Abtötung der Staphylokokken er- 


Untersuchungen über Wasserstoffsuperoxyd. 523 
Tabelle IV. 
Einwirkung der 3 proz. Hz0,-Lösung auf konzentrierte, wässerige Aufschwemmungen 
von Reinkulturen. 


Erfolg der Hz0,-Einwirkung nach: 
f 


Art der verwendeten Bakterien ! 
1/2 Min.) 1Min. | 2Min. | 3Min. | 4Min. | 5Min. |10 Min. 

Gelbe Sareine t + + + — — 
Rosa Sarcine . — — — — — — 
Bac. acidi lactici +t +20 +9 +4 _ — — 
Bac. laevolactici +t tr ı 122 + _ _ _ 
Bac. coli . + s S N pl ja, == = _ 
Weinhefe . +t +t + + t + t 
Rosabefe . X g $ + | +35, 17 | rı +6 _ 
Strepfocoecus pyogenes z t |fea.100| 

Staphyloc. pyog. aureus . tca.90| + 13 — _ _ _ 
Mund-Staphyloc. pyog. aureus. _ — _ — — — — 
Mund-Staphyloc. pyog. albus . 2% = —_ z= == 


zielte. Deshalb machte ich zum Vergleich auch mehrere Versuche mit 
Fleischbrübekulturen.. Von einer 24 Stunden alten Fleischbrühe-Reinkultur 
des mehrfach genannten Staphylococcus pyogenes aureus nahm ich mit steriler 
Pipette vorsichtig die schwächer getrübte Flüssigkeit ab, so dass eine konzen- 
trierte Aufschwemmung von Staphylokokken in Fleischbrühe übrig blieb. Auf 
0,1 cem davon liess ich 6 ccm meiner 3 proz. H,0,-Lösung einwirken und ver- 
fuhr dann wie bei den anderen Reinkulturversuchen. 

Auch die Resultate dieser Versuche waren durchaus günstig. Die Sta- 
phylokokken wurden abgetötet, aber ein gut Teil später als da, wo die Bakterien 
in physiologischer Kochsalzlösung suspendiert waren. Diese Versuche zeigen 
also einerseits, wie sehr das Medium, in dem die Bakterien verteilt sind, die 
Resultate beeinflusst, andererseits aber, und das dürfte wohl sehr beachtens- 
wert sein, dass das „haltbare“ H,O,-Präparat in seiner Wirkung auf die 
Bakterien von dem Medium nicht so abhängig ist wie die früheren H,O,-Prä- 
parate, und somit auch in eiweisshaltigen Flüssigkeiten, wie z. B. Fleisch- 
brühe, bessere Wirkung erzielt (Tab. V). 


Tabelle V. 
Einwirkung der 3 proz. H20,-Lösung auf sehr keimreiche Staphylokokkenreinkulturen 
in Fleischbrühe. 


Erfolg der H,0,-Einwirkung nach: 


Art des verwendeten 


Bakteri £ á Sl d|d slslsls|s EREE 
akteriums PDE a 5 E] 
SHHHHHHHAHHAHRHHE 

zalza “ls iS 18 allL $ 


[8 | 
| $ 

Staph. pyog. aureus . . | + | eF RT telti- _ 

Alle diese Reinkulturversuche haben deutlich gezeigt, dass das „haltbare“, 
3 proz., chemisch reine, Mercksche Wasserstoffsuperoxyd in 3-, 2- und 1 proz. 
Lösung auf verschiedene Arten von Bakterien stark baktericid wirkt. Natür- 
lich darf man in der Mundhöhle mit ihren Falten, Buchten, Winkeln und 
dem Speichel, der durch seinen Gehalt an Fermenten, Eiweiss und Zellbe- 
standteilen das H,O, stark katalysiert, nicht dieselben Resultate wie bei obigen 
Reagensglasversuchen erwarten, da ja eiuer vollkommenen Sterilisierung der 

397 


524 Schmidt, si 


Mundhöhle überhaupt unüberwindliche Schwierigkeiten im Wege stehen 
dürften. 

Beachtenswert möchten daher zwei Versuche sein, bei denen ich stark 
konzentrierte Aufschwemmungen von Reinkulturen des Bac. acidi lactici in 
den Mund nahm und 1- und 3 proz. Lösungen von H,O, darauf einwirken 
liess. Einerseits zeigen diese Versuche, welche ungeheuere Mengen von 
Bakterien das H,0, auch im Munde abzutöten imstande ist, und andererseits 
gestatten sie einen Vergleich zwischen den Verhältnissen im Reagensglas 
und im Munde. 

Wie schon gesagt, nahm ich bei diesen Versuchen, nachdem ich durch 
mehrere langandauernde Spülungen mit 8 proz. Wasserstoffsuperoxyd die Keim- 
zahl in der Mundhöhle möglichst vermindert hatte, 0,1 ccm einer konzentrierten 
Aufschwemmung von 24 Stunden alten Glycerinagarkulturen des Bac. 
acidi lactici in den Mund, entnahm dann eine Oese von dem Mundinhalte, 
strich sie auf Glycerinagar aus und legte ebenso eine Fleischbrühekultur an. 
Dann spülte ich mit 6 ccm einer 1- resp. 3 proz. H,0,-Lösung und brachte, 
während ich das H,O, dauernd im Munde behielt, nach gewissen Zeiträumen 
eine Oese von dem Mundinhalte auf Glycerinagar und eine in Fleischbrühe. 
Bei dem Versuche mit der 1 proz. H,0,-Lösung verdünnte ich 0,1 ccm der 
konzentrierten Aufschwemmung mit 6 ccm sterilen Wassers, entnahm eine 
Oese davon, verteilte sie zwecks Zählung möglichst gleichmässig in 10 ccm 
sterilen Wassers und goss 1 ccm davon mit flüssigem Glycerinagar in ein 
Petrischälchen. 

Diese Versuche ergaben, dass die stark konzentrierten Aufschwemmungen 
des Bac. acidi lactici, in die Mundhöhle gebracht, durch Spülung mit der 
3 proz. H30,-Lösung eine sehr energische nnd nach 3 Minuten nahezu 
vollständige Abtötung erfuhren. Durch die 1 proz. H,0,-Lösung war die 
Zahl der Keime nach 5 Minuten ungefähr auf ein Tausendstel reduciert 
(Tab. VI). In der Oese der mit 6 ccm sterilen Wassers verdünnten, konzen- 
trierten Aufschwemmung des Bac. acidi lactici waren 297 000 Keime ent- 
halten. 

Tabelle VI. 


Einwirkung der 1- und 3proz. H,0,-Lösung auf konzentr., wässerige Aufschwemmungen. 
von Reinkulturen der Bac. acidi lactici im Munde. 


Erfolg der H30,-Wirkung nach: 
H202 | ! | 
‘Min. 1 Min. | 2 Min. | 5Min. | 4 Min. 


7 
| +] Hea115| Foa.113 tea.115 
t34 j 48 | t | 


t ea.60, | 

Hier möchte ich noch anführen, dass bei diesen Versuchen die Zahl der 
Bakterien ‘durch die I proz. H,0,-Lösung nach 10 Minuten und durch die 
3 proz. H,0,-Lösung nach 5 Minuten nicht weiter reduciert wurde, dass also- 
nach dieser Zeit das H,O, vermutlich soweit katalysiert war, dass es nicht 
wehr baktericid wirkte. 

Da es nun denkbar ist, dass schon geringere Mengen von Wasserstoff- 


20Min. | 25 Min. 


L 


5Min. |10 Min.| 15Min. 


| +ea.210! +116 
14 | rt 


1% t 
30%, +60 


Untersuchungen über Wasserstoffsuperoxyd. 525 


superoxyd, die zur Abtötung der Bakterien nicht mehr ausreichend sind, 
immerhin noch entwickelungshemmend auf diese wirken, so dass deren 
Leistung wie z. B. die Gärung ausbleibt oder wenigstens längere Zeit hint- 
angehalten wird, prüfte ich dies H,0,-Präparat auch in Hinsicht hierauf. 

Zu diesem Zweck machte ich zunächst Versuche mit Reinkulturen von 
Weinhefe und Bac. acidi lactici. Von frischen Agarstrichkulturen dieser 
beiden Bakterienarten stellte ich mir wie früher konzentrierte Aufschwem- 
mungen in physiologischer Kochsalzlösung her und inficierte eine Reihe von 
Gärungsröhrchen, die mit 8 ccm einer traubenzucker- resp. milchzuckerhaltigen 
Nährlösnng gefüllt waren, mit je 5 Oesen der konzentrierten Aufschwemmungen. 
Für die Weinhefe bediente ich mich der von Pasteur angegebenen Raulin- 
schen Nährlösung mit 5°, Traubenzucker, für Bac. acidi lactici der ge- 
bränchlichen Fleischbrähe mit 5%, Milchzucker. Zu den inficierten Nähr- 
lösungen fügte ich soviel von der 3 proz. H,O,-Lösung hinzu, bis der ganze 
Inbalt eines Röhrchens einen H,O,-Gehalt von 0,03, 0,04, 0,05% u. s. w. 
0.4 resp. 0,50%, ergab; je ein Gärungsröhrchen wurde als Kontrolle ohne 
H,0,-Zusatz gelassen. Die Röhrchen wurden bei 26° aufbewahrt und bei der 
Weinhefe, da die Nährlösung sauer ist, nur auf Gasbildung, bei Bac. acidi 
tactici auf Gas- und Säurebildung hin geprüft. 

Die Weinhefegärung wurde durch O,1proz. H,0, vollkommen aufge- 
hoben; im Kontrollröhrchen kam es am 3. Tage zur Gasbildung, während 
diese bei 0,08%, und bei 0,05%, H5z0, um 3 Tage, bei 0,04%, um 4 Tage 
und bei 0,03%, um 5 Tage verzögert wurde. 

Die Milchsäuregärung wurde schon durch 0,08%, H20; vollkommen 
aufgehoben, und es erfolgte bei dieser Konzentration des H,O, überhaupt 
völlige Abtötung der Milchsäurebakterien. Im Kontrollröhrchen, bei 0,05, 0,06 
und 0,07%, H,O, trat nach einem Tage Gärung ein, war aber in den Röhrchen 
mit H,0,-Zusatz nicht so stark wie im Kontrollröhrchen (Tab. VIl). 


Tabelle VII. 
Der hemmende Einfluss des H,O, auf die Weinhefe- und Milchsäuregärung. 


Erfolg?) des H20, in einer Konzentration von 
Art der Gärung =|2/2/2|2|2|*|. |||. 
aias 3|8318|5l3/21215 
AUN AE EAE- DA 
as P ER 
Milchsäuregärung | t1 rl | rl | rl | | | | | | -= | 
2) + = Gärung, — = keine Gärung; die beigefügten Zahlen geben die Zahl der 


Tage an, nach denen Gärung eintrat. 

Auf diese Versuche liess ich, um auch hier wieder die Verhältnisse in 
der Mundhöhle zu berücksichtigen, eine Reihe von Versuchen folgen, bei denen 
ich Wasserstoffsuperoxyd in verschiedener Konzentration auf ein Brotspeichel- 
gemisch in der Mundhöhle wie auch im Reagensglase einwirken 
liess. Gerade die Backwaren, wie Schwarzbrot, Weissbrot, Kuchen n. s. w., 
die für jeden Menschen einen Hauptbestandteil der täglichen Nahrung bilden, 
spielen bei der Zerstörung der harten Zahnsubstanzen eine überaus grosse 
Rolle. Diese Stoffe werden durch die Speichelverdauung in Zucker umge- 


526 Schmidt, 


wandelt, und nun beginnen die zahllosen Gärungserreger in der Mundhöhle 
ihre verderbenbringende Arbeit, indem sie die Zucker zu Säuren vergären, 
welche den Zahnschmelz und weiterhin das Zahnbein entkalken. Andere Arten 
von Bakterien vollenden dann das Werk der Zerstörung. 

Um also zu sehen, inwieweit die Vergärung des Zuckers durch die Mikroorga- 
nismen der Mundhöhle von dem „haltbaren“ Wasserstoffsuperoxyd beeinflusst wird, 
kaute ich 5 g süsses Weissbrot (Franzbrötchen, Hörnchen) 5 Minuten lang. indem 
ich gleichzeitig 6 ccm verschiedenprozentiger Hz0,-Lösungen in den Mund 
nahm, und entleerte dann den entstandenen Brei in sterile Reagensgläser. 
Bei diesem und dem zugehörigen folgenden Versuche erwies es sich als not- 
wendig, die erhaltene Menge des Brotspeichelgemisches in sterilen Messgläsern 
genau festzustellen, da durch den Kauakt und die hierdurch bewirkte lebhalte 
Speichelsekretion stets eine sehr weitgehende Verdünnung des H,O, erfolgte. 
In den Versuchen wurden statt der eingeführten 6 ccm Flüssigkeit 16—24 ccm 
nach 5 Minuten aus dem Munde entleert, was einer 3—4 fachen Verdünnung 
des H,O, gleichkommt. In Wirklichkeit war also der Prozentgehalt des im 
Munde wirkenden H30, erheblich geringer, als der Konzentration bei der Auf- 
nalıme in den Mund entsprach. Bei dem folgenden Versuche kaute ich wieder 
5 g süsses Weissbrot 5 Minuten lang und brachte das Produkt, nachdem icb 
es in sterilen Cylindern gemessen hatte, mit 6 cem verschiedenprozentiger 
H;0,-Lösungen in sterile Reagensgläser. Bei den Versuchen erfolgte stets ein 
ausserordentlich starkes Aufschäumen. Zur Kontrolle kaute ich stets 5 g süsses 
Weissbrot 5 Minuten lang, während ich gleichzeitig 6 ccm sterilen Wassers 
in den Mund nahm, und brachte den Mundinhalt in ein steriles Reagensglas. 
Die Röhrchen wurden gut verschlossen bei 26° aufbewahrt und auf Säurebildung 
hin untersucht. Der Inhalt der Mundhöhle wurde immer vor, während und 
nach dem Versuche mit Lakmuspapier auf seine Reaktion geprüft und war 
immer neutral ausser in einem Fall, wo er schwach alkalisch war. Die Ver- 
suche wurden mit 1-, 1,5-, 2-, 2,5- und 3 proz. Hz0,-Lösung ausgeführt, die 
durch den Speichel durchschnittlich auf 0,4—0,5 proz. Lösung verdünnt wurde. 

Wie bei den Reinkulturversuchen zur Prüfung der gärungshemmenden 
Wirkung des H;0,, konnte auch hier schon bei verhältnismässig geringer 
Konzentration des H,O, eine Verzögerung von 1—2 Tagen im Eintreten 
der Gärung konstatiert werden (Tab. VIII). 


Wenn ich nun am Schluss meiner Arbeit die Gesamtheit der Resultate 
kurz zusammenfassen darf, so kann ich sagen, dass das haltbare, 3 proz., 
chemisch reine, Mercksche Wasserstoffsuperoxyd stark baktericid und 
gärungshemmend wirkt, denn: h 

Beim Spülen der Mundhöhle wurde sowohl durch die 3 proz. wie 
durch die 1 proz. H,0,-Lösung die Keimzahl bedeutend herabgesetzt. 

Bei Reinkulturversuchen wurden durch die 1 proz. Lösung verschie- 
dene Arten von Bakterien in stark konzentrierten Aufschwemmungen in physio- 
logischer Kochsalzlösung schon nach 1—38 Minuten in der Zahlstark ver- 
mindert und nach 5—20 Minuten völlig abgetötet. Von Weinhefe und 
Rosahefe waren allerdings nach 25 Minuten und von einem virulenten Staphy 1o- 
coccus pyogenes aureus nach 1 Stunde eine Anzahl Keime noch nicht vernichtet. 


Untersuchungen über Wasserstoffsuperoxyd. 527 


Tabelle VII. 
Gärungsbemmende Wirkung des H>0, im Brotspeichelgemisch. 


Reaktion des Versuchsmateriales nach: 


H202 
2 Tage 3 Tageı 5 Tage 

1 0 | tit | ttt ttt 
wf e en tit 

8. | Ori O TTF ttt 

1 t | tt |tt |tt ttt 
TOE a E E EA tH 
ya 3 — 0 0 0 + tr 

= ee a 
af zf olg tt 

1 | o| tt |tt] t| th tH 
zs zj ele] gl tja tH 
$ 3. 0 0 0 (0 t HT 

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Anm.: No. 1 = mit 6 ccm sterilen Wassers, 
No. 2 = mit 6 ccm H,O, im Munde, 
No. 3 = mit 6 ccm H30 ausserhalb des Mundes, 


0 = neutral, 
t= schwach sauer, 
+} = sauer, 


ttt = stark sauer, 
— = schwach alkalisch. 


Bei den gleichen Versuchen mit der 2 proz. Lösung erfolgte schon 
nach !/, Minute eine Verringerung und nach 3—10 Minuten völlige 
Abtötung. Rosahefe und der virulente Staphylokokkus wurden erst nach 
15 Minuten, Weinhefe nach 20 Minuten noch nicht völlig abgetötet. 

Die 3 proz. Lösung vernichtete bei gleicher Versuchsauordnung die 
Mehrzahl der untersuchten Bakterien schon nach !/,—5 Minuten, während 
Weinhefe noch nach 10 Minuten mit einigen Exemplaren widerstand. 

Der virulente Staphylokokkus wurde durch die 3 proz. Lösung 
auch in Fleischbrühekulturen abgetötet. 

In den Mund genommene Reinkulturen des Bac. acidi lactici wurden 
durch Spülen mit 1- und 3proz. Lösung schon nach 3—5 Minuten zum 
grossen Teile vertilgt. 

Endlich wirkt das Präparat in noch viel geringerer Konzentration 
entwickelungs- und gärungshemmend, wie Reinkulturversuche mit 
Weinhefe und Bac. acidi lactiei und Versuche mit einem Brorspeichel- 
gemisch im Munde und im Reagensglase gelehrt haben. 

Da nun dieses Wasserstoffsuperoxydpräparat neben seiner stark bakterien- 
tötenden und gärungshemmenden Kraft den Vorzug besitzt, frei von den unan- 
genehmen Eigenschaften anderer Antiseptika, wie Giftigkeit, Aetzwirkung, 


528 Lehrbücher. 


schlechtem Geschmack u. s. w. zu sein, es ferner vollkommen säurefrei und balt- 
bar ist und auch durch das starke Aufschäumen Zähne und Schleimhaut noch 
mechanisch reinigt, so kann man es wohl, wie Herr Prof. Koerner in einem 
Aufsatz „Ueber Perhydrolmundwasser“ (in der „Aerztlichen Vierteljahrsrund- 
schau“), als ideales Mundwasser bezeichnen. 


Kamen, Ludwig, Die Infektionskrankheiten rücksichtlich ihrer Ver- 
breitung, Verhütung und Bekämpfung. Kurzgefasstes Lehrbuch für 
Militärärzte, Sanitätsbeamte und Studierende der Medizin. Wien 1905. 
Josef Safär. Lief. 1—4. 256 Ss. 8°. Vollständig in 7 Lieferungen. Preis 
pro Lieferung: 1,50 M. 

Der als Hygieniker und Bakteriologe bekannte Verf. hat in dem bis zur 

4. Lieferung fertig vorliegenden Werke die Infektionskrankheiten rück- 

sichtlich ihrer Verbreitung, Verhütung und Bekämpfung einer ein- 

gehenden Darstellung unterzogen. Der gesamte Stoff ist in drei Teile ge- 
gliedert: 1. Allgemeine Prophylaxe der Infektionskrankheiten, 

2. Desinfektion und 3. Specielle Prophylaxe der wichtigsten Infek- 

tionskrankheiten. Im ersten Hauptabschnitt tritt Verf. bezüglich der Ent- 

stehung der Epidemien der neuerdings wieder von Emmerich verteidigten 

Pettenkoferschen Bodentheorie entgegen und bekennt sich als Anhänger der 

kontagionistischen Lehre. Weiterhin werden die internationalen und 

die im Inlande (Deutschland und Oesterreich) vorgeschriebenen Mass- 
nahmen zur Verhütung der Einschleppung und Bekämpfung der 

Seuchen besprochen. In einem besonderen Abschnitt behandelt der Verf.. 

der österreichischer Oberstabsarzt ist, die prophylaktischen Massnahmen 

beim Heere und zwar insbesondere beim österreichischen. Einen breiten 

Raum nimmt die Lehre von der Desinfektion ein. Die Besprechung der 

chemischen Desinfektionsmittel ist besonders eingehend; selbst die neuesten 

Desinfektionsmittel haben hier Aufnahme gefunden. Die praktisch wichtige 

Dampf- und Formalindesinfektion sind natürlich entsprechend ausführlich er- 

örtert worden. Im dritten Abschnitt wird die specielle Prophylaxe 

folgender Infektionskrankheiten einer Besprechung unterzogen: Tuberkulose, 

Lepra, Diphtherie, Influenza, Keuchhusten, Parotitis epidemica, Genickstarre, 

Rückfallfieber, Pest, Malaria, Gelbfieber, Flecktyphus, Abdominaltyphus, Para- 

typbus- und Colierkrankungen, Ruhr, Weilsche Krankheit, Cholera, akute 

Exantheme, Trachom, Venerie und Syphilis und Wundinfektionskrankheiten. 

Bei jeder dieser Krankheiten wird auf das Vorkommen und die Lebensbe- 

dingungen der betreffenden Krankheitserreger, soweit sie bekannt sind. auf 

Verbreitung, Uebertragung, Bekämpfung und Verhütung der einzelnen Seuchen 

im speciellen eingegangen. Ueberall hat Verf. die neuesten Forschungen auf 

dem Gebiete der Bakteriologie, der Immunität und Serodiagnostik berücksichtigt. 

Die Darstellung selbst ist leicht verständlich, kurz und knapp in der Form. 

Die Anordnung des Stoffes ist systematisch und übersichtlich. Ueber 60 Ab- 

bildungen im Texte und 5 Tafeln dienen zur Erläuterung. Das Werk kann 

Militärärzten,. Aerzten, Medizinal- und Verwaltungsbeamten sowie 


Lehrbücher. Wasser. 529 


Medizinstudierenden nur empfohlen werden. Denn eine Bekämpfung der 
Infektionskrankheiten kann nur dann von Erfolg begleitet sein, wenn die 
Keontnis über das Wesen derselben allgemein verbreitet ist. 

Baumann (Metz). 


Müller, Paul Theodor, Vorlesungen über Infektion und Immunität. 
Jena 1904. Gustav Fischer. 252 Ss. 16 Abb. Preis: 5 M. 

Obwohl bereits mehrere treffliche Werke über das schwierige und heut- 
zutage schon recht ausgedehnte Gebiet der Immunitätslehre existieren, 
dürfte das vorliegende Buch doch keineswegs überflüssig sein. In Zukunft 
wird sich auch der praktische Arzt den durch die Immunitätsforschung ge- 
zeitigten glänzenden Ergebnissen und wichtigen Problemen nicht mehr ver- 
schliessen können, und ihm sowie vor allem dem Studierenden das Verständnis 
der verwickelten Fragen zu erleichtern, dazu scheint das Buch ganz besonders 
geeignet. In 6 Kapiteln wird zunächst das Zustandekommen der Infektion, 
Art und Angriffspunkt der Bakteriengifte, Inkubation, Virulenz und Verhalten 
der Mikroorganismen im inficierten Tierkörper abgehandelt. Die Phagocytose, 
die bakterieiden und globuliciden Wirkungen der Körpersäfte, insbesondere 
des Blutserums, füllen 3.weitere Kapitel. Die letzten 9 befassen sich mit der 
aktiren und passiven Immunisierung, der antitoxischen und antibakteriellen 
Immunität sowie mit der Heilwirkung der Immunsera. Alles das ist nicht 
von irgend einem einseitigen doktrinären Standpunkt aus behandelt, sondern 
auf Grund der experimentell festgelegten Tatsachen erfahren alle zur Zeit 
diskutablen Theorien, sowohl die dominierenden Ehrlichschen als auch die 
von Arrhenius und Madsen und die der Metschnikoffschen Schule eine, 
eingehende objektive Würdigung. Dabei hat Verf. sich bemüht, überall die 
wesentlichen Dinge hervorzukehren und sowohl den Zusammenhang unterein- 
ander wie mit allgemein-biologischen Phänomen klarzulegen, so dass der 
Leser auf Schritt und Tritt Anklänge an ihm Bekanntes und Vertrautes, 
andererseits aber auch zahlreiche Ausblicke auf noch ungelöste Probleme und 
ungehobene Schätze findet. Für denjenigen, der sich eingehender für die be- 
treffenden Forschungen interessiert, siud am Schlusse jedes Kapitels die wich- 
tigsten Literaturnachweise zusammengestellt. Was das Buch aber ganz 
besonders wertvoll macht, ist die knappe, klare, übersichtliche Form der 
Darstellung, die auch dem Nichtfachmann rasch und leicht die oft recht 
schwierigen Fragen entwirrt. Dieser Vorzug im Verein mit dem ungemein an- 
rezenden und fesselnden Stil dürfte allein schon dem Büchlein einen grossen 
Freundeskreis sichern. Beitzke (Berlin). 


Wiakler A., Ist destilliertes Wasser ein Gift? Zeitschr. f. diät. u. physik. 
Therapie. Bd. 8. S| 567. . 

In seinem Vortrage tritt Verf. ganz energisch der Ansicht entgegen, dass 
destilliertes Wasser ein Gift sei, und zieht eine Reihe von eigenen und 
Erfahrungen anderer Aerzte dagegen an; dieselben können aber nur zureichend 
sein, um zu zeigen, dass dasselbe als Getränk unschädlich, unter Umständen 

40 


530 Wasser. 


sogar heilkräftig sein kann. Wenn Verf. zum Schluss als weiteren Beweis 
anführt, dass Bevölkerungen einiger Städte vorwiegend in Cisternen gesammeltes 
Regenwasser trinken, ohne sich zu vergiften, nun aber „Regenwasser aus 
Cisternen, namentlich nach längeren Regengüssen, destilliertem Wasser absolut 
gleich an chemischer Reinheit“ sei, dürfte diese Behauptung doch nicht der 
allgemeinen Anschauung entsprechen. 

Da Verf. wiederholt die Theoretiker für die Entstehung der „Fabel“ von 
der Giftigkeit des destillierten Wassers verantwortlich macht, möchte ich doch 
darauf aufmerksam machen, dass massgebende Theoretiker die Giftigkeit des- 
selben doch wohl nach anderer Richtung auffassen (cf. Kunkel, Toxikologie. 
1901. S. 1), andererseits auch gar nicht leugnen, dass Trinkkuren mit reinem 
Wasser eine Heilwirkung haben können (cf. Schmiedeberg, Arzneimittellehre. 
1902. S. 324). 5 Fr. Peters (Berlin). 


Trillat A: et Turchet, Etude sur un nouveau procédé de recherche de 
l’ammoniaque et des sels ammoniacaux applicable à la carac- 
térisation des eaux potables. Ann. de l'Inst. Pasteur. 1905. No. 4. 
p- 259. 

Die empfoblene Methode für den Nachweis von Ammoniak und von 
Ammoniaksalzen in Trinkwasser beruht aufderSchwärzung des Wassers 
durch nascierenden Jodstickstoff; diese Farbenreaktion ist so empfindlich, 
dass sie noch bei 1:500000 wahrgenommen werden kann und daher dem 
Nesslerschen Reagens überlegen ist. Dem zu untersuchenden Wasser wird 
etwas Jodkaliumlösuhg und einige Tropfen unterchlorigsaures Alkali zugesetzt. 
Jodkalium wird durch nascierendes Chlor gespalten, es bildet sich Chlorjod, 
welches sofort durch Ammoniak zersetzt wird. Andere schwarze Färbungen, 
welche eine Reaktion vortäuschen könnten, haben Verff. nicht beobachtet. 

Silberschmidt (Zürich). 


Croner Fr., Ueber eine Methode, geringe Mengen Mangan neben 
Eisen im Grundwasser nachzuweisen. Aus d. Institut f. Infektions- - 
krankh. in Berlin. Gesundh.-Ingen. 1905. No. 12. S. 197. 

Croner weist auf die Betriebsstörungen hin, die durch das Vorkommen 
von Mangan im Wasser entstehen können. Im Jahre 1894 stellte Pros- 
kauer schon fest, dass ebenso wie durch Eisenausscheidungen auch durch 
Manganverbindungen Verschlammungen von Wasserleitungsröhren hervorgerufen 
werden. Mangan fällt gleichfalls durch Luftzutritt aus Wasser flockig aus. 
Es ist nun in der Praxis den Betriebsleitern von Wasserwerken häufig sehr 
daran gelegen, auf eine einfache, schnelle und zuverlässige Weise Mangan im 
Wasser nachzuweisen. Die in der chemischen Literatur bekannten Verfahren 
des Nachweises sind aber meist für den Nichtchemiker zu zeitraubend und kom- 
plieiert. Auf Grund angestellter Versuche empfiehlt Verf. für diese Zwecke 
die Prüfung auf Mangan nach Blum (Zeitschr. f. analyt. Chem. 1886. Bd. 25. 
S. 519), die darauf beruht, dass Mangansalze mit Kaliumferrocyanid einen 
weissen Niederschlag von Manganferrocyanid erzeugen. Gleichzeitig vorhan- 
denes Eisen wird durch Weinsäure und überschüssiges Ammoniak an der 


Wasser. 531 


Fälluong verhindert, tritt also nicht in. Reaktion. Die Untersuchung wird 
ıweckmässig, wie folgt, ausgeführt: 

Das zu untersuchende Wasser‘ wird, falls es trübe ist, mit etwas Salzsäure 
angesäuert, wodurch Fe- und Mn-Verbindungen sich lösen. Sollte sich das 
Wasser hierdurch nicht klären — bedingt durch feine Sand- und Ton- 
partikelchen —, so ist es zu filtrieren. Das klare Wasser wird nun in ein 
Proskauersches Schaurohr gebracht, mit wenig Weinsäure und Ammoniak 
im Ueberschuss versetzt, gemischt und darauf 2 ccm einer gesättigten Ferro- 
eyankaliamlösung hinzugefügt. Bei Gegenwart von Mangan bildet sich sofort 
oder nach einiger Zeit je nach der vorhandenen Menge ein weisser Nieder- 
schlag oder eine Trübung. Aus dieser Intensität, lassen sich Rückschlüsse 
auf den Mangangebalt des Wassers ziehen. 0,05 mg in 100 ccm Wasser 
konnten so mit Sicherheit nachgewiesen werden. Gewichtsanalytisch lässt sich 
aber diese Methode nicht verwerten, da das Mangan nicht quantitativ gefällt 
wird; auch ist der Niederschlag schwer filtrierbar. ` ` Klut (Berlin). 


Gastiė, Albert, Sur la détermination quantitative du colibacille dans 
les eaux d’alimentation. Ann. de l’Inst. Pasteur. 1905. No. 2. p. 124. 
Verf. tritt für die quantitative Bestimmung des Bact. coli im 
Wasser nach der von Péré angegebenen Methode ein und empfiehlt die An- 
legang von Kulturen mit je 100, 10, 1 ccm und einem Tropfen Wasser in 
einer 1 prom. Karbolsäurebouillon. Silberschmidt (Zürich). 


Vincent H., Sur la signification du „Bacillus coli“ dans les eaux 
potables. Ann. de l’Inst. Pasteur. 1905. No. 4. p. 233. 

Nachdem der Befund von Bact: coli im Wasser als ein Zeichen von 
Verunreinigung betrachtet wurde, kam eine Zeit, wo diesem Mikroorganismus 
keine Bedeutung mehr zugeschrieben worden ist. Die Wahrheit liegt zwischen 
diesen beiden extremen Auffassungen. Das Bact. coli ist nicht in jedem 
Wasser vorhanden, kann also nicht als ein normaler Gast bezeichnet werden. 
Der natürliche Aufenthalt des Bact. coli ist der Darm, auch der Boden. Im 
destillierten und sterilisierten Wasser und auch im natürlichen Wasser scheint 
das Bact. coli nach den mitgeteilten Versuchen nicht länger als 1—2 Wochen 
lebensfähig zu bleiben. Die Zahl der im Wasser enthaltenen Coli- 
bakterien ist abhängig von der Verunreinigung desselben. Das 
ioficierte Wasser enthält sehr viele, reines Wasser hingegen äusserst wenige 
Colibacillen. Dies wird in einer Reihe von Versuchen illustriert. Verf. hat 
in Wasserproben von absoluter Reinheit Colibacillen niemals gefunden. Werden 
in einem Wasser 10—50 oder mehr Kolonien von Bact. coli gezählt, so ist 
dasselbe als stark inficiert zu betrachten; ein Wasser mit 1—10 Kolonien pro 
1l ccm ist nicht als Triokwasser zuzulassen. Bei geringeren Mengen ist eine 
wiederholte Untersuchung angezeigt. Für die Isolierung wird 0,75prom. Karbol- 
säurebouillon empfohlen; mittels genau graduierter Pipetten werden 1, 2, 5, 
10 Tropfen Wasser in ein Röhrchen übertragen und die Kulturen bei 41° C. 
aufbewahrt. Die getrübten Röhrchen müssen aber noch weiter untersucht 
werden, um Verwechselungen und falsche Angaben zu vermeiden. Verf. macht 

40* 


532 Wasser. Beleuchtung. 


noch auf die Bedeutung der Begleitbakterien aufmerksam, uod zwar 
speciell der Anaërobien. Verunreinigtes Wasser enthält stets mehr Anaërobien 
als reines. Im Gegensatz zu Löffler schreibt Verf. einer sorgfältigen quan- 
titativen Bestimmung von Bact. coli sowie der Untersuchung auf Fäulnis- 
und auf anaërobe Bakterien bei der Beurteilung von Wasser eine grosse Be- 
deutung zu. Silberschmidt (Zürich). 


Grünherger V. und Rotky H, Ueber die Verwendbarkeit der Delphin- 
filter. . Aus der Universitätsklinik v. Jaksch. Prag. med. Wochenschr. 
Jahrg. 30. No. 44. S. 605. 

Die Verff. haben im Auftrage von Prof. v. Jaksch wegen der schłechten 
Trinkwasserverhältnisse in Prag das durch eine private Filteranlage (von 
der Filter- und Kunststeinfabrik „Delphin“) gelieferte Wasser, welches durch 
4 Sandsteinfiltercylinder geleitet war, bakteriologisch untersucht. 

In ihren Untersuchungen, die sich auf einen Zeitraum von 4 Wochen er- 
streckten, gingen sie in der Weise vor, dass sie vor und nach dem Filter- 
steinwechsel steril entnommene Wasserproben 1. direkt aus dem Filterhahn, 
2. aus dem zum Sammeln grösserer Mengen filtrierten Wassers bestimmten 
Reservoir und 3. vergleichsweise unfiltriertes Leitungswasser verwandten. Ihre 
Resultate ergaben eindeutig eine verschwindend kleine Anzahl im filtrierten, 
krystallklaren Wasser im Verhältnis zu der im unfiltrierten Leitungswasser. 
Sie empfehlen deshalb auch mit eventuellem Abkochen verbunden die Methode 
des Filtrierens, allerdings mit dem Hinweis, dass die Filtersteine zweimal 
in der Woche durch sachverständige Hand gewechselt und durch Kochen 
sterilisiert werden müssen. Nieter (Halle a. $.). 


Wolpert, Ueber verbrennliche gasfürmige Kohlenstoffverbindungen 
in der Luft. Arch. f. Hyg. Bd. 52. S. 151. 

Wolpert hat die von Erismann angestellten Versuche über die Verun- 
reinigung der Luft durch künstliche Beleuchtung wiederholt und 
dabei den Gehalt der Luft überhaupt an verbrennlichen gasförmigen 
Kohlenstoffverbindungen untersucht. Die bekannte Versuchsanordnung Eris- 
manns wurde etwas modificiert. An Stelle eines undichten Bretterverschlages 
wurde der etwa 7 cbm fassende Eisenblechkasten des Pettenkoferschen 
Respirationsapparates verwandt. Statt des Aspiratoren kam ein Pumpwerk 
zur Anwendung; dadurch wurde der Unterdruck vermieden, der im ganzen 
System von Erismann herrschte und leicht zur Verunreinigung mit Aussen- 
Juft führte. Sodann wurden grössere Luftmengen, 100—1000 Liter, untersucht. 
Endlich wurde die Luft nicht parallel geführt wie bei Erismann, sondern 
dieselbe Luft, welche zur Bestimmung der vorhandenen Kohlensäure durch 
Barytröhren geleitet war, musste weiterhin auch die glübende, mit Kupferoxyd 
gefüllte Röhre und dann eine zweite Reihe von Barytröhren passieren, bevor 
ihre Menge in einer Gasuhr gemessen wurde. Bei dieser Versuchsanordnung 
gelangte also die Luft a) nach dem tJuecksilberpumpwerk, von wo 
sie weitergepresst wurde, b) nach einer ersten Reihe von 3—4 Barytröhren 


Beleuchtung. 533 


zwecks Absorption ihrer fertigen Koblensäure, c) nach der Verbrennungsröhre, 
d) nach einer zweiten Reihe von 2—4 Barytröhren, in welchen die Verbrennungs- 
Kohlensäure absorbiert wurde. Zwischen c und d war eine auf niedriger 
Temperatur gehaltene Wulfsche Flasche eingeschaltet, um zu verhindern, 
dass die Luft aus der Verbrennungsröhre nicht warm in die erste Barytröhre 
der zweiten Reihe gelangt und ihr auch kein Verbrennungswasser zuführe. 
Von d endlich gelangte die Luft nach c, einer genau zeigenden Experimen- 
tiergasuhr. 

Nach dieser Methode wurden untersucht: Luft aus dem Freien, Bodenluft, 
Zimmerluft, durch Beleuchtung (Auerbrenner, Schnittbrenner, Petroleumflamme, 
Stearinflamme), durch Aufenthalt won Menschen in geschlossenem Raum ver- 
wreinigte Luft. Endlich fanden noch Versuche statt mit bekannten Mengen 
gasförmiger Kohlenwasserstoffe wie Acetylen und mit bekannten organischen 
Substanzen wie Jodoform, Formalinpastillen und dergl. 

Die Luft im Freien enthielt im Mittel 0,0150/% verbrennliche gasförmige 
kohlenstoffverbindungen, während die Einzelzahlen zwischen 0,006—0,025°0/%0 
liegen. In Prozenten des Kohlensäuregehaltes der atmosphärischen Luft 
schwankte der Anteil an unvollkommen oxydierten kohlenstoffhaltigen Gasen 
zwischen 1,9—7,2 und betrug im Mittel 4,40/,. 

Der Gehalt der Bodenluft liegt absolut zwischen 0,0—0,086%/,, und relativ 
zwischen 0,0—0.3°/, des primären Kohlensäuregehalts der Bodenluft. Die nach- 
gewiesenen verbrennlichen Kohlenstoffverbindungen der Atmosphäre können also 
nicht vorwiegend aus dem Boden herrühren, 

In verunreinigter Zimmerluft wurden mehr verbrennliche organische 
Gase als im Freien gefunden; reine Zimmerluft enthält unter Umständen keine 
erheblich grösseren Mengen als die freie Aussenluft. 

Vergleicht man durch verschiedene Lichtquellen verunreinigte Luft, so 
zeigt sich eine auffällige Uebereinstimmung in der Lieferung von unvollkommen 
verbrannten Kohlenstoffverbindungen. Sie macht bei Beleuchtung mit Stearin- 
kerzen 1.30, mit Leuchtgas 1,50, und mit Petroleum 1,8%, des Kohlen- 
säuregebaltes aus. 

Bei der Atmungsluft traten neben der Kohlensäure verbrennliche orga- 
nische Gase auf, die 0,27°/ der ersteren betrugen. Hiernach schien es fest- 
zustehen, dass der Luft eines geschlossenen Raumes infolge des Aufenthalts 
von Personen darin ausser der Kohlensäure noch andere Kohlestoffverbindungen 
gasförmigen Zustandes übermittelt werden. 

Endlich wurde auch noch zur Kontrolle der Methode der Luft ein künst- 
lich entwickeltes organisches Gas beigemengt. Die Ergebnisse entsprachen 
der theoretischen Erwartung. Liess man Luft über organische Substanzen 
hinwegstreichen, so ergab sich, dass Dustlessöl 0,0%/0, Jodoform 0,0050/90, 
Formalinpastillen 0,6%/90 und Chloroform 80,000°/,, verbrennbarer organischer 
Gase abgaben. H. Ziesch& (Leipzig). 


Sebelien, John, Ueber die Schwankung der Stärke des ultravioletten 
Lichts bei natürlicher Beleuchtung. Chem.-Ztg. 1905. No. 67. S. 879. 
Im Anschluss an seine frühere Mitteilung (vergl. diese Zeitschr. 1905. 


534 Beleuchtung. 


S. 838) bespricht Verf. die mit Hilfe der Ederschen Flüssigkeit erhaltenen 
Werte. Der im grossen und ganzen bei den Monatswerten ersichtliche Paralle- 
lismus zwischen Quecksilberchlorür-Niederschlag (in der Ederschen Lösung) 
und Sonnenscheindauer (mit dem Jordanschen Sonnenscheinautographen re- 
gistriert) lässt sich bei den täglichen Einzelbeobachtungen nicht nachweisen 
und ebensowenig ist ein unmittelbarer Zusammenhang der gemessenen ultra- 
violetten Strablung mit den anderen gewöhnlicheren meteorologischen 
Faktoren, wie Lufttemperatur, Wolkendecke, Luftfeuchtigkeit oder Nieder- 
schlagsgrösse, im einzelnen nachzuweisen; dagegen ergab sich, dass im grossen 
und ganzen ein umgekehrtes Verhältnis zwischen Quecksilbernieder- 
schlag und Sonnenfleckenzahl besteht. Die Jonnenhöhe äussert ihren 
Einfluss dabin, dass, während das ultraviolette Licht bei grösseren Sonnen- 
höhen unzweifelhaft am grössten ist im direkten Sonnenlicht, es bei niedri- 
geren Sonnenhöhen dagegen mehr im zerstreuten Himmelslicht hervortritt; 
der Umschlag scheint bei etwa 30° zu liegen; wenn die Sonne auf eine Höhe 
von etwa 20° gesunken ist, kann sogar die ultraviolette Wirkung gänzlich 
aus den direkten Sonnenstrahlen verschwunden sein. 
Wesenberg (Elberfeld). 


Erismann Fr, Die Tagesbeleuchtung der Schulzimmer. Jahrb. d. Schweiz. 
Gesellsch. f. Schulgesundheitspfl. 1904. Jahrg. V. Zweiter Teil. 

Verf. hat über die Unzweckmässigkeit des Lichteinfalles von verschiedenen 
Seiten her und über die Orientierung der Schulzimmer nach den verschiedenen 
Himmelsrichtungen eine grössere Reihe Versuche mit Hülfe des Weberschen 
Milchglasphotometers besonders in neueren und älteren Schulhäusern der Stadt 
Zürich angestellt. Zum Schluss stellt er auf Grund seiner Ergebnisse folgende 
Thesen auf: 

1. das Schulzimmer stellt an die Tagesbeleuchtung ganz andere Forde- 
rungen als das Wohnzimmer. 

2. Vom hygienischen Standpunkte ist ausschliesslich Lichteinfall von links 
bei entsprechender Grösse, Form und Anordnung der Fenster zu fordern. 

3. Lichteinfall von rechts ist unbedingt und unter allen Umständen zu 
vermeiden. Fenster im Rücken der Schüler tragen zur Helligkeit der Arbeits- 
plätze wenigstens bei schriftlichen Arbeiten nichts bei, geben vielmehr zur 
Entstehung störender Schatten und Lichtkontraste Veranlassung und bleiben 
am besten ganz fort. 

4. Der Fenstersturz soll keine Bogenlinie bilden, sondern flach sein. 

5. Zur Erzielung guter diffuser Tagesbeleuchtung müssen die Wände (mit 
Ausnahme eines etwa 1,5 m hohen Paneels) in mattweisser Farbe gehalten sein. 

6. Eine direkte Insolation der Arbeitsplätze wenigstens während des 
Unterrichts muss im Gegensatz zu der vom allgemein hygienischen Standpunkte 
aus sonst gerechtfertigten Forderung verhütet werden. 

7. Vorhänge u.s.w. vermögen die Nachteile einer direkten Sonnenbeleuch- 
tung der Arbeitsplätze im Schulzimmer nicht erfolgreich zu beseitigen. 

8. Auch diffuses Tageslicht garantiert unter im übrigen günstigen Ver- 


Krankenpflege. 535 


hältonissen sogar an trüben Tagen eine hinreichende Beleuchtung der Arbeits- 
plätze. 

9. Eine gleichmässige Beleuchtung während der Schulstunden gewähren 
nur in nördlicher Richtung (N., N.-W., N.-O) gelegene Zimmer. Gegen West- 
lage ist auch bei ungeteiltem Unterricht nichts einzuwenden. 

Nieter (Halle a. S.). 


Salzwedel, Handbuch der Krankenpflege. Zum Gebrauch für die 
Krankenwartschule des Kgl. Charitökrankenhauses sowie zum Selbstunter- 
richt. Achte Auflage. Erstes Beiheft: Wochen- und Säuglingspflege. 
Berlin 1905. Verlag von August Hirschwald 36 Ss. 8°. 

Verf. hat den Abschnitt VII der früheren Auflage des Handbuchs der 
Krankenpflege (vergl. diese Zeitschr. 1905. S. 570) als besonderes Beiheft 
erscheinen lassen, da der Inhalt für das männliche Pflegepersonal überflüssig 
erschien. Ausserdem ist es in der jetzigen Gestalt auch für solche Pflegerinnen 
brauchbar, die für die übrigen Teile des Krankenpflegeunterrichts ein anderes 
Lehrbuch in Benutzung haben. Verf. erörtert alle für die Wochen- und 
Säuglingspflege in Frage kommenden Gesichtspunkte nach dem gegenwärtigen 
Stande der Wissenschaft und Praxis, so dass das Beiheft den Pflegerinnen als 
zuverlässiger Ratgeber nur aufs Wärmste empfohlen werden kann. 

E. Roth (Potsdam). 

Stählen A., Leitfaden für Krankenpfleger und Krankenpflegerinnen 
bei der Pflege von ansteckenden Kranken in Krankenhäusern 
und in der Wohnung. Herausgegeben im Auftrage der Königl. Regierung 
zu Arnsberg. Berlin 1905. Verlag von Richard Schoetz. 66 Ss. 8° Preis: 
1,25 M. 

Von der Tatsache ausgehend, dass die Behandlung ansteckender 
Kranker in Bezug auf Isolierung und Desinfektion in den Krankenanstalten 
nicht immer den nach dieser Richtung zu stellenden Anforderungen entspricht, 
dass die Isolierung vielfach eine unzureichende und das Pflegepersonal 
mit den zu befolgenden Verhaltungsmassregeln nicht genügend vertraut ist, 
hat der Verf. im Auftrage der Königl. Regierung in Arnsberg die Pflichten 
der Krankenhäuser bei der Aufnabme von ansteckenden Kranken wie das 
Verhalten des Pflegepersonals bei der Pflege solcher Kranken in dem vorlie- 
genden Leitfaden zusammengestellt. 

Der Verf. bespricht zunächst die Aufnahme und Pflege ansteckender 
Kranken in Krankenhäusern im allgemeinen und speciell die Verhütung 
der Uebertragung von ansteckenden Krankheiten in Krankenhäusern, sodann 
die Vorsichtsmassregeln bei den einzelnen Krankheiten und zuletzt die Desin- 
fektion im Krankenzimmer, bei Fleckfieber, Pocken, Pest, Cholera und Aus- 
satz nach den Anweisungen des Bundesrats und den dazu erlassenen preussi- 
schen Ausführungsvorschriften. 

Der Leitfaden gibt den Anstaltsärzten der Krankenanstalten, aber auch 


536 Krankenpflege. 


den praktieierenden Aerzten zuverlässigen Aufschluss über die Technik der 
Isolierung und Desinfektion, während er den Krankenpflegern und Kranken- 
pflegerinnen zeigt, wie sie sich selbst und die Insassen der Krankenhäuser 
vor Infektionen schützen können. Dieser Zweck wird um so sicherer erreicht 
werden, je mehr sich Aerzte und Pfleger mit dem Inhalt des vorliegenden 
Leitfadens als eines zuverlässigen Ratgebers vertraut machen. 

E. Roth (Potsdam). 


Thel, Grundsätze für den Bau von Krankenhäusern. Mit 11 Tafeln 
und 66 Figuren im Text. Bibliotbek v. Coler-Schjerning. Bd. 20. 
Berlin 1905. Verlag von August Hirschwald. 124 Ss. 8°. 

Der Verf. ging bei der Aufstellung der vorliegenden Grundsätze für 
den Bau von Krankenhäusern von der Erwägung aus, dass in der Ent- 
wickelung der allgemeinen Gesichtspunkte für den Bau von Krankenhäusern 
seit Jahren ein gewisser Abschluss zu bemerken sei, und dass es deshalb an- 
gezeigt erscheine, festzustellen, welche Anschauungen für die Herstellung von 
Krankenanstalten sich als massgebend nunmehr herausgebildet haben. 

Die einzelnen in Frage kommenden Gesichtspunkte — Bedarf an Betten, 
Bausystem, Auswahl des Bauplatzes, Baupläne, bauliche Einrichtung der 
Krankenhäuser im allgemeinen, Krankenzimmer und ihr Zubehör u.s. w. — 
sind übersichtlich dargestellt unter Berücksichtigung der auf dem Gebiet der 
Krankenhaushygiene vorliegenden Erfahrungen und unter Beschränkung auf 
das als bewährt Erkannte. Wenn irgendwo, liegt auf diesem Gebiet die Ge- 
fahr vor, dass die Anforderungen zu hoch geschraubt und dadurch die Kosten 
über Gebühr gesteigert werden. Um so dankbarer ist es anzuerkennen, dass 
der Verf. an der Hand der Einrichtungen grösserer und kleinerer Krankenan- 
stalten sich an das Notwendige hält und jede Schablone vermeidet. 

Eine Reihe von Plänen moderner Krankenhausbauten ermöglichen eine 
leichte Orientierung und liefern den Beweis, dass auch hier viele Wege zum 
Ziel führen. E. Roth (Potsdam). 


Marburg, Otto, Die physikalischen Heilmethoden in Einzeldarstellun- 
gen für praktische Aerzte und Studierende. Mit 75 Abbildungen im 
Text und einer Tafel. Wien u. Leipzig 1905. Franz Deuticke. V u. 425 Ss. 
80, Preis: 6 M. 

Das vorliegende Sammelwerk soll dem Hochschüler Gelegenheit zur 
Erlernung der neueren Heilweisen bieten und den ausübenden Arzt zu deren 
tatsächlicher Verwendung anleiten oder wenigstens, soweit letztere ihm wegen 
der hierzu erforderlichen kostspieligen Geräte untunlich ist, in den Stand 
setzen, selbständig die Anzeigen für die Anwendung zu stellen. Der Stoff wurde 
auf 11 Abschnitte unter 9 Mitarbeiter, ausser dem Herausgeber, verteilt. Da- 
von übernahm die Balneologie Conrad Clar und nach dessen Tode R. Epstein, 
die Hydrotherapie R. Hatschek, die Röntgentherapie Guido Holzknecht, 
die Finsentherapie H. E. Schmidt, die Thermotherapie K. Ullmann, die 
Elektrotherapie die Herausgeber selbst, Massage, Heilgymnastik und Mechano- 
therapie L. Ewer, tabetische Uebungstherapie O. Förster und schliesslich 


Hebammenwesen. 537 


Hypurgie M. Knoedl.. Als solche finden sich: „Krankenzimmer, Krankenbett, 
Krankenkleidung, Druckbrand, Bäder, Exkrete“ abgehandelt. Ein alphabetisches 
„Sachregister“ der: „Apparate, Methodik der Anwendung, Behandlungsarten 
u.s. w.“ und ein ebensolches: „Verzeichnis der Krankheiten, welche physika- 
lischen Behandlungsmethoden unterzogen werden“ erleichtern die Benutzung 
des Inhalts, dessen Verständnis durch eigenartige, geschickt gewählte und 
sorgsam ausgeführte Textbilder wesentlich gefördert wird. Die Herausgabe 
sorgte für tunlich gleichmässige Bearbeitung des Stoffes sowohl in Bezug auf 
Ausdehnung, als auf die Art der Verwertung und Anführung des Schrifttums. 
Es ist dieses Ziel bei Sammelwerken erfahrungsgemäss ebenso schwer zu er- 
reichen, wie der nötige Abstrich von nicht zur Sache Gebörigem durchzuführen 
und Fehlendes allenthalben zu ergänzen ist. In Bezug auf letzteres wäre u. a. 
die Aufnahme der Behandlung der Blattern in der photographischen Dunkel- 
kammer erwünscht gewesen. Bei einer zweiten Auflage möchte sich eine Be- 
zifferung der Abschnitte zum Vorteil der sonst vom Verlage mit Erfolg ange- 
strebten Handlichkeit und ebenso die durchlaufende Numerierung der inter- 
essanten Abbildungen empfehlen. Helbig (Radebeul). 


Mann, Die Prophylaxe der puerperalen Wundinfektionskrankheiten 
nach den Vorschriften des preussischen Hebammenlehrbuches 
von 1904. Zeitschr. f. Med.-Beamte. 1905. S. 1. 

Verf. beleuchtet kritisch einige Abschnitte des neuen Hebammenlehr- 
buchs. Insbesondere polemisiert er gegen den Begriff des „Kindbettfiebers“ 
im vorliegenden Hebammenbuche. Sowohl vom theoretischen wie praktischen 
Standpunkte aus hält Mann die direktere Beibehaltung einer Diagnose „Kind- 
bettfieber“ in der nunmehr gemachten Einschränkung gegenüber dem alten 
Lehbrbuche für nicht zweckmässig. Den Aerzten und Hebammen ist in dem 
Buche ein sehr grosses Vertrauen entgegengebracht. Mann hält die gegen- 
wärtige Zeit für ein solches gewiss ehrendes Vertrauen auf Arzt und Heb- 
amme für noch nicht reif. Diese Anschauungen werden durch Beispiele aus 
der Praxis erhärtet. Im Regierungsbezirk Minden ist hingegen in richtiger 
Würdigung der praktischen Verhältnisse für die Aerzte durch Polizeiverordnung 
anzeigepflichtig: Wochenbettfieber oder entzündliche Erkrankung des Unter- 
leibes im Wochenbett. Die Arbeit schliesst mit einem Appell an die Aerzte, 
geschlossen für die Verhütung einer Krankheitsverbreitung einzutreten, und 
die officielle Standesvertretung, welche den Aerzten in den Kammern gegeben 
ist, soll erklären, dass zum Kanon der Standesehre auch das Bewusstsein der 
Verpflichtung (und demgemässes Handeln) gehört, die behördlicherseits er- 
lassenen Vorschriften zur Bekämpfung von gemeingefährlichen Krankheiten 
nach bestem Willen zu befolgen. Engels (Gummersbach). 


Doerfler H., Zur Verhütung des Puerperalfiebers. Eine Studie aus der 
Praxis. Münch. med. Wochenschr. 1905. No. 9. u. 10. S. 409. u. 461. 
D. will „mit allem Nachdruck in das Wespennest unseres heutigen Heb- 
ammen- und Wochenpflegerinnenwesens hineingreifen, in welchem er einen 
4 


538 Hebammenwesen. 


wahren Krebsschaden an der Volksgesundheit erblickt.“ In Bayern sind die 
amtlichen Dienstanweisungen der Hebammen vom Standpunkt wirklicher 
Sterilität aus noch recht unvollkommen, und die „praktische Durchführung der- 
selben ist in der Tat gleich Null“, so dass alles beim „alten Schmutz“ 
geblieben ist und die Zahl der Todesfälle an puerperaler Sepsis in den letzten 
15 Jahren sich nicht verringert hat. „Vollständig indifferent und verständnis- 
los“ stehen die 5000 bayerischen Hebammen, von einzelnen Ausnahmen abge- 
sehen, „einer chinesischen Mauer gegen die Wissenschaft“ gleich, der prak- 
tischen Durchführung „schon der einfachen Reinlichkeit, geschweige denn der 
Antiseptik oder gar der Aseptik“ entgegen. „Aller ernste Wille, alles ener- 
gische Vorwärtsschreiten, alle Menschenliebe der Aerzte“ prallen machtlos 
an dem traurigen Unverstand der Hebammen und auch des Publikums ab. 

Ob D. nicht etwas zu schwarz sieht, und ob er berechtigt ist, auch ausser- 
halb Bayerns ebenso trostlose Zustände zu vermuten, bleibe dahingestellt. Im 
grossen und ganzen trifft allerdings seine Ansicht, dass die Hebammen 
„die Hauptquelledes septischen Puerperiums“ sind, wohl das Richtige. 
Nur die Grossstädte und die Sitze der Universitäten, in denen eine bessere 
und gründlichere Kontrolle der Hebammen durchführbar ist, machen eine 
rühmliche Ausnahme. 

Den Beweis, dass die Hebammen die alleinigen Urheber fast jedes ein- 
zelnen Puerperalfiebers sind, suchte D. dadurch zu erbringen, dass er das 
Wochenbettfieber in der Praxis dann zum Verschwinden brachte, wenn 
die Tätigkeit der Hebammen bei den Geburten auf das geringste 
Mass beschränkt wurde. In der Ueberzeugung, dass jegliche Infektion 
von aussen kommt, und dass „je weniger Hände, je weniger Infek- 
tion“ möglich ist, schloss D. 10 Jahre hindurch bei allen von ihm geleiteten 
Geburten jede Untersuchung von Seiten der Hebammen während des ganzen 
Geburtsverlaufes aus. Dass dieses rigorose Vorgehen böses Blut in den betei- 
ligten Hebammenkreisen machte und D. infolge dessen „vielfach oder fast 
ganz“ aus der geburtshilflichen Praxis ausgeschaltet wurde, ist nicht zu ver- 
wundern. Dafür gelang das angestellte Verfahren glänzend. Wie exakte 
Temperaturmessungen vor und 6—8 Tage post partum ergaben, nahm das 
Wochenbett stets fieberfreien Verlauf, und unter 543 auf einen Zeitraum von 
10 Jahren entfallende Geburten, unter denen 230 mittels Kunsthilfe beendigt 
werden mussten, waren nur 2 Fieberfälle zu verzeichnen. „Keine Sepsis, 
kein Todesfall, nur 4%% Morbidität“. " 

Die Infektion kann, wie dieses günstige Resultat zeigt, fast ausnahmslos 
vermieden werden. Andererseits geht wohl aus dem Vorhergehenden hervor, 
dass in 98—990/ der Fieberfälle die Hebammenuntersuchung die Haupt- 
ursache der Erkrankung ist und dass dieselbe in der Privat- und speciell 
in der Landpraxis „theoretisch gleichbedeutend mit einer Infektion 
der Untersuchten“ zu erachten ist. 

Hieraus entstand für D. der Grundsatz für die Praxis, auf jeden Fall die 
Hebammenhilfe in ihrer jetzigen Form so gründlich als möglich bei 
dem Geburtsakte auszuschalten, denn je besser dies gelänge, um’ so ge- 
sunder würde die Wöchnerin sein. 


Hebammenwesen. 539 


Man bekämpft aber das Puerperalfieber nicht allein wegen der mit ihm 
verbundenen Todesgefahr, sondern auch zur Verhütung der sich möglicher- 
weise an dasselbe anschliessenden zahlreichen Folgekrankheiten, die 
sowohl im Familienleben, wie in volkswirtschaftlicher und national- 
ökonomischer Beziehung eine äusserst wichtige Rolle spielen. Besonders 
die so überaus häufige Reflexio uteri accreta mit ihren Komplikationen ist 
mit Recht meistens auf Erkrankungen im Wochenbett zurückzuführen. D. 
musste von 1200 derartigen vielfach mit schwerer Arbeits- und Erwerbsstörung 
einhergehenden Affektionen 10°/, operativ behandeln. Die Ursache dieser so 
sehr häufigen Lageanomalien erblickt er einmal in der auf einer „eigen- 
artigen, mittelschweren Infektion berubenden puerperalen Entzün- 
dungsform der Gebärorgane“ und zweitens in der trotz strengen Verbotes 
allgemein verbreiteten Unsitte, sobald wie möglich nach beendeter Geburt die 
Nachgeburt durch Zug an der Nabelschnur aus dem Uterus herauszubefördern. 

Die traurigen geschilderten Zustände sind begründet in der Unwissenheit 
und in der geradezu kümmerlichen Bezahlung der Hebammen, die statt 
der staatlichen Taxe als Entlohnung für die Leitung einer Geburt, einerlei, 
ob bei Tage oder bei Nacht, 3—5 M. erhalten. Die Hebammen, welche unter 
solchen Umständen den Begriff der Berufsfreudigkeit überhaupt nicbt kennen 
und nur bestrebt sind, die Geburt so rasch wie möglich zu beenden, sind 
sich einfach der Folge ihres Handelns nur ganz ungenügend bewusst und ver- 
fahren nach dem Grundsatz: wie der Lohn, so die Arbeit. Dass dabei die 
Reinlichkeit eine äusserst primitive und das vorgeschriebene Instrumentarium 
in mangelhaftem oder unbrauchbarem Zustande ist, darf nicht Wunder nehmen. 

Da die Hand der Hebamme der Hauptinfektionsträger am Kreissbette ist, 
so gilt ihr die Hauptaufmerksamkeit. Besonders die allgemeine Einführung 
der Gummihandschuhe glaubt D. fordern zu sollen, da eine wirkliche 
Entkeimung der Hände, namentlich bei den schwere Arbeit verrichtenden 
Laudbebammen so gut wie ausgeschlossen erscheinen muss. Der Staat würde 
die aus dieser Massregel erwachsenden Kosten, für Bayern jährlich 250000 M., 
za übernehmen haben. Diese Summe erscheint nicht zu hoch, um die Zahl 
der jährlich in Bayern amtlich gemeldeten 400 Puerperalfieber-Todesfälle zu 
verringern. Mit Recht weist D. darauf hin, dass wenn es sich um 400 Pocken- 
fälle handelt, man nicht zögern würde, Millionen zur Bekämpfung der Seuche 
bereit zu stellen. Die erforderlichen Geldmittel erscheinen äusserst gering 
im Vergleich zu den nach Millionen zu bemessenden Summen, die bei der 
Verhütung des Puerperalfiebers mit seinen traurigen Folgen den Familien und 
damit der Volkswirtschaft erspart würden. 

Als leicht durchführbare Massregeln von weittragender Bedeutung emp- 
fieblt D. vor allen Dingen eine genügende Sicherung des Einkommens der 
Hebammen und die Auszahlung ihrer taxmässigen Gebühren durch Vermittelung 
des Standesamtes, auf dem der Familienvorstand gleich bei der Anmeldung 
der Geburt die erforderliche Zahlung für die Hebamme zu leisten hat. 

Sodann ist eine obligatorische Alters- und Ivalidenversicherungs- 
kasse für sämtliche Hebammen zu begründen. 

Drittens würde die Auszahlung von Prämien, etwa 1—2 Mark für 


41° 


540 Schulhygiene. Kinderpflege. 


jede „ohne Krankheitsfolge“ verlaufene Entbindung, auf die Hebung der Rein- 
lichkeit und die gewissenhafte Durchführung der antiseptischen Vorschriften 
sehr segensreich einwirken. 

Viertens hätte der Staat die Lieferung von 2—3 Paar dauerhafter Gummi- 
handschuhe an die Hebammen zu übernehmen. 

Schliesslich darf man sich von den schon von Angerer angeregten 
Repetitionskursen in der Handhabung der Aseptik und Antiseptik viel 
Gutes versprechen. - Schumacher (Hagen i.W.). 


Hinterberger, Alexander, Ist unser Gymnasium eine zweckmässige 
Institution zu nennen? Wien u. Leipzig 1905. Wilhelm Braumüller. 
115 Ss. 8°. Preis: 1,50 M. 

In mehr zeitgemässem als zweckmässigem Gewande wird von einem 
Nichtlehrer und persönlich Unbeteiligten die Gymnasialreform unter Be- 
schränkung auf österreichische Gymnasien mit deutscher Unterrichtssprache 
besprochen. Im wesentlichen werden dieselben Forderungen, wie bisher, ge- 
stellt, nämlich: Wegfall” des altphilologischen Unterrichts zu Gunsten der 
Naturwissenschaften, hinlängliche Körperübung, Unterweisung über gegenwär- 
tige Staatsverhältnisse, Verkehrswesen, über Benehmen u.s.w. Die lebendige 
Schreibweise des Verf.’s weiss den oft behandelten Stoff in neuem Lichte dar- 
zustellen. Dabei sind zahlreiche, treffende Bemerkungen eingeflochten, wie, 
um ein Beispiel. anzuführen, (S. 93): „Ein Staat, welcher seine Schulen zu 
Stätten angenehmer, dankerfüllter Erinnerung im Denken des Erwachsenen 
macht, leistet für sich mehr in Bezug auf Erhaltung „„patriotischer““* Ge- 
fühle in der Bevölkerung, als ihm später alle offiziellen Zeitungen, alle re- 
präsentativen Schaustellungen, das Heer von Orden und Titeln, welche er an 
brave Staatsbürger verleihen kann, sämtliche Subventionen aller möglichen 
Vereine u. s. w. vielleicht in dieser Hinsicht bringen können.“ Einige Aus- 
sprüche des Verf.’s werden dagegen auf Widerspruch stossen, so (S. 46), dass 
die Vorherrschaft der klassischen Sprachen den Slawen, die „ein ganz 
specielles Sprachentalent haben“, Vorteil vor den österreichischen Deutschen. 
gewähre. Diese an sich unbestrittene Tatsache würde aber ebenso gegen das. 
Unterweisen in lebenden Sprachen sprechen, denn hierbei tritt sie noch auf- 
fallender hervor. So lange keine Statistik der Tontauben und der sonst für 
Musik unempfänglichen vorliegt, muss man bezweifeln, dass eine Vermehrung 
des zwangweisen Musikunterrichts die Freude der Schüler am Gymnasium 
wesentlich erhöhen würde. Wenn es aber (S. 83) heisst: „jeder Mittelschüler 
kann etwas Violinspiel erlernen“, so ist dies nur verständlich, wenn das vom 
Verf. gesperrte „etwas“ einen verschwindenden Wert bedeutet. Auch hier 
werden Schüler slawischer, magyarischer und zigeunerischer Abkunft im Vor- 
teile sein. Kaum durchführbar erscheint die wiederholte Forderung nach 
anonymen, nur mit Kennwort bezeichneten schriftlichen Prüfungsarbeiten, so 
lange die Schreibmaschine sich nicht in der Schule eingebürgert hat. Denn 
dem Lehrer ist die Handschrift der Schüler zum grossen Teil .bekannt. Die 


Schulhygiene. Kinderpflege. 541 


neuerdings von mehreren Seiten verlangte Abschaffung der Reifeprüfung 
bleibt unberührt. 

Den gesundheitlichen Beziehungen der Gymnasialfrage wendet der 
Verf. als „Doktor der gesamten Heilkunde“ besondere Aufmerksamkeit zu. 
Auch hierbei erfreut er den Leser durch treffende Redewendungen, wie 
(Seite 76): „Die Thermen des Caracalla kennt jeder Altpbilologe zur 
Genüge. Unsere Gymnasien haben nicht einmal Brausebäder.“ Hier bildet 
aber das Unterlassen von Hinweisen auf das von Vorgängern Geschriebene 
einen nicht blos formellen Mangel, der auch in anderen Abschnitten sich be- 
merkbar macht. Die Bezeichnung (S. 80) der Naturheilkunde als „Stumpf- 
sion“, der Homöopathie als „Wahnsinn“ und beider zusammen als „zwei 
Karikaturen einer Wissenschaft“ entspricht nicht der Bedeutung, welche 
beide für die Geschichte der Heilkunst haben, und ersetzt keineswegs eine 
Angabe darüber, in welchen Klassen, in wieviel Stunden und in welcher Aus- 
dehnung öffentliche und persönliche Gesundheitslehre, bezw. Hilfeleistung, in 
dem Mittelschullehrplane ärztlicherseits verlangt wird. 

Mögen immerhin einige der vom Verf. an den österreichischen Mittel- 
schulen getadelten Mängel an den reichsdeutschen Gymnasien schon beseitigt 
oder gemildert sein, so wird doch auch reichsdeutschen Lesern und insbe- 
sondere solchen, welche mit dem Schulwesen zu tun haben, die besprochene 
Streitschrift mancherlei nützliche Anregung bieten. 

Helbig (Radebeul). 


igl, 4. Bericht über die Tätigkeit der städtischen Bezirksärzte in 
Brünn als Schulärzte für das Jahr 1904. Brünn. Verlag des Gemeinde- 
rates der Landeshauptstadt. Brünn 1905. 

Die Grössen- und Gewichtsverhältnisse, die in übersichtlichen 
Tabellen angeführt sind, wurden im Schuljahr 1903/04 an 12201 Kindern 
(6349 Knaben, 5852 Mädchen) angestellt. Die durcbschnittliche Wachstums- 
zunahme (vom 6.—14. Lebensjahre) betrug bei Knaben 37,1 cm, bei Mädchen 
38,3; das Körpergewicht zeigte im gleichen Zeitraume bei Knaben 19,6 kg, 
bei Mädchen 21,2 kg Zunahme. Masse und Gewichte in den einzelnen Jahren 
unterscheiden sich bei Knaben und Mädchen erheblich voneinander. Die 
grösste Differenz war im Beginn des 9. Lebensjahres festzustellen. Verf. em- 
pfieblt, wie er dies auch im Vorjahr bereits getan, für geistig minderbegabte 
Kinder Einrichtung von Hilfsklassen und für körperlich schwächlich veran- 
lagte oder in Rekonvalescenz befindliche Schüler Aufnahme in Ferienkolonien. 
Die der Stadt Brünn gehörige, in Gross-Ullersdorf befindliche Kolonie, welche 
sich bisher ausgezeichnet bewährt hat, wird einer eingehenden Besprechung 
bezüglich Aufnahme, Einrichtung, Krankenbehandlung unterzogen. Als Ab- 
härtungs- und Reinigungsbäder für Schulen ist Verf. für allgemeine Einführung 
von Brausebädern, wie er auch ferner das obligatorische Hinaussenden der 
Kinder aus den Schulklassen auf die Schulhöfe in den Unterrichtspausen und 
angemessene Lüftung der Klassenzimmer für dringend erforderlich hält. Als- 
dann geht Verf. auf die Frage der Verbreitung übertragbarer Leiden durch 
die Schule ein. In aufgestellten Tabellen ist jede Erkrankung (Masern, Schar- 


542 Schulhygiene. Kinderpflege. Ernährung. 


lach, Diphtherie u. s. w.) genau in ihrem Verlauf auf eine Reihe von Jahren, auf 
Erkrankungen nach Monaten im schul- und nicht schulpflichtigen Alter (Kinder- 
gärten) u.s. w. behandelt. Für Diphtherie weist er auf die günstige Einwir- 
kung der Serumbehandlung auf den Krankbeitsverlauf (1904: 354 Erkrankungen, 
nur 27 Sterbefälle) hin. Im weiteren folgt Untersuchung auf Körperbe- 
schaffenheit und Mitteilung über vorhandene Leiden und Gebrechen und 
zum Schluss über Vorkommen von Angen- und Ohrenerkrankungen, die 
ebenfalls alle in Tabellen angeführt werden. Nieter (Halle a. S.). 


Fürst L., Gesundheitspflege der Mädchen während und nach der 
Schulzeit. Hamburg u. Leipzig 1904. Verlag von Leopold Voss. VII und 
110 Ss. 8°. Preis: gebunden 2,50 M. 

Der vorliegende Leitfaden ging aus einem Kursus der Gesundheits- 
pflege in der Selekta der Crainschen höheren Töchterschule zu Berlin 
hervor und soll nur allgemeine Grundsätze bieten. Für besondere Fälle wird 
auf die Schriften des Verf.’s „Körper- und Schönheitspflege“, „Hygiene der 
der Menstruation“ und „ein für allemal auf den Wert rechtzeitigen ärztlichen 
Rates“ hingewiesen. Eine gewisse Schwierigkeit entstand laut Vorwort da- 
durch, dass das Buch sowohl der Mutter als auch der heranwachsenden 
Tochter dienen soll. Entschiedene Stellung zu Tagesfragen wird dabei nur 
ausnahmsweise, wie z. B. gegen das Durchbohren der Ohrlappen zum Tragen 
von Obhrringen (S. 91 und 92), genommen. Ungebräuchliche Wortbildungen, 
wie (a. a. 0.) Abszesschen, und Wärmegradangabe nach Réaumur, werden in 
einer neuen Auflage wohl ebenso beseitigt werden, wie manche für den be- 
handelnden Arzt unliebsamen Aussprüche, z. B. (S. 77), dass sich etwaige 
überflüssige Haare im Gesicht „leicht durch äussere ungefährliche Mittel 
binnen wenigen Minuten entfernen“ lassen. Helbig (Radebeul). 


Heissler, Kinderarbeit. Münch. med. Wochenschr. 1905. S. 1107. 

Die Kinderarbeit ist im nördlichen Frankenwald allgemein; von 
3210 Schulkindern werden 549 gegen Lohn beschäftigt. Dabei sind die noch 
nicht mitgerechnet, die das Vieh ihrer Eltern hüten, was dort allgemein 
Brauch ist. Die Arbeit ist teilweise sehr anstrengend, da die Kinder nach 
kurzem Schlafe (5—6 Stunden) aufstehen müssen, um das Vieh auf die Weide 
zu treiben, damit es bis zum Anspannen satt ist. Zu bemerken ist, dass diese 
Arbeit schon vor der Schule stattfindet. Besonders verwerflich ist das Ver- 
dingen der 10—13 jährigen Kinder in fremden Dienst, wobei sie besonders 
ausgenutzt werden und bei den schlechten Wohnungsverhältnissen an Ge- 
sundheit und Sittlichkeit Schaden leiden. Kisskalt (Giessen). 


Tissier, Henry, Répartition des microbes dans l’intestin du nourrisson. 
Ann. de l’Inst. Pasteur. 1905. No. 2. p. 109. 

In dieser Arbeit wird die Verbreitung der Mikroorganismen im Darminhalt 

von Brustkindern und von künstlich ernährten Säuglingen besprochen. Beim 

Brustkinde besteht ein steriles Stadium (Meconium), welches bis zur 10. bis 


Ernährung. 543 


20. Stunde nach der Geburt andauert. Die Bakterien treten im Darmtraktus 
vor irgend welcher Nahrungsaufnahme auf. Nach den ausgestossenen Epithel- 
zellen siebt man in geringer Menge Staphylococcus albus, Bact. coli, 
nach 24 Stunden treten Anaörobien, Bact. perfringens, Bact. III Rodella 
hinza. Allmählich kommen hinzu: Coccobac. perfoetens, Bact. lactis 
aerogenes, Enterococcus, Sarcinen u.a. Nach und nach treten viele 
Sporen auf; dieses Stadium der progressiven Infektion ist am 3. Tage am 
höchsten. Von da an wird die so mannigfaltige Flora einfacher. Ein etwas 
spät auftretender Diplobacillus (Bac. bifidus) vermehrt sich rasch, 
während zuerst die dicken sporentragenden, dann die feinen Stäbchen, die 
Kokkobacillen und schliesslich die Kokken der Reihe nach verschwinden. 
Dieses Verschwinden hängt mit dem Auftreten des Bac. bifidus zusammen. 
Die Darmflora bleibt so unveränderlich und konstant vom 3.—4. Tage an bis 
zum Aufhören des Stillens. Mikroskopisch ist sozusagen nur der erwähnte 
Bac. bifidus nachzuweisen; zeitweise treten unter abnormen Verhältnissen 
andere Mikroorganismen auf, welche aber bald wieder verschwinden. Bei dem 
künstlich ernäbrten Säugling sind ebenfalls 3 Stadien za unterscheiden; 
das Stadium der zunehmenden Infektion dauert länger, bis zu 3—4 Tagen. 
Neben den erwähnten werden noch andere Bakterien, so z. B. Hefen und 
verschiedene Sarcinen beobachtet. Das Stadium der Umwandlung dauert 
ebenfalls länger. Die gewöhnliche Flora bei diesen Säuglingen ist nicht so ein- 
heitlich wie bei dem Brustkinde; neben Bac. bifidus, Bact. coli und Entero- 
coccus treten auf: Bac. acidophilus, Bac. exilis, seltener Staphylo- 
coccus albus, Sarcinen u. a. Keine dieser Arten ist eigentlich überwiegend. 
Die Flora ist bei mit sterilisierter Milch ernährten Säuglingen dieselbe wie bei 
Kindern, die gewöhnliche Milch erhalten. Bei denjenigen Säuglingen, welche 
von Anfang an eine gemischte Kost (Brust- und Kuhmilch) erhalten, ist die 
Flora äbnlich derjenigen der künstlich ernährten. - Wird die Kuhmilch erst 
vom 6. vder vom 8. Monate an verabreicht, so entspricht die Darmflora der- 
jenigen des Brustkindes. Was die Rolle der normalen Darmflora anbetrifft, 
so findet man im Meconium gemischte proteolytische und peptolytische 
Fermente und ein einfaches proteolytisches. Diese Mikroorganismen zeigen 
eine grosse Aebnlichkeit mit den vom Verf. bei der Fäulnis des Fleisches 
beobachteten. Wir sehen daraus, dass der Darmtraktus von der ersten Stunde 
des Lebens an von den gewöhnlichen Fäulnisbakterien überwuchert wird, und 
dass ein eigentlicher Fäulnisprocess darin seinen Anfang nimmt. Die natür- 
lichen Verteidigungsmittel sind einerseits der Darminhalt selbst, welcher keine 
Peptone und fast kein Eiweiss enthält, hingegen Gallensäuren, welche die Ent- 
wickelung der Diastase und der Toxine verhindern. Diese Verhältnisse 
sind für einen dauernden Fäulnisprocess nicht günstig; deshalb treten bald 
Dauerformen auf. Die grosse Menge von Kohlehydraten begünstigt die Ent- 
wiekelung des sehr wirksamen gemischten peptolytischen Fermentes des Bac. 
bifidus, dessen Säurebildung die verschiedenen Fäulniserreger bald vernichtet. 
Die gewöhnliche Flora des älteren Kindes (nach 5 Tagen) ist bei reinen Brust- 
kindern sehr einfach; neben Bac. bifidus, welcher keine stark riechenden 
Säuren, keine Gase and keine schädlichen Stoffe bildet, sind Bact. coli und 


544 Ernährung. 


Enterococeus nur in ganz geringen Mengen vorhanden; der Bac. bifidus 
verhindert die Ansiedelung von abnormen Arten. Anders verhält es sich beim 
künstlich ernährten Säugling. Die Nahrungsabfälle sind zahlreicher, der Bac. 
bifidus kann sich darin nicht so gut entwickeln und wirkt nicht so hemmend, 
so dass andere gemischte peptolytische und proteolytische Fermente 
neben ihm leben können, daher das Auftreten von Indol, Phenol, Butter- 
säure u.s. w. 

Was die Verbreitung der Bakterien in den einzelnen Teilen 
des Darmes anbetrifft, so sind 10—15 Monate alte Kinder, welche 
infolge von Allgemeinerkrankungen gestorben waren, untersucht worden. Im 
Magen wurde Bac. exilis, Enterococcus und Bact. coli gefunden, im 
Duodenum Bact. coli, Enterococcus, ferner Bac. exilis, Bact. lactis 
aërogenes, Bac. acidophilus und gänz vereinzelt Bac. bifidus. Im Dick- 
darm sind die anaëroben Stäbchen zahlreicher, im Rektum sind am meisten 
Bakterien. Untersuchungen an Tieren (Katze und Hund) haben ähnliche Resul- 
tate ergeben. Im allgemeinen fand Verf., dass die Bakterien, welche weniger 
zahlreich im Magen sind, im Dünndarm noch seltener werden und vom Ileum 
aus allmählich bis zum Rektum an Zahl zunehmen. Dieses Verhalten lässt 
sich durch die sterilisierende Wirkung des Inhaltes des Duodenums erklären. 
Vom Magen nach dem Rektum sind zuerst Bact. coli und Bact. lactis 
aörogenes, weiter unten Enterococcus, Bac. exilis, Bac. acidophilus 
und noch später Bac. bifidus vorherrschend, entsprechend ihren Eigenschaften: 
Im Magen und im Duodenum fakultativ anaërobe, im Dickdarm stark wir- 
kende anaërobe Fermente. Die Verteilung der Bakterien im Säuglingsdarm 
ist also abhängig von der sterilisierenden Wirkung des Duodenums, von dem 
Sauerstoffgehalt und von der verschieden starken fenmentativen Wirkung der 
Bakterien. Silberschmidt (Zürich). 


Rodella, Antoine, Répartition des microbes dans l’intestin du nour- 
risson. Observations sur le travail de M. H. Tissier. Ann de l’Inst. 
Pasteur. 1905. No. 5. p. 404. 

In dieser Kritik der Arbeit von Tissier (s. d. vorherg. Ref.) hebt Verf. 
die von ihm schon früher veröffentlichten Resultate hervor und betont nament- 
lich, dass nach seiner Ansicht die Sporenbildung am üppigsten erfolgt, wenn 
die Verhältnisse für einen dauernden Fäulnisprocess günstige sind, während 
Tissier umgekehrt die ungünstigen Verhältnisse für die Bildung der Sporen 
im Darme verantwortlich macht. Silberschmidt (Zürich). 


Magnus-Alsleben, Ernst, Ueber die Giftigkeit des normalen Darmin- 
halts. Aus d. physiol.-chem. Institut zu Strassburg. Hofmeisters Beiträge 
z. chem. Physiol. u. Pathol. Bd. 6. S. 503. 

Verf. findet im Darminhalt von Hunden 1. eine thermostabile, schwach 
blutdruckerniedrigende Substanz, 2. eine thermolabile, sehr stark erniedrigende 
Substanz, 3. ein thermolabiles Nervengift, das Kaninchen in wenigen Minuten 
unter Krämpfen tötet oder das zu Kombinationen von Krämpfen und Lähmungen 
führt, die schwere, aber rasch vorübergehende Erscheinungen machen. Die 


Ernährung. 545 


beiden anderen sind meist auch in anderen Darmabschnitten, das „Nerven- 
gift“ nur im Duodenum und oberen Dünndarm vorhanden, und ist auch aus 
deren Schleimhaut zu extrahieren. Es tritt bei allen Diätformen ausser bei 
Milchnahrung auf, scheint auch auf Hunde zu wirken, und macht eine 
gewisse Immunität. Otto Cohnheim (Heidelberg). 


Sahli, Ueber eine Vereinfachung der butyrometrischen Untersu- 
chungsmethode des Magens und die Verwendbarkeit derselben 
für den praktischen Arzt. Nebst einem Anhang: Ueber den Nach- 
weis und die Bedeutung von Bakterien im Mageninhalte. Münch. 
med. Wochenschr. 1905. S. 1273. 

Zum Stadium der bakteriellen Erkrankungen des Magens empfiehlt sich 
die geröstete Mehlsuppe als Probefrühstück besonders, da sie ziemlich frei 
von Bakterien ist. Hebert man sie nach einiger Zeit wieder aus, so kann 
man manchmal schon im Ausstrichpräparate enorme Mengen von Bakterien 
erkennen, die zwar nicht imstande sind, in die Schleimhaut DDAUREER: aber 
durch Umsetzungen im Mageninhalt pathogen wirken. 

Kisskalt (Giessen). 


Schrumpf P., Darstellung des Pepsinfermentes aus Magenpresssaft. 
Aus d. physiol.-chem. Institut d. Univers. Strassburg. Hofmeisters Beiträge 
d. chem. Physiol. u. Pathol. Bd. 6. S. 396. 

Aus Presssaft von Schweinemägen lässt sich durch Filtrieren durch 
Ton, Dialyse und Fällen mit Cholesterin in Alkohol und Aether bisweilen eine 
wirksame Pepsinlösung herstellen, die kein Fiweiss enthält und keine labende 
Wirkung zeigt. Otto Cohnheim (Heidelberg). 


Schwartz 0., Der Wein als Genussmittel vom hygienischen und volks- 
wirtschaftlichen Standpunkt. Münch. med. Wochenschr. 1905. S. 225. 
Der mässige Genuss eines guten, aus gegorenem Traubensaft herge- 
stellten reinen Weines ist für den gesunden erwachsenen Menschen unschäd- 
lich. Die Grundlage der menschlichen Gesundheit wird erfahrungsgemäss in 
der Kindheit gelegt, für welche der Alkoholgenuss als schädlich zu bezeichnen 
ist, und im späteren Alter wird die Gesundheit auch ohne Alkoholgenuss nur 
durch geeignete vegetabilische und animalische Nahrungmittel erhalten und 
gekräftigt. 

Der Weinbau und der reelle Weinhandel werden nicht durch die deutschen 
Mässigkeits- und Enthaltsamkeitsvereine, sondern hauptsächlich durch die 
fortschreitenden und raffiniert betriebenen Weinverfälschungen geschädigt. Die 
übliche Verwendung des durch Destillation aus Kartoffeln und Korn bereiteten 
fuselölhaltigen Alkohols statt des durch Gärung des Traubensafts gewonnenen 
reinen Aethylalkohols zur künstlichen Weinbereitung ist durch die chemische 
Analyse nicht immer sicher nachweisbar. Die deutsche Alkoholbewegung ist 
nach der Erfahrung des Verf. aus gesundheitlichen, haus- und volkswirtschaft- 
lichen Gründen vorwiegend nur auf Enthaltsamkeit von Branntwein und nicht 
gegen mässigen Genuss eines guten und unverfälschten Traubenweins gerichtet. 

Würzburg (Berlin). 


546 Ernährung. 

Claus R. und Embden 6., Pankreas und Glykolyse. Zweite Mitteilung. 
Aus d. Städt. Krankenhause zu Frankfurt a. M. Innere Abteilung. Oberarzt: 
Prof. Dr. v. Noorden. Hofmeisters Beiträge z. chem. Physiol. u. Pathol. 
Bd. 6. S. 343. 

Verff. wiederholen gegenüber den Einwänden des Ref. dessen Versuche 
nnd können wieder keine Glykolyse durch Muskel- und Pankreasextrakte 
beobachten. Otto Cohnheim (Heidelberg). 


Satta, Guiseppe, Bemerkungen über die Stickstoffverteilung im Harn. 
Aus d. inn. Abt. d. städt. Krankenh. zu Frankfurt a. M. Oberarzt Prof. Dr. 
v. Noorden. Hofmeisters Beiträge z. chem, Physiol. u. Pathol. Bd. 6. S. 358. 

Die Verteilung des Stickstoffs auf die Fraktion der Monoaminosäuren, 
des Ammoniaks und der unbekannten basischen Körper ist bei verschiedenen 

Formen der Nahrung verschieden. Sichere Gesetzmässigkeiten ergeben sich 

nicht. Otto Cobnheim (Heidelberg). 


Pauli, Wolfgang, Untersuchungen über physikalische Zustandsände- 
rungen der Kolloide. Vierte Mitteilung. Eiweissfällung durch 
Schwermetalle. Aus d. Institut f. allgem. u. experim. Pathol. in Wien 
(Vorstand: Prof. R. Paltauf). Beiträge z. chem. Physiol. u. Pathol. von 
Hofmeister. Bd. 6. S. 233. 

Verf. hat früher die reversiblen Eiweissfällungen durch Salze der Alkali- 
metalle untersucht. Er nimmt nun die irreversiblen darch Schwermetalle 
in Angriff, und untersucht die Niederschläge, die in Eiweisslösungen durch 
Zinksulfat entstehen, ihre Wiederauflösbarkeit, das Verhalten zu anderen Salzen, 
die quantitativen Beziehungen zwischen Metall und Eiweiss u. 8. w. Dann 
Tbeoretisches über Kolloidfällungen und die Unterschiede im Verhalten des 
Eiweiss von anderen Kolloiden. Otto Cohnbeim (Heidelberg). 


v. Fürth, Otto, Beiträge zur Kenntnis des oxydativen Abbaues der 
Eiweisskörper. Aus d. physiol.-chem. Institut zu Strassburg. Hofmeisters 
Beiträge z. chem, Physiol. u. Pathol. Bd. 6. S. 296. 

Verf. oxydiert nach Malys Vorgange Kasein mit Permanganat und Natron- 
lauge. Dabei erhält er mehrere „Peroxyprotsäuren“, deren Salze u.s. w. be- 
schrieben werden; aus ihnen lassen sich Ester darstellen, aus denen die Säure 
zurückgewonnen werden kaun. Kocht man diese Säuren mit Barythydrat, so 
werden beträchtliche Mengen von Ammoniak und von Oxalsäure abgespalten 
und es resultieren die „Desaminoprotsäuren“, die nun durch Permanganat 
wieder oxydierbar geworden sind und bei dieser Oxydation die „Kyroprot- 
säuren“ liefern. Diese aufeinanderfolgenden Stufen sind immer reicher an 
Sauerstoff und locker gebundenem Stickstoff. 

Otto Cohnheim (Heidelberg). 


Ernährung. 547 


Langstein, Leo, Weitere Beiträge zur Kenntnis der aus Eiweisskörpern 
abspaltbaren Kohlehydrate. Aus d. chem. Laborat. d. Kgl. Universitäts- 
Kinderklinik in Berlin. Hofmeisters Beiträge z. chem. Physiol. u. Pathol. 
Bd. 6. S. 349. 

L. spaltet krystallisiertes Eieralbumin mit verdünnter Salzsäure, fällt 
mit Phosphorwolframsäure und behandelt das Filtrat mit Benzoylchlorid und 
Kalilauge, um etwa vorhandene Kohlehydrate in ihren Benzoylester über- 
zuführen; er erhält aus 100 g Eieralbumin 15—30 g Benzoylester und hält 
bei diesen grossen Mengen die Annahme einer Beimengung für sehr unwahr- 
scheinlich, zumal das Kohlehydrat bei Pepsinverdauung in eine einzelne Albu- 
mosenfraktion geht. Bei den anderen Eiweisskörpern — Glpbulin, Serum- 
albumin — sind die Verhältnisse noch ganz ungeklärt. 

Otto Cohnheim (Heidelberg). 


Knoop Fr. und Windaus Ad., Ueber Beziehungen zwischen Kohle- 
hydraten und stickstoffhaltigen Produkten des Stoffwechsels. 
Aus d. med. Abt. d. chem. Instituts zu Freiburg i. B. Hofmeisters Beiträge 
z. chem. Physiol. u. Patbol. Bd. 6. S. 392. 

Verff. haben vor Kurzem gefunden, dass Traubenzucker und Ammoniak 

(in Form des Zn[OH]),. 4 NH3) im Sonnenlicht bei Zimmertemperatur so mit- 

einander reagieren, dass in erheblichen Mengen Methylimidazol 


CH, 
-nu 
Un /CcH 


entsteht. Zwischenprodukte sind vermutlich Methylglyoxyl und Formaldehyd. 
Verf. weisen nun auf das ausserordentliche physiologische Interesse ihres 
Befundes bin. Denn das höchst reaktionsfähige Umwandlungsprodukt des 
Traubenzuckers hat nahe chemische Beziehungen zu den Purinkörpern (Harn- 
säure), zu dem Eiweissspaltungsprodukt Histidin, zu den Alkaloiden und 
zu den nach Buchner bei der Hefegärung entstehenden intermediären Um- 
wandlungsprodukten des Zuckers. Otto Cohnheim (Heidelberg). 


Satta, Guiseppe, Studien über die Bedingungen der Acetonbildung 
im Tierkörper. Zweite Mitteilung. Aus d. inner. Abteil. d. städt. 
Krankenh. zu Frankfurt a. M. Vorstand: Prof. Dr. v. Noorden. Hofmeisters 
Beiträge z. chem. Physiol. u. Pathol. Bd. 6. S. 376. 

Kohlehydrate setzen bei Hungernden und Diabetikern die Ausscheidung 
von ß-Oxybuttersäure und von Aceton im Harn herab. Auch Glycerin, Milch- 
säure, Weinsäure und Alanin wirken ähnlich. 

Otto Cohnheim (Heidelberg). 


Blumenthal, Franz, Zur Lehre von der Assimilationsgrenze der Zucker- 
arten. Aus d. chem. physiol. Institut zu Strassburg. Hofmeisters Beiträge 
z. chem. Physiol. u. Pathol. Bd. 6. S. 329. 

Da die Untersuchung der Zuckerzufuhr per os zu viele Unbekannte 


548 N Ernährung. 


hat, so wird die „Sättigungsgrenze“ des Organismus bestimmt, d. b. diejenige 
Zuckermenge, die ein Kaninchen gerade noch ohne Glykosurie vertragen kann, 
wenn man ihm die Zuckerarten langsam und in wenig Flüssigkeit intravenös 
injiciert. Sie liegt bei Dextrose und Lävulose bei 2,5—2,8 g, bei Galaktose 
bei 0,4—0,6, bei den Disacchariden bei 0,25—0,3 g. 

Otto Cohnheim (Heidelberg). 


Pascucci, Olinto, Die Zusammensetzung des Blutscheibenstromas und 
die Hämolyse. Erste Mitteilung: Die Zusammensetzung des 
Stromas. Aus d. physiol.-chem. Institut zu Strassburg. Hofmeisters Bei- 
träge z. chem. Physiol. u. Pathol. Bd. 6. S. 543. 

Verf. stellt aus Pferdeblutkörperchen entweder nach einer älteren Methode 
von Wooldridge oder nach einer von ihm ausgearbeiteten Methode — die 
Blutkörperchen werden mit starkem Ammonsulfat gewaschen, dann getrocknet 
und mit Wasser aufgelöst — die Stromata dar. Sie bestehen aus etwas 
Asche, zu 2/; aus einem in Wasser und Kochsalzlösung unlöslichen Eiweiss- 
körper, zu !/; aus Stoffen, die in Alkohol, Aether und Chloroform löslich 
sind. Als solche ermittelt er Lecithin, Cholesterin und ein Cerebrosid. Er 
glaubt an eine Membrananordnung des „Stromas“ im Sinne Overtons. 

Otto Cohnheim (Heidelberg). 


Pascucci, Olinto, Die Zusammensetzung des Blutscheibenstromas und 
die Hämolyse. Zweite Mitteilung. Die Wirkung von Blutgiften 
auf Membranen von Cholesterin. Aus d. physiol.-chem. Institut in 
Strassburg. Hofmeisters Beiträge z. chem. Physiol. u. Pathol. Bd. 6. S. 552. 

In der vorhergehenden Abhandlung hat P. den hohen Gehalt des Blut- 
körperchenstromas an Lipoiden, Lecithin und Cholesterin beschrieben. 

Nun ist durch Kyes, H. Meyer und Ransom, Noguchi und Kobert eine 

nabe Beziehung des Lecithins und Cholesterins zu hämolytisch wirkenden 

Giften bekannt, die teils durch Lecithin aktivierbar sind, teils durch Chole- 

sterin gehemmt werden. P. lässt nun diese Gifte auf künstliche Membranen 

von Lecithin, Cholesterin und Gemischen von beiden wirken. Er verschliesst 

Glasröhrchen mit Seidenstoff, der mit wechselnden Gemischen von Leeithin und 

Cholesterin gut imprägniert ist, füllt sie mit einer Lösung von Hämoglobin 

oder von Cochenille und legt sie in Kochsalzlösung. An diesen Röhrchen 

lassen sich nun in der Tat die Erscheinungen der Hämolyse beobachten. An 
sich sind die Membranen für die Farbstoffe undurchlässig, aber sie lassen sie 
durchtreten, sobald der Aussenflüssigkeit kleine Mengen der hämolytisch 
wirkenden Gifte Saponin (0,25—0,30%/), Solanin (0,25—0,35°%,), Kobragift 

(0,1/,), Tetanolysin (0,15%/,) zugesetzt werden. Je geringer der Cholesterin- 

gehalt, desto rascher wird die Membran durchlässig. Auch die Hemmung 

durch die gleichzeitige Anwesenheit von Lecithin, Cholesterin und Cerebrin 
liess sich an diesen künstlichen Membranen gut beobachten. Für die quanti- 
tativen Verhältnisse bei diesen höchst interessanten Versuchen sei auf das 

Original verwiesen. Interessant ist, dass die Membranen krystalloide Körper 

gelegentlich früher diffundieren lassen, als die Farbstoffe austreten. 

Otto Gohnheim, (Heidelberg). 


Ernährung. 549 


Hausmann, Walter, Ueber die Entgiftung des Saponins durch Chole- 
sterin. Aus d. chem. Laborat. d. allgem. Poliklinik u. d. tierphysiol. Insti- 
tut d. Hochschule für Bodenkultur in Wien. Beiträge zur chem. Physiol. u. 
Pathol. Bd. 6. S. 567. 

H. Meyer und Ransom haben gefunden, dass die Hämolyse durch 
Saponin ausbleibt, wenn Cholesterin zugegen ist. H. hat nun eine Reihe 
von Derivaten des Cholesterins, das bekanntlich ein ungesättigter Alkohol 
von der Formel O,,H,sOH ist, auf ihre saponinhemmende Wirkung geprüft 
Die Derivate, bei denen die Hydroxylgruppe verändert war, hatten ihre 
schützende Wirkung ganz, die, bei denen die doppelte Bindung aufgehoben 
war, teilweise verloren. Dagegen erwiesen sich die verschiedensten Choleste- 
rine pflanzlichen und tierischen Ursprungs wirksam. 

Otto Cohnheim (Heidelberg). 


Wallich et Levaditi G., Sur la nature des éléments cellulaires du co- 
lostram et du lait chez la femme. Ann. de l’Inst. Pasteur. 1905. 
No. 5. p. 321. 

Verff. haben versucht, die Natur der schon 1837 von Donne beschrie- 
benen Kolostrum- und Schleimkörperchen, sowie der von Heidenhain 
u.a. entdeckten Halbmonde des Kolostrums klinisch, anatomisch und expe- 
rimentell näher zu ergründen. Die an Frauenmilch angestellten Unter- 
suchungen haben ergeben, dass die Milch verschiedene celluläre Elemente ent- 
hält: die einkernigen und namentlich die mehrkernigen Leukocyten 
erscheinen, wenn die Milchsekretion aufhört, so dass diese Leukocyten 
wahrscheinlich bei der Resorption mitwirken. Die sogenannten Kolo- 
strumkörperchen wurden namentlich bei wenig intensiver oder bei 
verlangsamter Laktation beobachtet. Bei intensiver Tätigkeit der 
Drüsen sind dagegen nur die sogenannten Halbmonde zu seben. Die 
histologischen Untersuchungen an Brustdrüsen von stillenden Frauen und von 
Neugeborenen haben ergeben, dass um die Acini herum poly- und mononu- 
kleäre Leukocyten sich ansammeln und dass morphologisch die Drüsenzellen 
nnd gewisse Kolostrumkörperchen sich als identisch erwiesen. Nach Injektion 
von Frauenmilch bei Tieren (Meerschweinchen und Kaninchen) war das Lakto- 
serum imstande, gewisse Elemente des Kolostrums zu agglutinieren, andere 
hingegen nicht, so dass Verff. den Kolostrumkörperchen eine verschie- 
denartige Herkunft zuschreiben: das eine Mal sind dieselben epithelialen, 
das andere Mal mesodermalen Ursprungs. Auf einer farbigen Tafel sind 
die verschiedenen Kolostrumbestandteile abgebildet. 

Silberschmidt (Zürich). 


Baumann E., Ueber die Konservierung der Milch durch Wasserstoff- 
saperoxyd. Aus d. hygien. Institute zu Halle a.S. Münch. med. Wochen- 
schr. 1905. S. 1083. 

Wasserstoffsuperoxyd tötet in der Milch schon in geringen Mengen 

Bakterien ab, doch ist die Wirkung nicht proportional der einwirkenden Menge. 

Besonders stark wirkt sie bei 50%, wahrscheinlich, weil die hohe Temperatur 


550 Ernährung. 


die Widerstandsfähigkeit der Bakterien herabsetzt. Bei Zusatz von 0,350/% 
wirkte es auf Typhus-, Cholera-, Rubr- und Tuberkelbacillen bei der erwähnten 
Temperatur stark baktericid. Die Zerlegung des Wasserstoffsuperoxyds kann 
sowohl durch die Bakterien als auch durch die Fermente der Milch geschehen. 
Labferment wird in seiner Wirkung etwas gehindert, Pepsin gefördert. Das 
Mittel hat den grossen Vorzug, dass es bei seiner Spaltung im Tierkörper in 
zwei absolut unschädliche Stoffe zerfällt; ob sich die damit behandelte Milch 
für Säuglinge eignet, kann nur ihre praktische Anwendung ergeben. 
Kisskalt (Giessen). 


Seligmann E., Ueber den Einfluss einiger Aldehyde, besonders des 
Formalins, auf die Oxydationsfermente der Milch und des 
Gummi arabicum. Mit einem Anhang über die Haltbarkeit der 
Formalinmilch. Aus d. Institut f. Infektionskrankh. in Berlin. Zeitschr. 
f. Hyg. Bd. 50. S. 27. 

Guajaktinktur, Guajakol, Paraphenylendiaminchlorhydrat, 
Ursol D, Dimethylparaphenylendiamin, p-Amidophenol sind leicht 
oxydierbare Körper, bei welchen die Oxydationswirkung von frischer 
roher Milch durch Farb’stoffbildung zuverlässig sichtbar wird. Pasteu- 
risieren (!/, Stunde bei 80—85°) schwächt diese Reaktion stark ab, 
kurzes Aufkochen hebt sie auf und lässı sie auch nach dem Erkalten nicht 
wieder auftreten. Säurezusatz oder Säurebildung beim Stehen der Milch 
bringt sie ebenfalls ganz oder fast ganz zum Verschwinden, so dass man 
die angegebenen chemischen Körper zur Unterscheidung von roher und 
gekochter, frischer und alter Milch benutzen kann. 

Die wirksamen Stoffe, welche diese Oxydationen in der frischen Milch 
hervorrufen, sind Enzyme und zwar 1. eins, welches Wasserstoffsuperoxyd in 
Sauerstoff und Wasser spaltet — Superoxydase, 2. eins, welches den 
Sauerstoff der Luft aktiviert — direkte Oxydase, 3. eins, welches letztere 
Wirkung nur in Gegenwart von Wasserstoffsuperoxyd hervorruft — indirekte 
Oxydase. 

Durch Zusatz von Formalin im Verhältnis von 1:5000 werden diese 
fermentativen Fähigkeiten der Milch gesteigert, zugleich wird die 
Milchsäuregährung und infolge dessen die Gerinnung beträchtlich ver- 
zögert und erfolgt schliesslich nicht grobflockig, wie in normaler Milch, 
sondern in Form einer festen Gallerte. Die Spaltung des Wasser- 
stoffsuperoxyds beruht auf der Anwesenheit kleiner Kokken. Sie ist in 
Formalinmilch, namentlich wenn diese einige Tage alt ist, grösser als 
in roher Milch, weil das Formalin die verflüssigenden und säurebildenden 
Keime angreift, so dass die Wasserstoffsuperoxyd spaltenden sich kräftiger 
entwickeln können. Die Wirkung der indirekten Oxydasen wird durch 
Formalin ebenfalls erheblich beschleunigt und verstärkt. Durch Pasteu- 
risieren werden die Oxydasen der Formalinmilch nur wenig gestört und 
pasteurisierte gewöhnliche Milch wird durch Formalin wieder aktiv. Formalin 
schützt also die Oxydasen und macht die inaktivierten Enzyme wieder wirksam. 

Mit Rücksicht darauf, dass Loew die Eigenschaften des lebenden Proto- 


Ernährung. 551 


plasmas und die Wirkungen der Enzyme auf die Tätigkeit von Aldehydgruppen 
zurückgeführt hat, hat der Verf. eine Reihe von Aldehyden in ihrem 
Einfluss auf die Milch untersucht und freilich einen gewissen die Oxy- 
dasen begünstigenden Einfluss gefunden; er schien aber mit der höheren 
Konstitution der Aldehyde abzunehmen und war bei dem einfachsten 
Aldehyd, nämlich dem Formalin erheblich stärker als bei den 
übrigen. 

Chloroformwasser und Thymol haben keinen Einfluss auf die Oxydasen, 
Toluol hemmt die Säurebildung und macht die Oxydasenreaktion stärker als 
in roher Milch, aber schwächer als in Formalinmilch. 

Die Oxydationsfermente des Gummi arabicum verhalten sich ähn- 
lich wie diejenigen der Milch, sind aber gegen Hitze viel weniger, 
gegen Milchsäure mehr empfindlich. Durch Formalinzusatz wurden 
verschiedene Wirkungen beobachtet: zum Teil wurde eine geringe Verlang- 
samung gefunden, zum andern Teil war gar kein Unterschied vorhanden. 
Daraus folgt, dass der Bau des Gummienzyms ganz verschieden von dem des 
Milchenzyms sein muss. 

Formalinzusatz (1:5000) zu roher Milch verzögert die Säure- 
bildung wesentlich und hebt sie in pasteurisierter Milch so gut 
wie auf. Dies ist eine Folge der abtötenden Wirkung des Formalins auf die 
Milchbakterien. Ueber die chemischen Veränderungen der Eiweisskörper der 
Milch durch Formalin sind die Untersuchungen noch nicht abgeschlossen. 

Globig (Berlin). 


Fendier G., Ueber das Bräunen und Schäumen von Butter und Mar- 
garine beim Braten. Chem. Revue ü. d. Fett- u. Harzindustrie. 1904. 
No. 6. Dasselbe auch Arb. a. d. Pharmaceut. Institut. d. Univers. Berlin. 
1905. Bd. 2. S. 239. 

Durch seine Untersuchungen kommt Verf. zu der Ansicht, dass das 
Schäumen der Naturbutter, entgegen Pollatschek (Chem. Revue ü. d. + 
Fett- u. Harzindustrie. 1904. H. 2 u. 5), nicht auf die Gegenwart von Seife 
zurückzuführen ist. Das naturbutterähnliche Schäumen und Bräunen der 
Margarine kann -durch Zusätze von 2%/, Eigelb bezw. 0,2°/, Lecithin hervor- 
gerufen werden. Für das Bräunen ist ausser den genannten Zusätzen die 
Anwesenheit geringer Mengen Zucker erforderlich, wie sie der Milchmargarine 
schon mit der Milch zugesetzt werden. Wesenberg (Eiberfeld). 


Monhaupt M., Nachweis und Bestimmung der Borsäure in Butter. 
Chem.-Ztg. 1905. No. 27. S. 362. 

Zur Borsäurebestimmung in Butter lässt die amtliche „Anweisung“ 
die ganze Butter mit alkoholischer Kalilauge verseifen und dann veraschen. 
Verf. schüttelt eine grössere Menge Fett mit 50—60° warmem Wasser aus, 
verascht einen aliquoten Teil der wässerigen Lösung mit Kalihydrat, und be- 
stimmt dann in der Aschelösung die Borsäure nach der bekannten Jörgen- 
senschen Methode durch Titration; durch die Annahme, dass die Buttrr 15%/, 
Wasser im Mittel entbält, wird nur ein unwesentlicher Fehler in der Berechnung 


552 Ernährung. 


bedingt, der ausserdem noch durch die jetzt meist bei jeder Butteruntersuchung 
ausgeführte Wasserbestimmung vermieden werden kann. (Ein ganz ähnliches 
Verfahren hat vor einigen Jahren. bereits A. Beythien [vergl. diese Zeitschr. 
1903. S. 1193] für die Bestimmung der Borsäure in Margarine vorgeschlagen. 
Ref.) i Wesenberg (Elberfeld). 


Fendler G., Sesamölnachweis bei Gegenwart von Farbstoffen, welche 
Salzsäure röten. Chem. Revue ü. d. Fett- u. Harziodustrie. 1905. No. 1. 
Dasselbe auch Arb. a. d. Pharmaceut. Instit. d. Univers. Berlin. 1905. Bd. 2. 
S. 275. å 

Eine Margarine war mit einem salzsäurerðtenden Farbstoff ge- 
färbt, der zur vollständigen Entfernung einer 10 maligen Behandlung mit Salz- 
säure vom spec. Gew. 1,125 und anschliessend eines 13 maligen Ausschüttelns 
mit Salzsäure vom spec. Gew. 1,19 bedurfte; die Baudouinsche Sesamöl- 
reaktion (mit Furfurolsalzsäure) fiel dann negativ aus; eine mit 10%, Sesamöl 
versetzte Probe desselben Fettes gab bei analoger Behandlung allerdings auch 
keine Reaktion mehr, da die diese Reaktion bedingende Substanz des Sesam- 
öles in Salzsäure leichter löslich ist als der betreffende zugesetzte Farbstoff. 

Io solchen Fällen empfiehlt sich die Ausführung der Soltsienschen Zinn- 

chlorürreaktion in der von Soltsien zuletzt (Zeitschr. f. Untersuchg. d. Nahrgs.- 

u. Genussm. 1904. Bd. 7. S. 422) angegebenen Anordnung; im vorliegenden 

Falle trat vorübergehend Rotfärbung ein (infolge des Farbstoffes), die aber 

bald verschwand, so dass Sesamöl nicht vorhanden war. 

Um derartige Unzuträglichkeiten zu vermeiden, müsste die Färbung der 

Margarine mit salzsäurerötenden Farbstoffen untersagt werden. 

Wesenberg (Elberfeld). 


Mazé P., Les microbes dans l'industrie fromagere. Ann. de Il’Inst. 
Pasteur. 1905. No. 6. p. 378. 

Die Bakteriologie der Käse ist erst in den letzten Jahren eingehender 
studiert worden; bei diesem Studium muss man stets die wertvollen Erfahrungen 
der Praxis berücksichtigen. Die Käse enthalten eine Unzahl von Mikroorga- 
nismen, die nützlichen Bakterien sind aber in geringer Zahl. In einem ersten 
Teil bespricht Verf. die Bedeutung der Schimmelpilze und zwar speciell 
der Penieilliumarten. Es kommen in Betracht Penicillium candidum, 
P. glaucum und P. album, das letztere spielt für das Aroma der Brie-, 
Camembert- und Coulommierskäse eine Rolle. Es ist sehr empfindlich 
und hat die Eigenschaft, Milchsäure und Milchzucker, welche in feinem 
Käse nicht vorhanden sein dürfen, zu zerstören. Andere Mycoderma- und 
Hefearten wirken auch mit. In dem zweiten Abschnitt werden die Milch- 
säurefermente besprochen; die Milchsäuregärung ist nicht specifisch, ver- 
schiedene Bakterienarten können dieselben bedingen. Die Käseindustrie 
beruht vollständig auf der Mitwirkung dieser Milchsäurefermente. 
Dieselben sind auch im Rahm und in der Butter von Wichtigkeit, mit 
einem Wort, die Milchsäuregärung ist für die Nabrungsmittelindustrie so 
wichtig wie die alkoholische Gärung: sie bezweckt vor allem einen Schutz 


Ernährung. 553 


der Eiweisskörper gegen Fäulnisbakterien. Die Milchsäurefermente wirken 
auch bei der Verdauung des Kaseins im Darme mit. 
Silberschmidt (Zürich). 


Osborne Th. L. und Harris I. F., Ueber die Proteinkörper des Weizen- 
kornes. I. Das in Alkohol lösliche Protein und sein Glutamin- 
säuregehalt. Zeitschr. f. analyt. Cbem. 1905. Bd. 44. S. 516. 

Kossel und Kutscher haben (1901) angegeben, dass der Weizen- 
kleber 1. aus Glutenkasein besteht, das in kaltem, 60 proz. Alkohol ganz 
unlöslich ist, 2. aus Glutenfibrin, das darin nur wenig löslich ist, und 3. aus 
Gliadin, das in kaltem, 60 proz. Alkohol leicht löslich ist. Diese Angabe 
steht im Widerspruch mit der früheren Angabe von Osborne, nach der im 
Weizenkorn nur eine in Alkohol lösliche Proteinsubstanz vorhanden sein 
sollte, die als „Gliadin“ zu bezeichnen ist. Die erneute Untersuchung der 
strittigen Frage bringt die Verff. zu folgenden Ergebnissen: 

1. Kutschers Bestimmungen der Glutaminsäure steben weit hinter der 
wirklichen Menge dieser Substanz zurück, wie sie das alkohollösliche Weizen- 
protein liefert und erbringen daher keinen Beweis für die Annahme, dass 
diese Substanz aus 2 verschiedenen Proteinkörpern besteht. 

2. Die fraktionierten Fällungen dieses alkohollöslichen Proteins liefern 
praktisch dieselbe grosse Menge Glutaminsäure, so dass wir im Hinblick auf 
die genaue Uebereinstimmung in Zusammensetzung und Eigenschaften, sowohl 
den physikalischen, wie den chemischen, allen Grund haben, anzunebmen, 
dass nur ein solches Protein vorhanden ist, dem man den Namen „Gliadin“ 
belassen soll. 

3. Gliadin liefert eine bemerkenswerte Menge (etwa 350/,) Glutaminsäure, 
mehr wie jedes andere bekannte Protein und überhaupt eine grössere Menge 
eines einzelnen Zersetzungsproduktes, als man je in reinem Zustande von 
irgend einem echten Protein erhalten hat, die Protamine natürlich ausgenommen. 

4. Diese grosse Menge Glutaminsäure in einem so allgemein gebrauchten 
Nahrungsprotein ist von grosser Wichtigkeit bezüglich des Nährwertes dieser 
Substanz und verdient ein weiteres sorgfältiges Studium. k 

Wesenberg (Elberfeld). 


Hayashi, Haruo, Ueber die peptischen Spaltungsprodukte des Weizen- 
klebereiweisses Artolin. Aus d. Laboratorium für experimentelle Phar- 
makologie zu Strassburg. Arch. f. exp. Pathol. u. Pharmakol. 1905. Bd. 52. 
S. 289. 

Verf. unterwarf das Artolin. welches nach Morishima den grössten 
Teil der im Weizenkleber vorhandenen Eiweisskörper ausmacht, der 
peptischen Verdauung; dem salzsauren Artolin kommt die Grundformel 
Ciss H2ss NsoSOss + 2 HC! zu; bei schwacher Verdauung entstehen aus ihm an- 
scheinend durch Hydratation Albumosen, die mit ihm bis auf einen grösseren 
Wassergehalt die gleiche Zusammensetzung haben: Artose mit 2 und 4 H0. 
Bei längerer Einwirkung von Magensaft wird die Artose in Parartose (C120 
His2N3oS040) und Metartose (C315 Hso4NooS0106) gespalten. Eine weitere Ein- 


554 Ernährung. 


wirkung von Magensaft lässt die Metartose unverändert, während aus der 
Parartose wohl 3 Albumosen hervorgehen: Heteroartose (Cr4Hıs0N20S8024), 
Protoartose (Cies Hso0NsoS2061) und Deuteroartose (O,55H24,N40SOss), sowie 
ein schwefelfreies Pepton, das Artolinantipepton (C1, H19030s). 
Wesenberg (Elberfeld). 


Matthes H. und Mäller F. (Jena), Ueber das „Polieren“ und „Umkleiden“ 
von Graupen, Reis, Hirse und gelben Erbsen mit Talkum. Zeit- 
schr. f. öff. Chem. 1905. S. 76. 

Zur quantitativen Talkumbestimmung werden nach den Verf. 50 g 
Graupen u.s.w. 4—5 mal. mit insgesamt 500—600 ccm Wasser durch 
kräftiges Schütteln schnell abgespült; die klare Flüssigkeit wird dann nach 
mindestens 24 Stunden langem Absetzen abgehebert und der Rest eingedampft, 
geglübt und gewogen. 100 g unpolierte Graupen gaben auf diese Weise be- 
bandelt 13—386 mg Glübrückstand, welche eventuell vom Gesamtrückstand als 
Korrektur abgezogen werden müssen. Von 25 Graupen des Handels waren 
13 talkumbaltig; 5 Proben enthielten unter 0,20), (0,036 — 0,17°/,), die übrigen 
über 0,2°%/, (bis 0,65°%,) Talkum; die Technik kann also obne Poliermittel 
auskommen; wird aber trotzdem die Anwendung eines Poliermittelt gestattet, 
so darf die Menge für Graupen nicht über U,2°/, betragen, da diesen durch 
grössere Mengen infolge Weissfärbens zweifellos der Schein einer besseren, 
gleichmässigeren Beschaffenheit verliehen wird. 

Für Reis betrachten die Verff. als obere zulässige Grenze 0,3°/, Talkum; 
von 23 Proben waren 8 talkumfrei, 8 enthielten bis- 0,3%,, und 7 über 0,3 
(bis 1,0)%9. Splittererbsen enthielten 0,188, ganze gelbe Erbsen 0,188 
bezw. 0,082°/, Talkum. Für Hirse können die Verff. die Berechtigung für 
einen derartigen Zusatz nicht anerkennen , obwohl 2 Proben 0,04 bezw. 
0,1°/, Talkumüberzug aufwiesen. Wesenberg (Elberfeld). 


Küttner $. und Ulrich Chr. (Leipzig), Ueber die Verwendung von Streu- 
mehlen in der Bäckerei. Zeitschr. f. öf. Chem. 1905. S. 98. 

Um das Ankleben des Teiges auf dem Schieber und in der Mulde zu 
verhindern, fand früher als „Streumehl“ Weizen- bzw. Kartoffelmehl in der 
Bäckerei Verwendung, welche aber in jüngster Zeit meist durch billigere, be- 
sonders hergestellte „Streumehle“ ersetzt werden; diese letzteren müssen neben 
einwandsfreier Haltbarkeit grosse Ausgiebigkeit, grosses Wasseraufnahmever- 
mögen und vor allem möglichst niedrige Verbrennungstemperatur besitzen, so 
dass sie schon verbrannt sind, ehe das Gebäck sich zu bräunen beginnt, und 
am Gebäck nichts mehr davon zu bemerken ist. Die Verff. untersuchten 
4 Hauptypen dieser auf dem Markte befindlichen Streumehle sowohl bezüglich 
ibrer chemischen und physikalischen Eigenschaften, wie auch ihrer Brauch- 
barkeit in der Praxis. Die Streumehle aus Stroh bezw. aus Hafer- 
hülsen sind sehr ausgiebig, trocknen rasch, flammen schon nach !/, Minnte 
im heissen Backofen auf und sind am fertigen Gebäck nicht oder fast kaum 
mehr wahrnehmbar; etwas weniger ausgiebig, sonst aber den Anforde- 
rungen entsprechend, ist ein Fruchtschalenstreumehl; als wenig für den 


Ernährung. 555 


gedachten Zweck geeignet erwies sich dagegen ein Streumehl aus Reis- 
hülsen, welches vor allem infolge seines verbältnismässig hohen Fettgehaltes 
leicht ranzig wird, ausserdem aber beim Backprocess nur teilweise verbrennt 
unter Entwickelung eines charakteristischen unangenehmen Geruches. 
Zweifellos ist es „hygienisch“ richtiger, gute Streumehle aus Getreidehülsen 
u.s. w. zu verwenden, die allen Anforderungen, welche man stellen kann, ge- 
nügen, als dass, wie wir öfter Gelegenheit hatten, festzustellen, Mehl zu Streu 
zwecken verwendet wird, welches in der Backstube zusammengekehrt worden 
war. Wesenberg (Elberfeld). 


Buchner E. und Meisenheimer J., Die chemischen Vorgänge bei der 
alkoholischen Gärung. (Zweite Mitteilung.) Aus dem chemischen 
Laboratorium der Landwirtschaftl. Hochschule zu Berlin. Ber. d. D. chem. 
Gesellsch. 1905. Jahrg. 38. H. 2. S. 620. 

Die vorliegenden Untersuchungen bestätigen die Angaben der Verff. in 
ibrer ersten Mitteilung (vergl. diese Zeitschr. 1905. S. 457), dass bei der 
Zersetzung des Zuckers durch Presssaft aus Unterhefe inaktive Milch- 
säure eine hervorragende Rolle spielt und als Zwischenprodukt der alkoho- 
lischen Gärung aufzufassen ist. Hierbei scheint Zusatz von viel Zucker, so- 
wie von etwas Milchsäure das Verschwinden der letzteren Substanz in den 
weitaus meisten Fällen zu begünstigen; ferner ergaben Presssäfte mit geringer 
Gärkraft gewöhnlich Abnahme der vorhandenen Milchsäure, umgekehrt stark 
gärkräftige die Bildung von solcher. Während des Sommers war regelmässig 
ein Verschwinden der Milchsäure — auch zugesetzter — zu beobachten, 
während im Winter Neubildung von Milchsäure festzustellen war. Die Verff. 
bezeichnen den Zucker in Milchsäure spaltenden Körper von nun 
an speciell als Zymase (genauer Hefenzymase), wogegen der 
Milchsäure in Alkohol und Kohlendioxyd spaltende Stoff Lakt- 
acidase heissen soll. 

Das Auftreten der Essigsäure bei der zellfreien Gärung führen die 
Verff. auf die Wirkung eines besonderen Enzyms, der Glukacetase, zurück, 
welches den Traubenzucker in 3 Moleküle Essigsäure spaltet; während die 
gebildete Essigsäure von der lebenden Hefe assimiliert wird, kann sie sich im 
Presssaft anhäufen. 

Die weiteren Versuche, welche die Bildung von Milchsäure aus Zucker 
auf chemischem Wege (Einwirkung von Kalilauge auf Glukose), die Zerlegung 
des Invertzuckers durch starke Natronlauge und die Alkoholbildung aus 
Milchsäure (Destillation des Calciumlaktates) betreffen, können hier nicht 
weiter besprochen werden. Wesenberg (Elberfeld). 


Schwarz, Osw., Zur Kenntnis der Antipepsine. Aus dem physiol.-chem. 
Institut zu Strassburg. Hofmeisters Beiträge z. chem. Physiol. u. Pathol. 
Bd. 6. S. 524. 

Verf. extrahiert aus der Magenschleimhbaut einen Körper, der, zu Pepsin- 
salzsäure binzugesetzt, die Verdauung von koaguliertem Eiereiweiss — Mett- 
chen Röhrchen —- verzögert. Der Hemmungskörper wird durch Erhitzen auf 


556 Ernährung. 


100° nicht zerstört, scheint kein koagulierbares Eiweiss zu sein und wird durch 
Alkohol gefällt; er gibt keine Biuretreaktion, scheint auch keine Beziehung 
zu den Albumosen zu haben. Der Hemmungskörper hemmt nur die Verdau- 
ung von Eiereiweiss, nicht die von Serumeiweiss.. Er kommt auch in anderen 
Organen als dem Magen vor. Er wirkt nicht auf das Ferment, sondern auf 
den Fermentvorgang. Otto Cohnheim (Heidelberg). 


Vandevelde A. 3. J. (Gent), Ueber die Bestimmung der Giftigkeit che- 
mischer Verbindungen durch die Bluthämolyse. I. Mitteilung. 
Chem.-Ztg. 1905. No. 41. S. 565. 

Zur Bestimmung der Giftigkeit des Aethylalkohols bediente sich 
der Verf. der Hämolyse, indem 2,5 cm einer Aufschwemmung von 5 proz. 
defibriniertem Rinderblut in 0,9 proz. Kochsalzlösung mit 2,5 ccm einer wech- 
selnden Mischung von 0,9 proz. Kochsalzlösung und einer 0,9 proz. Kochsalz- 
lösung in 50 proz. Aethylalkohol versetzt wurden; nach 3 Stunden zeigte sich bei 
einem Gehalt der Gesamtflüssigkeit von 20,0-Vol.-%/, Aethylalkohol Hämolyse, 
während bei einem Gehalt von 19,50%, Hämolyse nicht eingetreten war. 

Zur Untersuchung der Giftigkeit der anderen Alkohole wurden diese 
zu 1,2 und 3 g-Vol.-%/, dem absoluten Aethylalkohol zugesetzt und dieser dann 
wie oben geprüft; es ergab sich durch den Zusatz des Methylalkohols 
eine Herabminderung der Giftigkeit des Aethylalkohols, während 
die anderen Alkohole eine z.T. beträchtliche Erhöhung der Giftigkeit 
desselben bedingten. Aus diesen Versuchen berechnet sich, dass 100 Teile 
Aethylalkohol „isotoxisch“ sind = 47 Isopropylalkohol = 29 Isobutylalkohol 
= 12,5 Amylalkohol; die plasmolytische Methode an Zwiebelschalenzellen 
hatte die folgenden kritischen Koefficienten ergeben: Aethylalkohol = 100, 
lsopropylalkohol = 36,8, Isobutylalkehol = 21,2 und Amylalkohol = 12,6. 

Wesenberg (Elberfeld). 


Vandevelde A. J. J, Ueber die Bestimmung der Giftigkeit chemischer 
Verbindungen durch die Bluthämolyse. II. Mitteilung. Chem.- 
Ztg. 1905. No. 74. S. 975. 

Die im vorstehenden Referat berichteten Versuche der Giftigkeitsbe- 
stimmung durch die Bluthämolyse wurden nunmehr auf die ätherischen 
Oele ausgedehnt; bier seien nur die wichtigsten Zahlen, welche für die Be- 
urteilung alkoholischer Getränke in Betracht kommen, wiedergegeben. 
100 g absoluter Aethylalkohol sind „isotoxisch“ mit: 

4,78 g Erdbeeröl, Himbeeröl, Aprikosenöl, Apfelöl, Quittenöl, Ananasödl, 
2,33 g Pfirsichöl, Bittermandelöl, Benzaldehyd; 

1,10 g Nitrobenzol, Karvol, 

0.86 g Karviöl, Chinazimtöl, 

0,69 g Zimtaldehyd, Citronenöl, Nelkenöl, 

0,58 g Muskatöl, Menthol, 

0,48 g Citronenöl ohne Terpene, Pfefferminzöl, 

0.42 g Karven, Wermutöl, Ceylonzimtöl, 

0,28 g Thywol, Kognaköl, 


Ernährung. 557 


0,22 g künstl. Kognaköl, Anethol, 
0,20 g Anisöl, Sternanisöl. Wesenberg (Elberfeld). 


Tortelli M. (Genua), Das Thermoleometer, ein Apparat für den Nach- 
weis der Verfälschung von Olivenöl und anderen Pflanzen- und 
Tierölen. Cbem.-Ztg. 1905. No. 39. S. 530. 

Das von Maumene eingeführte Verfahren der Bestimmung der Tempe- 
raturerhöhung, welche sich beim Vermischen eines Oeles mit konzentrierter 
Schwefelsäure einstellt, hat Verf. durch Konstruktion eines „Thermoleometers“ 
verbessert. Der Apparat besteht aus einem doppelwandigen und zwischen den 
Wandungen — um Wärmeverlust möglichst zu vermeiden — luftleeren Ge- 
fäss, in dem 20 ccm des zu untersuchenden Fettes bezw. Oeles mit 5 ccm 
Schwefelsäure vom spec. Gew.—1,8413 mit Hilfe eines mit 2 llügelchen ver- 
sehenen Thermometers zusammen gemischt werden; die hierbei auftretende 
Temperaturzunahme ist der „Schwefelsäurewärmeindex“ des betreffenden 
Oeles. Die Temperaturerhöhung ist abhängig von der Stärke der angewandten 
Schwefelsäure und schwankt selbst bei kleinen Aenderungen der Schwefel- 
säurekonzentration um einige Grade. Das Ranzigwerden erhöht den Wärme- 
index, während er bei trocknenden Oelen mit dem Alter etwas sinkt. Es 
mögen einige Wärmeindices, mit Schwefelsäure von Spec. Gew. 1,8413 erhalten, 


folgen: 
Olivenöl. . 2.0... 440 Leindotteröl . . . 103,20 
Kattonöl. . . ..... 78,00 Mandelöl. . . . . 50,70 
Sesamöl . . . 2... .. 713° Aprikosenkernöl . .  60,5° 
Arachisöl . . . . . 50,60 Pfirsichkernöl . . . 50,70 
Maisöl . E .2..2..2...82,00 Wesenberg (Elberfeld). 


Formenti Carlo, (Mailand), Ueber die braune kieselsaure Ablagerung, 
welche sich auf dem Aluminium durch Kochen mit Wasser bildet. 
Chem.-Ztg. 1905. No. 55. S. 746. 

Bekanntlich bildet sich, wenn man in einem neuen Aluminiumgefäss 
gewöhniiches Wasser kocht, nach einigen Minuten Kochen auf der 
inneren Oberfläche eine dünne braune Schicht, welche aus Graphit-Kiesel- 
säure (graphitischem Silicium) besteht. Dicke und Farbe der Schicht steht 
im Verhältnis zu der als Verunreinigung in jedem reinen Aluminium (zu 
0.06—0,6°%;,) vorhandenen Menge von Silicium. Die Entstehung dieser in 
bygienischer Beziehung durchaus harmlosen Schicht kann dadurch vermieden 
werden, dass man in dem neuen Gefäss zuerst nicht Wasser sondern eine fett- 
baltige Flüssigkeit kocht, etwa Milch, Bouillon u.s. w.; die entstandene Fär- 
bung kann durch Auskochen mit Wasser, dem 2—3 Löffel Kaliumbisulfat zu- 
gegeben sind, wieder entfernt werden. Der braune Niederschlag verlängert 
die Dauerhaftigkeit des Aluminiumgefässes, da er wie eine Emaille wirkt; ist ; 
andererseits aber der Siliciumgehalt im Aluminiumgefäss zu gross, so begün- 


stigt er durch Hohlraumbildung die Zerstörung des Gefässes. 
Wesenberg (Elberfeld). 


558 Ernährung. 


Süss P., Ueber künstliche Färbung von Speisesenf und Senfpulver. 
Pharm. Centralhalle. 1905. S. 291. 

Köpcke, P., Ueber künstliche Färbung von Speisesenf. Ebenda 1905. 
S. 293. j 

Süss verrührt etwa 50gSpeisesenf mit etwa 75 ccm 70 proz. Alkohol 
und filtriert nach 10 Minuten; mit einem Teil des Filtrates wird warm ein 
Wollfaden angefärbt, ausserdem 24 Stunden lang ein „Kapillarstreifen“ aus 
dickem Fliesspapier eingehängt, bezw. kleine Mengen mit Ammoniak bezw. 
Salzsäure auf Farbenveränderungen geprüft. Normaler Senf gibt dem Woll- 
faden eine schmutzig-hellgelbe Farbe, die bald verblasst und durch Ammoniak 
intensiv gelb, durch Salzsäure. nicht oder nur schwach ins Bräunliche ver- 
ändert wird. Der Kapillarstreifen lässt auffällig gelbe Bänder nur bei 
Gegenwart von Teerfarbstoff erkennen und wird durch Betupfen mit NH, bezw. 
HCl weiter geprüft; zum Nachweis von Kurkuma wird der Streifen mit 
Borsäurelösung befeuchtet, und nach dem Trocknen mit Ammoniak betupft. 
Bemerkenswert ist, dass Süss verschiedentlich Senfpulver im Handel fand, 
welches mit Kurkumafarbstoff aufgefärbt war, so dass also der Farbstoff nicht 
vom Fabrikanten des Speisesenfs zugefügt zu sein braucht. 

Köpcke erwärmt den Speisesenf mit wässerigem Ammoniak, vertreibt 
aus dem Filtrat das Ammoniak durch Erwärmen und färbt dann unter Zusatz 
von Kaliumbisulfat wie gewöhnlich auf Wolle aus. 

Wesenberg (Elberfeld). 


Bamberger J., Zur Hygiene des Rauchens. Münch. med. Wochenschr. 1904. 
No. 1344. 

B. unterscheidet zwischen zwei grossen Kategorien der Raucher, 
den Nassrauchern und den Trockenrauchern. Bei den letzteren gelangt 
der Tabakrauch in die Mundhöhle und wird mit dem Speichel verschluckt, 
während der Rauch mit der Atemluft stark verdünnt in die Luftwege ein- 
dringt, um mittels der ausgedehnten Resorptionsfläche der Bronchialschleim- 
haut seine giftigen Bestandteile an den Kreislauf abzugeben. 

Bei den Nassrauchern gesellt sich aber ausserdem noch die Gefahr 
hinzu, dass das gerade im Cigarrenstummel aufgespeicherte Nikotin 
mit dem Speichel ausgelaugt und im Magen weiter aufgenommen wird. 
Das Nassrauchen ist demnach als die weit gefährlichere Methode 
ganz entschieden zu verwerfen und von ärztlicher Seite mit allen 
Mitteln zu bekämpfen. Auch der mit dem Tabakrauchen gleichzeitig ein- 
hergehende Wein- oder Biergenuss erhöht die Gefahr, da die im Al- 
kohol löslichen, verschluckten Gifte mit dem alkoholhaltigen Getränk viel 
leichter im Magen resorbiert werden. 

Dass auch die nikotinarmen Havannacigarren eine chronische Ver- 
giftung verursachen können, hat seinen Grund darin, dass auch nikotinarme 
Cigarren noch andere giftige Produkte der trockenen Destillation 
abgeben. Die Kautabake sind dank ihrer eigenartigen Präparation nikotin- 
arm und dürfen kaum als gesundheitsgefährlich angesehen werden, da ja 
keine Verbrennungsprodukte bei deren Genuss entstehen. 


Ernährung. 559 


Von Bedeutung ist der nachahmenswerte Vorschlag von Thoms, den 
Tabakrauch vor dem Genuss durch ein mit Eisenoxydul oder 
Eisenoxydsalzen getränktes Wattefilter zu schicken. Die Blausäure, 
das Nikotin und dessen Spaltbasen, das Ammoniak, der Schwefelwasserstoff 
und das unangenehm riechende ätherische Brenzöl werden grösstenteils oder 
vollständig in dem Wattefilter in zersetztem Zustande zurückgehalten. Es 
genügt, die Cigarrenspitze mit etwas Eisenchloridwatte za tamponieren. 

. Schumacher (Hagen i.W.). 


v. Spindler O. (Zürich), Ueber den qualitativen Nachweis von Bor- 
säure mit besonderer Berücksichtigung der Nahrungsmittel- 
chemie. Chem.-Ztg. 1905. No. 41. S. 566. 

v. Spindler 0., Einfache Methode zur quantitativen Bestimmung von 
Borsäure. Chem.-Ztg. 1905. No. 43. S. 582. 

Zum«qualitativen Nachweis von Borsäure ist nach Ansicht des 
Verf.’s einzig rationell die auch in die „Vereinbarungen“ aufgenommene 
Methylalkohol-Gasmethode nach Rosenbladt, bei welcher durch die mit Salz- 
säure und Methylalkohol versetzte, möglichst wasserarme Substanz ein Leucht- 
gasstrom (einfacher als der in „Vereinbarungen“ empfohlene Wasserstoffstrom) 
geleitet und dieser dann angezündet wird. Die Methoden des direkten Ab- 
brennens der Mischungen von Schwefelsäure mit Methyl- oder gar Aethylalko- 
hol können bei Gegenwart von Kupfer u.s. w. leicht irre führen, eben so — 
bei Anwesenheit von selbst Spuren freier Schwefelsäure oder sauren Sulfaten — 
die Curcumapapierreaktion. 

Zur quantitativen Bestimmung der Borsäure verfährt Verf. etwa 
wie folgt: Die Substanz wird mit überschüssigem Kalkwasser eingedampft und 
unter Auslaugen der Kohle vollkommen verbrannt; die Asche wird in mög- 
lichst wenig Salzsäure gelöst in einen Rundkolben gebracht, dort mit Natron- 
lauge deutlich alkalisch gemacht und schliesslich mit Phosphorsäure unter 
Helianthinzusatz bis zur deutlichen Rotfärbung versetzt; der Kolben ist mit 
Kjeldahl-Kugelaufsatz und Tropftrichter versehen; man destilliert nun die 
wässerige Flüssigkeit am besten bis zur Trockne ab, setzt dann in Mengen 
von je 10 ccm Methylalkohol zu, der jedesmal vollständig abzudestillieren ist, 
ehe man von neuem zufügt und fährt damit fort, bis ein mittels Glasstab 
am Kühler entnommener Tropfen, an der Glasflamme entzündet, nicht mehr 
grün brennt. Das ganze Destillat wird nun mit einem grossen Ueberschuss 
von 1/1 Normal-Natronlauge versetzt, der Methylalkohol abdestilliert und die 
Flüssigkeit auf 20—30 ccm eingedampft. Nach dem Abkühlen setzt man ein 
gleiches Volumen neutralen Glycerins zu und titriert mit 1/,, Normal-Schwefel- 
säure den Ueberschuss der Lauge zurück; 1 ccm 1/,, Normal-Na0OH=0,0062 g 
BO,B;. Wesenberg (Elberfeld). 


560 Gewerbehygiene. 


Rambousek L., Lehrbuch der Gewerbehygiene. 135 Ss. 8°. Mit 64 Ab- 
bildungen und 3 Tafeln. A. Hartlebens Verlag. Wien und Leipzig 1906. 
Preis: 5 M. — Nach dem Erlasse des k. k. Ministeriums für Kultur und 
Unterricht von 14. Juli 1902 zum Unterrichtsgebrauche an gewerblichen 
Unterrichtsanstalten für zulässig erklärt. 

Dass das vorliegende Buch kein Lehrbuch der Gewerbehygiene im 
eigentlichen Sinne darstellt, geht schon rein äusserlich betrachtet daraus 
bervor, dass es mit Einschluss der Wohlfartseinrichtungen nur 128 Seiten um- 
fasst. Dem Zweck entsprechend, dem Unterricht an gewerblichen Unterrichtsan- 
stalten zu dienen, wurde hauptsächlich die technische Seite der Gewerbe- 
hygiene berücksichtigt, während andere wichtige Gebiete, wie die Gewerbe- 
krankheiten u. a., mehr oder weniger gänzlich. ausser Berücksichtigung ge- 
blieben sind. Im ersten Hauptstück werden die Ursachen der Luftverderbnis 
und die Mittel zu ihrer Verhütung, sodann die sonstigen durch das Arbeits- 
material bedingten Gefahren und Nachteile und die Schädigung der Arbeiter- 
schaft -durch besondere von der. Art der Verarbeitung abhängende Umstände 
erörtert. Das zweite Hauptstück behandelt auf 20 Seiten die Wohlfahrtsein- 
richtungen. Wie schon gesagt, kann von einem Lehrbuch im gewöhnlichen 
Sinne nicht die Rede sein, und wäre es deshalb besser gewesen, wenn diese 
Beschränkung und der Zweck des Buches schon im Titel schärfer zum Aus- 
druck gebracht worden wäre. E. Roth (Potsdam). 


Zwei Denkschriften zur Vorbereitung einer internationalen Ar- 
beiterschutzkonferenz. Herausgegeben vom Bureau der internationalen 
Vereinigung für gesetzlichen Arbeiterschutz. Inhalt: 1. Denkschrift 
über das Verbot der Verwendung des weissen Phosphors in 
der Zündhölzchenindustrie. 2. Denkschrift über das Verbot der 
gewerblichen Nachtarbeit der Frauen. Jena 1905. Verlag von 
Gustav Fischer. 49 Ss. 8%. Preis: 2 M. 

Die internationale Vereinigung für gesetzlichen Arbeiterschutz hatte 
in ihrer konstituierenden Versammlung im September 1901 das internationale 
Arbeitsamt mit der Aufgabe betraut, Untersuchungen über den Grad der 
Gesundheitsschädlichkeit und den gegenwärtigen Stand der Gesetzgebung, be- 
treffend die gesundheitsgefährlichen Industrien zu pflegen, und zwar speciell 
derjenigen, welche Bleifarben und Phosphor erzeugen und verwenden. Auf 
der zweiten Generalversammlung des Comités der internationalen Vereinigung 
zu Köln wurde die Einsetzung einer Kommission beschlossen, die die Be- 
rufung einer internationalen Konferenz anregte, um auf dem Wege der inter- 
nationalen Vereinbarung die Verwendung des weissen Phosphors bei 
der Herstellung von Zündbölzern zu verbieten und das Bureau der inter- 
nationalen Vereinigung zur Ausarbeitung einer entsprechenden Denkschrift zu 
veranlassen. 

Die hier vorliegende Denkschrift schildert die schweren Gefahren, welche 
die Gesundheit der bei der Verwendung des weissen Phosphors beschäftigten 
Arbeiter bedrohen, und bespricht sodann die Schutzvorschriften, welche die 
verschiedenen Staaten erlassen baben, und deren Unzulänglichkeit. Hieran 


Gewerbehygiene. 561 


schliesst sich eine Besprechung der bezüglich der Verwendung, Erzeugung und 
Einführung von Zündhölzern mit weissem Phosphor in den einzelnen Staaten 
ergangenen Verbote und deren Wirkung auf Produktion und Ausfuhr, und 
weiter eine Darlegung der Unzulänglichkeit partieller, nur das Inland be- 
rührender Verbote oder blosser Fabrikationserschwerungen und der Schwierig- 
keiten des Vollzugs der Schutzvorschriften in denjenigen Ländern, welche sich 
zu einem Verbot der Verwendung des weissen Phosphors wegen ihrer grossen 
Ausfuhr bisher nicht entschliessen konnten. Hinsichtlich der Verwendung 
ungiftiger Ersatzstoffe wird festgestellt, dass durch die Fortschritte der Technik 
die bisher entgegenstehenden Schwierigkeiten beseitigt sind. Zum Schluss 
wird die Möglichkeit und Notwendigkeit internationaler Vereinbarungen dar- 
getan. In einem Anhang sind die geltenden Gesetze im Wortlaut mitgeteilt. 

Die zweite Denkschrift beschäftigt sich mit dem Verbot der Frauen- 
nachtarbeit, wonach allen in einem gewerblichen Betrieb ausserhalb des Hauses 
beschäftigten Arbeiterinnen eine ununterbrochene 12 stündige Arbeitsruhe von 
abends bis morgens gesichert sein soll. Die Denkschrift erbringt den Nach- 
weis, dass durch das Verbot der gewerblichen Frauennachtarbeit der Schutz 
der Arbeiterinnen leichter und wirksamer gestaltet werden kann, als dies 
nach dem gegenwärtigen Stande der Gesetzgebung der Fall ist. 

In einem zweiten Abschnitt wird das grundsätzliche Verbot der Frauen- 
nachtarbeit hauptsächlich durch den Hinweis auf die hervorragende volks- 
hygienische Bedeutung dieser Massregel gerechtfertigt. Eine Darstellung der 
tatsächlichen Regelung der Arbeitsruhe der Frauen in den verschiedenen 
Ländern schliesst sich an. Weiter werden die Ausnahmen behandelt, welche 
verschiedene Staaten, die grundsätzlich das gesetzliche Verbot der Frauen- 
nachtarbeit eingeführt haben, im Falle der Betriebsgefahr oder des sonst 
unvermeidlichen Verderbens der Rohstoffe festzusetzen für notwendig befunden 
haben. In einem Schlussabschnitt werden die günstigen Wirkungen erörtert, 
die man von einer wohldurchdachten internationalen Regelung erwarten darf. 

E. Roth (Potsdam). 


Bleivergiftungen in hüttenmännischen und gewerblichen Betrieben. 
Ursachen und Bekämpfung. II. Teil: Bericht über Erhebungen in 
Bleiweiss- und Bleioxydfabriken. 37 Ss. 4%. Mit 33 Bildern und 
4 Plänen. Wien 1905. Alfred Hölder. 

Die von dem arbeitsstatistischen Amt im österreichischen Handelsministe- 
rium herausgegebene Veröffentlichung enthält, wie dies bei dem die Erhebungen 
in Blei- und Zinkhütten schildernden ersten Teil (d. Zeitschr. 1906 S. 
449) derselben der Fall war, in Form eines Berichts eine genaue Darstellung 
des Ergebnisses von kommissarischen Erhebungen, die im Jahre 1904 in einer 
grösseren Zahl von Bleiweiss- und Bleioxydfabriken vorgenommen 
wurden. Das so gewonnene reichhaltige Material wird einer besonderen 
Kommission unterbreitet werden, deren Beratungen dem Handelsministerium 
die erforderlichen Unterlagen für ein behördliches Vorgehen gegen die Blei- 
vergiftungsgefahr bieten sollen. Dem Bericht sind Situationspläne und zahl- 


562 Gewerbehygiene. 


reiche nach Photographien hergestellte Autotypien beigegeben, welche dazu 
beitragen, die Betriebsprocesse und Fabrikeinrichtungen zu veranschaulichen. 
E. Roth (Potsdam). 


Lewin, L., Die chronische Vergiftung des Auges mit Blei. Berl. klin. 
Wochenschr. 1904. S. 1298. 

Nicht hinreichend gewürdigt sind die Einflüsse gewerblicher Vergiftung 
auf das Auge. Leiden dieser Art entwickeln sich meist aus unmerklichen 
Anfängen, und es kann Monate und selbst Jahre dauern, ehe Hilfe nachge- 
sucht wird. Bei Einwirkung grosser Mengen gewisser Gifte auf empfängliche 
Individuen können sich die Erkrankungen des vorderen oder hinteren Auges 
auch schnell vollziehen. Unter 127 Fällen von Bleivergiftung war die Ent- 
wickelung bei 84 eine allmähliche, bei 43 eine akute. 

Stoffe verschiedener Art können Beeinträchtigungen des Sehvermögens 
herbeiführen, so Schwefelkohlenstoff, Brommethyl, Quecksilber, Holzgeist, 
Arsenik, Dinitrobenzol, Anilin, Kohlenoxyd, Schwefelwasserstoff. Eine ver- 
hänguisvolle Rolle spielen oft die Bleiverbindungen. An einer Aufstellung 
von 130 Fällen lässt sich zeigen, dass Blei in jeder Form auch die Augen 
schädigen kann. Die Verhältnisse werden noch schlechter, weil Blei immer 
weiter in Technik und Industrie vordringt, und die Zahl der Fabrikarbeiter 
grösser wird. Sehstörungen durch Bleieinfluss kommen sowohl bei Kindern, 
wie bei Männern und Frauen vor. Gewöhnlich sind sie mit anderen Blei- 
symptomen verbunden. 

Der Verlauf der Seherkrankung nach Blei hängt von verschiedenen Um- 
ständen ab;, besonders wichtig ist die sofortige Entfernung des Kranken von 
der Bleiarbeit. Von 114 Fällen endeten 40 in Heilung, 22 in Besserung, 
36 in Schwund des Sehnerven, 16 tödlich. Ein geheilter Kranker müsste 
einem Bleiberuf fernbleiben. Würzburg (Berlin). 


Lewin L., Ueber die Wirkung des Bleis auf die Gebärmutter. Berl. 
klin. Wochenschr. 1904. S. 1074. 

Schwere Zeugungs- und Schwangerschaftsstörungen können durch Blei- 
vergiftung herbeigeführt werden. Es ist nachgewiesen worden, dass die 
Schwangerschaft sowohl wenn die Mutter selbst mit Blei arbeitet, als auch, 
wenn nur der Mann, der den Zeugungsakt vollzogen hat, bleikrank war, Stö- 
rungen erleiden kann. Unter solchen Bedingungen zeigen sich 1. Gebär- 
mutterblutungen bei Frauen, bei denen die Menstruation ausgeblieben ist, 
und die als schwanger angesehen werden müssen, 2. Fehlgeburten im 3. bis 
6. Monat, 3. Frühgeburten von toten oder bald sterbenden Kindern, 4. eine 
das gewöhnliche Mittel überragende Sterblichkeit der geborenen Kinder in 
den ersten 3 Lebensjahren. . 

Nicht nur der Same bezw. das Ei können unter dem Einflusse des Bleis 
funktionell krank werden, sondern Blei kann auch in den Fötus übergehen. 
Die Schwermetalle, wie Blei und (uecksilber, gelangen in Verbindung mit 
Eiweiss und gelöst durch die Alkalien oder Chloralkalien des mütterlichen 
Blutes genau so in die Frucht, wie das syphilitische Gift überwandern kann 


Gewerbehygiene. 563 


Die Schädigung der Frau und des geschlechtsreifen Mädchens im Blei- 
betriebe kann die Vernichtung einer langen Descendenzreihe bedeuten, sobald 
eine Wirkung auf die Generationsorgane stattgefunden hat. Es muss daher 
die Zeit kommen, wo vorerst einmal die Frauenarbeit in Giftbetrieben mit 
hoher Gefahr allgemein verboten wird. Würzburg (Berlin). 


Galewsky, Ueber berufliche Formalinonychien und Dermatitiden. 
Münch. med. Wochenschr. 1905. No. 4. S. 164. 

In fünf Fällen (bei drei Aerzten, einem Institutsdiener und einem Apo- 
theker) beobachtete Verf. eine mehr oder minder schwere Erkrankung der 
Nägel, die 1/,—3/, Jahr nach fortgesetztem Arbeiten mit Formalin auftrat. Sie 
begann mit bräunlicher Verfärbung der Nägel; dieselben erweichten allmählich, 
es trat besenartige Auffaserung ein, welche durch Einbohren der einzelnen 
Faseru in den Nagelfalz sehr schmerzhaft war. Nach einiger Zeit wurden 
die Nägel rissig, zackig und verdickt. In drei der beobachteten Fälle ging 
die Erkrankung auf die Finger über und bewirkte Ekzeme z. T. sehr bös- 
artiger Natur; der Institutsdiener wurde dadurch gezwungen, seinen Beruf 
aufzugeben. Die Erkrankung ist stets sehr hartnäckig. Die Therapie ist 
die des Ekzems: vor allem ist Arbeiten mit Formalin sorgfältig zu meiden. 
(Ref. hat an sich selber mehrfach beobachten können, dass nach häufig 
wiederholtem Benetzen der Hände mit starken Formalinlösungen die Spitzen 
der Fingernägel bräunlich und brüchig wurden.) Beitzke (Berlin). 


Haldane, The influence of higb air temperatures. Journ. of hyg. 
Vol. 5. p. 494. 

Haldane hat sich mit dem Studium der Einflüsse beschäftigt, die der 
Aufenthalt in sehr heisser und feuchter oder trockener Luft, also in Berg- 
werken, im Wärmezimmer des Lister Instituts in London und endlich in 
einem türkischen Bad auf den Menschen ausübt. Zur Ermittelung der 
Körpertemperatur bei den Versuchspersonen hat er dabei die Messung im After 
als sehr viel zuverlässiger und genauer befunden als diejenige im Mund, 
weil bei der letzteren die Einatmung der Aussenluft durch die Nase, zum Teil 
sogar durch den Mund selbst den Stand der Quecksilbersäule wesentlich zu 
verändern vermag. Bei dem Besuch der Bergwerke in Levant und Dolcoath, 
Zion- und Kupferminen, die dicht am Atlantischen Ozean liegen und sich weit 
unter den Spiegel des Meeres erstrecken, machte sich die Einwirkung der hohen 
Wärmegrade, 30—39,2°C. auf das Befinden in reichem Masse bemerkbar; die 
Temperatur im Mastdarm stieg auf 39 und 40°, der Puls auf 140— 160 u. s. f. 
Ebenso verhielten sich die Ergebnisse in den beiden anderen eben erwähnten 
Aufenthaltsorten, und Verf. kommt deshalb zu der gewiss richtigen Anschau- 
ung, dass es zunächst einer weitgehenden Gewöhnung an diese Verhältnisse 
bedarf, um in ihnen das Wohlbefinden und die Arbeitslust zu gewinnen und 
zu zeigen, die er bei den in den Bergwerken tätigen Arbeitern ausnahmslos 
beobachten konnte. C. Fraenkel (Halle a. S.). 


564 Gewerbehygiene. Prostitution. 


Eulenburg A., Ueber Nerven- und Geisteskrankheiten nach elek- 
trischen Unfällen. Berl. klin. Wochenschr. 1905. S. 30 ff. 

Hält man nach dem Vorgange von Jellinek daran fest, dass der Ueber- 
gang von Elektrizität auf den menschlichen Körper die einzige Grundbedingung 
eines elektrischen Unfalls ausmacht, so kommt ein solcher im Telephon- 
betriebe nur ausnahmsweise vor. Bei einschlägigen Fällen dieser Art handelt 
es sich in der Regel um emotionelle, auf psychischem Wege hervorgerufene 
Vorgänge. 

Klinisch und forensisch von besonderer Wichtigkeit ist der ursächliche 
Zusammenhang von progressiver Paralyse mit elektrischen Unfällen. Eine 
andere hierher gehörige chronisch-degenerative Erkrankung des Central- 
nervensystems ist die multiple Sklerose. Auch sonstige Formen 
schwerer fortschreitender Erkrankung des Centralnervensystems sind auf 
Grund elektrischer Unfälle beobachtet worden. 

Für die Würdigung der Schwere und der Gefährlichkeit elektrischer 
Verletzungen handelt es sich keineswegs allein um die als elektromotorische 
Kraft sich äussernde Spannung, um die Höhe der Voltziffer, vielmehr kommt 
im Einzelfalle auch eine Reihe anderer Faktoren, vor allem das Verhalten 
der Leitungswiderstände, die absolute Stromstärke, die Stromdichte in den 
durchflossenen Körperteilen, ferner Berührungsstellen, Richtung des Stroms, 
Dauer der örtlichen Einwirkung, auch die besondere Beschaffenheit der Strom- 
kurve und die individuelle Empfänglichkeit, wesentlich in Betracht. 

Würzburg (Berlin). 


Hermanides $. R., Bekämpfung der ansteckenden Geschlechtskrank- 
heiten als Volksseuche. Harlem 1905; de erven F. Bohn, und Jena, 
Gustav Fischer. IV und 162 Ss. lex 8°. Preis: 4 M. 

Der Verf. bekämpft nach einer Einleitung über die Schädlichkeit und die 
Verbreitung der venerischen Krankheiten die Reglementierung der Prosti- 
tution, deren Verbot er verlangt. Dabei soll aussereheliche Enthaltsamkeit 
durch Bestrafung der Männer, welche ein Bordell aufsuchen, und durch Ge- 
setze nach Art der lex Heinze erzwungen werden. Die Statistik wird nur 
da gelten gelassen, wo sie für die vom Verf. vertretene Ansicht spricht, sonst 
werden die statistischen Ziffern nicht gezählt, sondern (S. 61) gewogen oder 
angezweifelt. Helbig (Radeveul). 


Bettmann S., Aerztliche Ueberwachung der Prostituierten. Mit 2 Kurven 
im Text. Jena 1905. Verlag von Gustav Fischer. IV und 280 Ss. lex 8°. 
Preis: 7 M. 

Im vorliegenden ersten Teile des siebenten Bandes des von Moritz Fürst 
und F. Windscheid herausgegebenen: „Handbuch der socialen Medizin“ be- 
spricht der Verf. nach einer Einleitung zunächst: „Die ärztlichen Aufgaben 
im Kampfe gegen die Geschlechtskrankheiten“, und zwar: „die Behandlung“ 
und die „Wege zur Ermittelung der Geschlechtskranken“, sowie den: „Arzt 


Gerichtl. Medizin. 565 


als Belehrer“. Im zweiten Abschnitte „Historisches“ wird die Geschichte 
des gesetzgeberischen Kampfes gegen die Venerie, im dritten die dermalige 
Ueberwachung in Belgien, Dänemark, Deutschland, England, Frankreich, 
Holland, Italien, Norwegen, Oesterreich, Rumänien, Russland, Schweden, der 
Schweiz, Serbien, Spanien, Ungarn und den Vereinigten Staaten von Nord- 
amerika dargestellt. Hierbei werden die deutschen Verhältnisse eingehend 
berücksichtigt. Im vierten Abschnitte: „Die Erkrankung der Prostituierten“ 
finden sich ausser Syphilis (S. 69—97) und Gonorrhoe S. 97—136) andere 
venerische und nicht venerische Krankheiten der Geschlechtsteile, sowie 
Schwangerschaft und Tuberkulose kurz erwähnt. Der fünfte Abschnitt: „Aus- 
führung der Ueberwachung“ zerfällt in fünf Unterabteilungen: Aerzte, Unter- 
suchungslokal, Ausführung der Kontrolluntersuchungen, Registrierung und 
Krankenhausbehandlung. „Inskription, Kontinuität und Fluktuation“ lautet die 
Ueberschrift des sechsten, „Die Wohnungsfrage“ die des siebenten Kapitels, 
während die folgenden „Die Ergebnisse“ und „Ersatzmittel der Reglemen- 
tierung“ zusammenstellen. Der letzte Abschnitt: „Die Prostituierte“ gibt 
ein Bild von deren Persönlichkeit mit Bezug auf die Entartungszeichen Lom- 
brosos und Ferreros, sowie auf die Häufigkeit der Verbrechen und Geistes- 
krankheiten. Als „Literatur“ sind die einschlägigen Veröffentlichungen nach 
den Namen von etwa anderthalb hundert Verff. alphabetisch geordnet aufge- 
führt. Ein ebensolches „Register“ der Namen und Sachen bildet den Schluss. 
Unter den zahlreichen Darstellungen desselben Gegenstandes nimmt wegen 
sorgsamer Durcharbeitung des Stoffes das vorliegende Werk eine hervorragende 
Stelle ein, und sein Wert erhöht sich dadurch, dass mit ersichtlichem Fleisse 
das neueste Material herbeigeschafft und der dermalige Stand der Forschung 
berücksichtigt wurde. Die Schilderung der bestehenden Zustände weckt, wie 
die Einleitung bemerkt, allerdings: „auf Schritt und Tritt die Kritik“, und 
eine solche erscheint bei der reichen Erfahrung des fachkundigen Verf.’s be- 
achtlicb. Doch liegt hierin nicht die Bedeutung des Buches. Denn Kritiken, 
auch vernünftige, gibt es zur genüge und wohl auf keinem Gebiete gehen die 
Meinungen der Einzelnen so auseinander, wie über geschlechtliche Beziehungen. 
Deshalb könnte bei einer Neuauflage der kritische Teil wesentlich zurücktreten 
gegenüber den Tatsachen, in deren Herbeischaffung und Zusammenstellung der 
Schwerpunkt und die Ursache des voraussichtlichen Erfolges der lesenswerten 
Veröffentlichung liegt. Helbig (Radebeul). 


Lockemann G., Ueber den Arsennachweis mit dem Marshschen Appa- 
rate. Aus dem Laboratorium für angewandte Chemie (Prof. Dr. Beck- 
mann) der Universität Leipzig. Zeitschr. f. angew. Chem. 1905. S. 416. 

Verf. beschreibt eingehend ein Verfahren, welches gestattet, mit Hilfe des 

Marshschen Apparates noch bis zu 1/1 mmg (= !/i0000000 g) Arsen (As) 

deutlich nachzuweisen. Auf Einzelheiten der äusserst interessanten Arbeit 

kann hier leider nicht eingegangen werden; erwähnt seien nur die in ausgiebiger 

Weise heranzogenen älteren Literaturangaben, die Bemerkungen bezüglich Dar- 

stellung und Aufbewahrung von völlig arsenfreien Reagentien (z. B. muss die 


566 Gerichtl. Medizin. 


Salpetersäure in Porzellanflaschen aufbewahrt werden, da sie aus dem Glase 
meist wieder As aufnimmt), und die Reproduktionen von Arsenspiegeln mit 
verschiedenem As-Gehalt. Wesenberg (Elberfeld). 


Tollens, Karl, Ueber die Wirkung der Kresole und des Liquor Oresoli 
saponatus im Vergleich zur Karbolsäure. Aus dem pharmakolo- 
gischen Institut zu Göttingen. Arch. f. exper. Pathol. u. Pbarmakol. 1905. 
Bd. 52. S. 220. i 

Bei subkntaner Applikation wässeriger Lösungen von Karbolsäure, den 
drei isomeren Kresolen, von 3 Rohkresolen und den daraus hergestellten 

Kresolseifenlösungen ermittelte Verf. folgende tödliche Dosen (in Gramm 

Substanz auf 1 kg Körpergewicht): 

Katzen Mäuse Frösche 


Karbolsäure . . 2 2 2202. 0,09 0,35 0,1 
Kresol p- ee fe 0,08 0,15 0,15 
nu o0- E REES 0,09 0,35 0,20 
„m : Fe 0,12 0,45 0,25 


Karbolsaures Natron +8 € A — 0,85 0,1 
Kresolsaures m p- [3 gan — 0,15 0,15 
x 4 o- E = = 3 — 0,35 0,2 

A „m 732 Be 0,45 0,25 
Kromi erud. 1 . 2. 2 22.0. _ 0,35 0,2 
I IE DE aa = 0,25 0,2 

% S e sn er — 0,2 0,2 
Lig. Cresoli sapon. l Jg = — 0,8 0,15 
a 4 „ 118 Fg E. = 0,25 0,15 
x N „ 1): => Ta 0,2 0,15 


Für die Warmblüter ist demnach das Parakresol entschieden giftiger als 
die Karbolsäure, Orthokresol mindestens ebenso giftig und nur Metakresol 
etwas weniger giftig als die Karbolsäure, Nur für den Frosch sind die Kre- 
sole weniger giftig als die Karbolsäure. 

Die Natronverbindungen der Karbolsäure und der Kresole lassen in ihrer 
tödlichen Dosis keinen Unterschied gegenüber den freien Verbindungen er- 
kennen. Auch durch den Seifenzusatz tritt eine wesentliche Aendernng in 
der Giftwirkung der Kresole nicht ein. 

Von besonderer Wichtigkeit ist die grosse Verschiedenheit der Gift- 
wirkung der untersuchten 3 Rohkresole und der entsprechenden 
Kresolseifenlösungen, obwohl dieselben den (allerdings sehr geringen — 
Ref.) Anforderungen der Pharmacopoe sämtlich gerecht wurden. Dieselben 
Rohkresole, über welche hier Tollens berichtet, prüfte Fehrs (Centralbl. f. 
Bakt. Abt. I. Bd. 37. S. 730) bakteriologisch und konnte auch in ihrem Des- 
infektionswert gleichfalls grosse Unterschiede feststellen, so dass die Kresol- 
seifenlösungen aus Rohkresolen als unzuverlässig bezeichnet werden müssen. 

Durch Versuche an Katzen wurde des weiteren festgestellt, dass die Kar- 
bolsäure bei interner Darreichung durch Seifenzusätz in keiner Weise bezüg- 


Gerichtl. Medizin. Verschiedenes. 567 


lich ihrer Giftigkeit beeinflusst wird, zweifellos ist es bei den Kresolen ganz 
analog. 

(Dass auch bei äusserlicher Anwendung das Robkresol [des „Lysols“] 
giftiger wirkt als das reine Metakresol [des „Metakalins“] hat Ref. [Centralbl. 
f. Bakt. Abt. I. Bd. 38. H. 5. u.6] durch Badeversuche an weissen Mäusen 
feststellen können.) Wesenberg (Elberfeld). 


Pfeifer H., Ueber die Wirkung des Lichtes auf Eosin-Blutgemische. 
Aus dem Institut für gerichtliche Medizin der Universität Graz. Wien. klin. 
Wochenschr. 1905. No. 9. S. 221. 

Der Autor stellte unabhängig von Saccharoff und Sachs (No. 7 der 
Münch. med. Wochenschr. 1905) die hämolytische Wirkung von belichteten 
Eosinlösungen fest und beschreibt in Kürze die von ihm beobachteten Einzel- 
beiten hinsichtlich Konzentration der Lösung, Dauer der Belichtung u.s.w. 

Grassberger (Wien). 


Pfeifer H., Ueber die Wirkung fluorescierender Stoffe (Eosin) auf 
normales Serum und rote Blutkörperchen. Wien. klin. Wochenschr. 
1905. No. 13. S. 328. 

Der Autor beschreibt Experimente, die er in Anschluss an seine vorstehend 
referierten Untersnchungen vorgenommen hat. Die Versuche beziehen sich einer- 
seits auf Fixierung der für die Ausnützung der beleuchtenden Strahlen 
günstigen Bedingungen, andererseits auf die auch von anderen studierte ver- 
schiedene Wirkung, welche Eosin auf Komplement bezw. Amboceptoren im 
Serum ausübt. Grassberger (Wien). 


Weyl Th., Zur Geschichte der socialen Hygiene. Mit 2 Tafeln und 
8 Abbildungen im Text. 4. Supplement-Band des „Handbuch der Hygiene“, 
S. 791—1062. Jena 1904. Verlag von Gustav Fischer. XIII und 272 Ss. 
lex 8°. Preis: 6 M. 

In acht Abschnitten finden sich besprochen: Die Anfänge der socialen 
Hygiene; Wasserversorgung; Strassenhygiene, Entwässerung und Beleuchtung; 
Wohnungshygiene; Bäder; die Abwehr der ansteckenden Krankheiten (nämlich 
Aussatz und Pest); Krankenhäuser; Geschlechtsbeziehungen und Geschlechts- 
krankheiten. Wie die Einleitung hervorhebt, beschränkte sich der Verf. nicht 
auf die Wiedergabe bekannter Dinge, sondern schaffte eine „Fülle neuer 
Tatsachen aus historischen, juristischen und medizinischen Quellen“ herbei. 
Ebenso, wie diese emsige Sammelarbeit ist die Ordnung und Durcharbeitung 
des reichen Stoffes zu schätzen, die schon äusserlich im eingehenden, neun 
Druckseiten umfassenden Inhaltsverzeichnisse und im gleichfalls mustergiltigen: 
„Namen- und Sachregister“ hervortritt. Die Belagstellen sind mit der beim 
Verf. gewohnten Sorgfalt angegeben und am Schlusse der einzelnen Abschnitte 
in alphabetischer Reibe übersichtlich zusammengestellt. Bei seltenen Pest- 
schriften wird ausser der vollständigen Titelkopie bisweilen sogar die Stand- 


568 Verschiedenes. 


ortbezeichnung der Berliner Staatsbibliothek angegeben. Der Titel des in 
jeder Hinsicht vortrefflichen Werkes würde richtiger einfach „Geschichte der 
socialen Hygiene“ lauten. Denn es liegt in der Tat, um einen Ausdruck der 
„Einleitung“ zu gebrauchen, ein Skelett vor, das nach jahrelanger Arbeit erst 
„mit Fleisch und Blut zu füllen“ möglich sein wird. Diese feste Grundlage 
geliefert zu haben, bildet ein Verdienst des Verf.’s, welches insbesondere beim 
Vergleiche mit zahllosen bisherigen geschichtlichen Einleitungen oder Abrissen 
der öffentlichen und privaten Gesundheitspflege hervorleuchtet. 
Helbig (Radebeul). 


Neumann, Militärmedizin und Volkshygiene. „Militärarzt“, 39. Jahrg. 
No. 5 u. 6 vom 10. März 1905 Spalte 49—53. 

Der Inbalt des in der Abteilung für Militär-Sanitätswesen auf der vor- 
jährigen, 76. Naturforscher-Versammlung zu Breslau gehaltenen Vortrags wurde 
aus wiederholten Berichten in der Fachpresse bereits bekannt. Ob ein noch- 
maliger Abdruck erforderlich war, bleibe dahingestellt. Jedenfalls hätten bei 
gedruckter Wiedergabe beim Hören weniger, beim Lesen aber merklich stö- 
rende Flüchtigkeiten beseitigt werden sollen. So beispielsweise gleich im An- 
fang: „Die Militärmedizin, wenn ich mit diesem meines Wissens von 
Fröhlich eingeführten Namen die Anwendung der medizinischen Wissen- 
schaft auf die Heeresverhältnisse bezeichnen darf u. s. w.“ Der Leser dürfte 
kaum den „Fröhlich“ kennen, wenigstens ist er dem Berichterstatter so 
wenig bekannt, dass er eine Verwechselung mit Franz Hermann Frölich 
(1839—1900) vermuten möchte. Letzterer sprach sich in seinen Schriften 
und Vorträgen mehrmals gegen die Verwechselung der Heeresheilkunde mit 
der „Militär-Sanität“ oder der „Militär-Gesundheits-Pflege* aus und liess 
selbst 1887 als 13. Band von Wredens Sammlung eine: „Militärmedizin. 
Kurze Darstellung des gesamten Militär-Sanitätswesens.“ erscheinen. Das 
Wort ist eine schon ältere Uebersetzung von Medicina castrensis seu militaris. 
Ein Pariser „Journal de médecine militaire“ erschien bereits im Jahre 1782. 

Helbig (Radebeul). 


Luhmann E., Fabrikation der flüssigen Kohlensäure. Mit 69 in den 
Text gedruckten Abbildungen. Berlin 1904. Max Brandt & Co. IV u. 204 Ss. 
80. Preis: 3 M. $ 

Die flüssige Kohlensäure gewann eine anscheinend noch ansteigende 

Bedeutung für das chemische Laboratorium, für den Feuerschutz, die Her- 

stellung und den Versand von Mineralwässern, den Bierverschank u. s. w. 

Man schätzt die jährliche Erzeugung der ganzen Erde aut 35 Millionen kg, 

wovon nach dem Berliner Jahrbuche für Handel und Industrie im Jahre 1904 

allein auf die in Deutschland aus natürlichen Quellen gewonnenen CO, 

"16 500.000 kg entfielen. Es war deshalb gerechtfertigt. wenn der rührige 

Verlag zur Vierteljahrhundertfeier des Erscheinens der flüssigen Kohlensäure 

als Handelsgegenstand eine vom Verf. in der Wenderschen: „Zeitschrift für 

die gesammte Kohlensäure-Industrie“ veröffentlichte Reihe von Abhandlungen 
über diesen Gegenstand in Buchgestalt, mit Sachregister und Inhaltsverzeichnis 


Kleinere Mitteilungen. 569 


ausgestattet, erscheinen lässt. Einige Mängel, die sich aus solcher Entstehung 
erklären, wie etliche Wiederholungen, der abgenutzte Zustand mancher Clichés, 
die rohe, nur dem Zeitschriftbedarf Rechnung tragende Ausführung einzelner 
Skizzen und dergl., beeinträchtigen den lehrreichen Inhalt kaum merklich. 
Nach einer geschichtlichen Einleitung werden in sechs Kapiteln be- 
sprochen: Die Verwertung der natürlichen und der als Nebenerzeugnis bei 
der Sodaherstellung und in der Bierbrauerei zu erhaltenden Kohlen- 
säure, ferner die Gewinnung aus Karbonaten und Gasgemischen, sowie die 
Verflüssigung, Versendung und Umfüllung. Im Schlusswort werden die der- 
maligen, hinter den Zeitforderungen zurückgebliebenen gesetzlichen Be- 
stimmungen, betreffend den Transport und die Aufstellung der mit flüssiger 
Kohlensäure gefüllten Flaschen einer fachkundigen Beurteilung unterzogen. 
Helbig (Radebeul). 


Kleinere Mitteilungen. 


(:) Angaben aus der amtlichen Statistik der Bierbrauereien und 
Bierbesteuerung im Brausteuergebiete im Rechnungsjahre 1904. 

Die Menge des erzeugten Bieres ist von 43,36 auf 44,19 Millionen Hektoliter 
gestiegen, also um 0,83 Millonen Hektoliter oder 1,9 v. H. Der schon im Jahre 1903 
wahrgenommene Aufschwung des Brauereigewerbes hat mithin auch im Jahre 
1904 angehalten und eine weitere, wenn auch nur mässige Steigerung der Bierer- 
zeugung im Brausteuergebiet zur Folge gehabt. Die Erstarkung des Handels und der 
Industrie, die andauernde Besserung der allgemeinen Geschäftslage und der Erwerbs- 
verhältnisse und die für den Bierverbrauch ausserordentlich günstige Witterung des 
Sommers 1904 haben den Bierverbrauch gehoben. Voraussichtlich wäre die Steige- 
rung noch erheblicher gewesen, wenn nicht infolge der Mässigkeitsbestrebungen 
eine Menge alkoholfreier und alkoholarmer Getränke auf den Markt gebracht und da- 
durch der Absatz von Bier ungünstig beeinflusst worden wäre. Von dem erzeugten 
Bier waren 6,45 (1903 6,27) Millionen Hektoliter obergäriges und 37,74 (37,09) Milli- 
onen Hektoliter untergäriges. An der Mehrerzeugung des obergärigen Bieres sind 
hauptsächlich die Weissbierbrauereien beteiligt. Die Zahl der im Betriebe gewesenen 
Brauereien betrug 6204 gegen 6404 i. J. 1903, 6581 i. J. 1902, 8029 i. J. 1894 
und 10520 i. J. 1884. Darunter befanden sich 5754 (1003 5908) gewerbliche und 
420 (496) nichtgewerbliche; von den gewerblichen bereiteten 3036 (3115) obergäriges 
und 2748 (2793) untergäriges Bier. Die nichtgewerblichen Brauereien erzeugten 
sämtlich obergäriges Bier. Die fortschreitende Abnahme des kleineren und ober- 
gäriges Bier herstellenden Betriebs bestätigt, wie das Kaiserl. Statistische Amt aus- 
drücklich bemerkt, die früheren Feststellungen, dass die schwächeren Betriebe 
in dem Wettstreit gegen die Grossbetriebe unterliegen. Die kleineren Be- 
triebe sind mangels Kapitalkraft nicht in der Lage, ihren Abnehmern die Vergün- 
stigungen, in denen sich die Grossbetriebe überbieten, zu gewähren. Zur Herstellung. 
des Bieres sind im Berichtsjahre 7,76 (1903 7,71) Millionen dz Getreide, darunter 
7,59 (7,55) Millionen geschrotetes Gerstenmalz, ferner 72942 (75376) dz Reis, 47725 
36976) dz Zucker und 2445 (3472) dz Sirup verwendet. Zu einem Hektoliter Bier 
wurden hiernach 17,72 (1903 17,76, 1894 19,15 und 1884 20,07) kg Getreide und 
Reis und 0,16 (0,14 0,12 und 0,09) kg Malzersatzstoffe verwendet. Wenn auch bei 
dem Rückgange des Malzverbrauchs technische Verbesserungen in der Herstellung 


570 Kleinere Mitteilungen. 


des Bieres eine Rolle spielen mögen, so ist unseres Erachtens doch der Malzgehalt 
des Bieres erheblich gesunken. Der Ertrag der Brausteuer betrug nach Abzug 
der nicht erheblichen Steuervergütung für ausgeführtes Bier (131665 M.) 31,76 Milli- 
onen gegen 31,44 i. J. 1903. Dazu kamen an Uebergangsabgabe 3,58 (3,60) und an 
Eingangszoll 3,85 (4,00) Millionen M., so dass der Gesamtertrag der Bierab- 
gaben 39,19 (1903 39,03) Millionen M. beträgt. Vor zehn Jahren hatte er 31,98, 
vor 20 Jahren 21,83 Millionen M. betragen. Auf den Kopf der Bevölkerung 
kamen 83,2 Pfg. gegen 84,0 im Jahre 1903, 79,2 im Jahre 1894 und 62,9 im Jahre 
1884. Der Bierverbrauch d.i. die Gewinnnung und die Einfuhr abzüglich der 
Ausfuhr botrug im Brausteuergebiet 97,9 Liter auf den Kopf gegen 97,7 i. J. 1903, 
96,7 i. J. 1902, 104,8 i. J. 1901 und 106,0 i. J. 1900, ist also nach dem scharfen 
Rückgange zu Beginn des Jahrhunderts jetzt wieder im Steigen. Auch in Bayern, 
wo von 1898 bis 1903 ein ununterbrochener langsamer Rückgang des Bierverbrauchs 
von (247,6 auf 232,2 Liter) erfolgt war, ist im Jahre 1904 eine Steigerung um 3 Liter 
festgestellt. InWürttemberg war der Bierverbrauch 1897 am grössten mit 194,8 Liter 
auf den Kopf, seitdem geht er mit einzelnen Schwankungen zurück. Im Jahre 1904 
betrug er nur noch 164,3 Liter, also 30,5 Liter weniger als vor 7 Jahren. Auch in 
Baden ist der Bierverbrauch seit 1899 nach vorheriger sehr starker Steigerung im 
Rückgange; er betrug damals 171,6, jetzt nur noch 156,2 Liter. In Elsass-Loth- 
ringen dagegen war er im Jahre 1904 mit 91,7 (1903 88,1) Liter am grössten. Im 
ganzen deutschen Zollgebiet einschl. Luxemburgs betrug der Bierver- 
brauch im Jahre 1904 117,0 Liter gegen 116,6 i. J. 1903, 116,0 i. J. 1902, 124,1 
i. J. 1901 und 125,1 i. J. 1900. 


(:) Italien. Ergebnisse des Heeresergänzungsgeschäfts. Nach dem 
vom Kriegsministerium veröffentlichtem Druckwerke: Della leva sui giovani nati nell’ 
anno 1883. 

Die Zahl der im Jahre 1883 geborenen Militärpflichtigen betrug nach den Aus- 
hebungslisten 346654. Rechnet man hierzu die im Vorjahre zurückgestellten und die 
nachträglich zur Aushebung herangezogenen Militärpilichtigen, so waren nach den 
Aushebungslisten für das Geburtsjahr 1883 im ganzen 453640 Mannschaften in 
Italien auf ihre Dienstfähigkeit zu untersuchen. Von diesen mussten 13189 in den 
Listen gestrichen werden, da sie gestorben, ausgewandert oder sonst nicht aufzufinden 
waren, 34711 entzogen sich als „renitenti“ der Aushebung, 98065 (21,6°%,) wurden 
als dienstuntauglich befunden, 108618(23,9%/,) zur nächsten Aushebung zurückge- 
stellt, 199057 (43,9°/,) wurden ausgehoben und dem ersten, zweiten oder dritten Grade 
der Militärtauglichen überwiesen. p 

Von den für dienstuntauglich befundenen Mannschaften wurden 19871, d. i. 
etwa der fünfte Teil, wegen ungenügender Körperlänge, die anderen 78194 wegen 
allerlei Gebrechen und Krankheiten zurückgewiesen. In Norditalien waren 41513 
Mannschaften oder 21,59°/, aller untersuchten dienstuntauglich, in Mittelitalien 
17700 oder 19,16°/o, in Süditalien 21570 oder 20,96%), auf Sizilien 13550 oder 
25,33°/9, auf Sardinien 3732 oder 29,57 %/o. 

Die mittlere Körperlänge der untersuchten Militärpflichtigen betrug 1,64 m. 
Unter den 96 Fehlern oder Gebrechen, welche ausser der ungenügenden Körperlänge 
die Untauglichkeit begründeten, sind u.a. Unterleibsbrüche bei 5743 Mannschaften 
als Fehler verzeichnet, Kropf oder voller Hals bei 4064 Mannschaften, allgemeine 
Körperschwäche bei 15659, ungenügender Brustumfang bei 15924, chro- 
nische Augenbindehautentzündung bei 3432. Ausführliche Tabellen lassen 
ersehen, wo jedes der genannten Leiden oder Gebrechen häufig oder selten beob- 
achtet worden ist. (Veröff. d. Kais. Ges.-A, 1905.4 No. 51. S. 1387.) 


Kleinere Mitteilungen. 571 


C) Arabien. Die Pilgerfahrt nach dem Hedjaz im Jahre 1905. 

Ein Abgesandter des Conseil sanitaire, maritime et quarantenaire von Aegypten 
hat an der Pilgerfahrt des Jahres 1905 teilgenommen und über seine Wahrnehmungen 
dem Präsidenten des Gesundheitsrates einen Bericht erstattet, welcher nunmehr ge- 
druckt vorliegt 1). 

Die Lebensverhältnisse der meist in dürftigem Zustande befindlichen Pilger und 
die gesundheitlichen Verhältnisse ‘der von ihnen besuchten Orto werden danach viel- 
fach in recht ungünstiger Weise geschildert. Zunächst wird — in den Schlusssätzen — 
die Notwendigkeit geräumiger und gut verwalteter Hospitäler im Hedjaz betont, 
da die vorhandenen den an sie während der Pilgerfahrt zu stellenden Ansprüchen 
durchaus nicht genügen. Folgende Mindestforderungen werden in dieser Hinsicht 
gestellt: 1. Die Leitung soll fähigen und gewissenhaften Personen anvertraut werden, 
2. das Hospital soll dauernd in gutem Zustande erhalten werden, 3. die Ventilations- 
vorrichtungen sind zu bessern, 4. es muss besser gekocht werden, 5. die Wände sind 
zu weissen, 6. jedes Hospital muss mit einer kleinen Dispensieranstalt versehen sein, 
die in dringenden Fällen bei Tag und bei Nacht Arzneimittel liefern kann, 7. die 
Leitung muss angeregt werden, ärztliche Beobachtungen zu sammlen und mitzuteilen, 
8. insbesondere in Yambo ist ein geeignetes Hospital, dazu ein lsolierraum für Kranke 
mit ansteckenden Krankheiten unumgänglich notwendig. 

In Djeddah, dem wichtigen Hafenorte von Mekka, gibt es 2 Hospitäler, ein 
militärisches und ein städtisches; ersteres wird im ganzen gelobt, aber das Urteil 
über letzteres lautet recht ungünstig: es enthalte „nichts hygienisches“, alles lasse 
viel zu wünschen, die Kranken kommen angeblich meist nur hin, um dort zu sterben. 

Auch in Mekka gibt es ein Militär- und Civilhospital, deren Küche, namentlich 
in letzterem, einen „sehr schlechten Eindruck“ machte; man gibt den Kranken nur 
gekochten Reis, selten Milch und Gemüse. In den Strassen trifft man Pockenkranke, 
Ruhrkranke, Epileptische frei umhergehend; in Yambo sah der Berichterstatter sogar 
eine pockenkranke Frau mit ihrem ebenfalls pockenkranken Kinde auf dem Rücken 
Brot und Oliven vor dem Einkaufe betasten und meint, dass allein durch diese Frau 
vielfach die Seuche übertragen sei. Der Pilger habe aber eine Abscheu vor dem Hospi- 
tal; niemand wage es, bei den Gesundsheitsbeamten sich zu melden, und ertrage 
lieber die ärgsten Schmerzen, ja sterbe lieber, ehe er sich krank melde; auch vor 
seinen Genossen verheimliche er aus Furcht, angezeigt zu werden, sein Leiden, und 
zu Hunderten sehe man die Kranken sich in die Winkel der dunkelen, unregelmässi- 
gen, schlecht gehaltenen Strassen flüchten. Auch das ärztliche Personal wird getadelt, 
und die Wächter, welche die verschiedenen Strassen Mekkas durchziehen, um Kranke, 
namentlich Pockenkranke, aufzugreifen, sind einerseits an Zahl ungenügend, anderer- 
seits benutzten sie ihre Stellung, um Geld zu erpressen. 

Was das Trinkwasser an Hauptverkehrsorten der Pilger betrifft, so ist in 
Mekka gesundes Wasser zwar reichlich vorhanden, aber die Art, es aus den Brunnen 
zu schöpfen, wird getadelt, die Pumpen fehlen; auch in Medina werden Pumpen ver- 
misst. In Djeddah und Yambo ist das Wasser angeblich schlecht. Geklagt wird 
u.a. darüber, dass die oberflächlich vergrabenen Reste der zahlreichen Opfertiere 
die Luft und das Grundwasser verderben. Jeder Pilger soll mindestes einen Hammel 
opfern, viele aber opfern deren mehrere, je nach ihrer Vermögenslage; hin und wieder 
wurden auch einige Kamele geopfert. Die Verbrennung der Opferreste wird dringend 
befürwortet. 


1) Rapport général sur le pélerinage de l’année 1905, présenté à M. le Prési- 
dent du Conseil Sgnitaire etc. par le Dr. Soliman Bey Hamada, Délégué du Con- 
seil Quarantenaire en Hedjaz. Alexandrie 1905. 


572 Kleinere Mitteilungen. 


Das Leben in Hedjaz wird als teuer geschildert; namentlich die an Bord der 
Schiffe verkauften Lebensmittel waren nicht nur stets von schlechter Beschaffenheit, 
sondern wurden auch zu ausserordentlich hohen Preisen verkauft; der Kontrollbe- 
amte an Bord sei tatsächlich ein „Händler ohne Gewissen und Herz“, die armen 
Pilger seien oft so von Hunger gequält, dass sie meutern. In welcher Weise auch 
schon beim Ein- und Ausschilfen seitens der Bootsleute Geld von den Pilgern erpresst 
wird, ist ebenfalls im Berichte geschildert. 

Die Zahl der Pilger wurde auf mehr als 200000 geschätzt, und die meisten 
hatten kein anderes Bett zur Nacht als die Erde und benutzten als Kopfkissen einen 
Stein oder ein Pack ihrer Wäsche; eine wollene Decke, welche aber bald nass wurde, 
diente zum Bedecken. Dabei war der Erdboden mit Kotmassen, Orangenschalen, 
Resten von Datteln, Wassermelonen uud anderen oft verdorbenen Früchten bedeckt, 
welche einen widerwärtigen Geruch verbreiteten. Der Anzug, den jeder Pilger bei 
der Annäherung an die heiligen Stätten, nachdem er auf dem Schiffe ein Bad ge- 
nommen hat, anlegt, besteht in dem sogenannten Ihram, einem weissen Kleidungs- 
stücke, das über den Hüften und auf den Schultern zusammengeknüpft, den Kopf 
und die Füsse nackt lässt. Der Reiche unterscheidet sich von den anderen Pilgern 
nur durch den prächtigeren, weiteren Ihram, dessen einzelne Teile lang genug sind, 
um den Körper allseitig zu umhüllen und vor atmosphärischen Einflüssen zu schützen. 
Einige bedeutsame Ceremonien der Pilger werden in abstossender Weise geschildert. 

In der grossen Moschee, im Mittelpunkte der Stadt Mekka, befindet sich z. B. 
die „Caaba“ und neben dieser der berühmte schwarze Stein, den jeder Pilger bei den 
vorgeschriebenen 7 Rundgängen um die Caaba berühren und mehrmals küssen muss. 
Tausende von Lippen berühren daher ununterbrochen diese eine Stelle und so werden, 
wie der Berichterstatter meint, zahlreiche Krankheiten übertragen. Um einen Brunnen 
mit heiligem Wasser sah man einige 40 Personen sich drängen, wobei jeder mit dem 
Wasser sich die Hände wusch und es trank. Viele gossen sich ferner das Wasser 
über den Kopf und den ganzen Körper und zwar oft so ungestüm, dass ein Teil des 
benutzten Wassers in den Brunnen zurückgelangte, andere tränkten mit dem Wasser 
einige Stücke Zeug, die später als Schweisstücher dienen sollen. Die zahlreichen 
Klempner in Mekka haben vor ihren Werkstätten Blechtöpfe verschiedoner Grössen 
stehen, die mit heiligem Wasser gefüllt sind und von einzelnen Pilgern fast mit Gold 
aufgewogen werden. (Gegen solche Verwendung von heiligem Wasser, meint Verf., 
sei nichts einzuwenden, er verlangt aber, dass der Zutritt zu dem Brunnen nicht 
jedermann freistehen solle.) Dass Ruhr und Durchfälle unter solchen Umständen sich 
leicht verbreiten, darf nicht befremden; im Jahre 1905 habe die Ruhr einen epide- 
mischen Charakter angenommen, daneben seien Fälle von Hitzschlag nicht selten ge- 
wesen, auch lieberhafte Krankheiten, wie Typhus, Fleckfieber, Malaria hätten angeb- 
lich täglich einige Todesfälle verursacht; immerhin meint Verf., dass die Mehrzahl 
der Gestorbenen Greise und kleine Kinder gewesen seien; bei seiner Ankunft in Mekka, 
starben angeblich täglich 15—30 Personen auf mehr als 200000 Pilger, von denen 
übrigens ein Teil in etwa 50 Karawanen über Land gekommen war. Am 28. Januar 
1905 hatte der Berichterstatter Suez verlassen, am 24. April verliess er Yamıbo, um in 
die Heimat zurückzukehren. (Verf. d. Kais. Ges.-A. 1905. No. 48. S. 1311.) 


Vorlag von August Hirschwald, Berlin N.W. — Druck von- L. Schumacher in Berlin N. 24. 


Hygienische Rundschau. 


Herausgegeben 


von 


Dr. Carl Fraenkel, Dr. Max Rubner, Dr. Carl Günther, 


Geh. Med.-Rat, Prof. der Hygiene Geh. Med.-Rat, Prof. der Hygiene Geh. Med.-Rat, a.o.Prof. der Hygiene 
in Halle a./5. in Berlin, in Berlin, 


VI. Jahrgang. 


Berlin, 1. Juni 1906. wX Il. 


(Aus dem hygienischen Institut der Universität Berlin. 
Direktor: Geh. Med.-Rat Prof. Dr. M. Rubner.) 


Die Säuerung des Nährbodens durch Bakterien und ihr Nachweis mittels 
Harnsäure. 
Von 
Stabsarzt Dr. Berghaus, 
Assistenten am Institute. 


Zu den vielseitigen chemischen Umsetzungen, die durch das Wachstum 
der Bakterien bedingt und in ihrer Gesamtheit als Stoffwechsel bezeichnet 
werden, gehört die Säure- und Alkalibildung. Durch diese Lebenstätigkeit 
der Bakterienzelle muss sowohl in ihrem Innern als auch in ihrer Umgebung 
eine Aenderung der Reaktion in entsprechender Weise in die Erscheinung 
treten. Wenn auch das Protoplasma der Bakterien normalerweise gegen das 
Eindringen von Stoffen aus der Umgebung insofern geschützt erscheint, als 
zweifellos die Zellwand mit besonderen Eigenschaften für den Durchtritt von 
Nährstoffen nach innen und den Austritt von entsprechenden Abfallstoffen 
nach aussen ausgerüstet ist, so ist dieser Schutz sicherlich kein absoluter, 
indem sowohl schädigende Körper den Zutritt zum Protoplasma doch erreichen 
(Desinfektion), als auch durch Aenderung der Umgebung der Anstritt von 
Stoffwechselprodukten nach aussen gehemmt und aufgehoben werden kann. 
Hierfür spricht der Umstand, dass bei dem Auftreten eines bestimmten Säure- 
grades das Wachstum und überhaupt das Leben der Bakterien und damit auch 
selbstverständlich eine weitere Säurebildung sistiert, wollte man nicht eine 
Fermentwirkung noch annehmen, die auch ohne die lebende Zelle ihren Ein- 
fluss zu entfalten vermöchte. 

Petruschky!) stellte zuerst systematische Untersuchungen über die durch 
die Lebenstätigkeit der Bakterien hervorgerufenen Reaktionsveränderungen an. 
Er bediente sich hierbei des mit Lakmuslösung gefärbten neutralen Milch- 
serums, der sogenannten Lakmusmolke. Das Resultat war, dass er die 


1) Bakterio-chemische Untersuchungen. Centralbl. f. Bakt. 1839. Bd. 6. No. 23 
u. 24, Bd. 7. 1890. No. 1 u. 2. 


42 


574 Berghaus, 


Bakterien in Säure- und Alkalibildner einteilte. Diese Zweiteilung musste 
jedoch späteren Untersuchungsergebnissen weichen, da sich zeigte, dass Lak- 
musmolke nicht der geeignete Nährboden war, welcher allgemein für die 
Entscheidung dieser Frage in prinzipieller Hinsicht verwendet werden konnte. 
Ausser Behring!) war es vorzugsweise Th. Smith?), der nachwies, dass die 
Produktion von Säure in erster Linie abhängig sei von der Zusammensetzung 
des Nährsubstrates und zwar von der Anwesenheit von zersetzungsfähigen d.h. 
von der betreffenden Bakterienart angreifbaren Kohlehydraten. Nach Smith 
tritt freie Säure nur auf in zuckerbaltigen Nährböden; die in der gewöhnlichen 
Nährbouillon sich bildende Säure führt er auf den Zuckergehalt derselben zu- 
rück, da er bei 75°/, des käuflichen Rindfleisches ziemlich erhebliche Zucker- 
mengen bis 0,3°/, feststellen konnte. Er schreibt: „In Nährbouillon, die 
keinen oder höchstens eine Spur von Zucker enthält (geprüft durch Gasbildung), 
habe ich keine Säurebildung beobachten können. Je grösser der Zuckergcehalt, 
desto stärker, bis zu einem gewissen Maximum, die Säurereaktion“. Dieselbe 
Wirkung, wie Zuckerzusatz, haben auch, wie durch die Untersuchungen von 
v. Sommaruga?) erwiesen ist, das Glycerin und andere mehrwertige Alko- 
hole. Smith konnte weiterhin feststellen, dass alle Bakterien, die sich in dem 
geschlossenen Schenkel eines Gärungskölbchens vermehren können, es sind 
dies die obligaten und fakultativen Anadrobien, in Gegenwart von Traubenzucker 
Säure zu producieren vermögen, während bei den obligaten aöroben Bakterien, 
bei den Bakterien, die nur Wachstum im offenen Schenkel zeigen, die Reaktion 
eine alkalische bleibt. Aber auch die zuerst genannten Bakterienarten zeigten 
ein verschiedenes Verhalten, je nachdem der Sauerstoff der Luft zu der Kultur- 
flüssigkeit ungehindert Zutritt hatte oder nicht. In ersterem Falle bildet sich 
neben der Säure auch Alkali, das schliesslich in so überwiegender Menge 
vorhanden sein kann, dass es die Säure verdeckt und so dem Ganzen eine 
alkalische Reaktion verleiht. Die Säurebildung hört auf, sobald sämtlicher 
Zucker zerlegt ist. Mit der alsdann einsetzenden Vermehrung der Bakterien 
geht parallel die Alkalibildung, die eventuell zu einer völligen Neutralisation 
oder sogar alkalischen Reaktion der vorher sauren Flüssigkeit führen kann). 
Der Ausdruck säurebildend ist irreführend, da Säuren und Basen gebildet 
werden können; beobachtet wird nur die Eigenschaft der Säuerung des Nähr- 
bodens. 

Der Nachweis der Säure ist in verschiedener Weise geführt worden. 
Allgemein gebräuchlich ist heutzutage die bereits oben erwähnte Petruschky- 
sche Lakmusmolke. Sie lässt in charakteristischer Weise durch Farbenum- 
schlag jede Aenderung der Reaktion erkennen, sobald die eingesäte Bakterienart 
das Vermögen besitzt, den in der Molke enthaltenen Milchzucker zu zerlegen. 
Auch gestattet sie ein Austitrieren der gebildeten Säure oder des Alkali. Der 


1) Zeitschr. f. Hyg. Bd. 7. S. 178. 

2) Centralbl. f. Bakt. Bd. 18. 1. 

3) v. Sommaruga, Zeitschr. f. Hyg. 1893. Bd. 15. S. 305. 
4) Rolly, Arch. f. Hyg. 1902. Bd. 21. S. 348 u. 406. 


Die Säuerung des Nährbodens durch Bakterien. 575 


zuerst von Buchner!) und Weisser?) angegebene Zusatz von Lakwuslösung 
zu den gewöhnlichen Nährböden hat sich als wenig brauchbar erwiesen, da 
Reaktionsvorgänge, die durch nascierenden Wasserstoff, der bei den Oxyda- 
tionsprocessen frei wird, hervorgerufen werden, den Farbenumschlag beein- 
trächtigen. Einen ähnlichen Nachteil weist die Rosolsäure auf, die von 
v. Sommaruga?) verwendet wurde. Phenolphthalein eignet sich gleichfalls 
nicht als Indikator, da es einen zu hohen Grad von Alkalescenz voraussetzt. 
Kaufmann‘) setzte der gewöhnlichen Nährbouillon ein Dekokt von Jequirity- 
samen zu, das bei saurer Reaktion farblos, bei neutraler gelb und bei alka- 
lischer grün verfärbt wird. Eine Ausfällung (Gerinnung) des Eiweisses 
(Kasein) mit gleichzeitigem Farbenumschlag tritt bei Säureproduktion in den 
von Barsiekow5) angegebenen Nährböden auf. 

Auf festen Nährböden lässt die Säurebildung in augenfälliger Weise das 
von Beyerinck®) angegebene Verfahren erkennen. Beyerinck setzte der 
Traubenzucker-Gelatine oder dem Agar eine Aufschwemmung fein geschlemmter 
Kreide zu, so dass der Nährboden völlig undurchsichtig wurde. Jede in 
bezw. auf dem Nährmedium wachsende säurebildende Kolonie erzeugt nun 
unter Auflösung der in ihrer Umgebung befindlichen Kalksalze ein „durch- 
sichtiges Diffusionsfeld*“ in ihrem Umkreise. Dieser Zusatz erweist sich von 
besonderem Vorteil, wenn es sich auch um quantitative Untersuchungen der 
Säurebildung handelt, wie Gosio?) im Berliner hygienischen Institut zuerst 
nachgewiesen hat. 

Auf Veranlassung meines Chefs, des Herrn Geheimrat Rubner, versuchte 
ich die Harusäure als Indikator für die auf festen Nährböden gebildete 
Säure zu verwerten. Sie schien für diesen Zweck insofern besonders geeignet, als 
einerseits das Wachstum der Bakterien durch sie in keiner Weise gehemmt, 
andererseits sie aber durch jede andere Säure zum Ausfallen gebracht wird. 
Das Aussehen der Krystalle der Harnsäure variiert, je nachdem eine schnelle 
oder allmähliche Ausscheidung stattgefunden hat. In ersterem Falle bildet 
sie ein aus feinen Schuppen bestehendes Krystallpulver verschiedener, aber 
wenig charakteristischer Form; bei langsamer Krystallisation nimmt sie die 
Wetzstein- oder Tonnenform an, und ihre bald kürzeren, bald längeren Tafeln 
lagern sich zumeist in Rosetten zusammen. Sie bietet alsdann das Aus- 
sehen, wie man es bei der Untersuchung eines Harnsediments zu sehen ge- 
wohnt ist. Diese letztere Krystallform war zu erwarten bei der Ausscheidung 
infolge der von den Bakterien gebildeten Säure, da ihre Menge proportional 
der allmählichen Vermehrung der Bakterien anzunehmen ist. Von der Ver- 
wendang der reinen Harnsäure, wie sie im Handel zu kaufen ist, nahm ich 


1) Buchner, Arch. f. Hyg. Bd. 3. S. 361. 

2) Weisser, Zeitschr. f. Hyg. Bd. 1. S. 335. 

3) v. Sommaruga, Centralbl. f. Bakt. Bd. 6. S. 657. 

4) Kaufmann, Centralbl. f. Bakt. Bd. 9. S. 781. 

5) Barsiekow, Wien. klin. Rundschau. 1901. No. 44. 

6) Beyerinck, Centralbl. f. Bakt. Bd. 9. S. 81. 

7) Gosio, Arch, f. Hyg. 1894. Bd, 21, S, 115. 1895. Bd. 22. S. 1. 


42* 


576 Berghaus, Die Säuerung des Nährbodens durch Bakterien. 


Abstand wegen ihrer schweren Löslichkeit. Nach Roscoe Schorlemmer!) 
ist sie in kaltem Wasser kaum löslich, etwas mehr in heissem; ihre Löslich- 
keit wird bei 20° auf 1:14000—15000, in kochendem Wasser auf 1: 1800 
bis 1900 Teilen Wasser geschätzt. Ziemlich reichlich wird jedoch die Harn- 
säure aufgenommen von Natriumphosphatlösungen, also einer Substanz, die 
für Bakterienzüchtung in gewisser Konzentration vorzüglich geeignet ist, da 
sie nicht nur nicht hemmend, sondern sogar fördernd auf das Wachstum ein- 
wirkt. Aber auch diese Auflösung musste ich als für meine Zwecke unbrauch- 
bar fallen lassen, da aus ihr die Harnsäure auch bei Zusatz grösserer Mengen 
Säure nicht ausgefällt werden konnte. Ich sah mich deshalb auf die Salze 
der Harnsäure angewiesen. Unter den bekannteren zeichnet sich das saure 
Litbionsalz durch grösste Löslichkeit aus, indem bereits bei 19° 1 Teil in 
368 Teilen Wasser?) in Lösung geht. Diese Eigenschaft des genannten 
Salzes ist bekaunlich auch der Grund, weshalb in der ärztlichen Praxis bei 
Leiden, die auf eine Ablagerung von Harnsäure zurückzuführen sind, lithion- 
haltige Mineralwässer verordnet werden. Die Herstellung einer Lösung des 
harnsauren Lithiums nahm ich in der Weise vor, dass ich in 100 ccm Aq. 
dest. 0,37 g Lithionkarbonat (entsprechend dem halben Molekulargewicht) und 
1,68 g der reinen Harnsäure (das ganze Molekulargewicht) gab und unter 
kräftigem Schütteln die Flüssigkeit bis auf ca. 30° erwärmte, alsdann filtrierte. 

Nach mehrmaligem Filtrieren ergibt sich dann eine wasserhelle Flüssig- 
keit, die alkalisch reagiert und auf Säurezusatz einen kräftigen milchigen 
Niederschlag zeigt, der aus Harnsäure besteht. Eine Erwärmung auf mehr 
als 30° ist nicht angebracht, da bei später erfolgender Abkühlung wiederum 
eine Ausfällung eintritt. Anstatt zu filtrieren, kann man auch die Flüssigkeit 
eine Zeit lang stehen lassen, es scheidet sich auch dann über dem Bodensatz 
die klare Flüssigkeit ab. Hiervon wurden verschiedene Mengen dem gewöhn- 
lichen Traubenzuckeragar zugesetzt und dieser, nachdem vorher eine schwach 
alkalische Reaktion hergestellt war, durch Zugabe von verdünnter Essigsäure 
oder Normalschwefelsäure, zu Platten ausgegossen und mit der zu untersu- 
chenden Bakterienart besät. Unter meinen vielen Versuchen erwies sich am 
brauchbarsten folgende Methode: Zu 75 ccm des gewöhnlichen alkalischen 
Fleischwasseragars, der 2°/, Agar und 1%, Traubenzucker enthielt, wurden 
15 ccm der Lösung des sauren harnsauren Lithions + 10 ccm Aq. dest. gegeben, 
so dass dadurch der Agargehalt von 20/ auf 11/,%/, sank. Die Konsistenz des 
Nährbodens blieb dabei immer noch völlig ausreichend für Oberflächenaus- 
striche mittels des v. Drigalskispatels. Eine stärkere alkalische Reaktion 
dieses Agars stumpfte ich ab, indem ich Normalschwefelsäure hinzufügte, und 
zwar genügte gewöhnlich I ccm für die 100 ccm Agar, um eine schwach al- 
kalische Reaktion herzustellen. Säte ich auf derartige Agarplatten Coli-, 
Typhus- oder Milchsäurebacillen aus, so waren schon nach 15 stündigem 
Wachstum bei 370 (bei Milchsäurebaeillen 27°) in dem Innern der Kolonien 
und in ihrer nächsten Umgebung die grossen charakteristischen Konglomerate 


1) Roscoe-Schorlemmer, Lehrb. d. organ. Chem. 1899. 
2) v. Richter, Chemie der Kohlenstoffverbindungen. 


Lehrbücher. 577 


der Harnsäure makroskopisch sichtbar. Alsdann nahm die Ausschei- 
dung stündlich zu, so dass nach 24 Stunden die Kolonien völlig mit Krystallen 
bedeckt waren. In der Grösse wiesen die Kolonien keinen Unterschied auf 
von den auf gewöhnlichem Zuckeragar gewachsenen. Die Alkalibildner, der 
Bacillus faecalis alcaligenes, vermochten eine Ausscheidung nicht hervorzurufen. 
Der Zusatz grösserer Mengen der Harnsäurelösung ist nicht ratsam, da als- 
dann öfters eine spontane Ausscheidung der Krystalle beobachtet wurde. Er- 
wäbnen muss ich auch, dass auf die Krystallisation einen nicht unerheblichen 
Einfluss die Konsistenz des Nährsubstrates zn haben scheint, indem sie bei Verwen- 
dung eines 3 proz. Agars sich erheblich viel später einstellte oder auch ganz 
unterblieb. Wenig geeignet erwies sich ein Zusatz des harnsauen Salzes zur 
Nährbouillon, da, abgesehen von der Geringfügigkeit des Niederschlages, dieser 
noch von der durch das Wachstum der Bakterien hervorgerufenen Trübung 
verdeckt wurde. 

Io der von mir geschilderten Weise angewandt, vermag ein Harnsäurezu- 
satz auf festen Nährböden in kurzer Zeit die Entscheidung zu bringen, ob 
eine Bakterienart imstande ist freie Säure zu bilden oder nicht. Ob und in- 
wieweit diese Methode dem von Beyerinck angegebenen Verfahren überlegen 
ist, werde. ich durch weitere Versuche festzustellen versuchen. 


Güntber, Carl, Einführung in das Studium der Bakteriologie mit 
besonderer Berücksichtigung der mikroskopischen Technik. 
Sechste, vermehrte und verbesserte Auflage. Mit 93 vom Verfasser herge-- 
stellten Photogrammen. Leipzig 1906. Georg Thieme. 904 Ss. 8°. 15 Tafeln. 
Preis: 13 M. 

Soeben ist das Buch „Einführung in das Studium der Bakterio- 
logie“ von Carl Günther in seiner nunmehr sechsten Auflage erschienen. 

Innerhalb des alten Rahmens musste eine grosse Fülle neuer Erfahrungen 
und Beobachtungen untergebracht werden, um welche die bakteriologische 
Wissenschaft in den verflossenen 8 Jahren, seit dem Erscheinen der fünften 
Auflage, bereichert worden ist. 

Trotzdem durfte das Werk nicht zu umfangreich werden, um seinem eigent- 
lichen Zwecke, dem eines handlichen Lehrbuches für Aerzte und Studierende, 
das diese sich persönlich — ohne allzugrosse Kosten — zu ihrer Einführung 
in das Studium der Mikroorganismen beschaffen können, nicht entfremdet zu 
werden. A t 

Es galt, die ganze Immunitätslehre, die Ehrlichsche Seitenkettentheorie 
und die Theorien seiner Gegner, objektiv vor Augen zu führen, und zwar vor 
allem so, dass dadurch bei dem Lernenden das allgemeine Verständnis für 
die hierhergehörigen komplicierten Vorgänge im tierischen Organismus erst 
einmal erwachsen und dann — trotz Gegenüberstellung gegenteiliger An- 
sichten — auch unverwirrt bleiben musste. Das ist dem Verf., indem er die 
Hauptgrundzüge aus der ganz ausserordentlich angeschwollenen Literatur 
dieses Gebietes geschickt herausgegriffen hat, m. E. durchaus geglückt; der Arzt 

43 


578 Luft. Wasser. 


und Studierende wird sich auf den dort gegebenen Fundamenten in den schon 
bestehenden und noch zu erwartenden Ausbauten der Lehre gut zurechtzufinden 
lernen. 

In dem Kapitel „Die Bakterien als Krankheitserreger“ mussten u. a. die 
neueren Anschauungen über die Tuberkelbacillen, über ihren Typus humanus 
und T. bovinus, über die Immunisierung von Rindern gegen die Perlsucht, 
niedergelegt werden; die Gruppe der typhusähnlichen, der Ruhr- und ruhr- 
ähnlichen Bakterien bedurfte der Besprechung. Fast ganz neu war das Kapitel 
über die Protozoön zu schaffen, unter denen die Malariaparasiten und die 
Trypanosomen an erster Stelle zu nennen sind. 

Alle neueren Errungenschaften, unter denen neben anderen auch die Be- 
obachtungen hinsichtlich der Gelbfieberübertragung (durch Stegomyia fasciata) 
und die jüngsten Forschungen auf dem Gebiete der Syphilis (hier Spirochaete 
pallida Schaudinn, dort Cytorhyctes luis Siegel) gebührende Beachtung ge- 
funden haben, sind sachlich und fesselnd besprochen, ohne dass das Buch 
wesentlich an Umfang zugenommen hat. 

Unter den Photogrammen sind einzelne der alten Auflagen fortgelassen; 
ausgezeichnete neue sind hinzugekommen. 

Alles in allem ist das Buch berufen, die Einführung in das Studium der 
Bakteriologie und — wir müssen hinzufügen, heute auch — in die Kunde 
von den pathogenen Protozoön voll und ganz zu erfüllen. 

Es sei deshalb Aerzten und Studierenden auf das Wärmste zum Studium 
empfohlen. Martini (Wilhelmshaven). 


Ascher, Louis, Einfluss des Rauches auf die Atmungsorgane. Eine 
socialbygienische Untersuchung für Mediziner, Nationalökonomen, Gewerbe- 
und Verwaltungsbeamte, sowie für Feuerungstechniker. Mit 4 Abbildungen 
und zahlreichen Tabellen. Stuttgart 1905. Verlag von Ferdinand Enke. 
66 Ss. lex. 8°. Preis: 1,60 M. 

Durch ausführlich (Seite 22—35) beschriebene Tierversuche weist der 
Verf. nach, dass tuberkulöse Kaninchen, welche mehr Rauch einatmen, 
schneller sterben, als solche, welche weniger dieser Schädlichkeit ausgesetzt 
sind, und dass bei Kaninchen, welche mässige Mengen Rauch eingeatmet 
hatten, durch Aspergillus-Inhalation Lungenentzündung hervorgerufen wird, 
von der die Kontrolltiere frei bleiben. Dasselbe Ergebnis, uämlich Beschleu- 
nigung des Verlaufs der Tuberkulose und Prädisposition für akute Lungen- 
krankheiten, zeigen Zusammenstellungen der Todesursachen nach der amtlichen 
preussischen Statistik. Es geht daraus für dieses Land seit 1875 eine Zunahme 
der nicht tuberkulösen Atmungskrankheiten hervor. Die gleiche Erschei- 
nung wird (S. 6) für England, Bayern, Amerika u. s. w. seit demselben Jahre 
nachgewiesen. Bezüglich des Einflusses der Witterung, den man sonst allge- 
mein als massgebend für die Sterblichkeit an akuten Lungenleiden annalım, 
schliesst der Verf. (S. 8) auf Grund der erwähnten Statistiken: „Es konnte 
demnach auch das Klima nicht für die Steigerung der Sterblichkeit an akuten 


Wasser. 579 


Lungenkranikheiten in Betracht kommen“, und ebensowenig seien eine Ver- 
ringerang der Widerstandskraft oder „infektiüse Momente“ zur Erklärung 
verwertbar. 

Dem anregend geschriebenen Texte folgt (S. 38) unter „Literatur“ eine 
Aufführung von 20 Belegstellen aus dem Fachschrifttume. Den Schluss bilden 
13 Tabellen mit statistischen Zahlenbelegen,, graphischen Darstellungen , 
gasanalytischen Ergebnissen, Versuchsprotokollen und Sektionsbefunden. 

Helbig (Radebeul). 


Thiele, Die Herstellung von Anlagen zur Wassergewinnung. Journ. 
f. Gasbel. u. Wasserversorg. 1905. S. 368. 

Die Ergiebigkeit von Grundwassergewinnungsanlagen lässt sich 
durch Berechnung allein selten vorausbestimmen, da die natürlichen Verhält- 
nisse im Boden im Experiment nicht nachzuahmen sind und eine Gleichartig- 
keit der wasserfübrenden Schichten in der Natur nicht vorkommt. Es lässt 
sich die jeweilige Ergiebigkeit nur durch Pumpversuche feststellen, die, bis 
über eine lange Zeit fortgeführt, auch Aufschluss geben sollen über die Beschaffen- 
heit des Wassers und etwa in dieser Beziehung eintretende Veränderungen. Bei 
wasserführenden Schichten in grösserer Tiefe kann die Gewinnung rationell nur 
durch die Anlage von Brunnen geschehen, Sammelkanäle sind ausgeschlossen. Hin- 
sichtlich der Art der Ausführung sind zwei verschiedene ‚Brunnen zu unter- 
scheiden: Brunnen mit undurchlässigem Mantel und offener Sohle und Brunnen 
mit ganz oder teilweise durchlässigem Mantel. Bei gleicher Tiefe bieten die 
letzteren dem Wasser eine viel grössere Eintrittsfläche dar, und die Absenkung 
wird bei gleicher Entnahme eine geringere sein. Andererseits steht das 
Wasser in den Brunnen mit undurchlässigem Mantel unter höherem Druck, 
und es strömen ihnen in der Hauptsache Wässer aus tieferen Bodenschichten ° 
zu. Gewöhnlich werden die Brunnen mit undurchlässiger Wandung mit ziem- 
lich weitem Durchmesser hergestellt. Sie sind deshalb leicht zu reinigen, und 
es können in ihnen mehrere Saugleitungen, ja auch die Pumpen untergebracht 
werden. An Ergiebigkeit übertreffen die Brunnen mit durchlässigem Mantel 
die anderen bedeutend. Am besten haben sich bewährt die Filter- oder Rohr- 
brunnen mit Kiesummantelung. Die Beschreibung der Fassung einer arte- 
sischen Strömung in 107 m Tiefe unter Terrain mit derartigen Brunnen bildet 
den Schluss der Abhandlung. Wolf (Tübingen). 


Michel, Hugo, Verfahren zur Bestimmung der Geschwindigkeit des 
Grundwassers. Journ. f. Gasbel. u. Wasserversorg. 1905. S. 432. 

Bei den Vorarbeiten für das neue Wasserwerk der Stadt Berlin zur Ge- 
winnung von Grundwasser in der Nähe des Müggelsees kam es darauf an, 
die Richtung des Grundwassers und seine Geschwindigkeit zu bestimmen. 
Die Richtung des Grundwassers wurde mit einem neuen Apparat ermittelt. 
Dieser besteht im wesentlichen aus einem Behälter, der im Bohrloch bis in 
die wasserführende Schicht heruntergelassen wird. In ihm befindet sich eine 
weisse Glasscheibe, über der ein unten offenes Reagensrohr in einem metallenen 
Hohlcylioder angebracht ist. In das Reagensrohr kommen Stückchen eines 


43* 


580 Wasser. 


wasserlöslichen Farbstoffes, z. B. Srhwefelleber. Durch die Grundwasserströ- 
mung wird die aus dem Reagensglase austretende Farbflüssigkeit in der Strom- 
richtung getrieben und verursacht auf der am Boden des Behälters liegenden 
Gazescheibe einen braunen, kreisförmigen Niederschlag, welcher eine Ver- 
schiebung in der Stromrichtung aufweist. Danach wurde die Geschwindig- 
keit des Grundwassers gemessen durch Einlegung von Elektroden in zwei 
Brunnen, die sich in der bestimmten Stromrichtung befanden. 
Wolf (Tübingen). 


Bömer A. (Münster i. W.), Beiträge zur chemischen Wasserunter- 
suchung. Zeitschr. f. Untersuchg. d. Nahrgs.- u. Genussm. 1905. Bd. 10. 
S. 129. 

l. Zerstörung von Beton durch saures Grundwasser. 

Der von der Stadt Osnabrück zur Ableitung ihrer Abwässer in die Hase 
erbaute Hauptsammelkanal zeigte bereits 1 Jahr nach seiner Fertigstellung bei 
der Begehung in Kämpferhöhe streckenweise braune beschädigte Stellen, welche 
nach ihrer Lage u.s.w. nicht durch das Kanalwasser hervorgerufen sein 
konnten, sondern offenbar von aussen her kamen. Die beschädigten Stellen 
lagen sämtlich im Moorboden, und es ergab die Untersuchung, dass die Zer- 
störung des Betons der Kanalwände verursacht worden ist durch die Eiu- 
wirkung der freien Schwefelsäure und des schwefelsauren Eisenoxyduls, welche 
sich durch Oxydation des in dem den Kanal umgebenden Moorboden vorhan- 
denen Schwefelkieses (FeS, + 70 + H20 = FeSO, + H,S0,) gebildet haben. 
Die Beschädigungen haben im Laufe von 2 Jahren derartigen Umfang ange- 
nommen, dass von der Gesamtlänge von 2287 m etwa 600 m des Kanals er- 
neuert bezw. ausgebessert werden müssen. Die sauren Grundwässer müssen 

` nunmehr durch Umkleiden des Kanals mit Lehm oder Asphalt von dem Beton 
ferngehalten werden, oder der Kanal muss an den betreffenden Stellen aus 
einem Material hergestellt werden, das, wie z. B. Ziegelsteinmauerwerk in 

Asphalt, ven dem sauren Grundwasser nicht oder doch nicht wesentlich an- 

gegriffen wird. 

II. Ueber ein saures Brunnenwasser. 

Eine grosse öffentliche Anstalt in Westfalen legte im Jahre 1901 einen 
Röhrenbrunnen an, der saures Wasser lieferte und trotz der Warnung der 
Uotersuchungsanstalt zu Wasch- und Badezwecken Verwendung fand; es zeigten 
sich bald Korrosionen des Warmwasserbehälters, die nur auf den Säuregehalt 
des Wassers zurückzuführen waren. Interessant ist die Erklärung des Verf.'s 
über die Entstehung des Sänregehaltes des Wassers, dessen Brunnen in einer 
Sandgrube gelegen ist: „Das Wasser enthält verhältnismässig viel Schwefel- 
säure und Salpetersäure; dass diese Säuren von dem Zuflusse irgendwelcher 
industrieller Abwässer herrühren könnten, war bei der Lage des Bruunens aus- 
geschlossen. Es kann daher nur angenommen werden, dass in dem an Basen 
sehr armen Boden der Sandgrube eine allmähliche Konzentration des auf einer 
undurchlässigen Schicht sich sammelnden Regenwassers stattgefunden hat, das 
ja in der Nähe der Städte vielfach aus dem Rauch ‚herrührende freie Schwefel- 
säure und zeitweise (z. B. nach Gewittern) auch freie Salpetersäure enthält. 


Immunität. Schutzimpfung. 581 


Würde nur ein hoher Gehalt an Schwefelsäure vorhanden sein, so hätte man 
vielleicbt an ihre Bildung durch Oxydation von Schwefelkies denken können, 
da aber auch auffallend viel Salpetersäure vorhanden war und diese im vor- 
liegenden Falle — in einer vegetationsarmen Sandgrube — wohl nicht durch 
Nitrifikation aus stickstoffhaltigen organischen Stoffen im Boden gebildet sein 
dürfte, so erschien diese Annahme nicht berechtigt“. 

Wesenberg (Elberfeld). 


Wernicke, Erich, Die Bekämpfung der Infektionskrankheiten. Ein 
Rückblick und Ausblick. Merzbachsche Verlagsanstalt. Posen 1905. 
19. Ss. 8°, Preis: 0,50 M. 

In dem genannten, zur Kaisersgeburtstagsfeier gehaltenen Vortrage ent- 
wirft Verf. ein Bild von den verheerenden Wirkungen der Volksseuchen in 
früberen Jahrhunderten und gibt einen Ueberblick über die zur Bekämpfung 
derselben notwendigen Massnahmen, wie schnelle Diagnosenstellung, Anzeige- 
pflicht, Isolierung, Desinfektion, Schutzimpfungen z. B. bei Pocken, Typhus, 
Cholera, Serumbehandlung (bei Diphtherie, Pest) u.s. w. Der Erfolg bei der 
Bekämpfung der ansteckenden Krankheiten ist nicht ausgeblieben, denn wie 
statistisch nachgewiesen ist, hat in der Tat die Sterblichkeit an Infektions- 
krankheiten in neuerer Zeit immer mehr abgenommen, so namentlich bei 
Pocken, Unterleibstypbus, Tuberkulose, Diphtherie u. s.w. Die bisherigen Er- 
gebnisse der Forschungen auf dem Gebiete der Immunität lassen uns hoffen, 
gegen sämtliche infektiöse Menschenkrankheiten Schutzstoffe und zum Teil 
auch direkte Heilstoffe finden zu können. Baumann (Metz). 


Müller, Paul Th., Ueber chemische Veränderungen des Knochenmarks 
nach intraperitonealer Bakterieneinspritzung. Ein Beitrag zur 
Frage nach dem Ursprung des Fibrinogens. Ausgeführt mit einer 
aus dem Legat Wedl gewährten Unterstützung der Kaiserl. Akademie der 
Wissenschaften in Wien. Hofmeisters Beiträge z. chem. Physiol. u. Pathol. 
Bd. 6. S. 454. 

Verf. bestätigt zunächst die schon wiederholt beschriebene Tatsache, dass 
der Fibrinogengehalt des Plasmas bei Tieren erheblich vermehrt ist, die 
gegen irgendwelche bakteriellen Infektionen immunisiert sind. Er findet 
dann aber eine noch viel beträchtlichere Vermehrung des aus dem Knochen- 
mark zu extrahierenden Fibrinogens. Im Knochenmark ist so viel Fibrinogen 
vorhanden, dass es nicht aus Blut und Lymphe stammen kann. Verf. hält 
das Knochenmark daher für eine normale Bildungsstätte des Fibrinogens. 

Otto Cohnheim (Heidelberg). 


Lüdke H., Die Antikörperproduktion als cellulärer Sekretionspro- 
cess. Berl. klin. Wochenschr.: 1905. No. 23—25. S. 714 ff. 

Verf. betrachtet die Antikörperproduktion im lebenden Organismus 

als eine mehr oder weniger physiologische Zellsekretion, einen Process, 


582 Immunität. Schutzimpfung. 


der an und für sich nicht grundverschieden von den bei der normalen Er- 
nährung sich abspielenden Processen sein soll. Aehnlich den bierbei wirkenden 
Fermenten ist auch die physiologische Wirkung der Antikörper. Die cel- 
luläre Reaktion ist in den Organen des Individuums selbst zu suchen; in den 
Flüssigkeiten des Körpers befindet sich nur ein sehr mässiger Schutzapparat. 
Während Metschnikoff.die intracelluläre Verdauung durch eine einzige 
Zellgruppe, die Leukocyten, annnimmt, kann nach der Ehrlichschen Seiten- 
kettentheorie die Antikörpersekretion von allen bindungsfähigen Zellen 
ausgelöst werden. Baumann (Metz). 


de’ Rossi G., Filtrierbarkeit der Geisseln der Bakterien und ihre 
Funktion als freie Receptoren. Aus dem hygien. Institute der k. 
Universität Pisa.. Centralbl. f. Bakt. Bd. 37. S. 433. 

Neisser und Shiga haben nachgewiesen, dass unter besonderen Bedin- 
gungen die Receptoren von Bakterien in das umgebende flüssige Medium 
übergingen und dass das Filtrat dieser Flüssigkeit noch imstande sei, Agglu- 
tinine hervorzurufen. Verf. vermutete, dass die „freien Receptoren“ die Geis- 
seln -der Bakterien seien, die nach seinen Untersuchungen auch durch Filter- 
kerzen gingen. Er trennte daher von Typhusbacillen die Geisseln durch 
Schütteln ab und filtrierte die Flüssigkeit durch Tonkerzen. Im ersten Teile 
des Filtrates liessen sich reichlich, im zweiten Teile keine, im Rückstand 
sehr reichlich Geisseln färberisch nachweisen. Mit jeder Partie wurden 
Kaninchen immunisiert: es ergab sich, dass die grösste agglutinierende Kraft 
im Serum des Kaninchens vorhanden war, das den Rückstand erhielt, die 
zweitgrösste in dem, dass die erste Partie des Filtrates erhielt, während sie 
in dem Serum des dritten Tieres fast vollkommen fehlte. Analog verliefen 
auch die mit Filtraten und Rückstand angestellten Bindungsversuche. Daraus 
folgert Verf., dass die „freien Receptoren“ nicht gelöste Substanzen, sondern 
die Bakteriengeisseln sind. Kisskalt (Giessen). 


Ehrlich P. und Sachs H., Ueber den Mechanismus der Antiamboceptor- 
wirkung. Berl. klin. Wochenschr. 1905. No. 19 u. 20. S. 557 ff. 

Bordet hatte gefunden, dass man ebenso wie durch Vorbehandlung mit 
hämolytischem Immunserum, auch durch Vorbehandlung mit dem gleichartigen 
Normalserum Antiamboceptoren erzeugen kann, auch wenn das normale 
Serum gar keine entsprechenden Amboceptoren enthält. Dieser Befund lässt 
sich mit der Bordetschen Sensibilisierungstheorie keinesfalls er- 
klären, wohl aber, wie die Verff. zeigen, mit Hilfe der Amboceptoren- 
theorie. Der Amboceptor hat eine specifische cytophile Gruppe und einen 
grossen Apparat komptementophiler Gruppen. Die cytophile Gruppe ist das 
erst bei der Immunisierung entstehende neue Element, während die komple- 
mentophilen Gruppen des Receptorenapparates im Immunserum qualitativ die- 
selben sind wie im Normalserum. Nach Vorbehandlung mit Normalserum 
werden sich also Antiamboceptoren gegen die komplementophilen 
Gruppen bilden. Bei dem oben erwähnten Vorgange wirkt also der Anti- 
amboceptor wie ein Komplementoid im Sinne der Komplementoid- 


fmnunität. Schutzimpfung. 583 


verstopfung, indem er die komplementophilen Gruppen besetzt und so die 
Verankerang hindert. Baumann (Metz). 


Sannemann, Ergebnisse der amtlichen Pockentodesfallstatistik im 
Deutschen Reiche im Jahre 1902, nebst Anhang betreffend die 
Pockenerkrankungen im Jahre 1902. Medizinal-statistische Mitteilungen 
a. d. Kais. Ges.-A. Nr. 8. S. 240. 

Nach der vom Reg.-Rat Sannemann zusammengestellten Uebersicht 
sind in Deutschland während des Jahres 1902 nur 114 Erkrankungen an 
den Pocken mit 16 Todesfällen amtlich bekannt geworden gegen 875 Er- 
krankungen mit 56 Todesfällen des Vorjahres und gegen 54 Todesfälle im 
Durchschnitt des 10jährigen Zeitraumes von 1892—1901. Unter den 114 im 
Jahre 1902 Erkrankten gab es 34 Ausländer: 25 Russen, 2 Oesterreicher, 
3 Belgier, 4 Amerikaner, wie denn die Erkraukungen sich fast auschliesslich 
um den Grenzverkehr, namentlich um den an der russischen und öster- 
reichischen Grenze, sowie um den Seeverkehr gruppierten. 

Die geringe Zahl der Erkrankungen erweist das Walten des Impfschutzes; 
der Einfluss der Impfung auf den Ablauf der einzelnen Pockenfälle wird er-. 
sichtlich aus der folgenden Liste, die von derjenigen Sannemanns nur in- 
sofern verschieden lautet, als die erst nach der Ansteckung mit den Pocken, 
also die zu spät Geimpften hier besonders gruppiert sind. 


Uebersicht über Lebensalter und Impfstand der 114 in Deutschland während 
des Jahres 1902 an den Pocken Erkrankten, sowie über den Ablauf der Krankheit. 


Impfstand Altersklassen der Jahre 
0—111—2)3—5) 6-10) 11-15) 16-20) 21-30) 31-40 41-50] 51-60) ün.so 
4 2 3 1 1 |18| 6 
+1) (+1 
1 2 2 = = 1 t r0 1 
4 3 9 3 6 4 3 > 7 44| 7 
+1) +1) H H1 
- — 1 4 5 12 7 2 1 2 
— 1 1 
1 2 l 1 1 2 
Erkrankun 
gen s 10 | 9 8 16 1 11 D 16 14 12 5 [114 
mit Todes- 
filea.. .| 5 | 2 1 1 1 1 € 


Auffällig ist die in dieser Liste verzeichnete Erkrankung von 7 geimpften 
Rindern, die der Altersklasse 1—5 Jahre angehören, von denen 1 Kind starb, 


584 Immunität. Schutzimpfung. 


ein anderes die Pocken mittelschwer durchmachte, während die anderen 5 
leicht erkrankten. Wirklich notwendig ist es, in solchen Fällen den Impf- 
stand des Kindes, seine Impfnarben. genau zu prüfen und amtlich bekannt zu 
geben; zweifelsohne wird sich das Fehlen oder Vorhandensein von Impfnarben 
bei sofortiger Nachfrage feststellen lassen. Manches Kind gilt als geimpft, hat 
aber infolge der garnicht so selten erfolgten naturärztlichen Falschimpfungen, 
oder infolge irgend eines Fehlers in der Listenführung, weder Impfnarben 
noch Impfschutz. Voigt (Hamburg). 


Die Tätigkeit der im Deutschen Reiche errichteten staatlichen An- 
stalten zur Gewinnung von Tierlympbe während des Jahres 1904. 
Zusammengestelltnach den Jahresberichten der Vorstände dieser 
Anstalten. Med.-stat. Mitt. a. d. Kais. Ges.-A. Bd. 9. S. 49—130. 

Im Jahre 1904 ist die neue Impfanstalt zu München dem Betriebe 
übergeben worden, deren mustergültige Einrichtungen des Besuches wert sind. 
In den 22 staatlichen Anstalten ist der für das deutsche öffentliche Impfwesen 
während des Jahres 1904 erforderliche Impfstoff von 1196 Impftieren ge- 
wonnen, zumeist von Kälbern; ältere Rinder wurden in den Anstalten zu 
Darmstadt, Stuttgart und Weimar benutzt. In der Lymphegewinnung änderte 
sich im übrigen wenig, sie ist aber in einigen Anstalten im Laufe der letzten 
Jahre bereichert worden durch die Benutzung von Kaninchen als Zwischen- 
wirt bei der animalen Fortpflanzung des Impfstoffes. 

L. Pfeiffer in Weimar gibt eine Reihe praktischer Winke für die Be- 
nutzung dieser Tiere zu solchem Zwecke. Pfeiffer hat auch Versuche mit 
der Wirkung des den Kaninchen enutnommenen Impfstoffes auf Menschen an- 
gestellt, die sehr guten Erfolg gehabt haben. In Hamburg ist der Pockenstoff 
des Menschen zunächst auf Kaninchen, daun auf das Rind übertragen und so 
Variolavaceine entstanden, in Oppeln ist das gleiche erreicht bei unmittelbarer 
Verimpfung von Menschenpockenborkenstoff auf das Kalb. Freyer in Stettin 
resumiert seine anderweit veröffentlichten Versuche, angestellt zur Prüfung 
des Agglutinationsvermögen des Serums geimpfter Kälber und anderer künst- 
licher vaceinaler Immunsera. Risel in Halle fand auf Grund umfänglicher 
Beobachtungen, man dürfe keine Erwartungen auf eine Serumbehandlung der 
Variola setzen. Um sie mit Erfolg auszuführen, müsste ein Serum ver- 
wendet werden, welches in der geringen Menge, wie sie die Einverleibung 
beim Menschen zulässt, die Immunkörper in ungleich konzentrierterer Form 
enthält, als das zu den Versuchen benutzte hochwertige Immunserum. Der 
Raum gestattet es nicht, auf die Besprechung dieser und mancher anderer 
Beobachtungsreiben, z. B. der in Hamburg mit der Ovine angestellten Ver- 
suche näher einzugehen. Voigt (Hamburg). 


Sannemann, Die Ergebnisse des Impfgeschäftes im Deutschen Reiche 
für das Jahr 1901. Med.-stat. Mitt. a. d. Kais. Ges.-A. 1904. Bd. 8. 
S. 212. 

Aus der Arbeit Sannemanns kann man die folgende Uebersicht zusammen- 
stellen: 


Immunität. Schutzimpfung. 585 


Im Jahre 1901 Erstimpflinge Wiederimpflinge 

a befanden sich im pflichtigen Alter . . 1809 137 1268 231 
b waren von der Pflicht gesetzlich befreit 73 509 6424 
c blieben impfpflichtig . . 1735 628 1261 857 
d wurden wegen mangelhafter Gesundheit 

ärztlich befreit. . . 22. [164 183=9,46%/gvon c16 907=1,34%/, von e 
e waren nicht mehr ausgeschult BIER — 8374 
f waren nicht auffindbar . . 16 944 2688 
g wurden vorschriftswidrig der P Nicht ent. 

zogen . . . Senne. [84 465=1,980%/, von c| 5917=0,48%/, von c 
h wurden geimpft > 1 520 036 1227971 
i ohne Erfolg (NB. unter Niehtberück- 

sichtigung der zur Nachschau nicht Er- 

schienenen) . . 2 2 2 2202020. [45721 =3 o von h76 113=6,2°/, von h 


Nach obiger Liste sind laut d, f, g, i 14,4°/, der impfpflichtigen kleinen 
Kinder ohne Impfschutz geblieben. Es gab im Berichtsjahre etwas weniger 
vorschriftswidrig Entzogene, es sind auch etwas weniger Kinder wegen man- 
geluder Gesundheit seitens der Aerzte von der Erstimpfung befreit worden 
als im Vorjahre, und die Erstimpfung ist etwas weniger erfolgreich, die Wieder- 
impfung noch erfolgreicher ausgefallen als damals. Von den 2748000 Ge- 
impften sind Einzelne während der Abheilung der Impfstellen erkrankt, in 
einzelnen wenigen Fällen mit ungünstigem Ausgange der Erkrankung. Drei 
Kinder sind an der Rose gestorben, die erst um die Zeit der Pustelreife auf- 
trat, bei 3 Kindern nahmen vereiterte Impfpusteln, bei 2 Kindern Blutver- 
giftung ungünstigen Ausgang, doch konnte keine dieser Erkrankungen als Folge 
der Impfung nachgewiesen werden. Voigt (Hamburg). 


van Dieren E., Over Vaccinatie en hare. Bestrijders Baarn 1905. 134 Ss. 

van Dieren wendet sich gegen die in Holland seitens des inzwischen 
zurückgetretenen klerikalen Ministeriums beantragte wesentliche Einschränkung 
der bisherigen, dort geltenden Impfbestimmungen, d. i. der bei bestehendem 
Schulzwang gesetzlichen Forderung eines Impfscheines für die Aufnahme des 
Kindes in die Schule. Jetzt wird beantragt, die Lieferung des Scheines mehr 
oder weniger von dem Belieben der Eltern abhängig zu machen und die Neuerung 
begründet mit den von Böding, Hadven, van Niessen, Pierson, van 
Schouten, Vogt (Bern) u.s. w. entnommenen Schilderungen der Gering- 
wertigkeit des Impfschutzes und der verhältnismässig leichten Unterdrückbar- 
keit der Pocken auch ohne jeden Impfzwang. van Dieren setzt die zum 
Teil aus Unkunde, zum Teil aber absichtlich unrichtigen Angaben der Impf- 
gegner in das richtige Licht und schildert die Gefahren, welche der Gesell- 
schaft aus der Annahme der Gesetzesnovelle erwachsen würden. 

Voigt (Hamburg). 


Külz, Pockenbekämpfung in Togo. Arch. f. Schiffs- u. Tropenhyg. 1905. 
S. 241. 
Die Darstellung der Lymphe hat Verf. bereits früher besprochen; auf 
einer Reise, die die energische Durchführung der Bekämpfung der Pocken 
44 


586 Immunität. Schutzimpfung. 


zum Zweck hatte, führte er 81 828 Impfungen aus. Schwierigkeiten oder gar 
Widerstand zeigte sich nirgends, da die Variolation dort schon längst geübt 
wurde. Der Erfolg bei den Erstimpflingen betrug 94—100°/,; er war vielfach 
auch vorhanden bei Leuten, die schon die Pocken durchgemacht hatten. 

Die Lymphe wurde zum kleineren Teile mitgenommen, zum grösseren Teile 
unterwegs hergestellt. Letztere stammte von einem (von den Negern selbst 
in einer Schlucht isolierten) Pockenkranken; nach zweimaliger Kälberpassage 
wurde sie auf Menschen verimpft. Die weiteren Kälber wurden stets mit 
humanisierter Lymphe dieser Stammvaceine geimpft, die Lymphe durch Ver- 
mischung mit 1 Teil Glycerin und 1 Teil dest. Wasser konserviert. Im 
ganzen wurden 87 Kälber verwendet. Als Assistenten fungierten intelligente 
Neger, denen schliesslich sogar die Impfung der Kälber überlassen werden 
konnte. Trotzdem .schlägt Verf. vor, zur weiteren Durchimpfung des Landes 
von Arm zu Arm zu impfen, da dies bequemer und reinlicher sei; Syphilis 
sei in Togo selten, ihre Uebertragung könne dadurch noch erschwert werden, 
dass man nur Kinder als Abimpflinge verwende. 

Der Impfschutz ist bei Negern wesentlich geringer als bei Europäern: 
an einem ziemlich grossen Material konnte festgestellt werden, dass 16 Monate 
nach der ersten Impfung eine Revaccination bei 37°%/, der Geimpften erfolg- 
reich war, bei solchen, die ausserdem noch früher die Pocken überstanden 
hatten, in 13%, der Fälle. Dies kann zum grossen Teil durch Rassenunterschiede 
bedingt sein, zum Teil kann es aber anch daher kommen, dass die Pusteln 
gleich nach dem Entstehen von den Negern aufgekratzt oder mit Medikamenten 
behandelt werden. Zum Zweck einer gründlichen Bekämpfung schlägt Verf. 
vor, die Impfung zunächst nach 2 Jahren zu wiederholen, dann aber die Er- 
folge bei dieser Wiederimpfung abzuwarten; auf jeden Fall müssen alle neu- 
geborenen Kinder in bestimmten Zwischenräumen der Impfung zugeführt werden. 

Die Pocken haben bisher in Togo von Zeit zu Zeit fürchterlich gehaust; 
man kann annehmen, dass in den jetzt durchgeimpften Distrikten bei einer 
Bevölkerung von etwa 10000 Menschen in den letzten 2 Jahren ungefähr 
186, also jährlich fast 1%, an Pocken gestorben sind. Die Krankheit wird 
vermutlich immer wieder von durchreisenden handeltreibenden Haussahs ein- 
geschleppt. Kisskalt (Giessen). 


Groth, Ueber Impfschutzverbände. Mit1 Abb. Münch. med. Wochenschr. 
1905. No. 21. S. 1003, 

Hauptsächlich zum Gebrauch in der 2. Woche nach der Impfung empfiehlt 
Groth einen Impfverband, der ähnlich wie der von Bauer im Jahre 
1890 angegebene Verband, eine leinene Schulterkappe bildet, die mit 3 Bänder- 
paaren befestigt wird. Ein breites Bänderpaar wird unter der Achsel des 
nicht geimpften Armes zusammengeschürzt, die beiden anderen Bänderpaare 
umgeben den geimpften Arm oberhalb und unterhalb der Impfstelle. In der 
Kappe befinden sich 2 Knopflöcher zum Einknöpfen von Verbandstücken, 
z. B. von steriler Gaze. Zu haben bei Katsch, Hofinstrumentenmacher in 
München, Preis M. 1,20. Voigt (Hamburg). 


Immunität. Schutzimpfung. 587 


Pleiffer L., Die Impfklauseln in den Weltpolicen der Lebeusver- 
sicherungs-Gesellschaften. Veröffentl. d. deutsch. Vereins f. Versiche- 
rungswissenschaft. 1905. H. 5. 

In den verschiedenen Ländern werden seitens der Lebensversicherungs- 
Gesellschaften je nach dort vollständig oder unvollständiger durchgeführtem 
Impfschutze verschiedene Bedingungen gestellt. Pfeiffer weist darauf hin, 
dass einelmpfklausel in Deutschland unnötig sei; eine Ausnahme machen in 
Deutschland nur die Personen, welche im Auslande geboren und erzogen sind. 
In England können selbst die Gesellschaften mit ganz ausgesuchtem, nur den 
besseren Ständen angehörigen Zuwachs einer Vaccinationsklausel nicht ent- 
behren. Nötig ist eine Regelung der Klauseln, hierzu müssen im nächsten 
internationalen Kongress der Versicherungsärzte Vorschläge ausgearbeitet werden. 

Voigt (Hamburg). 


de Waele und Sugg, Experimentelle Untersuchungen über die Kuh- 
pockenlymphe. Centralbl. f. Bakt. Originale. Bd. 39. S. 46 u. 142. 

De Waele und Sugg kommen auf die von ihnen bei Variola und 
Vaccine gefundenen Streptokokken zurück; sie inokulierten Kaninchen den 
Inhalt von Pusteln der Variola humana, zumeist ohne örtlichen Erfolg, doch 
zeigte sich am 3. Tage manche Papel. Die Subkutaninjektion von 1/3 com 
Variolablut schadete den Kaninchen nicht, aber 2 ccm führten den Tod der 
Tiere unter Abmagerung herbei. Nach der Subkutaninjektion von 2 ccm 
Variolamilzpulpa starben die Kaninchen am 15. Tage, nach 15 ccm schon am 
3. Tage. Ein allgemeiner Variolaausschlag liess sich an den rasierten Tieren 
nicht entdecken. Aus dem Herzblut der an der Variolainjektion gestorbenen 
Kaninchen haben de W. und S. wieder Streptokokken gewonnen. Die Vacci- 
nation der Kaninchen und Ziegen ergab nichts Neues. Die Kaninchen ertrugen 
auch die intravenöse Injektion der Vaccine. In der Ziege ruft die Vaccination 
das Auftreten von agglutinierenden Substanzen in nur sehr geringem Grade 
hervor. Ein Vaccinefiltrat, das das Chamberlandfilter passiert hatte, erwies 
sich als völlig wirkungslos. de W. und S. haben dann die Diffusion der 
Vaccine durch Cellulosewandungen geprüft, indem sie Kälbern die Vaccine, 
in Schilfsäckchen eingeschlossen, in Hauttaschen schoben, die nachher vernäht 
wurden. Die Säckchen enthielten !/,—!/, cem einer Mischung einer Oese 
Vaccine in 5 ccm Bouillon. Nach vorübergehendem Fieber wurden die Tiere 
innerhalb der üblichen Frist immunisiert. Hieraus schliessen Verff.: die Vac- 
eine liefere Substanzen, welche auch ohne jeden Druck durch eine Cellulose- 
membran diffundieren und immunisieren. Diese diffundierbaren Substanzen 
seien wichtig, sie scheinen in der ÖOedenflüssigkeit um die Pusteln ent- 
halten, denn die Injektion solcher von ihren Mikrobien befreiten Flüssigkeit 
führte einen geringen Grad von Immunität herbei. Verff. nahmen die Schilf- 
säckchen nach Ablauf der Beobachtungszeit wieder aus den Kälbern heraus, 
unterzogen ihren Inhalt dem Kulturverfahren und fanden konstant Strepto- 
und Staphylokokken, sowie Bacillen. Die Streptokokken liessen sich fast 
allemal durch das Agglutinationsverfahren als vaccinal nachweisen. 

Voigt (Hamburg). 
ddr 


588 Immunität. Schutzimpfung. 


De Waele und Sugg, Der Streptokokkenbefund der Variola und Vari- 
cella in Bezug auf differentialdiagnostisches Verfahren. Münch. 
med. Wochenschr. 1905. No. 25. S. 1188. 

Gegenüber der zur Feststellung der Diagnose in zweifelhaften Fällen der 
Variola oder Varicella jetzt gebräuchlichen Impfung der Kaninchenhornhaut 
mit dem Inhalt der Pusteln des zweifelhaften Falles und der nachfolgenden 
Prüfung der sich alsdann in der Kornea entwickelnden Zellveränderung em- 
pfehlen de Waele und Sugg die Ausnutzung der Serumdiagnose Nach 
ihren Beobachtungen agglutiniert das Serum des Blutes der Variolakranken 
die bei der Variola und der Vaccine von ihnen gefundenen Streptokokken, 
welche von den Erysipelkokken ganz verschieden sind, nicht aber die von 
ihnen bei der Varicella gefundenen Streptokokken. Umgekehrt agglutiniert 
das aus Varicellenblut hergestellte Serum zwar die Streptokokken der Vari- 
cella, nicht aber diejenigen der Vaccine und der Variola. 

Voigt (Hamburg). 


Guérin C., Contrôle de la valeur des vaccins jenneriens par la 
numeration des elements virulents. Ann. de l’Inst. Pasteur. 1905. 
No. 5. p. 318. 

Verf. hatte schon darauf hingewiesen, dass der Wert einer Kuhpocken- 
lymphe von der Zahl der virulenten Elemente abhängig und dass 
das Kaninchen für die Bestimmung von Vaccine am günstigsten 
ist. Das vom Verf. empfohlene Verfahren besteht darin, dass mit dem zu 
prüfenden Material Verdünnungen von 1:10, 1:50 u.s.w. bis 1: 1000 in 
sterilisiertem, destilliertem Wasser hergestellt werden. Die Zahl ist pro qcm 
der auf der beschickten Rückenhaut der Kaninchen aufgehenden Pusteln an- 
zugeben und wird für die Bestimmung verwendet; die Resultate werden am 
5. Tage bestimmt. Eine jede Probe, welche in einer Verdünnung von 1: 100 
nicht 3—4 Pusteln erzeugt, ist von mittelmässiger Qualität. Wird mit der 
Lymphe 1:50 die Zahl 3—4 Pusteln nicht erreicht, so gilt die Lymphe als 
ungenügend. Silberschmidt (Zürich). 


Dalmer, Max, Ueber Diphtherie im deutschen Heere 1882—1902. Inaug.- 
Dissert. Berlin 1905. 

Die Gesamtzahl der in den Jahren 1882—1902 im deutschen Heere 
beobachteten Diphtheriefälle beträgt auf Grund der Sanitätsberichte 7516; 
davon wurden 7018 = 93,3%, geheilt, und 279 = 3,7°/, starben. Im 
Laufe der Jahre ist eine Abnahme der Zahl der Diphtherieerkran- 
kungen eingetreten: Der Zugang an Diphtherie belief sich in den Jahren 
1882—1884 auf 1,10 °/0 der Iststärke, im Jahre 1902—1903 dagegen auf 
nur 0,44%. Seit Anwendung des v. Behringschen Heilserums im Jahre 
1894 bezw. 1895 macht sich ein Rückgang der Sterblichkeit bemerkbar. 
Prophylaktisch wurden 374 Mann immanisiert; davon erkrankten nur 
2 Mann, einer nach 8 Wochen und 1 Mann nach 93 Tagen, also beide nach 
einer Zeit, wo der durch passive Immunisierung erzeugte Schutz nicht mehr 
wirksam ist. x Baumann (Metz). 


Immunität. Schutzimpfung. 589 


Vogelsberger, Erast, Ueber die Anwendung eines neuen Serums bei 
Diphtherie. Inaug.-Dissert. Berlin 1905. 

Bekanntlich finden sich virulente Diphtheriebacillen im Rachen bei 
Rekonvalescenten noch lange Zeit auch nach Schwinden der Krankheits- 
erscheinungen. Die Anwendung des v. Behringschen Diphtherieheilserums 
hat auf das Verschwinden der Diphtheriebacillen keinen Einfluss, da es anti- 
toxisch, aber nicht baktericid wirkt. Wassermann hatte deshalb ein 
baktericides Diphtherieserum hergestellt durch Injektion von Bacillen- 
leiberextrakt, deren Toxin durch Heilserum (Antitoxin) gebunden war. Verf. 
prüfte nun bei 23 Diphtheriefällen die Wirkung des Wassermannschen 
Serums. Das Serum wurde in Form von Tabletten oder Pastillen gegeben, 
welche die Patienten langsam im Munde zergehen lassen mussten, oder es wurde 
— bei Nasendiphtberie — pulverisiert und eingeblasen. Die durch das Serum 
agglutinierten Diphtheriekeime werden dann durch nachfolgende 
Gurgelungen mit einem Gurgelwasser entfernt. Verf. konnte in der Tat 
feststellen, dass schon 5—6 Tage nach Lösung der Membranen die 
Diphtheriebacillen stets aus dem Rachen verschwunden waren. 
Bei Nasendiphtherie, wo erfahrungsgemäss die Membranen länger haften, 
wurden bis zu 16 Tagen nach dem Aufhören stärkerer Sekretion noch Diph- 
theriebacillen gefunden. Baumann (Metz) 


Marie À., Recherches sur le sérum antirabique. Ann. de l’Inst. Pasteur. 
1905. No. 1. p. 1. 

Das Blutserum eines Säugetieres, welches mit Virus fixe vorbehandelt 
worden ist, wirkt neutralisierend auf Emulsion von Strassenvirus oder Virus 
fixe. Die Schafe und die Kaninchen, welche vom Verf. immunisiert worden sind, 
wurden längere Zeit mit grossen Mengen Wutvirus subkutan injiciert. 
Die Wirksamkeit des Serums war keine sehr grosse; 1 ccm Immunserums 
neutralisierte 1 ccm einer 1 proz. Lösung von Virus fixe; mit heterologen 
Seren wurden keine höheren Werte erhalten; einige Kaninchen lieferten 2 bis 
1O mal wirksamere Sera. Das Blutserum von nicht vorbehandelten 
Säugetieren (Schaf, Kaninchen, Meerschweinchen) übte keine schädigende 
Wirkung auf das Lyssavirus, während 3 ccm Hühnerserum die ange- 
gebene Lösung von Virus fixe (1 ccm 1proz. Lösung) neutralisierten. Die 
Wirkung des Immunserums auf die Aufschwemmung von Wutgifftritt sofort 
bei Zimmertemperatur auf; eine länger dauernde Einwirkung bei höherer 
Temperatur hat keine stärkere Beeinflussung des Lyssavirus zur Folge. Neuro- 
toxisches Serum wirkt nicht schädigend auf das Wutgift, Die 
Wirkung desantirabischen Serums ist specifisch, allein nur innerhalb 
gewisser Grenzen, wie dies für baktericide Sera bekannt ist. Die specifisch 
wirkende Substanz des antirabischen Serums wird vor dem Erreger der Lyssa 
gebunden. Silberschmidt (Zürich). 


Viala, Jules, Les vaccinations antirabiques à l'Institut Pasteur en 
1904. Ann. de l'Inst. Pasteur. 1905. No. 5. p. +11. 

Im Jahre 1904 haben sich im ganzen 757 Patienten der Wutbehand- 

lung im Pasteurschen Institut unterzogen. 2 Patienten ‚starben innerhalb 


590 Immunität. Schutzimpfung. 


14 Tagen nach Beendigung der Behandlung; von den übrigen 755 sind weitere 
3 gestorben, so dass die Sterblichkeit 0,390, beträgt. 
Silberschmidt (Zürich). 


Cruveillier L., De la valeur thérapeutique de l’antitoxine dans le 
serum antidiphterique. Ann. de l’Inst. Pasteur. 1905. No. 4. p. 249. 
Die interessanten Versuche mit verschiedenwertigem Diphtherie-Pferde- 
serum und mit Kulturen von Diphtheriebacillen haben ergeben, dass der 
Heilwert eines Serums nicht ausschliesslich von seinem Gehalte 
an Antitoxineinheiten abhängig ist und dass daher die Bestimmung des 
Antitoxins, wie dieselbe zur Zeit geübt wird, nicht genügt zu einem genauen 
Urteil über die Wirksamkeit eines Serums. Die Messung des sogenannten 

therapeutischen Vermögens des Serums wird empfohlen. 

Silberschmidt (Zürich). 


Tchitchkine A., Essai d’immunisation par la voie gastrointestinale 
contre la toxine botulique. Lab. de M. Metchnikoff. Ann. de l’Inst. 
Pasteur. 1905. No. 5. p. 336. 

Im Gegensatze zu anderen Bakterientoxinen ist das Toxin des Bacillus 
botulinus dadurch gekennzeichnet, dass dasselbe auch vom Magendarm- 
kanal aus giftig wirkt. Verf. bat versucht, auf diesem Wege Tiere gegen 
das Botulinusgift zu immunisieren. Buuillonkulturen des Bac. botulinus 
wurden filtriert nach 2—4 wochenlanger Aufbewahrung im Brutschrank bei 
20°. Das erhaltene Toxin tötete Meerschweinchen in Mengen von 0,01 bis 
0,001 cem. Dieses Toxin wurde in die Mundhöhle von Kaninchen eingeführt, 
zuerst in kleinen, später, aber nur ganz allmählich, in gesteigerten Mengen. 
Nur wenige von 120 Versuchstieren überstanden die Behandlung. Die 
Ueberlebenden ertrugen Mengen von 6, 10 und sogar 15 ccm Toxin auf einmal, 
während 3—5 ccm genügen, um Kontrollkaninchen zu töten. Von 2 Kanin- 
chen, welche 5- und Gfache tödliche Dosen per os ertragen hatten, starb 
das eine nach subkutaner Injektion von 0,002 ccm, das andere blieb nach 
Injektion von 0,01 cem am Leben. Es scheint somit die Immunität der 
per os vorbehandelten Tiere gegen subkutane Injektion, wenn die- 
selbe besteht, nur gering zu sein. Silberschmidt (Zürich). 


Eber A., Ueber die Widerstandsfähigkeit zweier in Marburg mit 
Tuberkelbacillen verschiedener Herkunft vorbehandelter Rinder 
gegen subkutane und intravenöse Infektion mit tuberkulösem 
vom Rinde stammenden Virus. Zeitschr. f. Tiermed. 1905. Bd. 9. 

Zwei in Marburg von v. Behring und seinen Mitarbeitern wiederholt 
mit menschlichen und anderen Tuberkelbacillen vorbehandelte 

Rinder wurden vom Verf. 3 bezw. 5 mal subkutan und intravenös mit tuber- 

kulösem vom Rinde stammenden Materiale geimpft, um zu prüfen, ob sie 

durch die Vorbehandlung immun gegen eine Infektion mit Rindertuberkulose 
geworden wären. Es zeigte sich, dass sich die beiden Rinder allerdings 
widerstandsfähiger gegen die Infektion erwiesen als die nicht vorbe- 


Immunität. Schutzimpfung. 591 


handelten Kontrollrinder; bei subkutanen Injektionen waren die lokalen Ver- 
änderungen geringer, und bei intravenösen Injektionen verliefen die Allgemein- 
erscheinungen leichter als bei den Kontrollrindern. Die Widerstandsfähig- 
keit war jedoch keine absolute. Bei genügend starker Dosierung er- 
krankten beide Tiere an den Folgen der tuberkulösen Infektion. Bei der 
Schlachtung fand man bei dem einen Rinde an der Injektionsstelle einen tuber- 
kulösen Abscess und in der linken Niere einen Tuberkelknoten, bei dem 
anderen Rinde tuberkulöse Knoten “am Halse, in der Lunge, in den Nieren 
und Mesenterialdrüsen. Beide vorbehandelte Rinder hatten zu gleicher Zeit 
je ein Kalb zur Welt gebracht. Zur Prüfung auf eine etwa vorhandene ange- 
borene Immunität gegen Tuberkulose inficierte Verf. dieselben sowie ein mit 
der Milch eines vorbehandelten Tieres ernährtes Kalb und ein Kontrolltier 
mit Perlsuchtmaterial. Alle Tiere starben jedoch an allgemeiner Tuberku- 
lose. Dem von immunisierten Rindern geborenen Kälbern oder den 
mit der Milch solcher Kühe aufgezogenen Kälbern wohnt also kein besonderer 
Grad von Widerstandsfähigkeit gegen Tuberkulose inne. 
Baumann (Metz). 


Menzer, Zur Frage nach dem Wesen der Tuberkulinreaktion. Aus 
den Beiträgen zur klin. Med. Senator-Festschrift 1905. 

Verf. erklärt sich das Wesen der Tuberkulinreaktion in der Weise, 
dass die in dem Alttuberkulin (allerdings nur in geringer Menge) vorhandene 
Bakteriensubstanz im Organismus antibakterielle Stoffe bildet, welche 
dann auf die tuberkulösen Herde einen Reiz ausüben in ähnlicher Weise, wie 
nach Ansicht des Verf.’s die bakterientötende Wirkung des Strepto- 
kokkenserums zu deuten ist, nur dass hierbei nicht eine aktive Bildung 
von Antikörpern, sondern eine passive Zuführung antibakterieller Stoffe statt- 
findet. Je labiler der tuberkulöse Herd, desto leichter antwortet er auf 
Entzündungsreize. Ist ein abgekapselter Herd durch stärkere Reize labiler 
geworden, so antwortet er eventuell auf spätere kleinere Reize, d. h. er ist 
überempfindlich. Die Reaktionsfähigkeit und eventuell die Ueberempfind- 
lichkeit erlöschen auch gegenüber starken Reizen, je mehr die Heilung fort- 
schreitet, je weniger fiebererregende Stoffe resorbiert werden. Der vorge- 
schrittene Tuberkulöse wird in seinem Blut mehr antituberkulöse Stoffe vor- 
gebildet haben, als der initiale Kranke; ein kleiner Tuberkulinreiz braucht 
daher nicht mit deutlicher Reaktion beantwortet zu werden. 

Baumann (Metz). 


Korte und Steinberg, Ueber die agglutinierende Wirkung des Serums 
von Typhuskranken auf Paratyphusbacillen nebst Bemerkungen 
über makroskopische und mikroskopische Serumdiagnostik. 
Münch. med. Wochenschr. 1905. No. 21. S. 985. 

Unter 70 Fällen von echtem Typhus fanden die Verff. in 30 Fällen eine 
Mitagglutination der beiden Typen A und B der Paratyphusbacillen, in 9 
eine solche des Paratyphus B allein, in 7 des Paratyphus A allein und in 
24 Fällen keine Mittagglutination der beiden Paratypliusstämme. Als Grenz- 


592 Immunität. Schutzimpfung. 


wert für positives Resultat wurde eine Verdünnung von 1:40 angesehen. Im 
Gegensatz zu den Arbeiten von v. Drigalski und von Grünberg und Rolly 
fanden sie in allen Fällen den Agglutinationstiter gegenüber den Typhus- 
bacillen höher als gegenüber den Paratyphusbacillen. Sie erklären diesen 
Gegensatz damit, dass die genannten Autoren die genaue Grenzbestimmung 
des Serums nicht vorgenommen, sondern sich meist auf die Beobachtung be- 
schränkt hätten, ob bei einer Verdünnung von 1:50 und 1:1CO in der einen 
oder anderen Probe ein rascherer und stärkerer Ausfall der Reaktion zu be- 
obachten gewesen wäre, und ferner, dass sie zum Teil (v. Drigalski) lediglich 
die makroskopischen Agglutinationsproben beobachtet hätten. Nun aber 
sei die mikroskopische Untersuchung viel genauer, als die makroskopische, 
sofern man mit Kulturen arbeite, die keine Spontanagglutination zeigen; die 
makroskopische Bestimmung sei namentlich in den Grenzwerten ungenau und 
führe leicht zu Fehlerquellen. Ausserdem sei von Wichtigkeit, dass der Ein- 
fluss der sog. Hemmungszonen des Serums sich namentlich bei der makro- 
skopischen Betrachtung deutlicher machte; sie führen einen Fall an, in dem 
mikroskopisch Typhusbacillen bis zu 1:2560, Paratyphusbacillen nur bei 
1:160 noch agglutiniert wurden, während bei makroskopischer Agglutination 
bei 1:80 den Typhusbacillen gegenüber eine Hemmungszone bestand, Para- 
typhusbacillen jedoch gerade noch mittagglutiniert wurden. Im Verhältnis von 
1:160 bis 1:640 wurden dagegen makroskopisch nur Typhusbacillen agglu- 
tiniert. Darnach sei durch die mikroskopische Grenzbestimmung der Serum- 
wirkung doch die Differentialdiagnose zwischen Typhus und Paratyphus zu 
stellen. Hayo Bruns (Gelsenkirchen). 


De Blasi D., Ueber die agglutinierende Wirkung des Serums von 
Typhuskranken auf Paratyphusbacillen nebst Bemerkungen über 
die makroskopische und mikroskopische Seradiagnostik. Münch. 
med. Wochenschr. 1905. No. 24. S. 1152. 

De Blasi erwähnt in einer Bemerkung zu der vorstehend referierten Arbeit 
von Korte und Steinberg lediglich, dass die ersten Beobachtungen über 
Hemmungszonen im Serum bei der Typhusbacillen-Agglutination im 
Jahre 1902 von ihm, weitere Fälle im Jahre 1904 von Cerrito veröffentlicht 
seien. Hayo Bruns (Gelsenkirchen). 


Manteufel, Erfahrungen mit der Gruber-Widalschen Reaktion bei 
Berücksichtigung der Mitagglutination. von Typhusbacillen. 
Münch. med. Wochenschr. 1905. No. 28. S. 1329. 

Auch Manteufel wendet sich gegen die Erklärungsversuche von Grün- 
berg und Rolly, die im Serum Typhuskranker oft eine stärkere Beeinflussung 
der „mitagglutinierten“ Paratyphusbacillen, als der Typhusbacillen beobachtet 
haben und darum die Agglutinationsresultate nicht als beweisend für 
die Differentialdiagnose von Typhus und Paratyphus ansehen wollen. Die 
stets mit dem gleichen Typhusstamm ausgeführten Agglutinationen ergaben 
85mal das Resultat „Widal positiv“. In 58 Fällen trat Mitagglutination der 
Paratyphusbacillen auf, aber nur in 16 Fällen in höheren Verdünnungen als 


Immunität. Schutzimpfung. 593 


1:50. In allen Fällen war die Beeinflussung der Typhusbacillen eine stärkere 
(d. h. die Grenzzahlen höhere) als die der Paratyphusbacillen; in keinem 
Falle war eine Agglutination der Paratyphusbacillen vorhanden, wenn die der 
Typhusbacillen fehlte. Da Verf. keinen Grund hat, bei irgend einem seiner 
Fälle einen Paratyphus anzunehmen, ergibt sich keine Veranlassung, an der 
Speeificität der Widalschen Reaktion für die Diagnose des Typhus zu zweifeln. 
Es wird nur die Notwendigkeit betont, in allen Fällen, bei denen im Ver- 
hältnis von 1:50 und 1:100 Typhus- und Paratyphusbacillen agglutiniert 
wurden, die Grenzbestimmung für die Agglutinationswerte auszuführen. 
Hayo Bruns (Gelsenkirchen). 


Jörgensen, Axel, Schwankungen des Agglutinationsvermögens des 
Blutes im Verlaufe des Typhus abdominalis. Centralbl. f. Bakt. 
Abt. I. Orig. Bd. 38. S. 485. 

Die Arbeit bildet die Fortsetzung der von Madsen und Jörgensen 
veröffentlichten Arbeiten über Agglutininschwingungen bei aktiver und 
passiver Immunisierung gegen Typhus und Cholera. Ein Teil der in der 
früheren Arbeit gegebenen Tierexperimente wird auch hier zur Erklärung 
mancher bei Typhuskranken beobachteten Erscheinungen mit herangezogen. 
Das erste Kapitel der Arbeit enthält die ausführliche Schilderung der exakten 
Methodik des Verf.'s; die Agglutination wird, da viele Serumproben gleich- 
zeitig beobachtet werden, im makroskopischen Bild bestimmt. Stets mit nur 
wenig Tagen Zwischenraum werden den Menschen und Tieren Blutproben ent- 
nommen; das Serum aller dieser Proben wird in der Eiskammer bis zur 
Sammlung der letzten Probe aufbewahrt und gleichzeitig unter Verwendung 
der gleichen Nährbouillon, Typhuskultur, Temperatur u. s. w. verarbeitet. Die 
Beobachtung geht so, dass stets die Agglutinationsreihen mit der Wirkung 
eines Standardserums verglichen werden und nun die Röhrchen bestimmt 
werden, in denen die einem bestimmten Röhrchen des Standardserums ent- 
sprechende Agglutination eingetreten war. Die graphische Darstellung erfolgte 
in Form von Kurven, in die der reciproke Wert der Serumverdünnungen ein- ` 
getragen wurde, der dem Vergleichsröhrchen entsprach. — Das zweite Kapitel 
der Arbeit gibt eine kurze Zusammenstellung der klinischen Daten bei den 29 
Typhusfällen, in denen die Agglutininschwankungen verfolgt wurden, und für 
jeden Fall eine kurvenmässige Darstellung des Fieberverlaufs und der Agglu- 
tinationsresultate. — Das dritte Kapitel gibt unter Heranziehung der bei aktiver 
Immunisierung von Tieren gewonnenen Beobachtungen die Erklärung für die Ag- 
glutinationsschwankungen im Blutserum der Typhuskranken. Die wesentlichsten 
Schlussfolgerungen der eingehenden Veröffentlichung sind folgende: Nach einer 
einmaligen Injektion von Typhus- und Cholerabakterien kommt eine Aggluti- 
ninentwickelung zustande, deren Kurve aus drei Phasen besteht: 1. Latenzperi- 
ode (2—3 Tage), die Zeit, die verstreicht, bis das Agglutinin im Blut auftritt. 
Es scheint, als ob während der Zeit in der Milz oft schon Agglutinine sich ge- 
bildet haben. 2. Steigerung der Agglutininmenge bis zum 7.— 9. Tag. 3. Plötz- 
lich beginnendes Fallen, das sich langsam und kontinuierlich fortsetzt. Die 
Grösse und Form der Ausschläge ist individuell sehr verschieden. Im Blute 


45 


594 Immunität. Schutzimpfung. 


von Typhuspatienten findet eine Agglutininentwickelung statt, deren Kurven 
sehr denjenigen von Tierversuchen gleichen, die durch tägliche Injektion 
kleinerer Bakterienmengen gewonnen werden. Hier erscheint die erste und 
zweite Phase verlängert; die dritte Phase beginnt jedoch plötzlich, selbst bei 
Fortsetzung der Injektionen. Wird in der zweiten Phase der Steigerung der 
Entwickelung eine neue Injektion gesetzt, so bleibt der neue Ausschlag relativ 
gering. Wird die Injektion an Tieren jeden dritten Tag wiederholt, so setzt 
sich die entstehende Kurve aus mehreren aufeinanderfolgenden Einzelschwin- 
gungen zusammen. Die Beobachtung der Agglutininschwankungen beim Typhus 
ist als prognostisches Hülfsmittel nicht zu verwerten. ` 
Hayo Bruns (Gelsenkirchen). 


v. Elischer J. und Kentzler J., Ueber die baktericide Eigenschaft des 
Typhusserums. Berl. klin. Wochenschr. 1905. No. 29. S. 897. 

Die bakterienzerstörende Kraft des Serums von Typhuskranken ist an 
einen bestimmten Konzentrationsgrad gebunden; die oberhalb und unterhalb 
dieser Grenzen liegenden Konzentrationsgrade lassen Typhusbacillen unbeein- 
flusst und hindern auch ihre Vermehrung nicht. Stärkere Konzentrationen 
erweisen sich also weniger baktericid als schwächere Konzentrationsgrade, die 
innerhalb der wirksamen Grenzen liegen. Das wird nach Versuchen 
von Neisser und Wechsberg dadurch erklärt, dass der an Typhus erkraukte 
Körper wenig Komplemente, wohl aber Amboceptoren im Uebermass aus- 
scheidet; die im Uebermass gebildeten Amboceptoren vereinigen sich mit dem 
Komplement und machen dieses unfähig, sich an die Bakterienzelle zu ver- 
ankern; so bleibt die Abtötung der Bakterien aus. 

Es zeigte sich nun, dass natürliches Patientenserum weit schwächer wirk- 
sam war, als man das Patientenserum zuerst durch Erhitzen auf 56° inakti- 
vierte und dann durch Zusatz von Kaninchenserum (Komplement) wieder 
wirksam machte. Nahmen die Verff. nicht inaktiviertes Patientenserum und 
setzten diesem Kaninchenserumkomplement zu, so blieb jede Wirkung 
aus. Es muss also im Typhuspatientenserum ein bei 56° zu Grunde gehender 
Stoff vorhanden sein, der das fremde Komplement in seiner Wirkung behindert 
oder gar aufhebt. $ 

Der Organismus der Typhuskranken verhindert das Zustandekommen der 
Bakteriolyse einmal durch Ueberproduktion von Amboceptoren, die das Komple- 
ment hindern, mit den Bakterienzellen sich zu vereinigen, ferner durch Bildung 
von Stoffen, die den Antikomplementen ähnlich wirken, aber thermolabil sind. 
Da die Typhusintoxikation im wesentlichen durch die im Körper der Bakterien 
befindlichen Endotoxine zustande kommt, so erscheint eine auf Bakteriolyse 
gerichtete Serumtherapie des Typhus vorläufig als unzweckmässig, da dadurch 
eine grössere Menge von Endotoxin frei werden könnte, die ihrerseits krank- 
heitssteigernd wirken würde. Hayo Bruns (Gelsenkirchen). 


Immunität. Schutzimpfung. 595 


Falta W. und Noeggerath C. T., Ueber Rassenunterschiede von Typhus- 
stämmen und überHemmungskörper im Serum in ihrer Bedeutung 
für die Gruber-Widalsche Reaktion. Deutsch. Arch. f. klin. Med. 
Bd. 83. S. 151. 

Eine kleine Typhusendemie in der Nähe von Basel ergab die Beobachtung, 
dass das Serum der Patienten verschiedene Typhusstämme in ganz ver- 
schieden hohem Masse agglutinierte. So wurden die l,aboratoriumsstämme 
der Verff., sowie eine aus Prag bezogene Kultur gar nicht, andere Kulturen, 
wie z. B. eine aus der Milz des Patienten gewonnene, dagegen sehr hoch 
agglutiniert. Erst im Verlauf der Krankheit stellten sich Agglutinine auch 
für die zuerst erwähnten Stämme ein. Andere Sera dagegen wirkten auf 
sämtliche geprüften Stämme von vornherein ziemlich gleichmässig ein. Für 
die Höhe des Agglutinationstiters spielen aber nicht nur die Eigenschaften 
des zu agglutinierenden Stammes (grösserer oder geringerer Gehalt an Agglu- 
tininreceptoren), sondern ebenso die des zur Immunisierung benutzten (bezw. 
des krankheitserregenden) Stammes eine Rolle; endlich kommt es auch auf 
den Receptorenapparat des Serumspenders (Individualität) an. Durch diese Diffe- 
renzen erklären sich vielleicht manche Beobachtungen über spätes Auftreten 
oder vollständiges Fehlen der Agglutination bei einzelnen sicheren Typhusfällen. 
Zweckmässig werden derartige Sera mit verschiedenen Typhusstämmen geprüft. 

Gelegentlich trat beim Anstellen der Agglutinationsreaktion in manchen mit 
Typhusbacillen versetzten Typhusseren eine sogenannte Hemmungszone auf, 
d. h. die Erscheinung, dass konzentriertes Serum nicht agglutinierte, während 
verdünntere Sera gute Agglutination darboten. Diese Hemmungskörper 
treten oft erst gegen das Ende der Krankheit in die Erscheinung, sie sind 
nicht auf freie Agglutininreceptoren der Typhusbacillenaufschwemmung zurück- 
zuführen, sondern auf die im Körper entstandenen Abbauprodukte der ther- 
molabilen Agglutinine. Ihr Auftreten kann ebenfalls einen negativen Ausfall 
der Reaktion vortäuschen. Diese Fehlerquelle lässt sich am besten vermeiden, 
wenn man möglichst dichte Bakterienaufschwemmungen heranzieht und das 
Serum bis zur Endwirksamkeit jedesmal austitriert. 

Hayo Bruns (Gelsenkirchen). 


Scheller R., Experimentelle Beiträge zur Theorie und Praxis der 
Gruber-Widalschen Agglutinationsprobe. Centralbl. f. Bakt. Abt. I. 
Bd. 38. S. 100. 

Die Agglutinine sind Körper ausserordentlich komplexer Natur, tie aus 
zahlreichen einander nahestehenden Komponenten zusammengesetzt sind. Bei 
vielfachen Untersuchungen, die Verf. ausführte, zeigte es sich, dass im zeitlichen 
Verlauf der Agglutinationsreaktion mit Patientenserum nicht immer eine ge- 
wisse Gesetzmässigkeit auftritt. Gelegentlich wird beobachtet, dass mit ver- 
schiedenen Seris ein und derselbe Stamm rasch, ein anderes Mal langsamer 
agglutiniert wird. Dabei ist die Stärke der Reaktion durchaus nicht immer 
der Schnelligkeit der Reaktion entsprechend. Es kann ein anfangs bedeutend 
niedriger agglutinierendes Serum höhere Endwerte nach längerer Beobachtung 
erreichen als ein unter gleichen Bedingungen aufaugs verhältnismässig hoch 

437 


596 Immunität. Schutzimpfung. 


reagierendes Serum. Andererseits findet man oft, dass in verschiedenen Ver- 
dünnungen ein und desselben Serums gelegentlich Unregelmässigkeiten in der 
Wirksamkeit auftreten, dergestalt, dass oft in grösseren Verdünnungen die 
Reaktion deutlicher und rascher auftritt als in stärkeren Konzentrationen. 
Gelegentlich verschwindet auch eine vorher bestehende Agglutination bei 
längerem Verweilen der Probe im Brutschrank wieder, um dann bei Zimmer- 
temperatur wieder aufzutreten. Alle diese Erscheinungen lassen sich mit der 
Annahme eines einfachen unkomplicierten Vorgangs bei der Agglutination 
nicht in Einklang bringen. Wir müssen annehmen, dass unter Umständen 
auch gerade agglutinationshemmende Reaktionen bei der einen oder anderen 
Verdünnung eine Rolle spielen. Im ganzen hängt die Höhe, der zeitliche 
Verlauf und die Intensität der Reaktion ganz von der Beschaffenheit und den 
Mengenverhältnissen der verschiedenen funktionellen Komponenten im Serum 
(Agglutininen) und der specifischen Gruppen des Bakterienleibes (Agglutino- 
genen) ab. K 

Verf. betont ausdrücklich, dass man trotz des gelegentlich wechselnden 
Verlaufes der Reaktion streng an dem Grundsatz der Specifität festzuhalten 
habe. Er bezeichnet sie, als das bei weitem beste diagnostische Mittel zur 
Erkennung des Typhus und glaubt, dass in vielen Fällen, in denen die 
Gruber-Widalsche Reaktion angeblich abweichende Resultate gegeben habe, 
die Fehlerquelle in der Art der Anstellung der Reaktion und der Beurteilung 
derselben gelegen habe. Zur Beurteilung aller Momente, die bei dem Verlauf 
eine Rolle spielen können, gehört eine gewisse nicht geringe Erfahrung und 
ungestörte Beobachtung des Resultats während einer gewissen Zeit. Darum 
soll die Reaktion lediglich grösseren Centralinstituten vorbehalten bleiben; 
unzweckmässig ist die Errichtung einer grösseren Zahl von kleineren Labora- 
torien, die eventuell einem Kreisarzt unterstellt sind, da diese wegen ihrer 
sonstigen Berufsgeschäfte diesen Untersuchungen gar nicht die Musse und 
Sorgfalt zuwenden können, die sie erfordern. Aus dem gleichen Grunde ist 
Verf. auch nicht mit der Verwendung des Fickerschen Typhusdiagnostikums 
durch weitere ärztliche Kreise einverstanden, da gar nicht sicher sei, ob nicht 
dann die Gefahr der Fehldiagnosen wesentlich zunehmen wird. 

Hayo Bruns (Gelsenkirchen). 


Löwit M., Berichtigung. Centralbl. f. Bakt. Abt. I. Orig. Bd. 38. S. 328. 

Löwit wendet sich gegen Einwendungen von Rodet, die sich auf die 
Desagglutination (Beseitigung der Agglutination) durch mässige Erhitzung 
auf 55—60° beziehen. L. hat Unterschiede in der Desagglutination bei Ver- 
wendung von Normalseram verschiedener Tierarten gefunden; die im Normal- 
serum von Kaninchen agglutinierten Typhusbacillen werden durch 2—5 Minuten 
langes Erwärmen auf 55— 60° desagglutiniert; bei Meerschweinchenblut wurde 
die Erscheinung nicht beobachtet. Rodet nimmt an, dass es sich um eine 
Zerstörung des Agglutinins handelt, während L. von einer Aufhebung der 
Bindung zwischen Agglutinin und agglutinabler Substanz spricht. 

Hayo Bruns (Gelsenkirchen). 


Immunität. Schutzimpfung. ` 597 


Wilms, Serumbehandlung des Milzbrandes. Aus der cbirurg. Klinik 
und Poliklinik Leipzig. Münch. med. Wochenschr. 1905. S. 1100. 

Ein Patient, bei dem eine Milzbrandpustel mit bösartigen Erschei- 
nungen (Schwäche der Herzaktion, allgemeine Kräfteabnahme) bestand, wurde 
durch intravenöse Injektion von Sobernheimschem Serum geheilt, ebenso 
ein anderer mit leichterer Infektion. Kisskalt (Giessen). 


Sacbarof, Ueber die Gewöhnung der Milzbrandbacillen an die bak- 
tericide Wirkung des Serums. Centralbl. f. Bakt. Abt I. Originale. 
Bd. 37. S. 411. 

Versuche über die Gewöhnung der Milzbrandbacillen an bakteri- 
eides Serum sind bisher nur in beschränkter Anzahl mitgeteilt worden. 
Verf. teilt seine Untersuchungen über diese Frage mit, die er im Anschluss 
an die in deu letzten Jahren veröffentlichten gleichartigen Untersuchungen 
mit Typhus- und Cholerabakterien angestellt bat. Das Ergebnis dieser Ver- 
suche ist in der Hauptsache folgendes: 

1. Es gelingt, Milzbrandbacillen an die baktericide Wirkung 
des Kaninchenserums zu gewöhnen, jedoch nur durch Züchtung im 
Serum, nicht dagegen im defibrinierten Blute. Dabei ist mikroskopisch 
keine Veränderung, makroskopisch eine Neigung zur Zusammenballung zu 
bemerken. 

2. Die Eigenschaft der Serumfestigkeit geht durch Aufbewahren 
im Brutschrank, sowie auch bei Zimmertemperatur sebr leicht verloren; 
sie kann nicht so leicht wieder hergestellt werden, wie z. B. bei den Typhus- 
bacillen. 

3. Eine Steigerung der Virulenz konnte bei den serumfesten Bacillen 
nicht nachgewiesen werden. «  Jacobitz (Karlsruhe). 
Shibayama 6. (Tokio), Ueber die Agglutination des Pestbacillus. 

Centralbl. f. Bakt. Abt. I. Orig. Bd. 38. S. 482. 

Verf. standen im ganzen 89 Pestbacillenkulturen verschiedener Her- 
kunft zur Verfügung, die er zum Studium ihrer Agglutinationsverhält- 
nisse verwandte. Es liess sich zunächst feststellen, dass durch das gleiche 
Serum die verschiedenen Stämme in ganz verschieden hoher Weise (in obigen 
Versuchen schwankend zwischen 1:25 und 1: 600) agglutiniert wurden. Diese 
Unterschiede traten besonders bei Temperaturen von 320 auf. Verf. sieht die 
Ursache für diese Verschiedenheit darin, dass die schwer agglutinierbaren 
Stämme eine zähe, fadenziehende Beschaffenheit haben, die leicht agglutinier- 
baren dagegen wenig schleimig sind. (Die gleiche Beobachtung will Verf. 
auch bei verschiedenen Cholerastämmen gemacht haben.) Kulturen, die bei 
32° wenig schleimig und leicht agglutinierbar waren, werden durch Wachstum 
bei 370 stark schleimig und schwer agglutinierbar; andererseits bewirkt längeres 
Wachstum im Eisschrank (3 Tage bei 6—80) eine Abnahme der schleimigen 
Beschaffenheit, eine Zunahme der Agglutinabilität. Ebenso bewirkt mehrfaches 
Auswaschen der Kulturen mit physiologischer Kochsalzlösung bessere Agglu- 
tination. Dass die schwere Agglutinierbarkeit von der stärkeren Virulenz der 


598 Immunität. Schutzimpfung. 


Kultur abhängig sei, konnte nicht bestätigt werden, ebensowenig, dass sie 
mit geringerer Bindekraft für Agglutinine, d. h. mit dem Vorhandensein einer 
Anzahl haptophorer Gruppen in Beziehung zu bringen ist. 
$ Hayo Bruns (Gelsenkirchen). 
Heyrovsky J., Ein Beitrag zur Biologie und Agglutination des Diplo- 
coccus pneumoniae. Centralbl. f. Bakt. Orig. Bd. 38. S. 704. 

Verf. fand, dass degenerierte Pneumokokken sehr viel leichter zur Agglu- 
tination zu bringen sind, als gut erhaltene. Eine derartige Degeneration er- 
zielte er durch Kultivierung der Pneumokokken in 1 proz. alkalischer Trauben- 
zuckerbouillon, in der das Wachstum rasch in dichter Trübung vor sich geht. 
Schon nach 24 Stunden ist die Kultur nicht mehr überimpfbar; die in ihr ge- 
wachsenen Kokken verlieren nach dem Verf. bei Behandlung mit der Gramscheu 
Färbemethode ihre Farbe. Ursache hierfür ist die Säuerung des Nährbodens. 
Diese degenerierten Formen der Pneumokokken werden durch geringen Zusatz 
von Natronlauge vollständig gelöst, so dass die Nährflüssigkeit klar wird. 

Das specifische Seram wurde hergestellt durch Impfung von Kaninchen 
mit den bei 70° abgetöteten Pneumokokken in grossen Mengen und sodann 
auch durch Einverleibung lebender Kulturen; es zeigte sich, dass dieses Serum 
die degenerierten Formen sehr viel stärker beeinflusste, als die gut erhaltenen. 
In den durch Natronlauge geklärten Kulturen der degenerierten Pneumokokken 
lässt sich mit diesem specifischen Serum leicht Präcipitationsreaktion im Ver- 
bältnis von 1:1 bis 1:4 auslösen. Dagegen ist es Verf. nicht gelungen, in 
einfachen ` Bouillonkulturen diese Reaktion zu erzielen. Die agglutinablen 
Substanzen sowohl bei den gut erhaltenen, wie bei den degenerierten Formen 
sind bitzebeständig, die für die gut erhaltenen und die degenerierten Formen 
wirksamen Agglutinine sind,.wie Absorptionsversuche gezeigt haben, wohl im 
wesentlichen gleich, aber nicht vollständig identisch, da bei längerer Aufbe- 
wahrung das Agglutinin für die normalen Pneumokokken viel rascher ab- 
nimmt, als das für die degenerierten Formen. 

Hayo Bruns (Gelsenkirchen). 


Reber H., Ucber Agglutination der Vaginalstreptokokken gravider 
Frauen und die durch dieselben hervorgerufene Hämolyse. Zeit- 
schr. f. Geb. u. Gyn. 1905. Bd. 54. S. 304. / 

Verf. züchtete eine grössere Anzahl von Streptokokkenstämmen aus 
der Vagina gesunder gravider Frauen durch Vorkultur in Bouillon. Alle 
diese Stämme, als „Diplokokken und kleinste Kettchen“ wachsend, 
unterschieden sich morphologisch, kulturell und im Tierexperiment 
angeblich nicht von den pyogenen Streptokokken. Die vom Verf. mikro- 
skopisch mit Bouillonkulturen angestellten Agglutinationsversuche ergaben, 
dass sowohl die aus der Vagina, wie auch die aus pathologischen Pro- 
cessen bei Männern gezüchteten Streptokokkenstämme ziemlich hoch 
agglutiniert wurden durch das Serum der betreffenden Schwangeren, durch das 
der betreffenden Männer und durch ein polyvalentes Immunserum (Tavel), 
dagegen wurden beide Arten Streptokokkenstämme durch das Serum gesunder 


Immunität. Schutzimpfung. 599 


Männer nur wenig beeinflusst. Auch bezüglich der hämolytischen Eigen- 
schaft konnte Verf. keine Unterschiede zwischen den beiden Streptokokken- 
arten nachweisen: Bei beiden Arten war die hämolytische Wirkung zwischen 
3. und 7. Tag wahrnehmbar, schwankte indessen bei beiden Streptokokkenarten 
völlig atypisch (?). Die in der Vagina normaler Schwangeren vorhandenen 
Streptokokken sind also nach Ansicht des Verf.’s mit den eitererregenden 
Streptokokken nahe verwandt. Dass aber trotz der Anwesenheit der 
typischen pathogenen Streptokokken in der Vagina der Schwangeren verhält- 
nismässig selten eine Infektion eintritt, erklärt Verf. damit, dass entsprechend 
der Steigerung der agglutinierenden Kraft des Serums der schwangeren Frauen 
möglicherweise eine Steigerung der Immunität gegenüber den eigenen Strepto- 
kokken eintritt. Baumann (Metz). 


Schlegel M., Die Rotzbekämpfung und die Malleinprobe beim Pferde. 
Unter Zugrundelegung wissenschaftlicher Untersuchungen und praktischer 
Erfahrungen. Stuttgart 1905. Verlag von Ferd. Enke. 8°, 88 Ss. Preis: 2,40 M. 

Im Grossherzogtum Baden traten in den Jahren 1899—1902 fünf grössere 
Rotzseuchen auf, zu deren Tilgung Sch. im Auftrage des badischen Mini- 
steriums des Inneren die Probeimpfung bei den rotzverdächtigen und rotzan- 
steckungsverdächtigen Pferden angewendet hat. Im ersten Teil seiner 
Arbeit bespricht Verf. die Ausbreitung der Seuche; sie wurde festgestellt in 
15 Amtsbezirken mit 31 Ortschaften und 48 Gehöften bei 99 Pferden, von 
denen 10 moribund oder verendet waren und 89 getötet worden sind. 

Der erste Fall (Sommer 1899) betraf den Bestand einer Pferdebahnge- 
sellschaft, die 47 Pferde besass, und zwar wurde die Seuche hier durch ein 
Pferd amerikanischer Herkunft eingeschleppt. Die übrigen 46 Pferde wurden 
mit Mallein geimpft. Hiervon reagierten 3 Pferde typisch, die sich bei der 
Sektion auch als rotzkrank erwiesen (ausgebreiteter Lungenrotz); 43 reagierten 
nicht, 4 trotzdem getötete wurden rotzfrei befunden, ebenso die restierenden 
39 Pferde, die einer sechsmonatigen polizeilichen Beobachtung unterworfen 
worden waren. 

Im December 1899 wurde der zweite Seuchenherd festgestellt in einer 
Brauerei, die 14 Pferde in Besitz hatte. Ein au Haut- und Nasenrotz er- 
kranktes Pferd reagierte auf Mallein sehr heftig; die übrigen 13 Pferde rea- 
gierten nicht. 2 hiervon freiwillig getötete zeigten sich frei von der Rotz- 
krankheit, ebenso die restierenden 11 Pferde, die 6 Monate hindurch unter 
polizeilicher Sperre gestanden hatten. Die Seuche war auch hier vermutlich 
durch ein ausländisches Händlerpferd eingeschleppt worden. 

Die dritte Seuche brach im Sommer 1900 aus, und zwar ebenfalls in 
einer Bierbrauerei, die 17 Pferde besass. Zuerst festgestellt wurde der Rotz 
in einem anderen Bestande von 3 Pferden, die mit jenen oft zusammengespannt 
worden waren. Das eine hiervon zeigte klinische Erscheinungen der Rotz- 
krankheit, reagierte auf Mallein auch typisch und erwies sich bei der Sektion 
mit Nasen-, Haut- und Lungenrotz behaftet. Die 2 übrigen Pferde zeigten 
gleichfalls typische Reaktion und bei der Obduktion das Vorhandensein von 
Lungenrotz. Die 3 Pferde waren von einem aus dem Elsass stammenden 


600 Immunität. Schutzimpfung. 


Pferde inficiert, das im Monat Mai in den Besitz der genannten Brauerei ge- 
langt war. Dieses Pferd hat im Laufe der Zeit zahlreiche andere Pferde mit 
Rotz inficiert; es.stand 5 Wochen hindurch mit den Brauereipferden zusammen, 
wurde zu sehr vielen Fuhren verwendet und kam später nach dem Oberelsass, 
wo es gleichfalls Gelegenheit hatte, die Seuche weiter zu verbreiten. Es war 
an Nasen-, Luftröhren- und Lungenrotz erkrankt und hat, wie Verf. hervor- 
hebt, ganz enorme Mengen schleimig-eiteriger Nasendejekte produciert. In 
Anbetracht dessen, dass nähere Prüfungen über die täglichen Produktionen 
und Entleerungen von Nasenausfluss bei rotzkranken Pferden bis jetzt fehlen, 
hat Verf. sein Augenmerk auch hierauf gerichtet und festgestellt, dass dieses 
Pferd ca. 1—2 Liter pro die entleert hat. Hierdurch ist es auch erklärlich, 
dass Ende 1900 bis Frühjahr 1901 die Rotzseuche stark verbreitet und bereits 
in 7 Amtsbezirken mit 21 Ortschaften und 36 Gehöften bei 50 Pferden Test- 
zustellen war. 

Im December 1900 sind. ferner die Stallungen von 33 Pferdebesitzern des 
Kreises Mühlhausen unter Sperre gestellt gewesen, nachdem in der Stadt 
Mühlhausen in 3 grossen Pferdebeständen Rotz ausgebrochen war. 

Von den 17 Brauereipferden, die sämtlich mit Mallein geimpft wurden, 
reagierten 5 typisch und erwiesen sich bei den Obduktionen als rotzig. Das 
erwähnte, in hohem Grade mit inveteriertem Rotz behaftete Pferd zeigte zwar 
nur geringe thermische Reaktion, aber schwere organische Erscheinungen. 
11 Pferde reagierten nicht und zeigten sich auch nach Aufhebung der Sperre 
und später gesund. : 

In einem anderen Bestande von 5 Pferden reagierten jedesmal 3 Pferde 
nach 2 Impfungen mit französischem und Fothschem Mallein, die sich bei 
der Sektion als rotzig erwiesen; die 2 übrigen Pferde reagierten nicht, wurden 
7 Wochen später getötet und rotzfrei befunden. Von dem Pferdebestande 
eines Ziegeleibesitzers (Januar 1901), der 4 Pferde besass, die alle 4 rotzkrank 
waren, wurde die Seuche auf 2 Bestände mit 4 und 2 Pferden übertragen. 
3 Pferde, die auf Mallein typisch reagierten, erwiesen sich bei der Autopsie 
als rotzig. 

Die fünfte Rotzseuche wurde unter dem Bestande eines Pferdebahn- und 
Reitstallbesitzers festgestellt (107 Pferde). 1 Pferd, amerikanischer Herkunft, 
wurde im moribunden Zustande getötet und mit Rotz behaftet befunden. Von 
den übrigen 6 Pferden fand Verf. bei der klinischen Untersuchung 15 als 
rotzkrank heraus, was durch die Obduktionen bestätigt wurde. Die restieren- 
den 91 Pferde wurden mit Mallein geimpft. 7 reagierten typisch und waren 
auch, wie die Obduktionen bewiesen, tatsächlich rotzig; 3 Pferde reagierten 
zwar thermisch nicht oder nur undeutlich, erwiesen sich aber nach den orga- 
nischen Erscheinungen und klinisch als rotzverdächtig, wurden getötet und 
rotzig befunden. Von den übrigen 81 Tieren wurden 3, trotzdem sie nicht 
typisch auf Mallein reagiert hatten, auf polizeiliche Anordnung getötet, aber 
bei der Sektion rotzfrei befunden. 

Unter den restierenden 78 Pferden, die sämtlich mit Mallein geimpft 
wurden. und keine Reaktion zeigten, befanden sich 3 mit eitrigen Geschirr- 
und Satteldruckschäden,, teilweise auch mit Lymphangitis der regionären 


Immunität. Schutzimpfung. $ 601 


Lymphgefässe. Diese 3 Tiere wurden bis zur vollständigen Abheilung sepa- 
riert gehalten. Die übrigen 75 Pferde wurden in einen neuen Stall ge- 
bracht, an den Hufen vorher mit 3proz. Lysolwasser gründlich 
desinficiert, in dem neuen Stall mit neuen oder vollkommen desinficierten 
Geräten verpflegt und dem Besitzer zur Verwendung in seinem Betriebe 
innerhalb der Grenzen des Ortes und der Feldmark überlassen. Bei der 
nach 5 Wochen erfolgten nochmaligen Impfung reagierten 77 Pferde nicht, 
1 Pferd zeigte zwar eine geringe atypische Reaktion, reagierte bei der dritten 
Impfung aber nicht, wurde trotzdem getötet und erwies sich als rotzfrei. 
Ebenso zeigte sich ein an Kolik verendetes Pferd frei von Rotz. Von den 
übrigen 76 Pferden liess der Besitzer freiwillig 14 im Schlachthause schlachten; 
alle waren rotzfrei. Der Rest von 72 Pferden blieb gesund und konnte nach 
Aufhebung der sechsmonatigen Sperre freigegeben werden. 

Das geschilderte Tilgungsverfahren wurde noch in 6 weiteren Rotzbe- 
ständen mit Erfolg ausgeführt. 

Verf. betont, dass in den 5 Seuchengängen 186 Pferde, die durch An- 
wendung der Malleinimpfung als rotzfrei festgestellt, am Leben erhalten und 
den Besitzern zur Fortsetzung ihrer Betriebe überlassen werden konnten, nach 
dem früheren Tilgungsverfahren von der Arbeit hätten ausgeschlossen und 
unter langdauernde Beobachtung gestellt oder auf Verlangen der Besitzer getötet 
werden müssen. Da die Pferde nicht rotzig waren, hätten sie zum vollen 
Wert vom Staat bezahlt werden müssen. Schätzt man den Wert pro Pferd 
auf 700 M., so sind infolge der angewandten Tilgung mit der Mallein- 
impfung der Badischen Staatskasse ca. 130000 M. erspart worden. 

Im zweiten Abschnitt des Werkes behandelt Verf. den pathologisch- 
anatomischen Teil. Von 135 Obduktionsbefunden, die Sch. selbst aufge- 
nommen hat, betreffen 99 nur rotzkranke Pferde. 42 hiervon waren mit 
Trockenmallein (Mall. sicc. Foth), 36 mit französischem (flüssigem) Mallein 
aus dem Institut Pasteur in Paris geimpft, 21 waren nicht geimpft, erwiesen 
sich aber klinisch als rotzkrank. 

Die 99 Obduktionsbefunde sind in dem Abschnitt zusammengestellt, und 
zwar in der Reihenfolge entsprechend den in den (nachfolgenden) Tabellen an- 
gegebenen Impfergebnissen. 

Bemerkenswert ist, dass eine Anzahl der secierten Rotzfälle als „Fütte- 
rungsrotz“ erkannt wurde. Die Submaxillar- und Retropharyngealdrüsen 
zeigten chronische Lymphadenitis, zuweilen mit käsigen Herden, ohne dass 
die Nasenschleimhäute oder die allgemeine Decke erkrankt waren; dieselben 
Veränderungen, sagt Verf. (S. 38), fanden sich an den Gekrösdrüsen, Milz- und 
Leberlymphdrüsen, nach deren Passage die Rotzbacillen sich in den Lungen 
etablieren, um sogenannten primären Lungenrotz zu veranlassen; erst dann, 
wenn derselbe eine gewisse Ausbreitung erlangt hat, erkranken die Schleim: 
häute der mittleren bezw. oberen Luftwege, zuerst an Katarrh, nächst- 
dem an Geschwürsbildung. Zweifelsohne werden die Rotzbacillen mit infi- 
ciertem Futter und Getränk häufig in den Darmkanal aufgenommen und be- 
wirken dann Lungenrotz. Verf. hält deshalb eine Ergänzung des $ 46 der 
Instruktion zum Reichsviehseuchengesetz für erforderlich, dahingehend, dass 


602 . Immunität. Schutzimpfung. 


auch solche Pferde als ansteckungsverdächtige zu behandeln seien, die nach- 
träglich am Stande eines rotzkranken Pferdes gefüttert oder getränkt worden 
waren. f P 

Im dritten Abschnitt seiner Arbeit behandelt Verf., der im ganzen 
1088 Pferde mit Mallein geimpft hat, die Technik der Malleïnimpfung, die 
Untersuchung rotzkranker und rotzverdächtiger Pferde, den Einfluss anderer 
bei den betreffenden Pferden vorhandener Krankheiten auf die Reaktion bei 
der Malleinisierung u. s. w. 

Grossen Wert legt Verf. auf die Befolgung der stündlichen Messung 
der Körpertemperatur von der 8.—16.—18. Stunde nach der Einspritzung; 
wiederholt fand er, dass bei rotzigen Pferden von den stündlich ermittelten 
Temperaturen eine einzige in ausschlaggebender Weise den Rotzverdacht be- 
gründete, die sonst bei 2- oder 3stündlichen Messungen unbeachtet geblieben 
wäre. Darauf sei es zurückzuführen, dass oft rotzkranke Pferde bei dieser 
Art Messungen für „atypisch reagierend“ erklärt zu werden pflegen. 

Auf Grund seiner günstigen Erfahrungen über die Rotzbekämp- 
fung mit der Malleininprobe empfiehlt Verf. folgenden für die deutsche 
Veterinärpolizei passenden Tilgungsplan. 

A. Die durch die klinische Untersuchung als manifest rotzkrank er- 
kannten Pferde eines Pferdebestandes sind sofort zu töten und zu secieren. 

B. Die übrigen rotzverdächtigen und rotzansteckungsverdächtigen Pferde 
sowie aller weiteren Pferdebestände sind sofort der Malleinprobe zu unter- 
worfen. 

I. Alle typisch reagierenden, rotzverdächtigen Pferde sind sofort zu 
töten und zu secieren, sowie die verseuchten Stalluugen gründlich zu 
desinficieren. 

ll. Die nicht reagierenden, unverdächtigen Pferde sind sofort unter Des- 
infektion der Hufe derselben in seuchenfreier Stallung mit desinfi- 
cierten Gerätschaften zu verpflegen und dem Verkehr freizugeben. 
„In diese Stallräume dürfen andere unverdächtige Pferde nur nach 
bestandener Malleinprobe eingestellt werden“ (Abänderung des $ 46, 
Schlusssatz der Instr. z. R.-V.-8.-G.). 

III. Atypisch reagierende, sowie zwar nicht reagierende, aber klinisch 
irgendwie verdächtige Pferde sind für sich abzusondern und nach vier 
Wochen einer zweiten Probeimpfung zu unterziehen. 

1. Bestehen alle Pferde der Gruppe Ill die zweite Malleinprobe, 
so sind sie freizugeben. 

2. Finden sich typisch reagierende, rotzverdächtige Pferde unter 
der Gruppe Ill, so ist wiederum nach Ziffer I, I, HI, sub B 
zu verfahren. 

Ausführlicher auf das sehr lesenswerte, mit reichlicher Literaturangabe ver- 
sehene Werk Schlegels einzugehen, ist an dieser Stelle nicht möglich; es 
sei deshalb hiermit auf die Öriginalarbeit verwiesen. 

Henschel (Berlin). 


Immunität. Schutzimpfung. 603 


Bonome A., Ueber die Schwankungen des Agglutinin- und Präci- 
pitingehaltes des Blutes während der Rotzinfektion. Centralbl. 
f. Bakt. Orig. Bd. 38. S. 601. 

Die mit ausführlichen Versuchen des Verf.’s belegte Arbeit geht darauf 
hinaus, den Wert der Agglutinationsreaktion für die Diagnose des Rotzes, 
namentlich aucb der latenten Formen zu studieren. Im normalen Zustand 
zeigt das Blut von Pferden gegenüber Rotzbacillen eine Agglutinationskraft 
von etwa 1:100—1:200, bei Katzen und Meerschweinchen eine solche von 
höchstens 1:20—1:40; gemessen wurden diese Werte im mikroskopischen Bild 
bei einer Beobachtungsdauer bis zu 20—24 Stunden. 

Bei der experimentellen Impfung mit Rotz, ebenso bei der künstlichen 
Immunisierung gegen Rotzbacillen zeigt das Blutserum der Pferde und Esel 
eine beträchtliche Zunahme des Agglutiningehalts. Besonders rasch (in 
einem Versuch schon nach 2 Tagen) scheint diese Zunahme aufzutreten, wenn 
die Impfung mit Rotzbaeillen durch die Nasenschleimhaut erfolgt ist, weniger 
rasch dagegen bei der Infektion durch die normalen Verdauungswege. Einer 
etwaigen Erhöhung der Agglutinationskraft des Blutserums bei einem Pferde, 
das wegen des Zusammenseins mit rotzkranken Pferden oder wegen positiven 
Ausfalls der Malleinreaktion rotzverdächtig ist, ist besonderer Wert bei der 
Diagnose auf Rotzinfektion zuzuschreiben. Illustriert wird dieser Satz durch 
das Verhalten zweier Pferde, die dauernd mit den experimentell rotzig gemachten 
zusammengehalten wurden. Diese zeigten allmählich eine Steigerung ihrer Agglu- 
tinationskraft bis zu 1:1380, sie liessen typische Malleinreaktion erkennen. Bei der 
Tötung der Tiere fanden sich keine typischen Veränderungen, nur solche 
bronchopneumonischer Natur, sowie Lymphadenitis; es konnte nur durch 
wiederholte Impfung der Emulsionen auf Katzen und Meerschweinchen die 
rotzige Natur dieser Affektionen nachgewiesen werden. Während der Mallein- 
reaktion erhöht sich die Agglutinationskraft des Blutes, jedoch nur vorübergehend; 
die Erhöhung ist nicht immer der thermischen und organischen Malleinreaktion 
entsprechend, ebensowenig wie an sich die Höhe der Agglutination der Stärke 
der Rotzinfektion entspricht. Auch bei den auf Mallein nicht mehr (wegen 
zu weit vorgeschrittener Krankheit oder wegen wiederholter Malleinisation) 
reagierenden Tieren zeigt sich die Erhöhung der Agglutinationskraft. Bei 
länger dauernder Rotzkrankheit nimmt allmählich das Agglutinationsvermögen 
auch wieder ab; dies wird infolge von gelungenen Reaktivierungsversuchen 
mit normalem Blutserum durch die Bildung von Antikomplementen erklärt, die 
die normalen Komplemente binden und dadurch die Agglutination verhindern. 
Eine Erwärmung des Blutserums auf 60— 65° vernichtet die Agglutinations- 
kraft; jedoch kann derartiges inaktives Serum durch normales Serum, be- 
sonders Katzenserum, reaktiviert werden. 

Neben den Agglutininen finden sich im Serum rotzkranker Tiere auch 
Präcipitine vor, doch immer nur in geringer Menge. Während normales 
Serum mit dem Glycerinextrakt zerriebener Agarrotzkulturen etwa im Ver- 
hältnis von 1:1—1:4 Präcipitation gibt; steigt bei rotzkranken Tieren dies 
Verhältnis bis auf 1:7—1:10. Im Filtrat von Rotzbacillenkulturen dagegen 
sind präcipitable Substanzen nur in ganz geringer Menge vorhanden. 

Hayo Bruns (Gelsenkirchen). 


604 Immunität. Sohutzimpfung. 


Rössle R., Specifische Sera gegen Infusorien. Arch. f. Hyg. Bd. 54. 
Ss. 1. 

Verf. injiciert Kaninchen und Meerschweinchen subkutan konzentrierte 
Aufschwemmungen von Glaucoma scintillans Ehrenbergi, Paramaecium cauda- 
tum und der kleinen Flagellate Chilodon paramaecium, um sich Antisera 
gegen Protozoäön herzustellen, in der Hoffnung, durch Einwirkung dieser auf 
die wegen ihrer Grösse gut zu beobachtenden einzelligen Lebewesen eventuell 
morphologische Veränderungen im Agglutinationsstadium feststellen zu können. 

Er nennt Aufschwemmungen, in denen nur eine bestimmte Art von Proto- 
zoön vorhanden ist — obne Berücksichtigung der gleichzeitig vorhandenen und 
zur Ernährung der Protozo@n unentbehrlichen, eventuell verschiedenartigen Bak- 
terien — „Reinzuchten“ im Gegensatz zu Bakterienreinkulturen. 

Die Herstellung der Reinzucht von Glaucoma scintillans geschieht mit 
Hilfe eines Infuses, in dem durch Zusatz von etwas Bouillon die Fäulnisbak- 
terien angereichert und dadurch andere Protozoön zurückgedrängt werden, bis 
schliesslich allein Glaucoma überdauert. Aus einer solchen Zucht wird dann 
nach Art der Naegelischen Verdünnung mit einer Glaskapillare ein Exemplar 
herausgefischt und in eine ganz dünne Bouillonlösung (1 ccm Bouillon auf 
50 ccm Wasser) übertragen und so fort, bis schliesslich nur Glaucoma und 
eine einheitliche Bakterienart vorhanden ist. Die Reinzucht von Paramaecium 
caudatum wird dadurch erleichtert, dass dieses wärmetoleranter als andere 
eine 24 stündige Einwirkung von 37° aushält. 

Eine möglichste Konzentration der Injektionsflüssigkeit an Protozoen er- 
hält er durch 10 Sekunden langes scharfes Centrifugieren von einzelnen 10 cem 
grossen Portionen und möglichst plötzliches Anhalten der Centrifuge. Die 
grossen Zellen sind dann ins Sediment geschleudert, während die leichten 
Bakterien sich noch in der überstehenden Flüssigkeit befinden und abgegossen 
werden. 

Nach 4—6 Injektionen, die teilweise Abscesse bei einzelnen Tieren hervor- 
riefen, stellte er sich durch Entbluten das Serum her. Im Reagensglase wird 
dieses in entsprechender Verdünnung mit gleichen Teilen Protozoönzucht ge- 
mischt, meist gleich darauf in Uhrschälchen ausgegossen zur Untersuchung 
mit schwacher Vergrösserung. Ferner wurden Einzelindividuen berausgefischt 
und unter dem mit Wachsfüssen gestützten Deckglas untersucht. 

Um die Wirkung normalen Serums auszuschalten, sind Verdünnungen des 
specifischen Serums von 1:20 und 1:40 notwendig. Normales Serum kann 
eventuell auch in der Verdünnung 1:20 noch die Beweglichkeit der Para- 
maecien stören, eine Störung, die im Gegensatz zu der vom specifischen Serum 
gesetzten bald überstanden wird. 

Die gewonnenen Sera zeigten nach Angabe des Verf.’s eine ausgesprochene 
Specifität so weitgehend, dass das durch Einspritzung von Param. caud. ge- 
wonnene Serum nur caudatum und nicht andere Paramaecien anders beeinflusste 
wie normales Serum. 

Die specifisch toxische Wirkung äussert sich zuerst durch ein alsbald auf- 
tretendes Erregungsstadium, in dem die einzelnen Individuen lebhaft hin und 
herschiessen, dann setzen Drehbewegungen ein, bei denen die Oberfläche an 


Immunität. Schutzimpfung. 605 


der anderer korpuskulärer Elemente oder der Glaswand kleben bleibt, meist 
mit irgend einer Stelle agglutiniert; nie jedoch tritt Agglutination mit einen 
anderen Individuum ein. Nun folgt ein mehr oder minder ausgeprägtes länger 
dauerndes Lähmungsstadium, das zunächst die Wimpern der Oberfläche er- 
greift, dann auf die Vakuolen und schliesslich bei energischerer Einwirkung 
auf die undulierende Membran des Cytostoms sich ausbreitet. Dabei werden 
die Vakuolen aufgetrieben, die einzelnen Zellen verquellen, ohne dass merk- 
würdigerweise die Nahrungsaufnahme sistiert. Bei höherer Konzentration und 
längerer Einwirkung platzt die Zelle, ihr Inhalt zerfliesst. Dies ist aber 
kein der specifischen Bakteriolyse gleichzustellender Vorgang. Lytische Stoffe 
fehlen in den Antiseris gegen Protozoön. Auch Normalsera rufen in konzen- 
trierter Lösung das hervor, was specifische Sera in grösserer Verdünnung zu 
Wege bringen; es handelt sich also hauptsächlich um graduelle Unterschiede. 

In gleicher Absicht vorgenommene vitale Färbung mit Neutralrot brachte 
das interessante Ergebnis, dass die Farbstoffe um so langsamer und schlechter 
aufgenommen wurden, je weiter ausgebildet das Lähmungsstadium war; und 
umgekehrt je mebr ein Individuum sich von der Läbmung erholte, um so 
mehr verhielt es sich wie ein intaktes. 

Verf. stellte sich auch nach Löffler ein Trockenserum her, bestehend 
aus den zerriebenen Paramäcienkörpern + Bakterien. Dieses erwies sich in 
geringerm Grade wirksam, es liess sich aber merkwürdigerweise durch halb- 
stündiges Erhitzen auf 70° nicht inaktivieren, während die anderen Sera durch 
Erhitzen auf 56° ihrer paralysierenden Eigenschaften beraubt wurden. 

Eine anatomische Unterlage für die beschriebenen Vorgänge ist nicht ge- 
funden worden. Trembur (Wilhelmshaven). 


Dunbar, Aetiologie und specifische Therapie des Heufiebers. Berl. 
klin. Wochenschr. 1905. S. 797 ff. e 

Das Krankheitsbild des Heufiebers bietet nichts besonders Charakte- 
ristisches. Eigenartig ist nur das periodische Auftreten des Heufiebers zu 
einer bestimmten Jahreszeit, sowie dass die Krankheitsperiode in einer und 
derselben Gegend bis auf Unterschiede von einigen Tagen jahraus jahrein die 
gleiche ist. In ursächlicher Hinsicht richtete sich die Aufmerksamkeit schon 
früh auf gewisse Pflanzen, deren Blüte mit dem Auftreten des Heufiebers zeit- 
lich zusammenfiel. 

Brachte Verf. eine kleine Menge von Gramineenpollen auf die Augen- 
oder Nasenschleimbäute von Heufieberpatienten, so traten innerhalb weniger 
Minuten die bekannten Anfälle auf, während bei normalen Personen die Pollen 
unwirksam blieben. Bei Einspritzung von Gräserpollen unter die Haut zeigte 
sich ebenfalls die Verschiedenartigkeit der Wirkung. Weitere Untersuchungen 
ergaben, dass das Pollentoxin ein Toxalbumin ist. Ein einziges oder einzelne 
Pollenkörner enthalten genügend Toxin, um bei sehr empfindlichen Heutieber- 
patienten starke Reizerscheinungen hervorzurufen. Andererseits kommt in Be- 
tracht, dass in der Heufieberzeit ungeahnte Mengen von wirksamen Pollen in 
der Luft gefunden worden sind. 

Neben den Pollen von Gräsern, besonders von Roggen und Weizen, sind 


606 Immunität. Schutzimpfung. 


in Deutschland auch solche gewisser anderer Pflanzen, z. B. Maiglöckchen, her- 
vorzuheben. In Indien dürfte der Reisblüte dieselbe Bedeutung, wie bei uns 
der Roggenblüte, beizumessen sein. In Nordamerika tritt ausser dem Heu- 
fieber anfang August ein ähnliches Leiden auf, welches auf die Pollen der 
Goldrute und des Ragweed zurückzuführen ist. 

Bei den Tieren finden sich, wie bei den Menschen, gegen Pollentoxin 
differente und indifferente Individuen. In dem Blutserum einzelner Pferde 
konnte nach Verabreichung steigender Toxinmengen Pollenantitoxin fest- 
gestellt werden, dessen Wirkung allmählich bis zu einem gewissen Punkte 
steigt. Mischt man eine Lösung des Pollentoxins, die deutliche Reizer- 
scheinungen auf den Schleimbäuten der Heufieberpatienten hervorruft, mit 
solchem Blutserum, so bleibt die Reizwirkung aus. Auch gelingt es, die durch 
Pollentoxin zuvor hervorgerufenen Reizerscheinungen mit solchem Serum zu 
beseitigen. Therapeutisch ist das Blutserum nur nach Erreichung einer ge- 
wissen Wertigkeit zu verwenden, während zu prophylaktischen Zwecken in 
der Regel ein Serum von geringerem Antitoxingehalt genügen dürfte. Im 
Laufe der Zeit ist es Verf. gelungen, ein verhältnismässig recht wirksames 
Antitoxin zu erzeugen. Die Firma Schimmel & Co. in Miltitz bei Leipzig hat 
sich bereit gefunden, die fabrikmässige Herstellung des Antitoxins in die 
Wege zu leiten. Es ist Sorge getroffen, die Abgabe von nur gleichwertigem 
Antitoxin zu sichern. Würzburg (Berlin). 


Mioni G., Contribution à l’&tude des hemolysines naturelles. Ann. 
de l’Inst. Pasteur. 1905. No. 2. p. 84. 

Die Dosierung des freigewordenen Hämoglobins erfolgte mittels des 
Fleischl-Miescherschen Hämometers. Verf. kam zu folgenden Resultaten: 
Die roten Blutkörperchen zeigen nicht alle die gleiche Widerstandsfähigkeit 
gegenüber Hämolysinen. In der Beziehung kann man die Blutkörperchen 
in sehr wenig, mittelmässig und stark widerstandsfähige einteilen. Die Zer- 
störung einer gewissen Zahl von stark widerstandsfähigen Blutkörperchen be- 
ansprucht eine grössere Menge Hämolysin als die Zerstörung einer gleichen 
Zahl weniger widerstandsfähigen. Dieses verschiedene Verhalten bietet dem 
Verf. eine andere Erklärung für das von Bordet studierte Phänomen nach 
Zusatz von fraktionierten Mengen Hämolysin. Zwischen gewissen Grenzen ist 
die Menge der zerstörten roten Blutkörperchen proportional der Menge Hämo- 
lysin im Serum. 

Im natürlichen Rinder- und Hundehämolysin sind Immunkörper (sensibili- 
satrice) und Alexin in optimalem Verhältnis, weder die eine noch die andere 
Substanz im Ueberschuss. Ist ein Ueberschuss von Immunkörpern vorhanden, 
so ist die Hämolysinmenge proportional der Menge Alexin; bei Ueberschuss 
von Alexin ist die Hämolysinmenge proportional der Menge Immunkörper. 
Wenn das Alexin in Ueberschuss vorhanden ist, so kann durch Erhöhung der 
Dosis Immunkörper die hämolytische Wirkung bis zu einer gewissen Grenze 
gesteigert werden, über welche der weitere Zusatz von Immunkörpern die 
hämolytische Wirkung vermindert. Ebenso kann bei nicht überschüssigem 
Immunkörper die Steigerung der Alexindosis die hämelytische Wirkung bis 


Immunität. Schutzimpfung. 607 


zu einem gewissen Grade verstärken. Die Wirkung des Alexins ist aber nicht 
so beträchtlich wie diejenige des Immunkörpers. 
Silberschmidt (Zürich). 


Friedberger und Dorner, ‚Ueber die Hämolysinbildung durch Injektion 
kleinster Mengen Von Blutkörperchen und übPr den Einfluss des 
Aderlasses auf die Intensität der Bildung hämolytischer Ambo- 
ceptoren beim Kaninchen. Aus dem hygien. Institute der Universität 
Königsberg. Centralbl. f. Bakt. Bd. 38. S. 544. 

Aus früheren Versuchen Friedbergers ist bekannt, dass zur Hervor- 
bringung bakteriolytischer Amboceptoren die Injektion sehr kleiner Mengen 
von Bakterien genügt. In der vorliegenden Arbeit ist der Nachweis geliefert, 
dass es auch gelingt, mit 2 und 0,5 mg einer 5 proz. Blutlösung (Ziegenblut) 
die hämolytische Kraft des Kaninchenblutes um das 5—20 fache zu 
steigern. Diese Wirkung war nur bei intravenöser, nicht bei subkutaner In- 
jektion zu erreichen. 

Die Methode der Immunisierung mit kleinen Dosen eignet sich ganz be- 
sonders, um den Einfluss gewisser Manipulationen auf die Intensität der Ambo- 
ceptorenbildung zu studieren, z. B. den Einfluss der Wirkung des Aderlasses. 
Verf. hatte für diesen bereits früher eine Steigerung der Intensität der Bildung 
bakteriolytischer Amboceptoren nachgewiesen; in den vorliegenden Versuchen 
konnte er zeigen, dass eine Blutentziehung (10—20 ccm), während oder kurz. 
vor der Injektion von Ziegenblut, beim Kaninchen die Wirkung hat, dass die 
hämolytische Kraft bedeutend mehr gesteigert wird als bei den Kontrolltieren. 
Sehr grosse Aderlässe scheinen allerdings die umgekehrte Wirkung zu baben. 

Kisskalt (Giessen). 


Ottolenghi D. und Mori N., Die Wirkung des Aethyläthers auf die 
hämolytischen und baktericiden Sera. Aus dem hygien. Institute 
der Universität Siena. Direktor: Prof. A. Sclavo. Centralbl. f. Bakteriol. 
Bd. 38. S. 338. 

Hämolytische Sera werden durch Vermischen mit Aether inaktiviert; 
bei manchen genügt eine Berührung von 2—3 Stunden, bei anderen sind Tage 
dazu nötig. Die Wirkung tritt nur dann ein, wenn die Aethermenge mindestens 
12%, der Flüssigkeit ausmacht. Die nächsten Annahmen der Verff. waren, 
dass das einfache Vorhandensein des Aethers die Wirkung verhindere oder 
dass aus den Blutkörperchen eine Substanz entfernt werde; doch wurden 
beide Annahmen als falsch nachgewiesen. Dagegen liess sich zeigen, dass 
die hämolytischen Komplemente des Rinderserums durch den Aether zerstört 
werden, und zwar die gegen die Erythrocyten des Kaninchen wirksamen nach 
24 Stunden, die gegen die Erythrocyten des Meerschweinchen wirksamen nach 
48 Stunden. Die Agglutinine wurden nicht geschädigt, ebenso wenig die 
bakteriolytischen Komplemente. Kisskalt (Giessen). 


608 Immunität. Schutzimpfung. 


Neufeld F. und Töpfer H., Ueber hämolytische und hämotrope Sera. 
Aus dem Institut für Infektionskrankh. zu Berlin. Centralbl. f. Bakteriol. 
Bd. 38. S. 456. 

Im Gegensatz zu Metschnikoffs Annahme, dass im Immunserum Stoffe 
vorhanden sind, die die Leukocyten zur Aufnahme der betreffenden Bakterien 
anreizen (Stimuline), %ind die Verff. der Meinung, dass diese Stoffe nicht auf 
die Leukocyten einwirken, sondern die Bakterien derart verändern, dass sie 
nun aufgenommen werden können; sie nennen diese bakteriotrope Stoffe. 
Solche Stoffe konnten sie in Streptokokken- und Pneumokokkenserum nach- 
weisen, während bakteriolytische Stoffe fehlten. Zur Untersuchung auf Vor- 
handensein und Eigenschaften hämolytischer Stoffe stellten sie sich ein 
gegen Kaninchenblut aktives Ziegenserum in der üblichen Weise her, das 
dann, um bakteriolytische Wirkungen auszuschliessen, durch Erwärmen inak- 
tiviert wurde. Die Leukocyten wurden vom Kaninchen und vom Meer- 
schweinchen durch Aleuronatinjektion gewonnen. Besondere Sorgfalt ist dar- 
auf zu verwenden, dass die Leukocyten gut beweglich und lebenskräftig sind, 
was beim Meerschweinchen öfter als beim Kaninchen der Fall ist. Ferner 
müssen die Leukocyten 3 mal sorgfältig mit physielogischer Kochsalzlösung 
ausgewaschen werden, da, wie Versuche ergaben, in den Exsudatflüssigkeiten 
Stoffe vorhanden sein können, welche fremde Blutkörperchen zur Aufnahme 
in Leukocyten geeignet machen. Ferner ist in Betracht zu ziehen, dass manch- 
mal in den Exsudaten Leukocyten vorhanden sind, die schon rote Blut- 
körperchen aufgenommen haben. Unter Beobachtung, dieser Vorsichtsmass- 
regeln gelingt es, nachzuweisen, dass das Immunserum die Aufnahme der zu- 
gehörigen Blutkörperchen beförderte, dagegen nicht die fremder Blutkörperchen. 
Dagegen war hämotrope Kraft vorhanden, gleichgiltig, ob Kaninchen- oder 
Meerschweinchenleukocyten genommen wurden. Hieraus geht hervor, dass das 
Serum nicht stimulierend auf die Phagocyten, sondern verändernd auf die Blut- 
körperchen wirkt; die Phagocyten nehmen nunmehr sekundär die „sensibili- 
sierten“ roten Blutkörperchen auf. Dass die Bindung der hämotropen Stoffe 
an die Blutkörperchen und nicht an die Leukocyten geschieht, lässt sich auch 
durch Centrifugierversuche nachweisen; in den Versuchen von Sawtschenko 
und Tarassewitsch, die das Gegenteil zu beweisen scheinen, konnten Fehler 
nachgewiesen werden. Weiter wurde die Frage der Identität oder Nichtiden- 
tität der Hämotropie mit bekannten Stoffen untersucht. Von den Agglutininen 
sind sie sicher verschieden, da es gelingt, agglutinierendes Serum ohne hämo- 
trope Wirkung und hämotropes Serum ohne agglutinierende Wirkung herzustellen. 
Ferner gelang es den Verff., durch Vorbehandlung von Kaninchen wit Meer- 
schweinchenblut ein Serum zu erhalten, das stark hämolytische, aber gar 
keine hämotropen Antistoffe enthielt. Sawtschenko hat zwar bei derselben 
Versuchsanordnung starke Phagocytose beobachtet, doch ist anzunehmen, dass 
sich die Versuchsthiere dabei, wie vielfach bei der Bildung von Antikörpern, 
verschieden verhalten. Kisskalt (Giessen). 


Immunität. Schutzimpfung. Beleuchtung. 609 


Landsteiner K., Ueber die Unterscheidung von Fermenten mit Hilfe 
von Serumreaktionen. Aus dem path.-anat. Institute in Wien. Vorstand: 
Prof. Dr. Weichselbaum. Centralbl. f. Bakt. Bd. 38. S.-344. 

Verf. suchte die Frage zu entscheiden, ob Antifermente nur gegen das 
Ferment der Tierart, mit deın sie hergestellt worden sind, oder auch gegen 
die gleichen Fermente anderer Tierarten wirksam seien. Zur Injektion wurde 
Pepsin und Lab vom Schwein und Trypsin vom Rind Gänsen injiciert; die 
Sera wurden, wenn sich eine namhafte Steigerung der antifermentativen Wirkung 
im Vergleich zu normalen Serum erkennen liess, gegenüber Pepsin vom Schwein 
und vom Hund, Lab vom Schwein, Rind und Hubn und Trypsin vom Menschen, ` 
Schwein, Rind und Huhn geprüft. Die Prüfung der Trypsin- und der Pepsin- 
wirkung geschah in der Weise, dass die Fermente allein, mit normalem Gänse- 
serum und Immunserum mit 10 proz. Gelatine zusammengebracht und die 
Mischung bei 380 aufbewahrt wurde; dann wurden sie abgekühlt und nun die 
Temperatur bestimmt, bei der die Gelatine wieder flüssig wurde. Diese war 
stark herabgesetzt bei Zusatz der Fermente allein, weniger stark und zwar in 
fast gleicher Weise, wenn fremdes Immunserum oder Normalserum mit einge- 
bracht wurde, fast gar nicht bei Zusatz des Immunserums, das mit dem be- 
treffenden Fermente gewonnen war. Auch bei Lab wurde analoges beobachtet, 
so dass man sagen kann, dass eine Steigerung der Hemmungswirkung nur 


in Bezug auf die zur Injektion verwendete Fermentart eintritt. 
Kisskalt (Giessen). 


Wedding W., Ueber den Wirkungsgrad und die praktische Bedeutung 
der gebräuchlichsten Lichtquellen. Journ. f. Gasbel. u. Wasserver- 
sorg. 1905. S. 1. 

Der Vorgang des Leuchtens beruht in sämtlichen praktisch verwerteten 
Liebtquellen auf der Erzeugung des Lichts durch hohe Temperaturen. Mit 
Untersuchungen über den Wirkungsgrad und die praktische Bedeutung der 
gebräuchlichsten Lichtquellen befasst sich die vorliegende Arbeit. Es wird 
die Umsetzung der zugeführten Energie in andere Energieformen durch 
die Lichtquelle auf Grund von Strablungsmessungen erörtert. Zu diesem 
Zweck wurde zunächst die gesamte Energiemenge bestimmt, dann der auf die 
gesamte Strahlung entfallende Teil und schliesslich der auf die sichtbare 
kommende. Aus der Differenz der Gesamtstrahlung und der sichtbaren Strahlung 
wurde der Anteil an dunkler Strahlung berechnet, und aus der Differenz 
zwischen Gesamtenergie und Strahlungsenergie ergab sich die geleistete Energie. 
Die Messungen wurden ausgeführt mit Hilfe des Bolometers. Es ist dies ein 
vom elektrischen Strom durchflossener Widerstand aus berussten Streifen von 
feinem Platinblech, welcher die Stromstärke ändert, wenn seine Temperatur 
sich durch die Energie einer auffaltenden Strahlung ändert. Nachdem die 
Gesamtstrahlung gemessen war, wurden die dunklen von den hellen Strahlen 
dadurch getrennt, dass zwischen Lichtquelle und Bolometer ein die dunkle 
Strahlung absorbierender Stoff eingeschalten wurde. Auf diese Weise kamen 


610 Beleuchtung. 


10 der mehr oder weniger weit verbreiteten Lichtquellen zur Untersuchung. 
Besonderen Wert erhält die Arbeit dadurch, dass bei jeder Lichtquelle die 
Verteilung des Lichts im Raum figürlich aufgezeichnet ist. Verf. kommt zu 
dem Ergebnis, dass bei allen in der Praxis benutzten Lichtquellen fast die ganze 
zugeführte Energie in Wärme umgesetzt wird, indem der auf die sichtbare 
Strahlung entfallende Teil verschwindend klein ist. Hieraus folgt, dass alle 
die gebräuchlichsten Lichtquellen viel zu viel Wärme geben, und dass die 
Erzeugung des Lichts eine rationelle nicht ist. Der zweite Teil der umfäng- 
lichen Arbeit befasst sich mit der praktischen Bedeutung der gebräuchlichsten 
Lichtquellen und stellt fest, für welche Art der Beleuchtung sich die einzelnen 
Lichtquellen am besten eignen. Wolf (Tübingen). 


Martens F. F., Ueber einen neuen Beleuchtungsmesser. Journ. f. 
Gasbel. u. Wasserversorg. 1905. S. 85. 

Der Apparat dient zur Messung der Beleuchtung eines Platzes und 
dürfte als eine wesentliche Bereicherung unseres für diesen Zweck bekannten 
Instramentariums anzusehen sein. Er ist von der Firma Schmidt & Haensch 
in Berlin zu beziehen. Bezügich seiner Einrichtung sei auf das Original ver- 
wiesen. Wolf (Tübingen). 


Voege W., Ueber die Farbe künstlicher Lichtquellen und über den 
Lichteffekt der Strahlung. Journ. f. Gasbel. u. Wasserversorg. 1905. 
S. 513. 

Wenn eine neue Lampe zu den schon vorhandenen künstlichen Licht- 
quellen hinzutritt, wird ihre Lichtstärke horizontal und sphärisch bestimmt, 
und es wird untersucht, wie gross die Menge Brennmaterial ist, die sie zur 
Erreichung dieser Lichtstärke benötigt. Ganz unberücksichtigt aber bleibt die 
Farbe des Lichts, obwohl diese von grosser Bedeutung ist; denn es ist die 
Aufgabe jeder künstlichen Beleuchtung, das Tageslicht zu ersetzen. Man will 
nicht nur hell und dunkel unterscheiden können, man will vielmehr auch die 
Gegenstände in den gewohnten Farben sehen. Ganz besonders kommt dies 
in Betracht in Verkaufsläden. Hier kann z. B. die Quecksilberlampe, in deren 
Licht alles Rot schwarz erscheint, keine Verwendung finden. Es ist also zur 
Beurteilung der Güte einer Lichtquelle unbedingt auch ein Vergleich der Farbe 
des Lichts mit dem Tageslicht erforderlich. Man verfährt zu dem Zweck der- 
art, dass man das zu prüfende Licht mittels eines Prismas in seine Einzel- 
farben zerlegt und mit einem Spektralphotometer die Helligkeit in den ein- 
zelnen Farben bestimmt. Wegen der Umständlichkeit dieses Verfahrens tut 
man besser, aus dem Gesamtlicht durch Einschalten eines gefärbten Glases 
einen bestimmten Spektralbezirk herauszublenden und in diesem Lichte auf 
die gewöhnliche Weise zu photometrieren. Mit Hilfe der letzteren Methode 
wurden 10 verschiedene Lichtquellen untersucht. Am nächsten dem Tages- 
licht kommt das Bogenlicht (mit sogenannten weissen Kohlen), dann Acetylen, 
Nernstlampe, Osmiumlampe, Tantallampe, elektrische Glühlampe und zuletzt 
Petroleum. Die Farbe des Lichts wird erheblich verändert durch die Art der 
es umgebenden Glaskugel (durchsichtig, mattiert u. s. w.). Mit der Farbe des 


Abfallstoffe. 6ll 


ausgestrahlten Lichts hängt in gewisser Hinsicht der Lichteffekt der Strah- 
lung zusammen, wenn unter Lichteffekt das Verhältnis der Energie der sicht- 
baren zu der Energie der Gesamtstrahlung verstanden wird. Der Lichteffekt 
ist am grössten bei Lichtquellen mit vielen roten Strahlen (z. B. elektrisches 
Glüblicht), am geringsten bei solchen mit vielen grüngelben Strahlen (Gas- 
glühlicht). Wolf (Tübingen). 


Backhaus A., Städtesanierung und Landwirtschaft. Beiträge zur wissen- 
schaftlichen Medizin. Festschrift zur Feier des 80. Geburtstages des Geh. 
Sanitätsrats Dr. Georg Mayer (Aachen). S. 1. Berlin 1905. August Hirsch- 
wald. 

Die Beseitigung städtischer Abfallstoffe in ihrer Wirkung auf die 
Landwirtschaft bespricht der Verf. im wesentlichen vom landwirtschaft- 
lichen Standpunkt aus. Er erkennt an, dass die hygienischen und ästhetischen 
Beziehungen immer an erste Stelle gesetzt werden müssen, und betont mithin 
die Notwendigkeit, dass die Landwirtschaft sich mit den in hygienischer Be- 
ziehung einwandfreien Methoden abfinden muss. Er gibt eine Anzahl an- 
scheinend sehr zweckmässiger Vorschriften, um die landwirtschaftliche Aus- 
nutzung des städtischen Abwassers erheblich zu erhöhen. Gerade ein in eigener 
Regie geführter landwirtschaftlicher Betrieb ist oft für die Kommunen von 
besonderer Wichtigkeit besonders mit Rücksicht auf die Versorgung der Städte 
mit Obst, mit Kindermilch, ferner auch mit Rücksicht auf die Beschäftigung 
von Arbeitslosen. Auch die landwirtschaftliche Verwertung des Mülls und 
des Hauskehrichts kann wesentlich gebessert werden. 

Hayo Bruns (Gelsenkirchen). 


Senft E., Mikroskopische Untersuchung des Wassers mit Bezug auf 
die in Abwässero und Schmutzwässern vorkommenden Mikro- 
organismen und Verunreinigungen. Wien 1905. Josef Safır. 196 Ss. 
8°. Preis: 9,60 M. 

Das Bestreben, bessere Methoden für die Beurteilung des Wassers zu 
finden als die bisherigen ausschliesslich chemischen bew. auch bakteriolo- 
gischen, ist aktuell. Es kommt nicht nur Trinkwasser in Betracht, sondern 
auch die Begutachtung von Flussläufen, Fischgewässern u. s. w. 

Durch die mehr und mehr anwachsende Industrie, durch die rapide Zu- 
nahme der deutschen Bevölkerung ist es unausbleiblich, dass durch die 
sich infolge dessen vermehrenden Abwässer unsere Wasserläufe immer mehr 
verdorben und einer häufigeren Begutachtung bedürftig werden. 

Man bat nun gefunden, dass gewisse Abwässer auch eine ganz charakte- 
ristische Flora und Fauna erzeugen, und dass nach dem Vorkommen der ein- 
zelnen Organismen, auch ihrer Menge und ihren Lebensgemeinschaften nach, 
wieder ganz bestimmte Schlüsse zu ziehen sind auf den Grad der Verun- 
reinigung und die Herkunft der Abwässer. 

Das im Jahre 1898 erschienene Werk von C. Mez „Die mikroskopische 


612 Abfallstoffe. 


Wasseranalyse“ kann als eine grundlegende Arbeit bezeichnet werden; weitere 
Forschungen wurden gleich darauf von den wissenschaftlichen Mitgliedern 
einer vom preussischen Kultusminister eingesetzten Kommission aufgenommen 
und von den Biologen der Königl. Versuchs- und Prüfungsanstalt für Wasser- 
versorgung und Abwässerbeseitigung fortgesetzt, so dass in diesem Institute 
die Beurteilung des Wassers nach seiner Fauna und Flora eine Sicherheit er- 
langt hat, die keinen Zweifel mehr an der Brauchbarkeit der Methode zulässt. 
Schon in dem ersten Hefte der Mitteilungen der Anstalt wurden von Kolk- 
witz und Marsson die Grundsätze für die neue Beurteilung dargelegt und 
die Organismen des verunreinigten Wassers als Saprobien (Poly-, Meso- und 
Oligosaprobien), die des reinen dagegen als Katharobien bezeichnet. Die 
Tausende von Lebewesen, einschliesslich der höheren, in ein physiologisches 
System zu bringen, wird noch eine gewisse Zeit erfordern, aber die Nachfrage 
nach einem das Wichtigste der Materie zusammenfassenden Werke hat sich 
doch schon geltend gemacht. 

In Anlehnung an die Mezsche Arbeit sowie an die verschiedenen in 
den Mitteilungen der genannten Anstalt erschienenen biologischen Arbeiten ist 
nun aus dem chemischen Laboratorium des k.u. k. Militärsanitätscumites in 
Wien das oben angeführte Senftsche Werk hervorgegangen, welches in erster 
Linie für den Hygieniker bestimmt sein soll. Freilich ist aus dem grossen 
bydrobiologischem Gebiete nur das Wichtigste ausgewählt, jedoch für einge- 
hendere Studien am Schluss des Buches ein Literaturverzeichnis beigegeben. 
Nach der Erfahrung, dass ein brauchbares Bild mehr sagt, als eine lange Be- 
schreibung, wurde das Werk mit zahlreichen Abbildungen im Text sowie auf 
10 lithographischen Tafeln versehen. 

Nach einer Einleitung über die geschichtliche Entwickelung der mikro- 
skopischen Wasseruntersuchung wird im allgemeinen Teil das Mikroskop mit 
seinen Hülfsapparaten behandelt und Winke für das Sammeln und die Unter- 
suchung selbst gegeben; im speciellen Teil werden dann die Lebewesen selbst 
behandelt sowie auch viele leblose im verschmutzten Wasser vorkommende 
Substanzen beschrieben und abgebildet. 

Es ist nun sehr schwer für Jemand, der nicht die umfassendsten Erfah- 
rungen gesammelt hat, über das Vorkommen der verschiedenen Organismen 
an den verschiedensten Verschmutzungsstellen, so besonders auf den Riesel- 
feldern, an den biologischen Körpern, an industriellen Reinigungsanlagen und 
Abflüssen, an Flussläufen der verschiedenartigsten Individualität und Gegend, 
an verkoteten Teichen, Pfützen u. s. w., aber auch an reinen Gebirgsbächen 
u.s. w., die strenge Charakterisierung der Organismen als Poly- Meso- und 
Oliogosaprobien durchzuführen. Da will es uns scheinen, dass Verf. mit der 
Festlegung der Polysaprobien einen gewissen Missbrauch treibt. Unter Poly- 
saprobien kann man nur solche Organismen zusammenfassen, welche in dem 
am ärgsten verschmutzten Wasser noch ihre Lebensbedingungen finden, in 
welchem mit Ghromatophoren versehene Pflänzchen nur selten vorkommen 
können. Wenn aber die potamophilen Kieselalgen, wie Synedra ulna, Cocco- 
neis-, Pleurosigma-, Amphora-, Gomphonema-, Cymbellaarten und viele andere 
noch als polysaprob bezeichnet werden, so muss der Anfänger, der seine 


Abfallstoffe. 613 


Beobachtungen in der Natur, beispielsweise an verhältnismässig reinen Flüssen 
macht, stutzig werden. Es würde zu weit führen, noch weitere Beispiele an- 
zuführen, auch über manche als Mesosaprobien bezeichneten Protozoön wie 
Polytoma uvella; welche noch faulendes Wasser liebt u.a. m. Solche Irr- 
tümer sind bei einer weiteren Auflage, welche das Buch bei dem vorliegenden 
Bedürfnis wohl bald erleben wird, richtig zu stellen, ebenso wie auch viele 
sich wiederholende Druckfehler wie „Fragillaria“, „Pinullaria“, „palludosa“ u.s.w. 
Wenn in dem Buche die Chloroflagellaten u. a. Gruppen noch zu den Tieren 
gerechnet werden, so ist das wohl mehr den beigegebenen Bestimmungstabellen 
in Vereinigung mit sich ähnelnden Organismen zu Liebe geschehen, als es 
den modernen Anschauungen entsprochen hätte. Eine grosse Tiergruppe, 
die der Rotatorien, ist mit wenigen Sätzen abgetan, während es doch 
ubiquitäre Organismen sind, die in allen unseren Gewässern, auch in Ab- 
wässern in zahlreichen Arten und Individuen vorhanden sind. 

Es liessen sich auch einige Behauptungen des Verf.’s widerlegen, wie bei- 
spielsweise die nur „zufällige Verunreinigung“ durch Schimmelpilzarten, „die 
gewöhnlich im Wasser nicht mehr weiter vegetieren können“, während 
es nach den in der letzteren Zeit häufiger ausgeführten biologischen Wasser- 
untersuchungen bekannt geworden-ist, dass beispielsweise Wasserformen von 
Mucor oft ganze Strecken von Bächen auskleiden und in gewissen Abwässern 
stets zu finden sind. 

Alle solche Beobachtungen müssen erst besser zusammengetragen werden, 
ehe ein umfassendes, allen Anforderungen gerecht werdendes Werk geschrieben 

~ werden kann. Zur schnellen Orientierung für den Hygieniker, für Wasserbau- 
und Gewerbeaufsichtsbeamte u. s. w., welche letzteren das Bestreben zeigen, 
sich in biologischen Fragen zu orientieren, kann das Senftsche Werk em- 
pfohlen werden, da es einem solchen Bedürfnisse wohl entspricht; weiter- 
gehende Schlüsse für eine endgültige Beurteilung des Wassers aus demselben 
zu ziehen, wäre zu widerraten. Marsson (Berlin). 


Winslow C. E. A. and Hansen P., Some statistics of garbage’disposal 
for the larger American cities in 1902. Reprint. from Amer. publ. 
health assoc. rep. Vol. 29. 27 pp. 8°. Columbus, Ohio 1904. 

Nach dem ‘Ergebnis einer an 161 Städte der Vereinigten Staaten mit 
mehr als 25000 Einwohnern gerichteten Umfrage entbehrten 29 unter 155 Städten 
einer geregelten Beseitigung der Abfallstoffe. Nur in 61 von 146 Städten 
rubte letztere in den Händen von Gemeindebeamten. Sie erfolgte wöchent- 
lich ein-, bis sechs-, in den meisten Städten zwei- oder dreimal, in denen des 
Südens gewöhnlich täglich. 111 der 146 Städte liessen eine mehr oder 
weniger vollständige Trennung der Abfälle vornehmen. 

Ziemlich durchweg wird Asche aufs Land gebracht oder zum Füllen be- 
nutzt, nur selten dem nächsten Wasserlauf zugeführt. Brennbarer Abfall wird 
in 74 Städten aufs Land gebracht, in 26 verbrannt, in 19 verbrannt oder ver- 
wertet, in 6 ins Wasser geworfeg. Die einfachsten Beseitigungsverfahren sind 
selbst in den grösseren Städten noch die üblichsten; nur 46 von 147 bedienen 
sich eines wissenschaftlichen Verfahrens. Eine Verwertung findet fast nur in 


614 Abfallstoffe. Statistik. 


den grössten Städten statt; am gangbarsten ist dabei die Gewinnung von Fett 
und Dünger. Verbrennungsapparate sind am häufigsten in Städten mit 40000 
bis 100000 Einwohnern. Eine Verbringung der Abfälle aufs Land und ihre 
Benutzung als Viehfutter erfolgt vornehmlich in Orten mit weniger als 
50000 Einwohnern. Würzburg (Berlin). 


Fischer R., Die Beseitigung, Vernichtung und Verarbeitung der 
Schlachtabfälle und Tierleichen unter besonderer Berücksichti- 
gung des Anwohner- und Arbeiterschutzes. Für Verwaltungs-, 
Kommunal- und Aufsichtsbehörden. Mit 12 in den Text gedruckten Abbil- 
dungen. Stuttgart 1905. Verlag von Ferdinand Enke. 159 Ss. 8°. Preis: 4 M. 

Die vorliegende Arbeit ist deshalb besonders zeitgemäss, weil die Ge- 
meinden und Schlachthofverwaltungen immer mehr dazu übergehen werden, 
Schlachthofnebenbetriebe dem Hauptbetriebe anzugliedern. Wenn dies als 
ein grosser Fortschritt in der technischen Entwickelung des gesamten Schlacht- 
hofwesens angesehen werden muss, so ist zur Durchführung eine genaue 
Kenntnis der hier in Frage kommenden Einrichtungen erstes Erfordernis. 
Diese Kenntnis zu vermitteln, ist der Zweck der vorliegenden Arbeit. 

In zehn Abschnitten werden die einzelnen Gesichtspunkte und die Me- 
thoden zur Beseitigung, Vernichtung und Verarbeitung der Schlacht- 
abfälle und Tierkadaver eingehend erörtert, zum Teil auf Grund selbstge- 
machter Beobachtungen. Mit Recht betont der Verf., dass für den Betrieb 
dieser Anlagen ausschliesslich hygienische Gesichtspunkte ausschlaggebend sein 
dürfen. Je mehr dies geschieht und je früher die Gemeinden diese Betriebe 
in eigener Regie unter staatlicher Kontrolle, den Grundsätzen der Hygiene 
entsprechend einrichten und leiten, um so eher wird das Misstrauen und die 
Abneigung gegen derartige Betriebe im grossen Publikum zum Schwinden ge- 
bracht werden. Ohne auf Einzelheiten einzugehen, sei auf die besonders ein- 
gehende Darstellung der Nebenbetriebe (Verarbeitung des Bluts, des Magen- 
und Darminhalts, des Darmschleimes, der Haut, die Gerberei, die Leimge- 
winnung, die Verarbeitung des Talgs, die Margarinefabrikation, die Gewinnung 
der Fettsäuren, die Seifensiederei, die Verarbeitung der Knochen, die Zube- 
reitung der Tierhaare, das Kochen und Dämpfen des Fleisches u. s. w.) be- 
sonders hingewiesen. ; 

Das Buch kann den Kommanal-, Verwaltungs- und Aufsichtsbehörden als 
Ratgeber auf dem in Rede stehenden Gebiet empfohlen worden, wird aber 
auch den Erbauern von Schlachthofnebenanlagen wertvolle Winke geben, deren 
Befolgung der Schlachthofhygiene zugute kommen wird. 

E. Roth (Potsdam). 


Statistiek der bevolking van Amsterdam en eenige voorname 
steden der wereld in de jaren 1899—1903. 49 pp. gr. 8%. Amsterdam 
1904. In commissie bij Johannes Müller. 0,30 f. 

In den Berichtsjahren schwankte in Amsterdam die Zahl der Lebend- 
geborenen zwischen 30,0 auf 1000 Einwohner (1899) und 28,1 (1903), der 


Statistik. 615 


Gestorbenen zwischen 16,7 (1900) und 14,00%/90 (1903). Der Geburten- 
überschuss war 1900 mit 12,3/,, am niedrigsten, 1899 mit 14,7 am höchsten. 
Wesentlich über letzteren Betrag hinaus ging er von den angezogenen Städten 
u. a. in Düsseldorf mit 18,7—19,6, Essen mit 18,1—26,9, Mannheim mit 20,1 
bis 22,5, Buenos Aires mit 19,4—24,4, während er 1903 z. B. in Wien nur 
10,1, Berlin 8,2, New York 7,2, Paris 2,9, Rio de Janeiro —2,4°/,, ausmachte. 
An Scharlach starben 1903 in Amsterdam 1,5 auf 100000 Einwohner, 
an Diphtherie 10,7, an Keuchhusten 12,9, an Unterleibs- und Fleck- 
typhus 8,4. Besonders sei der Lungenschwindsucht gedacht, an welcher 
dort 1899 : 168,1, 1900:184,0, in den drei folgenden Jahren 151,6, 142,7 
und 133,2 von 100000 Einwohnern zugrunde gingen. Noch regelmässiger er- 
folgte die Abnahme der Sterblichkeit an dieser Todesursache in London, 
nämlich von 187,2 auf 159,7, in Paris von 499,5 auf 390,3, in Wien von 
379,3 auf 333,9, in Dublin von 369,9 auf 307,4, in Altona von 207,1 auf 
156,6, in Leiden von 208,3 auf 132,0. Eine vergleichsweise hohe Schwind- 
suchtssterblichkeit fand sich, abgesehen von Paris, Wien, Dublin, in Breslau 
(1903: 304,3), Prag (311,3), Triest (391,8), Budapest (346,1), Bern (326,9), 
Genf (316,9), Besançon (300,4), Nizza (312,5), Lyon (372,0 bei ununterbrochener 
Steigerung von 805,9 im Jahre 1899), Rouen (451,4), Havre (490,8), Athen 
(358,1), Bilbao (319,7). Bösartige Geschwülste führten 1903 in Amster- 
dam in 106,5 Fällen zum Tode, wesentlich häufiger in Kopenhagen (141,3), 
Groningen (164,2), Reims (142,1), Lyon (163,4), Rouen (165,9), St.-Etienne 
(180,0), Ravenna (132,1), dagegen in noch unter 50,0 Fällen auf 100000 
Einwohner in Bilbao (45,7), Cartagena (47,4), Chicago (30,2), San Luis Potosi 
(34,9), Rio de Janeiro (29,6). Würzburg (Berlin). 


Sanitätsbericht über die Königlich Preussische Armee u. s. w. vom 
1. Oktober 1901 bis 30. September 1902. Bearbeitet von der Medi- 
zinalabteilung des preussischen Kriegsministeriums. Berlin 1904. E.S. Mittler 
& Sohn. 

Am 1. Oktober 1901 befanden sich aus dem Vorjahre in militärärztlicher 
Behandlung 7275 Kranke, davon 5876 im Lazarett und 1399 im Revier. Der 
Krankenzugang betrug bei einer Durchschnitts-Iststärke von 540548 Mann 
im Berichtsjahre insgesamt 326 417 Mann = 703,90%/,,, davon im Lazarett 
107 166 = 198,2°/%, im Revier 191 441 = 354,2 0/9, im Lazarett und Revier 
27,815 = 51,500. Die Zahl der Erkrankungen hat damit den niedrig- 
sten bisher beobachteten Stand erreicht: Von 1496,20/% im Jahre 1868 
und 800,3°%/90 im Jahre 1890/91 ist die Krankenzahl stetig zur jetzigen Zahl 
gesunken. Auch die Sterblichkeit hat eine weitere Abnahme erfahren; 
sie belief sich auf 2,0°/% gegenüber 3,1°/% im Jahre 1890/91. Die meisten Er- 
krankungen kamen im Februar vor. Der durchschnittliche tägliche 
Krankenstand betrug 24,5%, gegenüber 30,6 in den Jahren 1881—1885. 
Aufden einzelnen Kranken entfallen im Durchschnitt 14,5 Behandlungstage. 

Was die einzelnen Krankheiten bezw. Krankheitsgruppen betrifft, so betrug 
der Zugang an In fektionskrankheiten 6725 Mann = 124°/%; davon starben 
261 = 3,6°/, der Bebandelten. Echte Pocken kamen nicht vor, Windpocken 


616 Statistik. 


vereinzelt. Die Schutzpockenimpfung war bei 94,7°/, von Erfolg begleitet. 
An Scharlach erkrankten 387, davon 15 mit tödlichem Ausgang. Der Zu- 
gang an Masern betrug 557 Mann, davon starb 1 Mann. Epidemische 
Ohrspeicheldrüsen-Entzündung wurde 754 mal beobachtet. An Diph- 
therie litten 238, davon starben 7. Gehäuft trat die Krankheit wiederum 
nur in Oldenburg auf. Die meisten Erkrankten wurden mit Heilserum gespritzt. 
Von den bereits am 1. Krankheitstage mit Serum Behandelten ist keiner ge- 
storben. Der Zugang an Rose betrug 625 Mann, 7 davon starben. Wund- 
infektionskrankheiten kamen 36 vor, davon 29 mit tödlichem Ausgang. 
Die Zahl der an Unterleibstyphus Erkrankten betrug 489, der geringste 
bisher beobachtete Zugang an Typhus. Es starben 55 = 7,60/, der Behandelten. 
Während in der französischen Armee auf 1000 Mann 4,9 Typhuserkran- 
kungen, in der österreichischen 3,5 und in der italienischen 5,2 kommen, 
beträgt in der preussischen Armee die Zahl der Typhuserkrankungen nur 
0,9%/o0 der Kopfstärke. Die Zahl der „Lazarettinfektionen“ ist nicht 
erheblich: 22 Mann (meist Sanitätsmannschaften und Krankenwärter) = 4,50%, 
des Gesamtzuganges waren an Typhus erkrankt. Grössere Epidemien kamen 
nicht vor; kleinere Epidemien wurden gemeldet aus Bromberg, Saarbrücken, 
Neisse, Höxter, Münster, Gnesen, Strassburg i.E. Die Ansteckung wurde zurück- 
geführt bei einigen Epidemien auf veranreinigtes Brunnenwasser in der Garnison 
oder im Manövergelände, ferner auf Milch, einmal auf Kontaktinfektion von 
einer Speisewirtschaft aus. An Wechselfieber wurden 194 behandelt. Der 
Zugang an Grippe betrug 2245, davon starben 2. An Tuberkulose litten 
1119 Mann, 136 davon mit tödlichem Ausgang. Die Erkrankungsziffer der 
einzelnen Jahre zeigt eine stetige Abnahme bis 1898/99; in den letzten 3 Be- 
richtsjahren jedoch ist wieder eine geringe Zunahme zu verzeichnen. Was die 
Verteilung der Tuberkulose auf die einzelnen Krankheitsformen betrifft, so 
entfielen auf akute Miliartuberkulose 17, Tuberkulose der ersten Luftwege und 
der Lunge 923, der Knochen und Gelenke 55, anderer Organe 124 Fälle. 
Der Zugang an Ruhr belief sich auf 26 Maun. An epidemischer Genick- 
starre erkrankten 17 und zwar 7 mit tödlichem Verlauf. Starrkrampf 
(Tetanus) wurde 7mal beobachtet, darunter 2mal nach Platzpatronenschüssen. 
Die Zahl der Erkrankungen an akutem Gelenkrheumatismus betrug 4006 
= 7,4 gegen 9,8% in den Jahren 1886—1891. An akuter Lungen- 
entzündung gingen 3379 Mann zu = 6,3°/% gegenüber 11,0°/% in den Jahren 
1881-1835. Auch die Sterblichkeit an Lungenentzündung ist von 4,3 auf 
3,3 0/90 der Behandelten zurückgegangen. Der Zugang an venerischen 
Krankheiten betrug 9910 Mann = 18,3%/90 gegenüber 17,8% im Vorjahre, 
und ist somit fast um die Hälfte niedriger als in den Jahren 1881—1885, 
wo er sich auf 35,1°/g0 belief. Bei den ausländischen Armeen ist die Zahl 
der venerischen Erkrankungen bedeutend höher; so betrug sie bei der franzö- 
sischen Armee 30,6, bei der österreichischen 60,0, bei der italienischen 86,3 
und bei der englischen 105,5°%/,, gegenüber 18,3 bei der preussischen. Von 
dem Gesamtzugang an venerischen Erkrankungen entfielen auf Tripper 6493, 
auf weichen Schanker 1259, auf Syphilis 2150 Mann. 

Von den 333 692 insgesamt behandelten Mannschaften sind dienstfähig 


Statistik. 617 


geworden 303 809 = 910,4% der Behandelten, gestorben 724 = 2,2%/, 
anderweitig abgegangen (als invalide, dienstunbrauchbar, zum Gebrauch 
von Badekuren u. s. w.) 21 933 = 65,70°/%. In Behandlung blieben noch am 
Schlusse des Berichtsjahres 7226 = 21,7 °/%. Von den 724 Verstorbenen war 
bei 644 die Todesursache Krankheit, bei 56 Unglücksfall, bei 24 
Selbstmord. Als dienstunbrauchbar wurden entlassen im ganzen 
12393 Mann = 22,9%/,0, davon 5209 = 9,6°/% alsbald nach der Einstellung. 
Als halbinvalide schieden aus 3704 Mann = 6,9°/%, als ganzinvalide 
6430 = 11,9%/o0- Baumann (Metz). 


Sanitätsbericht über das Kaiserliche Ostasiatische Expeditions- 
korps vom 1. Juli 1900 bis 30. Juni 1901 und die Kaiserliche 
Ostasiatische Besatzungsbrigade vom 10. Juni 1901 bis 30. Sep- 
tember 1902. Bearbeitet von der Medizinalabteilung des Königl. Preuss. 
Kriegsministeriums. Berlin 1904. E. S. Mittler & Sohn. 

Das ostasiatische Expeditionskorps, das aus 12 Infanterie-Bataillonen, 

1 Reiter - Regiment, 1 Feld-Artillerie-Regiment u. s. w. bestand, wurde von 

122 Sanitätsoffizieren begleitet. Die Ausstattung der Truppen und der 

Sanitätsformationen musste natürlich, entsprechend den klimatischen und epi- 

demiologischen Verbältnissen des Landes, eine andere sein, als die in der 

Kriegs-Sanitäts-Ordnung vorgeschriebene. So wurde jedes Bataillon, jede Kolonne 

u.s.w. mit zwei grossen Wasserfiltern (Berkefeld) und einem Abessinierbrunnen 

ausgestattet. Als anderweitige Mittel zur Gewinnung keimfreien Wassers er- 

bielt ausserdem jede Kompagnie einen Wasserkochapparat nach Siemens 
oder nach C. A. Schuppmann. Ferner wurden für den Notfall noch die 
zum Wasserreinigungsverfahren nach Schumburg nötigen Chemikalien mit- 
gegeben. Sämtliche Teilnehmer wurden mit Schutzpockenlymphe geimpft. 

An Sanitätsformationen wurden aufgestellt: 1 Sanitätskompagnie, 

6 Feldlazarette, 1 vollständiges Kriegslazarettpersonal, 1 Sektion (=1/3) eines 

Lazarett-Reservedepots und 1 Lazarettschiff. An ausseretatsmässigen Gegen- 

ständen wurden noch mitgenommen: Desinfektionsapparate, fahrbare Röntgen- 

einrichtungen, Lazarettbaracken (Döckersche u. a.). Ausserdem stand ein 
vollständig eingerichtetes bakteriologisches und chemisches Laboratorium sowie 
ein zahnärztliches Laboratorium dem Korpsarzt zur Verfügung. Nach Ankunft 
der Truppen wurde in Tientsin das Feldlazarett No. 1 und 3 in der „Universität“ 
etabliert und weiterhin durch Kriegslazarettpersonal vergrössert, so dass für 
etwa 1000 Kranke Platz war. Feldlazarett 2 und 6 wurden nach Peking, Feld- 
lazarett 4 nach Paotingfu. mitgegeben. Auf eine Verwendung der Sanitäts- 
kompagnie zu ihrem eigentlichen Zwecke konnte verzichtet werden. Zur Be- 
kämpfung und Verhütung der in China endemischen ansteckenden Krankheiten, 

Typhus und Rubr, wurde eine Kontrolle und Verbesserung der Wasserver- 

sorgung und eine Desinfektion der Entleerungen angeordnet. Bei den Truppen 

wurde deshalb die Einrichtung eines Tonnenabfuhrsystems sowie Kalkmilchdes- 
infektion anbefohlen. 
Der Krankenzugang betrug bei einer Durchschnittsiststärke von 

18 360 Mann insgesamt 19 583 Mann = 1066,6°/,0, davon im Lazarett 8171 


618 Statistik. 


= 445,0%/, und im Revier 11412 = 621,6%/,0. Von. den 19 583 insgesamt 
behandelten Mannschaften sind wieder dienstfähig geworden 899,80%/,, ge- 
storben 8,0°/% und anderweitig abgegangen (invalide, tropendienstunfähig 
u. s. W.) 45,6°/90 der Behandelten. Die Gesamtzahl aller Todesfälle belief sich 
auf 201; davon waren durch Krankheit verursacht 133, durch Verunglückung 
65 und durch Selbstmord 3. Mit Verwundungen durch Schusswunden 
kamen nur 100 Mann in Zugang, davon starben 11. An Infektionskrank- 
heiten wurden 1705 behandelt, 108 davon erlagen ihrem Leiden. Echte 
Pocken kamen nicht vor, an Scharlach, Masern oder Rose erkrankten 28, 
an Diphtherie 4. Der Zugang an Unterleibstyphus betrug 564 Mann, 
von denen 70 = 12,4°/, der Behandelten starben. Ruhrerkrankungen wurden 
1028 beobachtet, 36 davon mit tödlichem Ausgang. Mischinfektionen von 
Typhus und Ruhr kamen 22 mal vor. An Malaria hatte das Expeditionskorps 
nicht wesentlich zu leiden. Die Zahl der Zugänge betrug nur 81. An Gelenk- 
rheumatismus litten 183 Mann. Die Zahl der venerischen Erkran- 
kungen ist nicht unerheblich. Sie belief sich auf 2573 und war damit um 
das 7!/, fache höher als der gleichzeitige Friedenszugang. Von den Erkrankten 
hatten 58,7°/, Tripper, 31,6°/ weichen Schanker und Bubo und nur 9,7°/, 
Syphilis. 

Am 17. Mai wurde die Umwandlung des ostasiatischen Expeditionskorps 
in die ostasiatische Besatzungsbrigade befohlen. Der Rücktransport 
der zurückkehrenden Truppen war am 10. September 1901 abgeschlossen. 
Die Ausschiffung erfolgte für das gesamte Expeditionskorps in Bremerbaven. 
Hier wurden die Kranken oder Krankheitsverdächtigen in einem zu diesem 
Zwecke errichteten Barackenlazarett bis zur Heilung untergebracht. Die übrigen 
Teilnehmer der Expedition mussten sämtlich auf einigen dazu bestimmten 
Truppenübungsplätzen eine Art (Quarantäne durchmachen, um eine Ver- 
schleppung von ansteckenden Krankheiten, namentlich von Typhus oder Ruhr, 
in das Inland zu verhüten. Hier wurden sämtliche Kleidungsstücke, Aus- 
rüstungsgegenstände u. s. w. in geeigneter Weise desinficiert, die Mannschaften 
nach vorherigem Reinigungsbad neu eingekleidet. 

Die ostasiatische Besatzungsbrigade hatte vom 10. Juni 1901 bis 
30. September 1901 einen Krankenzugang von 3125 Mann, vom 1. Oktober 
1901 bis 30. September 1902 einen solchen 5674 = 1197,0°/,,, davon im 
Lazarett 1382 bezw. 2302 = 485,7°/%, bei einer Durchschnittsiststärke von 
4740 Mann. Die Zahl der Erkrankungen ist also etwas höher als beim Ex- 
peditionskorps. Als dienstfähig gingen ab 788,8 ‚bezw. 936,30%/,, der Be- 
handelten, es starben 37-43. Anderweitig schieden aus 467-288. An 
Infektionskrankheiten litten 5254-894 Mann. Erkrankungen an echten 
Pocken kamen nicht vor, obwohl diese Krankheit in China endemisch auf- 
trat. An Typhus erkrankten 121 4-97 Mann. 2 Fleckfieberfälle endeten 
tödlich. Ein an Rückfallfieber erkrankter Mann wurde wieder dienstfähig. 
Im Gegensatz zu der beim Expeditionskorps gemachten Erfahrung trat jetzt die 
Malaria häufig auf; insgesamt wurden 158 4567 Malariafälle beobachtet. 
Die Zahl der Ruhrerkrankungen belief sich auf 245 + 212 Mann. An Cho- 
lera erkrankten 15 und starben 8 Mann. Die Seuche war offenbar von Shanghai 


Statistik. 619 


nach der Provinz Tschili eingeschleppt worden. Der Zugang an venerischen 
Erkrankungen betrug 382 +4 644 = 135,9°/,,, war also etwas geringer als 
beim Expeditionskorps. 

Im Genesungsheim Honmoken bei Yokobama, das am 13. November 
1901 von der Marine übernommen wurde, fanden 87 Rekonvalescenten bis zur 
völligen Heilung Aufnahme. 88,5%, derselben wurden wieder dienstfähig. 

Baumann (Metz). 


Weinberg und Gastpar, Die bösartigen Neubildungen in Stuttgart von 
1873—1902. Zeitschr. f. Krebsforschung. 1904. Bd. 2. S. 195—260. 

Der von der Kommission des Stuttgarter ärztlichen Vereins für statisti- 
sche Untersuchung von Krebs und Tuberkulose herausgegebenen Arbeit konnte 
ein Material von 3526, ausschliesslich der Ortsfremden von 3149 Todesfällen 
an bösartigen Neubildungen zugrunde gelegt werden. 

` Den absoluten Zahlen nach ist eine starke Zunahme zu verzeichnen, 
nämlich von 221 (1873—1882) auf 588 (1893—1902) bei den ortsansässigen 
Männern und von 492 auf 886 bei den ortsansässigen Frauen, ` darunter von 
Krebs von 205 auf 511 und von 460 auf 822. Im Einklang damit ergab 
sich für Neubildungen überhaupt eine Zunahme von 411 im Jahresdurchschnitt 

` auf 733 bei Männern, von 866 auf 1009 bei Frauen auf 1 Million Einwohner, 
für Krebs von 381 auf 638 und von 822 auf 937. Wesentlich geringer werden 
die Unterschiede zwischen Männern und Frauen, wenn man die Neubildungen 
nach dem Sitz vergleicht. Die für die Frauen festgestellte geringere Zunahme 
der Neubildungen ist teilweise auf Rechnung der Brustdrüse und der Geschlechts- 
organe zu setzen, bei denen mit Ausnahme des Eierstocks sogar eine Abnahme 
stattgefunden hat. Die Zunahme der Sterblichkeit an Neubildungen in den 
einzelnen Altersklassen von Jahrzehnt zu Jahrzehnt war, soweit überhaupt 
vorhanden, bei den Frauen gering. Bei den Männern war sie vom 50. bis 
70. Lebensjahre sebr beträchtlich, unter besonderer Beteiligung der Verdau- 
ungsorgane. 

Nach einer anderen Berechnung findet sich bei den Männern eine wesent- 
liche Zunahme, bei den Frauen eine geringe Abnahme der Sterblichkeit an 
Neubildungen. Die Neubildungen der Brust und noch mehr der Gebärmutter 
sind erheblich zurückgegangen. Für die Verdauungsorgane ergibt sich aber 
auch bei den Frauen eine Sterblichkeitszunahme. Eine solche ist bei beiden 
Geschlechtern auch in Hamburg festgestellt worden. 

Neben den Fortschritten der Diagnose kommt noch in Betracht, dass die 
Beobachtungsdauer der Kranken länger und damit die Möglichkeit der Er- 
kenntnis des Krebses grösser geworden ist. Wenn sich vorläufig die Zunahme 
der Neubildungen des Verdauungsapparates wenigstens teilweise als Schein 
erweist, so ist es andererseits fraglich, ob auch die Abnahme des Gebärmutter- 
und Brustkrebses nur eine scheinbare ist. Von Einfluss ist dabei die Ver- 
mehrung der Operationen. Eine Ursache der Abnahme kann auch in der 
Abnahme der Geburtenzahl gesucht worden. Die Frage nach dem Einfluss 
der Geburten auf die Entstehung der Neubildungen lässt sich zur Zeit einer 
endgültigen statistischen Behandlung nicht unterziehen. 


620 Statistik. Medizinalwesen. 


Während ein socialer Einfluss auf die Sterblichkeit an Gebärmutterkrebs 
im Sinne einer relativen Uebersterblichkeit der ärmeren Bevölkerung besteht, 
kann ein solcher auf die Sterblichkeit beider Geschlechter an Neubildungen 
der übrigen Organe vorläufig nicht als erwiesen betrachtet werden. Dies 
spricht gegen eine bedeutende direkte Infektiosität des Krebses, da direkt 
infektiöse Krankheiten fast durchweg häufiger bei der ärmeren Bevölkerung 
gefunden werden. 

Bei 915 Todesfällen Verwittweter und Geschiedener fand sich, dass 46 mal 
oder bei 5°/, der erste Ehegatte ebenfalls an einer Neubildung gestorben 
war; die deutsche Krebsstatistik hatte in den Grossstädten 8°%/, von erwarteter 
Ansteckung durch den Ehegatten ergeben. Der Einfluss der Vererbung darf 
in statistischem Sinne als gering bezeichnet werden. Würzburg (Berlin). 


Frassi A, La mortalità per tumori maligni in Parma durante il 
decennio 1892—1901. Parma 1905. 4°. Tip. L. Battei. 31 pp. i 

In Italien ist die Zahl der Todesfälle an bösartigen Geschwülsten 
von 3,7 auf 10 000 Einwohner im Jahre 1890 auf 4,6 im Jahre 1901 gestiegen. 
Am stärksten sind im allgemeinen die mittleren Provinzen (Toskana und Emilia) 
und einige der Lombardei ergriffen. In der Provinz Parma starben daran 
1890: 0,7, 1899: 0,9, 1901: 0,93, in der Stadt Parma 1895: 1,57, 1901: 2,06 
auf 1000 Einwohner. Die dortige Zunahme verdient um so mehr Beachtung 
als die allgemeine Sterbeziffer von 27,3 im Jahre 1898 auf 23,2 im Jahre 1903 
gesunken ist. 

Die in Parma beobachtete Zunahme beschränkt sich_fast ausschliesslich 
auf die am meisten befallenen Organe, besonders nämlich- auf Magen und Ge- 
bärmutter, während die Häufigkeit der Geschwülste anderer Organe, wie Brust- 
drüse, Leber, eher geringer geworden ist. 

Bei beiden Geschlechtern stieg die Sterblichkeit an Geschwülsten mit 
zunehmendem Alter; dabei war das weibliche Geschlecht mit Ausnabme der 
Altersklasse von 0—20 Jahren stärker befallen als das männliche. 

Die Dichtigkeit der Bevölkerung war nicht obne Einfluss auf die Höhe 
der Sterblichkeit an Geschwülsten, doch dürfte es sich dabei mehr um eine 
Wirkung der allgemeinen Verringerung der Widerstandsfähigkeit, als der An- 
steckung handeln. Daraus ergibt sich, dass Massnahmen zur Assanierung der 
Stadt, besonders zur Beseitigung zu grosser Bevölkerungsanhäufung vorteilhaft 
wirken werden. Würzburg (Berlin). 


Beissel, Zur Hygiene in Bädern und Kurorten. Beiträge zur wissen- 
schaftl. Medizin. Festschrift zur Feier des 80. Geburtstages des Geh. Sani- 
tätsrats Dr. Georg Mayer (Aachen). S. 20. Berlin 1905. August Hirsch- 
wald. 

Die Arbeit bespricht unter Hinweis auf die Verhältnisse in Aachen die 
hygienischen Anforderungen, die man an die Kurorte stellt und die 
Bedingungen, welche die Verwendung der von der Natur gebotenen Heilmittel 
als gesundheitsgemässe erscheinen lassen. Dahin gehören sachgemässe Ver- 


Verschiedenes. 621 


wendung der Mineralwässer, einwandfreie Kontrolle der Quellen, zweckmässige 
Einrichtung der Baderäume, sachgemässe Ausbildung des Badepersonals. 
Hayo Bruns (Gelsenkirchen). 


Jolles A., Ueber die quantitative Bestimmung der Katalasen im Blute. 
Zeitschr. f. analyt. Chem. 1905. Bd. 44. S. 1. 

10 ccm Blutlösung (0,05 cem des frischen aus der Fingerbeere oder dem Ohr- 
läppchen entnommenen Blutes in 50 ccm physiologischer Kochsalzlösung [0,9%/,] 
gelöst) werden mit 30 ccm einer genau neutralen 1 proz. Wasserstoffsuperoxyd- 
lösung bei ca 15° genau 2 Stunden làng stehen gelassen, darauf wird mit 
10 ccm Salzsäure (1,19 spec. Gew.) angesäuert, und allmählich unter Um- 
schwenken 20—25 ccm 10 proz. Jodkaliumlösung hinzugefügt; nacb einer 
Stunde wird das durch das noch vorhandene H,O, ausgeschiedene Jod mit 
Natriumthiosulfat titriert. Die Anzahl von Grammen Wasserstoffsuper- 
oxyd, welche 1 ccm Blut unter den angegebenen Bedingungen zer- 
setzt, nennt Verf. „Katalasenzahl“; dieselbe beträgt beim normalen Blut 
zwischen 18 und 30, die meisten Werte liegen zwischen 20 und 26; arteri- 
elles und venöses Blnt, ebenso solches von männlichen und weiblichen Indivi- 
duen zeigen keine Differenzen. Bei Krankheiten, ganz besonders bei 
Tuberkulose, Nephritis und Carcinom, scheint die Katalasenzahl 
bedeutend herabgesetzt zu sein. 

Bemerkt sei noch, dass die Katalase bei längerem Stehen des Blutes teil- 
weise zerstört wird, und dass die Temperatur während der Einwirkung der 
Blutlösung auf das Wasserstoffsuperoxyd möglichst bei 15°C. liegen muss, da 
grössere Temperaturdifferenzen die Grösse der Katalasenzahl nicht unwesent- 
lich beeinflussen. Wesenberg (Elberfeld). 


Einhorn, Beobachtungen über Radium. Zeitschr. f. Krebsforschung. Bd. 3. 
S. 34. 

Aufsatz vorwiegend klinischen Inhalts. Es werden die Technik der Radium- 
durchleuchtung innerer Organe und die Ergebnisse bei Radiumbehandlung 
des Speiseröhrenkrebses beschrieben; 9 Fälle wurden klinisch gebessert, drei 
blieben unbeeinflusst. Interessant ist die Beobachtung, dass Knochen für die 
Radiumstrablen kein Hindernis bilden und dass infolge dessen die Diagnose 
tuberkulöser Lungeninfiltrate, pleuritischer Exsudate und Mediastinaltumoren, 
welche einen Schatten geben, durch Radium wesentlich erleichtert wird. 

Beitzke (Berlin). 


Müller J. P, Mein System: 15 Minuten täglicher Arbeit für die Ge- 
sundheit. Mit 42 Illustrationen nach der Natur und einer Zeittafel. Aus 
dem Dänischen nach der 5. Auflage des Originals von M. und H. Tillge. 
Leipzig 1904. (K. F. Koehler). 89 Ss. 8°. Preis: 2 M. 

Die marktschreierige Fassung des Buchtitels, ferner die misslungene Dar- 
stellung des vatikanischen Apoxyomenos des Lysippos, endlich das Titelbildnis 


622 Kleinere Mitteilungen. 


des Verf.’s, der in der „Vorrede zur deutschen Ausgabe“ als der schönste 
Mensch bezeichnet wird, wirken wenig empfehlend. Wer sich aber durch diese 
und andere Geschmacklosigkeiten nicht abschrecken lässt, fühlt sich durch 
den Inhalt angenehm enttäuscht. Denn neben einigen unhaltbaren Laien- 
Ansichten bringt der Verf. zahlreiche beherzigenswerte Aussprüche über Körper- 
pflege in weitem Sinne. Diese soll womöglich mit dem Säuglinge anheben, 
sich aber auch dem beginnenden Greisen-Alter anpassen und als Ziel nicht 
sowohl die einseitige Ausbildung der Arm- und Nacken-Muskeln, als vielmehr 
schöne Brust- und insbesondere Bauch-Muskeln neben gesunder Haut u. s. w. 
anstreben. Es werden deshalb das Sandowsche System, die Hanteln, das 
deutsche Vereinsturnen in staubigen Räumen, das Schul und Riegenturnen 
ohne Individualisieren ebenso, wie das Radfahren, das sportliche Trainieren u.s.w. 
bekämpft. In Bezug auf Nahrung, Rauchen, Abhärtung, kalte Waschungen u s.w. 
wird vernünftige Mässigung einer übertriebenen Strenge vorgezogen und nur 
dem Alkohol entschieden entgegengetreten. In einer „Zeittafel“ finden sich 
18 tägliche Uebungen zusammengestellt, die für Geübte nebst einem nach der 
achten, also in der Mitte, zu nehmenden Wasserbade insgesamt 900 Sekunden 
oder 15 Minuten beanspruchen. Es beträgt.demnach der Zeitaufwand hierfür 
und für eine abendliche Ergänzungs-Uebung von 51/, Minuten Dauer zusammen 
wöchentlich nur etwa 1/, Stunde mehr, als das übliche wöchentlich zweistün- 
dige Abendturnen oder ein ebensolcher „Sportstraining“. 

Die eigenartigen Gedanken des erfahrenen Verf.’s hätten eine würdigere 
äussere Gestaltung als Buch und einen gewandten Uebersetzer verdient. Noch 
mehr als für die Körperbildung des Mannes erscheint das Müllersche System 
mit geringer Abänderung für die weibliche Körperpflege beachtlich, denn 
hier rächt sich die Vernachlässigung der Ausbildung des Rumpfes am empfind- 
lichsten. Der Verf. weist (S. 85) auf die „scheusslichen“ Bilder der zeit- 
genössischen Athleten-Zeitschriften hin, wo die Armmuskeln auf der Photogra- 
phie „noch übertriebener entwickelt und knotiger erscheinen, als sie wirklich 
sind“, Im Gegensatze zu den Gestalten gesunder und kraftvoller Menschen, 
wie sie Künstler des klassischen Altertums als Vorbilder hinterlassen haten, 
führen solche Phototypen „die Parodie eines starken Mannes“ einem bezüglich 
des Geschmackes und der körperlichen Entwickelung entarteten Geschlechte vor. 

Helbig (Radebeul). 


Kleinere Mitteilungen. 


(:) Die Sterblichkeitsverhältnisse in den Orten des Deutschen 
Reiches mit 15000 und mehr Einwohnern während des Jahres 1904. 

Nach den Zahlen, betreffend die Sterbefälle des ‚Jahres 1904 und deren haupt- 
sächliche Ursachen in den 323 grössten Orten des Deutschen Reiches (einschl. der 17 
nichtstädtischen Vororte von Berlin), sind die Sterblichkeitsverhältnisse im Deutschen 
Reiche im ganzen ein wenig günstiger als während des Vorjahres gewesen; 
namentlich war die auf je 1000 Lebendgeborene errechnete Ziffer der Säuglingssterb- 
lichkeit in der Gesamtheit der Orte mit mindestens 15000 Einwohnern etwas geringer. 


Kleinere Mitteilungen. 623 


Von den 313 Ortschaften. aus welchen im Jahre 1903 monatliche Ausweise über 
die Sterblichkeitsvorgänge nach einheitlichem Muster unmittelbar an das Kaiserliche 
Gesundheitsamt eingesandt worden waren, sind 2 während des Jahres 1904 in andere 
Berichtsorte eingemeindet und dadurch scheinbar in Wegfall gekommen, nämlich 
Beeck, das in Ruhrort, und Styrum, das in Mühlheim a. d. R. eingemeindet worden 
ist. Zu den hiernach verbliebenen 311 Ortschaften sind 12 für das Berichtsjahr 1904 
neu hinzugekommen, da ihre Einwohnerzahl nach der üblichen, auf den Ergeb- 
nissen der beiden letzten Volkszählungen fussenden Schätzung auf 15000 oder mehr 
angestiegen war; es sind dies die preussischen Orte: Bogutschütz, Dudweiler, 
M.-Gladbach-Land, Herten, Horst, Osterfeld, Ruhrort, Schwientochlo- 
witz, Sulzbach, Wilhelmsburg, das oldenburgische Bant und das braunschwei- 
gische Helmstedt. Insgesamt hatten diese 12 neu hinzugekommenen Ortschaften um 
die Mitte des Berichtsjahres 229446 Bewohner, aus ihnen wurden 4862 Sterbefälle ge- 
meldet, d. i. 21,2 auf je 1000 Bewohner, wesentlich mehr als aus der Gesamtheit der 
Berichtsorte, so dass ihr Hinzutritt offenbar nichts zur Minderung der Gesamtsterbe- 
ziffer beigetragen haben kann. 

Was im weiteren die Ergebnisse der Sterblichkeitsstatistik von 1904 und 1903 
betrifft, so ist die Gesamteinwohnerzahl der 311 zum Vergleich stehenden Orte 
nach der gewöhnlichen Schätzung von 19133506 (am 1. Juli 1903) auf 19723702 
(am 1.Juli 1904) gestiegen, also um 3,1°/0; dieZahl der in diesen Orten Gestorbenen 
stieg aber nur um 2,70/,, nämlich von 352757 auf 362425, und die durchschnittliche 
Sterbeziffer fiel von 18, 44 auf 18,38%/go. 

In ähnlicher Weise stieg für dieGesamtheit derOrtschaften die Zahl der Lebend- 
geborenen von 593476 auf 609721, d. i. ebenfalls nur um 2,7°,0, so dass die Ge- 
burtsziffer von 31,02 auf 30,91°/% gesunken ist. Im ersten Lebensjahre hatten von den 
während des Jahres 1904 Gestorbenen 123443 und von den während des Vorjahres 
Gestorbenen 121121 gestanden; die auf je 100 Lebendgeborene errechnete Ziffer der 
Säuglingssterblichkeit ist damit von 20,4 auf 20,2 gesunken. 

Was die Todesursachen betrifft, welche in den dem Kaiserlichen Gesundheits- 
amte monatlich eingereichten Ausweisen genannt wurden, so sind nur die Todes- 
fälle an Masern und an Scharlach, sowie die Selbstmorde absolut seltener geworden; 
alle anderen im Formular bezeichneten Krankheiten, auch die Verunglückungen haben 
absolut mehr Todesfälle als im Vorjahre verursacht, indessen war die Zunahme bei 
der Lungenschwindsucht, den akuten Erkrankungen der Atmungsorgane und bei der 
Diphtherie so unerheblich, dass sie noch nicht der Bevölkerungszunahme gleichkommt. 

Näheres ergibt sich aus folgender Uebersicht. 

In den zum Vergleich stehenden 311 Ortschaften des Deutschen Reiches mit 
15000 und mehr Einwohnern (einschl. der 9 Vororte von Berlin mit etwas weniger 
Einwohner) sank die Zahl der Todesfälle: 

von auf d.i.um 
anMasen . . 2. .5097 3932 22,80% 
n Scharlach. . . . . 4418 3959 10,4), 


durch Selbstmord . . 5058 4964 1,86 %/, 
dagegen stieg die Zahl der Todesfälle: 
von auf d.i.um 
an T yphus . . . Pry opi 21270, 1439 13,3%/, 
» Brechdurchfall bei Säuglingen” ee 3 220989 23291 13,3%/, 
m im ganzen. . . . . 22498 25495 13,3%, 
n n akuten Darmkrankheiten . . . . . 45236 50161 10,9%), 


m Kindbettiber . . 2 2 2020.20... 1001 1183 18,20/, 


624 Kleinere Mitteilungen. 


von auf d.i.um 

an Diphtherie - » . 2. 2 2 20 4769 4901 2,8% 
n Lungenschwindsucht . . . . . . 37085 37769 1,8%/, 
n» akuten Erkrankungen der Atmungsorgane 44616 45120 1,1°/, 
durch Verunglückung. . . . . . . 6470 6755 4,4% 
» Totschlag . . . EENS 393 413 5,1% 


Im Hinblick auf die erwähnte Zunahme den Bevölkerung ist aus vorstehenden 
Zahlen leicht zu entnehmen, dass trotz des Ansteigens der Sterbefälle an Diphtherie, 
Lungenschwindsucht und akuten Erkrankungen der Atmungsorgane doch die auf 
10000 Lebende errechnete Sterblichkeitsziffer an diesen Krankheiten nicht ge- 
stiegen ist, sie ist sogar etwas gesunken, und zwar bei der Diphtherie von 2,49 auf 
2,480/g00, bei der Lungenschwindsucht von 19,38 auf 19,15%/,90, bei den akuten 
Erkrankungen der Atmungsorgane von 23,32 auf 22,880/y00. Die Zahl der Typhus- 
todesfälle, welche im ganzen so beträchtlich gestiegen ist, war während des Jahres 
1904 besonders hoch in Ansbach, ferner im Westen des Reiches in Saargemünd, 
Saarbrücken, Sulzbach (Kr. Saarbrücken), Landshut und im Osten des Reiches in 
Königsberg i.Pr., Gnesen, Schweidnitz und Fürstenwalde; hier sind überall mindestens 
4, in Ansbach sogar fast 14 auf je 10000 Einwohner innerhalb des Berichtsjahres 
dem Typhus erlegen. (Veröff. d. Kais. Ges.-A. 1906. No. 1. S. 3.) 


(:) Auf einen Einwohner, also pro Kopf macht der Jahresmilchver- 
brauch in Litern. 
Freiburg i. Br. . 0 . . . . 181 Dortmund. . 20 ara %8 
Augsbürg vn... ei. 01790 Breslans Te y aan aa me dt 


Flensburg . 2 202 02020..16 Bamen 2 22. 6 
Lübeck . 2 2 20202020168 MHannover-Linden. . 2 . . . % 
Frankfurt a. M... . 2 . . 160 Münsteri. W.. 2 222.2. 8 
Stutgart a a a 2 ee BEE neh A re 
Schwerin . . 2 . » > . 138 Osnabrück are 

Üm ee en en ER Si ae ee 
Hamburg: . . 202020... .138 Bochum 86 
München . 2. 2.2.2.0... IBL Chemnitz.. ER EL. 
Bremen, na nr a0 a 125 Potsdam e ra a 0 
Nürnberg . » e a e r o 115 Frankfurt a.0. RER.) 
Altona . > s 200020... 15 Magdeburg. . . $ 80 
Mainz . © 222020200 10 Gumbimn . a 2.0.0.8 
Düsseldorf - . 22.020.108 Haleas.. 22000... a 


108°. Essonanle ne de 
106°, Oppeln: me 2.0: Del ke ae 13 
g TES ER RE OSTs A s r ee 
CölnaRh.. . E E S S A S . EE E, 
Berlin . 2 2 a e a e e AE  Myslowitz i. o.s. es 52 
(Dtsch. Gut-Templer. 1906. No. 2) 


(:) Auf Grund der Ergebnisse der Betriebssteuer in Preussen macht die 
„Statist. Korr.“ Angaben, welche ein ungefähres Bild von der verhältnismässigen 
Häufigkeit der Gast- und Schankwirtschaften gibt. 

In Preussen wird nach dem Gewerbesteuergesetz vom 24. Juni 1891 für den Be- 
trieb der Gast- und Schankwirtschaft sowie des Kleinhandels mit Branntwein oder 
Spiritus neben der allgemeinen Gewerbesteuer jährlich noch eine besondere Betriebs- 


Kleinere Mitteilungen. 625 


steuer von 10—100 M. je nach dem Umfange des Gewerbes (der Gewerbestenerklasse) 
entrichtet. Seit dem 1. April 1895 fliesst die vom Landrat, in den Stadtkreisen vom 
Gemeindevorstand festzustellende Betriebssteuer den Kreisen zu, die sie zur Bostreitung 
ihrer Ausgaben zu verwenden haben. Nach den Angaben der Kreisbehörden wurden 
im Jahre 1904 zur Betriebssteuer veranlagt 188 273 Zensiten mit 2934 962 M. 
Steuer. Von den Zensiten waren zugleich zur Gewerbesteuer veranlagt 141 247, und 
zwar 762 zur Gewerbesteuerklasse I, 1380 zur Klasse II, 20 481 zur Klasse III und 
118 624 zur Klasse IV, während 47 026 gewerbesteuerfrei waren. Sowohl die Zahl 
der Betriebssteuerzensiten (33 150) wie die die Steuersumme (516 282 M.) war am be- 
deutendsten im Rheinlande; dann folgen in grossem Abstande Schlesien, Brandenburg 
und Hannover, während Berlin mit 16 536 Zensiten und 294 820 M. Steuer erst an 
fünfter Stelle folgt. Vergleicht man Stadt und Land, so überwiegt im Staat die 
Zahl der städtischen Betriebssteuerptlichtigen mit 52,1 v.H. der Gesamtzahl und noch 
mehr deren Steuer mit 58,1 v.H. In den meisten Provinzen sind aber die ländlichen 
Zensiten häufiger als die städtischen; das Gegenteil ist nur der Fall in Pommern, 
Posen, Hessen-Nassau und Brandenburg. Setzt man, was von besonderem socialen 
Interesse ist, die Betriebspflichtigen in Beziehung zur Gesamtbevölkerung, so 
kamen im Staat auf 10 000 der Bevölkerung 52,9 Betriebssteuerpflichtige, mit anderen 
Worten, es entfällt auf 190 Personen eine ständige oder vorübergehende 
Gast- oder Schankwirtschaft oder Branntweinhandlung. In Berlin kamen 
auf 10 000 Einwohner 86,7 Betriebe, also je ein Betrieb auf 115 Einwohner; dem 
folgen Schleswig-Holstein mit 65,1, Hannover mit 64,7, Hessen-Nassau mit 63,9 und 
Brandenburg mit 57,7, während untenan stehen Westpreussen mit 37,2, Ostpreussen 
mit 36,9 und Posen mit 35,3. In den Städten kommen auf 10 000 Einwohner 62,2, 
auf dem Lande nur 45,6 Betriebssteuerpflichtige. Im Rheinland, in Schleswig-Hol- 
stein und Hannover sind die Gast- und Schankwirtschaften in don Städten verhältnis- 
mässig weniger verbreitet als auf dem Lande, während in den Provinzen Posen und 
Ostpreussen die städtischen Betriebe im Vergleich zur Bevölkerung sogar um ein Mehr- 
faches häufiger sind als die ländlichen. Könnten die „vorübergehenden“ Schankwirt- 
schaften, also die zu Festlichkeiten, Truppenzusammenziehungen u. s. w. besonders 
gestatteten, abgezogen werden, dann würde sich wohl die Voerhältniszahl zur Bevöl- 
kerung nicht unwesentlich ändern. (Vossische Zeitung. 8. Januar 1106.) 

(:) Aus dem Sanitätsbericht über die Königlich Bayerische Armce 
für das Berichtsjahr vom 1. Oktober 1900 bis 30. September 1901. 

Am 1. Oktober 1900 war ein Bestand von 755 Kranken vorhanden, von denen 
sich 583 in Lazarett- und 172 in Revierbehandlung befanden. Im Berichtsjahre 
gingen bei einer Durchschnitts-Iststärke von 62 863 Mann 58 258 Kranke zu = 
926,7%/90 d. K. gegenüber 954,3°/90 im Vorjahre. Den höchsten Krankenzugang wies 
wiederum der Januar, den niedrigsten der September auf. 

Bei einem durchschnittlichen täglichen Krankenzustande von 31,6°/90 d.K. wo- 
von 18,6 auf das Lazarett entfielen, wurden im Berichtsjahre einschliesslich des 
vom Vorjahre übernommenen Bestandes im ganzen 50 013 Mann behandelt; diese be- 
anspruchten 725 047 Behandlungstage. Für jeden Lazarettkranken betrug im Durch- 
schnitte die Zahl der Behandlungstage 25,6, für jeden Revierkranken 7,0, im ganzen 
für jeden Kranken durchschnittlich 12,3 Tage. 

In der Gruppe der Infektionskrankheiten und allgemeinen Erkran- 
kungen war bei einem Anfangsbestande von 76 ein Zugang von 2857—45,4°%/oo d.K., 
(während des Vorjahres 49,4%/,,) zu verzeichnen. 

Echte Pocken und Windpocken kamen im Berichtsjahre nicht zur Beobachtung. 


626 Kleinere Mitteilungen. 


Die 33 269 Schutzpockenimpfungen in der Armee hatten bei 87,8°/, der Geimpften 
einen Erfolg; bemerkenswerte Erkrankungen traten im Gefolge der Schutzimpfung 
nicht auf. 

Mit Scharlach gingen 51, mit Masern 58 Mann zu, ein gehäuftes Auftreten der 
Masern wurde in Augsburg, Landshut und München beobachtet. An epidemischer 
Ohrspoicheldrüsenentzündung erkrankten 131, an Diphtherie 6 Mann. Bei 
4 der letzteren gelang der bakteriologische Nachweis der Löfflerschen Bacillen. 
5 Diphtheriefälle wurden mit Heilserum behandelt, wobei einmal als Nebenwirkung 
ein Hautausschlag und in einem anderen, tödlich endenden Falle eine Hautemphysem 
beobachtet wurde. 

Rose kam 90 mal vor und endete 1 mal mit dem Tode. Milzbrand und Rotz 
wurden im Berichtsjahre nicht beobachtet, 1 Karbunkel erforderte 61 Behandlungstage 
bis zur Heilung. Mit Pyämie und Septikämie gingen 7 Mann zu, welche sämtlich 
nach durchschnittlich 31 Behandlungstagen starben. 

An Unterleibstyphus erkrankten 333 Mann gegen nur 32 im Vorjahre und 
26 im Durchschnitt der drei Vorjahre. Von den 366 Typhuskranken des Berichts- 
jahres (einschl. der 13 aus dem Vorjahre übernommenen) wurden 309 wieder dienst- 
fähig, 33 starben, 46 gingen anderweitig ab, 8 blieben im Bestande, Die hohe Zahl 
der Erkrankungen wurde durch eine Epidemie in Germersheim beim 17. Infanterie- 
Regiment mit 36 Kranken und eine Epidemie in Metz beim 8. Infanterie-Regiment 
mit 314 Kranken veranlasst. Die Ansteckungsquelle in Germersheim konnto nicht er- 
mittelt werden, so dass Kontaktinfektion in den zahlreichen, von Typhus infieierten 
Ortschaften der Rheinpfalz angenommen werden musste. Die T'yphusepidemie in 
Metz betraf 3 auf Fort Manteuflel untergebrachte Kompagnien; nach Ausschluss aller 
anderen Infektionsquellen erkannte man als Ursache der Epidemie das dem Fort aus 
einem nahegelegenen Brunnenschacht durch Druckwerk zugeführte Wasser; bei ge- 
nauer Untersuchung des Brunnenschachtes stellte sich nämlich heraus, dass in den- 
selben ein beigewöhnlicher Füllung nicht sichtbares Drainrohr mündete, durch welches 
Wasser aus den gedüngten Feldern und Weinbergen, und zwar aus deren obertläch- 
lichen Schichten, in den Brunnen gelangen konnte. 

An Wechselfieber erkrankten 7 Mann; von diesen gingen 4 als dienstfähig, 
2 anderweitig ab, 1 blieb im Bestande. Die durchschnittliche Behandlungsdauer be- 
trug 39,6 Tage. 4 Fälle waren tropischen Ursprungs, 2 Mann hatten sich früher in 
Italien inficiert. 

An Grippe erkrankten 895 Mann und starb 1, während 862 wieder dienstfähig 
wurden. Kleine Epidemien wurden in mehreren Garnisonen beobachtet; als Folge- 
krankheiten werden namentlich Lungenentzündungen und akute Mittelohrentzündungen 
erwähnt, 

Mit tuborkulüsen Erkrankungen gingen 143 Mann zu gegen 173 im Vorjahre: 
aus dem Vorjahre wurden 25 Mann als Bestand übernommen. Von diesen 168 Behan- 
delten sind 18 = 10,7°/, gestorben, nur 3 wurden wieder dienstfähig; jeder stand 
durchschnittlich 64,7 Tage in Behandlung. An akuter Miliartuberkulose waren 3, an 
Tuberkulose der Luftwege 140, an Tuberkulose der Knochen und Gelenke 12, an 
Tuberkulose anderer Organe 13 im Berichtsjahre erkrankt. 

Erkrankungen an Ruhr kamen nicht vor. 

An epidemischer Genickstarre erkrankten 14 Mann und starben 5. Die 
Erkrankungen traten vereinzelt ohne nachweisbare Infektionsquelle auf. 

An akutem Gelenkrheumatismus erkrankten 808 Mann und starb 1. Von 
den 835 Behandelten wurden 520 wieder dienstfähig, 295 gingen anderweitig ab, 19 
verblieben im Bestande. Sehr häufig schloss sich der Gelenkrheumatismus an eine 


Kleinere Mitteilungen. 627 


Mandelentzündung an. Die häufigsten Folgekrankheiten waren wie sonst Entzündungen 
der inneren Herzhaut und deren Ausgänge, wiederholt wurden im Verlaufe des Ge- 
lenkrheumatismus auch Herzbeutel- und Brustfellentzündungen beobachtet. 

Wegen chronischen Gelenkrheumatismus kamen 25 Mann in Behandlung, 
von denen nur 3 wieder dienstfähig wurden. Als Ursache der Erkrankung ist fast 
durchweg vorausgegangener akuter Gelenkrheumatismus angeführt. 

Der Gesamtverlust der Armee durch Gelenkrheumatismus betrug im Berichtsjahr 
157 = 2.5°/o d. K., im Vorjahre 2,7 °/o0. 

Mit Gicht kamen 9 Mann in Behandlung, wegen Blutarmut 73, mit Erschei- 
nungen von Purpura 4; Skorbut und Zuckerruhr wurden nicht beobachtet. 

Die Zahl der Vergiftungen betrug 124; 122 dieser Kranken wurden wieder 
dienstfähig, gestorben ist keiner. 2mal handelte es sich um Massenvergiftungen 
durch verdorbene Nahrungsmittel in den Garnisonen Ingolstadt (mit 57 Erkrankungen) 
und München (mit 2 Erkrankungen und mehreren Fällen leichten Unwohlseins), 1 mal 
um Kohlenoxydvergiftung, Imal um Nikotinvergiftung. 

Hitzschlag wurde bei 18 Leuten beobachtet, gestorben ist keiner, jedoch war 
ein Fall durch die Entwickelung einer Herzneurose kompliciert. 

Mit bösartigen Geschwülsten gingen 5 Mann zu, 1 starb. 

Mit anderen Allgemeinerkrankungen kamen 5 Mann in Zugang, davon 2 mit 
Harnruhr (diabetes insipidus), welche beide als dienstunbrauchbar entlassen 
wurden. 

Mit Krankheiten des Nervensystems kamen 608 Mann in Zugang, 27 waren 
vom Vorjahr in Bestand geblieben. Von diesen 635 Behandelten starben 7 und 379 
= 59,7 °/o wurden wieder dienstfähig. In 7O Fällen handelte es sich um Geistes- 
krankheiten, und zwar 37 mal um Schwachsinn, 6 mal um Verrücktheit, 5 mal um 
halluzinatorisches Irresein, 3 mal um 'Tobsucht, 2 mal um Schwermut, 3 mal um Stu- 
por I mal um progressive Paralyse. Ferner gingen zu: 41 Fälle von Fallsucht, die 
nach durchschnittlich 43,9 tägiger Behandlung bezw. Beobachtung zur Entlassung 
führten und u. a. 96 von Neurasthenie oder Hysterie. 

Mit Krankheiten der Atmungsorgane gingen 8215 Mann zu —=130,7 %/oo 
d. K. und starben 11. 

Hiervon waren an Krankheiten der ersten Atmungswege einschliesslich 
Bronchialkatarrhs 7470, an akuter Lungenentzündung 463, an Lungen- 
blu tung ohne erkennbare Veränderung des Lungengewebes 21, an Brustfellent- 
zündung 244, an Lungenerweiterung und Asthma 15 erkrankt. 

Mit Krankheiten der Kreislaufs- und blutbereitenden Organe gingen 1158 
Mann zu = 18,4°/% d. K.; von diesen starben 4. Es litten an Herzkrankheiten 
325, an Hämorrhoiden und Krampfadern 155, an Venenentzündung 9, an 
Krankheiten des Lymphgefässsystems 634, an Kropf 35. 

Die Krankheiten der Ernährungsorgane bedingten einen Zugang von 10704 
Mann — 170,3 d. K., hierzu kam ein Bestand von 53 Kranken aus dem Vorjahre. 
Von diesen 10 757 Behandelten starben 10. Es litten an Mandelentzündung 4934, an 
Krankheiten der Zähne, Kiefer, des Mundes und Rachens, der Speicheldrüsen und 
Speiseröhre 1744, an akutem und chronischem Magendarmkatarrh, Magenblutung 
bezw. Magengeschwür, Brechdurchfall 3613, an Unterleibsbrüchen 64, an einge- 
klemmten Bruch und innerem Darmverschluss 3, an Darm- bezw. Blinddarment- 
zündung 119, an Bauchfellentzündung 12 (davon 6 gestorben), an katarrhalischer Gelb- 
sucht 86, an Krankheiten der Leber und deren Ausführungsgängen 3, an Krankheiten 
des Mastdarms 12, an Erkrankungen durch Eingeweidewürmer 56, an anderen Krank- 
heiten der Ernährungsorgane 58. 


628 Kleinere Mitteilungen. 


An Erkrankungen der Harn- und Geschlechtsorgane litten vom Zugang 
362 — 5,7°/o0 d.K., der Bestand vom Vorjahre betrug 14 Mann. Von diesen 376 Be- 
handelten starben 5. Es litten an Krankheiten der Nieren, Nebennieren und Harn- 
leiter 71, an Krankheiten der Blase 74, an Krankheiten der Vorsteherdrüse, Eichel 
und Vorhaut, an Verengerung der Harnröhre 143, an Wasserbruch 25, an Krampf- 
aderbruch 14, an anderen Krankheiten der Harn- und Geschlechtsorgane 35. 

Auf die Gruppe der venerischen Krankheiten entfielen vom Zugange 1369 
Mann. Dazu kamen 85 aus dem Vorjahre. Die Garnison Landshut, welche schon seit 
einer Reihe von Jahren den verhältnismässig höchsten Zugang aufweist, stand wieder- 
um an erster Stelle (45,9°/0), dann folgte München (41,1°/oo). Die Krankheiten 
waren 914 mal Tripper und dessen Folgezustände, 155 mal weicher Schanker und 
Bubo, 300 mal konstitutionelle Syphilis. Von den 1454 an venerischen Krankheiten 
behandelten Mannschaften kamen 1309 als dienstfähig, 74 anderweitig in Abgang, 
71 blieben im Bestande; auf jeden Kranken kamen durchschnittlich 36,4 Behand- 
lungstage. 

Mit Augenkrankheiten gingen 1405 Mann zu, davon 7 mit ansteckenden 
Augenkrankheiten. Mit Ohrenkrankheiten 1128 Mann, davon 887 mit Krankheiten 
des mittleren und inneren Ohres. 

An Krankheiten der äusseren Bedeckungen litten vom Zugang 10 943 
Mann, davon an akuten und chronischen Hautkrankheiten (einschl. Krätze und 
chronischem Unterschenkelgeschwür) 915, an Fingergeschwür, Zellgewebsent- 
zündung, Furunkel 9812, an gutartigen Geschwülsten 124, an anderen 
Krankheiten der äusseren Bedeckungen 92. 

Die Krankheiten der Bewegungsorgane bedingten einen Zugang von 6222, 
die mechanischen Verletzungen von 12 255 Mann. Von 6 Selbstmordversuchen 
endete 1 tödlich. 

Zum Zwecke der Beobachtung gingen 1019 Mann zu, die durchschnittliche 
Beobachtungsdauer betrug 9,1 Tage. 

Von den insgesamt während des Berichtsjahres vorgekommenen 155 Todes- 
fällen sind 110 in und 45 ausser militärärztlicher Behandlung erfolgt. 111 Todes- 
fälle waren durch Krankheit, 16 durch Unglücksfälle, 28 durch Selbstmord verursacht. 
An Unterleibstyphus starben 33, an Grippe 1, an Tuberkulose 19, an Lungenentzün- 
dung 10, an Brustfellentzündung 1, an Krankheiten der Ernährungsorgane 9, darunter 
4 an Blinddarmentzündung, an Krankheiten des Herzens 7, des Nervensystems 7, an 
Krankheiten der Harn- und Geschlechtsorgane 6, an Ohrenkrankheiten 1. 120 mal 
wurde die Leichenöffnung vorgenommen. 

Als dienstunbrauchbar wurden entlassen 2159, davon 1027 unmittelbar 
nach der Einstellung, als invalide gingen 1243 Mann ab, davon als halbinvalide 
398, als ganzinvalide 845. 

Im Berichtsjahre wurde in Ansbach die Kaserne la des 2. Ulanenregiments und 
in Nürnberg die Halbinvalidenkaserne fertiggestellt und bezogen. Ausserdem wurden 
eine Reihe kleinerer baulicher Veränderungen und sonstiger sanitärer Massnahmen in 
verschiedenen Garnisonen vorgenommen. 

(Veröff. d. Kais. Ges.-A. 1906. No. 1. S. 3—5.) 


Verlag von August Hirschwald, Berlin N.W. — Druck von L, Schumacher in Berlin N. 24. 


Hygienische Rundschau. 


Herausgegeben 


von 


Dr. Carl Fraenkel, Dr. Max Rubner, Dr. Carl Günther, 


Geh. Med.-Rat, Prof. der Hygiene Geh. Med.-Rat, Prof. dor Hyziene Geh. Med.-Rat. a.0.Prof. der Hygiene 
in Halle a.S, in Berlin, in Berlin. 


Berlin, 15. Juni 1906. 12. 


XVI. Jahrgang. 


(Aus der Kgl. Universitäts - Kinderklinik in Berlin. 
Direktor: Geh, Med.-Rat Prof. Dr. Heubner.) 


Der Wert des Boxensystems für die Anstaltsbehandiung der Masern. 
Von 
Dr. S. Meisels, 


Volontärassistenten der Klinik. 


Die Schädlichkeiten, die das specifische Maserngift im Organismus der 
befallenen Kranken verursacht, sind nicht gross im Vergleiche zu den zahl- 
reichen sekundären, häufig ungünstig verlaufenden Komplikationen, die in 
jeder Periode der Erkrankung auftreten können und die Hauptgefahr der 
Masern bilden. Abgesehen von den ungemein häufigen, meistens günstig ver- 
laufenden Komplikationen von Seiten der Olıren und nicht seltenen oft be- 
denklichen Larynx- und Darmkomplikationen, sind die postmorbillösen 
Pneumonien, lobäre uud hauptsächlich lobuläre, die gefährlichsten Kompli- 
kationen, die in der Abheilungsperiode die meisten Opfer fordern. Der Anteil 
dieser sekundären Lungenkomplikationen an der Sterblichkeit der Masern- 
kranken ist bekanntlich der grösste, und sie waren immer die Ursache der 
aussergewöhnlich schlechten. Resultate der Anstaltsbehandlung der 
Masern. Je ungünstiger die hygienischen Verhältnisse der Anstalten, in 
denen Masernkranke behandelt wurden, desto zahlreicher waren die Lungen- 
komplikationen, die sich in denselben nach Variot „comme une traînée de 
poudre“ verbreiten sollen, und Mortalitätszahlen von 70°%/, (Charité 1879) 
waren nicht selten. Mit Einführung besserer hygienischer Massregeln in die 
Bebandlung kranker Kinder sank die Mortalität etwas, aber die Erfolge waren 
noch immer unzureichend, denn ausser den zahlreichen elenden, schlecht 
genährten, aus ungünstig situierten Familien und mit schweren Lungenkompli- 
kationen eingelieferten Fällen, die die Mortalität stark beeinflussten, bleibt 
noch immer ein grosser Prozentsatz auf die in der Anstalt erworbenen 
Komplikationen übrig. So wurden aufgenommen: 


46 


630 Meisels, 


Im Jahre 1899 88 Masernkranke; davon starben 22, das ist 25°/, 


” ” 1900 89 ” ” n 32, n n 35,9 %o 
» n 1901 89 ” n »o o 2l, n n 23,6% 
» o» 1902 73 » n » 20, n n 27,400 


Die Zahl der in den 4 Jahren auf die alte Masernstation aufgenommenen 
Kranken betrug 339 (das jüngste mit Masern aufgenommene Kind war 26 Tage 
alt, von der Mutter genährt. Die Mutter erkrankte an Masern. 12 Tage später 
erkrankte das Kind. Kopliksche Flecke positiv). Von den aufgenommenen 
Kindern sind 95 gestorben, d. i. 28%. Wenn wir noch 9 Fälle in Abzug 
bringen, die in den ersten 24 Stunden nach der Aufnahme gestorben sind, so 
ergibt sich eine Mortalität von rund 25,4%,. Dabei haben aber 24 von den 
in den 4 Jahren behandelten Kindern Lungenkomplikationen auf der Station 
erworben, denen 14 erlegen sind (Tabelle 1). In allen diesen Fällen waren 


Tabelle 1. 
1899 — 1902. 
“lalalkloleolnlo|o 3 Zu- 
Jahre | sammen 


o: 
’o 


Aufgenommen . . . . [65[85|160|46/21/25/18|6 |3|6 


Davon starben . . . . [38|422!7|6 | 1 | -—|—)1|1—|-i—: —[ 35128 
In 24 Stunden nach der | j 
Aufnahme starben . . 6131| | | 9 17254 


Mit Lungenkomplikationen 
aufgenommen. . . . [28/2112 |4|1,)11—|—|—|—|— | —| 57| 16,8 


In der Abheilungsperivde 
entstandene Lungen- 
komplikationen . . . 6181613 1 aka | 24 
Davon starben . . . . [3 | 713 | 1 —I 14 


die Kinder in der Abheilungsperiode der Krankheit, im Stadium der Abschup- 
pung, ganz fieberlos, ohne irgend welche Lungenerscheinungen oder andere 
Komplikationen; dann ging die Temperatur wieder in die Höhe und die Lungen- 
erscheinungen traten allmählich wieder hervor. Es ist wohl bekannt, dass 
diese in der Abheilungsperiode durch unmittelbare oder mittelbare Berührungen 
mit anderen kranken Kindern entstandenen Lungenkomplikationen, für die der 
Körper viel stärker empfindlich ist als in derselben Periode anderer akuter 
Infektionskrankheiten, immer durch Einwirkung sekundärer, bakterieller 
Infektion bedingt sind, als Folge ungenügender Antisepsis in der Pflege der 
kranken Kinder. Es darf dabei hervorgehoben werden, dass die alte Station 
für Masernkranke im Infektionspavillon nicht schlechter als die meisten 
neueren derartigen Abteilungen eingerichtet war. 

Dass es ohne grosse Schwierigkeiten möglich ist, diese häufigsten Kompli- 
kationen der Masernrekonvalescenten, die ihr Leben besonders gefährden, zu 
vermeiden, zeigt unsere Statistik der letzten Zeit (1. September 1903 bis 1. De- 
cember 1905) der neuen Masernstation, auf der die Boxen zum Schutze 


Der Wert des Boxensystems für die Anstaltsbehandlung der Masern. 631 


gegen die obenerwähnte bronchopneumonische Ansteckung einge- 
richtet wurden. 

Angeregt durch die günstigen Erfolge. Granchers!), der die Isolierung 
gegen Kontaktinfektion in dem von ihm geleiteten Krankenhause auf sämtlichen 
Stationen zur Verhütung von Hausinfektionen einführte, wurden auf der Haupt- 
station der Charite im Saal für 1—3jährige Kinder im Jahre 1901 Boxen einge- 
richtet und bewährten sich auch in dem gewünschten Sinne, wie dies Hopfen- 
gärtner?) berichtet hat. (Seit der Zeit sind unsere günstigen Erfahrungen 
mit den Boxen auf der Hauptstation die nämlich guten geblieben.) Die An- 
nahme lag nun nahe, dass die Boxeneinrichtung auch auf der Masernstation 
ihren Zweck erfüllen würde und die sekundären Lungenkomplikationen, die 
die Masernrekonvalescenten besonders gefährden, durch die mit dieser Ein- 
richtung verbundene Trennung der Kranken von einander und ihren Schutz 
gegen Krankheitskeimübertragung mittels Koniaktes eingeschränkt und so die 
schlechten Ergebnisse der Anstaltsbehandlung der Masern besser würden. Die 
Einrichtung derselben, die aus den Abbildungen bei Hopfengärtner?) zu er- 
sehen ist, ist sehr einfach: Zwei Wände aus Glas und Eisen bilden eine Boxe, 
die nach dem Saal offen ist. In jeder Boxe befindet sich ein Bett, 2 Mäntel 
separat für Arzt und Pflegepersonal, Jede Boxe und die dazu gehörenden se- 
paraten Gebrauchsgegenstände sind nummeriert und dürfen nicht verwechselt 
werden. Nach jeder Untersuchung oder Wartung jedes einzelnen Kranken 
müssen die Mäntel der betreffenden Boxe gleich abgelegt und die Hände des- 
ioficiert werden. 

Aus der Tabelle 2 ist ersichtlich, dass die Zahl der in dieser Periode 


Tabelle 2. 
Vom 1. September 1903 bis 1. December 1905. 


lol" Ialol- lol !12!72!% Zu- 
Jahre R ale IR EN BR RE SE PS BI RE TI I | | | | sammen 

mja aj aje oojaa OA 

| 
Aufgenommen . . . . [89/40124[25 11079 111[6 1—| 1,2 | 1 |168j| — 
Davon starben . . . . Js nlılı)ı)0/-—|—\-|—-|—|—| 23 |113,7 
In 24 Stunden nach der I | 

Aufnahme starben . . 1 1 2 12,5 


MitLungenkomplikationen 
aufgenommen. . . . [10|0|3|3|1)—|— | —|-/|—|— | - | 27| 16 


In der Abheilungsperiode | 
entstandene Lungen- E | 

komplikationen . . . |—|1 PEN EE ' 1 
| 


o 
| 


Davon starben . . . . pe 


aufgenommenen Maserukranken, wie auch derjenigen, die mit Lungenkompli- 
kationen ins Haus kamen, fast die gleiche geblieben ist. Dagegen hat sich die 


1) XIII. Internationaler Kongress Paris. 
2) Hopfengärtner, Charit6-Annalen. 1903. Jahrg. 27. 
3) Hopfengärtner, Charit6-Annalen. 1903. Jahrg. 27. 


46» 


632 Infektionskrankheiten. 


Erwartung bestätigt, dass durch die Einführung des Boxensystems im Masern- 
saale in der Tat die Hauserkrankungen der Masernkranken vermieden wurden. 

Das lehrt die in Tabelle 2 gegebene Zusammenstellung: Während in der 
Periode vor Einführung des Boxensystems im Masernsaal von 339 neuaufge- 
nommenen Kindern 24, die bei der Aufnahme ganz frei von Lungenkompli- 
Kationen gewesen waren, im Abheilungsstadium der Masern an Pneumonie er- 
krankten, war dieses seit Einführung des Systems unter 168 aufgenommenen 
Kindern nur 1 Mal der Fall. 

Dort bekamen 7°/,, hier nur 0,6%, der Masernkranken im Hause sekun- 
däre Pneumonien. 

Wir sind daher der Ansicht, dass vom prophylaktischen Standpunkt aus 
die Einrichtung der Boxen auf den Masernstationen sehr zu empfehlen ist, 
sowohl zum Schutz gegen bronchopneumonische Ansteckungen, wie auch 
gegen andere infektiöse Krankheiten, in deren Inkubationsstadium sich die 
eingelieferten Masernkranken gleichzeitig befinden können, umsomehr, da die 
in unsere Behandlung eingelieferten, oft sehr elenden Kinder, für die schon 
die Masern allein eine grosse Gefahr bedeuten, zu sekundärer Infektion be- 
sonders neigen. 


` 


Kleiminger, Franz, Ueber die Bedeutung der Tonsillen für das Zu- 
standekommen der sogenannten „kryptogenetischen“ Erkran- 
kungen. Inaug.-Diss. Rostock 1905. 

Verf. untersuchte das Verhalten der Tonsillen bei 84 Fällen soge- 
nannter kryptogenetischer Erkrankungen, zu denen Verf. den akuten 
Gelenkrheumatismus und die primäre akute Nephritis ausser anderen 
Fällen von „abgeschwächter Pyämic“ rechnet. Er stellte fest, dass die 
Allgemeinerkrankung in 7°, gänzlich unabhängig von den Ton- 
sillen zustande kam, während in 830, die Tonsillen als Eingangspforte 
der Erkrankung anzusehen waren. Von diesen Fällen fanden sich bei 560/9 
unternormalgrosse, bei 32%), abnorm vergrösserte, 7%/, sonst anormal 
gebaute und 5°/, mittelgrosse Tonsillen, d. h. 95%, anormale Tonsillen. 
Diese Prozentzahlen zeigen nach Ansicht des Verf.'s, dass im Kampfe gegen 
die Infektionserreger die unternormalgrossen Tonsillen sich am un- 
günstigsten erweisen. Baumann (Metz). 


v. Hansemann D. (Berlin), Ueber die Bedeutung der Follikel im Pro- 
cessus vermiformis. Beiträge zur wisschaftl. Medizin. Festschrift zum 
KO. Geburtstag des Geh. Sanitätsrats Dr. Georg Mayer (Aachen). S. 91. 
Berlin 1905. August Hirschwald. 

Die im Processus vermiformis zahlreich vorkommenden Follikel 
spielen bezüglich der Entstehung von Krankheiten eine ähnliche Rolle wie 
die Tonsillen. Sie halten pathogene Keime zurück, werden aber darum gerade 
gelegentlich auch der Ort, an dem die Ansiedelung solcher stattfindet. (Man 
bezeichnet direkt manche Formen der Paratyphlitis als „Angina“ des Wurm- 
fortsatzes.) Hayo Bruns (Gelsenkirchen). 


Infektionskrankheiten. 633 


Gwyn and Mac L. Harris, A comparison between the results of blood 
cultures taken during life and after death. Journ. of infectious di- 
seases. Vol. 2. p. 514. 

In 14 Fällen von infektiösen Krankheiten haben die Verff. vor und nach 
dem Tode jedesmal eine grosse Menge, etwa 30 ccm, Blut auf Agarplatten 
bezw. in Nährbrühe gebracht und nun die erhaltenen Ergebnisse miteinander 
verglichen. Dabei ergab sich in der Hälfte der Untersuchungen völlige Ueber- 
einstimmung zwischen den beiden Resultaten; in der anderen Hälfte dagegen 
kamen mehr oder weniger weitgehende Abweichungen vor, die die Verff. nun 
auf verschiedene Ursachen zurückführen und in ausreichender Weise zu er- 
klären versuchen. Zum Schluss geben sie den gewiss beherzigenswerten Rat, 
namentlich in den Krankenbäusern die Prüfung des Blutes noch weit häufiger 
vorzunehmen, als das zur Zeit geschieht. C. Fraenkel (Halle a. S.). 


Weleminsky, Zur Pathogenese der Lungentuberkulose. II. Die 
Stellung der Bronchialdrüsen im Lymphgefässsystem. Berl. klin. 
Wochenschr. 1905. No. 24. S. 743. 

Verf. inficierte über 1000 Meerschweinchen an verschiedenen Stellen des 
Körpers, insbesondere am Kopfe und an den unteren Extremitäten, mit Tuber- 
kelbacillen. Fr fand, dass zunächst die regionären Lymphdrüsen, dann in un- 
unterbrochener Reihe die folgenden Drüsen fortschreitend bis zu den Bron- 
chialdrüsen ergriffen werden, und dass erst dann Infektionsherde auftraten, 
die nur auf dem Blutwege entstanden sein konnten. Verf. hält sich für be- 
rechtigt, aus dem Ausfall dieser Versuche einen Schluss zu ziehen, der unsere 
durch jahrbundertelange Forschung gefestigten Kenntnisse von der Anatomie 
des menschlichen Lymphgefässsystems für irrig erklärt. Er sagt wörtlich: 
„Es hängt also, das gesamte Lymphgefässsystem des Körpers mit allen seinen 
Lymphdrüsen auf das Innigste zusammen und zwar durch die Bronchialdrüsen; 
diese sind nicht etwa nur die Drüsen für die Bronchien und die Lungen, wie 
es z. B. die Axillardrüsen für den Arm sind, sondern sie sind direkt eine 
Art Herz, in welches die Lymphgefässe bezw. die in demselben 
wuchernden Tuberkelbacillen von allen Seiten einmünden. Von 
hier aus geht erst der Weg in die Blutbahn, vor allem also in die Lungen, 
und es ist charakteristisch, dass gerade die Bronchialdrüsen einen eigenen 
Ausführungsgang haben, den Truncus broncho-mediastinus, durch welchen ihre 
Vasa efferentia rechterseits und oft auch linkerseits direkt in die Vena sub- 
clavia sin. sich ergiessen.“* Beilzke (Berlin). 


Ritter v. Weismayr (Arco-Wien), Die Aetiologie der Lungentuberkulose. 
Eine klinisch-histologische Studie. Mit 1 Tafel. Beiträge zur Klinik der 
Tuberkulose. Bd. 3. H. 2. 

Die Annahme, dass die Infektion stets auf dem kürzesten direkten Wege 
erfolge, also in der Lunge durch die Luftwege, im Darm durch den Verdau- 
ungstrakt, kann einer strengen Kritik nicht Stand halten. Jeder Lungentuber- 
kulöse, der nicht auch an Darmtuberkulose erkrankt, ist ein unumstöss- 
licher Beweis für die schwere Inficierbarkeit des Darmes von den Ingestis aus. 

4T 


634 Infektionskrankheiten. 


In den Fällen, in welchen doch eine Infektion erfolgt, müssen entweder ge- 
wisse Schutzvorrichtungen fehlen, oder die Infektion erfolgt hier überhaupt 
nicht von der Darmschleimhaut aus, sondern von einer anderen Einbruchs- 
pforte. 

Ebenso, wie mit der Fütterungstuberkulosg verhält es sich auch mit 
der Inhalationstuberkulose. Die primäre Kehlkopftuberkulose ist ein abnorm 
seltenes, vielleicht überhaupt nicht existierendes Leiden, wiewohl der Tuber- 
kelbacillus im Larynx genug Taschen und Buchten vorfindet, wo ihn der re- 
spiratorische Luftstrom ungestört liegen lässt. Aber auch in Fällen, wo die 
Lunge erkrankt ist und bei massiger Expektorafion bacillenhaltiges Sputum 
reichlich und lange im Larynx hängen bleibt, erkrankt der Kehlkopf verhält- 
nismässig selten. Andererseits finden wir die larynxtuberkulose oft zu einer 
Zeit, in der die Lungenerkrankung so gering ist, dass der Patient nichts da- 
von ahnt. Dieses, sowie die überaus häufige Uebereinstimmung der Seite bei 
Erkrankung der Lunge und des Larynx kann ungezwungen nur so erklärt 
werden, dass die sekundäre Larynxinfektion nicht durch expektoriertes Sputum 
von der Schleimhautoberfläche aus erfolgt, sondern dass andere, direkte Wege von 
der Lunge der erkrankten Seite zur gleichen Seite des Larynx die Propagation 
vermitteln. Auch die Entstehung der Lungentuberkulose durch direkte Inhalation 
der Bacillen ist unwahrscheinlich. Wir müssen annehmen, dass die Bacillen die 
Schleimhaut entweder überhaupt nicht passieren, oder — wenn dies doch der 
Fall ist — nach den regionären Lymphdrüsen abgeführt werden. Ueberdies 
begegnen die Bacillen auf dem Wege von der Mund- resp. Nasenhöhle bis zur 
Lungenspitze einer so grossen Menge von Hindernissen und Abwehrvorrich- 
tungen, dass es sich schwer verstehen lässt, wie eine infektionstüchtige Menge 
von Bacillen ihr Ziel erreichen soll. 

Die initiale Hämopto& galt früher als der Ausdruck des Durchbruches 
eines bis dahin nicht nachgewiesenen tuberkulösen Herdes in ein Gefäss. 
Nach der Häufigkeit der initialen Blutungen müssten demgemäss die Bezie- 
hungen zwischen den Tuberkelknötchen und den Lungengefässen schr innige 
sein, was um so auffallender erscheint, als doch der Tuberkel stets gefässlos 
ist. Diese Annahme führt aber zu dem durch die Erfahrung widerlegten 
Schluss, dass sich später, wenn die Krankheit an Ausbreitung zugenommen 
hat, die Blutungen häufen müssten. Aus diesem Dilemma kommen wir nur 
heraus, wenn wir die Anschaunngen über die schwer verständliche Inhala- 
tionstuberkulose gegen die viel klarere hämatogene Infektion aufgeben, denn 
es handelt sich’ bei dieser Hämopto@ um den Durchbruch eines innerhalb des 
(iefässes entstandenen Tuberkelknötchens in das Lumen eines Bronchus, die 
Perforation des für die Entstehung und den Verlauf der Lungentuberkulose 
massgebenden Gefässtuberkels. ý 

An einer Reihe histologischer Präparate sucht der Verf. den Nachweis 
zu führen, dass wir die wichtigste Ursache für die Entstehung und die 
Weiterverbreitung des tuberkulösen Lungenprocesses in einer primären Intima- 
tuberkulose zu suchen haben; daneben verdankt freilich auch eine gewisse 
Zahl von Gefässtuberkeln ihre Entstehung tuberkulösen Processen in der Lunge 
selbst. Dieses Uebergreifen der Tuberkulose aus dem Gewebe in die Gefässe 


Infektionskrankheiten. 635 


kann in zweifacher Weise geschehen: entweder als direkter Durchbruch durch 
die Gefässwand mit völliger Substituierung dieser durch tuberkulöses Gewebe 
oder aber bei intakter Wandung des betreffenden Gefässes, vielleicht auf dem 
Wege der Vasa vasorum. 

Das weitere Schicksal des primären Intimatuberkels kann ein dreifaches 
sein und zwar: 

1. Durchbruch des tuberkulösen Processes in die Umgebung (eventuell 
ohne sichtbare Zerstörung der Gefässwand), 

2. Thrombose oder Embolie mit folgender hämorrhagischer Infareierung 
resp. Tuberkulisierung des davon betroffenen Gewebes. 

3. Allmähliche völlige Zerstörung der Gefässwand, wodurch aus dem ur- 
sprünglichen Gefässtuberkel ein frei im Gewebe liegendes Knötchen entsteht. 

Die Frage nach der Herkunft der von der Umgebung unabhängigen Ge- 
fässtuberkulose weist uns auf das Wurzelgebiet der Lungengefässe, den Lungen- 
bilus, hin, speciell auf die dort liegenden Bronchiallymphdrüsen. Haben wir 
doch auch nach den Untersuchungen Ribberts hier die Hauptquelle für die 
Lungentuberkulose und zwar sowohl für die Miliartuberkulose, als auch für 
die chronische Spitzentuberkulose zu suchen. Der Verf. sieht in dem Blut- 
strom das Transportmittel, das die Tuberkelbacillen aus den Bronchialdrüsen 
in die Lunge weiterschleppt. In erster Linie sind bier die Aa. bronchiales zu 
beachten, die im Lungenhilus in so innige Beziehungen zu den dort liegenden 
Lymphdrüsen treten, dass ein Durchbruch in diese Arterien ganz gut denkbar 
wäre. Indem dieselben die Bronchien bis in ihre feinsten Verzweigungen begleiten 
und durch die zahlreichen Anastomosen mit den Pulmonalgefässen die in ihnen 
eirkulierenden Bacillen in alle Teile der Lunge schleppen können, andererseits 
aber auch die Pleura pulmonalis mit Blut versorgen, liefern sie uns eine Er- 
klärung nicht nur für die Infektion der Lunge, sondern auch für die Entste- 
hung der primären Pleuritis, die freilich ebenso leicht durch direkte Kontakt- 
infektion von den Hilusdrüsen aus oder auch dadurch entstehen könnte, dass 
Bacillen von den Halsdrüsen her jenen von Beckmann bezeichneten Weg ein- 
schlagen, der vom Hals herab neben den grossen Gefässen führt und an der 
Einmündungsstelle des Ductus thoracicus sich teilt, einerseits gegen die Bron- 
chialdrüsen, andererseits aber gegen die Lungenspitze führt, „wo die Lymph- 
gefässe die Pleura parietalis durchbrechen und frei an ihrer Innenseite im 
Pleurasack münden“. 

Sollten Tuberkelbacillen wirklich durch Inhalation in die Lungen gelangen, 
so würden sie keine primäre Lungentuberkulose erzeugen, sondern ebenfalls 
nach den Bronchialdrüsen abgeleitet werden. Im wesentlichen aber erfolgt 
die Infektion der Bronchialdrüsen auf den vom Hals herabführenden Wegen. 

Die Kardinalfrage, warum sich die Tuberkulose vorwiegend in der Lungen- 
spitze lokalisiert, wird durch die Hypothesen der hämatogenen Infektion leider 
anch nicht beantwortet. 

Auf unser prophylaktisches Vorgehen hat es keinen Einfluss, ob wir eine 
a@rogene oder bämatogene, resp. pleurogene Entstehung der Lungentuberkulose an- 
nehmen. In jedem Falle erfolgt die Infektion durch Aufnahme virulenter Taberkel- 
bacillen in unsere Mund- oder Nasenhöhle. A. Alexander (Berlin). 

47° 


636 Infektionskrankheiten. 


Tomallini, Luigi, Experimentelle Untersuehungen über die Tuberkulose 
der Schilddrüse. Zieglers Beiträge zur pathologischen Anatomie. 1905. 
37. Bd. H. 2. 

Verf. berichtet in der Arbeit über die Resultate experimentell erzeugter 
Schilddrüsentuberkulose, um zu untersuchen, ob die in der einschlägigen 
Literatur angenommene relative Immunität der Schilddrüse gegen Tuberkulose 
zu Recht besteht, bezw. solche Momente als Ursache für die Seltenheit der 
Schilddrüsentuberkulose anzusprechen sind. Als Versuchstiere wurden Kanin- 
chen gewählt, weil diese in Bezug auf Empfänglichkeit für Tuberkulose die 
Verhältnisse beim Menschen am besten wiedergäben. In der Erwägung, dass 
die Infektion der Schilddrüse am häufigsten sekundär und auf dem Blutwege 
erfolgt, wurden Kulturaufschwemmungen unter geeigneten Kautelen von der 
Carotis aus durch die Art. thyreoid. inf. in die Schilddrüse injiciert. Die In- 
fektion gelang in allen Fällen. Bei der histologischen Untersuchung der 
in verschiedenen Zeiträumen nach der Infektion eutnommenen Organe kamen 
die einzelnen Phasen der Tuberkelbildung gut zur Beobachtung, und es zeigte 
sich, dass die Histogenese des Schilddrüsentuberkels in gleicher Weise wie in 
anderen Organen abläuft. Jedenfalls hat Verf. aus den mikroskopischen 
Bildern nicht den Eindruck gewonnen, dass das Drüsenparenchym, wie man 
anzunehmen geneigt ist, eine aktive Rolle im Kampf gegen die Infektions- 
erreger spielt. Da sich also bei dem bezeichneten Infektionsmodus keinerlei 
Anhaltspunkte für eine erhöhte Resistenz der Schilddrüse gegen Tuberkulose 
gefunden baben, glaubt Verf., dass es eine diesbezügliche Immunität nicht 
gibt, wie das auch neuerdings von anderer Seite auf Grund des Beobachtungs- 
waterials bestritten wird. Manteufel (Halle a. S.). 


Rosenberger, A study of homogenized cultures of tubercle bacilli. 
Proceedings of the Pathological Society of Philadelphia. 1905. p. 9%. 

In der vorliegenden kurzen Veröffentlichung berichtet Verf. über seine 
mit Erfolg gekrönten’ Versuche, menschliche Tuberkelbacillen, sowie 
ferner auch die entsprechenden Mikroorganismen von der Tuberkulose der 
Vögel, der Fische und endlich den Moellerschen Graspilz in „homogenen“ 
Kulturen zu züchten, die also von dem gewöhnlichen Verhalten dieser Bak- 
terien weit verschieden waren. Das angewandte Verfahren bestand in fleissigem, 
jeden Tag mindestens 2 mal wiederholtem Schütteln der Gläschen; auch bei 
Zimmertemperatur wurde Wachstum erhalten. Eine Beweglichkeit der 
Stäbehen hat Verf. zum Unterschiede von Arloing, Auclair und Hawthorne. 
nicht beobachten können. C. Fraenkel (Halle a. S.). 


Turban (Davos), Demonstration und Erläuterung mikroskopischer 
Präparate von Tuberkulose. Aus d. Verband]. d. Kongr. f. innere Med. 
1905. S. 438. 

Durch Anwendung einer heissen alkalischen Karbolfuchsinlösung, analog 
dem Löfflerschen Methylenblau, mit Zusatz von ?/10000 Kalilauge hergestellt, 
färbt Turban Tuberkelbacillen aus alten Reinkulturen oder Sputum 11/4 Stunde 
lang heiss (nicht bis zum Kochen) in gedeckter Schale unter Auswechselung 


Infektionskrankheiten. 637 


der Farblösung nach 40 Minuten. Danach sollen sich auch die sonst unge- 
färbt bleibenden Lücken in den Tuberkelbacillen färben und zugleich in manchen 
Präparaten dunkelrote grosse Kugeln oder Körner verschiedener Grösse sicht- 
bar werden. Nach Turbans Ansicht handelt es sich um eine Chromatin- 
Differenzierung im Bakterienplasma. Bei Erhitzung der Trockenpräparate von 
Tuberkelbacillen 11/, Stunde im Trockeuschrank bei 180° färben sich Tuberkel- 
bacillen mit den gewöhnlichen oder verdünnt alkoholischen Anilinfarben und 
entfärben sich in Säuren prompt wie andere Bakterien. Zum Nachweis einer 
Hülle am Tuberkelbacillus wurden Präparate von 1—2 Jahre alten Reinkulturen 
mit Delafields Hämatoxylin gefärbt und zwar 5—6 Stunden in konzentrierter 
Lösung oder 15 Stunden in Verdünnung von 2 Teilen Delafield und 1 Teil 
Aq. dest. Färbung sehr schwierig und ausserdem fraglich, ob es sich wirklich 
um eine Membran handelt. Ferner wurde eine Doppelfärbung der Tuberkel- 
bacillen und der elastischen Fasern (Nachbehandlung mit Weigertscher Färbung) 
demonstriert und zum Schluss ein Schnittpräparat aus der Lungenspitze von 
Tuberkulose neben primärem Lungenkrebs mit Hämatoxylin-Eosin gefärbt. 
Nieter (Halle a. S.). 


Eber A., Experimentelle Uebertragung der Tuberkulose vom Men- 
schen auf das Rind. Beitr. z. Klin. d. Tuberkulose. Bd. 3. H. 4. S. 257. 
Um die Frage der Beziehungen zwischen Menschen- und Rinder- 
tuberkulose zu klären, übertrug Verf. menschliche Tuberkulose auf 
junge Rinder, und zwar verwendete er zu diesem Zwecke keine Reinkulturen, 
sondern tuberkulöses Leichenmaterial von Kindern, das frisch ein- 
gespritzt wurde, oder die Organe von Meerschweinchen, die mit dem Leichen- 
material geimpft waren. Von 5 Tuberkulosefällen wurden tuberkulös veränderte 
Darmteile oder Mesenterialdrüsen 7 jungen Rindern intraperitoneal oder sub- 
kutan eingespritzt. Hierbei erwies sich das Material für 2 Rinder stark virulent — 
es fand sich bei ihnen eine ausgebreitete Allgemeintuberkulose —; für 2 Rinder 
mittelgradig virulent — sie bekamen eine Bauchfelltuberkulose —; ein Tier erlitt 
eine geringgradige lokale Infektion, und 2 Rinder zeigten keine Spur einer 
Infektion. Gleichzeitig impfte Verf. 5 andere Rinder mit vom Rinde stammen- 
dem tuberkulösen Material. Dies war für 1 Rind stark virulent, für 2 Rinder 
mittelgradig virulent und für 2 geringgradig virulent. Aus allen diesen Ueber- 
tragungsversuchen schliesst Verf., dass Kochs Behauptung, dass die mensch- 
liche Tuberkulose von der des Rindes verschieden sei, nicht auf- 
recht zu erhalten ist. Baumann (Metz). 


Issakowitsch, Pedrag, Der heutige Stand der Frage über die Ver- 
wandtschaft zwischen Rinder- und Menschentuberkulose. Inaug.- 
Dissert. Berlin 1905. 

Verf. kommt zu folgenden Schlüssen: Die Möglichkeit der Uebertragung 
der Menschentuberkulose auf Rinder ist erwiesen worden. Das Vor- 
kommen von Rindertuberkelbacillen in menschlichen Organen ist 
bewiesen. Für die Lösung der Frage des Themas spielt die Häufigkeit der 
tuberkulösen Darmerkrankungen so lange keine entscheidende Rolle, bis nach- 


638 Infektionskrankheiten. 


gewiesen wird, dass die Darmtuberkulose nur durch Rindertuberkelbacillen 
hervorgerufen werde. Weitere Untersuchungen, ob und unter welchen Ver- 
hältnissen die Menschentuberkelbacillen in die Rindertuberkelbacillen um - 
gezüchtet werden können, würden für die Lösung der Frage von nicht zu 
unterschätzendem Nutzen sein. Baumann (Metz). 


Schellenberg, Georg und Scherer, August, Was leistet die Röntgen-Durch- 
leuchtung des Brustkorbes als Diagnostikum bei tuberkulösen 
Lungenerkrankungen? Aus den Lungenheilstätten der Landesversiche- 
rungsanstalt Berlin bei Beelitz. Beiträge zur Klinik der Tuberkulose. Bd. 3. 
H. 2. 

Das von den Verff. untersuchte Material betrifft 320 Fälle von Lungen- 
tuberkulose der verschiedensten Art und wurde derart verwertet, dass der 
eine der Autoren die Fälle klinisch, der andere röntgenologisch untersuchte 
und dass absolut keine Beeinflussung von der einen Seite auf die andere mög- 
lich war. Nach kritischer Besprechung der Literatur und Hervorhebung der 
in derselben zum Ausdruck gelangenden äusserst widersprechenden Meinungen 
berichten die Verf. über die Beschaffenheit und Herkunft des benutzten 
Instrumentariums, über die Einrichtung des Untersuchungszimmers und die 
Technik der Untersuchung. Interessenten finden in diesem Bericht viele 
wissenswerte Einzelheiten. Bei der Durchleuchtung wurde wesentlich auf 
folgende Punkte geachtet: 

1. Durchsichtigkeitsveränderungen eines oder beider Spitzengebiete, 

. einzelne Herdschatten, 

. Rippen- und Pleuraschatten, 

. Zwerchfellbewegungen, 

. Veränderungen der Lage der Rippen. 

Nach ausführlicher Mitteilung der erhaltenen Befunde gelangen die Verff. 
zu folgendem Endurteil: 

„Die Röntgenoskopie steht ebenbürtig neben der Auskultation und Perkussion, 
bald sie übertreffend, bald hinter ihr zurückbleibend (Holzknecht), weil „sie 
ohne Störung Einblicke in den lebendigen tätigen Organismus gestattet und 
somit durch die Beteiligung des Auges als Kritiker des Ohrs ein treffliches 
Mittel objektiver Selbstkritik schafft“ (Kraft). Wir müssen konstatieren, 
dass die Röntgen-Durchleuchtung stets ein positives Resultat ergeben 
hat, wo wir nach unseren sonstigen Untersuchungsmethoden Tuberkulose als 
sicher vorliegend annehmen mussten. Hinsichtlich der Frühdiagnose der 
Lungentuberkulose (sogenannte „Spitzenkatarrhe“) sehen wir uns veranlasst, 
eine reserviertere Stellung einzunehmen. Nicht in jedem zweifelhaften Falle, 
wo die anderen physikalischen Methoden versagten, haben wir die Röntgen- 
methode als zuverlässig befunden. Sie hat sich bis hente noch nicht zu einer 
exakten diagnostischen Methode herausgebildet; das Specifische des Processes 
ist ihr auf jeden Fall unzugänglich. Eine nur auf den Röntgenbefund auf- 
gebaute Diagnose der Spitzenaffektionen, bei fehlendem klinischen Befunde, 
kann nie mit Sicherheit gestellt werden. Dagegen stehen die Röntgenbilder 
den anatomischen Befunden im allgemeinen näher, als die physikalischen Auf- 


ap mm 


Infektionskrankheiten. 639 


schlüsse. Sie gaben entschieden die beste Uebersicht über die Ausbreitung 
des Krankbeitsprocesses, gestatteten eine schärfere Beobachtung des Verlaufes 
und konnten zu einer rechtzeitigen Diagnose bei Beurteilung zweifelhafter Fälle 
hinsichtlich des Sitzes und der Ausdehnung des erkrankten Bezirkes führen. 
Wir haben wiederholt feststellen können, dass in Fällen, wo die Untersuchung 
nur geringe-Veränderungen erkennen liess, trotzdem die sonstigen Krankheits- 
symptome entschieden für ein ausgedehnteres Leiden sprachen, die Röntgen- 
untersuchung ein wesentlich ungünstigeres, aber zweifellos richtigeres Bild 
gab. Sie ist dadurch entsthieden ein bedeutungsvolles diagnostisches Hülfs- 
mittel geworden, das für eine grosse Zahl von sonst zweifelhaften Tuberkulose- 
fällen die probatorische Tuberkulininjektion entbehrlich machen kann. Gerade 
für die Frühdiagnose der Lungentuberkulose wird bei noch mehr verbesserter 
Technik und vermehrter Uebung viel zu erreichen sein, so dass die Röntgen- 
untersuchung in die erste Reihe der Untersuchungsmittel treten wird.“ 
A. Alexander (Berlin). 


Arneth l., Blutuntersuchungen bei der Tuberkulose der Lungen und 
bei der Tuberkulinkur. Münch. med. Wochenschr. 1905. No. 12. S. 542. 
Verf. begnügt sich nicht mit der Feststellung der absoluten Zahlenwerte 
der Leukocyten, sondern führt eine Kontrolle des neutrophilen Blutlebens durch. 
Er führt aus, dass dab cirkulierende, weiterhin ansässige und dann ins 
Blut secernierende, sich fortwährend vermehrende Gift durch seine giftigen 
Stoffwechselprodukte und Leibessubstanzen ununterbrochen diejenigen Schutz- 
zellen des Blutes im stärksten Grade in Anspruch nimmt, die mit seiner Be- 
kämpfung vom Organismus betraut sind, nämlich die neutrophilen Schutz- 
zellen, welche dann schliesslich der bakteriellen Invasion unterliegen. 

Dieser Verbrauch an neutrophilen Zellen wird noch dadurch erhöht, dass 
zur Entwickelung der miliaren Tuberkel ungezählte Massen von polynukleären 
Neutropbilen auch an Ort und Stelle selbst benötigt werden. 

Ferner gesellt sich zu der Wirkung der Tuberkelbacillen event. diejenige 
der bei Mischinfektionen in Frage kommenden Bakterien. 

Dementsprechend fand A. in vier Fällen von Miliartuberkulose normale 
oder subnormale Leukocyterigesamtzahlen bei gleichzeitig schwerem und gegen 
Todeseintritt sicb immer schwerer veränderndem neutrophilen Blutleben, er- 
kennbar an den progressiven morphologischen Veränderungen. 

Bei der subakuten und chronischen Lungentuberkulose konnte ein suc- 
cessiv langsameres Unterliegen der neutrophilen Zellen beobachtet werden. 

Für das Zustandekommen der Blutveränderung bei den Fällen chronischer 
Tuberkulose kommt neben den für die miliare Form erwähnten Momenten 
noch der Bedarf an Zellen für den oft sehr kopiösen und vielfach rein eitrigen 
Auswurf in Betracht, welcher sehr hoch zu taxieren ist, selbst wenn man für 
die Eiterbildung aus den Geweben selbst grosse Subtraktionen macht. 

Wenn bei geringfügigem Lungenbefunde und entsprechend gutem Befinden 
des Patienten im Kontrast dazu ein schwer verändertes Blutleben nachweis- 
bar war, so pflegte sich bald darauf eine Verschlimmerung einzustellen. Das- 
selbe war der Fall, wenn Patienten mit schweren tertiären Lungenveränderungen 


640 Infektionskrankheiten. 


einen anscheinend ganz ausgezeichneten Gesundheitszustand wieder gewonnen 
hatten, Gewichtszunahme aufwiesen und sich beim Austritt aus der Behandlung 
subjektiv fast geheilt fühlten, aber dennoch ein schwer geschädigtes Blut- 
leben aufwiesen. Die Blutuntersuchung hat demgemäss eine prognostische 
Bedeutung und gibt Anhaltspunkte dafür, ob die Behandlung noch fortzu- 
setzen ist. i 

Die Gesamtleukocyten Zählresultate bewegten sich bei den fieberlosen 
Fällen chronischer Tuberkulose meist unter 10000 pro cbmm. Je geringer die 
Gesamtzahl und je schwerer das Blutleben geschädigt ist, desto ungünstiger 
die Prognose. Das Absteigen der Leukocytenzahl ist nur dann als günstig zu 
betrachten, wenn es gleichzeitig mit einer Besserung des Blutlebens einhergeht. 
Leukocytenwerte zwischen 5- und 10000 sind demgemäss nicht ohne weiteres 
als normal zu betrachten, wie man dies heute gewohnt ist. In Fällen mit 
fieberhaftem Verlaufe wurden häufig Gesamtzablen bis über 10000 gefunden, 
aber ohne Ausnahme ein schwer, oft sehr schwer verändertes Blutleben, das 
hier wahrscheinlich hauptsächlich durch die Giftwirkung der Tuberkelbacillen 
und der Mischbakterien bedingt ist. 

Was die Tuberkulinkur anbetrifft, die nach dem vorsichtigen Verfahren 
von Götsch ausgeführt wurde, so zeigte sich, dass die Rinzeltuberkulininjektion, 
die mit schwerer Reaktion einhergeht, auch mit schweren morphologischen 
Veränderungen im neutrophilen Zellleben verbunden ist, die sich aber mit dem 
Abklingen der Reaktion früher oder später wieder zurückbilden. Dement- 
sprechend hat eine reaktionslose Tuberkulininjektion nur ganz unbedeutende 
Verschiebungen und hauptsächlich nur solche in der Gesamtzahl zur Folge, 
welche gleichfalls in kurzer Zeit wieder ausgeglichen werden. Bezüglich des 
Kurerfolges bestehen 3 Möglichkeiten: 

1. Besserung bezw. Sanation des Blutbildes im Verlaufe der Kur. 

2. Keine Besserung im Verlaufe, wohl aber nach Schluss der Kur. 

3. Keine merkliche Besserung des Blutbefundes, aber wesentliche Hintan- 
haltung einer Verschlechterung. 

Selbst im letzten ungünstigsten Falle wurden bedeutende klinische Besse- 
rungen erzielt. Die Hauptbesserung des Blutbefundes machte sich immer gegen 
Ende der Kur geltend, wo die grösseren Dosen zur Applikation kamen. 

Aus der Blutkontrolle lassen sich bei dieser Sachlage vielleicht berechtigte 
Schlüsse ziehen, ob eine erneute Kur, eine Etappenbehandlung, ein Wechsel 
mit anderen Kuren nötig ist. Die Tuberkulinunempfindlichkeit steht wahr- 
scheinlich in Beziehung zur Beschaffenheit der Neutrophilen; doch bleibt dahin- 
gestellt, ob sich ein Schwellenwert für die Grenze der Tuberkulinempfindlich- 
keit mit Hülfe gleichzeitiger Blutuntersuchungen je wird feststellen lassen. 

Achnliche Beziehungen, wie zwischen der Tuberkulinempfindlichkeit der 
Phthisiker und der Beschaffenheit des Blutlebens, lassen sich auf derselben 
Grundlage wohl auch für den verschiedenen Ausfall der Seramagglutination 
der Tuberkelbaeillen bei den Phthisikern der verchiedenen Stadien herstellen. 
Dass die Agglutinationsfähigkeit des Serums entgegengesetzt, wie z.B. beim Typhus 
abdominalis bei weiter vorgeschrittenen Fällen meist fehlte, kann als Hand 
in Hand gehend mit der Zunahme der Schwere der Blutveränderungen bei 


Infektionskrankheiten. 641 


der Phthise bezeichnet werden, während heim Typhus umgekehrt das Blut- 
leben zu Anfang am schwersten geschädigt ist und sich dann successive bessert. 
Die Therapie hat die Aufgabe, bei der Kräftigung und Reorganisation der 
neutrophilen Blutzellen die Hebel anzusetzen, um sie zu befähigen, den Kampf 
zu einem guten Ende für den Gesamtorganismus zu führen. Unsere medika- 
mentöse, hygienisch diätetische, klimatische Behandlung, ebenso wie die 
Tuberkulin- und Zimmtsäurekuren werden dieser Forderung mehr oder weniger 
gerecht. A. Alexander (Berlin). 


Kathe, Johannes, Das ätherische Oel im Knoblauch, ein neues angeb- 
lich antituberkulöses Specificum. Inaug.-Diss. Halle a.S. 1905. 
Der Italiener Carazzani hatte angegeben, dass der Knoblauch im 
Tierexperiment und am Krankenbett einen günstigen Einfluss auf die 
Tuberkulose ausübt. Verf. stellte eine Nachprüfung dieser Angabe bezüglich 
der Tierversuche an. Eine Reihe von Meerschweinchen erhielt täglich 
Knoblauchsaft eingeflösst. Nach 3 Wochen wurden sie 2 mal einer 3/, stün- 
digen Inhalation mit zerstäubtem tuberkulösem Auswurf ausgesetzt. Die vorbe- 
handelten Tiere erlagen zwar ebenso wie die Kontrolltiere einer Tuberkulose- 
infektion, jedoch waren bei ihnen niemals die Mesenterialdrüsen ergriffen. 
Die beim Inhalieren stets mitverschluckten Tuberkelbacillen werden nach 
Ansicht des Verf.’s im Darm durch das als lokales Antiseptikum wirkende 
Knoblauchöl abgetöt, und die Infektion erfolgt ausschliesslich auf dem 
Respirationswege. In einer zweiten Versuchsreihe wurden die mit Knoblauch- 
saft vorbehandelten Meerschweinchen mit Tuberkelbacillenreinkultur 
subkutan geimpft. Hier war durchaus keine Einwirkung auf die tuber- 
kulöse Infektion zu erkennen; alle Tiere starben, wie die Kontrolltiere, an 
Tuberkulose. Der Knoblauchsaft bezw. das darin enthaltene Oel übt 
also nur im Darm eine abtötende Wirkung auf die Tuberkelbacillen 
aus; eine Beeinflussung der in den Lungen lokalisierten Processe war nicht 
wahrzunehmen. Baumann (Metz). 


Reiche F., Die Erfolge der Heilstättenkuren bei Lungenschwind- 
süchtigen. Münch. med. Wochenschr. 1905. No. 15. S. 697. 

Verf. bemängelt die Statistiken des Reichs-Versicherungsamtes, weil nur 
die Dauer des Erfolges bei den durch die Kur geheilten Personen berück- 
sichtigt wird und weil die Fälle wiederholter Behandlung nach Abschluss des 
neuen Heilverfahrens als besondere Fälle gezählt werden. Ueberdies müsse 
aus einer klinisch wertvollen Statistik hervorgehen, wie sich in der Gesamt- 
summe die verschiedenen Formen und Stadien der Krankheit verteilen. Verf. 
berichtet über die Art und Dauer des Erfolges bei 1980 den arbeitenden und 
versicherungspflichtigen Kreisen des Volkes angehörigen Phthisikern, deren 
Lungenbefund alljährlich revidiert wurde. Die Fälle gehören 8 Jahrgängen 
an (1895-1902). Sie werden getrennt verwertet nach dem Geschlecht, nach 
Dauer und Zahl der durchgemachten Kuren, nach dem Stadium der Erkran- 
kung, nach der In- und Extensität der objektiven Lungenveränderungen, nach 
der Dauer der Krankheitssymptome bis zum Momente, der ärztlichen Unter- 

43 


642 Infektionskrankheiten. 


suchung, nach den ersten Anzeichen des Leidens, nach dem Alter und ver- 
schiedenen anderen Gesichtspunkten. Die einzelnen Zahlen müssen im Original 
nachgelesen werden. Erwähnt sei nur, dass sie nicht zu Ungunsten des Heil- 
stättenverfahrens sprechen. A. Alexander (Berlin). 


Cagnetto, Jean, Sur une variété de tuberculose zoogleique et ses 
rapports avec la pseudo-morve. Ann. de l’Inst. Pasteur. 1905. No. 7. 
p. 449. 

Im pathologisch-anatomischen Institut von Bonome hat Verf. eine Seuche 
bei Meerschweinchen beobachtet und näher untersucht, welche mit 
verschiedenen Formen von bacillärer Pseudotuberkulose einerseits und 
von rotzäbnlichen Erkrankungen andererseits eine grosse Aehnlichkeit 
zeigte. Der gefundene Mikroorganismus entspricht mikroskopisch und 
kulturell den erwähnten Bakterienarten, er ist pleomorph, färbt sich bipo- 
lar und wächst üppig bei Bruttemperatur. Die Milch wird zur Ge- 
rinnung gebracht, in Zuckerbouillon entsteht Säure, hingegen niemals 
Gas. Biologisch ist er gekennzeichnet durch sehr geringe Virulenz für 
Kaninchen und durch die grössere Pathogenität für Tauben und für 
weisse Mäuse. Nach intraperitonealer Injektion entsteht beim männlichen 
Meerschweinchen eine Orchitis mit Vaginalitis. Die betreffende Bakterienart 
entspricht weder vollständig der einen noch der anderen Gruppe; immerhin ist 
Verf. geneigt, dieselbe eher dem Bact. pseudo-tuberculosis rodentium 
als atypische Form anzugliedern unter dem Namen Bact. pseudo-tubercu- 
lare orchitophlogogenes. In der beigegebenen Tafel sind ein Schnitt 
durch ein specifisches Knötchen, sowie verschiedene Kulturen des betreffenden 
Mikroorganismus abgebildet. Silberschmidt (Zürich). 


Saul, Beiträge zur Morphologie der pathogenen Mikroorganismen; 
Diphtherie- und Pseudodiphtheriebacillus. Münch. med. Wochen- 
schr. 1905. No. 10. S. 446. 

Verf. hat seine früheren Untersuchungen über die „Bakterienpflanzen“ 
auch auf die Gruppe der Diphtherie- und Pseudodiphtheriebacillen 
ausgedehnt in der Absicht, durch die von ihm ersonnene morphologische 
Untersuchungsmethode neue Anhaltspunkte für die bekanntlich recht schwierige 
Unterscheidung der einzelnen Species dieser Gruppe zu gewinnen. Er liess, 
wie bereits in früheren Arbeiten beschrieben, die Keime monatelang in der 
Tiefe eines festen Nährbodens wachsen und untersuchte sodann die laubähn- 
liche Kolonie („Pflanze“) in Serienschnitten. Auf diese Weise wurden ein 
Diphtheriestamm und eine Anzahl Pseudodiphtheriestämme geprüft. Keine der 
Pseudodiphtheriekulturen stimmte mit dem Diphtheriestamm’ überein; „auch 
waren die einzelnen Pseudodiphtheriestämme untereinander durch so starke 
morphologische Unterschiede ausgezeichnet, dass sie als verschiedene Species 
imponierten“. Eine Anzahl P’hotographien sind beigegeben. 

Beitzke (Berlin). 


Infektionskrankheiten. 643 


Weaver, George H. and Tunnicliff, Ruth, The occurrence of fusiform ba- 
cilli and spirilla in connection with morbid processes. Journ. of 
infectious diseases. Vol. 2. p. 446. 

Die vorliegende Arbeit berichtet über erfolgreiche Versuche zur Kultur 
des Bac. fusiformis, der sich als ein streng ana@robes, unbewegliches, 
nur bei höheren Temperaturen und auf zuckerfreien Nährböden wachsendes 
Stäbchen charakterisierte, das dem Gramschen Verfahren nicht zugänglich 
war. Die Kolonien oder auch die ganze Kultur erwies sich als ein dünnes, 
granweisses Häutchen; im Impfstich war die Entwickelung üppiger; es bildete 
sich eine grauweisse, keine Gasblasen erzeugende Zucht. Bei den Ueber- 
tragungsversuchen auf Tiere wurde ein positives Ergebnis nicht erhalten. 
Schliesslich sei noch erwähnt, dass die Verff. sich energisch und gewiss mit 
Recht gegen die neuerdings von verschiedenen Seiten vertretene Anschauung 
von der Zusammengehörigkeit der bier in Rede stehenden Stäbchen und der 
meist gemeinschaftlich mit ihnen vorkommenden Spirillen wenden. 


C. Fraenkel (Halle a. S.). 


Veszpremi D., Kultur- und Tierversuche mit dem Bacillus fusifor- 
mis und dem Spirillum. Centralbl. f. Bakt. Abt. I. Orig. Bd. 38. S. 136. 
In dem Eiter einer Oberkieferperiostitis und daranschliessenden Phlegmone 
der Schädelbasisgegend fand Verf. in grossen Mengen fusiforme Bacillen 
und Spirillen. Es gelang mit dem Eiter bei Kaninchen eitrige Peritonitis 
zu erzengen, in denen die gleichen Organismen vorhanden waren. Vom Kanin- 
chen aus liessen sich beide Organismen in Nährböden kultivieren, die aus 
Liquor pericardii, Kaninchenserum und Bouillon zusammengesetzt waren. Das 
Wachstum erfolgte in krümeligen, körnigen Massen, in denen zuerst fusiforme 
und fadenförmige Bacillen, später auch die Spirillen auftraten. Mit diesen 
konnten bei Kaninchen wiederum eitrig-jauchige Processe erzeugt werden. 
Nähere Angaben werden für später in Aussicht gestellt. 
Hayo Bruns (Gelsenkirchen). 


Vincent H., Bemerkungen über die „Angina à bacilles fusiformes“. 
Plaut H. C., Antwort. Münch. med. Wochenschr. 1905. S. 1287. 
Prioritätsstreit über die Entdeckung der Spirillen und der spindelförmigen 
Bacillen, ihrer Symbiose und ihrer ätiologischen Bedeutung. 
Kisskalt (Giessen). 


Smith, Theobald (Boston), Ueber einige Kulturmerkmale des Rausch- 
brandbacillus. Zeitschr. f. Infektionskrankh., paras. Krankh. u. Hyg. d. 
Haustiere. Rd. 1. S. 26. Berlin. Verlag von Rich. Schoetz. 

Die Unsicherheit in der Diagnose der Anadrobien hat Verf. veranlasst, 
einfache, unzweideutige Kulturmerkmale ausfindig zu machen, und er hat diese 
io der Kultivierung der Anaërobien im Gärungskölbchen gefunden. Hierbei 
hat sich nun, um ein gutes und schnelles Wachstum zu erzielen, als zweck- 
mässig erwiesen, ein etwa bohnengrosses steril entnommenes Stückchen Leber, 
Milz oder Nieren eines gesunden Kaninchens oder Meerschweinchens in den 

43? 


644 Infektionskrankheiten. 


geschlossenen Schenkel des mit steriler Zuckerbouillon gefüllten Gärungs- 
kölbchens einzuschieben. Nach 2—3 tägigem Aufenthalt im Brutschrank wird 
das so zubereitete und steril befundene Kölbchen mit den näher zu bestimmen- 
den Anaörobien geimpft. Mit dieser Methode prüfte Smith eine Reihe ana- 
erober Kulturen und fand, dass zwei verschiedene Kulturmerkmale auf- 
gestellt werden können: 1. Die Gasproduktion aus gewissen Zuckerarten 
(selektive Gärung). 2. Die Gasformel, welche die relative Quantität 


H 
der CO, zum explosiblen Gas (H) feststellt. Diese Formel co, kann 
2 


leicht durch Absorption der CO, durch Kali- oder Natronlauge bestimmt werden 
(Centralbl. f. Bakt. 1890. Bd. 7. S. 502). Bei den Untersuchungen bat sich 
nun gezeigt, dass fast alle anaöroben Bakterien Dextrose vergären 
unter reichlicher Bildung von Gas; einige greifen auch Milchzucker 
an, keine der untersuchten Arten aber Saccharose. Zur Bestimmung 
der Gasformel wird 1 proz.’ Dextrosebouillon mit Organstückchen verwandt. 

Auch fraktioniert (4 mal) im Dampftopf sterilisierte Milch hat sich 
als ein besonders geeignetes Kultursubstrat für Anaörobien bewährt. 
Hierbei kommen als Kulturmerkmale in Betracht: Fällung des Kaseins, 
Verdauung und Gasbildung, sowie Säurebildung und Geruch. 

Bei vergleichenden Prüfungen von Rauschbrandkulturen verschiedener Her- 
kunft zeigten sich nun grosse Verschiedenheiten bezüglich des Verhaltens der 
Gasformel (d. i. des Gärungstypus) und des Aussehens und der Beschaffenheit 
der Milchkulturen. Verf. nimmt infolge dessen an, dass nicht alle unter- 
suchten Stämme wirklich Rauschbrand gewesen sind. Er stellt für den Rausc h- 
brandbacillus folgende Kulturmerkmale fest: 

1. In Peptonbouillon (ohne Fleischzucker und ohne Organstückchen) wird 
50--100°/, (des geschlossenen. Schenkels) Gas aus Dextrose und Laktose, 
aber kein Gas (oder nur ein wenig) aus Saccharose gebildet. 


H SER 
2. Gasformel: c6, = ungefähr T 


3. Milch gerinnt nach einigen Tagen, weitere Veränderungen treten 
nicht ein. R 

Für den Bacillus des malignen Oedems beträgt die Gasbildung 
50—100 %, in Dextrosebonillon (Laktose und Saccharose werden 


š x H 1 1 i x 5 

nicht angegriffen), Gasformel 2735 und die Milch wird unter 
Bildung von stinkenden Gasen in eine wässerige Flüssigkeit ver- 
wandelt. Bongert (Berlin). 


Reiche F., Schaumorgane bei einem Typhuskranken. Aus dem allge- 
meinen Krankenhaus Hamburg-Eppendorf. Münch. med. Wochenschr. 1905. 
S. 1232. 

Bei der Sektion einer Typhusleiche wurde in der Leber eine typische 
Gasgangrän vorgefunden; als Erreger wurden die E. Fränkel-Welchschen 
Bacillen nachgewiesen. Als Eintrittspforte ist wahrscheinlich ein Typhus- 
geschwür anzusehen. Kisskalt (Giessen). 


Infektionskrankheiten. 645 


Canby, Robinson G., The role of the typhoid bacillus in the pulmo- 
nary complications of typhoid fever. Journ. of infectious diseases. 
Vol. 2. p. 498. 

Nach einem Hinweis auf die Bedeutung des Typhusbacillus für das Auf- 
treten von Störungen seitens der Atmungswerkzeuge im Verlaufe eines Typhus 
abdominalis werden 3 Fälle beschrieben, bei denen Verf. selbst den Bacillus 
des Typhus bezw. bei einer Erkrankung den Paratyphusbacillus in den 
Lungen nachweisen konnte. Die sich dann entwickelnde Pneumonie ist 
ausgezeichnet durch die blutige Beschaffenheit des Auswurfs. Die Tatsache 
des Vorkommens der Typusbacillen im Sputum von Patienten mit Lungener- 
scheinungen muss uns auch entsprechende Massnahmen gegen die Verbreitung 
der Ansteckung auf diesem Wege ans Herz legen. 

C. Fraenkel (Halle a. $.). 


Tissier, Henry, Etude d’une variété d’infection chez les nourrissons. 
Ann. de l'Inst. Pasteur. 1905. No. 5. p. 273. 

Verf. beschreibt eine eigenartige, nicht selten oloani Erkran- 
kung des Säuglings, bei welcher er eingehende bakteriologische Unter- 
suchungen vorgenommen hat. Die Erkrankung beginnt langsam, indem die 
Stühle härter, dunkler und übelriechend werden. Die Stühle nehmen an 
Zahl zu bis 6, 8 und sogar 12 innerhalb 24 Stunden und zeichnen sich durch 
starke, an Bierschaum erinnernde Gasbildung aus; bei Luftzutritt 
werden sie olivengrün. Die Ernährung leidet, das Kind wird blass, das 
Körpergewicht nimmt ab, nach 15—20 Tagen tritt Besserung ein. Die Stühle 
sind seltener, der Appetit nimmt zu, und 14 Tage bis 1 Monat später sind 
die Stühle wieder normal. Die Gesamtdauer @der Krankheit schwankt zwischen 
1—2 Monaten. Bei dem künstlich ernährten Kinde ist die Krankheit schwerer 
und die Prognose schlechter. Die Ursache wird am ehesten durch die bak- 
teriologische Untersuchung aufgeklärt, indem die Darmflora bei den erkrankten 
Kindern ganz verschieden von der gewöhnlichen ist; die Kokkobacillen und 
die Diplokokken sind in überwiegender Zahl, während die gewöhnlichen 
Diplobacillen spärlich anzutreffen sind; es handelt sich um eine diarrhoische 
Modifikation der Flora. Neben den gewöhnlichen Bakterien kommen noch 
verschiedene abnorme hinzu, von welchen ein gemischtes proteolytisches und 
eine Anzahl peptolytische Fermente stammen. Die Hauptrolle wird dem Bac. 
perfringens, welcher sehr pathogen und stark fermentativ wirkt, zuge- 
schrieben. Klein und Andrewes haben einen mit dem Bac. perfringens 
identischen Bac. enteritidis sporogenes als den Erreger gewisser Säuglings- 
diarrhöen beschrieben. Die Infektion hängt ab vom chemischen Zustand des 
Darminhaltes und von der Darmflora. Für die Behandlung war die Fest- 
stellung der Ursache ausschlaggebend. Eine Umänderung der Flora und zwar 
speciell mittels Darreichung von Reinkulturen des Bac. acidi paralactici 
(Kozai), welcher im Darminhalt leicht wächst und die Entwickelung des 
Bac. bifidus "begünstigt, wird empfohlen, ebenso eine Aenderung der Diät. 
Die Diagnose lässt sich durch einfache direkte mikroskopische Untersuchung 
eicht stellen. Silberschmidt (Zürich). 


646 Infektionskrankheiten. 


Trautmann G., Zwei weitere Fälle von sogenanntem „Drüsenfieber“. 
Münch. med. Wochenschr. 1905. S. 1101. 

Das von E. Pfeiffer zuerst beschriebene „Drüsenfieber“ ist charakte- 
risiert durch Schwellung und Schmerzhaftigkeit der Lymphdrüsen im ganzen 
Umfang des Halses, besonders am hinteren Rande des Kopfnickers und des 
Nackens. In den beiden vom Verf. beobachteten Fällen wurden Streptokokken 
im Nasenrachenraum nachgewiesen, die auch die Ursache gewesen sein könnten. 
Ob sie dies immer sind, ist fraglich; eher scheint es, dass das Drüsenfieber 
keine selbständige Krankheit, sondern der Ausdruck einer im Nasenrachenraum 
verlaufenden, vielleicht rudimentär gebliebenen Infektionsk rankheit, z. B. der 
Masern ist. Kisskalt (Giessen). 


Czarnecka L., Ueber die Konservierung der Lebensfähigkeit und 
Virulenz der Mikrobien im Markgewebe beim Austrocknen. Vor- 
läufige Mitteilung. Aus dem bakteriologisch en Institute in Kiew. Centralbl. 
f. Bakt. Bd. 38. S. 164. 

Streptokokken halten sich im Rückenmarke eingetrocknet mindestens 

8!/ Monate, Pneumokokken 7!/, Monate, ohne die Virulenz einzubüssen. In 

der Milz eingetrocknete Mikroorganismen gehen bedeutend schneller zugrunde. 

Das Verfahren eignet sich besonders für Laboratorien zur Konservierung wenig. 

Kisskalt (Giessen). 


Müller, Richard, Bakterienbefunde im Mittelohreiter. Zeitschrift für 
Ohrenheilk. Bd. 49. H. 2. 

Die bakteriologische Untersuchung „einer Reihe“ von Fällen akuter 
Mittelohreiterung im Garnisonkazarett I Berlin ergab bisweilen Reinkulturen 
von Staphylokokken und Streptokokken, Staphylokokken mit Diplokokken und 
Staphylokokken mit schlanken nicht näher bestimmten Stäbchen. Wieder- 
holentlich wurde auch der Bac. pyocyaneus gefunden. Dabei fand Verf. die An- 
gabe Scruvyez’ bestätigt, dass bei Beginn der Erkrankung gewöhnlich nur 
eine Art Bakterien im Mittelohreiter vorhanden sei. Das Auftreten einer 
zweiten Art spräche für sekundäre Infektion. Da die Erfahrung gelehrt habe, 
dass die ersteren Fälle prognostisch günstiger seien, sei peinlichste Asepsis 
und Vermeidung von Sekundärinfektion bei der Behandlung geboten. Mehr 
als 2 Arten von Mikroorganismen hat Verf. niemals beobachtet. 

Im Verlauf eines schweren Typhus, der schliesslich einen tödlichen Ausgang 
nahm, trat am 18. Krankheitstage doppelseitige Mittelohreiterung auf, bei der 
kulturell Typhusbacillen in Reinkultur gefunden wurden. Ferner wurde im 
Anschluss an Diphtherie auch serös-eitriger Mittelohrkatarrh mit Diphtherie- 
baeillenbefund beobachtet, dessen Heilung Aufmeisselung erforderte. 

Manteufel (Halle a.8.). 


Jochmann, Georg, Bakteriologische und anatomische Studien bei 
Scharlach mit besonderer Berücksichtigung der Blutunter- 
suchung. Aus den Jahrbüchern der Hamburgischen Staatsanstalten. VIH. 
S. 120. Hamburg u. Leipzig 1904. L. Voss. 

Verf. fand bei 161 Scharlachfällen während des Lebens nur 25 mal 


Infektionskrankheiten. 647 


Streptokokken im Blute= 15,5%/,, und zwar handelte es sich stets um 
den hämolytischen Streptococcus pyogenes longus; 2 mal züchtete er den 
Diplococeus lanceolatus, 1 mal Paratyphusbacillen. Streptokokken fanden sich 
niemals auf der Höhe des Exanthems am 1. oder 2. Tage. In foudroyanten 
Fällen waren niemals während des Lebens, auch nicht nach dem Tode 
Streptokokken im Blute vorhanden. Bei 3 Scharlachrecidiven war das Blut 
steril. Alle Fälle mit Streptokokkenbefund im Blut endeten mit einer 
einzigen Ausnahme letal. Abgesehen von den an Nephritis zugrunde ge- 
gangenen Scharlachkindern hatten von den an Scharlach gestorbenen Kindern 
etwa 50%, kurz vor dem Tode Streptokokken im Blut. Das Eindringen der 
Streptokokken in das Blut ist nach Ansicht des Verf.’s nur etwas Sekundäres, 
denn es gibt eine grosse Anzahl Scharlachfälle, die weder im Leben noch im 
Tode Streptokokken im Blut enthalten. 

"Bei der Untersuchung von 70 Scharlachleichen konnte Verf. 50 mal 
Streptokokken im Blute nachweisen. Unter 36 mikroskopisch untersuchten 
Tonsillen fand er 31 mal diese Keime, 3 mal jedoch keine Streptokokken. 
Im Knochenmark waren unter 16 Fällen bei 14, in der Milz unter 65 Fällen 
bei 45, in den Nieren unter 54 Fällen bei 35 Streptokokken vorhanden. In 
letzterem Falle sind die Keime wahrscheinlich erst in der Agone eingeschwemmt 
worden, denn bei 8 mikroskopisch untersuchten Nephritiden waren dieselben 
nur 3 mal nachweisbar. Die Streptokokkeninfektion spielt also nach An- 
sicht des Verf.’s bei der Scharlacherkrankung eine sehr bedeutsame 
Rolle, aber für die Annahme einer ätiologischen Bedeutung der 
Streptokokken beim Scharlach ist ein sicherer Anlass nicht zu ge- 
winnen. Baumann (Metz). 

! 
Fraenkel C. und Baumann, Ueber Hämolysinbildung und Agglutination 
der Staphylokokken. Münch. med. Wochenschr. 1905. No. 20. S. 937. 

Verff. untersuchten insgesamt 37 Staphylokokkenstämme. 28 davon 
bildeten Hämolysin, die übrigen nicht. Von den ersteren stammten 27 aus 
verschiedenartigen pathologischen Processen am Menschen, einer von einem 
im Laboratorium getragenen Kleidungsstück; die anderen 9 waren verschie- 
dener Herkunft. Schon nach eintägigem Verweilem im Brutschrank zeigte 
sich bei den meisten Stämmen blutlösende Fähigkeit, welche weiterhin stieg, 
um zwischen dem 6. und 10. Tag ihren Höhepunkt zu erreichen und von da 
ab langsam zu fallen. Die bämolytische Kraft der einzelnen Stämme war 
sebr verschieden gross; doch konnte das Hämolysin sämtlicher Stämme durch 
ein und dasselbe Antistaphylolysin neutralisiert werden, was für die Zuge- 
börigkeit der untersuchten blutlösenden Kokken zu einer Gruppe spricht. Es 
gelang nicht, saprophytische (nichthämolysierende) Stämme durch wiederholte 
Mäusepassage in pathogene umzuwandeln; es wurde weder die Virulenz für 
Mäuse gesteigert, noch zeigte sich eine Spur blutlösender Eigenschaft. Mit 
einem hämolysierenden und zwei nicht hämolysierenden Stämmen wurden 
beim Kaninchen agglutinierende Sera erzeugt und sämtliche Stämme damit 
geprüft. Das erste Serum agglutinierte aile hämolysierenden Stämme meist 
niedrig, einen jedoch sogar noch bis 1:500. Die beiden anderen Sera hatten 


648 Infektionskrankheiten. 


nur einen geringen Einfluss auf die hämolysierenden, dagegen meist einen 
starken auf die nichthämolysierenden Kokken. Es ist also Feststellung der 
Grenzwerte der Agglutination erforderlich, um zu entscheiden, ob ein 
Staphylokokkus zu der Gruppe der hämolytischen, pathogenen, oder zu derjenigen 
der nicht hämolytischen, saproplytischen gehört. Beitzke (Berlin). 


Löwy, Karl, Ueber Präventiv- und Abortivbehandlung der Gonorrhoe. 
Prag. med. Wochenschr. 1905. No. 13, 14 u. 16. S. 172. 

Verf. bespricht eingehend die bisher in der Literatur veröffentlichten 
Methoden zur Präventiv- und Abortivbehandlung der Gonorrhoe. 
Neben zahlreichen günstigen Erfahrungen, die mit der Präventivbe- 
handlung gemacht sind, fehlt es aber nicht an Stimmen, die auf die 
Unzuverlässigkeit in der Wirkung sowie auf die nachteiligen Folge- 
zustände (Reizerscheinungen) aufmerksam machen. Die Abortivmethoden 
sind auch nicht in allen Fällen absolut verlässlich; immerhin gelingt es in 
einer beträchtlichen Anzahl von Fällen, die Gonorrhoe zu koupieren. Die 
Vorteile dieser Behandlungsmethoden liegen klar zu Tage. Die lange Dauer 
der Krankheit, das Chronischwerden, die Komplikationen, die Störungen in 
der Berufsausübung fallen damit fort. Auch die Weiterverbreitung der Gonorrhoe 
wird dadurch beschränkt. Baumann (Metz). 


Kirchner M., Ueber: die gegenwärtige Epidemie der Genickstarre 
und ihre Bekämpfung. Berl. klia. Wochenschr. 1905. S. 708 ff. 

In ganz Preussen kommen durchschnittlich im Jahre 120—140 sichere 
Fälle von Genickstarre, mithin bei Annahme von etwa 50°/, Sterblichkeit 
60—70 Todesfälle vor. Es fehlt aber auch nicht an gelegentlichen Epidemien, 
namentlich im Reg.-Bez. Oppeln, wo 1895/97 insgesamt 297 Erkrankungen 
und 123 Todesfälle daran festgestellt worden sind. Die diesjährige Epidemie 
ist bereits jetzt erheblich grösser gewesen. Bis zum 7. Mai sind allein im 
Reg.-Bez. Oppeln 1955 Erkrankungen mit 1002 Todesfällen gemeldet worden. 
Die Epidemie hat ferner auf die Reg.-Bez. Breslau und Liegnitz übergegriffen. 
Ausschliesslich Schlesiens waren bis zum 30. April 122 Fälle von epidemischer 
Genickstarre bekannt geworden, von denen 62 tödlich verliefen. 

Der eigentliche Herd der neuesten Epidemie ist der oberschlesische 
Industriebezirk, dessen Bevölkerung innerhalb Preussens am dichtesten wohnt 
und ausserordentlich fluktuiert, weil die Arbeiter es lieben, mit der Werkstätte 
zu wechseln. Die Epidemie hat sich verhältnismässig langsam ausgebreitet 
und in Anbetracht der grossen Bevölkerung der befallenen Bezirke wenig Er- 
krankungen erzeugt. Sie ist durch eine ansteckende Krankheit veranlasst, 
welche augenscheinlich dem Verkehr folgt. Es handelte sich immer um 
Kontakt von Person zu Person. 48,50, aller Fälle betrafen Personen in den 
ersten 5 Lebensjahren. Es liegt demnach eine ausgesprochene Kinderkrank- 
heit vor; die Empfänglichkeit nimmt mit zunehmenden: Lebensalter merklich ab. 

Die Ansteckungsfähigkeit der epidemischen Genickstarre kann nur 
verhältnismässig gering sein. Nicht selten trat in derselben Familie eine 
grössere Zahl von Erkrankungen auf, jedoch oft fast. gleichzeitig, so dass nicht 


Infektionskrankheiten. 649 


auf Uebertragung, sondern auf gleichzeitige Infektion zu schliessen ist. In 
einer ganzen Reihe von Fällen scheint der gesunde Mensch, der mit Erkrankten 
kurz zuvor in Berührung gekommen war, die Krankheit verbreitet zu haben. 
Aus der Schwierigkeit des Nachweises der Uebertragung ist zu entnehmen, 
dass, wenn ein lebender Krankheitskeim zugrunde liegt, er ausserordentlich 
hinfällig ist. Ob der Weichselbaumsche Diplococeus intracellularis menin- 
gitidis der Erreger der epidemischen Genickstarre ist, hat sich noch nicht end- 
gültig entscheiden lassen. 

Sanitätspolizeilich ist im Rahmen eines Ministerialerlasses vom 13. No- 
vember 1888 vorgegangen worden, durch welchen die Anzeigepflicht für die 
Aerzte, die Isolierung der Kranken, womöglich in Krankenhäusern, der Aus- 
schluss gesunder Kinder aus der Umgebung von Kranken aus der Schule und 
bestimmte Massregeln gegenüber den Leichen, sowie die Desinfektion einge- 
führt sind. Würzburg (Berlin). 


Westenhoefler, Pathologische Anatomie und Infektionsweg bei der 
Genickstarre. Berl. klin. Wochenschr. 1905. No. 24. S. 737. 

Verf. hat in Oberschlesien 29 Fälle von epidemischer Genick- 
starre seciert. In den meisten Fällen fand er eine Schwellung und Rötung 
der Rachentonsille und hinteren Pharynxwand, ferner Schwellung des ge- 
samten lymphatischen Apparates. Der vordere Teil der Nase war meist frei. 
Von den Nebenhöhlen war die Paukenhöhle am häufigsten in Mitleidenschaft 
gezogen, etwas weniger oft die Keilbeinhöhlen, die Siebbeinzelle dagegen nur 
ein mal und zwar bei einem Erwachsenen. Der Beginn der Meningitis 
fand sich immer an der Hypophysis über der Sella turcica. Verf. schliesst 
hieraus, dass der Erreger der Krankheit in den lymphatischen Apparaten 
des Nasenrachenraumes seine Eintrittspforte hat und durch die Keil- 
beinhöhle zu den Hirnhäuten gelangt. In fast allen Fällen handelte es sich 
um Menschen mit sogenannter Iymphatischer Konstitution, die wahr- 
scheinlich also disponierend für das Befallenwerden von Genickstarre wirkt. 
Verf. untersuchte 3 Fälle bakteriologisch bezüglich ihrer Aetiologie: einmal 
fand er Meningokokken (Weichselbaum-Jäger) und Staphylokokken, 
bei einem 2. Falle nur Meningokokken und beim 3. Falle einen gramposi- 
tiven Diplokokkus. Der Meningokokkus kann also wohl nicht als allei- 
niger Erreger der Genickstarre betrachtet werden. Verf. hält die Krankheit 
für eine Inbalationskrankheit. Baumann (Metz), 


Grawitz, Beobachtungen. über die diesjährigen Fälle von Genick- 
starre. Berl. klin. Wochenschr. 1905. No. 24. S. 756. 

Verf. betant, dass sporadische Fälle von „epidemischer Genick- 
starre“ an allen Orten alljährlich vorkommen und doch äusserst selten zu 
wirklichen Epidemien führen. Die Kontagiosität der sporadischen Fälle 
muss also eine ausserordentlich geringe sein. Warum im Besonderen Ober- 
schlesien disponiert ist, lässt sich nicht erklären; das enge Zusammenleben 
und die rauchige Luft, was beides als prädisponierendes Moment angeführt 


4 49 


650 Infektionskrankheiten. 


wurde, findet sich in anderen Gegenden auch, ohne dass die dort beobachteten 
sporadischen Fälle Epidemien hervorgerufen haben. 

Verf. hat in Charlottenburg 17 verdächtige Fälle beobachtet; bei 3 
derselben bandelte es sich nur um meningeale Reizerscheinungen, 4 waren se- 
kundäre, 7 tuberkulöse Meningitiden, nur bei 3 handelte es sich um spora- 
dische Meningitis epidemica. Bei diesen wurden in der Lumbalflüssig- 
keit 2 mal der Meningokokkus Weichselbaum und 1 mal Streptokokken 
gefunden. Zur Differentialdiagnose zwischen tuberkulöser und epide- 
mischer Meningitis ist die mikroskopische Untersuchung der Lumbalflüssigkeit 
von Wichtigkeit: bei ersterer finden sich vorwiegend Iymphoide Zellen, bei 
letzterer die gewöhnlichen polynukleären Eiterkörperchen. 

Baumann (Metz). 


Eggebrecht, Statistischer Beitrag zur gegenwärtigen Genickstarre- 
epidemie. Münch. med. Wochenschr. 1905. S. 1148. 

Kurze statistische Zusammenstellung des amtlichen Materials und der 
Meldungen der Presse. Die Statistik erstreckt sich auf Vorkommen in früheren 
Jahren, Gesamtmorbidität, Verteilung auf die einzelnen Gegenden, auf Stadt 
und Land, Beruf, Geschlecht und Alter. Kisskalt (Giessen). 


Duval and Lewis, Studies on the Pneumococceus. Med. and surgical re- 
ports of the Boston city hospital. 1905. p. 212. 

Bei der Untersuchung zahlreicher Fälle von Pneumonie wurden die 
Pneumokokken ebenso oft und regelmässig gefunden wie bei der Prüfung des 
Speichels gesunder Menschen, so dass die Verff. fast ein wenig zweifelhaft 
an der ätiologischen Bedeutung dieses Krankheitserregers für die Lungenent- 
zündung geworden zu sein scheinen. Bemerkenswert ist noch, dass viele 
Beobachtungen angestellt worden sind, um die Fähigkeit der einzelnen Stämme 
zur Zersetzung, zur Vergärung von Inulinlösungen zu bestimmen, dass aber 
die Verff. selbst auf die Unvollkommenheit ihrer bisherigen Beobachtungen 
hinweisen. C. Fraenkel (Halle a. S.). 


van Loghem J. J., Bakteriologischer Befund bei spontaner vesikaler 
l’neumaturie eines diabetischen Kranken. Centralbl. f. Bakt. Bd. 38. 
S. 425. 

Nach melhrtägigem Katheterisieren stellte sich bei dem diabetischen 
Patienten Pneumaturie ein; das Gas bestand zur Hälfte aus Kohlensäure, 
zur Hälfte brannte es ohne Geruch mit blauer Flamme. Als Erreger der 
Pneumaturie wurde Proteus vulgaris nachgewiesen. Zum Indolnachweis 
empfieblt Verf. folgendes Verfahren: Man gibt zu 100 cem Peptonwasserkultur 
10 ccm einer Lösung basischen Bleiacetats (Pharm. Ned. III). Nach Filtration 
setzt man zu dem Filtrat ein wenig Essigsäure zu bis zur sauren Reaktion 
und schüttelt zweimal mit der gleichen Menge Aether aceticus in einem 
Scheidetrichter aus. Der Aether aceticus wird mit einer 1/4 seiner Volumens 
betragenden Menge 10 proz. KOH-Lösung ausgeschüttelt. Ein Tropfen einer 
5 proz. NaNO,-Lösung genügt — nachdem etwas konzentrierte Salzsäure hin- 


Infektionskrankheiten. 651 


zugefügt worden ist — um die violette Farbe, viel schöner als in der trüben 
Kulturflüssigkeit hervorzubringen. Kisskalt (Giessen). 


Edwards, Bacillus mycogenes (bacterium mycogenum), nov. spec., an 
organism belonging to tbe bacillus mucosus capsulatus group. 
Journ. of infectious diseases. Vol. 2. p. 431. 

Bei 3 Erkrankungen des Menschen hat Verf. einen Kapselbacillus ge- 
funden, der sich durch das fehlende Vermögen, Kohlenhydrate zu vergären, 
von den übrigen, bisher aus dieser Gruppe beschriebenen Arten unterschied 
und deshalb von dem Verf. als eine neue, besondere Art angesprochen wird. 

C. Fraenkel (Halle a. S.). 


Gerber, Paul, Das Sklerom in den russischen und deutschen Grenz- 
gebieten und seine Bekämpfung. Sammlung klinischer Vorträge. Neue 
Folge. No. 392. Breitkopf u. Härtel. Leipzig 1905. 24 Ss. 8°. Mit 2 Karten 
und 2 Lichtdrucktafeln. Preis: 0,75 M. 

Verf. hatte bereits im Jahre 1900 in Ostpreussen mehrere Erkrankungen 
an Sklerom, früher auch Rhinosklerom genannt, beobachtet und folgende 
Behauptungen bezw. Prophezeiungen aufgestellt: 1. dass die Skleromfälle 
aus Ostpreussen sich bald mehren würden, 2. dass sie aus Russland 
eingeschleppt wären, und dass 3. die Behörden zu diesen Tatsachen Stellung 
nehmen würden. In vorliegendem Vortrage weist Verf. in der Tat nach, 
dass diese 3 Sätze sich bewahrheitet haben. Denn in Ostpreussen sind 
jetzt dreimal so viel Skleromfälle (etwa 15) bekannt geworden, und Verf. 
selbst hat in den letzten Jahren 8 aus Russland stammende Skleromkranke 
beobachtet, während er alle in Russland vorhandenen Skleromkranken auf 
200 schätzt. Die Diagnose des Skleroms hat oft Schwierigkeiten; einfachere 
Formen der Krankheit werden mit chronischen Katarrhen, kompliciertere mit 
Tuberkulose und Syphilis verwechselt. Die rhino-laryngologische Unter- 
suchang wird noch unterstützt durch die histologische und bakteriolo- 
gische Untersuchung. Die Frage der Specifität des sogenannten Sklerom- 
bacillus lässt Verf. unentschieden. Die von den Behörden zu ergreifen- 
den Massnahmen zur Bekämpfung des Skleroms sind nach Ansicht des Verf.'s 
folgende: Anzeigepflicht dieser Krankheit, Beaufsichtigung der Skleromkranken, 
specialärztliche Kontrolle der Skleromherde, Berücksichtigung der Krankheit 
beim Ersatzgeschäft, Unterbringung der Kranken in ein Krankenhaus und 
Regelung des Grenzverkehrs. Die Aerzte sind mit dem Wesen dieser Krank- 
heit genauer bekannt zu machen. Für die Kranken selbst erscheint nötig: 
Aufklärung über die Ansteckungsmöglichkeit u. s. w., Verhütung der Weiter- 
verbreitung, Isolierung frischer Skleromfälle und Ueberwachung der scheinbar 
ausgeheilten durch wiederholte Kontrolle. Baumann (Metz). 


Pütz, Hermann, Der Bacillus pyogenes und seine Beziehungen zur 
Schweineseuche. ‚Dissertation. Berlin 1905. 

In der unter Ostertags Leitung angefertigten Abhandlung teilt Verf. die 

Ergebnisse seiner Untersuchungen über die färberischen, kulturellen und tier- 


49* 


652 Infektionskrankheiten. 


pathogenen Verhältnisse des von Grips beschriebenen und als Ursache der 
Schweineseuche angesprochenen Bacillus pyogenes mit. Da er bei einem 
Material von 90 Fällen klinisch und pathologisch-anatomisch als Schweine- 
seuche angesprochener Lungenentzündung den Pyobacillus nur in höchstens 
55,4%, gefunden bat, während sich der Bacillus suisepticus in 100°, dabei 
nachweisen liess, da ferner Infektionsversuche mit dem fraglichen Bacillus 
nur eitrige Processe und Pyämie bei den Versuchstieren erzeugten, während 
die Impfung mit specifisch verändertem Tiermaterial und mit Reinkulturen 
des Bacillus suisepticus das als Schweineseuche bekannte Krankheitsbild her- 
vorrief, kommt Verf. zu dem Schluss, dass der Bacillus suisepticus (Löffler- 
Schütz) der Erreger der Schweineseuche sei und der Bacillus pyogenes nur 
die häufiger dabei vorkommende eitrige Sekundärinfektion bedinge. 

i Manteufel (Halle a. S.). 


Herzog, Max., Fatal infection by a hitherto undescribed chromo- 
genic bacterium, bacillus aureus foetidus. Journ. of infectious 
diseases. Vol. 2. p. 19. 

Bei der 8 Stunden nach dem Tode ausgeführten Sektion eines Philippinen 
in Manila wurde in den inneren Organen ein Bacillus gefunden, der sich durch 
seinen goldgelben Farbstoff, sein sehr starkes Verflüssigungsvermögen in Gela- 
tinekulturen und durch seinen unangenehmen Geruch von anderen, bisher be- 
schriebenen Mikroorganismen auf das deutlichste unterschied. Ein patho- 
genes Vermögen im Tierversuch stand ihm nicht zu; trotzdem will Verf. in 
ihm die Ursache für das Ableben des Mannes schen, obwohl man bei der 
Durchsicht seiner Arbeit unwillkürlich zu der Vermutung gedrängt wird, dass 
diese Annahme irrig und das beschriebene Bakterium nur als eine zufällige 


und harmlose Verunreinigung zu betrachten sei. 
C. Fraenkel (Halle a. S.). 


Pia F., Eine infektiöse Erkrankung der Kanarienvögel. Centralbl. 
f. Bakt. Bd. 38. S. 275. 

Die Seuche war in eine Zucht durch Harzer Kanarienvögel eingeschleppt 
worden und hatte grosse Verheerungen angerichtet. Die Symptome waren 
Abnahme und schliesslich gänzliches Aufhören der Fresslust, Durchfall und 
Schläfrigkeit. Bei der Obduktion zeigte sich die Milz und die Leber von 
zahlreichen gelblichweissen Herden durchsetzt, die Darmschleimhaut entzündet; 
einmal befanden sich in ihr ebenfalls Knötchen. Diese bestanden fast nur 
aus Anhäufungen eines Mikroorganismus, der auch im Blute leicht nachweis- 
bar war. Das Stäbchen war 0,5, breit, 1—2 a lang, unbeweglich, ohne 
Sporen und fürbte sich nicht nach Gram. Auf Agar wächst es üppig und 
gelblichweiss, auf Gelatine bläulichweiss. In der Bouillon bilden sich feine 
Flocken. Milch wird nicht zur Gerinnung gebracht, aus Zucker wird kein 
Gas gebildet, Indol wird nicht gebildet, Neutralrot nicht verändert. Mit 
0,25 ccm des Filtrates einer 48 Stunden alten Bouillonkultur konnten Kana- 
rienvögel getötet werden. Die Infektion gelang leicht subkutan, dagegen 
zunächst nicht durch Fütterung; erst als gleichzeitig Ricinusöl oder Senfsamen 


Infektionskrankheiten. 653 


gegeben wurde, gingen die Tiere nach 5 Tagen unter den erwähnten Symptomen 
und mit dem erwähnten Befund ein. Zeisige erwiesen sich bei Fütterung 
stets empfänglich, Tauben stets unempfänglich; bei subkutaner Impfung gingen 
beide ein. Ferner ist der Mikroorganismus pathogen für Sperlinge, weisse 
Mäuse, Kaninchen und Meerschweinchen, dagegen nicht für Hühner. Das 
Bakterium ist mit keinem der bisher beschriebenen identisch. 

Kisskalt (Giessen). 


Remlinger et Nouri, Osman, Réaction de la tortue terrestre à quelques 
maladies infectieuses. Ann. de l’Inst. Pasteur. 1905. No. 4. p. 266. 
Von dem Standpunkte ausgehend, dass die Vermehrung der Laboratoriums- 
tiere für bakteriologische Untersuchungen angezeigt ist, haben Verff. das Ver- 
balten der Schildkröte, Testudo Graeca, welche in der Nähe von Kom 
stantinopel sebr verbreitet ist, gegen verschiedene Krankheitserreger 
geprüft. Milzbrandkulturen wurden in Mengen von 1—4 cem ohne Reak- 
tion injiciert; die Tiere starben aber meist, wenn sie nach der Impfung 
bei 350 aufbewahrt wurden. Vou 11 so behandelten Tieren gingen 6 inner- 
balb 9— 15 Tage zugrunde. Es handelt sich nicht um ein agonales Phänomen, 
sondern um eine eigentliche Iufektion. Die Uebertragung von Rotz hat in 
2 Fällen, wo die Impfung in die Nase vorgenommen wurde, den Tod am 11. 
Tage zur Folge gehabt; 2 Tiere überlebten, ebenso wie die 4 subkutan inji- 
cierten. Von 10 bei 35° aufbewahrten rotzinficierten Schildkröten starben 
aber 6 nach 12—15 Tagen. Die Versuche mit Virus fixe hingegen haben 
ganz negative Resultate ergeben; die Schildkröte erwies sich sowohl bei 
niedriger als bei Bruttemperatur als vollständig unempfindlich gegenüber 
Wutgift; dasselbe gilt für Tetanus. Silberschmidt (Zürich). 


Fraenkel C., Ueber das Vorkommen der Spirochaete pallida bei 
Syphilis. Münch. med. Wochenschr. 1905. No. 24. S. 1129. 
Verf. untersuchte primäre und sekundäre syphilitische Affektionen bei 
6 Fällen und konnte in allen die zuerst von Schaudinn und Hoffmann 
beschriebene Spirochaete pallida nachweisen, während sie in nichtsyphi- 
.litischem, ebenso behandeltem und gefärbtem Material verschiedenster Her- 
kunft regelmässig vermisst wurde. Er gibt der Ueberzeugung Ausdruck, dass 
die genannte Spirochäte in der Tat als die Ursache der Syphilis anzusehen sei. 
Beitzke (Berlin). 


Kiolemenoglou und v. Cube, Spirochaete pallida (Schaudinn) und 
Syphilis. Münch. med. Wochenschr. 1905. No. 27. S. 1275. 

Verff. fanden angeblich unzweifelhafte Exemplare der Spirochaete pallida 
in folgenden Fällen: Bei einer Reihe luetischer Bildungen, im balanitischen 
Sekret einer entzündlichen Phimose, im Eiter eines gonorrhoischen Ahscesses 
der Bartholinschen Drüse einer Person mit Leucoderma colli specificum, bei 
einfacher Balanitis, im Eiter von skrofulodermatischen Abscessen, in den Zer- 
fallsprodukten eines jauchigen Carcinons, im Saft von spitzen Kondylomen. 
Io allen Fällen fand sich nebenbei auch Spirochaete refriugens in zahlreichen 


654 Infektionskrankheiten. 


Exemplaren, manchmal andere Spirochäten, die mit keiner der beiden von 
Schaudinn und Hoffmann beschriebenen identisch waren. Bezüglich der 
ätiologischen Rolle der Spirochaete pallida bei Syphilis äussern die Autoren 
einige Zweifel. Man habe bisher kein charakteristisches Unterscheidungs- 
merkmal zwischen den bei luetischen und bei nichtluetischen Krankheitspro- 
dukten vorkommenden Spirochätenformen, und eine saprophytäre Existenz der 
Pallida sei daber nicht ganz von der Hand zu weisen. 
Beitzke (Berlin). 


Babes und Panea, Ueber pathologische Veränderungen und Spiro- 
chaete pallida bei kongenitaler Syphilis. Berl. klin. Wocheuschr. 
1905. No. 28. S. 865. 

« Bei drei syphilitischen Neugeborenen gelang der Nachweis der Spiro- 

shaete pallida in den Ausstrichpräparaten zweier Fälle, in Schnitten kein- 

mal. Im ersten Falle fanden sich wenige Spirochäten in Leber und Milz. Im 

dritten Falle konnten die Gebilde in Pemphigusblasen, Konjunktivalsekret, 

Rachensekret, Arachnoidealflüssigkeit, Lungensaft, Herzblut, Knochenmark, 

Milz, Leber, Niere, Thymus, Lymphdrüsen und am reichlichsten in der Neben- 

niere nachgewiesen werden; sie wurden vermisst an der Hautoberfläche, im 

Nasensekret, Ventrikelflüssigkeit, Gehirn, Galle und Magenschleim. Bei der 

Mutter des ersten Kindes gelang der Nachweis der Spirochaete pallida an 

Genitalpapeln auch in lebendem Zustande (neben Spirochaete refringens). 

Verff. glauben „eine weitere Stütze für die Annahme einer wesentlichen Rolle 

der Spirochäten in der Aetiologie der Syphilis“ gefunden zu haben. 

Beitzke (Berlin). 


Hoffmann, Erich, Ueber das Vorkommen von Spirochäten bei ulcerierten 
Carcinomen. Berl. klin. Wochenschr. 1905. No. 28. S. 890. 

In drei ulcerierten Carcinomen fand Verf. neben gröberen Spiro- 
chaeten mit starker Färbbarkeit auch solche von grosser Zartheit und be- 
trächtlicher Zahl der Windungen, die sich im Aussehen sehr der Spirochaete 
pallida nähern. Trotzdem seien aber für ein geübtes Auge Unterschiede vor- 
handen. Die Existenz ähnlicher Formen bei anderen Krankheiten würde gegen 
die ätiologische Rolle der Spirochaete pallida nichts beweisen. Verf. fügt 
hinzu, dass sich an der Oberfläche uleerierter Carcinome neben Spirochäten 
nicht selten auch sogenannte Bacilli fusiformes finden, welche wohl Ent- 
wickelungsstadien der Spirochaete darstellen können. Beitzke (Berlin). 


Thesing. Curt, Kritische Bemerkungen zur Spirochoete pallida bei 
Syphilis. Münch. med. Wochenschr. 1905. No. 28. S. 1337. 

Verf. möchte die Spirochaete pallida zu den Bakterien und nicht zu 
den Protozoön gestellt wissen. Sodann erhebt er mehrere Bedenken gegen 
ihre ätiologische Rolle bei Syphilis. Erstens fänden sich auch auf normaler 
Haut und Schleimhäuten Spirochäten, die von der Pallida nicht zu unter- 
scheiden sind. Zweitens könnten die Spirochäten aus der Giemsaschen 
Farblösung stammen, die ein guter Bakteriennährboden, sei (Letzterer Ein- 


Intektionskrankheiten. 655 


wand dürfte durch die gelungene Färbung der Spirochäten mit einer Reihe 
anderer Farbstoffe und den Nachweis in ungefärbtemm Zustande bereits wider- 
legt sein. Ref.) Verf. verlangt Nachuntersuchungen, namentlich auch bezüg- 
lich des Cytorrhyctes luis Siegel. Beitzke (Berlin). 


Hoffmann E., Weitere Mitteilungen über Spirochaete pallida mit 
Demonstration. Mitt. i. d. Berliner dermatol. Gesellsch. am 12. Dec. 1905. 
H. weist auf seinen in No. 43 der Deutschen med. Wochenschr. 1905 
niedergelegten Standpunkt bezüglich der Spirochaete pallida, dass „die 
Spirochaete pallida mit grösster Wahrscheinlichkeit als Erreger der Syphilis 
anzusehen sei,“ hin. Er bespricht dann die neueren Methoden, die von Berta- 
relli, Volpino und Bovero in Turin angegeben sind, und die in der Dar- 
stellung der Spirochaete durch Imprägnierung mit Silber bestehen. Die 
häufig vorkommenden Niederschläge hat er in einem Falle durch Auswaschen mit 
dünner Goldchloridlösung beseitigt. Die von Levaditi empfohlene Modifikation 
der Ramón y Cajälschen Methode gibt in Schnitten anscheinend bessere und 
sicherere Resultate. Von Levaditi und Salomon sind die Syphiliserreger in 
einer ganzen Reihe von Organen bei kongenitaler Syphilis, so in Schnitten 
von Pemphigusblasen, Hautpapeln, Leber, Milz, Lunge, Nieren und Nebennieren 
nachgewiesen. Von Schaudinn und Paschen ist die Spirochaete in der 
Placenta gefunden, ferner von Burnet und Vincent in Schnitten eines erst 
5 Tage alten syphilitischen Primäraffektes mittels der Levaditischen Methode; 
weiter haben Levaditi und Manouelian sie bei jungen menschlichen Primär- 
affekten im Lumen der Blutgefässe gefunden, und endlich haben sie Veillon 
und Girard in Schnitten frischer Roseolen, in den dilatierten Papillargefässen 
und deren Umgebung aufgefunden. Bei der tertiären Syphilis ist bisher noch 
kein positiver Befund erhoben. Durch eigene Untersuchungen ist der Nach- 
weis wiederholt geglückt, “dagegen nicht bei Phlebitis und Lymphangitis, wie 
auch bei Framboesia tropica. Bei Primäraffekten, bei Unterscheidung nässen- 
der Papeln von klinisch ähnlichen Ulcera mollia elevata, herpetischen Ero- 
sionen u.s. w. gewinnt der positive Nachweis diagnostische Bedeutung und 
Entscheidung, wie andererseits in Fällen von latenter Syphilis Impfversuche 
an Affen ausschlaggebend sein können. Nieter (Halle a. S.). 


Bonhof H., Die Spirochaete vaccinae. Berl. klin. Wochenschr. 1905. 
S. 1142. 9 Abbildungen. 

lm Inhalte der Vaceinepusteln, sowie der Pockenpusteln fand Bonhoff 
Spirochäten und mit Geisseln sowie mit Bewegungsfähigkeit versehene Drei- 
ecke, die B. für Trypanosomen bält. (Bei den sehr emsigen Untersuchungen 
verschiedener Forscher sind Spirochäten bisher nirgends in der Vaceine oder 
in den Pockenpusteln gefunden worden. Ref.) L. Voigt (Hamburg). 


Carini A., Sind die Vaccineerreger Spirochäten? Centralbl. f. Bakt. 
Originale. Bd. 39. S. 685. 
Carini erklärt die von Bonhoff beschriebenen Spirochäten in der 
Vaceine lediglich für Ausstrichpräparate artificieller Art. 
L. Voigt (Hamburg). 


656 Infektionskrankheiten. 


Calmette, La higiene de las barberias. Boletin de consejo super. de 
salubrid. de S. Salvador. Oct. 1904. p. 120. 

Da in den Barbierstuben bekanntlich häufig ansteckende Krankheiten 
übertragen werden, so wäre theoretisch allen mit Favus, Sycosis, Herpes cir- 
einnatus, Impetigo, Ekzem, Akne, Molluscum contagiosum, Ekthyma, Folli- 
eulitis, Syphilis, Krätze und Läusen behafteten Personen das Betreten der 
Barbierstuben zu verbieten. Diese Massregel ist aber praktisch undurchführbar. 
Es ist daher zu fordern, dass der Barbier stets seine Hände mit Heisswasser, 
Seife und Bürste reinigt, ebe er einen Kunden bedient, ferner die Sterilisierung 
sämtlicher Instrumente. In den vom besseren Publikum besuchten Barbier- 
stuben sollte jeder Kunde sein eigenes Instrumentarium besitzen, das aber gleich- 
falls regelmässig desinficiert werden muss, damit der Träger irgendwelcher 
infektiöser Krankheiten sich nach Heilung derselben nicht immer wieder von 
Neuem inficiert. Der Boden der Barbierstuben soll mit einem undurchlässigen 
Stoffe belegt sein und 2-3 Mal am Tage feucht aufgewischt werden. Die 
Wände sind glatt zu halten und mit Oelfarbe zu streichen, die Konsolen 
müssen aus Glas oder einem anderen abwaschbaren Material gefertigt sein. 
Spucknäpfe sind in ausreichender Zahl aufzustellen. Diese Vorschriften 
sollten durch Polizeiverordnung obligatorisch gemacht werden. Nordamerika 
ist uns in dieser Beziehung schon vorangegangen. Beitzke (Berlin). 


Ceni, Carlo und Beyta, Carlo, Die pathogenen Eigenschaften des Asper- 
gillus niger mit Bezug auf die Genese der Pellagra. Zieglers Bei- 
träge zur pathologischen Anatomie. 1905. Bd. 37. H. 3. 

Bei der Bedeutung, die neuerdings der Aspergillus fumigatus für die Aeti- 
ologie der Pellagra gewonnen hat, schien es den Verff. von Interesse, auch 
den Aspergillus niger auf seine Pathogenität zu prüfen, zumal der eine 
von ihnen (Ceni) diesen Pilz bei der Sektion von an chronischer Pellagra 
Verstorbenen neben Aspergillus flavescens und fumigatus gefunden hat. Es 
wurden Meerschweinchen, Hunde und Kaninchen durch intraperitoneale Injek- 
tion von Sporenemulsion, intraperitoneale Inokulation von pilzhaltigen Mais- 
körnern und Ernährung mit solchem Material inficiert; ausserdem wurden 
wässerige und alkoholische Extrakte des Pilzes zu Impfungen benutzt. Während 
Kaninchen sich ziemlich resistent erwiesen, zeigten Meerschweinchen grüssere 
Empfänglichkeit. Die Erscheinungen bestanden in allgemeiner Depression, 
Gewichtsabnahme und Schmerzbaftigkeit des Abdomens. Bei der Sektion fand 
sich gewöhnlich eine Peritonitis mit blutig-serösem Exsudat und Hyperänie 
der Därme, Leber und Lunge. Die Organe erwiesen sich regelmässig als 
steril, während die Züchtung aus dem Peritonealexsudat positiv ausfiel. Verff. 
kommen zu dem Schluss, dass der Aspergillus niger ähnlich pathogen wirkt 
wie Aspergillus fumigatus, nur quantitativ geringer. Dass diese Eigenschaft 
der Aspergillusarten nicht auf Phenolerzeugung beruht, wie Gosio meint, 
ginge daraus hervor, dass sich bei den inficierten Tieren niemals Zeichen von 
Nerven-Muskelerregung wie bei P’henolwirkung gezeigt, und dass auch die 
wirksamen Exträkte des Pilzes niemals Andeutungen von Phenolreaktion ge- 
geben hätten. Manteufel (Halle a. S.). 


Infektionskrankheiten. 657 


Neumann, Wladyslaw, Weiteres über die Wichtelzopfkrankbeit. Leipzig 
1905. Benno Konegen Verlag. 32 Ss. 8%. Preis: 40 Pfg. 

In einer im vorigen Jahre im gleichen Verlage erschienenen Abhandlung 
vertrat der Verf. die Ansicht, dass die Plica polonica kein blosses, durch Ver- 
filzung des unreinlich gehaltenen, verlausten Haupthaares entstandenes Ekzem, 
sondern eine selbständige Haarerkrankung sei. Die vorliegende Streitschrift 
verteidigt diese Auffassung gegen die Einwände der Referenten (Grosz in der 
Wien. klin. Rundschau. 1904. No. 49 u. A.), sowie gegen ältere „Gegner der 
Plicalehre“, wie Davison, Beschorner, Hamburger, Hebra, Kaposi, 
Joseph, Lesser u. s. w. Der Verf. nimmt neben der wahren Plica, welche 
für sich allein oder (S. 18) „ähnlich, wie z. B. die Vitiligo, als Symptom bei 
verschiedenen Krankheitsformen“, wie Neuralgie, Epilepsie, Syphilis, auftritt 
noch eine falsche Plica (S. 29) an, „bei welcher Vorurteil und Aberglaube, 
weniger aber Unreinlichkeit die Entstehungsursachen bilden“. 

Helbig (Radebeul). 


Jensen V., Ist die Kleinsche Hefe eine besondere Art? Antwort an, 
Dr. Erich Cohn. Centralbl. f. Bakt. Bd. 38. S. 51. 

Während Cohn seine Betrachtungen über die verschiedenen pathogenen 
Hefearten grösstenteils an der Hand der Literatur anstellte, hat Verf. 13 der- 
selben selbst untersucht und ihre Identität festgestellt. Auch die von Cohn 
als specifisch für die Kleinsche Hefe geschilderten Krankheitsformen wurden 
von anderen Forschern bei Infektion mit anderen Hefen beobachtet. 

Kisskalt (Giessen). 


Reitmann, Zur Kenntnis der Saccharomycosis bominis. Centralbl. f. 
Bakt. Bd. 39. S. 225. 

Verf. berichtet über einen merkwürdigen Befund, den er beim Studium 
von Veränderungen des Nierenparenchyms an einer in Formol-Müller ein- 
gelegten Niere erhoben hat. Das Organ stammte von einem 38 jährigen Bäcker- 
gehilfen, der im Wiener Franz Joseph-Spitale an einer croupösen Pneumonie 
zugrunde gegangen war. Die Obduktion hatte ausserdem Veränderungen der 
Nieren ergeben, welche Verdacht auf Glomerulonephritis erweckt und zur 
Konservierung der Organe Veranlassung gegeben hatten. Bei der mikrosko- 
pischen Durchsicht fanden sich denn auch Degenerationserscheinungen am 
Nierenparenchym, Pigmentablagerungen in den Henleschen Schleifen, etwas 
Exsudat in den Glomerulis und Rundzellenanbäufungen im interstitiellen Gewebe, 
vor allem aber auf manchen Schnitten innerhalb des Epithels der Tubuli 
eigentümliche runde, doppelt kontourierte Gebilde von 5—20 a Durchmesser, 
die sich nach Gram färbten und bei Behandlung mit Fisenhämatoxylin einen 
kernartigen Körper erkennen liessen. Einmal auf Grund dieser Kriterien, 
insbesondere jedoch der deutlichen Erkennbarkeit von Sprossformen und Spross- 
verbänden sowie des negativen Verhaltens dieser Gebilde gegenüber solchen 
Reagentien, durch welche dem blossen Anblick sich ähnlich darstellende Er- 
scheinungsformen, wie z. B. Kolloid, Kalkkoukremente und Amylumkörperchen, 
mikrochemisch beeinflusst worden wären, glaubt der Verf. es hier mit Kon- 


658 Infektionskrankheiten. 


glomeraten von Hefezellen zu tun zu haben. Mit dieser Annahme stimmte 
überein, dass sich die betreffenden Gebilde nach der von Busse für Hefen 
angegebenen Färbemethode sehr gut im Schnittpräparat darstellen liessen, und 
auch die beiden der Arbeit beigegebenen farbigen Abbildungen lassen eine 
solche Auffassung durchaus einleuchtend erscheinen. Die Art, wie diese Pilze 
in die Niere gelangt sind, glaubt Verf., da die Pneumonie, welcher der Kranke 
erlag, typisch croupöser Natur war und sonstige Veränderungen an der Leiche 
nicht gefunden worden waren, dahin deuten zu müssen, dass eine ascendierende 
Infektion des Urogenitaltraktus durch eine wahrscheinlich dem Bäckereibetriebe 
entstammende Hefe stattgefunden habe. Verf. bezieht sich dabei vergleichs- 
weise auf früher in der Literatur beschriebene Fälle von Allgemeininfektion 
durch Hefepilze mit besonderer Lokalisation derselben in der Niere. Wenn 
er darunter auch die beiden Fälle von Rixford und Gilchrist erwähnt, 
obwohl es auf Grund zahlreicher Arbeiten, an denen sich auch der Ref. be- 
teiligt hat, längst feststeht, dass es sich in diesen Fällen um einen ganz anders- 
artigen Krankheitserreger gehandelt hat, so zeigt dies wieder einmal, wie 
schwer es unter den heutigen Verhältnissen ist, sich selbst auf einem so eng 
begrenzten Gebiete der Literatur genügend zu informieren. 
E. Cohn (Bonn). 


Butterfeld, A case of pulmonary infection with an acidfast actino- 
myces. Journ. of infectious diseases. Vol. 2. p. 421. 

In der Lunge eines unter den Erscheinungen der Pneumonie zu Grunde 
gegangenen Mannes wurde ein in die Gruppe des Actinomyces gehörender 
Pilz, der über die Eigenschaft einer schwachen Säurefestigkeit verfügte. nach- 
gewiesen, und seine Uebereinstimmung mit zahlreichen ähnlichen, von den ver- 
schiedensten Beobachtern schon früher beschriebenen Mikroorganismen des 
genaueren erörtert. C. Fraenkel (Halle a. S.). 


Sergent, Edmond et Etienne, Etudes épidémiologiques et prophylacti- 
ques du paludisme en Algérie, en 1904. Ann. de l'Inst. Pasteur. 
1905. No. 3. p. 129. 

In den epidemiologischen Studien über die Verbreitung der Malaria 
in Algerien haben Verf. speciell die Giftquellen und die Anophelesnester 
untersucht. Die Giftquellen werden durch früher inficierte Europäer 
und durch die Einheimischen, speciell Kinder, welche sehr häufig ohne 
Krankeitserscheinungen inficiert sind, dargestellt. Der endemische Iudex 
ist geliefert durch das Verhältnis der Inficierten gegenüber der Gesamtbevöl- 
kerung. Es werden tabellarisch eine Anzahl untersuchter Ortschaften zu- 
sammengestellt. An einem bestimmten Ort nimmt die Intensität der 
Malaria ab, wenn die Giftquelle abnimmt, ohne dass eine Aenderung 
in den Anophelesnestern auftritt. Dies wird durch einige Beispiele bewiesen. 
Im Verlaufe der mikroskopischen Blutuntersuchung fanden Verf. neben 
den bekannten Blutbefunden 2 noch nicht beschriebene Elemente und 
zwar mehr oder weniger abgeplattete Ringe, die sich mit Eosin rötlich 
färben und welche die Ränder von zerstörten Blutkörperchen darstellen; 


Infektionskrankbeiten. 659 


ferner halbmondförmige Gebilde, welche namentlich bei sehr kachek- 
tischen Malariakranken auftreten. Beide Gebilde deuten auf Malaria hin. 
Was die Ansammlungen von Anopheles anbetrifft, so sind dieselben ab- 
hängig von geologischen Bedingungen und von nicht richtig geleiteten Kana- 
lisationsbauten. Ein schlecht unterhaltener Ablauf entspricht einem 
Sumpf. Es wurden in Algerien beobachtet Anopheles maculipennis, 
An. algeriensis, Myzomyia hispaniola und Pyretophorus chaudoyei 
Die Speicheldrüsen verschiedener Insekten wurden seciert und auf Sporozoiten 
untersucht. Bei An. maculipennis sind nur ganz wenig inficierte Individuen 
beobachtet worden, ebenso bei Myzomyia. An. algeriensis scheint daher 
in Thiers und vielleicht auch an anderen Orten die einzige Ueberträgerin 
zu sein. Die Prophylaxe der Malaria ist erschwert, weil die Giftquelle 
zu lange besteht, und wegen Apathie der Bewohner: der Europäer, und nament- 
lich der Einheimischen. Die Entfernung der Giftquelle durch Unterbringung 
der Einheimischen in entferntere Gebäulichkeiten ist nicht leicht durchführ- 
bar. Verff. haben Chinin (Chinin. muriaticum) in täglicher Menge von 30 cg 
mittels geeichter Löffel darreichen lassen. Gegen die Larven wurde Drainie- 
rung und Ausgiessen von Petroleum empfohlen. Die mechanische Verteidi- 
gung wurde mittels Gitter weitergeführt, während die persönliche Verteidigung 
mittels Schleier und Handschuh verlassen werden musste. Es stellte sich heraus, 
dass nur der mechanische Schutz und die Chininisierung von eigent- 
lichem Erfolge sind. Die Anwendung von Petroleum hat nur wenig Nutzen, 
so lange dieselbe zu beschränkt ist. Es werden die Resultate in 26 Bahn- 
höfen und Häusern längs der Bahnstrecke mitgeteilt. 
Silberschmidt (Zürich). 


Jordan and Heferan, Mary, Observations on the bionomics of ano- 
pbeles. Journ of infectious diseases. Vol. 2. p. 56. 

Die beiden Verff. geben in der hier vorliegenden Arbeit eine Reihe von 
Beobachtungen wieder, die sie über das Vorkommen verschiedener Arten von 
Anophelesmücken in Nord-Amerika angestellt haben. Besonders haben 
sie die Lebensverhältnisse des A. punctipennis und des A. maculipennis des 
eingehenden verfolgt und bringen eine ganze Anzahl von Einzelheiten über 
deren Gewohnheiten bei, deren Studium den mit dieser Frage genauer beschäf- 
tigten nur empfohlen werden kann. C. Fraenkel (Halle a. S.). 


James $. P., On Kala Azar, Malaria and malarial cachexia. Scien- 
tific memoirs by officers of the medical and sanitary departments of the 
government of India. No. 19. Calcutta 1905. 

In der vorliegenden Arbeit wird die Frage nach der Verschiedenheit 
der Kalaazar- und der Malariainfektion einer eingehenderen Besprechung 
unterzogen und natürlich auf Gruvd der klinischen wie auch der mikro- 
skopischen Differenzen auf das lebhafteste bejaht. Als Ursache des Kalaazars 
werden die Leishman-Donovanschen Körperchen angesehen; doch macht Verf. 
namentlich darauf aufmerksam, dass auch bei der orientalischen oder Delhi- 
beule ganz ähnliche Parasiten gefunden werden, obwohl sicherlich keine Ver- 


660 Infektionskrankheiten. 


wandtschaft zwischen diesen beiden sonst so verschiedenen Erkrankungen be- 
stehe, und man also noch weitere Merkmale kennen lernen müsse, um unter 
den hierher gehörigen Mikroorganismen eine strengere Sonderung und Schei 
dung durchführen zu können. C. Fraenkel (Halle a. S.). 


Külz, Weitere Beiträge zur Malariaprophylaxe durch Chininge- 
brauch in Kleinpopo (Anechu). Arch. f. Schiffs- u. Tropenhygiene 
1905. S. 141. 

Die Chininprophylaxe (jeden 8. und 9. Tag 1 g) ergab fortdauernd 
günstige Resultate mit Ausnahme eines Falles, wo bereits latente Malaria 
vorlag und das Medikament im Verein mit dieser heftige Blutungen in die 
Haut und in die Schleimhäute hervorrief. Ebenso liess sich die Prophylaxe 
auch bei weiblichen Personen durchführen; auch die Menstruation wurde da- 
durch nicht gestört, ein Fall wurde sogar beobachtet, wo Gravidität, Wochen- 
bett nnd Laktation trotz regelmässig genommenen Chinins einen normalen 
Verlauf nahmen. Kisskalt (Giessen). 


v. Bassewitz E., Wie schützen wir uns gegen Malaria, Gelbfieber, 
Filariose u.s.w. Arch. f. Schiffs- u. Tropenhyg. 1905. S. 219. 

Verf. suchte abstossende Mittel gegen Schnaken zu finden. Quassiaholz- 
auszug war unwirksam; besser war Chrysantemumpulver, Eucalyptol, Terpinol 
u.s.w. Durch Genuss von Citronenextrakt erhält die Haut gleichfalls einen für 
Schnaken abstossenden Geruch. Sollte es sich bestätigen, dass der Knoblauch- 
geruch dieselbe Wirkung hat, so wäre es das beste, Kaliumtellurat in einer 
Dosis von 0,01—0,05 zu nehmen; der Geruch ist sehr intensiv und erhält 
sich nach einmaliger Einnahme des Mittels wochenlang. 

Kisskalt (Giessen). 


Giemsa G., Coloration des protozoaires. Ann. de l’Inst. Pasteur. 1905. 
No. 5. p. 346. 

Marino T., Au sujet de là coloration des protozoaires. Réponse à 
l'article ci-dessus. Ann. de lInst. Pasteur. 1905. No. 5. p. 351. 

In der ersten Arbeit macht Giemsa einige kritische Bemerkungen über 
die unter gleichem Titel erschienene Veröffentlichung von Marino (Ann. Past. 
1904. p. 761) und hebt die Vorzüge des von ihm für die Färbung der Proto- 
zoön angegebenen Verfahrens hervor. In seiner Erwiderung betont Marino, 
dass seine Methode rasch und ebenfalls ohne Niederschläge befriedigende Prä- 
parate liefere. Silberschmidt (Zürich). 


Sternberg. Eine Schnittfärbung nach der Romanowskyschen Methode. 
Gentralbl. f. Pathol. 1905. No. 8. S. 298. 

Fixierung in Alkohol, Paraffineinbettung, Schnitte von 5—8 æ Dicke. 

20—24 Stunden färben in der 40—50 fach verdünnten Giemsalösung, Ab- 


spülen in Wasser, kurzes Differenzieren in 1/, proz. Essigsäure. Auswaschen 
in Wasser, Abtrockenen, kurze Differenzierung und Entwässerung in absolutem 


Alkohol, Xylol, Balsam. Die Methode soll namentlich.bei Trypanosomen gute 


Infektionskrankheiten. 661 


Resultate geben. — (Schridde hat (ebenda No. 12) eine Verbesserung ange- 
geben. Er rät, nur 20 Minuten in der verdünnten Giemsalösung — je zwei 
Tropfen auf 1 ccm destill. Wasser — zu färben und alle Säure sowie Alkohol 
zu vermeiden. Die Präparate kommen nach Abspülen auf etwa 1 Minute in 
wasser- und säurefreies Aceton, dann Xylol und Kanadabalsam, Ref.) 
Beitzke (Berlin). 


Vassal J. J., Sur un hematozoaire endoglobulaire nouveau d'un 
mammifère. Ann. de l’Inst. Pasteur. 1905. No. 4. p. 224. 

ln Nha-Trang (Annam) hat Verf bei einem Eichhörnchen Scirus grisei 
manus einen neuen Blutparasiten gefunden, der eingehender beschrieben 
und auf einer farbigen Tafel in seinen einzelnen Stadien abgebildet ist. Ueber- 
tragungsversuche auf Kaninchen, Tauben und Meerschweinchen sowohl wie auf 
den Menschen und auf einen Affen fielen negativ aus. Dieses neue Hämotozoon 
scheint der Gattung Haemamoeba anzugehören und zeigt die grösste Aehn- 
lichkeit mit der menschlichen Laverania malariae. 

Silberschmidt (Zürich). 


Christophers, Haemogregarina Gerbilli. Scientific memoirs by officers 
of tbe medical and sanitary departments of the governments of India. No. 18. 
Verf. bat in indischen Feldratten, in Gerbillus indicus, ausserordentlich 
häufig eine Gregarinenart gefunden, die von ihm nach dem Namen des Wirt- 
stieres als Haemogregarina Gerbilli beschrieben wird. Sie tritt im Blute 
und in sämtlichen Organen meist in grossen Mengen auf und wird nach be- 
sonderen Versuchen des Verf.’s durch eine auf den Ratten lebende Art von 

Läusen, von denen er eine genaue Darstellung gibt, übertragen. 

C. Fraenkel (Halle a. S.). 


Councilman, Magrath, Brinckerhoff, Tyzzer, Southard, Thompson, Bancroft and 
Calkins, Studies on the pathology and on the etiology of variola 
and of vaccinia. The journ. of med. research. Vol. 11. No. 1. p. 1—361. 

Der Ausbruch der Pocken in Boston, der von 1901—1903 währte, gab 
den 8 Verff. der vorliegenden Schrift Gelegenheit zu umfassenden und ein- 
gehenden Untersuchungen über die Ursache dieser Krankheit, die sie in 
einem alle bier in Betracht kommenden Fragen berührenden und mit sebr 
zahlreichen, zum Teil vortrefflichen mikrophotographischen Abbildungen ge- 
schmückten Bericht zur allgemeinen Kenntnis bringen. Muss die genaue Durch- 
sicht dieser Arbeit auch dem Studium des einzelnen überlassen bleiben, so 
sei hier doch bemerkt, dass das endliche Ergebnis in eine vollkommene und 
rückhaltlose Bestätigung der von Guarnieri erhobenen, dann namentlich 
durch Wasielewski bestätigten Lehre von der Bedeutung des als Cyto- 
ryctes bezeichneten Mikroorganismen für die Entstehung der als Variola 
und Vaceinia beobachteten Veränderungen ausklingt. Den Gegnern dieser An- 
sicht wird es ausserordentlich schwer, wo nicht unmöglich sein, die nament- 
lich io den zusammenfassenden Darstellungen, die Councilman zum Schluss 
des vorliegenden Berichtes gibt, noch einmal in knapper Form aufgeführten 


662 Infektionskrankheiten. 


Gründe für die ätiologische Rolle dieser Parasiten zu entkräften, 
und so können wir denn die hier veröffentlichte Arbeit als einen neuen und 
besonders schlagenden Beweis für die ursächliche Bedeutung der eben ge- 
nannten Mikrobien ansehen. C. Fraenkel (Halle a.S.). 


Mallory, Scarlet fever; protozoon-like bodies found in four cases. 
Journ. of med. research. Vol. 10. p. 483— 492. 

Die im vorstehenden Referat berichtete Untersuchung von Councilman 
und seinen Mitarbeitern über die Entstehung der Pocken hat den Verf. ver- 
anlasst, auch der immer noch völlig dunklen Ursache des Scharlach- 
fiebers auf dem gleichen Wege näher zu treten und also festzustellen, ob 
sich bei dieser Krankheit nicht vielleicht auch ähnliche Protozoen nach- 
weisen liessen. Wirklich glückte es ihm, in und zwischen den Epithelzellen 
der Haut und in den oberflächlichen Lymphgefässen und -Räumen des Coriums 
derartige Gebilde aufzufinden, die sich deutlich mit Methylenblau färben liessen 
und in ihrer Grösse von 2 zu 7 x schwankten. Zum Schluss hebt Verf. noch 
hervor, dass er zwar persönlich von der ätiologischen Rolle, die diese Körper 
spielten, überzeugt sei, dass er aber andererseits die Schwäche der bisherigen 
Beweisgründe für die Richtigkeit dieser Anschauung nicht verkenne. 

C. Fraenkel (Halle a. S.). 


Sergent, Edmond et Etienne, El-Debab. Trypanosomiase des droma- 
daires de l’Afrique du Nord. Ann. de l’Inst. Pasteur. 1905. No. 1. p. 17. 
Alle Kameeltreiber von Nordafrika behaupten, dass die wichtigste 
Krankheit der Dromedare durch Bremsenstiche (arabisch Debab) verursacht 
wird. Unter der Bezeichnung El-Debab verstehen die Einheimischen sowohl 
die Reiz- und Zornerscheinungen, welche sofort durch die Stiche hervorgerufen 
werden, als die langsam verlaufende und später auftretende eigentliche Er- 
krankung der Dromedare. Die Krankheit befällt junge und alte Tiere; der 
Verlauf ist ein sehr langsamer. Die Inkubation bezw. die Latenzperiode dauert 
mehrere Monate; die zunehmende Schwäche, die Abmagerung (Rippen, 
Becken), die Fehlgeburt werden als Hauptsymptome angegeben. In den 
meisten Fällen führt El-Debab zum Tode nach Monaten oder nach 1—4 Jahren; 
selten tritt Heilung ein. Ein geheiltes Dromedar ist immun und wird infolge 
dessen z. B. in Aegypten teuer bezahlt. Die Verluste, welche durch die Krank- 
heit bedingt werden, sind sehr bedeutende. EI-Debab ist in ganz Nordafrika 
verbreitet; Verff. haben ihre Untersuchungen in der Provinz Constantine aus- 
geführt und fanden die Krankheit vom Mittelländischen Meere bis zur Sahara 
mindestens bei 10%, aller Dromedare (28 mal unter 282 Tieren). Die 
gefundenen Zahlen, welche auf einer einmaligen mikroskopischen Untersuchung 
beruhen, sind indessen noch zu klein. Der Krankneitserreger ist ein 
Trypanosoma, morphologisch denjenigen der Nagana, der Surra und der 
Dourine ähnlich. Im Blute ist der Parasit durchschnittlich 19 x lang, 1,5 a breit; 
die Vermehrung erfolgt durch Zweiteilung, indem sich das ziemlich dicke 
Centrosom mit dem entsprechenden Teil der Geissel zuerst teilt. 
Nach Aussage der Einheimischen werden nur die Dromedare befallen, ob- 


Infektionskrankheiten. 663 


schon die Bremsen auch Pferde, Maulesel, Rinder u. s. w., allerdings nicht so 
häufig, stechen. 19 Ziegen, welche eine Karawane von z.T. inficierten Kameelen 
begleiteten, wurden mit negativem Resultate auf Trypanosomer untersucht. 
Von den Versuchstieren war die weisse Ratte am empfindlichsten; 
bei subkutaner Injektion sterben die Tiere nach etwa 16, bei intraperitonealer 
nach 917, Tagen. Die Virulenz ninımt nach 4—5 Passagen zu (Tod nach 10 
resp. 8 Tagen), weitere Passagen erhöhen dieselbe nicht mehr. Weisse Mäuse 
verhalten sich äbnlich. Kloakenratten, graue Mäuse, Kaninchen und Meer- 
scbweinchen sind auch empfänglich, reagieren aber unregelmässig. 3 Hunde 
starben 30—37 Tage nach der Infektion, ein Affe (Macacus) nach 68 Tagen. 
Ein Pferd starb nach 31/, Monaten; das Tier hatte eine sehr unregelmässige 
Fieberkurve, die Trypanosomen waren nur während der Fieberperioden im 
Blute nachweisbar. Fledermäuse scheinen wenig empfindlich zu sein. Die 
pathologisch-anatomischen Veränderungen bei den Versuclistieren (Dro- 
medare konnten nicht seciert werden) entsprechen den bei anderen Trypano- 
somen-Erkrankungen beobachteten: starke Vergrösserung der Milz und manch- 
mal der Lymphdrüsen, ferner beim Kaninchen und beim Pferde Ocdeme. 

Es ist bekaunt, dass die Zahl der Erkrankungen an El-Debab in den ein- 
zelnen Gegenden von der Zahl der Bremsen abhängig ist. Verff. haben Ueber- 
tragungsversuche mit zwei Arten Bremsen, Axylotus (Tabanus) nemo- 
ralis und Axylotus (Tabanus) tomentosus, vorgenommen, welche von den 
Kameeltreibern als besonders gefährlich für, die Kameele bezeichnet wurden. 
Verff. konnten nachweisen, dass die 2 Bremsen die Erkrankung auf Ratten und 
auf Mäuse übertragen können. Wenn die Bremsen sofort nach dem Stiche des 
inficierten Tieres das zu inficierende stechen, so ist die Inkubation gleich wie 
bei der subkutanen Impfung. In einem Versuche stachen die Bremsen erst 
22 Stunden, nachdem sie eine inficierte Ratte gestochen hatten, eine weisse 
Maus; dadurch wurde die Inkubation auf 31 Tage (statt 6—7) verlängert. Ein 
einziger Stich genügt unter den günstigsten Bedingungen zur Infektion; sobald 
ein Zeitraum von !/; bis zu 1 Stunde zwischen beiden Stichen verstrich, war 
das Resultat ein negatives. Die Untersuchung des Mageninhalts der infi- 
cierten Bremsen ergab, dass die Trypanosomen 15—20 Minuten nach dem 
Stiche lebhaft beweglich sind, nach 40 Minuten sind dieselben noch beweglich, 
nach 1 Stunde nicht mehr. Nach diesen Untersuchungen und nach den ge- 
machten Beobachtungen erscheint es wahrscheinlich, dass die Trypano- 
somiasis von Dromedar auf Dromedar mittels unmittelbar aufein- 
ander folgender Stiche übertragen wird. Uebertragungsversuche mit anderen 
Fliegen (Hämatobien, Stomoxys) haben nur einmal ein positives Resultat ergeben. 
Die Prophylaxe besteht vor allem in dem Vermeiden der Gegenden, wo 
Bremsen zahlreich vorkommen; während der gefährlichen Zeit (1.—15. Juni) 
werden die Dromedare weggetrieben oder während der grossen Hitze von 8 Uhr 
morgens bis 3 Uhr nachmittags eingesperrt. Die Einheimischen sammeln die 
Kameele zu einer einzigen grossen dichten Herde, so dass nur diejenigen Tiere 
gestochen werden, welche an der Peripherie stehen. Die Dromedare werden 
auch mit Teer von Juniperus phoenicoea und. von Thuja articulata 
bestrichen; die Methode ist wirksam, aber teuer und gefährlich. Verf. empfehlen 


664 Infektionskrankheiten. 


die mikroskopische Untersuchung des Blutes im Frühjahr und die Ver- 
nichtung oder Trennung der inficierten Tiere. 

Eine Unterscheidung des Trypanosoma der Dromedare von den übrigen 
auf Grund der morphologischen Merkmale ist nicht durchführbar; es sind zu 
diesem Zwecke eingehende Immunisierungsversuche notwendig. Möglicherweise 
werden die weiteren Fortschritte zur Aufstellung einer Krankheit der tierischen 
Trypanosomiasis durch Tabaniden (Bremsen) führen, welche neben der 
tierischen Trypanosomiasis durch Tsetsefliegen eingereiht würde. 

Silberschmidt (Zürich). 


Thiroux, Recherches morphologiques et expérimentales sur le Try- 
panosoma paddae (Laveran et Mesnil). Ann. de l'Inst. Pasteur. 1905. 
No. 2. p. 65. 

Das von Levaditi im Blut eines Padda oryzivora (Reisvogel) ent- 
deckte und von Laveran und Mesnil beschriebene Trypanosoma paddae 
wurde eingehender geprüft. Es handelt sich um ein 30—40 a langes, 5—7 x 
breites, spindelförmiges, mit sehr kurzer Geissel versehenes Gebilde. Im Innern 
des Parasiten sind einige feine, im Kern ziemlich voluminöse chromatische 
Körnelungen. Das Centrosom ist dick, rundlich und färbt sich sehr inten- 
siv. Die Vermehrung wird nur bei stark inficierten Vögeln beobachtet. Sie 
erfolgt meist durch Längsteilung, indem sich der Parasit in zwei gleiche, 
seltener ungleiche Teile spaltet.. Im Blute von stark inficierten Vögeln kann 
man durch Zusatz von Blutserum eines geheilten Tieres die Bildung von Rosetten- 
formen beobachten. Die Agglutination wird auch bei inficierten Vögeln 
beobachtet, deren Blut sehr viel Parasiten enthält. Das Serum der nicht in- 
ficierten wirkt nicht agglutinierend. Die Widerstandsfähigkeit in vitro von 
Trypanosoma paddae ist gering, der Parasit stirbt bei 22—35° innerhalb 
30 Stunden. Die Kulturen wurden in 3proz. Agar mit Zusatz von 1%/, 
Pepton und 1/,0/, Seesalz angelegt, nachdem ein gleiches oder 11/, faches 
Volumen defibriniertes Gänseblut zugesetzt worden war. Taubenblut erwies 
sich als nicht geeignet. Die Vermehrung beginnt im Kondenswasser nach 8 
bis 9 Tagen und wird zwischen dem 12. und 15. Tage üppig. Die Trypano- 
somen bleiben mehr als 40 Tage lang bei 37° in diesen Kulturen beweglich. 
Es konnten 3 Passagen erhalten werden. Die Formen in Kulturen sind sehr 
pleomorph. Auch hier kann man durch Zusatz von Immunblut Agglutina- 
tion beobachten. 

Die Impfung auf Padda ergab positive Resultate, obschon die ersten 
Uebertragungen nur schwer gelingen. Am leichtesten gelingt die intraperi- 
toneale Infektion. Die Schwere der Infektion schwankt sehr. Es erwiesen 
sich empfänglich Reisige, Serinus, Mariposa, Phoenicotis, Lagono- 
sticta minima, während Gans, Taube, Fink und Spatz sich als refrektär 
erwiesen. Aus diesen Versuchen ist ersichtlich, dass dasselbe Trypanosoma 
verschiedene Geflügelarten inficieren kann und dass dieselbe Vogelart von ver- 
schiedenen Trypanosomen inficiert werden kann. Auch Uebertragungen 
von Kulturen auf Padda sind positiv ausgefallen; die Erkrankung ist dann 
immer leicht. Es werden die Unterschiede gegenüber den anderen Trypano- 


Infeklionskrankheiten. 665 


somen angegeben und am Schlusse hervorgehoben, dass Halteridium Dani- 
lewskyi, welches häufig bei inficierten Padda-Exemplaren angetroffen wird, 
von den Trypanosomen vollständig zu treunen ist. In einer farbigen Tabelle 
sind die verschiedenen Formen von Trypanosomapaddae in Vogelblut und 
in Kulturen dargestellt. Silberschmidt (Zürich). 


Schulze, Franz Eilhard, Cytorhyctes luis Siegel. Berl. klin. Wochenschr. 
1905. No. 21. S. 658. 

Kurze Beschreibung des von Siegel bei Pocken, Maul-. und Klauenseuche, 
Scharlach und Syphilis aufgefundenen, zu den Flagellaten gehörigen Parasiten. 
Derselbe ist nur !/,—2, gross, daher nur mit den stärksten Apochromaten 
zu sehen. Die grössten Formen sind seitlich etwas abgeplattete, länglich- 
birnförmige Körper mit Geisseln an beiden Enden; die kleineren Formen sind 
drehrund, länglich-oval mit einem etwas verschmälerten Ende, und tragen nur 
an diesem eine Geissel. Bei Färbung in Schnitten erkennt man in den kleinen 
Parasiten 2, in den grossen 4—16 kugelige Kerne. Uebertragungen auf Affen 
und Kaninchen sind gelungen; am reichlichsten finden sich die Parasiten 
3 Wochen nach der Impfung im Parenchymsaft der Niere. 

Beitzke (Berlin). 


Prowazek $. (Rovigno), Untersuchungen über Vaccine. I. Arbeiten aus 
dem Kais. Ges.-A. Bd. 22. S. 585—556. 1 Tafel. 

Prowazek fand in der Lymphe zunächst längliche; sich teilende Gebilde 
— die Lymphekörperchen, die in den kleinsten Zellfragmenten ruhen; man 
kann sie nach einer heissen Sublimatalkoholfixierung in jeder Lymphe durch 
die Färbung mit Grenachers Hämatoxylin nachweisen. Ueber ihre Natur 
wird man erst nach einer genaueren Untersuchung ihrer Ursprungsstätte, der 
Kalbspustel etwas aussagen dürfen. 

Bei den Veränderungen, die sich in der Kaninchencornea nach der Imp- 
fung mit der die Lymphekörperchen enthaltenden I,ymphe vollziehen, muss 
man zwei ihrem Wesen und ihrer Genese nach verschiedene Vorgänge und 
Bildungen unterscheiden und zwar a) das Auftreten der Initialkörper; diese 
sind längliche, meist aus zwei ihrer Grösse nach etwas differierenden Körper- 
chen bestehende Gebilde, die von einem ovalen, lichten Hof umgeben sind 
und sowohl im Protoplasına, als auch wahrscheinlich im Kern auftreten, sich 
auch später in dem Guarnierischen Körperchen nachweisen lassen. b) Die 
Bildung der Guarnierischen Körperchen, welche den sogenannten Kern- 
substanzen entstammen und so ihrer Genese nach aus einer plastinartigen und 
chromatoiden Substanz bestehen, sehr frühzeitig und rasch ins Protoplasma 
austreten und hier weiter wachsen. Sie sind also Produkte einer regressiven 
Metamorphose der Kernsubstanzen, während die Initialkörper ihrem ganzen 
Aussehen und Verhalten nach wohl Träger des Virus sein dürften. 

In fast allen Fällen einer Frühinfektion kann man die degenerierenden 
Leukocyten von den Vaccinekörperchen unterscheiden; letztere treten als 
kleine kompakte Gebilde schon 3 Stunden nach der Infektion der Kaninchen- 
kornea auf, währeud welcher Zeit die Leukocyten ‚noch nicht so weit ver- 


666 Infektionskrankheiten. 


ändert und so dicht geworden sein könnten. Schwieriger gestaltet sich die 
Widerlegung der Parasitentheorie, gegen welche Prowazek eine ganze Reihe 
von Gründen zusammenstellt. Das Ergebnis weiterer einschlägiger Arbeiten 
Prowazeks ist abzuwarten. L. Voigt (Hamburg). 


Bosc F. J. (Montpellier), Les maladies bryocytiques (maladies proto- 
zoaires). III. La variole et son parasite (Plasmodium variolae). 
2 Tafeln, 12 Abbildungen im Text. Centralbl. f. Bakt. Originale. Bd. 39. 
S. 36 ff. 

Die Pocken werden von den sich an der Ansteckungsstelle in der Haut 
oder Lunge einnistenden Parasiten, welche Bose Plasmodium variolae 
nennt, veranlasst. Die Parasiten vermehren sich intracellulär und intraproto- 
plasmatisch durch Spaltung, wahrscheinlich auch intranukleär auf geschlecht- 
lichem Wege; sie müssen zu den Protozoön gerechnet werden. Unter dem 
Einflusse dieses Virus kommt es nicht nur in den Epithelzellen, sondern auch 
im Bindegewebe auf Kosten der Zellen und Nachbarzellen und der sonstigen 
Umgebung zu stürmischer ungeordneter byperplastischer Neubildung, die 
schliesslich zu völliger Zerstörung der Teile führt. Nach der Zerstörung 
der anfangs ergriffenen Zellen gelangen die nun frei gewordenen Parasiten 
als ausserordentlich kleine, höchst virulente Körper in die Lymphbahnen und 
ins Blut, um überall zu neuen Zellveränderungen zu schreiten. Um eine 
Ueberwanderung erkrankter Zellen, also um Metastasen, handelt es sich dabei 
nicht. Gleichzeitig mit dieser parasitären Ueberschwemmung des Körpers 
kommt es zu einer Mononukleose des Blutes, die aber bald einer rasch an- 
steigenden Vermehrung der mehrkernigen Zellen Platz macht. Die mehr- 
kernigen Zellen reinigen das Blut von den Parasiten, von den Zerfallprodukten 
der erkrankten Zellen und von den im Verlauf der Erkrankung sonst noch 
eingewanderten Mikrobien. Die von den Pockenparasiten hervorgerufenen 
Vorgänge entsprechen denjenigen, welche die Schafpocken- und die Kuhpocken- 
parasiten veranlassen. 

Die der umfänglichen und auf Grund fleissiger Forschung beruhenden 
Arbeit beigegebenen prachtvollen Abbildungen stellen die Zellveränderungen 
sowie die Sporulationsvorgänge des Parasiten auf das deutlichste dar. Schon 
viele Forscher haben in der Deutung ihrer einschlägigen Beobachtungen herbe 
Enttäuschungen erlebt. Auch Boscs Arbeit bedarf der Nachprüfung. 

i L. Voigt (Hamburg). 


Hauser, Haribert, Untersuchungen über den Vaccineerreger. Disser- 
tation. Freiburg 1005. 

Hauser hat im Freiburger Hygienischen Institut die von Siegel (Beiträge 
zur Kenntnis des Vaccineerregers, Sitzungsber. der Kgl. preuss. Akademie 
der Wissenschaften. 1904. Bd. 25) berichteten Untersuchungen wiederholt. Bei 
intraperitonealer Einverleibung von 1cem frischer animalischer Lymphe fanden 
sich in den 24 und 48 Stunden nach der Impfung untersuchten inneren Organen, 
namentlich den Nieren, in Ausstrichpräparaten, nach der Romanowskyschen Me- 
thode gefärbt, Körperchen, die den von Siegel besehriebenen ähnlich waren; doch 


Infektionskrankheiten. 667 


erwies sich ihre Form so wenig charakteristisch und ihre Färbbarkeit so wenig 
konstant, dass man sie kaum mit Sicherheit als specifische Gebilde ansprechen 
durfte. Weiter erwies sich auch die Siegelsche Behauptung, dass diese von 
ihm als specifisch angesehenen Körperchen bei cornealer Impfung schon nach 
12 Stunden in den inneren Organen nachzuweisen wären, als unbewiesen, in- 
denr Impfung mit dem 24 und auch 48 Stunden nach der Hornbautinfektion 
gewonnenen Nierensaft die charakteristischen Zeichen von Vaccineinfektion, 
wie sie sich am Kaninchenauge darstellt, vermissen liess. 
Manteufel (Halle a. S.). 


Süpfle, Karl, Beiträge zur Kenntnis der Vaccinekörperchen. Disser- 
tation. Heidelberg 1905. 

Nach einem kurzem Ueberblick über die Entwickelung der ätiologischen 
Forschung zur vorliegenden Frage berichtet S. über eigene Untersuchungen, 
die er an Hornhäuten von Kaninchen und Impfpusteln von Kälbern angestellt 
hat. Die sofort nach der Tötung enukleierten Augäpfel bezw. die herausge- 
schnittenen Impfpusteln wurden in Sublimat-Kochsalzlösung fixiert und einge- 
bettet. Bei der Schnittfärbung bewährte sich das Biondische Farbengemisch 
am meisten. Die Untersuchungen ergaben, dass die intracellulären Körperchen 
(Guarnieri) eine typische Reaktion auf die Infektion mit Pockenvirus dar- 
stellen. Bei Zugrundelegung seiner eigenen Erfahrungen und kritischer 
Würdigung der einschlägigen Literatur hält Verf. indes die Protozoönnatur 
dieser Gebilde für bislang unbewiesen und glaubt, dass es sich vielmehr um 
Degenerationsprodukte des inficierten Gewebes, speciell der Zellkerne, handle. 

Manteufel (Halle a. S.). 


Kissing K, Zwei Fälle von generalisierter Vaccine nach Ueber- 
tragung der Vaccine auf ein chronisches Gesichtsekzem. Aus 
den Jahrbüchern der Hamburgischen Staatsanstalten. VIII. S. 191. Hamburg 
u. Leipzig 1904. L. Voss. 

Während Paul behauptet, dass die mit Ekzem kombinierte, in diffuser 
Form wuchernde Vaceine nicht als generalisierte Vaccine anzusehen sei, 
sondern nur eine lokale Hautaffektion darstelle, kommt Verf. auf Grund 
zweier von ibm beobachteten Fälle zu dem Schlusse, dass es sich in diesen 
Fällen um eine Allgemeininfektion handeln müsse, da die vorhandenen 
Krankheitssymptome, wie Bronchitis, Schleimhauteruptionen in Mund und 
Rachen, Milzvergrösserung, für eine Allgemeininfektion sprechen. 

Baumann (Netz). 


Taconnet, Histoire de l'épidémie de variole à l'hôpital de la Charité 
de Lille en 1902—1903. These. Lille 1905. Robbe. 101 pp. 

Taconnet schildert seine Erlebnisse als Assistenzarzt der Pockenab- 
teilung des Hospitals de la Charite zu Lille während einer Pockenepidemie 
in den Jahren 1902 und. 1903. In den genannten Jahren ist es in Lille, 
einer Stadt von etwa 190000 Einwohnern, zu 2577 amtlich gemeldeten 
Pockenerkrankungen mit 705 Todesfällen gekommen; zur Hospitalbehand- 


668 Infektionskrankheiten. 


lung gelangten 1004 Pockenkranke, von denen 272 starben. Schon aus der 
hohen Sterbeziffer von 25°, aller Pockenkranken und von 30,6°%/, aller 
Hospitalfälle ist die Bösartigkeit der Epidemie zu ersehen; massenhafte Imp- 
fungen und Widerimpfungen waren die Hauptwaffen zur Unterdrückung der 
Seuche. Auf die Fülle der interessanten Vorkommnisse kann hier nicht ein- 
gegangen, jedoch soll hervorgehoben werden, dass die während der Epidemie 
nicht seltenen und zum Teil sehr schweren Augenerkrankungen mit Instilla- 
tionen einer Lösung von 1 Teil Methylenblau in 300 Teilen Wasser, die täg- 
lich mehrmals vorgenommen wurden, auf das günstigste beeinflusst worden 
sind. L. Voigt (Hamburg). 


Abba F. et Bormans A., Sur le diagnostic histologique de la rage. 
Ann. de PInst. Pasteur. 1905. No. 1. p. 49. 

Verf. baben sich mit dem Nachweis der Negrischen Körperchen 
in der Gehirnsubstanz von wutverdächtigen Tieren befasst und zwar 
mittels möglichst einfacher Methode, welche vom praktischen Arzt ohne 
ein besonderes Laboratorium ausgeführt werden kann. Das Ammonshorn wird 
freigelegt, herausgenommen, mit dem Messer in dünne Schnitte zerlegt und 
5—6 Stunden lang in 4 oder 5ccm 10 proz. Osmiumsäure (Volpino) im 
Reagenzglas aufbewahrt. Nach dieser Zeit, eventuell auch später, werden die 
Stückchen herausgenommen, 1/, Stunde in fliessendem Wasser gespült, 3 bis 
4 Stunden in absoluten Alkohol gebracht und mit dem Rasiermesser ge- 
schnitten. Kleine Schnitte genügen; eventuell können dieselben noch unter 
dem Deckglas zerquetscht werden. Das Präparat ist bräunlich, die Zellen 
deutlich sichtbar, mit blassem Kern und mit stärker gefärbtem Nucleolus. 
Die Negrischen Körperchen sind in den Zellen neben dem Kerue gelegen 
und haben eine gewisse Aehnlichkeit mit dem Nukleolus; bei genauer Be- 
trachtung erkennt man im Innern helle, regelmässig angeordete vakuolenartige 
Stellen. Die Grösse dieser Körperchen ist verschieden, auch die Zahl schwankt 
sehr, in einigen Fällen sind dieselben in jeder Zelle vorhanden, andere Male 
findet man nur ganz vereinzelte. Im ganzen wurden 93 Köpfe von wutver- 
dächtigen Tieren mikroskopisch und experimentell untersucht; 58 mal war das 
Resultat positiv, sowohl im mikroskopischen Präparat wie im Tierversuch. 
Verff. bemerken aber, dass in 3—4°/, der Fälle von Wut Negri’sche Körper- 
chen gefunden werden konnten, und betonen, dass ein negatives Resultat 
der histologischen Untersuchung nicht zu einer negativen Wut- 
diagnose genügt; in diesen Fällen muss der Tierversuch vorgenommen 
werden. Die mit Ösmiumsäure behandelten Stückchen Gehirnsubstanz von 
wutkranken Tieren erwiesen sich als vollständig verändert. Im Tierversuch 
erwies sich das Ammonshorn nicht virulenter als andere Teile 
des Gehirns. Verf. kommen zum Schlusse, dass die Methode von Volpino 
in mehr als 50%, der Fälle gestattet, die Diagnose der Wut 
innerhalb 24 Stunden zu stellen. In Turin wird der Tierversuch nur 
dann ansgeführt, wenn die genaue mikroskopische Untersuchung auf Negri- 
sche Körperchen negativ ausgefallen ist. Die Methode von Volpino (10 proz. 
Osmiumsäure) wird dem umständlichen Verfahren yon Mann u.a. vorgezogen; 


Infektionskrankheiten. 669 


die direkte Untersuchung der zerzupften Gehirnsubstanz in verdünnter Essig- 
säure ist nur für einen sehr geübten Untersucher von Nutzen. 

Als Anhang beschreiben Verft. einen Fall von Wut bei einem 8jährigen 
Knaben, welcher am Tage nach dem Bisse in Behandlung kam und trotz 
lange dauernder Behandlung (40 Tage) an Wut erkrankte und 5 Monate nach 
der Verletzung starb. Der beissende Hund wurde getötet; zwei Kaninchen 
wurden geimpft, das eine starb ohne Wutsymptome, das andere blieb am 
Leben. Die Krankheitserscheinungen waren beim Knaben typisch für Wut, 
trotzdem fiel die Untersuchung auf Negrische Körperchen nach verschie- 
denen Metboden negativ aus und blieben 2 mit Gehirnsubtanz geimpfte Kanin- 
chen am Leben. Silberschmidt (Zürich). 


Haaland M., Les tumeurs de la souris. Trav. du lab. de M. Borrel. Ann. 
de FInst. Pasteur. 1905. No. 3. p. 165. 

In dieser ausführlichen und mit 5 schönen Tafeln illustrierten Arbeit hat 
Verf. unter Leitung von Borrel die verschiedenen Formen von krebs- 
artigen Geschwülsten bei der Maus mikroskopisch untersucht und be- 
richtet auch über einige experimentelle Untersuchungen. Die häufigste Form ist 
das Adenocarcinom und zwar der sogenannte Pariser Typus. Im ganzen 
wurden bis jetzt 30 Mäuse mit spontan aufgetretenen Geschwülsten beobachtet 
und zwar ausschliesslich Weibchen. Metastasen treten namentlich leicht 
in der Lunge in mehreren Formen auf. Die eine wird als Carcinom 
der Lungengefässe, als eigentliche Metastase beschrieben, während eine andere 
Form von Lungenknötchen sehr ähnlich denjenigen bei Schafpocken, d. h. ohne 
eigentliche Krebszellen auftritt. Borrel ist es gelungen, 6 Passagen durch 
Mäuse zu erhalten. Die Zahl der positiven Uebertragungen beträgt höchstens 
1:10, manchmal weniger als 1:30. Von Jensen wurde eine Geschwulst 
zugeschickt und untersucht. Diese Geschwulst ist von dem Pariser Typus 
verschieden; im Gegensatze zu Jensen konnte Verf. auch hier Metastasen 
beobachten, ähnlich wie die oben beschriebenen. Die Uebertragungsversuche 
sind viel ungünstiger als bei Jensen ausgefallen. Es stellte sich heraus, 
dass ein grosser Unterschied zwischen von frisch getöteten Mäusen gewon- 
nenem und von Sektionen stammendem Material besteht, indem ersteres 210/9, 
letzteres nur 7%, Erfolge aufweist. Die Rasse der Mäuse scheint von sehr 
grossem Einflusse zu sein, dies erklärt die verschiedenen Resultate. Die 
erwähnten Geschwülste werden als verschieden von dem Carcinom beim 
Menschen betrachtet. Borrel hat aber bei Mäusen 4 Fälle von Geschwülsten 
am Unterkiefer beobachtet, welche sich von dem eigentlichen verhornten 
Pflasterepithelkrebs des Menschen nicht unterscheiden lassen. Meta- 
stasen wurden nur in einem Falle beobachtet; die Uebertragung ist bis jetzt 
nicht gelungen. Als 4. Form wird eine gestielte Geschwulst, molluskumartig, 
welche nicht so bösartig zu sein scheint, beschrieben. Es kamen noch einige 
Fälle von malignem Lymphom vor, darunter 5 gleiche Fälle in demselben 
Käfig innerhalb 2 Jahren. 3 der beschriebenen Formen bilden Metastasen; 
die in den Lungen von krebskranken Mäusen beobachteten kleinen Geschwülste 
scheinen aus den eigentlichen Lungenzellen und nicht aus den Krebszellen 


670 Infektionskrankheiten. 


hervorgegangen zu sein. Die intracellulären Einlagerungen, die in verschiedenen 
Formen von Geschwülsten beobachtet werden, können meist durch das Ein- 
dringen von Leukocyten in Krebszellen erklärt werden. 

Silberschmidt (Zürich). 


Freund, Wilh. Alex., Zur Naturgeschichte der Krebskrankheit nach 
klinischen Erfahrungen. Zeitschr. f. Krebsforschung. Bd. 3. S. 1. 

Verf. setzt seine nach 50 jähriger ärztlicher Tätigkeit gewonnenen An- 
schauungen über Krebskrankheit auseinander. Er definiert den Krebs als 
„diejenige Krankheit der Haut, Schleimhäute und Drüsen, bei welcher Ge- 
schwülste gebildet werden, die aus sich heraus durch Poliferation ihrer Gewebs- 
elemente am Ort ihrer Entstehung und an anderen Orten, wohin sie durch 
den Blut- oder den Lymphstrom gebracht worden sind, schrankenlos mit Ver- 
drängung und Schädigung der Nachbargewebe wachsen, Neigung zum Zerfall 
ihrer älteren Bestandteile und damit zur Bildung von geschwürigeu Substanz- 
verlusten zeigen und endlich den befallenen Organismus durch Säfteverluste 
und Autointoxikationen zerstören“. Verf. hält den auf der Statistik aufge- 
bauten Schluss, dass die Krebskrankheit in neuerer Zeit zugenommen habe, 
nicht für berechtigt und bemängelt die bisherige Art der statistischen Erhe- 
bungen bezüglich der Krebskrankheit. Die Uebertragbarkeit des Oarcinoms 
sieht er nicht als erwiesen an und verhält sich infolge dessen den parasitären 
Theorien gegenüber ablehnend; für ihn gibt der Senilismus das erste ätiolo- 
gische Moment zur Krebskrankheit ab. Bezüglich des klinischen Verlaufes 
vertritt er die Meinung, dass die ersten Anfänge der Krankheit viel weiter 
zurückreichen, als man gemeinhin annimmt, und dass man bei offenbar ge- 
wordenem Leiden bereits am Schlusse eines langen, oft durch ein Menschen- 
alter und noch länger dauernden Processes sich befindet. Durch mehrere 
Fälle wird das belegt und weitere klinische wie pathologisch-anatomische 
Untersuchungen in dieser Richtung gefordert. Das Careinom ist der Therapie 
durch das Messer und im übrigen besonders durch Radium zugänglich; der 
Effekt ist freilich nicht immer ein radikaler, wohl aber meist ein palliativer 
von nicht zu unterschätzendem Wert. Die relativ leichtere therapeutische 
Angreifbarkeit der Metastasen hängt vermutlich zusammen mit der nur unter 
gauz besonderen Bedingungen ermöglichten Haftbarkeit der verschleppten Keime 
sowie mit der schwachen Gefässversorgung der Metastasen; auf diese Weise 
sind auch wahrscheinlich die mehrfach beobachteten Spontanheilungen von 
Metastasen zu erklären. Seine Anschauungen über die Pathogenese des Car- 
einoms fasst F. etwa folgendermassen zusammen: Durch schnelle und über- 
mässige Verhornung der äussersten Epidermisschichten (an Warzen, Leuko- 
plakien der Schleimhäute, Anhäufungen von Drüsenepithelien mit Erweiterungen 
der Schläuche u. s. w.) kommt es zu einer Art Stanung des von dem Rete 
Malpighii stetig gebildeten Epithels, in welchem durch veränderte Lebens- 
bedingungen anormale Zustände und durch hinzutretende Reizungen bei durch 
Senilismus geschwächter Resistenz der Bindegewebsunterlage vermehrte Wuche- 
rung mit der abnormen Richtung nach innen hervorgerufen werden. Das stark 
wuchernde Epithel dringt in die Tiefe, erreicht früher oder später je nach 


Infektionskrankheiten. 671 


dem Bau der betreffenden Partie Lymph- und Blutgefässe und bricht damit 
in die allgemeine Organisation ein. Für die langsame oder schnellere Ent- 
wickelung des primären Tumors sind Konstitution, Alter, Ernährung, örtliche 
(eventuell therapeutische) Einwirkungen von Bedeutung. Endlich zerfallen die 
kurzlebigen Krebszellen in den älteren Partien, Fäulnisbakterien gesellen sich 
unter Umständen hinzu. Säfteverluste durch Blutungen und Jauchungen, 
Schmerzen von arrodierten Nerven, Autointoxikationen von den zerfallenden 
Gewebsmassen bringen die Kranken um. Die Pathologie sieht die grosse, 
bisher ungelöste Frage des Krebsprocesses in der unbegrenzten Poliferations- 
fähigkeit der Krebszellen, zu deren Erklärung sie eine specifische Veränderung 
des Zellcharakters annimmt. Verf. glaubt die Schwierigkeit damit umgehen 
zu können, dass er sich der Anschauung F. Merkels anschliesst, nach welcher 
` die hier in Betracht kommende Eigenschaft den normalen Epithelzellen erblich 
und eigentümlich inhäriert, und verlegt den Schwerpunkt in die Involution 
und verminderte Widerstandskraft des Bindegewebes. Verf. erwartet weitere 
wichtige Aufschlüsse von der experimentellen und biochemischen Forschung, 
nicht vom Suchen nach Krebsparasiten. Beitzke (Berlin). 


Loewenthal, Waldemar, Tierversuche mit Plasmodiophora brassicae 
und Synchytrium taraxaci nebst Beiträgen zur Kenntnis des 
letzteren. Zeitschr. f. Krebsforschung. Bd. 3. S. 46. 

Die beiden in der Ueberschrift genannten Pflanzenparasiten sind vielfach 
zum hypothetischen Krebserreger in Beziehung gebracht oder gar mit ihm 
identisch erklärt. Verf. hat die betreffenden Angaben experimentell nachge- 
geprüft. Nach eingehender Beschreibung des Entwickelungsganges von Syn- 
chytrium taraxaci, welche nur ein rein botanisches Interesse besitzt, be- 
richtet Verf. über seine Tierversuche. Er brachte aseptisch entnommene 
Teilchen der Kohlhernie Kaninchen in die freie Bauchhöhle, in Leber oder 
Niere. Von Synchytrium taraxaci wurde schwärmsporenhaltiges Material 
Mäusen in die skarificierte Rückenhaut eingerieben. Das Ergebnis aller Ver- 
suche war ein gänzlich negatives. Beitzke (Berlin). 


Juliushurger P., 7081 Todesfälle an Krebs von 1885—1899 bei der 
„Friedrich Wilhelm“, Preussischen Lebens- und Garantie-Ver- 
sicherungs-Aktien-Gesellschaft in Berlin. Zeitschr. f. Krebsforsch. 
Bd. 3. S. 106. 

Das in den angegebenen 15 Jahren gesammelte Material hat Verf. zur 
Beantwortung von sechs Fragen nutzbar gemacht. Die erste lautet dahin, ob 
die Todesfälle an Krebs von 1885—1899 zugenommen haben, was Verf. 
entschieden bejaht. Zweitens liess sich feststellen, dass die Frauen der besser 
situierten Stände an der Zunahme der Krebsleiden besonders beteiligt sind. 
Drittens wurde die Annahme der Erblichkeit einer Anlage zur Krebserkrankung 
gestützt. Nicht generell zu entscheiden war die vierte Frage, welches Durch- 
schnittsalter die Krebskranken der „Friedrich Wilhelm“ gezeigt, in welchem 
Alter sie gestanden haben, und ob letzteres eine Verschiebung nach oben er- 
kennen lasse. Bei Bemittelten war nicht bloss im Alter von 20—40 Jahren 


672 Infektionskrankheiten. 


der Prozentsatz der Todesfälle an Krebs ein höherer, als bei den Unbemittelten, 
sondern auch die Altersperiode ihrer zahlreichsten Opfer beginnt schon mit 
40—50 Jahren, umfasst also 30 Jahre, während dieselbe bei den Unbemittelten 
erst mit 50—60 Jahren hervortritt, also nur 20 Jahre umschliesst. Dass die 
unbemittelten Volkskreise jenseits des 70. Lebensjahres einen geringeren Pro- 
zentsatz an Krebsfällen, als die bemittelten, aufweisen, findet seine Erklärung 
darin, dass die weniger Bemittelten meist vor Erreichung des 70. Lebensjahres 
infolge der grossen körperlichen Inanspruchnahme dahingerafft werden. An 
fünfter Stelle liess sich nachweisen, dass zwischen der Häufigkeit der Krebs- 
erkrankung und der Berufsart ein gewisser Zusammenhang besteht; das grösste 
Kontingent stellten die Beamten, das kleinste die Gastwirte. Sechstens wurde 
unter den Organen, welche primär vom Krebs ergriffen werden, der Magen 
als das am häufigsten befallene gefunden; den zweiten nehmen die Gebär- 
organe ein, den letzten die Nase. 

Aus vorstehenden Feststellungen folgert Verf. weiter, dass die Entdeckung 
eines Krebsmikrobium alle Tatsachen am besten würde erklären können. Da 
alle diesbezüglichen Versuche aber bisher missglückt seien, so müsse man 
vorläufig der Hypothese von der erblichen Anlage zum Krebs die grösste Be- 
deutung einräumen. Beitzke (Berlin). 


Ostertag und Bugge, Untersuchungen über eine maulseuchenähnliche 
Erkrankung des Rindes („gutartige Maulseuche“, Stomatitis 
papulosa bovis specifica) Ztschr. f. Infektionskrankh., paras. Krankh. 
u. Hyg. d. Haustiere. Bd. 1. S. 3. 

Verff. hatten die Gelegenheit, bei bayerischen Ochsen, die auf dem 
Berliner Magerviehhofe zum Verkaufe gestellt waren, eine seuchenhaft auf- 
tretende Erkrankung der Maulschleimhaut zu untersuchen, die in gewissen 
Stadien zur Verwechselung mit Aphtbenseuche führen konnte. 

Die Krankheit ist klinisch charakterisiert als eine fieberlose und ohne 
Störung des Allgemeinbefindens verlaufende umschriebene Stomatitis, bei 
der kleine, mit rotem Hofe versehene Knötchen entstehen, aus 
denen durch Konfluenz grössere Knoten sich bilden können. Speichelfluss 
tritt nicht ein, auch wird die Futteraufnahme nicht beeinträchtigt. Die an- 
fangs roten Knötchen blassen allmählich ab und nehmen einen graugelben 
Farbenton an. Eine Bildung von Bläschen und Blasen tritt zum 
Unterschied von Aphthenseuche nicht ein. Von letzterer unter- 
scheidet sich diese gutartige Maulentzündung ausserdem noch dadurch, 
dass sie sich auf die Maulschleimhaut in allen ihren Abschnitten und 
auf den Nasenspiegel beschränkt, eine Erkrankung der Haut und 
der Klauen aber nicht eintritt. 

Durch ausgedehnte Uebertragungsversuche bei Jungrindern und Rindern 
stellten die Verf. fest, dass die in Rede stehende Krankheit eine Infektions- 
krankheit ist, deren Erreger sich im Blute befindet und zu den 
filtrierbaren, ultravisiblen gehört: Bei keinem der erkrankten Rinder ist 
es gelungen, durch die gebräuchlichen Untersuchungsmethoden Mikroorganismen 
nachzuweisen, die als Krankheitserreger angesehen werden konnten. Die 


Infektionskrankheiten. 673 


Krankheit lässt sich nicht nur durch direkte Impfung der Maulschleimhaut 
mit den Krankheitsprodukten der Maulhöhle, sondern auch durch subkutane 
und intravenöse Impfung mit dem Blute und mit dem durch Chamberland- 
kerzen filtrierten Blutserum kranker Tiere auf gesunde übertragen. Aeltere 
Rinder erwiesen sich als schwerer infizierbar wie jüngere. Die durchschnittliche 
Inkubationszeit beträgt 2 Wochen. Durch häufig zu beobachtende Recidive 
und durch Verzögerung der Heilungsvorgänge in der Maulschleimhaut kann 
sich die in wirtschaftlicher Beziehung belanglose Krankheit über. Monate er: 
erstrecken. 

Verff. haben für die in der tierärztlichen Literatur bereits beschriebene, 
aber ihrem Wesen nach unzutreffend gedeutete Krankheit die Bezeichnung 
Stomatitis papulosa infectiosa bovis vorgeschlagen. 

Bongert (Berlin). 


Moc F., Propriétés bacteriolytiques et anticytasiques du venin de 
cobra. Trav. du lab. de M. Calmette. Ann. de I’Instit. Pasteur 1905. 
No. 4. p. 209. ` 

Neben den hämolytischen besitzen die Schlangengifte auch bakterio- 
lytische Eigenschaften. Verf. hat Versuche mit Cobragift angestellt 
und gefunden, dass die einzelnen Bakterienarten sich verschieden verhalten. Am 
empfindlichsten war ein asporogener Milzbrand und ein choleraähnlicher Vibrio, 
während sporentragende Mikroorganismen, Schimmelpilze und Tuberkelbacillen 
sich als unempfindlich erwiesen haben. Es handelt sich nicht um einen 
einfachen proteolytischen Vorgang. Die wirksame Substanz ist auch ver- 
schieden vom Hämolysin und vom Neurotoxin. Es scheint sich vielmehr um 
eine specielle Eigenschaft zu handeln, welche von einem thermolabilen 

Cytolysin herrührt. Dieses Cytolysin wird durch antitoxisches Serum neu- 

tralisiert und besitzt ferner die Eigenschaft, das Alexin der normalen Sera zu 

binden nacb dem Gesetz der variablen Verhältnisse. Diese Eigenschaft 

liefert eine Erklärung für die rasche Vermehrung der Fäulnisbakterien im 

Organismus von vergifteten Tieren. Silberschmidt (Zürich). 


Dieminger, Beiträge zur Bekämpfung der Ankylostomiasis. Klin. 
Jahrb. Bd. 12. S. 123. Jena 1904. Gustav Fischer. Sonderabdruck. Preis: 
0,80 M. 

Dieminger, der als Arzt auf der Zeche Graf Schwerin bei Dortmund, 
der stärkst verseuchten Zeche des rheinisch-westfälischen Industriebezirks, mit 
der Bekämpfung der Wurnkrankheit beauftragt ist, gibt vom Standpunkt des 
Klinikers aus sehr wichtige und wertvolle Beiträge zur Bekämpfung der 
Ankylostomiasis. 

Die Zeche Graf Schwerin, auf der der erste Herd der Wurmkrankheit im 
Rıhrkohlenbezirk im Jahre 1896 von Löbker entdeckt wurde, begann im 
December 1902 mit der vom Ref. für alle verseuchten Zechen vorgeschlagenen 
mikroskopischen Untersuchung des Kotes der Gesamtbelegschaft. Bei der ersten 
von Dieminger ausgeführten Untersuchung wurden von 1232 Grubenarbeitern 
814=660%/, als Ankylostoma-behaftet festgestellt. Von 214 bei der ersten 


674 Infektionskrankheiten. 


Untersuchung negativ Befundenenen wurden noch bei der zweiten Unter- 
suchung 108 Mann als positiv befunden. Im ganzen zeigten bei der ersten 
Untersuchung 41°/, der untersuchten Leute Zeichen von sekundärer Anämie, 
ausserdem 8°, anderweitige wurmverdächtige Beschwerden. Bezüglich der 
Untersuchungen hebt D. die wichtige Tatsache hervor, dass reichlicher Genuss 
von Alkohol bewirkt, dass die Eier aus den Fäces verschwinden. Wahr- 
scheinlich ist diese Tatsache zu erklären durch direkte Schädigung der 
Würmer durch den Alkohol. 

Von den bei der ersten Durchsuchung bezw. Nachuntersuchung als wurm- 
behaftet befundenen 922 Mann wurden durch eine „sogenannte“ Wurmkur 
(Extr .filic. 7,0; 2 Stunden später Kalomel 0,3) 690 Mann von ihren Würmern 
befreit; 185 Mann mussten sich einer zweiten, 33 einer dritten, 6 einer vierten 
und 8 einer fünften und weiteren Kur unterziehen, ehe ein vollständiges 
Resultat erreicht war. Nur bei 2 Mann wurde die Abtreibung der Würmer 
nicht vollständig erreicht. 

Verf. untersuchte ausserdem noch die Belegschaft der Zeche Zollern II, 
die im Gegensatz zu „Graf Schwerin“ durchgängig niedrige Temperaturen, 
91/,—181/,0C. aufwies. Auf Zollern zeigten von 974 Untersuchten 153 Mann 
(=15°/,) ein positives Resultat bezüglich ihrer Wurmbehaftung. Doch haben 
sämtliche Leute ihre Infektion nicht auf Zollern, sondern auf früheren Arbeits- 
stätten, die verseucht sind, acquiriert. Für Zollern II lag damit kein Grund 
vor, sie in die Reibe der verseuchten Zechen aufzunehmen; sie verdankt dies 
im wesentlichen ihrer niedrigen Temperatur. Die vom Verf. gegebenen Bei- 
spiele müssen als typisch gelten für manche Beobachtungen, die im hiesigen 
Revier bei der Bekämpfung der Krankheit gewonnen sind. 

Weitere Untersuchungen des Verf.’s beziehen sich auf die Lebensdauer 
der Würmer im menschlischen Körper. Er fand häufig, dass Reservisten, 
die vorher auf Graf Schwerin gearbeitet hatten und die 2!/, Jahr lang keine 
Grubenarbeit mehr verrichtet hatten, nach ihrer Rückkehr vom Militär noch 
wurmbehaftet waren. In zwei anderen Fällen konnte er, trotzdem seit der 
letzten Grubenarbeit 5 resp. 5!/, Jahr verstrichen waren, noch Ankylostoma- 
eier in den Fäces auffinden. Zahlreiche Untersuchungen unternahm Verf. zur 
Aufklärung der Frage, ob bei Familienangehörigen wurmkrauker Bergleute 
eine Ansteckung erfolgt ist. Unter 941 Personen konute er in einem Fall 
Uebertragung auf einen Yjährigen Sohn feststellen. Dies ist der einzige in 
hiesiger Gegend sicher bewiesene Fall von Uebertragung der Ankylostomiasis 
auf Angehörige; die Ansteckung ist vielleicht darauf zurückzuführen, dass 
an den aus der Grube mitgebrachten Gegenständen (Grubenkleidung , 
Stiefel, halbverzehrtes Frühstück) Ankylostomalarven sich befanden. Die 
Möglichkeit liegt aber auch vor, dass aus den oberirdisch abgelegten Fäces 
des Vaters im Sommer sich Larven entwickelt haben, die zur Infektion des 
Sohnes führten. Einige vom Verf. in dieser Hinsicht ausgeführte Experi- 
mente sprechen für diese Möglichkeit. 

Der Arbeit sind eine Anzahl schematischer Zeichnungen der Entwickelungs- 
stadien der Eier beigegeben. Hayo Bruns (Gelsenkirchen). 


Infektionskrankheiten. 675 


Dieminger, Beiträge zur Bekämpfung der Ankylostomiasis. Nachtrags- 
bericht an die Kgl. Regierung zu Arnsberg. Klin. Jahrb. Bd. 14. S. 1. 
Jena 1905. Gustav Fischer. Sonderabdruck. Preis: 0,60 M. 

Auch in diesem zweiten Bericht sind eine ganze Anzahl für die Be- 
kämpfung der Wurmkrankheit wichtiger Beobachtungen niedergelegt. 
Bei der zweiten Untersuchung der Belegschaft der Zeche Graf Schwerin wurden 
im ganzen noch 44°/, der Leute als wurmbehaftet gefunden; dann wurde bald 
nach Beginn der dritten Untersuchung diese eingestellt und alsbald in etwa 
alle 14 Tage wiederholten Schachtrevisionen immer nur die Anämischen aus- 
gemustert und die unter diesen wurmbehaftet gefundenen einer Kur unterzogen. 
Diese Aenderung des allgemeinen Verfahrens wurde mit Rücksicht auf die be- 
sonderen Verhältnisse der Grube (Mindesttemperatur an den Kohlengewinnungs- 
punkten 24° C.), die sehr zahlreiche Neuinfektionen veranlassten, ausgeführt. 
Es soll, um die Ventilation zu verbessern und dadurch die Temperatur der 
ganzen Grube herabzudrücken, ein neuer Luftschacht gebaut werden, und man 
nimmt an, dass dann die Durchschnittstemperatur um 6—7° herabgehen wird. 
Die Resultate der Wurmkur auf Graf Schwerin (an 2 Tagen je 10,0 Extract. 
filicis, nach 2 Stunden Abführmittel) geben aus folgender Angabe hervor: 

Von 661 Bergleuten waren nach dieser Kur 597 geheilt = 90°/,. 
Es benötigten einer dritten „ 8 „ = 6% 
a hi „ vierten „ 211 „ =3,3°), 

die übrigen 5=0,8°/ wurden einer weiteren Kur nicht mehr unterzogen und 

als vorläufig ungeheilt aus der Behandlung entlassen. Sie dürfen vorläufig 

Arbeiten unter Tage nicht verrichten. Nebenerscheinungen bei der Kur, ausser 

gelegentlichem Auftreten von Ikterus (in 25 Fällen) wurden nicht beobachtet. 

Für die Abtreibungskuren hat sich als wirksamstes und günstigstes Mittel 

wiederum das Farnkrautextrakt gezeigt. Für seine Anschauung, dass der vor- 

hergehende Genuss von Alkohol, Häringen, ferner das Einnehmen eines Ab- 
führmittels die Eier aus den Fäces verschwinden lässt, bringt Dieminger 
neue experimentelle Beläge. Diese Tatsache, die gelegentlich von den Berg- 
leuten zu Täuschungswecken benutzt ist, ist geeignet, auf manche voneinander 
abweichende Untersuchungsresultate ein gewisses Licht zu werfen, und ist 
natürlich für die Bekämpfung der Krankheit, die im wesentlichen auf dem 
mikroskopischen Nachweis der Ankylostomaeier basiert, von grosser Bedeutung. 

Um die Frage zu entscheiden, an welchem Platze in der Grube haupt- 
sächlich die Ansteckung erfolgt, hat D. sehr zahlreiche Proben von Schlamm 
aus der Wassersaige, von Holzstempeln, aus der Strecke und von Eisenteilen 
untersucht, doch ohne Erfolg. D. spricht; auf Grund seiner Untersuchungen 
die Vermutung aus, dass eingekapselte Larven sich nur an Kot resp. Kot- 
teilchen finden und sich aktiv höchstens 1 m weit von diesen entfernen, eine 
Anschauung, der sich Ref. glaubt anschliessen zu können. 

Von besonderem Interesse ist die Beobachtung einer eigesartigen Haut- 
affektion auf der Zeche „Graf Schwerin“, die auf den Handrücken und an den 
Armen auftrat und besonders bei den Leuten beobachtet wurde, welche die 
in dem mit Kot verunreinigten Schlamm liegenden Grubenhölzer herausnehmen 
und verarbeiten mussten. Aehnlich wie auf der englischen Zinngrube Dol- 


676 Infektionskrankheiten. 


coath mine eine dort auftretende Hautinfektion („new sump bunches“) mit der 
Einwanderung der Ankylostomalarven in Verbindung gebracht wird, suchte 
auch hier D. gewisse Beziehungen. Dieser Zusammenhang ist um so eher 
möglich, als gerade im letzten Jahre mehrfach (so von Tenholt und dem 
Ref.) die Bestätigung der Loossschen Behauptung, dass die Ankylostoma- 
infektion durch die unverletzte menschliche Haut erfolgen könne, erbracht ist. 
Weitere Untersuchungen Diemingers an Angehörigen wurnkranker Berg- 
leute und an Ziegelarbeitern, die nicht in einer Grube gearbeitet hatten, sind 
negativ ausgefallen. Hayo Bruns (Gelsenkirchen). 


Scheube B., Ein neues Schistosomum beim Menschen. Arch. f. Schiffs- 
u. Tropenhyg. 1905. S. 150. 

Von Catto wurde bei einer Sektion eine Art von Schistosomum (Bil- 
harzia) gefunden; sie dürfte identisch sein mit der von japanischen Forschern 
schon länger beschriebenen. Die Männchen sind 9 mm lang und 0,447 mm 
dick, die Weibchen länger und dünner. Die durch sie gesetzten Veränderungen 
sind hügelige Erhabenheiten in der Leber, die dann wie bei Laönnecscher 
Cirrhose aussieht; in der Glissonschen Kapsel und in tuberkelartigen 
Knötchen der Leber finden sich die Eier des Parasiten. Letzterer wurde auch 
bei Katzen aufgefunden; er erhielt den Namen Schistosomum haema- 
tobium japonicum. Kisskalt (Giessen). 


Dinkler (Aachen), Ueber die Ankylostomiasis im Wurmkohlenrevier. 
Beiträge zur wissenschaftlichen Medizin. Festschrift zum 80. Geburtstag des 
Geh. Sanitätsrats Dr. Georg Mayer (Aachen). S. 41. Berlin 1905. August 
Hirschwald. 

In der Festschrift für Geheimrat G. Mayer in Aachen, dem ersten Ent- 
decker der Ankylostomiasis bei einem deutschen Bergmann, durfte eine 
Abbandlung über die Ankylostomiasis im Aachener Kohlenrevier, die wir 
der berufenen Feder Dinklers verdanken, nicht fehlen. Der erste Fall dort 
ist 1885 von G. Mayer bei einem Bergmann der Grube Maria-Höngen ent- 
deckt worden. Seit der Zeit sind stets Einzelfälle vorgekommen; aber erst 
die Entdeckung der starken Verseuchung der Kohlengruben im rheinisch- 
westfälischen Gebiet führte auch im Wurnrevier zu weiteren Nachforschungen 
und damit zur Konstatierung der Verseuchung mancher Gruben der Aachener 
Gegend. Die Bekämpfung der Krankheit ist im wesentlichen der im Ruhr- 
kohlengebiet eingeschlagenen nachgebildet, d. h. es wird Sorge getragen für 
reichliche und brauchbare Aborteinrichtungen unter und über Tage, Herab- 
setzung der Temperatur der Gruben durch möglichst gute Ventilation, Be- 
nutzung einwandfreien Wassers zum Berieseln und für Wasch- und Badezwecke, 
Aussonderung der Wurmbehäfteten durch mikroskopische Untersuchung zum 
Zweck der Vornahme von Abtreibungskuren. Diese Kuren mit Extract. filicis 
werden in der Aachener Gegend in Anbetracht ihrer relativen Ungefährlichkeit 
nieht im Krankenhause oder in Baracken, sondern ambulant vorgenommen. 
Auch im Wurmrevier ist durch alle diese Massnahmen eine ganz wesentliche 
Abnahme der Krankheitszahlen zu konstatieren gewesen. Zum Schluss macht 


Verschiedenes. 677 


Verf. den Vorschlag, die sämtlichen wurmbehafteten Bergleute, die durch 
mehrere Kuren nicht von ihren Würmern haben befreit werden können, nur 
in einer einzigen Grube arbeiten zu lassen, die nicht die zur Verbreitung der 
Krankheit nötigen Bedingungen (Feuchtigkeit, höhere Temperatur) aufweist. 
Der Vorschlag lelınt sich an eine Anregung an, die auch im Ruhrkohlengebiet 
gelegentlich besprochen worden ist (s. Prot. der Konferenz z. Bekämpfung der 
Wurmkrankheit am 4. April 1903 im Handelsministerium S 42—43), die aber 
hier bis jetzt noch nicht zur Durchführung gekommen ist. 
Hayo Bruns (Gelsenkirchen). 


Gaeihgens, Der Bacillus jasmino-cyanens und der Bacillus flavo- 
aromaticus, zwei neue farbstoffbildende Bakterien. Centralbl. f. 
Bakt. Abt. I. Originale. Bd. 38. S. 129. 

Verf. gibt die Beschreibung zweier verschiedener farbstoffbildender und 
durch einen eigentümlichen Geruch ausgezeichneter Bakterien. Dieselben 
wurden aus den Fäces Typhuskranker bezw. Typhusverdächtiger isoliert. Auf 
den angelegten Drigalski-Conradi- oder Malachitgrün-Agarplatten 
erschienen diese Mikroorganismen, wenn überhaupt, fast jedes- 
mal in Reinkultur, und ein Nachweis etwa vorhanden gewesener 
Typhusbacillen war dann stets als misslungen anzusehen. Das 
erste Bakteriom, Bacillus jasmino-cyaneus genannt, steht morphologisch, 
kulturell und tierpathogen dem Bac. pyocyaneus nahe, unterscheidet sich von 
demselben aber durch den intensiven Jasmingeruch, der allen seinen Kulturen 
anhaftet. Der zweite Bacillus ist durch den gelben Farbstoff und den eigen- 
tümlichen, obstartigen Geruch seiner Kulturen ausgezeichnet, im übrigen in 
seinem Aussehen und seinem Wachstum auf den verschiedenen Nährböden 
dem erstgenannten Bacillus nicht unähnlich, doch fehlt ihm vollständig jede 
Tierpathogenität. Der Verf. bezeichnet den Mikroorganismus als Bacillus 
flavo-aromaticus. Jacobitz (Karlsruhe). 


Barbieri, Guiseppe, Volumetrische Bestimmung der salpetrigen Säure 
mittels vierwertigen Cers. Chem.-Ztg. 1905. No. 49. S. 668. 

Die gelben Cerisalze, welche durch Alkalinitrit ohne Gasentwickelung 
entfärbt werden, können zur direkten titrimetrischen Bestimmung der 
Nitrite benutzt werden; die Reaktion verläuft nach folgender Gleichung: 

2 Ce(S0,) + KNO; + H,0 = (ez(S0,); + KNO; + H,S0,. 
wobei die Entfärbung den Endpunkt anzeigt. Genauere Resultate werden 
erhalten, wenn die Nitrite durch überschüssiges Cerisulfat oxydiert und dann 
die unverbrauchte Menge des letzteren durch Versetzen mit Kaliumjodid und 
Titration der freigewordenen Jodmenge bestimmt wird. Nitrate stören den 
Verlauf der Reaktion nicht, ebenso braucht das Cerisulfat keineswegs voll- 
kommen rein, nämlich frei von Lanthan, Praseodym und Neodym, zu sein, 
da die Salze dieser Elemente ohne Einfluss auf Nitrate bzw. Jodkalium sind. 
Wesenberg (Elberfeld). 


678 Kleinere Mitteilungen. 
Kleinere Mitteilungen. 


(:) Nach dem statistischen Jahrbuch für das Deutsche Reich vom Jahre 1905 
treffen unter 100 Todesfällen auf Kinder unter einem Jahr in Frankreich 15, in 
Schweden 17,4, in den Vereinigten Staaten 19,2, in der Schweiz 22, in Dänemark 
22,7, in Finnland 22,8, in Luxemburg 25,3, in Italien 25,8, in Cuba 26,1, in Hol- 
land 27,4, in Oesterreich 31,8, in Preussen 33,9, im Deutschen Reich 34,5, in Würt- 
temberg 36,1, in Bayern 38 und in Sachsen 42. 


(:) Wertvolles Material haben die statistischen Aemter einer Reihe von deutschen 
Städten im letzten Jahrzehnt geliefert. So ist die Behausungsziffer, die durchschnitt- 
liche Zahl der in einem Hause wohnenden Menschen, überall gestiegen, und zwar 
stieg diese Zahl im Jahrzehnt von 1890—1900 in Köln von 14 auf 17, in Düsseldorf 
von 17 auf 20, in Stuttgart von 22 auf 23, in München von 28 auf 35, in Breslau von 
50 auf 53 und in Berlin von 71 auf 77; dabei zeigten einzelne von der Arbeiterbe- 
völkerung bewohnte Stadtteile diesen Durchschnitt sehr erheblich übersteigende Zahlen, 
beispielsweise stieg die Behausungszifferin der östlichen Luisenstadt in Berlin auf 120. 

(Dtsch. Vierteljahrsschr. f. öf. Gesundheitspfl. 1906. Bd. 38. S. 195.) 


(:) Bremen. Häufigkeit der Infektionskrankheiten. 

Ein vom Gesundheitsrate zu Bremen erstatteter, die 11 Jahre 1393--1903 um- 
fassender Bericht über den öffentlichen Gesundheitszustand und die Verwaltung der 
öffentlichen Gesundheitspflege in Bremen enthält u. a. einen Rückblick auf die an- 
steckenden Krankheiten, welche Bremen während dieses Iljährigen Zeitraumes heim- 
gesucht haben. Von den in & 1 des Reichsgesetzes vom 30. Juni 1900 genannten, 
gemeingefährlichen Krankheiten werden 1 Fall von Pest, 1 Fall von Aussatz und 
22 Pockenfälle erwähnt. Der i.J. 1900 beobachtete Pockenkranke, welcher wahrschein- 
lich beim Ausfegen des Kehrrichts in einem verseuchten Schiffe sein Leiden sich zu- 
gezogen hatte, blieb glücklicherweise vereinzelt; der Fall von Aussatz gab zu 
medizinalpolizeilichen Vorschriften Anlass und führte zur Absonderung der Kranken 
im Städtischen Krankenhause, wo sie durch Selbstmord endete; von den 22 Pocken- 
fällen betrafen 15 durchreisende, ausländische Auswanderer. Bemerkenswert 
war das Verhalten der Malaria in Bremen, denn die dort noch bis vor 40 Jahren recht 
häufige Krankheit ist jetzt so gut wie vollständig verschwunden; während i.J. 1862 
von 2137 der Städtischen Krankenanstalt zugegangenen Kranken 101 an Malaria ge- 
litten hatten, war dies im Laufe der 8 Jahre 1893—1900 nur noch bei 43 von insge- 
samt 29873 Kranken der Fall. Die Ursachen dieses Rückgangs werden in der Trocken- 
legung sumpfiger Stellen und damit in einer Zerstörung der Brutstätten von Anophe- 
leslarven, ferner in der Chininbehandlung aller Erkrankten gefunden, so dass beim 
Eintritt der sommerlichen Hitze immer nur vereinzelte Amöbenträger vorhanden 
waren, welche Infektionen veranlassen konnten. Der Typhus pflegte früher in Bremen 
im August und September häufig aufzutreten, um während des Winters zu verschwinden; 
neuerdings hat sich dies verändert, seitdem fast alles Trink- und Gebrauchswasser 
von der centralen öffentlichen Leitung entnommen wird. Typhus ist jetzt überhaupt 
von keiner Bedeutung mehr in Bremen, die Zahl der T'yphustodesfälle in der Gross- 
stadt Bremen betrug selten mehr als 10 im Jahre, doch hat sich in den letzten Jahren 
eine Reihe von leichten, atypischen Erkrankungen als Paratyphus erwiesen. Nicht 
selten gelang der Nachweis von Typhusinfektionen durch Milch, wie S. 38 und 39 
des Berichtes ausgeführt wird. 

ine wichtige Todesursache bildeten in Bremen die Diphtherie und der 


Kleinere Mitteilungen. 679 


Scharlach, erstere auch noch seit Beginn der Serumbehandlung im Oktober 1904, 
deren hoher Wert als specifisches Heilmittel anerkannt wird. Gelegentlich einer 
schweren Scharlachepidemie im Februar 1903 traten Senat und Bürgerschaft einer 
vom Medizinalamt zu erlassenden Verordnung bei, als deren wesentliche Punkte die 
folgenden bezeichnet werden: 

1. Erkrankte dürfen nicht vor Ablauf von 6 Wochen die Schule (Prediger-Hör- 
säle, Bewahranstalten u. s. w.) wieder besuchen. Auch deren Hausgenossen nicht, 
ausser wenn die Kranken wirksam isoliert oder evakuiert worden sind; in diesen 
beiden Fällen sind sie nach 14 Tagen, nach Kontrolle durch einen beamteten Arzt 
freizugeben. 

2. Geschäfte, in denen Nahrungs- und Genussmittel oder andere für die Ver- 
schleppung geeignete Gegenstände feilgehalten werden, sind zu schliessen, wenn ein 
Scharlachkranker im Hause verbleibt. 

3. Die Stadt wird in zwei Bezirke geteilt und für jeden ein Arzt angestellt, an 
den alle Meldungen direkt einzusenden sind. Diese Aerzte haben sofort die Verhält- 
nisse zu prüfen und alles Erforderliche zu bestimmen, täglich an die Centralstelle 
(Gesundheitsrat) zu berichten und wöchentlich an einer vom Medizinalamt abzu- 
haltenden Sitzung, welcher der Geschäftsführer und als Beirat der Direktor der 
Städtischen Krankenanstalt beiwohnen, teilzunehmen. 

4. Auch scharlachverdächtige Fälle müssen angemeldet werden. 

Für Masern, Keuchhusten und Influenza besteht in Bremen keine Anzeige- 
pficht; letztere Krankheit ist angeblich ein beständiger Gast in Bremen geworden, 
z. B. wurden im Jahre 1895 nicht weniger als 75 Todesfälle an Influenza gemeldet. 
Genickstarre wurde nur in vereinzelten Fällen beobachtet. 

(Veröff. d. Kais. Ges.-A. 1906. No. 3. S. 60.) 


(J) In Oesterreich waren im ‚Jahre 1897 604 Krankenanstalten mit 41705 Betten, 
in denen 427472 Kranke von 6469 Pflegepersonen gepflegt wurden; in Privatpfloge 
waren noch tätig 3560 Personen; so dass im ganzen 9929 Personen die Krankenpflege 
ausübten; rechnet man von den vielen Ordensgenossenschaften, die neben anderen 
Beschäftigungen auch noch zeitweise der Pflege sich widmen, noch etwa 5000 hinzu, 
so ergäbe sich eine Summe von 15000 Pflegepersonen. 

Viel günstiger liegen die Verhältnisse im Deutschen Reiche; es gab dort im 
Jahre 1900 6300 Krankenanstalten mit 370000 Betten und im ganzen an 40000 Pilege- 
personen; eine Zahl, die von keiner anderen Nation erreicht wird. 

(Centralbl. f. allg. Gesundheitspflege. 24. Jahrg. 1905. H. 1 u. 2. S. 75.) 


(:) Oesterreich. Vorkehrungen gegen Malaria. 

In der amtlichen Zeitschrift „Das österreichische Sanitätswesen“ ist kürzlich ein 
Bericht über die Vorkehrungen gegen Volkskrankheiten in Oesterreich veröffentlicht, 
welcher u.a. die zur Unterdrückung der Malaria in gewissen, von ihr besonders heim- 
gesuchten Bezirken getroffenen Massnahmen eingehend schildert. Die ersten Versuche, 
die Seuche zu tilgen, wurden danach 1903 in Dalmation angestellt, woselbst zufolge 
einem Berichte der Statthalterei zu Zara unter 212079 Bewohnern von 11 politischen 
Bezirken angeblich rund 80000 Malariakranke sich befanden. 

Die Massnahmen sollten vor allem in der gründlichen Heilung sämtlicher Mala- 
riakranken bestehen, indem diese zu Beginn der Malariazeit — d. h. im Mai — einer 
Mtägigen Kur unterzogen wurden, dann sollte die Gesamtbevölkerung monatelang 
überwacht werden, um alle auftauchenden Rückfälle, sowie etwaige frische Ansteckun- 
gen sofort zu behandeln. Auf die Kur im Monat Mai wurde besonderes Gewicht gelegt, 


680 Kleinoro Mitteilungen. 


da denAnophelen, welche im Frühjahr zu schwärmen anfangen, dieGelegenheit, sich 
an malariakranken Menschen zu inficieren, entzogen werden sollte. 

In den ersten Tagen des Mai 1903 begann man mit der Feststellung aller in 
den einzelnen Ortschaften vorhandenen Malariakranken, aber nicht durch Blut- 
untersuchung, da in den dunklen und schmutzigen Bauernstuben die Anfertigung der 
Blutpräparate zu viel Schwierigkeiten bot, sondern durch Untersuchung der Milz und 
Befragen aller anämischen Personen. 

Als malariakrank wurden hierbei alle Personen angesehen, welche entweder eine 
tastbare Milzschwellung aufwiesen oder angaben, innerhalb der letzten 2 Jahre an 
Malariafällen gelitten zu haben. 

Auf Grund dieser Feststellungen wurden 4342 Personen im Mai 1903 einer Kur 
mit Bislerischen Pillen unterzogen. Diese Pillen, deren jede 1 dg schwefelsaures 
Chinin, 1 mg arsenige Säure, 5 cg citronensaures Eisen und 15 cg eines Extractum 
amarum enthielt, wurden in Flaschen, enthaltend je 2000 Stück, von einer Mailänder 
Firma zu 40 Kr. für die Flasche geliefert; den malariakranken Kindern wurde statt 
der Pillen eine Chinin-Eisen-Arsenlösung teelöffelweise verabreicht. Die Kranken er- 
hielten diese Mittel 30 Tage lang durch besondere angestellte Gehilfen, deren zunächst 
34 — etwa 1 anf je 127 Kranke — in Tätigkeit traten, d. h. den Kranken an Sammel- 
plätzen oder in den Häusern die Arznei eingaben; ausserdem wurden in Ortschaften, 
in welchen Volksschulen sich befinden, die Mittel von den Lehrern in der Schule zu 
Beginn und am Schlusse des Unterrichts an die betr. Schulkinder verteilt. 

Diese planmässige Malariatilgung wurde im folgenden Jahre 1904 auf insgesamt 
44 Ortschaften mit 23876 Einwohnern ausgedehnt, wobei diese Ortschaften in 10 
Malariabezirke eingeteilt wurden, deren jeder einen Malariaendemiearzte unterstellt 
wurde. Das Verfahren, nach welchem i.J. 1904 die Malariatilgung durchgeführt wurde, 
bestand in folgenden Massnahmen: 

1. allgemeine ärztliche Untersuchung sämtlicher Einwohner der zu sanierenden 
Ortschaften, 

2. allgemeine Kur aller malariaverdächtigen Personen mit den Chinin-Eisen- 
Arsen-Präparaten, 

3. Nachbehandlung aller chronisch kachektischen Personenen während der 
eigentlichen Malariazeit mit kleinen täglichen Gaben derselben Präparate und 

4. ärztliche Ueberwachung aller Einwohner behufs rechtzeitiger Feststellung der 
Kückfälle oder von frischen Ansteckungen und Einleitung einer 15 tägigen Kur in 
solchen Fällen. 

Von den 21642 im zweiten Jahre untersuchten Personen waren 9141 mit einer 
Milzanschwellung behaftet, weitere 6574 gaben an, während der letzten zwei Jahre 
an Malaria gelitten zu haben, im ganzen wurden 16039 Personen in der zweiten 
Hälfte des Mai einer Behandlung unterzogen; bei dieser wurden 15 Tage lang volle, 
an weiteren 15 Tagen nur halbe Gaben der Chinin-Eisen-Arsen-Präparate verabreicht. 
Für Erwachsene bestanden diese Mittel nunmehr in Tabletten, deren jede 1 dg salz- 
saures Chinin, 25 mg citronensaures Eisen und 1 mg arsenigsaures Natrium enthielt: 
Kinder von 3—14 Jahren erhielten Tabletten mit geringerem Arsengehalt, Kinder im 
Alter bis zu 3 Jahren einen Chinin-Eisen-Arsensirup, welcher in 5 g u. a. 6 cg 
doppeltschwefelsaures Chinin enthielt. An Personen im Alter von mehr als 14 Jahren 
wurden täglich 6 arsenstarke Tabletten verabreicht. 

Hinsichtlich der Anophelen wird aus Istrien berichtet, dass es im Vorfrühling 
d.). 1904 nach einigen auffallend warmen Märztagen, welche dio überwinterten Ano- 
phelen zu früher Absetzung der Kier veranlasst hatten, dort viele reichlich mit Larven 
besetzte Tümpel gab, dass indessen die spätere aussergewöhnliche Dürre des Sommers 


Kleinere Mitteilungen. 681 


unter allen Stechmücken sehr aufgeräumt hatte, so dass man solche nur noch finden 
konnte, wenn man ihre Schlupfwinkel kannte. Als solche Fundorte von Anophelen 
werden u.a. die Spinnegewebe an der Decke der Schweineställe genannt, die mit 
Mücken dicht bosetzt waren, auch wenn in den Wohnungen der Bauern und in den 
Stallungen der Rinder und Pferde nichts mehr zu finden war. Nach jedem Regen 
nahmen anscheinend die Anophelen sofort an Zahl zu, doch wird dies dadurch er- 
klärt, dass sie dann wegen der im Freien allzu grossen Feuchtigkeit in die trockenen 
Häuser und Stallungen flüchteten. 

Der erwähnte ärztliche Beobachtungsdienst war i.J. 1904 — bezw. seit dem 
November 1903 — unter Beibehaltung der früher tätig gewesenen Vertrauenspersonen 
und Hilfskräfte so eingerichtet, dass der Arzt von jeder ihm als krank oder verdächtig 
gemeldeten Person drei Blutpräparate anfertigen musste und, wenn diese den Malaria- 
verdacht begründeten, sofort eine 15 tägige Chininkur einzuleiten hatte. Ergab die 
dann vorgenommene Blutuntersuchung noch einen positiven Befund, so sollte sie all- 
monatlich vorgenommen und bei jedesmaligem positivem Befunde die Chininkur 
wiederholt werden. 

In dem Jahreszeitraume vom 1. November 1903 bis 31. Oktober 1904 wurden 
auf diese Weise bei 2690 schon behandelten Personen 241 Rückfälle mikroskopisch 
festgestellt; leider war es für die Aerzte nicht durchführbar, bei jedem gemeldeten 
Rückfalle die vorgeschriebene, monatliche Blutprüfung vorzunehmen, vielmehr wurden 
von 505 gemeldeten Kückfällen nur 241 mikroskopisch festgestellt. Die meisten 
Rückfälle (bei 16,1%/, der behandelten Kranken) kamen in der Ortschaft Lavarigo 
vor, wo die Behandlung im Vorjahre viel später als in den übrigen Ortschaften ein- 
geleitet worden war; die wenigstens (bei nur 3°/,) wurden in Barbarigo sowohl 
gemeldet, als auch festgestellt, wahrscheinlich weil hier seitens der Kriegsmarine 
schon seit Mitte Mai d. J. 1903 Chininpastillen zu prophylaktischen Zwecken unter 
die Bevölkerung verteilt worden waren. 

Was die Versuche zur Vertilgung der Anophelen betrifft, so wurde, da 
das Eingiessen von Petroleum in die Tümpel keinen vollen Erfolg hatte, das Haupt- 
gewicht auf die Verschüttung aller nicht zum Vichtränken dringend erforderlichen 
Tümpel gelegt, doch konnte diese Arbeit nur sehr langsam vor sich gehen. 

(Veröff. d. Kais. Ges.-A. 1906. No. 3. S. 64/65.) 

(:) Frankreich. Die Errichtung eines Institutes für Tropenkrank- 
heiten (école d’application du service de santé des troupes coloniales) in Marseille 
ist durch Dekret vom 3. Oktober 1905 beschlossen worden. Das Institut, welches der 
Ausbildung von Militärärzten für die Tropen dienen soll, wird am 1. Januar 1905 in 
einem von der Stadtgemeinde Marseille gebauten Gebäude eröffnet werden. Neben 
dem Unterricht im Institut werden die jungen Aerzte Vorlesungen in der medizinischen 
Fakultät in Marseille, insbesondere die seit 3 ‚Jahren eingerichteten Kolonialkurse 
hören. Ausserdem ist der Besuch der Klinik für exotische Pathologle im Militärhospital 
und der Kolonialklinik im städtischen Hospital (Hôtel Dicu) vorgesehen. Die Kurse 
dauern vom 1. Februar bis 1. Oktober jeden ‚Jahres und schliessen mit einer Prüfung. 
Vom 1. Oktober bis 1. Februar finden Ferienkurse für beurlaubte Militärärzte statt. 

(oram. d. Kais. Ges.-A. 1906. No. 2. S. 39.) 


(:) Niederlande. Die Tätigkeit dt Impfstoffgewinnungsanstalt in 
Utrecht im Jahre 1904. (Nach dem 32. Jaarverslag van de Rijksinrichtung tot 
kweeking von Koepokstof over het yaar 1904, door Dr. Wirtz.) 

Zur Gewinnung von Impfstoff wurden im Berichtsjabre 30 Kälber benutzt, die 
in der nämlichen-Weise wie in den Vorjahren mit Milch gefüttert werden. Bis zur 


682 Kleinere Mitteilungen. 


Schlachtung hatte jedes Tier durchschnittlich 5,4 kg an Gewicht zugenommen. Ihr 
Gesundheitszustand war durchweg gut, nur 3 von ihnen litten vorübergehend an 
Durchfall. Im Durchschnitt wurden bei jedem Kalbe 1062 Impfstiche gemacht. Bei 
2 Kälbern missglückte die Impfung; bei dem einen entwickelten sich überhaupt keine 
Pusteln, und bei dem anderen nur einige trockene Knötchen. Bei den übrigen 28 
Kälbern betrug die Zahl gut entwickelter Pocken im Durchschnitt 763 oder 71,8%. 
Im ganzen wurden von den 28 Kälbern 145,0 g oder im Mittel vom Kalbe 5,2 g Impf- 
stoff gewonnen; er diente zur Herstellung von 3904 einfachen und 2762 Doppelporti- 
onen Glycerinlymphe. 

Zur Versendung gelangten im ganzen 9428 Portionen Lymphe in 1140 Sendungen, 
von denen 4 (zusammen 84 Portionen) nach dem Ausland gingen. Im Inlande er- 
hielten die Provinzen Geldern (mit 702) und Zuid Holland (mit 652) die grösste, 
Limburg, (mit 133) und Seeland (mit 137 Portionen) die kleinste Menge Tierlymphe. 

Zufolge den über 367 Sendungen eingegangenen Berichten, welche sich auf 
6295 Impfungen beziehen, wurde bei 829 Impfungen ein Erfolg von 100°, bei 785 . 
ein solcher von 90—100°/,, bei 1469 von 70— 90°/o, bei 801 von 60—70°%,, bei 313 
von 50--60%/,, bei 585 von 40—50°/,, bei 1491 weniger als 40°), und bei 22 gar 
kein Erfolg erzielt. Insgesamt haben die Impfungen einen Schnitterfolg von 87 %/, 
gehabt. 

In der Anstalt selbst wurden im Berichtsjahre 731 Personen geimpft, davon 708 
zum ersten Male. Bei 465 Erstimpflingen hatten sich 5 und mehr Pusteln, bei 49 
weniger als 5, bei 13 keine entwickelt; bei 1 Impfling blieb der Erfolg unbekannt. 
Von den 23 Wiederimpfungen waren 15 von Erfolg, bei 3 war das Ergebnis unbekannt. 

(Veröff. d. Kais. Ges.-A. 1906. No. 1. S. 20.) 

(:) Medizinalstatistische Mitteilungen aus Kopenhagen für das 
Jahr 1904. (Nach Stadslaegens aarsberetning for 1904.) 

Bei einer auf den 1. Juli 1904 berechneten Bevölkerung von 423000 Seelen sind 
in Kopenhagen im Berichtsjahre 12055 Kinder oder 28,50 (1903 : 28,92) °/oo lebend- 
geboren, darunter 2897 oder 24,03 (24,46)°/, der Lebendgeborenen ausserehelich. 
Von 204 Totgeborenen waren T1 ausserehelicher Abkunft, Gestorben sind 6657 
Personen oder 15,74 (15,71)/oo der Bevölkerung, so dass sich ein Geburtsüberschuss 
von 12,8 (13;2)°/oo ergibt; im Durchschnitt der Jahre 1882—1886 betrug letzterer 
15,2, 1587—1891 : 12,3, 1892—1896 und 1897—1901 je 11,30/. 

Die meisten Todesfälle trafen auf den April (680) und März (669), die wenigsten 
auf den Oktober (486) und November (437). Im 1. Lebensjahre starben 1865 Personen 
oder 15,47 (1903 : 15,06) °/o der Lebendgeborenen, darunter 608 ausserehelicher Ab- 
kunft oder 20,09 (20,54) von je 100 ausserehelichen Lebendgeborenen, von 1—5 Jahren 
518, von 5—15 Jahren 172, von 15—65 Jahren 2458, von 65 und mehr Jahren 1641. 

Todesursachen. Durch Typhus gingen von je 100000 Lebenden 3 (1903:6) 
zugrunde, durch Diphtherie und Croup 7 (14), Scharlach 6 (8), Masern 15 (12), 
Keuchhusten 52 (13), Kindbettfieber 4 (4), croupöse Lungenentzündung 33 (31), 
Bronchopneumonie 112 (112), Brechdurchfall 121 (115), Tuberkulose 202 (197, 1593 
bis 1902 : 247), Krebs 144 (141), Gehirnschlag 51 (48), Selbstmord 33 (28), Verun- 
glückung 36 (38). 

Erkrankungen sind insgesamt 50950 (53457) zur Anzeige gelangt. Davon 
waren 42351 (44388) oder 100 (106) im Verhältnis zu 1000 Einwohnern durch epide- 
mische Krankheiten veranlasst worden. In 4468 dieser Fälle war eine Behandlung im 
Krankenhause, in 836 im Lazarett erfolgt. Von den als epidemisch bezeichneten 
Krankheiten trafen aut Mandelentzündung 9364 Fälle, auf Luftröhrenkatarrh 8764, auf 


Kleinere Mitteilungen. 683 


akuten Darmkatarrh und Brechdurchfall 5539, Influenza 4126, Masern 3304, Keuch- 
husten 2862, Bronchopneumonie und Kapillarbronchitis 2030, Scharlach 1759; zu er- 
wähnen sind ferner 1 Pockenerkrankung bei einem Schiffskapitän, welcher mit polni- 
schen Auswanderern gelahren war, 2 Fälle von Ruhr, 184 von Typhus, 9 von Ge- 
nickstarre, 334 von Diphtherie und Croup, 311 von Windpocken, 539 von epidemischer 
Ohrspeicheldrüsenentzündung. 

Die Gemeindeimpfanstalt erledigte 1251 Impfungen einschl. 2 Wiederimpfungen, 
deren 1238 und bei der Wiederholung weitere 5 erfolgreich waren. Die Kgl. Impf- 
anstalt verfügte über 143815 Portionen Lymphe. Es wurden daselbst 5161 Kinder 
geimpft, 99,110/, mit Erfolg. 

Seitens der Desinfektionsanstalt wurden 1909Desinfektionen ausgeführt, 1392 
für öffentliche Rechnung, 317 für Unbemittelte, 200 für Privatrechnung. Den Anlass 
zur Desinfektion bot Typhus in 147 Fällen, Diphtherie und Croup in 309, Scharlach 
in 620, Tuberkulose in 424, Krebs in 96, Krätze in 138 Fällen. 

Dem Laboratorium der Gesundheitskommission gingen 4086 Proben 
zur Untersuchung zu. Es wurden 2279 chemische, 52 mikroskopische und 2087 bak- 
teriologische Untersuchungen vorgenommen. 221 Proben betrafen Wasser, 1992 Milch 
und Sahne, 166 andere Nahrungsmittel, 53 verschiedene Stoffe, 1654 Sputum. 

(Veröff. d. Kais. Ges.-A. 1906. No. 2. S. 27.) 


(:) Schweden. Geburts- und Sterblichkeitsverhälinisse in Stock- 
holm während des Jahres 1904. (Nach Berättelse om allmänna hälsotillständet i 
Stockholm 2.2.2... af Ivar Andresson, Stockholm 1905.) 

Auf eine mittlere Zahl von 313947 Einwohnern kamen während des Jahres 1904 
in Stockholm 7309 lebendgeborene Kinder, darunter aber nur 5001 ehelicher Abkunft. 
so dass fast der dritte Teil aller Lebendgeborenen (31,58°;,) dort ausserehelich ge- 
boren wurdel). Die Sterblichkeit unter den Säuglingen war im Vergleich zu den 
meisten deutschen Städten sehr gering, denn von den 4508 Gestorbenen des Berichts- 
jahres standen nur 771 im ersten Lebensjahre, was einer Säuglingsterblichkeit von 
10,55 auf je 100 Lebendgeborene entspricht; die Zahl der Totgeborenen betrug 
215, d. i. 2,9 : 100 Lebendgeborenen, war also ebenfalls sehr gering. Von den 4500 
tiestorbenen bekannten Alters hatten nicht weniger als 1444 ein Lebensalter von 
mindestens 60 Jahren und 357 ein Lebensalter von mindestens SO Jahren erreicht, 
während in Berlin nur etwa 4 von je 100Gestorbenen das 80. Lebensjahr überschritten 
haben. Die meisten Sterbefälle entfielen auf den Monat December, demnächst auf Juni 
und April, die wenigsten auf den September. Unter den Todesursachen nahm die 
Lungenschwindsucht die erste Stelle ein; von den 1751 im Alter von 15—60 Jahren 
Gestorbenen sind 576, d. i. 32,90%, der Lungenschwindsucht erlegen. Im ganzen 
starben 698 Personen an Lungenschwindsucht, 120 an Hirnhauttuberkulose, davon 
114 vor Ablauf des 10. Lebensjahres, 92 an Tnberkulose anderer Organe, ferner 518 
an Lungenentzündung und 130 an akuter Luftröhrenentzündung, 20 an Influenza, 51 
an Keuchhusten, 36 an Scharlach, 22 an Masern, 5l an Diphtherie und Croup, 8 an 
Typhus, 4 an Kindbettfieber, 55 (darunter 48 Kinder des ersten Lebensjahres) an 
Brechdurchfall und 157 (136) an Magen-Darmkatarrh. Alterschwäche ist bei 257 nach 
Ablauf des 60. Lebensjahres Gestorbenen als Todesursache angegeben, ein Krobs- 
leiden bei 172 Personen des gleichen hohen Alters und bei 133 jüngeren Personen, 
ferner ein Sarkom oder eine sonstige Geschwulst bei insgesamt 48 Personen. An 
einem Herzleiden starben 201, an Nierenentzündung 127, an chronischem Alkoholis- 


1) In Berlin‘ waren nicht ganz 16°/, aller im gleichen Jahre lebendgeborenen 
Kinder ausserehelioher Abkunft. 


684 Kleinere Mitteilungen. 


mus 24, durch Selbstmord 59 und durch Verunglückung 133, darunter 44 durch 
Ertrinken. (Veröff. d. Kais. Ges.-A. 1906. No. 2. S. 39.) 

(:) Philippinen. Gesundheitsverhältnisse in Manila im Jahre 1903 
bis 1904. 

Nach dem letzterschienenen Jahresberichte des obersten Gesundheitsbeamten in 
Manila!) für den Jahreszeitraum vom 1. September 1903 bis 31. August 1904 war 
gemäss der amtlichen Zählung des Jahres 1903 Manila von 219 941 Personen, dar- 
unter nur 4359 Amerikaner, bewohnt. Die lHauptmasse der Bewohner bestand aus 
Eingeborenen; fast 10°/, der Bewohner waren Chinesen, auf Spanier entfielen nur 
etwa 1,1°/. 

Im Laufe des Berichtsjahres wurden 6341 neugeborene Kinder in die Listen 
eingetragen, doch sind die Anmeldungen unvollständig bingegangen, geschätzt wird 
die Zahl der Lebendgeborenen auf etwa 13.000. Die eingeborenen Philippiner sind 
angeblich kinderreich, aber kaum die Hälfte der Neugeborenen wird 1 Jahr alt, und 
vergeblich bemüht sich das Gesundheitsamt, den Ursachen dieser zahlreichen Todes- 
fälle von Säuglingen entgegenzutreten. 

Im ersten Lebensjahre starben nicht weniger als 61J4 Kinder, darunter 1213 
während des ersten Lebensmonats; weitere 1150 Kinder starben im 2.—10. Lebens- 
jahre, von den übrigen Verstorbenen in Manila hatten 656 ein Alter von mehr als 
60 ‚Jahren erreicht, 44 waren in unbekanntem Alter gestorben. Die Gesamtzahl der 
Todesfälle (11 357 und 10781 für die Angesessenen) entspricht einer Sterblichkeits- 
ziffer von 49,01 °/% für die Angesessenen, war also für europäische Verhältnisse sehr 
hoch. Als Todesursache wurden „Krämpfe“ bei Kindern 3541 mal, Tuberkulose 1153 
mal, auch Eklampsie, akute Bronchitis und Diarrhöe oder Darmkatarrh sehr häufig 
angegeben. Von den wichtigeren Infektionskrankheiten der späteren Lebensjahre 
führte asiatische Cholera in 423 Fällen, Ruhr in 319, Beriberi in 318, Pest in 
87, Pocken in 32, Aussatz in 25, Typhus in 113 Fällen zum Tode. Wundstarr- 
krampf (Tetanus) ist bei 96 Personen als Todesursache eingetragen. 

Im Laufe des Jahres sind an der Pest angeblich 94 Personen erkrankt, so dass 
danach mehr als 90%, aller Pestfälle in Manila tödlich geendet haben; an den 
Pocken erkrankten 73, an der asiatischen Cholera im September und Oktober 
417, während der übrigen Monate des Berichtszeitraumes nur noch 52 Personen. Ein 
Rückblick auf einen früheren Zeitabschnitt zeigt, dass innerhalb der 2 Jahre vom 
März 1902 bis einschl. Februar 1904 in Manila 5581 Personen an der Cholera er- 
krankt und 4356 der Seuche erlegen sind. In den Provinzen, d.h. ausserhalb Manilas, 
sind auf den Philippinen zu gleicher Zeit mehr als 105000 Personen allein der Cholera 
erlegen, und auch unter den auf den Philippinen untergebrachten Soldaten kamen bei 
einer mittleren Kopfstärke von 26915 Mannschaften 586 Choleraerkrankungen mit 356 
Todesfällen vor. Am 23. März 1904 konnten Manila und am 27. April 1904 die Phi- 
lippinen für cholerafrei erklärt werden. Eine zwar wenig gefürchtete, aber recht ver- 
breitete und für die ärmlichen Bevölkerungsklassen schr gefähriiche Krankheit auf 
den Philippinen ist die Beriberi, von der allerdings die weisse Bevölkerung ziemlich 
verschont wird. Die Zahl der Aussätzigen auf den Philippinen beträgt etwa 5000, 
wird aber meist höher geschätzt; in den Lepraheimen befinden sich 475 solche Kranke. 

(Veröff, d. Kais. Ges.-A. 1906. No. 1. S. 20.) 


1) Annual report of the commissioner of public health. Manila 1905. 


~ 


Verlag von August Hirschwald, Berlin N.W, — Druck von L. Schumacher in Berlin N. 24. 


Hygienische Rundschau. 


Herausgegeben 


von 


Dr. Carl Fraenkel, Dr. Max Rubner, Dr. Carl Günther, 


Geh. Mod.-Rat, Prof. der Hygiene Geh. Med.-Rat, Prof. dor Hygiene Goh. Med.-Rat, a.0.Prof. der Hygione 
in Halle a./S. in Berlin, in Berlin, 


% 13. 


XVI. Jahrgang. 


Berlin, 1. Juli 1906. 


(Aus dem hyg. Inst. d. kgl. Universität Halle a. S.) 


Die baktericide und agglutinierende Wirkung des Blutserums Typhuskranker 
gegenüber Typhusbaciilen. 


Von 


Dr. Johannes Ulrichs. 


Die Beobachtung R. Pfeiffers, dass Choleravibrionen, in die Bauchhöhle 
des Meerschweinchens zusammen mit Choleraimmunserum gebracht, dort auf- 
gelöst werden, führte bald zu weiteren wichtigen Entdeckungen auf dem Ge- 
biete der Bakteriolyse. 

Metschnikoff und Bordet konnten denselben Vorgang auch ausserhalb 
des Tierkörpers im Reagensglas zur Darstellung bringen, wenn sie den Ver- 
suchsröbrchen kleine Mengen frischer Peritonealflüssigkeit oder frischen Blut- 
serums normaler Tiere zufügten. Weitere Versuche zahlreicher Forscher führten 
dann zu der Erkenntnis, dass es sich bei der baktericiden Wirkung des 
Blutserums um das Zusammenwirken zweier Substanzen handle. Die eine, 
von Ehrlich „Komplement“ genannt, ist in jedem Serum vorhanden. Sie ist 
nur wenige Tage haltbar und wird schon durch kurzdauerndes Erwärmen auf 
55° unwirksam. Die andere, im Gegensatz zur ersteren wärmebeständige 
Substanz, von Ehrlich „Zwischenkörper“ oder „Amboceptor“ genannt, findet 
sich im Normalserum nur in geringer Menge, im Immunserum dagegen stark 
vermehrt. 

Nachdem Pfeiffer zu ähnlichen Ergebnissen bei seinem Versuche ge- 
kommen war, wenn er ihn statt mit Choleravibrionen mit Typhusbacillen 
anstellte, hegte man die Hoffuung, die specifische Serumreaktion von Typhus- 
kranken und Typhusrekonvalescenten zu diagnostischen Zwecken heranziehen 
zu können. 

Da entdeckten wenig später Gruber und Durham das Phänomen der 
Agglutination als selbständige Immunitätsreaktion, und Widal machte es 
kurze Zeit danach der ärztlichen Diagnose bei der Typhusinfektion als Hilfs- 
mittel. nutzbar. Da diese Immunitätsreaktion brauchbare Resultate viel 


50 


686 Ulrichs, 


schneller und einfacher lieferte als der baktericide Reagensglasversuch, so 
wurde sie bald allgemein anerkannt und gebräuchlich. 

Indessen beobachtete man Fälle, wo man nach dem klinischen Bilde auf 
eine Typhuserkrankung schliessen musste, auch wohl in den Entleerungen oder 
im Blut der Patienten Typhusbacillen gefunden wurden, und doch keine Ag- 
glutination eintrat. 

Um nun womöglich in den Fällen, wo die Gruber-Widalsche Reaktion 
im Stiche liess, ein weiteres diagnostisches Hilfsmittel zu besitzen, suchte 
man die baktericide Immunitätsreaktion diesem Zwecke nutzbar zu 
machen. Ueber ihre Sicherheit und Verwendbarkeit gehen jedoch die Ansichten 
der einzelnen Autoren auseinander. 

Im Februar 1904 veröffentlichten Stern und Korte das Ergebnis ihrer 
Untersuchnngen, die sie an dem Serum von 32 Typhuspatienten angestellt 
hatten. Ferner hatten sie das Serum von 6 Menschen untersucht, die vor 
längerer Zeit an Typhus gelitten hatten, und zur Kontrolle das Serum von 
23 Menschen, die, soweit festzustellen war, niemals Typhus durchgemacht hatten. 
In sämtlichen Typhusfällen hatte das Blutserum in mehr als 1000 facher 
Verdünnung deutlich bakterieide Wirkung. Ueber die anderen unter- 
suchten Sera berichten Stern und Korte: 

„Das Blutserum von 5 Menschen, die vor mehreren Jahren Typhus gehabt 
hatten, zeigte keine stärkere Wirkung, als sie auch öfters bei nichttyphösen 
Seris beobachtet wird. Nur das Serum eines der in unserem Laboratorium 
arbeitenden Kollegen, der als Kind vor 20 Jahren wahrscheinlich Typhus durch- 
gemacht hatte, zeigte einen höheren baktericiden Titer als die Mehrzahl der 
bisher untersuchten, nichttyphösen Sera, aber keine erhöhte Agglutinations- 
wirkung. 

Das Serum von Menschen, die, soweit festzustellen, niemals Typhus gehabt 
haben, zeigt, wenn es eine halbe Stunde auf 55° erwärmt ist, bei unserer Ver- 
suchsanorduung oft selbst in starker Konzentration (1:20) keine oder nur 
ganz unbedeutende Wirkung; doch gibt es manche Sera, die noch in 200- bis 
1000 facher Verdünnung und selbst darüber geringe Wirkung aufweisen. 
Aber auch bei diesen relativ stark wirksamen nichttyphösen Seris war schon 
in der Verdünnung 1:200 die Wirkung eine viel schwächere als beim Typhus- 
serum: zu einer einigermassen vollständigen Abtötung der Bacillen, so dass 
von der viele Tausende betragenden Aussaat nur wenige (O— 100) übrig blieben, 
kam es hier — soweit unsere bisherigen Beobachtungen reichen — niemals.“ 

Eine Beziehung zwischen Stärke der Agglutination und dem baktericiden 
Titer konnten die genannten Autoren nicht erkennen. In zwei Fällen, wo die 
baktericide Reaktion noch in sehr hoher Verdünnung nachweisbar war, blieb 
sogar eine deutliche Agglutination aus. Stern und Korte kommen deshalb 
zu der Folgerung, „dass in derartigen Fällen die baktericide Reaktion dem 
Nachweis der agglutinierenden Serumwirkung überlegen sein kann.“ 

Zu anderen Resultaten kam Laubenheimer. Er prüfte 19 Blutsera. In 
12 Fällen handelte es sich um Typhus, in 3 Fällen um Paratyphus B. Die 
übrigen 4 Fälle waren differentialdiagnostisch in Betracht gekommen. Sie wurden 
später als 2 Fälle von Tuberkulose und 2 Fälle von Sepsis erkannt. Von 


Die baktericide und agglutinierende Wirkung des Blutserums T’yphuskranker. 687 


den 12 sicheren Typhusfällen war das Serum 8mal bakterieid, die Agglu- 
tination trat dagegen 10 mal ein. Bei den Paratyphuserkrankungen, wo das 
Serum iu allen 3 Fällen für den Stamm Paratyphus B baktericid war, fiel 
auch die Gruber-Widalsche Reaktion positiv aus. Laubenheimer kommt 
deshalb nicht zu den für die Baktericidie so günstigen Resultaten wie Stern 
und Korte und hält nach seinen Versuchen die Agglutination der bakteri- 
ciden Reaktion an Sicherheit in diagnostischer Hinsicht für überlegen. 

Um durch weitere Untersuchungen vielleicht zur Klärung dieser Frage 
beizutragen, stellte ich auf Anregung von Herrn Geh. Med.-Rat Prof. Dr. 
C. Fraenkel mehrere Versuche an, die sich in ihrer Anordnung derjenigen 
früherer Untersucher eng anschliessen. 

Ein wesentlicher Unterschied bestand jedoch in der Gewinnung des 
menschlichen Serums. Ich erhielt es ohne Ausnahme aus den Blutproben, 
die dem Untersuchungsamt für ansteckende Krankheiten zu Halle a.S. zur 
Untersuchung eingesandt wurden. Mir feblte also im Gegensatz zu anderen 
Untersuchern die klinische Beobachtung der betreffenden Patienten. Ob es 
sich im einzelnen Krankheitsfall um Typhus gehandelt hat oder nicht, ist 
deshalb bis zu einem gewissen Grade unsicher. Da jedoch die vom Unter- 
suchungsamt mit Hilfe der Agglutinationsprobe gestellten Diagnosen niemals 
von den Einsendern beanstandet wurden, so ist wohl für die Fälle eine Typhus- 
infektion anzunehmen, in denen die Gruber-Widalsche Reaktion positiv ausfiel. 

Die Einsendung der Blutproben geschah in den vom Untersuchungsamt 
zu diesem Zwecke ausgegebenen sterilen Reagensgläsern. Da die eingeschickte 
Blutmenge meist sehr gering war, so war es nicht möglich, mit einer stärkeren 
Serumkonzentration als 1:50, bezw. 1:100 die Versuchsreihe zu beginnen, 
wenn man mit Rücksicht auf eine gewisse Gleichmässigkeit dieselbe Inhalts- 
menge der einzelnen Versuchsröhrchen bei allen Versuchen beibehalten wollte. 

Als Bakterienzusatz diente eine eintägige Typhusagarkultur, von 
der eine Oese in Bouillon aufgeschwemmt wurde, und zwar, um stets eine 
möglichst gleichmässige Bakterienmenge zu haben, in folgender Weise: In 
10 cem Bouillon wurde eine Oese Agarkultur fein verrieben, von dieser Auf- 
schwemmung mit der Pipette 0,1 ccm entnommen und einem weiteren Bouillon- 
röhrchen von 10 ccm Inhalt zugesetzt. Aus diesem wurde mit der Pipette 
0,2 ccm entnommen und nochmals einem Bouillonröhrchen von 10 cem Inhalt 
zugefügt. Aus diesem letzten Röhrchen wurde dann in jedes Versuchsröhrchen 
0,5 ccm aufgefüllt. Zu allen Versuchen wurde derselbe Typhusstamm benutzt, 
mit dem auch die Gruber-Widalsche Reaktion angesetzt wurde. Er stammt 
aus Gelsenkirchen und ist bereits mehrere Jahre im Hallenser Institut weiter- 
gezüchtet. 

Als kompletierendes Serum diente Kaninchenserum. Zu allen 
Versuchen lieferte dasselbe Kaninchen aus seiner Ohrvene das nötige Blut. 
Um das Ohr hyperämisch zu machen, wurde das Kaninchen ca. 1 Stunde in 
den Brütschrank bei 370 gesetzt. Dann wurde die Haut über einer Randvene 
rasiert, und nach Desinfektion mit Alkohol die Vene mit einer kleinen spitzen 
Schere geschlitzt. Das vom Ohrrande abtropfende Blut wurde in sterilen 
Reagensgläsern aufgefangen, die bis zur Gerinnung des Blutes schräg gelegt 


0% 


688 Ulrichs, 


und dann in den Eisschrank gestellt wurden. Nach einiger Zeit hatte sich 
dann das Serum abgeschieden. Es wurde meist am nächsten Tage ver- 
wendet. Wenn es länger als 2 Tage gestanden hatte, wurde es nicht mehr 
benutzt. In etwa der Hälfte der Fälle wurde die besonders von Stern und 
Korte vorgeschlagene Verdünnung 1:12 mit physiologischer Kochsalzlösung 
gewählt. Sonst wurden stärkere Konzentrationen, einmal sogar 1:2, benutzt. 

Der baktericide Versuch selbst wird nun in folgender Weise angestellt: 

Das aus den eingesandten Blutproben durch Centrifugieren gewonnene 
Serum wird mit physiologischer Kochsalzlösung auf das 12!/, fache, bezw. 
25 fache verdünnt und dann !/, Stunde lang bei 56° im Wasserbade inaktiviert. 
Dann werden von dem verdünnten, inaktivierten Serum 2 ccm in das erste 
Versuchsröhrchen gebracht, das mit Wattepfropfen steril verschlossen und leer 
ist. In alle weiteren Versuchsröhrchen ist bereits vorher je 1 ccm steriler 
physiologischer Kochsalzlösung gefüllt. Dem ersten Röhrchen wird nun 1 ccm 
seines Inhalts entnommen und mit der Kochsalzlösung im zweiten Röhrchen 
durch wiederholtes Aufziehen in der Pipette und Wiederausblasen vermischt. 
Aus diesem wird wieder 1 ccm mit einer anderen, unbenutzten Pipette ent- 
nommen und mit dem Inhalte des dritten Röhrchens vermischt. So wird bis 
zum letzten Versuchsröhrchen verfahren. Aus diesem wird der eine, über- 
schüssige Kubikcentimeter abgesaugt. Somit enthalten alle Röhrchen 1 cem 
Flüssigkeit, aber fallende Serummengen, und zwar, wenn die Anfangsver- 
dünnung 1:25 war, die weiteren Verdünnungen von 1:50, 1:100, 1:200 
u.s.w. Als letzte Verdünnung wurde 1:25600 festgesetzt, die bei einer 
Anfangsverdünnung von 1:25 mit dem 11. Röhrchen erreicht ist. 

Zu diesen Serumverdünnungen wird zunächst von der oben beschriebenen 
Typhusagarkultur-Bouillonaufschwemmung 0,5 ccm in jedes Röhrchen getan. 

Es folgt als letztes das kompletierende Kaninchen-Normalserum in der 
gewählten Konzentration. Auch hiervon erhält jedes Röhrchen 0,5 ccm. 

Der Inhalt der Versuchsröhrchen wird dadurch auf 2 ccm gebracht, und 
die vorher darin enthaltenen Typhusblutserum-Konzentrationen erfuhren eine 
weitere Verdünnung auf das doppelte. War also die Anfangsverdünnung zu- 
erst 1:25, so ist sie jetzt 1:50. Die letzte Verdünnung von 1:25 600 be- 
trägt jetzt 1:51 200. 

Sämtliche Röhrchen kommen nun mit Wattepfropfen verschlossen in den 
Brütschrank bei 37%, wo sie 3—4 Stunden bleiben. Nach dieser Zeit wird 
jedes Röhrchen in ein steriles Petrisches Schälchen ausgegossen und je 5 bis 
6 ccm flüssiger Agar-Agar, der auf 46° abgekühlt ist, zugefügt. 

Nach dem Erkalten kommen die Platten in den Brütschrank bei 37°. 
Dort müssen sie mindestens 24 Stunden bleiben. Dann kann man sie be- 
sichtigen und ein definitives Urteil über den Ausfall des baktericiden Versuchs 
fällen. Bei der Mehrzahl der Fälle wurden die Platten 48 Stunden und länger 
beobachtet. 

Auf ein Auszählen der aufgegangenen Kolonien wurde nach dem Beispiele 
früberer Untersucher verzichtet und die Zahl schätzungsweise angegeben: 
Unzählig viele (æ ), sehr viele, Hunderttausende, u. s. w. bis wenige, keine. 


Medieinische Neuigkeiten 


der Verlagsbuchhandlung August Hirschwald in Berlin. 


Arbeiten aus dem Pathologischen Institut zu Berlin. Zur Feier der Vollendung der In- 
stituts-Neubauten herausgegeben von Johannes Orth, Direktor des Instituts. gr. 8. 
Mit 7 Tafeln und 91 Textlig. 1906. 18 M. 


Aronsohn, Dr. Ed., Allgemeine Fieberlehre. gr. 8. Mit 19 Textfig. 1906. 5 M. 


v. Behring, Wirkl. Geheimrath Prof. Dr. E., Beiträge zur experimentellen Therapie. 
Heft 9. Schutzimpfungsversuche gegen die Tuberculose der Rinder nach 
v. Behring’s Methode von Prof. Dr. Hutyra. — Weitere Studien zur Frage der intra- 
uterinen und extrauterinen Antitoxinübertragung von der Mutter auf ihre Nach- 
kommen von Privatdocent Dr. Paul H. Römer. gr. 8. Mit 5 Tafeln. 1905. 3 M. 
— Heft 10. I. Beitrag zur Frage der Rindertuberculose-Immunisirung von 
E. v. Behring. II. Ueber ultramikroskopische Protein-Untersuchungen von 
E. v. Behring. III. Experimentelle Beiträge zu einer Adsorptionstheorie der Toxin- 
neutralisirung und verwandter Vorgänge von W. Biltz, H. Much und C. Siebert. 
IV. Ultramikroskopische Bacterien-Photogramme von C. Siebert. gr. 8. Mit 
10 Fig. 1905. 2 M. — Heft 11. Moderne phthisiogenetische und phthisio- 
therapeutische Probleme in historischer Beleuchtung von E. von Behring. gr. 8. 
1906. 5 M. 


v. Bergmann, Wirk!. Geh. Rath Prof. Dr. E., Arbeiten aus der chirurgischen Klinik 
der Kgl. Universität Berlin. XVII. Theil. gr. 8. Mit 22 Tafeln u. Textig. 1906. 20 M. 
Bernhardt, Geh. Med.-Rat Prof. Dr. M., Die Betriebsunfälle der Telephonistinnen. 
gr. 8. 1906. 1 M. 50 Pf. 


Blumenthal, Dr. Ph. M., Die sociale Bekämpfung der Tuberculose in Europa und 
Amerika. (Frankreich, Belgien, England, Deutschland.) Deutsche Bearbeitung von Dr. 
A. Dworetzky. Mit einem Vorwort von E. v. Leyden. gr. 8. 1905. 5M. 


Charite-Annalen. Herausgegeben von der Direktion des Kgl. Charite-Krankenhauses zu 
Berlin. Redigirt von dem ärztlichen Director Generalarzt Dr. Scheibe. Lex.-8. XXX. Jahr- 


gang. Mit 1 Tafel, Tabellen und zahlreichen Textiig. 1906. 24 M. 
Davidsohn, Dr. H., Die Technik der physikalischen Heilmethoden. I. Theil. Die Technik 
der Hydrotherapie. gr. 8. Mit 155 Textfiguren. 1906. 4M. 


Ellenberger, Gch. Rath Prof. Dr. W. und Med.-Rath Prof. Dr. H. Baum, Handbuch der ver- 
gleichenden Anatomie der Hausthiere. gr. 8. Mit 666 Textlig. Elfte Auflage. 
1906. 26 M. 


Fischer, Geh. Rath Prof. Dr. H., Leitfaden der kriegschirurgischen Operations- und 
Verbandstechnik. Zweite Aufl. 8. Mit 55 Textfiguren. In Calico gebunden. 1905. 
(Bibliothek v. Coler-Schjerning. V. Bd.) 4M. 

-- — Die erste Hülfe in einer zukünftigen Schlacht. Eine Skizze. 8. 1906. 1 M. 


Hermann, Geh. Med.-Rat Prof. Dr. L., Lehrbuch der Physiologie. Dreizehnte durch- 
gehends umgearbeitete und vermehrte Auflage. gr. 8. Mit 245 Holzschn. 1905. 16 M. 


Hildebrandt, Stabsarzt Dr., Die Verwundungen durch die modernen Kriegsfeuer- 
waffen, ihre Prognose und Therapie im Felde. Mit einem Vorwort von Geh.-Rath Prof. 
Dr. König. I. Band. Allgemeiner Theil. 8. Mit 1 Tafel und 109 Textfiguren. 1905. 
(Bibliothek von Coler-Schjerning, XXI. Bd.) 8 M. 


Hiller, Oberstabsarzt Dr. A., Die Gesundheitspflege des Heeres. Ein Leitfaden für 
Offieiere, Sanitätsofficiere u. Studirende. gr. 8. Mit 138 Textfig. 1905. SM. 


Hitzig, Geh. Rath Prof. Dr. Ed., Welt und Gehirn. Ein Essay. 8. 1905. 1 M. 20 Pf. 


v. Hoesslin, Hofrath Dr. Rud., Die Schwangerschaftslähmungen der Mütter. gr. 8. 
Mit 9 Zinkographien und 1 Tafel. (Sonderabdruck aus dem Archiv für Psychiatrie und 
Nervenkrankheiten.) 1905. 71M. 


Medicinische Neuigkeiten 
der Verlagsbuchhandlung August Hirschwald in Berlin. 


Hueppe, Prof. Dr. F., Untersuchungen über Kakao mit besonderer Berücksichtigung 
der holländischen Aufschliessungsmetbode und mit Vorschlägen zur gesetzlichen Regelung 


in Deutschland und Oesterreich. gr. 8. 1905. 1 M. 
Jadassohn, Prof. Dr. I., Hautkrankheiten bei Stoffwechsel-Anomalien. Referat, 
erstattet dem V. internat. Dermatologen-Congress. gr. 8. 1905. 3 M. 
Kantorowiez, Dr. E., Praescriptiones. Rezept-Taschenbuch für die Praxis. Mit 
einem Vorwort von Prof. Dr. Senator. 8. 1906. 2 M. 


Kern, Generalarzt Dr. Berth., Das Wesen des menschlichen Seelen- und Geistes- 
lebens. Festschrift z. 110. Stiftungsfeier d. KaiserWilhelms-Akademie. gr.8. 1905. 2M. 40 Pf. 


Kern, Generalarzt und Subdirector der Kaiser Wilhelms-Akademie Dr. B., und Oberstabsarzt 
Dr. R. Scholz, Schproben-Tafeln. Mit besonderer Berücksichtigung des militärärztl. 


Gebrauchs. Zweite Auflage. 7 Tafeln und Text in einer Mappe. 1906. 3 M. 


Klemperer, Prof. Dr. Georg, Lehrbuch derinneren Medicin. Für Aerzte und Studirende. 
I. Band. gr. 8. 1905. £ 15 M. 


— — Grundriss der klinischen Diagnostik. 8. Zwölfte neubearbeitete Auflage. 
Mit 64 Textlig. 1905. 4M. 


König, Geb. Med.-Rath Prof. Dr. Franz, Lehrbuch der speciellen Chirurgie. Für 
Aerzte und Studirende. gr. 8. In drei Bänden. Achte Auflage. I. Bd. Mit 145 Holz- 
schnitten. 1904. 15 M. — II. Bd. Mit 126 Holzschnitten. 1904. 17 M. — III. Bd. 
Mit 158 Holzschnitten. 1905. 17 M. 


König’s Lehrbuch der Chirurgie für Aerzte und Studirende. IV. Band. Allgemeine 
Chirurgie. Zweite Auflage vollständig neu bearbeitet von Prof. Dr. Otto Hildebrand, 
Director der chirurgischen Universitätsklinik und Poliklinik der Kgl. Charité in Berlin. 


gr. 8. Mit 361 Textlig. 1905. 2ıM. 
Körte, Geh.-Rath Prof. Dr. W., Beiträge zur Chirurgie der Gallenwege und der 
Leber. gr. 8. Mit 11 Tafeln und 16 Textlig. 1905. 18 M 


Krueger, Cand. med. R, Die Phocomelie und ihre Uebergänge. Eine Zusammen- 
stellung sämmtlicher bisher veröffentlichten Fälle und Beschreibung einiger neuen Fälle. 
gr. 8. Mit 62 Textlig. 1906. 3 M. 


Lewin, Prof. Dr. L., und Oberstabsarzt Dr. H. Guillery, Die Wirkungen von Arznei- 
mıtteln und Giften auf das Auge. Handbuch für die gesammte ärztliche Praxis. 
I. Bd. gr. 8. Mit 85 Textfig. 1905. 22 M. — lI. Bd. Mit 14 Textlig. 1905. 26 M. 


v. Leyden, Geh. Med.-Rath Prof. Dr. E., Ueber die parasitäre Theorie in der Aetiologie 
der Krebse. Vortrag geh. in der Berliner med. Gesellsch. am 8. März 1905. Sonder- 
abdruck aus der Berl. klin. Wochenschr. gr. 8. Mit 1 lithogr. Taf. 1905. so Pr. 


Liebreich, Geh. Med.-Rath Prof. Dr. 0., Ueber Bezichungen der pharmakodyna- 
mischen Therapie zu anderen Wissenschaften im 19. Jahrhundert. Vortrag, geh. 
auf dem internationalen Congress zu St. Louis. 8. 1905. IM. 


— — Zur Frage der Bor-Wirkungen. Eine Kritik des Dr. Wiley’'schen Berichtes an 
das Amerikanische Ackerbau-Ministerium. gr. 8. Mit 4 Curventafeln. 1906. 4M. 


Loewy, Prof. Dr. A. und Dr. phil. et med. H. v. Schroetter, Untersuchungen über die 
Blutcirculation beim Menschen. gr. 8. Mit 3 Tafeln, 10 Figuren und 5 Curven im 
Text. Sonderabdruck aus d. Zeitschrift für experimentelle Pathologie. 1. Bd. 1905. 3 M. 


Meyer, Prof. Dr. George, Erste ärztliche Hülfe bei plötzlichen Erkrankungen 
und Unfällen. In Verbindung mit Exe. Wirklichem (ieh. Rath Dr. E. von Bergmann, 
weil. Geh. Med.-Rath Prof. Dr. C. Gerhard, Geb. Med.-Rath Prof. Dr. O. Liebreich 
in Berlin und Prof. Dr. A. Martin in Greifswald bearbeitet und herausgegeben. Zweite 
Auflage. 8. Mit 4 Textliguren. 1905. 8 M. 


v. Michel, Geh. Med.-Rath Prof. Dr. J, Pathologisch-anatomische Befunde bei 
spontan oder traumatisch erworbenen Linsenverschiebungen. 4°. Mit 
3 lithogr. Tafeln. 1906. (Sonderabdruck aus der Gedenkschrift für v. Leuthold) 3 M. 


Medieinische Neuigkeiten 


der Verlagsbuchhandlung August Hirschwald in Berlin. 


Mittheilungen aus der Königlichen Prüfungsanstalt für Wasserversorgung und 
Abwässerbeseitigung in Berlin. Herausgegeben von Geh. Ober-Med.-Rat Prof. 
Dr. A. Schmidtmann, Anstaltsleiter und Geb. Med.-Rat Prof. Dr. Carl Günther, 
Anstaltsvorsteher. 5. Heft. Mit 10 Tafeln. 1905. 8 M. — 6. Heft. Mit 1 Tafel und 
10 Textfig. 1906. 5 M. — 7. Heft. Mit 37 Textfig. und 2 Tabellen. 1906. 6 M. 

Most, dirig. Arzt Dr. Aug., Die Topographie des Lymphgefässapparates des Kopfes 
und des Halses in ihrer Bedeutung für die Chirurgie. gr. 8. Mit 11 Tafeln und Textfig. 
1906. 9 M. 


Munk’s, Prof. Dr. Imm., Lehrbuch der Physiologie des Menschen und der Säuge- 
tiere für Studirende und Aerzte bearbeitet von Prof. Dr. P. Schultz. Siebente Auflage. 
gr. 8. Mit 153 Holzschnitten. 1905. 14 M. 


Neimann, Dr. Wilh., Grundriss der Chemie. Für Studirende bearbeitet. 8. 1905. 7 M. 


Neisser, Dr. Clemens, Director der Prov.-Heil- und Pflegeanstalt zu Bunzlau, Individualität 
und Psychose. Vortrag gehalten in der allgemeinen Sitzung der Gesellschaft deutscher 
Naturforscher und Aerzte zu Meran. gr. 8. 1906. 60 Pf. 


v. Noorden, Prof. Dr. C., Sammlung klinischer Abhandlungen über Pathologie und Therapie 
der Stoffwechsel- und Ernährungsstörungen. 6. Heft. Dr. H. Salomon, Ueber 
Durstcuren, besonders bei Fettleibigkeit. gr. 8. 1905. 1 M. 20 Pf. 

— — Handbuch der Pathologie des Stoffwechsels. Unter Mitwirkung von A. Czerny 
(Breslau), Carl Dapper (Kissingen), Fr. Kraus (Berlin), O. Loewi (Wien), A. Magnus- 
Levy (Berlin), M. Matthes (Köln), L. Mohr (Berlin), C. Neuberg (Berlin), H. Salomon 
(Frankfurt), Ad. Schmidt (Dresden), Fr. Steinitz (Breslau), H. Strauss (Berlin), 
W. Weintraud (Wiesbaden). gr. 8. Zweite Auflage. I. Band. 1906. 26 M. 

Orth, Geh. Med.-Rat Prof. Dr. Joh., Erläuterungen zu den Vorschriften für das Ver- 
fahren der Gerichtsärzte bei den gerichtlichen Untersuchungen menschlicher Leichen. 
gr. 8. 1905. 2 M. 

— — Lehrbuch der speziellen pathologischen Anatomie. 12. Lieferung. Auge, 
bearbeitet von Prof. Dr. R. Greeff. gr. 8. Zweite Hälfte. Dritter (Schluss-)Theil. Mit 2 lithogr. 
Tafeln und 18 Textfig. 1906. 3 M. 

Pütter, Geh. Reg.-Rath Ernst und Dr. A. Kayserling, Die Errichtung und Verwaltung 
von Auskunfts- und Fürsorgestellen für Tuberculöse. Herausgegeben von dem 
Vorsitzenden und dem Generalsecretär des Central-Comitts. gr. 8. 1905. 1 M. 50 Pf. 


Rabinowitseh, Dr. Lydia, Untersuchungen über die Beziehungen zwischen der 
Tuberculose des Menschen und der Tiere. gr. 8. (Sonderabdruck aus: Arbeiten 
aus dem Pathologischen Institut.) 1906. 2M. 

Richter, Privatdocent Dr. Paul Friedr., Stoffwechsel und Stoffwechselkrankheiten. 
Einführung in das Studium der Physiologie und Pathologie des Stoffwechsels für Aerzte 
und Studirende. gr. 8. 1906. 8 M. 

Rosenthal, San.-Rath Dr. 0., Alkoholismus und Prostitution. Zwei Vorträge, gehalten 
in den wissenschaftlichen Cursen des Centralverbandes zur Bekämpfung des Alkoholismus. 
8. 1905. ıM. 

Salkowski, Prof. Dr. E., Practicum der physiologischen und pathologischen 
Chemie, nebst einer Anleitung zur anorganischen Analyse für Medieiner. 8. Dritte 
vermehrte Auflage. Mit 10 Textfig. und 1 Speetraltaf. in Buntdruck. 1906. Gbd. 8 M. 

Salzwedel, Prof., Oberstabsarzt Dr., Handbuch der Krankenpflege. Zum Gebrauch für 
die Krankenwartschule des Kgl. Charite-Krankenhauses sowie zum Selbstunterricht. Achte 
Auflage. 8. Mit 3 Farbendrucktafeln und 77 Textliguren. 1904. 6 M. — Erstes Beiheft: 
Wochen- und Säuglingspflege. 8. 1906. 80 Pr. 

Sarwey, Prof. Dr. 0., Bacteriologische Untersuchungen über Händedesinfeetion 
und ihre Endergebnisse für die Praxis. 8. Mit 4 Lichtdrucktafeln. 1905. 2 M. 40 Pf. 

Schjerning, Generalstabsarzt der Armee ete. Dr. 0., Gedenkschrift für den verstorbenen 
Gienernlstabsarzt der Armee und Chef des Sanitätscorps ete. Dr. Rudolph v. Leuthold 
herausgegeben zum 15. Februar 1906 im Namen des Sanitätscorps sowie im Namen des 
wissenschaftlichen Senats bei der Kaiser-Wilhelms-Akademie, 3. Zwei Bände, Mit Tafeln 
und Textfig. 1906. 36 M. 


Medieinische Neuigkeiten 
der Verlagsbuchhandlung August Hirschwald in Berlin. 


Schmidt, Prof. Dr. Ad., und Priv.-Docent Dr. J. Strasburger, Die Faeces des Menschen 
im normalen und krankhaften Zustande mit besonderer Berücksichtigung der klinischen 
Untersuchungsmethoden. Zweite neu bearbeitete und erweiterte Auflage. gr. 8. Mit 
15 lithogr. Tafelo und 6 Textfig. 1905. 20 M. 


Schmidtmann, Gch. Ober-Med.-Rath Prof. Dr. A, Handbuch der gerichtlichen Medicin. 
Herausgegeben unter Mitwirkung von Prof. Dr. A. Haberda in Wien, Prof. Dr. Kockel 
in Leipzig, Prof. Dr. Wachholzin Krakau, Med.-Rath Prof. Dr. Puppe in Königsberg, Prof. Dr. 
Ziemke in Halle, Geh. Med.-Rath Prof. Dr. Ungar in Bonn, Geh. Med.-Rath Prof. Dr. 
Siemerling in Kiel. Neunte Auflage des Casper-Liman’schen Handbuches. 
gr. 8. Erster Band. Mit 40 Textfig. 1905. 24 M. — Dritter Band. 1906. 16 M. 
(II. Bd. demuächst.) 


Scholz, Privatdocent Dr. W., Klinische und anatomische Untersuchungen über 
den Cretinismus. gr. 8. Mit 1 Karte und 72 Textfig. 1906. l4 M. 


Seiffer, Prof. Dr. W., Spinales Sensibilitätsschema für die Segmentdiagnose der 
Rüekenmarkskrankhciten zum Einzeichnen der Befunde am Krankenbett. gr. 4°. Mit 
20 Doppelschemata. Zweite Auflage. 1906. 1 M. 20 Pr. 


Stricker, Generalarzt Dr. Fr., Die Blinddarmentzündung (Perityphlitis) in der Armee 
1880 —1900. (Bibliothek v. Coler-Schjerning, XXIII. Band.) 8. Mit 10 Tafeln. 1906. 4M. 


Strubell, Dr. A., Der Aderlass. Eine monographische Studie. gr. 8. 1905. 5M. 


Thel, Generalarzt, Grundsätze für den Bau von Krankenhäusern. 8. Mit 11 Tafel 
und 66 Textfig. (Bibliothek v. Coler-Schjerning, XX. Bd.) 1905. 6 M. 


Veröffentlichungen aus dem Gebiete des Militärsanitätswesens. Herausgegeben von der 
Medicinal-Abtheilung des Künigl. preuss. Kriegsministeriums. 29. Heft. Arbeiten aus 
den hygienisch-chemischen Untersuchungsstellen. Zusammengestellt in der 
Medieinal-Abtheilung des Königl. preuss. Kriegsministeriums. I. Theil. 1905. 2 M. 40 Pf. 
— 30. Heft. Ueber die Feststellung regelwidriger Geisteszustände bei Heeres- 
pflichtigen und Heeresaugehörigen. Berathungsergebnisse aus der Sitzung des wissenschaft- 
lichen Senats bei der Kaiser-Wilhelms-Akademie für das militärärztliche Bildungswesen 
am 17. Februar 1905. Mit 3 Curventafeln im Anhang. 1905. 1 M. — 31. Heft. Die 
Genickstarre-Epidemie beim Badischen Pionier-Bataillon No. 14 (Kehl) im Jahre 
1903/1904. gr. 8. Mit einem Gruudr. der Kaserne u. zwei Anlagen. 3 M. 60 Pf. — 32. Heft. 
Zur Kenntniss und Diagnose der angeborenen Farbensinnstörungen von 
Stabsarzt Dr. Collin. gr. 8. 1906. 1 M.20 Pf. — 33. Heft. Der Bacillus pyocyaneus 
im Ohr. Klinisch-experimenteller. Beitrag zur Frage der Pathogenität des Bacillus pyoeyaneus 
von Stabsarzt Dr. Otto Voss. gr. 8. Mit 5 Tafeln. 1906. 8 M. 


Verzeichniss der Büchersamminng der Kaiser Wilhelms-Akademie für das militärärztliche 


Bildungswesen. Dritte Ausgabe. Lex.-8. 1906. 16 M. 
Vorschriften für das Verfahren der Gerichtsärzte bei den gerichtlichen Unter- 
suchungen menschlicher Leichen. gr. 8. 1905. 60 Pf. 


Waller, Prof. Augustus, Die Kennzeichen des Lebens vom Standpunkte eleetrischer 
Untersuchung. Acht Vorlesungen übersetzt von E. P. und R. du Bois-Reymond. gr. 8. 
Mit 68 Textfig. 1905. 6 M. 


Zabludowski, Prof. Dr. J., Massage im Dienste der Kosmetik. gr. 8. (Sonderabdruck 
aus Charitc-Annalen. 29. Jahrgang.) Mit 11 Texttig. 1905. 1 M. 


— — Zur physikalischen Therapie der habituellen Obstipation und der 
sexuellen Neurasthenie. gr.8. Mit 11 Textfig. (Sonderabdruck a. d. Charite-Annaien. 


30. Jahrg.) 1906. ıM. 
Zondek, Dr. M, Zur Chirurgie der Ureteren. Klinische und anatomische Unter- 
suchungen. gr. $. Mit 17 Textlig. 1905. 2M. 


Druck von L, Schumacher in Berlin N. 24. 


Die baktericide und agglutinierende. Wirkung des Blutserums Typhuskranker. 689 


Zur Beurteilung des Versuchs sind jedoch noch folgende Kontrollen 
notwendig: 

Kontrolle I und II enthalten kein Serum, sondern nur Kochsalzlösung 
(1,5 ccm) und Typhusbacillen-Anfschwemmung (0,5 ccm). Kontrolle I wird 
sofort nach Ansetzen des Versuchs zu einer Platte ausgegossen. Sie soll die 
ausgesäte Bakterienmenge zur Darstellung bringen. 

Kontrolle Il wandert mit den anderen Versuchsröhrchen zusammen in den 
Brütschrank und soll eine eventuelle Vermehrung der Bacillen kontrollieren. 

Kontrolle III, die ebenfalls mit in den Brütschrank kommt, enthält: 1 ccm 
Kochsalzlösung-+0,5 cem Typhusbacillen-Aufschwemmung-+-0,5 ccm Kaninchen- 
normalserum in der zum Versuch gewählten Konzentration. 

Die Kontrolle III ist die wichtigste und wird deshalb am besten 2 mal 
angesetzt. An ihr kann man eine mögliche Bakterienabtötung oder Entwicke- 
lungshemmung sehen, die das Kauinchennormalserum bei Verwendung stärkerer 
Konzentrationen auszuüben möglicherweise imstande wäre. 

Um die Sterilität der benutzten Sera zu prüfen, sind weitere Kontroll- 
platten nötig. Sie erwiesen sich bei den meisten Versuchen vollkommen, 
bei einigen so gut wie steril. Traten auf einigen Versuchsplatten vereinzelte 
Verunreinigungen auf, so wurden sie leicht als solche erkannt. Jedenfalls 
konnten sie in keinem Falle das Ergebnis des Versuchs irgendwie in Frage 
stellen. 

Die Agglutinationsprobe wurde im Untersuchungsamt mikroskopisch 
in der gebräuchlichen Weise mit einer 6 Stunden alten Typhusbouillonkultur 
des obengenannten Typhusstammes angesetzt und zwar zuerst nur in den Serum- 
verdünnungen von 1:50 und 1:100. Zeigte sich bei der Verdünnung 1: 100 
noch Agglutination, so wurde durch Ansetzen weiterer Verdünnungen der 
Agglutinationstiter des Serums festgestellt, d.h. diejenige Serumverdünnung, 
bei der noch deutliche Häufchenbildung der Bakterien eintrat. In den gleich- 
zeitig auf Baktericidie untersuchten Fällen war der höchste Agglutinations- 
titer 800. 

Der baktericide Versuch wurde meist an demselben Tage wie die Widal- 
sche Probe angesetzt, in einigen Fällen erst am nächsten Tage. 

In der vorhergehenden Tabelle ist eine Uebersicht über die angestellten 
Versuche gegeben. In der ersten Kolonne der Tabelle steht die Versuchs- 
nummer, in der zweiten folgt die Angabe des Agglytinationstiters, in der dritten 
das Verhalten der Kontrollplatten (C I, C II und C II). In den weiteren 
Kolonnen ist das Wachstum auf den mit den betreffenden Serumverdünnungen 
angelegten Platten verzeichnet. In der vorletzten Kolonne ist die gewählte 
Konzentration des Kaninchennormalserums angegeben. Zuletzt folgt der ge- 
fundene baktericide Titer. 

Im ganzen wurden 19 Sera auf Baktericidie und Agglutination ge- 
prüft. Hierbei war letztere in 16 Fällen positiv, in 3 Fällen also negativ. Bakte- 
rieidie trat dagegen in den 16 positiven Agglutinationsfällen nur 12 mal auf. 
In den 3 Fällen, wo die Widalsche Reaktion negativ ausfiel, war auch keine 
baktericide Wirkung des Serums zu erkennen. Ob es sich in diesen 3 Fällen 
klinisch um Typhus abdominalis gehandelt hat, entzieht sich meiner Kenntnis. 

öl 


690 . 


Ulrichs, 


No. 


Agglutina- 
tionstiter 


CI CH CII 


f 
| 
| 
fi 


50 


einige 


etwa 80 
12 
einige 
Hunderte 
etwa 70 


8 


100 


[2 
etwa 50 


N 
einige 
wenige 
Hunderte 


(e 


viele 
Tausende 


einige 
Tausende 
© 


o 
\ 
viele 
Hunderte 


etwa. 50 
etwa 30 
viele 


Hunderte 
etwa 50 


Anzahl 
200 


oo 
einige 
Hunderte 
© 
einige 
wenige 

einige 
Tausende 
O 


© 
einige 

Tausende 

Hunderie 


sehr viele 
Tausende 
an 


mehrere 
Hunderte 


etwa 100 
etwa 100 
einige 


Tausende 
etwa 40 


8 


Versuchs- 


der Kolonien 
800 


400 


al 


mehrere 
Hunderte 


© 
5 


mehrere 
Tausende 


Tausende 


o 
etwa 1000 


sehr wenige 
einige 
Tausende 


œ% 
Tausende 
viele 
Hunderte 
einige 
Hunderte 
sehr viele 


etwa 70 


© 


mehrere 
Hunderte 


© 


einige 
wenige 


o 
Hunderte 


Co 


Hunderte 
wenige 
viele 


Tausende 


© 


sehr viele 
viele 

Tausende 

Tausende 


sehr viele 


etwa 200 


Auf den Kontrollen C I, C II und C III waren stets unzählig viele 
Besonders dicht war häufig das Wachstum auf der 


Kolonien aufgegangen. 


Platte C II. 


Als bakterieider Titer wurde diejenige Serumverdünnung bezeichnet, auf 
deren Platte deutlich weniger Kolonien als auf Platte C III aufgegangen 


waren. 


Der höchste, in 3 Fällen zur Beobachtung gekommene baktericide Titer 
betrug 12800, die entsprechenden Agglutinationstiter waren 200, 800 und 100. 
Wie hier, so liessen sich auch in den anderen Fällen keine Beziehungen 
zwischen Stärke der Agglutination und Intensität der Baktericidie 


Die ‚baktericide und agglutinierende Wirkung des Blutserums Typhuskranker. 694 


Tabelle. 


Verdünnung 
des Kanin- 


chen-Normal- 
serums 
etwa 1000 mehrere viele 
Tausende Tausende. 

æ © © o © 1:12 
einige Hunderte einige viele © 1:10 
wenige Tausende Tausende 

© © ©: o © 1:7 
einige einige © © o 1:6 
wenige Tausende 

æ œ © © © 1:6 
wenige Hunderte etwa 1000 viele © 1:6 

Tausende 
etwa 100 einige mehrere Tausende © 1:6 
Hunderte Hunderte è 

D © © © o 1:6 

» an e] Co o 1:6 

D © © o on 1:6 

sehr viele © © Ea o 1:2 
viele © © © o 1:3 
Tausende ı 
| 
2 : © © o © 1:12 
etwa 200 | viele sehr viele © & 1:12 
Tausende 

© © œ o © © 1:12 

æ © © D © 5 w 1:12 

= © aOR Ao o © o 1:12 


entdecken, ein Beweis für die selbständige Stellung und Verschiedenheit der 
Agglutinine und der baktericid-wirksamen Substanzen. ` 

Das Phänomen der Komplementablenkung, von Neisser und Wechsberg 
zuerst näher untersucht, trat in 7 Fällen (No. 4, 6, 8, 9, 10, 13 und 16) auf, 
besonders deutlich in den Fällen No. 8 und 9. Sonst zeigten jedoch die 
kanzentriertesten Serumverdünnungen auch die vollkommenste Abtötung der 
Typbusbacillen. 

Ein Vergleich meiner Versuchsergebnisse mit den am Anfang erwähnten 
Resultaten Laubenheimers zeigt eine fast völlige Uebereinstimmung. 
Laubenheimer untersuchte 12 sichere Typhus- und 3 sichere Paratyphus- 

5 


Bakterici- 
der Titer 


692 -Ulrichs, Die bakiericide und agglutinierende Wirkung des Blutserums. 


fälle auf Agglutination und Baktericidie und fand das Serum 10 mal oder in 
über 86°, der Fälle agglutinierend, dagegen nur 8 mal oder in über 73%, 
der Fälle baktericid. 

Bei meinen Versuchen zeigte das Serum 12 mal baktericide Eigenschaften. 
Berücksichtige ich nur die 16 Fälle, in denen Agglutination eintrat, und in 
denen es sich wohl mit Sicherheit um Typhus handelte, so erhalte ich in 
75°/, der Fälle einen positiven Ausfall der baktericiden Reaktion. Diese 
Zahl dürfte wohl mit der von Laubenheimer gefundenen so gut wie iden- 
tisch sein. 

Auch diese Untersuchungen führen daher im Gegensatz zu 
den-Ergebnissen von Stern und Korte zu dem Resultat, dass die 
Gruber-Widalsche Probe der baktericiden Reaktion überlegen ist, 
wenn es sich darum handelt, in typhusverdächtigen Fällen die 
klinische Diagnose zu sichern. 

Ausserdem ist die Technik des baktericiden Reagensglasversuchs auch 
heute noch so umständlich und erfordert so peinlich-genaues Arbeiten, dass 
das Gruber-Widalsche Verfahren für die Praxis bis jetzt allein in Frage 
kommt. 

Literatur. 
1. Nuttall, Zeitschr. f. Hyg. 1887. Bd. IV. 
2. R. Stern, Ueber die Immunität gegen Abdominaltyphus. Deutsche med. Wochen- 

schr. 1892. No. 37. 

3. R. Pfeiffer und Issaeff, Ueber die Specifität der Choleraimmunisierung. 

Deutsche med. Wochenschr. 1894. No. 13. 

4. R. Pfeiffer, Weitere Untersuchungen über das Wesen der Choleraimmunität und 

über specifisch-baktericide Processe. Zeitschr. f. Hyg. Bd. 18. S. 1. 

5. R. Pfeiffer, Ueber die specifische Immunitätsreaktion der Typhusbacillen. 

Deutsche med. Wochenschr. 1894. No. 48. 

6. R. Pfeiffer, Ein neues Grundgesetz der Immunität. Deutsche med. Wochenschr. 
1896. No. 7 u. 8. 

. M. Neisser und F. Wechsberg, Ueber die Wirkungsart baktericider Sera. 
Münch. med. Wochenschr. 1901. No. 18. 

8. A. Lippstein, Die Komplementablenkung bei baktericiden Reagensglasversuchen 

und ihre Ursache. Centralbl. f. Bakt. 1902. Bd. 31. No. 10. 

9. Ehrlich und Morgenroth, Ueber Hämolysine. Gesammelte Arbeiten zur 

Immunitätsforschung von P. Ehrlich. 

10. M. Neisser, Die Methodik des baktericiden Reagensglasversuches. Gesammelte 

Arbeiten zur Immunitätsforschung von P. Ehrlich. 3 
11. R. Stern und W. Korte, Ueber den Nachweis der baktericiden Reaktion im 

Blutserum der Typhuskranken. Berl. klin. Wochenschr. 1904. No. 9. 

12. G. Hahn, Ueber dic baktericide Wirkung des menschlichen Blutserums gegen- 

über Typhusbaeillen. Inaug.-Dissert. Breslau 1905. 

13. K. Laubenheimer, Ueber die diagnostische Bedeutung der baktericiden Eigen- 

schaften des Blutserums 'Fyphuskranker. Zeitschr. f. klin. Med. Bd. 56. H. 1. u. 2. 


7 


Boden. Wasser. 693 


Walther, Joh., Vorschule der Geologie. Eine gemeinverständliche 
Einführung und Anleitung zu Beobachtungen in der Heimat. 
Zweite ergänzte und verbesserte Auflage. Jena 1906. Verlag von Gustav 
Fischer. VIII und 230 Ss. 8°. Preis broschiert: 2 M., gebunden: 2,60 M. 

Die Darstellungen beginnen mit den Aufschlüssen im Freien. Von diesen 
ausgehend werden die Verwitterung und ihre Folgen besprochen. Die wichtig- 
sten felsbildenden Mineralien und die aus denselben sich zusammensetzenden 
wichtigsten Gesteinsarten werden in kurzer Uebersicht beschrieben. Dano wird 
die Entstehung der Gesteinsklüfte und daran anschliessend die Entstehung der 
unterirdischen Wässer und Quellen betrachtet, an welche sich die Beschreibung 
der wichtigsten Erscheinungen bei fliessenden und stehenden Gewässern vom 
Gebirge bis zum Meer anreiht. 

Recht anschaulich für den Laien wird die Entstehung der Gebirge und 
einzelner Berge, ihr Aufbau und die Ursachen der Unregelmässigkeiten des- 
selben behandelt. Zum Schluss wird gezeigt, wie die geologischen Feststellungen 
in den Karten zur Darstellung gelangen. 

Die jedem Kapitel beigegebenen Uebungsaufgaben (zus. 135) zeigen, wie 
auch der Ungeübte in einfachster Weise die wichtigsten Erscheinungen ex- 
perimentell verfolgen kann, wodurch er zu eigenen Beobachtungen angeregt 
und in Stand gesetzt wird. Die Behandlung ist klar und leicht verständlich. 
Das Werkchen ist auch für den Hygieniker wertvoll, der das ihm nahestehende 
Gebiet der unterirdischen Wässer und Quellen, sowie der Oberflächengewässer 
in gedrängter Form auf geologischer Basis behandelt findet. 

Das im Anhang gegebene Verzeichnis der bis jetzt erschienenen geologischen 
Karten von Preussen und den einzelnen Bundesstaaten mit 8 Uebersichtskarten, 
sowie das Verzeichnis der erschienenen wichtigsten Specialwerke ermöglicht eine 
leichte Orientierung. : 


Man kann sich dem — nach der Angabe des Verf.’'s in dem Vorwort — 
mehrfach geäusserten Wunsch nach einer Fortsetzung des hier gebotenen 
Lehrgangs nur anschliessen. Reichle (Berlin). 


Debauve A. et Imbeaux Ed., Assainissement des villes. Distribu- 
tions d’eau. Troisième edition. Paris 1905/06. Vve Ch. Dunod. 

Das Werk erscheint bereits in 3. Auflage. Es besteht aus 3 Bänden Text 
von je rd. 700 Seiten und einem Band von 72 Tafeln; die Verff. sind Ingenieure, 
Imbeaux zugleich Dr. med. Beiden Herren steht eine grosse Erfahrung zur 
Seite, und sie haben mit enormem Fleiss eine kolossale Menge Material zu- 
sammengetragen und in vorzüglicher Weise in ihrem geradezu mustergültigen 
Werke niedergelegt. 

In dem ersten Band wird zunächst das Wasser als solches, seine 
hydraulischen Verhältnisse, seine Bewegung in Röhren, seine Messung im 
grossen und kleinen dargelegt. Dann folgt die Beschaffenheit des Wassers, 
seine Lösungsfähigkeit für Gase, seine specifische Wärme; die Temperatur- 
verhältnisse in grösseren Wassermengen, also in Teichen und Seen, werden 
ganz ausführlich besprochen. Die Autoren bringen hier die schönen Unter- 
suchungen von Forell, Hornnlimann, Whipple, Simony u.s.w. Die 


694 - Wasser. 


Farbe, die Trübung, die Transparenz werden ausgiebig besprochen; dann 
kommen die chemischen, biologischen und bakteriologischen Untersuchungen. 
Darauf werden eine Reibe von Epidemien aufgezählt und näher beschrieben, 
die durch Wasser entstanden sind. Weiterhin werden die Mittel aufgeführt, 
mit welchen. die Beschaffenheit des Wassers aufgebessert werden kann. Die 
Jewelfilter, die verschiedensten kleinen und grossen Hausfilter, die Ozoni- 
sierungsapparate, die Sterilisierungsapparate der verschiedensten Art werden 
ebenso genau beschrieben, wie die Verfahren, mittels welcher das Wasser von 
Eisen, Trübungen, schlechten Gerüchen u.s.w. befreit werden kann. Auch 
die Weichmachung des Wassers für die Industrie und für die Städte wird er- 
schöpfend behandelt. 

Der 2. Band enthält zunächst die Anforderungen bezüglich der Menge. 
Es folgt die Versorgung mit Oberflächenwasser; genau wird angeführt, mittels 
welcher Verfahren und auf welche Weise man schon bei der Entnahme der 
Oberflächenwässer gröbere Schmutzstoffe vermeidet; ein ausgiebiges Kapitel 
mit einer grossen Reihe von Abbildungen, mit denen überhaupt das ganze 
Werk durchsät ist, ist den Talsperren gewidmet. Ganz ausgezeichnet ist 
weiter das Kapitel, welches von der Entnahme des Grundwassers und Quell- 
wassers handelt. Die Entstehung des Grundwassers, die Entstehung und das 
Hervortreten des Quellwassers wird nicht blos theoretisch entwickelt, sondern 
auch in einer grossen Reihe von Bildern und Querschnitten vorgeführt. Die 
Anlage von Brunnen, um das Grundwasser zu heben, die Einrichtung von 
Filtergalerien, die teils dazu dienen, das Grundwasser abzufangen, teils Fluss- 
wasser zu gewinnen, und die Erzeugung von künstlichem Grundwasser werden 
genau besprochen; ebenso sorgfältig werden die Quellfassungen behandelt. 

Der 3. Teil des Werkes befasst sich mit der Technik der Wasserversor- 
gungen. Zuerst kommt die Versorgung mittels Gravitationsleitungen, dann 
werden die Hebewerke von der einfachsten Pumpe an bis zu den komplicier- 
testen Maschinen der Neuzeit, in Wort und Bild, vom Grossen ausgehend bis 
in das kleinste Detail hinein vorgeführt. Die Einrichtung der kleinen Ver- 
sorgungen wird ebenso genau besprochen wie die der Grossversorgungen. Die 
Dampfmaschinen, die Gasmaschinen, die hydraulischen Maschinen, die Wind- 
motore, alles dieses wird vorgeführt und mit besonderen Beispielen belegt. 
Ein eigenes Kapitel ist den Röhrenleitungen gewidmet, und hierbei wird auch 
des Streites zwischen den Vertretern der Mannesmann-Robre und der Gussrohre 
gedacht: Une campagne est menée par quelques constructeurs allemands contre 
le tuyau de fonte en faveur de l'acier. Die Autoren kommen mit Recht zu dem 
salomonischen Urteil, dass jede der beiden Rohrarten ihre Vorzüge habe. Die 
Unterbringung und Anlage der Reservoire, ja sogar die Ausbesserung der für 
die Wasserwerksbesitzer so unheimlichen und für die Ingenieure so sehr 
unbequemen Risse findet ihre Besprechung. 

Den Schluss des Werkes bilden die gesetzlichen Bestimmungen Frank- 
reichs, die sich auf das Wasser beziehen; ihnen schliessen sich an besondere 
Vorschriften einzelner Städte in Bezug auf die Anlage von Wasserversorgungen, 
die Abnahme der Rohre und Derartiges. 

Das Werk stellt ein Musterwerk in der allerbesten Bedeutung des Wortes 


Wasser. 695 


dar; es ist französisch geschrieben, aber es ist international. Jeder Staat, so 

weit er irgend wie bemerkenswerte Wasseranlagen hat, ist in Wort und Bild 

erwähnt. Die Ausstattung des Werkes ist dem Inhalt entsprechend sehr gut. 
Gärtner (Jena). 


Eijkman C., Die Gärungsprobe bei 46° als Hilfsmittel bei der Trink- 
wasseruntersuchung. Centralbl. f. Bakt. Bd. 37. No. 5. S. 742. 

Bei der Bedeutung, welche dem Nachweis des B.coli im Wasser für 
dessen hygienische Beurteilung von der Mehrzahl der Autoren zugeschrieben wird, 
schien es dem Verf. wichtig, ein einfaches Mittel zu finden, wodurch die 
echten Colibacillen von den coliähnlichen getrennt werden konnten. Er be- 
nutzte dazu die Eigenschaft der Colibacillen, noch bei 46% gut zu wachsen, 
und kombinierte diese Eigenschaft mit der Fähigkeit des B. coli, Trauben- 
zucker zu vergären. 

Nach den Beobachtungen des Verf.’s zeigten Trinkwässer unver- 
dächtiger Herkunft (Tiefbrunnen u. s. w.) auch bei Anwendung grösserer 
Mengen (bis zu 300 ccm) niemals unter den angegebenen Bedingungen Gärung; 
bei bakteriologisch sehr reinen Wässero kommt es nicht einmal zur Trübung 
des Gärungsröhrchens. Fluss- und Grabenwässer zeigten dagegen stets Gärung. 
wenn entsprechende Mengen (bis zu 5 ccm) verarbeitet wurden. Von dem 
verbältnismässig ziemlich reinen Grabenwasser der Stadt Utrecht genügte 
eine Menge von 0,01 ccm, um regelmässig bei 46° Gärung zu verursachen. 
Wasser von Sandfilterwerken veranlasste Gärung, wenn es in Mengen von 
10—100 cm dem Versuch unterworfen wurde; dagegen fiel die Gärungsprobe 
negativ aus bei mittels Ozon behandeltem Oberflächenwasser. 

Die bei 460 Traubenzucker vergärenden Bakterien erwiesen sich bei 
näherer Untersuchung nicht alle als echte B. coli. So fand Verf. darunter 
auch Buttersäurebacillen u. a. 

Die Verbreitung thermotoleranter, d. b. bei 460 wachsender, Gärungs- 
organismen in der Natur ist indessen nach dem Verf. nicht eine so allgemeine, 
dass dadurch der Wert der Gärungsprobe bei 460 bedeutend beein- 
trächtigt wird. So kommen dieselben anscheinend im Luftstaub selten vor; 
sie scheinen ferner durchaus nicht ohne weiteres als zur normalen Flora ge- 
hörend betrachtet werden zu dürfen (wie Verf. an zwei Beispielen zeigt), 
während nach Ansicht des Verf.’s bei 370 wachsende, Traubenzucker ver- 
gärende Arten sehr allgemein verbreitet sind, und zwar auch in unverdächtigem 
Wasser. 

Verf. setzt deshalb, auf Grund seiner Erfahrungen, an die 
Stelle der Probe auf B. coli die Gärungsprobe bei 46° und spricht 
ihr den Wert zu, dass ein positives Ergebnis auf fäkale Verun- 
reinigung hinweist. 

Verf. sieht u. a. als Vorteil der Methode den an, dass die Probe auch an 
eingesandten Wasserproben angestellt werden kann, da, nach seinen Unter- 
suchungen, Wasser, welches bei 46° Gärung verursacht, diese Eigenschaft 
iromer Tage und nicht selten Wochen lang behält, (die Probeentnahme 
müsste aber immerhin doch unter allen bakteriologischen Kautelen von einem 


696 Wasser, Abfallstoffe. 


Fachmann ausgeführt werden. Ref.) und ferner, dass das Resultat meist in 
24 Stunden vorliegt. 

Was die Methodik anlangt, so verwendet Verf. für die Untersuchung 
von Brunnenwässern Gärungsröhrehen mit einem Fassungsraum von 100 cem. 
Bei einwandfreiem, gutem Wasser sollen drei solche mit dem zu untersuchenden 
Wasser gefüllte Gärungsröhrchen frei von Gärung bleiben. Für die Kontrolle 
von Sandfiltern stellt Verf. vorläufig die Anforderung auf, dass von 10 je 
10 ccm Wasser enthaltenden Gärungskölbchen höchstens zwei bei 46° Gärung 
zeigen dürfen. Indessen sollen dies keine allgemein gültigen Grenzahlen sein. 

Spitta (Berlin). 


Beythien A. (Dresden), Ueber ein Vorkommen von Eisenbakterien in 
Leitungswasser. Zeitschr. f. Untersuchg. d. Nahrgs.- u. Genussm. 1905. 
Bd. 9. S. 529. 

Das Leitungswasser einer kleinen sächsischen Stadt, welches einer 
völlig eisen- und manganfreien Quelle entstammend durch eine etwa 2 km lange 
Leitung aus asphaltierten Eisenrobren der Stadt zugeführt wird, stellte kurze 
Zeit nach der Inbetriebsetzung eine undurchsichtige braunrote Flüssigkeit dar. 
Es handelte sich um ein sebr weiches, kohlensäurereiches Wasser, welches 
eisenlösend auf die Leitungsrohre gewirkt und dadurch in diesen die üppige 
Entwickelung von Gallionella (Chlamydothrix) ferruginea verursacht 
hatte. In der Asche des Eisenschlammes waren 88,3—91,1%/, Eisenoxyd 
(Fe;0;) vorhanden, während Mangan nicht nachweisbar war. „Jedenfalls bilden 
Vorkommnisse der geschilderten ArteineernsteMahnung füralle Gemeinden, welche 
die Einrichtung einer centralen Wasserversorgung planen, sich nicht bei der viel- 
gerühmten Ortsbesichtigung oder einer sogenannten hygienischen Untersuchung 
zu berubigen. Selbst die Verwendung des reinsten bakterienfreien Grund- 
wassers schützt nicht vor gefährlichen Störungen. Vielmehr kann nur auf 
Grund der eingehendsten chemischen Analyse, insbesondere der quantitativen 
Bestimmung von Eisen, Mangan und freier Kohlensäure ein Urteil über die 
Brauchbarkeit von Wasser für Wasserleitungen gewonnen werden.“ 

Wesenberg (Elberfeld). 


Heyd, Die Grundlagen zur Berechnung von Städteentwässerungs- 
anlagen. Gesundh.-Ing. 1905. S. 17, 94 u. 313. 

In den letzten Jahren sind viele Arbeiten erschienen, die sich mit dem 
Abfluss von Regenwasser in städtischen Kanälen befassen. Sie haben über- 
einstimmend gezeigt, dass die übliche Art der Berechnung, namentlich die 
Verzögerungsformeln, in vielen Fällen der Wirklichkeit sehr wenig entsprechen, 
und dass die Annahmen über Regenhöhe und Regendauer nach den besonderen 
Verhältnissen des Ortes gerichtet werden müssen und dass dazu langjährige 
Aufzeichnungen von selbstschreibenden Regenmessern nötig sind. 

Der Verf. zeigt zuerst an einem Beispiel, dass es falsch ist, von der 
Jahresniederschlagshöhe auf die Häufigkeit der heftigen Regenfälle zu schliessen. 


Abfallstoffe. 697 


In Karlsruhe ist die Zahl der heftigen Regen bedeutend geringer als in Han- 
nover, obwohl beide ungefähr dieselbe jährliche Regenhöhe haben.‘ 

Der Verf. entwickelt dann eine zum Teil graphische Berechnungsart, deren 
Grundzüge etwa folgende sind: 

Für deutsche Grossstädte soll die Leistungsfähigkeit der Kanalisation so 
gross sein, dass im Jahr höchstens eine Ueberstauung möglich ist. Nach den 
Aufschreibungen der Regenmesser ermittelt man dann die Regenhöhen für 5, 
10, 15 u. s. w. Minuten Dauer, mit denen man rechnen will. Für jede dieser 
Regenarten lässt sich dann an jeder Kanalstelle die Wassermenge berechnen 
und danach die grösste Wassermenge finden, nach der man die Abmessungen 
einrichten muss. 

Die Berechnungsart ist klar und übersichtlich und kommt ohne Zweifel 
der Wirklichkeit sehr nahe. 

(In einer Besprechung von Kayser im Techn. Gemeindebl. 1905, S. 193 
wird das Verfahren noch erweitert. Ref.) Imhoff (Essen a.R.). 


Dunbar, Zur Beurteilung der Wirkung von Abwasser. Reinigungs- 
anlagen. (Nach einem in Glasgow im Sept. 1904 gehaltenen Vortrage.) 
Gesundh.-Ing. 1905. S. 157 u. 198. 

Verf. beantwortet die Frage, ob man auf Grund der chemischen Analyse 
ein Urteil darüber gewinnen kann, ob eine von ungelösten Stoffen befreite 
Schmutzwasserprobe (sei sie vorher einem Reinigungsprocess unterworfen 
oder nicht) der stinkenden Fäulnis zugänglich sei, nur in so weit bejahend, 
als es sich um Wasserproben handelt, die ausserordentlich geringe Werte für 
den Glühverlust, die Oxydierbarkeit nach Kubel, den Sauerstoffverbrauch nach 
dem four hours test, an Albuminoidammoniak, organischem Stickstoff und 
Kohlenstoff aufweisen, dass aber Abwässer, welche die vom Verf. angegebenen Ana- 
Iysenzablen nach oben hin erheblich überschreiten, deswegen nicht fäulnisfähig 
zu sein brauchen. Verf. führt zum Belege dafür die Analysen einiger Ab- 
wasserproben an. Absolute, allgemein gültige Standardzahlen aufzustellen, geht 
also nicht an. 

Die einfache subjektive Prüfung auf Fäulnisfähigkeit des Wassers hat den 
Nachteil, dass sie einmal eben eine durchaus subjektive Metliode ist, und 
zweitens ihr Resultat häufig erst nach mehreren Tagen erhalten werden kann. 
Ein weit sichereres Urteil über die Fäulnisfähigkeit von Abflüssen aus Reini- 
gungsanlagen kann man, entsprechend den Beobachtungen, welche Verf. ge- 
meinsam mit Prof. Thumm s. Z. gemacht hat, erhalten durch Berechnung des 
prozentualen Reinigungseffektes. Die Kubelsche Methode der Bestimmung der 
Oxydierbarkeit gibt in diesem Sinne für die Bedürfnisse der Praxis völlig aus- 
reichende Resultate. Wird die Oxydierbarkeit um 60—65°%, bezw. mehr 
herabgesetzt, so ist ein solches Wasser der stinkenden Fäulnis nicht mehr 
zugängig. Dieser Satz gilt hauptsächlich für häusliche und städtische Ab- 
` wässer. Es wäre nach Ansicht des Verf.’s zu wünschen, dass die Abwässer- 
analysen in England und Deutschland nach übereinstimmender Methodik aus- 
geführt würden. Spitta (Berlin). 


52 


698 Abfallstoffe. 


Dunbar, Reinigung von Abwässern mittels intermittierender Boden- 
filtration. Gesundh.-Ing. 1905. S. 53, 77. 94 u. 109. 

Gelegentlich seiner Anwesenheit in den Vereinigten Staaten bei der letzt- 
jährigen Weltausstellung in St. Louis studierte Verf. die Ergebnisse, die mit 
der intermittierenden Bodenfiltration (Frankland) in Amerika praktisch 
erzielt worden sind. In Massachusetts fand sich dazu gute Gelegenheit, und 
Verf. informierte sich daher u. a. über die Anlagen in Brockton, Framing- 
ham und Clinton. Aus den vom Verf. gegebenen Beschreibungen dieser 
Anlagen und den beigefügten Untersuchungsergebnissen können hier nur einige 
allgemeine Punkte herausgegriffen werden. Im übrigen muss auf die Original- 
arbeit selbst verwiesen werden. 

Das Abwasser amerikanischer Städte ist zwar, wegen des hohen Wasser- 
verbrauchs in denselben, mit unseren Verhältnissen verglichen ein relativ 
dünnes; immerhin gelten die Abwässer der drei genannten Städte (im beson- 
deren das von Clinton) bereits als ziemlich konzentriert. Was das Ableitungs- 
system anbelangt, so bevorzugt man in Massachusetts das Trennsystem. 

Die Abwässer fliessen in den genannten Städten Sammelbecken zu, nach- 
dem sie durch Grobrechen vorgereinigt sind. Um die Sedimente aus den 
Sammelbecken zu beseitigen, sind auf der Sohle der letzteren vielfach per- 
forierte Rohrleitungen angebracht, die mit dem Druckrohr verbunden sind. 
Durch Einpumpen von Abwasser rührt man die Sedimente auf, wenn das 
Becken ziemlich entleert ist, und bringt das Sediment auf diese Weise mit in 
das Druckrohr und auf die Reinigungsanlage. Auf diese Weise zeichnet sich 
ein Teil des Abwassers durch grössere Konzentration aus und wird deshalb 
meist auf besondere Filterbeete geleitet, welche häufiger (durch Abkratzen der 
Oberfläche) gereinigt werden müssen. Bei der Aptierung der einzelnen 
Beete hat man häufig den Mutterboden abgetragen, so dass die Sand- und 
Kiesschichten frei lagen. Eine Drainage der Filterbeete mittels Tonröhren 
war nur an einer gewissen Anzahl von Filterbeeten vorhanden. Der Betrieb 
der Filter erlitt selbst bei strenger Winterkälte keine Störung. Der Reini- 
gungseffekt war in Brockton und Framingham immer ein guter (die Ab- 
flüsse waren klar, farblos und geruchlos, die Abnahme des Sauerstoffverbrauchs 
im Abflusse, bezogen auf Rohwasser, betrug durchschnittlich 97—98°;,), in 
Clinton nicht immer zufriedenstellend (Ueberlastung der Filter). Ueber den 
bakteriologischen Reinigungseffekt sind Angaben nicht gemacht. Die Beete 
werden sehr verschieden oft beschickt im Jahre. Zwischen den Beschickun- 
gen haben die Filter gewöhnlich eine mindestens mehrtägige Ruhepause. 

Sowohl in Brockton als in Framingham konnten auf jeden Quadratmeter 
Filterfläche im Jahresdurchschnitt täglich nur etwa 30 Liter Abwasser 
gereinigt werden, also bedeutend weniger als z. B. beim biologischen Verfahren. 

Verf. glaubt, dass sich die Anwendung der intermittierenden Filtration 
auch in Deutschland in nicht ganz seltenen Fällen empfehlen dürfte. So ein- 
fach die ganze Konstruktion und die Betriebsweise bei der intermittierenden 
Filtration aber auch ist, so müssen doch beide, genau wie beim biologischen 
Verfahren, von sachverständiger Seite geleitet und überwacht werden. 

Spitta (Berlin). 


Abfallstoffe. 699 


Steuernagel (Cöln), Die Cölner Kläranlage. Centralbl, f. allgem. Ge- 
sundheitspfl. 1905. Jahrg. 24. S. 1. 

Wie Verf. früher berichtete (diese Zeitschr. 1904. S. 334), war der Stadt 
Cöln zur Reinigung ihrer Abwässer aufgegeben, dieselbe in Sedimentier- 
becken und mittels Sieben erfolgen und die Durchflussgeschwindigkeit in den 
Becken nicht über 4 mm steigen zu lassen. Hierzu wären 10 Becken von 
8X45 m Fläche und 2 m Tiefe erforderlich gewesen. Die Königl. Regierung 
erklärte sich einverstanden, dass vorläufig nur ein Klärbecken angelegt würde 
und hierin systematische Versuche über den Kläreffekt bei verschiedener Ge- 
schwindigkeit ausgeführt würden. Die Resultate dieser unter Oberleitung des 
Verf.’s vom Chemiker Dr. Grosse-Boble und Ingenieur Schaefer ausge- 
führten Versuche sind folgende: 

I. Das Cölner Kanalwasser enthält verhältnismässig wenig suspendierte 
Substanzen, im Liter nur 303 mg (Paris z. B. 1515 mg, Frankfurt 1300 mg, 
Berlin 1084 mg u. s. w.). Die Schwankungen in den Tageszeiten waren sehr 
bedeutend; an suspendierten organischen Substanzen waren in dem durch Siebe 
grob vorgereinigten Wasser im Liter enthalten in 


den Morgenwässern . . . . 811l mg 
» Abendwässern . . . . 219 „ 
„ Nachtwässern. . . . . 56 „ 


Die geklärten Tageswässer enthielten durchschnittlich noch 88 mg an 
suspendierten Stoffen, es dürfte daher keinen Zweck haben, die Nachtwässer 
durch die Kläranlage zu schicken, dieselben könnten direkt in den Rhein ab- 
geleitet werden. 

II. Der Kläreffekt zwischen 4 mm und 20 mm Durchflussgeschwindigkeit 
differiert nur um 72,31—58,90 = 3,23%,, der zwischen 4 mm und 40 mm 
Durchflussgeschwindigkeit nur um 72,31—58,90 = 13,41°/,. 

Nach einem Gutachten von Prof. C. Fraenkel (Halle) war eine Mindest- 
leistung von 50°/, der organischen suspendierten Stoffe verlangt worden; da 
nun bei 40 mm Geschwindigkeit sogar noch ein Kläreffekt von 58,U0°%/, er- 
zielt wurde, reicht ein Klärbecken aus, das, während das Nachtwasser während 
der 6 Nachtstunden direkt in den Rhein gelassen wird, noch täglich gereinigt 
werden kann. 

IH. Die Menge und Beschaffenheit des bei verschiedener Durchflussge- 
schwindigkeit gewonnenen Klärschlammes stellte sich folgendermassen: 

Es ergaben sich auf 1000 cbm Kanalwasser an dünnflüssigem Schlamm bei 


4 mm Durchflussgeschwindigkeit etwa 4,04 cbm 


20 „ A E y E 
40 y ” „ 184 „ 
Bezüglich des Wassergehaltes und der Trockensubstanz bei 
Wasser Trockensubstanz 

in %/, in %/, 

4 mm Durchflussgeschwindigkeit 95,57 4,43 

20 „ 7 92,87 7,13 

40 91,34 8,66 


» 
52* 


700 Abfallstoffe. 


Hieraus geht hervor, dass 

1. die Schlammmenge, ohne wesentliche Erhöhung des Kläreffekts, bei 
kleiner Durchflussgeschwindigkeit sich sehr vermehrt und dass 

2. der Schlamm bei kleiner Durchflussgeschwindigkeit einen viel höheren 
Wassergehalt hat wie bei Klärung mit grosser Geschwindigkeit. 

Für den Betrieb der Anlage, die Dränierung und Unterbringung des 
Schlammes und damit für die Höhe der Betriebskosten ist dies von der aller- 
grössten Bedeutung. 

IV. Bei einem abnorm niedrigen Wasserstande des Rheins von 1,00 m 
Cölner Pegel beträgt das Verdünnungsverhältnis des Kanalwassers zum Rhein- 
wasser 1:1230. Die im Kanalwasser enthaltenen verunreinigenden Substanzen 
(Gesamtrückstand, gelöste Substanzen, suspendierte Substanzen, organische 
suspendierte Substanzen: 0,76 — 0,568 — 0,193 — 0,137 kg) sind verschwin- 
dend klein im Verhältnis zu den in dem Rheinwasser bereits befindlichen 
Substanzen (214,54—187,14—27,40—2,74 kg). Bei Hochwasser ist das Rhein- 
wasser noch viel stärker verunreinigt. Das Verunreinigungsverhältnis bezüg- 
lich der Gesamtstoffe steigt nach der Einleitung der Kanalwässer von 
1:3649 auf nur 1:3637; durch die Einleitung der Kanalwässer würde also 
keine nennenswerte Verschlechterung des Rheinwassers eintreten. Wichtig 
sind die Schwimm- und Schwebestoffe;, diese müssen durch Siebe mit 3 mm 
Gitterabstand aufgefangen werden unter Fortfall der Klärbeckenreinigung. 

Diese Resultate wurden in einem ausführlichen Berichte zusammengestellt 
und auf Anordnung der Königl. Regierung der Königl. Versuchs- und Prüfungs- 
anstalt für Wasserversorgung und Abwässerbeseitigung zu Berlin eingesandt. 
Diese erklärte sich im allgemeinen einverstanden. Der Bericht wurde der 
Staatsregierung mit dem Antrage unterbreitet, für Cöln die Beckenklärung 
aufzugeben und nach Durchsiebung (bei 3 mm Gitterabstand) die direkte Ein- 
leitung der Abwässer in den Rhein zuzulassen, vorläufig, bis die Siebanlagen 
eingerichtet sind, mit 1 Klärbecken sich zu begnügen und zu gestatten, dass 
in den 6 Nachtstunden die Abwässer direkt in den Rhein gelassen werden. 

Dieser Antrag ist genehmigt mit der Bedingung, dass die Kläranlage und 
die Einwirkung der Kanalwässer auf den Rhein einer fortdauernden hygienisch 
sachverständigen Beaufsichtigung unterstellt und die Ergebnisse regelmässig 
mitgeteilt werden. 

Bis zum Sommer 1905 sollte die Siebanlage fertiggestellt und würde damit 
die Klärung der Cölner Abwässer geregelt sein. 

R. Blasius (Braunschweig). 


Kaup J. (Dr., k. k. Bezirksarzt im Handelsministerium und Privatdocent an 
der Technischen Hochschule in Wien), Die Reinigung der gefährlichen 
Abwässer einer Zuckerfabrik auf biologischem Wege. (Der 
chemische Teil in Gemeinschaft mit Fr. Adam, Assistenten der k. k. allge- 
meinen Untersuchungsanstalt für Lebensmittel in Wien.) Oesterr.-Ungar. 
Zeitschr. f. Zuckerindustrie u. Landwirtschaft. 1905. H. V. 

Die Rohzuckerfabrik in Leopoldsdorf (Marchfeld) hat während der 

Kampagne 1903/04 ihre Diffusions- und Schnitzelpresswässer nach dem bio- 

logischen Verfahren gereinigt. 


Krankenpflege. 701 


Verff. berichten in der obengenannten Arbeit über die Beobachtungen, 
die sie an dieser Reinigungsanlage gemacht haben. Es hat sich gezeigt, dass 
die Diffusions- und Schnitzelpresswässer sich mit befriedigendem Erfolge in 
den biologischen Körpern reinigen liessen. Der ursprünglich im Abwasser 
vorhandene Zuckergehalt war in dem gereinigten Wasser bis auf kaum nach- 
weisbare Spuren verschwunden. Der Gehalt an flüchtigen Säuren hatte in 
allen Fällen stark zugenommen, ein Beweis dafür, dass in den Körpern eine 
Vergärung des Zuckers unter Bildung flüchtiger organischer Säuren stattfand. 
Gegenüber diesem Abbau der Kohlehydrate traten die Veränderungen an den 
Eiweissstoffen in den Hintergrund. 

Während des normalen Funktionierens der Reinigungsanlage wurden abnorme 
Algenvegetationen oder Pilzwucherungen im Bachlauf unterhalb der Fabrik 
nicht vorgefunden. Pritzkow (Berlin). 


Bericht über die Tätigkeit der Berliner Rettungsgesellschaft (E.V.) 
für das 7. Geschäftsjahr 1904. 18 Ss. 4°. Berlin 1905. Druck von 
Alfred Unger. E # 

Die Inanspruchnahme der Centrale wie der Rettungswachen hat in er- 
freulicher Weise zugenommen. Die Centrale wurde in 47516 Fällen gegen 
40 980 im Vorjahre in Anspruch genommen; die Steigerung erstreckte sich auf 
fast alle Monate. Ihre Tätigkeit war am grössten im 3. Vierteljahr. 1311 
(1084) Anfragen bezogen sich auf meldepflichtige, 2886 (1809) auf sonstige 
ansteckende Krankheiten, 438 (406) auf Aborte, 120 (51) auf Entbindungen. 
184 (149) mal wurden Aerzte von der Centrale auf Ansuchen gestellt. Die 
Zahl der Wagenbestellungen betrug 2984 (2645). Auf die Nachtzeit entfielen 
1922 (1607) Inanspruchnahmen. 

Innerhalb der Hauptwachen wurden 5994 (5827) Hülfesuchende behan- 
delt. Die Rettungswachen zählten 12339 (10 946) Fälle. In 908 (891) 
der letzteren handelte es sich um Krankentransporte. Die sonstige Inanspruch- 
nahme der Rettungswachen war erheblich gesteigert. Die neu errichtete 
Wache auf dem städtischen Schlachthof erledigte 654 Hülfsleistungen. Von 
insgesamt 11431 Fällen kamen 9554 (8194) auf äusserliche Erkrankungen 
einschliesslich Verletzungen. Würzburg (Berlin). 


Becher, Wolf, Ueber Walderholungsstätten für kranke Kinder mit 
besonderer Berücksichtigung der Tuberkulösen. Nach Beob- 
achtungen in der ersten Kinder-Erholungsstätte vom Roten Kreuz 
in Schönholz. Inaug.-Dissert. Berlin 1904. 

Auf Veranlassung des inzwischen leider verstorbenen Verf.'s, der zuerst die 
Anregung zu „Erholungsstätten“ gab, wurde auch eine Walderholungs- 
stätte für kranke Kinder in Schönholz bei Berlin eingerichtet. Zum Be- 
trieb derselben ist notwendig: eine Dückersche Baracke mit Küchenräumen, 
eine Halle zum Aufenthalt der Kranken bei schlechter Witterung, Aborte, ein 
Waschraum für die Kranken, Turngeräte, ein Brunnen, Liegestühle u.s.w. Morgens 


702 Säuglingspflege. 


früh kommen die Kinder in die Erholungsstätte, werden dort verpflegt und 
kehren Abends in ihre elterliche Wohnung zurück. In Betracht kommen an 
Tuberkulose und an anderen chronischen Krankheiten wie Herzleiden, 
Anämie, nervösen Störungen leidende Kinder. Die Erholungsstätte war 
vom Mai bis September in Betrieb. In dieser Zeit wurden insgesamt 306 Kinder 
behandelt. Die Mindestdauer einer Kur beträgt 7 Wochen. Der Pflegesatz 
wurde auf 50 Pfg. täglich festgesetzt, für Minderbemittelte auf 30 Pfg. 
Ausserden stehen eine Anzahl Freistellen zur Verfügung. Der Arzt besucht 
täglich die Erholungsstätte, um die Neuaufgenommenen und die der Beband- 
lung bedürftigen Kinder zu untersuchen. Durch die wöchentlich stattfindenden 
Gewichtsaufnahmen konnte der Erfolg der Kur bewiesen werden: Die 
meisten Kinder, selbst die tuberkulösen, nahmen erheblich an Gewicht zu. 
Die Einrichtung der Kindererholungsstätte hat sich also als leistungsfähig 
erwiesen. Ohne grossen Geldaufwand kann so einer grossen Zahl genesender 
Kinder die geeignete Pflege und völlige Heilung zu Teil werden. Sache der 
Frauenvereine, Vereine vom Roten Kreuz, Stadtverwaltungen u. s. w. ist es, 
weitere Kinderheilstätten zu errichten. Baumann (Metz). 


Seiffert, Säuglingssterblichkeit, Volkskonstitution und National- 
vermögen. Abdr. a. d. Klin. Jahrb. Bd. 14. 30 Ss. m. 3 Taf. gr. 8°. 
Jena 1905. Verlag v. Gustav Fischer. Preis: 1,50 M. 

Jeder Versuch, die Säuglingssterblichkeit als den Gradmesser für 
die der Gesamtheit verbleibende Menge von Lebensenergie zu benutzen, wie 
die Vertreter der Auslese es wollen, muss als unberechtigt zurückgewiesen 
werden. Denn das Mass von Lebensenergie schliesst nicht nur Ererbtes, sondern 
eine für das spätere Leben noch wichtigere Grösse, die erst im Kindes- und 
besonders im Säuglingsalter durch das Wachstum entwickelt wird. die phy- 
sische Konstitution, ein. Erst zur Zeit des Abschlusses des Wachstums 
und des Eintritts der körperlichen Reife kann diese Entwickelung der Konsti- 
tution an der Gesamtheit gemessen und zur Beurteilung einer Mehr- oder 
Minderwertigkeit der Einzelnen wie grösserer Bevölkerungskonplexe benutzt 
werden. Die Tatsache, dass die Ernährung an gesunder Mutterbrust dem Kinde 
eine durch das ganze Kindesalter hindurch deutlich zu beobachtende Ueber- 
legenheit gibt, muss anspornen, die Säuglingsernährung als den wichtigsten, 
die Konstitution kommender Generationen grundlegend schaffenden physiolo- 
gischen Vorgang zu würdigen und zu studieren. In zahlreichen Fällen beruht 
die Minderwertigkeit ausschliesslich auf der Ungunst der äusseren Verhältnisse. 

Die Erforschung und Bekämpfung der Säuglingssterblichkeit ist die Auf- 


gabe einer erst in ihren Anfängen vorhandenen Hygiene des Volksnachwuchses.' 
Zu ihrer Lösung muss der Bedeutung nachgegangen werden, welche die Ent- 
wickelung der individuellen Körperkonstitution im Säuglingsalter für die Volks- 
konstitution im wehr- und arbeitspflichtigen Alter der Nation besitzt. Die 
einzige Gelegenheit dazu erscheint in einer Rückwärtsverfolgung der Gesund- 


Säuglingspflege. 703 


beitsverhältnisse bis zur ersten Kindheit bei dem auf seine Wehrhaftigkeit 
geprüften Teil der Bevölkerung gegeben. 

Die Wunden, welche der vorzeitige, vermeidbare Verlust junger Kinder 
und die Schädigung derjenigen, welche aus dem ersten Kampfe ums Dasein 
halbüberwunden hervorgehen, der Konstitution des Volkes schlägt, sind äusserst 
beträchtlich. Schon die wirtschaftlichen Werte, deren Vernichtung die Sterb- 
lichkeit der Kinder im 1. Lebensjahre im Deutschen Reiche jährlich in sich 
schliesst, erreichen eine erhebliche Höhe. Für das Jahr 1900 bezifferten sie 
sich auf über 38 Millionen M. Welche Summen aber durch die nicht tödlich 
verlaufenden Krankheitsfälle dem Volksvermögen entzogen werden, ist über- 
haupt nicht zu schätzen. Würzburg (Berlin). 


Schlegtendal (Aachen), Säuglingssterblichkeit und ihre Bekämpfung. 
Beiträge zur wissenschaftl. Medizin. Festschrift zur Kier des SO. Geburts- 
tages des Gel. San.-Rats Dr. Georg Mayer (Aachen). S. 135. Berlin 1905. 
August Hirschwald. 

Die Arbeit bringt statistische Belege für die Notwendigkeit baldiger und 
umfassender Massregeln zur Bekämpfung der Säuglingssterblichkeit. 
Als Massregel wird in erster Linie empfohlen die Beförderung des Stillens 
der Mütter selbst, als Ersatzmittel für Muttermilch die Beschaffung guter Kuh- 
resp. Ziegenmilch. An einigen Beispielen des Regierungsbezirks Aachen wird 
gezeigt, wie dert für die Beschaffung guter Säuglingsmilch gesorgt wird. 

Hayo Bruns (Gelsenkirchen). 


Freund ir., Milchfürsorge in der Stadt Stettin. Statistische Mit- 
teilungen über den Erfolg. Gesundheit 1905. No. 11. 

Als billige Kindermilch wurde im Jahre 1904 von der Stadt Stettin 
rohe Milch aus einer Molkerei und sterilisierte aus einer zweiten abgegeben, 
und zwar mit einiger Beschränkung auf besonders gefährdete Stadtteile und 
auf die Zeit vom 1. Mai bis 15. September. Die rohe Milch erfreute sich 
bei den Abnehmern grösserer Beliebtheit, und ihre (Qualität erwies sich bei 
den diesbezüglichen Untersuchungen als besser. Während die Gesamtmortali- 
tät aller Säuglinge nur 2,2%, geringer als im Jahre 1903 war, betrug die 
Mortalität der an der Milchfürsorge beteiligten Kinder 6%, weniger als im 
Jahre vorher. Das würde also einen gewissen Erfolg bedeuten, ohne dass ihn 
Verf. mit unbedingter Sicherheit gerade der Milchfürsorge zuschreiben könnte, 
Um einen besseren Einblick über den Wert der Milchfürsorge zu gewinnen, 
schlägt Freund vor, sie auf einen kleinen Stadtteil zu beschränken, da es 
bisher nicht möglich wäre, für einen grösseren Stadtteil einwändsfreie Milch 
und genügend Pflegerinnen zu beschaffen. Manteufel (Halle a. S.). 


704 Ernährung. 


Bruini G., Ueber die thermophile Mikrobienflora des menschlichen 
Darmkanals. Gentralbl. f. Bakt. Bd. 38. S. 177 u. 298. 

In 10 Kotproben Erwachsener wurden 7 Bacillen- und 2 Streptotricheen- 
arten gefunden, die bei 58° gut, bei 37° schlecht oder gar nicht wuchsen. 
Sie sind sämtlich Aërobien, färben sich nach Gram und bilden Sporen. 
Unter 10 Kotproben Neugeborener ergaben 4 überhaupt kein Resultat, aus 
den übrigen wurden 3 thermophile Bacillen und 3 thermophile Strepto- 
thrixarten isoliert, die dieselben Eigenschaften hatten, doch wurden bei einem 
keine Sporen beobachtet. Sämtliche gefundenen Bakterien sind von den bis- 
her aus dem Stubl isolierten Thermophilen verschieden. 

Kisskalt (Giessen). 


Hafner (Schlachthausdirektor in Düren), Wie ist den Schädigungen, 
welche die Fleischversorgung der Städte durch die Freizügigkeit 
des Fleisches erleidet, am wirksamsten zu begegnen? Centralbl. 
f. allgem. Gesundheitspfl. 1905. Jahrg. 24. S. 30. 

Redner schildert in der am 29. Oktober 1904 in M.-Gladbach abgehaltenen 
General-Versammlung des Niederrheinischen Vereins für öffentliche Gesund- 
heitspflege die Gefahren, die dem Publikum durch die Freizügigkeit des 
Fleisches in Preussen drohen. 

Die Schlusssätze des Vortrages, denen die Versammlung im allgemeinen 
zustimmte, lauten folgendermassen: 

„Das unter dem 23. September 1904 veröffentlichte Abänderungsgesetz 
vom 28. Juni 1902 hebt die Vorschriften in Art. 1 § 2 No. 2 und 3 des 
Schlachthofgesetzes, soweit tierärztlich voruntersuchtes Fleisch in Frage kommt, 
auf und spricht damit die schrankenlose Freizügigkeit dieses Fleisches aus. 
Es bedeutet daher für die Städte mit öffentlichen Schlachthäusern einen 
schweren sanitären Rückschritt. 

Um der hierdurch der Volksernährung drohenden Gefahren zu begegnen, 
muss in erster Linie dafür gesorgt werden, dass die Schädigungen wenigstens 
sicher in dem Rahmen des obigen Gesetzes bleiben, d. h. dass nicht auch 
anderes Fleisch ohne Nachuntersuchung eingeschmuggelt wird. Dies lässt 
sich nur erreichen durch Einführung einer allgemeinen Stempelkontrolle in 
der Art, dass auf Grund des Gesetzes über die Polizeiverwaltung angeordnet 
wird, dass alles eingeführte frische Fleisch nicht eher feilgeboten oder zube- 
reitet werden darf, bevor es an einer bestimmten Stelle vorgelegt ist zur 
Feststellung, ob es überhaupt tierärztlich untersucht und gestempelt worden 
ist oder nicht. Dem Sinne des Ausführungsgesetzes widerspricht eine solche 
durch Polizeiorgane auszuübende Stempelkontrolle durchaus nicht. 

Ferner müssen die nach $ 2 No. 4, 5 und 6 des Schlachthofgesetzes noch 
zulässigen Bestimmungen aufrecht erhalten und streng durchgeführt werden: 

1. dass alles eingeführte frische Fleisch an den Verkaufsstellen gesondert 
feilzubieten ist, 

2. dass es von städtischen Verkaufshallen ausgeschlossen bleibt, 

3. dass einheimische Metzger das Fleisch von Schlachtvieh, das sie 


Ernährung. 705 


ausserhalb des Gemeindebezirkes, aber innerhalb eines gewissen Umkreises 
selbst geschlachtet haben oder haben schlachten lassen, nicht feilbieten dürfen. 

Von städtischen Kühlhäusern ist eingeführtes frisches Fleisch ebenfalls 
auszuschliessen. 

Weiter muss die.polizeiliche Kontrolle des ganzen Fleischverkehres be- 
deutend verschärft werden. Zweckmässig sind hiermit besondere in der Fleisch- 
beschau auszubildende Polizeibeamte zu betrauen. Wo es möglich ist, empfiehlt 
sich die Mitwirkung der städtischen Tierärzte. 

Das Nahrungsmittelgesetz lässt bisher nur eine Revision der Verkaufs- 
räume zu. Liessen indess schon früher die skandalösen Zustände, die in 
zahlreichen Fällen bei Revisionen der Betriebswerkstätten zu Tage traten, 
dies als einen Mangel des Gesetzes erkennen, so macht es heute das erleichterte 
Einschmuggeln von Fleisch doppelt erforderlich, darauf hinzuwirken, dass die 
Fleischbeschau nicht auf die Untersuchungen im Schlachthofe und gelegentliche 
Ladenrevisionen beschränkt bleibe, sondern dass auch die Untersuchung des 
zur Wurstfabrikation verwendeten Materiales in den Fleischereien, sowie die 
Kontrolle dieser letzteren selbst in ihren Bereich gezogen werden. 

Neben diesen Massregeln ist es zweckmässig, das Publikum darauf hin- 
zuweisen, dass es beim Kaufe des von auswärts eingeführten Fleisches eine 
volle Gewähr dafür, dass es einwandsfreie Waare erhält, niemals haben kann, 
dass es sich daher empfieblt, nur Fleisch zu kaufen, das die städtische 
Kontrolle passiert bat. In einzelnen Städten wird es auch möglich sein, die 
Metzger selbst durch den Hinweis auf ihr eigenes Interesse zum Verzicht auf 
die Einfuhr von auswärts oder zur freiwilligen Vorlegung des eingeführten 
Fleisches zu bewegen. 

Um schliesslich über die Notwendigkeit dieser und weiterer Massregeln 
für die Zukunft Material zu erbalten, empfiehlt es sich festzustellen, ob und 
in welchem Umfange Erkrankungen — wenn auch leichter oder vorüber- 
gehender Natur —, die auf den Genuss von Fleisch kranker Tiere oder ver- 
dorbenen Fleisches zurückzuführen sind, beobachtet werden, alle bekannt 
werdenden Fälle dieser Art zu sammeln, sowie überhaupt dieser Frage mehr 
Aufmerksamkeit zuzuwenden als bisher.“ R. Blasius (Braunschweig). 


Kickton A., Versuche über die Aufnahme von schwefliger Säure 
durch Hackfleisch aus den Verbrennungsprodukten des Leucht- 
gases. Aus dem staatl. hygienischen Institut in Hamburg. Zeitschr. f. 
Untersuchg. d. Nahrgs.- u. Genussm. 1905. Bd. 10. S. 159. 

Die Prüfung der Frage, ob Hackfleisch imstande ist, schweflige 
Säure aus den Verbrennungsprodukten des Leuchtgases aufzunehmen, 
wurde veranlasst durch die diesbezügliche Angabe eines Gegensachverständigen, 
der auf diese Weise die Gegenwart einer geringen Menge (0,008°,) schwefliger 
Säure im Hackfleisch erklären wollte. Die vom Verf. angestellten Versuche 
ergaben nun, dass selbst beim mehrstündigen Brennen unverhältmässig vieler 
Flammen eines stark schwefelhaltigen Leuchtgases, wie es das Hamburger Gas 
ist, schweflige Säure in nachweisbarer Menge vom locker ausgebreiteten Hack- 
fleisch nicht aufgenommen wird; in der Luft des betreffenden Raumes konnten 

53 


706 Ernährung. 


sehr. geringe Mengen von schwefliger Säure mittels Kaliumjodat-Stärkepapier 
nachgewiesen werden. Wesenberg (Elberfeld). 


Piuhl E., Ueber die Entstehung, Erkennung und Behandlung 
undichter Fleischkonservenbüchsen. Zeitschr. f. Hyg. Bd. 50. S. 317. 
Die Arbeit beschäftigt sich mit dem nachträglichen Hineingelangen 
lebensfäbiger Keime in völlig sicher sterilisierte Konserven- 
büchsen. Natürlich ist dies nur ‚durch Undichtigkeiten möglich, und der 
Verf. unterscheidet als solche schlechte Stellen und Fehler im Blech, 
Risse, die sehr fein und kaum bemerkbar sein können, Falzfehler, mangel- 
hafte Verlötung, schadhafte Abdichtungsringe und äussere Ver- 
letzungen. Im allgemeinen sollen sich namentlich die Risse viel öfter in 
grossen viereckigen als in kleinen ceylindrischen Büchsen finden. Wird der 
Druck ausserhalb der Büchsen niedriger als innerhalb, so tritt Fleischsaft 
durch selbst feine Oeffnungen aus. Dass dies der Fall ist, wenn nach dem 
Sterilisieren der Dampf abgelassen wird, davon hat sich der Verf. durch 
eigene Versuche mit dem Autoklaven überzeugt. Bakterien können, während 
die ausgetretene Fleischbrühe eine Verbindung mit dem Innern der Büchsen 
hergestellt, hineinwachsen; es können aber auch Keime mit der Luft beim 
Erkalten des Büchseninhaltes hineingesaugt werden. 

Für die Ermittelung undichter Fleischbüchsen ist die genaue 
Untersuchung durch praktisch geübte Arbeiter das wichtigste Mittel. 
Man benutzt hierzu ferner auch Wägungen und sondert diejenigen Büchsen 
aus, deren Gewicht zu gering ist. Der Verf. empfiehlt für diesen Zweck die 
Wiederholung der Sterilisation im Autoklaven (s. oben), die natürlich 
nur im Laboratorium möglich ist, oder die Einstellung der abgekühlten 
Büchsen in kochendes Wasser, wobei aus den Undichtigkeiten Luftblasen 
aufsteigen, oder endlich Einbringen der noch warmen Büchsen in 
einen Glaskasten, in welchem die Luft verdünnt werden kann, wodurch 
an undichten Stellen Fleischbrühe allein oder mit Luftblasen gemischt austritt. 

Undicht befundene Büchsen verderben zwar später nicht sämtlich, aber 
es ist sicherer, sie aufzuschneiden, umzupacken und von neuem zu sterilisieren 
oder anderweitig zu verwenden. Globig (Berlin). 


Matthes H. (Jena), Ueber mehlhaltiges Corned Beef. Zeitschr. f. Unter- 
suchg. d. Nahrgs.- u. Genussm. 1905. Bd. 9. S. 732. 

Bei der Untersuchung von in Deutschland hergestelltem Corned Beef 
konnte in keinem Falle die Anwesenheit von Konservierungsmitteln nachge- 
wiesen werden; in einem Falle erwies sich das Corned Beef „extra prima 
Qualität, feinste schnittfeste Ware“ als mit etwa 1,5%, Mehl versetzt. Der 
Mehlzusatz hatte offenbar den Zweck, die infolge minderwertigen Fleisches 
nicht genügende Bindungskraft besitzende Ware zusammenzukleistern und ihr 
dadurch den Anschein einer besseren Beschaffenheit zu geben. Das Corned 
Beef wurde natürlich beanstandet, zumal bei einer Fleischdauerware durch 
den Mehlzusatz die Haltbarkeit sehr herabgemindert wird. 

Wesenberg (Elberfeld). 


Ernährung. 707 


v. Raumer (Erlangen), Konservensalz und Wurstbindemittel. Zeitschr. 
f. Untersuchg. d. Nahrgs.- u. Genussm. 1905. Bd. 9. S. 405. 

Als Konservierungs- bezw. Entsäuerungsmittel für Wurstwaren wird 
jetzt vielfach die basisch-essigsaure Magnesia, z.B. unter dem Namen „Sinodor“ 
empfohlen; Verf. weist nun nach, dass dieses Doppelsalz unter die für Fleisch 
u.s. w. verbotenen Stoffe fällt, da es Magnesiumbydroxyd und meist auch 
Magnesiumkarbonat enthält. 

Ein Wurstbindemittel enthielt neben etwa 36°/, gemahlenen Eiweiss- 
stoffen 16°/, Kochsalz, während der Rest zum grössten Teil aus basisch-essig- 
saurer Magnesia bestand. Dieses Mittel ist geeignet, durch seine Neutralisations- 
wirkung beginnende Zersetzung zu verdecken und ausserdem die gleichzeitig 
verloren gegangene Bindekraft zu ersetzen, wodurch der Ware der Anschein 
besserer Beschaffenheit verliehen wird. Wesenberg (Elberfeld). 


. Röhrig, Arnim, Verbesserter Apparat zur Milchfett-Bestimmung nach 
Gottlieb-Röse. Zeitschr. f. Untersuchg. d. Nahrgs.- u. Genussm. 1905. 
Bd. 9. S. 931. 

Der vom Verf. beschriebene — von Franz Hugershoff in Leipzig in 
den Handel gebrachte — Apparat besteht im wesentlichen aus einem gradu- 
ierten Schütteleylinder mit in entsprechender Höhe seitlich angebrachten Ab- 
laufhahn; seine Anwendung, welche vor den bisherigen Formen der Gottlieb- 
Röseschen Milchfett- Bestimmungsmethode manche Vorteile bietet, 
ergibt beim Vergleich mit dem Gerberschen Verfahren sehr genaue Werte. 
Auch für die Fettbestimmung in Butter und Rahm ist der Apparat gut 
geeignet. Wesenberg (Elberfeld). 


Schaps, Leo, Zur Frage der Konservierung der Milch durch Formal- 
dehyd, speciell zum Zwecke der Säuglingsernährung. Aus d. 
Dresdener Säuglingsheim. Zeitschr. f. Hyg. Bd. 50. S. 247. 

Gegen die Verwendung von Formalin zur Haltbarmachung von 
Milch, von welcher neuerdings infolge des v. Behringschen Vorschlags 
häufig die Rede ist, ist schon öfters das Bedenken geltend gemacht worden, 
dass der Geschmack der Milch dadurch widerlich werde, und dass die 
Unschädlichkeit des Formalinzusatzes noch nicht erwiesen sei. Der 
Verf. fügt bierzu noch den Zweifel, ob durch das Formalin in der Milch 
ebenso wie das Wachstum der Milchsäurebakterien auch die Entwickelung 
anderer und namentlich pathogener Keime gehemmt werde. Er 
stellte Versuche an, indem er zu Milch Formalin im Verhältnis von 1: 10000 
und 1:5000 zusetzte oder das Gefäss mit der Milch durch einen in Formalin 
getauchten und dann ausgedrückten Wattebausch verschloss, der nach ver- 
schieden langer Zeit durch einfache Watte ersetzt wurde. Die Gerinnung 
der Milch wurde hierdurch wirksam gehemmt, sie erhielt aber einen uner- 
träglichen Geschmack und Geruch. Während v. Behring angab, dass 
auch feinschmeckende Menschen einen Formalinzusatz von 1:4000 nicht mehr 
wahrnehmen könnten, fand der Verf. noch Verdünnungen bis 1:40000 durch 
den Geschmack deutlich erkennbar. 

53* 


708 Ernährung. 


Die Einwirkung des Formalinzusatzes zu Milch auf pathogene Keime 
prüfte der Verf. an Traubenkokken und Tuberkelbacillen. Traubenkokken 
hätten in den ersten Tagen für durch Formalin abgetötet gehalten werden 
können, aber länger fortgesetzte Beobachtung der im Brutschrank ge- 
haltenen Platten zeigte, dass dies keineswegs der Fall war. Auch Tuberkel- 
bacillen wurden in roher und keimfrei gemachter Vollmilch durch Formalin- 
zusatz von 1:10000 und 1:5000 in 12 und 18 Stunden nicht abgetötet. 

Endlich wird der Leichenbefund eines 6 Monate alten an chronischer 
Hirnhautentzändung und Gehirnwassersucht gestorbenen Kindes mitgeteilt, 
dessen Dünndarm auf eine Strecke bis 70 cm vom Pförtner ab mit krater- 
förmigen follikulären Geschwüren besetzt war, die nach unten an Häufig- 
keit abnahmen. Wegen ihres Sitzes und ihrer allmählichen Abnahme bringt 
der Verf. diese Geschwüre damit in Verbindung, dass das Kind 5 Wochen 
vor seinem Tode 20 Tage lang Milch mit einem Formalinzusatz von 
1: 10000 erhalten hatte. Globig (Berlin). 


Swaving A. l., Ueber die holländische Staatsbutterkontrolle. Vortrag, 
gehalten auf der 4. Jabresversammlung der freien Vereinigung Deutscher 
Nahrungsmittelchemiker zu Dresden. Zeitschr. f. Untersuchg. d. Nahrgs.- u 
Genussm. 1905. Bd. 10. S. 80. 

Der Vortragende, Direktor der landwirtschaftlichen Reichsversuchsstation 
zu Wageningen (Holland) verbreitete sich eingehend über die im Laufe der 
letzten Jahre in Holland errichteten Butterkontrollstationen, von denen 
zur Zeit 8 (und zwar in Leeuwarden, Groningen, Deventer, Leyden, Eindhoven, 
Maastrich, Assen und Middelburg) bestehen. Die Kontrollstationen werden ge- 
gründet und unterhalten von den Interessenten der Molkereien der betreffenden 
Gegend und erfreuen sich eines Staatszuschusses. Die Kontrolle beruht auf 
folgender Einrichtung: 

Sofern es dem Direktor oder dem Kontrolleur einer Kontrolistation 
wünschenswert erscheint, werden vom letztgenannten in den — der Kontrolle 
sich unterwerfenden — Molkereien an den Butterbereitungsstellen von der in 
seiner Gegenwart gemachten Butter Proben entnommen, und zwar ge- 
schieht diese Probenahme mindestens 2 mal im Monat. Indem man nun die 
Zusammensetzung einer derartigen, an seiner Bereitungsstelle entnommenen 
Probe mit derjenigen einer versandten oder verkauften Butter derselben 
Herkunft und der nämlichen Jahreszeit der Bereitung vergleicht, 
— bei dieser Vergleichung muss unter gewöhnlichen Umständen die Zusammen- 
setzung der Proben die gleiche sein — ist die wechselnde chemische Zusammen- 
setzung der Butter nicht länger ein Hindernis, um in jedem einzelnen Falle 
mit absoluter Gewissheit eine Erklärung über die Reinheit der Ware abgeben 
zu können. Sogar die geringste Verfälschung wird bei diesem Verfahren sofort 
ans Tageslicht treten. ` 

Die Regierung stellt auf ihre Kosten eine staatliche Schutzmarke aus 
einer bestimmten dünnen Papiersorte angefertigt zur Verfügung, welche jedem 
Quantum verpackter Butter mit Hilfe eines besonderen Stempels eingepresst 
werden muss; die Marke wird dann, um Wiederbenutzung unmöglich zu 


Ernährung. 709 


machen, zerschnitten, bleibt aber auch dann noch der Oberfläche gut anhaften, 
zerreisst aber beim Abnehmen. Diese Kontrollmarke zeigt ausser dem 
Niederländischen Wappen die Worte „Nederlandsche Botercontrole on- 
der Rijksofzicht“ sowie die Buchstaben der Kontrollstation und des betreffenden 
Beamten sowie Nummer. Die Molkereien und die der Kontrolle sich unter- 
werfenden Händler sind zu einer genauen Buchführung über die Posten ex- 
pedierter Butter, Empfänger, sowie die Nammer u. s. w. verpflichtet; es kann 
infolge dessen mit Leichtigkeit die Identität einer mit der Schutzmarke ver- 
sehenen Butter nachgewiesen werden. 

Da die niederländische Regierung die Staatsmarke eingeführt hat, sind 
die Kontrollstationen der Staatskontrolle unterstellt worden, welche vom 
Staatsbutterinspektor (Herrn I. G. Bielemann in Utrecht) mit 11 Butter- 
kontrolleuren und von der Reichs-Molkerei-Versuchsstation (Direktor: Dr. Th. 
van Sillevoldt) zu Leyden ausgeübt wird. Sobald in Deutschland eine 
Butterprobe, welche die niederländische Staatskontrollmarke trägt, bean- 
standet werden sollte, geben die eben genannten beiden Herren jederzeit sofort 
Auskunft, welchen Gehalt an flüchtigen Fettsäuren diese Probe ausweisen soll, 
sofern ihnen die laufende Nummer und der Anfangsbuchstabe, welche beide auf 
der Kontrollmarke verzeichnet sind, mitgeteilt wird. Auch bei Beanstandung 
nichtkontrollierter holländischer Butter sind die beiden genannten Staats- 
beamten von Ministerium ermächtigt, jede mögliche Auskunft zu geben, ja so- 
gar vor den deutschen Gerichten Aussagen zu machen und so bei der Ver- 
folgung und Bestrafung der holländischen Butterfälscher hilfreiche Hand zu 
leisten. 

Bemerkt sei noch, dass Belgien eine Kgl. Verordnung vom 21. XI. 1904 
erlassen hat, in der u.a. eine untere Grenzzahl von 28 für die Reichert- 
Meissische Zahl festgestellt worden ist, für alle diejenige Butter, über deren 
Reinheit keine officielle Garantie gegeben werden kann; andererseits wird 
aber die mit der holländischen Kontrollmarke versehene Butter in Belgien 
auch zugelassen, wenn sie eine niedrigere Reichert-MeissIsche Zahl als 28 
aufweisen würde. Darnach ist in Belgien die Einfuhr der methodisch ge- 
fälschten holländischen Butter mit Reichert-Meissischen Zahlen von 24—26 
unmöglich geworden. Wesenberg (Elberfeld). 


Beythien A. (Dresden), Krebsbutter. Zeitschr. f. Untersuchg. d. Nahrgs.- u. 
Genussm. 1905. Bd. 10. S. 6. 

Die Untersuchung einer küchenmässig hergestellten „Krebsbutter“ ergab 
folgende Werte: Refraktion bei 40° = 42,6, Verseifungszahl 231,1, Reichert- 
Meisslsche Zahl 29,80. Dem Handel entnommene Proben liessen alle einen 
Zusatz entweder von fremden Fetten (1 Probe war mit 60°/%, eine andere so- 
gar mit reiner Margarine, die meisten mit 25—50°/, Talg versetzt) oder von 
Farbstoff erkennen; derartige Produkte sind natürlich als „nachgemacht“ bezw. 
„verfälscht“ zu beanstanden. Wesenberg (Elberfeld). 


710 Ernährung. 


Olig A. und Tillmans J., Beiträge zur Kenntnis gewisser Verfälschungen 
von Schweineschmalz. Zeitschr. f. Untersuchg. d. Nahrgs.- u. Genussm. 
1905. Bd. 9. S. 595. 

1. Schmalzp’roben holländischer Firmen geben häufig beim Auskochen 
der Fette mit Wasser nach der amtlichen Methode zum Nachweis von Alkali- 
und Erdalkali-Hydroxyden und Karbonaten trübe wässerige Lösungen, die 
selbst durch wiederholte Filtration nach stärkster Abkühlung nicht klar zu 
erbalten sind; die Erscheinung rührt offenbar von einer geringen Verseifung 
des Fettes her, indem die verdorbenen Fette durch Behandlung mit roher 
Sodalösung von ihrem schlechten Geruch und Geschmack befreit worden sind. 
Der Untersuchungsgang ist folgender: In 60 g Fett, dem 60g destilliertes 
Wasser zugefügt ist, wird 1/, Stunde lang Wasserdampf eingeleitet, dann wird 
abgegühlt und vom erstarrtem Fett abfiltriert; die bei Anwesenheit von 
Alkalioder Erdalkali milchig trübe Lösung wird zuerst direkt, um Spuren von 
Fett und Fettsäuren zu entfernen, 2mal mit Aether ausgeschüttelt, dann mit Salz- 
säure angesäuert und abermals 2 mal mit Aether ausgeschüttelt; die Lösung 
wird jetzt klar, da die Fettsäuren der Seifen in Aether gelöst sind; die 
wässerige Lösung dient schliesslich nach Veraschen zum Alkalinachweis. 

2. Wiederholt wurden Auslands-Schmalzproben beobachtet, welche 
ibrer Refraktion, der schwachen Halphenschen bezw. Welmansschen Re- 
aktion u. s. w. nach des Zusatzes von Pflanzenfetten dringend verdächtig waren, 
bei denen aber die Phytosterinacetatprobe unbefriedigend verlief, da ein nicht- 
krystallisierendes Produkt vom Schmelzpunkt etwa 100° resultierte. Die 
Prüfung auf unverseifbare Bestandtteile ergab schliesslich die Anwesenheit 
von etwa 2°, Paraffin, welchen Zusatz die Fälscher offenbar ausschliesslich 
gemacht haben, um die Plıytosterinacetatprobe unmöglich zu machen; offenbar 
handelt es sich bei den betreffenden Proben um gleichzeitigen Talg- und 
Kottonölzusatz. Um unnütze Arbeit zu vermeiden, dürfte sich also die Be- 
stimmung der unverseifbaren Anteile vor der Ausführung der Phytosterin- 
acetatprobe empfehlen. Wesenberg (Kiberfeld). 


$prinkmeyer H. und Wagner H., Zum Nachweis fremder Farbstoffe in 
Fetten. Zeitschr. f. Untersuchg. d. Nahrgs.- u. Genussm. 1905. Bd. 9. S. 598. 
Der Zusatz fremder Farbstoffe zu den ins Zollinland einzuführenden 
Fetten, besonders Talg, wird jetzt beobachtet. Da die amtlichen Unter- 
suchungsvorschriften zum Farbstoffnachweis mitunter versagen, geben die Verff. 
das nachfolgende Verfahren bekannt, welches leicht und sicher diesen Nach- 
weis gestattet: 10 g des geschmolzenen Fettes werden in 10 ccm Petroläther 
gelöst und die Lösung dann nach Zusatz von 15 ccm Eisessig kräftig durch- 
geschüttelt; ein Farbstoffzusatz ist an der Gelb- oder Rosafärbung des sich 
als untere Schicht absetzenden Eisessigs erkennbar; bei nur geringer Farb- 
stoffmenge ist die Eisessigfarbstofflösung in einer Porzellanschale auf dem 
Wasserbade einzuengen. Wesenberg (Elberfeld). 


Ernährung. 711 


Beythien A. und Borisch P. (Dresden), Beiträge zur Untersuchung und 
Beurteilung des Citronensaftes. Zeitschr. f. Untersuchg. d. Nahrgs.- 
u. Genussm. 1905. Bd. 9. S. 449. 

An der Hand umfangreicher Untersuchungen von Citronensäften 
— selbstgepressten und dem Handel entnommenen — sind die Verff. der 
Ueberzeugung, dass die von Farnsteiner (Zeitschr. f. Untersuchg. d. Nahrgs.- 
u. Genussm. 1903. Bd. 6. S. 1) ausgearbeitete Citronensaftanalyse als durch- 
aus zuverlässig bezeichnet werden kann, namentlich wenn die von Farn- 
steiner später (ebenda. 1904. Bd. 8. S. 593) abgeänderte Methode der Ex- 
traktbestimmung herangezogen wird. 

Da die Sterilisierung dem Citronensaft einen „Kochgeschmack“ erteilt, 
möchten die Verff. die Verwendung geringer Mengen von Konservierungs- 
mitteln (Salicylsäure, Ameisensäure u.s. w.) unter Deklaration gestattet 
sehen, ebenso einen — deklarierten — Alkoholzusatz von 8—10 Vol.-%/,, weil 
gerade derartige Säfte von Antialkoholikern gern benutzt werden. 

Wesenberg (Elberfeld). 


v. Raumer (Erlangen), Die Verwendung der Gärmethoden im Labora- 
torium, ein Beitrag zur Kenntnis des Stärkesirups. Zeitschr. f. 
Untersuchg. d. Nahrgs.- u. Genussm. 1905. Bd. 9. S. 705. 

Durch Kombination von direkter Reduktion und Reduktion nach Hydro- 
Iysierung mittels Salzsäure, von Polarisation und von Vergärung konnte Verf. 
die bis dahin strittige Frage, ob im Stärkesirup Maltose vorhanden sei, im 
bejahenden Sinne beantworten: ebenso konnte auf gleiche Weise im Honig 
das Vorhandensein von Maltose nachgewiesen werden. 

Für die Bestimmung der schwervergärbaren Dextrine durch 
Gärung eignet sich Presshefe nicht, da diese je nach der Herstellung 
mehr oder weniger von den Dextrinen mitvergärt. Weinhefen sind deshalb 
für den genannten Zweck absolut auszuschliessen, weil dieselben Maltose un- 
vergoren lassen und daher ganz unrichtige Werte für die Dextrine liefern; 
gleichzeitig sind die Weinhefen gegenüber der Fruktose zu träge, so dass auch 
hierdurch, wenn auch nur geringe, Fehler bedingt werden können. Die einzige 
Hefe der Praxis, welche wohl in ganz Deutschland in ziemlich einheitlicher 
Beschaffenheit überall zu haben ist, dürfte die untergärige Bierhefe sein, 
welche einerseits Maltose glatt und völlig vergären kann, andererseits aber 
die Dextrine insgesamt von der früher als Isomaltose bezeichneten Stufe an, un- 
vergoren lässt. 

Will man andererseits Maltose neben Glykose und Dextrin nach- 
weisen eventuell sie auch quantitativ bestimmen, so kann dle Weinhefe ein- 
treten. Wesenberg (Elberfeld). 


Kapeller G. (Rostock), Zur Kenntnis einer „Rotwein-Couleur“. Aus 
dem hygien. Institut zu Rostock. Zeitschr. f. Untersuchg. d. Nahrgs.- u. 
Genussm. 1905.. Bd. 9. S. 729. 

Eine gelegentlich der Kellerkontrolle in einer Weinhandlung gefundene 

„Rotwein-Couleur“ erwies sich als eine Mischung von einem Azofarbstoff 

(Bordeaux-Farbstoff) mit Karamel. Wesenberg (Elberfeld). 


712 Ernährung. 


Beckmann E., Zur Bestimmung des Fuselölgehaltes alkoholischer 
Flüssigkeiten. Aus dem Laboratorium für angew. Chemie der Universität 
Leipzig. Zeitschr. f. Untersuchg. d. Nahrgs.- u. Genussm. 1905. Bd. 10. S. 143. 

Das früher hier referierte Beckmannsche Verfahren der Bestimmung 

des Fuselölgehaltes im Branntwein (vergl. diese Zeitschr. 1900. S. 501 

u. 1902. S. 780) hat Verf. weiter vereinfacht, worauf hier hingewiesen sei. 

Wesenberg (Elberfeld). 


Laihle F. J., Ueber die Wirkung kleiner Alkoholgaben auf den Wärme- 
haushalt des tierischen Körpers. Inaug.-Dissert. Halle a. S. 1905. 
Verf. stellte Untersuchungen über die Wirkung kleiner Alkoholgaben 
auf den Wärmehaushalt des tierischen Körpers an, indem er Kaninchen 
und Hunden Alkohol subkutan oder intrastomachal beibrachte und dann im 
Harnackschen „Kalorimeter“ oder genauer „Volum-Spirometer“ die 
Wärmeabgabe der betreffenden Tiere mass. Hierbei kam Verf. zu folgenden 
Schlüssen: Die Steigerung der Wärmeabgabe nebst geringer Temperatur- 
erniedrigung ist eine specifische Wirkung kleiner Alkoholgaben. Zugleich wird 
die gesamte Wärmeproduktion im Körper verringert, und zwar um so auf- 
fallender, je grösser die Gabe. In seiner ersparenden Wirkung für die Wärme- 
produktion schliesst sich der Alkohol dem Traubenzucker an. Somit werden alte 
Erfahrungen erklärt: Alkohol ist in angebrachter Dosis als vortreff licher Er- 
satz für mangelndes oder zu sparendes Nährmaterial, sowie durch 
seine exquisit rasche Verbrennung für plötzlich nötige Wärmezufuhr 
wohl geeignet. Baumann (Metz). 


Otto R. und Kohn S., Untersuchungen „alkoholfreier Getränke“. II 
Zeitschr. f. Untersuchg. d. Nahrgs.- u. Genussm. 1905. Bd. 10. S. 240. 

Infolge der ersten Publikation von Otto und Tolmacz (vgl. diese Zeit- 
schr. 1905. S. 321) wurden dem pomologischen Institut zu Proskau (O.-Schl.) 
einige Zusendungen gemacht, welche sich teils auf neue, noch sicht unter- 
suchte Präparate, teils auf in der ersten Mitteilung wohl angeführte, seit 1903 
in ihrer Darstellungsweise aber wesentlich verbesserte Produkte bezogen. Die 
Untersuchungen ergaben: 

No. I. Frutil, „frei von Alkohol, von der Dresdener Manzanil-Gesellschaft, 
G. m. b. H.“ „nach neueren Verfahren aus einer Apfelkonserve“ hergestellt, 
ist gegenüber der früheren Probe nicht nur geschmacklich besser, sondern auch 
viel preiswürdiger geworden. 

No. II. Apfelblümchen, „alkoholfreier Apfelsaft, der Breslauer Man- 
zanil-Gesellschaft“ — dem Handel entnommene Probe — ist sicher ein Dörr- 
obstprodukt, das reichlich mit Kohlensäure imprägniert ist. 

No. II. Alkoholfreier Apfelsaft, „hergestellt aus edlem, frischem 
Obst, absolute Naturreinheit, aus der Gubener Export-Apfelwein-Kelterei von 
Ferd. Poetko, Guben,“ ist ein sehr gutes Getränk. Sein Geschmack, sowie 
das natürliche Bukett und die gefundenen Analysenwerte (spec. Gew. 1,0530, 
Extrakt 14,444, Gesamtzucker 11,356, Invertzucker 10,291, Saccharose 1,011, 
Gesanitsäure als Apfelsäure 0,654, Asche 0,3156 g in 100 ccm) sprechen da- 


Ernährung. 713 


für, dass dieser Apfelsaft aus gutem, frischem Obst hergestellt ist. 

No. IV. Donaths „alkoholfreier, haltbarer Natur-Apfelmost aus frischen 
Aepfeln obne Zuckerzusatz, Donaths Obstkelterei, Laubegast-Dresden“, schmeckt 
nach frischem Obst und entspricht in seiner Zusammensetzung reinem Apfel- 
most. Das früher analysierte Produkt „Naturmost aus Aepfeln“ war von dem 
jetzigen vollkommen verschieden. 

No. V und VI. Donaths „alkoholfreier, haltbarer Naturmost aus frischen 
Beeren, trinkfertig, mit wenig Zuckerzusatz, Heidelbeer bezw. Jobannisbeer“ 
derselben Firma wie IV, ist, wie aus der Deklaration hervorgeht, „trinkfertig“ 
gemacht, indem der hohe Säuregehalt durch Zucker- und Wasserzusatz ausge- 
glichen ist. 

No. VII. Donaths „alkoholfreier haltbarer Natur-Weinmost aus frischen 
Trauben ohne Zuckerzusatz“ derselben Firma wie IV, ist ein seiner Bezeich- 
nung entsprechendes Getränk. 

No. I—III erwiesen sich als vollkommen alkoholfrei, No. IV—VII ent- 
hielten nur sehr geringe Mengen (0,05°/,) Alkohol. 

Wesenberg (Elberfeld). 


Beythien A. (Dresden), Neuere Honigsurrogate. Zeitschr. f. Untersuchg. 
d. Nahrgs.- u. Genussm. 1905. Bd. 10. S. 14. 

Der als „bester Ersatz für Bienenhonig“ angepriesene „Zuckerhonig 
Honamin“, der im Kleinhandel mit 55 Pfg. für 1 Pfund verkauft wird, stellt 
eine honigähnlich riechende und schmeckende, halb auskrystallisierte Masse 
dar, welche nach der Analyse als ein Gemisch von ungefähr 30%, Zuckersirup 
mit Honig und vielleicht Invertzucker anzusprechen sein dürfte. 

„Dr. Oetkers Fruktin“ stellt eine weisse, grobkrystallinische Masse dar, 
welche einen rein süssen und schwach säuerlichen Geschmack besitzt; der 
Inhalt eines Packetes (490 g) soll mit 1/ą Liter Wasser aufgekocht einen 
„Honigersatz“ liefern. Fruktin ist, abgesehen von minimalen Beimengungen 
verschiedener Teerfarben und von 1/,°/, Weinsäure nichts anderes als gewöhn- 
licher Rübenzucker; der aus ihm nach Vorschrift hergestellte Fruktinhonig 
enthält neben etwa 170%/, Wasser, 69°%/, Invertzucker und 14°, Rohrzucker. 

s Wesenberg (Elberfeld). 

König J., Spieckermann A. und Seiler Fr., (Münster i.W.), Beiträge zur 
Zersetzung der Futter- und Nahrungsmittel. V. Zur Zusammen- 
setzung der durch Bakterien gebildeten Schleime. Zeitschr. f. Unter- 
suchg. d. Nahrgs.- u. Genussm. 1905. Bd. 9. S. 513. 

Als schleimbildende Bakterien wurden auf festen und flüssigen 
Nahrböden zur Untersuchung herangezogen: Bacillus viscosus Adametz, Bac- 
terium lactis a&rogenes Escherich, Bacillus bruxellensis van Laer, Leuco- 
nostoc mesenterioides Cienkowski, Streptococcus hornensis Boekhout und 
de Vries, Dematium pullulans de Bary, Bakterium K (von Spieckermann 
aus faulendem Kohl gezüchtet) und Bacillus mesentericus vulgatus. Die Verff. 
gelangten zu folgenden Hauptergebnissen: 

1. Schleimstoffe werden von manchen Bakterien nicht nur bei der Er- 


714 Ernährung. 


nährung mit Zucker, sondern auch bei der mit gewissen stickstoffhaltigen 
organischen Stoffen wie Pepton, Asparagin, Glykokoll erzeugt. 

2. Die aus den Nährlösungen und von festen Nährböden gewonnenen 
Scleime enthalten stets grosse Mengen anhydrischer Kohlenhydrate oder be- 
stehen ganz aus solchen. 

3. Die Anhydride bestehen teils aus Fruktose- und Glykosegruppen, teils 
aus Galaktosegruppen, die aus den als Nährstoff gebotenen Kohlenhydraten 
(bezw. auch Glykokoll) zum Teil durch Synthese, zum geringeren Teil (nur 
bei Glykose) anscheinend auch durch Umlagerung entstehen. 

4. Ein Kohlenhydrat von den Eigenschaften des früher angenommenen 
Dextrans konnte bei den angewendeten Schleimbildnern in Reinkulturen in 
keinem Falle nachgewiesen werden. 

5. Für die Bakterienschleime lassen sich nach den bisherigen Unter- 
suchungen — auch anderer Forscher — folgende Gruppen bilden: 

A. Schleime aus Anhydriden der Hexosen: 

1. Schleime mit Glykose- und Fruktosegruppen: 
Leuconostoc mesenterioides 
Streptococcus hornensis 
Bakterium K. 
Bac. viscosus Adametz 
Bac. mesentericus vulgatus 
Kartoffelbacillus aus fadenziehendem Brot. 
2. Schleime mit Glykose-, Galaktose- und Fruktosegruppen: 
Bac. aörogenes 
Bac. bruxellensis 
Dematium pullulans 
B. Schleime aus Anhydriden der Pentosen: 

Bact. parabinum 
Bact. acaciae 
Bact. metarabinum 
Bact. persicae. 

C. Schleime aus Stickstoffverbindungen (?): 
Streptococcus, hollandicus (lange Wei). 

Wesenberg (Elberfeld). 


Matthes H. (Jena), Die Beurteilung mehlhaltiger Marzipanwaren. 
Zeitschr. f. Untersuchg. d. Nahrgs.- u. Genussm. 1905. Bd. 9. S. 726. 

Von einer Firma in Thüringen wird seit einiger Zeit eine „Verbesserte 
Backstoff-Marzipanmasse“ und weiter eine „Verbesserte Backstoff- 
Mandelnussmasse“, sowie auch „Marzipanmasse“ in den Handel ge- 
bracht, welche mit Bohnen- und Kartoffelmehl (entsprechend 2,5— 3,3%, 
Stärke) versetzt sind. 

Nach Ansicht des Verf.'s „ist unter Marzipan lediglich eine Zubereitung 
aus Mandeln und Zucker, unter Zugabe geringer Mengen von Gewürzstoflen 
zu verstehen“; alle anderen Zusätze oder angeblichen „Verbesserungen“, wie 
Zusätze von Mehl, Stärkesirup, eiweisshaltigen Bindemitteln u. s. w., sind ge- 


Ernährung. 715 


nau zu deklarieren; der Höchstgebalt an Zucker wäre ebenfalls, und zwar 
zweckmässig auf 35°), festzulegen. Die Strafkammer des Landgerichtes zu 
Weimar kam im vorliegenden Falle zu einem freisprechenden Urteil, da bei 
der geringen Menge des Mehlzusatzes eine Fälschung nicht anzunehmen sei! 
Wesenberg (Elberfeld). 


Piyl B. und Linne Br., Ueber quantitative Hydrolysen von Saccharose, 
Maltose, Laktose und Raffinose. Aus dem Laboratorium f. angew. 
Chemie der Universität München. Zeitschr. f. Untersuchgs.- d. Nahrgs.- u. 
Genussm. 1905. Bd. 10. S. 104. 

Unter Benutzung eines besonderen Druckcylinders, welcher von der Firma 

M. Sendtner, München, Schillerstr. 22 zu beziehen ist, bestimmten die Verff. 
die Bedingungen, welche zur vollkommenen Hydrolysierung von Saccha- 
rose, Maltose, Laktose und Raffinose erforderlich sind, ohne dass aber 
die dabei entstehenden Produkte weiter verändert werden. Das Verfahren, 
auf welches hier nur verwiesen werden soll, kann sowohl zur Reinheitsbe- 
stimmung von Zuckerarten, als auch zu Bestimmung verschiedener Zucker- 
arten nebeneinander Verwendung finden. Wesenberg (Elberfeld). 


Spaeth, Eduard (Erlangen), Zur Prüfung und Beurteilung des ge- 
mahlenen schwarzen Pfeffers. Zeitschr. f. Untersuchg. d. Nahrgs.- u. 
Genussm. 1905. Bd. 9. S. 577. 

Als das einfachste und am wenigsten zeitraubende Verfahren zum Nach- 
weis und Bestimmung des Schalengehaltes im gemahlenen schwarzen 
Pfeffer betrachtet Verf. die Bestimmung der Rohfaser nach der von Henne- 
berg und Stohmann angegebenen Vorschrift (Wender-Verfahren) in dem 
mit Alkohol-Aether extrahierten Pfeffer. Unter Zugrundelegung eines Rohfaser- 
gehaltes von 12—17 °% im normalen Pfeffer, und von etwa 800%, in den 
Schalen lässt die Rohfaserbestimmung sogar eine annähernde Berechnung des 
Schalenzusatzes zu. Wesenberg (Elberfeld). 


Buttenberg P., Ueber havarierten bleihaltigen Thee. Ein Beitrag 
zur Ueberwachung des Verkehrs mit Tee. Aus dem hygienischen 
Institut zu Hamburg. Zeitschr. f. Untersuchg. d. Nahrgs.- u. Genussm. 1905. 
Bd. 10. S. 110. 

Die meisten Teesorten werden für den Transport zum Schutze gegen 
Feuchtigkeit in Kisten verpackt, welche innen mit einer Bleifolie ausgekleidet 
sind und zwar liegt der Tee meist der Bleifolie, welche in verschiedenen 
Proben 73,8—95,20/, Blei enthielt, direkt — ohne Papierzwischenlage — an. 
Solange der Tee trocken bleibt, findet eine Bleiaufnahme nicht statt, sobald 
aber der Tee durch Havarie feucht wird und in Gärung übergeht, wird die 
Bleifolie stark angegriffen; sie bedeckt sich dann mit einer sich leicht ab- 
lösenden Schicht von weissen und braunen Oxydationsflecken, während die 
Folie selbst stark brüchig wird und sich so Blei mechanisch dem Tee bei- 
mischt; gleichzeitig bilden sich lösliche Bleiverbindungen, welche den Tee 
gleichmässig durchtränken, so dass Verf. in verschiedenen Proben havarierten 


716 Ernährung. 


Tees, welcher bereits wieder getrocknet und zur Neuverpackung vorbereitet 
war, 15,6—20,8 mg Pb in 100 g Tee ermittelte. Der Tee wurde natürlich 
beschlagnahmt und erst nach Denaturierung zur Koffeindarstellung freigegeben. 
Es empfiehlt sich also nach dieser Beobachtung beim Verdacht auf Vorliegen 
eines havarierten Tees denselben auf Blei zu prüfen, wobei nicht zu kleine 
Mengen in Arbeit zu nehmen sind. Wesenberg (Elberfeld). 


Windisch K., Die Bestimmung der Borsäure. Zeitschr. f. Untersuchg. d. 
Nahrgs.- u. Genussm. 1905. Bd. 9. S. 641. 

Die auf Borsäure zu untersuchende Substanz wird mit Kalilauge alkalisch 
gemacht, eingedunstet, verkohlt und nach dem Auslaugeverfahren verascht. 
Die alkalische Asche wird mit wenig heissem Wasser aufgenommen, filtriert, 
mit Salzsäure schwach, aber deutlich angesäuert und zur Vertreibung der 
Kohlensäure einige Minuten am Rückflusskühler gekocht. Nach dem Fr- 
kalten setzt man 5—10 Tropfen Phenolphthaleinlösung hinzu und titriert mit 
1/0 Normal-Barytwasser bis zur deutlichen Rotfärbung. Hierauf gibt man 1 
bis 2 g reinen gepulverten Mannit hinzu und titriert mit 1/1ọ Baryt bis zur 
schwachen Rotfärbung. Dann setzt man wieder eine Messerspitze voll Mannit 
hinzu; verschwindet hierdurch die Rotfärbung, so fügt man Barytlösung hinzu, 
bis die Kotfärbung wieder auftritt. Dies setzt man so lange fort, bis auf 
weiteren Zusatz von Mannit die schwachrote Färbung beständig bleibt. Jedem 
ccm 1/,, Normal-Barytlauge, der nach dem Mannitzusatz verbraucht wurde, 
entsprechen 0,0062 g krystallisiertes Borsäurehydrat (BO,H3). 

Wesenberg (Elberfeld). 


Metzger 0., Zum. qualitativen Nachweis der Borsäure. Zeitschr. f. 
Untersuchg. d. Nahrgs.- u. Genussm. 1905. Bd. 10. S. 243. 

Zum Borsäurenachweis empfiehlt Verf. das nachstehende Verfahren: 
15—20 g der Substanz werden mit Natrinmkarbonatlösung durchfeuchtet, 
getrocknet und verascht. Ein kleiner Teil der Asche kann in bekannter Weise 
zum Nachweis der Borsäure mit Kurkumapapier verwendet werden; der grössere 
Teil der Asche wird mit 15—20 ccm Methylalkohol in ein Erlenmeyer- 
Kölbchen gebracht und das Ganze mit einem Rückflusskühler (nicht Steigrohr!) 
verbunden. Nachdem durch den Kühler von oben etwa 2 ccm konzentrierte 
Schwefelsäure hinzugegeben und mit Methylalkohol nachgespült wurde, wird 
das Ganze !/, Stunde auf einem Wasserbade von 700 erwärmt, nach dem Er- 
kalten Wasserstoffgas durchgeleitet und das letztere alsdaun angezündet — 
Grünfärbung der Flamme bei Borsäuregegenwart. 

Wesenberg (Elberfeld). 


Krzizan. Rich., Ueber gesundheitsschädliche Kochgeschirre. Aus der 
k. k. Untersuchungsanstalt für Lebensmittel (Prof. F. Hueppe) der deutschen 
Universität in Prag. Zeitschr. f. Untersuchg. d. Nahrgs.- u. Genussm. 1905. 
Bd. 10. S. 245. 

Von Seiten der Militärbehörde zur Untersuchung eingereichte Mannschafts- 

Kochgeschirre, welche neu verzinnt worden waren, enthielten in der Ver- 


Desinfektion. 717 


zinnung 18,60—21,84°/, Blei und gaben beim !/, stündigen Kochen mit 4 proz. 
Essigsäure an diese 0,0021—0,0027 g Pb ab. Infolge der Beanstandung wurden 
dieselben abermals vom Lieferanten verzinnt, und ergaben dann die Stich- 
proben noch 0,72—3,62°%/, Blei in der Verzinnung, welcher Gehalt zur er- 
neuten Beanstandung Veranlassung gab. Wesenberg (Elberfeld). 


Hofmann W., Leitfaden der Desinfektion für Desinfektoren, Ver- 
waltungsbeamte, Tierärzte und Aerzte. Leipzig 1905. Johann Am- 
brosius Barth. 138 Ss. 8°. Preis: 3 M. 

In dem vorliegendem Leitfaden der Desinfektion bringt Verf. in 
klarer, übersichtlicher Form eine ausführliche Besprechung der Desinfektions- 
lebre mit besonderer Berücksichtigung der am meisten im Gebrauch befind- 
lichen Desinfektionsmethoden. Als Einleitung wird zunächst der Zweck der 
Desinfektion, die Lehre von den Krankheitserregern und das Wesen 
der Infektion kurz erläutert. Der 1. Teil des Werkes, „die allgemeine 
Desinfektion“, bringt eine Beschreibung der wichtigsten physikalischen 
und chemischen Desinfektionsmittel. Entsprechend ihrer Wichtigkeit 
für die Praxis finden hier die gebräuchlichsten Dampf- und Formalin- 
Desinfektionsapparate hinsichtlich ihrer Konstruktion und Anwendung 
eine eingehende und deutliche Schilderung. Im Anschluss hieran wird kurz 
die Anlage und der Betrieb von Desinfektionanstalten behandelt. Der 
2. Teil, die „specielle Desinfektion“, enthält Vorschriften über die Des- 
infektion von Personen, ihrer krankbaften Ex- und Sekrete und der damit 
verunreinigten Gegenstände, sowie Massnahmen zur Desinfektion von Kleidungen 
und Zimmereinrichtungen, von Genusswasser, von Fulırwerken und Fahrzeugen 
und bei infektiösen Tierkrankheiten. In einem Anhang sind die Desinfektions- 
massregeln bei den wichtigsten mensehlichen Infektionskrankheiten kurz zu- 
sammengefasst. 

105 Abbildungen von Apparaten u.s.w. geben dem Leser ein anschau- 
liches Bild von der Konstruktion und der Wirkungsweise der verschiedenen 
Desinfektionsapparate, wodurch die Brauchbarkeit des vorliegenden Buches 
wesentlich erhöht wird. Es kann deshalb für Aerzte, Tierärzte, Verwaltungs- 
und Medizinalbeamte und Desinfektoren bestens empfohlen werden. 

Baumann (Metz). 


Fiügge C., Einige Vorschläge zur Verbesserung von Desinfektions- 
vorschriften. Zeitschr. f. Hyg. Bd. 50. S. 381. 

Die vorliegende wichtige, im einzelnen auf Untersuchungen von Heymann, 
Reichenbach, Steinitz, Mosebach und Speck (vergl. die folgenden Refe- 
rate) begründete Arbeit ist von grosser praktischer Bedeutung und wohl geeignet, 
den berühmten Untersuchungen des Verf.’s über die Tröpfcheninfektion an die 
Seite gestellt zu werden. Er geht davon aus, dass Desinfektion Befrei- 
ung inficierter Menschen und Gegenstände von Infektionskeimen bedeutet, 
und dass diese entweder in deren Abtötung oder in ihrer mechanischen 
Beseitigung bestehen kann. Um die letztere Art, bei welcher der fernere 


718 Desinfektion. 


Verbleib der eutfernten Keime nicht weiter beachtet wird und diese meistens 
nur einen Ortswechsel erfahren, handelt es sich z. B. bei der Händedesin- 
fektion als Vorbereitung für chirurgische Operationen, aber auch bei allen 
auf „Reinigung“ hinzielenden Verfahren wie Abwaschen, Abseifen, Abbürsten, 
Klopfen, Fegen, Lüften, Sonnen u.s. w. Diese Keimbeseitigung kommt nur 
bei solchen Krankheiten in Betracht, deren Erreger beständig in unserer 
Umgebung vorhanden oder an Gesunden und Kranken massenhaft ver- 
breitet sind, wie bei Tetanus, Eitererregern, Pneumokokken, Bacterium coli 
u.s.w. Sie ist dagegen ausgeschlossen und muss durch die Abtötung 
ersetzt werden, sobald es sich um ausnahmsweise vorkommende Einzel- 
fälle oder begrenzte Epidemien verursachende Krankheitserreger, wie Pest, 
Cholera, Typhus und dergl. handelt. Diese grundsätzlichen Unterschiede 
sind in vielen Desinfektionsvorschriften, auch solchen für staatliche und städti- 
sche Betriebe nicht oder nicht genug beachtet, und der Verf. weist auf die 
Notwendigkeit ihrer Verbesserung nach dieser Richtung hin. 

Im einzelnen macht er zunächst darauf aufmerksam, dass manche Des- 
infektionsmittel als keimtötend empfohlen und angewendet werden, 
welche höchstens für die mechanische Beseitigung in Frage 
kommen. Dahin gehören die Kaliseife und die heisse Seifenlösung von 
3:100, das Abwaschen mit heissem Wasser oder heisser Sodalösung, 
das Abwaschen oder Abbürsten mit Kresol- oder Sublimatlösung. 
Abreiben mit Brot ist aber selbst als keimbeseitigendes Mittel unzuver- 
lässig, und das Gleiche gilt von der Besonnung, weil diese nur auf die- 
Oberfläche wirkt und nicht in die Tiefe dringt. Keimbeseitigung durch Lüftung 
kann im besten Fall nur für die Luft des Krankenzimmers und zwar nur vor- 
übergehend gelingen und wird meistens mit der Gefahr verbunden sein, dass 
die entfernten Keime in andere bewohnte Räume fortgeführt werden. 

Für die Frage, wann keimbeseitigende und wann keimtötende 
Mittel anzuwenden sind, kommt hauptsächlich in Betracht, dass die letz- 
teren der Verbreitung der Keime kräftig entgegenwirken, die ersteren 
ihre Ausstreuung geradezu befördern und begünstigen. Dieser offenbare 
Gegensatz zwischen „Desinfektion“ und „Reinigung“ ist in vielen Des- 
infektionsvorschriften, auch amtlicher Aıt, z. B. im Seuchengesetz und in der 
Berliner Desinfektionsordnung nicht genug beachtet. Im einzelnen unter- 
scheidet der Verf. hierbei zwischen „Massregeln während der Krankheit“ 
und „Desinfektion nach Ablauf der Krankheit“. Bei jenen fordert er, 
dass das tägliche Aufwaschen des Fussbodens des Krankenzimmers mit desin- 
ficierenden Flüssigkeiten, wie im Typhus-Merkblatt geschehen ist, durch die 
Bestimmung ersetzt werden soll, dass beschmutzte Stellen sofort mit 
Kresolwasser zu übergiessen und erst nach 1 Stunde aufzuwischen 
sind. Lüftung des Krankenzimmers soll nur geschehen, wenn man sicher 
ist, dass die abgeführte Luft nicht in andere bewohnte Räume gelangt. Für 
die Behandlung der Abgänge der Kranken wird das starke Kresol- 
wasser an Stelle des verdünnten empfohlen und für den Auswurf Schwind- 
süchtiger an Stelle des bier unwirksamen Kresolwassers die Einführung von 
Sublimatlösung 5:100 gefordert, ausserdem die Erwähnung von Spuck- 


Desinfektion. 719 


näpfen .aus Pappe und ihrer Verbrennung mit dem Inhalt gewünscht. 
Das im Typhus-Merkblatt gestattete Vergraben von Ausleerungen der 
Kranken erklärt der Verf. für unsicher und gefährlich. Für die Desin- 
fektion der Hände der Pflegenden fordert er an Stelle des Waschens 
mit verdünntem Kresolwasser oder Karbollösung 3:100 die Verwendung von 
Sublimatlösung und genaue Gebrauchsanweisung. Bei der Schlussdes- 
infektion nach Ablauf der Krankheit hebt er hervor, dass durchaus zu- 
erst die Desinfektion und dann erst die Reinigung vorgenommen 
werden muss und nicht umgekehrt, und befürwortet dringend die vielfach 
noch immer unterschätzte, aber sehr wirksame Formalindesinfektion. 

Ein besonderer Abschnitt ist den Verbesserungen in der Anwen- 
dungs- und Herstellungsweise der üblichen keimtötenden Mittel 
im steten Hinblick auf die Ausfübrungsbestimmungen zum Seuchengesetz ge- : 
widmet. Hier fordert der Verf. zunächst den Fortfall der Karbolsäure- 
lösung 3,2:100, weil sie zu langsam wirkt und teuer ist; ihre Stelle kann 
durch die Kresollösung 2,5: 100 ausgefüllt werden, namentlich wenn nähere 
Bestimmungen über die Zeitdauer ihrer Einwirkung gegeben werden. Auch 
die Streichung des Chlorkalks wird verlangt, weil die Beurteilung seiner 
Wirksamkeit nach dem Geruch ganz unzuverlässig ist. Kalkbrühe soll eben- 
falls in Wegfall kommen und Kalkmilch, statt aus gebranntem Kalk, weit 
einfacher durch Mischung von 1 Teil gelöschten Kalks mit 1!/, Teilen 
Wassers hergestellt, zur Desinfektion von Abwässern etwa in der gleichen 
Menge wie diese verwendet werden. Kaliseife soll aus der Reihe der keim- 
tötenden Mittel gestrichen werden. Zur Formalindesinfektion genügt 
die Hälfte der in den Ausführungsbestimmungen zum Seuchengesetz ange- 
gebenen Mengen, nämlich 2,5 g auf den Kubikmeter bei 7 stündiger Einwir- 
kung, 5g für den Kubikmeter bei 81/, stündiger Einwirkung. Ein Hinweis 
auf die Zweckmässigkeit der Formalinanwendung in Desinfektions- 
schränken für Kleider, Betten u. s. w. von Tuberkulösen wird angeraten. 
Bei den Dampfsterilisierungsapparaten hält der Verf. Vorschriften für 
ihre: erste Prüfung und für die Kontrolle während ihres Betriebes für 
notwendig. Zur Bücherdesinfektion ist trockene Hitze von 75—80° 
ein sehr empfehlenswertes Verfahren. Die Verbrennung geringwertiger 
Gegenstände muss allein auf den Ofen des Krankenzimmers beschränkt 
werden und kann sich deshalb nur auf kleine Sachen wie Verbandwittel und 
dergl. erstrecken; der Inhalt von Strohsäcken gehört nicht dazu; auch Lappen, 
wenn sie feucht sind, lassen sich nicht verbrennen und werden besser mit 
Desinfektionsflüssigkeiten behandelt. Die Einfügung von Sublimatlösung 
1:1000 für die Händedesinfektion und 1:200 für die Behandlung 
des Auswurfs von Tuberkulösen in dickeren Schichten wird für unent- 
behrlich erklärt. 

Den Schluss der Arbeit bildet der Entwurf einer Desinfektionsan- 
weisung, welche für die Stadt Breslau in Aussicht genommen ist. Iu 
demselben sind alle zur Sprache gebrachten Punkte berücksichtigt; er ent- 
bält auch eine Instruktion für die Desinfektoren. 

Globig (Berlin). 


720 Desinfektion. 


Heymann, Bruno, Die Kontrolle der Dampfinfektionsapparate. Ausd. 
hyg. Institut d. Univers. Breslau. Zeitschr. f. Hyg. Bd. 50. S. 421. 

Die Arbeit beschäftigt sich mit den am häufigsten vorkommenden Kon- 
struktions- und Betriebsfehlern der Dampfdesinfektionsapparate 
und mit der Art, wie sie zu prüfen und wie Betriebsvorschriften für 
sie aufzustellen sind. Man hat zwei Hauptklassen dieser Apparate zu 
unterscheiden, einerseits diejenigen für ungespannten oder gering gespannten 
(ho—?ıo Atmosphären) Dampf, welche einfach, billig, im allgemeinen sehr 
wirksam und besonders in Deutschland weit verbreitet sind, andererseits 
die Apparate für stark gespannten Dampf, unter deren bis zu mehreren 
Atmosphären betragendem Druck Temperaturen von 120—130° erreicht und 
die widerstandsfähigsten Sporen in kurzer Zeit abgetötet werden. Die letzteren 
Apparate werden namentlich in Frankreich viel benutzt, z. B. in allen Laza- 
retten und auf allen Kriegsschiffen. 

Als die häufigsten Konstruktionsfehler bezeichnet der Verf. zunächst 
ungenügende Dampfentwickelung, welche Verzögerungen in der Errei- 
chung des Zeitpunktes bewirkt, bis der Apparat mit gesättigtem Wasserdampf 
erfüllt ist, also die Anheizungsdauer verlängert, und ferner mangel- 
hafte Luftaustreibung zur Folge hat, wodurch der ganze Erfolg der Des- 
infektion in Frage gestellt wird. Andere Fehler sind zu starke Drosselung 
des abströmenden Dampfes durch Verengerung der Rohrleitung, 
welche zwar Ansteigen der Temperatur des Dampfes zur Folge hat, aber auch 
den Luftaustritt hindert, und endlich Ueberhitzung des Dampfes, welche 
ihn seiner Sättigung verlustig gehen lässt, ihn trocken macht und in seiner 
Wirksamkeit sehr erheblich beeinträchtigt. 

Jeder einzelne Apparat hat besondere ihm allein eigentümliche Eigen- 
schaften und muss deswegen nach seiner Aufstellung noch einmal geprüft und 
hiernach in seiner Betriebsweise geregelt werden. Grosse Firmen lassen 
diese Prüfung durch sachverständige Ingenieure vornehmen und erteilen dann 
genaue bis ins Einzelne gehende Anweisungen für den Betrieb. Leider ist 
dies Verfahren nicht überall gebräuchlich. Von Betriebsfehlern erwäbnt 
der Verf. zunächst die ungenügende Unterhaltung des Feuers nach 
beendeter Anheizung, welche zur Folge hat, dass das nahe der Abströ- 
mungsöffnung des Dampfes angebrachte Thermometer unter 100° herabgeht, 
ferner willkürliche Drosselung der Dampfabströmungsöffnung, 
welche aus falsch verstandener Sparsamkeit und Bequemlichkeit vorgenommen 
wird, Weitererhitzung der zum Vorwärmen bestimmten Heizkörper 
nach dem Zulassen des direkten Dampfes, wodurch eine Ueberhitzung 
und Trocknung des Dampfes mit den schon erwähnten Folgen zustande kommt, 
endlich Beschickung des Apparats mit zu grossen oder zu dicht 
gepackten Ballen der zu desinficierenden Gegenstände, namentlich 
mit Kleidern und Matratzen. Versuche mit Probestücken dieser Art müssen 
den Betriebsanweisungen zu Grunde gelegt werden. 

“Nächst der Anheizungsdauer eines Apparates ist das wichtigste die 
Bestimmung seiner Eindringungsdauer, welche nicht bloss von der Menge 
und Spannung des Dampfes, sondern auch von der Grösse und Packweise des 


Desinfektion. 721 


Desinfektionsgutes abhängig ist. Zur Abtötung der Krankheitskeime genügt 
ein Zuschlag von 10 Minuten zur Eindringungsdauer mit voller Sicherheit. 
Zur Feststellung, dass die notwendige Siedetemperatur im Innern der zu 
desinficierenden Gegenstände erreicht worden ist, dienen Maximalther- 
mometer, Jodkleisterstreifen nach v. Mikulicz, die Kontrolluhr von 
Matthias, welche durch einen „arretierenden“ Zapfen auf bestimmte hohe 
Temperaturen eingestellt werden kann, der Phenanthren-Kontrollapparat 
von Sticher, welcher auf dem Schmelzpunkt dieses Stoffes bei 980 beruht, 
und endlich Milzbrandsporen. Ueber den Zeitpunkt, an welchem die ge- 
wünschte Temperatur im Innern von Ballen zu desinficierender Gegenstände 
erreicht wird, geben Legierungs-Kontakt-Thermometer, Quecksilber- 
Skalen-Kontakt-Thermometer und thermoelektrische Elemente Auf- 
schluss. Instrumente zur Bestimmung der Dampffeuchtigkeit gibt es in zuver- 
lässiger Art noch nicht, der Verf. hegt auch Zweifel an ihrer Notwendigkeit. 
Praktisch ist es von grosser Wichtigkeit, dass die Trennung der 
Desinfektionsanstalten in eine „reine“ und eine „unreine Seite in 
Wegfall kommen kann, wenn die Einlieferung der zu desinficierenden 
Gegenstände nicht mehr durch das Publikum geschieht, sondern viel richtiger 
durch die eigens ausgebildeten und geprüften Desinfektoren, und wenn 
diese Gegenstände völlig „desinfektionsfertig“ eingeliefert werden, so 
dass sie eines Aus- und Umpackens nicht mehr bedürfen. Die vollständige 
Trennung zwischen „Rein“ und „Unrein“ ist so wie so selten genug ganz 
streng durchgeführt, und die-an manchen Orten vorgeschriebene möglichst aus- 
giebige Ventilation der unreinen Seite ist nach den Ausführungen von 
Flügge wegen der Gefährdung der Umgebung (vgl. das vorhergehende Referat) 
ein Fehler. Globig (Berlin). 


Reichenhach H., Die Leistungen der Formaldehyd-Desinfektion. Aus 
d. hygien. Institut d. Univers. Breslau. Zeitschr. f. Hyg. Bd. 50. S. 451. 
Der Verf. stellt im Eingang seiner Arbeit fest, dass die Formalindes- 
infektion in ihrer jetzigen, namentlich durch Flügge und seine Schüler 
ausgebildeten, wirksamen und billigen Form als sogenanntes Breslauer Ver- 
fahren allgemeine steigende Anerkennung gefunden hat, und dass nur 
Zweifel an ihrer Wirksamkeit gegenüber Tuberkelbacillen geäussert 
worden sind. Bei einer Besprechung der nach dieser Richtung hin bekannt 
gewordenen Untersuchungen wendet er sich zunächst gegen Spenglers An- 
gabe (vgl. diese Zeitschr. 1904. S. 455), dass die Formalindesinfektion gegen 
Tuberkelbacillen versage, und erklärt Spenglers abweichende Befunde 
dadurch, dass dieser nicht den Erfolg des Tierversuchs als massgebend 
betrachtet hat, wie alle übrigen Untersucher, sondern die Kultur für em- 
pfindlicher ansieht; er macht aber mit Recht gegen Spengler geltend, dass 
Tuberkelbacillen, welche zwar noch wachstumsfähig, aber so abgeschwächt 
sind, dass sie auf Meerschweinchen keine pathogene Wirkung mehr ausüben, 
praktisch für den Menschen, der viel weniger empfänglich ist als das Meer- 
schweinchen, nicht mehr in Betracht kommen. An der Versuchsanorduung 
von Römer, welcher Tuberkelbacillenkulturen im Reagensglase der 


722 Desinfektion. 


Formalineinwirkung ausgesetzt hat, wird bemängelt, dass biermit viel zu hohe 
Ansprüche gestellt und Schlüsse auf die praktische Wirksamkeit aus den 
Befunden nicht gestattet wären. Demgegenüber werden die völlig befriedi- 
genden Ergebnisse der Nachprüfungen von Steinitz (vgl. diese Zeitschr. 
1902. S. 1097), Noetel (diese Zeitschr. 1905. S. 659), Bonhoff, Werner 
und Jörgensen (vgl. diese Zeitschr. 1904. S. 1004) hervorgehoben, und der 
etwas weniger günstige Ausfall der Versuche von Engels wird dadurch er- 
klärt, dass er mit dem in seiner Wirksamkeit gegen den Breslauer Apparat 
etwas zurückstehenden Schneiderschen Apparat gearbeitet hat. 

Neuere Beobachtungen, wonach mit Formalin behandelte Milzbrand- 
sporen auskeimten, wenn sie nachträglich durch Abspülen in Ammoniak 
von dem anhaftenden Desinfektionsmittel völlig befreit (Römer), und wenn 
sie statt 8 Tage 30 Tage lang beobachtet wurden (Werner), erkennt 
der Verf. an und gibt ohne Weiteres zu, dass derartige Keime, die früher für 
abgetötet erklärt wurden. es wahrscheinlich in Wirklichkeit nicht gewesen 
sind; er spricht aber auch diesen Beobachtungen die praktische Bedeu- 
tung ab, weil man es bei den Desinfektionen nur höchst selten mit 
Milzbrandsporen und in der Regel mit sehr viel weniger wider- 
standsfähigen Bakterienformen zu tun hat. 

Die durch Lewaschew (vgl. diese Ztschr. 1904. S. 977) von dem Breslauer 
Apparat behauptete Explosionsgefahr und seine von Mayer und Wolpert 
beobachtete Feuergefährlichkeit schreibt der Verf. teils Mängeln der Aus- 
führung, älterer Bauart u.s. w. der benutzten Apparate, teils der Verwendung 
zu grosser Mengen oder zu starker Konzentration des Spiritus (96 v.H. 
statt 86 v. H.) zu. Auch Proskauer und Elsner haben einen eigenen Apparat, 
Berolina, angegeben, bei welchem der Wasserdampf durch die 40 v.H. Formalin- 
lösung streicht, weil sie mit den Leistungen des Breslauer Apparates nicht zu- 
frieden waren. Der Verf. bedauert, dass ihre Angaben über die von ihnen ange- 
stellten Versuche keine unmittelbaren Vergleiche zwischen beiden 
Apparaten gestatten, und vermutet auch hier Mängel des benutzten Breslauer 
Apparates und Irrtümer oder Missverständnisse bei der Bemessung der Spiritus- 
mengen als Ursachen des Misserfolges. 

An der von Flügge neuerdings angenommenen Formalinmenge von 
5 g für den Kubikmeter zu desinficierenden Raumes und 3t% stündiger 
Einwirkungsdauer empfiehlt der Verf. festzuhalten und spricht sich 
gegen die von Werner verlangte Erhöhung der Desinfektionsdauer auf 7 Stunden 
und die von Proskauer und Elsner vorgeschlagene allgemeine Vermehrung 
t es für zweckmässiger, 


der Formalinmenge von 5 auf 8 g aus. Er erk 
dass unter aussergewöhnlich ungünstigen Umständen (niedrige Tempe- 
ratur, unvollständige Abdichtung des Zimmers, grosse Anzahl der darin befind- 
lichen Möbel n. s. w.) nach den Verhältnissen des Einzelfalles eine Er- 
höhung der Formalinmenge stattfindet. 

An dem in einem Nachtrag besprochenen Formalin- Desinfektionsapparat von 
O. Roepke, welcher sich von dem Breslauer Apparat durch seine Lampe, eine 
Spirituslampe, unterscheidet, wird von Engels als besonderer Vorzug die 
langsame Spiritusverbrennung gerühmt. Dies lässt der Verf. nicht 


Desinfektion. 723 


gelten, weil nach seinen Erfahrungen gerade umgekehrt der Desinfektionserfolg 

um so besser ausfällt, je rascher das Formalin verdampft und je schneller 

der Gehalt der Luft des zu desinficierenden Raumes an Formalin steigt. 
Globig (Berlin). 


Steinitz F., Ueber vereinfachte und improvisierte Formaldehyd- 
desinfektion. Aus d. hygien. Institut d. Universität Breslau. Zeitschr. f. 
Hyg. Bd. 50. S. 473. 

Für Formalindesinfektionen, die von Seiten einer Desinfektionsan- 
stalt oder durch geschulte Desinfektoren vorgenommen werden, wird der 
Breslauer Apparat vom Verf. am meisten empfohlen; er erkennt aber 
an, dass ausnahmsweise an Orten, wo Desinfektionsanstalten und Desin- 
fektoren fehlen und überhaupt Desinfektionen nur selten vorkommen, zumal 
in unbemittelten kleinen Gemeinden, Einrichtungen von Vorteil sein 
können, die den Vorzug billiger Beschaffung selbst bei etwas höheren 
Betriebskosten besitzen und sich improvisieren lassen. 

Der Verf. beschreibt mehrere Apparate, welche diesem Gesichtspunkt 
Rechnung tragen, zunächst die von Speier und Karger eingeführte, von 
Piorkowski geprüfte und empfohlene „Kapillardoppel-“ oder „Tysin- 
lampe“. Er findet, dass die Verdampfung bei ihr zu langsam von statten 
geht, und dass die Höhe der Betriebskosten in einem Misverhältnis zu den 
Anschaffungskosten (10 M.) steht, und bezweifelt, dass sie grosse Verbreitung 
finden wird. 

Ein anderer brauchbarer Apparat der Fabrik Seelze bei Hannover war 


sehr billig, aber auch sehr wenig widerstandsfähig und wird deswegen neuer- 
dings kräftiger, jedoch zu höherem Preise als der Breslauer Apparat, welcher 
46 M. kostet, hergestellt. 

Die Karboformalglühblocks von Krell und Erb sind Briketts aus 
besonders zubereiteter Kohle mit Höhlungen für Paraformpastillen; angezündet 
verbrennen sie langsam und vergasen die Pastillen, ohne sie zu entzünden. 
Das Verfahren ist sehr einfach und verlangt nur, dass 
ficierenden Raum die nötige Menge Wasserdampf durch Ausgiessen von 
Wasser oder Aufhängen feuchter Tücher entwickelt wird. Die von Enoch 
(vergl. diese Zeitschr. 1809. S. 1274) auf diese Weise mit 1 g Paraform für 
den Kubikmeter erzielten günstigen Erfolge fand der Verf. aber nicht 
bestätigt und konnte selbst mit der dreifachen Menge nur bei 2/; seiner 
Proben Abtötung erreichen, wenn er nicht nach dem Vorschlag von Dieu- 
donne reichlicheren und besser verteilten Wasserdampf durch Be- 


in dem zu desin- 


giessen von glühenden Chamottesteinen mit Wasser erzeugte. 

Der Verf. beschreibt dann eigene Versuche, bei welchen er die heissen 
Chamottesteine statt mit Wasser gleich mit verdünnter Formalin- 
lösung übergoss. Er hat eine Uebersicht aufgestellt, aus welcher für 
Räume von 10 zu 10 cbm Inhalt bis zu 100 cbm die Zahl der Steine, die 
nötige Formalin- und Wassermenge und die Menge des wirklich verdampften 
Formalins abgelesen werden kann. Der Erfolg der hiernach vorgenommenen 
Desinfektionen war gut: in einer Reihe von Versuchen wurden verschiedene 


124 Desinfektion. 


pathogene Keime, an Seidenfäden oder Läppchen angetrocknet, bis auf einige 
an schwer zugänglichen Stellen befindliche Milzbrandsporen sicher abgetötet. 
Vorzüge dieses Verfahrens sind, dass die Abdichtung des Zimmers weg- 
fällt, dass es sehr billig ist und leicht improvisiert werden kann. 
Andererseits führt der Verf. als Nachteile an, dass es oft Schwierigkeiten 
macht, genügend grosse und genügend zahlreiche Verdampfungsgefässe zu 
beschaffen, dass die Flüssigkeit leicht verspritzt und hierdurch der Fuss- 
boden beschädigt wird, und dass man, um schliesslich Ammoniak zu ent- 
wickeln, das mit Formalin erfüllte Zimmer betreten muss. 

Das Hydroformalverfahren von Krell, bei welchem tellergrosse 
Bolzen von besonderer Stahlmischung in eigenen Blechgefässen mit Formalio- 
lösung übergossen werden, und das Verfahren Springfelds, welcher kugel- 
oder eiförmige Heizkörper von Gusseisen zu Ketten vereinigt, die in beliebigen 
Gefässen mit Formalin übergossen werden, sind nach der Meinung des Verf.’s 
nicht geeignet, die Chamottesteine zu ersetzen, weil sie teuerer und 
nicht jederzeit zur Hand sind. Globig (Berlin). 


Mosebach 0., Untersuchungen zur Praxis der Desinfektion. Aus d. 
hygien. Institut d. Univers. Breslau. Zeitschr. f. Hyg. Bd. 50. S. 485. 

Bei der Nachprüfung der Wirkungen des Abwaschens mit desinfi- 
cierenden Lösungen hat der Verf. die Kaliseifenlösung ausser Betracht 
gelassen, weil sie zur Abtötung von Keimen völlig untauglich ist, und 
Vergleiche zwischen verdünntem Kresolwasser mit einem Gehalt von 
2,5 v. H. Rohkresol, Karbolsäurelösung mit einem Gehalt von 3,2 v. H. 
verflüssigter Karbolsäure und 2,5 v. H. Lysollösung vorgenommen, welche in 
den Desinfektionsordnungen in der Regel als gleichwertig neben einander ge- 
stellt werden. Er fand das verdünnte Kresolwasser gegen Typhusbacillen, 
Eiterkokken, Bacterium coli und Milzbrandbacillen ohne Sporen wirksamer 
als die beiden anderen Mittel und gibt ihm entschieden den Vorzug, da er 
sich überzeugt hat, dass sein Gehalt an wirksamen Kresolen (trotz der 
wechselnden Zusammensetzung des Rohkresols) zuverlässig genug ist, da 
es in der geprüften Konzentration 2—3 mal billiger ist, als die beiden 
anderen Mittel, und da es wegen seiner dunklen Farbe nicht so leicht wie 
Karbolsäure mit Getränken verwechselt werden kann und einen für viele 
Menschen weniger unangenehmen, mehr teerartigen Geruch hat. 

Bei den Versuchen wurden Kiefernbretter verschiedener Art und Zu- 
richtung und später alter abgetretener Fussboden, welcher ausser den Fugen 
und Nageldellen noch Risse und Spalten hatte, mit Typhuskot (dünnbreiige 
sterilisierte Darmentleerungen mit reichlichen Mengen von Typhusbaeillen) be- 
schmiert und nach einer Stunde mit 2,5 v. H. Kresollösung abgeschrubbt, 
so dass die Fläche spiegelnd nass war. Nach 1/—1 Stunde Antrocknens 
wurden Proben abgekratzt. Glatte Oberflächen waren desinficiert, auch 
Fugen mehr, als der Verf. erwartet hatte, aber in den Nageldellen waren 
die Keime nur zu einem kleinen Teil abgetötet und der in ihnen enthaltene 
Schmutz bildete das Hindernis für die Desinfektion. 

Von Pflanzenfasergeweben waren Baumwolle und Leinewand schon in 


Desinfektion. 125 


3—5 Minuten durch Abbürsten mit einer in 2,5 v. H. Kresollösung ge- 
tauchten Wurzelbürste desinficiert, dagegen Kammgarnstoff (Tierhaare) erst 
in !/, Stunde. 

Für Abwässerdesinfektion ist meistens Chlorkalk und Kalk- 
milch vorgeschrieben. Der Verf. bestimmte zunächst in einer Anzahl von 
Chlorkalkproben verschiedener Herkunft und verschiedenen Alters den Chlor- 
gehalt durch Titration und fand seine Abnahme zwar im allgemeinen der Ver- 
minderung des Geruchs entsprechend, erklärt aber doch die Beurteilung 
nach dem Geruch für sehr unzuverlässig und hält es deshalb für not- 
wendig, den Chlorkalk als Desinfektionsmittel ganz fallen zu lassen. 
An seiner Stelle empfiehlt er Kalkmilch und hebt hervor, dass diese ebenso 
wirksam, aber weit leichter und bequemer als aus gebrannten Kalk, aus 
dem gelöschtem Kalk, der auf jedem Neubau zu haben ist, hergestellt 
werden kann, indem man zu 1 Raumteil Löschkalk 1!/, Teile Wasser hinzu- 
setzt. Man erhält dann eine Flüssigkeit mit 20 v. H. Caleiumoxyd, welche 
nach den Versuchen des Verf.’s Typhuskot (s. oben) in 2 Stunden (in 
1 Stunde noch nicht) desinficiert, wenn sie ihm in gleicher Menge zu- 
gesetzt und damit vermischt wird. Diese Wirkung der Kalkmilch war auch 
noch vorhanden, nachdem sie 12 Tage gestanden hatte. 

Die Desinfektion von Büchern, ohne sie zu beschädigen, war bisher 
nicht gelungen. Bei Behandlung mit gasförmigen Desinfektionsmitteln wie 
Formalin und dem Pictetschen Gemisch von Kohlensäure und schwefliger 
Säure hatte v. Schab (vgl. diese Zeitschr. 1898. S. 855) unbefriedigende 
Ergebnisse gehabt, und durch Wasserdampf wird zwar eine sichere Ab- 
tötung der Keime erzielt, aber das Leder der Einbände schrumpft, der 
Leim löst sich und das Papier wird verfärbt. Der Verf. ist nun davon 
ausgegangen, dass man in Laboratorien u. s. w. zur wirksamen Desinfektion 
von Glasgefässen und dergl. trockene Hitze von 160—180° einige Stunden 
einwirken lässt, und hat versucht, das Gleiche für Bücher durch eine niedrigere 
Temperatur, aber eine verlängerte Einwirkung zu erreichen. In der Tat ist 
es ihm gelungen, indem er in einem Schrank mit doppelten kupfernen Wänden 
und Wasserfüllung Bücher ohne ‘weiteres aufeinander stapelte, durch Erhit- 
zung auf 75—80° während einer Dauer von 16—24 Stunden Eiter- 
kokken, Diphtheriebacillen und tuberkulösen Auswurf, die er an Seidenpapier 
hatte antrocknen lassen und dann zwischen die Blätter starker Bände gelegt 
hatte, mit Sicherheit zu vernichten. Die Bücher erlitten dabei keinerlei 
Beschädigung. Globig (Berlin). 


Speck, Albrecht, Hygienische Händedesinfektion. Aus d. byg. Institut 
zu Breslau. Zeitschr. f. Hyg. Bd. 50. S. 502. 

Der Verf. hebt den zuerst von Seitz gemachten, aber praktisch nicht 
durchgeführten Unterschied zwischen der chirurgischen und hygie- 
nischen Händedesinfektion hervor, wonach es bei jener nur auf die 
Beseitigung der vorhandenen Keime ankommt, bei der hygienischen Desin- 
fektion sich aber um ihre Vernichtung handelt. Daraus folgt, dass bei der 
letzteren keine nur mechanische Entfernung der Keime stattfinden darf und 


126 Desinfektion. 


namentlich die Behandlung der Hände mit Seife unterbleiben muss. Da ferner 
die für die Händedesinfektion verfügbare Zeit nur kurz ist, lässt sich nur von 
den kräftigsten chemischen Desinfektionsmitteln Erfolg erwarten. 

Die Anordnung der Versuche des Verf.'s, deren Ergebnisse am Schluss 
der Arbeit in Uebersichten mitgeteilt werden, war so, dass er zu einem dünn- 
flüssigen sterilisierten Stuhlgang meistens Kulturen von Bact. coli, seltener 
von B. prodigiosus und von Eiterkokken hinzusetzte, ein reines Tuch hinein- 
tauchte und durch dessen Anfassen die Hände in ganz ähnlicher Weise infi- 
cierte, wie es am Krankenbett mit den Ausleerungen der Kranken vorkommt; 
nach 5 Minuten Antrocknens wurde zunächst eine Kontrollprobe genommen, 
dann folgte die Desinfektion, Abspülen des Desinfektionsmittels unter der 
Wasserleitung, leichtes Abtrocknen und die Probenahme von der Handfläche 
und aus den Unternagelräumen mit kleinen Schwämmchen. Aus praktischen 
Rücksichten beschränkte sich der Verf. vorzugsweise auf die beiden billigen 
und wirksamen Mittel Kresolseifenlösung 5 : 100 und Sublimatlösung 1: 1000. 

Die Kresolseifenlösung 5:100, welche im Reagensglase in 3 bis 
5 Minuten sogar die widerstandskräftigen Eiterkokken tötete, bewährte sich 
bei der Händedesinfektion nicht, wenigstens nicht für die Unternagel- 
räume, weil sie dort nur schwer an die vorhandenen Keime herankommen 
und auf sie einwirken kann. Durch Bearbeitung der Unternagelräume mit 
Bürsten, Nagelreinigern, Schwämmchen liess sich der Desinfektionserfolg zwar 
bessern, aber eine sichere Wirkung wurde selbst bei 5 Minuten dauernder 
Anwendung nicht erzielt. Da die hygienische Händedesinfektion notwendig in 
kurzer Zeit erfolgen muss, so ist deswegen die Kresolseifenlösung 5 : 100 hier- 
zu nicht geeignet. 

Bei den Desinfektionsversuchen mit Sublimat 1:1000 macht es, wie 
zuerst Geppert gezeigt hat, einen grossen Unterschied, ob die desinficierten 
Proben durch Abspülen in Schwefelammonium von dem ihnen anhaften- 
den Sublimat befreit werden oder nicht. Der Verf. nimmt an, dass das (ueck- 
silber sehr schnell — bei den Typhusbacillen und dem Bacterium coli schon 
in !/, Minute — von den Bakterienzellen gebunden wird und bierdurch zu- 
nächst eine Entwickelungshemmung, später auch Abtötung verursacht, durch 
Schwefelammonium aber diese Bindung wieder zersprengt wird. In der Tat 
Hess sich bei nachträglicher Behandlung der Proben mit Schwefel- 
ammonium weder an den Handflächen noch in den Unternagel- 
räumen Abtötung der Keime durch Sublimatlösung 1:1000 erreichen; 
unterblieb aber die Abspülung mit Schwefelammonium, so war die 
Desinfektion hinreichend sicher. Daran, dass bei der praktischen An- 
wendung kein Schwefelammonium zur Anwendung kommt, braucht kaum er- 
innert zu werden. Nun hatte der Verf. zufällig beobachtet, dass durch Subli- 
matreste, die von früheren Desinfektionen her — bis zu 20 Stunden 
vorher — an seinen Händen haften geblieben waren, die Kontrollproben 
steril gemacht wurden, und er konnte feststellen, dass durch Eintauchen 
der Hände in Sublimatlösung vor der Infektion dieselbe Wirkung wie 
durch nachträgliche Desinfektion sich erreichen lässt, und dass nament- 
lich wiederholtes Eintauchen in Sublimatlösung, selbst wenn es nur 


Desinfektion. 127 


ganz kurze Zeit dauert, einen besonders hohen Grad von Sicherheit 
der Desinfektionswirkung gewährt, weil das Sublimat dabei an den 
Händen und namentlich im Unternagelraum aufgespeichert wird und eine 
rasche und gute Desinfektion der später mit ihm in Berührung kommenden 
Keime bewirkt. Gerade kurzes, aber häufig wiederholtes Eintauchen 
der Hände in Sublimatlösung ist ausserdem eine Forderung, die am 
Krankenbett sehr wohl erfüllt werden kann. Allerdings ist Sublimat 
in Lösung von 1:1000 gegen Eiterkokken weit weniger wirksam als gegen 
andere pathogene Keime, aber seiner Anwendung in der Praxis geschieht 
hierdurch nur wenig Abbruch, weil man es in der Regel mit Krankheits- 
keimen zu tun hat, welche die Widerstandsfähigkeit der Eiterkokken nicht 
erreichen. Jedenfalls ist es für die hygienische Händedesinfektion vorläufig 
nicht zu entbehren, zumal es ausserdem die Vorzüge besitzt, dass es billig, 
geruchlos ist und die Hände nicht angreift. 

Vergleichende Versuche des Verf.'s mit Sapal, einer guten festen Spiritus- 
seife, mit Schwefelsäure !/, und 1 v. H., Wasserstoffsuperoxyd 1 und 
3 v.H., Lysol 2 und 5 v. H., Cyllin 1 v.H. und der Mischung Krönigs 
und Pauls aus Kaliumpermanganat und Salzsäure hatten keine be- 
friedigenden Ergebnisse; nur Jodtrichlorid 1 v. H. kam bei Einwirkung 
während 1 Minute in seiner Wirkung dem Sublimat nahe, hat aber die Nach- 
teile des hoben Preises und des starken Jodgeruches. 

Hiernach ergibt sich für die hygienische Händedesinfektion die 
Vorschrift, dass Krankenpfleger und Aerzte, die mit den Ausscheidungen eines 
ansteckenden Kranken in Berührung kommen, womöglich schon vorher 
ihre Hände in Sublimatlösung 1:1000 tauchen und in dieser Flüssigkeit 
Nagelfalze und Tlnternagelräume gründlich mit Schwämmchen 
oder Bürsten reinigen, dann ihre Hände nur oberflächlich abtrocknen 
und erst nach mindestens 5 Minuten mit Wasser und Seife reinigen 
sollen. Dies soll bei jeder Berührung der Ausscheidungen des Kranken oder 
der mit ihnen verunreinigten Gegenstände wiederholt werden. 

Globig (Berlin). 


Schnürer J. (Wien), Weitere Versuche zur Desinfektion der Eisenbahn- 
Viehtransportwagen mit wässerigen Formaldehydlösungen. Zeit- 
schr. f. Infektionskrankh., paras. Krankh. u. Hyg. d. Haustiere. Bd. 1. S. 32. 

Verf. stellte praktische Desinfektionsversuche an Eisenbahn-Vieh- 
transportwagen mit Formaldehyd an, wobei er dem Prinzip von Gruber, 
der Cblorkalklösungen zu gleichem Zwecke zur Anwendung brachte, folgte. 

Dasselbe besteht in einem wiederholten Bespritzen der Wagenwände unter 

Druck mit grossen Mengen stark verdünnter Desinfektionsflüssigkeit. Die 

starke, jedoch ausreichende Verdünnung gestattet die Anwendung grosser 

Mengen der Desinfektionslösung, wodurch ohne Kostenerhöhung eine Massen- 

wirkung erzielt wird; die wiederholte Bespritzung hat den Zweck, den Des- 

infektionseffekt möglichst unabhängig von der Sorgfalt des Arbeiters zu machen 
und die Wirkung noch zu steigern, was bei einer einmaligen Bespritzung mit 
der gleichen Menge Flüssigkeit wegen des stärkeren Ablaufes nicht möglich 


128 a Desinfektion. 


wäre. Die Bespritzung geschah von aussen durch die Wagentüren vermittels 
einer kleinen Saug- und Druckpumpe (Torpedospritze). Als Düse diente ein 
quergeschlitztes Ansatzstück, das bei einer Entfernung von 2—3 m einen drei- 
eckigen Wasserfächer von ca. 1—2 m Basislänge erzeugte. Als Testobjekte 
wurden an Seidenfäden angetrocknete Milzbrandsporen benutzt. Je 2 Seiden- 
fäden wurden in Fliesspapier eingepackt und eine grössere Anzahl solcher 
Päckchen an den Wänden, auf dem Boden und in den Ritzen der Wagen mit 
kleinen Nägeln befestigt. Der Formaldehyd gelangte in 1—2 proz. Lösung 
zur Anwendung. Als ausreichende Konzentration erwies sich schon ein 
1 proz. Formaldehydgehalt = 21/, Liter 4Oproz. handelsübliche Formaldehyd- 
lösung auf 100 Liter Wasser. Als geringste Gesamtmenge Desinfektionsflüssig- 
keit sind pro Wagen 60 Liter erforderlich, welche geteilt in 2 Absätzen mit 
mindest halbstündiger Pause von beiden Seiten des Wagens zu verspritzen 
sind. Vor der Desinfektion sind die Wagen. mechanisch durch Besen von dem 
gröbsten Schmutz zu befreien und durch Einleiten von Dampf von 4—5 Atm. 
Druck oder durch heisses Presswasser gründlichst zu reinigen und hierauf bis 
zur oberflächlichen Abtrocknung eine halbe Stunde lang offen stehen zu lassen. 
Da diese Methode durchaus nicht auf Abdichtung rechnet, kann sie auch bei 
Gitterwagen angewandt werden. 

Erwähnenswert ist noch, dass in einem Parallelversuch mit 5 proz. Chlor- 
kalklösung und 1,5 proz. Formaldehydlösung sich letztere als stärker desinfi- 
cierend zeigte. Während die Chlorkalklösung nur eine Abtötung von 42=54,80/, 
der ausgelegten 80 Milzbrandsporenfäden ergab, war mit dem 1,5proz. Formal- 
dehyd von 74 ausgelegten Sporenfäden bei 72= 97,30/, Abtötung zu verzeichnen. 

Bongert (Berlin). 


Köhler, Bruno, Einwirkung neuerer Desinficientien, besonders des 
Hydrargyrum oxycyanatum, auf inficierte Instrumente. Disser- 
tation. Marburg 1905. 

DasQuecksilberoxycyanid in derForm der vonPieverling in den Handel 
gebrachten Pastillen (mit Kochsalz in ein leicht lösliches Doppelsalz umgesetzt) 
zeigte erst in 3—5 proz. Lösungen nennenswerte baktericide Wirkungen 
und erwies sich in Lösungen von !/ıooo, wie Pieverling angibt, nicht ver- 
wertbar. Das Mittel sfeht also dem Sublimat als Desinficiens bedeutend nach, 
doch hat es vor ihm den Vorzug, dass es selbst in 8—10 proz. Lösungen 
Instrumente nicht angreift und die Haut nicht reizt. 

Die Desinfektionskraft von Formalin wird durch Zusatz von Wasserstoff- 
superoxyd herabgesetzt, was Verf. auf Oxydation des Formols in Ameisensäure 
zurückführt. h 

Als kräftiges Desinficiens erwies sich Acrolein. In einer 1 proz. Lösung 
wurden Streptokokken und Bac. pyocyaneus sofort getötet. Praktisch lässt 
es sich wegen der Beizwirkung auf Instrumente und Schleimhäute nicht 
verwerten. Manteufel (Halle a. S.). 


Desinfektion. 129 


v. Herf, Die Heisswasser-Alkoholdesinfektion nach Ahlfeld auf 
der geburtshilflichen Abteilung des Frauenspitals Basel-Stadt. 
Münch. med. Wochenschr. 1905. No. 24 u. 25. S. 1132 u. S. 1203. 

v. H. bekennt sich zu dem heutzutage fast allgemein anerkannten Satze, 
dass „eine Keimfreiheit der Haut, insbesondere der Händehaut, 
geschweige denn des weiblichen Genitales“, die während der Dauer 
einer grösseren Operation anhalten soll, mit unseren Mitteln in keiner 
Weise zu erreichen ist. Für einen kürzeren Zeitraum, wie es z. B. für 
die meisten nur kurzdauernden geburtshilflichen Eingriffe erforderlich 
ist, kann dagegen mit Sicherheit eine hochgradige Keimarmut, ja 
sogar vorübergehende Sterilität erzielt werden, so dass die etwa mög- 
liche Infektionsgefahr auf ein Mindestmass herabgedrückt erscheint. 

Die von vielen Seiten so warm empfohlenen Gummihandschuhe glaubt 
v. H. entbehren zu können und hält sie „bei ausgedehntem geburtshilflichen 
Unterricht für vollständig überflüssig“, da auch ohne dieses Schutzmittel 
schwere ektogene Infektionen mit hervorragender Sicherheit während längerer 
Zeiträume zu vermeiden seien. 

Da unsere Handantiseptika, das Sublimat einbegriffen, Ritererreger in der 
zur Händewaschung verwendeten Zeit in nachweisbarer Form nicht schädigen, 
wenn sie mit denselben in Biweisslösungen zusammentreffen, oder die 
Keime durch verborgene und geschützte Lage der Wirkung des Desinficiens 
entzogen sind, so ist eine Waschung mit Heisswasser und anschliessender 
Anwendung eines lediglich chemisch wirkenden Antiseptikums ohne Alkohol 
ungenügend. Der letztere hat den Vorzug, entiettend und direkt keim- 
tötend zu wirken, auch vermag er in die tieferen Partien der Epider- 
mis und in die Drüsenmündungen einzudringen. Das Gesamtergebnis 
der Fürbringerschen Desinfektion ist sicher nicht besser als dasjenige nach 
der einfachen Alkoholwaschung. 

Das von Ahlfeld angegebene Heisswasser-Alkohol-Verfahren hat trotz 
der allgemein anerkannten hervorragenden Bedeutung des Alkohols bei der 
Desinfektion fast nur Gegner und recht wenig Freunde gefunden, obwohl 
dasselbe in der Technik viel einfacher als Fürbringers Methode ist. Seit 
3 Jahren hat v. H. den Ahlfeldschen Desinfektionsmodus am Baseler 
Frauenspitale mit dem allerbesten Erfolge eingeführt. Ein Vergleich 
der Operations- und der Morbiditätsstatistik von Berlin und Basel lehrt, dass 
Berlin eine um 3,8%, höhere Operationsfrequenz der Entbundenen, aber auch 
eine um 4°/, grössere puerperale Morbidität hat. Besonders wurde in Basel 
die Verminderung der Zahl der schweren allgemeinen und der lokalen Wochen- 
betterkrankungen erreicht. Da die Sterblichkeit an puerperaler Sepsis in 
allen modernen Anstalten so erfreulich herabgesetzt worden ist, dass diese 
als Vergleichsmoment nicht mehr benutzt werden kann, so darf besonders die 
Vermeidung der unter der Bezeichnung Para- und und Perimetritis gehenden 
Affektionen als Massstab für den Wert verschiedener Desinfektionsverfahren 
gelten. Wie auf der geburtshilflichen, so hat sich auch auf der gynäkologischen 
Station die Heisswasseralkoholdesinfektion vorzüglich bewährt. Sie erscheint 
deshalb dem Fürbringerschen Verfahren klinisch ebenbürtig und verdient, 


730 Medizinalwesen. 


zumal ihre Technik einfacher ist, den Aerzten ganz besonders empfohlen zu 
werden. Schumacher (Hagen i.W.). 


Weyl Th., Assanierung. Die Abwehr gemeingefährlicher Krank- 
heiten. 80 Ss. 19 Taf. gr. 8°. Jena 1904. Verlag von Gustav Fischer. 
Preis: 5 M. 

Die beiden Bearbeitungen bilden Teile des vierten Supplementbandes 
„Sociale Hygiene“ des bekannten vom Verf. herausgegebenen Handbuchs der 
Hygiene. i 

Zur Assanierung, welche die auf eine Verbesserung hygienischer Zu- 
stände gerichteten Massnahmen umfasst, gehört in erster Reihe die Beschaffung 
gesunden und reichlichen Trinkwassers, ferner die unschädliche Beseitigung 
der städtischen Abfälle. Dementsprechend sind die Wasserversorgung, die 
Reinhaltung der Luft, die Beseitigung der Meteorwässer, Regen und Schnee, 
der Fäkalien, des Hausmülls und des Strassenkehrichts, der Menschen- und Tier- 
leichen, sowie die Pflasterung und Reinhaltung der Strassen erörtert worden. 
Die Erfolge der Assanierung werden an dem für Berlin, München, Wien, Zürich 
vorliegenden Material geprüft. 

Der grössere Teil des Buches beschäftigt sich mit der Abwehr gemein- 
gefährlicher Krankheiten. In einem allgemeinen Teile wird ausser der 
Anzeigepflicht und der Organisation des ärztlichen Dienstes der verschiedenen 
Schutzmassregeln, wie der Beobachtung kranker und verdächtiger Personen, 
der See- und Landquarantänen, des Verbots des Schulbesuchs, der Räumung” 
von Wohnungen und Häusern, der Desinfektion, der Schutzimpfung gedacht. 
Der besondere Teil erstreckt sich auf die Lungenschwindsucht, die Pocken und 
die Geschlechtskrankheiten. Würzburg (Berlin). 


Kluczenko B., Sanitätsbericht der Bukowina für die Jahre 1901—1903. 
335 Ss. 4°. Czernowitz 1904. Verl. d. k. k. Landesregierung. 

Die Gesundheitsverhältnisse müssen wegen der grösseren Verbreitung 
der Infektionskrankheiten, in erster Reihe Masern und Scharlach, als ungünstig 
bezeichnet werden. Masern veranlassten 1901 und 1902: 19208 Erkrankungen. 
1903 fand eine starke Verbreitung böser Scharlachepidemien, sowie des 
Typhus und der Ruhr statt. Wiederholte Einschleppungen von Fleckfieber 
aus Galizien bedrohten das Land in beunruhigendem Grade. Bis auf einen Fall 
gelang es jedoch stets, der Ausbreitung dieser Krankheit vorzubeugen. Die 
Zahl der Fälle von meldepflichtigen Krankheiten betrug in den drei Jahren 
16883, 17152, 11535, von denen 1855, 2708, 3168 tödlich verliefen. Dar- 
unter befinden sich auch 56, 165, 262 Erkrankungen und 14, 5, 12 Todes- 
fälle an Pellagra, deren zunehmende Verbreitung auf die ungünstigen Mais- 
ernten der letzten Jahre in Gemeinschaft mit der grossen Armut der Land- 
bevölkerung, sowie darauf zurückzuführen ist, dass zahlreiche Feldarbeiter 
monatelang in Rumänien unter ungünstigen hygienischen Verhältnissen weilten 
und dort hauptsächlich von verdorbenem Mais und verdorbenem Schafkäse 


Verschiedenes. 731 


lebten. Die Gesamtzahl der Pellagrösen belief sich auf 251, 563 und 570. Die 
dem Staatsschatze aus der Tilgung der Infektionskrankheiten erwachsenen Aus- 
lagen haben sich 1903 (rund 24 000 Kronen) gegen das Vorjahr fast verdoppelt. 

Die Zahl der Impfungen und Wiederimpfungen, welche durchweg mit 
animaler Lymphe erfolgten, betrug 41 260, 42142 und 42036. 94,1, 97,3 
und 93°), der Impfungen waren erfolgreich. 1903 gelangten 885 Fälle von 
venerischen Erkrankungen, darunter 256 von Gonorrhöe, zur amtlichen 
Kenntnis. In 86 Gemeinden gab es 245 Trachomkranke. 3211 oder 11,3%, 
aller Volksschulkinder erwiesen sich als mit kropfartigen Veränderungen be- 
haftet. Nicht in Irrenanstalten untergebrachte Geisteskranke wurden 35 
bis 38 auf 100000 Einwohner ausgewiesen, desgleichen Taubstumme 82 
bis 88, Kretinen 37—40, Blinde 53—58. Die meisten der letzteren standen 
im Alter von 40—50 Jahren. 1903 waren 16,2°/, der Blinden blind ge- 
boren, 10,1 durch infektiöse Augenentzündung, 9,3 durch Pocken erblindet. 

Auf je 1000 Einwohner kamen 25,5, 28,4 und 27,0 Todesfälle. Der 
Geburtsüberschuss betrug 14,4, 11,7 und 13,2°/%. Von 20234 im Jahre 1903 
Gestorbenen waren 1356 durch Scharlach, 598 durch Dysenterie, 1652 durch 
Tuberkulose, 1626 durch Lungenentzündung, 286 durch bösartige Neubildungen, 
324 auf gewaltsame Weise zugrunde gegangen. 52,80%, aller Todesfälle er- 
eigneten sich in den ersten 5 Jalıren, 33,5 im 1. Lebensjahre. 

Die sanitären Einrichtungen zur Abwehr der Infektionskrankheiten 
waren, besonders in den Landgemeinden, unzureichend. Der Mangel ent- 
sprechend eingerichteter Isolierlokale, geschulter Sanitäts- und Desinfektions- 
diener machte sich beim Auftreten infektiöser Krankheitsfälle unangenehm 
fühlbar. Dampfdesinfektionsapparate bestanden 9 stabile und 15 mobile, 
dazu kamen 7 improvisierte. 

Die Zahl der Krankenhausbetten hat von 1900--1903 um 98 zuge- 
nommen, der Kranken um 2196, der Verpflegungstage um 20 306. Die durch- 
schnittliche Verpflegungsdauer eines Kranken betrug 1903: 26 Tage. Die 
Sterblichkeit schwankte zwischen 4,3 und 4,50%. Würzburg (Berlin). 


Dorn E., Baumann E., und Valentiner S., Ueber die Einwirkung der 
Radinmemanation auf pathogene Bakterien. Zeitschr. f. Hyg. 
Bd. 51. S. 328. 

Die Verff. haben das aus Lösungen von Radiumbaryumehlorid und von 
reinem Radiumbromid ausströmende unbekannte gasförmige Element, das als 
„Emanation“ bezeichnet wird, durch Gummischläuche und Gebläse in 
Kulturgefässe geleitet und dort auf Aussaaten verschiedener Bakterien in festen 
und flüssigen Nährböden einwirken lassen. Meistens benutzten sie dazu 
Typhusbacillen; einige Versuche wurden auch mit den Bacillen des 
Mäusetyphus, der Cholera und der Diphtherie angestellt. Das Ergebnis 
war eine deutliche Entwickelungshemmung oder Abtötung dieser 
Bakterien. Ganz ähnliche Wirkung hatte die von reinem Radiumbromid aus- 
gehende Bestrahlung der Aussaaten; doch genügte unter den Versu chsbe- 


132 Kleinere Mitteilungen. 


dingungen der.Verff. eine 24 stündige Bestrahlung nicht, um völlige Abtötung 
herbeizuführen. Globig (Berlin). 


Kleinere Mitteilungen. 


(:) Der Deutsche Vorein für öffentliche Gesundheitspflege versendet 
soeben seine Einladungen zur 31. Versammlung, die in diesem Jahre vom 12. bis 
15. September zu Augsburg stattfinden soll. Die Tagesordnung lautet: 


Mittwoch, den 12. September. 

1. Die Bekämpfung der Tollwut. Referent: Prof. Dr. Frosch (Charlottenburg). 

2. Die Milchversorgung der Städte mit besonderer Berücksichtigung der Säug- 
lingsernährung. Referenten: Stadtbezirksarzt Dr. Poetter (Chemnitz), Beigeordneter 
Brugger (Köln). 

Donnerstag, den 13. September. 

3. Walderholungsstätten und Genesungsheime. Referent: Dr. R. Lennhoff 
(Berlin). 

4. Die Bekämpfung des Staubes im Hause und auf der Strasse. Referenten: 
Professor Dr. Heim (Erlangen), Stadıbaumeister Nier (Dresden). 

Freitag, den 14. September. 

5. Welche Mindestforderungen sind an die Beschaffenheit der Wohnungen ins- 
besondere der Kleinwohnungen zu stellen? Referent: Regierungsbaumeister a. D. Bei- 
geordneter Schilling (Trier). 

Sonnabend, den 15. September. 
Gemeinsamer Ausflug nach Hohenschwangau. 


(:) Säuglingssterblichkeit und Zahl der Totgeborenen in einigen 
Grossstädten Europas während des Jahres 1904. 

Hinsichtlich der Eintragung neugeborener Kinder als totgeboren gelten bekannt- 
lich im Deutschen Reiche etwas andere Bestimmungen als in den westlichen Nachbar- 
ländern Frankreich, Belgien und den Niederlanden. 

In diesen drei Staaten werden die innerhalb der ersten 3 Tage nach dem Tage 
der Geburt gestorbenen, lebend geborenen Kinder noch als totgeboren eingetragen, 
denn hier gelten gesetzlich nur solche Kinder als lebendgeboren, welche innerhalb 
der bezeichneten dreitägigen Anmeldefrist dem Standesbeamten als lebend 
angezeigt werden; im Deutschen Reiche dagegen dürfen als totgeboren nur diejenigen 
Kinder eingetragen werden, welche am nächsten Tage nach der Geburt dem Standes- 
beamten als „tot zur Welt gekommen“ gemeldet worden sind, alle übrigen neugeborenen 
Kinder gelten im Deutschen Reiche als lebendgeboren, und ihr Tod, auch wenn er 
innerhalb der ersten 3 Tage des Lebens erfolgt, wird als Tod eines Säuglings ver- 
zeichnet. 

Dieser Unterschied der bestehenden Bestimmungen ist offenbar von wesent- 
lichem Einfluss auf die Zahl der als „gestorben“ gemeldeten Lebendgeborenen, mithin 
auf die Höhe der in üblicher Weise errechneten Säuglingsterblichkeit; das Statistische 
Amt der Stadt Amsterdam hat daher seinen alljährlich veröffentlichten Jahres- 
tabellen für Amsterdam und einige grosse Städte der Welt!) letzthin auch 


1) Statistische Mededeelingen, uitgegeven door het Burcau van statistiek der 
Gemeente Amsterdam. No. 12. Statistiek der Bevolking van Amsterdam en eenige 
steden der wereld 1905. 


Kleinere Mitteilungen. 733 


eine Tabelle beigefügt, in der für zahlreiche Städte eine Ziffer der „Säuglings- 
sterblichkeit“ aus der Zahl der im ersten Lebensjahre gesiorbenen Kinder, einschl. 
der als totgeboren gemeldeten Kinder, errechnet worden ist. Für Berlin be- 
trägt z. B. in dieser Tabelle die Ziffer der Säuglingssterblichkeit 18,4 (auf 100 Lebend- 
und Totgeborene), da hier im Berichtsjahre 48842 Kinder lebendgeboren, 1831 tot- 
geboren, und 7498 lebendgeborene Kinder während des ersten Lebensjahres gestorben 
sind. (7498 —- 1813 : 48842 -+ 1831 = 18,41 : 100.) 

Die Städte Grossbritanniens mussten bei solcher Berechnung ausser Betracht 
bleiben, da in Grossbritannien Totgeborene überhaupt nicht amtlich verzeichnet werden; 
Christiania in Norwegen und die Städte Spaniens nehmen ebenfalls eine Ausnahme- 
stellung ein und sind zum Vergleichen nicht herangezogen, da dort nur solche Kinder 
als lebendgeboren eingetragen werden dürfen, welche mindestens 24 Stunden nach 
der Geburt gelebt haben, es kommt dort also bei der Berechnung der Säuglingssterb- 
lichkeit die hohe Zahl der innerhalb der ersten 24 Stunden des Lebens verstorbenen 
Säuglinge nie zur Geltung. 

Die erwähnte, u. a. 75 Grossstädte umfassende Tabelle, betreffend die Sterblich- 
keit der Säuglinge mit Einschluss der T'otgeborenen, zeigt nun in bemerkenswerter 
Weise, dass Berlin — verglichen mit den Grossstädten der Nachbarstaaten -— keines- 
wegs durch eine hohe Säuglingsterblichkeit auffällt, sondern im Jahre 1904 zu den 
europäischen Grossstädten mit geringer Säuglingssterblichkeit gehört hat. Eine 
höhere Säuglingssterblichkeit als Berlin hatten: 1. alle aufgeführten Gross- 
städte Frankreichs mit Ausnahme von Paris und Bordeaux (also: Lyon, Rouen, 
Nancy, Reims, Robaix, St. Etienne, Le Havre, Nizza), 2. alle aufgeführten 
Grossstädte Oesterreichs mit Ausnahme von Graz, (also: Wien, Prag, Triest, 
Lemberg, Brünn), 3. alle aufgeführten Grossstädte Italiens mit Ausnahme von Flo- 
renz und Mailand, (also: Turin, Neapel, Genua, Palermo!), 4. im Westen 
ferner: Brüssel, Antwerpen, Gent, Utrecht, 5. im Osten: St. Petersburg, 
Moskau, Warschau, Odessa u. s. w., in Südeuropa noch: Madrid, Bukarest, 
Cartagena. 

Ausserdeutsche enropäische Grossstädte, welche trotz Einrechnung der Totge- 
borenen eine niedrigere Säuglingsterblichkeit als Berlin hatten, waren — ausser den 
5 bereits genannten — besonders: Stockholm, Amsterdam, Rotterdam, Haag, Kopen- 
hagen (18,3), Zürich, Genf, Basel, Lüttich, Budapest. 

(Veröff. d. Kais. Ges.-A. 1906. No. 4. S. 82.) 


(:) Mitteilungen aus dem Statistischen Jahrbuche der Stadt Berlin. 
(29. Jahrgang) für das Jahr 1904. 

Die auf den Jahresschluss fortgeschriebene Wohnbevölkerung Berlins stellte 
sich auf 1999194 Einwohner. Der Bevölkerungszuwachs im Jahre 1904 überstieg 
43000 und war um fast 8000 höher als im Vorjahr. Wie in früheren Jahren machte 
sich auch im Berichtsjahr die Zunahme nur in denjenigen Stadtteilen geltend, die ab- 
seits von der inneren Stadt und den an letztere angrenzenden Bezirken lagen. Be- 
sonders gross war der Zuwachs in den Vororten, namentlich in den südwestlichen 
und westlichen. € 

Die schon vorher rege Bautätigkeit nahm 1904 noch zu; Rohbauabnahmen er- 
folgten 1482 (1903 : 1347), darunter 1062 (997) von Neubauten. Unter den 913 (685) 
als gebrauchsfertig abgenommenen Neubauten befanden sich 673 (524) Wohnhäuser, 


1) Palermos Säuglingssterblichkeit war = 18,44, für Rom fehlen die Angaben 
2.2.0. 


734 Kleinere Mitteilungen. 


von denen 627.(500) je 5 Stockwerke enthielten. Im ganzen entstanden 19827 (14357) 
neue Wohnungen mit 37243 (27983) heizbaren Zimmern und 19557 (14208) Küchen. 

Nach dem Ergebnisse von besonderen Ermittelungen standen bei Beginn des 
Jahres 1904 leer 5436 (4529) Wohnungen ohne Gewerberäume, 482 (348) mit solchen 
und 3433 (3236) Geschäftsräume ohne Wohnungen, 

Während die Bevölkerungsziffer im dauernden Anwachsen begriffen ist, geht die 
Geburtenziffer seit 1876 anhaltend zurück. Geboren wurden im Berichtsjahre 50716 
Kinder, d. i. 25,72 auf je 1000 Einwohner (gegen 49571, d. i. 25,66°/% im Vorjahr 
und 47,2°/0 im Jahre 1876.) AusserehelicheGebarten wurden 8269 (7738) gemeldet, 
d. i. 4,2 (4,0)°/oo der Bevölkerung und 111,5 eheliche auf je 1000 Ehefrauen, gegen 
113,1 im Vorjahre und 240,3 im Jahre 1876. Tot zur Welt kamen 1831 (1747) Kinder, 
d. i. 36,1 (35,3)°/oo der Geborenen, darunter aussereheliche 421 (420), d. i. 50,9 
(54,3) %ho- 

Die Zahl der Todesfälle übertraf mit 33425 (d. i. 17,0°/%) nicht unerheblich 
die der beiden Vorjahre (mit 31882, d. i. 16,5 0/90, bezw. 30740, d. i. 16,2°/90), wenn 
sie auch an sich noch als niedrig anzusehen ist. Seit dem Jahre 1895, das eine 
Sterblichkeitsziffer von 20,2°/90 aufwies, hat diese 20°/% nicht wieder erreicht. Der 
Jahreszeit nach schwankte die durchschnittliche tägliche Zahl der Todesfälle 
zwischen 87,6 im Oktober und 124,0 im August. ; 

Im Alter von O bis 5 Jahren starben von männlichen Personen 79,12°/% der 
der Lebenden dieser Altersklasse, von weiblichen 64,60°/g0, von 5 bis 10 Jahren 4,14 
und 4,23, von 30 bis 35 Jahren 7,01 und 6,39, von 40 bis 45 Jahren 13,43 und 7,81, 
von 50 bis 55 Jahren 26,36 und 13,32, von 60 bis 65 Jahren 47,19 und 27,71, von 
70 bis 75 Jahren 93,16 und 70,73, von 80 bis 85 Jahren 195,14 und 153,69. 

Nach der Sterbetafel von 1901 betrug die Sterblichkeit im 1. Lebensjahr beim 
männlichen Geschlecht 300,52°/g0, beim weiblichen 249,78, im 2. Lebensjahre 
57,49 und 55,82; am niedrigsten war sie im 13. Lebensjahre mit 1,85 und 2,35°/00; 
von da an steigt sie langsam und betrug im 50. Lebensjahr 21,85 und 13,37, im 70. 
66,34 und 48,01, erreichte aber erst nach dem 88. Lebensjahr den ungünstigen Stand 
des ersten Lebensjahres. 

Was die Todesursachen anbetrifft, so hat das Statistische Amt der Stadt 
Berlin im Jahre 1904 nach dem 1905 in anderer Gruppierung und Nummernfolge im 
Deutschen Reiche eingeführten neuen Todesursachenverzeichnis gearbeitet. Bei einem 
Vergleich der Sterbiichkeitsverhältnisse des Jahres 1903 mit dem von 1904 ist daher 
zu berücksichtigen, dass einzelne Krankheiten, die nach dem früheren Verzeichnis 
einer anderen beigerechnet waren, nunmehr selbstständig aufgeführt und gezählt 
worden sind. Ausserdem wird bei der Beurteilung der Zu- und Abnahme einzelner 
Krankheiten dem Umstande Rechnung zu tragen sein, dass infolge der Anwendung 
der neuen Bezeichnung die Zuteilung der Fälle zu den einzelnen Krankheitsbe- 
zeichnungen eine Verschiebung haben kann, durch die Zu- oder Abnahme lediglich 
vorgetäuscht wird. Es starben u.a. an Masern (einschl. 1 Fall von Röteln) 420 
(1903 : 341), Scharlach 425 (33]), Diphtherie und Krupp 357 (246), Keuchhusten 
465 (435), Influenza 263 (304), Kindbettfieber 179 (77), Typhus (einschl. 11 Fälle 
von gastrischem Fieber) 79 (80), TLebensschwäche der Neugeborenen 1879 (2109), 
Altersschwäche 868 (1281), Krebs 2025 (1886), Zuckerkrankheit 395 (310), Herz- 
fehler 1449 (1891), Gehirnschlag 1009 (953), Lungenentzündung 2762 (2117), Cholera 
nostras 53, Darmkrankheiten (einschl. Brüche und Bauchfellentzündung) 4726 (4162). 
Der Lungenschwindsucht erlagen 40S0 gegen 3731 im Vorjahre. Der Hauptgrund 
für das Anwachsen dieser Zahl ist mit Wahrscheinlichkeit weniger darin zu finden, 
dass eine wirkliche erhebliche Zunahme solcher Sterbefälle stattgefunden hat, als dass 


Kleinere Mitteilungen. 735 


die Eintragungen auf den Totenscheinen neuerdings für diese Krankheit eine sichere 
Zuteilung ermöglicht haben. 

Die Säuglingssterblichkeit ist von 9452 im Jahre 1903 auf 9783 im Jahre 
1904 gestiegen. Auch 1904 konnte die Beobachtung bestätigt werden, dass die mit 
Tiermilch ernährten Säuglinge weit mehr gefährdet waren, als die Brustkinder; es 
starben von ersteren 5194, von letzteren 758 (gegen 5605 und 697 im Vorjahre). 

Nach dem vorläufigen Ergebnis sind 797 Erkrankungen an Masern gemeldet 
worden, an Scharlach 1838, Diphtherie 1999, Kindbettfieber 254, Unterleibstyphus 321, 
gastrischem Fieber 10, epidemischer Genickstarre 1, Pocken 3. 

Eine weitere Zunahme haben die Strassenpflasterungen mit Asphalt er- 
fahren, nämlich von 36,3°/, im Jahre 1904 auf 37,8°/, des gesamten Pilasters. 1896 
hatte sein Anteil nur 23,50/, betragen. 

Am 31. März 1904 waren 10160517 (1903 : 10078585) qm Strassenfläche regel- 
mässig, darunter 6,49 (6,23) täglich zu reinigen; hierzu kamen 86 Kratz- und Kehr- 
maschinen in Anwendung. Der Strassenbesprengung dienten 362 Sprengwagen, der 
Wasserverbrauch betrug 1488323 (1264544) cbm. 

Der Gesamtwasserverbrauch für das von den städtischen Werken am Müggel- 
see und in Tegel versorgte Gebiet betrug 1904/05: 60,8 (1903/04:57,5) Millionen cbm. 
In Berlin belief sich der Tageswasserverbrauch allein durchschnittlich auf 166743 
(1903 : 157539) cbm, oder auf 84,17 (81,24) Liter für den Kopf der Bevölkerung. 

Auf die Rieselfelder, deren Gesamtfläche 14183 ha, also mehr als das Dop- 
pelte der Gesamtgrösse des Berliner Weichbildes (6349 ha) beträgt, wurden 1903/04 
85964834 (1902/3:83112150) cbm oder durchschnittlich täglich 234877 (227705) cbm 
Klosett-, Wirtschafts- und Regenwasser gebracht. 

Die öffentlichen und privaten Krankenanstalten wiesen 1903 bei einem An- 
fangsbestande von 6447 (1902 : 6841) einen Zugang von 87916 (90027) Personen auf. 
Als geheilt kamen 48508 (46154), als gebessert 24821 (26152) und durch Tod 9265 
(8959) Personen in Abgang. In den Sanitätswachen wurde in 7763 (7844), auf 
den Unfallstationen in 54978 (54159) Fällen Hilfe geleistet, und zwar 46252 
(46045) mal bei Verletzungen, 8235 (7958) mal bei Erkrankungen und 191 (156) mal 
bei Geburten. In der Centrale der Rettungsgesellschaft wurden 47516 (40980), 
in deren Wachen 11431 (10946) Fälle behandelt. 

Der seit 25 Jahren bestehende Berliner Verein für Ferien-Kolonien hat im 
Berichtsjahre seine segensreiche Tätigkeit in noch ausgedehnterem Masse als bisher 
ausgeübt. Es wurden 2218 (2033) Knaben und 2573 (2265) Mädchen, insgesamt 4791 
(4298) Kinder in 92(77) Voll- und 23(23) Halbkolonien geschickt, 1228(1177)in Sool- 
bäder, 874 (837) in Seebäder, 1539 (1137) zum Landaufenthalt und 1150(1147) in Halb- 
kolonien. Die hierdurch entstandenen Kosten beliefen sich auf 175000 (159424) M. 

Volksbadeanstalten. In den städtischen Warmbadeanstalten wurden 1904/5 
Wannenbäder von 917873 (714231), Brausebäder von 1031240 (872081), Schwimm- 
bäder von 986917 (909664) Personen genommen; die städtischen Flussbadeanstalten 
wurden von 645870 (701514) Männern und 319409 (315279) Frauen besucht. Die 
Anstalten des Vereins für Volksbäder sind am 1 April 1904 in den Besitz der Stadt 
übergegangen. 

Der städtischen Desinfektionanstalt wurden 1904/5:87582 (1903/4:88767) 
Gegenständeeingeliefert; in 2536 (2567) desinfieierten Wohnungen befanden sich 140931 
(143548) Gegenstände. Dio Desinfektion erfolgte in 28 Fällen wegen Pocken, 1897 
wegen Diphtherie, in 359 wegen Typhus, in 563 wegen Schwindsucht, in 803 wegen 
Scharlach, in 158 wegen Masern, in 171 wegen Krebs, in 216 wegen Kindbettfieber, 
in 98 wegen Lungenentzündung. 

(Veröff. d. Kais. Ges.-A. 1906. No. 5. S. 92—93.) 


736 Kleinere Mitteilungen. 


(:) Grundwasserversorgung von Hamburg. Aus dem letzten Jahresbe- 
richt der Deputation für die Stadtwasserkunst war bereits zu entnehmen, dass das 
neue Grundwasserwerk bei Tiefstack am östlichen Ufer des Elbe-Bille-Kanals noch 
im Laufe dieses Jahres fertiggestellt werden würde. Dies ist inzwischen geschehen. 
Am 31. Oktober v. J. wurde das Werk in Gegenwart der Deputationsmitglieder und 
der Oberbeamten des Wasserwerkes dem Betriebe übergeben. 

In einer kurzen Ansprache wies der Senator Holthusen zunächst darauf hin, 
dass der Eröffnungstag einen wichtigen Wendepunkt in der Geschichte der Hamburger 
Wasserversorgung bedeute. Wenn auch das Filtrationswerk auf Kaltehofe dauernd 
ein ausgezeichnetes Wasser geliefert habe und die bisherige Versorgung mit filtriertem 
Oberflächenwasser allen bisherigen Anforderungen vollauf Genüge leiste, so habe die 
Behörde doch dem Direktor Schertel gern die Mittel zu den von ihm ausgeführten 
Vorarbeiten für die Beschaffung von Grundwasser und für die Erbauung des nunmehr 
nach seinen Plänen fertiggestellten Grundwasserwerkes gewährt. Bevor er Herrn 
Direktor Schertel das Wort zu einem erläuternden Vortrage über die Einzelheiten der 
neuen Anlage erteilte, sprach er ihm in herzlichen Worten den Dank und die Aner- 
kennung der Behörde dafür aus, dass er mit unermüdlichem Fleisse, mit voller Hin- 
gebung und mit grosser Gründlichkeit, Vorsicht und Umsicht die Vorarbeiten und den 
Bau zu Ende geführt hätte. 

Den Ausführungen des Direktors Schertel in seinem Vortrage entnehmen wir 
nach dem Hamb. Fremdenblatt vom 2. Nov. v. J. folgendes: 

Die Bestrebungen, Hamburgs Wasserversorgung möglichst unabhängig von der 
Elbe zu machen, reichen bis 1897 zurück. Nicht etwa die Besorgnis, dass das Fil- 
trationswerk nicht dauernd den sanitären Anforderungen zu genügen vermöge, sondern 
lediglich folgende Erwägungen hätten den Plan gezeitigt, Hamburg soweit als mög- 
lich mit Grundwasser zu versorgen: 

1. Die bekannte Eigenschaft des Flusswassers, dass es im Sommer infolge seiner 
hohen Temperatur als Trinkwasser minderwertig ist, im Winter dagegen durch seine 
niedere Temperatur vielfach Frostschäden entstehen, denen viele Verbraucher dadurch 
vorzubeugen versuchen, dass sie grosse Wassermengen ungenutzt weglaufen lassen. 

2. Die Erwägung, dass bei Beibehaltung der Elbe als einziger Bezugsquelle die 
Schöpfstelle mit sehr bedeutenden, auf etwa neun Millionen Mark veranschlagten 
Kosten bald um eine grosse Strecke weiter stromaufwärts verlegt werden müsse, 
während bei Hinzunahme von Grundwasser eine Verlegung entweder ganz zu vermeiden 
oder doch mit geringeren Kosten zu bewerkstelligen sei. 

3. DerUmstand, dassdasFilterwerk nur in bestimmten Grenzen erweiterungsfähig 
und deshalb rechtzeitig auf eine anderweitige Versorgung Bedacht zu nehmen ist. 

AufGrund der gemeinsam mit Prof. Dr.Gottsche ausgeführten Vorarbeiten legte 
Direktor Schertel Ende 1898 der Deputation einen ausführlichen Plan für eine hydro- 
logische Untersuchung der Umgegend von Hamburg vor. Ins Auge gefasst war zu- 
nächst ‘Was 2,5—3 km breite und 14 km lange Marschgelände zwischen Doveelbe und 
Bille bezw. dem Geestlande, in dem nach Ausführung einer grösseren Anzahl von 
Bohrungen und Schlagbrunnen eingehende Pumpversuche vorgenommen werden sollten. 
Der Plan wurde genehmigt und zu seiner Durchführung wurden 520000 M. zur Vere 
fügung gestellt. Bei der Ausführung dieser Vorarbeiten wirkte ausser Professor 
Dr. Gottsche auch der Direktor des Ilygienischen Institutes Prof. Dr. Dunbar mit. 

Die Deputation schloss sich der Ansicht des Direktors Schertel an, dass in 
Anbetracht der grossen Mengen guten Wassers, welche drei 237—275 m tiefe Brunnen 
nach Erlangung des Beharrungszustandes in freiem Auslauf über Terrain lieferten, zu- 
nächst versucht werden sollte, durch fernere Bohrungen bis zu 250 m Tiefe nicht nur 
weitere Aufschlüsse über die Grundwasserverhältnisse zu gewinnen, sondern auch 


Verlag von August Hirschwald, Berlin NW. 7. 


1905 ist erschienen: 


HANDBUCH 


GERICHTLICHEN MEDIZIN. 


HERAUSGEGEBEN 
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Dr. A. SCHMIDTMANN, 


PROF.. GEH. OBER-MEDIZINAL- UND VORTRAGENDER RAT IM KGL. PREUS 
GEISTLICHEN., ERRICHTS- UND MEDIZINAL-ANGE ENHEITE 


MINISTERIUM DER 
IN BERLIN. 


UNTER MITWIRKUNG 
VON 


Dr. KOCKEL, Dr. WACHHOLZ, Dr. PUPPE, 


PROF. IN KRAKAU, PROF. IN KÖNIGSBERG, 


Dr. A. HABERDA, 


PROF. IN WIEN, 


Dr. ZIEMKE, 


PROF. IN HALLE, 


PROF. IN LEIPZIG, 


Dr. UNGAR, Dr. SIEMERLING, 


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NEUNTE AUFLAGE DES CASPER-LIMAN’SCHEN HANDBUCHES. 


ERSTER BAND. MIT 40 ABBILDUNGEN IM TEXT. 
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Druck von L. Schumacher iw Berlin N. 9. 


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Dr. A. SCHMIDTMANN, 


PROF., GEN. OBER-MEDIZINAL- UND VORTRAGENDER RAT ete.. 


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Dr. A. HABERDA, Dr. KOCKEL, Dr. WACHHOLZ, Dr. PUPPE, 
PROF. IN WIEN, PROF. IN LEIPZIG, PROF. IN KRAKAU, PROF. IN KÖNIGSBERG. 
Dr. ZIEMKE, Dr. UNGAR, Dr. SIEMERLING, 
PROF. IN HALLE, GEH. MED.-RAT, PROF. IN BONN, GEH. MEI.-RAT, PROF. IN KIEL, 


NEUNTE AUFLAGE DES CASPER-LIMAN’SCHEN HANDBUCHES, 
erschien soeben der dritte Band: 


Streitige geistige Krankheit 
bearbeitet von Geh. Med.-Rat Professor Dr. Siemerling. 


1906. gr. 8. Preis 16 Mark. 


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Da zweite Band, welcher die Kapitel über den Tod durch 
Trauma (Prof. Puppen. den Tod durch gewaltsame Erstickung (Prof. 
Ziemke) und den Kindesmord (Geh. Med.-Rat Prof. Ungar) enthalten 
wird, ist im Druck und wird im Herbst d. J. bestimmt erscheinen, 
ebenso das Gesamt-Register des Werkes. 


Kleinere Mitteilungen. 137 


bald grössere Grundwassermengen für die Versorgung der Stadt nutzbar zu machen, 
dass es sich ausserdem aber empfehle, die Pumpversuche auch auf das weiter von 
der Geest entfernt liegende Gebiet auszudehnen. 

Dem von der Deputation in diesem Sinne gestellten Antrage gemäss wurden im 
Frühjahr 1903 von den Behörden für die Fortsetzung der hydrologischen Untersuchung 
und die Nutzbarmachung der dabei vermutlich verfügbar werdenden 40000 Tages- 
kubikmeter 1425000 M. bewilligt. 

Die im Rahmen dieser Bewilligung liegenden Ausführungen sind bezüglich der 
Brunnen und Rohrleitungen fertiggestellt und im übrigen soweit vorgeschritten, dass 
von dem im unteren Teile von Billwärder an der Bille und der Berlin-Hamburger 
Eisenbahn erschlossenen Wasser die erste Hälfte, vermischt mit filtriertem Elbwasser, 
schon jetzt, die zweite Hälfte voraussichtlich Mitte December dem Versorgungsgebiet 
zugeführt werden kann. Í 

Die Wassergewinnung erfolgt durch 22 Rohrbrunnen, von denen 11 Tiefbrunnen 
im Mittel 233 m tief, 11 Flachbrunnen (von geringerer Tiefe als 50 m und im Mittel 
nur 22 m tief). In den Tiefbrunnen steigt das Wasser durchgehends über Terrain 
(teilweise bis 14 m), in freiem Auslauf liefern dieselben etwa 1 m über Terrain zur- 
zeit insgesamt pro Std. 1200 cbm. Die Tiefbrunnen stehen in Abständen von etwa 
300 m; die Flachbrunnen, in denen das Wasser durchschnittlich 1 m unter Terrain 
steht, sind in Abständen von 30 m ausgeführt. Der ergiebigste Tief brunnen liefert 
seit etwa neun Monaten pro Stunde rund 260 chm oder pro Tag rund 6240 cbm. 

Ausgedehnte Pumpversuche haben ergeben, dass die zehn Flachbrunnen neben 
der Bahn bei 5,5 m Absenkung des Wasserspiegels dauernd 420 cbm Wasser stündlich 
oder rund 10000 cbm pro Tag liefern. 

Da die 'Tiefbrunnen beim Abpumpen ca. 50°, Wasser mehr liefern, als bei 
freiem Auslauf, so steht zu erwarten, dass die Brunnen etwa 50000 cbm Wasser täglich 
(die Flachbrunnen 10000, die Tiefbrunen reichlich 40000 cbm) liefern, d. i. etwa ?/5 
des durchschnittlichen Tagesbedarfes (126000 cbm). 

Nach den Analysen des Hygienischen Instituts und dem auf sie sich gründenden 
Gutachten des Prof. Dr. Dunbar ist das Wasser für die Versorgung der Stadt durch- 
aus geeignet. 

Die Enteisenungsanlage ist am östlichen Ufer des Elbe-Bille-Kanals neben der 
Berlin-Hamburger Eisenbahn auf dem Grundstück des dort errichteten Pumpwerkes 
nach dem bekannten Belüftungsverfahren durch Rieselung und nachfolgende Filtration 
erbaut. 

Der Ricseler besteht aus zwei aus gemeinsamer Grundplatte aus Eisenbeton 
aufgebauten Abteilungen mit je vier Kammern von 50 qm nutzbarer Fläche. Für die 
Füllung der Rieseler sind Ziegelsteine gewählt, welche kreuzweise mit —2em breiten 
Fugen 3 m hoch geschichtet sind. Das durch Heberleitungen in den 9 m tiefen 
Sammelbrunnen sich ergiessende Brunnenwasser wird möglichst gleichmässig über die 
Rieselerfläche verteilt. Die unter dem Rieseler befindlichen Filter enthalten wie sonst 
in den unteren Schichten Steine und Kies; für den zur Filtration dienenden Sand ist 
aber auf Grund längerer Vorversuche eine ganz gleichmässige Korngrösse von 2,5 mm 
gewählt. Bei dieser Körnung lässt sich der Eisenschlamm durch blosse Spülung weg- 
schwemmen, so dass eine Reinigung von Sand nicht erforderlich, eine Verunreinigung 
der Sandoberfläche durch die Füsse der Arbeiter also ausgeschlossen ist. 

Obgleich Filter wie Rieseler bei einer Tageslieferung von 50000 cbm pro qm 
mit stündlich ca. 5,2 cbm beschickt werden, hat sich doch gezeigt, dass der zwischen 
2 und 2,5 mg im Liter betragende Eisengehalt bis 0,1 mg entfernt wird. 

Trotz der hohen Beanspruchung der Filter macht sich im Durchschnitt nur alle 


738 Kleinere Mitteilungen. 


acht Tage eine Spülung erforderlich. Letztere erfolgt derart, dass nach Absperrung 
des Reinwasserabflusses der Wasserspiegel um 80 cm über den höchsten Betriebs- 
wasserstand angestaut und das Filter alsdann sehr schnell entleert wird. Das Ver- 
fahren hat sich vorläufig bewährt, der im Sand abgelagerte Eisenschlamm wird voll- 
ständig mitgerissen. Ob die Filter dauernd so hoch beansprucht werden können, muss 
die Erfahrung zeigen. Von je vier Filtern fliesst das Reinwasser in einen Sammel- 
brunnen, der an das 1200 mm weite, 1700 m lange nach Rothenburgsort führende 
Hauptrohr angeschlossen ist. 

Das an der Enteisenungsanlage errichtete Pumpwerk ist ein Provisorium. Durch 
drei Centrifugalpumpen von je 650 cbm stündlicher Lieferung, angetrieben von je 
einer 45 pferd. Verbundlokomobile, wird das Wasser vom Sammelbehälter (—2 m) in 
die Hauptrinne der Rieseler (+ 10,7 m) 12,7 m hoch gehoben. 

Die Bauleitung lag in den Händen des Bauinspektors Holthusen, der auch 
die Specialprojekte für die Anlage bearbeitet hat. 

An den Vortrag schloss sich ein Rundgang, bei dem auch eine Rieseler- und 
Filterfüllung vorgeführt wurde. Am Schluss desselben wurde der das Grundwasser 
vom filtriertem Elbwasser noch trennende Schieber geöffnet, und damit das neue 
Werk der Benutzung übergeben. 

Wie das Fremdenblatt noch mitzuteilen in der Lage ist, ist der für die Filter- 
füllung benutzte Kies ein sehr sorgfältig gesiebtes Material in Abstufungen von 1 bis 
90 mm. (Gesundheits-Ingenieur. 1906, No. 6. S. 112.) 

(:) Bremen. Die Tätigkeit des Hygienischen Institutes im Jahre 1904. 
(Auszug aus dem Jahresbericht.) 

Die Aufgabe des Institutes bestand in dem Berichtsjahre in der Mitwirkung bei 
der Seuchenbekämpfung und in der experimentellen Bearbeitung der Aufgaben der 
Städtesanierung. 

A. Medizinische Abteilung. Der Seuchenbekämpfung dienten vornehmlich 
die bakteriologischen Untersuchungen der von Aerzten oder Behürden eingesandten 
ansteckungsverdächtigen Stoffe von insgesamt 5882 Fällen, die sich wie folgt ver- 
teilen: Halsschleim 4059, Blut 324, Harn 231, Kot 22, Absonderungen aus den Luft- 
wegen 704, Absonderungen aus den Geschlechtsteilen 32, bei Operationen gewonnenes 
Material und pathologische Sekrete 416, Leichenteile 61, Tierorgano 6, im übrigen 
27 Proben. 

Die 4059 Proben von Halsschleim stammten von 2240 Personen, von denen 
nach dem Untersuchungsergebnis 644 mit Diphtherie behaftet waren. Die Unter- 
suchung von 623 Personen, welche diphtherieverdächtig waren, ohne auffällige 
Zeichen eigener Erkrankung zu bieten, ergab in 76 Fällen das Vorhandensein von 
Diphtheriebacillen. 243 nicht mit ansteckenden Krankheiten behaftete Kinder, die 
innerhalb eines halben Jahres in das Kinderkrankenhaus eingeliefert wurden, erwiesen 
sich sämtlich frei von von Diphteriebacillen. 

Von den 324 Blutproben wurden 233 mittels des Agglutinationsverfahrens auf 
Typhus untersucht, wobei 79 mal Typhus und 47 mal Paratyphus festgestellt wurde. 
Bei 9 Untersuchungen auf Wechselfieber wurden in 4 Fällen Plasmodien nachgewiesen. 

Von 231 eingesandten Harnproben waren 147 auf Typhus und Paratyphus zu 
untersuchen, davon enthielten 3 Typhus- und 1 Paratyphusbacillen. Ziemlich häufig 
wurden Tuberkelbacillen mit Hilfe des Tierversuches im Harn nachgewiesen, nämlich 
6 mal in 37 Fällen. 

In keiner der zur Untersuchung gelangten 22 Kotproben wurden besondere 
Krankheitserreger gefunden. 


Kleinere Mitteilungen. 139 


Von Absonderungen aus den Luftwegen wurden 704 Proben auf Tuberkel- 
bacillen, davon 183 mit positivem Erfolge untersucht. In 10 Proben wurden 6 mal 
Influenzaerreger nachgewiesen. Einmal wurden Influenzabacillen als Nebenbefund bei 
einem T'uberkulosesputum festgestellt. 

In 32 Fällen kamen Sekrete zur Untersuchung auf Trippererreger; in 13 Fällen 
konnten diese nachgewiesen werden. 

Bei Operationen gewonnenes Material, Sekrete u. s. w. wurden zusammen in 
416 Fällen untersucht; dabei wurden 384 mal Krankheitserreger gefunden. 

Leichenteile kamen 6l mal zur Untersuchung. In 45 dieser Fälle, zumeist 
Scharlachfällen, wurden Streptokokken gefunden. Einmal fanden sich letztere neben 
Paratyphus und einmal zugleich mit Staphylokokken. 

Bei den zur Untersuchung eingelieferten 6 Proben von Tierorganen handelte 
es sich 2 in Fällen um Wutverdacht bei Hunden. Geflügelcholera und Streptokokken 
wurden je 1 mal nachgewiesen. 

Zur Verhütung der Einschleppung von Seuchen aus dem Auslande durch 
Schiffe wurde das Institut 4 mal in Anspruch genommen, und zwar handelte es sich 
2 mal um Pestverdacht und je 1 mal um Pocken und Unterleibstyphus. 

Nahrungs- und Genussmittel wurden 4 mal von Privatpersonen und 1 mal 
von der Staatsanwaltschaft zur Untersuchung eingeliefert. 

Im Berichtsjahre wurden ferner 2505 bakteriologische Wasseruntersuchungen 
ausgeführt, und zwar von Bremer Leitungswasser 1422, von Bremerhavener städtischem 
Leitungswasser 51, Wasserwerk Vegesack 34, Wasserwerk der Irrenanstalt Ellen 12, 
Brunnenwässer 94, Eis 10, Weserrohwasser 882 Proben. 

Das Bremer Leitungswasser enthielt im Kubikcentimmeter an 153 'l'agen weniger 
als 50, an 111 Tagen 50 bis 100, an 68 Tagen 100 bis 200, an 19 Tagen 200 bis 300, 
an 9 Tagen 300 bis 1000 und an 3 Tagen über 1000 Keime. 

10 Proben von im Handel befindlichem Natureis zeigten sämtlich einen so 
hohen Bakteriengehalt, dass seitens des Medizinalamtes vor der Verwendung dieses 
Eises als Genussmittel oder zum Zwecke des Kühlens bei unmittelbarer Berührung 
mit Nahrungsmitteln gewarnt wurde. 

Abgabe von Lymphe, Serum und Tuberkulin: An Kuhpockenlymphe 
wurden abgegeben 1971 Röhrchen zu 5 Portionen, 102 zu 25 und 93 zu 50 Portionen, 
an Diphtherieheilserum 645 Dosen zu 1500, 165 zu 1000 und 51 zu 500 Heileinheiten, 
an Scharlachseram 24 Dosen, an Wundstarrkrampfserum 4 Dosen, an Tuberkulin 
2 Lösungen. 

B. Chemische Abteilung. Die Aufgaben der chemischen Abteilung lagen 
im wesentlichen auf dem Gebiete der Wasserversorgung, der Abwasserbeseitigung und 
der Flussverunreinigung. Daneben wurden für die Behörden u. a. einige Fragen aus 
der Nahrungsmittelhygiene experimentell geprüft. 

Trinkwasseruntersuchungen wurden insgesamt 222 ausgeführt, wovon 110 Ana- 
lysen auf 49 Brunnen entfielen. Die übrigen 112 Analysen betrafen die centralen 
Wasserversorgungen von Bremerhaven und Vegesack, ferner die Wasserversorgungs- 
anlage des Bremer Schlachthofes und die in Bremen zu erbauende Grundwasserver- 
sorgungsanlage. 

Die Abwasseruntersuchungen (1197 Analysen) wurden nach Massgabe eines 
mit der Strassenbauinspektion vereinbarten Planes weitergeführt. 

Die Reinhaltung der Flüsse betrafen 190 Analysen, und zwar wurden in An- 
betracht der Wasserversorgung und Abwasserbeseitigung der Stadt Bremen, die Weser 
(122 Proben) und die kleine Wümme (44 Wasser- und 34 Bodenproben) untersucht. 

(Veröff, d. Kais. Ges.-A. 1906. No. 4. S. 84.) 


740 Kleinere Mitteilungen. 


(:) Frankreich. Bewegung und Bevölkerung. 

Während des Jahres 1904 wurden in Frankreich 818229 Kinder lebend ge- 
boren, d.i. 8483 weniger als während des Vorjahres 1903 und 28017 weniger 
als im Durchschnitt des letzten Jahrzehnts. Ausserehelicher Abkunft waren 
71735 von den Lebendgeborenen d. J. 1904, d. h. 8,77 von je 100, wogegen im 
Deutschen Reiche während der Jahre 1902 und 1903 nur 8,3 bis 8,5°/, aller geborenen 
Kinder ausserehelicher Abkunft gewesen waren. Die Geburtszilfer, errechnet auf je 
1000 der am 24. März 1901 gezählten Bewohner Frankreichs, betrug im letzten Berichts- 
jahre (1904): 21,0°/0 und im Vorjahre: 21,2°/0; im Deutschen Reiche wurden dem- 
gegenüber während d. J. 1903 — wenn man der Rechnung ebenfalls die mittlere Be- 
völkerung d. J. 1901 zu Grunde legt — 34,9 Kinder auf je 1000 Bewohner lebend- 
geboren. 

Auch die Zahl der Totgeburten ist während d. J. 1904 in Frankreich geringer 
als während des Vorjahres und erheblich geringer als im Durchschnitt der letzten 
10 Jahre gewesen, denn im letzten Berichtsjahre wurden nur 38665 Kinder totgeboren 
(4,7 : 100 Lebendgeborene), im Vorjahre 39074 und im Durchschnitt des letzten Jahr- 
zehnts 40744. 

Es starben während d. J. 1904 in Frankreich 761203 Personen, d. i. 7597 
mehr als während des Jahres 1903, aber 35798 weniger als im Durchschnitt der 
letzten 10 Jahre; der ÜUeberschuss der Geburten über die Sterbefälle betrug 
hiernach i. J. 1904: 57026, d. i. etwa 1,5°/% der Bevölkerung und im Jahre 103: 
73106, d. i. etwa 1,90/%. Im Deutschen Reiche hatte demgegenüber der Geburten- 
überschuss i. J. 1903: 13,90/% und i. J. 1902 sogar 15,6°/go der Bevölkerung betragen. 

(Veröff. d. Kais. Ges.-A. 1906. No. 4. S. 84.) 


(:) Pest. Russland. Vom 25. bis 31. December sind im Gouv. Astrachan 
neue Erkrankungen an der Pest nicht gemeldet; von den 3 im 2. Seebezirk verbliebenen 
Kranken waren bis zum 31. December 2 gesund geworden und 1 gestorben. 

Im ganzen sind nach den neuesten amtlichen Angaben seit dem Seuchenaus- 
bruch im Oktober bis zum 31. December im Gouv. Astrachan 572 Pestfälle festge- 
stellt worden, von denen 541 tödlich verlaufen sind. Von den Erkrankten (Gestor- 
benen) entfielen 229 (209) auf den Narynschen Teil der Steppe, 34 (30) auf den 
1. Seebezirk, 252 (276) auf den 2. Seebezirk, 27 (26) auf den Kreis Krasno- 
jarsk. Das an der Bekämpfung der Seuche beteiligte Sanitätspersonal wurde einst- 
weilen in den verseucht gewesenen Bezirken zurückgelassen, auch hat die Pestkom- 
mission es für notwendig erachtet, die gesundheitliche Ueberwachung der Kirgisen- 
steppe zu verstärken und zu diesem Behufe drei neue, mit Aerzten besetzte und 20 
mit Feldscheren versehene Beobabachtungspunkte einzurichten. 

Am 2. Januar ist zufolge einer Bekanntmachung der Pestkommission wieder je 
1 Pesttodesfall im 1. Seebezirk und im Narynschen Teile der Steppe festgestellt 
worden. 

Nach einer weiteren amtlichen Meldung sind vom 23. December bis zum 14. Januar 
in einer Kirgisenfanilie des Kreises Krasnojarsk 7 Personen an der Pest erkrankt 
und davon 5 gestorben. (Veröff. d. Kais. Ges.-A. 1906. No. 4. S. 69.) 


Verlag von August Hirschwald, Berlin N.W. — Druck von L. Schumacher in Berlin N. 24. 


Hygienische Rundschau. 


Herausgegeben 


von 


Dr. Carl Fraenkel, Dr. Max Rubner, Dr. Carl Günther, 


Geb. Med.-Rat. Prof. dor Hygiono Geh. Mod.-Rat, Prof. der Hygieno Goh. Med.-Rat. a.o.Prof. der Hygiene 
in Hallo a.jS. in Berlin. in Berlin. 


XVI. Jahrgang. 


Berlin, 15. Juli 1906. W. 14. 


(Aus dem Laboratorium 
für Hygiene und Bakteriologie der Universität Amsterdam [Prof. Dr. Saltet].) 


Ueber die Beleuchtung bei der Hausarbeit von Schulkindern. 
Von 
Dr. med. E. D. Struben. 


Bei der Bekämpfung der Schulmyopie hat seit den ersten Untersuchungen 
Hermann Cohns die Sorge für gute Tagesbeleuchtung der Schulstuben 
eine grosse Rolle gespielt. In allen Kulturstaaten hat sich das Bestreben 
merkbar gemacht, beim Neubau der Schulen für ausreichende, auch an dunklen 
Tagen genügende Tageslichtbeleuchtung zu sorgen. Und wenn auch schon die 
ersten Untersucher auf die Notwendigkeit hingewiesen haben, dass das Auge 
der Schulkinder auch ausser der Schulstube ver den schädigenden Faktoren 
geschützt werden müsse, so hat sich doch der Kampf gegen die Myopie fast 
überall auf Besserung der hygienischen Zustände in der Schule beschränkt. 
Statistisch ist nachgewiesen, dass speciell die bessere Tagesbeleuchtung nicht 
den grossen Einfluss gehabt hat, den man davon hoffte. So fand Just, dass 
im 1872 neu erbauten Gymnasium zu Zittau im Jahre 1879 viel mehr myo- 
pische Schüler waren als Cohn und andere auf schlecht beleuchteten Schulen 
gefunden. Er meinte darum, dass „nicht überwiegend das mangelhafte Licht 
der Schulstuben schädlich wirkte, sondern... ... das Arbeiten in den 
Abendstunden bei mangelhafter Beleuchtung.“ Mit dieser Meinung stimmte 
überein, dass die Mädchenselecta, wo die besser situierten Kinder waren, 23,8%), 
kurzsichtige Schülerinnen zählte, die Mädchenbürgerschulen 14,4%/, kurzsichtige, 
und das bei demselben Lehrplan. Ebensowenig konnte v. Hippel eine Ver- 
minderung der Kurzsichtigkeit nachweisen im neu erbauten Gymnasium zu 
Giessen. Diese Verminderung trat erst ein nach einer gründlichen Aenderung 
des Lehrplans, welche in einer starken Beschränkung der Hausarbeit gipfelte. 

Dasselbe Resultat hatten die ausgedehnten Untersuchungen von van der 
Meer und Dinger, die in den Jahren 1898 und 1899 die Augen aller Schüler 
der Amsterdamer Elementar- und höheren Schulen untersuchten. Auch sie 


54 


142 Struben, 


konnten in ihren genau bearbeiteten Tabellen keinen Unterschied finden 
zwischen den gut und den schlecht beleuchteten Schulen. 

Ich habe mir darum die Frage vorgelegt: Sind die Augen der Schulkinder 
zu Hause wirklich so schlechten hygienischen Umständen ausgesetzt, dass da- 
durch die bessere Beleuchtung der Schulstuben in ihrem wohltätigen Einflusse 
gehemmt wird? Und weil die Nahearbeit die Hauptursache der Kurzsichtigkeit 
ist, konnte ich die Frage auch so stellen: Wird die Hausarbeit der Schul- 
kinder wirklich bei so schlechter Beleuchtung gemacht? 

Bei der holländischen Tageseinteilung wird die Hauptmahlzeit nach Ab- 
lauf der Nachmittagsschulstunden eingenommen, und erst danach fangen die 
Kinder mit ihrer Hausarbeit an. Dazu kommt noch, dass die Ferien in die 
Zeit der längsten Tage fallen, so dass ich mich begnügen konnte mit einer 
Untersuchung der gebrauchten künstlichen Beleuchtung. 

Für die Bestimmung der gebrauchten Beleuchtung stand mir ein Milch- 
glasphotometer von Leonhard Weber zur Verfügung, das vom allgemein ge- 
bräuchlichen Typus durch das Brennmaterial der Photometerlampe abweicht. 
Bei früheren Kontrollprüfungen dieses Instrumentes ergab es sich nämlich, 
dass die von der Fabrik (nach Angaben von Prof. Leonhard Weber selber) 
aufgegebenen Konstanten nicht richtig waren. Nach umfassenden Unter- 
suchungen durch Prof. Dr. R. Sissingh im physikalischen Institute der 
hiesigen Universität kam man zum Schluss, dass die Hauptursache der ab- 
weichenden Auskünfte in verschiedener Zusammensetzung des gebrauchten 
Benzins zu suchen war. Darum wird für unser Photometer als Brennmaterial 
ein genau chemisch zu definierender Stoff gebraucht, das Amylacetat von 
138° C. Siedepunkt, das nämliche Material also wie bei der Hefner-Alte- 
necklampe. Ein zweiter Vorteil dieses Stoffes ist, dass die Flamme nicht wie 
die Benzinflamme eine schwach leuchtende Corona hat, die je nach der indi- 
viduellen Meinung des Untersuchers zu verschiedenen Grössen der Flamme 
Veranlassung gibt. 

Das Webersche Photoneter, wie genau es auch sein möge, war für meine 
Zwecke nicht zu gebrauchen wegen des grossen Umfanges, der es schwer 
transportabel macht, und weil das Ineinanderschrauben und Auseinandernehmen 
des Instrumentes so sehr zeitraubend ist. Diese Fehler batte nicht der i.J. 
1904 von Wingen im Gesundheitsingenieur zuerst beschriebene Helligkeits- 
oder Beleuchtungsmesser, eine Verbesserung des schon früher beschriebenen 
Helligkeitsprüfers von Wingen. Weil mir aber keine Kontrollierung des 
Beleuchtungsmessers bekannt war, habe ich vorher diesen Apparat einer ein- 
gehenden Untersuchung unterworfen, deren Resultate ich in meiner Doktor- 
dissertation niedergelegt habe. Das Ergebnis werde ich hier nur kurz mit- 
teilen. 

Nach einiger Uebung, die ja auch beim Weberschen Photometer nötig 
ist, kamen die Bestimmungen, mit dem Beleuchtungsmesser ausgeführt, voll- 
ständig überein mit denen unseres Weberschen Photometers, dessen Kon- 
stanten ich vorher noch einmal an einer Hefner-Altenecklampe kontrolliert 
hatte. Nur ergab es sich, dass das Rauchglas 5, das nach Angabe die zu 
messende Beleuchtung 5 mal verduukeln soll, nicht die angegebene Stärke 


Ueber die Beleuchtung bei der Hausarbeit von Schulkindern, 743 


hatte, sondern 1,136 mal stärker verdunkelte. Es mussten also die Bestim- 
mungen, mit diesem Rauchglase gemacht, nicht mit 5, sondern mit 5,68 multi- 
pliciert werden. 

Ich war also mit dem Apparate sehr zufrieden, als es sich ergab, dass 
unser Benzinvorrat verbraucht war. Mit dem neuen Benzin stellte ich neue 
Prüfungen an, eingedenk der Schwierigkeiten, die man früher mit unserem 
Weberschen Photometer gehabt hatte. Und jetzt ergab sich, dass, aus einer 
grossen Anzahl Bestimmungen berechnet, das neue Benzin 1,125 mal grössere 
Beträge gab als Webers Apparat. 

Ich meinte also, mein Urteil über den Beleuchtungsmesser, wie folgt, zu- 
sammenfassen zu müssen: „Wenn auch das Photometer von Weber stets der 
wissenschaftliche Apparat bleiben wird, so ist doch für die Praxis der Be- 
leuchtungsmesser von Wingen ein vorzügliches Instrument wegen seiner Ein- 
fachheit, seines bequemen Formates, seiner schnellen Bestimmungen, seines 
niedrigen Preises. Nur muss man darauf vorbereitet sein, dass die Rauch- 
gläser eine andere Stärke haben können, als angegeben ist, wofür aber eine 
einmalige Kontrolle genügt. Eine andere Sache aber, welche verbessert werden 
soll, ist der Gebrauch des in seiner Zusammensetzung so sehr wechselnden 
Benzins als Brennstoff. Warum dazu nicht eine Flüssigkeit mit einer kon- 
stanten Zusammensetzung gebraucht wird, wie das reine Amylacetat? So lange 
diese Verbesserung nicht vorgenommen ist, muss jeder neue Vorrat Benzin von 
neuem auf seine Leuchtkraft versucht werden.“ 

Um einen Eindruck über die Beleuchtung zu bekommen, welche Schul- 
kinder bei ihrer Hausarbeit gebrauchen, besuchte ich also die Kinder zweier 
Schulen, und zwar einer Schule, die von Kindern der sehr Wohlhabenden 
besucht wird, und einer Volksschule, deren Bevölkerung aus den Schichten der 
besseren Arbeiter stammt. Jch besnchte die Kinder zu Hause, während sie an 
der Arbeit sassen, damit ich auch Rücksicht auf die Umstände nehmen könnte, 
worunter sie von der gegebenen Beleuchtung Gebrauch machen. Denn es ist 
nicht nur nötig, dass die Beleuchtung eine bestimmte Anzahl Meterkerzen über- 
trifft (wofür ich die Cohnsche Forderung von 10 Meterkerzen in rot, also 
25 Meterkerzen [Hefner] Gesamthelligkeit übernommen habe), sondern es ist 
auch nötig, dass bei der Arbeit das Licht nicht von rechts her komme, weil 
dann die schreibende Hand einen Schatten auf das Papier wirft. Weiter muss 
man Acht auf die Adaptation geben. Wenn ein Auge sich in einer stärker 
beleuchteten Umgebung befindet als die Arbeit, ist es immer im Nachteil; 
denn es verliert sehr viel von seiner Sehschärfe. Noch schädlicher ist es, 
wenn sich die Flamme so vor dem Arbeitenden befindet, dass er beim Auf- 
schauen von der Arbeit stets vom Lichte geblendet wird. Weil wir aber noch 
nicht wissen, wie viel mehr Licht ein Auge nötig hat, wenn die Adaptation 
eine weniger gute ist, habe ich nur diejenigen Beleuchtungen schlecht genannt, 
welche blendend wirken mussten, sobald die Kinder von ihrer Arbeit aufsahen. 
Wie man unten sehen wird, war auch so noch eine beträchtliche Anzahl zu 
verwerfen, welche anders zu den guten Beleuchtungen gezählt werden konnte, 
weil sie mehr als 25 H.-M.-K. ergaben. 

Ich fand den Zustand der Beleuchtung bei den 55 Kindern aus den be- 

54* 


744 Struben, 


güterten Klassen und bei den 46 aus dem Arbeiterstande, welche ich besuchte, 
wie folgt: von der erstgenannten Abteilung hatten 14 elektrisches und 40 
Gasglühlicht. Nur ein Kind benutzte noch einen Argandbrenner, kein einziges 
Petroleum. Von der zweiten Abteilung hatten 19 Petroleum und 27 Gasglüh- 
licht. In jeder Gruppe war die Auzahl Hefnermeterkerzen, im Durchschnitt 
gerechnet, 

A. Mehr bemittelte 1 elektrisches Licht a) in Studierzimmern 59,15 

b) „ Wohnzimmern 38,35 

s m 2 Gasglühlicht a) „ Studierzimmern 50,5 

b) „ Wohnzimmern 64,72 

B. Weniger bemittelte 1 Petroleum. . . 2 2.2.2.2... 26,94 

a a 2Gasglühlicht . a aa aa a TOOT 


Man sieht also, dass die weniger gut Situierten, wenn sie Gas gebrauchen, 
den besser Situierten nicht nachstehen; dass die zuletzt Genannten ihren 
Kindern weniger Gaslicht geben, wenn diese ein eigenes Studierzimmer haben, 
als wenn die Kinder im Wohnzimmer ihre Arbeiten machen; dass dagegen 
das umgekehrte Verhältnis konstatiert wurde, wenn elektrisches Licht ge- 
braucht wird. Dieser Vorzug der Studierzimmer mit elektrischem Lichte vor 
den Wohnzimmern mit demselben Lichte ist den Studierlampen zu verdanken, 
welche gewöhnlich sich so nahe bei der Arbeit befinden, dass deren Beleuch- 
tung eine gute sein muss. 

Wenn wir nun die verschiedenen Beleuchtungen klassificieren, je nachdem 
sie weniger als 25 Hefnermeterkerzen gaben, blendend wirkten (wenn auch 
über 25 M.-K.), von rechts her kamen (wenn auch über 25 M.-K.) oder nach 
allen Hinsichten gut waren, so bekommen wir die folgende Tabelle: 


Unter 25 M.-K. Blendend Vonrechtsher Gut 


Wohlhabende: elektrisch 5 1 1 7 
A Gasglühlicht 3 4 2 32 
Weniger bemittelte: Petroleum 10 1 -0 8 
ñ i Gasglühlicht 4 7 o 16 
Es waren also zu verwerfen gut zu heissen 
Wohlhabende mit elektr. Licht 7 (50%) 7 (50%) 
„ Gasglühlicht 9 (22%,) 32 (780/,) 
Weniger bemittelte: Petroleum 11 (58%) 8 (420) 
A 5 Gasglühlicht 11 (410/9) 16 (59°/) 
Total 38 (37,00%) 63 (62,403) 


Fs sind also wenigstens 37,6°/, der beobachteten Beleuchtungen schlecht 
zu nennen. „Wenigstens,“ denn 1. habe ich nur da die Adaptation schlecht 
genannt, wo sie die Sehschärfe bestimmt sehr herabsetzen muss, 2. habe ich 
nicht den Zustand des Auges der betreffenden Kinder berücksichtigt. Wie 
viele waren vielleicht nicht darunter, welche, sei es durch Refraktionsano- 
malien, sei es durch Krankheiten des Auges (Hornhautflecke!) eine grössere 
Lichtmenge nötig hätten, als das angenommene Minimum von 25 H.-M.-K. 
Unter den 63 von mir gut genannten Beleuchtungen waren schon 6, bei denen 
die Kinder selber unzufrieden waren mit der von ihnen gebrauchte Lichtmenge. 


Ueber die Beleuchtung bei der Hausarbeit von Schulkindern. 745 


Hätte ich dem Rechnung getragen, so würde schon der Prozentsatz der zu 
verwerfenden Fälle 43,5°/ geworden sein. 

Dieses Resultat ist also nichts weniger als glänzend trotz des grossen 
Fortschrittes, den die moderne Beleuchtungsindustrie uns gebracht hat. Und 
noch ist es im besonderen dem Gasglühlichte zu verdanken, dass obiger Pro- 
zentsatz der schlechten Beleuchtungen nicht höher war. Speciell in Amster- 
dam, wo die oben beschriebene Untersuchung stattfand, muss es noch 
nicht lange her sein, dass der Zustand viel schlechter war, denn es ist 
statistisch nachzuweisen, dass die grosse Verbreitung des Gasglühlichtes erst 
vom Jahre 1898 datiert (1892 kann als der Anfang dieser neuen Aera der 
künstlichen Beleuchtung bezeichnet werden, weil in diesem Jahre Auer v. 
Welsbach den Glübstrumpf für den praktischen Gebrauch geeignet machte). ` 
Unsere Statistiken über die Ausbreitung der Kurzsichtigkeit umfassen also eine 
Generation, welche bei einer schlechten künstlichen Beleuchtung gross geworden. 
Inwieweit die Fortschritte der modernen Beleuchtungstechnik auch Verbesse- 
rung dieser Statistiken bringen werden, wird uns erst die Zukunft lehren können. 
Jedenfalls muss darauf hingewiesen werden, dass jetzt noch die Beleuchtung 
eine mangelhafte zu nennen ist, so dass die Verminderung der Schularbeiten 
vielleicht nicht den Erfolg haben wird, den man hinsichtlich der Kurzsichtigkeit 
hofft. Hatte ich doch oft Gelegenheit, zu sehen, wie die Kinder nach beendeter 
Schularbeit sich mit Lesen, Musicieren, Handarbeiten beschäftigten, eine Nahe- 
arbeit also, welche bei der gegebenen schlechten Beleuchtung ebenso schädlich 
auf das wachsende Auge wirken wird, wie die Schularbeit es tun würde. Es 
wird nicht genug sein, alle möglichen hygienischen Massnahmen in der Schule 
zu treffen; auch zu Hause drohen dem kindlichen Auge noch mancherlei 
Gefahren, auf welche hinzuweisen der Zweck obiger Zeilen war. 


Literatur. 


Just, Beiträge zur Statistik der Myopie und des Farbensinnes. Arch. f. Augenheilk. 
Bd. 8. S. 191. 

v. Hippel, Ueber den Einfluss hygienischer Massregeln auf die Schulmyopie. 1889. 

v. d. Meer, Onderzoek der oogen van de Iyrlingen van het stedelyk gymnasium en de 
middelbare scholen te Amsterdam in 1898. Diss. Amsterdam 1901. 

Dinger, Die Augen der Amsterdamer Schuljugend im Jahre 1899. Diss. Freiburg 1900. 

Wingen, Die verschiedenen Methoden der Helligkeitsprüfung. Gesundh.-Ingen. 1904. 
No. 10. S. 153. 

Struben, Over de verlichting by het huiswerk van Schoolkinderen. Diss. Amsterdam 
1906. 

Cohn, Wie soll der gewissenhafte Schularzt die Tagesbeleuchtung in den Klassen- 
zimmern prüfen? Berlin 1901. 

Cohn, Lehrb. d. Hyg. des Auges. 1892. S. 367. 


746: ` Infektionskrankheiten. 


"Schwarz, Ueber das Verschwinden von Mikroorganismen aus dem 
strömenden Blute. Zeitschr. f.. Heilk. 1905. Bd. 26. H. 7. 

Nach intravenöser Injektion einer weit von der tödlichen Minimaldosis 
entfernt liegenden Menge von Typhusbacillen ergaben sich für das Meer- 
schweinchen folgende Schlussfolgerungen: 

1. Die in das Blut injicierten Bakterien verschwinden nur langsam aus 
demselben, indem sie kulturell bis zum 6. bezw. 8. Tage nachgewiesen werden 
konnten, scheinbar abhängig von der Menge der injicierten Mikrobien. 

2. Nach Ablauf dieser Zeit sind die Mikrobien jedoch noch bis zum 
14. Tage in Milz, Knochenmark und Lymphdrüsen nachweisbar. 

3. In der ersten Stunde nach der Injektion lässt sich eine bedeutende 
Zunahme der Mikroorganismen in der Milz und eine gleichzeitige sehr 
deutliche Abnahme derselben im Blute und eine mehrfach gefundene Abnahme 
im Knochenmark feststellen. Die erste Erscheinung kann auf eine Einschwem- 
mung der Mikrobien in die Milz zurückgeführt werden, während die letzte 
eine sichere Deutung vorläufig noch nicht gestattet. 

4. Der verhältnismässig lange gelingende Nachweis der Mikrobien im Blute 
spricht gegen die Annahme wirksamer bakterieider Substanzen im strömenden 
Blute. Die Vernichtung der in die Blutbahn injicierten Bakterien erfolgt 
nicht ausschliesslich im Blute der grossen Gefässe, sondern wahrscheinlich 
auch (obne wesentliche Mitwirkung der Phagocyten) in gewissen Organen 
durch deren Zelltätigkeit. O. Baumgarten (Halle a. S.). 


Ficker M., Ueber die Aufnahme von Bakterien durch den Respi- 
rationsapparat. Aus dem hygien. Institute d. Universität Berlin. Arch. 
f. Hyg. Bd. 53. S. 50. 

Verf. konnte in früheren Versuchen nachweisen, dass die Schleimhaut des 
infantilen Magendarmtraktns nicht als keimdicht angesehen werden kann. In 
den vorliegenden Versuchen hatten zunächst säugende Tiere Prodigiosusbacillen 
einzuatmen; dann wurden sie getötet und unter den äussersten Vorsichtsmass- 
regeln obduciert. Es zeigte sich, dass bei sämtlichen im Blut, bei zweien 
auch in der Leber die Bacillen nachweisbar waren. Ein Uebergang aus dem 
Verdauungstraktus war ausgeschlossen. Auch bei tracheotomierten säugenden 
Tieren war das gleiche der Fall. Diese Resultate könnten zur Aufklärung 
der Frage nach der Uebertragung der Tuberkulose per os oder per inhalationem 
dienen. Doch ist sie in dieser Fragestellung überhaupt nicht zu lösen; denn 
weitere Versuche beweisen, dass auch in den Mund eingebrachte Keime tief 
in der Lunge nachweisbar sind, wenn man die Tiere kräftige Atembewegungen 
machen lässt. Handelt es sich also um Keime, die erfahrungsgemäss in erster 
Linie die Lunge als Eingangspforte benutzen, so kann zweierlei der Fall sein: 
entweder sie können durch die Atmung aufgenommen worden sein und a) so- 
fort mit dem gleichen Atemzuge, b) nach vorhergegangenem Aufenthalt auf 
der Nasen- Mund- und Rachenschleimhaut in die Lunge gelangen, oder sie 
kommen durch Kontakt in den Mund und werden dann durch einen tiefen. 
Atemzug hinunterbefördert. Kisskalt (Giessen), 


Infektionskrankheiten. 747 


Link R., Beitrag zur Wirkung von Tuberkelbacillen verschiedener 
Herkunft. Infektion der vorderen Augenkammer mit abgewogenen 
Tb.-Mengen. Aus dem hygien. Institute der Universität Freiburg i. B. 
Arch. f. Hyg. Bd. 53. S. 264. 

Kaninchen wurden teils vom Menschen stammende Tuberkelbacillen, 
teils Perlsuchtbacillen in der Menge von 0,1—0,2 mg in die vordere 
Augenkammer injiciert. Lokal traten bei ersteren die Knötchen, bei letzteren 
diffus-entzündliche Erscheinungen in den Vordergrund. Der Allgemeinverlauf 
gestaltete sich bei den mit Perlsuchtbacillen inficierten Tieren schwerer; be- 
sonders waren die Lungen stärker befallen, doch zeigten sie auch in den 
übrigen Organen mehr und schwerere Veränderungen. Kisskalt (Berlin). 


Ball 0., Leber das Aggressin des Tuberkelbacillus. Rntgegnung 
an C. Pirquet und B. Schick. Wien. klin. Wochenschr. 1905. No. 21. 
S. 547. 

Bail versucht die Einwände der Autoren gegen seine Aggressintheorie 
zu entkräften. Er wirft ihnen vor, dass sie in ihrer Polemik seine Anschau- 
ungen z. T. nicht präcise wiedergegeben haben. Insbesondere seien sie jedoch 
der von Bail so ausführlich betonten Rolle, welche bei dem Vorgang die Leuko- 
cyten spielen, ganz aus dem Wege gegangen. Nicht sehr befriedigend ist die 
Art und Weise, wie sich Bail gegen die von anderen gebrauchte Anwendung 
des Wortes „Aggressin“ wendet. Bail fühlt wohl selbst, und hat dies auch 
zugestanden, dass er einem Missbrauch folgt, wenn er aus den besonderen 
Eigenschaften des Exsudates zwar nicht auf die Anwesenheit besonderer 
Stoffe mit Sicherheit schliesst, wohl aber den materialisierenden Ausdruck 
„Aggressin“ einführt. Wer einem Missbrauch folgt, darf sich nicht wundern, 
dass andere in der missbräuchlichen „Anwendung fortfahren. 

Was soll sich der Leser denken, wenn Bail in diesem Aufsatz wörtlich 
sagt: m 200. Hingegen liegt es, wenn dieser teleologische Ausdruck hier 
erlaubt ist, im eigensten Interesse der Bacillen, die Leukocyten fernzuhalten. 
Ihnen ist also diese Eigenschaft sofort zuzuerkennen, d. h. sie sind aggressiv, 
oder bilden Aggressin, womit durchaus nicht ein eigenartiges Sekretionsprodukt 
gemeint sein muss“. 

Was im übrigen die sachlichen Einwände B.'s gegen P. und 
Sch. betrifft, so sucht Bail jede weitgehende Analogie zwischen Serumkrankhgit 
und Tuberkulose-Ueberempfindlichkeit in Abrede zu stellen. Vollends aber ver- 
sage der Erklärungsversuch von P. und Sch. bei der Erklärung der aggressiven 
Eigenschaften von Typhus- und Pneumokokkenexsudaten, welche unmöglich 
solche Reaktionsprodukte, wie sie die Autoren annehmen, enthalten können, da 
keine Zeit zu ihrer Bildung vorhanden war. Grassberger (Wien). 


Stirnlimann, Tuberkulose im ersten Lebensjahre. Jahrb. f. Kinderheilk 
1905. Bd. 61. H. 5. 

Von 591 Säuglingen, die in der Züricher Kinderklinik starben, er- 
wiesen sich bei der Sektion 42, also 7,10%/, als tuberkulös. In mehr als der 
Hälfte dieser Fälle handelte es sich um allgemeine Miliartuberkulose. 

55° 


748 Infektionskrankheiten. 


Von den 18 Fällen mit Tuberkulose des Magendarmtraktus hatten 17 
gleichzeitig makroskopisch nachweisbare tuberkulöse Veränderungen in Lungen 
oder Bronchialdrüsen. Ueberhaupt fand sich Verkäsung der Bronchialdrüsen 
in 34 von den 42 Fällen; ob in den übrig bleibenden 8 Fällen die Bronchial- 
drüsen nicht auch erkrankt waren, bleibt unentschieden, da über das histolo- 
gisch-bakteriologische Verhalten nichts mitgeteilt wird. 

Die klinischen Ausführungen des Verf.’s bieten nichts besonderes. 

Stoeltzner (Halle a.S.). 


Fischer, Ferd., Ueber die Entstehungs- uud Verbreitungsweise der 
Tuberkulose in den Schwarzwalddörfern Langenschiltach und 
Gremmelsbach. Inaug.-Dissert. Würzburg 1904. 

Verf. stellte an Ort und Stelle Nachforschungen und Untersuchungen 
über die Entstehungs- und Verbreitungsweise der Tuberkulose in 
2Schwarzwalddörfern an und gelangt zu folgenden Schlüssen: die Tuber- 
kulosemorbidität der beiden Dörfer beträgt 1,70 bezw. 2,250), und ist so- 
mit höher, als sie von der staatlichen Eintagsstatistik von 1901 für Baden 
berechnet ist (0,82°/,). In der landwirtschaftlichen Bevölkerung sind 
Morbidität und Sterblichkeit an Phthise beinahe um die Hälfte geringer als 
in den übrigen Berufsarten. Social und hygienisch niedrig stehende Bezirke 
zeigen erhöhte Morbidität und Sterblichkeit. Die Tuberkulose ist keine 
Krankheit grosser Familienstämme, sondern einzelner Haushaltungen. 
Eine hereditäre Disposition ist für die Verbreitung der Krankheit nicht 
massgebend, dagegen ist dies die Infektionsgefahr. Ein gewisser Schutz 
durch das Höhenklima ist wahrscheinlich. Baumann (Metz). 


Marcuse, Julian, Tuberkulosemuseen. Wien. med. Wochenschr. 1905. 
No. 41. S. 1979. 

Ausgehend von dem Kampfe gegen die Tuberkulose durch Heilstätten- 
behandlung, auf social-hygienischem Gebiete durch Einwirkung auf den Lebens- 
und Schaflfenskreis der Tuberkulösen, die Wohnungsverhältnisse der Kranken, 
spricht Verf. den Tuberkulosemuseen als Lehr- und Lernstätten für Alle das 
Wort. Zu deın in Berlin 1903 begründeten ist in letzter Zeit ein neues in 
Karlsruhe getreten, welches seinen Zweck durch die auf Anschauung basierende 
Belehrung über alle die Tuberkulose betreffenden Punkte in vollkommenster 
Weise erfüllt. Auch andere aus dem Gebiete der Volksgesundheitspflege be- 
treffende Fragen, Beziehungen des Alkohols zur Tuberkulose, Notwendigkeit 
der Erhaltung der Zähne u. s. w. sind durch Bild und Wort im Museum 
vertreten. Den aus allen Teilen des badischen Landes nach und nach kommen- 
den Vertretern der arbeitenden Klassen werden an Ort und Stelle sachgemässe 
Unterweisungen erteilt. Zur Erweiterung des Wirkungskreises des Museums 
empfiehlt Verf. berufenen Organen Anschauungsmaterial zur Abhaltung von 
Vorträgen, Kursen u. s. w. in Stadt und Land zu überlassen. 

Nieter (Halle a. S.). 


Infektionskrankheiten. 749 


Saquepee, Infection mixte épidémique. Arch. de med. exp. T. 17. 
p- 718. 

Bei einem plötzlich auftretenden aber rasch vorübergehenden Ausbruch 
einer Magendarmerkrankung unter mehreren Angehörigen des in Rennes 
befindlichen Regiments wurden durch die Untersuchung des Blutes, des Stuhls 
und des Harns teils mit dem Widalschen Verfahren, teils mit der Züchtung 
der Paratyphusbacillus und ein zuerst von Thiercelin beschriebener Ente- 
rokokkus gefunden, von denen auch letzterer nach den Angaben des Verf.’s 
eine gewisse Bedeutung für die Entstehung der Erscheinungen beanspruchen 
kann. C.-Fraenkel (Halle a. S.). 


Hammerschmidt., Ueber die Einwirkung von Magensaft auf Typhus- 
keime. Vierteljabrsschr. f. gerichtl. Med. u. öffentl. Sanitätsw. 3. Folge. 
Bd. 30. 

Gelegentlich einer militärischen Uebung im September 1903 erkrankten 

im Dorfe Neuhof bei Crone ausser einer grossen Zahl von Dorfbewohnern 

auch eine erhebliche Anzahl von den während des Brigademanövers durch 

das Dorf ziehenden Truppen das Infanterie-Reg. 49. Die Ursache erblickt 
der Verf. in dem Genuss von Wasser, das aus einem typhusinficierten Brunnen 
stammte und das die vom Exercieren zurückkehrenden Truppen mit grosser 

Gier getrunken hatten. Auffallend war dabei, dass gerade in dem einen, im 

Dorfe Neuhof selber mit Einquartierung belegten Hause niemand an Typhus 

erkrankte, obwohl die hier untergebrachten Mannschaften reichlich Wasser 

getrunken hatten und in diesem Hause die Quelle der Infektion (eine an 

Typhus erkrankte polnische Magd) vermutet wurde. Daraus, dass die hier 

untergebrachten Mannschaften sich in nächster Nähe des Exercierplatzes be- 

fanden im Gegensatz zu den übrigen Mannschaften, die zum Exercierplatz 
einen Marsch von etwa 6 km und zurück wiederum einen ebenso langen 

Marsch zurückzulegen hatten, und dass sie unmittelbar oder wenigstens kurze 

Zeit nach dem Einrücken ihr Mittagessen erhielten, folgerte H., dass der 

Magensaft die Wirkung des etwa gleichzeitig oder kurz vorher genossenen 

inficierten Wassers aufgehoben, d. h: die Typhusbacillen abgetötet habe. 

Durch Versuche mit Magensaft aus Schweinemagen und Typhusbouillonwasser 

stellte H. fest, dass der Magensaft noch in einer Verdünnung von annähernd 

1:4 imstande ist, Typhuskeime zu vernichten. Da aber anzunehmen ist, 

dass die betreffenden Mannschaften auch ausserhalb der Mahlzeiten Wasser 

genossen haben, dass sie mehr Gelegenheit hatten als die übrigen Mann- 
schaften, das als inficiert erachtete Wasser zu geniessen, erscheint die Erklä- 
rung von Hammerschmidt nicht ausreichend begründet. 

E. Roth (Potsdam). 


Heller 0., Die Rothbergersche Neutralrotreaktion auf Gelatine bei 
37°. Centralbl. f. Bakt. Abt. I. Orig. Bd. 88. S. 117. 
Verf. empfiehlt, die Neutralrotreaktion nicht, wie von Rothberger 
vorgeschlagen, mit Agar, sondern mit Gelatine auszuführen und die Neutral- 
rotgelatine bei 37° zu halten. Die Reaktion ist schon nach 6—7 Stunden 


750 Infektionskrankheiten. 


deutlich, sie "bleibt lange bestehen und wird durch den Luftsauerstoff nicht 
beeinträchtigt; sie ist eine Folge der Lebenstätigkeit der Bakterien und ist 
mit abgetöteten Kulturen nicht zu erzielen. Hayo Bruns (Gelsenkirchen). 


Marschall F., Die Bedeutung des Endoschen Nährbodens für die bak- 
teriologische Typhusdiagnose. Aus dem hygien. Institute der Uni- 
versität Heidelberg. Centralbl. f. Bakt. Bd. 38. S. 342. 

Die Erfahrungen des Verf.’s mit dem Endoschen Nährboden sind sehr 
günstige; er fasst sie folgendermassen zusammen: 

1. Er ist einfach und schnell herstellbar, dabei billig bezüglich der zu 
seiner Bereitung nötigen Materialen. 

2. Er ermöglicht, richtig zubereitet, die mühelose Unterscheidung der 
B. coli-Arten von Typhus, Paratyphus A und B, sowie von B. enteritidis 
Gärtner innerhalb längstens 24 Stunden bei 37°, indem B. coli fuchsinrot, 
alle anderen genannten nahezu oder gänzlich farblos erscheinen. y 

3. Er ist in dieser Hinsicht dem Drigalski-Conradischen Nährboden 
nicht nur ebenbürtig, sondern demselben, namentlich beim Arbeiten mit künst- 
lichem Lichte entschieden überlegen. 

4. Er hält die Eutwickelung der Kokken des Stubles weit mehr, als dies 
der Lackmusnährboden trotz Krystallviolettzusatzes vermag, zurück, bezw. ver- 
hindert dieselben überhaupt am Auskeimen. 

5. Vertreter der Subtilis- sowie der Proteusgruppe, welche nicht so 
selten vorkommen und auf Lackmusnährböden blau wachsen, lassen sich auf 
Endo Nährboden gegen die 20. Stunde sowohl von Typhus- wie Paratyphus- 
und Enteritidisbacillen einerseits, wie von dem B. coli andererseits ohne 
weiteres unterscheiden. 

6. Eine gewisse Rotfärbung des Endoschen Nährbodens schadet nichts, 
ist im Gegenteil für die leichte Erkennung verdächtiger Kolonien eher von 
Vorteil. Kisskalt (Berlin). 


Oibrich, Carl, Die Typhusepidemie in Gimbrett (Elsass) im Winter 
1903/04. Aus der bakteriologischen Aussenstation für Typhusbekämpfung 
im Elsass. Inaug.-Diss. Leipzig 1905. 

Nach eingehender Darstellung über die Aetiologie der Epidemie, welche 
nach Gimbrett gelegentlich des Kirchweihfestes (4.—5. Okt.) als eingeschleppt 
anzusehen ist, bespricht Verf. in ausführlicher Weise die getroffenen Mass- 
nahmen zur Bekämpfung: 

1. Ausbildung eines Desintektors (der die betroffenen Familien in 
der Desinfektion der Abgänge unterstützen, dieselben kontrollieren und der 
Anstalt die erforderlichen Stuhl- und Urinproben einsenden musste), 

2. möglichste Absonderung der Kranken (angestrebt wurde Auf- 
stellen einer Baracke im Dorfe), 

3. wiederholentliche Unterweisungen in der Desinfektion (sowohl der 
Abgänge, der Wäsche u. s. w. des Kranken als auch der Hände des Pflege- 
personals). An Desinfektionsmitteln wurden benutzt: rohe Kresolseifenlösung 
(in 5 proz. Lösung), gewöhnliche Kalkmilch für Aborte und Düngerstätten. 


Infektionskrankheiten. 751 


4. Zur Aufklärung über Wesen’ der Krankheit, Verbreitung und Be- 
kämpfung von Typhus wurden die vom Kais. Ges.-Amte herausgegebenen 
Typhusmerkblätter in den Haushaltungen verteilt. 

5. Um Verschleppungen zu verhüten, wurde ein Verbot erlassen betreffend 
Ausfuhr von Milch und Molkereiprodukten. 

Auf Grund der bakteriologischen Untersuchungen der Station: 

von 60 Blutproben positiv 33 = 55%), 

„ 163 Stuhlprben „ 19= 11,65%), 

„ 121 Urioproben „ 6 = 4,960, 
wurden 44 Fälle festgestellt; davon waren amtlich als Typhus gemeldet nur 
24. Die Erkrankungen waren im Dorfe regellos verteilt; Beziehungen zu den 
Wasserverhältnissen (Brunnen, Dorfbach) konnten nicht nachgewiesen werden. 
Direkter Kontakt wurde von den 24 Fällen 9 mal beobachtet. Die nach dem 
Lebensalter aufgestellte Zusammenstellung zeigt die bekannte Erfahrung, dass 
vornehmlich das Kindesalter (11.—15. Jahr 12, 6.—10. Jahr 7 Fälle) be- 
fallen war. Das Verhältnis der Kinder zu den Erwachsenen betrug 24:20 
= 54,540. Nieter (Halle a. S.). 


Pottevin, Henri, Contribution à la bactériologie des gastro-entérites 
infectieuses. Ann. de lInst. Pasteur. 1905. No. 7. p. 426. 

Verf. hatte Gelegenheit, in einem Falle von Fleischvergiftung nach 
Genuss eines Schinkens bakteriologische Untersuchungen anzustellen. In 
einer Familie erkrankten 4 Personen, welche von dem Schinken gegessen hatten, 
während 3 andere, die kein verdächtiges Fleisch genossen hatten, verschont 
blieben. Aus dem Schinken wurde ein Bacillus isoliert, welcher morpho- 
logisch, kulturell und experimentell untersucht worden ist. Das Blut von 
3 erkrankten Personen agglutinierte den gefundenen Mikroorganismus in Ver- 
dünnungen von 1:50—1:500, während 12 Blutproben von anderen Menschen 
bei 1:25 nicht agglutinierend wirkten. Dieser Mikroorganismus war ursprüng- 
lich für Meerschweinchen sehr pathogen. Ein Tropfen einer Bouillon- 
kultur genügte, um bei subkutaner Injektion ein Meerschweinchen in 3 Tagen 
zu töten. Ebenso erwies sich derselbe pathogen für Mäuse, Kaninchen, Tauben. 
Ein Schwein zeigte Krankheitserscheinungen nach intravenöser und nach 
subkutaner Injektion, erholte sich aber jedesmal wieder. Während Fütte- 
rungsversuche an kleinen Laboratoriumstieren negativ ausgefallen waren, 
zeigte eine junge Katze nach Genuss von inficierter Milch eine etwa 3 Wochen 
lang andauernde Diarrhöe mit Gewichtsabnahme ; ein gleich altes 
Kontrolltier blieb gesund und nabm normal an Gewicht zu. Der Mikroorga- 
nismus hat grosse Achnlichkeit mit dem Bac. enteritidis Gärtner. 
Verf. hat die Gärung von Stärkezucker und von Mannit eingehend unter- 
sucht und mit dem verwandten Bact. enteritidis, paratypbi und der Hog- 
cholera verglicben. Er fand, dass alle 4 Bakterienarten Glykose in ähn- 
licher Weise zersetzen. Gebildet wurden neben Wasserstoff und Kohlensäure 
Aethylalkohol, Essigsäure, Milchsäure und Bernsteinsäure. Auf Grund seiner 
vergleichenden Untersuchungen ist Verf. geneigt, die erwähnten Mikroorga- 
nismen in eine Gruppe zusammenzubringen, mit dem von Lignières vorge- 


752 Infektionskrankheiten. 


schlagenen Namen Salmonella. P. macht auf die Bedeutung von Er- 

krankungen der Haustiere bei der Entstehung von Fleischvergif- 

tungen und von typhusähnlichen Erkrankungen aufmerksam. 
Silberschmidt (Zürich). 


Smidt H., Zur Charakterisierung der Hogceholera-Gruppe. Centralbl. 
f. Bakt. Abt. I. Orig. Bd. 38. S. 24. 

Der Bacillus der Schweinepest, B. suipestifer, gehört zu der Gruppe der 
sog. Paratyphusbacillen, und zwar steht er dem Typus B (Schottmüller) 
der Paratyphusbacillen nahe. Smith rechnet in die Hogeholera-Gruppe 
die Mäusetyphus-, Schweinepest- und Paratyphusbacillen Typus BB Weder 
morphologisch, noch kulturell, noch durch den Tierversuch, noch durch Aggluti- 
nation ist eine sichere Trennung der drei Bakterienarten möglich. Es zeigte 
sich, dass durch polyvalentes Schweinepestserum, wie es von den Höchster Farb- 
werken geliefert wird, alle drei Bakteriensorten sehr hoch (1:8000), aber 
alle fast gleichmässig agglutiniert werden, während Coli-, Dysenterie-, Enteri- 
tis- und Typhusbacillen nur ebenso hoch wie unter Umständen durch normales 
Serum agglutiniert wurden. Auch mit monovalentem Serum dieser drei 
Bakteriensorten wurde der zugehörige Stamm zwar am höchsten, die beiden 
anderen aber annähernd ebenso hoch agglutiniert. Bei Absorptionsversuchen 
des Serums mit einer der drei Bakteriensorten stellte sich jedoch mehrfach 
heraus, dass der Agglutinationstiter für den Stamm, mit dem die Absorption 
vorgenommen war, stark gesunken war, derjenige für einen der anderen beiden 
Stämme dagegen hoch geblieben war. Gelegentlich allerdings trat auch die 
umgekehrte Erscheinung auf. Auch Paratyphuspatientenserum zeigteaufSchweine- 
pestbacillen Wirkung. Beim Auftreten von Paratyphusfällen soll man mehr 
als bisher seine Aufmerksamkeit auf das Vorkommen der entsprechenden 
Tierkrankheiten richten. Hayo Bruns (Gelsenkirchen). 


Perrone, Contribution à l’etude de la bacteriologie de l’appendi- 
cite. Ann. de l’Inst. Pasteur. 1905. No. 6. p. 367. 

Nach Besprechung der von Hodenpyl, Veillon und Zuber, Lanz und 
Tavel u.a. veröffentlichten Resultate teilt Verf. die Ergebnisse seiner dies- 
bezüglichen Untersuchungen mit. Er hat in 14 Fällen von Appendicitis 
bei der Operation den Inhalt des Wurmfortsatzes entnommen und bak- 
teriologisch untersucht und fand Bact. coli (10 mal), Diplostreptococcas 
intestinalis (6 mal), Streptococcus pyogenes (4 mal),.Bac. fragilis 
(7 mal), Bac. perfringens (6 mal), Bac. proteus hominis capsulatus 
(2 mal); ferner Bac. fusiformis, Pneumococcus, Staphylococcas und 
B. pyocyaneus je einmal. ln einem Falle war der Wurmfortsatz steril. Die 
Bedeutung der anaëroben Bakterien bei Appendicitis ist gross. 

Silberschmidt (Zürich). 


Rosenblath, Ueber einen eigenartigen Fall von Blutfleckenkrankheit. 
Centralbl. f. Bakt. Bd. 39. S. 21. 

Der von Rosenblath beschriebene Fall bot schon durch seine klinischen 

Erscheinungen nicht unerhebliche Schwierigkeiten, indem ein sicherer An- 


Infektionskrankheiten. 753 


halt zur Erkennung des Wesens der Krankheit aus ihnen nicht zu gewinnen 
war. Am Lebenden vorgenommene Blutuntersuchungen, auch bakterio- 
logische, liessen gleichfalls einen tieferen Einblick nicht gewinnen. Die patho- 
logisch-anatomische Untersuchung der Leichenteile sprach für hämor- 
rhagische Diathese; doch war auch damit das Eigenartige des Falles nicht 
geklärt. Ebenso liess, wie der Verf. des näheren ausführt, der bakterio- 
logisch-mikroskopische Untersuchungsbefund der Organe verschiedene 
Deutung hinsichtlich der Entstehung und der ganzen Entwickelung der Er- 
krankung zu. Isoliert wurde ein nach des Verf.’s Ansicht der Coligruppe 
sehr nahestehendes Stäbchen. Jacobitz (Karlsruhe). 


Dopter Ch., Effets experimentaux de la toxine dysenterique sur le 
systeme nerveux. Ann. de l’Inst. Pasteur. 1905. No. 6. p. 353. 

Verf. hat in einer mit Vaillard veröffentlichten Arbeit schon darauf 
bingewiesen, dass bei Kaninchen häufig Lähmungen nach Injektion von 
Dysenteriekulturen auftreten. In der vorliegenden Veröffentlichung wurde 
speciell auf histologischem Wege die Natur der Veränderungen studiert und 
gefunden, dass das Dysenterietoxin allein für die beobachteten Verände- 
rungen verantwortlich gemacht werden muss. Bei Kaninchen, welche nach 
wenigen Tagen zugrunde gingen, waren die peripheren Nerven nicht beschädigt, 
hingegen wies die graue Substanz des Rückenmarkes und zwar speciell 
die Vorderhörner dentliche Veränderungen auf, welche in einer farbigen 
Tafel veranschaulicht werden. Die weisse Substanz bleibt intakt. Die peri- 
pheren Nerven zeigen bei der kurzen Dauer der experimentell erzeugten 
Erkrankung keine Veränderung; es gelingt hingegen mittels Injektion in die 
Nervenscheide doch eine Degeneration hervorzurufen. Diese Beobachtungen 
lassen sich auch klinisch verwerten: Myelitis und Neuritis können beim 
Menschen als Komplikation in Fällen von Dysenterie auftreten. 

Silberschmidt (Zürich). 


Kikuchi, Yonetaro, Untersuchungen über das Dysenterieaggressin. 
Berl. klin. Wochenschr. 1905. No. 15. S. 420. 

Zur Erklärung der Widerstandsfähigkeit der pathogenen Bakterien gegen 
die Schutzkräfte des inficierten Körpers schreibt Bail ihnen die Fähigkeit zu, 
„Aggressine“ zu bilden. Er unterscheidet sie in echte Parasiten, Halbpara- 
siten und Saprophyten, je nachdem sie unter allen, nur unter besonderen, 
oder unter gar keinen Umständen genug Aggressine producieren, um im Tier- 
körper die natürlichen Schutzkräfte zurückzuhalten, sich zu vermehren und 
den Tod der Tiere herbeizuführen. 

Diese Aggressine sind in allen Exsudaten besonders vorhanden, die seitens 
des inficierten Organismus infolge der Gegenwart der Bakterien abgesondert 
werden, so z.B. bei Milzbrandbacilleninfektion in dem Oedem, das sich an 
der Impfstelle bildet, bei intraperitonealer Typhus-, Cholera- oder Dysenterie- 
infektion in dem Exsudat der Bauchhöhle. Verf. bezeichnet als Aggressin 
direkt das durch 4stündiges Uentrifugieren von den Leukocyten und dem 
grössten Teil der Bakterien befreite Exsudat. Um die Wirkung der Aggressine 

56 


754 Infektionskrankheiten. 


frei von lebenden Bakterien zu studieren, versetzt Kikuchi nach Bails Vor- 
gang das Exsudat mit einigen Tropfen Toluol, das sie 4 Stunden lang im Eis- 
schrank einwirken lassen. Sie erhalten so „sterilisiertes Aggressin“. 

Verf. untersuchte nun die Eigenschaften dieses Aggressins beim Dysenterie- 
bacillus, d. h. bei einer Bakterienart, die nur geringe Pathogenität aufweist 
und bei der also die Erscheinungen der „Aggressivität“ deutlich zu Tage 
treten mussten. Zunächst gelang es, eine Steigerung der Aggressivität der 
Dysenteriebacillen hervorzurufen, indem er serienweise hintereinander immer 
die im Tierkörper gewachsenen Bakterien (Exsudate) ohne Zwischenschaltung 
künstlicher Kulturen in die Bauchhöhle frischer Tiere übertrug. Es zeigte 
sich, dass das Exsudat immer spärlicher Leukocyten enthielt, dass also die 
Fähigkeit, die Leukocyten und damit die in ihnen enthaltenen Schutzstoffe 
fern zu halten, gesteigert war. Dabei zeigte es sich, dass mehr und mehr die 
Bakterien nicht nur im Peritonealexsudat, sondern auch in sämtlichen Organen 
der Tiere auftraten, d. h. in ihrem Verhalten den sogenannten „echten Para- 
siten“ sich näherten. Das Aggressin bewirkt weiter, dass untertödliche 
Bacillenmengen zu tödlichen gemacht werden; so trat bei gleichzeitiger Ein- 
verleibung von 1,5 ccm Aggressin mit 1/5 Agarkultur der Tod der Tiere inner- 
halb 24 Stunden ein, während die gleiche Bacillenmenge ohne Aggressin an- 
standslos vertragen wurde. 

In dem Bauchhöhlenexsudat dieser mit Dysenteriebacillen geimpften Tiere 
ist aber nicht nur das Aggressin vorhanden, sondern auch ein lösliches Toxin; 
in Dosen von etwa 0,1 intravenös oder subkutan Kaninchen einverleibt, be- 
wirkt es, dass diese unter Krämpfen in einigen Tagen zu Grunde gehen. Es 
ist bei Dysenterie also (ebenso wie Bail bei der Cholera- und Typhusinfektion 
nachweisen konnte) die Auflösung der Bacillen im Peritoneum des immunen 
Tieres nicht immer gleichbedeutend mit der Rettung des Tieres; der Tod 
kann dann auch durch Giftwirkung erfolgen. Erst das gleichzeitige Vor- 
bandensein von Leukocyten schützt den Organismus vor Vergiftung. Auch 
experimentell verhinderte das Einbringen von Leukocyten eines normalen Tieres 
den Tod durch Giftwirkung. 

Ebenso wird durch künstlichen Leukocytenzusatz auch die „Aggressivität“ 
beeinflusst, insofern als dann der Aggressinzusatz eine untertödliche Bacillen- 
menge nicht mehr zu einer tödlichen zu machen imstande ist. Die Leuko- 
cyten haben also neben ihrer phagacytären, d. h. bakterientötenden und 
giftneutralisierenden Aufgabe (Metschnikoff) noch die Eigenschaft, das 
„Aggressin“ der Bakterien zu zerstören. Hayo Bruns (Gelsenkirchen). 


Weawer, Tunniclift, Heinemann, Michael, Summer diarrhoea in infants. 
Journ. of infeetious diseases. Vol. 2. p. 71. 

Im Sommer 1904 wurden in Chicago 102 Fälle von Brechdurchfall 
bei Kindern einer genauen bakteriologischen Untersuchung unterworfen, die 
namentlich das Vorkommen von Mikroorganismen aus der Gruppe der Dys- 
enteriebacillen festzustellen bemüht war, und bei 26 der erkrankten 
Personen auch Ergebnisse erzielt, die hier zunächst ein positives Ergebnis zu 
liefern schienen, Freilich entsprach keine der gefundenen Arten dem echten 


Infektionskrankheiten. 755 


Shiga-Kruseschen Bacillus; doch wurden eine ganze Anzahl von Arten isoliert, 
die mit dem von Flexuer und Harris beschriebenen Typus, der die meisten 
Zuckerarten mit Ausnahme des Milchzuckers vergärt, und mit dem Typus „Y“ 
derselben Autoren, der Trauben- und Milchzucker nicht angreift, übereinstimmten. 
Bei dem Versuch, diese Stämme auch durch Immunserum vom Kaninchen von 
einander zu trennen, ergab sich allerdings das eigentümliche Resultat, dass 
nahezu alle die gefundenen Bakterienarten mit den sämtlichen Serumarten 
eine positive Reaktion ablegten, die hier zum Versuche dienten und die mit 
dem Typus Shiga, mit Kruse, mit Flexner und „Y“ bereitet worden 
waren. Doch muss hinzugefügt werden, dass das eben erwähnte Immunserum 
nur bis 1:200 eine agglutinierende Wirkung ausübte, also längst nicht den- 
jenigen Grad einer specifischen Wirkungsweise erlangt hatte, der allein zur 
Unterscheidung nahe mit einander verwandter Mikroorganismen ausreicht. 
Auffällig ist endlich auch, dass die Verff. nur von Lebenden entnommenen 
Untersuchungsstoff verwandt haben, während ihnen doch die gewiss auch in 
Chicago nicht seltenen Todesfälle der Patienten genugsam Material aus ver- 
schiedenen Abschnitten des Darmkanals verschafft haben würden. 
C. Fraenkel (Halle a. S.). 


Jehle und Charleton, Ueber epidemische und sporadische Rubr im 
Kindesalter. Zeitschr. f. Heilk. 1905. Bd. 26. H. 8. 

Die klinischen und bakteriologischen Erfahrungen, welche die Autoren an 
einem reichem Krankenmaterial gemacht haben, lassen sich in folgende Sätze 
zusammenfassen: 

1. Die Dysenterie kann im Kindesalter sowohl in Form epidemi- 
scher Erkrankungen als auch in sporadischen Fällen auftreten, indem 
namentlich bei der letzteren Form die Infektion mit Nahrungsmitteln als ein 
bisher unbekanntes ätiologisches Moment in- Betracht kommt. 

2. Beide Formen sind kontagiös. Die sporadischen Erkrankungen können 
zuweilen zu Epidemien Veranlassung geben, welche sich durch ein relativ 
schnelles Erlöschen und durch ein deutliches Abklingen in der Intensität der 
Erkrankungen charakterisieren. 

3. Als Krankheitserreger kommen beide Arten der Dysenteriebacillen in 
Betracht und zwar der Typus Shiga-Kruse hauptsächlich bei der epidemischen 
Form, der Typus Flexner bei den sporadischen Fällen. Die Erreger (Flexner) 
können oft schon nach 4—5 Tagen aus den Stühlen verschwinden. Nur 
unter besonderen Verhältnissen kommen beide Formen nebeneinander vor. 

4. Prognostisch sind die Shiga-Kruse-Infektionen in der Regel ernster 
als die Flexner-Infektionen, indem die letzteren des Öfteren unter dem Bilde 
eines einfachen Darmkatarrhs verlaufen können. 

5. Im Blutserum der Patienten finden wir in der Regel specifische Agglu- 
tinine, und zwar wird nur eine Bakterienart durch das Blutserum agglutiniert. 

6. In manchen Fällen kommt es zu einer deutlichen Agglutination des 
Bact. coli; und zwar kann dieselbe unter Umständen früher auftreten als die 
Reaktion mit dem Dysenteriestamm. 0. Baumgarten (Halle a. S.). 


56* 


756 Infektionskrankheiten. 


Raczynsky J., Untersuchungen über die Aetiologie der Dysenterie, 
mit Berücksichtigung von zwei Epidemien in Galizien im Jahre 
1903. Aus d. bakteriol. Abteilung des Instituts für Veterinärkunde der 
Jagellonischen Universität in Krakau. Wien. klin. Wochenschr. 1905. 
No. 33. S. 897. 

Der Verf. züchtete aus einem Falle von epidemischer Dysenterie 
den Shiga-Kruseschen Bacillus, dessen Verhalten auf den verschiedenen 
Nährböden er ebenso wie eine Reihe von Tierversuchen, die mit den Rein- 
*kulturen angestellt wurden, eingehend schildert. Grassberger (Wien). 


Lesage A., Culture de l’amibe de la Dysenterie des pays chauds. 
Trav. du lab. de M. Roux. Ann. de I’Inst. Pasteur. 1905. No. 1. p. 9. 

Die Frage der Specificität einer Amöbe bei der Tropendysen- 
terie ist noch nicht endgiltig gelöst; Schaudinn kommt auf Grund ver- 
gleichender Untersuchungen zum Schlusse, dass die Entamoeba histolytica 
der specifische Krankheitserreger der Tropendysenterie ist und dass diese 
Amöbe verschieden ist von der gewöhnlichen Entamoeba coli. In der vor- 
liegenden Arbeit befasst sich Verf. mit der Reinzüchtung der Entamoeba 
histolytica. Die Isolierung ist schwierig; Verf. ist es gelungen, 7 mal (von 
30 Fällen) eine und dieselbe Amöbe aus dem Intestinalschleim von Patienten 
mit Tropendysenterie zu erhalten. Der Schleim wird in einer Anzahl Petri- 
schalen verteilt, auf lebende bewegliche Amöben untersucht, auf gut ge- 
waschenen sterilisierten Agar übertragen und bei 18—25°C. aufbewahrt. In 
einigen Fällen wurde ein unschädliches Paracolibakterium zuerst überimpft und 
dann die Amöbe übertragen. Einige Male wurde die Cystenbildung der Amöbe 
abgewartei — der Schleim wurde an den Wandungen eines Trinkglases ausge- 
breitet mit wenig sterilem Wasser am Boden des Glases — und die Cysten 
auf Agar überimpft. Im Verlaufe-von 2 Jahren hat Verf. 66 ununterbrochene 
Kulturen erhalten; die isolierte Amöbe wurde am Boden des Röhrchens über- 
impft, das für die Mischkultur dienende Paracolibakterium am oberen Teile; nach 
einigen Tagen ist die Amöbe auch an den oberen Teil der Röhrchen gelangt 
und wird von da aus weiter überimpft. Die Eigenschaften des Parasiten 
entsprechen den von Schaudinn angegebenen: zuerst bewegliche, glasige 
protoplasmatische Masse ohne Körnelung und ohne sichtbaren Kern, die Grösse 
schwankt zwischen 3 und 20, die Färbung ist gleichmässig; dann erfolgt die 
charakteristische Differenzierung in ein Endoplasma und in ein Ektoplasma. 
Der Kern befindet sich meist an der Peripherie des Endoplasma, er ist aber 
sehr variabel in Form und Grösse. Das Endoplasma weist ferner Körnelungen 
und Vakuolen auf. Das Ektoplasma ist hell, glasig, verschieden breit. Der 
Parasit zeigt das eine Mal sehr polymorphe Pseudopodien, das andere Mal 
keine. Im gefärbten Präparat ist wenig Chromatin im Kerne zu erkennen: 
die Körnelungen sind spärlich und nehmen erst am Ende der Evolution zu. 
Die Vermehrung erfolgt durch einfache Teilung. Die Cysteubildung kann 
in älteren Kulturen mittels Zusatzes von verdünnter Jodlösung angeregt werden: 
die Amöbe wird körnig, die Umrisse sind nicht mehr deutlich. Au einer 
Stelle der Oberfläche entsteht ein rundlicher, farbloser Spross mit einer 


Infektionskrankheiten. 757 


dicken gelatinösen Membran und einem hellen Centrum. Die kleine (3—6 x) 
Cyste ‘wird frei; grosse Cysten wie bei Ent. coli kommen nicht vor. Der 
Zusatz von Jodwasser ermöglicht eine rasche Differentialdiagnose. 
Bei 20—25° bleibt die Amöbe 4—5 Monate, die Cyste 6—8 Monate lang in 
der Kultur lebensfähig. A 
Der Arbeit sind 2 schöne Tafeln mit 77 Abbildungen beigegeben. 
Silberschmidt (Zürich). 


Dopter Ch., Sur quelques points relatifs à l'action pathogène de 
l’amibe dysentérique. Ann. de l’Inst. Pasteur. 1905. No. 7. p. 417. 
Die Dysenterieamöbe dringt, wie dies aus der Untersuchung von 
2 Fällen von tödlich verlaufener Dysenterie beim Menschen hervorgeht, durch 
die Schleimhaut und nicht durch die Submucosa in die Darmwandungen 
ein. Die Amöbe gelangt durch den Epithelwall hinein und nicht in die 
Drüsenöffnungen, schreitet in das interglanduläre Bindegewebe weiter; von da 
aus befällt der Parasit die Drüsen. In der Tiefe.der Schleimhaut angelangt, 
bleibt derselbe eine Zeit lang an der Muscularis mucosae, bevor er die 
Submucosa befällt. Die Amöbe erzeugt eine entzündliche Reaktion des 
befallenen Gewebes, welche einer Nekrose Platz macht. Diese Nekrose 
tritt konstant auf; wie dieselbe entsteht, ist noch nicht eruiert. Eine farbige 
Tafel illustriert die im menschlichen Darme beobachteten und die an Katzen 
experimentell erzeugten Veränderungen. Silberschmidt (Zürich). 


Albu (Berlin), Zur Keuntnis der sporadischen einheimischen Dys- 
enterie. Zeitschr. f. klin. Med. Bd. 56. H. 5 u. 6. 

Verf. gibt zunächst einen Ueberblick über den gegenwärtigen Stand der 
ätiologischen Forschung der Dysenterie und charakterisiert den beiden Formen 
(Amöben- und Bacillendysenterie) gemeinsamen klinischen Symptomenkomplex: 
profuse, dünnflüssige, durchweg blutig-schleimige, tage- und wochenlang an- 
dauernde, meist mit starkem Tenesmus einhergehende Durchfälle, die oft auch 
mit Darmkolikschmerzen vergesellschaftet siod und zu einer erheblichen Be- 
einträchtigung des Ernährungs- und Kräftezustandes führen. Von dem Erreger 
der Amöbendysenterie (Entamoeba histviytica Schaudinn) sei zu unterscheiden 
die Entamoeba coli sowohl durch Form- und Strukturunterschiede, als auch durch 
Differenzen in der Art der Fortpflauzung, die, wenn sie gelegentlich auch einmal 
pathogen würde, duch immer nur leichte Darmerkrankungen, niemals aber eine 
echte Dysenterie zur Folge hätte. 

Alsdann beschreibt Albu einen von ihm genau beobachteten Fall von 
echter, einheimischer Amöbendysenterie mit tödlichem Ausgang: Eiu bis 
daio gesundes 25 jähriges Mädchen inficiert sich in Breslau mit Ruhr und 
erkrankt nach einer Inkubationsdauer von 8—14 Tagen mit den E 5 
einsr allerschwersten häms hen Dysenterie. Die Schwere der Erkran- 
kung kennzeichnete sich durci wiederholte Keciaive, eine kompiicierende 
doppelseitige nekro:ische Angina, permanenten profusen Speichel- und Schleim- 
fluss aus Mund und Rachen, und durch den tödlichen Ausgang, welcher bei 
Rut;serkrankungen in unseren Gegenden eine Seltenheit ist. Zum Schluss gibt 


758 Infektionskrankheiten. 


der Verf. eine ausführliche Beschreibung der makroskopischen und mikrosko- 
pischen Veränderungen des erkrankten Darmabschnittes. i 
O. Baumgarten (Halle a. S.). 


Delor M. J, Un cas de tétanos consécutif à une injection de sérum 
(artificiel). La sem. med. 1905. No. 33. p. 387. 

Delor machte bei einer Wöchnerin, die eine sehr starke Blutung nach 
der Geburt gehabt hatte und deren Zustand höchst gefahrvoll erschien, eine 
subkutane Injektion (250 cem) aus abgekochtem Wasser, dem er Salz 
zugefügt hatte, in die Haut des Oberschenkels. Der Allgemeinzustand besserte 
sich bald. Am folgenden Tage war die Einstichstelle schmerzhaft, es bestand 
leichtes Oedem des Oberschenkels. Verf. verordnete Sublimatumschläge. 3 Tage 
darauf traten ausgesprochene tetanische Anfälle auf; das Oedem nabm zu, 
und die Einstichwunde entleerte übelriechende Flüssigkeit. Durch 3 kräftige 
Einschnitte förderte Verf. Fetzen von zerfallenen Muskeln und Gas heraus. Am 
folgenden Morgen trat der Tod ein. Um ähnliche Zufälle zu verhüten, schlägt 
Verf. vor, das Salz vor dem Abkochen des Wassers zuzufügen und im übrigen 
die Sterilisation über 100° hinaus auszuführen. Nieter (Halle a. S.). 


Passini F., Ueber Giftstoffe in den Kulturen des Gasphlegmoneba- 
cillus. Aus dem hygien. Institut d. Universität Wien. Wien. klin. Wochen- 
schr. 1905. No. 36. S. 921. 

Durch die Untersuchungen über anaërobe Bakterien, die im Wiener hygieni- 
schen Institut seit Jahren fortlaufend geführt werden, ist die von E. Fraenkel 
noch bis vor 2 Jahren festgehaltene Anschauung über die exceptionelle Stellung 
des von ihm seinerzeit beschriebenen anadroben Gasphlegmonebacillus 
unhaltbar geworden. Wir wissen heute, dass die gerade von Fraenkel so 
lebhaft vertretene Ansicht, dass es sich hier um ein asporogenes, stets unbe- 
wegliches Stäbchen handelt, nicht den Tatsachen entspricht. Die Unter- 
suchungen von Grassberger und Schattenfroh haben gezeigt, dass der 
Gasphlegmonebaeillus in jene Gruppe der Buttersäurebacillen einzureihen ist, 
welche durch einen ausgesprochenen Pleochemismus und Pleomorpbismus aus- 
gezeichnet sind. ` 

In der vorliegenden Publikation berichtet Passini zunächst über eine 
Anzahl von gelungenen Versuchen, Gasphlegmonebacillen verschiedenster Pro- 
venienz zur Versporung zu bringen: Weitere Untersuchungen sollten feststellen, 
ob in den Kulturen des Gasphlegmonebacillus irgend welche Giftstoffe 
nachzuweisen sind, was bei dem Umstand, dass dieser Bacillus ein konstanter 
Bewohner des menschlichen Darmes ist, von allgemeinerem Interesse ist- 
Passini konnte nun in der Tat die Produktion zweier verschiedener Gifte 
nachweisen. 

1. Er konnte zeigen, dass 8 verschiedene Gasphlegmonebacillenstämme, 
auf einem, von P. näher beschriebenen, besonderen Nährboden gezüchtet, nach 
2—4 wöchentlichem Wachstum bei 37° giftige Stoffe liefern. 0,5—1,5 ccm 
des Pukallfiltrates töten Kaninchen 1/,—1 Minute nach intravenöser Ein- 


Infektionskrankheiten. 759 


spritzung. Die Giftlösungen wirken energisch auf das Atmungscentrum, in 
anderen Fällen mehr auf die nervösen Organe des Cirkulationsapparates. 

2. 2 von den 8 untersuchten Stämmen lieferten auf Zuckerbouillon giftig- 
wirkende Filtrate, die in ibrer Wirksamkeit mit dem von Faust aus faulender 
Hefe dargestellten „Fäulnisgift Pepsin“ übereinstimmten. 

Beide Giftsubstanzen sind hitzebeständig. Grassberger (Wien). 


Boidin, Recherches expérimentales sur les poisons de la bacteridie 
charbonneuse. Arch. de méd. exp. t. 17. p. 595. 

Um den Einfluss fettiger, durch Aether oder Chloroform ausziehbarer 
Stoffe des Milzbrandbacillus auf den tierischen Körper festzustellen, hat 
‚Verf. derartige Erzeugnisse durch eingehende Behandlung mit den eben er- 
wähnten Mitteln gewonnen und dann bei der Uebertragung auf Affen, Kanin- 
chen u.s. w. gefunden, dass die Wirkung eine rein örtliche blieb und in 
der Entstehung eines ziemlich beträchtlichen Oedems bestand. Nachträglich 
entwickelte sich dann stets eine reichliche Ansammlung von weissen Blut- 
körperchen. Einspritzung dieser fettigen Stoffe nach vorheriger Lösung in Oel 
rief häufig eine starke Abmagerung und sogar den Tod der Tiere in Zeiträumen 
von 12 Stunden bis zu 28 Tagen hervor. C. Fraenkel (Halle a. S.). 


Clark and Batman, Pneumococcal bronchiolitis (capillary bronchitis). 
Journ. of infectious diseases. Vol. 1. No. 2. p. 229. È 
Verff. berichten über einen Fall von Bronchiolitis, der durch Pneu- 
mokokken hervorgerufen war. Liefmann (Halle a. S.). 


Rosenow E. G., Studies in pneumonia and pneumococcus infections. 
Journ. of infectious diseases. Vol. 1. No. 2. p. 280. 

Verf. gelang es in 145 Fällen von Pneumonie 132 mal aus dem Blute 
Pneumokokken zu züchten. In 48 von diesen Fällen konnte er sie auch in 
gefärbten Blutsausstrichen auffinden. Mit dem Auftreten der Pneumokokken 
im Blute Hand in Hand geht (beim Kaninchen) eine erhebliche Leukocy- 
tose, und es scheint Verf., als ob den Leukocyten eine Bedeutung im 
Kampfe gegen die Pneumokokken nicht abgesprochen werden kann. Im 
Pneumokokkenserum beubachtete Verf. neben der Agglutination eine kräftige 
Niederschlagsbildung, als deren Grund eine starke Säurebildung er- 
mittelt wurde, die im normalen Serum ausbleiben soll. Die Arbeit enthält 
noch eine Reihe weiterer Untersuchungen über Pneumokokken. 

Liefmann (Halle a. S.). 


Kokawa J., Studien über experimentelle Bacillenpneumonie. Aus d. 
pathol.-anatom. Institut zu Leipzig. Zeitschr. f. Hyg. Bd. 50. S. 364, 

Der Verf. hat an 9 menschlichen Leichen die pathologisch-anatomischen 
Veränderungen bei Lungenentzündungen untersucht, die ausschliesslich 
durch Friedländersche Kapselbacillen hervorgerufen waren, und ergän- 
zende Versuche an Meerschweinchen und Kaninchen angestellt. Zunächst 
beschäftigte er sich mit der Frage, ob die Lungen vom Blut oder von 


760 Infektionskrankheiten. 


den Atmungswegen aus inficiert werden, und konnte weder durch Ein- 
spritzung unter die Haut noch in die Blutadern Lungenentzündung hervor- 
rufen, wohl aber gelang dies stets, wenn die Kultur unmittelbar in das Lungen- 
gewebe, und manchmal, wenn sie in die Luftröhre eingebracht wurde. Danach 
handelt es sich auch beim Menschen wahrscheinlich meistens um „aërogene“ 
Infektion; die „hämatogene“ kann aber nicht völlig ausgeschlossen werden. 

Der Verf. untersuchte ferner, ob die Friedländerschen Bacillen allein 
zur Erzeugung von Lungenentzündungen genügen. Er faud, dass sie hierzu 
entweder eine sehr starke Virulenz besitzen oder in grosser Menge 
einwirken müssen; für gewöhnlich sind ausserdem noch prädisponierende 
Umstände, wie Trauma und Erkältung notwendig und spielen beim Menschen 
eine wichtige Rolle. 

Die in die Lunge hineingeratenen Bacillen werden zunächst durch das 
Epithel der Lungenbläschen hindurch in das Lymphsystem der Lunge auf. 
genommen und zwar infolge von chemotaktischer Wirkung auf die Leuko- 
eyten weit rascher als Kohlepigment. Sie werden dann in der Lunge ver- 
breitet und gehen im gesunden Lungengewebe grösstenteils zugrande. Ent- 
zündungen des Lungenparenchyms entstehen erst, wenn die (virulent gewordenen) 
Bacillen in die Höhlung der Lungenbläschen durchtreten. 

Bei seinen Versuchen an Meerschweinchen und Kaninchen erzielte 
der Verf. keine „lobären“ und „lobulären“, sondern nur herdförmige Lungen- 
entzündungen. In der Ausschwitzung war viel Schleim enthalten und die 
zelligen Bestandteile zeigten starke Schwellung und Vakuolenbildung. 

Globig (Berlin). 


Perkins, Bacillus mucosus capsulatus. A study of the group andan 
attempt at classification of the varieties described. Journ. of 
infectious diseases. Vol. 1. No. 2. p. 241. 

Verf. berichtet über die Gruppe des Bac. mucosus capsulatus, mit 
welchem Namen er die Bakterien umfasst, die mit dem Friedländerschen 
Pneumoniebacillus, dem Bac. lactis aërogenes und dem Bac. acidi lactici ver- 
wandt sind. Er teilt diese Bakterien, die er bei allen möglichen Affektionen 
im Körper fand, nach ibrem Vermögen, Kohlehydrate zu zerlegen, in 
3 Gruppen, von denen die eine (Bac. lactis aörogenes) alle Kohlehydrate 
unter Gasbildung zersetzt, die zweite (Friedländers Pneumoniebacillus) nur 
Laktose, und die dritte (B. acidi lactici) nur Saccharose nicht angreift. Be- 
sonders Vertreter der ersten Gruppe fanden sich in Cleveland häufig bei 
pathologischen Processen. Liefmann (Halle a. $.). 


Weichselbaum A. und Ghon A., Der Micrococcus meningitidis cerebro- 
spinalis als Erreger von Endokarditis sowie sein Vorkommen 
in der Nasenhöhle Gesunder und Kranker. Wien. klin. Wochen- 
schr. 1905. No. 241. 8. 625. 

Da die in der Literatur vorliegenden Angaben über das Vorkommen des 

Mier. meningitidis ausserhalb der Hirn- und Rückenmarkhäute bei Meningitis cere- 

brosp. z.T. wegen mangelnder Kulturversuche, z.T. aus anderen Gründen wenig 


Infektionskrankheiten. 761 


stichhaltig sind, stellten die Verff. in der genannten Richtung umfangreiche 
eigene Untersuchungen an, wozu ihnen das zur Zeit häufiger vorkommende 
Auftreten der Genickstarre Material bot. 

Die Verff. beschreiben zunächst ausführlich einen Fall von Genickstarre, 
der durch eine frische Endokarditis kompliciert war; aus den endokarditischen 
Auflagerungen wurden durch die Kultur Meningokokken isoliert. Hiermit ist 
der Nachweis geliefert, dass der M. m. unter Umständen in die Blutbahn übertritt. 

Weitere Untersuchungen beschäftigten sich mit den Nachweis von Menin- 
gokokken in dem Sekret der Nasenhöhle bezw. des Nasenrachenraumes von 
Genickstarrekranken. Unter 19 untersuchten. Fällen wurden 18 mal Kokken 
gesehen, welche morphologisch und tinktoriell dem M.m. entsprachen. Noch 
bemerkenswerter ist die Tatsache, dass die Verff. bei der Untersuchung der 
Nasensekrete von 24 gesunden Personen, die mit einem Meningitiskranken 
in Verkehr gestanden haben, 3mal mikroskopisch und kulturell mit voller 
Bestimmtbeit die Anwesenheit des M. m. feststellen konnten. Diese Befunde 
reihen sich an die analogen Befunde, wie sie bisher bei den meisten anderen 
pathogenen Bakterien erhoben wurden, an. Grassberger (Wien). 


Meinicke, Ueber die Hämolysine der choleraähnlichen Vibrionen. 
. Aus d. Institut f. Infektionskrankh. in Berlin. Zeitschr. f. Hyg. Bd. 50. 
S. 165. 

Der Verf. hat die von Kraus und Schottmüller, freilich in verschie- 
denem Sinne, bebauptete Möglichkeit der Unterscheidung zwischen 
Cholera-Vibrionen und choleraähnlichen Bakterien durch die Bildung 
heller Höfe um einzelne auf Blutagar ausgesäte Kolonien schon bei früheren 
Untersuchungen (vgl. diese Zeitschr. 1905. S. 521) nicht bestätigen können. 
Auch neuerdings hat er unter 10 frischen aus Russland stammenden Cholera- 
kulturen nur bei 2 die Hofbildung beobachtet. Im Ganzen hat er bei 75 Cho- 
lerastämmen die Bildung heller Ringe um die Kolonien auf Blutagar zu !/, 
fehlend oder undeutlich, zu !/, eben erkennbar, zu !/, mässig und zu 1/4 
stark gefunden; von 23 choleraähnlichen Stämmen fehlte die Ringbildung bei 
10, bei 3 war sie mässig, bei 10 stark. 

Er untersuthte dann die Bildung von Hämolysinen in Pepton- 
wasser- nnd Fleischbrühekulturen, denen er 0,5 ccm Kaninchenblut 
zusetzte, und konnte bei keinem der 65 geprüften echten Cholerastämme 
ein filtrierbares Hämolysin nachweisen, im Gegensatz hierzu von den 23 
choleraähnlichen Stämmen aber bei 12. Die Hämolysinbildung war in 
Fleischbrühe stärker als in Peptonwasser, erreichte ihre grösste Höhe zwischen 
dem 2. und 7. Tage, zeigte keinen Unterschied zwischen alten und frischen 
Kulturen, so dass Zersetzungen und Veränderungen wie bei der Bildung von 
Toxoiden aus Toxinen nicht nachweisbar waren, und wurde durch Erhitzung 
auf 50° während einer Stunde und auf 560° während !/, Stunde aufgehoben. 
Die Vibriolysine gleichen in dieser Beziehung also dem Staphylolysin und 
Tetanolysin, während die Hämolysine des Bac. pyocyaneus und des Bact. Coli 
hitzebeständig sind. Unterschiede in der Wirkung gegen das Blut verschiedener 
Tierarten wurden nicht gefunden. 

57. 


762 Infektionskrankheiten. 


Dass die Hämolysine der einzelnen Vibrionen von einander ver- 
schieden sind, geht aus Agglutinationsversuchen und ihrem Verhalten gegen 
antibämolytisches Seram hervor, das der Verf. durch mehrmalige Einspritzung 
erheblicher Mengen von stark wirksamen Hämolysinen bei Kaninchen her- 
stellte. Schon die geringe in einem Blutstropfen enthaltene Menge antibämo- 
Iytischen Serums genügte, um Blutkörperchen gegen verhältnismässig grosse 
Mengen von Hämolysin zu schützen. Im Reagensglase ging die Bindung von 
Hämolysin und Antihämolysin in kurzer Zeit (weniger als 10 Minuten) vor sich. 

Die hämolysinbildenden choleraähnlichen Vibrionen verflüssigen 
Gelatine stark, geben die Cholerarot-Reaktion, haben nur eine Geissel und 
sind fast alle entweder für Tauben oder Meerschweinchen pathogen. Dagegen 
verflüssigen die nicht hämolytischen Stämme die Gelatine nicht, geben 
die Nitrosoindol-Reaktion nicht, sind nicht pathogen und haben meistens mehr 
als eine Geissel, im Durchschnitt vier. Die Hämolysinbildung ist also im 
Verein mit der Agglutination und dem Pfeifferschen Versuch geeignet, die 
einzelnen Arten der choleraähnlichen Vibrionen von einander zu 
unterscheiden. Globig (Berlin). 


Besredka, Etudes sur le bacille typhique et le bacille de la peste. 
Trav. du lab. de M. Metchnikoff. Ann. de l’Inst. Pasteur. 1905. No. 7: 
p. 477. 

Zur Herstellung von Endotoxin von Typhus- und Pestbacillen ver- 
wendet Verf. 24stündige Agarkulturen, welche eine Stunde lang auf 60° 
erhitzt werden. Die erhitzten Bacillen werden im Vakuum getrocknet und er- 
weisen sich als toxisch. Das Endotoxin wird frei, indem getrocknete Ba- 
cillen (z. B. 15 cg) mit entsprechenden Mengen physiologischer Kochsalz- 
lösung (2 ccm) und mit Pferdeserum (8 cem) gemischt werden. Nach 
11/,—2 Stunden (bei Pestbacillen) ist die obere, klare Schicht toxinhaltig, 
während die unten befindlichen Bacillenleiber nicht oder nur wenig giftig 
wirken. So erhält man flüssiges Toxin und atoxische Bacillen. Das 
Endotoxin lässt sich mit Alkohol fällen und erträgt ein.mehrstündiges Er- 
hitzen auf 570%, ist also ziemlich thermostabil. Die toxinfreien Bacillen 
scheinen noch immunisierende Eigenschaften zu besitzen. Ein Anti- 
serum, welches durch Injektion von toten oder lebenden Bacillen erhalten 
wurde, wirkt neutralisierend auf das Endotoxin, sowohl in vitro als auch in 
vivo. Bei der Zerstörung des Endotoxins in der Bauchhöhle von Meer 
schweinchen wirken die Leukocyten aktiv mit. 

Silberschmidt (Zürich). 


Simpson W. J., A treatise on plague. Cambridge 1905. 466 Ss. 

In 21 Kapiteln behandelt Verf. in umfassender Weise unsere gesamten 
Kenntnisse über die Pest. Er geht von der interessanten Geschichte der 
Seuche aus und bespricht dann die epidemiologischen Verhältnisse, die bak- 
terielle Natur der Erkrankung, die Art der Uebertragung, die Entstehung, 
Ausbreitung und Bösartigkeit der einzelnen Epidemien. Die weiteren Aus- 
führungen betreffen die Erkrankungen des einzelnen Individuums, die patho- 


Infektionskrankheiten. 763 


logische Anatomie, die Infektionswege, den klinischen Verlauf, Diagnose, 
Prognose und Behandlung der Affektion. Der letzte Teil des Buches ist der 
Bekämpfung der Epidemien gewidmet. Zunächst werden die empirisch vor 
der Entdeckung des Pestbacillus angewandten Verfahren besprochen, dann die 
modernen, die Massregeln, die einer Einschleppung der Seuche vorbeugen 
sollen, und die, welche beim Ausbruch einer Epidemie ergriffen werden müssen. 
Auch der Schutzimpfung ist in einem besonderen Kapitel gedacht. Ein An- 
bang enthält die internationalen Vereinbarungen über die Bekämpfung der 
Seuche. A 

Das Buch bietet dem Bakteriologen und Hygieniker, wie dem Kliniker 
eine Fülle interessanten Materials in sebr übersichtlicher Form und fesselnder 
Darstellung. Die grosse persönliche Erfahrung des Verf.’s hat sichtlich viel 
dazu beigetragen, dass insbesondere den praktischen Verhältnissen in weitem 
Umfang Rechnung getragen ist. Jedem, der sich über Pest ausführlich infor- 
mieren will, wird dieses Buch eine gute Hilfe sein. 

Liefmann (Halle a. S.). 


Zlatogorof $. J, Zur Morphologie und Biologie des Mikroben der 
Bubonenpest und des Pseudotuberkulosebacillus der Nagetiere 
(Bac. pseudotuberculosis rodentium Pf.). Aus dem Laboratorium 
„Fort Alexander I“ des Instituts für experim. Med. zu St. Petersburg. 
Centralbl. f. Bakt. Bd. 37. S. 345, 513 u. 654. 

Die Angaben über die Biologie des Pestbacillus schwanken noch in 
einigen Punkten. Um diese aufzuklären und besonders die Nifferentialdiagnose 
gegenüber dem Bac. pseudotuberculosis rodentium zu studieren, stellte 
Verf. Untersuchungen an, deren sehr ausführlich wiedergegebene Resultate 
betreffs des ersten Punktes keine Abweichungen von den jetzt allgemein als 
richtig anerkannten Tatsachen bieten. Wichtiger ist, dass die beiden Mikro- 
organismen im mikroskopischen Präparate und durch die Kultur kaum zu 
unterscheiden sind; den Ausschlag gibt erst der Tierversuch, der bei den 
Pseudotuberkulosebacillen nur an Kaninchen und Meerschweinchen positiv aus- 
fällt. Auch in ihrem Verhalten gegen Pestserum sind sie sich sehr ähnlich, 
indem sie beide agglutiniert werden; dagegen soll die Präcipitationsreaktion, 
die kreuzweise Immunisierung und die Immunisierung mit Pestheilserum stets 
gute Resultate geben. Kisskalt (Berlin). 


Thiroux, Peste endémique, bubons climatiques, Iymphangite infec- 
tieuse de la Réunion et érysipèle de Rio. Ann. de lInst. Pasteur. 
1905. No. 1. p. 62. 

1899 hat Verf. in einem vielfach angefochtenen Berichte über die infek- 
tiöse Lymphangitis auf der Insel Reunion diese unter dem Names Drüsen- 
krankheit bekannte Erkrankung als Pest aufgefasst und die Vermutung aus- 
gesprochen, dass die Pest seit 1868, vielleicht auch noch länger endemisch 
auf der Insel bestehe. Die Frage der endemischen Ausbreitung der 
Pest in Uganda und die Beziehungen zu anderen Krankheiten wird noch 
immer eifrig studiert. Vor Kurzem hat J. Canthie das häufige Zusammen- 

57° 


764 Infektionskrankheiten. 


treffen von sogenannten klimatischen Bubonen mit Pestepidemien angege- 
ben und die Ueberzeugung ausgesprochen, dass der sogenannte klimatische 
Bubo mit der Pestis minor identisch ist. R. Koch und Christy haben schon 
früber dieselbe Ansicht vertreten. Das Erysipel von Rio, in Brasilien auch 
weisses Erysipel genannt, zeigt auch häufig eine grosse Aehnlichkeit mit 
der Pest. Silberschmidt (Zürich.) 


Weil E., Ueber die Wachstumsmöglichkeit des Heubacillus im Tier- 
körper. Aus d. hygien. Institut d. deutschen Univers. in Prag. Wien. 
klin. Wochenschr. 1905. No. 25. S. 662. 

Mäuse und Meerschweinchen erhielten intraperitoneal grosse Mengen von 
Subtiliskultur. Die Peritonealexsudate wurden centrifugiert und die bakterien- 
freie Flüssigkeit zugleich mit Reinkultur einem zweiten Tier injiciert. Es ge- 
lingt derart auch beim Heubacillus die die Infektion begünstigende Wirkung 
der Exsudate (Aggressinwirkung) nachzuweisen. Grassberger (Wien). 


Waelsch, Ueber einen eigenartigen Mikroorganismus im Präputial- 
sekret (Bac. involutus). Centralbl. f. Bakt. Bd. 38. S. 645. 

Im Vorhautsekret nicht venerisch erkrankter Individuen fand Waelsch 
einen durch seine Neigung, mannigfaltige eigenartige Involutions- 
formen zu bilden, ausgezeichneten Bacillus. Eine genaue Beschreibung 
seines Wachstums auf den verschiedenen Nährböden und der dabei gefundenen 
verschiedenen Formen wird gegeben. Für Kaninchen, Meerschweinchen, Ratten 
und weisse Mäuse erwies sich der Mikroorganismus nicht als pathogen. Da 
Waelsch eine Identität dieses Bacillus mit den anderen in der Literatur be- 
schriebenen, gleichfalls durch ihren Formenreichtum bemerkenswerten Mikro- 
organismen nicht feststellen konnte, nennt er den von ihm gefundenen und be- 
schriebenen Mikroorganismus Bacillusinvolutus. Jacobitz (Karlsruhe). 


Biland J., Ueber einen Fall von Staphylohämie (mit Urethritis, 
Epididymitis und Exanthem). Korresp.-Bl. f. Schweizer Aerzte. 1905. 
No. 12. S. 378. 

Verf. beobachtete bei einem jungen Manne eine durch Staphylokokken 
verursachte Erkrankung, die mit einer Osteomyelitis des Akromion 
begann, und bei der weiterhin eine Bursitis suprapatellaris, Urethritis, 
Epididymitis und Erythema nodosum-ähnliche Hautknoten auftraten. Die 
bakteriologische Untersuchung ergab mikroskopisch und kulturell im 
Blut, im Urethralsekret, im Schulterabscess, in der Epididymitis, in den Haut- 
knoten und -pusteln Reinkulturen von Staphylococcus aureus. Die Bin- 
gangspforte der Infektion konnte nicht festgestellt werden. Die Erkrankung 
ist deshalb nach Ansicht des Verf.’s als sogenannte kryptogenetische 
Staphylokokkenpyämie aufzufassen mit einer sekundär durch Kokkenaus- 
scheidung durch die Niere entstaudener Staphylokokken-Urethritis. Gonokokken 
wurden im Harnröhrensekret nicht gefunden. Die Erkrankung verlief gutartig; 
die Staphylokokkenherde bildeten sich meist von selbst zurück. 

Baumann (Netz). 


Infektionskrankheiten. 765 


Kermauner und Orth, Beiträge zur Aetiologie epidemisch in Gebär- 
anstalten auftretender Darmaffektionen bei Brustkindern. Zeit- 
schr. f. Heilk. 1905. Bd. 26. H. 6. 

Die Verff. beschreiben eine Hausepidemie in der Heidelberger Frauen- 
klinik, welche sich durch mangelbaftes Gedeihen der Brustkinder und leichte 
Verdauungsstörungen charakterisierte. Die Stühle waren grün, eher angehalten 
als durchfällig, reagierten sauer und enthielten fast regelmässig Schleimbei- 
mengungen, dagegen kein Fett. In der Regel bestand gleichzeitig ein mehr 
oder weniger ausgedehntes Eczema intertriginosum und des öfteren eine leichte 
Conjnnctivitis, hingegen nur selten Erbrechen. 

Als Ursache dieser Endemie musste mit grösster Wahrscheinlichkeit der 
Staphylococcus pyogenesalbusangesehen werden, den die Autoren aus den 
Stühlen, aus Bläschen oder Pusteln im Bereiche des Ekzems und dem Kon- 
junktivalsekret züchten konnten. Derselbe wird von den Windeln, der Wäsche 
und allen Gegenständen, mit denen der stets saugende Mund der Neugeborenen 
in Berührung kommt, abgenommen und weiterbefördert. \ 

0. Baumgarten (Halle a. $.). 


Baer, Epidemic gonorrheal vulvo-vaginatis in young girls. Journ. 
of infectious diseases. Vol. 1. No. 2. p. 313. 
Verf. berichtet über eine Epidemie von gonorrhoischer Vulvo- 
vaginitis bei 18 kleinen Mädchen. Liefmann (Halle a. S.). 


Sur la bacteriologie du rhumatisme articulaire aigu. La sem. med. 
No. 40. p. 476. 

M. Herry (de Liege) berichtet, in 15 Fällen von akutem Gelenk- 
rheumatismus 8 mal einen Diplokokkus analog dem von Beaton, Walker, 
Poynton, Triboulet beschriebenen im Blut und einmal auch in der Pleura- 
.füssigkeit einer rheumatischen Pleuritis aufgefunden zu haben, bei welchen 
jedesmal mit dem Serum Agglutinationsversuche angestellt wurden, die stets 
positiv ausfielen. Mitunter trat Agglutination auch mit normalem Serum ein, 
doch viel weniger stark. Einimpfung von Kulturen in Kaninchen und Hunde 
haben nur unsichere Resultate gegeben. Nieter (Halle a. S.). 


Spitzer L., Ueber Spirochätenbefunde im syphilitischen Gewebe. 
Aus d. staatl. serotherapeut. Institut in Wien. Wien. klin. Wochenschr. 
1905. No. 31. S. 822. 

Der Autor beschreibt Spirochätenbefunde, die er in den verschiedensten 
Stadien der Syphilis erhoben hat. In den meisten Fällen gelang der Nach- 
weis der Spirochäten ohne besondere Schwierigkeit; nur Fälle von -älterer 
Syphilis und exulcerierte Formen erforderten längeres Suchen. Interessant ist 
die Beobachtung des Autors, dass das Residuum einer Sklerose nach einer 
mechanischen Verletzung im aussickernden Wundsekret Spirochäten aufwies. 
Der Autor betont, dass nach seinen Untersuchungen die therapeutischen Mass- 
nahmen den rein morphologischen Befund der Spirochäten nicht sichtbar be- 
einflussen. Grassberger (Wien). 


766 Infektionskrankheiten. 


Merk L., Ueber den Cytorhyctes luis (Siegel). Wien. klin. Wochenschr. 
1905. No. 36. S. 926. 

Der Autor gibt an, den Siegelschen Cytorhyctes im Blut von Syphi- 
litikern einige Zeit nach der Erscheinung der Sklerose auftreten gesehen 
zu haben und beschreibt einige hierbei angeblich beobachtete Erscheinungen, 
wie Teilung der Individuen u.s. w. Grassberger (Wien). 


Pfeiffer, Ernst, Ueber trypanosomenähnliche Flagellaten im Darm 
von Melaphagus ovinus. Zeitschr. f. Hyg. Bd. 50. S. 324. 

Der Verf. macht darauf aufmerksam, dass sich im Darm des gewöhn- 
lichen Parasiten des Schafes, der Schaflaus (Melaphagus ovinus), regelmässig 
Flagellaten finden, und dass sich hier mit Leichtigkeit gutes Unter- 
suchungsmaterial für die verschiedenen Entwickelungsstufen 
dieser Protozoöu beschaffen lässt, welche manche Aehnlichkeit mit krankheits- 
erregenden Trypanosumen haben. Er gibt eine kurze Schilderung des Baues 
der Schafläuse und Fingerzeige für die Präparation ihres Darms und 
beschreibt dann seine Beobachtungen über den Entwickelungsgang der Fla- 
gellaten, welche durch eine Tafel mit Abbildungen erläutert werden. 

Globig (Berlin). 


Schrumpf, Pierre, Ueber die als Protozoön beschriebenen Zellein- 
schlüsse bei Variola. Inaug.-Diss. Berlin 1905. 

Verf. stellte histologische Untersuchungen darüber an, ob die von Guar- 
nieri als Oytorhyctes variolae bezw. vacciniae beschriebenen Zellein- 
schlüsse als Protozoön anzusehen sind oder nicht. Er gelangt zu dem Schlusse, 
dass diese nicht als Protozoën anzuerkennen sind, sondern sich sämtlich 
aus Degenerationsformen herleiten lassen, und zwar scheinen die extra- 
nukleären Formen teils durch abgesprengte Chromatinpartikelchen einer 
Mitose, teils durch Vakuolisierung und Zusammenballung des Zellplasmas, die 
intramuskulären dagegen durch Körnelung oder vakuoläre Degeneration 
mit oder Aufnahme von Chromatinpartikelchen in die Vakuole produciert zu 
werden. Ausserdem spricht nach Ansicht des Verf.’s gegen die Protozoönnatur 
dieser Gebilde die von Borell nachgewiesene Filtrierbarkeit des Virus 
durch Chamberlandfilter; denn so grosse Protozoön oder selbst ihre Sporen 
würden kaum ein Porzellanfilter passieren können. Baumann (Metz). 


Süpfle K., Beiträge zur Kenntnis der Vaccinekörperchen. Heidelberg 
1905. 67 Ss. 

Süpfle hat auf Grund sehr eingehender und gründlicher Arbeiten den 
Eindruck gewonnen, dass zur Zeit eine stichhaltige Erklärung der Herkunft 
der Vaccinekörperchen eigentlich undurchführbar ist; sichergestellt ist, 
dass die Vaccinekörperchen ausschliesslich als Degenerationsprodukte angeseben 
werden können, aber jeder Erklärungsversuch der Herkunft dieser Zelldegene- 
rationsformen muss Hypothese bleiben. Gemeinsam ist allen Vaceinekörper- 
chen die Zusammensetzung aus einer Masse, die in ihrem färberischen Ver- 
halten wie Kernbestandteile reagiert. So lange diese Eigenschaft als eine 


Infektionskrankheiten. 767 


Speecificität der chromatischen Elemente des Kerns zu gelten hat, und Proto- 
plasmabestandteile bei keinen sonst bekannten Degenerationszuständen sich mit 
Kernfarben tingiereu, so lange kann man die Körperchen in ihrem Aufbau 
nicht wohl vom Protoplasma ableiten. Eine beträchtliche Zahl der Körperchen 
liegt in nächster Nachbarschaft des Kerns, manche Körperchen liegen in einer 
Nische des Kerns; so kann man sich dem Eindruck nicht verschliessen, dass 
die Bildung der Körperchen vom Kern ausgeht, dass ein losgelöstes Stück des 
Kerns sich dem Reste des Kerns anlagert. In den Hautvaccinepusteln vom 
Kalb sieht man Kernveränderungen, die auf tiefgreifende Läsionen der Kerne 
schliessen lassen. Süpfle nimmt deshalb an, dass das Virus eine specifische 
Giftwirkung zunächst auf die Zellkerne ausübt, dass einzelne Teile des Kernes 
sich vom übrigen Kern loslösen, dass der Kern sich nachher unter günstigen 
Umständen wiederholt, im anderen Falle zerstört wird unter Bildung der so- 
genannten nackten Körperchen; erst in zweiter Linie würde das Zellproto- 
plasma unter der Giftwirkung der Vaccine in Mitleidenschaft versetzt, würden Teile 
des Cytoplasmas sich um das Körperchen verdichten und die Mantelkörperchen 
bilden. Süpfle stellt diese Erklärung des Processes jedoch nicht für ein- 
wandfrei hin; seine Schlussfolgerungen lauten: 

„1. Die in Lymphe, Blut und Organen Pockenkranker und Vaccinierter 
bisher als Erreger beschriebenen Körperchen sind keine körperfremden belebten 
Parasiten, sondern Gewebszellen bezw. Degenerationsprodukte von Gewebszellen 
des erkrankten Organismus. 

2. Den in den Epithelzellen der geimpften Haut und Hornhaut auftreten- 
den Zelleinschlüssen kann nicht die Rolle eines Parasiten zuerkannt werden; 
es handelt sich vielmehr um Degenerationsprodukte, die eine typische Reaktion 
auf das Virus der Vaceine darstellen. Welcher Art diese Degeneration ist, 
muss eine offene Frage bleiben. Als wahrscheinlich möchte ich bezeichnen, 
dass die cyanophile Masse des Vaccinekörperchens sich vom Zellkern ableitet, 
während das Zellprotoplasma sich am Ausbau der aus einem cyanophilen 
Centrum und einer erythrophilen Randschicht zusammengesetzten Körperchen 
beteiligt.“ L. Voigt (Hamburg). 


Kiseef, Bakteriologische Untersuchungen des Blutes bei Fleck- 
typhus. Centralbl. f. Bakt. Bd. 38. S. 518. 

Der Verf. gibt zunächst eine kurze Uebersicht über die verschiedenen Mit- 
teilungen von dem angeblich gefundenen Erreger des Flecktyphus und über 
die verschiedenen als solcher beschriebenen Gebilde. Alsdann berichtet er über 
seine eigenen Blutuntersuchungen bei Flecktyphuskrauken. Seine Züchtungs- 
versuche fielen negativ aus, ebenso war die mikroskopische Untersuchung 
des Blutes, speciell der weissen Blutkörperchen, völlig resultatlos. 

Jacobitz (Karlsruhe). 


768 Infektionskrankheiten. 


Liefmann H., Beitrag zum Studium der Ankylostomiasis. Ueber den 
Infektionsmodus und die vermutliche Giftwirkung der Würmer. 
Aus d. Institut f. Hyg. u. Bakteriol. zu Gelsenkirchen u. d. hyg. Institut d. 
Universität Halle a. S. Zeitschr. f. Hyg. Bd. 50. S. 849. 

Der Verf. bestätigt die Beobachtungen von Looss, dass Infektion mit 
Ankylostoma mittels Eindringen der Larven durch die Haut er- 
folgen kann. Tenholt ist zu demselben Ergebnis durch einen Versuch am 
Menschen, Schaudinn durch Versuche bei Affen, Lambinet (vgl. diese Zeit- 
schr. 1905. S. 1252) bei Hunden gekommen. Auch der Verf. berichtet über 
6 Versuche bei Hunden, die er mit Ankylostoma caninum von der Haut aus 
inficieren konnte, und bei welchen er nach 13—25 Tagen die Würmer im 
Darm fand. Hunde mit dem Ankylostoma duodenale des Menschen zu infi- 
cieren, gelang ihm nicht. Wie Looss beobachtete er, dass die Larven 
15 Minuten nach dem Eintrocknen des sie enthaltenden Wassers abgestorben 
waren. Gegen Pieri, der bei den bisherigen Versuchen zur Infektion von 
der Haut aus die Infektion durch Maul und Nase nicht für genügend sicher 
ausgeschlossen hält, macht der Verf. geltend, dass er wenigstens bei 4 jungen 
Hunden fast genau ebenso viele Würmer im Darm gefunden hat, wie 
er Larven auf die Haut gebracht hatte. Versuche, das Eindringen der 
Larven in Haut von Menschen und Tieren, in die Schwimmhaut des lebenden 
Frosches und in ein ausgespanntes Stück Katzendarm unmittelbar zu beob- 
achten, hatten keinen Erfolg; es liess sich nur feststellen, dass sie an der 
Oberfläche des Darmstückchens fast alle ihre Kapseln abstreiften. 

Der Verf. hat sich auch mit der Frage beschäftigt, ob die Krankheits- 
erscheinungen der Ankylostomiasis auf Blutverlust oder auf eine Gift- 
wirkung der Würmer zurückzuführen sind. Für die erstere Möglichkeit 
spricht, dass man in den Würmern, namentlich in den jungen, oft Blut findet, 
und dass die Stellen ihres Sitzes an der Darmwand häufig durch Blutpunkte 
bezeichnet sind; nicht gut vereinigen lässt sich aber hiermit, dass Ankylostoma- 
kranke eine meistens sehr beträchtliche Vermehrung der eosinophilen 
Leukocyten erkennen lassen. Der Verf hat andererseits freilich auch von 
einem Auszug frischer mit Kochsalzlösung abgespülter und fein zerquetschter 
Würmer keine auflösende Wirkung auf rote Blutkörperchen feststellen 
können und glaubt, derartige Einflüsse der Würmer überhaupt ausschliessen 
zu dürfen, weil er an den in Speiseröhre und Darm bei ihnen vorhandenen 
roten Blutkörperchen nirgends Spuren einer hämolytischen Wirkung entdecken 
konnte. Eine die Blutgerinnung hemmende Einwirkung des erwähnten 
Auszuges der Würmer schien in einem Versuch vorhanden zu sein, fehlte aber 
in anderen. Globig (Berlin). 


Bruns H., Liefmann und Mäckel, Die Vermehrung der eosinophilen 
Leukocyten bei Ankylostomiasis in diagnostisch - prophylak- 
tischer Beziehung. Münch. med. Wochenschr. 1905. S. 253. 

Boycott und Haldane hatten die Blutuntersuchung bei Verdacht auf 

Ankylostomiasis vor der Fäcesuntersuchung empfohlen, da dabei ein ab- 

sichtlicher Betrug unmöglich sei und sich die Durchseuchung einer Zeche fest- 


Infektionskrankheiten. 769 


stellen lasse. Nach den Verff. kommt ersterer Grund selten in Betracht, da 
in Deutschland die Abgabe der Fäcesproben unter Aufsicht nicht auf Schwierig- 
keiten stosse. Ausserdem ist das Erlernen des Auffindens von Eiern wesent- 
lich leichter als die Blutkörperchenzählung. Was ihre positiven Resultate 
angeht, so wurde eine Vermehrung der Eosinophilen bis auf 42%, nach- 
gewiesen: 84,2°/ der Wurmbehafteten zeigten eine Vermehrung auf über 8°/,, 
92,1%, eine solche auf über 5%/,. Die Vermehrung bleibt nach Verlauf der 
Krankheit noch lange Zeit besteben. Bei der Untersuchung ganzer Zechen 
ergab sich das Resultat, dass die Blutuntersuchung meist gut mit der Fäces- 
untersuchung übereinstimmt. Für eine solche Massenuntersuchung ist die 
Methode also zu empfehlen, falls die Fäcesuntersuchung auf Schwierigkeiten 
stösst. Andernfalls ist letztere vorzuziehen, da sie sicherer, schneller und 
einfacher zur Erkennung der Wurmkrankheit führt. 


Kisskalt (Berlin). 


Vogelsang A., Die Massnahmen der Preussischen Bergbehörden zur 
Bekämpfung der Wurmkrankheit (Ankylostomiasis) und ihre Er- 
folge. Festschrift zum 80. Geburtstag des Geh. Sanitätsrats Dr. Georg 
Mayer. S. 181. Berlin 1905. August Hirschwald. 

Die Arbeit enthält in kurzen Zügen einen geschichtlichen Abriss der 
Wurmkrankheit in Dentschland, erwähnt, dass G. Mayer, dem die Fest- 
schrift gilt, zuerst die Ankylostomiasis bei einem deutschen Bergmann fest- 
gestellt hat, und bespricht dann die im rheinisch-westfälischen Kohlenrevier 
und im „Wurmrevier“ getroffenen Massnahmen. Die wichtigste Massnahme 
der Behörde war der Erlass der Bergpolizeiverordnung vom 13. Juli (bezw. 
1. August) 1903, in der die mikroskopische Untersuchung der Belegschaften 
gefordert wurde. Seit der Zeit ist im Ruhbrrevier eine Abnahme der Wurm- 
behafteten auf den verseuchten Zechen um 81,67 %/, eingetreten. Auch im 
Aachener Revier („Wurmrevier“) ist ein ähnliches Nachlassen der Krankheit 
zu verzeichnen. Im Bezirk Saarbrücken und Schlesien ist die Krankheit nicht 
aufgetreten. Hayo Bruns (Gelsenkirchen). 


La lutte contre l’ankylostomiase. La sem. med. No. 40. p. 476. 

M. Lambinet (de Liege) erklärt, dass man mittels Antiseptika die Gruben 
nicht desinficieren könne, aber wünschenswert sei es, dass man die Fäkalien 
mit Kalk bedecke, der gegen Luft eine undurchdringliche Schicht bilde; denn 
die Larven könnten bei Sauerstoffabschluss nicht leben. 

M. Honoré (de Liege), der die leukocytäre Form bei einer grossen 
Anzahl von an Ankylostomiasis Befallenen studiert hat, schliesst aus 
seinen Beobachtungen, dass die Eosinophilie bei ihnen beständig ist; aber 
es ist schwer zu sagen, ob die Intensität im Verhältnis steht zur Zahl der 
Ankylostomen, welche man aus dem Kranken herauszubringen vermag. Durch 
Injektion von Produkten von Ankylostomen in die Venen von Kaninchen hat 
man eine Vermehrung der polynukleären Zellen erhalten aber keine Eosino- 
pbilie. Nieter (Halle a. S.). 


58 


770 Infektionskrankheiten. Wohnungshygiene. . 


Nägeli H. (Zürich), Ueber das Vorkommen der Trichinenkrankheit 
in der Schweiz. Corresp.-Bl. für Schweizer Aerzte. 1905. Beilage No. 20. 
S. 645. 

Verf. stellt die in der Literatur in der Schweiz bekannt gewordenen 
Fälle von Trichinenkrankheit zusammen und erhält im ganzen 19 Fälle. 
Von diesen sind 2 sicher, 1 nicht mit Gewissheit von auswärts gekommen 
und zwei sind anamnestisch aufzuklären. Es bleiben demnach für die Schweiz 
our 14 sichere Fälle. Sodann sucht Verf. diese wenigen Fälle im Vergleich 
zu anderen Ländern ätiologisch zu erklären. Fine Rasseneigentümlichkeit, 
verminderte Disposition der Bevölkerung kommt nicht in Betracht; vielmehr 
glaubt Verf. die allgemeinen hygienischen Verhältnisse in betreff Beseitigung 
von Abfallstoffen, Abdeckereien u. s. w. in Betracht ziehen zu können und ein 
ferneres Moment. darin zu sehen, dass in der Schweiz weniger häufig Ratten 
vorkommen, wie an anderen Orten. Weiter meint er auch die allgemeine 
Furcht vor Trichinen,‘ wodurch im allgemeinen in der Schweiz weniger rohes 
Schweinefleisch genossen werde, mit berücksichtigen zu müssen. Zum Schluss 
gibt Verf. Anregung zur Feststellung weiterer in den Journalen begrabener 
Fälle, um das Krankheitsbild für die Schweiz zu vervollständigen. 

Nieter (Halle a. S.). 


Bianchini R. und Cler E., Vorschlag eines neuen Apparates zur Be- 
stimmung des specifischen Gewichtes von Baumaterialien. Arch. 
f. Hyg. 1905. Bd. 58. S. 145. 

Das specifische Gewicht ist das Gewicht der Einheit des Volumens. Der 
vorgegeschlagene Apparat gibt das Volumen eines Körpers durch die von ihm 
verdrängte Quecksilbermenge an. 

Zur Aufnahme des zu messenden Körpers dient ein Glascylinder von 
45 mm Durchmesser. Der Cylinder steht mit zwei Büretten in Verbindung, 
von denen die eine 20, die andere 2 ccm fasst. Cylinder und Büretten 
werden mit Quecksilber gefüllt, dann wird der Körper unter den Quecksilber- 
spiegel eingetaucht und der Spiegel in dem Cylinder auf eine bestimmte 
Marke eingestellt. Dann werden die Büretten abgelesen und der Körper her- 
ausgenommen. Wenn man dann aus den Büretten so lange Quecksilber nach- 
fliessen lässt, bis der Quecksilberspiegel in dem Cylinder die Marke wieder 
erreicht hat, und die Büretten abliest, gibt der Unterschied zwischen den 
beiden Ablesungen das Volumen des Körpers an. 

Das Verfahren ist für alle Körper, die als Baumaterialien in Betracht 
kommen, geeignet, weil diese von Quecksilber nicht angegriffen werden. Der 
Apparat soll bis auf ł/1ọ cem mit absoluter Genauigkeit arbeiten und bis auf 
1/joo cem mit relativer Genauigkeit. Imhoff (Essen a.R.). 


Wohnungshygiene. 771 


Thörner Wilh., Beitrag zur Bestimmung der Porosität von Baumate- 
rialien u.s. w. Aus dem städt. Untersuchungsamt Osnabrück. Chem.-Ztg. 
1905. No. 55. S. 744. 

Verf., welcher bereits 1884 (Eisen und Stahl 1884. S. 594) eine einfache 
Methode zur Bestimmungen der Porosität und des specifischen Gewichtes von 
Hochofenbrennmaterialen, Koks u. s. w. gegeben hat, beschreibt in vorliegender 
Arbeit einen Volumenometer, der auch die Prüfung der verschiedenen 
Baumaterialien auf ihre Porengrösse gestattet. Der Volumenometer, auf 
dessen genauere Konstruktion hier nicht näher eingegangen werden kann, ist 
in zwei verschiedenen Ausführungen von der Firma C. Gerhardt, Mar- 
quarts Lager chemischer Utensilien in Bonn zu beziehen. Die Resul- 
tate der vorliegenden Untersuchungen zeigen, „wie ungemein verschieden die 
Porosität der Baumaterialen ist, und wie sebr empfehlenswert es sein dürfte, 
die Grösse der Porosität der bei einem Neubau zu verwendenden Baumateri- 
alen vorher zu bestimmen und in Zukunft der in hygienischer Beziehung so 
wichtigen Permeabilität oder natürlichen Ventilation der Gebäudemauern mehr 
Beachtung zu schenken“. Wesenberg (Elberfeld). 


Seger H. und Cramer E., Zur Bestimmung der Porosität von Bau- 
stoffen. Chem.-Ztg. 1905. No. 67. S. 884. 

Infolge der Mitteilung von Thörner (vergl. das vorstehende Referat) be- 
schreiben Verfi. 2 Volumenometer, welche bereits seit Jahren zur Be- 
stimmung der Porosität und des Raumgewichtes von Baustoffen 
Verwendung finden. Beide Apparate, das kompliciertere „Segervolumeno- 
meter“ und einfachere „Ludwigvolumenometer“ sind durch das Chemische 
Laboratorium für Tonindustrie, Prof. Dr. H. Seger und E. Cramer, 
Berlin N.W. 21, Dreysestr. 4, zu beziehen. Wesenberg (Elberfeld). 


Berghaus, Der Vakuumreiniger, ein Apparat zur staubfreien Reini- 
gung der Wohnräume. Arch. f. Hyg. 1905. Bd. 53. S. 67. 

Der Apparat besteht aus einer Luftpumpe, die von einem Motor ange- 
trieben wird, und einem Kessel, der einen als Luftfilter dienenden Leinensack 
einschliesst. Von dem Kessel führt eine Saugleitung zu einem geschlitzten 
Mundstück, das auf dem zu reinigenden Gegenstand langsam entlang geführt 
wird. In dem Kessel wird durch die Pumpe ein Unterdruck von !/, Atmo- 
sphäre erzeugt. Der mit der Luft angesogene Staub bleibt in dem Sack 
zurück und kann hier herausgenommen werden. In der Minute werden 60 
bis 120 cbm Luft angesaugt. 

Es ist klar, dass diese Art der Staubentfernung den bisher üblichen 
Arten in hygienischer Beziehung vorzuziehen ist. Der Verf. hat durch Ver- 
suche nachgewiesen, dass die Luftbakterien bei der Vakuumreinigung nicht 
mehr zunehmen, als es schon durch das Betreten des Raumes und das Hin- 
und Herbewegen bedingt ist. Abgewogener Staub, der künstlich auf einen 
Teppich gebracht war, wurde fast bis auf den letzten Rest aufgesaugt. So- 
weit man nach der Menge der aufgesanmmelten Wollfasern urteilen konnte, 


58* 


772 Wohnungshygiene. Heizung. 


wurden die Stoffe nicht mehr angegriffen, als bei dem üblichen Klopfen und 
Bürsten. 

Neben den hygienischen Vorteilen ist der wichtigste Vorteil des neuen 
Verfahrens die Bequemlichkeit, dass man die zu reinigenden Stücke nicht aus 
dem Zimmer zu entfernen braucht. 

An Zeit und Arbeitskräften wird aber nichts gespart; überhaupt sind die 
Kosten zur Zeit noch ziemlich hoch. (Neuerdings sind auch einfachere Appa- 
rate bekannt geworden, die von der Wasserleitung betrieben werden. Ref.) 

Imhoff (Essen a.R.). 


Gutlaschek, Die hygienische Bedeutung der Pflasterung mit Cha- 
motteplatten. Prag. med. Wochenschr. 1905. No. 39. S. 542. 

Verf. hebt die hygienische Bedeutung der obersten Bodenschichten 
hervor und behandelt die Gefahren, die durch infektiöses Material aus den 
oberflächlichen Schichten des Bodens den Menschen treffen können. Durch 
Pflasterung, Asphaltierung oder Cementierung der Strassen, Höfe und Sohlen 
der Häuser kann die Infektion vom Boden aus verhütet werden. Deshalb 
will Verf. grössere Aufmerksamkeit berufener Kreise auf eine gute Pflasterung 
der Wohnräume, Stiegenhäuser, Säle in Fabriks- und Gewerbebetrieben u.s.w. 
lenken. Er rügt, Pflasterungen von Strassen, Einfahrten u.s. w. aus natürlichen 
Steinen, von Fussböden aus Felsenplatten, aus Cementboden wegen Staubbil- 
dung, desgl. Mosaikboden und Estriche wegen Staubbildung und Aufsaugungs- 
fähigkeit. Auch Terrazzoboden erfüllt nicht die hygienischen Anforderungen, 
er wird leicht stumpf, wenn er nicht genügend mit Leinöl getränkt wird und 
hat die gleichen Nachteile wie Cementboden: Staubbildung, Unebenheit der 
Oberfläche, Aufsaugungsfähigkeit. Gebrannte Platten (Chamotteplatten) 
bilden das beste und dauerhafteste Pflastermaterial, Bedingung nur ist, dass 
sie ganz in Mörtel gelegt werden, und eine gute Cementmischung benutzt 
wird, damit möglichst schmale Fugen gebildet werden. 

Nieter (Halle a. S.). 


Goebel A., Groves selbsttätige Temperaturregler für Heizvorrich- 
tungen und dergl. Gesundh.-Ing. 1905. No. 3. S. 41. 

Die von dem Verf. konstruierten Einrichtungen dienen zur selbsttätigen 
Regelung der Temperaturen von Dampf-Warmwasserheizungen, Warm- 
wasserbereitungen und Lüftungsanlagen. 

Ein Gemisch einer leicht siedenden Flüssigkeit mit Wasser ist in einer 
Röhre in dem Kessel oder Raum angebracht. Zum Schutze ist die Röhre von 
einem mit Oel gefüllten Kupferrohr umgeben. Der von der Temperatur ab- 
hängige innere Druck des Flüssigkeitsgemisches wirkt durch eine Membran 
auf ein Hebelwerk und regelt so ohne weiteres das Hauptventil. 

Imhoff (Essen a.R.). 


Heizung. Beleuchtung. 773 


Haase P., Ueber die Heizung und Lüftung von Schulhäusern. Ge- 
sundh.-Ing. 1905. No. 17. S. 281. 

Die Entwürfe von Heizungen befassen sich oft nur mit den Grenzfällen, 
die die grösste Leistung der Anlagen verlangen. Der Verf. untersucht nun 
die Verhältnisse, die beim gewöhnlichen Betrieb der Heizung von Klassen- 
räumen vorliegen und zwar bei Niederdruckdampfheizung. 

Die drei wichtigsten Einflüsse, der Wärmebedarf während des Anheizens, 
der Bedarf im Beharrungszustand und die Wärmeabgabe der Insassen sind für 
die verschiedenen Aussentemperaturen bildlich zusammengestellt. 

Die Regelung der Temperatur gegenüber diesen Einflüssen überlässt man 
am einfachsten dem Lehrer. 

Besser ist eine centrale Regelung durch den Dampfdruck. Dabei liegen 
die Ventile gewöhnlich ausserhalb der Klassenräume und können nur durch 
“den Heizer bedient werden. Unbequem ist dabei, dass die einzelnen Ventile 
oft nachgestellt werden müssen, dass also der Heizer häufig alle Geschosse 
abgehen muss. 

Neben der Heizung ist die Lüftung der Räume nötig. Es müssen also 
bedient werden: 

1. die Luftkanäle, 

2. die Heizungsanlage für die Luft, 

3. die Heizungsanlage für die Räume, 

Das in den Dresdener Schulen durch Stadtbauinspekor K. Schmidt 
eingeführte Verfahren vereinigt nun die Bedienung dieser 3 Anlagen an einer 
einzigen Stelle. Eine Fernthermometeranlage zeigt die Temperatur der ein- 
zelnen Räume an. Zur Lüftung dienen Ventilatoren. 

Imhoff (Essen a.R.). 


y 


Rüzicka, Studien zur relativen Photometrie. III. Teil. Arch. f. Hyg. 
1905. Bd. 54. S. 32. 

In einer früberen Arbeit (Arch. Bd. 51) hat der Verf. vorgeschlagen, den 
Lichtcharaktereines Arbeitsplatzes dadurch auszudrücken, dass man seine 
Lichtstärke an einem nebeligen Tage mit der des Himmelsgewölbes im Zenith 
vergleicht. Der Verf. fordert, dass der ungünstigste Arbeitsplatz dabei noch 1°/, 
der Lichtstärke des Himmelsgewölbes haben soll. Wenn man annimmt, dass 
die Lichtstärke des Himmelsgewölbes, von besonders dunklen Tagen abgesehen, 
nicht unter 2000 Meterkerzen sinkt, entspricht dies der Forderung von wenigsens 
20 Meterkerzen für einen Arbeitsplatz. ` 

In der Zeit vom 24. November 1904 bis 1; Februar 1905 hat der Verf. 
die Lichtstärke des Himmelsgewölbes im Zenith täglich um 9 Uhr vormittags 
und um 3 Uhr nachmittags gemessen. Im November und Januar ergaben nur 
3 Messungen, im December aber 19 Messungen von 39 oder beinahe die Hälfte 
der Messungen weniger als 2000 Meterkerzen. An solchen Tagen ist also 
künstliche Beleuchtung notwendig, wenn man nicht die oben ausgesprochene 
Forderung, dass ein Arbeitsplatz wenigstens 1°/, der Lichtstärke des Himmels- 


774 " Bäder. 


gewölbes haben soll, höher ansetzen will. Die Entscheidung hierüber liegt 
hauptsächlich bei der Kostenberechnung. 

Der Verf. stellt die Beschreibung eines Apparates in Aussicht, der es 
gestattet, an dem Modell eines entworfenen Gebäudes das Verhältnis der Be- 
lichtung eines Arbeitsplatzes zur Lichtstärke des Zeniths abzulesen. 

Imhoff (Essen a.R.). 


Veröffentlichungen der deutschen Gesellschaft für Volksbäder. 
Berlin 1905. Bd. 3. H. 2. Aug. Hirschwald. 
Platt, Ueber Hallenschwimmbäder. 

Der Aufsatz enthält eine Zusammenstellung der Orte in Deutschland, die 
Schwimmhallen besitzten, sowie detaillierte Vorschriften für die zweck- 
mässige innere Einrichtung eines Hallenschwimmbads. Zur kurzen Wiedergabe 
ist er nicht geeignet. 

Schultze, Ueber Schwimmhallen und Bräusebäder. 

Brausebäder werden zwar wegen ihrer Einfachheit und Billigkeit als das 
eigentliche Volksbad allseitig empfohlen. Es wäre aber bedauerlich, wenn 
das Schwimmbad durch sie ganz in den Hintergrund gedrängt würde. Ein 
Schwimmbad ohne Brausevorriehtungen wäre unzulässig und undenkbar; hier 
ist der Vorteil, dass die Körperreinigung unter der Brause öffentlich vor den 
Augen der Bademeister und der Badenden vor sich gehen muss, während das 
wirkliche Erfolgen einer gründlichen Reinigung in der geschlossenen Zelle 
des Brausebades von manchen Fachmännern bezweifelt wird. Der gesundheit- 
liche und erzieherische Wert des Schwimmens steht über allem Zweifel. Zudem 
vermögen die Schwimmbäder in viel ausgiebigerer Weise dem Badebedürfnis 
der Bevölkerung, namentlich in Grossstädten, zu genügen, als die Brausebäder. 
Die höheren Kosten sollten in Anbetracht der grossen Vorteile, die dem Volks- 
wohl aus Hallenschwimmbädern erwachsen, nicht gescheut werden. Die Alten 
(Thermen des Diocletian und Caracalla) sind uns in dieser Beziehung noch 
weit überlegen’ gewesen. Darum sei die Losung nicht, „Schwimm- oder 
Brausebäder“, sondern „Schwimm- und Brausebäder“. 

Hertel, Arbeiterschwimmbäder. 

Das Kondenswasser der meisten Dampfmaschinen wird meist mit einer 
Temperatur von 30—45° C. unbenutzt abgeleitet, was einen jährlichen vergeb- 
lichen Verbrauch von etwa 15000 kg Kohlen = 40500 M. für eine 1700 pferd. 
Dampfmaschine entspricht. Verf. schlägt vor, dieses Wasser zur Speisung von 
Arbeiterbädern zu verwenden, wie das in seinem Gewerbeaufsichtsbezirk 
bereits mit Erfolg geschehen ist. ` Beitzke (Berlin). 


Schultze (Stadtbaurat in Bonn), Ueber Schwimmhallen und Brausebäder. 
Centralbl. f. allgem. Gesundheitspflege. 1905. Jahrg. 24. S. 19. 

Verf. tritt warm ein für die Errichtung von Schwimmhallen seitens der 
grösseren Städte und schildert die Minderwertigkeit der Brausebäder gegenüber 
den Schwimmbädern. „Nicht Schwimmballen oder Brausebäder, sondern 
Schwimmhallen und Brausebäder sei und bleibe die Losung aller 


Bäder. Schulhygiene. Kinderpflege. 775 


deutschen Stadtgemeinden; möge jede dieser Badeformen an ihrem Orte, wie 
sie dem öffentlichen Wohle am besten zu dienen vermag, zu ihrer vollen 
Geltung gelangen“. R. Blasius (Braunschweig). 


Groede! II, Th., Die physiologische Wirkung der Solbäder. Berl. klin. 
Wochenschr. 1905. S. 289. x 
Chlornatrium-, Chlorkalium- und Chlorcaleiumbäder von verschiedener 
Konzentration und indifferenter Temperatur sind in ihrer Wirkung auf den 
gesunden Organismus nach keiner Richtung von einander verschieden und üben 
wenigstens in Bezug auf Körpertemperatur, Atem- und Pulsfrequenz keinen 
wesentlich anderen Effekt aus als entsprechende Süsswasserbäder; höchstens 
kann man kleinere oder grössere Blutdruckschwankungen beobachten. 
Dies vom Verf. bei seinen Versuchen an gesunden Arbeitern von 20 bis 
24 Jahren erzielte Ergebnis ist ebenso unbefriedigend wie die Ergebnisse 
aller früheren Untersuchungen. Positives ist bisher wenig zu Tage gefördert 
worden. Das Dunkel, das über dem Wesen der zweifellosen therapeutischen 
Wirkung der Solbäder schwebt, bleibt daher noch zu lüften. 
Würzburg (Berlin). 


Schleissner F., Die Sprachgebrechen der Schuljugend an den deut- 
schen Schulen in Prag. Prag. med. Wochenschr. 1905. No. 40 u. 41. 
S. 552 u. 567. 

Verf. weist auf die sociale Bedeutung und Rolle der Sprachstörungen 
bin und will durch seine Resultate eine Aufforderung zur grösseren und ge- 
naueren Beachtung der Sprache und ihrer Gebrechen geben. Die Unter- 
suchungen des Verf.’s, welche im Gegensatz zu den bisher veröffentlichten 
Statistiken nicht nur das Stottern als das auffallendste Uebel, sondern auch 
alle Sprachgebrechen (Stottern, Stammeln, Lispeln, Näseln) umfassen, be- 
sitzen dadurch, dass das Material von’einem Beobachter stammt, grosse Gleich- 
mässigkeit und erstrecken sich im ganzen auf 9514 Kinder aus Volksschulen, 
Bürger und Mittelschulen. Aus den Volksschulen wurden allein gegen 
6000 Kinder untersucht; davon waren fast 600=10,1°/, mit Sprachgebrechen 
behaftet. Auf 2538 Knaben kamen 346 (13,6°%,) und 3365 Mädchen 249 
7,4%). Die Prozentzahl der Sprachgebrechen nimmt -von der 1.—5. Klasse 
regelmässig ab; sie ist in der 1. Klasse 20,7%, und sinkt dann auf 13, 9, 6, 
bis 4,7%/, in der 5. Klasse. Zwischen beiden Geschlechtern zeigt sich regel- 
mässig und deutlich ein Unterschied; unter den Knaben finden sich in der 
1. und 5. Klasse 27 und 7°/, Sprachgebrechen, unter den Mädchen nur 15 
und 3,509. — Das auffallende Ergebnis, dass der grösste Prozentsatz der 
Sprachgebrechen sich in der 1. Klasse findet, glaubt Verf. auf geringere Beauf- 
sichtigung der Sprachentwickelung zurückzuführen. Aus den Mittel- und Volks- 
schulen erhielt Verf. wesentlich günstigere und ziemlich gleiche Resultate. 
Unter einem Material von 1249 Kindern aus Mittelschulen fanden sich bei 
282 Knaben 5 Stotterer, bei 967 Mädchen 1 Kind. Das Stammeln betrug 


776 Schulhygiene. Kinderpflege. 


bei Knaben 3,2°/,, bei Mädchen 1,6%. Für das Näseln ergab sich 1,7 resp. 
1,0°%/,. Zum Schluss erklärt es Verf. als Aufgabe der Schule, der Sprachbildung 
und Spracherziehung der Kinder Aufmerksamkeit zuzuwenden. Dazu müsste 
allen Lehrern in den Ausbildungsanstalten u. s. w. Gelegenheit gegeben werden, 
sich Kenntnisse über Physiologie und Pathologie der Sprache zu verschaffen, 
und andererseits müssten Einrichtungen von Sprachheilkursen für grössere 
Schulen oder Schulbezirke unter ärztlicher Aufsicht getroffen werden. Auch 
von Seiten der Lehrer sollten die Eltern zu grösserer Aufmerksamkeit für die 
Sprache der Kinder ermahnt werden. Nieter (Halle a. S.). 


Weber, Ernst, Ursachen und Folgen der Rechtshändigkeit. Halle a.S. 
1905. Verlag von Carl Marhold. 116 Ss. 8° Preis: 1,50 M. 

Der I. Teil des Buches bespricht „die Ursachen der Rechtshändig- 
keit“ in vier Abschnitten: 1. beim Kinde, Tiere und Urmenschen, 2. in der 
Geschichte, 3. in der Gegenwart, 4. Theorien. Von letzteren finden sich 
sechs berücksichtigt, nämlich die Blutversorgung, die Kindeslage, der Schwer- 
punkt des Körpers, Zufälligkeiten und die Lage der Körperorgane. Der II. Teil: 
„Die Folgen der Rechtshändigkeit“ zerfällt in drei Abschnitte: Beeinflussung 
des Gebirns, Schreiben als Ursache der einseitigen Lage des Sprachcentrums 
und Nachteile der geringeren Ausnutzung einer Gehirnbälfte. 

Die benutzten Quellen finden sich als Fussnoten zu den betreffenden Seiten 
einzeln angeführt und unter „Literatur (chronologisch geordnet)“ als zwölf 
selbständige Veröffentlichungen und 36 Abhandlungen aus Zeitschriften und 
Sammelwerken auf $. 113—115 in einer Zusammenstellung vereinigt. Bei 
letzterer wird zwar der Inhalt, soweit dieser nicht aus dem Titel einleuchtet, 
angegeben, leider aber nicht die Zahl der Seite, wo die Veröffentlichung vom 
Verf. verwertet ist. Dass die Zeitschriften, insbesondere die belletristischen 
Rundschauen und dergl., nicht allenthalben berücksichtigt wurden, ist bei 
einer wissenschaftlichen Darstellung gerechtfertigt. Von neueren Einzel- 
schriften in deutscher Sprache vermisst man: Liersch (1893), Alsberg 
(1894), Tadd (deutsch 1900); Villaret findet sich mangelhaft, bezw. irrig, 
angezogen. Die sieben, treffend gewählten und zweckentsprechend ausge- 
führten Textbilder wären der Erwähnung auf dem Titelblatte wert gewesen. 

Bei der Bedeutung der Rechtshändigkeit und bei der Wichtigkeit der 
Frage einer zweihändigen Erziehung nicht nur für den Schularzt, sondern 
noch mehr für den Schulmann hätte der Verlag auf Erleichterung der Be- 
nutzbarkeit des verdienstvollen Werkes durch ein Sach- und Namen-Register 
bedacht sein sollen. Für dieses, standen ohne Vermehrung der Stärke des 
Buches an leeren Seiten vier ganze und etwa ebenso viel halbe zur Verfügung. 
Man sieht nicht recht ein, weshalb dem 2. Teile ein besonderes Vorblatt ge- 
währt wurde. Entschieden aber ist eine vermutlich der Goldschnittlyrik ent- 
stammende Neuerung zu verwerfen, die bei ihrer Eigenartigkeit auch im 
ärztlichen Schrifttum vermutlich Nachahmung finden wird, nämlich der doppelte 
Abdruck der Inhaltsangabe, einmal als „Inhalts-Uebersicht“ (S. 5) ohne und 
als „Inhalts-Verzeichnis“ (S. 116) mit Seitenzahlen. Helbig (Radebeul). 


Schulhygiene. Kinderpflege. Alkoholismus. 717 


Jahresbericht der Centrale für private Fürsorge in Frankfurt a. M. 
für das Rechnungsjahr 1903/04. 23 Ss. 8°, Frankfurt a. M. 

Das Werk der Centrale hat einen guten Fortgang genommen. Ausser 
der in Angriff genommenen Veröffentlichung wissenschaftlicher Arbeiten wurden 
Ausbildungskurse gehalten und Vorlesungen über öffentliche und private Für- 
sorge und über Kinderfürsorge veranstaltet. Die in einem Seminar vorge- 
nommenen praktischen Uebungen sollen die theoretischen Ausführungen der 
Vorlesungen ergänzen, andererseits Gelegenheit geben, sich über die Grund- 
lage der Arbeit nach der rechtlichen und der technischen Seite näher zu 
unterrichten. 5 

Der Ausschuss für Unterstützungswesen erledigte 1631 Fälle. Die Ab- 
teilung für Kinderfürsorge wurde auf einen mit der Centrale in Verbindung 
bleibenden selbständigen Verein Kinderschutz übertragen. Von 172 am Schlusse 
des Geschäftsjahres vorbandenen Mündeln waren 113 unehelich, 8 Ganzwaisen, 
23 Halbwaisen, 23 von ihren Eltern gefährdet. Für die Unterbringung ent- 
lassener Hilfsschüler war weiter der Ausschuss zur Fürsorge für minderwertige 
Kinder tätig. In der Familienkrippe in Bockenheim stellten sich die Ver- 
pflegungskosten auf 631/, Pf. pro Tag und Kind. Ferienwanderungen wurden 
wie im vergangenen Jahre veranstaltet. Würzburg (Berlin). 


Kochmann, Martin, Die Wirkung des Alkohols auf den Blutkreislauf 
des Menschen. Aus d. pharmakol. Institut d. Univ. in Gent. Deutsche 
med. Wochenschr. 1905. No. 24. 

Nach den Untersuchungen des Verf.’s, die anderwärts ausführlich mitgeteilt 
werden, rufen kleine Gaben Alkohols (40—60 ccm 10 v.H.) eine Erhöhung 
des Blutdrucks um 15—20 mm Quecksilber hervor, welche in 20—30 Mi- 
nuten ihr höchstes Mass erreicht und nach 60—75 Minuten wieder verschwun- 
den ist. Mittlere Gaben Alkohols (60—80 cem 20 v. H.) bewirken zu- 
nächst eine geringe Erhöhung, dann aber eine nicht erhebliche Senkung 
des Druckes. Grosse Alkoholmengen (50 ccm 50 v.H.) setzen von Anfang 
an den Blutdruck herunter, jedoch um nicht mehr als 10 mm. Nach 
60 Minuten ist auch hier die Druckänderung wieder beseitigt. Fortgesetzte 
kleine Gaben können den erhöhten Druck im Gefässsystem längere Zeit hin- 
durch unterhalten. Die Blutdruckerhöhung nach kleinen Alkoholgaben kommt 
durch eine Verengerung des vom Nerv. splanchnicus versorgten Gefässsystems 
zu Stande. Der Puls wird durch Alkohol grösser, der Katadikrotismus 
tritt deutlicher hervor, seine Häufigkeit wird aber nicht beeinflusst. 
Diese Erscheinungen beruhen auf einer Erschlaffung der peripherischen Schlag- 
adern. Das Herz selbst erhält eine bessere Durchblutung und leistet 
erhöhte Tätigkeit. Dies findet in einer entsprechenden Verstärkung der 
Herztöne seinen Ausdruck. Hiernach lässt sich die Bedeutung des Alkohols 
als eines wirksamen Arzneimittels nicht in Abrede stellen. 

Globig (Berlin). 


778 Alkoholismus. 


Rubin, George, The influence of alcohol, ether and chloroform on 
natural immunity in its relation to leucocytosis and phago- 
eytosis. Journ. of infect. diseases. 1904. Vol. 1. No. 3. 

Verf. injicierte Kaninchen 1,5—2 g (pro kg) Alkohol, Aether oder 
1 g Chloroform unter die Haut, prüfte dann ihre Widerstandsfähigkeit 
gegenüber Infektionen mit Pneumokokken und Streptokokken und be- 
obachtete besonders auch die Verhältnisse der dabei eintretenden Leukocytose. 
Es zeigte sich nach dem Verf., dass alle 3 Narkotika, am ausgesprochensten 
der Aether, die Resistenz der Tiere gegenüber der Infektion herabsetzen. 
In im ganzen 25 Experimenten starben 

1. von den Alkoholtieren 10, von den Kontrolltieren 6, 
2. „n  „ Aethertieren 10, re, e 5, 
3. „ „ Chloroformtieren 4, „p „ ~ 1. 

Die Kontrolltiere hatten das gleiche Infektionsmaterial, aber kein Nar- 
kotikum erhalten. Entsprechend zeigte sich auch bei den Kontrolltieren ein 
höherer Grad von Leukocytose. Verf. untersuchte des weiteren die 
Leukocytenzahl von 60 Alkoholisten aus dem „Washingtonian home“, 
einer Trinkerheilanstalt. Die durchschnittliche Leukocytenzahl dieser Leute 
betrug 5300 pro cem, während die des gesunden Menschen 7500 beträgt. 
92°, aller Alkoholisten hatten eine geringere Leukocytenmenge als der 
Durchschnitt der Gesunden. Weitere Experimente ergaben, dass der Alkohol 
eine negative Chemotaxis auf die Leukocyten ausübt. 

i Liefmann (Halle a. S.). 


Rosenthal 0., Alkoholismus und Prostitution. Zwei Vorträge gehalten 
in den wissenschaftlichen Kursen des Centralverbandes zur Bekämpfung des 
Alkoholismus im Jahre 1905, Berlin 1905. Verlag von August Hirschwald. 

Im Frühjahr 1905 und 1906 hat der Centralverband zur Bekämpfung 
des Alkoholismus wissenschaftliche Kurse veranstaltet, die von den verschie- 
densten Gesichtspunkten aus die Alkoholfrage behandelten und sich regen Be- 
suches zu erfreuen hatten. Die Vorträge sind im Druck erschienen; der vor- 
liegende Vortrag beleuchtet in gemeinverständlicher und ausführlicher Form den 

Zusammenhang zwischen Alkoholfrage und Sittlichkeitsfrage. Auch der Nicht- 

abstinent kann R. nicht beipflichten, wenn er behauptet, „der.Alkohol sei ein 

nicht zu entbehrendes Heil- und Vorbeugungsmittel bei mannigfachen Gelegen- 
heiten und vielfachen Krankheiten, akuten und chronischen, mit und ohne 

Fieber“. Für das sexuelle Leben kommt die betäubende bezw. lähmende 

Eigenschaft des Alkohols vor allem in Betracht: „Vernunft und Gewissen 

werden im Rausch (oft nicht erst im Rausch! Ref.) zum Schweigen gebracht, 

das moralische Gefühl und die Selbstbeherrschung, welche die Menschen vor- 
sichtig und gegen Verlockungen widerstandsfähig machen, werden herabge- 
setzt, die rohen Naturkräfte und Instinkte gewinnen die Oberhand“. Desbalb 
verfällt weitaus die grosse Mehrzahl der jungen Leute der Prostitution 
unter dem Einfluss des Alkoholmissbrauchs und „bedienen sich nicht umsonst 
die Verführer und Kuppler aller Art des Alkohols als vorzüglichsten Helfers- 
helfers. Alkoholismus und Prostitution liefern sich ihre Opfer gegenseitig“. 


Alkoholismus. Gewerbehygiene. 779 


Erschreckend ist die Zahl der geschlechtskranken Kellnerinnen (80—90°/,) 
und eine ausserordentliche Gefahr für die Jugend. Und das Verbrechen ge- 
deiht am besten auf dem Boden des Alkoholismus und der Prostitution. 
Eltern und Erziehero, Schulärzten und Schullehrern, allen für die heran- 
wachsende Jugend verantwortlichen Stellen muss die Erkenntnis von der 
ausserordentlichen Bedeutung des besprochenen Gegenstandes Anregung sein, 
mitzuhelfen, die Jugend vor dem Alkoholmissbrauch zu bewahren. Die 
Rosenthalschen Ausführungen werden ihnen dabei gute Dienste tun. 
Flade (Dresden). 


Flade, Erich, Der Kampf gegen den Alkoholismus, ein Kampf für 
unser deutsches Volkstum. Mässigkeitsverlag des Deutschen Vereins 
gegen den Missbrauch geistiger Getränke. Berlin 1905. 27 Ss. 8°. 

Verf. fordert, dass hauptsächlich vom nationalen Gesichtspunkte aus 
der Alkoholismus bekämpft werden müsse, da auch in Deutschland keine 
Volksseuche auch nur annähernd so schwere Verluste herbeiführt wie die 
Trunksucht bezw. der Gewohnbeitstrank, und da die besten Kräfte des Volkes, 
unsinnige Summen an Volkswohlstand und Volksvermögen Jahr um Jahr ver- 
geudet würden. Deshalb muss fortschreitend in der Familie, in der Schule 
und im Heer den Kampf gegen den Alkoholismus durch Belehrung und 
eigenes Beispiel anfgenommen werden. Baumann (Metz). 


Kempen G. H., Beiträge zur Statistik und Kasuistik der chronischen 
Bleivergiftung. Inaug.-Diss. München 1905. 

Verf. gibt eine Zusammenstellung der in der Münchener medizinischen Klinik 
in der Zeit von 1890—1904 vorgekommenen 200 Fälle von chronischer Blei- 
erkrankung. Unter diesen 200 Fällen befindet sich nur eine Frau, die zu- 
dem noch Anstreicherin war. Bezüglich des Lebensalters bewegt sich die 
grösste Anzahl der Fälle zwischen 20 und 40 Jahren (146 Patienten); über 
50 Jahre alt sind 7. 

Unter den einzelnen Vergiftungsformen wurden, abgesehen von Bleisaum 
des Zahnfleisches, der Anämie und der Obstipation, beobachtet: 

1. Colica saturnina (125 Fälle = 62,5°/,), 

2. Arthralgia saturnina (32 Fälle = 16°/,), 

3. Erscheinungen von Encephalopathia saturnina (16 Fälle), 

4. Paralysis saturnina (5 Fälle). 

In 12 Fällen (6°%,) wurden Nierenerkrankungen festgestellt; ausserdem 
Störungen des Herzens: bei 3 Patienten Mitral-Insufficiens, bei 1 Mitral-Insuffi- 
cienz mit Stenose, bei 1 Aortenstenose, bei 1 Aorteninsufficienz. Bei 21 Pa- 
tienten = 10,5%, wurden unreine Herztöne mit leichten systolischen Geräuschen 
der Mitralis wahrgenommen. 38 Fälle (= 19°/,) zeigten Steigerung des Pa- 
tellarreflexes; 6 Fälle waren mit Hysterie, 1 Fall mit Neurasthenie, 10 Fälle 
mit Lungenspitzenaffektion kompliciert. Recidive von Bleiintoxikationen wurden 
bei 93 Patienten festgestellt, bei einem zum 12. Mal. Zum Schluss stellt Verf. 


780 Gewerbehygiene. Prostitution. 


die vom hygienischen und ärztlichen Standpunkt aus wichtigen Forderungen 
auf: Es muss 
1. die Anwendung der Bleifarben vollständig verboten, 
2. die Bleivergiftung unter den Begriff des Unfalles aufgenommen werden. 
Nieter (Halle a. S.). 


Teleky L., Die Kohlenablader der k. k. priv. Kaiser Ferdinand-Nord- 
bahngesellschaft. Arch. f. sociale Medizin u. Hygiene. Bd. 1. S. 193. 
Teleky benutzte einen Streik der Koblenarbeiter zu Untersuchungen 
über die hygienischen und gesundheitlichen Verhältnisse, unter denen sie 
leben. Die geleistete Arbeit ist eine sehr schwere, die Wohnverhältnisse, ins- 
besondere die Abort- und Wascheinrichtungen sind schlechte; es kann bei der 
geringen Bezahlung und dem Alkoholgenuss nicht wunder nehmen, dass vielfach 
Krankheiten herrschen. T. fand bei der Hälfte der Untersuchten Verände- 
rungen am Cirkulationsapparat (Varicen nicht eingerechnet), bei einem Drittel 
"Erkrankungen des Respirationstraktus, darunter bei einem Viertel tuberkulöse 
Veränderungen, bei fast einem Viertel beginnende oder ausgebildete Hernien. 
Hayo Bruns (Gelsenkirchen). 


Gruber, Max, Prostitution vom Standpunkte der Socialhygiene aus 
betrachtet. Zweite verbesserte, mit Anmerkungen versehene Ausgabe. 
Wien 1905. Kommissionsverlag von Franz Deuticke. 47 Ss. lex 8°. Preis: 1 M. 

Der vorliegende dritte Abdruck des am 9. Mai 1900 gehaltenen Vortrags 
erscheint als No. III der „Vorträge und Abhandlungen herausgegeben vom 

Socialwissenschaftlichen Bildungsverein in Wien“. Gegenüber der als selbst- 

ständige Schrift erschienenen ersten Auflage, die sich auf S. 1194 und 1195 

des 24. Heftes des 10. Jahrganges dieser Zeitschrift (vom 15. Dec. 1900) 

besprochen findet, ist die jetzige um 9 Seiten vermehrt, auch wurden „einige 

Sätze und Wendungen, die Anstoss erregt haben“, gestrichen. Dabei blieb 

noch manches bedenkliche stehen, so (S. 30) die Angabe nach Tait, wonach 

in England „die Prostituierten im Durchschnitte nur ein Alter von 25 Jahren“ 
erreichen. Diese Statistik trifft möglicherweise ebenso zu, wie die bekannte, 
wonach von allen Berufszweigen die Kardinäle — beim Heere die Feldmar- 
schälle — das höchste Durchschnittsalter aufweisen. Das neu hinzugefügte 
wird sich ebensowenig, wie das weggelassene und manches stehen gebliebene 
des ungeteilten Beifalls der Leser erfreuen. So beispielsweise die Polemik 
gegen Forel in der Fussnote zu S. 45, wobei der präventive Geschlechtsver- 
kehr, weil er die sonst unbegrenzte Bevölkerungszunahme mindert, verurteilt 
wird, nachdem vorher, wie in der 1. Auflage, die Onanie (S. 30) als das ge- 
ringere Uebel im Vergleich mit der Prostitution hingestellt wird. Einige zu- 
treffende Bemerkungen der früheren Auflage wurden abgeschwächt. So wurde 
der Satz (auf S. 38 der 1. Aufl.), dass der Staat trachten müsse, „die Sitt- 
lichkeit unabhängig von den kirchlichen Dogmen zu begründen“ durch den 
Zusatz: „ohne dass er deshalb die Konfessionen in ihrer sittenverbessernden 


Prostitution. 781 


Tätigkeit zu hemmen brauchte,“ins Gegenteil berichtig. Dazu kommen noch 
Setzerfehler (wie S. 25) „mikroskopisch“, wo in der früheren Auflage (S. 21) 
richtig „makroskopisch“ stand u. s. w. Zweckmässig erscheint der Ersatz der 
Frakturschrift dieser Auflage durch Antiqua in der vorliegenden. 

Helbig (Radebeul). 


Merkblatt für Frauen und Mädchen. Deutsche Gesellschaft zur Bekämp- 
fung der Geschlechtskrankheiten. Berlin o. J. (1906). Gutenberg-Druckerei 
und Verlag W. 35, Lützowstr. 105. 4 Ss. 80. 

Hauptsächlich für junge, in das Erwerbsleben eintretende Mädchen be- 
stimmt, warnt das „in beliebig grossen Posten von der Geschäftsstelle der 
D. G. B. G., Berlin W. 35, Potsdamerstr. 105 a“ zu beziehende Blatt vor 
ausserehelicher Schwangerschaft und vor Geschlechtskrankheiten. 
Nur bei Tripper finden sich Erkennungszeichen und bei Syphilis einige Vor- 
beugungsmassregeln angegeben oder vielmehr angedeutet. Durch den Hinweis 
auf Rechtsverhältnisse gegenüber dem Schwängerer und der Krankenkasse, 
sowie auf das ärztliche Berufsgeheimnis wird bei hinreichender Verbreitung 
die wohlgemeinte Veröffentlichung einigen Nutzen stiften. Dieser dürfte im 
übrigen bei dem mehr akademischen Charakter und bei der Zurückhaltung 
der Belehrung leider der aufgewandten Mühe kaum in demselben Masse ent- 
sprechen, wie dies bei dem vor 2 Jahren verbreitetem, allgemeinen „Merk- 
blatt“ derselben Gesellschaft der Fall war. Helbig (Radebeul). 


Hammer, Wilhelm, Zehn Lebensläufe Berliner Kontrollmädchen und 
zehn Beiträge zur Behandlung der geschlechtlichen Frage. 
Dritte Auflage. Berlin u. Leipzig o. J. (1905), Verlag von Hermann Seemann N. 
(S.W. Tempelhofer Ufer 29). 104 Ss. 80. Preis: 1 M. 

Vorliegendes, von einem früheren Dujour- und ersten „Hilfsarzte der 
Frauenkrankenstation im Berliner städtischen Obdach“ verfasstes Buch bildet 
den 23. Band von Hans Ostwalds Sammelwerke: „Grossstadt-Dokumente“. 
Trotz des pikanten, der Angabe des Erscheinungsjahres entbehrenden Buch- 
titels handelt es sich um eine ernste, wissenschaftliche Arbeit. Die 10 Lebens- 
geschichten der geschlechtkrank eingelieferten Mädchen und Frauen sind 
nach deren Aussagen, bezw. nach eigener Aufzeichnung, tunlich treu und ohne 
Ausschmückung wiedergegeben und von einer kurzen „Beurteilung“ begleitet. 
Dazwischen folgen, in regelmässiger Anordnung eingefügt, aber ohne näheren 
Bezug auf den jeweilig vorhergehenden Lebenslauf ebensoviel Aufsätze mit 
den Ueberschriften: „Dirnentum und Dirnenforschung“, „Berliner Sittenpolizei 
und ihre Erfolge“, „Erziehung jugendlicher Dirnen“, „Zur geschlechtlichen 
Frage“, „Einiges über Religion und Geschlechtsleben“, „Verbrechertum und 
Prostitution“, „Geschlechtliche Aufklärung der heranwachsenden Jugend“, 
„Männerwelt und Dirnentum“, „Nutzen und Schaden des Dirnentums“, „Besse- 
rungsvorchläge.“ Dass über den häufig behandelten Gegenstand durchweg 
Neues vorgebracht werde, kann man füglich nicht erwarten. Immerhin erscheint 
das über die erfahrungsgemässe Erfolglosigkeit der Zwangserziehung, über 
die Ungerechtigkeit und Unzweckmässigkeit der Heranziehung der erkrankten 


dlia 


782 Kleinere Mitteilungen. 


Kontrollierten za den Kosten der Zwangsbehandlung, über den Zusammenhang 
zwischen Religion und Geschlechtsleben u. s. w. Bemerkte lesenswert. Eigen- 
artig ist das Hervorheben der neuerdings bei dem gerichtlichen Verfahren in 
wohlverdientes Misstrauen geratenen Schriftdeutung und die Vorliebe des ärzt- 
lichen Verf.’s für die Knute (S. 39), bezw. Rute. Die Zwangsuntersuchung 
wird zwar verworfen (S. 51), doch soll von den Hausärzten der Freudenhäuser 
jeder gesunde Gast einem gesunden und jeder krank befundene einem gleich- 
artig erkrankten Mädchen zugeteilt werden! — Die Aehnlichkeit der einzelnen 
Lebensgeschichten und die sonderbare Anordnung des Stoffes veranlassten 
häufige Wiederholungen. — So beachtlich der Versuch ist, die Prostituierten 
gewissermassen selbst zu Worte kommen zu lassen, so reicht doch zu allge- 
meinen Schlussfolgerungen, wie beispielsweise der, dass nicht der Hunger in 
erster Reihe die Mädchen zur Gewerbsunzucht verleite, die Zahl von nur 
10 Lebensläufen kaum aus. Dagegen dürfte der Ansicht des Verf.’s und des 
Herausgebers zuzustimmen sein, wonach die Behörde, die Prostituierte bekannt- 
lich selbst in amtlichen Schriftstücken als „Dirnen“ bezeichnet, sowie „unsere 
heutige Gesellschaft“ (S. 4) die Kontrollmädchen ungerechter Weise als Ver- 
brecherinnen behandelt. Helbig (Radebeul). 


Kleinere Mitteilungen. 


(:) Preussen. Berlin. Aus dem Verwaltungsbericht des Magistrats 
zu Berlin über die städtischen Kanalisationswerke und Rieselfelder für 
das Etatsjahr 1904. 

Die Kanalbauten sind mit der fortschreitenden Bebauung des Stadtgebiets und 
der Entwickelung der Strassenzüge fortgeführt worden und waren besonders umfang- 
reich im Gebiete der Radialsysteme IX und X; auch in Lichtenberg und Boxhagen- 
Rummelsburg war der Umfang der Kanalbauten ein bedeutender. 

Auf Berliner Gebiet wurden ausgeführt 14406,99 m Tonrohrleitungen, auf be- 
nachbarten Gemeindegebieten 528,14 m Kanäle und 5222,19 m Tonrohrleitungen. Bis 
1. März 1905 sind überhaupt hergestellt worden: 

Kanäle Tonrohrleitungen 
a) auf Berliner Gebiet . . . 166287,78 m 740004,87 m 
b) auf benachbarten Gebieten . 7836,44 „ 51323,85 „ 
zusammen 965502,94 m Kanäle und Tonrohrleitungen. 

Im Betriebe der Kanalisationswerke sind aussergewöhnliche Vorkommnisse im 
Berichtsjahre nicht zu verzeichnen. Auf den nördlichen Rieselfeldern ist die Aptierung 
der zum Rieselgut Hellersdorf gehörigen Hönower Parzellen beendet worden, des- 
gleichen wurden die letzten noch fehlenden Schläge auf den Malchower Bauerländereien 
fertiggestellt. Mit der Aptierung der Falkenberger Bauerländereien wurde begonnen. 
Auf dem Rieselgut Buch wurden die Aptierungsarbeiten in erheblichem Masse ge- 
fördert und ausserdem umfangreiche Doppelberieselungsanlagen hergestellt. Im Süden 
wurde die Aptierung auf dem Rieselfelde Birkholz fortgesetzt und die im vorigen 
Jahre begonnene Berieselungsanlage der Fahlhorster und Sputendorfer Naturwiesen 
fertiggestellt. Neu aptiert wurden 381,06 ha, drainiert 386,76 ha; repariert wurde die 
Drainage auf 46,50 ha; 480 neue Ausmündungen wurden geschaffen. Im ganzen sind 
7377,84 ha drainiert und 7406 Ausmündungen vorhanden. Der Besitzstand der Riesel- 
felder belief sich am 31. März 1905 auf 15724,2435 ha. Das Areal hat sich gegen 


Kleinere Mitteilungen. 183 


das vorige Berichtsjahr um 1540,5098 ha vergrössert und zwar hauptsächlich infolge 
Ankaufs von Bauerländereien in Bernau, Schönow, Ladeburg, Rüdnitz und Wilmers- 
dorf, welche dem Verwaltungsbezirk Buch zugeteilt worden sind. 

Der Betrieb sowohl der Pumpstation, einschliesslich der Druckrohrleitungen 
nach den Rieselfeldern, als auch derjenige der Strassenentwässerungsanlagen gibt zu 
besonderen Bemerkungen keinen Anlass. In die Kanalisation entwässerten im Etats- 
jahr 1904 durchschnittlich 28528 Grundstücke gegenüber 27886 im Vorjahre. Die 
Vermehrung beträgt demnach 642; die Zahl der angeschlossenen Grundstücke hat 
sich um 736 vermehrt. 

Wie in den Vorjahren sind zahlreiche Tonrohrleitungen in Strassen, die mit 
Baumpflanzungen versehen sind oder mit solchen versehen werden sollen, zum Schutze 
gegen das Einwachsen von Bauinwurzeln an Stelle der Tondichtungen mit Dichtungen 
aus Asphaltmasse versehen worden. Die Kosten hierfür beliefen sich im Berichtsjahre 
1904 auf 38638 M; die bisherigen Gesamtausgaben für diese Arbeiten (einschl. 1904) 
betragen 459382 M. 

Die Pumpstationen I bis X und XII förderten für den Tag, auf den Kopf be- 
rechnet, 126 Liter. Der Verbrauch an Wasser aus den städtischen Wasserwerken betrug 
durchschnittlich für Tag und Kopf 84,17 Liter. Die Pumpstationen förderten also 
41,83 Liter unreines Wasser mehr nach den Rieselfeldern, als die Wasserwerke an 
reinem Wasser in die Stadt hineingeführt haben. Dieses Mehr wird gebildet: a) durch 
Regenwasser, b) durch das aus den Strassen- und Hofbrunnen entnommene Wasser, 
c) durch das für Badeanstalten und gewerbliche Zwecke aus Brunnen und offenen 
Wasserläufen entnommene Wasser, d) durch die in den Kanalwässern enthaltenen 
Küchen- und Klosetabgänge. 

Mit der Verbesserung der die Vorflut für die Rieselfelder bildenden Wasserläufe 
ist auch in diesem Jahre fortgefahren worden. Der Hohenschönhausener Graben mit 
seinen Nebengräben wurde innerhalb des Rieselfeldes Bürknersfelde und einige Meter 
unterhalb vertieft. Gleichzeitig wurden die am Hohenschönhausener Graben gelegenen 
niedrigen moorartigen Flächen in ein Aufhalte- und Klärbassin umgewandelt. Der 
im Verwaltungsbezirk Falkenberg gelegene nördliche Seelgraben wurde im oberen 
Lauf reguliert, um die bisher mangelhafte Entwässerung in diesem Teile des Falken- 
berger Rieselfeldes zu verbessern. Um ferner eine möglichst gründliche Reinigung 
des der Wuhle von den Rieselfeldern zugeführten Drainwassers herbeizuführen und 
hierdurch die in der Spree an der Wuhlemündung regelmässig notwendig werdenden 
Baggerungen tunlichst einzusohränken, ist ausser dem im vorigen Jahre auf dem 
Rieselfelde Hellersdorf bereits ausgeführten Klärbassin mit der Anlage noch eines 
grösseren Systems von Klärbecken mit ansteigenden Sohlen innerhalb des Rieselfeldes 
Kaulsdorf begonnen worden. 

Die kulturtechnischen Meliorationsarbeiten, welche seit dem ‚Jahre 1885 in eigener 
Regie ausgeführt werden, bestanden hauptsächlich in der Drainierung der neuen 
Rieselfelder und in Doppelberieselungsanlagen, sowie in der Umlegung älterer 
Drainagen und Herstellung einzelner neuer Entwässerungs- bezw. Vorflutgräben, wo- 
bei auf möglichst durchgreifende Verbesserungen Bedacht genommen wurde. 

Wasserüberlastung der Rieselfelder trat in dem ganzen Jahre nicht ein. Dies 
ist teils durch stärkere Beteiligung der neu aptierten Flächen am Rieselbetriebe, teils 
durch die aussergewöhnliche Witterung des Jahres 1904 verursacht worden. Mitte 
Mai setzte eine mehrmonatige Dürre ein, welche auf allen ganz leichten Böden starke 
Ernteschäden verursachte. Die Ernteerträge waren beim Getreide und den Hack- 
früchten sehr verschieden. An Handelsgewächsen wurden in grösseren Mengen nur 
Raps und Rübsen mit gutem Erfolge angebaut. Die Trockenheit des Sommers 1904 


784 Kleinere Mitteilungen. 


verhinderte vielfach den Aufgang der Saat für 1905. Die Grasernte auf den Natur- 
wiesen konnte mit Hilfe der Doppelberieselung auf mittlerer Höhe gehalten werden. 
Der Obstbau brachte eine gute Nutzung. Die Fischerei erfuhr nach den ersten ge- 
lungenen Versuchen, Fischmast in Drainwasserteichen zu treiben, einige Ausdehnung. 
Die als Folge der Dürre aufgetretene Futternot ermöglichte eine bessere Verwertung 
von Hackfrüchten, Rauhfutter, Gras und Weiden, welche die geringere Ernte zum 
Teil ausglich. Die Verwertung der Kartoffeln für Spiritusbrennerei ergab über 3 M. 
für den Doppelcentner. Der gesamte Ueberschuss der Bewirtschaftung der Rieselfelder 
betrug 312435,7 M. undzeigtesomitgegenüber demjenigen vom Jahre 1903 (381 866,14 M.) 
einen Rückgang um 69430,39 M., was auf die aussergewöhnliche Dürre zurückzuführen 
ist. Rechnet man zu dem Ueberschusse noch die Pacht der Heimstätten, ferner 
manche Vermögensvermehrung durch Verbesserungen und denZuwachs in den lebenden 
Beständen hinzu und berücksichtigt man, dass die hohen Ankaufskosten der Güter, 
die teure Aptierung und Drainage sowie die hohen Rieselwartekosten nicht durch 
landwirtschaftliche, sondern durch Zwecke der Kanalisation bedingt werden, so ist 
durch die Barabführungen immerhin eine, wenn auch geringe Verzinsung der land- 
wirtschaftlichen Werte festzustellen. 

Im ärztlichen Dienste ist auf den Rieselgütern nur insofern eine Aenderung ein- 
getreten, als auf dem neu angekauften Bauerngute Albertshof ein Gutsarzt angestellt 
wurde. Im Jahre 1904 betrug die Kopfzahl der ortsanwesenden Bevölkerung, abgesehen 
von den Insassen der Heimstätten und den vorübergehend beschäftigten Arbeitern 
49641 und zwar: a) an Ortsangehörigen 36602, davon 13900 Männer; b) an Häus- 
lingen (Männern) 13039. 

Der Gesundheitszustand auf den Rieselgütern war im Betriebsjahre befriedigend. 
Es sind 954 Erkrankungen (gegen 1316 im Vorjahre) gemeldet worden. Irgendwelche 
Erkrankungen, die mit der Rieselwirtschaft in ursächlichen Zusammenhang gebracht 
werden könnten, kamen überhaupt nicht vor. In Birkholz trat eine Scharlachepidemie 
(23 Fälle, 1 tödlich) und in den südlichen Gütern eine Masernepidemie (138 Fälle) 
auf. Diphtherie kam 15 mal vor. Zahlreich wie immer waren die Verletzungen, davon 
2 mit tödlichem Ausgange. 

Im Betriebsjahre starben 29 Personen, darunter 13 Kinder unter 2 Jahren und 
4 Kinder im Alter von 2—15 Jahren. Die ersteren erlagen überwiegend Katarrhen 
der Verdauungs- und Atmungsorgane. Von den Erwachsenen starben 3 an Lungen- 
schwindsucht, 2 durch Unglücksfälle und 1 durch Selbstmord. 

(Veröff. d. Kais. Ges.-A. 1906. No. 11. S. 246.) 


(:) Aus dem Verwaltungsbericht des Magistrats der Königl. Haupt- 
und Residenzstadt Breslau, 1901—1904. 

Das Stadtgebiet ist in der Berichtszeit durch Eingemeindungen um rund 
616 ha auf 4222 ha 46a, 29 qm erweitert worden. Von dieser Fläche sind rund 
1076 ha, d. i. 25°%/,, mit Häusern erbaut. Im Jahre 1901 wurden 1446 (1902: 1469, 
1903: 1653) Neu- und Umbauten ausgeführt. Die Zahl der am 1. December 1900 
ermittelten heizbaren Wohnungen hat infolge von Neubauten eine beträchtliche 
Vermehrung erfahren, und zwar um 3388 (3499 und 5929). Ueber die durch Abbruch, 
Umbau u. s. w. in Wegfall gekommenen Wohnungen liegen Mitteilungen nicht vor. 

Die auf die Jahresmitte errechnete Bevölkerungszahl betrug 425563 (431912 
und 439039) Köpfe. Auf je 1000 der mittleren Bevölkerung kamen einschl. der Tot- 
geburten 1901: 34,21 (1902: 34,52, 1903: 32,09) Geburten, von denen 1901 und 
1902 je 5,9, 1903 : 5,6°/go d. E. ausserehehelich waren. Die allgemeine Sterbeziffer 
ist wieder gesunken, sie betrug ausschl. der Totgeburten, aber einschl. der Ortsfremden 
25,7 (22,7 und 23,8) %/90 d. E. 


Kleinero Mitteilungen. 785 


Die Säuglingssterbeziffer, 27,7 (21,5 und 26,0)°/, der Lebendgeborenen, 
war im Jahre 1902 eine ungewöhnlich niedrige. Der Geburtenüberschuss belief 
sich auf 7,5 (10,7 und 7,2)/o d. E.; er war somit im Jahre 1902 ein äusserst 
günstiger. 

Von den Todesursachen machte sich bei der Diphtherie gegenüber der vorigen 
Berichtsperiode ein Ansteigen der Todesfälle bemerkbar; denn es starben daran 1901: 
1,7, 1902: 2,1 und 1903: 2,2°/% d. E. Die Lungenschwindsucht ist als Todes- 
ursache zurückgegangen, ihr erlagen 33,6 (31,1 und 30,4) %/go0 d. E. Dem Magen- 
und Darmkatarrh der Kinder erlagen 32,1, 22,5 und 27,7, dem Brechdurchfall 5,1, 
2,6 und 4,4°/00 Personen. Hervorgehoben seien ferner die Zahlen für Lungenent- 
zündung (21,1, 19,6 und 21,6 auf 10000 E.), Herzkrankheiten (21,1, 20,6 und 23,0), 
Krebs (12,1, 11,9 und 12,5), angeborene Lebensschwäche (12,5, 11,7 und 11, 2) und 
Altersschwäche (9,6, 9,3 und 8,1). 

Erkrankungen an Masern und Röteln sind 6629 (3110 und 2706), an Schar- 
lach 1041 (1333 und 893), an Diphtherie 622 (679 und 791), an Unterleibstyphus 
170 (175 und 154), an Kindbettfieber 68 (52 und 59) gemeldet worden. 

In den öffentlichen Krankenhäusern wurden 38699 (39085 und 40554) 
Kranke an 1164099 (1210543 und 1238637) Verpflegungstagen behandelt. Bei den 
der Aufsicht des Magistrats unterstellten Krankenkassen kamen 391 (374 und 402) 
Erkrankungen auf je 1000 der mittleren Mitgliederzahl vor. 

Geimpit wurden mit Erfolg 10165 (8863 und 10503) Erst- und 7305 (7525 
und 8262) Wiederimpflinge, ohne Erfolg 274 (253 und 331) und 999 (946 und 772). 
Die Zahl der zurückgestellten oder aus anderen Gründen nicht geimpften Kindern be- 
trug 1423 (2285 und 2807) und 365 (309 und 282). 

Auf dem städtischen Schlachthofe (mit Einschluss der Schlachtungen in 
der Pferdeschlächterei und im Polizeischlachthofe) wurden geschlachtet und unter- 
sucht 27454 (26403 und 26501) Rinder, 116209 (112619 und 126153) Schweine, 
70010 (60244 und 61552) Kälber, 34539 (32636 und 28587) Schafe und Ziegen, 
497 (351 und 914) Zicklein, 4674 (3464 und 3286) Pferde, Esel und Fohlen, sowie 
im ‚Jahre 1903 5 Ferkel und 109 Hunde. Hiervon wurden als zur menschlichen 
Nahrung untauglich befunden und vernichtet 70 (68 und 77) Rinder, 107 (68 und 92) 
Schweine, 63 (37 und 64,5) Kälber, 19 (9 und 10) Schafe und Ziegen, 77 (71 und 
67) Pferde. Das auf der Freibank verkaufte Fleisch stammte von 360 (403 und 641) 
Rindern, 528 (463 und 605) Schweinen, 149 (164 und 240) Kälbern, 14 (12 und 22) 
Schafen und 1.Zicklein (im Jahre 1903). Die Verluste durch Ganzbeanstandungen 
und Ueberweisung zur Freibank betrugen bei Rindern 1,7 (1,8 und 2,7), Schweinen 
0,5 (0,4 und 0,55), Kälbern 0,3 (0,3 und 0,5), Schafen und Ziegen 0,09 (0,06 und 
0,11), Pferden 1,6 (2,0 und 2,06)%,. Den Anlass zu den meisten Beanstandungen 
boten die Tuberkulose, an zweiter Stelle die Finnen. 

An eingeführtem Fleisch wurden zur Beschau gestellt 675 (470 und 213) Rinder- 
viertel, 937 (110 und 117) Schweinehälften, 533 (231 und 222) Kälber, 276 (291 und 
263) Schafe und Ziegen, 7585 (5874 und 4922) Zicklein, O (7 und 13) Pferdeviertel, 
5670 (1698 und 2794) einzelne Fleisch- und Eingeweideteile. Das Gesamtgewicht 
des versteuerten Fleisches betrug, auf 1 Einwohner berechnet, 55,1 (51,6 und 
53,5) kg, der Verbrauch von Pferdefleisch desgleichen 2,2 (1,6 und 1,5). 

Der Verbrauch an Bier ist seit dem Jahre 1898 erheblich zurückgegangen, 
er betrug in diesem 170 Liter für den Kopf, 1901: 149 (1902: 132, 1903: 138) Liter. 

Von der öffentlichen Desinfektionsanstalt sind 1901: 981 (1902: 1093 und 
1903: 1280) Desinfektionen ausgeführt worden, davon 725 (797 und 910) unentgeltlich. 

Die 3 städtischen Freibäder für Frauen und Mädchen wurden 101 von 117018 


786 Kleinere Mitteilungen. 


(1902: 62074 und 1903: 76744), die 2 städtischen Brausebäder von 237868 (237057 
und 252175) und das Hallenschwimmbad von 274789 (297030 und 327833) Personen 
besucht. (Angaben über den Besuch der Freibadeanstalt für Männer und Knaben 
liegen nicht vor). 

Im Dienste der Strassenreinigung wurden 9647 (9655 und 9638) Fuhren 
geleistet. Zur Strassenbesprengung wurden 301122,92 (226903,45 und 232750,94) 
cbm Wasser verbraucht, für 1 qm durchschnittlich 3/4 Liter. Im regelmässigen Be- 
triebe befanden sich 28 (30 und 30) Sprengwagen. 65031 qm Sprengfläche sind 
während der Berichtszeit neu hinzugetreten. Die gesamte befestigte Strassenfläche 
(ausschl. der Chaussierung) betrug 1396398 (1424519 und 1454010) qm, wovon 
89601 (90386 und 92188) mit Asphalt, 9861 (10879 und 10879) mit Holz befestigt 
waren, 

Neu- und Umbauten des Entwässerungskanalnetzes erfolgten in der Aus- 
dehnung von 6323,97 (11512,63 und 8247,20) m, ebenso neue Drainanlagen von 
140,20 (617,60 und 0) m. Das Kanalnetz umfasste 230685,89 (238707,45 und 
243947,76) m, davon entfielen auf gemauerte Kanäle 25,8 (25,07 und 25,03)°/,. Die 
Zunahme des Kanalnetzes betrug 1,8 (3,3 und 2,1). Haus- und Regenrohranschlüsse 
waren am Schlusse jeden Berichtsjahres vorhanden 21535 (22256 und 22984). 

Die Zahl der öffentlichen Bedürfnisanstalten ist in der Berichtszeit um 
7 vermehrt worden. Die Pumpstation für die Kanalwässer förderte im Tagesdurch- 
schnitt 56380 (56833 und 52488) cbm, die berieselte Fläche umfasste 892 (907 und 
922) ha, auf 1 qm Fläche kamen im Jahr 23071 (21092 und 23754) cbm Rieselwasser. 

Der Verbrauch an Wasser ist während der Berichtszeit nicht in dem Masse 
gestiegen, wie dies nach den Ergebnissen früherer Jahre erwartet werden konnte; 
während er im Jahre 1900 12773315 cbm betrug, steigerte er sich im Jahre 1903 nur 
bis auf 13008188 cbm. Der tägliche Durchschnittsverbrauch für den Kopf belief sich 
auf 81,38 Liter. 

Am Schlusse des Jahres 1903 enthielt das Rohrnetz beim neuen (alten) Wasser- 
werk 239275 (26040) Ifd. m Rohr mit 1845 (44) Schiebern, 2797 Hydranten (66 
älteren, 14 neueren Systems), 19 Stück dreistrahligen Ueberflurhydranten und 70 
öffentlichen Druckständern (17 Schlauchschraubenständern, 44 Rinnsteinspülungen, 
30 Kanalspülungen und 60 Druckständern bezw. Röhrbrunnen). An das Wasserrohr- 
netz waren 8989 Privatgrundstücke im Jahre 1903 angeschlossen. 

(Veröff. d. Kais. Ges.-A. 1906. No. 13. S. 282.) 


(:) Kanalisation von Mannheim. Die nach Einführung der Schwemm- 
kanalisation in Mannheim von der Aufsichtsbehörde verlangte Abwasserkläranlage ist 
nunmehr in Betrieb genommen worden. Um zu dieser Anlage zu kommen, müssen die 
mittelst eines Dükers unter dem Neckar durchgeführten Abwässer 2 m gehoben werden. 
Zu diesem Zweck ist im Ochsenpferch eine Pumpstation hergestellt, zu welcher die 
Abwässer in einem gemauerten Kanal von 3,4 m Höhe und ebensolcher Breite ge- 
langen, nachdem sie vorher durch Sandfang und Rechen von den gröbsten Schwimm- 
stoffen befreit sind. Die drei hier angeordneten Kreiselpumpen von 400, 600 und 
800 mm Saugrohrdurchmesser, die durch Elektromotoren angetrieben werden, reichen 
für eine Leistung von rund 1800 Lit.-Sek. aus. Wird diese Menge bei starken Regen- 
fällen überschritten, so darf das stark verdünnte Wasser unmittelbar durch einen 
Notauslass in den Neckar abgelassen werden. Bei höherem als Mittelwasserstand des 
Neckars muss das Wasser durch eine besondere Kreiselpumpe mit 1250 mm Saugrohr- 
durchmesser, angetrieben von einem 90 P.S. Motor, gehoben werden. Für den Fall 
einer Seuche ist über dem Sandfang des zufliessenden Wassers eine Desinfektionsanlage 
vorgesehen, die jedoch noch nicht jn Tätigkeit gesetzt worden ist. 


Kleinere Mitteilungen. 187 


Die Kläranlage besteht aus sechs Klärbecken von je 43 m Länge, die parallel 
geschaltet, vom Wasser mit etwa 0,02 m Sek. Geschwindigkeit durchflossen werden, 
so dass das Wasser sich 40 Minuten lang darin aufhält; hierbei setzt sich der Schlamm 
auf dem Boden ab, und das Wasser fliesst schliesslich durch kupferne Rechen mit 
3 mm Spaltenbreite zum Rhein ab. In Zeiträumen von 3—4 Tagen wird eine jede 
der vorn und hinten mit Abschlussschützen versehenen Kammern abgeschaltet; das 
darüber stehende klare Wasser fliesst noch ab, das über dem Schlamm stehende trübe 
Wasser aber wird durch eine besondere Pumpe in die übrigen noch im Betriebe be- 
findlichen Klärbecken gehoben. Der Schlamm wird nach einem hochstehenden Be- 
hälter gepumpt und fliesst von dort durch ein verzweigtes Rohrnetz nach den Feldern. 
Bei hohem Rheinwasserstand muss auch das nach dem Rheine fliessende geklärte 
Abwasser gehoben werden, und zu diesem Zwecke sind wie bei der Anlage auf dem 
Ochsenpferch drei Kreiselpumpen aufgestellt; die grosse Pumpe von 1250 mm Rohr- 
durchmesser fällt natürlich hier fort. 

Um den Schlamm für landwirtschaftliche Zwecke noch konsistenter und besser 
nutzbar zu machen, besteht die Absicht, den Schlamm durch eine eigenartige Se- 
parationsvorrichtung noch weiter vom Wasser zu befreien, als res durch das blosse 
Ablaufen möglich ist. (Nach Ztschr. d. Vereins Deutscher Ingenieure, Berlin, vom 
4. Nov. 1905, S. 1801.) (Gesundh.-Ingen. 1906. No. 6. S. 114.) 


(:) Schweiz. Bewegung der Bovölkerung während der Jahre 1896 bis 
1900. (Nach Bd. II, Lief. 5, des 41. Jahrg. der Zeitschr. f. Schweiz. Statistik.) 

Die Zahl der Todesfälle ohne die Totgeborenen betrug im jährlichen Durch- 
schnitt des fünfjährigen Zeitabschnitts in der Gesamtschweiz 58521, d. i. 18,76 auf 
je 1000 ortsanwesende Personen. Von diesen Todesfällen entfielen 15378 auf die 
Nordostschweiz. 11897 auf die Südwestschweiz, 10349 auf den Kanton Bern, 8283 
auf die Nordwestschweiz, 6893 auf die Südschweiz und 5571 auf die Centralschweiz: 
die Sterblichkeitsziffer schwankte demnach zwischen 17,72°/oo in der Südschweiz und 
20,950/% in der Nordostschweiz. Von den im gleichen jährlichen Durchschnitt 
lebendgeborenen 91817 Kindern entfielen 24234 auf die Nordostschweiz, 17999 
auf den Kanton Bern, 17375 auf die Südwestschweiz, 14149 auf die Nordwestschweiz, 
9497 auf die Südschweiz und 3528 auf die Centralschweiz; die Geburtenziffer schwankte 
zwischen 27,37 in der Südwestschweiz und 32,75 im Kanton Bern und betrug für die 
Gesamtschweiz 29,430/g0. Der Geburtenüberschuss war hiernach am stärksten 
im Kanton Bern und der Nordwestschweiz, weitaus am geringsten in der Südschweiz 
und Südwestschweiz. 

Hinsichtlich der Geburtenziffer in den einzelnen Gauen wird hervorgehoben, 
dass diejenigen Gaue, welche in grösserem Umfange Industrie treiben, hinter der be- 
scheidenen Mittelzahl zurückbleiben, dass aber ein Einfluss der Stammesunterschiede 
nicht wahrnehmbar ist. Die Sterbeziffer ist überall nahezu gleichmässig verlaufen, 
und als erfreuliche Tatsache wird festgestellt, dass durchweg in allen Gauen und von 
Periode zu Periode dieSterbeziffer abgenommen hat. (Von den3325023 Bewohnern 
der Gesamtschweiz entfielen nach der letzten Zählung 27,27 °/, auf die Nordostschweiz, 
17,770, auf den Kanton Bern, 20,24°/, auf die Südwestschweiz, 14,709), auf die 
Nordwestschweiz, 19,76°/, auf die Südschweiz, 9,26°/, auf die Centralschweiz.) 

(Veröff. d. Kais. Ges.-A. 1906. No. 7. S. 152.) 


Beilage zur „Hygienischen Rundschau“. 
XVI. Jahrgang. Berlin, 15. Juli 1906. f No. u. 


Verhandlungen der Deutschen Gesellschaft für öffentliche Gesundheitspflege 
zu Berlin‘). 


Sitzung vom 9. Januar 1906. Vorsitzender: Herr Wehmer, Schriftführer: 
Herr Proskauer. 


Prof. Dr. Salzwedel Oberstabsarzt z. D., Die Bedeutung der Händereini- 
gung für allgemein hygienische Zwecke. i 

M. H. Als ich vom Vorstand unserer Gesellschaft die ehrenvolle Auf- 
forderung erbielt, über das angezeigte Thema zu sprechen, wollte es mir zu- 
nächst angemessener erscheinen, dass das Thema von einem der Herren, die 
mitten in experimentellen Arbeiten über Händedesinfektion stehen, vor Ihnen 
erörtert würde, als dass dies von mir geschieht, der ich vor 5 Jahren durch 
einen Wechsel in meiner Stellung gezwungen war, die diesen Gegenstand be- 
rührenden, ausserordentlich zeitraubenden Arbeiten zu unterbrechen. Wenn ich 
mich dennoch entschloss, den heutigen Vortrag zu halten, so geschah es in 
der Erwägung, dass mir das Thema hier in einer Form gestellt erscheint, in 
der es bisher wohl wenig behandelt ist, dass also, wenn ich die Absicht des 
Vorstandes recht verstehe, dieser Vortrag nur eine Einleitung zu einer Dis- 
kussion bilden soll, die ihrerseits wieder Veranlassung geben könnte, dass ein 
Kapitel der praktischen Hygiene grössere Beachtung erfährt, welches bisher unver- 
dient wenig bearbeitet ist. Ist dies die Absicht unseres Vorstandes, so kann es ja 
von Nutzen sein, dass jemand die Diskussion einleitet, der trotz regen Inter- 
esses für die Sache nicht streng auf eine bestimmte Methodik eingeschworen 
ist, der die ganze grosse Bewegung bezüglich der chirurgischen Händedesin- 
fektion aber vom Standpunkte des praktisch Interessierten verfolgt hat. 

Es ist auffällig, wie wenig in älteren ärztlichen Schriften der Hände- 
reinigung Erwähnung geschieht, obgleich sich diese Schriften häufiger, als man 
im allgemeinen annimmt, intensiv mit hygienischen Fragen, besonders mit der Luft- 
erneuerung, mit der Reinhaltung der Wohnstätten, der Wohnräume, der Möbel, 
Geräte, der Wäsche, selbst mit der allgemeinen Körperreinigung beschäftigen. 
Historische Forscher haben zwar festgestellt, dass sich in den Schriften der 
alten Chirurgen hin und wieder specielle Vorschriften über eine Händereini- 
zung vor der Operation finden; dies soll aber meist nur bei Chirurgen von 
geringerer Bedeutung der Fall sein. Es scheint mir das begreiflich und nach 
den Vorgängen, die wir in den ersten Jahren der Antisepsis erlebt haben, 
sehr verständlich. Die Herren „Medici“ und die erstklassigen Chirurgen 
hätten sicher ein gar übles Gesicht gemacht, hätte man ihnen Vorschriften 


1) Alle auf die Herausgabe der Verhandlungen der Deutschen Gesellschaft für 
öffentliche Gesundheitspflege zu Berlin bezüglichen Einsendungen u. s. w. werden an 
die Adresse des Schriftführers der Gesellschaft, Geh. Reg.-Rat Prof. Proskauer, 
Charlottenburg. Uhlandstr. 184, I, erbeten. Die Herren Autoren tragen die Verant- 
wortung für Form und Inhalt ihrer Mitteilungen. 


Verhandl. der Deutschen Gesellschaft für öf. Gesundheitspfl. zu Berlin. 789 


für eine Verrichtung geben wollen, die sie gewohnt waren, als einen Teil 
ihrer guten Erziehung anzusehen. Die geschlossene Gegnerschaft, die Semmel- 
weiss im weiten Kreisen fand, als er Ende der 50er Jahre des vorigen Jahr- 
hunderts die Hände als Ansteckungsträger anschuldigte und ihre Reinigung 
mit Chlorwaschungen forderte, mag nicht zum wenigsten aus dieser Vorein- 
genommenheit entstanden sein. Ist es mir doch noch im Anfang der 80er 
Jabre passiert, dass mir ein wenig älterer Studienfreund, der mich gebeten 
hatte, einem Kranken seiner Praxis einen Daumen zu exartikulieren, die Freund- 
schaft kündigte, als ich ihm zumutete, sich vor dieser Operation, bei der er 
mir assistieren wollte, ausser der üblichen Karbolabspülung auch die Hände 
energisch zu waschen. Die Listerschen Vorschriften erwähnen ja, wie bekannt, 
und wie durch das 1882 erschienene Buch seines Schülers Watson Cheyne 
genügend bewiesen wird, die Waschung, d. h. das, was wir jetzt die mechaniche 
Händereinigung nennen, nur nebenbei. Die Karbolabspülung schien zu ge- 
nügen. Man konnte es, als sich später die Forderung der vorherigen Seifen- 
waschung immer mehr einbürgerte, manchem unserer älteren der Antisepsis 
sonst wohl geneigten Chirurgen noch lange anmerken, dass ihm diese neue 
Forderung recht unbequem war. 

Es soll damit nicht gesagt sein, dass sich die deutschen Aerzte nicht vor 
ihren ärztlichen Verrichtungen zu waschen pflegten. Ich kenne selbst aus 
meiner Jugend einen alten Praktiker, der sich lange vor der antiseptischen 
Zeit vor allen eingehenden Untersuchungen seiner Kranken zu waschen pflegte, 
wie er sich auch jedesmal beim Verlassen des Krankenzimmers wusch und 
nach dieser Waschung die Hände mit Eau de Cologne abrieb, die er zu diesem 
Zweck bei sich zu führen pflegte. Gemeingut war diese Regel aber nicht, 
und vor allen Dingen wurde sie nicht planmässig durchgeführt. 

Durch die Entdeckungen Robert Kochs und die Arbeiten seiner Schüler, 
die ein klareres Verständnis für das Wesen der Infektion und Desinfektion 
durch Forschungen schufen, die sich auf die Biologie der Infektionserreger 
stützten, wurde auch auf diesem Gebiete allmählich ein Wandel erzeugt. 
Planmässig wurde die Händedesinfektion aber selbst bei den Chirurgen und 
Geburtshelfern erst gegen die Mitte der 80er Jahre durchgeführt, allgemein 
wohl erst seit Kümmells bekanntem, 1885 auf dem 14. Kongress der Deutschen 
Gesellschaft für Chirurgie gehaltenen Vortrage und nach seinen sich weiter 
daran anschliessenden Arbeiten. Schwierig blieb nur die Art der Ausführung 
der Händedesinfektion, da die Verwendung der verhältnismässig starken Karbol- 
lösungen, wie sie Kümmell vorschlug, von vielen Chirurgen wegen der Empfind- 
lichkeit der Hände nicht in aller Strenge durchgeführt werden konnte, und da 
‘sich auch der Ersatz durch Sublimat aus dem gleichen Grunde nicht überall 
bewährte. Vor allem befriedigten aber auch die Resultate bezüglich der Ver- 
hütung der Entzündungen nicht ganz. 

Ein grosser Schritt vorwärts geschah dann, als Fürbringer 1888 seine 
auf treffliche bakteriologische Untersuchungen gestützte Alkohol-Händedesin- 
fektion bekannt gab. Es war damit eine relativ einfache, für die Praxis 
brauchbare Methode gefunden, deren Zuverlässigkeit sich ja, trotz ihrer nach- 
gewiesenen Begrenztheit, bis heute als soweit genügend erwiesen hat, dass 


790 Verhandl. der Deutschen Gesellschaft für öf. Gesundheitspfl. zu Berlin. 


noch immer ein sehr grosser, vielleicht der grösste Teil der Händedesinfek- 
tionen nach dieser Methode ausgeführt wird (wenigstens wenn man die kleinen 
Modifikationen, die in der Art des nach der Alkoholabreibung verwandten 
Desinficiens bestehen, nicht als besondere Formen der Desinfektionsmethode 
ansieht). Aber nicht nur hierin bestand Fürbringers Verdienst; gleichzeitig 
hatte er die Aufmerksamkeit auf den Alkohol gelenkt und zum Studium der 
desinficierenden und der anderen für Desinfektionszwecke in Betracht kommen- 
den Eigenschaften dieses Körpers Anregung gegeben. Es war dies deshalb 
von Bedeutung, weil die Desinfektionskraft des Alkohols nach einer gelegent- 
lichen Beobachtung R. Kochs bis dahin recht zweifelhaft erschien. Auch 
Fürbringer sah den Alkohol bekanntlich, wenigstens anfangs, nicht als 
Desinficiens, sondern als Fettlöser an und fügte deshalb nach der Alkobolab- 
reibung noch ein besonderes Desinficiens hinzu. Durch den Widerspruch Ahl- 
felds, der die Ueberflüssigkeit eines besonderen Desinficiens ausser dem Alkohol 
behauptete, wurde nun die grosse Reihe so überaus sorgfältiger Untersuchungen 
über Händedesinfektion hervorgerufen, die in ihrer Gesamtheit ein grossartiges 
Bild von der Gewissenhaftigkeit, Sorgfalt und Exaktheit der medizinischen, 
zumal der deutschen medizinischen Forschung geben. Ich kann hier natürlich 
nicht auf die Einzelheiten dieser Untersuchungen eingehen. Den medizinischen 
Mitgliedern unserer Gesellschaft sind sie ja genügend bekannt, für die Nicht- 
mediziner möchte ich einige Punkte aus den Resultaten anführen: 

Als Resultat aller Forschungen kann wohl zunächst behauptet werden, 
dass keine praktisch durchführbare Methode der Händedesin- 
fektion bekannt ist, durch die sich eine so vollkommene Keim- 
freiheit der Hände erzielen lässt, wie sie bei Instrumenten und 
toten Gegenständen durch Anwendung der Hitze, speciell durch 
Kochen und Dampfsterilisation verhältnismässig leicht erreicht 
werden kann. Mit Bestimmtheit lässt sich aber bei sorgfältiger Anwendung 
einer Anzahl gut ausführbarer Methoden so starke Keimarmut erzeugen, 
dass die wenigen zurückgebliebenen, an der desinficierten Haut festhaftenden 
Keime erst nach längeren, zuweilen erst nach 1/, Stunde lang fortzusetzenden, 
eine besondere Procedur erfordernden Aufweichungen der Haut der Hände und 
nach subtiler Abschabung der aufgeweichten Haut nachgewiesen werden können. 
Für den Chirurgen, der nach der Desinfektion mit seinen Händen oft länger 
als 1 Stunde in Körperflüssigkeiten verweilen und arbeiten muss, die die Haut 
der Hände ebenfalls aufweichen, ist die Kenntnis dieser Tatsache natürlich 
von bedeutender Wichtigkeit. Wie weit sie bei unseren Betrachtungen Be- 
achtung verdient, wird später erörtert werden. 

Die Zahl der für gewöhnlich an den Händen haftenden Keime — die so- 
genannte Keimzahl der Tageshand — wird meistens sehr hoch angegeben. 
Zwei neuere französische Forscher, Reverdie und Massol berechnen „dans 
les conditions de proprete banale“ im Mittel 1500000 Keime und bei stärkeren 
Verunreinigungen durch gewisse gewerbliche Arbeiten im Mittel 130000000 
Keime. Dieser immense Keimreichtum kann durch die sogenannten mechani- 
schen Reinigungsverfahren, d.b. durch anhaltende methodische Seifenwaschungen, 
welche unter Zuhilfenahme von Scheuermitteln, wie Sand, Marmorstaub, 


Verhandl. der Deutschen Gesellschaft für öff. Gesundheitspfl. zu Berlin. 791 


Bürsten und ähnlichen Reibwerkzeugen vorgenommen werden, erheblich ver- 
mindert werden. Die Verminderung der Keimzahl wird noch wesentlich er- 
höht, wenn die Waschungen in oft erneuertem Wasser oder am besten in 
fliessendem Wasser bewirkt werden. Folgt der mit Scheuern verbundenen 
Waschung dann eine energische Trockenreibung mit trockenen, reinen bezw. 
sterilen und rauhen Handtüchern, so konnte Haegler durch Haftenbleiben 
der Keime an den Tüchern eine solche Menge Keimkolonien von der Hand 
entfernen, wie dies, ich citiere seine Worte, „durch eine der gewöhnlichen 
Methoden der Handuntersuchung kaum geahnt werden kann (S. 39)“. Ande- 
rerseits kann nach dem wohl einstimmigen Urteil aller Untersucher niemals 
das Resultat erreicht werden, welches Schleich derzeit der rein mechanischen 
Reinigung zusprach, dass nämlich eine vollkommene, das chirurgische Bedürfnis 
befriedigende Keimfreiheit herbeigeführt wird, die Schleich sogar für eine 
absolute hielt. Schleich kommt aber das Verdienst zu, dass er durch seine 
mit starker Ueberzeugung ausgesprochenen Angaben, die zudem eine gewisse 
Stütze in den Veröffentlichungen älterer englischer, von grossen Erfolgen be- 
günstigter gynäkologischer Operateure fanden, eine sehr sorgfältige Prüfung 
des Wertes der mechanischen Händereinigung verursachte. Erst durch 
diese Prüfung, die allerdings gegen Schleich ausfiel, wurde der hohe Wert 
der mechanischen Händereinigung und die Bedeutung jeder einzelnen Manipu- 
lation bei derselben mit genügender Klarheit festgestellt. 

Als Grundsatz blieb aber bestehen, dass zur Erzielung der erreichbareh 
Keimarmut die Anwendung eines Desinfektionsmittels im Anschluss an die 
mechanische Reinigung nötig sei: Sarwey, einer der eifrigsten und ange- 
sehensten Forscher auf diesem Gebiet stellt die von ihm untersuchten Des- 
infektionsmittel bezw. Desinfektionsverfahren ihrem Werte nach folgender- 
massen zusammen. Er sagt (S. 82): „eine sehr geringe Keimminderung wird 
erzielt mit wässeriger Cyllin- und Sapollösung, eine etwas grössere mit 
wässeriger Lysofurm-, Phenol- und Permanganatlösung. Erheblich stärker 
wird die Keimarmut nach der Fürbringerschen Desinfektionsmethode und 
ihrer Modifikation nach Haegler!); sie nimmt — stets in vergleichender Be- 
rücksichtigung des primären Keimgehalts der geprüften Tageshand — in nach- 
stehender Reihenfolge der Desinfektionsmittel durchschnittlich mehr und mehr 
zu: Sublimatlanolin, wässerige Lösung von Quecksilbereitrat-Aethylendiamin, 
Quecksilbersulfat-Aethylendiamin (Sublamiv), Sublimataceton, Seifenspiritus, 


1) Entfettüng der Hände zuerst mit Boluspaste 1—2 Minuten lang und Reinigung 
mit Kaliseife und Bürste in möglichst warmem Wasser während 5 Minuten, Abreiben 
mit einem trockenen Tuch, dann während 3 Minuten in 70 proz. Alkohol und 3Minuten 
in 3 proz, Sublimatlösung bürsten (S. 132). 

Fürbringers ursprüngliche Angabe war: 1. die Nägel auf trockenem Wege 
von eventuell sichtbarem Schmutze befreien, 2. die Hände 1 Minute lang mit Seife 
und recht warmem Wasser recht gründlich abbürsten, insbesondere die Unternagel- 
räume bearbeiten, 3. ebenfalls eine Minute lang in Alkohol (nicht unter 809/9) waschen 
und darauf sofort vor dem Abdunsten desselben 4. in die antiseptische Flüssigkeit 
2 proz. Sublimat oder 3 proz. Karbolsäure bringen und mit dieser gleichfalls eine 
Minute lang gründlich bearbeiten. 


792 Verhandl. der Deutschen Gesellschaft für öff. Gesundheitspfl. zu Berlin. 


Heisswasseralkohol, Sublimatäthylalkohol, Sublimatmethylalkohol. Von den 
zuletzt genannten Mitteln kann eine entschiedene Ueberlegenheit des einen 
über das andere, aus unseren Versuchen wenigstens, nicht gefulgert werden, 
da die Unterschiede in der Keimzahl der erhaltenen Stichproben zu gering- 
fügig sind. Dagegen ist wieder ein erheblicher Unterschied zu Gunsten der 
Keimverminderung zwischen den seither aufgeführten Mitteln und dem Bacillol- 
alkohol, Lysoformalkohol ..... zu konstatieren“. Nach Anführung einiger 
anderer Desinficentien, die als zu stark hautreizend ausgeschlossen werden 
müssen, empfiehlt er schliesslich den 2 proz. Lysoformalkohol oder den 2 proz. 
Sublaminalkohol. 

Man sieht aus dieser Aufstellung, dass wenigstens bei den wirksamsten 
Desinfektionsmethoden der Alkohol eine grosse Rolle spielt, so dass die Frage, 
ob der Alkohol selbst ein Desinfektionsmittel ist, oder ob er nur die Wirkung 
der Desinfektionsmittel begünstigt, von grosser Wichtigkeit bleibt. Diese aus- 
gedehnte Frage hier eingehend zu erörtern, erlassen Sie mir wobl. Ich 
möchte nur aussprechen, dass ich mich auf Grund eigener Versuche, die ich 
in Gemeinschaft mit unserem jüngst verstorbenen Mitglied Elsner im Institut 
für Infektionskrankheiten ausführte, denjenigen voll anschliesse, die den 
Alkohol für ein sehr bedeutendes Desinfektionsmittel halten, welches in seiner 
Wertigkeit im allgemeinen!) zwischen der 3 proz. Karbollösung und der 1 prom. 
Sublimatlösung steht. Der Alkohol wird jedoch erst dann zu einem Des- 
infektionsmittel, wenn er durch geeignete Verdünnung fähig gemacht wird, 
die lebenswichtigen Teile der pathogenen Organismen zu erreichen. Der reine 
Alkohol scheint sich durch Verdichtungen, die er an der Oberfläche dieser Orga- 
nismen verursacht, selbst den Weg zu verschliessen. Es kommen aber bei 
der Alkohol- oder, besser gesagt, Spiritusdesinfektion und anscheinend auch 
bei jeder anderen Desinfektion offenbar noch andere bisher wenig erforschte 
Dinge in Betracht, die durch biologische Zustände der Mikroorganismen be- 
dingt sind. Ein Hinweis, den ich nach dieser Richtung machte, scheint wenig 
beachtet zu sein. Ich hatte mit Staphylokokken in Eiter experimentiert und 
fand öfters Objekte, die sowohl dem Spiritus wie dem Sublimat sehr stark 
Widerstand leisteten, während sie von Karbolsäure auffällig schnell abgetötet 
wurden. Zuweilen handelte es sich um Objekte, die aus deniselben Eiter ge- 
wonnen waren wie andere, bei denen wenige Tage vorher die Abtötung der 
Stapbylokokken mit allen Mitteln sehr leicht gelungen war. Es liess sich 
später nachweisen, dass diese zu Tage getretene Widerstandafähigkeit der 
Staphylokokken immer vorhanden war, sobald der Eiter nach längerer Auf- 
bewahrung alkalisch geworden war. In diesen Zustand gerät der Eiter ja 
auch in offenen Geschwüren und besonders in Fisteln, während der frische 


1) Eine genauere Bemessung des Wertes halte ich für untunlich. Es ist aber 
zu berücksichtigen, dass dem Spiritus noch gewisse physikalische Vorzüge zu gute 
kommen, die den wässerigen Desinficientien fehlen, so vor allem ausser den fett- 
lösenden Eigenschaften das leichtere Eindringen in die Haut und die Fähigkeit, die 
Haut dichter zu machen, so dass einzelne Keime gewissermassen fest eingeschlossen 
werden. 


Verhandl. der Deutschen Gesellschaft für öff. Gesundheitspfl. zu Berlin. 793 


oder der in geschlossenen Abscessen befindliche Eiter amphotere, vorwiegend 
saure Reaktion zeigt. Durch noch so schwaches Ansäuern der Desinfektions- 
flüssigkeiten konnte die Widerstandsfähigkeit der Staphylokokken aufgehoben 
werden. — Es war zweitens auffällig, wie ausserordentlich leicht aus ganz 
frischem Eiter gewonnene Objekte schon durch Desinfektionsflüssigkeiten ab- 
getötet wurden, die sich, wie z. B. die !/,—®/, proz. wässerige Lysollösung, 
sonst sehr wenig wirksam erwiesen hatten. Ueber von anderen Seiten ange- 
stellte Desinfektionsversuche, die diese Verhältnisse berücksichtigen, bezw. über 
Desinfektionsversuche mit angesäuertem Alkohol ist mir bisher nichts bekannt 
geworden. 

Bei allen Spiritusdesinfektionen wird sicher die Oberfläche der desinfi- 
cierten Haut durch Verdichtung, vielleicht auch Gerinnung so verändert, dass 
eine Anzahl von Keimen so fest eingeschlossen werden, dass sie durch das 
gewöhnliche Mittel zur Keimentnahme, das Abkratzen, nicht losgelöst werden. 
Sie können vielmehr erst nachgewiesen werden, wenn die Haut vorher durch 
Waschungen mit (sterilem) warmem Wasser u.s. w. wieder aufgeweicht ist. 
Dadurch, dass Sarwey diese Waschungen durch Dämpfungen unterstützte, 
konnte er noch Keime nachweisen, die von Ahlfeld und dem um die Theorie 
der Ahlfeldschen Metbode hochverdienten Berliner Gynäkologen Schaeffer 
bei nicht ganz so ausgiebigen Erweichungen nicht mehr gefunden wurden 
(bezw. erklärten diese Forscher die Provenienz von ihnen gefundener Keime 
auf andere Weise). 

Bis zu diesen subtilen Fragen ist die Lehre von der Händedesinfektion 
für chirurgische bezw. gynäkologische Zwecke jetzt gekommen. In der Ein- 
sicht, dass eine absolute Desinfektion der lebenden Haut mit den heute be- 
kannten Mitteln unerreichbar ist, hat man deshalb vorgeschlagen, die Hand 
mit abschliessenden Bedeckungen zu versehen. Die vor Jahren unternommenen 
Versuche, der Haut durch Bepinselungen mit schnell eindunstenden Lösungen 
von Kautschuk oder ähnlichen Stoffen, die man auch wohl mit antiseptischen 
Mitteln versetzte, impermeable Ueberzüge zu geben, dürfen zwar als gescheitert 
angesehen werden. Ebensowenig bewährten sich für diese Zwecke Handschuhe 
verschiedenen Gewebes, ausser den auskochbaren Gummihandschuhen, welche 
auch von Sarwey empfohlen werden. Ob sie sich durchweg einbürgern 
werden, bleibt abzuwarten, da viele Chirurgen und Gynäkologen eine starke 
Abneigung haben, die Hände bei Operationen und Untersuchungen mit den 
das Gefühl und die Beweglichkeit beeinträchtigenden Handschuhen zu be- 
kleiden. Viel sympathischer erscheint manchem der Gebrauch sulcher Hand- 
schuhe zu prophylaktischen Zwecken, zur Verhütung des Kontakts ihrer Hände 
mit infektiösen Stoffen, d. h. der Gebrauch der Handschuhe bei den Operationen 
an inficierten Kranken und bei notwendiger Berührung mit infektiösem Material. 


Für unsere Frage der Händedesinfektion für allgemeine hygienische 
Zwecke kommen diese subtilen Verfahren wohl nur ganz ausnahmsweise in 
Betracht. Es würde schon ausserordentlich viel gewonnen sein, wenn sich 
erreichen liesse, dass die einfache mechanische Händereinigung bei 
gewissen Verrichtungen und unter gewissen Umständen in der Form und mit 


794 Verhandl. der Deutschen Gesellschaft für öf. Gesundheitspfl. zu Berlin. 


der Intensität durchgeführt würde, die nach den heute gewonnenen Anschau- 
ungen für sich allein geeignet sind, reine, gemeint sind bacillenarme, Hände 
hervorzubringen.” Unter welchen Verhältnissen dann noch die Interpolation 
eines besonderen Antiseptikums, wozu sich ja für die Zwecke des Privatlebens 
wahrscheinlich alkoholische Präparate am meisten eignen, gefordert werden 
muss, würde im einzelnen besonderen Erwägungen unterliegen. 

Die erste Aufgabe für die allgemein hygienischen Zwecke dürfte sein, 
dass in weiten Kreisen des Publikums ein richtiges Verständnis für die Rolle 
erweckt werde, welche die Hand bei der Uebertragung von Krankheiten spielt. 
Ich versuchte Ihnen anschaulich zu machen, wie schwer sich diese Ueber- 
zeugung bei den Aerzten Bahn gebrochen hat. Die Vorstellungen über die 
bacilläre Ansteckungstheorie sind noch heute selbst bei den gebildeten Laien 
weit unklarer, als wir Aerzte im allgemeinen annehmen. Dadurch entsteht 
einerseits eine blinde Angst vor dem Gespenst Bacillus, die durch allerhand 
unverstandene oder dem Laienverständnis nicht angepasste Notizen in der 
Tagespresse genährt wird, andererseits eine fatalistische Gleichgültigkeit und 
die Geneigtbeit, allen Einflüsterungen das Ohr zu öffnen, die die Entstehung 
der Krankheiten durch die Bakterien leugnen möchten. Die grösste Verwirrung 
ist offenbar entstanden, seitdem das Publikum erfahren hat, dass Bacillen im 
menschlichen Körper vorhanden sein können, ohne dass dieser krank wird 
(Bacillenträger). Es wird für die vorliegende, wie für alle hygienischen Fragen, 
bei denen die Mitwirkung des Publikums unerlässlich ist, unbedingt nötig sein, 
das Publikum durch fachmännische, aber leicht verständliche, von Fremd- 
wörtern und technischen Bezeichnungen freie Veröffentlichungen über die Natur 
der Ansteckungsstoffe besser wie bisher aufzuklären. Eher werden auch die 
Merkblättchen, welche zur Bekämpfung der einzelnen Krankheiten heraus- 
gegeben werden, keinen vollen Nutzen bringen. 

Bezüglich der Bedeutung der Hand als Infektionsträger ist ein gewisses 
Verständnis beim Publikum vorhanden. Es ist aber meist auf die Wund- 
behandlung und die Wochenpflege begrenzt. Hier haben die vielen Beleh- 
rungen in volkstümlichen Kursen und vor allen Dingen das Beispiel der Aerzte 
sehr günstig gewirkt. Auch bei den schnell verlaufenden akuten Infektions- 
krankheiten, besonders bei denen der Kinder, ist wenigstens die lleberzeugung 
verbreitet, dass sich der Arzt waschen müsse. Dass diese Forderung 
aber in noch viel höherem Masse die das Kind pflegende Mutter 
angebt, dürfte lange nicht allen Müttern bekannt sein. 

Wie man in der Chirurgie zuerst mit der Desinfektion der Luft, der 
Wände, der Verbandstücke und der Instrumente begann und zuletzt die Des- 
infektion der Hände systematisch studierte, so geht es ähnlich auch in der 
allgemeinen Hygiene. Es war naturgemäss, dass die Assanierung der Wobn- 
stätten, die hygienische Wasserversorgung, die Sorge für gesunde Nahrungs- 
mittel und alle die hygienischen Massnahmen zuerst in Angriff genommen 
wurden, durch welche die Krankheitsausbreitung im grossen eingeschränkt 
werden kann. Die immerhin nicht weniger wichtige Detailarbeit folgt nach. 
Sie wird aber schwieriger sein, schon weil der Nutzen dieser Vorsichtsmass- 
regeln, wie der Schaden ihrer Unterlassung weniger deutlich in die Erscheinung 


Verhandl. der Deutschen Gesellschaft für öf. Gesundheitspfl. zu Berlin. 795 


treten und weniger Öffentlich bekannt werden. Es wird gar nicht so leicht 
sein, genügend viel einwandfreie Fälle zu sammeln, durch die dem grossen 
Publikum -klar bewiesen werden kann, dass die ungenügend gereinigte Hand 
die Ursache der Krankheitsverbreitung war. Wenn Soldaten in ihrer Garnison 
an Diphtheritis oder an Typhus erkranken, weil ihnen ibre Mütter in der 
Heimat Esswaren einpackten, während .sie ihr diphtheriekrankes Enkelkind 
oder eine typhuskranke Tochter pflegten, so wird dabei kaum beachtet, dass 
die ungenügend gereinigte Hand der eigentlich schuldige Vermittler der An- 
steckung war. Von den Fällen von Milchinfektionen durch Typhus dürfte ein 
grosser Teil durch Handinfektion verursacht sein. Flügge hat diesen Ge- 
danken schon ausgesprochen, und Pfuhl hat einen der hierher gehörigen, korrekt 
nachgewiesenen Fälle veröffentlicht. Ein Rebmann, der Witwer war und deshalb 
seinen Hausstand allein verseben musste, hatte seine typhuskranken Söhne 
gepflegt, dabei die ihm vom Arzt angeratene Händedesinfektion ungenügend 
ausgeführt und mit den unreinen Händen seine Kuh gemolken. Diese Milch 
war ungekocht getrunken und Veranlassung für eine Typhnsepidemie geworden. 
— Wir haben ja in der vorletzten Sitzung gehört, welche Bedentung Herr Ge- 
heimrat Gaffky der Kontaktinfektion bei der Cholera zuschreibt, und man 
ist sicher nicht wenig verwundert gewesen, dass Schian die starke Aus- 
breitung des Typhus unter unseren Truppen in Ostafrika viel mehr der Kon- 
taktinfektion — die grösstenteils Infektion durch die Hände sein dürfte — zu- 
schreibt, als der Infektion durch das Trinkwasser. 

Es ist beachtenswert, wie sich das naive Bewusstsein gegen die Annahme 
einer Händeinfektion streubt. Man möchte sich nicht einmal vor sich selbst 
eingestehen, dass man mit seinen Händen — und nun gar mit schmutzigen 
Händen — Schaden angerichtet bat. Darum werden andere Umstände ange- 
schuldigt. Seitdem das Behextsein und tellurische und lunarische Einflüsse 
ihr Ansehen verloren haben, muss die „Luft“ meist den Sündenbock abgeben, 
wenn man fürchtet, dass die „unbekannte Ursache“ zu ungründlich klingen 
könne. Alle Frauen wissen, dass sie zu gewissen Zeiten keine Konserven ein- 
machen dürfen. Anstatt aber die Schuld an dem „Umschlagen“ einer unsicht- 
baren Befleckung ihrer Hände mit -ihren Abscheidungen zuzuschreiben, glauben 
sie fast alle, dass sie um diese Zeit eine Art miasmatischen Dunst um sich 
verbreiten. Das wäre nicht schlimm, wenn wir nur nicht hätten lernen 
müssen, dass dieser Dunst, der an den Händen sitzt, auch die Säuglingsnahrung 
verderben und Mund- und Darmkrankheiten, vielleicht auch Augenkrankbeiten 
der Säuglinge verursachen kann. 

Will man eine Erziehung des Publikums zur Vermeidung dieser Kon- 
takt- bezw. Händedesinfektion anstreben, so wird eine Sammlung und 
Veröffentlichung der nachweisbaren Fälle sicher von grösstem Werte sein. — 
Erinnert sei auch an die grosse und schnelle Ausbreitung, die diejenigen 
Infektionskrankheiten gewöhnlich finden, welche mit Katarrhen der Nase 
einbergehen. Ob das beim Niesen und Schnauben verstreute Sekret zu 
dieser Ausbreitung mehr beiträgt als die unvermeidliche Beschmutzung der 
Hände mit dem reichlichen, feuchtklebrigen Infektionsmaterial, welches beim 
Ausschnauben und durch die Taschentücher an die Hände geschmiert wird, 


796 Verhandl. der Deutschen Gesellschaft für öff. Gesundheitspfl. zu Berlin. 


muss dahingestellt bleiben. Sicher spielt der letztere Weg eine grosse Rolle. 
Dass er wenig vom Publikum gewürdigt wird, zeigt die Aufnahme der ja 
allerdings äusserst drastischen Warnung Dührssens vor der Ansteckung 
der Hand durch Handküsse von Schnupfenkranken. — Nach wie vor bereiten 
die eingebürgerten gesellschaftlichben Formen den Vorsichtsmassregeln gegen 
Kontaktinfektion durch die Hände .die grösste Schwierigkeit. Das Hand- 
geben dürfte sicher oft die Uebertragung vermitteln. Hier wird aber der Ge- 
sunde, der dem Handgeben ausweichen will, vorläufig noch immer den Un- 
willen des Kranken erregen, der ihm die Hand reicht. Kranke, die vorsichtig 
genug sind, ihrerseits das Handgeben zu unterlassen, gibt es noch gar wenige, 
besonders wenn es sich um Krankheiten handelt, die als ungefährlich ange- 
sehen werden, wie es lange Zeit fälschlich bei der Influenza geschah. Unter- 
lässt andererseits der Kranke das Handgeben, so kann er wohl Aeusserungen 
bören, wie: nun, mir können Sie ruhig die Hand geben, ich werde nicht krank, 
oder, ich mache mir nichts daraus. 

Dies Vertrauen, welches viele Menschen zu sich haben, stützt sich ja 
meist auf die Erfahrung, dass sie in der Tat seltener als andere erkranken. 
Kommen bierbei auch alle Verhältnisse in Betracht, die uns vor dem Haften 
der Infektion überhaupt schützen, so dürfte die geringere Häufigkeit der Er- 
krankungen solcher Personen nach Infektionen, denen sie sich bewusst ausge- 
setzt haben, auch in einer ibnen vielleicht eigenen grösseren Reinlichkeitspflege 
ihrer Hände oder in der individuellen Beschaffenheit ihrer Hände zu suchen sein. 

Wegen individueller Unterschiede in der Beschaffenheit der Hautoberfläche 
bietet nämlich die exakte Reinigung bezw. Desinfektion der Hände den ver- 
schiedenen Menschen sebr verschieden grosse Schwierigkeiten. Meines Wissens 
hat Mikulicz zuerst hierauf hingewiesen, als er gesehen hatte, dass der Erfolg 
der Desinfektion bei einzelnen seiner Assistenten und Angestellten trotz gleicher 
Technik, gleicher Aufmerksamkeit und gleichen Zeitaufwandes stets erheblich 
hinter dem bei anderen zurückblieb, auch wenn keine bemerkbaren Unterschiede 
in der Art der Beschmutzung vorlagen. Haegler empfiehlt dem Chirurgen, 
die Oberfläche seiner Händehaut durch sorgfältige Handpflege so glatt zu er- 
halten, dass die Infektionsstoffe nicht leicht an ihr haften könner, denn er 
hatte gefunden, dass die Infektionsträger zumeist in kleinen Rissen, Schrunden 
und unsichtbaren Wunden festhaften, wo sie Schutz vor dem Abgeriel'enwerden 
finden. Die verbreitete Annahme, dass sich eine reichliche Bakterienflora 
in den Hautdrüsen finde, die sich dort wohl gar vermehbre, wird du-ch seine 
und anderer Forscher Untersuchungen nicht bestätigt. Haegler fand viel- 
mehr, dass sich die Bakterien nur in der Nähe der Mündungen der Drüsen- 
ansführungsgänge finden, wohin sie nicht sowohl durch Wachstum, als durch 
Druck und Einreiben von aussen gekommen sein dürften; Reverdie und 
Massol berichten, dass der Bakteriengehalt des Schweisses kurz nach deri 
Ausbruch zu-, dann aber bald abnehme und verschwinde, was ebenfalls darauf 
hinweisen dürfte, dass sich die Bakterien nur in der Nähe der Oeffnungen 
der Ausführungsgänge aufhalten, aus denen sie durch den hervorquellenden 
Schweiss bald herausgespült werden. Sehr wichtig erscheinen mir die bei 
Nachprüfung der Schleichschen Angaben — besonders von Haegler — ge- 


Verhandl. der Deutschen Gesellschaft für öff. Gesundheitspfl. zu Berlin. 797 


fundenen Ergebnisse. Schleich hatte seine Hände bekanntlich für keimfrei 
gehalten, wenn er mit einer sterilen Platinöse, mit der er nach Beendigung 
seines Reinigungsverfahrens über die Finger strich, keine Keime abimpfen 
konnte. Nach Haegler hat dies Verhalten seinen Grund nicht in der Keim- 
freiheit der Hände, sondern darin, dass Hände und Oese trocken waren. Seine 
Untersuchungen zeigten, dass man durch eine so unvollkommene Probe dem Irrtum 
verfallen könnte, sogar besonders schmutzige Hände für keimfrei zu erklären; 
denn auch von einer undesinficierten, wenn nur trockenen Tageshand lassen sich 
mit trockenen Gegenständen bei kurzen Berührungen stets nur verschwindend 
wenig Keime entnehmen. Für die praktische Händereinigung gebt bieraus her- 
vor, dass eine Uebertragung etwa anklebender Keime von trockenen 
Händen auf trockene Hände oder von trockenen Gegenständen auf 
trockene Hände und umgekehrt, bei kurzen Berührungen verhält- 
nismässig selten stattfinden dürfte. Danach würde also die Mehrzahl 
der Berührungen, die im täglichen Leben vorkommen, keine erhebliche An- 
steckungsgefahr bedingen. 

Wesentlich anders gestaltet sich aber die Wahrscheinlichkeit, dass Keime 
abgegeben oder abgenommen werden, wenn die Hände oder Gegenstände 
feucht sind, d. h. wenn 

1. zwar die inficierten Hände trocken sind, die von ihnen ange- 
fassten oder berührten Gegenstände (Speisen) aber feuchte und klebrige Ober- 
flächen haben, oder wenn trockene inficierte Hände in Flüssigkeiten getaucht 
werden, denen sich die abgeweichten Infektionsstoffe beimischen; 

2. wenn die den Händen anklebenden Infektionsstoffe in feuchte, besonders 
in klebrige Medien eingebettet sind; 

3. wenn die (an und für sich nicht infizierten) Hände selbst feucht oder 
klebrig sind, so dass die an trockne Oberflächen angetrockneten Infektions- 
stoffe an ihnen kleben bleiben. 

Die an erster Stelle erwähnten Verhältnisse dürften hauptsächlich beim 
Essen und bei der Speisenzubereitung mit ungereinigten Händen in 
Betracht kommen. Nicht wenige von unseren Nahrungsmitteln haben eine 
sehr hohe Klebefäbigkeit bezw. eine Abnahmefähigkeit für die den Händen des 
Essenden anhaftenden Infektionsstoffe. Sehr zu beachten wird diese Eigenschaft 
bei der Brotkrume sein, die ja deshalb zur mechanischen Reinigung im Gebrauch 
ist, da sie vermittels ibrer Klebrigkeit jede Spur von Infektionsstoffen von 
Tapeten und Wänden an sich nimmt (Cornet). Achtet man darauf, wie Kinder 
ihr Brot oder das diesem an Klebefähigkeit wohl kaum nachstehende Zucker- 
werk mit unsauberen Händen drücken, so wird man leicht begreifen, dass sich 
bei ihnen so oft Darmkatarrhe „aus unbekannter Ursache“ einstellen. 
(Dieser Punkt dürfte besonders auch für die Uebertragung der Eier der Ein- 
geweidewürmer in Betracht kommen). Dringend muss gefordert werden, dass 
sich alle Leute, die mit Zubereitung von Speisen beschäftigt sind, welche 
nachher nicht mehr gekocht werden, einer äussersten Sauberkeit an ihren 
Händen befleissigen. Immerhin werden solche Leute trotz aller auf die Reini- 
gung verwandten Sorgfalt gut tun, der Sauberkeit ihrer Hände nicht allzusehr 
zu vertrauen, da die Hände zwischendurch immer wieder unwillkürlich zu be- 


798 Verhandl. der Deutschen Gesellschaft für öff. Gesundheitspfl. zu Berlin. 


schmutzenden Verrichtungen benutzt werden (Nasenschnauben, Anwischen an 
schmutzige Kleidung u. s. w.) Man sollte deshalb zur Zerteilung, zum Zer- 
schneiden und zur Bearbeitung derartiger Speisen möglichst Geschirre benutzen, 
wie Gabeln, Löffel, Spatel oder Maschinen (Brot- und Fleischschneidemaschinen) 
oder die zu schneidenden Speisen mit sauberen Tüchern, mit Papierstücken 
oder mit Klammern halten, denn solche Geräte lassen sich durch Scheuern, 
Putzen, noch besser durch Kochen weit sicherer reinigen, als die Hände, und 
sie unterliegen nicht so leicht wie diese der unwillkürlichen Beschmutzung 
mit krankmachenden Stoffen. — Es ist kein unberechtigtes Verlangen, wenn das 
Publikum die „kalte Mamsell“ bei ihren Verrichtungen sehen will und sich 
überzeugen möchte, dass die Stullen mit der Maschine geschnitten und mit 
Hülfe der Gabel statt mit den Fingern belegt werden. Wenn die Brotscheiben 
dann allerdings bei dem Bestreichen mit Butter auf die flache Haud gelegt 
werden, so wird den etwa an dieser haftenden Infektionsstoffen wieder reichliche 
Gelegenheit gegeben, an der Brotkrume kleben zu bleiben. 

Von besonderer Wichtigkeit für die Reinlichkeit der Hände beim Essen 
und bei der Speisenzubereitung ist auch die Reinlichkeit der Kleidung. Wegen 
des häufigens Anstreifens der Hände an die Kleider kann niemand, der ange- 
schmutzte Kleider trägt, die Hände dauernd rein erhalten. Fast unbewusst 
hat die Volkssitte deshalb von je her für alle bei der Speisenzubereitung be- 
schäftigten Personen weisse oder wenigstens helle waschbare Kleidung verlangt, 
auf der jede Beschmutzung sofort augenfällig wird. 

Kimmle glaubt, dass ein nicht seltener Weg der Choleraübertragung bei 
den Weichselflössern und Schiffern darin gesucht werden müsse, dass diese, 
wenn sie abends müde und hungrig von der Arbeit kommen, zuerst die Wasser- 
stiefeln ausziehen, dabei ihre Hände durch gelegentlich mit dem Uferschlamm 
angeschmierten Choleraschleim beschmutzen, worauf sie mit ungewaschenen, 
höchstens an der eigenen Kleidung trocken geriebenen Händen ihr Brot essen. 

Grosse Beachtung dürfte die schon vorher kurz erwähnte Gefahr verdienen, 
welche bei der Gewinnung, der Zubereitung und dem Ausschank zur Nahrung 
dienender Flüssigkeiten, besonders der Milch, durch ungenügend gereinigte 
Hände entsteht, da die Hände hierbei nicht selten in die Flüssigkeiten ein- 
getaucht, mit ihnen übergossen oder sonst in nähere Berührung gebracht 
werden. Sehr selten werden die Teile der Flüssigkeit, die über die Hände 
des Zubereiters hinwegliefen oder die sonst mit den inficierten Händen in 
Berührung kamen, als zum Gebrauch ungeeignet fortgegossen. 

Aehnlich verhält es sich, wenn Fleisch, Früchte, manche Wurzelgemüse, 
Teig und andere saftreiche Nahrungsmittel bei der Zubereitung mit unsauberen 
Händen gehalten, zerteilt, gerieben, geknetet oder geformt werden und danach 
roh oder unvollständig gekocht, geräuchert oder gebacken zur Verzebrung 
kommen. Milch, Fleischsaft und ähnliche Flüssigkeiten vermögen meiner 
Erfahrung nach den den Händen anklebenden Schmutz besonders leicht auf- 
zuweichen, ja sie lösen sogar die mit Fett verschmierten und verklebten 
Schmutz- und Bakteriendepots unter den Nägeln. Dadurch werden die Bak- 
terien jenen organischen Medien beigemischt und können sich in ihnen, 


Verhandl. der Deutschen Gesellschaft für öff. Gesundheitspil. zu Berlin. 799 


wenn sie günstige Wärmeverhältnisse und genügend Zeit finden, ‚wohl gar 
vermehren. 

Des weiteren wird man beim Geschirrabwaschen auf eine vorherige Reini- - 
gung der Hände der Abwäscher das Augenmerk richten müssen. Wo beim 
Abwaschen mit dem Wasser gespart wird, so dass das Abwaschwasser eine 
mehr oder minder dicke Lösung organischer Stoffe bildet, da fehlt meist auch 
an anderen Stellen die Sauberkeit im Haushalt, da gelangt auch der Schmutz 
von den Händen der abwaschenden Personen, von schmutzigen Waschlappen 
u. s. w. mit in diese Brühe und wird mit ihr über das Geschirr verteilt. Mit 
gleicher Fahrlässigkeit wird dann auch das Abtrocknen besorgt; feuchte und 
schmutzige Trockentücher bringen eher Ansteckungsstoffe auf das Geschirr 
herauf, als von ihm herunter, besonders wenn dann noch die Geschirrober- 
fläche die aufgeschmierten Stoffe, wie bei den Holzgefässen, durch eine ge- 
wisse Rauhigkeit und Aufsaugungsfähigkeit festhält. Blitzblank ist nicht nur 
eine Freude für das Auge, es ist auch ein sehr wichtiger hygienischer Faktor; 
allerdings müsste das „Blitzblank“ an den Händen anfangen. 

Wie sehr Krankheitsübertragungen durch Flüssigkeiten zu befürchten sind, 
zeigen die schon erwähnten, durch die Milch verbreiteten Typhusepidemien; 
eine Verbreitungsform, auf die man ja seit Jahren aufmerksam geworden ist. 
Bei einzelnen von diesen Epidemien lag begründeter Verdacht vor, dass die 
Typhuskeime durch die Hände von Personen in die Milch gekommen waren, 
die nur beim Reinigen der Milchgefässe, aber nicht bei der sonstigen Behand- 
lung der Milch beschäftigt gewesen waren. 

Wenn die Gefahr bei der Zubereitung von Fleisch auch geringer ist, 
weil dies meistens nach der Bearbeitung mit den Händen noch genügend ge- 
kocht oder gebraten wird, so scheint sie doch bei einigen Zubereitungsarten, 
besonders bei der Wurst, nicht unbedeutend zu sein. Mehrfach ist bei schweren 
Erkrankungen von Soldaten der Verdacht entstanden, dass sie durch Wurst, 
welche sie aus der Heimat erhalten hatten, verursacht seien. Bei den Unter- 
suchungen konnten dann wohl im Wurstfleisch Bakterien, wie Bacterium coli 
(Darmbakterien), Diplokokken u. a. nachgewiesen werden, die man als Ursache 
der Erkrankung ansehen konnte. Die Annahme, dass diese Bakterien von 
den Händen der Verfertiger der Wurst stammten, die vielleicht selbst krank 
waren oder Kranke in der Familie hatten, mit deren Pflege sie sich beschäf- 
tigten, liegt nahe und wurde gelegentlich durch einschlägige Erhebungen be- 
stätigt. 

Hiermit komme ich auf die Gefährdungen, welche durch die eigenen 
Hände der Kranken und durch die ihrer Pfleger entstehen. Die Hände dieser 
Personen müssen immer als inficiert angesehen werden. Als Infektionsträger 
sind sie besonders bedenklich, weil die ihnen anhaftenden Ausscheidungen,' 
die den kranken Körper frisch verlassen haben, noch klebrig oder, wenn 
schon übertrocknet, noch leicht aufweichbar sind. Durch häufige, sorgfältige 
Reinigungen wird die Uebertragungsgefahr zwar gemindert, aber nicht aufge- 
hoben, denn in jedem Augenblick entstehen neue Gelegenheiten zur unbewussten 
Beschmutzung mit neu ausgeschiedenen krankhaften Absonderungen. So lange 
die Kranken im Bette liegen, werden sie durch ihre Häude nur sich selbst, 


800 : Verhandl. der Deutschen Gesellschaft für öff. Gesundheitspfl. zu Berlin. 


dem Pfleger und Besuchern zur Gefahr werden. Dieser zu begegnen ist Anf- 
gabe des Krankenpflegeunterrichts und im einzelnen Falle Sache des behan- 

« delnden Arztes. Die Besucher können sich sehr zweckmässig selbst schützen, 
wenn sie ihre Besuche bei infektiösen Kranken unterlassen. Die Sitte sollte 
die Krankenbesuche, die auch sonst nur geeignet sind, die Krankenbehandlung 
zu stören, bei infektiösen Kranken vollständig beseitigen. 

Die Gefahr der Krankheitsverbreitung durch die Hände der bei der 
Krankenpflege beschäftigten Personen — der Angehörigen wie der berufs- 
mässigen Pfleger — halte ich für recht erheblich.‘ Meiner Erfahrung nach ist 
nur ein verbältnismässig kleiner Teil der berufsmässigen Pfleger bisher ge- 
nügend ausgebildet, um hinreichende Vorsorge gegen eine Krankheitsverbreitung 
durch seine Hände treffen zu können. Die Beherrschung der Technik der 
Händedesinfektion reicht hierzu allein nicht aus. Der Pfleger muss vor allen 
Dingen begriffen haben, wann er sich desinficieren muss. Nicht selten findet 
man Pfleger, die nicht einmal wissen, welche Krankheiten als infektiöse an- 
zuseben sind. Andere, die nur für chirurgische Hilfeleistungen ausgebildet sind, 
balten die Händedesinfektion für ein Reservatrecht der Wundbehandlung. 
Während des Dienstes auf dem Infektionskrankenzimmer wird sich der Pfleger 
auf Abspülungen der Hände mit Desinficientien beschränken müssen; zu ex- 
akter Desinfektion reicht die Zeit nicht aus. Eine exakte Desinfektion muss 
aber bei jedesmaligem Verlassen des Krankenzimmers gefordert werden. 
Auf eine regelrechte Durchführung dieser Forderung ist jedoch nur dann zu hoffen, 
wenn die Pfleger bequeme Gelegenheit zu ihrer Erfüllung finden, und wenn sie 
durch zweckmässigen Unterricht einen Einblick in die vielen und verborgenen 
Wege der Krankheitsübertragung gewonnen haben. Denn mit blossen schema- 
tischen Instruktionen ist meiner Erfahrung nach von dem heutigen Kranken- 
pflegerpersonal recht wenig zu erreichen. Es ist deshalb dringend zu 
wünschen, dass die angestrebte Prüfungsordnung für Krankenpfleger diese Punkte 
berücksichtige, vor allem, dass sie endlich zur Einführung komme. Ein 
Krankenpfleger, dessen Ausbildung nach der hygienischen Seite hin Lücken 
aufweist, wird immer eine ernste Gefahr für die Verschleppung von An- 
steckungskeimen darstellen. 

Dass die Uebertragungsgefahr von Seiten der die Krankenpflege ausüben- 
den Familienmitglieder noch erheblicher ist, als von Seiten der berufsmässigen 
Pfleger, beweist das tägliche Vorkommen von Uebertragungen in der Familie. Hier 
fehlt fast überall eine Kenntnis der einschlägigen Verhaltungsmassregeln. Beim 
Ausbruch einer Infektionskrankheit werden meistens zwei Fragen an den Arzt ge- 
stellt, ob die Kinder entfernt und ob das Zimmer nach Beendigung der Krankheit 
desinficiert werden muss; allenfalls wird noch gefragt, mit welchem Desinfektions- 
mittel die Zimmer aufgewaschen werden sollen. Zimmerdesinfektion und Isolie- 
rung sind populär gewordene Begriffe. Dagegen ist es in weiten Kreisen fast unbe- 
kannt, dass die sofortige Desinfektion der Ausscheidungen und die 
rechtzeitige Desinfektion der fortgesetzt mit den Ausscheidungenin 
Berührung kommenden und so häufig unbewusst mit ihnen be- 
fleckten Hände im Grunde genommen ein viel wichtigeres, ja 
vielleicht das wichtigste Mittel zur Verhinderung der Verbreitung 


Verhandl. der Deutschen Gesellschaft für öff. Gesundheitspfl. zu Berlin. 801 


von Infektionskrankheiten ist. Es wird zu den vornehmlichsten Zielen 
der eingangs geforderten Volksaufklärung gehören müssen, diese Erkenntnis 
dem Volksbewusstsein einzuprägen. Zur Popularisierung dieser Gedanken 
könnten die Aerzte viel durch ihr Beispiel und durch zweckmässige Anleitung 
zur Desinfektion während der Krankheit beitragen. Infektionskranke, bei 
denen die genaue Durchführung dieser Vorsichtsmassregeln in der Häuslichkeit 
nicht gewährleistet werden kann, sollten stets einem Krankenhause über- 
wiesen werden. 

Noch gefährlicher als die Hände der an das Bett oder Zimmer gefesselten 
und dadurch dem Verkehr mit der Aussenwelt entzogenen, schweren Infektions- 
kranken sind die der Leichtkranken und die der sogenannten Bacillenträger. 
Diesen gesellen sich die Kranken zu, welche vor Ausbruch der eigentlichen 
fieberhaften Krankheit (während der Inkubation) ibre Geschäfte noch nicht 
aufgegeben haben, und die Rekonvalescenten, die ihre Tätigkeit wieder auf- 
nehmen, ebe sie von Ansteckungsstoffen völlig frei geworden sind. Letzteres 
kann dadurch bedingt sein, dass sich die Genesenen nach Ablauf der Krankheit 
keiner ausreichenden Reinigung bezw. Desinfektion ihres Körpers unterzogen 
haben, oder dass sich in ihren Ausscheidungen wie bei der Diphtheritis unge- 
wöhnlich lange nach der Genesung lebensfähige Bakterien erhalten. Bei allen 
diesen Leuten, denen ihr Zustand keine oder nur eine geringe Beschränkung 
ihres Verkehrs und ihrer Berührung mit den Gesunden auferlegt, werden sich 
vielfache Gelegenheiten finden, bei welchen die mit den eigenen Sekreten der 
Kranken beschmutzten, ungesäuberten Hände die Infektionsstoffe weiter ver- 
breiten. 

Es wurde schon erwähnt, dass die schnelle Ausbreitungsfähigkeit der mit 
Nasen-, Rachen- und Lungenkatarrben einhergehenden Infektionskrankheiten, 
z. B. der Influenza und der Masern, wohl mehr auf die Beschmutzung der 
Hände mit dem reichlichen, klebrig-schleimigen Sekret, als auf das Versprühen 
desselben beim Husten, Niesen und Schnauben zurückzuführen ist. Wie viele 
von diesen Kranken bedenken es wohl, dass bei jeder Handhabung des 
schnupfenfeuchten Taschentuchs ungezählte Infektionskeime an den Händen 
hängen bleiben, die infolge ihrer Klebrigkeit eiligst weitergegeben werden. 

Um noch Einzelnes herauszugreifen, sei auf die Uebertragung der Darm- 
katarrhe durch die Hände aufmerksam gemacht. Erst seit Kurzem hat man 
begonnen, diesen Infektionsweg wenigstens bei den Erkrankungen der Säug- 
linge mehr zu beachten. — In den Schulen dürften die noch ungeschickten 
Hände der Kinder wohl bei jeder Stuhlverrichtung beschmutzt werden. Bei 
der üblichen nahen Berührung der Kinder untereinander werden diese wie 
andere Exkrete eines kranken Kindes bald an den Händen vieler kleben. 
Zur Zeit gehört es wohl noch zu den Seltenheiten, dass in Schulen geeignete 
Wascheinrichtungen vorhanden sind. Ihre Einrichtung dürfte manche Erkran- 
kung der Kinder verhüten, wobei allerdings Voraussetzung wäre, dass die 
Kinder in der Familie gelernt hätten, die Hände richtig zu waschen und dass 
jedes Kind ein eigenes Handtuch mit sich führte. 

Oft wird der an den Händen haftende Schmutz für die Hände selbst ge- 
fährlicb. An einer im hygienischen Sinne schmutzigen Hand, die ja trotzdem 


802 Verhandl. der Deutschen Gesellschaft für öf. Gesundheitspfl. zu Berlin. 


nicht besonders schmutzig auszusehen braucht, können alle im täglichen Leben 
so zahlreich vorkommenden Einrisse, Schrunden, Stiche, Schnitte u. s. w. die 
Gefahr einer ernsten Erkrankung hervorrufen. Bei den gefürchteten Panari- 
tien, Phlegmonen und Blutvergiftungen, die so viel Schmerzen und durch 
die verursachte Arbeitsunfähigkeit so viel Not verschulden, wird meist ange- 
nommen, dass die Infektion von beschmutzten Splittern, Knochen, Nadeln, 
Messern u. s. w. herrührt, die die kleinen Wunden, von denen die Entzündung 
ausging, verursachten. Ebenso oft dürfte die Entzündung aber auch eine Folge 
des Schmutzes sein, der auf der geschädigten Hand sass, als die kleinen 
Wunden entstanden. Man gestehe es sich ehrlich ein, dieser Schmutz ist der 
„giftige Farbstoff“, der meistens als Ursache der Blutvergiftungen angeschuldigt 
wird. — Es würde mich weit über mein Thema hinausführen, wollte ich hier 
die Vorsichtsmassregeln gegen diese gefährlichen Krankheiten genügend er- 
örtern. Sicher ist, dass Reinlichkeit und besonders Trockenhalten der 
Hände zu den wichtigsten Schutzmassregeln gegen dieselben gehören. 

Erinnert sei auch daran, dass sich Leute, die Entzündungen an ihren 
Händen haben, oder die ihre Hände von Eiter oder eitrigem Schleim reinigen 
wollen, den sie sich von Geschwüren, kranken Augen u.s.w. angeschmiert haben, 
die Hände nicht in demselben Gefäss waschen sollten, in welchem sie ihr 
Gesicht und die übrigen Körperteile waschen. Es wäre für jeden zweckmässig, 
zum Händewaschen ein besonderes Becken zu benutzen, jedenfalls, wenn die 
Hände Krankes oder faulige und jauchige Dinge berührt haben. Die häufige 
Wiederkehr von Furunkeln bei Leuten, die einmal an Furunkel gelitten haben, 
dürfte gelegentlich durch das Fehlen eines besonderen Händewaschbeckens 
verschuldet sein. 

Hierher gehört auch die so gefährliche Uebertragung der infektiösen 
Augenkrankheiten, die, mag es sich um Uebertragungen von Auge zu Auge 
oder von Geschlechtskrankheiten auf die Augen handeln, wohl in den meisten 
Fällen durch die Hände vermittelt wird. 

Ich komme endlich zu dem dritten der vorher aufgestellten Punkte, der 
Bedeutung der feuchten Hände für die Uebertragung. Feuchte, besonders 
schweissige Hände flössen uns einen lebhaften Widerwillen ein. Der uns inne- 
wohnende hygienische Instinkt warnt uns vor der Berührung solcher Hände, an 
denen Schmutz ebenso leicht anklebt, wie er von ihnen weitergegeben wird. 
Die relative Ungefährlichkeit, welche, wie oben ausgeführt, der Trockenheit zu 
danken ist, kommt bei solchen Händen in Fortfall. Zudem bilden solche 
Hände eine besondere Gefahr für ihre Besitzer. Diese verschmieren nicht nur 
alle an ihre Hände gelangten Infektionsstoffe besonders leicht an alle ihre 
Sachen, ihre Kleidung, ihre Speisen, an eigene Wunden und an ihre zu Tage 
liegenden Schleimhäute; eine dauernd oder längere Zeit feucht gebliebene Haut 
wird auch leichter verletzlich als eine trockene. Die Neigung der Scheuer- 
frauen, Abwäscherinnen und Dienstmädchen zu Panaritien ist bekannt; ebenso 
ist eine grössere Häufigkeit der Panaritien im Winter bemerkbar. Eine Ur- 
sache für die letztere Erscheinung sehe ich darin, dass die zum Abtrocknen ge- 
brauchten Tücher im Winter in ungeheizten Räumen weniger gut austrocknen. 


Verhandl. der Deutschen Gesellschaft für öff. Gesundheitspfl. zu Berlin. 803 


Mit feuchten und kalten Tücbern lassen sich aber keine trockenen Hände 
erzielen. 

Im Anschluss hieran sei noch der widerlichen Gewohnheit mancher Ver- 
käufer Erwähnung getan, ihre Fingerspitzen anzulecken, um zusammenliegende 
Blätter, z. B. beim Oeffnen von Tüten, beim Abreissen von Einwickelpapier 
u.s. w. leichter auseinanderzufalten. Im Speichel oder an den Fingern vor- 
handene Ansteckungsstoffe dürften hierbei nicht nur an das Papier, sondern 
auch an die eingewickelten Nahrungsmittel u. s. w. gelangen. 

Ein eigenes, sehr wichtiges Kapitel bilden die Gefahren, welche durch 
Uebertragung chemischer Gifte mittels der Händebeschmutzung entstehen. 
Sie haben in der Lehre von den Gewerbekrankheiten seit Langem eingehende 
Beachtung gefunden, und die Durchführung geeigneter Schutzmassregeln wird 
mit grossem Eifer betrieben. Ich glaube deshalb diese Verhältnisse, als nicht 
strikte zu meinem Thema gebörig, nur streifen zn sollen, möchte jedoch an- 
führen, dass man auch auf diesem Gebiete die Annahme, die Giftstoffe wirkten 
hauptsächlich durch Gas- oder Staubinhalation, mehr und mehr eingeschränkt 
hat, während der Uebertragung derselben durch die Hände eine immer grössere 
Bedeutung beigemessen wird. Ebenso wichtig ist die Erkenntnis, dass man 
zwar nach wie vor Zusätze von Gegengiften zu den Waschwässern für nützlich 
hält, dass man aber auch hier den hauptsächlichsten Schutz von ausgiebigen 
Waschungen unter Verwendung grosser, oft erneuter Wassermengen (fliessendes 
Wasser) und von sorgfältigem Abtrocknen erwartet. 

Trotz der zahlreichen, musterhaften hygienischen Einrichtungen, welche 
in den letzten Jahrzehnten mit so grossem Kostenaufwande hergestellt sind, 
konnte eine grosse Zahl von epi- und endemischen Krankheiten, besonders von 
Infektionskrankheiten der Atmungsorgane, nicht eingeschränkt werden, und immer 
wieder kommen, selbst in Orten, die sich einer einwandsfreien Trinkwasser- 
versorgung erfreuen, Ansteckungen mit Krankheiten vor, deren Verbreitung‘ 
man durch die Beschaffung guten Trinkwassers völlig zu verhindern gehofft 
hatte. Deshalb hat sich in den letzten Jahren die Aufmerksamkeit auch be- 
züglich der ansteckenden inneren Krankheiten mehr und mehr der Kontaktin- 
fektion zugewendet, die man früher in so ausgedehntem Masse nur gegenüber 
den Wundkrankheiten zu beachten gewöhnt war. Die Kontaktinfektion dürfte 
aber weitaus in der Mehrzahl der Fälle auf Händeübertragung zurückzuführen 
sein. Ihr verdanken die endemischen Krankheiten wohl zum grössten Teil 
ihr Fortbestehen. Selbst bei der Tuberkulose beginnt man die Uebertragungen 
durch die Hand mehr und mehr zu beachten. Bei den Wasserepidemien 
spielt die Kontaktinfektion, die hier wohl fast ausschliesslich Händeübertra- 
gung ist, insofern eine nicht unerhebliche Rolle, als sie verursacht, dass sich 
um die primär (durch das Wasser) Angesteckten kleine Ansteckungsherde 
bilden, die ihrerseits zu weiterer Verschleppung, oft sogar nach anderen, ent- 
legenen Ortschaften beitragen. 

Die Lücke, welche an dieser Stelle in den Verkehrsmassregeln gegen die 
Verbreitung der ansteckenden Krankheiten besteht, sucht man dadurch zu ver- 
stopfen, dass man durch Isolierung die Berührungsfläche zwischen Kranken 
und Gesunden möglichst verringert. Diese harte, kostspielige und dabei nicht 


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einmal immer zuverlässige Massregel lässt sich wohl zur Verhütung der ver- 
derblichsten Epidemien durchführen, sie versagt aber, sobald die Not nicht 
ganz offenkundig ist und der Ernst der Lage nicht von allen Beteiligten be- 
griffen wird. Bei den endemischen Krankheiten bringt die Ueberführung der 
Kranken in die Krankenhäuser und Heilstätten eine gewisse Isolierung mit 
sich; der dadurch erreichte Schutz ist jedoch ein immerhin unvollständiger. 

Wenn somit eine ausreichende Verhinderung des Kontakts unmöglich 
erscheint, so wird versucht werden müssen, die Berührungen unschädlich 
zu machen. Diese Bestrebungen dürften durch eine Vermehrung der Sorge 
um Reinerhaltung und exakte Reinigung der Hände auf das ausgiebigste unter- 
stützt werden. Daneben würden Bemühungen in Frage kommen, durch welche 
feilgehaltene Nahrungsmittel und andere gesundheitswichtige Gebrauchsgegen- 
stände ohne Einschränkung des Verkehrs vor Berührungen geschützt werden. 

In den letzten Jahrzehnten hat sich entgegen der früheren Sitte, wo der 
Ladentisch voder bei den Bäckern und Konditoren das „Ausreichefenster“ den 
Käufer von den Waren schied, mehr und mehr der Brauch herausgebildet, der 
früher fast nur in kleineren Betrieben bezw. Hökereien bestand, dass der 
Käufer unmittelbar an die Waren gelangen kann, sei es, dass die Waren auf 
dem Ladentisch offen stehen oder dass sich der Käufer in den Vorratsraum 
hineinbegibt. Zumal bei Bäcker- und Konditorwaren ist das Anfassen und 
Drücken Sitte oder vielmehr Unsitte geworden, obgleich es gerade bei diesen 
Waren, die ohne eine weitere Verarbeitung durch Hitze genossen werden, be- 
sonders gefährlich ist. Bedenken ähnlicher Art dürften auch beim Handel 
mit Früchten, Wurst und Räucherwaren, in erster Linie bei Räucherfischen, 
sehr am Platze sein. Man sieht schon heute in einer Reihe von Betrieben 
recht zweckmässige Vorrichtungen. Dahin gehören Vitrinen und Glasglocken, 
die ein Beschauen der Waren von allen Seiten gestatten, das Anfassen aber 
“verhindern, Verpackungen der Waren in Kartons, Gläsern, Körben, sogenannten 
Originalpackungen, die durch übergelegte durchsichtige Celluloidscheiben einen 
Anblick der Waren erlauben, Einhüllungen in Kouverts z. B. bei Kuchen und 
Zahnstochern, in Papiersäcke bei Brot, in Beutel bei Schinken, Umwickelungen 
mit Zinnfolie oder Papier bei Konfiserien, Früchten u.s. w. Andererseits kann 
man vielfach die erfreuliche Wahrnehmung machen, dass das Verkaufspersonal 
bemüht ist, eine Berührung der Waren zu vermeiden. Die Butter- und Käse- 
händler ergreifen die Ware mit Papierstücken, andere Verkäufer benutzen 
Schaufeln, Löffel, Gabeln, Zangen u. s.w. Die ekle Unsitte, Proben von Butter, 
Honig, Mus u. s. w. zum Schmecken mit dem Fingernagel aus den Verkaufsgefässen 
zu entnehmen, scheint in den grösseren Städten glücklicherweise völlig abge- 
kommen zu sein, leider findet man sie aber noch auf dem Lande. Beim Ser- 
vieren von Speisen ist man in den Restaurationsbetrieben wie in den Familien 
weit mehr als früher bemüht, eine Berührung der Speisen und der Geschirre 
mit der Hand zu vermeiden; eventuell wird die Hand mit waschbaren Hand- 
schuhen bekleidet. Eine sehr empfehlenswerte Einrichtung kommt seit einigen 
Jahren mehr und mehr in Gebrauch, die Servietten in kleinen kouvertartigen 
Ueberzügen aufzubewahren, damit sie vor dem Anfassen durch die Bedienenden 
oder Fremde geschützt sind. 


Verhandl. der Deutschen Gesellschaft für öff. Gesundheitspfl. zu Berlin. 805 


Es könnte eingewendet werden, alle eben erwähnten Einrichtungen seien 
mehr Folge eines ästhetischen Feingefühls als eines hygienischen Bedürfnisses. 
Nun wohl, die meisten hygienischen Aufgaben decken sich mit ästhetischen 
oder ethischen Kulturaufgaben. Man hat den Seifenverbrauch nicht mit Unrecht 
als Gradmesser der Kultur hingestellt. Hygienische Fortschritte sind Kultur- 
fortschritte. Das ästhetische Feingefühl basiert nicht selten auf dem schon 
erwähnten hygienischen Instinkt. Viele, ja die meisten vorher aufgestellten 
oder noch aufzustellenden Forderungen könnten als erfüllt angesehen werden, 
wenn alte Gebräuche der guten Sitte mit einem richtigen Verständnis ihres 
hygienischen Inhaltes ausgeführt würden und wenn sie, durch dieses Ver- 
ständnis getragen, in den breiten Volksschichten Verbreitung fänden. Aber 
gerade in den weniger bemittelten Volksschichten, die wegen des engeren 
Zusammenwohnens, der Neigung zu vertraulicherem Umgange und wegen der 
häufigeren Berührung mit Schmutz einen Schutz nach dieser Richtung am 
nötigsten hätten, sind solche Gebräuche entweder völlig unbekannt, oder sie 
werden wegen des zu ihrer Durchführung nötigen geringen Mehraufwandes 
von Geld und Zeit vernachlässigt, vielleicht sogar als Zeichen überfeinerten, 
affektierten Wesens vermieden. Andererseits sind hygienisch wertvolle Sitten 
abgekommen und zu blossen Formalitäten zusammengeschrumpft. So ist aus 
der Häudewaschung nach Tisch da, wo sie überhaupt noch besteht, ein blosses 
Eintauchen der Fingerspitzen geworden, und die viel nötigere, in vielen älteren 
Riten vorgeschriebene Waschung vor Tisch ist fast überall beseitigt. Viel- 
leicht liess der Gebrauch von Gabel und Serviette beides überflüssig erscheinen, 
vielleicht wog der Wunsch vor, dass man nicht den Anschein erwecken wollte, 
als habe man sich mit schmutzigen Händen zu Tisch gesetzt oder habe die 
Hände bei Tisch beschmutzt. — Wie grosse Fehler andererseits entstehen können, 
wenn sich das ästhetische Gefühl alleio, ohne hygienisches Verständnis be- 
tätigt, zeigen am krassesten die seit etwa 2 Jahrzehnten in den Bedürfnis- 
anstalten der Restaurants in Gebrauch gekommenen Händewaschgelegenheiten. 
So richtig der Wunsch ist, die Hände nach einer solchen Verrichtung zu 
reinigen, so fehlerhaft ist die Ausführung. Da die Waschschalen selten ge- 
reinigt werden, die Seife und vor allem die immer wieder gebrauchten, meist 
feuchten Handtücher den Schmutz von einer Hand auf die nächste weiter- 
geben, und da böswillige oder leichtfertige Verunreinigungen der Handtücher 
mit krankhaften Ausscheidungen nicht ausgeschlossen sind, sind diese Anstalten 
zu ebenso eklen wie hygienisch bedenklichen, ja zu Zeiten von Epidemien 
sicher höchst gefährlichen Einrichtungen geworden. So hält ein nicht kleiner 
Teil der Bevölkerung den Gebrauch einer gesundheitlich gefährlichen Veran- 
staltung für ein Zeichen besonders feinen Tons. 

Viele Ereignisse der letzten Jahre haben in weiten Kreisen eine Bereit- 
willigkeit, sich mit hygienischen Fragen zu beschäftigen, erweckt. Man würde 
gern auf hygienische Lehren eingehen und sie zur Ausführung bringen, wenn 
sie dem Laienverständnis angepasst würden. Daneben fördert der zunehmende 
Wohlstand die Neigung, gute Sitten anzunehmen, er gewährt die Mittel und 
die Zeit zu ihrer Betätigung. Wenn dem Volke durch Vorträge von Aerzten 
und gleichzeitig durch Belehrungen in der Presse klar gemacht wird, dass die 


806 Verhandl. der Deutschen Gesellschaft für öff. Gesundheitspfl. zu Berlin. 


als Zeichen guter Erziehung geltenden Sitten nicht nur leere Formen sind, 
sondern dass sie bei richtiger Ausführung dem Schutze der Gesundheit dienen, 
für den sie ursprünglich bestimmt waren, so dürfte obne Uebertreibung gehofft 
werden können, dass sich solche Gebräuche wieder einbürgern. Die Erziehung 
des Volkes zur Annahme und Wiederaufnahme solcher Sitten ist der einzig 
mögliche Weg, eine Besserung herbeizuführen, denn es liegt in der Natur der 
Sache, dass eine sanitätspolizeiliche Ordnung dieser Angelegenbeit, bezw. eine 
Einwirkung der Behörden durch Reglements und Beaufsichtigung ausge- 
schlossen ist. 

Dagegen könnten die Bebörden diesen Bemühungen nach anderer Rich- 
tung hin eine wichtige Unterstützung angedeihen lassen. In den bestehenden 
Bildungsanstalten könnte, wie überhaupt auf hygienische Fragen, auf die Be- 
deutung der Händereinigung für die Gesundheit hingewiesen und die beste 
Methode zu ihrer Ausführung gelehrt werden. — Notwendig und nur durch 
Unterstützung der Behörden erreichbar ist die Bereitstellung geeigneter Ein- 
richtungen in den Schulen, an Stellen öffentlichen Verkehrs, in den Bedürfnis- 
anstalten, in Bahnhöfen, Eisenbahnzügen u. s. w. Das Publikum sollte ver- 
langen und hierin von den Behörden unterstützt werden, dass in allen Ver- 
kaufs- und Zubereitungsstellen für Nahrungsmittel, besonders den Läden und 
Werkstätten der Fleischer, Wurstmacher, Bäcker, Delikatesswarenhändler und 
Restaurateure zweckmässige Händewaschgelegenheiten für die Verkäufer und 
Arbeiter vorhanden sind. Mit Rücksicht auf die Epidemien dürfte für diesen 
Punkt eine gesundheitspolizeiliche Regelung möglich sein. Als Vorbedingung 
der Koncessionserteilung für den Restaurationsbetrieb wird das Vorhandensein 
vorschriftsmässiger Gläserspülapparate gefordert. In ähnlicher Weise dürfte 
sich eine ausreichende Bereitstellung von Händewaschgelegenheiten in Küchen-, 
Fabrik- und Verkaufsräumen erreichen lassen. Alle schönen hygienischen 
Lehren werden erst dann praktisch befolgt werden, wenn ihre Ausführung 
jedem bequem gemacht ist. — Durch Aufstellung mustergültiger und bequemer 
Händewaschapparate in den Kasernen würde das Heer, das, wie in so vielen 
Dingen, besonders in gesundheitlicher Beziehung eine vortreffliche Schule für 
das Volk ist, ausserordentlich erziehlich wirken. Die Abnahme der Panaritien 
würde die Kosten reichlich aufwiegen. Wie segensreich das Vorbild der Armee 
in dieser Richtung wirken kann, zeigt die schnelle allgemeine Verbreitung der 
vom verstorbenen Oberstabsarzt Münnich für öffentliche Zwecke zuerst nutz- 
bar gemachten Brausebäder, welche von der Kaserne des Kaiser Franz-Regi- 
ments aus ihren Weg in die Kasernen und Fabriken aller Länder genommen 
haben. 


Sollen die aufgestellten Forderungen Erfüllung finden, so muss allerdings ` 
die Technik des Händewaschens zweifelsfrei feststehen und die Industrie 
muss uns mit Apparaten versehen, die, überall leicht aufstellbar, alle zum 
Waschen nötigen Bedürfnisse enthalten. 

Nach den eingangs gemachten Ausführungen erfordert die regelrechte 
Händereinigung zunächst ein reichliches Einseifen unter Benutzung von warmem 
Wasser. Die Seife muss aus unverdorbenen Fetten hergestellt, durchaus rein 


Verhandl. der Deutschen Gesellschaft für öff. Gesundheitspfl. zu Berlin. 807 


und frei von hautreizenden Chemikalien sein. Sie muss reichlichen, dicken 
Schaum geben. Zusätze von Reibemitteln, wie Sand, Marmorstaub u. s. w. 
sind angezeigt, wo auf den Gebrauch von Bürsten verzichtet werden muss. 

Bürsten, kleine Wiepen aus Rohr oder sonstige zur Verwendung kommende 
Reibeapparate sowie die Nagelreiniger müssen sauber gehalten und zeitweise 
durch Auskochen desinficiert werden (die einfachen, drahtgebundenen Holz- 
bürsten vertragen ein Auskochen in reinem Wasser). 

Das Ein- und Abseifen muss unter starkem Reiben mit Bürsten und aus- 
giebigem Gebrauch des Nagelreinigers erfolgen. Sobald die Hände stärker be- 
schmutzt sind, müssen mehrere Minuten auf das Abseifen verwendet werden. 

Während des Seifens muss der Schaum mehrmals in reichlichem, möglichst 
oft erneuertem oder fliessendem Wasser abgespült werden. 

Für öffentliche Anstalten eignet sich zu diesem Abspülen am besten die 
Brause, die den Schaum und mit ihm den Schmutz mit einem gewissen 
Druck fortnimmt und ausserdem eine Waschschale entbehrlich macht. 
Ich würde jedoch raten, die Brausen anders einzurichten, als sie bisher im 
Gebrauch sind. Die Strahlen müssten feiner sein, und statt, wie bisher kegel- 
förmig auseinanderzuspritzen, müssten sie konzentrisch zusammengehen, damit die 
Kleidung während des Einseifens und besonders beim Abspülen nicht be- 
spritzt wird. Ich glaube, sie würden so auch schärfer abspülend wirken. 
Waschschalen sind für öffentliche Waschanstalten unpraktisch, weil sie dort 
selten von dem an ihren Wänden anklebenden Schaum und Schmutz ge- 
reinigt werden. Aus diesem Grunde würde ich auch empfehlen, die Abfluss- 
becken der Brause mit Netzen oder Sieben zu bedecken, damit ihre Benutzung 
als Waschschale unmöglich gemacht wird. 

Von grösster Wichtigkeit für die Erzielung einer reinen Hand ist das 
Abtrocknen, weil erst hierbei die beim Einseifen aufgeweichten Hautschüpp- 
chen entfernt werden, in denen oft die gefährlichsten Schmutzteile bezw. An- 
steckungsstoffe haften. Das Abtrocknen muss deshalb solange fortgesetzt werden, 
bis die Hand wirklich trocken ist. Dasselbe Handtuch darf niemals von 
mehreren Personen gemeinsam benutzt werden, denn Ansteckungsstoffe, die 
von einem Benutzer angewischt werden, würden sehr leicht auf die übrigen 
übertragen werden können. Auch wenn dieselbe Person dasselbe Handtuch 
längere Zeit benutzt, soll es gewechselt werden, wenn etwa einmal die Hände 
mit ansteckungsverdächtigen Stoffen beschmutzt waren; diese könnten durch das 
Handtuch später wieder auf die Hände gebracht werden. Feuchte oder sehr 
kalte Handtücher eignen sich nicht für eine zuverlässige Händereinigung, da 
sie die Hände nicht trocken machen. 

Das Handtuch soll aus einem groben, stark reibenden Stoff bestehen, der 
dick genug sein muss, um die Feuchtigkeit in sich aufzunehmen. Empfehlens- 
wert ist der sogenannte Gerstenkörnerstoff. Ein Handtuch zum Händetrocknen 
soll nicht zu gross sein, damit es oft gewechselt wird. Sehr zweckmässig 
sind Handtücher von der Form und Grösse kleiner Servietten, wie sie jetzt 
mehrfach von den Chirurgen gebraucht werden. (Solche Handtücher könnte 
jedermann in einer kleinen Gummitasche auf Reisen u.s. w. bei sich führen). 
In der Wäsche müssen die Handtücher gekocht werden. 


808 Verhandl. der Deutschen Gesellschaft für öf. Gesundheitspfl. zu Berlin. 


Der Gebrauch antiseptischer Mittel erscheint für Hände- 
waschungen im gewöhnlichen Leben überflüssig. Falls der Gebrauch 
antiseptischer Mittel angezeigt ist, z. B. nach naher Berührung mit ansteckenden 
Kranken bei der häuslichen Krankenpflege, so mische man diese Mittel nicht 
dem Waschwasser zu, sondern wende sie erst an, nachdem die Hände vor- 
her regelrecht gewaschen und getrocknet sind. Man lasse sich die geeigneten 
antiseptischen Mittel vom Arzt verschreiben und sich über ibre Anwendungs- 
weise unterrichten. Kann dies nicht geschehen, so mische man 1 Esslöffel 
Wasser mit 1 Esslöffel reinem Weingeist (rektificiertem Spiritus) oder noch 
besser mit 1 Esslöffel Eau de Cologne und reibe die Hände mit dieser 
Mischung so lange, bis sie wieder trocken sind. In gleicher Weise kann man 
den in den Apotheken käuflichen Seifenspiritus benutzen. Dagegen sind 
feste Spiritusseifen wie alle Seifen mit antiseptischem Zusatz (z. B. Karbol- 
seifen) unzuverlässig, weil das Antiseptikum beim Waschen viel zu stark ver- 
dünnt wird. Gleich nutzlos sind aus demselben Grunde Zusätze geringer 
Mengen (einiger Löffel voll) von Desinfektionslösungen (Karbolwasser) zu der 
ganzen Menge des Wasch wassers. 

Ueber die der Industrie zufallende Aufgabe, zweckmässige Händewasch- 
apparate für öffentliche Zwecke herzustellen, kann ich kurz hinweggehen, da 
dies Thema meines Wissens in einem besonderen Vortrage behandelt werden 
soll. Die an solche Apparate zu stellenden Anforderungen gehen wohl ge- 
nugsam aus den aufgestellten Regeln für die Händewaschung hervor. 

Schwierigkeiten dürften 2 Punkte bieten: die Bereitstellung zweckmässiger 
Trockenvorrichtungen und die Seifenverteilung. 

Für die Abtrocknung kommen Abreibungen mit warmem Sande oder 
warmer Kleie, an die man wohl denken könnte, bei uns kaum in Frage, da 
sie den Landessitten zu wenig entsprechen. Handtücher könnten nur von 
besonderen Wärtern gegen Entgelt hergeliehen werden, wie es seit einiger Zeit 
in den besseren Restaurants eingeführt ist. Diese, abgesehen von den Kosten, 
sehr zweckmässige Einrichtung müsste die Gewähr bieten, dass die Handtücher 
jedesmal frisch gewaschen und gekocht sind. Vielleicht gelingt es der Papier- 
industrie, gut reibende, zäbe und stark aufsaugende Tücher zu so billigem 
Preise herzustellen, dass jedesmal ein neues verwendet werden kann. 

Die Seifenverteilung muss für öffentliche Zwecke so geregelt sein, dass 
unnötige Verschwendung vermieden und eine Berührung oder Mitverwendung 
des Vorratstückes ausgeschlossen ist. Die Benutzung eines gemeinschaftlichen 
Seifenstückes widerspricht nicht nur dem ästhetischen Gefühl, sie ist auch 
unbygienisch. Die Seife ist ein schwaches, sehr langsam wirkendes Autisep- 
tikum. Bringt ein Benutzer beim Waschen Ansteckungsstoffe auf ihre Ober- 
fläche, so sind diese noch nach Stunden für einen zweiten Benutzer nicht unbe- 
denklich. — Von Seifenverteilern, die den Seifenvorrat vor Berührung schützen, 
sind mir bisher Modelle für flüssige Seife, für Seifenpulver und für Abschaben 
von Seife bekannt geworden. Bei letzterem Modell wurden von der in einen 
Eisencylinder eingeschlossenen Seife durch Drehen einer schneidenden Walze 
Stücke abgeschabt. Keiner dieser Apparate schloss jedoch einen Missbrauch 
der Seife aus. — Zweckmässig erscheinen die Seifenblättchen und Seifenplätt- 


Verhandl. der Deutschen Gesellschaft für öff. Gesundheitspfl. zu Berlin. 809 


chen, welche ein Jeder in kleinen Etuis mit sich führen kann; nur pflegen 
sie meist nicht genug Seife zu enthalten, um einen ordentlichen Schaum her- 
zustellen. 

Die Abgabe von Seife und Handtuch durch automatischen Verkauf, wie 
er auf einigen Eisenbahnlinien zu finden ist, dürfte sich sehr empfehlen; nur 
müssten die Handtücher nicht aus so dünnen Leinwandläppchen bestehen, wie 
man sie dort findet. Gerade für diesen Zweck würden sich brauchbare Er- 
zeugnisse der Papierindustrie eignen. 

M. H.! Wenn auch das weitschichtige Thema durch das Vorgetragene nicht 
voll erschöpft werden konnte, so dürfte aus dem Gesagten doch zur Genüge 
hervorgehen, dass durch eine vermehrte Sorgfalt für die Händereinigung 
manche Erkrankung vermieden, manches Menschenleben gerettet werden könnte. 
Die Mitglieder unserer Gesellschaft könnten durch "weitere Verfolgung und 
Verbreitung des vom Vorstande angeregten Gedankens sicher grossen Nutzen 
stiften. 


Diskussion. 

Herr Herzberg ist seit Jahren der Ansicht, dass das Reinlichkeitsgefühl in 
der ganzen Bevölkerung gestärkt werden müsse. Das Verständnis würde auch in der 
Bevölkerung zu finden sein, wenn mehr und bequeme Gelegenheit zur Händewaschung 
gegeben wäre. Mit schmutzigen Händen essen 99°/, der Bevölkerung und verrichten 
alle Hantierungen, die man mit leidlich reinen Händen machen sollte. In Restaurants 
wird meist die Rinde des Brotes mitgegessen, die Andere mit feuchten und schweissigen 
Händen angefasst haben. Deshalb sollten Schulen, Theater, alle Wirtshäuser, vor 
allen Dingen die von der untergeordneten Bevölkerung besuchten, die Gerichtslokale 
mit Waschgelegenheit versehen sein; es sollten auch öffentliche Waschräume an der 
Strasse geschaffen werden. Die Konstruktion der Wascheinrichtung kann ganz ein- 
fach sein: z. B. ein Trog, in den fliessendes Wasser durch Brausehähne oder auch 
durch einfache Hähne geleitet wird. Die Beschaffung des Wassers hierzu würde 
für keine Gemeinde, namentlich wenn sie Wasserleitung hat, grosse Kosten erfordern. 
Für 1000 Waschungen würden nur höchstens 3cbm Wasser erforderlich sein, die etwa 
20—40 Pfg. kosten würden. Selbst bei einer Million Waschungen würde noch immer 
kein nennenswerter Betrag herauskommen, durch welchen die Kommune belastet 
würde. Auch die Beschaffung der erforderlichen Seife sei leicht möglich. Schmier- 
seife sei nicht empfehlenswert, da sie masslos vergeudet werden würde. Dagegen 
lässt sich mit Seifenschnitzeln, die den Einzelnen gratis gegeben werden könnten, viel 
erreichen. Noch besser würde Blockseife sein, die, wie dies schon geschieht, befestigt 
wird. Die grösste Schwierigkeit liegt jedoch in dem Abtrocknen der Hände, das das 
Händewaschen im grossen Stil vorläufig noch zu einem Problem macht. Handtücher, 
an denen sich viele abtrocknen, besonders die Handtücher ohne Ende, sind selbstver- 
ständlich zu verwerfen. Die Einführung kleiner rauher Tücher, wie sie in den D-Zügen 
gegeben werden, lässt sich nicht allgemein durchführen. Dagegen empfiehlt sich nach 
Ansicht des Redners die Verwendung von Fliess-Cellulosepapier in Stücken von etwa 
25 X 30 cm Grösse, mit denen regelrecht die Händo getrocknet werden können. 
Vielleicht könnte man auch in manchen Fällen daran denken, die Hände durch ange- 
wärnte Pressluft zu trocknen. Es genügt dazu die Einwirkung eines ganz geringen 
Quantums Pressluft auf kurze Zeit. Man könnte dagegen einwenden, dass die Pressluft 
die Haut rissig macht. Die Methode selbst ist jedenfalls eine sehr einfache, denn 1 cbm 
Luft kann man in 1 Minute mit einer ganz kleinen Maschine von 2 Pferdekräften 
pressen. Nur wenn die Schwierigkeit des Abtrocknens der Hände gelöst ist, wird sich 


810 Verhandl. der Deutschen Gesellschaft für öff. Gesundheitspfl. zu Berlin. 


die Forderung des Händewaschens in grossem Stile durchführen lassen, und desbalb 
sollte man dieser Frage nähertreten, vielleicht unter Berücksichtigung des Trocknens 
mittels Luft. 

Herr Schäffer begrüsst es mit Freuden, dass der Referent die Frage der 
Händereinigung in der „Deutschen Gesellschaft für öffentliche Gesundheitspflege“, 
die nicht ausschliesslich von Aerzten zusammengesetzt ist, zur Erörterung gebracht 
hat. Er hält das mechanische Abreiben der Hände auch für das Wesentliche und 
Wichtige bei der Händereinigung, da das blosse Eintauchen und Waschen eher den 
Keimreichtum zu vermehren imstande ist. Zum Abtrocknen kann nur ein rauhes 
Tuch oder eventuell Fliesspapier dienen, während die Methode mit heisser Luft als 
nicht zweckmäszig zu bezeichnen ist. Im Gegensatz zum Referenten verwirft er die 
Anwendung von fliessendem Wasser, das zwar die von der Hand losgelösten Keime 
schnell beseitige, das aber das aus der Seife abgespaltene und zum Waschen notwendige 
Alkali sofort wieder abspüle. Deshalb empfiehlt sich auch gerade die Anwendung von 
Schmierseife, welche bereits freies Alkali enthält. Die Haut soll nicht geschont werden, 
wie es bei zarten Toilettoseifen der Fall ist, sondern sie soll in möglichst tiefen 
Schichten entblösst, und die Epidermisschuppen sollen entfernt werden. Nachdem die 
Hände eine Zeit lang mit dem alkalischen Seifenwasser in Berührung gewesen sind, 
kann die Entfernung der abgespülten Schmutzpartikelchen mittels fiiessenden Wassers 
als zweckmässig in Betracht kommen. Die Benutzung von heissem und überheissem 
Wasser ist nach Ansicht des Redners zu wenig hervorgehoben worden. Durch das 
heisse Wasser wird nämlich das Blut an die Oberfläche getrieben, infolge dessen 
quellen die Poren auf, lockern sich und können nun mittels Seife und Bürste abge- 
rieben werden. Für chirurgische Zwecke ist die Verwendung eines Waschbeckens 
zweifellos besser. > 

Uebrigens sollte man die Bezeichnung „Händedesinfektion“ gar nicht gebrauchen, 
denn unter diesem Worte versteht man stets die Verwendung chemischer Desinficientien. 
Dio Wirkung der letzteren wird nach zweierlei Richtung überschätzt; sie sind einmal nur 
nach längerer Einwirkung von Nutzen, und zweitens wirken sie bloss auf die ober- 
flächlich gelagerten Bakterien ein, aber nicht auf Bakterien, die in Epidermis und 
Fettschichten eingehüllt sind. Der Alkohol ist nicht aus dem Grunde ein so gutes 
Händereinigungsmittel, weil er ein Antiseptikum ist, sondern weil er mechanisch 
wirkt. Selbst wenn die Hand sehr sorgsam gewaschen ist, kann man mittels Alkohol 
noch ganz enorme Mengen von Bakterien von der Hand entfernen. Ein fernerer Vor- 
zug ist der, dass der Alkohol die Hand trocken macht und die trockene Hand die 
vorher aufgenommenen Bakterien nicht mehr abgibt. Die Händedesinfektion ist jetzt 
im wesentlichen eine Frage der Reinlichkeit geworden. 

llerr Marcuse macht auf die Gefahr der öffentlichen Klosets aufmerksam, die 
doch auch von Gonorrhoekranken benutzt werden und in denen sehr lange Zeit die- 
selben Handtücher zur Verwendung gelangen. Vor allem müsste in der Tat dafür 
Sorge getragen werden, dass die enorm langen Handtücher beseitigt und dafür kleine 
Handtücher eingeführt werden, wie sie augenblicklich in den Sanatorien existieren. 

Herr L. Feilchenfeld weist auf die Möglichkeit der Krankheitsübertragung 
durch die Hände der Strassenbahnschaffner hin und hält es für geboten, für diese 
Beamten an den Endstationen ihrer Strecke Gelegenheit zum Händereinigen zu schaffen. 

Herr Proskauer führt aus, dass es für den hier zu diskutierenden Fall haupt- 
sächlich darauf ankomme, die Hände zu reinigen und nicht zu desinficieren; eine er- 
folgreiche Methode der Desinfektion der Hände gebe es vorläufig noch nicht. Diese 
Frage müsse noch als ungelöst angesehen werden. Die Reinigung, die wir hier ver- 
langen, könne am besten auf mechanischem Wege durchgeführt werden durch reines 


Verhandl. der Deutschen Gesellschaft für öff. Gesundheitspfl. zu Berlin. 811 


Wasser, Seife und Abtrocknen. Die Hauptschwierigkeit liege seiner Ansicht nach 
in der Handtuchfrage. Durch einen Versuch habe einmal gezeigt werden können, 
dass sich die leicht bakteriologisch nachweisbare Keimart des Bac. prodigiosus, nach 
Auftragung auf ein Handtuch, auf den Händen derjenigen nachweisen lasse, die dieses 
Handtuch benutzt hätten. Trotz Reinigung und Desinfektion der Hände könne man 
nicht alleaufden Händen befindlichen Keime vollständig entfernen, und man werde sich 
infolge dessen damit begnügen müssen, das von den Händen zu entfernen, was zu ent- 
fernen mit den praktisch anwendbaren Mitteln möglich sei. Nicht unerwähnt bleibe, 
dass gewissermassen instinktiv die Japaner dazu geführt worden seien, von der Sitte 
des Händereichens bei der Begrüssung Abstand zu nehmen. 

Auf einem anderen Gebiete der Reinigung, nämlich demjenigen des Geschirrab- 
waschens, sei neuerdings durch die Einführung von Geschirrspülmaschinen ein Fort- 
schritt zu verzeichnen; durch diese würde die Benutzung des gleichen Handtuches, 
wit dem gewöhnlich das gesamte Geschirr abgetrocknet wird und so die Uebertragung 
der Keime ermöglicht werde, ausgeschaltet. Die bei diesen Maschinen verwendete Art, 
das Geschirr zu trocknen, gebe einen Fingerzeig, wie man es bei der Händereinigung 
machen solle. Die Verwendung warmen Wassers wäre aber dafür erforderlich. 

Herr Orth spricht den Wunsch aus, ob es nicht möglich wäre, dass die Stadt 
sich dieser wichtigen Frage annehme und öffentliche unentgeltliche Wascheinrichtungen 
schaffe. Er fragt an, ob man über die Lebensdauer der pathogenen Keime auf den 
Händen, Lebensmitteln und dergl. ‘Näheres wisse. 

Nach seiner Meinung können auch Münzen Ueberträger von Krankheitskeimen 
werden, und hier wäre vielleicht der Erlass einer Vorschrift möglich, dass das Geld 
auf den öffentlichen Banken gereinigt werde. 

Herr Th. Sommerfeld macht auf die besondere Gefahr aufmerksam, die den 
Bleiarbeitern durch schmutzige Hände droht, eine Gefahr, die weit häufiger zur Blei- 
vergiftung führe, als die Einatmung von Dämpfen und Gasen. Seit einer Reihe von 

“Jahren stehe die Tatsache fest, dass die Reinigung derartig beschmutzter Hände 
mittels gewöhnlicher Seifen schädlich wirke, weil die Vermischung von Blei und 
Seife zu chemischen Verbindungen führe, die der Haut viel mehr anhaften als das 
Blei selbst. Auch schwefelhaltige Seifen, bei deren Vermischen mit Blei sich Blei- 
sulfid bilde, seien nicht zu empfehlen. Derartige Seifen verbreiten einen scheusslichen 
Geruch und würden schon deshalb auch von den Arbeitern selbst nicht verwendet; 
sie färben ferner die Haut schwarz und könnten somit nicht für die Reinigung des 
Gesichtes benutzt werden; endlich sei das Bleisulfid nicht so völlig unlöslich in den 
Körpersäften, wie vielfach angenommen würde. Redner rät deshalb zur Benutzung von 
Seifen, welche Marmor oder andere mechanische, scharfe Partikelchen enthalten. Den 
Arbeitern, namentlich in Buchdruckereien, Schriftgiessereien, Farbfabriken, Bleihütten 
u. s. w. sollte warmes, möglichst fliessendes Wasser, Seife, Hand- und Nagelbürsten 
und für jeden ein besonderes Handtuch zur Verfügung gestellt werden. Lediglich 
durch eine gründliche Reinigung der Hände könne die Bleivergiftung wirksam in ihrer 
Häufigkeit beschränkt werden. 

Herr Herzberg ist überzeugt, dass die gegebene Anregung zur Errichtung 
öffentlicher Waschgelegenheit auf fruchtbaren Boden bei den Städten fallen werde, so- 
bald die Schwierigkeiten, die in den Verhandlungen hervorgehoben wurden, an der 
einen oder anderen Stelle behoben sein würden. Er bittet nur, die Frage der Desin- 
infektion der Hände, also das chirurgische Waschen, hier vollständig aus der Erörte- 
rung auszuscheiden, um die öffentliche hygienische Seite der Sache fördern zu 
können. 

Herr Salzwedel betont in seinem Schlusswort, dass er im Referate streng 


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zwischen der hygienischen und chirurgischen Desinfektion der Hände geschieden, 
und für erstere ansdrücklich nur die mechanische Reinigung gefordert habe. Aber 
für die bei der Krankenpflege beschäftigten Personen, sowohl für Krankenpflege aus- 
übende Familienmitglieder wie für das berufliche Krankenpflegepersonal, das seiner 
Ansicht nach in die allgemeine Hygiene hineingehöre, fordere er eine Desinfektion 
der Hände. 

Redner verweist darauf, dass er in Süddeutschland einmal im Restaurant das 
Brot in Beutel von Seidenpapier eingewickelt gefunden habe. 

Zur Benutzung der nach innen fallenden Brause habe er bei der Händereinigung 
lieber geraten, als zu Trögen mit durchfliessendem Wasser. Es erscheine nicht ganz 
ausgeschlossen, dass sich zu Zeiten von Typhus- oder Choleraepidemien die im Wasser 
lebensfähigen Bakterien in den Trögen halten könnten, wenn sie einmal durch eine 
Waschung hineingekommen sind. Ausserdem erforderten Tröge mit genügend schnellem 
Durchfluss weit mehr Wasser als die Brausen, bei denen gleichzeitig der schärfere 
Druck Nutzen bringe. — Die Brause hindere durchaus nicht, den Seifenschaum lange 
Zeit auf der Hand zu halten. Ob sich diese Art für öffentliche Zwecke durchführen 
lasse, sei eine andere Frage. — Die Hauptmenge der Bakterien hafte zweifellos an den 
Handtüchern, und damit sei bewiesen, dass das Abtrocknen das Wirksamste bei der 
Reinigung sei und dass auf Benutzung kräftig reibender Handtücher nicht verzichtet 
werden könne. — Ueber die Stabilität der Bakterien an den verschiedenen Gegen- 
ständen sei, ausser einer ausführlicheren Arbeit in den Veröffentlichungen aus dem 
Reichsgesundheitsamt recht wenig gearbeitet worden. Im allgemeinen sei festgestellt, 
dass sich die Bacillen doch einige Tage auf den Nahrungsmitteln, Obst, Backwaren 
u. s. w. in virulenter Form halten; die Maximaldauer wurde bis zu 3 Tagen berechnet. 
Die Einwirkung des Lichtes als Desinfektionsmittel werde neuerdings schr bezweifelt, 
von vielen Seiten vollständig verworfen. — An Münzen sei eine lange Haltbarkeit 
der in Schmutz eingebetteten Bacillen anzunehmen. — An der lebenden Haut, wie 
an der Hand, seien Versuche sehr schwer anzustellen. Wurster sei bei seinen Ver- 
suchen vor langer Zeit zu dem Resultat gekommen, dass die Bacillen auf der glatten 
Hautoberfläche verhältnismässig bald in einen Zustand geraten, wo sie nicht mehr 
schädlich wirken können. Die Chirurgen nahmen früher an, dass man nach Ope- 
rationen an inficierten Wunden oder nach Obduktionen einen Tag warten müsse, ehe 
man wieder operieren solle. Anders liegen die Verhältnisse aber bei dem Schmutz 
unter den Nägeln. Hier ist mit Sicherheit eine längere Dauer anzunehmen. Die in 
fettigen Schmutz eingebetteten Bakterien trocknen nicht so leicht aus, wie die auf der 
glatten Hautfläche; ausserdem baschleunigt die mechanische Abreibung das Verschwin- 
den der Bacillen von der glatten Hautfläche mehr als wie an Stellen, wo sie geschützt 
liegen, wie unter dem Nagel. — Da die trockne Hand, etwas Trockenes anfassend, 
kaum Bakterien abgebe, sei die Gofahr bei der Fahrscheinabgabe durch die trockne Hand 
des Schaffners nicht als gross anzusehen. Die Kinder könnten jedoch nicht genug 
davor gewarnt werden, die Billets in den Mund zu nehmen. — Zur Abwendung von 
Bleivergiftungen kommen hauptsächlich reichliche Waschungen in Betracht, und 
speciellen Untersuchungen müsse es vorbehalten bleiben, inwieweit Antidote zur Ver- 
besserung der Wirkung mit heranzuziehen seien. 


Verlag von August Hirschwald, Berlin N.W. — Druck von L. Schumacher in Berlin N. 24. 


Hyeienische Rundschau. 


Herausgegeben 
von 


Dr. Carl Fraenkel, Dr. Max Rubner, Dr. Carl Günther, 


Geh. Med.-Rat, Prof. dor Hygiene Geh. Med.-Rat, Prof. der Hygiene Goh. Med.-Rat, a.0.Prof. der Hygiene 
in Hallo 2.8. in Berlin. in Berlin. 


XVI. Jahrgang. Berlin, 1, August 1906. W 15. 


(Aus dem Königl. Hygienischen Institut der Universität Halle a. S. 
Direktor: Geh. Med.-Rat Prof. Dr. C. Fraenkel.) 


Kleinere Beiträge zur Erklärung der Heufieber- Entstehung. 
Von 


Dr. H. Liefmann, 
I. Assistenten. 


Es möchte heutzutage Manchem fast überflüssig erscheinen, zur Erklärung 
der Entstehung des Heufiebers noch weiteres Material zu sammeln. 

Für den mit der Literatur der letzten Jahre vertrauten kann es kaum 
einem Zweifel unterliegen, dass wir — vornehmlich durch die Arbeiten Dun- 
bars — über das Heufieber, bezüglich seiner Aetiologie, im wesentlichen 
im Klaren sind. 

Aber diese Sicherheit unserer Kenntnisse ist noch nicht überallhin vor- 
gedrungen. Es ist keine Frage, dass eine erhebliche Anzahl der Praktiker, 
— und in nicht minderem Masse die Heufieberpa@genten selbst — sich 
den Beobachtungen der letzten Jahre noch ablehnend gegenüberstellen oder 
an alten und widerlegten Anschauungen wenigstens z. T. noch zäh festhalten. 

Es ist das im Grunde auch nicht so verwunderlich. Der Heufieberpatient 
urteilt vom Standpunkt seiner momentanen Empfindung aus. In dem 
Augenblicke, wo er einen Anfall seines Leidens spürt, sieht er sich nach einer 
äusseren Ursache für seine Beschwerden um und beschuldigt irgend eine 
auffällige Erscheinung in seiner Umgebung als Anlass seiner Leiden. So 
sieht er bald im grellen Sonnenschein, bald im Staub, bald im Duft irgend 
einer Pflanze die wahre Ursache des Heufiebers. Und mit diesen Beobach- 
tungen kommt er dann zum Arzt, der aus den anamnestischen Angaben seiner 
Patienten sich dann nur zu leicht ein Bild konstruiert, das, auf einer Menge 
falscher Einzelbeobachtungen fussend, nun selbst den Tatsachen nicht ent- 
sprechen kann. 

Es soll aber nicht unsere Aufgabe sein, die Momente, die die heutige 
Auffassung des Heufiebers als einer Erkrankung durch das Toxin von Pollen 
begründet haben, zusammenzufassen. Wir wollen hier nur 2 Einwände be- 


59 


814 Liefmann, Kleinere Beiträge zur Erklärung der Heufieber-Entstehung. 


sprechen, die neuerdings vielfach gegen die jetzigen Anschauungen ins Feld 
geführt worden sind. 

Das erste Bedenken, das man öfters äussern hört, betrifft die zeitlichen 
Verhältnisse der Erkrankung. Es ist bekannt, dass das Heufieber in Nord- 
deutschland gewöhnlich Ende Mai beginnt, und es zeigt sich dabei im allge- 
meinen eine deutliche Uebereinstimmung zwischen dem Beginn der 
Krankheit und der Gräserblüte, die gerade zur gleichen Zeit einsetzt. 
Aber nicht selten hört man von Patienten, die sich genau beobachten, dass 
sie gelegentlich schon vor Beginn der eigentlichen „Saison“ echte Heu- 
fiebersymptome, wenn auch nur leichten Grades, gehabt haben. Man bezeichnet 
diese Patienten als Vorläufer, und ihre Beschwerden werden von ihnen mit 
Entschiedenheit gegen die Pollentheorie ins Feld geführt. 

Aber nicht mit Recht! Denn es hat sich gezeigt, dass, so wie es Vor- 
läufer unter den Kranken gibt, genau ebenso gewisse Gräserarten in ihrer 
Blüte der Hauptzahl der Gräser vorangehen und z. T. schon erheblich 
früher zur Blüte gelangen. War bei der bekannten Giftigkeit aller Gräser- 
pollen für die Heufieberpatienten damit die Ursache ihrer frühen Beschwerden 
schon so gut wie aufgedeckt, so habe ich — um die Kette des Beweises ganz 
zu schliessen — es auch versucht, lange vor dem eigentlichen Beginn 
der Heufieberzeit die Pollen auch in der Luft nachzuweisen. Und es 
ist mir gelungen, bereits Ende April in Süddeutschland in der Luft Gramineen- 
pollen — allerdings sehr vereinzelt zu finden. 

Damit ist dieser Einwand, der gerne der Pollentheorie entgegen gehalten 
wurde, nicht nur widerlegt, sondern im Gegenteil zu einer neuen und starken 
Stütze dieser Theorie geworden dadurch, dass auch beim anormalen Auf- 
treten von Heufiebersymptomen Pollen als die Ursache nachgewiesen werden 
konnten. 

Was für die Vorläufer gilt, trifft in gleicher Weise auch für jene Patienten 
zu, die nach Beendigung der eigentlichen Heufieberzeit hin und wieder noch 
typische Anfälle duregzumachen haben. Diese Nachzügler sind bei weitem 
zahlreicher als die Vorläufer. Nun wird ein Teil, aber wohl nur ein kleiner, 
dieser späten Symptome darauf zurückzuführen ‚sein, dass alte Pollen, 
die ihre toxischen Eigenschaften ja lange bewahren können, durch irgend 
welche Umstände aufgewirbelt auf die Schleimhäute empfindlicher Personen 
gelangten. Zum grösseren Teil aber muss man diese Beschwerden auf Nach- 
zügler unter den Pflanzen zurückführen, d. h. auf solche Gräser, die erst sehr 
spät zur Blüte gelangt sind. Tatsächlich ist es gar nicht schwer, bis in den 
August hinein Gräserpollen in der Luft nachzuweisen, auch ohne dass, was 
auch vorkommt, eine zweite Blüte der Gräser auftritt. Auch hier zeigt 
sich eine feine Üebereinstimmung zwischen den Befunden in der Luft und 
den Angaben der Kranken. Während die Vorläufer relativ selten sind, weil 
eben wenig Pollen sich in der Luft befinden und deshalb nur die empfind- 
lichsten Personen durch sie leiden, sind die Nachzügler recht zablreich, weil 
auch die Anzahl der Pollen keine so geringe ist. 

Früher galt als einer der wichtigsten Einwände gegen die Pollentheorie 
die Tatsache, dass es nicht gelang, in der Luft, wie auch im Nasensekret 


Wasser. 815 


einigermassen reichliche Mengen von Pollen aufzufinden. Seitdem frei- 
lich Dunbar gezeigt hatte, dass schon äusserst winzige Spuren des 
Pollentoxins imstande sind, bei Empfindlichen Heufieberaunfälle auszulösen, und 
man annehmen muss, dass unter Umständen bereits ein Pollenkorn zu einem 
Anfall genügen kann, steht man dieser Tatsache doch anders gegenüber. Aber 
die nicht selten sehr schlimmen Beschwerden der Patienten legten doch den 
Gedanken nahe, dass zu Zeiten die Möglichkeit, grosse Giftmengen aufzu- 
nehmen, vorhanden sein muss. 

In der Tat haben auch schon der um die Pollentheorie sehr verdiente 
engliche Homöopath Blackley, sowie der vorzügliche Kenner der in der 
Luft vorkommenden Lebewesen, Miquel, sehr erhebliche Mengen Pollen in der 
Luft nachweisen können. Das gleiche Resultat haben Untersuchungen im 
Hamburger Hygienischen Institut gehabt. Die dortigen Befunde werden noch 
etwas übertroffen von einem Resultat, das ich letztes Jahr im Umkreis der 
Stadt Halle gewann. Bei einem Spaziergang am Rande eines grossen blü- 
henden Getreidefeldes, das, ziemlich von Häusern umgeben, noch im Innern 
der Stadtgrenzen liegt, atmete ich innerhalb 12 Minuten annähernd 500 
Pollen ein. Ich bediente mich zum Auffangen derselben eines „Aöroskops“, 
das alle Staubteilchen der Luft — unter ihnen also auch die Pollen — auf einer 
kleinen Glastafel fixiert, und das etwa wie eine grosse Tabakspfeife im Munde 
getragen wird. Die Luft war also nach meinem Befunde damals so mit 
Pollen erfüllt, dass man mit jedem Atemzuge 2 oder 3 Pollen aspirierte. 
Wenn man sich der kumulierenden Wirkung des Pollengiftes erinnert, wird 
es leicht sein, sich ein Bild zu machen von den Beschwerden, die ein em- 
pfindlicher Patient dort verspürt haben müsste. 

Man kann also sagen, das zeitliche Auftreten wie auch die Intensität 
der Beschwerden, die die Kranken verspüren, steht mit der Pollen- 
theorie des Heufiebers in bester Uebereinstimmung. 


Dienert F., Des méthodes employées pour surveiller les eaux desti- 
nées a l'alimentation et de l'interprétation à donner aux résul- 
tats obtenus. Ann. de Il’Inst. Pasteur. 1905. No. 9. p. 541. 

Die Bedeutung des Wassers für die Verschleppung gewisser Krank- 
heiten wird allgemein anerkannt, und es ist notwendig, diese Verschleppung 
zu verhindern. Die Erfahrungen führen zur Annahme, dass zur Entstehung 
einer Epidemie das Vorhandensein von virulenten, jungen Keimen, welche 
frisch vom Menschen stammen, erforderlich ist, und die Aufgabe richtet sich 
namentlich dahin, dass ein rasches Gelangen von pathogenen Keimen in das 
Trinkwasser verhütet werde. Nach diesen Grundsätzen hat der Seine-Präfekt 
auf Anraten von Duclaux die Beaufsichtigung der Pariser Quellen angeordnet. 
Vor allem muss der Umfang des Quellengebietes bestimmt und ein Auskunft- 
dienst auf diesem Gebiet eingeführt werden, um alle verdächtigen Krankheits- 
fälle möglichst frühzeitig zu erkennen. Da gewisse Erkrankungen trotzdem über- 

597 


816 Wasser. 


sehen werden, ist aber noch eine stete Beaufsichtigung des Wassers erforderlich. 
Der Zutritt des Regenwassers erfolgt nicht in der trockenen Jahreszeit, sondern 
bei andauernder feuchter Witterung, besonders im Winter. Die Feststellung 
eines raschen Zutrittes von Oberflächenwasser zur Quelle ist sehr erwünscht. 
Zu diesem Zwecke empfiehlt Verf. die Prüfung der elektrischen Leit- 
fähigkeit. Im allgemeinen erhöht der rasche Zutritt von Regenwasser im 
Winter den elektrischen Widerstand. Ebenfalls kann der Zutritt von Wasser 
einer andern Quelle einen Einfluss auf die elektrische Leitfähigkeit ausüben. 
Kurzdauernde Schwankungen können zufällig auftreten, wenn z. B. ein Stein 
in das Wasser gelangt. Die Schwankungen, welche durch Regenwasser bedingt 
sind, dauern länger. Es sind viele Untersuchungen notwendig, um die elek- 
trische Leitfähigkeit der einzelnen Quellgebiete kennen zu lernen. Immerhin 
wird diese Methode empfohlen, nicht als sicher ausschlaggebend, sondern nur 
zur Information. Für die eigentliche Feststellung der Verunreinigung empfiehlt 
Verf. namentlich die quantitative Untersuchung auf Bact. coli. Die 
Prüfung wird mit verschieden grossen Mengen Wasser vorgenommen und zwar 
mit 0,5—25 ccm. Die beschickten Bouillonkölbchen kommen in den Brut- 
schrank bei 42°C. Die Zahl der Colibacillen in den einzelnen Quellen ist ver- 
schieden. Eine technische Beaufsichtigung ist neben der ärztlichen empfehlens- 
wert. Silberschmidt (Zürich). 


Rodella, Antonio, Neue Ergebnisse auf dem Gebiete der bakteriolo- 
gischen Wasseruntersuchung. Centralbl. f. Bakteriol. Abt. 2. Bd. 14. 
S. 508. 

Schon lange und auch noch gegenwärtig streiten Bakteriologen und 
Chemiker darüber, ob die Untersuchungen der einen oder der anderen über 
die Brauchbarkeit eines Wassers besseren Aufschluss zu geben vermögen. 

Nur kurz berührt Verf. die Grundsätze für die Beurteilung der Trinkwässer 
und hebt besonders die folgenden Gesichtspunkte aus dem schönen Lehr- 
buche von F. Abba (Manuale tecnico di microscopia e batteriologia applicate 
all’ igiene. 2. edizione. Torino 1902. C. Claussen) hervor, indem Verf. selbst 
allerdings mit einigen Angaben nicht übereinstimmt. Nach Abba muss die 
Basis für die Beurteilung des Trinkwassers folgendes bilden: 

1. Die Beziehung zwischen den Gelatine verflüssigenden und nicht 
verflüssigenden Bakterienkolonien; 2. die Variabilität der Bak- 
terienarten; 3. das Verhältnis zwischen den Farbstoff bildenden und 
nicht bildenden Bakterien; 4. das Verhältnis zwischen den Hyphomyceten, 
Blastomyceten und Schizomyceten; 5. das Vorhandensein von Bacillen, 
Kokken und Spirillen; 6. komplexives Studium der Anadrobienarten; 7. die 
Identificierung der einzeluen Bakterien; 8. der Befund von pathogenen 
Bakterien. Auf die einzelnen Einwände gegen die vorstehenden Grundsätze 
will Verf. vorläufig nicht weiter eingehen, ebensowenig auf die Brauchbarkeit 
der einzelnen Forderungen; nur bezüglich der wichtigen Gruppe der ana@roben 
Organismen äussert er sich näher und hebt hervor, wie selten und in wie 
geringer Anzahl bisher solche Organismen (von pathogenem und nicht patho- 
genem Charakter) in Wässern aufgefunden wurden, wie aber unter Umständen 


Wasser. 817 


(bei Anwendung von geeigneteren Kulturverfahren) neben mancherlei weniger 
oder nicht schädlichen anaöroben Mikrobien sich die bekannten und auch 
andere, unbekannte pathogene Anaörobien mittels eines näher erörterten 
Verfahrens sich sehr viel öfters im Wasser werden feststellen lassen, als es 
bisher möglich gewesen ist; und dies dürfte immer mehr zu Gunsten der vom 
Verf. schon vor einigen Jahren aufgestellten These sprechen, dass die krank- 
heitserregenden Bakterien für Darmkrankheiten nicht ausschliesslich in der 
sogenannten Coligruppe und unter den aörob wachsenden Organismen zu 
suchen sind. Etwas ausführlicher äussert sich Verf. auch über den früheren 
Nachweis einiger anaöroben Bakterien, wie des Tetanusbacillus (Nicolaier) 
und des Bac. septicus (Pasteur). Nach der Methode des Verf.’s wird nicht 
nur die Auffindung der pathogenen Anaörobienarten wesentlich erleichtert, 
sondern es ist mit dieser Methode der Wasseruntersuchung zugleich der Vor- 
teil verbunden, dass sich durch dieselbe auch die nicht pathogenen Arten 
ermitteln und zum Studium heranziehen lassen, was natürlich von nicht zu 
unterschätzender Bedeutung ist. Für das Zustandekommen infektiöser Darm- 
krankheiten und für deren Erklärung ist nach dem Verf. sicherlich die von 
französischer Seite gemachte Angabe recht wichtig, dass für das Auftreten 
einer Typhusinfektion die Verletzung der Darmschleimhaut notwendig sei, 
und dass dieselbe fast regelmässig von Trichocephalus dispar bedingt 
wird. Die vorstehende Annahme findet auch durch die bisherigen im städti- 
schen bakteriologischen Laboratorium von Padua (durch den Verf.) daraufhin 
untersuchten Typhusfälle ihre Bestätigung. Heinze (Halle a. S.). 


de Gage M., and Adams 6. 0., Studies of media for the quantitative 
estimation of bacteria in water and sewage. Journ. of infectious 
diseases. Vol. 1. No. 2. p. 348. 

Verff. berichten über die zar Untersuchung der Bakterien im Wasser 
geeignetsten Nährböden. Sie sahen höhere Keimzahlen in Gelatine als in 
Agar. Der Zusatz von Glycerin war schädlich, und ebenso hemmten die im 
käuflichen Agar enthaltenen Salze, die durch Auswaschen entfernt werden 
können. Am besten wuchsen die Wasserkeime in einem Substrat, das mit dem 
gleichen Wasser zubereitet war, in dem die Keime sich vorgefunden hatten. 

Liefmann (Halle a. S.). 


Johnson, George, A., Isolation of bacillus coli communis from the 
alimentary tract of fish and the singnificance thereof. Journ. of 
infectious diseases. Vol. 1. No. 2. p. 358. 

Verf. bespricht die Möglichkeit, dass Fische das Bact. coli commune 
beherbergen und so aus verunreinigtem in reines Wasser übertragen. Nach 
Whipples Untersuchungen ist der Colibacillus kein normaler Bewohner 
der Fische in reinem Wasser. Hingegen enthielten von 67 Fischen aus dem 
Illinois-Fluss und dem Mississippi 47 diesen Keim. 

Liefmann (Halle a. S.). 


60 


818 Wasser. 


Stokes W. R, A simple test for the routine detection of the colon 
bacillus in drinking water. Journ. of infectious diseases. Vol. 1. 
No. 2. p. 341. 

Ein einfaches Verfahren zur Auffindung des Bact. coli im 
Trinkwasser schlägt W. R. Stokes vor. Er glaubt, dass die Vereinigung 
dreier Eigenschaften das Bact. coli charakterisiert, nämlich: 1. die 
Bildung von 30—50°/, Gas, 2. die Zusammensetzung dieses Gases aus 1 Teil 
Kohlensäure und 2 Teilen Wasserstoff und 3. eine gelbe Farbe in dem ge- 
schlossenen Rohr eines Gärungskölbchens im Gegensatz zu einer roten im 
offenen Schenkel; alle 3 Befunde bei einer Züchtung der Keime in Laktose- 
bouillon mit einem Zusatz von 0,1 g Neutralrot pro Liter. 

Liefmann (Halle a. S.). 


Schütz, Gustav, Der Reinlichkeitszustand künstlicher und natür- 
licher Mineralwässer. Inaug.-Diss. Erlangen 1904. 

Verf. untersuchte eine grosse Zahl künstlicher und natürlicher 
Mineralwässer namentlich in Bezug auf Zahl und Art der in ihnen vor- 
handenen Bakterien. Als geeignetster Nährboden erwies sich zu diesem 
Zwecke ein Gelatineagargemisch. Die Zählung der Keime erfolgte mit Hilfe 
des Mikroskopes. Verf. untersuchte auf diese Weise 85 Flaschen künstliches 
Selterwasser und 15 Limonaden. Die Keimzahl betrug in den günstigsten 
Fällen in 1 cem noch nicht 50, die höchste dagegen fast 500000. Nur ein 
Wasser erwies sich als keimfrei. Fast die Hälfte aller untersuchten Wässer 
enthielt in 1 ccm zwischen 1000 und 10000 Keimen. Die Zahl der Bakterien- 
arten war dagegen gering, in der Regel waren nur 1—2 Arten vorhanden. 
Die hohe Zahl der Keime rührt nach Verf. meist von unreinen Misch- 
gefässen und von ungenügend gereinigten Flaschen her. Durch eigene Ver- 
suche konnte Verf. in der Tat nachweisen, dass durch intensivere, d. b. öftere 
Spülung die Keimzahl des Selterwassers verringert wurde. Bacterium coli 
wurde niemals in dem Selterwasser nachgewiesen. Auch künstlich zugesetzte 
Oolibacillen verschwanden nach 10 Tagen aus dem Wasser. Die Abtötung 
derselben ist nach Ansicht des Verf.'s wahrscheinlich auch dem in den 
Flaschen vorhandenen Druck, im Verein mit der Kohlensäure zuzuschreiben. 
Von natürlichen Mineralwässern untersuchte Verf. 57 Flaschen. 50 davon 
enthielten über 1000 Keime in I cem. Die Ursache der hohen Keimzahl der 
natürlichen Mineral r liegt in der Verwendung der schwerer zu reini- 
genden Krüge, in dem Verschluss der Flaschen durch Kork, in der oft 
alkalischen Reaktion der Wässer und dem geringen Gehalt an freier 
Kohlensäure. Dementsprechend hat eine Abhülfe dieser Missstände zu erfolgen. 
Ferner muss die Fassung der Quellen einer wiederholten Kontrolle unter- 
worfen werden; die Füllung der Flaschen ist an der Quelle selbst vor- 
zunehmen; eine Berührung des Wassers mit den Händen der Arbeiter ist 
unmöglich zu machen, und die Flaschen müssen in gehöriger Weise gereinigt 
und gespült werden, am besten mit heissem Wasser, Verf. isolierte aus 
sämtlichen natürlichen und künstlichen Wässern 59 Bakterienarten, darunter 
2 Mikrokokken, 1 Sareine, 46 Stäbchen, 1 sporentragenden Bacillus, 7 Hefe- 


Immunität. Schutzimpfung. 819 


arten, 1 Streptothrix und 1 Oidium. Bei vielen dieser Bakterien gelang es 
nicht, sie nach den in der Literatur vorhandenen Beschreibungen und Tabellen 
genauer zu bestimmen. Baumann (Metz). 


Brezina E., Zur Frage der Bildungsstätte der Antikörper. Aus d. 
hygien. Institut d. Univers. Wien. Wien. klin. Wochenschr. 1905. No. 35. 
S. 905. 

Durch eine Anzahl von Untersuchungen der letzten Jahre ist es wahr- 
scheinlich gemacht, dass die Organe des hämopoätischen Systems bei der 
Antikörperbildung eine wichtige Rolle spielen. Verf. suchte festzustellen, 
ob eine specifische Reizung oder Schädigung dieser Organe auf die Antikörper- 
bildung von irgend einem erkennbaren Einfluss sei. Metschnikoff und 
Besredka hatten gezeigt, dass es möglich sei, auf specifische Weise die 
Tätigkeit der hämopoätischen Organe zu steigern, da sie beobachteten, dass 
Patienten, die kleine Dosen von Serum (gewonnen von Ziegen, die wiederholt 
mit Menschenblut behandelt worden waren) injiciert bekommen hatten, eine 
Zunahme von Erythrocyten und Hämoglobin aufwiesen. An diese Beobachtung 
der beiden Autoren knüpfen die Experimente Brezinas an; er behandelte 
Enten und Hühner mit Milz-, Knochenmarkbrei, bezw. Erythrocyten von Meer- 
schweinchen und gewann so specifische Sera. Eine Anzahl von Meerschweinchen 
wurde nur mit diesen Seren, andere Meerschweinchen parallel mit normalen 
Seren behandelt, und bei allen Tieren zugleich mit Normaltieren wurde die 
Fähigkeit geprüft 

1. auf eine Injektion von Bakterien Agglutinin, 

2. auf eine Injektion von Harn Hämolysin zu bilden. 

Aus den Versuchsresultaten ergibt sich, dass bei den mit specifischem 
(Knochenmark und Milz) Serum vorbehandelten Meerschweinchen meist eine 
Herabsetzung der Fähigkeit, Agglutinine zu bilden, zu beobachten war. In 
einem Falle hingegen zeigte ein derart behandeltes Tier eine merkbare Steige- 
rung der Produktionsfähigkeit. Es zeigt sich demnach in der Tat eine 
specifische Beeinflussung, deren Gesetzmässigkeiten der Verf. durch weitere 
Versuche eruieren will. Grassberger (Wien). 


Prettner (Tierarzt in Prag), Die Bildung von Schutzstoffen im Foetal- 
leben. Zeitschr. f. Infektionskrankh., paras. Krankh. u. Hyg. d. Haustiere. 
Bd. 1. S. 45. 

Gelegentlich der Immunisierung gegen Rotlauf der Schweine prüfte Pr. 
die Entstehung der fötalen Immunität. Er suchte festzustellen, ob die von 
immunisierten Muttertieren stammenden Jungen in ihrem Blute Schutzstoffe 
baben und in welcher Menge, und ob dieselben in den kindlichen Organismus 
schon fertig von der Mutter her gelangen (passive Immunität), oder ob sie 
von den Zellen des Fötus gebildet werden (aktive Immunität). 

Die Versuche wurden an Kälbern ausgeführt, die von Kühen abstammten, 
deren Serum gegenüber dem Rotlaufbaeillus sich experimentell als hochwertig 

60* 


820 Immunität. Schutzimpfung. 


erwies. Hierbei zeigte es sich, dass das Blut der immunisierten Kühe und der 
von diesen geborenen Kälber ungefähr den gleichen Schutzwert für Mäuse 
hatte. Titer des Serums = 0,05— 0,1 (gegenüber 0,1 Kultur). Auch in dem 
Falle, in welchem die Immunisierung des Muttertieres bei bereits vorge- 
schrittener Trächtigkeit vorgenommen wurde, ergab sich eine Gleichwertigkeit 
des Serums bei der Mutter und bei dem Kalbe. Die Zeit von etwa 6 bis 
7 Wochen, welche in letzterem Versuche zwischen Beginn der Immunisierung 
und Geburt des Kalbes lag, und die überhaupt notwendig ist, um im Blute 
Schutzstoffe gegen Rotlauf in nennenswerter Menge zu erzeugen, war auch 
genügend, um im Fötus die Bildung von gleichwertigen Schutzstoffen zu be- 
wirken. 

Nach Verlauf von 6 Wochen zeigte das Blut der Versuchskälber, die von 
nichtimmunisierten Kühen gesäugt wurden, eine merkliche Abnahme des Schutz- 
wertes (von 0,06 bezw. 0,1 auf 0,3), jedoch genügte eine zweimalige intra- 
venöse Injektion von 200 bezw. 300 ccm Bouillonkultur des B. erysip. suis 
zur Wiederherstellung des früheren Schutzwertes, während die gleiche Menge 
Kultur bei einem normalen Kalbe keine Schutzkraft des Blutes zur Folge hatte. 

Pr. schliesst aus diesen Versuchsergebnissen, dass bei der 
aktiven Immunisierung einer trächtigen Kuh gegen Schweinerot- 
lauf auch der Fötus immunisiert wird, d. h. die Fähigkeit erlangt, 
selbständig Schutzstoffe zu producieren, ohne auf den Zufluss derselben durch 
das mütterliche Blut angewiesen zu sein. Das ist aber nur dann möglich, wenn 
lebende Rotlaufbacillen von der Mutter auf den Fötus übergehen, die Placenta 
durchwachsen können. Den Beweis hierfür hat Pr. durch Impfung von zwei 
trächtigen Mäusen mit Rotlaufbacillen erbracht. Nach dem Tode der Mäuse 
konnte er im Herzblut und in der Leber sämtlicher Embryonen (10 Stück), 
die unter den nötigen aseptischen Kautelen eröffnet wurden, kulturell und 
durch Impfung Rotlaufbacillen nachweisen. 

Die weitere Schlussfolgerung Prettners „dass seine Experimente den 

` Uebergang der Bakterien in den Fötusorganismus beweisen, und dass somit aller 
Grund vorhanden ist, den Schutzwert des Serums eines neugeborenen Tieres, 
welches von einer immunisierten Mutter stammt, als von einer aktiven Pro- 
duktion der Schutzstoffe im fötalen Organismus herrührend anzusehen,“ dürfte 
in dieser Verallgemeinerung wohl nicht als zu Recht bestehend anzusehen sein, 
da bekanntlich für eine Reihe von Bakterien — und das sind solche, welche 
nicht die Fähigkeit besitzen, die Gewebe zu durchwachsen — die gesunde 
Placenta sich als ein undurchlässiges Filter erwiesen hat. 

Bongert (Berlin). 


Sieber N., Ueber die bakterienfeindlichen Stoffe des Blutfibrins. 
Aus dem chem. Laboratorium des Instituts für experimentelle Medizin zu 
St. Petersburg. Centralbl. f. Bakt. Abt. I. Orig. Bd. 38. S. 571. 

Zur Untersuchung des Fibrins auf bakterienfeindliche Stoffe wurde 
dieses zunächst von Serum befreit und dann mit chloroformhaltigem Wasser 
extrahiert. Die Wirkung auf Bakterien ist verschieden: Staphylokokken wurden 


Immunität. Schutzimpfung. 821 


abgetötet, Tuberkelbacillen u. a. schnell, Friedländer, Vibr. Metschnikoff und 
Bac. pyocyaneus langsam abgeschwächt. Kisskalt (Berlin). 


Hamilton, Alice, The toxid action of scarlatinal and pneumonic sera 
on paramoecia. Journ. of infectious diseases. Vol. 1. No. 1. p. 211. 
Verf. berichtet im Anschluss an Versuche Ledoux-Lebards über die 
giftigeWirkungeiniger tierischen Sera auf Paramaecien und über den Einfluss 
der Seren gesunder und kranker Personen auf die genannten Protozoen. 
Ihr Ergebnis ist, dass menschliches Serum zumeist unschädlich ist, dass es 
hingegen bei Scharlachkranken zu 85°,, und bei Pneumonikern zu 66°, 
schädliche Eigenschaften für Paramaecien gewinnt. Diese Wirkung ist an das 
Vorhandensein zweier Substanzen, einer thermolabilen und einer thermostabilen 
gebunden. Liefmann (Halle a. S.). 


Hektoen L. and Ruediger F. G., The antilytic action of salt solutions 
and other substances. Journ. of infectious diseases. Vol. 1. No. 3. 

Schon in geringen Mengen haben nach den Untersuchungen des Verf.’s 
verschiedene Salze (wie z. B. CaCl,, BaCl,, MgCl, u. s. w.) die Fähigkeit, 
die lytische und baktericide Wirkung vieler Seren zu hemmen. Diese 
Fähigkeit soll auf einer Beeinflussung des Komplements beruhen, weil 

1. eine Ausfällung des hemmenden Salzes die Wirkung des Komplements 
wieder herstellt, 

2. die Verbindung Zelle—Amboceptor in der hemmenden Sodalösung unge- 
stört eintritt, 

3. die benötigten Mengen der Salzlösung dafür sprechen. 

Verf. vermutet, dass solche (und andere) nicht specifische scheinbare Anti- 
komplemente — denn so kann man diese Salze bezeichnen — bei manchen 
Infektionskrankheiten eine Rolle spielen dürften. 

Liefmann (Halle a. S.). 


Bruce, Low R., State animal vaccine establishments of Germany. 
Report to the local government board on glycerinated calf-vaccine-Iymph. 
London 1905. Darling & Son. 

Im Mai und Juni 1905 hat Bruce im Auftrage der Regierung die 
staatlichen Impfgewinnungsanstalten des Kontinents bereist und 14 von den 
in Deutschland vorhandenen 22 Anstalten besichtigt. Auf Grund seiner Be- 
obachtungen ist ein sehr lesenswerter, 46 Folioseiten starker, mit den Plänen 
der Anstalten in München und Hamburg versehener Bericht entstanden, der 
auch hinweist auf die ähnlichen Anstalten in Wien, in Neuhaus (Böhmen) 
und Aldershot. Verf. betont immer wieder den grossen Unterschied der vom 
deutschen Impfgesetze wohlgeregelten einheitlich geordneten Impfverhält- 
nisse in Deutschland von dem verzettelten Impfwesen Englands und den 
bei fortwährender Pockengefahr dort ständig nötigen grossen Vorräten an Impf- 
stoff, deren man in Deutschland nur während der Impfsaison bedarf. 

L. Voigt (Hamburg). 


822 Immunität. Schutzimpfung. 


Levaditi C., Sur le mécanisme du ph&nomene de l’action fractionnee 
des toxines (Phenomene de Danysz). Ann. de !’Inst. Pasteur. 1903. 
No. 8. p. 516. 

Verf. hat sich mit der von Arrhenius und Madsen aufgeworfenen Frage 
der Reversibilität der toxo-antitoxischen Reaktion befasst und die zuerst von 
Danysz beobachtete fraktionierte Wirkung der Toxine weitergeprüft. Er hat 
mit Substanzen gearbeitet, welche mit den Toxinen und Antitoxinen vergleich- 
bar sind, wie Solanin und Lecithin, Borsäure, Ammoniak, Trypsin und Serum. 
Das Phänomen der Fraktionierung scheint nur dann möglich, wenn die 
Zusammensetzung der Bestandteile sich derjenigen der Protein-Substanzen 
nähert. Die komplicierte Zusammensetzung des Toxins ist keine conditio sine 
qua non für das Auftreten des Phänomens. Auf Grund seiner Versuche ist 
Verf. der Ansicht, dass das Danyszsche Phänomen von Eigenschaften ab- 
hängig ist, welche gleichzeitig dem Toxin und dem Antitoxin anhaften, und 
dass in gewissen Fällen die zerstörende Wirkung des Toxins auf das Antitoxin 
die einzige Ursache des Phänomens ist. Silberschmidt (Zürich). 


Kraus R., Bemerkungen zu „Beitrag zur Serumbehandlung der Diph- 
therie“ von Dr. S. Schön-Ladniewski, gleichzeitig ein Beitrag 
zur Frage der Haltbarkeit des Diphtherieheilserums. Jahrb. f. 
Kinderheilk. 1905. Bd. 61. H. 5. 

Sch.-L. hatte Fälle von Diphtherie mitgeteilt, in denen trotz Behand- 
lung mit Heilserum der Exitus erfolgt war. Da später gerade die betreffen- 
den Serummarken wegen Verlustes an Antitoxingehalt eingezogen wurden, 
bezog Sch.-L. seine schlechten Erfolge auf eine Minderwertigkeit des Serums. 

K. weist demgegenüber nach, dass die Abnahme des Antitoxingehaltes, 
wie gewöhnlich, so auch bei den von Sch.-L. verwendeten Serumsorten nur 
recht geringfügig war; da sehr grosse Mengen eingespritzt worden sind, so 
kann von einer quantitativ unzureichenden Antitoxinzuführung nicht die Rede 
sein. Worauf die Unwirksamkeit der specifischen Behandlung in den Fällen 
Sch.-L.’s zu beziehen ist, bleibt unaufgeklärt. 

Stoeltzner (Halle a. S.). 


Forssman, Studien über die Antitoxinbildung bei aktiver Immunisi- 
rung gegen Botulismus. Centralbl. f. Bakt. Bd. 38. S. 463. 

Die Tatsache, dass es bei der Immunisierung gegen Diphtherietoxin sehr 
unzweckmässig ist, das Toxin intravenös einzuspritzen, da man so kein 
Antitoxin oder bestenfalls nur sehr wenig im Verhältnis zu der durch eine 
ebenso grosse subkutan injicierte Toxindose hervorgerufenen Menge erhält, 
hat Dzierzgowski so zu erklären versucht, dass das Toxin, das in die Blut- 
bahn hineingelangt, sofort von dem eirkulierenden Antitoxin neutralisiert und 
so zur Antitoxinbildung unwirksam gemacht werden sollte. Forssman hat 
nun durch Versuche, die er mit einer gegen Botulismustoxin immunisierten 
Ziege vornahm, gefunden, dass beim Botulismus auch durch das intravenös 
eingespritzte Toxin eine Antitoxinbildung hervorgerufen wird, 
die jedoch, wie vergleichende Untersuchungen ergaben, erheblich kleiner 


Immunität. Schutzimpfung. 823 


ist, als die nach subkutanen Injektionen. Was hier für den Botulismus 
gefunden, wird wahrscheinlich auch für andere Toxine und Antitoxine zu- 
treffen, und Forssman führt den Unterschied der producierten Antitoxinmengen 
bei intravenöser und subkutaner Injektion darauf zurück, dass wahrscheinlich 
verschiedene Zellgruppen mit verschiedenem Sekretionsvermögen in Wirksam- 
keit treten oder dass wenigstens die Antitoxinbeiträge der Zellen in den 
beiden Fällen verschieden ausgiebig werden. Jacobitz (Karlsruhe). 


Beiträge zur Schutzimpfung gegen Typhus. Bearbeitet in der Medizi- 
nalabteilung des Königl. Preussischen Kriegsministeriums. Veröff. aus dem 
Gebiete des Mil.-San.-Wesens. H. 28. 

Der Frage der Schutzimpfung gegen Typhus trat die Medizinalab- 
teilung näher, als die Bekämpfung des unter der südwestafrikanischen 
Expeditionstruppe verbreiteten Typhus mittels allgemeiner gesundheitlicher 
Massregeln sich als unmöglich erwies. Solange sich die Schutzwirkung durch 
die Erfahrung noch nicht als sicher erwiesen hat, kann nur eine freiwillige 
(fakultative) Impfung zar Anwendung gelangen und zwar unter folgenden Be- 
dingungen: 

1. vollste Zustimmung jedes einzelnen Mannes, 

2. Verwendung eines aus zuverlässigster Quelle stammenden Impfstoffs, 

3. sorgfältige ärztliche Beobachtung der geimpften Mannschaften, 

4. Gewährung der zur Impfschonung erforderlichen dienstfreien Zeit. 

Die im folgenden berichteten, unter Kolles Leitung von Hetsch 
und Kutscher ausgeführten Untersuchungen im Institut für Infektionskrank- 
heiten führten zu dem Ergebnis, dass nunmehr die Verantwortung für die 
Ungefährlichkeit des Verfahrens übernommen werden konnte. Die 
Prüfung der für die natürlichen Infektionsverhältnisse in Südwestafrika erzielten 
praktischen Impferfolge kann uaturgemäss erst im Laufe vieler Monate an der 
Hand der jetzt über die Geimpften angelegten Listen erfolgen. 


I. Hetsch und Kutscher, Ueber die wissenschaftlichen und experimen- 
tellen Grundlagen der Schutzimpfung gegen Typhus. 

Zur Prüfung der 5 bekannten Schutzimpfungsverfahren gegen Typhus 
wurden je eine Anzahl Personen immunisiert. Das eine Verfahren, von 
Pfeiffer und Kolle angegeben, besteht darin, dass 1 Normalüse = 2 mg ab- 
getöteter Typhus-Agarkultur, in Kochsalzlösung aufgeschwemmt, unter die 
Haut gespritzt wird. Zur 2. und 3. Injektion werden 2 bezw. 3 Oesen 
Typhuskultur verwandt. Bassenge und Rimpau änderten dies Verfahren 
dahin ab, dass sie kleinere Dosen nehmen und zwar 1/30, 1/15 und 1/5 Oese. 
Wright benutzt statt der Agarkultur Bouillonkulturen. Shiga und Neisser 
verwenden keine Typhusbacillen selbst, sondern das durch Autolyse und 
Filtration aus abgetöteten Typhuskulturen gewonnene Filtrat („freie Recep- 
toren“). Wassermann trocknet dieses keimfreie Filtrat im Vakuum zu Pulver, 
das dann in Kochsalzlösung gelöst eingespritzt wird. Das Serum der geimpf- 
ten Personen wurde zur geeigneten Zeit auf den baktericiden Wert mit 
Hilfe des Pfeifferschen Versuchs, und auf agglutinierende Fähigkeit 


824 Immunität. Schutzimpfung. 


geprüft. Hierbei ergab sich, dass in der Tat bei allen Verfahren eine speci- 
fische Blutveränderung stattgefunden hatse, jedoch wurde durch die Pfeiffer- 
Kollesche Methode die höchste Schutzkraft des Serums erzielt. Deshalb 
wurde dies Verfahren weiterhin als das anscheinend wirksamste allgemein an- 
gewendet. Als Folge der Injektion der Impfstoffe tritt bei allen 5 Arten der 
Schutzimpfung eine mehr oder weniger starke lokale und allgemeine Reaktion 
ein. Die lokale Reaktion war beim Neisser-Shigaschen Verfahren am 
heftigsten, während die Allgemeinreaktion beim Bassenge -Rimpau- 
schen und Wassermannschen Verfahren kaum bemerkbar war. Irgendwelche 
andauernden Schädigungen durch die Impfungen wurden in keinem 
Falle beobachtet. 


II. Flemming, Ueber Typhusschutzimpfungen bei Menschen, insbe- 
sondere über die dabei gemachten klinischen Beobachtungen. 
Verf. hat bei 91 nach dem Pfeiffer-Kolleschen und 12 nach dem 
Wrightschen Verfahren geimpften Soldaten die danach auftretenden klinischen 
Erscheinungen genauer beobachtet. Das nach der ersten Impfung auftretende 
Fieber betrug im Durchschnitt 38,4%, dauerte durchschnittlich 17 Stunden und 
trat in Bezug auf den Verlauf der Fieberkurve in 4 verschiedenen Typen auf. 
Die durchschnittliche Pulsfrequenz war 100. Häufig wurde über Frost und 
Kopfschmerzen geklagt, einige Male trat Erbrechen und Herpes labialis ein. 
Die örtliche Reaktion bestand in Druckempfindlichkeit, Rötung und 
Schwellung, die manchmal erysipelartig waren, und dauerte im Durchschnitt 
45 Stunden. Bei dem Wrightschen Verfahren (Bouillonkulturen) waren die 
Allgemeinerscheinungen weniger stürmisch, die örtlichen aber ausgedehnter 
und heftiger. Bei der zweiten und dritten Impfung blieben die allge- 
meine und örtliche Reaktion hinter der ersten bezw. zweiten zurück. 


Ill. Musehold und Steudel, Beobachtungen über Typhusschutzimpfun- 
gen auf dem Truppenübungsplatz Munster am 7.—10. Januar 1905. 
Es wurden in drei Tagen 634 Mann nach der Pfeiffer-Kolleschen Methode 
geimpft; eine zweite Impfung mit der 3fachen Dosis der ersten Impfung sollte 
später bei ruhiger Fahrt an Bard oder in Swakopmund erfolgen. Die Impfung 
wird am besten in der Gegend zwischen Schlüsselbein und Brustwarze ausge- 
führt. Nach der Impfung ist Bettruhe anzuordnen, und die geimpften Mann- 
schaften sind 36 Stunden vom Dienst zu befreien. 


IV. Bericht an das Oberkommando der Schutztruppen über Beob- 
achtungen, die während der Seefahrt und in Südwestafrika bei 
der Typhuschutzimpfung mit dem vor November 1904 herge- 
stellten Impfstoff gemacht sind. 

1. Morgenroth, Bericht über Impfungen auf dem Transportdampfer 
„Eleonore Woermann“. 

Während der Seefahrt unterzogen sich 11 Offiziere und Sanitätsoffiziere 
freiwillig der Schutzimpfung, die von der oben erwähnten lokalen und allge- 
meinen Reaktion begleitet war. 


Immunität. Schutzimpfung. 825 


2. Erhardt, Bericht über Schutzimpfungen auf dem Transportdampfer 
„Gertrud Woermann“ und in Swakopmund. 

Verf. führte bei 42 Mann die Schutzimpfung gegen Typhns aus, und zwar 
mit 2 maligen Injektionen. Bei einer Person, die früher an Typhus gelitten 
hatte, trat nach beiden Impfungen keine Reaktion auf. _ 

3. Eggert und Kuhn, Bericht über Typhusimpfungen in Karibib. 

Die Verff. hatten die Absicht, womöglich die ganze Bevölkerung von 
Karibib zu impfen, weisse wie farbige, um die herrschende Typhusepidemie 
zum Erlöschen zu bringen. Von den rund 1000 Einwohnern Karibibs sind 
bis jetzt 545 geimpft. Leute, die früher Typhus überstanden hatten, rea- 
gierten gar nicht, Typhusrekonvalescenten nur in geringem Masse. Da 
keine Schädigungen durch die Impfung auftreten, regen Verf. eine Durch- 
impfung sämtlicher Truppen, Weissen und Eingeboren an. 

Baumann (Metz). 


Wassermann A. und Citron J., Ueber die Bildungsstätten der Typhus- 
immunkörper. Ein Beitrag zur Frage der lokalen Immunität 
der Gewebe. Aus d. Institut f. Infektionskrankh. in Berlin. Zeitschr. f. 
Hyg. Bd. 50. S. 331. 

In früheren Versuchen hatte Wassermann (vergl. diese Zeitschr. 1903. 
S. 396) das Knochenmark. die Milz und die Lymphdrüsen als haupt- 
sächlichste Erzeugungsstelle für die Antikörper bei Typhus er- 
mittelt, und Pfeiffer und Marx hatten das gleiche Ergebnis bei 
Cholera gehabt (vergl. diese Zeitschr. 1898. S. 502). Mit der fortschreiten- 
den Einsicht in die feineren Vorgänge bei der Immunität erschien es indessen 
neuerdings doch wieder zweifelhaft, ob die Antikörperbildung an bestimmte 
Organe gebunden ist, oder ob sie sich überall dort im Körper vollzieht, 
wo Zellen mit bindenden Eigenschaften vorhanden sind. Bei den 
früberen Versuchen mit Einspritzungen unter die Haut oder in die Blutadern 
war der blutbereitende Apparat zuerst mit den immunisierenden Stoffen in 
Berührung gekommen, und die Verff. legten sich nun die Frage vor, ob andere 
Körperflüssigkeiten z. B. diejenigen des Brustfells und Bauchfells die 
Antikörperbildung ebenfalls selbständig übernehmen würden, 
wenn sie mit den lebenden Typhusbacillen in unmittelbare Berührung 
gebracht würden. Versuche, die sie hierüber bei Kaninchen anstellten, 
bewiesen in der Tat, dass dies der Fall ist. 

Auch darüber, ob den Bindegewebszellen eine gleiche oder ähn- 
liche Wirkung innewohnt, haben die Verff. Versuche angestellt, indem sie 
lebende Typhusbacillen in ein Ohr eines Kaninchens einspritzten, das Ohr zu- 
nächst mit einem Gummischlauch für kurze Zeit abbanden und später ampu- 
tierten. Unter 6 derartigen Versuchen entsprach allerdings nur bei einem 
das Ergebnis der Annahme, dass auch in dem Bindegewebe eine Antikörper- 
bildung stattfinden kann; hier aber war der Befund sehr deutlich. 

Am Schluss machen die Verff. darauf aufmerksam, dass bei Typhus und 
Cholera es praktisch von der grössten Bedeutung wäre, wenn man 
den Geweben der Eingangspforte für die Keime d. h. des Magen- und 

61 


826 Immunität. Schutzimpfung. 


Darmkanals eine örtliche Immunität verleihen könnte, und weisen 
darauf hin, dass bei den sogenannten „Bacillenträgern“ eine derartige 
Unempfänglichkeit des Darmepithels gegenüber den Typhus- und Cholera- 
bacillen zu bestehen scheint. Globig (Berlin). 


Lubomoudrov P., Action des injections salines prophylactigues et 
thérapeutiques sur les cobayes soumis à l’inoculation intra- 
peritoneale de bacille typhique et de vibrion cholerique. Ann. 
de Y’Inst. Pasteur. 1905. No. 9. p. 573. 

Verf. hat Meerschweinchen, welche mit Typhus- und Cholerakultur 
inficiert wurden, zum Teil vor, zum Teil nach der Infektion mit Salzlösungen 
behandelt und gefunden, dass namentlich intraperitoneale Injektionen von Salz- 
lösungen eine Leukocytose und Phagocytose hervorrufen, welche die Wider- 
standsfähigkeit erhöhen. Die prophylaktischen Impfungen bedingten eine 
Widerstandsfähigkeit gegen die zwei- bis dreifach tödliche Dosis. 

Silberschmidt (Zürich). 


Porcile V., Beitrag zur differential-diagnostischen Unterscheidung 
der Typhus- und typhusähnlichen Bakterien mit Hülfe der 
Agglutination. Aus dem hygien. Institut der Univers. Halle-Wittenberg. 
Zeitschr. f. Hyg. Bd. 50. S. 215. 

Wie aus der Uebersicht über die umfangreiche Literatur hervorgeht, sind 
die Meinungen über die Specifität der Sera von Typhus-, Paratyphus- und Coli- 
bacillen nichts weniger als geklärt. Der Verf. hat deshalb diese Frage seiner- 
seits in Angriff genommen und vergleichende Versuche mit 7 Typhusstämmen, 
5 Paratyphusstämmen, 4 verschiedenen Bact. Coli-Arten, dem Bac. faecalis al- 
caligenes, dem Kruseschen Ruhrbacillus und dem Bac. enteritidis Gaertner 
angestellt. Die Sera gewaun er von Kaninchen, denen er abgetötete Kulturen 
in die Ohrblutader einspritzte: nach 14 Tagen erhielt er auf diese Weise 
regelmässig hochwertiges Serum bei Typhus, bei verschiedenen anderen der ge- 
prüften Bakterienarten aber nicht immer. Selbst wenn das Verfahren wieder- 
holt und hierbei auch zu lebenden Kulturen gegriffen wurde, gelang es 
bei einzelnen Stämmen überhaupt nicht, ein Serum von starker Wirkung 
zu erzeugen. Die Agglutination prüfte der Verf. makroskopisch nach 
20—24 Stunden, weil es leicht und schwer, rasch und langsam agglutinierende 
Typhusstämme gibt und deshalb die Prüfung nach kürzerer Zeit unzuverlässige 
Ergebnisse hat; er fand, dass die makroskopische Prüfung der mikroskopischen 
nicht nachsteht. 

Die untersuchten 7 Typhusstämme, gleichviel welchen Alters und welcher 
Herkunft, wurden stets und in starken Verdünnungen (1:2000—1 : 10000) ` 
durch alle Typhussera agglutiniert. Bei den typhusähnlichen Bacillen 
versagte dagegen die Agglutination durch Typhusserum meist schon in mässigen 
Verdünnungen (1:50—1: 100). Umgekehrt wirkten die mit den typhusähonlichen 
Arten gewonnenen Sera auf Typhusbacillen im allgemeinen garnicht oder nur 
wenig; eine Ausnahme machten aber einige Paratyphusstämme, welche 


Immunität. Sohutzimpfung. 827 


auch Typhuskulturen in ziemlich hohem Grade zu beeinflussen ver- 
mochten. Der Verf. ist der Meinung, dass diese der Specifität anscheinend 
widersprechenden Befunde verschwunden wären, wenn er recht hoch- 
wertige Sera hätte anwenden können, da nach seiner Beobachtung ein 
Steigen der Agglutinationskraft des Typhusserums für Typhusbacillen keines- 
wegs auch eine stärkere Wirkung für die typhusäbnlichen Bakterien zur Folge 
hat. Die Notwendigkeit der Unterscheidung zweier Typen bei den Para- 
typhusstämmen fand der Verf. auch als Ergebnis seiner Versuche bestätigt. 
Den Bac. faecalis alcaligenes, den Kruseschen Ruhrbacillus und den Gärtner- 
schen Bacillus enteritidis spricht er als eigene besondere Arten an. Bei 
den Bact. Coli-Arten fand er die Agglutinationswirkung des Serums in der 
Regel nur auf den gleichen Stamm sich erstreckend, aber nicht für die ganze 
Art geltend. Globig (Berlin). 


Stoher A. M., Agglutination of typhoid and paratyphoid bacilli by 
various immune sera. Journ. of infect. diseases. 1904. Vol. 1. 

Verf. schildert eine Reihe von Beobachtungen, die er bei Agglutinations- 
versuchen mit Typhus, Paratyphus und Colibacillen anzustellen Gelegenheit 
fand. Er beobachtete ein Immunserum, das mit einem inagglutinablen Typhus- 
stamm gewonnen war, und das Paratyphusbacillen in höheren Konzen- 
trationen agglutinierte als Typhusstämme. Dann sind von Interesse seine 
Beobachtungen über Mitagglutination, die sich teils auf den Paratyphus- 
A-Stamm, teils auf Paratyphus B, oder auch auf beide erstreckten. Ebenso 
zeigten Paratyphusseren die verschiedensten Formen der Mitagglutination. 
Diese war öfters uicht auf die beiden Paratyphusarten beschränkt, sondern 
bezog sich manchmal auch auf andere Vertreter der Typhus-Coligruppe. 

Liefmann (Halle a.S.). 


Ruediger, E. H., Improved technic of agglutination test in Typhoid 
fever — the use of formalinized cultures. Journ. of. infectious diseases. 
Vol. 1. No. 2. p. 236. R 

Verf. prüfte die zuerst von Pröscher angegebene Methode, bei der Widal- 
schen Reaktion anstatt lebender Bacillen mit Formalin abgetötete zu ver- 
wenden, und kam zu günstigen Ergebnissen. Er erwähnt auch die von Wyatt 

Johnston angegebene Möglichkeit, getrocknetes Blut zu verwenden, d. h. 

4 Tropfen Blut auf einem Objektträger antrocknen zu lassen und sie beim 

Gebrauch mit 2 ccm destillierten Wassers aufzulösen. Die entstandene Ver- 

dünnung soll annähernd 1:10 betragen. Liefmann (Halle a. S.). 


Müller, Cholecystitis und Cholangitis als Ursache von positiver 
Gruber-Widalscher Reaktion bei Ikterus. Zeitschr. f. Heilk. 1905. 
Bd. 26. H. 7. 

Zur Erforschung der oft noch dunklen Aetiologie jener Krankheitsfälle, 
deren auffallendstes Symptom schwerer fieberhafter Ikterus bildet, gibt dieser 
Fall, wo der Zusammenhang zwischen Ikterus und Agglutinationsfähigkeit des 
Blutes aus einer abnormen Lokalisation des durch den Typhusbacillus verur- 

61* 


828 2 Immunität. Schutzimpfung. 


sachten infektiösen Processes sich leicht von selbst erklärt, einen wertvollen 
Beitrag. Eine junge, bisher ganz gesunde Dame erkrankt plötzlich mit Er- 
brechen unter hohem Fieber, 3 Tage später mit Ikterus. Stuhlgang ohne 
Besonderheiten, Roseolen fehlen. Nach länger dauernder Kontinua und späteren 
unregelmässigen Remissionen folgt eine fieberfreie Periode. Pulsfrequenz erhöht, 
keine Dikrotie; Milz anfangs normal, später vergrössert. Im Harn deutlich 
Nukleoalbumin. Die öfters wiederholte Gruber-Widalsche Probe fiel stets 
positiv aus. Erscheinungen, die auf eine Infektion des Darmes mit Typhus- 
bacillen hinwiesen, waren weder klinisch nachweisbar, noch konnten solche 
bei der Obduktion gefunden werden. Verf. lässt die Frage unentschieden, ob 
eine sekundäre Infektion der Gallenwege ohne Hinterlassung irgend welcher 
Residuen im Darm anzunehmen ist, oder ob es sich um eine primäre Infektion 
der Gallenwege gehandelt habe. O. Baumgarten (Halle a. S.). 


Porges, Otto, Ueber die Agglutinabilität der Kapselbakterien. Aus 
d. staatl. serotherapeut. Institut in Wien. Wien. klin. Wochenschr. 1905. 
No. 26. S. 691. 

Die Agglutinationserscheinungen bei Kapselbakterien sind bisher 
nur sehr unvollkommen studiert, da es nicht gelungen ist, specifische Immun- 
sera zu erzielen, die in einigermasseu höheren Verdünnungen wirksam sind. 

Verf. versuchte, einer Vermutung Paltaufs folgend, nach welcher die 
eigentümliche Beschaffenheit der Kapseln die Auflockerung hindert, durch 
Vorbehandlung der Bakterienkulturen diese der Agglutination zugänglich zu 
machen. Es gelang ihm in der Tat, durch Einwirkung von Hitze bei saurer 
Reaktion die Bakterienleiber so zu verändern, dass sie nunmehr durch Immun- 
serum prompt agglutiniett wurden. Da die Methode der Behandlung 
eine sehr einfache ist, verdient die vorliegende interessante Publikation, ab- 
gesehen von dem theoretischen Interesse, volle Beachtung. 

Grassberger (Wien). 


Lincoln, Mary C., Agglutination in the group of fluorescent bacteria. 
Journ. of infectious diseases. Vol. 1. No. 2. p. 268. 

Verf. prüfte die Agglutinationsverhältnisse in der Gruppe des Bac. 
fluorescens mittels dreier von Kaninchen gewonnener Seren, von denen eines 
mit einem Bac. fluor. liquefaciens erhalten war. Die untersuchten 46 Stämme 
waren alle aus Wasser gezüchtet worden. Das Resultat der Verf. ist, dass 
die Agglutination kein sicheres Merkmal zur Unterscheidung der ver- 
schiedenen Stämme abgibt, insbesondere, weil eine ganze Reihe von Stämmen 
von jedem der 3 Sera in gleichem Grade beeinflusst wurde. Dem Agglutina- 
tionsphänomen fehlt hier eine specifische Bedeutung so gut wie vollkommen. 

Liefmann (Halle a. S.). 


Heller, Versuche zur Schutzimpfung gegen Cholera und Choleranu- 
kleoproteid. Gentralbl. f. Bakt. Bd. 39. S. 106. 

Heller gibt eine kurze Mitteilung über ein auf chemischem Wege analog 

dem von Lustig gewonnenen Pestvacein hergestelltes Choleranukleopro- 


Immunität. Schutzimpfung. 829 


teid und rühmt dessen grosse Vorteile als Schutzimpfungsmaterial: Es 
erzeugt ohne besonders starke Reaktion in kürzester Zeit einen hohen Immu- 
nitätsgrad, der monatelang bestehen bleibt und durch Wiederholung der 
Impfung ohne Schwierigkeiten erhalten und erhöht werden kann. Die 
Dosierung ist bequem und genau. Das Material lässt sich in grossen Mengen 
herstellen und in Pulverform lange ohne Einbusse an specifischer Kraft 
konservieren und vorrätig halten. Jacobitz (Karlsruhe). 


Strong, Riehard P., Protective inoculation against asiatic cholera. 
Journ. of infectious diseases. Vol. 2. p. 107—127. 

Die hier veröffentlichten Untersuchungen, die zum Teil im Institut für 
Infektionskrankheiten zu Berlin unter Leitung von Prof. Wassermann, zum 
Teil im Regierungslaboratorium zu Manila ausgeführt worden sind,- beschäf- 
tigen sich mit der Frage nach der erfolgreichen Impfung von Menschen 
gegen die Cholera und sind hier zu vielfach recht lehrreichen Ergebnissen 
gelangt. Der 20 Stunden im Brutschrank gediehene Rasen von Agarplatten 
einer alten, nicht mehr virulenten und einer kurz zuvor in Jaffa isolierten 
Kultur wurde abgekratzt, in steriles Wasser gebracht und hier bis 20 Stunden 
bei 60° aufbewahrt; darauf wurde die Flüssigkeit 2—5 Tage bei 37° gehalten 
und endlich durch eine Reichelkerze filtriert. Mit diesem Material wurde nun 
eine ganze Reihe von Impfungen vorgenommen, zuerst bei Tieren, Kaninchen, 
und zwar sowohl in die Blutbahn wie in das Unterhautszellgewebe, 
und einmal festgestellt, dass die örtlichen, sich unmittelbar an den eben er- 
wähnten Eingriff anschliessenden Erscheinungen verhältnismässig geringfügiger 
Natur blieben, dass aber eine nicht unerheblicbe Immunität gegen eine Infek- 
tion von lebenden Cholerakulturen die Folge war. Auch beim Menschen war 
das Ergebnis im ganzen das gleiche; doch war leider in Manila die Cholera- 
epidemie erloschen, als Verf. sein Verfahren ausgearbeitet hatte, und bis zum 
Augenblick der Veröffentlichung des vorliegenden Aufsatzes hatte sich kein 
neuer Ausbruch ereignet. C. Fraenkel (Halle a.S.). 


Sorgente, Weitere Untersuchungen über den Meningokokkus. Central- 
blatt f. Bakt. Bd. 39. S. 1. 

Die in dieser Veröffentlichung mitgeteilten Untersuchungen des Verf.'s 
richteten sich darauf, festzustellen, ob der aus der Agglutination herge- 
leitete Beweis die Einheit des Weichselbaumschen und des Jaeger- 
Heubnerschen Typus bestätigte oder nicht, und ferner, ob sich mit 
Hilfe der Agglutination ein specifischer Unterschied zwischen 
dem Meningokokkus und anderen nicht aus der cerebrospinalen 
Flüssigkeit stammenden Diplokokken erkennen liesse. 

Das Ergebnis der Untersuchungen ist folgendes: 

1. Es ist der Beweis geführt worden, dass man auch vermittelst der 
Serumagglutinationsprobe nicht dazu gelangt, specifische Verschiedenheiten 
zwischen den Meningokokkustypen Weichselbaum und Jäger-Heubner 
zu konstatieren. Folglich müssen beide als Varietäten einer einzigen 
bakterischen Art betrachtet werden. 


830 Immunität. Schutzimpfung. 


2. Die aus den Meningitisfällen isolierten oder aus der cerebrospinalen 
Flüssigkeit berstammenden Meningokokken haben der Agglutinations- 
erscheinung gegenüber ein Verhalten gezeigt, welches durchaus 
verschieden ist von demjenigen der anderen aus dem mensch- 
lichen Organismus isolierten Diplokokken. 

3. Das Blutserum eines mit meningokokkischer Meningitis be- 
hafteten Individuums agglutinierte bis zur Verdünnung 1:100 den 
aus demselben Individuum isolierten Meningokokkus und bis zur 
Verdünnung 1:50 jeden anderen Meningokokkus, während es den ' 
nicht aus Meningitisfällen isolierten Diplokokken gegenüber völlig 
unwirksam blieb. 

4. Während das Serum eines durch einen gewöhnlichen Diplo- 
kokkus immunisierten Kaninchens denselben bei einer Verdünnung 
1:300 und darüber aufs entschiedenste agglutinierte, übte es auf 
die Meningokokken keine Wirkung aus. 

5. Das antipneumonische Serum Pane erwies sich den Meningo- 
kokken gegenüber wirkungslos; dagegen agglutinierte es den Pneumo- 
kokkus bis zur Verdünnung 1: 1000. Jacobitz (Karlsruhe). 


60sio B., Zur Methodik der Pestvaccinbereitung. Zeitschr. f. Hyg. 
Bd. 50. S. 519. 

Der Verf., welcher seit 1899 mit der Ueberwachung der Herstellung von 
Pestvaccins in dem Laboratorium der italienischen Regierung auf der Insel 
Pianosa beauftragt ist, berichtet, wie er die eigentümlichen Schwierigkeiten 
zu überwinden sucht, die dadurch entstehen, dass der Impfstoff in 
grösseren Mengen in kurzer Zeit hergestellt, vor Verunreinigungen 
durch Bakterienentwickelung freigehalten und ihm die stets gleiche 
Wirksamkeit in bestimmten Gaben bewahrt werden muss. Um recht wirk- 
same d. h. recht junge und recht virulente Pestkulturen zu erhalten, benutzt 
er Glasgefässe mit weitem Boden — Fernbachflaschen —, in welchen 
schwach alkalische Peptonbouillon in dünner Schicht über eine grosse 
Oberfläche sich ausbreitet, und impft diese mit grossen Mengen von Agar- 
kulturen. Auf diese Weise erhält er schon in 3 Tagen eine sehr bakterien- 
reiche Flüssigkeit, von welcher nach den Erfahrungen bei einer kleiner Pest- 
epidemie in Neapel 1901 2—3 cem in ihrer Wirkung einer jungen Agarkultur 
gleichkommen. Durch Serum mit hohem Agglutinationsvermögen wird dann 
die Bakterienmasse niedergeschlagen, von der klaren darüberstehenden 
Flüssigkeit durch deren Abheberung oder im Scheidetrichter getrennt und 
durch Erhitzung auf 65° während 1 Stunde unter möglichster Schonung 
der aktiven Stoffe abgetötet. Um zu prüfen, ob alle Keime abgetötet sind, 
und auch nach der Verteilung in die einzelnen Röhrchen noch zu erkennen, 
ob ihre Sterilität erhalten geblieben ist, benutzt der Verf. einen geringen 
Zusatz von Kalium tellurosum (1:100000—1:200000), welcher be- 
sonders deutlich und schnell bei Hinzufügung von etwas Zucker die Ent- 
wickelung von Keimen durch Bildung schwarzer Wölkchen anzeigt, 
während er in Berührung mit toten Kulturen Monate lang unverändert bleibt. 


Immunität. Schutzimpfung. 831 


Natürlich bedarf es hierbei keines Zusatzes von antiseptischen Stoffen wie z.B. 
des gebräuchlichen von 0,5 v. H. Karbolsäure, wodurch im Gegenteil die 
Wirkung des Tellurits aufgehoben werden würde. Die Menge der Bakterien- 
ernte wird indirekt bestimmt, indem man den abfiltrierten Teil der Flüssigkeit 
von dem Gesamtvolumen in Abzug bringt. Hiernach wird durch entsprechenden 
Zusatz von physiologischer Kochsalzlösung oder Nährbouillon der erforderliche 
Titerstand hergestellt, damit eine Raumeinheit immer dasselbe Gewicht 
von Bakterien enthält. Globig (Berlin). 


Heindl A., Das Heufieber und seine specifische Behandlung mit 
Pollantin. Wien. klin Wochenschr. 1905. No. 23. S. 607. 

Der Autor berichtet über günstige Erfahrungen, die er mit der Anwendung 
des Dunbarschen Pollantins bei Heufieberkranken in Oesterreich machte. 
An der Hand einiger Krankengeschichten zeigt Heindl, wie sehr es bei der 
Behandlung auf eine zweckmässige Anwendung des Serums und auf die Be- 
achtung der übrigen bewährten Vorsichtsmassregeln ankommt. Die Ausführungen 
des Verf.’s bestätigen die Befunde Dunbars. Grassberger (Wien). 


Gosio B., Indikatoren des Bakterienlebens und ihre praktische Be- 
deutung. Zeitschr. f. Hyg. Bd. 51. S. 65. 

Der Verf. geht von der Tatsache aus, dass Fälle der Uebertragung von 
Tetanus durch Heilserum vorgekommen sind, und erklärt es für ein 
dringendes Bedürfnis, ein Mittel zu besitzen, welches eine „automatische 
Kontrolle“ über die Keimfreiheit von Heilserum ausübt und imstande 
ist, auf den ersten Blick zu zeigen, welche Flaschen steril sind und welche 
nicht. Die vielfach gebräuchliche Hinzufügung von antiseptischen Mitteln 
zu Serum und zu Vaccins, die aus abgetöteten Bakterien bestehen, hält er 
für sehr unsicher, weil sie in den angewendeten Verdünnungen zwar Fäulnis 
verhütend, aber auf etwa vorhandere Keime nicht abtötend, nicht einmal 
immer entwicklungshemmend wirken. Auch durch Erhitzung wird nicht viel 
erreicht, da gewisse verhältnismässig niedrige Wärmegrade nicht überschritten 
werden dürfen, ohne dass Trübung des Serums eintritt, während aber gerade 
die gefährlichen Keime hierdurch nicht beeinflusst werden. Am zweck- 
mässigsten erscheint die Herstellung von Heilserum unter Beobachtung strenger 
aseptischer Technik, wie sie von den Chirurgen geübt wird. N 

In guten Nährböden wie z. B. Fleischbrühe werden Verunreinigungen 
fast immer durch das Sichtbarwerden von Bakterienwachstum angezeigt, bei 
den weniger guten Bedingungen für die Entwickelung von Keimen, welche 
das Serum bietet, fällt dieses Merkmal aber weg. Auf der Suche nach einem 
anderen Keimzeichen des Bakterienwachstums hat der Verf. anfäng- 
lich Farbeveränderungen durch Reducierung von Indigo und Methylenblau be- 
nutzt, dann aber ein gutes Mittel in Verbindungen von Selen und 
Tellur gefunden, mit denen er sich im Anschluss an seine früheren Unter- 
suchungen über das Verhalten des Arsens gegen Schimmelpilze (vergl. diese 
Zeitschr. 1900 S. 843) beschäftigt hat, und von denen auch durch Maassen 
und Scheurlen und Klett festgestellt worden ist, dass sie innerhalb des 


832 Immunität. Schutzimpfung. 


lebenden Organismus zersetzt werden, charakteristisch riechende Stoffe her- 
vorbringen und Pigmente bilden, die in den Zellen selbst abgesetzt werden. 
Nicht etwa Stoffwechselerzeugnisse, wie sie in abgetöteten oder filtrierten 
Kulturen enthalten sind, geben diese Reaktion, sondern nur lebende Bak- 
terien; nicht einmal Sporen haben diese Wirkung. Während Scheurlen 
und Klett mehr die Selensalze ins Auge gefasst hatten, bevorzugt der 
Verf. die Tellurverbindungen, namentlich das Kaliumtellurit, weil es 
beständiger ist und sich nicht so leicht wie das Selenit unabhängig vom 
Bakterienwachstum zersetzt, und weil das Schwarz seines Niederschlages 
leichter wahrzunehmen ist als das Rot des Selens, auch weniger leicht wie 
das letztere verwechselt werden kann, z. B. mit roten Blutkörperchen. 

Nach Tierversuchen des Verf.'s ist etwa 0,01g Kaliumtellurit für 1 kg 
Meerschweinchen die tödliche Menge; indessen sind auch Mengen von 
0,001 g wegen der beträchtlichen und schmerzhaften Anschwellungen, die da- 
durch hervorgerufen werden, noch nicht anwendbar; erst bei Verdünnungen 
von 1:25000 und 1:50000 sind keine Nachteile mehr zu befürchten. Eine 
Telluritlösung von 1:100 wirkt antiseptisch. Die einzelnen Bakterienarten 
verhalten sich gegen Telluritlösungen verschieden: Der Staphylococcus pyogenes 
aureus verträgt noch 1: 1000, der Tetanusbacillus dagegen wächst schon nicht 
mehr in 1:25000. Die übrigen Bakterien halten sich zwischen diesen beiden 
Grenzen. Der Ausfall der Reaktion ist allerdings verschieden stark. 
aber unter 173 bekannten Bakterienarten faud der Verf. sie nur bei 14 sehr 
gering und nicht deutlich. Indessen soll dies nur wenig ins Gewicht 
fallen, da gerade bei den gewöhnlich im Luftstaub enthaltenen Keimen, um 
welche es sich bei dem vorliegenden Zweck vorzugsweise handelt, der Aus- 
fall der Reaktion keinem Zweifel unterworfen wäre. In Milch ist ihr Eintreten 
noch bei 1: 100000, in Fleischbrühe noch bei 1: 200000 deutlich erkennbar. 
Zusatz von Zucker (0,5—1 auf 100) ist vorteilhaft, weil er die Reaktion 
befördert. Am klarsten zeigt sie sich bei verhältnismässig jungen Kulturen, 
die sich auf der Höhe ihrer Wachstumsenergie befinden: hier genügen manch- 
mal nur wenige Minuten, um die Reaktion entstehen zu sehen; anderer- 
seits führt Beobachtung auf höchstens 1—5 Tage zumal bei gleichzeitiger 
Brutwärme in allen Fällen zum Ziel. Der Verf. empfiehlt die Herstellung 
des Tellurits aus reinem metallischem Tellur und die Vorrätighaltung von ge- 
sättigten Lösungen, die wegen ihrer antiseptischen Eigenschaften von selbst 
keimfrei bleiben. Bei ihrer Verdünnung muss aseptisches Verfahren sorgfältig 
beobachtet werden. Die Anwendung geschieht derart, dass entweder nur eine 
Probe von einer grösseren Menge Serum der Einwirkung des Tellurits ausge- 
setzt, oder der ganze vorhandene Serumvorrat damit versetzt wird, ehe er 
zur Verteilung in die einzelnen Flaschen gelangt. Das Auftreten schwarzer 
Punkte oder schwarzer Wölkchen im Serum ist dann ein Zeichen dafür, 
dass Verunreinigung eingetreten ist, das Unverändertbleiben ein Be- 
weis der Keimfreiheit. Globig (Berlin). 


Immunität. Schutzimpfung. 833 


v. Eisler M., Ueber Antihämolysine. Wien. klin. Wochenschr. 1905. No. 27. 
Ss. 721. 

Die meisten Autoren, welche sich mit dem Studium der Antihämolysine 
beschäftigten, sind der Anschauung, dass diese Substanzen specifischer Natur 
sind. Dies gilt sowohl für die im normalen Serum vorhandenen Antihämo- 
lysine, als auch für die nach Immunisierung im Blute nachweisbaren. Um 
so überraschender mussten deshalb die Angaben von Detre und Selley er- 
scheinen, welche behaupten, dass die im normalen Serum vorhandenen anti- 
toxischen, antifermentativen und antilytischen Wirkungen durch einige regel- 
mässig vorhandene nicht specifische Lipoidstoffe bedingt seien. v. Eisler 
führt an, dass nicht nur bereits Noguchi den Cholestearingehalt des Serums 
mit der Hemmung des Tetanolysins in Zusammenhang gebracht hat, sondern 
auch Landsteiner und v. Eisler festgestellt haben, dass Aetherextrakte aus 
roten Blutkörperchen Tetanolysin binden und die Lipoide der Zellen bis zu 
einem gewissen Grade zu dem Hämolysin eine specifische Verwandtschaft be- 
sitzen. Nichts desto weniger seien die weitgehenden Schlüsse von Detre und 
Selley kaum berechtigt. 

v. Eisler konnte in eigenen Experimenten zeigen, dass normales Pferde- 
serum, welches gegenüber Tetanolysiu, Staphylolysin, in geringem Grade auch 
gegen das Lysin des Vibrio Nasik antilytisch wirkt, einen Aetherextrakt liefert, 
welcher das Tetanolysin hemmt, hingegen gegenüber Staphylolysin und Vibrio- 
lysin unwirksam ist. A 

Analoge Resultate wugden auch bei Alkoholbehandlung des Serums, so- 
wie bei gleichartigeu Versuchen mit Schweineserum erhalten. Diese Ergebnisse 
sprechen für die Vielbeit der Antihämolysine. v. Eisler wirft Detre und 
Selley vor, dass sie abgesehen von allem übrigen höchst wahrscheinlich ganz 
irrtümlicherweise die von ihnen beobachteten Wirkungen des Aetherextraktes 
dem Lecithin zuschreiben, während es sich nach allem wahrscheinlich um 
Cholestearinwirkung handelte. Grassberger (Wien). 


Detre L. und Selley J., Die Lehre von den normalen Antisubstanzen 
im Lichte unserer Lipoidreaktion. Wien. klin. Wochenschr. 1905. 
No. 30. S. 807. 

Die Autoren suchen in dieser Arbeit die Einwände v. Eislers (s. vor- 
stehendes Referat) zu entkräften (vergl. hierzu das folgende Referat). 
Grassberger (Wien). 


v. Eisler, Ueber die Antihämolysine des normalen Serums. Wien. 
klin. Wochenschr. 1905. No. 30. S. 809. 
Der Autor hält seine Anschauungen gegenüber Detre und Seller auf- 
recht. Grassberger (Wien). 


Pfeiffer, Hermann, Ueber die nekrotisierende Wirkung normaler 
Seren. Aus d. Institut f. gerichtl. Med. d. Univers. Graz. Zeitschr. f. Hyg. 
Bd. 51. S. 183. 

Uhlenhuth hatte schon 1897 festgestellt, dass das normale Serum 
62 


834 Immunität. Schutzimpfung. 


mancher Tierarten, gewissen Tieren unter die Haut gespritzt, in kleinen 
Mengen Schwellung und Verdickung, in grösseren Nekrose (Brandschorf, 
Geschwürsbildung) hervorruft, dagegen bei anderen Tierarten ohne alle 
üblen Erscheinungen aufgesaugt wird. Das erstere ist z. B. der Fall, 
wenn Serum von Schwein und Hammel Meerschweinchen eingespritzt wird, 
das letztere, wenn. dies mit Serum von Pferd oder Kaninchen geschieht. Durch 
wiederholte Einspritzungen war es ihm gelungen, Tiere hiergegen unempfind- 
lich zu machen; ihr Serum schützte dann auch artgleiche Tiere. Der 
Verf. hat diese Beobachtungen in ihrem ganzen Umfang bestätigt ge- 
funden, jedoch die schützende Wirkung deutlicher auftreten sehen, wenn er 
statt des Serums die gewaschenen roten Blutkörperchen der betreffenden Tiere 
einspritzte. Die Vermutung, dass es sich hierbei um ein Haptin handelt, 
lag nahe. Bestätigt wurde diese Annahme dadurch, dass es dem Verf. nicht 
` gelang, eine Tierart zu finden, bei welcher die nekrotisierende Wirkung 
des Serums nicht mit einer bämolysierenden einherging, oder durch 
Erhitzung, chemische Zusätze und dergl. ein Serum zu erhalten, welches die 
eine der beiden Wirkungen ohne die andere zu zeigen vermocht hätte. 
Den Beweis dafür hat der Verf. aber dadurch geführt, dass einerseits, 
wenn er die hämolytischen Amboceptoren durch Bindung an rote Blutkörper- 
chen aus dem Serum entfernte, nun auch die nekrotisierende Wirkung 
ausblieb, dass andererseits ein Serum, welches für eine gewisse Tierart von 
vornherein keine nekrotisierenden und hämolytischen Eigenschaften 
besitzt, beide erhält, wenn man es durch Behandlung mit den roten Blut- 
körperchen dieser Tierart zu einem für diese hämolytischen macht, und dass 
endlich ein Immunserum, welches gegen die nekrotisierende Wirkung eines 
bestimmten Serums schützt, auch die roten Blutkörperchen derselben Tier- 
art vor der Hämolyse bewahrt. Globig (Berlin). 


Dorner, Georg, Experimentelle Beiträge zur Kenntnis der Hämolyse. 
(In Sonderheit über Erzeugung hämolytischer Sera mittels 
kleiner Dosen Erythrocyten und die Wirkungen von Aderlässen 
auf derart vorbehandelte Kaninchen.) Inaug.-Diss. Königsberg 1905. 

Während in der Literatur Untersuchungen über die Erzeugung von 

Schutzstoffen im Blute nach Einspritzung kleinster Mengen von Bak- 

terien schon vorliegen, fehlen solche über Bildung hämolytischer Sera nach 

Immunisierung mit geringen Mengen roter Blutkörperchen. Verf. stellte 

deshalb auf Friedbergers Anregung derartige Untersuchungen an und kannte 

feststellen, dass bei Kaninchen durch intravenöse Injektion sehr kleiner 

Mengen bis zu 1/ıooo ccm der 5 proz. Ziegenblutaufschwemmung konstant 

Hämolsinproduktion eintrat. Derartig kleine und auch grössere Mengen 

Menschenblutes genügen aber nicht, um bei dem Kaninchen oder der 

Taube specifische Antikörper hervorzurufen. Der gewonnene Titer ist bei 

subkutaner Injektion bedeutend geringer als bei intravenöser. Einmal 

mit kleinen Dosen vorbehandelte Kaninchen, bei denen alle aktiven Sub- 
stanzen aus dem Körper wieder verschwunden sind, reagieren schwächer 
als das erste Mal auf eine neue Injektion noch kleinerer und auch grösserer 


Immunität. Schutzimpfung. 835 


Mengen Ziegenblutes, im Gegensatz zu dem Verhalten baktericider und, präci- 
pitierender Sera. Auf 125° in Lösungen erhitzte Ziegenerythrocyten bewirken 
noch kräftige Hämolysinproduktion beim Kaninchen. Aderlässe beeinflussen 
die Intensität der Hämolysinbildung bei mit kleinen Dosen Ziegenblutes be- 
handelten Kaninchen erheblich, indem grössere Blutentziehugen die 
Hämolysinproduktion herabsetzen, kleinere sie deutlich steigern. 
Baumann (Metz). 


Landsteiner K. und Leiner K., Ueber Isolysin und Isoagglutinin im 
menschlichen Blut. Aus dem path.-anat. Institute in Wien und dem 
Karolinen-Hospital. Centralbl. f. Bakt. Abt. I. Orig. Bd. 38. S. 548. 

Die Untersuchungen beschäftigen sich mit der Frage, ob im mensch- 
lichen Blute bei pathologischen Zuständen mittels der Isolysinreaktion 
Substanzen nachweisbar seien, die zu krankhaften Processen in Beziehung zu 
bringen sind. Sie wurden angestellt an ungefähr 100 gesunden und kranken 
Kindern in der Art, dass als Testblutarten zwei derart ausgewählt wurden, 
dass jedes der beiden Sera die Körperchen des anderen Blutes kräftig agglu- 
tinierte; dies sollte die Auffindung von Isolysinen erleichtern. Isoagglu- 
tination wurde bei keinem untersuchten Serum vollkommen vermisst; Isolyse 
war nicht so regelmässig nachweisbar; starke Isolyse zeigte sich nur, wenn 
auch Isoaggluiination stattfand. Beide kommen bei Gesunden und Kranken 
in gleicher Stärke vor. Kisskalt (Berlin). 


Sachs H., Welche Rolle spielt das Lecithin bei der Sublimathämo- 
lyse? Aus d. Königl. Institut f. experiment. Therapie in Frankfurt a. M. 
Wien. klin. Wochenschr. 1905. No. 35. S. 901. 

Sachs sieht nach seinen Versuchen folgendes als sicherstehend an. 

1. Die schützenden Substanzen des Serums werden, wie aus dem Verhalten 
gegenüber Ausschütteln mit Alkohol hervorgeht, nicht von den Lipoiden, 
sondern von den Eiweisskörpern des Serums dargestellt. 

2. Homogene Emulsionen des Lecithins hemmen in keiner Weise die 
Hämolyse durch Sublimat. 

3. Durch Ausschütteln mit Chloroform, welches Lecithin enthält, nimmt 
der hämolytische Wert der wässerigen Sublimatschicht nicht im geringsten ab. 

Hiermit seien auch die weitgehenden Schlussfolgerungen von Detre 
und Selley hinfällig. Grassberger (Wien). 


Bang, ivar, Ueber Präcipitine. (Kürzere Mitteilungen.) Hofmeisters Bei- 
träge z. chem. Physiol. u. Pathol. Bd. 7. S. 149. 
Versuche, die Präcipitine chemisch zu isolieren, schlugen fehl. Gegen 
die einzelnen Eiweisskörper des Blutserums erwiesen sich die Präcipitine bald 
specifisch, bald nicht. Otto Cobnheim (Heidelberg). 


Norris, Charles, The bacterial precipitins. Journ. of infect. diseases. 
1904. Vol. 1. 
Verf. hat sehr ausgedehnte Untersuchungen angestellt über die Specifität, 


62* 


836 Immunität. Schutzimpfung. 


die dem Präcipitationsvorgang von Bakterienfiltraten durch ein 
homologes Immunserum zukommt. Er hatte sich vorher vergewissert, dass 
Normalserum vom Kaninchen und vom Rind sowohl in den verwendeten Nähr- 
medien als auch in Kulturfiltraten keinen Niederschlag erzeugt. Er fand nun, 
dass der Präcipitationseffekt eines specifisch gewonnenen Immunserums bei 
den Filtraten des homologen Stammes am ausgiebigsten und schnellsten 
erfolgt, dass aber auch Filtrate von anderen Bakterien derselben Gruppe 
eine Reaktion zu erkennen geben. In einigen wenigen Fällen trat dies auch 
bei Bakterien anderer Gruppen ein. Verf. hält Agglutinine und Prä- 
cipitine für verschiedenartige Substanzen. Liefmann (Halle a. S.). 


Michaelis L.. Weitere Untersuchungen über Eiweisspräcipitine. Zeit- 
schr. f. klin. Med. Bd. 56. H. 5. 6. 

Der Inhalt der interessanten Arbeit lässt sich im wesentlichen in folgende 
Sätze zusammenfassen: Während das Wesen der mangelhaften „biologischen“ 
Specificität der Eiweisskörper sich damit erklärt, dass das gesamte Präci- 
pitin in Partialpräcipitine aufgelöst werden kann, von denen das eine auf 
die gemeinsamen Komponenten verwandter Sera (z. B. Menschen- und Affen- 
serum), das andere nur auf die specifisch menschlichen Komponenten des 
Menschenserums wirkt, stellte sich die ursprüngliche Hoffnung, die Ursache 
der Mangelhaftigkeit der „chemischen“ Specificität, Eiweisskörper mit Hilfe 
der Präcipitinreaktion isolieren zu können, als hinfällig heraus. Die Beob- 
achtung nun, dass das Albumin, ein Stoff, der bei isolierter Injektion mit 
Leichtigkeit ein kräftiges Präcipitin erzeugt, diese Eigenschaft vermissen 
‚ässt, wenn er zusammen mit Globulin in Form des natürlichen Blutserums 
injiciert wird, gibt die Erklärung für diese auffallende Erscheinung. Es kann 
also ein Haptin ein gleichzeitig injiciertes zweites Haptin an der Entfaltung 
seiner Antikörper erzeugenden Wirkung hindern, obwohl es andere ‚haptophore 
Gruppen besitzt, als das zweite. 

Alsdann zeigt Verf., dass diejenigen Receptoren, welche im normalen 
Pferdeserum bei der Injektion im Organismus des Kaninchens die Bildung 
von Präcipitinen auslösen, durch die Andauung zerstört werden. Denn die 
Füllbarkeit der angedauten Seren durch ein gewöhnliches Vollserumpräcipitin 
ist verloren gegangen, und keine Tatsache liegt vor, welche für die Bildung 
eines zwar noch bindungsfähigen, aber nicht mehr fällbaren Stoffes durch die 
Andauung spricht. Die Tatsache aber, dass das angedaute Serum ein Präci- 
pitin bei der Injektion erzeugt, beweist, dass es doch noch Receptoren, wenn 
auch andere besitzt. Dieselben sind im frischen Serum schon vorhanden, denn 
das durch angedautes Serum entstandene Präcipitin wirkt ja auch auf frisches 
Serum fällend. 

Zum Schluss weist der Verf. noch nach, dass die Arrhenius-Madsen- 
sche Gleichung, nach der Bindung des Tetanolysins an sein Antitoxin keine 
vollkommene Reaktion sei, sondern zur Bildung eines Gleichgewichtszustandes 

Toxin _ Antitoxin Toxin - Antitoxin- Verb.\ 2 
"Vol Vol k ( SI ) 


Immunität. Schutzimpfung. 837 


führe, kein entsprechendes Analogon bei der Präcipitinreaktion habe, weil der 
Niederschlag eine wechselnde Zusammensetzung hat. g 
O. Baumgarten (Halle s. S.). 


Wassermann A. und Bruck C., Ueber den Einfluss der Bildung von 
Eiweisspräcipitinen auf die Dauer der passiven Immunität. 
Aus d. Institut f. Infektionskrankh. in Berlin. Zeitschr. f. Hyg. Bd. 50. 
S. 309. 

Anfangs suchte man die kurze Dauer der passiven d. h, mit Serum 
übertragenen Immunität durch den Verbrauch und die Ausscheidung der 
wirksamen Stoffe aus dem Stoffwechsel zu erklären. Als dann v. Behring 
zeigte, dass das Immunserum von artgleichen Tieren eine längere passive 
Immunität hervorruft, als Immunserum von artfremden Tieren, suchte man den 
Grund hierfür in der Bildung von Präcipitinen durch artfremdes Serum. 
Pfeiffer und Friedberger haben aber zuerst ausgesprochen, dass sich bei 
der Behandlung eines Tieres mit artfremdem Immunserum neben den Eiweiss- 
präcipitinen besondere Stoffe, nämlich. Antiimmunkörper oder Anti- 
amboceptoren bilden. Die Verff. bestätigen die Richtigkeit dieser 
letzteren Ansicht auf Grund von Versuchen, bei welchen sie zunächst dem 
Serum die Fähigkeit, Präcipitine zu bilden, nahmen und dann doch keinen 
Unterschied in der Dauer der passiven Immunität feststellen 
konnten. Globig (Berlin). 


Hamburger F. und v. Reuss A., Die Folgen parenteraler Injektion von 
verschiedenen genuinen Eiweisskörpern. Aus der k. k. Univers.- 
Kinderklinik in Wien. Wien. klin. Wochenschr. 1905. No. 31. S. 859. 

Behufs Beantwortung der Frage, ob sich durch das biologische Experiment 
nur die Artverschiedenheit oder auch die Funktionsverschiedenheit verschie- 
dener Eiweisskörper zeigen lasse, injicierten die Autoren einer Anzahl von 

Kaninchen intravenös einerseits Blutsera, andererseits Milch verschiedener Tiere 

und beobachteten mit Hilfe von Blutentnahme und Anstellung der Präcipitin- 

reaktion das Verschwinden der injicierten Eiweisskörper. Es ergab sich, dass 
nach einer einmaligen Seruminjektion das Serum in der Blutbahn längere 

Zeit nachweisbar bleibt, während nach Milch- und Eiklarinjektion das artfremde 

Eiweiss rasch verschwindet. Nach einmaliger Injektion von Serum wird 

Präcipitin gebildet, während die Präcipitinbildung nach blos einmaliger 

Injektion von Milch oder Eiklar ausbleibt. Grassberger (Wien). 


Forssner, Ueber die Möglichkeit, isolierte Eiweisskörper bezw. 
eiweisshaltige Flüssigkeiten, welche aus einem und demselben 
Organismus stammen, durch die Präcipitinreaktion zu diffe- 
renzieren. Münch. med. Wochenschr. 1905. No. 19. S. 892. 

Verf. behandelte Kaninchen mit dem Blutserum bezw. mit Emulsionen 
von Nieren, Leber und Milz eines sorgfältig ausgebluteten und mit Kochsalz- 
lösung durchgespülten Meerschweinchens. Aus den Organemulsionen wurden 
zur Anstellung der Präcipitinreaktion durch Filtrieren und Centrifugieren 


838 Immunität. Schutzimpfung. 


klare Lösungen hergestellt. Die nach 6—8 Injektionen entnommenen präci- 
pitierenden Sera riefen zwar in allen 4 Lösungen Trübung hervor; doch liess 
sich mittels der elektiven Absorptionsmethode zeigen, dass ein Teil der Partial- 
präcipitine für das betreffende Organ bezw. für das Blutserum streng specifisch 
war. Dieser specifische Anteil war am grössten in dem mit dem Blute her- 
gestellten Serum. Leber und Nieren schienen mehr gemeinsame Bestandteile 
zu haben, als Leber und Milz bezw. Nieren und Milz. 
Beitzke (Berlin). 


Pfeiffer H., Beiträge zur Lösung des biologisch-forensischen Pro- 
blems der Unterscheidung von Spermaeiweiss gegenüber den 
anderen Eiweissarten derselben Species durch die Präcipitin- 
methode. Aus dem Institut f. gerichtl. Med. d. Univers. in Graz. Wien. 
klin. Wochenschr. 1905. No. 24. S. 637. 

Die Frage nach der Möglichkeit, präcipitierende Sera herzustellen, die, 
streng specifisch, nur mit einer bestimmten Eiweissart derselben Tierart 
reagieren, hat in den letzten Jahren lebhaftes Interesse erregt und verschiedene 
Beantwortung gefunden. 

Ascoli und nach ihm Weichardt benutzten die Methode der elektiven 
Absättigung, um die Specifität der in Betracht kommenden Eiweisssubstanzen 
nachzuweisen. War es derart möglich geworden, elektive Sera zu gewinnen, 
welche Differenzen zwischen den Blutarten verschiedener Individuen der- 
selben Species aufdeckten, so lenkten andere Untersucher, so Uhlenhuth, 
Weichardt, Liepmann und andere das Augenmerk auf die durch specifische 
Präcipitinreaktion zu erschliessenden Verschiedenheiten der Eiweisskörper ver- 
schiedener Körpersubstanzen und verschieden differenzierter Zellen der- 
selben Species. 

Freilich blieben die gefundenen Tatsachen keineswegs alle unwidersprochen, 
wenigstens so weit die Frage besteht, ob es möglich ist, mittels der Präcipitin- 
methode chemisch isolierte Eiweisskörper aus Seren derselben Tierart zu unter- 
scheiden. Viel zuversichtlicher lauten die Angaben über die mittels der ge- 
nannten Methode zu erschliessenden Differenzen der hochdifferenzierten Zellarten 
einer Species. 

Nach allen bisher vorliegenden Angaben ist demnach zwischen einer 
Specifität der Art und einer solchen der Funktion oder des Organs zu 
unterscheiden. Pfeiffer führt des Näheren aus, aus welchen Gründen be- 
sonders für die Erforschung der Specifität der Organe die Verhältnisse günstig 
liegen, wobei unter Umständen die specifischen Substanzen in verhältnismässiger 
Reinheit vorliegen, ganz anders wie etwa in den Seris, die ja Substanzen 
enthalten, die in einer ganzen Reihe von Körpergeweben vorkommen. Nach 
dieser Ueberlegung müssen die Erfolge am besten sein bei Verwendung der 
böchst differenzierten Körperzellen. 

Aus diesem Grunde wandte der Autor sein Augenmerk den Spermazellen 
zu. Es gelang ihm in der Tat, durch Behandlung von Kaninchen mit ge- 
waschenen Rinderspermatozoön Sera zu erzielen, welche specifisch präcipi- 
tierend für Rinderspermalösung waren bezw. diese Eigenschaft annahmen, 


Immunität. Schutzimpfung. 839 


wenn sie vorher mit Nierenlösung behandelt wurden, und so der regelmässig 
mitvorbandenen präcipitierenden Wirkung gegenüber dieser Lösung (der Verf. 
spricht von einer „ontogenetischen“ Verwandtschaftsreaktion) durch Absorption 
beraubt worden waren. Grassberger (Wien). 


Fleischmann, Die bei der Präcipitation beteiligten Substanzen in 
ihrem Verhalten gegenüber photodynamischen Stoffen. Münch. 
med. Wochenschr. 1905. No. 15. S. 693. 

Eosin-, Saffrania- und Methylenazurlösungen vermochten bei hinreichender 
Belichtung (8 Stunden) präcipitierende Sera unwirksam zu machen; durch 
weiteres Hinzufügen von unbelichtetem präcipitierenden Serum liess sich dann 
feststellen, dass nur die präcipitierende, nicht aber die haptophore Gruppe 
zerstört wird, dass es sich also um eine Inaktivierung handelt. Die gleiche 
Wirkung, wenn auch in weit schwächerem Masse, konnte durch intensive Be- 
lichtung allein (ohne Zusatz photodynamischer Stoffe) hervorgerufen 
werden. Die präcipitable Substanz wurde unter der Einwirkung pboto- 
dynamischer Stoffe bei Belichtung gleichfalls ihrer präcipitablen Gruppen be- 
raubt, doch war hier etwa doppelt so lange Belichtung erforderlich wie bei 
den präcipitierenden Seris; Belichtung allein, selbst 35 Stunden hindurch 
fortgesetzt, war hier ohne Wirkung. Beitzke (Berlin). 


Bergell, Peter und Schütze, Albert, Zur Frage der Antipankreatinbil- 
dung. Aus dem Institut f. Infektionskrankh. z. Berlin. Zeitschr. f. Hyg. 
Bd. 50. S. 305. 

Die Verff. sind von der Beobachtung ausgegangen, dass durch diejenigen 
Fermente, welche Fette und Kohlehydrate spalten, im Tierkörper, wenn 
sie wiederholt eingespritzt werden, die Bildung von Antifermenten her- 
vorgerufen wird, und sie haben untersucht, ob etwas Aehnliches bei denjenigen 
Fermenten stattfindet, welche eiweissartige Körper spalten. Sie haben 
sich dabei des Tyrosins und Leucins bedient, welche zu den ersten Stoffen 
gehören, die bei der tryptischen Verdauung der Eiweissstoffe entstehen und 
durch ihre Eigenschaft, zu krystallisieren, leicht nachweisbar sind. Es gelang 
ihnen weder bei Kaninchen noch bei einer Ziege durch selbst Monate 
lang fortgesetzte Einspritzungen von Pankreatin Serum zu erhalten, 
welches die geringste Verminderung oder Verzögerung der Bildung 
von Tyrosin und Leucin verursachte, und sie werfen die Frage auf, „ob 
der tierische Organismus überhaupt imstande ist, gegen diejenigen Fermente, 
welche Systeme zum Angriffspunkt haben, in denen Stickstoff an Kohlenstoff 
gebunden ist, Antikörper zu bilden“. Globig (Berlin). 


Weichardt, Wolfgang, Ueber das Ermüdungstoxin und dessen Anti- 
toxin. Münch. med. Wochenschr. 1905. No. 26. S. 1234. 

In dieser dritten Mitteilung beschäftigt sich Verf. mit der Frage nach 
der Entstehung des Ermüdungstoxins aus dem Muskeleiweiss. Da das Er- 
müdungstoxin bei Berührung mit der Luft rasch entgiftet wird, so folgerte 
Verf. daraus, dass bei der Entstehung des Toxins ein Reduktionsprocess mit- 


840 - Säuglingspflege. 


gewirkt baben müsse, ein Gedanke, der durch eine Anzahl von Versuchen 
alsbald eine glänzende Bestätigung erfuhr. Die Schlussätze der interessanten 
Arbeit lauten folgendermassen: „Durch anhaltende Muskelbewegung im luft- 
verdünnten Raume, also bei Sauerstoffmangel, wird aus dem Muskeleiweiss 
reichlich Ermüdungstoxin gebildet. Die Ausbeute an Ermüdungstoxin wird 
durch Behandlung des Ermüdungsmuskelpresssaftes mit Reduktionsmittelr, 
z. B. mit schwefligsaurem Natron, gesteigert. Auch aus Muskelpresssaft nicht 
ermüdeter Tiere werden mittels Behandeln mit Reduktionsmitteln toxische 
Substanzen gebildet. Ferner gelingt die Herstellung derartiger Eiweissreduk- 
tionstoxine auch aus anderen Eiweissarten, z.B. aus dem Eiweiss der Placenta, 
dem des Gehirns, der Pollen, ja sogar aus einfachem Hühnerklar. Mit diesen 
Eiweissreduktionstoxinen zeigt das mittels wiederholter Injektionen von Er- 
müdungstoxin gewonnene antitoxinhaltige Serum insofern eine Gruppen- 
reaktion, als es dieselben bis zu einem bestimmten Grade absättigt. Die 
Simultanimmunisierung — Einverleiben von Ermüdungsantitoxin und -toxin — 
zeitigt bei den Versuchstieren eine hochgradige Steigerung der Leistungs- 
fähigkeit.“ Beitzke (Berlin). 


Schlegtendal, Die Bekämpfung der Säuglingssterblichkeit im Reg.- 
Bez. Aachen. Klin. Jahrb. Bd. 14. Jena 1905. Gustav Fischer. Sonder- 
abdruck. 18 Ss. 80. Preis: 0,60 M. 

Von der Jahresversammlung des „Niederrheinischen Vereins 
für öffentliche Gesundheitspflege“ im Oktober 1902 datieren die neueren 
Bestrebungen, die Säuglingssterblichkeit in der Rheinprovinz herabzu- 
mindern. Besonders im Reg.-Bez. Aachen sind inzwischen bereits wirksame 
Massnahmen zur Erreichung dieses Zieles zur Anwendung gelangt. 

Die ideale Säuglingsnahrung ist natürlich die Muttermilch. In erster Linie 
sind deshalb die Mütter in vermehrtem Masse zum Selbststillen anzuregen. 
In Düren z. B. werden die armen Wöchnerinnen, deren Namen vom Standes- 
amte baldigst dem eigens hierzu gebildeten Comite mitgeteilt werden, von 
den Mitgliedern des letzteren besucht und durch Rat und Tat unterstützt. 
Auch werden vielerorts bei der Anmeldung der Geburten auf dem Standes- 
amte Flugblätter ausgehändigt, die den Müttern das Selbststillen dringend 
empfehlen. 

In zweiter Linie ist für geeignete Ersatznahrung zu sorgen. In 
Düren wurde eine Centralstelle für Milchversorgung eingerichtet und 
dort die nach dem Backhausschen Verfahren hergestellte Milch in vier ver- 
schiedenen Sorten und in triukfertigen Einzelportionen zu einem sehr geringen 
Entgelt den Müttern geliefert. Auch fand von Zeit zu Zeit eine ärztliche 
Kontrolle der Säuglinge statt. 

In Malmedy entstand auf Anregung des Vaterländischen Frauenvereins 
eine ähnliche Centralanstalt, die mittels eines von Timpe in Magdeburg 
gelieferten Sterilisierapparates hergestellte Milch zur Verteilung brachte. 

An anderen Orten, wie Erkelenz, Eupen und Aachen selbst sind 
ähnliche Bestrebungen im Gange. In den Orten, wo die Beschaffung guter 


Säuglingspflege. 841 


Kuhmilch auf Schwierigkeiten stösst, wird die Ziegenzucht durch Gewäh- 
rung von Zuschüssen an die Ziegenzuchtvereine erfolgreich unter- 
stützt. So hat sich allein im Kreise Düren die Zahl der Ziegen in kurzer 
Zeit um 1000 Stück vermehrt. Namentlich die aus Saanen in der Schweiz 
direkt bezogene Ziegenrasse hat sich zur Aufbesserung des einheimischen Zucht- 
materials gut bewährt. K 

An anderweitigen Massnahmen ist das vom „Verein der Medizinalbeamten 
des Regierungsbezirkes Düsseldorf“ seit dem Jahre 1883 verteilte Merkblatt 
zu nennen, das in 20 kurzen, leicht verständlichen Abschnitten „Regeln für 
Pflege und Ernährung der Kinder im 1. Lebensjahre und für die Pflege der 
Wöchnerinnen“ enthält. 

Das in Düren angewendete Flugblatt enthält folgende Hauptsätze: 

1. Mütter, gebt euren neugeborenen Kindern die Brust. Von 
Brustkindern starben sechsmal weniger als von solchen, die künst- 
lich genährt sind. 

2. Mütter, fragt sofort den Arzt um Rat, wenn eure Kinder 
verminderte Trinklust, Erbrechen oder Durchfall zeigen. 

3. Bei armen Familien übernehmen die Stadt oder die hiesigen 
Wohltätigkeitsvereine bereitwillig die Sorge für erkrankte Kinder. 

Schliesslich ist auch auf die Hebammen, besonders mit Hilfe der Heb- 
ammenvereine aufklärend einzuwirken. 

Trotz der Kürze der Zeit sind in den obengenannten Städten bereits 
günstige Erfolge unverkennbar. Abgesehen von dieser direkten segens- 
reichen Wirkung sind der ganzen Bewegung noch weitere mittelbare Erfolge 
zu verdanken. Namentlich durch die häufigen Besuche der Armenpflegerinnen 
und der im Dienste der Milchversorgungsanstalten stehenden Damen werden 
die Mütter der versorgten Kinder zu erhöhter Ordnung und Sauberkeit angeleitet. 
Diese Kontrolle und die erziehlich wirkenden Belehrungen und Ermahnungen 
haben den grössten Wert für die ganze Gesundheitspflege. 

Schumacher (Hagen i.W.). 


Cassel, Bericht über Versuche, Säuglinge mit einwandsfreier Kuh- 
milch zu versorgen. Arch. f. Kinderheilk. 1905. Bd. 41. H. 3 u. 4. 

Dem Verf. stellt ein Berliner wohltätiger Verein die Mittel zur Verfügung, 
die Säuglinge, welche seine Poliklinik aufsuchen, in ausgedehntem Umfange 
mit reinlich gewonnener frischer Kubmilch unentgeltlich zu versorgen. 
Die Milch wird in rohem Zustande in plombierten !/;- und 1-Literflaschen den 
Familien in den Morgenstunden direkt in die Behausungen geliefert; die Säug- 
linge werden, solange sie gesund sind, alle 8 Tage in der Poliklinik unter- 
sucht und gewogen und, sofern sie erkranken, je nach Erfordernis behandelt. 
Die Milch wird ohne Vorwissen des Lieferanten von Zeit zu Zeit „auf ihre 
Qualität“ geprüft. 

Ueber den Marktwert der gelieferten Milch macht Verf. leider keine An- 
gabe; anerkanntermassen kann jedoch eine Milch, welche die Bezeichnung 
„Säuglingsmilch“ beanspruchen will, nicht unter 30 Pfg. pro Liter abgegeben 
werden; da im Jahre 1904 nicht weniger als 10837 Liter Milch unter die 


842 Säuglingspflege. Ernährung. 


Patienten C.’s verteilt wurden, so leistet der Verein, der die Mittel dazu be- 
reit stellt, auf alle Fälle ganz Erhebliches. 

Von den 115 Säuglingen, welche im Jahre 1904 länger als 3 Wochen 
mit der Milch ernährt wurden, hatten nur 31 bis kurz vor der Aufnahme die 
Mutterbrust erhalten, und standen 92 hinter dem Durchschnittsgewicht, das 
ihrem Alter entsprochen hätte, zurück. 

Annähernd darmgesund waren bei der Aufnahme 79. An Darmstörungen 

. während der Beobachtung erkrankt sind 15, gestorben von diesen sind 3. 
Ausserdem starb ein viertes Kind an Pneumonie; die übrigen 111 Kinder sind, 
„soweit uns bekannt wurde“, während des Jahres 1904 am Leben geblieben. 

Cassel schliesst seine mit ausführlichen Tabellen ausgestattete Arbeit mit 
der Aufforderung an die Kommunen, die Bekämpfung der Säuglingssterblichkeit 
nicht der privaten Wohltätigkeit zu überlassen, sondern sie selbst in die Hand 
zu nehmen, und er weist mit Befriedigung auf die in jüngster Zeit von der 
Stadt Berlin eingerichteten, mit Milchküchen verbundenen Säuglingsfürsorge- 
stellen hin, von denen er noch erheblich bessere Resultate erwartet, als sie 
bisber durch private Hilfeleistung erreicht werden konnten. 

Stoeltzner (Halle a. S.). 


Weiss $., Milchkassenorganisation zur Förderung der Selbststillung. 
Wien. klin. Wochenschr. 1905. No. 27. S. 727. 

W. weist in der Einleitung zu diesem Aufsatz auf die viel verbreitete 
irrtümliche Meinung hin, dass in Schweden gesetzliche Massnahmen zur 
Durchführung der Selbststillung beständen. Wo gesetzliche Bestimmungen 
existieren, wie in Frankreich die Loi Roussel, handle es sich überwiegend nur 
um die Regelung des Dienstverhältnisses der Lohnammen, und im allgemeinen 
sei von einem gesetzlichen Zwang zur Ausübung des Selbststillens nichts zu 
erhoffen. Mebr Aussicht auf Erfolg komme den Bestrebungen zu, die eine 
wirksame Mitbilfe der Mütter anstreben, so die vielfach durchgeführte Prämi- 
ierung der stillenden Mütter. Verf. macht den Vorschlag, im Anschluss an 
die in Wien bereits bestehenden Säuglings-Milchverteilungsstationen „Milch- 
kassen“ zu gründen. Diese Kassen sollen den Müttern Milch für den künftigen 
Säugling gegen eine wöchentliche Vorausbezahlung während der Schwanger- 


schaft sichern und — hierauf ist der Nachdruck zu legen — im Falle des 
Selbststillens den voll einbezahlten Betrag, vermehrt um eine Prämie, verab- 
folgen. Grassberger (Wien). 


Zinsser, Adolf, Ueber den Umfang der Fetiverdauung im Magen. Aus 
der med. Klinik zu Giessen. Stellvertr. Direktor: Privatdoc. Dr. F.Volhard. 
Hofmeisters Beiträge z. chem. Physiol. u. Pathol. Bd. 7. S. 31. 

Patienten werden 1 Stunde oder später nach Aufnahme einer fetthaltigen 
Mahlzeit — Milch oder Eigelb, Zuckeremulsion — ausgehebert. Es fand sich 
immer etwa !/, des Fettes in gespaltenem Zustande vo; das aus dem Pylorus 
entleerte kann in noch höherem Masse gespalten sein. Bei einem Achyliker 


Ernährung. 843 


mit rückgeflossenem Pankreassaft fand sich eine Spaltung von 45°/,. Ob die 
Fettverdauung im Magen durch rückgeflossenes Pankreas- oder durch Magen- 
steapsin erfolgt, lässt sich aus diesen Versuchen nicht schliessen; von grosser 
Bedeutung ist aber, dass überhaupt ein so erheblicher Teil des Fettes schon 
im Magen verdaut wird. Otto Cohnheim (Heidelberg). 


Fromme, Albert, Ueber das fettspaltende Ferment der Magenschleim- 
haut. Aus der ‘med. Klinik in Giessen. Stellvertr. Direktor: Privatdoc. 
Dr. F. Volbard. Hofmeisters Beiträge zur chem. Physiol. u. Pathol. Bd. 7. 
S. 51. 

Es gelingt Fromme, mit Glycerinextrakten der Magenschleimhaut 
von Hund und Schwein Fett zu spalten. Doch sind frisch bereitete Ex- 
trakte oft unwirksam und werden erst nach einigen Tagen wirksam. Vermut- 
lich beruht das auf der Existenz eines Pro- oder Zellferments, das aber nicht 
sicher zu isolieren ist. In Bezug auf die Wirkung von Säure und Alkali be- 
stehen Differenzen zwischen den Tierarten. Otto Cohnheim (Heidelberg). 


Engel, Hans, Ueber das Zeit- und Fermentgesetz des Pankreasste- 
apsins. Aus der med. Klinik in Giessen. Stellvertr. Direktor: Dr. F. Vol- 
hard. Hofmeisters Beitr. z. chem. Physiol. u. Therapie. Bd. 7. S. 77. 

Auch für das Steapsin der Pankreas-Glycerinextrakte von Drüsen und 
von Pankreatin „Rhenania“ gilt das Gesetz, dass sich die Spaltungsgrössen 
bei gleichen Fermentmengen wie die Quadratwurzeln aus den Verdauungs- 
zeiten verhalten. Otto Cohnheim (Heidelberg). 


Becker, Georg, Untersuchungen über das Zeitgesetz des menschlichen 
Labfermentes und dessen quantitative Bestimmung. Aus der med. 
Universit.-Klinik Giessen. Stellvertr. Direktor: Privatdoc. Dr. Volhard. 
Hofmeisters Beiträge z. chem. Physiol. u. Pathol. Bd. 7. S. 89. 

Es gelingt nicht, die von verschiedenen Autoren für Kälberlab beschrie- 
benen Gesetzmässigkeiten mit menschlichem Magensaft zu bestätigen. Eine 
Schätzung der im ausgeheberten Mageninhalt vorhandenen Labmenge lässt 
sich vielmehr am einfachsten ausführen, wenn man ihn zu einer be- 
stimmten Menge Milch und Salzsäure fügt, und die Gerinnungszeit bestimmt. 

Otto Cohnheim (Heidelberg). 


Laqueur E., ‚Ueber das Kasein als Säure und seine Unterschiede 
gegen das durch Lab veränderte Kasein (Parakasein). Theorie 
der Labwirkung. Chem. Laborat. d. physiol. Inst. Breslau. Hofmeisters 
Beiträge z. chem. Physiol. und Pathol. Bd. 7. S. 273. 

Salze des Kaseins mit verschiedenen Basen werden physikalisch-chemisch 
(Leitfähigkeit, innere Reibung, Dissociation) genau untersucht. Es ergibt sich, 
dass das Kasein als mehrbasische Säure mit Basen verschiedene Reihen von 
Salzen bilden kann, dass es aber nicht gelingt, diese einzelnen Salze zu trennen 
und zu unterscheiden: In der zweiten Hälfte wird über Versuche berichtet, 
das sogenannte Parakasein, das durch Lab aus dem Kasein entsteht, nicht 


844 Ernährung. 


nur durch seine Unlöslichkeit bei Gegenwart von Kalk, sondern auch noch in 
anderer Weise zu charakterisieren. Es zeigen sich in der Tat Unterschiede in 
Leitfäbigkeit und innerer Reibung; Kaseiu und Parakasein sind also verschie- 
dene Körper. Ferner zeigt sich, dass nicht etwa das Ausfallen des Parakaseins, 
sondern die Wirkung des Labferments durch Alkalien verhindert wird. Die 
Labwirkung fasst Verf. als eine erste Spaltung des Kaseiumoleküls auf. (In 
guter Uebereinstimmung damit steht die Auffassung von Pawlow, wonach das 
Lab gar kein eigenes Ferment ist, sondern Pepsin, Trypsin u. s. w. die Eigen- 
schaft haben, Kasein zu fällen, d. h. zu spalten. Ref.) 
Otto Cobnheim (Heidelberg). 


Löhlein, Walter, Ueber die Volhardsche Methode der quantitativen 
Pepsin- und Trypsinbestimmung durch Titration. Aus der med. 
Klinik in Giessen. Stellvertr. Direktor: Privatdoc. Dr. F. Volhard. Hof- 
meisters Beiträge z. chem. Physiol. u. Pathol. Bd. 7. S. 120. 

Volhard hat vor einiger Zeit eine klinisch verwendbare Methode zur 
Bestimmung von Pepsin und Trypsin ausgearbeitet, die jetzt folgende 
Gestalt hat: Man bringt eine gewisse Menge Salzsäure, eine bestimmte Menge 
Kasein mit dem zu prüfenden Mageninhalt zusammen, lässt eine gewisse 
Zeit bei Bruttemperatur stehen, fällt dann das unveränderte Kasein mit Natrium- 
sulfat und titriert im Filtrat die Säure mit Phenolphtalein. Da das Kasein 
Säure bindet und Natriumsulfat nur Kasein fällt, nicht aber Albumosen und 
Peptone, so gibt die Vermehrung der Säure im Filtrat gegenüber der ursprüng- 
lichen Kaseinlösung ein Mass für die Menge des vorhandenen Kaseins. Löh- 
lein verwendet die Methode auch zur Trypsinbestimmung und gibt eine An- 
zahl Beispiele für ihre Verwendung. Für Pepsin gilt die Schützsche Regel, 
wonach die Wirkung des Pepsins der Quadratwurzel seiner Menge proportional 
ist; für das Trypsin gilt hingegen einfache Proportionalität. 

Otto Cohnheim (Heidelberg). 


Moro, Morphologische und biologische Untersuchungen über die 
Darmbakterien des Säugliugs. Jahrb. f. Kinderheilk. 1905. Bd. 61. 
H. 5. 

I. Die Bakterienflora des normalen Frauenmilchstubles. 

Verf. beschreibt das bakterioskopische Stuhlbild von Brustkindern 
folgendermassen: 

Die grösste Zahl der Bacillen gehört zu der — wie er sich ausdrückt — ein- 
fachen Form; es sind das grampositive, vielfach als Diplobacillen auftretende 
Stäbchen. 

Sehr viel seltener ist die verzweigte Form; hier hat sich das Bakterium 
an einem oder an beiden Enden aufgefasert. 

Nur in vereinzelten Exemplaren findet sich auch die köpfchentragende 
Form; entweder ist nur an dem einen Ende ein Köpfchen vorhanden, oder 
aber an beiden Enden (Hantelform), 

Anderweitige Bakterien, insbesondere Angehörige der Coligruppe, sind im 
Ausstrichpräparat verschwindend selten. 


Ernährung. 845 


Bei Kuhmilchernährung weisen die Fäces eine vielgestaltige Flora auf, 
in der die gramnegativen Arten überwiegen. 

Die grosse Mehrzahl der Bakterien des Frauenmilchstuhls lässt sich durch 
die Kultur identificieren als der streng anaërobe, sehr polymorphe Bacillus 
bifidus communis Tissier. Daneben kommen noch eine ganze Reihe anderer 
Arten unter normalen Verhältnissen im Stuhl des Brustkindes vor. Verf. be- 
schreibt alle diese Arten sehr ausführlich (B. bifidus, Köpfchenbakterien, 
Buttersäurebacillen, B. coli commune, B. lactis aerogenes, Bacillus acidophilus). 

Stoeltzner (Halle a. S.). 


Moro E, Morphologische und biologische Untersuchungen über 
die Darmbakterien des Säuglings. Jahrb. für Kinderheilk. 1905. 
Bd. 61. H. 6. 

M. bat den Magen- und Darminhalt von 4 Leichen von Brustkindern 
bakteriologisch untersucht. Im Magen und Duodenum fand er immer ver- 
schiedene Arten von Bakterien in ziemlich grosser Menge. Dagegen er- 
wies der Dünndarm, abgesehen von seinem untersten Abschnitt, sich stets bei- 
nahe als keimfrei; er enthielt ausschliesslich wenige Exemplare von Bacterium 
coli commune und Bacterium lactis aörogenes und ganz vereinzelte von Ba- 
eillus bifidus. Von der Ileocoecalgegend an nimmt der Keimgehalt des Darm- 
inhalts ausserordentlich zu, hier finden sich stets auch Buttersäurebacillen und 
Escherichs Köpfchenbakterien. Das Bacterium coli tritt im Kolon, nach 
dem es seinen Namen hat, an Zahl ganz zurück gegen den bifidus, der im 
Rektum fast in Reinkultur gefunden wird. 

Die Flora des normalen Frauenmilchstuhles wird also ganz überwiegend 
vom Bac. bifidus gebildet; die übrigen Arten (Buttersäurebacillen, B. coli 
commune) sind so spärlich vertreten, dass sie nur durch das Kulturverfahren 
nachgewiesen werden können. 

Die Keimarmut des Dünndarminhaltes bezieht M. zum Teil auf die bak- 
tericiden Eigenschaften der Enterokinase; die in den oberen Abschnitten des 
Darms absterbenden Bakterien werden nach ihm verdaut. Was die Lebens- 
fähigkeit der in den Fäces enthaltenen Keime betrifft, so ist M. der Ansicht, 
dass man, wenn man, was bisher meist nicht geschah, die ana@roben und die 
acidophilen Bakterien mit berücksichtigt, nicht annehmen kann, dass, wie 
z. B. Schmidt und Strasburger berechnet haben, 99,93%, der entleerten 
Keime abgestorben sein sollen. 

Der Bacillus bifidus erscheint im Stuhlgang gleichzeitig mit den ersten 
Frauenmilchresten und verschwindet aus dem Stuhl fast vollständig mit dem 
Aufhören der Brusternährung. Da weder die Frauenmilch noch die Mund- 
sekrete des Säuglings den Bac. bifidus enthalten, nimmt M. an, dass derselbe 
per anum einwandert. 

Im Mekonium erscheint als erste Species das Bacterium coli commune; 
es folgen B. bifidus, Köpfchenbakterien und Buttersäurebacillen; in geringer 
Anzahl tritt hinzu der Bacillus putrificus Bienstock, die Mekoniumbakterien 
sind nach M. die Stammeltern der Stuhlbakterien. 

Stoeltzner (Halle a.S.). 


846 Ernährung. 


Caspari W., Physiologische Studien über Vegetarismus. Pflügers Arch. 
f. d. ges. Physiol. Bd. 109. S. 473 und Broschüre Bonn. Hager 1905. 123 Ss, 
(Mit 2 Lichtdruck- und 1 Kurventafel.) Preis: 3 M. 

Ausser den bereits referierten Untersuchungen über den Stoffwechsel 
der Vegetarier (1900. S. 890; 1902. S. 237) liegen neuerdings von Kuma- 
gawa an Japanern und von Hauer (Diss. Freiburg 1903) an einem 36jähri- 
gen Rohkost-Vegetarier Versuche vor, die teilweise im folgenden Erwähnung 
finden sollen. Caspari untersuchte erstens einen 49jährigen Ingenieur und 
seine Frau, über die er schon mit Glässner anderweitig berichtet hat, und 
neuerdings einen 50 jähr. Hauptmann d. L. H., der vom 30. Oktober bis 
14. Januar von Rohkost lebte und sich in strenger Klausur im Kais.-Augusta- 
Hospital befand. In diesen 77 Tagen nahm die Versuchsperson von 52 kg 
auf 41 kg ab, stellte sich aber schliesslich auf dieses Gewicht ein. H. lebte 
in Periode I (30. Okt. bis 9. Dec.) von 1000 g Weintrauben, in Periode II 
(10.—30. Dec.) von rund 1000 g Aepfeln und in Periode III (31. Dec. bis 
13. Jan.) von Aepfeln, Feigen und Apfelsinen. Wasser wurde in diesem Zeit- 
raum nicht getrunken. Die Stickstoffzufuhr betrug in der I. Periode nur 
1,18 g pro Tag und stieg später bis zu 4,43 g N pro Tag. Bei dem grossen 
Interesse, das die Frage nach dem möglichen Eiweissminimum besitzt, sei 
nachstehende Tabelle wiedergegeben, unter dem ausdrücklichen Hinweis, dass 
diese Feststellungen nicht verallgemeinert werden dürfen. 

Versuche mit geringer Eiweiss-Zufuhr am Menschen: 

A. Bei nicht rein vegetarischer Nahrung: 


Resor- 
bierter N 


Autor Bemerkungen 


N der 


Nahrung 
rung pro kg 
Körpergew. 


Hirschfeld Bilanz: 0,2 g N-Verlust pro Tag, 


Klemperer . Zuletzt rleicbgewicht 
Klemperer . . N-Gleichgewicht. Zuletzt Ansatz 
Siven (19025.237) Gleichgewicht 

Caspari . Bilanz : 0,82 g N-Verlust pro Tag 


Voit u. Constan- 


tinidi . . . 17 84:49 | 0,15, 47 Bilanz : 0,4 g N-Verlust pro Tag 
GE LE 8,25 4.75 0,11 | 35 Nichtvegetar., Bilanz: 4,95 g Verl. 
Rumpfu. Schumm |63 |11,8 | 7,51] 0,19 | 54 Bilanz : 0,9 g N-Ansatz pro Tag — 

(1900 S. $90) : Gleichgewicht 
Kumagawa . . £ 0.18 53,8 | Bilanz:0.5gN-Ansatz— Gleichgew. 
Albu (1902 5.237) 0.15 37 Bilanz:0,37gN- „ — p = 
Caspari u.Glässuer 0.11 ' 66 Bilanz: 1.05gN- „ —Ansatz 

ei i 0,09 | 47 |Bilanz:0,49gN- „ 
Caspari, Haupt- | 

mann H.. | 
I... a.. 91] 118 — | 0.02 15 Bilanz 3 g N-Verlust pro Tag 
Ir, 288.8 BE E 17 Bilan: 4g N Me PER 
I EN) 38 Bilanz : 0.02 g N- „ 37 
la... . 0,06] 3.43 36 [Bilauz:047g N- n on on 
Mb. e e H09 | 431 41 Bila ichgewicht 
Wins a e #09] 443.2. 4l Bilanz ;0,64g N-Ansatz pro Tag. 


Ernährung. 847 


Wie schlecht die Ausnutzung der Nahrung im Darm bei vegeta- 
rischer Kost sich stellt, zeigt nachstehende Uebersicht. Casparis Vege- 
tarier haben hiernach trotz ihrer langen vegetarischen Lebensweise keine 
bessere Ausnutzung aufzuweisen als ein Nichtvegetarier, der vorübergehend 
von Pflanzenkost lebt. In der Periode I schied der Hauptmann H mehr 
Stickstoff mit dem Stuhl aus, als er in der Nahrung aufgenommen hatte 
(Nahrungs-N + N der Darmsekrete!) 

Stickstoff=Ausnutzung. 
Es finden sich im Kot in Prozenten des Nahrungsstickstoffs wieder: 


bei vegetarischer Kost °% bei gemischter Kost fo 
Voit und Constantinidi . . . . 40,73 | Plasmon-Versuch Caspari. . . . 10,62 
Kellner und Mori . . . . . . 24,29 m = A RE SCHE A) 
Kumagawa. . . . .19u.385 = 3: ee re ED, 
Rumpf und Schumm (1900, S. Se 33,93 | Selbstversuch Löwr!). . . . . 198 
Albu (1902, S. 20 P . 32,79 ” Müller... ...137 
Taniguti . . else» ee AE i Caspari. » e e 
20,26 u ee et 
18,27 N Zuntz a A . 111 
22,96 EN ý (Somatose) ?) . 18,5 
Hauer . . br 2. 5 fe OO Versuche 
Caspari und Glässner . 24,21 u. 26,10 | an marsch, an nd} NV Aas ss 
Versuch am Haupim: H. 3 Soldaten J~ urg ’ 
Periode I . . 2x a 103,6 Atwater u. JMittel . . ....92 
Peride U. . . 2 .2.2..2..650 Benediet | Maximum en 164 
Periode IT. een. 86,2 | 50 Versuche J Minimum . . . . 3,2 


1) Darmkatarrh. 2) Die Albumosen sind besonders resorptionsschädigend. 

Auf Grund dieser Versuchen an Vegetariern und der Beobachtung des 
Siegers im Wettmarsch Dresden-Berlin (202 km), den der seit 8 Jahren vege- 
tarisch lebende M. in 26 Std. 58 Min. zurücklegte, kommt Caspari zu folgenden 
Schlüssen: 

Eine reinpflanzliche Kost, selbst reinpflanzliche Rohkost, 
vermag einen kräftigen, jugendlichen Organismus auf höchster 
Stufe körperlicher und auch geistiger Frische und Leistungsfähig- 
keit zu erhalten. Selbst der Hauptmann H. machte anfangs Dauermärsche 
und rang später zeitweilig mit Personen, beschäftigte sich im übrigen mit 
schriftstellerischen Arbeiten. Die Pflanzenkost ist billig. 

Die vegetarische Kost erscheint aber unzweckmässig; 1. der schlechten 
Ausnutzbarkeit, 2. der Reizlosigkeit und 3. des grossen Volums 
wegen. Die Eiweissarmut wird nur bei besonders unzweckmässiger Ver- 
wendung derselben als wesentlicher Einwand in Betracht kommen. . Unaufge- 
klärt ist noch die Frage nach den Harnsäurebildnern, an denen die Pflanzen- 
kost (aber auch nur im allgemeinen) arm ist. Berechtigt ist der Hinweis auf 
die geringe Zufuhr von Purinkörpern in der pflanzlichen Kost gegenüber einer 
übermässigen Fleischkost und in Krankheitsfällen. Bezüglich der 
Leistungsfähigkeit bietet die vegetarische Kost sicherlich im all- 
gemeinen keinen Vorteil gegenüber der gemischten. 

Caspari glaubt, dass die Ernährungsphysiologie jetzt imstande ist, auf 
alle Fragen, welche diese Seite des Vegetarismus (ausgenommen die Harn- 
säurefrage) betreffen, eine klare, eindeutige Antwort zu geben (vergl. auch 
Hueppe 1900. S. 735). E. Rost (Berlin). 


848 Ernährung. 


Freund H., Die Militär-Kochkiste. Der Militärarzt. 1905. No. 19. S. 170. 
Das zahlreiche Auftreten von Magen-Darmerkrankungen, der Mangel an 
leicht verdaulicher, warmer Nahrung, das lange Warten nach dem Eintreffen 
am Marschziel durch Einzel-Abkochen veranlassten Verf., als Ersatz für fahr- 
bare Marschküchen, die erhebliche Kosten verursachen und im übrigen den 
Wagenpark nicht unerheblich vermehren, bei der Truppe Versuche mit Koch- 
kisten, in denen warmes, fertiges Essen mitgeführt worden ist, anzustellen, 
Nach einer bildlichen Darstellung einer Kochkiste, die im wesentlichen sich 
aus einer gewöhnlichen, im Innern mit irgend einem schlechten Wärmeleiter 
(Holzwolle, Heu u.s. w.) ausgepolsterten Holzkiste, die mit Filz überzogen und 
Höhlungen zum Einstellen der gefüllten Kochgefässe enthält, zusammensetzt, 
bespricht Verf. die Methode, die nach einer Ankochung der Speisen von 20 
bis 30 Minuten und danach folgender Unterbringung in die Kiste besteht. 
Nach 3—4 Stunden tritt Garkochung -der Speisen ein, welche sich danach 
noch 12—16 Stunden völlig warm erhalten. Bei Einführung derartiger Koch- 
kisten hält Verf. die bisher üblichen Kochgeschirre der Soldaten für über- 
flüssig und dafür Beschaffung von Essschalen erforderlich. Konservenver- 
pflegung muss für Notfälle bereit gehalten werden; nur will Verf. bei Konserven 
Vorrichtung zur Selbsterwärmung getroffen wissen. Die im diesjährigen 
Manöver bei der Truppe gemachten Erfahrungen mit der Kochkiste sind zu- 
friedenstellend ausgefallen. Nieter (Halle a.S.). 


Schweizerisches Lebensmittelbuch. Methoden für die Unter- 
suchung und Normen für die Beurteilung von Lebensmitteln 
und Gebrauchsgegenständen. Zweiter Abschnitt: Milch und Milch- 
produkte. Speisefette und Speiseöle. Im Auftrage des Schweiz. 
Departements des Innern, bearbeitet vom Schweiz. Verein analytischer Che- 
miker. Zweite revidierte Auflage. 1905. Bern. Neukomm & Zimmermann. 
50 Ss. 80, 

In dem vorliegenden zweiten Abschnitt der Neuauflage des Schweize- 
rischen Lebensmittelbuches wurde das Kapitel Milch und Milchpro- 
dukte von Prof. Dr. F.Schaffer, Kantonschemiker von Bern, und A. Evequoz, 
Kantonschemiker von Freiburg, durchgearbeitet und ergänzt, während das zweite 
Kapitel von Prof. Dr. H. Kreis und Alfred Schmid (Kantonschemiker von 
Basel bezw. Thurgau) fast ganz neu ausgearbeitet wurde. 

Bezüglich der Milchbeurteilung sei erwähnt, dass der Fettgebalt im 
Minimum 30, betragen soll, da in der Schweiz der Durchschnittsfettgehalt der 
gemischten Milch mehrerer Kühe ca. 3,7°%/, Fett und 9%, fettfreie Trocken- 
substanz beträgt. Milch von anderen Säugetieren als von Kühen darf 
nur unter besonderer Deklaration und nicht in Mischung mit Kuhmilch in den 
Verkehr gebracht werden. Zur Konservierung von Milchproben für 
spätere Untersuchung wird empfohlen 1 g Kaliumbichromat oder 1 ccm 
Formaldehyd (40°%,) auf 1 Liter Milch zuzusetzen. 

Der Fettgehalt einer „süssen“ Butter soll mindestens 82%, betragen. 
Die Reichert-MeissIsche Zahl wird zu 25—34 angegeben. 

Bezüglich der Untersuchungsmethodik sei nur erwähnt, dass auf die 


Ernährung. 849 


neuesten Verfahren z. B. die Bestimmung der neuen Butterzahl nach 
Polenske (für normale Butter mit 1,3—3,0 angegeben) und des mittleren 
Molekulargewichtes der nichtflüchtigen Säuren (259—261) bereits 
hingewiesen wird. Zur Bestimmung der Reichert-Meissischen Zahl dient 
die Verseifung mit Glycerin-Natronlauge; merkwürdigerweise ist das so beliebte 
Bremersche Verfahren der gleichzeitigen Bestimmung der flüchtigen Fett- 
säuren und der Verseifungszahl nicht erwähnt. 

Von den Tabellen sei besonders die „Gebaltstabelle der Milch an Trocken- 
substanz und fettfreier Trockensubstanz und spec. Gewicht der Trockensubstanz“, 
nach den Fleischmannschen Formeln von Dr. H. Siats berechnet, erwähnt. 

Wesenberg (Elberfeld). 


Lohnstein Th., Das Galakto-Lipometer, ein neuer Apparat zur Be- 
stimmung des Fettgehaltes der Milch. Allg. Med. Centralzeitung. 
1905. No. 4. 

Beschreibung einer einfachen, schnell auszuführenden Bestimmung des 
Fettgehalts in (frischer, nicht gekochter) Kuh-, aber auch Frauenmilch mit 
einem billigen Apparat. Erforderlich sind 5—10 cem Milch. Die durch die 
officielle Kalilauge verseifte Milch wird mit Aethyl-Aether-im Reagenzglas ausge- 
schüttelt und in den Apparat übergeführt, in dem die Milch abgelassen und 
die Aetherfettlösung durch Einfüllen von heissem Wasser in den oberen Teil 
des Apparats, der in eine mit Teilung versehene Röhre ausläuft, getrieben 
wird. Bringt man den Aether zur Verdunstung, so kann man die Länge der 
Säule des erstarrten Fetts messen und an der Skala den prozentischen Fettge- 
halt der Milch direkt ablesen. E. Rost (Berlin). 


Teillat A. et Sauton, L’ammoniaque dans le lait. Recherche et inter- 
pr&tation de sa présence. Ann. de l’Inst. Pasteur. 1905. No. 8. p. 494. 
Bis jetzt ist die Bedeutung des NH,-Nachweises in der Milch 
noch nicht geprüft worden. Verff. geben eine sehr empfindliche Methode an, 
welche auf der Eigenschaft des Jodtrichlorids beruht, bei Vorhandensein von 
Spuren NH, in alkalischer Lösung JN zu bilden. 10 ccm Milch werden mit 
10 ccm einer 3 proz. Jodtrichloridlösung vermengt. Allmählich wird ver- 
dünnte Kalkmilch hinzugefügt bis zur Bildung eines schwarzen Niederschlages 
von JN. Die reinlich entnommene Kuhmilch soll kein NH; enthalten; der 
Nachweis von NH, in der Milch ist als ein Zeichen für Verunreinigung oder 
Fälschung zu betrachten. Silberschmidt (Zürich). 


Severin $. und Budinofß L., Ein Beitrag zur Bakteriologie der Milch. 
Aus dem Laboratorium der bakteriologisch - agronomischen Station der 
kaiserl. russischen Akklimatisationsgesellschaft für Pflanzen und Tiere in 
Moskau. Centralbl. f. Bakt. Abt. II. 1905. Bd. 14. S. 463. 

Es werden in der vorliegenden Arbeit eine grössere Anzahl Versuche be- 
kannt gegeben, welche die Verff. sowohl an gewöhnlicher als auch an pasteu- 
risierter Milch bei deren Herrichtung zum Verkauf in einer Mustermolkerei 
in Moskau angestellt haben. 


1 


850 Ernährung. 


Weiterhin werden Versuche über die Konservierung pasteurisierter und 
nicht pasteurisierter Milch besprochen. 

Aus den Untersuchungsergebnissen mag hervorgehoben werden, dass nach 
den Verff. in pasteurisierter Milch sporenbildende und zugleich Milch peptoni- 
sierende Arten in der Minderheit angetroffen werden und eine bei weitem 
grössere Anzahl Keime auf die sporenlosen, für Milch indifferenten Formen 
entfällt. Gleich nach der Pasteurisierung enthält die Milch keine Milch- 
säurebakterieu; sie wird zweifellos erst auf dem Wege vom Pasteurisator 
bis zur Flaschenfüllung durch die genannten Organismen verunreinigt. Unter 
letzteren, nämlich den verunreinigenden Organismen, wurden niemals sporen- 
bildende Arten angetroffen. Auch weiterhin spielen diese bei Konservierung der 
pasteurisierten Milch bei 3—11°C. bis zu 14—27 Stunden keine wesentliche 
Rolle; mit grösster Energie entwickeln sich augenscheinlich die verunreini- 
genden Mikrobien. 

Die beim Pasteurisieren am Leben gebliebenen Arten sind so geschwächt, 
dass sie wenigstens innerhalb 27 Stunden ausser Stande sind, in der Schnelligkeit 
der Vermehrung mit den verunreinigenden Arten zu konkurrieren, welche dem 
ungünstigen Einfluss einer hohen Temperatur nicht ausgesetzt waren. Diese 
Schlussfolgerung kann u. a. auch durch Beobachtungen bei Plattenausaaten 
gezogen werden, und zwar entwickeln sich die Kolonien auf den Platten, 
welche sofort nach erfolgter Pasteurisierung der Milch geimpft wurden, äusserst 
langsam im Vergleiche zu den Kolonien auf mit anderen Milchportionen ge- 
impften Platten. Heinze (Halle a. S.). 


Grósz, Ernährungsversuche mit Szekelys Kindermilch, insbesondere 
bei kranken Säuglingen. Arch. f. Kinderheilk. 1905. Bd. 41. H. 1 u. 2. 
Die Herstellungsweise der Szekelymilch ist in der Arbeit nicht ange- 
geben; soweit Ref. orientiert ist, handelt es sich im wesentlichen darum, dass 
durch Durchleiten von Kohlensäure ein Teil des Kaseins ausgefällt ist. 

Mit dieser Milch hat nun Verf. 22 Säuglinge je einige Monate lang 
ernährt. Die Erfolge bezeichnet er als „überraschend günstig“. Es ist nach 
ihm „eklatant, dass bei gesunden Kindern mit der Sz&kelymilch ein ebenso 
günstiges Resultat erzielt werden kann, als mit der Muttermilch in den 
günstigsten Fällen“. Dieses Urteil stützt sich auf einen Säugling, der 
während der Beobachtung sehr stark an Gewicht zunahm. 

Auch bei den magendarmkranken Säuglingen will Verf. „ausserordent- 
liche Erlolge“ erzielt haben. Dabei geht aus den beigefügten Krankenge- 
schichten hervor, dass die Mehrzahl dieser Kinder unter der Behandlung des 
Verf.’s ihre Magendarmstörungen Monate lang nicht los geworden sind. Ausser- 
dem wurden mehrere während der Ernährung mit der Szekelymilch rachitisch. 
Dass der einzige Fall von Atrophie, den Verf. behandelt hat, einen Misserfolg 
bedeutet, gibt er selbst zu. Indessen, -das ficht ihn nicht an. „Bekanntlich 
kommen wir bei atrophischen Säuglingen mit der natürlichen Ernährungsweise 
auch kaum zum Ziele“. (! Ref.) 

Zum Schluss führt Verf. Stoffwechselversuche an, die Tangl an einem 
mit Sz&kelymilch ernährten Säugling angestellt hat, und die ergaben, dass 


Ernährung. 851 


das Eiweiss dieser Milch gut ausgenutzt wurde. Weiss der Verf. nicht, dass 
auch das Eiweiss der gewöhnlichen, unvorbehandelten Kubmilch selbst vom 
darmkranken Säugling ausgezeichnet ausgenutzt wird? Was sollen also diese 
Stoffwechselversuche zu Gunsten der Szekelymilch beweisen? 

In Anbetracht dessen, dass die 22 Versuchskinder fast alle in den ersten 
Lebensmonaten standen, und ferner die Versuchszeit in die warmen Sommer- 
monate fiel, sind die Ergebnisse nicht gerade schlecht. Noch viel weniger 
aber sind sie „überraschend günstig“; mit jeder sauber gewonnenen Kuhmilch 
ist mindestens dasselbe zu erreichen. Wer die moderne Diätetik des Säuglings 
beherrscht, braucht keine Szekelymilch. Stoeltzner (Halle a. S.). 


Raudnitz R. W., Sammelreferat über die Arbeiten aus der Milch- 
chemie im Jahre 1904, II. Semester. Sonder-Abdr. aus Monatsschr. f. 
Kinderheilk. Bd. 3. Leipzig u. Wien 1905. Deuticke. Preis: 1 M. 

Uebersichtliche Zusammenstellung der einschlägigen Literatur, wobei ins- 
besondere die schwerzugängliche ausländische Berücksichtigung gefunden hat. 

In den Abschnitten Eiweisskörper, Fermente, Reaktion, Entstehung der Milch, 

Uebergang von Stoffen, bakterielle Zersetzung, Milch als Säuglingsnahrung u.s.w. 

werden die betreffenden Abhandlungen kritisch kurz besprochen. Hervorgehoben 

sei, dass nach Siegfeld und nach Raudnitz es durch Aetherextraktion nicht 
gelingt, den Milchtrockenrückstand vollkommen vom Fette zu befreien und 
dass der Formaldehyd als Milchkonservierungsmittel hygienisch beanstandet 
werden müsse. Eine Reihe neuer Nachweismethoden des Formaldehyds ist 
gefunden worden (Tebb, Eury, Utz). Nach Morckton Copeman (Report 
to the Local Government board No. 194, vom 19. April 1904) sollen durch 

Formaldehyd erzeugte epidemische Hautkrankheiten beobachtet worden sein. 

Nach Cao (Rivista d’igiene e san. pubbl. 1904. No. 21), der an jungen Hunden 

und Katzen experimentierte, soll sich weder Formaldehyd, noch Bursäure oder 

Borax als Konservierungsmittel der Milch eignen, wohl aber Wasserstoff- 

superoxyd (5—100/,0). Aus der These von P. Lecornu (Paris 1904. Rousset. 

No. 334) wird als bemerkenswert erwähnt: „Die Gesellschaft Phoebus geht bei 

der Sterilisation der Milch so vor, dass sie um so höhere Temperaturen an- 

wendet, je saurer die Milch ist. Die Milch „„Nektar““ wird unter 2—3 Atm. 

Druck mit Sauerstoff gesättigt und durch eine Glaskugel wie bei gewissen 

Sodawasserflaschen verschlossen, hierauf 2 Stunden bei 70° erwärmt. Rosen- 

thal fand die Milch noch nach einer Woche steril. Wurde aber der Verschluss 

geöffnet, so wuchs sehr bald Bac. subtilis oder auch Staphylococcus albus. 

Der Sauerstoffüberdruck verhinderte also nur die Vermehrung. Die homogeni- 

sierte Milch wird in Frankreich in ziemlicher Ausdehnung zur Säuglingsernäh- 

rung benutzt“. Ausserdem stellt Lecornu die 59 in Frankreich veröffentlichten 

Fälle von Barlowscher Krankheit zusammen, die nach Ernährung mit allen 

möglichen Milchfabrikaten, aber auch bei reiner Brustnahrung und bei Allaite- 

ment mixte beobachtet worden sind (vergl. Heubner, 1903. S. 1189). 

Empfohlen wird für die Untersuchung von Milch und Milchprodukten u. a. 

E. H. Farrington und F. W. Woll, Testing milk and its products, 13. Aufl., 

Madison Wis. 1904. E. Rost (Berlin). 


852 Ernährung. 


Schoofs Fr., Le contröle du lait dans les fabriques de beurre. Extrait 
des Publications du Congres de chimie et de pharmac. de Liege. 1905. 
Section VI. 

Die Butterfabriken müssen, um rationell arbeiten zu können, in der 
Lage sein, die eingelieferten Milchproben einer Untersuchung auf ihre 
Beschaffenheit unterziehen zu können. Da sich der Gesundheitszustand 
der Tiere nicht in der Milch erkennen lässt, müssen die Milchkühe einer 
amtlichen Gesundheitskontrolle unterworfen werden, um die Verbreitung 
von Krankheiten, namentlich der Aphthenseuche und Tuberkulose bintanzu- 
halten. Die Bestimmung des specifischen Gewichts erfolgt mittels Densi- 
meters, die Fettbestimmung nach Gerber oder Wollny-Zeiss, Milch- 
schmutzbestimmung meist nur qualitativ durch Sedimentierenlassen, Säure- 


n 
bestimmung durch Titration (1 ccm 10 Lauge für 100 ccm Milch mit Phe- 


nolphthalein als Indikator entspricht 1 Säuregrad). Die Trockensubstanz 
(E) wird nach der Formel: E= ee (D=spec. Gew., B= 
Fettgehalt) berechnet. Wässerung kann eventuell durch die Nitratreaktion, 
sowie die Bestimmung des Gefrierpunktes, sicherer aber durch die Be- 
stimmung der Refraktion des Serums, nachgewiesen werden. Die Brauch- 
barkeit der Milch speciell für die Butterbereitung ermittelt man am besten 
durch Üentrifugieren in graduierten Kremometern (10000 Umdrehungen der 
Alexandra-Centrifuge) und Ablesung der Rahmschicht, welche Manipulationen 
bei träge aufrahmender Milch eventuell noch mehrmals zu wiederholen sind. 
Wesenberg (Elberfeld). 


Maz& P., Les microbes dans l’industrie fromagere. 3. partie. Les 
ferments de la caseine. Ann. de I’Inst. Pasteur. 1905. No. 8. p. 481. 
Die eingehenden Versuche des Verf.’s führten ihn zu folgenden Schluss- 
folgerungen: Die Käseindustrie ruht vollständig auf der Milchsäuregärung 
und den begleitenden Phänomenen. Die Milchsäurefermente sind schon beim 
Melken in der Milch enthalten und vermindern die andern Gärungen. Die 
Milchsäuregärung übermittelt ferner dem Kasein und dem Rahm das so be- 
liebte Aroma der Butter und der Käse. Bei der Käsebereitung spielen wiede- 
rum die Milchsäurefermente bei der Auflösung des Kaseins die Hauptrolle. 
Die übrigen Fermente kommen noch hinzu; ein Käse ist aber um so besser, 
je mehr die übrigen Fermente zurücktreten. Die besten Käse enthalten fast 
keine Milchsäure und kein Ammoniak; freie Säure und Ammoniak ver- 
decken das Aroma. Brie- und Camembertkäse, welche besonders studiert 
wurden, verhalten sich in der angegebenen Weise. Verf. empfiehlt die Iso- 
lierung der nützlichen Fermente und deren Uebertragung in pasteurisierte Milch. 
Die Einführung der Pasteurisierung bei 65—66° in der Molkereitechnik gestattet 
eine Regulierung des Betriebes und die Entfernung der schädlichen Bakterien. 
Die nicht abgetöteten Bakterien werden durch die Milchsäure in ihrer Ent- 
wickelung verhindert. Die weichen Käse müssen möglichst rasch verzehrt 
werden, weil bei Temperaturen über 15° die ammoniak- und kaseaseliefernden 


Ernährung. 853 


Fermente, welche bei niedriger Temperatur nicht wachsen, zur Entwickelang 
kommen und den Geschmack verändern. Silberschmidt (Zürich). 


Rodella, Antonio, Ueber die Herstellung von Käsen aus sterilisiertem 
Eiereiweiss. Ein Beitrag zur Frage über die Bedeutung der Bak- 
terien für die Käsereifung. Centralbl. f. Bakt. Abt. II. Bd. 14. S. 297. 

Verf. bespricht die neueste Arbeit von v. Freudenreich und Thöni 
„Ueber die Wirkung der verschiedenen Milchsäurefermente auf die Käsereifung“* 
(Jahrbuch der Schweiz. 1904. H. 11), nach welcher sogenannte anaërobe 
Organismen bei der Käsereifung keinerlei nennenswerte Rolle spielen sollen, 
Demgegenüber tritt Rodella nach wie vor für die grosse Bedeutung der An- 
aörobien für den genannten Process ein und führt einige neue wertvolle Belege 
insofern an, als es ihm gelungen ist, aus sterilisiertem Eiereiweiss Hartkäse 
mit deutlich wahrnehmbarer Reifung herzustellen. Sowohl mit Reinkulturen 
vom Bac. anaörobicus tryptobutyricus (Achalme), also auch besonders 
unter gleichzeitigem Zusatz von Milchsäurebakterien (Bac. acidi lactici) 
konnten derartige Käse gewonnen werden, niemals aber mit Milchsäureorga- 
nismen allein (bei Kontrollkäsen). Nach der Ansicht des Verf.’s sollen diese 
Versuche nur wissenschaftlichen Wert haben; praktisch können derart gewonnene 
Käse aus verschiedenen Gründen schwerlich eine grössere Rolle auf dem Markte 
im Handel spielen. Als Kriterium für die Güte der Käse gilt bekanntlich eine 
grosse Menge sogenannten Zersetzungsstickstoffes. Da schon von Pasteur 
angenommen wurde, dass die Eiweissgärung hauptsächlich das Werk von 
anaöroben Mikrobien ist und neuere Versuche diese Annahme verschiedent- 
lich bestätigt haben, so müssen nach dem Verf. schon von vornherein die von 
ihm in jeder Käsesorte nachgewiesenen Anaörobien für den Reifungsprocess 
von Bedeutung sein; auch ist diese Voraussetzung in den vom Verf. mitge- 
teilten Versuchen völlig zur Geltung gekommen. 

Schliesslich möge nicht unerwähnt bleiben, dass auch bei Untersuchungen 
des Verf.’s über Zahncaries festgestellt werden konnte, dass anaërobe 
Mikroorganismen bei der Zerstörung des Zahnknorpels notwendigerweise 
tätig sein müssen. Auch hier, wo doch gleichfalls eine Eiweissgärung in 
Frage kommt, hat man schon immer geglaubt, die Bakterien, welche für 
die Erscheinung verantwortlich zu machen sind, unter den Anaörobienarten 
allein oder wenigstens vorwiegend suchen zu müssen: Damit hätte also die 
anaërobe Eiweissgärung nicht nur grosse specielle Bedeutung für die Landwirt- 
schaft und landwirtschaftlichen Gewerbe, sondern auch eine mehr allgemeine 
Bedeutung, insbesondere also auch für die Medizin. Heinze (Halle a. S.). 


Busse, Walter, Notiz über einen vegetabilischen Käse aus Kamerun. 
Centralbl. f. Bakt. Abt. II. 1905. Bd. 14. S. 480. 

Ein unter dem Namen „Pembe“ in Kamerun auf dem Markt gebrachter 
Käse wird aus dem Samen von Treculia africana Decne., einem Urwald- 
baume aus der Familie der Mucoraccen hergestellt. 

Ueber die Zubereitung dieses Produktes konnte Verf. nur erfahren, dass 
die Samen gekocht, geschält und zerquetscht werden, und dass aus dem so 


854 Ernährung. 


gewonnenen Brei Kuchen geformt werden, die man frisch auf den Markt zu 
bringen pflegt. Als einzige Zutat soll man Capsicum-Pfeffer verwenden. 

Anfangs schmutziggelb, färbt sich die Masse bald an der Luft äusserlich 
gelb, späterhin bräunlich; Geruch anfangs quarkartig, später ausgesprochen 
sauer; Geschmack der Produkte frisch völlig indifferent, bald infolge der 
Pfefferwirkung brennend scharf; nach einigen Tagen tritt ein säuerlicher Ge- 
schmack deutlich hervor. 

Die frischen Massen wiesen mikroskopisch Bakterien in mässig grosser 
Anzahl auf; Hefen und Pilze wurden nicht angetroffen. 

Auch in sogenannten feuchten Kammern trat nach 6 Tagen keine Pilz- 
entwickelung ein; es entstehen breiige geruchlose Massen ohne Fäulnis. Der 
trocken aufbewahrte Käse enthielt nach dem Verf. auch nur Bakterien. 
Aus äusseren Gründen konnte Verf. bisher keine eingehendere bakteriologische 
und chemische Untersuchung vornehmen. Es handelt sich hier wahrscheinlich 
um eine gemischte Milchsäuregärung, bei welcher sekundär auch Essig- 
säure entsteht. Durch die sehr starke Milchsäureproduktion soll nach dem 
Verf. sowohl Buttersäuregärung als auch Fäulnis unterdrückt werden. 

Heinze (Halle a. S.). 


Swellengrebel M., Sur la division nucléaire de la levure pressée. 
Ann. de l’Inst. Pasteur. 1905. No. 8. p. 503. 

Nach einer historischen Einleitung bespricht Verf. seine eigenen Unter- 
suchungen über die Kernteilung der Presshefe. Er unterscheidet ein Vor- 
stadium, Prophase, eine Metaphase und eine Anaphase. Die Kernteilung 
erfolgt nicht gleichzeitig mit der Zellteilung. Nach seinen Unter- 
suchungen hat die Kernteilung der Presshefe eine gewisse Aehnlichkeit mit 
derjenigen des Körnchens der Paramaecien. Eine Tafel mit 33 Abbildungen 
illustriert die Befunde. Silberschmidt (Zürich). 


Hueppe F. (Prag), Untersuchungen über Kakao mit besonderer Be- 
rücksichtigung der holländischen Aufschliessungsmethode und 
mit Vorschlägen zur gesetzlichen Regelung in Deutschland und 
Oesterreich. August Hirschwald Berlin. gr. 8°. 48 Ss. Preis: 1 M. 

Erst durch die 1828 erfolgte Erfindung des Holländer C. J. van Houten, 
den Kakao durch teilweise Entziehung des Fettes, „Aufschliessung“ und 
Pulverisierung vorzubereiten, ist es möglich gewesen, diesen in ein Nahrungs- 
und Genussmittel des ganzen Volkes zu verwandeln; die Verhältnisse bezüg- 
lich der Beurteilung von Schokolade und Kakao liegen daher ganz ähnlich 
wie beim Wein, welcher ja auch erst durch die „kellermässige“ Behandlung 
zu einem geniessbaren Getränk wird. 

Durch das Rotten wird infolge Einwirkung eines diastatischen Enzyms 
auf ein Glykosid das Kakaorot gebildet, welches für das Aroma und den Ge- ` 
schmack von entscheidendem Einflusse ist; durch das folgende Rösten wird der 
durch das Rotten eingeleitete Process weiter geführt. 

Vom Kakao soll infolge der Abhängigkeit des Geruchs und Geschmacks nur 
soviel Fett abgepresst werden, als eben nötig ist, um die Pulverisierbarkeit 


Ernährung. 855 


zu erreichen. Bei guten Qualitäten bewegt sich deshalb der Fettgehalt um 
30°/,, geht bei mittleren und schlechteren Qualitäten unter 25°/, herab, bleibt 
aber stets über 20°/,; nur die Kakaos der Firma Reichardt-Wandsberk sind 
bis auf 12—14°/, Fettgehalt entölt; „das hängt vermutlich damit zusammen, 
dass das Kakaofett eine ausserordentliche Preissteigerung erfahren hat“. 
Gegen diese starke Entfettung wendet sich nun der Verf., da dadurch 
der Nährwert infolge des hohen Kalorienwertes des Fettes bedeutend herab- 
gedrückt wird; ein normaler Kakao mit 16°), Eiweiss, 30°/, Fett, 10°/ Stärke 
und 2,5°/, Pentosanen besitzt für 100 g einen „Reinwert“ an verdaulichen 
Stoffen von 357 Kalorien, ein fettarmer Kakao mit entsprechend 20°), Eiweiss, 
15°/, Fett, 12%, Stärke und 3,50/, Pentosanen ergibt aber nur 254 Kalorien. 
Ausserdem soll die bei der stärkeren Enffettung notwendige Erhöhung des 
Druckes eine derartige Temperatursteigerung bedingen, dass sich neben der 
Zersetzung der Eiweissstoffe aus dem überhitzten Fett stechend riechende 
Akroleine bilden können, welche eine unverkennvare Verschlechterung des 
gesamten Präparates in Bezug auf Geruch und Geschmack verursachen; „ein 
vollmündiger Geschmack trägt aber zum kulinarischen Werte eines Genuss- 
mittels wesentlich bei.“ 

Keime und Schalen sind beim Brechen und Schälen der Bohnen mög- 
lichst zu entfernen; Schalenzusatz würde sich durch die Erhöhung des Gehaltes 
an Rohfaser — als Höchstwert ermittelt Verf. in einem mässig entölten 
Kakao 7,28%, — verraten. Das Verhältnis von Cellulose zu Lignin ist 
nicht ganz konstant, im allgemeinen ist etwas mehr Lignin als Cellulose in 
der Rohfaser vorhanden. Der Gehalt an Pentosanen bleibt bei Kakaosorten 
mit ca. 30°, Fett unter 3%, und steigt bei stärkerer Entfettung bis 3,660), 
an, während Schalen etwa 8—10°/, Pentosane enthalten. 

Die Feinheit des Kakaopulvers variiert innerhalb sehr weiter Grenzen; am 
kleinsten waren die Fragmente beim Reichardtschen Kakao 31 : 40 „ während 
die Durchschnittswerte bei den anderen untersuchten Sorten bis 230:310, 
anstiegen; mit zunehmendem Feinheitsgrade und Entölung scheint auch die 
bygroskopische Feuchtigkeit zuzunehmen, welche bei dem Reichardtschen 
Kakao 8,00, betrug, während sie bei den meisten anderen Proben unter 
6°%/, lag (die Probe von Lobeck & Co. 01. III. mit 7,940), Wasser scheint 
Verf. übersehen zu haben. Ref.) 

Von den verschiedenen Aufschliessungs-Verfahren gibt Verf. dem 
holländischen (Zusatz von 2—3°/, Kaliumkarbonat) den Vorzug; durch diesen 
Zusatz wird natürlich die Aschemenge entsprechend erhöht; auch erfährt die 
Asche insofern eine Veränderung, als im unbehandelten Kakao der lösliche 
Anteil der Asche meist geringer ist als der unlösliche (z. B 46,37: 53,63), 
während im alkali-behandelten Kakao sich dieses Verhältnis umgekehrt (z.B. 
79,20 : 20,80) gestaltet; da das Aufschliessen mit Dampf bezw. Ammoniak an 
diesem Verhältnis nichts ändert, so gestattet die Bestimmung dieser Verhält- 
niszahlen einen Rückschluss auf die Aufschliessungsweise. Das Alkali bleibt 
als solches im damit aufgeschlossenen Kakao nicht vorhanden, sonders es 
wird durch saure Phospliate, und freie organische Säuren (z. B. Gerbsäure) 
gebunden, so dass das behandelte Produkt nicht alkalisch, sondern amphoter 


856 Ernährung. 


— statt ursprünglich sauer — reagiert. Durch die Aufschliessung mit freiem 
Alkali wird auch die Suspensionsfähigkeit erhöht; dass hierbei aber auch der 
Fettgehalt des Kakaos eine Rolle spielt, indem die aufrahmenden Fettkügel- 
chen dem Sedimentieren entgegenwirken, beweist der Reichardtsche Kakao, 
welcher mit Alkalikarbonat aufgeschlossen, trotz seiner feineren Pulverisierung 
rascher sedimentiert als die anderen, gröberen Marken. 

Zum Schluss gibt Verf. einen Entwurf für die gesetzliche Regelung 
des Verkehrs mit Kakao, Schokolade und Schokoladenwaren für 
Deutschland und Oesterreich: Kakaopulver soll danach mindestens 20%), 
Fett enthalten, der Alkalizusatz höchstens 3%/,, der Aschegehalt höchstens 
9,5%, betragen. Schokoladen sollen mindestens 86—50°/, Kakaomasse ent- 
halten; grösserer Fett- und Zucker-, sowie sonstige Zusätze sind zu deklarieren. 

(Da sich Verf. gegen die stark entfetteten Kakaopulver streng ablehnend 
verhält, sei besonders auf die Arbeit von Schmidt (Zeitschr. f. öffentl. Chem. 
1905. S. 291) verwiesen, welche die Reichardtschen fettarmen Kakaos in 
Schutz nimmt. Ref.) Wesenberg (Elberfeld). 


Liebreich 0., Zur Frage der Borwirkungen. Eine Kritik des Dr. Wiley- 
schen Berichtes an das Amerikanische Ackerbauministerium. Berlin 1906. 
Hirschwald. 51 Ss. 4 Tafeln. Preis: 4 M. 

Die von Wiley angestellten Stoffwechselversuche mit Borsäure und 
Borax, über die in dieser Zeitschrift 1905, S. 319, berichtet worden ist, hat 
Liebreich nach dem seither veröffentlichten ausführlichen Bericht einer 
Kritik unterzogen. Zunächst werden einige allgemeine, Betrachtungen ange- 
stellt. Versuche am Menschen haben etwas Verlockendes gegenüber solchen 
am sprachlosen Tier; beim Borax und der Borsäure sind solche aber gar 
nicht nötig, da bei deren „massenhaften langjährigen innerlicben Anwendung“ 
„weder eine Vergiftung noch eine Schädigung der Gesundheit irgendwie sicher 
beobachtet worden ist“. Aber die Deutung der Versuche am Menschen wird 
erschwert durch die „sehr grossen individuellen Schwankungen“ und die 
psychische Einwirkung. „Piötzlich auftretende Sorge und alle psychischen 
Erregungen können, wie es jedem Arzt bekannt ist, die Verdauungsfähigkeit 
und die Aufsaugung des Verdauten variieren oder inhibieren“. Die Zahl der 
Versuchspersonen (12) wird für nicht gross genug erklärt, um die Geheim- 
nisse der Nerventätigkeit ausser Acht zu lassen. Sodann wird die Selbst- 
kontrolle und die ärztliche Ueberwachung der Versuchspersonen, sowie der 
Speiseraum, den Verf. selbst besichtigt hat, bemängelt. Die dauernde 
Nahrungsaufnahme in solchen Räumen könnte leicht zur Appetitsverminderung 
und zu der sich zu ihr gesellenden Stoffwechseländerung führen; selbst die 
sonst genaueste chemische Untersuchung der Stotffwechselprodukte könne nicht 
„die Nachteile einer solchen falschen Grundanordnung ersetzen“. Die von 
Wiley beobachtete Gewichtsabnahme der Versuchspersonen wird nicht an- 
erkannt, weil diese sich nicht im Stoffwechselgleichgewicht befunden hätten. 
Aus demselben Grunde hätte nach Verf.'s Ansicht die Anführung der Zahlen 
der N-Bilanz unterbleiben können. Als den „schwierigsten Punkt dieses 
Kapitels“ bezeichnet L. die Darreichung der Borpräparate für sich allein 


Ernährung. 857 


und zwar in Gelatinekapseln. Die Verabreichung des Konservierungsmittels 
in Kapseln lasse keine Schlussfolgerungen zu. An anderer Stelle wird aller- 
dings beiläufig erwähnt, dass die Borate auch in Butter oder Milch verab- 
reicht worden seien: doch sei auch dies falsch. (Nach dem Original des 
Wileyschen Berichts ist das Konservierungsmittel in Kapseln nur grösstenteils 
in Serie IV und durchweg in Serie V sowie in einer Sonderserie verabreicht 
worden.) Auf S. 16—50 werden Wileys Angaben über den etwas gestei- 
gerten Phosphorsäureumsatz besprochen und durch 4 Tafeln der aus 
Wileys Zahlen gezeichneten graphischen Darstellung erläutert. Auch diese 
behauptete Wirkung wird nicht anerkannt. Bezüglich der übrigen Einzelheiten 
sei auf diese Zeitschr. 1905, $.320 verwiesen, insbesondere auf den von L. 
besonders betonten Umstand, dass die Versuchspersonen sich am Ende des 
Versuchs wohler befunden hätten als vorher. Rost (Berlin). 


Rost E., Zur Kenntnis der Ausscheidung der Borsäure. Nebst einem 
Anhang: Borsäureliteratur. Arch. internat. de pharmacodyn. et de ther. 
1905. T. 15. p. 291. 

Die schon seit langem, insbesondere auch klinischerseits festgestellte lang- 
same Ausscheidung der Borsäure aus dem Organismus hatte durch Verf.'s 
zusammen mit Sonntag im Kais. Gesundheitsamte am Menschen angestellte 
Versuche bestätigt werden können (1902. S. 717 u. 1903. S. 252). Der zeit- 
liche Ablauf der Ausscheidung liess sich ziffernmässig verfolgen. Nach ein- 
maliger Zufuhr von Borsäure lag das Maximum der Ausscheidung in der 
dritten Stande, die Kurve fiel dann langsam mit kleinen Schwankungen ab, 
um erst nach 96 Stunden und darüber abzuklingen. Der Organismus entledigt 
sich der Hälfte der eingeführten Borsäure in etwa 12 Stunden, zur Abstossung 
der andren Hälfte bedarf es der 6—8 fachen Zeit. Bei mehrmaliger Zufuhr 
in Stunden- oder Tageszwischenräumen muss eine Anhäufung von Borsäure im 
Organismus stattfinden. In allen Fällen war es gelungen, die eingeführte 
Borsäure — praktisch gesprochen — ohue Verlust im Harn wieder- 
zufinden. 

In neueren Versuchen ist nun auch durch direkte quantitative Untersuchung 
von Schweiss, Speichel und Milch am Menschen nach Borsäurezufuhr 
festgestellt worden, dass — wie bei den Eigenschaften der Borsäure zu er- 
warten war, — wohl Borsäure mit den zur Verfügung stehenden ausserordent- 
lich empfindlichen Nachweismethoden in diesen Flüssigkeiten sich auffinden 
lässt, diese Mengen nach dem ziffernmässig festgestellten Befund aber zu 
geriog sind, um bei der Ausscheidung mit berücksicht werden zu können. 

Im Speichel zweier Versuchspersonen konnte nach Einnahme von 2 g 
Borsäure bei Untersuchung des Bstündigen (113 ccm) 2,5 mg, bei Untersu- 
chung des 7stündigen Speichels (176 ccm) 4,0 mg Borsäure ermittelt werden. 
(In den ersten drei Stunden kamen mit dem Harn dieser Personen 74—122 mg 
pro Stunde zur Ausscheidung.) 

Im Schweiss zweier Versuchspersonen, von denen die eine nach 3 g 
Borsäure 550 cem Schweiss abgab, die andere nach 9 g (während 3 Tagen 
genommen) 110 ccm Schweiss im Glühlichtbad abschied, wurden 20 bezw. 


858 Ernährung. Prostitution. 


8 mg Borsäure gefunden. (Mit dem Harn pflegen nach 3 g in den drei ersten 
Stunden 100—280 mg pro Stunde ausgeschieden zu werden.) Wileys Ver- 
mutung, dass die nach seiner Methode im Harn nicht gefundenen 20°, mit 
dem Schweiss eliminiert würden, ist damit als nicht zutreffend erwiesen (vgl. 
1905. S. 320). 

In der Milch dreier Frauen liessen sich nach Aufnahme von 6 bezw. 
10 g Borsäure (während 3 bezw. 5 Tage genommen) in 78, 132 und 128 ccm 
Milch nachweisen 1, 6 und 3.5 mg Borsäure. 

So ist der Beweis nach zwei Richtungen zwingend erbracht, dass dem 
Körper für die Ausscheidung der Borsäure nur die Nieren zur Verfügung 
stehen; der Uebertritt kleinster Mengen Borsäure in den Schweiss, den Speichel 
und die Milch ist selbstverständlich und ohne praktisches Interesse. So 
vollständig wie die Borsäure dürften andere chemische Stoffe auf ihre Aus- 
scheidungsmöglichkeiten nicht untersucht sein. E. Rost (Berlin). 


Harrington, Charles, Sodium sulphite: A dangerous food-preservative. 
Journ. of infectious diseases. Vol. 1. No. 2. p. 355. . 
Verf. stellte Versuche an Katzen über die Schädlichkeit des Natrium- 
sulfits bei seiner Verwendung als Konservierungsmittel an. Bei 6 Tieren, 
die täglich 0,2 g reines Natriumsulfit bekamen, zeigte sich nach 3 Wochen 
eine Gewichtsabnahme und bei der Sektion der getöteten Tiere eine fettige 


Degeneration der Niere. Ein Kontrolltier blieb gesund. 
Liefmann (Halle a. 8.). 


G., M. K., Städtische Lusthäuser. Mit einem Vorwort von C. Fraenkel. 
Leipzig 1905. Verlag von Johann Ambrosius Barth. 35 Ss. gr. 8°. Preis 40 Pfg. 
„kusthaus“ nannte man bisher ein meist auf dem Lande gelegenes. 
für sommerliche Benutzung bestimmtes Wohn- oder Festgebäude. Der Verf. 
aber versteht unter diesem Worte eine riesige, zur Aufnahme von je 5000 Prosti- 
tuierten bestimmte Anstalt, in der diese unter klösterlicher Abgeschiedenheit 
in strenger Zucht, aber bei in weitem Sinne guter Lebenshaltung vereinigt 
werden. Nur zur bestimmter Tageszeit auf je 11/,— 2 Stunden werden Männer 
gegen Entrichtung von je 8-23 M. nach Reinigung durch Anstaltsdiener und 
nach Untersuchung durch einen Anstaltsarzt zur Begattung zugelassen, während 
die, „Lustfrauen“ genannten Freudenmädchen jeden Morgen von Anstalts- 
ärztinnen auf Geschlechtsleiden untersucht und durch Pessarien vor Schwängerung 
geschützt werden. Die hohen Taxen gewähren der Stadt als Unternehmerin 
eine Jahreseinnahme von 11300000 M., von der ein Reingewinn von 4800000 M. 
für die Gemeinde verbleibt. Dabei würden die 50 000, der Berliner Polizei 
zur Zeit bekannten Freudenmädchen sich in 25 jähriger Tätigkeit zusammen 
2 Milliarden Mark ersparen können, so dass man jeder Lustfrau im Durch- 
schnitte 40 000 M. erspartes Geld bei ihrem Austritte aus der Anstalt ein- 
händigen kann. 
Dass dieser Entwurf für Berlin ausführbar ist, bezweifelt das Vorwort 


Statistik. 859 


wohl mit Recht. Trotzdem verdienen die Ausführungen des Verf.'s ernste 
Beachtung. Eine sittliche Hebung der Prostitution wurde von fast allen Re- 
ligonsstiftero und Gesetzgebern seit dem grauen Altertume angestrebt, weist 
aber zur Zeit nur in Ostasien einigen Erfolg auf, während bei uns die ein- 
schlagende behördliche Tätigkeit schon äusserlich durch den amtlichen Gebrauch 
verletzender Bezeichnungen die Absicht eines Indenschmutztreten der Prosti- 
tuierten verrät und dieses Ziel erreicht. 

Dass sich in kleinen Gemeinden ein Lusthaus im Sinne des Verf.'s — frei- 
lich mit einigen Abänderungen — durchführen liesse, lässt sich nicht in Ab- 
rede stellen. Bei Ermässigung der Taxe würde dadurch voraussichtlich der 
freien und beimlichen Prostitution erheblicher Abbruch geschehen. — Auf 
alle Fälle aber sollte, und zwar auch in den Grossstädten, die verderbliche 
Verbindung des Gewerbsbeischlafes mit dem Weingeiste gelöst werden, die 
von den Behörden insbesondere durch die Animierkneipen, jedoch auch durch 
Ballsäle, Nachtcafes und ähnliche Einrichtungen gefördert wird. Dass Alkohol 
selbst beim raffinierten Geschlechtsgenusse unnötig bezw.’störend ist, erkannte 
schon Mahomed, der den Seeligen neben den ewigen Jungfrauen zwar voll- 
gefüllte Becher (Koran, 78. Sure: Verkündigung), jedoch nur nicht be- 
rauschenden Weins (56. Sure: Der Unvermeidliche) gewährt. Ebenso beacht- 
lich erscheint die Ansicht des Verf.’s, dass Freudenhäuser durch die Stadtgemeinde 
zu halten sind, während sie im Privatbesitze zu Bordellen herabsinken und 
bei Uebernahme durch den Staat, mit dessen Begriffe sie überdies schwer 
vereinbar sind, an schwerfälliger, bureaukratischer Verwaltung scheitern 
würden. Helbig (Radebeul). 


Groth, Alfred, Statistische Unterlagen der Säuglingssterblichkeit in 
München. Zeitschr. f. Hyg. Bd. 51. S. 233. 

Die allgemeine Sterblichkeit ist in München von 1871—1903 von 41,6 auf 
20,7 v. H. zurückgegangen und die Sterblichkeit der Kinder im 1. Lebensjahr 
von 15,1 v.T. auf 7,9, offenbar unter dem Einfluss der hygienischen Verbesse- 
rungen. Die Säuglingssterblichkeit ist aber immer noch hoch und 
der Verf. hat nach den Zählkarten für die Verstorbenen die hierbei obwaltenden 
Verhältnisse genauer untersucht, um womöglich Verbesserungsvorschläge 
machen zu können. Während Schlossmann für das Königreich Sachsen 
und Dresden 1897 gefunden hatte, dass die Steigerung der Sterblich- 
keit bei den Kindern im 1. Lebensjahr unter dem Einfluss der 
Sommerhitze vorzugsweise die im 5. und 6. Monat stehenden be- 
trifft, stellt der Verf. für München fest, dass die Steigerung der Sterblich- 
keit durch die Sommerhitre am stärksten bei den Kindern im 
2. Lebensmonat ausfällt, und dass sie um so geringer ist, je älter das 
Kind wird. Dass das gleiche Verhältnis nicht auch bei den Kindern im 
1. Lebensmonat ebenso klar hervortritt, hängt damit zusammen, dass auf 
lebensschwache Kinder die höheren Sommertemperaturen geradezu erhaltend 
wirken und dass infolgedessen diese beiden Wirkungen bis zu einem gewissen 
Grade sich aufbeben. 


860 Statistik. 


Aus 3757 Totenscheinen von Kindern unter 1 Jahr aus dem Jahre 1903 
hat der Verf. ferner ermittelt, dass zu jugendliches Alter des Vaters 
(unter 25 Jahre) oder der Mutter (unter 20 Jahr) und zu hohes Alter 
des Vaters (40 Jahre) sowie ungewöhnliche Altersunterschiede 
zwischen den Eltern die Sterblichkeit der Kinder unter 1 Jahr er- 
höhen. Kinder von Erstgebärenden und von Vielgebärenden (über 
10 Kinder) sind mehr gefährdet als die übrigen. 

Ueber den Einfluss der Art der Ernährung auf die Sterblichkeit der Kinder 
unter einem Jahr gewann der Verf. an 7240 Kindern, bei denen 1904 während 
der öffentlichen Impfungen hiernach gefragt wurde, das Ergebnis, dass 55 v.H. 
überhaupt nicht die Brust erhalten hatten und 38 v. H. nur bis zu 
6 Monaten; unter den 1903 gestorbenen 4075 Kindern im 1. Lebensjahr be- 
fanden sich aber 83 v. H. Nichtgestillte, so dass hieraus mit Sicherheit 
eine viel höhere Gefährdung derjenigen Kinder hervorgeht, welche die 
Mutterbrust entbehren müssen. 

Ein Einfluss der-socialen Verhältnisse auf die Sterblichkeit der Kinder 
im 1. Lebensjahr ergibt sich daraus, dass von den 1903 gestorbenen Säuglingen 
80,8 v. H. in Wohnungen mit 1 und mehr Räumen sich befunden hatten, 
dagegen nur 3,7 v.H. in Wobnungen mit 4 und mehr Räumen. Hierbei 
ist zu beachten, dass jene Wohnungen 35 v. H., diese aber 25 v. H. aller Woh- 
nungen ausmachten. Auch stieg die Zahl der Säuglingssterblichkeit mit 
der wachsenden Zahl der Insassen der bewohnten Räume an. 

Globig (Berlin). 


v. Körösy, Joseph, Die Sterblichkeit der Haupt- und Residenzstadt 
Budapest in den Jahren 1901—1905 und deren Ursachen. II. (tabella- 
rischer) Teil. 1902. H. 2. Berlin 1904. Puttkammer & Mühlbrecht. 

Die für 1902 berechnete Einwohnerzahl von Budapest beträgt 751177. 

Im Berichtsjahre starben insgesamt 14 732 Personen, davon 576 eines gewalt- 

samen Todes. Die Zahl der Todesfälle an Infektionskrankheiten beträgt 

1243, und zwar an Tuberkulose der Hirnhäute 249, an Tuberkulose der Lungen 

2595, an anderer Tuberkulose 135, Masern 293, Scharlach 301, Diphtherie 

und Croup 188, Keuchhusten 78, Puerperalfieber 22, Abdominaltyphus 54, 

Influenza 43, Pocken 5, Syphilis 114, Erysipel 51, Pyämie 73, andere In- 

fektionskrankheiten 21. Die Todesfälle sind in dem Werke ausserdem noch 

zusammengestellt bezüglich der Altersverteilung, der Konfession, des 

Familienstandes, der Wohlhabenheit, der Wohnverhältnisse und der 

Beschäftigung. Bei der Kindersterblichkeit wird ausserdem noch die 

Legitimität berücksichtigt. Im letzten Teil sind die Tot- und Fehlge- 

burten nach Konfession, Legitimität und Wohlhabenheit aufgezählt. 

Baumann (Metz). 


Jahresberichte. Verschiedenes. 861 


Ufelmann und Pfeifer A., Einundzwanzigster Jahresbericht über die 
Fortschritte und Leistungen auf dem Gebiete der Hygiene. 
Jahrg. 1903. Supplement zur Deutschen Vierteljahrsschr. f. öffentl. Gesund- 
heitspfl. Braunschweig 1905. Friedrich Vieweg u. Sohn. 673 Ss. 8°, 
Preis: 13 M. 

In den jetzt von A. Pfeiffer herausgegebenen Jahresberichten über die 
Fortschritte und Leistungen auf dem Gebiete der Hygiene ist alles 
Wissenswerte zusammengetragen und kurz besprochen, was in der immer 
stärker anschwellenden Literatur auf dem Gebiete der Hygiene veröffentlicht 
wird. Die einzelnen Abschnitte sind von bedeutenden Fachmännern bearbeitet, 
so z. B. die Gesundheitsstatistik von G. Heimann, Infektionskrank- 
beiten von Bischoff, Frank, Rosenstein, Kronecker ù. a., sociale 
Hygiene und allgemeine Gesundheitspflege von Pfeiffer, Davids, 
Flatten, Bernhard, Kronecker, Pettschull, Licht und Luft von 
Hamm, Wasser und Nahrungsmittel von Grünhut und Arndt, Bau- 
hygiene von Frank, Beez und Albrecht. Ein Teil der Bauhygiene 
musste infolge Behinderung eines Mitarbeiters unbesprochen bleiben, das Feh- 
lende wird im nächsten Jahrgang erscheinen. Ausführliche Namen- und Sach- 
register erleichtern das Aufsuchen der angeführten Literatur. Das Buch ist 
infolge seiner Vorzüge bei Aerzten, Hygienikern, Medizinal- und Ver- 
waltungsbeamten allgemein verbreitet und beliebt als ein unentbehrlicher 
Ratgeber zur schnellen Orientierung auf dem gesamten Gebiete der Hygiene. 

Baumann (Metz). 


Heim G., Hygienische Neuigkeiten von .der Weltausstellung in 
St. Louis. Centralbl. f. allgem. Gesundheitspfl. 1905. Jahrg. 24. S. 8. 

Nur Deutschland hatte in St. Louis eine Hygiene-Ausstellung ge- 
schaffen, welche diesen Namen verdiente, veranstaltet vom Kaiserlichen Gesund- 
heitsamte. Besonders bemerkenswert waren: 

1. Sterilisierung des Wassers durch Ozon, von der Firma Siemens & Halske. 

2. Ein tragbarer Wassersterilisator von Rietschel und Henneberg (Berlin- 
Dresden). 

3. Doppelfiltration (Bremen). 

4. Doppelberieselung der Rieselfelder. 

5. Apparate für Abdeckereien (Aktien-Maschinenbauanstalt, vormals 
Venuleth & Ellenberger in Darmstadt. — Rietschel & Henneberg [Berlin]. — 
R. A. Hartmann [Berlin)). 

6. In die Wand gemauerter Desinfektionsapparat (O. Schimmel & Co. in 
Chemnitz). 

7. Papiertaschentücher und verbrennbare Spuckfläschchen (Flügge in 
Breslau). 

8. Schalzahnärzte (Jessen in Strassburg). 

9. Milchverbrauch in deutschen Städten. 

10. Kehrapparat fürs Haus mit Staubfänger, Bissels Ideal Sweeper, aus- 
gestellt von einer amerikanischen Firma. R. Blasius (Braunschweig). 


862 Kleinere Mitteilungen. 
Kleinere Mitteilungen. 


(G) Der XIV. Internationale Kongress für Hygiene und Demographie 
findet vom 23.—29. September 1907 in Berlin statt. Den Vorsitz des Organisations- 
comités führt der Präsident des Kaiserlichen Gesundheitsamts, Geh.-R. Bumm. Die 
Arbeiten des Kongresses, welcher "voraussichtlich im Reichstagsgebäude tagen wird, 
werden in 8 Sektionen erledigt werden: Sektion I: Hyginische Mikrobiologie und 
Parasitologie, Sektion II: Ernährungshygiene und hygienische Physiologie, Sektion HI: 
Hygiene des Kindesalters und der Schule, Sektion IV: Berufshygiene und Fürsorge 
für die arbeitenden Klassen, Sektion V: Bekämpfung der ansteckenden Krankheiten 
und Fürsorge für Kranke, Sektion Vla: Wohnungshygiene und Hygiene der Ort- 
schaften, Sektion Vlb: Hygiene des Verkehrswesens. Sektion VIL: Militärhygiene, 
Kolonial- und Schiffshygiene, Sektion VIIL: Demographie. Die Organisation einer mit 
dem Kongress verbundenen wissenschaftlichen Ausstellung hat Geh. Med.-R. Prof. 
Dr. Rubner, Berlin N. 4, Hessischestr. 4, übernommen. Die Geschäfte des Kongresses 
führt der Generalsekretär Oberstabsarzt a. D. Dr. Nietner. Die Geschäftsstelle be- 
findet sich Berlin W. 9, Eichhornstr, 9. 


(:) Denkschrift über die Entsendung einer wissenschaftlichen 
Expedition zur Erforschung der Schlafkrankheit. 

Die Schlafkrankheit, welche in Afrika seit langer Zeit bekannt ist, hat sich 
innerhalb der letzten 10Jahre in beunruhigender Weise über grosse Gebiete ausgedehnt. 
Sie wurde 1896 vom Kongogebiete, wohin sie vermutlich von der Westküste her ein- 
gedrungen war, nach Usaga am Nordufer des Viktoria-Nyanza verschleppt und breitete 
sich dort nach Westen und Osten so schnell aus, dass die Zahl der Todesfälle in den 
letzten Jahren auf 50000—200000 geschätzt worden ist. Von hier aus sind mehrere 
Fälle auch in die benachbarten deutschen Gebiete eingeschleppt worden, ohne dass 
jedoch hier zunächst eine Weiterverbreitung der Krankheit beobachtet worden ist. 
Ferner fand in vereinzelten Fällen eine Einschleppung auf der Ugandabahn nach 
Monıbassa und Zanzibar dicht an dem deutsch-ostafrikanischen Gebiete statt. Unter 
diesen Umständen erscheint Deutsch-Ostafrika von zwei Seiten durch die Schlafkrank- 
heit bedroht. 

Auch in den beiden anderen, im tropischen Afrika belegenen Schutzgebieten 
Togo und Kamerun sind Fälle von Schlafkrankheit schun beobachtet worden. 

Ueber das Wesen, die Ursache und die Verbreitungsweise der Krankheit sowie 
über die Notwendigkeit weiterer Forschungen auf diesem Gebiet ist nachstehendes 
zu bemerken. 

In ausgeprägten Fällen zeigen die von der Schlafkrankheit Befallenen das klini- 
sche Bild einer allmählich auftretenden und sich langsam steigernden allgemeinen 
Mattigkeit, Schwere der Glieder, Teilnahmlosigkeit und Schlafsucht. Meist tritt ein 
tödlicher Ausgang ein, doch kann die Krankbeit sich Monate lang hinziehen. Nicht 
selten scheinen jedoch Abweichungen von diesen typischen Krankheitsbilde vorzu- 
kommen, die noch weiterer Erforschung bedürfen, 

Als anatomische Grundlage der geschilderten Erscheinungen findet sich eine 
Entzündung der Hirn- und Rückenmarkshaut, 

Ueber den Erreger der Krankheit war man längere Zeit im Unklaren. Eine von 
portugiesischer Seite entsandte Expedition glaubte in bestimmten Bakterien die Krank- 
heitsursache gefunden zu haben. Da bei vielen Schlafkranken das Vorhandensein 
von Filarien (Fadenwürmchen) festgestellt worden ist, wurden diese als die Erreger 
angesehen. 

Eine aus England entsandte Kommission stellte jedoch fest, dass die Filaria 


Kleinere Mitteilungen. 863 


nicht die Ursache der Krankheit sein kann; dagegen konnten die Mitglieder der ge- 
nannten Kommission Castellani und Bruce regelmässig in der Cerebrospinal- 
flüssigkeit sowie im Blute der Kranken kleine, lebhaft bewegliche, den Protozoön, 
und zwar der Gattung „Trypanosoma“ zugehörige Organismen nachweisen, welche 
mikroskopisch den schon lange als Erreger der Tsetsekrankheit der Rinder bekannten 
Trypanosomen fast völlig gleichen. Der weitere Fortgang der Arbeiten der englischen 
Kommission machte es dann immer wahrscheinlicher, dass die Trypanosomen die 
Ursache der Krankheit sind, ferner dass die Uebertragung durch eine Stechfliege, die 
Glossina palpalis, erfolgt. Dies bietet eine weitere Analogie mit der vorerwähnten 
Tsetsekrankheit, die durch eine andere Glossina-Art übertragen wird. Bisher scheint 
die Krankheit in der Tat nur da vorzukommen, wo jene Fliege lebt. 

Nach dem Gesagten ist das Auftreten der Schlafkrankheit an zwei Bedingungen 
geknüpft: Es müssen an Schlafkrankheit leidende oder im Inkubationsstadium be- 
findliche Personen vorhanden sein, welche den Ansteckungsstoff liefern, und die 
bestimmte Fliegenart (Glossina palpalis), welche ihn überträgt. Die erste Bedingung 
ist für Deutsch-Ostafrika sowohl am Viktoriasee, wo ein dauernder Verkehr mit dem 
verseuchten Nachbargebiete stattfindet, als auch an der Meeresküste gegeben, wo man 
bei verstärkter Benutzung der Ugandabahn mit einer häufigeren Verschleppung nach 
der englischen Küste, insbesondere nach Zanzibar rechnen muss. Wenn auftJuarantäne- 
massnahmen als Abwelhrmittel hingewiesen wird, durch welche kranke Eingeborene 
von der Benutzung der Eisenbahn ferngehalten werden können, so ist der Erfolg 
solcher Massregeln schon deswegen nur als unvollständig anzusehen, weil von anderen, 
ebenfalls durch Zwischenwirte übertragbaren Blutkrankheiten, z. B. Malaria, besonders 
aber auch von den anderen Trypanosomenkrankheiten bekannt ist, dass für ihre 
Uebertragung gerade die latenten Fälle die Hauptgefahr bilden. Bei dem langen und 
fast obne charakteristische äussere Merkmale verlaufenden Inkubationsstadium der 
Schlafkrankheit müssen daher auch bei der Schlafkrankheit die latenten Fälle, die 
sich jeder Kontrolle entziehen, als besonders gefährlich angesehen werden. 

Was die zweite zur Verbreitung der Krankheit nötige Bedingung, die Glossina 
palpalis, betrifft, so soll die Fliege am Ostufer des Viktoriasees nicht vorkommen, da- 
gegen ist sie an mehreren Punkten im Süden und Westen des Sees gefunden worden; 
neuerdings liegen Nachrichten vor, dass unter den Bewohnern des von der Glossina 
heimgesuchten deutschen Gebietes eine auffallende Sterblichkeit beobachtet wurde. 

Dass andererseits diese Fliege auch in der Nähe der Meeresküste vorkommt, 
wird, zunächst für das englische Gebiet, von: Geh. Med. R. Prof. Dr. Robert Koch 
bestätigt; ihm wurden in Mombassa Exemplare gezeigt, die 30 englische Meilen ober- 
halb dieses Ortes gefangen waren. 

Von besonderer Bedeutung sind aber die neuerdings auf deutschem Gebiete 
gemachten Beobachtungen, wonach die Glossina palpalis am westlichen Ufer des 
Viktoria-Nyanza auf der Wanderung begriffen zu sein scheint; sie wurde, wie Stabs- 
arzt Dr. Feldmann im Mai 1905 berichtet hat, in Gegenden angetroffen, die sich 
bei früheren Untersuchungen als frei davon erwiesen hatten. Auch auf Dampfern und 
und Ruderbooten wurden diese Fliegen gelegentlich festgestellt; man darf also an- 
nehmen, dass sie durch derartige Fahrzeuge verschleppt werden. Unter diesen Um- 
ständen erscheint nicht ausgeschlossen, dass demnächst in weitere und grüssere 
Gebietsteile eine Einwanderung der Fliegen erfolgen wird. 

Von den Ufern des Tanganyikasees sind neuerdings ebenfalls Nachrichten über 
das Vorkommen von rypanosomenkrankheit bei Eingeborenen und von Glossinen 
eingetroffen. Es wird daher auch von dieser Seite ein Vordringen der Krankheit be- 
fürchtet werden müssen. 


864 Kleinere Mitteilungen. 


Auch für die Schutzgebiete Togo und Kamerun ist dieMöglichkeit einer grösseren 
Ausdohnung nicht ausgeschlossen. 

Die Beobachtungen der englischen Kommission über die ätiologische Bedeutung 
der Trypanosomen für die Schlafkrankheit und über die Vermittelung der Ansteckung 
durch die Glossina palpalis sind von verschiedenen Seiten bestätigt worden; immer- 
hin erscheint es erwünscht, dass noch weitere Forschungen angestellt werden; wenig- 
stens sind von einigen Kennern Zweifel gegen die ausschliessliche ätiologische Be- 
deutung der Trypanosomen erhoben worden; ferner ist noch aufzuklären, ob die 
genannte Fliege die einzige Trägerin des Ansteckungsstoffs ist. 

Kürzlich haben englische Forscher eine im Kongostaate vorkommende Fliegen- 
larve beschrieben, von der sie annehmen, dass sie möglicherweise bei der Uebertragung 
der Schlafkrankheit mitbeteiligt ist. 

Vielleicht kommen neben dem eigentlichen Zwischenwirt auch andere Insekten 
als gelegentliche Ueberträger in Frage, indem sie den Parasiten, ohne dass derselbe 
in ihrem Körper eine Entwickelung durchzumachen braucht, gewissermassen in 
mechanischer Weise übertragen. In allen diesen Beziehungen sind weitere Forschungen 
notwendig; vor allem werden die neuesten Beobachtungen englischer Forscher über 
die Entwickelung des Parasiten in der Fliege nachzuprüfen und zu ergänzen sein. 
Auch wird zu untersuchen sein, ob der Ansteckungsstoff auf die Nachkommenschaft 
der inficierten Fliege (wie das für die das Texasfieber übertragenden Zecken nach- 
gewiesen ist) übergeht. 

Nimmt man die ätiologische Bedeutung der Trypanosomen für die Schlafkrank- 
heit als erwiesen an, so erhebt sich die Frage, in welcher Beziehung mit dieser 
Krankbeit das zuerst für das Kongogebiet beschriebene „Trypanosomenfieber“ steht, 
das durch verhältnismässig leichte, längere Pausen aufweisende Fieberanfälle mit 
Vorkommen von spärlichen Trypanosomen im Blute charakterisiert ist. Zunächst 
neigte man dazu, beide Krankheiten, von denen die eine immer tödlich, die andere 
relativ leicht zu verlaufen schien, zu trennen und demgemäss zwei verschiedene beim 
Menschen vorkommende Trypanosomenarten anzunehmen. 

Allmählich kam man dazu, als wahrscheinlich anzunehmen, dass das „Trypano- 
somenfieber‘“ das erste Stadium der ausserordentlich langsam verlaufenden Trypano- 
someninfektion, die eigentlicheSchlafkrankheit aber dasEndstadium desselben Processes 
sei. Hiermit würde der langsame, oft über Jabre sich hinziehende Verlauf der 
Krankheit und das sehr lange Inkubationsstadium übereinstimmen; ebenso würde 
erklärlich, warum es solange gedauert hat, bis die ersten Erkrankungen an Europäern 
beobachtet wurden. Seit einiger Zeit sind eine Anzahl von Fällen bei Weissen be- 
reits bekannt geworden; zum Teil ist bei ihnen die eigentliche Schlafkrankheit erst 
in Europa ausgebrochen. Immerhin bedarf auch diese wichtige Frage, ob das „Trypano- 
somenfieber“ und die Schlafkrankheit auf demselben Erreger beruhen, noch neuer 
Untersuchungen. 

Auch wenn man aber eine Einheit beider Krankheiten als erwiesen annimmt, so 
steht noch keineswegs fest, dass sämtliche Fälle von einfachem Trypanosomenfieber 
in die eigentliche Schlafkrankheit übergehen müssen. Es sind einige Fälle beobachtet 
worden, ohne dass Symptome von Schlafkrankheit sich zeigten. Es erscheint sogar 
nicht als unmöglich, dass die Trypanosomeninfektion in völlige Heilung ausgehen 
kann; hierüber sind weitere Forschungen erwünscht. 

Bei den an Schlafkrankheit Gestorbenen finden sich häufig entzündliche Ver- 
änderungen der Hirnhaut, die durch sekundäre Einwanderung von Kokken hervor- 
gerufen sind. Es wird deshalb zu untersuchen sein, inwieweit diese Kokkeneinwanderung 
an den eigentlichen Schlafkrankheitssymptomen und an dem tödlichen Ausgange der 


Kleinere Mitteilungen. 865 


Krankheit beteiligt ist, und ob und unter welchen Umständen die’T’rypanosomeninfektion, 
zu solcher Kokkeneinwanderung disponiert. 

Dass sich die 'Trypanosomen aus Krankheitsfällen von Menschen auf eine Reihe 
von Tierarten übertragen lassen, ist sicher; hierdurch ist die Möglichkeit gegeben, 
eine Reihe wichtiger Fragen über die Natur der Parasiten, die Uebertragung, etwaige 
Immunisierungs- oder Heilverfahren an Tieren zu studieren. 

Die grosse Empfänglichkeit, welche gewisse Tierarten, insbesondere Affen, im 
Laboratoriumsversuche für die Erreger der Schlafkrankheit zeigen, legt aber auch die 
Frage nahe, ob sie nicht auch unter natürlichen Verhältnissen inficiert werden; in 
diesem Falle würde der Mensch nicht der einzige Träger der Parasiten sein. 

Ferner wird die Züchtung der Trypanosomen zu versuchen sein. Zyerst ist es 
dem amerikanischen Forscher Novy, danach auch anderen Untersuchern gelungen, 
eine Anzahl von Trypanosomenarten, die bei Säugetieren und Vögeln vorkommen, 
darunter auch die T'setse-Trypanosomen zu züchten. Auch ist schon über gelungene 
Versuche, mit solchen Kulturen Versuchstiere gegen Tsetse zu immunisieren, be- 
richtet worden. 

Im Tierversuche haben sich einige chemische Mittel, nämlich Trypanrot, Malachit- 
grün und Arsenik, als wirksam bei I'rypanosomeninfektionen erwiesen; nach den 
letzten englischen Berichten scheint die Anwendung des Arseniks auch bei Menschen 
Erfolg zu versprechen. Eine Fortsetzung derartiger Versuche erscheint daher dringend 
geboten. 

Das Stadium der Schlafkrankheit kann unter Umständen eine wesentliche 
Förderung erfahren, wenn dabei andere Krankheiten einbezogen werden, die auf 
ähnlichen Erregern beruhen und in ähnlicher Weise übertragen sind; umgekehrt werden 
die bei dieser Krankheit gefundenen Resultate vielleicht neues Licht auf andere Krank- 
heiten zu werfen vermögen, und zwar auch auf solche, die in Europa heimisch sind. . 

Gerade bei Protozoönkrankheiten, bei denen ein vollständiges Studium der 
Entwickelung des Parasiten und des Vorganges der Infektion unendlich viel schwieriger 
als bei Bakterien ist, liess sich schon mehrfach ein wichtiger Fortschritt in der Er- 
kenntnis eines Parasiten nur dadurch ermöglichen, dass zunächst der analoge Vorgang 
an einem anderen, nahestehenden Parasiten studiert wurde. So wurde z. B. die 
bedeutsame Entdeckung des bekannten englischen Malariaforschers Ross über die 
Entwickelung der Malariaparasiten in der Mücke nur durch das vorangehende und 
gleichzeitige Studium der entsprechenden Entwickelung der Vogelproteosomen er- 
möglicht. 

Es eröffnet sich hiernach der deutschen Forschung ein reiches Gebiet, und es 
darf als eine Ehrenpflicht Deutschlands bezeichnet werden, sich an der Bearbeitung 
desselben zu beteiligen, nachdem andere Nationen bereits seit längerer Zeit darin vor- 
angegangen sind. 

Vor allem stehen jedoch schwerwiegende praktische Interessen in Frage, denn 
ein Umsichgreifen der Schlafkrankheit in einem der Deutschen Schutzgebiete würde 
eine grosse wirtschaftliche Schädigung bedingen. Wie schwer es aber ist, der Krank- 
heit dann wirksam entgegenzutreten. wenn sie bereits eine grössere Ausdehnung 
angenommen hat, zeigt das Beispiel des englischen Uganda; es ist daher nicht ratsam, 
mit der Entsendung einer Expedition elwa so lange zu warten, bis die Seuche im 
deutschen Gebiete festen Fuss gefasst hat. Ausserdem kommt in Betracht, dass auch 
bei Weissen Fälle von Schlafkrankheit im tropenhygienischen Institute zu Hamburg 
beobachtet worden sind, und dass somit die Arbeiten zur Erforschung der Schlaf- 
krankheit auch denjenigen zugute kommen werden, die aus Deuschland nach den 
Tropengegenden kommen und dort Aufenthalt nehmen, 


866 Kleinere Mitteilungen. 


Schliesslich darf man hoffen, dass das Studium der Schlafkrankheit dazu bei- 
trägt, das wichtigste Gebiet der kranliheitserregenden Protozoön weiter zu klären. 

Das Studium der krankheitserregenden Protozoön hat in den letzten Jahren 
durch verschiedene neue Befunde ein erhöhtes Interesse gewonnen, und zwar auch 
für solche Krankheiten, die in Europa heimisch sind. Es ist sehr wahrscheinlich ge- 
worden, dass zunächst eine Art von Spirochäten nicht, wie bis dahin angenommen 
wurde, ein Bakterium, sondern ein Protozoön ist und ein Entwickelungsstadium von 
anderen unter der Bezeichnung Halteridien und 'I’rypanosomen bekannten Formen 
darstellt; es liegt nahe, anzunehmen, dass ähnliche Verhältnisse auch bei anderen 
Spirochätenarten vorliegen. ` 

Die Untersuchung gerade der Spirochäten hat in jüngster Zeit eine ganz neue 
Bedeutung durch die überraschende Entdeckung gewonnen, dass eine wohl charak- 
terisierte Art von echten Spirochäten — soweit dio bisherigen Befunde reichen — 
regelmässig in frischen sypbilitischen Produkten sich findet. Diese Entdeckung ist 
bereits von vielen Seiten bestätigt worden und namhafte Forscher (Metschnikoff, 
C. Fraenkel) sind soweit gegangen, die gefundenen Spirochäten mit grösster Wahr- 
scheinlichkeit als die Ursache der Syphilis zu erklären. Es ist jedoch geboten, die 
Entscheidung hierüber aufzuschieben, bis noch genaueres über den Bau und die Ent- 
wickelung der bei Syphilis gefundenen Spirochäte und ihr Verhältnis zu anderen 
Spirochätenarten bekannt geworden ist. Zur Klärung dieser Fragen würde das Studiun 
der anderen hauptsächlich in den Tropen vorkommenden pathogenen Spirochätenarten 
von grosser Bedeutung sein. Die bei Syphilis vorkommende Spirochäte bietet wegen 
ihres zarten Baues und ihrer Kleinheit sowie wegen der Schwierigkeit und Unvoll- 
kommenheit der Uebertragung auf Tiere ganz besonders ungünstige Verhältnisse für 
ein genaueres Studium ihres Entwickelungsganges, und es wäre daher eine Aufklärung 
vielleicht am ehesten durch das Studium anderer Spirochätenarten zu erwarten; hierzu 
würde sich voraussichtlich in Ostafrika Gelegenheit bieten. 

Die Untersuchungen in den angedeuteten Richtungen sollen kurz zusammenge- 
fasst dazu dienen, die ursächliche Bedeutung und die Verbreitung der Trypanosomen, 
ihren Entwickelungsgang und die Möglichkeit ihrer Beeinflussung durch chemische Mittel 
innerhalb des Körpers festzustellen, um vielleicht eine Handhabe dafür zu gewinnen, 
durch Vernichtung der Parasiten der Ausbreitung der Krankheit entgegenzutreten. 

Ein anderes Mittel zur Bekämpfung der Krankheit würde die Vernichtung des 
Zwischenträgers, der Glossina, sein. Die lebensbedingungen und Gewohnheiten dieser 
Insekten zu erforschen, würde daher der Expedition als weitere Aufgabe zufallen. 
Nach den bisherigen Berichten ist das Vorkommen der Glossina palpalis an ganz 
bestimmte Bedingungen geknüpft. Wald- und Buschland gelten als die besten Brut- 
stätten. Durch Niederschlagen von Buschwerk sollen an einzelnen Punkten die In- 
sekten zum Verschwinden gebracht sein; demnach hätte die Expedition die Aufgabe, 
die Möglichkeit einer Ausrottung der Glossinen auf diesem oder ähnlichem Wege 
unter Benutzung der bei der I'setsekrankheit gemachten Erfahrungen zu erforschen. 

Hinsichtlich der Zusammensetzung und Ausrüstung der Expedition und hin- 
sichtlich der Wahl des Reiseziels kommt folgendes in Betracht: 

Diejenigen Umstände bei der Schlafkrankheit, welche verhältnismässig leicht 
und durch einfachere Untersuchungsmethoden zu finden waren, sind in der Haupt- 
sache bereits festgestellt. Zur weiteren Forschung bedarf es sehr sorgfältiger Unter- 
suchungen, für die erforderlich sind: 

a) ein Sachverständiger, der mit den protozoischen Parasiten und ihren 
Ueberträgern schon eingehend bekannt ist und mit den nötigen Hilfsmitteln zu pro- 
tozoischen, entomologischen und bakteriologischen Untersuchungen versehen wird; 

b) ein mit den ostafrikanischen Verhältnissen vertrauter Arzt; 


Kleinere Mitteilungen. 867 


c) ein auf dem Gebiete der Immunitätslehre und Seuchenbekämpfung bewanderter 
Bakteriologe. 

Das Hülfspersonal würde zweckmässig nicht aus Deutschland mitgenommen, 
sondern erst unterwegs angeworben werden. 

Als Ausrüstung würde eine Laboratoriumseinrichtung notwendig sein, wie 
sie bei ähnlichen, früheren Expeditionen sich bewährt hat. 

Als Reiseziel würde nur eine Gegend in Betracht kommen, wo reichliches 
Material zum Studium der Krankheit vorhanden ist; dies ist gegenwärtig auf deutschem 
Gebiete nicht der Fall, dagegen in hervorragendem Masse in dem dem deutschen 
Gebiete benachbarten Uganda. Hier findet sich in Entebbe eine geeignete Station für 
längere und eingehendere Laboratoriumsarbeit. Daselbst hat seinerzeit die englische 
Kommission zur Erforschung der Schlafkrankheit den grössten Teil ihrer Unter- 
suchungen gemacht; auch jetzt befiindet sich noch ein Laboratorium dort, woselbst 
deutsche Aerzte schon wiederholt entgegenkommende Aufnahme gefunden haben. Von 
hier aus würden, je nachdem sich die Notwendigkeit ergibt, kleinere Expeditionen in 
deutsches und englisches Gebiet unternommen werden können. Wenn zunächst Entebbe 
als das Hauptziel ins Auge gefasst wird, so wird doch der zu entsendenden Kom- 
mission freigestellt bleiben müssen, geeignet erscheinenden Falls ihre Tätigkeit auch 
noch an anderen Orten zu entfalten. 

Die Dauer der Expedition würde voraussichtlich 11/2 Jahre betragen, 

Die Kosten sind veranschlagt im ersten Jahre 

auf 50000 M. für Personal und Reisekosten, 
n» 70000 „ „ Ausrüstung und sonstige sächliche Ausgaben; 
im zweiten Jahre 
auf 25000 M. für Personal und Reisekosten, 
» 40000 „ „ sächliche Ausgaben. 
(Veröff. d. Kais. Ges.-A. 1906. No. 13. S. 301—303.) 


(:) Unter den einmaligen Ausgaben des Auswärtigen Amtes(Kap.2) sind 
hervorzuheben: 

Tit. 1. Subvention an die Zoologische Station des Prof. Dr. Do,hrn in Neapel 
20000 M. 

„Nach dem letzten Berichte des Prof. Dr. Dohrn in Neapel vom Juni 1905 ist 
die Station in andauernder gedeihlicher Entwickelung begriffen. Ihre Finanzlage ist 
als günstig zu bezeichnen. Um aber der Anstalt zu ermöglichen, ihren bisherigen 
Platz unter den Instituten ähnlicher Art zu behaupten, erscheint die weitere Gewährung 
eines Reichszuschusses erforderlich. Es erschien jedoch angängig, ihn um die Hälfte 
des bisherigen Betrages zu vermindern.“ 

Tit. 2. Subvention an die Zoologische Station in Rovigno in Istrien 20000 M. 

„Die Nachfrage nach den in der Station vorhandenen Arbeitsplätzen war wiederum 
äusserst rege. Die Station gilt für die geeignetste Stelle hinsichtlich der Protozoön- 
forschung. Die Kenntnis dieser Lebewesen ist durch Arbeiten von Gelehrten, welche 
in der Station tätig waren, weiter gefördert worden. 

Um der in der wissenschaftlichen Welt zu hoher Anerkennung gelangten Anstalt 
eine weitere gedeihliche Entwickelung zu ermöglichen, ist die Gewährung eines 
Reichszuschusses erforderlich. Die Einstellung eines Betrages von 20000 M. auch in 
diesen Etat erscheint daher gerechtfertigt. 

Im Falle der Bewilligung der Subvention ist die Gesellschaft „Berliner Aquarium“ 
wie bisher verpflichtet, den deutschen Universitäten lebendes und konserviertes 
Material gegen Erstattung der Selbstkosten zu liefern und zwei Arbeitsplätze nebst 
Material für Gelehrte in Rovigno kostenfrei zur Verfügung zu stellen.“ 


868 Kleinere Mitteilungen. 


(:) Hamburg. Die Polizeibehörde hat unter dem 1. Februar 1906 folgende 
Warnung bekannt gemacht: 

In dem hiesigen Schlächtereigewerbe hat sich vielfach die Gewohnheit einge- 
bürgert, die Aufbewahrungsräume für Fleisch, Eiskeller u. s. w. durch Abbrennen 
von Schwefel auszuräuchern. Das Ausschwefeln hat, wie die Untersuchungen des 
Ilygienischen Institutes ergeben haben, zur Folge, dass das während dieses Verfahrens 
in den Räumen befindliche oder kurz darauf in dieselben gebrachte Fleisch mit schwef- 
liger Säure behaftet wird. Es hat sich ferner herausgestellt, dass vielfach zum Ab- 
waschen oder Abreiben von Fleisch, das blutige Stellen aufweist, Flüssigkeiten 
verwendet werden, in denen schweflige Säure oder deren Salze enthalten sind, und 
dass auch zur Reinigung der Gerätschaften (wie Hackwolf und dergl.) solche Mittel 
wohl Verwendung finden; auch auf diesem Wege gelangt nach den Feststellungen des 
Hygienischen Instituts leicht schweflige Säure in das Fleisch. Die Beliandlung von 
Fleisch mit schwefliger Säure oder deren Salzen, sowie der Vertrieb von Fleisch, 
welches mit derartigen Stoffen behaftet ist, ist durch § 21 des Gesetzes, betreffend die 
Schlachtvieh- und Fleischbeschau vom 3. Juni 1900 und der hierzu erlassenen Be- 
kanntmachung vom 18. Februar 1902 verboten. 

Die beteiligten Kreise werden hiermit auf die Gefahren der vorstehend erwähnten 
Verfahren hingewiesen und vor Anwendung der genannten Mittel gewarnt mit dem 
Bemerken,: dass Verstösse gegen die vorerwähnte Bestimmung des Fleischbeschauge- 
setzes mit nachdrücklicher Strafe werden belegt werden. 

(Veröff. d. Kais. Ges.-A. 1906. No. 13. S. 304.) 


(Fl) Dem Beschlusse der Schuldeputation entsprechend erhält jetzt inBerlin 
jede Mutter, die ein Kind neu zur Schule bringt, ein vom dortigen Schularzt Prof. 
Dr. Hartmann verfasstes Alkoholmerkblatt eingehändigt, in dem dio verderb- 
lichen Wirkungen der geistigen Getränke auf Geistes- und Körperentwickelung des 
Kindes geschildert und nachdrückliche Warnungen vor ihrem Genuss erhoben werden. 
Auch die Folgen des Gewohnheitstrunkes beim Erwachsenen (Siechtum, Verbrecher- 
tum) werden angeführt, der sogenannte „Nährwert“ des Alkohols auf sein minimales 
Mass zurückgeführt und auf die finanzielle Verschwendung im Haushalt des Trinkenden 
hingewiesen. Das Merkblatt ist im Mässigkeitsverlag des Deutschen Vereins 
g. d. Missbrauch geist. Getränke, Berlin W. 15, zu beziehen. Hier sind auch die 
anderweit verwendeten kurzen Veröffentlichungen und Warnungen vor dem Alkohol- 
genuss des Kindes erhältlich, so die bekannten kleinen Karten von Quensel, die 
BodescheSchrift,Warum unsere Kinder Wein und Bier nicht haben sollen?“ u.a. m. 

Mit grossem Interesse darf man dem vom 7.—9. September d. J. in Berlin 
tagenden Internationalen Kongress für Versicherungswissenschaft ent- 
gegen sehen. Er wird u. a. einen Vortrag bringen über die Lebensversicherung 
der Abstinenten und andererseits der im Brau- und Schenkgewerbe Be- 
schäftigten. Man darf erwarten, dass dort wertvolle statistische Mitteilungen über 
die Lebenswartung der Trinkenden gegenüber den Nichttrinkenden beigebracht werden 
und dass man dem in Holland, England und Amerika üblichen System der Ver- 
sicherungsgesellschaften demnächst auch in Deutschland Folgo geben wird, wonach 
die Abstinenten in besonderen Abteilungen geführt werden. Ergibt sich auch nach 
der deutschen Berechnung eine Verlängerung der Lebenszeit bei den Abstinenten, so 
wird man ihnen auch wie in den genannten Ländern günstigere Bedingungen stellen. 


Verlag von August Hirschwald, Berlin N.W. — Druck von I. Schumacher in Borlin N. 24. 


Hygienische Rundschau. 


Herausgegeben 


von 


Dr. Carl Fraenkel, Dr. Max Rubner, Dr. Carl Günther, 


Geh. Med.-Rat, Prof. der Hygiene Goh. Med.-Rat, Prof. der IIygiene Geh. Med.-Rat, a.o.Prof. der Hygiene 
in Hallo a.jS. in Berlin. in Berlin. 


XVI. Jahrgang. 


x 


Berlin, 15. August 1906. 


(Aus dem hygien. Institut der Universität Kiel. Prof. Dr. B. Fischer.) 


Untersuchungsergebnisse bei dem Vergleich eines neuen Filters mit dem 
Berketeldfilter. 


Von 


Wilh. Wittneben, 
Assistenten am Untersuchungsamt des hygien. Instituts. 


Das Verlaugen, ein einwandsfreies Trinkwasser auch an Orten zu ge- 
niessen, wo dies von der Natur nicht geboten wird, hat schon seit mehreren 
Jahrzebnten zur Fabrikation der verschiedensten Hausfilter geführt. Eines 
der ältesten und bekanntesten ist das 1884 von Pasteur und seinem Schüler 
Chamberland aus Porzellanton konstruierte Filtre sans pression, welches in 
der französischen Armee eingeführt wurde. Wenn es auch anfangs ein keim- 
freies Filtrat liefert, so ist seine Ergiebigkeit doch eine sehr geringe, und die 
Bakteriendichtigkeit bald ungenügend. Dies ergaben schon 1890 die Versuche 
von Kübler, der nur höchstens 4 Tage ein steriles Filtrat erhielt. Zu den- 
selben Resultaten kamen Acosta und Grande Rossi, die direkt vor den 
Filtern warnen. Auch die von Hesse 1885 empfohlenen Asbest- und Ton- 
filter, ebenso wie die verschiedenen anderen Asbest-, Kohle-, Papier- und 
Eisenschwammfilter haben sich teils wegen der völlig unzureichenden Zurück- 
baltung von Bakterien, teils wegen der geringen Ergiebigkeit nicht bewährt. 
Da veröffentlichte 1891 H. Nordtmeyer die Ergebnisse seiner Versuche mit 
den von ihm und Berkefeld konstruierten Filterkerzen aus gebrannter Infu- 
sorienerde, die sehr ermutigend klangen. Die Kerze gab für längere Zeit ein 
keimfreies Filtrat, war durch Kochen sicher zu sterilisieren und lieferte eine 
bedeutende Filtratmenge, durchschnittlich 2 Liter pro Minute, eine Leistung, 
auf die sie durch mechanische Reinigung stets wieder gebracht werden konnte, 
so dass Nordtmeyer seine Veröffentlichung schliesst: Es dürfte somit dieses 
Filter den Anforderungen an ein Hausfilter auf das vollkommenste entsprechen. 
Auch die Nachprüfungen von Bitter und Prochnik ergaben sehr günstige 
Resultate; letzterer arbeitete mit Einschwemmungen von Prodigiosus, den er 
im Filtrat nie nachweisen konnte, Gegenüber diesen rückhaltlosen Empfeh- 


63 


870 Wittneben, 


lungen der Kieselguhrfilter fehlte es aber bald nicht an warnenden Stimmen. 
Zuerst war es Kirchner, der nach einer sehr eingehenden Prüfung von 
8 Berkefeldkerzen zu dem Resultat kam, dass die Filter nur für kurze Zeit ein 
zuverlässig keimfreies Filtrat geben, dass sie pathogene Bakterien nicht länger 
als nichtpathogene zurückhalten, dass ihre Leistungsfähigkeit schnell abnimmt 
und nur durch häufig wiederholte und gefährliche, d. h. leicht zur Schädigung 
der Kerzen führende Reinigungsmassregeln wiederhergestellt werden kann. Da 
Kirchner sich auch gegen die unter Grubers Leitung ausgeführten Unter- 
suchungen von Prochnik gewandt hatte, so erschien bald eine sehr energische 
Entgegnung Grubers. Er tadelt an Kirchners Versuchen, dass er dem zu 
filtrierenden Wasser Bouillonkulturen von pathogenen Keimen zugesetzt und 
so diesen Keimen einen günstigen Nährboden geschaffen habe, welcher es er- 
mögliche, dass die Keime, die in gewöhnlichem Wasser nicht vermehrungsfähig 
seien, sich vermehrten und daher auch die Filter durchwüchsen, während sie 
es unter normalen Umständen nicht täten. Er macht darauf aufmerksam, dass 
die Wassersaprophyten eben nicht durchgeschwemmt würden, sondern unter 
den ihnen günstigen Lebensbedingungen die Filterwand durchwüchsen. Die 
Erwägungen Grubers, die sich auf die Arbeiten Prochniks gründeten, 
wurden weiter experimentell bekräftigt durch Versuche Schöfers, der fand, 
dass bei Filtration gewöhnlichen Wassers, dem Typhuskeime zugesetzt waren, 
keine Typhusbakterien das Filter passierten, dass dies aber geschah, sobald 
das Wasser durch Zusatz von Bouillon zu einem für Typhuskeime günstigen 
Nährboden gemacht war. Auch fand er, dass das Durchwachsen der gewöhn- 
lichen Saprophyten bei höheren Temperaturen schneller stattfand als bei 
niedrigen. Er kommt zu dem Schluss, dass die Berkefeldfilter als keimdicht 
zu betrachten sind. Die Behauptungen Kirchners fanden dagegen eine 
kräftige Stütze durch Severin Jolin. Auf Grund seiner Prüfung von zwei 
Berkefeldkerzen an der Stockholmer Wasserleitung kam er ebenfalls zu fol- 
gendem Ergebnis: Die Filter vermögen nur mehr oder minder kurze Zeit 
Bakterien zurückzuhalten, ja zuweilen können sie schon von Anfang an das 
Durchdringen der Bakterien nicht verhindern. Ein inficiertes Filter verschlech- 
tert das damit filtrierte Wasser noch. Die anfangs verhältnismässig bedeutende 
Filtrationsgeschwindigkeit nimmt recht schnell ab, falls das Filter nicht immer 
wieder von Zeit zu Zeit gereinigt wird. 

Manche Untersuchung wurde anfangs der 90er Jahre noch ausgeführt, 
ohne dass man zu einem übereinstimmenden Urteil kam. Gruber an die 
Seite stellte sich mit ähnlichen Resultaten Lübbert, der allerdings nur mit 
einem einzigen Taschenfilter gearbeitet hatte. Ein ebenfalls günstiges Urteil 
fällt Weyl, der 2 Berkefeldkerzen 4 Monate lang prüfte. Er fand, dass sie 
sicher 3 Tage lang keimfreies Filtrat liefern und leicht zu sterilisieren sind, 
dass sie zwar schnell an Förderkraft verlieren, diese aber leicht durch mecha- 
nische Reinigung zu heben ist, und empfiehlt sie daber als Hausfilter. Ein 
noch günstigeres und einzig dastehendes Urteil ist das von Koettstorfer, 
der in der Marineakademie zu Pola 2 Berkefeldkerzen prüfte und fand, dass 
sie, ohne sterilisiert zu werden, noch nach 52 Tagen ein keimfreies Filtrat 
lieferten bei einer Ergiebigkeit von 2—800 Litern pro Tag. Dachnjewski 


Untersuchungsergebnisse bei der Prüfung eines neuen Filters. 871 


prüfte Berkefeld- und Chamberlandkerzen nebeneinander und empfiehlt Berke- 
feld mehr für den Hausgebrauch, obgleich sie schneller durchwachsen werden 
als Chamberland. Dasselbe fand Bujwid, bei dessen Versuchen Berkefeld- 
nach 2—3 Tagen, Chamberlandkerzen erst nach 5—7 Tagen durchwachsen 
waren, auch tadelt er die Zerbrechlichkeit der Berkefeldkerzen. Sehr ein- 
gehend prüften 1895 Woodhead und Cartwright Wood 40 Filterkerzen und 
fanden, dass Ehamberlands die besten seien, ihnen fast gleich die Berkefeld- 
kerzen; doch liessen sie schon nach 3 Tagen reichlich Bakterien durch. 

Einer sehr ausführlichen und genauen Untersuchung warden neben anderen 
Filtern vor allen die Berkefeldkerzen von Plagge im Laboratorium des 
Friedrich Wilbelms-Institutes zu Berlin unterworfen. Auf Grund 3 jähriger 
Prüfung von 86 Berkefeldfiltern hat er gewiss ein massgebendes Urteil, und 
dieses lautet für die Kieselguhrkerzen sehr günstig. Plagge verkennt zwar 
nicht die Nachteile, die in der Weichheit und Brüchigkeit des Materials und 
in dem raschen Durchwachsen der Bakterien bestehen, in welchen beiden Hin- 
sichten die Ergebnisse der Chamberlandkerzen günstiger sind; aber bei einer 
sachgemässen Behandlung und häufig wiederholten Reinigung und Sterilisation 
liefern sie eine genügende Wassermenge mit einem hohen Grad von Sicherheit 
gegen Keime. Plagge urteilt: Es scheint somit in der Tat, dass wir in dem 
Kieselguhreylinder endlich ein Filter besitzen, welches bei ebenso rationeller 
wie praktisch leicht und bequem zu handhabender Konstruktion imstande ist, 
zugleich den Ansprüchen des täglichen Lebens und den strengen Anforderungen 
der Wissenschaft Genüge zu leisten. 

Die neuesten Prüfungen machte E. Pfuhl 1903, der mit Coli- und Leucht- 
bakterien arbeitete. Er fand von 10 Berkefeldkerzen nur 5 absolut keimdicht, 
aber bei allen eine grosse Verminderung der Bakterien, ein Ergebnis, das gegen- 
über den anderen von ihm geprüften Filtern, Liliput, Maassen, Pukall, sehr 
günstig war. 

Die Berkefeldkerzen haben nun nach allerlei Verbesserungen einen 
weiten Eingang in allen Ländern, besonders auch in der Armee gefunden und 
sich in der Praxis im allgemeinen bewährt. So wurden sie im südafrikanischen 
Kriege und im Chinafeldzug in ausgiebigem Masse angewandt und von den 
betreffenden Militärärzten günstig beurteilt. Obgleich also den Berkefeldfiltern 
manche Mängel anhaften, nehmen sie doch unter den bislang bekannten Filtern 
mit die erste Stelle ein, so dass Plagge sagt: Von jetzt ab werden wir bei 
der Prüfung irgend eines neuen Filters das von jenen bereits erreichte als 
Massstab zu Grunde legen müssen und nicht gern geneigt sein, in unseren 
Ansprüchen nach der einen oder anderen Richtung hin darunter erheblich 
herabzugehen. 

Im März dieses Jahres nun wandten sich die Tonwerke in Z. an das 
hygienische Institut zu Kiel mit dem Ersuchen, ein von ihnen nach einem neuen 
Prinzip hergestelltes Filter zu prüfen und mit einem Berkefeldfilter zu ver- 
gleichen. Das Filter sollte bei völliger Keimdichtigkeit ergiebiger sein als 
das Berkefeldsche und den Vorzug grösserer Widerstandsfähigkeit besitzen. 
Waren die Angaben der Firma richtig, so lag ein Filter vor, das die Mängel 
der Berkefeldfilter grösstenteils vermied und allen Ansprüchen genügte. Herr 

63% 


872 Wittneben, 


Prof. Fischer kam daber dem Ersuchen nach und überliess mir das Filter 
zur Prüfung, wofür ich ihm auch an dieser Stelle meinen ergebensten 
Dank sage. 

Das uns übersandte Filter ist dem Berkefeldfilter ganz ähnlich. Der wirk- 
same Teil ist wie bei diesem eine Filterkerze von mehr rötlichem Ausseben, 
offenbar unter Verwendung von Ton hergestellt. Näheres über die Herstellung 
und das Material konnten wir von der Firma nicht erfahren. Die Wandung ist 
1,5 cm dick und umfasst ein Lumen von 2,5 cm Durchmesser. Die Wandung 
der Berkefeldkerze ist 1 cm dick, sie umfasst ein Lumen von 8 cm. Die Kerze 
ist drehrund, an einem Ende kuppelförmig verschlossen, am anderen au ein 
Metallkopfstück angekittet. Dieses ist in der Mitte durchbohrt und trägt ein 
mit Schraubengewinde versehenes Ansatzrohr zum Abfluss des filtrierten Wassers. 
In dieser Form kann es als Tropffilter verwandt oder, in ein Metallgehäuse 
eingebracht, mit einer Wasserleitung oder Pampe verbunden werden. Das Ge- 
häuse trägt unten einen Abflusshahn, seitlich mündet ein Rohr zur Verbindung 
mit der Wasserleitung. Verschlossen wird das Gehäuse durch einen Deckel mit 
Schrauben, ein Gummiring zwischen Deckel und Gehäuse dient zur Dichtung. 
Der Deckel zeigt eine centrale Durchbohrung zur Befestigung der Kerze. Die 
Befestigung wird in der Weise ausgeführt, dass das Ansatzrohr des Kopfstückes 
durch den Deckel gesteckt wird, nachdem zwischen Deckel und Kopfstück ein 
Gunmiring zur Dichtung gelegt ist, und nun von oben durch eine Schrauben- 
mutter die Kerze fest gegen den Deckel gepresst wird. Nachdem Deckel und 
Kerze verbunden, wird die Kerze in das Gehäuse geschoben und der Deckel 
fest angeschraubt, so dass die Kerze mit dem Ausflussrohr nach oben in dem 
Gehäuse hängt. Zwischen Kerze und Gehäusewandung ist ein Hohlraum für 
das zu filtrierende Wasser. An das Ansatzrohr der Kerze wird dann ein fj- 
förmiges Rohr zum Abfluss des Wassers geschraubt. Die Einrichtung der Filter- 
anlage ist also genau wie bei den Berkefeldfiltern, so dass das Wasser von 
aussen in das Gehäuse geht, von da in die Kerze hineingepresst, so filtriert 
wird und durch das g-Rohr abfliesst. p 

Um für die beiden zu vergleichenden Kerzen ganz gleiche Versuchsbedin- 
gungen zu schaffen, wurde an die Wasserleitung ein T-förmiges Rohr angelötet, 
an dessen Querbalken durch je einen Sperrhalın verschlossen die beiden Gehäuse 
angebracht wurden. An dem gemeinschaftlichen Rohr wurde ein Manometer 
eingefügt, um den jeweiligen Druck des Wassers zu messen. 

Die Versuche wurden nun in der Weise ausgeführt, dass der Zuflussbahn 
zu jedem der Filter gleichzeitig geöffnet wurde, und die Filter dann täglich 
die gleiche Zeit liefen. Da es sich ja um Hausfilter handelte, wurde zunächst 
von einem kontinuierlichen Betriebe abgesehen und die Filter täglich nur eine 
Stunde in Betrieb gelassen, um dem Verhalten in der Praxis, wo doch auch 
nur intermittierend gefiltert wird, möglichst zu entsprechen. Das durchgelaufene 
Wasser wurde in grossen cylindrischen Eimern, deren jeder 63 Liter fasste 
und bei denen man sich durch einfaches Ablesen an einem Messstabe von der 
darin befindlichen Menge überzeugen konnte, aufgefangen. Die Prüfung auf 
qualitative Leistung geschah in der Weise zunächst, dass kurz vor Schluss der 
Wasserleitung je eine Probe im sterilen Erlenmeyerkölbchen von dem unfil- 


Untersuchungsergebnisse bei der Prüfung eines neuen Filters. 873 


trierten und dem filtrierten Wasser entnommen wurde. Von diesen Proben 
wurde dann je 1 ccm mittels steriler Pipette in sterile Petrischalen gebracht 
und mit verflüssigtem und dann auf 40° abgekühltem Agar übergossen. 
Durch vorsichtiges Hin- und Herdrehen wurde Wasser und Nährboden 
gemischt!). Die Aussaaten fanden sofort, ausnahmsweise wohl einmal 2 
bis 3 Stunden nach der Probeentnabme, aber immer alle 3 gleichzeitig 
statt. Die Platten wurden im Thermostaten bei 22—24° aufbewahrt und zu- 
erst nach 48 Stunden gezählt. Die Zählung wurde noch 2—3 mal jeden 2. Tag 
wiederholt, so dass die Platten bei der letzten Zählung meistens 8—10 Tage 
alt waren. Die Zahl der Keime wuchs von Zählung zu Zählung. Diese wurde 
makroskopisch ausgeführt; bei grosser Kolonienzahl bediente ich mich der 
Lafarschen Zähltafel. 

Der erste Versuch wurde mit einer der neuen Kerzen — nennen wir sie 


24 
Z — gezeichnet 7 XI, und mit einer Berkefeldkerze H No. 52 430 angestellt. 


Die filtrierende Fläche war bei beiden Kerzen etwa gleich; die Z-Kerze hatte 
bei einer Höhe von 22,5 cm, einem Umfang von 16,5 cm und einem Boden von 
23,75 qcm 395 qcm Filterfläche, die Berkefeldkerze bei einer Höhe von 24,2 cm, 
einem Umfang von 15,5 cm und einem Boden von 22,9 qcm 394,9 gem Filter- 
fläche. Die Kerzen wurden vor dem Gebrauch nicht sterilisiert, da ich keine 
Angaben darüber hatte, ob die Z-Kerze kochendes Wasser oder Dampf vertrüge, 
sondern das Kerzeninnere zunächst nur mit frisch sterilisiertem Wasser ausge- 
spült. Dann wurden die Kerzen in die mit kochendem Wasser zuvor gereinigten 
Gebäuse eingesetzt, und die Filtration begann. Nach einer Stunde wurde die 
Leitung abgestellt. Es lieferte in dieser Stunde Z 168,2 Liter, Berkefeld 
104,3 Liter. Die Probe wurde 5 Minuten vor Schluss des Versuchs ent- 
nommen. Die Platten erwiesen sich bei den Zählungen am 17., 19., 20. und 
22. März als völlig keimfrei, während die gleichzeitig entnommene Probe aus 
dem unfiltrierten Wasser 28 Keime aufwies (der Hahu, aus dem entnommen 
war, hatte zuvor 15 Minuten gelaufen). Die Probe aus dem Berkefeldgehäuse 
hatte 145, die aus dem Z-Gehäuse 63 Keime. Es hatte also, worauf schon 
Kirchner binwies, eine Ansammlung der Keime in dem Gehäuse stattgefunden, 
wie auch später in dieser Richtung angestellte Versuche zeigten. 

Die Wassermenge erfuhr von Tag zu Tag eine geringe Verminderung, wie 
aus nachfolgender Tabelle ersichtlich. Die Druckschwankungen waren geringe, 
das Manometer zeigte einen Wechsel von 1,8—2,2 Atm. Die Proben der beiden 
folgenden Tage zeigten sich ebenfalls keimfrei, dann erschien zuerst in der 
Probe vom 4. Tag bei Z ein Keim, der aber auch wohl bei der Probeentnahme 
aus der Luft gekommen sein konnte. Ebenso erschien am nächsten Tage bei 
Berkefeld 1 Keim, und von nun an waren die Platten nie mehr ganz keim- 
frei, wenn auch die Zahl der Kolonien im Filtrat gegenüber der im unfiltrierten 
Wasser erheblich kleiner war. Dies zeigte nämlich eine unverhältnismässig 


1) Die Zusammensetzung des Agars war folgende: 5 g Kochsalz, 10 g Pepton, 
30 g Agar auf 1 Liter Bouillon erst mit Natron, dann mit Soda bis zum Phenolphtla- 
leinpunkt neutralisiert, darauf 2,4 ccm Normalsalzsäure zugesetzt. 


64 


874 Wittneben, 


hohe Keimzahl bis zu 300. Häufig waren es kleine Kolonien von Schimmel- 
pilzen, die übrigens das aus einem entfernteren Hahn entnommene Wasser 
nicht aufwies, so dass es also auch in der Endgabel vor dem Filter zu einer 
Anhäufung von Keimen gekommen sein musste. Jedenfalls waren die Schimmel- 
pilze im Filtrat nie zu finden. Die in diesem erscheinenden Keime waren die 
gewöhnlichen Wassersaprophyten; vor allem zeigte sich bald Fluorescens, der 
wohl, wie schon öfter von anderer Seite vermutet, durch seinen Bau mit 
der einen endständigen Geissel besonders leicht die Filterwandung zu durch- 
dringen vermag. Die Temperatur des Zimmers 'schwankte beiläufig zwischen 
7 und 11°, die des Wassers zwischen 6 und 7°, letztere war also einem 
Durchwachsen der Bakterien durch die Wand nicht gerade förderlich, und 
daher kam es auch wohl, dass das Filtrat aus beiden Filtern nach 26 tägigem 
Betrieb von jedesmal 1 Stunde nahezu keimfrei war. Auch die quantitative 
Leistung beider Filter war noch eine sehr gute. Allerdings ist das Kieler 
Leitungswasser auch sehr rein (Grundwasser, welches durch Koksberieselung 
mit nachfolgender Sandfiltration enteisent wird), und so waren die Anforde- 
rungen an die Filter nicht sehr grosse. Am 25. Tage lieferte Berkefeld noch 
91 Liter pro Stunde gegen 104,3 Liter zu Anfang und Z 106,8 Liter gegen 
168,2 Liter zu Anfang. 

Im ganzen waren bis dahin, also in 25 Stunden, filtriert von Berkefeld 
2344,3 Liter, von Z 3172 Liter. Um nun zu sehen, wie die Filter bei 
kontinuierlichem Betrieb arbeiteten, blieb vom 10. April 11 Uhr Vorn. die Lei- 
tung beständig geöffnet bis 14. April 11 Uhr Vorm. Die Ergiebigkeit nahm 
nun sehr schnell ab und zwar bei Berkefeld schneller als bei Z. Am 14. April 
lieferte Berkefeld noch 15,2, Z 46,4 Liter. Im ganzen hatten in dieser Periode 
vom 14. März bis 14. April ohne Reinigung in 121 stündiger Tätigkeit filtriert!): 
Z. 10684, Berkefeld 7778 Liter, Z also 3806 Liter mehr, oder Berkefeld nur 
73,5%, von Z. Gegen Schluss des Versuchs war die Zahl der Keime eine 
grössere geworden, immerhin aber noch vermindert gegenüber dem unfiltrierten 
Wasser. Eine Uebersicht über das bisberige Resultat gibt die Tabelle I. 

Nachdem die Filter einige Tage geruht hatten, wurden sie am 20. April 
aus dem Gehäuse genommen. Beide Kerzen zeigten sich mit einer dünnen 
schleimigen Schmutzschicht überzogen. Diese wurde durch energisches Ab- 
bürsten mit einer Wurzelbürste entfernt; dabei bürstete sich an der Z-Kerze 
reichlich rötliche Filtermasse ab, so dass ein deutlicher Substanzverlust zu 
sehen war, während sich von der Berkefeldkerze nur wenig Filtermasse los- 
löste. Darauf wurden die Filter, ohne sterilisiert zu werden, wieder in Betrieb 
genommen. Der Wasserleitungsdruck war derselbe wie früher. Die Ergiebigkeit 
war durch die Reinigung der beiden Kerzen wieder ausserordentlich erhöht, 
bei Berkefeld verhältnismässig mehr als bei Z; es lieferte Berkefeld 109,4, 
Z 118,2 Liter pro Stunde. Nachdem die Filter 28 Stunden ununterbrochen 
gearbeitet, war die Ergiebigkeit pro Stunde bei Berkefeld auf 89, bei Z sogar 
auf 80 Liter gesunken. Von da ab arbeiteten die Filter bis zum 7. Mai täglich 


1) Bei ununterbrochenem Betrieb wurde täglich 1 Stunde lang gemessen und da- 
nach die Tagesmenge berechnet. 


Untersuchungsergebnisse bei der Prüfung eines neuen Filters. 875 


Tabelle I. 
Leistungs- EA 
fähigkeit in Keimzahl 
Litern koii r Bemerkungen 
pro Stunde Berkefeld Z 
2 oral. tiefe | obra. tiefe 
7° 0 0/0 0 | Die oberfl. Keime waren wohi nach- 
7 1 0j 1 O | trägl.Verunreinigungen aus derLuft 
7 1 0 1 0 
7 1 0,1 1 | Unter den 260 Keimen des unfil- 
T 5 1 2 1 trierten Wassers 250 Schimmelpilze 
7,5 1 1 1 2 
T 0 ł; 5 |18 
T 2 0| 2 16 
T 1 2 2 2 
6 0 0 9 8 
6.5 1 10| 0 1 
T 0 6 0 2 
7 0 2 2 3 
7 4 t 0 3 
7 2 7 1 0 
T 2 0,8 4 
7 2 5 3 4 
8 1 10 1 0 
8 
T 
l 15.) 0 0 
1 
0 1 0 2 
7,5 
0 6j 0 3 [Läuft von 11Uhr Vorm. ab dauernd 
9 0 15 0 2 
12 0 | 36 2 15 


einige Stunden und zwar so, dass Berkefeld immer etwas mehr lieferte als Z. 
Als dann 2 Tage laog kontinuierlicher Betrieb stattfand, leistete Z wieder 
mehr, 43 gegen 30 Liter Berkefeld pro Stunde. Es war dies eine ständige 
Beobachtung, dass bei andauernder Filtration Berkefelds Leistungen bedeutend 
schneller abnahmen als bei Z. 

Die Prūfung auf Keimdichtigkeit wurde während dieser Untersuchsreihe 
in der Weise ausgeführt, dass Prodigiosus dem zu filtrierenden Wasser zugesetzt 
wurde. Zu dem Zwecke wurden Reinkulturen von Prodigiosus auf Kartoffeln 
oder Agar gezüchtet. und von diesen Aufschwemmungen in gewöhnlichem 
Leitungswasser gemacht, die dann in das Filtergehäuse gegossen wurden. 
Der Rauminhalt beider Gehäuse war gleich, 280 ccm, und in jedes Gehäuse 
wurden 10 ccm Aufschwemmung, enthaltend je 10 Platinösen Reinkultur, ein- 
gebracht. Der Prodigiosuszusatz geschah meistens alle 48 Stunden (er ist in 
der Tabelle jedesmal vermerkt.) Einmal wurde 7 Tage lang kein Prodigiosus 
zugesetzt; die nach dieser Frist aus dem Gehäuse entnommene Probe zeigte 
noch Prodigiosus. Dieser hatte sich also während der Zeit im Gehäuse lebend 
erhalten. 

64° 


876 Wittneben, 


Die Probe von dem Filtrat wurde verschieden lange nach dem Prodigiosus- 
zusatz entnommen. Nach der Ansicht Grabers soll sie ja wenige Minuten 
nach der Einbringung des Prodigiosus entnommen werden, ehe dieser sich an 
der Filterwand festgesetzt hat; die ersten Minuten seien die kritische Zeit für 
das Filter. Dementsprechend wurde dann auch das Filtrat von mir meistens 
in der ersten Stunde, 5, 15, 30, 60 Minuten nach Zusatz untersucht. In den 
Fällen, in denen Prodigiosus durchging, zeigte er sich in der Tat schon nach 
dieser Frist im Filtrat; andererseits gelang es aber auch, ihn in Proben, die 
24 Stunden, einmal sogar 4 Tage nach der Einbringung in das Gehäuse aus 
dem Filtrat entnommen waren, nachzuweisen. Zunächst waren beide Filter 
für Prodigiosus undurchlässig. Am 26. April, nachdem die gereinigten Filter 
4 Tage wieder in Betrieb waren, zeigte sich 1 Keim auf der Z-Platte, ebenso 
nochmals am 30. April 1 Keim; beide waren oberflächlich. Bei Berkefeld 
war nie Prodigiosus durchgekommen; auch lässt der Umstand, dass in den 
19 Tagen des Versuches nur 2 mal je ein Keim bei Z gefunden wurde, trotz 
der beobachteten Vorsichtsmassregeln an die Möglichkeit einer zufälligen 
Verunreinigung denken, bei der Oberflächlichkeit der Keime vielleicht durch 
Auffallen aus der Luft. 

Nachdem am 9. Mai die Ergiebigkeit pro Stunde bei Z auf 43, bei Berke- 
feld auf 30 Liter gesunken war — es waren vom 21. April bis 9. Mai in 
36 stündiger Tätigkeit filtriert von Z 7525, von Berkefeld 7601 Liter — wurde 
eine Reinigung und Sterilisation der Filter vorgenommen. Beide wurden in der 
oben beschriebenen Weise mechanisch gereinigt, wobei sich wieder bei der Z- 
Kerze reichlich Filtermasse loslöste. Die Berkefeldkerze wurde dann nach der 
Vorschrift in kaltem Wasser aufgesetzt und 3/4 Stunden gekocht. Um zu 
sehen, wie sich die Z-Kerze gegen strömenden Wasserdampf verhielt, wurde 
sie in feuchtem Zustand in einen Budenbergschen Dampftopf gebracht und 
1/, Stunde lang bei 100° sterilisiert. Danach wurde der Versuch in der alten 
Weise aufgenommen. Die Kerze erwies sich jetzt durchlässig, sie musste also 
doch unter der Dampfsterilisation oder der Reinigung gelitten haben, denn 
schon die Probe, die nach 1 stündigem Filtrieren entnommen wurde, wies 
10 Prodigiosuskeime und 25 andere in 1 ccm auf, während das Filtrat der 
Berkefeldkerze auch jetzt keimfrei blieb. In der Folgezeit zeigte sich zwar 
nicht immer, aber doch sehr häufig in dem Z-Filtrat Prodigiosus, gegen Schluss 
des Versuchs konstant und in ziemlicher Menge, während auch dann bei 
Berkefeld nie Prodigiosus angetroffen wurde. 

Die quantitative Ergiebigkeit hatte nach der Reinigung wieder bedeutend 
zugenommen; Berkefeld lieferte 103 und Z 112 Liter pro Stunde. Sie nabm 
ständig ab, Berkefeld bei kontinuierlichem Betriebe wieder bedeutend schneller 
als Z; doch war bei beiden Kerzen eine gewisse Erholung zu bemerken, wenn 
sie an einem Tag geruht hatten (cf. Tabelle 21.—23. Mai), wo zunächst die 
Ergiebigkeit nach 42 stündiger Filtration auf 24 resp. 40 Liter gesunken war, 
nach 24 stündiger Ruhe auf 30,4 resp. 44,8 und nach wieder 24 Stunden auf 
37,6 resp. 53,8 Liter stieg, olıne dass eine merkliche Steigerung des Druckes 
stattgefunden hätte, durch die die Mehrleistung erklärt werden könnte. Auch 
wurde die Erholung öfter beobachtet. Nachdem vom 10. Mai bis 1. Juni 


Untersuohungsergebnisse bei der Prüfung eines neuen Filters. 877 


121 Stunden lang filtriert war, war die Ergiebigkeit bei Z auf 17,6, bei 
Berkefeld auf 6,4 Liter pro Stunde gesunken. 

Filtriert waren in dieser Zeit von Z 6395, von Berkefeld 4814 Liter. 
Der Versuch wurde nun abgebrochen. Die Berkefeldkerze sah nach einer\ 
gründlichen Reinigung und Sterilisation wie neu aus, die Z-Kerze zeigte deutliche 
Spuren der Abnutzung. Die Kerzen waren 21/, Monat im Gebrauch gewesen 
und hatten in 338 Stunden filtriert: Z 24504 und Berkefeld 20193 Liter, Z also 
4311 Liter mehr, oder Berkefeld 86,48°/, von Z. Sie waren während dieser 
Zeit 2 mal gereinigt und 1 mal sterilisiert. Durch eine häufigere Reinigung 
bätte natürlich die Ergiebigkeit bedeutend gesteigert werden können. É 

Tabelle IL 


Leistungs- 


g 3 fähigkeit in Zahl d.Keime in 1 cem 
z 2 Litern pro Berkefeld VA Bemerkungen 
A fa Stunde 3 

3 | = |sons- 

œ |Berkef. Z È & | tige 


1] 109,4 | 118,2] 0 1 0 9 
107,2 | 112 


uszusatz 


89 o| -A1 0:112 
90 o0| 1 0, 2 
0 0 0 7 
0 A PA S 6 | Prodigiosuszusatz 
0 2 0 4 
0 1 0 3 
0 10 0 9 
0 6 1? 50 
0 1 0 1 
0 4 0 8 
0 1 0 2 | Ind.Probe aus demGehäuse noch Prod. 
2 0 2 0 | 10 | Prodigiosuszusatz 
68 510 1 0 5 
4 675| 67 |0] 16 0 7 | Prodigiosuszusatz 
3. 36 44 0 5 0 5 
9. 30 | 43 0 7 0 > 


Reinigung und Sterilisation (Z durch Dampf!) 


10. V.| 6] 103 | 112,6[| 0 0 | 10 | 25 | Prodigiosuszusatz 
11. 6j 9 9 f0 2 0 | 30 
12. 1] 83 33,2] 0 5 |16| 40 do. 
14. 8| 66 64 0 3 0 6 
15. 1j 70 73 10 3 2| 3 do. 
16. 1] 76 80 0 | 54 0| 15 
7. 1] 77 8 |0 9 0| 40 
18. 1] 74 738 [0] 32 3| 4 da 
19. 42| 735| 80 |0 6 | 16 6 
21. 42| 24 40 |0 8 0| 12 do. 
22. 1] 304 44,8] 0 3 0j 10 
23. 1] 37,6| 53,6] 0 | 12 o/ı 
25. 1j 2234| 52,8] 0 | 18 0j 12 do. 
26. 1| 24 43 |0 
28. 11 24 43,8] 0 8| 2| 20 do. Probeentnahm. 4Std.später 
29. 2| 24 43 10| 16 0| 15 
30. 2| 16 35.2] 0 | 30 3 | 50 do. 
31 28| 17,6) 43,2] 0 8 |40| 10 
1. VL| 28 7,4| 20,8] 0 |200 | 40 | 50 | Prod.-Zusatz 11 Uhr, Probe 11 Uhr 30 
u. gem. von 11—12 Uhr 
1 28 6,4| 17,6] 0 |160 | 45 | 50 | Probe 4 Uhr, gemessen 3—4 Uhr 


878 Wittneben, 
Zur Kontrolle wurde mit zwei neuen Kerzen der Versuch wiederholt. Sie 
24 
waren bezeichnet: Berkefeld H 22809 und Z T Beide Kerzen wurden vor 


dem Gebrauch !/, Stunde lang ausgekocht, ebenso die Abflussrohre. Dann 
wurde der Versuch in der alten Weise mit Prodigiosus angestellt. Während 
nun die Berkefeldkerze sich die ersten Tage wieder als völlig keimdicht er- 
wies und auch nachher nie Prodigiosus durchliess, zeigte die Z-Kerze von 
Anfang an grosse Undichtigkeit auch für Prodigiosus; schon in der nach einer 
Stunde entnommenen Probe war er nachzuweisen und zeigte sich fast regel- 
'mässig in allen Proben. In den Proben, die einige Minuten nach Einbringung 
des Prodigiosus in das Filtergehäuse entnommen waren, waren unzählige Mengen 
von roten Keimen, ein Beweis für die Richtigkeit der vorhin erwähnten Be- 
hauptung Grubers, dass die ersten Minuten nach Einbringung der Keime die 
kritische Zeit für das Filter sei. 

Die quantitative Ergiebigkeit war ähnlich wie bei dem ersten Versuche. 
In der ersten Stunde lieferte Berkefeld 73, Z 107,5 Liter. Es wurde gleich 
26 Stunden filtriert, and nach dieser Zeit war die Menge pro.Stunde enorm 
gesunken auf 19,6 bei Berkefeld und auf 35,2 Liter bei Z. Die Kerzen 
zeigten sich bei der Herausnahme mit einer ungewöhnlich dicken Schmutz- 
schicht überzogen. Mikroskopisch waren in dieser einige Crenothrixfäden, be- 
wegliche Stäbchen und ungeformte Bestandteile, im wesentlichen anscheinend 
Eisenoxydhydrat, zu erkennen. Das Wasser musste wohl in diesen Tagen aus- 
nahmsweise etwas mehr suspendierte Bestandteile enthalten baben. 

Diese Erfahrung zeigt aber, dass die Ergiebigkeit bei höheren Anforde- 
rungen, wie sie durch Wasser mit grösseren Mengen von suspendierten Be- 
standteilen an ein Filter gestellt werden, noch bedeutend schneller abnimmt. 
Eine geringe Erholung trat zwar ein, doch blieb die Menge bis zur Reinigung 
sehr gering. Nach der Reinigung und Sterilisation übertraf allerdings die 
Ergiebigkeit bei beiden sogar die Anfangsleistung, ebenso nach der zweiten 
Reinigung, wo dann Berkefeld anfangs wieder mehr leistete als Z. Nachdem 
am 18. Juni die Ergiebigkeit pro Stunde auf 38,4 bei Z und 6,4 Liter bei 
Berkefeld gesunken war, wurde der Versuch abgebrochen. Während der 
18 Tage waren die Filter 193 Stunden in Betrieb gewesen und hatten filtriert 
Z 13907 und Berkefeld 10376 Liter, Z also 3631 Liter mehr als Berkefeld, 
oder Berkefeld nur 74,61°/, von Z. 


24 
Der Versuch wurde mit einem 3.neuen Z-Filter, bezeichnet 3 VI. wiederholt. 


Die Kerze war etwas kleiner, sie hatte bei einer Länge von 21,5, einem Cm- 
fang von 16 cm und einer Bodenfläche von 21,3 qem 365,3 qcm Filterfläche. 
Da keine neue Berkefeldkerze zur Verfügung stand, wurde die alte ge- 
reinigt, ausgekocht und neben der neuen Z-Kerze benutzt. Der Versuch wurde 
in der Weise wie bisher ausgeführt, indem Pro:ligiosusaufschwemmung einige 
Minuten vor jeder Probeentnabme in das Gehäuse eingebracht wurde. Es 
wurde Tag und Nacht ununterbrochen filtriert. In der ersten Stunde lieferte 
die kleinere Z-Kerze mehr als die früheren grösseren getan hatten, 187,2 
Liter, doch sank die Ergiebigkeit sehr bald, auf nur noch 37 Liter pro Stunde 


Untersuchungsergebnisse bei der Prüfung eines neuen Filters. 879 


Tabelle II. 


5 | Ergiebigkeit Kéimzžahi ini 5 
% | pro Stunde a neeem < 
2 in Litern Berk Š £ Bemerkungen 
3e È = er 
© |Berkef) Z | 2 2j £ > pepe EE EA E Ho 
0 2| 101 Proal 2 
0j 3 6 1,8] Filter mit dicker Schmutz- 
2 | 60/250] » |2,2 schicht überzogen 
1 |42| 53 
6 4 101 >» 22 
21 3| 66 
14 0 5 1.9 
11 0 24 » [2,1 
12| 0 8 1,9| Reinigung und Sterilisation 
1 6| 17 2 
1 |26| 36) 1,8 
1 Probe 2 Min. nach Prod.-Zusatz 
0 n» |2 |Mechanisch gereinigt 
P rc rodig 
2 2 
0 » |2,2| Probe 5 Min. nach Prod.-Zusatz 


2 do. 


2,2 do 


am 3. Tage; auch die Leistungen der Berkefeldkerze waren von 129,6 auf 
13,5 Liter gesunken. Während nun die sterilisierte Berkefeldkerze fast keim- 
freies Filtrat lieferte und nie Prodigiosus durchliess, war die Z-Kerze völlig 
durchlässig für Prodigiosus; schon die nach 15 Minuten entnommene Probe 
wies 2302 Keime in 1 ccm auf. Der Versuch wurde daber nach 4 Tagen 
abgebrochen und eine 4. neue Z-Kerze eingesetzt, der letzten gleich an Form, 
Grösse und Bezeichnung. Ihre Leistungsfähigkeit war aber eine ganz andere, 
wie die der vorigen, nämlich nur 97 Liter pro Stunde. Daneben arbeitete die 
alte Berkefeldkerze, deren Leistung nach der Reinigung und Auskochung 
101 Liter betrug, also mehr als bei Z. 

Die Abnahme der Leistungsfähigkeit war analog den früheren Kerzen. 
Auch die 4. Z-Kerze erwies sich für Wasserbakterien und Prodigiosus als 
durchläsgig. Schon die erste Probe enthielt 54 Keime, von denen die meisten 
Prodigiosuskeime waren; ebenso enthielten die Proben der nächsten Tage 
reichlich Prodigiosus. Daher wurde der Versuch nach 5 Tagen abgebrochen. 
Die Berkefeldkerze hatte auch während dieser Zeit keine Prodigiosuskeime 
durchgelassen. 

Da inzwischen die Tonwerke in Z neue Kerzen gesandt hatten, wurde 
noch eine von diesen geprüft. Sie war kleiner als die übrigen Kerzen, war 
bezeichnet No. 30 und am Boden mit einer harten schwarzen Masse über- 
zogen, die bei der mechanischen Reinigung am Rande nicht so leicht ab- 
bröckelte wie bei den früheren Kerzen. Die Versuchsbedingungen waren die- 


880 Wittneben, 


selben; zum Vergleich arbeitete die alte frisch ausgekochte Berkefeldkerze. Z 
No. 30 lieferte in der ersten Stunde 78 Liter, die alte grössere Berkefeldkerze 
112 Liter, die Z-Kerze überholte sie aber bei kontinuierlichem Betriebe schon 
nach 24 Stunden. Auch diese Kerze liess von Anfang an Prodigiosus durch, 
während die Berkefeldkerze ihn zurückhielt. Eine Uebersicht gibt Tabelle IV. 


Tabelle IV. 

g Leistungsfähigkeit in Litern Keimzahl in I ccm 

3 pro Stunde : ! 

= Berkefeld i Z 

A 3 h 

Berkefeld VA 24 VI | Prodigios. sonstige 
18. VI. 129,6 187,2 0 2 2302 meist Prodigiosus 
19. 61,5 78 0 2 1446 „ = 
20. 13,5 37 0 3 5160 , a 
21. _ 1860 „ > 
Neue Z-Kerze p VI., alte sterilisierte Berkefeldkerze. 
21. VI. 101 97 0 7 54 meist Prodigiosus 
22. 54,4 62,4 0 1 134 „ 2 
23. 21 64 0 5 132 . r 
24. 16 64 0 171 1683 , = 
25. 8 32 0 84 168 , r 
Neue Z-Kerze No. 30, alte Berkefeldkerze. 

26. VI. 112 78 0 3 24 meist Prodigiosus 
27. 54 56 0 0 62 „ š 
28. 16 40 0 0 4518 , = 
29. 12,8 36 0 1 1376 , 5 
30. 8 30,4 0 2 1464 , s 


Io einer weiteren Versuchsreihe wurde nun geprüft, wie sich’ die Filter- 
kerze als Tropffilter bewährte. In den Kirchnerschen Versuchen hatte die 
Berkefeldkerze eine so minimale Leistung gezeigt, dass diese Verwendung 
praktisch nicht in Frage kam, and wenn die Z-Filter mehr leisteten, so war 
einem grossen Bedürfnis für Orte, denen keine Wasserleitung zur Verfügung 
steht, abgeholfen. Der Versuch wurde in folgender Weise angestellt: In ein 
oben offenes Fass bohrte ich ein Loch in den Boden, steckte durch dieses 
das Abflussrohr der Kerze, so dass diese mit dem geschlossenen Ende nach 
oben stand. Gummiringe wurden aussen und innen von dem Bohrloch um 
das Abflussrohr gelegt und dann die Kerze durch eine Schraube fest gegen 
den Boden der Tonne gepresst, so dass der Verschluss absolut dicht war, wie 
ich mich durch eingehende Besichtigung während des Versuchs überzeugen 
konnte. Das Filter war vor dem Gebrauch ausgekocht, ebenso wie ein über 
das Abflussrohr gezogenes Ende Gummischlauch mit Glasmundstück. Nach 
Befestigung des Filters in der Tonne wurde der Gummischlauch durch einen 
Quetschhahn verschlossen und die Tonne gefüllt. Das Wasser stand in der 
Tonne 75 cm hoch, also 51 cm über dem geschlossenen Ende der Kerze; am 
1. Tage war es auf 30 cm gesunken, später wurde es durch Nachfliessen aus 
der Leitung auf einer Höhe von 66—75 cm gehalten. Nun wurde der Quetsch- 


Untersuchungsergebnisse bei der Prüfung eines neuen Filters. 881 


hahn geöffnet und die Filtration begann. Das filtrierte Wasser wurde in einem 
grossen Kübel aufgefangen und gemessen. Aus der Tageswenge wurde der 
Durchschnitt genommen für die Leistung pro Stunde. Die Proben wurden im 
sterilen Erlenmeyerkölbchen direkt von dem Abflussrohr entnommen, ebenso 
die Proben aus der Tonne. Zunächst wurde 1 cem ausgesät, bald aber stieg 
die Zahl der Keime so hoch, dass das Auszählen der Platten auch bei einer 
Aussaat von 0,1 ccm Schwierigkeiten bereitete, und die Zahlen der Tabelle V 
geben oft nur annähernd die Summe der Keime wieder. 

Das Ergebnis war nun zunächst ein ganz günstiges, indem in der 1. Stunde 
9,4 Liter durchliefen, in den ersten 24 Stunden 121,8 Liter, wobei noch das 
Wasser in der Tonne auf 30 cm gesunken war. Vom 2. auf 3. Tag lieferte 
das Filter, ohne dass die Tonne aufgefüllt war, in 18 Stunden 28, also 1,55 Liter 
pro Stunde. Als die Tonne wieder gefüllt war, lieferte das Filter in 6 Stunden 
23,5, also pro Stunde 3,6 Liter. 

Obgleich”nun weiterhin durch Nachlaufen die Tonne stets gefüllt blieb, 
nahm die Ergiebigkeit schnell ab, nach 4 Tagen in 24 Stunden 12 Liter, bis 
nach 7 tägigem Betrieb in der Stunde nur noch 0,15 Liter filtriert wurden. 
Durch Abbürsten ging die Leistung wieder sehr in die Höhe, in den beiden 
ersten Stunden auf 13 Liter, betrug aber in den nächsten 4 Stunden nur noch 
12 Liter und in den nächsten 24 Stunden 37,5 Liter (1,55 Liter pro Stunde). 
Aehnliche Verhältnisse zeigten sich, als das Filter zum 3. und 4. Male gereinigt 
war. Die Leistungsfähigkeit nimmt also sehr schnell ab. 

Auch die Keimdichtigkeit geht schnell verloren. Die 2 Stunden nach 
Beginn entnommene Probe erwies sich als keinifrei gegen 90 Keime in der 
Tonnenprobe, aber schon am nächsten Tag zeigten sich 31 Keime gegen 540 
in der Tonne, und bald waren es tausende. Allerdings waren es bis zur nächsten 
Sterilisation nach 17 Tagen immer wesentlich weniger als im Tonneninbalt, 
in dem sie ins Unzählige stiegen. Nach 17 Tagen wurde die Kerze gereinigt 
und ausgekocht, und dann der Tonne Prodigiosusreinkulturen zugesetzt. 

In der nach 1 Stunde entnommenen Probe von 0,1 cem fand ich unter 15 
anderen auch 3 Prodigiosuskeime, bei denen es auffällig war, dass sie sich von 
vornherein an der Oberfläche befanden. Nachher habe ich im Filtrat Prodi- 
giosus nie wieder nachweisen können, und so wäre es wohl denkbar, dass die 
Keime in der ersten Probe von einer Verunreinigung bezw. einem Versuchs- 
fehler herstammten. Sehr bald stieg aber die Zahl der Wasserbakterienkeime 
im Filtrat wieder sehr hoch und kam der in der Tonnenprobe gleich oder 
übertraf sie sogar, so dass ein völliges schnelles Durchwachsen stattgefunden 
haben musste, eine Beobachtung, die Kirchner auch stets bei den als Tropf- 
filter verwandten Berkefeldkerzen gemacht hatte, und die auch meine Vergleichs- 
versuche mit einer solchen zeigten. 

Seitens der Tonwerke in Z. war vermutet worden, dass ihre Filter die 
Härte des Wassers verminderten. Wenn es ja nun auch nicht wahrscheinlich 
schien, dass durch eine rein mechanische Filtration die gelösten Erdalkalisalze, 
durch die die Härte bedingt wird, zurückgehalten würden, so wurden doch 
Versuche in dieser Richtung angestellt, indem jedesmal eine Probe aus der 
Tonne und eine aus dem Filtrat geprüft wurde, Die Bestimmung geschah in 

65 


882 Wittneben, 


der üblichen Weise durch Titrieren mit Seifenlösung nach Clark. Es zeigte 
sich nun, dass stets das filtrierte Wasser eine geringere Härte hatte als das 
unfiltrierte. Allerdings waren die Unterschiede nicht besonders gross und 
betrugen im Durchschnitt von 15 Untersuchungen 1,39 deutsche Härtegrade. 
Wie dies zu erklären, ist mir nicht ganz klar. Vielleicht kommt es durch die 
äusserst feine Verteilung des Wassers auf die Poren des Filters zu einem Ent- 
weichen der Kohlensäure und zu einem Niederschlag der unlöslichen Mono- 
karbonate in der Filterwand. Die bleibende Härte hatte, wie einige Unter- 
suchungen zeigten, keine Verminderung erfahren, war sogar höher als im 
unfiltrierten Wasser 8,0:7,8 und 9,7 : 8,4. 

Zum Vergleich wurde auch ein Versuch mit der Berkefeldkerze H als 
Tropffilter angestellt. Die Ergiebigkeit war eine weit geringere als bei Z; in 
der ersten Stunde filtrierte sie 2,17 gegen 9,4 Liter bei Z, also Berkefeld nur 
23,10/, von Z. i 

Die Abnahme fand auch sehr schnell statt, wie Tabelle V zeigt. Das 
Filtrat des 1. Tages war keimfrei, aber schon am 2. Tage zeigten sich 54 Keime, 
deren Zahl bald noch mehr zunabm, so dass auch bier ein rasches Durch- 
wachsen eingetreten war; doch wurde Prodigiosus im Filtrat nicht geseben. 
Eine Verringerung der Härte fand auch in geriugerem Masse durch die Berke- 
feldkerze statt. 

Um zu seben, wie sich die Filter patbogenen Keimen gegenüber verhalten 
— dies ist doch das Wichtigste und in der Praxis Notwendige — wurde eine 
neu gelieferte Z-Kerze, bezeichnet No. 30, auf ihre Durchlässigkeit für Typhus 
geprüft. 

Der Versuch wurde in folgender Weise angestellt: In einem cylindrischen 
Glasgefäss, dessen Boden durchbobrt war, wurde die Kerze derart angebracht, 
dass das Abflussrohr durch einen Korken und dieser wieder in das Loch am 
Boden gesteckt wurde. Die Fugen wurden mit Paraffin gehörig ausgegossen, 
sodass eine vollständige Dichtung bestand. Die Kerze stand so mit dem ge- 
schlossenen Ende nach oben im Gefäss, das Abflussrohr ragte unten etwas in 
ein zweites Glasgefäss, auf dem das erste ruhte. In den oberen Behälter wurde 
nun Leitungswasser gegossen und diesem ‘eine Aufschwemmung von einer 
Typbuskultur (im schrägen Agarröhrchen) zugesetzt. Die Kerze arbeitete so als 
Tropffilter. Die Temperatur des Wassers war, da der Apparat im Zimmer 
aufgestellt war, eine ziemlich hohe, 19—20° C. Das Wasser wurde, wenn es 
aus dem oberen in das untere Gefäss getropft war, erneuert, ebenso nach 
jedem 2. Tag die Typhusaufschwemmung neu zugesetzt. Die Probe, 1 oder 
2 ccm, wurde aus dem unteren Gefäss entnommen und auf Drigalskiplatten 
ausgesät. Die nach 1 Stunde entnommene Probe von 2 ccm erwies sich als 
keimfrei, die nach 18 Stunden zeigte schon 54 blaue typhusähnliche Kolonien, 
die sich durch Agglutination mit Typhusserum als sichere Typhuskolonien 
erwiesen. Auch in den nächsten Tagen enthielten die Proben aus dem Filtrat 
reichliche Typhuskolonien. 

Ferner wurde ein Versuch mit Cholera angestellt; die Kerze wurde dabei 
als Saugfilter verwandt. In einen Glascylinder von 5 Liter Inhalt wurde 
eine Kerze, von derselben Konstruktion wie die bei dem Typhusversuch, mit 


Untersuchungsergebnisse bei der Prüfung eines neuen Filters. 


Tonne 


90 
540 


æ 


15. V. \ 


200 
æ 
6540 
0 — 
26400 meist 
Prodigiosus 


9 0,14) >= = 
1i 0,12 2 | 4500 
13 0,11 œ 54000 
14 0,1 130 26400 
1 4,8 | 19680 meist 

Prodigiosus 
16. 0,99| 21480 meist 
Prodigiosus 
17 0,51] 16370 meist 
Prodigiosus 
18. 0,35] 55620 meist 
Prodigiosus 
20. FR 92160 meist 
Prodigiosus 
21 0,62| 3160 meist 
Prodigiosus 
22 0,6 œ meist 
Prodigiosus 
23 0,36] 24260 meist 
Prodigiosus 
24 0,28| œ meist 
Prodigiosus 
25. 0,21 — 
26. 0,18 œ meist 
| Prodigiosus 


Keimzahl in 
1 cem 


883 


Tabelle V. 


Härtegrade) 


Filtrat Bemerkungen 


Mechanisch gereinigt 


1250]17,04 15,89 

2800 

>700]17,69 8 

20|17,04 15,48) 
20) 

1800] 


[Kerze gereinigt und ausgekocht, 
\Tonne neu gefüllt, Prod. zugesetzt 


0, 4280|15,58/14,21 
0 1190 


0 1200|15,58 14,1 


Prodigiosus zugesetzt 


do. 


0| 426015,9 |14,8 | Mechanisch gereinigt 
| Prodigiosus zugesetzt 
0, 5840|15,2 14,4 
| 0) 2460 
0, 2560|15,58 14,52 
Berkefeldkerze 
0 0 Prodigiosus zugesetzt 
0 62118,6 [16,3 
0| 594 do. 
0! 2580) 
0 17160) do. 
—| — 118,1 117,8 
0 [15840] do. 


65* 


884 ; Wittneben, 


dem Abflussrohr nach oben gestellt. Ueber dies Rohr wurde ein Schlauch 
gezogen, der durch einen umgelegten Draht fest und undurchlässig damit ver- 
bunden wurde. Das andere Ende des Schlauches wurde mit einer Wulffschen 
Flasche verbunden, diese nochmals mit einer 2. und diese mit einer Wasserluft- 
pumpe. Der Glascylinder wurde mit Wasser gefüllt, dem eine Aufschwemmung 
einer Cholerareinkultur (im schrägen Agarröhrchen) zugesetzt wurde. Durch An- 
saugen wurde der Apparat in Bewegung gesetzt, der dann selbsttätig als Saug- 
filter durch den Druck der Wassersäule im Glascylinder weiterarbeitete. 

Die Proben aus der Wulffschen Flasche wurden auf Drigalski- und 
gewöhnlichen Nähragar ausgesät. Die nach einer Stunde entnommene Probe 
erwies sich als keimfrei, auch die vom 2. und 3. Tage zeigten keine Cholera. 
Am 4. Tage erschienen einige makroskopisch verdächtige Kolonien, die aber 
mit Choleraserum keine Agglutination zeigten. Die Kerzewurde nun ausge- 
kocht und der Versuch mit einem frischeren, gut agglutinierende Cholerastamm 
(Baku 1I) wiederholt. Aber auch hier erwies sich die Kerze als völlig 
keimdicht, 3 Tage hindurch. Am 4. Tage dagegen zeigten sich in der Probe 
von I ccm 26 verdächtige Kolonien, die sich durch Agglutination als Cholera- 
bakterien erwiesen. 

Das Versuchsergebnis der 8 geprüften Z-Kerzen ist ein sehr verschiedenes. 
4 von ihnen erwiesen sich von Anfang an vollständig durchlässig für Wasser- 
bakterien und Prodigiosus. Die anderen 4 lieferten anfangs ein keimfreies 
Filtrat. Die eine an der Wasserleitung angebrachte hielt 3 Tage lang sämt- 
liche Keime zurück, dann trat ein Durchwachsen ein, doch war die Keimzahl 
gegenüber dem unfiltrierten Wasser immer vermindert. Ein Durchtreten des 
Prodigiosus durch die unversehrte Kerze wurde hier nicht sicher beobachtet. 
Auch eine zweite als Tropffilter arbeitende Kerze hielt in der ersten Stunde 
sämtliche Keime zurück, nach 24 Stunden liess sie einige Wasserbakterien 
durch. Prodigiosus wurde auch hier im Filtrat nicht sicher nachgewiesen. 
Typhusbacillen wurden von der dritten mindestens eine Stunde lang zurück- 
gehalten, nach 18 Stunden traten sie durch; von der vierten wurden Cholera- 
bakterien sicher 3 Tage lang zurückgehalten, erst am 4. Tage erschienen 
24 Keime in 1 ccm. 

Die drei zum Vergleich geprüften Berkefeldkerzen lieferten anfangs stets 
keimfreies Filtrat, zeigten nachher ein Durchwachsen der Wasserbakterien, doch 
nie ein Durchwachsen des Prodigiosus. 

Quantitativ leisten die Z-Kerzen mehr als Berkefeld, die 75—86°/,, als 
Tropffilter sogar nur 23,1%/, der Z-Kerzen liefern. Die Ergiebigkeit nimmt 
nicht so schnell ab wie bei Berkefeld und erreicht nach der Reinigung die 
alte Höhe fast wieder. Besonders günstig arbeiten sie im kontinuierlichen 
Betriebe; doch ist zuweilen die Leistungsfähigkeit bei Kerzen von gleicher 
Grösse und Auszeichnung nicht dieselbe, sie kann vielmehr recht erheblich 
schwanken. Auch diejenigen Kerzen, die qualitativ hinter den Berkefeldkerzen 
kaum zurückstanden, leisteten quantitativ mehr als diese. 

Die Kerzen vermochten bei unseren Versuchen nur in geringem Grade, 
nämlich um 1,4 Härtegrade die Härte des Wassers zu vermindern, und zwar 
handelte es sich um die vorübergehende Härte, während die bleibende Härte 


` 


Untersuchungsergebnisse bei der Prüfung eines neuen Filters. 885 


so gut wie keine Veränderung erlitt. In äbnlichem Masse vermögen aber auch 
die Berkefeldkerzen die Härte zu vermindern. 

Gut arbeitende Kerzen müssen, um ein steriles Filtrat zu geben, alle 3 bis 
4 Tage gereinigt und keimfrei gemacht werden. Nach dem einen Sterilisations- 
versuch im strömenden Dampf zu urteilen, vertragen die Kerzen diesen scheinbar 
nicht, während eine Behandlung. wie sie für die Berkefeldkerzen vorge- 
schrieben, nämlich sie vorsichtig auszukochen, den Kerzen nicht schädlich ist. 

Bei der mechanischen Reinigung durch Abbürsten litten die ersten Kerzen 
mehr als die Berkefeldkerzen, während die zuletzt gelieferten sich’ in dieser 
Richtung widerstandsfähiger zeigten. 

Der Betrieb ist einfach und obne grössere Umstände auszuführen. 

Mithin kommen einige der Z-Kerzen den Berkefeldkerzen qualitativ ganz 
nahe und übertreffen sie quantitativ, andere dagegen stehen qualitativ hinter 
ihnen zurück. Da die Tonwerke in Z. noch weitere Versuche mit der Her- 
stellung der Kerzen machen, und die später gelieferten Kerzen auch tatsächlich 
Vorzüge vor den früheren aufwiesen, z. B. die grössere Widerstandsfähigkeit; 
so scheint es nicht unmöglich, dass es der Firma gelingt, bald ein gleich- 
mässiges und sicher arbeitendes Fabrikat herzustellen, wie es einige der ge- 
prüften Kerzen waren. Wenn dann noch, wie es die Firma bestimmt in Aus- 
sicht stellt, die neuen Kerzen zu einem billigeren Preise zu beschaffen sind, 
so würden sie vor den Berkefeldkerzen den Vorzug verdienen. 


Zum Schluss spreche ich meinem hochverehrten Chef, Herrn Prof. Dr. 
B. Fischer für die freundliche Ueberlassung des Materials und die gütigen 
Ratschläge bei der Ausführung der Arbeit meinen aufrichtigen Dank aus. 


Literatur. 

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Zeitschr. f. Hyg. Bd. 10. S. 145. 

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Gruber, Gesichtspunkte für die Prüfung und Beurteilung der Wasserfilter. Centralbl. 
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886 ; Boden. 


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Plagge, Untersuchungen über Wasserfilter. Veröffentlichungen aus dem Gebiet des 
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Fabricius, Otto und v. Feilitzen, Hjalmar, Ueber den Gebalt an Bakterien 
in jungfräulichem und kultiviertem Hochmoorboden auf dem 
Versuchsfelde des schwedischen Moorkulturvereins bei Flahult. 
Centralbl. f. Bakt. Abt. II. Bd. 14. S. 162. 

Durch verschiedene Arbeiten (Miquel, Koch, Adametz, Fraenkel u.a.) 
ist es schon längere Zeit bekannt, dass die oberen Bodenschichten sehr reich 
an Bakterien sind und dass die Menge derselben für einen bestimmten Näbr- 
boden (gewöhnliche Fleischwasserpeptongelatine) nach der Tiefe zu schnell 
abnimmt. Wie auch die neueren Untersuchungen von P. Krüger und 
dem Ref. zeigen, wechselt indessen der Bakteriengehalt bezw. Organismen- 
gehalt gar sehr in verschiedenen Bodenarten und naturgemäss auch in ein 
und demselben Boden, welcher eine verschiedenartige Behandlung erfahren 
hat. Da nun die Mikroorganismen zum grossen Teile für ihre normale 
Entwickelung ein alkalisches oder wenigstens neutrales Medium verlangen, 
konnte man ja nach den Verff. annehmen, dass der saure Hochmoorboden 
keinen sonderlich geeigneten Nährboden für Bakterien bilden würde. 

Die Methode der Auszählung der Bakterien schloss sich genau an das 
von Hiltner und Störmer (cf. Arbeit a. d. biologisch. Abt. f. Land- und 
Forstwirtschaft am Kaiserl. Gesundheitsamte Bd. 3. 1903. H. 5) angegebene 
Verfahren an, nach welchem also die gewöhnliche Fleisch wasserpeptongelatine 
als Nährboden benutzt wurde, die Kulturen bei 20°C 10 Tage im Thermostaten 
gehalten, die Bakterienkolonien jeden Tag abgezählt und die sogenannten 
verflüssigenden mit Höllenstein „abgestiftet“ wurden. Zu etwas befriedigenderer 
Lösung der vorliegenden Frage wäre es entschieden besser gewesen, wenn 
sich die Verff. nicht an die althergebrachten Nährböden gehalten, sondern 
mehr solche gewählt hätten, die den natürlichen Verhältnissen einigermassen 


Boden. 887 


entsprechen, und wenn sie besonderen Wert auch auf eine vergleichende Prü- 
fung mit möglichst verschiedenartig zusammengesetzten Nährböden 
gelegt hätten, wie ja überhaupt alle bisherigen Untersuchungen über die Zahl 
von Bodenorganismen den grossen Mangel aufweisen, dass man wenig oder 
überhaupt keine Rücksicht auf Nährböden genommen hat, die den natürlichen 
Verhältnissen angepasst sind, und dass man weiterhin zu derartigen Zählungen 
vor allem keine verschieden zusammengesetzten Nährböden verwandt hat. So 

‚ erhielt beispielsweise selbst auf einer sauren Traubenzucker-Fleischwasserpep- 
tongelatine (1°/,, Milchsäure) Ref. nicht etwa auffallend mehr Schimmel- 
pilzkolonien als auf demselben Nährböden ohne Milchsäure (aber schwach 
alkalisch), sondern Ref. erhielt vor allem auffallend mehr Bakterien- 
kolonien auf dem sauren Nährboden wie auf dem schwach alkalischen, 
als er verschieden behandelten Boden auf seinen Organismenbestand einge- 
henderen Untersuchungen unterzog. 

Nach den Verff. ist der Bakteriengehalt, dem für das Pflanzenwachs- 
tum bekanntlich eine grosse Rolle zukommt, im Hochmoorboden im natür- 
lichen Zustande ziemlich gering und hängt nach der Ansicht der Verff. mit 
der sauren Reaktion dieses Bodens zusammen. Entwässerung beeinflusst für 
sich allein den Bakteriengebalt sehr wenig. 

Durch Kalkung, Besandung, Bearbeitung und Düngung nimmt er 
aber naturgemäss ausserordentlich zu, weil hierdurch sowohl die Lebensbe- 
dingungen für Bakterien gebessert, als auch neue Bakterien zugeführt werden. 
Ganz bedeutenden Einfluss hat namentlich eine Stallmistdüngung. Bei guter 
Düngung und Pflege kann die Bakterienzahl ebenso hoch steigen wie in 
Niederungsmooren unter den gleichen Verhältnissen. 

Im übrigen steigt und fällt der Bakteriengehalt parallel der Boden- 
temperatur. 

Allen derartigen oder ähnlichen Untersuchungen gegenüber möchte Ref. 
nochmals darauf hinweisen, dass es zu einer einwandsfreien und befriedigen- 
deren Klärung von Fragen, wie derjenigen nach dem Bakteriengehalteines > 
Bodens unbedingt notwendig ist, die Frage allgemeiner nach dem Organis- 
mengehalte zu stellen, und dabei vor allem mehr und mehr vergleichende 
Untersuchungen mit möglichst natürlichen Nährböden anzustellen. Dass die 
gewöhnliche alkalische Fleischwasserpeptongelatine keinen besonders geeigneten 
Nährboden für Bodenorganismen vorstellt, ist wohl sofort klar, zu- 
mal wenn man bedenkt, dass ohne weiteres auf Gelatine wachsende Orga- 
nismen im Boden schwerlich eine grosse Rolle spielen werden und besonders 
die sogenannten gelatineverflüssigenden Organismen wenigstens nach 
allen bisher darüber vorliegenden Untersuchungen im Boden nur in sehr ge- 
ringer Anzahl vorkommen. Bei der Zusammensetzung der meisten Ackerböden 
u. s. w. ist dieser Befund ja auch selbstverständlich leicht erklärlich. 

: Heinze (Halle a. S.). 


888 Boden. 


Stoklasa J. und Vitek E., Beiträge zur Erkenntnis des Einflusses ver- 
schiedener Kohlenhydrate und organischer Säuren auf die Meta- 
morphose des Nitrats durch Bakterien. Centralbl. f. Bakt. Abt. II. 
Bd. 14. S. 102—118 u. S. 183—189. 

Schon eine ganze Reihe von Versuchen über die durch Bakterien her- 
vorgerufene Denitritikation des Nitrats sind durchgeführt worden; aber denn- 
noch vermisst man den Massstab, welcher uns angeben würde, wie weit der 
Einfluss seitens der Konstitution der Kohlenhydrate und der organi- , 
schen Säuren auf diese Processe, die eine so überaus grosse biologische 
Bedeutung haben, reicht. 

Neben der Denitrifikation der Salze der Salpetersäure verläuft be- 
kanntlich bei zahlreichen Mikrobienarten auch die Ammonisation — die 
Umwandlung des Salpeter-N in NH, — parallel. Die Reduktion der Salpeter- 
säure zu HNO, und im weiteren Verlaufe des Processes zu NH, bezw. zu 
elementarem N wird durch die Mikrobienzelle zum Zwecke der Bildung von 
Eiweissstoffen innerhalb derselben aus den Kohlenhydraten oder organischen 
Säuren, sowie den Nitraten hervorgerufen. 

Die Verf. haben eine ganze Reihe Organismen dem Studium der Vital- 
vergärung unterzogen, indem sie vor allem Kulturmedien gewählt haben, welche 
von denen anderer Forscher mehr oder weniger abweichen. 

Als N-Quelle wurde nur das NaNO; benutzt und von den Kohlenstoffquellen 
entweder die Kohlenhydrate und zwar von den Hexosen die d-Glukose, d-Laevu- 
lose, Galaktose, von den Pentosen l-Arabinose und I-Xylose oder die orga- 
nischen Säuren: Buttersäure, Valeriansäure, Milchsäure, Bernsteinsäure, 
Aepfelsäure u. s. w., welche allerdings vorber mit Na,CO, bis zur neutralen 
Reaktion neutralisiert wurden. 

Als Nährmedium diente folgende Salzlösung: 

1000 cem H,O 

1,25 g K,HPO, 

0,20 g K,S0, 

0,05 g Call, 

0,05 g MgCl 

0,10 g NaCO; 

0,05 g FePO, 

2,0 g NaNO, 

2,0—2,5 g C-Verbindung. 

Aus den mannigfachen Untersuchungsergebnissen möge folgendes hervor- 
gehoben werden: 

Das intermediäre Produkt aller angeführten Mikrobienarten, in 
welchem geeigneten G-haltigen Nährmedium von der früher angegebenen Zu- 
sammensetzung sie auch immer sich befinden mögen, ist die salpetrige Säure, 
welche durch Reduktion der HNO, bezw. des NaNO; entstanden ist. Die Fähig- 
keit, Nitrat zu reducieren, zeigen alle die erwähnten Mikrobienarten, aller- 
dings in verschieden starker Intensität. 

Die Reduktion des HNO, zu HNO, erfolgt durch den in statu nas- 
cendi sich bildenden H. Der Wasserstoff selbst wieder entsteht neben 


Boden. 889 


CO, durch die Zersetzung der Kohlenhydrate oder der organischen Säuren durch 
sogenannte Atmungsenzyme. 

Nach den neuesten Untersuchungen der Verff. werden gewisse Kohlen- 
hydrate aus gewissen organischen Säuren, wenn sie als geeignete Nährsubstrate 
für Bakterien vorhanden sind, stufenweise gespalten, und die Degradation 
derselben kennzeichnet sich durch die letzten Spaltungsprodukte CO, und H, 
welcher letztere unter Erfüllung verschiedener Aufgaben schliesslich teilweise 
in statu nascendi auch zu H,O oxydiert wird. 

Im übrigen müssen wir wohl als erste Abbauprodukte z.B. der’Kohlen- 
hydrate Milchsäure, Alkohol und CO, ansehen. Wir können allerdings 
vorläufig nicht sagen, ob es der entstandene Alkohol oder der entwickelte H 
ist, welcher die Zersetzung des HNO;-Moleküles bis auf den elementaren N 
herbeiführt. A 

In ähnlicher Weise, wie Nitrat zu Nitrit durch den entwickelten H reduciert 
wird, werden auch in entsprechenden Nährmedien die Chlorate zu Chloriden, 
die Arseniate zu Arseniten, die Ferricyanide zu Ferrocyaniden durch die Tätigkeit 
der Denitrifikantien reduciert. 

Des weiteren äussern sich die Verff. näher über den Chemismus der 
Salpetergärung. Sie legen dar, dass die Bildung neuer lebendiger 
Materie der Mikrobienzelle, die insbesondere durch Eiweisssynthese 
charakterisiert ist, bei welcher als N-Quelle Salpeter dient, . abhängig 
ist von einer passenden O-Quelle, also Kohlenhydraten und organischen Säuren, 
deren Qualifikation in der Arbeit der Verff. genauer präcisiert wird. 

Man hat hier einen ähnlichen Process vor sich, wie er in jeder chloro- 
phylihaltigen Pflanzenzelle sich abspielt. Der Unterschied wird näher ange- 
geben. Von dem Gesamt-N ist bis ca. 330, in organischer Form, und zwar 
namentlich in Eiweissform umgewandelt. worden, wobei noch zu bemerken ist, 
dass ein Teil des N in Form von Nukleinen, Lecithinen u. s. w. vorhanden ist. 

Das Ergebnis der Untersuchungen der Verff. macht es auch begreiflich, 
dass die grosse Streitfrage, ob die Eiweisssynthese in der chlorophylihaltigen 
Zelle im Dunkeln oder bei Einwirkung von Sonnenstrahlen vor sich geht, eine 
vollständig müssige ist; denn wenn die chlorophylihaltige Zelle durch photo- 
synthetische Processe die geeigneten Kohlenhydrate oder organischen Säuren 
zu bilden verhindert ist, so ist auch selbst bei Gegenwart von HNO, und allen 
übrigen organischen Nährstoffen die Eiweisssynthese einfach unmöglich; ist 
aber ein Vorrat dieser organischen Säuren und Kohlenhydraten bereits vor- 
handen, dann kann die Eiweisssynthese auch im Dunkeln vor sich gehen, und 
die Chlorophylizelle arbeitet wie jede sonst in Beobachtung gezogene Bak- 
terienzelle. 

Die gewonnenen Resultate geben zugleich einen Fingerzeig hinsichtlich der 
Metamorphose des Salpeters im Boden und im Stalldünger. Man sieht, dass 
diejenigen Kohlenhydrate, die im Boden vorhanden sind oder sich bilden können, 
nicht als vorzügliche Nährmaterialien für Denitrifikationsbakterien zu 
betrachten sind, aber für eine langsame Ammonisation der Salpetersäure resp. 
salpetrigen Säure immerhin tauglich erscheinen. 

Die Verff. weisen noch besonders auf einen im böhmischen Rübenboden 

66 


890 Boden. 


regelmässig anzutreffenden Organismus — Clostridium gelatinosum — hin, 
welcher vor anderen Organismen besonders auch dadurch ausgezeichnet ist, 
dass er bei der Ueberführung von Salpetersäure in NH, kräftig mitwirkt. Im 
übrigen dürfte auch nach den vorliegenden Untersuchungen der Verff. die 
Denitrifikation, wo sie in der Ackererde vorkommt, überhaupt im Verhält- 
nisse zur Nitrifikation und Ammonisation nur eine recht untergeordnete 
Rolle spielen. Auch haben ihre neuen Versuche zum Zwecke der Durch- 
forschung ihrer heimischen Rübenböden, bei welcher man mit Salpeterdüngung 
rechnen muss, gelehrt, dass in den genannten Böden die Ammonisations- 
bakterien, welche bekanntlich den Nitratstickstoff in NH, überführen, bei 
weitem am zahlreichsten vorhanden sind. In einer späteren Arbeit sollen 
weitere Mitteilungen darüber gemacht werden, welche Kohlenhydrate und orga- 
nische Säuren im Boden’ und Stalldünger vorkommen und wie sie auf die Meta- 
morphose des Salpeters einwirken. Nach neueren Untersuchungen des Ref. 
müssen wir im Boden u. a. auch die sogenannten Pektinstoffe als C-Quelle 
für die verschiedensten Organismen berücksichtigen, zumal diese Stoffe neben 
Pentosanen, Humusstoffen, allerhand’ Pflanzenresten besonders wichtig für die 
N-sammelnden sogenannten Azotobakterorganismen sind. 
Heinze (Halle a. S.). 


Sewerin $. A., Die im Miste vorkommenden Bakterien und deren phy- 
siologische Rolle bei der Zersetzung derselben. 5. Mitteilg. Cen- 
tralbl. f. Bakt. Abt. II. Bd. 13. S. 616. 

Der Verf. berichtet über einige ergänzende Versuche, welche in der Haupt- 
sache dazu bestimmt waren, die Unterschiede in der ammoniakali- 
schen Gärung mit und ohne Sterilisation des Materials durch Hitze aufzuklären. 

Diese Unterschiede erwiesen sich als so bedeutend, dass sie durch den NH;- 
Verlust während der Sterilisation selbst nicht genügend erklärt werden, viel- 
mehr zum Teil wenigstens auf eine biologische Ursache, Ungleichheit 
der Organismenflora in den vergleichenden Versuchen, zurückgeführt werden 
müssen. Heinze (Halle a. S.). 


Störmer K., Ueber die Wasserröste des Flachses. Centralbl. f. Bakt. 
Abt. II. Bd. 13. S. 35. 

In der schönen Arbeit des Verf.’s wird nachgewiesen, dass die Wasser- 
röste des Flachses ein biologischer Process ist, welcher nur durch die 
Mitwirkung bestimmter Organismen zustande kommt. 

Als sogenannter Rösteerreger des Flachses wurde ein fakultativ 
anadrobes Plektridium — vom Verf. Plectridium pectinovorum ge- 
nannt — aufgefunden. 

Diese Organismen, Plektridienformen, vermögen bei Luftabschluss diejenigen 
Pektinstoffe der Röstpflanzen, welche den Zellverband parenchymatischer 
Gewebe bedingen, zu vergären und damit eine Herauslösung der Bastfasern 
aus dem I’flanzengewebe zu veranlassen. 

Der für den Eintritt der Gärung bis zu einem gewissen Grade unbedingt 
erforderliche O-Abschluss wird durch bestimmte, sehr zahlreich sich ent- 


` Boden. , 891 


wickelnde, O-bedürftige Bakterien und Pilze, d. b. durch die sogenannten 
Nebenorganismen verursacht, welches sämtlich nicht befähigt sind für 
sich allein eine Röste des Flachses zu bewirken. Wenn die Pektinstoffe durch 
Gärung zersetzt werden, so bilden sich einerseits H und CO,, andererseits 
organische Säuren, vornehmlich Essigsäure und Buttersäure, in geringen Mengen 
auch Valeriansäure und Milchsäure, dieselben Produkte, welche nach den bis- 
herigen Untersuchungen des Ref. auch die sogenannten als specielle Pektin- 
vergärer zu bewertenden Plektridienformen des Ackerbodens bilden. 
Auch dürften die letzteren nach den bisherigen Beobachtungen und Unter- 
suchungen des Ref., wofern sie nicht mit den von Störmer als Rösteerreger 
des Flachses näber beschriebenen Formen völlig identisch sind, denselben 
zum mindesten sehr nahe stehen. 

Nach Eintritt der Gärung und damit verbunden infolge Bildung der ge- 
nannten Säuren nimmt nun bei der Wasserröste des Flachses die Acidität 
der Rösteflüssigkeiten mit fortschreitender Zeit erheblich zu. Durch die so- 
genannte Giftwirkung vornehmlich der Buttersäure tritt eine Benachteiligung 
der Organismenwirkung ein, welche eine Verzögerung des Processes und 
damit wahrscheinlich auch andere Nachteile zur Folge hat. Durch Abstumpfung 
der Säuren durch Kalk oder andere Alkalien wird die giftige Wirkung der- 
selben sehr erheblich herabgesetzt. Dadurch tritt auch die erwähnte Benach- 
teiligung der Rösteorganismen nicht ein, und der Process erleidet eine beträcht- 
liche Beschleunigung. Schliesslich empfiehlt es sich auch, um den wirklich 
wichtigen Organismen die Vorherrschaft während des Processes von Anfang 
an zu sichern, dieselben bei Beginn der Röste als sogenannte Reinkultur ein- 
zuimpfen. 

Das Plectridium pectinovorum wurde übrigens aus dem Flachse von 
räumlich weit auseinanderliegenden Rösteanstalten und auch aus einem mittels 
Rasenröste gerösteten Flachse isoliert, dürfte also vielleicht auch bei dem 
letztgenannten Processe wirksam sein. Dasselbe Plectridium hat sich ferner 
als Zerstörer von Leguminosensamen experimentell nachweisen lassen, wie 
schon früher von Hiltner in einer vedeutungsvollen Arbeit (cf. Arbeiten a. d. 
biolog. Abt. f. Land- und Forstwirtschaft d. Kais. Ges.-A. 1902. Bd. 3. H. 1) 
auf die Wichtigkeit der Plektridien als Pektinvergärer für die Keimung 
der Leguminosensamen in Kürze hingewiesen worden ist. 

Nach neueren Untersuchungen des Ref. dürften neben anderen sogenannten 
Granuloseorganismen zweifellos auch gerade die als specielle Pektin- 
vergärer im Boden vorkommenden und besonders auch als Säurebildner 
zu bewertenden Plektridienformen für die Landwirtschaft und Forstwirt- 
schaft eine nicht unwichtige Rolle spielen, welche freilich viel eingehender 
erst erforscht werden muss, ehe man sich näher darüber äussern kann. Gerade 
sie bilden insofern einen wichtigen Faktor bei den im Erdboden vor sich ge- 
henden mannigfachen Stoffumwandlungen, als sie im Verein mit anderen 
Organismen die Zersetzung organischer Substanz, d. h. ihre allmähliche 
Mineralisierung vorbereiten und durchzuführen helfen. 

Bei allzu reichlicher Entwickelung bezw. Vorhandensein wirken dieselben, 
wie schon erwähnt, ungünstig auf die Keimung der Leguminosensamen ein. 

66* 


892 Wasser. 


Dieser schädigenden Einwirkung wird man indessen nach neueren Beobachtungen 
des Ref. möglicherweise immer durch eine regelmässige Kalkdüngung zu 
Leguminosenkulturen entgegen arbeiten können; wenigstens wurde vom Ref. 
bei verschiedenen Bodenkulturen (mit N-Düngern in geringen Gaben) regel- 
mässig die Beobachtung gemacht, dass in den nicht gekalkten Kulturen 
eine üppige Plektridienvegetation auftrat, in den gekalkten Kulturen 
indessen, wenn überhaupt, nur eine recht unbedeutende Vegetation; in den 
letzteren Kulturen entwickelten sich übrigens äusserst üppig sogenannte 
N-sammelnde Organismen, und zwar die sogenannten Azotobakteror- 
ganismen. Heinze (Halle a. S.). 


Dejonc, Joseph, Vergleichende Bestimmungen des Keimgehaltes des 
Wassers. Dissertation. Strassburg 1904. 

Verf. bespricht zunächst kurz die mannigfachen Nährböden, die zur Unter- 
suchung des Keimgehaltes eines Wassers vermittels des die meiste An- 
wendung findenden Plattenverfahrens vorgeschlagen worden sind, und kommt 
zu dem Schluss, dass die meisten Autoren bei hygienischen Wasserunter- 
suchungen der Gelatine den Vorzug geben. Einmal geschehe dies, weil die 
meisten pathogenen Keime und besonders die bei Wasseruntersuchungen be- 
sonders interessanten, wie Cholera- und Typhuserreger auf Gelatine sehr gut 
und charakteristischer wüchsen als auf Agar, weiter, weil auf Agar zuweilen 
statt getrennter Kolonien die Entwickelung eines Belages stattfände, schliesslich 
weil der Agar eine viel weniger bequeme Anwendung biete als die Gelatine. 
Aber auch bei der Gelatine sind von den verschiedensten Seiten verschiedene 
Modifikationen als die für den genannten Zweck brauchbarsten empfohlen 
worden. Besonders hat man sich bemüht, die Verflüssigung der Gelatine hint- 
anzubalten; dabei hat sich allein die Erhöhung des Schmelzpunktes bewährt, 
welche ja ausserdem noch die Züchtung bei höherer Temperatur ermöglicht; 
freilich gehen auch wieder über die Temperatur der Züchtung die Ansichten 
der Autoren auseinander. Die in dieser ganzen Frage bestehenden Differenzen 
veranlassten den Verf., einmal experimentell festzustellen, wie sich die ihm zu- 
gängigen Wassersorten zwei verschiedenen Nährgelatinen gegenüber bei ver- 
schiedenen Temperaturen verhalten. Zur Verwendung gelangten eine vom Verf. 
als k-Gelatine bezeichnete, die genau nach der vom Kaiserl. Gesundheitsamt 
gegebenen Vorschrift (Veröff. d. Kais. Ges.-A. 1904. S. 635) hergestellt wurde, 
sowie die im Strassburger Institut gebräuchliche Gelatine, deren Herstellung 
im Original nachgelesen werden muss. 

Die Ergebnisse waren folgende: Die hochschmelzende Gelatine ergab, von 
einzelnen Fällen abgesehen, unter sonst gleichen Bedingungen mehr Keime als 
die niedrigschmelzende. Das Temperaturoptimum für die Züchtung schwankte 
bei den verschiedenen Wässern, und zwar zwischen 20 und 28°. Es empfiehlt 
sich, die höchsten zulässigen Temperaturen in Anwendung zu bringen, wenn 
man schon nach 2 Tagen zählen will. Agarplatten — auch diese wurden 
später mit in die Versuche einbezogen — ergeben durchschnittlich weniger 
Keime als Gelatineplatten; auch ist der Unterschied zweier Kontrollplatten bei 
ersteren grösser. L. Dreyer (Halle a. S.). 


Wasser. 893 


Otto M. und Neumann R. 0., Ueber einige bakteriologische Wasser- 
untersuchungen im atlantischen Ocean. Centralbl. f. Bakt. Abt. II. 
Bd. 13. S. 481. 

Im Gegensatz zu den Wässern des Binnenlandes waren bislang noch wenig 
bakteriologische Untersuchungen von Wasserproben auf hoher See 
ausgeführt worden, was wohl seinen Grund nach den Verff. lediglich in den 
technischen Schwierigkeiten haben dürfte, welche sich der Probenahme und 
der Analyse des Wassers auf den Schiffen entgegenstellen. 

Mit derartigen Seewasseruntersuchungen und zwar auf dem atlantischen 
Ocean haben sich nun die Verff. etwas näher bei Gelegenheit einer Reise be- 
schäftigt, welche sie zum Studium des Gelbfiebers nach Brasilien unternahmen. 
Diese Untersuchungen erstrecken sich auf 80 Probenahmen, von denen ca. 2/z 
als einwandsfrei gelungen bezeichnet werden dürfen. Den Rest haben die 
Verff. ausser Acht gelassen. r 

Besonders eingehend wird von den Verff. zunächst die ziemlich schwierige, 
sorgfältige Probenahme in den verschiedenen Tiefen des Meeres erörtert; auch 
die genaue Bestimmung der Meerestiefe bietet manche Schwierigkeiten. 

Die auf hoher See gefundenen Bakterienmengen sind nach den Verff. ge- 
ring und betragen inmitten des grossen Oceans auf der durchfahrenen Strecke 
bei 5 m Tiefe im Maximum nur 120 pro ccm, im Mittel nur 60 Keime; in 
tieferen Schichten scheinen die Bakterien bis zu 50 bezw. 100 m zuzunehmen, 
um alsdann bei 200 m fast zu verschwinden. 

In der Nähe des Landes bezw. von Häfen wurden natürlich weit grössere 
Bakterienmengen angetroffen. In einer Tabelle, welche auch die Länge und 
Breite der Entnahmestellen, die Wassertemperatur, Seerichtung und den Seegang 
angibt, sind die gewonnenen Ergebnisse übersichtlich zusammengestellt. 

Die Angaben in der Literatur über die Bakterienmengen im Meere sind 
recht verschieden und zum Teil widersprecuend. Alle bisherigen Unter- 
suchungen stimmen indessen darin überein, dass die Zahl der Keime vom 
Lande nach dem offenen Meere hin abnimmt. Es werden alsdann die bis- 
herigen Ergebnisse anderer Autoren und die eigenen näher erörtert. 

Bezüglich ihrer Ergebnisse schreiben die Verff. noch folgendes: „Unsere 
Ergebnisse an den 4 genannten Punkten des atlantischen Oceans 
sprechen eindeutig dafür, dass wenigstens von 50—200 m Tiefe entschieden 
eine Abnahme stattfindet“. Dem kann Ref. auf keinen Fall beipflichten, 
da dies mit Hilfe eines einzigen zu Untersuchungszwecken verwandten Nähr- 
bodens überhaupt niemals einwandsfrei erwiesen werden kann, und man über- 
haupt gut tun würde, zu derartigen Untersuchungen die verschiedenartigsten 
Nährböden heranzuziehen; bei Verwendung eines anderen Nährbodens können, 
wie anderweitig z. B. bei Bodenuntersuchungen, in ähnlicher Weise bei 
Wasseruntersuchungen zweifellos ganz andere Keimzahlen gefunden werden, 
als bei Verwendung gewöhnlicher Bouillongelatine. 

Dass an der Oberfläche oder wenig unter ihr eine geringere Menge Keime 
aufgefunden wurden, als bei 50 m Tiefe, wollen die Verff,, wie auch 
andere Antoren annehmen, lediglich auf die desinficierende Wirkung der 
Sonnenstrahlen zurückführen. Eine Abnahme nach der Tiefe zu soll eher 


894 Wasser. 


plausibel sein, da sich nach den Verff. die Lebensbedingungen jedenfalls dort 
verschlechtern. Die Verff. geben aber auch die Möglichkeit zu, dass sie die 
in der Tiefe lebenden Organismen auf ihrem Nährboden nicht alle wieder- 
finden. 

Ref. möchte die grosse Wahrscheinlichkeit betonen, dass dem so ist (ganz 
abgesehen von den sogenannten anaeroben Organismen, über deren Zahl ja 
man auf dem gewöhnlichen Wege gar keinen Anhaltspunkt gewinnt.) 

Auf ihren Platten erhielten die Verff. im wesentlichen Coli-ähnliche 
Bakterien und Fluorescentes, z. T. auch Proteus-äbnliche verflüssigende, 
z. T. weisse und gelbe nicht verflüssigende Stäbchenkolonien. Einzelne 
Vibrionen und verschiedene Male Schimmelpilze vervollständigten das nicht 
sehr mannigfaltige Bild. Heinze (Halle a.S.). 


Schorler B., Beiträge zur Kenntnis der Eisenbakterien. Centralbl. f. 
Bakt. Abt. II. Bd. 12. S. 681. 

In der vorliegenden Arbeit des Verf.’s wird über das Vorkommen der 
Crenothrix in den Dresdener Wasserwerken berichtet. Die dazu erforder- 
lichen Untersuchungen wurden indessen vom Verf. zu Vergleichszwecken auch 
auf andere Wasserwerke des Elbtales (von Pirna bis Meissen) ausgedehnt. 

In den vorliegenden Beiträgen kommen nur Eisenbakterien in Frage, 
welche in den Dunkelräumen jener Werke auftreten. Diese Organismen können 
sich bekanntermassen unter Umständen in sehr grossen Mengen ansiedeln und 
wahre Kalamitäten verursachen; sie sind also für den Haushalt des Menschen 
sehr wichtig. Ein rechtzeitiges Erkennen der durch üppige Wucherung der 
Eisenbakterien für die Leitungen erwachsenden Gefahr ist natürlich vom grössten 
Werte, weshalb Verf. zunächst auch jene einfache Methode kurz erörtert, nach 
welcher man Brunnen und Wasserbehälter leicht untersuchen und das Vor- 
kommen auch der geringsten Spuren von Crenothrix und deren Verwandten 
sicher erkennen kann; diese beruht auf der Fähigkeit dieser Organismen, 
Manganverbindungen in grossen Mengen aufzuspeichern. Uebrigens muss 
bei der Probenahme von in dieser Hinsicht verdächtigen Wässern besondere 
Rücksicht auf die Entwickelung der Crenothrixorganismen und Ver- 
wandten genommen und zur Probenahme am besten ein geeigneter sogenannter 
Schlammschöpfer verwandt werden, wie er zum Sammeln von Diatomeen 
und anderen Bodenalgen seit langem im Gebrauch ist, zumal man bisher 
auf gewöhnlichen Nährböden Crenothrix noch nicht zur Entwickelung gebracht 
hat und damit also noch nicht hat nachweisen können. 

ès wird alsdann zunächst eingehender das Vorkommen und die Gefähr- 
lichkeit der sogenannten Crenothrix polyspora als Schädling der Wasser- 
werke erörtert; eine von Jackson aufgestellte neue Art — Crenothrix 
manganifera — dürfte nach dem Verf. ohne jede Berechtigung aufgestellt 
sein, da man in ihr nichts anderes als die C. polyspora vor sich hat. 

Im allgemeinen dürfte nach der Ansicht des Verf.’s nur der höhere Man- 
gangehalt eines Wassers die rasche und üppige Entwickelung der Crenothrix- 
organismen in einem Wasserwerke zur Folge haben, wenn sich auch eine 
genauere Beurteilung der Verhältnisse zur Zeit noch nicht geben lässt. 


Infektionskrankheiten. 895 


Für Werke’ mit Grundwasserversorgung wird sich ein Einschleppen des 
Schädlings in die Brunnen kaum vermeiden lassen; durch Reinigungsanlagen 
(Filter, Enteisenung) wird man die Entwickelungsintensität bis zu einem ge- 
wissen Grade herabdrücken können. Um eine eventuell eintretende Kalamität > 
zu vermeiden, wird man nach dem Verf. am besten ein wiederholtes Entfernen 
des Crenothrixschleimes auf dem Brunnenboden (Absaugen mittels Pumpen, 
Ausbaggern) vornehmen müssen. Auch ein Kalken der Brunnen wäre zu 
empfehlen. Inficierte Rohrnetze müssen ebenfalls in geeigneter Weise mecha- 
nisch gereinigt werden. Im übrigen dürfte heutzutage die sogenannte „Brunnen- 
pest“ tatsächlich nicht mehr das Schreckgespenst früherer Jahrzehnte sein. 

Eingehender werden vom Verf. auch zwei weitere Organismen Clonothrix 
fusca n. sp. und Ghlamydothrix (Gallionella) ferruginea (Ehrbg.) Mig. 
erörtert. Der letztere Organismus dürfte nach dem Verf. wahrscheinlich bei 
der Bildung des Rostes unter Wasser eine sehr wichtige Rolle spielen. Oben- 
drein scheint Lichtmangel die Entwickelung dieser Organismen zu begünstigen; 
wenigstens konnte sie Verf. bei der Untersuchung einiger weniger verrosteter 
Eisenteile aus der offenen Elbe nicht auffinden. Einzelheiten sind im Original 
nachzusehen. Heinze (Halle a. $.). 


Bartel J., Ein Apparat für Inhalationsversuche. 

Bartel J., Zur Inhalation zerstäubter bakterienhaltiger Flüssigkeit. 
Aus dem pathol.-anatom. Institut in Wien. Wien. klin. Wochenschr. 1905. 
No. 30. S. 797. 

Mit Hilfe eines besonders konstruierten Inhalationsapparates, der in 
der ersten Arbeit beschrieben und abgebildet ist, nahm der Autor die bereits 
wiederholt in verschiedenem Sinne beantwortete Frage nach dem Eindringen 
versprühter bakterienhaltiger Flüssigkeit in die Endabschnitte des 
Bronchialbaumes wieder auf, wobei auf die Vermeidung einer Reihe von 
Versuchsfeblern (Aspiration bei nicht einwandfreier Tötung der Versuchstiere, 
mangelbafte Technik bei der Entnahme von Lungenpartikelchen u. s. w.) be- 
sondere Sorgfalt gelegt wurde. Die Versuche, bei welchen Prodigiosus-Auf- 
schwemmungen zur Verwendung kamen, zeigten, dass selbst unter forcierten 
Versuchsbedingungen in die peripheren Lungenpartien nur ganz wenige Keime 
gelangen. Grassberger (Wien). 


Kraemer C., Die Häufigkeit der Tuberkulose des Menschen nach der 
Ergebnissen von Leichenuntersuchungen und Tuberkulinprü- 
fungen und ihre Bedeutung für die Therapie. Zeitschr. f. Hyg. 
Bd. 50. S. 265. s 

Der Verf. wendet sich gegen die sehr verbreitete Annahme, dass 
jeder Erwachsene wenigstens 1 mal in seinem Leben mit Tuberkel- 
bacillen infieiert wird, und „jeder ein bischen tuberkulös“ ist. Er tut 
dies auf Grund einer Revision des Materials, auf welches die Lehre von der 

Tuberkuloseinfektion aller Menschen sich gründet. Dies sind in erster 

Linie die Leichenuntersuchungen von Nägeli, der von 284 Erwachsenen 


896 Infektionskrankheiten. 


98 v. H. mit tuberkulösen Herden behaftet fand, dann die Arbeiten von 
Lubarsch, der 88,4 v. H. der Erwachsenen als tuberkulös ermittelte, und endlich 
von Burkhardt, der unter 1292 Erwachsenen bei 91 v. H. tuberkulöse Ver- 
änderungen feststellte. Dem gegenüber stehen die Zahlen von Heller, der 
in Kiel bei 7683 Leichenöffnungen nur in 35 v. H. Tuberkulose nachweisen 
konnte, und von Orth, der in Berlin bei 1087 Leichen nur 27 v. H. mit 
Tuberkulose ermittelte. Der Verf. macht darauf aufmerksam, dass in grossen 
Krankenhäusern die niederen Volksschichten und das mittlere Alter am 
meisten vertreten sind und hierdurch eine gewisse Konzentration der 
Tuberkulose bedingt ist, dass aber Nägeli und Burkhardt ausserdem 
noch ihre Untersuchungen in grossen industriereichen Städten (Zürich 
und Dresden) mit hoher Sterblichkeit an Tuberkulose angestellt haben, 
zum Teil vorzugsweise an Spinnern, unter denen Tuberkulose ganz besonders 
verbreitet ist. Hieraus aber Schlüsse auf die Verbreitung der Tuber- 
kulose unter der ganzen Menschheit zu ziehen, erklärt er für unzulässig. 
Er weist darauf hin, dass die „latent inaktiven“ tuberkulösen Veränderungen 
d. h. die geheilten Fälle (pleuritische Spitzenverwachsungen , pleuritische 
Narben mit schieferigen Verhärtungen, Kalkherde in den Lungen und nament- 
lich in den Bronchialdrüsen) bei Nägeli und Burkhardt den grössten Teil 
aller Tuberkulösen (64 v. H.) ausmachen und völlig hinreichen, um den 
Unterschied zwischen den Zahlen von Nägeli, Lubarsch und Burk- 
bardt einerseits und von Heller und Orth andererseits zu erklären. Er 
hebt weiter auch noch hervor, dass für diese Veränderungen der Beweis ihrer 
tuberkulösen Art durch den mikroskopischen Befund oder die erfolgreiche 
Tierimpfung nur in wenigen Fällen oder überhaupt nicht geführt ist, 
und dass es. sich dabei ebenso gut um Folgen von Lues, Staubeinatmung, 
Influenza oder Aktinomykose gehandelt’ haben könne. Namentlich aber macht 
er darauf aufmerksam, dass die sich aus den Statistiken von Naegeli, 
Burkhardt und Lubarsch ergebende Heilungszahl von 1/,—2/; aller Tuber- 
kulösen mit den in den Heilstätten gesammelten Erfahrungen sich nicht ver- 
einigen lässt. 

Der folgende Teil der Arbeit beschäftigt sich mit den Ergebnissen der 
Tuberkulinimpfungen und kritisiert vor allen Dingen die Untersuchungen 
von Franz, welcher von 400 Rekruten aus Bosnien und der Herzegowina 
61 v. H. auf Tuberkulin reagierend fand. Wie der Verf. hervorhebt, hat 
Franz gerade jenes Regiment für seine Untersuchungen ausgesucht, weil 
in ihm seit Jahren eine besonders hohe Zahl von Erkrankungen an 
Tuberkulose. vorkam, und weil er feststellen wollte, ob die Mannschaften 
sich erst während ihrer Dienstzeit ansteckten, oder ob sie die Krankheit, die 
in ihrer Heimat stark verbreitet ist, schon von Hause mitbrachten. Ohne die 
Zuverlässigkeit der Tuberkulinreaktion an sich in Frage zu ziehen, macht der 
Verf. auf eine Anzahl von Mängeln bei ihrer Ausführung durch Franz auf- 
merksam, die im wesentlichen auf die zu grosse Zahl der zu Untersuchenden 
und darauf hinausliefen, dass Reaktionen unter 38° noch als kennzeichend 
angenommen wurden und Wärmesteigerungen zufälliger oder hysterischer oder 
nervöser Art nicht ausgeschlossen waren. Beiibrer grossen Wichtigkeit wünscht 


Infektionskrankheiten. 897 


der Verf. eine baldige Wiederholung derartiger Untersuchungen in den Heeren 
nach dem modernen Verfahren (vgl. Klimowitz, diese Zeitschr. 1903. S. 313), 
erklärt aber eine Verallgemeinerung der von Franz erhobenen Zahlen 
für ungerechtfertigt. Er hält die bisherigen Untersuchungen an Leichen und 
Lebenden für zu wenig zahlreich, zu sehr auf bestimmte Orte be- 
schränkt und die tuberkulöse Natur der Veränderungen nicht klar 
genug beweisend. Die Frage nach der Häufigkeit der Tuberkulose 
des Menschen ist daher noch nicht gelöst. Der Verf. hält es aber für 
notwendig, dass jeder an Tuberkulose Erkrankte und auch die latent Tuber- 
kulösen in Behandlung genommen werden. Globig (Berlig). 


Bartel J., Lymphatisches System und Tuberkuloseinfektion. Aus 
d. pathol.-anatom. Institut in Wien. Wien. klin. Wochenschr. 1905. No. 34. 
S. 881. 

Bartel nimmt in Verfolgung der in dieser Zeitschrift referierten inter- 
essanten neuesten Tuberkuloseforschungen der Weichselbaumschen Schule 
neuerlich die Frage der „Skrophulose der Lymphdrüsen“ auf, um die Patho- 
logie dieser Erkrankung auf Grund der neueren Erfahrungen zu revidieren. 

Man unterscheidet beute meist 3 Formen von Skrophulose der Lymph- 
drüsen: 

1. die tuberkulöse, 

2. die nicht tuberkulöse, für welche Bartel die Bezeichnung pyogene 
vorschlägt, 

3. die Mischform. 

Bisher erschienen die ersten beiden Formen durch das pathologisch-ana- 
tomische Bild scharf geschieden, indem für das erste Stadium der pyogenen 
Lymphdrüsenerkrankung die markige Schwellung und Hyperplasie als charak- 
teristisch angesehen wurde, während als Kriterium der tuberkulösen Form die 
Anwesenheit von „Tuberkeln“ betrachtet wurde. 

Noch schärfer sind die Verschiedenheiten des Verlaufes beider Formen 
betont worden, und man hat speciell bei der Tuberkulose auf das gesetzmässige 
Verhalten der regionären Lymphdrüsenerkrankung hingewiesen. Bartel zeigt 
nun, wie nach den Untersuchungen von Kälble, Allan Macfadyen und 
Macconkey, Harbitz, Weichselbaum und Bartel die bisherige trennende 
Schranke zwischen Tuberkulose und anderweitigen Iymıphogenen Infektionen 
nicht mehr aufrecht zu halten sei. Es ist nach diesen Untersuchungen fest- 
gestellt, dass lediglich hyperplastische Lymphdrüsen bei Abwesenheit jeglicher 
tuberkulöser Veränderung vorkommen, die virulente Tuberkelbaciller enthalten. 
Demnach spielt ebenso wie bei der pyogenen Infektion auch bei der tuberku- 
lösen Lymphadenitis ein primäres Vorstadium kleinzelliger Hyperplasie mit. 
Mit dieser Tatsache fällt auch die bisherige Anschauung über das gesetz- 
mässige Verhalten der regionären Lymphdrüsentuberkulose, da ihr die An- 
nahme zu Grunde liegt, dass nur specifisch veränderte Lymphdrüsen tuber- 
kulös sind. 

Was die Frage der Latenz von Tuberkelbacillen in den: Iymphoiden Ge- 
webe anbetrifft, so sind Weichselbaum und Bartel geneigt, ihr eine längere 


898 Infektionskrankheiten. 


Dauer zuzuerkennen. Zum Schluss bespricht der Autor die schützende Wir- 
kung der Lymphdrüsen gegenüber der Tuberkuloseinfektion. Man darf 
nach Bartel die Filtrationsfähigkeit nicht überschätzen, sondern muss nach 
neueren von dem Autor in Gemeinschaft mit Neumann vorgenommenen 
Untersuchungen auf den hemmenden Einfluss, welchen die Lymphocyten auf 
das Wachstum des Tuberkelbaeillus ausüben, Gewicht legen. 

Grassberger (Wien). 


Kirstein, Fritz, Ueber die Dauer der Lebensfähigkeit von Tuberkel- 
bacillen an flugfähigen Stäubchen. Aus d. hyg. Institut d. Univers. 
Breslau. Zeitschr. f. Hyg. Bd. 50. S. 186. 

Während Cornet in dem gesamten trockenen Staub, den er in Kranken- 
sälen und Wohnungen von Schwindsüchtigen gesammelt hatte, bei 17 bezw. 
43 und 47 v.H. der Proben Tuberkelbacillen fand, hatte Heymann, der nur 
flugfähigen Staub gleicher Herkunft untersuchte, blos bei 8 v. H. seiner 
Proben Tuberkelbacillen feststellen können und Gotschlich, der neuerdings 
Staubproben aus Räumen, die dem öffentlichen Verkehr dienten (Bahnhofs- 
Wartesälen) auf ihren Gehalt an Tuberkelbacillen prüfte, hatte gar ein ganz 
negatives Ergebnis (vergl. diese Zeitschr. 1905. S. 18). Auf Veranlassung 
von Flügge hat der Verf. frühere Versuche zur Feststellung der Infektions- 
gefahr durch tuberkelbacillenhaltige Stäubchen (vgl. d. Zeitschr. 1902. S. 1160) 
wieder aufgenommen. Da er vermutete, dass die Art des Staubes auf die 
Lebensdauer der Tuberkelbaeillen von Einfluss sein möchte, so verwendete er 
4 verschiedene Sorten Staub, zunächst Aktenstaub, der fein verteilt und 
über welchem tuberkelbacillenhaltiger Auswurf versprüht wurde, dann feinsten 
Staub von mit Quarzsand vermischtem, von an wolligen leicht fasernden 
Kleiderstoffen angetrocknetem und endlich von mit Strassenstaub 
vermengtem tuberkelbacillenhaltigem Auswurf. Durch die Versuchs- 
anordnung, wegen deren Einzelheiten auf die Arbeit selbst verwiesen wird, 
war dafür gesorgt, dass nur flugfähiger, feinster Staub durch Luftströmungen 
von 3—4 mm in der Sekunde, wie sie in ruhigen Zimmern häufig vorkommen, 
in Bewegung gesetzt wurde; sonst wurde er bei gewöhnlichem zerstreuten 
Tageslicht gehalten und in angemessenen Zwischenräumen (1, 2, 3, 5, 8, 
14 Tagen) zur Feststellung der Lebensfähigkeit der Tuberkelbacillen Meer- 
schweinchen in die Bauchhöhle gebracht. Es ergab sich, dass der Akten- 
staub bei gewöhnlichem Tageslicht nach 8 Tagen noch lebende Tuber- 
kelbacillen enthielt (nach 14 Tagen nicht mehr), der Auswurfstaub mit 
Quarzsand nach 4 Tagen (nach 7 nicht mehr), der Kleiderstaub nach 
5 Tagen (nach 10 Tagen nicht mehr), der Strassenstaub nach 3 Tagen 
(nach 8 Tagen nicht mehr). Die Lebensdauer der Tuberkelbacillen an flug- 
fähigen Stäubehen ist hiernach ziemlich eng begrenzt, wenn auch anzunehmen 
ist, dass sie in dunkelen Räumen etwas länger sein wird. Besonders hervor- 
gehoben wird, dass an denjenigen Stäubchen, welchen die Tuberkelbacillen 
mit den feinsten Tröpfchen versprüht zugeführt wurden, diese am längsten 
sich lebensfähig erhielten. 

Die Desinfektion tuberkelbacillenhaltigen Staubes mit Formalin ge- 


Infektionskrankheiten. 899 


lang dem Verf. in 7 Stunden, wenn 5 g Formalin auf 1 cbm Desinfektions- 
raum, in 31/, Stunde, wenn 33 g, und in 2 Stunden, wenn 53 g Formalin 
mit den entsprechenden Mengen Wasser und Spiritus im Breslauer Apparat 
verbraucht wurden. Globig (Berlin). 


Spengler, Carl, Die Sengzüchtung der Tuberkelbacillen aus Sputum. 
Zeitschr. f. Hyg. Bd. 51. S. 839. 

Das Verfahren lässt sich nur auf die geballte Form des Auswurfs | 
anwenden, soll aber in dieser Beschränkung einfacher und sicherer sein 
als die Formalinzüchtung, die der Verf. für Tuberkelbacille? angegeben 
hat. Ein Ballen, der nicht zu klein sein darf (Kleinhaselnussgrösse wird em- 
pfohlen), wird auf die Oese eines starken Platindrahtes aufgewickelt und unter 
Fortsetzung der rollenden Bewegungen in eine Gasflamme gehalten. Dabei 
bläht er sich mehrmals auf, seine Oberfläche wird zähe, leicht gebräunt und 
gefaltet. Dies dauert nicht länger als das gründliche Ausglühen des Platin- 
drahtes. Dann wird die so entstandene Hülle des Ballens an der Innenwand 
des für die Kultur bestimmten Röhrchens mit Glycerinagar oder Glycerin- 
blutseram durch Streichen und Drücken gesprengt und der Kern auf der Ober- 
fläche des Nährbodens ausgebreitet. Nach 8—14 Tagen findet eine Ueber- 
tragung auf ein neues Röhrchen statt. 

Nach der Angabe des Verf.’s werden auf diese Weise nicht blos alle 
Bakterien bis auf die Tuberkelbacillen vernichtet, sondern auch die 
bakterienfeindliche Wirkung der Leukocyten des Auswurfs aufgehoben und da- 
durch das Wachstum der Tuberkelbacillen gefördert. Globig (Berlin). 


Rumpf E., Heilstätte Friedrichsbeim. 5. Jahresbericht 1904. 

Die Abhandlung gibt eine Zusammenstellung 1. der Belegung der Heil- 
stätte im Jahre 1904 (im ganzen 917 Versicherte), 2. der Statistik der 1904 
verpflegten Versicherten, 3. der Statistik der vom badischen Staate geschickten 
Kranken und 4. den eigentlichen Bericht über Vollzug des Heilverfahrens. 

Jm ganzen ist die Zahl derjenigen Kranken, bei welchen die Kur nicht 
so lange, wie es ärztlicherseits wünschenswert war, durchgeführt wurde, mit 
Ausnahme der in aussichtslosem Zustande eintretenden Kranken im Vergleich 
zu den Vorjahren zurückgegangen. 

Von 582 Kranken, bei denen das Heilverfahren länger als 6 Wochen 
durchgeführt wurde, wurden 577 = 99,1%/, als arbeitsfähig entlassen. Die 
Dauererfolge vom 4. aufs 5. Jabr zeigten keine wesentliche Verschlechterung; 
mithin bietet 4 jähriger Heilstättenerfolg auch für noch längere Zeit Garantie. 
Nach behördlichen Erhebungen über sämtliche Kranke des 1. Jahrgangs (1900) 
waren noch arbeitsfähig: 


Il. Stadium a 2 2020.20. 85,8%, 
I. “ ER EN 
IH. 4 aer 21,5%, 


Bezüglich der Behandlungsmethode wird sowohl diagnostisch als thera- 
peutisch das Tuberkulin hauptsächlich in Anwendung gezogen. 


900 Infektionskrankheiten. 


Von Arzueien wurden benutzt das dem Sirolin ähnliche Oreson und bei 
Neigung zu Durchfällen Bismutose, deren Preis allerdings sehr hoch ist. 

Das Inhalatorium erwies sich als sehr gut; es wurde täglich von 12 bis 
20 Kranken benutzt. 

Die Sputumverbrennung geschieht nach dem Vorgange von Sobotta in 
Sorge in einem mit Torfstreu gefüllten und später mit Rohparaffin ange- 
strichenen Pappkasten, dessen Preis sich ungefähr auf 32 Pfg. pro Stück 
beläuft. 

Bemerkenswert ist noch die Aufnahme der Frage 8 im ärztlichen Frage- 
bogen: „Sind die Zähne in Ordnung?“ Von der Mehrzahl der jetzt eintreten- 
den Kranken wird in gegebenen Fällen zuvor eine sachgemässe Behandlung 
der Zähne vorgenommen. Die Wartezeit der Kranken vor der Einberufung 
betrug durchschnittlich 5 Wochen. 

Die Versuche, alle aus der Heilstätte entlassenen Pfleglinge nicht wieder 
denselben Berufsschädigungen und unhygienischen Verhältnissen auszusetzen wie 
früher und ihnen eine geeignete Arbeit im Freien und unter günstigen gesund- 
heitlichen Bedingungen zu verschaffen, müssen als gescheitert angesehen werden. 

Nieter (Halle a. S.). 


Jahresberichte für das Jahr 1904 der Basler Heilstätte für Brust- 
kranke in Davos und des Basler Hilfsvereins für Brustkranke. 
49 Ss. gr. 80. Basel 1905. 

Die Heilstätte war das ganze Jahr hindurch gleichmässig gut besetzt. 
Zum Anfangsbestande von 42 Männern und 37 Frauen waren im Laufe des 
Jahres 99 und 114, darunter 8 und 14 zum 2. und je 1 zum 3. Male, neu 
hinzugetreten, so dass insgesamt 292 Kranke verpflegt wurden, von denen 89 
am Jahresschlusse noch in der Anstalt verblieben. Die Zahl der Verpflegungs- 
tage betrug 29822; auf 1 Tag kamen durchschnittlich 81,7 Kranke. Am 
stärksten war die Besetzung mit 90 Kranken im Juli bis September, am 
schwächsten mit 71 im Februar. ; 

Von den 213 Aufgenommenen waren 40,84%, leichte, 29,11°/, mittel- 
schwere, 30,05°/, schwere Fälle, desgleichen von den 197 Ausgetreteuen 
42,65, 36,04 und 21,31%/,. Die Dauer des Aufenthalts der letzteren betrug 
durchschnittlich 133,9 Tage. Blutungen kamen bei 7,6%, vor. Im Auswurf 
von 33,5%, fanden sich beim Ein- und Austritt Tuberkelbacillen, von 9,19%, 
nur beim Eintritt, von 42,2%, weder beim Ein-, noch beim Austritt; 15,20, 
hatten keinen Auswurf. Bei 87 Männern ergab sich im Durchschnitt eine 
Gewichtszunahme von 6,2, bei 88 Frauen von 5,7 kg, desgleichen bei je 10 
eine Gewichtsabnahme von 1,6 und 1,8 kg. 83°% der Ausgetretenen waren 
geheilt, 1,2 wesentlich, 43,2 etwas gebessert, 7,1 stationär geblieben. 2,0%, 
verschlechtert; 1 Fall verlief tödlich. Bei 77,7%/, bestand volle Erwerbsfähig- 
keit, bei 14,20% war letztere wenig, bei 7,6%/, stark beeinträchtigt oder aufge- 
hoben. Würzburg (Berlin). 


Infektionskrankheiten. 901 


Braun A., La recherche du bacille d’Eberth, son importance au 
point de vue de la prophylaxie de la fièvre typhoide. Ann. de 
lInst. Pasteur. 1905. No. 9. p. 578. 

Nach Besprechung der in Deutschland eingeführten Typhus-Untersuchungs- 
stationen kommt Verf. zum Schlusse, dass die erhaltenen Resultate noch nicht 
überzeugend sind. Ein endgültiges Urteil über den Wert der Typhusbe- 
kämpfung lässt sich noch nicht abgeben. Silberschmidt (Zürich). 


Schmiedicke, Zur bakteriologischen Untersuchung der Typhusrose- 
olen. Deutsche Militärärztliche Zeitschr. 1905. Bd. 34. H. 5. 

Der Verf. wendet sich gegen die Ausführungen des Stabsarztes Exner, 
welcher in 17 Fällen nach der vom Verf. ausgeübten und empfohlenen Modi- 
fikation der Neufeldschen Roseolen-Untersuchung — Abschaben der 
oberflächlichen Schichten der vorher gründlich desinficierten Rosevlen ohne 
Blutaustritt mittels lanzettförmiger Drehstifte und später mit den von der 
Firma Heintze und Blankertz eingeführten Impffedern nebst Halter und Ver- 
wendung der erhaltenen Gewebsteilchen zur Kultur von der feuchtglänzenden 
Roseole — negative Resultate hatte und das ganze Verfahren als für die Dia- 
gnose entbehrlich hielt. 

Zur Untersuchung auf Erfolg eignen sich frische, zarte Flecke am Ende 
der ersten und Anfang der zweiten Woche. Also kann positiver Bacillenbefund 
aus Roseolen häufig vor dem positiven Nachweis der Widalprobe die Diagnose 
sichern. Wegen Fehlens der Coli-Arten in den Roseolen und wegen des darum 
schnelleren Nachweises der Typhusbacillen bietet das Verfahren Vorteile vor 
der Stuhluntersuchung, abgesehen von dem sicheren Nachweis aus Venenblut 
(Schottmüller). Nieter (Halle a. S.). 


Guerbet et Henry, Sur un bacille paratyphique. La sem. méd. 1905. 
No. 48. S. 571. 

G. und H. berichten über einen nach 2 tägiger Krankheit unter cholera- 
ähnlichem Bilde verstorbenen Soldaten, bei dem die Sektion die typischen 
typhösen Erscheinungen darbot. Während in dem Darminhalt nur Coli- 
bacillen aufgefunden wurden, züchtete mm aus dem Milzsaft auf Gelatine 
Paratyphusbacillen, die ihrem Verhalten nach dem Typus A und B an- 
gehörten. Nieter (Halle a. S.). 


Guinon, Trois cas d’infection paratyphoide. Société médicale, des 
Hôpitaux. Séance du 22 décembre 1905. La sem. méd. 1905. No. 52. 
p. 618. 

Bei dem 1. Falle agglutinierte das Serum den Bacillus enteritidis Gärtner 
bis 1:500; der 2. Fall agglutinierte den Paratyphus A (Brion und 
Kayser) in Höhe von 1:200, aber nicht den Bacillus Eberth. Die Ansteckung 
war hier durch die Schwester, bei welcher auch Paratyphus A festgestellt 
war, erfolgt. 

Endlich beim 3. Falle (einem Arzt, der vor 5 Jahren schon Typhus ge- 
habt hatte, und dessen Serum damals Typhusbacillen agglutinierte) war bei 


902 Infektionskrankheiten. 


einer Neuerkrankung keine Agglütination mit dem Bacillus Eberth, wohl aber 
mit Paratyphus A eingetreten. Nieter (Halle a. S.). 


Dörr K., Ueber Cholecystitis typhosa. Aus d. bakt. Laboratorium des 
k. u. k. Militärsanitätscomites. Wien. klin. Wochenschr. 1905. No. 34. 
S. 884. 

Im Anschluss an die Beschreibung eines Falles von Cholecystitis, bei 
welchem die 9 Monate nach abgelaufenem Typhus auf operativem Wege ent- 
leerte Gallenblase zahlreiche virulente Typhusbacillen enthielt, berichtet der 
Verf. über Experimente an Kaninchen, die zeigen, dass in die Blutbahn inji- 
eierte Typhusbacillen, Paratyphus-, Coli-, Dysenteriebacillen nach wenigen 
Stunden in die Gallenblase gelangen, hier fortwuchern und noch nach Monaten 
nachzuweisen sind. Von Zeit zu Zeit erfolgt mit der Galle eine Abscheidung 
von Typhusbacillen in das Darmlumen und weiterhin mit den Fäces nach 
aussen. Die Galle lässt sich durch medikamentöse Mittel nicht von den ein- 
gedrungenen Keimen befreien. Verf. reiht seine interessanten Versuchser- 
gebnisse den kürzlich publicierten Experimenten von Prof. Forster und 
Kayser an. Grassberger (Wien). 


Salus G., Das Aggressin des Colibakterium mit besonderer Rück- 
sicht auf seine Specifität. Aus d. hygien. Institut d. deutschen Univers. 
in Prag. Wien. klin. Wochenschr. 1905. No. 25. S. 660. 

Die Mitteilung bildet eine Erweiterung der- Bailschen „Aggressin“- 
Publikationen. Exsudat von Meerschweinchen, die intraperitoneal mit Bact. 
coli infieiert worden waren, wurde centrifugiert, mit Toluol sterilisiert und 
hierauf zugleich mit Reinkultur von Bact. coli einem zweiten Meerschweinchen 
injiciert. Es zeigte sich, dass unter diesen Umständen die für sich untertöd- 
liche Dosis von Colikultur tödlich wirkte; es konnte auch der für „Aggressin- 
wirkung“ charakteristische Sektionsbefund beobachtet werden. Bemerkenswert 
ist, dass die bisher beobachtete Specifität der „Aggressin“wirkung (Typlus- 
exsudat ist für Choleravibrionen, Choleraexsudat für Dysenteriebacillen unwirk- 
sam) insofern eine Ausnahme erleidet, als Coliexsudat und Typhusexsudat 
einander substituieren, was für “die Verwandschaft dieser beiden Species 
spricht. Grassberger (Wien). 


Die Genickstarre- Epidemie beim Badischen Pionier-Bataillon 
No. 14 (Kehl) im Jahre 1003/04. Med.-Abt. des Königl. Preuss. Kriegs- 
ministerinms. Veröff. a. d. Gebiete d. Mil.-Sanitätswesens. H. 31. 

Die überaus grosse praktische Wichtigkeit einer wirksamen Bekämpfung der 

Genickstarre, verbunden mit dem hohen wissenschaftlichen Interesse, das 

an die Frage der Aetiologie sich knüpft, lässt den Inhalt des vorliegenden 


Heftes als sehr bemerkenswert erscheinen. 


Nach einem einleitenden Vorwort des Prof. Jaeger folgeu in sehr aus- 
führlicher und anschaulicher Darlegung 3 Abhandlungen: 

1. Verlauf and Verbreitung der Epidemie (Stabsarzt Spangenberg), 

2. Actiologie (Rautenberg), 


Infektionskrankheiten. 903 


3. Klinisches (Reinhard). 

Erkrankt waren im ganzen 26 Mann. Von diesen ist 1 Mann gestorben, 
die übrigen 25 sind geheilt und dienstfähig entlassen. In die sogenannte 
Meningitisstation des Lazaretts waren im ganzen 112 Mann gekommen. Während 
der ganzen Epidemie ist keine einzige nachweisbare Uebertragung nach aussen 
vorgekommen. Das Auftreten der Erkrankungen ist augenscheinlich durch den 
äusserst unfreundlichen Winter und den nasskalten Nachwinter begünstigt; 
ferner hat auch der Ausbruch von Erkältungskrankheiten insbesondere von 
Erkrankungen der oberen Luftwege die Disposition zur Erkrankung gefördert. 

Bezüglich der Verbreitungsart der Epidemie sind 2 Arten der Verschleppung 
des Virus auseinander zu halten: 1. unmittelbare Uebertragung von Person zu 
Person durch Kranke oder Infektionsträger vermittels Flüggescher Tröpfchen 
und Stäubchen und 2. Ablagerung kompakteren und dauerhafteren infektiösen 
Materials (Nasenschleim, Sputum) in Räumen oder an Gegenständen, von 
welchen aus dann erst später neue Infektionen erfolgten. Während die Einzel- 
desinfektionen in der belegten Kaserne trotz der sorgfältigsten und peinlichsten 
Anwendung keinen erkennbaren Nutzen gezeitigt haben, war die sofortige Des- 
infektion der Taschentücher, der Leib- und Bettwäsche und der Kleider vom 
denkbar grössten Wert. Auch die nachfolgende Desinfektion der ganzen Kaserne, 
die „Assanierung“ in Verbindung mit frischer Tünchung, Oelfarbenanstrich u.s. w. 
haben Erfolg gehabt. 

Die Epidemie ist durch den Diplococcus intracellularis (Weichselbaum- 
Jaeger) hervorgerufen; derselbe ist bereits im 1. Falle gefunden und fortge- 
züchtet; er entfärbte sich nach der Gramschen Methode. 

Zur Untersuchung (mikroskopisch und kulturell) gelangten Lumbalpunktions- 
flüssigkeit und Nasenschleim. Ausserdem fanden Massenuntersuchungen von 
Nasenschleim bei Mannschaften aus der Truppe statt, und in zahlreichen Fällen 
wurden auch Abstriche der Mandeln, des Sputums, Blut und Urin und einmal 
Sektiousmaterial und schliesslich ebenfalls einmal infektionsverdächtiger Staub 
untersucht. Die gewonnenen Kulturen wurden mittels des von Jaeger ange- 
gebenen Verfahrens der Gewinnung von agglutinierendem Serum durch Immu- 
nisierung von Kaninchen geprüft und differenziert. Der mikroskopische und 
kulturelle Nachweis der Meningokokken gelang in 17 Punktionsflüssigkeiten 
(42,5°/,), bei 8 Kranken (30,8%;,); 12 mal gelang der Nachweis mikroskopisch 
und kulturell, 4 mal nur mikroskopisch, I mal kulturell. Von 16 anderweitig 
Erkrankten (zeitweise verdächtig) waren die gewonnenen Cerebrospinalflüssig- 
keiten alle steril. Neben gleichzeitiger Beschickung von zwei Agar- und einer 
Löffler-Serumplatte mit 1 Oese bis 1 ccm steril entnommener Cerebrospinal- 
flüssigkeit wurde der Rest nach dem Jaegerschen Vorschlag zwecks Anreiche- 
rung bei 37° in den Brutschrank gestellt. Die aus dem Nasenschleim isolierten 
Mikroorganismen wurden mit Hilfe der Agglutination identificiert. Kontroll- 
untersuchungen an 25 Mann des Inf.-Rgts. No. 138 sowie an Leuten des Inf.- 
Rgts. No. 105 ergaben in keinem Falle ähnliche Bakterien. 

Bei 2 Fällen, die gesund und keinerlei meningitische Erscheinungen boten 
(einer davon erkrankte später an Meningitis), gelang gleichfalls der Nachweis 
der Meningokokken im Nasenschleim; damit ist der Beweis erbracht, dass 


904 Infektionskrankheiten. 


auch völlig Gesunde den Meningokokkus im Nasenschleim beherbergen können; 
zugleich kann aber auch durch derartige Massenuntersuchungen in der 
Umgebung von Erkrankten ein Anhalt dafür gewonnen werden, wie weit der 
Infektionsstoff schon ausgestreut ist. 

Bezüglich der morphologischen und biologischen Eigenschaften der gefun- 
denen Meningokokken, die in sehr ausführlicher und klarer Weise dargelegt 
sind, ferner der genaueren Angaben über Agglutinationsversuche, die in Tabellen 
angeführt sind, muss auf die Abhandlung verwiesen werden. 

Was die klinischen Betrachtungen im einzelnen anbetrifft, so kann an dieser 
Stelle nicht näher auf dieselben eingegangen werden. Auch diese sind sehr 
eingehend geschildert. Es genüge der Hinweis, dass zunächst die Einrichtung 
der Meningitisstation besprochen wird, sodann folgen die Krankengeschichten, 
die Symptomatologie, Diagnose und Differentialdiagnose, Lumbalpunktion und 
schliesslich die Therapie. Nieter (Halle a. S.). 


Weichselbaum A., Zur Frage der Aetiologie und Pathogenese der 
epidemischen Genickstarre. Wien. klin. Wochenschr. 1905. No. 38. 
S. 992. 

Weichselbaum wendet sich in diesem Aufsatz gegen Kirchner, der 
sich (Berl. klin. Wochenschr. 1905. No. 23 u. 24) bezüglich der Aetiologie 
der Genickstarre skeptisch ausgesprochen hat. W. zeigt an der Hand der 
Literaturangaben, dass der von ihm zuerst beschriebene Diplokokkus in allen 
Epidemien von Forschern, welche mit der Methodik vertraut sind und über- 
haupt Untersuchungen anstellten, aufgefunden worden ist. Weiter gibt der Verf. 
zahlreiche Erfahrungen bezüglich der pathologischen Anatomie und Bakterio- 
logie der Cerebrospinalmeningitis bekannt, welche von ihm und seiner Schule 
in den letzten Jahren gesammelt werden konnten. Grassberger (Wien). 


Kister und Schumacher, Untersuchung von pestverdächtigen Ratten 
aus in Hamburg eingelaufenen Schiffen. Aus d. staatl. hyg. Inst. 
in Hamburg. Zeitschr. f. Hyg. Bd. 51. S. 126. 

Seit 1899 wird in Hamburg auf allen aus pestverdächtigen Häfen einlaufen- 
den Schiffen nach toten Ratten gesucht und es sind seitdem zur Untersuchung 
auf Pest dem hygienischen Institut 1537 Rattenleichen, 196 tote Mäuse, 
66mal Untersuchungsmaterial von Menschen und 46mal Tierfelle, Ratten- 
kot und dergl. eingeliefert worden. Es wurden bis 1904 6 Schiffe mit zusammen 
75 Pestratten und 1 Pestmäus ermittelt; bei 3 waren diese Ratten nur 
auf einen Raum beschränkt, bei den andern 3 auf mehrere Räume verteilt. (Im 
April 1905 ist ein 7. Schiff hinzugekommen.) Ueber die hierbei gemachten 
Beobachtungen ist schon an anderer Stelle (vgl. diese Zeitschr. 1905. S. 956) 
berichtet, die vorstehende Arbeit enthält die Ergebnisse von Versuchen, welche 
in Zusammenhang damit angestellt wurden und zum Teil von R. Koch an- 
geregt sind. 

Die erste Versuchsreihe befasste sich mit der Frage, ob die Pestkeime 
nur an den Rattenkörper gebunden sind oder auch ausserhalb 
desselben infektionsfähig sind. Vor allen Dingen ergab sich, dass in- 


Infektionskrankheiten. 905 


folge der Verfütterung von Pestkulturen oder Pestkadavern bei 
weitem nicht alle Ratten eingehen, nicht einmal in überwiegender Zahl, 
sondern nur zu 45v.H. Die Virulenz und die Menge der vorhandenen 
Pestbacillen ist hierbei von Bedeutung, aber zugleich auch die Be- 

- schaffenheit des verfütterten Materials, namentlich ob es weich ist oder 
z. B. durch spitze Knochen zu Schleimhautverletzungen Anlass gibt. Ausser 
der Infektion vom Maul her kam auch Lungenpest und Darmpest vor. Im 
ganzen gingen von 148 gefütterten Ratten 67 an Pest ein. War das Fütte- 
rungsmaterial nur wenig virulent, so blieben alle Ratten am Leben; enthielt 
es nur wenige, aber virulente Pestkeime und war es zugleich weich, so starb 
der 5. Teil; enthielt es dagegen Knochen, so starb die Hälfte der Ratten an 
Pest. Bei reichlich Pestbacillen enthaltendem Material war die Zahl der ein- 
gehenden Ratten noch grösser als in dem vorigen Fall und besonders traf 
dies zu, wenn Knochen darin vorhanden waren, aber auch hier blieb eine 
nicht unbeträchtliche Zahl von Ratten am Leben, so dass viele von ihnen 
eine natürliche Immunität gegen Pest besitzen müssen. Durch 
wiederholte Fütterung liess sich diese Immunität steigern, und 
einige Ratten, welche eine 2—5 malige Fütterung überstanden hatten, waren 
auch gegen die subkutanen Impfungen sehr viel weniger empfänglich als sonst. 
Meistens gingen die Ratten an der Pestfütterung zwischen dem 3. und 5. Tag 
ein, selten schon am 2. oder nach dem 5. Bei 3 Reihenfütterungen blieb 
jedesmal schon die 3. Ratte am Leben. 

Von Uebertragung der Pest durch Flöhe baben Simond 2, Gau- 
thier und Rayboud 5 Fälle berichtet. Den Verff. gelang sie, wie den 
meisten übrigen Untersuchern, in keinem ihrer 23 mit Flöhen und 8 mit 
Wanzen angestellten Versuche. Sie geben daher die Möglichkeit dieser Ueber- 
tragungsweise zu, halten sie aber nicht für gewöhnlich und häufig. 

Im trockenen Rattenkot und ebenso in dem viel seltener vorkommen- 
den feuchten Kot der Ratten von Pestschiffen konnten die Verff. keine 
Pestbacillen nachweisen. Das Gleiche gilt für den trockenen Kot aus den 
Käfigen ihrer Versuchsratten. Nur in ganz frisch entleertem Kot wurden sie 
gefunden. Es wurden 65 Versuche angestellt, die Pest durch Mais zu 
übertragen, welcher mit Kot und Harn von Pestratten längere Zeit in Be- 
rührung gewesen war: sie blieben sämtlich erfolglos. Hiernach fehlen 
Anhaltspunkte dafür, dass die Verbreitung der Pest durch Insekten oder 
durch Ausscheidungen von Ratten oder durch damit verunreinigte 
Gegenstände häufig vorkommt, die Verf. machen vielmehr die Ratten- 
leichen, die nach ihrer Erfahrung gern von ihren Stammesgenossen gefressen 
werden, in erster Linie hierfür verantwortlich. 

Die Schwierigkeit der Pestdiagnose aus fauligen Rattenleichen 
hat den Verff. Anlass zu besonderen Versuchen gegeben. Sie untersuchten 
22 Pestrattenleichen, die 7—37 Tage lang bei 10°, und 21, die 4—15 Tage 
bei 20° gefault hatten. Der makroskopische Befund der Ge 
unter der Haut und der Vergrösserung von Drüsen, Milz und Leber läss 
nur in den ersten Tage nach dem Tode, wenn die Temperatur nicht sebr hoch 

- war, verwerten und wird sehr bald unsicher. Der mikroskopische 


906 Infektionskrankheiten. 


Nachweis der nur an den Enden gefärbten Pestbacillen kann länger geführt 
werden, aber wegen häufig vorkommender Fäulnisbakterien von ganz ähnlicher 
Beschaffenheit lassen sich daraus keine Schlüsse ziehen. Da auch der 
Kulturnachweis sehr bald im Stich lässt, so kann nur der Tierversuch 
den Ausschlag geben. Von deu 43 Versuchen, welche die Verff. anstellten, - 
fiel der Tierversuch bei 26 positiv aus; bei 10° waren 16 erfolgreich (6 nicht) 
und zwar regelmässig bis zum 22. Tage, bei 20° waren nur 10 erfolgreich 
, (ll nicht) und zwar alle bis zum 6. Tage. Am sichersten fanden die Verf. 
die Impfung in Hauttaschen von Meerschweinchen und Ratten, weniger 
befriedigt waren sie von der „pernasalen“ Impfung nach Zlatogoroff. 
Als Ergänzung empfehlen sie die kutane Impfung von Ratten, wobei 
das Material an der Schwanzwurzel auf einer Stelle, wo die Haare abgeschnitten 
sind, ohne Verletzung eingerieben wird; sie hatten damit in der Hälfte ihrer 
Versuche Erfolg. Während also bei frischen Rattenleichen nach dem 
makroskopischen und mikroskopischen Befund sehr wohl Pestverdacht 
ausgesprochen werden kann, verhält es sich bei faulen Rattenleichen 
anders. Die Verff. raten hier, wenn sich bei der makroskopischen oder 
mikroskopischen Untersuchung oder bei beiden Anhaltspunkte für Pest ergeben, 
das vorläufige Urteil „nicht ganz unverdächtig“ abzugeben und erst weiteres 
Untersuchungsmaterial einzufordern, von dessen Befund abhängig zu machen 
ist, ob ein Pestverdacht ausgesprochen werden soll oder nicht. 

Die Abtötung der Ratten auf den Schiffen in Hamburg erfolgt 
teils durch metallische Gifte (Arsen, Phosphor), teils durch Gase 
(schweflige Säure oder Gemisch von Kohlenoxyd,Kohlensäureund Stick- 
stoff). Wie die eigens angestellten Versuche der Verf. ergaben, wird durch 
keines dieser Mittel die Entwickelung der Pestbacillen gehindert oder 
gehemmt und dementsprechend auch die Pestdiagnose nicht verzögert. 

Zur Desinfektion der Pesträume auf den Schiffen wird in Ham- 
burg Kalkmilch verwendet. Besonders bewährt hat sich die Versprübung 
frisch aus reinem Fettkalk hergestellter und bis zu 4v.H. Kalk- 
gehalt verdünnter Kalkmilch, welche zweimal mit-einem 3 stündigen 
Zwischenraum geschieht, und welcher erst nach 24 Stunden eine Abwaschung 
folgt. Bacterium coli an Seidenfäden oder Holz wurde hierdurch stets, 
Staphylococcus pyogenes aureus grösstenteils abgetötet. Da die Pestbakterien 
weniger widerstandsfähig sind, so halten die Verff. das Verfahren für aus- 
reichend. Nach dieser Richtung hin von ihnen angestellte Versuche bestätigten 
ihre Annahme. Künftig soll eine 1Oproz. Kalkmilch nur ein ein- 
ziges Mal versprüht werden, um die Desinfektionsdauer abzukürzen. 

Globig (Berlin). 


Herzog, Maximilian, Zur Frage der Pestverbreitung durch Insekten. 
Eine neue Species von Rattenfloh. Aus d. biolog. Laborat. der Re- 
gierung Manila. Zeitschr. f. Hyg. Bd. 51. S. 268. 

Der Verf. teilt den Befund der Leichenöffnung und histologischer Unter- 
suchungen bei einem Kinde mit, dessen Iufektion mit Pest „allem Anschein 
nach“ durch Kopfläuse in Manila erfolgt war, da primäre Bubonen der 


Infektionskrankheiten. 907 


Nackendrüsen gefunden wurden. Er weist auf eine Beobachtung aus der 
Pestepidemie von 1896 in Bombay hin, welche ebenfalls für eine derartige 
Uebertragung sprechen kann, nämlich dass die Sekte oder Kaste der Janis, 
welchen alles tierische Leben heilig ist, und die stark mit parasitischen In- 
sekten behaftet sein sollen, weil sie sich scheuen, sie zu vernichten, 3—4mal 
soviel Todesfälle an Pest hatte, als die übrigen Eingeborenen. 

Er gibt dann eine Uebersicht über Versuche und Beobachtungen aus 
der Literatur über die Rolle, welche Ameisen, Stechmücken und nament- 
lich Rattenflöhe bei der Pestverbreitung spielen können, und komnt zu dem 
Ergebnis, dass praktisch hierin keine grosse Gefahr liegt. Er selbst hat 
42 Flöhe von Ratten in Manila gefangen, die einer neuen von ibm als Pulex 
philippinensis beschriebenen Art angehören, welche Menschen nicht beisst. 

Auch Fliegen kommen als Ueberträger von Pest nach Versuchen, die 
der Verf. mit Hülfe von Fliegenfallen anstellte, und nach seinen Erfahrungen 
bei den von ihm inmitten grosseu Fliegenreichtums vorgenommenen Oeffnungen 
von Pestleichen nicht oder sehr wenig in Betracht. 

Globig (Berlin). 


Stregulina, Anna, Ueber die im Züricher Boden vorkommenden Heu- 
bacillen und über deren Beziehungen zu den Erregern der Pan- 
ophthalmie nach Hackensplitterverletzung. Aus d. hyg. Inst. d. 
Univers. Zürich. Zeitschr. f. Hyg. Bd. 51. S. 18. 

Der zuerst von Silberschmidt gelieferte Nachweis des Bac. subtilis 
als Ursache der Panophthalmie nach Augenverletzungen durch 
Hackensplitter und die besondere Häufigkeit der letzteren im Kanton Zürich 
haben die Verfasserin veranlasst, zu untersuchen, ob Bacillen dieser Art an 
der Bodenoberfläche in Zürich vorkommen, und zwar hat sie Strassenstaub, 
Garten- und Weinbergserde, Steine und Kuh- und Pferdekot darauf- 
hin geprüft. 

Aus der umfangreichen Literatur geht hervor, dass eine scharfe Ab- 
grenzung der als Bac. subtilis, Bac. mesentericus und Bac. mega- 
therium bezeichneten Arten schwierig ist. Die eigenen Untersuchungen 
der Verfasserin kommen ebenfalls zu dem Ergebnis, dass man nur von einer 
Gruppe der Heubacillen sprechen kann. Auch die von ihr angestellten 
Agglutinationsversuche sprechen dafür, dass es sich um verschiedene Arten 
handelt. Kein einziger der von ihr gefundenen Stämme entsprach vollstäudig 
den Beschreibungen der Lehrbücher. Um ausschliesslich sporenbildende Bacillen 
zu bekommen, erhitzte die Verfasserin ilr Untersuchungsmaterial 10 Minuten 
lang auf 100° und schloss von den danach auf den Platten zur Entwickelung 
kommenden Stäbchenarten alle Wurzelbacillen, alle unbeweglichen und alle 
die Gramsche Färbung nicht festhaltenden aus. Gleichwohl gewann sie noch 
112 Arten, welche sie in 5 „Typen“ sonderte. Davon entsprachen die 
3 ersten den Heubacillen im engeren Sinne und unterschieden sich von 
einander durch die Art ihres Wachstums, der 4. stimmte ungefähr mit dem 
Bac. mesentericus, der 5. mit dem Bac. megatherium überein. Genauer unter- 
sucht wurden 22 Stämme, von denen 16 den ersten 3 Typen angehörten; doch 


908 Infektionskrankheiten. 


kamen auch Uebergänge zwischen diesen Typen und Aenderungen in den Eigen- 
schaften der einzelnen Stämme bei fortgesetzter Züchtung vor. Die meisten er- 
trugen Erhitzung auf 100° für 1/, Stunde, einige für 1 Stunde; die meisten hatten 
ein ausgesprochenes Sauerstoffbedürfnis, aber die Verfasserin beobachtete auch 
Ausnahmen. Die Typen IV und V blieben ohne Wirkung auf Tiere, unter 
den Typen I—III gab es aber eine grössere Anzahl, welche Meerschwein- 
chen. namentlich junge, Tauben und weisse Mäuse in kurzer Zeit 
töteten, wenn sie ihnen unter die Haut oder in die Bauchliöhle eingebracht 
wurden. Von jedem Typus wurde 1 Stamm zur Impfung in den Glaskörper 
von Meerschweinchen benutzt: die zu IV und V gehörigen hatten keine Wirkung, 
die übrigen 3 riefen sämtlich ausgesprochene Panophthalmie 
hervor. 

Da die pathogenen Bakterien der Heubacillengruppe in gedüngter Erde be- 
sonders häufig vorkommen (im Strassenstaub fehlten sie), so hält die Ver- 
fasserin Schutzbrillen, Wahl der Hacken aus gutem Metall und mög- 
lichst frühzeitige Behandlung der Augenverletzungen als Vorsichts- 
massregeln für angezeigt. Die Beschaffenheit der Hacken scheint von besonderer 
Bedeutung zu sein, da Palotti in Lausanne, wo Panophthalmie nach 
Hackensplitterverletzungen nicht vorkommen soll, gleichwohl ebenfalls aus 
Erdproben pathogene Heubacillen isoliert hat. Globig (Berlin). 


Hoke, Edmund, Ueber die aggressive und immunisatorische Wirkung 
von Stapbylokokkenexsudaten. Aus dem bakteriol. Laborat. d. med. 
Univers.-Klinik in Prag. Zeitschr. f. Hyg. Bd. 50. S. 541. 

Der gesunde Körper mancher Tierarten, wie z. B. der Kaninchen, besitzt 
Schutzstoffe gegen Staphylokokken; denn durch Leukocyten oder Knochenmark 
kann ihre giftige Wirkung aufgehoben werden. Die virulenten Bakterien 
haben andererseits aber wieder Stoffe, welche diesen Schutzkräften ent- 
gegen und z. B. auf die Leukocyten schädigend wirken. Kruse hat der- 
artige Stoffe Lysine, Bail Aggressine genannt und van de Velde in dem 
Leukocidin einen solchen aus Staphylokokken dargestellt (vergl. Neisser 
und Wechsberg, diese Zeitschr. 1902. S. 298). 

Der Verf. zeigt nun, dass Ausschwitzungen des Brustfellsacks bei 
Kaninchen und des Bauchfells bei Meerschweinchen, welche durch Ein- 
spritzung von Staphylokokken hervorgerufen sind, nach Centrifugieren 
und nach Sterilisierung mit Aether und Toluol häufig ebenfalls eine ausge- 
sprochen aggressive Wirkung haben und den Tod der Tiere durch Staphylo- 
kokken-Infektion beschleunigen. Durch wiederholte Einspritzung derartiger 
Anusschwitzungen konnte er aber andererseits auch wieder Tieren Schutz gegen 
Infektion mitStaphylokokken verleihen und die Bildung einesAntiaggressins 
herbeiführen. Daraus, dass bei Kaninchen hierdurch keinerlei Reaktionser- 
scheinungen hervorgerufen werden, schliesst der Verf., dass Aggressin und 
Toxin verschiedene Körper sein müssen. Globig (Berlin). 


Infektionskrankheiten. 909 


Wechselmann W. und Loewenthal W., Untersuchungen über die Schau- 
dinn-Hoffmannschen Spirochätenbefundeinsypbilitischen Krank- 
heitsprodukten. Med. Klinik 1905. No. 26. 

Die Verf. haben die Spirochaete pallida in Papeln der Genitoanal- 
gegend und an anderen Körperstellen, in Primäraffekten, bei einem unter 
einer phimotischen Vorhaut sitzenden succulenten Schanker mehr oder weniger 
häufig nachweisen können. Neben gefärbten Präparaten haben sie die Spiro- 
chaete auch lebend unter dem Mikroskop beobachtet und ausser in Syphilis- 
produkten niemals gefunden. Nieter (Halle a. S.). 


Raubitschek H., Ueber einen Befund von Spirochaete pallida im 
kreisenden Blut. Aus d. Infektionsabteilung d. k. u. k. Kaiser Franz 
Joseph-Spitales in Wien. Wien. klin. Wochenschr. 1905. No. 28. S. 752. 

Verf. berichtet über einen Fall von Syphilis, bei welchem 10 Wochen 
nach der Infektion während des Bestehens eines frischen makulopapulösen 

Exanthems nicht nur in den syphilitischen Produkten, sondern auch im 

kreisenden Blut Spirochäten aufgefunden werden konnten. 

Grassberger (Wien). 


Kraus R. und Prandscho® A., Ueber das konstante Vorkommen der 
Spirochaete pallida im syphilitischen Gewebe bei Menschen 
und Affen. Aus d. staatl. serotherapeut. Institute in Wien. Wien. klin. 
Wochenschr. 1905. No, 37. S. 941. z 

Die Untersuchungen bestätigen in jeder Richtung die Angaben Schaudinns 
über das konstante Vorkommen. der Spirochaete pallida im syphi- 
litischen Gewebe. Die Autoren konnten auch ebenso wie Metschnikoff 
und Roux die Anwesenheit der Spirochäte im experimentell erzeugten Primär- 
affekt bei Affen feststellen. In weiterer Bestätigung der Befunde Schaudinns 
konnten K. und P. zeigen, dass die Spirochaete pallida niemals im gesunden 

Gewebe oder bei anderweitigen Erkrankungen zu finden ist. Die im Smegma, 

bei Balanitis, in spitzen Kondylomen, bei jauchigen Carcinomen u. s. w. vor- 

handenen Spirochäten lassen sich durch die Verschiedenheit der Form und 
das abweichende tinktorielle Verhalten sicher und leicht unterscheiden. 
Grassberger (Wien). 


Schulze W., Impfungen mit Cytorhyctes luis an Kaninchenaugen. 
Med. Klinik. 1905. No. 19. 

Der Verf. berichtet über seine Ergebnisse von Impfversuchen, die er im 
Berliner zoolog. Institut mit J. Siegel an 19 Kaninchenaugen mit Lues- 
Material vorgenommen hat. Nach _Eröffnung der Vorderkammer mit der 
Lanzenspitze wurde die Iris geritzt und dann der Impfstoff, der aus einer mit 
gleichen Teilen Glycerin und Wasser zerriebenen Primärsklerose stammte, 
übertragen; bei 4 Tieren wurde Nierensubstanz eines an der Iris geimpften 
und Cytorhyctes luis enthaltenden Kaninchens und bei 1 Tier Menschenblut 
einer floriden Lues verwandt. Bei den etwa nach 4 Wochen gestorbenen 
Tieren wurde mikroskopisch im Blut, Niere oder Milz Cytorhyctes luis ge- 


910 Infektionskrankheiten. 


funden. Die Augen der getöteten bezw. gestorbenen Tiere wurden in Paraffin 

eingebettet und nicht über 5% dicke Schnitte angefertigt. f 
Jedesmal wurden Cytorhyctes luis. zumeist im perivaskulären Raum ge- 

funden. Nieter (Halle a. S.). 


Sicard, Recherches bactériologiques et bistologiques sur un cas de 
maladie du sommeil chez un blanc. Société méd. des Hôpitaux. 
Séance du 8 décembre 1905. La sem. med. 1905. No. 50. p. 595. 

Sicard berichtet von einem Weissen, der sich in Gambien durch Berüh- 
rung mit kranken Negern an Schlafkrankheit inficiert hatte. 

Trypanosomen wurden im Blut und in der Rückenmarksflüssigkeit gefunden; 
bei später angestellten Versuchen (nach 3 Wochen trat der Tod ein) waren 
nur negative Resultate zu verzeichnen. Intraperitoneale Einverleibung der 

Rückenmarksflüssigkeit bei Kaninchen war erfolglos; bei Affen aber rief sub- 

kutane Injektion eine Infektion hervor. In ihrem Blut wurden Trypanosomen 

festgestellt. Nieter (Halle a. S.). 


Thiroux, Recherches morphologiques et expérimentales sur Trypa- 
nosoma Duttoni (Thiroux). Ann. de l’Inst. Pasteur. 1905. No. 9. p. 564. 
Verf. fand in Saint Louis (Senegal) im Blute einer Maus ein Try pano- 
soma, welches wahrscheinlich mit dem von Dutton und Todd beschriebenen 
identisch ist., Trotz der Aehnlichkeit mit Trypanosoma Lewisi wird dieser 
Parasitvon ihın unterschieden; 1. weil das Tr. Lewisi nicht auf Mäuse übertragbar 
ist, 2. weil Tr. Duttoni bei Ratten nicht gedeiht. Tr. Lewisi ist nicht 
übertragbar auf die Maus und umgekehrt sind die Uebertragungsversuche von 
Tr. Duttoni auf Ratten resultatlos gewesen. Der Arbeit ist eine farbige 
Tafel beigegeben. Silberschmidt (Zürich). 


Schiämann J., Zur Kenntnis der Negrischen Körperchen bei der Wut- 
krankheit. Aus d. staatl. serotherapeut. Institute in Wien. Wien. klin. 
Wochenschr. 1905. No. 24. S. 657. 

Der diagnostische Wert der von Negri in den Zellen des Ammonshornes 
bei Lyssa nachgewiesenen Einschlüsse ist gegenwärtig sichergestellt. Verf. 
stellte sich die Aufgabe zu eruieren, ob diese Gebilde etwa bei verschiedenen 
Tieren, die mit der gleichen „Passage“, ferner bei Tieren einer Species, die 
mit verschiedenen Passagen geimpft waren, verschiedenartige Formen auf- 
weisen. Es zeigte sich nun in der Tat, dass die komplicierten Formen der 
Negrischen Körperchen, die im allgemeinen in 3 verschiedenen Formen vor- 
kommen (1. polymorphe Gebilde, die im Innern zahlreiche ringartige Körper 
einschliessen, 2. isolierte ringartige Körper, 3. homogene, z. T. winzig kleine 
Formen) bei Passagen durch Kaninchen sich verringern, dass weiter schliess- 
lich selbst die kleinen Formen verschwinden. Was die Natur der Negrischen 
Körper betrifft, so spricht. sich der Autor über diese Frage reserviert aus und 
lässt es dahingestellt, ob es sich um Parasiten oder Zelldegenerationen handelt. 

Grassberger (Wien). 


Infektionskrankheiten. 911 


Pröscher F., Ueber die künstliche Züchtung eines „unsichtbaren“ 
Mikroorganismus der Vaccine. .Centralbl. f. Bakt. Originale. Bd. 40. 
S. 337. 

Nach den bisherigen Untersuchungen muss das Virus der Pocken und der 
Vaccine ein unsichtbarer Mikroorganismus sein, der mit unseren mi- 
kroskopischen Hülfsmitteln vorläufig nicht sichtbar zu machen ist. Verf. nimmt 
als erwiesen an, dass das Virus der Pocken nicht filtrierbar ist und sich sinn- 
lich nicht nachweisen lässt. Die Unsichtbarkeit werde wahrscheinlich vom 
äusserst hohen Lichtbrechungsvermögen bedingt. Nach Pröschers anfäng- 
. lichen Untersuchungen ist das Pockengift vorläufig nicht färbbar. Diese Unfärb- 
barkeit wird möglicherweise bedingt von dem äusserst feinen Molekularvolumen 
der Leibessubstanz des Virus; wahrscheinlich besitzen unsere gebräuchlichen 
Farbstoffe ein viel zu grosses Molekularvolumen, so dass sie nicht aufgenommen 
werden können. Andererseits kann das Fehlen jeglicher Affinitäten zu den 
uns bekannten chemischen Agentien die Ursache der färberischen Misserfolge sein. 

Bei der Züchtung des Vaccinevirus auf den bekannten Medien verliert 
es bald seine Virulenz, es bleibt aber trotzdem vermehrungsfähig. Pröscher 
hat sich sowohl flüchtige, wie feste Nährmedien hergestellt, deren Bereitung 
vorläufig leider nicht mitgeteilt wird, mit deren Hülfe er ein und denselben 
unsichtbaren Mikroorganismus züchtet bezw. die gleichen Veränderungen der 
Nährmedien erzielt, am besten bei 370 ©. Es sind grauweisse, schmierige 
Beläge auf festen Nährböden, welche aus formlosen Massen bestehen, und eine 
Trübung des flüssigen Nährbodens. 

Das avirulente Virus erlangt bei seiner Uebertragung auf das Kalb seine 
Virulenz nicht wieder. In die Blutbahn von Kaninchen gebracht, veranlasst 
es eine starke Mastzellenleukocytose. Auf der Kaninchencornea lassen sich 
nach der Verimpfung der Kulturen die Guarnierikörperchen nachweisen. 

L. Voigt (Hamburg). 


Kleine F. K, Neue Beobachtungen zur Hühnerpest. Aus d. kgl. Inst. 
f. Infektionskrankh. in Berlin. Zeitschr. f. Hyg. Bd. 51. S. 177. 

Während die Hühnerpest — Maggiora und Valentis exsudativer 
Typhus bei Hühnern (vergl. diese Zeitschr. 1903. S. 1243; 1905. S. 1168), 
Lodes Kyanolophie (vergl. diese Zeitschr. 1903. S. 1096) — bei Hühnern 
sehr schnell und stets tödlich endet und das Blut dieser Tiere dabei höchst 
ansteckend ist, verläuft die Krankheit bei Tauben und Gänsen langsamer 
und unter Auftreten von Gehirnerscheinungen, aber das Blut der verendeten 
Tiere dieser Art ist nicht mehr infektiös. 

Der Verf. stellte durch Versuche fest, dass das Blut junger Gänse 
bald nach der Infektion, bisweilen schon am 2. Tage ansteckend wurde, 
diese Eigenschaft aber nach einigen Tagen wieder verlor, während die 
Hirnerscheinungen andauerten, bis der Tod eintrat. Das Blut der Tiere war 
dann nicht mehr infektiös, aber ihr Gehirn und ihr Rückenmark war 
im höchsten Grade ansteckend. Es liegen hier also ganz ähnliche 
Verhältnisse vor wie bei Lyssa. 

Bei den noch nicht abgeschlossenen mikroskopischen Untersuchungen der 


912 Infektionskrankheiten. 


Gehirnschnitte fielen Befunde auf, die Aehnlichkeit mit den Negrischen 
Körperchen der Tollwut hatten. Globig (Berlin). 


Lupu Th. (Bukowina), Ueber Pellagra sine pellagra. Wien. klin. Wochen- 
schr. 1905. No 26. S. 684. 

Bereits Lombroso hat darauf hingewiesen, dass es Formen von Pellagra 
gibt, die ohne Affektionen der Haut und der Verdauungsorgane verlaufen, und 
einige andere Autoren äussern sich im gleichen Sinne, wenn auch weniger 
bestimmt. Der Verf. betont, dass die Kenntnis dieser und anderer larvierter 
oder atypischer Pellagrafälle bisher nicht die gebührende Würdigung gefunden 
habe. Er führt aus seiner eignen Praxis 10 Krankengeschichten atypischer 
Pellagra vor, welche geeignet sind, die ausserordentliche Mannigfaltigkeit, 
unter der diese Pellagraformen verlaufen, zu illustrieren. Zum Schlusse 
wendet sich der Autor zur Frage der Bekämpfung der Pellagra. 

Ein fühlbarer Mangel besteht nach Lupu in der wenig verlässlichen hier 
zu Lande bestehenden Statistik, ein Uebelstand, dem durch einige administra- 
tive Verfügungen abzuhelfen wäre. Unter den übrigen Massnahmen sei wenig 
von der „Gratismassenfütterung“ der Pellagrösen zu erhoffen. Die grossen 
Geldsummen, welche diese verschlingen, wären besser für weitgehende Mass- 
nahmen behufs Einschränkung der Maiskultur zu verwenden, wie dies anderer- 
orts mit vollem Erfolge geschehen sei. 

Freilich könne von einer völligen Eliminierung der Maiskultur nach fran- 
züsischem Muster bei den in der Bukowina herrschenden landwirtschaftlichen 
Verhältnissen nicht die Rede sein; hingegen würde bereits eine landesge- 
setzliche Bestimmung, dass der Mais nur auf bestimmten Territorien gebaut 
werden dürfe, viel zur Besserung beitragen. Des weiteren müsste durch 
Gründung von landwirtschaftlichen Vereinen oder Genossenschaften, Gemeinde- 
speichern, Konsumvereinen u. s. w. eine rationelle Bewirtschaftung des 
Grundes eingeleitet werden. Grassberger (Wien). 


Merk L., Eine genuine Pellagra im Oberinntale. Wien. klin. Wochen- 
schr. 1905. No. 37. S. 943. 

In Tirol gilt nach Angabe des Verf.’s das Gebiet nördlich des Brenners 
nach allgemeiner Ueberzeugung als pellagrafrei. Um so überraschender ist 
es, dass M. im Frühjahre 1905 einen schweren, letal endigenden Fall von 
Pellagra in nächster Nähe von Innsbruck bei einer erbeiugesessenen Inntaler 
Familie entdecken konnte. Verf. beschreibt die näheren Umstände des Falles 
und betont, wie wichtig es sei, dass die Aerzte auch in „pellagrafreien“ 
Gegenden bei einer Bevölkerung, welche Maisnahrung zu sich nimmt, im Früh- 
jahr auf das Vorkommen entzündlicher Erytheme achten. 

Grassberger (Wien). 


Schulbygiene. Kinderpflege. 913 


Agahd, Konrad, Ueber nordische Schuleinrichtungen. Das Schulzimmer. 
1906. No. 1. S. 12. 

Der Verf. berichtet über die Einrichtungen von Schulhäusern in 
Kopenhagen, Gothenburg, Christiania und Stockholm. Er hebt hervor, dass 
der Architekt im allgemeinen den klimatischen Verbältnissen Rechnung trägt. 
Starkes Mauerwerk und Doppelfenster sind selbstverständlich. Mit Rücksicht 
auf die vielen fast sonnenlosen Tage wird Gewicht darauf gelegt, die Luftzu- 
fuhr möglichst reichlich zu gestalten und durch Farbenwirkung Leben in die 
Räume zu bringen. Deshalb seien auch die Räume gross, die Korridore hoch 
und breit. An Stelle des Kasernenhaften trete das Wohnliche. 

Als Beispiel einer nordischen Schule beschreibt Agahd in eingehen- 
der Weise die Stockholmer Oestermalmschule. Dieses von den Archi- 
tekten Haegglund ufd Elmens erbaute Schulhaus ist für etwa 2400 Kinder 
berechnet, im Korridorsystem erstellt und entbält 62 Klassenzimmer, daneben 
4 Slojdsäle, 1 Zeichensaal, 1 Kollegiensaal, die Bibliothek, 2 Turnsäle, 1 Ex- 
peditions- samt Lehrer- und Lehrerinnenzimmer, 1 Schulküche mit Speisesaal, 
1 Schulbad, 1 Plätt- und Rollraum, Wohnungen für den Rektor, den Maschinen- 
meister, den Schuldiener, Oberstockventilationsräume und Vorratskammern. Der 
Kostenanschlag betrug 1375000 Kronen (Grunderwerb: 480 000 Kronen) oder 
1540000 M. und pro Schulraum rund 24 840 M. 

Der Verf. weist auf Einzelheiten der inneren Einrichtung hin, so die ge- 
schmackvolle künstlerische Ausschmückung des Treppenhauses. Bemerkens- 
wert scheinen ihm die freistehenden mit Hutablage, Kleiderhaken und Gummi- 
schuhfach versehenen Garderobenständer, deren Stabilität nichts zu wünschen 
übrig lässt. 

Die Schulzimmer verfügen über eine Bodenfläche von 58,6 qm und sind 
für 42 Schüler berechnet. Die Raummasse findet man an einer Wand in 
Metern angegeben. Bemalung und Ausstattung sind zweckmässig; statt der 
Schwämme werden zur Tafelreinigung Bürsten angewandt, die für diesen 
Zweck hergestellt wurden. 

Die Ventilation ist mustergültig; die Luft tritt vorgewärmt in die Zimmer. 
Dampf- und Heissluftheizung können für sich allein, sowie kombiniert benutzt 
werden. 

Dass die einsitzige Schülerbank Nulldistanz und ein ungerilltes Fussbrett 
hat, scheint uns allerdings nicht besonders vorteilhaft; dagegen verdient die 
vorzügliche Wascheinrichtung in jedem Halbkorridor volle Beachtung und 
Nachahmung. , Interessant ist die Tatsache, dass auch die Räume, welche 
dem Haushaltungsunterrichte dienen, weniger mit Rücksicht auf leichte Rein- 
haltung (glatte Flächen) als vielmehr auf ästhetische Wirkung erstellt sind. 
„Hier trägt alles Verzierung.“ 

Dem praktischen Erziehungswesen der Nordländer entspricht es, dass die 
Nähräume mit Nähmaschinen und Vorrichtungen zum Plätten mit Gasverfahren 
versehen sind. Ebenso praktisch scheint uns auch die Einrichtung zu sein, dass die 
Lehrerinnen in einem Nebenraum neben dem Lehrerinnenzimmer kochen können. 

Wenn schliesslich Agahd vom pädagogischen Standpunkte aus an den 
nordischen Schulbauten und Einrichtungen die glückliche Verbindung von 


914 Schulhygiene. Kinderpflege. 


hygienischen und künstlerischen Ideen rühmt, können wir ihm nur beipflichten. 
Das Schulhaus soll nicht nur ein gesunder Aufenthaltsort, sondern eines der 
schönsten Anschauungsmittel für das Kind sein. Wir empfehlen die recht 
interessanten Ausführungen Agahds jedem auf schulhygienischem Gebiete 
Tätigen zur Beachtung. Kraft (Zürich). 


Roller K. (Oberlehrer in Darmstadt), Erhebungen über das Mass der 
häuslichen Arbeitszeit, veranstaltet in einer Öberrealschul- 
klasse. Zeitschr. f. Schulgesundheitspfl. 1906. No. 1. S. 1. 

Das Mass der häuslichen Arbeitszeit wurde von Oberlehrer Karl 
Roller in Darmstadt zum Gegenstande von Erhebungen gemacht. Roller 
kontrollierte 6 Schüler der Untertertia einer Oberrealschule 10 Wochen 
lang hintereinander vom Januar bis Ostern 1905, alsö in einer Zeit, in der 
die Anforderungen an die Schüler recht grosse sind. Er kommt zu folgenden 
Schlüssen: Im grossen ganzen erwiesen sich die Hausaufgaben bei den einzelnen 
Schülern an.den einzelnen Tagen als nicht zu hoch bemessen. Das Mass der 
im Jahresplan für die einzelnen Tage festgesetzten Zeit wurde nur in wenigen 
Fällen überschritten (160/ in 354 Fällen) und die im Ministerialerlass ange- 
gebene Maximalzeit von 120 Minuten in einer noch kleineren Zahl von Fällen 
(10,4%). Die durchschnittliche tägliche Arbeitszeit der einzelnen Schüler für 
die einzelnen Tage überschritt die im Jahresplan festgesetzte häusliche Arbeits- 
zeit in 76 Fällen 5 mal (13,9°/,) und die Maximalarbeitszeit von 120 Minuten 
in 36 Fällen 3 mal (8,3°%/,). Der Gesamtdurchschuitt für alle Schüler beläuft 
sich auf rund 71/3 Stunden pro Woche oder 1!/, Stunde pro Tag, und die 
Durchschnittsarbeitszeit für die häuslichen Aufgaben, wie sie im Jahresplan 
festgelegt ist, wird durchschnittlich nur im Deutschen überschritten. Roller 
glaubt, dass auf Grund seiner Resultate von einer Ueberbürdung durch Haus- 
aufgaben nicht gesprochen werden könne; immerhin hält er dafür, dass bei 
Nachmittagsunterricht für den folgenden Tag keine Hausaufgaben erteilt werden 
sollten. Kraft (Zürich). 


v. ‘Domitrovich, Armin, Die Hygiene des Schulzimmers. Sonderabdruck 
aus dem Techn. Gemeindebl. 1905. No. 20, 21, 22. Berlin. Carl Heymanns 
Verlag. 4 

Der Verf. behandelt die Fragen der Reinhaltung, Lüftung, Be- 
leuchtung und Bestuhlung der Schulzimmer. Ueber diese Fragen bestebt 
schon eine recht umfangreiche Literatur, so dass es schwierig sein dūrfte, 

immer wieder neue Gesichtspunkte zu eröffnen. Domitrovich steht im 

allgemeinen auf dem Boden der derzeitigen wissenschaftlichen Anschauungen 

und Erfahrungen der Praxis; es genügt deshalb, einige wenige Punkte her- 
auszugreifen. Dass schlechte Schulluft das Befinden der Schulkinder in schäd- 
licher Richtung beeinflusst, steht fest, doch darf man angesichts der heutigen 

Schuleinrichtungen den misslichen häuslichen wirtschaftlichen Verhältnissen io 

dieser Hinsicht eine weit grössere Bedeutung beimessen. Das hindert nicht, der 

Reinhaltung der Schulzimmer nach wie vor das regste Augenmerk zu schenken. 

Von diesem Gesichtspunkte aus mögen gewiss mehrere Meter lange Fuss- 


Schulhygiene. Kinderpflege. 915 


abstreichgitter oder Matten, welche die Kinder veranlassen, schon während 
des Gehens die Füsse abzustreifen, zweckdienlich sein, indem weniger Schmutz 
in die Zimmer eingeführt wird. Auch gegen den Wechsel der Fuss- 
bekleidung ist nichts einzuwenden. Die Anlage flacher Schuldächer, 
die hauptsächlich während der Pausen als’reinliche Aufenthaltsorte dienen, 
muss erwogen werden und kann um so mehr praktische Bedeutung gewinnen, 
wenn damit kostspielige Dachkonstruktionen hinfällig werden. Mit Recht ver- 
wirft Domitrovich die Anwendung von Staubölen. Abgesehen von der 
Beschmutzung der Kleider (Lehrerinnen, Schülerinnen) wird doch tatsächlich 
nur eine Schmutzkruste aufgelagert und eine gründliche Reinigung geradezu 
verhütet. Von Bedeutung sind die Stauböle nur mit Bezug auf die Bequem- 
lichkeit des Reinigungspersonals, nicht aber für die eigentliche Reinhaltung 
der Schulzimmer. Ob die Idee einer Schulreinigungsinstitution mit ge- 
schultem Personal, welcher der Reinigungsdienst mit einigen Einschränkungen 
übertragen werden sollte, wohl so rasch in das kommunale Leben eindringen 
wird, bleibe dahingestellt, obschon die praktische Durchführung recht nutz- 
bringend sein könnte. 

Als rationelle künstliche Lüftung lässt Domitrovich blos die 
Druckläftung gelten, die hauptsächlich in Amerika Anwendung findet. Selbst 
bei 8 maligem Luftwechsel pro Stunde wird der Luftzug nicht übel empfunden, 
wenn durch richtige Anlage der Heizkörper dafür gesorgt wird, dass stets nur 
temperierte, nicht kalte Luft bewegt werde. Aus diesem Grunde ist auch 
Domitrovich für Erstellung der Heizkörper an der Fensterwand; das wird ja 
auch immer mehr so ausgeführt, während allerdings die mechanische Pulsions- 
lüftung gegenüber der Lüftung auf der Grundlage der Temperaturdifferenz der 
Luft stark in den Hintergrund tritt, obschon ohne Zweifel die mechanische 
Lüftung die zweckmässigste ist. 

Fussbretter an den Schulbänken befürwortet der Verf. sowohl mit Rück- 
sicht auf die Reinlichkeit der Schulzimmer, als auch vom Gesichtspunkte 
besserer Fusswärme aus. 

Mit Bezug auf die Beleuchtung verlangt Domitrovich während der 
Unterrichtszeit nur diffuses und möglichst vertikal auffallendes Licht. Aus 
diesem Grunde sollen seiner Ansicht nach die niedersten Bänke die iunerste 
Bankreihe bilden, weil diese Plätze am schlechtesten beleuchtet sind, niedere 
Bänke aber immerhin noch am besten, indem der Elevationswinkel am grössten 
wird. Die grössten Bänke sind der Fensterwand am nächsten zu stellen. Dass 
es wünschenswert ist, durch hellen Anstrich die Reflexionskraft der 
Wände und Decken zu vermehren, lässt sich nicht bestreiten, wohl aber 
möchten wir den Satz nicht ohne weiteres unterschreiben, dass die Reflexions- 
kraft benachbarter Gebäude zu verstärken sei. Durch unangenehme Blendwir- 
kungen können stark wirkende Wand- oder Mauerflächen benachbarter Bauten 
mehr schaden als nützen. 

Was die Bestuhlung anbelangt, so will Domitrovich Verkürzung des 
Sitzes gegenüber der Tischplatte, damit die Zwischengänge schmäler werden, 
die innere Bankreihe mehr gegen die Fenster rückt und eine bessere 
Beleuchtung erhält. Für diese Verkürzung tritt er aber auch aus finanziellen 


916 Schulhygiene. Kinderpflege. 


Erwägungen ein, weil mehr Bänke in dem nämlichen Raume untergebracht 
werden können oder aber die Schulzimmer kleiner ausfallen dürfen, was zu 
Raum- und Geldersparniss führt. Das ist der Standpunkt des Technikers, 
Finanz- und Verwaltungsmannes; der Hygieniker wird allerdings für kleine 
Zimmer aus anderen Gründen sein (Rücksicht auf Auge und Gehör). Kleine 
Zimmer sollen auch kleine Schülerzahlen aufnehmen, was pädagogisch und 
sanitär von Bedeutung ist. 

Im übrigen spricht sich D. für die Gruppenbank aus. Mit Bezug auf 
einzelne Teile der Bank tritt er für die Einzellehne ein, weil damit die Be- 
wegungsfreiheit der Arme gewahrt bleibe. Doch ist die durchgehende Lebne 
wohl vorteilhafter, weil sie die Bewegungsfreiheit nicht hindert und überdies 
beim Ausruhen als Stützpunkt dienen kann, vorausgesetzt, dass die Lehne dann 
auch durchbrochen und nicht ganz ist. Eine durchbrochene Lehne dürfte auch 
mit Bezug auf die notwendige Luftbewegung im Gestühl jedenfalls vorteilhafter 
sein, als die ganze Lehne. Praktisch aber kommt diese Störung der Luftbe- 
wegung durch diese oder jene Lehnenkonstruktion wohl nicht sehr in Betracht. 

Diese Ausführungen über den Inhalt mögen genügen; wer sich für die 
einschlägigen Fragen interessiert, wird die Schrift von Domitrovich mit 
Befriedigung lesen. Kraft (Zürich). 


Moses J. (Mannheim), Zur Hygiene der Schulbank in den Hilfsschulen 
für Schwachsinnige. Zeitschr. f. Schulgesundheitspfl. 1905. No. 11. 
S. 753. 

In No. 12 des Jabrganges 1904 der Zeitschr. f. Schulgesundheitspfl. hatte 

Dr. Moses (Mannheim) einen Aufsatz veröffentlicht, in welchem er sich dahin 

ausdrückte, dass keine der von ihm in Hilfsklassen in Anwendung gefun- 

denen Schulbankkonstruktionen den Anforderungen, wie sie für Hilfsklassen 
gestellt werden mussten, so gut entspreche, wie die Rettigsche Schulbank. 

Die Herren: Otto Schmitt, F. Weigl und K. Basedow nahmen im Jahrgang 

1905 (1, 2, 3) Stellung zu den Ausführungen von Dr. Moses und bekämpften 

seine Ansicht. In seiner Erwiderung hebt nun Dr. Moses die Vorzüge der 

Rettigschen Bank nochmals hervor und setzt auseinander, dass, wie man sich 

die technische Erledigung der Schulbankfrage denke, gewisse hygienische 

Grundforderungen erfüllt sein müssten. Unter diesen Grundforderungen er- 

wähnt er in erster Linie die Freilegung des Fussbodens zum Zwecke 

gründlicher Reinigung. Dieser Grundforderung entspricht am besten die 

Methode des Umkippens der Schulbank, also die Rettigsche Umkipp- 

vorrichtung. Sie erleichtert auch die Kontrolle der Reinigung. Dr. Moses 

kann im weiteren vom Standpunkte des Arztes aus nicht auf „das Fussbrett* 
verzichten. Er betont, dass dieses ein Stützpunkt für den Körper sei und eine 
aufrechte Sitzhaltung erleichtere, und er weist den Vorwurf zurück, dass 
unter dem Fussbrett Schmutzstoffe sich anhäufen könnten. Bei einer zwei- 
maligen wöchentlichen Reinigung der Schulräume, ‚die ja aus hygienischen 

Gründen gefordert werden müsse, sei so etwas unmöglich und könne von 

Fäulnis eventueller Speisereste keine Rede sein. Jedenfalls werde dann die 

Reinigung gründlicher vollzogen, als es bei einer unverstellbaren Schulbank 


Schulhygiene. Kinderpflege. 917 


möglich sei. Uebrigens seien nicht solche liegen gebliebenen Speisereste das 
gefäbrliche, sondern der Schulstaub, welcher nicht aufgewirbelt werden dürfe. 

lm Ferneren betont er, dass die Rettigsche Bank eine richtige Sitz- 
haltung erzwinge, aber nicht etwa in dem falsch aufgefassten Sinne seiner 
Kritiker, dass eine unnatürliche Zwangshaltung das Resultat sei, sondern in 
dem Sinne, dass die Konstruktion der Bank eine richtige Sitzhaltung in weit- 
gehendstem Masse ermögliche, ohne etwa zu einer unnatürlichen Zwangshaltung 
zu führen. 

Schliesslich erbringt Dr. Moses den zahlenmässigen Nachweis, dass selbst 
für das erhöhte Bedürfnis der individuellen Anpassung der Bankgrössen an 
das Schülermaterial die Rettigsche Gruppen- oder Nummernbank durchaus 
genüge. Kraft (Zürich). 


v. Domitrovich, Armin, Ist bei der Gruppenbank die Bereithaltung von 
Reservebänken notwendig? Sonderabdruck aus „Internat. Arch. f. 
Schalhyg.“ Bd. 2. H. 1 und 2. Leipzig. 1906. Wilhelm Engelmann. 

Der Verf. tritt der Auffassung entgegen, als ob die Universalschulbank 
(verstellbare Bank) der Gruppenbank vorzuziehen sei. Er wendet sich 
namentlich gegen Rostowzeff und Burgerstein, welche in neueren Publi- 
kationen für die Universalbank eingetreten sind. Wer die Arbeit Rostow- 
zeffs geprüft hat, muss zugeben, dass sie in der Tat ohne Beweiskraft ist 
(Zeitschr. f. Schulgesundheitspfl. 1905. No. 5). Aber auch Burgersteins 
Empfehlung der Schenkschen Schulbank (Schweiz. Blätter f. Schulgesund- 
heitspfl. u. Kinderschutz. Jahrg. 2) findet durch die praktischen Erfahrungen 
keinen Stützpunkt. In Zürich ist man beispielsweise nach fruchtlosen Ver- 
suchen mit dem Schenkschen System zur Gruppenbank zurückgekehrt, die 
man aus guten Gründen nicht ganz aufgegeben hatte. 

Domitrovich leistet nach unserer Ansicht den Beweis, dass die 
Gruppenbank den Körpermassen, die sich bewegen zwischen der Körpergrüsse 
des kleinsten und grössten Schülers in 4 Volksschulklassen, durchaus ange- 
passt werden kann. Auch für die Schwankungen der Körpergrösse von Klasse 
zu Klasse ist ein Ausgleich leicht zu bewerkstelligen. Es handelt sich nur 
darum, die nötige Zahl von Gruppen oder Nummern zu wählen, und auch den 
einzelnen Klassen zuzuteilen. Schon bei 3 Nummern sind die Verhältnisse 
genügend, bei 5 Nummern gut und bei 7 Nummern absolut günstig. Es ent- 
stehen dann mit Bezug auf wichtige Verhältnisse zwischen Körpergrösse und 
Schulbankmass so geringe Unterschiede innerhalb einer Gruppe und be- 
nachbarter Gruppen, dass sie praktisch bedeutungslos werden oder aber den 
Ausgleich zwischen einzelnen Klassen in hohem Grade erleichtern. 

Nach Spiess beträgt der Unterschied der Körpergrösse in 8 Volksschul- 
klassen 70 cm, oder bei drei Gruppen auf die Gruppe 23 cm. Wenn nun 
z. B. die Durchschnittsgrösse einer Gruppe auf 135 cm festgesetzt wird, misst 


23 
der kleinste Schüler der Gruppe 135 — -y cm = 123,5 cm; der grösste 


23 i 
135 +5 = 146,5 cm. Eines der wichtigsten Schulbankmasse ist die Diffe 


918 5 Schulhygiene. Kinderpflege. 


renz, welche 1/ der Körpergrösse +3 cm betragen soll. Somit finden wir 
für 135 cm eine Differenz von 20,68 cm und für 123,5 cm eine Differenz von 
19,43 cm. Der Unterschied zwischen beiden Massen beträgt also bloss 1,44 cm, 
d. h. die für einen Schüler von der Körpergrösse 135 cm passende Schulbank 
wird ohne Nachteil auch von einem Schüler benutzt werden dürfen, der nur 
123,5 cm misst. Bei 5 resp. 7 Gruppen beträgt der Unterschied 0,88 resp. 
0,63 cm. Solche Unterschiede sind aber praktisch nicht von Belang, und des- 
halb ist auch eine weitgehende Differenzierung nicht nötig. Für die Unter- 
schiede der Körpergrössen innerhalb einer Klasse wird man mit drei Nummern 
ausreichen, da die Unterschiede hier noch wesentlich geringer sind. 

Domitrovich hält es auf Grund der Erfahrungen und theoretischen Er- 
wägungen für durchaus unnötig, dass Reservebänke bereit gehalten werden 
müssten. Er findet, dass mit der Gruppenbank die Frage des Systems gelöst 
sei, und eine weitere Ausgestaltung der Schulbank im Sinne hygienischer 
Forderungen nur insoweit stattzufinden habe, als davon das System nicht be- 
rührt werde. 

Domitrovich steht mit seinen Auschauungen jedenfalls auf dem Boden 
der Praxis, und es ist nur zu wünchen, dass seine Schrift gelesen werde, damit 
die „allzugrosse Beweglichkeit“ stabileren Verhältnissen Platz mache. 

Kraft (Zürich). 


Schmidt F. A. (Bonn), Die Bedeutung der öffentlichen Spiel- und 
Sportplätze für die Volksgesundheit. Vortrag, gehalten in der 
30. Versammlung des Deutschen Vereins für öffentliche Gesundheitspfl. in 
Mannheim (Septbr. 1905). Autoreferat in der Zeitschr. f. Schulgesundheitspfl. 
1905. No. 11. S. 762. 

Zuerst weist der Verf. darauf hin, wie durch die Institution der Schulärzte 
die Erkenntnis vom mangelhaften körperlichen Zustand der Schulkinder geweckt 
worden sei. So erwiesen sich in Chemnitz (1902/03) 7,9%, in Charlottenburg 
(1900) 11,5%/,, Offenbach (1897) 20°%/,, Darmstadt (1898) 26,3°%/, als körper- 
lich minderwertig, in Leipzig (1900) 41,06°/, ärztlicher Behandlung bedürftig, in 
Schöneberg (1900) 62°/,, in Stuttgart (1904) 67%/, schadhaft. 

Nun sind ohne Zweifel sociale Misstände bei der ärmeren Volksklasse in 
hohem Masse für diese Tatsache verantwortlich zu machen. Mangelhafte Fr- 
nährung, ungesunde Wohnungsverhältnisse u. s. w. spielen eine grosse Rolle. 
Unter den Krankheitszuständen sind ja die Skrophulose und Rhachitis vielfach 
Folgen socialer Missstände, und es waren in Magdeburg 1903 17,50%/,, bei den 
Schulrekruten der Stadt Bautzen 1901 210/4, 1903 19%/,, 1904 60%/, skrophu- 
lös; rhachitisch in Stuttgart 1903 44/,, München 1900 34%/,. 

Aber auch in den besser situierten Schichten der Bevölkerung sind die 
Krankheitsziffern hohe. Es müssen deshalb, abgesehen von den socialen Zu- 
ständen, noch andere Ursachen der mangelhaften körperlichen Entwickelung 
vorhanden sein. 

Schon Axel Kay erblickt in dem mit dem Schulleben in Verbindung 
stehenden vielen Stillesitzen und der Unzulänglichkeit der Körper- 
bewegungen eine wesentliche Schädigung der Gesundheit der Kinder. 


Schulhygiene. Kinderpflege. 917 


möglich sei. Uebrigens seien nicht solche liegen gebliebenen Speisereste das 
gefährliche, sondern der Schulstaub, welcher nicht aufgewirbelt werden dürfe. 

lm Ferneren betont er, dass die Rettigsche Bank eine richtige Sitz- 
haltung erzwinge, aber nicht etwa in dem falsch aufgefassten Sinne seiner 
Kritiker, dass eine unnatürliche Zwangshaltung das Resultat sei, sondern in 
dem Sinne, dass die Konstruktion der Bank eine richtige Sitzhaltung in weit- 
gehendstem Masse ermögliche, ohne etwa zu einer unnatürlichen Zwangshaltung 
zu führen. 

Schliesslich erbringt Dr. Moses den zahlenmässigen Nachweis, dass selbst 
für das erhöhte Bedürfnis der individuellen Anpassung der Bankgrössen an 
das Schülermaterial die Rettigsche Gruppen- oder Nummernbank durchaus 
genüge. Kraft (Zürich). 


v. Domitrovich, Armin, Ist bei der Gruppenbank die Bereithaltung von 
Reservebänken notwendig? Sonderabdruck aus „Internat. Arch. f. 
Schalbyg.“ Bd. 2. H. 1 und 2. Leipzig. 1906. Wilhelm Engelmann. 

Der Verf. tritt der Auffassung entgegen, als ob die Universalschulbank 
(verstellbare Bank) der Gruppenbank vorzuziehen sei. Er wendet sich 
namentlich gegen Rostowzeff und Burgerstein, welche in neueren Publi- 
kationen für die Universalbank eingetreten sind. Wer die Arbeit Rostow- 
zeffs geprüft hat, muss zugeben, dass sie in der Tat ohne Beweiskraft ist 
(Zeitschr. f. Schulgesundheitspfl. 1905. No. 5). Aber auch Burgersteins 
Empfehlung der Schenkschen Schulbank (Schweiz. Blätter f. Schulgesund- 
heitspfl. u. Kinderschutz. Jahrg. 2) findet durch die praktischen Erfahrungen 
keinen Stützpunkt. In Zürich ist man beispielsweise nach fruchtlosen Ver- 
suchen mit dem Schenkschen System zur Gruppenbank zurückgekehrt, die 
man aus guten Gründen nicht ganz aufgegeben hatte. 

Domitrovich leistet nach unserer Ansicht den Beweis, dass die 
Gruppenbank den Körpermassen, die sich bewegen zwischen der Körpergrösse 
des kleinsten und grössten Schülers in 4 Volksschulklassen, durchaus ange- 
passt werden kann. Auch für die Schwankungen der Körpergrösse von Klasse 
zu Klasse ist ein Ausgleich leicht zu bewerkstelligen. Es handelt sich nur 
darum, die nötige Zahl von Gruppen oder Nummern zu wählen, und auch den 
einzelnen Klassen zuzuteilen. Schon bei 3 Nummern sind die Verhältnisse 
genügend, bei 5 Nummern gut und bei 7 Nummern absolut günstig. Es ent- 
stehen dann mit Bezug auf wichtige Verhältnisse zwischen Körpergrösse und 
Schulbankmass so geringe Unterschiede innerhalb einer Gruppe und be- 
nachbarter Gruppen, dass sie praktisch bedeutungslos werden oder aber den 
Ausgleich zwischen einzelnen Klassen in hohem Grade erleichtern. 

Nach Spiess beträgt der Unterschied der Körpergrösse in 8 Volksschul- 
klassen 70 cm, oder bei drei Gruppen auf die Gruppe 23 cm. Wenn nun 
z. B. die Durchschnittsgrösse einer Gruppe auf 135 cm festgesetzt wird, misst 


23 
der kleinste Schüler der Gruppe 185 — 5 cm = 123,5 cm; der grösste 


2 x ya 
1542 — 146,5 cm. Eines der wichtigsten Schulbankmasse ist die Diffe 


920 Kleinere Mitteilungen. 


Kleinere Mitteilungen. 


Il. Internationaler Kongress für Salubrität und Gesundheitspflege 
der Wohnung. 

In der Zeit vom 4.—10. September 1906 findet zu Genf der II. Kongress 
für Salubrität und Gesundheitspflege der Wohnung statt; er stellt sich zur 
Aufgabe, alle sanitären Anforderungen an die Wohnung und die Massnahmen der 
Gesundheitspolizei sowohl mit Rücksicht auf die private wie öffentliche Gesundheits- 
pflege in den Kreis der Diskussion zu ziehen. 

Um eine möglichst allseitige Förderung des Problems zu leiten, haben sich 
hygienische Gelehrte, Aerzte, Verwaltungsbeamte, Ingenieure und Architekten zu ge- 
meinsamer Arbeit vereinigt. 

Das Programm des Kongresses umfasst die Hygiene der Familienwohnungen, der 
Arbeiterwohnungen und Wohnungen auf dem Lande, ferner die wohnungshygienischen 
Gesichtspunkte in Spitälern, Kasernen, Schulen, Gasthöfen und die Verkehrshygiene, die 
Gesetzgebung, Sanitätsverwaltung, Statistik dieser ganzen Gebiete und die Frage, wie 
man trotz allen hygienischen Bestrebungen im Städtebild das Alte und die Denkmäler 
der Vergangenheit mit ihrem malerischen und künstlerischen Charakter bewahren kann. 

Die Eröffnung des Kongresses findet am Dienstag, den 4. September, nachmittags 
2 Uhr in der Universität statt. Am gleichen Tage um 8Uhr Empfang durch die Stadt Genf. 

Der Kongress ist in erster Linie ernster Arbeit gewidmet. Nach des Tages 
Mühen werden aber die Kongressteilnehmer auch reichlich Gelegenheit zur Erholung 
finden. Die Lage Genfs bietet ja an sich schon einen hervorragenden genussreichen 
Aufenthalt. 

Anmeldungen zur Teilnahme am Kongress sind an Herrn Zamba, rue Petitot 12, 
in Genf zu senden. 

Wir möchten an alle, welche an der Förderung der Volkshygiene Interesse te- 
sitzen, die Aufforderung richten, an den Versammlungen u. s. w. des Kongresses sich 
zu beteiligen und die Anmeldungen von Vorträgen baldigst an den Generalsekretär 
Wuarin einzusenden. } 

Für das Deutsche Kongresscomite 
Geheimrat Prof. Gaffky, Geheimrat Prof. Löffler, Geheimrat Prof. Rubner, 
Direktor des Instituts Direktor des Hygienischen Direktor des Hygienischen 
für Infektionskrankheiten. Instituts in Greifswald. Instituts in Berlin. 


(Kr.) Die Reinigung der Schulräume. In der Vereinigung für Schulhygiene 
zu Hamburg war diese Frage Gegenstand der Besprechung (F. HornebrückerZeitschr. 
f. Schulgesundheitspfl. No. 1. 1906. S. 29). Als hygienisch einwandsfrei wurde nur 
diejenige Reinigung angesprochen, durch welche die Schulluft möglichst staub- und 
bacillenfrei gemacht werde. Der unreine Fussboden bilde in seiner Staubschicht eine 
stete Gefahr für die Gesundheit der Kinder. Die Vereinigung ist der Ansicht, dass 
der Staat die Pflicht habe, durch peinliche Sauberkeit für reine Luft in den Schulen 
zu sorgen, weil dadurch der Verschleppung von Krankheiten vorgebeugt werde (Tuber- 
kulose). Sie fordert deshalb tägliche nasse Reinigung der Klassenzimmer, Korridore 
und Treppen, zweimalige tägliche nasse Reinigung der Turnhallen. Diese Massregeln 
erforderten natürlich Vermehrung des Reinigungspersonals. Um die Staubein- 
schleppung und -aufwirbelung zu verhüten, muss der Beschaffenheit der Spiel- 
plätze und Fussbüden ein reges Augenmerk geschenkt werden. Am geignetsten 
zur Durchführung der Reinigung erweist sich der mit Linoleum belegte Fussboden. 


Kleinere Mitteilungen. 921 


Holzfussböden müssen fugenfrei sein und durch regelmässigen Anstrich mit Oelfarbe 
glatt und eben erhalten werden (!). Die Anwendung staubbindender Oele ist 
nicht zu empfehlen. Zweisitzige Subsellien erleichtern die Reinigung. Am Ein- 
gange der Schulen sind Fussmatten und Fussroste anzubringen. Die Sprungmatten 
in den Turnhallen sind öfter zu reinigen. Durch Aufstellen von Spucknäpfen soll 
einer’ Verunreinigung des Fussbodens durch Auswurf von Kindern und Erwachsenen 
vorgebeugt werden. 


(:) Auf der Naturforscher-Versammlung, die in diesem Jahre vom 16.—22.September 
in Stuttgart abgehalten wird, werden die folgenden Vorträge stattfinden. 
29. Abteilung: Hygiene und Bakteriogie. 
Sitzungsraum: Technische Hochschule. 
1. Am Ende (Dresden): Die Bedeutung der Barackenhauten insbesondere für Kurorte. 
2. K.B. Lehmann (Würzburg): Die Aufnahme der Fabrikgifte durch Lunge und 
Haut. 
Derselbe: Die nitrosen Gase. 
Schottelius (Freiburg i. Br.): Giftige Konserven. 
Weichardt (Erlangen): Ueber Ermüdungstoxine und deren Hommungskörper. 
Th. Weyl (Charlottenburg): Hygiene und Technik in historischer Darstellung 
(mit Lichtbildern). 
Scheurlen (Stuttgart): Ueber Ziegenmilch. 
. Küster (Freiburg i. Br.): Neuere Untersuchungen über tuberkulöse Erkrankung 
bei Kaltblütern. 
9. L. Rabinowitsch (Berlin): Neuere experimentelle Untersuchungen über Tuber- 
kulose. 
10. Weber (Berlin): Die Perlsuchtinfektion des Menschen. 
11. Zwick (Stuttgart): Beitrag zur Kenntnis der Beziehungen zwischen Menschen- 
und Rindertuberkulose. 
12. Brauns (Hannover): Die Aetiolegie der Eklampsie. 
13. Fuhrmann (Graz): Entwickelungseyklen bei Bakterien. 
14. Schmidt (Köln): Ueber künstlich bei Tieren erzeugte Neubildungen und die 
Steigerung ihrer Malignität durch fortgesetzte Transplantationen. 
15. A. Wolff (Charlottenburg): Untersuchungen über Empfänglichkeit und natürliche 
Immunitat gegenüber Toxinen. 
16. Scheurlen (Stuttgart): Zur Kenntnis der Bakteriologie der epidemischen 
Schweisskrankheiten. 7 

Ferner ist die Abteilung eingeladen zu dem Vortrag von Vosseler über die ost- 
afrikanische Tsetsefliege, zu dem Vortrag von Camerer über die Tätigkeit der Stutt- 
garter Kindermilchküche mit Demonstration derselben, zu dem Vortrag von Jaeger 
über die Bedeutung der rekonvalescenten und gesunden Infektionsträger für die Pro- 
phylaxe der Infektionskrankheiten, und zu dem Vortrag von v. Wunschheim: Die 
Bakteriologie der Hundestaupe. 

Weiter sind von anderen bemerkenswerten Vorträgen noch zu nennen aus der 
Abteilung für Tropenhygiene der von Otto in Hamburg: Ueber gelbes Fieber in Afrika 
und Viereck in Hamburg: Ueber Amöbendysenterie, aus der Abteilung für gericht- 
liche Medizin der von H. Pfeiffer in Graz „über das Prinzip und über die Leistungs- 
fähigkeit der Blutdifferenzierungsmethodenach Neisser und Sachs“, ausderfürinnero 
Medizin der Vortrag von Brühl: Ueber Agglutination bei Tuberkulose, aus der für 
pathologische Anatomie der von v. Baumgarten (Tübingen): Nene Experimente 
über passive Immunisierung gegen Tuberkulose, sowie von demselben über Experi- 


gxn 


922 Kleinere Mitteilungen. 


mente über hämatogene Lymphdrüsentuberkulose, von Dibbelt (Tübingen): Bakterio- 
logische Mitteilungen u. s. f. 


(:) Aus dem Berichte des Wiener Stadtphysikates über seino Amts- 
tätigkeit in den Jahren 1900—1902. 

Die Durchführung des Sanitätsdienstes der Stadt Wien hat während der 
Berichtszeit keine grundsätzliche Aenderung erfahren. 

Eine Vermehrung der städtischen Amtsarztstellen erfolgte durch Besetzung einer 
bereits im Etat vorgesehenen Bezirksarztstelle und ausserdem durch eine Erhöhung 
der Zahl der städtischen Aerzte um 11. Eine Veränderung hat sich ferner hinsicht- 
lich der Titelführung der beamteten Aerzte ergeben, indem fortan den städtischen 
Aerzten I. Klasse der Titel „Städtischer Oberarzt“, den städtischen Aerzten Il. Klasse 
der Titel „Städtischer Arzt“ zusteht. 

Die Zahl der in den beiden Sektionen des Stadtphysikates behandelten Ge- 
schäftstücke betrug 317552 gegen 309383 in dem vorausgegangenen jährigen Be-. 
richtszeitraum. Von den in der I. Abteilung (hygienische und sanitätspolizeiliche 
Angelegenheiten) vorgenommenen Amtshandlungen betrafen in den 3 Berichtsjahren 
191—115—202 chemische Untersuchungen von Wasser, Nahrungs- und Genussmitteln, 
Medikamenten, Gebrauchsgegenständen u.s.w. Die Sanitätsaufseher nahmen im 
ganzen 105993 Desinfektionen und 234712 Besichtigungen vor. Bei dieser Gelegen- 
heit wurden u. a. 1031 feuchte, 269 finstere und luftarme, 1681 überfüllte Wohnungen 
und 153 Kellerwohnungen ermittelt. Zur Anzeige kamen ferner 960 gesundheitswidrige 
Schlafstellen, 1492 sanitäre Uebelstände an Aborten, Senkgruben und dergl., 123 
lärmende Betriebe, 172 Rauch- und Geruchsbelästigungen. 

Das Krankenbeförderungswesen ist nach Eingemeindung der Vororte ein- 
heitlich und den Bedürfnissen der Kranken entsprechend geregelt worden. Die 
Krankenbeförderung in die Spitäler erfolgt durch Einrichtungen der Gemeinde un- 
entgeltlich; zur Verwendung kommen ausschliesslich bespannte Wagen. Es wurden 
in den Jahren 1900—1902 auf diese Weise 13547, 15162 und 16148 Kranke in die 
Wiener Krankenhäuser befördert; auf je 100 dieser Kranken kamen 19, 22,2 und 23 
mit ansteckenden Krankheiten behaftete. Die Gesamtzahl der Leichenbeförderungen 
betrug im Berichtszeitraum 13296. 

In Bezug auf das Rettungswesen hat sich nichts wesentlich geändert. Die 
Bestrebungen, den Rettungsdienst als eine ärztliche Einrichtung im Anschluss an 
die Berufsfeuerwehr zu entwickeln, führten vorläufig wegen der hohen Kosten zu 
keinem Ziele. Ende 1902 bestanden in Verbindung mit den Sicherheitswachstuben 
172 Rettungsanstalten; die Zahl der hier ausgeführten Ililfsleistungen betrug für die 
Berichtszeit 23592, die freiwilligen gleichartigen Unternehmungen wurden abgesehen 
von Krankenbeförderungen 45631 mal in Anspruch genommen. 

An Infektionskrankheiten starben in den Jahren 1900—1902 von der an- 
sässigen Bevölkerung 9720, 9220 und 9337 Personen. Die Mehrzahl dieser Krank- 
heiten zeigt in ihrer Verbreitung dasselbe Verhalten wie in den Vorjahren; insbesondero 
sind die Pocken nur vereinzelt vorgekommen. Ungewöhnlich zahlreich waren nur 
die Erkrankungen an Masern im Jahre 1900, an Scharlach und Diphtherie in den Jahren 
1901 und 1902. Von meldepflichtigen Infektionskrankheiten gelangten in den 3 Be- 
richtsjahren u. a. zur Anzeige 3—6—0 Fälle von Pocken, 3439—3314—4101 von 
Windpocken, 2271—4453—3359 von Scharlach, 2149—2771—3464 von Diphtherie 
und Croup, 601—317—242 von Unterleibstyphus, 19—6--13 von Ruhr, 167— 198—206 
von Kindbettfieber, 106—73—84 von Trachom, 16270—12172—15245 von Masern, 
2273—1255—3207 von Keuchhusten, 10—4—1 von Genickstarre, 1645—1702—674 


Kleinere Mitteilungen. 923. 


Fälle von Mumps. An tuberkulösen Erkrankungen starben 7767—7677— 7640 Personen, 
d. h. 22,6—22,9—22,50/, der insgesamt Gestorbenen. 

Das Heilpersonal bestand nach den Ergebnissen der einzelnen Zählungen 
im Laufe der 3 Berichtsjahre aus 2383--2460—2541 Aerzten, 229—277—282 Zahn- 
ärzten, 116—116—114 Zahntechnikern, 146—145—141 Tierärzten, 111—111—111 
Apothekern und 1673—1686--1733 Hebammen. Im Jahre 1900 (1902) entfielen auf 
je 1 Arzt 675,3 (667,8) Einwohner; es zeigte also die Zahl der praktischen Aerzte in 
Wien noch immer eine stetige Zunahme sowohl absolut als auch im Vergleiche mit 
der Bevölkerung. 

Die Schwierigkeit der jederzeitigen Unterbringung von Pflegebedürftigen in 
Krankenhäuser war in der Berichtszeit noch nicht gehoben; immerhin sind wesent- 
liche Fortschritte in dieser Richtung angebahnt, indem der Belegraum in den öffent- 
lichen und Privatspitälern erweitert wurde. Ende 1902 standen 4994 Betten in 
9 öffentlichen, 1107 in 15 privaten Spitälern, 543 in 7 Privatkinderspitälern und 
272 Betten in 1 öffentlichen Kinderspital zur Verfügung. Jedes Krankenbeit kam 
unter Berücksichtigung der Rekonvalescentenheime durchschnittlich 12—14 mal im 
Jahre zur Benutzung. Poliklinische Behandlung suchten im Jahre 1900 458414 
Personen auf. (Veröff. d. Kais. Ges.-A. 1906. No. 8. S. 159.) 

(:) Aus dem statistischen Jahrbuche der Haupt- und Residenzstadt 
Budapest. VI. Jahrgang 1903. 

Die Bevölkerungszahl von Budapest wurde für das Jahr 1903 unter Ein- 
schluss von 16484 Militärpersonen auf 790529 Köpfe berechnet. Lebendgeboren 
wurden 21923 Kinder, d, i. 27,7 auf je 1000 Einwohner, davon gehörten 11318 dem 
männlichen und 10605 dem weiblichen Geschlecht an. Von den 717 Totgeborenen 
waren 33,5°/, ausserehelicher Abkunft. Mehrgeburten ereigneten sich 215mal, und 
zwar sämtlich als Zwillingsgeburten. 

Die Zahl der Sterbefälle belief sich auf 15059, d. i. 19,0°/% d. Einw., hier- 
von entfielen 8076 auf das männliche und 6983 auf das weibliche Geschlecht. Von 
je 1000 Lebendgeborenen starben im 1. Lebensjahre 142,7 Kinder; diese Sterbeziffer 
der Säuglinge war die niedrigste seit dem Jahre 1894. Die grösste Kindersterblichkeit 
wies der Monat März, die geringste der November auf. An Pocken starben 7 Personen, 
an Masern 281, Scharlach 513, Diphtherie und Croup 310, Keuchhusten 34, Unter- 
leibstyphus 57, Kindbettfieber 26, Ruhr 10, Lungenschwindsucht 2661, Tuberkulose 
anderer Organe 163, Lungenentzündung 1415, Influenza 46, Darmkatarrh 1060, Krebs- 
leiden 696, sonstigen Neubildungen 200, durch Selbstmord 267, Mord und Totschlag 
29 Personen. 

Von ansteckenden Krankheiten wurden gemeldet u. a. von: Scharlach 
3483 Fälle, Masern 5621, Keuchhusten 585, Diphtherie und Croup 2272, Ruhr 14, 
Kindbettfieber 36, Unterleibstyphus 275. 

Von diesen Infektionskrankheiten waren Masern, Keuchhusten und Ruhr 
seltener, Kindbettfieber, Unterleibstyphus, Diphtherie und namentlich Scharlach 
häufiger als im Vorjahre zur Wahrnehmung gekommen. 

Die Zahl der in den 42 Heilanstalten untergebrachten Kranken betrug 86 187, 
die der Verpflegungstage 2818965, d. i. auf je 1 Kranken 32,7; 47537 Kranke wurden 
als geheilt, 20121 als gebessert und 5269 als ungeheilt entlassen, 5761 sind gestorben. 

Das Heilpersonal von Budapest setzte sich zusammen aus 1089 Aerzten, 
786 Hebammen und 322 Apothekern. Apotheker waren 89 im Betriebe. 

Von der freiwilligen Rettungsgesellschaft wurde 6593mal erste Hilfe 
bei Krankheiten und Verletzungen geleistet, ferner wurden u. a. 4276 Krankentransporte 
und 788 Transporte Geisteskranker ausgeführt, 


924 Kleinere Mitteilungen. 


Die Central-Desinfektionsanstalt bewirkte 5680 Desinfektionen von Woh- 
nungen, 229435 von Wäsche, Kleidern und sonstigen Gegenständen und 19751 von 
Personen. In der chemischen und Lebensmittel-Untersuchungsanstalt 
wurden 9625 Gegenstände mit einem Gesamt-Kostenaufwand von 57688 Kronen unter- 
sucht. Die öffentlichen Bäder wurden von 1803903 Personen benutzt. 

(Veröff. d. Kais. Ges.-A. 1906. No. 9. S. 183.) 


() Belgien. Gesundheitsverhältnisse in Brüssel im Jahre 1904. 
(Nach dem Rapport Annuel présenté au Conseil par le College des bourgmestres et 
échevins. Brüssel 1905.) 

Die Einwohnerzahl belief sich zu Beginn des Berichtsjahres auf 192482, 
geboren wurden in diesem Jahre 3834 Kinder, davon 843 oder 22,0°%/, ausser der 
Ehe. Die Zahl der Gestorbenen betrug 3560 oder nach Abrechnung der gestorbe- 
nen Orisfremden 2995, entsprechend 15,6°/oo der Einwohner. Vergleichsweise die 
meisten Sterbefälle (306) ereigneten sich im Januar, die wenigsten (200) im Juni. 
An Diphtherie und Croup waren 22 (1901—1903 durchschnittlich 22,3) Personen ge- 
storben, an Scharlach O (2,3), Pocken 7 (18,0), Masern 20 (38,0), Keuchhusten 25 
(35,0), Unterleibstyphus 14 (37,7), Lungentuberkulose 349 (368,0), ‘anderen Er- 
krankungen der Atmungsorgane 444 (486,0), bösartigen Neubildungen 183 (158,7), 
Diarrhöe und Brechdurchfall der Kinder 271 (330,7); die Todesfälle an den haupt- 
sächlichsten Infektionskrankheiten und an den die Kindersterblichkeit besonders 
beeinflussenden Krankheiten waren also im Berichtsjahre seltener als früher, dagegen 
zeigten die tödlichen Erkrankungen an Krebs und anderen bösartigen Geschwülsten 
eine nicht unerhebliche Zunahme. 

Erkrankungen an Infektionskrankheiten wurden von den Aerzten und den zur 
Anzeige verpilichteten Heilanstalten u. s. w. im ganzen 1146 gemeldet; 20 davon 
betrafen Pocken, 108 Windpocken, 46 Scharlach, 520 Masern, 75 Diphtherie und 
Croup, 101 Keuchhusten, 36 Rose und 198 Lungentuberkulose. Die Desinfektion der 
Wohnungen und Gebrauchsgegenstände solcher Kranken erfolgt in Brüssel von amts- 
wegen und unentgeltlich. Das Heilpersonal der Stadt setzte sich im Berichtsjahre 
aus 353 Aerzten, 87 Zahnärzten, 43 Hebammen und 130 Apothekern zusammen. 
Unfall- und Rettungsstationen gab es 67; derärztliche Nachtdienst wurde 
22 mal in Anspruch genommen, darunter 3mal bei Entbindungen und 19mal bei 
plötzlichen Krankheitsfällen. In den städtischen Schulen wurden i. J. 1904/1905 
3558 Zöglinge der vorbeugenden und 2357 einer zahnärztlichen Behandlung unter- 
zogen; die Schulärzte sind verpflichtet, den Schülern in jedem Monate einen gemein- 
fasslichen Vortrag über Gesundheitspflege zu halten, dessen Inhalt von den Züglingen 
in Form von häuslichen Aufsätzen wiederzugeben ist. In den 11 Heil- und Pflege- 
anstalten der Stadt fanden im Berichtsjahre zusammen 19060 Personen Aufnahme 
und starben 1344. 

Amtliche Besichtigungen von Wohnungen und gewerblichen Anlagen 
u. s. w. wurden 5459 vorgenommen; in 3270 Fällen gaben die Besichtigungen zu 
Anordnungen für die Beseitigung gesundheitlicher Missstände Anlass. Im städtischen 
Laboratorium fanden 1579 Untersuchungen statt; von 626 Nahrungsmittelproben 
erwiesen sich 77 als verfälscht. Das Leitungswasser, welches regelmässig untersucht 
zu werden pflegt, wurde stets einwandsfrei befunden, dagegen mussten unter 210 Pro- 
ben von Brunnenwasser 209 als ungeeignet für den häuslichen Gebrauch bezeichnet 
werden. Aus Anlass von Typhuserkrankungen fanden 16 bakteriologische Wasser- 
untersuchungen statt; bei 11 derselben wurden angeblich krankheitserregende Keime 
nachgewiesen. (Veröfl. d. Kais. Ges.-A. 1906. No. 13. S. 304.) 


Verlag von August Hirschwald, Berlin N.W, — Druck von L, Schumacher in Berlin N. 24. 


Hygienische Rundschau. 


Herausgegeben 


von 


Dr. Carl Fraenkel, Dr. Max Rubner, Dr. Carl Günther, 


Goh. Med.-Rat, Prof. der Hygiene Geh. Mod.-Rat, Prof. der Hygione Geh. Med.-Rat. a.0.Prof. der Hygiene 
in Halle a./8. in Berlin. in Berlin. 


XVI. Jahrgang. Berlin, 1. September 1906. M 17. 


Ueber den mikroskopischen Nachweis der Typhusbacillen in Blutpräparaten. 
Von 
C. Fraenkel in Halle a. S. 


In No. 24 der Deutschen med. Wochenschr. vom 14. Juni d. J. ver- 
öffentlicht Pöppelmann einen Aufsatz, betitelt „Beitrag zur Typhusdiagnostik“, 
in dem er namentlich dem praktischen Arzt empfiehlt, an die Stelle der aus 
mancherlei Gründen wenig ratsamen Widalschen Probe den unmittelbaren 
Nachweis der Typhusbacillen im gefärbten Blutausstrich zu setzen, der ihm 
ausgezeichnete Ergebnisse geliefert habe. So erwähnt er, dass er Präparate 
besitze, „bei denen an manchen Stellen das bekannte Bild einer von Milzbrand- 
bacillen durchwachsenen Leber kopiert“ werde, und berichtet weiter davon, 
dass man nicht selten, „ganze Bacillennester zwischen den Blutkörperchen“ 
antreffe, namentlich wenn es sich um den Beginn der Krankheit handelt. Zur 
Darstellung der Bacillen benutzt er das ausgezeichnete Verfahren, das May 
und Grünwald für die Färbung von Blutpräparaten angegeben haben, 
und erwähnt bei der Beschreibung seines Vorgehens noch, dass er die eben 
genannte Flüssigkeit 2—6 Minuten auf die Deckgläschen habe einwirken lassen, 
sowie ferner, dass das zur Entfärbung zu verwendende destillierte Wasser 
seinen Einfluss höchstens 1 Minute lang geltend machen dürfe, da sonst die 
Bacillen den Farbstoff in allzu erheblichem Masse verlören. 

Die damit ganz kurz berichteten Angaben mussten aus den verschiedensten 
Gründen auf Zweifel und Widerspruch stossen. Einmal ist die Gruber- 
Widalsche Probe ein in seiner Ausführung so einfaches und bequemes Ver 
fahren, dass tatsächlich jeder praktische Arzt, ganz besonders aber jedes 
Untersuchungsamt für ansteckende Krankheiten sie ohne weiteres auszuführen 
in der Lage sind, und mit der immer allgemeiner werdenden Gründung gerade 
der letzt erwähnten Anstalten wird diese Ueberzeugung sich gewiss mehr und 
mehr verbreiten. Ferner wäre durch den mikroskopischen Nachweis von 
Stäbchen im Blutpräparat noch keineswegs etwas Bestimmtes über ihr Wesen 
und ihre Eigenschaften ausgesagt, und wenn hier auch hauptsächlich nur der 
Paratypbus als leicht zu verwechselndes Leiden in Betracht kommt, so mag 

bre 


926 Fraenkel, Ueber d. mikroskop. Nachweis d. Typhusbacillen in Blutpräparaten. 


doch darauf verwiesen sein, dass die Feststellung der Ursache nicht, 
wie Pöppelmann angibt, „den Bakteriologen mehr als den praktischen Arzt 
interessiert“, sondern gerade für den letzteren von besonderer Bedeutung ist, 
da einmal der Paratyphus nach allen bisher vorliegenden Mitteilungen eine 
erheblich günstigere Prognose liefert, als der echte Typbus, und weil ferner 
die Wege, welche der Ansteckungsstoff im einzelnen Falle beschreitet und 
beschritten hat, nur bei einer genauen und sorgfältigen Aufdeckung der In- 
fektionserreger mit einiger Sicherheit nachgewiesen werden können. 

War hiernach schon der rein färberische Nachweis der etwa vorhandenen 
Mikroorganismen als ein ungenaues, der erforderlichen Bestimmtheit und 
Zuverlässigkeit durchaus entbehrendes Verfahren in dem gerade hier be- 
sprochenen Falle anzusehen, so musste doch die von Pöppelmann angegebene 
Methode um so mehr ernsten Bedenken begegnen, als bisher jedenfalls das 
von ihm behauptete regelmässige Vorkommen von Typhusbacillen im Blute 
noch niemals beobachtet worden war. Indessen konnte hier durch den von 
Pöppelmann benutzten Weg oder aber durch besonders genaue Betrachtung 
und Untersuchung der angefertigten Präparate eine derartige Abweichung 
immerhin erklärt werden, und in jedem Falle waren die Angaben des eben 
genannten Verf.'s so bestimmte und eindeutige, dass eine Nachprüfung durch- 
aus am Platze erschien. 

Eine solche habe ich dann an 32 Proben vorgenommen, die sämtlich aus 
dem Dienste des hiesigen Untersuchungsamtes für ansteckende Krankheiten 
herrührten und mir von den behandelnden Aerzteu in liebenswürdiger Weise 
übermittelt wurden, nachdem zunächst durch die Widalsche Probe die Diagnose 
auf Typhus sichergestellt worden war. Die mit Blut aus dem Ohrläppchen 
oder der Fingerkuppe bestrichenen Objektträger wurden für etwa 5 Minuten 
in die May-Grünwaldsche Lösung, dann für etwa 1/,—3/, Minuten in destil- 
liertes Wasser gebracht, getrocknet und endlich mit der ÖOelimmersion unter- 
sucht. Bei keinem einzigen der insgesamt 64 Präparate gelang es 
mir, die Angaben von Pöppelmann zu bestätigen. Trotz sorgfältigster 
und genauester Durchmusterung der Objekte konnte ich nur viermal ganz 
vereinzelte Stäbchen entdecken, die nach ihrem Aussehen, ihrer Form wohl 
als Typhusbacillen hätten angesprochen werden können. In den sämtlichen 
60 übrigen Präparaten dagegen blieben meine Bemühungen, die Erreger auf- 
zufinden, völlig erfolglos. Ueberraschen konnte mich dieser Fehlschlag frei- 
lich nicht. Wohl wissen wir heute, dass der Typhus keine Krankheit ist, 
die etwa ausschliesslich den Darmkanal befällt, dass wir es hier vielmehr 
wit einem Leiden zu tun haben, das sich als eine allgemeine Infektion 
des gauzen Körpers darstellt und ebenso in der Milz, der Leber, den Nieren, 
der Haut, den Knochen u.s.f. seinen Sitz aufzuschlagen vermag. Natürlich 
wird der Weg in alle diese Teile aber durch den Blutstrom gegeben, und so 
mag unter Umständen einmal auch die unmittelbare mikroskopische Unter- 
suchung hier ein positives Ergebnis liefern. Im allgemeinen aber ist das 
sicherlich nicht der Fall, und das von Castellani, Schottmüller, Neufeld 
u.s. f. mit so grossem Erfolge ausgearbeitete Verfahren zur Ermittelung der 
Typhusbacillen im Blute mit Hilfe der Züchtung auf geeigneten Nährböden 


Boden. 927 


hat uns bereits den bündigen Nachweis dafür erbracht, dass es grösserer, als 
der im besten Falle auf einem Objektträger zu verstreichenden Mengen Blutes 
bedarf, um noch zu einem brauchbaren Resultate zu gelangen. 

Der von Pöppelmann mit so lauter Stimme gerühmte Weg hat sich 
uns also nicht als gangbar erwiesen. Wie der Verf. zu seiner irrtümlichen 
Auffassung eigentlich gelangt ist, vermögen wir nicht zu sagen. Möglich, 
dass der Zufall ihm gerade einige Fälle in die Hand gespielt hat, bei denen 
die Zahl der Stäbchen im Blutpräparat eine ungewöhnliche Höhe erreichte, 
möglich auch, dass er einer verhängnisvollen Verwechselung irgendwelcher 
anderer Bestandteile in den Objekten mit den gesuchten Bacillen zum Opfer 
gefallen ist — hier genügt es uns, festzustellen, dass das von ihm angegebene 
Verfahren keinen Anspruch darauf erheben kann, als eine Bereicherung für 
die Technik empfohlen zu werden. 


Löhnis F., Ueber Nitrifikation und Denitrifikation. Centralbl. f. Bakt. 
Abt. II. Bd. 13. S. 706—715. 

Verf, bespricht neuere Versuche von Winogradski und Omelianski 
über den Einfluss organischer Substanzen und des Ammoniaks auf den 
Verlauf der Salpeterbildung, wobei dieselben auf Grund der erlangten 
Resultate folgende zwei Sätze formulieren: 

1. Das Nitratmikrobium „tritt erst in Tätigkeit, wenn die Nitrit- 
periode ganz zu Ende ist. Wegen ihrer ausserordentlichen Empfindlichkeit 
gegen die geringsten Spuren von Ammoniak bleiben seine Keime in Ruhe bis 
zum vollständigen Verschwinden dieses Körpers. Erst dann beginnt ihre 
Tätigkeit, nach mehr oder weniger langer Inkubation“. 

2. „Was die Gefahren der Denitrifikation betrifft, so sind sie nicht 
gross, weil eben die Denitrifikation ihre Wirkung nur auf Kosten der 
organischen Substanzen ausüben kann, welche beim Beginn der Salpeter- 
bildung schon zerstört sind. Die betreffenden Organismen sind also not- 
wendigerweise zur Untätigkeit verdammt“. 

Es ist ohne weiteres klar, dass diese Sätze in der vorliegenden Fassung 
keine allgemeine Geltung beanspruchen können, zumal bei den mannigfachen 
z. T. äusserst verwickelten Organismenprocessen im Ackerboden, und in 
diesem Sinne kommt auch Löhnis zu dem Schluss, dass die beiden Sätze 
Winogradskis in ihrer generellen Fassung, sowie sie niedergeschrieben 
nod in die Literatur übergegangen sind, nicht aufrecht erhalten werden können. 
Die schönen Ergebnisse der Untersuchungen Winogradskis und Omelianskis 
haben uns in den Stand gesetzt, auf Grund der erlangten Kenntnisse hinsicht- 
lich der physiologischen Eigentümlichkeiten der Nitrifikationsorganismen 
das verwickelte Durcheinander der verschiedenen Processe in der Natur im 
Laboratorium zu entwirren und die verschiedenen Teilprocesse eingehend zu 
studieren. Wir lernen so die Vorgänge der Natur verstehen, von denen wir 
aber nicht erwarten dürfen, dass sie Schritt für Schritt mit den im Labo- 
ratorium erlangten Befunden übereinstimmen müssen. Hier haben wir sie in 

68 


928 Wasser. 


durchsichtiger Klarheit und Einfachheit, dort getrübt durch die mannigfachsten 
Komplikationen. Im übrigen machen es neuere Untersuchungen des Ref. mehr 
als wahrscheinlich, dass auch bei Schimmelpilzkulturen (wie z. B. mit 
Aspergillus niger und Dematium-artigen Pilzen) in geeigneten Kulturmedien 
mit Nitrifikationserscheinungen gerechnet werden muss. Sicheren Auf- 
schluss darüber können allerdings erst ausgedehntere und besonders quanti- 
tative, zur Zeit noch nicht abgeschlossene Untersuchungen geben. 
Heinze (Halle a. S.). 


Buseh M. (Erlangen), Gravimetrische Bestimmung der Salpetersäure. 

Ber. d. D. chem. Gesellsch. 1905. Bd. 38. S. 861. 
Busch M., Bestimmung der Salpetersäure im Wasser. Zeitschr. f. 

Untersuchg. d. Nahrgs.- u. Genussm. 1905. Bd. 9. S. 464. 

Das salpetersaure Salz des Diphenyl-endanilo-dihydrotriazol, welches 
letztere die Formel: 
CeHs. N N 
N.C Hs 


ASN 
ST 


N.C Hs 

besitzt, ist in Wasser sehr schwer löslich und eignet sich daher sebr gut für den 
qualitativen und quantitativen Nachweis der Salpetersäure. Von 
anderen Säuren liefern Bromwasserstoff, Jodwasserstoff, salpetrige Säure, Chrom- 
säure, Chlorsäure, Ueberchlorsäure, Rhodanwasserstoff, Ferro- und Ferri-Oyan- 
wasserstoffsäure, Pikrinsäure sowie Oxalsäure gleichfalls mehr oder weniger 
schwerlösliche Salze, und sind daher vorher eventuell zu entfernen. Die Base 
wird von Merck (Darmstadt) unter der Bezeichnung „Nitron“ in den Handel 
gebracht, ebenso das schwefelsaure Salz. 

Zum Salpetersäurenachweis im Wasser werden 5—6 ccm Wasser 
mit 1 Tropfen Schwefelsäure angesäuert und 6--8 Tropfen des Reagens (10°), 
Nitron in 5 proz. Essigsäure ohne Erwärmen gelöst und filtriert) zugegeben; 
entsteht sofort ein weisser Niederschlag, oder krystallisiert das Nitronnitrat 
innerhalb 1—2 Minuten in glänzenden Nadeln aus, so enthält die Flüssigkeit 
über 100 mg Salpetersäure im Liter; ist dagegen innerhalb 1 Stunde noch 
keine Reaktion sichtbar, so sind weniger als 25 mg derselben vorhanden. 

Zur quantitativen Bestimmung wird das vorher eventuell auf ca. 
100 ccm eingeengte Wasser nahe zum Sieden erhitzt, 10 Tropfen verdünnte 
Schwefelsäure und alsdann 10—12 ccm der obigen Nitronlösung (oder 11/, g 
Nitronsulfat) hinzugefügt, worauf man das Gefäss 11/,—2 Stunden in Eiswasser 
stellt; der Niederschlag wird dann in einem Neubauer-Tigel oder Filtrier- 
röbrchen abgesaugt, mit 10 ccm Eiswasser gewaschen und bei 105—110° zur 
Gewichtskonstanz getrocknet; entsprechend der Formel CzoH;16N4 . HNO, be- 


CH C 


63 
rechnet sich die Salpetersäure (HNO,) durch Multiplikation mit 378 (Aus dem 


Klima. i 929 


Niederschlag und Filtrat kann man das Nitron durch Aufnehmen mit Chloro- 
form nach NH,-Zusatz wiedergewinnen.) 

Die Bestimmung von Nitrat neben Nitrit lässt sich ebenfalls mit 
Nitron durchführen, indem man die möglichst konzentrierte Lösung der Salze 
— zur Entfernung des Nitrits — unter Kühlung auf feingepulvertes, über- 
schüssiges Hydrazinsulfat tropfen lässt, die Flüssigkeit, nachdem die Gasent- 
wickelung beendet ist, entsprechend verdünnt und alsdann mit Nitron fällt. 

Wesenberg (Elberfeld). 


Bürker, Die Wirkungen des Höhenklimas auf das Blut. Münch. med. 
Wochenschr. 1905. No. 6. S. 249. 

Die Frage der Wirkung des Höhenklimas auf das Blut ist noch 
immer unentschieden. Von fast allen Beobachtern wurde jedoch die Vermeh- 
rung der roten Blutkörperchen und des Hämoglobins in der Volumeneinheit 
Blut konstatiert. Verf. hat es unternommen, durch vergleichende Untersuchungen 
zwischen Tübingen (314 m ü.d. M.) und dem Sanatorium Schatzalp (1864 m 
ü. d. M.) Klarheit in diese Frage zu bringen. 

Die Versuche betrafen zunächst die Thoma-Zeisssche Zählkammer, 
einmal um den Einwand von A. Gottstein, dass die Konstanten der Kammer 
in grossen Höhen Veränderungen erleiden können, zu prüfen, und ferner, um 
über die Brauchbarkeit der Kammer ein klares Urteil zu gewinnen. Ferner 
wurde untersucht, ob die Blutgerinnungszeit im Hochgebirge eine andere ist 
als im Tieflande, und drittens wurde der Eisenstoffwechsel in der Leber, der Milz 
und dem Blute von Tieren verfolgt, welche von Tübingen nach der Schatzalp 
gebracht wurden. 

Bei der Prüfung der Zählkammer ergab sich: 

1. Die Richtigkeit des v. Brüningschen Einwands, dass nämlich eine in 
weiten Grenzen schwankende Unregelmässigkeit in der Verteilung der Blut- 
körperchen auf der Zählfläche eintritt, je nachdem man die Kammer möglichst 
rasch oder erst nach kurzer Zeit (1 Minute) zusammensetzt. 

2. Dass gewöhnliche Deckgläser (von 0,188 mm Dicke) schon durch ge- 
ringe Gewichte so stark durchgebogen werden, dass die Kammerhöhe beträcht- 
liche Veränderungen erleidet. Nur Deckgläser von 0,623 mm Dicke erwiesen 
sich als praktisch unabhängig von Luftdruckschwankungen. 

3. Dass die Kammer praktisch unabhängig ist von der Temperatur. 

Verf. hat daher eine nach seinen Angaben modificierte Kammer anfer- 
tigen lassen. 

Die Gerinnungszeit des Blutes erwies sich, wenn unter möglichst 
gleichbleibenden Bedingungen (vor allem Beachtung der Temperatur!) unter- 
sucht wurde, bei Kranken und Gesunden als in geringem Masse beschleunigt 

Der Eisenstoffwechsel in der Leber, Milz und dem Blute von Kanin- 
chen derselben Herkunft und annähernd gleicher Grösse und Haarfarbe wurde 
nach der von A. Neumann (Berlin) angegebenen jodometrischen Methode ver- 
folgt. Die Untersuchungen führten zu folgendem Ergebnis: Gleich das erste 
ins Hochgebirge gebrachte Tier enthielt am 3. Tage nach der Ankunft 64%/, mehr 


68* 


930 Klima. 


Eisen in der Leber, als das Vergleichstier in Tübingen. Mit der Zeit verloren 
die Tiere immer mehr Eisen aus der Leber, so dass das letzte Tier am 
25. Tage nach der Ankunft 240/, Eisen weniger in der Leber enthielt gegen- 
über dem Tiere in Tübingen. 

Bei der Milz war eine regelmässige Schwankung im Eisengehalt nicht zu 
erkennen. Im Blute stieg der Eisengehalt zunächst, sank dann wieder, um 
nun definitiv anzusteigen. Dasselbe Steigen, Sinken und definitive Ansteigen 
ist auch für die Zahl der roten Blutkörperchen und den Hämoglobingehalt des 
Blutes bekannt, so dass sich Blutkörperchenzählung, Hämoglobin- und Eisen- 
bestimmung gegenseitig ergänzen. 

Demnach wäre der Vorgang im Hochgebirge wohl so aufzufassen: Zu- 
nächst erfolgt sowohl in der Leber als auch im Blute eine Reaktion auf das 
Höhenklima, verbunden mit Anhäufung von Eisen resp. Hämoglobin in beiden 
Organen. Diese Anhäufung kann bedingt sein dadurch, dass die Vorratskammern 
des Hämoglobins geöffnet werden, wodurch dieser Stoff reichlicber ins Blut 
gelangt, und dass ferner der nunmehr gesteigerte Hämoglobinstoffwechsel zu 
einer Anhäufung von Hämoglobinschlacken in der Leber führt. Etwa in der 
2.—3. Woche setzt aber der hämopoetische Apparat mit definitiver Neubildung 
ein, die Leber gibt das Eisen zur Hämoglobinbildung her, das Blut nimmt das 
Hämoglobin in Empfang. Es lässt sich berechnen, dass die Leber etwa die 
Hälfte des zur Hämoglobinneubildung notwendigen Eisens liefert; die andere 
Hälfte wird wohl aus dem Knochenmark stammen. 

Aus welchen inneren Gründen diese Veränderung im Eisenstoffwechsel ge- 
schieht, ist noch eine offene Frage. Jedenfalls geht aus den Versuchen hervor. 
dass das Blut in einer ganz specifischen Weise auf das Höhenklima reagiert. 
dass es sich also bei den Wirkungen dieses Klimas nicht um relative, sondern 
um absolute Blutveränderungen handelt. Speck (Berlin). 


Meissen, Die vermeintlichen Blutveränderungen im Gebfrge. Münch. 
med. Wochenschr. 1905. No. 14. S. 653. 

Polemik gegen den Artikel Bürkers „Die Wirkungen des Höhenklimas 
auf das Blut“ (siehe das vorhergehende Referat). Verf. bestreitet. 
dass durch die Untersuchungen Bürkers der Nachweis absoluter Blutverände- 
rungen durch das Höhenklima erbracht ist. Er hält an der A. Gottstein- 
schen Anschauung fest, dass die allgemein beobachtete Vermehrung der roten 
Blutzellen in grösseren Höhen dadurch vorgetäuscht wird, dass die Thoma- 
Zeisssche Zählkammer selbst vom Luftdruck abhängig ist. Auch die Bürker- 
schen Tierversuche über den veränderten Eisenstoffwechsel sind ihm, ihrer 
geringen Zahl wegen, nicht beweisend. Am Schluss des vorliegenden Aufsatzes 
findet sich eine Entgegnung Bürkers, in der er ausführt, dass die Gottstein- 
schen (und Meissenschen) Einwände durch Untersuchung der Zählkammer mit 
Hilfe einer optischen Methode widerlegt sind (Pflügers Arch. f. d. ges. Phys. 
1904. Bd. 105. S. 481). Ferner stellt er neue Messungen mit der von ihm 
modificierten Zählkammer und weitere Tierversuche in Aussicht. 

Speck (Berlin). 


Immunität. Schutzimpfung. 931 


Smallpox in the german army. Brit. med. journ. 1905. T. II. p. 1410. 

Ein Dr. med. Abramowsky, früher selbst Impfarzt, hat sich zur Impf- 
gegnerschaft bekehrt. In der impfgegnerischen Monatsschrift „Vaccination In- 
quirer“ wird berichtet: Dr. A. habe den Krieg 1870/71 als Militärarzt mit- 
gemacht, und behauptet, es seien nach Dr. A.’s Erfahrungen 53 288 deutsche 
Soldaten an den Pocken erkrankt und ihrer sehr viele gestorben. Tatsächlich 
sind aber nach den amtlichen Berichten nur ungefähr 5000 Erkrankungs- und 
nur 278 oder 316 Todesfälle an den Pocken in der deutschen Armee vor- 
gekommen. Dr. Abramowsky hat den Krieg auch nicht als Arzt, sondern 
als Artillerist mitgemacht und seine obigen Behauptungen nicht auf Grund 
eigener Beobachtung aufgestellt, sondern auf Grund von allerhand erst jüngst 
gemachten Umfragen. Später wird es aber in impfgegnerischen Schriften heissen: 
Der deutsche Militärarzt Abramowsky hat nach seinen während des Krieges 
selbst gemachten Beobachtungen und auf Grund allseitiger Umfragen fest- 
gestellt, dass die deutsche wohlgeimpfte und wohlwiedergeimpfte Armee eben- 
so viele Pockenerkrankungen und Todesfälle gehabt hat als die ungeimpfte 
französische Armee. Vielleicht wird dann auch noch impfgegnerischerseits 
hinzugefügt: Dr. Abramowsky habe sich auch noch verdient um die Mensch- 
heit gemacht mit seiner Entdeckung: die Kuhpocken sind einfach Syphilis. 

L. Voigt (Hamburg). 


Löwenstein, Ernst, Ueber Resorption und Immunitätserscheinungen. 
Eine Immunitätsstudie. Aus d. bakt. Laborat. d. Heilstätte Belzig 
b. Berlin. Zeitschr. f. Hyg. Bd. 51. S. 341. 

Der Verf. teilt Versuchsreihen mit, in denen nach Einbringung gleicher 
Mengen von jungen Tuberkulosekulturen in die vordere Augenkammer, 
unter die Haut und in die Blutbahn von Kaninchen nur bei den beiden 
letzten Infektionsarten Agglutininbildung im Serum dieser Tiere beobachtet 
wurde, dagegen bei den in die vordere Augenkammer geimpften aus- 
blieb. Das Gleiche war der Fall, wenn statt der Tuberkulosekultur abge- 
tötete Typhusbacillen (Fickers Diagnostikum) verwendet wurden. Den 
Grund bierfür sieht der Verf. in den ungünstigen Resorptionsbe- 
Jingungen der vorderen Augenkammer und schliesst hieraus, dass eine 
Infektion, so lange sie örtlich beschränkt bleibt, keine Agglutinations- 
bildung zur Folge hat. 

Er macht dann darauf aufmerksam, dass bei denjenigen akuten In- 
fektionskrankheiten, bei welchen eine Allgemeininfektion statt hat 
(Pocken, Scharlach, Typhus, Cholera, Tetanus. Diphtherie), in kurzer Zeit 
hohe Grade von Immunität entstehen, dagegen bei denjenigen, welche in 
der Regel als örtliche Infektionen verlaufen (Tripper, Rose) keine Im- 
munität eintritt, sondern eher eine noch grössere Empfindlichkeit des Or- 
ganismus entsteht. Auch die chronischen Infektionskrankheiten (Tuber- 
kulose, Aktinomykose, Trachom, Lepra) zeigen durchaus die Eigenschaften 
örtlich beschränkter Infektionsherde und es ist kein Grund vorhanden, 
anzunehmen, dass bei ihnen Immunität entsteht. Der Verf. stellt sich vor, 
dass hier aus den isolierten Krankheitsherden, die in allen Fällen „wirkliche 


932 Immunität. Schutzimpfung. 


Knötchen“ sind, nichts zur allgemeinen Resorption kommt und des- 
balb auf die Organe, welche die Schutzstoffe bilden, nicht der hierzu 
erforderliche Reiz ausgeübt wird. Deshalb „stellt er zur Diskussion“, ob 
man versuchen solle, die Erreger der genannten Krankheiten bezw. den Inhalt 
der Trachomkörner durch Einspritzung in die Blutbahn oder unter die Haut 
zur Resorption zu bringen und durch die entstehenden Antikörper die empfäng- 
lichen und erkrankten Gewerbe in ihrem Kampf gegen die Mikroorganismen 
zu unterstützen. Globig (Berlin). 


Wesener, Die Resultate der prophylaktischen Impfung mit Diph- 
therieheilserum im städtischen Mariabilf-Krankenhause zu 
Aachen. Münch. med. Wochenschr. 1905. No. 12. S. 588. 

Verf. nahm die prophylaktische Impfung mit Diphtherieheil- 
serum in 3 Fällen vor: 

1. bei Auftreten von Diphtherie in einer Krankenhausabteilung. Die 
Ursache war hier stets in einer Einschleppung der Krankheit durch Besucher 
zu suchen; auch setzten die Erkrankungen fast stets am ersten oder zweiten 
Tage nach einem Besuchstage ein; 

2. im Falle man genötigt war, an nicht zweifelloser Diphtherie leidende 
Patienten auf eine Abteilung zu legen, auf der sich Diphtheriekranke oder 
Diphtherieverdächtige befanden. Besonders tritt dieser Fall ein, wenn in 
Krankenhäusern ohne Beobachtungsstation Diphtherieverdächtige, ehe die Dia- 
gnose bakteriologisch gesichert ist, auf die Diphtheriestation aufgenommen 
werden, 

3. bei den Geschwistern der an Diphtherie erkrankten und im Hospital 
aufgenommenen Kinder. i 

Letzteren Fällen hat Verf. besondere Aufmerksamkeit zugewendet, und 
auf seine Veranlassung wurde von der Stadt Aachen die prophylaktische 
Impfung solcher Geschwister officiell eingeführt. Es erkrankten allerdings 
auch prophylaktisch geimpfte Kinder. In manchen dieser Fälle war die In- 
fektion sicher schon vor der Schutzimpfung erfolgt; immer aber verlief die 
Krankheit leicht. Verf. hat nun, soweit sich aus dem kleinen Beobachtungs- 
material (146 Fälle in 5/, Jahren) Schlüsse ziehen lassen, einen Rückgang der 
Sekundärinfektionen von 9%, auf 2,70/, beobachtet und kommt zu folgenden 
Schlussfolgerungen: 

1. Die prophylaktische Impfung mit Diphtherieheilserum ist ein Mittel, 
um der Weiterverbreitung der Diphtberie auf die Familienmitglieder, eventuell 
auch auf die Hausmitglieder vorzubeugen. 

2. Der Schutz, den sie verleiht, ist kein absoluter, aber doch ein recht 
sicherer; er macht eine Isolierung der Erkrankten nicht überflüssig, gestattet 
aber doch, sie weniger streng durchzuführen. 

3. Die Dauer des Schutzes ist eine beschränkte, sie beträgt im Mittel 
etwa 3—4 Wochen. Aber diese Schutzfrist genügt in vielen Fällen vollstän- 
dig, wenn dafür gesorgt wird, dass die häusliche Schlussdesinfektion eine 
durchgreifende ist. 

4. Wenn schutzgeimpfte Personen erkranken, sei es, dass die Infektion 


Immunität. Schutzimpfung. 933 


trotz der Schutzimpfung erfolgt, sei es, dass zur Zeit der Schutzimpfung schon 
eine Infektion vorlag, so ist der Verlauf meistens ein sehr leichter. 

5. Zur Schutzimpfung genügten bei kleinen Kindern meistens und bei 
grösseren oft 200 1.-E. Immerhin gewährt eine grössere Menge wahrscheinlich 
auch einen grösseren Schutz, und es würde sich empfehlen, speciell wo jetzt 
das Heilserum billiger geworden ist, etwas höher zu gehen und vielleicht 300 
bis 400 I.-E. zur prophylaktischen Impfung zu verwenden, zumal ein Schaden 
bei den jetzt erforderlichen geringen Serummengen ausgeschlossen ist. 

6. Für städtische Behörden ist es sowohl vom hygienischen wie peku- 
niären Standpunkte aus vorteilhaft, eine ausgedehnte Schutzimpfung einzu- 
führen und konsequent durchzuführen. Zur Durchführung derselben haben 
die Krankenhäuser und die Armenärzte, aber auch die praktischen Aerzte er- 
folgreich mitzuwirken. Speck (Berlin). 


Sacquepee et Chevrel, Vaccinations actives croisées des bacilles 
typhiques et paratyphiques. Société de Biologie. Séance du 9 décem- 
bre 1905. La sem. méd. 1905. No. 50. p. 596. 

L. und Ch. stellten auf Grund der nahen Verwandtschaft der Paraty phus- 
mit Typhusbacillen Impfversuche an weissen Ratten und Kaninchen an 
und fanden, dass die gegen Typhus vaccinierten Tiere den Paratyphusbacillen 
gegenüber und umgekehrt die gegen Paratyphusbacillen vaccinierten Typhus- 
bacillen gegenüber einen kaum niedrigeren Immunitätsgrad aufwiesen, und 
dass ferner die gegen irgend eine Paratyphusgruppe vaccinierten den anderen 
Gruppen dieser Gattung gegenüber die gleiche Schutzkraft zeigten. 

Bei weiteren Versuchen prüften sie auch die Pathogenität dieser Bacillen 
durch Einführung in den Magen. Von 25 mit Paratyphus B gefütterten und 
inficierten Kaninchen starben alle nach Verlauf von 25 Tagen. 

Nieter (Halle a. S.). 


Falta und Noeggerath, Ueber Rassenunterschiede von Typhusstämmen 
und über Hemmungskörper im Serum in ibrer Bedeutung für die 
Gruber-Widalsche Reaktion. Deutsches Arch. f. klin. Med. 1905. Bd. 83. 
H. 1 u. 2. 

Nicht oder spät agglutinierende Typhen lassen sich zum grossen Teil da- 
durch erklären, dass sie mit gerade für ihr Serum schwer agglutinablen 
(relative Agglutinabilität) Typhusstämmen untersucht worden sind, eine 
Fehlerquelle, die sich durch Untersuchung mit mehreren Typhusstämmen 
möglichst verschiedener Provenienz vermeiden lässt. Die Unterschiede in der 
relativen Agglutinabilität verschiedener Typhusrassen kommen namentlich bei 
den gerade für die Frühdiagnose wichtigen niederen Seris in Betracht. Beim 
Steigen des Agglutinationstiters verwischen sie sich meist. 

Agglutinationshemmende Körper kommen offenbar in frischen menschlichen 
Typbusseris häufig vor. Sie werden oft erst gegen das Ende der Erkrankung 
überhaupt nachweisbar und nehmen dann zu; gelegentlich fehlen sie ganz. 
Sie sind nicht identisch mit den Proagglutinoiden Eisenbergs und Volks, 
sondern stellen vielleicht im Körper entstandene Abbauprodukte der Joos- 


934 Immunität. Schutzimpfung. 


schen thermolabilen Agglutinine dar. Wenn sie in grossen Mengen vorhanden 
sind, können sie einen negativen Ausfall der Agglutination vortäuschen. Diese 
Fehlerquelle lässt sich bei Anwendung sehr dichter Bouillon (namentlich von 
Mischbouillon) vermeiden. O. Baumgarten (Halle a. S.). 


Ascher D., Beobachtungen über Ausflockungs-Erscheinungen. Inaug.- 
Diss. Würzburg 1905. 

Der Verf. stellte mit dem im Mörser zerriebenen Brei aus möglichst 
frischen Organen eines Tieres (wie Niere, Leber, Knochenmark, Herzmuskel. 
Gehirn, Rückenmark und Lunge von Kaninchen, Kalb und Schwein), dem so- 
viel Kubikcentimeter physiologische NaCl-Lösung, wie vorher Gramm Organe ver- 
wendet waren, zugesetzt wurden, folgende Versuche an: Nach Durchseiung, Centri- 
fugierung und Filtrierung /Papierfilter Schleicher und Schüll No. 602.) 
wurde eine klare Flüssigkeit erhalten, die zur gewünschten Verdünnung 
wiederum mit physiologischer NaCl-Lösung versetzt wurde. Alsdann ver- 
mischte Verf. den Organextrakt mit Kulturfiltrat (2 tägige mit 2%, Formalin ver- 
setzte Bonilloukultur 1:1 ccm), stellte die gewonnene Flüssigkeit in einen 
Brutofen und beobachtete die Reaktion von Zeit zu Zeit. Von Bakterien be- 
nutzte er B. vulgare, B. acidi lactici, B. lactis aörogenes, B. coli, B. typhi, 
B. paratyphi, B. fluorescens, Staphylococcus, B. diphtheriae, V. cholerae und 
endlich den Friedländer-Bacillus. 

Bei der entweder sofort oder nach einiger Zeit eintretenden Reaktion 
(Intensität proportional der Konzentration) wurde mehr oder weniger starke 
Trübung, eventuell Ausflockung und Bodensatz wahrgenommen. 

Zum Schluss werden die erzielten Resultate der Versuche dahin zusammen- 
gefasst: 

„1. Organextrakte und Bakterienkulturfiltrate wirken wechselseitig derart 
aufeinander ein, dass es unter Umständen zu einer Ausflockungserscheinung 
kommt, die in anderen Fällen ausbleibt. 

2. Intensität der Reaktion ist abhängig von der Art der auf einander 
wirkenden Faktoren: Bacterium und Organextrakte. 

a) Von den Organen verhalten sich antagonistisch Lunge und Central- 
nervensystem, indem Lungenextrakt sehr leicht, Centralnerven- 
systemextrakt sehr schwer die Reaktion gibt. 

b) Eine Ausnahmestellung unter den Bakterien nimmt Bacterium coli 
ein, mit dem niemals eine Reaktion zu erzielen war. 

3. Das Alter des Organextraktes wie Kulturfiltrates beeinflusst den Vor- 
gang nicht.“ Nieter (Halle a. S.). 


Baumgarten und Hegeler, Ueber Immunisierung gegen Tuberkulose. 
Berl. klin. Wochenschr. 1905. S. 55. 

Bericht über einige in einer früheren Arbeit (Berl. klin. Wochenschr. 1904. 

No. 43) angekündigte Versuche, durch Behandlung mit dem Blutserum gegen 

Tuberkulose immunisierter Rinder bei Kälbern eine inımunisierende oder 

heilende Wirkung auszuüben. Von 3 Kälbern erhielt Kalb I insgesamt 82 ccm 

Rinderimmunserum subkutan injieiert. Dann wurden allen 3 Tieren je 5 ccm 


Immunität. Schutzimpfung. 935 


bacillenreicher Perlsuchtemulsion subkutan eingespritzt. Das eine, nicht vor- 
behandelte Kalb III, diente als Kontrolltier, während das andere, Kalb II, 
nach der Infektion im ganzen 70 ccm Rinderimmunserum erhielt. Nach ca. 
5 Wochen fanden sich bei Kalb II, das in moribundem Zustande geschlachtet 
wurde, ausgedehnte tuberkulöse Veränderungen, desgleichen bei Kalb III, dem 
Kontrolltier. Kalb I blieb gesund und wurde nach 4 Monaten geschlachtet. 
Es fanden sich nur in der kaum vergrösserten rechten Bugdrüse einzelne zweifel- 
hafte gelbliche Knötchen, sonst im ganzen Körper keine Spur von makrosko- 
pischer Tuberkulose. Speck (Berlin). 


Klemperer, F., Experimenteller Beitrag zur Tuberkulose. Zeitschr. f. 
klin. Med. Bd. 56. H. 8 u. 4. 

Der Inhalt der sehr wertvollen Arbeit lässt sich auf Grund zweier Ver- 
suchsreihen, bei denen der Verf. eiomal perlsüchtig inficierte Rinder nach- 
träglich durch subkutane Injektion von Menschentuberkelbacillen zu im- 
munisieren versucht, das andere Mal die Unschädlichkeit subkutan eingeführter 
Rindertuberkelbacillen beim Menschen beweisen will, in folgende Sätze zu- 
sammenfassen: 

1. Die nachträgliche Immunisierung des perlsuchtinficierten Rindes ist 
möglich, und die Immunisierungsbehandlung mittels Menschentuberkelbacillen 
vermag auf die Tuberkulose des Rindes einen abschwächenden und hemmenden 
Einfluss auszuüben. 

2. Subkutan (in einem Selbstversuch) beigebrachte Rindertuberkelbacillen 
kommen beim gesunden Menschen zum Verschwinden, ohne Tuterkulose zu 
erzeugen. 

3. Einem hochgradig tuberkulösen Kollegen (auf eigenen Wunsch) einge- 
spritzte Rindertuberkelbacillen kommen zur Resorption, ohne eine akute Reaktion 
hervorzurufen. 

4. Vier Patienten mit weniger vorgeschrittener Tuberkulose zeigten z. T. 
Gewichtszunahme und bewiesen, dass innerhalb gewisser Grenzen die subkutane 
Zufuhr lebender Rindertuberkelbacillen für den tuberkulösen Menschen un- 
schädlich ist. 

Dann freilich fährt Verf. fort, dass der Prüfung an Menschen, mittels sub- 
kutan eingeführter Rindertuberkelbacillen gegen Tuberkulose zu immunisieren, 
2 Momente im Weg stehen. Denn wenn auch Rindertuberkelbacillen unschädlich 
sein können, so bleibt die Frage offen, ob sie es auch sein müssen. Vor allen 
Dingen aber fehlt uns der Massstab für eine etwa erzielte Immunität. Anders 
liegen die Verhältnisse bei vorhandener ausgesprochener Tuberkulose. Denn 
hier treten die Gefahren gegenüber der Möglichkeit einer günstigen Beeinflussung 
vollkommen in den Hintergrund, ebenso wie auch die Wirksamkeit der Impfungen 
unschwer entschieden werden könne. Hier wird eine grössere Anzahl von 
Tuberkulösen, in möglichst frühem Stadium der Erkrankung mit regelmässig 
wiederholten Subkutaninjektionen von Rindertuberkelbacillen behandelt, schliess- 
lich erkennen lassen, ob eine Immunisierung des bereits inficierten Menschen 
möglich ist oder nicht. 0. Baumgarten (Halle a. S.). 


69 


936 Immunität. Schutzimpfung. 


Koch R., Schütze W., Neufeld F. und Miessner H., Ueber die Immuni- 
sierung von Rindern gegen Tuberkulose. Aus d. Institut f. Infektions- 

. krankh. in Berlin u. aus d. patholog. Institut d. tierärztl. Hochschule in 
Berlin. Zeitschr. f. Hyg. Bd. 51. S. 300. 

Im ersten Teil der Arbeit werden die in der Literatur bekannt gewordenen 
Verfahren besprochen, welche von anderen Untersuchern angewendet 
worden sind, um Rinder gegen Perlsucht zu immunisieren. Den Anfang machen 
diejenigen, bei welchen Stoffwechselerzeugnisse (Tuberkulin) oder tote 
Tuberkelbacillen eingespritzt wurden (M’Fadyean, Pearson und Gilli- 
land); hier wurde zwar ein gewisser, zum Teil beträchtlicher Grad von Im- 
munität erreicht, aber er reichte doch nicht zum Schutz gegen grosse Mengen 
virulenten Materials aus. In eine zweite Gruppe sind die Einspritzungen von 
lebenden Bacillen zusammengefasst, welche den menschlischen Tuberkel- 
bacillen nahestehen (Geflügeltuberkulose, Kaltblütertuberkulose, 
säurefeste Bacillen). Die meisten dieser Versuche sind zunächst bei 
kleineren Tieren (Meerschweinchen, ` Kaninchen, Hunden) angestellt worden 
(M’Fadyean, eine Anzahl französischer Forscher, Moeller, Klemperer, 
Dieudonné, Friedmann), teils mit, teils ohne Erfolg. Bei. Rindern sind 
sie noch zu wenig zalılreich (Friedmann, Römer), als dass ein sicheres 
Urteil möglich wäre, jedenfalls aber ist der auf diesem Wege erreichbare 
Grad von Immunität nicht annähernd mit demjenigen zu vergleichen, 
welcher durch echte Tuberkelbacillen hervorgerufen wird. Besonders 
hervorzuheben ist die Beurteilung der Versuche v. Behrings und seiner 
Schüler, welche einen bestimmten Stamm menschlicher Tuberkulose zur Ein- 
spritzung in die Blutadern benutzten: sie kommt zu dem Schluss, dass daraus 
wohl die Möglichkeit einer Immunisierung von Rindern überhaupt 
hervorgeht, dass aber eine geeignete Methode zur Immunisierung sich 
daraus nicht ergibt. Baumgarten will durch einmalige Impfung von 
lebenden Tuberkelbacillen unter die Haut von Rindern eine sichere, minde- 
stens 21/, Jahr dauernde Immunität erhalten haben, hat nähere Angaben aber 
hierüber bisher noch nicht gemacht. 

Der zweite Teil der Arbeit erwähnt kurz, dass es den Verff. zuerst im 
Herbst 1901 bei Eseln und Ziegen, bald darauf auch bei Rindern ge- 
lungen ist, durch Einspritzung von lebenden Tuberkelbacillen in die Drossel- 
blutader gegen sonst sicher tödliche Infektion mit Perlsuchtbacillen zu immuni- 
sieren, und gibt eine ausführlichere Schilderung derjenigen. neueren 
Versuche, bei welchen dieses Ziel durch nur 1- oder 2malige Ein- 
spritzungen erreicht wurde. Verwendet wurden hierbei 4—6 Wochen alte 
Kulturen auf Glycerinfleischbrühe, welche zwischen Fliesspapier gepresst und 
getrocknet, und von welchen abgewogene Mengen mit physiologischer Koch- 
salzlösung verrieben in die Halsblutadern eingespritzt wurden. Zunächst 
wurden 3 Kälbern 1 cg, anderen 3 Kälbern 2cg eingebracht und hiernach eine 
mehrtägige heftige, später geringe fieberhafte Reaktion, die häufig mit Ge- 
wichtsabnahme verbunden war, beobachtet; nachdem diese verschwunden war, 
folgte 1—2 Monate später bei allen Tieren eine zweite Einspritzung von 5cg 
Tuberkelbacillenkultur, welche nun eine schwächere Reaktion hervorrief, und 


‘Immunität. Schutzimpfung. 937 


ungefähr 40 Tage nachher die Kontrolleimpfung mit 2cg einer Perlsuch- 
kultur, von welcher schon 0,5 mg hinreichten, um innerhalb eines Monats 
den Tod durch akute Miliartuberkulose herbeizuführen. Die Zeit von 30 Tagen 
erwies sich als zu kurz; um der nur langsam eintretenden Immunität 
eine bessere Entwickelung zu ermöglichen, wurde sie in den späteren Ver- 
suchen auf 3 Monate verlängert. Zugleich schien eine grössere Menge 
von Tuberkelbacillen bei der ersten Einspritzung eine stärkere und schnellere 
Bildung von Schutzstoffen zur Folge zu haben. Die Herkunft der einzelnen 
Kulturen der Tuberkelbacillen hatte hierauf keinen Einfluss. Von 12 Kälbern, 
welche erst 3 Monate nach der 2. Tuberkelbacillen-Injektion die Kontrolle- 
Einspritzung mit Perlsuchtbacillen erhalten hatten, sonst ebenso behandelt 
waren, wie die früheren, wurden 5, als sie nach mindestens einem weiteren 
Jahr getötet wurden, völlig frei von Tuberkulose gefunden, bei 2 waren 
einige alte ohne Zweifel abgeheilte tuberkulöse Herde vorhanden, die 
übrigen 5 sind noch am Leben und gesund. Ein gleich günstiges Er- 
gebnis wurde erreicht, wenn statt der zweimaligen nur eine einmalige Ein- 
spritzung von 3cg, 2cg oder 1cg Tuberkelbacillenkultur oder 1—2 cg 
einer abgeschwächten Perlsuchtkultur vorgenommen wurde. Wie lange 
die auf diese Weise erzielte Immunität anhält, darüber sind die Versuche 
noch nicht abgeschlossen. 

Am Schluss wird hervorgehoben, dass es sich bei den beschriebenen Ver- 
suchen nur um Laboratoriumsexperimente handelt, und dass die Frage 
für die Praxis mit ihren ganz anderen Bedingungen der natürlichen Ueber- 
tragung noch der Lösung bedarf. Globig (Berlin). 


Neufeld F. und Rimpau W., Weitere Mitteilungen über die Immunität 
gegen Streptokokken und Pneumokokken. Aus d. Instit. f. In- 
fektionskrankb. in Berlin. Zeitschr. f. Hyg. Bd. 51. S. 283. 

Die Verff. haben bereits früher (vgl. diese Zeitschr. 1905. S. 099) aus- 
einandergesetzt, dass es sich bei dem Immunserum der Streptokokken 
und Pneumokokken nicht um eine antitoxische und auch nicht um 
eine baktericide Wirkung, sondern darum handelt, dass Phagocytose 
eintritt. Während aber Metschnikoff und seine Schüler die Ansicht ver- 
treten, die Leukocyten würden durch das Immunserum zu der phagocytären 
Tätigkeit angereizt, erklären die Verff. auf Grund von Reagensglasversuchen, 
dass nicht die Leukocyten, sondern die Kokken durch das Serum 
verändert und zur Aufnahme in die Leukocyten geeignet gemacht werden. 
Sie bezeichnen diese durchaus specifische Wirkung des Serums als 
„bakteriotropisch“. Die bakteriotropischen und die agglutinierenden Stoffe 
des Serums sind verschieden. Woher die Leukocyten stammen, ob von Tieren 
oder Menschen, ist ohne Einfluss. Mit normalem Serum zusammengebracht, 
zeigen sie keine Phagocytose, dagegen ist dies der Fall, sobald sie mit Immun- 
serum zusammenkommen. Abgetötete Kokken werden ebenso wie lebende in 
die weissen Blutkörperchen aufgenommen. Aus den Leukocyten Stoffe aus- 
zuziehen, die allein oder im Verein mit Immunserum die Kokken ausserhalb 
der Leukocyten aufzulösen imstande wären, ist den Verff. nicht gelungen. Sie 

69* 


938 Immunität. Schutzimpfung. 


sind der Meinung, dass die eigentümliche Wirkung des Serums darauf 
beruht, dass gewisse Receptoren der Kokken, welche die Träger der 
Virulenz sind, besetzt und hierdurch ausser Wirkungsfähigkeit ge- 
setzt werden, und bringen hiermit die Beobachtung in Zusammenhang, dass 
es mit avirulenten Kulturen weder der Streptokokken noch der Pneumokokken 
gelingt, Immunität hervorzurufen, während schon die einmalige Einbringung 
selbst abgetöteter virulenter Kokken genügt, um verhältnismässig hohe Immuni- 
tätsgrade zu erreichen. Auffällig war den Verff. die Neigung der mit Kokken 
erfüllten Leukocyten, sich zu grossen festen Haufen zusammenzuballen, welche 
sowobl im Reagensglase wie in der Bauchböhle von immunisierten Mäusen 
während der Phagocytose beobachtet wurde. Globig (Berlin). 


Schnürer, Josef, Zur präinfektionellen Immunisierung der Hunde 
gegen Lyssa. I. Mitteilung. Aus d. k. u. k. Militär-Tierarzneiinstitute u. 
d. tierärztl. Hochschule in Wien. Zeitschr. f. Hyg. Bd. 51 S. 46. 

Der Umstand, dass 93 v. H. aller Wutfälle bei den Menschen durch 
Hundebisse entstehen, hat den Verf. den Gedanken an eine Immunisierung 
aller Hunde wieder aufnehmen lassen. Er verspricht sich, selbst wenn sie 
nur fakultativ durchgeführt wird, schon wesentliche Vorteile davon. 
Bedingung dafür ist freilich, dass die Gefahr der Erzeugung von Wut durch 
die Impfung selbst völlig vermieden wird, und dass das Verfahren praktisch 
durchführbar d. h. einfach ist. Die aktive Immunisierung mit allmäh- 
lichem Fortschreiten von avirulentem zu vollvirulentem Impfstoff dauert zu 
lange und die passive lmmunisierung gibt zu kurzdauernden Schutz, 
aber der Verf. hofft viel von der Vereinigung beider zu einem „kombinierten“ 
Verfahren der Verwendung von Immunserum und virulentem 
Material, welches sich gegen Schweinerotlauf bewährt bat und einerseits 
raschen Beginn, andererseits hohen Grad und lange Dauer der Im- 
munität bewirkt. Bei den Versuchen, die der Verf. angestellt hat, sind 
allerdings ein Hund an Wut infolge der Impfung und 3 an anderen Krank- 
heiten gestorben, und von den übrigen ist !/; bei den Prüfungen der erreichten 
Immunität gegen Infektion mit Virus fixe und mit Strassenwut unter die harte 
Hirnhaut eingegangen; gegen die Infektion mit beiden Giften in die Muskeln 
und gegen die Bisse wutkranker Tiere war aber schon durch eine ein- 
malige Einspritzung von Virus fixe und Immunserum eine erheb- 
liche Anzahl von Hunden geschützt. Die Gewinnung hochwertigen Im- 
munserums von Schafen ist im Gange und die Ausarbeitung genauerer Vor- 
schriften über seine Verwendung und über die Abmessung der Mengen des 
virulenten Marks nach Körpergewicht, Alter und Rasse werden in Aussicht 
gestellt. Globig (Berlin). 


Massnahmen gegen Giftschlangen. Das Oesterreichische Sanitätswesen. 
1905. No. 45. 

In einem vom Ministerium des Innern eingeholten Gutachten Paltaufs wird 

als Massnahme gegen Schlangenbiss, der in Oesterreich verhältnismässig 


Immunität. Schutzimpfung. 939 


häufig ist, auf die Anwendung des Calmetteschen Antitoxins, welches durch 
Immunisierang von Pferden mit Cobragift hergestellt wird, hingewiesen. 

Wegen der Schwierigkeit der praktischen und rechtzeitigen Verwendung 
des Antitoxins wird folgende Behandlung empfohlen: 

1. Anlegung einer elastischen Ligatur, 

2. Injektion von 20—30 ccm einer aus einer Stammlösung von Chlor- 
kalk (1:12) hergestellten Verdünnung (5 ccm Stammlösung: 45 ccm gekochten 
Wassers) in und um die Umgebung der Wunde, ausgiebiges Waschen der Biss- 
stelle mit stärkerer Chlorkalklösung, 

3. Entfernung der Ligatur, interne Verabreichung von Stimulantien. 

Nieter (Halle a. S.). 


Friedmann A. und Isaac S., Ueber Eiweissimmunität und Eiweissstoff- 
wechsel. I. Mitteilung. Zeitschr. f. experim. Pathol. u. Therapie. Bd. 1. 
Die Verff. haben Versuche angestellt, wie sich die Eiweissimmunität 
in dem möglichst auf alle Einzelheiten geprüften Eiweissstoffwechsel 
spiegelt, wie sich verschiedene normale und immunisierte Tiere bei der Ver- 
wertung des parenteral eingeführten Eiweisses verhalten, ob ferner eintretende 
Veränderungen dieses Verhaltens mit der eingetretenen Immunität direkt zu- 
sammenhängen und demgemäss insofern specifisch sind, als sie sich bloss geltend 
machen bei der subkutanen Injektion desjenigen fremden Eiweisses, gegen 
welches das Tier immunisiert ist. Zu diesem Zwecke benutzten sie zu ihren 
Experimenten zunächst Hunde, die sie durch längeres Hungern auf eine gleich- 
mässige N-Ausscheidung brachten, und denen sie sodann mittels subkutaner 
Injektion eine grössere Menge Eiweiss einverleibten. Aus den Versuchen geht 
hervor, dass die Tiere zunächst ein vollkommen normales Verhalten, insbe- 
sondere keine Steigerung der Körperwärme zeigten, dass parenteral (subkutan) 
eingeführtes Eiweiss beim Hunde im Laufe von Stunden oder wenigen Tagen 
(gewöhnlich nach 24—48 Stunden) fast völlig oder völlig als nicht koagulabler 
N und zwar vorwiegend als Harnstoff ausgeschieden wird. Nach dieser experi- 
mentellen Feststellung über Ausscheidung des einmal subkutan eingeführten 
N beim normalen Tier stellten Verff. Versuche an zwecks Immunisierung mit 
Eiweiss. Sie erhoben hierbei als bemerkenswerten Befund, dass diese letzten 
Tiere sich anders verhielten wie die nicht vorbehandelten Tiere, dass aber 
noch keine völlig bestimmten Angaben gemacht werden können. 

Alsdann gingen sie dazu über, die gleichen Versuche auch an Ziegen zu 
machen. Sie fanden, dass zwischen Hund und Ziege (also zwischen Fleisch- 
und Pflanzenfresser) bei Abbau des Eiweisses in den Geweben nach paren- 
teraler Einverleibung ein Gegensatz besteht, ferner, dass die normalen Ziegen 
vor Eintreten der Immunität den injicierten Stickstoff retinieren, während nach 
der Immunisierung die Eiweissinjektion von einer beträchtlichen Vermehrung 
des Harnstickstoffs gefolgt ist, die sogar die injicierte Stickstoffmenge iu beiden 
Fällen sehr erheblich übertrifft. 

Bei der Frage über die Bedeutung dieser Versuchsergebnisse geben die- 
Verff. ihre Ansicht dahin zum Ausdruck, dass aus ihren Versuchen hervorzu 


940 Beleuchtung. 


gehen scheine, dass der immunisierte Organismus gegenüber dem normalen 
eine erhöhte Fähigkeit erworben hat, körperfremde Substanzen zu zerlegen. 
Nieter (Halle a. S.). 


Indirekte Beleuchtung von Schul- und Zeichensälen mit Gas- und 
elektrischem Bogenlicht. Bericht über Versuche in München, erstattet 
von der auf Veranlassung des Deutschen Vereins von Gas- und Wasserfach- 
männern gebildeten Kommission. München und Berlin 1905. Druck und 
Verlag von R. Oldenbourg. 58 Ss. 8°. 

Zum Zweck der indirekten Beleuchtung von Schul- und Zeichen- 
sälen wurde bis jetzt fast regelmässig das elektrische Bogenlicht ver- 
wendet, während Gas nur versuchsweise zur Anwendung kam. Da aber die 
Technik der Gasbeleuchtung in den letzten Jahren grosse Fortschritte gemacht 
hat, hielt es der Verein von Gas- und Wasserfachmännern für angezeigt, ver- 
gleichende Versuche mit Gas- und elektrischem Bogenlicht anstellen und von 
unparteiischen Vertretern der einschlägigen Wissenschaften prüfen zu lassen, 
inwieweit sich die Gasbeleuchtung nach ihrem jetzigen Stande für die indirekte 
Beleuchtung von Schul- und Zeichensälen eigne. 

Der Versuchskommission gehörten an: Dr. O. Eversbusch, Prof. der 
Universitäts-Augenklinik; Prof. Dr. M. Gruber, Vorstand des Hygienischen 
Instituts; H. Recknagel, Ingenieur für Heizungsanlagen; H. Ries, Direktor 
der städtischen Gaswerke; Dr. Schilling, Civilingenieur; Dr. C. Seggel, 
Generalarzt z. D; Dr. E. Voit, Prof. für Elektrotechnik an der Technischen 
Hochschule, sämtlich in München. 

Die Kommission gelangte auf Grund der sehr sorgfältigen und eingehenden 
Untersuchungen zu nachstehenden Zusammenfassungen der Ergebnisse: 

1. Beleuchtungsstärke. Unter der Annahme, dass in Zeichensälen 
eine Helligkeit an den Arbeitsstellen von 80 Lux, in Schul- und Hörsälen eine 
solche von 25 Lux (beides in Weiss gemessen) erforderlich sei, lässt sich 
sagen, dass diese Beleuchtungsstärken mit den: geprüften Beleuchtungsvor- 
richtungen, soweit sie zum Zwecke der Versuche neu eingerichtet worden 
waren, auch erreicht wurden. Die angewandten Systeme wären sämtlich im 
Stande noch grössere Beleuchtungsstärken zu liefern. 

2. Lichtverteilung. Bei Anwendung der halbzerstreuten Beleuchtung 
war die Lichtverteilung bei Gasbeleuchtung gleichmässiger, als bei der elek- 
trischen. Der Grund hierfür lag in der grösseren Zahl der Lichtquellen. 

Bei der halbzerstreuten Beleuchtung des Hörsales macht sich sowohl 
bei Gas-, wie bei elektrischer Beleuchtung in den auf den höheren Teilen des 
Podiums gelegenen Bänken Blendung durch die Lichtquellen unangenehm be- 
merkbar, und zwar, weil sich die Gaslampen nur 1,36 m, die Bogenlampen 1,74 m 
über dem Niveau der Pultplatte der höchstgelegenen Bank befanden. 

Bei der zerstreuten Beleuchtung im Zeichensaale war der Unterschied in 
der Lichtverteilung zwischen Gas- und elektrischer Beleuchtung mit. normal- 
stehenden Kohlen gering. Bei umgekehrter Kohlenstellung hingegen trat bei 
der elektrischen Beleuchtung eine grössere Ungleichheit der Beleuchtung auf, 


Beleuchtung. 941 


welche von dem geringen Durchmesser des Lichtkreises herrührt, der von der 
unteren Kohle direkt zur Decke geworfen wird. 

3. Schwankungen in der Lichtstärke. Bei beiden Beleuchtungsarten 
traten keine plötzlichen photometrisch messbaren Schwankungen ein. Ein kurzes 
Zucken der Lichtquellen war in störendem Masse bei der halbzerstreuten Be- 
leuchtung mit Bogenlampen in Dreischaltung vorhanden, weshalb diese Art 
der Beleuchtung ohne Vorschaltwiderstände für Schulen und Hörsäle nicht zu 
empfehlen ist. Bei Bogenlampen mit umgekehrter Kohlenstellung trat je nach 
Konstruktion mehr oder minder häufig ein Zucken (Aufblitzen) auf, welches 
je nach Stärke und Häufigkeit mehr oder minder störend war. 

Dagegen traten allmähliche Aenderungen in der Beleuchtungsstärke in 
merkbarer Grösse auf, welche aber sehr geringfügiger Natur waren, so dass sie 
keine praktische Bedeutung haben. 

4. Die Abnahme der Platzbeleuchtung infolge längerer Brenndauer 
war bei den Gasglühkörpern innerhalb der praktisch in Frage kommenden 
Benutzungszeiten nur gering. Sie betrug bei den beiden für gewöhnliches 
Gasglüblicht verwendeten Glühkörperarten nach 300 Brennstunden nicht über 
5,9%, und nach 600 Brennstunden nicht über 13,50%,. Bei der Messung der 
horizontalen Lichtstärke am Photometer ergab sich für die Glühkörper 
Sorte A nach 600 Brennstunden eine Abnahme der Lichtstärke um 18,5%, 
und für die Sorte B unter gleichen Umständen von 11,7°/,. Bei den Glüh- 
körpern für Pressgasbeleuchtung betrug die Abnahme für Selaslicht nach 
200 Brennstunden 2,8°/,, und für Millenniumlicht nach 182 Brennstunden 140/9. 

5. Die Schattenbildung trat nur bei halbzerstreuter Beleuchtung beider 
Lichtarten in merklichem Masse auf. 

6. Die Zusammensetzung der Luft änderte sich in unbesetzten Sälen 

` bei elektrischer Beleuchtung nicht erheblich, während bei Gasbeleuchtung in 
den nicht ventilierten Sälen binnen kurzer Zeit eine sehr merkliche Zu- 
nahme des Kohlensäuregehaltes eintrat. 

Die Temperatursteigerung war bei der Gasbeleuchtung beträchtlicher, 
als bei der elektrischen. 

Diese zu Ungunsten der Gasbeleuchtung sprechenden Verhältnisse werden 
aber schön durch primitive Lüftungsvorrichtungen in ausserordentlich günstigem 
Sinne beeinflusst, so dass, richtige Ventilationsanlagen und richtigen Lüftungs- 
betrieb vorausgesetzt, wesentliche Unterschiede in den Luft- und Temperatur- 
verhältnissen bei Gas- und elektrischer Beleuchtung nicht bestehen. 

Hygienische Bedenken gegen die Verwendung von Gasglüh- 
licht zur Intensivbeleuchtung von Zeichensälen und dergl. Räumen 
auf indirektem Wege liegen nicht vor, falls die Beleuchtungskör- 
per nahe an der Decke angebracht sind und für zweckmässigen 
Abzug der Verbrennungsprodukte gesorgt wird. 

Was die Kostenfrage anbelangt, so ist die Verwendung von Gasglühlicht 
eher billiger, auf alle Fälle nicht teurer als elektrisches Licht. 

Die Versuche der Kommission sprechen jedenfalls für die Konkurrenz- 
fähigkeit der Gasbeleuchtnng und ermuntern zur praktischen Anwendung. Der 


942 Abfallstoffe. 


Bericht der Kommission wird zum Studium angelegentlich empfohlen, er bildet 
eine gediegene Grundlage für Kontrollversuche. Kraft (Zürich). 


Calmette A., Boullanger E. et Rolants E., Contribution à l'étude de 
l’epuration des eaux résiduaires des villes et des industries. 
Ann. de l'Inst. Pasteur. 1905. No. 9. p. 529. 

Vor einem Jahre hat Calmette die Versuchsstation, welche in Lille 
errichtet worden ist, beschrieben. In der vorliegenden Arbeit wird die Rolle 
der anaëroben Gärung in der Faulkammer näher studiert, Vorgänge, 
welche bis jetzt noch wenig bekannt sind. Es wurden die Versuche 14 Tage 
lang in der Weise fortgeführt, dass das zugeführte und das abfliessende Wasser 
untersucht wurde. Die Untersuchung ergab, dass die Menge organischen C 
geringer, ungefähr 50°/,, die Menge des NH, grösser und die Menge des orga- 
nischen N geringer ist in dem ausfliessenden als in dem zufliessenden Wasser. 
Der organische N nimmt in der Faulkammer ab, während der Ammoniak- 
stickstoff etwas zunimmt; im ganzen ist ein Verlust von etwa 8°%/, N einge- 
treten. In England werden die Faulkammern fast alle dicht verschlossen in 
der Annahme, dass die Zersetzung besser vor sich geht. Da die Bedeckung 
einer solchen Anlage mit grossen Kosten verbunden ist, haben Verff. die 
Resultate bei Luftzutritt und Luftabschluss geprüft und gefunden, dass der 
Unterschied zwischen beiden Methoden ein sehr geringer ist. 

Silberschmidt (Zürich). 


Phleps, A critical study of the methods in current use for the deter- 
mination of free and albuminoid ammonia in sewage. Journ. of 
infectious diseases. Vol. 1. No. 2. p. 827. 

Verf. berichtet über die gebräuchlichsten Methoden zur Bestimmung 
des freien und des Albuminoid-Ammoniaks im Abwasser. 
Liefmann (Halle a.S.). 


Segin À., Zur Konservierung der Abwässer. Pharm. Centralhalle. 1905. 
No. 42. S. 809. 

Zur Konservierung der Abwässer ist in letzter Zeit auch das Formalin 
empfohlen worden; die Untersuchungen des Verf.’s bestätigten seine Bedenken 
gegen dieses selbst leicht oxydable Konservierungsmittel, indem schon mini- 
male Zusätze von Formaldehyd den Verbrauch an Kaliumperman- 
ganat ganz erheblich steigern, und zwar erhöhten z. B. 10 mg Formaldehyd 
auf 1 Liter Wasser den Permanganatverbrauch um etwa 20 mg; in stark ver- 
dünnten Lösungen scheint vollkommene Oxydation des Formaldehyds einzutreten, 
so dass dann Img CH,O sogar 4,2 mg KMnO, erfordert. Ein Kanalwasser 
mit 20 mg Formaldehyd auf 1 Liter versetzt, war nach 24 Stunden noch nicht 
keimfrei, zeigte dann aber einen um 100 mg erhöhten Kaliumpermanganat- 
verbrauch. Chloroform erhöht bei Leitungswasser und verdünnten Abwässern 
den KMnO,-Verbrauch gleichfalls etwas, bei konzentrierten Abwässern mit 


Krankenpflege. " 943 


hohem KMnO,-Titer ist sein Einfluss, bei einem Zusatz von 2—3 ccm auf 
1 Liter, aber ganz unbedeutend. 

Bemerkt sei noch, dass Verf. bei der Bestimmung der Oxydierbar- 
keit zur Verhütung des sonst unausbleiblichen Stossens hirse- 
korogrosse Bimsteinstückchen zusetzt, welche vorher gründlich mit 
Kaliumpermanganat und Schwefelsäure ausgekocht, dann mit schwefliger Säure 
behandelt und schliesslich sorgfältig gewässert werden. 

Wesenberg (Elberfeld). 


Meyer, George, Der Einfluss der Centrale der Berliner Rettungsge- 
sellschaft auf dje Krankenversorgung Berlins. Abdr. a. Bd. 15 d. 
Klin. Jabrb. 48 Ss. mit 1 Plan und 4 Kurven im Text. gr. 8°. Jena 1905. 
Verl. v. Gustav Fischer. Preis: 1,80 M. 

Die am 15. Oktober 1897 erfolgte Begründung der Berliner Rettungs- 
gesellschaft mit ihrer Centrale ist als ein Markstein in der Entwickelung 
der Krankenversorgung Berlins anzusehen. Die von Jahr zu Jahr ge- 
steigerte Inanspruchnahme der Centrale beweist, dass die Bevölkerung sich 
immeg mehr an die Einrichtung gewöhnt hat. Der Fortschritt, welchen die 
Berliner Rettungsgesellschaft nicht allein für das Rettungswesen, d. h. für die 
erste Hilfe bei plötzlichen Erkrankungen und Unglücksfällen, durch die Ein- 
richtung der Centrale geschaffen hat, liegt vor allem in der Vermittelung 
möglichst schneller und sicherer Unterkunft Verunglückter und Schwerkranker 
in Krankenhäusern. Diese Versorgung wurde auf Kranke aller Art ausgedehnt. 
Die Krankenhäuser bilden die Hauptwachen der Rettungsgesellschaft, während 
in den Stadtteilen, in denen die Krankenhäuser weiter von einander entfernt 
liegen, einfache Rettungswachen mit der erforderlichen Ausrüstung und stän- 
digem ärztlichen Wachtdienst errichtet wurden. Sämtliche Wachen, ebenso 
die Stationen der privaten Krankentransportunternebmer, das Polizeipräsidium 
und mehrere Polizeirevierbureaus sind mit der Centrale im Langenbeckhause 
durch direkte Fernsprechdrähte verbunden. Im ganzen verfügt die Centrale 
über 35 direkte Fernsprechanschlüsse mit rund 140 km Länge. 

Die Inanspruchnahme der Centrale ist von 579 und 8690 Fällen in den 
Jahren 1897 und 1898 auf 25470 im Jahre 1900 und 47516 im Jahre 1904 

- oder von 0,33 und 4,81°/% der Bevölkerung auf 13,48 und 23,81°/,, gestiegen. 

Sie war am grössten im Januar, Februar, December, am geringsten im April 

und Mai. 

1904 erfolgten 2984 Bestellungen von Krankenwagen und 44532 Fern- 
sprecheranfragen. Die zahlreichsten Fälle trafen auf den Vormittag, 4826 auf 
die Zeit von 11—12, 4752 von 9—10, 4677 von 10—11; auf die Zeit von 
10—7 Uhr nachts kamen 1077 Fälle. Vom Sonnabend mit 7193 Fällen ab- 
gesehen, sank deren Zahl von 7755 am Montag von Tag zu Tag ununterbrochen 
bis 3317 am Sonntag. Würzburg (Berlin). 


70 


944 Specielle sanitäre Einrichlungen. 


Leyden, Hans, Ueber den heutigen Stand der Schiffssanatorienfrage. 
Deutsche med. Wochenschr. 1905. No. 30. S. 1198. 

Während im Altertum bei den Römern unter den klimatischen Heil- 
faktoren das offene Meer und Seereisen eine wichtige Stelle einnahmen, 
namentlich gegen Schwindsucht, konnte hiervon im Mittelalter und bis in 
die neueste Zeit nicht die Rede sein, weil die Unterkunft und die Verpfle- 
gung an Bord sehr mangelhaft und Infektionskrankheiten häufig 
waren. Erst in der jüngsten Zeit ist hierin eine Aenderung eingetreten und 
hat z. B, 1899 Sir Hermann Weber gut eingerichtete Schiffe als 
Meeressanatorien zu längeren und kürzeren Reisen im Mittelmeer, nach 
Westindien und im Sommer in der Nordsee besonders zur Vorbeugung gegen 
Skrofulose und Tuberkulose empfohlen, aber wohl gemerkt nur für reiche 
Leute. Wirksam ist dabei die Staubfreiheit, die Armut der Seeluft an 
Kohlensäure und Keimen, ihr starker Ozongehalt, ihre hohen Feuchtigkeitsgrade, 
der Salzgehalt, der hohe Luftdruck, die Lichtfülle. Dadurch wird der Stoff- 
wechsel angeregt, die Esslust befördert, der Schlaf gebessert, die Stimmung 
gehoben und erfrischt; nervöse Störungen lassen nach; es tritt Wohlbehagen 
ein. Infolge dessen werden durch den Aufenthalt auf See günstig beeinflusst 
Nervenschwache und Genesende, Bleichsüchtige und Blutarme, Tuberkulöse, 
Kranke mit chronischen Katarrhen, Zuckerkranke, Gichtische, Persona mit 
Verdauungs-, Nieren- und Blasenkrankheiten; doch dürfen alle diese Zustände 
noch nicht zu weit vorgeschritten und ein gewisser Vorrat an Kräften, muss 
noch vorhanden sein. Derartige Personen dürfen auch der Seekrankbeit nicht 
allzu stark und bäufig unterliegen. Ausgeschlossen sind unter anderen Leute 
mit Arteriosklerose und Asthma. 

Wie der Verf. mitteilt, hat die Hamburg-Amerika-Linie einen ihrer 
grössten Frachtdampfer, den „Fürst Bismarck“ von 8600 Tonnen Grösse, mit 
den erforderlichen Einrichtungen versehen, als Schiffssanatorium für eine 
Reise an der englischen Küste nordwärts bis nach Norwegen bestimmt. Die 
Kosten hierfür sind sehr erheblich und müssen herausgewirtschaftet werden. 
Deshalb hat sich ein Verein zur Begründung deutscher Schiffssana- 
torien mit dem Sitz in Berlin und unter dem Vorsitz des Admirals von 
Knorr gebildet, welcher die Sache nach dem Muster der Volksheilstätten als 
eine gemeinnützige betreiben will und am Werk ist, die Pläne für ein 
zweckmässiges Schiffssanatorium nach den heutigen Gesichtspunkten 
auszuarbeiten. Dieses soll vor allen Dingen seetüchtig und sicher sein, an- 
genehme sanfte Bewegungen haben, hohen Ansprüchen an Raum, Licht, Luft, 
Reinlichkeit, Bequemlichkeit, Küche und Unterhaltungsmittel genügen; es soll 
nur die mässige Geschwindigkeit von etwa 12—15 Knoten erhalten und etwa 
150 Kranke in Kammern mit 1 und 2 Betten aufnehmen. Als Aufenthalt ist 
der Atlantische Ocean bis zu den Kanarischen Inseln und den Azoren in Aus- 
sicht genommen. Im Kriegsfall soll es die Hospitalschiffe der Marine ent- 
lasten helfen. Globig (Berlin). 


‚Ernährung. 945 


Rosenberg, Umfang der Eiweissverdauung im menschlichen Magen 
unter normalen und pathologischen Verhältnissen. Zeitschr. f. 
klin. Med. Bd. 56. H. 5 u. 6. 

Das Plasmon wird im menschlichen Magen in ca. ?/, Stunden in weit- 
gehende Lösung gebracht, die bei verschiedenen Magenzuständen verschieden 
gross ist und von maximal 61°, bei einer einfachen Subacidität bis minimal 
13°/, bei einer anaciden Gastritis von der eingeführten Bi weissmenge schwankt. 
Durchschnittswerte für das Peptonisationsvermögen zu berechnen, empfiehlt sich 
im. grossen und ganzen nicht, da die Werte selbst innerhalb der Grüppen ana- 
tomisch resp. physiologisch ziemlich gleich beschaffener Mägen zu sehr diffe- 
rieren. Eine Ausnahme machen die Atonien und Ektasien mit je 26%, und 
die Hyperaciditäten mit 18%, gelöstem Eiweiss im Durchschnitt, ohne dass 
diese Zahlen einen absoluten Wert besitzen. Nur insofern sind sie interessant, 
als sie zeigen, dass bei Superacidität die geringsten Mengen gelösten Eiweisses 
(18°/,), bei Subacidität die grössten, bis zu 61%, sich im Mageninbalt finden. 
Für die Verdauungskraft sind die bei vermehrter und normaler Säurebildung 
gefundenen Werte ohne Belang. Die bei Gastritiden, Achylien und Careinomen 
festgestellten beweisen dagegen ein relativ gutes Peptonisationsvermögen selbst 
in Mägen, deren Säure herabgesetzt ist oder ganz fehlt. Auf der Gesamtmenge 
der in Lösung gegangenen und als solche im exprimierten Mageninhalt auf- 
gefundenen Produkte lässt sich keine Diagnose aufbauen. 

Bei der qualitativen Sonderung der Eiweissabbauprodukte konnte festge- 
stellt werden, dass bei normalen Mägen, bei Superaciditäten, bei einfachen 
Atonien, bei Gastritiden und Carcinomen die Albumosengrenze fast gleich weit 
vom gelösten Eiweiss, im Durchschnitt nur 720/4, überschritten wird. So wenig 
Charakteristisches diese Werte beim Vergleich mit einander bieten, so wert- 
volle Unterscheidungsmerkmale geben die in ihnen enthaltenen Reststickstofl- 
mengen, die beim Carcinom das alle anderen weit überragende Maximum von 
51%;, vom gesamten in Lösung gegangenen Eiweiss ausmachen; nach ihm kommt 
die Superacidität mit 39°/,, der normale Magen mit 30%,, die Gastritis chro- 
nica mit 28%, und die Achylie mit 270/,. 

Weiterhin wurde festgestellt, dass, je höher die Acidität, desto grösser 
die die Albumosengrenze überschreitende Stickstoffmenge ist. 

Schliesslich fand Verf. die Experimente von Emerson und Johannes 
Müller bestätigt, dass nämlich die Magenverdauung in überraschend kurzer 
Zeit das Vielfache der künstlichen peptischen Verdauung leistet. 

O. Baumgarten (Halle a. S.). 


Roger et Garnier, Toxicité du contenu intestinal. Société de Biologie. 
Séance du 23 novembre 1905. La sem. méd. 1905. No. 52. p. 618. 
Roger und Garnier baben Dünndarminhalt von einem Hunde Kaninchen 
intravenös injiciert, deren Tod nicht durch intravaskuläre Koagulation eintrat, 
wie die Autopsie der Tiere und auch ein Toxicitätsversuch an Kaninchen, 
welchen man vorber mit Blutegelextrakt vorgenommen hatte, zeigte. 
Durch die Leber werden zum Teil diese Gifte neutralisiert. Bei Injektion 
in die Pfortader ist dreimal mehr nötig, um den Tod herbeizuführen. 


70* 


946 Ernährung. 


Intestinales Gift von einem Hunde tötete Kaninchen in mittlerer Dosis 
von 0,076 pro Kilo Tier. 

Alkohol scheint das toxische Molekül zu zerstören: Weder mit dem ur- 
sprünglichen Produkt noch mit der durch den Alkohol aufgelösten Masse und 
mit dem Präcipitat besteht auch nur eine vergleichbare Toxicität. 

Die intestinalen Gifte des Hundes stammen zum grossen Teil aus der 
Nahrung (Fleisch). Bei Milchernährung des Tieres werden 4 mal weniger 
Gifte gebildet; danach braucht man für ein Kilo Kaninchen, um es zu töten, 
4—8 ccm Dünndarminbalt. Nieter (Halle a.S.). 


Farnsteiner K., Abänderungsvorschlag zu den „Vereinbarungen“ be- 
treffend die Bestimmung der Salpetersäure in Fleisch und Fleisch- 
waren. Zeitschr. f. Untersuchg. d. Nahrgs.- u. Genussm. 1905. Bd. 10. 
S. 329. 

Stüber W., Zur quantitativen Salpeterbestimmung im Fleisch. Ebenda 
S. 330. 

Nach den „Vereinbarungen“ erfolgt die Bestimmung der Salpeter- 
säure im wässerigen Fleischauszuge nach einer der folgenden Methoden: 
a) nach Schlösing-Wagner mit der Abänderung von Schulze-Tiemann, 
b) nach Ulsch, Reduktion der Salpetersäure mit Eisen und Schwefelsäure 
zu Ammoniak, c) nach Böttcher, Reduktion mit Zinkstaub und. Eisenpulver 
in alkalischer Lösung. Die beiden letzteren Methoden sind für die Salpeter- 
bestimmungin Fleischauszügen nur brauchbar, da nach den Untersuchungen 
von Stüber bei der Destillation mit Alkali (auch mit Magnesiumoxyd), 
— besonders aber nach erfolgter Reduktion — sich stets Ammoniak bildet 
auch bei salpeterfreiem Fleische. "X 

Bei der Verwendung der Schlösing-Wagnerschen Methode (Bestimmung 
volumetrisch als NO, im Schiffschen Azotometer über 20 proz. Natronlauge 
aufgefangen; Entwickelung des NO aus KNO, mittels Eisenchlorür und Salz- 
säure in bekannter Weise) wurden aber in einer Anzahl Kontrollanalysen vor- 
züglich stimmende (99,6—102,0°/,) Resultate erzielt. 

Nach diesen Ergebnissen von Stüber schlägt Farnsteiner vor, zur 
Bestimmung der Nitrate im Fleisch und Fleischwaren künftighin ausschliesslich 
das gasometrische Verfahren anzuwenden. Wesenberg (Elberfeld). 


Micko K., Hydrolyse des Fleischextraktes. Aus der staatl. Unter- 
suchungsanstalt für Lebensmittel in Graz. Zeitschr. f. Untersuchg. d. Nahrgs.- 
u. Genussm. 1905. Bd. 10. S. 393. 

Das zur Untersuchung benutzte Liebigsche Fleischextrakt hatte folgende 

Zusammensetzung: 


Wasser" 4 rss ve ne re er 4]; 
Ascher a Ale at re 222190], 
Chlornatrium (aus dem CI der Asche berechnet) . 2,98%, 
Phosphorsäure (P305) » » 2 2 2 202020. 793 


Gesamt Stickstoff. . 2 2 2 2 2 nn nn. 927%, 


Ernährung. 947 


Vom Stickstoff waren vorhanden in Form von 


Ammoniak“. 0 Vest ns en es san ae 28 0,809), 
Albumosen . . » 2 2 22 en nenn. 1,68% 
Kreatinin . . a e een a 180% 
Xanthinkörpern . » 2 2 20 nen nn. 0,70% 

„unbekannter Herkunft“ . . . 4,75%), 


Die Hydrolyse des Fieischextrakter Saide nach dem Ester- Verfahren 
von E. Fischer (Zeitschr. f. physiol. Chem. 1901. Bd. 33. S. 151) vorge- 
nommen.’ Neben Fleischmilchsäure und Bernsteinsäure wurden auf 
diese Weise gefunden Alanin, Glykokoll und Leucin; die beiden letzteren 
traten aber an Menge gegenüber dem Alanin weit zurück. Die Gegenwart von 
Aminovaleriansäure ist wahrscheinlich, war aber nicht sicher nachzuweisen. 

Wesenberg (Elberfeld). 


Arnold W., Beiträge zur Analyse der Speisefette. Zeitschr. f. Unter- 
suchg. d. Nahrgs.- u. Genussm. 1905. Bd. 10. S. 201. 

Zur gleichzeitigen und raschen Bestimmung der Verseifungszahl, Reichert- 
Meissischen Zahl, Polenskeschen (nBZ) Zahl und des mittleren Molekular- 
gewichtes der nichtflüchtigen Säuren (Juckenack und Pasternack) in ein 
und derselben Fettmenge hat sich dem Verf. das nachstehend kurz angegebene 
Verfahren gut bewährt: 5 g Fett werden in einem 800 ccm fassenden Schott- 
schen Kolben mit 10 ccm alkoholischer Lauge (mit 70 proz. Alkohol herge- 
stellt, 10 ccm = 25—27 ccm alkoholischer Normal-H;SO,) in der von Bremer 
angegebenen Weise verseift, und die Verseifungszahl durch Rücktitration 
mit alkoholischer (70 proz.) Normal-Schwefelsäure — unter Benutzung von mög- 
lichst wenig Phenolphtalein — festgestellt; die neutrale Seifenlösung wird dann 
nach Zusatz von 0,5 ccm der alkoholischen Lauge und 20 ccm Glycerin durch 
Erhitzen über freier Flamme von Alkohol und Wasser befreit, der sirupöse 
Rückstand mit 90 cem Wasser verdünnt, dann mit 50 ccm Schwefelsäure 
(25: 1000) versetzt und nach Zusatz von Bimsteinpulver im Polenskeschen 
Apparat 110 ccm abdestilliert; im Destillat wird die Reichert-MeissIsche 
und Polenskesche Zahl gemäss den Angaben von Polenske (vergl. diese 
Zeitschr. 1905. S. 1049) bestimmt, nur dass man statt 1/1ọ N-Barytlauge eine 
1/10 Normal-Natron- oder Kalilauge zur Titration benutzt. 

Die im Destillationskolben enthaltenen nichtflüchtigen Fettsäuren 
werden durch wiederholtes Ausschütteln mit heissem Wasser und nachfolgendes 
Erstarrenlassen bis zur neutralen Reaktion des Waschwassers ausgewaschen, 
dann in Aether gelöst, die ätherische Lösung etwa 3 Stunden lang über Chlor- 
calcium getrocknet und der Aether abdestilliert; die etwa 3/, Stunden bei 1050 
getrockneten Fettsäuren werden in einen etwa 60 ccm fassenden Erlenmeyer- 
kolben möglichst quantitativ eingewogen und die Verseifungszahl der Fett- 
säuren mit 10 ccm alkoholischer Lauge, wie oben, bestimmt (die direkte 
Titration ist häufig wegen der Neigung der Fettsäuren lakton- oder anhydrid- 
artige Komplexe zu bilden nicht einwandfrei). 

Auf das in zahlreichen Tabellen niedergelegte Analysenmaterial und die 


948 Ernährung. 


daraus sich ergebenden einzelnen Folgerungen kann hier nur hingewiesen 
werden. Si: P 

Zum Nachweis geringer Mengen. von Azofarbstoff, welche sich 
dem Nachweis durch Alkohol- bezw. der Petroläther-Eisessig-Behandlung nach 
Sprinkmeyer und Wagner (vergl. diese Zeitschr. 1906. S. 710) entziehen, 
erwärmt Verf. 5 ccm des Fettes im Reagensglas mit etwa 2 ccm alkoholischer 
Salzsäure (1 cem konzentrierte Salzsäure auf 99 ccm 95 proz. Alkohol) bis 
zur langsamen Durchmischung von Fett und saurem Alkohol; letzterer löst 
den Farbstoff mit mehr oder weniger stark rosaroter Farbe aus dem Fett her- 
aus und sammelt sich an der Oberfläche der Fettschicht. 

Wesenberg (Elberfeld). 


v. Freudenreich E., Ueber die Bakterien im Kuheuter und ihre Ver- 
teilung in den verschiedenen Partien des Melkens. Centralbl. f. 
.Bakt. Abt. II. Bd. 13. S. 281—290 u. 407—427. 

In einer früheren Arbeit (cf. diese Zeitschr. 1900. S. 401) konnte vom 
Verf. gezeigt werden, dass das Kuheuter, wie schon von Ward nachgewiesen 
wurde (cf. A. R. Ward, The invasion of tbe udder by bacteria. Cornell Uni- 
versity Agricultural Experiment Station. Bulletin 178), gewöhnlich eine nicht 
unansehnliche Zahl von Bakterien beherbergt. Zwei weitere Fragen erregen 
nunmehr das Interesse, nämlich einmal diejenige, woher diese Bakterien 
kommen, und dann, in welcher Weise sie das Euter verlassen , 
d. h. wie sie sich auf die verschiedenen Portionen des Gemelkes verteilen. 

Verf. bespricht zunächst die bisherigen Versuche anderer Forscher, be- 
sonders auch diejenigen, welche die aseptische Milchgewinnung zum 
Gegenstand haben, und deren Daten z. T. wenigstens zur Beantwortung der 
zweiten vom Verf. gestellten Frage dienen können. Verf. selbst stellte 4 ver- 
schiedene Versuchsreihen mit Kühen an; die Resultate sind z. T. auffallend 
unterschiedliche nicht nur naturgemäss bei den einzelnen Portionen des Ge- 
melkes, sondern auch zwischen den verschiedenen Versuchsreihen und inner- 
halb einer und derselben Versuchsreihe. Auch bezüglich der vorgefundenen 
Bakterienarten konnte v. Freudenreich ganz eigentümliche Resultate zu 
Tage fördern. Was z. B. das Bacterium lactis acidi aubelangt, welches 
nach Angabe anderer Forscher so häufig in der frisch gemolkenen Milch an- 
zutreften sein soll, so haben des Verf.’s Versuche ergeben, dass der genannte 
Organismus in der Milch der meisten Kühe sich überhaupt gar nicht vorfand; 
auch die Milch der einzelnen Zitzen einer und derselben Kuh gab zuweilen 
recht unterschiedliche Resultate. In einem Falle trat sogar das Sonderbare 
ein, dass das reichlich vorhandene Bacterium lactis acidi während des 
Melkens oft an Zahl noch zunahm; bei wiederholten Versuchen war das 
Resultat noch ausgeprägter. 

Aehnliche Beobachtungen konnten zuweilen auch bezüglich der Strepto- 
kokkenflora gemacht werden. 

Weiterhin konnten Coli- und Adrogenesbakterien und andere 
Organismen, die in ähnlicher Weise wie die Streptokokken Euterentzündung 
hervorrufen können, nur in Ausnahmefällen beobachtet werden. 


Ernährung. 949 


In überwiegender Mehrzahl wurden von v. Freudenreich verflüssi- 
gende Kokken angetroffen und zwar dieselben, welche er schon in der oben 
eitierten früheren Arbeit beschrieben hat. 

Bezüglich der Invasionspforte der Bakterien des Euters hat man 
auf der einen Seite die Darmwand (die zwar kein unüberwindliches Hinder- 
nis darstellt), auf der anderen Seite die Zitzenöffnung mit dem Zitzen- 
kanal, der stets Bakterien enthält, zu berücksichtigen. Dem Verf. scheint 
der letztere Weg der wahrscheinlichere zu sein. 

Schliesslich berührt der Verf. noch einen wichtigen Punkt, welcher noch 
sehr der Aufklärung bedürftig ist, nämlich denjenigen, warum man in der 
dem Euter direkt entnommenen Milch so wenig Bakterienarten antrifft, 
während doch die Zitzen mit den verschiedensten Bakterien in Berührung 
kommen. Diese Frage ist übrigens auch für die Theorie der hämatogenen 
Infektion wichtig, da im Darm allerlei Bakterien vorkommen. Verf. glaubt 
annehmen zu müssen, dass gleich am Anfang diejenigen Organismen im 
Zitzenkanal und im Euter sich ansiedeln, welche dort am besten gedeihen; 
vielleicht auch sind es solche Organismen, welche den von mehreren Forschern 
ausser Zweifel gestellten baktericiden Eigenschaften der Milch am 
besten widerstehen. Wenn sich dieselben einmal angesiedelt haben, so ver- 
legen sie den anderen Bakterien den Weg. Verf. sieht vorläufig keine andere 
Erklärung und hofft später dieser Frage näher zu treten. Nach der Ansicht 
des Ref. wird man übrigens schon zu einer teilweisen Erklärung der vor-' 
liegenden Erscheinung kommen, wenn man nicht wie gewöhnlich üblich einen 
und denselben Nährboden bei den diesbezüglichen Untersuchungen zur Fest- 
stellung der Keimzahlen verwendet, sondern möglichst verschiedenartig zu- 
sammengesetzte Kulturmedien. Heinze (Halle a. S.). 


de Waele H., Sugg E. et Vandevelde A. J. J., Sur l’obtention de lait cru 
stérile. Centralbl. f. Bakt. Abt. II. Bd. 13. S. 30—35. 

Die Gewinnung frischer, steriler Kuhmilch ist bekanntlich in der 
bakteriologischen Technik noch nicht sehr oft versucht worden. Neuerdings 
ist indessen die Frage von verschiedener Seite in Angriff genommen worden, 
zumal frische, sterile Kuhmilch in jeder Hinsicht sterilisierter oder gar pasteu- 
risierter Milch überlegen ist: Vor allem ist ja das Kaseïn und Albumin in der 
Milch unverändert vorhanden; ebenso sind die Enzyme, über deren Ver- 
schiedenheit uns Neumann-Wender, Friedjung, Hecht, Reinhardt und 
Moro nähere Mitteilung gemacht haben, in solcher Milch auch noch vorhanden 
und zwar in ungeschwächter Wirksamkeit. 

Die Verff. besprechen zunächst die bisherigen Versuche anderer Autoren 
zur Gewinnung frischer, steriler Kuhmilch und geben eine vorläufige Mitteilung 
eigener Versuche, wie man in geeigneter Weise zu besonderen Zwecken brauch- 
bare, sterile, frische Milch gewinnen kann und zwar mit Hilfe von Wasserstoff- 
superoxyd. Näheres über die Gewinnungsmethode und die Vorteile einer solchen 
Milch möge im Original nachgesehen werden; als besonders wichtig für die 
bakteriologische Technik mag jedoch nicht unerwähnt bleiben, dass im allge- 
meinen die verschiedenen Organismen sich in solcher Milch entwickeln, ohne 


950 Ernährung. 


den Nährboden in nennenswerter Weise zu verändern, und dass besonders der 
wichtige Bacillus typhosus und das Bacterium coli sich in dieser Milch 
in deutlicher Weise entwickeln. Heinze (Halle a. S.). 


Swellengroebel M., Ueber pasteurisierte Milch. Centralbl. f. Bakt. Abt. II. 
Bd. 12. S. 440. 

Beim Pasteurisieren in Flaschen können zum Abdichten der Ver- 
schlüsse dienende Gummi- oder Korkringe, wenn sie nicht sorgfältig ge- 
säubert sind oder reichlich Risse bezw. Poren enthalten, den verschieden- 
sten Organismen einen gewissen Schutz gewähren. Gauz ähnlich verhält 
es sich mit den in Flaschen verbleibenden, an den Wänden angetrockneten 
Milchresten. Weiterhin ist auch bereits bekannt, dass die Haut, welche 
sich beim stärkeren Erhitzen an der Milchoberfläche bildet, eine ähnliche 
Schutzwirkung ausübt, und es ist zur Beseitigung dieses Uebelstandes starke 
Bewegung der Milch während des Erhitzens anempfohlen worden. 

Dies hindert zwar die Hautbildung, befördert aber die Bildung von Schaum, 
und dieser wiederum hat, wie die näheren Versuche ergaben, eine ganz ähn- 
liche Wirkung. Es wird daher vom Verf. empfohlen, die Milch nur auf 60 
bis 70° C zu erhitzen, bei welcher Temperatur noch keine Hautbildung ein- 
treten soll, und die Erhitzung während längerer Zeit und ohne heftige Bewe- 
gung vorzunehmen. 

Da der Gebrauch pasteurisierter Milch auch unter den niederen Ständen 
immer allgemeiner wird wegen der mit ihrem Gebrauche verbundenen nicht 
zu unterschätzenden Vorteile, so wäre es recht wünschenswert, wenn in der 
Richtung der etwaigen schädlichen Begleiterscheinungen noch weit mehr und 
eingehendere Untersuchungen angestellt würden, als es bisher geschehen ist. 

Heinze (Halle a. S.). 


Gordan P., Eignet sich Wassersuperoxyd zum Sterilisieren der 
Milch? Arbeit a. d. hygien. Untersuchungsanstalt der Stadt Danzig. Cen- 
tralbl. f. Bakt. Abt. II. Bd. 13. S. 716. 

Verf. prüft ein Verfahren von C. C. L. Budde in Kopenhagen nach, 
welches in der Milchzeitung 1903 No. 44 als ein neues Verfahren mit der 
Ueberschrift: „Eine neue Methode, die Milch zu sterilisieren“ bekannt 
gegeben wurde. 

Aus den verschiedenartig angestellten Versuchen des Verf.’s liessen sich 
folgende Ergebnisse gewinnen: 

Kleine Mengen H,O,, wie sie von Budde angegeben werden, haben so 
gut wie gar keine Bedeutung für die Sterilisation der Milch. Grössere Mengen 
H,O, wirken vorübergehend hemmend auf das Bakterienwachstum ein. Werden 
3mal so grosse Mengen, wie Budde sie angibt, der Milch zugesetzt, dann 
erst werden alle Organismen vernichtet. 

Kleine Gaben H,O, beeinträchtigen übrigens nach dem Verf. den Ge- 
schmack der Milch nur unwesentlich, grössere Mengen verursachen einen 
beissenden, unangenehmen Geschmack, und grosse Mengen H,O, (0,1°/,), der 
Milch zugesetzt, machen diese für den menschlichen Genuss unbrauchbar. 


Ernährung. 951 


Wenn man alsdann bedenkt, dass bei dem Buddeschen Verfahren auch 
Tuberkelbacillen nicht zu Grunde gehen, ferner, dass der ganze Sterilisations- 
process umständlich, zeitraubend und, wenn reines H,O, (30,0%, Merck) ver- 
wendet wird, auch ziemlich kostspielig ist, so liegt nach dem Verf. gar kein 
Grund vor, dieses Verfahren in Deutschland nachzuahmen. 

Heinze (Halle a. S.). 


Burr A. (Kiel), Ueber die Bestimmung des Fettgehaltes der Butter 
nach Gottlieb. Zeitschr. f. Untersuchg. d. Nahrgs.- u. Genussm. 1905. 
Bd. 10. S. 286. 

Zur Erzielung einer guten Durchschnittsprobe für die Bestimmung 
von Wasser, Salz oder Fett wird die Butter in einem geräumigen Glas- 
stopfenglase bei gelinder Wärme geschmolzen und darauf bis zum Erstarren 
unter Öfterem Abkühlen kräftig geschüttelt. Von der so vorbereiteten Butter 
werden aus einem gutgeschlossenen Wägegläschen mit der Spatelspitze etwa 
1,0—1,8 g — durch Differenzwägung genau bestimmt — entnommen, durch 
einen kleinen Trichter mit etwa 10 ccm heissem Wasser in einen Röseschen 
Cylinder gespült; dann wird abgekühlt, 1 ccm Ammoniak zugegeben, vorsichtig 
durchgeschüttelt, Trichter und Spatel mit 10 cem Alkohol und, nach dem 
Durchmischen der Flüssigkeit, mit 25ccm Aether naclıgespült; weiter verfährt 
man wie gewöhnlich bei dem Gottliebschen Verfahren. Nach etwa 4stündigem 
Stehen wird die Fettlösung in einem gewogenen Erlenmeyerkolben abgehebert, 
das Heberrohr mit 25 ccm Aether und dann mit 25ccm Petroläther aber in 
den Cylinder hinein abgespült und nochmals nach dem Durchschütteln der 
Ruhe überlassen; nach dem Absetzen wird dieses Mal das Volumen der Fett- 
lösung abgelesen, ein aliquoter Teil derselben in einen zweiten Erlenmeyer- 
kolben abgehebert und die hierbei erhaltene zweite Fettmenge auf das Ge- 
samtvolumen berechnet. Wesenberg (Elberfeld). 


Rogers L. A., Ueber die Ursachen der bei in Büchsen verpackter 
Butter vorkommenden Zersetzungen. Centralbl. f. Bakt. Abt. Il. 
Bd. 12. S. 388. ff. 

lo den Vereinigten Staaten hat es sich bekanntlich zu einer dauernden 
Industrie herangebildet, Butter in Büchsen zu konservieren, und zwar für den 
Gebrauch in tropischen und anderen Ländern, wo frische Butter nicht zu haben 
ist. Dies ist allerdings nur in geringem Massstabe in New York der Fall; aber 
im mittleren Westen und vor allem in den Staaten der westlichen Küsten 
werden grosse Quantitäten konserviert, um nach Westindien, den Philippinen, 
dem asiatischen Festlande und Alaska versandt zu werden. 

In den wärmeren Ländern ist es selten der Fall, dass sich diese Butter 
lange hält, obwohl ihre dauernde Haltbarkeit öfters von den Producenten be- 
hauptet wird. Sie verändert sich allerdings meist recht langsam, verliert aber 
mit der Zeit gewöhnlich ihren Wert als Konsumware ganz. 

Der Geschmack von gesammelten Proben war oftmals recht verschieden- 
artig. In einigen hatte sich ein unangenehmer, scharfer Nachgeschmack ent- 
wickelt, während andere einen strengen, widrigen Geschmack, der fast wirkliche 

71 


952 Ernährung. 


Ranzigkeit verriet, besassen. In den letztgenannten Fällen konnte mau nicht 
von gewöhnlicher Ranzigkeit sprechen, aber der Geschmack war dem, der von 
amerikanischen Butterexperten als sogenannter „fischiger Geschmack“ (fishy 
flavor) bezeichnet wird, sehr ähnlich. Die Mehrzahl dieser Butterproben war 
weich und klebrig, und einige waren bei gewöhnlicher Temperatur dickflüssig. 
Der Geschmack liess eher auf eine Zersetzung der Fette, als der Proteinsub 
stanzen schliessen. 

Die Untersuchungsergebnisse des Verf.’s weisen nun darauf hin, dass die 
Veränderungen, welche den guten, frischen Geschmack der Butter zum Ver- 
schwinden bringen, in erster Linie durch eine Bildung freier Säure bedingt 
sind, und dass diese durch lipolytische Fermente hervorgerufen wird, die schon 
mit der Milch aus dem Euter abgeschieden oder innerhalb der Butter durch 
gewisse Organismen gebildet werden. Ein solches Ferment mit den zu er- 
wartenden Eigenschaften konnte als Ausscheidungsprodukt einer in der Butter 
vorkommenden Torulabefe festgestellt werden. Heinze (Halle a. S.). 


Rodella, Antonio, Ueber die in der normalen Milch vorkommenden 
Anadrobien und ihre Beziehungen zum Käsereifungsprocesse. 
5. Mitt. Centralbl. f. Bakt. Abt. II. Bd. 13. S. 504 ff. 

Es werden die bisher bekannten Befunde und die Methoden zur Isolieruug 
bezw. zum Nachweis der Anaörobien ausführlicher besprochen. Um einiger- 
massen sichere Resultate zu gewinnen, empfiehlt es sich entschieden, stets 
mehrere dieser Methoden gleichzeitig anzuwenden. Die besten Ergebnisse 
lieferte die Impfung von O,lcem Milch, mit 8ccm 2 proz. NaaCO,-Lösung 
verdünnt, in Grubersche Röhrchen mit bei 123— 130° C. sterilisiertem Eier- 
eiweiss. Es ergab sich im Gegensatze zu den bisherigen Angaben, dass schon 
in 0,1 cem Milch mindestens 1—3 Sporen von Anaörobien vorhanden sind. 

Für 1g Käse werden danach Hunderte von solchen angenommen, und 
da sie während der Reifung anaërobe Bedingungen, mithin für ihre Ent- 
wickelung günstige Verhältnisse vorfinden, so hält Verf. ihre Beteiligung an 
dieser Reifung für wahrscheinlich. Das Aroma hängt weiterhin nicht nur 
von der Bakterienart, sondern nach dem Verf. auch in hohem Masse von dem 
Substrat und den anderen sich darin abspielenden Vorgängen ab. 

Zur einigermassen befriedigenden Klärung der ganzen Frage werden aber 
zweifellos noch weit umfangreichere Untersuchungen sich notwendig machen, 
zumal bekanntlich andere namhafte Forscher auf diesem Gebiete, wie v. Freuden- 
reich, einen entgegengesetzten Standpunkt einnehmen. 

Heinze (Halle a. S.). 


Kuttner S. und Ulrich Chr. (Leipzig), Ueber die Verwendung von Streu- 
mehlen in der Bäckerei. II. Zeitschr. f. öffentl. Chem. 1905. No. 17. 
S. 319. 

Anschliessend au ihre frühere Mitteilung über für die Bäckerei bestimmte 
Streumehle (vergl. diese Zeitschr. 1906. S. 554) teilen die Verff. die Ergebnisse 
der Untersuchung von 3 Holzstreumehlen mit, von denen No. I und II nicht 
präpariert ist, während No. IlI eine Art Destillationsprocess durchgemacht hat. 


Ernährung. 953 


Den früher näher referierten Anforderungen an gute Streumehle entsprechen 
die 3 Holzstreumehle von allen untersuchten Streumehlen an vollkommensten, 
sie übertreffen also an Brauchbarkeit die Streumehle aus Fruchtschalen, Reis- 
hülsen, Haferhülsen und Stroh. Wesenberg (Elberfeld). 


Benz 6G. (Heilbronn), Zur Beurteilung von Paniermehl. Zeitschr. f. 
öffentl. Chem. 1905. H. 20. S. 386. 

Den Begriff des „Paniermehles‘“ möchte Verf. durch folgende Definition 
klar festgelegt wissen: 

1. Paniermehl ist als ein ausschliesslich durch Rinteigen, Backen, Rösten 
(Trocknen) und Mahlen herzustellendes Erzeugnis aufzufassen. Farbstoffzusätze, 
die den Anforderungen des Gesetzes vom 5. Juli 1887 entsprechen, sind, 
insofern sie nicht in Verbindung mit einer entsprechenden Bezeichnung des 
Fabrikats eine Wesensverbesserung des gewöhnlichen Paniermehls vortäuschen 
sollen, zulässig. 

2. Die gefärbten Griesmehle (Mais-, Reis, Hirse- u. s. w. Gries) sind als 
solche zu bezeichnen. Wesenberg (Elberfeld). 


Hefelmann R., Müller F. und Rückert W. (Dresden-A), Ueber den Speck- 
steingehalt des Reises, der Graupen und der geschälten Erbsen 
des Handels. Zeitschr. f. öffentl. Chem. 1905. No. 17. S. 309. 

Zum qualitativen Nachweis von Speckstein wurden 5g Graupen 
u.s. w. im diekwandigen Glasrohr mit 20 ccm Wasser kräftig geschüttelt und 
die Flüssigkeit samt Schwebestoffen schnell in ein Probierrohr abgegossen und 
in diesem mit 3 ccm 8 proz. Natronlauge 1 Minute lang gekocht; die Gegen- 
wart von Talkum (Speckstein) gibt sich durch einen zu Boden sinkenden, 
dichten, weissen Niederschlag zu erkennen, über dem sich nach dem Erkalten 
oft voluminöse Flocken von. vorher gelösten Mehlbestandteilen abscheiden. 
Zur quantitativen Bestimmung werden 5 g Graupen und Reis bezw. 
10 g Erbsen in einem 75ccm-Erlenmeyerkölbchen 4 mal mit je 15 bis 
20 ccm Wasser ausgeschüttelt, die Waschwässer schnell in eine tarierte Wein- 
schale gegossen, abgedampft und geglüht (zum Reinigen der Platinschale von 
festanhaftendem Speckstein empfiehlt sich Flusssäure). Biese Bestimmung der 
Asche ist infolge der wechselnden Zusammensetzung des Specksteins des 
Handels empfehlenswerter als die von anderen Autoren vorgeschlagene Be- 
stimmung der Kieselsäure oder der Magnesia; es ist dabei allerdings zu be- 
rücksichtigen, dass das beim Schütteln abgeriebene Mehl ebenfalls Asche beim 
Verbrennen hinterlässt, so dass sich die Anbringung etwa des nachstehenden 
Abzugs für Mehlasche empfiehlt: 


für 5 g Reis. . etwa 0,4 mg 
n 5 g Graupen » 14mg 
n 10 g Erbsen . v 12,0 mg 


Von 509 Proben Reis waren 86 (17°/,) unpoliert, 69 (13,5°/,) schwach 
und 354 (69,5%/,) stärker poliert bezw. „umkleidet“ (es wurde bis 1,94°/, Tal- 
kum ermittelt), von 168 Proben Graupen waren 125 (74,40/,) unpoliert, 9 
(5,4/0) schwach und 34 Proben (20,2%/,) stärker poliert bezw. „umkleidet“ 


A i 


954 Ernährung. 


(bis 1,60%, Talkum ermittelt), von 133 Proben gelben Schälerbsen er- 
wiesen sich 64 als unpoliert und 69 als poliert bezw. „umkleidet“ (mit bis 
1,00°/, Talkum). 25 Proben grüne Erbsen und 6 Proben Linsen erwiesen 
sich als ungetalkt und ungefärbt. 

Da zum Polieren 0,3%, Talkumzusatz bei Reis und 0,2%, bei 
Graupen und Erbsen genügt, sind grössere Mengen zu beanstanden. 
„Sache der Physiologen wird es sein, zu prüfen, ob bei länger fortgesetztem 
Genuss getalkter trockener Gemüse niclt in den Schleimliäuten und im Darm- 
traktus, etwa im Blinddarm, Ablagerungen von Speckstein eintreten.“ 

Wesenberg (Elberfeld). 


Krug 0. (Speyer), Beiträge zur Kenntnis des Natrongehaltes des 
Traubenweins. Zeitschr. f. Untersuchg. d. Nahrgs.- u. Genussm. 1905. 
Bd. 10. S. 417. 

3 Weissweine, welche im ganzen den Anforderungen des Weingesetzes 
bezw. der Bundesrats-Bekanntmachung vom 2. Juli 1901 vollkommen gerecht 
wurden, besassen einen Natrongehalt von 0,0165, 0,0322 bezw. 0,0418 g 
Na¿0 in 100 ccm und wurden daher als verfälscht beanstandet; in 2 Fällen 
erfolgte bisher auch bereits Bestrafung. Bei 48 notorisch reinen Naturweinen 
aus den verschiedenen Lagen und Gemarkungen des Weinbaugebietes der 
Rheinpfalz schwankten die Natrongehalte zwischen 0,4—6 mg und in den 
weitaus meisten Fällen (etwa 80°/,) beträgt der Natrongehalt (Na,0) kaum 
1%/, der Gesamtasche (schwankend zwischen 0,12 und 3,08°%/,). Die von 
K. Windisch als oberste Grenze für den Natrongehalt angegebene Menge von 
0,015 g (in 100 ccm) für unsere deutschen Weine ist nach Ansicht des Verf.'s 
viel zu hoch gegriffen; man wird vielmehr Weine, die über 10 mg 
Natron enthalten, mit Sicherheit als gesetzwidrig hergestellte 
Produkte bezeichnen können, vorausgesetzt, dass der Chlor- bezw. Koch 
salzgehalt ein durchaus normaler ist und auch die sonstige Beschaffenheit den 
Verdacht einer Fälschung nahe legt. Wesenberg (Elberfeld). 


v. Boltenstern, Zur Bewertung des Kaffees als Volksgenussmittel. 
Deutsche Aerzte-Ztg. 1905. H. 20. 

Der Verf. betont die Schädigungen des regelmässigen Kaffeegenusses, 
die auf dem Koffeingehalt, welcher beim rohen Kaffee etwa 1/;—2,5%, 
beim Röstkaffee etwas weniger ausmacht, beruhen. Das Koffein wirkt anregend 
auf das Centralnervensystem, auf die Muskeln, auf die Eigenwärme, auf die 
Atmung, das Herz und die Nieren. Durch Eintritt einer gewissen Gewöhnung 
werden stärkere Aufgüsse, um die gewünschte Wirkung zu erzielen, verlangt, 
so dass es häufig zum Koffeinismus (chron. Kaffeevergiftung) kommt. Nach 
einer Zusammenstellung über den Kaffeekonsum in Deutschland und anderen 
Gebieten rügt Verf. die falsche Anschauung, dass Kaffee ein Nahrungsmittel 
sei, ferner die Annahme, dass Kaffee ein Sparmittel, durch welches die Nähr- 
stoffe des Körpers vor einem raschen Verbrauch geschützt werden, darstelle. 
Kaffee ist lediglich Genussmittel. 

Bei der Frage nach Ersatzstoffen (Malzkaffee, Kathreiners Kaffee) für 


Ernährung. 955 


Bohnenkaffee betont der Verf. ihre Bedeutung vom hygienischen wie volks- 
wirtschaftlichen Standpunkt mit der Voraussetzung, dass die verwendeten 
Materialien gut und unverfälscht sind. Nieter (Halle a. S.). 


Beythien A. (Dresden), Ueber das Jörgensensche Verfahren der Bor- 
säurebestimmung. Zeitschr. f. Untersuchg. d. Nahrgs.- u. Genussm. 1905. 
Bd. 10. S. 283. 

Die Gegenwart von Phosphorsäure bei der Titration von Borsäure kann 
vollkommen ungenaue Werte für die letztere ergeben, wenn das Gemisch beider 
Säuren erst bis zum Farbenumschlag gegen Methylorange, und dann nach 
Gilycerinzusatz gegen Phenolphtalein titriert wird, da ja die Phosphorsäure 
gegen Metbylorange nur balb so viel Alkali verbraucht als gegen Phenolphtalein. 
Bei Anwendung beider Indikatoren muss also die Phosphorsäure vorher ent- 
fernt werden; 1 ccm Normallauge entspricht dann 62 mg Borsäure (H,BO,). 
Bei der Anwendung von Phenolphtalein allein braucht die Phosphorsäure nicht 
entfernt zu werden; für die Berechnung ist diejenige Alkalimenge zu Grunde zu 
degen, welche von der in wässeriger Lösung bereits neutralisierten Flüssigkeit 
nach dem Glycerinzusatz verbraucht wird; der Borsäuretiter ist in diesem Falle 
etwas abhängig von der Menge der vorhandenen Borsäure und der Konzen- 
tration der Lösung und beträgt für 1 ccm Normallauge bei Anwesenheit von 

100 mg Borsäure in 50 ccm etwa 63,3 mg H,BO, 
155 „ BOT RE 45.1.6454 
400 „ » n50 n n 66T n y 

Wesenberg (Elberfeld). 


” ” 


Price M. T., The effect of some food preservatives on the action of 
digestive enzymes. Contribution from the Biochemic Division, Bureau 
of Animal Industry, U. S. Dept. of Agriculture. Centralbl. f. Bakt. Abt. II. 
Bd. 14. S. 65—75. 

Vom Verf. wurde das Studium des Einflusses von Nahrungs-Konservie- 
rungsmitteln auf die sogenannten Verdauungsenzyme mit der Absicht 
unternommen, das Minimum an Formalin-Borsäure, Borax und Salicylsäure 
zu bestimmen, welches erforderlich ist, um Milch für 48 Stunden zu konser- 
vieren; die Wirkung der verschiedenen Mittel auf die Verdauung der Milch 
wurde übrigens dadurch vom Verf. bestimmt, dass er die behandelte Milch 
an Kälber verfütterte. Auch wurde besonders der Einfluss des Formalins auf 
einige der verbreitetsten Bakterien studiert. 

Die speciellen Enzymversuche wurden vom Verf. mit Labferment, Pep- 
sin, Pankreatin, Steapsin, Ptyalin und Amylopsin angestellt, und es 
konnten aus den diesbezüglichen Versuchen nach dem Verf. folgende Schlüsse 
gezogen werden: 

1. Eine Zugabe von Formaldehyd im Verhältnis 1:20000 konserviert die 
Milch auf 48 Stunden; 

2. Eine Zugabe von Formaldehyd (1:10000) zur Milch beeinträchtigt 
nicht deren Verdauung bei der Verfütterung an Kälber; 


956 Desinfektion. 


3. Selbst bei längere Zeit anhaltender Ernährung der Kälber mit Formal- 
dehydmilch blieben die Kälber gesund und nahmen an Gewicht merklich zu: 

4. Eine stärkere Formaldehydmilch (im Verhältnis 1: 2500 oder weniger; 
hat keinen Einfluss auf die Wirksamkeit der frischen Rasse (Lab, Pepsin. 
Pankreatin, Steapsin); 

5. Formaldehyd im Verhältnis 1:2500 (oder weniger) zu Stärke gegeben. 
hat keinen Einfluss auf die Veränderung der Stärke durch die Enzyme Ptyalin 
und Amylopsin (Amylase). 

6. Wenn man Formaldehyd in genügender Menge zugibt, um Milch für 
48 Stunden zu konservieren (also im Verhältnis 1:20000), so schädigt er 
nicht wesentlich die Wirksamkeit der Galaktase. 

7. Formaldehyd, im Verhältnis 1: 20000 zugegeben, verhindert also die 
Entwickelung der am meisten verbreiteten und in der Milch für gewöhnlich 
anzutreffenden Bakterien; eine Zugabe im Verhältnis 1: 1500 tötet diese Bak- 
terien ab. 

8. Wenn man Formaldehyd in einer Menge zugibt, um die Milch zo 
konservieren und die Entwickelung der häufigsten Bakterien zu verhindern. 
also im Verhältnis 1:10000, so bat man noch keinen schädlichen Einfluss 
auf die Verdaulichkeit der Milch für Kälber beobachten können; 

9. Im übrigen sollte an Kälber niemals Formaldehyd als Milchkonservie- 
rungsmittel in einer stärkeren Gabe verfüttert werden, als eben im Verhältnis 
1: 10000. Heinze (Halle a. S.). 


Zikes, Heinrich, Eine neue Methode zur Ueberprüfung von Desinfek- 
tionsmitteln gegenüber Mikroorganismen. Centralbl. f. Bakt. Abt. JI 
Bd. 13. S. 543. 

Durch einen Zusatz von gewissen festen Stoffen, wie Tonerdehydrat. 
kohlensaurem Kalk u.s.w., kann man bekanntlich Mikroorganismen 
leicht und obendrein fast vollständig durch Auscentrifugieren aus einem 
flüssigen Medium abscheiden. 

Diese Methode wurde nun vom Verf. bei der Untersuchung von Des- 
infektionsmitteln benutzt. 

Wegen mancherlei Vorteile wurde als Fällungsmittel Talk- oder Speck- 
steinpulver verwandt. Als Schleudergefäss wurde eine mit Glasstöpsel ver- 
sehene, näher beschriebene Eprouvette verwandt. Die Methode wird alsdann 
näher beschrieben und dabei hervorgehoben, dass die Oberflächenspannung des 
Talkpulvers auf die verschiedenartigsten Desinfektionsmittel fast verschwindend 
klein gefunden wurde, so dass sie bei vorliegendem Verfahren fast nicht in 
Betracht kommt. 

In folgenden Sätzen lassen sich die Vorteile der Methode zusammenfassen. 

1. Das Desinfektionsmittel kann sowohl auf die wässerige Auf- 
schwemmung der Organismen, wie direkt auf die Kultur derselben in ein- 
wandsfreier Weise durch eine bestimmte Zeit einwirken. 

2. Es ist möglich, die überprüften Keime von dem Desinficiens vollständig 


Desinfektion. 957 


zu befreien, denn es liegt in der Hand des Versuchsanstellers, die Keime nach 
der Bebandlung mit dem Antiseptikum beliebig oft mit H,O auszuwaschen. 
3. Die Methode lässt obendrein nach dem Verf. bei einiger Vorsicht und 
einer gewissen Raschheit während der einzelnen Manipulationen ein vollständig 
steriles Arbeiten zu. Heinze (Halle a.S.). 


Sugiyama, Gensaku, Untersuchungen über Spatumdsdimiektion mit 
Ptiophagan. Dissertation. Rostock 1905. 

Verf. hat mit einem von Dr. Thom hergestellten, Piiophagaù genannten 
und zur Desinfektion des Auswurfs Tuberkulöser empfohlenen Präparat, 
das aus Solutol resp. Kresol, Natronlauge, Alkalisalzen und Lavendelöl besteht, 
Prüfungen auf seine Brauchbarkeit zu dem genannten Zweck angestellt. 

Die Versuchsanordnung war im wesentlichen folgende: Das während 12 bis 
24 Stunden gesammelte Sputum wird mit der doppelten bis vierfachen Menge 
einer 6 proz., in anderen Fällen einer 10-, 12- oder 20 proz. Ptiophaganlösung 
gut gemischt und so 8—20 Stunden stehen gelassen. Die Mischung wurde 
dann umgerührt, geschüttelt oder blieb ruhig stehen, wurde darauf centrifugiert 
und von dem Bodensatz auf Meerschweinchen überimpft. Unter 12 Fällen hatte 
die Impfung 11 mal Tuberkulose der Tiere zur Folge, ein Fall musste als frag- 
lich verzeichnet werden, weil das Tier bereits am 4. Tage einging. Trotz dieser 
wenig ermutigenden Resultate glaubt Verf., dass das Ptiophagan einen Fort- 
schritt auf dem Wege zur Herstellung brauchbarer Sputumdesinficientien bedeute, 
weil bei ihm auf die Auflösung des Sputums mehr Gewicht als bei anderen 
derartigen Mitteln gelegt sei. L. Dreyer (Halle a. S.). 


Schaefer R., In Sachen Alkohol wider Sublamin. Monatsschr. f. Ge- 
burtsh. u. Gynäkol. Bd. 21. H. 2. S. 186. 

In seinen früher veröffentlichten Beiträgen zur Händedesinfektion hat 
Verf. das von Krönig so warm empfohlene Sublamin sowohl „als keimtöten- 
des wie als virulenzabschwächendes Mittel als gleich minderwertig“ bezeichnet. 

In der vorliegenden Arbeit wendet sich Schaeffer gegen die besonders 
von Krönig, Engels und Füth gemachten Einwürfe. Er hält an seinen 
früheren Bebauptungen fest und ist ferner der Ansicht, dass man, da das 
Suchen nach Antisepticis für die Händedesinfektion bisher vollständig erfolglos 
gewesen sei, nach Mitteln suchen müsse, welche die Haut mechanisch ent- 
keimen und die Keimabgabe von der Haut möglichst aufheben. Vorläufig ist 
der Alkohol unübertroffen. 

Während bisher als Stütze für die rein’ mechanische Behandlung unter 
vollständigem Verzicht auf jedes Antiseptikum ein umfassender klinischer 
Nachweis fehlte, hat sich in letzter Zeit das Frauenspital in Basel durch 
seinen Bericht über das Jahr 1903 von Herff entschieden auf die Seite der 
Ahlfeldschen Heisswasser-Alkoholdesinfektion gestellt. 

Nach dem Bericht betrug die puerperale Morbidität (bei über 2000 Ge- 
burten) 18,8°/,, wobei als Fieber bereits eine Temperatursteigerung von 37,9 
angesehen wurde. Nieter (Halle a. S.). 


958 Desinfektion. 


Sittler P., Die Sterilisation elastischer Katheter. Inaug.-Diss. Strass- 
burg 1905. 

Nach einer allgemeinen Abhandlung über die in der Urethra vorkommenden 
Bakterienarten und über das Zustandekommen der Cystitiden werden die bis- 
her bekannten und gebräuchlichen Desinfektionsmethoden in eingehender 
Weise besprochen und durch eigene Versuche des Verf.'s kritisch beleuchtet. 
Allen zur sicheren Sterilisation geeigneten Verfahren haftet der Nachteil 
an, dass sie in- mehr oder weniger kurzer Zeit die Instrumente schädigen 
Auf Veranlassung von Prof. Jaeger hat Verf. daher Versuche zur Katheter- 
sterilisation mit dem von v. Esmarch angegebenen Verfahren der Sterilisation 
mittels Dämpfen von 60° und höher, entwickelt aus einer 1—2 proz. Lösung 
des officinellen Formalins in Wasser, angestellt. Der dazu benutzte Apparat 
entsprach im wesentlichen dem von v. Esmarch angewendeten. Aus den 
zahlreichen Versuchen geht eindeutig hervor, dass elastische Katheter mit 
Hilfe der Formalinwasserdämpfe bei einer Temperatur von 60—75° in einer 
viel gründlicheren Weise zu sterilisieren sind, als mit jeder anderen Methode. 
Ausserdem, was besonders wichtig ist, erleiden die Instrumente keine grössere 
Schädigung als bei der Desinfektion mit Formaldehyddämpfen bei Zimmer- 
temperatur in feuchter Atmosphäre (Janetsche Verfahren). Im Vergleich zu 
dieser hat die vom Verf. empfohlene Methode den Vorteil, in sehr viel kürzerer 
Zeit (10 Min.) und auch durch Tiefenwirkung zu sterilisieren, ohne den Nach- 
teil des Haftenbleibens einer nennenswerten Formaldehydmenge. Verf. glaubt, 
dass dieses Verfahren auch bei anderen Gebrauchsgegenständen, die eine 
Temperatur von 100° nicht vertragen können, anzuwenden sei, und weist be- 
sonders auf die Frisier- und Rasiergeräte (Bürsten, Kämme, Pinsel u.s.w.) hin. 

Nieter (Halle a. S.). 


Sigmund, Wilhelm, Die physiologischen Wirkungen des Ozons. Centralbl. 
f. Bakt. Abt. 2.Bd. 14. S. 400. 

Trotzdem schon gar mancherlei Untersuchungen äber das Ozon in che- 
mischer und physiologischer Hinsicht vorliegen, so sind unsere bisherigen 
Kenntnisse über dasselbe doch noch recht lückenbaft; die Untersuchungen um- 
fassen bisher auch trotz ihrer grossen Zahl nur ein relativ engbegrenztes 
Gebiet. ; 

Die älteren Untersuchungen betreffen nämlich vorwiegend Versuche an 
Menschen und warmblütigen Tieren, besonders an Säugetieren, und die neueren 
Untersuchungen besonders solche mit pathogenen Bakterien. Sehr wenige 
Arbeiten liegen bisher über die Wirkungen des Ozons auf die übrigen Ver- 
treter des Tier- und Pflanzenreiches, ferner auf Enzyme, Gärungsvorgänge 
u.a. vor. Der Verf. sucht unsere Kenntnisse in geeigneter Weise zu erweitern 
und vor allem nach der physiologischen Seite hin zu vertiefen. 

Der Verf. macht zunächst nähere Angaben über die Ausführung der 
Versuche und bespricht alsdann 

I. die Einwirkung des Ozons auf Enzyme. 

Vom Verf. wurden folgende Enzyme einer näheren diesbezüglichen Prüfung 

unterzogen, nämlich Diastase, Emulsin, Pepsin, Invertin, Ptyalin, Pan- 


Desinfektion. 959 


kreatin, Lab und die bisher gewonnenen Untersuchungsergebnisse mitgeteilt. 
Die in geeigneter Weise angestellten Versuche ergaben, dass sämtliche Enzyme 
durch Ozon in ihrer Wirksamkeit geschädigt wurden; der Grad der Schädi- 
gung war indessen recht verschieden, und zwar nicht nur bei den verschiedenen 
Enzymen, sondern auch bei einem und demselben Enzym. Nach der Ansicht 
des Verf.'s liegt der Grund hierfür darin, dass die Stärke der Ozonwirkung 
auf die Enzyme nicht nur von der Menge des Ozons, von der Geschwindigkeit 
der ozonisierten Luft- bezw. des O-Stromes, und von der Einwirkungsdauer des- 
selben abhängig ist, sondern auch, wie die Versuche gezeigt haben, von der 
Reinheit des Enzyms beeinflusst wird, ferner von der Konzentration und der 
Menge der zur ÖOzonisation gelangten Enzymlösung. Aus den beigemengten 
Verunreinigungen erklären sich diese Befunde zur Genüge. 

Weiterhin wird Il. die Einwirkung des Ozons auf Gärprocesse be- 
sprochen, und zwar auf die Alkoholgärung, Essigsäuregärung und 
Milchsäuregärung. 

Aus den Versuchen geht hervor, dass das Gärvermögen der Hefe 
durch Ozon entschieden geschwächt wird; allerdings ist die Schädigung je 
nach der Grösse der Ozonisation sehr verschieden; durch kleinere Ozonmengen 
erfolgt eine relativ geringe Schädigung der Gärkraft entsprechend dem grossen 
Gehalte an organischen Stoffen in den Hefezellen; eine stärkere Ozonisation 
setzt indessen das Gärvermögen der Hefe beträchtlich herab. Da zu diesen 
Versuchen Rohrzucker verwandt wurde, so bleibt es zunächst unentschieden, 
ob die Schädigung des Gärvermögens der Hefe durch Ozon mehr durch die 
Schwächung des invertierenden oder des alkoholbildenden Enzyms der 
Hefe verursacht wurde. Jedenfalls erfolgte keine vollständige Vernichtung 
des einen oder anderen Enzyms. Nähere Aufklärung kann erst durch weitere 
Versuche gewonnen werden. 

Bezüglich der Essigsäuregärung ergaben die Versuche unter Ausschluss 
einer Oxydation des Alkohols zu Essigsäure, dass die Essigbakterien durch 
die angewandte Ozonmenge und unter den eingehaltenen Versuchsbedingungen 
in ihrer Wirksamkeit und Entwickelung nur vorübergehend geschwächt bezw. 
verzögert wurden; sie erholten sich bald und schienen dann sogar eine etwas 
erhöhte Tätigkeit entfalten zu können, da sie in der Essigbildung das unbe- 
bandelte Ferment einholten. Eine völlige Klärung ist indessen nur bei Ver- 
wendung von Reinkulturen von Essigbakterien möglich. Bezüglich der 
Milchsäuregärung zeigen die Versuche, dass das Ozon den Gerinnungs- 
process der Milch verlangsamt, allerdings nicht in dem Masse, um das Ozon 
als Konservierungsmittel für Milch verwenden zu können, auch dann 
nicht, wenn es gelingen sollte, die Milch durch grössere Ozonmengen halt- 
barer zu machen, weil ja durch eine stärkere Ozonisation die Milch in ihrer 
Zusammensetzung wesentlich beeinflusst wird; und zwar wird nach Ver- 
suchen von Gorup-Besanez (Ann. d. Chem. u. Pharm. 1895. Bd. 110. S. 86) 
vor allem das Kasein der Milch vom Ozon angegriffen und zerstört, ebenso, 
aber langsamer, die Fette; nur der Milchzucker widerstand den Einwirkungen 
des Ozons. Weiterhin bespricht Verf. 


960 Desinfektion. 


IH. Die Einwirkung des Ozons auf niedere Pflanzen, insbesondere 
Bakterien. 

Schon früber wurden mancherlei Versuche über die desinficierende und 
desodorisierende Wirkung desselben angestellt, besonders auch mit pathogenen 
Organismen. 

Vorf. studierte die Einwirkung des Ozons auf einige Bodenorganismen, 
Bac. mycoides, Phoma betae, Penicillium glaucum sowie auf die Milch- 
säurebakterien und fand, dass die genannten Mikrobien keineswegs unter den 
Versuchsbedingungen abgetötet wurden, sondern nur eine wesentliche Ver- 
zögerung in der Entwickelung gegenüber den unbehandelten Kulturen er- 
fubren. In ähnlicher Weise waren die Befunde bezüglich der Versuche mit 
Milchsäurebakterien: Das Ozon eignet sich nach dem Verf. weder zum 
Konservieren noch zum Sterilisieren der Milch, auch dann nicht, wenn man 
völlig keimfreie Milch erhalten sollte, da ja eine solche Milch in ihrer Zu- 
sammensetzung wesentlich verändert sein würde. 

IV. Die Einwirkung des Ozons auf höhere Pflanzen. 

1. Einwirkung des Ozons auf die Keimung. Bei Keimversuchen mit 
Raps, Gerste, Erbsen, Buchweizen wurde festgestellt, dass durch Ozon die 
Keimungsenergie herabgesetzt wird, denn die Zahl der Keimpflanzen war 
anfangs bei den Ozonsamen viel geringer als bei den Luftsamen; doch war 
diese Wirkung nur eine vorübergehende, da sich im weiteren Verlaufe der 
Keimung diese Zahlen ausglichen. Das Verhältnis zwischen gesunden 
und kranken Rübenkeimlingen war ein wenig zu Gunsten der ozonisierten 
Knäuel verschoben, indem die letzteren etwas mehr Prozente gesunder Keim- 
pflanzen lieferten. 

2. Versuche über die Einwirkung des Ozons auf Blätter und 
Blüten ergaben folgendes: die durch Ozon geschädigten Blätter sind je nach 
der Dauer und Stärke der Ozonisierung meist charakterisiert durch dunkel- 
braune bis braunschwarze kleinere oft punktförmige oder grössere Flecke ohne 
Ränderungen, wodurch sie sich wesentlich von den durch SO, und HCI be- 
wirkten, meist geränderten und gelb bis gelbbraun gefärbten Flecken unter- 
scheiden. Eine direkt bleichende Wirkung konnte nur selten beobachtet 
werden. 

3. Versuche über das Vorkommen von Ozon in der Pflanze er- 
gaben in allen bisher untersuchten Fällen keine Ozonreaktion. 

V. Einwirkung des Ozons auf Tiere. 

Mancherlei frühere und neuere diesbezügliche Versuche des Verf. — mit 
weissen Mäusen, kaltblütigen Wirbeltieren, Fischen, Insekten — ergaben zunächst 
zweierlei, nämlich 1. dass die zuerst von Binz an höheren Tieren beobachtete 
schlafähnliche Wirkung der Ozons auch für niedere Tiere, besonders für Iv- 
sekten Geltung hat; 2. dass das Ozon entgegen den älteren Literaturangaben 
keineswegs ein so gefährlicher Körper ist, denn selbst kleine Tiere vertragen 
relativ grosse Ozonmengen, trotz momentaner Störungen, ohne üble Folgen; 
Warmblüter werden stärker als Kaltblüter mitgenommen. 

Die mannigfachen Versuche des Verf.’s über Ozon sollen weiter fortge- 
führt werden. Heinze (Halle a.S.). 


Desinfektion. 961 


Hilgermann R., Wasserstoffsuperoxyd als Reinigungs- und Desin- 
fektionsmittel im Friseurgewerbe. Aus dem hygien. Institute der 
Universität Berlin. Arch. f. Hyg. Bd. 54. S. 40. 

Die Reinigung der Bürsten und Kämme geschieht bisher teils durch 
Ausklopfen mit Mehl, teils durch Auswaschen in Soda- und Salmiakgeist- 
lösungen. Desinfektionsmittel werden nicht angewendet, da sie teils zu 
teuer sind, teils das Bürstenmaterial schädigen. Auf Grund seiner Versuche 
empfiehlt Verf. das Wasserstoffsuperoxyd in 5 proz. Lösung, in dem die 
Bürsten und Kämme !/, Stunde bleiben sollen. Sowohl lange in Gebrauch 
gewesene als auch künstlich mit Staphylokokken, Trichnphyton und Favus 
verunreinigte waren nach dieser Zeit steril; ferner konnten mehrere Bürsten 
nacheinander in derselben Lösung desinficiert werden. Auch prophylaktische 
Wirkung übt die Lösung aus. Gleichzeitig wurden die Bürsten von Schmutz 
gesäubert, selbst wenn eine dichte, verfilzte Schicht entlang den Borsten- 
bündeln lag. Kisskalt (Berlin). 


Me Clintic, T. B, Chloride of zinc as a desodorant, antiseptic and 
germicid. Public Health und Marine-Hospital Service of the United States. 
Hygienic Laboratory. M. J. Rosenau, Direktor. Bulletin No. 22. May 1905. 

Verf. prüfte die geruchhemmenden und keimtötenden Fähigkeiten 
des Chlorzinks. Er kommt bei der Prüfung dieses, sich einer ziemlichen Be- 
liebtheit als Desinficiens erfreuenden Mittels zu einem sehr wenig günstigen 

Resultat. In gewöhnlichem Abwasser wurde erst in einer Verdünnung von 

1:500—200 das Bakterienwachstum gehemmt, B. coli wurde in 5 proz. Lösung 

auch in dieser Zeit noch nicht abgetötet, eine 25 proz. Lösung tötet B. coli 

nach 10 Minuten, Staphylococcus pyogenes aureus erst in 30 Minuten. Subtilis- 
sporen leben in einer konzentrierten Lösung noch nach 80, Anthraxsporen in 

50 proz. noch nach 40 Tagen. Liefmann (Halle a. S.). 


Tremhur H., Untersuchungen über die im Claire Apparati er- 
zeugten Schwefeldämpfe. Aus dem hygien. Institute der Universität 
Berlin. Arch. f. Hyg. Bd. 52. S. 253. 

Durch die im Claytonapparat gebildeten Dämpfe von schwefliger 
Säure werden Typhns-, Cholera- und Diphtheriebacillen schon abgetötet, wenn 
der Gehalt der Luft 4,3%/, beträgt. Ihre Penetrationsfähigkeit ist gering, 
doch grösser als die des Formaldehyds. Ratten und Insekten, wie Kakerlaken, 
Wanzen u.s. w. werden sicher getötet. Bei einer Konzentratian von annähernd 
1°/, können Ratten bis 30 Minuten am Leben bleiben, bei 30/, starben sie in 
wenigen Sekunden. Durch hohen Wasserdampfgehalt wird die baktericide 
Wirkung schwefligsauren Gases, das aus dem Anhydrit entwickelt wird, er- 
heblich verstärkt, doch bleibt sie auch dann hinter dem Claytongas zurück. 
Viele Gegenstände werden durch beide beschädigt; die Schädigungen lassen 
sich zwar durch Lüftung vermindern, doch bleiben sie bestehen, sobald eine 
chemische Bindung eingetreten ist. Kisskalt (Berlin). 


962 Gewerbehygiene. Prostitution. 


Elsaesser, Ueber die sogenannten Bergmannskrankheiten. Verlag 

von F. W. Becker. Arnsberg i. W. 1905. 28 Ss. 8°. Preis: 0,60 M. 

Das Werkchen enthält in gemeinfasslicher Form eine Darstellung der Tuber- 
kulose und der Ankylostomiasis. Bezüglich der ersteren Krankheit wird 
erwähnt, dass sie keine „specifische Bergmannskrankheit“, keine besondere 
Berufskrankheit, sondern eine in der ganzen Bevölkerung verbreitete „Volks- 
seuche“ sei. Sie tritt besonders stark auch bei den Arbeitern der Erzberg- 
werke des Sauerlandes in die Erscheinung. Die Ankylostomiasis („Wurmkrank- 
heiten der Bergleute“) wird als Berufskrankheit der beim Kohlenbergbau 
beschäftigten Arbeiter geschildert. Abgesehen von kleineren Einzelheiten 
kann man sich mit den Ausführungen des Verf.’s einverstanden erklären. 

Hayo Bruns (Gelsenkirchen). 


Grosse, Schutzmittel gegen Geschlechtskrankheiten. Münch. med. 
Wochenschr. 1905. Nọ. 21. S. 999. 

Nach einer Kritik der gebräuchlichen antigonorrhoischen Schutzmittel 
(Blokusewskis Tropfapparat u. a.), die Verf. sämtlich wegen der Vergäng- 
lichkeit und Zersetzlichkeit der Lösungen für unbrauchbar hält, empfiehlt er 
einen von ihm konstruierten Apparat „Selbstschutz“. Dieser Apparat enthält 
eine 1 prom. Lösung von Hydrargyrum oxycyanatum, welche sich nicht zer- 
setzt und nach Schaeffer sich den Gonokokken gegenüber noch als 
stärkeres Desinficiens als Silbersalze erwies. Die genauere Beschreibung des 
Apparates, der ausser der Lösung noch eine Tube mit unzersetzlichem Fett- 
gemisch zur Prophylaxe gegen Lues enthält, ist im Originale gegeben. 

Speck (Berlin). 


Finger E., Zur Prophylaxe der Geschlechtskrankheiten. „Das Oester- 
reichische Sanitätswesen“ 1905. Beilage zu No. 51. 

Verf. behandelt die genitale und die extragenitale Infektion. In dem Ab- 
schnitt genitale Infektion berührt er zunächst die Prostitution im allgemeinen 
und sodann die Prophylaxe durch die Behandlung. Seine Ansicht geht dahin: 
„die Einrichtungen zur Behandlung Geschlechtskranker sind all- 
überall reformbedürftig“. Die Fehler der bisherigen Institutionen sind: 

1. Die für die spitalmässige Behandlung Geschlechtskranker getroffenen 
Massnahmen sind unzureichend, denn 

a) die Zahl der für die Behandlung Geschlechtskranker disponiblen 
Spitalsbetten ist zu gering, 

b) durch Platzmangel ist eine ungenügende, zu kurz dauernde Be- 
handlung bedingt, 

c) es fehlt an Spitalsbetten, an preiswürdigen Zahlabteilungen für 
den weniger bemittelten Mittelstand vollständig, 

d) die Leiter zahlreicher Spitäler, insbesondere in der Provinz be- 
sitzen nicht genügende Fachkenntnisse, 

e) den Unbemittelten wird die Aufnahme ins Spital durch eine Reihe 
von vexatorischen Massnahmen wesentlich erschwert (gefängnis- 


Prostitution. 963 


artiger Anstrich der betreffenden Abteilungen. Unterbringung von 
Frauen, Mädchen und Prostituierten in demselben Saal, Einziehung 
der Spitalskosten vom Heimatland, bezw. der Heimatsgemeinde). 

2. Die für die ambulatorische Behandlung getroffenen Massnahmen sind 
ebenfalls unzureichend: 

a) Es fehlen in der Provinz, Stadt und Land derartige Massnahmen 
völlig, 

b) die in den grossen Städten eingerichteten Anstalten für unentgelt- 
liche Behandlung entsprechen nicht ihrem Zweck, sie legen 
materiell und moralisch den Kranken Opfer auf. 

Bezüglich eines Behandlungszwanges ist Verf. nicht der Ansicht, dass 
die Einführung von Zwangsmassregeln sich empfehle (Verheimlichung 
von Leiden und Vermeidung ärztlicher Behandlung u. s. w.); dagegen will er 
es als Aufgabe der öffentlichen Spitäler aufgefasst wissen, dass diese an der 
Prophylaxe mitarbeiten und Patienten mit ansteckenden Erkrankungen nicht 
früher entlassen, bis die Ansteckungserscheinungen vollkommen getilgt sind. 
Die ärztliche Anzeigepflicht hält er wegen kaum erfolgreicher Durchführung 
für illusorisch. 

Eine wesentliche Massregel erblickt er in dem Prinzip, dass jeder Ge- 
schlechtskranke das Anrecht auf unentgeltliche Behandlung haben müsse, 
dass die Kosten sowohl ambulatorischer als spitalmässiger Behandlung von 
jener Gemeinde getragen werden müssen, in welcher der Patient sich aufhält 
und erkrankte, eine Umwälzung auf die Heimatgemeinde aber nicht erfolgen 
dürfe, und dass arme Gemeinden zu diesem Zwecke staatliche Zuschüsse er- 
halten müssten. 

Auch der Ausbildung der Aerzte (Fortbildungskurse u. s. w.) und dem 
Verbot der Kurpfuscherei legt er prophylaktische Bedeutung bei, wie er auch 
ferner der Belehrung der Kranken durch Druckvorschriften (die den Aerzten 
kostenfrei zu überlassen sind), und der Belehrung Gesunder (Erwachsener, 
Schule, Eltern) grossen Wert beimisst. 

In der Prophylaxe der extragenitalen Infektion wendet er sich dem 
Ammenwesen zu: Sypbhilitische Säuglinge oder latent syphilitische oder auf 
Syphilis verdächtige Neugeborene syphilitischer Eltern dürfen keine Ammen 
erhalten, auch dürfen diese Kinder nicht in auswärtige Pflege gelangen. 

Eine syphilitische Frau darf keinen Ammendienst annehmen, auch keine 
Kinder in Pflege nehmen. 

Es müssten Findelhäuser und Wöchnerinnenasyle in genügender Zahl zur 
Aufnahme von Wöchnerinnen und Kindern errichtet werden. 

Auch für Hebammen hält er einen Unterricht zur Erkennung von Ge- 
schlechtskrankheiten für dringend erwünscht. 

In Fabriken, in welchen gewisse Werkzeuge von Mund zu Mund gehen, 
müsste jeder Arbeiter sein eigenes Mundstück besitzen u. s. w. 

Nieter (Halle a. S.). 


964 Statistik. 


Prinzing Fr., Die kleine Sterblichkeit des weiblichen Geschlechts 
in den Kulturstaaten und ihre Ursachen. Arch. f. Rassen- u. Ge- 
sellsch.-Biologie. 1905. Jahrg. 2. S. 255—266, 369—382. 

Die Gesamtsterblichkeit des weiblichen Geschlechts ist fast in 
allen Staaten, aus denen Nachrichten vorliegen, kleiner als die der männlichen. 
Am meisten bevorzugt ist das weibliche Geschlecht in Deutschland, England und 
Portugal. In den Hauptkulturstaaten unterliegt die Frau im Alter von 15 
bis 40 Jahren und im Greisenalter einer geringeren Lebensbedrohung. 

Die heranwachsenden Jungfrauen leiden stark unter den schwächenden 
Einflüssen der Entwickelung; anämische und chlorotische Zustände sind unter 
ihnen weit verbreitet und bereiten für die Tuberkulose einen günstigen Boden. 
Je mehr diese Blutanomalien durch vernünftige Schonung Berücksichtigung 
finden, je mehr sie durch passende Ernährung, durch Aufenthalt in frischer 
Luft bekämpft werden, desto weniger haben sie diese ungünstige Wirkung. 
Mit dem Eintritt der Frau in die Jlauptgebärperiode spielen andere Momente 
mit herein, wobei die eben erwähnten noch in Mitwirkung bleiben. Es lässt 
sich erwarten, dass der Geburtsvorgang und das Kindbettfieber bei geringer 
Kultur mehr Opfer fordern werden als bei weit vorgeschrittener. 

Aus der geringeren Sterblichkeit des weiblichen Geschlechts folgt ein 
Frauenüberschuss, welcher eine bedeutende Rückwirkung übt. Die Zahl derer, 
die ihr Brot selbst verdienen müssen, wächst, und, da die bisherige Arbeits- 
gelegenheit zur Beschäftigung des ganzen Ueberschusses nicht hinreicht, so 
muss die Frau neue Fertigkeiten sich aneignen. Dadurch werden geistige und 
körperliche Eigenschaften entwickelt, die das weibliche Geschlecht auf eine 
höhere Stufe heben. Würzburg (Berlin). 


Weyl Th., Berlins Gesundheit in den letzten 30 Jahren. Sonderab- 
druck aus der Salkowski-Festschrift. 

An dem Beispiel von Berlin schildert Weyl in sehr instruktiver Weise 
die gesundheitlichen Wandlungen einer Grossstadt im Verlaufe der zweiten 
Hälfte des vergangenen Jahrhunderts. Es ergibt sich, dass die Sterblichkeit 
der Einwohner Berlins in den letzten 30 Jahren fast für alle Altersklassen 
allmählich abgenommen hat, und sich seit 10 Jahren dauernd auf 
einem niedrigen Niveau hält. Ueber die Gründe dieser Erscheinung be- 
merkt Verf. mit grosser Vorsicht, dass „zu vermuten sei“, dass sie zum Teil 
wenigstens durch die Vervollkommnung der hygienischen Eiurichtungen bedingt 
wird. Liefmann (Halle a. S.). 


Bericht über die Gesundheitsverhältnisse und Gesundheitsan- 
stalten in Nürnberg. Hrsgeg. v. Verein f. Öff. Gesundheitspfl. unter 
Mitwirkung des Stadtmagistrats. Jahrg. 1904. VII. 296 Ss. 8°%. Druck von 
J. L. Stich in Nürnberg. 

Die Sterblichkeit betrug 1904: 2,18%, der Bevölkerung oder 0,06 
weniger als im Vorjahre. Auf 100 Gestorbene kamen 166,5 Lebendgeborene. 
Die monatlichen Sterblichkeitsschwankungen bewegten sich zwischen 12,12 
(1903: 10,61)%/, der Gesamtsterblichkeit im August (September) und 5,63 


j Statistik. 965 


(7,19)°/, im November (November). Die zahlreichsten Todesfälle wurden durch 
Tuberkulose(3,11°/% der Bevölkerung) und Darmkatarrh der Kinder (1,98) herbei- 
geführt. Nach Abzug der Todesfälle an Abzehrung der Kinder, Lebens- und 
Altersschwäche, sowie durch gewaltsamen Tod sind 79,78°/, aller Gestorbenen 
ärztlich behandelt worden. Im 1. Lebensjahre gingen von je 100 Lebendge- 
borenen 26,59 (1903: 25,44), eheliche 24,52 (22,75), uneheliche 36,25 (38,69) 
zu Grunde. Die Säuglingssterblichkeit zeigte im Juli und noch mehr im 
August ein ausserordentliches Anschwellen, das auf ein besonders häufiges 
Auftreten von Brechdurchfällen infolge des ungewöhnlich heissen Sommers 
zurückzuführen ist. An dieser Steigerung beteiligten sich auch die Brust- 
kinder. 

Von etwa 180 Aerzten wurden 9403 Fälle von Infektionskrankheiten 
gegen 12887 im Vorjahre angezeigt. Die im Vorjahre herrschenden Masern- 
und Scharlachepidemien reichten mit ihren Endausläufern zum Teil noch 
ziemlich weit in das Berichtsjahr hinein, doch war die Zahl der Erkrankungen 
wesentlich verringert. Auch die Influenza ist erheblich zurückgegangen (1440 
gegen 2737). 

Der für den Kopf der Bevölkerung berechnete Fleischverbrauch stellte 
sich auf 59,2 (1903: 57,3) kg, 8 (18) Schweine wurden trichinös befunden. 

Seitens der Nahrungsmittel-Untersuchungsanstalt wurde in 2844 
(2377) Geschäften und Verkaufsstellen und bei 593 Milchhändlern Nachschau 
gehalten. Untersucht wurden 8810 (11390) Proben, darunter 6126 (9050) von 
Milch, 1287 (923) von Speisefetten und Speiseölen. Die in Nürnberg zum 
Ausschank kommenden gewöhnlichen Biersorten erwiesen sich als stark ein- 
gebraut und stark vergoren. In 2 Weissweinproben wurde Zink, 0,01 g als 
Ziukoxyd berechnet im Liter, vorgefunden, welches wahrscheinlich aus einem 
zum Abfüllen benutzten neuen zinkhaltigen Kautschukschlauch stammte. 

Im allgemeinen städtischen Krankenhause wurden 7672 (7383) Kranke 
aufgenommen. Der durchschnittliche tägliche Krankenstand betrug 497 (478), 
die durchschnittliche Aufenthaltsdauer eines Kranken 22,43 (22,23) Tage. 

Kostkinder waren 640 ehelich und 1205 unehelich geborene vorhanden. 
In Ferienkolonien wurden 326 Kinder entsandt. Bei 3 kränklichen Kindern 
ergaben sich Gewichsabnahmen bis zu 500 g; die Gewichtszunahmen betrugen 
bei den Knaben zwischen 100 g und 6 Pfund und 400 g, bei den Mädchen 
zwischen 300 g und 5 Pfund und 400 g. 

Während der Monate December bis Februar sind in den Schulhäusern 
96 (61) Kinder mit warmem Frühstück, 372 (300) mit warmem Mittagessen 
beköstigt worden; über drei Viertel dieser Kinder waren auswärts beheimatet. 
Die Schulärzte machten in den städtischen Volksschulen mit der Taub- 
stummenschule 2610 ordentliche Besuche, bei denen 9242 Kinder untersucht 
wurden. Bei den in 787 Volksschulklassen vorgenommenen ausserordentlichen 
Besuchen wurden 34645 Kinder oder 103,99 (104,22)%/, der Gesamtschüler- 
zahl untersucht. Dazu kamen die Besuche der höheren Schulen, der Kinder- 
gärten und der Kleinkinderbewahranstalten. Würzburg (Berlin). 


366 Statistik. 


v. Körösy J., Die Sterblichkeit der Hanpt- und Residenzstadt Buda- 
pest in den Jahren 1901—1905 und deren Ursachen. Publikationen 
des Statistischen Bureaus der Haupt- und Residenzstadt Budapest. No. 36. 
II. (tabellarischer) Teil. 1903. H. 3. 

Der Bericht ist aus einer grossen Reihe interessanter Tabellen zusammen- 
gesetzt. 

Die faktische Bevölkerung von Budapest wurde nach den Resultaten der 
Volkszählung in den Jahren 1901 (1. Januar) und 1903 (1. Juli) auf 703 448 
und 774045 Köpfe berechnet mit Ausschluss der 16484 Militärpersonen. Die 
Sterblichkeitsziffer belief sich auf 15 059 (8076 männlich und 6983 weib- 
lich) = 19,0°/% der Bewohner. 

An bemerkenswerten Todesursachen kommen in den betreffenden Jahren in 
Betracht 

Männer Frauen zusammen 


Lungentuberkulosee . . . . 1433 1228 2661 
Tuberkulose anderer Organe . 9 72 163 
Pneumonie . . . . . . . 540 ’ 497 1037 
‚Scharlach . . 2. 2..2..2....282 231 513 
Diphtherie . . 22... 14 112 253 
Infuenza. . 2. 2 2.202. 29 17 46 
Typhus:;. is ie ey a8 29 28 57 
Varicela. . 2. 22200. 4 3 7 
Pata NE. a a 99 82 181 
Febris puerperalis . . . . — 26 26 
Erysipelas . © 220200. 48 34 82 
Pyaemia (sepsis) . . . . . 41 52 93 
Meningitis cerebrosp. epid. 1 1 2 
Dysenterie . ola e 7 2 9 
Tetanus 4 2 6 


Nieter (Halle a. S.). 


Statistisch Jaarboek der Gemeente Amsterdam. 8. Jaargang 1903 
en 1904. 1. Helft. XXIV. 332. 10 pp. Amsterdam 1905. Johannes Müller. 
Prijs: 2 f. 

Aus dem reichen Inhalt des Jahrbuchs, welcher zeitlich teilweise weit 
über die beiden Berichtsjahre hinausgeht, können nur einige wenige Angaben 
gemacht werden. 

Zur Ueberwachung der Lebensmittel wurden 1904 in den Verkaufs- 
stätten 77 216 Besichtigungen vorgenommen; es wurden dort 1380, ausserdem 
auf den Märkten 476 und auf den Strassen 158 Gegenstände beschlagnahmt. 
322 mal handelte es sich dabei um frische Fische, 346 mal um frische Ge- 
müse, 510 mal um Obst, 163 mal um Gemüse- und Obstkonserven, 236 mal 
um Milch, Butter, Käse. 

Durch ansteckende Krankheiten waren 507 (1903: 241) Wohnungen 
verseucht, darunter 332 (98) durch Scharlach. In die Krankenbäuser wurden 
wegen Unterleibstyphus 260 (153), Scharlach 173 (57), Diphtberie 417 (436), 


Jahresberichte. 967 


Pocken 40 (37) Personen aufgenommen. Desinfektionen erfolgten 1165 
(1010), davon unentgeltlich 829 (655). 

Die Zahl der in Krankenhäusern verpflegten Personen stieg seit 1895 
von 15 357 auf 23 937, von denen 10,2 bezw. 9,4%/, starben. 

Zur Strassenreinigung wurden an 165 Tagen und in 117 Nächten 
310000 (1895: 141 340) cbm Wasser verbraucht; die Beseitigung von Schnee 
fand an 9 (43) Tagen statt. Die Kosten der Strassenreinigung beliefen sich 
auf 85 620,47 (62 010,45) f. Die Länge der Kanäle im Gemeindegebiet 
erhöhte sich während des 10 jährigen Zeitraums von 144011 auf 186296 m. 
An das Liernursystem waren 5980 (1895: 3933) Grundstücke mit 98 916 
(67017)Bewohnern angeschlossen. Es gingen durch dasselbe 163733 (77 782) cbm 
Abfallstoffe, wovon die Ammoniakfabrik 134 660 (89 877) ĉbm verarbeitet und 
835 000 (610 610) kg Ammoniumsulfat erzeugt hat. 

869 (1903: 1147) Kellerwohnungen dienten ausschliesslich zumWohnen, 
1519 (1626) zugleich zu Verkaufszwecken. 

Geimpft wurden 12249 (1903: 15 146, 1890: 10 891) Personen oder 
2,23 (2,78 und 2,64) auf je 100 Einwohner. 

14874 Kinder kamen 1904 lebend (darunter 635 ausserehelicher Ab- 
kunft) und 702 (76) tot zur Welt; letztere machten 4,51 (1876: 5,02)°/, der 
Gesamtgeburten aus, desgleichen sämtliche ausserehelichen (Geburten 4,56 
(5,99%. 

Auf je 1000 der mittleren Bevölkerung trafen 15,12 (1903: 18,99) Todes- 
fälle gegen 18,25 im Jahrzehnt 1890—1899 und 39,42 in den Jahren 1811 
bis 1819. Von der Gesamtzahl der 8303 Todesfälle gehörten 1827 oder 12,00/, 
der Lebendgeborenen dem 1. Lebensjahre an. 46 Fälle waren durch Unter- 
leibstyphus veranlasst, 467 durch Masern, 176 durch Keuchhusten, 785 Lungen- 
tuberkulose, 599 bösartige Geschwülste, 556 Lungenentzündung, 492 Diarrhöe 
und Darmkatarrh (unter 2 Jahren), 299 angeborene Lebensschwäche, 495 Alters- 
schwäche. Die gesamte Bevölkerungszunahme stellte sich auf 8,9 (1898: 19,0), 
die Zunahme durch den Geburtenüberschuss auf 11,97 (12,45)%/oo- 

Würzburg (Berlin). 


Geschäftsbericht des Stadtrates der Stadt Zürich 1904. Gesundheits- 
und Landwirtschaftswesen. S. 108—147. gr. 80. 

Geschlachtet wurden 66586 Stück Vieh mit einem Gesamtfleischgewicht 
von 7000142 kg. Aus Schlachtungen und Einfuhr ergab sich ein Ertrag von 
9527977,75 kg, Der tägliche Fleischverbrauch betrug 158,1 g auf den Kopf 
der Bevölkerung. Die Fleischpreise haben sich nicht wesentlich geändert, 
Dem städtischen Laboratorium wurden 227 Fleisch- und 409 Wurstproben 
überwiesen, von denen 36 Wurstproben als borsäure-, 2 Wurst- und 1 Fleisch- 
probe als borsäure- und farbstoffbaltig, 2 Wurstproben wegen Farbstoff- und 
1 wegen Mehlzusatzes beanstandet worden sind. 0,51°/, aller Schlachttiere sind 
als bedingt bankwürdig, 0,22%, als ungeniessbar befunden worden. Die Be- 
schaffenheit der Milch zeigte eine wenn auch nicht gerade erhebliche, doch 
fortschreitende Verschlechterung. Das Laboratorium erledigte 16124 Unter- 


968 Jahresberichte. 


suchungen; bei Obst ergaben sich 83,3, bei Metallen 42,4, bei Butter, Speise- 
fetten und Speiseölen 6,9%/, Beanstandungen. 

Der amtlichen Ueberwachung unterstanden 987 (1903: 961) Kostkinder, 
bei denen 2440 (1964) Kontrollbesuche gemacht wurden. In 12,62 (13,79), 
der Fälle fanden Beanstandungen statt; die Sterblichkeit betrug 1,9 (2,0)%,,. 

Von 2451 Krankentransporten erfolgten 499 wegen chirurgischer 
Fälle, 407 wegen Scharlach. Erkrankungen an Masern wurden 1234 
(1903: 21), an Scharlach 961 (1174), an Diphtherie 344 (238), an Windpocken 
252 (224), an Keuchhusten 215 (276) gemeldet. Desinfektionen wurden 
1990 (2132) vorgenommen, darunter 992 (1192) wegen Scharlach, 330 (212) 
wegen Diphtberie, 293 (273) wegen Tuberkulose. 

Die Sterblichkeit der ortsanwesenden Bevölkerung betrug 14,55 
14,74)0/go, wovon 1,96 (2,16) durch Lungentuberkulose veranlasst waren. 

Eine Wohnungskontrolle wurde systematisch und auf Eingang von 
Klagen gelegentlich vorgenommen; es wurden dabei 1218 Auflagen gemacht. 
Die Inspektion von Massenquartieren betraf 93 Häuser mit 1104 Schläfern; 
die Beanstandungen bezogen sich auf Ueberfüllung der Räume, ungenügende 
Zahl der Betten, Benutzung von Essräumen zum Schlafen, ungenügende Lüf- 
tung und Unreinlichkeit. 

Im Berichtsjahre ist der ordentliche Betrieb einer Kehrichtverbren- 
nungsanstalt eröffnet worden, es wurden dort 9540 Tonnen Kehricht ver- 
brannt. Würzburg (Berlin). 


Verwaltungsbericht der Landes-Versicherungsanstalt Berlin für 
das Rechnungsjahr 1904. 236 Ss. mit 2 Abbild. gr. 4°. 

Im Berichtsjahre sind 11 661 Anträge auf Uebernahme des Heilverfahrens 
gegen 11859 im Jahre 1903 eingegangen. Den Anträgen der Tuberkulösen 
konnte nicht immer so schnell, wie es erwünscht gewesen wäre, stattgegeben 
werden. Erst nach der in Aussicht genommenen Vergrösserung der Lungen- 
beilstätten, durch welche 291 Betten für Männer und 273 für Frauen geschaffen 
werden sollen, wird den Anforderungen besser entsprochen werden können. 
Um jedoch die für eine Heilstättenbehandlung geeignet befundenen Lungen- 
kranken in der Zeit bis zur Aufnahme in die Heilstätte nicht ohne ärztliche 
Behandlung zu lassen, wurde die Einrichtung getroffen, sie den Auskunfts- 
und Fürsorgestellen für Lungenkranke zur Beobachtung bezw. Fürsorge zu 
überweisen. 

In den Sanatorien Beelitz wurden 1317 Männer und 756 Frauen ver- 
pflegt bei einer durchschnittlichen Aufenthaltsdauer von 53 bezw. 46 Tagen. 
Das Krankenmaterial glich im wesentlichen demjenigen früherer Jahre; in 
erster Reihe handelte es sich’um Nervenkrankheiten. Absolute Misserfolge 
bestanden in 152 Fällen. 

Den Lungenheilstätten in Beelitz gingen bei einem Anfangsbestande 
von 263 Kranken (173 männlichen) 1306 (874) zu. Von 1290 Pfleglingen, 
deren Behandlung zum Abschluss kam, befanden sich, abzüglich 12 wahr- 
scheinlich nicht an Lungentuberkulose Erkrankter, 82,94%, im I, 14,71%, 
im II. und nur 2,35%, im II. Stadium (nach Turban). Die Vornahme pro- 


Jahresberichte. 969 


batorischer Tuberkulininjektionen wurde erheblich eingeschränkt. Die Be- 
handlung mit Alttuberkulin ergab anscheinend zwar nicht so gute Erfolge wie 
das zunächst versuchte sogenannte Neutuberkulin Kochs, aber es blieben 
dabei die nach letzterem zuweilen beobachteten unangenehmen Zwischenfälle 
aus. Die Dauer des Kurerfolges war wesentlich von der Lebensführung der 
Entlassenen abhängig. Der Prozentsatz der erfolglosen Kuren ist bei den 
Männern von 6 auf 9, bei den Frauen von 7 auf 8°/, gestiegen. Von 1290 Pfleg- 
lingen wurden 671 mit 100, 109 mit weniger als 331/30/, der Erwerbsfähigkeit 
entlassen. Dem Beruf nach waren die lungenkranken Männer hauptsächlich 
Metall- und Holzarbeiter, wie auch Drucker, die Frauen Näherinnen und 
Handlungsgehilfinnen, Jie zumeist auch unter dem Staub der Werkstätten und 
Geschäfte und unter ihrem anstrengenden Beruf zu leiden haben. In fremden 
Heilstätten wurden 519 Männer und 240 Frauen behandelt; die Erfolge für 
erstere blieben bei 17%, Misserfolgen, teilweise wegen häufiger Kurunter- 
brechungen, hinter denen in den eigenen Heilstätten zurück. 

In der Heilstätte für Geschlechtskranke in Lichtenberg befanden 
sich, ausser einem Endbestand von 54, 466 Kranke. Von letzteren wurden 
364 geheilt, 75 gebessert entlassen. Ledig waren insgesamt 468, verheiratet 
42. Zum ersten Male hatten sich 156 angesteckt. Die Ansteckung stammte 
bei 389 Kranken von Prostituierten u. s. w. Würzburg (Berlin). 


Jahresbericht über die allgemeine Poliklinik des Kantons Basel- 
Stadt im Jahre 1904. 36 Ss. gr. 8°. Basel 1905. Buchdruckerei J. Frehner. 
Die Gesamtzahl der Leistungen aller Ambulatorien betrug 72034 Kon- 
sultationen, welche an 23970 Kranke erteilt wurden. In der allgemeinen 
Poliklinik wurden 6041 Kranken 14086 Konsultationen erteilt. 2474 dieser 
Kranken standen im Alter von 16—30 Jahren. In 1373 Fällen handelte es 
sich um Zahnextraktionen, in 1095 um Verletzungen und chirurgische Leiden, 
in 766 um Krankheiten der Verdauungs- und in 729 um solche der Atmungs- 
organe. 

Die Leistungen der Bezirksärzte erstreckten sich auf 10907 Kranke und 
bestanden in 43959 Konsultätionen und 24133 Hausbesuchen. Erstere waren 
im März und December, letztere im März und Februar am häufigsten. 19414 
Krankheiten kamen zur Behandlung, am zahlreichsten Krankheiten der Ver- 
dauungs- und Atmungsorgane, 3090 und 2752, demnächst 2382 Verletzungen 
und chirurgische Leiden. Würzburg (Berlin). 


Verwaltungsbericht über das städtische Sanatorium Harlaching- 
München für das Jahr 1904. 8 Ss. 4°. München. Druck von Carl Gerber. 
Von 1440 Aufnahmeanträgen wurden 243 wegen Platzmangels oder wegen 
Untauglichkeit abgelehnt. Auf 1427 Kranke kamen 69999 Verpflegungstage 
oder pro Kopf 49,1. Der Krankenstand betrug zwischen 148 und 211, im 
Tagesdurchschnitt 191,8. 2 Kranke sind gestorben, 1194 entlassen; von 
letzteren waren 104 geheilt, 853 gebessert. 561 Kranke litten an Lungen- 
tuberkulose; von ihnen sind 416 gebessert, 104 unverändert, 40 verschlechtert 
entlassen worden, 1 ist gestorben. Bei 137 Kranken handelte es sich um 


970 Verschiedenes. 


Chlorose. Von den in Abgang gekommenen Kranken waren 287 Dienstmägde, 
277 Köchinnen und Küchenmädchen, 90 Schneiderinnen und Näherinnen. 
2905 Müllkübel, 92 Matratzen, 1 Bettstück, 199 Verbandstoffbüchsen mit In- 
halt wurden mit Dampf desinficiert, 4 Wolldecken, 5 Zimmer mit Inhalt, 
2 Matratzen mit Formalin, 1010 Spuckfläschchen, 270 Inhalierapparate mit 
Lauge. Würzburg (Berlin). 


Schumm 0., Beiträge zur Kenntnis der Autolyse. Chem. Laborat. der 
Allgem. Krankenhauses Hamburg-Eppendorf. Hofmeisters Beiträge z. chem. 
Physiol. u. Pathol. Bd. 7. S. 175. 

Im Gegensatz zu normaler Milz, von deren Eiweisskörpern ein beträcht- 
licher Teil selbst bei wochenlanger Autolyse nicht gelöst wird, wird leuk- 
ämische Milz von den in ihr vorhandenen Fermenten in 4 Wochen bis auf 
einige schmale Bindegewebsstränge völlig aufgelöst. 90,5°/, des Stickstoffs 
gehen in Lösung. Dabei entstehen von Eiweissspaltungsprodukten Ammoniak, 
Tyrosin (1,3%, des N), Alanin, Leucin, Histidin und Lysin (in wechselnder 
Menge). von Spaltungsprodukten der Nucleinsäure Guanin, Xanthin, Hypoxan- 
thin und Thymin, ausserdem Paramilchsäure. Arginin und Adenin fehlen. 
Dagegen traten in beträchtlicher Menge Körper auf, die nicht durch Phosphor- 
wolframsäure gefällt werden, deren Stickstoff aber beim Kochen mit Phosphor- 
säure, abgespalten wird, die sich hierin also wie Harnstoff verbalten. Auch 
leukämisches Knochenmark zeigt starke Autolyse. Der Ammoniak-Stickstoff 
wird bei der Autolyse vermehrt, und zwar in recht konstanter Weise; doch 
ist diese Konstanz nur bei steriler Verdauung zu beobachten; Bakterien be- 
wirkten reichlich Ammoniakbildung. Verf. bestätigt seine früheren Beobach- 
tungen, dass leukämisches Blut ein tryptisches Ferment enthält. 

Otto Cohnheim (Heidelberg). 


Bericht über Neuerungen auf den Gebieten der Pharmakotherapie 
und Pharmacie. 19. Jahrg. 1905. Darmstadt 1906. Eduard Roether. 
269 Ss. 8°, j 

Unter vorstehendem Titel erscheinen seit 1903: „E. Mercks Jahresbe- 
richte“, die sich infolge ihrer Reichhaltigkeit, Zuverlässigkeit und Uebersicht- 
lichkeit auch in den Kreisen der Hygieniker Freunde erwarben. Die in den 

Fussnoten enthaltenen Nachweise des Schrifttums und dessen Zusammenstellung 

am Schlusse des Berichts zeichnen sich durch Vollständigkeit aus und bildeten 

den Grundstock so mancher über neuere Giftstoffe oder Heilmittel im letzten 

Jahrzehnte erschienenen Abhandlung, deren Herstellung das sorgsam gearbeitete, 

jedem Bericht beigefügte, alphabetische „Inhaltsverzeichnis“ und ein eben- 

solches „Verzeichnis der Indikationen“ wesentlich erleichtert. 


Helbig (Radebeul). 


Fay R., Mensch, bewege dich. Mit zahlreichen Abbildungen. Leipzig o. J. 
Grethlein & Co. 66 Ss. 8°. Preis: 70 Pfg. 
Der Verf. bietet eine durch 20 meist minderwertige Phototypen und fünf 
Holzschnitte im Texte erläuterte Darstellung des Ring-, Radler-, Lauf-, 
Schwimm-, Ball- und Turnsports nebst allgemeinen Bemerkungen über die Zu- 


Kleinere Mitteilungen. 971 


träglichkeit der Bewegung im Freien, der weiblichen Reformkleidung u.s.w. 
Die Fassung. des Umschlagtitels lässt erkennen, dass es sich um eine Tendenz- 
schrift handelt, die sich S. 14 als Anpreisung der in demselben Verlage er- 
scheinenden: „Bibliothek für Sport und Spiel“ enthüllt. 

Helbig (Radebeul). 


Kleinere Mitteilungen. 


(:) Preussen. Erlass des Ministers der öffentlichen Arbeiten, betr. 
Verbot des Genusses alkoholhaltiger Getränke während des Dienstes. 
(Vom 20. November 1905). 

Wiederholt ist von mir auf die Nachteile hingewiesen worden, die der Missbrauch 
alkoholischer Getränke für die körperliche und geistige Spannkraft der Bediensteten 
sowie für ihr Familienleben und für den Dienst mit sich bringt. Gleichzeitig habe ich 
Mittel und Wege angegeben, die geeignet erscheinen, den Alkobolgenyss einzuschränken. 
Die Königlichen Eisenbahndirektionen sind’angewiesen, fortgesetzt hinzu- 
wirken: auf die Herstellung und angemessene Ausstattung von Aufenthalts- und 
Uebernachtungsräumen, auf die Fürsorge für billige und nahrhafte Verpflegung, ins- 
besondere für das Personal, das genötigt ist, die Mahlzeiten ausserhalb der Häuslichkeit 
einzunehmen, ferner auf die eisenbahnseitige Vorhaltung alkoholfreier Getränke, die 
Einrichtung von Kantinen, Lesezimmern u. s. w. Die Mitnahme von Schnaps und 
schnapsähnlichen Getränken in den Dienst ist bei Strafe verboten, und der Verkauf 
dieser Getränke in den Kantinen u. s. w. untersagt. Auch soll durch Belehrung seitens 
der Vorgesetzten und Bahnärzte sowie durch Vorträge in den Eisenbahnvereinen das 
Verständnis für die Gefahren des Alkoholgenusses geweckt und das Ehrgefühl zur Be- 
kämpfung des Alkoholmissbrauches angeregt werden. Mehrfach wurden auch die 
Direktionen aufgefordert, Fälle von Trunkenheit während des Dienstes mit Strenge zu 
ahnden und Bedienstete scharf zu überwachen, die sich dem übermässigen Alkohol- 
genusse hingeben. 

Gerne erkenne ich an, dass Beamte und Arbeiter die grosse Bedeutung dieser 
Angelegenheit im allgemeinen wohl anerkannt haben. Gewissenhafte Bedienstete 
unterlassen schon jetzt im Aussenbetriebe aus freien Stücken vor dem Dienst und 
während der Dienststunden jeden Alkoholgenuss, weil er ihnen mit den Anforderungen, 
die der Betrieb an ihre Spannkraft stellt, nicht verträglich erscheint. Auch die Eisen- 
babndirektionen waren bemüht, den Bediensteten den Entschluss, sich vom Alkohol- 
genuss fern zu halten, durch zweckmässige Einrichtungen zu erleichtern. 

Dennoch haben schwerwiegende Vorkommnisse der letzten Zeit gezeigt, dass 
die bisherigen Massnahmen nicht ausreichen, um zu verhüten, dass Bedienstete sich 
in sträflicher Pflichtvergessenheit durch übermässigen Alkoholgenuss zur Verrichtung 
ihrer dienstlichen Obliegenheiten unfähig machten und dadurch Betriebsunfälle 
schlimmster Art veranlassten. Gegenüber den Anforderungen, die der Betriebsdienst 
in steigendem Masse an die Umsicht und die Entschlussfähigkeit der in diesem Dienst 
beschäftigten Beamten und Arbeiter stellt und stellen muss, ist es für jeden eine 
unerlässliche Pflicht, sich jene Eigenschaften ungeschwächt zu erhalten, und alles zu 
vermeiden, was den klaren Blick trüben, die Willenskraft lähmen kann. 

Dass der Alkoholgenuss eine Beeinträchtigung der Leistungsfähigkeit zur Folge 
hat, ist nicht allein durch die ernsten Erfahrungen im Eisenbahndienst, sondern auch 
auf vielen anderen Arbeitsgebieten erwiesen. 

Es muss daher allen im Betriebsdienste, einschliesslich des Fahr-, Rangier- und 


972 Kleinere Mitteilungen. 


“Bahnbewachungsdienstes tätigen Beamten, Hilfsbeamten und Arbeitern, ferner allen im 
Bahnsteigschaffner-, Portier- und Wächterdienst beschäftigten Bediensteten der Genuss 
alkoholhaltiger Getränke jeder Art während des Dienstes fortan untersagt werden. Die 
Durchführung dieses Verbots ist mit Strenge zu überwachen und im Wege der Disciplin, 
besonders auch durch Zurückziehung aus dem Betriebe, Ausschliessung von Anstellung, 
Gehaltszulagen und Beförderung sicher zu stellen. Als Dienst im Sinne dieses Ver- 
bots ist auch die Dauer der Dienstbereitschaft im Bahnbereich anzusehen. Ob das 
Verbot auch auf weitere Dienstklassen auszudehnen ist, bleibt dem Ermessen der 
Königlichen Eisenbahndirektionen überlassen. 

Um eine Gewähr dafür zu erhalten, das Beamte und Arbeiter ihren Dienst nicht 
in einem durch Alkoholgenuss geschwächten Zustande beginnen, ist überall da, wo 
es die Oertlichkeit erlaubt, anzuordnen, dass die Mannschaften der obengenannten 
Dienstzweige sich vor dem Dienstantritt auf der Station bei ihrem nächsten Dienst- 
vorgesetzten oder dessen Vertreter zu melden haben. 

Sollen noch fernerhin Fälle von 'Trunkenheit im Dienst vorkommen, so sind die 
Schuldigen, falls keine härtere Strafe angezeigt ist, mindestens mit einer empfindlichen 
Geldstrafe zu belegen und unter Androhung der Dienstentlassung für den Wieder- 
holungsfall sofort aus dem Betriebsdienste zurückzuziehen. Im Betriebsdienste dürfen 
sie nur mit besonderer Genehmigung der Eisenbahndirektion und erst dann wieder ver- 
wendet werden, wenn mit Bestimmtheit angenommen werden kann, dass sie ein gleiches 
Vergehen sich nicht wieder zu schulden kommen lassen werden. Bei wiederholter 
Trunkenheit im Dienst ist stets die Dienstentlassung anzuordnen oder das Disciplinar- 
verfahren auf Dienstentlassung einzuleiten. 

Da die Abwendung schwerer Gefahren für den Betrieb sowie für das Leben der 
Beamten und Arbeiter in Frage steht, so hat jeder Eisenbahnbedienstete, welcher be- 
merkt, dass in den oben aufgeführten Dienstzweigen jemand bei angetrunkenem Zu- 
stande seinen Dienst verrichtet oder ihn zu verrichten sich anschickt, sofort dem 
nächsten erreichbaren Vorgesetzten des dienstunfähigen Mannes Meldung zu erstatten. 
Den Vorgesetzten liegt ob, wegen etwaiger Ablösung das Nötige zu veranlassen. 

Vorgesetzte, welche unterlassen, ihre Untergebenen hinsichtlich des Alkohol- 
wissbrauchs zu beobachten und zur Rechenschaft zu ziehen, machen sich selbst einer 
Pflichtverletzung schuldig. 

Von dem Ehr- und Pflichtgefühl aller Glieder der Staatseisenbahnverwaltung 
erwarte ich, dass sie sich von der Notwendigkeit dieser Massrogel im Hinblick auf die 
Sicherheit des Betriebes und auf ihren eigenen Schutz gegen Lebensgefahr überzeugen 
werden und dass ein jeder von ihnen, soviel an ihm liegt, dazu beitragen wird, die 
getroffene Anordnung überall zur Durchführung zu bringen. 

Dabei rechne ich auch auf die vielfach bewährte Mitwirkung der Bahn- und 
Bahnkassenärzte, die nicht nur durch belehrende Vorträge auf die Bediensteten ein- 
wirken, sondern auch die Vorgesetzten auf solche Bedienstete aufmerksam machen 
können, welche nach ihrer Kenntnis dem Alkoholmissbrauch in einem Umfange ergeben 
sind, dass dadurch die Zuverlässigkeit ihrer dienstlichen Verrichtungen in Frage ge- 
stellt wird. Hierauf werden die Bahnärzte insbesondere auch bei der Untersuchung 
solcher Personen zu achten haben, deren erste Einstellung in den Eisenbahndienst in 
Frage kommt, 

Der Bezug alkoholfreier erfrischender Getränke ist in immer grösserem Umfange, 
insbesondere auch dem auf weiter Fahrt diensttuenden Personal nach Möglichkeit zu 
erleichtern und entsprechenden Einrichtungen von den Eisenbahndirektoren ganz be- 
sondere Aufmerksamkeit zuzuwenden. 


Kleinere Mitteilungen. 973 


Die Eisenbahndirektoren wollen hiernach das für ihren Bezirk Erforderliche 
veranlassen. 
An die Königlichen Eisenbahndirektionen. 
(Veröff. d. Kais. Ges.-A. 1906. No. 14. S. 312.) 


(:) Mitteilungen aus dem Medizinalbericht von Württemberg für 
das Jahr 1903. 

Die Zahl der Geborenen betrug im Berichtsjahre 77356 (gegen 78793 im Vor- 
jahre), darunter waren 39625 Knaben, und 37731 Mädchen. Die Zahl der Mehrlings- 
geburten belief sich auf 1023; 1014 mal kamen Zwillinge, 9 mal Drillinge zur Welt. 
Totgeboren wurden 2308 Kinder, davon 836 bei künstlicher Geburt. 

Die Sterbeziffer ist im Berichtsjahre um 0,2°/oo gegenüber dem Vorjahre 
gestiegen und war die zweitkleinste seit dem Jahre 1872. An der geringen Er- 
böhung der Sterbeziffer war insbesondere die Altersklasse über 1 Jahr mit ihrer stark 
vermehrten Sterblichkeit an Magen- und Darmkatarrh beteiligt. An dieser Krank- 
heit sowie an Atrophie der Kinder sind 10365 oder 1418 Todesfälle mehr zu ver- 
zeichnen gewesen als im Vorjahre. Gestiegen sind auch die Todesfälle an Infektions- 
krankheiten; namentlich haben Keuchhusten (1017) Fälle, Scharlach (313) und Masern 
(757) grössere Opfer gefordert. 

Die Tuberkulose-Sterblichkeitszifler hat in geringem Grade abgenommen; 
an Tuberkulose der Lungen gingen 4041, an Tuberkulose anderer Organe 554 Personen 
zu Grunde. Ebenso hat sich die Zahl der Todesfälle an Lungenentzündung (2971) 
und sonstigen entzündlichen Krankheiten der Atmungsorgane (3575), 
an angeborener Lebensschwäche (3076) und Altersschwäche (3987) ver- 
ringert, Die Zahl der Todesfälle durch Selbstmord (402) hat sich gegen das Vor- 
jahr um 56 erhöht; diese Zunahme betrifft besonders den Schwarzwald- und Donau- 
kreis. Masern verursachten im Berichtsjahre die dritthöchste Sterblichkeit seit 
30 ‚Jahren; die Sterbeziffer des Scharlachs hat sich gegen das Vorjahr verdreifacht 
und war die zweithöchste seit 10 Jahren, aber immer noch unter dem 30jährigen 
Durchschnitt. Die Todesfälle an Diphtherie (446) haben im Berichtsjahre nochmals 
am einiges abgenommen und orreichten eine Zahl wie seit dem Jahre 1878 nicht 
mehr. Der starke Abfall der Typhussterblichkeit des Jahres 1902 ist nicht von 
Bestand geblieben. Die absolute Zahl von T'odesfällen an dieser Krankheit hat sich 
von 77 auf 118 gehoben. Auffallend häufig kamen Typhustodesfälle immer noch in 
den Oberamtsbezirken, die an Pforzheim grenzen, vor. Eine am Ende des Berichts- 
jahres in der Privatirrenanstalt Göppingen ausgebrochene Typhusepidemie gab Yer- 
anlassung, die nach Bearbeitung im Kaiserlichen Gesundheitsamte vom Reichs- 
Gesundheitsrate beschlossenen „Massnahmen zur Bekämpfung des Typhus“ zur 
Anwendung zu bringen. An Milzbrand gestorben sind 7 Personen. Krankheitsfälle 
sind namentlich bei Gerbern in Backnang häufig vorgekommen, davon jedoch nur 
2 mit tödlichem Verlaufe. Pockenfälle kamen nicht zur Beobachtung. - 

Im Monat August trat in Ochsenhausen (Donaukreis) eine Epidemie unter den 
Schul- und Waisenkindern auf, bei der zunächst an Trachom gedacht wurde; sie 
stellte sich jedoch nachher als einfacher follikulärer Bindehautkatarrh heraus. 
Genickstarre soll in einigen Oberamtsbezirken vereinzelt vorgekommen sein, es 
muss indes dahingestellt bleiben, ob sich nicht Fälle von tuberkulöser Hirnhaut- 
entzündung darunter befanden. 

Die Zahl der Aerzte ist im Berichtsjahre auf 979 (gegen 954 im Vorjahre) 
gestiegen, die der Wundärzte von 141 auf 127 zurückgegangen. Die Zahl der Zahn- 
ärzte hat sich um 5 auf 40, die der Tierärzte um 16 auf 235 erhöht. Die Zahl der 
nicht approbierten Heilkünstler für Menschen ist im Berichtsjahre um 30 auf 301, 


974 Kleinere Mitteilungen. 


für Tiere um 5 auf 30 angewachsen. Die Zahl der Hebammen, welche seit dem .Jahre 
1899 stetig zurück ging, ist im Berichtsjahre wieder um 3 auf 2480 gesunken. Die 
Zahl der Leichenschauer hat sich um 9 erhöht und betrug 1830. 

3 Zwei Krankenhausneubauten sind im Berichtsjahre ihrer Bestimmung üter- 
geben worden, das Bezirkskrankenhaus in Ludwigsburg und dasjenige in Riedlingen; 
der Bestand der allgemeinen Krankenhäuser in Württemberg betrug somit 164. In 
diesen wurden insgesamt 54125 Kranke verpflegt. Davon starben 1835=3,39°/, gegen- 
über 2,47°/, im Vorjahre. 

Die Gesamtzahl der in den württembergischen Staats- und Privat-Irrenan- 
stalten ausschliesslich der psychiatrischen Klinik in Tübingen verpflegten Personen 
betrug 3886, hat also im Berichtsjahre um 90 zugenommen. Heil- und Pflegeanstalten 
für besondere Zwecke bestanden Ende des Jahres 1903 in Württemberg 101. In der 
Entbindungsanstalt der K. Hebammenschule in Stuttgart betrug die Gesamtzahl 
der Geburten 702 gegen 665 im Vorjahre; von den Müttern waren 324 Erstgebärende, 

78 Mehrgebärende, darunter eine mit dem 18. Kinde. 

Hinsichtlich der Heilbäder und Badeanstalten machte sich im Gegensatz zum 
Vorjahre ein starker Rückgang in der Anwendung der sogenannten Kneippschen Me- 
thode geltend. Die Zahl der abgegebenen Bäder betrug insgesamt 2032368, der Kur- 
gäste in den Heilbädern 15787. (Veröff. d. Kais. Ges.-A. 1906. No. 9. S. 182.) 


(:) Oesterreich. Aus dem statistischen Jabrbuche der Stadt Wien für das 
Jahr 1903. 

Die auf die Mitte des Berichtsjahres berechnete Bevölkerung Wiens betrug 
unter Einschluss von 26622 Militärpersonen 1761931 Personen. Lebendgeboren 
wurden 508% Kinder (28,88 auf je 1000 Einwohner), totgeboren 3733 (2,12). Ausser- 
ehelicher Abkunft waren im ganzen 16700 Kinder einschl. der in der niederöster- 
reichischen Landesgebäranstalt vonortsfremden Müttern geborenen. Auf je 100 Lebend- 
geborene kamen 30,41, auf je 100 Totgeboreno 32,74 aussereheliche Kinder. 

Sterblichkeit. Nach Abzug der in Wien verstorbenen Ortsfremden, Personen 
unbekannten Wohnortes und Militärpersonen belief sich die Zahl der Gestorbenen 
auf 31526, d. i. 17,89°/% d. E. (gegen 18,93 im Vorjahre). Hierunter befanden 
sich 8850 (9635) Kinder unter 1 Jahr. Von den T'odesfällen waren 62 durch Typhus 
veranlasst, durch Malaria und Blasenwurmkrankheit je 2, durch Masern 379, Schar- 
lach 113, Keuchhusten 230, Diphtherie und Croup 402, Influenza 10, akute Bron- 
chitis 845, Ruhr und Genickkrampf je 6, Rose 88, Milzbrand und Tollwut je 1, 
Lungentuberkulose 5647, Tuberkulose des Gehirns und seiner Häute 957, Tuberkulose 
anderer Organe 833, Syphilis 127, Krebs und sonstige bösartige Neubildungen 1929, 
akuten Gelenkrheumatismus 12, Todesfälle an Fleckfieber und Pocken sind nicht vor- 
gekommen. 

Morbidität. Unter der Civilbevölkerung gelangten an meldepflichtigen In- 
fektions- und parasitären Krankheiten zur Anzeige: 1964 (im Vorjahre 2007) Fälle 
von Rose, 201 (213) von Kindbettfieber, 8 (0) von Pocken, 8627 (15259) von Masern, 
763 (788) von Röteln, 1574 (3406) von Scharlach, 356 (308) von Typhus, 21 (15) von 
Ruhr, 4142 (3501) von Diphtherie und Croup, 3756 (3214) von Keuchhusten, 3665 
(4102) von Windpocken, 134 (92) von Trachom, 4 (1) von Genickstarre, 26 (21) von 
Influenza, 2222 (674) von Mumps, 2 (5) von Milzbrand, 1 (0) von Rotz, 2 (2) von 
Tollwut. 

Offenkundig Trunksüchtige wurden 1685 (1389) ermittelt, hierunter befanden 
sich 168 (119) weibliche Personen. 

Das Heilpersonal bestand am Schlusse des Berichtsjahres aus 2661 Aerzten, 


Kleinere Mitteilungen. 975 


14 Zahnärzten, 1760 Hebammen, 150 Tierärzten, 8 Rossärzten und Kurschmieden 
und 118 Apothekern. 

In den 34 Krankenhäusern mit zusammen 7769 (im Vorjahre 7747) Betten 
wurden 95311 (93923) Personen behandelt, von denen 55418 als geheilt, 21672 als 
gebessert, 6089 als ungeheilt zur Entlassung kamon und 8509 gestorben sind. In den 
3 Rekonvalescentenhäusern mit zusammen 112 Betten wurden 1307 Personen 
verpflegt, von denen 9 starben und 54 am Schlusse des Jahres im Bestande verblieben. 
Neben der niederösterreichischen Landes-Irrenanstalt bestanden wie im Vorjahre 
4 Privatanstalten für Irre und Nervenkranke. In diesen 5 Anstalten mit insgesamt 
1152 Betten wurden 2898 Kranke behandelt, von welchen 244 starben und 132] am 
Schlusse des Jahres in den Anstalten verblieben. 

In der niederösterreichischen Landes-Gebäranstalt fanden während 
des Berichtsjahres 10927 Schwangere Aufnahme, 52.derselben sind gestorben, 5696 wurden 
nach der Entbindung derFindelanstalt überwiesen. In die niederöstereichische Landes- 
Findelanstalt wurden im ganzen 7462 Kinder aufgenommen, von denen 7361 un- 
entgeltlich verpflegt wurden. Von 27418 Kindern, welche sich im Berichtsjahre unter 
der Fürsorge der Anstalt befunden haben, sind 2928 gestorben. 

Die Zahl der Hilfeleistung bei plötzlichen Unglücksfällen dienenden Retti ungs- 
anstalten betrug im Berichtsjahr 259. Durch die k. k. Sicherheitswache wurde erste 
Hilfe bis zum Erscheinen des Arztes oder der Rettungsgesellschaft in 7971 Fällen 
geleistet. Die Tätigkeit der Wiener freiwilligen Rettungsgesellschaft, des Wiener frei- 
willigen Rettungskorps und der Unter-St. Veiter freiwilligen Rettungsgesellschaft ist 
in 15860 bezw. 7848 und 1856, zusammen in 25564 Fällen in Anspruch genommen 
worden. 

An Nahrungs- und Genussmitteln, welche der Linienverzehrungssteuer 
unterliegen, wurden u.a. verbraucht 249 137 Stück Rindvieh, 318637 Kälber, 85416 Stück 
Schafe, Widder, Hammel, Lämmer, Ziegen u. dergl., 6321 leichtere Kitze, 11956 Span- 
ferkel, 18013 Frischlinge, 579199 sonstige Schweine, 5981066 kg frisches Rind-, Schaf- 
und Ziegenfleisch, Würste und Konservenfleisch, 5815072 frisches Kalb- und Schweine- 
fleisch, 3579471 eingesalzenes, gepökeltes und Rauchfleisch, 4181702 Hühner und 
Tauben, 1566937 Truthühner, Kapaune, Gänse und Enten, 485721 Hasen, 2111786 kg 
Fische und Schaltiere, 5988380 kg Weintrauben, 508535 hl Wein in Gebinden und 
Flaschen, 2524508 hl Bier, 66841 hl Branntwein. 

Von 1228 in der Untersuchungsanstalt für Nahrungs- und Genuss- 
mittel des Allgemeinen österreichischen Apotheker-Verbandes in der Zeit vom 
1. September 1903 bis 31. August 1904 untersuchten Proben wurden 223—18,16 °/o 
beanstandet. 

Die Zahl der von der k.k. landwirtschaftlich-chemischen Versuchs- 
station und in der Versuchsstation des Centralvereins für Rübenzucker- 
Industrie im Berichtsjahre ausgeführten Untersuchungen betrug 15770 bezw. 3639. 

DasMarktamt hat zumeist aus gesundheitspolizeilichen Gründen vielfach Lebens- 
mittel und andere Gegenstände beschlagnahmt, z. B. 1065 kg Wildbret, 2717 Stück 
Geflügel und Federwild, 2664 kg Kalbfleisch, 303 kg Rindfleisch, 733 kg und 133 Stück 
Würste und Wurstwaren, 8594 kg rohe, 1139 kg und 1674 Stück marinierte, geräuoherte 
und gesalzene Fische, 11659 Stück Krebse, 430 kg Milch und Rahm, 17880 Stück Eier, 
122458 kg rohes Obst, 27800 kg Gemüse, 419 kg verbotene, 600 kg verdorbene Pilze, 
22643 kg Kartoffeln, 12909 kg und 47318 Stück Südfrüchte, 612 kg Presshefe, 
910 Liter Bier, 51 Liter Wein, Obstwein und Obstmost, 121 Liter Arzneien und Geheim- 
mittel, 2268 Stück Feuerwerkskörper u. s. w. 

Bei der auf den Bahnhöfen durch die Tierärzte bewirkten Viehbeschau wurde 

bei 495 Rindern, 7 Kälbern, 148 Schafen und Lämmern, 4216 Schweinen teils der Tod, 


976 : Kleinere Mitteilungen. 


teils Verletzung oder Krankheit festgestellt; bei der Beschau in den städtischen 
Schlachthäusern sind 163 ganze Rinder und 11211 Teile von Rindern beanstandet 
und dem Wasenmeister übergeben worden. Durch diesen wurden u. a. 317 Stück 
Rinder, 221 Kälber, 1273 Schweine, 1294 Pferde, 96 Stück Rotwild, 726 Hasen und 
Kaninchen, 2951 Stück Geflügel vernichtet. 

Die Länge des Rohrnetzes der Hochquellenwasserleitung betrug am Schlusse 
des Jahres 1903 356399 m (gegen 834548 im Vorjahre), diejenige der Wientalwasser- 
leitung 130628 (112932) m. Mit Hochquellenwasserleitung waren insgesamt 29063 
(28269) Häuser verschen, ferner wurden aus ihr 5179 (4918) Auslaufbrunnen, Spring- 
brunnen, Bassins, öffentliche Pissoirs und Rinnsale gespeist. Der tägliche Gesamt- 
wasserverbrauch aus der Kaiser Franz Josef-Hochquellenwasserleitung betrug durch- 
schnittlich 876105 (853041) hl im Winter, 1082835 (1053939) hl im Sommer, wovon 
zu gewöhnlichen Zeiten 529937 bezw. 530974 auf Haushaltungszwecke entfielen. 

Das Kanalnetz der Stadt Wien hatte zu Anfang des Jahres 1903 eine Länge 
von 658354,3 m, am Ende desselben eine solche von 674,941,61 m; die Länge der 
Hauskanäle betrug zu Beginn des Berichtsjahres 1061106,8 m und an dessen Ende 
1099522,17 m. Die Zahl der Senkgruben ist fortwährend in Abnahme begriffen; 
im Berichtsjahre hat sie sich von 5733 auf 5408 verringert. 

(Veröff. d. Kais. Ges.-A. 1906. No. 14. S. 325.) 


(:) Bevölkerungsbewegung in Italien 1902. (Nach Movimento della popo- 
lazione etc. nell’ anno 1903. Roma 1905.) 

Um die Mitte des Berichtsjahres 1903 hatte Italien nach den amtlichen Angaben 
33088725 Bewohner: die Bevölkerung hatte also seit der letzten Volkszählung vom 
9./10. Februar 1901 bis zum 1. Juli 1903 angeblich um 613472 zugenonmen. Da 
während des Berichtsjahres im Königreich 10420€°0 Kinder lebend geboren wurden, 
betrug hiernach die — nur aus der Zahl der Lebendgeborenen errechnete — 
Geburtsziffer 31,4 090 und war nicht nur erheblich kleiner als die des Vorjahres 
(33,3), sondern auch niedriger als in jedem der anderen scit 1882 abgelaufenen Jahre. 
Die Heiratsziffer d. J. 1903 (= 7,17°/go der Bevölkerung) war zwar ebenfalls 
niedriger als in den meisten der zuletzt abgelaufenen 21 Vorjahre, jedoch etwas 
höher als in den Jahren 1896 (7,07) und 1598 (6,88). 

Von den lebend geborenen Kindern desBerichtsjahres waren 59168, d.i.5,68%;,, 
ausserehelicher Abkunft oder als ausgesetzte Kinder unbekannter Abkunft; auf 
je 1000 verheiratete Frauen von 15—50 Lebensjahren kamen in Italien 225 ehelich 
geborene Kinder, und auf je 1000 unverheiratete oder verwitwete weibliche Personen 
kamen 17,3 aussereheliche Kinder. Die so errechnete Ziffer der ausserehelichen Ge- 
burten war am höchsten in Latium (47,7) und in der Romagna, d. h. den öst- 
lichen Teilen von Emilia (40,6), demgegenüber am geringsten in Piemont (7,0) 
und der Lombardei (8,0). Die eheliche Fruchtbarkeit hat in Italien seit 1570 
stetig abgenommen, denn auf je 1000 verheiratete Frauen gebärfähigen Alters kamen 
1870— 1872, 1550—1882 und 1900—1902 nacheinander: 254, 241 und 231 ehelich ge- 
borene Kinder. Von den 1075851 Geburten des Berichtsjahres waren 12595 Zwillings- 
geburten, 174 Drillingsgeburten und 1 Vierlingsgebunt. 

Es starben — abgesehen von den 46707 totgeborenen Kindern — während. des 
Berichtsjahres 736311 Personen; die Gesamtsterbeziffer war darnach = 22,25%; 
der Bev. und ebenfalls höher als in den beiden Vorjahren 1902 (22,15) und 1901 
(21,95), aber niedriger als in fast allen anderen seit 1882 abgelaufenen Jahren 
(ausgen. 1597 und 1899). Am höchsten war während des Berichtsjahres die Sterbe- 
zilfer in Apulien (29,06) und Basilikata (27,43), am niedrigsten in Ligurien 
(18,65) und Venezien (19,45); von den Todesfällen entfielen die meisten auf den 


Kleinere Mitteilungen. 977 


Januar (2401 auf jeden Monatstag), Februar (2335) und August (2136), die wenigsten 
auf den Juni (1752), Mai (1796) und November (1829). 

Von den Gestorbenen standen 179109 im ersten Lebensjahre, 119596 im Alter 
von 1—5 Jahren und 34504 im Alter von 5—15 Jahren, so dass 45,3%, aller Sterbe- 
fälle auf diese 3 jugendlichen Altersklassen entfielen, während im Deutschen Reiche 
zur gleichen Zeit 49,00/, aller Sterbefälle Kinder bis zu 15 Jahren betrafen. Unbe- 
kannten Alters waren 908 der Gestorbenen; ein Alter von SO oder mehr Jahren hatten 
52652, d. i. 7,15°;/,, ein Alter von 60. —80.Jahren 183764, d. i. 24,960, derGestorbenen 
bekannten Alters erreicht!). Auf je 1000 Lebendgeborene des Berichtsjahres sind 
nach obigen Angaben 172 Kinder des ersten Lebensjahres gestorben, und zwar 
war die Säuglingssterblichkeit —= 168 unter den ehelich geborenen, == 238 unter 
den ausserehelich oder anscheinend ausserehelich (s. 0.) geborenen Kindern, da von 
letzteren 14087, von den ehelichen 165032 Kinder im ersten Lebensjahre gestorben sind. 

(Veröff. d. Kais. Ges.-A. 1906. No. 12. S. 258.) 


(:) Italien. Mailand. Bewegung der Bevölkerung im Jahre 1904 und 
Todesursachen im Vergleich zu anderen Hauptstädten Italiens. (Nach 
Comune di Milano. Dati statistici a corredo del resoconto dell’ ammistrazione comunale 
1904. Milano 1905.) 

Im Jahre 1904 ist die Einwohnerzahl der Stadt Mailand (ausschl. der Garnison) 
angeblich von 507261 auf 520604 gestiegen, die Garnison bestand am 31. December 
1%4 aus 7147 Mannschaften. 

Von den 13718 lebendgeborenen Kindern des Berichtsjahres (= 26,7 °/o0 
d. B.) waren 1207 ausserehelicher Abkunft, darunter 473, deren Vater unbekannt 
war. Die Verhältnisziffer der ausserehelich lebendgeborenen Kinder zur Gesamtzahl 
der Lebendgeborenen ist von 13,01°/, im Jahre 1873 allmählich auf 8,54%/, herunter- 
gegangen; sie war nunmehr in Mailand wesentlich niedriger als in den meisten 
anderen italienischen Grossstädten und betrug z. B. (i. J. 1904) in Rom und in Cagliari 
17,5, in Florenz 16,1, in Bologna 14,5, in Venedig 12,3, in Genua 11,7, in Neapel 
11,8°/%. Neben 483 l'otgeburten sind 642 Aborte in Mailand eingetragen, und 
von diesen sind 64 und 104, d. i. zusammen 14,9°/,, als aussereheliche bezeichnet. 
Es starben in Mailand 10282 Personen, darunter 1490 Angehörige anderer Gemeinden, 
während von Angehörigen der Gemeinde Mailand im Laufe des Berichtsjahres 1952 
an anderen Orten verstorben sind; die höchste Zahl der Sterbefälle entfiel auf den 
Januar und März, die geringste auf den September und November. Im ersten Lebens- 
jahre starben von den der Gemeinde zugehörigen Kindern 1747 in Mailand und 833 
ausserhalb der Stadt, zusammen 2580, was einer Säuglingssterblichkeit von 18,8 auf 
je100Lebendgeboreneentspricht. (Im Berichteisteine Säuglingssterblichkeit von 19,2:100 
Lebendgeborenen errechnet, da der Berechnung die Durchschnittszahl der während 
der beiden letzten Jahre lebendgeborenen Kinder zu Grunde gelegt worden ist.) Von 
den anderen Gemeinden zugehörigen Kindern des ersten Lebensjahres sind in Mailand 
nur 54 gestorben, obwohl in Mailand die Provinzialpflegeanstalt für ausgesetzte Kinder 
und Wöchnerinnen sich befindet. 

Was die wichtigsten Todesursachen bei den 10282 in Mailand gestorbenen 
Personen betrifft, so starben an Lungentuberkulose 1223, sonst an Tuberkulose und 
Skrofulose 405, an akuter Lungenentzündung 1119, an Typhus 198, an Diphtherie 
und Croup 149, an Masern, Scharlach und Keuchhusten 68, an Syphilis 70, an 


1) Im Deutschen Reiche hatten während desselben Jahres nur 5,3°/, aller Ge- 
storbenen bekannten Alters ein Lebensalter von 80 oder mehr ‚Jahren und 21,7 °/o ein 
Alter von 60—80 Jahren erreicht. 


978, i Kleinere Mitteilungen. 


Influenza 14, an Malaria 7, an Ruhr 2, an Fleckfieber I, an Pocken 0, an Darm- 
katarrh, Brechdurchfall 865, an Herzleiden 658 (ausserdem 319 an „Synkope“), in- 
folge bösartiger Geschwülste 592, aus angeborener Lebensschwäche 609, aus Alters- 
schwäche 440, an Gehirnschlag u. s. w. 656, an chronischem Alkobolismus 9, durch 
Selbstmord J10, durch Verunglückung 165, durch Mord oder Totschlag 14, aus un- 
bekannter Ursache 36. 

Der Vergleich mit 6 anderen italienischen Grossstädten ergibt, dass die Pocken, 
ebenso wie in Mailand, auch in Florenz und Turin keine, dagegen z. B. in Palermo 
110, in Genua 9, in Rom und Neapel je 2 Todesfälle verursacht haben; dem T y ph us 
erlagen in Rom 203, in Turin 157, in Florenz 83 Personen u. s. w.; der Lungen- 
schwindsucht, an welcher in Mailand 1223 Personen gestorben sind, erlagen in 
dem stärker bevölkerten Neapel nur 971, in dem fast ebenso stark bevölkerten Rom 
nur 885 Personen, ferner in Genua 648, in Florenz 573, in Turin 827 u. s. w. In 
Berlin, das neben Wien, London, Paris, St. Petersburg, New York und Buenos Aires 
ebenfalls zum Vergleich gezogen ist, war die Sterbeziffer an Lungenschwindsucht 
co 9/0) wesentlich geringer als in Mailand (23,7). 

(Veröff. d. Kais. Ges.-A. 1906. No. 7. S. 152.) 


(:) Italien. Berufssterblichkeit. 

Hinsichtlich der verschiedenen Lebensdauer der männlichen Personen in den 
einzelnen Berufszweigen wird auf Grund der Erhebungen aus den Jahren 1901, 1m 
und 1903 seitens der Generaldirektion für Statistik zu Rom in deren neuestem Druck- 
werke, betitelt: Movimento della popolazione etc. nell’ anno 1903, folgendes mitgeteilt: 

Ein Alter von 70 oder mehr Jahren haben von je 100 im Alter von mehr 
als 20 Jahren in Italien gestorbenen männlichen Personen durchschnittlich 39—40 
erreicht, dagegen von je 100 in solchem Alter gestorbenen 


Priestern und Mönchen. . . 2 22 2020.20. 55—56 
Kapitalisten und Besitzern. . 2 2 2 220.0. 52—53 
Schiffsleuten und Fischen. . . 2 2 2020.20... 44—46 
Landleuten (Ackerbauern) . . 2 2 2220.00. 43-44 
Aerzten und Tierärzten. . . en. 4243 


andererseits von je 100 in solchem Alter gestorbenen 
Büreauarbeitern, Geschäftsgehilfen, Burschen nur . . 13-14 
Druckern und Steindruckern . . . 2 202... 12—16 


Wächtern (guardie) . . . Fe Re (2 |) 
Bergwerks- und Grubenarbeitern a 1) | 
Kaffeewirten, Kneipwirten, Gastwirten. . . . . . 24—27 
Kellnern in Herbergen und Gastwirtschaften . . . . 24—% 
Barbieren. . . PE TE E S a T E E TÀ 
Lehrern und Professoren ELE arrana A aO 
Kutschern und Fuhrleuten . . 2 2 2.. . . 26—27 
Dienstmännern (facchini) . . . 2 2 2 200. 26 
Arbeitern im allgemeinen . . . 28—29 


Schmieden, Hufschmieden, Kupferschmieden, Mechanikern 28—29 

Zu demselben Zwecke, d. h. um die verschiedene Sterblichkeit in einzelnen Be- 
rufen zu ermitteln, sind auf Grund der bei der Volkszählung vom 10. Februar 1901 
lebend im Alter von 15—65 Jahren nachgewiesenen Angehörigen einzelner Berufs- 
zweige, andererseits der während der Jahre 1901, 1902 und 1903 im Alter von 15 bis 
65 Jahren gestorbenen Angehörigen dieser Berufszweige Sterblichkeitsziffern 
errechnet und veröffentlicht (a. a. o. S. 67). Diese Sterblichkeitsziffern waren sehr 
niedrig u.a.fürLandwirte (agricoltori), Hirten, Seeleute, Kellner (camerieri), Wächter, 


n 


Kleinere Mitteilungen. 979 


sehr hoch für Branntweinhändler, Kaffeewirte, Arbeiter in Spinnereien und Webereien, 
fürDienstmänner und angeblich andere „mit mühevoller Arbeit beschäftigte“ Personen 
(persone di fatica). (Veröff. d. Kais. Ges.-A. 1906. No. 12. S. 275.) 


(:) Medizinalstatistische Mitteilungen aus Norwegen für das 
Jahr 1903. (Nach Norges officielle statistik. Fjerde raekke No. 128.) 

Im Berichtsjahre wurden in Norwegen 65155 Kinder lebend und 1647 tot go- 
boren. Es starben 33567 Personen oder bei einer mittleren Bevölkerung von 
2266400 Einwohnern 14,8°/%. Die natürliche Bevölkerungszunahme betrug demnach 
31588 oder 13,9°/%. In den Städten kamen auf 100 Lebendgeburten 47,8, auf dem 
Lande 53,2 Todesfälle. Im 1. Lebensjahre starben 5146 Kinder, davon 1971 in Städten. 

Aerztliche Angaben über die Todesursache lagen in 84,7°/,, in den Städten 
in 92,1, auf dem Lande in 81,6°/, aller Todesfälle vor. Danach waren u. a. gestorben 
an Lungentuberkulose 4488 Personen, an sonstigen tuberkulösen Leiden 1378, Alters- 
schwäche 3965, Krebs und Sarkom 2112, Lungenentzündung 1447, organischen Herz- 
leiden 1339, Gehirnschlag 1226, angeborener Lebensschwäche 923, akuter Diarrhöe 691, 
Keuchhusten 440, Magendarmkatarrh 460, Diphtherie 334, Masern 300, Typhus 140, 
Scharlach 120, ferner durch Verunglückung 914, Selbstmord 142, Mord und Tot- 
schlag 11. Todesfälle an Lungentuberkulose kamen auf je 1000 Einwohner insgesamt 2,0 
(1902: 1,9), in den Städten 2,1(2,2), auf dem Lande 1,9 (1,8). Im Kindbett gingen 
205 Frauen zu Grunde (in den Städten 67, auf dem Lande 138), darunter an Kind- 
bettfieber 713 (40 und 73). 

Der Gesundheitszustand war im allgemeinen befriedigend. Erkrankungen 
an akuten epidemischen Krankheiten sind im ganzen 161860 (1902: 144153) bekannt 
geworden. 19 leichte Pockenerkrankungen verteilten sich auf zwei Bezirke. Fleck- 
fieberfälle kamen 12 vor, davon 11 im Bezirk Finnmarken. Typhus war mit 1330 Fällen 
zwar häufiger als im Vorjahr (840), doch seltener als es in der Regel der Fall ist. 
Das Scharlachfieber, an dem 3593 Personen erkrankten, war besonders in einigen 
östlichen Bezirken epidemisch verbreitet. In grosser Ausdehnung herrschten die Masern 
bei insgesamt 14595 Fällen besonders in Bergen und einigen anderen Städten. Keuch- 
husten (7348 Fälle) zeigte sich im Westen und Norden des Landes recht häufig. 
Diphtherie (4128) trat stärker als im Vorjahre (2637) auf, akute Katarrhe der Atmungs- 
organe (63375) und Lungenentzündung (9553) waren dagegen weniger zahlreich als 
gewöhnlich. Influenza (15218) war fast über das ganze Land epidemisch verbreitet. 

In den Krankenhäusern sind 21780 Personen behandelt worden; 19784 kamen 
in Abgang, davon 1996 oder 10,2°/, durch den Tod. Die Behandlung in 13 Irren- 
anstalten erstreckte sich auf 2765 Personen, von denen 149 starben. In den Anstalten 
wurden 314 Lepröse, 137 Männer und 177 Frauen, behandelt; 32 waren neu auf- 
genommen, 6 ungeheilt entlassen, 32 gestorben. Ausserhalb der Krankenhäuser sind 
6861 Personen an venerischen Krankheiten behandelt worden, 2006 an 
Schanker und Syphilis, 4855 an Gonorrhoe. 

Impfungen wurden 51242 vorgenommen, teils von Aerzten, teils von 722 Impf- 
gehilfen. Ausser letzteren bestand das Medizinalpersonal aus 1026 Aerzten, 
256 Zuhnärzten, 1254 Hebammen; Apotheken und Zweigapotheken bestanden 142. 

(Veröff. d. Kais. Ges.-A. 1906. No. 14. S. 312.) 


Beilage zur „Hygienischen Rundschau“. 
f Berlin, 1. September 1906. Mm. 1. 


Verhandlungen der Deutschen Gesellschaft für ößentliche Gesundheitsplege 
zu Berlin!) 
Sitzung vom 6. Februar 1906. Vorsitzender: Herr Wehmer, Schriftführer: 
Herr Proskauer. 


Herr Wehmer: M.H.! Vor einigen Tagen ist Herr Geh. Baurat Beer zu 
Grabe getragen worden. Wir betrauern in ihm ein ausserordentlich bedeuten- 
des Mitglied unserer Gesellschaft, der uns bei Besichtigung der Berliner Wasser- 
werke öfters in liebenswürdiger Weise seine Anstalten gezeigt hat. Wenn Berlin 
jetzt in hygienischer Beziehung auf der Höhe steht und bezüglich seiner 
Wasserversorgung stets den neuesten Errungenschaften der Technik und Wissen- 
schaft praktisch Rechnung trug, so verdankt es dies nicht zum mindesten der 
unermüdlichen Tätigkeit Beers, der u. a. die Aufgabe gelöst hat, die bisher 
ganz anders eingerichteten Berliner Wasserwerke in überraschend kurzer Zeit 
in eine Grundwasserversorgung umzuwandeln. Ich denke, dass wir Gelegen- 
heit nehmen werden, diese neuen Einrichtungen im Laufe des Sommers einmal 
vorzuführen, und dass auch in einer späteren Sitzung Ihnen dies näher darge- 
legt werden wird. Jedentalls ist der Verlust, den die Wissenschaft und die 
Stadt Berlin durch den Heimgang dieses ausserordentlich verdienstvollen und 
trotzdem im Verkehr überaus bescheidenen und liebenswürdigen Mannes erlitten 
hat, schr gross. Sein Andenken wird bei uns stets unvergessen sein (die 
Mitglieder erheben sich zu Ehren des Verstorbenen von ihren Plätzen). 

Im Anschluss an unsere letzte Sitzung und Vorstandswahl möchte ich mir 
sodann erlauben, an dieser Stelle unseren verbindlichsten Dank dem heute 
anwesenden Geh. Med.-Rat Dr. Baer, unserem langjährigen Bibliothekar und 
Vorstandsmitglied, auszudrücken. Es ist uns ausserordentlich schmerzhaft 
gewesen, dass derselbe sich nicht in der Lage gesehen hat, weiter in seinen 
Aemtern für uns tätig zu sein. Wir wollen aber nur wünschen, dass der Grund 
seiner Amtsniederlegung, seine nicht ganz feste Gesundheit, als ein irrtümlicher 
sich herausstellen und dass er noch recht lange unsere Versammlungen durch 
seine anregende Teilnahme fördern möge! 


Herr J. Meyer: Hygienische Verbesserung der Cigarrentabrikation. 

M.H.! Gestatten Sie mir bitte, Ihnen eine Verbesserung in der Cigarren- 
fabrikation kurz zu demonstrieren, welche vom Standpunkt des Hygienikers 
frendig begrüsst werden muss. 

In früheren Jahren ist das Kleben der Cigarren stets als Missstand empfunden 


1) Alle auf die Herausgabe der Verhandlungen der Deutschen Gesellschaft für 
öffentliche Gesundheitspflege zu Berlin bezüglichen Einsendungen u. s. w. werden an 
die Adresse des Schriftführers der Gesellschaft, Geh. Reg.-Rat: Prof. Proskauer, 
Charlottenburg. Uhlandstr. 184, I, erbeten. Die Herren Autoren tragen die Verant- 
wortung für Form und Inhalt ihrer Mitteilungen. 


Verhandl. der Deutschen Gesellschaft für öff, Gesundheitspfl. zu Berlin. 981 


worden; an der Cigarrenspitze wurde nämlich das Deckblatt bäufig mit Mund- 
speichel geklebt, eine Methode, über deren Gefahren ich an dieser Stelle wohl 
kein Wort zu verlieren brauche. 

Ein Fortschritt war nun zu konstatieren, als die grossen Fabriken sich 
entschlossen, an die Tische der Arbeiterinnen Wasser und Gummilösungen zu 
stellen und darauf achteten, dass das Kleben der Spitzen mit diesen Flüssig- 
keiten ausgeführt wurde. 

Aber auch dieses Verfahren hatte noch seine Unannehmlichkeiten, indem 
bei stetiger Benutzung der Klebestoffe die Finger der Arbeiterinnen, die Holz- 
bretter und andere Utensilien klebrig wurden. Dazu kommt noch, dass ein 
gewisser Prozentsatz der Cigarren ohne dauernde Kontrolle in Heimarbeit her- 
gestellt wird, und dass diese Arbeiter sicher zum Teil noch der leidigen Ge- 
wohnheit nachhängen, den Speichel als natürlichen Klebestoff zu benutzen. 
Wie gross die Schäden bei in Heimarbeit arbeitenden Tabakarbeitern sind, 
haben Sie ja jetzt teils auf der Ausstellung für Heimarbeit gesehen, teils 
durch den Vortrag des Abgeordneten v. Elm erfahren, welcher gerade darauf 
hinweist, dass die gesundheitlichen Verhältnisse der Tabakarbeiter sehr trau- 
rige sind. 

Mit einem Schlage wird nun den genannten Missständen abgeholfen, wenn 
man die Haftung des Deckblattes nicht innerhalb der Cigarre, sondern ausser- 
halb derselben vornimmt, wenn man auf das Kleben überhaupt ver- 
zichtet. Es sind verschiedene Systeme ungeklebter Cigarren erfunden worden; 
zwei davon erlaube ich mir Ihnen vorzuzeigen. Das eine derselben (Patent 
Denker-Potsdam), bei welchem ein einfacher Stanniolring die Spitze zusammen- 
bält, scheint mir geradezu das Ei des Columbus auf diesem Gebiete vor- 
zustellen. Ein einfacher Stauniolring wird über die Spitze gestreift und in 
einer kleinen Presse allseitig mit sauftem Drucke gegen die Cigarre gepresst. 
Ich erlaube mir, Abbildungen und eine Zeichnung der Presse herumzugeben. 

M. H.! Durch dies System werden alle hygienischen und ästhetischen 
Bedenken beseitigt, welche gegen die geklebten Cigarren mit Recht vorge- 
bracht werden, der Apparat selbst ist ein sehr einfacher und ein relativ wie 
absolut billiger. 

Da nun vom Standpunkte der öffentlichen Gesundheitspflege der Cigarre 
als einem kolossalen Konsumartikel Aufmerksamkeit zu schenken ist, so wäre 
es sehr erwünscht, wenn die Behörden sich mit dieser Frage befassten, das 
Kleben der Cigarren untersagten und die Heftung der Cigarren durch diese 
oder ähnliche Methoden in grossem Massstabe anordneten. 

Auf eine Anfrage des Herrn Schlesinger, ob der Stanniolring dem Raucher 
nicht schaden könnte, erwiderte der Vortragende, dass vor dem Rauchen der 
Stanniolring in der einfachsten Weise abgelöst wird; die Cigarre wickele sich 
dadurch nicht auf. 


982 Verhandl. der Deutschen Gesellschaft für öff. Gesundheitspfl. zu Berlin. 


Herr Felix Hirschfeld: Ueber die Veränderung der Mortalität in Deutschland 
in den letzten 3 Jahrzehnten und die sich hieraus ergebende Forderung der 
Gesundheitspflege®). 

Es gilt als eine feststehende Tatsache, dass in den letzten Jahrzehnten 
in Deutschland wie in allen Kulturländern die Sterblichkeit erheblich abge- _ 
nommen hat. 

Am besten ist dies aus folgender Tabelle zu ersehen?): 

Auf 1000 Einwohner im Gebiete des heutigen Deutschen Reichs kamen 
im Durchschnitt jährlich 


` Geborene Gestorbene 

einschliesslich Totgeborene 
1851—1860 36,8 27,8 
1861—1870 38,8 28,4 
1871—1880 40,7 28,8 
1881— 1890 38,2 26,5 
1891— 1900 37,4 23,5 


Dementsprechend war in Deutschland in den Jahren 1870—1880 die 
Zahl der Gestorbenen mit 1,23 Millionen im Durchschnitt ebensogross wie in den 
Jahren von 1890—1900, während die Bevölkerung 1875 42,5 Millionen, 1895 
aber 52 Millionen betrug. Die Zahl der Geburten ist in der gleichen Zahl 
von 1,74 auf 1,96 Millionen gestiegen, obgleich prozentuarisch die Geburten- 
häufigkeit beträchtlich gesunken ist. 

Die Zahl der Geburten ist bei jeder Bewertung einer Mortalitätsstatistik 
von besonderer Bedeutung, denn von den einjährigen Kindern pflegt erfahrungs- 
gemäss je nach den verschiedenen socialen Verhältnissen 5—40°;, zugrunde 
zu gehen. Ein Vergleich der verschiedenen Sterblichkeitsstatistiken ohne Be- 
rücksichtigung der Zahl der Geborenen ist daher nicht berechtigt. Da aber 
zwischen 1850—1860 und 1890—1900 annähernd gleiche Werte über die Ge- 
burten vorliegen, ist zu ersehen, dass in diesen 40 Jahren die Sterblichkeit 
sich um etwa 15°), gebessert hat. 

Welche Krankheiten weniger Opfer gefordert baben, lehrt uns am deut- 
lichsten eine Arbeit von L. Mayet?). 

Mayet benutzte bei seinen Untersuchungen das Material, das sich ihm 
aus der Bearbeitung der Todesursachenstatistik der Deutschen Orte über 
15000 Einwohner ergab. Das flache Land und die kleineren Städte sind 
hierbei also nicht berücksichtigt. In der Beobachtungszeit von 1877—1901 
ist die Zahl der in diesen Orten wohnenden Personen von 7!/, auf 16 Millionen 
gestiegen; in den Jahren 1902 betrug sie 18,3 und 1902 schon 19,1 Millionen 
Personen. 

Natürlich gibt die Sterblichkeit in den grossen und Mittelstädten kein 
genaues Bild der Mortalität des gesamten Deutschlands. Wie aus einem Ver- 


1) Eine Ausarbeitung des Vortrags erscheint demnächst als Monographie. 

2) Statist. Jahrb. f. d. Deutsche Reich. Berlin 1905. Jahrg. 26. S. 18. 

3) Mayet, 25 Jahre Todesursachenstatistik. Vierteljahrsh. z. Stat. des Deutschen 
Reiches. 1903. Bd. 3. 


Verhandl. der Deutschen Gesellschaft für öff. Gesundheitspfl. zu Berlin. 983 


gleich der entsprechenden Ergebnisse hervorgeht, ist die Besserung in den 
Städten beträchtlicher als auf dem flachen Lande. Im wesentlichen ist aber 
kein durchgreifender Unterschied festzustellen, wie aus den Zahlen über die 
Sterblichkeit in Preussen hervorgeht. Unter diesen Umständen verdienen die 
Ergebnisse aus den Städten mehr Beachtung, da in ihnen zumeist zuver- 
lässigere Beobachtungen der Ausstellung der Totenscheine zugrunde liegen. 

Um den Vergleich zu erleichtern, füge ich zu den Resultaten Mayets 
die Zahlen, die dem neuesten statistischen Jahrbuch!) in den Jahren 1902 
und 1903 entnommen sind, sowie die Ergebnisse der Todesursachenstatistik 
in dem preussischen Staate von 1903 und 1904 hinzu?). 


Auf 100000 Lebende starben 


au | 
SE [sls 
ea H e 
slals'gj2j2|3 g 
“"|,.12|2[/=|3|35 g 
el aan 57 
ale 3/813|15| 230 2 
=|8|%3 312213 A 
JE 
1:3 I 
Best Zul | 
in deutschen 1877-188112673 27 8 43.6 14,4 357,7 308,6 147,3 116.8 31,0 
Mittel- und tiross-!| 1897-1901120 3 10.4 5,1218. ‚513 724,5 
städten 1902 1 6,2.15.3 199,2 246,1 95,8; 78.7,26,2 
| 1903 6,6, 5,2,193,8.233,21118,8,117,6126,4 
im preuss. Staat 1903 lj 196,9) 121,0 
1904 z91221921 — | — | — 20,2 


Betrachtet man zuerst die Sterblichkeit in den Städten von 1877—1903, 
so ersieht man eine Besserung im Gesamtdurchschnitt von etwa 25°/,, die bei 
einzelnen Krankheiten noch höhere Werte erreicht. In diesen Städten ist also 
die Besserung beträchtlicher als im gesamten Deutschland, wo sie nur etwa 
15°/ beträgt. i 

Die Besserung prägt sich am meisten bei der Tuberkulose, dem Typhus, 
der Diphtherie und dem Scharlach aus, weniger bei den Masern und den 
akuten Erkrankungen der Atmungsorgane, zu denen auch der Keuchhuste 
gezählt wurde. Keine Besserung wurde bei den akuten Magendarmerkrankungen 
und dem Brechdurchfall festgestellt, nur in den letzten Jahren scheint sich 
ein leichter Fortschritt anzubahnen. Jedoch muss man auch berücksichtigen, 
dass in den letzten Jahren in einzelnen grossen Städten, wie Berlin, die Geburts- 
ziffer gesunken ist, und dieser Umstand erklärt ebenfalls, warum die Sterb- 
lichkeit der Säuglinge etwas geringer ist. 

Aus dieser Veränderung der Sterblichkeit wird man geneigt sein, eine 
durchschnittliche Verlängerung der Lebensdauer zu schliessen. 

Wie sich dies aber tatsächlich gestaltet, geht aus folgenden Sterbetafeln 
der Berliner Bevölkerung hervor, von denen die erste auf Grund der Berliner 
Sterblichkeit in den Jahren 1876—1879, die andere auf Grund der Sterblich- 


1) Stat, Jahrb. f. d. Deutsche Reich. 1905. Jahrg. 36. S. 299. 
2) Zeitschr. des königl. preuss. stat, Landesamts. 1906. Jahrg. 46. Abt. I. S. 19. 


984 Verhandl. der Deutschen Gesellschaft für öff. Gesundheitspfl. zu Berlin. 


keit im Jahre 1901 entworfen ist!). Es betrug hiernach die durchschnittliche 
Lebenserwartung in Jahren 


nach der Sterblichkeit nach der Sterblichkeit Unterschied 


von 1876—1879 von 1901 bei 

M WW. M VW. M. wW. 
bei Neugeborenen 28,67 33,59 38,01 43,47 +9,3 +9,9 
» 5 jährigen 47,70 52,42 52,81 57,81 451 +5,4 
10 45,32 50,25 49,02 54,21 43,7 44,0 
20, 37,09 42,05 40,34 45,58 43,25 43,5 
0 29,74 34,78 32,22 37,65 +25 +29 
„40 „ 23,11 28,09 24,67 29,95 41,6 +19 
EB0H; 17,36 21,14 18,17° 22,84 408 +12 
60% 12,0 14,46 12,59 15,30 +0,6 +0,8 
PEU 7,50 8,85 8,09 9,39 40,6 +0,5 
NABOT =; 4,18 4,90 4,79 551 +0,6 +0,6 


Wir sehen also bei der Berliner Bevölkerung im Laufe der letzten 
beiden Jahrzehnte eine Verlängerung der Lebensaussichten. Die verschiedenen 
Lebensalter sind jedoch in ungleichem Masse beteiligt. Bei den Neugeborenen 
beträgt der Gewinn fast 10 Jahre, bei den 1Ojährigen dagegen kaum 4 Jahre. 
Wesentlich die das Kindesalter betreffenden Krankheiten bedin- 
gen also erheblich weniger Todesfälle. Nach dem 10. Jahre ver- 
ringert sich der Unterschied langsamer, aber doch unaufhaltsam. Gegen das 
40. Lebensjahr beträgt der Unterschied nur etwas über 1 Jahr, im 50. sogar 
bei beiden Geschlechtern im Durchschnitt nur 1 Jahr. Die durchschnittliche 
Lebenserwartung der 40 jährigen Männer Berlins ist im Jahre 1901 also kaum 
grösser, als sie 23 Jahre früher gewesen war. 

Ein Beweis, dass es sich hierbei um keine durch irgend welchen Zufall 
herbeigeführten Ergebnisse handelt, liefert eine Arbeit von Th. Weyl2). Weyl 
konnte bis 1890 einen deutlichen Fortschritt bemerken; von 1890—1900 war 
dagegen ein Stillstand, und namentlich für die über 45 Jahre alten Personen 
eher eine geringe Verschlimmerung festzustellen. Dabei ist bemerkenswert, 
im Winter 1889—1890 schon die Influenza in Deutschland aufgetreten war. 

Das Gleiche konnte Westergaard?) in seinem grossen Werke über 
Mortalität und Morbidität feststellen. 

Mit diesen an einer grossstädtischen Bevölkerung gewonnenen Zablen 
stimmen die Resultate gut überein, die Florschütz*) bei der Untersuchung 
der Lebensdauer der in der Gothaer Lebensversicherung versicherten Personen 
gefunden hatte. Naturgemäss sind hierbei nicht alle Schichten der Bevölke- 
rung mitberücksichtigt, sondern ausschliesslich die wohlhabenderen Klassen 
aus Stadt und Land. Florschütz fand nun, dass die Versicherten, deren 


1) Stat. Jahrbuch der Stadt Berlin. Jahrg. 12. S. 47. u. Jahrg. 27. S. 79. 

2) Festschr. für E. Salkowski. Berlin 1904. S. 423. 

3) Harald Westergaard, Die Lehre von der Mortalität und Morbidität. 2. Aufl. 
Jena 1901. S. 298. 

4) Florschütz, Aerztliche Sachverständigen-Ztg. 1903. 


Verhandl. der Deutschen Gesellschaft für öf. Gesundheitspfl. zu Berlin. 985 


Aufnahme von 1830—1850 stattgefunden, eine etwas längere Lebensdauer 
hatten, als rechnungsmässig aus dem Ergebnis der Gesamtsterblichkeit zu 
erwarten war, während die in den letzten Jahrzehnten Aufgenommenen eine 
dementsprechend etwas kürzere Lebensdauer aufwiesen. Es handelt sich hier- 
bei allerdings um keine grossen Unterschiede, jedoch sind Zufälligkeiten bei 
der beträchtlichen Zahl wohl ausgeschlossen. 

Florschütz deutet seinen Befund in Uebereinstimmung mit den soge- 
nannten Rassenhygienikern (Schallmayer, Grotjahn u.a.) in der Weise, 
dass die allgemeine Widerstandsfähigkeit gesunken wäre, weil 
infolge der durch die verbesserten hygienischen Einrichtungen 
der Neuzeit herbeigeführten geringeren Kindersterblichkeit viel 
schwächere Elemente heranwachsen könnten, die nun dem ge- 
steigerten Kampf ums Dasein nicht gewachsen seien. Diese An- 
sicht ist aber nicht als berechtigt anzuerkennen. Durch die Arbeiten von 
Prinzing, H. Koeppe, Gruber, Kruse und v. Vogl ist der Nachweis 
erbracht, dass eine hohe Kindersterblichkeit nicht die schwächsten Kinder 
allein hinwegrafft und dann nur widerstandsfähigere Elemente übrig lässt. 
Dieselben Faktoren, die einen Teil der Kinder töten, bedingen 
eine Schwächung der überlebenden. Daher ist in Gegenden, in denen 
eine hohe Säuglingssterblichkeit herrscht, auch die Sterblichkeit in dem 
späteren Kindesalter keine niedrige. Ferner ergiebt die Rekrutierungsstatistik, 
wie v. Vogl, besonders für Bayern, nachwies, in Landstrichen mit einer hohen 
Kindersterblichkeit abnorm schlechte Resultate. 

Wabrscheinlicher ist die Kleinheit der Verbesserung in den Lebensaus- 
sichten, die sich nach dem 40. und 50. Jahr an der städtischen Bevölke- 
rung feststellen lässt, durch das stärkere Auftreten von anderen Krankheiten 
bedingt. 

Am meisten denkt man in der Gegenwart an eine Zunahme der Geistes- 
und Nervenkrankheiten. Beweise lassen sich aber nur schwer beibringen. 
Die vorliegenden Zahlen über die Aufnahme von Geisteskranken in die Irren- 
anstalten zeigen zwar eine stärkere Verbreitung dieser Kraukheiten, als dem 
Wachstum der Bevölkerung entspricht; jedoch haben mehrere Umstände 
hierzu beigetragen. Erstens werden zweifelhafte Geisteszustände jetzt eher 
nach den Anstalten geschafft als vor 30 Jahren, wenn auch die Scheu 
vor den Irrenhäusern naturgemäss nicht ganz gewichen ist. Ferner werden 
jetzt weniger Irre als früher ausserhalb der Anstalten gehalten. Die zu- 
nehmende Dichtigkeit der Bevölkerung, die Zusammendrängung der Menschen 
in grossen Städten lässt die Verpflegung von Geisteskranken in der Familie 
immer weniger als möglich erscheinen. Viele, die früher als geborene Ver- 
brecher angesehen wurden und in die Gefängnisse kamen, gelangen jetzt als 
Geisteskranke in die Irrenanstalten. Die allerdings nicht bedeutende Abnahme 
der Selbstmorde in den Städten spricht auch dagegen, dass eine übermässige 
Zunahme von Geisteskrankheiten stattgefunden hat. Einen entscheidenden Ein- 
fluss auf die Sterblichkeitsziffer üben die meisten Geisteskrankheiten überhaupt 
nicht aus; nur die progressive Paralyse, die zumeist nach 2—3 jährigem Ver- 
lauf zum Tode führt, macht hiervon eine Ausnahme. Mit Berücksichtigung 


986 Verhandl. der Deutschen Gesellschaft für öf. Gesundheitspfl. zu Berlin. 


aller dieser Einschränkungen lässt sich die Verbreitung der Geisteskrankheiten 
ungefähr aus folgenden Zahlen erkennen. 
Die Gesamtzahl der Krankheitsfälle in den Irrenanstalten (Zugang) war 
in 3 Beobachtungsjahren 
1877/79 1898/1900 1877/79 1898/1900 
0o der Summe 


einfache Seelenstörung. . . . 27680 63322 67,55 63,51 
progressive Paralyse . . . . 4553 12353 11,11 12,39 
Seelenstörung mit Epilepsie . . 2785 9062 6,8 9.09 
Imbeeillität, Idiotie, Kretinismus 83101 9547 71.57 957 
Delirium potatorum. . . . . 2856 5421. 6,97 5,4 
Summe aller Krankheitsfälle. . 40975 99705 100 100 


Die Bevölkerung stieg von 44,1 Millionen im Jahre 1878 auf 55,2 Millionen 
1599, während die Zahl der Irren prozentuarisch um das doppelte zunahm. 

Auffallend erscheint die verhältnismässig geringe Zunahme der progressiven 
Paralyse, die geringer ist wie die der Epilepsie und Imbecillität oder Idiotie. 
Man ist in der Jetztzeit gewohnt, gerade in der progressiven Paralyse die 
schrecklichste Geissel der modernen Kultur zu sehen, so dass man einen jähr- 
lichen Zugang von 3000 Paralytikern in Preussen und 4000—5000 Paralytikern 
in Deutschland fast als niedrig bezeichnen könnte. Allerdings betrifft diese 
Krankheit zumeist Personen zwischen 40 und 50 Jahren, so dass sie schwerer 
ins Gewicht fällt als die Influenza. 

Anders steht dies mit den Cirkulationserkrankungen. Ein unmittel- 
barer Beweis für die zunehmende Verbreitung dieser Krankheiten lässt sich 
allerdings nicht beibringen. Trotzdem möchte ich aus folgenden Angaben eine 
Zunahme für sehr wahrscheinlich halten. 

Nach den Beobachtungen der Gothaer Lebensversicherung!) wiesen die 
katholischen Geistlichen eine bedeutend höhere Sterblichkeit auf, als 
rechnungsmässig nach den bei den protestantischen Geistlichen gemachten 
Erfahrungen zu erwarten war. Am besten ist dies aus folgenden Zahlen 
zu ersehen. 

Die Sterblichkeit der katholischen Geistlichen war nämlich in den ver- 
schiedenen Lebensaltern folgende: 


Zahl der Sterbefälle 


Alters- rechnungs- Prozentsatz der wirkl. v. d. 

klasse wirklich mässig rechnungsmäss. Zahl 

26—45 62 45,82 136,8 

46--65 211 137,03 154,0 

66—85 117 99,41 117,7 
zusammen 390 251,76 138,4 


In der Besprechung wird darauf hingewiesen, dass für die Uebersterblich- 
keit in den jüngeren Jahren die Tuberkulose als Ursache anzuschuldigen 
sei, da die ascetische Erziehung in den Priesterseminaren die Disposition zu 


1) Aus der Praxis der Gothaer Lebensversicherungsbank. Bearbeitet von Karup, 
Gollmer und Florschütz. Jena 1902. S. 96. 


Verhandl. der Deutschen Gesellschaft für öff. Gesundheitspfl. zu Berlin. 987 


dieser Erkrankung entschieden begünstige. Die Mehrsterblichkeit nach dem 
45. Jahr wird aber im wesentlichen durch die Cirkulationserkrankungen, 
den Schlagfluss und die Brightsche Nierenentzündung herbeigeführt. 

In dem begleitenden Text wird der Grund für die abnorm gesteigerte 
Frequenz der Todesursachen in den üblen Folgen des Cölibates gesucht, das 
die der Sorge für Andere Enthobenen mehr zu materiellen Genüssen und einer 
grösseren Behaglichkeit verführe. 

Die gleichen Faktoren, reichliche Ernährung und ungenügende 
Muskeltätigkeit, machen sich aber noch bei einzelnen Individuen anderer 
Berufsklassen bemerkbar, und unsere gesamte Kulturentwickelung begünstigt 
diese Gewohnheiten von-Jahr zu Jahr in steigeudem Masse. 

Besonders sind hierzu disponiert die geistig Arbeitenden der wohlhaben- 
den Klassen; ferner auch in den unteren Ständen sind viele Personen, die als 
Vorarbeiter, Bureaubeamte, Kontrolleure, Gastwirte u. s. w. gleiche Gewohn- 
heiten haben. Eine reichliche Ernährung findet auch in diesen Kreisen häufig, 
natürlich nicht immer statt, wenn das Gehalt höher ist, als es die von Hause 
aus an einfache Lebensführung gewohnten Personen zur Bestreitung des Lebens- 
unterhaltes brauchen. Man kann daher namentlich bei Männern, bei denen 
oft die Schädlichkeit des übermässigen oder wenigstens etwas zu reich- 
lichen Alkoholgenusses dazu kommt, einen reichlichen Fettansatz bei schwacher, 
aber von Hause aus kräftig entwickelter Muskulatur feststellen. Die Ausbildung 
dieser Verhältnisse wird aber in den Grossstädten der Gegenwart besonders 
begünstigt, da bei den engen Wohnungen in den Hinterhäusern der Mann zu 
sehr geneigt ist, seine Erholung nach der abspannenden Berufstätigkeit in 
Gasthäusern zu suchen. Vom hygienischen Standpunkt ist es daher sehr zu 
begrüssen, wenn die Arbeiter nicht in den Städten wohnen, sundern auf dem 
Lande ein kleines Häuschen mit etwas Garten oder Ackerland bewirtschaften, 
wie dies in Baden schon in grösserem Massstab der Fall ist. Nächst der 
Verhütung der Cirkulationskrankheiten bei den Männern kommt auch die Ent- 
wickelung der Kinder in Betracht. Unter den gegenwärtigen Verkehrsverhält- 
nissen der Grossstädte ist das Spielen der Kinder in den Strassen mit soviel 
Gefahren verknüpft, dass infolge der hierdurch bedingten Beschränkung die 
körperliche Entwickelung Schaden leiden muss. Bei den Knaben gleicht viel- 
leicht die naturgemäss ihnen anhaftende Wildheit manche Nachteile aus; bei 
den Mädchen ist aber zu befürchten, dass hier die Zurückhaltung in den engen 
Wohnungen zu häuslicher Tätigkeit noch mehr geübt wird. Die von Kirch- 
ner!) und Prinzing?) neuerdings mit Recht betonte Uebersterblichkeit des 
weiblichen Geschlechtes in jüngeren Jahren an Tuberkulose, die gerade in 
den letzten Jahrzehnten hervorgetreten ist, muss unter diesen Verhältnissen 
sich noch mehr geltend machen. Das Aufwachsen der Kinder auf dem Lande, 
wo sie der freien Luft mehr ausgesetzt sind, ist für ihre körperliche Ausbil- 
dung das beste und zugleich das sicherste Schutzmittel gegen Rhachitis, 
Tuberkulose u. s. w. Vom hygienischen Standpunkt ist daher das Wohnen der 

1) Kirchner, Aerztliche Sachverständigen-Ztg. 1905. No. 1. 

2) Prinzing, Centralbl. f. allgem. Gesundheitspfl. Bd. 19. 


988 Verhandl. der Deutschen Gesellschaft für öff. Gesundheitspfl. zu Berlin. 


Arbeiter auf dem Lande unbedingt zu billigen, mögen auch aus der grösseren 
Entfernung von der Arbeitsstätte einzelne Nachteile sich ergeben. In Baden ist 
dies, wie aus den Berichten von Wörishoffer und Fuchs hervorgeht, schon 
durchgeführt. 

Von anderen Krankheiten, die häufiger werden, kommen noch die Stoff- 
wechselkrankheiten, namentlich die Zuckerkrankheit in Betracht. 
Während über eine Zunahme der Gicht sich nichts Bestimmtes ermitteln 
lässt, ist bei der Zuckerkrankheit dies sehr wahrscheinlich. Die steigende 
Zahl von Diabetikern in den Mort:litätstabellen und den Berichten der Kranken- 
häuser beweist zwar nicht ohne weiteres eine stärkere Verbreitung dieser 
Krankheit, da durch eine sorgfältige Untersuchung der Diabetes nur häufiger 
gefunden sein kann. Aber die Tatsache, dass namentlich die leichten Diabetes- 
formen vorläufig in den wohlhabenden, namentlich in den sich reichlich 
nährenden und körperlich’ wenig arbeitenden Klassen gefunden werden, lässt 
schon den Schluss einer grossen Verbreitung sicherer erscheinen. So ist nicht 
nur bei Kaufleuten, Gelehrten, Beamten die übergrosse Häufigkeit der Zucker- 
krankheit aufgefallen, auch für Schutzleute und ähnliche Berufe gilt das 
Gleiche. Es besteht in dieser Beziehung also eine l’arallelität des Diabetes 
mit den Erkrankungen der Cirkulationsorgane. 

Sicher zu entscheiden ist noch nicht, ob die Krebserkrankungen 
häufiger geworden sind. Es wird dies zwar vielfach angenommen!); man stützt 
sich hierbei aber wesentlich auf die Ergebnisse der Mortalitätsstatistik und 
die Zahlen der Krankenhäuser über das Vorkommen von Krebs unter ihren 
Aufnahmen. Die fortschreitende ärztliche Diagnostik kann aber naturgemäss 
eine Zunabme vortäuschen; in gleichem Sinne ist vielleicht die grössere 
Häufigkeit von Krebserkrankungen in den Städten gegenüber dem flachen 
Lande zu beurteilen. Ferner lassen die Fortschritte der Chirurgie, die gegen- 
wärtig für eine grössere Zahl dieser Kranken in Betracht kommen, es er- 
klärlich erscheinen, dass der Prozentsatz dieser Kranken unter dem gesamten 
Krankenhausmaterial grösser geworden ist. 

Unentschieden bleibt die Frage, ob die Syphilis und die Geschlechts- 
krankheiten zugenommen haben. Man muss hierbei für bestimmte Bevölkerungs- 
schichten auf ganz verschiedene Resultate rechnen. So wird mit der Zunahme 
der grösseren Städte, den Herden der Prostitution, vielleicht die gesamte Zahl 
der Syphilitischen in Deutschland zugenommen haben, ohne dass dies für die 
einzelnen Städte zuzutreffen braucht. Für Berlin ist nach Blaschkos An- 
nahme die Häufigkeit der Syphilis seit dem 50.—60. Jahre des vergangenen 
Jahrhunderts geringer geworden, um in den letzten Jahrzehnten um ein weniges 
zuzunehmen. Ferner ist wahrscheinlich, dass in den wohlhabenden Klassen 
mit dem Hinaufrücken des Heiratsalters die Gelegenheit zu Infektionen zuge- 
nommen hat. Andererseits kaun man die Hoffnung hegen, und für Paris ist 
dies wenigstens wahrscheinlich gemacht, dass durch die mit der steigenden 
Kultur zunehmende Sauberkeit die Ansteckungsmöglichkeiten sich etwas ver- 
ringert haben. In den letzten Jahren ist auch durch geeignete Waschungen 


1) Wutzdorff, Deutsche med. Wochenschr. 1902. No. 10. 


Verhandl. der Deutschen Gesellschaft für öff. Gesundheitspfl. zu Berlin. 989 


oder Einreibungen die Infektion zu verhindern empfohlen und vielleicht 
die Zahl der Ansteckungen etwas herabgesetzt worden. Die Syphilis bedingt 
im wesentlichen eine Mehrsterblichkeit zwischen dem 40.—60. Jahr. Aus 
einzelnen Garnisonsberichten geht hervor, dass die Gonorrhoe erheblich ab- 
genommen hat, während die Syphilis in ihrer Ansdehnung sich wenig ge- 
ändert hat. 

Von einer grösseren Verbreitung der Blinddarmentzündung ist nach 
den allgemeinen Erfahrungen wohl Jeder überzeugt, und doch müssen gerade 
hier auch Bedenken geltend gemacht werden. Seitdem man dem Be- 
funde am Wurmfortsatz Bedeutung schenkte, ist erwiesen, da+s schon bisher in 
einer grossen Zahl, annähernd 25—40°/, aller Leichen, eine Obliteration oder 
sonstige pathologische Veränderungen sich an diesem Organ nachweisen lassen. 
Unzweifelhaft sind in den meisten Fällen die sich hierauf grändenden Be- 
schwerden übersehen oder falsch gedeutet worden. Lehrreich ist in dieser 
Beziehung folgende von Villaret!) gegebene Statistik über Blinddarmentzün- 
dung und andere Unterleibserkrankungen, die in dem deutschen Heere in den 
letzten 30 Jahren beobachtet wurden. 

Es erkrankten an 

1873—1874 1883—1886 1900—1901 
Blinddarmentzündung. . 156=0,52%/, 319=0,83%/ 918=1,73%/g9 
Leberleiden . . . . .  85—=0,28%/, 63=0,16%/0 57=0,10%0 
Bauchfellentzändung . . 123=0,41%, 136=0,35%/0 62=0,11%/o 
Magenerkrankg. (Katarrh, 
Krampf,Blutung,Geschwür)1072—=3,58°%/,, 802=2,09%, 379=0,72%/g0 
allen 4 Krankheiten. 4,790 8,43000 2,660/90 


Hieraus geht hervor, dass wesentlich auf Kosten der Magenerkrankungen 
die Blinddarmentzündung zugenommen hat. 

Aehnlich wie Villaret äussern sich auch andere Schriftsteller, wie 
Holsti in Schweden und Rostowzew in Russland. 

Besser sind wir über die Influenza unterrichtet. Seit der Pandemie 
im Winter 1889—1890 ist diese Krankheit in Deutschland wie in allen Kultur- 
ländern heimisch geworden. Die Zahl der Toten schwankt in den einzelnen 
Jabren zwischen 4000 und 15 000 Personen in Preussen, von denen der 
grössere Teil Personen über 60 Jahre betrifft. 

So betrug 1902 in Preussen die Sterblichkeit an Influenza 3764 Personen, 
von denen alt waren 


bis 1 Jahr = 255 
1—15 Jahre = 297 
15-60 „ =1091 
über60 „ = 2121 


Wie Westergaard hervorhebt, kann also der Influenza ein Teil der Ver- 
ringerung der Lebensaussichten angerechnet werden. $ 


1) Villaret, Deutsche med. Wochenschr. 1904. S. 16. 


990  Verhandl. der Deutschen Gesellschaft für öff. Gesundheitspfl. zu Berlin. 


Diskussion. 

Herr Grotjahn legt zunächst Verwahrung dagegen ein, unter die „Rasse- 
hygieniker“ gezählt zu werden; das Wort „Rassehygiene“ habe eine so zwei- und 
mehrdeutige Bedeutung angenommen, dass wir diesen Terminus am besten aus dem 
Bereiche der Hygiene ausscheiden und uns des Ausdruckes „Entartungsproblem* be- 
dienen. Nach seiner Ansicht ist es sicher, dass die Hälfte der ganzen männlichen 
Bevölkerung nicht tauglich zum Kriegsdienst ist, dass ferner mindestens 40°, aller 
Kinder mit irgend einem körperlichen Fehler behaftet sind, und dass schliesslich ein 
grosser Prozentsatz Frauen nicht imstande ist, die normale Kinderstillung auszuführen. 
Diese Tatsachen, welche beweisen, dass gewisse degenerative Tendenzen in der Be- 
völkerung ihr Unwesen treiben, muss studiert werden; es ist ein Problem, das in die 
Hygiene gehört. Dass z. B. das deutsche Volk einen ausserordentlichen Zuwachs an 
Bevölkerung aufweist und die Mortalität sinkt, kann nicht als Beweis dafür ange- 
nommen werden, dass die Entartungstendenzen fehlen. Denn es wäre denkbar, dass 
die Bevölkerung zunimmt und trotzdem die Qualität der Bevölkerung sinkt. Ueber 
diese Frage können nur die Gebrechenstatistik und anthropometrische Aufnahmen 
Aufklärung geben. Redner verweist auf das Beispiel Englands, wo eine vor 2 Jahren 
ernannte Regierungskommission vorgeschlagen hat, das ganze englische Volk einer 
anthropometrischen Aufnahme zu unterziehen, und hofft, dass später auch wir eine 
derartige Untersuchung mit deutscher theoretischer Gründlichkeit aufnehmen werden, 
was um so leichter sei, als in Deutschland die Vorbedingungen zur Registrierung 
durch Impftermine, Schulpflicht, Aushebung, Standesamtsregistrirung, ‘Todesfall 
weit günstiger liegen als in England. 

Als bedauerlich ist es zu bezeichnen, dass die Reichsbehörden dem Antrage der 
Anthropologen, eine Untersuchung des deutschen Volkes nach Haarfarbe, Körpergrösse 
u. s. w. in Anlehnung an das Aushebungsgeschäft zu veranlassen, nicht stattgegeben 
haben, und sehr schade ist es, dass die Anthropologen in ihren Eingaben nicht auf 
das Entartungsproblem und das Vorgehen Englands hingewiesen haben. Ueber kuiz 
oder lang wird diese Untersuchung erforderlich sein. Erst wenn derartige Aufnahmen 
vorliegen, und somit ein Kataster der physischen Beschaffenheit unseres Volkes an- 
gefertigt und jahrzehntelang fortgesetzt ist, wird man ein Mass haben für die etwa 
sich geltend machende degenerative Tendenz. Redner schliesst mit folgender Bemer- 
kung: Auch wenn die Verallgemeinerung der hygienischen Obsorge dereinst so aus- 
gedehnt sein sollte, dass ausnahmslos sämtliche minderwertige Individuen vor einem 
frühzeitigen Ende verwahrt bleiben, so würden wir, die wir trotz allem Widerstande 
das Entartungsproblem in der wissenschaftlichen Diskussion zu erhalten suchen, 
doch selbstverständlich diese hygienische OLsorge deshalb nicht ablehnen, wie uns 
das immer wieder unterstellt wird. Vielmehr verlangen wir nur, dass für diesen 
Fall, den auch wir erhoffen und anstreben, eine generative und sexuelle Hygiene 
in theoretischer und praktischer Hinsicht geschaffen werde, die dafür sorgt, dass die 
erhaltenen Minderweitigen ihre Defekte nicht forterben. 

Herr Baer findet die Darlegungen des Vortragenden ebenso inhalt- als Ichrreich, 
hätte aber gewünscht, dass mehr greifbar demonstriert worden wäre, welche Momente 
zur Abnahme der Mortalität geführt haben. Die allgemeine Bevölkerung ist für diesen 
Zustand nicht das geeignete Objekt; man muss hierzu vielmehr einzelne grössere 
Klassen der Bevölkerung verwenden. So erinnert der Redner an die Untersuchungen 
über die Sterblichkeit der Gefangenen von Chassinat, Villerme, Baly: an die 
vortrefllichen statistischen Berechnungen von Engel für die Zeit von 1555—1563, 
aus neuerer Zeit an seine eigenen und Geisslers Untersuchungen. Während nach 
Wappäus Berechnungen (1561) die Mortalität der Gefangenen die der freien Be- 
völkerung gleichen Alters um das Drei- bis Vierfache, ja zum Teil um das Fünf- 


Verhandl. der Deutschen Gesellschaft für öf. Gesundheitspfl. zu Berlin. 991 


fache übertrifft, starben im Jahre 1902 in den preussischen Zuchthäusern und Ge- 
fängnissen notorisch weniger Gefangene, wie in der freien Bevölkerung, ein Beweis, 
dass in den Gefängnissen ungemein grosse Veränderungen vorgegangen sein müssen, 
welche dies bedingt haben. Zwei Momente haben nach unserem Dafürhalten dies be- 
sonders bewirkt: Erstens die Vermeidung der Ueberfüllung der Gefängnisräume durch 
zweckmässige Luftbemessung für jeden einzelnen Gefangenen und zweitens die bessere 
Ernährung der Gefangenen. In den letzten 40 Jahren ist die Gefangenenkost mehr- 
fach aufgebessert worden, und jedesmal konnte, wie von verschiedenen Stellen nach- 
gewiesen wurde, ein Heruntergehen der Morbidität und Mortalität der Gefangenen 
konstatiert werden. Skorbut, Gefängnisskropheln, schwere Anämien, Hydrämien mit 
Wassersuchten, Krankheiten, welche ich vor Jahrzehnten noch unter den Gefangenen 
in ihrer specifischen Art endemisch beobachtet habe, sind jetzt fast ganz aus den 
Gefängnissen geschwunden, ja auch Infektionskrankheiten werden jetzt in den Ge- 
fängnissen viel weniger gesehen als in der freien Bevölkerung. Die Aufbesserung der 
Wohnungsverhältnisse, die reichliche Ernährung werden immer die Hauptursache zu 
einer Besserung der Salubritätsverhältnisse bilden. 

Gesunde Atmungsluft und rationelle Ernährung sind die Faktoren, welche für 
das Gedeihen des Menschen von grösster Wichtigkeit sind. In der neuesten Zeit hat 
man diese Verhältnisse besonders bei der Fürsorge für Säuglinge und heranwachsende 
Kinder im Auge und mit vollem Recht, denn aus dem schlecht ernährten Kinde wird 
niemals ein gesunder kräftiger Organismus werden. Je günstiger sich diese Momente 
in den weitesten Kreisen der Bevölkerung gestalten, desto günstiger werden auch die 
Salubritätsverhältnisse der Gesamtberülkerung werden. 

Herr C. Hamburger bestätigt die Tatsache der rapiden Vermehrung des 
deutschen Volkes. Bei der Frage nach einer mehr oder minder grossen Volksgesund- 
heit kommt es jedoch nach seiner Ansicht nicht darauf an, zu prüfen: wie rasch 
vermehrt sich das Volk, als vielmehr zu berücksichtigen, mit welchen Opfern eine 
solche Vermehrung erkauft wird. Hier scheinen die bisher gemachten Erfahrungen 
nicht gründlich zu sein. Von einem Zuwachs an Nationalvermögen kann nur dann 
die Rede sein, wenn das geborene Kind in das erwerbsfähige Alter, d. i. 15 Jahre, 
eintritt. Von 100000 Lebendgeborenen erreichen nach der Sterbetafel des preuss. 
statist. Büreaus nur 66000, also rund ?/3, dieses Alter; ein starkes Drittel geht vor- 
her zugrunde. Will man dieser Frage noch tiefer auf den Grund gehen, so muss 
man untersuchen, wie viele von den überhaupt koneipierten Kindern dieses erwerbs- 
fähige Alter erreichen. Nach den vom Redner gemachten, noch nicht publicierten Er- 
hebungen gehen mehr als 50°/, der Kinder nutzlos, d. h. vor Eintritt in ein er- 
werbsfähiges Alter zugrunde. Redner hat auf Grund der Totenscheine, in die auf seine 
Veranlassung eine Reihe von Fragen aufgenommen worden waren, eine Untersuchung 
aufgestellt, ob die Lebenserwartung der von schwindsüchtigen Frauen geborenen 
Kinder eine grössere oder geringere ist, als die der Kinder der an anderen Krankheiten 
gestorbenen Frauen. Als Resultat aus dem Jahre 1904 hat sich folgendes ergeben: 
Von 100 Kindern der im Jahre 1904 gestorbenen Ehefrauen waren am Leben 


Kinder der an Kinder der an anderen 
Dauer der Ehe Lungenleiden ge- Krankh. gestorb. Frauen 
Jahre storbenen Frauen allgem. Krankheiten 
0—4 56,3 82,9 
5—9 67,6 79 
10—19 68 T4 
20—29 50,0 66 


30 od. länger 49,4 59,9 


992 Verhandl. der Deutschen Gesellschaft für öff. Gesundheitspfl. zu Berlin. 


Damit hat sich die Erwartung erfüllt, dass die Lebensdauer der von schwind- 
süchtigen Frauen geborenen Kinder eine kürzere ist. Redner schliesst mit der Bitte, 
diese Frage nach Möglichkeit weiter zu verfolgen. 

Herr F. Hirschfeld dankt den Rednern für die wertvollen Ergänzungen seines 
Referates, besonders Herrn Baer für die interessanten Mitteilungen über die Hygiene 
der Gefängnisse. Selbstverständlich hat es ihm (Ref.) ferngelegen, anzunehmen, dass 
Herr Grotjahn unter Hinweis auf die nachteiligo Wirkung der Auslese den Fortfall 
der hygienischen Einrichtungen wünscht. Betreffs der Frage der Diensttauglichkeit der 
Männer als Degenerationssymptom ist zu bemerken, dass die ländlichen Distrikte, die 
eine kräftige Bevölkerung haben, etwa 59°/, Taugliche stellen; in Städten ist der 
Durchschnitt etwa 52°0; in manchen ländlichen Gegenden, wo von Kultur sonst 
wenig zu merken ist, ist auch die Militärtauglichkeit eine bedingte. Es fehlt jeder 
Beweis, dass die gegenwärtige Generation schwächer ist als frühere, wie besonders 
Kruse hervorgehoben hat. An der angeblich verringerten Säugefähigkeit der Frauen, 
was ebenfalls als Degenerationssymptom angesehen werde, seien die Frauen aus 
Unkenntnis meist selbst schuld. In den Säuglingsasylen ist nachgewiesen worden, 
dass es fast bei jeder Frau gelingt, sie zum Säugen tauglich zu machen. Eine 
Besserung der Mortalität ist auch für ihn (Ref.) kein Beweis für das Nichtrorhanden- 
sein einer Degeneration. Die wenigen statistischen Daten, die über Gebrechen vor- 
liegen, betreffen Taubstummheit und Blindheit. Die Blindheit hat entschieden abge- 
nommen, auch die Taubstummheit hat sich eher etwas verringert, als dass sie zuge- 
nommen hat. Jedenfalls liegen gegenwärtig noch keine Beweise vor, dass eine 
Degeneration vorhanden ist, wenn auch unter dem Einfluss des städtischen Lebens 
manche Krankheiten zugenommen haben. 


Verlag von August Hirschwald, Berlin N.W. — Druck von L. Schumacher in Berlin N. 34. 


Hygienische Rundschau. 


Herausgegeben 


von 


Dr. Carl Fraenkel, Dr. Max Rubner, Dr. Carl Aünther, 


Geh. Med.-Rat, Prof. dor Hygiene Geh. Med.-Rat, Prof. dor Hygiene Goh. Med.-Rat. a.0.Prof. der Hygiene 
in Hallo a./S. in Berlin, in Berlin. 


XVI. Jahrgang. Berlin, 15. September 1906. W 18. 


(Aus dem hygienischen Institut zu Göttingen. 
Direktor: Prof. Dr. E. v. Esmarch.) 


Bericht über die Tätigkeit des bakteriologischen 
Untersuchungsamtes am Institut für medizinische Chemie und Hygiene zu 
. Göttingen im ersten Jahre 1905/06. 


Von 


Werner Rosenthal, 
Assistenten am Institut, 


L 

Am 1. April 1905 wurde dem hygienischen Institut zu Göttingen ein 
Untersuchungsamt für den Regierungsbezirk Hildesheim angegliedert. 
Zur Vornahme der Untersuchungen wurde ein Assistent neu angestellt, ausserdem 
2 weibliche Hilfskräfte je für den halben Tag, sowohl um den Assistenten bei 
den einfacheren technischen Handgriffen und der Führung der Listen, als be- 
sonders auch den Wärter des Instituts bei der Reinigung und Sterilisierung 
der Kultur- und Versandgefässe und der Bereitung der Nährböden zu uuter- 
stützen. An alle Apotheken des Regierungsbezirks wurden frankierte Versand- 
gefässe, und zwar dreierlei Art, zur unentgeltlichen Abgabe an Aerzte verteilt 
und die Aerzte des Bezirkes durch besondere Schreiben benachrichtigt, dass 
bakteriologisch-diagnostische Untersuchungen unentgeltlich ausge- 
führt werden. Von dieser Einrichtung wurde im Laufe des Jahres in immer 
steigendem Masse Gebrauch gemacht; ausser den Aerzten des Regierungsbe- 
zirks erbaten auch Aerzte aus den übrigen Teilen der Provinz Hannover, vor- 
wiegend beamtete Aerzte, und aus benachbarten Gebieten die Vornahme 
bakteriologischer Untersuchungen, die ebenfalls unentgeltlich ausgeführt wurden. 
Doch blieb die Zahl dieser Untersuchungen naturgemäss weit hinter den für 
Aerzte des Regierungsbezirks Hildesheim ausgeführten zurück, sie betrug noch 
nicht ein Zehntel der 1627 Einzeluntersuchungen, nämlich 129. 

Der Regierungsbezirk Hildesheim zählt rund !/, Million Einwohner, auf 
die also etwa 1500 Proben entfallen; das ist mehr als ein Viertel der im 
letzten Jahresbericht des Untersuchungsamtes zu Halle aufgeführten Einzel- 

12 


994 Rosenthal, 


untersuchungen; der Bezirk des letzteren umfasst aber auch die 4 fache Ein- 
wohnerzahl. Die Gesamtzahl der eingehenden Proben entsprach also im 
ersten Betriebsjahr schon derjenigen eines Untersuchungsamtes, das für den 
grösseren Teil seines Bezirkes auf eine mehrjährige Tätigkeit zurückblickt. 

Schon daraus ergibt sich, dass die Aerzte des Regierungsbezirkes die ge- 
botene Gelegenheit eifrig wahrgenommen haben; im Regierungsbezirk wohnen 
239 Aerzte (Medizinalkalender 1905); da aber von diesen allein 95 in 
Göttingen wohnen, von denen die wenigsten selbstständig Praxis ausüben, so 
dürfen wir wohl höchstens 170 selbstständige Aerzte oder Krankenanstalten 
des Bezirkes annehmen; von diesen haben 135, also weitaus die Mehrzahl, 
die Dienste des Amtes schon im ersten Jahr in Anspruch genommen. Ausser- 
dem 27 Aerzte der Provinz Hannover mit 83 Einzeluntersuchungen, 12 Aerzte 
aus anderen preussischen Provinzen und 7 aus nichtpreussischen Gebieten. 

Von den Proben betrafen 

546 den Nachweis von Tuberkulose 
615 „ k n»n Typhus 
315 „ b n Diphbtherie. 

Die übrigen 145 Proben stammten von verschiedenartigen Erkrankungen; 
sie bezogen sich auf den Nachweis von Gonokokken, Meningokokken, Influenza- 
bacillen, Eitererregern im allgemeinen und anderes. 

Die Mehrzahl der Untersuchungen wurde zu diagnostischen Zwecken er- 
beten. Bei einer sehr kleinen Zahl von Fällen lautete die Frage, ob, nach 
einer klinischen wesentlichen Besserung, noch Tuberkelbacillen im Sputum 
wären. Auch bei Diphtherie liefen nur verhältnismässig wenige Proben von 
Rekonvalescenten ein, um zu entscheiden, ob dieselben noch als infektiös zu 
betrachten seien. Es wäre wohl zu wünschen, dass gerade nach dieser Richtung 
hin das Untersuchungsamt noch mehr wie bisher ausgenützt würde. 

Eine grössere Rolle spielen diese, ausschliesslich der Prophylaxe dienenden 
Untersuchungen unter den Typhusproben, deren grosse Zahl überhaupt ein 
Beweis ist, wie weitverbreitet der Typhus in dem Bezirk des Untersuchungs- 
amtes ist und wie notwendig die Mitbenutzung der bakteriologischen Unter- 
suchungsmethoden zu seiner Bekämpfung. Insbesondere boten eine kleine 
Epidemie in der Provinzial- Heil- und Pflegeanstalt zu Göttingen, gruppenweise 
Erkrankungen in einer Strasse Göttingens und in der Nachbarschaft des 
Truppenübungsplatzes Munster Anlass, die Ausscheidungen einer grösseren Zahl 
genesener oder überhaupt nicht nachweislich an Typhus erkrankter Personen 
zu untersuchen. In den beiden ersten Fällen wurden dadurch zusammen 
3 Frauen als Typhusträgerinnen erkannt, von denen im folgenden ausführ- 
licher berichtet werden wird. i 

Für das Verhältnis der positiven und negativen Untersuchungsresultate 
ist es natürlich sehr wesentlich, wie weit solche Untersuchungen an Gesunden 
und Genesenen mitgezählt werden. Wir werden deshalb, soweit nötig, bei 
der Berechnung der Ergebnisse entsprechende Unterabteilungen machen. Un- 
nötig erscheint dies bei der Tuberkulose: 165 positiven Untersuchungen stehen 
381 negative gegenüber: 30°, positive. 

Die 315 Diphtherieuntersuchungen bezogen sich auf 293 Personen; von 


Bericht über die Tätigkeit des bakteriolog. Untersuchungsamtes zu Göttingen. 995 


diesen waren 17 gesund, die übrigen litten an einer diphtherieverdächtigen 
Erkrankung. Bei diesen 17 gesunden, als Ueberträger mehr oder weniger 
verdächtigen Personen konnten Diphtheriebakterien in keinem Fall nachge- 
wiesen werden. An 16 erkrankten Personen wurden 22 wiederholte Unter- 
suchungen ausgeführt. 

Von den bleibenden 276 Untersuchungen zu diagnostischen Zwecken wurden 
122 als positiv und 153 als negativ beantwortet: 44°/, positive; eine recht 
grosse Zahl dieser Fälle, besonders der negativen, lief mit einer nicht auf 
Dipbtherie lautenden klinischen Diagnose ein. 

Die 615 Typhusuntersuchungen betrafen 376 Personen, von denen 308 er- 
krankt oder in der Rekonvalescenz, 68 gesund waren. Von den zuerst unter- 
suchten Proben bestanden 305 in Serum zur Agglutinationsprüfung, 64 in 
Stuhl- und Urinproben; der Rest von 7 Proben betraf Eiter und Exsudate aus 
posttyphösen Lokalerkrankungen. Von den 305 Serumproben konnten 141 in 
positivem Sinne beantwortet werden: 46°), positive; unter den übrigen 164 
waren 10, bei denen die Serummenge gar zu gering war und eine zweite Probe 
erbeten werden musste, die meist auch einlief; in einer Reihe der übrigen konnte 
der Ausfall der Reaktion nur als zweifelhaft bezeichnet werden, und es wurde 
dann immer zugleich eine weitere Probe erbeten, deren Untersuchung fast 
ausnahmslos eine entschieden positive oder negative Antwort gestattete. Nun 
betrafen aber von den Serumproben (nach Ausscheidung der 10 allzu gering- 
fügigen) nur 254 kranke Personen, und von diesen zeigten 140 einen positiven 
Ausfall, also 55°, bei der ersten Untersuchung; 41 Serumproben stammten 
von der frischen Ansteckung oder des Ueberstehens eines latenten Typhus ver- 
dächtigen Personen, und hier ermöglichte der positive Ausfall einmal die früh- 
zeitige Erkennung der Erkrankung bei einer Irren; in noch einigen ähnlichen 
Fällen konnte auf Grund eines zweifelhaften Ausfalls eine besondere Beobachtung 
der betreffenden Personen empfohlen werden, und bei einigen von diesen trat 
auch später die Krankheit auf. 

Von den 64 primären Stuhl- und Urinuntersuchungen hatten nur 6 ein 
positives Resultat. Es stammten aber nur 37 von Kranken mit 5, also nur 
121/,%/,, positiven Ergebnissen, und 27 von Gesunden, darunter ein positiver 
Fall, eine typische Dauerausscheiderin. 

Die 239 wiederholten Untersuchungen betrafen zum Teil zugleich mit dem 
Serum eingesandte Stuhl- und Urinproben, zum Teil solche Fälle, in 
denen die erste Untersuchung ein negatives oder irgendwie, z. B. ob Typhus 
oder Paratyphus vorliege, nachzuprüfendes Ergebnis gehabt hatte, drittens 
die gesunden, als Bacillenträger verdächtigen Personen und, mehrmals wieder- 
holt, die als solche erkannten. So ergibt sich auch hier, dass nur ein kleiner 
Teil der 148 durch das Amt als positiv diagnosticierten Fälle zur wiederholten 
Untersuchung auf Bacillenausscheidung in der Rekonvalescenz gelangt ist; 
denn nach Abzug der eben aufgerechneten Kategorien bleiben allerhöchstens 
100 Rekonvalescenzuntersuchungen bei jenen 148 Kranken, während doch eine 
wenigstens 2 malige Untersuchung sowohl des Urins als der Faeces in jedem 
Falle wünschenswert wäre. 2 Bacillendauerausscheiderinnen wurden bei diesen 
wiederholten Untersuchungen aufgefunden. 

72* 


996 Rosenthal 


Ich gebe diese Berechnungen so ausfübrlich, um zu betonen, welche Ver- 
mehrung der Einläufe und der Arbeit bei dem Untersuchungsamt zu erwarten 
ist, wenn es allein bei den Fällen, bei denen es schon zum Zwecke der Dia- 
gnose in Anspruch genommen wird, auch zum Zwecke der prophylaktischen 
Kontrolle in so ausgedehntem Masse herangezogen wird, wie es wünschenswert 
ist und im Plane bei der Einrichtung des Amtes lag. Dabei wird sicherlich 
auch die Zabl der Diphtherie- und Typhusfälle des Regierungsbezirks, bei 
denen es zur Sicherung der Diagnose benützt wird, wie im Laufe des ersten 
Jahres sich auch weiterhin noch steigern. Soll .es also seinen Zweck, der 
Prophylaxe zu dienen, voll erfüllen, so wird ein Ausbau mit grösseren Mitteln 
an Personal und Material, als im ersten Jahre zur Verfügung stand, nicht 
zu umgehen sein. 

Aus der Rubrik der verschiedenartigen Untersuchungen ist hervorzuheben, 
dass mit der Frage nach den Erregern der epidemischen Genickstarre 24 Proben, 
am zahlreichsten im Mai und Juni 1905, einliefen. Dreimal konnten die 
Weichselbaumschen Meningokokken in der Cerebrospinalflüssigkeit nach- 
gewiesen, einmal auch in charakteristischer Kultur gezüchtet werden. Es 
handelte sich um sporadische Fälle. 


U. 

Von den Einzelergebnissen, die im Untersuchungsamt erhoben wurden, ist 
über die Feststellung einiger Paratyphusfälle und über Beobachtungen an 
Typhusträgerinnen ausführlicher zu berichten. 

Die weite Verbreitung des Paratyphus in den westlichen Teilen und 
an der Nordseeküste ist zwar wohlbekannt. Im Gebiete des Regierungs- 
bezirkes Hildesheim war er aber noch nicht festgestellt, und auch in 
dem angrenzenden ausgedehnten Bezirk des Untersuchungsamtes zu Halle 
ist erst ganz neuerdings ein einziger sicherer Fall!) beobachtet worden. 
Solche sicheren Fälle wurden in Göttingen 3 festgestellt durch Züchtung 
des Bacterium paratyphosum Typus B aus dem Stuhl; in zweien dieser 
Fälle hatte die Serumprobe die vorläufige Diagnose ermöglicht. Aus dem 
eingeforderten Stuhl wurden die specifischen Erreger isoliert und durch 
Agglutination derselben sowohl mit specifischem Tierserum als auch mit dem 
Serum der Erkrankten die Natur der Erkrankung durchaus sichergestellt. Im 
3. Fall geschah die Diagnose durch Züchtung aus Fäces; Serum desselben 
war nicht zu erhalten, aber durch Agglutination des in seinen kulturellen 
Eigentümlichkeiten durchaus typischen Stammes sowohl mit zweierlei hoch- 
wertigem Tierserum (erstens einem im Institut mit einem alten Laboratoriums- 
stamm am Kaninchen erzeugten Immunserum und zweitens polyvalentem 
Schweinepestserum von Merck) als auch mit dem Serum der anderen beiden 
später zur Beobachtung gelangten Fälle wurde auch dieser Fall über alle 
Zweifel erhoben. In noch 2 Fällen machte die Agglutinationsprobe allein die 
Diagnose Paratyphus B höchst wahrscheinlich. Alle diese 5 Fälle sind oben 


1) Manteufel, Jahresbericht über die Tätigkeit des Untersuchungsamtes für 
ansteckende Krankheiten zu Halle a. S. (1. Januar bis 31. December 1905). Diese 
Zeitschr. 1906. No. 7. 


Bericht über die Tätigkeit des bakteriolog. Untersuchungsamtes zu Göttingen. 997 


statistisch unter Typhus eingereiht. Ein Zusammenhang derselben unterein- 
ander ist nicht vorhanden; ärztlicherseits wurden sie als Typheu diagnosticiert. 
Der eine der doppelt sichergestellten verlief nach der Zuziehung des Arztes 
so leicht, mit nur etwa 2tägigem Fieber, dass nur auf Grund der Diagnose 
durch das Untersuchungsamt eine klinische Behandlung eingeleitet und durch- 
geführt wurde. 

Ein Fall von Paratyphus A gelangte nicht zur Beobachtung, obgleich auf 
diese Varietät ebenso systematisch gefahndet wurde wie auf die vorige. Eben- 
sowenig fand sich ein Fall eines unzweifelhaft echten Typhus, bei dem Para- 
typhusbakterien stärker agglutiniert worden wären, als die regelmässig ver- 
wendeten Typhusbakterienstämme. 

Beobachtungen an Typhusbacillenträgerinnen. 

Wie schon erwähnt, konnten 3 Fälle von dauernder Ausscheidung von 
Typhusbakterien in Göttingen festgestellt werden. 

Auf den einen Fall wurde die Aufmerksamkeit dadurch gelenkt, dass im 
Herbst und Winter 1905/06 3 Personen aus einem Hause und noch eine 4. 
aus einem Nachbarhaus in Zwischenräumen von jedesmal einigen Wochen an 
Typhus erkrankten. Es wurden die Abgänge aller 13 Bewohner dieses Hauses 
untersucht und festgestellt, dass bei Frau S., der Frau des Hausbesitzers, 
Typhusbakterien fast in Reinkultur auf Conradi-Drigalskiplatten aus den Fäces 
zur Entwickelung kamen; auch bei allen späteren Untersuchungen konnten 
sie darin nachgewiesen werden. ' 

Diese 72 jährige, sehr rüstige Frau machte folgende Angaben: seit vielen 
Jahren hat sie keine nennenswerte Erkrankung durchgemacht, auch keine 
Symptome einer Erkrankung der Gallenwege sind ihr bekannt. Im Jahre 
1878 habe sie ein schweres Nervenfieber gehabt, auch ihr einziger Sohn, da- 
mals ein kleines Kind, habe um dieselbe Zeit eine schwere Darmerkrankung 
durchgemacht; tatsächlich herrschte in jenem Jahr in Göttingen und besonders 
in der damals von ihr bewohnten Strasse eine ausgedehnte Typhusepidemie. 
Der ebenfalls recht rüstige 68 jährige Ehemaun erinnert sich keiner auf 
Typhus zu deutenden Erkrankung. Das Ehepaar bewohnt das betreffende 
Haus seit 25 Jahren; es treibt Gemüse- und Obstbau in einem vor der Stadt 
gelegenen Garten und: verkauft die Früchte teils auf den Wochenmärkten, 
teils vom Flur des Hauses aus. Ausserdem vermieten sie eine Kammer an 
2 Schlafburscheu, die Frühstück und Abendessen im Zimmer der Wirte 
erhalten. 

Aus den polizeilichen Meldelisten, die leider nur bis zu dem Jahre 1897 
zurück zu erhalten waren, und aus den Krankengeschichten der medizinischen 
Klinik liess sich folgendes feststellen: es erkrankten an Typhus 

im Jahre 1897 1 Schlafbursche der Frau S. 


nn 1898 1 » non 
n ” 1899 1 ” ” n ” 
»  » 1900 in einem Nachbarhaus ein Ehepaar und eine 


Magd; die Leute bezogen ihr Gemüse von Frau S. 
» » 1901 1 Schlafbursche der Frau S. 
1 Kind aus dem Hause 
13 


998 Rosenthal, 


im Jahre 1904 1 Schlafbursche der Frau S. 
» » 1906 1 » non 
1 Kind aus dem Hause 
1 Nachbarin, die Frau S. zu besuchen pflegte. 
nn» 1906 1 Kind aus dem Hause. 
Diese Uebersicht erhält ihre volle Bedeutung erst durch den Vergleich mit 
den in Göttingen in den betreffenden Jahren überhaupt gemeldeten Typhus- 
fällen: 


1897 14 Fälle 

1898 6. 

1899 19: + 

1900 66 „ : es herrschte eine ausge- 


debnte Brunnenepidemie, mit der sich die oben- 
genannten 3 Fälle, die unter sich gleichzeitig 
und viel später auftraten, nicht ungezwungen 
in Verbindung bringen lassen. 


1901 36 Fälle, davon 11 auf eine gemein- 
same Milchquelle zurückzuführen. 

1904 11 Fälle 

1905 27 „ ; davon 12 in der Prov.- 


Heil- und Pflegeanstalt; Kontaktepidemie. 

Aus dieser Zusammenstellung geht hervor, dass die Frau S. tatsächlich 
seit 10 Jahren eine Infektionsquelle für ihre Umgebung ist, denn es kann 
kein Zufall sein, dass in einer Stadt von 35000 Einwohnern in 7 von 9 Be- 
richtsjahren sich, nach Abzug von nachweislich zusammengehörigen Erkran- 
kungsgruppen anderer Aetiologie, je 5—20°/, der gemeldeten Typhusfälle, im 
Mittel 10°/, derselben, auf den persönlichen Verkehr mit ihr zurückführen 
lassen. Die wirkliche Bedeutung dieser Typhusquelle ist vielleicht noch viel 
grösser, aber es ist leider unmöglich, nun noch herauszubringen, wie viele der 
sporadischen Einzelfälle durch das von Frau S. in Verkehr gebrachte Gemüse 
und Obst veranlasst sein könnten. Da sich die von dieser Frau ausgehenden 
Typhusinfektionen auf 10 Jahre zurück verfolgen lassen, so werden wir wohl 
auch die Vermutung aussprechen dürfen, dass sie seit ihrer Erkrankung an 
Typhus, also seit bald 30 Jahren Bacillenausscheiderin sei. 

Nach der bakteriologischen Feststellung dieser Typhusträgerin wurde eine 
regelmässige Desinfektion der Ausscheidungen dieser Frau angeordnet, ihr die 
Befolgung gewisser Reinlichkeits- und Desinfektionsmassnahmen augeraten und 
ihr, soweit es gesetzlich zulässig war, eine Beschränkung im eigenhändigen 
Verkauf ihrer Gartenprodukte auferlegt. Die Frau, die nicht imstande ist, die 
Berechtigung dieser Massnahmen zu verstehen, suchte sich diesen Belästigungen 
begreiflicher Weise zu entziehen, und zwar dadurch, dass sie eines Tages von 
Typhusbakterien freie Fäces zur Untersuchung einlieferte. Es erhob sich so- 
fort der Verdacht, dass diese untergeschoben seien, was aber von ihr nicht ein- 
geräumt wurde. Eine Aufnabme in das Krankenhaus zum Zweck einer Kon- 
trolle lehnte sie rundweg ab. Um dennoch bei erneuten Untersuchungen 
Unterschleife zu verhüten, benützte ich folgende, verhältnismässig wenig lästige 


Bericht über die Tätigkeit des bakteriolog. Untersuchungsamtes zu Göttingen. 999 


Kontrolle. Ich liess die Frau an 3 Tagen je ein paar Pillen von Lycopodium- 
pulver in meiner Gegenwart einnehmen; in dem danach entleerten Stuhl 
liessen sich die Lycopodiumsamen leicht mikroskopisch und auch die Typhus- 
bakterien in der früheren Massenhaftigkeit nachweisen. Eine derartige Kon- 
trolle, bei der es natürlich wesentlich ist, dass die beobachteten Personen das 
Kontrollmittel nicht kennen und es nicht ohne Aufsicht in die Hand bekommen, 
wird sich wohl in vielen ähnlichen Fällen verwenden lassen. 

Derartige Kunstgriffe waren bei den beiden anderen Typhusträgerinnen 
nicht nötig, weil es sich um internierte psychische Kranke handelte. Bemer- 
kenswert aber ist, dass die eine zur Typhusträgerin geworden zu sein scheint, 
obne merklich an Typhus zu erkranken. Bei dem Beginn jener Kontakt- 
epidemie, die vermutlich durch die Aufnahme einer psychisch erkrankten 
Typhusrekonvalescentin auf eine sehr eng belegte Abteilung entstand, wurden 
mit dem Serum aller dort befindlichen Personen Widalproben vorgenommen. 
Als die Epidemie abgelaufen war, wurden vor der Aufhebung der Isolierung 
von der übrigen Anstalt die Ausscheidungen aller der erkrankt gewesenen 
und der gesund gebliebenen Personen untersucht und bei dieser Gelegenheit 
die Typhusbakterien in den Fäces der Patientin B. gefunden. Es besteht nun 
zwar kein unumstösslicher Beweis, dass sie nicht schon vorher vorhanden ge- 
wesen sein könnten, aber dies ist sehr unwahrscheinlich. Denn nun, im No- 
vember, zeigte das Blutseram in 5 Verdünnung deutliches Agglutiuationsver- 
mögen auf Typhusbakterien, das bei der ersten Untersuchung im August 
durchaus gefehlt hatte. Es war also in der Zwischenzeit eine Veränderung 
mit ihr vorgegangen, die auf eine Typhusinfektion hinweist, während die 
dauernde Beobachtung und auch regelmässige Temperaturmessung keine Er- 
krankung hatten diagnosticieren lassen. 

Nur kurz soll erwähnt sein, dass bei diesen 3 Personen einige Versuche 
gemacht wurden, die Typhusbakterien-Ausscheidung aufzuheben. Aus theore- 
tischen Gründen und nach den an anderen Orten gemachten Erfahrungen 
wurde von jedem Versuche einer Desinficierung des Darmkanals oder speci- 
fischer Serumwirkung abgesehen. Im Anschluss an die von Conradi und 
Kurpjuweitt) mitgeteilten Versuche und Theorien über die Schutzwirkung 
des Antagonismus zwischen den normalen Darmbakterien und den Krankheits- 
erregern wurde dagegen versucht, -ob durch Einführung grosser Keimmengen 
von Bact. coli. und Bact. aörogenes lactis sich eine Verdrängung der Typhus- 
bakterien herbeiführen liesse. In der Tat gelang es durch fortgesetzte Ein- 
führung grosser Keimmengen (am Tage den Rasen von 3—4 grossen Agar- 
platten) in Form keratinierter Pillen, die auf den Lakmusmilchzucker-Nährböden 
zur Entwickelung kommende Flora so weit zu verändern, dass die Typhus- 
bakterien, welche bei wiederholten früheren Beobachtungen weit überwogen 
hatten, nur in geringer Zahl zur Entwickelung kamen. Nach Abschluss der 
Fütterung aber stellte sich das alte Verhältnis immer wieder her. Da diese 
versuche auf das Wohlbefinden der betreffenden Personen gar keinen Einfluss 


1) Münch. med. Wochenschr. 1905. S. 1761 u. 2164. 


73* 


1000 Infektionskrankheiten. 


hatten, so erscheint ihre Wiederholung mit Kombinationen anderer normaler 
Darmbakterien, insbesondere auch mit anaöroben, vielleicht dann nicht durch- 
aus aussichtslos, wenn wir erst die normale Zusammensetzung der Bakterien- 
flora in den verschiedenen Darmabschnitten einigermassen kennen werden. Für 
dieFälle, in denen die Typhusbakterien ihren Sitz auch in den Gallenwegen 
haben, wird sie freilich nicht die geringste Aussicht auf Erfolg bieten. 

Bei diesen Versuchen wurde auch die Beobachtung gemacht, dass mehrere 
Male und bei zweien der genannten Personen die Typhusbakterien zugleich 
mit der Zahl auch eine gewisse qualitative Veränderung aufwiesen. Die aus 
den vereinzelten Kolonien isolierten Reinkulturen zeigten nämlich eine ver- 
minderte Eigenbewegung und schlechtere Agglutinabilität, so dass mehrfache 
Umzüchtung und genaue Beobachtung der Reinkulturen nötig war, ehe sie als 
Typhusbakterien anerkannt werden konnten. Bei denselben Personen zeigten 
die untersuchten Kolonien, wenn die ganzen Platten gebläut waren, schon in 
der ersten Generation so lebhafte Eigenbewegung und waren durch specifisches 
Serum in starker Verdünnung so leicht zu agglutinieren, dass die üblichen 
weiteren Kontrollzüchtungen fast überflüssig erschienen. Bei der dritten 
Bacillenausscheiderin, die im Herbst 1905 einen Typhus durchgemacht hat und 
eine sehr träge und unregelmässige Darmtätigkeit zeigt, traten die Typhus- 
bakterien auch ohne jeden therapeutischen Versuch in so geringer Zahl auf 
und konnten zuweilen gar nicht isoliert werden, dass an ihr derartige Be- 
obachtungen nicht angestellt werden konnten. Bei allen 3 Personen aber ist 
die Bacillenausscheidung seit der ersten Beobachtung im wesentlichen unver- 
ändert geblieben. 

(Schluss folgt.) 


Canon P., Die Bakterien des Blutes bei Infektionskrankheiten. 
Verl. v. G. Fischer. Jena 1905. 252 Ss. 80. Preis: 5 M. 

Das Buch enthält auf 250 Seiten eine ausführliche Darstellung der Er- 
gebnisse von bakteriologischen Untersuchungen des Blutes bei den ver- 
schiedenen Infektionskrankheiten. Angefügt ist dem Text ein ausführliches, 
wenn auch wohl nicht ganz vollständiges Literaturverzeichnis über diesen Gegen- 
stand, das über 800 Nummern aufweist. Der Verf. ist in der Lage, vielfach 
auf eigene Untersuchungen zurückzugreifen; das gibt dem Buch einerseits einen 
besonderen Wert, andererseits werden gelegentlich Anschauungen vertreten, 
die sich nicht allgemeiner Anerkennung erfrenen. So betont der Verf. selbst 
z. B. bei den Blutuntersuchungen an Influenzakranken, dass seine Befunde, 
nach denen bei manchen Formen von Influenza oft sich die Influenzabacillen 
im Venenblut haben nachweisen lassen, von den Nachuntersuchern nicht haben 
bestätigt werden können. Er führt das auf das mangelhafte Krankenmaterial 
und gelegentlich auch auf mangelhafte Untersuchungsmethoden der späteren 
Untersucher zurück. 

Der gesamte Stoff wird in einem speciellen und einem allgemeinen Teil 
abgehandelt. Im ersten Teil werden nach einer Besprechung des Wertes und 


Infektionskrankheiten. 1001 


der Methoden der bakteriologischen Blutuntersuchung an der Leiche, wobei 
Verf. besonders für den Wert der postmortalen Untersuchung des Blutes aus 
peripheren Venen (Armvene) eintritt, die verschiedenen Bakterienarten mit den 
dazu gehörigen Krankheitsgruppen abgehandelt. Ausführlich wird der Bedeu- 
tung der bakteriologischen Blutuntersuchung (d. i. des Nachweises der Typhus- 
bacillen im Blut und Roseolensaft) beim Typhus abdominalis gedacht, während 
die Fragen der Agglutination als nicht direkt zum Thema gehörend unbe- 
sprochen bleiben. Nach neueren Ermittelungen (die ersten Arbeiten von 
.‚Castellani sind dem Verf. bekannt gewesen) ist es unzulässig, die Schlaf- 
krankheit mit Pneumokokken, wie das anfänglich namentlich einige portu- 
giesische Forscher taten, in ätiologischen Zusammenhang zu bringen. Der 
zweite Teil sucht aus den im speciellen geschilderten Einzelbefunden allge- 
meine Gesichtspunkte abzuleiten; er bespricht die Frage des Eindringens der 
Bakterien in das Blut, ihre etwaige Vermehrung, ihre Vernichtung, Ausschei- 
dung durch Se- und Exkrete, die Metastasenbildung, Erzeugung von Toxinen, 
Mischinfektion. Hieran schliesst sich eine Abhandlung über die auf dem Blut- 
wege entstandenen (hämatogenen) lokalen Infektionskrankheiten, der Bemer- 
kungen über die Bedeutung der bakteriologischen Blutuntersuchung mit Rück- 
sicht auf eventuelle therapeutische Eingriffe beigegeben sind. 

Im allgemeinen wird jeder, der auf dem Gebiet der bakteriologischen 
Blutuntersuchung arbeitet, bei genauer Durchsicht des Buches vielfache An- 
regung bekommen, auch wenn er nicht in allen Punkten den Schlussfolgerungen 
des Verf.’s beistimmt. K Hayo Bruns (Gelsenkirchen). 


Kiree# M., Ueber die Alkalescenz des Blutes bei akuten exanthema- 
tischen Infektionskrankheiten. Centralbl. f. inn. Med. 1905. No. 19. 
Durch Titration mit 1:75 Normal-Weinsäure kommt Verf. auf Grund 
eines reichlichen Materials zu dem Resultat, dass bei akuten exanthema- 
tischen Infektionskrankheiten die Alkalescenz des Blutes entweder 
normal oder nur um ein Weniges erniedrigt ist, und dass nur der Flecktyphus 
eine Ausnahme macht, insofern bei dieser Erkrankung die Alkalescenz des 
Blutes immer erhöht ist. 0. Baumgarten (Halle a. S.). 


Simoncini, Sulla reazione dell’ organismo alle proteïne del b. prodi- 
gioso, del b. coli e del b. del carbonchio. Annali d’igiene sper. 
Vol. 16. p. 83. 

Die vorliegenden Untersuchungen beschäftigen sich mit der Frage nach 
der eigentlichen Ursache der Giftwirkungen, die nach der Einspritzung 
von abgetöteten Keimen des Bac. prodigiosus, des Bac. coli und des 
Milzbrandbacillus bei Meerschweinchen und Kaninchen zwar keineswegs 
immer, aber doch häufiger hervortreten. Dabei hat Verf. einen in verdünnten 
Alkalien löslichen und einen ungelöst bleibenden Anteil ermittelt, von denen 
der letztere die grössere Giftigkeit besitzt. Lässt sicb auch das Vorkommen 
von specifischen Antikörpern im Blute der Tiere nach Verabfolgung kleiner 
Mengen dieser Stoffe nicht feststellen, so hat sich doch wiederholentlich 
wenigstens beim Prodigiosus und dem Bac. coli eine freilich sehr bescheidene 


1002 Infektionskrankheiten. 


Immunität nachweisen lassen, wenn das ganze Protein zur Verwendung 
gelangte, während bei dem Gebrauch auch der gelösten oder der ungelösten 
Substanzen von einer erhöhten Widerstandsfähigkeit nichts zu bemerken war. 
Gegen den Milzbrandbaeillus blieb dagegen jeder Versuch der Immunisierung 
erfolglos. C. Fraenkel (Halle a.S.). 


Neumann R. 0., Bericht über die Ergebnisse des Untersuchungsamtes 
für ansteckende Krankheiten in Heidelberg im 2. Betriebsjabr 
vom Oktober 1904 bis Oktober 1905. Aerztliche Mitteilungen aus und 
für Baden. 1906. No. 7. 

Im Vergleich zu dem vorigen Betriebsjahr stieg die Zahl der eingelaufenen 
Proben von 1525 auf 2184; es zeigte sich also eine Zunahme von 659 Ein- 
gängen. Unter den Einsendungen befanden sich: 

im vorigen Jahr 1904—1905 


Tuberkulose. . . . 902 1403 
Typhus . . . . . 394 345 
Diphtherie . . . . 100 154 
Gonorrhoe . . . . 89 60 
Diversa . . 90 216 


Davon waren positiv: Tuberkulose 22,7%/,, Typhus 32,3%, Diph- 
therie 27,3%,, Gonorrhoe 20,5%, Diversa 50,49%. 

Ausser bei den 4 genannten Infektionskrankheiten wurde eine Unter- 
suchung gewünscht auf: Pnenmonie, Coliinfektion, Eiterungen, Influenza, 
Meningitis, epidemische Genickstarre, Dysenterie, Malaria, Angina Vincenti, 
Tetanus, Syphilis, Aktinomykose, Milzbrand, Rindertuberkulose, Würmer, Hel- 
mintheneier, Flagellaten und bösartige Neubildungen. Ebenso gelangten Harn 
und verschiedene Wässer zur Untersuchung. 

Die Erfahrung, die mit der Isolierung des Typhus aus Stühlen gemacht 
wurde, war keine besonders günstige. Die positiven Ermittelungen betrugen 
nur 3°, der Fälle. Daher ist von Seiten des Untersuchungsamtes darauf 
hingewirkt worden, dass an Stelle des Stuhles, wenn irgend möglich, Blut 
zur Agglutinationsprüfung eingesandt wird. Da die Methodik bei dieser 
Untersuchung leicht ist, so ist das Amt in der Lage, schneller und auch 
sicherer dem Arzt Bescheid zu geben. Die Einrichtung hat sich allseitig be- 
währt, was auch aus der Zahl von 32,30/, positiven Typhusermittelungen her- 
vorgeht. Zur Feststellung auf den Nährböden bedienten wir uns des Dri- 
galski-, Malachit- und Endonährbodens, ohne jedoch einem bestimmten 
den Vorzug geben zu können; sie lassen gelegentlich alle drei im Stich. 
Für Paratyphusermittelungen leistete der Malachitnährboden zuweilen gute 
Dienste. 

Die Untersuchungen auf epidemische Genickstarre wurden mehrfach 
gefordert, doch war der „echte“ Erreger nur in einem Falle wirklich zu finden. 
In einem anderen Falle musste ein influenzaähnliches Stäbchen für die 
aufgetretenen Symptome verantwortlich gemacht werden. 

Bei den Prüfungen auf Diphtherie ergab sich einer jener zwar nicht 
allzu häufigen aber doch sicheren Fälle — trotz gegenteiliger Behauptung —, 


Infektionskrankheiten 1003 


bei welchem eine in jeder Weise typische Pseudodiphtherie beim Tier- 
experiment eine hohe Virulenz und alle pathologischen Erscheinungen einer 
echten Diphtherie aufwies. 

Die am wenigsten erquickliche Bearbeitung des eingegangenen Unter- 
suchungsmaterials betrifft die hohe Zahl negativ befundener Sputa, die 
sich auf 1044 beliefen. Die Arbeit wird dabei noch erhöht durch das in 
sehr vielen Fällen notwendig anzuschliessende Sedimentierverfahren, welches 
aber auch nicht mehr als ca. 10/ positive Ermittelungen brachte. 

Die am Untersuchungsamt Heidelberg eingeführten Versandgläser und 
Versandmethoden haben sich dauernd bewährt und sind beibehalten worden. 

R. O. Neumann (Heidelberg). 


Nocht B., Ueber Tropenkrankheiten. Aus dem Seemannskrankenhause 
und Institut für Schiffs- und Tropenhygiene. Leipzig 1905. Johann Ambro- 
sius Barth. Preis: 1 M. 

ln diesem auf der Naturforscherversammlung in Meran gehaltenen Vor- 
trag bespricht Verf. in überaus fesselnder Weise die wichtigen Ergebnisse, die 
die Erforschung der Tropenkrankheiten in den letzten Jahren gezeitigt bat. 

Er weist darauf hin, dass in der Aetiologie der Infektionskrankheiten in den 

warmen Ländern den tierischen Lebewesen eine ungleich grössere Bedeu- 

tung zukommt, als bei uns. Demgemäss verlangt das Studium dieser Krankheiten 
auch die Verwendung anderer Methoden, und zwar vorwiegend zoologischer. 

Nach einem kurzen Ueberblick über das auf dem Gebiete der Malaria 
und der Beriberi Geleisteten geht Verf. auf die Trypanosomenkrank- 
heiten ein. Die Tse-tse- und Surrahkrankheit, das Mal de Caderas, die Be- 
schälseuche der Pferde, die Galziekte, und schliesslich beim Menschen die 

Schlafkrankheit werden besprochen. Auch die Befunde bei Kala-Azar, der 

Orientbeule, dem Tickfever und dem Zeckenfieber werden erwähnt. Die 

weiteren Ausführungen behandeln die Diagnose, Therapie und Prophylaxe der 

Tropenkrankheiten, und schildern die erheblichen Fortschritte auch auf diesem 

Gebiete. Das ganze Büchlein gewährt einen vortrefflichen Ueberblick über die 

grossen Anstrengungen und Fortschritte, die vou medizinischer Seite gemacht 

worden sind, die tropischen Gebiete zu sanieren, und so die Grundlage für 

eine erfolgreiche Kolonisation zu schaffen. Liefmann (Halle a. S.). 


Heisler, August, Untersuchungen über die Infektiosität von Tuberkel- 
bacillen verschiedener Herkunft. Inaug.-Dissert. Freiburg i. B. 1905. 

Nach einer ausführlichen Besprechung der von Koch und v. Behring in 
der Tuberkulosefrage aufgestellten Hypothesen schildert Verf. eine Reihe 
von Impfungen an Meerschweinchen und Kaninchen, die 

1. mit menschlicher Tuberkulosereinkultur, 

2. menschlichem tuberkulösen Sputum, 

3. Perlsuchtreinkultur, 

4. Perlsuchtknoten-Aufschweinmung, 

5. Centrifugenmilchschlamm 
ausgeführt wurden. 


1004 Infektionskrankheiten. 


Bei der Impfung mit den 4 zuerst genannten Stoffen wurde fast durch- 
weg eine Tuberkulose der Versuchstiere erzielt, die aber bei den 
Perlsuchtsbacillen bedeutend eher (nach 43 Tagen) zum Tode führte, als bei 
den menschlichen Tuberkelbacillen (Tod nach 103 Tagen). Zwei mit 1 ccm 
tuberkulösem menschlichen Sputum in die Bauch- resp. Brusthöhle gespritzte 
Kaninchen waren auch nach mehr als einem halben Jahre noch tuberkulosefrei. 
Der Centrifugenschlamm erzeugte in einer Versuchsreihe keine einzige tuber- 
kulöse Erkrankung; in einer anderen starben von 12 Tieren 8 an Tuberkulose 
(resp. an einer Infektion mit säurefesten Bacillen). 

Liefmann (Halle a.S.). 


Vetter, Methode, um Tuberkelbacillen in pleuralen Rrgüssen aufzu- 
finden. Centralbl. f. inn. Med. 1905. No. 18. 

V. versucht, auf direktem Wege mittels Tierproben und durch Anlegen 
von Kulturen den Beweis für die eventuelle tuberkulöse Natur des Exsudats 
zu liefern. Bei den Tierproben wurden Meerschweinchen 2 bezw. 10 ccm auf- 
gefangener Exsudatflüssigkeit in die Bauchhöble injiciert und die gestorbenen 
oder durch Chloroform getöteten Tiere anatomisch und unter Zuhilfenahme der 
Ziehl-Neelsenschen Färbetechnik in den krankhaft veränderten Organen 
auf Tuberkelbaeillen untersucht. Die Kulturen wurden so angelegt, dass V. 
20 cm hohe Reagenzgläser mit einem Durchmesser von 2 cm und einer Ein- 
schnürung im Abstand von 4 cm vom Boden mit 8 ccm schwach alkalisch 
reagierender Nährflüssigkeit (10proz. wässrige Glycerinlösung, 10/, Pepton und 
0,5 %/, Kochsalz) beschickte, eine 4—5 cm lange Kartoffelscheibe, auf der Ein- 
schnürung ruhend, einfügte, und nach Sterilisieren durch 11/, stündiges Er- 
hitzen auf 1100C. 8 ccm Exsudatflüssigkeit hinzufügte und die so hergestellten 
Röhrchen 3—4 Wochen einer Temperatur von 38°C. im Brütofen aussetzte. 

Auf diese Weise konnten im Exsudat von 10 Patienten, welche augen- 
scheinlich an primärer Pleuritis litten, 6 mal mittels des Tierexperimentes, 
9 mal mittels der Kulturen Tuberkelbacillen gefunden werden. 

0. Baumgarten (Halle a.S.). 


Spengler, Carl, Zur Formaldehyd -Abtötung und -Züchtung der 
Tuberkel- und anderer säurefester Bacillen. Antikritische Be- 
merkungen zu Prof. Dr. Reichenbachs Arbeit: Die „Leistungen 
der Formaldehyddesinfektion“. Zeitschr. f. Hyg. Bd. 51. S. 335. 

Der Verf. verteidigt sich gegen den ihm von Reichenbach (vgl. diese 

Zeitschr. 1906 S. 721) gemachten Vorwurf, dass er im Vergleich zum 

Tierversuch die Züchtung des Tuberkelbacillus auf künstlichen 

Nährböden für das empfindlichere Beweismittel erklärt habe, um zu 

entscheiden, ob tuberkelbacillenhaltiger Auswurf durch Formalin desinficiert 

worden sei oder nicht. Er gibt an, dass von Auswurf, welcher der Formalin- 
wirkung ausgesetzt gewesen ist, in Kulturen nur dann Wachstum ausgeht. 
wenn das Formalin daraus entweichen kann, dass das Wachstum aber 
ausbleibt, wenn durch gasdichten Verschluss des Röhrchens ein Entweichen 
des Formalins verhindert wird. In diesem Fall wirkt das Formalin 


Infektionskrankheiten. 1005 


nachträglich noch entwickelungshemmend oder abtötend. In der Impftasche 
des Tierversuchs seien die Verhältnisse ganz dieselben, wie in dem gasdicht- 
verschlossenen Röhrchen, aber aus diesem Grunde sei es ein Irrtum, aus 
dem Gesundbleiben der Tiere auf eine ursprüngliche Desinfektions- 
wirkung des Formalins dem taberkelbacillenhaltigen Auswurf gegenüber 
zu schliessen. 

Der Verf. versichert, dass durch 0,5g Formalin (10 Tropfen), welche 
von Fliesspapier im Deckel einer Petrischale aus !/, Stunde lang bei 20° auf 
darunter befindlichen Auswurf einwirken — dies entspricht dem Verhältnis 
von 5 Litern Formalin oder 2000 g Formaldehyd auf 1cbm Raum —, alle 
übrigen Bakterien bis auf Tuberkelbacillen, Perlsuchtbacillen und Smegma- 
bacillen getötet werden, die genannten aber sich entwickeln. Selbst nach 
48 stündiger Formalineinwirkung sollen Tuberkelbacillen noch nicht 
Abgetötet sein. Allerdings sei der Auswurf bei einer derartigen Behandlung 
zunächst eingetrocknet und hart, aber wenn man ihn mit dem Kondenswasser 
der Kultur in Berührung bringe, weiche er auf und zeige nach 14 Tagen 
ebenfalls lebhaftes Wachstum von Tuberkelbacillen. Wegen ihres schnelleren 
Wachstums empfiehlt der Verf. zu solchen Versuchen über Formalinwirkung 
die Smegmabacillen, welche weniger widerstandsfähig als Tuberkelbacillen und 
Perlsuchtbaecillen sind. 

Am Schluss hebt er hervor, dass er die Formalindesinfektion für 
die beste Art der Desinfektion hält und sich selbst ihrer bedient, aber 
freilich noch eine gründliche Waschung oder Sublimateinwirkung folgen lässt. 

Globig (Berlin). 


Dammann und Müssemeier Fr., Untersuchungen über die Beziehungen 
zwischen der Tuberkulose des Menschen und der Tiere. Im Auf- 
trage des Ministers für Landwirtschaft, Domänen und Forsten ausgeführt. 
Aus dem hygienischen Institut der Tierärztlichen Hochschule in Hannover. 
M. & H. Schaper, Hannover 1905. 143 Ss. Mit 45 Kurven- und 3 Bakterien- 
tafeln. Preis: 9 M. 

Neben den im Kais. Gesundheitsamt unter Leitung von Kossel vorge- 
nommenen Untersuchungen sind im hygienischen Institut der Tierärztl. Hoch- 
schule in Hannover unter Leitung Dammanns gleichfalls Studien zu dieser 
wichtigen Frage angestellt worden; es soll an dieser Stelle ein Auszug der 
Resultate Platz finden. i 

1. Die biologischen uad morphologischen Unterschiede beider Gruppen 
des Tuberkelbacillus, der des Menschen und der anderer Säugetiere, 
sind nicht derart ausgeprägt und konstant, dass es auf Grund derselben ge- 
rechtfertigt erscheint, eine Scheidung in zwei getrennte Arten von Typen, einen 
Typus bumanus und einen Typus bovinus, vorzunebmen. 

2. Die Verimpfung der von den Verff. geprüften Tuberkelbacillenstäimme 
menschlicher und tierischer Herkunft auf Meerschweinchen hat keine wesent- 
lichen und konstant vorhandenen Unterschiede ergeben. - 

3. Sowohl mit Tuberkelbacillen menschlicher als auch mit solchen tieri- 
scher Abkunft konnten Verff. bei Kaninchen Tuberkulose hervorrufen. Die 

74 


1006 Infektionskrankheiten. 


letzteren erwiesen sich aber in der Regel für Kaninchen virulenter als die 
ersteren. 

4. Die Virulenz der für Kaninchen schwach virulenten Menschenstämme 
konnten durch Kaninchenpassage verstärkt werden. 

5. Sowohl mit Tuberkelbacillenstämmen vom Menschen als auch mit 
solchen vom Rinde vermochten Verff. durch Verfütterung wie auch durch 
Verimpfung bei Rindern, Schafen und Schweinen Tuberkulose, mitunter auch 
in der Form von Perlsucht zu erzeugen. In der Regel waren die vom Rinde 
stammenden Tuberkelbacillenstämme für Rinder, Schafe und Schweine jedoch 
virulenter als die Mehrzahl der aus dem Körper des Menschen entnommenen 
Stämme. 

6. Es war den Verff. möglich, einen für Rinder und Schweine schwach 
virulenten Menschen-Tuberkelbacillenstamm durch wiederholte Ziegenpassage 
morphologisch und biologisch abzuändern und mittels fünfmaliger Durchfüb- 
rung durch den Ziegenkörper seine Virulenz derartig zu verstärken, dass er 
imstande war, bei einem Kalbe und einem Schwein eine schwere Tuberkulose 
hervorzurufen. 

Die Verff. kommen zu den Hauptschlusssätzen, 

I. dass die Tuberkelbacillen des Menschen und der übrigen 
Säugetiere nicht als getrennte, besondere Arten, sondern als 
dem Organismus der verschiedenen Tierspecies angepasste Varie- 
täten derselben Art aufzufassen sind, 

II. dass Massregeln zum Schutze des Menschen gegen die An- 
steckung durch tierische Tuberkulose unentbehrlich sind. 

Burow (Halle a. S.). 


Grober, Die Tonsillen als Eintrittspforten für Krankheitserreger. 
besonders für den Tuberkelbacillus. Klin. Jahrb. 1905. Bd. 14. 

Die Versuche G.’s zeigen, dass korpuskuläre Elemente, Tuschekörnchen 
wie Mikroorganismen von den Tonsillen in die Halslymphdrüsen und von 
da auf direkten Wegen auf die Pleura und in die Lunge und zwar gerade an 
diejenige Stelle gelangen können, wo der häufigste Sitz der primären An- 
siedelung der Tuberkelbacillen in der Lunge sich findet. Dass neben 
diesem wahrscheinlichen Infektionswege von den Tonsillen über Halslymph- 
drüsen und Pleuraverwachsungen zu der Lungenspitze auch die bronchogene 
und hämatogene Infektion der Lungen vorkommen, .ist wohl sicher; nur 
haben sie keine bewiesenen Beziehungen zur häufigsten Form der Phthise. 
zur Spitzentuberkulose. O0. Baumgarten (Halle a. S.). 


Bartel, Die Infektionswege der Fütterungstuberkulose. Klin. Jahrb. 
Bd. 16. 1905. 

Die Schlüsse, welche sich aus den Versuchen des Verf.’s ergeben, lassen 
sich in folgender Weise formulieren: Die Empfänglichkeit der verwendeten 
Versuchstiere gegen die Tuberkelbacilleneinführung menschlicher 
Herkunft in den Digestionstraktus obne absichtlich gesetzte Veränderungen 
irgend welcher Natur derselben durch selbsttätige Fütterung ist eine sehr hohe. 


Infektionskrankheiten. 1007 


Als Eintrittspforten erwiesen sich Mund- und Rachenschleimhaut, sowie Magen- 
und Darmkanal mit ihren Iymphoiden Einlagerangen der Mucosa, als regionäre 
Lymphdrüsen, Hals- und Mesenteriallymphdrüsen, deren Beteiligung eine überaus 
verschiedene und abhängig von der Art des Materials der Fütterung ist. Die Bacil- 
leninvasion erzeugte an den Schleimhäuten anscheinend keinespecifischen Verände- 
rungen, vielmehr blieb der ganze Process streng auf das lymphatische Gewebe be- 
schränkt bis auf jene Fälle bereits allgemeiner Tuberkulose durch Ein- 
träufelung von Bacillenkulturen in das Maul der Tiere. Die negativen Bint- 
befunde gegenüber den positiven der Lymphdrüsen sprechen für den exquisit 
lympbatischen Charakter der Tuberkulose. Zu bemerken ist dabei noch, dass 
die Tuberkelbacillen bei ihrer Passage durch die Schleimhäute und die folgende 
Einwanderung in die Lymphdrüsen eine starke Abschwächung ihrer Virulenz 
erfahren, indem gelegentlich nur eine leichte Schwellung von Kollikeln und 
Marksträngen sich fand. 

Auffällig jedoch erscheint, dass relativ lange Zeit nach der Tuberkel- 
bacillenaufnahme sich bei mikroskopisch negativem Befunde am Fütterungstier 
durch den Impfversuch Tuberkelbacillen von verhältnismässig hohem Virulenz- 
grade nachweisen lassen, wenn auch nicht vom Grade der Virulenz der ehedem 
verfütterten Bacillen. 

Der Umstand ferner, dass die Untersuchung der verschiedenen Lymph- 
drüsengruppen auf andere Keime als Tuberkelbacillen negative Resultate ergab, 
scheint dafür zu sprechen, dass die Fähigkeit, die anscheinend unveränderten 
Schleimhäute zu passieren, nur gewissen Bakterienarten, und zwar wahr- 
scheinlich nur solchen pathogener Natur, darunter auch dem Tuberkelbacillus, 
zukommt. 

Höchst interessant ist das Kombinationsbild von dem Gange der Infektion, 
welches Verf. am Schluss seiner Arbeit gibt und auf das ich ausdrücklich 
noch hinweisen möchte. O. Baumgarten (Halle a. S.). 


Beitzke, Ueber Untersuchungen an Kindern in Rücksicht auf die 
v. Behringsche Tuberkulose-Infektionstheorie. Berl. klin. Wochen- 
schr. 1905. S. 33. 

Verf. berichtet über Untersuchungen, die er zur Prüfung der Richtigkeit 
der v. Behringschen Behauptung: „Die Säuglingsmilch ist die Hauptquelle 
für die Schwindsuchtsentstehung“ angestellt hat. Der leitende Gedanken- 
gang war dabei folgender: Da nach v. Behring die infantile Infektion 
gar keine anatomischen Veränderungen zu hinterlassen braucht, sondern die 
in die Blutbahn gelangten Tuberkelbacillen auch rein funktionelle Störungen 
hervorrufen können, war der Frage nur durch Auffinden der Tuberkelbacillen 
im Blute beizukommen. Da die Tuberkelbacillen aus dem Intestinaltraktus 
ins Blut gelangen sollen, so waren sie mit grösster Wahrscheinlichkeit in dem 
mit der Lymphe gemischten venösen Blut, also im rechten Herzen zu erwarten. 
Es wurde daber nach Eröffnung des Herzbeutels ein Stäck der Oberfläche des 
rechten Ventrikels mit glühendem Messer versengt und an dieser Stelle mit 
steriler Pravazspritze eingestochen und Blut aspiriert, wobei ein Assistent das 
Blut aus der Vena cavae und dem Vorhof nach dem Ventrikel drängte. Das 

74* 


1008 Infektionskrankheiten. 


Blut wurde Meerschweinchen teils subkutan, teils intraperitoneal eingespritzt. 
Die im Herzen vorgefundenen Blutgerinnsel wurden der Inoskopie nach Jonsset 
unterworfen. Zur Kontrolle der angewandten Methodik wurden 6 Fälle unter- 
sucht, bei denen Tuberkelbacillen mit grosser Wahrscheinlichkeit zu erwarten 
waren; dabei lieferte der Tierversuch dreimal, die Inoskopie nur einmal ein 
positives Resultat. 

Die eigentlichen Untersuchungen erstreckten sich auf 48 Fälle von Kinder- 
leichen im Alter von 2 Tagen bis 9 Jahren. In einem Falle blieb es bei dem 
getöteten Tiere zweifelhaft, ob die vorhandenen anatomischen Veränderungen 
tuberkulöser Natur waren oder nicht. Bei allen Andern 47 Fällen hat sich 
weder durch den Tierversach noch durch die Inoskopie der geringste Anhalt 
für die Anwesenheit von Tuberkelbacillen im Blute anatomisch nicht tuber- 
kulöser Kinder ergeben. Die Behauptungen v. Behrings von der Existenz 
einer latenten infantilen Infektion und ihre Rolle in der menschlichen Phtbisio- 
genese erfahren also durch die vorliegenden Untersuchungen zum mindesten 
keine Stütze. Speck (Berlin). 


Wagner, Ueber die Häufigkeit der primären Darmtuberkulose in 
Berlin. Berl. klin. Wochenschr. 1905. S. 119. 

Verf. hat während eines Jahres das Sektionsmaterial des Krankenhauses 
Bethanien speciell auf die Frage nach der Häufigkeit der primären 
Tuberkuloseinfektion durch den Darm geprüft. Das Material, welches alle 
Altersklassen umfasste, erstreckte sich auf 410 Fälle, unter denen bei 20 Fällen 
eine primäre Infektion des Körpers mit Tuberkelbacillen durch den Darm an- 
genommen werden musste. Diese 20 Fälle setzten sich im einzelnen, wie folgt, 
zusammen: 

1. Eine isolierte tuberkulöse Affektion des Darmes ohne makroskopisch 
oder mikroskopisch nachweisbare Veränderungen in den zugehörigen Mesen- 
terialdrüsen fand sich nur in einem Falle. 

2. Eine isolierte Erkrankung der Mesenterialdrüsen wurde iin verbältnis- 
mässig vielen, nämlich in 13 Fällen gefunden. In 6 von diesen Fällen konnten 
Tuberkelbeillen nachgewiesen werden. 

3. Tuberkulöse Geschwüre mit gleichzeitiger Erkrankung der entsprechenden 
Mesenterialdrüsen fanden sich in 2 Fällen. 

4. In den letzten 4 Fällen handelte es sicb um Doppelinfektion des Körpers 
in Form der primären Darmtuberkulose. 

Von den 410 Sektionen, unter denen sich 20 Fälle mit primärer Darm- 
tuberkulose (= 4,9°/,) fanden, waren 67 Sektionen im Alter von 1—15 Jahren 
mit 11 Fällen = 16,4°%,. Iu einer früheren Arbeit über Kieler Material 
kam Verf. zu ähnlichen Ergebnissen (Münch. med. Wochenschr. 1903. No. 47. 
u. 48). Damals wurden bei 600 Sektionen 18 Fälle von primärer Darmtuber- 
kulose = 4,7%,, hiervon 76 im Alter von 1—15 Jahren mit 16 Fällen = 
21,1%, gefunden. Die Abweichung seiner Resultate von denen Orths 
(203 Sektionen [3. Monat bis 15. Jahr], 2 Fälle von primärer Darmtuberku- 
lose) und Baginsky (5448 Sektionen mit 14 Fällen) erklärt Verf. aus der 
Verschiedenheit der Art des Sektionsmaterials. Er glaubt sich nach seinen 


Infektionskrankheiten. 1009 


Untersuchungen zu dem Schlusse berechtigt, dass auch in Berlin eine primäre 
Infektion durch den Darm (auf dem Sektionstische wenigstens) häufig vor- 
kommt. Speck (Berlin). 


Edens, Ueber die Häufigkeit der primären Darmtuberkulose in 
Berlin. Berl. klin. Wochenschr. 1905. S. 1528 ff. 

Die Einheit der bisher in Berlin gefundenen geringen Prozentzahlen 
primärer Darmtuberkulose hatte durch die von Wagener aus Bethanien 
veröffentlichten Sektionsergebnisse des Jahres Oktober 1903/04 eine bemer- 
kenswerte Störung erlitten. Um zu sehen, ob es sich dabei um einen Zufall 
gehandelt hat, sind vom Verf. die Sektionen Bethaniens vom 1. Oktober 1904/05 
auf das Vorkommen primärer Darmtuberkulose verarbeitet worden. Er fand 
bei 491 Sektionen 25 mal oder in 5,1°/, der Fälle primäre Darmtuberkulose, 
darunter 20 mal eine isolierte Erkrankung der Mesenterialdrüsen, bei 91 das 
Alter von 1—15 Jahren betreffenden Sektionen in 120/,; nach den Ergebnissen 
Wageners in Kiel lauteten die Zahlen 4,7 und 21,1°/,, und in Berlin 4,9 und 
16,4%/,. Danach scheint die primäre Darmtuberkulose bei Kindern in Berlin 
doch spärlicher zu sein als in Kiel. Bindende Schlüsse lassen sich noch nicht 
ziehen, doch stimmen die Ergebnisse mit der von Heller vertretenen Ansicht 
überein, dass ein in Berlin sich findender geringerer Prozentsatz an primärer 
Darmtuberkulose auf die dort in ausgedehntem Masse geübte Milchsterilisation 
zurückzuführen sein würde. Nachdem die Tatsache feststeht, dass in ver- 
schiedenen Bezirken Berlins ebenso voneinander abweichende Prozentzahlen 
von primärer Darmtuberkulose gefunden werden, wie dies zwischen Berlin und 
Kiel der Fall ist, darf man, da die Verhältnisse auf engerem Raume sich 
leichter übersehen und vergleichen lassen, hoffen, eher Klarheit über die 
Gründe der verschiedenen Häufigkeit der primären Darmtuberkulose zu gewinnen. 

Würzburg (Berlin). 


Esau, Ein Fall von Miliartuberkulose mit Staphylokokkensepsis 
und schweren Darmblutungen. Münch. med. Wochenschr. 1905. No. 37. 
S. 1772. 

E. beschreibt eine tödlich verlaufene Erkrankung, bei der die Differential- 
diagnose zwischen Abdominaltyphus, Miliartuberkulose und Septi- 
kämie zu stellen war. Von dem ersteren wurde, da die Agglutination auch in 
der späteren Zeit der Krankheit völlig fehlte, abgesehen. Die schliessliche 
Annahme, dass es sich um eine Kombination der beiden letztgenannten Affek- 
tionen handelte, wurde durch den klinischen Verlauf und den Ausfall der 
Sektion bestätigt. Der stark ausgeprägte Milztumor nnd die Darm- 
blutungen wurden durch die Septikämie, die dyspnoischen Er- 
scheinungen und der tympanitische Schall auf den unteren Lungen- 
partien wurden durch die Miliartuberkulose erklärt. 

Als Ausgangspunkt beider Krankheiten stellte sich bei der Sektion ein 
Abscess heraus, der sich in Gestalt einer ausgedehnten käsigen Osteomye- 
litis mit stellenweise eitriger Einschmelzung in den Wirbelkörpern des 8. 
and 9. Brustwirbels ausgebildet hatte. Durch die gleiche Eintrittspforte 


1010 Infektionskrankheiten. 


sind dann von hier aus Tuberkelbacillen und Streptokokken in die Blutbahn 
eingedrungen und haben die tödliche Krankheit verursacht. 
Schumacher (Hagen i.W.). 


Schomburg, Beitrag zum therapeutischen Wert des Griserins, Berl. 
klin. Wochenschr. 1905. S. 14: 

Verf. behandelte 12 Fälle von Langenschwindsucht mit Griserin zur 
Nachprüfung von K. Küsters Angabe, dass mit diesem Mittel bei Tuberkulose 
und anderen bacillären Erkrankungen günstige Erfolge erzielt würden. Verf. 
konnte jedoch feststellen, dass sich dieses Mittel hinsichtlich der Beseitigung 
von Krankheitssymptomen bei Tuberkulose als ziemlich wirkungslos er- 
wies, und dass sich in keinem Falle, weder bei beginnender noch bei fortge- 
schrittener Tuberkulose eine direkte günstige Wirkung auf den tuberkulösen 
Krankheitsherd selbst wahrnehmen liess. Gegen eine antibakterielle Wir- 
kung des Griserins im Organismus sprachen auch die Beobachtungen bei einem 
schliesslich tödlich verlaufenen Falle von septischer Endocarditis, bei 
dem die Zahl der Streptokokken im Blute während der Behandlung mit 
Griserin sogar erheblich stieg. Baumann (Metz). 


Friedberger E. und Pettinger W., Versuche über die desinficierende 
Wirkung des Griserins. Berl. klin. Wochenschr. 1905. S. 170. 

Die Verff. stellten ebenfalls Versuche über die desinficierende Wir- 
kung des Griserins an und zwar sowohl im Reagensglas als auch am 
Tier. Eine keimtötende Wirkung im Reagensglas ist zwar vorhanden, 
jedoch keineswegs stark. Streptokokken, Staphylokokken und Milzbrand- 
bacillen wurden zwar nach mehreren Stunden durch Verdünnungen von 1 : 1000 
bezw. 800 und 400 abgetötet, gegenüber Prodigiosus war aber erst in enorm 
hoher Konzentration eine Keimhemmung oder gar -abtötung zu beobachten. 
Das Griserin an und für sich war für Mäuse, Meerschweinchen und Kaninchen 
bei stomachaler, intravenöser oder subkutaner Darreichung nahezu ungiftig. 
Zahlreiche Infektionsversuche wurden an Meerschweinchen mit Cholera- 
vibrionen, menschlichen und Rindertuberkelbacillen, an Mäusen mit 
Poneumokokken und an Kaninchen mit Milzbrandbacillen angestellt, wo- 
bei Griserin in verschiedener Darreichungsform angewandt wurde. In allen 
Fällen versagte jedoch das von K. Küster angepriesene Heilmittel 
völlig. Dem Griserin ist also nach Ansicht der Verff. die Bedeutung eines 
inneren Desinficiens unbedingt abzusprechen. Baumann (Metz). 


Weber A. und Taute M., Die Kaltblütertuberkulose. Tuberkulose-Arbeiten 
a. d. Kais. Ges.-A. H. 3. S. 110—144. 

Den eigenen experimentellen Untersuchungen geht eine übersichtliche Zu- 
sammenstellung der bereits in der Literatur niedergelegten Kenntnisse über 
die Kaltblütertuberkulose voraus. Villemin hat sie zuerst 1868 er- 
wähnt. Die bis 1903 beschriebenen Fälle von Schlangentuberkulose sind 
leider bakteriologisch nicht verwertet worden. Es scheint sich aber nicht um 
richtige Tuberkelbacillen, sondern um säurefeste Stäbchen gehandelt zu haben. 


Infektionskrankheiten. 1011 


Dahin gehören wohl auch die in Fischen, Schildkröten, Fröschen nachgewiesenen 
Bacillen. Der als Erreger der Fischtuberkulose bezeichnete Bacillus ist ein 
Aörobier, der sein Temperaturoptimum bei 25° hat. Er ist identisch mit 
dem von Moeller aus einer mit Sputum geimpften Blindschleiche gezüchteten. 
Die Verschiedenheit des Friedmannschen Schildkröten-Tuberkulosebacillus 
erscheint noch nicht sichergestellt. Der Fischtuberkulosebacillus gilt als pa- 
thogen für Karpfen, Molche, Frösche, Kröten, Eidechsen, Blindschleichen, 
Ringelnattern, Vipern u. a., nicht dagegen für Kaninchen, Vögel und Meer- 
schweinchen. Die hervorgerufenen Gewebsveränderungen wurden von Lubarsch 
als echt tuberkulös bezeichnet; sie enthalten auch Riesenzellen in den Tu- 
berkeln. Das Serum mit Fischtuberkulose vorbehandelter Tiere agglutiniert 
auch den Arloing- Courmontschen Bacillus, das tuberkulöser Tiere den 
Fischtuberkulosebacillus. Fs handelt sich um eine Gruppenreaktion. Auch 
die Beziebungen der Kaltblütertuberkulose zu der Säugetiertuberkulose sind 
der Gegenstand vieler Untersuchungen gewesen. Aus ihnen kann man ent- 
nehmen: 1. Dass Tuberkelbacillen in den Kaltblüterorganismus eingebracht in 
diesem eine bestimmte Zeit (bis zu Y!/, Monaten) am Leben und für Meer- 
schweinchen virulent bleiben, 2. dass in den Organen von Kaltblütern, die mit 
Tuberkelbacillen geimpft worden sind, sich säurefeste Stäbchen finden können, 
die am besten bei niederer Temperatur wachsen und für Meerschweinchen 
nicht pathogen sind (Fischtuberkulose Bataillon, Dubard und Terre, 
Blindschleichentuberkulose Moeller, Froschtuberkulose Dieudonne). Dass 
diese letzteren durch Umwandlung aus den eingeführten Tuberkelbacillen ent- 
standen sind, ist nicht bewiesen. 

Daran schliesst sich die Mitteilung der ausgedehnten eigenen Versuche. 
Zur Züchtung der säurefesten Stäbchen aus dem Froschkörper wurde die 
Spenglersche Formalinmethode mit Nutzen angewandt. Als Nährboden 
diente 2 proz. Glycerinrinderblutserum, Züchtungstemperatur 26—300. Eine 
grössere Anzahl von Froschimpfungen mit menschlicher, Rinder- und Hühner- 
tuberkulose sowie Fortimpfungen zeitigten folgende Ergebnisse. Die in den 
Froschkörper eingeführten Tuberkelbacillen blieben lange Zeit lebensfähig und 
virulent. Sie konnten durch Verimpfung der Froschleber auf Meerschweinchen 
in sämtlichen Fällen nicht nur nach der ersten, sondern auch nach der zweiten, 
bei dem Versuche mit Hühnertuberkulosebacillen auch noch nach der dritten 
Passage nachgewiesen werden und zwar bis zu 91/, Monaten nach der Impfung. 
Neben den echten Tuberkelbacillen konnten aber in allen Versuchsreihen 
für Meerschweinchen nicht pathogene säurefeste Stäbchen durch den Kultur- 
versuch nachgewiesen werden, die mit den bisher beschriebenen Kaltblüter- 
Tuberkulosebacillen im allgemeinen übereinstimmten. 

Daher wurden des weiteren Frösche untersucht, die nicht mit Tuberkel- 
bacillen geimpft waren. Es liessen sich auch aus der Leber von Fröschen, 
die niemals zum Versuch gedient hatten und niemals mit Tuberkelbacillen ge- 
impft worden waren, Kaltblütertuberkulosebacillen herauszüchten. Damit 
fallen die früheren Angaben von der Umwandlung menschlicher Tuberkel- 
bacillen im Körper des Kaltblüters zusammen. 

Nunmehr schritten die Autoren zum Nachweise der Kaltblütertuberkulose- 


1018 Infektionskrankheiten. 


Ellermann V., Einige Fälle von bakterieller Nekrose beim Menschen. 
Centralbl. f. Bakt. Abt. I. Bd. 38. H. 4. S. 383. 

Verf. beobachtete einen tödlich verlaufenden Fall von nicht durch Dipb- 
theriebacillen hervorgerufener Diphtberitis faucium bei einem Kinde. In 
den nach Claudius gefärbten Schnitten des Zäpfchens fanden sich an 
der Grenze zwischen dem nekrotischen und dem lebenden Gewebe Anhäufunzen 
grosser Stäbchen, die deutliche Babes-Ernstsche Körperchen enthielten und 
sich nicht nach Gram, wohl aber nach Claudius und nach Weigert färbten. 
Spindelförmige Stäbchen oder Spirochäten wurden nicht beobachtet. Obwohl 
Kultur- und Tierversuche nicht angestellt wurden, hält Verf. die Erkrankung 
für eine primäre Nekrosebacilleninfektion, die bisher beim Menschen nicht 
beschrieben worden ist. 

Bei einem zweiten ebenfalls tödlich verlaufenden Fall von Diphtheritis 
faucium und gangrändser Stomatitis bei einem 23jährigen Mädchen 
suchte Verf. den Nachweis von Nekrosebacillen zu führen, indem er Kaninchen 
und Mäusen Stücke des nekrotischen Gewebes unter die Haut brachte. An 
den Impfstellen bildeten sich bei allen Tieren Abscesse. Bei Schnittfärbung 
sah man in der Abscesswandung büschelförmig geordnete, an den Enden zu- 
gespitzte Stäbchen, die keine Babes-Ernstschen Körperchen enthielten. Da- 
nach handelte es sich nicht um Nekrosebacillen, sondern um spindelförmige 
Bacillen. Aus dem Abscesseiter gelang es, diese letzteren in Reinkultur zu 
gewinnen. Auch in Schnitten des nekrotischen Gewebes von Lippe. 
Mundschleimhaut u. s. w. des Mädchens fanden sich in den tieferen Schichten 
grosse Massen von fusiformen Bacillen zusammen mit Spirochäten. 
Nekrosebacillen waren dagegen nicht nachweisbar. Bei einem anderen Fall von 
Angina gelang es dem Verf., die spindelförmigen Bacillen direkt zu züchten. 
Das Wachstum derselben findet nur bei ana@rober Züchtung statt. In ge- 
wöhnlicher Bouillon oder Agar wachsen sie auch anaörob nicht. In hoch- 
geschichtetem Serumagar bilden sie kleinste büschelförmige, prismatische, 
gelbgefärbte Kolonien. In Serumbouillon findet Wachstum unter Flocken- 
bildung statt. Auf der Oberfläche von Serumagar beobachtete man kleine 
streptokokkenähnliche Kolonien oder einen zusammenhängenden feinkörnigen 
Belag. Der Bacillus ist unbeweglich und färbt sich nach Gram und 
Weigert, nicht nach Claudius. Spirochätenformen wurden in den Kulturen 
niemals gefunden, woraus Verf. schliesst, dass Bacillus fusiformis und Spiro- 
chäte zwei verschiedene Arten sind. Baumann (Metz). 


Tiberti N, Ueber den Transport des Tetanusgiftes zu den Rücken- 
markscentren durch die Nervenfasern. Centralbl. f. Bakt. Abt. 1. 
Bd. 38. H. 3. S: 281. 

Verf. stellte eigene Versuche an über die Frage, auf welchen Bahnen das 
Tetanustoxin zu den Nervencentren gelangt, und kommt zu folgenden 
Schlussfolgerungen: Das Tetanustoxin, subkutan eingeimpft, geht grösstenteils 
in die Lymphgefässe über und von diesen aus in das Blut, zum geringeren 
Teile wird es von den Nervenendigungen resorbiert und durch diese zu den 
Nervencentren weitergeleitet. Der Trausport zu den letzteren findet nicht 


Infektionskrankheiten. 1019 


durch die Lymphwege der Nerven, sondern im Achsencylinder selbst statt 
und zwar nur, wenn dieser intakt ist. Der Strom des Giftes geht nur in 
cellulopetaler Richtung, Das in einen Muskel injicierte Tetanustoxin 
breitet sich in der den Muskel umgebenden serösen Flüssigkeit aus und wird 
dann von den im Muskel befindlichen Nervenendigungen resorbiert. Das in 
die Wadenmuskeln eines Meerschweinchens gespritzte Tetanustoxin trifft man 
im entsprechenden Ischiadicus in beträchtlichen Dosen erst 11/, Stunde nach 
der Injektion an, während es im Blute schon nach 10 Minuten nachweisbar 
ist. Sehr geringe Dosen von Tetanustoxin, die subkutan oder intravenös noch 
keine Tetanuserscheinungen hervorrufen, erzeugen Tetanus, wenn sie direkt 
in das Nervenparenchym eingespritzt werden. Durch vorherige Einsprit- 
zung von Tetanusantitoxin in einen Nervenstamm gelingt es, den Ausbruch 
von tetanischen Krämpfen nach Injektion von Tetanustoxin in die zugehörigen 
Muskeln zu verhindern. Wird Tetanustoxin direkt in das Rückenmark 
eingespritzt, so wird das Inkubationsstadium beträchtlich abgekürzt. Bei 
intravenöser Injektion fehlt der lokale Tetanus, es werden vielmehr sämt- 
liche Muskeln gleichzeitig von tetanischen Krämpfen ergriffen. Das in die 
Blutbahn injicierte Tetanustoxin geht schnell in die Lymphe über. In der 
cerebrospinalen Flüssigkeit kann das Toxin nicht mit Sicherheit nach- 
gewiesen werden. Baumann (Metz). 


Schmidt, Ueber das im Kreise Ottweiler geübte Verfahren der Typhus- 
bekämpfung mittels Aufstellung fliegender Baracken im Typhus- 
gebiete. Klin. Jahrb. 1905. Bd. 14. S. 1. Sonderabdruck 20 Ss. 8°. Jena, 
Gustav Fischer. Preis: 0,80 M. 

Im Winter 1902/03 traten in einzelnen benachbarten Dörfern des Kreises 
Ottweiler eine Anzahl von Typhusfällen auf, die die Aufstellung von 
2 Döckerschen Baracken (mit je 12 Betten) nötig machten. Die Arbeit 
bringt in ausführlicher Form die bei der Aufstellung und dem Betriebe der 
Baracken gewonnenen Erfahrungen zur Darstellung. Im ganzen wurden 48 
Kranke in zusammen 1673 Krankentagen behandelt. Die Einrichtung der 
Baracken kostete 24590 M., die Betriebskosten stellten sich auf 5,33 M. pro 
Kopf und Verpflegungstag. Von Bedeutung ist, dass von einer Rückerstattung 
dieses Betrages seitens der Kranken abgesehen wurde, dass diese Kosten durch 
Beiträge der Gemeinden, des Kreises und des Staates gedeckt wurden. Bei 
der Aufstellung der Baracken waren viel Schwierigkeiten zu überwinden, trotz- 
dem gelang die Aufstellung in 10 Tagen. Das Experiment „beweist die Mög- 
lichkeit, innerhalb kurzer Zeit unter den erschwerendsten Umständen in einem 
entlegenen kleinen Dorf ohne Eisenbahn, ohne Wasserleitung und ohne jede 
sonstigen Hülfsmittel, zudem mitten im Winter bei teilweise 10° unter Null, 
eine mit allen hygienischen und technischen Errungenschaften ausgestattete 
Baracke aufzustellen.“ Unter weniger ungünstigen Umständen wird sich das 
Verfahren wesentlich billiger stellen; eine ähnliche Bekämpfung des Typhus 
wird darum auch weniger bemittelten Kreisen seitens des Verf.'s empfohlen. 

Hayo Bruns (Gelsenkirchen). 


1012 Infektionskrankheiten. 


bacillen ausserhalb des Tierkörpers, zur Züchtung aus Moos, Schlamm, Erde 
und dergl. Hier genügte die Vorbehandlung mit Formalin nicht, sondern zur 
Wachstumshemmung der Begleitbakterien musste noch dem Giycerinserum 
Malachitgrün im Verhältnis 1:500 zugesetzt werden, Im Moose waren 
verschiedene Arten von säurefesten Stäbchen vorhanden, eine, die Moosba- 
cillen, besonders zahlreich. Sie wachsen langsam als trockener, krümliger 
Belag. der im Alter eine ockergelbe Farbe annimmt. Sie sind für Frösche 
nicht pathogen und mit den Bacillen identisch, die in den ersten Versuchs- 
reihen neben den Kaltblütertuberkulosebacillen nachgewiesen wurden. Auch 
diese letzteren wurden, wenn auch nur mit Mühe, aus Moos gezüchtet. Zahl- 
reich fanden sie sich dagegen im Schlamme der Bassins des Berliner Aquariums. 

Im ganzen haben die Autoren 36 Stämme von Kaltblütertuberkulose in 
Reinkultur gezüchtet, die mit den Bataillon-Moellerschen Bacillen im all- 
gemeinen übereinstimmen. Sie bilden auf Glycerinbouillon eine glatte, rah- 
mige Haut, auf Glycerinserum einen rahmigen, weissen Belag. Sämtliche 
Stämme zeigten schon bei Eisschranktemperatur Wachstum. Je üppiger das 
Wachstum eines Stammes war, um so grösser war seine Pathogenität für 
Frösche. Letztere unterliegen der Infektion nach 2—4 Wochen, es kommt 
dabei zu einer völligen Ueberschwemmung des Tierkörpers mit den säurefesten 
Stäbchen. Um Frösche bei der Impfung in den Rückenlymphsack mit Sicher- 
heit zu töten, bedarf es einer hoben Dosis, 1/,—1 Dose Reinkultur. 

„Die sogenannten Kaltblütertuberkulosebacillen gehören der Gruppe der 
saprophytischen säurefesten Bacillen zu. Sie finden sich häufig vereinzelt im 
Körper der Kaltblüter, ohne ihn im geringsten zu schädigen; ausnahmsweise 
können sie jedoch auch zu üppigem Wachstum im Kaltblüterorganismus ge- 
langen, nämlich dann, wenn durch einen lokalen oder allgemeinen Krankheits- 
process die Widerstandskraft des Organismus herabgesetzt ist“. 

H. Ziesch& (Breslau). 


Bertarelli E., Einige Untersuchungen über die Tuberkulose der Rep- 
tilien. Centralbl. f. Bakt. Abt. I. Bd. 38. H. 4. S. 403. 

Verf. impfte zwei Exemplare von Varanus virius, einer australischen 
Reptilienart, wiederholt subkutan mit Reinkulturen von menschlicher 
bezw. Hühnertuberkulose, ohne dass die Tiere jedoch irgend welche 
Krankheitserscheinungen zeigten. Nach Einspritzung von tuberkelbacillen- 
haltigem Auswurf dagegen bildete sich bei dem einem Tier an der Impf- 
stelle ein Knoten. Das Tier wurde, etwa 4 Monate nach der Infektion, getötet. 
In der Umgebung der Impfstelle fanden sich in der Haut tuberkelähnliche 
Veränderungen, Riesenzellen mit ungewöhnlich grossen und gewundenen säure- 
festen Stäbchen, sowie freiligende säurefeste Bacillen in dichten Haufen, bei 
denen namentlich viel Involutionsformen vorhanden waren. In der Bauchhöhle 
waren einige Lympfdrüsen verkäst und vergrössert. Die inneren Organe 
zeigten sonst keine tuberkulösen Veränderungen. Auf den mit Lymphdrüsen- 
material angelegten Kulturen waren trockene, kleine Kolonien von säurefesten 
Bacillen aufgegangen, die jedoch bei weiteren Uebertragungen abstarben. 
Mehrere mit Lymphdrüsengewebe geimpfte Meerschweinchen blieben am Leben 


Infektionskrankheiten. 1013 


und hatten keine Immunität gegen eine spätere Infektion mit tuberkulösen 
Auswurf erlangt. Der zweite Varanus reagierte auf zweimalige Ein- 
spritzung von tuberkulösem Auswurf noch weniger. Das Tier wurde 
nach etwa 2 Monaten getötet. An der Impfstelle fehlten die typischen Knöt- 
chen, mikroskopisch fanden sich aber zahlreiche Haufen von dicht zusammen- 
liegenden säurefesten Bacillen. Kulturen wurden leider nicht angelegt. Einige 
Mesenteriallymphdrüsen waren vergrössert, und in der Leber fanden sich zwei 
kleine Knoten. Verf. schliesst aus diesenVersuchen, dass der menschliche Tuberkel- 
bacillus beim Durchgang durch die genannten Reptilien bedeutend abgeschwächt 
wird und zugleich eine morphologische Veränderung erleidet. (Der Beweis 
hierfür dürfte jedoch nicht einwandsfrei erbracht sein. Der Ref.). 

Verf. beobachtete ferner bei anderen Reptilien spontan auftretende 
Processe, die den Tuberkeln der Säugetiere ähnlich waren. Bei einem 
Macroscincus Costaci fand sich eine käsige Pleuritis und Pneumonie; in 
der Milz, in einigen Lymphdrüsen und im Herzmuskel waren tuberkelartige 
Gebilde vorhanden. In den Ausstrichpräparaten und Schnitten waren jedoch 
nirgends säurefeste Stäbchen nachweisbar. Verf. hält diesen Fall für Tuber- 
kulose wegen des Vorhandenseins von Riesen- und epitheloiden Zellen u. s. w. 
Bei einer anderen Reptilienart, Iguana tuberculata, wurde bei der Sektion 
eine tuberkuloseähnliche Veränderung der Lunge gefunden. Kulturen und 
Tierversuche fielen jedoch negativ aus. Auch die histologische Untersuchung 
ergab keine Anzeichen für eine Tuberkulose. Baumann (Metz). 


Beck M., Zur Frage der säurefesten Bacillen. Tuberkulose-Arbeiten a. 
d. Kais. Ges.-A. H. 3. S. 145—160. 

Beck hat 1897 gelegentlich der bakteriologischen Untersuchung von 
Marktbutter ein säurefestes Stäbchen isoliert, das er des näheren unter- 
sucht hat, und, weil es von den bekannten Arten nicht unwesentlich unter- 
schieden ist, beschreibt. 

Bacillus tuberculoides I. 

Der Bacillus ist unbeweglich, lässt sich am besten nach der Ehrlich- 
Kochschen Methode färben. Grampositiv. Keine Verzweigungen. Auf Glyce- 
rinagar dicker weisser Belag, auf Glycerinbouillon Häutchenbildung. Auf 
Gelatine bei 28° nur geringes Wachstum. Die Kulturen, besonders die auf 
Bouillon, riechen intensiv nach Trimethylamin. Nach Injektion selbst grösserer 
Mengen der Bacillen in die Baucbhöhle von Mäusen, Ratten, Meerschweinchen 
und Kaninchen keine Erscheinungen. Wird gleichzeitig ein fetthaltiges 
Medium, Milch oder Butter, injiciert, so treten im Netze, auf dem Peritoneum, 
der Milz und Leber gelbe, käsig-eitrige Knötchen von Hirse- bis Erbsengrösse 
auf, während die Organe selbst von grüberen anatomischen Veränderungen 
frei sind. Ebenso hatte die Impfung der Stäbchen in die vordere Augen- 
kammer schwerere Störungen nur daun zur Folge, wenn die Bacillen zusammen 
mit Butter injiciert worden waren. 

Der Bacillus lässt sich also mit keinem der anderen säurefesten Stäbchen 
identificieren. Nach Wachstum und Tierpathogenität steht er den von Petri 
und Rabinowitsch beschriebenen am nächsten, hat jedoch mit diesen nicht 

75 


1014 Infektionskrankheiten. 


die Bildung von Farbstoff auf Agar- und Bouillonkulturen gemeinsam; da- 
durch unterscheidet er sich auch von den Moellerschen Bacillen, sowie durch 
seine stärkere Säurefestigkeit von den Grassbergerschen und den Weber- 
schen Smegmabacillen. Das Fehlen von Verzweigungen trennt ihn von den 
Kornschen Butterbacillen, das Ausbleiben der Trübung bei der Kultur auf 
Bouillon von den Stäbchen, die Karlinski aus Nasenschleim züchtete. 

Ein anderer säurefester Bacillus wurde von Beck 1901 aus einem Ton- 
sillarpfropf einer an Lungentuberkulose verstorbenen Frau gezüchtet. 

Bacillus tuberceuloides II. 

Vollkommen unbeweglich, aërob, bildet keine Dauerformen. Bestes 
Wachstum auf 6proz. Glycerin-Agar und -Bouillon. Bouillon wird stark getrūbt. 
Im Bodensatze findet man keulenförmig aufgetriebene und dichotomisch ver- 
zweigte Stäbchen. Ueppiges Wachstum auf Kartoffel. In Wachstum auf Kar- 
toffel und Bouillon gleichen sie den von Arloing und Courmont beschrie- 
benen Tuberkelbacillen, von denen sie sich jedoch durch die regelmässige 
specifische Färbung geringer homogener Kulturen unterscheiden. Agglutina- 
tionsversuche ergaben keinen eindeutigen Befund; der Bacillus steht dem ecbten 
Tuberkelbacillus sebr nahe und bildet mit dem Bacillus von Arloing und 
Courmont den Uebergang von den säurefesten Stäbchen zu diesen. Es 
spricht dafür auch ihre zweifellose, wenn auch geringe Pathogenität mit Er- 
zeugung von Tuberkeln in den inneren Organen. H. Ziesch& (Breslau). 


Neisser M., Zur Diagnostik des Diphtheriebacillus. Aus dem Institut 
für erperimentale Therapie zu Frankfurt a.M. Deutsche Aerzte-Ztg. 1905. 
Ss. 1. 

Der Verf. wendet sich gegen eine Arbeit von Bie „Beiträge zur bakterio- 

logischen Diphtheriediagnostik“ und befürwortet seine im Jahre 1903 

publicierte Färbungsmethode, die er noch einmal genau angibt: 


Lösung a) Methylenblaupulver. . 1,0 
Alkohol. . . 2... 20,0 
Ag dest. . . » .... 1000,0 
Acid. acet. glac.. . . 50,0 
Lösung b) Krystallviolett (Höchst) 1,0 
Alkohol. . . . . . 10,0 
Aq. dest. 300,0 


von Lösung a) 2 Teile 
u » b) 1 Teil 
Färbungsdauer etwa 1 Sek., Abspülen in Wasser, sofortige Nachfärbung 
mit Chrysoidin (1 g in 300 ccm heissen Wassers gelöst und filtriert) Färbungs- 
dauer etwa 3 Sek., Abspülen mit Wasser. Nach dieser Methode sind die 
typisch geformten Bacillen, wie auch die typisch geformten Körnchen deutlich 
färbbar und erkennbar. 
Auch die von Bie empfohlene Anwendung der Salomonsenschen Methode 
— Einbringen des Materials direkt in einen Tropfen Farbe und Auflegen ® 
eines Deckglases — hält er für nicht vorteilhaft. Nieter (Halle a. S.). 


Infektionskrankheiten. 1015 


Römer, Paul H., Ueber dialysiertes Diphtheriegift. Berl. klin. Wochen- 
schr. 1905. S. 201. 

van Calcar hatte angegeben, dass eine Diphtheriegiftlösung durch 
Dialyse unter Druck sich in Toxin und Toxon trennen liesse, so zwar, 
dass die Innenflüssigkeit im Meerschweinchenexperiment nicht akuten Diphtherie- 
tod, sondern Diphtherielähmung erzeugte. Verf. prüfte diese Angaben nach, 
wobei er zur Druckdialyse den Apparat van Calcars mit einem von Siriggs 
zur Viscositätsbestimmung von Flüssigkeiten benutzten Apparat kumbinierte. 
Im Gegensatz zu van Calcars Versuchsergebnissen konnte Verf. bei Prüfung 
einer jeden Innen- und Aussenflüssigkeit sowohl die typische Toxin- 
wirkung als auch mittels geeigneter Dosierung Diphtherielähmungen 
hervorrufen. Meist genügte 3/,—2/; der tödlichen Minimaldosis der Aussen- 
flüssigkeit, um charakteristische Lähmungen zu erzeugen. Mit Hilfe der 
Dialyse von Diphtheriegift unter Druck lässt sich also irgend eine 
Aenderung im qualitativen Verhalten des Diphtheriegiftes nicht 
erzielen. Banmann (Metz). 


Meyer, Hans, Beitrag zur Kenntnis der Diphtherievergiftung. Aus 
dem pharmakol. Institute in Wien. Arch. internat. de Pharmacodyn. et de 
Therap. 1905. Vol. 15. p. 419. 

Im Anschluss an ihre früheren Versuche über die Tetanusvergiftung (vgl. 
diese Zeitschr. 1904. S. 74) hat Verf. — wiederum in Gemeinschaft mit 
Dr. Ransom — Studien über das Zustandekommen der diphtherischen 
Lähmung angestellt. 

Die intraneurale Injektion von Diphtherietoxin (in den Nervus 
ischiadicus des einen Hinterbeines der Katze) kann eine ausgesprochene lokale 
Lähmung herbeiführen, und zwar nach einer so kurzen Zeit, wie man sie nach 
subkutaner Vergiftung niemals beobachten kann. Die Lähmung greift, 
abgesehen von der Schädigung der Nerven an der Injektionsstelle, aller Wahr- 
scheinlichkeit nach central, im Rückenmark an, da nach etwas grösseren Dosen 
auch das andere Hinterbein nach einigen Tagen völlig gelähmt wird, während 
die übrige Körpermuskulatur der Katze zunächst verschont bleibt. Wird gleich 
nach der Injektion letaler Dosen der Toxinlösung in den Nerv die Wunde mit 
reichlichen Mengen hochwertigen Antitoxins ausgewaschen, so kann wohl die 
allgemeine Vergiftung ausbleiben, in der korrespondierenden Extremität stellt 
sich aber dennoch, wenn auch verspätet, Parese ein. 

Wird der Katze zuerst eine reichliche Antitoxinmenge intravenös beige- 
bracht und etwa !/, Stunde später eine normalerweise in 1—3 Tagen letal 
wirkende Toxindosis in den Nervus ischiadicus injiciert, so tritt eine im 
Rückenmark sich langsam ausbreitende Lähmung ein, durch die zunächst der 
Schwanz, dann das dem operierten korrespondierende Hinterbein und schliess- 
lich auch die vorderen Extremitäten und die Atemmuskulatur ergriffen werden. 
Dass in solchen Fällen die akut letale Wirkung ausbleibt, beweist, dass das 
in die Blutbahn übergehende Toxin von dem Antitoxin unschädlich gemacht 
wird. „Danach scheint der Schluss zwingend, dass das ins Innere 
des Nerven injicierte Gift in seiner Axencylinderbahn das Central- 

719* 


Bl a a HEN N a uk A ze a A I a 


1016 Infektionskrankheiten. 


nervensystem erreicht hat, unzugänglich für das Antitoxin, daa 
wie es scheint, ebenso wenig, wie das Tetanusantitoxin in die 
innere Nervenbahn einzudringen vermag.“ 
Bei Injektion des Diphtheriegiftes direkt in das Rückenmark 
ist die Inkubationszeit wesentlich abgekürzt. 
Wesenberg (Elberfeld). 


Aaser P., Ueber prophylaktische Massnahmen gegen die Diphtherie. 
Berl. klin. Wochenschr. 1905. No. 38. S. 1215—1219. 

Die Erfolge, welche Isolierung und Desinfektion bei der Bekämpfung der 
Diphtherie gehabt haben, waren nicht besonders zufriedenstellend. Auch 
die Erwartungen, welche an eine Isolierung als Diphtheriebacillenträger be- 
fundener gesunder Personen geknüpft wurden, sind getäuscht worden. Dagegen 
hat es sich als wirksam erwiesen, die durch Ueberstehen der Krankheit er- 
worbene Immunität durch eine künstliche zu ersetzen. Dies ist mittels vor- 
beugender Einspritzungen von Diphtherieserum möglich. Auch die heilende 
Wirkung dieses Serüums beruht zu guterletzt auf seiner immunisierenden Eigen- 
schaft. Unter gewöhnlichen Umständen kann man sich mit 300—400 A.-E. 
begnügen. - 

Isolierung der Kranken, bis Schlund bezw. Nase wieder normal ist, Des- 
infektion der Wohnung und aller mit den Kranken in Berührung gekommenen 
Gegenstände, sowie vorbeugende Impfungen bei den übrigen Familienmitgliedern 
werden, zumal wenn letztere unter dringenden Umständen nach 3—4 Wochen 
wiederholt werden, vor einem weiteren Auftreten der Diphtherie ziemlich 
sicheren. Würzburg (Berlin). 


Steinhaus F., Corynebacterium pseudodiphthericnum commune als 
Erreger eines Hirnabscesses. Münch. med. Wochenschr. 1905. No. 37. 
S. 1774. 

Verf. züchtete aus dem Eiter eines nach Mittelohrentzündung entstandenen 
Hirnabscesses bei einem Knaben Pseudodiphtheriebacillen in Reinkultur. 
Die isolierten Keime zeigten alle Eigenschaften der Psendodiphtheriebacillen; 
our trat mit Mankowskischem Reagens Rotfärbung ein, und ferner bildeten 
sie in zuckerfreier Bouillon reichlich Säure. Dagegen war keine Toxinwirkung 
gegenüber Tieren nachweisbar, und durch ein für Diphtheriebacillen präcipi- 
tierend wirkendes Serum wurden diese Bacillen nicht gefällt. Bisher sind nur 
wenige Fälle einer pathogenen Wirkung der Pseudodiphtheriebacillen be- 
kannt geworden. Im Wundsekret bei Otitis media wurden sie schon einige 
Male gefunden, im Hirnabscesse dagegen bisher noch-niemals. Der Patient 
wurde übrigens geheilt entlassen. Baumann (Metz). 


Reiche F., Die Plaut-Vincentsche Angina. Münch. med. Wochenschr. 1905. 
No. 33. S. 1581. 
Verf. beobachtete innerhalb 3 Jahren im Krankenkause Hamburg-Eppen- 
dorf 25 Fälle von Plaut-Vincentscher Angina unter etwa 500 Fällen von 
Halsentzündungen überhaupt. Meist waren jugendliche, männliche Erwachsene 


Infektionskrankheiten. 1017 


betroffen. Von den beiden für die Plaut-Vincentsche Angina charakteri- 
stischen Spaltpilzen wurden die Bacilli fusiformes allein 12 mal, in 
Kombination mit Spirillen 16 mal nachgewiesen. Die 12 erstgenannten Fälle 
waren der Angina diphtheroides zuzurechnen, die 16 übrigen entsprachen 
meist der Form der exsudativ-ulcerösen Halsentzündung. Die ulcerösen 
Formen der Erkrankung nahmen stets einen schwereren und längeren Verlauf. 
In der Blutbahn konnten bei 5 Fällen weder durch aërobe noch durch an- 
aërobe Züchtung irgendwelche Keime nachgewiesen werden. Alle Kulturver- 
“suche der beiden zur Krankheit in Beziehung stehenden Spaltpilze schlugen 
febl; allerdings gelang eine Anreicherung der fusiformen Bacillen in 
Bouillon mehrfach mit und obne Luftabschluss, Uebergangs- und Zwischen- 
formen zwischen Spirillen und den spiessförmigen Stäbchen sah Verf. nicht. Die 
pathologisch-anatomischen Vorgänge spielen sich bei der Erkrankung 
our im Epithel ab, unter Freilassung seiner untersten Schichten. Die Pro- 
gnose ist gut. Verf. hält die ätiologische Bedeutung der fusiformen Bacillen 
und der Spirillen für recht wahrscheinlich. Baumann (Metz). 


Morian, Karl, Stomatitis ulcerosa und Angina Vincenti. Münch. med. 
Wochenschr. 1905. No. 33. $.-1584. 

Unter dem Bilde der Stomakake kamen in kurzen Zeitabständen vier 
Krankheitsfälle zur Beobachtung, die Kinder im Alter von 6—12 Jahren be- 
trafen. Bei der Hartnäckigkeit der Erkrankung wurde der Verdacht auf Lues 
erweckt; in einem Falle dachte man sogar an Noma. Erst die bakteriologische 
Untersuchung schaffte Klärung: es fanden sich im Abstrich des Geschwürbe- 
lages fusiforme Bacillen und Spirochäten, und zwar in allen Fällen 
beide zusammen, gleichviel ob es sich mehr um eine croupöse oder mehr 
ulceröse Form der Erkrankung handelte. Eine Mitbeteiligung der Tonsillen 
war nur einmal in ausgesprochener Weise vorhanden. Der Verlauf der Er- 
krankungen war ein chronischer und erstreckte sich über einen Zeitraum 
von 11/,—21/, Monat. Das gruppenweise Auftreten der Krankheit macht nach 
Ansicht des Verf. den kontagiösen Charakter derselben wahrscheinlich. 
Verf. nimmt an, dass die fusiformen Bacillen und die Spirochäten mit der 
Erkrankung in ursächlichem Zusammenhang stehen. 

Baumann (Metz). 


Buday, Zur Pathogenese der gangränösen Mund- und Rachenent- 
zündungen. Zieglers Beiträge. Bd. 38. S. 255. 

In 5 Fällen von Noma, sowie gangränöser Rachen- und Mund- 
höhlenentzündung hat Verf. die von Plaut und Vincent beschriebenen 
fusiformen Stäbchen und die Spirillen gefunden und gibtynun eine eingehende 
Schilderung der Einzelheiten, die sich ihm bei der genauen Untersuchung des 
für den pathologischen Anatomen bemerkenswerten Tatbestandes dargeboten 
haben. Zu erwähnen ist noch, dass sich Verf., gewiss mit vollem Recht, gegen 
die neuerdings von manchen Seiten beliebte Zusammenfassung der Spirillen 
und der fusiformen Bacillen wendet und jede dieser beiden Arten als selbst- 
ständige, von der anderen auf das deutlichste unterschiedene Species auffasst. 

C. Fraenkel (Halle a. S.). 


ee ee 


1018 Infektionskrankheiten. 


Ellermann V., Einige Fälle von bakterieller Nekrose beim Menschen. 
Centralbl. f. Bakt. Abt. I. Bd. 38. H. 4. S. 383. 

Verf. beobachtete einen tödlich verlaufenden Fall von nicht durch Diph- 
theriebacillen hervorgerufener Dipbtheritis faucium bei einem Kinde. In 
den nach Claudius gefärbten Schnitten des Zäpfchens fanden sich an 
der Grenze zwischen dem nekrotischen und dem lebenden Gewebe Anhäufungen 
grosser Stäbchen, die deutliche Babes-Ernstsche Körperchen enthielten und 
sich nicht nach Gram, wohl aber nach Claudius und nach Weigert färbten. 
Spindelförmige Stäbchen oder Spirochäten wurden nicht beobachtet. Obwohl 
Kultur- und Tierversuche nicht angestellt wurden, hält Verf. die Erkrankung 
für eine primäre Nekrosebacilleninfektion, die bisher beim Menschen nicht 
beschrieben worden ist. 

Bei einem zweiten ebenfalls tödlich verlaufenden Fall von Diphtheritis 
faucium und gangränöser Stomatitis bei einem 23jährigen Mädchen 
suchte Verf. den Nachweis von Nekrosebacillen zu führen, indem er Kaninchen 
und Mäusen Stücke des nekrotischen Gewebes unter die Haut brachte. An 
den Impfstellen bildeten sich bei allen Tieren Abscesse. Bei Schnittfärbung 
sab man in der Abscesswandung büschelförmig geordnete, an den Enden zu- 
gespitzte Stäbchen, die keine Babes-Ernstschen Körperchen enthielten. Da- 
nach handelte es sich nicht um Nekrosebacillen, sondern um spindelförmige 
Bacillen. Aus dem Abscesseiter gelang es, diese letzteren in Reinkultur zu 
gewinnen. Auch in Schnitten des nekrotischen Gewebes von Lippe, 
Mundschleimhaut u. s. w. des Mädchens fanden sich in den tieferen Schichten 
grosse Massen von fusiformen Bacillen zusammen mit Spirochäten. 
Nekrosebacillen waren dagegen nicht nachweisbar. Bei einem anderen Fall von 
Angina gelang es dem Verf., die spindelförmigen Bacillen direkt zu züchten. 
Das Wachstum derselben findet nur bei ana@rober Züchtung statt. In ge- 
wöhnlicher Bouillon oder Agar wachsen sie auch anaërob nicht. In hoch- 
geschichtetem Serumagar bilden sie kleinste büschelförmige, prismatische, 
gelbgefärbte Kolonien. In Serumbonillon findet Wachstum unter Flocken- 
bildung statt. Auf der Oberfläche von Serumagar beobachtete man kleine 
streptokokkenähnliche Kolonien oder einen zusammenhängenden feinkörnigen 
Belag. Der Bacillus ist unbeweglich und färbt sich nach Gram und 
Weigert, nicht nach Claudius. Spirochätenformen wurden in den Kulturen 
niemals gefunden, woraus Verf. schliesst, dass Bacillus fusiformis und Spiro- 
chäte zwei verschiedene Arten sind. Baumann (Metz). 


Tiberti N., Ueber den Transport des Tetanusgiftes zu den Rücken- 
markscentren durch die Nervenfasern. Centralbl. f. Bakt. Abt. 1. 
Bd. 38. H. 3. S. 281. 

Verf. stellte eigene Versuche an über die Frage, auf welchen Bahnen das 
Tetanustoxin zu den Nervencentren gelangt, und kommt zu folgenden 
Schlussfolgerungen: Das Tetanustoxin, subkutan eingeimpft, geht grösstenteils 
in die Lymphgefässe über und von diesen aus in das Blut, zum geringeren 
Teile wird es von den Nervenendigungen resorbiert und durch diese zu den 
Nervencentren weitergeleitet. Der Trausport zu den letzteren findet nicht 


Infektionskrankheiten. 1019 


durch die Lymphwege der Nerven, sondern im Achsencylinder selbst statt 
und zwar nur, wenn dieser intakt ist. Der Strom des Giftes gebt nur in 
cellulopetaler Richtung, Das in einen Muskel injicierte Tetanustoxin 
breitet sich in der den Muskel umgebenden serösen Flüssigkeit aus und wird 
dann von den im Muskel befindlichen Nervenendigungen resorbiert. Das in 
die Wadenmuskeln eines Meerschweinchens gespritzte Tetanustoxin trifft man 
im entsprechenden Ischiadicus in beträchtlichen Dosen erst 11/, Stunde nach 
der Injektion an, während es im Blute schon nach 10 Minuten nachweisbar 
ist. Sehr geringe Dosen von Tetanustoxin, die subkutan oder intravenös noch 
keine Tetanuserscheinungen hervorrufen, erzeugen Tetanus, wenn sie direkt 
in das Nervenparenchym eingespritzt werden. Durch vorherige Einsprit- 
zung von Tetanusantitoxin in einen Nervenstamm gelingt es, den Ausbruch 
von tetanischen Krämpfen nach Injektion von Tetanustoxin in die zugehörigen 
Muskeln zu verhindern. Wird Tetanustoxin direkt in das Rückenmark 
eingespritzt, so wird das Inkubationsstadium beträchtlich abgekürzt. Bei 
intravenöser Injektion fehlt der lokale Tetanus, es werden vielmehr sämt- 
liche Muskeln gleichzeitig von tetanischen Krämpfen ergriffen. Das in die 
Blutbahn injicierte Tetanustoxin geht schnell in die Lymphe über. In der 
cerebrospinalen Flüssigkeit kann das Toxin nicht mit Sicherheit nach- 
gewiesen werden. Baumann (Metz). 


Schmidt, Ueber das im Kreise Ottweiler geübte Verfahren der Typhus- 
bekämpfung mittels Aufstellung fliegender Baracken im Typhus- 
gebiete. Klin. Jahrb. 1905. Bd. 14. S. 1. Sonderabdruck 20 Ss. 8%. Jena, 
Gustav Fischer. Preis: 0,80 M. 

Im Winter 1902/03 traten in einzelnen benachbarten Dörfern des Kreises 
Ottweiler eine Anzahl von Typhusfällen auf, die die Aufstellung von 
2 Döckerschen Baracken (mit je 12 Betten) nötig machten. Die Arbeit 
bringt in ausführlicher Form die bei der Aufstellung und dem Betriebe der 
Baracken gewonnenen Erfahrungen zur Darstellung. Im ganzen wurden 48 
Kranke in zusammen 1673 Krankentagen behandelt. Die Einrichtung der 
Baracken kostete 24590 M., die Betriebskosten stellten sich auf 5,33 M. pro 
Kopf und Verpflegungstag. Von Bedeutung ist, dass von einer Rückerstattung 
dieses Betrages seitens der Kranken abgesehen wurde, dass diese Kosten durch 
Beiträge der Gemeinden, des Kreises und des Staates gedeckt wurden. Bei 
der Aufstellung der Baracken waren viel Schwierigkeiten zu überwinden, trotz- 
dem gelang die Aufstellung in 10 Tagen. Das Experiment „beweist die Mög- 
lichkeit, innerhalb kurzer Zeit unter den erschwerendsten Umständen in einem 
entlegenen kleinen Dorf ohne Eisenbahn, ohne Wasserleitung und ohne jede 
sonstigen Hülfsmittel, zudem mitten im Winter bei teilweise 10° unter ‚Null, 
eine mit allen hygienischen und technischen Errungenschaften ausgestattete 
Baracke aufzustellen.“ Unter weniger ungünstigen Umständen wird sich das 
Verfahren wesentlich billiger stellen; eine ähnliche Bekämpfung des Typhus 
wird darum auch weniger bemittelten Kreisen seitens des Verf.’s empfohlen. 

Hayo Bruns (Gelsenkirchen). 


1020 Infektionskrankheiten. 


v. Rembold, Ueber Verbreitung und Bekämpfung des Abdominal- 
typhus in Württemberg. Vortrag. Württ. med. Korrespondenzbl. 1905. 
Verf. schildert die Geschichte des Typhus in Württemberg seit 
dem Jahre 1872. Eine stetige Abnahme der Typhustodesfälle sowohl 
in den Städten wie auf dem Lande ist unverkennbar, aber seit dem Jahre 
1885 ist in Württemberg der Typhus in den Städten seltener geworden als 
auf dem Lande, während vorher ein umgekehrtes Verhältnis bestand. Die 
Verteilung der Todesfälle über das Land ist im allgemeinen von zufälligen 
Ereignissen abhängig, woraus sich ergibt, dass es eine ausschliesslich 
wirksame Art der Verbreitung des Typhus nicht gibt, sondern dass 
die Krankheit die verschiedensten Wege der Uebertragung einschlagen kann. 
Die Bekämpfung bestand und besteht in der Hebung der allgemeinen sanitären 
Verhältnisse (Kanalisation, Wasserversorgung), in der Ueberwachung der 
Epidemien durch beamtete Aerzte und in der Uebernahme eines Teiles der 
Kosten der Bekämpfung (Behandlung derKranken, Desinfektionsmittel, Isolierung) 
durch den Staat. 

In neuerer Zeit ist auch in Württemberg das von Koch entworfene 
System der Typhusbekämpfung, das in der Erkennung und Unschädlich- 
machung jeder einzelnen Infektionsquelle gipfelt, zur Geltung gelangt. 

Liefmann (Halle a. S.). 


Sicard, Epidurite purulente lombaire à bacille d’Eberth, dans la 
convalescence d’une fièvre typhoide. Société méd. des hôpitaux. 
Séance du 17 novembre 1905. La sem. méd. 1905. No. 47. p. 559. 

Sicard berichtet von einem 45 jährigen Manne, bei welchem während der 

Rekonvalescenz nach Typhus eine sehr schmerzhafte Paraplegie der unteren 

Gliedmassen aufgetreten war, die beinahe 3 Monate anhielt und eine sehr 

ausgesprochene Muskelatrophie zur Folge hatte. Als man eine Rückenmarks- 

punktion vornahm, drang aus der Nadeleinstichstelle etwas Eiter hervor, in 
welchem Typhusbacillen nachgewiesen wurden, während die Rückenmzrks- 

flüssigkeit selbst normale Beschaffenheit aufwies. Nieter (Halle a. S.). 


Trommsdorfi, Richard, Typhusbacillen und Bacillus faecalis alcaligenes, 
zwei nicht verwandte Species. Münch. med. Wochenschr. 1905. S. 1667. 
Verf. unterzog die Angaben Altschülers sowie Doeberts, einen Bac. 
faecalis alcaligenes in einen Typhusbacillus umgewandelt zu haben, 
einer Nachprüfung. Von 2 verschiedenen Stämmen des Bac. faecalis alcaligenes 
gewann er zunächst durch das Plattenverfahren sichere Reinkulturen. 
Keiner dieser Stämme konnte durch wiederholte Tierpassage verändert 
werden. Immer wurden typische Alkaligenesstäimme erhalten, die durch 
Typhusimmunserum in keiner Weise beeinflusst wurden. Mit beiden Alkali- 
genesstämmen wurden bei Meerschweinchen Immunsera gewonnen, die jedoch 
nur den homologen Stamm, aber nicht den anderen Alkaligenesbacillus, 
auch nicht Typhusbaeillen agglutinierten. Bei Ausgang von Reinkultur- 
material gelingt es also nicht, den Bacillus faecalis alcaligenes 
in einen Bacillus typhi umzuändern. Die Typhusbaeillen und die 


Infektionskrankheiten. 1021 


Bacilli faecales alcaligenes sind zwei wohldifferenzierte, nicht verwandte 
Species. Das ist eine die Theorie von der Konstanz bezw. Specifität 
der Arten bestätigende Beobachtung. Baumann (Metz). 


Conradi HW., Typhusbacillen und Bacillus faecalis alcaligenes. 
Münch. med. Wochenschr. 1905. S. 1807. 

Im Anschluss an die vorstehend referierte Veröffentlichung Tromms- 
dorffs teilt Verf. mit, dass er den Bacillus faecalis alcaligenes-Stamm, 
den Altschüler bei seinen Versuchen verwendet hatte, einer Untersuchung 
unterzogen hat. Die ihm zugesandte Kultur entsprach nicht den Anforderungen 
einer Reinkultur, sie enthielt vielmebr ein Gemisch von drei verschiedenen 
Stäbchenarten, die mit den Wesenseigenschaften des Typhusbacillus nichts 
gemein hatten. Unabhängig vom Verf. kam angeblich auch v. Drigalski zu 
demselben Ergebnis. Baumann (Metz). 


Müller 0., Ueber den Nachweis von Typhusbacillen im Trinkwasser 
mittels chemischer Fällungsmethoden, insbesondere durch 
Fällung mit Eisenoxychlorid. Aus d. hygien. Institut d. Univ. Jena. 
Zeitschr. f. Hyg. Bd. 51. S. 1. 

Der Verf. berichtet über Nachprüfungen des von Ficker angegebenen 
Verfahrens zum Nachweis von in Wasser enthaltenen Typhusbacillen 
(vergl. diese Zeitschr. 1904. S. 7), welches darauf beruht, dass nach Alkali- 
sierung des Wassers die darin enthaltenen Bakterien durch die Bildung eines 
reichlichen Niederschlages mit Eisensulfat niedergerissen, nach 2 bis 
8 Stunden der Bodensatz durch weinsanres Kali wieder aufgelöst und 

- mit Fleischbrühe verdünnt auf Drigalskische Platten gebracht wird. 

Ficker hatte, wenn er den Bodensatz centrifugierte, 97—98 v. H. der ein- 
gesäten Typhusbacillen wiedergefunden, dem Verf. gelang dies nur mit 64—81, 
im Durchschnitt mit 75 v.H., wenn er die Centrifuge nicht anwandte — letztere 
bält er für nicht zulässig, wenn das Verfahren einfach und den Verhältnissen 
des täglichen Lebens entsprechend sein soll —. Er konnte aber das Ergebnis 
dadurch verbessern, dass er den Niederschlag durch Filtration ein- 
engte und dann unaufgelöst auf die Drigalskischen Platten ausstrich. 
Er schlägt ferner vor, das Eisensulfat als Fällungsmittel durch Eisenoxy- 
chlorid zu ersetzen, einerseits weil dieses keine Alkalisierung des Wassers 
erfordert, wenn wie gewöhnlich Kalksalze darin enthalten sind, und anderer- 
seits, weil die Fällung damit vollständiger wird und schneller, nämlich schon 
mach !/, Stunde beendet ist. Der Verf. konnte auf diese Weise durchschnitt- 
lich 88,8 v.H. der eingesäten Typhusbacillen auf den Platten wiederfinden 
und der Nachweis gelang ihm noch, wenn A/;ooooo Oese Typhuskultur mit 
einem Gebalt von ungefähr 75 Millionen Keimen mit 3 Litern Wasser ver- 
mischt wurde d. h., wenn in 4ccm Wasser 1 Keim enthalten war. 

Feistmantel (vgl. diese Zeitschr. 1905. S. 830) hat vorgeschlagen, zur 
Ergänzung des Niederschlages Alaun zu verwenden, der Verf. fand aber 
bei vergleichenden Versuchen dieses Verfahren denjenigen mit Eisensulfat und 
Eisenoxychlorid erheblich nachstehend. Globig (Berlin). 


1022 Infektionskrankheiten. 


Haenen G., De l’emploi de l’aldehyde paradimethylaminobenzoique 
pour differencier le colibacille d’avec le bacille typhique. 
(Communication préliminaire.) Arch. internat. de Pbarmacodyn. et de Thér. 
Vol. 15. p. 255. 

Den von Ehrlich 1901 in die Harnanalyse eingeführten p-Dimethyl- 

amidobenzaldehyd i 

AN (1) 

GH 0h 

N 

NCH, (4) 

benutzt Verf. zum Nachweis der Indolbildung von Bakterien und 

somit auch zur Differenzierung von B. coli und Typhus. 10 ccm der 

Bakterienreinkultur in Peptonbouillon oder Peptonwasser werden mit 1 cem 

einer 4 proz. alkoholischen Lösung des Aldehyds gemischt und dann 2—3 ccm 

einer 1-1 mit Wasser verdünnten Salzsäure zugegeben; bei Gegenwart von 

Indol tritt eine rosa oder rote Färbung ein, welche beim Schūtteln mit 3 bis 

4 ccm Chloroform oder Amylalkohol in diese übergeht und beim Stehen meist 

an Intensität etwas zunimmt. In Peptonbouillon (nicht aber in Pepton wasser) 

zeigt sich bei dieser Reaktion mitunter auch bei Abwesenheit von Indol eine 
schmutzig-braune Färbung auf, welche aber nicht in Chloroform bezw. Amyl- 
alkohol übergeht; charakteristisch für den positiven Ausfall ist also nur die 

Löslichkeit des Farbstoffes in diesen beiden Agentien; beim längeren Stehen 

der anfangs negativen Reaktion treten mitunter andere als rote, z. B. violette 

u. a., Farbentöne auf, welche gleichfalls nicht beweisend sind für Indol. 

Die Kulturen von Typhusbacillen, Paratyphus A und B von Schott- 
müller, des Bacillus lactis aärogenes, des Typhoidbacillus aus Saar- 
brücken geben niemals diese Reaktion, während sie in Colikulturen häug 
schon nach 5—7 Stunden, regelmässig aber nach 14—18 Stunden auftritt; 
die gleichzeitige Gegenwart von Typhusbacillen stört. in Colikulturen dieReaktion 
nicht, ebenso auch nicht die Anwesenheit von Glukose, Laktose oder Nitraten; 

Nitrite (z. B. in Cholerakulturen) aber schwächen die Reaktion bezw. können 

sie vollkommen verhindern. 

Vor der bisber üblichen Nitrit-Schwefelsäure-Reaktion des Indols hat das 

Verfahren des Verf.’s den Vorzug, dass die auftretende Färbung meist inten- 

siver und daher leichter erkennbar ist. Wesenberg (Elberfeld). 


Vincent, A propos des infections paratyphoides. Société med. des 
hôpitaux. Séance du 24 novembre 1905. La sem. med. 1905. No. 48. 
p-. 571. 

Vincent berichtet über eine Mitteilung der beiden Militärärzte Sacquepee 
und Chevrel, in welcher diese, ausgehend von den Epidemien in Tours und 
Fonteorault, zeigen, dass Paratyphusinfektionen am häufigsten durch 
Genuss von verseuchtem Trinkwasser entstanden sind und besonders während 
der Sommer-Herbstperiode auftreten. Die Inkubationszeit der Erkrankung 
variiert von 5—15 Tagen. Nieter (Halle a. S.). 


Infektionskrankbeiten. 1023 


Trincas, Sulle cosidette forme „eteromorfe* o „teratologiche“ dei 
batteri. Annali d’igiene sper. Vol. 16. p. 67. 

Verf. hat verschiedene Stämme des Colibacillus, sowie ferner auch den 
Bacillus des Typhus und der Ruhr auf Nährböden gezüchtet, denen er ge- 
wisse, im einzelnen Falle wechselnde Mengen, meist 0,5—0,7%/, von Koffein 
zugesetzt hatte und hierbei allerlei marpholugische Abweichungen von der 
normalen Form und Gestalt beobachtet, die er nun des eingehenderen be- 
schreibt. Bei einigen will er auch Zellen wahrgenommen haben, die bei 
starker Vergrösserung das Aussehen von sporentragenden Keimen zeigten (!). 

i C. Fraenkel (Halle a. S.). 


Südmersen H. J, Ueber eine infektiðse Pneumonie der Kaninchen 
und deren Bekämpfung mit Antiserum. Centralbl, f. Bakt. Abt. I. 
Bd. 38. H. 3. S. 343. Vorläufige Mitteilung.’ 

Südmersen H. J, On a infektious pneumonia of rabits and its treat- 
ment with antiserum. Centralbl. f. Bakt. Abt. I. Bd. 38. H. 5. 591. 

Verf. beobachtete im Institut zu Bern mehrere Pneumonie-Epizootien 
bei Kaninchen und Meerschweinchen, die durch einen Bacillus hervor- 
gerufen wurden, welcher mit dem von Kraus und Tartakowski als Erreger 
von infektiösen Pneumonien beschriebenen Keim in der Hauptsache über- 
einstimmt. Es handelt sich um ein sehr kurzes und dünnes, bewegliches, 
gramnegatives Stäbchen, welches kein Indol, auch kein Gas bildet und Milch 
nicht zur Gerinnung bringt. Verf. rechnet es zur Coligruppe. Der isolierte 

Bacillus bildet ein für Kaninchen stark wirkendes Toxin. Abgetötete Kulturen, 

intraperitoneal injiciert, haben eine vaccinierende Wirkung. Nach wieder- 

holten Einspritzungen zeigt das Blutserum der vorbehandelten Kaninchen aus- 
gesprochene agglutinierende und baktericide Eigenschaften und besitzt 
die Fähigkeit, erkrankte Tiere zu schützen. Baumann (Metz). 


Doerr R., Beobachtungen über bacilläre Dysenterie. Centralbl. f. Bakt. 
Abt. 1. Bd. 38. H. 4. S. 420. 

Verf. beobachtete im Jahre 1904 zwei Dysenterieepidemien in den 
Garnisonen Krakau und Wien. Die Epidemie in Krakau wurde durch 
den Kruse-Shigaschen Bacillus hervorgerufen; in Wien dagegen fand Verf. 
den Flexnerschen Ruhrbacillus. Bei der letztgenannten Epidemie, die sich 
auf 51 Soldaten erstreckte, erfolgte die Verbreitung des Ansteckungsstoffes 
durch die verunreinigten Aborte. Nach gründlicher Desinfektion derselben u.s.w. 
erlosch die Seuche bald. Der klinische Verlauf war milde. Die Isolierung der 
Flexnerschen Bacillen aus den verdächtigen Stühlen geschah mit Hilfe des 
Drigalskischen Agars, auf dem sie als blaue durchsichtige Kolonien wachsen. 
Zur Unterscheidung von ähnlichen Bakterien erwiesen sich dem Verf. die 
Barsiekowschen Nährböden sehr brauchbar: das Milchzuckerröhrchen bleibt 
blau, Traubenzucker- und Mannitröhrchen werden gerötet. Ein weiteres Unter- 
scheidungsmerkmal zwischen den Flexnerschen und den Kruse-Shigaschen 
Bacillen ist die hochgradig verschiedene Toxicität für Kaninchen. Während 
diese die subkutane Injektion von 1—2 Oesen lebender oder abgetöteter Flexner- 


1024 Infektionskrankheiten. 


scher Bacillen gut vertrugen, starben die mit !/, Oese abgetöteter Kultur Kruse- 
Shiga subkutan geimpften Kaninchen ausnahmslos. Die sämtlichen in der 
Wiener Epidemie gezüchteten Stämme wurden durch ein mit einem typischen 
Flexnerstamme gewonnenes Immunserum ebenso hoch agglutiniert wie der 
homologe Stamm, während ein Kruseserum sie gar nicht beeinflusste. Das 
Serum der Kranken hatte gegenüber dem Flexnerschen Bacillus und dem 
homologen Stamm agglutinierende Eigenschaften, gegenüber einem Kruseschen 
Stamm meist gar keine. Andererseits wurde bei der durch Krusesche Bacillen 
hervorgerufenen Krakauer Epidemie der Flexnersche Stamm, wenn auch in 
geringerem Grade als der Krusesche mitagglutiniert. Verf. isolierte aus den 
Stuhlgängen einige Male Keime, die kulturell den Ruhrbacillen sehr äbnelten, 
sich aber durch die Agglutinationsprobe bezw. mangelnde Toxieität als nicht 
mit ibnen identisch erwiesen. Da der von Leiner bei Kinderdysenterie ge- 
züchtete Bacillus durch Flexner-Immunserum und Krankenserum in gewissem 
Grade agglutiniert wurde, suchte Verf. darch Anstellung des Castellanischen 
Versuchs der elektiven Absorption eine Entscheidung zu treffen, ob dieser 
Leinersche Stamm identisch mit dem Flexnerschen Bacillus ist oder nicht. 
Es zeigte sich, dass es sich nur um Mitagglutination handelte. Der Flexner- 
sche Bacillus ist also durch Agglutinationsreaktionen von Pseudodysenterie- 
bacillen, den bei der Ruhr der Irren und der Kinderdysenterie gezüchteten 
Stämmen, leicht abzugrenzen und neben dem Typus Kruse ein Erreger der 
epidemischen Ruhr. Baumann (Metz). 


Hillebrecht C., Ueber ruhrartige Erkrankungen in Deutsch-Südwest- 
afrika. Arch. f. Schiffs- u. Tropenhyg. Bd. 9. S. 387. 

In Deutsch-Südwestafrika kommt die Amöbendysenterie wahrschein- 
lich nicht vor; dagegen ist im nördlichen Teile eine andere Ruhrart endemisch, 
die bisher anscheinend noch nicht beschrieben ist. Sie unterscheidet sich 
anfangs klinisch nicht von den übrigen Ruhrformen, verläuft aber sehr gut- 
artig; als Nachkrankheiten treten höchstens leichte Diarrhöen ohne Schleim- 
und Blutbeimengungen zum Stuhl auf. Weder Amöben noch die bisher be- 
schriebenen Ruhrbacillen scheinen die Erreger zu sein. Die Uebertragung 
geschieht durch Wasser oder durch Kontakt. Die Truppen wurden meist nach 
dem Betreten verlassener Ortschaften im Hererolande befallen. 

3 Kisskalt (Berlin). 


Auché et Campana, Le bacille dysentérique (type Flexner) dans la 
dysenterie des enfants. La sem. méd. 1905. No. 47. p. 560. 

Auché und Campana haben bei einer grösseren Zabl von schleimigen 
und schleimig-blutigen Kinderdiarrhöen auf kulturellem Wege und durch 
Agglutination den Dysenteriebacillus (Typus Flexner) aufgefunden. Sie 
glauben daher, dass man 2 Typen der Ruhrbacillen unterscheiden müsse: 

1. Typus Chantemesse-Shiga-Kruse. 

2. Typus Flexner. Nieter (Halle a. S.). 


Infektionskrankheiten. 1025 


Kindborg, Amy, Die Pneumokokken. Vergleichende Untersuchungen 
mit besonderer Berücksichtigung der Agglutination. Aus d, 
hygien. Institut d. Univers. Halle a.S. Zeitschr. f. Hyg. Bd. 51. S. 197. 

Der Verf. hat unter Zuhilfenahme von Agglutination und Immunisation 
die Frage untersucht, ob es notwendig ist, in ähnlicher Weise wie beim 
Bact. Coli und bei den Streptokokken verschiedene Rassen auch bei dem 
Pneumokokkus zu unterscheiden, und ist zu dem Ergebnis gekommen, 
dass diese Frage nicht blos bejaht werden muss, sondern dass sogar die 
einzelnen Stämme sich verschieden verhalten und dass eine specifische 
agglutinierende und immunisierende Wirkung immer nur für denjenigen 
Stamm gilt, mit welchem das agglutinierende und Immunserum erzeugt 
worden ist. Unter dieser Einschränkung hat der Verf. allerdings sehr viel 
höhere Agglutinationswerte als die früheren Untersucher erreicht, näm- 
lieh 1:1000 bei Kaninchenserum und 1: 100000 bei Schafserum. Im Gegen- 
satz zu anderen Berichten fand er auch das Widalsche Verfahren hierbei 
sehr brauchbar, nur musste die Zeit bis zur Beendigung der makroskopischen 
Agglutination auf 24 Stunden verlängert werden; mikroskopisch machte sie 
sich als vermehrte Neigung zur Bildung von Ketten geltend, die sich kreuz- 
weise übereinanderlegten und verknäuelten. Zur Immunisierung dienten ihm 
durch Erbitzung auf 60° abgetötete Agarkulturen, die in die Ohrblutadern 
eingespritzt wurden. 

Der Verf. bediente sich bei seinen Untersuchungen 24 verschiedener 
Stämme von Pneumokokken, von denen er 5 aus Speichel, 7 aus Auswurf 
bei Lungenentzündung, 4 aus Auswurf von Tuberkulösen, 2 aus Empyemeiter, 
2 aus Mittelohreiter, 2 von Hirphautentzändungen und 2 aus Fiter von einem 
Hirnabscess und einer Augapfelvereiterung gewonnen hatte. Der einfachste 
Weg dazu ist die Einbringung des Untersuchungsmaterials in die Bauch- 
höble von Mäusen. Diese Tiere sterben nach !/, Tag und ihr Herzblut 
enthält Pneumokokken in Reinkultur. Das Plattenverfahren hat den Uebel- 
stand, dass hierbei die Virulenz völlig verloren geht. Zu deren Erhaltung 
fand der Verf. gleich Anfangs 6—7 Tierpassagen und später alle Monate eine 
solche und die Uebertragung auf neue Nährböden in je 14 tägigen Zwischen- 
räumen nötig; auf diese Weise konnte er seine Stämme über 1 Jahr lang lebend 
und virulent erhalten. Am virulentesten waren die meisten Stämme, 
welche aus pneumonischem Auswurf (1/2000000 Oese = 5 Kolonien tötete 
Mäuse) herrührten; die aus dem Speichel und frischen Entzündungen 
gezüchteten besassen einen mittleren Grad von Virulenz; die ans alten 
Eiterherden stammenden waren avirulent. Zur Erhaltung der Virulenz 
war es zweckmässig, die Kulturen auf geronnenem Kaninchenblut fortzuzüchten. 
Von den Kulturen auf gewöhnlichen Nährböden (am besten auf schwach 
alkalischem Glycerinagar) hatten die am üppigsten und am wenigsten durch- 
scheinend wachsenden die geringste Virulenz. 3 Stämme wuchsen bei Zimmer- 
wärme auf Gelatine überhaupt nicht, 2 andere nicht einmal bei 27— 28°, 
1 dagegen gut noch bei 9°, 1 Stamm, der aus pneumonischem Auswurf her- 
rührte, verflüssigte die Gelatine. Zu den kennzeichnenden Eigenschaften 
der Pneumokokken rechnet der Verf. ausser der Kapsel, der paarweisen 


semun yon 


~- 


1026 Infektionskrankheiten. 


Anordnung und der Färbung nach Gram auch die oft stark ausgesprochene 
Neigung zur Kettenbildung, welche namentlich den durch die Grösse ihrer 
einzelnen Kokken ausgezeichneten Stämmen zukommt. Andererseits wurden 
auch auffällig kleine Kokken beobachtet. Globig (Berlin) 


Bulloch, William and Twort F. W., On the virulence of Bacillus mallei 
obtained from human sonrces. Centralbl. f. Bakt. Abt. I. Bd. 39. H. 1. 
S. 29. 

Verff. beobachteten 6 Fälle von Rotzerkrankungen beim Menschen. 
und zwar 2 akute und 4 chronische Fälle. In allen Fällen gelang es aus 
dem Abscess- oder Pusteleiter Rotzbacillen durch Kultur auf Kartoffeln zu 
züchten. Eine Oese der so gewonnenen Reinkulturen wurde männlichen 
Meerschweinchen in die Bauchhöhle gespritzt. Nach 24—36 Stunden 
bildete sich dann in jedem Falle eine typische Hodenschwellung (Straus- 
sche Reaktion). Wegen der Schnelligkeit des Eintritts der Reaktion halten 
die Verff. die vom Menschen stammenden Rotzbacillen für virulenter als 
die vom Pferd. Ferner beobachteten die Verff. einen Fall von Pseudorotz. 
Die hierbei gezüchteten Bacillen waren morphologisch und kulturell nicht von 
echten virulenten Rotzbacillen zu unterscheiden, der Tierversuch fiel aber 
wiederholt negativ aus. Baumann (Metz). 


Kolle W., Die Massnahmen und Verfahren zur Bekämpfung der 
Ratten. und Mäuseplage. Arch. f. Schiffs- u. Tropenhyg. Bd.9. S. 289. 
Die Bekämpfung der Ratten und Mäuse hat zweierlei Wege einzuschlagen, 
je nachdem man sie auf dem Lande oder auf Schiffen vornehmen will. Von 
Giften ist gegen Ratten besonders die Scilla zu empfehlen. Epidemien kann 
man mit für Menschen unschädlichen Mikroorganismen zwar unter Mäusen 
(Mäusetyphus), nicht aber unter Ratten hervorrufen. In Kanälen mit glatten 
Wänden halten sich die Tiere nicht auf; eventuell kann man sie dort mit 
Claytongas vernichten. Die Entrattung von Schiffen ist mit Gasen vorzunehmen; 
Schwefelwasserstoff und Kohlensäure sind zu teuer. Wesentlich besser ist 
Kohlenoxyd (Nocht-Giemsa) und Claytongas; doch haben beide gewisse 
Nachteile, die bei ersterem in dem hohen Preise und der Gefährlichkeit, bei 
letzterem in der schädigenden Wirkung auf verschiedene Waren bestehen. 
Kisskalt (Berlin). 


Gutzeit (Kreistierarzt), Beitrag zur Aetiologie der Fleischvergiftungen. 
Fortschritte der Veterinärhygiene. Jahrg. 3. H. 6—8. 

lm Kreise Eupen und Aachen-Land trat eine durch Genuss von Leber- 
wurst bedingte Fleischvergiftung auf, an der 51 Personen erkrankten unter 
Erscheinungen von heftigem Magenkatarrh, Brechdurchfall, Magenkrämpfen, 
Kopf- und Gliederschmerzen, Fieber, Durst, Schwäche, Cyanose der Lippen. 
Alle Patienten genasen nach 5—8 Tagen. 

G. züchtete aus der betreffenden Leberwurst, welche durchaus normales 
Aussehen hatte, einen bis dahin nicbt bekannten zur Proteusgruppe gehörigen 
Bacillus und schlägt entsprechend dem Wachstum auf der Gelatineplatte den 


` Infektionskrankheiten. 1027 


Namen Proteus radians vor. Es handelt sich um ein feines, an den Enden 
abgerundetes Stäbchen, das sich ausserordentlich zahlreich in der Wurst vor- 
fand. Die Optimaltemperatur für den fakultativ-anaäroben Bacillus ist 33—37%, 
Wachstum auf schwach alkalischem resp. schwach saurem Nährboden. Gela- 
tine wird verflüssigt. Die Kolonien auf Agar sind grau, durchscheinend und 
schleimtropfenähnlich, in dünnen Schichten perlmutterglänzend. Die Agarstich- 
kulturen waren bürstenförmig und von grauweisslicher Farbe. In Bouillon 
bildet sich ein weissflockiger Niederschlag; mikroskopisch wurden hier ge- 
gliederte Fäden nachgewiesen. Geruch aller Kulturen aashaft. 

Der Proteus radians ist lebhaft beweglich (G.zäbltel8amphitriche Geisseln), 
färbt sich nicht nach Gram, ist nicht säurefest. Aeltere Formen sind plumpe 
kurze Stäbchen mit abgerundeten Enden von 1,7—2,8 x Breite und färben sich 
schlecht, junge Formen sind mehr elliptisch, und es lässt sich gute Färbung mit 
Fuchsin und Gentiana erzielen., Der Parasit hat pathogene Wirkung auf Kanin- 
chen, Meerschweinchen, Tauben, Katzen, Mäuse; der Agglutinationsversuch mit 
Serum der mit Proteus radians geimpften Kaninchen fiel negativ aus. 

Bei 60° Abtötung schon nach 2 Minuten; dagegen bei 50° ziemlich lange 
Resistenz. 

G. liess mit Kulturen und Filtrat künstlich inficierte Leberwürste in dünner 
und dicker Form herstellen und kochen. Die mit Filtrat beschickten waren 
vollkommen unschädlich; dagegen hatten von den mit Kultur inficierten die 
dicken Würste trotz einer 10 Minuten langen Einwirkung von 80° noch schäd- 
liche Wirkung. Burow (Halle a. S.). 


Knauth, Ein Beitrag zur Weilschen Krankheit. Aus d. Garnisonlazarett. 
in Würzburg. Deutsche med. Wochenschr. 1905. No. 50. S. 2004. 

Es werden 6 Fälle der Weilschen Krankheit mitgeteilt, welche während 
der grossen Hitze des Juli und August rasch hintereinander bei Soldaten auf- 
traten, und von denen 1 bei einem Einjährig-freiwilligen mit Tod endete. Die 
Infektion erfolgte in 1 Fall wahrscheinlich durch den Genuss verdorbenen 
Fleisches, und ihr Weg blieb in den übrigen unaufgeklärt. 

Globig (Berlin). 
Gordon M. H., A ready method of differentiating streptococci and 
some results already obtained by its application. Lancet 11 Nov. 
1905. No. 20. p. 1400. 

Verf. hat den Versuch gemacht, in der Gruppe der Streptokokken 
verschiedene Arten festzustellen. Er züchtete eine grosse Reihe von 
Streptokokkenstämmen (etwa 800) und suchte bei ihnen Unterschiede aufzu- 
finden. Alle Arten waren gramfest, keine verflüssigte Gelatine, zur Unter- 
scheidung wurden nun 9 verschiedene Proben angesetzt: 

1. Milch (ob Gerinnung oder nicht), 2. Neutralrot (ob Reduktion oder 
nicht), 3. Bouillon mit 10%; Saccharose, 4. do. mit Laktose, 5. do. 
mit Raffinose, 6. do. mit Inulin, 7. do. mit Salicin, 8. do. mit Coni- 
ferin, 9. do. mit Mannit. Streptokokken, die Mannit vergären, werden vor- 
teilbaft auch mit Sorbit, Glycerin und Rhamnose geprüft. 


1028 Infektionskrankheiten. 


Mit dieser Prüfungsmethode wurden zunächst 300 Streptokokkenstämme 
„aus dem Speichel gesunder Personen (22 Individuen), indem sie sich in Menge 
vorfinden, untersucht. Es ergab sich, dass unter diesen 300 Stämmen 48 ver- 
"schiedene Typen sich befanden, unter denen etwa 4 oder 5 besonders häufig 
sind. Kein Stamm war für Mäuse pathogen. Alle zersetzten Saccharose, keiner 
Mannit. Eine Untersuchung von Streptokokken aus Fäces hatte bereits früber 
Dr. Houston vorgenommen. Er fand (indem er die Coniferinprobe fortliess) 
unter 300 Streptokokken aus Fäces (aus 20 normalen Stühlen) 40 ver- 
schiedene Typen. 5 davon finden sich einigermassen häufig, und es ist 
bemerkenswert, dass diese alle Salicin zersetzen,. was bei den Speichelstrepto- 
kokken nur selten der Fall ist. 

Weitere Untersuchungen hatten nun das Ziel, festzustellen, ob sich auch 
ausserhalb des Körpers, in seiner Umgebung, die im Menschen gefundenen Arten 
wiederfinden lassen. Dies gelang in der Tat, und zwar sowohl mit Speichel- 
wie mit Fäcesstreptokokken. Insbesondere fand sich in der Luft eine Art 
besonders häufig, die auch in den Fäces vorzukommen pflegt. Schliesslich 
wurden auch 20 Streptokokkenstämme aus dem Körper kranker Personen 
untersucht. Diese pathogenen Arten sind keineswegs immer von den im ge- 
sunden Körper vorkommenden deutlich verschieden. Viele zersetzen Saccha- 
rose und Laktose (teilweise auch Salicin), geben sonst keine einzige positive 
Reaktion. Sie entsprechen darin dem dritthäufigsten Speichelstreptokokkaus. 
Immerhin finden sich auch in septischen Processen abweichende Formen, und 
es ist kein Zweifel, dass die pathogenen Arten sich in beträchtlichem Grade 
von einander unterscheiden können. So fand Verf. bei ulcerativer Endocar- 
ditis Formen mit dem ausgesprochensten Vermögen, Kohlehydrate zu zersetzen. 
Die im kranken Körper gefundenen Formen sind zumeist für Mäuse pathogen. 

Von besonderem Interesse ist nun die Frage, ob die gefundenen Unter- 
schiede in dem Verhalten gegenüber den 9 verschiedenen Prüfungsmethoden 
wirklicb konstante Merkmale der betreffenden Stämme darstellen. Verf. 
gibt an, dass er oft nach längerer Zeit die Prüfungen wiederholt habe, ohne 
jemals eine Aenderung des Befundes konstatieren zu können. Als er 
aber 11 Stämme den Tierkörper (Maus) passieren liess, fand er, dass zwei ihr 
Verhalten geändert hatten: der eine vermochte nun Salicin zu zersetzen, 
der andere verlor sein vorher schon geringes Vermögen, Neutralrot zu reducieren. 

Verf. fasst seine Untersuchungen dahin zusammen, dass die Streptokokken 
nicht eine einzige wohl charakterisierte Art darstellen, sondern dass 
sich erhebliche Differenzen unter ihnen vorfinden, die nur deshalb unbe- 
merkt blieben, weil zumeist nur die gebräuchlichsten Untersuchungsmethoden 
bei ihrer Züchtung verwandt wurden. Er hofft, dass seine Befunde auch für 
die Serumtherapie der Streptokokkenerkrankungen Bedeutung er- 
langen werden. Liefmann (Halle a. S.). 


Jochmann, Bakterienbefunde bei Scharlach. Zeitschr. f. klin. Med. 
Bd. 56. H. 3 u. 4. 

Nachdem Verf. nachgewiesen hat, dass den beim Scharlach überaus 

häufig gefundenen Streptokokken keine Sonderstellung gegenüber den eiter- 


Infektionskrankheiten. 1029 


erregenden Streptokokken einzuräumen ist, sucht er an dem vorhandenen Tat- 
sachenmaterial zu beweisen, dass die Streptokokken zwar die häufigsten und 
gefährlichsten Erreger von Sekundärinfektionen beim Scharlachfieber sind, 
nicht aber die eigentlichen specifischen Scharlacherreger. 

O. Baumgarten (Halle a. S.). 


Schwartz H. und Kayser H., Ueber die Herkunft von Fettsäurenadeln 
in Dittrichschen Pfröpfchen und den Nachweis von fettzerset- 
zenden Mikrobien. Aus d. med. Universitätsklinik und dem hyg. Institut 
der Univ. Strassburg i. E. Zeitschr. f. klin. Med. Bd.56. H. 1. u. 2. 

Die Verff. haben bei einem an putrider Bronchitis leidenden Kranken, bei 
dem später Lungengangrän auftrat, nach der Ursache des Auftretens der 
Dittrichschen Pfröpfe bei putriden Lungenprocessen geforscht und mit den 
in den Dittrichschen Pröpfchen gefundenen fettzersetzenden Mikroor- 
ganismen eine Anzahl Versuche bezüglich der Biologie und der Enzymfrage 
gemacht. Ausserdem stellten sie darüber Untersuchungen an, ob die fett- 
spaltenden Mikrobien Lecithin in erheblichem Masse zu zerlegen vermöchten. 

Durch ibre Untersuchungen haben die Verff. als Ursache von Fettsäure- 
nadeln in Dittrichschen Pfröpfchen einen ziemlich energisch fettspaltenden 
weissen Staphylokokkus festgestellt, der bezüglich seines Fettspaltungsver- 
mögens dem pathogenen Staphylokokkus ungefähr gleich ist. 

Der Nachweis von Enzym ist in Bouillonkulturen nicht gelungen. Eine 
bakterielle Zersetzung des Lecithins wurde bei den angestellten Versuchen 
nicht wahrgenommen. Nieter (Halle a. S.). 


` Prochaska A., Bakteriologische Untersuchungen bei gonorrhoischen 
Allgemeininfektionen. Dtsch. Arch. f. klin. Med. 1905. Bd. 83. H. 1 u. 2. 
Verf. zeigt an 6 Fällen die Mannigfaltigkeit der Folgeerkrankungen der 
Gonorrhoe und beweist die Wichtigkeit des kulturellen Nachweises des 
Gonokokkus für die Pathologie. 3 dieser Fälle zeigen Polyarthritiden im Ver- 
laufe einer Gonorrhoe mit einer Infektion von ungleicher Schwere. Bei einem 
4. Patienten konnten wenige Stunden nach dem Exitus Gonokokken aus der 
vorhandenen Endocarditis gezüchtet werden. Bei einem 5. Fall hatte sich aus 
einer gonorrhoischen Eiterung der Samenbläschen eine eitrige Cerebrospinal- 
meningitis entwickelt, während der 6. Kranke im Anschluss an eine leichte 
rechtsseitige Epididymitis eine linksseitige ebenfalls gonorrhoische seröse Pleu- 
ritis acquirierte. O. Baumgarten (Halle a. S.). 


Eberth, Friedrich, Ueber Blennorrhoea neonatorum. Inaug.- Dissert. 
Marburg 1905. 

Verf. bespricht zunächst die Geschichte der Krankheit und geht dann auf 
den Streit ein, der sich um die Aetiologie dieser Affektion erhoben hat. 
Verf. stellt sich im allgemeinen auf den Standpunkt Schmidt-Rimplers, 
u.a. dass es sowohl eine wohlcharakterisierte Blennorrhoe ohne Gono- 
kokken gebe, als auch dass dieser Pilz nur das Bild eines leichten 
eitrigen Katarrhs hervorzurufen imstande sei. Den Schluss der Arbeit 


1030 Infektionskrankheiten. 


macht eine Zusammenstellung der mit dem Credöschen Verfahren erreichten 
Resultate an der Bonner Universitäts Entbindungsanstalt. 
Liefmann (Halle a. S.). 


Rille, Ueber Spirochätenbefunde bei Syphilis. Münch. med. Wochen- 
schr. 1905. No. 29. S. 1377. 

R. hat bei 3 Primäraffekten des männlichen und bei 1 des weiblichen 
Genitale, sowie bei Skleradenitis inguinalis nnd bei Condyloma latum 
des weiblichen Genitale den gelungenen Nachweis der Spirochaete pallida 
führen können. Da diese letztere einen geradezu konstanten Befund bei 
verschiedenen sypbhilitischen Erkrankungsformen bildet, so hält es 
Verf. für sehr wahrscheinlich, dass sie als der wirkliche Erreger der Syphilis 
anzusprechen ist. Schumacher (Hagen i.W.). 


Ploeger, Die Spirochäten bei Syphilis. Münch. med. Wochenschr. 1905. 

No. 29. S. 1381. 

Pl. gibt in einem Vortrage eine Uebersicht über den so sehr wichtigen 
Gegenstand und insbesondere eine kurze Zusammenfassung der von 20 ver- 
schiedenen Untersuchern stammenden positiven Befunde der Spirochaete 
pallida in syphilitischen Material, denen mehr als 50 negative Kontrollunter- 
suchungen gegenüber stehen. 

‚ Pl. beschreibt die morphologischen und färbetechnischen Eigenschaften 
des fraglichen Mikroorganismus, für den er selbst ein eigenes, nur wenige 
Minuten beanspruchendes Färbeverfahren angegeben hat. Dass auch bei 
Careinom, bei skrophulodermatischen Abscessen, bei Balanitis u.s. w. ganz 
ähnliche Spirochäten von anderen Autoren gefunden worden sind, erkennt P1. 
als richtig an, doch hält er diese für besonders zierliche Formen der sonst 
grösseren Spirochaete refringens, die zur Syphilis keine Beziehungen 
besitzt. 

Bei allen syphilitischen Erkrankungsformen ist die eigentliche 
Spirochaete pallida immer nachgewiesen worden; es ist aber weiterhin noch 
festzustellen, dass sie mit allen anderen Affektionen ätiologisch nichts zu tun 
hat, ehe sie mit Sicherheit als die Ursache der Syphilis bezeichnet werden 
darf. Schumacher (Hagen i.W.). 


Siegel, Neue Untersuchungen über die Aetiologie der Syphilis. 
Münch. med. Wochenschr. 1905. No. 29. S. 1384. 

S. weist in Ergänzung seiner früheren Untersuchungen nach, dass 
bei Affen nicht nur Primärerscheinungen, sondern auch sekun- 
däre Erkrankungsformen ‘der Syphilis erzeugt werden können. Fr 
zeigte, dass das auf Kaninchen und Meerschweinchen verimpfte 
Syphilismaterial eine Krankheit erzeugt, die, wieder auf Affen durch 
Impfung übertragen, dieselben charakteristischen Folgen hervor- 
ruft und zwar mit dem nämlichen Verlauf, wie bei der direkten Uebertragung 
menschlichen Syphilisgiftes auf Affen. 

In den dem lebenden Tiere entnommenen Blute sowohl, wie auch in den 


Infektionskrankheiten. 1031 


von Leichenmaterial angefertigten Ausstrichen und Schnitten wurden auf dem 
Höhepunkte der Erkrankung als alleinige Parasiten die Cytorrhyc- 
tesflagellaten in reichen Mengen nachgewiesen, die S. deshalb als die Er- 
reger der Syphilis anzusprechen sich für berechtigt hält. 

Besonders wertvoll und neu.ist bei diesen Untersuchungen der Nachweis, 
dass die bei Kaninchen schon früher erzielten Erkrankungen tatsächlich syphi- 
litischer Natur waren. Dieser Beweis konnte aber nur dann gelingen, wenn, 
wie es auch geschehen ist, von den Kaninchen aus wiederum Affen ioficiert 
wurden. Mittelgrosse Makaken zeigten sich am geeignetsten zu den 
Versuchen. Die ersten Tage nach der Impfung bieten die Tiere keine Erschei- 
nungen, vom 7.—10. Tage verlieren sie die Fresslust und zwischen dem 10. 
und 30. Tage treten Hauterscheinungen auf. Unter den sekundären Formen 
sind besonders die Krankheitssymptome an den Händen charakteristisch. Mit 
der 10. Woche schwanden zuerst die sekundären Anzeichen. Sehr merkwürdig 
und bezeichnend waren auch die Lymphdrüsenschwellungen am Halse, in der 
Achselhöhle und in den Leistengegenden. Schumacher (Hagen i.W.). 


Noeggerath und Staehelin, Zum Nachweis der Spirochaete pallida im 
Blut Syphilitischer. Münch. med. Wochenschr. 1905. No.: 31. S. 1481. 

Da das Durchsuchen einzelner Blutstropfen wenig Aussicht auf Erfolg 
verspricht, haben die Verff. von einem sekundär luetischen Kranken 1ccm Blut 
entnommen und in der zehnfachen Menge !/; proz. Essigsäure aufgelöst, die 
Mischung centrifugiert und die aus dem Bodensatz gewonnenen Ausstrichprä- 
parate nach Schaudinn und Hoffmann gefärbt. Es befanden sich in 
Jedem Präparat die gesuchten Spirochäten und zwar 1—3 in ungefähr 
30 Gesichtsfeldern. f 

Dagegen enthielt das Blut von nicht luetischen, andersartig erkrankten 
Patienten, bei denen nach der Art des Leidens ein Eindringen beliebiger 
Keime in die Blutbabn denkbar gewesen wäre, niemals Spirochäten; nur in 
dem Blute eines Phthisikers wurden einmal Streptokokken festgestellt. 

Das Vorkommen der fraglichen Mikroorganismen im Blut ist wichtig für 
die Beurteilung der ursächlichen Bedeutung derselben bezüglich der Entstehung 
der Syphilis. Schumacher (Hagen i.W.). 


Rille und Vockerodt, Weitere Spirochätenbefunde bei Syphilis. Münch. 
med. Wochenschr. 1905. No. 34. S. 1620. 

Auf Grund von 140 positiven Einzelbeobachtungen ist die Spirochaete 
pallida als ein konstanter Befund in Primäraffekten, breiten Kon- 
dylomen und Skleradenitiden der Leistengegend zu bezeichnen. Die 
Verff. wiesen ausserdem die Spirochäten in extragenitalen Primäraffekten, 
in Efflorescenzen von Psoriasis palmaris, sowie in Papeln zwischen 
den Zehen und an der Kopfhaut nach. Die Zahl der Fälle mit negativem 
Parasitenbefund sind auch bei den Verff. äusserst selten. 

Die Untersuchung wird am besten in der Weise vorgenommen, dass die 
oberste Schicht der zu untersuchenden exkoriierten Fläche mittels Skalpells 
oder scharfen Löffels recht gründlich abgeschabt wird. In der alsdann aus 


1032 Infektionskrankheiten. 


der Wundfläche reichlich hervorquellenden serösen Flüssigkeit sind Spirochäten 
in relativ reicblicher Menge zu finden. Die dünnen Ausstriche werden nach 
10 Minuten langer Fixation in absolutem Alkohol 4 Stunden und länger in 
der ungefähr 10 fach verdünnten Giemsalösung gefärbt und dann in üblicher 
Weise weiter behandelt. In den reichliche rote Blutkörperchen ent- 
haltenden Gesichtsfeldern besteht die meiste Aussicht, die Mikroorganismen 
zu finden, die sich oft mit einem Ende eng an einen Erythrocyten anlegen. 
Eine Veränderung der charakteristischen Gestalt der Spirochäten durch 
Quecksilbertherapie, wie sie von anderer Seite beschrieben wurde, konnten 
R. und V. nicht feststellen. Auch die tagelang mit schwachen Desinficientien 
behandelten syphilitischen Wundflächen enthielten nach wie vor die gleiche 
Anzahl Spirochäten. 

Schliesslich berichten die Verff. über einen bemerkenswerten Fall des 
Vorkommens von Spirochäten bei einem seit 7—9 Jahren an Syphilis Er- 
krankten. Wenn es sich in diesem Falle nicht um eine besondere Abart der 
Spirochaete refringens, die im Gegensatz zur Regel morphologisch von 
der specifischen Spirochaete pallida hier nicht zu unterscheiden ist, handelt, 

` dann würde hiermit der erste Befund der Spirochäte bei tertiärer Syphilis 
vorliegen. Schumacher (Hagen i.W.). 


Bandi und Simonelli, Ueber die Anwesenheit der Spirochaete pallida 
in sekundär-syphilitischen Manifestationen und über die zu 
ihrem Nachweis angewendeten Färbungsmethoden. Münch. med. 
Wochenschr. 1905. No. 85. S. 1668. 

Die Verf. haben bei 3 von 5 Fällen die von Schaudinn und Hoff- 
mann beschriebenen Spirochäten im syphilitischen Gewebssaft gefunden und 
zwar sowohl in Plaques muqueuses wie auch in dem aus einem „erythe- 
matösen Flecken“ entnommenen Blute. 

Besonders in der Tiefe der Plaques entdeckten B. und S. grosse 
Zellen mit anscheinend zerfallendem Protoplasma, in deren Kernsubstanz 
Spirochäten enthalten waren. Das Vorkommen dieser charakteristischen 
Spirochäten, das die Verff. als wirklichen Zellparasitismus auslegen, ist 
bisher von anderer Seite noch nicht beschrieben worden. 

Abgesehen von der Giemsaschen Färbungsmethode wurden auch die 
Ziehlsche Fuchsinlösung und die einfachen alkoholischen Lösungen der ge- 
wöhnlichen Anilinfarben mit sehr gutem Erfolg zum Nachweis der Parasiten 
angewendet. Schumacher (Hagen i.W.). 


Lipschütz B., Untersuchungen über die Spirochaete pallida Schau- 
dinn. Aus d. Abteil. f. Haut.- u. Geschlechtskrankh. des K.-K. Wiedener 
Krankenhauses in Wien. Deutsche med. Wochenschr. 1905. No. 46. S. 1832. 

Der Verf. berichtet über eine Nachprüfung der Befunde von Schau- 
dinn und Hoffmann, die er bei 49 Fällen von Syphilis anstellte. Von 

6 „Primäraffekten“ gelang ihm der Nachweis der Spirochaete pallida nur 

bei 1 nicht, dagegen- hatte er von 7 Leistendrüsenschwallungen, deren 

Saft er darauf untersuchte, nur bei 1 Erfolg. Unter 33 Fällen mit Sekun- 


Infektionskrankheiten. 1033 


därerscheinungen verschiedener Art wurde die Spirochaete pallida bei 6 
vermisst. In 3 Fällen von tertiärer Syphilis fehlte sie überall. i 
Globig (Berlin). 


Brönnum À., Ett Tilfaelde af kongenit Syfilis und Paavisning af Spi- 
rochaete pallida iLeverogMilt. (Fall von kongenitaler Syphilis 
mit Spirochaete pallida in Leber und Milz.) 

Brönnum A. und Ellermann V., Spirochaete pallida i Milten af et syfi- 
litisk Foster. (Spirochaete pallida in der Milz eines totge- 
borenen, syphilitischen Fötus.) Aus der dermatolog. Abteilung von 
Frederiksbergs Hospital in Kopenhagen. Hospitalstidende. 1905: S. 667 
u. 918. 

Der erstgenannte Fall betraf ein Kind von 9 Wochen, dessen Mutter 
syphilitisch ist. Bei der Sektion wurde Saft der Schnittflächen von Milz, 
Leber, Niere und Mesenterialdrüse auf Deckgläschen dünn ausgebreitet. In 
den beiden ersten Organen positives Resultat; in der Milz sehr spärliche, in 
der Leber zahlreiche Individuen. 

Der Fötus befand sich im 6. oder 7. Monat und war bei Geburt mace- 
riert. In Präparaten von Milz, Placenta, Nebenniere und Leber wurde die 
Spirochaete gesucht, aber nur in der Milz und zwar in recht grosser Anzahl 
gefunden. Die Färbung geschah nach Giemsa, die Zeit der Einwirkung war 
jedoch länger und betrug 3—48 Stunden. Almquist (Stockholm). 


Freund, Ueber Cytorrhyctes luis Siegel. Münch. med. Wochenschr. 
1905. No. 38. S. 1819. 

F.betont den grossenWert der über dieSyphilisätiologie erschienenen Arbeiten 
Siegels, die an „Gründlichkeit und Beweiskraft der Versuchsreihen“ 
die so sebr zahlreichen Arbeiten über das Vorkommen der von Schaudinn 
und Hoffmann beschriebenen Spirochäten bei weitem übertreffen sollen. 
Die beiden letztgenannten Autoren haben den von Siegel beschriebenen 
Cytorrhyctes luis keinesfalls gesehen, da er in ihren zur Nachprüfung der 
Siegelschen Befunde ausgeführten Arbeiten mit keiner Silbe erwähnt wird. 

F. hat im Gegensatz zu anderen Autoren die Spirochaete pallida nur 
sehr selten gefunden. Den Cytorrhyctes luis Siegel dagegen hat er 
im Blute aller untersuchter Syphiliskranken zweifellos und zwar meist in 
enormen Mengen nachgewiesen. Er berechnet 3—5000 Exemplare für einen 
Blutstropfen, und auf eine Blutmenge von 5 Liter die ungeheure Zahl von 
800000000. Nur ein so massenhaftes Vorkommen könne uns die grosse Infek- 
tiosität des Syphilis einigermassen erklären und befriedigt die von Thesing 
aufgestellte Forderung, dass die Syphiliserreger in jedem Blutstropfen ent- 
halten sein müssten. A 

F. konnte die von Siegel gegebene Beschreibung der Form und eigen- 
tümlichen Bewegung durchaus bestätigen; auch glückte es mitunter, die Geissel 
im frischen Blute zu sehen. Die Zahl des Syphilisflagellaten stand, 
wie es schon Siegel angab, in engem Verhältnis zum Stadium der 
Krankheit und schmolz unter dem Einfluss der angewendeten Schmierkur 


1034 Infektionskrankheiten. 


auf ein Minimum zusammen. Die Flagellaten sind in ungefärbtem Zustande 
besser als im gefärbten zu erkennen, die Färbung gelang jedoch am besten 
mittels der zum Nachweis der Spirochaete pallida angegebenen Methoden. 
Die letztere hält F. für einen zwar bei Syphilitikern vorkommende Mi- 
kroorganismus, der aber mit der Erzeugung der Syphilis ätiolo- 
gisch nichts zu schaffen hat. F. hofft durch seine Versuche und seine 
Ausführungen von neuem die allgemeine Aufmerksamkeit auf die Siegelschen 
Arbeiten hinzulenken. Schumacher (Hagen i.W.). 


Glogner M., Ueber zwei Malariaimpfungen. Arch. f. Schiffs- u. Tropen- 
hyg. Bd. 9. S. 439. 

2 Fälle von Malaria, die durch Schutzpockenimpfung übertragen 
wurden. Die Inkubationszeit dauerte 5 resp. 3 Tage. Die Abimpflinge wurden 
malariakrank gefunden; in den betreffenden Monaten war Malaria sehr wenig 
verbreitet, speciell kam in den Familien der Patienten und deren Umgebung 
kein Fall vor. Die Uebertragung durch die Impfung ist daher sehr wahr- 
scheinlich. Kisskalt (Berlin). 


Tsuzuki J., Ueber die sekundäre Infektion mit Fränkelschen Pneu- 
mokokken bei Malariakranken (Malariapneumonie). Arch. f. 
Schiffs- u. Tropenhyg. Bd. 9. S. 442. 

Die Malariapneumonie wird durch das Hinzutreten von Pneumo- 
kokken zur Malaria verursacht; sie wurde in 8,8°%/, der Malariafälle gefunden 
und zwar meist bei Tropica. Man kann sie einteilen in 1. + Malaria — Pneu- 
monie, d. b. die Symptome der Malaria treten in den Vordergrund, indem die 
pneumonischen Erscheinungen schleichend auftreten. 2. — Malaria — Pneu- 
monie, d. h. beide Krankheiten verlaufen schleichend. 3. — Malaria + Pneu- 
monie d. h. die Pneumonie überwiegt. Die erstgenannte Form ist die häufigste. 
Man kann die Formen auch dadurch unterscheiden, dass man Chinin gibt; fällt 
das Fieber ab, so wird + Malaria — Pneumonie diagnosticiert. Die Unter- 
scheidung der Malariapneumonie von anderen Krankheiten ist besonders wegen 
der einzuschlagenden Therapie wichtig. Kisskalt (Berlin). 


Stiles, Ch. Wardell, A zoological investigation into the cause, trans- 
mission and source of Rocky Mountains „spotted fever“. Public 
Health and Marine Hospital Service of the United States. Hygienic Laboratory. 
Bulletin No. 20. April 1905. 

Wilson und Chowning haben im Jahre 1902 bei Fällen von sogenannten 
Rocky-Mountains-Fleckfieber im Blute tierische Lebewesen gefunden, die sie zum 
Genus Piroplasma rechnen zu müssen glaubten. Sie haben angenommen, 
dass die Uebertragung durch Läuse geschebe. Unter dem Namen „Rocky- 
Mountains-Fleckfieber“ hat man eine in den Vereinigten Staaten, aber 
selten, beobachtete Krankheit mit häufig tödlichem Ausgange zu verstehen, 
deren Hauptsymptom in einem purpuraähnlichem Ausschlag besteht. 
Verf. konnte die Beobachtung der zwei genannten Autoren in keiner Weise 
bestätigen; bei einem Material von 9 Fällen gelang es ihm trotz eifrigsten 


"Infektionskrankheiten. 1035 


Suchens niemals, die vermuteten Erreger aufzufinden. Er hält daher die 
Aetiologie der Krankheit für bisher gänzlich unklar. 
Liefmann (Halle a. S.). 


Baruchello e Mori, Sulla eziologia del cosi detto tifo o febbre petec- 
chiale del cavallo. Annali d’igiene sper. Vol. 16. p. 1. 

In Rom und den angrenzenden Landschaften, aber auch im übrigen Italien 
tritt nicht selten bei den Pferden eine eigenartige Erkrankung auf, die unter 
den verschiedensten Namen geht, und als deren Ursache die Verff. nun einen 
endoglobulären, also im Innern der roten Blutkörperchen vorkommenden 
Mikroorganismus aus der Klasse der Piroplasmen festgestellt haben 
wollen. Auffällig erscheint nur, dass der Parasit auch im Innern seiner Wirts- 
zellen eine lebhafte Bewegung ausführen und diese mit Hilfe von Geisselfäden, 
die nach der Beschreibung der Verff. meist einzeln, zuweilen aber auch zu 
zweien und dreien auftreten, bewerkstelligen soll. Auch auf einer von den beiden 
Tafeln, die der Arbeit beigegeben sind, sind diese Gebilde geschildert; doch kann 
es sich m. E. hier ebenso gut um künstliche Erzeugnisse handeln, die durch die 
bei der. Anfertigang der Präparate benutzten Verfahren entstanden sind. 

C. Fraenkel (Halle a. S.). 


Prowazek, Studien über Säugetiertrypanosomen. I. Arbeiten a. d. 

Kais. Ges.-A. Bd. 22. S. 851—395. 

Die Untersuchungen beschränkten sich auf die Klarlegung des Entwicke- 
lungsganges von Trypanosoma Brucei (Nagana-) und Tryp. Lewisii 
(Rattentryp.). Die Ausstrichpräparate wurden nach Giemsa mit der Abände- 
rung gefärbt, dass 80 ccm Eosin und 10 ccm Azur genommen und die in 
absolutem Alkohol fixierten Präparate über Nacht in der Farblösung gelassen 
wurden. Zum Einschluss diente Cederoöl. Versuche, Vögel mit dem Ratten- 
trypanosoma zu inficieren, misslangen völlig. 

I. Entwickelungskreis von Tryp. Lewisii. 

- Die Grösse der Parasiten schwankt von 7—30 4. Im allgemeinen sind 
die Tiere schmal lanzettlich und nach der Seite der undulierenden Membran 
etwas ausgebogen; lange im Wirtstiere befindliche Parasiten sind breiter, 
flacher und mehr sichelförmig gekrümmt. In Bezug auf die Orientierung des 
Körpers hält P. im Gegensatz zu Koch das geisseltragende Ende für den 
Vorderteil des Körpers. Der Zellkörper ist von einem pelliculaähnlichen 
Periblasten umgeben, der ein Produkt der Kernsubstanzen zu sein scheint. 
Das Protoplasma zeigt je nach dem Alter des Individuums ein sehr mannig- 
faches Aussehen. Der ovale Kern liegt zwischen dem ersten und zweiten 
Drittel des Körpers. Das in verschiedenen Entwickelungsstadien verschieden 
deutliche Karyosom wird von einer achromatischen alveolaren Struktur ge- 
tragen. An den Knotenpunkten findet man das Kernchromatin, bald staub- 
artig verteilt, bald zu 8 Chromatinkörnern oder Stäbchen zusammengeballt. 
Der zweite Kern, Blepharoplast, ist länglich von Gestalt, in der Zelle etwas 
windschief gestellt, später wird er rund, oft gelappt. Manchmal lässt sich in 
ihm ein Karyosom nachweisen. Die Geissel ist während des Lebens grünlich, 


1036 Infektionskrankheiten. 


lichtbrechend, nicht homogen. Die undulierende Membran ist dünn und durch- 
sichtig, gelegentlich mit Alveolarstruktur. Mit dem vermutlich den lokomo- 
torischen Funktionen vorstehenden Kerne steht ein kompliciertes Fibrillen- 
system im Zusammenhange. Die Fasern lassen sich färberisch nur sehr schwer 
darstellen. An verschiedenen Stellen des Entwickelungskreises stösst man auf 
zwei Formationen des Protoplasmas und des Kerns. Bei älteren Individuen 
heller, oft vakuolenreiches Protoplasma und massiger, stark färbbarer Kern, 
bei jüngeren dunkles, reservestoffreiches, violettblau sich färbendes Proto- 
plasma mit undeutlichem Kern. Indem der Kern diffus wird und aus ihm 
Teile heraustreten, um im Protoplasma angereichert zu werden, scheint mit 
diesem Stadium die Stufe der Chromidienbildung erreicht zu werden uud 
zwar hier autoplastischer Chromidien, die nichts mit den Geschlechts- 
chromidien (Schaudinn) und den funktionellen (Hertwig) verwechselt 
werden dürfen. Bei der Teilung teilt sich das alte Individuum in zwei Teile, 
wenn der Blepbaroplast hinter dem Kern liegt, oder er kommt, wenn er vor 
ihm ruht, durch fortgesetzte Teilung eine Sternfigur zu stande. 

Unter den Trypanosomen, die in grauen Ratten beobachtet wurden, fanden 
sich auch solche, deren Kerne drei verschiedenen Processen, der Autosynthesis, 
Reduktion und Parthenogenesis unterworfen waren. Die letztere kann an 
Kulturen auf Agarkondenswasser mit Zusatz von sterilem Blute (Kral) leicht 
‚studiert werden. Bei ibnen konnte man auch des öfteren das Agglomera- 
tionsphänomen wahrnehmen, das sich mit dem den blepharoplastführenden 
spitzen Zellleibende vollzog. In Deckglaspräparaten konnte der Austritt von 
minutiösen spitzen Kügelchen in der Region des spitzen Endes wahrgenommen 
werden, die für die Agglomeration sicher von grösster Bedeutung sind. 

Der Zwischenwirtder Rattentrypanosomen ist die Rattenlaus(Hae- 
matopinus spinulosus Burmeister). Nach eingehender Darstellung der Anatomie 
der Mundwerkzeuge, des Darmtraktus wie des Blutgefässsystems der Ratten- 
laus sowie der Physiologie ihrer Nahrungsaufnabme wird das Verhalten der 
mit dem aufgesogenen Blute in das Innere des Zwischenwirtes gelangten Para- 
siten beschrieben. Fast alle Läuse, die an inficierten Ratten gesogen hatten, 
enthielten Flagellaten, wenn auch in verschiedener Menge. Man findet sie 
zuerst im Magendarm frei im Blute heramschwimmend; hier findet die Reifung, 
die selten beobachtete Befruchtung und die Parthenogenese statt. Allmählich 
werden die Trypauosomen weiter gedrängt und kommen später im Enddarm, 
meist in der Region der Malpighischen Gefässe zur Ruhe; weitere Ansaınm- 
lungen kann man in der Region des Herzens finden. In günstigen Fällen 
konnten in dem kreisenden Blute Parasiten direkt beobachtet werden. Vor 
dem Pumpwerk scheinen sie dann in den Larynx zu gelangen, um dann beim 
nächsten Saugakt bei der ersten Kontraktion in das Blut des Wirtstieres 
bineingepresst zu werden. Die Parasiten scheinen wegen der dicken Um- 
hüllungsmembran der Ovarien bei der Laus nicht regelmässig vererbt za 
werden. Um alle Entwickelungsstadien zu erhalten, wurden an weisse infi- 
cierte Ratten Läuse angesetzt und diese zu den verschiedensten Tageszeiten 
nach und nach untersucht. Ausstrichpräparate aus dem Läusekörper wurden 
wie üblich nach Giemsa gefärbt. 


Infektionskrankheiten. 1037 


Der Unterschied zwischen den Geschlechtern ist bei Tryp. Lewisii 
nicht sehr gross. In späteren Stadien unterscheiden sie sich in Be- 
zug auf das Protoplasma , indem die Männchen zusehends schmäler werden 
und ihr Protoplasma sich eigenartig himmelblau tingiert. Sie scheinen sehr 
leicht zu degenerieren. In den seltenen Befruchtungsstadien sab man 
die Blepharoplasten verschmolzen, während die Kerne noch frei sind; 
später verschmelzen unter Abstufung der Geisseln die Zellen und Kerne, 
in den Befruchtungskern wandern auch die kopulierten Blepharoplasten 
ein. Mit der Ausbildung des Syncarion ist das Stadium der Ooki- 
neten erreicht und der Entwickelungskreis geschlossen. Der Ookinet 
streckt sich in die Länge. das Karyosom des Syncarions teilt sich in zwei 
Teile, die äussere Spindelbälfte sinkt in das Protoplasma und bildet den neuen 
Blepharoplast; von diesem spaltet sich ein kleines Körnchen ab, das durch 
abermalige Teilung eine zusehends länger werdende Centralspindel, die Saum- 
geissel, liefert. 

Die künstliche Infektion, d. h. die allein beweisende Uebertragung der 
Parasiten durch Läuse, gelang Pr. bisher nicht. 

Entwickelungskreis bei Trypanosoma Brusei (Plimmer 
und Bradford). 

Die Untersuchung blieb‘ unvollständig, da Glossina morsitans nicht 
zu erlangen war und in Culex, Stomoxis und der Stubenfliege Entwickelungs- 
stufen nicht zu erreichen waren. Die Unterschiede von Tryp. Lewisii sind 
folgende. Der Körper ist gedrungener und etwas gedreht, der Kern liegt fast 
in der Mitte, der Blepharoplast ist kleiner, mehr rundlich, der Periplast zart. 
Das Protoplasma färbt sich gleichmässig intensiv und enthält hinter dem 
Kerne 8—12 rötlich-blaurote Granulationen. Der Tod der inficierten Tiere, 
Ratten und Meerschweinchen, erfolgte manchmal nach 14, meist nach 30 Tagen. 
Der Parasitenbefund im Blut lässt oft im Stich. In solchen Fällen kann man 
eine erhöhte Leukocytose feststellen. Die Grösse der Parasiten schwankt 
zwischen 25—30 x. Die Teilung ist eine Längsteilung, meist Zwei-, selten 
Dreiteilung. Meist teilt sich zuerst der Blepharoplast, dann der Kern, endlich 
die Zelle. Auch bier wurde Autosynthesis des Karyosonis öfters beobachtet. 
Die Parthenogenese erfolgt in gleicher Weise wie beim Rattentrypanosoma, nur 
dass sich die Chromosomen hier frühzeitig auflösen. Auch hier kommt es 
zur Agglomeration, manchmal im Tierkörper selbst: Autoagglutination. 
Neben den beweglichen findet man zahlreiche unregelmässige, abgerundete 
Parasiten im Tierkörper, die mit den amöboiden Formen Plimmers identisch 
zu sein scheinen und als Involutionsformen aufzufassen sind. Nach Form 
und Tinktion lassen sich drei verschiedene Formen, indifferente Typen, Männ- 
chen und Weibchen unterscheiden. Die weitere Entwickelung erfolgt in 
dem Zwischenwirte, der Tsetsefliege, die leider nicht in den Untersuchungs- 
bereich hineingezogen werden konnte. 

Endlich wurden noch einige Untersuchungen über Trypanosoma 
"Castellanii angestellt, den wahrscheinlichen Erreger der Schlafkrankheit. 
Es unterscheidet sich von den behandelten durch ein stellenweise schwach 
färbbares Protoplasma, Granulationen vor und hinter dem Kerne, der sehr 


1038 Infektionskrankheiten. 


gross ist. Auch hier wurden zwei Formenzustände gefunden, eine kurze ge- 
drungene weibliche und eine längere und schlankere männliche. 
H. Ziesche (Breslau). 


Casagrandi, Studi sul vaccino. Annali d’igiene sper. Vol. 16. p. 115—162. 
In sehr eingehender Weise bespricht Verf. seine ausgedehnten Versuche 
mit Vaccine und kommt endlich zu dem Schlusse, dass alle die als bak- 
teriendicht angesehenen Filter, wie Chamberland, Berkefeld u. s. w. den Erreger 
der eben genannten Affektion durchlassen, und dass man also mit derartigen 
Filtraten bei Hunden im Unterhautzellgewebe, bei Kaninchen auf der Hornhaut 
die gleichen Veränderungen erzeugen könne, wie mit nicht filtrierter Vaccine. 
Auch die so hervorgerufenen Veränderungen sollen sich über viele Genera- 
tionen bin durch Verimpfung fortführen lassen. Zahlreiche weitere Angaben über 
die hierher gehörigen Versuche und ihre Ergebnisse müssen im Original selbst 
gelesen werden. C. Fraenkel (Halle a. S.). 


v. Löte, Joseph, Uever ein Symptom der experimentellen Lyssa (das 
sogenannte prämonitorische Fieber). Centralbl. f. Bakt. Abt. l. 
Bd. 39. H. 1. S. 32. 

Verf. hatte schon im Jahre 1885 beobachtet, dass das erste nachweis- 
bare Symptom der experimentellen Lyssa das Fieber ist. Gegen- 
über den Bebauptungen anderer Forscher, wie Högyes, die diesen Tempe- 
raturschwankungen kein grosses Gewicht beilegen, konnte Verf. neuerdings 
bei seinen Versuchen wiederum das Vorkommen des sogenannten prämoni- 
torischen Fiebers als Wirkung des Lyssavirus feststellen, und zwar 
entsteht das Fieber nur bei relativer Virulenz des Infektionsstoffes, während 
bei stark virulentem, wie auch bei stark abgeschwächtem Virus niemals prä- 
monitorisches Fieber auftritt. Baumann (Metz). 


Otto M. und Neumann R. 0., Studien über Gelbfieber in Brasilien. 
Aus d. Seemannskrankenhause u. Institut f. Schiffs.- und Tropenkrankh. in 
Hamburg. Zeitschr. f. Hyg. Bd. 51. S. 357. 

Die Verff. haben sich im Auftrage des Hamburger tropenhygienischen 
Instituts im Frühjahr und Sommer 1904 in Brasilien, hauptsächlich in Rio 
de Janeiro aufgehalten. Sie verwahren sich zwar ausdrücklich dagegen, eine 
Monographie des Gelbtiebers zu geben, und wollen nur ihre eigenen Beob- 
achtungen und Nachprüfungen in Verbindung mit den neuesten Er- 
rungenschaften der Gelbfieber-Kommissionen anderer Länder 
mitteilen; diese beziehen sich aber auf alle Gebiete, die beim Gelbfieber von 
Bedeutung sind, und bringen viel Neues. Die Darstellung ist sehr anziehen d, 
vermeidet alle Weitschweiligkeiten und wird durch zahlreiche gute Abbildungen 
unterstützt. 

Aus den einleitenden historischen und geographischen Bemer- 
kungen ist hervorzuheben, dass in Europa grössere Epidemien von Gelb- 
fieber 1741 in Malaga, 1804 in Livorno, 1857 in Lissabon, kleinere 1802 in 
Brest, 1861 in San Nazaire, 1865 in Swansea vorgekommen sind, und dass 


Infektionskrankheiten. 1039 


die Krankheit im Anfang der neunziger Jahre in Südamerika, namentlich in 
Rio de Janeiro und Santos grosse Verheerungen angerichtet hat. Die Verff. 
stehen auf dem Standpunkt, dass das Gelbfieber bei der natürlichen In- 
fektion ausschliesslich durch Stiche der Mückenart Stegomyia fas- 
ciata übertragen wird; diese Mücken müssen mindestens 12 Tage vorher 
Blut eines Gelbfieberkranken gesogen haben, der sich innerhalb der 
3 ersten Tage seiner Krankheit befand. Nach dem 3. Tage verliert das 
Blut seine Infektiosität. Dies ist zuerst 1881 von Finlay in Havanna be- 
hauptet und 1902 durch klassische Versuche Nordamerikanischer Militär- 
ärzte bewiesen, von englischen, brasilianischen und französischen Kommissionen 
bestätigt worden. In neuester Zeit ist durch die französische Kommission 
festgestellt, dass ausnahmsweise unter gewissen noch nicht genau bekannten 
Bedingungen der Gelbfieberkeim von der Mücke, welche gestochen 
hat, auf ihre Nachkommenschaft übergeben kann. 

An der Hand von Abbildungen wird eine Beschreibung der zu den 
Culexarten gehörigen Stegomyia fasciata gegeben. Sie findet sich 
viel weiter als das Gelbfieber verbreitet, hauptsächlich in den tropischen 
Gegenden, kommt aber auch in Spanien und Portugal, in Nordamerika, in 
Japan und Südaustralien vor. Nur die Weibchen stechen; ohne vorherigen 
Blutgenuss legen sie keine Eier. Sie sind lichtscheu, ebenso wie ihre 
Larven und Puppen, stechen aber in ihrer Blutgier auch am Tage, am liebsten 
Menschen, aber auch Tiere (Ratten, Kanarienvögel). Ibre Entwickelung ist 
augenfällig von der Temperatur abhängig. Im Mückenhaus bei einer ständigen 
Temperatur von 27° sahen die Verff. in 5 Monaten 12 Generationen, bei ge- 
wöhnlicher Zimmerwärme nur 3 entstehen, und im Garten bei wechselnder 
Tages- und Nachtwärme kam nicht ein Mal die 2. Brut zum Ausschlüpfen. 
Als Brutplätze lieben sie dunkele Ecken und Winkel mit Wasser oder 
Feuchtigkeit. Zugluft ist ihnen sehr unangenehm. Aktive Wanderungen über 
grössere Entfernungen halten die Verff. bei ihnen für ausgeschlossen, aber Ver- 
schleppungen sowohl zu Lande wie zur See für möglich. Bei hierüber 
angestellten Versuchen blieben sie in Koffern bis zu 15 Tagen am Leben. Die 
Verff. haben versucht, mit dem Ultramikroskop von Siedentopf und 
Zsigmondy des Gelbfiebererregers habhaft zu werden; sie fanden damit im 
Blutseram feine Körperchen, die Molekularbewegungen zeigten, und in der 
Cerebrospinalflüssigkeit solche, die wie Schmetterlinge lebhaft durch das Ge- 
sichtsfeld flatterten, konnten beide Arten aber auch bei an anderen Krankheiten 
Leidenden und bei Gesunden nachweisen, so dass über ihre Bedeutung nichts 
entschieden ist. 

Klinische Beobachtungen konnten die.Verff. an 24 Kranken anstellen, 
welche während ihres Aufenthaltes in Rio im Gelbfieberhospital Sao Sebastiao 
Aufnabme fanden und von denen 15 starben. Die Inkubation beträgt zwischen 
41 und 137 Stunden, im Durchschnitt 3 Tage. Vorboten sind selten. Die 
erste Krankheitserscheinung ist ein Schüttelforst, während dessen die Tempe- 
ratur schnell hoch ansteigt, dann folgen heftige Kopf- und Kreuzschmerzen; 
kennzeichnend für Gelbfieber ist ein eigentümlicher Geruch der Ausat- 
mungsluft, der an frisch geschlachtetes Fleisch erinnert. Die Verff. unter- 


1040 Infektionskrankheiten. 


scheiden eine 3 tägige 1. Periode des Fiebers und der allgemeinen 
Reaktion und eine 2. mit Kollaps, Temperaturabfall und Krankheits- 
erscheinungen der einzelnen Organe, unter denen Gelbsucht, Eiweissharn 
und allerlei Blutungen obenan stehen. Die Therapie ist gegen die einzelnen 
Erscheinungen gerichtet. Nach neuen Feststellungen der französischen Kom- 
mission ist Serum von Gelbfieberkranken (nach dem 4. Krankheitstage) 
und von Genesenden von günstiger Wirkung, aber nicht in allen Fällen. 

Die örtliche Disposition für Gelbfieber hängt mit dem Vorkommen 
der Stegomyia zusammen, welche überall fehlt, wo die mittlere Nachttempe- 
ratur unter 220 bleibt, andererseits gewisse Lieblingsstellen (Brauereien, 
Bäckereien, Zuckersiedereien) hat, wo Lichtmangel, Wärme, Feuchtigkeit und 
zuckerhaltige Nahrung vereinigt sind. Da die Aussicht zu erkranken desto 
geringer wird, je länger der Aufenthalt an einem Gelbfieberort dauert, so 
‚muss eine gewisse allmählich eintretende Immunität bestehen; diese geht 
aber beim Verlassen des Gelbfieberortes wieder verloren. 

Ueber die Sterblichkeit haben die Verff. für Rio grösseres Material 
zusammengebracht. Danach hat Gelbfieber dort von 1850—1903 nur in drei 
Jahren gefehlt; 1000—3000 Todesfälle im Jahr sind 13 mal, 3000 bis 
5000 Todesfälle im Jahr 6mal vorgekommen. Im allgemeinen stieg die 
Zahl der Todesfälle mit der der Rinwanderungen; Ausländer starben 
häufiger als Brasilianer. Deutlich war stets die Abhängigkeit der 
Zahl der Todesfälle vom Steigen und Fallen der Luftwärme. Die Ein- 
fübrung allgemeiner Desinfektion im Jahre 1890 blieb ohne jeden 
Einfluss, im Gegenteil gerade die folgenden Jahre brachten besonders schwere 
Epidemien. Man schätzt die Sterblichkeit auf 50—70 v. H.; genaue Angaben 
können nicht gemacht werden, weil die Meldungen sehr unvollständig sind. 

Der Leichenbefund ergab stets weit deutlichere allgemeine Gelbsucht 
als die Beobachtung des Lebenden, zahlreiche kleine Blutaustritte, Blutarmut 
und gelbliche Verfärbung der Leber, gelbbräunliche Verfärbung und Verbrei- 
terung der Rindensubstanz der Niere, Blutreichtum des Verdauungskanals. Die 
bakteriologische Untersuchung des Bluts, des Harns und der Cere- 
brospinalflüssigkeit ergab in 3, der Fälle, dass diese Flüssigkeiten 
keimfrei waren, bei den übrigen waren Bakterien aus der Gruppe des Bact. 
coli vorhanden. Den echten Sanarellischen Bac. icteroides fanden die 
Vert. niemals, im Gegensatz zu Bandi (vgl. diese Zeitschr. 1904. S. 943). 
und sprechen sich gegen dessen ursächliche Bedeutung aus. 

Die Massregeln zur Bekämpfung der Krankheit müssen sich nach Vor- 
stehendem gegen den Kranken und gegen die Stechmücken richten. 
Der Gelbfieberkranke wird in seinem Hause oder im Krankenbause vor Mücken- 
stichen durch Netze geschützt; die in seiner Nähe befindlichen infektionsver- 
dächtigen Mücken werden durch Insektenpulver-Räucherungen betäubt, 
gesammelt und verbrannt oder durch schweflige Säure getötet; die 
Mücken werden überhaupt nach Möglichkeit ausgerottet. Diese 
Grundsätze, nach denen man in Havanna verfahren ist, haben sich auch in 
Rio bewährt. Bei der Generaldirektion de Saude publica ist ein „serviço de 
prophylaxia especifica da febre amarella“ eingerichtet mit einer Brigade von 


Infektionskrankheiten. 1041 


Aerzten, Aufsehern und Unterbeamten von mehreren hundert Köpfen, welche 
in eine Sektion zur Isolierung der Kranken und Reinigung der Häuser und 
der Umgebung der Kranken und in eine Sektion zur gesundheitlichen Ueber- 
wachung der Krankheitsherde zerfällt. Unter den allgemeinen Massregeln 
steht das Aufgiessen von Petroleum auf Wasserflächen (10 g auf 1 qm) 
obenan und hat gute Erfolge, die auch die Verff. bestätigt fanden. Wo 
irgend möglich, werden die Wasseransammlungen durch Trockenlegung des 
Bodens und Beseitigung von Flaschen, Konservenbüchsen u.s. w. 
beseitigt. Wasserbecken, Springbrunnen und dergl. werden mit einem Fisch 
(Barrigudo) besetzt, der alle Mückenlarven und -puppen, deren er 
babhaft werden kann, auffrisst. In den Kanälen der Stadt werden die 
Mücken (und zugleich die Ratten) durch schweflige Säure, die mit 
Clayton- Apparaten entwickelt wird, getötet. 

Die persönliche Vorbeugung gegen Gelbfieber läuft ebenfalls darauf 
hinaus, Mückenstiche nach Möglichkeit zu vermeiden. Dazu gehört 
in Rio, dass man die Stadt vor Sonnenuntergang verlässt. Dazu dienen 
ferner Moskitonetze, welche unversehrt sein und die nötige Maschenform 
und -enge besitzen müssen, und endlich Einreibungen der Haut. Viele 
der hierzu empfohlenen Salben und Oele sind wirkungslos, einige ätherische 
Oele geben aber nach den Versuchen der Verff., wenigstens für kurze Zeit, 
Schutz. 

In Santos schützen die Hamburg-Südamerikanische Dampfschiffsgesellschaft 
und der Norddeutsche Lloyd ihre Schiffsbesatzungen während der Gelb- 
fieberzeiten dadurch, dass sie sie ausschiffen und an gelbfieberfreien Plätzen 
unterbringen, bis die Schiffe mit Hülfe einheimischer Arbeiter wieder klar 
zum Verlassen des Hafens sind. In Rio haben die brasilianischen Behörden 
neuerdiogs von (Quarantänen und Schiffsdesinfektionen Abstand genommen und 
begnügen sich mit Gesundheitsbesichtigungen, Ausschiffung der 
Kranken in eigene Seehospitäler am Hafen, Vernichtung der Mücken 
an Bord und ärztlicher Ueberwachung der Passagiere während 
13 Tagen. 

Für Deutschland balten die Verff. eine Gelbfiebergefahr nicht für 
vorhanden. Nötig ist aber, dass die Schiffsärzte mit Gelbfieber aus- 
reichend bekannt sind, und dass die übrige Besatzung durch Merkblätter. 
und dergl. über diese Krankheit und ibre Bekämpfung aufgeklärt wird. Für 
die deutschen Kolonien, welche innerhalb des Bereichs der Verbreitung 
der Stegomyia liegen, sind ähnliche Maassregeln wie in Brasilien er- 
forderlich. Globig (Berlin). ` 


Gudden, Gelbfiebermücken an Bord. Arch. f. Schiffs- u. Tropenhyg. 
Bd. 9. S. 298. 

Verf. hat in mehreren Wasserbehältern, in denen Blumen gezüchtet wurden, 
Stegomyialarven gefunden. Bei dieser Gelegenheit kommt er auf die Be- 
kämpfung des gelben Fiebers auf Schiffen zu sprechen. Solche Epidemien 
sind selten, da die Krankheit nur in den ersten drei Tagen übertragbar ist 
und die Parasiten zur Entwickelung im Körper der Stegomyia 14 Tage brauchen. 


1042 Infektionskrankheiten. 


Die Mücken fliegen in der Dämmerung zum Fenster hinaus und wieder hinein; 
es ist daher, wenn Krankheitsfälle an Bord sind, anzuraten, die Fenster zu 
öffnen und nicht unter 10—12 Meilen zu fahren, da die Mücken dann nicht folgen 
können. Ausserdem sind die Kranken selbstverständlich sobald als möglich 
auszuschiffen. Kisskalt (Berlin). 


Greef, Was haben wir von einer staatlichen Trachombekämpfung 
zu erwarten? Berl. klin. Wochenschr. 1905. No. 32. S. 999—1001. 

Das Trachom ist die verbreitetste Volkskrankheit und kommt, wenn auch 
nicht gleichmässig, auf der ganzen Erde vor. In trachomfreien Gegenden 
finden sich Strecken, auf denen das Trachom immer zu Hause ist. Bei uns 
sind besonders Ost- und Westpreussen, dann Posen, Niederbessen, das Eichs- 
feld und etwas der Niederrhein befallen. 

Von wesentlichem Einfluss in der Trachombekämpfung ist die Hebung 
der Kultur. Besonders wichtig scheint die Versorgung der Bevölkerung mit 
fliessendem Wasser zu sein, da dadurch die Gelegenheit zur Lebertragung der 
Krankheit erheblich verringert wird. Daneben kommt der Einfluss der 
Tätigkeit tüchtiger Augenärzte in Betracht. Die Unterrichtung der in Trachom- 
gegenden prakticierenden Aerzte in der Erkennung und Behandlung der Krank- 
heit, besonders aber die dortige Ansiedelung tüchtiger Augenärzte mit staat- 
licher Subvention, um sie in den Stand zu setzen, unbemittelte Kranke 
unentgeltlich aufnehmen und behandeln zu können, würde die vorzüglichste 
Massnabme sein, der Krankheit allmählich Herr zu werden. 

Würzburg (Berlin). 


Moler R., Beitrag zur Aetiologie und Therapie des Heufiebers. Auf 
Grund des vom Vorstande des „Heufieberbundes von Helgoland“ zusammen- 
getragenen Materials u.s. w. Münch. med. Wochenschr. 1905. S. 1585. 

Verf. hat als Beitrag zur Aetiologie und Therapie des Heufiebers 
das in den letzten 3 Jahren gesammelte Material des etwa 800 Mitglieder 
betragenden „Heufieberbundes“ verarbeitet. Die Frage nach der Aetiologie 
ist als erledigt anzusehen, nachdem durch die Arbeiten Dunbars und 

Weichardts das specifische Gift in den Blütenpollen namentlich ver- 

schiedener Grasarten nachgewiesen ist. Das Heufieber ist somit als Intoxi- 

kationskrankheit anzusehen. Interessant ist das erneute Auftreten der be- 
reits geschwundenen Heufiebersymptome bei der im letzten Sommer ausnahms- 
weise auftretenden zweimaligen Gräserblüte. Bezüglich der Disposition 
liess sich feststellen, dass die meisten Erkrankten zwischen dem 16. und 

25. Lebensjahre zum ersten Male von Heufieber befallen werden, und zwar 

handelt es sich fast nur um Angehörige der besseren und gebildeten Kreise. 

Die einmal gezeigte Disposition für Heufieber verliert sich nie wieder. Die 

Erblichkeit scheint bei der Disposition für diese Krankheit eine Rolle zu 

spielen, ebenso ist die Nervosität hierbei von Bedeutung. Was die Therapie 

betrifft, so scheint als prophylaktische Massnahme der vom Verf. konstruierte. 
in der Nase zu tragende Schutzapparat eine sichere Wirkung herbeizuführen. 

Ueber die specifischen Mittel Pollantin (Dunbar) und Graminol 


Gesetze und Verordnungen. 1043 


(Weichardt) lässt sich noch kein abschliessendes Urteil über ihre Wirk- 
samkeit abgeben. Baumann (Metz) 


Gesetze und Verordnungen. 


Im Regierungsbezirk Arnsberg ist folgende Verfügung betr. Genickstarre 
erlassen worden: 

Anleitung zur Feststellung der Bekämpfung der epidemischen 
Genickstarre. 

I. Als epidemische Genickstarre sind anzusehen: 

1. Alle Infektionen mit den Weichselbaumschen Diplokokken, gleichgiltig, 
ob sie zu leichten Störungen des Wohlbefindens oder zu den schwersten Formen 
der Entzündung des Hirn- oder Rückenmarkes geführt haben, 

2. allo Infektionen der Hirn- oder Rückenmarkshäute, bei denen die Fraenkel- 
schen Diplokokken allein im Liquor cerebrospinalis gefunden worden sind, 

3. alle Erkrankungen, die auf ein Befallensein der Hirn- und Rückenmarkshäute 
deuten und welche epidemiologisch mit den Fällen zu 1. und 2. in Zusammenhang 
stehen, sofern eine andere Krankheitsursache (Trauma, Tuberkulose, Typhus, Intoxi- 
kation, Influenza, Pneumonie, Otitis media, Hirnabscess, Septikämie, Spondylitis, 
Tetanus u. a.) nicht sicher auszuschliessen ist, 

4. alle klinisch deutlichen Erkrankungen der Hirn- und Rückenmarkshäute, 
deren Ursache bakteriologisch und epidemiologisch nicht klargestellt ist. 

II. Die Feststellung hat zunächst die Diagnose zu sichern, sofern dies nicht 
bereits seitens des behandelnden Arztes geschehen ist. Die Diagnose ist zu stellen auf 
Grund der klinischen, bakteriologischen, pathologisch-anatomischen 
und epidemiologischen Tatsachen. 

A. Unter No. 14 desT'ragebogens ist deshalb eine genaue Krankengeschichte 
zu liefern vom Beginn der ersten Krankheitssymptome bis zum Tage der Feststellung, 
und diese Krankengeschichte ist durch Nachtragsberichte jeden 10. Tag zu ergänzen. 

B. Möglichst in allen Fällen ist behufs bakteriologischer Prüfung die Erlaubnis 
zur Lumbalpunktion, die natürlich nicht erzwungen werden kann, von den Er- 
krankten bezw. deren Vertretern und dem behandelnden Arzte zu erwirken. Die ent- 
nommene Probe ist in Dortmund-Stadt dem städtischen bakteriologischen Laboratorium, 
in den übrigen Kreisen dem Gelsenkirchener Institut zu übersenden. 

C. Die Sektion der Leichen der unter genickstarreverdächtigen Erscheinungen 
Verstorbenen kann nicht erzwungen werden. Der Kreisarzt hat aber in Gemeinschaft 
mit dem behandelnden Arzte auf die Ausführung der Leichenöffnung hinzuwirken 
und, wenn er sie nicht persönlich vornimmt, ihr persönlich beizuwohnen. Bei der 
Sektion sind Proben zur bakteriologischen Untersuchung zu entnehmen. 

D. Die Ergebnisse der epidemiologischen Nachforschung sind unter Um- 
ständen für die Diagnose verwertbar, wenn sie positiv ausgefallen sind. Es ist aber 
ganz unzulässig, einer unaufgeklärten Erkrankung lediglich deshalb den Charakter der 
epidemischen Genickstarre abzusprechen, weil ein Zusammenhang mit früheren Fällen 
nicht hat aufgefunden werden können, oder weil gleichzeitige Massenerkrankungen 
(Epidemie) noch nicht vorliegen. 

Ill. Das Hauptziel der kreisärztlichen Feststellung ist die Feststellung der 
Wege, welche die Erreger eingeschlagen haben, um von einem Menschen- 
körper in den anderen zu gelangen. Die Lösung dieser Aufgabe erfordert in der Regel 


1044 Gesetze und Verordnungen. 


soviel Zeit und Mühe, dass unter Umständen mehrere Tage dafür angesetzt werden 
müssen. Keinesfalls kann es gebilligt werden, dass der Kreisarzt bereits nach 1- bis 
2stündiger Tätigkeit auf weitere Nachforschungen verzichtet und die Frage 13 des 
Fragebogens mit der Bemerkung: „Nicht zu ermitteln“ abfertigt. Die Nachforschungen 
sind in jedem Falle darauf zu richten, ob die Infektion in der Wohnung oder ausser- 
halb derselben stattgefunden hat. Ersterenfalls bestehen folgende Möglichkeiten: 

A. Dass ein Kranker, Genesender oder Genesener, aber noch mit den 
Keimen Behafteter die Erreger übertragen hat. (Die Angehörigen des Hausstandes 
und unter Umständen des ganzen Hauses sind zu untersuchen und, wenn der Er- 
krankte innerhalb der letzten 9 Monate die Wohnung gewechselt hat, auch die der 
früheren Wohnung.) 

B. Dass ein gesunder Hausinsasse als Zwischenträger die Keime in die 
gemeinschaftliche Wohnung mitgebracht und übertragen hat. Hier würde auf die 
Schiaf-, Tisch- und Spielgenossen, die Personen, welche die Schlafstube und die 
Wäsche reinigen, auf die gemeinschaftliche Benutzung von Kleidern, Betten, Wäsche, 
Taschentüchern besonders zu achten sein. 

C. Dass ein Besucher des Hauses die Keime in die Wohnung verschleppt 
hat. Hier kommen die Spielgenossen und Schulkameraden erkrankter Kinder, Zeitungs- 
träger, Milchleute, Lumpensammler, Laufburschen, Kassenkontrolleure, Beauftragte 
gemeinnütziger Vereine, Diakonissen und Schwestern, Wachfrauen, Verwandte und 
Freunde der Angehörigen des Hausstandes in Frage. 

D. Dass die Keime mit dem Sachenverkehr in die Wohnung verschleppt 
sind. Hier ist das Augenmerk zu richten auf den Nahrungsmittelverkehr, 
namentlich auf den Verkehr mit Milch, auf den Verkehr mit Kleidern, Wäsche, Betten, 
auf Zeitungen und Bücher, auf Sendungen von ausserhalb und auf Kinderspielzeug, 
namentlich solches, das von Lumpensammlern abgegeben ist. 

Die Infektion ausserhalb der Wohnung kann stattgefunden haben in Kinder- 
bewahranstalten, Schulen und Kirchen, Konfirmandenschulen u. s. w., Näh- und 
Kochschulen, in Gastwirtschaften, in Versammlungen, in Kaufläden und Barbierge- 
schäften. 

Nach allen diesen Richtungen sind die Nachforschungen zu erstrecken und erst 
aufzugeben, wenn jede Möglichkeit ausgeschlossen erscheint, den Fall aufzuklären. 

Zur Erleichterung dieser Arbeit wird den Kreisärzten die Meldung aller an Hirn- 
leiden verstorbener Personen zugehen. Der Kreisarzt hat diese Fälle in ein mit 
„Todesfälle durch Gehirnleiden“ bezeichnetes Verzeichnis einzutragen und alle Fälle, 
bei denen nach seinem pflichtmässigen Ermessen der Verdacht auf Genickstarre nicht 
ausgeschlossen ist, festzustellen und die Todesursache zu ermitteln. 

Ausserdem sind die Polizeibeamten bezw. Gesundheitsaufseher angewiesen, eine 
Liste der Iausinsassen und Besucher des Hauses anzufertigen und dem Kreisarzt 
bei der Feststellung zu überreichen. In der Liste sind enthalten: Vor- und Zunamen 
Alter, Familienstand bezw. Beziehungen zum Haushaltungsvorstand, Datum des Ein- 
zugs in die Wohnung und der Ortschaft, Stand, Beruf, Beschäftigungsart und Be- 
schäftigungsort, Schulen, welche besucht werden. 

Endlich ist von den Polizeibehörden Namen, Stand, Alter und Wohnung der 
seit dem Jahre 1882 an Genickstarre erkrankten Personen zu erfragen, danach das 
Genickstarreverzeichnis zu vervollständigen und der Versuch zu machen, die neuen 
Fälle mit den alten in Verbindung zu setzten. 

IV. Nach Feststellung des Falles hat der Kreisarzt sofort dem Gesundheitsaufseher 
und der Polizeibehörde die Massnahmen mitzuteilen, welche zur Verhütung 
weiterer Uebertragung notwendig sind, und, wenn Gefahr im Verzuge ist, selbst- 


Kleinere Mitteilungen. 1045 


ständig anzuordnen. Namentlich hat er dem Gesundheitsaufseher genau die Gegen- 
stände und Räume zu bezeichnen, welche der Desinfektion unterworfen werden 
sollen, und in jedem Falle die Desinfektion persönlich zu überwachen und für deren 
Erfolg die Verantwortung zu übernehmen. Nur in Ausnahmefällen wird die Formalin- 
desinfektion der Sachen genügen, in der Regel hat die Desinfektion im strömenden 
Wasserdampf Platz zu greifen. (Veröff. d. Kais. Ges.-A. 1906. No. 24. S. 593.) 
Baumann (Metz). 


A Kleinere Mitteilungen. 


(G) In Gegenwart des Grossherzogs und der Grossherzogin von Baden findet am 
25. September d. J. die Einweihungsfeier des Instituts für Krebsforschung zu 
Heidelberg statt; daran schliesst sich an die vom 25.—27. September in Heidel- 
berg und Frankfurt a. M. tagende Internationale Konferenz für Krebs- 
forschung. Bei Gelegenheit der letzteren werden folgende Vorträge gehalten werden: 
v. Leyden, Ueber das Problem der kurativen Behandlung der Carcinome des Menschen ; 
Exc. Czerny, Ueber unerwartete Krebsheilungen; Frhr. v. Dungern, Verwertung 
specifischer Serumreaktionen für Carcinomforschung; Werner (Heidelberg), Zur Ge- 
nese der Malignität der Tumoren; Fromme (Halle), Demonstration über das Ver- 
halten der Mastzellen beim Carcinom; Goldmann (Freiburg), Die Beziehungen dor 
Carcinome zu den Gefässen; Völcker (Heidelberg), Demonstration von Magen- und 
Darmkrebsen; Lewisohn (Heidelberg), Zur Behandlung maligner. Tumoren mit 
Röntgenstrahlen; P. Ehrlich, Bericht über die Untersuchungen des Institutes für 
experimentelle Therapie, sowie Demonstration der Präparate der Sammlung des In- 
stituts für experimentelle Therapie (in Gemeinschaft mit Dr. Apolant); Herxheimer 
und Hübner (Frankfurt), Ueber die Röntgentherapie der Hautcareinome mit Demon- 
strationen behandelter Fälle aus dem Lichtheilinstitut der Hautkrankenstation; Spiess 
(Frankfurt), Experimentelle Heilversuche an Mäusecarcinomen; Henke(Charlottenburg) 
Zur pathologischen Anatomie der Mäusecarcinome; Lubarsch (Zwickau), Ueber 
destruierendes Wachstum und Bösartigkeit der Geschwülste; Haaland (Christiania), 
Ueber Mctastasenbildung bei transplantierten Sarkomen der Maus; Zimmermann 
(Budapest), Die Entstehung des Krebses; Histogenese multipler Hautkrebse; Albrecht 
(Frankfurt), Vorschläge zu einem natürlichen System der Geschwülste; Demonstration 
seltener Geschwülste; Leaf (London), The cause of Cancer of the Breast (clinical) 
with some remarks upon the connection between irritation and the production of 
malignant growth (experimental); Blumenthal (Berlin), Die chemische Abartung 
der Zellen beim Krebs; L. Michaelis (Berlin) a) Ueber Versuche zur Erzielung einer 
Krebsimmunität bei Mäusen; b) Transplantierbares Rattencareinom; W. Loewenthal 
(Berlin), a) Untersuchungen über die Taubenpocke; b) Demonstration von Zellen mit 
Kernveränderungen in der Karpfenpocke; Bergell (Berlin), Zur Chemie der Krebs- 
geschwülste; Carl Lewin (Berlin), Ueber Versuche, durch Uebertragung von mensch- 
lichem Krebsmaterial verimpfbare Geschwülste bei Tieren zu erzielen; Sticker 
(Berlin), Ueber endemisches Vorkommen des Krebses; Behla (Stralsund) Ueber Be- 
ziehungen zwischen Wasser und Krebs mit kartographischen Demonstrationen; Prin- 
zing (Ulm), Das Gebiet hoher Krebssterbliehkeit im südlichen Deutschland und in 
den angrenzenden Teilen Oesterreichs und der Schweiz; Dollinger (Budapest), Ein 
Ergebnis der vom Komitee für Krebsforschung des Budapester Königlichen Aerzte- 
vereins veranstalteten Sammelforschung; George Meyer (Berlin), Ueber die Vere 
sorgung Krebskranker. 


1046 Kleinere Mitteilungen. 


s (G) Für den XIV. Internationalen Kongress für Hygiene und Demo- 
graphie, der vom 23.—29. September 1907 in Berlin stattfindet, hat das Organi- 
sationskomitee die Präsidenten, Vicepräsidenten und Sekretäre der einzelnen Sektionen 
gewählt: 

Sektion I. Hygienische Mikrobiologie und Parasitologie. Präs. Flügge (Breslau), 
Vice-Präs. Löffler (Greifswald), Sekr. Weber (Gross-Lichterfelde). 

Sektion II. Ernährungshygiene und hygienische Physiologie. Präs. Rubner 
(Berlin), Vioe-Präs. Forster (Strassburg i. E.), Sekr. Ficker (Berlin) und Kisskalt 
(Berlin). 

Sektion III. Hygiene des Kindesalters und der Schule. Präs. Heubner (Berlin), 
Vice-Präs.v.Esmarch (Göttingen), Sekr. Neumann (Berlin) und Langstein(Berlin). 

Sektion IV. Berufshygione und Fürsorge für die arbeitenden Klassen. Präs. Renk 
(Dresden), Vice-Präs. Fraenkel (Halle a. S.), Sekr. Kayserling (Berlin). 

Sektion V. Bekämpfung der ansteckenden Krankheiten und Fürsorge für Kranke. 
Präs. Gaffky (Berlin), Vice-Präs. Kossel (Giessen), Sekr. Lentz (Charlottenburg). 

Sektion VI. A. Wohnungshygiene und Hygiene der Ortschaften und der Ge- 
wässer. Präs. Gruber (München), Vice-Präs. Gärtner (Jena), Sekr. Lennhoff 
(Berlin). B.Hygienedes Verkehrwesens. Präs. Sch wech ten (Berlin), Vice-Präs, Blume 
(Philippsburg i. B.), Sekr. Ramm (Charlottenburg-Westend). 

Sektion VII. Militärhygiene, Kolonial- und Schiffshygiene. Präs. Kern (Berlin), 
Vice-Präs. Ruge (Kiel), Sekr. Kuhn (Gross-Lichterfelde). 

Sektion VIII. Demographie. Präs. van der Borght (Berlin), Vice-Präs. v. Mayr 
(München), Sekr. Leo (Berlin-Dahlem). 


(:) Deutsches Reich. Jahresberichte der Gewerbeaufsichtsbeamten 
und Bergbehörden für das Jahr 1904. 

Die Zahl der revidierten Anlagen betrug im Berichtsjahre 118800 (im Vorjahre 
102576), die der vorgenommenen Revisionen 186213 (167341). Davon entfielen auf: 
Bergbau, Hütten- und Salinenwesen, Torfgräberei 39398 (39531), die Industrie der 
Steine und Erden 22066 (20862), der Metallverarbeitung 11139 (10135), der Maschinen, 
Werkzeuge, Instrumente, Apparate 11299(10462), diechemischeIndustrie3321(33741 1, 
auf die Industrie der forstwirtschaftlichen Nebenprodukte, Leuchtstoffe, Fette, Oele 
und Firnisse 3176 (2925), die Textilindustrie 12737 (12403), die Papierindustrie 
4091 (3535), die Lederindustrie 2331 (2110), die Industrie der Holz- und Schnitzstoffe 
17117 (15320), die Industrie der Nahrungs- und Genussmittel 38562 (32567), der 
Bekleidung und Reinigung 11769 (6005), das Baugewerbe (Zimmerplätze und andere 
Bauhöfe) 2355 (1901), das poligraphische Gewerbe 5586 (4964), auf sonstige Industrie- 
zweige 1266 (947). Die Gesamtzahl der im Berichtsjahre im Deutschen Reiche der 
Gewerbeaufsicht unterstehenden gewerblichen Anlagen betrug 215279 (184253) mit 
5361245 (5053976) Arbeitern. Jugendliche Arbeiter wurden in insgesamt 74862 
62905) Betrieben und über 16 Jahre alte Arbeiterinnen in 69854 (48706) Betrieben 
beschäftigt. Uuter den jugendlichen Arbeitern befanden sich 9642 (8919) Kinder 
unter l4 Jahren und 127484 (106175) Mädchen im Alter von 14—16 Jahren. Von 
den 958103 (399338) in Fabriken tätigen erwachsenen Arbeiterinnen hatten 608129 
(970803) das 21. Lebensjahr überschritten. Wie im Vorjahre wurden die meisten 
Kinder unter 14 Jahren, nämlich 2648 (2752) in der Textilindustrie beschäftigt, bei 
der zugleich die grösste Zahl von jungen Leuten von 14—16 Jahren, nämlich 72383 
(72076), und von Arbeiterinnen über 16 Jahren, nämlich 377773 (374824), vorhanden 
war. Von je 100 jugendlichen Arbeitern entfielen die meisten, 20,3 (22,2), auf die 
Textilindustrie, demnächst 12,1 (12,3) auf die Metallverarbeitung und 11,6 (11,5) 


Kleinere Mitteilungen. 1047 


auf die Industrie der Maschinen, Werkzeuge, Instrumente, Apparate. Am wenigsten 
jugendliche Arbeiter, nämlich 0,6 (0,6)°/o, fanden sich in der Industrie der forstwirt- 
schaftlichen Nebenprodukte u. s. w., danach 1,3 (1,3) in der Lederindustrie und 1,4 
(1,4) in der chemischen Industrie. Erwachsene Arbeiterinnen waren ausser in der 
Textilindustrie mit 38,2 (41,7)°/o noch besonders zahlreich in der Industrie der Be- 
kleidung und Reinigung, 17,5 (12,2)°/, und der für Nahrungs- und Genussmittel 13,5 
(14,2)°/ tätig 

Wegen Zuwiderhandlungen gegen Gesetze und Verordnungen über die Be- 
schäftigung von jugendlichen Arbeitern sind im Berichtsjahre insgesamt 1847 (1370) 
Personen bestraft worden und wegen Zuwiderhandlungen gegen Gesetze und Ver- 
ordnungen über die Beschäftigung von Arbeiterinnen 803 (464). 

Bewilligung für Ueberarbeit wurde für Wochentage ausser Sonnabends im 
ganzen 208796 (202279) Arbeiterinnen erteilt und für Sonnabend 14165 (10796); am 
meisten sind vergleichsweise in der Textilindustrie und danach in der Industrie für 
Nahrungs- und Genussmittel Ueberstunden gewährt worden. 

Aus den Mitteilungen über Berufskrankheiten ist folgendes hervorzuheben: 
Bleivergiftungsfälle sind gemeldet aus Bleifarbenfabriken, Bleihütten, Zinkhütten, 
Akkumulatorenfabriken, Falzziegeleien, Töpfereien, Porzellanfabriken, Ofenfabriken, 
Majolikafabriken, einer Fabrik keramischer Farben, einem Bleirohr- und Bleiwalzwerk, 
einer Bleikabelfabrik, aus Feilenhauereien, Klempnereien, Installationsgeschäften, bei 
einem Kupferschmied, bei Bleilötern, Bleischleifern in einer Britanniawarenfabrik, aus 
einem Bleiwarengeschäft, bei Schriftsetzern, Arbeitern an der Setzmaschine, Schrift- 
giessern, Stereotypeuren, Notenstechern, aus galvanoplastischen Anstalten, litho- 
graphischen Anstalten, Messstabfabriken, Lackfabriken, bei Malern, Anstreichern und 
Lackierern. Bemerkenswerte Ergebnisse über die Häufigkeit von Bleierkrankungen 
unter den Mitgliedern der Ortskrankenkasse in Frankfurt a. M. hat die Bearbeitung 
der Krankenkarten dieser Klasse für das Jahr 1903 ergeben. Unter den etwa 53000 
in diesem Jahre angemeldeten Erkrankungsfällen befanden sich 284 Fälle von Blei- 
kolik und Bleivergiftungen und 581 wahrscheinlich damit zusammenhängende „Krank- 
heitserscheinungen“. Von diesen 284 (581) Fällen betrafen 171(205) Maler, Weissbinder, 
Lackierer, 43 (266) Schriftgiesser, Schriftsetzer und andere in Buchdruckereien 
beschäftigte Personen, 14 (74) Spengler und Installateure, 37 (18) Arbeiter in 
Akkumulatorenfabriken, 19 (18) in sonstigen Betrieben beschäftigte Personen. Dabei 
betrug im Jahre 1903 die Anzahl der Kassenmitglieder 70604, und berechnet sich für 
diese Zeit die Gesamtzahl der versicherten Maler, Weissbinder und Lackierer auf 
1484, der Schriftsetzer, Buchdrucker und Schriftgiesser auf 1689, der Spengler und 
Installateure auf 826; danach sind von den Malern u. s. w. 11,6, den Schriftsetzern 
u. s. w. 2,6 und Spenglern u. s. w. 1,7°/, an Bleivergiftung erkrankt. 

Angeführt seien hier auch die Mitteilungen über die Bleivergiftungsfälle, die im 
Jahre 1904 unter den Mitgliedern der Leipziger Ortskrankenkasse festgestellt worden 
sind. Gezählt wurden dort insgesamt 371 Bleierkrankungen, davon 75 bei Malern und 
Lackierern, 130 bei Schriftsetzern, 58 bei Schriftgiessern, 9 bei Notenstechern, 11 bei 
Klempnern, 60 bei Arbeitern in Buchdruckereien, galvanoplastischen Anstalten, Mass- 
stabfabriken, Bleirohr- und Walzbleibetrieben, 28 bei Arbeitern in sonstigen Industrie- 
zweigen. Besonders hervorzuheben ist ferner, dass nach den Berichten im Jahre 1904 
in der Bleiweiss- Mennige- und Nitritfabrik zu Burgbrohl mit 130 Arbeitern, sowie in 
der Bleiweiss- und Mennigefabrik zu Bendorf Bleikrankheiten überhaupt nicht vor- 
gekommen sind. Gegenüber den ungünstigen Gesundheitsverhältnissen in der bei 
weitem grössten Zahl der sonstigen Bleiweiss- und Mennigefabriken ist dies geradezu 
überraschend. Die Versuche, die in ausgedehntem Masse in mehreren Bleibetrieben 


1048 Kleinere Mitteilungen. 


mit der Anwendung von Akremninseife zum Reinigen der Hände angestellt worden 
sind, ergaben, dass die Arbeiter diese Seife ungern benutzten, weil sie die Haut 
braun färbt. 

Fälle von Phosphornekrose sind im Berichtsjahre in Zündholzfabriken 8 fest- 
gestellt worden, in einer Zündbandfabrik 1. Geschwüre oder Durchlöcherungen der 
Nasenscheidewand sind bei 8 Arbeitern in einer Alkalichromatfabrik gelegentlich 
einer Untersuchung der Belegschaft dieser Fabrik gefunden worden. Das Arbeiten in 
chromhaltigen Lösungen soll in einzelnen Fällen bei Färbern die Ursache für das 
Auftreten von Ekzem an den Händen abgegeben haben. Centrifugenarbeiter in einer 
Oxalsäurefabrik litten infolge Einatmung verstäubter Oxalsäure angeblich an 
mangelndem Appetit, gelber Hautfarbe und Beklemniungen im Schlafo. Von gewerb- 
lichen Vergiftungen sind folgende Fälle mitgeteilt: mit Schwefelkohlenstoff 3 
(Gummiwarenfabrik), nitrosen Gasen 6(Anilinfabrik, Salpetersäurefabrik, Metallbrenne), 
Schwefelwasserstoff 1 (Superphosphatfabrik), Arsenwasserstoff 1, Blausäure 1 (Cyan- 
alkalieanlage), Anilin 10 (Anilinfabrik). In einer Fabrik sollen die Arbeiterinnen, die 
seit Jahren Zaponlack zu verwenden hatten, infolge Einatmung von Amyläther an 
heftigem Kopfschmerz und Nervosität gelitten haben. Kohlenoxydvergiftungen sind 
20 vorgekommen, davon 17 infolge der neuerdings stark in Aufnahme gelangten Ver- 
wendung von Sauggas und Wassergas. Die Maschinenräume der Sauggasanlagen 
sollen infolge mangelhafter Betriebseinrichtungen oft grosso Mengen dieses Gases 
enthalten. In einer Gasanstalt ist beim Räumen des mit Eisenerz beschickten Reinigers 
eine Gasvergiftung beobachtet worden. Fälle von gewerblichem Milzbrand sind 51 
berichtet (darunter 11 mit tödlichem Ausgange), und zwar 35 (5) aus Gerbereien, 13 
(6) aus Rosshaarfabriken und dergl., sowie je 1 aus einer Wollkämmerei, einer Tier- 
haarveredelungsanstalt und einer Kadaververwertungsanstalt; mehrere in 2 Gerbereien 
der Pfalz vorgekommene Erkrankungen und Todesfälle werden noch erwähnt. 

In den Thomasschlackonmühlen ist eine durchgreifende Besserung im Ge- 
sundheitszustand der dort beschäftigten Arbeiter noch nicht eingetreten. Im Berichts- 
jahre sind in 4 Betrieben (Reg.-Bez. Düsseldorf und Trier) mit durchschnittlich 88, 
112, 90 und 258 Arbeitern 6, 2, 3, 2 an Lungenentzündung gestorben, während in 
3 anderen Anlagen mit zusammen 24 Arbeitern 1 Mann dieser Krankheit erlag; in 
5 Mühlen der Reichslande mit zusammen 237 Arbeitern kamen 3 Todesfälle vor. Das 
Auftreten von Ekzem ist u. a. aufgefallen bei Arbeitern in der Mikanitabteilung eines 
Kabelwerks, bei Walkerei- und Färbereiarbeitern, Kupferdrahtziehern, Möbelpolierern, 
Arbeitern in einem Kaliwerke, die Salz zu zerkleinern hatten. Akne wurde gesehen 
bei Arbeitern, die bei der Herstellung von Dachfalzziegeln und Zementsteinen mit 
Paraffin in Berührung kommen, Arbeitern in einer Eisenbahnschwellen-Imprägnier- 
anstalt, Arbeitern einer Vernickelungsanstalt am Entfettungsbade und bei Arbeitern, 
die mit dem Einfüllen von Lederfett (aus Vaselin, Harz und Erdpech) beschäftigt 
waren. Eigenartige Schädigungen der Haut und des Haarwuchses wurden in 2 Fabriken 
für Röntgenstrahlen festgestellt, die bei der Herstellung solcher Röhren sich 
häufig der Einwirkung der Röntgenstrahlen auszusetzen hatten. 

Aus den Berichten der Bergbehörden geht hervor, das die Wurmkrankheit 
(Ankylostomiasis) im Berichtsjahre ganz wesentlich zurückgegangen ist; die Beleg- 
schaften, die im Vorjahre noch etwa 40— 70°, Kranke aufzuweisen hatten, zählten 
deren nur noch etwa 3-9 %g. (Veröff. d. Kais. Ges.-A. 1906. No. 16. S. 387.) 


Verlag von August Hirschwald, Berlin N.W. — Druck von L. Schumacher in Berlin N. 24. 


Hygienische Rundschau. 


Herausgegeben 
von 


Dr. Carl Fraenkel, Dr. Max Rubner, Dr. Carl @ünther, 


Geh. Mod.-Rat, Prof. der Hygieno Geh. Med.-Rat, Prof. dor Hygiene Geh. Med.-Rat, a.o.Prof. der Hygiene 
in Hallo a./S. in Berlin, in Berlin. 


XVI. Jahrgang. 


erlin, 1. Oktober 1906. 19. 


(Aus dem hygienischen Institut zu Göttingen. 
Direktor: Prof. Dr. E. v. Esmarch.) 


Bericht über die Tätigkeit des bakteriologischen 
Untersuchungsamtes am Institut für medizinische Chemie und Hygiene zu 
Göttingen im ersten Jahre 1905/06. 


Von 


Werner Rosenthal, 
Assistenten am Institut. 
(Fortsetzung und Schluss aus No. 18.) 


I. 

Diesem Bericht füge ich Bemerkungen überdie Methoden der Untersuchung 
und die Grundsätze der Beurteilung, die im Untersuchungsant Göttingen be- 
folgt wurden, an. Bei dem vergleichsweise kleinen Material mag das etwas 
kühn erscheinen. Aber dafür ist dasselbe fast ausschliesslich von dem Bericht- 
erstatter selbst in sehr gleichmässiger Weise bearbeitet worden, was es recht- 
fertigen mag, wenn er abweichende Meinungen auch gegenüber Arbeiten ver- 
tritt, die sich auf viel grössere statistische Zahlen stützen. Und ausserdem 
ist die Aufgabe, möglichst zahlreiche bakteriologische Untersuchungsämter 
mit verhältnismässig geringen Mitteln zu nützlicher Tätigkeit zu befähigen, 
gegenwärtig so dringend, dass auch geringfügige technische Ratschläge, die 
tastende Versuche und überflüssige Arbeit zu ersparen geeignet erscheinen, 
wohl der Mitteilung wert sind. 

Bei dem Nachweis der Tuberkelbacillen im Sputum wurde, wenn die 
ersten Untersuchungen negativ ausfielen, die Homogenisierung und Sedimentierung 
nach Biedert-Czaplewski ausgeführt und in einer Reihe von Fällen mit 
Erfolg; von der Czaplewskischen Vorschrift!) wurde einzig in der Beziehung 
abgewichen, dass sofort nach dem Neutralisieren mit Essigsäure centrifugiert 
wurde, da die eingesandten Sputumproben kaum je reichlicher sind, als dass 
sich das ganze Material auf einmal (mit einer Turbinencentrifuge) verarbeiten 


1) Zeitschr. f. Tuberkul. u. Heilst. 1906. S. 387. 


1050 Rosenthal, 


liesse. Dadurch dauert das Verfahren bis zum Ausstreichen des Sediments 
höchstens !/, Stunde. 

Bei der Untersuchung sonst sterilen Materials auf Tuberkelbacillen (Pleura- 
exsudat, Eiter aus Gelenken, Cerebrospinalflüssigkeit) wurde mit guten posi- 
tiven Erfolgen die Aussaat auf Glycerinwasserkartoffeln geübt!); dem Bericht- 
erstatter erscheint diese, anscheinend noch wenig verbreitete Methode in solchen 
Fällen dem Tierexperiment gleichwertig, vor dem sie, neben der grossen Billig- 
keit und der Zeitersparnis, sogar den Vorteil zu haben scheint, dass zuweilen 
schon nach 3—4 Wochen deutliche Tuberkelbacillenkolonien auf den Kartoffel- 
cylindern vorhanden sind, während doch die geimpften Meerschweinchen erst 
nach 6 Wochen seciert werden dürfen und das Ergebnis, wenn die Tiere früher 
der Infektion erliegen, meist noch einer zeitraubenden histologischen Kontrolle 
bedarf. 

Bei den Diphtherieuntersuchungen wurden regelmässig Aussaaten auf 
Löfflerserum und Nähragar gemacht und die Untersuchung und Färbung nach 
Max Neisser [2. modif. Methode der Färbung?)] durchgeführt. Fast ausnahms- 
los, ausser nämlich in solchen Fällen, die erst abends nach Schluss der Amt- 
stunden eingeliefert wurden oder an Tagen mit sehr dringender anderer Ar- 
beit und bei denen schon am andern Morgen oder nach wenigen Stunden ein 
eindeutiges Kulturergebniss vorlag, wurde auch eine sorgfältige mikroskopische 
Untersuchung der Originalausstriche vorgenommen, und ich glaube, trotz der 
auf so reiche Erfahrungen gestützten Meinung von Scheller), dass diese 
wichtig genug ist, um durchgeführt zu werden,‘ wenn irgend die Arbeitskräfte 
der Untersucher ausreichen. 

Von 122 Fällen, in denen die erste Probe ein positives Ergebnis hatte, 
wurde nämlich in 28, also mehr als einem Fünftel der Fälle, schon allein 
auf die mikroskopische Untersachung hin eine positive Antwort erteilt; diese 
wurde zwar zur Vorsicht immer in die Form gekleidet, die Probe erscheine, 
auf die blosse mikroskopische Untersuchung hin, höchst verdächtig; in keinem 
Falle aber brauchte diese Antwort später korrigiert zu werden. Natürlich 
werden auch Fehldiagnosen mitunter vorkommen, aber nach unserer Erfahrung 
wohl kaum häufiger, als sie auch nach dem Ausfall der ersten Kulturproben 
und dem Nachweis der metachromatischen Polkörner in denselben, nach 
16 Stunden etwa, möglich sind. Denn in 3 Fällen wurde nach diesen Kri- 
terien eine positive Antwort erteilt, das Tierexperiment aber fiel negativ aus, so 
dass es unentschieden blieb, ob nicht Pseudodiphtheriebakterien vorgelegen hatten. 

Ueber die Beurteilung der Originalpräparate ist noch hervorzuheben, dass 
die sofortige Antwort nur erteilt wurde, wenn Gruppen typisch gelagerter 
und gestalteter Stäbchen mit Polkörnern beobachtet wurden. Wurden nur 


1) Die Vorschrift (Rinweichen der Kartoffeln und Zusatz von 5 proz. Glycerin- 
wasser) ist aus Krompecher und Zimmermann, Centralbl. f. Bakt. Abt. I. Bd. 33. 
1904. S. 550 entnommen; vgl. auch W. Hoffmann, diese Zeitschr. 1904. S. 305. 

2) Diese Zeitschr. 1903. S. 705. 

3) Robert Scheller, Beiträge zur Diagnose und Epidemiologie derDiphtheritis. 
Centralbl. f. Bakt. 1906. Abt. I. Bd. 40. S. 1. 


Bericht über die Tätigkeit des bakteriolog. Untersuchungsamtes zu Göttingen. 1051 


vereinzelte Hantelformen oder charakteristisch gelagerte Stäbchen, aber ohne 
Polkörner, gefunden, so wurde immer das Kulturergebnis abgewartet. Die 
Originalausstricbe wurden aber immer in mehreren, verschieden gefärbten 
Präparaten untersucht, regelmässig mit Löfflerblau, verdünnter Fuchsinlösung 
und Neisserscher Doppelfärbung, in allen zweifelhaften Fällen auch mit 
Gramfärbung. Die Untersuchung lässt sich gleichwohl rasch und übersicht- 
lich durchführen, wenn man einen Objektträger mit dem Fettfarbstift in Felder 
abteilt, in jedes mit dem Wattebausch einen Abstrich setzt und dann die 
Färbungen z. T. gleichzeitig auf dem horizontal gelagerten Objektträger, die 
Doppelfärbung nach Neisser durch Eintauchen des Endfeldes durchführt. 
Es wurde auch besonders auf Befunde von Plaut- Vincentscher Spirochäten- 
Fusiformis-Angina geachtet, aber kein einziger solcher Fall kam zur Beobachtung. 

Scheller ist der Ansicht, dass die mögliche Beschleunigung der Antwort 
durch die direkte Untersuchung die mehraufgewendete Mühe nicht lohne. Es 
ist gewiss den Aerzten anzuraten, mit den therapeutischen und prophylak- 
tischen Massnahmen, Serumeinspritzung und Isolierung, nicht auf das Ergebnis 
der bakteriologischen Untersuchung zu warten, da sich nie voraussagen lässt, 
nach welcher Zeit eine entschiedene Antwort wird erteilt werden können. Die 
Erfahrung des Berichterstatters lehrte ihn aber, dass tatsächlich die Aerzte 
auch in klinisch verdächtigen Fällen öfters sich erst durch den bakteriolo- 
gischen Befund zur Anwendung des Diphtherieheilserums bestimmen lassen 
und dass sie ausserordentlich selten von der Gelegenheit Gebrauch machen, 
unter Einsendung des Portobetrages an das Untersuchungsamt sich eine tele- 
graphische oder telephonische Benachrichtigung nach auswärts zu erbitten. 
So kann, je nach dem Abgang der Posten, ein Unterschied von wenigen 
Stunden bei der Ausfertigung der Antwort für die Ankunft derselben leicht 
12 und mehr Stunden ausmachen und, wenn es sich um einen Arzt und 
Patienten auf dem Lande handelt, für den Zeitpunkt der Seramanwendung 
leicht 24 Stunden, eine Frist, die unter Umständen für das Leben des Patienten 
verhängnisvoll sein kann. 

Es ist oben berichtet, dass tatsächlich in mehr als einem Fünftel der 
positiven Fälle die erste Antwort nach der mikroskopischen Untersuchung, 
1—2 Stunden nach Eingang der Proben, erteilt wurde. Da aber doch eine 
Reihe von Proben, aus oben angegebenen Gründen, in diesem Zeitraum nicht 
sorgfältig untersucht werden konnte, dürfen wir annehmen, dass bei entsprechen- 
der Organisation des Untersuchungsamtes eine so rasche Beantwortung bei 
einem Viertel aller positiven Diphtheriebefunde möglich wäre, und das ist 
ein Verhältnis, das die aufgewendete Mühe gewiss lohnt. Wir müssen deshalb 
fordern, dass die Untersuchungsämter so reichlich mit Personal besetzt werden, 
dass sich die Diphtherieuntersuchungen in der angegebenen Weise durchführen 
lassen. Für die sanitätspolizeilichen Massnahmen mag ja eine solche Beschleu- 
nigung der Antworten nicht so wichtig erscheinen; aber die praktischen Aerzte 
werden mit Recht den allergrössten Wert auf dieselbe legen, und ihre eifrige 
Mitwirkung durch Probeentnahme bei allen irgend verdächtigen Fällen wird 
man am sichersten durch Entgegenkommen in dieser Richtung fördern. 
Dass die Aerzte nur in so seltenen Fällen telegraphische Antwort erbitten, 


16" 


1052 Rosenthal, 


ist meines Erachtens darauf zurückzuführen, dass sie sich scheuen, die Kosten 
des Telegramms in Rechnung zu stellen. Das ist aber nur ein Beweis dafür, 
dass ein Untersuchungsamt seinen Zweck nur erfüllen kann, wenn es durch- 
aus gebührenfrei arbeitet. 

Unter den Typhusuntersuchungen stehen die Widalproben (so bezeichne 
ich der Kürze wegen die Grubersche Agglutinationsprobe, wenn sie mit be- 
kanntem Bakterienstamm und Krankenserum angestellt wird, nach dem Ur- 
heber dieser Anwendung für klinische Zwecke) obenan. Bei ihnen wurde ein 
Verfahren benutzt, das vielleicht in keinem Punkt ganz original, im ganzen 
aber doch dem hygienischen Institut zu Göttingen eigentümlich ist; Herr Prof. 
v. Esmarch, Herr Prof. Reichenbach und zuletzt auch der Berichterstatter 
haben es durch Abänderungen üblicher Methoden in die gegenwärtig geübte 
Form gebracht. 

Das Blut wird mit spindelförmigen, beiderseits in eine Kapillare aus- 
laufenden Röhrchen, von etwa !/, ccm Inhalt, aufgefangen; die Röhrchen 
sollen etwa zu 2/; gefüllt werden, indem man den hervorquellenden Bluts- 
tropfen in das schief abwärts geneigte Röhrchen einfliessen lässt. Dieses wird 
beiderseits mit Siegellack oder Wachs verschlossen und in einer Holzhülse 
versendet. Die Hülsen enthalten immer 2 Röhrchen, die beide gefüllt werden 
sollen. Im Institut werden die Röhrchen zuerst centrifugiert; falls nicht, 
was zuweilen vorkommt, eben nur eine der Kapillarspitzen mit Blut gefüllt 
ist, kann man nun mit einer Kapillarpipette nach Abfeilen der leeren Spitze 
bequem einige Tröpfchen klaren Serums entnehmen. Es wird aber tatsächlich 
our ein Tröpfchen, wie es spontan von der Pipette abtropft, zu allen 
Proben gebraucht. Man lässt nämlich dieses Tröpfchen in ein kleines 
Gläschen fallen (es werden Gläschen von 11 mm lichter Weite, 40 mm 
Höhe benutzt), spült die Pipette mit destilliertem Wasser gründlich aus und 
fügt nun 9 Tropfen der Verdünnungsflüssigkeit mit derselben Pipette hinzu. 
Diese 10 fache Verdünnung wird mit einer rechtwinklig abgebogenen Platinöse 
gut gemischt und dann mit dieser Oese ein Tröpfchen auf ein Deckglas gesetzt. 
Mit der ausgeglühten Oese wird daneben ein ganz gleiches Tröpfchen der vor- 
bereiteten Bakterienaufschwemmung gesetzt, und beide Tröpfchen werden mit 
spitzem Platindraht gemischt und als hängender Tropfen untersucht. Die 
Serumprobe wird durch weiteres Hinzutropfen auf das 2öfache, dann 50fache 
verdünnt und jedesmal auf dieselbe Weise eiu hängender Tropfen angelegt. 
So erhält man 3 Proben von ca > und en Verdünnung, die sofort, nach 
etwa halbstündigem, einstündigem und zweistündigem Verweilen im Brutschrank 
untersucht werden, und zwar mit schwacher, etwa 55—75 facher Vergrösserung 
(Obj. A Zeiss oder HI Leitz); nur zur Kontrolle und um, nach vorgängiger 
Betrachtung bei schwacher Vergrösserung, den Grad der Agglutination schärfer 
zu bestimmen, wird eine mittlere Vergrösserung, 125—180fach (Obj. C Zeiss), 
bei der einzelne Typhusbakterien eben gut sichtbar sind, benutzt. 

Als positives Ergebnis werden, nach dem Beispiel der Untersuchungs- 
anstalt Halle!), nur vollkommene Agglutination, so dass auch bei mittlerer Ver- 


1) Manteufel, Jahresbericht 1904/05. Diese Zeitschr. 1905. S. 595. 


Bericht über die Tätigkeit des bakteriolog. Untersuchungsamtes zu Göttingen. 1053 
grösserung keine einzelnen freibeweglichen Bakterien mehr zu finden sind, in 


1 
50 Verdünnung und ausgesprochene Agglutination (nur Minderzahl der Bakterien 


AR | A x el = 
noch frei) in i00 Verdünnung betrachtet. Tritt auch in 100 Verdünnung noch 


vollkommene Agglutination ein, so werden, von dem 5Ofach verdünnten Serum 
z 1 
ausgehend nach derselben Tropfenzählmethode, weitere Verdünnungen, 300° 


1 


1 ; ae i 
500° 1000 angelegt und mindestens die Grenze der vollkommenen Aggluti- 


1 
nation oder dass diese noch bei 1000 Verdünnung eintritt, bestimmt. 


Behr ‚1 
Bei vollkommener oder sehr ausgesprochener Agglutination bei 20 Ver- 


1 
dünnung und unvollkommener bei 50 Verdünnung wird die Antwort je nach der 


klinischen Sachlage- verschieden abgefasst. Handelt es sich um frische Er- 
krankungen, so wird das Ergebnis als sehr verdächtig auf Typhus abdomi- 
nalis bezeichnet und eine, mindestens 3 Tage nach der ersten zu entnehmende 
zweite Blutprobe, ausserdem in der Regel auch Stuhl des Patienten erbeten. 

In allen Fällen werden auch Kontrollproben mit 5 Verdünnung und 
Paratyphus A und B angelegt. Wird einer von diesen in gleichem oder 
höherem Masse als Typhusbakterien beeinflusst, so werden auch von ibm 
weitere Kontrollproben angelegt, bis es feststeht, ob die Grenze für die voll- 
kommene Agglutination für ihn oder die Typhusbakterien höher liegt. 

Zur Begründung dieses Verfahrens ist zunächst auf die Frage einzu- 
gehen, ob überhaupt die mikroskopische Beobachtung der Agglutination zuver- 
lässig und empfindlich genug sei, was von verschiedenen Seiten bestritten wird. 
Kafka!) meint sogar, die mikroskopische Beobachtung werde kaum mehr 
geübt; dem ist entgegenzuhalten, dass sie z.B. in den Untersuchungsanstalten 
zu Bremen, Breslau, Frankfurt a. M., Freiburg i. B., Halle a.S. in Uebung ist. 

Was die Zuverlässigkeit betrifft, so kann behauptet werden, dass die Fest- 
stellung vollkommener Agglutination in der angegebenen Weise mit schwacher 
und mittlerer Vergrösserung vor jeder Täuschung schützt, um so mehr, wenn 
es sich, wie bei Widalproben, um Bakterienstämme handelt, die dem Beob- 
achter wohl bekannt, lebhaft eigenbeweglich und frei von Neigung zur Spontan- 
agglutination sind. B 

Die Kafkaschen Einwände, die sich auf die Spontanagglutination und 
ihre Beförderung durch normale Sera beziehen, sind für Typhus- und Para- 
typhus-Widalproben deshalb ohne Bedeutung. Für Agglutinationsproben bei 
anderen Erkrankungen mag die makroskopische Beobachtung Vorteile haben. 

Was die Empfindlichkeit betrifft, so liegt die Grenze für vollkommene 


1) Viktor Kafka, Ueber die praktische Leistungsfähigkeit u. s. w. Centralbl. 
f. Bakt. Abt. I. Bd. 40. Orig. S. 247 ff., insbes. S. 550. 


1054 Rosenthal, 


mikroskopische Agglutination freilich tiefer, als für deutlich mit der Lupe 
erkennbare bei langdauernder Beobachtung makroskopischer Proben. Nach 
einer Anzahl vergleichender Proben des Berichterstatters entspricht mikrosko- 


pisch vollkommene Agglutination bei 5 Verdünnung etwa deutlicher Flockung 


1 
nach 8 Stunden in 300 Verdünnung, was Kafka als Minimalzahl eines ein- 


deutig eine bestehende Typhuserkrankung beweisenden Befundes erklärt; doch 
zeigen verschiedene Sera nicht genau das gleiche Verhältnis zwischen makro- 
skopischen und mikroskopischen Befunden, so dass derartige Vergleiche schwer 
durchzuführen sind. 

Es mag zugegeben werden, dass die Ausführung und Beurteilung des eben 
geschilderten Verfahrens eine gewisse Uebung und Erfahrung des Untersuchers 
voraussetzt; das gilt aber in gleichem Masse für alle andern, auch die makro- 
skopischen Agglutinationsproben, falls bei diesen nicht lediglich so in die 
Augen springende Reaktionen entscheidend sein sollen, dass dabei die Empfind- 
lichkeit sicher hinter der mikroskopischen Beobachtung zurückbleibt. 

Die wesentlichen Vorzüge der mikroskopischen Untersuchung 
liegen nun erstens in der kürzeren Beobachtungszeit. Kafka, der für die makro- 
skopische Beobachtung eintritt, fordert für diese 8 Stunden, während alle Be- 
obachter einig sind, dass das Maximum der Agglutination lebender Typhusbak- 
terien bei mikroskopischer Betrachtung in der 3. Stunde erreicht wird. Wenn 
K. diesen Zeitunterschied für unwesentlich hält, so sind ihm dieselben Gründe 
entgegenzuhalten, die oben bei der Diphtherieuntersuchung angeführt wurden. 
Der zweite und noch wesentlichere Vorteil liegt in der geringen Menge des 
nötigen Serums, da ein, von feiner Kapillarpipette abfallendes Tröpfchen für 
alle Proben ausreicht, gegebenenfalls auch für eine genaue Bestimmung der 
Grenzwerte der Agglutination von Typhus- und Paratyphusbakterien bei be- 
liebig grosser Verdünnung. Dies ist auch der Vorzug vor dem von dem Bericht- 
erstatter früher geübten Pröscherschen Verfahren!), bei dem man überhaupt 
eine etwas grössere Serummenge, für Vergleichsproben mit anderen Bakterien- 
stämmen aber immer gleich ein mehrfaches dieser Menge braucht. 

Wenn nur ganz geringe Serummengen zur Verfügung stehen, kann man 
sogar mit erheblich weniger als einem spontan abtropfenden Tröpfchen aus- 
kommen, indem man das vorhandene Serum in eine trockene Kapillarpipette 
überfliessen lässt, die Stelle, bis zu der es reicht, markiert, ausspritzt und statt 
tropfenweise nun mit Hilfe dieser Marke ein bekanntes Vielfaches an Ver- 
dünnungsflüssigkeit zufügt. 

Ueber Einzelheiten des Verfahrens ist noch folgendes beizufügen: 
Die Bakterienaufschwemmungen werden mit 12 bis höchstens 48 stündigen 
Schrägagarkulturen bereitet; zu diesem Zweck wird ein bestimmter Typhus- 
bakterienstamm täglich, die Paratyphusstämme alle 2 Tage überimpft. Tat- 
sächlich zeigt sich kein Unterschied in der Gleichmässigkeit der Aufschwemmung, 
der Beweglichkeit und der Agglutinabilität, ob man 1- oder 2tägige Kulturen 


1) Centralbl. f. Bakt. Abt. I. Bd. 31. S. 400. 


Bericht über die Tätigkeit des bakteriolog. Untersuchungsamtes zu Göttingen. 1055 


verwendet. Die Dichte der Aufschwemmung wird mit dem Auge möglichst 
gleichmässig gemacht; man gewinnt bald ein Urteil, wenn man immer Röhr- 
chen vom gleichen Kaliber (11 mm) verwendet, bei welcher Trübung das 
mikroskopische Bild des hängenden Tropfens die beste Beurteilung zulässt; 
bei zu dichter Aufschwemmung tritt vollständige Agglutination naturgemäss 
schwieriger und langsamer ein; bei zu wenigen Bakterien bleiben die Häufchen 
sehr klein und sind schwerer aufzufinden, eine vollständige Agglutination kann 
ebenfalls ausbleiben, weil die Bakterien gelähmt werden, ohne sich berührt 
zu haben. Handelt es sich um vergleichende Bestimmungen an Typhus- und 
Paratyphusbakterien, so stellt man die Aufschwemmungen auf ganz gleich- 
mässige Trübung ein. Im übrigen haben nach früheren Beobachtungen des 
Berichterstatters!) an abgetöteten Kulturen nach Pröscher, mässige Unter- 
schiede der Bakterienmasse bei kurzer Beobachtungszeit keinen wesentlichen 
Einfluss auf das Ergebnis. 

Die Verwendung von Schrägagarkulturen hat vor der vielfach üblichen 
und die Arbeit der Emulsionsbereitung sparenden von Bouillonkulturen folgende 
Vorzüge. Bouillookulturen müssen immer ganz gleichmässig angelegt und auf 
Stunden genau gleich alt sein; dadurch ist man, falls nicht mehrere Kulturen 
an einem Tage angelegt werden sollen, an eine bestimmte Stunde gebunden, 
in der die Agglutinationen angesetzt werden müssen, und wenn Proben zu 
einer ungeeigneten Zeit einlaufen, kann eine sehr wesentliche Verzögerung 
der Antwort eintreten. Mit den Agarkulturen kann man sich jederzeit eine 
geeignete Aufschwemmung herstellen. Zweitens können sich Verunreinigungen 
bei regelmässiger Fortimpfung in flüssigem Medium viel eher unbemerkt ein- 
schleicheu als bei Schrägagarkulturen; soll dies vermieden werden, so müssten 
Stammagarkulturen neben den Bouillonkulturen regelmässig fortgezüchtet 
werden und einen Mehrverbrauch von Nährböden bedingen. 

Die mit Formalin abgetöteten Bouillonkulturen nach Pröscher sind 
leider für die Beobachtung im hängenden Tropfen wenig geeignet; die Agglu- 
tination tritt in ihnen viel langsamer und in lockereren Haufen auf, als bei 
lebenden Kulturen; das beruht auf dem Mangel der Eigenbewegung, durch 
die die lebenden Bakterien sich einander nähern, und auf der Fixierung der 
Geisseln durch das Formalin, die als lange, wenn auch unsichtbare Borsten 
die Stäbchen voneinander fern halten oder auch sie in minimalen Flüssigkeits- 
schichten fast unbeweglich machen. Von der Beobachtung in Blockschälchen, 
bei der diese Nachteile fortfallen, wurde, wie schon erwähnt, wegen des 
grösseren Serumverbrauches abgesehen. 

Zu den Aufschwemmungen und zur Verdünnung des Serums wurde Pepton- 
Kochsalzlösung verwendet. In reiner Kochsalzlösung ist die Eigenbewegung 
der Typhusbakterien weniger lebhaft und vielleicht auch die Agglutinabilität 
geringer; jedenfalls sind die Ergebnisse schwerer zu beurteilen; in Nähr- 
bouillon kommen zuweilen krystallinische Niederschläge vor, und die Krystall- 
grüppchen stören dann bei schwacher Vergrösserung sehr die Beurteilung. 


1) Sitz.-Ber. d. physik. med. Societät Erlangen 1904. H. 36, ref. Centralbl. f. 
Bakt. Bd. 36. S. 462. 


1056 Rosenthal, 


Für die Empfindlichkeit der Widalprobe ist am wesentlichsten die 
Eigenart des verwendeten Stammes. Durch Vergleich von etwa 16 verschiedenen 
Typhusstämmen wurde derjenige ausgewählt, der am leichtesten vollkommene 
Agglutination zeigt; die Grenze für den Eintritt unvollkommener Agglutination 
(„Häufchenbildung“) ist viel schwieriger zu bestimmen. Auf der regelmässigen 
Verwendung dieses Stammes und der Beurteilung nach dem Eintritt voll- 
kommener Agglutination beruht es, dass in vielen Fällen frischer Erkrankung 
das Untersuchungsamt sogleich eine entschieden positive Antwort erteilen 
konnte und dass, bei den überhaupt entschieden positiven Fällen, ein Zweifel, 
ob Typhus- oder Paratyphusbakterien stärker agglutiniert würden, nie bestehen 
blieb. Es gibt, wie dem Berichterstatter aus vergleichenden Beobachtungen 
bekannt ist, eine ganze Reihe Typhusstämme, die unter gleichen Bedingungen 
sowohl von specifischem Tierserum als auch von Patientenserum weniger gut 
agglutiniert werden als Paratyphus B; und darunter sind viele Jahre lang fort- 
gezüchtete Rassen. 

Falta und Nöggerath!) haben ähnliche Beobachtungen veröffentlicht 
und sind zu dem Resultat gekommen, es gebe zweierlei Rassen von Typhus- 
bakterien mit zweierlei Agglutininogenen, die von dem homologen Serum stark, 
von dem der andern Rasse aber nur schwach beeinflusst würden. Der Bericht- 
erstatter ist trotz eigens hierauf gerichteter Versuche, und obgleich ihm durch 
die Freundlichkeit des Herrn Dr. Nöggerath ein Stamm „Typhus Basel“ zur 
Verfügung stand, an dem jene Beobachtungen gemacht wurden, nicht zu dem 
gleichen Ergebnis gekommen. Es gibt leicht und schwer agglutinierende 
Typhusstämme; bei letzteren liegt insbesondere der Grenzwert für vollkommene 
Agglutination oft auffallend tief, während Spuren von Häufchenbildung sich 
bei annähernd gleichen Verdünnungen noch nachweisen lassen, wie bei den 
leicht agglutinablen. Immunisiert man nun mit einem solchen Stamm Kanin- 
chen, was wiederholt mit dem Typhus Basel sowohl als auch mit einem ähn- 
lichen, in Erlangen aus dem Blut eines Typhusfalles isolierten Stamme ge- 
schehen ist, so erhält man ein Serum, von dem wieder der homologe Stamm 
"bedeutend weniger beeinflusst wird als die leicht agglutinablen Stämme. 

Auch bei vergleichenden Agglutinationen verschiedener Typhusstänıme 
mit Patientenserum habe ich immer im wesentlichen die gleiche Rangordnung 
leicht und schwer agglutinabler Stämme, zwischen denen es selbstverständlich 
alle Mittelformen gibt, gefunden. Vollständig gleich fallen diese Versuche 
freilich nicht aus, weil auch die Art der Züchtung einen Einfluss auf die 
Agglutinabilität hat. So wurde der empfindlichste Stamm (den ich im Herbst 
1902 von Herrn Prof. Max Neisser aus dem Frankfurter Institut für experi- 
mentelle Therapie erhalten habe), 1/, Jahr lang teils alle 2 Tage auf Agar, 
teils nur nach Monaten auf Gelatine fortgeimpft. Als nach dieser Zeit beide 
Rassen verglichen wurden, zeigte sich die letztere deutlich weniger empfind- 
lich, was auch dadurch zum Ausdruck kam, dass zwei andere Stämme, die 
nach jenem die leicht agglutinabelsten gewesen und in der Zwischenzeit regel- 


1) Ueber Rassenunterschiede von Typhusstämmen u. s. w; Arch. f. klin. Med. 
1905. Bd. 83. H. 1 u. 2. 


Bericht über die Tätigkeit des bakteriolog. Untersuchungsamtes zu Göttingen. 1057 


mässig auf Agar umgeimpft waren, nun in der Rangordnung sich zwischen die 
beiden gleichnamigen Rassen schoben. Auffallenderweise konnte nun auch 
eine mehrere Wochen fortgesetzte regelmässige Umimpfung der Gelatinerasse 
auf Schrägagarröhrchen diesen Unterschied nicht verwischen. Noch bedeuten- 
dere Variationen der Agglutinabilität wurden bei den Typhusbakterien, die 
mit Zwischenzeiten von einigen Wochen aus den Fäces der Bacillenträgerinnen 
isoliert wurden, beobachtet. Aus derselben Quelle wurden hier bald sofort 
sehr leicht agglutinable, bald schwer agglutinierende, die auch nach mehr- 
facher Umzüchtung nur eben sicher durch Agglutination zu identificieren waren, 
abwechselnd isoliert. Eine Umkehr der Reihenfolge in der Agglutinabilität 
der Stämme durch verschiedene Sera, wie sie nach Falta und Nöggerath 
doch zu erwarten wäre, konnte ich aber in keinem Falle finden. 

Bei der regelmässigen Kontrolle aller Sera mit den beiden Paratyphus- 
arten wurden Mitagglutinationen häufig festgestellt, vielleicht etw ashäufiger 
und stärker von Paratyphus B als A. Meist trat aber bei den nicht als Er- 
reger anzusprechenden Arten nur die Bildung vereinzelter, wenn auch in 
2 Stunden öfters beträchtlich anwachsender Häufchen ein; von der Feststellung 
vollkommener Agglutination ausgehend brauchte man nur selten eine genauere 
Titervergleichung bei stärkeren Verdünnungen vorzuuehmen. Bei den Para- 
typhus B-Fällen zeigte sich ebenso, dass auch der empfindliche Typhusstamm 
nur bei starker Konzentration vollkommen agglutiniert wurde. In der Fest- 
stellung dieser feineren Unterschiede scheint dem Berichterstatter ein dritter 
Vorteil der mikroskopischen Beobachtung zu liegen; denn makroskopische 
Proben zeigen bei entsprechender Verdünnung in den entsprechenden Zeiten 
keine vollkommene Klärung; bei längerer Beobachtung kann dieselbe aber 
auch kaum beobachtet werden, weil nun wieder eine Bakterienvermehrung 
einsetzt. Mit der Oese nach 2 Stunden aus einer makroskopischen Probe 
entnommene Pröbchen geben ebenfalls kein so zuverlässiges Bild, weil ein 
grosser Teil der agglutinierten Bakterien sich schon zu Boden gesenkt hat. 

Was die Verdünnungsmethoden durch Tröpfehenzählen und durch 
Mischen zweier Tröpfchen mit abgebogener Oese betrifft, so sind dieselben für die 
Bestimmung des Agglutinationstiters, bei dem Fehler von 10°/, noch als 
unwesentlich zu betrachten sind, gewiss genau genug. Die Tröpfchen werden 
ganz gleichmässig, wenn man jeden Tropfen einzeln von der vertikal gehaltenen 
Pipette langsam abtropfen lässt, wie durch Wägung wiederholt sichergestellt 
wurde; bei raschem Abtropfen werden die Tröpfchen grösser. Ein gewisser 
Febler entsteht dadurch, dass der Serumtropfen infolge der Viskosität des 
Serums etwas grösser ist als die Tröpfchen des Peptonwassers. Nach dem 
Ergebnis einiger Versuche durch Zählung der Tröpfchenzabl einer in der 
Kapillarpipette genau abgemessenen Volumens von klarem Rinderserum und von 
Peptonwasser sind die Serumtröpfchen + zu gross. Die 50 fache Verdünnung 
unserer Bezeichnung wäre also im Mittel eine 421/, fache, und entsprechend 
wären auch die höheren Verdünnungszahlen zu reducieren. Bei dem Vergleich 
unserer Erfahrungen mit denen anderer Institute, in denen das Serum genauer 
volumetrisch gemessen wird, ist diese Differenz wohl zu beachten. Für den 

77 


1058 Rosenthal, 


diagnostischen Wert der Untersuchungen nach den oben gegebenen Grundsätzen 
aber ist sie nicht von wesentlicher Bedeutung. Dieser Fehler ist freilich nicht 
immer ganz der gleiche, sondern wird augenscheinlich grösser, wenn das Serum 
nicht klar, sondern bämoglobinhaltig ist; denn dann ist seine Viskosität merk- 
lich grösser. Aber solches Serum ist als durch das Hämoglobin verdünnt 
zu betrachten, so dass dann 2 Fehler in entgegengesetztem Sinne wirken, von 
denen wir durch exakteres Abmessen nur den einen eliminieren, also vielleicht 
keine bessere Genauigkeit erzielen würden. 

Für die Gleichmässigkeit der Oesentröpfchen ist die rechtwinkelige 
Abknickung der Oesen wesentlich; sie ist übrigens von sehr vielen Faktoren 
abhängig: wie tief man die Oese eintaucht, wie man dieselbe auf das Gläschen 
setzt und abhebt, von der Viskosität der Flüssigkeit und der Benetzbarkeit 
der Deckgläschen. Die letzteren beiden Faktoren dürfen wir als für die beiden 
zu mischenden Tröpfchen gleich betrachten, da ja diese auf dasselbe Gläschen 
gesetzt werden und die Serumverdünnungen sowohl als die Bakterienauf- 
schwemmung mit demselben Peptonwasser bereitet sind. Mit Uebung und 
Sorgfalt kann man die aus der Haudhabung der Oese entspringenden Fehler 
sehr klein machen; um ein Urteil über ihre Grösse zu gewinnen, bin ich 
folgendermassen verfahren: ich bereitete eine gesättigte Kochsalzlösung, brachte 
dann mit der abgebogenen Oese möglichst gleichmässige Tröpfchen auf sorg- 
fältig gereinigte Deckgläschen, die in ein abgemessenes Quantum destillierten 
Wassers geworfen wurden. Dann wurde der Chlorgehalt durch Titration mit 
verdünnter Silbernitratlösung und Kaliumchromat als Indikator bestimmt; 
der Chlorgehalt einer Oese entsprach etwa !/; mg; diese Menge lässt sich 
mindestens auf 5°/, genau titrieren. Die Versuche, bei denen der gewöhnlich 
wegfallende Fehler der verschiedenen Benetzbarkeit verschiedener Gläschen 
nicht völlig ausgeschaltet war, ergaben, dass im ungünstigsten Fall die 2Tröpfchen 
um 1/ ihres Volumens verschieden sein können, was einem grössten Feller von 
250%, bei der mit ihrer Vermischung erzielten Verdünnung entspricht. Da 
dies nur seltene Fälle sind und die so angesetzten Proben nicht weiter ver- 
dünnt werden, also keinen Einfluss auf die andern Proben derselben Versuchs- 
reihe haben, und es sich bei der Agglutinationsprobe um eine Reaktion 
bandelt, deren Zahlenwerte in geometrischer Progression fortschreiten, so ist 
auch diese Abmessung mit Oesentröpfchen als genügend genau zu betrachten. 

Das geschilderte Verfahren, durch titrimetrische Chlorbestimmung die 
Grösse eines Tröpfehens zu berechnen, eignet sich übrigens auch zur absoluten 
Inhaltsbestimmung von Platinösen, die ja häufig bei bakteriologischen Unter- 
suchungen nötig oder erwünscht erscheint. 

Ich glaube deshalb die beschriebene Methode der Agglutinationsprobe als 
zuverlässig, empfindlich und besonders bei kleinen Serummengen empfeblens- 
wert bezeichnen zu dürfen. 

Inbezug auf die diagnostischen Typhusbacillenzüchtungen sind die 
Erfahrungen des Untersuchungsamtes nicht gross. Iu einer Reihe in Göttingen 
verpflegter Fälle wurden die Bakterien auch aus dem Blut der Kranken, nach 
dem Schottmüllerschen und anderen Verfahren, isoliert, doch nur in 
solchen Fällen, in denen die vorher oder gleichzeitig angesetzte Serumprobe 


Bericht über die Tätigkeit des bakteriolog. Untersuchungsamtes zu Göttingen. 1059 


schon vorher ein positives Ergebnis geliefert hatte. Zur Isolierung aus dem 
Stuhl wurden die Näbrböden nach Conradi und v. Drigalski, nach Endo 
und mit Malachitgrün nach verschiedenen Vorschriften benutzt. 

Die Vorschriften der Autoren über die in jedem einzelnen Fall zur Aussaat 
zu verwendenden Quadratflächen der Nährböden konnten nicht vollständig 
eingehalten werden, da dafür die materiellen Verhältnisse des Amtes (Kosten 
der Rohmaterialien und grossen Doppelschalen, verfügbarer Raum in den 
Brutschränken, Zeit des näbrbodenbereitenden Hilfspersonals) nicht ausreichten. 
Um so wertvoller erwies sich die elektive Wirkung der Malachitgrünnährböden. 
Das zuletzt verwandte Verfahren stellt sich etwa so dar: von der eingesandten 
Stuhlprobe werden mehrere Oesen oder entsprechende Bröckelchen mit etwa 
ebensoviel Kubikcentimeter steriler Kochsalzlösung verrieben und hiervon mit 
dem Conradi-Drigalskispatel je eine Malachitgrünschale von 10cm und 
eine Lakmusmilchzucker-Nutroseschale von mindestens 15 cm Durchmesser 
besät. Nach dem mündlich aus dem hygienischen Institut zu Kiel über- 
lieferten Verfabren wird eine gleichmässig abnehmende Verteilung auf den 
Schalen dadurch erzielt, dass der Spatel nicht laut der ursprünglichen Vor- 
schrift in allen Richtungen, sondern bei gleichmässiger Neigung in parallelen 
Zügen hin und her geführt wird: dadurch kann man auch vor dem Beschicken 
der Conradi-Drigalskiplatte neu in die Verreibung eintauchen und erhält 
doch regelmässig auf einem grossen Teil der Platte isolierte Kolonien. Um 
den so wechselnden Verhältnissen des Keimgehalts sowohl wie auch der 
baktericiden Wirkung der Fäces zu entsprechen, wird dann in der Regel die 
ursprüngliche Verreibung auf das 4—6 fache verdünnt und eine zweite gleiche 
Serie angelegt. 

Der vergleichende Gebrauch des Endonährbodens ergab, dass auf ihm die 
Typhusbakterien im allgemeinen ebenso gut gedeihen, wie auf Drigalski- 
platten; in seltenen (2) Fällen konnten dieselben von Endonährboden isoliert 
werden und nicht von Drigalski. Das Umgekehrte kam auch vor, doch hat 
es keinen Sinn, die Zahl dieser Fälle zu vermerken, weil fast immer geringere 
Flächen von Endonährboden als vom l,akmusmilchzuckeragar zur Aussaat 
verwandt wurden. Das Ergebnis lautet also soweit, dass beide Nährböden 
annähernd gleichwertig sind und, vermutlich auf Grund der Eigentümlichkeit 
verschiedener Typhusstämme, die Verwendung von beiden nebeneinander am 
wünschenswertesten wäre. Als ein Nachteil des Endonährbodens aber wurde 
empfunden, dass sich auf ihm häufiger farblose oder fast farblose, auf Typhus- 
bakterien verdächtige Kolonien fanden, die bei Weiterzüchtung sich als Nicht- 
typhus herausstellten, als sich auf den Conradi-Drigalskiplatten derartige 
blaue Kolonien fanden. So verursachte der Endonährboden verhältnismässig 
viele vergebliche Arbeit und verzögerte das Endurteil. Da sich andererseits die 
Malachitgrünnährböden zur Auffindung spärlicher Typhuskeime im allgemeinen 
sehr gut bewährten, so wurde von weiterer Verwendung des Endonährbodens 
abgesehen. 

Die Malachitgrünnährböden können aber jedenfalls nicht allein verwendet 
werden, erstlich weil die Isolierung und Identificierung der Typhusbakterien 
mit ihrer Hilfe meist längere Zeit erfordert als von Lakmusmilchzuckerplatten, 

TS 


1060 Rosenthal, 


zweitens weil zuweilen auf ihnen Typbusbakterien nicht zur Entwickelung 
kommen, die von jenen leicht zu isolieren sind. Auffallende Ergebnisse hatten 
in dieser Hinsicht die wegen der therapeutischen Versuche oft wiederholten 
Untersuchungen der Fäces der Typhusausscheiderinnen; in dem Stuhl derselben 
Person waren an verschiedenen Tagen nicht nur die Typhusbacillen in sehr 
verschiedener Zahl vorhanden, sondern auch auf genau demselben Malachit- 
grünagar erfolgte das eine Mal die Entwickelung der vorhandenen Typhus- 
keime üppig, ein anderes Mal blieben die Malachitgrünplatten ganz steril bei 
positiver Züchtung von Lakmusmilchzuckerplatten. 

Nach dem Erscheinen der betreffenden Arbeiten befolgten wir bei dem 
Bereiten der Malachitgrünnäbrböden möglichst genau die Vorschriften erst von 
Lentz und Tietz!), dann von Löffler2). Beide befriedigten sehr; unter 
32 positiven Züchtungen aus Stuhl gelangen 4 nur mit Hilfe des Malachit- 
grüns, und in mehreren anderen Fällen zeigten die Drigalskiplatten nur 
schwer auffindbare vereinzelte Typhuskolonien, die Grünplatten aber Typhus- 
reinkulturen. Eine genaue Vergleichung beider Vorschriften durch gleichzeitige 
Benutzung geschah nicht; doch blieben wir zuletzt bei der Löfflerschen Vor- 
schrift, weil bei ihr im allgemeinen die Typhuskolonien grösser zu werden 
schienen als auf dem Lentzschen Nährboden, bei gleichmässiger Unter- 
drückung störender Keime. Doch mussten wir von Löfflers Vorschrift inso- 
fern abweichen, als der genau nach dieser erst neutral eingestellte Nährboden 
nach dem Zusatz von 5 prom. Normal-Sodalösung zu stark alkalisch wurde, so 
dass das Malachitgrün in Gelb entfärbt und ausgefällt wurde. Bei einem ge- 
ringeren Sodazusatz erhielten wir klaren, grünen und für Typhusbakterien 
sehr geeigneten Nährboden. Doch mus; man, wie schon erwähnt, die Be- 
obachtung der Platten mindestens auf 36 Stunden ausdehnen, da öfters erst 
dann die Typhuskolonien eben mit blossem Auge erkennbar werden. Auch 
zeigten sie zwar häufig, aber nicht immer die blattähnliche Rippung bei 
schwacher: Vergrösserung, die nach Löffler für Typhus charakteristisch sein 
soll, so dass man beim Fehlen solcher Kolonien auch mikroskopisch anders 
gezeichnete, wenn sie nur makroskopisch tautröpfchenartig erscheinen, als 
verdächtig weiter züchten muss. 

Die verdächtigen Malachitgrünkolonien wurden zunächst in grösserer Zahl 
auf Petrischalen mit Lakmusmilchzuckeragar überimpft. Zur weiteren Iden- 
tificierung wurde dann die Agglutination mit hochwertigem Kaninchenserum, 
die Züchtung in Lakmusmolke, Gelatineplattengüssen und vor allem in Neutral- 
rotagar nach Oldekop?®) vorgenommen. 

Diese anscheinend noch wenig verbreitete Methode stellt eine wesentliche 
Verbesserung derälteren Neutralrotmethoden dadurch dar, dass sie ge- 
wissermassen die Vorzüge eines flüssigen und festen Nährbodens verbindet, indem 
1/3proz. Agar mit Bouillon, Pepton, Traubenzucker und Neutralrot angesetzt 
wird. Die eigenbeweglichen Bakterien der Typhus Coligruppe vermögen sich 


1) Klin. Jahrb. 1905. Bd. 14. S. 495. 
2) Deutsche med. Wochenschr. 1906. S. 289. 
3) Centralbl. f. Bakt. Bd. 35. No. 1. S. 120. 


Bericht über die Tätigkeit des bakteriolog. Untersuchungsamtes zu Göttingen. 1061 


in diesem Medium rasch auszubreiten, sie setzen deshalb bei einfacher Stich- 
impfung ebenso augenfällige Veränderungen wie in den älteren Neutralrot- 
Agarschüttelkulturen; das bedingt eine ausserordentliche Vereinfachung der 
Impfung und ermöglicht es, eine grosse Zahl verdächtiger Kolonien von den 
Originalplatten dieser weiteren Probe zu unterwerfen. 

Der Berichterstatter hat nun an diesem Nährboden noch eine kleine Ver- 
änderung vorgenommen, die ihm nützlich zu sein scheint. Oldekop gibt 
nämlich nur an, dass der Nährboden „schwach alkalisch“ sein soll. Ver- 
mutlich hat er, wie das bei Neutralrotnährböden allgemein üblich ist, ihn 
nicht stärker alkalisiert, als dass er schön tiefrot blieb, damit der Farben- 
umschlag in Gelb und die Fluorescenz durch Colibakterien recht deutlich seien. 
Wenn man aber vor dem Neutralrotzusatz den Nährboden bis auf den Phe- 
nolphtaleinneutralpunkt mit Sodalösung versetzt, so wird das Lösungsvermögen 
für Neutralrot etwas herabgesetzt, und nach dem Erkalten erhält man einen 
hellgelbroten Nährboden (bei überschüssigem Farbzusatz mit kleinen Häufchen 
von Farbstoffkrystallen, die bei der praktischen Verwendung kaum stören); 
geringe Säuremengen aber färben diesen Nährboden wieder schön rot, und da- 
zu genügt auch die Säureproduktion von Typhus- und Colibakterien aus dem 
Traubenzucker schon nach wenigen Stunden. Colibakterien führen dann nach- 
träglich Fluorescenz und einen gelben Farbton herbei, die die betreffenden 
Röhrchen sofort von ungeimpften unterscheiden. 

Dieser Nährboden hat nun vor allen anderen zur Identificierung der 
Typhusbakterien empfohlenen den grossen Vorteil, dass er nicht nur negative, 
sondern gleich -drei positive Eigentümlichkeiten derselben zur Erscheinung 
bringt: Eigenbeweglichkeit, fakultative Anaörobiose und Säurebildung aus 
Traubenzucker, die sich in der gleichmässigen Trübung und Rötung der be- 
impften Röhrchen, häufig schon nach 12 Stunden, kundtun. Dazu kommen 
dann noch die negativen zur Unterscheidung von Coli-, Paratyphusbakterien 
und ähnlichen: Mangel der Gasbildung und Fluorescenz, die sich nach längstens 
20stündigem Wachstum feststellen lassen. 

So ermöglicht dieser Nährboden, mit wenig Arbeit viele auf den Con- 
radi-Drigalskiplatten blau wachsende Kolonien einer Vorprobe zu unterwerfen 
und nicht nur die traubenzuckervergärenden, sondern auch die nicht eigen- 
beweglichen, die eigentlichen Alkalibildner und die specifisch aöroben auszu- 
schliessen, ehe man zu den zeitranbenderen Agglutinationsproben schreitet!). 

Wenn es Zeit und Grösse der Kolonien gestatteten, wurde eine vorläufige 
Agglutinationsprobe freilich schon vorher vorgenommen, indem auf ein 
Deckgläschen nebeneinander 2 Tröpfehen von Peptonwasser und der Serumver- 
dünnung gesetzt und mit der Nadelspitze eine Spur der Kolonie erst in jenes, 
dann in -dieses eingerührt wurde. Lassen sich dann die nicht bezeichneten 
Tröpfchen gut bei schwacher und bei starker Vergrösserung unterscheiden, 


1) Auch für die Differentialdiagnose der Ruhrbakterien scheint mir dieser Nähr- 
boden geeignet: dieselben wachsen in ihm als gleichmässiges, scharf begrenztes Band 
längs des Stiches; der Nährboden bleibt klar, wird aber vom Stich ausgehend gerötet. 
Durch diese Merkmale lassen sie sich von vielen, den Lakmusmilchzucker-Nährboden 
ebenfalls bläuenden Stäbchenarten unterscheiden. 


1062 Lehrbücher. 


indem in dem einen Eigenbewegung der Bakterien, in dem andern Häufchen- 
bildung auftritt, so kann man mit Sicherheit das Vorhandensein einer speci- 
fischen Agglutination behaupten, deren diagnostische Bedeutung natürlich von 
der Art und Verdünnung des verwendeten Serums abhängt. 

Die endgiltige Diagnose der Typhusbakterien wurde mit möglichster 
Zeit- und Nährbodenersparung so gestellt, dass von der verdächtigen Kultur je eine 
Spur in ein Neutralrotröhrehen, Lakmusmolke und auf Agar (falls die Original- 
kultur auf einem andern Nährboden gezüchtet war, Lakmusmilchzuckeragar) 
übertragen wurde; nach Durchmischen der Lakmusmolke wurde dann eine 
Oese derselben in Gelatine übertragen und eine Gelatineplatte gegossen. Am 
andern Tag wurden zuerst die Neutralrot- und Lakmusmolkeröhrchen beurteilt 
und bei den Stämmen, die dann noch in Frage kamen, mit Hilfe der Agar- 
kulturen genauere mikroskopische Agglutinationsproben vorgenommen. Bei 
deutlich positivem Ausfall wurde nun schon die endgültige Antwort erteilt. 
In zweifelhaften Fällen blieben die Gelatineplatten zu weiterer Beurteilung 
und zur Gewinnung einwandfreier Reinkulturen für die Nachprüfung und als 
Sammlungskulturen. Auch die von Löffler!) empfohlenen Grünlösungen 
I und II wurden in solchen Fällen benutzt und haben sich dabei und bei 
Erprobung mit fast allen der im Institut vorhandenen und neugezüchteten 
Typhus- und Paratyphusstämme gut bewährt. 


Mense, Carl, Handbuch der Tropenkrankheiten. Bd. 2. Leipzig 1905. 
Joh. Ambr. Barth. 472 Ss. 80. Preis: 16 M. 

Der 2. Band des Werks übertrifft den 1. (vergl. diese Zeitschr. 1905. 
S. 1239) nicht blos an Umfang, sondern auch an praktischer Bedeutung wegen 
der Wichtigkeit der behandelten Krankheiten. Er bringt nämlich die In- 
fektionskrankheiten, deren Erreger noch unbekannt sind oder in 
Bakterien bestehen. Nur der erste Abschnitt, in welchem A. van der 
Scheer (Haag) die Aphthae tropicae zur Darstellung bringt, steht ausser- 
halb dieses Rahmens insofern, als es sich hier um die einzige Organkrankheit 
des Buches handelt. Ihre Bedeutung liegt mehr als in den an sich gering- 
fügigen pathologischen Veränderungen der Zunge (Belag, Epithelverluste, Bläs- 
chen) in ihrer Verbindung mit eigentümlichen Störungen der Verdauung, die 
auf mangelnder Ausnutzung des Nahrungsfettes beruhen und zur Bezeichnung 
der Krankheit als Diarrhoea alba, Hill-Diarrhoea (Indien), Cochinchina- Diarrhoea 
geführt haben. In einem Nachtrag berichtet der Verf., dass er auf einen Zusam- 
menhang zwischen ihr und „larvierten“ Wurmfortsatz-Entzändungen aufmerk- 
sanı geworden ist und von deren chirurgischer Beseitigung gute Erfolge ge- 
schen hat. 

Als Einleitung zu den Infektionskrankheiten gibt Adolf Eysell 
(Kassel) eine Schilderung der Stechmücken, in welcher nicht blos ihre 
Morphologie, Anatomie, Physiologie, Biologie, ihre Stellung im System und 


1) a. angeg. O. 


Lehrbücher. 1063 


die Unterschiede zwischen den Anopheles- und Culexarten, sondern aueh 
Fang, Aufbewahrung, Versand, Untersuchung, Inficierung und Bekämpfung sehr 
klar und einleuchtend behandelt sind. 

Das Dengue-Fieber hat C. L. van der Burg (Utrecht) geschildert. 
Das Gelbfieber ist von berufenster Stelle bearbeitet, nämlich von J. Carroll 
(Washington), dem Mitgliede der berühmten Kommission von amerikanischen 
Militärärzten, die 1900 in Havana die Rolle der Stegomyia bei der Ueber- 
tragung der Krankheit feststellten und den Grund dazu legten, dass durch die 
Mückenbekämpfung Havana seit Herbst 1901 von der 150 jährigen Herrschaft 
des Gelbfiebers befreit ist. E. Baelz (Tokio) und K. Miura (Tokio) liefern 
eine auf genauester eigener Kenntnis beruhende Darstellung der Beriberi, 
die in Ostasien und Brasilien seit jeher heimisch, neuerdings weiter um sich 
greift und bie und da auch in Europa vorkommt, und deren mit Entartung 
peripherischer Nerven einhergehendes Wesen trotz offenbar vorhandener Be- 
ziehungen zur Nahrung (Reis), zum feucht-hbeissen Klima und zur gelben Rasse 
noch sehr dunkel ist. 

Mit der von G. Sticker (Giessen) beschriebenen Lepra beginnen die 
Infektionskrankheiten, deren Erreger bekannt sind. Die Bacillenruhr ist 
von R. Ruge (Kiel), die Cholera von Paul Krause (Breslau) und Th. Rumpf 
(Bonn), das Maltafieber von P. W. Basset-Smith (Haslar), die Pest von 
Rudolf Poech (Wien) bearbeitet. Sehr dankenswert ist es, dass auch der 
„Typhus in den Tropen“, von L. Martin (Diessen), und die akuten 
Exantheme, von A. Plehn (Berlin) dargestellt, Aufnahme gefunden haben. 
Beim Typhus war dies schon mit Rücksicht darauf gerechtfertigt, dass er 
bis zu einer noch gar nicht lange zurückliegenden Zeit allgemein mit Malaria 
durcheinandergeworfen und verwechselt wurde. Plehn betrachtet ausser 
Blattern, Masern und Scharlach, die mancherlei wissenswerte Besonder- 
heiten in den Tropen besitzen, auch noch die Peru eigentümliche „Verruga“, 
die möglicher Weise auch durch Insekten übertragen wird, und die in Kamerun 
vorkommenden Sanaga-Pocken. 

Aus dieser Aufzählung der Mitarbeiter geht schon hervor, dass die einzelnen 
Krankheiten von Verfassern behandelt sind, die das Gebiet aus eigener Erfahrung 
völlig beherrschen und zum grossen Teil um seine Erforschung sich grosse Ver- 
dienste erworben haben. Hierdurch ist erreicht worden, dass die verschiedenen Ab- 
schnitte des Buches nicht blos mit grösster Sachkenntnis und Vollstän- 
digkeit geschrieben sind, sondern auch ein individuelles Gepräge be- 
sitzen. Zugleich aber ist überall die folgende allgemeine Einteilung 
innegehalten: Begriffsbestimmung, Bezeichnungen, Geschichte, Geo- 
graphie, Statistik, Aetiologie, pathologische Anatomie, Krank- 
heitserscheinungen und Verlauf, Diagnose, Prognose, Prophylaxe, 
Behandlung, Literatur. Auf diese Weise ist es leicht gemacht, schnell 
und sicher die Stelle aufzufinden, wo bestimmte Fragen erörtert sind. Die 
Darstellung ist meistenteils so lebendig, dass das Studium des jedem Tropen- 
arzt unentbehrlichen Buches eine sehr anregende Beschäftigung und ein Genuss 
ist. Der Herausgeber hat für die Abschnitte über Gelbfieber und Maltafieber 
eine vollendete Uebertragung ins Deutsche geliefert. 


1064 Luft. Boden. 


Einen einzigen Wunsch möchte der Ref. zum Schluss für eine neue ohne 
Zweifel in kurzer Zeit notwendig werdende Auflage zum Ausdruck bringen, 
nämlich den Ersatz der Abbildungen von Lepra-, Cholera- und Pestbacillen 
und vom Maltakokkus durch Photogramme, womöglich in der Art der schönen 
Tafeln zu der „Einführung in das Studium der Bakteriologie“ von Carl 
Günther, die vor Kurzem in dem Verlage von Georg Thieme gleichfalls in 
Leipzig erschienen ist. Globig (Berlin). 


Herz, Max, Ueber Zugluft und Wind. Eine Studie. Deutsche med. 
Wochenschr. 1905. No. 44. S. 1760. 

Der Verf. macht auf den Unterschied in der Wirkung aufmerksam, welche 
Wind und Zugluft auf den menschlichen Körper ausüben. Er hält das 
allgemeine Vorurteil gegen die letztere nicht für unbegründet und lässt sie 
als wahrscheinliche Ursache für Erkältungskrankheiten mancherlei Art 
gelten, weil sie ein unangenehmes, beinahe schmerzhaftes Kältegefühl 
hervorruft, welches dem Wind fehlt. Er sucht den Unterschied dadurch 
zu erklären, dass es sich bei der pressenden Kraft des Windes und der 
Luftbewegung während schneller Fahrt z. B. im Automobil um eine Erhöhung 
des Luftdrucks, bei der Zugluft aber umgekehrt um eine Erniedrigung 
desselben handelt, und stellt dies der bei Caissonarbeiten und bei der Berg- 
krankheit gemachten Erfahrung an die Seite, dass Luftverdichtung bis zu 
hohen Graden ohne Schaden ertragen wird, während Luftverdünnung, nament- 
lich plötzlich eintretende, mehr oder minder heftige Krankheitserscheinungen 
im Gefolge hat. Globig (Berlin). 


Löhnis, F., Ueber die Zersetzung des Kalkstickstoffes. Centralbl. f. 
Bakt. Abt. II. Bd. 14. S. 87 u. ff. 

Verf. bespricht eine Reihe von Versuchen, betreffend die Zersetzung der 
wirksamen Substanz des Kalkstickstoffs, des Calciumceyanamids, jenes 
wichtigen künstlichen Düngemittels, dessen Herstellung bekanntlich auf rein 
chemischem Wege unter Verwertung des freien, ungebundenen N der Luft 
neuerdings so vorteilhaft gelungen ist, dass bei Vorhandensein billiger elek- 
trischer Kraft dieses mit dem Chilisalpeter im Preise und nahezu auch in 
seiner Wirkung mit demselben konkurrieren kann; ferner bespricht er vor 
allem die Beteiligung von Organismen bei der Zersetzung des CaCN3. 

Bekannt war übrigens schon längere Zeit, dass das CaCN,, die wirksame 
Substanz des sogenannten Kalkstickstoffs keineswegs als solches für die Er- 
nährung der Pflanzen direkt in Betracht kommt, sondern dass im Acker 
baldigst eine Umwandlung in NH, und Salpeter erfolgt. 

Eine Beteiligung von Organismen an der Umsetzung war von vornherein 
mehr als wahrscheinlich. 

Verf. bespricht zuerst Versuche mit Rohkulturen, sodann eine ganze Reihe, 
auch näher beschriebener Organismen, welche an der Kalkstickstoffzer- 
setzung beteiligt sind; schliesslich werden Versuche mit Reinkulturen be- 


Wasser. 1065 


sprochen, auch Harnstoff- und Peptonzersetzungsversuche durch die sogenannten 
Kalkstickstoffbakterien erörtert. Von den geprüften Organismen kommt 
einer grösseren Anzahl die Fähigkeit zu, CaCN, leicht und schnell zu zer- 
setzen und zunächst in Ammoniak überzuführen. Nach der Ansicht des Ref. 
erfolgt übrigens eine Abspaltung von NH, aus CaCN, bereits bei Vorhanden- 
sein bezw. Zugabe von Wasser zu dem genannten Düngemittel, ‘wie dies auch 
direkte Versuche ergeben. Heinze (Halle a. S.). 


Aschoff, Das Verbandswasserwerk Bochum. Schill. Journ. f. Gasbel. u. 
Wasservers. 1905. No. 19 u. 20. 

10 Gemeinden der Landkreise Bochum, Gelsenkirchen und Hattingen | 
haben das Verbandswasserwerk erbauen lassen. 

Das Wasser wird dem kiesigen Untergrund des Ruhrtals an einer 800 m 
langen Üferstrecke zwischen Hattingen und Dahlhausen entnommen. Es sind 
Rohrbrunnen von 300 mm Durchmesser bis auf die 6--9 m tiefe undurch- 
lässige Schicht niedergebracht. Die Rohre sind bis zu einer Bohrlochweite 
von 500 mm mit gewaschenem Kies umgeben. Das in das Brunnenrohr ein- 
gehängte Saugrohr ist 175 mm weit. Jeder Brunnen ist durch einen Ein- 
steigeschacht zugängig. Die Schachtdeckel haben Gummidichtungen, weil das 
Gelände vom Hochwasser überflutet werden kann. 

Von den Brunnen führen Heberleitungen zu einem Sammelbrunnen und von hier 
Maschinenbaus. Die mit Dampfmaschinen angetriebenen Pumpen drücken das 
Wasser in das weitverzweigte Rohrnetz. Mehrere Hochbehälter sorgen für die 
Ausgleichung der Verbrauchsschwankungen. Imhoff (Essen a.R.). 


König Fr., Die Wasserbeschaffung für Deutsch-Südwestafrika. Schill. 
Journ. f. Gasbeleuchtung u. Wasservers. 1905. No. 30. S. 655. 

Die Kolonie leidet bekanntlich sehr unter Wassermangel. Die jährliche 
Regenhöhe beträgt nur 200—400 mm. Der Regen tritt meist in Form von 
kurzen Gewitterregen und zwar nur während des Sommerhalbjahres auf. Die 
Flüsse schwellen dann rasch an, führen aber ihr Wasser auch rasch wieder 
ab. Die Flusstäler führen zwar viel Grundwasser, der Grundwasserspiegel 
liegt aber sehr tief, meist tiefer als die Flusssohle. Es ist deshalb schwierig, 
das Grundwasser zur Bewässerung des Geländes zu benützen. 

Um das Land fruchtbarer zu machen, hat man schon häufig vorgeschlagen, 
Talsperren anzulegen. Hierfür sind aber die Verhältnisse unter anderem des- 
halb ungünstig, weil die Verdunstungshöhe der freien Wasserfläche drei bis 
viermal grösser ist als in Deutschland. 

Der Verf. spricht dafür, das Grundwasser durch unterirdische Stauanlagen 
zu regeln. (Andere Sachverständige halten dies für Südwestafrika nur in 
Ausnahmefällen für zweckmässig, weil das aufgestaute Grundwasser ent- 
sprechend rascher verdunste. Eine von Kühn veranlasste Stauung bei der 
Keetmannshooper Nauwte soll sich allerdings bewährt haben. Vgl. Deutsche 
Kolonialzeitung 1905. No. 27. S. 282. Ref.) Imhotf (Essen a.R.). 


18 


1046 Kleinere Mitteilungen. 


(G) Für den XIV. Internationalen Kongress für Hygiene und Demo- 
graphie, der vom 23.—29. September 1907 in Berlin stattfindet, hat das Organi- 
sationskomitee die Präsidenten, Vicepräsidenten und Sekretäre der einzelnen Sektionen 
gewählt: 

Sektion I. Hygienische Mikrobiologie und Parasitologie. Präs. Flügge (Breslau), 
Vice-Präs. Löffler (Greifswald), Sekr. Weber (Gross-Lichterfelde). 

Sektion II. Ernährungshygiene und hygienische Physiologie. Präs. Rubner 
(Berlin), Vioe-Präs. Forster (Strassburg i. E.), Sekr. Ficker (Berlin) und Kisskalt 
(Berlin). 

Sektion III. Hygiene des Kindesalters und der Schule. Präs. Heubner (Berlin), 
Vice-Präs. v. Esmarch (Göttingen), Sekr. Neumann (Berlin) und Langstein(Berlin). 

Sektion IV. Berufshygione und Fürsorge für die arbeitenden Klassen. Präs. Renk 
(Dresden), Vice-Präs. Fraenkel (Halle a. S.), Sekr. Kayserling (Berlin). 

Sektion V. Bekämpfung der ansteckenden Krankheiten und Fürsorge für Kranke. 
Präs. Gaffky (Berlin), Vice-Präs. Kossel (Giessen), Sekr. Lentz (Charlottenburg). 

Sektion VI. A. Wohnungshygiene und Hygiene der Ortschaften und der Ge- 
wässer, Präs. Gruber (München), Vice-Präs. Gärtner (Jena), Sekr. Lennhoff 
(Berlin). B.Hygienedes Verkehrwesens. Präs.Schwechten (Berlin), Vice-Präs, Blume 
(Philippsburg i. B.), Sekr. Ramm (Charlottenburg-Westend). 

Sektion VIl. Militärhygiene, Kolonial- und Schiffshygiene. Präs. Kern (Berlin), 
Vice-Präs. Ruge (Kiel), Sekr. Kuhn (Gross-Lichterfelde). 

Sektion VIII. Demographie. Präs. van der Borght (Berlin), Vice-Präs. v. Mayr 
(München), Sekr. Leo (Berlin-Dahlem). 


(:) Deutsches Reich. Jahresberichte der Gewerbeaufsichtsbeamten 
und Bergbehörden für das Jahr 1904. 

Die Zahl der revidierten Anlagen betrug im Berichtsjahre 118800 (im Vorjahre 
102576), die der vorgenommenen Revisionen 186213 (167341). Davon entfielen auf: 
Bergbau, Hütten- und Salinenwesen, Torfgräberei 39398 (39531), die Industrie der 
Steine und Erden 22066 (20862), der Metallverarbeitung 11139 (10135), derMaschinen, 
Werkzeuge, Instrumente, Apparate 11299(10462), diechemischelndustrie3321(33741 1, 
auf die Industrio der forstwirtschaftlichen Nebenprodukte, Leuchtstoffe, Fette, Oele 
und Firnisse 3176 (2925), die Textilindustrie 12737 (12403), die Papierindustrie 
4091 (3835), die Lederindustrie 2331 (2110), die Industrie der Holz- und Schnitzstoffe 
17117 (15320), die Industrie der Nahrungs- und Genussmittel 38562 (32567), der 
Bekleidung und Reinigung 11769 (6005), das Baugewerbe (Zimmerplätze und andere 
Bauhöfe) 2355 (1901), das poligraphische Gewerbe 5586 (4964), auf sonstige Industrie- 
zweige 1266 (947). Die Gesamtzahl der im Berichtsjahre im Deutschen Reiche der 
Gewerbeaufsicht unterstehenden gewerblichen Anlagen betrug 215279 (184253) mit 
5361245 (5053976) Arbeitern. Jugendliche Arbeiter wurden in insgesamt 74862 
62905) Betrieben und über 16 Jahre alte Arbeiterinnen in 69854 (48706) Betrieben 
beschäftigt. Uuter den jugendlichen Arbeitern befanden sich 9642 (8919) Kinder 
unter l4 Jahren und 127484 (106175) Mädchen im Alter von 14—16 Jahren. Von 
den 988108 (899338) in Fabriken tätigen erwachsenen Arbeiterinnen hatten 608029 
(570803) das 21. Lebensjahr überschritten. Wie im Vorjahre wurden die meisten 
Kinder unter 14 Jahren, nämlich 2648 (2752) in der Textilindustrie beschäftigt, bei 
der zugleich die grösste Zahl von jungen Leuten von 14—16 Jahren, nämlich 72383 
(12076), und von Arbeiterinnen über 16 ‚Jahren, nämlich 377773 (374824), vorhanden 
war. Von je 100 jugendlichen Arbeitern entfielen die meisten, 20,3 (22,2), auf die 
Textilindustrie, demnächst 12,1 (12,3) auf die Metallverarbeitung und 11,6 (11,5) 


Kleinere Mitteilungen. 1047 


auf die Industrie der Maschinen, Werkzeuge, Instrumente, Apparate. Am wenigsten 
jugendliche Arbeiter, nämlich 0,6 (0,6)°/o, fanden sich in der Industrie der forstwirt- 
schaftlichen Nebenprodukte u. s. w., danach 1,3 (1,3) in der Lederindustrie und 1,4 
(1,4) in der chemischen Industrie. Erwachsene Arbeiterinnen waren ausser in der 
Textilindustrie mit 38,2 (41,7)°/, noch besonders zahlreich in der Industrie der Be- 
kleidung und Reinigung, 17,5 (12,2)°/o und der für Nahrungs- und Genussmittel 13,5 
(14,2)? tätig 

Wegen Zuwiderhandlungen gegen Gesetze und Verordnungen über die Be- 
schäftigung von jugendlichen Arbeitern sind im Berichtsjahre insgesamt 1847 (1370) 
Personen bestraft worden und wegen Zuwiderhandlungen gegen Gesetze und Ver- 
ordnungen über die Beschäftigung von Arbeiterinnen 803 (464). 

Bewilligung für Ueberarbeit wurde für Wochentage ausser Sonnabends im 
ganzen 208796 (202279) Arbeiterinnen erteilt und für Sonnabend 14165 (10796); am 
meisten sind vergleichsweise in der Textilindustrie und danach in der Industrie für 
Nahrungs- und Genussmittel Ueberstunden gewährt worden. 

Aus den Mitteilungen über Berufskrankheiten ist folgendes hervorzuheben: 
Bleivergiftungsfälle sind gemeldet aus Bleifarbenfabriken, Bleihütten, Zinkhütten, 
Akkumulatorenfabriken, Falzziegeleien, Töpfereien, Porzellanfabriken, Ofenfabriken, 
Majolikafabriken, einer Fabrik keramischer Farben, einem Bleirohr- und Bleiwalzwerk, 
einer Bleikabelfabrik, aus Feilenbauereien, Klempnereien, Installationsgeschäften, bei 
einem Kupferschmied, bei Bleilötern, Bleischleifern in einer Britanniawarenfabrik, aus 
einem Bleiwarengeschäft, bei Schriftsetzern, Arbeitern an der Setzmaschine, Schrift- 
giessern, Stereotypeuren, Notenstechern, aus galvanoplastischen Anstalten, litho- 
graphischen Anstalten, Messstabfabriken, Lackfabriken, bei Malern, Anstreichern und 
Lackierern. Bemerkenswerte Ergebnisse über die Häufigkeit von Bleierkrankungen 
unter den Mitgliedern der Ortskrankenkasse in Frankfurt a. M. hat die Bearbeitung 
der Krankenkarten dieser Klasse für das Jahr 1903 ergeben. Unter den etwa 53000 
in diesem Jahre angemeldeten Erkrankungsfällen befanden sich 284 Fälle von Blei- 
kolik und Bleivergiftungen und 581 wahrscheinlich damit zusammenhängende „Krank- 
heitserscheinungen“. Von diesen 284 (581) Fällen betrafen 171 (205) Maler, Weissbinder, 
Lackierer, 43 (266) Schriftgiesser, Schriftsetzer und andere in Buchdruckereien 
beschäftigte Personen, 14 (74) Spengler und Installateure, 37 (18) Arbeiter in 
Akkumulatorenfabriken, 19 (18) in sonstigen Betrieben beschäftigte Personen. Dabei 
betrug im Jahre 1903 die Anzahl der Kassenmitglieder 70604, und berechnet sich für 
diese Zeit die Gesamtzahl der versicherten Maler, Weissbinder und Lackierer auf 
1484, der Schriftsetzer, Buchdrucker und Schriftgiesser auf 1689, der Spengler und 
Installateure auf 826; danach sind von den Malern u. s. w. 11,6, den Schriftsetzern 

s. w, 2,6 und Spenglern u. s. w. 1,7°/, an Bleivergiftung erkrankt. 

Angeführt seien hier auch die Mitteilungen über die Bleivergiftungsfälle, die im 
Jahre 1904 unter den Mitgliedern der Leipziger Ortskrankenkasse festgestellt worden 
sind. Gezählt wurden dort insgesamt 371 Bleierkrankungen, davon 75 bei Malern und 
Lackierern, 130 bei Schriftsetzern, 58 bei Schriftgiessern, 9 bei Notenstechern, 11 bei 
Klempnern, 60 bei Arbeitern in Buchdruckereien, galvanoplastischen Anstalten, Mass- 
stabfabriken, Bleirohr- und Walzbleibetrieben, 28 bei Arbeitern in sonstigen Industrie- 
zweigen. Besonders hervorzuheben ist ferner, dass nach den Berichten im Jahre 1904 
in der Bleiweiss- Mennige- und Nitritfabrik zu Burgbrohl mit 130 Arbeitern, sowie in 
der Bleiweiss- und Mennigefabrik zu Bendorf Bleikrankheiten überhaupt nicht vor- 
gekommen sind. Gegenüber den ungünstigen Gesundheitsverhältnissen in der bei 
weitem grössten Zahl der sonstigen Bleiweiss- und Mennigefabriken ist dies geradezu 
überraschend. Die Versuche, die in ausgedehntem Masse in mehreren Bleibetrieben 


1048 Kleinere Mitteilungen. 


mit der Anwendung von Akremninseife zum Reinigen der Hände angestellt worden 
sind, ergaben, dass die Arbeiter diese Seife ungern benutzten, weil sie die Haut 
braun färbt. 

Fälle von Phosphornekrose sind im Berichtsjahre in Zündholzfabriken 8 fest- 
gestellt worden, in einer Zündbandfabrik 1. Geschwüre oder Durchlöcherungen der 
Nasenscheidewand sind bei 8 Arbeitern in einer Alkalichromatfabrik gelegentlich 
einer Untersuchung der Belegschaft dieser Fabrik gefunden worden. Das Arbeiten in 
chromhaltigen Lösungen soll in einzelnen Fällen bei Färbern die Ursache für das 
Auftreten von Ekzem an den Händen abgegeben haben. Centrifugenarbeiter in einer 
Oxalsäurefabrik litten infolge Einatmung verstaubter Oxalsäure angeblich an 
mangelndem Appetit, gelber Hautfarbe und Beklemn.ungen im Schlafe. Von gewerb- 
lichen Vergiftungen sind folgende Fälle mitgeteilt: mit Schwefelkohlenstoff 3 
(Gummiwarenfabrik), nitrosen Gasen 6(Anilinfabrik, Salpetersäurefabrik, Metallbrenne', 
Schwefelwasserstoff 1 (Superphosphatfabrik), Arsenwasserstoff 1, Blausäure 1 (Cyan- 
alkalieanlage), Anilin 10 (Anilinfabrik). In einer Fabrik sollen die Arbeiterinnen, die 
seit Jahren Zaponlack zu verwenden hatten, infolge Einatmung von Amyläther an 
heftigem Kopfschmerz und Nervosität gelitten haben. Kohlenoxydvergiftungen sind 
20 vorgekommen, davon 17 infolge der neuerdings stark in Aufnahme gelangten Ver- 
wendung von Sauggas und Wassergas. Die Maschinenräume der Sauggasanlagen 
sollen infolge mangelhafter Betriebseinrichtungen oft grosse Mengen dieses Gases 
enthalten. In einer Gasanstalt ist beim Räumen des mit Eisenerz beschickten Reinigers 
eino Gasvergiftung beobachtet worden. Fälle von gewerblichem Milzbrand sind 51 
berichtet (darunter 11 mit tödlichem Ausgange), und zwar 35 (5) aus Gerbereien, 13 
(6) aus Rosshaarfabriken und dergl., sowie je 1 aus einer Wollkämmerei, einer Tier- 
haarveredelungsanstalt und einer Kadaververwertungsanstalt; mehrere in 2 Gerbereien 
der Pfalz vorgekommene Erkrankungen und Todesfälle werden noch erwähnt. 

In den Thomasschlackenmühlen ist eine durchgreifende Besserung im Ge- 
sundheitszustand der dort beschäftigten Arbeiter noch nicht eingetreten. Im Berichts- 
jahre sind in 4 Betrieben (Reg.-Bez. Düsseldorf und Trier) mit durchschnittlich SS, 
112, 90 und 258 Arbeitern 6, 2, 3, 2 an Lungenentzündung gestorben, während in 
3 anderen Anlagen mit zusammen 24 Arbeitern 1 Mann dieser Krankheit erlag: in 
5 Mühlen der Reichslande mit zusammen 237 Arbeitern kamen 3 Todesfälle vor. Das 
Auftreten von Ekzem ist u. a. aufgefallen bei Arbeitern in der Mikanitabteilung eines 
Kabelwerks, bei Walkerei- und Färbereiarbeitern, Kupferdrahtziehern, Möbelpolierern, 
Arbeitern in einem Kaliwerke, die Salz zu zerkleinern hatten. Akne wurde gesehen 
bei Arbeitern, die bei der Herstellung von Dachfalzziegeln und Zementsteinen mit 
Paraffin in Berührung kommen, Arbeitern in einer Eisenbahnschwellen-Imprägnier- 
anstalt, Arbeitern einer Vernickelungsanstalt am Entfettungsbade und bei Arbeitern, 
die mit dem Einfüllen von Lederfett (aus Vaselin, Harz und Erdpech) beschäftigt 
waren. Eigenartige Schädigungen der Haut und des Haarwuchses wurden in 2 Fabriken 
für Röntgenstrahlen festgestellt, die bei der Herstellung solcher Röhren sich 
häufig der Einwirkung der Rüntgenstrahlen auszusetzen hatten. 

Aus den Berichten der Bergbehörden geht hervor, das die Wurmkrankheit 
(Ankylostomiasis) im Berichtsjahre ganz wesentlich zurückgegangen ist; die Beleg- 
schaften, die im Vorjahre noch etwa 40—70°/, Kranke aufzuweisen hatten, zählten 
deren nur noch etwa 3 —9%/g. (Veröff. d. Kais. Ges.-A. 1906. No. 16. S. 357.) 


Verlag von August Hirschwald, Berlin N.W. — Druck von L. Schumacher in Berlin N. 34. 


Hygienische Rundschau. 


Herausgegeben 


von 


Dr. Carl Fraenkel, Dr. Max Rubner, Dr. Carl Günther, 


Geh. Med.-Rat, Prof. der Hygiene Geh. Med.-Rat, Prof. der Hygiene Goh. Med.-Rat, a.o.Prof. der Hygiene 
in Hallo a.jS. in Berlin, in Berlin. 


L Jahrgang. Berlin, 1. Oktober 1906. X19. 


XV 


(Aus dem hygienischen Institut zu Göttingen. 
Direktor: Prof. Dr. E. v. Esmarch.) 


Bericht über die Tätigkeit des bakteriologischen 
Untersuchungsamtes am Institut für medizinische Chemie und Hygiene zu 
Göttingen im ersten Jahre 1905/06. 


Von 


Werner Rosenthal, 
Assistenten am Institut. 
(Fortsetzung und Schluss aus No. 18.) 


HI. 

Diesem Bericht füge ich Bemerkungen überdie Methoden der Untersuchung 
und die Grundsätze der Beurteilung, die im Untersuchungsamt Göttingen be- 
folgt wurden, an. Bei dem vergleichsweise kleinen Material mag das etwas 
kühn erscheinen. Aber dafür ist dasselbe fast ausschliesslich von dem Bericht- 
erstatter selbst in sehr gleichmässiger Weise bearbeitet worden, was es recht- 
fertigen mag, wenn er abweichende Meinungen auch gegenüber Arbeiten ver- 
tritt, die sich auf viel grössere statistische Zahlen stützen. Und ausserdem 
ist die Aufgabe, möglichst zahlreiche bakteriologische Untersuchungsämter 
mit verhältnismässig geringen Mitteln zu nützlicher Tätigkeit zu befähigen, 
gegenwärtig so dringend, dass auch geringfügige technische Ratschläge, die 
tastende Versuche und überflüssige Arbeit zu ersparen geeignet erscheinen, 
wohl der Mitteilung wert sind. 

Bei dem Nachweis der Tuberkelbacillen im Sputum wurde, wenn die 
ersten Untersuchungen negativ ausfielen, die Homogenisierung und Sedimentierung 
nach Biedert-Czaplewski ausgeführt und in einer Reihe von Fällen mit 
Erfolg; von der Czaplewskischen Vorschrift!) wurde einzig in der Beziehung 
abgewichen, dass sofort nach dem Neutralisieren mit Essigsäure centrifugiert 
wurde, da die eingesandten Sputumproben kaum je reichlicher sind, als dass 
sich das ganze Material auf einmal (mit einer Turbinencentrifuge) verarbeiten 


1) Zeitschr. f. Tuberkul. u. Heilst. 1906. S. 387. 


1050 Rosenthal, 


liesse. Dadurch dauert das Verfahren bis zum Ausstreichen des Sediments 
höchstens !/, Stunde. 

Bei der Untersuchung sonst sterilen Materials auf Tuberkelbacillen (Pleura- 
exsudat, Eiter aus Gelenken, Cerebrospinalflüssigkeit) wurde mit guten posi- 
tiven Erfolgen die Aussaat auf Glycerinwasserkartoffeln geübt!); dem Bericht- 
erstatter erscheint diese, anscheinend noch wenig verbreitete Methode in solchen 
Fällen dem Tierexperiment gleichwertig, vor dem sie, neben der grossen Billig- 
keit und der Zeitersparnis, sogar den Vorteil zu haben scheint, dass zuweilen 
schon nach 3—4 Wochen deutliche Tuberkelbacillenkolonien auf den Kartoffel- 
cylindern vorhanden sind, während doch die geimpften Meerschweinchen erst 
nach 6 Wochen seciert werden dürfen und das Ergebnis, wenn die Tiere früher 
der Infektion erliegen, meist noch einer zeitraubenden histologischen Kontrolle 
bedarf. 

Bei den Diphtherieuntersuchungen wurden regelmässig Aussaaten auf 
Löfflerserum und Nähragar gemacht und die Untersuchung und Färbung nach 
Max Neisser [2. modif. Methode der Färbung?)] durchgeführt. Fast ausnahms- 
los, ausser nämlich in solchen Fällen, die erst abends nach Schluss der Amt- 
stunden eingeliefert wurden oder an Tagen mit sehr dringender anderer Ar- 
beit und bei denen schon am andern Morgen oder nach wenigen Stunden ein 
eindeutiges Kulturergebniss vorlag, wurde auch eine sorgfältige mikroskopische 
Untersuchung der Originalausstriche vorgenommen, und ich glaube, trotz der 
auf so reiche Erfahrungen gestützten Meinung von Schellers), dass diese 
wichtig genug ist, um durchgeführt zu werden, wenn irgend die Arbeitskräfte 
der Untersucher ausreichen. 

Von 122 Fällen, in denen die erste Probe ein positives Ergebnis hatte, 
wurde nämlich in 28, also mehr als einem Fünftel der Fälle, schon allein 
auf die mikroskopische Untersachung hin eine positive Antwort erteilt; diese 
wurde zwar zur Vorsicht immer in die Form gekleidet, die Probe erscheine, 
auf die blosse mikroskopische Untersuchung hin, höchst verdächtig; in keinem 
Falle aber brauchte diese Antwort später korrigiert zu werden. Natürlich 
werden auch Fehldiagnosen mitunter vorkommen, aber nach unserer Erfahrung 
wohl kaum häufiger, als sie auch nach dem Ausfall der ersten Kulturproben 
und dem Nachweis der metachromatischen Polkörner in denselben, nach 
16 Stunden etwa, möglich sind. Denn in 3 Fällen wurde nach diesen Kri- 
terien eine positive Antwort erteilt, das Tierexperiment aber fiel negativ aus, so 
dass es unentschieden blieb, ob nicht Pseudodiphtheriebakterien vorgelegen hatten. 

Ueber die Beurteilung der Originalpräparate ist noch hervorzuheben, dass 
die sofortige Antwort nur erteilt wurde, wenn Gruppen typisch gelagerter 
und gestalteter Stäbchen mit Polkörnern beobachtet wurden. Wurden nur 


1) Die Vorschrift (Einweichen der Kartoffeln und Zusatz von 5 proz. Glycerin- 
wasser) ist aus Krompecher und Zimmermann, Centralbl. f. Bakt. Abt. I. Bd. 33. 
1904. S. 550 entnommen; vgl. auch W. Hoffmann, diese Zeitschr. 1904. S. 305. 

2) Diese Zeitschr. 1903. S. 705. 

3) Robert Scheller, Beiträge zur Diagnose und Epidemiologie derDiphtheritis. 
Centralbl. f. Bakt. 1906. Abt. I. Bd. 40. S. 1. 


Bericht über die Tätigkeit des bakteriolog. Untersuchungsamtes zu Göttingen. 1051 


vereinzelte Hantelformen oder charakteristisch gelagerte Stäbchen, aber ohne 
Polkörner, gefunden, so wurde immer das Kulturergebnis abgewartet. Die 
Originalausstriche wurden aber immer in mehreren, verschieden gefärbten 
Präparaten untersucht, regelmässig mit Löfflerblau, verdünnter Fuchsinlösung 
und Neisserscher Doppelfärbung, in allen zweifelhaften Fällen auch mit 
Gramfärbung. Die Untersuchung lässt sich gleichwohl rasch und übersicht- 
lich durchführen, wenn man einen Objektträger mit dem Fettfarbstift in Felder 
abteilt, in jedes mit dem Wattebausch einen Abstrich setzt und dann die 
Färbungen z. T. gleichzeitig auf dem horizontal gelagerten Objektträger, die 
Doppelfärbung nach Neisser durch Eintauchen des Endfeldes durchführt. 
Es wurde auch besonders auf Befunde von Plaut-Vincentscher Spirochäten- 
Fusiformis-Angina geachtet, aber kein einziger solcher Fall kam zur Beobachtung. 

Scheller ist der Ansicht, dass die mögliche Beschleunigung der Antwort 
durch die direkte Untersuchung die mehraufgewendete Mühe nicht lohne. Es 
ist gewiss den Aerzten anzuraten, mit den therapeutischen und prophylak- 
tischen Massnahmen, Serumeinspritzung und Isolierung, nicht auf das Ergebnis 
der bakteriologischen Untersuchung zu warten, da sich nie voraussagen lässt, 
nach welcher Zeit eine entschiedene Antwort wird erteilt werden können. Die 
Erfahrung des Berichterstatters lehrte ihn aber, dass tatsächlich die Aerzte 
auch in klinisch verdächtigen Fällen öfters sich erst durch den bakteriolo- 
gischen Befund zur Anwendung des Diphtherieheilserums bestimmen lassen 
und dass sie ausserordentlich selten von der Gelegenheit Gebrauch machen, 
unter Einsendung des Portobetrages an das Untersuchungsamt sich eine tele- 
graphische oder telephonische Benachrichtigung nach auswärts zu erbitten. 
So kann, je nach dem Abgang der Posten, ein Unterschied von wenigen 
Stunden bei der Ausfertigung der Antwort für die Ankunft derselben leicht 
12 und mehr Stunden ausmachen und, wenn es sich um einen Arzt und 
Patienten auf dem Lande handelt, für den Zeitpunkt der Serumanwendung 
leicht 24 Stunden, eine Frist, die unter Umständen für das Leben des Patienten 
verhängnisvoll sein kann. 

Es ist oben berichtet, dass tatsächlich in mehr als einem Fünftel der 
positiven Fälle die erste Antwort nach der mikroskopischen Untersuchung, 
1—2 Stunden nach Eingang der Proben, erteilt wurde. Da aber doch eine 
Reihe von Proben, aus oben angegebenen Gründen, in diesem Zeitraum nicht 
sorgfältig untersucht werden konnte, dürfen wir annehmen, dass bei entsprechen- 
der Organisation des Untersuchungsamtes eine so rasche Beantwortung bei 
einem Viertel aller positiven Diphtheriebefunde möglich wäre, und das ist 
ein Verhältnis, das die aufgewendete Mühe gewiss lohnt. Wir müssen deshalb 
fordern, dass die Untersuchungsämter so reichlich mit Personal besetzt werden, 
dass sich die Diphtherieuntersuchungen in der angegebenen Weise durchführen 
lassen. Für die sanitätspolizeilichen Massnahmen mag ja eine solche Beschleu- 
nigung der Antworten nicht so wichtig erscheinen; aber die praktischen Aerzte 
werden mit Recht den allergrössten Wert auf dieselbe legen, und ihre eifrige 
Mitwirkung durch Probeentuahme bei allen irgend verdächtigen Fällen wird 
man am sichersten durch Entgegenkommen in dieser Richtung fördern. 
Dass die Aerzte nur in so seltenen Fällen telegraphische Antwort erbitten, 


368 


1052 Rosenthal, 


ist meines Erachtens darauf zurückzuführen, dass sie sich scheuen, die Kosten 
des Telegramms in Rechnung zu stellen. Das ist aber nur ein Beweis dafür, 
dass ein Untersuchungsamt seinen Zweck nur erfüllen kann, wenn es durch- 
aus gebührenfrei arbeitet. 

Unter den Typhusuntersuchungen stehen die Widalproben (so bezeichne 
ich der Kürze wegen die Grubersche Agglutinationsprobe, wenn sie mit be- 
kanntem Bakterienstamm und Krankenserum angestellt wird, nach dem Ur- 
heber dieser Anwendung für klinische Zwecke) obenan. Bei ihnen wurde ein 
Verfahren benutzt, das vielleicht in keinem Punkt ganz original, im ganzen 
aber doch dem hygienischen Institut zu Göttingen eigentümlich ist; Herr Prof. 
v. Esmarch, Herr Prof. Reichenbach und zuletzt auch der Berichterstatter 
haben es durch Abänderungen üblicher Methoden in die gegenwärtig geübte 
Form gebracht. 

Das Blut wird mit spindelförmigen, beiderseits in eine Kapillare aus- 
laufenden Röhrchen, von etwa 1/, ccm Inhalt, aufgefangen; die Röhrchen 
sollen etwa zu 2/3 gefüllt werden, indem man den hervorguellenden Bluts- 
tropfen in das schief abwärts geneigte Röhrchen einfliessen lässt. Dieses wird 
beiderseits mit Siegellack oder Wachs verschlossen und in einer Holzhülse 
versendet. Die Hülsen enthalten immer 2 Röhrchen, die beide gefüllt werden 
sollen. Im Institut werden die Röhrchen zuerst centrifugiert; falls nicht, 
was zuweilen vorkommt, eben nur eine der Kapillarspitzen mit Blut gefüllt 
ist, kann man nun mit einer Kapillarpipette nach Abfeilen der leeren Spitze 
bequem einige Tröpfchen klaren Serums entnehmen. Es wird aber tatsächlich 
pur ein Tröpfchen, wie es spontan von der Pipette abtropft, zu allen 
Proben gebraucht. Man lässt nämlich dieses Tröpfchen in ein kleines 
Gläschen fallen (es werden Gläschen von 11 mm lichter Weite, 40 mm 
Höhe benutzt), spült die Pipette mit destilliertem Wasser gründlich aus und 
fügt nun 9 Tropfen der Verdünnungsflüssigkeit mit derselben Pipette hinzu. 
Diese 10 fache Verdünnung wird mit einer rechtwinklig abgebogenen Platinöse 
gut gemischt und dann mit dieser Oese ein Tröpfchen auf ein Deckglas gesetzt. 
Mit der ausgeglühten Oese wird daneben ein ganz gleiches Tröpfchen der vor- 
bereiteten Bakterienaufschwemmung gesetzt, und beide Tröpfchen werden mit 
spitzem Platindraht gemischt und als hängender Tropfen untersucht. Die 
Serumprobe wird durch weiteres Hinzutropfen auf das 2öfache, dann 50fache 
verdünnt und jedesmal auf dieselbe Weise ein hängender Tropfen angelegt. 


1.1 R 
So erhält man 3 Proben von 5- und Verdünnung, die sofort, nach 


1 

20° 50 100 

etwa halbstündigem, einstündigem und zweistündigem Verweilen im Brutschrank 

untersucht werden, und zwar mit schwacher, etwa 55—75 facher Vergrösserung 

(Obj. A Zeiss oder III Leitz); nur zur Kontrolle und um, nach vorgängiger 

Betrachtung bei schwacher Vergrösserung, den Grad der Agglutination schärfer 

zu bestimmen, wird eine mittlere Vergrösserung, 125—180fach (Obj. C Zeiss), 
bei der einzelne Typhusbakterien eben gut sichtbar sind, benutzt. 

Als positives Ergebnis werden, nach dem Beispiel der Untersuchungs- 

anstalt Halle!), nur vollkommene Agglutination, so dass auch bei mittlerer Ver- 


1) Manteufel, Jahresbericht 1904/05. Diese Zeitschr. 1905. S. 595. 


Bericht über die Tätigkeit des bakteriolog. Untersuchungsamtes zu Göttingen. 1053 
grösserung keine.einzelnen freibeweglichen Bakterien mehr zu finden sind, in 


1 
50 Verdünnung und ausgesprochene Agglutination (nur Minderzahl der Bakterien 


P FR f pol A 
noch frei) in 100 Verdünnung betrachtet. Tritt auch in 100 Verdünnung noch 


vollkommene Agglutination ein, so werden, von dem 5Ofach verdünnten Serum 


1 
ausgehend nach derselben Tropfenzählmethode, weitere Verdünnungen, 300° 
1 1 2 ; ; 
500 1000 angelegt und mindestens die Grenze der vollkommenen Aggluti- 


1 
nation oder dass diese noch bei 1000 Verdünnung eintritt, bestimmt. 


1 
Bei vollkommener oder sehr ausgesprochener Agglutination bei 20 Ver- 


1 
dünnung und unvollkommener bei 50 Verdünnung wird die Antwort je nach der 


klinischen Sachlage- verschieden abgefasst. Handelt es sich um frische Er- 
krankungen, so wird das Ergebnis als sehr verdächtig auf Typhus abdomi- 
nalis bezeichnet und eine, mindestens 3 Tage nach der ersten zu entnehmende 
zweite Blutprobe, ausserdem in der Regel auch Stubl des Patienten erbeten. 


In allen Fällen werden auch Kontrollproben mit = Verdünnung und 


Paratyphus A und B angelegt. Wird einer von diesen in gleichem oder 
höherem Masse als Typhusbakterien beeinflusst, so werden auch von ihm 
weitere Kontrollproben angelegt, bis es feststeht, ob die Grenze für die voll- 
kommene Agglutination für ihn oder die Typhusbakterien höher liegt. 

Zur Begründung dieses Verfahrens ist zunächst auf die Frage einzu- 
gehen, ob überhaupt die mikroskopische Beobachtung der Agglutination zuver- 
lässig und empfindlich genug sei, was von verschiedenen Seiten bestritten wird. 
Kafka!) meint sogar, die mikroskopische Beobachtung werde kaum mehr 
geübt; dem ist entgegenzuhalten, dass sie z.B. in den Untersuchungsanstalten 
zu Bremen, Breslau, Frankfurt a. M., Freiburg i. B., Halle a.S. in Uebung ist. 

Was die Zuverlässigkeit betrifft, so kann behauptet werden, dass die Fest- 
stellung vollkommener Agglutination in der angegebenen Weise mit schwacher 
und mittlerer Vergrösserung vor jeder Täuschung schützt, um so mehr, wenn 
es sich, wie bei Widalproben, um Bakterienstämme handelt, die dem Beob- 
achter wohl bekannt, lebhaft eigenbeweglich und frei von Neigung zur Spontan- 
agglutination sind. 

Die Kafkaschen Einwände, die sich auf die Spontanagglutination und 
ihre Beförderung durch normale Sera beziehen, sind für Typhus- und Para- 
typhus-Widalproben deshalb ohne Bedeutung. Für Agglutinationsproben bei 
anderen Erkraukungen mag die makroskopische Beobachtung Vorteile haben. 

Was die Empfindlichkeit betrifft, so liegt die Grenze für vollkommene 


1) Viktor Kafka, Ueber die praktische Leistungsfähigkeit u. s. w. Centralbl. 
f. Bakt, Abt, I. Bd. 40. Orig. S. 247 ff., insbes. S. 550. 


1054 Rosenthal, 


mikroskopische Agglutination freilich tiefer, als für deutlich mit der Lupe 
erkennbare bei langdauernder Beobachtung makroskopischer Proben. Nach 
einer Anzahl vergleichender Proben des Berichterstatters entspricht mikrosko- 


1 
pisch vollkommene Agglutination bei 50 Verdünnung etwa deutlicher Flockung 


1 
nach 8 Stunden in 200 Verdünnung, was Kafka als Minimalzahl eines ein- 


deutig eine bestehende Typhuserkrankung beweisenden Befundes erklärt; doch 
zeigen verschiedene Sera nicht genau das gleiche Verhältnis zwischen makro- 
skopischen und mikroskopischen Befunden, so dass derartige Vergleiche schwer 
durchzuführen sind. 

Es mag zugegeben werden, dass die Ausführung und Beurteilung des eben 
geschilderten Verfahrens eine gewisse Uebung und Erfahrung des Untersuchers 
voraussetzt; das gilt aber in gleichem Masse für alle andern, auch die makro- 
skopischen Agglutinationsproben, falls bei diesen nicht lediglich so in die 
Augen springende Reaktionen entscheidend sein sollen, dass dabei die Empfind- 
lichkeit sicher hinter der mikroskopischen Beobachtung zurückbleibt. 

Die wesentlichen Vorzüge der mikroskopischen Untersuchung 
liegen nun erstens in der kürzeren Beobachtungszeit. Kafka, der für die makro- 
skopische Beobachtung eintritt, fordert für diese 8 Stunden, während alle Be- 
obachter einig sind, dass das Maximum der Agglutination lebender Typhusbak- 
terien bei mikroskopischer Betrachtung in der 3. Stunde erreicht wird. Wenn 
K. diesen Zeitunterschied für unwesentlich hält, so sind ihm dieselben Gründe 
entgegenzuhalten, die oben bei der Diphtherieuntersuchung angeführt wurden. 
Der zweite und noch wesentlichere Vorteil liegt in der geringen Menge des 
nötigen Serums, da ein, von feiner Kapillarpipette abfallendes Tröpfchen für 
alle Proben ausreicht, gegebenenfalls auch für eine genaue Bestimmung der 
Grenzwerte der Agglutination von Typhus- und Paratyphusbakterien bei be- 
liebig grosser Verdünnung. Dies ist auch der Vorzug vor dem von dem Bericht- 
erstatter früher geübten Pröscherschen Verfahren?), bei dem man überhaupt 
eine etwas grössere Serummenge, für Vergleichsproben mit anderen Bakterien- 
stämmen aber immer gleich ein mehrfaches dieser Menge braucht. 

Wenn nur ganz geringe Serammengen zur Verfügung stehen, kann man 
sogar mit erheblich weniger als einem spontan abtropfenden Tröpfchen aus- 
kommen, indem man das vorhandene Serum in eine trockene Kapillarpipette 
überfliessen lässt, die Stelle, bis zu der es reicht, markiert, ausspritzt und statt 
tropfenweise nun mit Hilfe dieser Marke ein bekanntes Vielfaches an Ver- 
dünnungsflüssigkeit zufügt. 

Ueber Einzelheiten des Verfahrens ist noch folgendes beizufügen: 
Die Bakterienaufschwemmungen werden mit 12 bis höchstens 48 stündigen 
Schrägagarkulturen bereitet; zu diesem Zweck wird ein bestimmter Typhus- 
bakterienstamm täglich, die Paratyphusstämme alle 2 Tage überimpft. Tat- 
sächlich zeigt sich kein Unterschied in der Gleichmässigkeit der Aufschwemmung. 
der Beweglichkeit und der Agglutinabilität, ob man 1- oder 2tägige Kulturen 


1) Centralbl. f. Bakt. Abt. I. Bd. 31. S. 400. 


Bericht über die Tätigkeit des bakteriolog. Untersuchungsamtes zu Göttingen. 1055 


verwendet. Die Dichte der Aufschwemmung wird mit dem Auge möglichst 
gleichmässig gemacht; man gewinnt bald ein Urteil, wenn man immer Röhr- 
chen vom gleichen Kaliber (11 mm) verwendet, bei welcher Trübung das 
mikroskopische Bild des hängenden Tropfens die beste Beurteilung zulässt; 
bei zu dichter Aufschwemmung tritt vollständige Agglutination naturgemäss 
schwieriger und langsamer ein; bei zu wenigen Bakterien bleiben die Häufchen 
sehr klein und sind schwerer aufzufinden, eine vollständige Agglutination kann 
ebenfalls ausbleiben, weil die Bakterien gelähmt werden, ohne sich berührt 
zu haben. Handelt es sich um vergleichende Bestimmungen an Typhus- und 
Paratyphusbakterien, so stellt man die Aufschwemmungen auf ganz gleich- 
mässige Trübung ein. Im übrigen haben nach früheren Beobachtungen des 
Berichterstatters!) an abgetöteten Kulturen nach Pröscher, mässige Unter- 
schiede der Bakterienmasse bei kurzer Beobachtungszeit keinen wesentlichen 
Einfluss auf das Ergebnis. 

Die Verwendung von Schrägagarkulturen hat vor der vielfach üblichen 
und die Arbeit der Emulsionsbereitung sparenden von Bouillonkulturen folgende 
Vorzüge. Bouillonkulturen müssen immer ganz gleichmässig angelegt und auf 
Stunden genau gleich alt sein; dadurch ist man, falls nicht mehrere Kulturen 
an einem Tage angelegt werden sollen, an eine bestimmte Stunde gebunden, 
in der die Agglutinationen angesetzt werden müssen, und wenn Proben zu 
einer ungeeigneten Zeit einlaufen, kann eine sehr wesentliche Verzögerung 
der Antwort eintreten. Mit den Agarkulturen kann man sich jederzeit eine 
geeignete Aufschwemmung herstellen. Zweitens können sich Verunreinigungen 
bei regelmässiger Fortimpfung in flüssigem Medium viel eher unbemerkt ein- 
schleichen als bei Schrägagarkulturen; soll dies vermieden werden, so müssten 
Stammagarkulturen neben den Bouillonkulturen regelmässig fortgezüchtet 
werden und einen Mehrverbrauch von Nährböden bedingen. 

Die mit Formalin abgetöteten Bouillonkulturen nach Pröscher sind 
leider für die Beobachtung im hängenden Tropfen wenig geeignet; die Agglu- 
tination tritt in ihnen viel langsamer und in lockereren Haufen auf, als bei 
lebenden Kulturen; das beruht auf dem Mangel der Eigenbewegung, durch 
die die lebenden Bakterien sich einander nähern, und auf der Fixierung der 
Geisseln durch das Formalin, die als lange, wenn auch unsichtbare Borsten 
die Stäbchen voneinander fern halten oder auch sie in minimalen Flüssigkeits- 
schichten fast unbeweglich machen. Von der Beobachtung in Blockschälchen, 
bei der diese Nachteile fortfallen, wurde, wie schon erwähnt, wegen des 
grösseren Serumverbrauches abgesehen. 

Zu den Aufschwemmungen und zur Verdünnung des Serums wurde Pepton- 
Kochsalzlösung verwendet. In reiner Kochsalzlösung ist die Eigenbewegung 
der Typhusbakterien weniger lebhaft und vielleicht auch die Agglutinabilität 
geringer; jedenfalls sind die Ergebnisse schwerer zu beurteilen; in Nähr- 
bouillon kommen zuweilen krystallinische Niederschläge vor, und die Krystall- 
grüppchen stören dann bei schwacher Vergrösserung sehr die Beurteilung. 


1) Sitz.-Ber. d. physik. med, Societät Erlangen 1904. H. 36, ref. Centralbl. f. 
Bakt. Bd. 36. S. 462. 


1056 Rosenthal, 


Für die Empfindlichkeit der Widalprobe ist am wesentlichsten die 
Eigenart des verwendeten Stammes. Durch Vergleich von etwa 16 verschiedenen 
Typhusstämmen wurde derjenige ausgewählt, der am leichtesten vollkommene 
Agglutination zeigt; die Grenze für den Eintritt unvollkommener Agglutination 
(„Häufchenbildung“) ist viel schwieriger zu bestimmen. Auf der regelmässigen 
Verwendung dieses Stammes und der Beurteilung nach dem Eintritt voll- 
kommener Agglutination beruht es, dass in vielen Fällen frischer Erkrankung 
das Untersuchungsamt sogleich eine entschieden positive Antwort erteilen 
konnte und dass, bei den überhaupt entschieden positiven Fällen, ein Zweifel, 
ob Typhus- oder Paratyphusbakterien stärker agglutiniert würden, nie bestehen 
blieb. Es gibt, wie dem Berichterstatter aus vergleichenden Beobachtungen 
bekannt ist, eine ganze Reihe Typhusstämme, die unter gleichen Bedingungen 
sowohl von specifischem Tierserum als auch von Patientenserum weniger gut 
agglutiniert werden als Paratyphus B; und darunter sind viele Jahre lang fort- 
gezüchtete Rassen. 

Falta und Nöggerath!) haben ähnliche Beobachtungen veröffentlicht 
und sind zu dem Resultat gekommen, es gebe zweierlei Rassen von Typhus- 
bakterien mit zweierlei Agglutininogenen, die von dem homologen Serum stark, 
von dem der andern Rasse aber nur schwach beeinflusst würden. Der Bericht- 
erstatter ist trotz eigens hierauf gerichteter Versuche, und obgleich ihm durch 
die Freundlichkeit des Herrn Dr. Nöggerath ein Stamm „Typhus Basel“ zur 
Verfügung stand, an dem jene Beobachtungen gemacht wurden, nicht zu dem 
gleichen Ergebnis gekommen. Es gibt leicht und schwer agglutinierende 
Typhusstämme; bei letzieren liegt insbesondere der Grenzwert für vollkommene 
Agglutination oft auffallend tief, während Spuren von Häufchenbildung sich 
bei annähernd gleichen Verdünnungen noch nachweisen lassen, wie bei den 
leicht agglutinablen. Immunisiert man nun mit einem solchen Stamm Kanin- 
chen, was wiederholt mit dem Typhus Basel sowohl als auch mit einem ähn- 
lichen, in Erlangen aus dem Blut eines Typhusfalles isolierten Stamme ge- 
schehen ist, so erhält man ein Serum, von dem wieder der homologe Stanım 
"bedeutend weniger beeinflusst wird als die leicht agglutinablen Stämme. 

Auch bei vergleichenden Agglutinationen verschiedener Typhusstännme 
mit Patientenserum habe ich immer im wesentlichen die gleiche Rangordnung 
leicht und schwer agglutinabler Stämme, zwischen denen es selbstverständlich 
alle Mittelformen gibt, gefunden. Vollständig gleich fallen diese Versuche 
freilich nicht aus, weil auch die Art der Züchtung einen Einfluss auf die 
Agglutinabilität hat. So wurde der empfindlichste Stamm (den ich im Herbst 
1902 von Herrn Prof. Max Neisser aus dem Frankfurter Institut für experi- 
mentelle Therapie erhalten habe), !/, Jahr lang teils alle 2 Tage auf Agar, 
teils nur nach Monaten auf Gelatine fortgeimpft. Als nach dieser Zeit beide 
Rassen verglichen wurden, zeigte sich die letztere deutlich weniger empfind- 
lich, was auch dadurch zum Ausdruck kam, dass zwei andere Stämme, die 
nach jenem die leicht agglutinabelsten gewesen und in der Zwischenzeit regel- 


1) Ueber Rassenunterschiede von Typhusstämmen u. s. w; Arch. f. klin. Med. 
1905. Bd. 83. H. 1 u. 2. 


Bericht über die Tätigkeit des bakteriolog. Untersuchungsamtes zu Göttingen. 1057 


mässig auf Agar umgeimpft waren, nun in der Rangordnung sich zwischen die 
beiden gleichnamigen Rassen schoben. Auffallenderweise konnte nun auch 
eine mehrere Wochen fortgesetzte regelmässige Umimpfung der Gelatinerasse 
auf Schrägagarröhrchen diesen Unterschied nicht verwischen. Noch bedeuten- 
dere Variationen der Agglutinabilität wurden bei den Typhusbakterien, die 
mit Zwischenzeiten von einigen Wochen aus den Fäces der Bacillenträgerinnen 
isoliert wurden, beobachtet. Aus derselben Quelle wurden hier bald sofort 
sehr leicht agglutinable, bald schwer agglutinierende, die auch nach mehr- 
facher Umzüchtung nur eben sicher durch Agglutination zu identificieren waren, 
abwechselnd isoliert. Eine Umkehr der Reihenfolge in der Agglutinabilität 
der Stämme durch verschiedene Sera, wie sie nach Falta und Nöggerath 
doch zu erwarten wäre, konnte ich aber in keinem Falle finden. 

Bei der regelmässigen Kontrolle aller Sera mit den beiden Paratyphus- 
arten wurden Mitagglutinationen hänfig festgestellt, vielleicht etw ashäufiger 
und stärker von Paratyphus B als A. Meist trat aber bei den nicht als Er- 
reger anzusprechenden Arten nur die Bildung vereinzelter, wenn auch in 
2 Stunden öfters beträchtlich anwachsender Häufchen ein; von der Feststellung 
vollkommener Agglutination ausgehend brauchte man nur selten eine genauere 
Titervergleichung bei stärkeren Verdünnungen vorzunehmen. Bei den Para- 
typhus B-Fällen zeigte sich ebenso, dass auch der empfindliche Typhusstamm 
nur bei starker Konzentration vollkommen agglutiniert wurde. In der Fest- 
stellung dieser feineren Unterschiede scheint dem Berichterstatter ein dritter 
Vorteil der mikroskopischen Beobachtung zu liegen; denn makroskopische 
Proben zeigen bei entsprechender Verdünnung in den entsprechenden Zeiten 
keine vollkommene Klärung; bei längerer Beobachtung kann dieselbe aber 
auch kaum beobachtet werden, weil nun wieder eine Bakterienvermehrung 
einsetzt. Mit der Oese nach 2 Stunden aus einer makroskopischen Probe 
entnommene Pröbchen geben ebenfalls kein so zuverlässiges Bild, weil ein 
grosser Teil der agglutinierten Bakterien sich schon zu Boden gesenkt hat. 

Was die Verdünnungsmethoden durch Tröpfchenzählen und durch 
Mischen zweier Tröpfchen mit abgebogener Oese betrifft, so sind dieselben für die 
Bestimmung des Agglutinationstiters, bei dem Fehler von 10°/, noch als 
unwesentlich zu betrachten sind, gewiss genau genug. Die Tröpfchen werden 
ganz gleichmässig, wenn man jeden Tropfen einzeln von der vertikal gehaltenen 
Pipette langsam abtropfen lässt, wie durch Wägung wiederholt sichergestellt 
wurde; bei raschem Abtropfen werden die Tröpfchen grösser. Ein gewisser 
Febler entsteht dadurch, dass der Serumtropfen infolge der Viskosität des 
Serums etwas grösser ist als die Tröpfchen des Peptonwassers. Nach dem 
Ergebnis einiger Versuche durch Zählung der Tröpfchenzahl einer in der 
Kapillarpipette genau abgemessenen Volumens von klarem Rinderserum und von 
Peptonwasser sind die Serumtröpfchen 4 zu gross. Die 50 fache Verdünnung 
unserer Bezeichnung wäre also im Mittel eine 42!/, fache, und entsprechend 
wären auch die höheren Verdünnungszahlen zu reducieren. Bei dem Vergleich 
unserer Erfahrungen mit denen anderer Institute, in denen das Serum genauer 
volumetrisch gemessen wird, ist diese Differenz wohl zu beachten. Für den 

aa 


1058 Rosenthal, 


diagnostischen Wert der Untersuchungen nach den oben gegebenen Grundsätzen 
aber ist sie nicht von wesentlicher Bedeutung. Dieser Fehler ist freilich nicht 
immer ganz. der gleiche, sondern wird augenscheinlich grösser, wenn das Seram 
nicht klar, sondern hämoglobinhaltig ist; denn dann ist seine Viskosität merk- 
lich grösser. Aber solches Serum ist als durch das Hämoglobin verdünnt 
zu betrachten, so dass dann 2 Fehler in entgegengesetztem Sinne wirken, von 
denen wir durch exakteres Abmessen nur den einen eliminieren, also vielleicht 
keine bessere Genauigkeit erzielen würden. 

Für die Gleichmässigkeit der Oesentröpfchen ist die rechtwinkelige 
Abknickung der Oesen wesentlich; sie ist übrigens von sehr vielen Faktoren 
abhängig: wie tief man die Oese eintaucht, wie man dieselbe auf das Gläschen 
setzt und abhebt, von der Viskosität der Flüssigkeit und der Benetzbarkeit 
der Deckgläschen. Die letzteren beiden Faktoren dürfen wir als für die beiden 
zu mischenden Tröpfchen gleich betrachten, da ja diese auf dasselbe Gläschen 
gesetzt werden und die Serumverdünnungen sowohl als die Bakterienauf- 
schwemmung mit demselben Peptonwasser bereitet sind. Mit Uebung und 
Sorgfalt kann man die aus der Haudhabung der Oese entspringenden Febler 
sehr klein machen; um ein Urteil über ihre Grösse zu gewinnen, bin ich 
folgendermassen verfahren: ich bereitete eine gesättigte Kochsalzlösung, brachte 
dann mit der abgebogenen Oese möglichst gleichmässige Tröpfeben auf sorg- 
fältig gereinigte Deckgläschen, die in ein abgemessenes Quantum destillierten 
Wassers geworfen wurden. Dann wurde der Chlorgehalt durch Titration mit 
verdünnter Silbernitratlösung und Kaliumchromat als Indikator bestimmt; 
der Chlorgehalt einer Oese entsprach etwa !/; mg; diese Menge lässt sich 
mindestens auf 5°/, genau titrieren. Die Versuche, bei denen der gewöhnlich 
wegfallende Fehler der verschiedenen Benetzbarkeit verschiedener Gläschen 
nicht völlig ausgeschaltet war, ergaben, dass im ungünstigsten Fall die 2Tröpfcben 
um 1/3 ihres Volumens verschieden sein können, was einem grössten Fehler von 
25%, bei der mit ihrer Vermischung erzielten Verdünnung entspricht. Da 
dies nur seltene Fälle sind und die so angesetzten Proben nicht weiter ver- 
dünnt werden, also keinen Einfluss auf die andern Proben derselben Versuchs- 
reihe haben, und es sich bei der Agglutinationsprobe um eine Reaktion 
handelt, deren Zahlenwerte in geometrischer Progression fortschreiten, so ist 
auch diese Abmessung mit Oesentröpfchen als genügend genau zu betrachten. 

Das geschilderte Verfahren, durch titrimetrische Chlorbestimmung die 
Grösse eines Tröpfchens zu berechnen, eignet sich übrigens auch zur absoluten 
Inhaltsbestimmung von Platinösen, die ja häufig bei bakteriologischen Unter- 
suchungen nötig oder erwünscht erscheint. 

Ich glaube deshalb die beschriebene Methode der Agglutinationsprobe als 
zuverlässig, empfindlich und besonders bei kleinen Serummengen empfehlens- 
wert bezeichnen zu dürfen. 

Inbezug auf die diagnostischen Typhusbacillenzüchtungen sind die 
Erfahrungen des Untersuchungsamtes nicht gross. In einer Reihe in Göttingen 
verpflegter Fälle wurden die Bakterien auch aus dem Blut der Kranken, nach 
dem Schottmüllerschen und anderen Verfahren, isoliert, doch nur in 
solchen Fällen, in denen die vorher oder gleichzeitig angesetzte Serumprobe 


Bericht über die Tätigkeit des bakteriolog. Untersuchungsamtes zu Göttingen. 1059 


schon ` vorher ein positives Ergebnis geliefert hatte. Zur Isolierung aus dem 
Stuhl wurden die Nährböden nach Conradi und v. Drigalski, nach Endo 
und mit Malachitgrün nach verschiedenen Vorschriften benutzt. 

Die Vorschriften der Autoren über die in jedem einzelnen Fall zur Aussaat 
zu verwendenden Quadratflächen der Nährböden konnten nicht vollständig 
eingehalten werden, da dafür die materiellen Verhältnisse des Amtes (Kosten 
der Rohmaterialien und grossen Doppelschalen, verfügbarer Raum in den 
Brutschränken, Zeit des nährbodenbereitenden Hilfspersonals) nicht ausreichten. 
Um so wertvoller erwies sich die elektive Wirkung der Malachitgrünnährböden. 
Das zuletzt verwandte Verfahren stellt sich etwa so dar: von der eingesandten 
Stuhlprobe werden mehrere Oesen oder entsprechende Bröckelchen mit etwa 
ebensoviel Kubikcentimeter steriler Kochsalzlösung verrieben und hiervon mit 
dem Conradi-Drigalskispatel je eine Malachitgrünschale von 10cm und 
eine Lakmusmilchzucker-Nutroseschale von mindestens 15 cm Durchmesser 
besät. Nach dem mündlich aus dem hygienischen Institut zu Kiel über- 
lieferten Verfahren wird eine gleichmässig abnehmende Verteilung auf den 
Schalen dadurch erzielt, dass der Spatel nicht laut der ursprünglichen Vor- 
schrift in allen Richtungen, sondern bei gleichmässiger Neigung in parallelen 
Zügen hin und her geführt wird: dadurch kann man auch vor dem Beschicken 
der Conradi-Drigalskiplatte neu in die Verreibung eintauchen und erhält 
doch regelmässig auf einem grossen Teil der Platte isolierte Kolonien. Um 
den so wechselnden Verhältnissen des Keimgehalts sowohl wie auch der 
baktericiden Wirkung der Fäces zu entsprechen, wird dann in der Regel die 
ursprüngliche Verreibung auf das 4—6 fache verdünnt und eine zweite gleiche 
Serie angelegt. 

Der vergleichende Gebrauch des Endonährbodens ergab, dass auf ihm die 
Typhusbakterien im allgemeinen ebenso gut gedeihen, wie auf Drigalski- 
platten; in seltenen (2) Fällen konnten dieselben von Endonährboden isoliert 
werden und nicht von Drigalski. Das Umgekehrte kam auch vor, doch hat 
es keinen Sinn, die Zahl dieser Fälle zu vermerken, weil fast immer geringere 
Flächen von Endonährboden als vom l,akmusmilchzuckeragar zur Aussaat 
verwandt wurden. Das Ergebnis lautet also soweit, dass beide Nährböden 
annähernd gleichwertig sind und, vermutlich auf Grund der Eigentümlichkeit 
verschiedener Typhusstämme, die Verwendung von beiden nebeneinander am 
wünschenswertesten wäre. Als ein Nachteil des Endonährbodens aber wurde 
empfunden, dass sich auf ihm häufiger farblose oder fast farblose, auf Typhus- 
bakterien verdächtige Kolonien fanden, die bei Weiterzüchtung sich als Nicht- 
typhus herausstellten, als sich auf den Conradi-Drigalskiplatten derartige 
blaue Kolonien fanden. So verursachte der Endonährboden verhältnismässig 
viele vergebliche Arbeit und verzögerte das Endurteil. Da sich andererseits die 
Malachitgrünnährböden zur Auffindung spärlicher Typhuskeime im allgemeinen 
sehr gut bewährten, so wurde von weiterer Verwendung des Endonährbodens 
abgesehen. 

Die Malachitgrünnährböden können aber jedenfalls nicht allein verwendet 
werden, erstlich weil die Isolierung und Identificierung der Typhusbakterien 
mit ihrer Hilfe meist längere Zeit erfordert als von Lakmusmilchzuckerplatten, 


rate 


1060 Rosenthal, 


zweitens weil zuweilen auf ihnen Typhusbakterien nicht zur Entwickelung 
kommen, die von jenen leicht zu isolieren sind. Auffallende Ergebnisse hatten 
in dieser Hinsicht die wegen der therapeutischen Versuche oft wiederholten 
Untersuchungen der Fäces der Typhusausscheiderinnen; in dem Stuhl derselben 
Person waren an verschiedenen Tagen nicht nur die Typhusbacillen in sehr 
verschiedener Zahl vorhanden, sondern auch auf genau demselben Malachit- 
grünagar erfolgte das eine Mal die Entwickelung der vorhandenen Typhus- 
keime üppig, ein anderes Mal blieben die Malachitgrünplatten ganz steril bei 
positiver Züchtung von Lakmusmilchzuckerplatten. 

Nach dem Erscheinen der betreffenden Arbeiten befolgten wir bei dem 
Bereiten der Malachitgrünnährböden möglichst genau die Vorschriften erst von 
Lentz und Tietz!), dann von Löffler2). Beide befriedigten sehr; unter 
32 positiven Züchtungen aus Stuhl gelangen 4 nur mit Hilfe des Malachit- 
grüns, und in mehreren anderen Fällen zeigten die Drigalskiplatten nar 
schwer auffindbare vereinzelte Typhuskolonien, die Grünplatten aber Typhus- 
reinkulturen. Eine genaue Vergleichung beider Vorschriften durch gleichzeitige 
Benutzung geschah nicht; doch blieben wir zuletzt bei der Löfflerschen Vor- 
schrift, weil bei ihr im allgemeinen die Typhuskolonien grösser zu werden 
schienen als auf dem Lentzschen Nährboden, bei gleichmässiger Unter- 
drückung störender Keime. Doch mussten wir von Löfflers Vorschrift inso- 
fern abweichen, als der genau nach dieser erst neutral eingestellte Nährboden 
nach dem Zusatz von 5 prom. Normal-Sodalösung zu stark alkalisch wurde, so 
dass das Malachitgrün in Gelb entfärbt und ausgefällt wurde. Bei einem ge- 
ringeren Sodazusatz erhielten wir klaren, grünen und für Typhusbakterien 
sehr geeigneten Nährboden. Doch mus; man, wie schon erwälnt, die Be- 
obachtung der Platten mindestens auf 36 Stunden ausdehnen, da öfters erst 
dann die Typhuskolonien eben mit blossem Auge erkennbar werden. Auch 
zeigten sie zwar häufig, aber nicht immer die blattähnliche Rippung bei 
schwacher Vergrösserung, die nach Löffler für Typhus charakteristisch sein 
soll, so dass man beim Fehlen solcher Kolonien auch mikroskopisch anders 
gezeichnete, wenn sie nur makroskopisch tautröpfehenartig erscheinen, als 
verdächtig weiter züchten muss. 

Die verdächtigen Malachitgrünkolonien wurden zunächst in grösserer Zabl 
auf Petrischalen mit Lakmusmilchzuckeragar überimpft. Zur weiteren Iden- 
tifieierung wurde dann die Agglutination mit hochwertigem Kaninchenserum. 
die Züchtung in Lakmusmolke, Gelatineplattengüssen und vor allem in Neutral- 
rotagar nach Oldekop®) vorgenommen. 

Diese anscheinend noch wenig verbreitete Methode stellt eine wesentliche 
Verbesserung derälteren Neutralrotmethoden dadurch dar, dass sie ge- 
wissermassen die Vorzüge eines flüssigen und festen Nährbodens verbindet, indem 
!/zproz. Agar mit Bouillon, Pepton, Traubenzucker und Neutralrot angesetzt 
wird. Die eigenbeweglichen Bakterien der Typhus Coligruppe vermögen sich 

1) Klin. Jahrb. 1905. Bd. 14. S. 495. 

2) Deutsche med. Wochenschr. 106. S. 239. 

3) Centralbl. f. Bakt. Bd. 35. No. 1. S. 120. 


Bericht über die Tätigkeit des bakteriolog. Untersuchungsamtes zu Göttingen. 1061 


in diesem Medium rasch auszubreiten, sie setzen deshalb bei einfacher Stich- 
impfung ebenso augenfällige Veränderungen wie in den älteren Neutralrot- 
Agarschüttelkulturen; das bedingt eine ausserordentliche Vereinfachung der 
Impfung und ermöglicht es, eine grosse Zahl verdächtiger Kolonien von den 
Originalplatten dieser weiteren Probe zu unterwerfen. 

Der Berichterstatter hat oun an diesem Nährboden noch eine kleine Ver- 
änderung vorgenommen, die ihm nützlich zu sein scheint. Oldekop gibt 
nämlich nur an, dass der Nährboden „schwach alkalisch“ sein soll. Ver- 
mutlich hat er, wie das bei Neutralrotnährböden allgemein üblich ist, ihn 
nicht stärker alkalisiert, als dass er schön tiefrot blieb, damit der Farben- 
unischlag in Gelb und die Fluorescenz durch Colibakterien recht deutlich seien. 
Wenn man aber vor dem Neutralrotzusatz den Nährboden bis auf den Phe- 
nolphtaleioneutralpunkt mit Sodalösung versetzt, so wird das Lösungsvermögen 
für Neutralrot etwas herabgesetzt, und nach dem Erkalten erhält man einen 
hellgelbroten Nährboden (bei überschüssigem Farbzusatz mit kleinen Häufchen 
von Farbstoffkrystallen, die bei der praktischen Verwendung kaum stören); 
geringe Säuremengen aber färben diesen Nährboden wieder schön rot, und da- 
zu genügt auch die Säureproduktion von Typhus- und Colibakterien aus dem 
Traubenzucker schon nach wenigen Stunden. Colibakterien führen dann nach- 
träglich Fluorescenz und einen gelben Farbton herbei, die die betreffenden 
Röhrchen sofort von ungeimpften unterscheiden. 

Dieser Nährboden hat nun vor allen anderen zur Identificierung der 
Typhusbakterien empfohlenen den grossen Vorteil, dass er nicht nur negative, 
sondern gleich drei positive Eigentümlichkeiten derselben zur Erscheinung 
bringt: Eigenbeweglichkeit, fakultative Anaerobiose und Säurebildung aus 
Traubenzucker, die sich in der gleichmässigen Trübung und Rötung der be- 
impften Röhrchen, häufig schon nach 12 Stunden, kundtun. Dazu kommen 
dann noch die negativen zur Unterscheidung von Coli-, Paratyphusbakterien 
und ähnlichen: Mangel der Gasbildung und Fluorescenz, die sich nach längstens 
20stündigem Wachstum feststellen lassen. 

So ermöglicht dieser Nährboden, mit wenig Arbeit viele auf den Con- 
radi-Drigalskiplatten blau wachsende Kolonien einer Vorprobe zu unterwerfen 
und nicht nur die traubenzuckervergärenden, sondern auch die nicht eigen- 
beweglichen, die eigentlichen Alkalibildner und die specifisch aöroben auszu- 
schliessen, ehe man zu den zeitraubenderen Agglutinationsproben schreitet!). 

Wenn es Zeit und Grösse der Kolonien gestatteten, wurde eine vorläufige 
Agglutinationsprobe freilich schon vorher vorgenommen, indem auf ein 
Deckgläschen nebeneinander 2 Tröpfchen von Peptonwasser und der Serumver- 
dünnung gesetzt und mit der Nadelspitze eine Spur der Kolonie erst in jenes, 
dann in dieses eingerührt wurde. Lassen sich dann die nicht bezeichneten 
Tröpfchen gut bei schwacher und bei starker Vergrösserung unterscheiden, 


1) Auch für die Differentialdiagnose der Ruhrbakterien scheint mir dieser Nähr- 
boden geeignet: dieselben wachsen in ihm als gleichmässiges, scharf begrenztes Band 
längs des Stiches; der Nährboden bleibt klar, wird aber vom Stich ausgehend gerötet. 
Durch diese Merkmale lassen sie sich von vielen, den Lakmusmilchzucker-Nährboden 
ebenfalls bläuenden Stäbchenarten unterscheiden. 


1062 Lehrbücher. 


indem in dem einen Eigenbewegung der Bakterien, in dem andern Häufchen- 
bildung auftritt, so kann man mit Sicherheit das Vorhandensein einer speci- 
fischen Agglutination behaupten, deren diagnostische Bedeutung natürlich von 
der Art und Verdünnung des verwendeten Serams abhängt. 

Die endgiltige Diagnose der Typhusbakterien wurde mit möglichster 
Zeit- und Nährbodenersparung so gestellt, dass von der verdächtigen Kultur je eine 
Spur in ein Neutralrotröhrehen, Lakmusmolke und auf Agar (falls die Original- 
kultur auf einem andern Nährboden gezüchtet war, Lakmusmilchzuckeragar) 
übertragen wurde; nach Durchmischen der Lakmusmolke wurde dann eine 
Oese derselben in Gelatine übertragen und eine Gelatineplatte gegossen. Am 
andern Tag wurden zuerst die Neutralrot- und Lakmusmolkeröhrchen beurteilt 
und bei den Stämmen, die dann noch in Frage kamen, mit Hilfe der Agar- 
kulturen genauere mikroskopische Agglutinationsproben vorgenommen. Bei 
deutlich positivem Ausfall wurde nun schon die endgültige Antwort erteilt. 
In zweifelhaften Fällen blieben die Gelatineplatten zu weiterer Beurteilung 
und zur Gewinnung einwandfreier Reinkulturen für die Nachprüfung und als 
Sammlungskulturen. Auch die von Löffler!) empfohlenen Grünlösungen 
I und II wurden in solchen Fällen benutzt und haben sich dabei und bei 
Erprobung mit fast allen der im Institut vorhandenen und neugezüchteten 
Typhus- und Paratyphusstämme gut bewährt. 


Mense, Carl, Handbuch der Tropenkrankheiten. Bd. 2. Leipzig 1905. 
Joh. Ambr. Barth. 472 Ss. 8°. Preis: 16 M. 

Der 2. Band des Werks übertrifft den 1. (vergl. diese Zeitschr. 1905. 
S. 1239) nicht blos an Umfang, sondern auch an praktischer Bedeutung wegen 
der Wichtigkeit der behandelten Krankheiten. Er bringt nämlich die In- 
fektionskrankheiten, deren Erreger noch unbekannt sind oder in 
Bakterien bestehen. Nur der erste Abschnitt, in welchem A. van der 
Scheer (Haag) die Aphthae tropicae zur Darstellung bringt, steht ausser- 
halb dieses Rahmens insofern, als es sich hier um die einzige Organkrankheit 
des Buches handelt. Ihre Bedeutung liegt mehr als in den an sich gering- 
fügigen pathologischen Veränderungen der Zunge (Belag, Epithelverluste, Bläs- 
chen) in ihrer Verbindung mit eigentümlichen Störungen der Verdauung, die 
auf mangelnder Ausnutzung des Nahrungsfettes beruhen und zur Bezeichnung 
der Krankheit als Diarrhoea alba, Hill-Diarrhoea (Indien), Cochinchina-Diarrbora 
geführt haben. In einem Nachtrag berichtet der Verf., dass er auf einen Zusam- 
menhang zwischen ihr und „larvierten“ Wurmfortsatz-Entzündungen aufmerk- 
sam geworden ist und von deren chirurgischer Beseitigung gute Erfolge ge- 
schen hat. 

Als Einleitung zu den Infektionskrankheiten gibt Adolf Eysell 
(Kassel) eine Schilderung der Stechmücken, in welcher nicht blos ibre 
Morphologie, Anatomie, Physiologie, Biologie, ihre Stellung im System und 


1) a. angeg. O. 


Lehrbücher. 1063 


die Unterschiede zwischen den Anopheles- und Culexarten, sondern aueh 
Fang, Aufbewahrung, Versand, Untersuchung, Inficierung und Bekämpfung sehr 
klar und einleuchtend behandelt sind. 

Das Dengue-Fieber hat C. L. van der Burg (Utrecht) geschildert. 
Das Gelbfieber ist von berufenster Stelle bearbeitet, nämlich von J. Carroll 
(Washington), dem Mitgliede der berühmten Kommission von amerikanischen 
Militärärzten, die 1900 in Havana die Rolle der Stegomyia bei der Ueber- 
tragung der Krankheit feststellten und den Grund dazu legten, dass durch die 
Mückenbekämpfung Havana seit Herbst 1901 von der 150 jährigen Herrschaft 
des Gelbfiebers befreit ist. E. Baelz (Tokio) und K. Miura (Tokio) liefern 
eine auf genauester eigener Kenntnis beruhende Darstellung der Beriberi, 
die in Ostasien und Brasilien seit jeher heimisch, neuerdings weiter um sich 
greift und hie und da auch in Europa vorkommt, und deren mit Entartung 
peripherischer Nerven einhergehendes Wesen trotz offenbar vorhandener Be- 
ziehungen zur Nahrung (Reis), zum feucht-heissen Klima und zur gelben Rasse 
noch sehr dunkel ist. 

Mit der von G. Sticker (Giessen) beschriebenen Lepra beginnen die 
Infektionskrankheiten, deren Erreger bekannt sind. Die Bacillenruhr ist 
von R. Ruge (Kiel), die Cholera von Paul Krause (Breslau) und Th. Rumpf 
(Bonn), das Maltafieber von P. W. Basset-Smith (Haslar), die Pest von 
Rudolf Poech (Wien) bearbeitet. Sehr dankeuswert ist es, dass auch der 
„Typhus in den Tropen“, von L. Martin (Diessen), und die akuten 
Exantheme, von A. Plehn (Berlin) dargestellt, Aufnahme gefunden haben. 
Beim Typhus war dies schon mit Rücksicht darauf gerechtfertigt, dass er 
bis zu einer noch gar nicht lange zurückliegenden Zeit allgemein mit Malaria 
durcheinandergeworfen und verwechselt wurde. Plehn betrachtet ausser 
Blattern, Masern und Scharlach, die mancherlei wissenswerte Besonder- 
heiten in den Tropen besitzen, auch noch die Peru eigentümliche „Verruga“, 
die möglicher Weise auch durch Insekten übertragen wird, und die in Kamerun 
vorkommenden Sanaga-Pocken. 

Aus dieser Aufzählung der Mitarbeiter geht schon hervor, dass die einzelnen 
Krankheiten von Verfassern behandelt sind, die das Gebiet aus eigener Erfahrung 
völlig beherrschen und zum grossen Teil um seine Erforschung sich grosse Ver- 
dienste erworben haben. Hierdurch ist erreicht worden, dass die verschiedenen Ab- 
schnitte des Buches nicht blos mit grösster Sachkenntnis und Vollstän- 
digkeit geschrieben sind, sondern auch ein individuelles Gepräge be- 
sitzen. Zugleich aber ist überall die folgende allgemeine Einteilung 
innegebalten: Begriffsbestimmung, Bezeichnungen, Geschichte, Geo- 
graphie, Statistik, Aetiologie, pathologische Anatomie, Krank- 
heitserscheinungen und Verlauf, Diagnose, Prognose, Prophylaxe, 
Behandlung, Literatur. Auf diese Weise ist es leicht gemacht, schnell 
und sicher die Stelle aufzufinden, wo bestimmte Fragen erörtert sind. Die 
Darstellung ist meistenteils so lebendig, dass das Studium des jedem Tropen- 
arzt unentbehrlichen Buches eine schr anregende Beschäftigung und ein Genuss 
ist. Der Herausgeber hat für die Abschnitte über Gelbfieber und Maltafieber 
eine vollendete Uebertragung ins Deutsche geliefert. 


1064 Luft. Boden. 


Einen einzigen Wunsch möchte der Ref. zum Schluss für eine neue obne 
Zweifel in kurzer Zeit notwendig werdende Auflage zum Ausdruck bringen, 
nämlich den Ersatz der Abbildungen von Lepra-, Cholera- und Pestbacillen 
und vom Maltakokkus durch Photogramme, womöglich in der Art der schönen 
Tafeln zu der „Einführung in das Studium der Bakteriologie“ von Carl 
Günther, die vor Kurzem in dem Verlage von Georg Thieme gleichfalls in 
Leipzig erschienen ist. Globig (Berlin). 


Herz, Max, Ueber Zugluft und Wind. Eine Studie. Deutsche med. 
Wochenschr. 1905. No. 44. S. 1760. 

Der Verf. macht auf den Unterschied in der Wirkung aufmerksam, welche 
Wind und Zugluft auf den menschlichen Körper ausüben. Er hält das 
allgemeine Vorurteil gegen die letztere nicht für unbegründet und lässt sie 
als wahrscheinliche Ursache für Erkältungskrankheiten mancherlei Art 
gelten, weil sie ein unangenehmes, beinahe schmerzhaftes Kältegefühl 
hervorruft, welches dem Wind feblt. Er sucht den Unterschied dadurch 
zu erklären, dass es sich bei der pressenden Kraft des Windes und der 
Luftbewegung während schneller Fahrt z. B. im Automobil um eine Erhöhung 
des Luftdrucks, bei der Zugluft aber umgekehrt um eine Erniedrigung 
desselben handelt, und stellt dies der bei Caissonarbeiten und bei der Berg- 
krankheit gemachten Erfahrung an die Seite, dass Luftverdichtung bis zu 
hohen Graden ohne Schaden ertragen wird, während Luftverdünnung, nament- 
lich plötzlich eintretende, mehr oder minder heftige Krankheitserscheinungen 
im Gefolge hat. ‚ Globig (Berlin). 


Löhnis, F., Ueber die Zersetzung des Kalkstickstoffes. Centralbl. f. 
Bakt. Abt. II. Bd. 14. S. 87 u. ff. 

Verf. bespricht eine Reihe von Versuchen, betreffend die Zersetzung der 
wirksamen Substanz des Kalkstickstoffs, des Calciumcyanamids, jenes 
wichtigen künstlichen Düngemittels, dessen Herstellung bekanntlich auf rein 
chemischem Wege unter Verwertung des freien, ungebundenen N der Luft 
neuerdings so vorteilhaft gelungen ist, dass bei Vorhandensein billiger elek- 
trischer Kraft dieses mit dem Chilisalpeter im Preise und nahezu auch in 
seiner Wirkung mit demselben konkurrieren kann; ferner bespricht er vor 
allem die Beteiligung von Organismen bei der Zersetzung des CaCN;. 

Bekannt war übrigens schon längere Zeit, dass das CaCN,, die wirksame 
Substanz des sogenannten Kalkstickstoffs keineswegs als solches für die Er- 
nährung der Pflanzen direkt in Betracht kommt, sondern dass im Acker 
baldigst eine Umwandlung in NH, und Salpeter erfolgt. 

Eine Beteiligung von Organismen an der Umsetzung war von vornherein 
mehr als wahrscheinlich. 

Verf. bespricht zuerst Versuche mit Rohkulturen, sodann eine ganze Reihe, 
auch näher beschriebener Organismen, welche an der Kalkstickstoffzer- 
setzung beteiligt sind; schliesslich werden Versuche mit Reinkulturen be- 


Wasser. 1065 


sprochen, auch Harnstoff- und Peptonzersetzungsversuche durch die sogenannten 
Kalkstickstoffbakterien erörtert. Von den geprüften Organismen kommt 
einer grösseren Anzahl die Fähigkeit zu, CaCN, leicht und schnell zu zer- 
setzen und zunächst in Ammoniak überzuführen. Nach der Ansicht des Ref. 
erfolgt übrigens eine Abspaltung von NH, aus CaCN, bereits bei Vorhanden- 
sein bezw. Zugabe von Wasser zu dem genannten Düngemittel, ‘wie dies auch 
direkte Versuche ergeben. Heinze (Halle a. S.). 


Aschof, Das Verbandswasserwerk Bochum. Schill. Journ. f. Gasbel. u. 
Wasservers. 1905. No. 19 u. 20. 

10 Gemeinden der Landkreise Bochum, Gelsenkirchen und Hattingen 
haben das Verbandswasserwerk erbauen lassen. 

Das Wasser wird dem kiesigen Untergrund des Ruhrtals an einer 800 m 
langen Uferstrecke zwischen Hattingen und Dahlhausen entnommen. Es sind 
Rohrbrunnen von 800 mm Durchmesser bis auf die 6--9 m tiefe undurch- 
lässige Schicht niedergebracht. Die Rohre sind bis zu einer Bohrlochweite 
von 500 mm mit gewaschenem Kies umgeben. Das in das Brunnenrohr ein- 
gehängte Saugrohr ist 175 mm weit. Jeder Brunnen ist durch einen Ein- 
steigeschacht zugängig. Die Schachtdeckel haben Gummidichtungen, weil das 
Gelände vom Hochwasser überflutet werden kann. 

Von den Brunnen führen Heberleitungen zu einem Sammelbrunnen und von hier 
Maschinenhaus. Die mit Dampfmaschinen angetriebenen Pumpen drücken das 
Wasser in das weitverzweigte Rohrnetz. Mehrere Hochbehälter sorgen für die 
Ausgleichung der Verbrauchsschwankungen. Imhoff (Essen a.R.). 


König Fr., Die Wasserbeschaffung für Deutsch-Südwestafrika. Schill. 
Journ. f. Gasbeleuchtung u. Wasservers. 1905. No. 30. S. 655. 

Die Kolonie leidet bekanntlich sehr unter Wassermangel. Die jährliche 
Regenhöhe beträgt nur 200—400 mm. Der Regen tritt meist in Form von 
kurzen Gewitterregen und zwar nur während des Sommerhalbjahres auf. Die 
Flüsse schwellen dann rasch an, führen aber ihr Wasser auch rasch wieder 
ab. Die Flusstäler führen zwar viel Grundwasser, der Grundwasserspiegel 
liegt aber sehr tief, meist tiefer als die Flusssohle. Es ist deshalb schwierig, 
das Grundwasser zur Bewässerung des Geländes zu benützen. 

Um das Land fruchtbarer zu machen, hat man schon häufig vorgeschlagen, 
Talsperren anzulegen. Hierfür sind aber die Verhältnisse unter anderem des- 
halb ungünstig, weil die Verdunstungshöhe der freien Wasserfläche drei bis 
viermal grösser ist als in Deutschland. 

Der Verf. spricht dafür, das Grundwasser durch unterirdische Stauanlagen 
zu regeln. (Andere Sachverständige halten dies für Südwestafrika nur in 
Ausnahmefällen für zweckmässig, weil das aufgestaute Grundwasser ent- 
sprechend rascher verdunste. Eine von Kühn veranlasste Stauung bei der 
Keetmannsbooper Nauwte soll sich allerdings bewährt haben. Vgl. Deutsche 
Kolonialzeitung 1905. No. 27. S. 282. Ref.) Imhoff (Essen a.R.). 


78 


1066 Wasser. Klima. Infektionskrankheiten. 


. Vondran A., Ueber das Zerfressen der Bleiröhren durch Ratten. 
Schill. Journ. f. Gasbeleuchtung u. Wasservers. 1905. No. 32. S. 709. 
Der Verf. hat in 2 Fällen nachgewiesen, dass Wasserleitungsröhren 
von Ratten angefressen waren. Die beschädigten Stellen schienen wie 
mit einer Holzraspel angefeilt zu sein. Imhoff (Essen a.R.). 


lde, Zur O-Wirkung der Seeluft. Zeitschr. f. diät. u. physik. Ther. Bd. 9. 
H. 4. S. 187. 
> Loewy und Müller hatten gefunden, dass das Seeklima eine Erhöhung 
der O-Aufuahme herbeiführt. Worauf diese Seeluftwirkung zurückzuführen 
ist, steht noch nicht mit Sicherheit fest. Einesteils wird der Ozongehalt 
oder der etwas erhöhte Sauerstoffgehalt der Seeluft, anderenteils gewisse 
Reize des Seeklimas wie Kälte, Wind, Licht u. s. w., sowie ferner die 
starke Unipolarität der Seeluft als Ursache dieser Wirkung angesehen. 
Jedenfalls findet aber im Seeklima eine intensivere, qualitativ vermehrte 
Oxydation in den Geweben statt, und hierin ist nach Verf. eine der wesent- 
lichsten, um nicht zu sagen specifische Ursache der Seeluftwirkung zu erblicken. 
Baumann (Metz). 


Beiträge zur Typhusforschung. Abdruck aus dem Klinischen Jahrbuch. 
Bd. 14. Jena. Gustav Fischer. 92 Ss. 8°. Preis: 3 M. 

1. Borntraeger J., Typhusepidemie infolge von Wasserbecken-Versen- 
chung in Gräfrath (Landkreis Solingen). 

Eine Typhusepidemie von 118 Erkrankungen mit 11 Todesfällen er- 
eignete sich im Oktober und November 1904 in Oben-Flachsberg, einem 
Vorort von Gräfratb. Von dessen 420 Einwohnern war !/,, von den 
Haushaltungen und Häusern fast 1/, betroffen. Das plötzliche starke Auf- 
treten (in den ersten 6 Tagen 37 Typhusfälle) wies auf eine gemeinsame 
Ursache hin und diese wurde in einem Behälter für Waschwasser er- 
mittelt, der in unmittelbarer Nachbarschaft einer gefassten Quelle sich 
befand, mit dieser durch 2 Speiseröhren und einen (gewöhnlich verschlossenen) 
Ablassgang in Verbindung stand und ein vielbesuchter Versammlungsort 
für Jung und Alt war. Dieser Behälter von etwa 7 cbm Inhalt war über 
ein Jahr lang nicht gereinigt und sein Wasser nicht abgelassen worden, 
obwohl die Wäsche der Einwohner zum grossen Teil dort nicht blos gespült, 
sondern auch gewaschen und das Wasser zur Hausreinigung auch in die 
Häuser geholt wurde. Bei Verstopfung des Ueberlaufs des Wasserbe- 
hälters, die öfter absichtlich vorgenommen wurde, ùm die Benutzung zu er- 
leichtern, und auch zur Zeit des Beginns der Epidemie vorhanden war, konnte 
schon durch Entnahme einiger Eimer Wasser aus der Quellfassung ein Zurück- 
treten des Wassers des Waschbehälters durch die Speiseröhren in die 
Quelle bewirkt werden. In dem 1,3 m tiefen Waschbebälter hatte sich I m 


Infektionskrankheiten. 1067 


hoch, im ganzen etwa 5 cbm, dicker zäher grauschwarzer Schlamm ange- 
sammelt, in welchem Scherben, Steine, Schuhe, Bürsten, Lappen und allerlei 
Abfall gefunden wurden. 

Bakteriologisch wurden im Wasser und im Schlamm des Behälters 
Typhusbacillen nicht festgestellt; trotzdem bestand kein Zweifel an seiner 
Bedentung für die Verbreitung des Typhus. Der Ursprung der 
Epidemie liess sich auf eine Familie zurückführen, die ein typhuskrankes 
Kind ihrer Verwandtschaft von auswärts aufgenommen und alle ihre Wäsche 
in dem Behälter gewaschen hatte. Von 41 Häusern, die ihr Trinkwasser 
aus der öffentlichen Quelle bei dem Waschbehälter entnahmen oder 
es gelegentlich benutzten, wurden 30 (73 v. H.) von Typhus befallen und 
zwar 29 gleich im Anfang der Epidemie; von 17 Häusern, deren 
Trinkwasser ausschliesslich von besonderen Brunnen geliefert wurde, 
wurden nur 3 und zwar erst im späteren Verlauf der Epidemie befallen; 
10 Häuser, in denen nur Wasserleitungswasser benutzt wurde, blieben 
vollständig verschont. Die ersten &0 Typhusfälle wurden auf 
Wasserinfektion in der angegebenen Weise zurückgeführt, für die übrigen 
später als 14 Tage nach Beginn der Epidemie und zwar ebenfalls mit einer 
anfänglichen Häufung aufgetretenen Erkrankungen wurde Entstehung durch 
Kontakt mit früher Erkrankten angenommen. Unter Kindern und Er- 
wachsenen war das männliche Geschlecht stärker betroffen als das 
weibliche. Dies spricht gegen die unmittelbare Infektion beim Waschen an 
dem Wasserbehälter. In 1 Monat war die Epidemie so gut wie beendet, 
obwohl es trotz Angebots freier Kur nur !/, der Kranken in Krankenhausbe- 
bandlung zu bekommen gelang. Wegen der sanitätspolizeilichen Mass- 
nahmen und mancher bemerkenswerten Einzelheiten muss die Arbeit selbst 
eingesehen werden. 

2. Lentz, Kasuistischer Beitrag zur Pathologie des Typhus. Aus d. 
Kgl. Bakteriolog. Untersuchungsanstalt in Idar a. d. Nahe. 

Bei einem Fall, wo es in der 4. Krankheitswoche noch zweifelhaft 
war, ob es sich um Sepsis im Anschluss an eine beiderseitige Entzündung 
der Umgebung der Gebärmutter oder um Typhus handelte, lieferte der 
Nachweis von Typhusbacillen im Stuhlgang die Entscheidung. Die 
Widalsche Probe auf Typhus- und Paratyphusbacillen blieb damals ohne 
Ergebnis. Nach 8 Tagen erfolgte eine starke Darmblutung und von da an 
gestaltete sich der Krankheitsverlauf günstig; zugleich wurde nun 
eine Agglutinationswirkung des Blutes auf Typhusbacillen (nicht auf 
Paratyphusbacillen) noch in einer Verdünnung von 1:100 festgestellt. Eine 
äbnliche Wirkung wie hier die Darmblutung haben nach Beobachtungen von 
Leube und R. Pfeiffer Aderlässe. 

3. Lentz, Brunnen- oder Kontaktepidemie? Aus d. Kgl. bakteriolog. 
Untersuchungsanstalt in ldar a. d. Nahe. 

Der Verf. beschreibt aus einem Dorf eine Typhusepidemie von 
27 Fällen, von denen die ersten 10 zeitlich sehr nahe zusammen und 
in 5 Häusern auftraten, die benachbart um einen Pumpbrunnen lagen, 
so dass es nahe lag, ihren Ursprung in diesem Brunnen zu suchen. 

18* 


1068 Infektionskrankheiten. 


Dieser Verdacht liess sich aber nicht. aufrecht erhalten, weil im übrigen 
Dorf, dessen Bewohner ihr Trinkwasser demselben Brunnen entnahmen, kein 
Fall von Typhus oder Typhusverdacht vorkam. Die auffällige Zusammen- 
drängung hing vielmehr mit naher Verwandtschaft (die Frauen von 
4 Hausbesitzern waren Schwestern) und damit zusammen, dass ein Todes- 
fall lebhafteren Verkehr und dadurch 6 weitere Typhuserkrankungen im 
Gefolge hatte. 5 

4. Lentz, Ueber chronische Typhusbacillenträger. Aus d. Kgl. bakt. 

Untersuchungsanstalt in Idar a. d. Nahe. 

Als chronische Typhusbacillenträger werden diejenigen Personen 
bezeichnet, welche länger als 10 Wochen nach Beginn der Krankheit 
oder, wenn es sich um einen Rückfall gehandelt hat, nach Beginn des 
letzteren noch Typhusbacillen ausscheiden. Wenn die Bacillenaus- 
scheidung erst die 10. Woche überdauert hat, so kommt es ver- 
hältnismässig selten vor, dass sie überhaupt wieder aufhört. Der 
Verf. hat nur 6 Fälle beobachtet, bei welchen eine derartige Spätgenesung 
nach 31/,—13 Monaten eintrat. Bei 15 (4 v. H.) der von der Anstalt be- 
obachteten Typhuskranken ist jedoch die Bacillenausscheidung noch immer 
dauernd im Gange, und es sind sonst noch 20 Personen im Bereich der 
Anstalt ermittelt, welche seit langer Zeit (bis zu 15, 30 und sogar 42 Jahren) 
Typhusbacillen ausscheiden. Ueber 1 Jahr hat der Verf. dies mehrfach 
selbst beobachtet. 

Ueber 27 derartige Fälle (22 von Typhus und 5 von Paratyphus) 
sind genauere Angaben in der Arbeit zusammengestellt. Ueberwiegend 
sind Frauen beteiligt (19), von ledigen Mädchen 3, Männer 4, von Kindern 
nur 1. Vielfach wird körperliche und geistige Ueberanstrengung z. B. 
durch Wochenbetten, schwere Krankbeiten, Kummer und Sorge als 
Ursache angesprochen, in anderen Fällen mangelhafte Pflege während 
der Genesung. Während die Ausscheidung der Bacillen im Verlauf 
des eigentlichen Typhus und in der Rekonvalescenz in unregelmässigen Schüben 
vor sich geht, ist sie bei den chronischen Bacillenträgern in der 
Regel ganz gleichmässig und erfolgt in so grossen Mengen, dass der 
Nachweis durch die Kultur keine Schwierigkeiten macht. In den Wachs- 
tunseigenschaften, Virulenz, Agglutination und Verhalten beim 
Pfeifferschen Versuch bestehen keine Unterschiede zwischen echten 
Typhusbacillen und denen der chronischen Bacillenträger. Dass die letzteren 
eine Gefahr für ihre Umgebung bilden, geht daraus hervor, dass der 
Verf. 9 Fälle ermittelt hat, in welchen sie Typhusinfektion veranlasst haben. 
Arzneimittel aller Art sind ohne Erfolg geblieben; vorübergehend ge- 
holfen hat allein Fortoin (formaliniertes Cotoin). Um die Infektionsgefahr 
der chronischen Bacillenträger zu bekämpfen, haben folgende Massregeln 
ansgereicht: Lieferung von Desinfektionsmitteln (Kresol-Seifenlösung) 
für die Abgänge und Kontrolle ihrer richtigen Anwendung, Desin- 
fektion der Abortgruben, polizeiliche Meldung von Wohnungswechseln, 
Fernhaltung vom Milchhandel und vom Molkereibetrieb, Kontrolle 
durch bakteriologische Untersuchungen. 


Infektionskrankheiten. 1069 


5. Lentz und Tietz, Julius, Weitere Mitteiluugen über die Anreiche- 
rungsmethode für Typhus- und Paratyphusbacillen mittels 
einer Vorkultur auf Malachitgrün-Agar. Aus d. Kgl. bakteriolog. 
Untersuchungsanstalt in Idar a. d. Nahe. 

Die Arbeit verzeichnet zunächst die guten Erfolge, welche Bonhoff 
(vgl. diese Zeitschr. 1905. S. 603), Jorns (vgl. diese Zeitschr. 1904. S. 713), 
Klinger (vgl. diese Zeitschr. 1904. S. 320) und andere Untersucher mit der 
von den Verff. angegebenen Verbindung der Anwendung des Löfflerschen 
Malachitgrün-Agars und des v. Drigalski-Conradischen Lakmus- 
Milchzuckeragars (vgl. Münch. med. Wochenschr. 1903. No. 49) gehabt 
haben. Dann werden die genauen Vorschriften für das Verfahren noch 
ein Mal mitgeteilt, welche in 2 Punkten eine Verbesserung gegen früher 
erfahren haben. Der in 24 Stunden auf den Malachitgrün-Agarplatten 
gewachsene Bakterienrasen wird nämlich nicht mehr abgekratzt und 
verrieben, sondern nur mit Kochsalzlösung überschichtet und hin und 
hergeschwenkt, weil auf diese Weise die Typhus- und Paratyphuskolonien 
zerteilt und die Flüssigkeit mit ihren Bacillen angereichert wird, während 
die Kolonien des Bacterium Coli und des Proteus ihren Zusammenhalt be- 
wahren und unverletzt zu Boden sinken. Ferner wird der Malachitgrün- 
Agar nicht mehr streng neutral, sondern mit Dietrich-Helfenbergschem 
Duplitest-Lakmuspapier ganz schwach sauer hergestellt, um die Ent- 
wickelung alkalibildender Bakterien mehr zurückzuhalten. 

Von 416 Untersuchungen an Stuhlgängen und Harnproben, welche 
im Lauf eines Jahrs in der Anstalt der Verff. den Nachweis von Typhusbacillen 
lieferten, gelangen 83 nur mit Hilfe des Anreicherungsverfahren 
mit Malachitgrün-Agar. Von den in der Beobachtung der Anstalt be- 
findlichen Typhusfällen wurde bei 1/⁄ von den Paratyphusfällen sogar 
bei 1/ die Krankheit ausschliesslich durch diese Anreicherung fest- 
gestellt oder ihr Nachweis mit der nötigen Schnelligkeit gesichert, während 
das v. Drigalski-Conradische Verfahren allein nicht zum Ziel führte. 

6. Seige, Ueber Kontaktinfektion als Aetiologie des Typhus. Aus 
d. Kgl. bakteriol. Untersuchungsanstalt in Saarlouis. 

Der Verf. schildert eine Kette von 26 Typhusfällen in 15 Haus- 
haltungen eines lothringischen Dorfes, die sich im Jahre 1904 während 
5 Monaten ereigneten. Die hygienischen Verhältnisse des Ortes waren bis 
auf die Aborte nicht besonders ungünstig. Eine gemeinsame Ursache, 
die etwa im Wasser, im Boden, der Witterung zu suchen gewesen wäre, fehlte; 
wenn sie vorhanden gewesen wäre, hätte auch ein mehr explosionsartiges Auf- 
treten des Typhus die Folge sein müssen. Den Ausgangspunkt bildete eine 
chronische Typhusbacillenträgerin; bei der llebertragung spielten 
Verwandtschaft, Nachbarschaft, Verkehr einer Näherin, die Schule 
eine Rolle. Die Ermittelung des Zusammenhanges der einzelnen Fälle 
gelang durch Zusammenwirken des Kreisarztes, der Ortsbehörde 
und der bakteriologischen Anstalt. Derartige Nachforschungen sind 
mühsam und oft lückenhaft, weil, abgesehen von den Schwierigkeiten 
und Zufälligkeiten des bakteriologischen Typhusnachweises, das Publikum die 


1070 Infektionskrankheiten. Immunität. Schutzimpfung. 


an Typhus Erkrankten oder Erkranktgewesenen, besonders wenn es sich um 
leichte Formen handelt, nicht kennt oder nicht kennen will. Trotz aller 
Belehrung und Aufklärung waren die Dorfbewohner von der Gefahr der 
Ansteckung nicht genug zu überzeugen. Eine Krankenhausbehand- 
lung, welche der Seuche am sichersten Einhalt getan hätte, liess sich nicht 
ermöglichen. 

7. Vagedes, Paratyphusbacillen bei einer Mehlspeisenvergiftung. 

Aus d. bakteriol. Untersuchungsstation d. Garnisonlazaretts II Berlin. 

Die Arbeit behandelt den Ausbruch von 7 Erkrankungen unter dem 
Bild der Fleischvergiftung, mit 1 Todesfall, in der Familie eines 
Lazarettbeamten in Tempelhof im Juli 1904, offenbar veranlasst durch den 
Genuss einer Mehlspeise. Aus den dünnen Stuhlentleerungen der Er- 
krankten, aus dem Erbrochenen und aus den inneren Organen des Ver- 
storbenen wurden mit dem Conradi-Drigalskischen Nährboden Para- 
typbusbacillen des Typus B gezüchtet (vgl. Trautmann, diese Zeitschr. 
1904. S. 688 u. 928), welche für Tiere stark virulent waren, eine erhebliche 
Widerstandsfähigkeit gegen Erwärmen zeigten uud durch das Blutserum der 
Erkranktgewesenen noch in starken Verdünnungen agglutiniert wurden. Aaf 
chemischem Wege hatte sich in den Entleerungen kein Gift nachweisen 
lassen. Mit welchem Bestandteil die Krankheitserreger in die Mehl- 
speise hineingekommen sind, liess sich nicht feststellen. Dass sie in der 
Milch enthalten gewesen sind, ist nicht wahrscheinlich, weil dann auch 
anderwärts ähnliche Erkrankungen hätten auftreten müssen. Verdächtig er- 
scheinen dem Verf. Enteneier, die bei der Herstellung der Speise verwendet 
worden waren. Globig (Berlin). 


Moresehi C., Zur Lehre von den Antikomplementen. Berl. klin. 
Wochenschr. 1905. No. 37. S. 1181. 

Verf. stellte Untersuchungen an über die Hemmung von hämolytischen 
Seren durch antikomplementhaltige Sera, die er durch Einspritzung 
von bei 56° inaktivierten Ziegenserum erhalten hatte. Eine Hemmung trat 
bei Benutzung eines vom Kaninchen stammenden hämolytischen Serums nur 
dann ein, wenn als Komplement frisches Ziegenserum, nicht aber Kaninchen- 
oder Meerschweinchenserum verwandt wurde. Bei Hinzufügung von inakıi- 
viertem Ziegenseram wirkte jedoch das Antikomplement auch auf diese beiden 
Komplementarten ein. Die antikomplementäre Serumwirkung beruht 
also auf dem Zusammenwirken von zwei Substanzen: einer im Serum 
des vorbehandelten Tieres vorhandenen und einer zweiten, die 
sich im Serum derjenigen Tierspecies (oder einer verwandten) 
findet, deren Serum zur Vorbehandlung gedient hat. Bei den Vor- 
gängen wird eine Analogie mit der Präcipitation deutlich erkennbar (Ziegen 
serum 4 Antiziegenserum). Verf. konnte dies in der Tat durch Versuche mit 
Eiweiss-Antiserum bestätigen. Die antikomplementäre Wirkung ist 
also mit dem Phänomen der Präcipitation vergesellschaftet. 
Ferner stellt Verf. noch folgende Schlussfolgerungen auf: 


Immunität. Schutzimpfung. 1071 


„Bordet vertritt die Anschauung, dass die Komplemente für jede Tierart 
specifisch, aber innerhalb der Tierspecies einheitlich sei. Der Hauptbeweis 
seiner Lehre über die Specifität der Antikomplemente ist jedoch durch meine 
Untersuchungen hinfällig geworden. 

Ohne die Pluralität und Nichtspecifität der Komplemente im Sinne Ehr- 
lichs anzweifeln zu wollen, schliesse ich aus meinen Versuchen, dass die 
Existenz von Antikomplementen nicht zur Beweisführung für diese Frage 
herangezogen werden kann. 

Die Ehrlichsche Anschauung über die Konstitution des Komplements 
(haptophore und zymotoxische Gruppe) bedarf, soweit sie sich auf die Mög- 
lichkeit der Bildung von Antikomplementen stützt, einer Revision. 

Die Autoantikomplementwirkung erklärt sich durch die gleichzeitige 
Gegenwart der zwei Komponenten im Immunserum, die zum Zustandekommen 
der antikomplementären Wirkung nötig sind.“ Baumann (Metz). 


Ball, Oskar, Versuche über die baktericide Fähigkeit des Serums. 
Aus d. hygien. Institut d. Deutsch. Univers. in Prag. Deutsche med. Wochen- 
schr. 1905. No. 45. S. 1788. 

Der Verf. macht aus grossen Versuchsreihen einige vorläufige Mitteilungen, 
aus denen hervorgeht, dass frisches normales Serum, in welches (Typhus- 
oder Cholera-) Bacillen in reichlicher Menge eingebracht und in welchem 
sie 1/,—1 Stunde bei 370° belassen sind, nach deren Entfernung durch 
Centrifugieren seine bakterienvernichtende Fähigkeit völlig verloren 
hat. Durch Zusatz von bestimmten Mengen von Immunserum kann ihm 
aber die frühere keimtötende Kraft, die es als normales Serum besass, 
wiedergegeben werden, manchmal sogar in gesteigertem Mass. Erst wenn 
es durch Erhitzen auf 60° inaktiviert wird, nützt der Zusatz von Immun- 
serum nichts mehr. 

Die Anschauung, welche sich der Verf. hiernach über das Wesen der 
Bakteriolyse gebildet hat, geht dahin, dass eine Abgabe von Bakterien- 
substanz an jede geeignete umgebende Flüssigkeit stattfindet. Der einzelne 
Bacillus kann eine gewisse Menge seiner Substanz verlieren, ohne unmittelbar 
abzusterben; darüber hinaus geht er zu Grunde. Die Flüssigkeit wird durch 
die Aufnahme der Bakteriensubstanz immer reicher hieran, bis eine bestimmte 
Konzentration erreicht ist. Ueber diese hinaus ist eine Steigerung nicht mög- 
lich: dann hört die Bakteriolyse auf. Sie kann aber dadurch wieder hervor- 
gerufen werden, dass gelöste Bakteriensubstanz aus der Flüssigkeit entfernt 
wird, nnd sie findet dauernd statt, wenn fortwährend gelöste Substanz ent- 
fernt wird, wie dies durch das Serum geschieht, dessen Immunkörper sich 
mit der gelösten Bakteriensubstanz verbindet. Der hemmende Einfluss 
der Erhitzung auf 60° spricht dafür, dass bei der Bakteriolyse ausserdem 
noch eine Fermentwirkung stattfindet. Globig (Berlin). 


Schenk, Ueber die Vermehrung der Hämagglutinine im Wochenbett. 
Münch. med. Wochenschr. 1905. No. 34. S. 1623. 
Sch. hat über die Häufigkeit des Befundes von Isoagglutininen im 


1072 Immunität. Schutzimpfung. 


Blutserum von normalen graviden Frauen und von Wöchnerinnen zahl- 
reiche Untersuchungen angestellt und glaubt sich auf Grund des Ausfalls der- 
selben zu der Annahme berechtigt, dass die ermittelte deutliche Zunahme 
der Isoagglutinine im Blutserum der Wöchnerinnen durch den physi- 
ologischen Zerfall und die Resorption von Körpergeweben, wie Be- 
standteilen des Blutes und der glatten Muskulatur, bewirkt werde. Die Er- 
scheinung tritt sowohl bei vorher schon stark aktiven und auch bei den im 
Beginn des Puerperiums inaktiv gewesenen Serumsorten zu Tage. Da der 
Gehalt an Isoagglutininen nach ungefähr 3 Wochen denselben Wert wie vor 
dem Eintritt des Partus zu erreichen pflegt, so schliesst Sch. hieraus, dass die 
Resorptionsvorgänge auch nach dem gleichen Zeitraum zum Abschluss ge- 
kommen sind. 

Im übrigen möchte Verf. den Autoren zustimmen, welche auch im Blut- 
serum normaler gesunder Individuen jedes Alters Isoagglutinine 
als vorhanden annehmen. Doch hat weder der Gehalt des Blutes, noch 
die Zu- oder Abnahme der Zahl der roten Blutkörperchen irgend eine 
ursächliche Beziehung zu dem Isoagglutinationsphänomen. 

Schumacher (Hagen i.W.). 


Uhlenhuth, Ein Verfahren zur biologischen Unterscheidung von Blut 
verwandter Tiere. Aus d. hygien. Institut d. Univers. in Greifswald. 
Deutsche med. Wochenschr. 1905. No. 42. S. 1673. 

Wenn der Verf. Hühner mit Hasenblut vorbehandelte, erhielt er ein Serum, 
welches Hasenblut in kurzer Zeit stark „präcipitierte“, etwas langsamer auch 
das Blut von zahmen und wilden Kaninchen. Dies ist der Ausdruck der so- 
genannten „Verwandtschaftsreaktion“. Als der Verf. aber ein Kaninchen 
mit Hasenblut behandelte, gewann er ein Serum, welches zu seiner Ueber- 
raschung allein in Hasenblut Trübung und Niederschlag hervorrief und mit 
voller, sogar für gerichtliche Fälle ausreichender Sicherheit Hasenblut 
von Kaninchenblut zu unterscheiden gestattete.e Ebenso konnte er 
durch Serum von Hühnern, die mit Taubenblut, und umgekehrt von Tauben, 
die mit Hühnerblut behandelt waren, Hühner- und Taubenblut von ein- 
ander unterscheiden und in gleicher Weise Affenblut von Menschen- 
blut mit dem Serum von Affen, die mit Menschenblut vorbehandelt waren. 
Allem Anschein nach ist diese „kreuzweise Immunisierung* ein geeig- 
netes Mittel, um Blut nahe verwandter Tierarten von einander zu unterscheiden. 
Weitere Untersuchungen bierüber, z. B. ob ähnliche Unterschiede zwischen Pferd 
und Esel, Schaf und Ziege, Hund und Fuchs bestehen, sind im Gange. Viel- 
leicht kommt man dazu, auf diesem Wege Rassenunterschiede festzustellen. 

Globig (Berlin). 


Neisser M. und Sachs H., Ein Verfahren zum forensischen Nachweis 
der Herkunft des Blutes. Berl. klin. Wochenschr. 1905. No. 44. S. 1388. 
Verff. wandten die von Moreschi bezw. schon vorher von Gengou 
studierte „antikomplementäre Serumwirkung“ an, um geringste Mengen 
von Menschenblut pachweisen zu können. Verff. benutzten ein für 


Immunität. Schutzimpfung. 1073 


Hammelblut hämolytisches Kaninchenserum (Amboceptor); als Antiserum diente 
ein nach Vorbehandlung mit Menschenserum gewonnenes Kaninchenserum. 
Geprüft wurden verschiedene Normalsera. Die Versuchsanordnung ist folgende: 
0,1 ccm Antiserum + 0,05 ccm Komplement + Normalserum werden I Stunde 
bei Zimmertemperatur aufbewahrt, dann Zusatz von 1 ccm 5proz. Hammelblutes 
+ 0,0015 ccm Amboceptor und Aufbewahren bei 37° 1 Stunde. Es zeigte 
sich in der Tat, dass nur Menschen- und Affenblut die Aufhebung der 
Hämolyse bewirkten, während nach Zusatz verschiedener anderer Tiersera 
Hämolyse eintrat. Die Reaktion war für Menschenserum ausserordentlich 
fein: 1/10000 bis 1/1000000 cem Menscherserum waren noch nachweisbar. Verff. 
empfehlen deshalb diese Methode zur Kontrolle und Ergänzung der 
Uhlenhuth-Wassermannschen Präcipitationsmethode. Was den Wirkungs- 
mechanismus der Reaktion anlangt, so halten Verff. die Präcipitation nicht 
für unbedingt notwendig zum Zustandekommen der Reaktion, neigen viel- 
mehr der Gengouschen Ansicht zu, dass nämlich die Komplementablenkung 
eine Wirkung der mit specifischen Amboceptoren sensibilisierten 
gelösten Eiweisskörper des Blutes darstellt. Baumann (Metz). 


Kayser H., Diphtherieantitoxin-Bestimmungen bei Mutter und Neu- 
geborenem. Aus d. Institut f. Hyg. u. Bakt. der Univers. Strassburg i. R. 
Zeitschr. f. klin. Med. Bd. 56. H. 1. u. 2. 

Der Verf. hat bei einem Fall aus der Frauenklinik (Partus in Diphtherie- 
rekonvalescenz, bei welchem keine therapeutischen Antitoxingaben stattgefunden 
hatten) Antitoxinbestimmungen gemacht; er konnte feststellen, in wie- 
weit Diphtheriegegengift sich während der Schwangerschaftserkrankung (etwa 
5 Wochen vor dem Partus) gebildet und durch die Placenta dem Neuge- 
borenen vermittelt wurde. 

Zu seinen Versuchen verwandte er Diphtheriegift, von dem 0,5 ccm die 
10 fache dos. let. minima für Meerschweinchen von 250 g darstellte. Mit dem 
mütterlichen Serum der Milch und dem kindlichen Serum (Nabelschnurblut) 
verfuhr er in der Weise, dass eine Reihe von Meerschweinchen 1,0 ccm Serum 
intraperitoneal und am folgenden Tage von der 10 fachen dos. let. minima 
ansteigende Giftdosen bis zur 30 fachen subkutan erhielten. So neutralisierte 
1,0 cem Serum gerade noch die 20 fache dos. let. m. = 1,0 Gift = } 5000 M. 


DAN B a A 
Das Serum enthielt EN oder in 5 ccm Serum eine Normalantitoxineinheit. 


Bei der Milch wurde die 10 fache dos. let. m. — 0,5 Gift durch 5,0 Milch 
neutralisiert, danach also Milch 1 cem = 0,1 Gift neutralisierend = } 500 M. 
oder 1 cem Milch = San oder in 50 ccm Milch eine Normaleinheit. 

Das kindliche Serum hatte den gleichen Wert wie das mütterliche. 

Nieter (Halle a. S.). 


Friedberger E. und Moreschi C., Ueber Rassendifferenzen von Typhus- 
stämmen. Berl. klin. Wochenschr. 1905. No. 45. S. 1409. 
Verff. untersuchten die Bindungsverhältnisse und die antigenen 


19 


1074 Immunität. Schutzimpfung. 


Eigenschaften zweier sich verschieden verhaltender Typbus- 
stämme genauer. Der eine Stamm „Giessen“ wurde von mehreren Immun- 
seren hoch agglutiniert; dem anderen Stamm „Sprung“ gegenüber jedoch 
versagten einige Sera mehr oder weniger vollständig. Beim bakteriolyti- 
schen Meerschweinchenversuch zeigte es sich, dass die benutzten Sera für 
„Giessen“ mindestens 500—1000mal wirksamer waren als für den nur doppelt 
so virulenten Stamm „Sprung“. Verff. nennen diesen Zustand, wie ihn Stämme 
von Typus „Sprung“ zeigen, „Serumfestigkeit“. Die mit diesen beiden 
Stämmen hergestellten Immunsera verhielten sich diesen gegenüber ganz ver- 
schieden. Ein nach einmaliger Injektion gewonnenes „Giessen“-Serum war 
für den homologen Stamm bezüglich Agglutination und Baktericidie hochwirk- 
sam, für den Stamm „Sprung“ aber gar nicht. Umgekehrt lieferte ein 
„Sprung“-Serum Agglutinine für beide Stämme, jedoch mehr für den hetero- 
logen Stamm „Giessen“; ebenso enthielt es auch bedeutend mehr Bakterio- 
lysine für diesen Stamm. Zur Aufklärung dieses merkwürdigen Verhaltens 
stellten Verf. Absorptionsversuche der einzelnen Sera mit den einzelnen 
Stämmen an. Hierbei ergab sich, dass die nach Injektion mit diesen Stämmen 
gewonnenen Agglutinine nicht nur unter sich, sondern auch je nach der 
Art des erzeugenden Stammes verschieden sind, d.h. z. B. das „Sprung“- 
Agglutinin, erzeugt durch „Giessen“, ist verschieden vom „Sprung“-Agglutinin, 
erzeugt durch „Sprung“. Den differenten Agglutininen entsprechen differente 
bindende und bildende Gruppen der beiden Stämme. Bei den bakterio- 
lytischen Ausfällungsversuchen zeigte sich, dass mit beiden Stämmen 
Bakteriolysine erzeugt werden, die beide in „Giessen“, von denen aber nur 
eins, das für „Sprung“, in „Sprung“ passende bindende Gruppen findet, 
während das „Giessen“-Lysin von „Sprung“ überhaupt nicht absorbiert wird. 
Obwohl danach „Sprung“ keine bindende Gruppen für ein „Giessen“-Lysin 
hat, so bildet er doch grosse Mengen eines Bakteriolysins für „Giessen“. 
Hieraus folgt, dass für die Bakteriolyse der Begriff des Receptors 
mit gleichzeitiger haptophorer und antigener Funktion aufge- 
geben werden muss, und dass man getrennte bindende und bildende 
Gruppen am Bakterium zu unterscheiden hat. Für die Praxis ergibt 
sich hieraus, dass zur Identificierung „serumfester“ Stämme. eine aktive 
Immunisierung von Kaninchen sichere Resultate gibt. 
Baumann (Metz). 


Netter et Ribadeau-Dumas, Nouvelle serie d'infections paratyphoides. 
Société de Biologie. Séance du 18 novembre 1905. La sem. méd. 1905. 
No. 47. p. 560. 

Die Autoren berichten über 23 beobachtete Fälle, bei denen 17mal Para- 
typhus A (Brion und Kayser), 4mal Bac. Gärtner, 1mal Bac. Conradi ge- 
funden wurde. Bei den Infektionen mit dem Typus A trat die Agglutination 
oft mit dem Eintritt der Erkrankung ein, bei 9 Fällen war vom 2. Tage ab 
Agglutination von 1:100 und 1:400 festzustellen. 

Die agglutinierende Kraft hielt längere Zeit an; es wurden Agglutinationen 
des Typus A noch nach 3 Monaten und selbst 10 Jahre nach der Erkrankung 
von 1:30 und 1:40 beobachtet. Nieter (Halle a. S.). 


Immunität. Schutzimpfung. 1075 


Netter et Ribadeau-Dumas, Apparition des agglutinations spécifiques 
et des agglutinations de famille au cours des affections typhoides 

~ et paratyphoides. Société de Biologie. Séance du 25 novembre 1906. 
La sem. med. 1905. No. 48. p. 571. 

lm Verlaufe von Typhus- und Paratyphus-Erkrankungen mit einer 
grosser Zahl positiver Stuhl-, Urin- und Blutbefunde haben die Autoren 
Agglutinationsversuche angestellt. Aus ihren Tabellen geht hervor, dass 
Agglutination auch oft mit vorschiedenen anderen,Mikrobienarten eintritt. Von 
37 Fällen, in denen das Blut nur eine einzige Bakterienart agglutinierte, 
kommen 31 auf seit mehr oder weniger langer Zeit abgeheilte und 6 auf 
solche Fälle, die seit Anfang der Erkrankung in Beobachtung standen. 

Bei Personen, die vor kurzem (seit 1—6 Monaten) geheilt waren, wurden 
mehrere Bakterienarten agglutiniert; bei diesen Fällen schien die Agglutina- 
bilität in dem Masse eingeengt zu werden, in welchem man sich vom Anfang 
der Genesung entfernte. Bei einem Anstieg auf etwa 2 Jahre trat die Agglu- 
tination mit einer einzigen Art fast regelmässig auf. 

Bei Paratyphus A schien sich die Agglutinabilität länger auf der Höhe 
zu erhalten als bei Typhus. Nieter (Halle a. S.). 


Bertarelli E., Ueber die aktive Immunisierung des Menschen gegen 
Cholera vermittels autolytischer Produkte des choleragenen 
Vibrio und über das Wesen dieser autolytischen Produkte. 
Centralbl. f. Bakt. Abt. I. Bd. 38. S. 584. 

Das von Neisser und Shiga angegebene Schutzimpfungsverfahren 
gegen Typhus durch autolytische Produkte, sogenannte freie Recep- 
toren, wandte Verf. auch zur Immunisierung gegen Cholera an, indem 
er sich selbst, sowie Kaninchen zu wiederholten Malen autolytische filtrierte 
Produkte der Choleravibrionen einspritzte. Die danach auftretenden agglu- 
tinierenden und baktericiden Fähigkeiten des Serums waren aber 
nur mässig; allerdings hielten dieselben mehrere Monate lang an. Verf. stellte 
sich dann ein anderes Impfmaterial ber, indem er, in ähnlicher Weise wie 
Wassermann, den abgetöteten Kulturrasen im Vakuum trocknete und pulve- 
risierte. Auch bierdurch wurde kein hohes Agglutinationsvermögen des Serums 
erzielt. Verf. untersuchte ferner die oben genannten autolytischen Produkte 
der Typhusbacillen auf ihre chemische Beschaffenheit. Er fand, dass die- 
selben aus stickstoffhaltigen Substanzen bestehen, die zum grössten 
Teil durch Magnesiumsulfat gefällt werden und sehr phosphorreich sind. 
Es handelt sich demnach um proteinartige Stoffe aus der Gruppe der Nu- 
kleine. In derartigen autolytischen Flüssigkeiten beweglicher Bacillen konnte 
Verf. regelmässig Geisselo oder Bruchstücke derselben nachweisen, aber auch 
von nicht geisseltragenden Keimen lassen sich autolytische Produkte gewinnen. 

Baumann (Metz). 


Dunbar, Zur bakteriologischen Choleradiagnose. Der direkte Ag- 
glutinationsversuch. Berl. klin. Wochenschr. 1905. No. 39. S. 1237. 
Bei mehreren Cholerafällen und bei zahlreichen Versuchen mit künstlich 


79? 


1076 Immunität. Schutzimpfung. 


inficiertem Stuhlgang konnte Verf. durch den direkten Agglutinations- 
versuch eine orientierende Diagnose schon nach einigen Minuten 
stellen. Verf. verfährt dabei folgendermassen: Mit einem Platinhaken entnimmt 
man aus dem verdächtigen Stuhl eine möglichst kleine Schleimflocke, 
verreibt diese nacheinander in 2 auf Deckgläsern befindlichen Tropfen Pepton- 
lösung und setzt zu dem einen einen Tropfen 50 fach verdünnten Normal- 
Kaninchenserums, zu dem anderen einen Tropfen 500 fach verdünnten Cholera- 
Immunserums. Bei Vorhandensein von Choleravibrionen tritt bei letzteren eine 
deutliche Agglutination ein, während in dem Kontrollpräparat zahlreiche 
meist bewegliche Vibrionen zu sehen sind. Bei Verwendung choleraähn- 
licher Vibrionen wurde keine Agglutination beobachtet. Noch leichter ge- 
lang es, eine orientierende Diagnose zu stellen, wenn statt des verdächtigen 
Stuhles die daraus angesetzten Peptonkulturen nach 3stündiger Be- 
brütung verwandt werden. Baumann (Metz). 


Grassberger R. und Schatteniroh A., Antitoxische und antiinfektiöse 
Immunität. Aus den Sitzungsberichten der Kais. Akademie der Wissen- 
schaften in Wien. Juli 1905. 

Die Verff. haben bei Schutzimpfungen von Rindern gegen Rauschbrand 
mit Gemischen von Toxin und antitoxischem Serum die Erfahrung gemacht, 
dass ein gewisser Prozentsatz der geimpften Tiere trotzdem der nachfolgenden 
Infektion mit Weiderauschbrand erlag und häufig sogar eine merkliche Ueber- 
empfindlichkeit für die Ansteckung zeigte. Auch im Laboratoriumsversuch 
konnten sie daraufhin feststellen, dass mit dem Steigen des Antitoxingehaltes 
im Blut aktiv und passiv giftfester Tiere durchaus keine grössere Resistenz 
gegeu nachfolgende Infektion mit Rauschbrandbacillen Hand in Hand ging; 
Tiere mit nachgewiesen hochwertig antitoxischem Serum erlagen der Infektion 
oft rascher als die Kontrolltiere. Im Laufe der Untersuchungen zeigten sich 
dann auch bedeutende Unterschiede der Arteigenschaften beim Rauschbrand- 
bacillus, je nach der Art und Weise, wie die betreffende Kultur gezüchtet worden 
war, so dass die Verff. bei dem gleichen Stamm folgende 3 Typen 
unterscheiden zu können glauben: 1. hochvirulente, „originäre“ Kulturen, 
die gar kein Toxin liefern. Man erhält sie, wenn man frischen oder eingetrock- 
neten Rauschbrand-Gewebssaft auf steriles, frisches Fleisch überträgtund zu cker- 
freie Peptonbouillon aufgiesst. 2. Exquisit toxinliefernde Kulturen man erhält 
sie durch Züchtung in Zuckerfleischbrühe. 3. Denaturierte Kulturen, die keine 
Toxine liefern und, wenn überhaupt noch pathogen, das Bild der Gasphleg- 
mone hervorrufen. Die Verf. kommen zu der Ueberzeugung, dass die Toxin- 
bildung nicht das Ausschlaggebende bei der Rauschbrandinfektion sei. Ein 
Endotoxin nachzuweisen ist ihnen nicht gelungen. Trotzdem bewährte sich 
im Experiment ein Serum, das mit steigenden Dosen erst abgetöteter, dann 
virulenter Bacillen hergestellt wurde und später für die Praxis in einer 
kombinierten Methode in Anwendung kommen soll, die sowohl dem toxischen 
wie dem infektiösen Charakter der Rauschbrandinfektion gerecht wird. 

Vom Rind haben die Verff. vorläufig ein derartiges Serum gewonnen, das 
erst durch Einverleibung steigender Giftdosen antitoxisch ge- 


Immunität. Schutzimpfung. 1077 


macht wird und dann durch Weiterbehandlung mit Bakterien- 
leibern auch Schutzstoffe gegen die Infektion mit virulenten 
Rauschbrandbacillen gewinnt. Das Serum scheint bakteriolytische 
Fähigkeiten zu haben, ohne dass darüber ein endgültiges Urteil abgegeben 
werden kann. Es wirkt ferner agglutinierend, verhält sich aber auch in 
dieser Beziehung verschieden sowohl gegenüber Stämmen verschiedener Her- 
kunft als auch gegenüber den oben angeführten Typen des gleichen Stammes. 
Manteufel (Berlin). 


Schick, Bela, Ueber die weiteren Erfolge der Serumbehandlung des 
Scharlachs. Aus d. k.k. pädiatr. Klinik d. Univers. in Wien. Deutsche 
med. Wochenschr. 1905. No. 52. S. 2092. } 

Der Verf. berichtet über 60 Fälle der Anwendung des Moserschen Schar- 
lach-Streptokokkenserums bei den schwersten unter im ganzen 660 in 
die Klinik aufgenommenen Erkrankungen an Scharlach. Obwohl bei 42 davon 
die Aussicht auf Erhaltung des Lebens zweifelhaft war und bei 10 der Tod 
erwartet wurde, starben von jenen nur 8, von den letzteren nur 2. Der Verf. 
erklärt es für notwendig, dass bei schwerem Krankheitsbilde das Serum 
frühzeitig, womöglich an den ersten 2 Krankheitstagen eingespritzt wird; 
der 3. Krankheitstag ist der letzte, an welchem noch mit Wahrscheinlich- 
keit ein Erfolg hiervon erwartet werden kann. Meistens beginnt 4—6 Stun- 
den nach der Einspritzung der Abfall der Temperatur- und Pulssteigerung und 
erreicht in 24—48 Stunden seinen niedrigsten Stand. Wichtig ist, dass nur 
„vollwertiges“ Serum zur Anwendung kommt; man kann aber bisher den Grad 
seiner Wirksamkeit noch nicht durch Tierversuche ermitteln, sondern ist auf 
die klinische Beobachtung angewiesen. Das günstige Urteil des Verf.’s stimmt 
mit den Erfahrungen überein, die in Russland bei schweren Scharlachepidemien 
gemacht worden sind. Globig (Berlin). 


Diesing, Ein Immunisierungsversuch gegen die Tsetsekrankheit der 
Rinder in Kamerun. Arch. f. Schiffs- u. Tropenhyg. Bd. 9. S. 427. 

Die Tsetsekrankheit ist in Kamerun fast an der ganzen Küste und 
landeinwärts vorhanden, soweit die Waldzone reicht. Innerhalb der Waldzone 
siud die von Karawanen begangenen Strassen und besonders ihre Kreuzungs- 
punkte heimgesucht. In den küstennahen Waldgebieten ist sie gleichmässig 
durch das ganze Jahr und in latenter Form verbreitet und kommt bei den 
inficierten Tieren erst durch eine Gelegenheitsursache zum Ausbruch. Ada- 
manaesel werden nur leicht befallen; ihr Serum hat, nachdem sie die Krank- 
heit überstanden haben, die Fähigkeit, das Fortschreiten der Krankheit bei 
künstlich inficierten Pferden und Rindern deutlich aufzuhalten, so dass der 
Tod bis zu 30 Tagen verzögert werden kann. Prophylaktisch wurde diese 
Eigenschaft an einem 235 Köpfe starken Rindertransport verwendet. Die 
Resultate waren äusserst günstig: bei den immunisierten Tieren wurden 
nur wenige Todesfälle beobachtet (5 unter 100), während von den nicht immu- 
nisierten Tieren ein grosser Teil einging. Die Schutzwirkung des Serums 


1078 Immunität. ‚Schutzimpfung. 


dauert etwa 14 Tage. Ausserdem wurde eine neue Pilzerkrankung entdeckt, 
die zu knorpelartigen Geschwülsten in Darm, Leber und Milz führte. 
Kisskalt (Berlin). 


Loeffler F., Die Schutzimpfung gegen die Maul- und Klauensenche. 
Referat, erstattet auf dem VII. internationalen Tierärztlichen Kongress in 
Budapest, am 8. September 1905. Deutsche med. Wochenschr. 1905. No. 48. 
S. 1913. 

Der Bericht fasst die Ergebuisse der langjährigen Arbeiten des Verf.’s 
und seiner Mitarbeiter über die Bekämpfung der Maul- und Klauenseuche 
(vgl. diese Zeitschr. 1898, S. 498. 1899, S. 530. 1901, S. 853) kurz zusammen 
und gibt eine Uebersicht des gegenwärtigen Standes der Frage. Der Verf. 
erörtert im Eingang die Bedeutung der Schutzimpfung gegen die Maul- 
und Klauenseuche für die verschiedenen Fälle des Ausbruchs der Krankheit, 
nämlich im gleichen Stall, auf dem gleichen Gehöft, auf einem benach- 
barten Gehöft und bei der Einstellung fremder Tiere in gesunde 
Bestände. Er verlangt von der Schutzimpfung, dass sie für die geimpften 
Tiere ungefährlich ist, dass sie auf längere Zeit wirksamen Schutz 
gewährt und dass sie leicht ausführbar und billig ist. Den Ausgangs- 
punkt der Untersuchungen bildete die Tatsache, dass das Ueberstehen der 
Krankheit immun macht. Da indessen die im Blut der durchseuchten 
Tiere entstehenden Schutzstoffe nicht stark genug oder nicht zahlreich genug 
sind, um andere Tiere damit gegen Ansteckung zu sichern, so wurde versucht, 
die Schutzkraft des Blutes durch wiederholte Einspritzung des Ansteckungs- 
stoffes, der aus den Blasen im Maul, auf der Zunge, an den Hufen und am 
Euter gewonnen werden kann, zu steigern. Dem stand zunächst die Schwierig- 
keit entgegen, dass man den Erreger der Krankheit nicht kannte und 
noch nicht kennt. Es bedeutete daher einen wesentlichen Fortschritt, als 
festgestellt wurde, dass er, ohne an Wirksamkeit zu verlieren, durch 
Berkefeldfilter hindurchgeht, und dass man ihn auf diese Weise von 
anderen Mikroorganismen und Verunreinigungen trennen kann. Ferner war 
es von grossem Wert, dass Ferkel und Schwein als geeignete Tiere für 
die Fortzüchtung der Lymphe ermittelt wurden. Nun konnten mit steigen- 
den Mengen der Lymphe Pferde immunisiert und von ihnen in genügen- 
der Menge Serum gewonnen werden, welches Schafe und Schweine mit 
Sicherheit schützte. Bei Rindern dagegen dauerte der Schutz durch dieses 
Pferdeserum nur- 14 Tage. Es wurden deshalb an Stelle der Pferde Kühe 
immunisiert und so ein zwar länger wirksames, aber für die Zwecke 
der Praxis zu teures Serum erhalten. Auch die mehrmals in Zwischen- 
räumen von 8—10 Tagen wiederholte Einspritzung von mittleren Mengen dieses 
Serums war noch zu kostspielig, wenn auch von guter Wirkung. 

Deshalb gab der Verf. die passive Immunisierung auf und ging zur 
aktiven über. Er verwendete zunächst Lymphe, die nach Durchgang durch 
Berkefeldfilter im Eisschrank aufbewahrt und hierdurch abgeschwächt 
war. Indessen verbielten sich die einzelnen Stämme im Zeitmass ihrer Ab- 
schwächung verschieden, und es blieb schwierig, den jeweiligen Grad der 


Wohnungshygiene. 1079 


Abschwächung zu beurteilen und zu ermitteln, ob die zur Verwendung 
kommenden geringen Lymphemengen noch krankmachend auf Ferkel wirkten. 
Mit der Abschwächung durch Erwärmung und chemische Zusätze ver- 
bielt es sich ähnlich. Schliesslich wurde eine schwach virulente Lymphe von 
gleichbleibender Wirkung dadurch erhalten, dass sie abwechselnd im Ferkel 
und im Rind fortgezüchtet wurde; doch ' mussten die Ferkel gleicher Ab- 
stammung sein, weil sich sonst Steigerungen der Virulenz oder Verlust der- 
selben unangenehm bemerkbar machten. Dies liess sich auf die Dauer nicht 
durchführen. 

Mischungen von Lymphe mit Immunserum waren schon 1898 als 
„Seraphthin“ von den Höchster Farbwerken in den Handel gebracht, hatten 
aber bald wieder zurückgezogen werden müssen, als sie Erkrankungen an 
Maul- und Klauenseuche im Gefolge hatten. Neuerdings werden hochwertiges 
Rinderseram und frische virulente Lymphe in bestimmtem Verhältnis 
gemischt und in sehr geringen Mengen (0,5 ccm Serum und 0,08 ccm Lymphe) 
unter die Haut gespritzt. Dies ist wirksamer als die früher angewendete 
Einführung in die Blutadern und hat eine zwar nicht hochgradige, aber 
gleichmässige Grundimmunität zur Folge; diese kann aber durch nach- 
folgende Einspritzung kleiner Lymphemengen (1/390—!/100—!/25 cem) 
mit Sicherheit zu einer sehr hochgradigen gemacht werden, so dass 
der Schutz, den sie gewährt, dem durch Ueberstehen der Krankheit 
erworbenen gleichkommt. Allerdings ist dieses Verfahren, weil es 4 Ein- 
spritzungen im Lauf von etwa 8 Wochen notwendig macht, umständlich, 
aber es ist ungefährlich und billig. Die sämtlichen Impfstoffe kosten nur 
30—50 Pfg. Der Verf. fordert, dass alle Impfungen ausschliesslich 
durch Tierärzte ausgeführt werden, und hält es für erforderlich, dass das 
Impfmaterial von Staatswegen unentgeltlich abgegeben, und dass 
auch für etwaige Impfschäden Ersatz geleistet wird. 

Globig (Berlin). 


Hanauer W., Die Arbeiterwohnungsfrage in Deutschland am Beginn 
des 20. Jahrhunderts vom ärztlich-bhygienischen Standpunkt te- 
leuchtet. 120 Ss. 8. Leipzig. J. F. Wilhelm Schumanns Verlag. 

Bei der Arbeiterwohnungsfrage genügt es nicht, Forderungen aufzu- 
stellen, wie die Wohnung gesundheitlich beschaffen sein soll, sondern es ist 
auch zu berücksichtigen, ob sie erfüllbar sind, und wie sie in der Praxis er- 
füllt sind. j 

Nachdem Verf. dargelegt hat, dass die Wohnungsnot der unteren Klassen 
eine öffentliche Kalamität bildet, erörtert er die Abhülfemassregeln. Da der 
Einzelne schutzlos ist, müssen Staat und Gemeinde helfend eingreifen, und 
die Gemeinnützigkeit muss sich regen. Daneben kommen die Arbeitgeber und 
die korporativ vereinigten Wohnungsbedürftigen selbst in Betracht. Allen 
diesen Faktoren fallen besondere Aufgaben zu, welche unter dem Gesichts- 
punkte der Neuerrichtung einer genügenden Zahl gesunder undbilliger Wohnungen, 


1080 Wohnungshygiene. 


anderseits der Beseitigung ungesunder Wobnungen im einzelnen besprochen 
werden. 

An die Spitze derer, welche an der Lösung der Wohnungsfrage mitzu- 
arbeiten berufen sind, wird die Gemeinde gestellt. Ihre oberste Aufgabe ist 
nicht, selbst Wohnungen zu bauen, sondern die Grundlage für eine allseitig 
gesunde private Bautätigkeit zu schaffen. Die zahlreichen Wege, die dafür 
offen stehen, sind je nach den örtlichen Verhältnissen und Mitteln zu beschreiten. 
Ein grosser Teil der Mängel der tatsächlichen Wohnungszustände ist darauf 
zurückzuführen, dass die Baustatute vielfach nicht das erforderliche Mass 
hygienischer Vorschriften enthalten. Gerade für die Wohnungen der minder 
bemittelten Klassen ist die Gewährung einer genügenden Menge von Luft, 
Licht, Wärme und Trockenheit besonders notwendig. Neben den Massnahmen, 
welche den Boden für die reichliche Herstellung billiger und gesunder Klein- 
wohnungen indirekt ebnen, kommt auch die Errichtung solcher Wohnungen 
durch die Gemeinden selbst in Frage. So sind sie in Zeiten grosser Wohnungs- 
not verpflichtet, für ihre Arbeiter, Bediensteten und Beamten mit kleinem Ge- 
halt Wohnungen herzustellen. 

Vollständig lässt sich die Arbeiterwohnungsfrage nur im Zusammenbange 
mit der grossen Arbeiterfrage, von welcher sie einen Teil bildet, lösen. 

Würzburg (Berlin). 


Olbrich, Klemens, Zweite Wohnungsuntersuchung der allgemeinen 
Pforzheimer Ortskrankenkasse. Bericht an die Generalversammlung 
über die Wohnungsverhältnisse erkraukter Kassenmitglieder. 

In Fortsetzung der im Jahre 1902 begonnenen Untersuchungen wurden 
auch im Laufe des Jahres 1903 die Wohnungsverhältnise der erkrankter. 
Kassenmitglieder von Angestellten der Kasse gelegentlich der Krankenbesuche 
nach verschiedenen Richtungen hin untersucht. Besonders wurde dabei auf 
Reinlichkeit, Geräumigkeit, Feuchtigkeit, Belichtung, Beheizung und Abortver- 
hältnisse geachtet. Hervorzuheben ist aus dem Bericht, dass bei Mindestforde- 
rung von 10 cbm Luftraum pro Person 17,130, der Wohnungen in Pforz- 
heim selbst und 26,75%, in den zur Krankenkasse gehörigen Land- 
orten als überfüllt anzusehen waren. 82 Kranke, von denen 21 an 
Lungentuberkulose und 14 an akuten Infektionskrankheiten litten, mussten ihr 
Bett mit einer erwachsenen Person, 62 mit Kindern teilen. In 20,87%/, der 
Untersuchungen wurden die Wohn- und Schlafräume gleichzeitig als Küche, in 
7,79%/, auch als Arbeitsraum benutzt. Eine reichsgesetzliche Regelung der 
Wohnungsfrage wäre zur energischen Besserung der Wohnungsverhältnisse not- 
wendig. Manteufel (Berlin). 


Immenkötter Th., Ueber das Junkerssche Kalorimeter. Schill. Journ. f. 
Gasbeleuchtung u. Wasservers. 1905. No. 34, 35, 36. 
Das von Junkers im Jahre 1892 konstruierte Kalorimeter dient zur 
Messung des Heizwertes von gasförmigen und flüssigen Brennstoffen. Es be- 
steht im wesentlichen aus einem Röhrenkessel, der von einem nach Menge 


Heizung. 1081 


und Temperatur genau messbaren Wasserstrom durchflossen wird. Die zuge- 
führte Luft, die Abgase und das bei der Verbrennung entstehende Kondens- 
wasser werden ebenfalls gemessen. 

Der Verf. hat die Eigenschaften und Fehlerquellen des Junkersschen 
Kalorimeters genau untersucht und kommt zu dem Schluss, dass dieses Kalori- 
meter der zweckmässigste der bisher vorhandenen Apparate zur technischen 
Heizwertbestimmung ist. 

Schliesslich beschreibt der Verf. noch einige Verbesserungen des Apparats: 
Heizarme Gase bis herab auf 670 Kal. können noch untersucht werden, wenn 
statt Luft reiner Sauerstoff zugeführt wird. Auch bei einigen flüssigen Brenn- 
stoffen, die bisher Schwierigkeiten gemacht haben, sind nach einigen Ver- 
besserungen des Apparats Heizwertbestimmungen möglich. 

Imhoff (Essen a.R.). 


Schäfer Fr., Hygienische Anforderungen an Gasheizungen. Schill. 
Journ. f. Gasbeleuchtung u. Wasservers. 1905. No. 87. S. 793. 

Im Juli 1903 hielt der Geh. Regierungsrat Prof. Rietschel auf einer 
Versammlung der Heizungs- und Lüftungsfachmänner in Dresden einen Vortrag 
über „Empfehlenswerte Sicherheitsmassregeln bei Heizungsanlagen“ und stellte 
darin 8 Leitsätze auf. Die letzten 3 Leitsätze handeln über Gasheizung und 
lauten: 

6. Gasöfen mit entleuchteter Flamme sowie solche mit fallenden Zügen 
der Verbrennungsprodukte bleiben von der Anwendung ausgeschlossen. 

7. Die Abzugsröhren für die Verbrennungsprodukte bei Gasöfen müssen 
mindestens 1,5 m über Dachfirst münden und sind mit Deflektoren zu versehen. 

8. Die Abzugsröhren für die Verbrennungsprodukte der Gasöfen dürfen 
nicht in Aussenwänden liegen. 

Diese Leitsätze hat der Verf. in einem Vortrag auf der Versammlung 
des Deutschen Vereins von Gas- und Wasserfachmännern des Jahres 1905 in 
Coblenz einer Kritik unterzogen. 

In seinem Vortrag wendet sich der Verf. zuerst gegen den Leitsatz 6. 
Das Vorurteil gegen die Oefen mit entleuchteten Flammen und mit fallenden 
Zügen besteht darin, dass man annimmt, dass die Flammen leicht ersticken, 
wenn der Zug im Kamin stockt oder zurückschlägt, und dass es sich nicht 
bemerkbar macht, wenn die Flammen erlöschen. Diese Nachteile können aber 
durch richtige Bauart vermieden werden: Es gibt auch Gasöfen mit fallenden 
Zügen, die bei einem Rückstoss der Abgase nicht erlöschen, und solche mit 
entleuchteten Flammen, die mit Glühkörpern aus Asbest oder dergl. versehen 
sind, die also das Erlöschen deutlich erkennen lassen. Andererseits gibt es 
Oefen mit nur steigenden Zügen, die durchaus nicht gegen Ersticken der 
Flammen und Explosion sicher sind. Der Leitsatz 6 ist also in seiner All- 
gemeinheit nicht gültig. 

Gegen die Leitsätze 7 und 8 führt der Verf. an, dass jeder Gasofen auch 
unabhängig vom Schornsteinzug brennen müsse. Weil die Abgase meist nicht 
wärmer seien als 100°, sei das Wichtigste, die Wärmeverluste im Schornstein 


1082 Bäder. 


niedrig zu halten, also den Abzugsröhren einen kleinen Querschnitt zu geben 
und die Röhren nicht zu hoch frei über Dach zu führen. 
Imhoff (Essen a.R.). 


Dengler P., Der 33. schlesische Bädertag und seine Verhandlungen 
u. s. w. für die Saison 1904. IV. 164 Ss. gr. 8°. Reinerz 1905. 

In 14 schlesischen Bädern wurden in der Saison 1904: 19216 Krank- 
heitsfälle behandelt, davon 4062 in Salzbrunn, 2743 in Warmbruun, 2458 in 
Flinsberg, 2414 in Reinerz. In 5343 Fällen lagen Krankheiten der Atmungs- 
organe vor, davon 2132 in Salzbrunn, 1536 in Reinerz, in 4111 Krankheiten 
der Konstitution und des Blutes, deren 873° in Flinsberg, 739 in Jastrzemb, 
538 in Salzbrunn behandelt wurden, in 2712 Krankheiten der Bewegungsor- 
gane, u. a. 1128 in Warmbrunn, 779 in Goczalkowitz, in 2500 Krankheiten 
des Nervensystems, 772 in Warmbrunn, 559 in Flinsberg. 

Salzbrunn wurde von 15053 Personen besucht, Warmbrunn von 13814, 
Flinsberg von 10581, Reinerz von 9527. 

Das Sommermittel der Temperatur war in Jastrzemb mit 18,4 und in 
Kudowa mit 16,50 am höchsten, in Reinerz mit 10,3 und in Görbersdorf mit 
12,4% am niedrigsten. 

Auf dem 33. schlesischen Bädertag kamen u. a. folgende Gegenstände 
zur Verhandlung: Quellenbohrungen; Sputumbeseitigung in Kurorten; öffent- 
liche Fürsorge für Lungenkranke; Schwankungen der Mineralbestandteile in 
natürlichen Quellen; Hygiene des Gastwirtschaftswesens; Radioaktivität der 
Mineralquellen; Vergleich zwischen den schlesischen Bädern und den oberita- 
lienischen Kurorten. Würzburg (Berlin). 


Lenkei W. D., Weitere Untersuchungen über die Wirkung der Sonnen- 
bäder auf einige Funktionen des Organismus. Zeitschr. f. diät. u. 
physik. Ther. Bd. 9. H. 4. S. 194. 

Verf. stellte bei 37 Personen beiderlei Geschlechts und jeden Alters, die 
meist an Fettsucht, Rheuma u.s.w. litten, Untersuchungen an über die Wirkung 
der Sonnenbäder (15—20) auf einige Funktionen des Organismus. 
Alle Untersuchungen wurden erst unmittelbar vor dem Sonnenbade und das 
zweite Mal nach Beendigung der freien Bestrahlung, und zwar stets in wage- 
rechter Lage, vorgenommen. Es ergab sich hierbei, dass der arterielle 
Blutdruck nie höher wurde, sondern meist um 6,5 mm durchschnittlich sank. 
Der Druck im Venensystem veränderte sich bei 25°), gar nicht, bei den 
übrigen stieg er um 1 ccm im Mittel. Die Zahl der Pulsschläge ver- 
mehrte sich bei 85%, um 10, bei 15%/, trat keine Aenderung ein. Durch 
sphygmographische Aufnahmen konnte in ‘der Qualität des Pulses keine 
merkliche Veränderung festgestellt werden. Die Frequenz der Atmung 
nahm nie zu, meist um 4 Atemzüge in der Minute ab.” Die Tiefe der 
Atmungsbewegungen blieb bei einem Viertel der Fälle gleich, bei allen 
anderen wurde die In- und Exspiration etwas grösser. Das Körpergewicht 
nahm nach Verlauf eines Sonnenbades im Durchschnitt um 0,84°%/, des 


Bäder. Ernährung. 1083 


ursprünglichen Gewichtes ab, während nach Beendigung der gesamten Sonnen- 
kur das Körpergewicht der Mageren grösser wurde, das der Fettsüchtigen 
aber abnahm. Da die Veränderungen der Atmung während der Sonnen- 
bäder gerade entgegengesetzt sind den bei andersartigen Ueberhit- 
zungen des Körpers auftretenden, so ist nach Verf. die Ursache entweder 
in der vermehrten Kohlensäureproduktion oder in der Aenderung der Blut- 


eirkulation — oder auch in beiden zu suchen; jedenfalls ist es die Licht- 
und nicht die Wärmewirkung der Sonnenstrahlen, welche die Vertiefung und 
Verminderung der Atemzüge bewirkt. Baumann (Metz). 


Nenadovics L., Die Wirkung der Franzensbader Moorbäder auf den 
Stoffwechsel. Zeitschr. f. diät. u. physik. Ther. Bd. 9. H. 2. S. 76. 
Verf. prüfte durch Selbstversuche die Wirkung der Franzensbader 
Moorbäder auf den Stoffwechsel, indem er innerhalb 35 Tagen 17 Moor- 
bäder verschiedener Temperatur nahm und den Stoffwechsel nach gewissen 
Harnkoäfficienten beurteilte. Er kam zu folgenden Ergebnissen: Das Körper- 
gewicht bleibt fast unverändert. Die Haromenge wird kleiner, trotzdem 
die Nieren gut arbeiten, und trotzdem sich eine Neigung zu Obstipation ein- 
stellt. Die kühleren Moorbäder schonen die Nervensubstanz und greifen 
hauptsächlich die Muskelsubstanz (N) an, die heissen Moorbäder da- 
gegen schonen die Muskelsubstanz und greifen die Nervensubstanz an. Der 
Verbrauch der Nervensubstanz wurde berechnet aus dem Verhältnis des ge- 
samten ausgeschiedenen Phosphors zu dem gesamten Stickstoff. 
Baumann (Metz). 


v. Fujitani J, Ueber den Einfluss verschiedener Substanzen auf die 
künstliche Magenverdauung. Aus dem pharmakol. Institut (Prof. Dr. 
K. Morischima) der Kgl. Universität Kyoto. Arch. intern. de Pharmaco- 
dyn. et de Therap. 1905. Vol. 14. p. 1. 

Als Verdauungsflüssigkeit benutzte Verf. eine Lösung, welche 2°/, 
Pepsin und 0,4%, Salzsäure (HCI) enthielt und mit dem gleichen Volumen 
der Substanzlösung versetzt wurde; die verdauende Wirkung wurde an — mit 
koaguliertem Hühnereiweiss gefüllten — Mettschen Röhrchen bestimmt. Ge- 
prüft wurden 47 Substanzen; von den Ergebnissen seien nur die wesent- 
lichsten wiedergegeben. 

Die neutralen Salze der anorganischen Basen hemmen in allen 
Konzentrationen die Verdauung, und zwar nimmt diese Wirkung mit der Kon- 
zentration zu. Die einzige Ausnahme von dieser Regel bilden die Acetate, 
welche in ganz grosser Verdünnung die Verdauungsvorgänge in geringem Grade 
günstig zu beeinflussen vermögen, in höheren Konzentrationen aber gleichfalls 
hemmen. ‘Die Wirkungsweise der Salze hängt nicht von der Natur der Basen, 
sondern ausschliesslich von der Beschaffenheit der Säuren ab; das Salz der 
Borsäure entfaltet in schwachen Konzentrationen nur eine unbedeutende 
schädliche Wirkung, übt jedoch von einer gewissen Konzentration an plötzlich 


1084 Ernährung. 


einen sehr starken nachteiligen Einfluss aus, so dass es in seiner Wirkung 
alle anderen Salze weit übertrifft; nächst dem borsauren Salze üben die Sul- 
fate in allen Konzentrationen den grössten schädigenden Einfluss aus; ihnen 
folgen die Chlorate, Jodide und Nitrate, endlich die Bromide und zu- 
letzt die Chloride, welche die schwächste schädigende Wirkung besitzen. 
Die Salze der organischen Säuren wirken in schwächeren Lösungen sehr 
wenig, in stärkeren dagegen beträchtlich bindernd; unter den untersuchten 
organischen Salzen hatte der Salicylat den grössten Einfluss, dann folgt das 
Benzoat und zuletzt die Acetate, welch’ letztere ja in schwachen Konzen- 
trationen, wie oben erwähnt, sogar begünstigend wirken. 

Von den Alkaloidsalzen wirkt das Cocainhydrochlorid, das salz- 
saure und schwefelsaure Chinin, sowie das Morphinsulfat stark beein- 
trächtigt; das Morphinhydrochlorid sowie das Koffein wirken deut- 
lich beschleunigend, und zwar desto stärker, je höher ihre Konzentration ist. 

Der Alkohol wirkt erst bei einer Konzentration von 10°, ungünstig, bis 
zu 5°/, fehlt ihm jeder Einfluss auf die Verdauungsvorgänge; die hemmende 
Wirkung der alkoholischen Getränke hängt nicht hauptsächlich von ihrem 
Gehalt an Alkohol, sondern allein von anderen Bestandteilen derselben ab: 
das Bier z.B. wirkt bei einer Konzentration von 95%, in hohem Grade 
ungünstig ein, der Alkoholgehalt beträgt aber dabei noch nicht ganz 4°. 
muss also an und für sich noch gänzlich unschädlich sein; dasselbe Verhalten 
zeigen auch Wein und Sake. 

Kaffee und Tee bieten ganz analoge Verhältnisse wie Bier dar, ihr 
Koffeingehalt spielt bei ihrer Wirkung keine merkbare Rolle. 

Die Zuckerarten üben schon bei einer Konzentration von 0,5%, eine 
hemmende Wirkung auf die Verdauungsvorgänge in vitro aus. 

Wesenberg (Elberfeld). 


Kiesel K., Ueber weitgehende Specificität einiger Verdauungsfer- 
mente. Aus dem physiol. Institut (Prof. Dr. Gmelin) der tierärztl. Hoch- 
schule in Stuttgart. Arch. f. d. ges. Physiol. 1905. Bd. 108. S. 343. 

Zur Untersuchung kamen das Pepsin, Trypsin, das Lab des Magens 
und das Lab des Pankreas, alle Fermente sowohl vom Rinde als auch 
vom Hunde isoliert, in ihrer Wirkung auf das Kasein der Kuhmilch bezw. 
der Hundemilch. Wenn man den Begriff der Specificität entsprechend 
fasst, so sind die proteolytischen und milchkoaguliesenden Verdauungs- 
fermente des Hundes und Rindes je specifisch in ihrer Wirkung auf das Kasein 
des das Ferment lieferoden Tieres, mit Ausnahme des Trypsins und Pankreas- 
lab des Ilundes; diese beiden Fermente zeigen konstant eine grössere Affinität 
zum Kasein des Rindes als zu dem des Hundes. Aus diesem Verhalten gebt 
hervor, dass sowohl die Fermente als auch die Kaseine der ver- 
schiedenen Tiergruppen verschiedener Art sind, zum mindesten 
eine verschiedene Struktur ihrer Moleküle besitzen. 

Die in vorliegender Arbeit festgestellten Tatsachen, besonders die Speci- 
fieität der Magenfermente für Kasein desselben Tieres, sind imstande, die aus 
anderen Gründen erhobene Forderung zu unterstützen, dass bei der Ernäh- 


Ernährung. 1085 


rung der Säuglinge artfremde Milch, und sie sei nach ihrer 
groben Zusammensetzung noch so sehr der eigenen Milch ange- 
passt, keine Verwendung finden darf. 

Während das Kasein des Rindes durch Erhitzen auf Temperaturen von 
90° C. aufwärts zum Teil alkaliunlöslich wird, behält das Hundekasein unter 
derselben Procedur seine Alkalilöslichkeit vollständig bei; dagegen verändert 
sich das Hundekasein durch Erhitzen auf 90° C. in der Weise, dass es nun 
mehr Alkali zu binden imstande ist, als das unerhitzte Kasein, das Hunde- 
kasein ist also durch das Erhitzen saurer geworden. 

Auch das Pankreaslab folgt in seiner Wirkung dem von Segelke und 
Storch für das Magenlab festgestellten Zeitgesetz. 

Wesenberg (Elberfeld). 


Bach A., Zur Kenntnis der Katalase. Ber. d. Deutsch. chem. Gesellsch. 
1905. Bd. 38. S. 1878. 

Im Anschluss an eine frühere Mitteilung des Verf.’s in Gemeinschaft mit 
Chodat (Ber. d. Deutsch. chem. Gesellsch. 1903. Bd. 36. S. 1757), wurde 
gefunden, dass die Wirkung der Katalase derselben Regel folgt, welche bei 
der Peroxydase beobachtet ist, und anscheinend auch für andere Fermente 
gültig ist, nämlich: bei überschüssiger Fermentmenge ist der Umsatz den 
Substratmengen, bei überschüssiger Substratmenge den Fermentmengen direkt 
proportional; bei der Peroxydase, welche auf ein zusammengesetztes Substrat 
(Wasserstoffsuperoxyd + oxydierbare Substanz) wirkt, kompliciert sich diese 
Regel in der Weise, dass der Umsatz den Mengen der einzelnen Substratbe- 
standteile proportional ist; Ferment und Substrat sind also offenbar an der 
Reaktion in konstanten Verhältnissen beteiligt. Wesenberg (Elberfeld). 


Völtz W., Ueber den Einfluss verschiedener Eiweisskörper und 
einiger Derivate derselben auf den Stickstoffumsatz, mit be- 
sonderer Berücksichtigung des Asparagins. Aus dem zootechnischen 
Institut der kgl. landwirtsch. Hochschule zu Berlin. Arch. f. d. ges. Physiol. 
Bd. 107. S. 360. 

Auf Grund zahlreicher an Hunden angestellter Versuche kommt Verf. zu 
den nachstehenden Schlussfolgerungen: 

1. Paraoukleinstickstoff wird zu einem etwas höheren Prozentsatz resor- 
biert als Serumalbuminstickstoff; dagegen gelangt etwas mehr Serumalbumin- 
stickstoff zum Ansatz. 

2. Das Asparagin wird scheinbar nicht vollständig resorbiert; es er- 
schienen 4,6—12,90/, des aufgenommenen Asparaginstickstoffs im Kot wieder. 

3. Asparagin erwies sich bei sämtlichen Versuchen in Bezug auf die Er- 
haltung und Vermehrung des Eiweissbestaudes Eiweisskörpern gegenüber 
als minderwertig. 

4. Bei gleichzeitiger Zufuhr von Paranuklein bezw. Nuklein und Asparagin 
im Verhältnis Paranuklein- bezw. Nukleinstickstoff zu Asparaginstickstoff 1:1 
wird die Eiweisszersetzung erheblich gesteigert. 

5. Bei gleichzeitiger Zufuhr von Kasein und Asparagin in dem unter 4 


1086 Ernährung. 


angegebenen Verhältnis ist die Steigerung der Eiweisszersetzung so bedeutend, 
dass sich das Tier trotz reichlicher Eiweisszufuhr kaum ins Sticksoffgleichge- 
gewicht zu setzen vermag, sondern von seinem Körperbestande an Eiweiss noch 
etwas einbüsst. 

6. Bei gleichzeitiger Zufuhr von Asparagin und Serumalbumin im Verhältnis 
Asparaginstickstoff zu Albuminstickstoff = 1:1 tritt die eiweisszersetzende 
Wirkung des Asparagins weniger hervor als bei gleicher Asparagin- und Para- 
nuklein- bezw. Nukleinzufuhr, und zwar selbst dann. wenn der Organismus nach 
starkem Eiweissansatz die Tendenz hat, sich allmählich dem Stickstoffgleichge- 
wicht zu nähern, also an sich schon eine Steigerung der Eiweisszersetzung vor- 
handen ist. 

Unter Umständen kann Asparaginstickstoff bei gleichzeitiger Serumalbumin- 
zufuhr zum Ansatz gelaugen resp. eine entsprechende Menge Eiweiss vor dem 
Zerfall geschützt werden. Allerdings sind Eiweisskörper dem Asparagin in 
dieser Hinsicht weit überlegen. Wesenberg (Elberfeld). 


Völtz W., Ueber den Einfluss des Lecithins auf den Eiweissumsatz 
ohne gleichzeitige Asparaginzufuhr und bei Gegenwart dieses 
Amids. Arch. f. d. ges. Physiol. Bd. 107. S. 414. 

Durch Versuche an Hunden ergaben sich nachstehende Schlussfolgerungen: 

1. Der Stickstoffumsatz kann bei demselben Individuum in erwachsenem 
Zustande bei gleicher Nahrung und Haltung recht erheblichen Schwankungen 
unterworfen sein. 

2. In Uebereinstimmung mit früheren Befunden hat sich herausgestellt, 
dass die Steigerung des N-Umsatzes bei gleichzeitiger Kasein- und Asparagin- 
zufubr erheblich grösser ist, als bei gleichzeitiger Albumin- und Asparagin- 
zufuhr. 

3. Durch Ersatz eines Teiles Albuminstickstoff (in diesem Falle 1/5 des 
Albumins) durch dieselbe Menge Lecithin-N wird der Eiweissansatz begünstigt. 

4. Das Lecithin lässt selbst dann einen günstigen Einfluss auf den N-Um- 
satz erkennen, wenn weitere 2/, des Albumins, und zwar durch eine im N-Ge- 
halt gleiche Menge Asparagin, ersetzt werden. 

5. Die bei gleichzeitiger Zufuhr von Asparagin und Paranuklein bezw. 
Asparagin und Kaseiu bezw. Asparagin und Hirn wiederholt konstatierte Stei- 
gerung des Stickstoffumsatzes gegenüber den Versuchen, bei denen die phos- 
phorhaltigen Eiweisskörper durch eine im N Gehalt gleiche Menge Albumin 
ersetzt wurden, ist auf das Vorhandensein der phosphorhaltigen Komponenten 
in den Molekülen der genannten Proteine, also auf die Paranukleinsäure bezw. 
Nukleinsäure zurückzuführen. Wesenberg (Elberfeld). 


Zunz E., Contribution à l'étude de la digestion des albumoses dans 
l'estomac et dans l'intestin grêle. De l'Institut de thérapeutique de 
PUniversité de Bruxelles. Arch. internat. de Pharmacodyn. et de Therap. 
1905. Vol. 15. p. 203. 5 

1. Eine Stunde nach Einführung von Pepton Witte in den Magen und 

Dünndarm — beide in situ beim Hunde isoliert — ist die Menge an Ge- 


Ernährung. 1087 


samt-Stickstoff und dessen Gehalt an Propepton-Stickstoff im Magen, vor allem 
aber im Darm, vermindert. Während sich das Flüssigkeitsvolumen im Magen 
etwas vermehrt hat, ist dasselbe im Darm deutlich vermindert; der procen- 
tuelle N-Gehalt ist im Magen geringer, im Dünndarm grösser geworden. Die 
Albumosen sind in weiter vorgeschrittene Verdauungsprodukte übergeführt. 

2. Eine Stunde nach — analoger — Eiuführung der Albumose B IH 
Picks ist die Menge des Gesamt-Stickstoffs und der Gehalt an N vermindert 
im Magen und vor allem im Dünndarm. Das Flüssigkeitsvolumen hat im 
Magen eine Vermehrung, im Darm in einem Falle eine geringe Verminderung, 
in 2 anderen Fällen aber ebenfalls eine deutliche Vermehrung erfahren. 

Ein grosser Teil der Albumose B III ist im Magen, hauptsächlich aber 
im Dünndarm, in Albumose C, Pepton u. s. w. übergeführt wordep. Anderer- 
seits hat die reversibele Tätigkeit der proteolytischen Fermente im Dünndarm, 
hauptsächlich aber im Magen, geringe Mengen eines oder mehrerer Propeptone 
entstehen lassen, welche den eigentliclen albuminoiden Substanzen näher stehen, 
als der eingeführten Albumose B III. 

3. Die Gesamtheit der Erscheinungen (Resorption, Bildung weiter fortge- 
schrittener proteolytischer Produkte, reversibele Tätigkeit der Verdauungsfer- 
mente), welche während der Verdauung sowohl im Magen wie auch im Darm 
stattfinden, gestattet keine Entscheidung darüber, ob die Albumosen rascher 
resorbiert werden als die anderen Verdauungsprodukte der Eiweisskörper oder 
nicht. Wesenberg (Elberfeld). 


v. Strusiewicz B., Ueber den Nährwert der Amidsubstanzen. Aus dem 
Laboratorium von Prof. Dr. Franz Lehmann in Göttingen. Zeitsch. f. 
Biol. 1905. Bd. 47. S. 143. 

Während man bei der Berechnung zur Wertschätzung der Futtermittel 
in der neueren Zeit sich mehr und mehr der Ansicht zugeneigt hat, dass die 
Amidsubstanzen von dem verdaulichen Protein abzuziehen und den N-freien 
Extraktstoffen in ihrem Nährwert beizuzählen sind, kommt Verf. auf Grund 
von Versuchen an Hammeln zu der Ansicht, dass die Amidsubstanzen 
das wirklich verdauliche Eiweiss in seiner vollen Leistung er- 
setzen können; Amidsubstanzen und echtes Eiweiss sind also in 
einer Gruppe und mit gleichem Werte aufzuführen. 

Wesenberg (Elberfeld). 


Ostertag R., Das Veterinärwesen der Vereinigten Staaten von Nord- 
Amerika einschliesslich des Vieh- und Schlachthofwesens, der 
Milchversorgung und Milchkontrolle. Reisestudie. Mit 17 Abbild. 
151 Ss. 8°. Berlin 1906. Richard Schoetz. Preis: 5 M. 

Die Weltausstellung in St. Louis im Jahre 1904 hat dem Verf. Veran- 
lassung zu einer Reise dorthin und gleichzeitig die erwünschte Gelegenheit 
gegeben, die Veterinärverhältnisse in den Vereinigten Staaten näher 
kennen zu lernen. Zu diesem Zwecke ist er von New York über Chicago, 
S. Paul, Seattle, Portland, S. Francisco, Los Angelos, Salt Lake City, Denver, 
durch die Staaten New York, Pennsylvanien, Ohio, Indiana, Illinois, Wisconsin, 


1088 Ernährung. 


Minnesota, Nord - Dakota, Montana, Wyoming, Idaho, Washington, Oregon, 
Californien, Nevada, Utah, Colorado, Kansas nach St. Louis gereist, von dort 
aus südlich durch das Indianerterritorium nach Fort Worth in Texas, dann 
zurück über Kansas City, Ames in Jowa nach Milwaukee und schliesslich 
über Buffalo nach Ithaka, Philadelphia, Washington, Baltimore und Boston 
wieder nach New York. Während seines zweimonatigen Aufentbaltes in Ame- 
rika hat Ostertag unter Führung beamteter und privater Tierärzte sowie 
einiger Docenten dortiger Tierarzneiinstitute sich über alle wesentlichen Ein- 
richtungen auf dem Gebiete der Veterinärhygiene informieren können. 

Unter Berücksichtigung der im Jahre 1885 erschienenen Billingsschen 
Veröffentlichung über „die Veterinärmedizin in den Vereinigten Staaten Nord- 
amerikas“ bespricht Verf. im Kapitel 1: Allgemeines und Geschicht- 
liches über die Entwickelung der Tierheilkunde daselbst. Vor 
20 Jahren gab es in den Vereinigten Staaten etwa 5—6 wissenschaftlich ge- 
bildete Tierärzte und ungefähr 500 Empiriker. Wie die Menschenheilkunde, 
so lag auch die Tierheilkunde im argen. Auf dem ganzen Kontinent waren 
nur 3 Tierarzneischulen vorhanden und zwar in New York, Philadelphia, als 
Veterinärabteilung der Pennsylvania Universität, und die dritte in: Montreal 
in Kanada, mit der Gill Universität verbunden. Das Bedeutendste war die Grün- 
dung des „United States Bureau of animal Industry“, d.h. einer tierärztlichen 
Abteilung des Landwirtschafts-Ministeriums unter Leitung von D. E. Salmon 
und Th. Smith, die die Berechtigung erhielt, zur Beobachtung der Tierseuchen 
-20 Tierärzte für die Vereinigten Staaten anzustellen. 

Kapitel 2 behandelt das derzeitige tierärztliche Bildungswesen 
in den Vereinigten Staaten. Wir erfahren vom Verf., dass dieses nicht 
einheitlich geregelt ist, sondern dass die Regelung des Medizinal- und 
` Tierarzneiwesens z. Z. den Einzelstaaten, d.h. der betreffenden Staats- 
regierung mit dem Gouverneur an der Spitze, überlassen ist. Die Central-_ 
behörde (Bundesregierung in Washington mit dem Präsidenten der V. S.) 
wacht über die Bekämpfung von Seuchen, die einen epizootischen Charakter 
besitzen und von einem zum anderen Staat verschleppt werden können, ferner 
über die Ein- und Ausfuhr von Tieren und Tierprodukten von einem Staat in 
den anderen, sowie von und nach dem Auslande. Hieraus ergibt sich, wie 
Verf. zutreffend bemerkt, in den verschiedenen Staaten eine buntscheckige 
Verschiedenheit der Veterinärverbältnisse. In manchen Staaten sind sie noch 
in demselben Zustande wie vor 20 Jahren, während in anderen ein den modernen 
Ansprüchen entsprechendes Veterinärwesen sich entwickelt und besonders die 
tierärztliche Abteilung des Landwirtschafts-Ministeriums einen grossartigen Aus- 
bau erfahren hat. 

An tierärztlichen Bildungsanstalten gibt es z. Z. 3 Tierarzneischulen, 
eine in Ithaka im Staate New York, eine zweite in Ames in Iowa und die 
dritte in Columbus im Staate Ohio, sowie zahlreiche Privatanstalten. 
Letztere sind teils mit Universitäten verbunden, so die veterinärmedizinische 
Fakultät an der Pennsylvania Universität in Philadelphia und das New York 
American Veterinary College in New York, teils selbständig, so 2 Schulen in 
Washington, 2 in Kansas City, 1 in Chicago und 1 in S. Francisco. 


Ernährung. 1089 


Für die Studierenden an den Staatsinstituten wurde bis 1905 gewöhnliche 
Hochschulbildung, d. i. etwas geringere Vorbildung, als sie zum Besuch der 
Staatsuniversitäten berechtigt, verlangt. Vom 1. Janyar 1905 an sollte die 
Vorbildung derjenigen der übrigen Studenten gleichgestellt werden. 

Die äusserst interessanten und eingehenden Schilderungen Ostertags 
über die Einrichtungen an den amerikanischen Tierarzneiinstituten, über 
Studiengang, Studententum und Docententum dortselbst, sowie über die Wirksam- 
keit, Standeskämpfe' und Tätigkeit der dortigen Tierärzte müssen im Original 
gelesen werden. 

Bemerkenswert ist, dass an der Privatschule in Chicago als Besonderheit 
die Pferdezahnheilkunde gepflegt wird, die namentlich in den westlichen 
Staaten als Specialberuf von diplomierten „Horse-Dentists“ ausgeübt wird, und 
dass an sämtlichen Tierarzneiinstituten der Vereinigten Staaten durch die 
Schlussprüfung, gleichwie an den meisten medizinischen Anstalten, der Doktor- 
titel erworben wird. Nur eine Universität, die John Hopkins-Universität in 
Baltimore, hat Promotionsordnung nach deutschem Muster. 

Kapitel 3 führt näheres über Organisation des staatlichen 
Veterinärwesens aus. Die meisten Einzelstaaten haben Staatstierärzte 
zur Bekämpfung der örtlichen Seuchen und zur Beaufsichtigung des Fleisch- 
und Milchverkehrs bestellt. Die von der Bundesregierung bestellten 
Bundesstaatstierärzte haben die Import- und Exporttiere zu untersuchen. 
Das United States Bureau of Animal Industry hat die oben von der Central- 
behörde angegebenen Funktionen auszuführen, ferner das Fleisch zu unter- 
suchen, das von einem Staat nach dem anderen oder nach dem Ausland gebt, 
sowie die Förderung der Viehzucht und Milchwirtschaft, die allgemeine Er- 
forschung der Seuchen und der parasitären und übrigen Krankheiten der 
Haustiere zur Aufgabe. 

Ausserdem gibt es noch städtische Tierärzte zur Ueberwachung der 
kleineren Schlächtereien, des Milchverkehrs und der Märkte. 

In den folgenden Kapiteln 4—10 werden besprochen: die wichtigsten 
Seuchen und deren Bekämpfung, wobei besonders die Ausführungen über 
das Texasfieber, die Beschälseuche, Tuberkulose, Schweinepest und 
Locokrankheit der Schafe hervorgehoben seien. Eine Karte, die die Texas- 
fieberzone veranschaulicht, sowie sehr gut ausgeführte Abbildungen von 
beschälseuchekranken Pferden in den verschiedensten Stadien der Krankheit 
tragen nicht unwesentlich zur Vervollständigung bei. 

Von Interesse sind auch die energischen Massregeln gegen die Ausbreitung 
der Tuberkulose, die namentlich bei den Rindern des Ostens häufig vorkommt. 
Die Staaten, die die Tuberkulose bekämpfen, haben die Einfuhr von Rindern, 
die auf Tuberkulin reagieren, verboten und (Juarantäneanstalten eingerichtet. 
In Pennsylvanien werden jährlich 15—20000 Rinder, die eingeführt werden 
sollen, mit Tuberkulin geimpft, ausserdem auf Wunsch der Farmer jährlich 50 
bis 60000 Stück. Hier hat sich auch das Bangsche Verfahren bewährt. 
Prof. L. Pearson hat z. B. in einem Bestande, in dem bei der ersten Tuber- 
kulinprüfung 300%% der geimpften Tiere reagiert hatten, in 5 Jahren die 
Tuberkulose so bekämpft, dass bei den beiden letzten Tuberkulinprüfungen 


2 


1090 Ernährung. 


keine Reaktionen mehr auftraten. Im Staate Massachusetts wird zur För- 
derung der Tuberkulosebekämpfung eine Entschädigung an die Besitzer gezahlt. 
die sich zur Tötung derjenigen Rinder entschliessen, die nach tierärztlichem 
Gutachten tubeıkulös sind. Im Staate Wisconsin besteht zur Bekämpfung 
der Tuberkulose ein Staatsregulativ, das Verf. im Wortlaut, ins deutsche über- 
setzt, bringt. Hiernach erhalten die Besitzer 2/3 des Wertes entschädigt, wenn 
das Fleisch eines auf staatliche Anordnung getöteten Tieres beschlagnahmt 
wird. Die zur Bekämpfung der Schweinepest ausgeführten Impfungen 
haben sich nicht bewährt. Es scheint, wie Verf. bemerkt, sich hier um eine 
neue Seuche zu handeln, die unter dem Bilde der perakuten Schweinepest 
auftritt und vermutlich aus Texas eingeschleppt wurde. Es soll aber ein neuer 
Weg zur Immunisierung der unter den Erscheinungen der Septikämie ver- 
laufenden Krankheit gefunden sein. Die Seuche kommt auch in Cuba unge- 
mein häufig vor, wird bier Pintadilla (Blutfleckenkrankheit) genannt und tritt 
so verheerend auf, das 90°%/, der erkrankten Tiere sterben. (Durch Hämorr- 
hagien in allen Eingeweiden sehen diese wie mit roter Farbe bespritzt aus. 
daher der Name: pintar-malen). Die Locokrankheit der Schafe tritt in 
den westlichen Staaten auf bei Tieren, die auf bestimmten Weiden geweidet 
werden oder Heu von diesen Weiden erhalten. Nach Untersuchungen des 
Prof. Welch in Baltimore scheint es sich aber nicht um eine Futtervergiftung 
zu handeln. 

Die wissenschaftlichen Institute zur Seuchenerforschung und 
Seuchenbekämpfung (Kap. 5), die durch die Bundesregierung der schon 
erwähnten tierärztlichen Abteilung des Landwirtschafts-Ministeriums ange- 
gliedert sind, sind sehr leistungsfähig. Im letzten Jahre sind dort 7500 Dosen 
Tuberkulin und 12 000 Dosen Mallein hergestellt worden, sowie 150 000 Dosen 
Impfstoff gegen Rauschbrand. Weitere Untersuchungen werden über eine merk- 
würdige Ziegenkrankbeit, das sogenannte „Ohnmächtigwerden oder 
die nervöse Krankheit“ auf einer Versuchsfarm angestellt. Die inter- 
essante Kranklieit kommt in einem begrenzten Bezirk von Texas vor und 
äussert sich dadurch, dass die Ziegen beim Antreiben oder nach dem Auf- 
stehen nach einigen Schritten die hinteren Gliedmassen plötzlich nach hinten 
strecken, in dieser Stellung einige Minuten kataleptisch verharren und sich 
dann in normaler Weise fortbewegen. 

Eingehend schildert dann Verf. den Viehverkehr zwischen den ver- 
schiedenen Staaten und nach dem Auslande, sowie die Viehhöfe 
mit ihren Einrichtungen (Kap. 6), ferner die Einfuhr nach den Ver- 
einigten Staaten, das Quarantänewesen (7), Allgemeines über Fleisch- 
produktion und Fleischhandel ($) und die Schlachthöfe in S. Francisco. 
St. Louis, Fort Worth, Kansas City, Chicago, Milwaukee, New York und 
Philadelphia (9), mit Abbildungen, die das Schlachtwesen und die dortigen 
Massenschlachtungen gut veranschaulichen. 

Das Fleischbeschauwesen (Kap. 10) zu regeln, ist Sache der Einzel- 
staaten. Im allgemeinen unterliegt nur das für das Ausland oder den Zwischen- 
stautenverkehr bestimmte Fleisch einer obligatorischen Beschau. Das Fleisch, 
das in dem Staate bleibt, wo es geschlachtet wird, braucht nicht untersucht 


Ernährung. 1091 


zu werden! Jedoch ein Staat, und zwar Montana, hat auf Veranlassung 
des Staatstierarztes Dr. Knowles ein Gesetz erlassen, wonach in allen Städten 
über 5000 Einwohner ein öffentliches Schlachthaus mit Schlacht- und Unter- 
suchungszwang errichtet werden muss. „Das Verständnis für den Wert einer 
Fleischbeschau“, sagt Verf., „ist in Amerika erwacht“. 

Die Fleischbeschau auf den Schlachthöfen wird durch 51 Zweig- 
stellen des U.S. Bureau of Animal Industry ausgeübt, die je aus einem Chefinspektor 
und einer wechselnden Zahl von Veterinärinspektoren als Assistenten sowie 
aus nichttierärztlichen Beschauern und Bureaubeamten bestehen. Bei dem 
enormen Massenbetrieb — in Chicago werden z. B. von einer Firma allein 
2500 Rinder, 4— 5000 Schafe und 6—12 000 Schweine täglich geschlachtet — 
ist die Untersuchung nur eine ungenügende und kursorische; ein Be- 
tasten und systematisches Anschneiden der Organe, ihrer Lymphdrüsen, Unter- 
suchung der Kaumuskeln und Zunge auf Finnen u.s. w. findet überhaupt nicht 
statt, nur die Kehlgaugsiymphdrüsen der Schweine werden angeschnitten und 
zwar, weil dies beimTreunen des Kopfes vom Rumpf geschieht. Die Gekrösdrüsen, 
deren Untersuchung für die Feststellung der Tuberkulose viel wichtiger wäre, 
werden gar nicht ausgeschnitten. Es ist klar, sagt Verf. mit Recht, dass bei 
dieser Art der Untersuchung lediglich solche krankhaften Zustände festgestellt 
werden können, die mit sehr auffälligen Veränderungen einhergehen. Es wird 
so viel und so schnell geschlachtet, dass bei der geringsten Abhaltung eines 
Beamten oder bei genauer Untersuchung eines Tieres die nachfolgenden Tiere 
ohne Untersuchung vor dem Standplatz des untersuchenden Beamten vorbei- 
rollen. 

Die Stempel sind als Negative auf ein Gelatinehäutchen gedruckt; dies 
wird auf die Tierkörperstellen aufgeklebt und druckt nun den Stempel als 
positiv ab. 

Eine Untersuchung auf Trichinen findet nur bei den für die Aus- 
fuhr nach Deutschland, Dänemark, Frankreich und Oesterreich-Ungarn be- 
stimmten Schweinen statt. Das mit lebenden Trichinen behaftete Fleisch wird 
unter Aufsicht gekocht, gleichgültig, ob es stark- oder schwachtrichinös ist. 
Das mit verkalkten oder trichinenähnlichen Gebilden behaftete Fleisch darf 
nicht ausgeführt, aber im Inlande verzehrt werden. Für das in den Ver- 
einigten Staaten verbleibende Schweinefleisch halten die Amerikaner eine 
obligatorische Trichinenschau nicht für erforderlich, da das Fleisch nur in 
gekochtem oder gebratenem Zustande verzehrt werde, eine Meinung, der Oster- 
tag mit Recht die Feststellungen von Williams entgegenhält, dass bei 8%, 
aller menschlichen Leichen, die in New York seciert wurden, Trichinen 
vorhanden waren. 

Den Schluss des Weykchens bilden die Kapitel über milchwirtschaft- 
liche und sanitätspolizeiliche Teberwachung des Milchverkehrs 
(11), die näheres über die Einrichtungen einiger Farmen sowie über die Unter- 
suchungsarten der Milch und die Anforderungen enthalten, die an die Be- 
schaffenheit der Kindermilch gestellt werden, ferner (Kap. 12) Allgemeine 
Nahrungsmittelkontrolle and behördliche Massnahmen gegen Vere 


1092 Ernährung. 


fälschungen, und zum Schluss (Kap. 18) schildert Verf. noch tierärztlich 
Interessantes von der Weltausstellung in St. Louis. 

Zum leichteren Verständnis der amerikanischen Münzen, Masse, Gewichte 
und Temperaturangaben hat Verf. nicht unterlassen, eine Umrechnungstafel 
beizufügen. 

Die in anregender und fesselnder Weise geschriebene Ostertagsche 
Reisestudie enthält in gedrängter Form soviel des Wissenswerten, dass sie 
jedem Hygieniker, der sich für die in Betracht kommenden sanitären Ver- 
hältnisse des Wunderlandes interessiert, aufs beste empfohlen werden kann. 

Henschel (Berlin). 


Wintgen M., Ueber Bombage von Konserven. Aus dem hygien.-chem. 
Laboratorium der Kaiser Wilhelms-Akademie. Zeitschr. f. Untersuchg. d. 
Nahrgs.- u. Genussm. 1905. Bd. 10. S. 757. 

Vollkommen sterile Fleischkonserven hatten Auftreibung der Büchsen 
gezeigt unter gleichzeitiger Bildung von warzenförmigen, körnigen Ansätzen im 
Innern der aus galvanisch verzinntem Weissblech hergestellten Büchsen. Das 
entwickelte Gas bestand aus Wasserstoff; das in den Büchsen vorhandene Gas- 
gemisch enthielt neben diesem Wasserstoff noch Sauerstoff und Stickstoff (Luft), 
ersteren aber — infolge der experimentell nachgewiesenen Bindung des Sauer- 
stoffs durch Fleischbestandteile — in einer im Verhältnis zum Stickstoff zu 
geringen Menge. Die Niederschläge an den Gefässwandungen bestanden aus 
phosphorsaurem Eisenoxydul, entstanden unter Wasserstoffentwickelung durch 
die Einwirkung der in der Bouillon enthaltenen organischen Säuren auf das 
Eisen der ungenügend verzinnten Gefässwandungen und nachfolgende sekundäre 
Umsetzung mit den Phosphaten. Wesenberg (Elberfeld). 


Kutscher Fr., Ueber Liebigs Fleischextrakt. I. Mitteilung. Aus dem 
physiol. Institut d. Universität Marburg. Zeitschr. f. Untersuchg. d. Nahrgs.- 
u. Genussm. 1905. Bd. 10. S. 519. 

Aus dem Liebigs Fleischextrakt gelang es dem Verf. verschiedene 
neue Körper zu isolieren: 

1. Ignotin, dem Karnosin isomer, von der Formel C,H,,N,Os. 

2. Metbylguanidin, OzH,N;. 

3. Karnomuskarin, dessen Platinat sich von demjenigen des Muskarins 
nur durch Fehlen des Krystallwassers unterschied. 

4. Neosin, C;H17NO;. 

5. Novain, C;H,,N0z. 

6. Oblitin, Cis H3s N2305. 

Die genannten Substanzen, von denen 3—6 in Form ihrer Gold- oder 
Platindoppelsalze isoliert wurden, waren in 5 verschiedenen Proben von Liebigs 
Extrakt nicht stets sämtliche vertreten, so dass also die Zusammensetzung 
desselben nicht als völlig gleichmässige betrachtet werden darf; man ist also 
keineswegs berechtigt, wie dies jetzt meist geschieht, einen Körper, den man 
einmal darin gefunden hat, als ständigen Bestandteil des Muskelextraktes an- 
zusprechen. Wesenberg (Elberfeld). 


Ernährung. 1093 


Siegfried M. und Singewald E., Methode zur Untersuchung von Fleisch- 
extrakten durch Bestimmung des organischen Phosphors. Ausd. 
physiol. Institat d. Universität Leipzig. Zeitschr. f. Untersuchg. d. Nahrgs.- 
u. Genussm. 1905. Bd. 10. S. 521. 

Im Verfolg früherer Untersuchungen von Siegfried (vgl. diese Zeitschr. 
1904. S. 291) wollen die Verff. die Bestimmung des organischen Phos- 
phors für die Beurteilung der Güte eines Fleischextraktes benutzen. 
Durch Fäulnis von wässerigen Fleischextraktlösungen nimmt der Gehalt an 
organischem Phospbor erheblich ab, bezw. verschwindet fast ganz. Die Pro- 
zente des organischen Phosphors vom Gesamtphosphor schwankten bei 6-von 
der Liebig-Kompagnie direkt erhaltenen Proben, welche aus den Jahren 
1894— 1903 stammten, von 9,3—11,6°/, (Durchschnitt 10,3%/,); das Alter übt 
offenbar keinen Einfluss auf dieses Verhältnis aus Wesentlich niedrigere Werte 
gaben aber die in Leipzig gekauften Fleischextrakte und zwar Liebigs Extrakt 
6,9%, Flagge-Extrakt 6,8 und 7,4%/,, Cibils 7,7%. Grenzzahlen lassen 
sich aus den verhältnismässig wenigen Untersuchungen bislang noch nicht 
feststellen. 

Zur Bestimmung des organischen Phosphors werden in Fleisch- 
extraktlösung mit Chlorbaryum und Ammoniak die anorganischen Phosphate 
gefällt und im Filtrat dann durch Schmelzen mit Aetznatron und Salpeter 
die nichtgefällte Phosphorsäure gewichtsanalytisch ermittelt. 

Wesenberg (Elberfeld). 


Lohnstein Th., (Berlin, Das Galakto-Lipometer, ein neuer Apparat 
zur Bestimmung des Fettgehaltes der Milch. Allg. med. Central-Ztg. 
1905. No. 4. S. 61. 

Lohnstein Th, Eine einfache Methode der Milchanalyse für die 
ärztliche Praxis. Allg. med. Central-Ztg. 1905. No. 18. S. 334. u. No. 19. 
S. 354. 

Lohnstein Th., Zur Methodik der Milchanalyse mit besonderer Rück- 
sicht auf die ärztliche Praxis. Therapeut. Monatsh. 1905. H. 5. S. 248. 

Die Veröffentlichungen des Verf.'s, von denen die an dritter Stelle ge- 
nannte im wesentlichen als grösserer Auszug aus den beiden ersten Arbeiten 
bezeichnet werden kann, bezwecken, dem praktischen Arzt, besonders dem 

Landarzt, durch einfache Apparatur die Möglichkeit zu geben, Milchproben 

erforderlichenfalls selbst zu untersuchen, um ihren Nährwert u. s. w. festzu- 

stellen. 3 

Zur Fettbestimmung in der Milch beschreibt Verf. einen neuen 

Apparat, das Galakto-Lipometer (Lieferant: Heinrich Noffke & Co., 

Berlin S. W., Yorkstr. 19); die im graduierten Reagensglase mit Kalilauge 

und Aether zusammengebrachte Milch wird in den Galakto-Lipometer gefüllt, 

nach völligem Abtrennen des Aethers die wässerige Flüssigkeit abgelassen, die 

Aetherfettlösung wiederholt mit Wasser gewaschen, der Aether dann — direkt 

im Gefäss durch Einstellen in warmes Wasser — verdunstet und die Fett- 

schicht schliesslich im engen Rohr des Apparates gemessen. Die auf diese 


1094 Ernährung. 


Weise erhaltenen Werte differierten mit den gewichtsanalytisch ermittelten 
durchschnittlich um weniger als 0,1°/,, niemals aber um mehr als 0,2°%/,. 

Zur Bestimmung des Milchzuckers wird die Milch, nach dem Iuver- 
tieren des Milchzuckers mit Salzsäure, im bekannten Lohnsteinschen „Prä- 
cisions- Gärungs- Saccharometer“ der Firma Noffke & Co. mit Press- 
hefe bei 32—380 C. 2—3 Stunden lang vergoren; die abgelesene Zahl mit 
dem empirisch ermittelten Faktor 4,33 multipliciert, ergibt den gesuchten 
Milchzuckergehalt. 

Ist nun als dritter Wert noch das specifische Gewicht der Milch 
— mittels Pyknometers, Mohrscher Wage, Laktodensimeters oder auch des 
Lobnsteinschen Urometers (der Firma L. Reimann, Berlin S 0., 
Schmidstr. 32) — ermittelt, so berechnet sich der Eiweissgehalt der Milch 
(unter Annahme eines mittleren Aschengehaltes von 0,71°/, bei Kuhmilch und 
0,31°/, bei Frauenmilch) nach folgenden Formeln: 

d — dw 


für Kuhmilch e= T0028 — 2,3 — 1,842 + 0,28f 
K R d — dw 5 
für Frauenmilch e= T0028 ” 1,2 — 1,342 + 0.28f; 


in ihnen bedeutet e den Eiweissgehalt, d das specifische Gewicht der Milch, 

dw das specifische Gewicht des destillierten Wassers bei der gleichen Tem- 

peratur (auf 4° als Einheit bezogen), z und f den Milchzucker- bezw. Fettgehalt. 
Wesenberg (Elberfeld). 


Weller H. (Darmstadt), Die Bestimmung des Schmutzgehaltes in der 
Milch. Zeitschr. f. Untersuchg. d. Nahrgs.- u. Genussm. 1905. Bd. 10. S. 591. 
Je nach dem Schmutzgehalt der Milch werden 50—100 ccm mit dem 
gleichen Volumen heissen destillierten Wassers verdünnt und die Flüssigkeit 
mit Hilfe einer Saugpumpe durch eine gewogene Filtrierpapierscheibe, welche 
auf der bekannten Siebplatte aus Porzellan liegt, filtriert, der Filterrückstand 
wird dann wie bisher ausgewaschen und mit Filter nach dem Trockenen gewogen. 
Beim Vergleich mit dem Verfahren von Renk bezw. von Stutzer fand Verf. 
auf diese neue und einfache Weise stets höhere Werte für den Schmutzgehalt. 
Das Verfahren ist so einfach, dass jetzt bei jeder Milchuntersuchung die Be- 
stimmung des Milchschmutzes erfolgen sollte. Wesenberg (Elberfeld). 


Lotterhos, Ein Beitrag zur Beurteilung von Sichlers Sinacidbutyro- 
metrie. Zeitschr. f. Untersuchg. d. Nahrgs.- u. Genussm. 1905. Bd. 10. 
S. 596. 

Nach mehrfachen Verbesserungen des Verfahrens bildet nunmehr die 
Sinacidbutyrometrie nach Sichler, wie Verf. durch eine ganze Reihe von 
Kontrollbestimmungen — Vergleich mit dem Verfahren uach Gottlieb-Röse — 
bestätigen konnte, eine Schnellmethode, die der Gerberschen Acidbutyro- 
metrie durchaus gleichwertig ist und auch für Buttermilch, saure Milch, kon- 
servierte Milch und Sahne brauchbar ist; für Magermilch werden aach Butyro- 
meter mit Teilstrichen von 0,01%/, hergestellt. 

Das Verfahren selbst ist folgendes: 10 ccm Milch, 10 cem Salzlösung 


Ernährung. 1095 


(15°, Trinatriumphosphat und 1°/, Trinatriumeitrat in wässeriger Lösung) 
und 1 ccm Isobutylalkohol -— nicht jeder Isobutylalkohol des Handels ist 
brauchbar — werden im Sinacidbutyrometer durchgeschüttelt; nach dem An- 
wärmen im Wasserbade auf 75—90° C. wird nochmals kräftig geschüttelt 
und dann mindestens 1 Minute lang centrifugiert; die Ablesung erfolgt bei 
70° C. Der Isobutylalkohol hat einen Zusatz von Farbstoffen, welche die 
Fettsäuren intensiv färben und dadurch das Ablesen erleichtern. 
Wesenberg (Elberfeld). 


Jensen, Orla, Studien über die flüchtigen Fettsäuren im Käse nebst 
Beiträgen zur Biologie der Käsefermente. Centralbl. f. Bakt. Abt. II. 
Bd. 13. S. 161 ff. 

In einer sehr umfangreichen Arbeit beschäftigt sich Verf. mit dem Ur- 
sprung und der Rolle der flüchtigen Fettsäuren im Käse, nachdem bis- 
her keine Arbeiten vorlagen, welche diese Frage auch nur etwas eingehender 
behandelt hätten, obwohl bekanntlich allgemein angenommen wird, dass Ge- 
ruch und Geschmack der verschiedenen Käsesorten in hohem Masse von ge- 
wissen Fettsäuren beeinflusst werden. 

Selbst Duclaux, dessen geniale Untersuchungen soviel Licht über den 
Käsereifungsprocess verbreitet haben, und der eine vorzügliche Methode zur 
Trennung der flüchtigen Säuren ausgearbeitet hat, begnügt sich mit der Be- 
stimmung der Gesamtmenge der Fettsäuren. 

Verf. bespricht zunächst eingehender die bisherigen Literaturangaben und 
alsdann die angewandten analytischen Methoden. 

Als Untersuchungsmaterial hat er Material folgender Käsesorten verwandt: 


Emmenthalerkäse. . 5 Monate alt 
ý . 12 á » reif 

Edamerkäse . . . 4 „ e 
Schweizer Magerkäse 8 a SER R 

a . 16 x » überreif 
Roquefortkäse . . . . . . . . reif 
Briekäse. . . . . nicht ganz ausgereift 
Camembertkäse . . reif 
Limburgerkäse. . . 6 Wochen alt 

u 2. reif x 

Schabzieger. . . . 


Für die aus der umfangreichen Arbeit zu ziehenden Schlussfolgerungen 
möge am besten die vom Verf. gebrachte letzte Tabelle (s. S. 1096) angeführt 
werden, in welcher die einzelnen flüchtigen Säuren der verschiedenen untersuchten 
Käsesorten in Promille der Käse (1 g pro 1 kg Käse) zusammengestellt sind. 

Extreme Fälle sind vom Verf. in der zusammenfassenden Tabelle nicht 
weiter aufgenommen worden, und sämtliche Analysen beziehen sich reife Käse 
mittlerer Zusammensetzung (mit Ausnahme der Magerkäse, die etwas überreif 
waren und der Briekäse, welche nicht genügend durchgereift waren; beide Käse 
befanden sich aber in dem für den Konsum beliebten Zustande.) 

Da nach den Untersuchungen des Verf. jedenfalls die Hauptmenge der in 


1096 Ernährung. 


In 1000 g Käse ist vorhanden 


in g ausgedrückt 


= © pn 
2 EJ . |Durch die Spaltungen des| & 
Käsesorten 3 z er SE Kaseins (bezw. des Paraka- 3 
= 3 = | tun it seins und des Milchzuckers| 'S 
Sa) g | mg bezw. der Milchsäure) ent-| = 
= 8 standen = 
&5| £ standen g 
Säj £ i 2]. E 
= |< à 8.13 |8e| = 
2 < E raS 2 |253| 2 
BASE E gal g | Ezi 5 
e | 5 “läal<"e 
an: { Inneres | 88,0] 75,0,0,1160,176| — | — 1!4,2181,680| 
thaler Aeusseres| 75,0; 55,0.0,92811,232]| — | — 12,812 0,900; 
Inneres | 15,6) 15,01 — | — | — | — (0,224 0,678 
Edamer le a ee ee 
Schweizer { Inneres | 81,6 267,5.0,986 11,496| — | — '2,405/1,200.0,138 
agerkäse \ Aeusseresil 207,511,68212,552| — | — |2,775/1,080j0,046 
Magerkäse (A 00,0 207,5/1, 2 0,04 
Roquefort { fisse | 38, ‚0:115,0|0,92811,672] — | — | — ,0,540.0,092 
Camembert ( Inneres ur 175,0.0,081/0,246| — | — | — 10,069.0,082 as 2,975 
Briekäse { Inneres | 11,3! 95,00,139|0,572] — | — | — |0,20410,008| 0,923 1,615 
i Aeusseres| 8,7/217,5 0,128;0,466| — | — | — |0,1200,013| 0,727 3,698 
Romadour- { Inneres |111,0,200,5.0,058/0,440]1,5811 — [5,180|1,140 0,046) 8,445 3,409 
käse Aeusseres]104,5 220,0 0,232|1,00311,550| — [4,529 0,822|0,046) 8,182 3,740 
Glarner ganze 589.915 = = ži 5 FAA AN 
EN Masse [2582 215,01,195 1,848 4,452/9,102/3,198 19,795 3,655 


den Labkäsen vorkommenden Capron- und Buttersäure von der Fettspaltung 
herrührt, so ist bei diesen Käsen in der Tabelle die ganze Menge dieser Säuren 
unter den Fettspaltungsprodukten aufgeführt worden. Ferner hat Verf. in die 
Tabelle die Ammoniakmenge der verschiedenen Käsesorten mitaufgenommen, 
weil das NH}, wie eingangs erwähnt, bei vielen Käsen eine der wichtigsten 
Komponenten des Aromas ist. 

Aus der beigegebenen Tabelle geht nun ohne weiteres hervor, dass Essig- 
säure in sämtlichen Käsesorten vorkommt; ebenfalls lässt sich darin immer 
Ameisensäure, wenn auch oft nur in unwägbaren Spuren nachweisen. 

Da nun diese zwei Säuren von allen untersuchten Käsefermenten ge- 
bildet werden, ist ihre Entstehung im Käse leicht erklärlich; in den Käsesorten, 
bei deren Reifung Schimmelpilze die Hauptrolle spielen, findet man von 
flüchtigen Fettsäuren neben den von der Fettspaltung herrührenden nur kleine 
Mengen Essigsäure und Ameisensäure. Die Schimmelpilze rufen bekanntlich 


Ernährung. 1097 


im allgemeinen wenigstens keine nennenswerte Fettsäuregärung hervor, 
sondern sind im Gegenteil Säurezerstörer. 

In allen anderen Fällen kommt Propionsäure und oft in so beträcht- 
lichen Mengen vor, dass Propionsäure als specifische Käsesäure be- 
zeichnet werden muss. Wodurch aber eigentlich soviel Propionsäure im Käse 
gebildet wird, ist noch nicht genügend aufgeklärt. Verf. erörtert die ver- 
schiedenen Möglichkeiten. 

Alsdann wurde nur in Backsteinkäsen, nach Limburger Art bereitet (wie 
z.B. im Romadourkäse), mit Sicherheit Valeriausäure nachgewiesen; in Spuren 
kommt sie indessen wahrscheinlich in allen Käsesorten vor (besonders als 
Stoffwechselprodukt von Micrococcus casei liquefaciens). 

Das Auftreten verschiedener Säurefermente (Essigsäurebildner, Pro- 
pion-Essigsäurebildner nnd Propion-Valeriansäurebildner) neben- 
einander im Käse, von welchen bald die einen, bald die anderen die Oberhand 
hatten, würde in einfachster Weise nach dem Verf. das wechselnde Verhältnis 
zwischen den einzelnen flüchtigen Säuren erklären. 

Als besonders wichtig muss hervorgehoben werden, dass die Untersuchungen 
des Verf.’s zeigen, wie in Uebereinstimmung mit den bakteriologi- 
schen Befunden in Labkäsen gewöhnlich keine oder jedenfalls 
keine nennenswerte Buttersäuregärung stattfindet. Der wahrschein- 
liche Grund hierfür liegt in den niedrigen Käsereifungstemperaturen (Ueber- 
wucherung durch Milchsäurefermente). 

Da der Geruch der flüchtigen Fettsäuren um so charakteristischer ist, je 
höheres Molekulargewicht sie haben, so üben bei den meisten Käsen die aus 
dem Käsefette abgespaltenen flüchtigen Säuren einen weit grösseren Einfluss 
aus auf das Aroma als die aus anderen Käsebestandteilen entstandenen Fett- 
säuren. 

Die allergrösste Bedeutung für die Bildung des typischen Käsegeruches 
(für gewöhnlich also mehr der Geruch der Käserinde als der inneren Masse) 
kommt der Caprin-, Capryl- und Capronsäure zu, denn man kann sich 
leicht überzeugen, dass Mischungen dieser Säuren mit ganz verdünntem NH,- 
Wasser nach Käse riechen. Neben diesen Säuren kommt natürlicherweise 
der Valerian- und Buttersäure die grösste Bedeutung für das Käsearoma zu, 
viel weniger den übrigen genannten Säuren, besonders weil sie infolge ihres 
grossen Bindungsvermögens selten im freien Zustande, sondern gewöhnlich in 
Form neutraler Salze vorkommen dürften. 

Verf. verbreitet sich noch eingehend über den neben der sogenannten 
Schärfe der Käse zu berücksichtigenden Salzgeschmack, ferner über die ` 
mehr oder minder langsame Fettspaltung in den verschiedenen Käsesorten, 
und damit im engsten Zusammenhange stehend über die praktisch vorteil- 
bafteste Form und Grösse der Hart- und Weichkäse. Bei starker Fettspaltung 
beobachtet man in den meisten Fällen auch reichliche NH,-Mengen. 

Als wichtige Komponenten des Käsearomas, die nur für einzelne 
Käse charakteristisch sind, mögen schliesslich für die sogenannten 
Emmenthaler Käse die süsslichen Aminosäuren, für Roquefortkäse 
die sehr scharfschmeckenden Buttersäureester, für Limburger Käse 


1098 Ernährung. 


gewisse Fäulnisprodukte und für die Schabzieger die riechenden Be- 
standteile des Ziegenklees erwähnt werden. Einige weitere Versuche er- 
strecken sich auf den Einfluss des mit dem Labferment zugesetzten Pepsins 
auf das Parakasein. Heinze (Halle a. S.). 


Wender N. (Czernowitz), Die Feinheitsbestimmung der Mehle. Zeitschr. 
f. Untersuchz. der Nahrgs.- u. Genussm. 1905. Bd. 10. S. 747. 

Die katalytische Eigenschaft des Getreides und der Mehle (vgl 
diese Zeitschr. 1905. S. 456) benutzt Verf. zur Feinheitsbestimmung der 
letzteren. Da die am meisten auf Wasserstoffsuperoxyd kalalisierend wirkenden 
Kleienbestandteile mit steigender Feinheit des Mehles an Menge abnehmen. so 
entwickeln natürlich auch die feineren Mehle aus Wasserstoffsuperoxyd weniger 
Sauerstoff, als die gröberen bezw. als die Kleie. Diese Unterschiede treten 
namentlich bei solchen Mehlen, die nur in wenige „Typen“ eingeteilt sind. 
klar hervor. Zur Bestimmung der „Sauerstoffzahl“ werden 25g Mehl mit 
100 ccm Wasser gleichmässig verrührt und mit weiteren 100 ccm Wasser in 
den Messaparat (ein handlicher Apparat wird von Fr. Hugershoff in Leipzig 
geliefert) gespült, dann 10 ccm Wasserstoffsuperoxyd von 12 Vol 0; hinzu- 
gegeben, und die bei 20° C. entwickelte Menge Sauerstoff nach 1/3 Stunde 
abgelesen. 

3 Reihen von Mehlen verschiedener Herkunft ergaben folgende Sauerstoff- 
zahlen: 


Mehltype I lI MI 
No. (Czernowitz) (Budapest) (Wien) 
0 3T ccm 39 cem 21 ccm 
1 43 5 4 „ aTi; 
2 46. Bl, 51 „ 
3 ar, 73: 62 op 
4 so o, 84 n 11%, 
5 go, 85 p oa 
6 98 p 2, 82 p 
7 106. 108 _ sc, 
T A 12 , 118 „ 


Wesenberg (Elberfeld). 


Hartwich C. und Håkanson G., Ueber Glyceria fluitans, ein fast ver- 
gessenes einheimisches Getreide. Zeitschr f. Untersuchg. d. Nahrgs.- 
u. Genussm. 1905. Bd. 10. S. 473. 

In einigen Gegenden ven Brandenburg, Pommern u. s. w. wird noch heute, 
wenn auch in offenbar immer mehr abnehmendem Masse das „Schwaden“. 
„Mannagrütze® und ähnlich benannte Endosperm von Glyceria fluitans 
als Nahrungsmittel gesammelt. Es ist von langovaler bis walzenförmiger Ge- 
stalt, auf der einen Seite gewölbt, auf der anderen flach oder wenig einge 
buchtet; an einem Ende befindet sich eine unregelmässige Höhlung. in der 
der Keimling gelegen bat. Das einzelne Korn ist etwa 2,5 mm lang. 


Ernährung. . 109% 


weisslich, halb durchscheinend; die Körner der Stärke sind zusammengesetzt, 
ähnlich der des Hafers, durchschnittlich 21 « gross; die Teilkörnchen messen 
2,1—7,3, sind meist kantig und lassen häufig einen rundlichen oder etwas 
gestrecktenNabel erkennen. Die chemische Zusammensetzung ermitteln die Verff.: 


Wasser . . . . . 13,54%, Stärke und Zucker . 75,06%, 
Eiweiss . . . . . 9,69%% Robfaser . . . . 0,21% 
Fett © 2 2020222048%, Asche . . . . . 0,61% 


Wesenberg (Elberfeld). 


König J. und Bettels J. (Münster i.W.), Die Kohlenhydrate der Meeres- 
algen und daraus hergestellter Erzeugnisse. Zeitschr. f. Untersuchg. 
d. Nahrgs.- u. Gennssm. 1905. Bd. 10. S. 457. 

Die Meeresalgen dienen den Japanern und Chinesen nicht nur im 
natürlichen Zustande als Gemüse, sondern auch durch Ausziehen mit heissem 
Wasser unter Druck zur Herstellung von Erzeugnissen, wie Agar-Agar, 
Nori, sogenanntem vegetabilischem Isingglas, welche allerorten, sowohl für 
Eruährungszwecke als auch in der Technik Verwendung finden. 

Die chemische Zusammensetzung der Meeresalgen (im lufttrockenen - 
Zustande) fanden die Verff. wechselnd: die Porphyraarten sind sehr reich 
an Protein, Laminaria, Cystophylium und Enteromorpha sehr reich an 
Pentosanen bezw. Methylpentosanen; der Aschengehalt (namentlich Chlor- 
.natrium) ist meist sehr hoch. 

2 Sorten Agar-Agar aus Japan hatten folgende Zusammensetzung: 

No. I Stroh- No. II vier- 


halmform kantige Form É No. I No. lI 
Wasser. . . 19,050% 22,330), Pentosane 3,06%, 3,18%, 
Protein. . . 2,56% 6,13%, Rohfaser. 0,44%/, 0,42%, 
Fett. .... . 0,85% 0,58%, Asche. . 3,46%, 3,409, 
Kohlenhydrate 70,58°%/, 63,96%, 


Durch Oxydation mit Salpetersäure nach dem Verfahren von B. Tollens 
wurden erhalten 25,44 und 25,01%, Schleimsäure aus No. I bezw. 27,06%, aus 
No. II, entsprechend 33,05—36,57°/, Galaktose; Agar-Agar besteht daher aus 
rund 33°/, Galaktanen. Der bei der Hydrolyse von Agar-Agar gebildete 
Zucker ist die Galaktose; ob ausserdem noch das der Galaktose entsprechende 
Dextrin — welches Galaktin bezeichnet werden könnte — gebildet wird, 
war nicht vollkommen sicher festzustellen. Ausserdem entsteht bei der Hydro- 
lyse Lävulinsänre und etwa 3,5—3,8%/, Cellulose. 

Die „essbaren“ oder „indischen“ Vogelnester, welche nicht nur in 
China nnd Japan, sondern fast allerorten als Delikatesse geschätzt werden, 
enthalten etwa 54--570/, Gesamtstickstoffsubstanz, etwa 22%/, N-freie Extrakt- 
stoffe, 1,4%, Rohfaser und 5,5—8,7%/, Asche. Uuter den Kohlenhydraten, 
welche scheinbar der Inulingruppe angehören, liess sich nur Fruktose mit 
Sicherheit nachweisen. Da die Stickstoffsubstanz dem Mucin nahesteht, 
so ist mit Sicherheit anzunehmen, dass die essbaren Vogelnester 'nur ein 
Erzeugnis des Speichels der Sceschwalben (Salanganen) sind, ent- 


1100 Ernährung. 


gegen der Ansicht einiger Forscher, nach der diese Nester z. T. unter Benut- 
zung verschiedener Meeresalgen aufgebaut werden sollten. 
Wesenberg (Elberfeld). 


Harnack, Erich und Laible J., Ueber die Wirkung kleiner Alkoholgaben 
auf den Wärmehaushalt des tierischen Körpers. Aus dem pharma- 
kol. Institut zu Halle a. S. Arch. internat. de Pharmacodyn. et de Therap. 
1905. Vol. 15. (Binz-Band). p. 371. 

Auf Grund von Temperaturmessungen und Kalorimeterversuchen an Kanin- 
chen und Hunden kommt Verf. zu den nachstehenden Schlüssen: 

Der Alkohol erzeugt in kleinen und mittleren Dosen (etwa 0,2 bis 
2,0 cem absoluter Alkohol pro Kilo Tier) beim Warmblüter eine Steigerung 
der Wärmeabgabe nebst geringer oder mässiger Temperaturerniedrigung. Die 
gleichen Dosen bringen zunächst eine Abnahme der gesamten Wärmeproduktion 
im Körper hervor. Von der gesamten Wärmeproduktion wird mindestens ein 
beträchtlicher Teil durch die Alkoholverbrennung gedeckt, es findet also 
während der Stunden der Alkoholwirkung eine nicht unbedeutende Ersparnis 
. an normalem Brennmaterial statt. Diese Wirkung des Alkohols kann für den 
Menschen unter Bedingungen, wie sie im Leben nicht selten vorkommen, von 
hohem Wert und Nutzen sein. 

Die scheinbaren Widersprüche in der Alkoholwirkung — Wärmeabgabe 
gesteigert und Wärmeproduktion verringert — Atmungsgrösse erhöht, während, 
die Empfindlichkeit des Atmungscentrums für den Kohlensäurereiz nicht steigt 
— die Sauerstoffaufnahme steigt, die Kohlensäureausscheidung nimmt ab — das 
Herz wird erregt und selbst der Blutdruck etwas erhöht, während die Gefässe 
eine Neigung zur Dilatation zeigen — die motorischen Funktionen werden an- 
fangs erregt, die sensiblen geschwächt — gewisse psychische Funktionen 
werden belebt und zugleich Hemmungen auf seelischem Gebiete beseitigt — 
liefern den Beweis für mancherlei „Störungen“, die der Alkohol in den Körper- 
funktionen veranlasst, aber solche Störungen mässigen Grades brauchen durch- 
aus nicht immer schädigend wirken, wie ja auch ungewohnte Muskelanstren- 
gungen, grössere Märsche und dergl., unter Umständen sehr nützlich, aber 
auch recht schädlich wirken können. Wesenberg (Elberfeld). 


Geiser M., Welche Bestandteile des Kaffees sind die Träger der er- 
regenden Wirkung? Aus dem pharmakol. Iostitut zu Zürich. Arch. f. 
esp. Path. u. Pharm, 1905. Bd. 53. S. 112. 

Zur Erzielung eines öl- und koffeinfreien Kaffees wurden die rohen 
Bohnen durch wiederholtes Mahlen und Extrahieren mit Petroläther zuerst ent- 
fettet und dann im feinstgepulverten Zustande durch Extrahieren mit Essig- 
äther vom Koffein befreit; das so erhaltene Produkt wurde dann teils für sich 
allein, teils nach Zusatz einer entsprechenden Menge des vorher extrabierten 
Ocles geröstet. Zur Feststellung der erregenden Wirkung wurde in sinn- 
reicher Weise die Zeit bestimmt, welche erforderlich ist, um die Farbe einer 
aufleuchlenden Scheibe zu erkennen. 

Der Aufguss von geröstetem guten Kaffee in einer Menge von 15 g 


Ernährung. 1101 


auf 150 ccm Wasser verkürzt im allgemeinen die Farbenreaktionszeit 
und ruft eine charakteristische Veränderung am Sphygmogramm 
hervor, die vollkommen identisch ist mit der Wirkung des reinen 
Koffeins, sowie eine geringe Steigerung des arteriellen Druckes (der 
Puls fühlt sich kleiner und härter an). Der Aufguss des gerösteten kof- 
fein- und ölfreien Kaffees ist ohne jeden Einfluss sowohl auf die 
psychischen Vorgänge, wie auch auf die Pulskurve. Der Aufguss des ge- 
rösteten koffeinfreien aber ölhaltigen Kaffees ist ohne Einfluss auf 
das Sphygmogramm und den Blutdruck, lässt dagegen in grossen Dosen 
eine Verkürzung der Reaktionszeit erkennen; diese Wirkung kommt bei Beur- 
teilung der Kaffeewirkung gar nicht in Betracht, da ja bei diesen grossen 
Dosen die Koffeinwirkung bei weitem alles übertönen würde. 
Wesenberg (Elberfeld). 


Hanus, Jos., Ueber die quantitative Bestimmung des Vanillins. 
Zeitschr. f. Untersuchg. d. Nahrgs.- u. Genussm. 1905. Bd. 10. S. 585. 
„® ‚N, NH, 
Im m-Nitrobenzhydrazid (GR ) hat Verf. ein geeig- 
NNO; 
netes Reagens zur Bestimmung von Vanillin in der Vanille, in Vanille- 
waren und in Vanilleextrakten gefunden. Die Fällung verläuft’in wässeriger 
Lösung quantitativ unter Bildung von Vanillin-m-nitrobenzhydrazin 
JOCH; 


NH. H = CH — C,H 
(en * NOH ) 


die Genauigkeit der Bestimmung erleidet bei Gegenwart der gewöhnlichen 
Verfälschungsmittel, wie Acetanilid, Benzoösäure, sowie auch von Zuckerarten 
keine Einbusse. Bei Gegenwart von Fettaldehyden sowie aromatischen Alde- 
hyden versagt aber das Verfabren, da diese ebenfalls schwerlösliche Konden- 
sationsprodukte geben. Wesenberg (Elberfeld). 


v. Spindler 0., (Zürich), Zum Borsäurenachweis. Zeitschr. f. Untersuchg. 
d. Nahrgs. u. Genussm. 1905. Bd. 10. S. 478. 

Zum Borsäurenachweis hat Verf. einen kleinen Apparat konstruiert, 
welcher von der Firma Auer & Co. in Zürich, Sihlquai 131, zu beziehen ist; 
bezüglich seiner Anwendung sei auf das Original verwiesen. 

Wesenberg (Elberfeld). 


Matthes H. und Müller Fr., Ueber Konservierungssalze für Hack- 
fleisch. Zeitschr. f.Untersuchg. d. Nahrgs.- u. Genussm. 1905. Bd. 10. 
S. 541. 

Ein vom Deutschen Fleischerverband als zulässig bezeichnetes Konserve- 
salz „the Seeths Neues Hacksalz“ bestand aus rund 20%, Natriumbenzoat, 
750/, Natrinmphosphat und 5°, Aluminiumtartrat, ist demnach nicht zulässig. 

Wesenberg (Elberfeld). 


1102 Ernährung. Desinfektion. 


Lührig H. (Chemnitz), Bleihaltige Abziehbilder. Pharm. Centralh. 1905. 
No. 44. S. 845. 

Obwohl der $ 4 Abs. 1 des Gesetzes vom 5. Juli 1887 die Verwendung 
bleihaltiger Farben zur Herstellung von Bilderbogen und Bilder- 
büchern ausdrücklich verbietet, fand Verf. bei der Untersuchung von 
57 Proben von Abziehbildern 44 bleihaltig, und zwar wurden in der Asche 
von 100 qcm Papierfläche 2,0— 137,0 (!) mg Pb ermittelt; die übrigen 13 Proben 
erwiesen sich als bleifrei. Wesenberg (Elberfeld). 


Ahifeld F., Die Rehabilitierung der Hand als geburtshilfliches und 
chirurgisches Werkzeug. Aus d. Univers.-Frauenklinik in Marburg. 
Deutsche med. Wochenschr. 1905. No. 49. S. 1953. 

Der Verf. verteidigt die von ihm vertretene Händedesinfektion durch 
heisses Wasser, Seife und Alkohol gegen die Angriffe von Sarwey 
(vgl. diese Zeitschr. 1906. S. 37) und äussert die Meinung, dass diese Art 
der Händedesinfektion' längst allgemein im Gebrauch wäre, wenn die Gummi- 
handschuhe nicht aufgekomwen wären. Er behandelt den Gegenstand in 
3 Abteilungen. 

An die Spitze des ersten Abschnittes stellt er die Frage: „Ist eine 
absolute Keimfreimachung der Hände möglich?“ Er bejaht sie und 
teilt einen neuen Versuch mit, in welchem eine Hebammenschülerin ihre 
mit heissem Seifwasser und Alkohol desinficierte Hand 20 Minuten in warmes 
keimfreies Wasser hielt, um die Haut aufzuweichen, und dann für 1 Stunde 
in ein Standgefäss mit 500 ccm Nährbouillon (an Stelle des früher benutzten 
Gummihandschuhes) brachte: die Nährflüssigkeit blieb bei Brutwärme Monate 
hindurch keimfrei. Sarwey hat die Fleischbrühe als Nährboden ge- 
ringer geschätzt als Agar; der Verf. bleibt bei seiner Ueberzeugung von der 
Richtigkeit des Gegenteils und hebt hervor, dass es ihm nicht auf alle über- 
haupt an den Händen vorkommenden Keime ankommt, sondern nur auf die 
Eitererreger, welche Sepsis und Kindbettfieber hervorrufen, und dass für diese 
Bakterien Fleischbrühe als guter Nährboden von Bakteriologen ausdrücklich 
festgestellt worden ist. Wichtig ist die Auseinandersetzung des Verf.’s, dass 
in den Versuchen von Engels (vgl. diese Zeitschr. 1904. S. 425), auf welche 
sich Sarwey beruft, wo es gelang, die Haut durch Sublaminalkohol völlig 
keimfrei zu machen, der Alkohol die wirksame Rolle gespielt hat, 
aber nicht das Sublamin, welches bei der angewendeten Konzentration in 
Alkohol unlöslich ist. 

.Der 2. Abschnitt behandelt die Frage: „Unter welchen Umständen 
kann eine absolute Keimfreimachung der Hand mittels Alkohol 
erreicht werden“? Der Verf. hebt hervor, dass es, worauf er von jeher hin- 
gewiesen hat, Hände gibt, die überhaupt nicht keimfrei gemacht 
werden können. Tiefe, starre Furchen und Falten, namentlich an den 
Nägeln, bilden Hindernisse dafür. Andererseits gibt es Hände, die ver- 
hältnismässig leicht zu desinficieren sind, namentlich wenn sie durch 


Desinfektion. 1103 


Bäder, Fettgebrauch und dergl. gepflegt werden. Dazu gehören besonders 
viele Frauenhände. Von grosser Bedeutung ist aber die Sorgfalt, mit 
welcher die Händedesiofektion ausgeführt wird. Auf diese Verhältnisse führt 
der Verf. den günstigen Ausfall seiner eigenen, meistens mit Heb- 
ammenschülerinnen angestellten Versuche und das weniger befriedigende 
Ergebnis Sarweys zurück. 

Von der 8. Frage: „Genügt die Heisswasser-Seife-Alkoholdesin- 
fektion oder haben wir Gummihandschuhe zu benutzen?“ wird der 
Vordersatz bejaht und die Berechtigung der Warnung Sarweys vor der 
Händedesinfektion mit Alkohol bestritten. Seit 10 Jahren wird dieses Ver- 
fahren in der Marburger Klinik angewendet und sind Gummibandschuhe 
dort nur zu Kontrollversuchen benutzt worden, aber kein einziger Todes- 
fall ist bei einer zu Unterrichtszwecken untersuchten Frau vorge- 
kommen. Im Vertrauen auf die sichere Wirkung der Händedesinfektion mit 
Alkohul hat man dort von der Trennung zwischen septischen und 
aseptischen Stationen Abstand genommen, und der Verf. nimmt innere 
Untersuchungen Gebärender vor, auch wenn seine Hände kurz vorher bei 
tödlichen Kindbettfiebern verunreinigt worden sind. Er hält es für unmöglich, 
dass die Hebammen Pflege und Anwendung der Gummihandschuhe beherrschen 
lernen, und befürchtet, dass von dem Zeitpunkt ihrer (fakulativen oder obli- 
gatorischen) Einführung ab die Händedesinfektion vernachlässigt 
werden würde, und zwar nicht blos von den Hebammen, sondern auch von 
den Aerzten. Dies würde um so verhängnisvoller sein, als nach den Er- 
fahrungen in Marburg die Hälfte aller Gummihandschuhe, die bei 
Bauch- und Scheidenoperationen mit spitzen Instrumenten verwendet 
werden, entzwei geht und ihren schützenden Wert verliert. Sie sollten des- 
halb überall in Fortfall kommen, wo sie entbehrlich sind, zumal da sie auch 
das feine Gefühl und die Beweglichkeit der Hand und der Finger ohne 
Zweifel beeinträchtigen. Am Platz sind sie nach dem Verf. nur, wenn in den 
dringendsten Notfällen die Zeit zur Desinfektion der Hände fehlt, oder 
wenn die Hand des Operierenden Verletzungen hat oder wegen der Be- 
schaffenheit ihrer Haut eine erfolgreiche Desinfektion nicht er- 
warten lässt. Globig (Berlin). 


Rodet A., Expériences sur la valeur antiseptique du savon commun. 
Remarques sur l’action des antiseptiques en général, et sur la 
biologie du staphylocoque pyogène. Centralbl. f. Bakt. Abt. I. 
Bd. 38. H. 6. 8. 748. 

Verf. stellte Untersuchungen über die antiseptische Wirkung der ge- 
wöhnlichen Seife an zur Klärung der darüber herrschenden Widersprüche, 
und zwar wurden Staphylokokken und Typhusbacillen dabei verwandt. 
Bei Prüfung der entwickelungshemmenden Fähigkeiten der Seife ergab 
sich, dass Staphylokokken noch in Bouillon, die 8°/% Seife enthielt, wuchsen, 
wenn auch schwächer als in reiner Bouillon; Typhusbacillen dagegen zeigten 
in Bouillon mit 5%/go Seife kein Wachstum mehr, wohl aber bei 8°%/,, Seifen- 
gehalt, wenn als Zusatz zur Bouillon eine 5 proz. statt der 1 proz. Seifen- 


1104 Desinfektion. Gewerbehygiene. 


lösung verwandt wurde. Als Grund dieses verschiedenen Verhaltens sieht 
Verf. chemische Veränderungen bezw. Verbindungen zwischen Seife und Be- 
standteilen der Bouillon an. Was die keimtötende Wirkung der Seife be- 
trifft, so wurden allerdings Staphylokokken von einer 5 proz. Lösung in der 
Mehrzahl nach wenigen Minuten vernichtet, einige Keime überlebten aber 
immer die anderen um einige Stunden. Verf. glaubt deshalb, dass in einer 
Staphylokokkenkultur stets einige Keime sind, die infolge ihrer Widerstands- 
fähigkeit die Rolle von Sporen spielen. Typhusbacillen wurden von einer 
1 proz. Seifenlösung nach 1—3 Stunden völlig abgetötet, von einer 5 proz. schon 
nach wenigen Minuten. Baumann (Metz). 


Wesenberg G., Metakalin, ein festes Kresolseifenpräparat. Üentralbl. 
f. Bakt. Abt. I. Bd. 38. H. 5. S. 612. 

Feste Phenol- und Kresolpräparate entstehen durch Verbindungen des 
Phenols bezw. der Kresole mit den Alkalisalzen derselben. Zunächst stellte 
Verf. Untersuchungen über den Desinfektionswert des Phenolkaliums an. 
Hierbei ergab sich kein Unterschied gegenüber dem Phenol, wohl aber war 
die desinficierende Kraft des Metakresols durch Seifen- und Alkalizusatz ge- 
stiegen. Eine derartige Mischung von Metakresolkalium mit fester Natronseife 
wird von den Farbenfabriken vorm. Friedr. Bayer & Co., Elberfeld, als 
„Metakalin“ in den Handel gebracht. Verf. kommt bei seinen Untersuchungen 
zu dem Schlusse, dass in dem Metakalin ein festes und daher leicht und 
genau dosierbares Kresolseifenpräparat von konstanter Zusammensetzung vor- 
liegt, dessen wirksamer Bestandteil das unter den Kresolen am wenigsten giftige, 
aber am stärksten desinficiereud wirkende Metakresol ist. Das Metakalin be- 
sitzt bei fehlender Reizwirkung eine grosse Desinfektionwirkung, 
indem es selbst noch in !/;proz. Lösung alle geprüften Mikroorganismen in 
wenigen Minuten abtötet, aber auch noch in etwa !/,proz. Lösung eine gute 
Desinfektionskraft äussert. Auf die Haut wirkt es ebenso wie auf die Halt- 
barkeit der Nähseide nicht schädigend ein. Dem Lysol ist es bezüglich 
der desinficierenden Kraft und der Reizlosigkeit überlegen. 

Baumann (Metz). 


Brat H., Erfolge der Sauerstofftherapie unter besonderer Berück- 
sichtigung der in den Gewerbebetrieben gewonnenen Erfah- 
rungen bei gewerblichen Vergiftungen. Jena 1905. Verlag von 
Gustav Fischer. 16 Ss. lex. 80% Preis: 0,75 M. 

Im vorliegenden Sonderabdrucke aus dem 14. Bande des Klinischen Jahr- 
buches stellt der Verf. das Ergebnis von 227 Anfragen an Bergwerke, Hütten, 
Gasanstalten, chemische Fabriken, Pulvermühlen und Feuerwehren über 
Sauerstoffverwendung bei Unfällen zusammen. Von 156 Antworten be- 
richteten 52 über fast durchweg günstige Erfahrungen. Bei 62 hatte sich 
noch kein Anlass zur Verwendung ihrer Geräte gefunden, und 42 ermangelten 
der letzteren. Am geläufigsten ist die Sauerstoffbehaudlung der Feuerwehr. 


Transportwesen. 1105 


die nicht bloss bei Erkrankungen an der Brandstelle, sondern auch bei ander- 
weiten Vergiftungen in Anspruch genommen wird, wo eigentlich zunächst 
Unfallstationen, Sanitätskolonnen, Rettungsgesellschaften und dergl. in Frage 
kommen. Den überraschendsten Erfolg zeigt die Sauerstoffatmung bekanntlich 
bei Kohlenoxydvergiftung, wobei Rauch und Leuchtgas mitzuzählen sind. Es 
kommen aber auch Kohlensäure-, Gruben-, Kloaken- und Brunnengase, Am- 
moniak, salpetrige Säure, Schwefelwasserstoff u. s. w. in Frage, ja selbst Er- 
hängen, Erwürgen und Ertrinken. Bei einigen dieser Anwendungen, wo Gifte, 
wie Phosgen (COC],), oder ätzender Staub, wie Cement, Reizerscheinungen der 
Luftwege veranlassen, oder bei Anilismen genügt die Sauerstoffwirkung allein 
nicht; insbesondere macht sich die gleichzeitige Durchführung der künstlichen 
Atmung nötig, in der nach dem Verff. überhaupt „ein wesentlicher Fortschritt 
der Verabreichung von O,-Inhalationen“ (S. 15) besteht. Während in Frank- 
reich die behördlichen Massnahmen nur um weniges zurückbleiben, nehmen 
die entsprechenden Anordnungen in England, wie an einigen Beispielen nach- 
gewiesen wird, einen weit grösseren Raum ein, als bei uns. 
Helbig (Radebeul). 


Fossataro E., Die Hängematte aus Drahtnetz, ein Ersatz des gegen- 
wärtigen Lagers der Auswanderer an Bord. Arch. f. Schiffs- u. 
Tropenhygiene 1905. S. 156. 

Die in der Ueberschrift genannte Lagerstätte bat vor dem jetzt üblichen 

Strohsack den Vorzug der Reinlichkeit und grösseren Bequemlichkeit; ausser- 

dem wird dadurch viel Platz gespart. Kisskalt (Berlin). 


Peters, Ernst, Ueber eine neue physikalische Behandlungsmethode 
der Seekrankheit. Deutsche med. Wochenschr. 1905. No. 50. S. 2015. 
Verf. hat von dem Aufenthalt Seekranker auf einem „elektrischen 
Vibrationsstuhl“ der Gesellschaft „Sanitas“ in allen Fällen subjektive 
Besserung, in einigen überraschenden Erfolg gesehen, meistens aller- 
dings nur für die Dauer des Sitzens im Stuhl. Er sucht den Grund dieser 
guten Wirkung in einer Beeinflussung der Herztätigkeit und nervöser Erregungs- 
zustände und in der Aufhebung der Wahrnehmung der Schiffsbewegungen, 
Er hält den Vibrierstubl noch für verbesserungsfähig und hofft, dass auch 

nach längerer Erprobung das Urteil über ihn günstig lauten wird. 

Globig (Berlin). 


` Belli, Hygienische Betrachtungen über unterseeische Schiffe. Arch. 
f. Schiffs- u. Trapenhyg. Bd. 9. S. 341. 

Die Hauptschwierigkeit macht die Versorgung mit Luft. Es wird ent- 
weder komprimierte Luft oder Sauerstoff allein zugeführt und die verbrauchte 
Luft durch Pumpen abgeführt, oder der Sauerstoff wird durch Zerfall von Na- 
triumbioxyd oder Natrium- oder Kaliumsuperoxyd beschafft, wobei die ent- 
stehende Natronlauge die Kohlensäure der Ausatmungsluft bindet. Einige 


1106 Transportwesen. 


Unterseeboote enthalten Atmungsluft für 3 Tage. Der Raum ist in kleinen 

Booten sehr eng; vielfach sind die Leute gezwungen, die ganze Zeit an ihrem 

Platze zu bleiben. Ausserdem ist die Explosionsgefahr sehr gross. 
Kisskalt (Berlin). 


Beyer, Einfluss des Radfahrens auf das Herz. Münch. med. Wochen- 
schr. 1905. S. 1436. 

B. studiert vom militärärztlichen Standpunkt aus die Folgen des 
Radfahrens auf das Herz. Gerade dem Militärarzt ist häufig zu derartigen 
Untersuchungen Gelegenheit geboten, seitdem die Radfahrer nicht nur einzeln 
zum Ueberbringen von Meldungen, sondern auch in kleinen Verbänden als 
fechtende, mit bestimmten Aufträgen bedachte Truppe verwendet werden. 

Von allen Organen wird durch das Radfahren gerade das Herz in Mit- 
leidenschaft gezogen. Das Mass der geleisteten Arbeit ist beim Rad- 
fahren viel grösser, als beim Wandern; denn bei einer Geschwindigkeit 
von 10 Minuten für den Kilometer erfordert 1 Stunde Marsch über 13000 mkg 
weniger Kraftaufwand, als die gleiche Zeit Radfahren mit der durchschnitt- 
lichen Geschwindigkeit von 4 Minuten pro Kilometer. Bei unebenem Gelände 
und bei Fahren bergauf bezw. gegen Wind steigt die Arbeitsleistung ganz 
bedeutend. Diese Tatsachen sind um so wichtiger, als der Radfahrer durch- 
weg die Empfindung haben wird, zu einer Stunde Radfahrt weniger Arbeit 
nötig gehabt zu haben, als zu einer Stunde Marsch. Diese Täuschung legt 
dann die Gefahr der Ueberanstrengung nahe, da wir gerade gegen diese 
kein besseres Schutzmittel als die auftretende Empfindung der Ermüdung 

. besitzen. 

Wenn die erforderliche Muskelarbeit eine gewisse Grenze übersteigt, so 
wächst auch die Herzarbeit dem Sauerstoffverbrauch entsprechend, 
indem sich die Zahl der Herzkontraktionen pro Minute vermehrt und bei jeder 
Zusammenziehung eine grössere Menge in das Schlagadersystem hineingeworfen 
wird. An den nach beendigter Fahrt aufgenommenen Pulskurven sind diese 
auf den Kreislauf ausgeübten Wirkungen leicht zu erkennen. Wird bei sinken- 
dem Blutdruck und bei beginnender Herzermüdung der Puls klein und weich, 
so bewirkt umgekebrt der erhöhte Blutdruck und das vermehrte Schlagvolumen 
einen hart gespannten, vollen Puls. 

Je wasserärmer und konzentrierter das Blut ist, um so mehr rote 
Blutkörperchen werden mit jedem Herzschlage dem arteriellen System zuge- 
führt, um so leistungsfähiger wird wiederum das Herz selbst. Deshalb 
bewirkt mässige Flüssigkeitszufuhr, sowie die durch starke Schweisssekretion 
verursachte Konzentrierung des Blutes eine Erleichterung der Herzarbeit. Es 
ist aus diesem Grunde reichliche Nlüssigkeitsaufnahme bei einer Radtour zu 
untersagen. 

Gerade eine Uebung, die wie das Radfahren den Blutdruck schnell erhöht 
und, ohne örtliche Ermüdungserscheinungen in den stundenlang arbeitenden 
Muskeln hervorzurufen, grossen Kräfteaufwand erfordert, ist in den Entwicke- 
lungsjahren nur bei grösster Vorsicht zu gestatten, um Ueberanstrengungen 
des Herzmuskels vorzubeugen. 


Prostitution. 1107 


Infolge übermässigen Radfahrens treten am Herzen 4 Krankheiten auf: 
Hypertrophie, akute Erweiterung, chronische Herzklappenerkran- 
kung, nervöse Herzstörungen. Die erstgenannte ist an sich eine physio- 
logische Folge der fortgesetzten Uebung und in mässigen Grenzen 
sogar als Vorteil anzusehen. Die durch einmalige Ueberanstrengung hervor- 
gerufene akute Herzerweiterung kann ausserordentliche Grade er- 
reichen, ohne dass besondere Beschwerden als Folge derselben empfunden 
werden. Die durch Radfahren entstandenen Herzklappenfehler sind meist 
sekundärer Natur, erst im Anschluss an die Herzerweiterung aufgetreten. 
Nächst der Dilatation sind die nervösen Herzstörungen wohl die häufigste 
Radfahrerkrankheit. 

Das Radfahren übt also ganz im allgemeinen einen specifisch schädlichen 
Einfluss auf das Herz aus, und namentlich auf das jugendliche Herz wegen der 
in den Wachstumsjabren ungünstigen Blutdruckverhältnisse. Da es in Deutsch- 
land eine halbe Million wohl meist im jugendlichen Alter stehender 
Radfahrer gibt, so liegt die Gefahr nahe, dass die durch Radfahren be- 
wirkten häufigen Herzkrankheiten den Armeeersatz nachteilig 
beeinflussen. Die beim Musterungsgeschäft vorgenommenen Erhebungen 
ergeben tatsächlich eine hohe Beteiligung der Radfahrer an den Herzkrank- 
heiten. Durch das militärische Radfahren werden aber verhältnismässig wenig 
Herzerkrankungen verursacht, da die Militärradfahrer ärztlich genau ausge- 
sucht und kontrolliert werden und da grössere Fahrten nur nach voraufge- 
gangener Trainierung unter Leitung eines Offiziers stattfinden. Andererseits 
ist sicher, dass eine grosse Anzahl junger Leute durch übermässig im ‚Civil- 
leben ausgeübten Radsport sich zum Militärdienst untauglich machen. 

Schumacher (Hagen i.W.). 


v. Düring E., Prostitution und Geschlechtskrankheiten. Leipzig 1905. 
Verlag von Johann Ambrosius Barth. 48 Ss. gr. 8°. Preis: 0,40 M. 

Der vorliegende Vortrag erscheint als 5. Heft der „Flugschriften der 
Deutschen Gesellschaft zur Bekämpfung der Geschlechtskrankheiten.“ 
Der Verf. hat sich durch langjährigen Dienst im Auslande für die einschla- 
genden Verhältnisse einen weiteren Blick erworben, als viele der zahlreichen 
neueren Schriftsteller und Schriftstellerinnen, welche denselben Gegenstand be- 
handeln. In den vier Abschnitten des Teils A bespricht Verf. die „Quellen 
der Geschlechtskrankheiten“ und „der Prostitution“ (S. 9—15), sodann die 
Frage: „Was geschieht gegenwärtig zur Bekämpfung der Geschlechtskrank- 
heiten“, (nämlich: 1. „die Reglementierung“, 2. die Bordellfrage“), 
endlich: „Die Frage der strafrechtlichen Verfolgung wegen Uebertragung der 
Geschlechtskrankheiten“ (S. 30—34). Im Teile B: „Vorschläge zur Bekämp- 
fung der Geschlechtskrankheiten“ werden in 5 Abschnitten: „Sociale Mass- 
regeln zur Eindämmung der Prostitution“, „die freie Behandlung in Krankenkassen. 
Polikliniken* (S. 40—42), „Sanitätskommissionen“, „die Stellung“ der Venero- 
logie im Hochschullehrplane und „die Belehrung“ über Geschlechtskrank- 
heiten behandelt. 


1108 Medizinalwesen. 


Gegen Einzelheiten, wie den Nutzen der Fürsorgeerziehung, die Rätlichkeit 
eines Verbotes der Behandlung gerade von Geschlechtskrankheiten durch nicht 
approbierte Aerzte u.s.w. wird sich voraussichtlich Widerspruch geltend machen. 
Es dürfte aber hierdurch der Wert der Veröffentlichung im ganzen keinen 
Abbruch erleiden. Dieser beruht vorwiegend darin, dass der Verf. mit tat- 
sächlichen Verhältnissen zu rechnen sucht. Das Schlusswort bemerkt in Bezug 
hierauf: „Wer sich nicht darüber klar ist, dass die Mehrzahl der Menschen nie 
enthaltsam war, nicht enthaltsam ist und nicht enthaltsam sein wird; wer nicht 
die socialen Uebel an der Quelle angreift, die zur Prostitution führt; wer in 
den Prostituierten „„Verbrechertypen““ sieht; wer von Polizeimassregeln irgend 
etwas erhofft — der wird ganz sicherlich für sein ehrlichstes, heissestes Be- 
mühen nichts als Enttäuschung, Bitterkeit und Ekel ernten.“ 

Helbig (Radeben!). 


Tjaden, Jahresbericht des hygienischen Instituts zu Bremen. 1904 
Unter den 5882 im Laufe des Jahres 1904 untersuchten Proben nahm die 
Diphtberie mit 4059 den weitaus grössten Anteil ein; es folgen an Zahl 
704 Untersuchungen von Absonderungen der Atmungsorgane, 416 patholo- 
gische Sekrete bezw. Operationsmaterial, 324 Blutproben u. s. f. Dabei wurde 
79 mal Typhus, 47 mal Paratyphus festgestellt; der Nachweis der Tuberkelba- 
cillen im Sputum gelang in 704 Fällen 183 mal (26°/,), davon einmal mit 
Hülfe. des Tierversuches. Wasserantersuchungen auf Bakteriengehalt wurden 
2505 vorgenommen. Dabei stellte sich heraus, dass die Keimzahl der Wasser- 
proben aus der städtischen Wasserleitung an 99 Tagen das Maximum von 100 
Keimen im Kubikcentimeter erheblich überschritt. Ausser von Behörden und 
Krankenhäusern wurde das Institut von 120 Aerzten und 5 Tierärzten in An- 
spruch genommen. Manteufel (Berlin). 


Protokoll über die Einvernahme ärztlicher Auskunftspersonen, 
betr. die Reform und den Ausbau der Arbeiterversicherung. 
104 Ss. gr. 8°. Wien 1906. Alfred Hölder. Preis: 2 Kronen. 

Die Einvernahme, welche den Aerzten Gelegenheit geben sollte, ihre 
Stellungnahme zu den die ärztlichen Standesinteressen berührenden Fragen 
des Programms, sowie zu dem socialhygienischen Ausbau der Arbeiterver- 
sicherung überhaupt zu kennzeichnen, fand am 6.—8. November 1905 im 
k. k. Arbeitsstatistischen Amte in Anwesenheit der Mitglieder des vom 
ständigen Arbeitsrate eingesetzten Arbeiterversicherungs-Ausschusses und der 
Vertreter der beteiligten Centralstellen statt. Die Wahl der 11 ärztlichen 
Auskunftspersonen war teils vom geschäftsführenden Ausschuss der öster- 
reichischen Aerztekammern, teils durch die grossen Wiener Kassenorganisationen 
und durch das Arbeitsstatistische Amt erfolgt. 

Die Einvernahme erstreckte sich auf 17 Fragen, welche den drei Gruppen 
I. Kreis der versicherten Personen, Il. Versicherte Leistungen, A. Kranken- 
versicherung, B. Unfallversicherung, C. Invalidenversicherung, III. Beziehungen 


Kleinere Mitteilungen: 1109 


der Arbeiterversicherung zur Volkshygiene angehörten. Zu III kam zur 
Sprache, welche Einwirkung durch die Arbeiterversicherung auf die Volks- 
hygiene, wie Unfallverhütung, Krankheitsvorbeugung, Werkstättenhygiene, 
Massnahmen zur Regelung der Wohnungsfrage, Kampf gegen den Alkohol u. s. w., 
ausgeübt werden kaon, und welche Stellung dem Arzte in dieser Richtung 
zukommt. Von sonstigen Fragen, über welche ein reger Meinungsaustausch 
stattfand, seien erwähnt die Umgrenzung des Kreises der versicherungs- 
pflichtigen Personen, die Angehörigenversicherung, die Rückwirkung der 
obligatorischen Krankenversicherung auf die Lage der Aerzte, die Regelung 
des Verhältnisses der Krankenkassen zu den Aerzten, die Einrichtung einer 
besonderen Fürsorge für Rekonvalescentenpflege, die Organisation des ärztlichen 
Dienstes bei der Unfallversicherung. 

Die Verhandlungen ergaben ein wertvolles Material für die Beleuchtung 
wichtiger und verwickelter Fragen, welches, wie der Vorsitzende am Schlusse 
bervorhob, Beachtung nicht nur verdiene, sondern auch bei den massgebenden ' 
Faktoren gewiss finden werde. Würzburg (Berlin). 


Kleinere Mitteilungen. 


(FL) Der vom Verein abstinenter Aerzte des deutschen Sprachgebiets 
herausgegebenen Korrespondenz für die deutsche medizinische Presse 
No. 4 u. 5 sei folgendes entnommen: 

Delbrück (Bremen) hat 173 Irrenanstalten um ihre Stellungnahme zur Alkohol- 
verabreichung betragt und 136 Antworten darauf erhalten. In 30 Anstalten (17/0) 
wird Alkohol überhaupt nicht verabreicht. 92 geben Alkoholikern keine, anderen 
Kranken gelegentlich Alkoholika, 14 geben auch ersteren solche. Unter den 30 erst- 
genannten Heilstätton haben 10 verschiedene abstinente Aerzte, 2 lediglich solche. Das 
Wartepersonal lebt in 8 Anstalten enthaltsam, in 18 Häusern bekommt das Pflege- 
personal, in 11 überhaupt kein Angestellter Alkohol von der Verwaltung. In den 
35 bis 36 v. H. der Anstalten, die überhaupt geistige Getränke geben, sind dies nur 
„obergärige“ (leichte Biere). 

Aufsehen erregt hat der von Kraepelin im ärztlichen Verein zu München ge- 
haltene (in der Münch. med. Wochenschr. veröffentlichte) Vortrag „Der Alkohol in 
München“, Unter 1373 in die psychiatr. Klinik 1905 aufgenommenen Kranken waren 
30 v. H. der Männer und 5,6 v. H. der Frauen Alkoholiker. 45,6°/, der ersteren 
waren minderwertige Arbeiter oder hatten überhaupt nicht gearbeitet. .In 40 v. H. 
der Fälle ‚wurde die Bierwirkung durch Schnapsgenuss verstärkt. Nach K. erzeugt 
der chronische Biergenuss alkoholischen Schwachsinn. Auch begünstigt er das Ent- 
stehen der progressiven Paralyse, die man bei abstinent lebenden Völkern fast gar 
nicht findet. „Syphilitisch infieierte sollten abstinent leben“. K. empfiehlt Ausstellung 
graphischer Darstellungen der Alkoholschäden für alle Volksschichten, Mithilfe der 
Schulen unter Beistand der Aerzte; Beseitigung jeden Alkoholkonsums aus ärztlichen 
Anstalten, Errichtung von Trinkerheilstätten u. s. w. 

Rosenfeld (Breslau) hat erneut den Alkohol als Heilmittel in Betracht gezogen 
(Deutsche med. Presse 1. 1906) und ist dabei auf lehrreiche Ergebnisse hinsichtlich 
seiner Einwirkung auf den Circulationsapparat gekommen: Die Pulszahl wird durch 
den Alkohol nicht beeintlusst, wenn die Versuchsperson sich ruhig verhält; sie steigt 


1110 Kleinere Mitteilungen. 


nach Erregungen rascher als ohne Alkohol, was auf Minderung der Herzkraft deutet. 
Der Blutdruck wird durch Alkohol nicht vermindert, ebensowenig die Innervation der 
kleinen Gefässe. Wahrscheinlich ist, dass der Splanchnicus durch Alkohol beeinflusst 
wird. Das Erleichterungsgefühl durch einen Schnaps nach überreichlichem Essen ist 
wohl auf solche nervöse Wirkung zurückzuführen, auch die antidiarrhoische Wirkung 
des Alkohols. 2 

Eine Mitteilung der „Oesterr. Rundschau“ (Heft 46) lässt tief blicken: Frankreich 
erzeugt nur 25000 hl Cognac aus Wein: Paris verbraucht aber sechsmal mehr im Jahre, 
und nach England allein wird fünfmal soviel ausgeführt. Kaum der 20. Teil des „franz. 
Cognacs“ dürfte Wein gesehen haben. In der Stadt Cognac besteht eine russisch- 
französische Gesellschaft, die jährlich 200000 hl russischen Sprit einführt und in 
„echten Cognac“ verwandelt. 

Wie General v. Graffen auf dem Grosslogenfeste von Deuschlands Grossloge II 
in Schwerin mitteilte, ist die deutsche Heeresleitung fortgesetzt bemüht, dem 
Alkoholmissbrauch zu steuern. Hierzu geeignet sind vor allem die Truppenübungs- 
‚plätze. Während früher der Soldat in die Kantinen eilte, um von Hitze und Dienst 
am Biere sich zu erholen, findet er jetzt in den vielen Kiosken an den Lagerplätzen 
Gelegenheit, Milch, Buttermilch und andere alkoholfreie Getränke zu erhalten: „Dass 
aber eine völlige Beseitigung der Missstände nicht durch das Verbot des Alkoholge- 
nusses, durch Befehle erreicht werden kann, das ist klar. Hier kann nur Belehrung 
und Aufklärung helfen — einmal unter den Truppen, dann aber kann noch mehr 
Erfolg erzielt werden durch beständige Belehrung in den Familien, dass die Jünglinge 
bereits mit den Schäden dieses Genusses bekannt werden, so dass der junge Mann, 
wenn er in das militärdienstpilichtige Alter kommt, wenn er in das Regiment eintritt, 
schon mit der Ueberzeugung herkommt, dass ihm der Alkoholgenuss grosse Schädi- 
gungen zu bringen vermag. 

Allmählich scheinen die Krankenkassen ihrer Pflicht, in den Kampf gegen 
den Alkoholismus mit einzutreten, sich mehr bewusst zu werden. Die Hamburgische 
Ortskrankenkasse der Maler verteilte neuerdings ein besonderes Merkblatt an ihre 
. Mitglieder, in dem besonders auf die Erfahrungen englischer Krankenkassen und 
Versicherungsgesellschaften mit ihren Abstinentengruppen hingewiesen wird. Bei der 
Kasse der Sons of temperance beispielsweise kamen nur 0,75 Krankheitswochen auf 
das Mitglied, bei den anderen nicht abstinent lebenden Mitgliedern 2,7 Wochen. Nach 
Veröffentlichungen der United Kingdom temperance and general provident institution 
zeigten, dass von 1000 versicherten Abstinenten 590 ein Alter von 65 Jahren erreichten, 
von 1000 mässigen (— vielleicht auch unmässigen? Ref.) Trinkern nur 453 Personen. 
Die Lebensdauer der Abstinenten soll etwa 6 Jahre mehr betragen. Sie erhalten 
deshalb auch 10—15°/, Rabatt von den Gesellschaften. Solchen gewäbren übrigens 
auch schon deutsche Versicherungen, wie „Atlas“, „Concordia“ (Cöln) und „Vater- 
ländische“ in Elberfeld. 

In der Generalversammlung der „Freien Vereinigung von Ortskrankenkassen der 
Provinz Schlesien“ (mit ca. 100000 Mitgliedern) sprach am 27. Mai Dr. med. Lands- 
berg (Breslau) über „Krankenkassen und Alkoholfrage“ und wies die ausserordent- 
liche Belastung der Versicherungsorgane durch den gewohnheitsmässigen Trunk so 
vieler Versicherter nach. Er verlangte statistische Aufstellungen seitens der Kassen 
darüber, Verringerung der Alkoholverordnungen durch die Kassenärzte, Belehrung der 
Mitglieder u. s.w. Die Tagung beschloss, eine solche Statistik im Grossen durch den 
Centralverband der Ortskrankenkassen im Deutschen Reiche zu beantragen und den 
gehörten Vortrag als Flugblatt zu verteilen. 

Gelegentlich der Tagung des Deutschen Vereins für Schulgesundheits- 


Kleinere Mitteilungen. 1111 


pflege 6. u. 7. Juni in Dresden schloss sich an den Vortrag Dr. Wichmanns (Harz- 
burg) „Der Stand der akademisch gebildeten Lehrer und die Hygiene“ eine längere 
Aussprache an, in der Prof. Dr. phil. Hartmann (Leipzig) betonte, wie bereits der 
Studierende des höheren Lehrfaches zum Studium der Hygiene verpflichtet sei und 
dass schon die praktische Lebensführung der Studierenden, die oft so unhygienisch 
ist, in heilsamer Weise durch dies Studium beeinflusst werde. Dabei ist zu verlangen, 
dass der künftige höhere Lehrer auch eingehend über eine Frage unterrichtet wird, 
die von der grössten praktischen Bedeutung für ihn selbst und die ihm einmal anzu- 
vertrauenden Schüler ist, — die Alkoholfrage. „Das Beispiel des Erziehers ist und 
bleibt nun einmal der allermächtigste Faktor in der Erziehung.“ Hinsichtlich des am 
weitesten verbreiteten „Lehrerleidens“, der Nervosität, neigen vielo der Ansicht zu, 
dass ihre Ursachen nicht sowohl’im als neben dem Berufe liegen. Dr. van Tussen- 
brock betonte dies auch auf dem internationalen Schulhygiene-Kongress in Nürn- 
berg 1904. Desgleichen ist Moebius dieser Ansicht. Letzterer bezeichnet als Haupt- 
ursache dieser Nervosität die bei uns herrschenden Trinksitten. „Sehr viele Kranke 
würden ihr nicht unterliegen, wenn nicht durch den Alkohol und besonders durch 
den von den Vorfahren genossenen Alkohol Entartung bewirkt worden wäre“. 

„Kampf gegen den Alkoholismus“. Volkstümlicher Vortrag, gehalten 
vom Herrn k. k. Bezirksarzt Dr. H. Wolff . . . Sep. Abdruck a. d. „Duxer Zeitung“. 
Der Kampf um die Existenz wird von Tag zu Tag für jedermann schwieriger. Eine 
eiserne Gesundheit gehört dazu , ihn zu bestehen. Sie verwirkt man, wenn man 
nicht dem Alkoholgenuss entsagt. Seine gesundheitlichen und sittlich-kulturellen 
Schädigungen werden verständlich geschildert. Gesetzgeberische Massnahmen sind 
unentbehrlich. Auch in Oesterreich hat man mit solchen begonnen: Regelung der 
Bedürfnisfrage in strengerem Sinne, behördliche Förderung der Errichtung alkohol- 
freier Schankstätten, Sperrung der Schänken mit Sohnapsverschank von Samstag 
5 Uhr an und des Sonntags. 

„Alkohol und Tuberkulose“ vonDr.Käser, leit. Arzt in Heiligenschwendi. 
Auch dieses Schriftschen bietet kaum neues. Das ist auch nach der kolossalen An- 
schwellung der Literatur in den letzten Jahren nicht zu erwarten. Zu den Ursachen, 
die zur Erwerbung der Tuberkulose wesentlich beitragen, gehört der Gewohnheits- 
trunk. Sehr mässig bezw. enthaltsam lebende Völker (Japaner, Juden) erliegen der 
T. seltener, als die trinkenden. Unterernährung und Ueberanstrengung disponieren 
den Alkoholiker besonders zur Erkrankung. Statistische Belege ergänzen die ver- 
ständlich gehaltenen Ausführungen. 


(:) Hamburg. Wohnungspflege. Nach dem Jahresberichte der Verwaltungs 
behörden der freien und Hansestadt Hamburg für 1904. 

Im Jahre 1904 sind bei der Behörde für Wohnungspflege 1556 Beschwerden 
eingegangen; aus dem Vorjahre übernommen wurden 711 unerledigte Beschwerden. 
Von diesen 2267 Sachen wurden im Berichtsjahre 1626 und zwar 1045 (67,16°/,) neue 
und 581 (81,72°/,) alte erledigt. Die neuen Beschwerden sind teils von Privaten (884), 
teils von Behörden (434), hauptsächlich von der Polizeibehörde, dem Medizinalamt 
und der Gewerbeinspektion, teils von ehrenamtlichen Organen der Wohnungspflege 
(99) und teils ohne Angabe des Absenders (139) eingegangen. Die Erledigung erfolgte 
bei 1368 (im Vorjahre 1108) Beschwerden lediglich durch gütliche Vermittelung der 
auf Grund des Gesetzes vom 8. Juli 1898 berufenen ehrenamtlichen Organe, bei 97 
(69) mit Hilfe der Kreisversammlung, bei 177 (169) durch die Behörde, und zwar 
wurden nur bei 52 (32) Zwangsmassregeln in Anwendung gebracht; Strafen wurden 
in 51 (27) Fällen verhängt, davon in 43 (22) durch rechtskräftige Polizeiverfügung 


1112 Kleinere ‘Mitteilungen. 


und in 8 (5) durch gerichtliches Urteil. Ungerechnet die Fälle, die Neubauten be- 
trafen, sind im Berichtsjahre 44 Anträge auf Bestrafung und 2 auf Räumung bei der 
Polizeibehörde gestellt worden. Bei den im Berichtsjahre erledigten 43 Strafanträgen 
richtete sich die Bestrafung in 30 Fällen gegen Grundeigentümer, weil sie den be- 
hördlichen Befehlen zur Vornahme der ihnen auferlegten Reparaturen zwecks Beseitigung 
gefundener Mängel keine Folge geleistet hatten, und in 13 Fällen gegen Mieter wegen 
Verstosses gegen dio $$ 12 (Verunreinigung der Wohnung: 3), 13 (unerlaubte After- 
vermietung: 3) und 15 (Zuwiderhandlung gegen einen Befehl zur Räumung dunkler, 
zu Schlafzwecken benutzter Rüume oder eines als Wohnung benutzten Lagerkellers: 7). 

Die Beseitigung der gefundenen Missstände erfolgte in 835 (im Vorjahre 787) 
Fällen durch bauliche Veränderung oder Ausbesserung, in 398 (367) durch Vornahme 
entsprechender Reinigung, 207 (190) durch regelmässiges Lüften oder Heizen und 
Lüften oder sonstige Massnahmen; geschlossen wurden in 209 (197) Fällen einzelne 
Teile einer Wohnung und in 17 (30) ganze Wohnungen. Die Zahl der zum Bewohnen 
verbotenen einzelnen Teile einer Wohnung — meist sogenannte Schrankzimmer — hat 
im Berichtsjahre noch weiter zugenommen. Zur Feststellung, ob in den der Behörde 
bekannten Schrankzimmern auch geschlafen wurde, waren 116 Revisionen erforderlich. 
Hierbei wurden auf 25 Grundstücken 52 derartige Räume, die als Schlafräume benutzt 
wurden, gefunden. Den Aufforderungen, diese Art der Benutzung einzustellen, kamen 
die Mieter dann in den meisten Fällen nach; nur in 1 Falle war es nötig, einen Be- 
fehl zu erlassen. 

Von dem im Jahre 1904 beseitigten Missständen betrafen 266 (im Vorjahre 266) 
Verunreinigung, 33 (40) Luftverderbnis, 26 (34) und 154 (175) Mangel an Tageslicht 
oder frischer Luft in den Wohn- und Schlafräumen, 391 (393) Feuchtigkeit, 443 (576) 
Abortanlagen, 85 (104) Entwässerungsanlagen, 557 (587) Wasserversorgung, 380 (333) 
mangelhaften baulichen Zustand des Hauses und der Wohnung und 35 (33) Ungeziefer. 
Gegen das Einlogiererwesen sowie gegen das unzulässige Untervermieten wurde in 
59 (51) Fällen eingeschritten. 

Die Zahl der von den Organen der Wohnungspflege vorgenommenen Besich- 
tigungen der durch. Neubauten oder grössere Umbauten neuhergerichteten Wohnungen 
betrug im Berichtsjahre 1217 (1366). Hierbei wurden 238 (393) Warnungen vor dem 
Beziehen dem § 9 des Gesetzes nicht entsprechender Wohnungen und 26 (58) Befehle 
zum besseren Austrocknen der Wohnungen erteilt. In 64 (101) Fällen erfolgte Be- 
strafung durch rechtskräftige Polizeiverfügung, in 1 (3) durch das Gericht. Räumung 
bezw. Schliessung von Wohnungen ist 1 (O)mal angeordnet worden. Die geringere 
Zahl der ausgeführten Besichtigungen trotz der erheblich zugenommenen Anzahl der 
Neubauten gegenüber dem Vorjahre hat seinen Grund in dem ausserordentlich heissen 
Sommer des Berichtsjahres, welcher der Austrocknung der im Laufe des Sommers 
oder im Herbst fertiggestellten Wohnungen zu Gute gekommen ist. Die meisten Neu- 
bauten konnten schon bei der ersten Besichtigung für genügend ausgetrocknet erklärt 
werden. Dementsprechend hat sich auch die Zahl der ergangenen Warnungen, Befehle 
und Bestrafungen verringert. (Veröff. d. Kais. Ges.-A. 1906. No. 16. S. 379.) 


Vorlag von August Hirschwald, Berlin N.W. — Druck von L. Schumacher in Berlin N. 24. 


Hygienische Rundschau. 


Herausgegeben 
von 


Dr. Carl Fraenkel, Dr. Max Rubner, Dr. Carl Günther, 


Geh. Med.-Rat. Prof, der Hygiene Geh. Meıl.-Rat, Prof. der Hygiene Geh. Med.-Kat, 2.0.Prof. der Hygiene 
in Hallo a./S. in Berlin. in Berlin. 


XVL Jahrgang. Berlin, 15. Oktober 1906. i Ke 20. 


(Aus dem hygienischen Institut der Universität Halle a.S. 
Direktor: Geh.-Rat Prof. C. Fraenkel.) 


Zur Wirkungsweise des Milzbrandserums. 
Von 
Dr. E. Gottstein, 
ehemalig. Assistenten des Institutes. 


In seinen Untersuchungen über die aktive und passive Milzbrandimmunität 
hat Sobernheim!) bereits hervorgehoben, dass der Mechanismus der ja un- 
zweifelhaften und bedeutenden Schutzwirkung des Serums hochimmunisierter 
Tiere: Schafe, Pferde und Rinder keineswegs klar und einfach ist. Phänomene 
der. specifischen Agglutination und Bakteriolyse, die mit so voll- 
kommener Gesetzmässigkeit sich bei dem Cholera- und Typhusimmunserum 
vorfinden und — namentlich die Bakteriolyse -- als wesentlich am Zustande- 
kommen der Schutzwirkung beteiligt zu betrachten sind, fehlen beim Milz- 
brandserum entweder vollkommen oder finden sich hier jedenfalls auch 
nicht annähernd mit derselben Gesetzmässigkeit wie bei den vorher angeführten. 
Der genannte Autor hat wiederholt betont, dass er die Agglutination nur als 
unregelmässige und keineswegs konstante Begleiterscheinung angetroffen habe, 
insofern, als ein von hochimmunisierten Tieren stammendes Milzbrandserum 
trotz starker Schutzkraft meist nur eine bescheidene Agglutinationswirkung 
ausübte und auch normale Sera in gleichen Verdünnungen gelegentlich 
Milzbrandbacillen agglutinierten. Ebensowenig konnte er in Versuchen, die 
nach Art der Pfeifferschen Probe angestellt waren, etwa regelmässig eine 
Auflösung der eingebrachten Milzbrandbacillen in der Bauchhöhle des Meer- 
schweinchens oder Kaninchens durch das Immunserum wahrnehmen. Wenn 
dabei eine grössere Menge der Bacillen aufgequollen und zerfallen aussah, so 
war doch dies keineswegs immer der Fall, und vor allem zeigten auch hier 
wieder normale Sera häufig ein gleiches Verhalten. Hierin also, wie auch 
in seinem ganzen Verlauf als rein septikämische Erkrankung, unterscheidet 
sich der Milzbrand von den toxisch-infektiösen Erkrankungen, wie Typhus und 


1) Zeitschr. f. Hyg. Bd. 25 u. 31. 
80 


1114 Gottstein, 


Cholera. Agglutination und Bakteriolyse werden zwar gelegentlich beobachtet, 
charakterisieren .sich aber nicht als specifische Wirkungen des Immunserums 
und lassen irgend einen Zusammenhang mit dem Schutzwert des Serums 
nicht erkennen. 

Auch von anderer Seite ist die Frage der Milzbrandagglutination vielfach 
zum Gegenstand experimenteller Prüfung gemacht worden, deren Ergebnisse 
sich mit den eben berichteten Beobachtungen Sobernheims im allgemeinen 
sehr wohl in Einklang befinden. So prüften Lambotte und Maréchal?) die 
Sera einer ganzen Anzahl gesunder und kranker Menschen auf ihren Einfluss 
auf das Pasteursche Vaccin I und fanden, dass die von ihnen benutzte Kultur 
in Verdünnungen bis 1:500 von fast allen der untersuchten Sera agglutiniert 
wurde; geringer, aber auch vorhanden war die Agglutinationskraft verschiedener 
normaler Tiersera. Dass es sich hier um eine specifische Wirkung handelt, 
die in Parallele mit der Wirkung eines Immunserums zu setzen ist, kann 
schon deshalb nicht angenommen werden, weil normale Sera dieselbe Wirkung 
hatten wie die von Menschen, die mit den allerverschiedensten Krankheiten 
behaftet waren, ganz abgesehen davon, dass die Agglutinationsfähigkeit viel- 
leicht nur eine vereinzelt dastehende Eigenschaft des gerade geprüften 
Stammes war. 

Sawtschenko2) hatte vorher schon festgestellt, dass das Pasteursche 
Vaccin I und II von normalem Pferdeserum in gleicher Weise wie 
von Pferdeimmunserum agglutiniert wurden, von Hundeserum dagegen 
nicht, während es Gengou?) gelang, den Agglutinationstiter des Serums bei 
Hunden durch Injektion von Vaccin I ziemlich hoch — bei einem Hund bis 
1:1100 — zu treiben, allerdings nur gegen den homologen Stamm: 


Verhalten der Milzbrandbacillen (Vaccin I und H 


Intraperitoneale Mikroskopischer Befund der Peritoneal- 


Injektion 


Gewicht 
g 


5 Min. 10 Min. 15 Min. 20 Min. 


1. 250 1 Oese Vaccin I[Viel freie Baeillen, [Status idem [Baeillenmenge jBacillenmenge 
+ 0,8%, Nat!-| spärliche Leuko- etwas geringer.| deutlich geringer 
Lösung: 1 ccm. | cyten Keine morpholo- 
gischen Verände- 
rungen 
2. 250 1 Oese Vaccin II ]Schr reichliche Leu-|Status idem |Status idem Bacillenmenge 
$ + 0,8%, NaCl-| kocyten, keine Pha- geringer, sons! 
Lösung: 1 cem. | gocytosen, keine derselbe Befund 


morpholog. Verände- 
rungen der Bacillen 


1) Annal. de l’Inst. Pasteur. T. XUL 
2) Annal. de lInst. Pasteur. T. XI. 
3) Annal. de l’Inst. Pasteur, T. XI. 


3 


Zur Wirkungsweise des Milzbrandserums. 1115 


einen virulenten Milzbrand agglutinierte das Hundeserum vor und nach der 
Injektion:nur in einer Verdünnang bis 1:50. Derselbe Verf. fand auch, 
dass die normalen Sera verschiedener Tiere, unter anderen auch von Pferd 
und Rind, Vaccin I agglutinierten, Rinderserum sogar bis zu einer Verdünnung 
von 1:120. Aus diesen angeführten Untersuchungen geht nur hervor, dass 
gelegentlich einmal ein Milzbrandstamm Agglutination zeigen kann, dass aber 
diese Fähigkeit, agglutiniert zu werden, keineswegs allen Milzbrand- 
stämmen in gleicher Weise zukommt oder überhaupt auch nur häufiger zu 
sein scheint. Andererseits scheinen auch die Sera, welche Milzbrand agglu- 
tinieren können, zu den Ausnahmen zu gehören, und dann dokumentiert sich 
diese Fähigkeit nur einem einzelnen Stamm, keineswegs allen oder auch 
nur einer kleineren Anzahl von Stämmen gegenüber. Nur in einer einzigen 
Versuchsreihe konnte Gengou bei Hunden eine bedeutende Steigerung des 
Agglutinationsvermögens durch Impfung feststellen und auch hier 
nur dem homologen Stamm gegenüber, während Sawtschenko beim Pferd 
eine solche Steigerung vermisste. Es liesse sich somit bezweifeln, ob die 
Agglutination des Milzbrandes überhaupt in Analogie mit dem gleichmässigen 
Vorgang bei Typhus und Cholera zu setzen ist; irgend eine specifische Be- 
deutung kann ihr jedesfalls kaum zugeschrieben werden. Daran ändern auch 
wohl die Mitteilungen Carinis!) nur wenig. Anknüpfend an die zusammen- 
fassenden Mitteilungen Sobernheims über die praktischen Erfolge seiner 
Immunisierungsmethode?), in denen er auch kurz die Agglutinationsfrage 
streifte, berichtet Carini, dass er bei einem seiner Milzbrandstämme mit. 
verschiedenen Seris — unter anderen auch dem Sobernheimschen, von 
Merck hergestellten — sehr hohe Agglutinationswerte erreicht habe. Bei 


der Bauchhöhle des Meerschweinchens. 


issigkeit mittels Glaskapillaren entnommen nach: 


30 Min. 45 Min. 


itere Abnahme/Exsudat und Ba- 


r Bacillen. cillen sehr spär- 
eine morpholo-| lich 

schen Verände- 

ngen der Ba- 

llen 


ne Aenderung|Weitere Abnahme 
der Bacillenan- 
zahl, sonst das- 
selbe 


60 Min. 


Status idem 


Status idem 


Leukocyten ziem-'Sehrreichlichl,eu- 


lich reichlich 

wenig Bacillen, 
keine Phago- | 
cytosen 


Keine morpholo- 
gischen Verände- 
rungen der Ba- 
cillen, keine Pha-j 
gocytosen. Ganz! 
vereinzelte Ba-ı 


eillen i 


1) Deutsche med. Wochenschr. 1904. No. 33. 
2) Deutsche mod. Wochenschr. 1904. No. 26. u. 27. 


31/, Std. 


kocyten , keine 
Bacillen, keine 
Phagocytosen 


80$ 


Bemerkungen 


t nach 4 Tagen, Oc- 
dem der Impfstellen. 
MassenhafteBacillen 
in allen Organen 


t am 3. Tage. Aus- 

gebreitetes Oedem 
der Impfstelle. Ba- 
eillen in allen Or- 
ganeu 


1116 Gottstein, 


dem erwähnten Stamm sah der Verf. mit den verschiedenen Seris unter Um- 
ständen seine Versuche noch bei den enormen Verdünnungen von 1 : 150000 bis 
1:500 000 positiv ausfallen. Bei anderen von ihm geprüften Stämmen 
waren die erreichten Verdünnungen allerdings viel geringere, und ein von 
Merck bezogener Stamm versagte sogar vollkommen. Trotzdem ist 
Carini offenbar geneigt, der Agglutination des Milzbrandes eine allgemeine 
Bedeutung beizumessen und den letztgenannten Stamm als Ausnahme zu be- 
trachten. 
I. 


Einfluss des Milzbrandserums (Rind) und normalen Rinderserums auf Milzbrandha: 
innerhalb des Tierkörpers. (Pfeifferscher Versuch) Meerschweinchen. 


Mikroskopischer Befund der Peritoncaltlüssigkeit mittels Glaskapillaren | 
Intraperitone- entnommen nach: 


ale Injektion | 5 Min. 10 Min. 20 Min. | 30Min. ' 60 Min. | 


1.1350[1 Oese Vacein[Starke Leuko-|Baeillen morpho- Status idem 'Konglomerate Bacillen nurlr am &. 


It1cem Im-| eytose. Kou-) logisch nicht viel spärlicher, | spärlich zuf nachd» 
munserum glomerate von, verändert, man- mehr einzeln‘ sehen. Sonst] fung. 
Bacillen und; cheetwasgequol-, liegenderLeu-! wie vorher |deriny 
Leukocyten | len. Grosse Kon-| koeyten. Ein-) Reiche, 
glomerate von zelne Bacil- Baciller 
BacillenundLeu- len gequol-' allenürz: & 
kocyten. Keine len. Die ; | 
Phagocyten meisten un- 
| verändert | s 
I 
2.1260|1 Oese VaccinfEinzelne Leu-[Konglomerate jWeniger ein-/Vereinzelte :Bacillen und]Zur Vor 
EFL tem koeyten und| grösser u. reich-; zelne Bacil- degeneriert | Leukoeyten Jandererl 
Nermalserum| Konglomerate| licher. Sonst kei-| len, fast alle; aussehende | spärlicher. suchurg 
von Bacillen) ne Aenderung | mit Leukocy-| Baeillen. Bacillen z.T.| nach 5 5: 
und Leuko- ten konglo-| Sonst status; in Fäden getötet 
eyten meriert | idem, 
3.155011 Ocse Vacein|Starke Leuko- Konglomerate 'Freiliegende Keine freien Im wesentli ft am 4.14 
IL+1 cemIm-| eytese. Ba-! von Baeillen und| Bacillen nur Bacillenmehr| chenderselbe| Vedem <e 
munserum cillen ohne! Leukoeyten. Kei-| noch schr ; sichtbar. Status Impfst.' 
Besonder- | nePhagocytosen.| spärlich vor-| Sonst keine Bacillen r 
heiten Freiliegende Ba-| handen | Aenderung allenUrz d 
eillen spärlicher, | 
ohne morpholc- 
gische Verände- | 
rungen | | 
4. |260]1 Oese VaceinfReichliche Freiliegende Ba-Derselbe Be- Reichlich Leu-Leukoeyten [Zur Vor 
1I+1 cem | Leukoeytose,| eillenetwasspär-! fund. Manche kocyten, we-' Konglomeratelanderert -s 
Normalserum| freiliegende | licher, Haufen | Baeillen se- nig Baecillen.| spärlich freief su à 
Baeillen und} von Baeillen und hen degene- Die meisten Bacillenohnef ge 
Haufen von; Leukocyten, riert aus. Bacillen se-, morphologi- 
Bacillen und Phagocytosen, ; hen normal! sche Beson- 


Leukocyten N aus derheiten 

Ich selbst habe auf Anregung von Herrn Prof. Sobernheim im hygie- 
nischen Institut zu Halle mit dem von E. Merck in Halle hergestellten Milz- 
brandserum Versuche gemacht, die ein völlig eindeutiges, negatives 
Resultat ergaben. Die Technik war folgende: Junge, 16 stündige Agar- 


Zur Wirkungsweise des Milzbrandsorums. 1117 


kulturen des betreffenden Stammes wurden in 0,8 proz. Kochsalzlösung auf- 
geschwemmt, so dass in je 0,5ccm der Aufschwemmung eine Normalöse 
Kultur enthalten war. Die Aufschwemmung wurde in einem verkorkten Reagens- 
‘ glas einige Zeit lang kräftig durchgeschüttelt und dann durch Glaswolle 
filtriert, um etwa noch vorhandene kleine Klümpchen zurückzuhalten. Die 
so hergestellten Bacillenaufschwemmungen waren fast vollständig homogen, 
enthielten im wesentlichen nur einzeln liegende Bacillen und blieben während 
der ganzen Beobachtungszeit unverändert. Zur Anstellung der Reaktion 
warden dann 0,5 ccm der Aufschwemmung mit 0,5 ccm des Serums in doppelter 
Konzentration der gewünschten Verdünnung zusammengebracht und bei 37° 
im Brutschrank aufbewahrt. Nach 1/3 Stunde, nach 1 Stunde, nach 2, 6 und 
24 Stunden wurden die Proben makroskopisch und mikroskopisch angesehen. 
Die makroskopische Betrachtung erfolgte genau so, wie es für die makro- 
skopische Agglutination bei Typhus und Cholera beschrieben ist, bei schräg 


durchfallendem Licht. 


Intraperitone- 


ale Injektion 5 Min 


II. 


tuss des Milzbrandserums (Hammel) und normalen Hammelserums auf Milzbrandbacillen 
innerhalb des Tierkörpers. 


entnommen nach: 


10 Min. 20 Min. 


30 Min. 


(Pfeifferscher Versuch) Meerschweiuchen. 


Mikroskopischer Befund der Peritonealflüssigkeit mittels Glaskapillaren 


60 Min. 


Bemerkungen 


1 Oese Vacecin|Starke Leuko-|Bacillen etwas |Bacillenweiter Status idem Zahl der Ba-|Bleibt am 
I+1 cem Im-| eytose, Kon-| spärlicher, ohne, vermindert, cillen noch] Leben 
munserum glomeratevon| morphologische | sonst wie vor- geringer ge- 

Bacillen und| Veränderungen. | her. Leuko- worden.Sonst| 
Leukocyten. | Sonst derselbe eytenkonglo- keine wesent- 
Bacillenohne! Befund merate und liche Aende- 
Veränderung. Phagoeytosen| rung 
Phagocytosen 


|1 Oese VaceinjReichl. Leuko- 


Keine Aenderung Bacillen etwas 


Bacillen ohne 


Bacillen spär- 


Zur Vornahme 


I+1 cem Nor-| cytose. Kon- spärlicher, morpholog. | lich, verein-| anderer Un- 
malserum glomerat von sonst dersel-! Veränderung, zelte degene-| tersuchungen 
Bacillen und be Befund an Zahl ver-| rierteForinen,| getötet 
Leukocyten. mindert noch reich- 
Viel freilie- lich Leuko- 
gendeBacillen cyten 
ohne Beson- 
derheiten 
ll 0eseVaceinll]Viel Leukocy-'Konglomerate von|Bacillenmenge'Status idem |Keine wesent-|F am 5. Tage 
+1 ccm Im-| ten. Bacillen) Leukocyten und; spärlicher, liche Aende-| nach der In- 
munserum | obne Verän-| Bacillen zahl-| keine Dege- rung fektion. Ba- 
derung reich. Sonst kei-| nerations- eillen inallen 
ne Aenderung | formen Organen 


}]1OeseVaccinlljReichlich Leu- 


Vereinzelte Pha-|Noch reichlich 


Bacillenmenge 


Keine wesent- 


+1ecm Nor-| kocyten,Kon-| gocytosen. Baecillen vor-| etwas gerin-| liche Aende- 
malserum glomerate, | Sonst keine Acn-| handen, Pha-| ger. Sonst | rung 
vereinzelte | derung gocytosen, keine Aende- 
degenerierte Konglomerate, rung 
Bacillen 


t nach 48Std. 
Oedem der 
Impfstelle, 

Bacillen in 
allenOrganen 


1118 Gottstein, 


Zur Prüfung gelangten: ein frisch aus einer menschlichen Milz gezüchteter 
viralenter Stamm, ein dem Pasteurschen Vaccin No. II entsprechender und 
ein ehemals virulenter durch Passage auf alkoholhaltigen Nährböden abge- 
schwächter, fast avirulenter und asporogener Stamm. Die verwandten Sera 
waren die hochwirksamen Immunsera von Rind, Pferd und Hammel, frisch 
entnommen 16 Tage nach der letzten Impfung mit virulenten Massenkulturen. 


IV. 


Einfluss des Milzbrandserums (Pferd) und normalen Pferdeserums auf Milzbrandba- 
innerhalb des Tierkörpers. (Pfeifferscher Versuch) Meerschweinchen. 


DL 
3 Intraperitone- Mikroskopischer Befund der Peritonealflüssigkeit entnommen nach: E 
& fme Injektion] 5 Min. 10 Min. 20 Min. | 30 Min. 60 Min. 
1.1250|1 Oese Vaceinl]Bacillen ohne/Keine Aenderung Leukoeyten |Reichliche ‚Bacillenzahl ft am S.7 
+1 cem Im-| morphulogi- reichlicher, | Leukocytose.! geringer. Reich. 
munserum sche Beson- vereinzelte |Phagocytosen.; Sonst keine | cillen ir 
derheiten. Phagocytosen,| Sonst status | Aenderung Organes 
Spärlich Leu- Bacillen obne| idem 
kocyten Verände- 
rungen 
2, [2501 Ocse VaccinlfReichlich Leu-;Bacillen ohne |Bacillenzahl [Abnahme der|Einzelne Ba- |Zur Vorz- 
+ 1 cem Nor-| kocyten,Kon-| Veränderungen |geringer.Sonst| Bacillen. eillengequol-| anderer 
malserum glomerate, status idem | ReichlichLeu-| len. Leuko-| suche z 
vereinzelte kocyten.Pha-| cytenhaufen 
Phagocytosen gocytosen 
3. ]240[10es«VaccinIljStarke Leuko- Baeillen ohne Status idem |Baeillenzahl [Weitere Ab-If am 6.1 
+1 cem Im-] cytose. Kon-; Veränderungen etwas geringer; nahme der | Reich! 
munserum glomerate | Bacillenzahl.| eitlen ir 
von Bacillen Keine mor-| Organe! 
und Leuko- phologischen 
eyten. Pha- Verände- 
gocytosen rungen de 
Bacillen 
4.1270]10eseVaceinll|Starke Leuko-'Bacillen ohne |Keine Aende-jBacillenzahl |Bacillenzahl [Nach 24° 
+ lecm Nor-| eytose. Kon-! Veränderungen | rung batabgenom- | geringer. Ba-| getötet 
malserum glomerate men. Sonst! cillen ohne) 
von Baeillen status idem | Verände- 
und Leuko- rungen. Sons 
cyten. Pha- derselbe Be- 
* | gocytosen | | fund. 


Die angewandten Serumkonzentrationen waren: unverdünntes Serum, in das 
direkt eine Normalöse sorgfältig eingerieben wurde — ein Verfahren, das 
gleichfalls befriedigende Resultate lieferte. Ferner Verdünnungen 1:10 bis 
1:10000 in entsprechender Abstufung. Als Kontrollproben dienten dieselben 
Versuchsreihen, angesetzt mit dem normalen Serum der betreffenden Tierart 
und einfache Aufschwemmung in 0,8 proz. Kochsalzlösung. In keinem der 
angestellten Versuche wurde irgend eine Andeutung von Agglu- 
tination beobachtet noch irgend ein Unterschied im Verhalten 


Zur Wirkungsweise des Milzbrandserums. 1119 


der Milzbrandbacillen zwischen Normal- und Immunserum fest- 
gestellt. 

Auch in den folgenden nach Art des Pfeifferschen Versuchs angestellten 
Erhebungen, in denen ja jedesmal das zur Prüfung gelangende Serum mit der 
Kultur im Reagensglas vorher gemischt werden musste, wurde sorgfältig auf 
etwaige Agglutination geachtet. Es konnte aber nur ein einziges Mal bei 
einem Rinderimmunserum eine Agglutination im unverdünnten Serum wahr- 
genommen werden. Eine weitere genaue Prüfung der Agglutinationskraft 
dieses Serums ergab, dass Vaccin I und Vaccin II nur im unverdünnten Serum 
und in einer Verdünnung von 1:10, virulenter Milzbrand bis 1:50 (schwach) 
agglutiniert wurden. In den höheren Verdünnungen blieb jede Agglutination 
aus. Es scheint demnach beim Milzbrand gerade umgekehrt zu sein, wie bei 
Typhus und Cholera, d. h. Stämme, die die Agglutination zeigen, und Sera, 
die solche hervorzurufen vermögen, gehören zu den Ausnahmen. Ein Paralle- 
lismus zwischen Schutzwert des Serums und Agglutination oder irgend eine 
Gesetzmässigkeit und Regelmässigkeit in ihrem Eintreten hat sich bisher nicht 
nachweisen lassen. 

Bei der Wirkung des Milzbrandimmunserums im Tierkörper glaubt 
Sawtschenkot) ebenso wie Marchoux der Phagocytose die entscheidende 
Bedeutung beimessen zu müssen. Er kommt auf Grund seiner Versuche zu 
der Anschauung, dass das Immunserum an der Infektionsstelle im Tierkörper 
z.B. in der Bauchhöhle eine wirksame Leukocytose hervorrufe und die so 
angelockten Leukocyten in den Stand setze, die Milzbrandbacillen aufzunehmen 
und zu zerstören. Auf die Ansichten Bails über die Milzbrandimmunität und 
die Wirksamkeit seines nach anderen Grundsätzen hergestellten Milzbrand- 
serums näher einzugehen, liegt ausserhalb des Rahmens dieser Versuche. 

In den von mir angestellten Versuchen wurde Serum, mit Bacillen ge- 
mischt, in die Bauchhöhle eines Meerschweinchens gebracht und in kurzen 
Abständen mittels Glaskapillaren Proben des Peritonealexsudates entnommen 
und im hängenden Tropfen und gefärbten Präparat angesehen. Es wurden 
Pasteurscher Vaccin I und II (bezogen aus dem Pasteur-Institut zu Stuttgart) 
verwandt. Die Versuche fielen übereinstimmend mit den von Sobernheim 
früher angestellten gleichartigen Versuchen aus. Er trat sowohl bei Normal- 
wie bei Immunserum starke Leukocytose auf, teilweise Phagocytose; auch 
Quellung und Formveränderung der Bacillen konnte beobachtet werden, aber 
ein deutlicher Unterschied zwischen Normal- und Immunserum trat nicht zu 
Tage, noch liess sich irgend ein als „Immunitätsreaktion“ zu deutender Vor- 
gang wahrnehmen. Der Verlauf war abgesehen von der stärkeren Leukocytose 
fast ebenso wie in zwei Vorversuchen, in denen Vaccin I und II nur in steriler 
0,8 proz. Kochsalzlösung aufgeschwemmt intraperitoneal injiciert wurden. 

k Die Bacillen verschwanden meist nach einiger Zeit aus dem Peritoneal- 
exsudat, von wo aus sie vermutlich resorbiert wurden, um in den inneren 
Organen deponiert zu werden. Bei Vaccin Il war sogar die Leukocytose eine 
recht beträchtliche. Auch bei dem sehr wirksamen Hammelserum, das in den 


1) 1. c. 
8r 


1120 Infektionskrankheiten. 


bier angeführten Versuchen das Meerschweinchen vor der Infektion mit 
Vacein I rettete — das Kontrolltier ging am 4. Tage ein — liessen sich keine 
besonderen Erscheinungen wahrnehmen. Die beigefügten Tabellen geben eine 
Uebersicht der eben besprochenen Versuche. 


Oppenheimer, Fermente und Toxine. Deutsche med. Wochenschr. 1905. 
No. 42. S. 1681. 

Der Verf. macht gegenüber v. Liebermann (vgl. diese Zeitschr. 1906. 
S. 348) darauf aufmerksam, dass er Fermente und Toxine nicht für ein 
und dasselbe erklärt, sondern nur mit Vorbehalt und Einschränkung den 
tastenden Versuch gemacht habe, sie als verwandt zu bezeichnen und mit ein- 
ander zu vergleichen. Während v. Liebermann die katalytische Wirkung 
überhaupt als das massgebende Kennzeichen der Fermente erklärt, bezeichnet 
der Verf. als Fermente nur eine bestimmte Art von Katalysatoren, 
nämlich diejenigen mit specifischer Bindung im Sinne der Ehrlichschen 
Seitenkettentheorie, und nur wegen der letzteren Eigenschaft hat er sie 
mit den Toxinen verglichen, Globig (Berlin). 


Schmaltz, Verhalten des Cirkulationsapparates bei den akuten In- 
fektionskrankheiten. Deutsches Arch. f. klin. Med. Bd. 55. H. 1 u. 2. 
An einer grossen Reihe selbst beobachteter Fälle zeigt Verf., dass jede 
Art von Infektion die Kreislaufsorgane zu schädigen vermag und dass 
es hier von den leichtesten, flüchtigen, zumeist gar nicht als krankhaft aner- 
kannten Veränderungen bis zu schweren dauernden oder rasch zum Tode 
führenden Schädigungen eine fortlaufende Kette von Erscheinungen und Ueber- 
gängen gibt, deren einzelnen Gliedern allerdings eine sehr verschiedene prak- 
tische Bedeutung zukommt. Und zwar spielen organische Veränderungen des 
Herzmuskels in der Mehrzahl der Fälle eine wesentliche und sehr häufig 
die Hauptrolle. O. Baumgarten (Halle a. S.). 


Schlitzer A., Ueber das Wachstum der Bakterien auf wasserarmen 
Nährböden. Inaug.-Diss. Würzburg 1905. 

Verf. hat eine Nachprüfung der zuerst von Wolf und später von R. Weigert 
angestellten Versuche über den Einfluss des Wassergehaltes der Nährböden auf 
das Wachstum der Bakterien vorgenommen zugleich unter Berücksichtigung 
der von Weigert gegen Wolf gemachten Einwände, dass Wolf das Wachstum 
der verschiedenen Bakterienarten wahrscheinlich nur auf und nicht in den 
konzentrierten Nährböden beobachtet habe, wodurch mithin diese Versuchsan- 
ordnung nicht vollkommen beweiskräftig sei. Auf der Oberfläche des Nähr- 
bodens könne sich nämlich aus dem darüber befindlichen stets mit Wasser- 
dampf erfüllten Raum Wasser niederschlagen, welches die obersten Schichten 
des Nährbodens wasserhaltiger mache. 

Aus seinen Versuchen, die hier nicht näher angeführt werden können, 
ergibt sich, dass die geprüften Bakterien (Bact. prodigiosum, Bact. pyocyaneum, 


Infektionskrankheiten. 1121 


Bact. vulgare, Bact. typhi, Bac. anthracis, Bact. lactericium, Microc. pyogenes 

aureus und Vibrio cholerae) in Uebereinstimmung mit den Wolfschen Angaben 

noch bis zu einem Wassergehalte von 35—40°/, Oberflächenwachstum zeigten. 
Nieter (Halle a. S.). 


Saathof, Die Methylgrün-Pyronin-Methode für elektive Färbung 
der Bakterien im Schnitt. Aus d. hyg. Institut in Göttingen. Deutsche 
med. Wochenschr. 1905. No. 51. S. 2047. 

Der Verf. empfiehlt das in der Ueberschrift bezeichnete, von Pappenheim 
eingeführte, von Unna, Krystalowicz und ihm selbst weiter entwickelte 
Färbungsverfahren, durch welches auf einen Zug, leicht, einfach, in 
kurzer Zeit und dauerhaft Bakterien intensiv rot und deutlich von dem 
blauen und rötlichen Gewebe unterscheidbar dargestellt werden können. Als 
Beweis für seine Leistungsfähigkeit bezeichnet der Verf. die Leichtigkeit, mit 
welcher die Färbung von Rotzbacillen im Gewebsschnitt auch Ungeübten ge- 
lingt. Auch für Ausstrichpräparate aller Art wird es gerühmt. 

Globig (Berlin). 


Koeppen A., Tuberkulosestudien Il. Zeitschr. f. Hyg. Bd. 52. S. 111. 

Nach Maragliano (vgl. diese Zeitschr. 1896. S. 1220) sind bei der 
Tuberkulose 2 Giftarten wirksam, Toxalbumine, Ausscheidungen der 
Tuberkelbacillen, welche in die Kulturflässigkeit übergehen, und Toxopro- 
teide, welche aus dem Inhalte der Tuberkelbacillenleiber herrühren. Jene 
sollen durch höhere Wärmegrade zerstört werden, diese hitzebeständig sein, 
jene bei Meerschweinchen und Menschen die Körperwärme unter Schweisser- 
zeugung herabsetzen, diese die Körperwärme erhöhen. Der Verf. hat eine 
Nachprüfung dieser Angaben vorgenommen. Das Toxalbumin gewann er, 
indem er von einer Taberkelbacillenkultur in Fleischbrühe die Bakterien sorg- 
fältig abfiltrierte, die Flüssigkeit in absoluten Alkohol einliess und den ent- 
standenen Niederschlag bei 379 trocknete; so erhielt er eine hellbraune in 
Wasser lösliche Masse. Zur Darstellung des Toxoproteids wurden die 
auf den Filtern zurückgebliebenen Tuberkelbacillen gewaschen und getrocknet, 
um sie abwägen zu können, dann mit 33 v. H. Kalilauge übergossen, zerrieben, 
mit Wasser mindestens 2 Stunden im Dampfstrom gekocht und filtriert; das 
hellgelbe klare Filtrat wird verwendet. 

Im Gegensatz zu Maragliano fand der Verf. beim Toxalbumin 
keine die Körperwärme herabsetzende, sondern eine erhöhende 
Wirkung, ferner keine Zerstörung durch die Siedehitze, selbst nicht 
bei 2 stündiger Dauer. Chemische Unterschiede zwischen Toxalbumin und 
Toxoproteid konnte er nicht festellen. 

Auch durch Behandlung von Kaninchen mit je einer der beiden Toxin- 
arten liess sich in dem Serum dieser Tiere keine Verschiedenheit der eiweiss- 
fällenden Eigenschaften nachweisen. Schliesslich hat der Verf. aber bei 
Tuberkulösen, die durch wiederholte Einspritzungen des Toxoproteids 
immunisiert waren und durch dieses keine Steigerung der Körperwärme 
mehr erfuhren, mit geringen Mengen des Toxalbumins deutliche 


1122 Infektionskrankheiten. 


Temperaturerhöhungen hervorgerufen. Daraus folgt mit Sicherheit, dass 
beide Toxinarten eine verschiedene Zusammensetzung haben müssen. 
Globig (Berlin). 


Beitzke H., Ueber den Weg der Tuberkelbacillen von der Mund- und 
Rachenhöhle zu den Lungen. Berl. klin. Wochenschr. 1905. S. 975. 
Die sorgfältige Untersuchung tuberkulöser Kinderleichen wie das Studium 
der Lymphapparate des Halses haben B. zu der Ansicht gebracht, dass bei 
Kindern in der Regel die Bronchialdrüsen der erste Sitz der Erkrankung sind, 
während die Halslymphdrüsentuberkulose lediglich eine nebenher verlaufende 
Affektion ist, der eine Rolle in der Genese der Lungentuberkulose beim 
Menschen nur ausnahmsweise zukommt. Gesunde unveränderte Lymphdrüsen 
wirken wie bakteriendichte Filter. Die Eintrittspforte bei der Lungentuber- 
kulose der Kinder liegt in der Regel in der Lunge bezw. dem Bronchialbaum 
selbst; die Tuberkelbacillen können entweder in der Atemluft enthalten 
sein, oder aber aus dem Munde stammen, wohin sie durch inficierte Nahrungs- 
mittel oder durch Kontaktinfektion gelangen. H. Ziesch& (Breslau). 


v. Baumgarten P., Ueber das Verhalten der Tuberkelbacillen an der 
Eingangspforte der Infektion. Berl. klin. Wochenschr. 1905. S. 1329. 
Kritisch zusammenfassende Arbeit über die Ergebnisse der letzten Zeit. 
Au der Impfungsstelle ist bei subkutaner Impfung stets die primäre Tuber- 
kulose erkennbar. Eine primäre Erkrankung regionärer Drüsen unter Ver- 
schonung der Infektionsstelle von Tuberkulose kommt nicht vor. Bei 
Fütterungsversuchen kommt es leicht durch Aspiration des Materiales zur 
tuberkulösen Erkrankung der Lunge, was zu irrtümlichen Auffassungen führen 
kann, wenn die Verfütterung selbst, ohne Darmtuberkulose zu erzeugen, ver- 
läuft. Versuche mit Injektionen hochverdünnter Suspensionen von Tuberkel- 
bacillen in die Trachea zeigten, dass die Lunge auch für ganz spärliche 
von den Alveolen aus in sie eindringende Bacillen nicht durchgängig und dass 
es nicht möglich ist, durch bacilläre Infektion von den Alveolen aus eine 
Bronchialdrüsentuberkulose ohne vorangehende Lungentuberkulose zu bewirken. 
Die Ansicht, virulente Tuberkelbacillen könnten in den Körper eintreten, ohne 
an der Eintrittsstelle tuberkulöse Veränderungen hervorzurufen, entbehrt nicht 
nur der experimentellen Stütze, sondern scheint widerlegt. Der Infektionsweg 
der menschlichen Tuberkulose ist nur in wenigen Fällen, z. B. bei Leichen- 
tuberkeln und Impftuberkulose genau bekannt; in den meisten Fällen ist uns 
die Erkenntnis der Herkunft und der Eintrittsstelle des Infektionserregers 
verschlossen. Für die Praxis ergibt sich daraus die Weisung, in der Prophy- 
laxe nicht nur einseitig einen Weg, z. B. den Inhalationsweg oder den 
Fütterungsweg, sondern alle überhaupt in Betracht kommenden Infektionswege 
mit gleicher Sorgfalt zu berücksichtigen, und also auch dem der kongenitalen 
Uebertragung die entsprechende Beobachtung zu schenken. 


H. Ziesche (Breslau). 
Li 


Infektionskrankheiten. 1123 


v. Baumgarten P., Experimente über ascendierende Urogenitaltuber- 
kulose. Berl. klin. Wochenschr. 1905. S. 1381. 

Kaninchen wurde der Ureter oder das Vas deferens einer Seite in der 
Nähe des Blasenfundus mit einem in kolierter Perlsuchtemulsion getränkten 
Seidenfaden unterbunden. Es entwickelten sich Veränderungen, die man als 
Uretero-pyelo-nephritis tuberculosa oder besser noch, da die Tuber- 
kulose hier auf dem Boden einer exquisiten Hydronephrose entsteht, als Hydro- 
pyonephrosis tuberculosa bezeichnen muss. Au der Ligaturstelle bildet 
sich ein Knoten, der nach innen in den Ureter durchbricht, den stagnierenden 
Urin inficiert und somit die übrigen Veränderungen veranlasst. 

H. Ziesch& (Breslau). 


Weleminsky F., Zur Pathogenese der Lungentuberkulose. Berl. klin. 
Wochenschr. 1905. S. 975 ff. 

Der Autor hat das Verhalten inficierter Organe zu ihren regionären Lymph- 
drüsen untersucht. Um ein Gewebe mit Umgehung der Lymphbahnen zu infi- 
cieren, wurde der einzig sichere Weg, die Infektion durch die Blutbahn gewählt. 
Kaninchen erbielten Tuberkelbacillen-Aufschwemmungen perkutan in die Ohr- 
vene injiciert, so dass jedes Tier etwa 1 mg Bacillen erhielt. Ein Tier wurde 
nach etwa 10, das andere nach 14 Wochen getötet. Beide zeigten typische 
Tuberkulose der Lungen mit völligem Freisein der Bronchial- und anderen 
Drüsen von tuberkulösen Veränderungen. Die anderen 4 Tiere starben nach 
4—6 Monaten. Nur bei einem, das nach 4 Monaten an einer interkurrenten 
Pneumonie starb, waren die Bronchialdrüsen geschwollen, aber auch frei von 
tuberkulösen Veränderungen. An vielen Beispielen aus der Literatur wird die 
Meinung zu bekräftigen versucht, dass die Bronchiallymphdrüsen nicht von 
der primär ergriffenen Lunge aus inficiert werden, sondern dass sie vielmehr 
vor dieser erkranken und die letzte Etappe vor der Lungeninfektion darstellen. 

Weiterhin wurden Kaninchen ausserdem durch Injektion von Bacillen in 
die vordere Augenkammer inficiert. Sie zeigten beim Tode Tuberkulose der 
Lungen, teilweise auch der Milz und Leber; die Lymphdrüsen blieben bei 
allen Tieren bis auf 2 (von 18) gesund. Zur Erklärung dieses Phänomens 
nimmt W. eine merkwürdige Umstimmung des Organismus an, infolge deren 
auch in den direkt inficierten Lymphbahnen des Auges die Infektion nicht 
weiter fortschreitet. Einen Einblick in den Mechanismus dieses Vorganges 
gewährt die Beobachtung Bails vom Fehlen der Leukocyten im „Ueberempfind- 
lichkeitsexsudat‘‘ tuberkulöser Meerschweinchen im Gegensatz zum Exsudat 
frischer, zum ersten Mal inficierter Tiere, wo sehr bald Leukocyten erscheinen, 
um die Tuberkelbacillen aufzunehmen und zu verschleppen. Die Wirkung der 
sekundären Injektion ist demnach infolge der Leukocytenfernhaltung einer 
enorm verstärkten primären Infektion gleichzusetzen. 

Tuberkulöse Gewebe inficieren ihre regionären Drüsen nicht. Dort, wo 
erkrankte Drüsen gefunden werden, liegt daher stets eine primäre Infektion 
des Lymphgefässsystems vor. Nun sind fast stets bei menschlicher (ebenso 
wie bei der spontanen tierischen) Tuberkulose Drüsen erkrankt; wir müssen 
daher schliessen, dass fast jede spontane Tuberkulose bei Mensch und Tier 


1124 Infektionskrankheiten. 


eine primäre Erkrankung des Lymphgefässsystems ist und von diesem erst 
weiter fortschreitet. Von einem gewissen Stadium der Krankheit ab tritt eine 
Umstimmung des Körpers ein, beim Meerschweinchen bei subkutaner Impfung 
meist nach 4—6 Wochen, beim Kaninchen bei intravenöser Injektion bedeutend 
früher: der Process schreitet zwar dabei per continuitatem oder durch die 
Blutbabn (als chronische Miliartuberkulose nach Weigert) weiter, und die 
Immunitätsreaktion der Leukocyten fehlt, so dass von echter Immunität nicht 
gesprochen werden kann. Wann dieses Stadiam beim Menschen eintritt und 
wie lange es nach der eventuellen Heilung anhält, ist nicht mit Bestimmtbeit 
zu sagen. Dass es aber kommt, gebt schon aus dem Beispiel der Ureteren- 
und Blasenschleimhaut-Tuberkulose ohne gleichzeitige Drüseninfektion hervor. 
Da nun die Spontaninfektion des Menschen fast stets eine Iymphogene ist, 
müssen wir folgern, dass der Mensch ebenso wie mit der Lues auch mit der 
anderen chronischen Infektionskrankheit, der Tuberkulose, wenigstens mit fort- 
schreitender, vielleicht nur einmal im Leben, wohl sicher aber nur einmal 
innerbalb einer gewissen wahrscheiulich sehr langen Zeit sich von aussen 
inficieren kann. H. Ziesch& (Breslau). 


Jochmann G., Ueber die Bakteriämie bei Lungentuberkulose. Ein 
Beitrag zur Frage der Mischinfektion. Deutsches Arch. f. klin. Med. 
Bd. 83. H. 5 u. 6. 

Verf. kommt zu dem Ergebnis, dass nur in den seltensten Fällen es bei 
der progressiven Lungenphthise zu einer den klinischen Verlauf des Leidens 
beeinflussenden Bakteriämie komme; die wenigen Streptokokkenbefunde, die 
intra vitam erhoben wurden, sind als grosse Ausnahmen zu bezeichnen. Dem 
Befunde von Staphylokokken, besonders von Staphyl. pyogen. albus, ist mit 
äusserster Skepsis zu begegnen, um so mehr, als bei postmortalen Blutunter- 
suchungen nur selten von Staphylokokken berichtet wird. Die Regel ist, dass 
bei der progressiven Lungentuberkulose keine Bakterien intra vitam im Blute 
nachweisbar sind. Da wo post mortem ein positiver Streptokokkenbefund 
erhoben werden kann, dürfte in den weitaus meisten Fällen eine agonale Ein- 
wanderung erfolgt sein. O. Baumgarten (Halle a. S.). 


Eisaesser, Max, Klinische Beobachtungen bei Behandlung mit Neu- 
tuberkulin (Bacillenemulsion) und Mitteilung eines Falles von 
mit Alttuberkulin geheilter doppelseitiger Iristuberkulose. 
Deutsche med. Wochenschr. 1905. No. 48. S. 1922. 

Auf Grund seiner Erfahrungen bei 76 Tuberkulösen (18 aus der Privat- 
praxis, 58 aus dem städtischen Spital für Lungenkranke in Maunbeim) empfiehlt 
der Verf. die Behandlung mit dem Kochschen Neutuberkulin für 
alle noch nicht zu weit vorgeschrittenen Falle von Lungentuber- 
kulose, namentlich für die frischen ohne Mischinfektion. Die Örtliche und 
auch die allgemeine Reaktion nach der Einspritzung kann freilich grössere 
Beschwerden verursachen als beim Alttuberkulin, aber bei fast 2/; der 
Kranken, unter denen alle Formen, auch die schwersten, vertreten waren, 
kam es zur Entfieberung, und zwar bei den günstig liegenden Fällen sehr 


Infektionskrankheiten. 1125 


frühzeitig, zum Teil sogar ohne Reaktion. Bei einem kleinen Teil der Fälle 
war indessen das Neutuberkulin von Anfang an ohne Erfolg, und von einzelnen 
Kranken wurden grosse Gaben des Mittels plötzlich schlechter als vorher ver- 
tragen. Von sogenannten Tuberkulinschäden beobachtete er nur 3mal 
leichten, 1mal etwas stärkeren Blutauswurf, 3mal Eiweissspuren im Harn 
und 1mal eine Nierenblutung; er ist geneigt, hierin Organreaktionen zu erblicken. 

Am Schluss wird der Fall eines 16jährigen jungen Mannes mitgeteilt, bei 
welchem durch eine etwa 6 monatige Kur mit Alttuberkulin die Kuötchen 
von tuberkulöser Regenbogenhaut-Entzündung beider Augen völlig 
beseitigt und die Erkrankung einer Lungenspitze gehoben wurde. 

Globig (Berlin). 


Krause, Ueber die Anwendung von Neutuberkulin (Bacillenemul- 
sion). Deutsche med. Wochenschr. 1905. No. 51. S. 2048. 

Der Verf. bestätigt nach seinen Erfahrungen in Görbersdorf die 
günstigen Erfolge, welche Elsaesser (vergl. das vorige Referat) mit dem 
in der Ueberschrift angegebenen Mittel bei fiebernden Tuberkulösen gehabt hat. 
Er hat es auch in der Privatpraxis bewährt gefunden und niemals nach- 
teilige Folgen davon beobachtet. Globig (Berlin). 


Philippi H., Die Lungentuberkulose im Hochgebirge. Die Indi- 
kationen und Kontraindikationen desselben, sowie die An- 
wendung des alten Kochschen Tuberkulins. Stuttgart 1906. Ferdinand 
Enke. 304 Ss. 8°. Preis: 6 M. 

Verf., der auf Grund mehrjähriger Erfabrungen die Meinungen derjenigen 
Autoren teilt, welche dem Hochgebirgsklima besonders günstige thera- 
peutische Eigenschaften zuerkennen, bespricht in der Einleitung seines Werkes 
die über diese Streitfrage in der Literatur niedergelegten dissentierenden 
Meinungen. Dem Satze Meissens: „Nicht der Ort, wo man behandelt, sondern 
die Art des Falles und die Art, wie man behandelt, entscheidet über den Er- 
folg“ stellt er als Ausdruck seiner eigenen Anschauung den Satz gegenüber: 
„Die Art des Falles, die Art, wie man behandelt und der Ort, wo 
man behandelt, entscheidet über den Erfolg.“ Er begründet sodann 
durch statistische Citate aus der Literatur, dass seine Ansicht über den Ein- 
fluss des Höhenklimas nicht nach dem Gefühl gestellt ist, und bringt eine 
historische Uebersicht über die Entwickelung der Lehre von der günstigen 
Einwirkung des Höhenklimas auf die Tuberkulose. Den Einfluss des Klimas 
auf den Verlauf der Lungentuberkulose stellt er sich derart vor, dass durch 
die Verbringung in ein besseres Klima manches schädigende, die Heilung 
hemmende Moment fort fällt und dass die im Körper etwa noch schlummeruden 
Heilpotenzen, welche im Tieflande durch die gewöhnlichen therapeutischen 
Massnahmen nicht mebr geweckt werden, auf diese Weise zur Geltung ge- 
bracht werden können. Wenn er auch dem Ausspruche Huggards beistimmt, 
dass es kein bestes Klima für alle Fälle von Lungentuberkulose gibt, so stellt 
er doch fest, dass, wie die Statistiken beweisen, für die grosse Mehrzahl der 
heilbaren und besserungsfähigen Fälle die Anwendung des Hochgebirgsklimas 

82 


1126 Infektionskrankheiten. 


in Verbindung mit geeigneter Behandlung die besten und dauerhaftesten 
Resultate liefert. Diejenigen Fälle, die direkt ungeeignet für das Hochgebirgs- 
klima sind, bieten meistens auch eine ungünstige Prognose, so dass im all- 
gemeinen auch die Indikationsstellung für die Hochgebirgsbehandlung mit der 
Stellung der Prognose zusammenfällt. Durch Zusammenstellung zahlreicher 
Literaturangaben sucht Verf. sodann den Eggerschen Satz zu stützen, der da 
lautet: „Die Lungentuberkulose nimmt mit zunehmender Höhen- 
lage bei gleichen socialen Bedingungen, d.h. unter Berücksich 
tigung der Bevölkerungsdichtigkeit und der wesentlichen Berufs- 
arten ab“ und zieht aus denselben Angaben den Schluss, dass das Hoch- 
gebirgsklima gegenüber der Lungentuberkulose gewisse Eigentümlichkeiten 
besitzt, die anderen Klimaten fehlen oder doch nicht in dem gleichen Masse 
zukommen, und dass diese gleichen Momente wohl die therapeutisch wirksamen 
Prinzipien des Höhenklimas darstellen. Als tberapeutisch bedeutende 
Eigenschaften des Klimas erwähnt er 1. die Luftverdünnung, welche zu 
einer Verbesserung der Lungenventilation und der Cirkulation, sowie einer 
reellen Vermehrung der Erythrocyten führt, 2. die intensive Lichtwirkung, welche 
direkt die Körperoberfläche, indirekt den Stoffwechsel beeinflusst, 3. die 
grosse Trockenheit der Luft und die rasche Verdunstung, die dadurch und 
zum Teil durch den verminderten Luftdruck erzielt wird, und welche direkt 
günstig auf die krankhaften Sekretionen der Atmungsorgane und auf die über- 
mässige Absonderung der Schweissdrüsen einwirken, 4. die Reinheit, besonders 
die Keimarmut der Luft, 5. die niedere Temperatur auch im Sommer, welche 
den Stoffwechsel anregt und das Fieber günstig beeinflusst, 6. die Windstille, 
wenigstens im Winter, welche in Verbindung mit der Lufttrockenheit die 
Kälte leicht erträglich macht, 7. das seltene Auftreten von Nebel. Von 
sonstigen Eigentümlichkeiten des Hochgebirgsklimas werden noch kurz erwähnt 
die kurze Dauer schlechter Witterungsperioden, die relativ schnellen Ueber- 
gangszeiten, besonders vom Herbst zum Winter, die Ruhe und der landschaft- 
liche Reiz der Umgebung, der grössere Gehalt an Ozon, die vermehrte positive 
Luftelektrieität. 

Verf. macht sodann den Versuch, die Indikationen und Kontraindi- 
kationen für das Hochgebirge auf Grund eines, wenn auch nicht sehr 
grossen, so doch genau beobachteten Materials sowie wertvoller Mitteilungen 
anderer Hochgebirgsärzte genauer zu fassen, als dies bisher geschehen ist. 
Seine Betrachtungen beziehen sich auf die Höhenlage von Davos (1560 m). 
Aus der Fülle des hier vereinigten Materials Einzelnes herauszugreifen, erscheint 
dem Ref. nicht statthaft. Wer sich für das in Frage stehende Thema interessiert, 
wird wohl oder übel das ganze Werk durcharbeiten müssen. Es ist so knapp 
in der Form, so klar im Ausdruck und unter so gewissenhafter Berücksich- 
tigung der Literatur geschrieben, dass seine Lektüre wie ein interessantes 
Feuilleton auf den Leser wirkt. 

In besonderen Kapiteln werden besprochen: 

1. Allgemeine Fragen betreffend die Lungentuberkulose. 

2. die Prophylaxe, resp. die Einwirkung des Hochgebirgsklimas auf 
„lTuberkulosekandidaten.“ 


Infektionskrankheiten. 1127 


3. Die manifeste Lungentuberkulose in ihren 3 Stadien. 

4. Der Einfluss des Hochgebirgsklimas auf die Schweisssekretion. 

5. Der Einfluss desselben Klimas auf die Haemoptoe. 

Es seien aus diesen Kapiteln einige Schlussfolgerungen eitiert: 

1. Zu den absoluten Kontraindikationen für einen Aufenthalt im 
Hochgebirge sind zu zählen: diejenigen Fälle von Lungentuberkulose, welche 
in der Ruhe eine andauernde Pulsfreguenz von 120 und mehr in der Minute 
aufweisen, besonders, wenn der Puls klein und weich ist und die Neigung 
zur Dyspnoe besteht. - 

2. Lungenkranke aller Stadien mit einer Pulsfrequenz unter 100 kann 
man ohne jedes Risiko und mit der grössten Aussicht auf Erfolg ins Hoch- 
gebirge schicken, vorausgesetzt, dass keine schweren Komplikationen vorliegen 
und die Pulsqualitäten degenerative Veränderungen des Herzmuskels ausschliessen. 

3. Fiebernde I. Stadiums haben alle Aussicht im Hochgebirge fieberfrei 
zu werden, besonders, wenn es sich um reines Lungenfieber handelt; aber auch 
Patienten mit Neigung zu fieberhaften Pleuritiden werden hier meist fieberfrei. 

4. Ebenso bilden fieberhafte Fälle II. Stadiums durchaus keine Kontra- 
indikationen für einen Hochgebirgsaufenthalt. 

5. Bei den Fällen der leichteren Form des lI. Stadiums wurden mehr 
als doppelt so viel Entfieberungen und Erfolge erzielt, als bei den Fällen der 
schwereren Form des IIl. Stadiums. 

6. Je weniger die Pulsfrequenz vom Fieber und von der Ausdehnung der 
Lungenaffektion beeinflusst wird, desto grösser ist die Aussicht auf einen Er- 
folg der Höhentheräpie. 

Anhangsweise sei hier bemerkt, dass Verf. in besonderen Abschnitten 
erörtert den Einfluss tuberkulöser Komplikationen, von Pleuritiden, des 
Pneumothorax, der Bronchitiden, des Emphysems, der nervösen Störungen, der 
Anämie auf das Fieber, ferner die Diazoreaktion, sowie den Grad und Typus 
des Fiebers. 

Ein zweiter Teil des Werkes ist den tuberkulösen Komplikationen 
gewidmet. Hier gelangen die Pleuritiden, die Empyeme und der Pneumothorax, 
die Larynxtuberkulose, die Tuberkulose des Mundes und des Rachens, diejenige 
der Nasenschleimhaut, die chronische (tuberkulöse) Mittelohreiterung, die 
tuberkulösen Augenaffektionen, die chirurgische Tuberkulose resp. Skrophulose, 
die Urogenital-, Darm- und Peritonealtuberkulose zur Besprechung. Auch die 
nicht tuberkulösen Krankheiten, die sich mit der Lungentuber- 
kulose kombinieren, finden gebührende Berücksichtigung. Interessant ist 
das Kapitel über die Kombination von Tuberkulose und Syphilis. 
Verf. scheint hier, entgegen der landläufigen Anschauung, zunächst eine 
günstige Beeinflussung des tuberkulösen Processes durch die Syphilis anzu- 
nehmen, eine Beobachtung, die Ref. voll und ganz bestätigen kann. Philippi 
sucht dies dadurch zu erklären, dass bei manchen Spätformen der Syphilis 
eine Neigung zu interstitiellen bindegewebigen Veränderungen besteht, welche 
durch das Höhenklima noch befördert wird, so dass dann die Vernarbung der 
tuberkulösen Herde eine raschere und gründlichere sein kaun, als ohne dieses 
Moment. Ref. möchte annelımen, dass hier noch andere Faktoren mitsprechen, 


82* 


1128 Infektionskrankheiten. 


da er mehrfach in Fällen von Syphilis, die von bereits tuberkulösen Patienten 
erworben war, schon während der Durchführung der Schmierkuren erhebliche 
Besserung der Lungenerkrankung und damit des Allgemeinbefindens festzu- 
stellen vermochte. 

Zusammenfassend möge hier berichtet werden, dass nach den Erfahrungen 
Philippis folgende Komplikationen eine absolute Kontraindikation 
für die Behandlung im Hochgebirge bieten. 

1. Schwere ulcerative Larynxtuberkulose, besonders bei schwereren Fällen 
IH. Stadiums. Larynxtuberkulose mit starkem Reizhusten oder Dysphagie. 

2. Schwere Tuberkulose des Darms und des Peritoneums, besonders bei 
gleichzeitiger schwerer Lungentuberkulose. 

3. Schwere Nierentuberkulose, insbesondere bei vorgeschrittenen Lungen- 
kranken. 

4. Schweres Emphysem mit Stauungsbronchitis. 

5. Nichtkompensierte Herzfehler. Myocarditis. Myodegeneratio cordis und 
schwere Atheromatose. 

6. Nephritis chronica. 

7. Schwerer Gelenk- und Muskelrheumatismus und starke Neigung zu rheu- 
matischen Affektionen. 

8. Schwerer Diabetes. 

9. Schwere Gicht. 

10. Schwere Anämie, perniciöüse Anämie. Leukämie. Pseudoleukämie. 

11. Schwere angeborene Neurasthenie, Neuropsychosen, sowie eigentliche 
Psychosen. 

Das Werk schliesst mit lesenswerten Bemerkungen über die Dauer des 
Hochgebirgsaufenthaltes, über Zwischenstationen und den günstigsten Zeitpunkt 
für den Kurbeginn. 

Ein alphabetisch geordnetes Literaturverzeichnis von 270 Nummern 
gibt Zeugnis von dem ansserordentlichen Fleisse, mit welchem Verf. alles ein- 
schlägige Material berücksichtigt hat. 

Als Anhang zu seinen Mitteilungen veröffentlicht Philippi eine Abhand- 
lung über die Anwendung des alten Kochschen Tuberkulins. Verf. 
steht auf dem Boden der Biedertschen Lehre. Minimale Anfangsdosen 
1/1000— 1/100 mg), langsame Steigerungen. Möglichste Vermeidung fieberhafter 
Reaktionen, Petruschkysche Etappenbehandlung. Die gewonnenen Resultate 
werden in einer Tabelle veranschaulicht. Besonderen Wert legt Verf. auf 
sorgfältige Beobachtung der Lokalreaktion. Er behandelt in erster Linie 
fieberlose Patienten mit einem Puls unter 100, lässt sich aber durch die Aus- 
dehnung der Lungentuberkulose von der Tuberkulinkur nicht abschrecken. 

A. Alexander (Berlin). 


Infektionskrankheiten. 1129 


Der Stand der Tuberkulosebekämpfung im Frühjahr 1905. Ge- 
schäftsbericht für die Generalversammlung des Centralcomites am 9. Juni 
1905 im Reichstagsgebäude zu Berlin von Oberstabsarzt a. D. Dr. Nietner, 
Generalsekretär des Centralcomites. 1905. Deutsches Centralcomit& u. s.w. 
Berlin W. 9, Eichhornstr. 9. 181 Ss. 40. 

Dieser Bericht ist ein wertvolles Nachschlagewerk für denjenigen, 
der sich über den einen oder den anderen Punkt der einschlägigen Verhältnisse 
genau orientieren will. In dem knappen Rahmen von noch nicht 300 Seiten 
liefert er, übersichtlich geordnet, in kurzer referierender Form eine solche 
Fülle von Material, dass wir einen vollkommenen, unsere höchste Anerkennung 
und Bewunderung herausfordernden Einblick in die Organisation der auf die 
Tuberkulosebekämpfung gerichteten Bestrebungen erhalten. Der Referent muss 
sich darauf beschränken, durch Mitteilung der Inhaltsübersicht des Werkes zu 
zeigen, über welche Fragen wir in demselben Auskunft gewinnen. Der gesamte 
Stoff ist im wesentlichen in 7 Kapitel gegliedert, nämlich: 

I. Stand der Tuberkulosebestrebungen in Deutschland. 

1. Die Verbreitung der für Lungenkranke bestimmten An- 
stalten über das Reich. (Heilstätten, Heimstätten, Fürsorgestellen, Wald- 
erholungsstätten u. s. w. Genauere Details über Anlage, Bau, Einrichtung, 
Kosten, leitende Aerzte u. s. w. dieser Anstalten.) 

2. Die Beteiligung der einzelnen Faktoren der Wohlfahrts- 
pflege an der Errichtung von Tuberkuloseanstalten: Gemeinnützige 
Vereine und Korporationen. Landes-Versicherungsanstalten. Krankenkassen. 
Arbeitgeber. Gemeinden. Staat. Reich. 

3. Inwieweit ist dem Bedürfnis an Tuberkuloseanstalten ge- 
nügt? (Bedürfnis nach Volksheilstätten ist im allgemeinen gedeckt. Es fehlen 
Pflegestätten oder Invalidenheime, an deren Stelle die Gemeinden besondere 
Tuberkuloseabteilungen den Krankenhäusern angliedern zu wollen scheinen.) 

ll. Die Ermittelung, Auslese und Gruppierung der Kranken. 

1. Verbreitung des Verständnisses für die Tuberkulosefragen. 
(Populäre Vorträge, Flugblätter, Preisschrift, Tuberkulosemuseum, öffentliche 
Plakate, Mithilfe der Presse, Vereinsgründung von Seiten der aus Heilstätten 
entlassenen Kranken.) 

2. Anzeigepflicht. (Nur von einzelnen Bundesstaaten gesetzlich ge- 
regelt, im preuss. Abgeordnetenhause letzthin abgelehnt.) 

3. Untersuchungs-, Auskunfts- und Fürsorgestellen für Lungen- 
kranke. (Bezüglich der Organisation der letzteren wird auf die auch in dieser 
Zeitschrift referierte Broschüre „Die Errichtung und Verwaltung von Auskunfts- 
und Fürsorgestellen“ von Pütter und Kayserling, Berlin 1905, Verlag von 
Aug. Hirschwald, verwiesen.) 

4. Aufsuchen der Kranken. Gemeindekrankenpflege. (Tätigkeit 
der Fürsorgeschwestern, Gewerbeinspektoren, Arbeitgeber, besonderer Gesund- 
heitskommissionen. Zusammenwirken der vaterländischen Frauenvereine mit 
den Landes-Versicherungsanstalten.) 

5. Sonstige Auslesegelegenheiten. (Impf- und Schulärzte. Unter- 


1130 Infektionskrankheiten. 


suchung der Arbeiter vor ihrer Einstellung in grössere Betriebe. Untersuchungen 
des Heeres-Ergänzungsgeschäftes und bei der Einstellung von Rekruten). 
lH. Die Unterbringung in Heilstätten und zugehörigen Anstalten. 

1. Ergebnisse der Heilstättenbehandlung (ca. 71%, der Entlassenen 
sind voraussichtlich für eine Reihe von Jahren erwerbsfähig. Die Endergeb- 
nisse zweier fünfjähriger Kontrollperioden von 1897—1901 und 1898—1902 
ergab eine Andauer des Heilerfolges bei 27 resp. 31%/,. Mitteilung zahlreicher 
diesbezüglicher Einzelstatistiken.) (Diagnose und Auslese bei der Aufnahme; 
Behandlung in der Heilstätte.) 

2. Erfahrungen im Heilstättenbetriebe. (Auswahl der Bauplätze für 
Heilstätten. Personal in den Heilstätten. Die an das Pflegepersonal zu stel- 
lenden Anforderungen. Unterrichtskurse in Heilstätten. Beschäftigung der 
Päeglinge. Wiederholungskuren.) 

3. Familienfürsorge während der Kur. (Tätigkeit der Heilstätten- 
vereine und anderer mit ihnen zusammen arbeitender privater Wohltätigkeits- 
vereinigungen. Deren Rückhalt an dem Invalidenversicherungsgesetz. Be- 
schluss der Versicherungsanstalten, aus dem Ueberschuss des Sondervermögens 
höhere als die gesetzlich normierten Familienunterstätzungen an die Ver- 
sicherten zu gewähren. Tätigkeit der Fürsorgestellen.) 

4. Fürsorge nach der Kur. a) Allgemeine Genesungsheime, b) Erho- 
lungsstätten, c) ländliche Kolonien für Heilstätten-Entlassene, d) Beschaffung 
von Arbeitsgelegenheit. 

IV. Die Unterbringung Lungenkranker in vorgeschrittenen 
Stadien in Pflegestätten, Invalidenheimen und in Krankenhäusern. 
V. Massnahmen zur Verhütung der Tuberkulose. 

1. Die Bekämpfung der Tuberkulose im Säuglingsalter und im 
schulpflichtigen Alter. 

2. Die Bekämpfung der Tuberkulose durch Wohnungsfürsorge. 
(Herstellung hygienisch einwandsfreier Arbeiterwohnungen, Beteiligung der 
Landesversicherungsanstalten, der Preussisch-Hessischen Eisenbahngemeinschaft 
in Berlin, des Staates an diesen Bestrebungen; Wohnungsdesinfektion; Regu- 
lativ der Stadt Leipzig über Aftervermietungen; Isolierung der Kranken in 
einem besonderen Zimmer; Aufdeckung der Wohnungsnot durch eine Wohnungs- 
enquète; Familienbäuser des Geh. Kommerzienrat Gustav Selve (Bonn). 

3. Massregeln in Werkstätten. Arbeiterschutz. (Hygienische Ein- 
richtungen der Werkstätten; Aerztliche Untersuchung der in den Beruf ein- 
tretenden Lehrlinge und Lehrmädchen. Leitsätze des Dr. Freund über 
Krankbeits- wnd Verhütungsvorschriften in Arbeitsstätten; aufklärende Plakate 
in den Fabriken.) 

4. Massnahmen zur Verhütung der Tuberkuloseübertragung 
durch Nahrungsmittel. (Vorschläge des Kaiserlichen Gesundheitsamtes.) 

5. Tuberkulose und Alkoholmissbrauch. (Antrag des Abgeordneten 
Grafen Douglas im preussischen Abgeordnetenhause. Verfügung des Regie- 
rungspräsidenten in Düsseldorf betreffs rechtzeitiger Unterbringung des Trinkers 
in eine Trinkerheilanstalt.) 

6. Hautpflege und körperliche Bewegung. Arbeitergärten. 


Infektionskrankheiten. 1131 


(Tätigkeit der deutschen Gesellschaft für Volksbäder; Schulbadewesen. Arbeiter- 
gärten in Charlottenburg [cf. Verwaltungsbericht des vaterländischen Frauen- 
vereines’ 1904], Schrebergärten zu Leipzig; Ferienkolonien.) 

7. Massnahmen im Verkehrswesen. (Schutz der Bahnangestellten 
und des reisenden Publikums.) 

VI. Das deutsche Centralcomite im Jahre 1904 (Geschäftsbericht). 
VII Internationale Bestrebungen zur Bekämpfung der Tuberkulose 
(Organisation des internationalen Centralbureaus. 
Internationaler Tuberkulosekongress in Paris). 

Von besonderer Reichhaltigkeit ist der dem Bericht beigefügte An.bang. 
Derselbe enthält: 

1. Eine tabellarische Uebersicht über die im Frühjahr 1905 
betriebsfertigen 83 deutschen Heilstätten für Lungenkranke, über 
die 32 Privatbeilanstalten für Lungenkranke, über die 13 Kinderheilstätten für 
lungenkranke Kinder und die 51 Kinderheilstätten für skrophulöse und von der 
Tuberkulose bedrohte Kinder. Die Tabelle gibt Auskunft über den Namen der 
Anstalt, die nächste Bahnstation, den Eigentümer, den Chefarzt, das Eröffnungs- 
jabr, die Zahl der Betten für Männer und Frauen resp. Knaben und Mädchen, 
den Tagespflegesatz, die Zahl der 1904 gegen Bezahlung resp. in Freistellen 
in den einzelnen Anstalten behandelten Patienten und bei den Kinderheilstätten 
auch über die Zeit, während deren sie geöffnet sind. Besonders gekennzeichnet 
sind diejenigen Anstalten, welche — eventuell nur auf Wunsch — Tuberkulin 
zur Anwendung bringen, sowie jene für Erwachsene bestimmte Heilstätten, 
welche auch Kinder in Behandlung nehmen. 

2. Eine Verfügung des Magistrats Stolp, betreffend die Bedin- 
gungen zur Schaffung von Freistellen in den Lungenheilstätten. 
(Die Verleihung der Freistelle erfolgt durch den Magistrat und hat nicht die 
Eigenschaft einer Armenunterstützung.) 

3. Die wichtigsten Bestimmungen des Invalidenversicherungs- 
Gesetzes vom 13. Juli 1899, welche die Krankenfürsorge betreffen. 

4. Die Organe des Invalidenversicherungs-Gesetzes und zwar 
a) die Landesversicherungsanstalten, b) zugelassene Kasseneinrichtungen. 

5. Bekanntmachung der Landesversicherungsanstalt Berlin 
vom 6. Februar 1905 betreffend die freiwillige Versicherung gegen 
Invalidität und Alter. 

6. Zusammenwirken der Vaterländischen Frauenvereine mit 
der -Arbeiterversicherung und zwar: 

a) Rundschreiben des Reichsversicherungsamtes betreffend das Zusammen- 
wirken der Einrichtungen der Vaterländischen Frauenvereine mit den 
Organen der Arbeiterversicherung an die Vorstände der demselben 
ausschliesslich unterstellten gewerblichen und landwirtschaftlichen 
Berufsgenossenschaften und Invaliditäts- und Altersversicherungsan- 
stalten vom 29. Mai 1897. — C. B. 1651; 

b) Bedingungen, unter denen die Landesversicherungsanstalt Brandenburg 
Beihilfen für Krankenpflegestationen gewährt; 

c) Bedingungen, unter denen den Vaterländischen Frauen-(Zweig-)Vereinen 


1132 Infektionskrankheiten. 


der Provinz Schlesien Beihilfen zur Errichtung und Unterbaltung der 
Gemeindepflege bewilligt werden können; 
d) Tätigkeit der Landesversicherungsanstalt Ostpreussen. 
7. Abmachung des Vereins zur Fürsorge für unbemittelte 
Lungenkranke in Stettin mit der Armendirektion. 

8. Tarifbestimmungen über Fahrpreisermässigung auf Eisen- 
bahnen (gemäss den Beschlüssen der am 20. December 1901 in Tarifangelegen- 
heiten abgehaltenen Generalkonferenz der deutschen Eisenbahnverwaltungen). 

9. Preussen. Erlass des Ministers der Medizinalangelegenbeiten, 
betreffend Formular für die Sammelforschung über die in den 
Lungenheilstätten erzielten Erfolge. 

10. Zählkarte des Kaiserlichen Gesundheitsamtes für tuber- 
kulöse Lungenkranke. 

11. Umfang, Kosten und Erfolg der Heilbehandlung bei Ver- 
sicherten, tabellarisch geordnet nach Versicherungsanstalten, betreffend die 
im Jahre 1902 abgeschlossene Heilbehandlung, und Auskunft gebend über die 
zahl der Versicherten, die Zahl der behandelten Personen, den absoluten 
Kostenaufwand, den Kostenaufwand auf eine behandelte Person für die Jahre 
1902 und 1901, die Familienunterstützungen für dieselben Jahre; die Summe, 
welche den Versicherungsanstalten durch Krankenkassen u. s.w. ersetzt wurde; 
die Anzahl der Fälle, in denen ein derartiger Heilerfolg erzielt war, dass 
Erwerbsunfähigkeit im Sinne des $ 5, Abs. 4 des I.-V.-G. nicht zu besorgen 
war; die Anzahl der Fälle, in denen ein derartiger Heilerfolg nicht erzielt 
wurde. Den aus dieser Uebersicht sich ergebenden Gesamtsummen werden 
die gleichen Summen aus den Jahren 1888—1901 gegenübergestellt. 

12. Erlass des Kultusministers betreffend Fürsorgestellen. 

13. Merkblatt der Städtischen Fürsorgestelle für Lungenkranke 
in Charlottenburg. 

14. Anweisung der Armendirektion Stettin zur Fürsorge für 
Lungenkranke (3. Juni 1904). 

15. Erlass des Regierungspräsidenten zu Potsdam betreffend 
Fürsorgestellen vom 4. Januar 1904, gerichtet an die Herren Landräte 
des Bezirkes, den Herrn Polizeipräsidenten, die Herren Oberbürgermeister in 
Brandenburg und Spandau und die Magistrate der Städte. 

16. Erlass des Regierungspräsidenten zu Potsdam an den Ober- 
bürgermeisterzu Potsdam betreffend Fürsorgestellen (18. Januar 1904). 

17. Denkschrift des Magistrats zu Potsdam betreffend Ueber- 
nahme der Heilstättenfürsorge nebst Anlagen (7. Juni 1904) und zwar 

a) Grundsätze des Magistrats zur Bekämpfung der Tuberkulose in der 
offenen Armenpflege; 

b) Entscheidung des Bundesamts für das Heimatwesen über die Ver- 
pflichtang der Unterbringung Lungenkranker in Heilstätten seitens 
der öffentlichen Armenpflege. 

18. Armenkollegium Hamburg: Rundschreiben an die Pflege- 
organe und Armenärzte, betreffend die Unterbringung in Lungen- 
heilstätten (12. Juni 1892). 


Infektionskrankheiteh. 1133 


19. Armenkollegiam Hamburg: Rundschreiben an die Herren 
Bezirksvorsteher und Armenpfleger, betreffend die Unterbringung 
von Kindern in der Kinderheilstätte zu Duhnen, dem Kinderpflegeheim zu 
Oldesloe, dem Rossschen Kinderheim auf Sylt, dem Kinderhospital zu Lüne- 
burg und den Ferienkolonien (8. Januar 1903). 

20. Armenkollegium Hamburg: Rundschreiben an die Herren 
Bezirksvorsteher and Armenpfleger, betreffend die Einrichtung 
einer fortgesetzten Kinderfürsorge (10. Mai 1904), sowie gleichzeitiges 
Rundschreiben an die Herren Armenärzte in derselben Angelegenheit. 

21. Die Einrichtung einer fortgesetzten Kinderfürsorge. Ab- 
druck aus den Blättern für das Hamburgische Armenwesen 1904. 
No. 10. 

22. Hamburg: Senatsantrag auf Nachbewilligung von 10000 M. 
zur Verbesserung der Lungenkrankenfürsorge in der Öffentlichen 
Armenpflege, 

23. Tuberkuloseanzeige-Formular des Bremer Vereins zur Be- 
kämpfung der Tuberkulose. 

24. Schema für die schulärztlichen Untersuchungen im Kreise 
Schmalkalden. 

25. Zwei Schreiben des Vorsitzenden des Landesausschusses des Badischen 
Frauenvereins zur Bekämpfung der Tuberkulose an die grossherzog- 
lichen Herren Bezirksärzte (19. März 1903) und an die Bezirks-Tuberkulose- 
Ausschüsse und Zweigvereine des Badischen Frauenvereins (1. März 1904), 
betreffend den Kampf gegen die Tuberkulose. 

26. Das badische Tuberkulosemuseum in Karlsruhe. 

27. Aufnahmebedingungen, Hausordnung und Schema für das 
ärztliche Gutachten der Heilstätte Grabowsee. 

28. Aufnahmebedingungen, Schema für die Voruntersuchung 
und für das Krankenblatt der Viktoria Luise-Kinderheilstätte 
Hohenlychen. 

29. Aufnahmebedingungen der Kinderheilstätte in Belzig. 

30. Aufnahmebedingungen, Anstaltsordnung, ärztlicher Frage- 
bogen der Volksheilstätte Vogelsang. 

31. Aufnahmebedingungen, Schema des ärztlichen Zeugnisses, 
Hausordnung der Kaiserin Augusta Viktoria-Volksheilstätte zu 
Landshnt. 

32. Dienstanweisung für die Schwestern der Volksheilstätte 
Loslau. 

33. Voranschlag der Heilstätte Stübeckshorn der Landesver- 
sicherangsanstalt Hannover für 1906. 

84. Kosten der Einrichtung des Betriebes der Walderholungs- 
stätten Unterberg, Posen. 

35. Gesetzliche Bestimmungen und Polizeiverordnungen be- 
treffend Anzeigepflicht, Desinfektion u.s. w. (30 Verordnungen be- 
treffend verschiedene Städte, Landesteile u. s. w.). 


83 


1134 Infektionskrankheiten. 


36. Erlass des preussischen Kultusministers betreffend Be- 
kämpfung der Trunksucht. 

37. Deutsches Centralcomite, Auszug aus der Rechnung für 
das Jahr 1904. Uebersicht über die gewährten Zuschüsse. 

38. Satzung der internationalen Vereinigung gegen die Tuber- 
kulose. 

39. Programm des Tuberkulosemuseums zu Berlin-Charlotten- 
burg. 

40. Satzung des Deutschen Oentralcomites. 

41. Liste des Präsidiums des Deutschen Centralcomit6s. 

42. Liste des Ausschusses des Centralcomites. 

Dem Berichte ist ferner ein „Schema der Tuberkulose-Einrichtungen 
in Deutschland“ beigegeben, welches von Prof. Dr. Pannwitz entworfen, 
von Dr. Nietner durchgesehen und ergänzt worden ist. Dasselbe zeigt, welche 
Einrichtungen zur Ermittelung der Kranken, zur Vernichtung der Krankheits- 
keime und zur Absonderung und Pflege der Kranken dienen, wodurch die 
diesbezüglichen Einrichtungen gekennzeichnet sind und in welcher Weise an 
der Durchführung derselben die öffentliche Wohlfahrtspflege (Reich, Staat, 
Gemeinden, Gemeindeverbände, Versicherungsanstalten, Krankenkassen) und die 
private Wohlfahrtspflege (Arbeitgeber, Stiftungen, Vereine, Centralcomite) be- 
teiligt sind. 

Den Schluss des Berichtes bildet eine vom Reichsversicherungsamt 
entworfene farbige Tafel, welche die Erfolge der Heilbehandlang 
der Lungentuberkulose während der Jahre 1897—1903 darstellt. 

A. Alexander (Berlin). 


Zur Tuberkulose - Bekämpfung 1905. Verhandlungen des Deutschen 
Centralcomites zur Errichtung von Heilstätten für Lungenkranke in der 
9. Generalversammlung am 9. Juni 1905, redigiert von Oberstabsarzt a. D. 
Dr. Nietner, Generalsekretär des Centralcomites. Berlin 1905. Deutsches 
Centralcomit& u. s. w. W. 9, Eichhornstr. 9. 56 Ss. 8°, 

In seiner Eröffnungsrede betont der Vorsitzende, Staatssekretär Dr. Graf 

v. Posadowsky-Wehner, dass das Centralcomite dem Bedürfnis nach Heil- 

stätten in weitem Umfange genügt hat und nun daran denken muss, Stätten 

für unheilbare Kranke und daneben möglichst viel Fürsorgestellen zu 
errichten. Um die hierfür nötigen Mittel zu erlangen, ist die Gründung zahl- 
reicher lokaler Verbände erforderlich, welche dann auch dort, wo das Be- 
dürfnis hervortritt, für die Errichtung der geeigneten Anstalten zu sorgen 
haben. Er hebt lobend hervor, dass sich in den städtischen Verwaltungen 
immer mehr die Ueberzeugung von der Notwendigkeit einer geeigneten Aus- 
übung der Wohnungspolizei und Wohnungsfürsorge Bahn bricht und 
dass man auf eine hygienische Anlage der Strassen, Plätze und 

Häuser bedacht ist. 

Generalsekretär ÖOberstabsarzt Dr. Nietner berichtet, dass heute in 

75 Volksheilstätten 7085 und in 31 Privatanstalten 2028 Betten zur Behand- 

lung erwachsener Lungenkranker in Deutschland zur Verfügung stehen. Ausser- 


Infektionskrankheiten. 1135 


dem steht die Eröffnung von 7 weiteren Anstalten im Laufe des Kalenderjahres 
bevor. Weitere Anstalten sind im Bau oder projektiert. , Die Erkenntnis von 
dem Werte der Winterkuren ist noch nicht genügend ins Volk gedrungen. 
Die geringe Ausnutzung der Heilstätten im Winter bedingt eine lange Warte- 
zeit der Aufnahmesuchenden im Sommer. Für die versicherten Lungeukranken 
ist zur Zeit genügend gesorgt. Für die unbemittelten nicht versicherten 
Patienten fehlt es an Heilstätten. Derartige Patienten aus gebildeten Ständen 
können und wollen bisweilen Freistellen nicht annehmen. Hier müssten Mittel 
gestiftet werden, um solchen Kranken gegen Entrichtung der Pflegekosten allein 
Aufnahme schaffen zu können. 

Für Kranke im vorgerückten Stadium, die von Heilstätten nicht 
mehr aufgenommen werden, müssen Pflegestätten gebaut werden, in Form 
gewöhnlicher, hygienisch einwandfreier Wohnungen, und Krankenhaus- 
stationen errichtet werden, welch’ letztere alle Heilfaktoren der Sanatorien 
mit Luft- und Liegekuren und grösserer Bewegungsfreiheit zur Anwendung 
bringen müssen. Die Gemeinden und Kreise haben sich für derartige Stationen 
in letzter Zeit besonders interessiert. ß 

Fürsorgestellen und Walderholungsstätten haben sich vermehrt. Die 
Erbolungsstätte Eichkamp (vom Roten Kreuz) ist durch Errichtung eines festen 
Gebäudes mit heizbarem Speisesaal für den Winterbetrieb eingerichtet worden. 
Andere haben Nachtquartiere für ihre Kranken geschaffen. 

Für lungenkranke Kinder bestehen 5 Heilstätten mit etwa 150 Betten; 
7 weitere Heilstätten mit 350 Betten nehmen auch tuberkulöse Kinder auf; 
daneben bestehen zahlreiche Anstalten in Sool- und Seebädern, welche Skro- 
phulose und andere Frühformen der Tuberkulose aufnehmen. 

Die Statistiken über die Heilerfolge zeigen, dass die Heilstätten sich für 
die Erhaltung der Erwerbsfähigkeit in stetig zunehmendem Masse bewähren. 

Vom preussischen Landtage ist die Tuberkulose leider wieder aus der 
Liste der anzeigepflichtigen Krankheiten gestrichen worden, während Sachsen, 
Baden, Oldenburg und Braunschweig diese Anzeigepflicht und den Desin- 
fektionszwang gesetzlich geregelt haben. 

Das Tuberkulosemuseum wurde rege besucht; auch wurden daselbst volks- 
tümliche Curse für Schutzleute, Frauen und dergl. abgehalten. 

Es hält sodann Mannkopff-Remscheid einen Vortrag über: 

Die Entwickelung der Auskunfts- und Fürsorgestellen für Tuber- 
kulöse in Deutschland. 

Nach einem kurzen historischen Rückblick auf die Entwickelung dieser 
Institution in Deutschland, welche nach ‘der Meinung des Vortragenden ihre 
heutige Form erst nach dem Bekanntwerden der französischen und belgischen 
dispensaires antituberculeux annahm, wird die Einrichtung der Fürsorge- 
stelle in Remscheid unter besonderer Hervorhebung aller der Organe, 
welche dieselbe unterstützen resp. fördern, gewissermassen als Paradigma aus- 
führlich geschildert. Sodann wird der gegenwärtige Stand der Entwickelung 
der Fürsorgestellen im allgemeinen erörtert und zwar 

1. an der Hand eines statistischen Materiales: Im Deutschen 
Reiche bestehen bisher 42 Fürsorgestellen; 40 weitere sind geplant. Preussen 


83? 


1136 Infektionskrankheiten. 


hat 31 Stellen und plant 30 neue. Baden hat neben 2 Fürsorgestellen noch 
60 sogenannte Tuberkulose- Ausschüsse; 

2. in Anbetracht der insgesamt geleisteten und seither ge- 
planten Organisation und Arbeit. Hervorzuheben ist hier das über- 
wiegende Vorhandensein eines leitenden Arztes und die gleichfalls überwiegende 
Uebernahme der deutschen Schwester an Stelle des gallischen ouvrier enqucteur. 
Als besonders erfreulich wird die sich immer mehrende kommunale Arbeit auf 
dem Gebiete des Fürsorgestellenwesens begrüsst. 

Redner fasst sodann seine Wünsche für die zukünftige Entwickelung 
der Fürsorgestellen im Interesse der systematischen Bekämpfung der 
Tuberkulose in folgende Punkte zusammen: 

a) es ist eine Konzentration und eine gewisse Uniformierung der 
Fürsorgestellen im Interesse ihrer gedeihlichen Entwickelung erforderlich. 
Hauptcentrale sei das Centralcomite. Unter ihr steben lokale kommunale 
Centralen einheitlicher Natur; 

b) derartige lokale kommunale Centralen müssen in allen Stadt- 
und Landkreisen Preussens und in den entsprechenden Bezirken in ganz 
Deutschland eingerichtet werden; 

c) das deutsche Centralcomité zur Einrichtung von Heilstätten 
für Lungenkranke gliedert seiner Organisation eine besondere Abteilung 
für Fürsorgestellen an, welche nun, unter demselben Präsidium und mit dem- 
selben Generalsekretär, die Parole zur einheitlichen systematischen Arbeit aus- 
zugeben hat; 

d) diese einheitliche Arbeit muss deswegen von den Kommunen ge- 
leistet werden, weil die von den letzteren ohnehin gesetzlich zu leistende 
Detail- und Einzeltätigkeit in vielen Punkten der Fürsorgestellentätigkeit 
ähnelt; 

e) die Kommune kann ihrerseits auf legalem Wege Ansprüche bei 
Landesversicherungsaustalten und Krankenkassen geltend machen. 
Die Unterstellung unter die Armenverwaltung in den Städten ist zu vermeiden; 
man muss ein Wohlfahrtsdecernat einrichten, was die Personalunion desselben 
mit dem Chef der Armenverwaltung nicht ausschliesst; 

f) der prophylaktischen Seite ihrer Aufgaben müssen die Fürsorge” 
stellen immer gerechter zu werden versuchen. Zu diesem Zweck müssen sie 
alle Herde der Tuberkulose, alle Kranken kennen lernen. Das bedingt wiederum 

g) die Statuierung der allgemeinen Anzeigepflicht bei Tuber- 
kulose ohne Beschränkung; 

h) die obligatorische Kreisfürsorgestelle wäre der durch das 
Gesetz begründete Rechtszustand, der an die Stelle der bisherigen Wohlfabrts- 
einrichtung der fakultativen Fürsorgestelle zu treten hätte. 

In der Diskussion betont Prof. Dr. Leo (Bonn) die Wichtigkeit einer Für- 
sorge für solche besserungs- oder heilungsfähigen Kranken, welche keine Auf- 
nahme in den Heilstätten oder Krankenhäusern finden können. Diese Fürsorge 
wäre am einfachsten zu betätigen in der Schaffung grosser luftiger Liege- 
räume, am besten im Freien, eventuell aber auch mitten in der Stadt. L. 
erblickt in der durch die horizontale Körperlage bedingten Blutstauung in der 


Infektionskrankheiten. 1137 


Lunge ein wichtiges Heilmoment. Die Patienten müssten in den Liegeräumen 
den Tag über Aufnahme finden, eventuell auch dort ihre Mahlzeiten einnehmen 
können. 

Geh.-Rat Pütter (Berlin) bestreitet, dass die deutschen Auskunfts- und Für- 
sorgestellen nach dem Muster der französischen und belgischen Dispensaires ge- 
bildet seien, und gibt eine ausführliche Schilderung der wesentlichen Unter- 
schiede zwischen diesen beiden Einrichtungen. Bei den deutschen Fürsorge- 
stellen, welche in ihren ersten Einrichtungen viel weiter zurückreichen als die 
entsprechenden gallischen Institutionen, bestehe die Hauptarbeit in der Vor- 
beugung gegen die Krankheit, in dem Schutz der Gesunden. Die Unter- 
suchungen in denselben haben nur den Zweck, den Grad der Tuberkulose 
zum Schutze für die Angehörigen festzustellen. Die Inanspruchnahme der 
Krankenkassen und der Armenverwaltungen stehe bei den Arbeiten der Fürsorge- 
stellen — entgegen den Ausführungen des Vortragenden — durchaus im Vorder- 
grunde. Die Auskunfts- und Fürsorgestelle in Berlin hat in der Zeit von 
Oktober 1904 bis April 1905 2215 Personen untersucht, dabei, obwohl 
7 Schwestern und 4 Aerzte beschäftigt waren, nur 10700 M. selbst ausge- 
geben, aber mindestens das 12—15 fache an Geld für Tuberkulöse mobil 
gemacht, so bei der Armenverwaltung allein über 80000 M. und zwar teils 
aus Armenfonds für diejenigen, welche der Armenpflege bereits anheimgefallen 
waren, teils aus Stiftungen, die ihrer Verwaltung unterstellt waren. 134 Per- 
sonen, welche als ungeeignet für Heilstättenbehandlung von der Landesver- 
sicherungsanstalt abgewiesen wurden, konnten in Kranken- und Genesungsheimen 
verpflegt und so ihrer schädlichen Arbeit entzogen werden. Dabei wurden 
in 57 Fällen so günstige Resultate erzielt, dass die Leute nun der Heilstätte 
überwiesen werden konnten. Ausser den Kranken- und Genesungsheimen stehen 
der Berliner Fürsorgestelle zum Zweck derartiger Beobachtungen noch 10 Betten 
in einem kleinen Thüringer Krankenhause zur Verfügung. Die Haupttätig- 
keit der Fürsorgeschwestern beruhe in der hygienischen Erziehung der 
Hausfrau. Sie muss von der Notwendigkeit einer Separierung des Kranken 
überzeugt werden. Das Hinzumieten von Zimmern zu diesem Zwecke ist einer 
der springenden Punkte bei der ganzen Bekämpfung. Ferner wurde dafür 
gesorgt, dass Schlafstellenmieter die Schlafstellen verliessen und der Ausfall 
an Miete den Leuten ersetzt wurde. Auch wurde eingeführt, dass die Kranken 
ibr besonderes Ess-, Trink- und Waschgeschirr benutzen. 

Pütter fürchtet, dass die Einrichtung obligatorischer Fürsorgestellen auf 
Schwierigkeiten stossen könnte, weil man trotz der breiten Unterlage der 
socialen Gesetzgebung immerhin noch auf Privatmittel und Vereine in hohem 
Masse angewiesen ist. Dagegen glaubt er in dem geplanten Landeswohl- 
fahrtsamte, falls dasselbe seine Tätigkeit zunächst einmal auf die Be- 
kämpfung der Volkskrankheiten beschränken wollte, die geeignete Stelle zu 
sehen, in der alle Kräfte einmal konzentriert werden könnten. 

Dr. Rabnow (Schöneberg) warnt vor einem Schematismus. Auch wünscht 
er, dass die Fürsorgestellen ihre Selbständigkeit wahren, so sehr es auch im 
Interesse der Sache liegt, zusammen mit der staatlichen Arbeiterversicherung 
zu arbeiten. Gerade diejenigen, welche in der letzteren keine Stütze haben, 


1138 Infektionskrankheiten. 


sind ja in erster Linie Gegenstand der Fürsorge. Ohne die Bedeutung einer 
kommunalen Fürsorgestelle zu unterschätzen, bittet er die von einem ge- 
wissen ansteckend wirkenden und Kräfte werbenden Fanatismus 
geleitete ehrenamtliche Tätigkeit nicht auszuschalten. Er erläutert dies 
an dem Beispiel der Fürsorgestelle in Schöneberg. 

Der zweite Vortrag des Tages betrifft: 

Resultate der neuesten Tuberkuloseforschungen. 
Berichterstatter: Reg.-Rat Dr. Weber, Kais. Ges.-A. 

Nach einer historischen Einleitung, betreffend die Frage nach den Bezie- 
hungen der menschlichen Tuberkulose zu der tierischen Tuberkulose, insbe- 
sondere zur Tuberkulose des Rindes, wendet sich Vortragender zu einem 
Bericht über die diesbezüglichen methodischen, nach einem einheitlichen Ver- 
suchsplan ausgeführten Untersuchungen im Reichsgesundheitsamte, welche 
sich auf 56 verschiedene Fälle menschlicher Tuberkulose, 11 Fälle von Tuber- 
kulose des Rindes und 7 Fälle von Tuberkulose des Schweines erstrecken. 
Aus diesen Fällen wurden 84 Kulturstämme gezüchtet, welche derartige 
Unterschiede in morphologischer und kultureller Beziehung, sowie hinsicht- 
lich der Virulenz für das Kaninchen und das Rind aufwiesen, dass eine 
Trennung der Säugetiertuberkelbacillen in Bacillen des Typus humanus 
und solche des Typus bovinus vorgenommen werden musste. 

In den tuberkulösen Veränderungen von Rindern und Schweinen fanden 
sich nur Bacillen des Typus bovinus, in denen des Menschen meist solche des 
Typus humanus, in einer verhältnismässig kleinen Zahl jedoch auch solche 
des Typus bovinus. 

Bacillen des Typus bovinus rufen beim Rinde nach Einimpfung, Fütte- 
rung, Einatmung eine fortschreitende, zum Tode führende Tuberkulose hervor; 
die Bacillen des Typus humanus sind dazu nicht imstande. 

Das Schwein ist für die Bacillen beider Typen empfänglich, doch sind die 
Bacillen des Typus humanus von geringerer Virulenz für das Schwein. 

Der Typus humanus kommt auch bei Vögeln vor, z.B. bei der spontanen 
Tuberkulose der Papageien; also verdanken die einzelnen Typen ihre charak- 
teristischen Eigenschaften nicht nur einer vorübergehenden Anpassung an einen 
bestimmten Organismus. Auch im Experiment gelang es nicht, durch Passage- 
versuche die verschiedenen Typen in einander überzuführen. 

Unter 56 Fällen menschlicher Tuberkulose fanden sich 6 Fälle von In- 
fektion mit Bacillen des Typus bovinus. Alle 6 betrafen Kinder unter zehn 
Jahren. Mit Ausnahme eines Falles, bei dem eine Entscheidung nicht mehr 
möglich war, handelte es sich in sämtlichen Fällen um primäre Darm- und 
Mesenterialdrüsentuberkulose. 

Unter 10 untersuchten Fällen von primärer Darm- und Mesenterialdrüsen- 
tuberkulose bei Kindern unter 10 Jahren beruhten 5 auf Infektion mit Bacillen 
des Typus humanus, 5 auf Infektion mit Bacillen des Typus bovinus. Die 
Infektion mit Bacillen des Typus bovinus nimmt im allgemeinen einen milderen 
Verlauf, kann aber auch einen mehr fortschreitenden Charakter annehmen. 
In einem Falle hatte sie bei einem 1 jährigen Knaben eine allgemeine zum 
Tode führende Miliartuberkulose hervorgerufen. 


Infektionskrankheiten. 1139 


In der Literatur sind jetzt mindestens 41 sichere Fälle von Infektion mit 
Bacillen des Typus bovinus vom Darmkanal aus bei Kindern unter 10 Jahren 
beschrieben. Bei 7 von diesen Fällen handelte es sich um Miliartuberkulose. 

Unter 3 Fällen von Halsdrüsentuberkulose bei Kindern unter 10 Jahren 
beruhen 2 auf Infektion mit Bacillen des Typus bovinus. 

Schliesslich spricht Dr. A. Kayserling (Berlin) über 

Die Bedeutung der Volksbelehrung im Kampfe gegen 
die Tuberkulose. 

Nach einigen historischen Reminiscenzen erörtert Vortragender zunächst 
die Gründe, warum man gerade für die Tuberkulose eine so intensive Belehrung 
des Publikums fordern muss, nämlich 1. weil dem Laien wegen der Inkuba- 
tionszeit die ansteckende Natur der Krankheit nicht recht zum Bewusstsein 
kommt, 2. weil der Laie und seine Umgebung durch die oft 10—15 jährige 
Dauer des ansteckungsfähigen Stadiums gegen die Gefahr abgestumpft wird, 
3. weil die besten Gesetze gegen die Tuberkulose wirkungslos bleiben müssen, 
so lange das Publikum nicht selbst von der Zweckmässigkeit der verschiedenen 
Verhütungsmassregeln durchdrungen ist. 

Vortragender empfiehlt auf Grund seiner Erfahrungen, bei der Tuber- 
kulosebelehrung behutsam und schrittweise vorzugehen und vor allem jede 
Uebertreibung in den Forderungen der Tuberkuloseprophylaxe zu vermeiden. 

Um schwere materielle Schädigungen für die Kranken zu vermeiden, 
muss das Publikum auch darüber aufgeklärt werden, dass es ein nichtan- 
steckungsfähiges Stadium der Lungentuberkulose (geschlossene Tuberkulose) gibt. 

Ein wesentliches Ziel der Volksbelebrung ist ferner die Tuberkulose- 
prophylaxe in der Familie. Hierher gehört der Hinweis auf sachgemässe 
Beseitigung des Auswurfs, auf Schutz der Angehörigen vor der Tröpfchenin- 
fektion, auf getrennte Aufbewahrung und Auskochen der gebrauchten Wäsche, 
auf Forderung besonderen Ess- und Trinkgeschirres, eines eigenen Bettes, wo- 
möglich eines eigenen Zimmers, grösster Sauberkeit, Desinfektion bei Woh- 
nungswechsel und Todesfällen u.s.w. Auch die von der Milch drohende 
Gefahr muss in umfassender Weise berücksichtigt werden. 

Andere Kapitel sind: die Ausbreitung der Tuberkulose; die An- 
zeichen der beginnenden Tuberkulose; der Schutz der vonder Tuber- 
kulose Bedrohten durch eine hygienische Erziehung und Lebens- 
weise. 

Alle strittigen Fragen müssen in der dem Vorstellungskreise der Hörer 
angepassten Darstellung unberührt bleiben, ebenso ist alles fernzuhalten, was 
rein therapeutischer Natur ist. 

Nach einem Hinweis auf das, was auf diesem Gebiete bisher geschehen 
ist, spricht Vortragender den Wunsch aus, dass sich auch die Schule an 
dieser Tuberkulosebelehrung beteiligen möge, und erörtert, in wie verschiedener 
Weise dies geschehen kann. 

Er bespricht sodann die im Berliner Tuberkulosemuseum abge- 
baltenen allgemeinen Tuberkulosekurse. Unterrichtet wurden in einem dieser 
Kurse Krankenkassenkontrolleure, in einem zweiten Hausfrauen, in einem dritten 
Miitglieder der Sanitätsvereine vom Roten Kreuz. 


An 


1140 Infektionskrankheiten. 


Auf Veranlassung des Polizeipräsidenten v. Borries wurden im Berliner 
Polizeipräsidium vor einem grossen Teile der Schutzmannschaft Vorträge 
über Tuberkulosebekämpfung gehalten. 

Das Tuberkulosemuseum bewährt sich für die Belehrung der grossen 
Massen der Arbeiterschaft, und es würde sich empfehlen, an möglichst vielen 
Orten kleinere Tuberkulosemuseen zu schaffen und mit Duplikaten aus der 
Berliner Sammlung zu versehen. 

Schliesslich ist die Tuberkulosebelehrung auch geeignet, ein 
versöhnendes Element in den Gegensatz der Klassen hineinzu- 
tragen, indem sie zeigt, wie auf dem Boden der socialen Arbeiter- 
versicherung eine grosse humanitäre Bewegung sich entfaltet und 
wie alle Klassen der Bevölkerung zur gemeinsamen Bekämpfung 
der Krankheit sich verbunden haben. 

Die Volksbelebrung bildet eine der wichtigsten Grundlagen 
der Volkswohlfabrt. A. Alexander (Berlin). 


Burghart (Dortmund), Lebensregeln zur Verhütung der Ansteckung 
mit Tuberkulose. Erlangen 1905. Theodor Krische. 16 Ss. 120. Preis: 
0,15 M. i 

In 9 kleinen Kapiteln fasst B. in diesem Merkbüchlein auf 16 Kleinoktav- 
seiten in leichtverständlicher Weise das dem Laien Wissenswerte zusammen, 
und es dürfte sich demgemäss die weiteste Verbreitung dieses Heftchens in Volks- 
kreisen empfehlen. Der Preis von 200 M. für 5000 Exemplare erscheint dem 

Ref. fü rdiesen Zweck etwas zu hoch. A. Alexander (Berlin). 


Gruber M. (München), Tuberkulose und Wohnungsnot. Sociale Zeitfragen. 
Beiträge zu den Kämpfen der Gegenwart. XVI. Berlin. Verlag „Bodenreform.“ 
Adolf Damaschke. N.W., Lessingstr. 11. 22 Ss. 80%. Preis: 0,50 M. 

In den ersten zwei Dritteln seines der 14. Hauptversammlung des „Bundes 
der Deutschen Bodenreformer“ erstatteten Referates gibt G. eine populäre Dar- 
stellung der Wege, auf denen die Tuberkulose erworben wird, unter besonderer 
Berücksichtigung und Erläuterung des Begriffes „Disposition.“ Er erläutert die 
Ziele der Heilstättenbehandlung und die Aufgaben der Fürsorgestellen, kriti- 
siert die der Heilstättenbehandlung zugeschriebene Abnahme der Tuberkulose- 
sterblichkeit, weist auf die durch die Verhältnisse erzwungene Kürze der An- 
staltsbehandlung hin und die dadurch bedingte Bedeutung der Hauspflege und 
setzt schliesslich auseinander, dass der letzteren durch die Wohnungsverhältnisse 
enge Grenzen gezogen sind. Es folgen sodann. statistische Daten, welche die 
Uebervölkerung der kleinen Wohnungen dartun, der Hinweis darauf, dass die 
Sterblichkeit mit der Wohndichtigkeit zunimmt, und die Mitteilung, dass man 
bei diesbezüglichen Untersuchungen in New York, Posen, Marburg, Graz wahre 
Tuberkulosehäuser gefunden hat. Des weiteren schildert G. die Schwierig- 
keiten, welche bei enggedrängtem Wohnen der Durchführung von Ordnung und 
Reinlichkeit, den unerlässlichen Vorbedingungen für jedes antikontagionistische 
Vorgehen im engeren Sinne, im Wege stehen. Selbst wenn in solchen Räumen 
die grösste Sauberkeit, die bestmögliche Desinfektion durchgeführt würde, so 


Infektionskrankheiten. 1141 


bliebe noch immer die Gefahr der Tröpfcheninfektion. Eine zwangsweise Ab- 
sonderung der Tuberkulösen und Unterbringung derselben in Asyle und dargl. 
ist, abgesehen von den fast unerschwinglichen Kosten, unausführbar. Wenn 
auch die Verbesserung der Wohnungsverhältnisse an sich kein ausreichendes 
Schutzmittel gegen die Tuberkulose bietet, so ist sie doch eine unentbehrliche 
Vorbedingung für einen durchgreifenden Kampf gegen diese Krankheit. 
Während nicht ausfindig zu machen ist, woher die Mittel für die lsolierhäuser 
kommen sollten, ohne dass die Gesamtheit fast unerträglich belastet würde, 
wären die für den Wohnungsbau im Grossen erforderlichen Summen sehr wohl 
aufzubringen, wenn man den Mut hätte, zwecks Geldbeschaffung den Weg der 
Bodenreform einzuschlagen. A. Alexander (Berlin). 


Mezincescu D., Die Pseudotuberkelbacillen bei der Diagnose der 
Tuberkulose. Aus d. bakteriol. Untersuchungsanstalt des Donau-Gesund- 
heitsamtes. Deutsche med. Wochenschr. 1905. No. 48. S. 1920. 

Es wird ein Fall mitgeteilt, bei welchem in der eitrigen Absonderung aus 
einer Geschwulst der Backengegend Bacillen gefunden wurden, die, nach Ziehl 
gefärbt, der Säureeinwirkung einen starken Widerstand leisteten, aber durch 
ihre sehr grosse Anzahl und durch Verschiedenheiten in ihrer Gestalt die Ver- 
mutung erweckten, dass es sich nicht um echte Tuberkelbacillen handeln möchte. 
Diese Vermutung fand Bestätigung, als sie durch absoluten Alkohol zum grüssten 
Teil in kurzer Zeit, zum geringen Teil in längerer Zeit entfärbt wurden, und 
als aus Gewebsschnitten hervorging, dass es sich um ein Epitheliom handelte, 
und die in Rede stehenden Bacillen sich nur iu den oberflächlichen Schichten, 
namentlich in den Haarbälgen befanden. Spätere Untersuchungen ergaben, 
dass ein zu den Smegmabacillen gehörendes Bakterium vorlag, dessen 
Säurewiderständigkeit auf das Verweilen in Fettstoffen zurückzu- 
führen war. . Globig (Berlin). 


Scheller $. und Stenger P., Ein Beitrag zur Pathogenese der Diphtherie. 
Berl. klin. Wochenschr. 1905. S. 1834. 

An der Hand einer klinischen Beobachtung machen die. Autoren darauf 
aufmerksam, dass der diphtherische Krankheitsprocess häufig von der Nase 
aus seinen Ausgang nimmt. Ein Mann, der seit mindestens 14 Tagen Diph- 
theriebacillen in seiner Nase beherbergte, erkrankte nach der operativen Ent- 
fernung der linken unteren Muschel an Diphtherie. Personen, die 
Diphtheriebacillen beherbergen, werden sich demnach vor schädlichen Ein- 
flüssen zu hüten haben. Vielleicht hat auch für andere Infektionskrankheiten 
der Ansteckungsweg von der Nase aus grössere Bedeutung. 

H. Ziesch& (Breslau). 


Auerbach, Die Typhusepidemie in Detmold und die Trinkwasser- 


theorie. Eine kritische Studie. Sonderabdr. aus d. Journ. f. Gasbel. u. 
Wasservers. München u. Berlin 1905. R. Oldenburg. 80. 68 Ss. 


84 


1142 Infektionskrankheiten. 


Volkhausen, Der Unterleibstyphus in Detmold im Sommer und Herbst 
1904. Nach dem vorhandenen Material dargestellt. Zeitschr. f. Medizinal- 
beamte. 1905. No. 17. S. 541. 

Ende August 1904 brach in Detmold eine Typhusepidemie aus, während 
deren Dauer bis zum December im Ganzen 740 Fälle bei der bürgerlichen 
Bevölkerung und 40 bei Soldaten gemeldet wurden. Die Zahl der wirklich 
von der Krankheit Ergriffenen ist aber ohne Zweifel noch höher gewesen. In 
beschränkter Zahl ist Typhus in Detmold früher fast alljährlich aufgetreten. 
Die Jahre 1902 und 1903 waren indessen völlig frei davon und 1904 waren 
nur ganz vereinzelte Fälle im Februar und März vorgekommen. Die Epidemie 
erreichte schnell ihren Höhepunkt (am 5. September mit 49 Fällen), nahm 
dann langsam und vom Ende September schnell ab. Der Zugang betrug in 
der ersten Woche 177 Fälle, in der 2. Woche 148, in der 3. Woche 141. 
Von Anfang an waren alle Teile der Stadt betroffen, alle Berufs- 
arten und Alterklassen, beide Geschlechter. Besonders stark er- 
griffen waren die Kinder (!/, aller Erkrankten war nicht über 15 Jahre 
alt) und unter den weiblichen Kranken die Dienstmädchen, welche allein 
1/, davon ausmachten. Gestorben sind 54 Kranke (7,3 v. H.), darunter zwei 
Aerzte. Nach der Art des Auftretens und nach der Ausdehnung der Epidemie 
musste eine gemeinsame Ursache vorliegen, Milch, Gemüse, Fleisch 
konnten aber eine solche nicht abgeben, ebenso wenig der anfangs beschuldigte 
Besuch der Badeanstalt. Emmerich suchte sie in der damaligen aus- 
serordentlichen Dürre und dem Staub, dem Sinken des Grundwasser- 
standes, dem durchseuchten Untergrund und den mit der Kanalisation 
verbundenen Erdarbeiten, Von Anfang an hat man an das Trinkwasser als 
Verbreiter der Typhuskeime gedacht und R. Koch hat sich dahin ausge- 
sprochen, dass es sich um eine typische Wasserepidemie handelte, deren 
Quellen er freilich nicht angeben konnte. Diese Frage ist streitig geblieben. 
Volkhausen, der Kreisphysikus in Detmold, führt die Entstehung 
der Epidemie auf das Trinkwasser zurück. Auerbach, gleichfalls 
Arzt in Detmold, ist anderer Meinung. 

Die Stadt Detmold mit 13000 Einwohnern, von der Werre und Berle- 
becke durchflossen, erhält ihr Trinkwasser von den Berlebecker 
Hochquellen im Teutoburger Walde, die etwa 7 km entfernt und von denen 
3 in einem ungefähr 50 m langen Stollen gefasst sind. Sie entstammen dem 
Plänerkalk, der brüchig, zerklüftet, an sich auf beträchtliche Tiefen 
bis zu einer Mergelschicht wasserdurchlässig und von einer Flugsandschicht 
bedeckt ist; letztere hat an verschiedenen Stellen ganz verschiedene Mäch- 
tigkeit und fehlt an manchen Stellen sogar völlig. Ein im August vorge- 
kommener Rohrbruch, Arbeiten an der Leitung und am Hochbehälter 
konnten nicht in Betracht kommen, Volklausen nimmt daher eine Verun- 
reinigung des Quellgebietes an, deren Möglichkeit durch Kochsalzein- 
schüttungen in den 100 m entfernten, damals trocken gefallenen Wuellmund 
der „Unteren Wildsuhle“ seitens einer Kommission des Kais. Ges.-A. und 
durch Eingiessen von Bierhefeaufschwenimungen von Auerbach nachgewiesen 
war. Auch von einigen „Erdfällen“ aus, d.h. Bodensenkungen bis zu 1 m Tiefe 


Infektionskrankheiten. 1143 


und 2 m Breite, welche dem unterirdischen Verlauf des Wassers entsprechen, 
liess sich in derselben Weise eine Verbindung mit den Quellstollen ermitteln. 
Bei früheren Untersuchungen stets und auch bei Beginn der Epidemie hatte 
das Wasser einen sehr geringen Keimgehalt gehabt und sich immer als gleich- 
mässig kühl (83—90) und völlig klar erwiesen, aber im November 1904, 
als sich nach langer Trockenheit starker Regen einstellte, trübte es sich, 
hatte einen hohen Keimgehalt, und am 19. und 20. November wurden 
stark virulente Typhusbacillen aus ihm gezüchtet. 

Ausser auf die hierdurch erwiesene Möglichkeit einer Infektion des Sammel- 
stollens stützt Volkhausen seine Ansicht, dass der Typhus durch das Wasser 
verbreitet worden ist, auf den explosionsartigen Ausbruch und auf die 
geringe Zahl der Fälle in den Häusern ohne Wasserleitung. Von 
den 1300 bewohnten Häusern Detmolds waren nämlich 180 nicht an die Wasser- 
leitung angeschlossen und in ihnen ereigneten sich in den ersten 3 Wochen 
9 Typhusfälle (1:20), auf die mit Wasserleitung versehenen 1120 Häuser 
fielen dagegen im gleichen Zeitraum 466 Erkrankungen an Typhus (1:2,4). 
Unter dem Militär, im Seminar und im Gefangenhause, die auf Leitungs- 
wasser angewiesen waren, zeigte sich gleich im Anfang der Epidemie 
eine Anzahl von Erkrankungen, dagegen blieben das Schloss und die 
fürstlichen Häuser (mit 198 Personen), in welchen kein städtisches Wasser 

- gebraucht wurde, völlig verschont. Die späteren Fälle der Epidemie fasst 
Volkhausen als durch Kontakt entstanden auf. Als schwer zu erklären 
bezeichnet er ausdrücklich die Art des Hineingeratens der Typhus- 
keime, welche die Epidemie hervorriefen, in den (uellstollen bei der im 
August herrschenden Dürre, ferner das Verschontbleiben der Einwohner 
des Dorfes Berlebecke, obwohl sie grossenteils auf das Wasser der Berlebecke 
angewiesen sind, welche den Ueberlauf des Quellstollens aufnimmt und den 
gleichnamigen Ort durchfliesst, und endlich das Ausbleiben eines Wieder- 
ausbruchs des Typhus im December, obwohl am 19. und 20. November 
Typbusbacillen im Leitungswasser gefunden worden waren. 

Auf diese Umstände legt Auerbach besonderes Gewicht und erklärt sie 
mit der Annahme einer Infektion des Wassers im (uellstollen für 
unvereinbar. Gegen die Tatsache, dass die an die Wasserleitung ange- 
schlossenen Häuser erheblich stärker — nach seiner Berechnung 
4!/, mal so stark — von Typhus ergriffen waren als die nicht ange- 
schlossenen, macht er seltsamer Weise geltend, dass dieser Unterschied 
wegfalle, wenn man die beiden Arten von Häuseru strassenweise be- 
trachte. Wichtig und genauerer Feststellung bedürftig ist Auerbachs Be- 
hauptung, dass im Schloss und den fürstlichen Häusern, die von 
Typhus verschont blieben — entgegen der Angabe von Volkhausen und 
entgegen dem Bericht der Kommission des Gesundheitsamtes — wenigstens 
zum Teil städtisches Wasser gebraucht worden sei. Endlich vertritt 
er unter Berücksichtigung der Grenzen der Inkubationszeit die Ansicht, dass 
durch eine plötzliche allgemeine Wasserverseuchung ein ganz 
anderer zusammengedrängterer Verlauf der Epidenie bedingt gewesen 
sein würde, und erklärt die Einteilung in Wasserinfektionsfälle und 

ye 


1144 Immunität. Schutzimpfung. 


in Kontaktfälle für willkürlich. Er hält es für möglich, dass bei dem 
Erlöschen der Epidemie starke Regengüsse in der Mitte September von Ein- 
fluss gewesen sind, und ist in Anlehnung an den Standpunkt Petten- 
kofers der Meinung, dass der Typhuskeim eine gewisse selbst längere Zeit 
ausserhalb des Menschenkörpers lebendig bleiben und verbreitet werden kann, 
und dass zu den hierfür günstigen klimatischen und tellurischen Bedingungen 
in Detmold der grosse Mangel an Niederschlägen und der sehr tiefe Stand 
des Grundwassers gehört haben möchten, ferner die Erdaufwühlungen bei den 
Kanalisationsarbeiten in der Stadt und endlich heftige und häufige heisse 
Stürme, welcbe um die Mitte August Tage lang ganz ausserordentliche Staub- 
aufwirbelungen verursachten. Globig (Berlin). 


Friedemann M. und Isaac S., Eiweissimmunität und Eiweissstoffwechsel. 
Zeitschr. f. exp. Path. u. Tber. Bd. 1. H. 3. 

Die Versuche machen es wahrscheinlich, dass der immunisierte Organismus 
gegenüber dem normalen eine erhöhte Fähigkeit erworben hat, körperfremde 
Substanzen zu zerlegen. Den Beweis für diese Anschauung sucht Verf. an 
Ziegen zu erbringen, welche vor Eintreten der Immunität den injicierten 
Stickstoff retinieren, während nach der Immunisierung die Eiweissinjektion . 
von einer beträchtlichen Vermehrung des Harnstickstoffes gefolgt ist, die so- 
gar die injicierte N-Menge sehr erheblich übertreffen kann. Auch der Hund 
besitzt die Fähigkeit, artfremdes Eiweiss abzubauen. Aber im Gegensatz zur 
Ziege hindert hier die sofortige Zerstörung und Eliminierung des injicierten 
Eiweisses die Präcipitinbildung. Aber noch ein weiterer Unterschied ist zu 
konstatieren. Für den Pflanzenfresser ist der parenterale Abbau des Eiweisses 
ein Vorgang von deletärer Wirkung, indem mit der gesteigerten N-Ausschei- 
dnng nach der Eiweissinjektion eine schwere, tödlich endende Erkrankung des 
Tieres zeitlich zusammenfällt, während beim Hunde dieser Vorgang etwas ganz 
Physiologisches und Indifferentes darzustellen scheint. 

O. Baumgarten (Halle a. S.). 


Axenfeld, Serumtherapie bei infektiösen Augenerkrankungen. Frei- 
burg 1905. 

Axenfeld bringt einen Ueberblick über den derzeitigen Stand der 
Serumtherapie in der Augenheilkunde. 

Serumtherapie gegen Infektionen des Auges mit Diphtherie- 
baecillen. Das Urteil über dieselbe ist auch in der Augenheilkunde abge- 
schlossen, die Ophthalmologie ist von der Wirksamkeit des Behringschen Anti- 
toxins überzeugt. Nur gestaltet sich die Beurteilung dieser Wirkung etwas 
anders als bei der Rachendiphtherie. Denn einmal ist die echte Diphtherie der 
Bindehaut viel seltener als die Rachendiphtherie. Ferner sind bei Augendiph- 
therie die Allgemeinerscheinungen stets viel geringer als bei derRachendiphtherie. 
Für die Wirksamkeit des Serums ist daher hauptsächlich der Einfluss auf den 
Rückgang der lokalen Erscheinungen ins Gewicht fallend. Das übereinstimmende 


Immunität. Schutzimpfung. 1145 


Urteil der Ophthalmologen ergibt, dass die heilende Wirkung eklatant in die 
Erscheinung tritt, selbst wenn dabei zugegeben wird, dass leichte Fälle 
naturgemäss spontan günstig verlaufen. Der Arzt hat die Pflicht, in allen 
Fällen von pseudomembranöser Conjunctivitis zunächst stets das Serum zu 
injicieren, weil selbst die leichten Augenfälle sich mit schwerer Rachendiph- 
therie komplicieren können, und ferner weil sie für die Umgebung ebenso 
übertragungsgefährlich sind wie die schweren. 

Im Anschluss hieran teilt Axenfeld einige Versuche aus seiner Klinik 
mit, die sich auf die den Diphtheriebacillen ja morphologisch und kulturell 
so nahestehenden und fast auf jeder Bindehaut vorkommenden Xerosebacillen 
beziehen. Bekanntlich gibt es einige Autoren, welche der Meinung sind, dass 
die Xerosebacillen unter Umständen die Eigenschaften der echten Diphtherie- 
bacillen wieder erlangen können. In der Augenheilkunde hat man eine krank- 
heitserregende Eigenschaft derselben vor allem daraus abgeleitet, dass man 
den Xerosebacillus im Chalazion gefunden hat und bei Einführung desselben 
in dass Augeninnere entzündliche Reaktionen beobachtete. Die Sache spitzte 
sich soweit zu, dass die grosse Mehrzahl der einfach katarrhalischen Binde- 
hauterkrankungen für abgeschwächte Diphtherie angesehen wurde. Durch die 
Untersuchungen von Bietti und Naito ist diese Anschauung mit Recht de- 
finitiv zurückgewiesen worden. Und was die angebliche chalazionerzeugende 
Wirkung der Xerosebacillen angeht, die als ein schwächerer Grad von 
Diphtheriebacillenwirkung angesehen wurde, so hat Bietti unter Axenfelds 
Leitung nachgewiesen, dass diese geringe entzündliche Wirkung der Xerose- 
bacillen vom Diphtherieantitoxin nicht im mindesten beeinflusst wird, auch 
dann nicht, wenn die Bakterien direkt gemischt mit dem Antitoxin in den 
Glaskörper injiciert werden, und dass auch andere Saprophyten dieselbe 
Wirkung ausüben. Aus der Entstehung der lokalen Entzündung im Augen- 
innern kann daher kein Schluss auf die Identität der Xerosebacillen mit 
Diphtheriebacillen gezogen werden. 

Die Serumtherapie gegen die Pneumokokkeninfektion des Auges. 
Die vomÜnterzeichneten begründete specifische Bekämpfung der so folgenschweren 
und häufigen Pneumokokkeninfektionen des Auges, speciell des Ulcus serpens 
corneae ist erst 3 Jahre alt, sie ist noch mitten in ihrer Entwickelung be- 
griffen, es kann daher selbstverständlich von einem definitiven Urteil über 
ihre rein praktischen Ergebnisse noch keine Rede sein. 

Immerhin erkennt Axenfeld auf Grund einer sörgfältigen Zusammen- 
stellung des gesamten bisher vorliegenden klinischen Materiales von 187 Fällen 
an, dass auf diesem Wege bereits etwas erreicht ist und dass ein die Heilung 
begünstigender Einfluss der Pneumokokkenserumtherapie bei bestimmten Formen 
und Graden des Ulcus serpens urverkennbar ist. 

Zur prophylaktischen Behandlung von Hornhanutverletzungen bei unsauberer 
Umgebung ist das specifische Serum zusammen mit der abgetöteten Kultur zu 
empfehlen. Die Bestrebungen des Unterzeichneten, die Aerzte allgemein zur 
systematischen Bekämpfung des Ulcus serpens heranzuziehen, sind zu unter- 
stützen. Bei ausgebrochener Erkrankung ist die specifische Therapie des Ulcus 
serpens bisher nur in den ersten Stadien aussichtsvoll. Ein weiteres Anwendungs- 


1146 Immunität. Schutzimpfung. 


gebiet des Pneumokokkenserums bildet die Bekämpfung der Infektionen nach 
tiefer Verletzung des Auges und Operationen. Im grossen und ganzen deckeu 
sich die Anschauungen Axenfelds mit den Erfahrungen des Unterzeichneten. 
Es sei nur noch darauf hingewiesen, dass in kurzer Zeit weitere Fortschritte 
auf Grund im Gang befindlicher Untersuchungen zu erwarten sind. 

P. Römer (Würzburg). 


Jürgens, Tuberkulinbehandlung und Tuberkuloseimmunität. Berl. 
klin. Wochenschr. 1905. S. 1069. 

Nach den von Koch gegebenen Vorschriften wurden Meerschweinchen 
mit Neutuberkulin behandelt und der Effekt dieser Behandlung auf die 
Agglutinationsfähigkeit des Serums dieser Tiere dann mit dem anatomisch 
nachweisbaren Resultat der künstlichen Infektion mit Tuberkelbacillen ver- 
glichen. Diese Versuche baben das bemerkenswerte Resultat ergeben, dass 
bei sämtlichen Versuchstieren, sowohl bei gesunden wie bei tuberkulös er- 
krankten, durch Einspritzungen mit Neutnberkulin das Blutserum in hohen 
Verdünnungen die Fähigkeit erlangt, Tuberkelbacillen zu agglutinieren, dass 
aber trotz dieses künstlich erzeugten Agglutinationsvermögens in keinem ein- 
zigen Falle eine Immunität gegen Tuberkulose zustande gekommen ist. 
Ganz entsprechend diesen Tierversuchen war das Resultat der Tuberkulin- 
behandlung bei Phthisikern. H. Ziesche (Breslau). 


Glaessner K., Einfluss der chemischen Zusammensetzung des Nähr- 
bodens auf den Immunkörper. Zeitschr. f. exp. Path. u. Ther. Bd. 1. 
H. 3. 

Die aus den Versuchen sich ergebenden Folgerungen lassen sich dahin 
zusammenfassen, dass einmal der Nährboden Einfluss nimmt auf die Bildung 
von Agglutinogen und zwar so, dass wahrscheinlich auf eiweisshaltigen Nähr- 
böden viel mehr als auf peptonhaltigen, bezw. eiweissfreien produciert wird. 
Weiterhin zeigt Verf., dass Zuckerzusatz zum Nährboden das Agglutinogen be- 
züglich der Erzeugung des Agglutinins ungünstig beeinflusst, ohne dabei jedoch 
auf die Agglutinabilität nachteilig einzuwirken. 

O. Baumgarten (Halle a. S.). 


Porges 0. (Wien), Folgen der Veränderungen des Bakterienproteins 
für die Agglutination und Präcipitation. Zeitschr. f. exp. Path. u. 
Ther. Bd. 1. H. 3. 

Die Typhusbakterien erleiden durch Erwärmen auf 65—90° eine Einbusse 
ihres Ausflockungsvermögens. Fortgesetztes Erhitzen auf 100° stellt ihre 
Agglutinabilität wieder her, welche auch nicht durch höhere Temperatur- 
grade von 134—1440 C. vernichtet wird. Das vorübergehende Verschwinden 
der Agglutinabilität ist auf die Gegenwart einer „hemmenden“ Substanz in 
den Bakterien zu beziehen, als welche sich das aus dem Bakteriennukleo- 
proteid abgespaltene Nuklein erwies. Der Abbau dieses Nukleins stellt die 
Agglutinabilität wieder her. Diese hemmende Wirkung des Nukleins kaun 
durch Zusatz einer konzentrierteren Salzlösung teilweise behoben werden. 


Immunitat. Schutzimpfung. 1147 


Ein analoges Verhalten lässt sich auch bei anderen Bakterien (Cholera- 
vibrionen) nachweisen. Formalinzusatz zu den Bakterien ändert die geschil- 
derten Verhältnisse bezüglich der Erhitzungstemperatur und Erhitzungsdauer. 

Die von Kraus und Joachim beschriebenen thermolabilen Bakterien- 
filtrate lassen sich durch andauerndes Erhitzen reaktivieren. Und zwar sind 
als Ursache für diese Erscheinung dieselben Vorgänge anzusprechen, welche 
die analoge Hemmung der Bakterienagglutination bedingen. Zum Schluss 
widerlegt Verf. die Theorie von Joos. 0. Baumgarten (Halle a. S.). 


Beobachtungen über Ergebnisse der Typhusschutzimpfung in der 
Schutztruppe für Südwestafrika. Mitgeteilt vom Oberkommando 
der Schutztruppen. Arch. f. Schiffs- u. Tropenhyg. Bd. 9. S. 527—529. 

Zur Beobachtung kamen 424 Fälle von Typhus, von denen 100 schutz- 
geimpfte Leute betrafen. Die Sterblichkeit der letzteren betrug 4, die der 
nicht geimpften 11,1%/,. Auch der Verlauf war bei ersteren viel leichter; die 

Giftwirkung, die sich in Kopfschmerz, Störung des Sensoriums und der Herz- 

tätigkeit äussert, war gering, Komplikationen seltener, ebenso Nachschübe. Da- 

gegen sind die geimpften in der ersten Zeit — bis etwa 3 Wochen nach der 

Impfung — besonders gefährdet. Kisskalt (Berlin). 


Kolle W., Ueber Paratyphus und den Wert der Immunitätsreaktionen 
für die Erkennung des Paratyphus. Aus d. Inst. f. Infektionskrankh. 
Zeitschr. f. Hyg. Bd. 52 S. 287. 

Ueber Typhusbacillen und typhusähnliche Bacillen sind ünter Leitung 
des Verf.’s planmässig grössere Versuchsreihen durchgeführt worden, 
bei welchen nicht blos die Kultur- und Lebenseigenschaften, sondern 
auch die verschiedenen Immunitätsreaktionen (Agglutination, aktive 
Immunisierung, Bakteriolysine, Verhalten der Kulturen gegen verschiedene 
Serumproben) und die pathogenen Wirkungen von zahlreichen Typhus- 
stämmen, von 64 Paratyphuskulturen, 22 paratyphusähnlichen, 
4 Stämmen des Mäusetyphus und 17 des Bacillus enteritidis in Be- 
tracht gezogen wurden. Genaueres hierüber wird von den einzelnen Bearbeitern 
bestimmter Teile dieser Fragen noch berichtet werden, das Hauptergebnis 
ist, dass der Verf. auf dem ganzen Gebiet nur 3 verschiedene Bakterien- 
arten unterscheidet: 1. den echten Typhusbacillus von Eberth-Gaffky, 
2. den Paratyphusbacillus Typus B (Kurth-Schottmüller) und 3. 
als Unterart des letzteren den Gärtnerschen Enteritis-Bacillus, welcher 
von Paratyphusserum nicht agglutiniert wird. Den Paratyphusbacillus des 
Typus A erklärt er für eine „Rarität“ und seine ätiologische Bedeutung für 
noch nicht erwiesen. Er macht darauf aufmerksam, dass den genannten. 
Bakterienarten auch verschiedene klinische Formen entsprechen, 
dass der Paratyphus sich vom Typhus durch den leichteren Verlauf, 
durch die sehr viel geringere Sterblichkeit und durch die räumliche 
Beschränkung der von ihm verursachten Epidemien unterscheidet, und dass 
die durch den Bacillus enteritidis hervorgerufenen Darmkrankheiten durch 


1148 Immunität. Schutzimpfung. 


ihren stürmiscberen Verlauf und toxische Krankheitserscheinungen gegen den 
Paratyphus ausgezeichnet sind. 

Wichtig ist, dass alle Paratyphusbacillen durch hochwertiges 
Paratyphusserum sehr einheitlich und viel regelmässiger als die 
echten Typhusbacillen agglutiniert werden. Es gibt dabei keine schwer 
agglutinablen Kulturen wie beim Typhus und auch die sogenannten Gruppen- 
reaktionen spielen keine solche Rolle wie dort. Mit Paratyphusbacillen 
immunisierte Tiere sind nicht immun gegen Infektion mit Typhus, mit 
Bact. coli und mit einer Gruppe (1) der Enteritisbacillen, es besteht 
aber wechselseitige Immunität zwischen den mit Paratyphus-, mit Mäusetyphus- 
uud mit der anderen Gruppe (Il) der Enteritisbacillen behandelten Tieren. In 
Verbindung mit den Kultur- und Lebenseigenschaften ermöglicht die Agglu- 
tination die scharfe Unterscheidung der Paratyphusbacillen ganz 
in derselben Weise, wie sie die Trennung der Choleravibrionen von den 
choleraähnlichen Vibrionen möglich macht. Globig (Berlin). 


Schmitz, Karl, Untersuchungen über das nach der Lustigschen 
Methode bereitete Choleravaccin. Aus d. Inst. z. Erforschung d. 
Infektionskrankh. in Bern. Zeitschr. f. Hyg. Bd. 52. S. 1. 

In gleichen Weise wie Lustig und Galeotti ein Pestvaccin (vgl. diese 
Zeitschr. 1900. S. 331) und Tiberti ein Milzbrandvaccin (vergl. diese 
Zeitschr. 1904. S. 672) stellte der Verf. ein Choleravaccin dadurch her, 
dass er frische Kulturen mit 1 v. H. Kalilauge behandelte und so die 
Bakterienleiber zur Aufquellung und Lösung in einer gelblichweissen faden- 
ziehenden Flüssigkeit brachte; mit 1 v.H. Essigsäure schlug er hieraus in 
dicken Flocken einen Körper nieder, der in Luftleere getrocknet ein hell- 
braunes Pulver lieferte und wegen seiner besonderen Eigenschaften zu den 
Nukleoproteiden gerechnet wird. In grösseren Mengen unter die Haut 
gespritzt, wirkte dieser Stoff auf Meerschweinchen und Kaninchen stark 
giftig, dagegen blieben kleine Mengen (1—5 mg auf 100g Tier) fast ohne 
Nebenwirkung und erhöhten nur die Körperwärme um etwa 1 Grad, riefen 
aber schon durch eine einmalige Gabe in 24 Stunden Schutz gegen töd- 
liche Cholerainfektion von der Bauchhöhle aus hervor, welcher nach 
2 Monaten noch in gleicher Stärke vorhanden war; nach 7 Monaten wurde 
der Eintritt des Todes noch deutlich verzögert. Ob das Vaccin von einer 
älteren nur noch wenig virulenten Kultur herrührte oder von einer 
frischen stark virulenten, hatte auf die immunisierende Wirkung keinen 
Einfluss, zwischen einzelnen Tieren gleicher Art bestanden aber Ver- 
schiedenheiten in der Empfindlichkeit. Im Serum der immunisierten 
Tiere waren specifische Agglutinine und Antikörper vorhanden. 

Globig (Berlin). 


v. Bökay, Meine neueren Erfahrungen über das Mosersche poly- 
valente Scharlachserum. Jahrb. f. Kinderheilk. Bd. 62. H. 3. 

Verf. teilt 7 neue Fälle mit, die ihn in der bereits früher von ihm ver- 

tretenen Ansicht bestärken, dass dem polyvalenten Scharlachserum eine 


Immunität. Schutzimpfung. 1149 


antitoxische Heilkraft innewohne. Ref. erkennt an, dass die Fälle zu Gunsten 
des Serums gedeutet werden können, kann sie aber doch nicht für beweisend 
halten. In dem einen Falle hat sich, trotz vorgängiger Injektion von Antistrepto- 
kokkenserum, ein Erysipel des Gesichts entwickelt, das erst nach mehrfachen 
Relapsen abheilte. In 5 von den 7 Fällen trat Nephritis auf, in 3 Fällen 
ausgedehnte Vereiterung der cervikalen Lymphdrüsen, in 2 Fällen eitrige Otitis 
media, alles trotz der Serumbehandlung. 

Alle 7 Kinder bekamen Serumexantheme; dasselbe bot in einem Falle „ein 
wahrhaft erschreckendes Bild“, „wobei die das Exanthem begleitenden Allge- 
meinerscheinungen (Fieber, Abgeschlagenheit) so ernst waren,“ dass Verf. „fast 
3 Tage lang für das Leben des Patienten arge Besorgnis fühlte“. 

Stoeltzner (Halle a. S.). 


Citron, Julius, Die Immunisierung gegen Schweineseuche mit Hülfe 
von Bakterienextrakten. Ein Beitrag zur Aggressinfrage. Aus 
d. Königl. Instit. f. Infektionskrankh. in Berlin. Zeitschr. f. Hyg. Bd. 52. 
S. 238. 

Aus früheren Untersuchungen (vgl. Voges, diese Zeitschr. 1898. S. 193; 
Bruck, diese Zeitschr. 1905. S. 687; Beck und Koske, Arb. a: d. Ges.-A. 
XXII) ist bekannt, dass es zwar möglich, aber sehr schwierig und unsicher 
ist, Kaninchen und Meerschweinchen gegen Schweineseuche zu 
immunisieren, weil schon die kleinsten Mengen der Bakterien dieser 
Krankheit oft tödlich wirken. Der Verf. hat deshalb einen anderen Weg 
beschritten, indem er die bei der Immunisierung wirksamen Stoffe aus 
den Bakterien auszuziehen, in Lösung zu bringen und dadurch dosier- 
bar zu machen versuchte. Er hat hierzu die Auflösung der Bakterien 
innerhalb des lebenden Tiers, durch Blutserum und durch destilliertes 
Wasser benutzt. 

Bei allen auf diese Art gewonnenen Flüssigkeiten fand er zunächst eine 
die Virulenz der Bakterien steigernde Wirkung. Ein derartiger Ein- 
fluss ist auch von anderen Bakterienauszügen und tierischen Ausscheidungen 
bekannt und neuerdings von Bail (vergl. diese Zeitschr. 1906. S. 419) auf 
Aggressine zurückgeführt worden, Stoffe, welche die Schutzkräfte des 
Organismus, namentlich die Phagocyten fernhalten und, obne selbst erheblich 
giftig zu sein, Bakterienmengen, die sonst nicht tödlich sind, zu tödlichen 
machen. Wie Edm. Weil (vgl. diese Ztschr. 1905. S. 1144) Hühnercholera, 
so impfte der Verf. Schweineseuchekultur in Fleischbrühe Kaninchen in den 
Brustfellsack, wodurch sie in kurzer Zeit getötet werden und in die Brust- 
höhle ein starker Ergnss entsteht, in welchem nur wenige Zellen, aber 
auffällig viele Bakterien und namentlich viele aufgelöste enthalten sind. Dieser 
Erguss, keimfrei entnommen, mit 1/3 v.H. Karbolsäure versetzt, durch 
Centrifugieren geklärt und 3 Stunden bei 44° C. gehalten, ist in Mengen 
bis zu 3 ccm ohne üble Wirkung auf Meerschweinchen, aber schon die 
Hälfte davon genügt, um zusammen mit !/;, der sonst tödlichen Menge 
von Schweineseuchekultur akuten Tod der Versuchstiere herbeizufübren. 
Der Verf. hat derartige Aggressine auch ausserhalb des Tierkörpers 


1150 Immunität, Schutzimpfung. 


dadurch gewonnen, dass er Massenkulturen in Kolleschen Schalen her- 
stellte, diese teils mit normalem Kaninchenserum, teils mit destilliertem 
Wasser abschwemmte und die so erhaltene trübe Flüssigkeit, gegen Licht 
geschützt, 1—-3 Tage in einem Schüttelapparat hielt (nach dem Vorgang von 
Brieger, Meyer und Bassenge (vergl. diese Zeitschr. 1906. S. 199), dann 
mit Karbolsäure versetzte, centrifugierte und sterilisierte. Die Wirkung dieser 
in kleinen Mengen ungiftigen, die Virulenz steigernden Flüssigkeiten entsprach 
durchaus dem natürlichen im Tierkörper entstandenen Aggressin und 
dies ist um so bemerkenswerter, als normales Tierserum sonst bekanntlich 
die Widerstandsfähigkeit erhöht. Im allgemeinen war die Virulenzsteigerung 
bei den serösen Auszügen regelmässiger und giftige Nebenwirkung 
seltener als bei den wässerigen: offenbar hängen derartige Unterschiede nicht 
blos von der Natur der auflösenden Flüssigkeiten, sondern auch von 
Eigentümlichkeiten ab, die bei den einzelnen Bakterienarten ver- 
schieden sind. 

Die vielfach unternommenen Versuche, aktive Immunisierung statt 
durch lebende virulente oder abgeschwächte oder abgetötete Kulturen durch 
Bakterienauszüge zu erreichen, sind bei den verschiedenen Bakterienarten ver- 
schieden ausgefallen. Nach Bail gehört zur echten Immunität das Vorhanden- 
sein von antiaggressiven Bestandteilen im Tierkörper, und diese können durch 
Schutzimpfungen mittels Vaccins nach Pasteurs Verfahren erzeugt 
werden. Dieser Weg ist aber schwierig und unsicher, weil der Erfolg da- 
rauf beruht, dass einerseits nicht zu viel Aggressine erzeugt werden, weil dann 
das Tier stirbt, und andererseits genügend viel, um die Erzeugung von Anti- 
aggressinen zu bewirken. Weit einfacher und zuverlässiger lässt sich 
wenigstens bei Schweineseuche die aktive Immunisierung durch unmittel- 
bare Zuführung von Aggressinen erreichen. deren Gewinnung oben 
beschrieben ist. Im den Versuchen des Verf.’s gelang es stets mit grosser 
Sicberbeit, durch einige oder selbst durch eine einmalige Einspritzung der 
keimfrei gemachten Ausschwitzungen von Tieren, die an Schweine- 
seuche gestorben waren, Kaninchen und Meerschweinchen (aber nicht so gut 
weisse Mäuse) gegen sonst vielfach tödliche Infektionsmengen zu 
schützen, und die serösen und wässerigen Auszüge hatten die gleiche 
immunisierende Wirkung wie die natürlichen Aggressine. Dass die Bak- 
terien dem destillierten Wasser gegenüber Aggressine bilden, lässt sich nicht 
annehmen; deshalb bleibt nor die Möglichkeit, dass sie bei der Erzeugung 
der immunisierenden und virulenzsteigernden Stoffe passiv beteiligt sind d. h. 
ausgelaugt werden. Der Unterschied zwischen den Immunisierungen mit leben- 
den, mit abgetöteten Bakterien und mit Bakterienauszügen läuft also darauf 
hinaus, dass bei der erstgenannten Art wegen der Vermehrung der Bakterien 
eine Dosierung nicht möglich ist und hierdurch häufig der Tod herbeigeführt 
wird, bei den abgetöteten Kulturen zwar eine genauere Abmessung erfolgen 
kanu, aber ausser den immunisierenden auch noch giftige und gewebsschädi- 
gende Stoffe vorhanden sind, bei den Bakterienauszügen auch die letzteren 
fehlen oder wenigstens stark verringert sind, so dass hier die Immunitäts- 


reaktion am reichsten und ungestörtesten vor sich geht. 


Immunität. Schutzimpfung. Säuglingspllege. 1151 


Dass auf diese Weise nicht etwa bloss eine Resistenzerhöhung zu Stande 
kommt, sondern echte Immunität, geht daraus hervor, dass die nach dem 
beschriebenen Verfahren behandelten Tiere ein Serum liefern, welches bei 
Kaninchen, Meerschweinchen und weissen Mäusen passive Immunität gegen 
das Vielfache von sonst tödlichen Bakterienmengen herbeiführt. Die mit 
natürlichen Schweineseuche-Aggressinen immunisierten Kaninchen 
lieferten dem Verf. zwar ein stärker wirksames Serum als die mit den 
wässerigen Auszügen behandelten, aber es unterlag keinem Zweifel, dass 
es sich auch bei den letzteren um specifisch wirkende Antikörper handelt. 

Globig (Berlin). 


Wassermann A., Ostertag R. und Citron J., Ueber das gegenseitige immu- 
nisatorische Verhalten des Löfflerschen Mäusetyphusbacillus und 
der Schweinepestbacillen. Aus d. Kgl. Institut f. Infektionskrankh. u. 
d. hyg. Institut d. tierärztl. Hochschule in Berlin. Zeitschr. f. Hyg. Bd. 52. 
S. 282. 

Die Bacillen des Mäusetyphus und der Schweinepest verhalten sich 
nicht blos in ihren Kultureigenschaften, sondern auch in ihrer aggluti- 
nierenden und immunisierenden Wirkung gegen einander völlig 
gleich. Diese schon von Denobele, Theobald Smith, Smidt und anderen 
gefundene Tatsache haben die Verff. in grösseren Versuchsreihen durchaus 
bestätigt gesehen. Als einziger Unterschied bleibt also nur ihre ver- 
schiedene Virulenz für bestimmte Tierarten bestehen. Während der 
Mäusetyphusbacillus für Schweine praktisch überhaupt keine 
Virulenz besitzt, ist der Schweinepestbacillus für diese Tiere äusserst 
pathogen. Aehnlich verhalten sich beide gegen Kaninchen. Da hierin eine 
Uebereinstimmung auch mit den bei Rindertuberkulose und Menschen- 
tuberkulose gemachten Beobachtungen liegt, und in solchen Fällen das 
Ueberstehen der Infektion mit der weniger virulenten Bakterienart in der 
Regel eine aktive Immunität gegen die spätere Infektion mit der virulenteren 
gewährt, so haben die Verff. geprüft, ob etwas derartiges auch für die Bacillen 
des Mäusetyphus und der Schweinepest gilt, und in der Tat festgestellt, dass 
wenigstens für Kaninchen und Meerschweinchen die Mäusetyphusbacillen 
ein Vaccin gegen die Schweinepest sind. Dies ist nicht blos wissen- 
schaftlich sehr bemerkenswert, sondern kann auch praktisch für die 
Schutzimpfung der Schweine gegen Schweinepest von grosser Bedeutung 
werden, weil Mäusetyphusbaeillen sich in langjähriger landwirtschaftlicher Er- 
fahrung bereits als ungefährlich für grössere Tiere und Menschen erwiesen 
haben. Versuche hierüber sind im Gange. Globig (Berlin). 


Schlossmann A., Ueber die Fürsorge für kranke Säuglinge. Stuttgart 
1906. Verl. von Ferd. Enke. 94 Ss. 8°. 11 Tafeln. Preis: 4 M. 
Sch. gibt in seiner mit ausgezeichneten Illustrationen reich geschmückten 
Schrift zunächst eine ausführliche Schilderung des auf seine Anregung hin 
entstandenen Dresdener Säuglingsheimes, dessen Neubau seit dem 20. Januar 


1152 Säuglingspflege. 


1904 bezogen worden ist und zur Aufnahme von 50 Kindern und 12—15 Ammen 
bestimmt wurde. Das im Villenstil gebaute, an den drei der Strasse abge- 
wandten Seiten vom Garten umgebene Haus enthält im Souterrain die Räume 
für Milchgewinnung, für Reinigung der Wäsche, für Desinfektion, für Haus- 
haltszwecke und die Hausmeisterwohnung. Im Parterre befindet sich die mit 
eigenem Fingange versehene Poliklinik mit Turn- und Operationszimmer, die 
Aerztewobnungen und 3 Laboratoriumsräume. Die erste Etage beherbergt die 
Verwaltungsräume, die Tageräume der Schwestern, die Wohnung der Oberin 
und die Quarantänestation. Die zweite Etage dient als eigentliche Klinik und 
enthält ausser dem geräumigen Ammensaal mit 10—12 Betten 8 grössere und 
kleinere Krankenzimmer, die zum kleinen Teil mit nach Süden zu gelegenen 
Balkons versehen sind. Im dritten Stock wohnen die Schwestern. Die Betten 
der Kinder haben nur kleine, aber als ausreichend befundene Dimen- 
sionen von 72 cm Länge und 40 cm Breite. Ueber dem einzelnen Bett be- 
findet sich ein Bord mit 2 übereinander befindlichen Glasplatten, das die bei 
der Pflege des Säuglings notwendigen vor Gebrauch jedesmal sterilisierten 
Gegenstände bis herab zur Puderbüchse trägt. Unter den Betten hängen die 
nur zu dem persönlichen Gebrauch des einzelnen Säuglings bestimmten kleinen 
Badewannen. Bei Benutzung werden dieselben auf ein fahrbares von Sch. 
angegebenes Gestell gesetzt, das nach dem Bade die Wanne umzukippen und 
gründlich austropfen zu lassen gestattet. 

Von dem Grundsatze ausgehend, dass ohne Frauenmilch die Er- 
pährung kranker Säuglinge mit Aussicht auf gute Erfolge unmöglich 
ist, erhalten dieselben, wenn nicht ganz bestimmte Gründe zu Ausnahmen vor- 
liegen, nur die Brustnahrung. An erster Stelle ist diese Idee im Dresdener 
Säuglingsheim praktisch durchgeführt worden. Bei geeigneter Organisation 
ist es hier gelungen, das nötige Ammenmaterial heranzuziehen. Entgegen 
Bunges weitverbreiteter Ansicht, dass infolge der eingerissenen Degeneration 
die meisten Frauen vicht mehr stillen können, vertritt Sch. den Standpunkt, 
dass in der allergrössten Mehrzahl der Fälle das Nichtstillen keineswegs auf 
das mangelnde Funktionieren der weiblichen Brust, sondern eher auf eine 
mangelnde Konsequenz von Seiten der Hebammen und Aerzte den jungen 
Müttern gegenüber zurückzuführen ist. Sch. bezieht sich beispielsweise auf 
einen krassen Fall, indem eine Frau post partum auf Anraten der Hebamme 
das Kind absetzt, weil sie keine Milch habe, am 17. Tage auf Sch.’s Ver- 
anlassung das Kind wieder anlegt, am 71. Tage 3 Liter Milch täglich liefert 
und 14 Monate hindurch weiter stillen kann. Im Säugliugsheim wurden 1904 
im ganzen 3767 Liter Frauenmilch produciert, oder im Durchschnitt 1184 g 
pro Amme und Tag, oder auf jeden kranken Säugling durchschnittlich 
303 g. Bei fast einem Fünftel der Frauen war die Milchmenge bis etwa zum 
Doppelten des von einem Säugling benötigten Quantums zu steigern, bei 100/% 
waren mehr als 2 Liter und bei mehr als 4%, über 3 Liter täglich zu erzielen. 
Von 208 Ammen hatten 138 ohne weiteres über 800 g pro Tag; nur 25 gaben 
weniger als 500 g. 

Ein besonders überzeugendes Beispiel geben die gegen monatliches festes 
Entgelt von 10 M. in der Anstalt längere Zeit angestellt gewesenen „Haus- 


Säuglingspflege. 1153 


ammen“. Unter 7 derselben hatten 6 Höchstmengen von über 3000 g und 
die Durchschnittsmengen betrugen 1502 g bei einer Amme, bei den anderen 
zwischen 2059-3188 g, bei letzterer sogar 13 Monate hindurch. Alle Ammen 
zeigten Gewichtszunahmen bei der Entlassung. Als gutes Stimulans 
für den Stilleifer der Ammen erwiesen sich bestimmte Talerprämien, die die 
Ammen für erzielte Gewichtszunahmen ihrer Pflegebefohlenen versprochen und 
ausgehändigt erhielten. Ammen sind stets in genügender Zahl zur Verfügung 
gewesen. In der Anstalt wird eine besondere, von Sch. konstruierte Ammen- 
tracht nach Vorbild des Reformkleides getragen. Ein Teil der Ammen- 
milch muss auch durch Abdrücken entleert werden. Von dieser Milch wird 
dann centrifugierte Frauenmilch oder Frauenmilchsahne gewonnen 
und den Kindern verabfolgt. Die nicht festangestellten Ammen werden bereit- 
willig an Private abgegeben gegen einen Lohn von monatlich 40 M. bezw. 
für Zwillinge 50 M., von denen durch die Herrschaft allmonatlich 20 M. direkt 
an die Anstalt abgeführt werden und zur Vergütung für die Ziehmütter dienen. 

Eine eingehende Besprechung widmet an dieser Stelle Sch. dem Vor- 
schlage, eine Reichsammenordnung zu erlassen. Bemerkenswert ist die Forde- 
rung, dass keine Person vor Ablauf von 3 Monaten nach der letzten 
Entbindung eine Stellung als Amme annehmen oder als solche in Dienst 
gestellt werden darf. In Frankreich ist durch die Loi Russel dieser Termin 
bis nach vollendetem 7. Laktationsmonate hinausgeschoben. 

Für die Ernährung mit Kuhmilch, die unter gewissen Verhältnissen nicht 
zu entbehren ist, liegen in Dresden die Verhältnisse besonders günstig, da 
dem Säuglingslieim täglich 130 Liter zum Einheitspreise von 25 Pfg. pro Liter 
aus dem mit der tierärztlichen Hochschule in Dresden verbundenen Muster- 
rassestall zur Verfügung stehen. Von eben daher bezieht die Anstalt auch 
Ziegenmilch. Die Flaschenmilch wird unter allen erdenklichen Kautelen in 
den nötigen Mischungen im Säuglingsheim fertiggestellt und auch an ausser 
dem Hause befindliche kranke Säuglinge abgegeben. 

Auf 4 Kinder ist tagsüber eine Pflegerin berechnet, nachts können 8 Kinder 
durch eine Person beaufsichtigt werden. Die Pflege liegt in der Hand von 
Schwestern, jungen Damen mit höherer Töchterschulbildung, die in der An- 
stalt einen einjährigen Lerokursus durchmachen. Die beste Vorbildung und 
das beste Menschenmaterial erachtet Sch. für seine Zwecke gerade gut genug. 
Nach Ablauf des Lernjahres unterziehen sich die Schwestern einer praktischen 
und theoretischen Prüfung, über deren Ausfall sie ein Zeugnis erhalten. Be- 
sonders Befähigte können dauernd in der Anstalt verbleiben. In physischer 
und geistiger Hinsicht konnten an den als Schülerinnen eintretenden Mädchen 
die besten Erfahrungen gewonnen werden. „Arbeit, die innerliche Be- 
friedigung gibt, ist auch für das physische Wohlbefinden das 
beste Stimulans.“ < 

Eine besondere detaillierte Besprechung ist den Vorschriften bezüglich 
der Reinhaltung der Kinder gewidmet. Nur die Beobachtung auch der kleinen 
und anscheinend nebensächlichen Dinge scheint Sch. die Erreichung grosser 
Erfolge zu gewährleisten. So sind z.B. „Schnuller“ aufs Strengste verpönt. 
Die Mundbehandlung hat nicht durch das Pflegepersonal, sondern durch den 


1154 Säuglingspflege. 


Arzt zu geschehen. Die Schwestern haben die ganze Zeit über, während deren 
das Kind trinkt, die Flasche selbst zu halten. „Lässt die Schwester dem Kinde 
die Flasche, ohne dabei zu bleiben und sie zu halten, so wird sie unweigerlich 
entlassen.“ Das Säuglingsheim soll in dieser Weise als Erziehungsanstalt für 
die Mütter wirken. 

Licht und Luft werden als Heilfaktoren sowohl im Säuglingsheim selbst, 
wie in dem seit dem 3. Juni 1905 dem ersteren angegliederten Waldheim 
in der Dresdener Haide in reichem Masse ausgenutzt. Die „Freiluftbe- 
handlung in Waldstationen hat bereits jetzt Erfolge gezeitigt, die alle 
bisher in der Säuglingspflege erzielten weit übertreffen.“ 

Sch.’s Bestreben zielte auf eine Propagande der Tat. In erster Linie 
stellte er sich mit einem gewissen Fanatismus die Aufgabe, das Stillen der 
Mütter zu fördern. Jedes geheilt aus dem Hause entlassene Kind soll Zeugnis 
ablegen für die Wunderkraft der Frauenmilch. Dann soll in zweiter Linie das 
Heim eine Schule für die künstliche Ernährung und für Säuglingspflege und 
-wartung sein. Die grossen aufgewendeten Kosten sind gerechtfertigt, wenn 
es gelingt, die Lage der kranken Säuglinge zu bessern, die gesunden vor 
Krankheit zu bewahren und so der übergrossen Sänglingssterblichkeit wirk- 
sam Einhalt zu tun. Letzteres ist in Dresden mit dem Erfolge geglückt, 
dass die Mortalität von 1900 (32%),) auf 25,6%, in 1902 herabsank, bis 
zuletzt 22,9 erreicht wurde. 

Als Lehranstalt für junge Aerzte erfüllt das Heim einen weiteren wichtigen 
Zweck. Die mit allem Komfort ausgestatteten Laboratorinmsräume bieten Ge- 
legenheit zur Entfaltung wissenschaftlichen Eifers und dienen der Lösung 
zahlreicher wichtiger, bisher noch unbearbeiteter Fragen. 

Sch. hofft durch das Kinderheim dazu beizutragen, dass kräftige, gesunde, 
widerstandsfähige und lebensfrohe Menschen heranwachsen. „Die Frucht der 
gesegneten Leiber dient nicht mehr zur Füllung des Friedhofes mit kleinen 
Kindergräbern, und was Wissenschaft und Menschenliebe vermögen, ist nm- 
gesetzt in Wirklichkeit und Leben“. Schumacher (Hagen i.W.). 


Sieveking, Die Säuglings-Milchküchen der patriotischen Gesell- 
schaft in Hamburg. 1. Jahresbericht 1904/05. 33 Ss. gr. 8%. Hamburg 
1906. Verlag von C. Boysen. Preis: 60 Pfg. 

Die beiden am 17. Oktober 1904 und am 26. April 1905 eröffneten 
Säuglings-Milchküchen der patriotischen Gesellschaft verdanken 
ihre Entstehung Anregungen, welche auf die in Hamburg 1903 stattgehabte 
I. allgemeine Ausstellung für hygienische Milchversorgung zurückzuführen 
sind. Sie sind nicht eigentlich als wohltätige, sondern als gemeinnützige 
Anstalten zu bezeichnen. Sie wollen zeigen, dass, wenn man die Anlage eines 
gewissen Kapitals für Apparate, bauliche Einrichtungen und Betriebsgeräte 
voraussetzt, der Betrieb bei einem genügend grossen Umsatz sich selbst erhält. 
Diesem Ziele sind sie bei einem Umsatz von je 200 Litern Vollmilch und 
einer Flaschenausgabe von je 1400 Stück für den Tag bereits nahe gekommen, 
ohne es bisher allerdings völlig zu erreichen. Hinsichtlich der Reinlichkeit 


Säuglingspilege. 1155 


und Ordnung haben sie auf benachbarte Milchhandlungen einen erziehlichen 
Einfluss geübt. 

Die auf den Milchbezug gesetzten Erwartungen haben sich bestätigt. Die 
Milch stammte von einem Gut in Holstein. Das Vieh, Breitenburger Rasse, 
ist mit Tuberkulin geimpft und reaktionslos befunden worden. Die Fütterung 
mit Kraftfutter und Heu, im Sommer Weidegang, vermeidet alle schroflen 
Uebergänge. Die Milch, deren Fettgehalt im Mittel 3,65%, betrug, kostet 
16 Pfennige das Liter frei Milchküche. Ihre Temperatur darf 15° C. nicht 
übersteigen. 

Die Annahme, dass die Milchküchen der natürlichen Ernährung an der 
Mutterbrust entgegenarbeiteten, trifft nicht zu. Schon die erste Meldung zum 
Milchbezuge wird benutzt, die Frauen an ihre erste Mutterpflicht zu erinnern. 

Würzburg (Berlin). 


Japha, Die Säuglingsküche, Ergebnisse und Ziele. Arch. f. Kinderheilk. 
Bd. 42. H. 1 n. 2. 

Verf. berichtet über die der Neumannschen Poliklinik in Berlin ange- 
gliederte Milchküche. 

Fast 10%, der in der Poliklinik behandelten Säuglinge werden der Milch- 
küche überwiesen; die Nahrung wird, in Einzelportionen sterilisiert, den 
Familien in das Haus geliefert. Besonders viel wird, ausser den verschiedenen 
Milch-Mehl Mischungen, Buttermilchsuppe und Malzsuppe verwendet; die 
Nahrung wird zu 20—25 Pfg. pro Tag abgegeben, in Notfällen noch billiger 
oder sogar ganz unentgeltlich. 

Die Resultate sind, absolut genommen, keineswegs glänzend, recht gut 
aber in Anbetracht des ausserordentlich schlechten Krankenmaterials. 

Der Betrieb der Säuglingsküche ist tener und schwierig wo die 
poliklinische Behandlung mit Benutzung der Milchküche versagt, ist nur von 
dem mit Ammenbetrieb ausgestatteten Säuglingskrankenhaus Hilfe zu erhoffen. 

Stoeltzner (Halle a. S.). 


Suckow, Leitfaden zur Errichtung von Kindermilchanstalten. Ver- 
lag von M. u. H. Schaper. Hannover 1906. 49 Ss. 80, Preis: 2 M. 

Auf Anregung des städtischen Schlachthofinspektors Suckow zu Ber- 
gisch-Gladbach ist daselbst als erste in Deutschland eine kommunale 
Kindermilchanstalt ins Leben gerufen worden. S&S. gibt einen kurzen 
Ueberblick der Entstehungsgeschichte des am 1. August 1904 dem öffentlichen 
Verkehr übergebenen Unternehmens, das nicht als einfache Sterilisieranstalt 
dienen, sondern eine Milch herstellen soll, welche eine der Muttermilch 
möglichst nahekommende Beschaffenheit besitzt. Die Einrichtung der 
Anstalt ist ebenso einfach, wie zweckentsprechend und erfordert einen Kostenauf- 
wand von 2773,96 M. Die jährlichen Betriebskosten betragen 1920 M. Vom 
Augenblick der Milchgewinnung an bis zur Verabreichung an die 
wird die peinlichste Sauberkeit gewahrt. Mittels eines sinnreichen Küh- 
lungs-, Entlüftungs-, Filtrier-, Entschlammungs-, Mischungs- und 
Sterilisierungsverfahrens wird eine ausserordentlich wohlschmeckende 


äuglinge 


1156 Säuglingspflege. 


und sehr bekömmliche Milch hergestellt, der sich kein anderes Milch- 
präparat auch hinsichtlich der späteren Entwickelung der Kinder an die 
Seite stellen kann. Die praktischen Erfolge der Anstalt sind derart gute, 
dass keines der mit der Anstaltsmilch genährten Kinder unter einem 
Jahre gestorben ist und dass dementsprechend die Kindersterblichkeit 
innerhalb ®/, Jahren von 6,2 auf 50%, zurückgegangen ist. 

S. gibt genaue Vorschriften für die Herstellung der Kinder- und Kurmilch, 
welche in einem amtlichen Erlass von 22 einzelnen Paragraphen für Bergisch- 
Gladbach festgelegt sind. Hervorzuheben ist, dass bei dem ganzen im 
wesentlichen nach Biederts Vorschlägen eingerichteten Verfahren neben der 
rationellen Sterilisation eine gründliche Kühlung durchgeführt wird. 
Letztere ist deshalb so besonders wichtig, weil das bei der weiteren Behand- 
lung der Milch nach altem holländischen Gebrauch wiederholte Abkühlen 
der Milch einen „vollmundigen und rahmartigen“ köstlichen Wohlgeschmack 
verleiht. Die Milch soll bei der Einlieferung höchstens 5° C. warm sein. Im 
Separator wird sie sodann von dem sogenannten Milchschleim oder Milch- 
schlamm gereinigt und entrahmt, was bei der auf 40—50° C. erwärmten Milch 
ausgiebiger möglich ist als bei kalter Milch. Zum Filtrieren haben sich die 
schwedischen Wattefilter besonders zweckmässig erwiesen. Rahm und 
Magermilch werden für die Herstellung von Kurmilch sodann wieder 
gemischt und nach nochmaliger Lüftung und Kühlung auf Kannen bezw. 
Flaschen verteilt. Der für die Säuglingsmilch bestimmte Rahm wird je- 
doch zunächst auf seinen Fettgehalt in der Simplexcentrifuge untersucht und, 
falls er mehr wie 12,5%, Fett enthält, durch Magermilchzusatz das richtige 
Verhältnis herbeigeführt. Aus diesem Rahmgemenge wird unter Beifügung 
von Magermilch, Wasser und Milchzucker die Säuglingsmilch in fünf 
verschiedenen, dem Alter und dem Verdauungsvermögen der Säug- 
linge angemessenen Mischungen hergestellt und mittels Füllapparates 
in Fünftelliterflaschen verteilt. Diese letzteren werden mit lose aufgelegten 
Patentverschlussstöpseln in den Sterilisator gestellt und, nachdem die Tempe- 
ratur auf 1030 ©. gestiegen ist, noch 10 Minuten im Sterilisator belassen. 

Sehr zweckentsprechend scheinen die der Schrift beigefügten Tabellen 
zu sein, die dem mit der Milchherstellung beauftragten Personal eine ebenso 
leichte wie exakte Mischung der vorgeschriebenen fünf Sorten gestatten. Für 
kranke Kinder können ausserdem auf Veranlassung der behandelnden Aerzte 
durch Vermittelung des Anstaltsleiters besondere Mischungen angefertigt werden. 

Eine genaue für das Publikum bestimmte Gebrauchsanweisung für die 
Säuglingsmilch ist für Bergisch-Gladbach erlassen worden. 

An Stelle der roten Gummistopfen, welche bis 2%, Antimon ent- 
halten sollen und unter Umständen zu Schädlichkeiten Anlass geben können, 
lässt S. hinfort graue absolut autimonfreie Stopfen verwenden. 

Dem Buche sind eine Reihe gelungener photographischer Wiedergaben 
des Acusseren und Inneren der Anstalt sowie Bilder einer Reihe mit der 
Austaltsmilch ernährter und anscheinend prächtig gediehener Kinder beigefügt. 

Schumacher (Hagen i.W.). 


Gewerbehygiene. 1157 


Bleivergiftungen in hüttenmännischen und gewerblichen Betrieben. 
Ursachen und Bekämpfung. III. Teil. Protokoll über die Expertise 
betreffend die Blei- und Zinkhütten, herausgegeben vom k. k. arbeits- 
statistischen Amt im Handelsministerium. Wien 1906. Alfred Hölder 32 Ss. 40- 

Die seitens des Österreichischen arbeitsstatistischen Amts über die Ge- 
sundheits- und Arbeitsverhältnisse in Blei- und Zinkhütten stattgehabten 
Erhebungen, über die in dieser Zeitschrift (1905 S. 449) berichtet worden ist, 
wurden im arbeitsstatistischen Amt unter Beteiligung des Obersten Sanitätsrates 
und des ständigen Arbeitsbeirates einer Sachverständigen-Kommission unter- 
breitet zur Gewinnung von Unterlagen und Gesichtspunkten für gesetzgebe- 
rische und administrative Massnahmen zur Bekämpfung der Bleigefahr 
in den genannten Betrieben. Die Grupdlage für die Beratung bildete ein im 
Einvernehmen mit den beteiligten Centralstellen ausgearbeiteter Fragebogen, 
auf Grund dessen der Gegenstand nach allen in Betracht kommenden Rich- 
tungen eingehend erörtert wurde. 

Hier interessiert speciell derjenige Teil des Fragebogens. der sich auf den 
ärztlichen Dienst, auf die Mitwirkung der Kassen-, Hütten- und Werksärzte bei 
der ärztlichen Ueberwachung der Betriebe bezieht. Nach dieser Richtung sind 
die Auslassungen der ärztlichen Experten, insbesondere der Professoren 
Sternberg und Hueppe, von besonderer Bedeutung. Hueppe betont, dass 
es Aufgabe der in Rede stehenden Aerzte sei, eine entsprechende Entlohnung 
vorausgesetzt, neben der heilenden auch eine vorbeugende Tätigkeit zu ent- 
wickeln, und dass Umfang und Art dieser Tätigkeit durch eine Dienstinstruk- 
tion festgelegt werden müsse, in gleicher Weise, wie dies für die staatlichen 
Bergärzte bezüglich der staatlichen Blei- und Zinkhütten bis zu einem gewissen 
Grade bereits geschehen ist. Hueppe hält es deshalb für notwendig, dass 
seitens des Ministeriums des Innern unter Mitwirkung des Obersten Sanitäts- 
rates der ärztliche Dienst in den fraglichen Betrieben auf Grund einer ein- 
gehenden Dienstinstruktion geregelt wird. Mit Recht betont Hueppe die 
besondere Wichtigkeit der gesundheitlichen Belehrung der gefährdeten Arbeiter, 
da ohne Mitwirkung und ohne Verständnis der Arbeiter selber für die ihnen 
drohenden Gefahren ein dauernder Erfolg nicht zu erwarten ist. Eine derartige 
Regelung dürfte nicht blos auf die Blei- und Zinkhüttenarbeiter beschränkt 
bleiben, sondern wäre auf alle gesundheitsgefährlichen Industrien auszudehnen. 
Im weiteren Verlauf der Verhandlungen wurde ausserdem die Notwendigkeit 
der ersten ärztlichen Untersuchung der Arbeiter wie der fortlaufenden perio- 
dischen Untersuchung, die Wichtigkeit der Belehrung der Arbeiter und die 
Anbahnung einer zuverlässigen Statistik der gewerblichen Erkrankungen 
namentlich von Sternberg betont. Es sind dies Forderungen, wie sie in 
ähnlicher Weise auf der vorjährigen Konferenz der Centralstelle für Arbeiter- 
wohlfahrtseinrichtungen in Hagen speciell auch vom Berichterstatter ge- 
stellt wurden. E. Roth (Potsdam). 


1158 Gewerbehygiene. 


Bleivergiftungen in hüttenmännischen und gewerblichen Be- 
trieben. Ursachen und Bekämpfung. IV. Teil; Protokoll über 
die Expertise betreffend die Bleiweiss- und Bleioxydfabriken. 
Wien 1906. Alfred Hölder, Rotenthurmstr. 13. 38 Ss. 4°. j 

Das vorliegende Protokoll schildert den Verlauf der am 2. und 3. April 

d. J. im arbeitsstatistischen Amt des Handelsministeriums in Wien stattge- 

habten Vernehmungen betreffend die Arbeits- und Gesundheitsverhältnisse in 

Bleiweiss- und Bleioxydfabriken. Diese Vernehmungen, die sich auf 3 

dem Stande der Arbeitgeber, 2 dem Stande der Arbeitnehmer und 2 dem 

ärztlichen Stande angehörende Fachmänner erstreckten, bilden die Ergänzung 
der seinerzeit in den genannten Betrieben stattgehabten Erhebungen (II. Teil: 

Bericht über Erhebungen in Bleiweiss- und Bleioxydfabriken. A. Hölder. Wien 

1905). Einer der Aerzte, Prof. Hueppe (Prag), der krankheitshalber der 

Enquete fernbleiben musste, hat seine Aeusserung schriftlich abgegeben. 

Die Vernehmungen, die auf Grund eines vom arbeitsstatistischen Amt ausge- 

arbeiteten Fragebogens erfolgten, erstreckten sich auf die bauliche Einrichtung 

der Bleiweiss- und Bleioxydfabriken, auf die Gesundheitsgefährlichkeit der 
verschiedenen Arbeitsprocesse, auf die Fragen der Arbeiterverwendung und 

Arbeitsdauer sowie auf etwaige an die Arbeiter zu erlassende Verhaltungs- 

vorschriften und enthalten eine Reihe wertvoller Anregungen. 

E. Roth (Potsdam). 


Michaells M., Handbnch der Sauerstofftherapie; unter Mitwirkung 
von N. Brat, W. Cowl, G. Gärtner, E. Giersberg, Hagenbach- 
Burkhardt, Kionka, v.Koränyi, Loewy, Ortner, Pagel, v.Schruetter, 
L. Spiegel, Wohlgemuth, L. Zuntz und N. Zuntz, Mit 126 Textfiguren 
und 1 Tafel. Berlin 1906. Verlag von August Hirschwald. 551 Ss. 80. 

Nach den mancherlei Wandlungen, die die Sauerstofftherapie durch- 
gemacht, indem sie bald zu hoch, bald zu niedrig eingeschätzt. wurde, ist 
heute dank grundlegender physiologischer und praktischer Erfahrungen die 
Bedeutung des Sauerstoffs als wissenschaftlich hervorragendes Heilmittel an- 
erkannt. Eine Reihe von wissenschaftlichen Untersuchungen und Beobach- 
tungen sind ausgeführt worden eigens zur Vervollständigung der wissenschaft- 
lichen Grundlage des Werks, das zu seinen Mitarbeitern eine Reihe von 
Männern zäblt, welche der Inhalationstherapie die Wege geebnet haben. Es 
galt, die gefundenen Resultate, die grosse Zahl der neu gewonnenen prak- 
tischen und theoretischen Befunde der Sauerstofftherapie zu sammeln und der 
Allgemeinheit zugänglich zu machen. 

Diesem Zweck dient das vorliegende Handbuch, das E. v. Leyden, dem 
langjährigen Lehrer des Herausgebers, gewidmet ist. 

Das Werk zerfällt in 2 Teile, deren erster hauptsächlich die theoretischen, 
physikalisch-chemischen und technischen Fragen erörtert, während im zweiten 
Teil die praktische Tendenz des Werkes in den Vordergrund tritt. Nach einer 
kurzen Einleitung von E. v. Leyden gibt J. Pagel einen kurzen Abriss der 
Geschichte der Sauerstofftherapie, worauf A. Loewy und N. Zuntz die phy- 
siologischen Grundlagen der Sauerstofftherapie und W. Cowl die experimen- 


Statistik. 1159 


tellen Grundlagen derselben behandelt; hieran schliessen sich physikalisch- 
chemische Untersuchungen über Sauerstofftherapie von v. Koränyi, die Technik 
der Sauerstofftherapie vom Herausgeber, die intravenöse Sauerstoffinfusion von 
G. Gärtner und therapeutische Indikationen gleichfalls vom Herausgeber. 

Der zweite Teil beginnt mit einer eingehenden Abhandlung von N. v. 
Schroetter (Wien) „Der Sauerstoff in der Prophylaxe und Therapie der Luft- 
druckerkrankungen“; hieran schliesst sich die praktisch bedeutungsvolle Ab- 
handlung über „Die Bedeutung der Sauerstoffinhalationen in der Gewerbe- 
hygiene“ aus der Feder von H. Brat, dem wir auf diesem Gebiet wertvolle 
Anregungen und grundlegende Untersuchungen verdanken, und ein Abschnitt 
von Kionka über Sauerstofftherapie bei Vergiftungen. Besonderes Interesse 
erregt eine Arbeit des inzwischen verstorbenen Branddirektors Giersberg 
„Die praktische Anwendung der Sauerstofftherapie bei dem Bergbau und der 
Feuerwehr“; Specialabhandlungen über den Wert des Sauerstoffs in der Chirurgie 
von Wohlgemuth, in der Geburtshülfe von L. Zuntz, über Sauerstoffeinat- 
mung bei Krankheiten des kindlichen Alters von Hagenbach-Burkhardt, in 
der inneren Medizin von Ortner und endlich über neue Formen der Sauer- 
stoffmedikation von L. Spiegel bilden den Schluss des zweiten Teils des vor- 
liegenden Handbuchs. 

Das Werk, das einem entschiedenen Bedürfnis der Wissenschaft und Praxis 
entspricht, kann allen denen, die zur Sauerstofftherapie praktisch oder theo- 
retisch in Beziehung stehen, insbesondere Aerzten, aber auch Feuerwehren, 
Betriebsleitungen von Bergwerken, Gasanlagen und chemischen Fabriken als 
zuverlässiger Führer auf diesem bisher immer noch zu wenig gekannten Gebiet 
aufs wärmste empfohlen werden. E. Roth (Potsdam). 


Sanitätsbericht über die Königl. preussische Armee u.s. w. 1902/03. 
Bearbeitet von der Medizinalabteilung des Königl. preuss. Kriegsministeriums. 
Berlin 1905. E. S. Mittler & Sohn. 

Der Krankenzugang hat gegen das Vorjahr um 16,0°/% zugenommen; er 
betrug bei einer Durchschnittsstärke von 530 824 Mann mit 330 602 Mann Zu- 
gang = 622,8%/,, K. Diese Zunahme im Vergleich zum Vorjahre ist im wesent- 
lichen durch das vermehrte Auftreten der Grippe und durch häufigere 
Erkrankungen der ersten Atmungswege u. s. w. bedingt worden. Auch 
die Sterblichkeit hat in dem Berichtsjahre gegen das Vorjahr um 0,10°/% -K. 
zugenommen; sie betrug im Jahre 1902/03 2,1%/0 K. 

Die durchschnittliche Behandlungsdauer (von der des Vorjahres nicht er- 
heblich verschieden) betrug im Lazarett 24,4, im Revier 7,4 Tage. 

Die Zugangsziffer ist bei den Infektionskrankheiten in diesem 
Berichtsjahr (gegen das Vorjahr von 11 970 Mann = 22,1%/,, K.) um 7,4%/0 
höher und ist, wie bereits hervorgehoben, durch das häufigere Auftreten der 
Grippe hervorgerufen, deren Zugang um 4013 Mann = 7,7%, höher war als 
im Vorjahr. 

An echten Pocken ist kein Erkrankungsfall vorgekommen; dagegen traten 


1160 Statistik. 


Windpocken auf in Potsdam, Königsberg i.Pr., Glatz, Minden, 
Aachen, Schwerin und Schlettstadt mit je einem Falle. Bei 95,1%, 
der neueingestellten Mannschaften war die Impfung von Erfolg; nachteilige 
Folgeerscheinungen der Schutzpockenimpfung wurden nirgends beobachtet. 

An Scharlach erkrankten 0,630/%% K. der Kopfstärke mit 17 Todesfällen. 
Scharlachepidemien kleineren Umfanges wurden in Metz-Montigny (12), in 
der Hauptkadettenanstalt (10), in den Kadettenhäusern Bensberg (15), 
Naumburg (9) und in Freiburg i. B. (10) beobachtet. Scharlach-Diph- 
therie wurde 15 mal festgestellt. 

Die Zahl der Masernerkrankungen betrug 0,98°/%. Infolge einer sich 
anschliessenden Lungenentzündung starb 1 Mann. Masernepidemien traten 
in den Kadettenhäusern Bensberg mit 17, Cöslin mit 27 Erkrankungen auf, 
die auf Einschleppung eines schulpflichtigen Aufwärterkindes bezw. durch einen 
vom Weihnachtsurlaub zurückkehrenden Kadetten zurückzuführen waren; für 
die Einzelerkrankungen liess sich mehrmals Umgang mit kranken Civilpersonen 
als (Juelle der Ansteckung nachweisen. 

An epidemischer Ohrspeicheldrüsen - Entzündung erkrankten 
0,660%/90. Epidemisch, aber in geringem Umfange, trat dieselbe in Königs- 
berg i.Pr. (15) und in Stargard i. Pomm. (26) auf; in letztgenanntem Orte 
wurden Beobachtungen direkter Uebertragung von Person zu Person wahr- 
genommen; in einem sehr klaren Falle von Uebertragung auf einen Stuben- 
kameraden dauerte die Entwickelungszeit der Krankheit 8 Tage. 

Die Zahl der Diphtherieerkrankungen ist von 238 = 0,41°/% (1901/02) 
auf 192 = 0,36%/,, der Kopfstärke gesunken. Eigentliche Epidemien sind nicht 
aufgetreten. Die Sterblichkeit hat im Berichtsjahre um 1,3°%/, abgenommen; 
es starben 3 Mann, 2 davon waren mit Serum behandelt. Diphtberiebacilien 
wurden in 108 Fällen nachgewiesen. Mit Behringschem Serum wurden 129 
frisch Erkrankte und 1 Rückfälliger behandelt; Immunisierungen mit Heil- 
serum sind 24 mal vorgenommen. Nach einer Einspritzung von 1000 Anti- 
toxineinheiten trat einmal ein Hautausschlag auf. Aus der in tabellarischer 
Uebersicht aufgeführten Zusammenstellung über „die Menge des zu jeder 
Einspritzung zur Anwendung gekommenen Heilserums“ geht hervor, 
dass nicht unter 500, in der weitaus grössten Mehrzahl 1000 I1.-E. injiciert 
wurden. In der über die Gesamtmenge des bei jedem .Krankheitsfalle zur 
Anwendung gekommenen Heilserums aufgestellten Tabelle ist ersichtlich, dass 
bei einem Kranken 500 I-E., bei den meisten 1000—1500 1.-E. genügten; 
bei 25 Kranken wurden 2000—4000 1.-E. gebraucht. Der diphtherische 
Belag war bei 7 Kranken am 1. Tage nach der Einspritzung, bei der Mehr- 
zahl am 6.—10. Tage verschwunden. Zu vorbeugenden Einspritzungen kamen 
bei der Mehrzahl 200 Antitoxineinheiten, bei 3 Personen 1000, bei 1 Person 
1500 zur Anwendung. 

An Rose erkrankten 619 = 1,2%/,, K. 

An Wundinfektionskrankheiten sind 50 Fälle = 0,09°/,, aufgeführt. 

Milzbrand und Rotz kamen nicht vor. 

Die Erkrankungsziffer an Unterleibstyphus stellt sich auf 446 Mann = 
0,85%/,0; sie ist die bisher in der Armee beobachtete geringste. Auch das Ver- 


Statistik. 1161 


hältnis der Gestorbenen zur Gesamtzahl der Behandelten gestaltet sich zu den 
Vorjahren wieder etwas günstiger. Von dem Krankenpflegepersonal sind 
10 Sanitätsmannschaften und 4 Militärkrankenwärter erkraukt; ausserdem noch 
7 Mann, die sich bereits bei Ausbruch des Typhus wegen eines anderen Leidens 
in Lazarettbehandlung befanden. T'yphusepidemien in grösserem Umfange 
kamen vor in Gnesen (eine kleinere mit 26 und eine grössere mit 54 Fällen), 
in Trier mit 23, weiter in Schlettstadt, Posen und Stuttgart, ferner in 
kleinerem Umfange in Thorn, Stolp u.s.w. Eine typhusähnliche Epi- 
demie kam im Juli beim Militär-Reitinstitut vor. Nach dem Ausfall der 
Widalschen Reaktion wurden die Erkrankungen als Paratyphus ange- 
sprochen. 

Wechselfieber einheimischen Ursprungs kam nur in einigen wenigen 
Fällen zur Beobachtung. Bei 20 Kranken konnte festgestellt werden, dass 
sie vorher in Malariagegenden des Auslandes gewesen waren, und zwar in 
Afrika (4), als Fremdenlegionäre in den Tropen (4), Als Teilnehmer 
an der ostasiatischen Expedition in China (12), und dass die Mehrzahl 
davon an Wechselfieber gelitten hatte. Es handelte sich um drei- und ein- 
tägige Form. Während die Chininbehandlung meist Erfolg hatte, versagte 
sie in 3 Fällen vollständig. Gesteigerte Arsengaben brachten Besserung bezw. 
Heilung. 

Der Zugang an Grippe betrug 6258 Mann = 11,9% K. In mehreren 
Fällen trat die Grippe epidemisch auf; der Charakter war im allgemeinen 
leicht, nur in Gumbinnen war er schwerer. Miterkrankungen wurden be- 
sonders in Jena, Fulda und Zittau beobachtet. Schädigungen des Herzens 
kamen 8 mal vor. 

In der Zahl der tuberkulösen Erkrankungen wurde eine Abnahme 
gegen das Vorjahr beobachtet. Es erkrankten 1023 Mann = 1,9%, K. gegen 
1119 Mann = 2,1%), K. Von den gesamten Kranken (1023) litten an 
akuter Miliartuberkulose 29 = 0,06%, K.; an Tuberkulose der ersten 
Luftwege und Lunge 846 = 1,6°/% K.; an Tuberkulose der Knochen und 
Gelenke 51 = 0,10%, K. und endlich an Tuberkulose anderer Organe 
97 = 0,18%, K. Bei den meisten Fällen hatte der Keim der Tuberkulose 
schon vor Eintritt in den militärischen Dienst Eingang gefunden. Auch 
während der Dienstzeit erfolgte die Ansteckung mit Wahrscheinlichkeit in 
einigen Fällen, so durch einen tuberkulösen Stubenkameraden in Verden. 
Für den Ausbruch der Erkrankungen wurden meist Erkältungen, auch Ueber- 
anstrengungen im Dienst, je einmal Grippe, Masern und Syphilis angeschuldigt; 
in einigen Fällen waren die ersten tuberkulösen Erscheinungen im Anschluss 
an eine durch äussere Gewalteinwirkung hervorgerufene Lungenblutung auf- 
getreten. Zu diagnostischen Zwecken wurde die Tuberkulinreaktion mehr- 
mals herangezogen. 

An Ruhr betrug die Erkrankungsziffer 90 Mann = 0,17% K. Eine 
Epidemie mit 51 Fällen kam auf dem Schiessplatze Gruppe vor; die Ein- 
schleppung erfolgte durch umwohnende Civilpersonen, unter denen die Ruhr 
endemisch war. 

Der Zugang an Genickstarre betrug 36 Mann = 0,07°/% K., die Sterb- 


1162 Statistik. 


lichkeit 7 = 19,40%. Ein epidemisches Auftreten wurde in Hanan mit 18 Zu 
gängen beobachtet. Der Erreger der epidemischen Genickstarre wurde 3 mal 
in der durch Punktion gewonnenen Flüssigkeit des Wirbelkanals, 1 mal im 
Venenblut, 4 mal im Nasenschleim gefunden und zweimal aus der durch 
Leichenöffnung gewonnenen eitrigen Gebirnflüssigkeit gezüchtet. 

An Tetanus erkrankten 5 Mann —=0,01%% K.; zwei verliefen unter 
schweren Erscheinungen und tödlich. Der Erreger wurde in keinem Fall 
bakteriologisch festgestellt. Die Behandlung bestand in Anwendung von 
Tetanusantitoxin 200—500 Einheiten. 

An akutem Gelenkrheumatismus betrug der Zugang 4589 = 8,7%/% K., 
an chronischem 269 = 0,51% K. 

Unter den Komplikationen standen Erkrankungen des Herzens organischer 
und nervöser Art im Vordergrund. 

Durch Vergiftungen gingen 73 Mann = 0,14°/% zu Grunde, davon an 
Alkoholvergiftung 43 = 0,08°/%; an Vergiftung durch Gase 7 = 0,01%; 
und endlich an anderen Giften 23 Mann = 0,04°/%. Durch den Genuss ver- 
dorbener Nahrungsmittel (Leberwurst) wurde wahrscheinlich eine Massen- 
erkrankung in Gnesen (33 Zugänge) mit einem tödlichen Ausgang verursacht. 
Eine mit schweren Erscheinungen (Störung des Sehvermögens, Lähmungen) 
einhergebende Fleischvergiftung in Kiel ging in Heilung über. Nach dem 
Genuss von Kartoffelsalat (Solaninvergiftung) erkrankten in Strassburg 
62 Mann mit Erbrechen, Leibschmerzen, Durchfällen. 

An Hitzschlag kamen 74 Mann = 0,14%/,, in Zugang, davon starben 6. 

Bemerkenswert und von allgemein hygienischem Interesse sind dann noch 
einige Mitteilungen über das Auftreten der Weilschen Krankheit nach Fluss- 
bädern. Es kamen 5 Fälle vor, die sich in Strassburg, Hildesheim und 
Braunschweig abspielten. 

Von den Krankheiten der Atmungsorgane sei erwähnt, dass die Zahl 
der Zugänge gegenüber der im Vorjahr um 2456 Mann = 6,6%/% K. gestiegen 
ist, dass aber der Gesamtzugang sowohl als auch die Sterblichkeit an akuter 
Lungenentzündung abgenommen hat. 

Die venerischen Krankheiten wiesen gegen das Vorjahr (9910 Mann 
= 18,3%0 K.) einen Zugang von 10 216 Mann = 19,4%/,, K., mithin ein Mehr 
von 1,10/o0 K., auf. Wie gewöhnlich hatte der Monat Oktober (Rekrutenein- 
stellung) den höchsten Krankenzugang. 

Von den Augenkrankheiten, deren einzelne Gruppen zusammen eine 
etwas höhere Ziffer zeigen, sei angeführt, dass auf ansteckende Augenerkran- 
kungen im ganzen 253 Mann = 0,480/% K. kommen; bei der Rekruteneiostellung 
war wie gewöhnlich der Zugang am höchsten. An kontagiöser Augenentzün- 
dung erkrankten insgesamt 244 Mann = 0,46°/% K. Die Mehrzahl der Kranken 
war schon vor der Einstellung mit diesem Leiden behaftet. Eine endemische 
Verbreitung hatte die Erkrankung in der militärischen Bevölkerung nirgends 
angenommen. 

Von den 333 501 insgesamt behandelten Mannschaften sind 
dienstfähig geworden 308 970 = 926,4°/% der Behandelten oder 586,8% K. 
gestorben . . . . 745 = 2,20 n m m 1,4%; K. 
anderweitig abgegangen 16 495 = 49%% n i Fr 31,3% K 


Statistik. 1163 


Halbinvalide wurden im ganzen 3924 Mann = 7,5°/% K. (eine Zunahme 
gegen Vorjahr um 1,2%/90); als Ganzinvalide schieden aus 6814 Mann = 
12,9°/% K. Als Todesursache an Krankheit ergab sich die Ziffer von 689 Mann 
= 1,3% K.; an Selbstmord endeten 263 Mann = 0,50°%/,0, infolge Unglücks- 
falles 139 Mann = 0,26 %/yo- 

An wichtigeren im Berichtsjahre 1902/03 zur Ausführung gelangten sani- 
tären und hygienischen Massnahmen seien der folgenden Erwähnung 
getan. Neuere Garnisonlazarette wurden in Anklam, Brieg und Mülheim 
a. R. bezogen. Umbauten bezw. Erweiterungsbauten wurden vorgenommen in 
Tilsit, Paderborn, Goslar, Insterburg, St. Avold, Göttingen, 
Hirschberg. 

Den heutigen Ansprüchen entsprechende Operationsräume erhielten 
Neisse, Spandau, Brandenburg a. H,; mehrere Lazarette wurden mit neuen 
Desinfektionseinrichtungen ausgestattet. Im Lazarett Detmold wurde 
eine besondere Abteilung für Lungenkranke eingerichtet. Die Ver- 
pflegung der Mannschaften stand dauernd unter militärärztlicher Auf- 
sicht, wie auch der Kantinenbetrieb unter ständiger sorgfältiger Kontrolle. 
Durch Verfügung des Generalkommandos konnte ein wesentlicher Rückgang 
des Alkoholverbrauchs in den Kantinen beim I. A.K. erzielt werden. 

Der Trinkwasserversorgung wurde fernerhin die grösste Aufmerksamkeit 
geschenkt und ihre Verbesserung durch Neuanlegung von Brunnen, Enteisungs- 
anlagen u. s. w. angestrebt. In zahlreichen Garnisonen wurden militärfiska- 
lische Gebäude an städtische Sammelwasser-Versorgungsanlagen angeschlossen. 
In mehreren Garnisonen warden neue Schwimm- bezw. Badeanstalten 
eingerichtet. Soweit es möglich war, wurde bei Latrinen Anschluss an 
die allgemeine Kanalisation durchgeführt, bezw. die Einrichtung moderner 
Systeme in den Abortanlagen erstrebt. Die Feuerlatrinen in Weingarten 
‚wurden wegen des starken Geruches wieder abgeschafft. Auch der Gesund- 
heitspflege wurde in erhöhtem Masse Aufmerksamkeit geschenkt (regelmässige 
Gesundbeitsbesichtigungen, Belehrungen der Öfficiere und Mannschaften über 
Zahnpflege, Bedeutung der Geschlechtskraukheiten und ihre Verhütung und 
dergl. m.). Nieter (Halle a. S.). 


Sanitätsbericht über die Kaiserliche Ostasiatische Besatzungs- 
Brigade 1902/03. Bearbeitet von der Med.-Abt. des Kriegsministeriums. 
Berlin 1905. E. S. Mittler & Sohn. 

Die Gesamtzahl der Erkrankungen in der Ostasiatischen Besatzungs- 
Brigade betrug bei einer Durchschnittsstärke von 2941 Mann 2850 Mann 
Zugang = 969,1°/% K. Im Oktober 1902 erreichte infolge Malaria und Ruhr 
der Zugang seine höchste Ziffer. 

Bei den Infektionskrankheiten hat sich der Zugang gegen das Vor- 
jahr um 52,7%/,0 K. verringert; der Rückgang ist hauptsächlich den hygienisch 
getroffenen Massnahmen gegen Seuchenbekämpfung zuzuschreiben. Im ganzen 
belief sich der Zugang auf 455 Mann = 154°/% K. 

An Typhus erkrankten 41 Mann = 13,9°/%. Nach den bereits früher 
gemachten Erfahrungen trat der Typhus am heftigsten in den Monaten Sep- 


1164 Statistik. 


tember, Oktober und November auf. Eine kleine Epidemie kam in Yangtsun 
zur Beobachtung (10 Fälle). In Tientsin (21 Fälle) bildete die Ansteckungs- 
quelle der als verseucht betrachtete Peiho. 

Von dem Krankenpflegepersonal erkrankte ein Sanitätsunteroffizier. Von 
den insgesamt Behandelten 52 (11 Bestand aus Vorjahr) starben 2 Mann 
= 3,8%,,. 

An Malaria betrug der Zugang 172 Fälle = 58,5°%/, K. (61,1% K. 
weniger als im Vorjahr). Der Rückgang war hauptsächlich in der Auflösung 
der Garnison Shanghai zu suchen, auf die nach dem letzten Sanitätsbericht 
fast 1/3 aller Malariaerkrankungen entfiel, und weiterhin in der systema- 
tischen Durchführung der Bekämpfung der Malaria im Sommer 1903. 
Von den verschiedenen Malariaformen wurden am häufigsten Tertiana, oft 
als Tertiana duplex, beobachtet.. Tropica kam 6mal=3,5%/, des Zu- 
ganges in Shanghai vor. Quartana wurde niemals beobachtet. 

Unter 172 Zugängen waren 76 Rückfälle (= 44,2%/,) bereits durchge- 
machter Erkrankungen. Die Behandlung bestand in der Verabfolgung von 
Chin. mur. pulv. in Oblaten nach den Kochschen Grundsätzen. Chinin- 
tabletten erwiesen sich oft unzuverlässig, weil sie leicht unverdaut abgingen. 

Nach der Malaria hatte die Ruhr den höchsten Zugang aufzuweisen 
mit 117 Mann = 39,8%/90; gegen das Vorjahr eine Verminderung von 4,9%/K. 

An asiatischer Cholera erfolgte im Gegensatz zum Vorjahr kein Zugang. 

Bei den Krankheiten der Atmungsorgane hatte sich der Zugang gegen 
das Vorjahr um 25,9°/% K. vermindert. An venerischen Erkrankungen 
belief sich der Zugang auf 392 = 133,3%/go- 

Bei den Augenkrankheiten kamen kontagiöse Formen nicht in 
Zugang. 

Von den insgesamt Behandelten sind f 
dienstfähig geworden . 2564 = 885,4 °/%ø der Behandelten oder 871,8°/% K. 
gestorben . . ... 15 = 52%% » Š en 5,1%0 K. 
anderweitig abgegangen 184 = 63,5% » A „62,6%. K. 

Die Gesamtzahl aller Todesfälle innerhalb und ausserhalb militär-ärztlicher 
Behandlung beläuft sich auf 17 = 5,8 %o K. 

davon durch Krankheit 12 = 4,1 0%% K. 

Verunglückung 4 = 1,4 ø K. 
Selbstmord 1 = 0,834% K. 

Zum Schluss seien noch einige Mitteilungen über die Tätigkeit des hygie- 
nisch-chemischen Laboratoriums in Tientsin gebracht. Insgesamt wurden 
1287 mikroskopische und bakteriologische Untersuchungen ausgeführt, aus- 
schliesslich Untersuchungen auf Gonokokken und ausschliesslich der mikrosko- 
pischen Harnuntersuchungen. 

Blutuntersuchungen auf Widalsche Reaktion: 77 davon 32 positiv; auf 
Malaria: 573, davon 23 positiv. Bei 3 Untersuchungen auf Choleravibri- 
onen im Stuhl fiel eine positiv aus (zugereiste Civilperson in Shanghai). 
An umfangreicheren Arbeiten wurden besonders Untersuchungen über die Aeti- 
ologie der Ruhr vorgenommen. 

Einer dauernden Kontrolle unterstanden die Herstellung des künst- 


Kleinere Mitteilungen. 1165 


lichen Eises, des destillierten und namentlich des Selterswassers, 
sowie die Abkochungen des Gebrauchswassers für die Garnison. Auch 
die Nahrungsmittel, die ständig einer chemischen Prüfung unterworfen 
waren, boten vielfach Gelegenheit zu bakteriologischer Mitbeteiligung. 

Die Wirksamkeit der aus Tientsin bezogenen Lymphe wurde an einen 
Kalbe erprobt. Für Herstellung von Testseris für Rubr und Typhus 
wurde durch Immunisierung geeigneter Tiere gesorgt. 

Nieter (Halle a.S.). 


Kleinere Mitteilungen. 


C) Deutsches Reich. Stand der Bevölkerung. Nach den vom Kaiserl. 
Statistischen Amte im März d.J. veröffentlichten vorläufigen Ergebnissen der Volkszäh- 
lung vom 1. Dec. 1905!) betrug an diesem Tage die ortsanwesende Bevölkerung des 
Deutschen Reiches 60605183 Personen; mithin ist in den letzten 5 Jahren die Ein- 
wohnerzahl um 7,520, gewachsen. Auf je 10000 männliche Personen kamen 
10291 weibliche Personen. Mit mehr als eine Million sind an der Gesamtbevölkerung 
6 Bundesstaaten und die Reichslande beteiligt, nämlich Preussen (37,3) Millionen, 
Bayern (6,5), Sachsen (4,5), Württemberg (2,3), Baden (2,0), Hessen (1,2), Elsass- 
Lothringen (1,8); auf die übrigen 19 Bundesstaaten, von denen Hanıburg die höchste 
Einwohnerzahl hatte, entfielen somit nur 8,21°/9 der Gesamtbevölkerung des Reiches. 

In den 41 Grossstädten (Städten mit 100000 und mehr Einwohnern) waren 
am Zählungstage 11498049 Personen oder 18,97°/, der Reichsbevölkerung ortsan- 
wesend; von diesen Grossstädten zählte Berlin allein 2040222 und zusammen mit 
seinen Vororten — von denen Charlottenburg, Schöneberg und Rixdorf selbst Gross- 
städte sind — 2989126 Einwohner. 

Mehr als 20000 Einwohner hatten ausser den 41 Grossstädten noch 181 Stadt- 
gemeinden und 27 Landgemeinden, doch war in 7 Staaten des Reiches keine einzige 
so stark bevölkerte Gemeinde vorhanden, nämlich in Mecklenburg-Strelitz, Sachsen- 
Meiningen, Schwarzburg-Rudolstadt, Schwarzburg-Sondershausen, Waldeck, Schaum- 
burg-Lippe und Lippe. 

Von wichtigen Kulturstaaten haben lediglich Russland und die Vereinigten 
Staaten von Amerika eine grössere Einwohnerzahl als Deutschland aufzuweisen, 
denn im europäischen Russland lebten nach der im Jahre 1897 stattgefundenen 
Zählung 102,8 Millionen und in den Vereinigten Staaten nach dem Census von 
1900 76,2 Millionen Einwohner. An Bevölkerungsdichtigkeit wird Deutschland 
— wenn man von sehr viel kleineren Ländern, wie Belgien, den Niederlanden u.s.w. 
absieht — namentlich von Grossbritannien und von Japan übertroffen. Auf je lqkm 
entfallen in Grossbritannien und Irland 132 Personen, in Japan 122, im Deutschen 
Reiche 112,1, ferner z. B. in Frankreich 72,6, in Spanien 36,9, in Schweden 11,5. 
Unter den Staaten des Deutschen Reiches ist, abgeschen von den 3 Hansastaaten, 
das Königreich Sachsen am dichtesten bevölkert (300 Einwohner auf je 1 qkm); 
demgegenüber sind Mecklenburg-Strelitz (35,2), Mecklenburg-Schwerin (47,6) und 
Waldeck (52,8) am dünnsten bevölkert. 

(Veröff. d. Kais. Ges.-A. 1906. No. 21. S. 530.) 


1) Vierteljahrshefte zur Statistik des Deutschen Reiches Jahrg. 15. H. 1. 
S. 339—350. 


1166 Kleinere Mitteilungen. 


(:) Gesundheitsverhältnisse im Verwaltungsbezirk London während 
des Jahres 1904. (Nach dem Report of the public health committee of the London 
County Council.) 

Der Verwaltungsbezirk, welcher als Grafschaft London bezeichnet wird, 
war um die Mitte des Jahres 1904 angeblich von 4648950 Personen bewohnt; er 
zerfällt nach dem vorliegenden Berichte der Gesundheitsbehörde in 29 Gebiete (sanitary 
areas), von denen einzelne, wie Islington, Lambeth, Stepney mehr als 300000 Ein- 
wohner haben, während auf die sogenannte city of London nur 23482 Bewohner ent- 
fallen. 

Da im Laufe des Berichtsjahres unter der Gesamtzahl der Bewohner der Graf- 
schaft 39586 Ehen geschlossen und 129335 Kinder lebend geboren wurden, war die 
Eheschliessungsziffer 17,0 und die Geburtsziffer 27,9; beide Ziffern sind kleiner als 
die jedes der drei Vorjahre, auch kleiner als die Durchschnittsziffern, welche für jedes 
der seit 1851 abgelaufenen Jahrzehnte errechnet worden sind. 

Die Zahl der Sterbefälle betrug 74555 und ist seit dem Vorjahre um 4818 
angewachsen; auf je 1000 Lebende starben 16,1, dagegen während des Vorjalıres 
nur 15,2 Personen. Zieht man auch diejenigen Bewohner Londons in Rechnung, 
welche ausserhalb des Weichbildes der Grafschaft in den Krankenhäusern, Irrenan- 
stalten und Arbeitshäusern der Hauptstadt gestorben sind, bringt aber die in solchen 
Anstalten innerhalb der Grafschaft gestorbenen Nicht-Londoner in Abzug, so war die 
Sterbeziffer für das Berichtsjahr 16,6 und für die zehn Vorjahre im Mittel 18,3%;g. 

Von wichtigeren Todesursachen sind im Jahre 1904 namentlich Typhus und 
Diphtherie seltener als im Vorjahre eingetragen; die meisten anderen aufgeführten 
Krankheiten oder Krankheitsgruppen haben zwar häufiger als im Vorjahre, indes immer 
noch seltener als im Durchschnitt der 10 Vorjahre zum Tode geführt. Nur Todesfälle 
infolge von Durchfall, Lungenentzündung, Krebsleiden und Krankheiten 
der Harnorgane, sowie Selbstmorde sind häufiger als im Durchschnitt der 
letzten 10 Jahre beobachtet. Die Zahl der Todesfälle an Diphtherie war z. B. um 
1183, an Schwindsucht und anderen Formen der Tuberkulose um 907, an Krankheiten 
der Atmungsorgane um 2449 geringer als durchschnittlich in jedem der 10 Vorjahre, 
auch an tödlichen Unglücksfällen sind 582 weniger als sonst gezählt; das Jahr 1904 
darf demnach als ein in gesundheitlicher Hinsicht günstig verlaufenes bezeichnet 
werden. 

An den Pocken erkrankten 489 und starben 25 Personen, ausserdem wurden 
2 Todesfälle auf Kuhpocken bezw. Folgen der Impfung zurückgeführt; an Scharlach 
erkrankten 13439 (und starben 365) Personen, an Diphtherie 7219 (723), an 
Unterleibstyphus 1896, d. i. 443 weniger als im Vorjahre (286, d. i. 82 weniger). 
Die sehr verschiedene Erkrankungsziffer an Typhus in den einzelnen Gebieten der 
Grafschaft wird u.a. damit in Zusammenhang gebracht, dass unter der armen Be- 
völkerung erweislich eine sehr vielhäufigere Uebertragung von Person zu Person 
stattfand; als infektionsverdächtige Nahrungsmittel werden auf Grund der ärztlichen 
Berichte über den Typhus Schaltiere (Muscheln, Krebse u. s. w.), geröstete Fische 
und die Wasserkrebse genannt. 

An Durchfall und Ruhr (einschl. der „infektiösen Enteritis“, welche wohl 
dem „einheimischen Brechdurchfall“ entspricht) starben 4801 Personen, darunter 
3721 Kinder des ersten Lebensjahres, 707 Kinder von 1—5 Jahren und 220 Personen 
über 60 Jahre. 

Im Laufe des ersten Lebensjahres starben im ganzen 18738 Säuglinge, 
d. i. 14,5 auf je 100 Lebendgeborene, als Todesursache ist bei diesen Kindern u. a. 
2639 mal „vorzeitige Geburt“ angegeben. Durchfälle wie erwähnt bei 3721, ausserdem 


Kleinere Mitteilungen. 1167 


aber „nicht epidemischer Darmkatarrh“ und Magendarmkatarrh bei 706, tuberkulöse 
Leiden einschl. Skrofeln bei 888, Lungenentzündung oder Bronchitis bei 2996, Krämpfe 
bei 1120. Bemerkenswert sind noch 533 Säuglingstodesfälle infolge „Erstickung im 
Bett“, 141 durch andere Verunglückung und 26 durch Mord oder Totschlag. 

Im Lebensalter von 1—5 Jahren starben 8783 und im Alter von 5—10 Jahren 
1424 Kinder, so dass auf je 1000 im ersten Lebensjahre gestorbene Säuglinge nicht 
weniger als 545 Todesfälle von Kindern im höheren Alter bis zu 10 Jahren entfielen. 
In Berlin, wo allerdings die Säuglingssterblichkeit (auf je 1000 Lebendgeborene) eine 
höhere war, sind dafür auf je 1000 im ersten Lebensjahre Gestorbene nur 378 Todes- 
fälle von Kindern im Alter von über I bis zu 10 Jahren entfallen. 

(Veröff. d. Kais. Ges.-A. 1906. No. 17. S. 387/388.) 


(:) Aegypten. Pilgerfahrt der Mohamedaner von 1905. 

Einem Berichte über die an der Westküste des Roten Meeres gelegene, zur Auf- 
nahme der sudanesischen Bettelpilger bestimmte Quarantänestation zu Suakim!) ist 
zu entnehmen, dass dort vom 16. März bis Ende Juli 1905 nur 477 aus dem Hedjaz 
zurückkehrende Pilger angekommen und verpflegt worden sind, trotzdem auf der 
Hinfahrt nach dem Hedjaz nicht weniger als 1515 Pilger, die — bis auf 164 
zahlungsfähige — fast alle zu den sogenannten Fakruris, d. h. zu den sudanesischen 
Bettelpilgern gehörten, über Suakim gekommen waren. Der Verf. des Berichts nimmt 
an, dass die übrigen später heimlich auf anderen Wegen, z. B. über Massaua, heim- 
zukehren gedachten, um sich den Quarantänemassnahmen zu entziehen. 

Bei der Ankunft jedes Bootes (Sambouk) mit Pilgern werden die Frauen sofort 
von 2 eingeborenen Wärterinnen zum Brausebad geleitet und hier gereinigt, während 
die Kleider in den Dampfdesinfektionsapparat kommen; die Männer werden dement- 
sprechend, aber nicht unter der Brause, sondern durch ein Seebad gereinigt; etwaige 
Ledersachen, welche die Desinfektion mittels Wasserdampfes nicht vertragen, werden 
mit 5 proz. Karbolsäurelösung übergossen. Zur Aufnahme dienen 30 in 2 parallelen 
Reihen errichtete Zelte für insgesamt 400 Personen, 2 weitere Zelte sind für die 
Wächter bestimmt, auf Reinlichkeit der latrinen wurde angeblich besonders geachtet, 
das Wasser wird als gut, die Einrichtung der Wasserleitung als „vorzüglich“ geschildert. 
Die Lieferung der Lebensmittel war einem europäischen Unternehmer übertragen, der 
aber bei den meist mittellosen Pilgern schlechte Geschäfte machte; die sudanesische 
Regierung liefert jedem Pilger 2 trockene Brötchen als T'agesration. Der Gesundheits- 
zustand im Lager war andauernd gut, nur 2 mehr als 80 Jahre alte Greise starben, 
der eine an chronischer Ruhr, der andere an einer Lungenentzündung, 3 Pockenkranke 
konnten nach 2ötägiger Behandlung für geheilt erklärt werden. Alle Pilger wurden 
täglich 2mal, angeblich sehr sorgfältig, untersucht, 

(Veröff. d. Kais. Ges.-A. 1906. No. 12. S. 276.) 


1) Rapport sur le campement quarantenaire de Suakim pendant le retour du 
pélerinage de 1905 par le Dr. J. Fronista. 


Beilage zur „Hygienischen Rundschau‘. 
XVI. Jahrgang. Berlin, 15. Oktober 1906. No. 20. 


Verhandlungen der Deutschen Gesellschaft für öffentliche Gesundheitspflege 
zu Berlin:). 


Sitzung vom 6. März 1906. Vorsitzender: Herr Wehmer, Schriftführer: 
Herr Proskauer. 


Herr G. Goldbeck: Ueber einen Wohnungs-Entstaubungsapparat „Syst. 
Schauer", (Mit Demonstrationen.) 

Sehr geehrte Herren! Auf dem Gebiete der Wobnungs-Entstaubung 
sind in den letzten Jahren mancherlei Erfindungen gemacht worden, aber eines- 
teils bewährten sich die betreffenden Apparate nicht, andernteils waren sie 
zu teuer und umständlich, um allgemeine Anwendung finden zu können. Es 
war daher die Benutzung brauchbarer Entstaubungsapparate auf einen kleinen 
Kreis sehr zahlungsfähiger Interessenten beschränkt geblieben. In weiten 
Kreisen weiss man jedoch noch gar nicht, welche kolossalen, nach vielen 
Kilogramm zählenden Staubmassen sich in den Wohnungen im Laufe der Zeit 
aufspeichern, man begnügt sich, täglich Staub zu wischen und gelegentlich 
die Teppiche, Polstermöbel, Vorhänge auszuklopfen, welch’ letzteres Ereignis 
von unsern Hausfrauen einige Male im Jahre vorgenommen, als „Grosses 
Reinemachen“ bezeichnet, wenig Freude bei den daran beteiligten Familien- 
mitgliedern, aı wenigsten beim Hausherrn, hervorruft. 

An derselben Stelle wurde Ihnen vor einiger Zeit ein Vortrag von dem 
Direktor der „Deutschen Vakuum-Gesellschaft“ gehalten, welcher in ausführ- 
licher Weise die Vorteile einer Entstaubung durch einen Apparat bewies, der 
imstande ist, durch ein erzieltes Vakuum die zu reinigenden Gegenstände an 
Ort und Stelle durch Saugkraft vom Staub zu befreien. In der gleichen Zeit 
hat Herr Geheimrat Proskauer eine Reihe sehr lehrreicher Versuche 
angestellt, um die Wirkungsweisen der verschiedenen Reinigungsverfahren zu 
prüfen. Dabei hat sich gezeigt, dass mit Hilfe der alten Reinigungsmethode 
nur eine sehr unvollkommene Entstaubung zu erzielen ist. Durch Bestimmung 
der vorhandenen Bakterienmengen vor und nach der Reinigung hat Herr 
Geheimrat Proskauer den Grad der mehr oder weniger vollkommenen Ent- 
staubung ermittelt. Die Angaben erhielten die Herren Mitglieder dieses Ver- 
eins in ihrer Zeitschrift, und ich möchte mir nur zu bemerken erlauben, dass 
bei gründlicher mechanischer Entstaubung ein Teppich zum Beispiel (doppel- 
seitiges Klopfen desselben) noch etwa 50%, Staub enthielt, während durch 
den Vakuumreiniger eine Reinheit von über S00/, erzielt wurde. 

Die rationelle Staubbeseitigung in Wohnräumen ist eine Frage von 


1) Alle auf die Herausgabe der Verhandlungen der Deutschen Gesellschaft für 
öffentliche Gesundheitspflege zu Berlin bezüglichen Einsendungen u. s. w. werden an 
die Adresse des Schriftführers der Gesellschaft, Geh. Reg.-Rat Prof. Proskauer, 
Charlottenburg. Uhlandstr. 184, I, erbeten. Die Herren Autoren tragen die Verant- 
wortung für Form und Inhalt ihrer Mitteilungen. 


Verhandl. der Deutschen Gesellschaft für öff. Gesundheitspfl. zu Berlin. 1169 


hober bygienischer Bedeutung. Ich brauche daher nicht nochmals Sie, 
meine Herren, auf die Schädlichkeit des alten Systems aufmerksam zu 
machen: der Staub, der hier durch Klopfen und Bürsten entfernt wird, 
setzt sich dort wieder fest, während durch einen Saugluftapparat der Staub 
wirklich beseitigt ist. 

Die Vakuum-Gesellschaft erzielt nun das zum Entsaugen des Staubes 
nötige Vakuum vermittels Kolbenluftpumpen. Um nun diese Pumpen, von 
deren tadellosem Funktionieren alles abhängt, vor dem Verstauben zu schützen, 
hat dieselbe vor der Luftpumpe einen praktikablen Filter, bestehend aus fein- 
maschigem, festem Stoff eingeschaltet. Abgesehen davon, dass durch dieses 
Zwischenschalten des Filters ein erheblicher Teil der Saugkraft für die Arbeit 
verloren wird, hat diese Einrichtung auch noch den grossen Nachteil, dass 
Umstände eintreten können, welche den ganzen Betrieb in Frage stellen. Auch 
vom wirtschaftlichen Standpunkt ist die Reinigung der V.-G. insofern zu bean- 
standen, als infolge der teuren Maschinen, Wartung und Reinigung derselben, 
der von vornherein an die englische Muttergesellschaft zu entrichtenden hohen 
Licenz die Kosten einer Wohnungsentstaubung derartig hohe werden, dass nur 
eine beschränkte Anzahl von wohlhabenden Personen sich der Vorteile dieser 
Entstaubung bedienen kann. 

Der heute hier mit anwesende Herr Schauer hat es nun verstanden, 
durch seine Erfindung alle Vorteile dieser Reinigungsmethode mit einem 
billigen Anschaffungspreis und geringen Betriebskosten zu vereinigen. 

Für durchschnittlich 900 M. kann sich ein jedes Wohnhaus eine Saugluft- 
Entstaubungsanlage beschaffen, an welche jede einzelne Wohnung angeschlossen 
ist. Die gesamte Einrichtung ist so einfach, dass sie durch jedes Dienstmädchen 
benutzt werden kann. Die erforderliche Betriebskraft wird der Wasserleitung 
entnommen, der abgesaugte Staub gelangt zusammen mit dem Betriebswasser 
in die Kanalisationsleitung und wird so endgültig beseitigt. Der Betrieb ist 
ganz geräuschlos, welches auch ein grosser Vorteil gegenüber der V.-G. ist, 
den einer oder der andere der anwesenden Herren wohl auch schon empfunden 
hat. Durch das Geräusch, welches der Motor der V.-G. erzeugt, haben sich 
schon einige Hausbesitzer auf Reklamation der Mieter bemüssigt gesehen, die 
Reinigung durch die Vakuum-Gesellschaft zu untersagen. Auch dieser Uebel- 
stand fällt bei dem „System Schauer“ fort. Es stellen sich die Betriebskosten 
bedeutend niedriger als das Klopfenlassen der Teppiche ausserhalb, abgeschen 
von der Umständlichkeit, dass diese daun erst fortgeschafft werden müssen, 
während durch unsere Saugluft-Entstaubungsanlage alles an Ort und 
Stelle gründlich gereinigt wird. 

Ich werde mir nun erlauben, Ihnen an einem kleinen Versuchsapparat 
die Wirkung unseres „System Schauer“ zu demonstrieren. Ich muss aber 
im Voraus bemerken, dass dieser Apparat nur einen kleinen Teil der Saug- 
kraft darstellt, wie ihn eine Centralbausanlage hat. Ich möchte mir da- 
her erlauben, Ihnen an der Hand der Abbildung!) (Fig. 1) die Anlage zu 


1) Für öffentliche Gebäude, Krankenhäuser, Hötels, Theater, grosse Wohnhäuser 
u. s. w., überall dort, wo mit einem grossen Druck schnell eine gründliche Reinigung 


1170 Verhandl. der Deutschen Gesellschaft für öf. Gesundheitspfl. zu Berlin. 


Fig. 1. 


erzielt werden soll, hat Herr Schauer einen Apparat konstruiert, der imstande ist, 
bei ganz geringen Betriebskosten dieses zu erzielen. Wie Fig. 2 zeigt, wird auf einem 


vigiizes sy Google 


Verhandl. der Deutschen Gesellschaft für öff. Gesundheitspfl. zu Berlin. 1171 


erklären, und hieran einige praktische Versuche mit dem kleinen Apparat 
anschliessen. 

Im Keller ist über einem Ausgussbecken der Luftsauger montiert, von dem 
aus eine eiserne Rohrleitung (z. B. durch die Korridore gehend) im Haus 
hochführt. An diese Leitung ist zur Verstärkung der Saugwirkung im Keller 
ein eisernes Luftbassin angeschlossen, und in jeder Etage bezw. jeder Wohnung 
befindet sich eine, für gewöhnlich verschlossene Verschraubung, an die der 
für die Wohnung genügend lange Saugschlauch angebracht werden kann. 
Der Schlauch endigt in ein Ventil mit breitem Mundstück. Wird nun der 
Wasserleitungshahn geöffnet, an welchem der Saugapparat (die Ihnen be- 
kannte grosse Wasserstrahlpumpe in Specialausführung) verschraubt ist, so 


eisernen Bassin eine Rotationspumpe montiert, die durch einen Motor angetrieben die 
Wasserleitung ersetzt. Mit diesem Apparat, der auf Räder gesetzt, auch ambulant zur 
Verwendung gelangen kann, ist man imstande, mit mehreren Schläuchen zugleich zu 
arbeiten. Es wird ein solcher Apparat, der, zu gleicher Zeit mit drei Schläuchen 
arbeitet, z. Z. in das Neue Schauspielhaus am Nollendorfplatz eingebaut. Auch für 


Fig. 2. 
Krankenhäuser eignet sich der fahrbare Saugapparat vorzüglich; man kann mit ihm 
in den einzelnen Pavillons, Baracken und sonstigen Gebäuden die Wände, Matratzen, 
kurz alle Gegenstände gründlich reinigen. Sämtliche Apparate sind im Bureau des 
Herrn Ingenieur Schauer, Kleiststr. 3, im Betriebe zu sehen; auch ist der Vor- 
tragende selbst gern bereit, hierüber Auskunft zu erteilen. 


1172 Verhandl. der Deutschen Gesellschaft für öff. Gesundheitspfl. zu Berlin. 


reisst der durch den Sauger fliessende Wasserstrahl die Luft mit sich fort 
und stellt sehr schnell in dem Luftbassin, bezw. der Rohr- und Schlauch- 
leitung ein starkes Vakuum her. Wir sehen in der Abbildung das Haus- 
mädchen damit beschäftigt, ein Sofa zu reinigen: sie führt das Ventil 
mit dem breiten Mundstück (Düse) über den zu reinigenden Gegenstand. 
Der vorhandene Staub wird durch die Saugkraft entfernt, mitgerissen und 
zugleich mit dem Betriebswasser in die Kanalisation gespült, also endgültig 
beseitigt. 

In Mietshäusern wird der Gebrauch der Anlage allgemein so geregelt, 
dass der Portier den Schlauch aufbewahrt. Will ein Mieter die Vorrichtung 
benutzen, so wendet er sich an den Portier, der den Schlauch an die be- 
treffende Verschraubung der Wohnung anschliesst und dann den Hahn in der 
Wasserzuführungsleitung zum Luftsauger öffnet. Der Apparat ist dann zum 
beliebigen Gebrauch fertig. Nach Beendigung der Reinigungsarbeiten wird 
dem Portier davon Mitteilung gemacht, der das Wasser abstellt, den Schlauch 
in der Wohnung abschraubt und die Zeit der Benutzung notiert. Der Wasser- 
verbräuch für den Betrieb dieser Centralanlage ist ca. 5 cbm per Stunde. 
Der Hauswirt erhebt nun im allgemeinen von dem Benutzer pro Stunde eine | 
Gebühr von 1 M., womit der Preis des Betriebswassers und die Amortisation 
der Anlage innerhalb durchschnittlich zweier Jahre bestritten wird. 

Bei achtstündiger Arbeitszeit einer Person würde also der Betrieb mit dem 
Apparat einer Centralanlage 8 M. kosten. Diese Zeit reicht vollständig aus, 
um eine Durchschnitts- (5—6 Zimmer-)Wohnung vollkommen zu entstauben! 
Ohne Unbequemlichkeiten des Herausnehmens der zu „klopfenden“ Gegen- 
stände, ohne das fürchterliche Geräusch des Teppichklopfens in den Höfen, 
worüber Herr Geheimrat Prof. Dr. Ewald vor Kurzem in seinem fesselnden 
Vortrage so drastische und anschauliche, Schilderungen gab! Und dann, das 
ist für Sie meine Herren, als Hygieniker, ja die Hauptsache, der bakterien- 
volle schädliche Staub ist endgiltig beseitigt. Er fliegt nicht in grauen 
Schwaden im Hof herum, wie das jetzt der Fall beim Klopfen ist, er 
wird von den Sofas nicht hier durch Bürsten entfernt, um sich dort wieder 
häuslich niederzulassen! Die Vakuum-Gesellschaft erreicht durch ihre Appa- 
rate zwar auch eine hygienische Entstaubung! Volkswirtschaftlich aber hat 
sie nur für die bemittelten Klassen einen Zweck, denn 50- 60 M. für Reini- 
gung einer Wohnung kann sich nicht jeder leisten, wohl aber 10 M. Darum 
hoffe ich, dass in absehbarer Zeit ein jedes Haus, wie es mit einer Badevor- 
richtung zur Körperpflege, mit einem Entstaubungsapparat „System Schauer“ 
zur hygienischen Entfernung des Staubes und der darin enthaltenen Krankheits- 
keime versehen sein wird. 

Ich möchte mir noch beizufügen erlauben, dass nicht nur in Neubauten 
diese Centralanlage angebracht werden kann, wie wir es tatsächlich schon bei 
der Hälfte der Neubauten herrschaftlicher Häuser im neuen Westen getan 
haben, sondern auch in jedes schon vorhandene Haus kann die Anlage be- 
quem eingebaut werden. Sollte die Durchlegung der Rohre durch die Klosets 
der hinteren Räumlichkeiten mit Schwierigkeiten verknüpft sein, können die- 
selben auch an den Hofmauern, aussen hochgeführt werden, etwa wie ein Blitz- 


Verhandl. der Deutschen Gesellschaft für Öff. Gesundheitspfl. zu Berlin. 1173 


ableiter!' Man kann aber auch von eisernen Leitungen ganz absehen und einen 
längeren Schlauch verwenden, der von der Hofsohle aus durch ein Fenster in 
die Wohnung eingeführt wird, so dass die erforderliche Montagearbeit auf ein 
Minimum reduciert wird. 


Herr Dr. Otto Juliusburger: „Alkoholismus und Verbrechen". 

Meine Damen und Herren! Von einem wahren inneren Feinde wird 
unsere Gesellschaft täglich umlagert und bedroht und tagaus tagein auf das 
Empfindlichste geschädigt. Aber bedauerlicherweise geht man an diesem 
Feinde noch sehr achtlos vorüber, und nur dann und wann, wenn sich wieder 
einmal ein heftiges Gewitter entladet und die Blitze taghell das Heereslager 
dieses Feindes beleuchten, dann schreckt man auf und dann ertönt auch der 
grollende Donner des erregten Gesellschaftsgewissens. Aber sehr bald, wenn 
die Luft scheinbar gereinigt ist, legt man sich wieder auf das Ruhebett der 
behaglichen Tradition und der überkommenen Vorurteile. 

Dieser innere Feind ist das Heer der Verbrecher. Die Auffassung über 
die Natur des Verbrechers ist ja noch sehr geteilt, und ich glaube, dass 
Enrico Ferri sehr präcis die einander gegenüberstehenden Anschauungen 
zusammengefasst hat, wenn er sagt: „Das klassische Strafrecht gründet sich auf 
folgende Postulate: 1. dass der Verbrecher dieselben Gefühle und Anschauungen 
hat wie alle Welt; 2. dass die wesentliche Wirkung der Strafen die Hinde- 
rung der Zunahme der Verbrechen ist; 3. dass der Mensch Willensfreiheit 
besitzt und schon allein deshalb für seine Handlungen verantwortlich ist. 

Dieser Anschauung gegenüber steht die Ferrische, der ich mich im 
wesentlichen anschliesse. Nach dieser gegenteiligen Auffassung ist „der ver- 
brecherische Mensch durch seine ererbten oder erworbenen Eigenschaften eine 
besondere Varietät der menschlichen Art. 2. Das Auftreten, die Zunahme, die 
Abnahme und das Verschwinden der Verbrechen hängt von ganz anderen 
Faktoren ab als den vom Gesetze vorgeschriebenen und von den Richtern 
angewendeten Strafen. 3. Der freie Wille ist nur eine subjektive Illusion, 
welche durch die wissenschaftliche Psycho-Physiologie aufgehoben wird.“ 

Ferri gibt dann in seinem Buche eine sehr gute Einteilung der Ver- 
brechen, und da finden wir schon den ätiologischen Faktor wesentlich hervor- 
gehoben. Bleiben-auch wir bei der heutigen Betrachtung bei der Aetiologie 
steben. Wir wollen einer specifischen Art der Verbrechen unser Augenmerk 
zuwenden, nämlich der alkoholischen, und zwar denjenigen Verbrechen, 
die nachweislich unmittelbar im Zusammenhang mit Alkohol stehen. Aus 
dieser Fassung des Problems ergibt sich die Klarheit der Ursache einer grossen 
Gruppe von Verbrechen und zweitens die Möglichkeit der richtigen Behandlung 
derselben. 

Zunächst ein kurzes Wort über den Zusammenhang des Verbrechens mit 
dem Alkohol. Da weise ich auf die Ergebnisse der Statistik hin und zwar 
in erster Linie auf die bahnbrechenden Untersuchungen des Herrn Geh. Rat 
Baer, wie sie in seinem wohl für alle Zeiten grundlegenden Werke „Der 
Alkoholismus“ enthalten sind. Ich hebe ferner die statistischen Zahlen von 
Löffler in Wien hervor und empfehle angelegentlich das Studium des Werkes 


1174 Verhandl. der Deutschen Gesellschaft für öf. Gesundheitspfl. zu Berlin. 


von Dr. Helenius: „Die Alkoholfrage“!). Recht interessant sind die Unter- 
suchungen des schweizerischen Untersuchungsrichters Lang in Zürich. Nach 
ihm wurden im Jahre 1891 vor dem Bezirksgericht in Zürich 141 Personen 
wegen Körperverletzung verurteilt. Die Tat war verübt worden am Sonnabend 
von 18 Verurteilten, am Sonntag von 60, am Montag von 22, an einem anderen 
Tage, aber nachts oder in Wirtschaften von 25, zur Tageszeit am Dienstag, 
Mittwoch, Donnerstag, Freitag von je 4. In demselben Jahre wurden 61 Per- 
sonen wegen Eigentumsbeschädigung bestraft; die Tat war verübt worden am 
Sonnabend von 13 Verurteilten, am Sonntag von 15, am Montag von 7, er- 
wiesenermassen nachts oder in Wirtschaften von 19. 

Es ist ausserordentlich durchsichtig, wie gerade an den Tagen, wo kraft 
der gesellschaftlichen Verhältnisse die Gelegenheit zum Trinken besonders 
gegeben ist, dann auch. die alkoholischen Verbrechen erheblich in die Höhe 
gehen. Ich habe mir aus der jüngsten Zeit 303 Fälle zusammengestellt, 
ganz so, wie sie einfach die täglichen Nachrichten einliefern. Von diesen 
waren 128 abgestrafte Verbrechen im unmittelbaren Anschlusse an das Ver- 
lassen des Wirtshauses zu Stande gekommen, 28 gelegentlich von Gelagen und 
öffentlichen Tanzvergnügungen. Wenn man auf der einen Seite die Freuden 
und Annehmlichkeiten des Wirtshauses hervorhebt, so wird man doch wohl 
nicht als Schwarzseher gelten, wenn man auch die Kehrseite hervorhebt und 
ganz ruhig behauptet, dass es auch eine gemeingefährliche Kehrseite des Wirts- 
hauses gibt. Sehr interessant ist eine Statistik aus der Studentenwelt. Da 
ist das Ergebnis folgendes: Auf 10 000 Studenten kamen Verurteilungen wegen 
Beleidigung im Jahre 1893 — 22,2 im Jahre 1899 — 17,9; auf 10 000 Straf- 
mündige überhaupt im Jahre 1899 — 14,3; auf 10 000 Studentenverurteilungen 
wegen Gewalt und Drohung gegen Beamte 1899: 13,9, auf sonstige Straf- 
mündige 1899: 4,4. Auf 10 000 Studentenverurteilungen wegen Sachbeschädi- 
gung 1899: 10,5, bei sonstigen Strafmündigen 1899: 4,9. 

Nun ist ja der enge Zusammenhang zwischen Alkohol und Studententum 
ganz natürlich, und gerade hier ist die Quelle zu diesen antisocialen Hand- 
lungen lediglich ein gesellschaftlicher Brauch. Ebenso lehrreich sind die 
Zahlen über die Sonntagsschliessungen in Edinburgh. Die Arretierungen 
wegen Trunkes zwischen 8 Uhr vormittags am Sonntag und 8 Uhr vormittags 
am Montag waren in Edinburgh in den 2 Jahren vor der Sonntagsschliessung 
(1852) 1357, in den 2 Jahren nach derselben (1856) 328, und 1895,96 223 
trotz der Steigerung der Einwohnerzahl. 

Der OÖberauditeur der eidgenössischen Armee Hilty sagt: „Gelänge es, 
den Alkohol aus den Kasernen zu schaffen, so könnte man die Militärjustiz 
aufheben.“ 

Herr Geh.-Rat Baer hat auch ausserordentlich wertvolle Zahlen uns 
angegeben über die Beziehungen der Rückfälligkeit der Verbrecher zu dem 
Alkoholgenuss, und ich darf auch die Tatsache als bekannt voraussetzen, dass 
unter den Eltern von Verbrechern recht zahlreiche Alkoholisten vorhanden 


1) Ausgezeichnetes Material findet man in dem inzwischen erschienenen Werke 
von Dr. Hoppe: „Alkohol und Kriminalität“. 


Verhandl. der Deutschen Gesellschaft für öff. Gesundheitspfl. zu Berlin. 1175 


sind. Nun hat man gewöhnlich gesagt: ja, da ist ein grosser Unterschied zu 
machen zwischen dem Alkohol in dem Schnaps und dem Alkohol, der in dem 
Bier vorhanden ist. Nun, auch dieses ist nicht aufrecht zu erhalten, und zwar 
liegen da zweierlei Tatsachen vor. Einmal die meiner Ansicht nach grund- 
legenden Untersuchungen von Prof. Aschaffenburg. Er weist darauf hin, 
dass die Distrikte mit den meisten gefährlichen Körperverletzungen, nämlich 
Bromberg mit 317, Oberbayern mit 325 und Niederbayern mit 360 und die 
Pfalz mit 421 auf 10.000 strafmündige Civilpersonen — während der Reichs- 
durchschnitt von 10 Jahren 163 beträgt — den 3 Centren von Wein-, Bier- 
und Schnapskonsum entsprechen, wobei ich besonders hervorheben möchte, 
dass Bromberg mit dem Schnaps an unterster Stelle steht. Ein ähnliches 
Resultat liegt vor von Roser aus Heilbronn, dem bekannten Gefängnisdirektor, 
der den strikten Beweis führt, dass gerade der Biergenuss zum Zustande- 
kommen der Verbrechen in den von ihm angeführten Fällen geführt hat- Also, 
ich glaube, man kann den Satz aussprechen, dass hinsichtlich der Verbrechen 
der Bier- und Schnapsalkoholismus ätiologisch gleichwertig ist; und das Gleiche 
gilt vom Wein. Ueber die Qualitäten des alkoholischen Vergehens darf ich 
wiederum anf die Untersuchungen Geh.-Rat Baers hinweisen, ferner aus neuerer 
Zeit auf die Untersuchungen des Arztes Dr. Gail, Arztes des Kopenhagener 
Untersuchungsgefängnisses, und unseres Berliner Kollegen Fritz Leppmann. 
Die Gewalttätigkeiten, Rohheiten, Mord und Totschlag und das ganze Heer 
der Sittlichkeitsverbrechen werden zu einem hervorragenden Teil durch vor- 
angegangene Alkoholisierung geliefert. Ich selbst habe unter meinen Fällen 
bestätigen können, dass die gewalttätigen Verbrecher Alkoholisten waren. 
Nun etwas von der Analyse der Qualitäten des Verbrechens. Da kann ich 
nur, ohne auf dieses Problem hier des Näheren einzugehen, sagen, dass meiner 
Ansicht nach die Schopenhauersche Einteilung von Wille und Vorstellung nach 
wie vor für unser Seelenleben Geltung hat. Ich habe dies eingehend in anderen 
Arbeiten niedergelegt, und Sie müssen mir gestatten, dies nur einfach kurz hier 
zu erwähnen. Wille oder seine Erregungen, die Gefühle (Thymo- oder Bulopsyche) 
und Intellekt (Noo- oder Ideopsyche), ist das Material, aus dem sich unser 
Seelenleben zusammensetzt. Der Wille oder seine Erregung, das Gefühl 
ist der Unterbau, und der Intellekt ist der Ueberbau alles psychischen Ge- 
schehens. Und so glaube ich auch, dass in der verbrecherischen Seele die 
Grundstörung auf der Seite der Gefühlssphäre zu suchen ist. Wir finden, um 
mich kurz zu fassen, Angstzustände bei Alkoholisten, welche zu verbreche- 
rischen Handlungen führen. Die alkoholische Reizbarkeit ist Ihnen bekannt. 
Als besonders wichtig hebe ich das Beziehungsgefühl hervor. Alle Vorstellungen, 
die die Aussenwelt umfassen, verknüpfen wir mit Gefühlen. Aber die Gefühls- 
skala ist sehr fein abgetönt. Nicht alle Vorstellungen der Umwelt erregen 
in gleicher Weise unser Gefühl und werden deswegen auf unser Innerstes 
bezogen. Eine ganze Reihe harmloser Vorgänge werden aber nicht mit leb- 
haften Gefühlen verknüpft. Kranklafterweise werden gewisse Vorstellungen 
mit lebhaften Gefühlen verbunden, die normalerweise nicht mit so starken 
Gefühlstönen verknüpft sind. Aus diesem abnormen Vorgange entsteht das 
Beziehungsgefühl, und das ist bei Alkoholisten pathologischerweise meistens 


1176 Verhandl. der Deutschen Gesellschaft für öff. Gesundheitspfl. zu Berlin. 


sehr lebhaft ausgeprägt. Denken Sie ferner an den ethischen Tiefstand der 
Alkoholisten; der Mangel an Konzentrierung und Gefühlsspannung, auch das 
sind Störungen in der Gefühlssphäre, und die Individuen, die sich eben nicht 
konzentrieren können, d. h. die nicht die Einheit ihrer Gefühlserregungen 
zu Stande bringen, das sind die Individuen, die nirgends aushalten, das sind 
die Rekruten der Vagabondage, aus denen eine grosse Zahl alkoholistischer 
Diebe hervorgeht. Primäre, origivär vorhandene Gefühlsstörungen werden durch 
Alkoholisierung gesteigert oder durch letztere werden thymo- oder bulopsychische 
Abnormitäten hervorgerufen. Gileichfalls mit Störungen der Gefühlssphäre 
hängen die sexuellen Vergehen zusammen. Sie kennen die nahen Beziehungen 
zwischen Prostitution und Alkoholismus. Ganz sicher hat ja die Prostitution 
einen gesellschaftlichen Hintergrund. Sie steigt oft genug heraus aus wirt- 
schaftlicher Misere, aber es sind noch weitere Faktoren, die in Frage zu 
ziehen sind. 

Einmal ist unzweifelhaft der Alkoholismus ein inniger Bundesgenosse 
dieses gesellschaftlichen Uebels, indem die Verführung des weiblichen Ge- ` 
schlechts doch in letzter Linie dadurch bewirkt wird, dass die Hemmungen 
hinweggelöscht werden durch den Alkohol. Der Lehre von der Notwendigkeit 
dieses gesellschaftlichen Uebels setze ich mit anderen entgegen die Anschau- 
ung, dass es kein notwendiges gesellschaftliches Uebel ist, dass auch diese 
Frage nach Angebot und Nachfrage sich regelt und, wenn die Nachfrage sich 
verringert, auch das Angebot allmählich abnehmen wird. Der Alkoholismus trägt 
hier sein gerüttelt Mass an Schuld. Gegen das Bordellwesen ebenso wie gegen 
die Reglementierung muss man Front machen, die ich gleicher Weise vom 
hygienischen wie vom ethischen Standpunkt aus verwerfe. Auch bei dem Zu- 
hältertum kommt der Alkohol in Frage. Denn schon das ganze Existenzmilieu, 
in dem sich diese Menschen aufhalten und gedeihen, ist ganz durchtränkt mit 
dem Alkohol. Man glaubt, dass zu diesen Zuhältern nur der Abschaum der 
Menschen kommt. Das ist ein grosser Irrtum!). Eine sehr eingehende Unter- 
suchung hat gezeigt, dass Gesellschaftskreise ihre Abkömmliouge dorthin 
schicken, von denen man es eigentlich nicht für möglich halten sollte. Man 
kann wohl sagen, dass leider aus allen Kreisen sich zu diesem traurigen Ge- 
werbe Gehilfen finden, und wenn man die Biographien dieser Leute studiert, 
dann findet man, dass nicht immer und ausschliesslich der Alkohol die Rolle 
spielt, aber dass er oftmals den Weg zur Abschüssigkeit geebnet hat und 
dass, wenn einmal die abschüssige Bahn betreten war, diese Leute durch den 
Alkohol verhindert wurden, wiederum auf die Höhe zu klimmen. 

Neben Gefühlsstörungen kommen dann in Betracht die intellektuellen 
Störungen. Hier haben wir es mit den $Sinnestäuschungen auf allen Sinnes- 
gebieten, mit der Verkennung der Umwelt und mit den verschiedensten Wahn- 
vorstellungen zu tun. Von diesen wahnhaften Vorstellangen möchte ich einen 
Kreis kurz hervorheben, das ist der berüchtigte und gefährliche Eifersuchts- 
wahn. Es handelt sich hier um eine primäre Charakterveränderung des 
Mannes. Wir haben hier wieder den Gefühlshintergrund, der Mann wird in 


1) Hans Ostwald, „Das Zuhältertum in Berlin“. 


Verhandl. der Deutschen Gesellschaft für öff. Gesundheitspfl. zu Berlin. 1177 


seinem Gefühlsleben ein anderer und infolge dessen zieht sich die fein 
fühlende Frau, die noch etwas auf ihre Würde hält, zurück. Der Mann wird 
sexuell roh und stellt sexuelle Anforderungen an die Frau, die sich das nicht 
gefallen lassen darf. Unter der Alkoholwirkung kann es auch zur sexuellen 
Impotenz des Mannes kommen. Nun ist die Psyche des Alkoholisten derart, 
dass er nicht zur Erkenntnis kommen kann, dass die Schuld an ihm liegt. 
Denn, wie ich an anderer Stelle nachgewiesen habe!), wird der trivkende 
Mensch von denselben Vorurteilen beherrscht, die uns alle erfüllen. Er hat 
ebenso die Ueberzeugung von der Unentbehrlichkeit des Alkohols wie wir. 
Er glaubt, ebenso ein mässiger zu sein wie wir. Alle die Gelegenheiten, die er 
zum Trunke hat, werden ebenso wie von uns benutzt. Kurz, wenn Sie die 
Psyche des Alkoholisten durchgehen, so finden Sie dieselbe Begründung zum 
Trinken, der auch wir folgen. Der Alkoholist wird von überwertigen Vor- 
stellungen beherrscht, die nicht individuell psychologisch zu begreifen sind, 
sondern die lediglich social psychologisch aufzufassen sind. Und weil die 
alkoholistische Seele erfüllt ist von gesellschaftlich erzeugten, von starken Ge- 
fühlen getragenen, überwertigen Vorstellungen, so kann auch der Alkoholist 
im Durchschnitt nicbt zum Schuldbewusstsein gelangen. Dazu kommen weiter 
gelegentliche Trugwahrnebmungen, und aus diesen komplicierten Gebilden 
bildet sich der Eifersuchtswahn, und weil dieser Eifersuchtswahn diese psy- 
chologische Grundlage hat, darum ist er so verhängnisvoll in seiner Macht, 
die er über das Individuum ausübt, und führt zu Taten, die so bedeutungsvoll 
und schwerwiegend werden können. Als drittes Moment der verbrecherischen 
Alkoholistenseele kommt der Wegfall von seelischen Hemmungen hinzu und 
die gesteigerte motorische Entladung, die gesteigerte Umsetzung seelischer Er- 
lebnisse in Bewegung und Handlung. Diese psychologische Analyse findet ihre 
prinzipielle Stütze an den Versuchen Kraepelins und seiner Schüler. Da 
finden wir, dass schon verhältnismässig geringe Alkoholmengen, etwa ?/ Liter 
Bier, eine Erschwerung aller geistigen Tätigkeit hervorrufen, und hier ist 
nun wieder von fundamentaler Bedeutung die Feststellung der Tatsache, dass 
eine sehr eigentümliche Störung des Ichgefühls stattfindet. Aschaffenburg 
liess Buchdrucker arbeiten, denen er ein gewisses Quantum von Alkohol gab, 
und andere, die ohne Alkoholgenuss die gleiche Arbeit zu verrichten hatten, 
und nun erklärten diejenigen, die den Alkohol genossen hatten, dass sie 
schneller und besser gearbeitet hätten, während Aschaffenburg objektiv 
feststellen konnte, dass sie langsamer und schlechter gearbeitet hatten. Eben- 
so war es bei den Versuchen von Kraepelin. Auch hier erklärten alle, dass 
sie subjektiv das Gefühl der höheren Leistung hätten, während objektiv das 
Gegenteil nachgewiesen werden konnte. Ich hebe diese primäre Störung des 
Ichgefühls hervor, weil ich in dieser den Kernpunkt der ganzen Frage sehe und 
den Schlüssel zum Verständnis der weiteren Delikte, die wir noch besprechen 
wollen. Weiter geht aus den Versuchen Kraepelins hervor, dass schon ge- 
ringe Alkoholmengen zu einer Beschleunigung der motorischen Tebertragung von 


1) Juliusburger, Zur Lehre von der Einsichtslosigkeit der Alkoholisten. 
Monatsschr. f. Psychiatrie u. Neurolegie, Bd. 19. H, 2. 


1178 Verhandl. der Deutschen Gesellschaft für öff. Gesundheitspfl. zu Berlin. 


Gefühls- und Vorstellungsvorgängen führen. Die vulgäre Psychologie meint, 
dass man nach der Alkoholeinwirkung geistreicher wird. Nach der Auffassung 
Kraepelins ist die Auslösung von Bewegung erleichtert, es tritt aber keine 
Vertiefung, im Gegenteil eine Verflachung der geistigen Vorgänge ein durch 
den Wegfall wichtiger Zwischenglieder. Der Wert aller geistigen Arbeit sinkt. 
Ferner haben diese psychologischen Untersuchungen auch das Auftreten von 
Gedächtnisstörungen gezeigt. Da ist nun recht interessant ein Versuch von Prof. 
Heilbronner, der bei einer Gesellschaft, wo nur eine ganz leichte Animierung 
durch Alkohol stattfand, unbeobachtet die dort geführten Gespräche steno- 
graphierte und am anderen Tage das Stenogramm den Betreffenden vorhielt. 
Darüber allgemeines Erstaunen bei den Beteiligten, während Prof. Heilbronner 
durch das objektive Stenogramm den untrüglichen Nachweis gab, dass es ihre 
Leistungen waren. Nach Untersuchungen von Prof. Stern in Breslau wissen 
Sie, dass es mit der Intaktheit unseres Gedächtnisses eine eigene Bewandnis 
hat. Stern sagt: „Vielmehr ist ein bestimmter Grad der Fehlerhaftigkeit von 
vornherein als normales Merkmal auch der nüchternen und ruhigen, selbst- 
ständigen und unbeeinflussten Durchschnittserinnerung zuzuschreiben“. Wenn 
dieses schon normalerweise der Fall ist, dann wird man natürlich auch a priori 
schon erwarten, dass eine Substanz wie der Alkohol, welche nach den 
Kraepelinschen Untersuchungen schon in kleinen Mengen nachweisbare 
psychische Veränderungen setzt, in den allgemein üblich genossenen Mengen 
auch für die Leistungen des Gedächtnisses von ernster Bedeutung ist. 

Für die forensische Praxis ist daraus weiter zu folgern, dass man doch 
diejenigen Personen sich sehr genau bei der Vernehmung ansehen muss, die 
schon während der Vernehmung unter dem Einfluss des Alkohols stehen. In 
foro wird dies von grosser Bedeutung sein, und, wie gesagt, man kann dann 
nur Leute vernehmen, die möglichst alkoholfrei Auskunft geben können. Mit 
sehr grosser Vorsicht sind auch die Angaben der Zechgenossen aufzunehmen. 
Eine hervorragende Rolle. spielt die Gedächtnisstörung bei den pathologischen 
Rauschzuständen. Man unterscheidet ja noch immer einen normalen und einen 
pathologischen Rausch. Die Wissenschaft kennt einen pathologischen Rausch, 
der ausgezeichnet ist durch eine primäre Umstimmung der Gefühle, durch 
abnorme Reizbarkeit, durch Auftreten von irrtümlicher Auffassung der Um- 
gebung nebst walhnhaften Vorstellungen und Sinnestäuschungen und durch 
stürmische explosive Ausbrüche. Gewalttätigkeiten heftigster Art werden in 
diesem Zustande begangen, und es kann nachträglich vollständige Gedächtnis- 
losigkeit für diesen Zustand herrschen. Auch hier denkt man zunächst an 
Simulation, und doch liegt eine tiefgehende Störung vor. 

Die Kraepelinschen Untersuchungen geben uns den Schlüssel zur prin- 
zipiellen Auffassung. Denn die Ergebnisse, die wir Kraepelin verdanken, 
führen in allmählichen Uebergängen und Steigerungen der Erscheinungen zu 
den alkoholischen Delikten und machen uns so ihr Wesen verständlich. Die 
Einwirking auf das Gefühlsleben, die Umwandlung der Persönlichkeit, die 
intellektuellen Veränderungen, die gesteigerte motorische Uebertragbarkeit — 
das sind die Grundelemente, die immer wiederkehren. Und zweitens folgt 
aus den Kraepelinschen Untersuchungen die schwere und unter Umständen 


Verhandl. der Deutschen Gesellschaft für öf. Gesundheitspfl. zu Berlin. 1179 


nicht nur für das Individuum, sondern auch die Allgemeinheit gefährliche 
Einwirkung des Alkohols auf das Gehirn, namentlich wenn sie in unaufhör- 
licher Folge fortgesetzt wird. Wenn wir die Ergebnisse uns ganz klar machen, 
dann müssen wir zu einer Folgerung kommen, der bereits Forel Ausdruck 
gegeben hat, die so lautet, dass auch der sogenannte normale Rausch vom 
wissenschaftlichen Standpunkte als eine akute, vorübergehende Geistesstörung 
anzusehen ist. Wenn wir dieses zugeben, dann werden wir auch weiter sagen 
müssen, das alkoholische Delikt ist auch nur das Produkt einer pathologischen 
Gehirnarbeit akuter oder chronischer Natur je nach der Alkoholvergiftung. Das 
alkoholische Vergehen ist der antisociale Ausdruck einer akuten oder chronischen 
Gehirnerkrankung. Wenn wir diesen Obersatz anerkennen, müssen wir zu der 
weiteren Folgerung kommen: Haben wir in dem alkoholischen Delinquenten 
einen Gehirnkranken zu sehen, dann können wir ihn ebenso wenig bestrafen 
wie den verbrecherischen Gehirn- oder Geisteskranken. Die Zeit liegt noch 
nicht so weit hinter uns, wo man den Geisteskranken vor das Forum der 
Moral brachte und ihn strafte, und die Zeit wird kommen, wo wir auch dem 
ersten Schritt den zweiten folgen lassen, und wie wir die verbrecherischen 
Geisteskranken nicht dem moralischen Strafrichter ausliefern, sondern die 
verbrecherischen Geisteskranken der Gehirnpathologie überweisen, so werden 
wir auch die alkoholischen Uebeltäter von der vermeintlichen Moral weg in 
die Säle der psychopathologischen Wissenschaft hinein weisen. 

Nun komme ich auf den Kernpunkt der eigentlichen Ausführungen, auf den 
Strafvollzug. Die Schwäche des Strafvollzuges wird wohl allgemein gefühlt und 
allmählich immer mehr ausgesprochen werden. Sie geht für mich unwiderleg- 
lich daraus hervor, dass der Anteil der mehr als 5mal Bestraften an der Gesamt- 
zahl der Vorbestraften in den Jahren 1882—1901 sich verdoppelt hat. Wenn 
das die Frucht ist, dann kann man sich für diese Frucht bedanken. Ich selbst 
babe bei meinen 830 Kranken folgendes festgestellt. Es ist ja das nur eine 
kleine Zahl, weil diese Kranken nur einer Filiale angehören. Die Zahlen der 
Hauptanstalt werden natürlich viel grösser ausfallen; aber ich glaube, dass meine 
Zahlen auch eine gewisse relative Bedeutung beanspruchen können. Unter 
diesen 330 fand ich 83 vorbestraft; von diesen waren 44 Personen, bei denen 
der Alkohol eine hervorragende Rolle spielt. Diese Leute waren jahrelang 
mit Haft, Gefängnis, Zuchthaus vorbestraft, und schliesslich kamen sie dort- 
hin, wohin sie von Anfang an gehört hätten. Manches Menschenleben hätte 
gerettet werden können, wenn man es vorzeitig an die richtige Stelle geführt 
hätte. Nun will man die Konsequenz umgehen und man sagt: Ja, das mag 
ja richtig sein, und wir wollen nun auch den Alkoholiker nicht wegen seiner 
Handlungen bestrafen, die er in der Alkoholisierung begangen, sondern wir 
wollen ihn bestrafen, weil er sich in den kranken Zustand hineingetrunken hat. 
Dagegen ist folgendes zu sagen. Man täuscht sich über die Zahl der Fälle, 
wo Leute vorsätzlich sich betrinken, um ein klipp und klar ausgear- 
beitetes Verbrechen zu begehen. Das ist eine verschwindende Minderzahl von 
Fällen. In der überwiegenden Zahl der Fälle tritt der verbrecherische Antrieb 
erst in dem alkoholisierten Gehirne auf. Es schlummern ja in dem Menschen 
alle möglichen Triebe. Aber erst, wie ich eingangs ausführte, durch die 


1180 Verhandl. der Deutschen Gesellschaft für öf. Gesundheitspfl. zu Berlin. 


Veränderung der Persönlichkeit und den Wegfall von Hemmungen tritt etwas 
mit Macht in das Oberbewusstsein ein, was vorher doch noch in dem Unter- 
bewusstsein festgehalten wurde. Oder endlich wir finden die verbrecherische 
Neigung als den Ausdruck einer chronischen alkoholischen Gehirnvergiftung. 
Dazu kommt, dass an den Orten oder in ihrer Nähe, wo die Alkoholisierung 
stattfand, zwischen den Individuen vielfach künstliche Reibungsflächen ge- 
schaffen oder vorhandene verschärft werden. Nun will man den Trunkenbeits- 
zustand bestrafen. Man sagt, man will strafen, weil der Mann sich eben 
alkoholisiert hat. Auch da hat bereits Schopenhauer vorgegriffen und 
diesen Vorschlag „gemacht, dem ich nicht folgen kann. Schopenhauer ist 
hier inkonsequent. Kein anderer wie er hat in so krystallener Klarheit die 
Unfreiheit unseres Willens dargetan, und man kann sagen, niemand kann den 
Versuch wagen, die Lehre von der Freiheit des Willens zu neuem Leben zu 
erwecken, ohne damit kund zu tun, dass er sich im Zustande philosophischer 
Unschuld und wissenschaftlicher Unbildung befindet, 

Obne auf dieses Problem hier näher einzugehen, will ich nur sager, 
dass ein freier Wille eine ins Kontinuierliche übersetzte Schöpfung aus Nichts 
bedeutet. Was extrapsychisch, ausserhalb unseres Seelenlebens als Ursache 
uns entgegentritt, das tritt intrapsychisch als Motiv auf. Es ist eine unzer- 
trennliche Einheit, und die ganze Welt untersteht eben den Gesetzen der 
Kausalität und einer durchgängigen Motivation. Das Wesen der Sache ist 
dasselbe, nur die Erscheinung ändert sich. Auf unser Gebiet zurückkehrend, 
hatte ich Ihnen schon von den Werturteilen der trinkenden Gesellschaft gesagt. 
Wir alle, die wir eben der heutigen Gesellschaft untertan sind, sind von social- 
psychologisch zu wertenden Vorurteilen betreffend den Alkohol erfüllt. Selbst 
die wahre Mässigkeit, diejenige, die nur von Zeit zu Zeit etwas Alkohol 
geniesst, ist ja heute eine Rarität, weil die falsche Erziehung die Gehirne 
mit diesen überwertigen Ideen erfüllt. Und zweitens, es fehlt das individuelle 
Mass. Man kann vorher gar nicht wissen, wie viel man verträgt. Denn die 
Persönlichkeit ist keine feste Grösse, sie wechselt von Stunde zu Stunde. 
Auch hier gilt der prosaische Satz: Wenn man vom Rathause berunterkommt, 
ist man klug. Man kann nicht sagen, das Iodividuum soll sich darauf trai- 
nieren, denn wenn das Unglück geschehen ist, nützt die Sache nichts mehr. 
Ferner, die frühzeitig erfolgte Störung des Ichgefühls.. Man wird ja eben, 
wie Kraepelin nachgewiesen hat, sehr rasch derart verändert, dass man sich 
kräftiger, stärker, leistungsfähiger fühlt, während doch schon nachweislich ein 
Manko im Seelenleben objektiv vorhanden ist, und dieser Faktor ist gleich- 
falls sehr zu bewerten bei der Frage der individuellen Freiheit. Dann habe 
ich den pathologischen Rausch bereits genannt, wo Personen durch kleine 
Mengen Alkohol schon derart verändert werden, dass sie zu kriminellen 
Handlungen fortgerissen werden. Endlich ein sehr wichtiger Faktor, die 
unerwartet schnell eintretende Explosion beim Verlassen des warmen Lokals 
und beim Eintritt in die kühle Atmosphäre. Leute, die vorher ganz sicher 
waren, werden mit einem Schlage wie umgewandelt, wenn sie an die frische 
Luft kommen. Bei diesen frühzeitig einsetzenden Seelenstörungen kann mau 
gar nicht erwarten, dass die Strafe als eine abschreckende Vorstellung wirken 


Verhandl. der Deutschen Gesellschaft für öf. Gesundheitspfl. zu Berlin. 1181 


kann und, weil die Gesellschaft mit einer seltenen Tyrannei diese Trinkvor- 
urteile züchtet und festhält und den Widerstand dagegen teils mit Spott, teils 
mit auderen Mitteln bekämpft, so hat diese Gesellschaft auch kein moralisches 
Recht zu strafen. Ich formuliere den Satz: An die Stelle der Bestrafung des 
alkoholischen Gehirnkranken hat die socialethische Pflicht der medizinisch- 
psychologischen Therapie zu treten. Aus dieser Betrachtung folgt die 
Antwort: Statt Strafe Erziehung zur Enthaltsamkeit von allen alkoholischen 
Getränken; aber nicht einfaches Wegnehmen der Getränke, sondern eine Be- 
einflussung und Umstimmung der ganzen Persönlichkeit des Menschen. Ich 
weise hier auf das englische Trunksuchtsgesetz hin, wonach der Richter 
alkoholische Delinquenten in Trinkerasyle schicken kann, und kürzlich wurden 
in der Schweiz einem schweren Verbrecher 2 Jahre seiner Strafzeit geschenkt 
unter der Bedingung, dass er von nun an keinen Tropfen alkoholischer Ge- 
tränke mehr zu sich nehmen solle. Diese Gedanken sind doch nicht mehr 
ganz neu und unerhört. Der Aufenthalt in der Anstalt muss auf unbestimmte 
Zeit erfolgen, das willkürliche Abmessen der Strafzeit fällt dann auch weg. 
Statt der Willkür tritt dann die regelnde Vernunft.. Nach dem Gutachten 
der Kommission, der die Anstalt untersteht, muss das Individuum, weil es 
social erkrankt war, so lange in der Anstalt bleiben, bis nach menschlicher 
Voraussetzung eine Gewähr geleistet ist, dass das Individuum den Trinkvor- 
urteilen Widerstand leistet und sich zeitlebens der alkoholischen Getränke 
enthält. Für die Gegenwart müssen wir die Forderung erheben, dass man 
schon in den Strafanstalten anfängt, bei den alkoholischen Delinquenten für 
gehörige Aufklärung in Sachen des Alkohols zu sorgen, dass man die Leute 
systematisch erzieht und sie vertraut macht mit unseren Erfahrungen über die 
Einwirkung des Alkohols; 2. dass man die Fürsorge für entlassene Sträflinge 
dahin erweitert, dass man rechtzeitig die Verbindung mit Enthaltsamkeits- 
vereinen anstrebt, dass man diese entlassenen Häftlinge nun diesen Enthalt- 
samkeitsvereinen anvertraut und überlässt, damit sie einmal einen moralischen 
Rückhalt haben, damit sie in ein Milieu kommen, das ihnen nicht wiederum 
die Verführung gibt, in das alte Uebel zurückzufallen, und dass so durch den 
Verein eine gewisse, nicht verletzende Aufsicht ausgeübt werden kann. 

Soviel von dem individuellen Strafvollzug. Nun ein paar Worte über den 
socialen oder bistorischen Strafvollzug. Nämlich das ganze Alkoholelend, 
die Versimpelung und den Mangel an Interesse an den grossen Aufgaben der 
Zeit kann man gewissermassen ansehen als die Strafe für die Tyrannei der 
Trinksitte. Die Weltgeschichte ist das Weltgericht — dieser Satz findet auch 
hier seine besondere Beleuchtung. Nun wurzelt die Trinksitte auch zweifellos 
in dem socialen Milieu. Die Unterlöbnung, das ganze Elend der Wohnungs- 
frage, die intellektuelle Unbildung und ethische Unkultur bedingen zweifellos 
eine mächtige Verführung zum Alkohol, und bei einem solchen Milieu wird 
der Glaube an die Unentbehrlichkeit des Alkohols feste Wurzel fassen. Folg- 
lich muss der Kampf verbunden werden mit einer weitgehenden social-ethischen 
Reformation. Diese letztere ist gleichfalls anzusehen als ein tüchtiges und unent- 
bebrliches Mittel im Kampfe gegen das alkoholische Verbrechen. Nun hat die 
Gesellschaft sich einfach vor die Frage zu stellen: Will sie, dass der histo- 


1182 Verhandl. der Deutschen Gesellschaft für öf. Gesundheitspfl. zu Berlin. 


rische Strafvollzug weiter an ihr vollzogen wird, oder will sie sich ihm 
entziehen, und wenn sie das letztere will, dann ist folgender Satz aufzustellen: 
So sicher das Individuum geheilt werden kann durch die individuelle Absti- 
nenz, so sicher ist das sociale Uebel durch die sociale Abstinenz nur zu heilen. 
Dieser Satz folgt unwiderstehlich aus der ersten Prämisse, dass das Indivi- 
duum abstinent leben muss, wenn es sein Alkoholübel loswerden will. 

Meine Damen und Herren. Wir stehen unter dem Einflusse des Eotwicke- 
lungsgedankens, wir können uns dem Entwickelungsgedanken nicht entziehen, 
aber wir dürfen nicht den Fehler machen, dass wir dieser Anschauung reio 
intellektuell gegenüberstehen. Ich möchte sagen, wir müssen die Entwicke- 
lungslehre auch voluntaristisch fassen. Die moderne Alkoholfrage kümmert 
sich nicht mehr um die kleinliche und armselig-pedantische Frage, ob eine 
ganz kleine Quantität Alkohol schädlich ist oder nicht, sondern sie sagt gauz 
einfach, für mich, der ich mich auf den wissenschaftlichen Standpunkt der 
Entwickelungslehre stelle, ist es eine Forderung meiner Weltanschauung, dass 
ich mich um der Gesamtheit willen zur Bekämpfung des socialen Elendes zur 
Abstinenz entschliesse.. Und dieses Postulat ist ein Postulat des wahren 
nationalen und socialen Gewissens! 


Diskussion. 


Herr H. Kron teilt die Anschauungen des Vortragenden, glaubt aber, dass das 
Volksbewusstsein die Ueberweisung der alkoholistischen Verbrecher in dazu geeignete 
Anstalten nicht als volle Strafe auffassen wird. Das Wesentliche des Vortrags scheint 
ihm darin zu liegen, dass den Juristen hier wieder vorgeführt wird, dass wir es bei 
den Alkoholisten tatsächlich mit Kranken zu tun haben. Notwendig sei vor allen Dingen 
die Aufklärung des Volkes über die Schädlichkeiten des Alkohols, doch sollte man 
nicht gleich soweit gehen, die Abstinenz vorzuschreiben. Wenn wir zu viel ver- 
langen, stehe zu befürchten, dass uns auch Weniges nicht gelingen werde. Die 
Neigung, sich zu berauschen, sei so tief in das Innere des Volkes eingewurzelt, 
dass man noch überall bei Verbot des Alkoholgenusses andere Berauschungsmittel 
als Ersatzprodukte gefunden habe, so in der Türkei, wo das Verbot des Alkohols in 
das Religionsgesetz aufgenommen sei, den Genuss des Opiums und Haschischs, in 
England und Irland bei Durchführung der Temperenzbestrebungen das Einatmen des 
Aethers. Erst wenn es gelungen sei, den Juristen klar zu machen, dass der Alkoho- 
list ein Geisteskranker sei, sollte man gesetzlich den Weg beschreiten, den der Referent 
vorgeschlagen habe. 

Herr Kühne hält es nicht für unmöglich, dass das zweifellos vorhandene Be- 
dürfnis der Bevölkerung, sich zu berauschen, mit der zunehmenden Bildung des Volkes 
wieder erlöschen wird. Er ist der Ansicht, dass es das grösste Unglück für die 
Menschheit sein würde, wenn die Anschauung allgemeine Gültigkeit erlangen würde, 
dass wir keinen freien Willen haben. Dann höre jedes Zusammenleben der Menschen 
auf. Der freie Wille müsse eben erzogen werden. Das könne auch bei den unteren 
Klassen, die sich bei uns übrigens bis zu einem Einkommen von 3000 Mark herauf 
klassificieren, geschehen. Nicht durch das sociale Elend werden die Menschen zum 
Trinken getrieben, sondern durch die mangelhafte Erziehung. Deshalb müssten in 
allen Ständen die Menschen zur Sittenfreiheit, zum Gefühl der Verantwortung erzogen 
werden. Die Alkoholisten sollten auf Jahrzehnte den Heilanstalten überwiesen werden, 
bis man die Gewähr habe, dass sie vollständig abstinent werden. 

Herr Baer ist der Meinung, dass das Verbrechen meist das Ergebnis vieler 


Verhandl. der Deutschen Gesellschaft für öff. Gesundheitspfl. zu Berlin. 1183 


Ursachen ist, dass also die vom Vortragenden gegebenen grossen Zahlen für den 
Strafvollzug nicht genügend massgebend sein können. Er erinnert an die Zeit vor 
30 Jahren, wo er sein Material gesammelt hat, und wo in der Tat das Bier noch als 
das beste Kampfmittel gegen den Alkoholismus betrachtet wurde. Das damalige Bier 
warallerdingsein dünnes, obergäriges, alkoholarmes Erfrischungsmittel, während heute 
Biere verabreicht werden zu 5—6°/, Alkohol, die nur 4—6mal ärmer an Alkohol sind 
als Schnaps. Das Auftreten von Delirium tremens infolge des Biergenusses konnte 
früher niemals nachgewiesen werden. Heute ist der Bierkonsum als ebenso schädlich 
für das allgemeine Volkswohl zu betrachten wie der Schnapskonsum. — Die Rück- 
fälligkeit der alten Verbrecher ist kein Beweis für das allgemeine Verbrechertum im 
ganzen Volke. Die grösste Fürsorge muss — wie in England — der verwahrlosten 
Jugend zugewendet werden, um hierdurch die einzelnen Quellen zu verstopfen, welche 
von neuem das Verbrechen hervorrufen. Die Durchführung der vollen Enthaltsam- 
keit ist nach Ansicht des Redners undurchführbar; an der Bekämpfung der modernen 
Trinksitten sollten jedoch alle Alkoholgegner sich beteiligen. 

Herr Guttstadt beklagt, dass bisher in der Frage der für Alkoholisten ge- 
eigneten Anstalten viel zu wenig geschehen ist. Unter der Zahl der bestehenden 
Anstalten wird zweifellos mehr in denjenigen erreicht, die von Aerzten geleitet werden, 
als in den unter geistlicher Leitung stehenden. Das zur Bedienung der Trunksüchtigen 
erforderliche Personal ist indes noch völlig unzuverlässig; selbst das ärztliche 
Personal bedarf noch gründlicher Vorbildung, um die schwere Behandlung der Alko- 
holisten erfolgreich durchführen zukönnen. Auch indengrossen Krankenhäusern werden 
nicht die geeigneten Massnahmen zur Behandlung von Alkoholisten getroffen, welche 
bereits 2—3 Tage nach dem Schwinden des Deliriums als geheilt entlassen werden. 

Herr Wehmer glaubt, dass die zwangsweise Unterbringung der alkoholistischen 
Verbrecher in einer Trinkerheilanstalt als „Strafe“ und viel schwerer empfunden werden 
wird, wiedie Unterbringung im Gefängnis oder Zuchthaus, undzwar deshalb, weil der 
Entlassungstermin dort unbestimmt ist. Die jetzigen Bestimmungen über die Unter- 
bringung Trunksüchtiger in Anstalten genügen in keiner Weise den ärztlichen An- 
forderungen. Die Entmündigung der Trinker hat bisher wenig praktische Bedeutung 
gehabt, denn in den Jahren 1900—1904 z.B. sind im ganzen Landespolizeibezirk Berlin 
nur 30 Porsonen wegen Trunksucht entmündigt worden; von diesen waren die meisten 
über 40 Jahre alt. Gerade der Wunsch, die Trinker möglichst im Beginne ihrer 
Krankheit unterzubringen, ist gesetzlich undurchführbar, da der Richter, erst wenn 
die Fälle hoffnungslos sind, sich dazu entschliesst, die Entmündigung auszusprechen. 

Herr Baer weist darauf hin, dass vom Staate anerkannte Trinkerheilanstalten 
noch gar nicht existieren; die privaten Anstalten haben nicht die Signatur einer 
öffentlichen staatlichen Heilanstalt. Wenn diese Heilanstalten erst geschaffen sind, 
so müsste es unter allen Umständen gesetzlich möglich sein, die Trinker viel früher 
als bisher in diesen Anstalten unterzubringen und dort zwangsweise festzuhalten 

Herr Juliusburger erwidert in seinem Schlusswort, dass die Wissenschaft 
keine Rücksicht auf das Volksbewusstsein betreffs dor Auffassung, ob die Ueber- 
weisung in eine Heilanstalt als Strafo zu betrachten ist, zu nehmen hat. Die Wissen- 
schaft hat dagegen die andere Aufgabe, das Volksbewusstsein hierin aufzuklären. 
Selbstverständlich soll man in der Frage der Bestrafung der alkoholistischen Ver- 
brecher nicht mit Gewalt vorgehen, sondern soll zunächst aufklären uud abwarten, 
dass sich die gute Sache selbst durchsetzen werde. Der Alkoholismus ist nicht ledig- 
lich die Folge der wirtschaftlichen Zustände, doch sind letztere unbsstreitbar eine 
Quelle zur Verführung. Die Ansicht, dass sehr viele Ursachen ausser dem Alkohol zum 
Verbrechen führen, ist zweifellos richtig. Der Alkohol ist aber viel leichter auszu- 


1184 Verhandl. der Deutschen Gesellschaft für öff. Gesundheitspfl. zu Berlin. 


schalten als die anderen Faktoren, und deshalb müssen die geeigneten Massnahmen 
zur Behandlung der Trunksüchtigen getroffen werden, abgesehen davon, dass seitst- 
verständlich auch sociale Reformationen im weitesten Masse dringend erforderlich 
sind. Eine Reihe von Organisationen beschäftigten sich jetzt mit der Behandlung der 
Alkoholisten, vor allem der Guttempler-Orden, welcher über gute Resultate verfügt 
und mit welchem das ärztliche Element immer mehr Fühlung nehmen sollte. Die 
Aerzte haben dafür zu sorgen, dass sie die Führung im Kampfe gegen den Alkohol 
erhalten. In den Krankenhäusern geschieht viel zu wenig oder noch garnichts betreils 
der Behandlung der Alkoholisten; es muss verlangt werden — wie es der Redner getan 
hat — dass man in den Irren- und Strafanstalten das Prinzip der Trinkerrettung ein- 
führt. Selbstverständlich ist es, dass in den Anstalten für Nerven- und Geisteskranke 
völlige Abstinenz von allen Personen innerhalb der Anstalt gehalten wird. Dem Wunsche 
auf frühzeitige Entmündigung ist durchaus beizupflichten, doch sollte man auch den 
Trinkern nur jemanden zum Vormund geben, der entweder völlig enthaltsam ist oder 
auf einem sehr strengen Mässigkeitsstandpunkt steht. Die Unterbringung in einer 
Heilanstalt ist doch noch sehr schwer durchführbar; die Polizei kommt erst, wenn 
Blut fliesst. Die Aerzte sollten ruhig die Konsequenz ziehen und die Trinker für ge- 
meingefährlich geisteskrank erklären, damit den Anstalten wenigstens die Möglichkeit 
gegeben ist, die Kranken so lange zu behalten, bis nach menschlicher Voraussicht 
die Gewähr besteht, dass diese ein nüchternes Leben führen werden. Solange die 
'Trinkeranstalten noch nicht bestehen, sind wohl die Irrenanstalten der geeignete Orl 
für Alkoholkranke. 


Verlag von August Hirschwald, Berlin N.W. — Druck von L. Schumacher in Berlin N. 24. 


Hygienische Rundschau. 


Herausgegeben 


von 


Dr. Carl Fraenkel, Dr. Max Rubner, Dr. Carl @ünther, 


Geh. Med.-Rat, Prof. der Hygieno Goh. Med.-Rat, Prof. dor Hygiene Geh. Med.-Rat. a.0.Prof. der Hygiene 
in Halle a.j8. in Berlin. in Borlin. 


XVL Jahrgang. Berlin, 1. November 1906, W 21. 


Einige Bemerkungen zur Gramfärbung. 
Von 


Dr. Lothar Dreyer, 
Assistenten am Untersuchungsamt des hygienischen Institutes zu Halle a. S. 


Verschiedentlich sind schon Modifikationen der Gramschen Färbung, so 
unlängst wieder von Loeffler in No. 31, S. 1243 der Deutsch. med. Wochenschr. 
angegeben worden. Loeffler empfiehlt vor allen Dingen, an Stelle des 
Gentianaviolett Methylviolett 6 B zu nehmen. Auf Veranlassung meines Chefs, 
des Herrn Geh.-Rat Fraenkel, habe ich an dem dem hiesigen Untersuchungs- 
amt zugehenden Material Nachprüfungen mit dem erwähnten Farbstoff ange- 
stellt. Die Resultate waren durchweg gut, nur habe ich einige Male die 
Bildung von wie Krystallgebilde aussehenden Niederschlägen in den Präparaten 
beobachtet, deren Ursache mir nicht recht klar geworden ist. 

Sehr gleichmässige und eben so gute Ergebnisse haben wir übrigens auch 
mit einer einfachen Art der Gramfärbung erzielt, die seit einem halben Jahr 
von mir und dann von den drei Hilfsassistentinnen des hiesigen Untersuchungs- 
amtes für die laufenden Untersuchungen in ausgedehntem Masse zur Anwendung 
gebracht worden ist. Wir verfahren folgendermassen: 3 

3 Min. Karbolgentianaviolett, das ja den Vorzug der Haltbarkeit besitzt 
und hergestellt wird, indem auf 100 ccm 2!/, proz. Karbolsäure 10 ccm konz. 
Gentianaviolettlösung kommen, dann 1 Minute Jodjodkalium, Entfärben mit 
einfachem Alcohol absol., Gegenfärbung mit verdünntem Karbolfuchsin (1:10) 
20 Sekunden. Bemerken möchte ich noch, dass man der Bildung von Nieder- 
schlägen auch dadurch schon zu einem guten Teil begegnet, wenn man nicht, 
wie dies meist Gebrauch ist, die Farbflüssigkeiten auf die wagerecht liegenden, 
mit dem zu färbenden Material beschickten Objektträger bringt, sondern 
letztere aufrecht in mit den Farblösungen gefüllte Gläschen hineinstellt und 
sie ausserdem mehrmals heraushebt und wieder eintaucht. Dadurch werden 
eine Menge feiner Partikelchen natürlich abgespült, die bei wagerechter Lage 
auf dem Objektträger haften bleiben und zu Niederschlägen Veranlassung 
geben. Diese Art des Färbens hat ausserdem noch — gut schliessende 


85 


1186 Dreyer, Eine einfacheMethode, auf aërobe u. anaërobe Bakterien zu untersuchen. 


Gläschen aus naheliegenden Gründen vorausgesetzt — den Vorzug geringeren 
Verbrauchs von Farblösungen, was für Untersuchungsämter nicht ohne Belang 
sein dürfte. 


Ueber eine einfache Methode, Untersuchungsmaterial gleich- 
zeitig nebeneinander auf aërobe und anaërohe Bakterien zu untersuchen. 


Von 


Dr. Lothar Dreyer, 
Assistenten am Untersuchungsamt des hygienischen Institutes zu Halle a.S. 


Um Untersuchungsmaterial, wie es auf bakteriologischen Unter- 
suchungsämtern einzugehen pflegt, z. B. Galle, Peritonealflüssigkeit, Cysteninhalt 
u.s. w. gleichzeitig nebeneinander auf das Vorhandensein von aäroben 
und anaöroben Bakterien zu untersuchen, hat sich mir folgende ein- 
fache Methode als brauchbar erwiesen: 

Nachdem man die Oberfläche schräg erstarrter Agarröhrchen in der 
üblichen Weise mit dem zu untersuchenden Material beimpft hat, giesst man 


flüssig gemachten, genügend abgekühlten Agar in die inficierten Röhrchen. 
indem man die schräge Fläche nach unten gekehrt hält (s. Abbildung), bis 
die schräge Agarfläche gut zur Hälfte von dem darauf gegossenen Agar be- 
deckt ist. Auf der freien Agarhälfte entwickeln sich dann die bei ungehindertem 
Luftzutritt wachsenden Bakterien, auf der andern, überschichteten Hälfte die, 
denen diese Fähigkeit abgeht. 

Wenngleich die durch die Ueberschichtung mit Agar bewirkte Verdrängung 
und Fernhaltung der atmosphärischen Luft keine absolute ist, so dürften die 
in unserm Untersuchungsmaterial, wie, um bei den angeführten Beispielen 


Infektionskrankheiten. 1187 


zu bleiben, Galle, Cysteninhalt, Peritonealflüssigkeit vorhandenen anaëroben 
Bakterien gerade auf diese Weise Bedingungen finden, wie sie denen im Innern 
des Körpers, wo wir ja auch nicht von einem völligen Mangel des Sauerstoffes 
sprechen können, am meisten gleichkommen. 


Fraenkel E., Ueber menschenpathogene Streptokokken. Münch. med. 
Wochenschr. 1905. S. 1868. 

F. ist es gelungen, die von Schottmüller beschriebenen 3 Arten 
Streptococcus erysipelatos, Streptococcus viridans s. mitis uud 
Streptococcus mucosus weiter zu differenzieren und darzutun, dass 
man es hier tatsächlich mit 3 verschiedenen Species zu tun hat. Jede 
derselben besitzt konstante und charakteristische Eigenschaften, so dass eine 
Umzüchtung der einen in die andere Art durch Aenderung der Wachstums- 
bedingungen unter keinen Umständen zu erzielen ist. 

Die Unterscheidung des Streptococcus mitis vom Diplococcus 
lanceolatus, welche mittels Blutagars nicht gerade einfach ist, gelingt besser 
durch das Tierexperiment an Mäusen und speciell grauen Hausmäusen. 
Erheblich einfacher gestaltet sich die Unterscheidung der beiden Bakterien- 
arten aber weiterhin durch Ueberimpfung auf den durch v. Drigalski und 
Conradi zur Differenzierung von Typhus- und Colibacillen angegebenen 
Lakmus-Nutrose-Agar. Im Gegensatz zu dem auf demselben nur spärlich 
wachsenden Pneumokokkus gedeiht der Streptococcus viridis in sehr üppigen 
grauweissen Rasen unter gleichzeitiger intensiver Rotfärbung des Agars. 
Nach 24 Stunden tritt diese Erscheinung am dentlichsten hervor. Auf dem- 
selben Nährboden entwickelt sich auch leicht der Streptococcus mucosus in 
charakteristischen schleimigen Belägen. 

Ueberzieht man die Oberfläche des fraglichen Nährbodens mit einer dünnen 
Schicht von Fett, am besten vom sterilisierttem Rinderfett, so gelingt es, 
den Streptococcus mucosus bis zu 3 Wochen Dauer am Leben zu erhalten, 
ein Resultat, das sonst auf keine Weise zu erzielen war. 

Für die Differenzierung des am längsten bekannten Streptococcus erysipe- 
latos ist der Drigalskiagar entbehrlich. Die Reaktion der Kulturen der drei 
auf diesem Agar gezüchteten Streptokokkenarten hat sich gleichmässig am- 
pboter erwiesen, jedoch ist ihr Säurebildungsvermögen durch ihre gerinnungs- 
erregende Einwirkung auf Milch einwandsfrei erwiesen. 

Schumacher (Hagen i.W.). 


Prochaska A., Bakteriologische Untersuchungen bei gonorrhoischen 
Infektionen. Deutsch. Arch. f. klin. Med. Bd. 83. S. 184. 

P. berichtet über 6 Fälle gonorrhoischer Allgemeininfektion, in 
denen die kulturelle Untersuchung des Blutes (10 ccm und mehr venöses 
Blut auf 200 ccm Aseitesbouillon verimpft) regelmässig Gonokokken nachwies. 
In 4 Fällen handelte es sich um Polyarthritis gonorrboica; davon war einer 
kompliciert mit Erythema nodosum äbnlichen Knoten beider Unterschenkel, 


85* 


1188 Infektionskrankheiten. 


ein zweiter mit Endocarditis der Mitralis, ein dritter tödlich verlaufender mit 
Endocarditis der Aortenklappen, in deren Auflagerungen sich bei der- Sektion 
Gonokokken fanden. Im 5. Fall schloss sich an eine gonorrhoische Vesiculitis 
und Prostatilis eine tödliche gonorrhoische Meningitis, im sechsten an eine 
rechtsseitige Epididimytis das Bild einer schweren Sepsis; hier trat im weiteren 
Verlauf eine linksseitige seröse Pleuritis auf mit Gonokokken in der Punktions- 
flüssigkeit. Nur in einem Teil der Fälle waren Gonokokken im Sekret des 
Urogenitalapparates nachzuweisen. Tomasczewski (Halle a. S.). 


Mulzer, Paul, Ueber das Vorkommen von Spirochäten bei syphi- 
litischen und anderen Krankheitsprocessen. Berl. klin. Wochenschr. 
1905. S. 1144. 

Verf. konnte in 20 von 22 untersuchten Fällen von Syphilis im Abklatsch- 
oder Geschabepräparat die Spirochaeta pallida nachweisen. Die beiden 
negativen Untersuchungen beruhen vielleicht auf Versuchsfehlern. Im Smegma 
gesunder Männer und Frauen fand er niemals Spirochäten. In 8 von 29 Fällen 
von Balanitis, Carcinom oder Papillom wurden Spirochäten beobachtet; jedoch 
unterschieden sich diese von der Spirochaeta pallida in morphologischer 
und tinktorieller Beziehung. Baumann (Metz). 


Siebert, Conrad, Ueber die Spirochaete pallida. Aus d. dermatolog. 
Universitätsklinik in Breslau. Deutsche med. Wochenschr. 1905. S. 1642. 
Der Verf. berichtet über die Ergebnisse der Nachprüfung der Schau- 
dinn-Hoffmannschen Befunde an 125 Krankheitsfällen der Breslauer 
Klinik für Hautkranke. Davon handelte es sich bei 73 um sichere, bei 6 
um zweifelhafte Syphilis, bei den übrigen 46 um allerlei nicht auf Syphilis 
beruhende Hautkrankheiten. Unter den 73 Fällen von sicherer Syphilis 
befanden sich 7 tertiäre, bei welchen allein die Spirochaete pallida vermisst 
wurde; von 18 „typischen Primäraffekten‘“ wurde sie bei 13, von 48 Fällen 
mit sekundären Erscheinungen allein oder primären und sekundären Er- 
scheinungen zusammen wurde sie bei 46 aufgefunden. Im Blut, in der 
Cerebrospinalflüssigkeit und in dem Inhalt von Blasen, die durch spa- 
nische Fliegen bei Personen mit frischer sekundärer Syphilis erzeugt wurden, 
gelang ibr Nachweis niemals. Bei zwei totgeborenen Kindern mit ver- 
erbter Syphilis wurden nur vereinzelte Spirochäten in inneren Organen 
gefunden. N 

Von den 6 Kranken mit Geschwüren am Gliede, deren syphili- 
tische Natur zweifelhaft erschien, wurde bei einem Spirochaete pallida 
festgestellt. 

Unter den 46 Fällen von Hautleiden, bei welchen Syphilis ausge- 
schlossen wurde, befanden sich spitze Feigwarzen, weiche Schaukergeschwüre, 
Herpes, Ekzeme und Carcinome verschiedener Art. Wenn der Sitz der Krankheit 
nicht an der Geschlechtsgegend oder im Munde sich befand, stiess man nur 
sehr selten auf Spirochäten. Die aus der Geschlechtsgegend herrühren- 
den Spirochäten waren leicht, die aus dem Munde stammenden manch- 
mal nur schwierig von der Spirochaete pallida zu unterscheiden. 

Globig (Berlin). 


Infektionskrankheiten. 1189 


Schaudinn, Fritz, Zur Kenntnis der Spirochaete pallida. Vorläufige 
Mitteilung. Aus d. Protozoön-Laborator. d. Kais. Gesundheitsamtes in Berlin. 
Deutsche med. Wochenschr. 1905. S. 1665. 

Dem Verf. ist mit wachsender Uebung die Erkennung der Spirochaete 
pallida immer leichter geworden, und er hat sie in allen Fällen von 
primärer und sekundärer Syphilis nachweisen können. Er erklärt 
sie deshalb als für diese Krankheitsformen specifisch. Bei tertiärer 
Syphilis fehlt sie, und der Verf. vermutet, dass sie sich dabei in einem 
Ruhezustand befindet. Er bestätigt seine früheren Angaben, dass sie von 
verschiedenen anderen Spirochäten, die beim Menschen vorkommen, im 
lebenden Zustande durch ihre Zartheit, ihr geringes Lichtbrechungs- 
vermögen und durch die Unveränderlichkeit ihrer regelmässigen, engen, 
tiefen, ziemlich zahlreichen (10—26) Windungen sich unterscheiden lässt, 
während die anderen in der Ruhe ihre Windungen abflachen nnd sich der 
geraden Linie nähern. Im Dauerpräparat wird bei der neuen Giemsa- 
schen Färbung (vgl. diese Zeitschr. 1906. S. 188) die Spirochaete pallida 
zart rot, die anderen Spirochäten aber werden bläulich gefärbt. Ein 
wichtiges neues Unterscheidungsmerkmal besteht darin, dass die 
Spir. pallida scharf zugespitzte Enden und an jedem derselben eine 
etwa 4—6 Windungen lange zarte Geissel hat, die durch die Loeffler- 
sche Geisselfärbung deutlich sichtbar gemacht werden kann. Wiederholt 
hat der Verf. auch 2 Geisseln an einem Ende beobachtet und fasst diesen 
Zustand als den Begion einer Längsteilung auf. Die anderen Spirochäten 
haben dagegen mehr oder weniger stumpfe Enden und keine Geisseln, 
wohl aber eine „undulierende Membran“, die bei der Spir. pallida bisher 
nicht nachgewiesen werden konnte. Ebenso wie die bei Menschen gefundenen 
Arten der Spirochaete refriogens, Spir. dentium, der bei der Angina Vincenti 
und in geschwürigen Carcinomen vorkommenden verhält sich die frei lebende 
Spir. plicatilis. Wegen dieser erheblichen Unterschiede stimmt der Verf. 
dem Vorschlage Vuillemins zu, die Spir. pallida als eine eigene 
Gattung unter dem Namen Spironema abzutrennen. 

B Globig (Berlin). 


Hofmann, Erich, Ueber die Spirochaete pallida. Aus d. Univers.-Klinik 
f. Haut- u. Geschlechtskrankh. in Berlin. Deutsche med. Wochenschr. 1905. 
S. 1710. 

Zusammenfassend stellt der Verf. fest, dass die zahlreichen bekannt 
gewordenen Nachprüfungen seiner und der Befunde Schaudinns darin 
übereinstimmen, dass die Spirochaete pallida bei allen syphilitischen 
Veränderungen, auch bei vererbter Syphilis gefunden und nur bei tertiären 
Erscheinungen vermisst wird, dass sie dagegen bei anderen Erkrankungen 
und bei Gesunden nicht vorkommt. Abweichungen hiervon sind nur 
vereinzelt berichtet worden, und bei einigen derselben, wie in den Fällen von 
Nigris (vgl. d. Ztschr. 1906. S. 381), Scholtz (vgl. d. Ztschr. 1906. S. 381) und 
von Kiolemenoglou und v. Cube(vgl. d. Ztschr. 1906. 8.653), wo der Verf. eine 
Nachuntersuchung der Präparate vornehmen konnte, hat sich herausgestellt, 

86 


1190 Infektionskrankheiten. 


dass nicht.die Spirochaete pallida vorlag Am sichersten von 
anderen Spirochäten zu unterscheiden ist diese durch die Untersuchung im 
lebenden Zustande, doch erklärt der Verf. diese Beobachtungsweise für 
zu schwierig und zu zeitraubend, um für klinische Zwecke benutzt zu 
werden. Er macht aber darauf aufmerksam, dass die anderen Spirochäten- 
arten, welche in oberflächlich offenen oder in geschwürigen syphi- 
litischen Veränderungen neben der Sp. pallida vorkommen, meistens 
durch gründliche Reinigung dieser Stellen mit in keimfreie Kochsalz- 
lösung getauchten Tupfern sich entfernen lassen, und, wenn dann die 
Oberfläche mit dem scharfen Löffel abgekratzt wird, in den möglichst ohne 
Blut gewonnenen abgeschabten Gewebsteilen die Sp. pallida fast immer 
rein angetroffen wird. 

Wichtig ist, dass das Fehlen oder Vorkommen der Sp. pallida in einer 
Anzahl von zweifelhaften beginnenden Fällen, wo die klinischen Er- 
scheinungen noch kein Urteil erlaubten, bei der Diagnose und Prognose be- 
nutzt worden ist, um Syphilis auszuschliessen oder anzunehmen. 

Globig (Berlin). 


Roscher, Untersuchungen über das Vorkommen von Spirochaete 
pallida bei Syphilis. Berl. klin. Wochenschr. 1905. S. 1382 ff. 

Verf. untersuchte insgesamt 138 Fälle auf das Vorkommen von Spirochaete 
pallida. Unter 100 Fällen frischer Syphilis fand er 96mal Spirochäten 
und zwar bei 206 syphilitischen Krankheitsprodukten 184 mal. Von 32 Primär- 
affekten wurde bei 31 die Spirochaete pallida nachgewiesen; in 16 Fällen 
da von waren noch keine allgemeinen Erscheinungen aufgetreten, und in 
5 Fällen war die Diagnose Syphilis noch nicht mit Sicherheit gestellt. Unter 
88 Drüsenpunktionen hatten nur 8 einen negativen Erfolg. Die Unter- 
suchung von 58 nässenden Papeln fiel 55mal positiv aus, die von 40 ge- 
schlossenen Papeln oder Pusteln 34mal. In 14 Fällen später Syphilis- 
recidive gelang nur 3mal der Nachweis der Spirochaete pallida, in typi- 
schen tertiären Processen niemals. Bei 24 Kontrolluntersuchungen 
nichtsyphilitischer Geschwüre u. s. w. wurde niemals Spirochaete pallida 
gefunden. ` Baumann (Metz). 


Flügel, Karl, Weitere Spirochätenbefunde bei Syphilis. Aus der Haut- 
krankenstation des städtischen Krankenhauses in Frankfurt a. M. Deutsche 
med. Wochenschr. 1905. S. 1755. 

Während in der früheren Veröffentlichung aus demselben Krankenhause 
(vgl. Herxheimer und Hübner, diese Zeitschr. 1906. S. 187) neben 15 
positiven noch über 8 negative Befunde berichtet wurde, ist jetzt in sämtlichen 
zur Untersuchung gekommenen 29 Fällen von sicherer Syphilis die Spiro- 
chaete pallida ohne Ausnahme nachgewiesen worden. Vermisst wurde 
sie nur bei 4 Fällen von tertiärer Syphilis. Besonders hervorgehoben wird 
der Befund der Spirochaete pallida in dem Eiter eines nichtsyphilitischen Leidens 
(Molluscum contagiosum) bei einem Syphilitischen. Globig (Berlin). 


Infektionskrankheiten. 1191 


Kowalewski, Ueber Primäraffekt am Lid mit Demonstration von 
Spirochäten. Deutsche med. Wochenschr. 1905. S. 2098. 

Der Verf. berichtet über einen bemerkenswerten Fall von Syphilis, bei 
welchem die Ansteckung am oberen Auglide erfolgt war und zur Fest- 
stellung der Krankheit ausser der Beschaffenheit des Lidgeschwürs 
und der Schwellung von Lymphdrüsen vor dem Ohr und am Halse 
der Nachweis der Spirochaete pallida in grosser Zahl in Abstrichen 
von dem „Primäraffekt“ diente. 3 Tage später wurde ein kleinfleckiger 
Roseolaausschlag an einem Unterarm, dem ganzen Rumpf und den Geschlechts- 
teilen bemerkt und in Ausstrichpräparaten von Papeln am Bauch und 
an den Geschlechtsteilen die Spirochaete pallida gefunden. Diese 
war aber 3 Tage nach dem Beginn der Behandlung, die in täglichen 
Sublimateinspritzungen in die Muskeln bestand, verschwunden. 

Globig (Berlin). 


Brönnum A. und Ellermann V., Spirochaete pallida in den inneren Or- 
ganen bei Syphilis hereditaria. Aus d. dermatol. Abteilung des Fre- 
deriksberg- Hospitals in Kopenhagen. Deutsche med. Wochenschr. 1905. 
S. 1757. 

In der Milz eines 6 monatigen totgeborenen syphilitischen Kindes 
wurde die Spirochaete pallida in grosser Zahl gefunden, in der cir- 
rhotischen Leber, den Nebennieren und dem Mutterkuchen liess sie sich nicht 
nachweisen. Globig (Berlin). 


Ravaut, L&sions encéphalo-méningées chez un nouveau-né syphi- 
litique. Société medicale des hôpitaux. Séance du 12 janvier 1906. La 
sem. med. 1906. No. 3. p. 33. 

Ravaut hat bei einem syphilitischen Neugeborenen mit syphilitischen 
Papeln und einer ausserordentlich starken Vergrösserung der Leber und Milz 
3 Wochen nach der Geburt Krämpfe beobachtet. 

Bei der Untersuchung der Rückenmarksflüssigkeit wurde eine sehr be- 
trächtliche Lymphocytose aufgefunden. Nach dem Tode des Kindes zeigten 
sich die Meningen sehr stark mit Blut gefüllt und verdickt, und ausserdem 
fand sich serofibrinöses Exsudat vor. Bei mikroskopischer Prüfung wurden 
in den Gefässwänden und besonders auch in den perivaskulären Zellen des 
Exsudates reichlich Spirochäten (Treponemes) nachgewiesen. 

Nieter (Halle a. S.). 


Hofmann, Erich, Spirochaete pallida bei einem mit Blut geimpften 
Makaken. Berl. klin. Wochenschr. 1905. S. 1451. 

Verf. impfte einen Macacus rhesus in die mit dem durch Venenpunk- 
tion gewonnenen Blute eines vor etwa 6 Monaten inficierten Syphilitikers 
skarificierte Haut unterhalb der Augenbrauen. 18 Tage nach der Impfung 
entstand eine Papel, die am 20. Tage mit dem scharfen Löffel abgekratzt 
und untersucht wurde. Es fanden sich zahlreiche Exemplare der Spirochaete 
pallida. Hierdurch ist der Beweis geliefert, dass das Blut des vor etwa 


86° 


1192 Infektionskrankheiten. 


6 Monaten inficierten, noch unbehandelten Mannes die Spirochäten in so ent- 
wickelungsfähigem Zustand enthielt, dass bereits 20 Tage nach der Impfung 
eine grosse Zahl Spirochäten in dem Initialaffekt des Macacus nachgewiesen 
werden: konnten, während im allgemeinen bei Impfung mit Papel- oder 
Sklerosensekret die Inkubationszeit etwas länger dauert. 

i i Baumann (Metz). 


Waelsch L., Bemerkungen zu der Mitteilung von Prof. L. Merk 
‘„Ueber den Cytorrhyctes luis (Siegel)“. Wien. klin. Wochenschr. 
1905. S. 1055. 

Waelsch wendet sich gegen Merks Behauptungen und äussert sich mit 
Bestimmtheit dahin, dass die von Merk beobachteten Gebilde weder mit dem 
Cytorrhyctes luis von Siegel, wie ihn Siegel beschreibt, identisch sind, 
noch auch mit Syphilis irgend etwas zu tun haben. Es handle sich um Pro- 
dukte der roten oder weissen Blutkörperchen, vielleicht um die von Mūller 
beschriebenen Hämokonien, vielleicht um Gebilde, die mit den Blutplättchen 
verwandt sind; jedenfalls aber um Objekte, die auch im Blut gesunder oder 
anderweitig kranker Menschen gesehen werden. Grassberger (Wien). 


Moritz, Spirochätenbefund bei schwerer Anämie und carcinoma- 
töser Lymphangitis. Deutsches Arch. f. klin. Med. Bd. 54. H. 5 u. 6. 

` M. beschreibt einen Fall von schwerer Anämie mit eigentümlicher 

„knötchenförmiger“ Leberdegeneration, „earcinomatöser“ Lymphangitis 

und Spirochäten im Knochenmark und Dünndarm, die mit den bisher be 

kannten und in menschlichen Organen gefundenen nicht identisch zu sein 

scheinen. O. Baumgarten (Halle a. S.). 


Cohn E., Ueber eine seltene Schimmelpilzerkrankung des Menschen 
und ihren Erreger. Aus Sitzungsberichten der Niederrhein. Gesellsch. 
f. Natur- u. Heilkunde zu Bonn. 1905. 

Es bandelt sich um eine chronische Erkrankung, die sowohl die Haut 
als auch die inneren Organe befällt und Aehnlichkeit zeigt mit Mycosis fungoides 
einerseits und Tuberkulose andererseits. In den Granulationsgeweben finden sich 
zahlreiche kugelige Gebilde von verschiedener Grösse und verschiedenem Inhalte, 
die von den ersten Beobachtern als auf Coceidieninfektion der Haut und der 
inneren Organe beruhend angesehen wurden. Reinkulturen bilden ein dicht ver- 
filztes Mycel, das unter dem Mikroskop sich als ein Netzwerk von Fäden mit 
Septenbildung und echten Verzweigungen erwies. Der Entwickelungsgang und 
die Umwandelung der Mycelfäden in die Kugelformen ist vom Verf. im Tier- 
körper beobachtet. Er bediente sich dabei steriler Schilfsäckchen, die für 
die Körpersäfte durchlässig waren, und die in die Bauchhöhle von Meerschwein- 
chen gebracht wurden. Bei nach einigen Tagen wieder entnommenem Material 
waren die langen Mycelfäden in kurze Teilstücke zersprengt, und an vielen 
von diesen wurden eine Anzahl Kugeln, die im Begriffe waren, sich rosen- 
kranzartig abzuschnüren, bemerkt. Daneben hat Verf. auch noch einen anderen 


Infektionskrankheiten. 1193 


Entstehungsmodus der Kugeln beobachtet, wobei Aehnlichkeit mit dem Aussehen 
von Actinomyceten im Tierkörper vorhanden war. 
Mit Fischer sieht Verf. in dem Pilze eine durch Parasitismus degenerierte 
Mucoracee. Als Infektionsträger glaubt er das Holz ansehen zu müssen. 
Nieter (Halle a. S.). 


Meixner und Kudicke, Chininprophylaxe in Deutsch-Ostafrika. Arch. 
f. Schiffs- u. Tropenhyg. Bd. 9. S. 479—499. 

Bericht über die aus 74 Fragebogen und mehreren sorgfältigen Einzelbe- 
obachtungen erhaltenen Resultate. Die Beurteilung der ersteren wird dadurch 
etwas erschwert, dass manchmal Rekurrens mit Malariarecidiven verwechselt 
worden ist. Einen vollständigen Schutz gegen Ansteckung mit Malaria gibt 
die Chininprophylaxe nicht; dagegen verhindert sie, genügend grosse Dosen 
und hinreichende Dauer vorausgesetzt, den Ausbruch von Schwarzwasserfieber. 
Grammdosen am 9. und 10. Tage genügen im allgemeinen und sind besonders 
wertvoll bei kürzerem Anfenthalt in Malariagegenden oder io Orten mit Saison- 
malaria, zum Gebrauche während der gefährlichen Zeit. Wo aber dauernd 
die Möglichkeit der Infektion gegeben ist, ist die Anwendung mechanischen 
Schutzes notwendig. G Kisskalt (Berlin). 


Koch R., Vorläufige Mitteilungen über die Ergebnisse einer 
Forschungsreise nach Ostafrika. Deutsche med. Wochenschr. 1905. 
S. 1865. 

Der eigentliche Zweck der im December 1904 angetretenen Reise war 
die Ausfindigmachung von Mitteln zur Bekämpfung des in Deutsch-Ost- 
afrika verbreiteten Küstenfiebers der Rinder, doch bot sich noch Zeit 
und Gelegenheit, auch die Kenntnis einiger anderer Krankheiten zu 
fördern. 

Dazu gehörte zunächst die Rekurrens, die an der Karawanenstrasse 
von Dar es Salam ins Innere seit längerer Zeit häuflg vorkommt und sich 
von der europäischen Form durch die kurze Dauer ihrer Anfälle und durch 
die geringe Zahl, aber die grössere Länge ihrer Spirochäten unterscheidet. 
Für ihre Zugehörigkeit zu den Trypanosomen ergab sich kein Anhaltspunkt, 

"dagegen machten gewisse Lücken ihre Vermehrung durch Querteilung wahr- 
scheinlich. Durch Rekurrensblut lässt sich die Krankheit auf Affen übertragen. Die 
natürliche Uebertragung geschieht durch den Stich einer Zecke, 

Ornithodorus moubata, welche im Boden der Negerhütten bis an die 

Grenze der Dachtraufe lebt und Nachts hervorkommt. Wenn eine Zecke 

Rekurrensblut gesogen hat, verschwinden die Spirochäten in einigen Tagen 

aus dem Magen, werden aber an den Eierstöcken wiedergefunden und ver- 

mehren sich dort und im Inhalt einzelner der abgelegten Eier er- 
heblich; sie bilden auf den letzteren oft Haufen und Knäuel. Junge Zecken, 
welche aus solchen Eiern hervorgehen, vermögen Affen mit Rekurrens zu 
inficieren. Inficierte Zecken wurden fast überall an der Karawanenstrasse, 
aber auch sonst im Lande gefunden; ihre Anzahl betrug 5—15 v. H., einige 
Male 50 v. H. der untersuchten Zecken. Europäer schützen sich am leichtesten 


1194 Infektionskrankheiten. 


dadurch, dass sie ihr Zelt niemals dort aufschlagen, wo schon andere vor 
ihnen gelagert haben. Die Eingeborenen scheinen durch Ueberstehen der 
Krankheit in ihrer Jugend mehr oder minder vollständig immun dagegen zu sein. 

Auch der Erreger des Texasfiebers, das Piroplasma bigeminum, 
wird durch Zecken verbreitet. Im Magen dieser Tiere verlässt der 
Mikroorganismus das rote Blutkörperchen, streckt sich und entwickelt an 
einem kolbigen, ein Chromatinkorn enthaltenden Ende eigentümliche 
spitze Strahlen. Derartige Körperchen vereinigen sich, wie es scheint, 
durch Kopulation, bilden aber auch grössere Gruppen. Ausserdem finden 
sich noch kugelige und endlich eiförmige oder birnenförmige Körper, welche 
3—4 mal so gross wie die Piroplasmen im Blut der Rinder sind. Ein Ueber- 
gang zu den letzteren ist vermutlich vorhanden, aber noch nicht nachgewiesen. 

Die Erreger des Küstenfiebers der Rinder zeigen statt der sonst 
bei den Piroplasmen bekannten Zweiteilung eine Vierteilung- Auch bei 
ihnen entwickeln sich im Körper der Zecken eigentümliche eckige mit 
Strahlen besetzte Formen, jedoch erheblich kleiner als beim Texasfieber. 
Ausserdem finden sich beim Küstenfieber in der Milz und den Lymph- 
drüsen kugelförmige Gebilde mit mehreren Chromatinkörnern in grosser 
Zahl und so regelmässig schon vor dem Auftreten der Parasiten im Blut, 
dass die Krankheit daran bei geschlachteten Tieren erkannt werden konnte. 

Als Ueberträgerin der Tsetsekrankheit galt bisher nur die Glossina 
morsitans, aber auch Glossina fusca und pallidipes kommen bierfür 
in Betracht, daR. Koch in der Flüssigkeit ihres Stechrüssels Trypano- 
somen nachweisen konnte. Daraus, dass sie dort viel zahlreicher als 
jemals im Blut waren, ergab sich, dass sie sich innerhalb der Fliegen 
entwickeln müssen. 'Dies gebt im Magen vor sich, einerseits durch Längs- 
teilung, andererseits dadurch, dass sie erheblich grösser werden, und dass 
ein Teil eine dicke Form mit grossem runden Chromatinkörper — Weibchen — 
ein anderer eine längere schlanke Form mit dünnem Chromatinkörper 
— Männchen — annimmt. Ob Kopulation oder Mikrogametenbildung 
stattfindet, ist noch nicht entschieden. Bei dem befruchteten Weibchen 
scheint sich Kernteilung und Zerfall in kleine Teilchen zu vollziehen, aus 
denen junge Trypanosomen entstehen. Ausserdem kommen Trypanosomen in 
Längsbündeln, zum Teil aufgerollt, und schmale bandförmige von grosser 
Länge vor und ferner neben ihnen in der Stechrüsselflüssigkeit solche, die sich 
nach Gestalt und Grösse von den Bluttrypanosomen nicht unterscheiden. Ratten 
mit Trypanosomen aus dem Fliegenmagen zu inficieren, ist nicht gelungen. 
Wurden Glossinen mit Blut von Rindern gefüttert, die frisch an Tsetse er- 
krankt waren, so kam es bei ihnen nicht zur Entwickelung von Trypanosomer; 
dies war erst der Fall, wenn sie an Tieren gefüttert wurden, deren Infektion 
lange Zeit zurücklag und welche nur wenige Trypanosomen im ‚Blut hatten. 
Bei den Glossinen saugen Männchen und Weibchen Blut und können 
demnach beide inficiert werden und weiter inficieren. Das Weibchen der 
Glossina fusca legt keine Eier, sondern in Zwischenräumen von 10—20 Tagen 
einzelne Larven, die sich nach wenigen Stunden verpuppen. Die Fort- 


Infektionskrankbheiten. 1195 


pflanzung geht bei ihnen also sehr langsam vor sich. Vielleicht kann 
hier die Bekämpfung der Trypanosomen-Krankheit einsetzen. 
Globig (Berlin). 


Mayer M., Experimentelle Beiträge zur Trypanosomeninfektion. 
Zeitschr. f. exper. Path. u. Ther. Bd. 1. H. 3. 

Die Eiweisskörper des Blutplasmas verhalten sich bei der Naganainfektion 
der Hunde genau wie bei bakteriellen Infektionen. Die Blutglobuline nehmen 
zu, das Albumin nimmt ab. Dadurch sinkt der sonst ungefähr 1:1,5—2,0 
betragende Eiweissquotient (Globulin + Fibrinogen : Albumin) bis unter 1:1. 
Durch Centrifugieren gewonnene Kochsalzaufschwemmungen von Tr. Brucei 
waren weder tierpathogen, noch schützten sie gegen spätere Infektionen 
mit lebenden Trypanosomen, auch verliehen sie dem Serum der damit 
behandelten Tiere keine agglutinierende oder sonst schädigende Kraft auf 
Trypanosoma ausserhalb des Tierkörpers. Es gelang weiterhin mit Tsetse- 
Trypanosomenextrakt und Tsetse-Hundeserum eine specifische Präcipitierung 
zu erhalten. Mit Hundeseram von Mal de Caderas blieb diese Präcipitierung 
aus. Schliesslich konnte Verf. noch zeigen, dass bei Hunden mit Mal de Ca- 
deras mehrfach eine hochgradige Lipämie ohne erhebliche quantitative Ver- 
mehrung des Blutfettes auftrat. O. Baumgarten (Halle a. S:). 


Sauerbeck, Ernst, Beitrag zur pathologischen Histologie der experi- 
mentellen Trypanosomen -Infektion (mit Trypanosoma Brucei). 
' Aus d. patholog. Institut zu Leipzig. Zeitschr. f. Hyg. Bd. 52. S. 31. 

Weisse Ratten, Hunde, Kaninchen und Meerschweinchen werden durch 
Einbringung des Erregers der Tsetsekrankheit oder Nagana, des Bruceschen 
Trypanosomas, stets getötet, Hunde und weisse Ratten iti wenigen Tagen, Kanin- 
chen und Meerschweinchen in einigen Wochen oder Monaten. Die Vermehrung 
der Trypanosomen geht im Blut der weissen Ratten und wahrschein- 
lich auch der Hunde stetig vor sich, bei Kaninchen und Meerschweinchen 
unregelmässig, so dass sie bei den letztgenannten Tieren nach reichlichem 
Vorhandensein wieder aus dem Blut verschwinden können. Diese sind daher 
zu Untersuchungen über Trypanosomen weniger geeignet als weisse Ratten 
und Hunde. à 

Phagocyten spielen bei den Trypanosomenkrankheiten eine wich- 
tige Rolle und die Arbeit von Marchand und Ledingham (vergl. diese 
Ztschr. 1905. S. 668) über die Leishmannschen Körperchen beim Menschen, 
deren Bau mit Gebilden, die bei der Trypanosomiasis der Ratten vorkommen, 
die grösste Aehnlichkeit hat, hat dem Verf. Anlass gegeben, genauere Unter- 
suchungen hierüber anzustellen, namentlich an Schnittpräparaten der 
inneren Organe, da die früheren Forscher sich fast ausschliesslich auf 
Abstrichpräparate beschränkt haben. 

Im lebenden Blut der Ratten fand der Verf. ausser den zur Längs- 
teilung führenden keine Veränderungen an den Trypanosomen, wohl aber 
nach dem Tode und zwar am frübesten (schon nach 1 Stunde) in der Milz, 
in den Lymphdrüsen und im Knochenmark, dann im Blut des Herzens, 


1196 Infektionskrankheiten. 


am spätesten in der Leber (nach mehr als 16 Stunden). Die gestreckte 
fischähnliche Gestalt des Trypanosomas zieht sich längs der Geissel nach 
hinten zusammen, später wird die Geissel abgeworfen und es entstehen rund- 
liche nicht mehr bewegliche Körperchen, die mit denen Leishmanns 
übereinstimmen. Die Bildung dieser Körperchen vollzieht sich nicht im nor- 
malen Blut der Organe, sie ist vielmehr von bestimmten histologischen Ver- 
änderungen abhängig, die sich als Anschwellung und Blutfülle in Milz 
und Lymphdrüsen, als Rötung im Knochenmark dem blossen Auge 
bemerkbar machen und in der Milz die Pulpazellen, in den Lymph- 
drüsen die Zellen des Iymphoiden Gewebes, in den Knochen die 
Knochenmarkszellen betreffen, und zwar besonders die dort vorkommen- 
den grossen freien Zellen mit grossen Kernen; in der Leber gehen die Ver- 
änderungen von den Zellen des Endothels der Haargefässe, in den 
Lungen vom Epithel der Lungenbläschen aus. Alle diese Zellen ver- 
mehren und vergrössern sich, sowohl Kern wie Protoplasma, und nehmen 
amöboide Formen an; dabei kommt es nicht selten zu Entartung der Kerne. 
In diesen vergrösserten Zellen liegen neben roten und weissen Blutkörper- 
chen die rundlich veränderten Trypanosomen, einzeln oder zu mehreren, 
doch bei weitem nicht so zahlreich wie die Leishmannschen Körper- 
chen beim Menschen, nicht oft .wohl erhalten, häufiger nur als Reste, 
namentlich der Kerne, erkennbar oder durch Vakuolen ihren früheren Aufent- 
haltsort bezeichnend. 

Dass die runden Formen der Trypanosomen einen Dauerzustand dar- 
stellen, wie neuerdings von einer Anzahl englischer Forscher angenommen 
wird, dafür fehlen dem Verf. Anhaltspunkte, aber freilich auch Beweise des 
Gegenteils. Da man beobachten kann, dass in der Bauchhöhle grosse ein- 
kernige Zellen die beweglichen Trypanosomen fangen und ihrem Inhalte ein- 
verleiben, wobei sie in die runde Form übergehen, so liegt es nahe, auch bei 
den runden Trypanosomenformen in den Zellen der Organe Phagocytose 
anzunehmen, zumal da die hierbei beteiligten Organe dieselben sind, bei denen 
auch im Verlauf anderer Infektionskrankheiten phagocytische Vorgänge vor- 
kommen. N Globig (Berlin). 


Wendelstadt H. und Fellmer T., Ueber die Einwirkung von Brillantgrün 
auf Nagana-Trypanosomen. Aus d. pharmakol. Institut in Bonn. Zeit- 
schr. f. Hyg. Bd. 52. S. 263. 

Die Verff. haben statt des früher von ihnen benutzten Malachitgrüns (vgl. 
diese Zeitschr. 1905. S. 250) neuerdings Versuche mit „Brillantgrün* 
der Anilin- und Sodafabrik in Ludwigshafen zur Bekämpfung der Tsetsetrypa- 
nosomen angestellt. Dieses Mittel, zu 1 ccm der Lösung von 1:200 Ratten 
unter die Haut oder von 1: 2000 in die Bauchhöhle gespritzt, ruft zwar ziemlich 
heftige Reizerscheinungen hervor, bringt. aber die Naganatrypanosomen, 
selbst wenn sie das ganze Gesichtsfeld überschwemmen, in 24—30 Stunden 
zum Verschwinden, während gleichzeitig die stets geschwollene Milz sich 
verkleinert. Allerdings entwickeln sich noch Trypanosomen, wenn sie auch 
durch das Mikroskop nicht nachgewiesen werden können, nach Bilutüber- 


Infektionskrankheiten. 1197 


tragung auf andere Ratten, aber langsamer als sonst. Lässt man es bei einer 
Brillantgrüneinspritzung bewenden, so zeigen sich nach 6—7 Tagen wieder 
Trypanosomen und 5—6 Tage später tritt der Tod ein; wiederholt man 
die Einspritzungen aber alle 7—8 Tage, so kann man Ratten, die mit 
Nagana ioficiert sind, sehr lange am Leben erhalten, namentlich wenn 
damit eine Arsenbehandlung (täglich 1 mg) verbunden wird, wie sie von 
Laveran erfolgreich mit Darreichung: von Trypanrot gegen das Trypanosoma 
gambiense verbunden wurde. Wird die Arsenikbehandlung abgebrochen, so 
stellen sich in der Regel nach 5—7 Tagen wieder Trypanosomen ein, bei ein- 
zelnen Ratten aber und bei einem Rhesus-Affen war völlige Heilung 
eingetreten und auch das Blut hatte seine Infektionsfähigkeit verloren. Einen 
Miserfolg bei einem Hunde schreiben die Verff. dem Umstande zu, dass das 
eingespritzte Brillantgrün nach dem Tode unaufgesogen in dem sehr starken 
Fettpolster des Tieres gefunden wurde. 

Besonders wichtig sind Beobachtungen der Verf, wonach unter dem 
Einfluss des Brillantgrüns die normalen Längsteilungsformen der 
Trypanosomen aufhören und es neben allerlei Zerfallsformen zu eigentüm- 
lichen Cystenbildungen in den Trypanosomen kommt, in welchen die 
Verff. eine Dauerform vermuten. Untergehende Trypanosomen liessen 
Vakuolenbildung, Körnigwerden, Schattenhaftwerden, Annahme 
amöboider Gestalt, Freiwerden von Geisseln und Kernen erkennen 
und wurden nicht blos frei im Blut, sondern ebenso wie die Cysten auch 
in weissen Blutkörperchen eingeschlossen angetroffen. Die Verff. 
halten es für möglich, dass die von ihnen beobachteten Einschlüsse mit den 
Leishman-Donovanschen Körperchen (vergl. Marchand und Ledigham, 
diese Zeitschr. 1905. S. 668) eins sind. Globig (Berlin). 


Franke, Ewald, Therapentische Versuche bei Trypanosomenerkran- 
kung. Inaug.-Diss. Giessen 1905. 

Da alle Versuche nach einem praktisch verwertbaren Immunisierungs- 
verfahren gegen Trypanosomenkrankheiten bisher erfolglos geblieben 
sind, stellte Verf. mit dem von Ehrlich und Shiga empfohlenen Trypan- 
rot, mit der von Laveran und Mesnil angegebenen Kombinierung von 
Trypanrot und Arsenik und mit der von Wendelstadt benutzten 
Malachitgrünbehandlung zahlreiche Versuche an Mäusen, Ratten, Kanin- 
chen und Affen an. 

Aus seinen Befunden geht hervor, dass das Trypanrot von den bisher 
bekannten Heilstoffen das einzige Mittel ist, mit welchem in einem erheb- 
lichen Prozentsatz der Fälle bei Mal de Caderas-Mäusen, Moborri-Mäusen und 
-Ratten Heilerfolge zu erzielen sind. Bei einer Reihe weiterer Trypanosomen- 
erkrankungen — Mal de Caderas der Kaninchen, Affen — vermag Trypanrot 
+ Arsenik (Laveran) günstige Heilerfolge zu bewirken. 

Verf. glaubt daher bei spontanen Erkrankungen der Tiere in 
den Tropen eine Behandlung mit Trypanrot oder Trypanrot+Ar- 
senik anraten zu sollen. Mit Malachitgrün (Wendelstadt) ist keine defini- 


87 


1198 Infektionskrankheiten. 


tive Heilung herbeigeführt; es steht in seiner Wirkung erheblich hinter dem 
Trypanrot zurück. 

Bei Mäusen dauert die durch Trypanrot bedingte aktive Immunität etwa 
20 Tage. Recidive treten dann ein, wenn bei nicht absolut sterilisiertem 
Farbstoff noch einzelne Keime zurückgeblieben sind. 

Im Blut der längere Zeit hindurch behandelten Tiere finden sich speci- 
fische Schutzkörper, deren Wirkung nur gegen die zur Infektion verwendete 
Species gerichtet ist. Nieter (Halle a. S.). 


Sander L., Die Tsetsen (Glossinae Wiedemann). Arch. f. Schiffs- u. 
Tropenhyg. Bd. 9. S. 183. (Auch als Sonderabdruck erschienen. Leipzig 
1905. Johann Ambrosius Barth. 79 Ss. 8%, Preis: 2,40 M.) 

Von dieser ausführlichen, 75 Seiten mit 33 Abbildungen umfassenden 
Darstellung unserer Kenntnisse von den Tsetsen kann nur das wichtigste 
wiedergegeben werden; betreffs vieler interessanter Einzelheiten muss auf 
das Original verwiesen werden. Die Tsetsen gehören zu der subsectio 
Stomoxys der Muscinae. Der ganzen subsectio ist die Gewohnheit des Blut- 
saugens und im Zusammenhang damit das Vorhandensein eines steifen, 
hornigen Stechrüssels, ferner die Bildung der Fühler gemeinsam. Die Glossinae 
speciell zeichnen sich durch einen Rüssel ohne Knickung mit einer zwiebel- 
förmigen Verdickung an seinem Ursprung aus; die Antennen sind doppelt 
gefiedert, die Fiederung auf die Vorderseite beschränkt; ein weiteres Unter- 
scheidungsmerkmal bilden der Verlauf der vierten Längsader des Flügels, die 
Geschlechtsorgane des Männchens und die Fortpflanzung, da wahrscheinlich 
sämtliche lebendige Junge gebären. Die Flügel sind ziemlich lang und liegen in 
der Ruhestellung übereinander, die Aussenränder sind dabei parallel. Ver 
Kopf ähnelt sehr dem der Stomoxys. Der Stechapparat ist in der Ruhe nicht 
wagerecht nach vorn, sondern senkrecht nach unten gerichtet. Der Thorax 
ist flach, der Hiuterleib im nüchternen Zustand sogar auffallend flach, bei der 
vollgesogenen Fliege dagegen fast kugelig. Charakteristisch ist ferner die 
Stellung der Borsten. Der Farbeneindruck der Tiere ist ein trübes, rötliches 
Grau; die Fliegen sehen wie bestäubt aus, und dementsprechend findet sich 
an lebenden und frischen Stücken wirklich an Kopf und Brust eine graue 
Bestäubung über. der Grundfarbe. Die Flügel sind rauchgrau gefärbt, die 
Adern dunkler. Der Hinterleib hat einen gelblichen Grundton. Es folgt eine 
ausführliche Beschreibung des Stechapparates und des Verdauungstraktus. 
Beide Geschlechter saugen Blut. Die physiologischen Vorgänge dabei sind die- 
selben wie beim Culex, erfolgen aber oft mit ausserordentlicher Schnelligkeit. 
Wie erwähnt, legt die Tsetse nicht Eier, sondern stösst eine gelbliche Made 
aus, die nahezu ebenso gross ist, wie der Hinterteil ihrer Mutter. Es scheint, 
dass die Ablage mit Vorliebe an bestimmten Grassorten geschieht, die bei den 
einzelnen Arten verschieden sind. Die Gattung Glossina ist in ihrem Vor- 
kommen auf Afrika beschränkt und zwar auf die Tropen; nur im Südosten 
geht sie etwas darüber hinaus. Alle Gegenden, in denen sie vorkommt, haben 
das Gemeinsame, dass sie so warm sind, dass die Temperatur auch in den 
kältesten Nächten noch mehrere Grade über dem Gefrierpunkt bleibt. Stets 


Infektionskrankheiten. 1199 


tragen sie dichteren oder leichteren Baum- oder Buschbestand; doch sind die 
Tiere auch darin auf kleine Bezirke beschränkt. Durch die Vernichtung der 
Bäume sollen sie weit mehr zurückgedrängt werden als durch die Vernichtung 
des Wildes. Die Wirkung des Stiches ist individuell verschieden: von fehlender 
Reaktion bis zu stark juckender Quaddel. Die Stechlust ist am grössten bei 
feuchter Luft und nicht zu grosser Hitze, also in den Vormittagsstunden von 
7—11 Uhr und in den Nachmittagsstunden von 3 Uhr bis Sonnenuntergang. 
Am meisten anlockend wirkt der Mensch, dann die Einhufer, dann Rinder, 
Hunde und Kleinvieh. Betreffs der Beschreibung der einzelnen Arten (Gl. 
palpalis, pallicera, tachinoides, morsitans, palludipes, longipalpis, fusca, longi- 
pennis) muss auf das Original verwiesen werden. Den Schluss bildet der 
Schutz gegen die Tsetsekrankheit. Versucht wurde von Eingeborenen und 
Jägern Fütterung mit getrockneten Fliegen, Säugenlassen an erkrankten Tieren, 
Darreichung von Chinin, Arsen, Arrhenal. Alle diese Methoden sind mehr 
oder minder wertlos. Durch Einhüllen in Stoffe kann man kostbare Tiere 
schützen. Im grossen verwertbar ist vielleicht Einreiben mit Stoffen, durch 
deren Geruch die Fliegen ferngehalten werden, wie Kot, Asa foetida, Wagen- 
schmiere, Karbol. Vorteile und Nachteile der Schutzimpfung werden kurz 
besprochen. Am meisten verspricht sich Verf. von Versuchen, die Tsetse- 
fliegen auszurotten; dies werde dadurch erleichtert, dass die Reifung bis zum 
Geburtsakt lange dauere und dass jedesmal nur eine einzige Made geboren 
werde. Kisskalt (Berlin). 


Nagel, Ueber einen Fall von Infusorienenteritis. Münch. med. Wochen- 
schr. 1905. S. 2124. 

N. hat bei einem Bergmann eine Erkranknng durch Infektion mit Balan- 
tidium coli beobachtet, einen nach Leuckart zu den Ciliaten oder 
Wimperinfusorien gehörenden Parasiten, welcher im Schweinedarm vor- 
kommt und deshalb bei Leuten, welche mit diesen Tieren zu tun haben, be- 
sonders oft gefunden wird. Das Balantidium coli erscheint als einer der ge- 
fährlichsten unter den Darmparasiten, bedeutend gefährlicher als das Anky- 
lostomum duodenale. Die Vermehrung der Parasiten im menschlichen Darme 
dürfte eine unbegrenzte sein. Eine radikale Beseitigung der bösartigen und 
hartnäckigen Protozoön gelingt kaum, und deshalb ist die Prognose sowohl 
in bezug auf die völlige Genesung, wie auf die Lebensdauer eine sehr 
ungünstige zu nennen. 

Das zuerst von Malmsten in Stockholm 1856 beschriebene Infusorium 
findet man am leichtesten in den schleimigen, den Dejektionen beigemischten 
Massen. In frisch entleertem und noch warmem Stuhlgange erkennt man die 
Balantidien an ihren lebhaften Bewegungen, sowie am Spiel ihrer Geissel- 
fäden und Wimperhaare. Fortwährende Diarrhöen mit häufig blutigen, 
selbst eitrigen Stuhlgängen sind das hervorstechendste Krankheitssymptom. 
Im Laufe vorgeschrittener Fälle sieht man die höchsten Grade von 
Anämie und Kachexie. Bei der Sektion können sich dann zahlreiche, 
kleine brandige Dickdarmgeschwäre finden, während die ganze übrige gesunde 
Schleimhaut des Kolon mit enormen Infusorienmengen übersät erscheint. 

3 


1200 Infektionskrankheiten. 


Kleine Kalomeldosen per os, Einläufe mit 1 prom. Chininlösung verur- 
sachten im beschriebenen Falle vorübergehende Verminderung und tageweises 
Verschwinden der Infusorien aus den Dejektionen, liessen aber eine völlige 
Beseitigung nicht gelingen. 

Eine Weiterverbreitung der gefährlichen Krankheit ist mit 
allen Mitteln der hygienischen Prophylaxe zu verhindern. 

Schumacher (Hagen i.W.). 


Reece, Report on small-pox and small-pox-hospitals in Liverpool 
1902/03. London 1905. Darling & Son. 2 Shilling 6 Pence. 

Bei dem regen See- und Handelsverkehr der von 723 420 Einwohnern 
bewohnten Stadt Liverpool ist der dortige Ausbruch einer Pockenepidemie 
und bei den mangelhaften Impfzuständen Englands die Andauer der Epidemie 
bis in das zweite Jahr nicht zu verwundern. Nach der Einschleppung des Konta- 
giums im December 1901 erlosch die Epidemie erst Ende 1903, nachdem es 
zu 2311 Pockenerkrankungen gekommen war. Man war seitens der Medizinal- 
verwaltung auf das Kommen der Epidemie vorbereitet; 3 Pockenspitäler und 
ein kleines Hafenspital mit zusammen 550 Betten standen zur Verfügung. 
die Desinfektionsaustalten und das Meldewesen der Erkrankungsfälle standen 
auf der Höhe. Die bis 11 Uhr abends gemeldeten Fälle wurden meist noch am 
selbigen Abend in ein Pockenspital gebracht. Man nahm anfangs die mit 
dem Kranken in Berührung getretenen Leute (Kontakts) gleich mit in den 
Krankenwagen und brachte auch sie in das Hospital, wo sie sofort geimpft 
wurden. Nicht selten waren 2 Wagen für den Transport erforderlich. Später 
blieben viele dieser „Kontakts“ in ihren Wohnungen. Hier wurden diese, 
sowie die zweifelhaft Erkrankten von angestellten Aerzten wiederholt 
besucht. Mit den Angestellten der Gesundheitsbehörde Hand in Hand wirkten 
die Impfärzte, sie besuchten die befallenen Häuser, um die Insassen und ihre 
Nachbaren zur Vornahme der Impfung zu bewegen. Auf der Höhe der Epi- 
demie traten 7 Hilfsimpfärzte hinzu. Die Ueberredungskunst der Herren hatte 
meistens nur dann Erfolg, wenn sie im Geleit eines Gesundheitsbeamten er- 
schienen. Um die ganze Familie daheim zu finden, fanden die Besuche nach 
Feierabend statt; dann wurden mindestens diejenigen geimpft, deren Impfung 
10 Jahre zurücklag, womöglich auch die Kinder von 4 und 5 Jahren. Solche 
Impfungen erfolgten unentgeltlich; die Stadt hat dafür an 15000 M. ausge- 
geben. Um das Kontagium möglichst zu isolieren, erhielten die Insassen 
inficierter Herbergen anfangs dafür, dass sie sich impfen liessen, und für eine 
Woche Hausarrest je 20 M., im späteren Laufe der Epidemie liess man die 
Leute ausgehen, zahlte ihnen aber für die Impfung 5 M., zuletzt nur 1 M. 
Die Impfung wurde fast immer zugestanden und hat wesentlich zur Unter- 
drückung der Epidemie beigetragen. Von den Pockenspitälern lagen zwei 
noch innerhalb der Stadt; es stellte sich heraus, dass die Nachbarschaft dieser 
Hospitäler von den Pocken stärker heimgesucht wurde als die entferuteren 
Stadtteile; das wird in mehreren sehr genauen Karten mit Einzeichnung aller 
Pockenfälle veranschaulicht und so ziemlich sicher nachgewiesen, dass diese 
innerhalb der Stadt belegenen Hospitäler zur Fortdauer der Epidemie bei- 
getragen haben. L. Voigt (Hamburg). 


Infektionskrankheiten. 1201 


Bohne, Beitrag zur diagnostischen Verwertbarkeit der Negrischen 
Körperchen. Aus d. Institut f. Infektionskrankh. in Berlin. Zeitschr. f. 
Hyg. Bd. 52. S. 87. 

An 170 Gehirnen von Tieren und Menschen, welche der Wutschutzab- 
teilung des Instituts für Infektionskrankheiten in Berlin zur Untersuchung 
eingesandt wurden, hat der Verf. eine Nachprüfung über das Vorkommen 
der zuerst von Negri aufgefundenen, namentlich in der Gegend des Ammons- 
horns häufigen Körperchen angestellt, welche als kennzeichnend 
für Wut angesprochen werden. Er hat hierbei die Behandlung von Hirnstück- 
chen aus der genannten Gegend auf etwa 3 Stunden abgekürzt, indem er die 
Schnelleinbettung mit Aceton und Paraffin nach Henke und Zeller 
auf sie anwendet, dann Schnittreihen anlegt und nach Mann färbt. Von 
jenen 170 Gehirnen fand er auf diese Weise bei 99 die Negrischen Körper- 
chen. Der Tierversuch ergab freilich noch in weiteren 10 Fällen, dass 
Wut vorlag, aber er fiel in keinem einzigen Falle negativ aus, wo die 
Negrischen Körperchen gefunden waren. Diese Körperchen fehlten in den 
Gehirnen von 50 Hunden, deren Tod durch andere Ursachen als Wut hervor- 
gerufen war, und die zur Kontrolle untersucht wurden, regelmässig. 

Praktisch wichtig ist es, wie an einem Beispiel erläutert wird, dass 
man mit dem beschriebenen Verfahren unter Umständen 10 Tage früher als 
durch den Tierversuch feststellen kann, dass Wut vorliegt. Wenn 
keine Negrischen Körperchen gefunden werden, muss freilich jedes Mal 
erst noch der Tierversuch angestellt werden. Globig (Berlin). 


Sehiämann, Josef, Zur Kenntnis der Negrischen Tollwutkörperchen. 
Aus d. staatl. serotherapeut. Institut in Wien. Zeitschr. f. Hyg. Bd. 52. 
S. 199. 

Auf Grund von Untersuchungen an den Gehirnen einerseits von gesunden 
und an Vergiftungen mit Tetanus- und Dysenterietoxin eingegangenen Tieren 
und Menschen und andererseits von an Wut gestorbenen 2 Menschen und 
8 Hunden erklärt der Verf. die Negrischen Körperchen als für Tollwut 
kennzeichnend. Er unterscheidet 3 Formen, die „komplexe“ mit mehreren 
ringartigen Einschlüssen, die „einfache“ mit einem ringartigen Einschluss 
und die „homogene bis punktförmige“ und fand zu ihrer Darstellung 
und Unterscheidung die Färbung von Maresch der bisher gebrauchten von 
Mann überlegen. Die Grösse der Körperchen schwankt in weiten Grenzen, 
und dies erklärt die Verschiedenheit des Ausfalls der von vielen Seiten früher 
angestellten Filtrationsversuche. Dass der Verf. überall Körperchen fand, die 
kleiner waren als ein Choleravibrio, macht er gegen Schüders Ansicht 
geltend, dass die Negrischen Körperchen schon ihrer Grösse wegen nicht die 
Erreger der Wut sein könnten (vgl. diese Zeitschr. 1905. S. 418). Wichtig 
ist die Beobachtung des Verf.’s, dass mit der wachsenden Zahl der 
Passagen zunächst die „komplexen“, dann die einfachen und zu- 
letzt die punktförmigen Körperchen und zwar zuerst aus dem 
Ammonshorn, dann aus dem Kleinhirn verschwinden. Inkubations- 
zeit, Krankheitsform und -dauer sind hierauf obne Einfluss. Die Frage, ob 


1202 Infektionskrankheiten. 


es sich bei den Negrischen Körperchen um eine Entartungserscheinung oder 
um Parasiten handelt, lässt der Verf. unerörtert. Globig (Berlin). 


Siegel, Bericht über gelungene Uebertragung der Maul- und Klauen- 
seuche auf Kaninchen, nebst ergänzenden Bemerkungen über die 
Beobachtungs- und Färbemethoden der gesamten Oytorrhyctes- 
gattung. Münch. med. Wochenschr. 1905. S. 1574. 

S. hat eine Mischung von Glycerin und abgeschabtem Epithel und Papillar- 
körper der Blasen von maul- und klauenseuchekranken Rindern einer Anzahl 
Kaninchen subkutan injiciert und diese Impfung bei den drei überlebenden 
Tieren noch zwei weitere Male wiederholt. Von einem nach der zweiten 
Impfung gestorbenen Tiere wurden die Nieren mit dem Blut gehörig verrieben 
und eine Menge von 20 ccm dieser Emulsion einem Ferkel intraperitoneal 
einverleibt, worauf das letztere in typischer Weise erkrankte. Die in 
Stücke geschnittene Leber des Kaninchens war mit dem Futter zugleich ver- 
abfolgt worden. Dieses Schwein wurde getötet und ganz nach dem eben be- 
schriebenen Verfahren mit dem von diesem Tier erhaltenen Versuchsmaterial 
ein zweites Schwein geimpft. Auch dies erkrankte in charakteristischer Weise. 
Wenn auch bei allen inficierten Kaninchen keine der bei der Erkrankung 
grösgerer Tiere fast stets vorkommenden Hauterscheinungen auftrat, so handelte 
es sich hier doch sicherlich um eine echte Infektion mit dem specifischen 
Erreger der Maul- und Klauenseuche. Bei den sehr zahlreich angestellten 
Untersuchungen frischer und gefärbter Blutpräparate liess sich stets der 
Cytorrhyctesflagellat und zwar meist in besonders grossen sporu- 
lierenden Formen bei Schweinen kurz vor und im Verlauf des Exanthems 
nachweisen. 

Bei allen einschlägigen Blutuntersuchungen empfiehlt S. namentlich, dass 
man das normale Blut recht gründlich mikroskopisch betrachten solle, ebe 
man lebende Cytorrhyctesflagellaten zu studieren beginnt, da eine Anzahl der 
im normalen Blut durch Plasmorrhexis und Plasmoschisis entstehenden Zerfalls- 
produkte leicht das Vorhandensein der gesuchten Parasiten vortäuschen könnte. 

Auch die im normalen Blut vorkommenden, von H. F. Müller beschrie- 
benen Hämokonien können Anlass zu Verwechselungen geben; doch stehen 
sie in der Regel hinter den ausgewachsenen Cytorrhyctesformen an Grösse 
ganz bedeutend zurück. ? 

Zur Färbung ist Grenachers Hämatoxylin und zur Nachfärbung 
Azur II und zwar 1:1000 am besten zu verwenden, während speciell zur 
Geisselfärbung Giemsas Verfahren anzuwenden ist. Für denjenigen, der 
selbst mit Cytorrhyctesparasiten zu arbeiten wünscht, ist es am einfachsten, 
Pockenlymphe einem Kaninchen subkutan zu injicieren. Nach 5mal 24 Stunden 
enthält das Blut des Tieres dann in den meisten Fällen reichliche Massen aus- 
gesprochener Flagellaten. Schumacher (Hagen i.W.). 


Infektionskrankheiten. 1203 


Dürck H., Ueber Beri-Beri und intestinale Intoxikationskrankheiten 
im Malaischen Archipel. Münch. med. Wochenschr. 1905. S. 1913. 
D. bat in Holländisch-Indien und in den dortigen Malaienstaaten 
Studien über das Wesen und die Entstehung der Beri-Beri-Krankheit ange- 
stellt. Diese unter einem proteusartigen Symptomenkomplex auftretende, 
auch in Japan als „Kakke“ wohlbekannte Erkrankung hat eine äusserst 
verschiedene Beurteilung erfahren. Es handelt sich aber jedenfalls um eine 
primäre Erkrankung der peripheren Nerven, weshalb Scheube und 
Bälz ihr den Namen Neuritis multiplex endemica oder Polyneuritis 
endemica gegeben haben. Diese Autoren haben ausser der rudimentären und 
der atrophischen Krankheitsform eine hydropisch-atrophische und eine perni- 
ciöse beschrieben. 

Ein Teil der Forscher erklärt die Beri-Beri für einelnfektions-, ein anderer 
für eine Intoxikationskrankheit. Man hat Vergiftungen durch schlecht auf- 
bewahrten Reis oder durch gewisse Fischsorten, besonders durch Skomber- 
arten vermutet. 

Dürck glaubt wegen der allgemeinen Degeneration des peripheren Nerven- 
systems und der Muskeln, dass als direkte Ursache dieser Veränderungen kein 
tierischer oder pflanzlicher Krankheitserreger in Frage kommt, da in allen 
anderen Organen analoge primäre Veränderungen fehlen. Es müssten also 
Giftstoffe, etwa von Mikroparasiten im Darmkanal bereitete Toxine die 
Ursache der Krankheit bilden. 

Dass das centrale Nervensystem verschont bleibt und in erster Linie die 
spinomuskulären Neurone ergriffen werden, erklärt D. ebenso wie Goldscheider 
und Moxter in der Weise, dass die letztgenannten Teile des Nervensystems, 
welche mehr in der Körpermasse zerstreut liegen, viel ausgiebiger von den 
Gewebssäften umspült und der Einwirkung der in denselben enthaltenen Toxine 
unverhältnismässig mehr ausgesetzt wären, als ein gleiches Stück einer cen- 
tralen Nervenfaser. 

D.’s Ergebnisse bedeuten eine überaus wertvolle Bereicherung unserer 
pathologisch-anatomischen Kenntnisse dieser merkwürdigen tropischen Krankheit. 

Schumacher (Hagen i.W.). 


lgl, Ist Krebs eine Infektionskrankheit? Ein Beitrag zur Krebs- 
forschung auf Grund des Verhaltens der Krebssterbefälle in 
Brünn während der Jahre 1884—1902. Oesterr. Sanitätsw. 1905. Bei- 
lage zu No. 52. 

Verf. hat mit dem in Brünn vorhandenen Material auf die Erforschung 
der Krebsätiologie an einzelnen Oertlichkeiten, auf Ergründung der Ursachen 
in diesen Fällen und des Krebses überhaupt sein Augenmerk gerichtet. Auf 
Grund seiner Nachforschung glaubt er über das Vorkommen und Verhalten 
des Krebses für die Stadt Brünn folgendes als Ergebnis aufstellen zu können: 

In Brünn starben in den letzten 19 Jahren jährlich von 100.000 Per- 
sonen 93,7 an Krebs, die zu den Gesamtverstorbenen im Verhältnis 1:20 
stehen. Im Zeitraum von 1893— 1902 gegenüber der Periode von 1884-1892 
besteht eine Steigerung, die beim männlichen Geschlecht 4,6°/,, beim weib- 


1204 Ernährung. 


lichen 15,8%, ausmacht. Bis zum 65. Lebensjahre nimmt bei beiden Ge- 
schlechtern die Krebssterblichkeit ziemlich gleichmässig zu; vom 65. bis 
75. Jabre ist die Krebssterblichkeit bei den Frauen niedriger als bei den 
Männern, hingegen vom 75. Jahre an bei den Frauen wieder höher. Nach 
dem Sitze des Leidens stehen die Verdauungsorgane weitaus an erster Stelle 
(79,97%/, männlich und 52,29°/, weiblich). Bei wohlhabenderen Personen ist 
das Verhältnis der Krebssterblichkeit zwischen beiden Geschlechtern bei 
Männern 46,15%, bei Frauen 53,85%,. In minderbemittelten Familien 
stellt sich die Sterblichkeit der Männer zu der der Frauen auf 30:70. 
Bei Aerzten (Brünn) zeigt sich im Vergleich zu anderen Berufsklassen eine 
etwas höhere Krebssterblichkeit. Wegen des häufigen Wohnungswechsels 
von Parteien und besonders von Nebenparteien spricht die Häufung von 
mehreren Krebstodesfällen in einem Hause an sich nicht für eine Krebs- 
seuche in diesem Hause. Von Gärten konnte kein begünstigender Einfluss 
auf die Krebsentwickelung nachgewiesen werden. Desgleichen war für Gemüse, 
Gesträuche u. s. w. als Zwischenträger der Krebserreger ein Einfluss zu erkennen. 
Auch der Tieflage einzelner Stadtteile, der Nähe von fliessenden Gewässern, 
einem hohen Grundwasserstand, mangelhaften hygienischen Verhältnissen u. s. w. 
war keine Beeinflussung zuzumessen. Bei einzelnen Familien besteht eine aus- 
gesprochene Neigung zur Krebserkrankung, auch scheinen öfter die männ- 
lichen, in anderen Fällen die weiblichen Mitglieder mehr befallen zu 
werden. 

Bezüglich der Frage nach der Infektiosität des Krebses ist Verf. der An- 
sicht, dass hier die Verhältnisse ähnlich wie bei der Tuberkulose 
aufzufassen sind, wo die zweifellos vorkommende Uebertragung (Kontakt) von 
Person zu Person auch nur einen Bruchteil aller Fälle ausmacht, und dass 
ausserdem Krebs ein verhältnismässig selteneres Leiden als Tuberkulose darstellt. 

Nieter (Halle a. S.). 


Sombart W., Studien zur Entwickelungsgeschichte des nordamerika- 
nischen Proletariats. Arch. f. Socialwiss. u. Socialpolitik. 1905. Bd. 21. 
S. 556. 

Diese Studien, in denen die Lebenshaltungen von Massen, deren Glieder 
ein differenziertes Einkommen haben, unter sich verglichen und den entsprechen- 
den Verhältnissen, in Europa gegenübergestellt werden, bieten viel Interessantes, 
insbesondere auch mit Hinblick auf die Haushaltungsbudgets (vergl. 1903. 
S. 193 u. 1905. S. 1039). 

„Die Geld-Arbeitslöhne sind in den Vereinigten Staaten zwei- 
bis dreimal so hoch wie in Deutschland“. Welches ist die Höhe der 
Lebenshaltung, d. h. welche Gütermenge kann sich der amerikanische Arbeiter 
mit seinen soviel höheren Geldlühnen erwerben und ist auch hier ein solch 
grosser Abstand zwischen dem amerikanischen und dem deutschen Arbeiter 
vorhanden? Für die Eigentümlichkeit der Preisbildung in den Vereinigten 
Staaten von Amerika ist massgebend der immer noch koloniale Charakter des 


Ernährung. 1205 


Landes und die hohe Entwickelung des Kapitalismus mit seiner hochent- 
wickelten Produktion und Verkehrstechnik. Petroleum (Beleuchtung), Wohnung, 
auch Zimmereinrichtung sind in Amerika billiger; die Kleidung ist nicht oder 
nur unwesentlich teurer. 

Am schwierigsten ist der Vergleich hinsichtlich der Ernährung. Der 
Arbeiter in Amerika lebt vorwiegend von Fleisch, Obst, Mehlspeisen, 
feinem Weizenbrot, der Arbeiter in Deutschland von Kartoffeln, Wurst, 
grobem (Roggen-)Brot. Obenan steht also der Preis für Fleisch; je nach der 
Qualität verhalten sich die Preise bei einem und demselben Fleisch wie 1:3. 
Die Preise der Lebensmittel sind im wesentlichen in Amerika die gleichen 
wie in Deutschland (nach den Preisfeststellungen in 2567 Budgets bearbeitet 
vom Arbeitsstatistischen Amt). Wie sieht es nun in Wirklichkeit aus? Spart 
der Arbeiter in Amerika mehr oder befriedigt er seine notwendigen Bedürfnisse 
ausgiebiger oder verwendet er mehr auf Luxusausgaben? Er tut alles dieses, 
besonders aber befriedigt er dienotwendigen Bedürfnisse ausgiebiger 
(nach den Haushaltungsbudgets). Er leistet sich eine grössere, besser einge- 
richtete und damit auch hygienisch günstigere Wohnung, gibt mehr aus für 
die Kleidung und ernährt sich reichlicher. Der Arbeiter in Amerika 
isst fast dreimal soviel Fleisch, dreimal soviel Mehl, viermal soviel Zucker 
(Mehlspeisen), als der Arbeiter in Deutschland. 

Die Arbeiterfamilie (bestehend aus 5,31 Köpfen) in Amerika verbraucht 
jährlich im Durchschnitt: 


Schwarzbrot, Weissbrot . 113,7 kg Fett anderer Art . . 38,0 kg 
Fleisch (frisch, gesalzen, Käse us E 72» 
Fisch, Geflügel) . . . 881,7 „ Milch . . . . . . 383,2 Liter 
Kartoffeln . . . . ...87%61 , Eier. . ...0....1022 Stück 
Mehl. . 2.2 . . . . 3806,4 „ Zucker. .. . . . 120,6 kg 
Butler OA TR E a An S 11,3 „ 


Besonders reichlich wird Obst genossen. 


Es gaben im Jahre aus in Mark: 


Für Fleisch 
(auch Wurst, Brot Milch Eier 
Fische u.s.w.) 


2567 Familien in Washington 462 ! 52 90 70 
Familien in Massachusetts . 605 ? 131 ? 
20 Familien nach May . . 161 i 128 78 | 2 
š in Nürnberg 213 129 67 | 24 
f » Karlsruhe 145 134 34 | 13 
M » Berlin . 270 137 12 37 


88 


1206 Ernährung. 


Der Anteil der Ausgabe an der ` 


Gesamtausgabe Es verblieben 
betrug in Prozentenfür: }Sonach für alle 
Untersuchte Haushaltungen Wohnung, übrigen Aus- 
: Heizung, | py: gaben in Pro- 
Nahrung | Beleuch, ı Kleidung zenten 
tung 
Amerikaner: 11156 Normalfamilien | 43,13 24,81 12,95 20,11 
x 2567 spec. untersuchte 42,54 19,98 14,04 23,44 
Familien . ... 
3 Massachusettser . . 49,01 18,11 12,81 20,07 
Deusche: Karlsruher. . . . .. 47,1 11,0 12,5 294 
Berliver‘., € » u... % 47,34 20,31 8,11 23.95 
Mays Zusammenstellung . 48,44 14,50 13,00 24.06 
Nürnberger . . . . .1 42,82 18,73 8,50 29.95 


Der Arbeiter in Amerika .speist schon, er isst nicht mehr bloss“, er 
steht unsern bessern Mittelstandskreisen viel näher als unser Lohnarbeiter. 
Was nun der deutsche Arbeiter ersparen könnte, das vertrinkt er; diese Be- 
hauptung sucht Sombart ziffernmässig zu beweisen. E. Rost (Berliv). 


Wolpert und Peters, Die Tageskurve der Wasserdampfabgabe des 
Menschen. Arch. f. Hyg. Bd. 55. S. 299. 

Die tägliche Wasserdampfabgabe des Menschen hat man nach 
den vorliegenden spärlichen 24 stündigen Bestimmungen auf rund 1000g pro 
Tag und 42 g pro Stunde bemessen. Verff. haben als erste aus den 
Werten von vierstündigen Einzelperioden die Tageskurve der Wasserdampf- 
abgabe abgeleitet. Peters hat 3 Selbstversuche im Pettenkoferschen 
Respirationsapparat während 24, 25 und 29 Stunden ausgeführt. Die Wasser- 
dampfabgabe, die aus der Differenz des Wassergehalts der aus dem Apparat 
ausströmenden und der in ihn einströmenden Luft sowie aus der Gewichts- 
differenz der Kleider u.s. w. bestimmt wurde, betrug rund 1650 g pro Tas 
und rund 70g pro Stunde (Körpergewicht 70 kg, Temperatur 24°, relative 
Feuchtigkeit 65%,). Die Tageskurve wurde im allgemeinen nicht durch 
die Tageszeit als solche beeinflusst; in die späteren Nachtstunden fiel das 
Minimum. Die Nalhrungseinnabme (warmes Mittagbrot wurde im Apparat 
nicht genossen) liess einen Einfluss auf die Wasserabgabe nicht erkennen. 

5 E. Rost (Berlin). 


Wolpert und Peters, Ueber die Nachwirkung körperlicher Arbeit auf 
die Wasserdampfabgabe beim Menschen. Arch. f. Hyg. Bd. 55. 
S. 309. 

Die Wasserdampfabgabe wird während körperlicher Arbeit 
erhöht. Wie die Verhältnisse nach der Arbeit liegen, war bisher noch nicht 
untersucht. 

Die Versuche wurden an zwei sachverständigen Versuchspersonen im 
Pettenkoferschen Respirationsapparat einmal bei Ventilierung desselben, 
indem wie im vorstehend besprochenen Versuch die Wasserdampfabgabe aus 
der Ditferenz des Ausstroms und Einstroms berechnet wurde (4 Versuche an 


Ernährung. 1207 


Person I im bekleideten Zustand), dann bei abgesperrtem Volum durch Be- 
stimmung der Steigerung der Luftfeuchtigkeit im Kasten mit dem Hygrometer 
(3 Versuche an Person II im nackten Zustande bei 30°) angestellt. Die 
Versuche waren in eine Vor-, eine Arbeits- und eine Nachperiode ge- 
teilt und dauerten bei I je 4, bei Il je 1 Stunde tagsüber. Dazwischen 
lagen bei I etwa 1/,—1stündige Zwischenräume zum Auswechseln des Absorp- 
tionsapparate u. s. w., bei II nur Pausen von 10 Minuten. Die Wasserdampf- 
abgabe, die auch hier während der körperlichen Arbeit gesteigert 
war, blieb auch nach der Arbeit noch eine Zeit lang, bis zu 
mehreren Stunden, erhöht. E. Rost (Berlin). 


Rolly und Liehörmeister, Experimentelle Untersuchungen über die 
Ursachen der Abtötung von Bakterien im Dünndarm. Deutsches 
Arch. f. klin. Med. Bd. 53. H. 5 u. 6. i 

Die Schlusssätze der wertvollen und interessanten Arbeit sind in Kürze 
folgende: Der leere Dünndarm von Kaninchen beherbergt nur eine ver- 
schwindend geringe Anzahl von erst durch Anreicherungsmethoden u. s. w. 
nachweisbaren Bakterien, ein Zustand, der sich auch dann einstellt, wenn 
Keime dem Dünndarm zugeführt werden. Die Tatsache, dass bei mangelnder 
Peristaltik im Darm sich enorm viel Bakterien entwickeln können, hängt nicht 
mit dem Mangel an Bewegung des Darminhaltes zusammen, sondern hat ihre 
Ursachen in anderen, erst sekundär entstandenen und veränderten Wachstums- 
bedingungen für die Bakterien. 

Galle, Pankreassekret und Darmsaft können weder vereint, noch allein 
eine baktericide Tätigkeit entfalten, stellen im, Gegenteil einen guten Nähr- 
boden für alle möglichen Mikrobien dar. Auch in abgebundenen und in 
Ringerscher Lösung von 40° gehaltenen, dabei gut beweglichen leeren Dünn- 
därmen geht das Wachstum der Dünndarmparasiten ungehindert von statten. 
Der Umstand, dass in den ersten Stunden nach der Abbindung bei derartig 
abgebundenen aber unter sonst normalen Bedingungen gehaltenen Dünndarm- 
schlingen zum mindesten eine starke Wachstumshemmung der Bakterien beob- 
achtet wird, deutet darauf hin, dass der lebenden normalen Darmwand eine 
gewisse Rolle bei der Abtötung der Bakterien zugesprochen werden muss. 
Die Gallensäuren, die infolge des Salzsäuregehaltes des Chymus im Darm 
eventuell frei werden könnten, können ihre antibakterielle Wirkung im Dünn- 
darm durch ihre sofortige Bindung an Bestandteile des Chymus oder an 
das Alkali des Darmsaftes nicht entfalten. Wohl aber ist in dem mit saurem 
Chymus angefüllten Dünndarm eine nennenswerte Bakterienvermehrung aus- 
geschlossen. 

Wird der Mageninhalt durch Sodaeinführung neutralisiert oder alkalisiert, 
so treten zwar mehr Bakterien in den Dünndarm über, aber auch diese werden 
von dem normalen Dünndarm vernichtet und durch die Peristaltik fortgeschafft. 
Zwar hat die Bewegung an sich keinen schädlichen Einfluss auf das Bakterien- 
wachstum; aber sie muss schon im Hinblick darauf bakterienhemmend wirken, 
dass die Bakterien infolge der Ortsveränderung ganz verschiedene Säure- resp. 
Alkalescenzgrade des Chymus durchlaufen müssen. Denn der Wechsel der 


83+ 


1208 Ernährung. 


Reaktion des Nährbodens lässt ein reichliches Wachstum der Bakterien nicht 
zur Entfaltung kommen. 

Bei pathologischen Processen (Stenosen) hingegen: wird die daselbst 
herrschende saure Reaktion alkalisch. Infolge der Alkalescenz können die 
meisten Bakterien, vor allem die Fäulnisbakterien, sich enorm vermehren. 
Eine Folge dieser Vermehrung sind giftige Umsetzungen des Chymus, welche 
die Dünndarmwand in Entzündung versetzen, wodurch das Bakterienwachstum 
hinwiederum gefördert wird. 

Durch eine künstlich erzeugte Schädigung der Dünndarmschleimhaut wird 
eine enorme Bakterienvermehrung im gesamten Dünndarm hervorgerufen. 
Diese Wucherung, welche sowohl mit als ohne Alkalisierung des Mageninhaltes 
eintritt, ist unabhängig von dem Säure- resp. Alkaligehalt des Chymus. 

Während also der Beweis erbracht werden konnte, dass eine normale 
Dünndarmschleimhaut für die Bakterienfreiheit des leeren Dünndarms Sorge 
trägt, so konnte ebenso gezeigt werden, dass die entzündete kranke Darm- 
schleimhaut dasselbe nicht mehr vermag. 

O. Baumgarten (Halle a. S.). 


Moro, Morphologische und biologische Untersuchungen über die 
Darmbakterien des Säuglings. IV. Der Schotteliussche Versuch 
am Kaltblüter. Jahrb. f. Kinderheilk. Bd. 62. H. 4. 

Verf. hat 8 Eier der Knoblauchkröte sich völlig steril bis zum 34. Tage 
entwickeln lassen. Die Versuchsanordnung ist einwandsfrei. 8 Kontrolllarven 
wurde am 7. Versuchstage Gelegenheit geboten, sich mit den Fäcesbakterien 
des Muttertieres zu inficieren. 

Die Versuchslarven blieben hinter den Kontrolllarven in der Entwickelung 
weit zurück und waren in ihren Bewegungen sehr viel weniger lebhaft. Verf. 
zieht aus diesem Ergebnis den Schluss, dass die Darmbakterien für ein 
normales Gedeihen der Larven notwendig sind. 

Stoeltzner (Halle a. S.). 


Rubner, Ueber das Eindringen der Wärme in feste Objekte und 
Organteile tierischer Herkunft. Arch. f. Hyg. Bd. 55. S. 225. 

Der Vorgang der Durchwärmung organischer Teile, wie von Fleisch, 
beim Kochen u.s. w. ist ungemein schwierig zu übersehen. Man hat bisher 
wohl zahlreiche Messungen über den Temperaturanstieg im Innern eines Fleisch- 
stücks beim Erwärmen angestellt (mit hierzu nicht ausreichenden Beobach- 
tungen mittels eingesteckten Thermometers), weiss aber nichts über die wissen- 
schaftliche Seite des Vorgangs. Bei Fleisch, Speck u.s. w. muss man die 
Struktur berücksichtigen und zwischen flüssigem Wasser und dem in den Zellen 
fixierten Wasser bei der Wärmeübertragung unterscheiden. Infolge der Zu- 
sammenziehung der Gewebe, Auspressung von Wasser, und damit wechselnden 
Leitungsvermögens, Verringerung der Wegstrecke und relativer Vergrösserung 
der Oberfläche haben die Gewebe in jedem Augenblick andere Eigenschaften; 
infolge dessen ist das Eindringen und Vorschreiten der Wärme in den einzelnen 
Perioden auch nicht gleichartig, wie sich durch Messung mit Thermo&lementen 


Ernährung. 1209 


hat zeigen lassen. Bei diesen Untersuchungen hat Rubner auch für dieses so 
verwickelte Gebiet, wo nicht rein physikalische Erscheinungen, 
sondern physiologische Vorgänge herrschen, Gesetzmässigkeiten auf- 
stellen können, die eine Berechnung des Durchwärmungsaktes organisierter, 
namentlich eiweissartiger Stoffe ermöglichen. Die Zeiten, die zur Durch- 
wärmung von Fleisch auf bestimmte Temperaturen im Experiment notwendig 
waren, stimmen überein mit den nach einer von Rubner aufgestellten Formel 
erhaltenen Werten. 

Die Endtemperatur von 100° wurde erreicht bei Fleischstücken (rohes 
Fleisch): 


mit Seiten- | mit einer 


länge vom Gewicht | Oberfläche |in ? Minuten 
cm g gem 
6 226 144 44,2 
8 539 256 93,3 

10 1054 400 126,7 

11 1403 484 136,3 


Der Gang der Durchwärmung war ein ganz eigenartiger: nach einem 
raschen Eindringen der Wärme nahm die Erwärmungsgeschwindigkeit allmäh- 
lich ab bis zu einem Minimum bei 55 oder 60%, um sich wieder zu erheben 
und bei 70° konstant zu bleiben. Das anfängliche rasche Steigen der Wärme 
beim Erhitzen des rohen Fleisches blieb aus bei einem schon einmal erwärmten 
Fleisch, so dass „die Beweglichkeit des Eiweisses der Hauptgrund für den 
eigenartigen ersten Erwärmungsgang des rohen Eiweisses ist“. Die Kontraktion 
der Gewebe und das Auspressen von Wasser trat auch ein, als gehacktes 
Fleisch, in eine Metallkugel gepackt, erwärmt wurde, nur war die Gesamt- 
pressung geringer und verlief die Erwärmung zeitlich anders. 

Das Vordringen der Wärme in tierischen Geweben hängt ab 1. von der 
Temperaturdifferenz zwischen dem Centrum und den Begrenzungsflächen, 
2. dem Leitungsvermögen der Gewebsteile und 3. dem Wasserwert der 
Substanz, der sich aus Dichte und specifischer Wärme ergibt. (Vgl. im übrigen 
das Original und diese Zeitschr. Rubner, 1898, S. 721; 1899, S. 321. Noth- 
wang, 1893, S. 983. Ferrati, 1894, S. 753 u. Milroy, 1896, S. 300.) 

E. Rost (Berlin). 


Peters, Ueber den Gewichtsverlust des Fleisches beim Dünsten. 
Arch. f. Hyg. Bd. 54. S. 101. 

Die Veränderungen des Fleisches von Fischen beim Dünsten unter- 
suchte Peters, indem er von frischen Fischen (2 Sommerkarpfen, 3 Karpfen, 
1 Schlei, 1 Lachs) aus der Rückenmuskulatur entnommene Stücke (12—32 g 
Gewicht) in einem luftdicht abgeschlossenen Becherglas an einem Haken auf- 
hängte und so während einer Stunde im Dampftopf (98,5°) erhitzte. Infolge 
der Koagulation des Eiweisses wird hauptsächlich Wasser ausgepresst, so dass 
das Fleisch schrumpft. Der Wasserverlust betrug 24--37%/,; der Durch- 
schnittswert von 30°, steht hinter den Werten von Ferrati (1894. S. 753) 


1210 Ernährung. 


für Rindfleisch und Kalbfleisch (47°%/,) und Schweinefleisch (43°/,) beträchtlich 
zurück. Die alltägliche Erfahrung, dass das Fleisch von Fischen beim Dünsten 
weniger schrumpft, hat sich durch die Bestimmung des Wasserverlusts beim 
Dünsten unter den angegebenen Verhältnissen bestätigen lassen. Ein Unter- 
schied im Wasserverlust bei fettreichen und fettarmen Fischen bestand nicht. 
E. Rost (Berlin). 


Pfuhl E. und Wintgen, Ueber eine nicht bakterielle Ursache für die 
Auftreibung von Fleischkonservenbüchsen. Aus d. hyg.-chem. Labor. 
d. Kaiser Wilbelms-Akademie. Zeitschr. f. Hyg. Bd. 52. S. 145. 

Auftreibung von Fleischkonservenbüchsen gilt allgemein als 
sicheres Zeichen des Verdorbenseins ihres Inhalts. Um so mehr ist 
daher die Beobachtung der Verff. von Bedeutung, dass Gasauftreibung auch 
ohne Bakterienentwickelung durch rein chemische Vorgänge be- 
dingt sein kann. Es handelte sich um würfelförmige Büchsen aus Eisenblech, 
die galvanisch mit einem ungewöhnlich dünnen Zinnüberzug versehen 
und 21/, Jahre alt waren. Das Gas war reiner Wasserstoff mit etwas 

Luftbeimengung. Der völlig keimfreie Inhalt der Büchse hatte ein tadel- 

loses Aussehen, zum Teil aber einen metallischen Geruch und Geschmack. 

An den Seitenwänden (nicht am Boden und am Deckel) fand sich ein 

weisser kleinkörnig-warziger Ansatz, der an der Luft schnell graublau 

wurde und ausser Spuren von Zinn Eisenoxydul und Phosphorsäure enthielt. 

Die Verff. nehmen an, dass der sehr dünne Zinnüberzug der Büchsen 
lückenhaft geworden, dass durch die Einwirkung der schwachsauren (Milch- 
säure) Fleischbrühe Eisen unter Wasserstoffentwickelung gelöst worden 
ist und durch Umsetzen mit den Phosphorsalzen der Fleischbrühe unlösliches 

Eisenphosphat gebildet hat. Globig (Berlin). 


Seligmann E., Ueber die Reduktasen der Kuhmilch. Aus d. Institut f. 
Infektionskrankh. zu Berlin. Zeitschr. f. Hyg. Bd. 52. S. 161. 

Dass rohe Milch die Eigenschaft besitzt, Methylenblau zu entfärben 
d.h. zu reducieren, ist von Hecht und von Smidt (vgl. diese Zeitschr. 1904. 
S. 1137) auf Enzymwirkung, von Heffter dagegen auf Bakterienwir- 
kung zurückgeführt worden. Auf Grund von Versuchen, über die hier be- 
richtet wird, schliesst sich der Verf. der letzteren Ansicht an. 

Er fand zunächst, dass die reducierende Fähigkeit der Milch — Reduk- 


tasen — nach der Zeit ihres Auftretens und unter dem Einfluss von antisep- 
tischen Stoffen sich zwar im allgemeinen ähnlich verhielt wie die Fähigkeit, 
aus Wasserstoffsuperoxyd Sauerstoff abzuspalten — Superoxydasen — im 


Einzelnen stimmten sie aber nicht mit einander überein. Der Verf. schliesst 
hieraus, dass das Vorhandensein der einen wie der anderen dieser Eigenschaften 
für einen hohen Bakteriengehalt der Milch spricht, dass es sich aber 
nicht um dieselbe Bakterienart handeln kann. Letzteres geht auch 
daraus hervor, dass, wie Reiss gezeigt hat, Rahm, der durch Zentrifugieren 
gewonnen ist, mit Wasser ausgezogen werden kann, ohne die Wasserstoffsuper- 
oxyd spaltende ursprüngliche Eigenschaft der Milch zu verlieren, dass ihm 


Ernährung. 1211 


aber, wie der Verf. beobachtete, nach der gleichen Behandlung die reducie- 
rende Wirkung völlig fehlt. 

Ein wesentlicher Unterschied in der reducierenden Wirkung 
der Milch auf einfache alkoholische Methylenblaulösung und auf mit 
Formalinzusatz versehene (Schardingers Reagens, ursprünglich ange- 
geben, um rohe Milch von gekochter zu unterscheiden), wie ihn Smidt ange- 
nommen hat, besteht nach dem Verf. nicht; nur pflegt die einfache 
Methylenblaulösung erst vom 2. Tage ab entfärbt zu werden, das Schar- 
dingersche Reagens dagegen schon am ersten. Bei beiden tritt dann eine 
Zunahme der Reduktionskraft in die Erscheinung und bei beiden wird sie 
durch antiseptische Zusätze in gleichem Masse gehemmt. Durch Erhitzung 
wird die reducierende Fähigkeit der Milch für die Dauer aufgehoben, durch 
Impfung mit einer Spur von saurer Milch kann sie aber wieder hervorgerufen 
werden und verstärkt sich in der folgenden Zeit. Dies spricht sehr für 
Bakterienwirkung und in der Tat hat der Verf. kleine dicke plumpe 
Stäbchen, welche Gelatine nicht verflüssigen, gezüchtet, die in keimfreier 
Milch und anderen Nährböden sehr schnell eine starke Reduktion 
hervorbringen. Die früher vom Verf. gewonnenen Wasserstoffsuperoxyd zer- 
setzenden Kokken (vgl. diese Zeitschr. 1906. S. 550) besitzen zunächst kein 
Reduktionsvermögen, erst vom 3. Tage ab pflegt es sich einzustellen und zwar 
handelt es sich dann um Stoffe, die durch Zerlegung des Kaseins entstehen; 
denn die reducierenden Körper bleiben aus, wenn das Kasein vor dem Abbau 
durch Milchzucker geschützt wird, den die in Rede stehenden Mikroorganismen 
als Nahrungsquelle bevorzugen. Globig (Berlin). 


Forest, Ueber die Schwankungen im Fettgehalte der Frauenmilch 
und die Methodik der Milchentnahme zur Fettbestimmung. Arch. 
f. Kinderheilk. Bd. 42. H. 1 u. 2. 

Bei 5 von 6 Ammen stieg während der Entleerung der einen Brust der 
Fettgehalt der Milch der anderen Brust deutlich an (um 0,2—2,8%/,). 
Im übrigen bestätigt Verf. die bekannte Tatsache, dass in der Regel während 
der Entleerung der Drüse eine Zunahme, während der Pausen eine Abnahme 
des Fettgehaltes stattfindet. Stoeltzuer (Halle a. S.). 


Schlossmann, Vergiftung und Entgiftung. Monatsschr. f. Kinderheilk. 
Bd. 4. No. 4. 

Nach Schl. ist es möglich, Säuglinge, die sich nur unter lebensbedrohenden 
Symptomen abstillen lassen, durch subkutane Injektionen von Rinderserum 
an das artfremde Eiweiss zu gewöhnen. Merkwürdiger Weise sind die Reaktions- 
erscheinungen bei der subkutanen Einführung des artfremden Eiweisses ent- 
schieden milder als bei Darreichung der artfremden Milch per os. 

Nach Schl. ist es möglich, aus der Intensität der Reaktion, die bei einem 
bis dahin ausschliesslich an der Brust gestillten Kinde auf eine Injektion von 
0,1 g Rinderserum folgt, mit grosser Wahrscheinlichkeit zu folgern, ob sich 
beim Abstillen Schwierigkeiten durch eine Idiosynkrasie gegen Kubmilch 
zeigen werden. Stoeltzner (Halle a. S.). 


1212 Ernährung. 


Belser, Josel, Studien über verdorbene Gemüsekonserven. Arch. f. 
Hyg. Bd. 54. S. 107. 

Die Untersuchungen des Verf.’s wurden veranlasst durch die bekannten 
Konservenvergiftungen, die sich im Januar 1904 in Darmstadt ereignet hatten. 
Es erkrankten damals nach dem Genuss von Bohnensalat, der aus Bohnenkon- 
serven hergestellt war, 21 Personen, von denen 11 starben. 

Verf. untersuchte zunächst eine Anzahl von Gemüsekonserven, die ihm 
von verschiedenen Konservenfabriken zur Verfügung gestellt waren, und zwar 
hauptsächlich solche in „bombierten“ (d. h. durch Gasentwickelung aufge- 
triebenen) Blechbüchsen. Er fand, dass diese Bombagen in allen Fällen durch 
Mikroorganismen verursacht waren; in 27 Fällen konnte er eine oder mehrere 
Sorten von Mikroorganismen durch Kulturen gewinnen, in 7 Fällen liess sich 
nur mikroskopisch der Nachweis einer grossen Zahl von Bakterien erbringen; 
wahrscheinlich waren die Organismen in den Büchsen, die längere Monate 
hindurch aufbewahrt waren, abgestorben. Von den 34 verdorbenen Büchsen 
erwiesen sich 16 als undicht (Prüfung mit Fluorescein); bei 11 Büchsen schien 
eine ungenügende Lötung von vornherein vorzuliegen, während an 5 anderen 
wahrscheinlich der im Innern durch die Gasentwickelung entstandene Druck 
die Schuld an der Undichtigkeit trug. Die Undichtigkeit befand sich meist 
an der Uebergangsstelle von seitlicher Lötnaht und Falz. Es gelang, im ganzen 
20 verschiedene Bakterienarten zu züchten; in 9 Fällen zeigten die Bakterien 
mehr oder weniger hitzebeständige Eigenschaften. Auf Erbsen wurde mehr- 
fach der Bac. amylobacter gefunden und verschiedene coliähnlich wachsende 
Organismen, auf Bohnen ein anderer Bacillus, der sich jedoch nicht identificieren 
liess. Die „bombierten“ Gemüsekonserven zeigten sämtlich eine Steigerung 
ihres Säuregehalts. Alle mit den verdorbenen Konserven oder mit den aus 
ihnen gezüchteten Reinkulturen angestellten Tierversuche verliefen ohne positives 
Resultat. An einigen bombierten Konservenbüchsen wurde der im Innern ent- 
wickelte Druck gemessen; es ergab sich, dass ein Ueberdruck von 0,2—3,5 
Atmosphären vorhanden war. ö 

Vielfach stellte sich bei weiteren Versuchen heraus, dass die Temperatur 
im Innern der Konservenbüchsen bei der Sterilisation im Autoklaven nicht so 
hoch war, wie man a priori annehmen musste. Dies kann vorkommen, wenn 
zu wenig lange (10—20 Minuten lang) sterilisiert wird oder wenn im Auto- 
klaven oder in den Büchsen Luft zurückbleibt. Die Mikroorganismen dringen 
entweder durch Undichtigkeiten von aussen (besonders bei der Abkühlung mit . 
Wasser) ein, oder es hat eine ungenügende Sterilisierung stattgefunden. Auch 
im ersten Fall kann es zu einer Bombage kommen, wenn die enge Eintritts- 
pforte durch den Gumniring oder ein Gemüsepartikelchen ventilartig ge- 
schlossen wird. Hayo Bruns (Gelsenkirchen). 


Schmidt H., Hefegärung. Zeitschr. f. exp. Path. u. Ther. Bd. 1. H. 3. 

Die vorgenommenen Versuche zeigen in übereinstimmender Weise, dass 
Zuckerlösungen bei Gegenwart von Pepton, insbesondere aber bei Gegenwart 
von Paukreaspulver, Pankreatin oder Pankreon durch beliebige Hefearten zu 
sehr viel schnellerer Vergärung gebracht werden, als reine Zuckerlösungen 


Ernährung. 1213 


unter gleichen Umständen. Dies ist selbst dann noch der Fall, wenn die Hefe 
aus irgend einem Grunde die reine Lösung nicht oder nur ausserordentlich 
langsam angreift. O. Baumgarten (Halle a. S.). 


Hockauf J., Eine angebliche Lorchelvergiftung. Mitteilung aus der 
k. k. Untersuchnngsanstalt für Lebensmittel in Wien. Wien. klin. Wochen- 
schr. 1905. S. 1058. 

4 Kinder eines Oberlehrers waren nach dem Genuss von giftigen Schwämmep 
(angeblich Morcheln) ziemlich heftig erkrankt. Nach Verabreichung von 
Brechmitteln erholten sich die Kinder vorübergehend, erkrankten aber nach 
wenigen Stunden neuerdings unter „Krämpfen“, und eines von den Kindern 
starb an den Folgen der Vergiftung. Die Obduktion ergab das Vorhanden- 
sein eines akuten Magenkatarrhs. 

Auf Veranlassung des zuständigen Kreisgerichtes untersuchte H. die 
von diesem eingesandten Pilze. Es handelte sich um Exemplare von Helvella 
esculenta Pers., die aber infolge hochgradiger Zersetzung zu toxikologischen 
Versuchen nicht mehr verwendbar waren. 

Um die Sachlage aufzuklären, liess sich Hockauf eine grössere Menge 
frischer Lorcheln von demselben Standorte, an welchem die verdächtigen 
Lorcheln gesammelt worden waren, zusenden. Die eingesandten Pilze (ca. 
1!/, kg), welche neben Helvella esculenta einige Exemplare von Morchella 
conica Pers. enthielten, riefen weder als Ganzes verfüttert, noch auch im 
Absud verabreicht, bei Tieren oder Menschen irgendwelche Krankheitser- 
scheinungen hervor. Auch gelang es H. nicht, die von R. Böhm und E. Külz 
isolierte Helvellasäure oder sonst welche giftigen Extrakte aus 650g der Pilze 
darzustellen. Das Fehlen des Giftes führt H. darauf zurück, dass die Stand- 
ortbedingungen im vorliegenden Falle für die Bildung des Giftstoffes nicht 
günstig waren. 

Der Fall bleibt demnach unaufgeklärt. Hockauf bezweifelt überhaupt, 
dass die Erkrankung der Kinder auf Genuss giftiger Lorcheln zurückzuführen 
ist, da der von den Gerichtsärzten mitgeteilte Obduktionsbefund der für 
Lorchelvergiftungen charakteristischen Organveränderungen (Blut, Niere, Milz, 
Knochenmark) keine Erwähnung tut. Grassberger (Wien). 


Schmidt W. und Varges J., Ein Beitrag zur Hygiene des Rauchens. 
Med. Klinik. 1905. N. 22. 

Fussend auf der Tatsache, dass beim Rauchen mit dem langsamen Ver- 
glimmen des Tabaks eine sogenannte trockene Destillation vor sich geht, deren 
Produkte — das Nikotin und seine Spaltbasen, das Kohlenoxyd, der Cyan- 
wasserstoff, Schwefelwasserstoff, Brenzöl, Ammoniak u. s. w. — teils mit dem 
Rauche entführt, teils von dem unverbrannten Teile der Cigarren aufgenommen 
werden, haben die Verff. eine Reihe physiologischer Versuche mit nach dem 
patentierten Thoms-Geroldschen Verfahren hergestellten Wendts Patent- 
eigarren (von Wendts Cigarrenfabriken Aktiengesellschaft [Bremen]) auf ibre 
Wirksamkeit vorgenommen. Bei diesen Cigarren, bei welchen neben dem 
Nikotin auch die giftigen Rauchgase unschädlich gemacht werden, ist ein Teil 


1214 Medizinalwesen. 


des im Kopfe der Cigarren befindlichen Tabaks mit Ferrum citricum ammo- 
niatum viride in lam. imprägniert. Die zu diesem Zwecke gewonnenen 
23 Raucher zerfielen in drei Kategorien und zwar: 1. gesunde, 2. empfindliche, 
3. kranke Raucher. Während von Seiten der gesunden Raucher die Aeusserung 
einstimmig dahin abgegeben wurde, dass bei grosser Leichtigkeit ein aner- 
kennenswertes Aroma nicht vermisst worden ist, wurde auch von den beiden 
übrigen Kategorien die Unschädlichkeit und gute Bekömmlichkeit der Cigarren 
insbesondere von Personen mit chronischer Nikotinvergiftung in rühmender 
Weise hervorgehoben. 

Die Verff. glauben nach diesen objektiven Wahrnehmungen und subjektiven 
Kundgebungen ein günstiges und empfehlendes Urteil für diese Patentcigarren 
abgeben zu sollen. Nieter (Halle a. S.). 


Medizinalbericht von Württemberg für das Jahr 1903. Im Auftrag 
des Königl. Ministeriums des Innern. Herausgegeben von dem Königl. Me- 
dizinal-Kollegium. Stuttgart 1905. 

Die Sterblichkeitsziffer ist gegen das Vorjahr um 0,2%/,, gestiegen; 
sie ist seit 1872 die zweitkleinste und steht unter der Hälfte der höchsten 
württembergischen Sterblichkeitsziffer vom Jahre 1875. Die Geburtenzahl 
ist etwas gesunken und seit 1872 die siebthöchste. An der Erhöhung 
der Sterblichkeit ist besonders die Altersklasse von O—1 Jahr beteiligt. 

Unter den Todesursachen sind die Todesfälle an Magen- und Darm- 
katarrh, sowie an Atrophie der Kinder wieder erheblich gestiegen; es sind 1418 
Todesfälle mehr als im Vorjahre. Desgleichen haben zugenommen die Todes- 
fälle an Infektionskrankheiten und namentlich auch die Todesfälle an Keuch- 
husten, Scharlach und Masern. Eine Abnahme der Todesfälle zeigen 
dagegen Lungenentzündung und die sonstigen entzündlichen Krankheiten der 
Atmungsorgane, ferner angeborene Lebensschwäche und Altersschwäche. 

An Masern ist die Sterblichkeit wieder eine recht hohe; sie ist seit 
30 Jahren die dritthöchste. Vielfach kamen umfangreiche und bösartige 
Epidemien vor, so in Vaihingen, Neckarsulm, Urach, Neuenburg, 
Ellwangen, Schorndorf. Bei Keuchhusten, dessen Sterblichkeitsziffer 
sich seit 30 Jahren gleichfalls als die dritthöchste herausstellte, fand sich 
die verhältnismässig grösste Ausbreitung im Schwarzwald- und Jagstkreis. 
Die Zahl der Todesfälle an Scharlach hat sich gegen das Vorjahr verdrei- 
facht; sie ist die zweithöchste seit 10 Jahren, aber hält sich immer noch 
unter dem 40 jährigen Durchschnitt. Beschränkte, aber schwere Epidemien 
traten anf in den Oberämtern Heilbronn, Besigheim, Brackenheim. Den 
Ausgangspunkt dieser Epidemie bildete die Stadt Heilbronn, und für die 
Ausbreitung spielte das Cementwerk in Lauffen am Neckar eine Rolle. Bei 
der Diphtherie ist die Sterblichkeit etwas niedriger; sie überragt die 
niedrigste Ziffer vom Jahre 1873 immer noch um das doppelte. In den Städten 
ist die Zahl der Todesfälle wie früher kleiner als auf dem Lande; in Stuttgart 
dagegen ist eine Zunahme vorhanden. Für Typhus stellt sich die absolute 
Zahl der Todesfälle auf 118 gegen 77 im Vorjahr. Von besonderem Interesse 


Medizinalwesen. 1215 


ist, dass in Württemberg versuchsweise die Massnahmen zur Bekämpfung 
des Typhus nach den von Koch aufgestellten und durchgeführten 
neuen Gesichtspunkten im Süd-Westen des Reiches zur Anwen- 
dung gelangt sind. Als Untersuchungsamt fungiert das Medizinal-Kollegium 
bezw. dessen hygienisches Laboratorium; alle Untersuchungen werden in diesem 
unentgeltlich vorgenommen. Gelegenheit dazu boten die Epidemien in 
Linsenhofen, in Diefenbach, in der Irren- und Pflegeanstalt Göppingen 
und eine Hausepidemie in Kimmichsweiler u. s. w. 

An Milzbrand sind 7 Personen gestorben; zwei Todesfälle davon gehen 
auf Rechnung von Gerbern, bei welchen häufigere Erkrankungen beobachtet 
wurden. An kontagiöser Augenerkrankung erkrankten im Waisenhaus 
Ochsenhausen von 130 Zöglingen 90 und von 385 Schülern des Ortes 346. 
Die Form der Erkrankung war gutartig; trotzdem kam es im Verlauf weniger 
Wochen auch in der Umgebung zu einem Anwachsen auf ein paar Tausend 
Fälle. Es stellte sich dabei heraus, dass es sich nicht, wie zuerst ange- 
nommen, um die gefürchtete Trachomerkrankung handelte, sondern vielmehr 
um leichte epidemische follikuläre Konjunktivitiden, unter welchen im 
Anfange auch einige schwerere Fälle mit starker Körnerbildung in den Ueber- 
gangsfalten beobachtet wurden. Ueber die Influenza lautet der Bericht, 
„dass die Infuenza, die in den letzten Monaten des Vorjahres in vielen Be- 
zirken grosse epidemische Verbreitung gefunden hatte, sich mancherorts in die 
ersten Monate fortsetzte.“ Von besonders grosser Ausbreitung oder bösartigem 
Charakter der Krankheit ist nicht die Rede. 

Bei dem Kapitel „öffentliche und örtliche Gesundheitspflege“ 
sind eine Reihe den Fortschritten der Hygiene entsprechender Abänderungen 
bezw. Neuverordnungen angeführt, die Schulwesen, Leichenbestattung, öffent- 
liche Wasserversorgung, Bau- und Wohnungshygiene, Arbeiterquartiere, Abfall- 
stoffe und Kanalisation und endlich Nahrungsmittel betreffen. Eine Aeusse- 
rung des Medizinal Kollegiums über „biologische Kläranlagen, welche lediglich 
aus einer oder mehreren Gruben bestanden,“ wird dahin abgegeben, „dass 
unter einer biologischen Kläranlage nur eine solche mit hinrei- 
chend grossem Schlacken- oder Kokskörper verstanden werden 
könne, und dass einfache Faulkammern höchstens als Teile einer 
biologischen Kläranlage anzusehen seien.“ 

Auch der vorliegende Bericht, in dem in besonderen Abschnitten noch 
auf das Medizinalwesen eingegangen ist, in dem ferner Erwähnung getan wird 
in einer Gesamtübersicht über die Krankenanstalten, über die Irrenanstalten 
und das Irrenwesen, über die Apotheken, Hebammen, Impfwesen u. s. f. von 
Württemberg, ist durch zahlreiche, übersichtliche Tabellen ausgezeichnet. 

Nieter (Halle a. S.). 


9. Jabresbericht über den öffentlichen Gesundheitszustand und die 
Verwaltung der öffentlichen Gesundheitspflege in Bremen in 
den Jahren 1893—1903. IV. 120 Ss. gr. 8%. Bremen 1905. Verlag von 
Gustav Winter. 

Die Fälle von Erkrankungen an Pocken betrafen überwiegend auslän- 


1216 Medizinalwesen. 


dische Auswanderer, nämlich 15 von 22, die während der 11 Jahre beob- 
achtet wurden. Ausgedehnte oder schwere Epidemien von Masern oder 
Keuchhusten kamen nicht vor. Die Verteilung der Typhusfälle über die 
verschiedenen Jahreszeiten ist seit der Entnahme des Trink- und Gebrauchs- 
wassers aus der centralen Öffentlichen Wasserleitung unregelmässiger geworden, 
während die Krankheit früher gewöhnlich im August und September in grösserer 
Häufigkeit auftrat, um während des Winters mehr zu verschwinden. In neuerer 
Zeit erfolgt die Typhusinfektion offenbar häufig durch Milch. Es ist mehrfach 
gelungen, gehäufte Fälle unter der Kundschaft desselben Milchlieferanten auf 
ihren Ursprung, meist einen falsch diagnosticierten Magendarmkatarrh oder 
einen vorübergehend anwesenden Typhuskranken in der Wohnung des Händlers 
zurückzuführen. Die grösste Rolle für die Sterblichkeit spielten Diphtherie 
und Scharlach. Wesentlich für die Bekämpfung der ansteckenden Krank- 
heiten waren die Anstellung eines Fachbakteriologen und die 1893 erfolgte 
Eröffnung eines bakteriologischen Instituts. 

Dazu kommt die Desintektionsanstalt, deren Apparate 1903: 698 (1894: 
287) mal benutzt wurden, während die Zahl der Wohnungsdesinfektionen 930 
(55) betrug. Die Einführung der Formalin-Wohnungsdesinfektion an Stelle 

. der früheren mit Karbol und Seife machte eine neue Dienstanweisung erforder- 
lich, welche 1903 erlassen wurde. 1896 wurde dort ein Bade- und Desin- 
fektionsraum für Hebammen und Krankenpfleger hergerichtet, welcher ersteren 
unentgeltlich zur Verfügung steht. Auch der Transport von Personen mit 
ansteckenden Krankheiten, welche seit 1897 nicht mit öffentlichem Fuhrwerk 
befördert werden’ dürfen, ist ein unentgeltlicher. 

Die Prostituierten sind seit 1878 in einer Strasse kaserniert. Das 
System ist derart, dass es die polizeilichen und sanitären Vorzüge eines gut 
gehaltenen Bordells besitzt, ohne die Nachteile eines solchen, Zuhälterwesen, 
Ausbeutung der Mädchen durch den Wirt, Anlockungen und Verführungen, 
grobe Ausschreitungen und Alkoholismus, zu zeigen. 

Der Fleischverbrauch betrug 1903 auf den Kopf der Bevölkerung 57,5 kg. 
Der Freibank wurden 1902/03: 131 885 kg Fleisch zugewiesen. 

Das seit 1873 im Betriebe befindliche Wasserwerk hat sich bisher auf 
das beste bewährt. Den inzwischen veränderten Verhältnissen entsprechend 
ist es jedoch für angezeigt erachtet worden, Bohrungen nach Grundwasser 
anzustellen. Die über letzteres bekannten Tatsachen lassen einen Erfolg der 
Bohrungen erwarten. 

Der Bremer Hafenarzt revidierte vom 1. September 1900 bis Ende 1903: 
4530 Schiffe und 208 Apotheken. Bei 4300 Untersuchungen wurden 128 kranke 
Seeleute gefunden, von denen 51 mit Geschlechtsleiden meist akuter Art be- 
haftet waren. Die Ueberwachung des Auswandererverkehrs in Bremen 
hat in den letzten Jahren bedeutende Schwierigkeiten verursacht. Aus Russ- 
land kamen in den 4 Jahren 1900—1903: 115 647 Personen an, davon 2963 
ohne Kontrollausweis. Für die aus Oesterreich-Ungarn und anderen ausser- 
deutschen Ländern Kommenden, 1903: 118 744 Personen, bestehen 4 Stationen 
mit ärztlicher Inspektion, aber ohne Desinfektion, bei denen etwa 20/, durch- 
schlüpfen sollen. Durch Vervollkommnung oder schonende Umgestaltung der 


Verschiedenes. 1217 


Bremer Verhältnisse werden in sanitärer Beziehung grössere Sicherheiten zu 
schaffen sein. Würzburg (Berlin). 


Schallmayer W., Beiträge zu einer Nationalbiologie. Jena 1905. Her- 
mann Costenoble. XII u. 255 Ss. lex 8°. Preis: in Leinwand gebunden 6 M. 
Im Jahre 1900 gewährte Friedr. Krupp die Mittel zur Preisfrage: „Was 
lernen wir aus den Prinzipien der Descendenztheorie in Beziehung auf die 
innerpolitische Entwickelung und Gesetzgebung der Staaten?“ Dieses Preis- 
ausschreiben von E. Haeckel, Joh. Conrad und E. Fraas erfuhr, noch ehe 
ein Ergebnis vorlag, Widerspruch und lieferte später den Stoff zu dem Sammel- 
werke: „Natur und Staat“. Die an letzteres sich in den „Preussischen Jahr- 
büchern“, im „Archiv f. Rassen- u. Gesellschaftsbiol.“ u. s. w. anschliessende 
Fehde bot. auch zu vorliegender Streitschrift Anlass. Diese bespricht im 
1. Kapitel: „Die Bedeutung der Naturwissenschaft für den Wettkampf der 
Völker und die geringe officielle Bewertung naturwissenschaftlicher Bildung“, 
im 2.: „Naturwissenschaftliche Gesichtspunkte der theoretischen Socialwissen- 
schaft“, im 3.: „Biologische Politik“, im 4.: den „Kampf gegen den Natura- 
lismus oder Monismus in der Gesellschaftslehre“. Ein „Anhang“ bringt: 
„Tatsachen und Reflexionen über unser Kritikerwesen*®. 

Wie das Vorwort (S. XI) mitteilt, ging die Anregung zu dem lesens- 
werten Buche vom Verleger aus. Um so mehr fällt auf, dass dieser nicht 
für eine bessere Ausstattung sorgte. Ausser einem bei der Fülle der beige- 
brachten Tatsachen unerlässlichen Register wäre eine Zusammenstellung des 
benutzten Schrifttums deshalb erwünscht gewesen, weil der Verf. vielfach aus 
sonst wenig benutzten (Quellen, wie Wochen- und Monatsschriften, Sitzungs- 
berichten und dergl., schöpft. Raum boten hierzu binlänglich sieben völlig 
leere Seiten und sieben weitere, welche nur wenige Zeilen (Kapitel-Ueber- 
schrift, Schmutztitel, Inhaltsverzeichnis) enthalten. Auf den reichen, zumeist 
‘recht beachtlichen Inhalt kann hier nicht näher eingegangen werden. Der 
Verf. vertritt unter Anlehnung an die Philosophie Nietzsches vorwiegend 
die Anschauung von R. A. Wallace (S. 17, 18): „Verglichen mit unseren 
erstaunlichen Fortschritten in den physikalischen Wissenschaften und ihrer 
praktischen Anwendung, bleibt unser System der Regierung, der administra- 
tiven Justiz, der Nationalerziehung und unsere ganze sociale und moralische 
Organisation in einem Zustande der Barbarei“. Man könnte hinzufügen, 
dass in diesem Zustande meist auch der Vertreter der Naturwissenschaft mit 
Anschauung, Tun und Lassen verbleibt und sich nur in dem von ihm selbst 
bearbeiteten, beschränkten Rinzelbereiche auf einen freieren Stand zu erheben 
vermag. 

Das Gebiet der Gesundheitspflege betreffen die Abschnitte: „Heeres- und 
Kriegsdienst“ und „Socialhygiene und rassehygienische Ziele“ (S. 85—117) 
des Ill. Kapitels. Die Hygiene soll neben dem Heilwesen im Staate (S. 108) 
meinem Ministerium für den nationalbiologischen Dienst“ unterstehen. Die 


1218 Verschiedenes. 


Notwendigkeit einer derartigen Oberbehörde suchte der Verf. in verschiedenen 
Veröffentlichungen schon seit dem Jahre 1891 darzulegen. 
i Helbig (Radebeul). 


Falkenstein, Die Gicht an sich und in Beziehung zu den anderen 
Stoffwechselkrankheiten, der Zuckerkrankheit und Fettsucht. 
Zweite Auflage. Berlin 1905. Verlag von E. Ebering. 163 Ss. gr. 8°. 
Preis: 3,50 M. 

Der durch seine Forschungen in Westafrika bekannte Verf. gibt in der 
„das Wesen der Gicht und ihre Behandlung“ überschriebenen 1. Abteilung 
des vorliegenden Buches, von dem sich binnen Jahresfrist eine neue Auflage 
nötig machte, einen am 6. Januar 1904 in der Berliner medizinischen Gesell- 
schaft gehaltenen Vortrag wieder. Hierin wird der Nachweis versucht, dass 
es sich bei der Gicht „in der Hauptsache um eine Erkrankung der Salzsäure 
absondernden Drüsen des Magens handele“ und deshalb die Behandlung in 
der Verordnung dieser Säure (Acidi hydrochlorici puri etwa 15 gtt. in 200 g 
kohlensäurehaltigen Wassers 2 Mal täglich) zu bestehen habe. Die Salzsäure 
bewirkt nach dem Verf (S. 21), dass „eine andere Verbindung der Harnsäure 
sich bildet, welche die Lösung und Ausscheidung in schmerzloserer Form von 
statten gehen lässt.“ Die II. Abteilung, deren Ueberschrift mit dem Buchtitel 
gleich lautet, zerfällt in sieben Abschnitte (die wiederum in Unterabschnitte geteilt 
sind) über Aetiologie, Pathologie und Therapie. Letztere wird im 4.— 6. Abschnitte 
(S. 70—127) eingehend besprochen und ist von einem Vergleiche des Diabetes 
und der Fettsucht gefolgt. Den Schluss bildet eine „Tabellarische Ueber- 
sicht über 215 Fälle von Gicht“ und das alphabetische „Register“. Um die 
Ausstattung hat sich der Verlag in anerkennenswerter Weise verdient gemacht; 
nur wäre bei der zu erwartenden Neuauflage erwünscht, die Uebersichtlichkeit 
der in 16 Längsspalten zerfallenden Tabelle (S. 140—155) dadurch zu erhöhen, 
dass an Stelle der letzten Spalte: „Geschlecht“ die laufende Nummer der 
ersten Spalte wiederholt wird. — Die therapeutischen Abschnitte gewinnen 
dadurch an Wert, dass der Verf. selbst an Gicht leidet. 

Helbig (Radebeul). 


Fermi, Claudio, Reagentien und Versuchsmethoden zum Studium der 
proteolytiscben und gelatinolytischen Enzyme. Arch. f. Hyg. 
Bd. 55. S. 141 ff. 

In der Einleitung hebt der Verf. hervor, dass die Gelatine im Gegen- 
satz zu dem Fibrin, dem gesottenen Eiereiweiss (Methode Mette), Kasein. 
Milch und Blutserum ein ausserordentlich empfindliches und sicheres Reagens 
auf gelatinolytische Enzyme darstellt, weil sie in Berührung mit einem 
solchen sich verflüssigt, wenn sie fest ist, und, wenn sie flüssig ist, nicht 
mehr erstarrt. 

Zum Aufsuchen der proteolytischen Enzyme benutzte er die folgenden 
Methoden: 

I. Metbode der festen Gelatineröhrchen. Bei dieser gibt Verf. zu- 
nächst eine ausführliche Beschreibung der Zubereitung der Gelatine und der 


‚Verschiedenes. 1219 


Herrichtung und des Gebrauches der Gelatineröhren, sodann verbreitet er sich 
über das bei einer Forschung einzuschlagende Verfahren und bespricht endlich 
die eingeführten Aenderungen, um die Empfindlichkeit dieser Methode aufs 
äusserste zu treiben; diese beruhen auf dem Einfluss: 
a) der Gelatinekonzentration, 
b) der Alkalien und der Temperatur, 
c) der Steigerung des Kontaktes des Enzymes mit der Gelatine, 
d) der Entfernung von Verdauungsprodukten d. h. der verflüssigten 
Gelatine, 
e) des Ruhezustandes oder der Bewegung der Enzyme enthaltenden 
Flüssigkeit. 

Auf die Versuchsanordnungen, die Ergebnisse aller dieser Methoden kann 
an dieser Stelle nicht eingegangen werden; es muss hier auf die Original- 
arbeit verwiesen werden.  ” 

IL. Methode der Gelatineplatten. Nach einer eingehenden Be- 
sprechumg der Ausführung dieser Methode wendet er sich gegen die Proff. 
Hankin und Wesbrook in Bezug auf die Priorität der Plattenmethode 
und auf einige ihrer kritischen Bemerkungen; er beruft sich unter 
anderem auf seine im Archiv für Hygiene Bd. 10. 1890 erschienene Arbeit: 
„die leim; und fibrinlösenden u. s. w. Fermente der Mikrobien“. 

III. Methode der Fixierung und Extraktion der proteolytischen 
Enzyme mittels Fibrin. Mit dieser Methode, wegen deren Einzelheiten eben- 
falls auf das Original verwiesen werden muss, und bei welcher Verf. von den 
untersuchten Substanzen das Fibrin zur Fixierung und Extraktion des Trypsins 
als am geeignetsten fand, lautet das Resultat, „dass man beim Verlängern der 
Immersion des Fibrins in der Trypsinlösung während 6 Tage und bei sorg- 
fältiger Untersuchung der bei 20° aufbewahrten Kapseln nach 6—8 Tagen 
das Trypsin bis 1:200000 nachweisen kann“. 

IV. Methode der flüssigen Gelatineröhrchen. Mittels dieser Me- 
thode, die der der festen Gelatineröhrchen bei weitem nachstcht, ist es möglich, 
die blosse Anwesenheit eines Enzymes nachzuweisen; sie eignet sich ferner 
auch für quantitative Untersuchung oder wenigstens für Vergleichsuntersuchungen, 
die geeignet sind, die verschiedentliche gelatinolytische Energie der ver- 
schiedenen Enzyme, der verschiedenen Lösungen der Enzyme selbst festzustellen 
u.s.w. Betreffs der Einzelheiten sei auch hier auf die Originalarbeit verwiesen. 

V. Methode der alkalischen Albuminate als neue Reagentien der proteoly- 
tischen Enzyme. Die vom Verf. in dieser Richtung vorgenommenen zahlreichen 
und verschiedenartigen Versuche wurden ausgeführt 

1. mit Eiereiweiss, welches mit Ammoniak, kohlensaurem Natron und 
Kali behandelt war, 

2. mit Blutserum vom Ochsen und vom Schweine und bezweckten zum 
weiteren Studium die Feststellung: 

3. des Einflusses, der auf das Alkalialbuminat ausgeübt wird, wenn es 
eine gewisse Zeit in einer Temperatur von 30° bleibt, bevor es zur 
Gerinnung gebracht wird, 


1220 Verschiedenes. 


4. der Bestimmung der passenden Temperatur und der Dauer derselben, 
um die beste Erstarrung zu erlangen, 

5. des Einflusses, welchen das Schütteln oder Nichtschütteln des Ei- 
weisses und die Mischungen des Eiweisses oder des Serums mit den 
Alkalien auf die Erstarrung der Albumine ausübt. 

Im folgenden Kapitel finden sich Versuche, die die Empfindlichkeit der 
Gelatine, des Fibrins, des einfachen, verdünnten und ammoniakalischen Blut- 
serums, des Kaseins und des Eiweisses in vergleichender Weise studieren. 

Aus den Ergebnissen aller dieser zahlreichen Versuchsanordnungen, die io 
übersichtlicher Weise zusammengestellt sind, sei hier nur noch die am Schluss 
gebrachte Zusammenfassung hervorgehoben: 

1. Mit der Methode der festen Gelatineröhrchen kann die Empfindlichkeit 
der Gelatine bis 1:1400000 gelangen, mit jener der flüssigen Gela- 
tineröhrchen bis 1:1000000, während sie mittels der Extraktions- 
methode, mittels Fibrin und mittels der Gelatineplattenmethode 
ein Maximum von 1:200000 erreichen kann. 

2. Die Empfindlichkeit der so zubereiteten Gelatine übertrifft 120 mal 
jene des Ochsenfibrins, 280 mal jene des Ochsenserums mit Ammoniak 
(NH; 20 proz.); 280—1400 mal jene des Kaseins (je nach der Sorte); 
1400 mal das Ochsenserum und die Muskeln (von Kaninchen) und 
endlich 2800 mal das geronnene Eiweiss. 

3. Das Fibrin übertrifft ungefähr 2 mal das Blutserum des Ochsen, mit 
Ammoniak (NH, 30 proz.); 2—14 mal das Kasein, (je nach der Sorte); 
14 mal die Muskeln von Kaninchen und 24 mal das Eiweiss. 

4. Das versuchte Kasein (je nach der Sorte) erwies sich als 1—7 mal 
geringer als das Ammoniakserum, und gleich bezw. 4 mal besser als 
das einfache oder verdünnte Ochsenblutserum, die Serumgelatine und 
die Muskeln und 1—9 mal besser als das einfache Eiweiss. 

. Das Ochsenserum mit Ammoniak zeigte sich 7 mal besser als das 
einfache oder verdünnte Ochsenserum, die Serumgelatine und die 
Kaninchenmuskeln, und ungefähr 15 mal besser als das Eiweiss, einfach 
oder mit Blutserum vermischt. 

6. Die Verdünnung des Serums oder des Eiweisses vermehrt die Empfind- 
lichkeit den Enzymen gegenüber nicht, wie dies hingegen bei der 
Gelatine sich zeigt. 

Im letzten Abschnitt behandelt Verf. dann noch die Frage „über die 
Möglichkeit der quantitativen Bestimmung der proteolytischen Enzyme“, die er 
dahin beantwortet, dass es nicht möglich ist, von einer genauen Methode in 
bezug auf die quantitative Bestimmung der proteolytischen Enzyme zu reden, 
dass wir uns vielmehr mit der ungefähren Bestimmung der proteolytischen 
Wirkung einer gewissen Quantität einer Enzym enthaltenden Flüssigkeit, mit 
der eines bekannten Enzymes verglichen, begnügen müssen. 


Nieter (Halle a.S.). 


a 


Kleinere Mitteilungen. 1221 


Kleinere Mitteilungen. 


(:) Preussen. Aus demVerwaltungsbericht des Allgemeinen Knapp-" 
schaftsrereins zu Bochum für das Jahr 1904. 

Die Zahl der Vereinsmitglieder betrug am Schlusse des Berichtsjahres 279505 
und im Jahresmittel 275219 (im Vorjahre 260341). 

Die Pensions- und ÜUnterstützungskasse des Vereins zählte im Jahres- 
durchschnitt 215558 (204089) Mitglieder. Das Durchschnittslebensalter der im Be- 
richtsjahre in Zugang gekommenen Invaliden belief sich auf 42,2 (47,8), ihr durch- 
schnittliches Dienstalter beim Bergbau auf 19,3 (26,4) Jahre. Unterstützungsberechtigt 
waren im Jahresmittel 26851 Invalide, 16688 Witwen, 54126 Kinder einschl. der 
Waisen, insgesamt 97645 Personen (im Vorjahre ausschliesslich der wegen Betriebs- 
unfalles unterstützten 78369), darunter 16133 wegen Betriebsunfalls. An fortlaufenden 
Unterstützungen wurden im Berichtsjahre gezahlt 12184473 (12077921,88) M., davon 
an Berginvaliden- und Zusatzrente 7028590,11 (7014550,82) M., an Witwenrente 
2931776,51 (2862728,49) M. und an Kindergeld und Waisenrente 2224106,38 
(2200 642,57) M. 

Die Mitgliederzahl der Invaliditäts- und Altersklasse bezifferte sich im 
Jahresdurchschnitt auf 267605 (252866) Köpfe. Auf einen im Jahresmittel vorhandenen 
Rentenempfänger entfiel durchschnittlich ein Betrag von 190,71 (188,06) M. an In- 
validen- und Krankenrente und von 187,6 (185,98) M. an Altersrente. Aus Anlass 
des Todes oder eines Betriebsunfalles erfolgte die Zahlung von insgesamt 73170 
(71593) M. an Beitragserstattungen. 

Die Krankenkasse wies im Jahresmittel eine Mitgliederzahl von 275219 
(260341) Köpfen auf. Für 1 Krankenkassenmitglied wurden durchschnittlich jährlich 
21,84 (21,33) M. als Mitgliederbeitrag und 16,38 (15,99) M. als Werksbesitzerbeitrag 
gezahlt. 

Von je 100 Mann der Belegschaft wurden 71,1 (71,4) erwerbsunfähig krank. 
Die Zahl der Krankenfälle betrug 195598 (185876). Im Durchschnitt wurden für jeden 
Krankheitsfall 34,44 (30,61) M., für einen Krankengeldbezugstag 2,061 (2,018) M. 
und für ein beschäftigtes Mitglied 24,47 (21,86) M. an Krankengeld bezahlt. Die 
Höhe des gezahlten Sterbegeldes belief sich bei 1899 (1751) Sterbefällen der Ver- 
sicherten auf 171472 (149818) M., d.i. durchschnittlich 90,30 (85,56) M. für 1 Sterbefall. 

Bezüglich des Gesundheitszustandes ist zu erwähnen, dass grössere Epi- 
demien weder im Berichts- noch im Vorjahre vorgekommen sind, ung dass die 
verhältnismässig geringe Zunahme der Krankheitsfälle hauptsächlich aus dem An- 
wachsen der Belegschaft zu erklären ist. Krankheitsursache war am häufigsten die 
Wurmkrankheit (Ankylostomiasis), an der im Berichtsjahre insgesamt 13861 (im 
Vorjahre 32576) Fälle in Behandlung gestanden haben. An Lungen- und Rippen- 
fellentzündung erkrankten im ganzen 2298 (2124) Mitglieder; gestorben daran 
sind 450 (274). An ansteckender Augenkrankheit sind 1030 (659) Fälle zur 
ärztlichen Behandlung gelangt. Von Lungentuberkulose sind 377 Erkrankungs- 
und 471 (456) Todesfälle gemeldet; 270 (172) Mitglieder wurden wegen dieser Krank- 
heit einer Lungenheilstätte überwiesen. 

Ferner kamen vor: 339 (259) Erkrankungen an Brechdurchfall, [darunter 
7 (3) mit tödlichem Ausgang], 129 (80) an Ruhr [3 (8)], 137 (82) an Unterleibs- 
typhus [32 (28)], 195 (191) an Diphtherie [2 (6)] und 78 (72) an Scharlach 
40) 

Insgesamt ereigneten sich 3233 (2970) Todesfälle, von denen 644 (529) durch 
Betriebsunfall herbeigeführt waren. 


1222 Kleinere Mitteilungen. 


Die Zahl der Kurreviere einschliesslich der neugebildeten betrag 271 (268). 
Aerzte waren für den Verein 347 (329) tätig, darunter 1 (1) Oberarzt, 1 Oberarzt 
der Lungenheilstätte, 15 (14) Ohren-, 21 (21) Augen- und 23 (21) Zahnärzte neben 
271 (268) Revierärzten. Ausserdem waren 10 Aerzte in den auf einzelnen Zechen für 
Wurmkranke erriohteten Baracken beschäftigt. 

Die am 28. Juni 1904 eröffnete Lungenheilstätte zu Beringhausen verfügte über 
118 Betten; ihr Gelände umfasst 690 Morgen. Von den 2 im Bau begriflenen eigenen 
Krankenhäusern des Vereins sollte das eine (Ueckendorf) im Laufe des Berichtsjahres 
in Betrieb genommen werden. Die Zahl der mit dem Verein im Vertragsverhältnis 
stehenden Krankenhäuser, denen Erkrankte überwiesen werden, beträgt wie im Vor- 
jahre 101. In ihnen wurden 34832 (58457) Mitglieder mit einer durchschnittlichen 
Pflegedauer von 23,2 (15,5) Tagen verpflegt. Die Zahl der Apotheken, mit denen der 
Verein einen Vertrag eingegangen ist, belief sich auf 220 (217); an sie wurden ins- 
gesamt 1580589,65 (1470430,97) M. Arzneikosten gezahlt. 

(Veröff. d. Kais. Ges.-A. 1906. No. 14. S. 324.) 


(:) Aus dem statistischen Jahrbuche für Belgien, Jahrgang 1903. 
Bà. 35. 

Das Königreich Belgien war am 31. December 1903 angeblich von 6985219 Per- 
sonen bewohnt, wonach auf jedes qkm im Mittel 237 Bewohner kamen, doch war die 
Dichtigkeit der Bevölkerung in den 9 Provinzen und den 222 Kantonen des Landes 
sehr verschieden; in der Provinz Luxemburg kamen z. B. nur 51, in den 23 Kantonen 
der Provinz Namur durchschnittlich 97 Einwohner auf 1 qkm. Mehr als der neunte 
Teil der Gesamtbevölkerung wohnte in den 4 grössten Städten des Landes, von 
denen am Ende des Berichtsjahres Antwerpen 286695, Brüssel 192482, Lüttich 
166105 und Gent 162925 Einwohner hatte. Gross-Brüssel, d. h. Brüssel mit 
seinen 8 Vororten (l’agglomeration bruxelloise), war bei der Zählung von 1900 etwa 
doppelt so stark bevölkert als die damalige eigentliche Stadt Brüssel gewesen (363678 
Einwohner: 183686 in Br.); für das Jahr 1903 wird die Einwohnerzahl von Gross- 
Brüssel nicht angegeben. 

Die Zahl der in Belgien lebendgeborenen Kinder ist seit 1901 von Jahr zu 
Jahr geringer geworden, sie betrug im Berichtsjahre 192301, d. i. 7776 weniger als 
i. J. 1901; totgeboren oder als tot bei der Geburtsanzeige eingetragen wurden 
8569 Kinder = 4,4°/, der Gesamtzahl, aber von diesen waren nur 7148 tot zur Welt 
gekommene(sortis sans vie du sein de la mère), die übrigen waren als totgeboren ge- 
meldet und eingetragen, obwohl sie 1—3 Tage gelebt hatten (présentés sans vie, mais 
ayant vecu 1,2 ou 3 jours). 

Wie die Geburtenzahl in den letzten Jahren abgenommen hat, so ist auch die 
Zahl der geschlossenen Ehen in Belgien von 57711 i. J. 1900 auf 54946 i. J. 1903, 
also auf 95°/, der ersteren Zahl gesunken, und unter den 192301 lebendgeborenen 
Kindern des Berichtsjahres befanden sich 12887 ausserehelich geborene, mithin 
waren von je 1000 Lebendgeborenen 67 ausserehelicher Abkunft. Hinsichtlich dieser 
Ziffer verdient Beachtung, dass von den heiratenden weiblichen Personen 30225 
= 55°/,) und von den heiratenden Männern 20981 (= 38,2%/,) das 25. Lebensjahr 
noch nicht vollendet hatten 1). 

Als im ersten Lebensjahre gestorben sind 29782 Kinder eingetragen, d. h. 

1) Im Deutschen Reiche hatten nur 29,2°/, aller während d. J. 1903 heiratenden 
Männer das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet. Dementsprechend war hier die 
Ziffer der ausserehelichen Geburten etwas höher als in Belgien. 


Kleinere Mitteilungen. 1223 


nur 15,5 auf je 100 als lebendgeboren eingetragene Kinder; letztere Prozentziffer er- 
höht sich auf 16,1, wenn man die als „totgeboren“ registrierten, aber erst nach der 
Geburt gestorbenen Kinder (s. o.) mit in Rechnung zieht. 

Im ganzen starben während des Berichtsjahres in Belgien 118675 Personen, 
darunter 24 unbekannten Alters, 27352, welche das 70. Lebensjahr zurückgelegt 
hatten, und 14886 im Alter von 60—70 Jahren; es hatten also 35,6°/, aller Gestorbenen 
bekannten Alters ein Lebensalter von mindestens 60 Jahren und 23,1°/, ein Lebensalter 
von mindestens 70 Jahren erreicht; 34,5°/ aller Todesfälle entfielen auf Kinder der 
ersten 5 Lebensjahre 1). 

Im Vergleich zum Vorjahre hat die Gesamtzahl der Gestorbenen um 651 ab- 
genommen, dagegen war die Zahl der im ersten Lebensjahre gestorbenen Säuglinge 
um 600 höher als während des Vorjahres, obgleich, wie schon erwähnt, weniger 
Kinder als im Vorjahre lebend geboren wurden. 

Was einige bemerkenswerte Todesursachen betrifft, so starben während der 
beiden Jahre: 


1902 -1903 
anden Pcken . . 2 2 2 2 20. 652 1630 
an Typhus. . ». 2 2 2202000... 1228 1088 
a Raır . . . EN ae 242 _ 
Diphtherie und Croup N A LE i 1393 
Masern und Scharlach . . . . . . . 3997 3007 
Tuberkulose bezw. Schwindsucht . . . . 9077 9680 
anderen Leiden der Atmungsorgane. . . . 26544 19792 
Grippe. . . f _ 949 
Krebs und anderen bösartigen Geschwülsten # — 4084 
Kindbettkrankheiten . . s 2 < o = a 1205 1080 
Herzliden. a 2» 2 22 aaa a A 12471 8775 
Alkoholismus . . . IR; 311 462 
eines gewaltsam herbeigeführten "Todes. . . 3129 3070 
darunter durch Selbstmord . . E _ 818 


Da dem Ausweise über die Todesursachen d. L 1903 ein anderes Krankheits- 
verzeichnis als dem der Vorjahre zu Grunde gelegt ist, darf man aus vorstehenden 
Zahlenreihen nur mit Vorsicht Schlüsse auf die Zu- oder Abnahme einzelner Todes- 
ursachen ziehen, z. B. waren Krebs und andere bösartige Geschwülste im Vorjahre 
als Todesursache nicht genannt, statt der Tuberkulose war Schwindsucht (phthisie) 
aufgeführt u. s. w. Auffallend sind im Berichtsjahre 9 Todesfälle an asiatischer 
Cholera neben 58 Todesfällen an einheimischer Cholera, wogegen im Vorjahre nur 
17 Todesfälle an „Cholera“ aufgeführt sind. Tollwut und Rotz, die im Vorjahre 26 
bezw. 2 Todesfälle verursachten, sind i. J. 1903 nicht als Todesursachen genannt. 

(Veröff. d. Kais. Ges.-A. 1906. No. 14. S. 311.) 


(:) Medizinalstatistische Mitteilungen aus australischen Kolonien. 
Queensland. 
. Aus dem Berichte des Gesundheitsamtes für 1903/04. (Nach dem 
Ei of the Commissioner of Public Health.) 
- Im Laufe des Berichtsjahres kamen an ansteckenden Erkrankungen 2346 Fälle 


1) Im Deutschen Reiche entfielen demgegenüber 45,2°;, aller Todesfälle d. J. 
1903 auf Kinder der ersten 5 Lebensjahre und nur 27 °/ọ auf Personen, welche mindestens 
60 Lebensjahre zurückgelegt hatten. 


1224 Kleinere Mitteilungen. 


zur Anzeige, davon entfielen 31 auf die Pest, 325 auf Diphtherie, 8 auf Schwindsucht, 
2 auf Croup, 77 auf Rose, 986 auf Scharlach, 777 auf Typhus, 22 auf Kindbettfieber. 
Ausserdem wurden noch 117 Todesfälle an Schwindsucht gemeldet; obschon letztere 
Krankheit zu den anzeigepflichtigen gehört, wurden nur ganz vereinzelte Fällegemeldet. 

Die Desinfektion wird in den Städten von Beamten des staatlichen Gesundheits- 
amtes unentgeltlich ausgeführt, wofür die Stadtverwaltung nur die Auslagen für das 
verbrauchte Material zurückzuerstatten hat. Insgesamt wurden 712 Häuser desinficiert, 
ausserdem 74 pestverseuchte Schiffe in den Häfen dos Staates. 

Zur Besichtigung von 2999 Molkereien wurden im Laufe des Jahres insgesamt 
4871 Besuche abgestattet. Von 31154 auf ihren Gesundheitszustand geprüften Kühen 
durfte bei 23 die Milch für eine gewisse Zeit nicht zum Verkauf gelangen, während 
25 als für Molkereizwecke untauglich erklärt wurden. 

Die bakteriologische Abteilung führte insgesamt 16169 Untersuchungen aller 
Art aus, darunter 316 Sputumuntersuchungen wegen Verdachtes auf Tuberkulose; in 
135 Fällen waren Tuberkelbacillen gefunden. 

2. Die Irrenanstalten im Jahre 1903. (Nach dem Report of the Inspector 
of Hospitals for the Insane for 1903.) 

Am Ende des Jahres 1903 war ein Bestand von 1845 Kranken vorhanden, näın- 
lich 1132 Männer und 713 Frauen. 287 Kranke wurden im Berichtsjahre neu aufge- 
nommen und 50 fanden Wiederaufnahme. Zur Entlassung kamen im ganzen 167 Per- 
sonen, und zwar 135 als geheilt, 31 als gebessert und 1 ungebessert. Mit dem Tode 
gingen 133 ab. Insgesamt wurden im Berichtsjahre 2145 Kranke verpflegt. 

Als Ursachen der Geisteskrankheiten wurden u. a. genannt in 60 Fällen Alkoho- 
lismus, in 11 venerische Krankheiten, in 2 Sonnenstich, in 4 Unfall und Verletzung, 
in 4 Entbehrung und Ueberanstrengung, in 21 Krämpfe, in 15 Gehirnleiden und in 
32 Fällen erbliche Veranlagung. 

Die 133 Todesfälle wurden herbeigeführt in 2 Fällen durch Unterleibstyphus, 
in 4 durch Ruhr, in 3 durch Syphilis, in 22 durch Tuberkulose, in 5 durch Krämpfe, 
in 10 durch Gehirnblutung, in 15 durch Herzklappenfehler, in 18 durch Lungenent- 
zündung, in 3 durch Bronchitis u. s. w. 

Von den im Berichtsjahre aufgenommenen 337 Kranken waren der Herkunft nach 
aus Australien 125, aus Grossbritannien 167, Deutschland 16, Italien 2, Dänemark 4, 
Schweden und Norwegen 3, Indien und Ceylon 4, China 2 und Japan 1. 

Neu-Süd-Wales. 
Irrenanstalten in den Jahren 1902 und 1903. 

Im Jahre 1902 (1903) wurden in den Irrenanstalten von Neu-Süd-Wales insge- 
samt 5751 (5958) Kranke verpflegt, davon waren männlichen Geschlechts 3451 (3556), 
weiblichen 2300 (2402). Auf die Einwohnerzahl des Staates berechnet kam auf je 
299 (289) Personen ein Geisteskranker. Neu aufgenommen wurden im Berichtsjahre 
822 (831) Kranke, im Wiederholungsfalle 125 (184); wiederhergestellt entlassen wurden 
378 (379), d. i. 39,91 (35,58)°/, der in der Berichtszeit Aufgenommenen, gebessert 
kamen 46 (65) zur Entlassung. Todesfälle waren 318 (351) zu verzeichnen. 

Die Geisteskrankheiten veranlasst zu haben, wurden angegeben in 17 (36) Fällen 
häuslicher Verdruss, in 25 (34) widrige Geschäftsverhältnisse, in 81(106) Alkoholismus, 
in 14 (23) venerische Krankheiten, in 13 (17) Onanie, in 9 (7) Sonnenstich, in 18 (23) 
Unfälle und Verletzungen, in 24 (20) beginnende Geschlechtsreife, in 45 (46) Krämpfe, 
in 28 (8) Gehirnleiden, in 67 (62) Altersschwäche, in 67 (76) Fällen erbliche Veran- 
lagung u. s. w. 

Von den 318 (351) Todesfällen waren u. a. erfolgt an allgemeiner Paralyse 
36 (65), Epilepsie und Krämpfen 25 (28), Schwindsucht 56 (44), allgemeiner Schwäche 
und Altersschwäche 24 (39), Ruhr und Durchfall 11 (6), Selbstmord 5 (3). 


Kleinere Mitteilungen. 1225 


Von der Gesamtzahl der Kranken standen im Alter von 1—5 Jahren 6 (11), 
zwischen 5 und 10 ‚Jahren 37 (39), 10 und 15 Jahren 74 (78), 15 und 20 Jahren 
162 (149), 20 und 30 Jahren 720 (707); die meisten Kranken — 1394 (1510) — be- 
fanden sich in einem Alter zwischen 40 und 50 Jahren. 

Die Gesamtausgaben für die Unterhaltung der Anstalten beliefen sich auf 143 253 
(151309) Pfund Sterling. 

A Neu-Seeland. 

1. Aus dem Berichte des Departements für die öffentliche Gesund- 
heitspflege für das Jahr 1902/03. (Report of the Department of Public Health 
by the chief Health Officer.) 

Der Berichterstatter hebt u. a. hervor, wie langsam die Entscheidungen der Be- 
hörden und Körperschaften bei der Bekämpfung der ansteckenden Krankheiten getroffen 
werden. Er zeigt die wirtschaftlichen Verluste, welche die Kolonie infolge der In- 
fektionskrankheiten im Berichtsjahre erlitten hat. Nimmt man an, dass die Behandlung 
eines Scharlachfalles durchschnittlich 280 M. kostet, unter Zugrundelegung einer 
sechswöchigen Behandlung einschl. Arzt, Pflege, Arzneien u. s. w., so verursachten 
die im Laufe des Jahres vorgekommenen 3763 Fälle einen Verlust von 1053640 M. 
518 Fälle an Untorleibstyphus kamen vor; wird jeder Fall mit durchschnittlich 500 M. 
berechnet, so ergibt sich ein Verlust von 259000 M. Die Kosten eines Masernfalles 
werden auf 100 M. geschätzt; da sich 7988 Fälle ereigneten, betrugen die Kosten 
798800 M. Auf diese Weise verursachten diese 3 vermeidbaren Krankheiten eine 
Ausgabe von 2111440 M. 

lm Bericht des Vorjahres ist bereits darauf hingewiesen worden, dass der grösste 
Teil der Kinder ungeimpft bleibt und infolge dessen der Pockengefahr ausgesetzt ist. 
Trotzdem die Impfung als der einzige Schutz gegen die Gefahr anzusehen ist, hat 
die Regierung doch beschlossen, den Impfzwang nicht einzuführen. 

Eine königliche Kommission beschäftigte sich mit der Versendung von Kolonial- 
truppen; sie lieferte den Nachweis, dass der Luftkubus, welcher dem Soldaten auf 
Schiffen einzuräumen ist, vergrössert werden könne. 

Durch die Ernennung einiger Eingeborenen zu Gesundheitsaufsehern verspricht 
man sich grossen Nutzen für die Hebung der gesundheitlichen Verhältnisse unter 
den Maoris. 

In Cambridge ist ein Sanatorium für heilbare Lungenkranke eröffnet worden. 
Es wird nunmehr auch angestrebt, eine Unterkunft für unheilbare unbemittelte Lungen- 
kranke zu schaffen. Es ist vorgeschlagen worden, an 10 Krankenhäusern in den ver- 
schiedenen Bezirken des Staates Sonderabteilungen für vorgeschrittene Fälle anzubauen, 
Da man alsdann keine besonderen Tuberkulosenheime zu errichten brauche, werde 
ohne grössere Unkosten vorläufig dem Mangel abgeholfen werden. 

2. Die Krankenhäuser und Wohltätigkeitsanstalten der Kolonie 
in den Jahren 1901/02, 1902/03 und 1903/04. (Nach dem Report on the Hospitals 
and Charitable Institutions of the Colony by the Inspector of Hospitals.) 

Die Krankenhäuser wiesen am Schlusse des-Jahres 1900/01 (1901/02 und 1902/03) 
einen Bestand von 1110 (1214 und 1222) Kranken auf. Aufgenommen wurden im 
Laufe des Berichtsjahres 13123 (13435 und 13811) Personen, so dass insgesamt 
14233 (14649 und 15033) Kranke unter Behandlung waren. Entlassen wurden 11904 
(12225 und 12571) Kranke; gestorben sind 1081 (1229 und 1181). Der Bestand am 
Ende des Berichtsjahres belief sich auf 1248 (1195 und 1281) Kranke. Ferner wurden 
55034 (66137 und 63668) Personen poliklinisch behandelt. 

Im Jahre 1901/02 kamen in den Krankenanstalten 19 Fälle von Masern, 230 von 
Scharlach, 311 von Influenza, 103 von Diphtherie, 417 von Unterieibstyphus, 55 an 


1226 Kleinere Mitteilungen. 


Durchfall und Ruhr, 95 von Syphilis, 135 von Gonorrhoe, 357 von Krebs, 362 von 
Schwindsucht, 158 Fälle andere Arten von Tuberkulose zur Behandlung. Für die 
Jahre 1902/03 und 1903/04 sind solche Zahlen nicht angegeben. 

Die Gesamtausgaben für die Anstalten betrugen 123365 (158700 und 153765) 
Pfund Sterling. 

3. Die Irrenanstalten in den Jahren 1902 und 1903. (Nach dem Report 
on Lunatic Asylums of the Colony.) 

In den Irrenanstalten befanden sich am Schlusse des Jahres 1901 (1902) 2773 
(2848) Kranke, und zwar 1654 (1715) Männer und 1119 (1133) Frauen. Einschl. der 
Eingeborenen kam auf je 299 (296) Bewohner der Kolonie ein Geisteskranker. 

Neuaufgenommen wurden in den Anstalten im Laufe des Jahres 290 (306) Männer 
und 150 (103) Frauen; Wiederaufnahme fanden 104 (202) Kranke. Am Schlusse des 
‚Jahres war ein Bestand von 2848 (2959) Kranken vorhanden. Wiederhergesiellt konnten 
234 (245), gebessert 41 (66) Kranke entlassen werden; nicht gebessert verliessen 19 
(96) Personen die Anstalten; 175 (173) gingen mit dem Tode ab. 

Von den 544 (691) im Laufe des ‚Jahres Aufgenommenen war 1 (1) unter 5 Jahre 
alt, 3 (2) standen im Alter von 5—10 Jahren, 2 (6) zwischen 10 und 15 Jahren, 27 
(30) zwischen 15 und 20, 100 (151) zwischen 20 und 30; die meisten Kranken — 130 
(154) — standen im Alter von 30—40 Jahren. 

Dle 'Todesursachen bei den 175 (173) Verstorbenen waren u.a. in 4 (6) Fällen 
Krebs, in 12 (16) Krämpfe, in 17 (22) allgemeine Paralyse, in 15 (21) Herzfehler, in 
22 (15) Schwindsucht, in 6 (7) Lungenentzündung, in 20 (22) Altersschwäche. 

Von den am Schlusse des ‚Jahres vorhandenen 2848 (2959) Kranken waren 833 
(846) aus England, 401 (402) aus Schottland, 639 (664) aus Irland, 655 (704) aus 
Neu-Seeland, 67 (85) aus australischen Kolonien, 6 (9) aus Frankreich, 49 (47) aus 
Deutschland, 19 (20) aus Schweden. 

Die Gesamtkosten der Anstalten beliefen sich auf 64683 (66027), die Unter- 
haltungskosten für einen Kranken jährlich 29 (30) Pfund Sterling. 

(Veröff. d. Kais. Ges.-A. 1906. No. 16. S. 367.) 

(:) Ueber den Cognac-Wahn macht Prof. Friedrich Reinitzer in H. 46 
der „Oesterr. Rundschau“, Verlagsbuchhandlung von Karl Konegen (Wien), Mit- 
teilungen, die berechtigtes Aufsehen erregen. Er führt u.a. folgendes aus: Ganz 
Frankreich erzeugt jährlich ungefähr nur 25000 hl Cognac aus Wein; dagegen ver- 
braucht Paris allein jährlich sechsmal so viel, also 150000hl, und nach England werden 
mindestens fünfmal so viel, also 125000 hl ausgeführt. Dazu kommt noch die Aus- 
fuhr nach den übrigen Ländern und der Verbrauch im übrigen Frankreich, so dass 
der aus Wein erzeugte Cognac wohl kaum 1/29 des gesamten französischen Cognacs 
bildet und die übrigen !°/2 mit Wein niemals in Berührung gekommen sind. Der 
Franzose E. Legier in St. Quentin hat daher sicherlich recht, wenn er behauptet, 
dass französischer Cognac gegenwärtig fast überall, selbst in den besten Sorten, nur 
eine Mischung von Korn-, Kartoffel- odor Melassealkohol mit Wasser und künstlichen 
Aethern sei. In der Stadt Cognac gibt es eine französisch-russische Gesellschaft, 
welche jährlich 200000 hl russischen Sprit einführt und in „französischen Cognac* 
verwandelt! Natürlich kann ein Alkohol, der die weite Reise von Russland nach 
Frankreich und wieder zurück machen muss, nicht billig verkauft werden, zumal doch 
die Gesellschaft dabei einen hübschen Gewinn erzielen will. 


Beilage zur „Hygienischen Rundschau“, 
XVI. Jahrgang. Berlin, 1. November 1906. No. 2i. é 


Bericht über die Verhandlungen der 
Abteilung für Hygiene und Bakteriologie während der Versammlung Deutscher 
Naturforscher und Aerzte vom 16.—22. September 1906 zu Stuttgart. 
Von 


Dr. Holle in Stuttgart. 


Die diesjährige Versammlung Deutscher Naturforscher und Aerzte 
fand vom 16.—22. September in Stuttgart statt. Die Beteiligung an derselben 
war etwas geringer als im Vorjahre, sie wies insgesamt 2800 Teilnehmer auf, 
trotzdem zu erwarten war, dass neben den angekündigten interessanten Vorträgen 
auch das landschaftlich schön gelegene Stuttgart eine besondere Anziehungskraft 
ausüben müsste. Die Geschäftsführung lag in den Händen des Herrn Ober- 
medizinalrat Dr. v. Burkhardt und Prof. der Chemie an der technischen 
Hochschule Dr. Hell. Die Vorbereitungen waren gut getroffen. Seine Majestät 
der König wohnte der Eröffnungsfeier bei und empfing eine grosse Zahl der 
hervorragendsten Gelehrten der verschiedenen Disciplinen zur Tafel. Von 
Hygienikern war zu diesem Empfang Geh.-Rat Rubner geladen. Als weitere 
Festlichkeiten sind zu nennen: Festvorstellungen in den kgl. Theatern, Be- 
grüssung der Versammlung im Rathaus durch die Stadt und Einladung des 
Kongresses in den Cannstatter Kursaal durch den Stuttgarter Aerztlichen Verein 
und den Verein für vaterländische Naturkunde. 

Den Schluss bildeten Ausflüge auf den hohen Neuffen, den Lichtenstein und 
den Hohenzollern, die leider unter der Ungunst der Witterung zu leiden hatten. 


Von den Vorträgen der allgemeinen Sitzungen interessierten den Hygieniker 
wenige. Eine Neuerung waren Vorträge in Abteilungsgruppen. Von besonderer 
Wichtigkeit waren hier der Vortrag von Neisser über Syphilis und ein 
Vortrag von Westenhöffer über Cerebrospinalmeningitis. 

Neisser glaubt die Zeit für gekommen, seine Arbeiten, denen das Reich 
so viele Opfer gebracht hat, dem Forum der Aerzte vorzulegen. Es lässt sich 
nicht leugnen, dass Therapie und Diagnose in den letzten Jahren grosse 
Fortschritte gemacht haben; aber ebenso klar ist jedem Syphilisforscher, dass 
man hier auf einen toten Punkt angelangt war. Es fenlte an zwei Forschungs- 
punkten. Man kannte den Syphiliserreger nicht und konnte den Krankheits- 
verlauf nicht experimentell feststellen. Metschnikoff und Roux fanden in 
dem Affen ein geeignetes Versuchstier. Schaudinn entdeckte den Erreger der 
Syphilis. Neisser findet es unbegreiflich, wie man in neuester Zeit einen 
Angriff auf die zweifellose ätiologische Bedeutung der Spirochäte machen könne 
durch Anzweifelung der Silberspirochäte. Er gebe zu, dass sich mit der 
Silbermethode auch noch anderes färben lasse als Spirochäten; dadurch könne 
aber die Syphilispirochäte nicht erschüttert werden. N. glaubt, dass auch das 
Kaninchen für Syphilis empfänglich ist, aber das geeignete Tier für Experimente 


1228 Versammlung Deutscher Naturforscher und Aerzte. 


ist der Affe. Wenn man sie mit Syphilisstoff impft, so bekommen sie primäre 
syphilitische Erscheinungen, und jedes syphilitische Produkt, welches man zur 
Impfung beim Affen benutzt, erzeugt einen primären syphilitischen Affekt. 
Nimmt man zur Impfung ein nicht sypbhilitisches Produkt, so ist es nicht 
möglich, Syphilis zu erzeugen. Auch hercditäre Syphilis hat man erzeugt. 
Einen Unterschied in der Virulenz zwischen primärer und sekundärer Syphilis 
ist nicht möglich festzustellen. Alle Affen bekommen gleichmässig den 
Primäraffekt, jedoch besteht ein Unterschied in der Disposition: so sind höhere 
Affen viel empfänglicher als niedere. Beim höheren Affen kann man die 
Primäraffekte durch Impfung am ganzen Körper erzeugen, während sie bei 
niederen Tieren nur durch Impfung an den Lippen und bestimmten Teilen er- 
zielt werden. Durch subkutane Impfung ist eine Infektion nicht möglich, 
auch war es nicht immer möglich, das Gift bei subkutan geimpften Tieren in 
inneren Organen nachzuweisen. Auf intravenösem Wege ein Tier zu iuficieren, 
ist N. nicht gelungen. N. zweifelt jedoch nicht an einem späteren Gelingen 
der Infektion auf diesem Wege, da es ja auch bei hereditärer Syphilis der Fall 
ist. Die Affen sind also die geeignetsten Experimentiertiere, man bekommt bei 
ihnen typische Syphilis nicht auf allen Wegen der Impfung, aber auf kutanem. 
Das Resultat ist wertvoll für die Diagnostik, allerdings weniger für die tägliche 
Praxis, da 5—6 Wochen bis zur Feststellung gebraucht werden und dann längst 
die klinischen Ermittelungen gemacht sind. Wichtig aber bei einem Fall, wo 
man nicht weiss, ob es sich um eine neue Infektion oder um tertiäre Syphilis 
handelt. Tertiäre Syphilis lässt sich mit demselben positiven Resultat bei 
Impfungen nachweisen wie primäre. Früher war man der Ansicht, dass die 
Syphilis im tertiären Stadium nicht ansteckend sei. Diese Ansicht hat sich 
jedoch als irrig erwiesen, da man die Erfahrung gemacht hat, dass an den 
Stellen, die für die Infektion in Betracht kommen, Lippen, Genitalien u. s. w. 
das Virus im tertiären Stadium abstirbt und so die Mehrzahl der tertiären 
Syphilitiker gar nicht in die Lage kommt, in kontagiöser Beziehung gefähr- 
lich zu werden. 

Die Syphilis ist eine konstitutionelle Krankheit, die jahrelang im Körper 
steckt. Wann ist die Syphilis geheilt? Während man bei den Tieren diese 
Frage jetzt experimentell lösen kann, wird dies beim Menschen erst der Fall 
sein, wenn man eine Schutzimpfung hat. Wie schnell geht die Verseuchung 
vor sich? N. hat durch Versuche festgestellt, dass, wenn man dem Tier sechs 
Stunden nach der Impfung die Impfstelle excidiert, eine Infektion unterbleibt, 
während nach 8 Stunden bei einer Neuimpfung an der excidierten Stelle 
Syphilis wieder auftrat. Metschnikoff steht auf dem Standpunkt, dass durch 
3831/3 proz. Kalomelsalbe eine Primärinfektion beseitigt werden kann. Ob die 
Syphilis für künftige Fälle immun macht, ist noch nicht völlig erwiesen. Man 
weiss nur, dass die meisten Menschen, die einmal Syphilis hatten, nicht mehr 
inficiert werden. Dieser Umstand kann aber auch darauf beruhen, dass diese 
Menschen noch einen Giftherd in sich bergen, von dem aus der Körper 
konstitutionell] beeinflusst wird. Ueber die Schutzimpfung weiss man noch gar 
nichts. Es ist bisher immer misslungen, ein Serum zu gewinnen. Die Queck- 
silberbehandlung wird man immer beibehalten müssen. Zum Schluss richtet 


Versammlung Deutscher Naturforscher und Aerzte. 1229 


N. an alle Aerzte die Aufforderung, für die Aufklärung des Publikums zu 
sorgen. (Beifall) Hierauf sprach Hoffmann (Berlin) über: „Aetiologie 
der Syphilis“. 


Die Verhandlung über Cerebrospinalmeningitis begann mit einem Vortrag 
Westenhöffers: „Ueber den gegenwärtigen Stand unserer Kennt- 
nisse von der übertragbaren Genickstarre.“ 

Die Genickstarreepidemie in Oberschlesien im vorigen Jahre hatte zahl- 
reichen Forschern, darunter auch W. ausgiebig Gelegenheit gegeben, über 
Entstehung und Verbreitung dieser Krankheit weitere Aufklärung zu bringen. 
Im Jahre 1887 wurde von Weichselbaum der Diplococcus intracellularis als 
der Erreger der akuten Gehirnhautentzündung beschrieben. Jäger zeigte dann, 
dass dieser Diplokokkus der Erreger der eigentlichen Genickstarre sei. v.Lingels- 
heim kam zu demselben Resultat wie Weichselbaum. Westenhöffer fand 
nun, dass die Eintrittspforte des Meningokokkus die Rachentonsille und die 
hintere Rachenwand sei und nicht nur nicht im Rachensekret einfach vor- 
handen sei, sondern auch eine Entzündung hervorrufen, die Meningococcen 
pharyngitis genannt wird. E. Mayer bestätigte diese Befunde. v. Lingels- 
heim konnte in 94°/, aller Fälle von akuter Genickstarre den Diplococcus 
intracellularis (Meningococcus) züchten. Bezüglich der Untersuchung von 
Kokkenträgern fand er, dass die Meningokokken nur bei solchen Gesunden im 
Rachenschleim vorkommen, welche aus der Umgegend von Geniokstarrekranken 
stammen. Warum sich an sporadische Fälle von Genickstarre Epidemien an- 
schliessen und warum manchmal so schwere Epidemien auftreten, lässt sich vor- 
läufig noch nicht beantworten. Jehle hat Versuche in Oesterreichisch-Schlesien 
und im Ruhrkohlengebiet darüber gemacht und kam dann zu dem Schlusse, 
dass die epidemische Ausbreitung der Genickstarre nur durch die Gruben 
erfolgt. 90°/, der Erkrankten waren Kinder unter 16 Jahren. Da die Kinder 
eine grössere und ausgebildetere Rachentonsille haben als Erwachsene, ist die 
überwiegende Zahl der Erkrankung von Kindern leicht erklärlich. Die Keime 
gelangen am wahrscheinlichsten durch direktes Eindringen in die Blutbahn in 
das Gehirn. Die Behandlung ist bis jetzt fast aussichtslos. Westenhöffer 
ist der Meinung, dass die Genickstarrebehändlung in das Ressort der Chirurgen 
gehört. 


Ferner sprachen noch Jehle (Wien): Ueber das Entstehen der Ge- 
nickstarreepidemien, Winkler (Breslau): Ueber die Genickstarre in 
Breslau 1905/06, Jaeger (Strassburg) über die Agglutinationsprüfung 
der Meningokokken. $ 


In der Abteilung für Hygiene und Bakteriologie hatte die Rolle des I. 
Einführenden Obermedizinalrat Dr. Scheurlen‘ übernommen. Fs waren 
24 Vorträge angemeldet, von denen 17 in 4 Sitzungen gehalten wurden. Die 
Teilnehmerzahl in den einzelnen Sitzungen war eine erfreulich stattliche; so 
erschienen beispielsweise zu den Vorträgen über Tuberkulose über 80 Zuhörer. 


1230 Versammlung Deutscher Naturforscher und Aerzte. 


Die 1. Sitzung eröffnete Geh.-Rat Rubner als Vorsitzender. 

Oberbürgermeister am Ende (Dresden): Die Bedeutung der Baracken- 
bauten, insbesondere für Kurorte. 

Der Vortragende leitet seine Abhandlung mit Betrachtungen über die 
Vermehrung und Ausdehnung der Krankenanstalten in grossen Städten 
während der letzten 20 Jahre ein, demgegenüber aber die kleinen Städte und 
Kurorte meist nicht von der segensreichen Strömung berührt worden sind. 
In kleinen Gemeinden, in denen die Errichtung und jederzeit betriebsfähige 
Unterbaltung besonderer ständiger Isoliergebäude nicht möglich ist, verdient 
die Beschaffung provisorischer Unterkunftsräume in Form einer beweglichen 
Baracke den Vorzug. Auch in mittleren und grossen Gemeinden, die mit 
modernen Krankenanstalten versehen sind, erhält die Baracke Bedeutung, wenn 
es sich z. B. bei Ausbruch eines Krieges oder von Epidemien darum bandelt, 
schleunigste Massenunterkünfte für Kranke zu schaffen oder bestehende Kranken- 
bäuser durch provisorische Unterkunftsräume zu erweitern. Diese Anforderungen 
erfüllt die Döckersche Baracke in allen Punkten. Die Baracken System 
Döcker zeigen zwei untereinander verschiedene Konstrüktionen: 1. sogenannte 
fliegende Baracken, die in ihrer Konstruktion bis an die Ausserste Grenze des 
geringen Gewichts und leichter Beweglichkeit gehen, und 2. leicht zu 
errichtende festere Bauten mit grösserer Dauerhaftigkeit. 

Die Innenwände der Döckerschen Baracke sind glatt, abwaschbar und 
zuverlässig desinficierbar. Das Material zur Auskleidung besteht aus einer 
zähen Pappe, wasserdicht und flammensicher imprägniert. Das Dach ist 
doppelt. Die fliegenden Baracken ruhen auf Betonblöcken, während bei den 
Baracken stärkerer Konstruktion eine Gründung auf Frosttiefe mit Befestigung 
der Grundsohle ` anzuwenden ist. Die Länge der Gebäude ist unbeschränkt, 
die Breite kann 5,6m, 7 und 10m beträgen, die Lüftung ist eine überaus 
reichliche und ausreichende. 

Des weiteren geht der Vortragende auf den Nutzen der Döcker- 
schen Baracke beim Auftreten einer Epidemie ein, sowohl in grossen Städten 
als in Kurorten, zum Zwecke einer möglichst strengen Isolierung und Ver- 
meidung einer Weiterverbreitung der Seuche. In Kurorten kann die Döcker- 
sche Baracke durch Entfernung einer Wand auch als Liegehalle Verwendung 
finden. p 


K. B. Lehmann (Würzburg): Die Aufnahme der Fabrikgifte durch 
Lunge und Haut. 

Die Untersuchungen betreffen die Frage nach der Quantität der Aufnahme 
der durch Fabrikationsbetriebe erzeugten giftigen Gase durch den Respirations- 
traktus und Studien über die Menge der durch die Haut. aufgenommenen 
giftigen Flüssigkeiten und festen Körper. Zur Berechnung der Absorptions- 
grösse giftiger Gase diener: 1. die Flaschenmethode, 2. die Röhrenmethode, 
welche beide einen mit dem giftigen Gase gefüllten Raum voraussetzen, und 
zwei weitere Methoden, welche das gasförmige Gift in flüssiger Form in einer 
Vorlage voraussetzen. Die Resultate sind folgende: 

1. Die im Wasser löslichen Gase werden vom Menschen in den gerade 


Versammlung Deutscher Naturforscher und Aerzte. 1231 


noch erträglichen Dosen zu 85—100°/, absorbiert. Ueberschlagsmenge über 
die Giftaufoahme der Fabrikarbeiter 90—95%/,. Schweflige Säure wird nur 
zu 72%/, aufgenommen. N 

2. Schon Mundhöhle und Nase genügen zu annähernd vollständiger 
Absorption dieser Gase. Bei Aufnahme durch den Mund enthält der Speichel 
bis 70°/ des absorbierten Gases. 

3. Bei Tierversuchen nach der Methode der Müllerschen Ventile wurden 
von Salzsäure bis 73, von Essigsäure bis 86°%/,, von schwefliger Säure bis 
58°), absorbiert. 

4. Interessant ist, dass sich die Vollständigkeit der Absorption durch die 
Luftröbre und Lunge allein meist nicht von der durch den ganzen Respirations- 
traktus unterschied. 

5. Noch bei sehr starken Säuredosen hält die Nase die Säure so voll- 
ständig zurück, dass in der Luftröhre keine saure Reaktion auftritt. 

6. Von dem im Wasser löslichen Kohlenstoff werden etwa 220), absorbiert. 

Für die Praxis folgt aus diesen Resultaten, dass es notwendig ist, den 
Eintritt giftiger Gase in die Fabrikräume zu verhindern. Bei der Feststellung 
der Aufnahme giftiger Körper durch die Haut wurde namentlich mit Paranitro- 
chlorbenzol gearbeitet. Nachdem das Versuchstier, dem die giftige Substanz 
mittels eines Heftpflasterstreifens auf die Haut appliciert wurde, verendet war, 
wurde die Giftmenge im entbäuteten Kadaver und in Haut und Umhiüllungen 
bestimmt. Das Resultat war, dass sehr kleine Giftmengen, durch die Haut 
aufgenommen, lebensgefäbrlich wirken können. Es ist deshalb eine Hauptauf- 
gabe, durch Sorge für reine Arbeits- und Strassenkleidung, forefaltige Haut- 
reinigung Vergiftungen zu vermeiden. 

Diskussion: Schottelius (Freiburg) fragt an, ob Lehmana auch über 
Leuchtgasresorption quantitative Untersuchungen angestellt hat. Im Interesse 
der Arbeiter in Gaswerken wäre es vielleicht praktisch von Bedeutung, hier- 
über Aufschluss zu erhalten, um so mehr als solche Arbeiter die Geruchsempfin- 
dung für Leuchtgas verlieren. 

Dietsch (Hof) teilt Erfahrungen mit über dauernde Einatmung von 
grossen Mengen Schwefelwasserstoff durch Leute, die an einem Fluss mit 
faulendem Inhalt wohnten. Es kamen wohl Erkrankungen, aber keine Todes- 
fälle oder schwere Vergiftungen vor. Er fragt an, wie viel von den giftigen 
Gasen und wie lange sie im Körper bleiben. 

Brat (Charlottenburg) fragt, ob die durch Mund und Nasenhöhle absor- 
bierten Gasmengen toxisch wirken können. Die Aufnahme von Paranitro- 
chlorbenzol geschieht in den Gewerbebetrieben gewöhnlich durch den Respirations- 
traktus, obwohl Aufnahme durch die Haut natürlich in einzelnen Fällen nicht 
unmöglich ist. 


Lehmann (Würzburg): Ueber Giessfieber. 

Giessfieber ist eine häufige Gewerbekrankheit der Messingarbeiter. Einige 
Stunden nach dem Giessen erkranken die Arbeiter an Schüttelfrost, Fieber, 
Reiz- und Entzündungserscheinungen in Luftröhre und Lunge, dann kommt 
Mattigkeit, Muskelschmerzen, Kopfweh; bei schweren Erkrankungen treten 


1232 Versammlung Deutscher Naturforscher und Aerzte. 


Schmerzen in der Blasengegend auf. Man bat in diesen Fällen Rasselgeräusche 
in den Bronchien und den unteren Lungenabschnitten konstatiert. Der Harn 
ist dabei konzentriert, reich an Indigorot, kein Eiweiss, kein Zucker, ganz 
wenig granulierte Cylinder, mehrere Tage 1—2 mg Zink pro die im Harn; 
Blut ohne Besonderheiten. Der Zustand dauert mehrere Stunden bis zu einigen 
Tagen. Das Giessfieber tritt auf bei Verarbeitung des Messings, weil bei 
dessen Guss neben Kupfer bei 1000° Zink zugesetzt wird, wobei dichter Zink- 
oxydnebel entstebt. Im Winter tritt wegen mangelnder Ventilation das 
Giessfieber häufiger auf. Von Gewöhnung kann nur in bescheidener Weise 
die Rede sein. Die Disposition zum Giessfieber ist sehr verbreitet. Die sorg- 
fältigsten persönlichen Schutzvorrichtungen, nasse Tücher, Watte u. s. w. 
genügen durchaus nicht zum Schutze. 


Schottelius (Freiburg i.B.): Giftige Konserven. 

Aus den bisher gemachten Beobachtungen über diesen Gegenstand geht 
hervor, dass ausser dem Bacillus botulinus eine grosse Anzahl anderer Spalt- 
pilze, ferner die zur Gruppe der Colibakterien gehörigen Mikroorganismen eine 
giftige Zersetzung von Nahrungsmitteln hervorrufen können. Es kommen noch 
ferner von Bakterien die verschiedenen Proteusarten u. a. in Betracht. Für 
die Praxis ist es ohne Bedeutung, ob das Gift sich im Innern der Bakterien 
befindet und giftige Spaltpilze gegessen werden oder ob das Gift von ihnen 
ausgeschieden wird, oder ob es ausserhalb der Bakterien entsteht aus 
dem Eiweiss des Nährbodens, auf dem die Spaltpilze sich vermehren. Bei 
den Vergiftungen durch Konserven handelt es sich nicht um eine Infektion, 
sondern um eine direkte oder indirekte Intoxikation, indirekt insofern, als die 
mit den Konserven aufgenommenen Bakterien auch noch im Darm der er- 
krankten Person sich vermehren und ihre giftigen Wirkungen äussern, so dass 
nicht nur das Gift, das in den Konserven gebildet wird, direkt wirkt, sondern 
ausserdem noch das nachträglich im Darm entstandene. Diejenigen konser- 
vierten Nahrungsmittel sind am meisten der giftigen Zersetzung ausgesetzt, 
welche einmal genügend freie Wassermengen zur Vermehrung der Bakterien 
enthalten, und ferner diejenigen, in welchen am reichlichsten Eiweiss enthalten 
ist. Das Gift in den Konserven wird durch die ausserhalb des Körpers ein- 
tretende bakterielle Zersetzung von Eiweiss gebildet. Fehlt den Konserven 
die zur Bakterienvermehrung notwendige Menge freien Wassers, so sind sie 
auch einer Vergiftung nicht ausgesetzt. Es sind dies die geräucherten, ge- 
trockneten oder die in Oel oder in Zucker konservierten Nahrungsmittel. 

Das Bestreben, Delikatessen wie Fische oder Hummer möglichst billig 
herzustellen, um sie auch den minder bemittelten Leuten zugänglich zu machen, 
ist mit den Grundsätzen rationeller Gesundheitspflege nicht vereinbar, da sie 
für einen billigen Preis nur auf Kosten der Qualität und Gefährdung der 
Gesundheit geliefert werden können. Es kommen für die Vergiftungen haupt- 
sächlich die für den grossen Konsum bestimmten, sowohl animalischen wie 
vegetabilischen Nahrungsmittel in Betracht. Ihre Zersetzung ist dieselbe wie 
bei den frischen Nahrungsmitteln, nur dass bei ihnen die Möglichkeit der 
Verunreinigung sich innerhalb engerer Grenzen hält. Diese von den Fabrik- 


Versammlung Deutscher Naturforscher und Aerzte. 1233 


betrieben so eng wie möglich gezogenen Grenzen schliessen das Vorkommen 
kleiner, in ihren Folgen doch so schwerer Feblerquellen nicht aus. Die unter 
den strengsten Kautelen hergestellten Büchsen, die so einwandsfrei wie mög- 
lich vorgenommene Einfüllung der Nahrungsmittel in die Büchsen, der sorg- 
fältigste Verschluss und das beste Auskochen und Verschliessen der Büchsen 
vermag das Vorkommen minimaler Oeffnungen, die sich der Sinneswahrnehmung 
bei der Revision entziehen, nicht zu verhindern. Aus den feinen kapillaren 
Oeffnungen, die aus Wahrscheinlichkeitsgrüänden meistens dort liegen, wo der 
Büchseninhalt der inneren Wandung sich anlegt, kann der Inhalt nicht aus- 
fliessen, dagegen vermag die äussere Luft, vor allem bei der nach dem Sterili- 
sieren eintretenden Zusammenziehung der Büchse leicht einzudringen und damit die 
die Zersetzung bewirkenden Bakterien in das Innere der scheinbar gut ver- 
schlossenen Büchsen zu befördern. Bedenkt man, welchen äusseren Einwir- 
kungen eine solche Büchse, bis sie in den Gebrauch kommt, ausgesetzt ist 
(Druck, Stoss, Rosten infolge der Einwirkung von Säuren von aussen her 
oder durch den sauren Inhalt von innen aus), so wird man ohne weiteres ein- 
sehen, dass die Gefahr des Undichtwerdens mit dem Alter der Büchse zu- 
nimmt. Frisch bereitete Konserven sind stets besser als alte. Um zum Ge- 
brauch zugelassen zu werden, soll der Inhalt der Konserven an Geruch, 
Geschmack und Aussehen den entsprechenden frischen Nahrungsmitteln gleich- 
kommen. Eine Verwendung sollten Konserven nur finden, wo sie ein absolutes 
Bedürfnis sind. Dagegen sollen sie niemals als Ersatzmittel für frische Nahrung 
dienen, wo solche überbaupt zur Verwendung vorhanden ist. Die Minder- 
wertigkeit der Konserven ergibt sich schon aus der Herstellungsweise, vor 
allem frischer Gemüse. Zuerst werden die Gemüse abgekocht und dann wird 
das die aromatische Substanz und natürlichen Salze enthaltende Kochwasser 
weggeschüttet. Dann werden die Gemüse in Büchsen gefüllt, ihnen Salzwasser 
beigegeben und konserviert. 

Zur Durchführung einer Kontrolle des Alters von Konserven dürften unserer 
von dem ausländischen Markte schon sehr schwer bedrängten Konservenindustrie 
keine strengen Kontrollvorschriften gemacht werden. 

Schottelius hält es für zweckmässig, jede Konservenbüchse innen mit 
einer den Jahresstempel tragenden Marke zu versehen, welche erst nach der 
Oeffnung der Konserven sichtbar wird. Es würden sich hierzu mit einge- 
pressteu Jahreszahlen versehene eingelötete Blechstreifen empfehlen, oder es 
könnte der Stempel auf mehrere Jahre, also z. B. einen Cyklus von 3 Jahren 
ausgedebnt werden. Die Benutzung deutscher Konserven bietet auf Grund der 
rationellen Herstellung derselben am meisten Gewähr gegenüber gesundheit- 
lichen Schädigungen. 

Diskussion. Kisskalt: Besonders verdächtig sind Konserven, in denen 
Gelee enthalten ist, da die Gelatine durch hohes Sterilisieren ihre Erstarrungs- 
fähigkeit einbüsst. Bei einer in Mainz vorgekommenen Vergiftung wurde 
konstatiert, dass der aus Amerika in gefrorenem Zustand importierte Salm in 
den Büchsen mit der aus Essig, Wasser und Gelatine hergestellten Gelee 
übergossen, dann einen Tag stehen gelassen und hierauf die Büchse zugelötet 


1234 Versammlung Deutscher Naturforscher und Aerzte. 


wurde, ohne dass nachher Sterilisation stattfand. Konserven sollen niemals 
in ungekochtem Zustand genossen werden. 

Schottelius: Gerade der konservierte Lachs ist sowohl in ungekochtem 
Zustande als auch in Form der geräucherten Lachsscheiben in Büchsen häufig 
der Zersetzung ausgesetzt; solche Delikatessen sollten nur in frischem, nie- 
mals in konserviertem Zustand genossen werden. 

Selter (Bonn) hat eine Fleischvergiftung mit Pökelfleisch beobachtet 
Bei den auf das Vorkommen des Bac.'enteritidis angestellten Untersuchungen 
wurden in 2 Fällen Bakterien gefunden, die morphologisch und kulturell zur 
Gruppe der Fleischvergiftungsbakterien zu rechnen sind. 

Schottelius: Beim Pökeln des Fleisches oder Konservieren durch Ein- 
salzen kommt es vor allem auf den notwendigen hoben Salzgehalt der Lake 
an. Wo die wünschenswerte Konzentration, sei es, um das Fleisch saftig zu 
erhalten oder aus Sparsamkeitsrücksichten, nicht eingehalten wird, da tritt 
früher oder später eine faulige und giftige Zersetzung des Pökel- oder Salz- 
fleisches ein. 


2. Sitzung. Vorsitzender: Prof. Schottelius. Stellvertreter: Prof. Leh- 
mann. 

Reg.-Rat Dr. Weber (Berlin): Die Perlsuchtinfektion des Menschen. 

Indem Robert Koch den Tuberkuloseforschern durch den Impfversuch 
am Rinde ein Mittel zur Unterscheidung der Erreger der Tuberkulose des 
Menschen und des Rindes gab, hat er gezeigt, wie man einwandsfrei die 
Frage lösen kann, ob es eine Perlsuchtinfektion des Menschen gibt. Und 
wenn wir diese Frage heute mit aller Bestimmtheit bejaben können, so ver- 
danken wir dies Robert Koch. 

Die Anschauung Kochs von der Verschiedenheit der Erreger der Tuber- 
kulose des Menschen und des Rindes wird noch nicht von allen Seiten aner- 
kannt. Die Trennung der Säugetiertuberkelbacillen in Bacillen des Typus 
humanus und Bacillen des Typus bovinus finden, wie sie in Bestätigung der 
Kochschen Lehre und in Uebereinstimmung mit Smith u. A. durch die 
umfangreichen im Kaiserlichen Gesundheitsamt ausgeführten Untersuchungen 
festgestellt wurde, durch die schwedische Tuberkulosekommission, wie durch 
Arbeiten italienischer Forscher in neuerer Zeit weitere Bestätigung. L. Rabi- 
nowitsch tritt teilweise der Typentrennung bei. Nicht anerkannt wird die 
Typentrennung von Dammann und Müssemeier. 

Aus den bisherigen Untersuchungen ergeben sich als Hauptgesichtspunkte: 

1. Die Perlsuchtinfektion ist vorzugsweise eine Erkrankung des Kindes- 
alters, 

2. die Perlsuchtinfektion ist eine Fütterungstuberkulose. 

Als Fütterungstuberkulose erscheint die Perlsuchtinfektion unter dem 
Bilde der primären Darm- und Mesenterialdrüsen- sowie der Halsdrüsen- 
tuberkulose. 

26 teils in der Literatur beschriebene, teils selbst beobachtete Fälle von 
primärer Darm- und Mesenterialdrüsentuberkulose beruhend auf 
Bacillen des Typus bovinus betreffen alle Kinder im Alter von 11/,—12 Jahren. 


Versammlung Deutscher Naturforscher und Aerzte. 1235 


Bei 15 von den 26 Fällen handelte es sich um tödliche Tuberkulosen, wobei die 
Darmaffektion in allen Fällen die Todesursache war. Hervorzuheben ist, dass 
in den Lungen in den Fällen, in denen sie überhaupt von Tuberkulose er- 
griffen waren, ausschliesslich Miliartuberkel, in keinem Fall jedoch phthisische 
Processe gefunden wurden. Noch niemals ist also bis jetzt bei der Perlsucht- 
infektion diejenige Form der Tuberkuloseerkrankung beobachtet worden, die 
für die Weiterverbreitung der Krankheit von Mensch zu Mensch beinahe aus- 
schliesslich in Betracht kommt. Es können auch Infektionen mit den Bacillen 
beider Typen vorkommen. Im histologischen Bilde konnten wesentliche 
Unterschiede nicht festgestellt werden. Bemerkenswert ist der Mangel an 
Riesenzellen bei den meisten Fällen von Perlsuchtinfektion, ferner die Menge 
der Bacillen in verkästen Mesenterialdrüsen bei Perlsuchtinfektion gegenüber 
der Schwierigkeit, in tuberkulögem Käse überhaupt Tuberkelbacillen zu finden. 

Die Perlsuchtinfektion als Fütterungstuberkulose weist in erster Linie 
auf die Milch als Infektionsquelle hin. In 2 von 15 Fällen konnte nach- 
gewiesen werden, dass die Kinder längere Zeit ungekochte Milch getrunken 
hatten. In diesen beiden Fällen ist aber die Infektion nicht im Säuglingsalter, 
sondern erst im späteren Kindesalter erfolgt. Die Infektion mit menschlichen 
Tuberkelbacillen nimmt beim Säugling einen rapiden Verlauf. Vielleicht 
bleibt die Perlsuchtinfektion im Säuglingsalter zunächst latent und ruft erst 
nach dem 1. Lebensjahr sichtbare Veränderungen hervor. 

Dass die primäre Darm- und Mesenterialdrüsentuberkulose häufig ausheilt, 
darauf ist von pathologisch-anatomischer Seite wiederholt hingewiesen worden. 
Weber selbst verfügt über 17 Fälle, bei denen der Beweis erbracht war, 
dass keine lebenden Tuberkelbacillen mehr in den Geweben vorhanden waren. 
Die verkästen Mesenterialdrüsen wurden als Nebenbefunde bei Obduktionen 
gefunden. Die Impfversuche an Meerschweinchen fielen negativ aus. Die 
Zahl der ausgeheilten Fälle zu der Zahl der primären Darm- und Mesenterial- 
drüsentaberkulosen gibt Weber auf Grund einer 4 Jahre dauernden Unter- 
suchung beinahe gleich an: 39 Fälle; 17 ausgeheilt. Von den restierenden 
22 Fällen beruhten 13 auf:Bacillen des Typus bovinus, 7 auf Bacillen des 
Typus humanos allein und 2 Fälle auf gleichzeitiger Infektion mit Bacillen 
beider Typen. Bemerkenswert ist das Ueberwiegen der Perlsuchtinfektion in 
den letzten Fällen, was sich mit dem Begriff Fütterungstuberkulose decken 
dürfte, während unter den Begriff Halsdrüsentuberkulose ebenso gut Fütte- 
rungs- als auch die Inhalationstuberkulose fallen; in den letzteren Fällen ist 
auch die Prozentzahl der Perlsuchtinfektion geringer. 

Bei Erwachsenen ist die primäre Darm- und Mesenterialdrüsentuberkulose 
viel seltener als bei Kindern und dürfte meist auf Bacillen des Typus humanus 
beruhen, und es darf angenommen werden, dass Erwachsene so gut wie 
unempfänglich für Perlsuchtinfektion sind. Bei den anderen Formen der 
Tuberkulose im Kindesalter konnte bei 18 Fällen nur einmal Perlsuchtinfektion 
nachgewiesen werden. Der Bacillus des Typus humanus scheint beim Menschen 
leichter im Respirationstraktus, der des Typus bovinus leichter im Verdauungs- 
traktus zu haften. 

Die Tuberkulose des Menschen ist keine ätiologisch einheitliche Erkrankung. 


1236 Versammlung Deutscher Naturforscher und Aerzte. 


Es kommen vielmehr für sie zwei einander sehr nahe stehende Krankheits- 
erreger in Betracht, die Bacillen des Typus humanus, die eigentlichen Erreger 
der menschlichen Tuberkulose und die Bacillen des Typus bovinus, die eigent- 
lichen Erreger der Tuberkulose des Rindes, der Perlsucht. Die Perlsucht- 
infektion spielt jedoch im Vergleich zu der Infektion mit menschlichen Tuberkel- 
bacillen eine nur geringe Rolle. Sie macht nur einen Teil derjenigen Formen 
von Tuberkulose aus, deren Ursprung im Verdauungskanal zu suchen ist. Sie 
ist insofern von geringerer Bedeutung, als die Möglichkeit einer Weiterübertragung 
von Mensch zu Mensch bei ihr eine schr geringe ist. Immerhin, die Gefahr 
der Perlsuchtinfektion ist vorhanden und zwar in erster Linie durch die Milch. 
Die Hauptgefahr für den Menschen bei der Tuberkulose ist der tuberkulöse 
Mensch selbst als so gut wie ausschliessliche Quelle für den Bacillus des 
Typus bumanus anzusehen. 


Rabinowitsch L. (Berlin): Neuere experimentelle Untersuchungen 
über Tuberkulose. 

Rabinowitsch hatte in Ermangelung tuberkulösen Rindermaterials aus 
tuberkulösen Milchproben Kulturen gewonnen, die im kulturellen Verhalten 
wie ihrer Virulenz nach in keiner Weise von menschlichen Tuberkulosestämmen 
abwichen. Auf Grund zahlreicher Untersuchungen an tuberkulösen Tieren des 
zoologischen Gartens in Berlin hält Rabinowitsch es für wahrscheinlich, 
dass sich auch bei tuberkulösen Rindern bei eigens darauf gerichteten Unter- 
suchungen viel häufiger Uebergangsstämme oder Kulturen von geringerer Viruleoz 
als die der Perlsuchtbacillen auffinden lassen, wie sie den menschlichen Tuberkel- 
bacillen eigen sind. Mit der Bezeichnung Uebergangsform will Rabinowitsch 
ausdrücken, dass eine Tuberkelbacillenform bei längerem Verweilen im bete- 
rogenen Organismus durch allmähliche Anpassung sich den Eigenschaften der- 
jenigen Tuberkelbacillenform nähern resp. dieselbe annehmen kann, welche 
für die betreffende Tierart als specifisch zu bezeichnen ist. Bei 33 tuberkulösen 
Affen wurden in der Mehrzahl der Fälle Tuberkulosestämme von der Virulenz 
der menschlichen Bacillen, in einigen Fällen Rinderstämme, die sogenannten 
Uebergangsformen, und auch einmal Geflügeltuberkulosebacillen nachgewiesen. 
Bei einem an Lungenschwindsucht eingegangenen Löwen wurde eine Kultur 
gewonnen, die vermutlich als menschlicher Tuberkulosestamm bezeichnet werden 
darf; jedoch sind darüber die Untersuchungen noch nicht ganz abgeschlossen. 
Bei zwei Adlern und einem Herling wurden menschliche Tuberkelbacillen 
nachgewiesen. Während bei den Hauspapageien die Infektion in der Mehrzahl 
der Fälle durch menschliche Tuberkulose bedingt zu sein scheint, hat Rabi- 
nowitsch bei den Papageien des zoologischen Gartens bisher nur Geflügel- 
tuberkulose auffinden können. Nach diesen Befunden misst Rabinowitsch 
der Gelegenheitsursache der Infektion mit dieser oder jener Tuberkelbacillen- 
form eine nicht zu unterschätzende Bedeutung bei. Die hauptsächlichste 
Infektionsquelle für den Menschen ist der tuberkulöse Mensch selbst. Die 
ersten Befunde von Rinderbacillen im menschlichen Organismus stammten 
hauptsächlich von Fällen kindlicher Darmtuberkulose, welche zu diesen Ver- 
suchen in der Voraussetzung gewählt wurden, dass die vornehmlich mit der 


Versammlung Deutscher Naturforscher und Aerzte. 1237 


Milch eingeführten Taberkelbacillen notwendigerweise eine primäre Tuberkulose 
des Intestinaltraktus hervorrufen müssten. Die Annahme hat sich jedoch als irrig 
erwiesen, da auch bei Erwachsenen, allerdings in geringer Zahl, der Nachweis 
des Vorkommens von den Perlsuchtbacillen identischen Formen geliefert werden 
konnte, Eine Prädilektion der verschiedenen Tuberkuloseerreger für bestimmte 
Organe ist nach den bisherigen Untersuchungen mit Sicherheit nicht nach- 
weisbar, ebenso wenig liessen sich bisher irgend welche Beziehungen zur 
Eintrittspforte resp. zur Lokalisation der tuberkulösen Erkrankung aufstellen. 
Man ist geneigt, der Fütterungsinfektion bei der menschlichen und tierischen 
Tuberkulose eine grössere Rolle zuzuerkennen als bisher. Zur weiteren Lösung 
dieser Fragen werden Bakteriologen und Pathologen Hand in Hand gehen 
müssen. 

Zwick (Stuttgart): Beitrag zur Kenntnis der Beziehungen zwischen 
Menschen- und Rindertuberkulose. 

Die zu der aktuellen Frage zu liefernden Beiträge betreffen: 

1. Einige Fälle künstlicher Uebertragung von Reinkulturen menschlicher 
und Rindertuberkelbacillen auf das Rind. 

2. Die Frage einer Unterscheidung eines Typus bovinus und Typus 
humanus. 

3. Die kritische Darstellung eines Falles von vermeintlicher Uebertragung 
der Tuberkulose durch die Milch einer eutertuberkulösen Kuh auf 2 Kinder 
einer Familie. 

ad. 1. Es wurden insgesamt 4 Versuche angestellt und dazu 3 auf 
Tuberkulin nicht reagierende hochträchtige Kalbinnen benützt. Die Ein- 
spritzungen der fein zerriebenen und in Bouillon aufgeschwemmten Reinkulturen 
wurden in das Euter vor dem Kalben der Tiere vorgenommen. 

Der Versuch wurde mit menschlichen Reinkulturen angestellt. Einer 
Kalbin wurden zuerst 25 mg und 7 Wochen später eine ganze Serumreinkultur 
von menschlichen Tuberkelbacillen in das Euter injicier. Nach 4 Monaten 
war irgend eine tuberkulöse Veränderung des Tieres bei der Schlachtung nicht 
wahrzunehmen. Ebenso blieben die beiden Kälber, von denen das eine 4, das 
andere 7 Wochen lang das Sekret des injieierten Euters erhalten hatten, voll- 
ständig gesund. - 

Bei einem 3. Versuch erhielt eine hochträchtige Kalbin eine ganze vier 
Wochen alte Kultur vom Typus humanus in das Euter injiciert. Nach kurzer 
Zeit wurden Tuberkelbacillen in der Milch gefunden. Das Euter wurde mit 
der Zeit atrophisch und derb. Bei dem 6 Wochen nach der Geburt ge- 
schlachteten Kalb fanden sich in der Nähe des Zwölffingerdarms stecknadel- 
kopfgrosse, zum Teil im Zerfall begriffene Knötchen. In ihnen, sowie in den 
pathologisch veränderten Lymphdrüsen wurden Tuberkelbacillen in grosser 
Menge gefunden. Das Ergebnis des Versuches war, dass die in verhältnis- 
mässig grosser Zahl in das Euter der Kalbin eingespritzten menschlichen 
Tuberkelbacillen keine typische Tuberkulose in diesem Organ hervorzurufen 
vermochten, trotzdem sie 20 Wochen darin verweilt hatten. Das Kalb aber, 


1238 Versammlung Deutscher Naturforscher und Aerzte. 


das die Milch des inficierten Euters in sich aufgenommen hatte, erkrankte an 
Tuberkulose des Darms und seiner zugehörigen Lymphdräsen. 

Bei einem 4. Versuch wurden einer Kalbin Tuberkelbacillen vom Rind in 
grosser Menge in das Euter injicier. Nach 14. Tagen schwoll das Euter 
stark an, wurde sehr derb und hart. Die Euterlymphdrüsen wurden zu faust- 
grossen Knoten. Das Bild war das einer Eutertuberkulose. Es traten fieber- 
hafte Erhöhungen der Temperatur ein, der Nährzustand des Tieres wurde 
schlechter, das Tier von Tag zu Tag hinfälliger. Die Gewichtsabnahme betrug 
in 7 Wochen 28°/,, während das mit menschlichen Tuberkelbacillen geimpfte 
Rind keine Abnahme seines Lebendgewichts erfahren hatte. Bei der Sektion 
wurde nur die Euterlymphdrüse und das Euter krank gefunden. Sämtliche 
übrigen Organe waren frei von Tuberkulose. Die Rindertuberkelbacillen sind 
für das Rind viel virulenter als die menschlichen, und die galaktive Infektion 
ist eine sehr geeignete Methode zur Demonstration der verschiedenen Wirkungen 
von Rinder- und Menschentuberkulose. 

ad 2. Die Unterscheidungsmerkmale für die Trennung eines Typus humanus 
und bovinus sind morphologischer, kultureller und pathogener Art. Zwick 
kommt am Schluss weiterer Betrachtungen zu dem Resultat, dass die Gruppie- 
rung des Erregers der Säugetiertuberkulose in einen Typus humanus und 
Typus bovinus berechtigt ist. 

ad 3. In einer Familie, in welcher sowohl Eltern als Grosseltern und von 
9 Kindern 7 gesund sind, erkrankten 2 Kinder, ein Knabe von 4 und ein 
Mädchen von 16 Jahren an Tuberkulose. Die ganze Familie hatte von der 
Milch einer tuberkulösen, der Familie selbst gehörigen Kuh getrunken. Die 
Kuh war mit der Geburt des Knaben in den Besitz der Familie gekommen. 
Mit 3 Jahren traten bei dem Knaben Erscheinungen von Tuberkulose der 
Wirbelsäule auf, später erlag er allgemeiner Tuberkulose, ebenso die 16 jährige 
Schwester. Die bei der Sektion von beiden Kindern entnommenen, zu den 
nachträglichen Untersuchungen benützten tuberkulösen Gewebsstücke lieferten 
Kulturen des Typus humanus. ‘Die Tuberkulose der beiden Kinder war also 
nicht auf die Milch der eutertuberkulösen Kuh zurückzuführen. 

Wenn auch die Gefahr der Tuberkuloseinfektion durch die Milch nicht 
überschätzt werden darf, so sollte doch die Möglichkeit jeglicher Infektion 
ausgeschlossen sein; und es sollten, um diesen Missständen zu begegnen, die 
Behörden die Einführung einer staatlich organisierten Milchkontrolle so bald 
wie möglich vornehmen. So gut wir gegen den Genuss trichinenbaltigen 
Fleisches geschützt sind und so gut wir verlangen können, ein reines Wasser 
zum Genuss zu erhalten, ohne es vorher abkochen zu müssen, ebenso sehr 
sollen wir die Garantie haben, dass wir bei Genuss der dem Geschmack mehr 
zusagenden kuhwarmen als abgekochten Milch vor einer Schädigung unserer 
Gesundheit geschützt sind. 


Die Diskussion wird über die 3 Vorträge Weber, Rabinowitsch und 
Zwick gemeinsam geführt. 

Diskussion. Weber: Es ist erfreulich, dass sowohl Rabinowitsch als 
Zwick die Hauptgefahr für den Menschen im tuberkulösen Menschen suchen 


Versammlung Deutscher Naturforscher und Aerzte. 1239 


” 
und dass daneben als verhältnismässig geringe Gefahr das tuberkulöse Rind 
in Betracht kommt. Von den atypischen Stämmen Rabinowitschs glaube 
ich, dass sie bei Prüfung am Rinde bei dem einen oder anderen Typus unter- 
gebracht werden könnten. Die Versuche an Kaninchen!) sind grossen Fehler- 
quellen unterworfen, besonders durch die Stallseuchen beim Kaninchen, Pneu- 
monie und Coccidiose. Rabinowitschs Versuche entsprechen nicht den 
Anforderungen exakten Arbeitens unter gleichmässigen Verfahrbedingungen. 

Westenhoeffer (Friedenau-Berlin): Es ist erfreulich, dass vom Gesund- 
heitsamt gegen die Rindertuberkulose Massnahmen empfohlen werden. Die 
Typeneinteilung kann für die Entscheidung der Herkunft der Tuberkelbacillen 
nicht massgebend sein. Zur Feststellung dieser Frage ist eine eingehende 
klinische, pathologisch-anatomische und bakteriologische Untersuchung nötig. 
Die beiden von Zwick mitgeteilten Fälle der Kinder hält Westenhoeffer 
trotz des Befundes von Typus humanus für durch die Milch des Rindes ber- 
vorgerufen. 

Zwick: Bei dem 16jährigen Mädchen war die Primärerkrankung im 
Uterus zu suchen; die von mir bis jetzt untersuchten, aus Rindermaterial 
gewonnenen Tuberkulosestämme haben in kultureller und pathogener Hinsicht 
ein so gleichmässiges Resultat im Sinne des Typus bovinus ergeben, dass ich 
am Vorkommen des Typus humanus zweifle. Die menschliche Tuberkulose 
spielt kaum eine Rolle für die Entstehung der Rindertuberkulose. 

Rabinowitsch: Zu dem Einwand des Herrn Weber, dass der nicht 
seltene Nebenbefund von Coccidiose bei meinen Versuchskaninchen den Tier- 
versuch beeinflusst und mich somit zur Aufstellung atypischer Formen veran- 
lasst habe, möchte ich bemerken, dass ich für jede Virulenzprüfung mehrere 
Kaninchen verwendet habe, so dass die an Coceidiose erkrankten Tiere zur 
Beurteilung der Virulenz gar nicht mit herangezogen zu werden brauchten, ob- 
wohl m. E. die Coccidiose der Kaninchen kaum einen Einfluss auf den Verlauf 
der Tuberkuloseinfektion ausübt. 

Schottelius erklärt sich für das Vorhandensein von Uebergangsformen 
zwischen dem Typus humanus und dem Typus bovinus der Tuberkelbacillen. 
Ueberall finden wir bei höheren und bei niederen Lebewesen Uebergänge 
zwischen mehr verwandten Rassen. Dass die Rindertuberkelbacillen mit den 
menschlichen Tuberkelbacillen verwandt sind, darüber kann kein Zweifel 
sein, und es ist nach Analogie anderer Rassenverwandtschaften im höchsten 
Grade unwahrscheinlich, wenn ausnahmsweise bei den Tuberkelbacillen-Rassen 
keine Uebergänge vorkommen sollten. Bei der Deutung der Versuchsergebnisse 
an Tieren muss auch die Individualität des einzelnen Versuchstieres mehr 
berücksichtigt werden. Die Kochsche Schule, vor der Schottelius besonders 
bezüglich der ausgezeichneten Tuberkuloseforschungen den allergrössten Respekt 
hat, zeichnet sich oft durch besonders scharfe Stellungnahme in Specialfragen 
aus; aber ähnlich wie bei anderen Gelegenheiten dürften auch hier Koncessionen 
zum Ausgleich der Gegensätze zu erwarten sein. Die Ausführungen des 


1) Weber nimmt dabei auf eine andere früher erschienene Arbeit von Rabi- 
nowitsch Bezug. 


1240 Versammlung Deutscher Naturforscher und Aerzte. 


Reg.-Rat Weber, dass die Tuberkulose des Menschen nicht einheitlichen Ur- 
sprungs sei, sondern dass sowohl der Typus humanus als auch der Typus 
bovinus Tuberkulose beim Menschen erzeugen kann, deuten schon darauf hin, 
dass die früher proklamierte scharfe Trennung zwischen Rinder- und Menschen- 
tuberkulose gemildert ist. 

Die mehrfach betonte Möglichkeit, dass Tuberkuloseinfektion des Menschen 
durch den Genuss von Milch erfolgen könne, möchte Schottelins nicht so 
verstanden wissen, dass daraus nur der Schluss zu ziehen sei: Die Milch 
müsse durchgehends vor dem Genuss sterilisiert oder gekocht werden. Die 
natürliche kuhwarme Milch ist ein sehr wichtiges diätetisches Mittel und 
kann durch sterilisierte Milch nicht ersetzt werden. Man muss vielmehr Mittel 
finden (durch entsprechende Milchkontrolle), dass die zum Verbrauch kommende 
Milch in jeder Form, besonders aber auch kubwarm ohne Schaden für die 
Gesundheit genossen werden kann. 

Es beteiligten sich an der Diskussion noch: Küster, Brauns. 


Küster (Freiburg i. B.): Neuere Untersuchungen über tuberkulöse 
Erkrankung bei Kaltblütern. 

Bei Untersuchung einer grossen Anzahl von Fröschen zeigte sich, dass die 
Froschtuberkulose für alle bis jetzt untersuchten Poikilotbermen (Eidechsen. 
Schildkröten, Ringelnattern, Blindschleichen, Krebse) pathogen ist und die 
Tiere in relativ kurzer Zeit tötet. 

Nach ausgedehnten Versuchen an Regenwürmern, Kaulquappen, Weg- 
schnecken kommt Küster zu folgendem Schluss: Es ist möglich, bei Schnecken, 
Kaulquappen, gereinigten Regenwürmern, die in steriler Erde gehalten werden, 
auf natürlichem Wege eine Infektion mit Froschtuberkulose hervorzurufen, die 
nach kurzer Zeit den Tod der Tiere bedingt, während eine Infektion mit 
menschlicher Tuberkulose unter denselben Umständen nicht gelang. Auch 
eine direkte Impfung mit Froschtuberkulose führte zum Tode, während 
Menschentuberkulose vertragen wurde. Unter natürlichen Bedingungen ver- 
tragen Regenwürmer die Fütterung mit Froschtuberkulose; jedenfalls gingen 
sie innerhalb von 4 Wochen an der Fütterung nicht zu Grande. In dem von 
Küster bei Froschtuberkulose gefundenen säurefesten Bacillus glaubt er einen 
für Kaltblüter specifisch pathogenen Mikroorganismus in Händen zu haben. 


(Schluss folgt.) 


Verlag von August Hirschwald, Berlin N.W. — Druck von L. Schumacher ia Berlin N. 24. 


Hygienische Rundschau. 


Herausgegeben 
von 


Dr. Carl Fraenkel, Dr. Max Rubner, Dr. Carl Günther, 


Geh. Med.-Rat, Prof. der Hygieno Geh. Med.-Rat, Prof. der Hygiene Goh. Med.-Rat, a.0.Prof. dor Hygiene 
in Halle a./S. in Berlin. in Berlin. 


XVI. Jahrgang. Berlin, 15. November 1906, N 22. 


Die Formaldehyddesinfektion mit „Autan“. 
Von 
G. Wesenberg, 
Elberfeld. 


Obwohl die Raumdesinfektion mit Formaldehyd so überaus rasch 
eine ausgedehnte Verbreitung gefunden hat, ist die Ausführung derselben bis- 
lang noch immer eine ziemlich umständliche gewesen, zumal’ da zur Erzielung 
eines sicheren Erfolges, wie 1898 von Peerenboom!), Czaplewski?), 
Flügge?), Rubner und Peerenboom‘) nachgewiesen wurde, gleichzeitig 
mit der Entwickelung des Formaldehyds die Verdampfung einer bestimmten 
Wassermenge erforderlich ist. Für die Erfüllung dieser Bedingung sind nun 
einerseits eine ganze Anzahl von Apparaten bekannt gegeben worden, welche 
aber einen zum Teil nicht unerheblichen Kostenaufwand bei der Anschaffung 
bedingen, ausserdem auch noch eine gewisse Technik der Bedienung er- 
fordern. Andererseits hat es auch nicht an Versuchen gefehlt, die Formaldehyd- 
desinfektion derartig zu vereinfachen, dass jegliche Apparatur fortfällt; hierhin 
gehören vor allem die Karboformalglühblocks von Krell-Elb, welche in 
Briquettes aus mit Alkalinitrat imprägnierter Kohle einen gepressten Kern von 
Paraform eingebettet enthalten; letzteres wird durch die beim langsamen Ver- 
glimmen der Kohle entwickelte Wärme zu Formaldehyd depolymerisiert und 
verdampft. Die Wasserdampfentwickelung muss bei diesem Verfahren besonders 
geschehen, was Enoch5) durch Aufhängen von nassen Tüchern, durch Aus- 


1) Peerenboom, Zum Verhalten des Formaldehyds im geschlossenen Raume 
und zu seiner Desinfektionswirkung. Diese Zeitschr. 1898. S. 769. 

2) Czaplewski, Ueber Wohnungsdesinfektion mit Formaldehyd. Münch. med. 
Wochenschr. 1898. No. 41. S. 1306. 

3) C.Flügge, Die Wohnungsdesinfektion durch Formaldehyd. Zeitschr. f. Hyg. 
1898, Bd. 29. S. 276. 

4) Rubner und Peerenboom, Beiträge zur Theorie und Praxis der Formalde- 
hyddesinfektion. Diese Zeitschr. 1899. S. 265. 

5) C. Enoch, Eine neue Desinfektionsmethode mittels Formaldehyd. Diese Zeit- 
schr. 1899. S. 1274. 


s9 


1242 Wesenberg, 


giessen von warmem Wasser u.s. w. zu erreichen suchte, nach den Unter- 
suchungen von Dieudonne!), Reischauer?), Steinitz?) u.a. aber nur 
ungenügend erreichte. Erst als der letztgenannte Autor durch Verkochen von 
Wasser über einer Spiritusflamme oder durch Uebergiessen heisser Ziegelsteine 
mit heissem Wasser die nötige Wasserdampfmenge in den Raum brachte, er- 
gab die Karboformaldesinfektion zufriedenstellende Erfolge. 

Die Wärmeabgabe erhitzter Körper benutzte nun G. Krell*) in Hüsten, 
um nicht nur das Wasser, sondern gleichzeitig auch die Formalinlösung zur 
Verdunstung zu bringen; Dieudonn&5) erreichte mit diesem Verfahren, bei 
welchem flache Gussstahlbolzen von etwa 3 kg Gewicht in entsprechender 
Anzahl rotglühend gemacht und dann in einem eisernen Gefäss oder auch in 
einem besonderen Apparate mit der verdünnten Formalinlösung übergossen 
werden, gute Desinfektionsergebnisse. Später hat Springfeld die einzelnen 
tellerförmigen Bolzen durch kettenartig ängeordnete Kugeln ersetzt, bis schliess- 
lich Steinitz®) das Verfahren noch in der Weise vereinfachte, dass er Cha- 
mottesteine statt der Metallkörper verwendete; die Steine sind fast überall zu 
beschaffen und besitzen den weiteren Vorzug, eine bedeutend grössere Wasser- 
menge (etwa !/, ihres Gewichtes) zur Verdunstung zu bringen als die Metall- 
körper. Immerhin setzen die letztgenannten Verfahren noch gewisse Hilfsmittel 
voraus — Steine, grosse Feuerstätte, eiserne Gefässe —, deren Beschaffung 
in vielen Fällen auf Schwierigkeiten stossen dürfte, worauf z. B. Beitzke') 
hinweist. ' 

Als mich vor etwa Jahresfrist Herr Dr. A. Eichengrūn mit einer neuen 
chemischen Reaktion bekannt machte, durch welche gleichzeitig Formaldehyd 
und Wasserdampf in reichlicher Menge entwickelt werden könnte, ergriff ich 
mit Rücksicht auf die eben kurz geschilderte Lage der Formaldehyd Desin- 
fektionstechnik die Gelegenheit gern, die betreffende Reaktion einer eingehen- 
den Untersuchung zu unterziehen; es handelt sich um die Einwirkung von 
Metallsuperoxyden auf Paraform, über deren Verlauf Dr. Richengrün®) in- 
zwischen eingehend berichtet hat. „Mischt man beispielsweise Baryumsuper- 


1) Dieudonné, Ueber die Desinfektion mit Karboformalglühblocks. Münch.med. 
Wochenschr. 1900. No. 42. i 

2) Reischauer, Vergleichende Untersuchungen über die Brauchbarkeit verschie- 
dener Verfahren zur Ausführung der Wohnungsdesinfektion mit Formaldehyd. Diese 
Zeitschr. 1901. S. 577 u. 636 (Literatur-Verzeichnis!). 

3) F. Steinitz, Ueber vereinfachte und improvisierte Formaldehyddesinfektien. 
Zeitschr. f. Hyg. 1905. Bd. 50. S. 473. 

4) D. R. P. 126412, vgl. O. Kausch, Die Entwickelung der Formaldehyddesin- 
fektion. Centralbl. f. Bakt. Abt. I. Ref. 1902. Bd. 31. S. 71. 

5) Dieudonné, Ueber eine einfache Desinfektionsmethode mit Formaldehyd 
(Hydroformaldesinfektion). D. ärztl. Praxis. 1901. No. 2. 

6) L c. 

7) H. Beitzke, Ueber eine einfache Desinfektionsmethode mit Formaldehyd. 
Diese Zeitschr. 1902. S. 521. 

8) A. Eichengrün, Ein neues Formaldehyd-Desinfektionsverfahren, das Autan- 
verfahren. Zeitschr. f. angew. Chem. 1906. H. 33. S. 1412. 


Die Formaldehyddesinfektion mit Autan. 1243 


oxyd mit der gleichen Menge Paraform, so erhält man, wie sich denken lässt, 
ein völlig inertes Gemenge, da ja beide Substanzen an sich äusserst reaktions- 
träge Körper sind. Uebergiesst man die Mischung jedoch mit etwa der doppelten 
Gewichtsmenge Wasser, so zeigt sich nach wenigen Sekunden eine beginnende 
Gasentwickelung; dieselbe wird stärker und stärker, es tritt lebhafte Schaum- 
bildung ein, und plötzlich steigt die Reaktionsmasse unter lebhafter Tempe- 
raturerhöhung in dem Gefäss empor und siedet unter Ausstossung dichter 
Dämpfe von Formaldehyd und Wasser aus demselben heraus. Noch prägnanter 
zeigt sich der Einfluss des Wassers als Vermittler dieser eigentümlichen Reaktion, 
wenn man Strontiumsuperoxydhydrat, welches bekanntlich grosse Mengen Hydrat- 
wasser enthält, mit Paraform vermischt. Diese Mischung erhitzt sich spontan 
nach etwa 1 Minute, and plötzlich steigen aus dem trockenen "Pulver form- 
aldebydhaltige Wasserdämpfe auf.“ Diese Depolymerisation des Paraforms 
durch Superoxyde ist keineswegs — etwa in Analogie der bekannten Form- 
aldebydentwickelung aus Paraform mittels Aetzkalks — auf Wärmeentbindung 
zurückzuführen, sondern beruht wohl auf einem chemischen Vorgange, wobei 
die Austreibung des gebildeten Formaldehyds durch die gleichzeitig stattfindende 
lebhafte Gasentwickelung noch wesentlich begünstigt wird. Bei dieser Reaktion 
wird ein Teil des Paraforms oxydiert zu Ameisensäure (Entwickelung flüchtiger 
Säuredämpfe beim Erwärmen des mit Schwefelsäure angesäuerten Rückstandes). 
Verwendet man eine wesentlich grössere Wassermenge zum Uebergiessen der 
Paraform-Superoxydmischung, so wird der freiwerdende Formaldehyd von dem 
Wasser gelöst zurückgehalten, so dass ich in derartigen Flüssigkeiten nach etwa 
1 Stunde fast das gesamte Paraform als gelösten Formaldehyd bestimmen konnte; 
der Gehalt der Lösung geht aber infolge des gleichzeitig vorhandenen, bei der 
Reaktion sich bildenden Wasserstoffsuperoxyds allmählich wieder zurück. Von 
der Angabe näherer chemischer Details kann hier, namentlich unter Hinweis 
auf die erwähnte Publikation, wohl abgesehen werden. 

Es handelte sich für mich nun darum, festzustellen, ob das im geeigneten 
Verhältnis aus Paraform mit Superoxyd hergestellte Präparat, welches die 
Farbenfabriken vorm. Friedr. Bayer & Co., Elberfeld, unter dem 
Namen „Autan“ in den Handel bringen, für eine Raumdesinfektion geeignet 
ist. Zu meinen ersten Versuchen stand mir ein Zimmer von etwa 22,5 cbm 
Rauminhalt zur Verfügung; da nach den eingangs mitgeteilten Unter- 
suchungen der Formaldehyd nur dann sicher desinficierend wirkt, wenn soviel 
Wasserdampf im Raum vorhanden ist, dass eben leichte Kondensation eintritt, 
so wurden erst eine Anzahl Hygrometerversuche vorgenommen, ohne dass 
Bakterienproben ausgelegt wurden; das Hygrometer (nach Koppe von Usturi- 
Reinacher in Zürich) befand sich samt dem Thermometer vor einer Glas- 
scheibe in der Tür. 


1. Um vorerst über die bei der Flüggeschen Methode im Raum erzielte 
Wasserdampfsättigung orientiert zu sein, wurden durch das Schlüsselluch des 
gut abgedichteten Raumes die in einem Kochkolben mit kräftiger Flamme 
entwickelten Dämpfe einer kochenden Mischung von 180 ccm Formalin und 
720 cem Wasser eingeleitet; zum Verkochen der Flüssigkeit (bis auf einen 

89* 


1244 Wesenberg, 


Rest von 53 ccm mit 2,70 g Formaldehyd) ist eine Zeit von 66 Minuten er- 
forderlich; während derselben steigt das Hygrometer von 60°,, Sättigung im 
Anfang innerhalb 31 Minuten auf 100%, wo es auch noch etwa 25 Minuten 
lang nach Beendigung des Einleitens stehen bleibt, um dann allmählich wieder 
herunter zu gehen. 22 Minuten nach beendigtem Einleiten der Formaldehyd. 
Wasserdämpfe wird aus dem Raum langsam mittels eines durch das Schlüssel- 
loch gesteckten und etwa 1 m langen Glasrohres Luft herausgesogen; dieselbe 


wurde erst durch 2 Folinsche Waschflaschen!), dann durch 2 gewöhnliche. 


Gaswaschflaschen geleitet, die sämtlich mit Wasser beschickt waren; das mit 
einer Geschwindigkeit von etwa 3 Liter pro Minute durchgesogene Luftquantum 
betrug — mit einer zwischengeschalteten Gasuhr gemessen — 300 Liter; im 
Inhalt der 3 ersten Vorlagen liess sich Formaldehyd nur in Spuren qualitativ 
nachweisen, zur quantitativen Bestimmung war seine Menge zu gering; die 
letzte Waschflasche war formaldehydfrei. i 

1I. 1000 g Autan, in einem geräumigen Kessel?) mit 900 ccm kaltem 
Wasser übergossen und mit einem Stock umgerührt, geben nach etwa 1 Minute 
sehr lebhafte Reaktion; das Hygrometer steigt innerhalb 2 Minuten von normal 
550/, auf 92°/,, dann in weiteren 3 Minuten auf 96°/,, um auf diesem Punkt 
etwa 50 Minuten stehen zu bleiben und dann allmählich wieder abzusinken. 

III. Der Versuch II mit 900 com lauwarmem Wasser wiederholt ergibt 
eine etwa 35 Minuten dauernde Ganzsättigung des Raumes mit Wasserdampf. 

1V. 700 g Autan werden mit 600 ccm warmem Wasser übergossen: 
sehr rasches Ansteigen des Hygrometers von 48°/, auf 97%/,, worauf es etwa 
20 Minuten lang stehen bleibt, bevor es wieder heruntergeht. 

V. Der Versuch I wurde in einem etwa 12,5 cbm fassenden Raum 
wiederholt, indem ein Gemisch von 100 cem Formalin mit 400 ccm 
Wasser in Dampfform — am Schlusse restierten 58 ccm — eingeleitet 
wurden (Kochdauer 50 Minuten); 20 Minuten nach Beendigung des Kochens 
werden in der obigen Anordnung 300 Liter Luft — mit einer Geschwindigkeit 
von etwa 4,5 Liter pro Minute — zur Analyse entzogen. In dem wässerigen 
Iobalt der Waschflachen werden 15 mg Formaldehyd gefunden; in dem Ge- 
samt-Luftgehalt des Raumes waren also 0,625 g Formaldehyd enthalten. 

VI. In demselben 12,5 cbm fassenden Raume 500 g Autan, mit 400 g 
lauwarmem Wasser übergossen, ergaben Ganzsättigung des Raumes mit Wasser- 
dampf für 20 Minuten. In den dann herausgesogenen 300 Litern Luft wurden 
87 mg — oder auf den Gesamtinhalt des Raumes berechnet — 3.62 g 
Formaldehyd gefunden; es ist dies etwa das Sechsfache von der beim 
Einleiten von Formaldehyd-Wasserdampf erzielten Menge. Nun sagt 


1) 0. Folin, Eine neue Methode zur Bestimmung des Ammoniaks im Harre 
und anderen tierischen Flüssigkeiten. Zeitschr. f. physiol. Chemie 1902. Bd. 37. S. 16. 

2) Die aufschäumende Masse nimmt für je 500 g Autan den Raum von etwa 10 
Litern (Eimer, grosser Waschnapf) ein, so dass für grössere Mengen am besten e:n 
grosser Kochkessel oder ein Waschfass Verwendung findet; der Fussboden (Oelfarber.- 
anstrich) wird durch etwa übersteigendes Reaktionsgemisch nicht geschädigt. 


Die Formaldehyddesinfektion mit Autan. 1245 


aber Reichenbacht): „Nach den Erfahrangen des Breslauer Instituts ist 

. unter sonst "gleichen Umständen der Desinfektionserfolg um so besser, 
je rascher die Formaldehydmenge in den zu desinficierenden Raum hineinge- 
bracht wird, da es auf diese Weise zu höheren Konzentrationen des Formal- 
dehyds kommt.“ Aehnlich äussert sich Steinitz2): „Auf Grund der bisherigen 
Erfahrungen können wir annehmen, dass von 2 Apparaten derjenige die besten 
Desinfektionsresultate mit der gleichen Formaldehydmenge erzielt, der diese 
Menge in der kürzesten Zeit in den zu desinficierendem Raum hineinbefördert.“ 


Nach diesen mit so äusserst günstigen Ergebnissen verlaufenen Vorver- 
suchen ging ich zu den Desinfektionsversuchen über, bei welchen ich 
mich als Testobjekte vor allem des an Seidenfäden („Turnerseide“ No. 4) an- 
getrockneten Staphylococcus aureus aus Bouillonkulturen bediente, da 
bekanntlich gerade dieses Bakterium sich durch eine besondere Resistenz gegen 
Formaldehyd auszeichnet; zu einzelnen Versuchen wurden auch noch Seiden- 
fäden mit Milzbrandsporen, Coli- und Typhusbakterien, sowie 
Eiterverbände mit Staphylococcus aureus bezw. Bacillus pyocy- 
aneus herangezogen. Alle Testobjekte wurden in dünnes Seidenpapier, einige 
Proben ausserdem noch in dichte Tücher eingeschlagen — um eventuelle 
Tiefenwirkung festzustellen — und in verschiedenen Höhen des Raumes 
ausgelegt. Nach der Einwirkung des Formaldehyds wurden die entnommenen 
Proben in verdünntes steriles Ammoniak etwa 1 Minute eingelegt und dann zu 
Agarplatten verarbeitet bezw. in je 10 ccm Bouillon übertragen; Beobachtungs- 
dauer im Brütschrank 14 Tage lang. Die Kontrollproben, welche ebenfalls 
durch Ammoniak geschickt wurden, zeigten nach 24 Stunden stets üppiges 
Wachstum in der Bouillon und auf den mit Kolonien übersäten Agarplatten. 

Von einer Abdichtung der Zimmer (Fensterritzen, Türen, Ofenloch u.s.w.) 
wurde bei den Autanversuchen Abstand genommen, da die Formaldehyd-Ent- 
wickelung so rapide verläuft, dass die durch Undichtigkeiten bedingten Gas- 
'verluste nur unbedentende sein können. 2 

I. 1000 g Autan werden mit 900 ccm kaltem Wasser in einem geräumigen 
Kessel in einem Raum von 22,5 cbm übergossen; das Hygrometer steigt rasch 
auf 100°/,, bleibt etwa 35 Minuten so hoch stehen, -um dann in weiteren 
35 Minuten auf 94°/, zu sinken. Temperatur während des Versuches 14 bis 
15°C. Nach 7 Stunden wird Ammoniak eingeleitet?) und nach einer halben 


1) H. Reichenbach, Die Leistungen der Formaldehyddesinfektion. Zeitschr. f. 
Hyg. 1905. Bd. 50. S. 471. 

2) 1. c. S. 474. 

3) Bei den späteren Versuchen wurde die Ammoniakentwickelung derartig aus- 
geführt, dass in den meist noch feuchten Kesselrückstand eine Hand voll gepulverten 
Chlorammoniums (Salmiak), eventuell zusammen mit etwas Wasser, geschüttet wurde: 
bei längerer Einwirkung genügt die so entwickelte Ammoniakmenge zur Entfernung 
des Formaldehydgeruches. Neuerdings wird den auf 20,`40 und 60 cbm Raum be- 
rechneten Autanpackungen die entsprechende Menge cines„Ammoniakentwicklerst 
beigegeben; man füllt die leere Blechbüchse bis zu einer bestimmten Marke mit Wasser, 
schüttet den Ammoniakentwickler hinein und schiebt die Büchse durch den Türspalt 
in den Raum; ohne Umrühren tritt nach kurzer Zeit selbsttätig lebhafte Entbindung 
von Ammoniakdämpfen ein. 


1246 Wesenberg, 


Stunde werden die Proben entnommen: Von den mit Staphylococcus aureus ge- 
tränkten Seidenfäden erwiesen sich die 4 frei ausgelegten Proben (am Boden, 
auf dem Tisch, in etwa 2 m Höhe und in einer Ecke ca. 1!/, m hoch hinter 
einem Brett) als steril, während von den in dicht zusammengelegte grosse Wisch- 
tücher eingeschlagenen Proben die eine (ca. 2m hoch) nach 3 Tagen 20, die 
andere am Boden gelagerte nach 3 Tagen 3 typische Kolonien aufkeimen lässt. 

Von den Colibakterien-Seidenfäden waren die auf dem Tisch und in 2 m 
Höhe freigelagerten Proben vollkommen abgetötet worden, während an den am 
Boden und etwas versteckt ausgelegten Proben je 2 Kolonien sehr verspätet 
wuchsen; die dicht eingeschlagenen Proben liessen noch 8 bezw. 12 Kolonien 
nach 3 Tagen zur Entwickelung kommen. 

II. 1000 g. Autan in demselben Raum!) mit 900 com warmem Wasser 
übergossen; Temperatur 15—16° C.; Hygrometer zeigt etwa 25 Minuten lang 
Ganzsättigung an; Einwirkungsdauer 7 Stunden. 

Die 4 freiliegenden Proben von Staphylococcus aureus-Seidenfäden waren 
vollkommen steril, während die eingeschlagenen Proben etwa 11o (in 2 m 
Höhe) bezw. !/, (am Boden) der Keimzahl der Kontrollplatten aufkeimen liessen. 

Von den an Seidenfäden angetrockneten Colibakterien waren die frei- 
liegenden Proben, ebenso die in etwa 2 m Höhe befindliche in ein Tuch ein- 
gewickelte Probe vollkommen steril; die am Boden gelagerte gut eingeschlagene 
Probe liess nach 10 Tagen noch 2 Colikolonien wachsen. 

Von den ausgelegten Milzbrandsporenfäden erwies sich nicht einer als 
steril; die eingeschlagenen Fäden liessen kaum eine Abnahme der Kolonien 
erkennen; bei der auf dem Tisch freiliegenden Probe kam 1, bei den anderen 
3 Proben je etwa 100—150 Anthraxkolonien, meist um 1—3 Tage verspätet, 
zur Entwickelung. 

III. 1000 g Autan in demselben Raum mit 900 ccm warmem Wasser 
zur Reaktion gebracht; die Ganzsättigung der Luft mit Wasserdampf hält etwa 
1 Stunde an bei einer Temperatur von 16—18°; Dauer des Versuches 7 Stdn. 
Als Testobjekte dienten aus einer Leihbibliothek entnommene alte, 
recht zerlesene und unsaubere Bände („Fliegende Blätter“, „Garten- 
laube“ u. s. w.), die nach Möglichkeit ausgebreitet aufgestellt wurden. Zur 
Kontrolle der Wirkung wird von einigen Seiten die eine Hälfte der Ecke vor 
der Desinfektion (zur Anlage der Kontrollplatten), die andere Hälfte nach 
Beendigung des Versuches abgeschnitten. Die Kontrollplatten liessen 23 bis 
75 Kolonien der verschiedensten Mikroorganismen aufkommen, während die 
entsprechenden Ecken nach der Desinfektion nur noch vereinzelte lebende 
Keime aufwiesen, welche aber sämtlich sporenbildenden Arten angehörten. An 
den Stellen, an denen die Bücher nicht ausgebreitet waren, war keine oder 
nur geringe Beeinflussung der Keimzahl festzustellen. Ebenso war ein in ein 
geschlossenes Buch eingelegtes mit Staphylokokken inficiertes Blätteben unbe- 
einflusst geblieben; in einen verschlossenen aber frei auf dem Tisch placierten 
Brief eingelegte Bücherecken waren dagegen bis auf die Sporenbildner abge- 


1) Wurde derselbe Raum wiederholt zu Formaldehydversuchen benutzt, so ge- 
schah dies stets nur mit Zwischenräumen von mindestens 14 Tagen. 


Die Formaldehyddesinfektion mit Autan. . 1247 


tötet, während in den Brief gleichfalls eingeschlossene Staphylokokken, an 
Papier angetrocknet, völlig steril waren. 

IV. Zum Vergleich wurde in demselben Raume ein Desinfektionsversuch 
mit Einleiten von Formaldehyd-Wasserdämpfen vorgenommen, indem 
150 ccm Formalin mit 600 ccm Wasser bis auf einen Rest von 47 ccm ver- 
kocht wurden, so dass etwa 2,5 g Formaldehyd pro 1 cbm zur Wirkung kamen. 
Dauer des Versuches 7 Stunden. Die an denselben Stellen, wie in den Ver- 
suchen I und Il, gelagerten freiliegenden je 4 Proben Staphylococcus aureus- bezw. 
Coli-Seidenfäden sind steril; von den bedeckten Staphylococcus aureus-Proben 
sind von der auf den Fussboden gelegten etwa !/, der Kontrollplatten-Keim- 
zahl angegangen; die etwa 2 m hoch ausgelegte, gleichfalls eingeschlagene Probe 
ergab Wachstum von etwa 200 Kolonien. Von den bedeckten Coliproben hat 
die eine (2 m hoch) 2, die andere (am Boden) etwa 50 Colikolonien noch zur 
Entwickelung kommen lassen. 

Die von einem Tuch geschützten Milzbrandsporen sind fast unbeeinflusst 
geblieben, die freiliegenden Proben haben eine mehr oder weniger grosse Ver- 
minderung erfahren: auf dem Tisch, 1,2 m’ hoch, 60 Kolonien, hinter einem 
Brett versteckt etwa 1/3, auf dem Boden etwa !/,, der auf der Kontrollplatte 
gewachsenen Keimzahl. 

V. In einem Raum von etwa 13 cbm Inhalt werden 500 g Autan mit 
500 ccm warmem Wasser übergossen. Das Hygrometer zeigt etwa 10 Minuten 
lang Ganzsättigung an. Versuchsdauer 31/, Stunden. Die freiliegenden Staphy- 
lokokkenfäden sind mit einer, versteckt gelegenen, Ausnahme, alle vollkommen 
steril; auch die in eine ziemlich dicke Tuchschicht eingeschlagenen Proben 
lassen eine deutliche Abnahme der Keimzahl erkennen. 

VI. Desinfektion von 2 Räumen einer Poliklinik. Die nebeneinander 
gelegenen Zimmer von zusammen etwa 150 cbm Inhalt werden bei geöffneter 
Verbindungstür gleichzeitig desinficiert, indem in 4 Kesseln je 1,5 kg Autan 

` mit je 1,3 Litern lauwarmem Wasser übergossen werden; nach wenigen Minuten 
sind die Glasscheiben der Türen mit Wasserdampf beschlagen und bleiben in- 
folge desselben für etwa !/, Stunde vollständig undurchsichtig Einwirkungszeit 
31/2 Stunden. Als Testobjekte dienten ein mit Pyocyaneuseiter vollkommen 
getränkter Verband, der zerteilt in 7 Proben in verschiedenen Höhen und 
Winkeln ausgelegt wurde, sowie ein grösserer Eiter- Wattepfropf mit reichlichen 
Mengen von Staphylokokken. Von Pyocyaneuseiter erwiesen sich 3 Proben, 
welche aus 2—3 facher Mullschicht bestanden, als steril; 2 andere sehr dicke 
Mullstücke zeigten noch intensives Wachstum, während eine weitere Probe, so- 
wie ein Wattebausch des gleichen Verbandes nur noch vereinzelte Pyocyaneus- 
keime aufkommen liessen. Der Staphylokokkeneiterpfropf war an seiner Ober- 
fläche ebenfalls steril geworden, barg aber in seinem Innern noch vereinzelte 
lebensfähige Keime. 

VII. In einem Raum von 48 cbm Inhalt werden 1400 g Autan mit 
1300 ccm warmem Wasser zur Reaktion gebracht; Temperatur 20° C.; Dauer 
6 Stunden. Als Testobjekte dienten grössere Stücke Verbandmull mit 
Staphylokokkeneiter getränkt, ausserdem an Seidenfäden angetrocknete Typhus- 
bakterien und Staphylokokken. Die Typbusbakterien waren in sämtlichen 


1248 Wesenberg, 


Proben, ob freiliegend oder in ein Tuch eingeschlagen, abgetötet, ebenso die 
freiliegenden Staphylokokkenfäden, auch wenn sie sich an recht versteckten 
Stellen befanden; von den durch Einschlagen in ein Handtuch geschützten 
Proben erwies sich eine, auf dem Fensterbrett gelegene Probe als steril, während 
2 andere sehr beträchtliche Abnahmen der Keimzahl erlitten hatten. Von 
dem Eiter waren 2 Proben (auf dem Tisch und im Hintergrunde eines geöff- 
neten Schrankes in etwa 1 m Höhe) steril, die Probe von der Fensterbank 
liess 8 Kolonien, eine andere auf einem Schrank gelegene etwa 200 Kolonien 
aufkeimen, während die anderen in Tücher eingeschlagenen Verbandstücke 
eine deutliche Abnahme der Keimzahl zeigten. 

VII. In demselben Raum, wie beim Versuch VII, werden 1000 g Autan 
mit 900 ccm warmem Wasser übergossen; Temperatur 16° C.; Dauer der Ein- 
wirkung 7 Stunden. Von den freiliegenden Staphylokokkenfäden ist einer 
steril, 4 andere lassen noch 2, 3, 4 bezw. 4 Kolonien verspätet auskeimen; 
eine hinter einem Brett versteckte Probe zeigte noch etwa 120 lebensfähige 
Keime. Die in Tücher eingewickelten Testobjekte liessen noch, je nach ihrer 
Lage, etwa l/o, Yıo 1/4 bezw. !/, der auf der Kontrollplatte aufgegangenen 
Keimzahl zur Entwickelung kommen. 

Diese praktischen Desinfektionsversuche mit Autan lehren 
uns, dass wir bei Verwendung von etwa 1,4 kg Autan auf 50 cbm 
Raum bei 6—-7stündiger Einwirkungszeit einen sicheren Desin- 
fektionserfolg erwarten können, entsprechend der Wirkung von 
2,5 g verdampftem Formaldehyd nach Flügge (Versuch IV); bei Ver- 
wendung von 2 kg Autan auf 50 cbm Raum genügt 31/, stündige 
Einwirkungszeit (Versuch V und VI). 


Schliesslich sei noch einiger Versuche gedacht, bezüglich der Anwendung 
des Autans in solchen Fällen, in welchen eine Desinfektion bisher nur schwierig 
möglich war, es ist dies die Desinfektion von Kleidern, z.B. des Arztes, 
und des Telephonst). 

In Anbetracht der Gefahr der Krankheitsübertragung durch den Arzt haben 
unter anderen v. Rositzki?) und Mende®) den Formaldehyd zur Kleiderdes- 


1) Anm, bei der Korrektur. Wenngleich die Versuche betreffend Sputumdes- 
infektion mit Autan noch nicht vollständig abgeschlossen sind, seien dieselben 
hier doch kurz erwähnt. Meerschweinchen, von 230—280 g Gewicht, wurden mit 0,025 
bezw. 0,05 ccm des stark tuberkelbacillenhaltigen flüssigen Inhaltes einer Lungen- 
kaverne intraperitoneal injiciert. Während die beiden Kontrolltiere unter Gewichts- 
abnahme offensichtlich erkrankten und das eine nach 41/2 Wochen mit’reichlichem 
Bacillenbefunde in allen Organen sogar einging, erfreuen sich bis jetzt — 5 Wochen 
nach der Injektion — die Tiere, welche dasselbe Material nach 5 bezw. 20 Stunden 
langer Einwirkung von 10°/, Autan injiciert erhielten, offenbar der besten Gesundheit 
und zeigen Gewichtszunahme von 85—100 g. 

2) A. v. Rositzky, Ueber ein einfaches für den praktischen Arzt bestimmtes 
Verfahren zur Kleiderdesinfektion mittels Formaldehyd. Münch. med. Wochenschr. 
1589. S. 1372. 

3) Mende, Ein Formalindesinfektionsschrank. Therapeut. Monatsh. Juli 1905. 
S. 307. 


Verlag von August Hirschwald, Berlin NW. 7. 


Son erschien: 


ZEITSCHRIFT 
EXPERIMENTELLE PATHOLOGIE 


UND 


THERAPIE. 


HERAUSGEGEBEN VON 
L. BRIEGER (BERLIN), H. E. HERING (PRAG), 
F. KRAUS (BERLIN), R. PALTAUF (WIEN). 


DRITTER BAND. DRITTES HEFT. 
1906. gr.8. MIT 7 TAFELN UND TEXTFIGUREN. PREIS 10 M. 


Inhalt. 

Zur operativen Behandlung gewisser Lungenkrankheiten, insbesondere des auf starrer 
Thoraxdilatativn beruhenden alveolären Emphysems (mit einem Operationsfalle). Von 
W. A. Freund. (Mit 3 Abbildungen im Text. 

Aus dem Institut für experimentelle Pathologie der deutschen Universität in Prag. 
Ueber die experimentelle Erzeugung von Kammersystolenausfall und Dissociation 
durch Digitalis. Von Dr. D. von Tabora. (Hierzu Tafel IX.) 

Ueberleitungsstörungen am Säugethierherzen mit zeitweiligem Vorhofsystolenausfall. 
Von Prof. H. E. Hering. (Hierzu Tafel X.) 

Aus dem physiol. Institut zu Breslau. Ueber die Beeinflussung derSchilddrüse durch Zufuhr 
von Schilddrüsensubstanz. Von Dr. Jul. Peiser. (Mit 3 Curven im Text und Tafel XI.) 

Aus der Grazer medieinischen Klinik. Zur Lehre von der Säurevergiftung. II. Mit- 
theilung. Von Dr. Hans Eppinger. 

Aus der Poliklinik für innere Krankheiten von Prof. H. Strauss-Berlin. Zur Frage des 
osmotischen Druckes menschlicher Mageninhalte. Von Dr. M. Lehmann. 

Aus dem Inst. für Pharmakol. u. physiol. Chemie der Univ. Rostock. Zur Kenntniss des 
amerik. Wurmsamenöles. Von Privatdocent Dr. H. Brüning. (Hierzu Tafel XI.) 

Aus dem pharmakologischen Institut zu Heidelberg. Ueber die Einwirkung des Kamphers 
auf das Herzflimmern. Von R. Gottlieb. 

Aus dem pharmakologischen Institut der Universität Jena. Beiträge zur Kenntniss 
der Gieht. Von H. Kionka und E. Frey. 

Phosphorsäure- und Kalkstofiwechsel bei Osteomalacie unter dem Einfluss der Phosphor- 
therapie. Von Gerhard Hotz. 

Aus dem chemisch-pathologischen Laboratorium der k. k. Krankenanstalt „Rudolf- 
Stiftung*. Ueber den Abbau des Nahrungs-Eiweissesin der Leber. Von Dr. E. Freund 
und Dr. G. Tocpfer. 

Aus der II. medieinischen Klinik in Berlin. (iesammt-N- und Aminosäurenausscheidung 
im Hunger. Von Dr. Theodor Brugsch und Dr. Rahel Hirsch. 

Ausderhydrotherapeutischen Anstaltder Universität Berlin. Experimentelle Untersuchungen 
über den Einfluss hydrotherapeutischer Massnahmen auf die Leistungstähigkeit der quer- 
gestreiften Muskulatur. Von $ rzt Dr. Uhlich. (Hierzu Tafel XIIT—XV.) 

Aus der medieinischen Klinik zu Tübingen. Ueber die Veränderungen der Temperatur- 
topographie unter dem Eintluss kalter Bäder. Von Walter Alwens. 

Aus der II. medieinischen Klinik der Universität Berlin. Hippursäuresynthese und Aus- 
scheidung der Benzoesäure beim Hunde. I. Mittheilung. Von Dr. Theodor Brugsch 
und Dr. Rahel Hirsch. 

Aus der II. medieinischen Klinik in Berlin. Untersuchungen über einige Fragen des 
Hungerstoffwechsels. I. Die Säurebildung im Hunger. Von M. Bönniger und L, Mohr. 
Il. Leber die Darmfäulniss im Hunger. Von R. Baumstark und L. Mohr. 

Aus dem pharmakologischen Institut der deutschen Universität Prag. Die Ableitung 
auf den Darm im Lichte moderner pathologischer Vorstellungen. Von Prof. Dr. 
Josef Langer (Graz). 

Zur Technik der Eck’schen Fistel. Von Dr. med. N. Gulcke. (Mit 1 Abbildung im Text.) 
Aus der hydrotherap. Anstalt der Universität Berlin. Ueber quäntitatiye Jodbestimmungen 
im Urin. Letzte Bemerkung zu der Kellermann’schen Arbeit. Von M. Krause. 

Aus der If. medieinischen Klinik der Königl. Charité in Berlin. Ueber die ! 


So erschien: 


ZEITSCHRIFT 


FÜR n 


KREBSFORSCHUNG. 


Verlag von August Hirschwald, Berlin NW. 7. | 


HERAUSGEGEBEN 
VOM 


ZENTRALKOMITEE FÜR KREBSFORSCHUNG 


ZU BERLIN, 


REDIGIERT 
voN 
Pror. Dr. D. v. HANSEMANN un» Pror. Dr. GEORGE MEYER. 


VIERTER BAND. DRITTES HEFT. 
1906. gr. 8. MIT 6 TAFELN UND 1 TEXTFIGUR. PREIS 10 M. 


Inhalt. 
XXL Ueber Geschwülste bei Kaltblütern. Von Dr. Marianne Plehn 
(München). (Hierzu Tafel VIII—XI.) 
XXIV. Ueber die Funktion der Geschwulstzellen. Von Professor Dr. 
D. v. Hansemann. 
NXV. Ueber die primären Enchondrome der Lunge. Von Dr. Carl 
Hart (Berlin). 
XXVI. Ueber Tumoren bei Hühnern. Von Dr. M. Ehrenreich (Bad 
Kissingen) und Dr. L. Michaelis. (Hierzu Tafel XII.) 
XXVII Das Carcinom und seine Therapie im Lichte der Biologie. Von 
Dr. Dionys Hellin (Warschau). 
NAVIN. Ueber den Krebs der Mäuse. Zweite Mitteilung. Von Dr. W. 
Loewenthal und Dr. L. Michaelis. (Hierzu Tafel XIII.) 
XXIX. Ueber Tumoren des Nierenhilus. Von Dr. Albert Salomon 
(Berlin). 
NXN. Aufforderung zur frühzeitigen operativen Behandlung des Krebses. 
Von Prof. Dr. Julius Dollinger (Budapest). 
XNAL. Bemerkungen zu der Mitteilung H. Deetjens über „die Schüller- 
schen Körperchen“. Von Prof. Dr. Max Schüller (Berlin). 


\NAIL Berichte über Versammlungen, Kongresse, aus Instituten, Kranken- 
anstalten usw. 


NNXIII Referate. 
XXXIV. Vermischtes. 


Druck von L. Schumacher in Berlin N 24. 


Die Formaldehyddesinfektion mit Autan. 1249 


.. infektion empfohlen; der erstere schlägt Einleiten von Formaldehydwasserdampf 

— in den Kleiderschrank von aussen her vor, während der letztere einen be- 
sonderen Desinfektionsschrank konstruiert hat, der im Innern das Verdampfen 
von Wasser über einer Spiritusflamme und gleichzeitig die Depolymerisierung von 
Paraform ermöglicht. Ohne jegliche Feuersgefahr und ohne Unbe- 
qnemlichkeiten sowie Zeitverlust lässt sich die Formaldehyddes- 
infektion der Kleider in jedem gewöhnlichen Kleiderschrank unter 
Anwendung des Autans erzielen. In einem nicht einmal besonders dichten 
Kleiderschrank von 187 cm Höhe, 73 cm Breite und 40 cm Tiefe, also einem 

' Inhalt von rund 0,55 cbm, wurden 50 g Autan mit 45 ccm warmem Wasser 
übergossen und bei etwa 17° C. 6 Stunden einwirken gelassen. Die an der 
Oberfläche eines ausgebreitet aufgehängten Anzuges befindlichen Testobjekte 
(Staphylokokken Seidenfäden) waren sämtlich steril, ebenso die in der Hosen- 
tasche und der äusseren Brusttasche des ziemlich dicken Rockes befindlichen 
Proben; die in der inneren Brusttasche sowie in der sogenannten Billettasche 
befindlichen Keime waren bis auf einige wenige (18 bezw. 20) vernichtet; in 
die Spitze eines Stiefels gebrachte Staphylokokken waren fast unbeeinflüsst 
geblieben, während die am Absatz im Innern des Stiefels angebrachten Keime 
bis auf 7 abgetötet waren. 

Infolge der Beobachtung von Bundt!), welcher die Uebertragung einer 
schweren eitrigen Mundschleimhautentzündung durch einen Fernsprecher konsta. 
tieren konnte, versuchte ich das Autan für die Desinfektion des Telephons: 
Vor dem Mundstück eines ausser Gebrauch befindlichen Telephons brachte ich 
mit Hilfe eines Kupferdrahtes eine ö g schwere Tablette aus Autan an, während 
ich im Grund und an den Seiten des Schalltrichters trockne Staphylokokken- 
Seidenfäden fixierte; durch gelegentliches Gegenhauchen wurde die gewöhnliche 
Benutzung des Apparates imitiert; die nach 20 Stunden erfolgte Abnahme der 
Fädchen ergab bei der Uebertragung derselben in Agar — selbstverständlich 
auch hier wieder nach dem Passieren einer schwachen Ammoniaklösung — 
die völlige Sterilität der Fäden, während die zur Kontrolle am Hörer ange- 
brachten Seidenfäden noch nach 4 Tagen sehr viele Kolonien aufgehen liessen. 
Offenbar batte also die in der Exhalationsluft vorhandene Feuchtigkeit bereits 
genügt, um aus dem Autan genügend Formaldehyd frei zu machen und gleich- 
zeitig die Testobjekte mit genügender Feuchtigkeit zu versorgen, so dass der 
Formaldehyd abtötend wirken konnte. 


Nach den vorliegenden Untersuchungen hat sich das Autan 
also für die Raumdesinfektion durchaus bewährt. Es besitzt vor 
den bisherigen Verfahren die folgenden Vorzüge: 

1. die Desinfektion kann jederzeit und allerorten leicht im- 
provisiert werden, da ausser einer entsprechenden Packung 
Autan, einem grossen Gefäss (Eimer, Waschfass oder dergl.) und 


1) Bundt, Uebertragung einer schweren eitrigen Mundschleimhautentzündung 
durch den Fernsprecher. Zeitschr. f. Medizinalbeamte. 1906. No. 15. 


90 


1250 Lehrbücher. 


der entsprechenden Menge Wasser!) nur ein Stock zum Umrühren 
erforderlich ist; 

2. mit dem Autan können auch solche Räume (enge, dicht be- 
setzte Zimmer, Kleiderschränke u. s. w.) desinficiert werden, in 
denen dieses wegen der Feuergefährlichkeit oder der Unmöglich- 
keit des Aufstellens eines Apparates bislang nur schwierig ge- 
schehen konnte; 

3. infolge des intensiven Verlaufes der Formaldehydent- 
wickelung ist ein Abdichten des Raumes nicht erforderlich; 

4. die Bindung des Formaldehydgeruches geschieht in ein- 
fachster Weise durch Benutzung des dem Autan beigegebenen 
„Ammoniakentwicklers“. 


Brouardel P. et Mosny E., Traité d'hygiène, publié en fascicules. 
II. Le sol et l’eau par A. de Launay, Ed. Bonjean, E.-A. Martel, 
J. Ogier. Paris 1906. J. B. Bailliere et fils. 8°. 460 pp. Preis: 10 Fres. 

Der 2. Band des oben genannten gross angelegten hygienischen Sammel- 
werks (vergl. diese Zeitschr. 1906. S. 413) ist dem ersten schnell gefolgt. 
Seinen Anfang bildet eine geologische Studie über den Boden von de 
Launay, Prof. an der école des mines, welche sich mit dem Verhalten des 
Bodens zum Wasser, zu seinem Eindringen, seiner Bewegung darin 
beschäftigt und mit den Veränderungen, welche beide dabei erfahren. Be- 
sonders hervorgehoben wird hierbei der Unterschied zwischen Bodenober- 
fläche und Untergrund, welcher sich bei ursprünglich gleicher Zusammen- 
setzung beider unter dem Einfluss des Wassers, der Atmosphäre und endlich 
des Menschen in der Industrie und Landwirtschaft entwickelt bat. Voraus- 
geschickt werden kurze Erklärungen über den Zweck und die Grundbegriffe 
der Geologie (Eruptivgesteine, Schichtungsgesteine, Verwerfungen, Faltungen, 
Spalten, Einstürze u.s.w.) in der ausgesprochenen Absicht, nicht mehr zu 
bringen, als für den Hygieniker notwendig ist, um ihm zum Verständnis 
geologischer Verhältnisse bei Wasserfassungen und dergl. zu verhelfen und 
das Lesen geologischer Karten zu ermöglichen. 

Bonjean behandelt den Boden vom chemischen und bakterio- 
logischen Standpunkt aus und bespricht seine Rolle in der Hygiene. An 
eine Darstellung seiner anorganischen Zusammensetzung und ihres 
Zerfalls schliesst sich die des Aufbaues der organischen Stoffe durch 
die Pflanzen. Dann werden die physikalischen Eigenschaften besprochen 
(Temperatur, Feuchtigkeit, Gasgehalt, Absorptionsfähigkeit für aufgeschwemmte 
und gelöste Teile). Hierauf folgt eine Schilderung der natürlichen 
Reinigungskraft des Bodens durch seine Fähigkeit, tote organische Stoffe 


1) Die Autanpackungen sind derartig eingerichtet, dass die leere Blechbüchse 
zugleich als Mass für das auf den Büchseninhalt zu verwendende Wasserquantum 
benutzt wird; nach der Desinfektion dient die Büchse noch als Gefäss für die Ammo- 
niakentwickelung. 


Lehrbücher. 1251 


zu spalten und in immer einfachere Verbindungen zu zerlegen, und eine Be- 
trachtung der Rolle, welche Mikroorganismen, insbesondere die nitri- 
ficierenden hierbei spielen. Daran schliessen sich Angaben über die Ver- 
teilung der Bakterien im Boden, das Vorkommen von pathogenen 
Arten unter ihnen und über ihren Transport durch Regenwürmer und andere 
Tiere. Zum Schluss wird darauf hingewiesen, dass die früher als Boden. 
krankheiten bezeichneten Affektionen (Malaria, Gelbfieber) neuerdings auf 
andere Ursachen zurückgeführt werden, und dass es auch bei Typhus, Ruhr, 
Cholera n. a. keine Bodenepidemien im strengen Sinne des Worts gibt. 

Besonders bemerkenswert ist der 3. Teil des Buches, in welchem Martel 
das Wasser vom Gesichtspunkt des Hydrologen aus betrachtet und 
seinen Weg durch den Untergrund verfolgt. Vom Grade der Wasserdurch- 
lässigkeit ist es abhängig, ob das Wasser zwischen die einzelnen Teilchen 
einer Gesteinsart eindringen kann, wie bei Sand, und diesen infiltriert oder 
imprägniert, oder ob dies nicht der Fall ist. Doch sind auch die härtesten 
Gesteine, wie Granit, nicht völlig undurchlässig, sondern gestatten 
dem Wasser den Eintritt und Durchtritt durch Spalten, Risse und Sprünge. 
Tatsächlich undurchlässig ist nur Ton und Mergel. Von grosser Bedeutung 
sind die Spalten, Risse und Höhlenbildungen im Kalk- und Kreide- 
gestein, weil sie dem Wasser zu unterirdischen Strömungen Gelegenheit geben 
und bekanntlich oberirdische Flüsse plötzlich verschwinden oder wieder her- 
vortreten lassen. Wegen dieser Verhältnisse, welche an Plänen und Abbil- 
dungen sehr anschaulich erläutert werden, muss auf das Werk selbst verwiesen 
werden. Wesentlich ist die Tatsache, dass Gesteine mit Spaltenbildungen 
Siebe, aber keine Filter sind, und dass Wasser, welches aus solchem Ge- 
stein austritt, immer der Verunreinigung verdächtig ist, wenngleich die 
Verunreinigung nicht beständig vorhanden zu sein, sondern oft nur unter 
bestimmten Bedingungen aufzutreten braucht. 

An die Angabe der Kennzeichen guten Trinkwassers (Klarheit, 
Farblosigkeit, Geruchlosigkeit, Frische, chemische Reinheit, Weichheit) wird 
die Betrachtung der Mittel geschlossen, mit welchen man Verunreinigungen 
oder die Verunreinigungsmöglichkeit nachweisen kanu. Hierzu gehört 
die geologische und örtliche genaue Untersuchung, ferner der Nach- 
weis fehlender Filtration im Untergrunde durch Fluorescein, Hefe oder 
Kochsalz, durch Aenderung der elektrischen Leitfähigkeit oder durch 
genaue Bestimmungen mit dem Thermometer und endlich durch den biolo- 
gischen Nachweis von bestimmten Algen. Auch bakteriologische 
Untersuchungen, namentlich über längere Zeiträume ausgedehnte, sind hier 
von Bedeutung. Von den Umständen des einzelnen Falles hängt es dann ab, 
ob von der Wassergewinnung an einer bestimmten Stelle Abstand genommen 
werden muss, ob ein Schutzgebiet, dessen Lage und Grösse zu bestimmen 
ist, ausreicht, ob ärztliche Beaufsichtigung und Desinfektion bei allen 
im Versorgungsgebiet vorkommenden Fällen von Infektionskrankheiten genügt, 
oder ob das Wasser gereinigt werden muss, bevor es zum Gebrauch zuge- 
lassen werden darf. 

Der Herkunft nach unterscheidet der Verf. Regenwasser, (Juellwasser 

90% 


1252 Lehrbücher. 


Wasser aus spaltenreichem Gestein (immer verdächtig), aus oberflächlichen 
und tiefen Brunnen, aus Wasserläufen, Seen und dem Meer. 

Von der Wünschelrute als Mittel zur Auffindung von Wasser im 
Untergrund hält der Verf. Erfolge durch besondere persönliche Begabung nnd 
Empfindlichkeit nicht für unmöglich. 

Zuletzt führt er die für Frankreich geltenden gesetzlichen Be- 
stimmungen an und wünscht deren Erweiterung dahin, dass die Einleitung 
ungereinigter Abwässer in die Vorfluter verboten und die Verbrennung 
für Rückstände aus den Abwässern, für Müll und für Leichen einge- 
führt werden soll. 

Der letzte und umfangreichste Abschnitt des Buches ist der Betrachtung 
des Wassers vom mikrobiologischen und chemischen Standpunkt 
durch Ogier und Bonjean gewidmet. 

Eine kurze Einleitung befasst sich mit dem Wasser als Bestandteil 
unseres Körpers und seiner Bedeutung für die Ernährung. Dann 
werden die physikalischen Eigenschaften erörtert, zu welchen ausser 
Farbe, Klarheit, Geruch, Geschmack und Temperatur auch das Lösungsver- 
mögen für Gase und feste Körper, die elektrische Leitfähigkeit und die Radio- 
aktivität (bei Berührung mit Tiefengestein) gerechnet werden. Hierauf folgt 
eine Schilderung der bakteriologischen Untersuchung, wie sie im Labo- 
ratorium des Comité consultatif d'hygiène de France gehandhabt wird, eine 
Beschreibung der im Wasser vorkommenden pathogenen Bakterien und 
eine Aufzählung der nicht pathogenen Bakterien. Bei der mikroskopischen 
Untersuchung werden die Parasiten, deren Eier und Larven im Wasser 
vorkommen, an erster Stelle genannt, dann die übrigen lebenden und unbe- 
lebten Bestandteile pflanzlichen und tierischen Ursprungs im Wasser angegeben. 

Bei der chemischen Untersuchung wird zwischen den Verfahren 
unterschieden, welche Aufschluss über die Zusammensetzung des Wassers 
geben, und denjenigen, welche als Indikatoren für Reinheit oder Verschmutzung 
des Wassers dienen. Die früher versuchte Aufstellung von Grenzwerten 
hat sich als in der Praxis undurchführbar herausgestellt. 

Im Hinblick auf den vor einiger Zeit bei uns vorgekommenen Streit über 
die Bedeutung der chemischen und der bakteriologischen Unter- 
suchung für die Beurteilung von Wasser wird es vielleicht Manchen inter- 
essieren, dass man in Frankreich keinem der genannten Untersuchungs- 
verfahren und auch dem geologischen nicht etwa den Vorrang einräumt, 
aber auch keins für entbehrlich hält, weil bei jedem von ihnen ein posi- 
tiver Befund das Wasser als schlecht erweisen kann, ein negativer aber es 
nicht als gut hinzustellen erlaubt. Deshalb soll immer erst, nachdem der 
physikalische, chemische, bakteriologische und mikroskopische Befund voll- 
ständig erhoben ist und die geologischen und topographischen Verhältnisse der 
Wassergewinnungsstelle klargelegt sind, an die oft recht schwierige Frage 
herangegangen werden, ob Kennzeichen vorhanden sind, dass das Wasser 
völlig und dauernd vor Verunreinigungen geschützt ist, und ob demnach die 
Wassergewinnung zugelassen werden darf oder nicht. 

Zum Schluss werden die Wässer nach ihrer Herkunft in Oberflächen- 


x 
Infektionskrankheiten. 1253 


wasser, Regenwasser, destilliertes Wasser, oberflächliches und tiefes Grund- 
wasser unterschieden und hiernach im allgemeinen beurteilt. Dann folgen 
in langer Reihe die Reinigungsverfahren durch mechanische, durch 
chemische Mittel und als sicherstes das durch Erhitzen. Endlich werden 
Verfahren zur Verbesserung des Wassers durch Abkühlen, Enteisenung, 
Enthärtnng und Abtötung von Algen durch Kupfersulfat genannt. 

- Globig (Berlin). 


Gafiky, Fremdkörper und Wundinfektion. Gedenkschrift für Rudolph 
v. Leuthold. Bd. 1. S. 221. 

Verf. geht zunächst von der Tatsache aus, dass einerseits der Organismus 
beim Eindringen eines Fremdkörpers durch wunderbar zweckmässige Mittel 
imstande ist, diesen sich so zusagen zu assimilieren oder ihn durch neu- 
gebildetes Gewebe einzuschliessen, ohne dass weitere Störungen sich 
ergeben, dass andererseits dagegen doch nicht allzuselten diese Schutzein- 
richtungen versagen und den Verlauf weniger günstig gestalten. Zur Er- 
klärung dieser Störungen führt er aus, dass, wenn Fremdkörper auch durch 
ihre mechanische Wirkung das Zustandekommen von Eiterungen begünstigen 
können, doch die eigentliche Ursache der Eiterung stets in der 
Wirkung chemischer Reize zu suchen sei. Ferner glaubt er auch dem 
abgestorbenen Gewebe, welches bei Fremdkörperwunden meist vorhanden 
ist, eine Begünstigung der Eiterung bis zu einem gewissen Grade zuschreiben 
zu müssen, da nämlich jenes Gewebe den Mikroorganismen als Nährboden 
diene und ihnen damit eine Basis zur Ansiedelung geschaffen werde, ohne 
welche sie vielleicht durch die Abwehrkräfte des Körpers erlegen wären. In 
dem weiteren Teile wendet er sich der besonderen Bedeutung zu, welche bei 
gewissen specifischen Wundinfektionen dem Fremdkörper dadurch zukomme, 
dass er gerade seiner Natur oder Herkunft nach die betreffenden Infektions- 
erreger zu beherbergen pflegt. Die mit Fremdkörpern angestellten Tierversuche 
haben zum grossen Teile nicht recht verwertbare Resultate ergeben. Verf. 
hat deshalb selbst eine Reihe Tierversuche angestellt, auf deren Einzelheiten 
hier nicht näher eingegangen werden kann. Zum Schluss seiner Betrachtungen 
spricht sich Verf. dahin aus, dass die Frage uach der Bedeutung der Fremd- 
körper für die Wundinfektion auch heute noch der Beurteilung mancherlei 
Schwierigkeit bietet, dass aber die Fremdkörper, sei es durch ihre chemischen 
Eigenschaften, sei es auf mechanischem Wege die Infektion zu unterstützen 
vermögen, dass aber dieser Einfluss in der Regel kein erheblicher ist. Ob 
es zu einer Wundinfektion kommt oder nicht, hängt ohne Zweifel auch bei 
Fremdkörperverletzungen in der Hauptsache von anderen Faktoren ab, in 
erster Linie stets von der Art und der Virulenz der eingedrungenen Mikro- 
organismen. Nieter (Halle a. S.). 


1254 Infektionskrankheiten. 


Koske, Welche Veränderungen entstehen nach Einspritzung von 
Bakterien, Hefen, Schimmelpilzen und Bakteriengiften in die 
vordere Augenkammer. Arb. a. d. Kais. Ges.-A. Bd. 22. S. 411. 

Verf. benutzte zu seinen Versuchen Bakterienstämme, die bis auf zwei 

Ausnahmen für Kaninchen subkutan oder intravenös selbst bei hohen Dosen 

nicht mehr tödlich waren, und zwar 3 Heubacillenstämme, B. prodigiosus, B. 

suipestifer, Staphylococcus aureus, Vibrio Metschnikoff, B. tuberculosis, B. 

Rabinowitsch, B. tuberculoides Beck, Mucor mucedo, Aspergillus fumigatus, 

Rosahefe und Weissbierhefe. In der ersten Versuchsreihe wurden jedesmal 

2 mg Kultur in 5 ccm Kochsalzlösung aufgeschwemmt und hiervon 0,2 ccm 

in die vordere Augenkammer von Kaninchen injiciert. In einer zweiten 

Versuchsreihe wurden die abgetöteten, durch Alkohol und Aether extrahierten 

Bakterienleiber, in einer dritten die von ihrer Kulturflüssigkeit befreiten und 

gewaschenen Bakterien, endlich in einer vierten Bouillonkulturfiltrate verimpft. 

Verf. gelang zu folgenden Ergebnissen: „Lebensfähige Bakterien wie der B. 

subtilis, B. prodigiosus, Staphylococcus pyogenes aureus, B. suipestifer, die 

Weissbier- und Rosahefe, in die vordere Augenkammer eingespritzt, erzeugten, 

selbst in sehr geringer Menge, eine zur Zerstörung des Auges führende, meist 

eitrige Augenentzündung. Diese Wirkung ist auf eine Vermehrung der Mikro- 
organismen in der Vorderkammer und die Reizwirkung ihrer Zellen und 

Stoffwechselprodukte zurückzuführen. Abgetötete und mit Alkohol und Aether 

ausgezugene Bakterien riefen nur vorübergehende leichte Reizerscheinungen 

hervor. Auch die von den Bakterien in flüssigen Nährböden gebildeten Stoffe 
riefen Eptzündungserscheinungen hervor, welche aber in einiger Zeit ohne 

Zurücklassung von Veränderungen beilten“, Beitzke (Berlin). 


Disse (Marburg), Weitere Mitteilungen über das Verhalten des 
Schleims im Magen von menschlichen Embryonen und von Neu- 
geborenen. Beiträge zur Klinik der Tuberkulose. Bd. 4. H. 3. 

Verf. arbeitet mit einer eignen Methode. Das Material wird ganz frisch, 

d. h. spätestens einige Stunden nach dem Tode in der sublimathaltigen Zen- 

kerschen Lösung fixiert. Die fixierten Stücke werden erst mit Wasser, dann 

— um die Sublimatniederschläge zu entfernen — mit jodhaltigem Alkohol 

ausgewaschen, in Hämalaun durchgefärbt und sodann in Paraffin eingebettet. 

Die höchstens 10. dicken Schnitte werden mit Wasser aufgeklebt, in der be- 

kannten Weise vom Paraffin befreit, in 95 proz. Alkohol gebracht und dann in 

einer dünnen Lösung von Lithion carbon. gebeizt und zwar 2—4 Minuten 
lang. Aus der Beize kommen sie direkt ohne Abspülung in die Farblösung 
hinein. Diese stellt eine Auflösung dar von 1g Patent-Säurerubin (Grübler) 
in 99 ccm 95 proz. Alkohol. Der Schleim färbt sich in einer Minute, auch 
schon in kürzerer Zeit rot; der überschüssige Farbstoff wird durch 95 proz. 

Alkohol extrahiert, die Schnitte werden entwässert und im Oleum origani 

aufgehellt. Innerhalb der Epithelzellen färbt sich nur der Schleim, nicht das 

Protoplasma, nicht der Kern. Dagegen färbt sich das Protoplasma der Be 

legzellen in den Fundusdrüsen, auch wird das Bindegewebe der Submucosa 

kräftig rot gefärbt. Celloidinschnitte, die mit Hämalaun, Hämatoxylio, nach 


Infektionskrankheiten. 1255 
v 


Heidenhain oder Benda gefärbt sind, nehmen auch die Rubinfärbung nur 
an, wenn sie in Lithionlösung gebeizt sind. 

Der Magenschleim ist nach den Untersuchungen des Verf.'s ein Produkt 
des Protoplasmas der Epithelzellen. Die Bildung erfolgt zuerst am freien 
Ende der Zelle und schreitet nach dem Kern hin fort. Der frisch gebildete 
Schleim besteht aus feinen Körnchen; er wird erst homogen, wenn er längere 
Zeit in der Zelle verweilt hat. Für gewöhnlich bleibt er da liegen, wo er 
entstanden ist; er kann aber aus den Zellen entleert und auf die freie Ober- 
fläche der Schleimhaut ergossen werden. 

Der Schleim bildet eine überall dünne, ungleichmässig entwickelte Lage, 
die an manchen Stellen durch feine Protoplasmabalken unterbrochen ist. In 
deu Magengrübchen erreichen die Schleimpfröpfe überall die Zellränder und 
werden nicht durch Protoplasma getrennt. 

Bei jüngeren Embryonen kann die Schleimproduktion massenhafter sein, 
als bei älteren, immer aber bildet die Schleimlage keine ununterbrochene 
Schicht, sondern wird unterbrochen durch schleimfreie Partien des Oberflächen- 
epithels oder durch die oben erwähnten feinen Protoplasmabalken, die die 
Schleimpfröpfe der einzelnen Zellen von einander trennen. Bei neugeborenen 
Individuen lässt sich das gleiche feststellen. Gerade das eigentliche Ober- 
flächenepithel, das die Kämme und Leisten der Schleimhaut überzieht, ist 
schleimfrei oder schleimarm. Es sitzt den Venen der Schleimhaut direkt auf; 
Bakterien, die das Epithel durchsetzt haben, gelangen sofort in das eirkulie- 
rende Blut. Also ist die Magenschleimhaut des Neugeborenen, sowie des nur 
wenige Tage alten Individuums, einer bakteriellen Infektion viel mehr aus- 
gesetzt, als die der Erwachsenen, weil sie des Schutzes darch eine dicke, zu- 
sammenhängende Schleimlage entbehrt. A. Alexander (Berlin). 


Froin, L’h&ömatolyse anormale. Société de biologie. Séance du 6 janvier 
1906. La sem. med. 1906. No. 2. p. 20. 

Froin hat unter 178 hämorrhagischen Flüssigkeiten, die er unmittelbar 
nach der Punktion centrifugierte, 40 mal eine braune oder bräunlich-gelbe 
Färbung wahrgenommen, die von dem mehr oder weniger aufgelösten Hämo- 
globin herrührte. Es handelte sich um Krebskranke und Tuberkulöse, deren 
Punktionsflüssigkeit eine beträchtliche Menge Harnstoff enthielt. Die Gmelin- 
sche Probe war bei diesen Fällen regelmässig vorhanden und das Gallenpigment 
ging mit einer grossen Menge mononukleärer Zellen einher. Hieraus entsteht 
ein gewisser Widerspruch zu den Fällen, in denen echte Hämolyse auftritt. 
Froin glaubt daher normale von anormaler Hämolyse trennen zu müssen. Als 
normale Hämolyse bezeichnet er die, welche dann eintritt, wenn die chemische 
Zusammensetzung der Flüssigkeit nur wenig verändert ist, als anormale, bei der 
die Auflösung der roten Blutkörper sich nicht parallel mit der der weissen 
entwickelt. Nieter (Halle a. $.). 


1256 Infektionskrankheiten. 


Bail 0, Ueber Giftwirkung von Tuberkelbacillen beim Meer- 
schweinchen. Aus dem hygien. Institute der deutschen Universität Prag.’ 
Wien. klin Wochenschr. 1905. S. 1212. 

Injiciert man Meerschweinchen einige Milligramm sorgfältig gewaschener 
Tuberkelbacillen, die auf Glycerinbouillon gewachsen sind, ins Herz, so 
magern sie rapid ab und sterben nach wenigen Tagen unter Erscheinungen 
schwerer Kachexje, die nach Bail offenkundig den Charakter der tuberkulösen 
Kachexie trägt. 

Das ganze Krankheitsbild soll eine durch Auflösung von Bakterienleibern 
und Freiwerden von Endotoxin verursachte Vergiftung darstellen. Es zeigt 
sich weiter, dass die so behandelten Tiere auch bei vorgeschrittener Vergiftung 
keine Giftüberempfindlichkeit erkennen lassen, wie sie intraperitoneal injicierte 
Meerschweinchen aufweisen. $ 

Bei intravasaler Auflösung von Tuberkelbacillen werde also zwar Gift, 
aber kein Aggressin frei, was beweise, dass einfache Auflösung von Bacillen 
nicht gleichbedeutend mit der Entstehung von Aggressin sei. 

Grassberger (Wien). 


Weiler F., Traumatische Phthise. Dissertation. leipzig 1905. 

Nach eingehender Besprechung der einschlägigen Literatur führt Verf. 
4 Fälle von Unfallverletzung an, bei denen die Sektion Phthise der 
Lungen ergab. Es liess sich dabei feststellen, dass es sich in allen Fällen um die 
Verschlimmerung eines schon vor dem Unfall bestandenen Leidens handelte; 
auch sonst ist bis jetzt noch nie der strikte Beweis geliefert worden, dass 
ein Unfall ein intsktes Lugengewebe so verändern kann, dass einer Ansiedlung 
von Tuberkelbacillen gerade dadurch Vorschub geleistet wird. 

Manteufel (Berlio). 


Teutschländer 0., Die Samenblasentuberkulose und ihre Beziehungen 
zur Tuberkulose der übrigen Urogenitalorgane. Beiträge zur Klinik 
der Tuberkulose. Bd. 3. H. 3 u. 4. 

Diese ebenso sorgfältige, wie ausführliche Arbeit zerfällt im wesentlichen 
in 3 Teile. 

In dem ersten derselben werden die hier in Betracht kommenden ana- 
tomischen Verhältnisse besprochen. Die Tuberkulose ist unter allen 
Erkrankungen der Samenblasen die häufigste. Bei Urogenitaltuberkulose 
sind die Vesiculae seminales in mehr als der Hälfte der Fälle erkrankt, ja 
sogar in mehr als 75°), der Fälle, wenn man die Fälle reiner Harntuber- 
kulose aus der Berechnung ausschliesst. Andrerseits findet man die Tuber- 
kulose der Samenblasen in 91°/, der Fälle von reiner Genitaltuberkulose. Sie 
sind fast doppelt so häufig bilateral als unilateral tuberkulös und zwar ist die 
rechte Seite ohne Frage disponierter. An der Hand der eigenen, sowie der 
in der Literatur niedergelegten Fälle entwickelt Verf. sodann ein Bild von den 
verschiedenen Phasen dieser Erkrankung. Er bespricht das Stadium der 
tuberkulösen Granulationen, das Stadium der vorgerückteren Verkäsung, welche 
letztere auch eine essentielle ohne vorausgegangene ausgedehnte Tuberkel- 


Infektionskrankheiten. 1157 


bildung sein kann, ferner die Erweichung der Käsemassen, die einer Fern- 
wirkung von Toxinen zuzuschreibende „Perispermatocystitis fibrosa simplex“ 
und schliesslich den Ablauf des Processes, der ein zweifacher sein känn, näm- 
lich Fistelbildung durch Perforation der Bläschenwand (meist in die Harnblase) 
oder Spontanheilung durch schliessliche narbige Schrumpfung des Organes. 

Nach einer tabellarischen Zusammenstellung der ‘eigenen 57 Fälle von 
männlicher Urogenitaltuberkulose kommt Verf. zum 2. Teile seiner Arbeit, in 
welchem er die Beziehungen zwischen Urogenital- (resp. Samen- 
blasen-)Tuberkulose und tuberkulösen Läsionen anderer, ausserhalb 
des Urogenitaltraktus liegender Organe schildert. Er gelangt in diesem 
Teile auf Grund von Erwägungen, die im Originale nachgelesen werden müssen, 
zu der Anschauung, dass die Samenblaseutuberkulose sowie die Urogenital- 
tuberkulose überhaupt bei Erwachsenen in der Mehrzahl der Fälle ein deute- 
ropathisches Leiden ist. In seltenen Fällen gelingt es dem Obducenten nicht, 
ältere tuberkulöse Läsionen ausserhalb des Urogenitalapparates nachzuweisen, 
dann spricht man von primärer Urogenitaltuberkulose. Andererseits kann die 
Urogenital- (speciell die Samenblasen-)Tuberkulose selbst zum Ausgangspunkt 
einer Infektion anderer Organe werden, indem die Bacillen auf dem Blut- oder 
Lymphbwege von hier aus verschleppt werden. 

Der 3. Teil der Arbeit beschäftigt sicb mit den Beziehungen 
zwischen der Tuberkulose der Samenbläschen und tuberkulösen 
Läsionen des übrigen Urogenitalapparates. Verf. erörtert in diesem 
Teile rein statistisch, wie oft die Tuberkulose der Samenblasen mit derjenigen 
der einzelnen Teile des Urogenitalapparates kombiniert ist. 

Zum Schluss unterwirft Verf. an der Hand seines Materiales die über die Ent- 
stehung der Samenblasentuberkulose aufgestellten Hypothesen einer eingebenden 
kritischen Besprechung. Er verwirft die Hypothesen, welche eine Infektion von 
aussen annehmen, glaubt vielmehr, dass die Samenblasentuberkulose meist als 
sekundäres Leiden durch Inokulation von im Blute kreisenden Bacillen ent- 
stebt. Letztere können die Samenblasen auf zwei Arten inficieren und zwar 
1. direkt, auf rein bämatogenem Wege, 2. indirekt, nachdem die Tuberkel- 
bacillen aus der Blutbahn in das Lumen eines Organes des Urogenitaltraktus 
ausgeschieden wurden, oder, indem sie von einem anderen Urogenitalherd in 
die Samenblasen gelangten. Schliesslich könner 3. die Samenbläschen von 
den Nachbarorganen aus durch Iymphogene Uebertragung erkranken. 

A. Alexander (Berlin). 


Brüning H. (Leipzig), Zur Lehre der Tuberkulose im Kindesalter mit 
` besonderer Berücksichtigung der primären Darm-Mesenterial- 
drüsen-Tuberkulose. Beiträge zur Klinik der Tuberkulose. Bd. 3. H. 4. 
B. hat im Leipziger Kinderkrankenhause im Jahre 1904 und in der 
ersten Woche des Jahres 1905 400 Obduktionen ausgeführt, unter welchen in 
44 Fällen, d. h. in nur 11°, tuberkulöse Organveränderungen nachgewiesen 
werden konnten. Seciert wurde nach der Virchowschen Methode, die Heller- 
sche Technik hingegen nur dann verwertet, wenn eine primäre Darm-Me- 
senterialdrüsen- Tuberkulose als möglich galt. 80°/, der tuberkulösen 


GAI 


1258 Infektionskrankheiten. 


Kinder standen im 1.—4. Lebensjahre, 25°/, davon waren Säuglinge. Am 
häufigsten wurden tuberkulös befunden die Bronchialdrüsen (34 mal = 17° ,). 
Leber und Mesenterialdrüsen waren 25 mal (57°/,) erkrankt. Der Dünndarm 
20 mal (46°/,), der Dickdarm 10 mal (23%,). ln der Mehrzahl der 44 Fälle 
(37 mal) handelt es sich um gleichzeitige Tuberkulose mehrerer Körperorgane, 
ein Charakteristikum der infantilen Tuberkulose. 25 mal bestand allgemeine 
Miliartuberkulose. Von besonderer Wichtigkeit ist es, dass B. unter seinen 
44 Fällen von Tuberkulose 8 mal, d. h. in 18,2%, der Fälle Veränderungen 
am Darm und den Mesenterialdrüsen nachweisen konnte, die bei dem Fehlen 
von anderweitiger Organtuberkulose als primäre Infektionen angesprochen 
werden müssten. Die Protokolle dieser 8 Fälle werden mitgeteilt. Es konnten 
bei allen weder hereditäre Belastung, noch die Möglichkeit aörogener In- 
fektion, noch schliesslich Anhaltspunkte für eine alimentäre Aetiologie ge- 
funden werden. Dagegen waren sie alle an akuten Infektionskrankheiten ge- 
storben. Die Diagnose Tuberkulose war intra vitam nicht in einem einzigen 
Falle gestellt worden. 

Die Arbeit enthält ausser den angeführten Zablen noch reichliches 
statistisches Material. A. Alexander (Berlin). 


Bartel J., Tuberkuloseinfektion im Säuglingsalter des Meer- 
schweinchens und Kaninchens. Aus dem pathol.-anatom. Institute in 
Wien. Wien. klin. Wochenschr. 1905. S. 1144. 

Meerschweinchen- und Kaninchen-Muttertiere wurden nach dem 
Wurfe mit Tuberkelbacillen geimpft und nachher zu den Jungen gelassen. 
Die säugenden Jungen wurden in verschiedenen Zeiten zugleich mit Kontroll- 
tieren, die in demselben Käfig gehalten wurden, untersucht, um festzustellen. 
ob unter diesen Verhältnissen Tuberkelbacillen von der Mutter auf das Junge 
durch das Saugen übertragen werden. Im ersten Versuch gelang es, durch 
Uebertragung der Tonsille eines nach 41 Tagen getöteten Jungen auf ein 
gesundes Meerschweinchen bei diesem Tuberkulose des Netzes hervorzurufen 
und aus dem Netz Tuberkelbacillen zu züchten (die Mammae des Muttertieres, 
das 27 Tage nach der Impfung an Tuberkulose einging, waren anscheinend 
frei von Tuberkeln). 

Auch in dem zweiten Versuch, bei welchem Kaninchen verwendet wurden. 
konnte bei 2 von 3 Jungen durch Verimpfung der Mesenterialdrüsen bezw. 
der Halslymphdrüsen auf Meerschweinchen die Anwesenheit von Tuberkel- 
bacillen nachgewiesen werden. Grassberger (Wien). 


Amrein 0. (Arosa), Beitrag zur Tuberkulinbehandlung der Lungen- 
tuberkulose. Beiträge zur Klinik der Tuberkulose. Bd. 4. H. 2. 

Verf. teilt die Krankengeschichten von 24 mit Tuberkulin behandelten 
Fällen mit, unter denen 4 dem 1. Stadium, 15 dem 2. Stadium und 5 dem 
3. Stadium der Lungentuberkulose angehörten. In 5 Fällen beziehen sich 
seine Beobachtungen auf 2 Etappen resp. Wiederaufnahme der Kur nach 
Unterbrechung. Neben dem Lokalbefund richtete er sein Hauptaugenmerk 
auf den Puls, den Bacillenvefund im Sputum und das Gewicht. Er stellte 


Infektionskrankheiten. 1259 


durchweg ein Ruhigerwerden des Pulses durch die Kur fest und nimmt an, 
dass das Tuberkulin der Toxinwirkung des T.B. auf den Vagus entgegentritt. 
Er spritzte stets morgens zwischen 101/, und 11!/, Ubr und liess um 7!/,, 
12, 31/2, 61/,, 9 Uhr messen (Mund). Es wurde zunächst T.R. verabreicht, 
mit 0,002 mg wirksamer Substanz beginnend, damit bis 0,1 mg gestiegen und 
dann mit Alttuberkulin fortgefahren (beginnend mit 0,0001g und steigend 
eventuell bis zu 1,5g). Er suchte sich stets innerhalb Möllers „schwacher“ 
Reaktion (bis 380) zu halten. Die Tuberkulinbebandlung wurde nur in solchen 
Fällen angewandt, wo in der letzten Zeit ein Stationärbleiben des Befundes 
zu konstatieren gewesen war. ; 

Bei den 5 Fällen des 1. Stadiums hat die Tuberkulinbehandlung einen 
positiven Einfluss gehabt. Von 15 Fällen des 2. Stadiums zeigten nur 10 ein 
positives Resultat. Ueber die Fälle mit negativem Resußfat ist kurz zu be- 
richten: a) ein Fall, bei dem nach der 1. und 2. Tuberkulinkur jedesmal 
eine deutliche Besserung des Lungenbefundes erfolgte und wo dann 6 Monate 
nach der 2. Kur ganz unerwartet der Tod an Miliartuberkulose eintrat; b) ein 
Fall, bei dem der Lungenbefund sich besserte, eine gleichzeitig bestehende 
Larynxtuberkulose sich verschlechterte; c) ein Fall, bei dem — nach früherem 
pleuritischen Exsudat — ein Pyopneumothorax sich bildete; d) ein Fall, der 
noch zu kurze Zeit in Behandlung war; e) ein Fall ohne besonders bemerkens- 
werte Umstände. 

Von den 5 Fällen des 3. Stadiums werden 4 günstig beeinflusst, darunter. 
einer, bei dem nicht nur die Lungenerkrankung, sondern auch der Larynx 
sich besserte. 

Verf. stimmt auf Grund seiner Erfahrungen dem Urteile Roepkes bei, 
dass das Tuberkulin über eine heilungsanregende und heilungsbefördernde 
Lokalwirkung hinaus die ganze Konstitution des Kranken im antiphthisischen 
Sinne günstig beeinflusst. Er weist auf die Untersuchungen Levys hin, 
denenzufolge schon ganz kleine Tuberkulinmengen eine merkliche Herab- 
setzung des Blutdrucks verursachen. A. Alexander (Berlin). 


Marcuse |. (Mannheim), Zur Auslese des Krankenmateriales in den 
Lungenheilstätten. Beiträge zur Klinik der Tuberkulose. Bd. 4. H. 1. 
Die Schaffung der Heilstätten auf dem Boden der Arbeiterversicherungs- 
gesetzgebung bedeutete eine ohnegleichen dastehende Expansion ihrer Wirk- 
samkeit, zeitigte aber andererseits Gesichtspunkte fiskalischer Natur, welche 
ein schweres Hemmnis für die Ueberwindung der Tuberkulose im Volkskörper 
sind. Nicht sämtliche von der Tuberkulose befallenen Individuen finden Be- 
rücksichtigung, sondern nur diejenigen, welche eine bestimmte Anzahl Invali- 
ditätsmarken geklebt haben (eine Vorschrift, die glücklicherweise nicht allzu 
rigoros gehandhabt wird) und unter diesen wiederum nur solche, deren Er- 
krankung sich im Anfangsstadium befindet. Auf diese Weise begibt sich die 
Heilstätte des vornehmsten Prinzips der Antituberkulosebewegung, nämlich der 
Verhütung stets wiederkehrender Neuerkrankungen und ihr Nutzwert für die 
Bekämpfung der Lungenschwindsucht als Volkskrankheit sinkt erheblich. 
An einem Beispiel aus dem Kreis der Versicherten der ÖOrtskrankenkasse 
TUN 


1260 Infektionskrankheiten. 


Mannheim I wird dies illustriert. Auch die von den Versicherungsanstalten 
ins Leben gerufenen Vorbeobachtungsstationen werden von denselben fiskalischen 
Gesichtspunkten geleitet. Nur die Frage, inwieweit ein Heilverfahren den 
Rentenbezug aufschieben, bezw. es verhindern kann, dass die Kranken zu 
invaliden Rentenempfängern werden, ist ausschlaggebend für die Massnahmen 
der Versicherungsanstalten. Um die Infektionsgefahr für die Gesunden zu 
vermeiden, müssen, wie dies schon Brauer betont hat, Tuberkulosestationen 
an Krankenhäuser und Kliniken angeschlossen, sowie Heilstätten für Schwer- 
kranke bezw. unheilbare Tuberkulöse geschaffen werden. Erst dann wird man 
im vollen Masse den grossen Prinzipien der Antituberkulosebewegung dienen. 
A. Alexander (Berlin). 


Kutscher, Einige®neuere Fragen aus der Epidemiologie des Abdo- 
minaltyphus. Berl. klin. Wochenschr. 1905. No. 52. S. 1620. 

Durch die Typhusbekämpfung im Südwesten des Reichs ist mehr und 
mehr die Tatsache erkannt worden, dass in erster Linie der typhus- 
kranke Mensch die nie versiegende Quelle aller Neuinfektionen ist 
und dass die Kontaktinfektionen gegenüber den Trinkwasserepidemien 
in den Vordergrund treten. Nicht alle Fälle lassen sich jedoch auf diese oder 
jene Weise aufklären. Für manche dieser Fälle spielen nun wahrscheinlich 
die sogenannten „chronischen Bacillenträger“ bezüglich der Uebertragung 
eine Rolle. Die Untersuchungen im Südwesten des Reichs ergaben nämlich, 
dass etwa 4°/, der Typhuskranken „chronische Bacillenträger“ werden. 
Die Bacillenausscheidung hält oft jahrelang an, die betreffenden „Bacillen- 
träger“ sind dabei klinisch völlig gesund, ja einige haben nie nachweis- 
lich einen Typhus überstanden. Die oft in grossen Mengen, selbst in Rein- 
kultur ausgeschiedenen Bacillen unterscheiden sich bezüglich Kultur, Virulenz 
u.s. w. in nichts von anderen Typhusstämmen, so dass sie wohl Infektionen 
hervorrufen können. Die meisten Bacillenträger sind Frauen. Medikamen- 
töse Mittel zur Beseitigung des genannten Zustandes sind bisher nicht bekannt. 
Vielleicht bildet die Gallenblase ein Depot für die Typbusbacillen, denn in 
der Galle können fast regelmässig Typhusbacillen nachgewiesen werden. Zur 
Verhütung von Infektionen müssen die „Bacillenträger“ fortlaufend bakteriolo- 
gisch kontrolliert werden; vom Betrieb der Milchwirtschaften sind sie fernzu- 
halten und ihre Exkremente sind ständig zu desinficieren. 

Baumann (Metz). 


Balp, Stefano, Geografia nosologica della terra di Bari. Distri- 
buzione geografica del tifo. Rivista di ingegneria sanit. 1905. Sep.- 
Abdruck. 

Aus seinen sorgfältigen Erhebungen über die Bodenverhältnisse, die 
allgemeine Sterblichkeit, die Typhusmorbidität und -mortalität im beson- 
deren leitet Verf. den Schluss her, dass das Wasser in dem von ihm unter- 
suchten Landstrich der Hauptträger der Typhusinfektion ist. Er fordert 
weitgehend e prophylaktische Massnahmen, nicht nur Verbesserung der Brannen 
und Cis ternen, die fast die einzige Art der Wasserversorgung darstellen und 


Infektionskrankheiten. 1261 


sich grossenteils in sehr mangelhaftem Zustande befinden, sondern auch ver- 
pünftige Abwasserbeseitigung bezw. Verwertung der Abfälle, vor allem aber 
Hebung der socialen Lage, was bei 70—80°%), Analphabeten und wahrhaft 
elenden Arbeitslöhnen gewiss berechtigt und wirksam sein dürfte. 

Beitzke (Berlin). 


Jürgens. Bekämpfung des Typhus und der Ruhr. Gedenkschrift für 
Rudolph v. Leuthold. Bd. 1. S. 181 ff. 

Verf. bespricht die epidemiologischen Forschungen der letzten Jahre und 
wendet sich insbesondere der nach Koch vorgeschlagenen Seuchenbekämpfung 
durch Vernichtung der Bakterien zu. Die alte Anschauung von v. Pettenkofer, 
dass auch die Lokalität eine Bedeutung für die Entstehung der 
Epidemie habe, ist nach Verf.’s Ansicht nicht hinwegzuleugnen. Die alltäg- 
liche Erfabrung und Beobachtung hat gelehrt, dass sich die meisten Menschen 
in der Umgebung eines Typhuskranken trotz der Infektionsgelegenheit nicht 
anstecken und dass sich aus einzelnen eingeschleppten Fällen in der über- 
wiegenden Mehrzahl der Fälle keine Epidemien entwickeln. Die Kochsche 
Hypothese, dass die Typhusfälle zumeist auf Kontakt zu beziehen seien, ist 
mit der Ausbreitung der Epidemie wohl vereinbar, aber sie erklärt nicht ihre 
Entstehung und ihren Verlauf. Auch der Umstand, dass in vielen Orten ver- 
einzelte Typhusfälle vorkommen, dass es zur Epidemie aber nur selten und 
nicht an allen Orten kommt; ist eine alte Erfahrungssache, die zur Zeit 
v. Pettenkofers so gut wie unter Koch immer wieder ihre Bestätigung 
gefunden hat. Durch neuere Untersuchungen ist festgestellt, dass von einem 
verseuchten Orte oder von einem kranken Menschen Typhuskeime viel massen- 
bafter ausgestreut werden, als man angesichts der Erkrankungen in der Um- 
gebung solcher Infektionsherde annehmen sollte, und ferner ist nachgewiesen, 
dass neben den Typhuskranken noch andere anscheinend gesunde Mitglieder 
derselben Familie mit Typhusbacillen inficiert waren, wodurch sich die auf- 
fallende Immunität mancher Menschen in dieser Häufigkeit der latenten Typhus- 
infektionen ausreichend erklärt. An Orten, an welchen der Typhus seit vielen 
Jahren endemisch baust, wird die Bevölkerung allmählich durchseucht und 
dadurch immun. Von Koch ist zur Erklärung dieser Erscheinung die soge- 
nannte Durchseuchungstheorie aufgestellt, nach der an einzelnen Orten 
unter den nachgewiesenen Typhusfällen sich viele Kinder befanden. Die 
oft schon gemachte Beobachtung von dem Vorhandensein von Typhusorten 
und Typhushäusern, die einen vorhandenen Bacillenherd voraussetzt, wo die 
Zuziehenden auffallend oft erkranken, ist auch im Typhusbekämpfungsgebiet 
bestätigt. Aber weder durch die Kontakt- noch durch die Durchseuchungs- 
theorie ist eine Erklärung allein möglich; es bleibt danach die Tatsache 
bestehen, dass gewisse Lokalitäten irgendwelche Beziehungen zum 
Typhus haben. Bei der Frage, in welcher Weise gewisse Faktoren neben 
der Ansteckung durch den Mikroorganismus noch wesentliche epidemiologische 
Bedeutung haben und wie auf diese Faktoren eingewirkt werden könne, führt 
Verf. an, dass erfahrungsgemäss Typhus- und Ruhrepidemien sich nicht weiter 
entwickeln, wenn der verseuchte Ort geräumt wird. Nach Verf.'s An- 


1262 Infektionskrankheiten. 


sicht soll danach eine Hilfsursache vorhanden sein, „welche das Auf- 
treten der specifischen Typhusursache bald hindert, bald fördert, 
welche als die quantitative Ursache derselben, als Grund der In- und Ex- 
tension, des epidemischen oder sporadischen Auftretens des Typhus angesehen 
werden muss“. 

Für das Vorgehen zur Bekämpfung von Ruhr- und Typhusepidemien, deren 
Ausbruch nicht durch Infektionserreger, sondern durch die indi- 
viduellen Verhältnisse an Ort und Stelle veranlasst sind, ist Verf. der 
Meinung, dass das durchgreifendste Mittel, einer Epidemie Herr zu werden, 
in der sofortigen Räumung des verseuchten Quartiers bestehe. 

Nieter (Halle a.S.). 


Olbrich K., Die Typbusepidemie in G. (Landkreis Strassburg, Elsass) 
im Winter 1903/04. Arbeiten a. d. Kais. Ges.-A. Bd. 24. S. 159. 

Der Verf. bringt eine Darstellung der Typhusepidemie in G., deren 
Entstehung nach den angestellten Ermittelungen hauptsächlich auf zwei Mög- 
lichkeiten zurückzuführen ist: 

1. Einschleppung der Krankheit nach G. vom Nachbarort W. aus, wo 
mehrere Fälle vorher zur Kenntnis gekommen waren. 

2. Einschleppung ebenfalls von auswärts gelegentlich des Kirchweihfestes 
in G. durch einen jungen Mann, der 2 Tage später in seiner Heimat an Typhus 
erkrankte. 

Im weiteren werden dann die einzelnen von der Typbusstation angeordneten 
Massnahmen (Anstellung eines Desinfektors, Absonderung der Kranken, soweit 
angängig, Verteilung der Typhusmerkblätter in den einzelnen Haushaltungen, 
Verbot der Ausfuhr von Milch und Molkereiprodukten und vieles andere mehr) 
besprochen. 

Festgestellt wurden im ganzen 44 Typhusfälle, darunter 3, die, ohne 
wesentlich krank zu sein, nur positiven Widal zeigten. Bei einem von diesen 
letzteren 3 wurden auch Typhusbacillen im Stuhl nachgewiesen. Durch fort- 
laufende bakteriologische Kontrolle war es möglich, bei einem am 7. December 
erkrankten und am 27. December genesenen 5jährigen Knaben Typhusbacillen 
im Januar, Februar und März festzustellen. Weitere Untersuchungen waren 
aus äusseren Gründen nicht möglich. Nieter (Halle a. S.). 


Beck M. und Ohlmüller W., Die Typhusepidemie in Detmold im Herbst 
1904. Gutachten im amtlichen Auftrage. Arbeiten a. d. Kais. Ges.-A. 
Bd. 24. 

Die Typhusepidemie nahm ihren Anfang Ende August 1904 und dauerte 
bis zum Februar 1905. Erkrankt waren im ganzen 700 Personen = 6,7°;, der 
Bevölkerung, davon sind gestorben 48 = 6,5%, der Erkrankten. Neben der 
Civilbevölkerung waren auch nach 80 Militärpersonen vom Typhus heimgesucht 
worden; von diesen sind 7 Mann gestorben. Die Ursache für die Entstehung 
der Seuche ist mit grosser Sicherheit in dem die Stadt versorgenden Trink- 
wasser zu suchen. Als Ausgangspunkt für die Verunreinigungen mit Typhus- 
bacillen sind in erster Linie nach den angestellten Ermittelungen die Quellen 


Infektionskrankheiten. 1263 


des Detmolder Wasserwerkes von der Wildsuhle, einer vielbesuchten Stelle, 
her (Quelle I und Quelle Il) anzusehen, in welche bei der grossen Durchlässig- 
keit und Zerklüftung des Bodens infolge reichlicher Niederschläge im August 
die Keime eingedrungen sind. 

Bei fortlaufender bakteriologischer Untersuchung des Wassers gelang es 
auch in einer Probe der Quelle II vom 20. November Typhusbacillen nachzu- 
weisen. Die Verunreinigung dieser Quelle ist aller Wahrscheinlichkeit nach 
aber durch Arbeiter, welche an der Quelle beschäftigt gewesen, und die ent- 
weder noch krank oder seit kurzer Zeit vom Typhus genesen waren und noch 
Typhusseime ausschieden (bei einem vorher typhuskrank gewesenen Arbeiter 
wurden auch Typhusbacillen im Urin gefunden), veranlasst. Auch aus Erd- 
proben, welche aus dem Quellenmund ausgehoben worden waren und aus 
einem in der Nähe der Arbeitsstätte gelegenen Haufen Sand wurden Bacillen 
herausgezüchtet. Die Inkubationszeit der Krankheit bei dieser Epidemie war 
eine äusserst schwankende gewesen von 9—21 Tagen bis zu 4 Wochen. 

Wegen der eigentümlichen geologischen Verhältnisse ist das 
Quellwasser in jener Gegend, aus welcher das Leitungswasser der 
Stadt Detmold kommt, fortwährend der Möglichkeit einer Verun- 
reinigung ausgesetzt. Es ist daher notwendig, dass das Wasser dauernd 
einem Reinigungsverfahren unterzogen wird, ehe es zum Genusse und Gebrauche 
der Bevölkerung überlassen wird, und am empfehlenswertesten erscheint die 
Anwendung des Ozonverfahrens mit nachfolgender Durchlüftung 
wegen der geringen Oxydierbarkeit des Wassers nach der Ozon- 
einwirkung. Nieter (Halle a.8.). 


Tischler, Typhusepidemie unter Kindern im Schulbezirk der Stadt 
Deggendorf 1904/1905. Münch. med. Wochenschr. 1905. S. 1076. 

Die Arbeit enthält die Schilderung einer Typhusepidemie in Stadt und 
Landbezirk Deggendorf. Es erkrankten im ganzen in der Stadt Deggen- 
dorf 43 und in 6 Gemeinden des Landbezirks 31 Kinder und zwar aus- 
schliesslich Kinder ärmerer Familien. Am 10. und 11. December erkrankten 
2, in der Zeit vom 23.—31. December 48 Kinder. Noch 3 Monate hindurch 
schlossen sich Kontaktinfektionen daran. Verf. erörtert ausführlich die Frage, 
ob für die Verbreitung der Krankheit Wasser- oder Bodenverhältnisse in Be- 
tracht kommen, und glaubt sie mit Sicherheit verneinen zu können. Zurück- 
geführt wird die Krankheit auf den Besuch einer Suppenküche, die täglich 
von etwa 200 Kindern besucht wurde. Von diesen erkrankten ca. 50 ziemlich 
gleichzeitig. Verdächtigt wurde in erster Linie ein Ragout, das nicht ein- 
wandsfrei gewesen sein soll, und von dem die sämtlichen Kinder gegessen 
haben. Anfangs wurde mit Rücksicht auf diese Aetiologie der Verdacht aus- 
gesprochen, dass es sich um eine unter dem Bilde eines Typhus verlaufende 
Fleischvergiftung handle; doch wurde durch den Befund von Typhusbacillen 
und das Agglutinationsresultat die Diagnose auf Typhus abdominalis gestellt. 

Hayo Bruns (Gelsenkirchen). 


1264 Infektionskrankheiten. 


Emmerich, Rudolf und Wolter, Friedrich, Die Entstehungsursachen der 
Gelsenkirchener Typhusepidemie von 1901. Auf Grund der für die 
Verhandlungen des Gelsenkirchener Processes erstatteten Sachverständigen- 
Gutachten dargestellt. Jubiläumsschrift zum 50 jährigen Gedenken der Be- 
gründung der lokalistischen Lehre Max v. Pettenkofers. I. Band. München 
1906. J. F. Lebmann. 4°.. 265 Ss. Mit einer Doppelkarte und zahlreichen 
Illustrationen, Kurven u. s. w. Preis: 20 M. 

Beide Verf., welche Pettenkofer persönlich nahe standen, haben sich 
in dem Process wegen der Gelsenkirchener Typhusepidemie von 1901 
auf die Seite der angeklagten Wasserwerksdirektoren gestellt und die Auf- 
fassung vertreten, dass die damalige Typhusepidemie nicht durch Bei- 
mischung von Typhusbacillen zum Leitungswasser entstanden, 
sondern durch die Bodenverhältnisse in Verbindung mit bestimmten 
klimatischen Erscheinungen bedingt gewesen sei. Aus ihren Gutachten 
für die Gerichtsverhandlungen sind die vorliegenden umfangreichen, mit zahl- 
reichem, wichtigem Tatsachenmaterial versehenen und durch Vergleiche 
mit anderen berühmten Typhus- und Choleraepidemien bemerkenswerten Arbeiten 
der beiden Verff. mit dem gleichen Titel entstanden, welche die Richtigkeit 
der „epidemiologischen“ Pettenkoferschen Lehre von der Typhusent- 
stehung gegenüber der von R. Koch, von dem Gutachten der Königlich 
Preussischen Wissenschaftlichen Deputation für das Medizinalwesen 
und anderen Hygienikern wie Kruse und Springfeld (vergl. diese Zeitschr. 
1904. S. 898) vertretenen „bakteriologischen“ Trinkwassertheorie er- 
weisen sollen. 

Wolter, der schon in einem früheren Buche über die Hamburger Cholera- 
epidemien (vgl. diese Zeitschr. 1899. S. 524) den Pettenkoferschen Stand- 
punkt zu wahren gesucht hat, untersucht im ersten Abschnitt seiner Arbeit, 
ob 1901 im Seuchengebiet die örtlichen und zeitlichen Bedingungen 
vorhanden gewesen sind, aus welchen an Orten, wo Typhus endemisch vor- 
kommt, sein epidemisches Auftreten zu erfolgen pflegt. Typhus ist in der 
niederrheinischen Ebene von jeher weit verbreitet gewesen, er hat im Lauf 
der Zeit eine Abnahme erfahren, aber er ist dort wie früher auch jetzt noch 
immer erheblich häufiger als im übrigen preussischen Staat. Der Bereich 
der Typhusepidemie von 1901 entspricht ungefähr dem Alluvialgebiet 
der Emscher und hat über dem bis 250 m mächtigen wasserundurchlässigen 
Mergel eine 2—8 m tiefe Schicht von sandigem und lebmigem, porösem, 
für Luft und Wasser durchgängigem Boden, der ungemein stark ver- 
unreinigt ist. Die Verunreinigungen sind durch die ganz ungewöhnliche und 
sehr schnell entstandene Bevölkerungsdichtigkeit und die niedrige Lebens- 
haltung der Bewohner, durch fehlende Kanalisation, mangelnde Vorflut u. s. w. 
bedingt. Gestützt auf Angaben des Provinzial-Wiesenbaumeisters Breme, 
dessen Gutachten im Anhang gebracht werden, sucht Wolter im einzelnen 
nachzuweisen, dass die Ausbreitung des Typhus dem Grade der Boden- 
durchfeuchtung bei Luftzutritt und der Verunreinigung entsprochen 
habe und an den höher gelegenen Orten, auf den Abhängen des Haarstranges 
(zwischen Ruhr und Emscher) geringer und später, in den dicht besiedelten, 


Infektionskrankheiten. 1265 


sumpfigen und doch nicht völlig unter Wasser gesetzten Gebieten der Städte 
früher eingetreten und sehr gross gewesen sei. Bei der zeitlichen Disposition 
wird auf den Herbst, auf die damalige ganz ausserordentliche Dürre und 
Austrocknung des Bodens und auf die genaue Uebereinstimmung des 
Sinkens des Grundwassers mit dem Steigen des Typhus hingewiesen. 

Der 2. Abschnitt bringt eine Kritik der von der Gegenpartei aufge- 
stellten Beweise für die Entstehung des Typhus durch Infektion des 
Wassers. Die Trennung der Typhusfälle in Wasserinfektionsfälle und 
Kontaktfälle wird für künstlich und willkürlich erklärt. Ebenso sei 
es unberechtigt, den Anfang der Epidemie auf den 29. August zu setzen und 
den Schluss auf Ende Oktober, wie Springfeld es tut, in Wirklichkeit lasse 
sie sich über beide Zeitpunkte hinaus verfolgen. Dass die Epidemie in ein- 
zelnen Teilen des Seuchengebietes (Stoppenberg) 14 Tage später begonnen 
hat, als in anderen (Gelsenkirchen), könne mit einer Infektion des gemein- 
schaftlichen Wassers nicht erklärt werden. Ebenso verhalte es sich mit dem 
sehr ungleich starken Befallenwerden der einzelnen Bezirke. 
Das stärkere Ergriffenwerden der Schulkinder, Dienstboten und Arbeiter 
vor anderen Bevölkerungsklassen bringt Wolter nicht damit in Verbindung, 
dass sie besonders starke Wassertrinker waren, sondern mit ihrem im allge- 
meinen geringen Lebensalter und der dementsprechend grösseren indi- 
viduellen Disposition für Typhus. Gegen die Annahme, dass die In- 
fektion durch das Stichrohr erfolgt sei, macht er geltend, dass Typhus- 
bacillen weder im Eibergbach, noch in der Ruhr, noch in der Wasserleitung 
haben nachgewiesen werden können, ferner, dass auch das Hineingelangen 
von Typhuskeimen in den Eibergbach nicht genügend sicher festgestellt sei, 
und endlich, dass unter den vielen Hunderten, welche in der Badean- 
stalt in der Ruhr 500 m unterhalb des Stichrohrg gebadet hatten, keine 
Infektion mit Typhus vorgekommen sei. 


Emmerich geht davon aus, dass die Pettenkofersche Grundwasser- 
theorie sich nicht blos in München von 1856—1881, sondern auch an zahl- 
reichen anderen Plätzen wie Köln, Berlin, Frankfurt a.M. und anderwärts 
bestätigt habe, und erläutert dies an den bekannten Kurven von Soyka. 
Natürlich stimmen seine Ausführungen vielfach mit den Anschauungen von 
Wolter überein, besonders bemerkenswert sind aber die Ansichten, welche 
Emmerich auf Grund bakteriologischer Versuche über das Ver- 
halten der Typhusbacillen im Erdboden aufgestellt hat, und welche 
noch der Nachprüfung und Bestätigung bedürfen.? 

Danach gibt es Bodenarten, welche Cholerabacillen, und Bodenarten, 
welche Typhusbacillen abtöten; zu den ersteren gehört Boden von Haid- 
hausen bei München und von Stuttgart, auf welchen beiden noch niemals ein 
Cholerafall vorgekommen ist. Die Abtötung der Cholerabacillen durch diese 
Bodenarten soll sogar stattfinden, wenn sie völlig mit Nährbouillon durchtränkt 
sind und bei 36° gehalten werden. 

Reiner Lehm- und Sandboden des Emschergebietes tötet 
Typhusbacillen nicht ab, aber ohne Nährmittel bleiben sie darin nur 


92 


a wen mer nn ent an 


1266 Infektionskrankheiten. 


6—10 Tage am Leben. Wäre der dortige Boden nicht mit Abfällen und 
Abwässern verunreinigt, so könnte sich demnach überhaupt keine Epidemie 
entwickeln. Der Gehalt des dortigen Bodens an menschlichen und 
tierischen Abfällen erhält aber die Typhusbacillen nicht blos 
lange Zeit (bis 7 Monate) am Leben, sondern vermehrt sie zeit- 
weise beträchtlich. Wenn sie in der Ueberzahl auf einen an Bakterien 
reichen Boden kommen, werden sie, günstige Wärme und geeignete Ernäh- 
rungsbedingungen vorausgesetzt, durch die anderen Bakterien nicht 
überwuchert. È 

Bodensaft, bei 400 (!) Atmosphären Druck aus Bodenproben von 
Gelsenkirchen, München, Detmold ausgepresst und sterilisiert, liess keine 
Vermehrung eingesäter Typhusbacillen erkennen, wenn die Proben nach 
längerem Regen entnommen waren, dagegen trat eine sehr starke Ver- 
mehrung ein, wenn der Entnahme der Proben lange Trockenheit 
vorausgegangen war. y 

Nun hatte die Bodenverunreinigung im Gelsenkirchener Typhusgebiet 
1901 einen Grad und eine Ausdehnung erreicht, „wie sonst kaum irgendwo 
in der Welt in höherem Masse“. Der Grund hierfür liegt in der sehr 
dicht gedrängten, sehr stark zunehmenden, bunt zusammengewürfelten 
Bevölkerung und ihrer Lebenshaltung und in dem Fehlen der notwendigen 
Entwässerung. Senkungen des Bodens infolge des Bergbaues, 
Eisenbahndämme und Wegaufschüttungen treten dem Abfluss hindernd 
und sperrend entgegen. Die Folge sind Jauchegräben ohne Gefälle, oft 
seeartig sich erweiternd und häufig durch eingeleitetes Maschinen-Kondens- 
wasser erheblich erwärmt, welche nicht blos das Abwasser der Häuser, 
sondern auch den Inhalt der Aborte aus Undichtigkeiten der Wände oder 
Ueberläufen, die Abwässer der Schweineställe, der Schlachthäuser u.s.w. 
aufnehmen. Emmerich stellt sich nun die Entstehung der Typhusepidemie 
folgendermassen vor: Bei Regen, wie er im Frühjabr 1901 reichlich fiel. 
steigt das Grundwasser, überflutet vielfach die Bodenoberfläche, schwemmt 
den Inhalt vieler Aborte und Schmutzwasserkanäle über das Land, sättigt 
es mit organischen Stoffen und verbreitet offenbar gleichzeitig auch 
Typhusbacillen, die von den stets vorkommenden einzelnen Typhus- 
fällen herrühren. Nun folgte von Mai bis August eine ausserordentlich 
lange anhaltende Dürre, das Grundwasser sank, in dem nun lufthaltigen Boden 
stieg die Wärme und bei der vorhandenen Feuchtigkeit und Verunreinigung 
fanden die Typhusbacillen die Bedingungen zu einer sehr starken Ver- 
mehrung an zahlreichen Stellen der Erdoberfläche. Durch das 
Fusszeug der Menschen wurden sie umhergeschleppt und verbreitet, 
durch Insekten, Fliegen, Ameisen, Asseln, Schaben, Mäuse, Ratten 
und andere Tiere auf die Nahrungsmittel der Menschen (Milch, ge- 
kochte Kartoffeln und dergl.) verstreut und entwickelten sich bei der Sommer- 
hitze in kurzer Zeit zu Massenkulturen, die den „explosionsartigen“ 
Ausbruch der Epidemie verursachten. Erst als Ende August, Mitte Sep- 
tember und Anfang Oktober starke Regengüsse niedergingen, wurde der 
Boden wieder abgekühlt und gereinigt, indem die Typhusbacillen in die 


Infektionskrankheiten. 1267 


Tiefe des Bodens und in die Flüsse geschwemmt wurden, und hierdurch die 
Epidemie ihrem Ende zugeführt. 

In dieser Art schreibt Emmerich dem Boden die wesentliche Schuld für 
die Typhusepidemie zu, zugleich bestreitet er aber die Verbreitung der 
Typhusbacillen durch das Wasser. Auch hierüber hat er Versuche ange- 
stell. Durch Wasser aus dem Eibergbach und der Ruhr wurden da- 
nach Millionen von Typhusbacillen aus Agarkulturen bei 15° in 70 bis 
105 Stunden abgetötet. Wurde das Eibergbach- und Ruhrwasser vorher 
sterilisiert, so blieb die Zahl der eingesäten Typhusbacillen in 5 Tagen unver- 
ändert und zeigte weder eine Zu- noch Abnahme. Den stark abtötenden 
Einfluss des rohen Bach- und Flusswassers findet Emmerich nun in 
2 Bodonenarten, die ebenso wie Infusorien und andere mikroskopische 
Wassertiere die Typhusbacillen fressen und dabei sich stark ver- 
mehren. Da die Typhusbacillen selbst sich im Wasser nicht vermehren, so 
muss durch die Bodonen u. s. w. ihre schnelle Abtötung erfolgen. Das 
Mass der letzteren ist nach Emmerichs Berechnungen so gross, dass auf 
der 1,3km langen Strecke vom Eibergbache bis zur Ruhr und dem Stichrohr 
in 3/, Stunde sämtliche Typhusbacillen von 40 Typhusstuhlgängen 
sicher zu Grunde gegangen sein würden (vgl. dagegen die Untersuchungen 
von Fehrs, diese Zeitschr. 1906. S. 113. Ref.). Die Vermehrung der Typhus- 
bacillen im Ruhr- und Eibergbachwasser erklärt Emmerich für ausge- 
schlossen, weil nach Untersuchungen von Bolton im Flüggeschen Institut 
mindestens 67 mg stickstoffhaltige organische Stoffe in 1 Liter Flüssigkeit 
enthalten sein müssen, wenn Typhusbacillen darin eine Vermehrung erfahren 
sollen, und die chemischen Untersuchungen des Ruhr- und Eibergbachwassers 
bei weitem geringere Zahlen ergaben. Auch sei der Keimgehalt der Ruhr 
und des Leitungswassers während der Epidemie nicht höher ge- 
funden worden als vor- und nachher. Die Desinfektion der Wasser- 
leitung wird natürlich für wirkungslos erklärt. 

Während bisher die Bodenreinigung durch Kanalisation das Hauptmittel 
der Anhänger der lokalistischen Lehre von der Typhusentstehung war, welches 
gegen Typhusepidemien angeraten wurde (München, Danzig), schlägt Emme- 
rich vor, ausserdem die gute Wirkung des starken Regens für die 
Beendigung von Ausbrüchen der Krankheit zu benutzen, und beruft sich 
darauf, dass sein Vorschlag energischer Abspülungen der Strassen, 
Höfe und Zwischenräume zwischen den Häusern (täglich mindestens 
25 Liter auf 1 qm Bodenfläche) in Detmold 1904 ausgeführt worden sei 
und den Erfolg gehabt habe, dass genau 14 Tage nach dem Beginn der 
Abspritzungen ein ausgeprägter und anhaltender Rückgang der Seuche 
unverkennbar war. Globig (Berlin). 


Kaerger E., Der Typhus in Südwestafrika. (Ostabteilung [Major 
v. Glasenapp) und Marine-Expeditionskorps) Februar 1904 bis 
März 1905. Inaug.-Diss. Kiel 1905. 

Der Verf. gibt eine Schilderung der Typhuserkrankungen (200) in Süd- 
westafrika bei der Ostabteilung und dem Marine-Expeditionskorps; er be- 


92° 


1268 Infektionskrankheiten. 


spricht die Ursachen, den Verlauf und die Besonderheiten des Typhus in dem 
Schutzgebiete. 

Die Ursache der gebäuften Krankheitsfälle sieht er 

1. in der Steigerung der persönlichen Disposition (Entbebrung, Strapazen, 
uhygnienische Lebensweise u. s. w.), - 

2. in dem Trinkwasser und 

8. in der Bodenverunreinigung, die durch längeres Lagern u. s. w. einer 
kriegsbereiten Truppe eintritt. 

Von den gegen die Epidemie getroffenen Massnahmen sind zu nennen: 
Warnung und Verbot vor dem Trinken ungekochten Wassers; Vorsicht beim 
Wasserschöpfen; Reiolichkeit im Lager; Benutzung der angelegten Abortan- . 
lagen im Lager; frühzeitige Absonderung jedes verdächtigen Typhusfalles und 
Aufnahme ins Lazarett; Verteilung eines vom Marine-Oberstabsarzt Metzke 
ausgearbeiteten Typhusmerkblattes an die Mannschaften; vorherige Untersuchung 
der Wasserstellen; Einstellung eines besonderen Entnahmegefässes; Desinfektion 
von Stuhl, Urin, Wäsche und Bekleidungsstücken u. s. w. 

In dem speciellen Teil werden das allgemeine Krankheitsbild, Sektions- 
befund, Inkubationszeit, Begleiterscheinungen u. a. m. besprochen. 

Von den 200 Fällen sind gestorben: 34 = 17%, 
dienstfähig entlassen: 90 = 45%; 
heimgesandt: 76 Kranke = 38°/,. 

Bemerkenswert ist die Mitteilung des geringen Befallenwerdens der Ein- 
geborenen. Verf. glaubt, dass diese Tatsache in einer gewissen erworbenen 
Immunität der Eingeborenen begründet ist, ähnlich der in Deutschland beob- 
achteten Erscheinung, dass an er bauptsächlich nur Zugezogene und 
Kinder erkranken. 

Zum Schluss hebt er héivor: 

1. die zahlreichen typhusartigen Erkrankungen in Südwestafrika verhalten 
sich klinisch und pathologisch-anatomisch genau wie echter Typhus; 

2. die grössere Mortalität des dortigen Typhus beruht hauptsächlich auf 
der durch häufige Menschenpassage und durch zahlreiche Uebertragungen von 
Mann zu Mann sebr starken Virulenz der Erreger und der durch den Krieg 
verursachten Herabminderung der Widerstandsfähigkeit des einzelnen Indivi- 
duums. Nieter (Halle a. S.). 


Klinger P., Ueber Typhusbacillenträger. Arbeiten a. d. Kais. Ges.-A. 
Bd. 24. S. 91. 

Verf. berichtet über die bei der Strassburger Station gemachten Erfah- 
rungen und Beobachtungen über Bacillenträger. In der Zeit vom 1. Juli 1903 
bis 31. März 1905 wurden 23 Bacillenausscheider (vom 60 jährigen Greise bis 
zum 18 Monate alten Kinde) beobachtet. 9 waren männlichen, 14 weiblichen 
Geschlechtes. Bei 8 Personen wurden Typhusbacillen auch zeitweise im Urin 
aufgefunden; 7 mal handelte es sich um Frauen, bei welchen eine Ueber- 
wanderung der Bacillen von der Analöffnung in die Vulva leicht erklärlich 
ist. Katheterisierter Harn erwies sich als steril. In ihrer Gesamtheit lassen 
sich die Typhusbacillenträger trennen: 


Infektionskrankheiten. 1269 


1. in solche, die weder früher noch auch im Anschluss an den Bacillen- 
fund irgend welche nachweislichen klinischen Erscheinungen darboten, und 

2. in solche, die vor kürzerer oder längerer Zeit einen regelrechten Unter- 
leibstyphus überstanden haben. 

Zur ersten Gruppe gehören von den 23 Bacillenträgern 11; sie wurden 
unter ungefähr 1700 Personen aufgefunden. Die Ausscheidung dauerte in den 
meisten Fällen nur kurze Zeit (akute Bacillenträger). In der zweiten Gruppe 
(chronische Bacillenträger) überwiegt das weibliche Geschlecht (auf 3 Männer 
9 Frauen). Unter 482 Typhösen, die während der Genesung untersucht wurden, 
fanden sich 63 = 13,1%/,, bei denen die Erreger noch nachgewiesen werden 
konnten. Von diesen schieden 8 sie länger als 6 Wochen nach der Ent- 
fieberung aus. 

Nach den bisher gewonnenen Beobachtungen und Erfahrungen scheint es, 
dass die Typhusbacillen unter gewissen, noch völlig unbekannten Umständen 
nach Ablauf der Krankheit in der Gallenblase ein saprophytisches Dasein 
weiterführen und von hier aus in den Darm gelangen können; auch scheinen 
sie zur Bildung von Gallensteinen Anlass zu geben. 

Ein nachträgliches Verschwinden wurde mit einiger Sicherheit nur einmal 
beobachtet. Nieter (Halle a. S.). 


Kayser H., Milch und Typhusbacillenträger. Arbeiten a. d. Kais. Ges.-A. 
Bd. 24. S. 172. 

Verf. berichtet über die Resultate seiner Ausforschung bei wahrscheinlicher 
Typbusansteckung durch die Milch in Strassburg während des Jahres 1905. 
Es gelang ihm durch seine Ermittelung, für einige Fälle einen 12 jährigen 
Jungen als Typhusbacillenträger in einem Milch abgebenden Haushalte, 
in welchem mehrfache Gelegenheit zur Verunreinigung der Milch bestanden 
hatte, aufzufinden. In einer weiteren durch den Genuss roher Milch veran- 
lassten Epidemie (17 Typhusfälle, 2 davon tödlich) wurde eine Frau als 
Bacillenträgerin festgestellt, welche in einer Milchwirtschaft beschäftigt und 
als unverdächtig angesehen war. Die Auffindung dieses letzten Bacillenträgers 
war mit grossen Schwierigkeiten verbunden. Alle Erkrankten bezogen die 
Milch aus einer Grossmolkerei, die nur Sammelmilch verkaufte. Aus der 
Lieferantenliste dieser Molkerei konnte schliesslich nach vielfachen Erhebungen 
der genannte Bacillenträger ausfindig gemacht werden. Den Weg von sicherer 
Typhusverschleppung durch Genuss roher Milch zeigt Verf. endlich in ein- 
deutiger Weise bei 2 anderen Fällen, in denen kaum eine andere Infektions- 
möglichkeit in Betracht gezogen werden kann. Zum Schluss gibt er noch an, 
dass von 260 Typhusfällen bei 60 ein Zusammenhang mit roher Milch fest- 
gestellt werden konnte. Aus einem Ueberblick über die Berufsarten bezüglich 
der Bedeutung der rohen Milch für die Typhusverbreitung geht hervor, dass 
hauptsächlich Dienstmädchen, Küchenpersonal und Bäcker erkranken. Von 
260 Personen waren Dienstmädchen und Küchenpersonal 30 = ca. 11°/, und 
Bäcker 12= 5°/,. Arbeiterfrauen und Haustöchter, die die Küche besorgen, 
zählte Verf. 44 = 17%,. Nieter (Halle a. S.). 


1270 Infektionskrankheiten. 


Kayser H., Ueber die Gefährlichkeit von Typhusbacillenträgern. 
Arbeiten a. d. Kais. Ges.-A. Bd. 24. S. 176. 

Verf. betont bei Gelegenheit eines Berichtes über eine Reihe von Typhus- 
fällen, die nachweislich durch Bacillenträger verursacht sind, die Gefähr- 
lichkeit ‘der Bacillenträger für ihre Umgebung und ihre Bedeutung für die 
Typhusverbreitung. Auf das Material der Stadt Strassburg von Oktober 1904/05 
kommen von 205 Typhen sechs, bei denen mit grösster Wahrscheinlichkeit 
chronische Bacillenträger die Infektionsquelle abgaben, sowie weitere 22, bei 
welchen Milch die Verbindung zwischen Bacillenträgern und neuen Typhen 
berstellte. Insgesamt konnten demnach 28 mal auf völlig gesunde „Träger“ 
Neuinfektionen mit Typhus zurückgeführt werden = in ca. 13,5°%/, der Fälle 
von Strassburg (Stadt). 

Bezüglich der Häufigkeit führt Verf. seine und Brions Erfahrung an, 
nach welcher ca. 1,5°/, von klinisch sorgfältig behandelten Fällen aus Strassburg 
(Stadt) chronische Bacillenträger wurden. Zur Aufdeckung der Bacillenträger 
schlägt Verf. zum Schluss noch vor, sollte, selbst wenn vier- oder mehrmals 
sich keine Typhusbacillen finden, nach Jahr und Tag eine Nachuntersuchung 
gemacht werden, ein Verfahren, welches zur Zeit für Strassburg (Stadt) zur 
Durchführung gelangt. Nieter (Halle a. S.). 


Zedelt, Wilhelm, Ueber die typhösen Eiterungen. Inaug.-Diss. Breslau - 
1900. 

Verf. beschreibt zwei in der Breslauer chirurgischen Universitäts- 
klinik beobachtete Fälle, bei welchen sich im Anschluss an Typhus schwere 
Riterungen einstellten. Bei dem einen Falle war während des Typhus ein 
Empyem aufgetreten, während es sich im anderen Falle um eine Osteomy- 
elitis costae posttyphosa mit Fistelbildurg handelte. 

Nach der dann folgenden sehr ausführlich gebrachten und klaren Zu- 
sammenstellung der gesamten in der Literatur bekannten Arbeiten, welche sich 
mit typhösen Eiterungen befassen, unterzieht er im Anschluss hieran die 
beiden angeführten Fälle einer kritischen Betrachtung. 

Aus der grossen Reihe der sich mit dieser Frage beschäftigenden For- 
schungen wird das Resume gezogen, dass den Typhusbacillen zweifellos 
eitererregende Eigenschaften zukommen, dass aber andererseits in den 
Fällen, wo im Eiter der Abscesse entweder nur pyogene Kokken oder diese 
mit Typhusbacillen zusammen gefunden werden, kein bestimmtes Urteil 
über die Pathogenese der eitrigen Processe gefällt werden darf, da verschie- 
dene Kombinationen vorliegen können. Nieter (Halle a. S.). 


Klieneberger C., Die Typhusdiagnose mittels Widaluntersuchungen 
in centralisierten Stationen. Zeitschr. f. ärztl. Fortbildung. 1905. 
No. 17. 

Die Abhandlung berichtet kurz über die während der Jahre 1903 und 
1904 in der Typhus-Untersuchungsstation des Instituts für experi- 
mentelle Therapie in Frankfurt angestellten Widalschen Reaktionen. Die 
Einrichtung einer derartigen Centralstelle hat sich auch hier wieder gut be- 


Infektionskrankheiten. 1271 


währt, insofern als im ersten Jahre (1903) bereits 127, 1904 239 Unter- 
suchungen auf Widalsche Reaktion erbeten und ausgeführt worden sind. 

Der „Widal“ wird in Frankfurt nach der von Pröscher veröffentlichten 
Methode angestellt und gilt als positiv, wenn damit bei einer Serumverdünnung 
1:40 Agglutination eintritt. Auf diese Weise wurden 55,7%), positive Resultate 
erzielt. In letzter Zeit wurde auch die Agglutination mit Paratyphusbacillen 
beobachtet und so 7 Fälle festgestellt, bei denen die Serumreaktion für Para- 
typhus sprach. Als Reagens wurde dabei eine Mischung gleicher Teile mit 
Formol abgetöteter Bouillonkulturen ven Paratyphus A und B benutzt. Es 
lässt sich daher nicht feststellen, welchem Typus die beobachteten Paratyphus- 
erkrankungen zuzuschreiben sind. Der Bericht enthält ausserdem eine Ueber- 
sicht über die angestellten Ehrlichschen Diazoreaktionen. 

Manteufel (Berlin). 


Klinger, Ueber neuere Methoden zum Nachweise der Typhusbacillen 
in den Darmentleerungen. Arb. a. d. Kais. Ges.-A. Bd. 24. S. 35. 

Die Arbeit bringt eine Vergleichung des Wertes der neueren Methoden 
zum Nachweis der Typhusbacillen in den Fäces auf Grund der 
Erfahrungen der Strassburger Typhus-Untersuchungsanstalt. Geprüft wurden 
die v.Drigalski-Gonradischen Lakmus-Milchzucker- Nutrose-Agar-Platten, die 
Endoschen Fuchsinplatten, die Fickersche Koffein-Anreicherung, das Lentz- 
sche Malachitgrün-Anreicherungsverfahren. Der Vergleich der beiden ersten 
Methoden ergibt sich aus folgenden Zahlen. 

Unter 173 Stublproben von 73 fiebernden Typhuskranken fanden sich 
Typhusbacillen 

auf Lakmusplatten 46 mal = 26,60), 
» Fuchsinplatten 68 „ = 39,39%), 

Bei 75 fiebernden Typhuskranken fanden sich bei der ersten Untersuchung 

Typhusbacillen 
auf Lakmusplatten 21 mal = 28,8%), der Fälle 
» Fuchsinplatten 29 „ = 39,7%, n  » 

Nur zweimal wurden auf Lakmusplatten Typhusbacillen gefunden, wenn 
sie auf der Parallelserie mit Endoplatten nicht vorhanden waren. Der Endo- 
sche Nährboden stellt sich im Gebrauch billiger als der v. Drigalski- 
Conradische, was bei dem grossen Verbrauch der Typhus-Untersuchungs- 
anstalten auch von gewisser Bedeutung ist. 

Die Bedeutung der Lentz-Tietzschen Malachitgrün-Anreicherung wird 
durch folgende Vergleichszahlen gegeben: 

Unter 42 Stuhlproben von typhuskranken Personen, die mit allen 3 Methoden 
untersucht wurden, fanden sich Typhusbacillen 

auf Lakmusplatten . . . . . 13 mal = 30,9%), 
» Fuchsinplatten . . . . .16 „ = 38,1% 
durch das Malachitgrünverfahren 27 „ = 64,3°/, 

Die Ergebnisse des Malachitgrünverfahrens gegenüber dem einfachen 
Plattenverfahren werden als überraschend gute bezeichnet. 

Die Resultate mit der Fickerschen Anreicherung sind nicht ganz so 


1272 Infektionskrankheiten. 


günstig; einen Vergleich zwischen alle 4 Methoden zeigen folgende Zahlen: 
Unter 43 Untersuchungen, bei denen alle 4 Methoden herangezogen wurden, 
ergaben ein positives Resultat 


die Lakmusplatten . . . . . . . . . 13mal 
» Fuchsinplatten . . i aoa a a 16, 
das Koffeinverfahren. . . 2 . .... 20, 
n» Malachitgrünverfahren . . . . 26 „ 


Es wird jedoch betont, dass keine der 4 Methoden bei nur einmaliger 
Untersuchung hinreichend zuverlässige Resultate gibt, sofern die Untersuchung 
negativ ausgefallen ist. 

Die Arbeit enthält ausserdem detaillierte Angaben über die Herstellung 
der benutzten Nährboden. Hayo Bruns (Gelsenkirchen). 


Schütze, Albert, Ueber den Nachweis Eberth-Gaffkyscher Bacillen 
in der Cerebrospinalflüssigkeit bei Typhus abdominalis. Berl. 
klin. Wochenschr. 1905. No. 47. S. 1465. 

Verf. gelang es bei zwei russischen Soldaten auf dem Kriegsschauplatze 
in der Mandschurei in der Cerebrospinalflüssigkeit, die durch Lumbal- 
punktion gewonnen war, Typhusbacillen nachzuweisen und zwar bevor 
die bakteriologische Untersuchung von Stuhl, Blut u. s. w. sowie die 
klinischen Erscheinungen eine sichere Diagnose gestattet hatten. Die vor- 
handenen klinischen Erscheinungen wie Kopfschmerzen und Nackensteifigkeit 
sprachen mehr für eine Cerebrospinalmeningitis. Beide Fälle gingen in Gene- 
sung über. Baumann (Metz). 


v. Drigalski, Ueber ein Verfahren zur Züchtung von Typbusbacillen 
aus Wasser und ihren Nachweis im Brunnenwasser. Arb. a. d. 
Kais. Ges.-A. Bd. 24. S. 68. 

v. Drigalski gelang es, aus 2 Brunnen, die für die Verbreitung von 
Typhusfällen in Betracht gezogen waren, Typhusbacillen durch folgendes 
Verfahren aufzufinden: Er entnahm Mengen von 5—10 Litern des verdäch- 
tigen Wassers in hohen Blechkannen (Milchkannen) und liess das Wasser 
in ihnen 1—2 Tage stehen. In der Erwartung, dass die beweglichen Typhus- 
bacillen an die Oberfläche kommen würden, entnahm er die zur Untersuchung 
dienenden Wasserproben von der Oberfläche und säte 60—100 ccm auf eine 
grössere Anzahl Lakmusagarplatten aus. In beiden Fällen erhielt er je eine 
Kolonie, die deutlich agglutinierte; die erste Kultur wurde durch Kultur, Be- 
stimmung des Agglutinationstiters und durch Pfeifferschen Versuch identi- 
ficiert. Im zweiten Fall missglückte die Reinzüchtung der Bakterien, so dass 
nur die orientierende Deckglasprobe ein typisches Resultat gab. 

Eine Schliessung beider Brunnen erfolgte; weitere Infektionen blieben 
vollständig aus. Hayo Bruns (Gelsenkirchen). 


Infektionskrankheiten. 1273 


Herford M., Das Wachstum der zwischen Bacterium coli und Bac. 
typhi stehenden Spaltpilze auf dem Endoschen Fuchsinagar. 
Arb. a. d. Kais. Ges.-A. Bd. 24. S. 62. 

Die vielfache Verwendung des Endoschen Fuchsinagars zum Nachweis 
der Typhusbacillen in den bakteriologischen Untersuchungsanstalten machte 
systematische Untersuchungen über das Wachstum der sämtlichen Bakterien 
der sogenannten Typhus-Coli-Gruppe notwendig. Diese ergaben, dass sich 
auf Endoplatten die meisten dieser „Zwischenstufen“ besser von Typhus- 
kolonien unterscheiden lassen, als auf v. Drigalski-Conradischem Lakmus- 
nährboden. Teils wachsen sie sebr viel rascher als Typhusbacillen, teils zeigt 
die Struktur der Kolonie andere Zeichnung oder rötliches Centrum, während 
die Typhusbacillen homogen glashell erscheinen. Nicht zu unterscheiden sind 
von Typhuskolonien diejenigen des Typus A der Paratyphusbacillen; sehr 
ähnlich wachsen Dysenteriebacillen und der Bac. faecalis alcaligenes. Einzel- 
heiten müssen in der Arbeit selbst nachgelesen werden. 

Hayo Bruns (Gelsenkirchen). 


Besserer A, und Jaffé J., Ueber Typhuskulturen, die sich den Immuni- 
tätsreaktionen gegenüber atypisch verhalten. Aus d. Institut f. 
Infektionskrank. in Berlin. Deutsche med. Wochenschr. 1905. No. 51. S. 2044. 

Im November 1904 wurde im Institut für Infektionskrankheiten zu Berlin 
aus dem Stuhlgang eines gesunden Menschen, der 4 Jahre früher Typhus 
überstanden hatte, eine Typhuskultur gezüchtet, welche zwar alle übrigen 
Kennzeichen der Echtheit aufwies, namentlich auch durch ein Immun- 
sernm noch in der Verdünnung von 1:25000 agglutiniert wurde, aber im 
Pfeifferschen Versuch durch ein stark baktericides Serum sich nicht 
beeinflussen liess. Diese auffällige und bisher noch nicht beobachtete Er- 
scheinung gab Anlass zur Prüfung der Frage, ob eine derartige Serum- 
festigkeit etwa mit der Herkunft der Kultur von einem sogenannten 
„Dauerausscheider“ in Zusammenhang stände. In der Tat ermittelten die 
Verff. noch 2 Kulturen von Dauerausscheidern und eine Kultur von einem 
ambulanten Typhuskranken, welche die gleiche Eigenschaft zeigten; allerdings 
war sie gegen Immunserum von verschiedenen Typhusstämmen bei den einzelnen 
Kulturen in verschieden hohem Grade entwickelt. Die Möglichkeit, dass es 
sich in dem Falle des ambulanten Typhuskranken ebenfalls um Daueraus- 
scheidung gehandelt hat, ist ziemlich naheliegend. Bei Kulturen von typi- 
schen Typhuserkrankungen wurde dagegen nie etwas derartiges beob- 
achtet. 

Bei Immunisierung von Kaninchen mit den abgetöteten serumfesten Kul- 
turen gewannen die Verff. nur durch die Kultur von dem ambulanten Typhus 
stark bakteriolytisches Serum, welches diese Kultur und andere Typhusstämme 
zur Auflösung brachte. Meerschweinchen konnten aber auch durch die übrigen 
serumfesten Stämme gegen echten Typhus immunisiert werden und typhus- 
immune Meerschweinchen waren auch gegen Infektion mit den Daueraus- 
scheiderkulturen geschützt. Daraus geht hervor, dass die letzteren unzweifel- 
hafte Typhuskulturen waren. 


1274 Infektionskrankheiten. 


Durch diese Versuche ist erwiesen, dass der negative Ausfall des 
Pfeifferschen Versuchs allein nicht ausreicht, um auszuschliessen, 
dass es sich bei einer bestimmten Kultur um Typhus handelt. 
Die Bedeutung des positiven Ergebnisses des Pfeifferschen Versuchs wird 
natürlich nicht beeinträchtigt. Globig (Berlin). 


Trommsdor# R., Ueber den Mäusetyphusbacillus und seine Ver- 
wandten. Nach einem Vortrag, gehalten auf der Naturforscherversamm- 
lung zu Meran (Sektion Hygiene u. s. w.) 25. Sept. 1905. Arch. f. Hyg. 
Bd. 55. S. 279. 

Verf. gibt zunächst eine Zusammenstellung über die Arbeiten und Resul- 
tate der einzelnen Autoren, die Klarheit in die Gruppe des Mäusetyphus- 
bacillus und seiner Verwandten zu bringen versuchten. Nie teilweise 
sich völlig widersprechenden Ergebnisse glaubt Trommsdorff dem Umstande 
beizumessen, dass die Mehrzahl der Forscher meist nur mit einem oder 
nur wenigen Stämmen der einzelnen Bakterienspecies gearbeitet hätten. Er 
ist daber von der Ansicht ausgegangen, dass er durch vergleichende agglu- 
tinatorische Untersuchungen möglichst vieler verschiedener Stämme derselben 
Art in der Identität oder Nichtidentität der zur Diskussion stehenden Bak- 
terien in entscheidender Weise beitragen könne. Zu seinen Untersuchungen 
benutzte er eine grössere Anzahl verschiedener Stämme folgender Bakterien: 
Mäusetyphus, Bac. enteritidis, Paratyphus B und Suipestifer, ferner Kulturen 
des Fleischvergifters Aerthryk und der Psittakosis (letztere bezogen von 
M. Neisser). Alle Bakterien zeigten in ihren morphologischen und biolo- 
gischen Eigenschaften keine wesentlichen Unterschiede. Bei seinen Versuchen 
ging er in der Weise vor, dass er durch Injektion abgetöteter Agarkulturen 
agglutinierende Sera herstellte, von denen jedes bis zur Verdünnung von 40000 
austitriert wurde. Aus den in einer grossen Tabelle aufgeführten Ergebnissen 
sei hier nur folgendes erwähnt: „Die Mäusetyphussera agglutinierten 
alle Mäusetyphusstämme, nicht die Enteritidisstämme, bis auf 
einige Ausnahmen, dagegen grösstenteils den Stamm Aerthryk. 
Das Gleiche gilt für Schweinepest- und Paratyphus B und für die 
Psittakosis. Die Enteritidissera agglutinierten alle Enteritidis- 
stämme und zeigten in den übrigen Bakteriengruppen nur wenig 
hohe Titer (am meisten Suipestifer gegenüber). Ein Suipestifer- 
serum (Kräl) agglutinierte die Schweinepeststämme (mit einer 
Ausnahme), die Mäusetyphus- und Paratyphus-B-Stämme (Aus- 
nahme Stamm Saarbrücken), den Bac. Aerthryk, dagegen nur ge- 
ring die Psittakosiskultur und gar nicht die Enteritidisstämme. 
Das Paratyphus-B-Serum agglutinierte nur einen Paratyphus B- 
und einen Suipestiferstamm hoch.“ 

Unter Berücksichtigung der Resultate der bisherigen Forschung auf diesem 
Gebiete und der eigenen Agglutinationsversuche kommt Verf. zu dem Schluss, 
„dass die Agglutinationsprüfung, wenigstens in ihrer jetzigen 
Methodik, behufs Differenzierungen der Bakteriengruppe: Mäuse- 
typhus, Fleischvergifter Typ. enteritidis, suipestifer, Paratyphus 


Infektionskrankheiten. 1275 


Typ. B, Psittacosis höchst unsichere Resultate liefert“. Trotzdem 
aber glaubt er gewisse specielle Schlüsse aus seinen eigenen Versuchen ziehen 
zu dürfen: 

1. Der Bacillus enteritidis ist von den übrigen Bakterien abzutrennen. 

2. Sowohl unter dem Paratyphus-B- wie den Schweinepestbacillen gibt es 
verschiedene Gruppen. 

Bei der Frage nach einer Erklärung der merkwürdigen Differenzen bei 
den verschiedenen Seris gegenüber denselben Stämmen bezw. beim gleichen 
Serum gegenüber den verschiedenen Bakterienstämmen und ferner der diffe- 
renten Ergebnisse der früheren Autoren ist er der Meinung, dass es am wahr- 
scheinlichsten sei, dass sich bei verschiedenen Tierindividuen eine ver- 
schiedene Reaktion in Bezug auf die Bildung von Agglutininen findet. 

Zu einer Erklärung für die Identität dieser sämtlichen Bakterien hält er 
sich nicht für berechtigt, da hierfür noch viele andere Punkte (Toxinbildung, 
Hitzebeständigkeit der Toxine tierpathogene Eigenschaften u. s. w.) eine sorg- 
fältige Berücksichtigung finden müssen. Für die nicht differenzierbaren Arten 
empfiehlt er vorläufig ruhig die verschiedenen Namen beizubehalten. 

Nieter (Halle a.S.). 


Mayer, Georg (Kaiserslautern), Ueber die Verschleppung typhöser 
Krankheiten durch Ameisen und die Pathogenität des Löffler- 
schen Mäusetyphusbacillus für den Menschen. Münch. med. Wochen- 
schr. 1905. No. 47. S. 2261. 

Verf. beobachtete in der bakteriologischen Untersuchungsstation zu Landau 
ein durch Mäusetyphusbacillen verursachtes Mäusesterben. Als Ursache 
der Uebertragung wurden Ameisen angesehen; es gelang, nach dem Ueber- 
tragen von Ameisen auf Lakmus-Nutrose-Agarplatten in ihren Spuren Mäuse- 
typhuskolonien wieder zu finden. Einige Zeit nach dem Beginn seiner Arbeiten 
mit Mäusetyphusbacillen erkrankte der Verf. selbst ziemlich schwer an einer 
akuten, ziemlich rasch vorübergehenden fieberhaften Darmaffektion; in Fäces 
und Urin liessen sich die gleichen Mäusetyphusbacillen nachweisen, sein Blut- 
serum reagierte durch Agglutination auf die gleichen Bacillen. Das Ergebnis 
der Arbeit ist der Nachweis der Pathogenität der Mäusetyphusbacillen für 
Menschen und die Möglichkeit der Verschleppung typhusähnlicher Krankheiten 
durch Ameisen. Hayo Bruns (Gelsenkirchen). 


Schottelius A., Bakteriologische Beobachtungen bei einer Paratyphus- 
epidemie. Münch. med. Wochenschr. 1905. S. 2116. 

In einem Gasthof in der Nähe von Freiburg trat 14 Tage nach dem 
Ausräumen einer Senkgrube eine typhusähnliche Erkrankung ziemlich 
gleichzeitig bei einer Anzahl von Bewohnern desselben auf. Aus Blut und 
Fäces konnten Paratyphusbacillen des Typus B, und zwar nur solche, 
keine des Typus A und keine Typhusbacillen gezüchtet werden. Unter aus- 
führlicher Würdigung der in der Literatur vorliegenden Agglutinationsresultate 
bespricht Schottelius die Ergebnisse, die ihm die Untersuchung der Blut- 
proben seiner Patienten hinsichtlich ihrer Agglutinationsfähigkeit auf Typhus- 


1276 Infektionskrankbeiten. 


bacillen, Paratyphus A und B und Colibacillen ergeben hat. In sämtlichen 
Fällen ging der Agglutinationstiter für den Typus B weit über den für die 
übrigen geprüften Bakteriensorten hinaus. Die Agglutinationsgrenze für Para- 
typhusbacillen des Typus B schwankte zwischen 1:400 und 1:4000, die Mit- 
agglutinationsgrenze für die übrigen geprüften Bakteriensorten zwischen 1:20 
und 1:100, gelegentlich 1:200. Oft war diese „Nebenagglutination“ viel 
schwächer als die richtige Agglutination in der Grenzdosis und liess sich 
dadurch unterscheiden. Gelegentlich wurden bei einer wahren Agglutination 
mit Paratyphusbacillen Hemmungszonen des Serums beobachtet, dergestalt, 
dass bei 1:20, 1:40, 1:60 Agglutination ausblieb, dagegen bei 1: 100, 
1:200, 1:400, 1:800 deutlich ausgesprochen war. 
2 Hayo Bruns (Gelsenkirchen). 


Conradi H., Ueber den Zusammenhang zwischen Endemien und 
Kriegsseuchen in Lothringen. Arbeiten a. d. Kais. Ges.-A. Bd. 24. 
An der Hand historischer Tatsachen und eigener sorgfältiger Beoachtungen 
sucht Verf. darzulegen, dass in Lothringen und insbesondere um Metz Ruhr 
und Typhus seit altersher endemische Volkskrankbeiten bilden, und dass 
Ruhr und Pararuhr, gleichwie Typhus und Paratyphus, nebeneinander vor- 
kommen. Bei allen zur Beobachtung gelangten Fällen zeigte sich die gleiche 
immer wiederkehrende Erscheinung: „Es erkrankten von älteren Personen nur 
solche, die eingewandert waren, keine Einheimischen.“ Aus einer tabellarischen 
Aufstellung der Todesfälle an Ruhr nach Altersgruppen vor dem Feldzuge 
1870/71 geht hervor, dass fast genau ein Drittel der Todesfälle an Ruhr Kinder 
unter 10 Jabren betraf. Damit wird der Beweis erbracht, dass bereits 
in den 60er Jahren des vorigen Jahrhunderts die Ruhr in Metz 
endemisch war, wie beute, und dass diese schon vor dem deutsch- 
französischen Feldzuge unter der Metzer Bevölkerung herrschende 
Endemie den Ausbruch der Kriegsseuche herbeigeführt hat. Auch 
für den Typhus kommt Verf. auf Grund seiner vielen sorgfältigen, lehr- 
reichen und interessanten Tabellen zu dem Resultat, dass vor 1870 der Abdo- 
minaltyphus in der Metzer Bevölkerung bereits endemisch war, und dass da- 

durch die gewaltige Typhusseuche des Jahres 1870 entfacht worden ist. 

Nieter (Halle a. S.). 


Jehle, Neue Beiträge zur Bakteriologie und Epidemiologie der Ruhr 
im Kindesalter. Jahrb. f. Kinderheilk. Bd. 62. H. 4. 

Verf. fügt den 27 bereits früher von ihm beobachteten Fällen 11 weitere 
hinzu. Nach seinen Untersuchungen muss sowohl der Typus Kruse-Shiga 
als auch der Typus Flexner als Erreger der kindlichen Dysenterie anerkannt 
werden. Im einzelnen Falle findet sich fast stets nur ein Typus in den Stuhl- 
gängen. Die Flexnerinfektionen zeichnen sich durch ganz besonders hoch- 
gradige Infektiosität aus. 

Das Blutserum der Patienten agglutiniert stets nur die in den Fäces vor- 
handene Art des Ruhrbacillus. Hochwertige Sera Dysenteriekranker agglu- 
tinieren jedoch mitunter auch Typhusbacillen noch in einer Verdännung 1:20; 


Bäder. $ 1277 


häufig lässt sich ferner neben der Agglutination der Dysenteriebacillen eine 
gleichzeitige Agglutination der Colistämme aus dem Stuhle der Patienten 
nachweisen. 

Bei anderweitigen Darmerkrankungen wurde niemals der Dysenterieerreger 
in den Stühlen gefunden; auch wurde bei diesen Kindern niemals eine posi- 
tive Serumreaktion erzielt. Stoeltzner (Halle a. S.). 


Veröffentlichungen der Deutschen Gesellschaft für Volksbäder. 
Bd. 3. H. 4. Berlin 1905. August Hirschwald. S. 875—500. 

Becker, Hans, Badeanstalten beim Eisenbahnbetriebe. 

Badeeinrichtungen für das Fahr- und Werkstättenpersonal be- 
stehen schon vielfach und zwar da, wo ein grosses Heer von Bediensteten 
stationiert ist und wo das Zugpersonal seine Fahrt beendet, also in grösseren 
Stationen, in Heizbäusern und Werkstätten. So besitzt die Station Linz der 
österreichischen Staatsbahn eine Einrichtung mit 88 Brausen, in welcher jähr- 
lich über 12000 unentgeltliche Bäder verabfolgt werden. Benachteiligt sind 
in dieser Beziehung sehr die Beamten und Arbeiter der Strecke. Es liesse 
sich aber leicht ohne grosse Kosten überall da Abhilfe schaffen, wo ein ge- 
werblicher Betrieb mit Dampfkesselanlagen besteht. Die Abgabe des erforder- 
lichen Dampfes für die Erwärmung der Baderäume, für 1—2 Brausen und ein 
Wannenbad dürfte in den meisten Fällen zu erlangen sein. Durch ein geringes 
Entgelt (10 Heller für eine Brause, 20—30 Heller für ein Wannenbad) würden 
die Betriebskosten leicht zu decken sein. 
Czaplewski, Zur Frage der öffentlichen Bäder. 

Verf. schlägt vor, die Brausebäder nicht in geschlossenen Zellen, sondern 
im Halbkreis angeordnet einzurichten, mit reichlich Licht und mit hohen Fuss- 
wannen mit kaltem und warmem Wasser, vor denen man auf Schemeln sitzt. 

Gegen die Hallenschwimmbäder besteht im Publikum vielfach eine 
Abneigung, da sie für unsauberer gehalten werden als Flussbäder; freilich sehr 
mit Unrecht, denn die Flüsse können sich an Reinlichkeit und Gefahrlosigkeit 
in bezug auf bakterielle Infektionen mit gut gehaltenen Hallenschwimmbädern 
nicht messen. Immerhin könnte in letzteren noch mehr für die Reinlichkeit 
geschehen durch die luxuriösere Ausstattung der Aborte, durch Anbringen von 
Waschgelegenheiten und Bidets mit Spülung in denselben. Bei den Fluss- 
badeanstalten besteht nur noch der Vorzug des Badens in frischer Luft, aber 
auch der liesse sich auf die Hallenschwimmbäder übertragen. Verf. denkt 
für den Sommerbetrieb an die Anlage eines grösseren ummauerten Gartens 
mit Schwimmbad, Wellenbad, Brausen, Sonnenbad und Turnplatz, ähnlich dem 
bereits bestehenden Ungererbad bei München. Den vorhandenen geschlossenen 
Hallenschwimmbädern liesse sich im Sommer frische Luft leicht dadurch zu- 
führen, dass man das Glasdach zum Abnehmen oder ausgiebigen Oeffnen ein- 
richtete. Beitzke (Berlin). 


1278 Bäder. Abfallstoffe. 


Annalen der Schweizerischen Balneologischen Gesellschaft. H.1. 
Aarau 1905. H. R. Sauerländer & Co. 160 Ss. 

Unter der Redaktion des Dr. H. Keller in Rheinfelden erscheinen als 
Organ der Schweizerischen Balneologischen Gesellschaft seit 1905 
die vorliegenden Annalen, welche die auf den letzten 5 Jahresversammlungen 
gehaltenen Vorträge zum Abdruck bringen. Aus dem Inhalt seien hier er- 
wähnt die Abhandlungen von Roethlisberger wegen .ausgedehnter Reiben 
von Temperaturmessungen in der Achselhöhle, im Mund und im After 
während verschieden warmer Bäder, der Vortrag C. Bührers, Le climat de 
Montreux, wegen wichtiger meteorologischer Beobachtungen und ein im allge- 
meinen guter Aufsatz von Hans Loetscher über die Bedeutung der modernen 
physikalischen Chemie, speciell der Ionentheorie für die Mineralwasser- 
Trinkkur. E. Rost (Berlin). 


Loefler und Schmidtmann, Gutachten des Reichsgesundheitsrats über 
die Reinigung und Beseitigung der Abwässer der Stadt Alten- 
burg. XVIII Sammlung von Gutachten über Flussverunreinigung. 
Arb. a. d. Kais. Ges.-A. Bd. 22. S. 299. 

Die Stadt Altenburg ist für die Beseitigung ihrer Abwässer ange- 
wiesen auf einen kleinen, die Stadt durchfliessenden Wasserlauf, den Stadt- 
bach. In früherer Zeit mündeten die Abwässer in der Stadt direkt in diesen 
ein; jetzt werden sie in der Stadt in einem Kanalsystem gesammelt und ihm 
bei seinem Austritt aus dem Stadtgebiet zugeführt, wodurch er in eine stinkende 
Brühe verwandelt wird, deren Oberfläche mit dicken, fauligen Schlammmassen 
bedeckt ist. Die Abwassermenge (38000 Einwohner) beträgt 23 Sek.-Liter, 
die Menge des Bachwassers bei Niederwasser 30 Sek.-Liter. Die Fäkalien 
werden abgefahren, dagegen werden viele Industrieabwässer ungenügend ge- 
‘reinigt zugeführt. Der Vorschlag der Stadt war, in Zukunft den Kanalinhalt 
einschliesslich der Fäkalien in ein die gesamten Abwässer eines Tages fassen- 
des Sammelbecken einzuleiten, in diesem die Sink- und Schwimmstofte zurück- 
zuhalten und das Abwasser ohne weitere Reinigung dem Stadtbach zu 
übergeben. Selbstverständlich wäre dadurch der bisherige Zustand in keiner 

` Weise verändert worden. Es wurde daher die Anwendung des biologischen 

Verfahrens empfohlen, bei dem ein befriedigender Reinigungsgrad der Ab- 

wässer zu erzielen ist. Kisskalt (Berlin). 


Schoofs F., Epuration biologique des eaux-vannes.. (Commission 
spéciale d’études pour l’&puration biologique des eaux-vannes et 
des eaux résiduaires industrielles. Commissaires: Deffernez, 
Grenson et Schoofs.) Bruxelles 1905. Hayes. 7 pp. 8°. 

Die vorliegende kleine Schrift, welche dem Nachwort zufolge bei einer 
Sitzung in Lüttich im August 1905 den Anwesenden ausgehändigt wurde, ist 
zwar zum Teil schon durch neuere Untersuchungsergebnisse überholt worden, 
sie gibt aber eine so kurze und klare Darstellung der für die Abwasserreinigung 


Abfallstoffe. 1279 


wichtigen Punkte, dass ihr Inhalt im folgenden etwas ausführlicher, als es 
sonst in dieser Zeitschrift zu geschehen pflegt, wiedergegeben wird. 
1. Entstehung der biologischen Abwasser-Reinigungsverfahren. 

Den Ausgangspunkt bildeten die Rieselfelder, bei denen in England 
broad irrigation mit dem Nebenzwecke möglichst hoher landwirtschaftlicher 
Erträge und intermittent filtration unterschieden wird. Die letztere Art 
der Abwasserbehandlung, bei welcher man sich auf den möglichst kleinen 
Raum beschränkt, und bei welcher Pflanzenwuchs ausgeschlossen oder ganz 
hintenangesetzt wird, wird schon 1870 in den Berichten der River Pollution 
Commission erwähnt, und Frankland zeigte damals bereits, dass hierbei zu- 
gleich mechanische und chemische Vorgänge sich vollziehen. Später hat man 
an Stelle des natürlichen Bodens künstliche Körper mit verhältnis- 
mässig kleiner Oberfläche gesetzt. Im Jahre 1887 begannen in Lawrence, 
Massachusetts die klassischen Versuche der intermittierenden Filtration 
durch Sand, Torf, Gartenerde u. s. w., bei denen festgestellt wurde, dass 
die Hauptbedingungen für eine gute Reinigung des Abwassers reicher 
Gehalt des Filterkörpers an Sauerstoff und langsamer Ablauf des 
Vorganges sind, und dass man bei jedem Körper eine Zeit der Einarbei- 
tung, eine Zeit der vollen Wirkung und eine Zeit der Erschöpfung 
(letztere durch Luftabschluss bedingt) zu unterscheiden hat. Etwas später 
hatte Dibdin in London den Gedanken, das Abwasser in künstlichen Körpern 
durch die Tätigkeit von Mikroorganismen zu reinigen, und richtete 
1891 in Barking-Creek seine ersten Versuchsfilter ein. Hieran haben sich 
zahlreiche Versuche zum Teil in grossem Massstabe angeschlossen, die darauf 
hioauslaufen, das. Abwasser ohne vorherige chemische Behandlung in Becken 
zu bringen, die mit Koks oder anderen Stoffen angefüllt sind und Kontakt- 
Körper, Oxydationskörper oder Bakterienkörper genannt werden. 
Durch längeren oder kürzeren Aufenthalt in ihnen verlieren die Abwässer 
ihre Fäulnisfähigkeit, und man kann sie dann unmittelbar oder, nachdem 
sie noch einen zweiten biologischen Körper durchlaufen haben, in Flüsse ein- 
leiten. Zwischen den einzelnen Füllungen lässt man den Körpern — 
Füllkörpern — Zeit zur Lüftung. Diese Art der Abwasserbehandlung 
heisst „intermittierendes Oxydationsverfahren“. Manche Untersucher 
(Waring, Lowcock, Corbett, Stoddart, Whittacker, Bryant und Dun- 
bar) lassen .das Abwasser in beständigem laugsamem Strom durch die 
Körper gehen: diese heissen deshalb „Tropfkörper“ und das Verfahren 
„kontinuierliches Oxydationsverfahren“. Statt das Abwasser in 
frischem Zustande den biologischen Körpern zuzuführen, lassen es andere vor- 
her erst eine Fäulnis durchmachen — Faulraumverfahren — so Alexander 
Müller 1878 in Deutschland, Mouras 1882 in Frankreich, Scott Mon- 
erieff 1891 und Donald Cameron 1895 in England. 

2. Wirkung der biologischen Abwasser-Reinigung. 

a) Bei frischen (nicht gefaulten) Abwässern. 

Aerobische und ana@robische Bakterien können die organischen 
Stoffe von Grund aus verändern. Man nennt die sich hierbei vollziehenden 
Vorgänge „Fermentwirkungen“. Sie laufen in verschiedener Weise ab, 


1280 Abfallstoffe. 


z. B. manche wie der von den Chemikern als Hydrolyse bezeichnete Vorgang, 
bei welchem chemische Körper unter Aufnahme von Wasser sich abspalten. 
Bakteriolyse heissen derartige Veränderungen, wenn sie durch Mikroorga- 
nismen hervorgerufen werden. Armstrong hat den Namen Zymose für 
Fermentwirkungen durch lebende Organismen, Enzymose für solche 
durch ungeformte Fermente vorgeschlagen. Im allgemeinen handelt es 
sich um anaërobe Vorgänge, die man gewöhnlich Fäulnis nennt, wenn sie 
mit der Entwickelung von übelriechenden Gasen einhergehen. Verwesung ist 
dagegen eine aörobische Fermentwirknng. Mit Rideal unterscheidet man 
verschiedene Stufen der Fäulnis. Auf der ersten gehen bei Abwesenheit 
von Sauerstoff Veränderungen der Eiweissstoffe, Kohlehydrate und 
Fette vor sich, von denen die der Eiweissstoffe am wichtigsten sind. 
Diese unterliegen dabei der Hydrolyse, werden löslich und in Peptone ver- 
wandelt, die sich in immer einfachere Körper zersetzen und schliesslich zum 
Freiwerden von Ammoniak führen. In der 2. Stufe der Fäulnis vollzieht sich 
bei’mässigem Luftzutritt eine teilweise Oxydation, die zur Bildung von 
Nitriten führt — Nitrosifikation. Die 3. Stufe bilden die Vorgänge, 
welche zum Abschluss der Oxydation der Kohlenstoff- und Stickstoffverbin- 
dungen und zur Bildung von Nitraten führen — Nitrifikation. Hierbei 
sind Mikroorganismen beteiligt. An die Nitrifikation schliesst sich Denitri- 
fikation, deren eine Form, durch bestimmte Mikroorganismen bedingt, in 
einer Zerstörung der Nitrate besteht, die ohne Nitritbildung zur Ent- 
stehung von freiem Stickstoff führt. Eine 2. Form bewirkt Umwandlung von 
Nitraten in Nitrite. 
b) in Faulräumen. 

Nach manchen Forschern handelt es sich hier um rein physikalische 
Vorgänge der Sedimentbildung, die meisten nehmen aber auch noch 
chemische und biologische Einwirkungen an. Alexander Müller 
schrieb zuerst die Zersetzung der Abwässer den in ihnen enthaltenen Mikro- 
organismen zu. Leitet man Abwasser in einen Faulraum, so setzen sich 
seine festen Bestandteile zum grossen Teil am Boden ab, werden dort zersetzt 
und zum Teil durch Gasblasen an die Oberfläche gebracht. So bildet sich ein 
Ueberzug auf der Oberfläche der Flüssigkeit (Deckschicht), der sehr dick 
werden kann. Nach manchen Beobachtern wird hierdurch der Zutritt des 
Luftsauerstoffs zum Abwasser abgeschlossen. Dies ist aber nicht immer der 
Fall. Neben biologischen Vorgängen, die zuletzt die festen Bestand- 
teile, sei es oben oder unten, zerstören, gehen chemische und biologische 
Veränderungen einher, welche die gelösten Stoffe nach und nach zum 
Abbau bringen. Die Flüssigkeit ist aber noch nicht gereinigt, sie bedarf 
noch weiterer Behandlung in Oxydationskörpern. Ob die Vorgänge im Faul- 
raum den nachfolgenden Veränderungen im biologischen Körper günstig sind 
oder nicht, darüber ist man noch nicht einig. Nach Cameron und Schweder 
müssen die gelösten Stoffe noch vor der Oxydation Umwandlungen er- 
fahren, welche ihre zusammengesetzten Bestandteile in einfachere und unter 
dem Einfluss des Luftsauerstoffs zuletzt in anorganische Verbindungen über- 
führen. Dass ohne Fäulnis die Nitrifikation des im Abwasser enthaltenen 


Abfallstoffe. i 1281 


organischen Stickstoffs nicht möglich sei, ist eine übertriebene Be- 
hauptung. 
c) in den biologischen Körpern. 

Dass Mikroorganismen die organischen Stoffe des Abwassers verzehren, 
ist in dieser allgemeinen Fassung nicht zutreffend; es kommen bierbei viel- 
mehr noch zahlreiche andere Einflüsse in Betracht. In England ist sehr 
allgemein die Meinung verbreitet, dass die Zersetzung der organischen 
Stoffe sich vollziebe, während der Körper gefüllt ist. Nach Dibdin 
hält der biologische Körper alle gröberen Verunreinigungen zurück und oxydiert 
mittels lebender Organismen die gelösten und die aufgeschwemmten Stoffe. 
Dabei spalten die Mikroorganismen zuerst die organischen Stoffe in einfachere 
Verbindungen, namentlich Wasser, Kohlensäure und Ammoniak; dann wirken 
die nitrifeierenden Bakterien auf das Ammoniak und verwandeln es in Salpeter- 
säure. Dibdin erklärt 3 Bedingungen für wesentlich: Ueberfluss an Luft, 
Anwesenheit eines basischen Körpers wie z. B. Kalk, mit welchem 
sich die Salpetersäure verbinden kann, und Dunkelheit. Auch nach dieser 
Theorie geht die Reinigung vor sich, während der basische Körper gefüllt ist. 
Proskauer vertritt dagegen die Ansicht, dass die Spaltung der organischen 
Stoffe sich vollzieht, während die Körper leer stehen. Dunbar schreibt 
die Reinigungswirkung nicht den Mikroorganismen allein zu, weil das 
völlige Verschwinden der gelösten organischen Stoffe in 1—2 Stunden nicht 
auf der unmittelbaren Tätigkeit von Mikroorganismen beruhen kann, und weil 
die Oxydierbarkeit des Abwassers während der Ruhe des biologischen Körpers 
nicht in gleichmässigem Fortschritt, sondern grösstenteils plötzlich abnimmt. 
Nach Dunbar beruhen die Spaltungsvorgänge nicht auf der Tätigkeit von 
Mikroorganismen, sondern auf Absorption oder Adsorption, die z. B. auf 
gewisse Farb- und Riechstoffe anziehend wirkt. Die starke Adsorptionswirkung 
eingearbeiteter biologischer Körper geht von einem Gewirr von pflanzlichen 
und tierischen Organismen aus, welches als gallertiger Ueberzug die kleinsten 
Teilchen des biologischen Körpers bekleidet. Die Adsorption wird ge- 
ringer oder hört ganz äuf, wenn gewisse Bedingungen fortfallen, 
wie der Luftzutritt, die Tätigkeit der Mikroorganismen oder Enzyme, 
und die Ruhezeit. Der Sauerstoff der Luft wird durch Adsorption gebunden 
und oxydiert die von den Mikroorganismen zersetzten organischen Stoffe und 
zwar namentlich, während der Körper entleert ist. Auf Kosten der Eiweiss- 
stoffe bilden sich Stickstoff, Ammoniaksalze, Nitrite und Nitrate, der Kohlen- 
stoff der Eiweisskörper wird als Kohlensäure frei. Den Umfang derartiger 
Spaltungen muss man nicht nach der Menge der gebildeten Kohlensäure, sondern 
nach der*Menge des verbrauchten Sauerstoffs beurteilen. Ein freistehender 
biologischer Körper verbraucht während der Lüftungszeit nicht blos den in 
seinen Poren befindlichen Sauerstoff, sondern zieht auch noch beträchtliche 
Mengen davon aus der Umgebung heran. In den von Dunbar benutzten 
biologischen Körpern mit Kies und Koks waren nicht blos die Adsorptions-, 
sondern auch die Spaltungserscheinungen bei feinem Korn stärker als 
bei grobem Korn. Koks gab als Füllungsmaterial bessere Ergebnisse 
als Kies. Bimstein bewährte sich trotz seiner viel grösseren Porosität nicht 


1282 Abfallstoffe. 


so gut als Koks. Die bessere Wirkung des letzteren wird seinem Eisen- 
gehalt zugeschrieben. Der stärkere Sauerstoffverbrauch hierbei beruht 
nicht auf verstärkter Tätigkeit der Mikroorganismen, sondern auf Zunahme der 
Adsorption und Oxydation. Im allgemeinen nimmt man an, dass ein gewisser 
Kalkgehalt die Wirkung eines biologischen Körpers erhöht. Manche Unter- 
sucher haben deshalb Kalkzusatz empfohlen, Dunbars Erfahrungen stimmen 
aber biermit nicht überein. Ueber die Rolle der Mikroorganismen, die in 
biologischen Körpern leben, ist nicht viel genaues bekannt. Nitrificierende 
Bakterien sind gezüchtet worden. Man findet ausserdem in ihnen Algen, Pilze, 
Infusorien, Würmer und Insekten. 

3. Massstäbe, nach welchen man den Reinheitsgrad des Abflusses 

eines biologischen Körpers beurteilen kann. 

Die Erfahrung lehrt, dass die Reinigung einen genügenden Grad erreicht hat: 

a) wenn die ungelüsten Stoffe ganz oder grösstenteils entfernt 
sind; 

b) wenn der Abfluss, in verschlossener Flasche bei 20° in 8 Tagen 
keinen Schwefelwasserstoff entwickelt; 

c) wenn die Oxydierbarkeit im Vergleich zum Rohwasser wenigstens 
um 60—65 v. H. abgenommen hat; 

d) wenn darin gehaltene Fische nicht eingehen. 

Ein Wasser, welches diese Forderungen erfüllt, kann ohne üble Folgen 
selbst in Vorfluter mit wenig günstigen Verhältnissen eingelassen werden. 

Die unter b angegebene Probe ist die wichtigste. 

4. Schlusssätze. 

Die biologischen Verfahren sind nach den bekannten zahlreichen Ver- 
suchen und praktischen Anwendungen ein wirksames Mittel, um Abwässer 
zu reinigen. 

Die Tätigkeit von Mikroorganismen ist dabei nicht allein wirksam; 
man hat es vielmehr auch noch mit anderen Einflüssen zu tun, deren 
Anteil daran indessen noch nicht genügend genau festgestellt ist. Hier ist 
noch ein weites Feld für neue Untersuchungen. ` Globig (Berlin). 


Lauterborn R., Die Ergebnisse einer biologischen Probeuntersuchung 
des Rheins. Arb. a. d. Kais. Ges.-A. Bd. 22. S. 630. 

Die biologische Probeuntersuchung des Rheins, welche vom 17 
bis 19. November 1904 auf der Strecke Speyer-Worms stattfand, sollte den 
Beweis erbringen, dass die biologische Beurteilung des Wassers imstande sei, 
neben der bisher üblichen Beurteilung des Wassers auf Grund der chemischen 
und bakteriologischen Untersuchungsmethoden ihren Platz zu behaupten. 
Untersucht wurde 1. das Plankton des fliessenden Rheines, 2. die Lebewelt 
des Ufers. Das erstere war auf der ganzen Strecke gleichmässig. Die Arten- 
zahl war nicht unbeträchtlich, besonders wenn man die Jahreszeit berück- 
sichtigt. Ausserdem fanden sich pseudoplanktontische Lebewesen, d.h. Boden- 
formen, die durch die Strömung am Grunde fortgerissen und mitgeführt 
wurden. Die Lebewesen des normalen Rheinwassers bieten keine Besonderheiten; 
dagegen sind die Untersuchungen über die Abwässerorganismen, die sich unter- 


Krankenpflege. 1283 


halb des Einlaufes der Kanäle angesiedelt haben, von grossem Interesse. Der 
Einfluss mancher Fabrikabwässer ist sehr gering. Auch der Speyerbach, der 
` die Abwässer der Stadt Speyer mitbringt, verunreinigt die Rheinufer nicht 
mehr als bis 50 m abwärts. Dagegen waren die Abwässerpilze noch 1000 m 
unterhalb des Einflusses der Abwässer einer Zuckerfabrik zu bemerken. Ab- 
wässer einiger chemischen Fabriken bewirkte Vertilgung des organischen 
Lebens, manchmal auf sehr kurze, manchmal auf lange Strecken. Den umge- 
kehrten Einfluss hatten die Altwässer. Sie sind die Brutstätte für das Plank- 
ton, speciell für das pflanzliche, dessen Einschwemmung in den Rhein von 
grosser Bedeutung für die Selbstreinigung des Flusses ist. Es wäre daher 
wünschenswert, dass ihrer Verlandung nach Möglichkeit entgegengetreten 
würde. Ausserdem sind sie die Brutstätten für Fische. — Das Gesamtergebnis 
der Arbeit ist, dass Art, Ausdehnung und Grad der Verunreinigung sich sehr 
wohl mit Hilfe der biologischen Methode feststellen lässt; ferner, dass bisher 
zwar kaum eines der Abwässer für sich imstande ist, den Rhein in seiner 
ganzen Breite auf eine grössere Strecke hin in bedeutenderem Masse zu verun- 
reinigen, dass aber eine fortlaufende Kontrolle notwendig ist, damit solche 
Zustände auch in Zukunft ausbleiben. Kisskalt (Berlin). 


Rubner M., Betrachtungen zur Krankenhaushygiene. Gedenkschrift 
für Rudolph v. Leuthold. Bd. 1. S. 1 ff. 

Verf. weist in der Abhandlung darauf hin, dass das Krankenhauswesen 
der Zukunft namentlich die Grossstädte vor neue, gewaltige Aufgaben stellen 
wird. Als Forderung stellt er auf, sich mehr als bisher auf weit hinaus- 
zielende organisatorische Gesichtspunkte zu stützen, die Specifi- 
cierung der Anstalten energisch zu betreiben (Rekonvalescenten- oder 
Genesungsheime für Erwachsene und Kinder zu schaffen), für die zweck- 
mässigsten Formen der Verwaltung andere Hilfskräfte heranzu- 
ziehen (Anstellung einer hygienisch wohlgeschulten Persönlichkeit zur 
Ueberwachung hygienischer Einrichtungen) und namentlich der Wärter- und 
Pflegerfrage ein noch viel lebhafteres Augenmerk zuzuwenden als bisher. 

Die Arbeit ist durch eine Reihe lehrreicher statistischer Tabellen ausge- 
zeichnet. Nieter (Halle a.S.). 


Meyer G., Das Rettungs- und Krankenbeförderungswesen im Deut- 
schen Reiche. Nach dem Material der auf Anregung des Centralcomites 
für das Rettungswesen in Preussen von den Deutschen Bundesregierungen 
erhobenen Umfrage im Auftrage des Centralcomites bearbeitet vom General- 
sekretär. IlI. Ergänzungsband zum Klinischen Jahrbuch. Mit 10 Kurven- 
tafeln und 4 Karten. Jena 1906. Verlag von Gustav Fischer. 287 Ss. 8°. 
Preis: 14 M. 

Seitens des Centralcomites für das Rettungswesen in Preussen, das am 

30. December 1901 in Berlin gegründet und wenige Monate später organisiert 

wurde, war im Jahre 1903 bei den Centralbehörden eine Umfrage über den 


1284 ` Krankenpflege. Desinfektion. 


gegenwärtigen Stand des Rettungswesens in Anregung gebracht und zu 
diesem Zweck ein von einem besondern Untercomite entworfener ausführlicher 
Fragebogen beigefügt. Der Anregung wurde seitens des Ministers der Medizinal- 
angelegenbeiten für Preussen und seitens des Reichskanzlers bezw. des Staats- 
sekretärs des Innern für die übrigen Bundesstaaten bereitwillig entsprochen 
und die eingegangenen Fragebogen dem Centralcomite für das Rettungswesen 
in Preussen zur weiteren Bearbeitung zur Verfügung gestellt. 

Der vorliegende Bericht des Generalsekretärs des Centralcomites enthält 
das Ergebniss der eingegangenen Sonderberichte und gibt ein Bild des gegen 
wärtigen Standes des Rettungswesens in Preussen und den übrigen Bundes- 
staaten einschliesslich der Einrichtungen zur Krankenbeförderung. Dass 
das Bild nicht besonders übersichtlich ist, fällt wohl der Materie als solcher 
zur Last. Eine Zusammenstellung der Rettungs- und Krankenbeförderungs- 
einrichtungen in den Städten des Deutschen Reichs mit mehr als 100 000 
Einwohnern bildet den Schluss des Berichts, während ein ausführliches Orts- 
register und 4 Karten der leichtern Orientierung dienen. 

E. Roth (Potsdam). 


v. Greyerz Th., Bildung und Unterhaltung in Volksheilstätten. 
S. 23—34. Sonderabdruck a. d. Jahrbuch der Fürsorge. Dresden 1906. gr. 8°. 
‘Verlag von O. V. Böhmert. 

Es wird über die Bestrebungen zur Beschäftigung und Fortbildung der 
Patienten in Dr. Weickers Krankenheim (Görbersdorf i. Schles.) berichtet, 
um zu einem Versuch in gleicher Richtung in anderen grossen Heilstätten, 
welche von den deutschen Versicherungsanstalten in grosser Zahl errichtet 
werden und mit bedeutenden Hilfsmitteln versehen sind, anzuregen. 

Das Pflegerpersonal hat die Kranken mit Erfolg zu Handfertigkeitsarbeiten 
angeleitet. Um auch geistig einzuwirken und zur Betätigung höherer Fähig- 
keiten anzuspornen, ist ein Hauslehrer angestellt worden. Seine Tätigkeit 
erstreckt sich auf das Halten von Fortbildungskursen und Vorträgen, auf die 
Sorge für die Bücherei und für die Unterhaltung, sowie auf den persön- 
lichen Verkehr mit den Kranken. Würzburg (Berlin). 


Auerbach F. und Barschall H., Studien über Formaldehyd. I. Mitteilung. 
Formaldehyd in wässeriger Lösung. Arb. a. d. Kais. Ges.-A. Bd. 22. 
S. 584. (Auch als Sonderabdruck erschienen. Berlin. Julius Springer. 46 Ss 
8°, Preis: 2 M.) 

Die Arbeit hat den Zweck, den Zustand des Formaldehyds in wässe- 
riger Lösung klarzustellen. Reine Formaldehydlösungen wurden durch Subli- 
mation von Trioxymethylen im Stickstoffraume und’ Aufsaugen der Dämpfe in 
Wasser hergestellt. Die Analyse der Lösungen geschah mit der Sulfitmethode; 
unter bestimmten Bedingungen ist die Jodmethode vorzuzieben. Durch kryo- 
skopische Molekulargewichtsbestimmungen wurde die Abhängigkeit des durch- 
schnittlichen Molekulargewichtes von Formaldehyd in seinen wässerigen Lösungen 


Desinfektion. 1285 


von der Konzentration ermittelt. Es ist danach sehr wahrscheinlich, dass in 
wässerigen Lösungen ein Gleichgewicht zwischen einfachen und trimeren For- 
maldehydmolekeln herrscht. Das Gleichgewicht ist reversibel; es wird sowohl 
beim Auflösen von Formaldehydgas als von festem polymeren Paraformaldehyd 
in kurzer Zeit erreicht. Der Zustand wässeriger Lösungen ist also kurze Zeit 
(wenige Stunden) nach ihrer Herstellung nicht mehr von der Art der Her- 
stellung, sondern nur noch von der Konzentration und der Temperatur ab- 
hängig. Mit steigender Temperatur verschiebt sich das Gleichgewicht der 
Lösung etwas zu gunsten der einfachen Molekeln. Bei der Destillation wässe- 
riger Formaldehydlösungen beliebiger Konzentration ist der Dampf und das 
Destillat stets ärmer, der Rückstand stets reicher als die ursprüngliche Lösung. 
Die Kleinheit der für den Partialdruck enthaltenen Werte spricht dafür, dass 
das Gas bei seiner Auflösung in Wasser zum grössten Teil in hydrotisierte 
und polymerisierte Molekeln übergeht. ; Kisskalt (Berlin). 


Hartog E., Experimentelle Beiträge zur Formaldehyd-Wasserdampf- 
desinfektion. Inaug.-Diss. Marburg 1905. 

Der Verf. hat eine Nachprüfung der von v. Esmarch empfohlenen Des- 
infektionsmethode der Verwendung von ca. 70 gradigem Formaldehyd-Wasser- 
dampfe in Verbindung mit einem geringen Vakuum vorgenommen. 

Er prüfte 

1. die Wirkung des Formaldebydzusatzes zu 100 gradigem Wasserdampf 
gegen freie Sporen, 

2. die des Formaldehydwasserdampfes von 70° gegen freie Sporen, 

3. die Beschleunigung der Tiefenwirkung des 100 gradigen Formaldehyd- 
wasserdampfes und 

4. die Wirkung des 70 gradigen Formaldehydwasserdampfes auf in Paketen 
und Kleidungsstücken untergebrachte Sporen. 

Aus den Versuchen stellt er fest, dass Zusatz von Formaldehyd zum 
strömenden Wasserdampf von 100° C. die Desinfektionswirkung des letzteren 
steigert. Auch 70 gradiger Formaldehyd gegen freie Testobjekte liefert 
günstige Resultate. Die von v. Esmarch behauptete Erhöhung der Tiefen- 
wirkung des Formaldehydwasserdampfes von 100° glaubt er angedeutet ge- 
funden zu haben, dagegen nicht die des Formaldehydwasserdampfes von 70°. 
Die Ursache darin sieht er in einem möglicherweise bei ihm untergelaufenen 
Versuchsfebler. 

Eine Schädigubg der angewandten Gegenstände bei 70° (wie Leder, Pelze, 
Seidenstoffe u. a.) hat er nicht beobachtet. Nieter (Halle a. $.). 


Jodibauer und Tappeiner, Wirkung der fluorescierenden Stoffe auf 
Spalt- und Fadenpilze. Deutsches Arch. f. klin. Med. Bd. 54. H. 5. u. 6. 
Die angestellten Versuche ergeben, dass Bakterien durch fluorescierende 
Stoffe in zerstreutem Tageslichte zu einer Zeit getötet werden, in welcher 
weder im Dunkeln noch bei Einwirkung des Lichtes allein eine Schädigung 
bemerkbar ist. Methylenblau, Phenosafranin, Tetrachlortetrajodfluorescin tötete 
in durchschnittlich 1— 2 Tagen, Erythrosin in 2—7 Tagen, Eosin in 7—10 Tagen. 


1286 Desinfektion. 


Dichlorantbracendisulfosäure war wirkungslos. Bei dem Vergleiche mit der 
Wirkung bei Paramäcien fallen besonders 2 Punkte ins Auge. Die Zeit, welche 
zur Tötung von Bakterien durch photodynamische Stoffe nötig ist, ist eine 
sehr viel grössere als bei Paramäcien, und zweitens verhalten sich die Bakterien 
zu den photodynamischen Stoffen elektiv, eine Erscheinung, die am besten 
wohl dadurch erklärlich ist, dass die derbe Membran der Bakterien für die 
fluorescierenden Stoffe in sehr ungleichem Grade durchlässig ist. Das Verhalten 
der Fadenpilze zu den fluorescierenden Stoffen ist dem Verhalten der Spalt- 
pilze sehr ähnlich. Die Ursache dürfte auch hier wie bei den Bakterien 
hauptsächlich die derbe Membran sein, welche den Zellinhalt der Faden- 
pilze umgibt und den Eintritt der wirksamen Substanz verzögert oder völlig 
verhindert. 0. Baumgarten (Halle a. S.). 


Jastram M., Ueber die Einwirkung der Röntgenstrahlen auf das 
Wachstum von Bakterien. Dissertation. Breslau 1905. 

Der Einfluss der Röntgenbestrablung wurde unter mannigfachen 
Variationen der benutzten Röntgenröhren, der Bestrahlungsdauer und der 
Bakterienkulturen geprüft und — teilweise entgegen dem Ergebnis anderer 
Untersucher — nirgends eine bakterientötende Wirkung festgestellt. Da zu 
einer Zeit, wo Haut und innere Organe des tierischen Körpers schon lebhafteste 
Reaktion auf die Belichtung mit Röntgenstrahlen zeigen, noch keine schädi- 
gende Wirkung auf das Bakterienwachstum zu erkennen ist, hält Verf. 
auch eine therapeutische Verwendung der Röntgenbestrahlung behufs Abtötung 
von Bakterien im Organismus für unzweckmässig. Manteufel (Berlin). 


Werner R., Ueber Radiumwirkung auf Infektionserreger und Ge- 
websinfektion. Münch. med. Wochenschr. 1905. No. 34. S. 1625. 

Radiumstrahlen vermögen Reinkulturen von Bakterien im Wachstume auf- 
zuhalten, eventuell auch ganz zu vernichten. Ob eine Vernichtung der Mikrobien 
innerhalb des lebenden Organismus auf indirektem Wege, dadurch, dass die 
Strahlen auf die Körperzellen einen besonderen Einfluss ausüben, möglich ist, 
suchte W. durch Versuche festzustellen. . B 

Die durch Radiumstrahlen abgetöteten Bakterienkulturen sind stärker ent- 
giftet als die durch Erhitzung sterilisierten, die 2—3 mal toxischer sind als 
die ersteren. 

Eine direkte Desinfektion der Wunden durch Radiumstrahlen- 
wirkung dürfte unausführbar bleiben, da erstens die Bakterien viel resi- 
stenter als die Körperzellen sich erweisen und da zweitens die Keime rasch 
in tiefere Gewebsschichten einwandern, in welche die Strahlen nicht mehr ein- 
zudringen imstande sind. Dagegen ist eine nach Radiumbestrahlung schon stark 
im Zerfall begriffene Gewebspartie wirklich immun. Injektionen viru- 
lenter Keime in Radiumnekrosen bleiben ohne jeden schädlichen Einfluss, weil 
das injicierte Material infolge der behinderten Resorption in dem nekrotischen 
Bezirk zurückgehalten wird und weil vielleicht in dem unter der Strahlen- 
wirkung sich auflösenden Gewebe eine „Art Selbststerilisation“ sich voll- 
zieht. Bei der letzteren spielen die zerfallenden Körperzellen die entscheidende 


Verschiedenes. Kleinere Mitteilungen. 1287 
D 


Rolle. Denn in anderen durch Terpentin- und Krotonöl erzeugten nekrotischen 
Bezirken tritt selbst nach vielstündiger Bestrahlung keine Abtötung der dort 
deponierten Bakterienmengen ein. 

Bakterien werden also, wie W. gezeigt hat, durch Radiumbestrahlung 
nicht nur getötet, sondern auch entgiftet, ohne für Immunisierungs- 
zwecke ungeeignet zu werden, und die unter der Wirkung der Radium- 
strahlen zerfallenden Körperzellen gewinnen die Fähigkeit zur 
Entfaltung baktericider Eigenschaften, was bei dem gewöhnlichen 
autolytischen Process nicht oder nur in schwächerem Masse der Fall ist. 

Schumacher (Hagen i.W.). 


Holl M., Ein Biologe aus der Wende des XV. Jahrhunderts. Leonardo 
da Vinci. Graz 1905; Leuschner & Lubenskys Universitätsbuchhandlung. 
24 Ss. gr. 80. Preis: 0,60 M. 

Der Titel vorliegender Inaugurationsrede wurde nach dem Vorbilde von 

S. Mereschkowski gewählt, dessen Roman (Leornardo da Vinci, Leipzig 
1903) unter „Ergänzung der Literatur“ (S. 3) angeführt wird. So erfreulich 
es ist, dass das verhältnismässig spärliche Schrifttum über die anatomischen 
und physiologischen Leistungen des grössten Genius der Renaissance durch 
eine Sonderschrift bereichert wird, um so wünschenswerter erscheint für eine 
etwaige dritte Bearbeitung der 1905 im „Archiv für Anatomie“ (Anat. Abt., 
S. 177—262) erschienenen Abhandlung die Abstellung einiger Mängel. Zu- 
nächst dürften die Quellen vorsichtiger zu wählen sein; als eine solche kommt 
für eine wissenschaftliche Arbeit beispielsweise der in der Fussnote zu S. 23 
benutzte Langbehn („Rembrandt als Erzieher‘) kaum in Frage. Die 
italienischen Anführungen geschehen teils in der Ursprache ohne oder mit 
Uebersetzung, teils nur in dieser. Alles dreies erscheint an sich zulässig, die 
Mischung aber unleidlich. Eine Anführung aus Blumenbach findet sich 
S. 12 und 13 wiederholt, aber in abweichendem Wortlaute. Die dem Verf. 
(laut Fussnote zu S. 3) unzugänglich gebliebenen: Notes et dessins sur la genc- 
ration bilden einen der 41 Bände der: „Feuillets inédits de L. (bibliothèque 
de Windsor), éditeur: Edouard Rouveyre, rue de Seine 76, Paris.“ Er- 
wähnung verdiente die Schwierigkeit des Verständnisses der Spiegelschrift des 
linkshändigen Meisters, die nur von demjenigen, welcher sich als Liebhaber mit 
dem Gegenstande beschäftigt, mit Recht unberücksichtigt bleibt. Wer aber 
eine Einzelschrift über Leonardo verfasst, darf sich solcher Mühe ebenso- 
wenig entschlagen, wie die angeführten, im Buchhandel käuflichen Facsimilia 
uneingesehen lassen. Helbig (Radebeul). 


Kleinere Mitteilungen. 


(-g) Die ärztlichen Bezirksvereine zu Leipzig richteten gemeinsam mit einer 
Anzahl dortiger Gesellschaften für Gesundheitspflege und Turnwesen im Februar 1906 
an die Stadtverordneten und den Rat der Stadt, die dortige Amts- und Kreis-Haupt- 
mannschaft, sowie an die sächsische Ständeversammlung und Staatsregierung ausführ- 


1288 ; Kleinere Mitteilungen. 


lich begründete Denkschriften, worin die Notwendigkeit der Beschaffung von dauernden 
Turn-, Spiel- und Erholungsplätzen für die Schüler und Schülerinnen sänt- 
licher Schulen nachgewiesen wird. Aus den Schriftstüäcken geht hervor, wie ange- 
nügend selbst in Leipzig, das sich wegen seiner Schrebergärten, seiner zahlreichen 
Turnvereine, seines ausgebildeten Schulturnens u.s.w. eines trefflichen Rufes erfreut, 
hinsichtlich der körperlichen Ausbildung der Jugend und der Gelegenheit zur alkohol- 
freien Erholung der Erwachsenen bisher vorgesorgt ist. 


(:) Aus dem Sanitätsbericht des Oesterreichisohen Küstenlandes 
für die Jahre 1901—1903. 

Zu dem Oesterreichischen Küstenlande gehören die Landesteile Triest, Görz- 
Gradiska und Istrien. Ihre Einwohnerzahl betrug im Jahre 1903 (ohne Militär) 178715 
bezw. 236718 und 346554. In den drei Berichtsjahren kamen auf je 1000 Einwohner 

Geburten Sterbefälle 
in Triest . . . . 33,05 34,72 34,09 25,80 26,76 26,72 
n» Görz-Gradiska. . 35,46 37,89 36,64 24,09 23,65 23,73 
n» Istrien . . . . 37,95 42,56 38,18 25,10 26,23 26,92 

Das Verhältnis der ausserehelichen Geburten war in Triest regelmässig weit 
höher als in den beiden übrigen Landesteilen. Von je 100 Gestorbenen hatten ein 
Alter bis zu 5 Jahren erreicht in Triest 36,4, 41,0 und 37,9, in Görz-Gradiska 38,3, 
42,4 und 39,6, in Istrien 43,6, 49,9 und 47,4. An Tuberkulose starben in Triest 
847, 849 und 811, in Görz-Gradiska 832, 810 und 829, in Istrien 1107, 1179 und 
1189 Personen, das sind in Triest 18,6, 17,9 und 16,9, in Görz-Gradiska 14,9, 14, 
und 14,8, in Istrien 13,1, 13,2 und 12,7°/, aller Gestorbenen. Von je 100 Todesfällen 
waren duroh Infektionskrankheiten überhaupt veranlasst in Triest 11,6, 12,4 und 
11,9, in Görz-Gradiska 9,7, 7,1 und 7,6, in Istrien 12,5, 15,5 und 14,95. Bösartigen 
Neubildungen erlagen im ganzen Küstengebiete 417, 467 und 448 Personen; eines 
gewaltsamen Todes starben 415, 430 und 387. 

Von endemischen Krankheiten hatte in der Berichtszeit die Pollagra im 
politischen Bezirk Gradiska weitere Ausdehnung genommen. Der Stand der Pella- 
grösen stellte sich hier in den 3 Jahren auf 860, 978 und 1098. Von je 1000 Ein- 
wohnern waren 15,8, 18,4 und 18,8 von der Krankheit befallen. Der grösste Anteil 
an Kranken entfiel auf das weibliche Geschlecht und auf Kinder. Das Wechselfieber 
ist im Görzischen, vorwiegend aber in Istrien endemisch verbreitet. Die Bestrebungen 
zur Gesundung der vorzugsweise befallenen Gegenden wurden während des Berichts- 
zeitraumes fortgesetzt. 

Von Erkrankungen an akuten Infektionskrankheiten wurden in den 
3 Berichtsjabren angezeigt: 


Görz-Gradiska Istrien 


4 


Pocken . 2 
57, 4 78 47 29 89 34 3! 4 


Varizellen . 

Masern . 348 | 858 | 602 | 240 | 1157 | 986 | 382 | 2826 , 385 
Scharlach . 514 ' 401| 104| 834 | 132 | 79 | 558 | 353 | 497 
Diphtherie 590 ' 407 | 347 | 205 | 165 | 274 | 630 | 331 | 3% 
Keuchhusten . 137 | 44: 340 | 125 | 585 | 1926 | 102 | 109; 975 
Unterleibstyphus 176 , 299; 161 86 | 109 | 98 | 142 | 159 20 
Ruhr. . ... aer an 47i 16 29 24| 130! 85 56 | 297 5% 
Brechdurchfall _—' 8 14 | | 63 
Kindbettfieber 11 9: 22 6 5i 19 3 4 8 
Trachom 100; 77, 131 9; 10;.145 64| 60 54 


Kleinere Mitteilungen. 1289 


Erkrankungen an Influenza waren im Küstenlande im letzten Berichtsjahre 
besonders häufig, doch hatte die Krankheit im allgemeinen einen milden Charakter. 

Die starke Verbreitung des Unterleibstyphus in Triest wird in dem Berichte 
weniger auf eine schlechte Beschaffenheit des Trinkwassers, als auf die elenden Ver- 
hältnisse des Untergrundes zurückgeführt, deren Beseitigung durch die lange geplante 
Kanalisierung der Stadt der Verwirklichung entgegen gehen soll. Die Meldungen des 
städtischen Spitales in Triest über das Vorkommen der Wurmkrankheit bei einigen 
aus Brasilien heimgekehrten Feldarbeitern gaben Anlass, der Krankheit und ihrer Be- 
kämpfung erhöhte Aufmerksamkeit zuzuwenden. Ausser einigen in den Heilanstalten 
zu Triest und Görz festgestellten Fällen konnten derartige Erkrankungen im Bezirk 
Gradiska i. J. 1902 2mal und i. J, 1903 15 mal ermittelt werden. Ein 1902 in Triest 
beobachteter Leprafall betraf einen aus Apulien stammenden Tischlergesellen. Der 
Kranke wurde in dem städtischen Infektionsspitale isoliert und demnächst im Einver- 
nehmen mit der italienischen Regierung in seine Heimat zurück befördert. In der 
Krankenabteilung des Strafhauses zu Kapodistria wurden in der Berichtszeit 7 Fälle 
von Skorbut beobachtet. Die 8 im Jahre 1903 in Triest festgestellten Pockenfälle 
betrafen einen aus Konstantinopel zugereisten Matrosen, 6 Personen einer Familie und 
einen nicht rechtzeitig wiedergeimpften Arzt des dortigen Infektionsspitals. Eine 
weitere kleine Pockenepidemie in Ronchi (Bez. Gradiska) im Jahre 1902 hatte ihren 
Ausgang von einer aus Brasilien heimgekehrten Auswandererfamilie genommen. 

Die Zahl der Erstimpfungen (und Wiederimpfungen) betrug in Triest 
2935 (634), 2644 (1378) und 3742 (2242), in Görz-Gradiska 6366 (4703), 6797 (5859) 
und 6930 (4333), in Istrien 8696 (6656), 9357 (6643) und 10197 (7006). 

Der Besuch der Kurorte ist von Jahr zu Jahr gestiegen. In Abazzia wuchs die 
Anzahl der Besucher von 14863 im Jahre 1900 auf 21684 im Jahre 1903. 

Die Zahl der Betten in den Krankenanstalten betrug am Schlusse der Be- 
richtszeit in Triest 1710, in Görz-Gradiska 265 und in Istrien 618. An Kranken wurden 
während der 3 Berichtsjahre verpflegt in Triest 16289, 16522 und 17113, in Görz- 
Gradiska 2182, 2352 und 2452, in Istrien 5871, 5932 und 5810. Der Aufnahme von 
Geisteskranken dienen eine Irrenanstalt in Triest (110 Betten) und die psychiatrischen 
Abteilungen des dortigen städtischen Spitals und der öffentlichen Krankenhäuser in 
Görz. Die Errichtung zweier neuer Irrenanstalten ist geplant. In der Gebäranstali 
in Triest wurden 398, 451 und 448 Frauen entbunden. 

Die Gesamtzahl der Aerzte betrug im Jahre 1903 in Triest 159, in Lörz-Gradiska 
58 und in Istrien 115, so dass 1 Arzt in Triest auf je 1124, in Görz-Gradiska auf je 
3909 und in Istrien auf je 3013 Einwohner entfiel. Hebammen waren im letzten Be- 
richtsjahre in Triest 245, in Görz-Gradiska 224 und in Istrien 229 vorhanden. Apo- 
theken gab es 25 bezw. 21 und 33; an Desinfektionsapparaten standen 16 bezw. 
24 und 33 zur Verfügung. 

In Triest wurdeeinNachtasyl, in welchen 300 Personen Unterkunft finden können, 
eröllnet; ein zweites für 500 Betten bestimmtes Gebäude ging der Vollendung ntgegen. 

Die Kontrolle von Nahrungs- und Genussmitteln wurde nur in den 
grösseren Städten gehandhabt, während in den übrigen Gemeinden ihre Durchführung 
höchst mangelhaft erfolgte. Im Laufe der Jahre 1901—-1903 wurden im chemischen 
Laboratorium des städtischen Physikats zu Triest 7608 Untersuchungen vorgenommen. 
Ebenso beschränkte sich eine genaue Fleischbeschau auf die Städte und einige 
wenige Ortschaften. 

Bis zum Jahre 1903 umfasste das Triester Gewerbeinspektorat das ganze 
Küstenland sowie Dalmatien. Ein zweites Inspektorat mit dem Sitze in Pola, welchem 
ausser Dalmatien der grösste Teil Istriens zuliel, wurde errichtet. 

(Veröff. d. Kais. Ges.-A. 1906. No. 19. S. 443/444.) 


Beilage zur „Hygienischen Rundschau“, 
XVI. Jahrgang. Berlin, 15. November 1906. No. 22. 


Bericht über die Verhandlungen der 
Abteilung für Hygiene und Bakteriologie während der Versammlung Deutscher 
Naturforscher und Aerzte vom 16.—22. September 1906 zu Stuttgart. 
Von 
Dr. Holle in Stuttgart. 
(Fortsetzung und Schluss aus No. 21.) 


3. Sitzung. Vorsitzender: Prof. Heim (Erlangen). 

Fuhrmann (Graz): Entwickelungscyklen der Bakterien. 

Gelegentlich einer bakteriologischen Untersuchung von Flaschenbieren 
züchtete Fuhrmann Bakterienarten rein, die unter bestimmten Bedingungen 
bestimmte Formveränderungen aufwiesen; diese sind immer von bestimmten 
Veränderungen des Zellinhaltes begleitet. Diese Verhältnisse hat Fuhrmann 
am genauesten an Pseudomonas cerevisiae untersucht. Die genannte Bak- 
terienart gedeiht auf allen üblichen Laboratoriumsnährböden, am besten bei 
22°C. In Nährbouillon verläuft die Entwickelung folgendermassen: Das ruhende 
Kurzstäbchen verlängert sich ungefähr um die halbe Zellenlänge. Gleichzeitig 
treten die ersten Bewegungen auf, diese bestehen in einem leichten Hin- und 
Herwandern der verlängerten Zelle. Dann findet die Durchschnürung in der 
Mitte statt und plötzlich fahren die beiden Tochterzellen auseinander. Diese 
Zellbildung wiederholt sich noch etliche Male. Die Bewegungsfäbigkeit der 
Zellen nimmt allmählich ab. Es. kommt zur Bildung von kürzeren und 
längeren Fäden. Bei ersteren ist noch eine Gliederung gut zu erkennen und 
eine schlängelnde Bewegung wahrzunehmen, während die letzteren keine 
Gliederung mehr zeigen und bewegungslos ruhen. Sowohl in den kurzen als 
in den längeren Fäden bemerkt man grössere und kleinere stärker licht- 
brechende Pünktchen und Körnchen und an den Enden zahlreicher Zellen 
birnförmige Auftreibungen. Die Fäden lagern sich nun innig aneinander, 
ihre Konturen verschwinden mehr und mehr, und schliesslich ist nur noch ein 
sogenannter Detritus vorhauden, in dem noch die genannten stärker licht- 
brechenden Körnchen auffallen. In diesem Ruhezustand erhält sich eine 
Kultur von Bacterium cerevisae Monate lang. Auf frische Nährböden über- 
tragen entwickeln sich aus dem Detritus neue Bakterienvegetationen. Auf 
Agar bei 34—350 C. findet nur eine spärliche Vermehrung der Zellen statt, 
aber die gleichen oben angedeuteten Entwickelungsphasen werden durchlaufen. 
Ausserdem bewirkt die hohe Temperatur eine geringe Vergrösserung der Zellen, 
wodurch wieder die Protoplasmastruktur deutlicher zur Anschauung gelangt. 
Fuhrmann hat mit alter wässeriger Methylenblaulösung gefärbt. Die Fäden 
erscheinen blau, die Körnchen rotviolett durch das in der alten Lösung ge- 
bildete Methylenazur. Die Körnchen fliessen zu einem grösseren zusammen, 
welches in dem Faden eine endständige Lage hat; jedoch finden sich auch 
manchmal in den oben erwähnten kolbigen birnförmigen Auftreibungen mehrere 


Versammlung Deutscher Naturforscher und Aerzte, 1291 


solcher Granula, die durch die Färbung rot erscheinen. Allem Anschein 
nach handelt es sich um ähnliche Gebilde, wie sie Babes und Ernst und 
Andere beschrieben und als sporogene Körnchen bezeichnet haben. Ob durch 
die Rotfärbung der Körnchen auf Chromatinnatur zu schliessen ist, entscheidet 
Fuhrmann nicht. In der von Arthur Meyer angegebenen stickstofffreien 
mineralischen Nährlösung II, welcher Fuhrmann Chlorammonium in 1—2%,, 
Menge und Saccharose in 1— 2°/, Menge zufügte, treten dieselben Entwickelungs- 
stufen auf. Er hat dabei eine Umwandlung einzelner Glieder in Keulenform, 
ähnlich den Diphtheriebacillen gefunden. Auffallend ist ferner die Erscheinung, 
dass sich in den Ketten immer zwei Auftreibungen der Kolben in ihrem 
Scheitel berühren, während die Endauftreibungen der zu zweien vereinten Stäb- 
chen an den von einander entfernten Zellpolen auftreten. Die Grösse der 
Zellen nimmt dabei bis zu einem gewissen Grade mit dem Salzgehalt der 
Nährlösung zu. Die Entwickelungsphasen werden beschleunigt, besonders bei 
Chlorammonium. Erst ein grosser Zusatz dieses Salzes bewirkt plötzliche 
Veränderungen der Bakterienformen. In der Chlorammonium - Saccharose- 
Nährlösnng mit einem Gehalt von 10%, CIN H, unterbleibt eine Entwickelung. 

Die Frage, ob jede Zelle den ganzen geschilderten Entwickelungskreis 
durchmachen muss, oder ob durch Uebertragung auf optimale Nährböden sich 
aus jeder Zwischenform die Stäbchenform wieder rückbilden kann, lässt sich 
für Pseudomonas cerevisiae dahin entscheiden, dass in der Tat jede Form des 
Entwickelungskreises sich wieder in die Kurzstäbchenform zurückführen lässt, 
und zwar werden bei der Rückbildung der Zwischenformen genau die bereits 
durchlaufenen Stadien in umgekehrter Reihenfolge bis zum Kurzstäbchen 
zurückgelegt, wenn das Stadium der Endkolben noch nicht vollständig erreicht 
ist. Bei der Rückbildung der Fäden und verlängerten Stäbchen entstehen 
meistens seitlich an der Zellwand kleine Wärzchen, die sich langsam ver- 
grössern und schliesslich als homogene schwach lichtbrechende Kugeln abge- 
stossen werden. In einzelnen solcher Gebilde beobachtet man in der Folge 
eine Zerteilung in 6—8 sich scharf abhebende Kügelchen, die dann austreten 
und sich nur wenig bewegen. Ueber das weitere Schicksal dieser Kügelchen 
kann Fuhrmann bis jetzt noch keinen Aufschluss geben. 

Die im Verlauf der Entwickelung gebildeten verschiedenen Formen können 
nicht als Degenerationsprodukte bezeichnet werden, da sie sich bei genauerer 
Untersuchung als vollständig lebensfähig, ja sogar widerstandsfähiger erweisen 
als die normal und typisch betrachteten schwärmenden Kurzstäbchen, denn 
diese Formen treten erst mit der Abnahme der für Schwärmzellen günstigen 
Wachstumsbedingungen auf. 

Bei der Bieruntersuchung hat Fuhrmann noch 3 weitere Bakterien- 
arten gefunden, von denen die beiden ersten im wesentlichen den gleichen 
Eutwickelungskreis aufweisen, während die dritte wesentlich andere Formen 
aufweise, trotz ihres ähnlichen biologischen Verbaltens. 

Diskussion. Scheurlen (Stuttgart) weist auf den Bac. prodigiosus hin, 
dessen verschiedene Namen schon einen gewissen Entwickelungsgang beweisen, 
und erwähnt dabei auch das Vorkommen einer Kapsel. 

Heim (Erlangen): Im Anschluss an die von Herrn Scheurlen genannte 


1292 Versammlung Deutscher Naturforscher und Aerzte. 


Kapsel des Bac. prodigiosus ist darauf hinzuweisen, dass es sich bei diesem 
und derartigen Gebilden um das von Zettnow sogenannte Ektoplasma handelt. 


Selter (Bonn): Bakteriologische Untersuchungen eines neuen 
Formalin-Desinfektionsverfahrens, des Autanverfahrens. 

Dr. Eichengrün bat in dem Autan ein Formaldehydpräparat gefunden, 
welches alle hygienischerseits an ein Formalin-Desinfektionsverfahren von 
Flügge gestellten Anforderungen erfüllt, und zwar 

1. es lässt sich leicht und sicher herstellen; es tritt unter der Einwirkung 
des Autan innerhalb einer bestimmten nicht zu langen Zeit (eines Tages oder 
einer Nacht) Absterben der Krankheitserreger ein; 

2. es dringt in eine gewisse Tiefe ein. Frische und eingetrocknete Sputa 
in nicht zu dicker Schicht, Diphtheriemembranen, auf porösen Stoffen (Kleider, 
Betten, Wäschestücken) eingetrocknete Sekrete werden sicher sterilisiert; 

3. durch das Desinficiens erfolgt keine Beschädigung der Gebrauchsgegen- 
stände, es hinterbleibt kein Geruch. 

Autan besteht aus einem Gemisch von polymerisiertem Formaldehyd nnd 
Metallsuperoxyden in einem bestimmten Verhältnis und hat die Eigenschaft, 
dass, wenn man es mit Wasser übergiesst, nach wenigen Sekunden eine Gas- 
bildung unter starker Temperaturerhöhung eintritt, welche so lebhaft wird, 
dass in kurzer Zeit dichte Formalin- und Wasserdämpfe emporsteigen und 
deshalb ein Abdichten des zu desinficierenden Raumes nicht nötig ist. Ein 
Apparat ist dazu nicht nötig, nur ein Eimer u. s. w. und ein Gefäss mit Wasser. 
Die Formalindämpfe lassen sich leicht und ausreichend entfernen, indem man 
etwas Chlorammonium mit Aetzkalk in den Eimer, in dem sich ja dann eine 
stark alkalische Flüssigkeit befindet, hineinwirft. 

Selter benützte zu seinen Versuchen kleine Stückchen Fliesspapier, Leinen 
und Buckskin. Diese Stückchen wurden mit dem in physiologischer Kochsalz- 
lösung aufgeschwemmten Rasen einer 24 stündigen Agarkultur getränkt und 
getrocknet und dann in die zu desinficierenden Räume in verschiedenen Höhen 
in Platten aufgestellt, in Schubladen, in Manteltaschen oder in Decken ge- 
wickelt u. s. w. Als Bakterien verwendet er Staphylokokken, Milzbrandbacillen 
und Tuberkelbacillen (Sputum). Nach dem Desinficieren wurden die Test- 
objekte in flüssigem Agar von 550 ausgeschüttelt und zur Platte gegossen. 
Die Plattenkulturen wurden 6 Tage lang beobachtet. 

Selter berichtet nun über die Resultate bei 6 Zimmer-Desinfektionsver- 
suchen und kommt zu dem Schlusse, dass das Autan für Zimmerdesinfektionen 
sehr geeignet ist und sich eine Tiefenwirkung erzielen lässt, die wohl kaum 
mit einem der früheren Verfahren erreicht worden ist. 

Ein weiterer Versuch wird mit der Desinfektion eines Kleiderschranks, in 
dem diverse Kleidungsstücke, versehen mit den oben beschriebenen Läppchen 
oder Papierstückchen, hingen, gemacht. 2 Versuche an Droschken. Die Staphylo- 
kokken wurden mit ganz geringen Ausnahmen vollständig abgetötet, die Milz- 
brandbacillen zum weitaus grössten Teil. 

In Bezug auf die Desinfektionskraft des Formalins Tuberkelbacillen gegen- 
über sind die Versuche Selters noch nicht abgeschlossen. 


Versammlung Deutscher Naturforscher und Aerzte. 1293 


Selter kommt auf Grund seiner Versuche zu folgenden Resultaten: 

1. Das Verfahren ist denkbar einfach und allenthalben auszuführen, auch 
an solchen Stellen, wo man bisher die Apparate nicht gut gebrauchen 
konnte; bei Kleiderschränken, Bücherschränken, Kisten, Droschken, Eisenbahn- 
coupés u. s. w. 

2. Die Formalinmenge kommt plötzlich und auf einmal in den zu desin- 
ficierenden Raum. Das hat den Vorteil, dass einmal eine bedeutend kürzere 
Zeit der Einwirkung nötig sein wird, vorläufig mindestens 4 Stunden. 

3. Man kann das Präparat überall leicht hinschaffen, man braucht keinen 
Apparat. 

4. Man braucht höchstens einen Desinfektor, unter Umständen gar keinen. 
Die Desinfektion des Bodens kann dadurch unterstützt werden, dass man Autan 
ausstreut und Wasser darüber giesst oder die Feuchtigkeit der Luft wirken lässt. 
Auch als Desodorans ist Autan zu verwenden. 

Der Preis des Autans ist noch etwas hoch, wird aber voraussichtlich 
noch sinken. 


Scheurlen (Stuttgart): Ueber Ziegenmilch. 

Bei dem Streben, die Säuglingssterblichkeit herabzudrücken, hat sich in 
den letzten Jahren ein ziemlich lebhaftes Suchen nach einwandsfreier, roh ge- 
niessbarer Milch gezeigt. Ein besonders günstiges Resultat ist hierbei nicht 
erzielt worden. Die schon lange empfohlene Eselinnenmilch hat ihres hohen 
Preises und der Schwierigkeit der Beschaffung wegen für weitere Kreise keine 
praktische Bedeutung erlangt. 

Es muss auffallen, dass die Ziege und deren Milch trotz vielfacher An- 
regung und Empfehlung gerade für die Bekämpfung der Säuglingssterblichkeit 
keine besondere Stellung sich erworben hat, trotzdem dieses Tier leicht zu 
halten und relativ sehr milchergiebig ist. Ich führe diese Erscheinung auf 
unsere immer noch mangelhafte Kenntnis der chemischen Zusammensetzung der 
Ziegenmilch und der Sondereigenschaften dieses Milchtiers zurück. 

Die chemische Zusammensetzung der käuflichen Kuhmilch ist bekanntlich 
nur scheinbar konstant, und zwar deshalb, weil es sich um Marktmilch, d. h. 
Mischmilch handelt, eine Milch, welche aus dem Eutersekret von Tieren der 
verschiedensten Laktationsperioden abstammt. Denn die Kuh „rindert“ zu 
allen Jahreszeiten, so dass auch für die Geburtszeit der Kälber keine bevor- 
zugte Zeit genannt werden kann und demnach in jedem Stall mit mehreren 
Küben Tiere aus den verschiedensten Laktationszeiten stehen. 

Anders ist dies bei der Ziege. Die Ziege lammt gewöhnlich, von wenigen 
Ausnahmen abgesehen, im Februar, März, April; sie wird „bockig“ im Oktober, 
November und December. Sowohl Milchmenge als Milchbeschaffenheit richtet 
sich aber nach der Laktationsperiode. 

Die Ziege unserer guten Rassen, sowohl der einbeimischen „Landziege“ 
und der „Schwarzwaldziege“, als auch der Saanenrasse, geben, wie Scheurlen 
auf Grund eigener Untersuchungen nachzuweisen vermag, frischmelk, d. h. einige 
Tage nach dem Lammen 3,5—4,5 Liter Milch. Auf dieser Höhe hält sich die 
Milchmenge 4—5 Monate; nur während der kurzen etwa 3 tägigen Geschlechts- 


1294 Versammlung Deutscher Naturforscher und Aerzte. 


erregung, d. h. wenn die Ziege „bockig“ ist, sinkt die Milchmenge auf etwa 
2 Liter täglich. Vom 5.—6. Monat an sinkt sie langsam auf 3—2 Liter und 
weiter, um schliesslich kurz vor dem Lammen auf ca. !/, Liter herunterzu- 
gehen; bei manchen Ziegen versiegt die Milch im letzten Monat ganz. Die 
Verhältnisse sind aus nachstehender Kurve, welche die Messungen der Milch- 
menge einer 4 jährigen, weissen, langhaarigen Landziege veranschaulichen, er- 
sichtlich: 


k Mirs| April 


Die chemische Zusammensetzung der Ziegenmilch entspricht im wesent- 
lichen derjenigen der Kuhmilch. Sie scbwankt aber deutlich und ganz regel- 
mässig nach der Laktationsperiode. Die Milch ist am konzentriertesten in der 
Zeit kurz vor dem Lammen und kurz nach demselben, als Kolostrum; in beiden 
Fällen kann es sich ereignen, dass sie beim Kochen zur Gallerte erstarrt 
wegen ibres hohen Gehalts an Albumin. Sie ist am wenigsten konzentriert 
in der Zeit der grössten Milchergiebigkeit; nachher steigt die Konzentration 
langsam wieder an, während in den letzten 3 Monaten vor dem Lammen der 
Anstieg rascher, kurz vorher sehr rasch vor sich geht. Die Richtigkeit dieser 
Angaben ist aus folgender Kurve, welche das specifische Gewicht der Milch 
der obengenannten Ziege darstellt, zu entnehmen. 


BD 
paer. tal Juli peee Sept.| Okt. | Nov. 
1035,4 | 
1035,2 | 
035.0 . 1 | | 
[w | 


, [7036,8 
ws 


1034,4 
1034,2 
4.0 i 


Die ungefähr stärksten Kontraste in der Zusammensetzung der Ziegenmilch 
sollen nachfolgende 2 Analysen der Milch einer 4 jährigen Schwarzwaldziege 
darstellen (S. 1295 oben): 

Auch der Fettgehalt der Ziegenmilch zeigt eine ähnliche Kurve wie das 
specifische Gewicht und ist umgekehrt proportional der von dem Tier ge- 
lieferten Milchmenge. Das fiischmelke Tier liefert eine Milch von 2,8—4,45°', 
Fett. Es hängt dies von der Fütterung und dem Weidegang, von der Art des 
Melkens, etwas auch, aber am wenigsten von der Rasse ab. Tiere, welche nur 
Weidefutter haben, liefern weniger fette Milch, während bei Stallbaltung und 
reichlicherer eiweisshaltiger Nahrung die Milch fetter wird. Der zuletzt ge- 


| 
| 


Versammlung Deutscher Naturforscher und Aerzte. 1295 


2 Stunden nach ' 27 Tage nach 
dem Lammen | dem Lammen 


24 stündige Milchmenge angefangen zu 
messen . y . 


2 Specifisches Gewicht der Milch. 5, 

3 Trockensubstauz . 28,70%, 12,890/, 
4 |Fett. 10,04%), 4,450), 
5 Mineralstoffe i 1,03 0/9 0,72%), 
6 Kasein . 4, 880), 2,00%, 
7 Albumin 4,43 Eon 1,67%, 
8  |Milchzucker 3,67%, 4,05% 


molkene Teil der Milch ist stets der fettreichere; sonach wird jemand, der bei 
sonst gleichen Verhältnissen das Tier dreimal am Tag ausmelkt, eine fett- 
reichere Milch erhalten, als jemand, der nur zweimal melkt. 

Mit Abnahme der Milchmenge steigt der Fettgehalt, so dass er im 
7.—8. Monat nach dem Lammen etwa 5°/,, im 9.—10. etwa 5,5--6,00/, be- 
trägt. Es hängt diese Steigerung auch noch damit zusammen, wann das Tier 
wieder trächtig geworden ist. 

Die Verhältnisse der Schwankungen des Fettgehalts sind aus nachfolgender 
Kurve zu entnehmen, welche aus den Untersuchungsergebnissen der Milch der 
obenerwähnten langhaarigen weissen 4 jährigen Landziege zusammengestellt ist. 

nus 


Ausser diesen chemischen und physikalischen en der Ziegen- 
milch kommt für die Frage, ob sie sich zur Säuglingsnahrung eignet, noch in 
Betracht, dass die Ziege sich leicht rein halten lässt, da sie geformte feste 
Fäkalien liefert, auch etwaige Verunreinigungen der Milch an dem sich dann 
einstellenden Bocksgeschmack leicht erkannt werden können. Dass das Fett 
in der Ziegenmilch sehr fein verteilt ist und sie daher schwer aufrahmt, ist 
bekannt. 

Aus seinen Untersuchungen zieht Scheurlen folgende Schlüsse: 

Die Ziege eignet sich wenig zum Grossbetrieb, da im Herbst und Winter 
die Milchmenge knapp wird und die wenige anfallende Milch ihrem Gehalt an 
Trockensubstanz nach durchschnittlich mehr wert ist, als für sie bezahlt wird. 

Dagegen ist die Ziege sehr wohl geeignet, dem Kind die Amme zu er- 
setzen, aber nicht in dem Sinn, dass der Säugling an das Euter gelegt wird 
sondern dass der jeweilige Bedarf an Säuglingsmilch morgens, mittags und 
abends frisch gemolken und je nach der Laktationsperiode der Ziege und dem 
Alter des Kindes mit Wasser verdünnt wird. Die übrige vom Kind nicht ver- 
zebrte Milch ist im Haushalt zu verwenden. 


1296 Versammlung Deutscher Naturforscher und Aerzte. 


Soll daher die Ziege zur Bekämpfung der Säuglingssterblichkeit ver- 
wendet werden, so ist kein Grosshandel mit Ziegenmilch anzustreben, sondern 
es ist die Vermietung von Ziegen unter sachverständiger Aufsicht einzuführen. 
Diesem Weg stehen allerdings gewisse Schwierigkeiten im Wege, auf welche 
hier einzugehen nicht der Platz ist, die Scheurlen aber nicht für unüberwind- 
lich hält. 


Weichardt (Erlangen): Ueber Ermüdungstoxine und deren 
Hemmungskörper. 

Es werden 2 Mäuse demonstriert, die seit langer Zeit unausgesetzt rück- 
wärts gezogen worden waren. Sie zeigten einen wesentlichen Unterschied: die 
eine war hoch ermüdet, die andere, mit Ermüdungsantitoxin passiv immunisiert, 
war frisch und lebhaft. Dieser letzteren Maus war während der dem Er- 
müdungsversuch vorangehenden 24 Stunden !/,, g eines aus Kochsalz und 
kleinen Mengen Eiweiss hergestellten Hemmungskörpers beigebracht worden, 
dessen Wirkung ähnlich der des durch Injektion von Ermüdungstoxin herge- 
stellten Antitoxins ist. Das Ermüdungstoxin wurde aus dem Muskelpresssaft 
von Meerschweinchen gewonnen, die in ähnlicher Weise hochermüdet wurden 
wie die Maus. Durch Dialysieren wird der Muskelpresssaft von Salz, Kreatin, 
Harnstoffen, überhaupt allen dialysablen Bestandteilen befreit. Das nicht 
dialysable Ermüdungstoxin bleibt mit einer grossen Menge von Muskeleiweiss 
im Dialysator zurück. Muskeleiweiss und Ermüdungstoxin werden von ein- 
ander getrennt. Das das Ermüdungstoxin enthaltende Muskeleiweiss vermag, 
in einer Menge von 10 mg gelöst und einer Maus intraperitoneal injiciert, 
das Tier in den gleichen Zustand hochgradiger Ermüdung zu versetzen, wie 
dies durch das Rückwärtsziehen geschehen war. Dieser Zustand ist charak- 
terisiert durch verlangsamte Atmung und Erniedrigung der Körpertemperatur. 

Wird grösseren Tieren wiederholt Ermüdungstoxin intravenös injiciert, so 
entsteht das für Ermüdungstoxin specifische Antitoxin, das sich durch leichte 
Dialysierbarkeit und Thermostabilität auszeichnet. Wird es einem Tier per es 
beigebracht, so kann es bereits nach 15 Minuten im Urin nachgewiesen werden. 

Weichardt hat solches ermüdungstoxinhaltiges Serum aus dem Blut eines 
Pferdes hergestellt. 

Beim Menschen diese Verhältnisse darzustellen war sehr schwierig, da es 
nicht gelang, genügend kräftig wirksame Präparate zu erzielen. Wirkungen 
waren nur in seltenen Fällen und dann nur mittels der Ergographenkurve 
nachweisbar, da das Antitoxin sehr leicht von der Niere ausgeschieden wird. 
Der Ermüdungsantitoxingehalt des Pferdeserums war trotz intensivster In- 
jektionsbehandlung mit Ermüdungstoxin stets ein nur geringer und das Prä- 
parat wenig wirksam, daher das Versagen der Versuche beim Menschen. Diese 
den Fortschritt der Untersuchungen hemmenden Verhältnisse veränderten sich, 
als es gelang, den Hemniungskörper künstlich in vitro darzustellen. Zunächst 
wurde mittels Einwirkens von Reduktionsmitteln die Wirksamkeit des ermüdungs- 
toxinhaltigen Muskelplasmas erhöht. Dann wurde gefunden, dass reines Eiweiss 
durch Behandeln mit Reduktions- und Oxydationsmitteln, sogar durch physi- 
kalische Erschütterungen in vitro dem Ermüdungstoxin in Bezug auf biolo- 


Versammlung Deutscher Naturforscher und Aerzte. 1297 


gische Wirkungen gleichende toxische Substanzen abspaltet. Diese Abspaltung 
führt bei höherer Temperatur zu antitoxisch wirkenden Produkten. Werden von 
dem neuen Hemmungskörper einer Versuchsperson 1—2 g gegeben, so drückt 
sich die Wirksamkeit deutlich in der Ergographenkurve aus: Diese wird länger, 
und man sieht, dass die Leistungsfähigkeit durch das Eindringen des Ermüdungs- 
antitoxins in das Blut erhöht wird. Eine Steigerung der Leistungsfähigkeit in 
infinitum ist nicht möglich, aber doch ist der Einfluss des Ermüdungstoxins 
im Blut ein ganz bedeutender, wie sich aus den Kymographionkurven ergibt. 
Interessant ist, dass durch Einwirken von kolloidalem Palladium auf Eiweiss 
infolge von Reduktion Abspaltung des Ermüdungstoxins eintritt, und zwar ge- 
schieht dies auch im lebenden Organismus nach Injektion des kolloidalen 
Metalles. 

Auch Teilgifte pathogener Mikroorganismen und sonstiger Toxine werden 
durch den neuen Hemmungskörper beeinflusst. Bei Versuchen mit Schlangen- 
gift, welches in sehr kleinen Mengen in die Augen der Versuchstiere gebracht 
wurde, ging durch das Konjunktivalfilter zunächst ein Teilgift, das durch den 
neuen Hemmungskörper beeinflusst wird. Die mit diesem geschützten Mäuse 
blieben munter, während nicht vorbehandelte schlaff und müde wurden. Auch das 
Tuberkelbacillenendotoxin enthält Teilgifte, welche durch den Hemmungs- 
körper beeinflusst werden. Bei Injektion von tuberkulösen Rindern mit Tuber- 
kulin tritt eine Reaktion nicht ein, wenn den Tieren kurz vor der erstmaligen 
probatorischen Injektion genügende Quantitäten des Hemmungskörpers beige- 
bracht werden. Auch bei Phthisikern blieb wie bei den Tieren Temperatur- 
steigerung aus. Während aber bei Rindern eine Temperatursteigerung nach 
baldiger Wiederholung der Tuberkulininjektion nicht immer einzutreten pflegt, 
scheint beim Menschen, namentlich bei Verwendung grosser Dosen Tuberkulin, 
eine stürmische kumulative Wirkung nicht selten zu sein, so dass die Tempe- 

. ratursteigerung durch die gewöhnlichen Dosen des Hemmungskörpers nicht 
mehr aufgehoben wird. 

Der Vortragende führt Versuche mit Tuberkulininjektion an zwei von 
ihm vorbebandelten Mäusen vor. Ein erheblicher Teil der fiebererregen- 
den Substanzen, welche die Bewegung in das Blut hineintreibt, werden durch 
den Hemmungskörper vernichtet und unschädlich gemacht, aber ein anderer 
Teil dieser Substanzen, wahrscheinlich der zerfallenden Gewebe, Eiterprodukte 
werden durch den Hemmungskörper nicht entgiftet. Es wird zahlreiche Fälle 
von Tuberkulose geben, bei denen namentlich in den Anfangsstadien die thera- 
peutische Verwendung des neuen Mittels Vorteile bringt. Vielleicht aber kann 
mit der Zeit, was weit wertvoller wäre, das Mittel prophylaktisch verwendet 
werden. Es vermehrt den natürlichen Antitoxingehalt des Blutes, und da dieses 
Antitoxin eines der kräftigsten natürlichen Abwehrmittel unseres Organismus 
gegen eindringende toxische Substanzen ist, so ist die zweckmässige Verwen- 
dung des neuen Hemmungskörpers eine wahrhaft ideale Art eines Naturheil- 
processes. 

Diskussion: Prof. M. Neisser (Frankfurt) fragt, ob Antitoxinversuche 
gegenüber Toxinvergiftungen von Meerschweinchen auch mit Antitoxin vom 


1298 Versammlung Deutscher Naturforscher und Aerzte. 


Meerschweinchen gemacht wurden, ob also homologes Serum verwendet worden 
ist, da Versuche mit heterologem Serum verschiedene Deutungen zulassen. 

Weichardt bemerkt, dass die Einwendung des Herrn Neisser bereits 
in früheren Versuchen berücksichtigt worden sei. 


Brauns (Hannover): Die Aetiologie der Eklampsie. 

Brauns beobachtete in seiner Praxis einen mit Lungentuberkulose kom- 
plicierten Fall von Eklampsie. Im Urin der Patientin fand sich Eiweiss, und 
bei der Untersuchung stellte sich heraus, dass im Sediment Tuberkelbacillen 
und Perlsuchtbacillen mit grossen Splittermassen waren. Kurze Zeit darauf 
konnte Brauns bei einem weiteren Fall von Eklampsie genau den gleichen 
Befund erheben. Bei im ganzen 10 in der Marburger Klinik beobachteten 
Fällen fand Brauns in sämtlichen Urinen eine Splitteranhäufung. Der Urin 
war in sämtlichen Fällen mit sterilem Katheter entnommen und centrifugiert 
worden. Gefärbt wurden die Präparate nach folgenden3 Methoden: 

1. nach der Ziehlschen, 

2. nach der von Spengler angegebenen Perlsucht-Warm- und Kalıfärb- 
methode, 

3. nach der Spenglerschen Karbol-Fuchsin -Pikrinmethode. 

Letztere wird folgendermassen ausgeführt: Vorfärbung durch schwache 
Erwärmung bis zur Dampfbildung mit Karbolfuchsin, Abwaschen mit ge- 
sättigter wässeriger alkohol. Pikrinsäurelösung, Abwaschen mit 60 proz. Alkohol. 
Entfärben mit 15 proz. Salpetersäure, weiteres gründliches nochmaliges Ab- 
waschen mit 60 proz. Alkohol und zum Schluss Grundfärbung mit gesättigter 
Pikrinsäurelösung. 

Auf Grund des in den oben erwähnten 10 Fällen von Eklampsie er- 
hobenen mikroskopischen Urinbefundes ist der Beweis erbracht, dass es sich 
bei dieser Erkrankung um eine tuberkulöse Splitterinfektion handelt, 
die als ätiologisches Moment für die Erkrankung an Eklampsie anzusehen ist. 

Brauns erklärt nun im weiteren die Bezeichnung Splitter, welche auch 
in dem Sputum Tuberkulöser sehr häufig gefunden werden. Sie stellen 
körnige, kugelige Elemente dar, die vom Tuberkel- und Perlsuchtbacillus 
entstammen und losgesplittert sind. Es sei bis jetzt leider den Splitterbefunden 
zu wenig Wert beigemessen worden, weil man ihre Virulenz und Vitalität 
unterschätzte und keine geeignete Methode kannte, sie nachzuweisen. Bei 
Anwendung der vorzüglichen Spenglerschen Karbolfuchsin-Pikrinmethoden 
sind wir jetzt in die Lage gesetzt, das Vorkommen der Splitterformen sehr 
leicht zu diagnosticieren. Man findet diese Splitterformen sehr weit im Sputum 
Tuberkulöser verbreitet, welche gar nicht den Eindruck eines Phthisikers 
machen, und bei Patienten, welche eine Lungenphthisis überstanden haben. 
Tuberkulöse eitrige Abscesse, der Eiter von Lupuskranken, Geschwürsekrete, 
tuberkulöse Fisteln, Urin und Fäces enthalten sehr zahlreiche Splitter. Die 
bei der Eklampsie gefundenen Splitter hatten sich in der Niere fest- 
gesetzt und eventuell vermehrt. Sämtliche Frauen, welche eklamptisch er- 
krankten, hatten einen gesunden Eindruck gemacht, und es waren bei ihnen 
Splitter ohne Stäbchen gefunden worden. Mit der Zunahme der Harnscekretion 


Versammlung Deutsoher Naturforscher und Aerzte. 1299 


nach der Entbindung nahm die Zahl der Splitter ab, doch wurden sie noch 
ein Jahr nach der Geburt nachgewiesen. Als sie nach dieser Zeit wieder in 
starker Anzahl auftraten, brachte Brauns durch Vaccination mit Perlsucht- 
substanz sie vollständig zum Schwinden. Die Disposition zur Erkrankung an 
Eklampsie ist auf die einmal stattgehabte Splitterinfektion der Niere zurück- 
zuführen, die, wenn sie nicht inzwischen ausgeheilt ist, einen günstigen Boden 
zur Splitterbildung bei neueintretender Schwangerschaft gibt. Es ist also die 
Aetiologie der Eklampsie als eine tuberkulöse Splitterinfektion der 
Niere aufzufassen. Die Splitteransammlung in den Nierenzellen setzt diese ausser 
Funktion, nnd wenn dann noch der Druck des schwangeren Uterus oder die 
Stauung im Pfortaderkreislauf dazu kommt, so ist die Unwegsamkeit eine 
vollkommene: es findet eine Resorption von Harnstoff im Blut statt, und wir 
haben das Bild der Urämie. Hört die Stauung auf, so haben die angesammelten 
Massen durch die wiedereintretende Urinsekretion freien Abfluss. Brauns hat 
mit Tuberkel- und Perlsuchtsplittern aus Exkrementen kulturelle Versuche an- 
gestellt und gefunden, dass dieselben an Lebenskraft viel eingebüsst haben. 
Dennoch gelang es ihm, Reinkulturen von solchen Splittern zu züchten. 

Weichardt (Erlangen) stellt die Forderung auf, dass bei einer derartigen 
neuen Theorie Tierversuche vorliegen müssten, die es als unzweifelhaft er- 
scheinen lassen, dass das von Schmor] aufgestellte pathologisch anatomische 
Bild von dem supponierten Agens hervorgebracht ist. 

Küster bezweifelt die Tuberkulosenatur der aus dem Urin Eklamptischer 
gezüchteten, säurefesten Splitter, da die Behauptung lediglich auf die von 
Spengler angegebene Differenzialmethode gestützt wird. 

Auch Prof. Neisser glaubt, dass Tierversuche unter allen Umständen 
notwendig gewesen wären. 

Brauns: Meiner Ansicht nach ist der kulturelle Nachweis von Stäbchen, 
die aus den Splittern hervorgegangen sind, massgebender als die Tierversuche. 

Lydia Rabinowitsch fragt den Vortragenden, wie er die Splitterkultur 
gezüchtet habe. 

Prof. Wolff (Tübingen) bezweifelt, dass ausser dem Vortragenden irgend 
jemand aus der Versammlung durch die Darlegung davon überzeugt worden 
sei, dass die Eklampsie eine tuberkulöse Erkrankung ist. So lange wir keine 
Kultur der im mikroskopischen Bilde gesehenen Splitter vor uns haben und 
nichts über die Virulenz erfahren, können wir unmöglich glauben, dass die vom 
Vortragenden gesehenen säurefesten Stäbchen irgend etwas mit Tuberkelbacillen 
gemein haben. x 

Fuhrmann (Graz) stellt die Anfrage, ob Splitter- und Stäbchenform für 
sich durch eine Reihe von Generationen gezüchtet werden kann. Antwort: 
Die Stäbchenform ist immer eingeschaltet. 


4. Sitzung. Vorsitzender: Prof. Wolff (Tübingen). 

Alfred Junghabn (Privatdoc. an der k. Techn. Hochschule, Berlin-Char- 
lottenburg)}: Beiträge zur Chemie und Technologie des Malzkaffees. 

Während man früher alle sogenannten Kaffeesurrogate entweder als direkte 
Verfälschungen oder aber als nur verbilligende Zusätze zum Kaffee betrachtet 


1300 Versammlung Deutscher Naturforscher und Aerzte. 


hatte, hauptsächlich aus dem Grunde, weil ihnen jegliches Koffein fehlte. 
welches man allein als Träger der anregenden Wirkungen des Bohnenkaffees 
ansab, ist in neuerer Zeit bierin ein grosser Wandel eingetreten. Die Aerzte- 
welt hat einen schädlichen Einfluss der grossen Koffeinmengen wohl erkannt 
und koffeinfreie Ersatzgetränke gefordert. Diesem Verlangen wurde am besten 
durch die Einfübrung des Malzkaffees entsprochen. Zuerst wurde er als 
Kaffeezusatzmittel, jetzt wird er als ein selbständiges Kaffeeersatzmittel be- 
trachtet. Malzkaffee ist koffeinfrei. Zwar erfolgt die Herstellung gerade der 
wichtigsten Malzkaffeepräparate nach Patenten, bei denen Extrakte aus den 
Schalen und dem Fruchtfleisch der ungerösteten Kaffeebohnen zur Imprägnie- 
rung der Röstprodukte verwendet werden. Aber die Untersuchung hat dennoch 
die Koffeinfreiheit der Extrakte ergeben. Diese Imprägnierung wird vorge 
nommen, weil das reingeröstete Malz zu weich und süsslich schmeckt, während 
die Zuführung von Kaffeegerbsäure und karamelisierenden Fruchtsäuren das 
Getränke rezenter machen. Zur Anwendung gelangen eisengrüne Gerbsäuren 
und höhere Fruchtsäuren, da bläuende Gerbsäuren oder Säuerung bis zur 
Milch- oder Essigsäurebildung die zugeführte Milch koagulieren. Das 
Wichtigste ist die Koffeinfreiheit des Malzkaffees trotz seines kaffeeähnlichen 
Geschmacks. Was ist Malz? Warum mälzt man iiberhaupt, nachdem man 
doch durch Rösten von Gerste, Roggen, Weizen kaffeeartige Röstprodukte schon 
länger hergestellt hat. Röstet man ein reifes Getreidekorn, so wird zunächst 
das in seinen inneren Schichten befindliche Stärkemehl in Dextrin und weiter 
bei etwa 200° in Assamar übergeführt, während die Eiweiss- und Fettstoffe, 
hochgradig zersetzt, schlechtschmeckende Röstprodukte ergeben. Legt man aber 
das Getreide zunächst in Wasser und danu an die Luft, so dass das Korn zu 
keimen beginnt, so bildet sich aus den Eiweisskörpern ein Ferment, die 
Diastase, welche mit weiterem Fortschreiten des Keimungsprocesses Stärkemehl 
in Maltose oder in Zwischenprodukte wie Maltodextrin überführt. Dieser 
Malzzucker bildet beim Rösten Karamel und zwar bei niedriger Temperatur. 
so dass die Eiweiss- und Fettstoffe bedeutend weniger zersetzt werden. 

Auf dem gleichen Prinzip beruhen alle Gärungsgewerbe, wie Brauereien, 
Spiritusbrennereien. Die geweichte Gerste schon als Malz anzusehen ist unzu- 
lässig; es muss der Keimungsprocess soweit vorgeschritten sein, dase eine zur 
Umwandlung der Gesamtstärke in Maltose ausreichende Menge Diastase ge- 
bildet ist. Der Nachweis der stattgehabten Mälzung wird durch die Länge 
des Blattkeimes erbracht, die mindestens halbe Kornlänge hat. Fs ist desbalb 
eine Benachteiligung des Käufers, wenn derselbe als Malzkaffee gebrannte 
Gerste enthält. 

Bekannt ist, dass die Hauptfehler der Cichorie, Hervorrufen von Aufstossen 
und Uebelkeit, von ihrem Gehalt an Inulin-Assamar herkommen, und äbnlich 
wirkt starkes Assamar, dessen Entstehung genau wie beim Kaffee unvermeidlich 
ist. Diesen Fehler hat richtiger Malzkaffe aus gut karamelisiertem Malz nicht; 
auch die Röstprodukte aus den Eiweiss- und Fettstoffen spielen bei der Be- 
kömmlichkeitsfrage eine Rolle. 

Unrichtig ist es, bei der Analysierung, die den Nährwert eines Malzkaffees 


Versammlung Deutscher Naturforscher und Aerzte. 1301 


angeben soll, die ganze Substanz und nicht bloss den allein zur Resorption 
gelangenden wasserlöslichen Anteil aufzuführen. 

Ferner ist zu bemerken, dass in den Nahrungsmittelanalysen meist Sammel- 
körper bestimmt werden; so wird alles bis 100° abdunstende Wasser genannt, 
ohne Rücksicht auf etwaige ätherische Oele; das durch Aether Extrahierte 
nennen wir Fett, ohne weiter um die Zusammensetzung und Natur dieser Fette 
uns zu kümmern. Auch bei Bestimmung der Eiweisskörper findet eine Unter- 
scheidung nur in seltenen Fällen statt, und endlich sind selbst die Mineralstoffe 
nicht in ihrer ursprünglichen Form bestimmbar. Daraus folgt, dass solche 
Analysen nur Vergleichswert haben, über den Gebrauchswert eines Produktes 
aber nichts aussagen. Für die Beurteilung eines Malzkaffees sind also nicht 
objektive Analysenzahlen, sondern seine Genussmitteleigenschaften entscheidend. 
Der Wert des Malzkaffees besteht vor allem auch in seiner leichten Kontrollier- 
barkeit anf Reinheit. 

Diskussion: Röttge (Berlin) billigt im allgemeinen die Ausführungen des 
Herrn Vorredners und empfiehlt, den Malzkaffee als allgemein zu gebrauchendes, 
den Kaffee ersetzendes Getränk zu verwenden. 


Schbeurlen (Stuttgart): Zur Kenntnis der Bakteriologie der epi- 
demischen Schweisskrankbheiten. 

Aus der Geschichte der Volksseuchen ist uns bekannt, dass in früheren 
Jahrhunderten eine epidemische Krankheit, der englische Schweiss, eine ver- 
hängnisvolle Rolle spielte, über deren Ursache wir uns zur Zeit kein Bild zu 
machen vermögen. Er ist heute verschwunden, und nur ab und zu lesen wir 
in den Zeitungen, dass da oder dort, besonders in Frankreich eine ähnliche 
Krankheit teils epidemisch, teils sporadisch, in letzterem Fall mit Vorliebe 
bei Wöchnerinnen aufgetreten sei, das Frieselfieber. 

Eine kleine, aber sehr gefährlich einsetzende Epidemie von Frieselfieber, 
welche im Frühjabr 1900 in Hohnweiler, O. A. Backnang, in Württemberg 
auftrat, gab Scheurlen Gelegenheit zu bakteriologischen Untersuchungen, 
welche, wenn sie auch im Drang der Bekämpfung der Epidemie nur unvollkommen 
gemacht werden konnten, doch die Aetiologie dieser Krankheit ziemlich klar 
erkennen lassen und auch auf die Epidemiologie des englischen Schweisses 
ein neues Licht werfen. 

Berichtet ist über die erwähnte Epidemie bereits im Medizinalbericht von 
Württemberg für 1900, S. 119 und von dem staatlich angestellten Epidemie- 
arzt Dr. Zeller im Medizinischen Korrespondenzblatt des Württ. ärztlichen 
Landesvereins vom 18. August 1900, Bd. 70, S. 415. 

Vorauszuschicken ist, dass die letzte Frieselfieberepidemie in Württemberg 
im Frühjahr 1831 in Esslingen und Umgebung herrschte und von dem da- 
maligen Oberamtsarzt Dr. Steudel in einer Monographie beschrieben wurde. 

Der erste Fall der Hohnweiler Epidemie trat am 5. Februar 1900 auf; 
es folgte am 10. Februar ein weiterer Fall, am 22. wieder einer, am 25. Fe- 
bruar 4 Fälle, am 26. und 27. je einer, am 28. 2 Fälle, am 1. März 7, am 
2. März 4, am 4. März 3, am 6., 7. und 8. je einer, die letzten 2 gingen am 
12. März zu. Es geht aus dieser Reihe deutlich hervor, dass es sich um eine 


1302 Versammlung Deutscher Naturforscher und Aerzte. 


ansteigende und abklingende Epidemie handelt. Eine Fleisch- oder Käsever- 
giftung, an welche gedacht werden konnte, liegt nicht vor, auch haben alle 
dahingehenden Nachforschungen ein durchaus negatives Ergebnis gebabt. Im 
ganzen erkrankten 30 Personen, davon gehörten nur 4 dem männlichen Ge 
schlecht an. Die ersten 6 Fälle starben alle, im weiteren Verlauf nur noch 2. 
Die Epidemie verlor sonach rasch den anfänglich ausserordentlich bösartigen 
Charakter. 

Das klinische Bild war sehr charakteristisch. Die Patienten erkrankten 
ohne wesentliche Prodromalerscheinungen, manchmal mitten in der Arbeit an 
Schwindel, Kopfschmerzen, Herzklopfen und unerträglichem Angstgefühl; sie 
legen sich zu Bett, es bricht ein starker Schweiss aus, dem ein juckender 
roter Frieselausschlag folgt, der sich über den ganzen Körper erstreckt. In 
den meisten Fällen bestand Verstopfung. Die Lymphdrüsen sind deutlich 
geschwollen, der Urin enthält Eiweiss. Der Tod trat manchmal ganz uner- 
wartet ein, in einem Fall erfolgte er nach 11 ständiger Krankheitsdauer. Die 
meisten Kranken waren nach 8--10 Tagen wieder hergestellt, doch dauerte 
die Krankheit in einigen Fällen auch länger, in einem bis zu 3 Wochen. 

Der in allen Todesfällen gleiche und ganz charakteristische Sektionsbe- 
fund war folgender: 

Von dem Hautausschlag war zwar die Röte verschwunden, doch waren 
die Frieselbläschen und -stippcben noch wohl vorhanden. Die Milz war ver- 
grössert, die Nieren frisch parenchymatös entzündet. Das Colon transversum 
war stark kontrabiert, nur etwa daumendick. ~ 

An dem aufgeschnittenen Darm zeigte sich das Jejunum mit braunem 
Schleim bedeckt und durch Schwellung der Solitärfollikel namentlich in der 
Gegend der Ileocökalklappe wie mit Hirsekörnern übersät, während die Peyer- 
schen Haufen zwar auch deutlich sichtbar, doch nicht sonderlich geschwollen 
waren. Die Mesenterialdrüsen waren stark geschwollen, weniger die Inguinal- 
und Axillardrüsen. 

Auf der Lungenpleura, dem Perikard und dem Endokard waren einzelne 
kleine Ekchymosen vorhanden. 

Zur bakteriologischen Diagnose gelangten die inneren Organe von 
5 Leichen, welche 6--24 Stunden nach dem Tod seciert worden waren, und 
zwar Mesenterialdrüsen, Leber, Nieren, Milz und Blut. Aus allen diesen Or- 
ganen wurde durch das Gelatineplattenverfahren ein der Coligruppe angehörendes 
Bakterium gezüchtet, das in allen Leichen reichlich und in Reinkultur vor- 
handen war und sich auch im Deckglas- und Schnittpräparat der Organe nach- 
weisen liess; es färbte sich dabei gleichmässig, zeigte sonach keine Polfärbung; 
nach Gram blieb es ungefärbt. Scheurlen nennt es vorläufig Bacterium 
miliarium. k 

Für Kaninchen war das Bakterium nicht pathogen, dagegen tötete es auch 
in kleinster Dosis weisse Mäuse bei subkutaner Impfung in 4—14 Tagen, bei 
welchen es sich wieder in den inneren Organen durch das Platten- und Färb- 
verfahren leicht nachweisen und reinzüchten liess. Mit der Zeit schwächt 
sich die Pathogenität ab; als Scheurlen 1902 die weitere Untersuchung 
wieder aufnehmen wollte, konnte er Mäuse mit dem Bakterium nicht mehr töten. 


Versammlung Deutscher Naturforscher und Aerzte. 1303 


Doch stellte er damals noch folgende Eigenschaften fest: 

Ungefärbt sind die Stäbchen, welche an Grösse und Gestalt den Coli- 
bakterien durchaus ähnlich sind, lebhaft beweglich. Auf Gelatineplatten sind 
die tiefen Kolonien klein, kreisrund, von bräunlicher Farbe; die oberflächlichen 
flach ausgebreitet, unregelmässig umrandet, leicht opalescierend, zuweilen durch 
Furchen abgeteilt. Im Gelatinestich Wachstum entlang dem ganzen Stich, auf 
der Oberfläche flache Ausbreitung. Auf Agar bildet sich ein starker weisser 
Belag. Bouillon wird getrübt und behält alkalische Reaktion. Auf Kartoffel 
bildet sich ein üppiger gelblicher Rasen. Die Indolreaktion fällt bei einer 
mehrtägigen Bouillonkultur positiv aus. In Traubenzuckerbouillon findet starke 
Gasbildung statt. 

Weitere Untersuchungen anzustellen, dazu fehlte Scheurlen die Zeit. 

Die Bekämpfung der Epidemie war zwar kostspielig, aber nachdem ein- 
mal ibr Charakter erkannt worden war, dass nämlich das Frieselfieber zur 
Typhusgruppe gehört, nicht mehr allzu schwierig. Die Kranken wurden in 
einer rasch aufgestellten Baracke streng isoliert. 

Zusammengelfasst ist das Ergebnis der Beobachtungen . folgendes: Das 
Frieselfieber ist eine akute Infektionskrankheit, bedingt durch einen der Coli- 
Typbusgruppe angehörenden Bacillus, welcher sicb in ähnlicher Weise wie der 
Typhus epidemisch verbreiten und in derselben Weise bekämpft werden kann. 
Der Krankheitserreger befällt mit Vorliebe das Lymphgefässsystem; charakte- 
ristisch ist neben dem das Bild beherrschenden Ausschlag und profusen Schweiss 
pathologisch-anatomisch die Schwellung der Solitärfollikel des Darms und die 
Petechien der serösen Häute. Inwieweit er sich von den anderen pathogenen 
Bakterien der Typbus-Coligruppe unterscheidet, bleibt weiteren Untersuchungen 
vorbehalten. . 

Diskussion: Dr. Zeller (Backnang), der damalige Epidemiearzt teilt mit, 
dass auch jetzt noch in jener Gegend jedes Jahr 2—3 Fälle von Schweiss- 
friesel meist in subakuter Form vorkommen. Sie gehen mit geringem Fieber 
einher und zeigen manchmal monatelang profuse Schweisse. : 

Reissinger (Komotau in Böhmen) bemerkt, dass in österreichischen 
Alpenländern sehr häufig Schweissfrieselepidemien konstatiert werden, so dass 
die österreichische Regierung sich wiederholt zu umfassenden Prohibitivmass- 
nahmen veranlasst sah. 

Dietsch hat in 22jähriger Praxis in Dinkelsbühl (Mittelfranken) öfter 
sporadische Fälle von sogenanntem Sudor anglicus beobachtet, manchmal in 
einem Jahre mehrere Fälle, manchmal in mehreren Jahren keinen. Das 
Charakteristische bestand im Wechsel zwischen abundanten Schweissen, in 
denen sich die Patienten ganz behaglich fühlten, und Anfällen von heftiger 
Beklemmung und Schweratmigkeit. Einige starben in solchem Anfall ganz 
plötzlich, bei denen kurz zuvor die Organuntersuchung keinerlei Anomalien er- 
geben hatte. Einigemal dauerte die Erkrankung ein paar Monate. In Ober- 
franken hat Dietsch in den 8 Jahren seines Dortseins weder selbst einen 
Fall von Schweisskrankheit beobachtet, noch durch Kollegen, die er darüber 
befragte, etwas über deren Beobachtung erfahren, während in Mittelfranken 
älteren Aerzten die Krankheit wohl bekannt ist. 


1304 Veršammlung Deutscher Naturforscher und Aerzte. 


In seinem Schlusswort äussert sich Scheurlen dahin, dass die Erkenntnis 
des sporadischen und epidemischen Schweissfriesels als einer Infektion durch 
eine durch ihre Virulenz gegen Mäuse charakterisierte Coli-Typbusbakterienart 
insofern an Bekanntes anknüpfe, als bei verschiedenen Fällen von vermutlicher 
Fleischvergiftung das Auftreten eines frieselähnlichen Ausschlags eine fest- 
gestellte Sache sei. Bei der Aebnlichkeit der Frieselfieberepidemien mit den 
geschichtlichen Epidemien des englischen Schweisses dürfe auch für diesen 
eine gleiche Ursache zur Erklärung herangezogen werden. 


Ferner hielten noch Vorträge: Brat (Charlottenbarg): Erfahrungen 
über einige Fabrikgifte, und v. Wunschheim (Innsbruck): Eine Be- 
merkung zu Casagrandis Auffassung der Milzbrandhämolyse. 


Von den anschliessend an die Sitzungen der Abteilung vorgenommenen 
Besichtigungen sind besonders die der Abwasserreinigungsanlagen zu er 
wähnen, welche von Obermedizinalrat Dr. Scheurlen durch einen Vortrag an 
der Hand zweier Modelle von Einzelkläranlagen eingeleitet wurden. Stuttgart 
ist im Begriff, zur Schwemmkanalisation überzugehen; zur Zeit ist es zwar 
längst vollkommen kanalisiert, hat aber noch pneumatische Grubenentleerung, 
deren gute Funktionierung an 2 Vakuumapparaten (Dampfpumpen- und Benzin- 
vakuumapparat) vorgeführt wurden. Auf Grund der Ergebnisse der seit 5 Jahren 
betriebenen biologischen Versuchskläranlagen wird die Stadt biologische 
Abwasserreinigung einführen. Es baben aber schon jetzt grössere Gebäude 
biologische Reinigungsanlagen nach dem Füll- und nach dem Tropfverfahren 
erstellt, von denen drei verschiedene Arten an Ort und Stelle besichtigt wurden 
und von welchen zwei gut funktionierten. Sie stehen unter städtischer Aufsicht. 
Den besten Eindruck machten die grossen Versuchskläranlagen, an welchen die 
verschiedensten Arten der Wasserverteilung (Rinnen, Furchen) und des sonstigen 
Betriebs zu sehen waren und deren Besichtigung jedem anempfohlen werden 
kann, welcher sich auf diesem Gebiet zu unterrichten beabsichtigt. Von 
weiteren Besichtigungen ist noch die des städtischen Wasserwerks zu erwähnen, 
wobei manchem neu war, dass Stuttgart schon seit ca. 400 Jahren durch 
Stauweiher mit Wasser versorgt wird. Auch das Volksbad, die Milch- 
küche und die Rettungseinrichtungen der Berufsfeuerwehr erweckten allge- 
meines Interesse. 


Verlag von August Hirschwald, Berlin N.W. — Druck von L. Schumacher In Berlin N. 34. 


Hygienische Rundschau. 


Herausgegeben 


von 


Dr. Carl Fraenkel, Dr. Max Rubner, Dr. Carl Günther, 


Geh. Med.-Rat, Prof. der Hygiene Geh. Med.-Rat, Prof. der Hygiene Geh. Med.-Rat, a.0.Prof. dor Hygiene 
in Halle a./S. in Berlin. in Berlin. 


XVI. Jahrgang. Berlin, 1. December 1906. W 23. 


Von der Pest in der Mandschurei im Herbste 1905. 
Von 


Dr. W. P. Kaschkadamoff, 
Kais. Staatsrat, St. Petersburg. 


Die Geschichte und der Gang der Epidemie. Die Station Dshalaj- 
Nor ist die zweite von der Grenze zwischen dem Gebiete von Trans- 
bajkal von einer Seite und der Mandschurei und Mongolien von der anderen. 
Die erste Station, „Mandschurei“, ist 28 Werst entfernt. Die Pest erschien in 
einem kleinen russischen Dorfe, das 3 Werst von der Station und 1!/, Werst 
von den Steinkoblengruben entfernt war. Das Dorf bestand aus 33 Erdhütten 
und war von ungefähr 180 Seelen bewohnt. 3 

Im Sommer 1905 mähte der Kosak Alexander Kosloff, 24 Jahre alt, der 
immer im russischen Dorfe wohnte, das Heu am Dorfe Abahaituj, das 15 Werst 
von der Station Dshalaj-Nor entfernt ist. Am 14. August kam Kosloff von der 
Heuernte auf die Station Mandschurei und stieg bei seiner Frau im Hause von 
Gorbunoff ab. Am andern Tag kehrte er auf die Station Dshalaj-Nor in sein 
Dort zurück und erkrankte an demselben Tage; er starb am 19. August. Nach 
den Angaben seines Vaters hatte er geschwollene Drüsen in den Achselhöblen. 

In demselben Hause zusammen mit Kosloff wohnten: 1. seine Mutter, Eli- 
sabeth Kosloff, 60 Jahre alt, 2. der Arbeiter Prokop Kibireff, 58 Jahre alt, 3. 
und 4. 2 Mädchen, Nina Poluchin, 8 Monate alt, und Marie Poluchin, 4 Jahre 
alt, 6. Jakob Ssossnin. Sie erkrankten alle nacheinander und starben, und 
zwar: 1. Elisabeth Kosloff erkrankte am 23. und starb am 27. Aug., 2. und 3. 
Nina und Marie Poluchin erkrankten am 27. Aug. und starben am 2. Sept., 
4. Prokop Kibireff erkrankte am 29. Aug., starb am 3. Sept., 5. Jakob Ssossnin 
erkrankte am 5. und starb am 11. Sept. Auf solche Weise starben an der 
Pest alle 6 Personen, die in einem Hause wohnten. 

Jakob Ssossnin wohnte der Totenfeier und Beerdigung der früher Ge- 
storbenen bei und erkrankte selbst am 5. Sept. Die Krankheit äusserte sich 
gleich am Anfang durch Frösteln, Schweiss, Hitze, Kopfschmerzen und Schmerzen 
in der linken Weiche. Bei der Besichtigung in dem Eisenbahnkrankenhause 


93 


1306 Kaschkadamoff, 


wurde am 10. September eine Temperatur von 39,10 gefunden. Die Zunge war 
stark belegt. Das Gesicht war rot, die Konjunktiven entzündet, die Augen trüb, 
der Blick sinnlos wie bei einem Betrunkenen, der Puls ziemlich frequent, ungefähr 
100 in der Minute. In der rechten Weiche war ein ganzes Paket von ausser- 
gewöbnlich derben, schmerzhaften Drüsen von Wallnussgrösse tastbar. Der 
Kranke ist im erregten Zustande, bleibt nicht im Bett, reisst sich los. Nicht 
volles Bewusstsein. Sprache verwirrt. Temp. am Abend 38%. Erregung ge- 
steigert. Um 3 Uhr nachts trat der Tod ein. Befund bei der Sektion: 3 Weichen- 
drüsen taubeneigross, sehr derb. Milz ist 21/, mal vergrössert, welk, zerreisst 
sehr leicht. Leber mit Fett im Uebermass. Die Deckglasausstriche aus den Drüsen 
und der Milz zeigten eine grosse Menge von Stäbchen, deutlich bipolar 
sich färbend. 

In der Nachbarschaft wohnte eine andere Familie Kosloff, die aus 
Michel Kosloff, 21 Jahre alt, seiner Frau Ustinia, 24 Jahre alt, und 3 Kindern, 
von denen eines Ustinias 4 jährige Tochter war, bestand. Zuerst erkrankte 
Ustinia Kosloff, 24 Jahre alt, am 5. Sept. Es stellten sich Frösteln, Hitze und 
Kopfschmerzen ein. Dann konnte man im Gebiete der Achselhöhle eine sehr 
schmerzhafte Drüse fühlen. 2 Tage nach der Erkrankung fand eine frühzeitige 
Geburt statt, ungefähr im 3. Monate der Schwangerschaft; die Kranke starb am 
9. Sept. Bei der Besichtigung der Leiche am 10. Sept. fand man im Gebiete der 
Achselhöhle eine sehr derbe Geschwulst, hühnereigross. Hierauf erkrankte 
ihre 4 jährige Tochter, Ustinia, am 9. Sept. Sie klagte über Kopfschmerzen, 
hatte Erbrechen und Nasenbluten. Temp. am 10. Sept. 39,6%. Gesichtsaus- 
druck leidend. Zunge leicht weiss belegt. Atem regelmässig und ruhig. Puls 
frequent, ungefähr 110. In den Lungen keine Veränderungen. Appetit schlecht. 
In der linken Weiche eine kleine Drüse, haselnussgross tastbar, aussergewöhnlich 
derb, unbeweglich, äusserst schmerzhaft. Temp. am 11. Sept. 40%. Die Kranke 
verweigert die Aufnahme der Nahrung. Durst stark. Die Drüse ist noch em- 
pfindlicher geworden. Am 12. Sept. war die Kranke halb bewusstlos und machte 
die Augen nicht auf. Auf dem ganzen Körper sind in grosser Menge Hämorrhagie- 
punkte zerstreut. Temp. am 13. Sept. 37,70. Bei dem Betasten der Drüse weint die 
Kranke lautlos. Sie atmet sehr schwer, die Zahl der Atmungen beträgt 40. 
Puls voll, ungefähr 120. Um 6 Uhr abends trat der Tod ein. Michel Kosloff 
erkrankte am 3. Sept, und starb am 9. Sept. im Krankenhause. Am 10. Sept. 
fand man bei Besichtigung der Leiche in der linken Weiche über dem Leisten- 
bande eine derbe hühnereigrosse Drüse. 

Ausserdem erkrankten Matrona Bilkoffl, 28 Jahre alt. Der Arbeiter von 
Alexander Kosloff, Prokop Kibireff, besuchte sie sehr oft. Sie erkrankte am 
4. Sept. Die Krankheit begann mit Hitze und Kopfschmerzen. Nach einem 
Tage trat die frühzeitige Geburt eines Knaben ein, der sofort starb. 
Schmerzen in der rechten Weiche. Am 10. Sept. Atem frequenter, schwer. 
Puls schwach, ungefähr 120. Temperatur 39,8%. Die Kranke ist sehr schwach. 
In der rechten Weiche eine unbewegliche, sehr derbe, äusserst schmerz- 
hafte, faustgrosse Geschwulst ‚tastbar. Pat. verschied um 9 Uhr abends. — 
2. Nikifor Assanoff, 14 Jahre alt, erkrankte am 5. Sept. Die Krankheit be- 
gann mit Frösteln, Hitze und Kopfschmerzen. Hierauf traten Schmerzen und 


Von der Pest in der Mandschurei im Herbste 1905. 1307 


eine Geschwulst in der rechten Weiche auf, am andern Tage auch in der rechten 
Achselhöhle. Temp. am 10. Sept. mehr als 40%. Puls voll, ungefähr 100. 
Atem regelmässig. Gesichtsausdruck leidend. Gesicht rot kongestioniert: 
Zunge stark gelblich belegt. In der rechten Achselhöhle eine derbe, sehr 
schmerzhafte, kinderfaustgrosse Drüse tastbar. In der rechten Weiche über 
dem Leistenband auch eine derbe, sehr schmerzhafte, hühnereigrosse Drüse. 
Temperatur am Morgen des 11. Sept. 39,9%, Drüsen bedeutend derber. Sen- 
soriam benommen. Am Abend macht der Kranke den Eindruck eines Betrun- 
kenen. Sprache verwirrt. Augen trüb. Halbbewusstsein. Puls voll, nicht 
zu sehr frequent. Zunge schwarz belegt. Um 10 Ubr abends trat der Tod ein. 
11/2 Tage nach dem Tode machte der Arzt Klodnitzky mit der Spritze einen 
Stich in das Gebiet der Leber. Die auf diese Weise erhaltenen Deckglas- 
ausstriche zeigten das Vorhandensein der Stäbchen mit deutlicher polarer 
Färbung. — 3. Agrippine Lapunoff, 24 Jahre alt. Ihr Haus besuchte oft der 
Arbeiter Kibireff. Sie erkrankte am 15. Sept. Die Krankheit begann mit 
Hitze, Kopfschmerzen und Schmerzen in der linken Weiche. Temperatur am 
Abend 38,5%, am 17. Sept. 38,50%. Puls voll, 90 in der Minute. Atem regel- 
mässig, 20. Bewusstsein benommen. Kein Appetit. Zunge leicht weiss 
belegt. Die Ränder der Zunge waren rein. Mässige Konjunktivitis. 
Unter dem Leistenband sind 2 Drüsen tastbar, die eine wie eine Nuss, die 
andere wie eine kleine Gurke gross, nicht sehr derb, schmerzhaft. Temp. am 
18. Sept. 39,50. Bewusstsein besser. Die Drüsen sind empfindlicher ge- 
worden. Temp. am 19. Sept. 9 Uhr morgens 39%. Die Leistenbanddrüsen 
sind kleiner, weniger derb und empfindlich geworden. Ueber dem Leisten- 
band siod 2 Drüsen bohnengross, sehr derb und schmerzhaft tastbar. Um 
11 Uhr vormittag Einspritzung von 60 cem Antipestserum. Die Tempe- 
ratur wurde alle 3 Stunden gemessen (38,3—39,5—39,50%). Am 20. Sept. war 
das Gesicht stark verfallen, die Zunge sehr belegt. Augen trüb. Puls 120. 
Atem 32. Krampfhafter Husten mit blutigem Schleim. Stimmung benommen. 
Temp. 9 Uhr morgens 39,7%. Um 10!/, Uhr Einspritzung von 120 ccm 
Serum. Temp. 39,8—40—39,8%. Die Kranke war bei vollem Bewusstsein, 
stöhnt vor Schmerzen, die Augen glänzen, die Lippen sind schwarz. Atem 
oberflächlich und frequent, 40 in der Minute. Puls schwach, 140. Temp. 
9 Uhr abends 38,7, am 21. Sept. 39,2%. Augen trüb, Pupillen reagieren nicht. 
Die Kranke befand sich im Delirium. Atem 60. Puls nicht zu zählen. Um 
21/2 Uhr nachmittags trat der Tod ein. — 4. Wassili Kurbatoff, 9 Jahre alt, er- 
krankte mit nicht zu grosser Hitze am 4. Sept. Unter dem unteren Kinn- 
backen begann eine schmerzhafte Geschwulst schnell zu wachsen. Temp. am 
10. Sept. 40°. Gesicht blass, Zunge weiss belegt. Der Kranke klagt über 
Kopfschmerzen. Unter dem unteren Kinnbacken ist eine faustgrosse Geschwulst 
vorhanden; dieselbe besteht aus den beiden stark vergrösserten Kinnbackendrüsen. 
Die Drüsen sind derb und schmerzhaft, die Haut, die sie bedeckt, ist rot. 
Fluktuation nicht zu bemerken. Am 12. Sept. wurde die Geschwulst reif, brach 
auf und entleerte eine grosse Menge grünlichen Eiters. Temp. 38°. Am 14. Sept. 
war die Temperatur normal. Bewusstsein gut. Appetit zeigt sich. Am 16.Sept: 
hat die Eiterung aufgehört. Temperatur normal. Am 17. Sept. war in der Ge- 


93* 


1308 Kaschkadamoff, 


schwulst eine deutliche Fluktuation zu bemerken. Am 19. Sept. brach der 
Abscess wieder auf, und grosse Menge grünlichen Eiters sickerten bervor. Am 
22. Sept. hat die Geschwulst abgenommen. Eiter war nicht vorhanden. Die 
Fistel hat sich geschlossen. Im Gebiete der Kinnbackendrüsen ist Verhärtung 
füblbar, nicht scharf begrenzt, schmerzlos. Die Haut über derselben ist unbe- 
weglich. Die vorderen rechten Halsdrüsen hatten Walnussgrösse erreicht und 
waren schmerzlos. Bis zum 29. Sept. war die Temperatur normal. An der 
Stelle der Fistel bildete sich eine derbe Narbe. Die Drüse unter dem rechten 
Kinnbacken hatte die Grösse eines kleinen Hühnereies, war oval, derb, mit 
den unterliegenden Muskelbündeln und der Haut verschmolzen, schmerzlos. 
Die linke Kinnbackendrüse ist etwas vergrössert, auch mit den Muskeln und der 
Haut verschmolzen, derb und schmerzlos. Die vorderen Halsdrüsen walnussgross. 
An den hinteren Halsdrüsen ist eine haselnassgrosse tastbar. In der linken 
Achselhöhle und der Ellenbeuge waren ebenfalls erbsengrosse Drüsen zu fühlen. 
In den beiden Weichen waren ganze Packete von kleinen Drüsen vorhanden, in 
den anderen Organen sind keine Veränderungen zu bemerken. Infolge dieses 
Zustandes konnte Kurbatoff als Genesender betrachtet werden. Was das Vor- 
handensein der zugenommenen Drüsen betrifft, so waren dieselben völlig schmerz- 
los und blieben lange Zeit in diesem Zustande; das ganze Iymphatische System 
war betroffen, jedoch hatten die Veränderuugen einen anderen als pestartigen 
Charakter. 

Im ganzen erkrankten 13 Personen, 12 starben. Die Epidemie 
dauerte ungefähr einen Monat. 

Der Charakter der Erkrankungen wurde anfangs von der Kommission der 
Eisenbahnärzte festgestellt, welche 2 Gestorbene gefunden, seciert und Pest 
konstatiert hatten. 

Hierauf machte der Militärarzt Tschaussoff, der bei mir das bakteriolo- 
gische Laboratorium verwaltete, 2 Sektionen: 1. von Ustinia Kosloff, 4 Jahre 
alt, am 15. Sept., 2. von Agrippine Lapunoff, am 21. Sept., und stellte Pest 
fest. Mit dem bezüglichen Material wurden Meerschweinchen und Tarabaganen 
inficiert, die mit den Erscheinungen zweifelloser Pest zu Grunde gingen. 
Bei der Lapunoff gelang es, die Pest noch am Leben durch die Untersuchung 
des Sputums festzustellen. 

Also sind wir berechtigt, mit voller Sicherheit alle diese 12 Todesfälle 
als Pest zu betrachten. Wie wir sehen, war es bei allen die Drüsenpest; 
bei einem lagen sekundäre Bubonen, bei einem anderen sekundäre Pneumonie vor. 
Die letzte Erkrankung (von Kurbatoff) ist nicht als Pest anzusprechen. 

Auf der Station Mandschurei waren nur 2 Kranke: 1. ein 8 jähriges 
Mädchen, welches im Hause Gorbunoff wohnte. Am 30. August haite 
sie sich das Bein verletzt, am 7. Sept. begann Hitze, am 14. eiterte die 
Hüftdrüse. Man hatte sie mit der Mutter in die Cholerabaracke gebracht. 
Am 20. Sept. brach die Drüse durch, worauf das Mädchen genas. Es wurde 
keine bakteriologische Untersuchung vorgenommen; dieser Fall ist als ein ver- 
dächtiger zu betrachten. 2. Wassili Meschtscheriakoff. Er handelte mit Salz, 
nach welchem er 50 Werst weit fuhr. Das letzte Mal kam er mit Salz in der 
Nacht auf den 10, Sept. 1905, stieg in seiner Wohnung ab, erkrankte am 


Von der Pest in der Mandschurei im ITerbste 1905. 1309 


anderen Morgen und wurde in die Typhusbaracke gebracht. Er hatte einen 
Bubo in der Achselböhle. Die Pest wurde von den Eisenbahnärzten festgestellt. 
Am 14. Sept. starb der Kranke; seine Leiche wurde einer sorgfältigen bakte- 
riologischen Untersuchung unterzogen und die Diagnose bestätigt. 

Die gegen die Pest vorgenommenen Massnahmen waren folgende: 
Am 13. Sept. unternabm die Kommission der Eisenbahnärzte eine eingehende Be- 
sichtigung der Bewohner im verseuchten Dorfey dabei erwiesen sich alle als 
gesund. An demselben Tage kam Dr. Besser, der vom Medizinalinspektor der 
Arrieregarde gesandt wurde. Er gab den Auftrag, das Eisenbahnkrankenhaus 
abzusperren, ebenso auch die Erdhütten, die der Station gegenüber lagen, und 
in deren einer der Arzt Pissemsky wohnte. Am 14. Sept. trafen die Aerzte 
Tschaussoff und Georgievsky zu den bakteriologischen Untersuchungen und 
am 15. Sept. Dr. Schwarz mit einem Desinfektionsdetachement ein. Am 
16. Sept. beauftragte Dr. Besser Dr. Schwarz, die Kleidung zu verbrennen 
und die Desinfektion kostbarer Sachen bei den Bewohnern des verseuchten 
Dorfes vorzunehmen. Alle Bewohner wurden nach der Desinfektion mit neuen 
Kleidern versehen, in Eisenbahnwagen, die an einem entfernten Wege aufge- 
stellt waren, gebracht und unter Beobachtung gestellt. 

Am 17. Sept. wurde unter Beaufsichtigung von Dr. Schwarz das Ver- 
brennen der Erdhütten das verseuchten Dorfes und der ganzen Habe der 
Bewohner vorgenommen. Selbigen Tages begann auch ich mit der Pestbe- 
kämpfung. 

Am 18. Sept. fand ich bei der Besichtigung folgendes: 1. das verseuchte 
Dorf war umzingelt, und ein bedeutender Teil der Erdhütten brannte; 2. das 
Eisenbahnkrankenhaus war samt dem ganzen Personal umzingelt; 3. am 
entfernten Wegende standen eine Reibe von Eisenbahnwagen, in welchen in 
16 Wagen die Bewohner des Dorfes, in 2 Wagen das Desinfektionsdetache- 
ment von Dr. Schwarz und ausserdem in 2 Wagen Desinfektionskammern (in 
jedem derselben eine Dampf- und eine Formalinkammer), in 5 das bakterio- 
logische Laboratorium von Dr. Tschaussoff sich befanden, während in einem 
die kranke Agrippine Lapunoff mit dem Diener und in einem anderen der 
Knabe Kurbatoff mit seinem Vater versorgt wurden. An demselben Tage 
wurden» von mir und Dr. Besser ungefähr 80 Erdhütten besichtigt, welche 
längs des Eisenbahndammes zwischen der Station und den Steinkohlengruben 
unweit des verseuchten Dorfes gelegen sind. 

Die Desinfektion. Von der grössten Wichtigkeit war es für uns, das 
verseuchte Dorf in einen solchen Zustand zu bringen, dass dasselbe keine Ge- 
fahr mehr vorstellte. Es ist ziemlich weit ausgedehnt, und zwar nach Norden 
vom Eisenbahndamm. 

Eigentlich verteilten sich die Kranken auf 7 Erdhütten, von denen 6 nahe 
beieinander und die siebente seitwärts gelegen war. Es wurden im ganzen 
27 Erdhütten umzingelt. 

Vor dem Verbrennen wurden die Erdhütten mit Petroleum begossen, das 
Feuer wurde mit Stroh, welches ebenfalls mit Petroleum begossen war, ange- 
steckt. Die Wände und das Dach waren aus Erde, die hölzernen Teile waren 
nur Balken. Für das Verbrennen aller Erdhütten wurde viel Zeit gebraucht, 


1310 Kaschkadamoff, 


um so mehr, als gleichzeitig auch das Hab und Gut mitverbrannt wurde. Alle 
Sachen wurden aufgeschrieben, taxiert und deren Wert von der Verwaltung 
der Ostchinesischen Eisenbahn bezahlt. 

Der ganze Platz wurde von Schutt und Mist gereinigt; letzterer wurde 
verbrannt. Die Reste wurden zerstört und möglichst der Erde gleich gemacht. 

4 Erdhütten, welche der Station gegenüber lagen, wurden vom 15. bis 
25. Sept. umzingelt, nachdem der Arzt Pissemsky in einen Eisenbahnwagen 
umgezogen war.‘ Hierauf wurde die Erdhütte von Pissemsky mit einem Teil 
von seinen Sachen verbrannt, die anderen desinficiert und die Wache beseitigt. 

Desinfektion des Eisenbabzkrankenhauses. Das Krankenhaus be- 
steht aus 4 Baracken, nach dem Muster der Erdhütten eingerichtet. Die Ge- 
bäude sind aus Balken, die lose aneinander gelegt sind, gebaut, die Zwischen- 
räume sind mit Werg verstopft. 

In der Typhusbaracke wurden die Pestkranken versorgt. Ihre Sachen 
wurden im allgemeinen Zeughause aufbewahrt. In der Kapelle wurde die 
Secierung der Leichen der an der Pest Gestorbenen vorgenommen. Die Diele 
war aus Holz mit Spalten. Das Desinficieren des Krankenhauses dauerte vom 
23. Sept. bis 2. Okt. 

Die Arten der Desinfektion. Die Wohnung des Arztes, die Baracke 
der Feldscherer und der Diener wurden zuerst reichlich mit heisser Sublimat- 
lösung (1:1000), dann mit heisser Sodalösung behandelt. Hierauf wurden 
die Ofenröhren, Ventilatoren, Fenster und Luftfenster zugemacht, die Spalten 
mit Kitt zugekittet, die Fensterrahmen und die Türen mit Papier verklebt 
und der Apparat von Sarewitz aufgestellt, mit der Berechnung auf je 
100 cbm (10 Kubikfaden) 625 g Formalin bei 8 Stunden Desinfektionsdauer. 
Nach dem Verlauf dieser Zeit beseitigte man den Geruch von Formalin durch 
Verdampfen von 125 g Ammoniak auf je 1 Kubikfaden. Die Metallgegenstände 
wurden mit heisser 5 proz. Seifenkarbollösung gewaschen. 

Aus Baracke 2, wohin die Typhuskranken gebracht wurden, wurden 
die mit Sublimat (1: 500) übergossenen Matratzen der Kranken herausgetragen, 
das Heu herausgenommen, verbrannt und die Säcke selbst in eine heisse 
Sublimatlösung (1:500) und hierauf in kochendes Wasser 2 Stunden lang 
gelegt; sodann Formalin und Bleichen mit 2 proz. Chlorkalklösung. Die 
Küche, das Waschhaus und die Badestube wurden ähnlich desinficiert. Die 
Küchengeräte wurden in 2 proz. Sodalösung gekocht, das grosse Geschirr 
mit Wasser und heisser 5 proz. Seifenkarbollösung gewaschen, die ganze 
Wäsche und Kleidung mit flüssigem Dampf und Formalin in der Wagenkammer 
desinfieiert. ; 

Für die Pestbaracke kam heisse Sublimatlösung (1: 500), heisse 2 proz. 
Sodalösung, Formalin und heisse 5 proz. Seifenkarbollösung zur Anwendung, 
sodann Bleichen mit Chlorkalk in 20 proz. Kalkmilchlösung. 

Die Kapelle wurde verbrannt. 

Dieselbe Kommission, welche das Dorf und am 10. Okt. das Krankenhaus 
besichtigt hatte, kam zu dem Schlusse, dass es nötig wäre, die Pestbaracke 
und das Zeughaus für den allgemeinen Gebrauch völlig zu schliessen, und 


Von der Pest in der Mandschurei im Herbste 1905. 1311 


wenn das Krankenhaus in das neue Lokal übergeführt sei, dieselben zu ver- 
brennen. 

Die Desinfektion des bakteriologischen Laboratoriums. Nach- 
dem Dr. Tschaussoff alle Arbeiten beendigt hatte, vernichtete er alles, 
was hätte gefährlich werden können; selbst die Wagen, in denen man die 
Untersuchungen und Sektionen gemacht hatte, wurden verbrannt. 

Das vorhandene Personal wurde nach Beendigung der Arbeiten und Des- 
infektion laut Befehl des Chefs der Sanitätsabteilung der Arrieregarde in zebn- 
tägiger Quarantäne zurückgehalten. 

Die Sachen der Kosaken, die für das Umzingeln dienten, wurden desinfi- 
ciert. Auch das Personal des Desinfektionsdetachements wurde der Desinfektion 
unterzogen. 

Der Pestfriedhof. Der dazu angewiesene Platz nimmt 20X10=200 Qua- 
dratfaden ein, er befindet sich nordöstlich von den Steinkohlengruben, hinter 
dem Eisenbabndamm, !/, Werst von der Eisenbahnlinie und 1!/, Werst vom 
nächsten Dorfe entfernt. Der Friedhof ist am Ablıange eines Hügels, fast am 
Fusse desselben gelegen. Hier sind 7 Grabhügel, die den herrschenden Ge- 
setzen gemäss eingerichtet sind. Ein tiefer Graben und eine Umzäunung um- 
geben den ganzen Platz. 

Die ersten 5 Gestorbenen wurden auf dem allgemeinen Friedhofe beerdigt, 
als die Pest noch nicht diagnosticiert war, und zwar Alexander Kosloff, seine 
Mutter Elisabeth Kosloff, die beiden Schwestern Poluchin und der Arbeiter 
Kibireff. Die Grabhügel wurden mit einem soliden Zaun umgeben. Um den 
ganzen Platz ist ein Graben gezogen. Der Friedhof selbst ist für den allge- 
meinen Bedarf gesperrt. 

Die prophylaktische Impfung. Um ein Beispiel zu geben, liessen sich 
die Aerzte zuerst impfen. Als Material wurde die Lymphe (6—8 Monate alt) 
aus dem Institut für Experimentalmedizin in St. Petersburg gebraucht. Da 
ich aus früherer Erfahrung wusste, dass man 5 ccm als eine hinreichende 
Dosis betrachtet, fing ich mit derselben an. Bei manchen trat sogleich ziem- 
lich starke lokale Reaktion mit scharf ausgeprägten allgemeinen Erschei- 
nungen ein. Dieser Umstand bewog mich, die Dosis bis auf 3 ccm zu ver- 
minderp, welche Dosis. auch von den Vorschriften empfohlen ist. 

Unter den Aerzten waren neben solchen, bei welchen fast keine Reaktion 
auftrat, auch besonders empfindliche, bei denen die allgemeinen Erschei- 
nungen erst nach 3—4 Tagen und die lokalen nach 7—10 Tagen verschwanden. 
In den ersten Tagen erreichte die Zahl der Geimpften ca. 40—50 Personen. 
Die Arbeiter und’ Chinesen verweigerten die Impfung hartnäckig. Von den 
Kosaken wurden 43 geimpft, 8 bekamen keine Veränderungen, die anderen 
zeigten während 2—4 Tagen Kopfschmerzen, Ermattung und Müdigkeit; bei 
.10 stieg die Temperatur bis 38,5, bei 8 bis 39 und bei 8 noch höher. Es 
wurden 18 Soldaten geimpft. Von ihnen kam bei 7 die Temperatur nicht 
höher als 38°, bei 8 stieg sie bis 38,5%, bei 2 bis 39° und bei einem 
über 390, 

Von den Arbeitern wurden 38 geimpft. Bei allen, ausser einem, stieg 
die Temperatur nicht höher als 38,2%. Die allgemeinen Erscheinungen waren 


me nt Arne Swen En ige 


E EE ARTTI 


1312 Kaschkadamoff, 


unbedeutend. Der eine hatte eine Temperatur von 39,2° mit den gewöhnlichen 
Erscheinungen (Kopfweh, Unwohlsein, lokale, schmerzhafte, kleine Bubonen), 
die nach 4 Tagen verschwanden. 

Alle in die Eisenbahnwagen übergeführten Bewohner des verseuchten 
Dorfes, im ganzen 155, wurden geimpft. Die Reaktion war meistens schwach. 
Die Reaktion äusserte sich am bäufigsten am 2., selten am 3. und 4. Tage, 
was hauptsächlich bei den schwachen, entkräfteten Individuen beobachtet wurde. 

Die allgemeine Besichtigung. Eine der wichtigsten Massnahmen ist 
die Sanitätsbesichtigung der Krankheitsherde sowohl als auch der Umgebung, 
besonders wenn dieselbe Verdacht in irgend einer Hinsicht erweckt. Man er- 
reicht dies durch die allgemeine Besichtigung aller Bewohner. Ich war bestrebt, 
dieselbe möglichst vollkommen durchzuführen, und das ganze Gebiet, welches 
Dshalaj-Nor bildet, wurde von 6 Aerzten kontrolliert. Sie beobachteten den 
Gesundheitszustand und machten die Besichtigung, welche am 3. Okt. voll- 
endet war. Es wurden untersucht: 

1. alle Militärabteilungen der Garnison von Dshalaj-Nor 473 Personen 


2. alle Diener und Arbeiter bei der Heuernte . . . . 107 » 
3. die Erdbütten und einzelne Baracken 
Rügsen. 2.7.0.4. 5. Yes ala mer A, 63848 5 
Ohineson.e., Che N ne een LOL: 


» 
im ganzen 5029 Personen 

Die auf der Station Mandschurei vorgenommenen Massregeln: 
Sobald Meschtscheriakoff gestorben war, wurde die Baracke mit der Ausstattung 
und der Leiche zusammen an demselben Tage verbrannt. Der Bediente, der 
den Meschtschoriakoff pflegte, wurde zur Beobachtung in die Cholerabaracke 
gebracht. Die Häuser, in denen die Kranken wohnten, sowie die Cholera- 
baracken sind 2 Wochen lang umzingelt und dann verbrannt worden. Um das 
ganze Gebiet des Dorfes mit der Station wurde ein Cordon gezogen. Für die 
Bewohner und Reisenden, die hier mehr als 24 Stunden zugebracht hatten, 
wurde eine Quarantäne eingerichtet; selbige dauerte bis zum 27. Sept. 

Vom 28. Sept. an wurde die allgemeine Besichtigung aller Bewohner 
(ungefähr 8000 Personen) vorgenommen, aber keine verdächtigen Erkrankungen 
nachgewiesen. 

Der Import und Export von Tarabaganfellen wurde verboten, die rohen 
Felle verbrannt und die bearbeiteten desinficiert. 

Die Züge, die aus der Mandschurei nach Charbin gingen, wurden von Aerzten 
begleitet, die die Reisenden untersuchten. 

Am 3. Okt. beschloss die Sanitätskommission, in der Mandschurei und 
Dshalaj-Nor den Chef der Arrieregarde zu ersuchen, dieses ganze Gebiet als 
pestfrei anzuerkennen. 

Die Untersuchung der Quellen der Uebertragung der Epidemie. 
Wenn man mit irgend einer Epidemie zu kämpfen hat, ist es von grosser 
Wichtigkeit, zu wissen, um sicher in der Wirksamkeit der vorgenommenen 
Massregeln zu sein, wann und auf welche Weise die Epidemie übertragen 
wurde. Diese Regel gilt natürlich erst recht für eine Krankheit wie die Pest, 
mit welcher der Kampf sehr wohl möglich ist, und zwar um so leichter, je 


Von der Pest in der Mandschurei im Herbste 1905. 1313 


früher man die Nachrichten von den Erkrankungen und Quellen ihrer Ent- 
wickelung bekommt. - 

Von solchem Gesichtspunkte ausgehend, hielt ich es, wie auch andere 
Aerzte, für unbedingt nötig, alle Gegenden zu untersuchen, die in der Nach- 
barschaft der gefundenen Herde und in irgend einer Beziehung zu denselben 
sich befanden, auch solche, welche in Russland (Transbajkal) und in China 
(die Mandschurei und Mongolien) lagen. Deshalb bestand ich darauf, dass 
man möglichst viele Expeditionen nach verschiedenen Seiten schickte, was er- 
möglichte, mehr Angaben zu sammeln und die berührte Frage besser zu klären. 

Die Expeditionen wurden sowohl seitens der Verwaltung der Ostchinesischen 
Eisenbahn, als auch vom Militärwesen ausgerüstet. 

Die Eisenbahnexpeditionen. 1. Da nachgewiesen wurde, dass der 
erste Kranke auf der Station Mandschurei, Meschtscheriakoff, am Salzsee, und 
der Kranke der Station Dshalaj-Nor, Kosloff, in der Heuernte erkrankte, wurde 
vorgeschlagen, sich zuerst in die Richtung der nächsten Gruppe der Salzseen, 
zur Station Mandschurei zu begeben, wohin die Bewohner nach Salz und zur 
Heuernte fahren. Die Expedition, die aus dem Chef der Etappe der Station 
Nanudschurei, dem Oberstleutnant Swidersky, den Aerzten Chmara-Borsz- 
ezewsky und Klodnitzky bestand, untersuchte die 50 Werst von der Station 
Mandschurei gegen Nord-Osten entfernten Heuschläge. Hier wurden weder Er- 
krankungen unter den Buriaten noch eine Seuche der Tarabaganen gefunden. 
2. Hierauf untersuchte Dr. Klodnitzky ein Gebiet, 50 Werst nördlich 
von der Station Juangun, wo das Nomadenvolk der Schioten, dann das 
Gebiet der Seen von Kukunor und der Fahrstrasse Meren nördlich von der 
Station Ugunor, wo das Nomadenvolk Tschinschin lebt. Hier waren weder 
Erkrankungen unter den Menschen noch eine Seuche unter den Tarabaganen 
zu beobachten. Die Gruben fangen ungefähr 10 Werst nordöstlich vom dritten 
See von Kukunor an und sind grösstenteils längs des grossen Weges von 
Chajlar nach dem alten Zuruchajtuj zu gelegen. Hier beobachtete man im 
Juli die Seuche unter den Tarabaganen, weshalb die Mongolen teils nach 
Kukunor, teils zum Mutoystrom, dem Nebenflusse des Argun, der aus dem See 
Dshalaj-Nor ausfliesst, umzogen. 

Unter den ersteren fanden keine Erkrankungen statt, da sie sich vor den 
Tarabaganen hüteten. Unter den letzteren waren einige Todesfälle an Pest, 
was man durch den Verbrauch des Fleisches, bezw. durch die Bearbeitung 
der Felle der verendeten Nagetiere erklärt. 

Die Expeditionen seitens des Militärwesens. 1. Am 4. Okt. kom- 
mandierte ich 4 Aerzte ins Kosakendorf Abagajtuj, das 25 Werst nordöstlich 
von der Station Dshalaj-Nor in der Richtung des Weges zu den Heuschlägen 
gelegen ist; dabei wurden alle Hütten (130) und die ganze Bevölkerung 
(700) untersucht. Es waren keine pestverdächtigen Erkrankungen unter den 
Menschen vorhanden, man beobachtete aber in diesem Jahre die Seuche unter 
den Tarabaganen. 

2. Die Expedition der Aerzte Padlevsky und Schreiber ins Gebiet 
der Salzseen (Mongolien und Russland). Am 26. Sept. begab sich die Ex- 
pedition auf den Weg zu dem an der Pest verstorbenen Kosaken Mescht- 

H, 


1314 Kaschkadamoff, 


scheriakoff. Als Begleiter diente der Bauer Ritschkoff, der zum letzten 
Male mit Meschtscheriakoff zusammen gefahren war. Man hatte zum Salzsee 
nach Westen und Südwesten ungefähr 120 Werst in öder Gegend zu fahren, von 
da nach Nord-Osten in den Grenzen des Trausbajkalgebietes bis zur Station 
Borsia, dann zum Grossen See von Tschindan und zurück. Man konnte 
auf dieser Fahrt folgende Befunde erheben: a) In der Umgebung des Grossen 
Salzsees in Mongolien, in der Richtung nach Süd-West, beobachtete man 
in Filzzelten der nomadisierenden Mongolen manche Erkrankungen mit töd- 
lichem Ausgang; in diesem Jahre brach die Seuche unter den Taraba- 
ganen aus. b) In der Umgegend des Salzsees, der sich innerhalb der Grenzen 
von Transbajkal befindet, in einer Jurt, starben Ende August 2 Personen nach 
3—4 tägigem Kranksein (der Tunguse Machajeff und seine Frau). Zur Be- 
stimmung der Krankheit wurde der Feldscherer Medwiednikoff kommandiert, 
der die Leichen ausgraben liess und aussagte, dass der Tod wahrscheinlich 
durch die sibirische Pest (Anthrax) erfolgt sei. c) Nicht weit vom Kosaken- 
wachtposten von Tschindan (12 Werst), auf dem Besitztum des Kosaken Sselin. 
starb am 10. Sept. ein Hirt (Tunguse), Dugar Tikschejeff, und einige Tage 
darauf sein Sohn. Beide waren 3—4 Tage lang krank. Der Schamane, der 
den Hirten behandelte, erkrankte und starb nach einigen Tagen. Der Hirt. 
der sie beerdigt hatte, erkrankte und starb am 2.—3. Tage. Ueber diese ver- 
dächtigen Erkrankungen berichtete am 17. Sept. der Kosakenhauptmann Miateleff 
an den dortigen Atamane mit dem Ersuchen, energische Massregeln vorzunehmen. 
d) In diesem Jahre wurde die Seuche der Tarabaganen in der Nähe vom Wacht- 
posten von Klutschevsky, nach Süden von der Station Charanor und vom See 
Tschindant in der Richtung nach Scharossun beobachtet. 

Die Schlüsse der Aerzte: 1. In diesem Jahre wurde die Seuche unter 
den Tarabaganen in den Gebieten von Transbajkal und in den angrenzenden 
Gegenden von Mongolien beobachtet. 

2. In Zusammenhang damit waren Lokalerkrankungen auch unter den 
Menschen mit tödlichem Ausgang. 

3. Es wäre notwendig, in den Grenzen von Transbajkal eine bakterio 
logische Station zum ausführlichen Studium der Tarabaganenseuche einzurichten, 
was nicht nur eine praktische, sondern auch eine grosse wissenschaftliche 
Bedeutung haben würde. 

Die Expedition der Aerzte Korentschevsky und Klopfer ins 
Solonengebiet. Sie begab sich am 29. Sept. 1905 von der Station Mand- 
schurei durch Abagajtuj ins Dorf von Narim. Hier befindet sich eine Ueber- 
fahrt über den Argunfluss, die das Gebiet von Transbajkal von demjenigen 
Teile Mongoliens trennt, welcher unter dem Namen des Gebietes der Solonen 
bekannt ist. Die Ueberfahrt über den Fluss mittels einer Fähre dient zur 
regen Verbindung mit russischem Lande. Unsere Kosaken begaben sich nach 
Mongolien auf die Gemsjagd und stiegen dann in mongolischen Jurten ab. 

Die Expedition begab sich längs des linken Ufers des Argun bis zum 
Dorfe Kajlussutujew. Hier gelang es zum ersten Male, genaue Auskünfte über 
die Tarabaganenseuche auf dem Wege vom alten Zuruchajtuj in den Dörfern 


Von der Pest in der Mandschurei im Herbste 1905. 1315 


Chuduk and Chadatuj zu erbalten, indem man in der Nähe von diesem Wege 
verendete und kranke, dem Tode nahe Tarabaganen beobachtete. 

Die Expedition entschied sich, persönlich diese Angaben zu kontrollieren. 
Nachdem sie in das alte Zuruchajtuj gelangt war, wandte sie sich auf den 
grossen Weg nach Chajlar. Als sie mehrere Werst zurückgelegt, traf sie die 
Jurten, welche aus Chuduk und Chadatuj umgezogen waren, und erfuhr von 
den Besitzern derselben, den Mongolen, folgendes: im Juli begann die Seuche 
unter den Tarabaganen auf dem ganzen Wege von Chajlar. Um den 15.Sept. 
versteckten sich die Tarabaganen in Gruben, und die Seuche hörte fast völlig 
auf. Die Mongolen sind durch die praktische Erfahrung über die Tarabaganen 
zu folgenden Schlüssen gekommen: 1. Wenn jemand kranke oder sterbende 
Tarabaganen bemerkt, muss er seine Kameraden davon benachrichtigen. 2. Nie- 
mand rührt solche Tarabaganen an, geschweige denn dass er sie isst, da alle 
gut wissen, dass man sich dadurch leicht anstecken und sterben kann. 3. Sie 
haben aber keine Angst, an solchen Stellen ihre Herden zu weiden und selbst 
zu wohnen. 4. Wenn in einer Jurta eine pestähnliche Krankheit auftritt, soll 
die letztere die ganze Zeit auf einer und derselben Stelle bleiben. 5. Niemand 
darf diese Jurta verlassen und die anderen dieselbe nicht besuchen. 6. Jeder 
Mongole benachrichtigt seinen Nachbar von der verseuchten Jurta. 7. Wenn 
ein Mensch stirbt, verlässt man ihn mit der Jurta zusammen oder verbrennt 
ihn. 8. Das Vieh, das den Kranken gehörte, wird fortgeführt und den anderen 
Mongolen überlassen. ý 

In Wirklichkeit aber folgen nicht alle Mongolen diesen Regeln; manche 
von ihnen gebrauchen aus Habgier die Jurta oder die Sachen des Gestorbenen. 
In Chadatuj fand die Expedition Spuren der erloschenen Seuche unter den 
Tarabaganen in Gestalt zweier stark zersetzter Leichen. Die mongolischen 
Hunde fressen schadlos die Leichen der an dieser Seuche verendeten 
Tarabaganen. 

Die Expedition begab sich weiter in die Gegend, von den Mongolen Chucha- 
Burga genannt, welche 35 Werst südwestlich vom Kukunorsee entfernt ist. 
Hier standen ca. 20 Jurten, auch war die Epidemie vorhanden, welche am 
27. Juli begonnen hatte. Sie erschien in 3 Jurten, welche am südlichen Ende 
des Sees standen, nicht weit vom Zusammenflusse von Mirigal und Chajdar. 
In diesen Jurten wohnten 3 Brüder: 1. Odon Gulije (eine aus 6 Personen be- 
stehende Familie), 2. Gisshu (7 Personen) und 3. Dwo (5 Personen). 

Der Sohn von Odon Gulije, namens Balaktaj, arbeitete im Sommer als 
Hirt in Chuduk und Chadatuj. Vor der Rückkehr nach Hause hatte er einen 
grossen Tarabaganen gefangen, von dem er sich ein Mittagsmahl bereitete. 
Au demselben Tage begab er sich zu seinen Eltern und war 24 Stunden unter- 
wegs. Nach der Rückkehr war er noch 2 Tage gesund, dann erkrankte er. Die 
Krankheit begann mit starkem Fieber, Kopfschmerzen und Schwäche. Sehr 
bald erschienen Bubonen der Hals- und Achselhöhlendrüsen, dann Husten 
mit Blutauswurf und heftigem furibunden Delirium, worauf der Kranke ver- 
starb. Am Ende seiner Krankheit erkrankte sein Vater mit denselben Sym- 
ptomen. Nach 24 Stunden starb er mit dem Sohn zu gleicher Zeit. 

Nachher zogen alle 3 Jurten aus und trennten sich von der ersten, die 

94 


1316 Kaschkadamoff, 


beiden anderen auf 5 Werst. 3 Tage darauf erkrankte in der Jurta die Witwe 
von Odon Gulije und der zweite Sohn; beide starben nach 2 Tagen (am 22. Aug). 
Der Onkel lud sie mittels Stöcken und Schaufeln auf einen Wagen, brachte 
sie 2 Werst weit und warf sie in einen Graben. Es gelang der Expedition, 
diese Stelle zu besuchen; man fand aber dort nur einen Teil ganz reiner Knochen 
des Skeletts, einen Schädel und die Reste der Kleidung. In der Jurta blieben 
2 Lebende: der Sohn Tumuldsa (14 Jahre alt) und die Tochter Siltschebu 
(17 Jahre alt). Ihr Onkel Kabdan verbrannte die Jurta, alle Sachen aber 
nahm er zu sich. Die Kinder blieben 20 Tage in einer besonderen Jarta, danu 
nahmen sie mit dem Onkel zusammen Wohnung. Der Lama Zaga behandelte 
die Kranken; auch er erkrankte nach 2 und starb nach 10 Tagen. Dann wurden 
die Mutter (Tod nach 3 Tagen) und der Bruder (Tod am anderen Morgen), die 
mit dem Lama in derselben Jurta wohnten, angesteckt. 

Owo beerdigte seinen Bruder Odon Gulije. Er erkrankte nach 2 Tagen 
und starb am 20. August. Hierauf erkrankte und starb seine Frau und sein 
Bruder. In der Familie des Bruders Gisshu starb eine Frau (nach 4tägiger 
Krankbeit). Der letzte Todesfall fand am 27. Aug. statt. Im ganzen starben 
von 23 Personen 11, die in den Jurten wobnten. Die Hinterbliebenen wurden 
von der Expedition untersucht. Nach dem letzten Todesfall zogen die Jurten 
von Gisshu und Owo in der Richtung nach Abagajtuj 25 Werst weiter nach 
Osten ab. 

Alles, was mit den Kranken in Berührung kam, wurde von den Ver- 
wandten verbrannt, die Jurten aber selbst dienen bis jetzt als Wohnung. 

Nach Aussage der Mongolen trat die Krankheit wie folgt auf: sie begann 
mit starkem Kopfschmerz, Fieber, teilweise mit Delirium, allgemeinem 
Schwächezustand. Bald erschienen die Bubonen, häufiger in den Achselhöhlen, 
seltener am Halse, manchmal brachen sie auf und waren sehr schmerzhaft. 
Einzelne Kranke husteten Blut aus, wieder andere zeigten eine Zunge, die wie 
mit Schnee bestreut war. Die Krankheit dauerte meistens 2—3 Tage. 

Feststellungen der Aerzte. 1.1905 trat die Seuche der Tarabaganın 
in den Gegenden, die am Wege vom alten Zuruchajtuj nach Chajlar liegen. 
auf. Viele gingen in der Nähe der Dörfer Chuchex und Chadatuj zu Grunde. 
2. Im Zusammenhang damit schien die erste Erkrankung unter den Menschen 
zu stehen. 3. Dem klinischen Bilde und den epidemiologischen Angaben nach 
muss man diese Erkrankung für Pest halten. 4. Das Gebiet der Solonen ist 
eine Gegend, die immer eine Infektionsgefabr in sich birgt. 5. Man muss 
eine sehr strenge Kontrolle üben und in der Nähe eine bakteriologische Station 
einrichten, um die wahre Natur der Erkrankungen aufzudecken. 6. Trotz der 
sorgfältigsten Anfragen gelang es nicht, einen Zusammenhang zwischen der 
beschriebenen Epidemie und den Erkrankungen auf den Stationen Dshalaj-Nor 
und Mandschurei festzustellen. 

Wie man sieht, haben die Expeditionen alle Orte untersucht, welche für 
uns ein Interesse bieten, und sehr wichtige Angaben geliefert. Es wurde 
von ihnen festgestellt: 1. die zweifellose Seuche der Tarabaganen in der Rich- 
tung des grossen Weges von Chajlar nach Zuruchatuj, 2. eine zweifellose Pest- 


Von der Pest in der Mandschurei im Herbste 1905. 1317 


epidemie lokalen Charakters unter den Mongolen und 3. der sehr wahrschein- 
liche Zusammenhang zwischen beiden. 

Dieser Zusammenhang ist genau durch die Erfahrung der Mongolen und 
Buriaten festgestellt und mehrfach in der speciellen medizinischen Literatur 
bestätigt worden. $ 

Die Seuchen unter den Tarabaganen dauern in der Regel 2—3 Jahre. 
In den Jahren der Seuche kommen unter den Tarabaganen sowie den Menschen 
Todesfälle vor. Von letzteren sind folgende bekannt: Im Herbste 1885 ist in 
Kulussutaj in einer Jurta die ganze Familie der Buriaten ausgestorben, in 
Charanor 1890 ebenfalls. Im Herbste 1903 ist im Kosakendorf Zagan-Oluj eine 
aus 5Personen bestehende Familie, die Tarabaganen gegessen hatten, ausgestorben. 
Im Sommer 1904 und 1905 beobachte man eine starke Tarabaganenseuche an 
den Seen von Tschindant und Zagan-Nor. Mitte August 1905 sind 2 Buriaten 
in Zaganor in Zan-Kondoj und Mitte September in Adal-Tologoj 3 Personen ge- 
storben. Angesichts des oben Gesagten halte ich mich für berechtigt, die auf 
den Stationen von Dshalaj-Nor und Mandschurei festgestellten Pesterkrankungen 
als durch Personen übertragen zu betrachten, welche auf diese oder jene Art 
in Berührung mit den Kranken oder an der Pest verendeten Tarabaganen 
kamen. 

Was die Lebensbedingungen der Tarabaganen (Arctomys Bobac) betrifft, 
so ist vorläufig bekannt, dass sie in hügeligen, von den Flüssen entfernten 
Stellen und ausschliesslich von Pflanzen leben. Im Winter schlafen sie in 
geräumigen und tiefen Gruben. Sie verstecken sich hierin früher oder später, 
je nachdem der Herbst kalt oder warm ist. Der Beginn des Winterschlafes 
schwankt zwischen den ersten Tagen des September und dem 15. Okt. In 
der zweiten Hälfte des März verlassen sie die Gruben; es beginnt dann die 
Jagd. Die Mongolen und Buriaten essen sie gern, die Felle verkaufen sie 
für 15—25 Kop. pro Stück; das Fett (1 Pud kostet 12—15 Rbl.) wird zum 
Schmieren der Räder und ledernen Gegenstände verwandt. 

Um der Entstehung der sporadischen Pesterkrankungen unter den Menschen 
und dem Auftreten einer Epidemie in Zukunft vorzubeugen, ist ein völlig ar- 
miertes bakteriologisches Laboratorium im Centrum der Gegend notwendig, in 
welcher marı in den letzten Jahren die Seuche der Tarabaganen beobachtete. 
Dann erlangt man die Möglichkeit, systematische Beobachtungen 
und wissenschaftliche Untersuchungen des Grundzusammenhanges 
zwischen den Tarabaganenseuchen und den Erkrankungen der 
Menschen anzustellen und so den Kampf mit denselben auf einen sicheren 
und wissenschaftlichen Grund zu stellen. 

Das Personal des Laboratoriums müssen Aerzte sein, welchen nicht nur 
die Bakteriologie, sondern auch das klinische Bild der Pest bekannt ist. Ihre 
Tätigkeit wird in Untersuchungen der Gegenden bestehen müssen, wo die 
Seuche der Tarabaganen und verdächtige pestartige Erkrankungen unter den 
Menschen auftreten. 

Die Herde der Tarabaganenseuche in China liegen in der Sphäre des 
russischen Einflusses in beständiger Beziehung mit Russland; indem sie eine Ge- 
fahr der Pestüberrtragung bilden, können sie für die nächste Bevölkerung des 


1318 Boden. Wasser. 


Transbajkalgebietes bedrohlich wirken; darum erfordern sie ernste Aufmerk- 
samkeit seitens der Regierung. 

Die beständige sanitäre Ueberwachung dieser Gegend durch Aerzte ist von 
grosser Bedeutung für den Staat. 


Almquist, Ernst, Kultur von pathogenen Bakterien in Düngerstoffen. 
Zeitschr. f. Hyg. Bd. 52. S. 179. 

Bei Versuchen, pathogene Mikroorganismen in stark mit Dünger 
vermischter Erde zu züchten, bat der Verf. gefunden, dass das Wachstum 
oft besonders reichlich ausfiel, wenn viel Wasser hinzugesetzt worden 
war. Diese Beobachtung hat ihn veranlasst, Viehstallerde und Dünger 
mit Wasser in verschiedenen Mengeverhältnissen auszuzieben, diese Flüssig- 
keiten durch Kochen keimfrei zu machen und mit den Bacillen von Cholera, 
Typhus, Paratyphus, Ruhr, mit Bacterium coli und mit Eiterkokken 
zu impfen. Dabei stellte es sich heraus, dass die zuletzt genannten Bakterien 
nur spärlich wuchsen, die übrigen aber sich deutlich vermehrten und 
zwar manchmal in den stärker verdünnten Auszügen, manchmal auch in den 
weniger verdünnten ‚besser wuchsen. Er beobachtete, dass Cholerabakte- 
rien darin manchmal bei 38° in ganz kurzer Zeit den Höhepunkt ihrer 
Entwickelung erreichten, während dies bei 24° längere Zeit (5 Tage) er- 
forderte, und dass Typhusbacillen bei Körpertemperatur in 6 Tagen 
ihre stärkste Vermehrung zeigten, bei 24° aber erst in 14 Tagen diese 
Entwickelungsstufe erreichten, sogar später als bei Zimmerwärme (18°). Dabei 
behielten beide Arten oft viele Wochen hindurch ihre Virulenz unver- 
mindert. In den Kulturen hat der Verf. häufig bei Cholera und Typhus die 
Bildung von Kugeln beobachtet, die keine grössere Widerstandsfähigkeit gegen 
Hitze und Trockenheit besassen, als die gewöhnliche Wuchsform, und wieder 
der Ausgangspunkt für das gewöhnliche Wachstum werden konnten. Diese 
Beobachtungen und gewisse sonst schwer oder gar nicht zu erklärende Erfah- 
rungen bei der Ausbreitung von Epidemien veranlassen den Verf. zu der 
Annabme, dass Typhus- und Cholerabakterien unter gewissen 
Verhältnissen ausserhalb des menschlichen Körpers in Dünger- 
flüssigkeit oder in gedüngter Erde leben und sich vermehren 
können. Globig (Berlin). 


Christian, Zum Nachweis fäkaler Verunreinigung von Trinkwasser. 
Arch. f. Hyg. Bd. 54. S. 386. 

Eijkman hat vorgeschlagen, zum Nachweis von fäkaler Verunreini- 
gung des Trinkwassers das Vermögen der Colibakterien zu benutzen, noch 
bei höherer Temperatur (46°) Zuckerlösungen zu vergären. Den aus dem Warm- 
blüterorganismus stammenden Colistämmen soll diese Eigenschaft zukommen, 
während die aus Kaltblütero (Fischen, Fröschen) stammenden Colistämme wohl 
noch bei 37°, nicht aber bei 460 das Vermögen der Vergärung besitzen. 
Christian prüfte das Verfahren an zahlreichen Berliner Wasserproben nach, 


Immunitat. Schutzimpfung. 1319 


indem er bis zu 100 ccm Wasser mit Traubenzuckerpeptonlösung versetzte und 
in Gärungskölbchen im Brutschsank bei 36° aufbewahrte. Er fand zunächst, 
dass sämtliche verunreinigten Wässer, meist schon in ganz winzigen Quantitäten 
(Brachteilen eines Milligrammes) die Reaktion ergaben, dass dagegen die ein- 
wandsfreien Wässer niemals eine Gärung erkennen liessen. Bei einer Anzahl 
sweifelhafter Wasserproben, bei denen jedoch eine fäkale Verunreinigung nicht 
bestand, blieb die Reaktion ebenfalls aus. Ein positiver Ausfall der Probe 
spricht danach für eine fäkale Verunreinigung des Wassers, ein negativer da- 
gegen. Hayo Bruns (Gelsenkirchen). 


L'institut de vaccine animale Paris. Lancet 1905. T. l. p. 190. 

Das im Jahre 1864 gegründete, jetzt von Prof. St. Yves Ménard gelei- 
tete, in der Rue Ballu 8 belegene Institut dient zur unentgeltlichen 
Impfung. Zu diesem Zwecke werden zu bestimmten Stunden wöchentlich 
einmal geimpfte Kälber mit reifen Pusteln in 8 zu diesem Zweck gebauten 
Wagen in alle 10 Stadtbezirke gefahren, um dort in den Bureaux de bienfai- 
sance oder in Stadthallen oder in Hospitälern zur Abimpfung von Kalb zum 
Arm zu dienen. In der Académie de médecine finden wöchentlich je 3 solche 
Impfsitzungen statt. Man sucht auch die Nachtasyle allnächtlich auf, um dort 
die ungeimpft befundenen Insassen sofort zu impfen, ebenso werden geimpfte 
Kälber zur Ausbruchstelle der Pocken geschickt, um die Nachbarn der Kranken 
zu schleunigster Impfung, die oft auf der Strasse erfolgt, zu bewegen. In 
den letzten 10 Jahren sind 375370 Erstimpfungen und 1125288 Wieder- 
impfungen vollzogen. Das Institut hat ausser mehreren Impfzimmern, in denen 
auch ein Impfmuseum sich befindet, die erforderlichen Räume zur Herstellung 
der Glycerinemulsion des Impfstoffes, sowie die nötigen Stallungen für je 20 
Kälber und für 8 Pferde. Die Anstalt stellt jährlich 350—450 Kälber der 
Limousin Rasse für ein Mietgeld von je 40 M. ein. L. Voigt (Hamburg). 


Goldschmidt, A quel pays revient la priorité de la vaccination obli- 
gatoire? Sem. med. 1906. p. 60. 

Goldschmidt hat bei archivalischem Studium entdekt, dass ein von 
Napoleon errichtetes Fürstentum Piombino und Lucca, welches vom Jahre 
1805 bis zum Jahre 1815 existiert hat und von Baciocchi, einem Schwager 
Napoleons regiert worden ist, schon am 25. December 1806 ein Impfgesetz 
erhalten hat. Dieses Gesetz verordnete, bei 100 Lire Strafe für jede Zuwider- 
handlung, die Isolierung aller Pockenkranken und ihrer Umgebung in ihren 
Häusern, sowie die Impfung aller noch nicht geimpften oder ungepockten 
Kinder. Das Gesetz von Piombino und Lucca ist mit dem Ende der Herr- 
schaft von Napoleons Gnaden im Jahre 1815 zu Grunde gegangen, es 
hatte aber vor dem am 26. August 1807 gegebenen bayerischen Impfgesetz, 
das bisber als das älteste Impfgesetz galt, die Priorität. 

L. Voigt (Hamburg). 


1320 Immunität. Schutzimpfung. 


Kraus R., Zur Aetiologie, Pathologie und experimentellen Therapie 
der Syphilis. Aus dem staatl. serotherapeut. Institut in Wien. Vortrag. 
gehalten in der Abteilung f. Dermatologie der 77. Naturforscherversammlung 
in Meran. Wien. klin. Wochenschr. 1905. No. 51. S. 1052. 

Der Autor berichtet über den derzeitigen Stand der Spirochätenfrage. 
Anknüpfend an die Forschungen Metschnikoffs und Roux’, die durch Ueber- 
tragen eines Primäreffektes vom Macacus auf den Schimpansen einen lokali- 
sierten Primäreffekt erzeugten, der von keinen weiteren Sekundärerscheinungen 
gefolgt war, erörtert Kraus die Frage, ob nicht durch geeignete Abschwächung 
des Sypbhilisvirus oder sonstwie sich ein brauchbares Verfahren zur Immu- 
nisierung gewinnen liesse. 

Aus den Verhältnissen der experimentellen Pathologie der Syphilis geht 
in Uebereinstimmung mit der Anschauung Neissers hervor, dass der syphi- 
litische Primäraffekt Unempfänglichkeit der Haut gegenüber Reinfektion 
erzeugt, obwohl das im Körper vorbandene Virus imstande ist, sich nicht 
nur in den inneren Organen, sondern auch in der Haut zu etablieren. Es 
muss also der Mechanismus bei der Hautinfektion ein verschiedener sein, je 
nachdem die Infektionsguelle innerhalb oder ausserhalb des Körpers liegt. 

Des weiteren verweist K. auf die neueren Erfahrungen über Vaccine, die 
zeigen, dass bei geeigneter Versuchsanordnung eine beschränkte Immunität 
erzeugt wird, indem z. B. nach cornealer Infektion bloss die eine Corner 
immun wird, bezw. nach kutaner Infektion die Cornea empfänglich bleibt, 
während nach de Waele und Sugg durch subkutane Einverleibung von 
Vaccine auch kutane Immunität erreicht werden kann. 

Wenn nun auch nach Versuchen des Autors durch subkutane Einverleibung 
von konzentriertem Virus Affen gegen einen Primäraffekt nicht immunisiert 
werden konnten, glaubt der Autor doch, dass durch solche Injektionen viel- 
leicht eine Immunität des Gesamtorganismus zu erzielen ist. 

Da Makaken keine sekundären Erscheinungen bekommen, liess sich diese 
Frage nicht an Tieren entscheiden. Deshalb betont Kraus die Möglichkeit, 
dass, etwa analog wie bei der Lyssa, auch bei Syphilis sich eine postinfektionelle 
Immunisierung erzielen lassen könnte, und injiciert Menschen, die eine Sklerose 
besitzen, subkutan anfangs mit diluiertem, dann mit konzentriertem Virus 
(zerriebenen Sklerosen). 

„Wenn auch bisher die Zahl der behandelten Fälle zu klein ist, um 
daraus bestimmte Folgerungen abzuleiten, lässt sich doch behaupten, dass der 
syphilitische Process nicht ungünstig beeinflusst wurde.“ 

Grassberger (Wien). 


Brandweiner A., Versuche über aktive Immunisierung bei Lues. Aus 
der k.k. Universitätsklinik für Syphilisdologie u. Dermatologie in Wien. 
Wien. klin. Wochenschr. 1905. S. 1176. i 

Brandweiner hat sieben Fälle von Syphilis (mit Sklerosen behaftete 

Kranke) mit Injektionen von zerriebenen Sklerosen in steigenden Dosen be- 

handelt, um sich von der Wirksamkeit der von Kraus versuchten antiluetischen 

Behandlung zu überzeugen. Um Irrtümer zu vermeiden, wurde mit den In- 


Immunität. Schutzimpfung. 1321 


jektionen allerdings erst in einem vorgerückten Stadium, 5.—7. Woche post 
infektionem begonnen, wenn die Diagnose ganz sichergestellt war. Irgend eine 
Beeinflussung liess sich nicht erkennen. Grassberger (Wien). 


Kraus R., Bemerkungen zu dem Aufsatze des Herrn Dr. A. Brand- 
weiner: „Versuche über aktive Immunisierung bei Lues“. Wien. 
klin. Wochenschr. 1905. S. 1246. 

- Kraus wendet gegen die Beweiskraft von Brandweiners Versuchen ein, 
dass die von diesem nach Kraus behandelten Fälle viel zu spät injiciert 
wurden, und dass überdies der Autor sich bei Ausführung der Injektionen 
nicht streng an die von Kraus angegebene Methodik gehalten habe. 

à x Grassberger (Wien). 


Brandweiner A., Erwiderung auf Herrn Dr. Kraus’ Bemerkungen zu 
dem Aufsatze: „Versuche über aktive Immunisierung bei Lues“. 
Wien. klin Wochenschr. 1905. S. 1279. 

Der Autor sucht die Einwände von Kraus zu entkräften. Was den Vor- 
wurf betrifft, dass sich Brandweiner nicht streng an die von Kraus ange- 
gebene Methodik gehalten habe, so betont B., dass eine detaillierte Vorschrift 
von Kraus niemals gegeben worden sei. Grassberger (Wien). 


Spitzer L., Zur ätiologischen Tberapie der Syphilis. Vortrag, ge- 
halten in der dermatologischen Sektion der 77. Naturforscher-Versammlung 
in Meran. Wien. klin. Wochenschr. 1905. S. 1171. 

Spitzer berichtet in extenso über die von ihm ausgeführten Versuche, 
nach dem Vorschlage von Kraus Patienten, die mit syphilitischem Primär- 
effekt behaftet sind, durch Injektionen von zerriebenen Sklerosen gegen die 
Allgemeininjektion zu immunisieren. 

15 Syphiliskranke wurden in dieser Weise behandelt. Die Hälfte der 
Patienten bekam ihre Syphilis in unveränderter Weise; bei der anderen Hälfte 
trat zum Teil das Exanthem auf, aber wesentlich verspätet. Bei 4 Fällen 
blieben die Eruptionen an Haut und Schleimhäuten aus. Spitzer, der die 
einzelnen Krankengeschichten ausführlich mitteilt, sagt: Aus diesen Tatsachen 
ergibt sich, dass die vorgenommenen Injektionen vielleicht nicht ohne Einfluss 
geblieben sind. Grassberger (Wien). 


Zucker K., Ueber den Effekt des Diphtherieheilserums bei wieder- 
holter Erkrankung und Injektion. Aus der k. k. Universitäts-Kinder- 
klinik in Graz. Wien. klin. Wochenschr. 1905. S. 1150. 

Die Versuche Hamburgers und Dehnes über die gleichzeitige Aus- 
flockung von Antitoxin bei specifischer Präcipitation eines antitoxischen Serums 
legten die Frage nahe, ob nicht eine derartige Ausfällung von Antitoxin bei 
therapeutischer Anwendung antitoxischer Sera am Menschen den Effekt wieder- 
holter Injektionen herabsetzen könnte. 

Um diese Frage zu entscheiden, sichtet Zucker aus einem Material 
von 2323 an Diphtherie behandelten Kranken diejenigen heraus, bei denen 


95. 


1322 Immunität. Schutzimpfung. 


unzweifelhaft eine zweitmalige bezw. drittmalige Diphtherieerkrankung festgestellt 
wurde. Aus der Tatsache, dass diese Erkrankungsfälle in Verlauf und Be- 
einflussung durch specifisches Serum nichts auffallendes zeigen, schliesst Verf., 
dass ein Bedenken gegen die Anwendung des Serums in diagnostisch zweifel- 
haften Fällen, etwa in dem Sinne, dass man durch eine Seruminjektion einen 
ungünstigen Einfluss auf die vielleicht im späteren Leben nötige Wieder- 
anwendung des specifischen Serums zu befürchten hätte, nicht vorliegt. 
Grassberger (Wien). 


Rosenhaupt H., Klinischer Beitrag zur Serumkrankheit. Münch. med. 
Wochenschr. 1905. S. 2019. 

Als echte Erscheinungen der Serumkrankheit sind anerkannt: Urticaria, 
partielle flüchtige Erytheme, fleckige papulöse oder punktförmige 
Rötungen und schmerzhafte Arthralgien und Myalgien. Bei Individuen, 
die bereits bei der ersten Injektion mit einem artfremden Serum „im Sinne 
einer Serumkrankheit“ reagierten, soll die Reinjektion gleiche oder ähn- 
liche Nebenwirkungen des Serums hervorzurufen imstande sein. Nur bei 
schweren Serumerscheinungen sind Präcipitine nachzuweisen gewesen. 

Bei einem 5 Jahre vorher immunisatorisch mit 2 cem Behringserum 
injicierten Patienten trat 8 Tage nach einer wegen Rachendiphtherie vorge- 
nommenen Injektion von 16 ccm Diphtherieserum ein heftig juckender, urti- 
cariaartiger Ausschlag auf, der sich vom Hinterkopf aus über die ganze 
Körperoberfläche ausbreitete und sogar eine intensive Ödematöse Schwellung 
der Konjunktiven zur Folge hatte. Ausserdem wurden von dem Exanthen die 
Mund- und Rachenschleimbaut ergriffen und der Schluckakt äusserst erschwert. 
Schliesslich trat plötzliche starke Dyspnoe und Oyanose als Folge eines starken 
pericardialen Ergusses auf. Alle diese Erscheinungen schwanden ebenso wie 
die Temperatursteigerung (bis 39,50 C.) innerhalb 2 Tagen. 

Da an ein zufälliges zeitliches Zusammentreffen von Symptomen verschie- 
dener Aetiologie nur schwer zu denken ist, und da die Haupterscheinungen 
ganz typisch für Serumexanthem waren, so hält R. den beschriebenen Fall für 
eine zwar schwere, aber in völlige Genesung übergegangene Form der Serum- 
krankheit, Schumacher (Hagen i.W.). 


Stühlinger L., Ueber einen Ersatz der lebenden Bakterienkulturen 
zur Beobachtung des Agglutinationsphänomens. Arb. a. d. Kais. 
Ges.-A. Bd. 24. S. 54. 

An dem Material der Kgl. bakteriologischen Untersuchungsanstalt i 
Saarbrücken prüfte Verf. den Wert des Fickerschen Diagnostikums sowohl, 
wie eines von ihm selbst durch Chloroformzusatz hergestellten Paratyphus- 
diagnostikums. Entsprechend manchen seit Fertigstellung der Arbeit erschienene" 
anderweitigen Veröffentlichungen spricht sich Verf. ebenfalls für die Brauch- 
barkeit der Fickerschen Methode aus. Interessant ist der Hinweis, das 
der Zusatz von Chloroform zu einer verdünnten Paratyphuskultur ein brauch 
bares Diagnostikum geliefert habe, während der gleiche Zusatz von Chloroform 
zu einer Typhuskultur die agglutinablen Substanzen vollständig vernichtele. 


Immunität. Schutzimpfung. 1323 


Auch ein durch „Autolyse“ erhaltenes Paratyphusdiagnostikum erwies sich 
ihm als brauchbar. Hayo Bruns (Gelsenkirchen). 


Loeffler F., Ueber Immunisierung per os. Gedenkschrift für Rudolph 
v. Leuthold. Bd. 1. S. 247 ff. 

Der Verf. hat zahlreiche, sehr interessante Fütterungsversuche an Feld- 
mäusen mit dem Mäusetyphusbacillus angestellt. Er konnte nachweisen, 
dass es durch längere Zeit fortgesetzte Darreichung per os von abgetöteten 
Bacillen möglich ist, die überaus empfindlichen Feldmäuse gegen die 
Infektion zu schützen. Durch Vorbehandlung mit solchen in verschiedener 
Weise abgetöteten Bacilleu von der Unterhaut oder vom Peritoneum aus konnte 
dagegen eine Immunisierung nicht erreicht werden. Nach Einführung von 
abgetöteten oder abgeschwächten lebenden Mäusetyphusbacillen in das Unter- 
hautbindegewebe, in die Bauchhöhle oder in den Magendarmkanal bilden 
Feldmäuse keine Agglutinine, es fehlen daher auch baktericide und 
bakteriolytische Antikörper. Die eingetretene Immunität schreibt Verf. 
anderen noch unbekannten Faktoren zu; er glaubt, dass die innere Oberfläche 
des Magendarmtraktus durch die vorausgegangene Ueberschwemmung mit den 
abgetöteten Bacillen die Fähigkeit erworben habe, das Eindringen der lebenden 
Bacillen in die Darmwand zu verhindern (celluläre Einwirkungen, Epithelzellen 
oder Leukocyten). Die Immunität der per os vorbehandelten Feldmäuse hält 
Verf. für eine neue Art von Immunität, eine Organimmunität, die auf 
neue Bahnen der Immunisierungsbestrebungen hinweist. So muss versucht 
werden, gegen Cholera, Typhus, Ruhr den Darmtraktus immun zu machen. 

Von besonderem Interesse sind noch die Angaben des Verf.’s über die 
Methode, die er zur Konservierung von Blut und Blutserum im trocknen 
Zustande, ohne dass es seine Löslichkeit verliert, angewendet hat. Er benutzte 
dazu Stücke Würfelzucker, auf welche er das Serum oder Blut auftropfte und 
danach trocknete. Er konnte so Serum wie Blutproben mit fast vollkommener 
Löslichkeit über ein Jahr aufbewahren. Auch für Bakterien hat er die Eigen- 
schaft des Würfelzuckers, eiweisshaltige Substanzen löslich zu erhalten, in 
Anwendung gezogen. Nieter (Halle a. S.). 


Lazar E., Ueber die Bedeutung der lipoiden Stoffe der roten Blut- 
körperchen für den Mechanismus der Agglutination. Aus dem 
hygien. Institut der Universität Wien. Wien. klin. Wochenschr. 1905. S. 1012. 

In Fortsetzung seiner hämolytischen Studien (vergl. diese Zeitschr. 1905. 
$. 1111) bringt Lazar einen interessanten Beitrag zu der gegenwärtig viel 
umstrittenen Frage der Bedeutung der lipoiden Stoffe für die Agglu- 
tination und Hämolyse. L. konnte beobachten, dass die in Lösung über- 
gegangenen Anteile der roten Blutkörperchen von Tauben die Agglutination, 
welche die Kerne von Taubenblutkörperchen durch specifisches Froschserum 
erfahren, hemmen. Weitere Versuche zeigten, dass die hemmende Wirkung 
der Blutlösung bis zu einem gewissen Grade eine specifische und, soweit 
dies in Betracht kommt, offenbar an nicht fettartige Verbindungen gebunden 
ist, während andererseits, wie aus mannigfach variierten Versuchen, bei welchen 


g5* 


1324 Immunität. Schutzimpfung. 


Petrolätherextrakte von Blutlösungen bezw. die mit Petroläther ausgeschüttelten 

Blutlösungen zur Anwendung kamen, hervorgeht, auch die lipoiden Bestand- 

teile der roten Blutkörperchen einen (nicht specifischen) Schutzstoff darstellen. 
“  Grassberger (Wien). 


Bartel J, Die Bedeutung der Lymphdrüse als Schutzorgan gegen 
die Tuberkuloseinfektion. Aus dem pathol.-anatom. Institut in Wien. 
Wien. klin. Wochenschr. 1905. S. 1049. 

Die Bedeutung eines bei der Tuberkuloseinfektion vorkommenden 
sogenannten Iymphoiden Stadiums, das durch Fehlen jeder specifischen 
Veränderung charakterisiert ist, ist in früheren Arbeiten Bartels, die durch 
Untersuchungen an menschlichem Material (Bartel und Weichselbaum) 
vervollständigt wurden, ausführlich erörtert worden. Es war des weiteren von 
Interesse, im Lichte der neueren Erfahrungen die oft erhobene Frage nach 
der schützenden Bedeutung der Lympbdrüsen von Neuem aufzuwerfen. 

Bartel und Stein studierten zunächst das Verhalten der Tuberkelbacillen 
in tuberkulösen Meerschweinchenmilzen, die in vitro bei 37° aufbewahrt wurden. 
Sie konnten feststellen, dass unter solchen Verhältnissen eine Abschwächung 
virulenter Tuberkelbacillen eintritt. 

Es gelang den Autoren, durch längere Einwirkung von Lymphoryten 
auf Tuberkelbacillen die letzteren so weit abzuschwächen,, dass sie für 
Meerschweinchen nicht mehr pathogen waren, während sie auf Kulturen noch 
zur Entwickelung gelangten. (Die verwendeten Lymphocyten stammten som 
Hund.) 

Im Gegensatz hierzu zeigten aktives und inaktives Hundeserum keine der- 
artige Wirkung, sondern sie verursachten nur eine leichte Abschwächung; 
ebenso liessen Versuche, die mit Leukoeyten angestellt waren, eine solche 
Wirkung, wie sie den Lymphocyten zukam, nicht erkennen. 

Die spärlichen Versuche, die von den Autoren in der Absicht angestellt 
wurden, eine Schutzwirkung durch Vorbehandlung mit Lymphocyten zu erzielen, 
lassen die Reserve, mit welcher sich die Autoren bezüglich des anscheinend 
günstigen Resultats aussprechen, berechtigt erscheinen. 

Im Anschluss an diese orientierenden Versuche kündigen die Autoren ein 
Programm an, das ihre Anschauung bezüglich des auf Grundlage ihrer Hypo- 
these in Zukunft einzuhaltenden Immunisierungsplanes entwickelt. 

Grassberger (Wien). 


Binswanger E., Ueber probatorische Tuberkulin-Injektionen bei 
gesunden stillenden Frauen. Aus dem Dresdner Säuglingsheim. Dir. 
Arzt Prof. Dr. A. Schlossmann. Beiträge zur Klinik der Tuberkalos® 
Bd. 4. H. 1. 

Es wurden 1904 78 von offenkundiger Tuberkulose freie Amme’ 
nach dem Modus des Kochschen Instituts (1, 5, 10 mg in meist 48stündige? 
Pausen) tuberkulinisiert. Hiervon haben 26 = 331/3%/, reagiert. Ferner warden 
im Jahre 1903 91 Ammen mit einer Anfangsdosis von 0,01 g tuberkulinisiert- 
Hiervon reagierten 26 = 28,5%/,. Ueber den Typus der Reaktionskurve, Art 


Immunität. Schutzimpfung. 1325 


und Dauer der Reaktion finden sich ausführliche Details in der Arbeit. Die 
täglich producierte Milchmenge war bei den reagierenden Ammen durchschnitt- 
lich etwas grösser, als bei den nicht reagierenden. Als Kriterium für die 
Qualität der Ammenmilch während der Tuberkulinreaktion der Amme diente 
das Verhalten der von ihren in Tuberkulinreaktionen begriffenen Müttern ge- 
stillten Kinder. Dieselben tranken stets bei ihren mitunter hochfiebernden 
Müttern mit demselben Appetit wie sonst und zeigten in ihrem ganzen Ver- 
balten keinerlei Beeinflussung, die auf eine Aenderung der Qualität ihrer 
Nahrung hätte zurückgeführt werden können. Die positiv reagierenden Ammen 
hält Verf. nicht für tuberkulös im Sinne einer möglicherweise fortschreitenden 
Tuberkulose, sondern glaubt — soweit die kurze Beobachtungsdauer einen 
derartigen Schluss zulässt —, dass es sich bei ihnen häufig um sogenannte 
inaktive Tuberkulose, um abgeheilte oder in Abheilung begriffene tuberkulöse 
Processe, meist sehr geringer Ausdehnung, handelt. Der positive Ausfall der 
Impfung galt demnach auch nur als Hinweis auf eine noch genauere und 
exaktere Untersuchung der betreffenden Frauen. Der Mangel an guten Ammen 
gestattete nicht, sämtliche positiv reagierenden Frauen von der Verwendung 
als Ammen auszuschliessen. 

Was die Frage des Stillens von Seiten der tuberkulösen Frau im allge- 
meinen angeht, so referiert Verf. kurz die von seinem Chef (Schlossmann). 
in der Monatsschr. für Geburtsh. u. Gynäkol. Bd. 17, H. 6 .niedergelegten 
Anschauungen. A. Alexander (Berlin). 


Hamburger F., Ueber passive Immunisierung durch Fütterung. 
Beiträge zur Klinik der Tuberkulose. Bd. 4. H. 1. 

Diese Arbeit stellt eine Kritik des v. Behringschen Gedankens dar, die 
Säuglinge passiv gegen die Tuberkulose vom Darm aus zu immunisieren 
und zwar durch Verfütterung von Milch resp. Blutserum aktiv immunisierter 
Rinder. Da die Immunkörper an die Eiweisskörper der Milch und des Blut- 
serums gebunden sind, so ist die v. Behringsche Lebre nur dann diskutabel, 
wenn diese Eiweisskörper von der Magen- und Darmschleimhaut des Säuglings 
resorbiert werden. Nach den Versuchen von Ehrlich, Römer und Salge 
ist nun freilich für den Säugling eine Antitoxinübertragung erwiesen, aber 
nur bei natürlicher Ernährung, d. h. bei Ernährung mit artgleicher Milch. 
Unverändertes Eiweiss artfremder Milch wird jedoch — es haben dies be- 
sonders die Salgeschen Untersuchungen, betreffend das Diphtherieantitoxin, 
ergeben — nie resorbiert. Nur in den ersten 8 Lebenstagen des Säuglings 
wird nach den Versuchen von Ganghofner und Langer, sowie nach eigenen 
Experimenten des Verf.’s, artfremdes Eiweiss resorbiert, allerdings nur in sehr 
geringem Umfang. Aber selbst unter der Voraussetzung, dass tatsächlich 
geringe Eiweissmengen artfremder Milch oder artfremden Serums vom mensch- 
lichen Säugling durch mehrere Wochen oder Monate resorbiert werden, wäre 
eine passive Immunisierung gegen die Tuberkulose schon deswegen von vorn- 
herein ausgeschlossen, weil sich bei den betreffenden Kindern voraussichtlich 
eine Immunität gegen Rindereiweiss entwickeln würde, die zur Folge hätte, 
dass die geringen Mengen des resorbierten schützenden Eiweisses sehr rasch 


1326 Immunität. Schutzimpfung. 


von den immunisatorisch erzeugten specifischen Präcipitinen gebunden und 
so der Eliminierung aus dem Organismus zugeführt würden. Auf Grund 
dieser auf. experimentell sichergestellte Tatsachen gestützten Ueberlegungen 
glaubt Verf. diesen Gedanken v. Bebrings als aussichtslos bezeichnen zu 
dürfen. A. Alexander (Berlin). 


Zuppinger C., Zur Serumtherapie des Scharlachs. Aus dem Kronprioz 
Rudolph -Kinderspitale. Wien. klin. Wochenschr. 1905. S. 1152. 
Zuppinger spricht sich für die Anwendung des Moserschen Serams 
im günstigen Sinne aus und betont, dass seine Erfahrungen mit den Angaben 
von Moser, Escherich, Pospischill und v. Bokay übereinstimmen. 
Grassberger (Wien). 


Schilling C. Ve,rsuche zur Immunisierung gegen Tsetsekrankbheit. 
Zeitschr. f. Hyg. Bd. 52. S. 149. 

Der Verf. hatte den Auftrag, Versuche zur Bekämpfung der Tsetse- 
krankheit anzustellen und namentlich das Vieh des Hinterlandes von 
Togo für den MarschzurKüste, welcher durch „Fliegenland“ führt, fähig zu 
machen. Er hat diese Aufgabe auf dem schon von R. Koch beschrittenen 
Wege zu lösen versucht, dass er Blut von tsetsekranken Tieren eine Zeit 
lang abwechselnd. durch Ratten und Hunde gehen liess und dann von der 
Bauchhöhlenflüssigkeit der Hunde 1—10 ccm 2—3 mal im Lauf eines Monats 
36 Rindern einspritzte. Von diesen Tieren wurden 17 gleich nach Be- 
endigung der Impfung von Sokode nach 2 weiter südlich gelegenen als Tsetse- 
orte bekannten Plätzen gebracht. An dem einem Orte starben alle Rinder; 
an dem andern blieben 4 (23 v. H.) am Leben, während 6 Kontrolltiere bis 
auf eins eingingen und auch dieses mit Tsetseparasiten behaftet war. Die 
überlebenden 4 Rinder wurden wiederbolt auf Märschen durch „Fliegenland* 
der natürlichen Tsetseinfektion ausgesetzt: 1 ging auch an dieser Krankheit 
zu Grunde, die übrigen 3 waren 3 Jahre nach der Impfung noch 
gesund. Der Verf. erklärt dieses nicht sehr befriedigende Ergebnis dadurch. 
dass die Tiere zu früh nach der Impfung und, bevor sich genügende Schutz- 
stoffe gebildet haben konnten, der Infektion ausgesetzt wurden. Von den 
übrigen 19 am Orte der ursprünglichen Impfung gebliebenen Rindern waren 
nach 11 Monaten 2 gestorben, die übrigen boten keine Krankheitszeichen; bei 
8 wurde das Blut auf Tsetseparasiten untersucht und bei 4 davon ihr Vor- 
handensein festgestellt. Nach 14 Monaten wurden sie zur Küste getrieben 
durch gefährliches „Fliegenland“: in den nächsten Monaten starben 2 von ihnen 
an der Tsetsekrankheit, 2 andere erkrankten daran, erholten sich aber wieder; 
eins ging an Aufblähung ein, alle übrigen blieben dauernd gesund. 
Von diesen Tieren wurden 2 Jahre nach der ersten Impfung 3 von Neuem 
mit Tsetseblut, das nur einmal auf einen Hund übertragen war, geimpft. Als 
sie 2!/, Monat später an einen Platz gebracht wurden, wo bisher nie Vieh 
hatte gehalten werden können, blieben sie dauernd gesund: eins von ihnen 
hatte allerdings in der Folge Tsetseparasiten im Blut, wie durch Uebertragung 
von 40 ccm auf eine Ratte festgestellt wurde, die 2 andern waren frei davon. 


Immunität. Schutzimpfung. 1327 


Auf diese Weise ist bewiesen, dass die künstliche Infektion mit 
Tsetsetrypanosomen ausbeilen und dass sie Schutz gegen die natür- 
liche Infektion gewähren kann, aber freilich bleibt das schwere Be- 
denken R. Kochs gegen diese Art der Bekämpfung der Tsetsekrankheit 
bestehen, dass die geimpften Tiere lange Zeit hindurch die Parasiten in 
ihrem Blut beberbergen und dadurch dauernde neue Infektionsquellen 
sind. a Globig (Berlin). 


Kleine F. K. und Möllers B., Ein für Trypanosoma Brucei specifisches 
Serum und seine Einwirkung auf Trypanosoma gambiense. Aus 
d. Institut f. Infektionskrankh, Zeitschr. f. Hyg. Bd. 52. S. 229. 

Die Verff. haben versucht, bei 2 Eseln den schon von Martini (vergl. 
diese Zeitschr. 1906. S. 431) durch das Kochsche Verfahren mit abge- 
schwächten Tsetseparasiten hervorgerufenen Immunitätsgrad zu erhöhen. 
Eine Einspritzung von defibriniertem Meerschweinchenblut mit zahlreichen 
Bruceschen Trypanosomen hatte bei beiden Rseln schwere Kollapserscheinungen 
zur Folge. Die Verff. vermischten deshalb Rattenblut, das besonders viele 
Trypanosomen enthielt, nachdem es von seinem Faserstoff befreit war, mit der 
gleichen Menge Serum der beiden Esel, liessen die roten Blutkörperchen 
sich absetzen und hatten nun die Trypanosomen im Serum. Einspritzungen 
biervon batten weniger üble Folgen für die Esel, und in der Folge schützte 
das Serum der Esel, zu 0,5ccm Mäusen unter die Haut gebracht, diese 
Tiere gegen die 24 Stunden später erfolgende sonst tödliche Infektion 
mit Tsetseblut von der Bauchhöhle her. Bei wiederholter Anwendung 
schützte das Eselserum die Mäuse auch noch, wenn es 24 Stunden nach der 
Infektion gegeben wurde. S 

Die beiden Esel beherbergten in ihrem Blut Trypanosomen, 
Diese liessen sich zwar nicht durch die mikroskopische Untersuchung un- 
mittelbar nachweisen, wohl aber durch Uebertragung grösserer Mengen (20 ccm) 
Blutes auf Hunde. Gegen diese Trypanosomen wirkte das Serum 
der beiden Esel ganz wie gegen Tsetseparasiten anderer Herkunft, 
nämlich deutlich Schutz gewähbrend. Die auffällige Tatsache, dass diese 
Trypanosomen in den specifisch wirkenden Säften von immu- 
nisierten Tieren am Leben blieben, erklären die Verf. mit Rössle 
durch eine Gewöhnung der Parasiten an die Antikörper. Werden 
sie aber auf ein anderes - normales Wirtstier übertragen, so 
verlieren die Nachkommen mit fortschreitender Teilung immer mehr 
ibre ererbte Immunität, und nun kann das Serum auf sie wieder seine 
specifische Wirkung ausüben, welcher die Vorfahren entzogen waren. Uebrigens 
schützte das Serum die Esel selbst, von welchen es stammte, vor dem Tode 
an Tsetse nicht, der schliesslich unter dem Bilde einer Kachexie erfolgte. 

Aufdie Entwickelung des Trypanosoma gambiense, des Erregers 
der Schlafkrankheit, im Blut von Ratten und Mäusen, für welche es fast 
avirulent ist, hatte das Eselserum nicht den schädigenden Einfluss 
wie beim Trypanosoma Brucei, sondern blieb ohne Wirkung. Hierin 
liegt ein wesentlicher Unterschied zwischen den beiden genannten 


1328 Immunität. Schutzimpfung. 


Trypanosomenarten. Erst wenn die Serumeinspritzungen wiederholt wurden. 
machte sich auch ein entwickelungshemmender Einfluss auf das Trypanosoma 
gambiense bemerkbar. Globig (Berlin). 


Kraus R. und Schiffmann J., Zur Frage der Bildungsstätte der Anti- 
körper. Aus dem staatl. serotherapeut. Institut. in Wien. Wien. klin. 
Wochenschr. 1905. S. 1033. 

W. Kraus und Levaditi batten feststellen können, dass nach intra- 
peritonealer Injektion von Präcipitinogenen zuerst im Netz Präcipitin nach- 
gewiesen werden kann. Die Autoren wollen seinerzeit über die Fortsetzung 
dieser Experimente ausführliche Mitteilungen machen; sie beschränken sich 
in der ‘vorliegenden Publikation darauf, gegen die Annahme von Brezina, 
welcher Milz und Knochenmark eine wesentliche Rolle bei der Entstehung 
der Agglutinine zuzuschreiben geneigt ist, Stellung zu nehmen (siehe Brezina 
Wien. klin. Wochenschr. 1905. No. 35). Ihre Einwände beziehen sich auch 
auf die Versuchsanordnung Brezinas, welcher seine Tiere mit Milz- bezw. 
Knochenmarkserum (bergestellt durch Vorbebandlung von Tieren mit Milz 
bezw. Knochenmark) behandelte und feststellte, wie bei solchen Tieren im 
Vergleiche zu in den Versuch gestellten Normaltieren die Agglutininproduktion 
verläuft. Kr. und Sch. meinen, dass der von Brezina beabsichtigte Effekt: 
„Ausfall der Agglutininproduktion durch specifische Schädigung der agglutinin- 
producierenden Organe (Milz, Knochenmark)“ durch eine generelle Schädigung 
des Organismus (hervorgerufen durch die in den Seris enthaltenen übrigen 
Antigene) vorgetäuscht werden konnte. Nach eigenen Versuchen der Autoren 
glauben diese, dass Präcipitine und Bakterienagglutinine in der Blutbahn ge- 
bildet werden. Grassberger (Wien). 


Klein A., Ueber die Specifität der Erythropräcipitine. Aus dem path.- 
chem. Laboratorium des k. k. Krankenhauses Rudolfs-Stiftung in Wien. Wien. 
klin. Wochenschr. 1905. S. 1055. 

Der Autor, welcher bereits im Jahre 1903 den Nachweis erbrachte, dass 
in manchen Seris Substanzen enthalten sind, welche, Extrakten geeigneter 
Erythrocyten zugesetzt, Niederschläge erzeugen (Erythropräcipitine), konnte 
in einer weiteren Arbeit zeigen, dass sich durch Vorbehandlung von Versuchs- 
tieren mit Serum, Erythrocyten, sowie deren Extrakten, ebenso auch mit den 
Stromata Immunpräcipitine gewinnen lassen. 

In der vorliegenden Publikation ergänzt K. diesen Befund durch die von 
ihm erhobene Tatsache, dass diese Immunerythropräcipitine nicht nur in dem 
Sinne specifisch sind, dass sie nur mit jenen Blutkörperchenextrakten reagieren, 
die von der zur Vorbehandlung herangezogenen Species stammen, sondern auch, 
im Gegensatz zu den Serumpräcipitinen, welche nicht nur in Blutlösungen, 
sondern auch in anderen Eiweisslösungen der entsprechenden Species Nieder- 
schläge hervorrufen, ausschliesslich auf Blutkörperchenextrakte wirken. 

Unter der Voraussetzung, dass sich hinreichend wirksame Erythropräcipi- 
in-Immunsera gewinnen lassen, würden sich solche Sera zum speciellen Nachweis 


Immunität. Sohutzimpfung. 1329 


einer bestimmten Blutart demnach besser eignen, als die Serumpräcipitinsera, 
welche an sich nur den Nachweis von Arteiweiss ermöglichen. 
Grassberger (Wien). 


Schulz, Isohämolysine und Hämagglutinine beim Kaninchen. Deut- 
sches Arch. f. klin. Med. Bd. 54. H. 5 u. 6. 

Die Versuche beweisen, dass beim Kaninchen eine einfache Transfusion 
von defibriniertem Blut gegenüber dem Blutspender nicht zur Bildung von Iso- 
lysinen und Isoagglutininen führt. Sie gibt der früher aufgestellten Be- 
hauptung, dass bei der Transfusion artgleichen Blutes der weitaus grössere Teil 
des eingeführten Quantums im empfangenden Organismus erhalten bleibt, eine 
weitere Stütze. Diese Erfahrung lässt sich freilich nicht ohne weiteres äuf den 
Menschen, speciell nicht auf Kranke, anwenden, weil bei diesen Isosubstanzen 
an sich schon häufig zu sein scheinen. Indessen sind hier die Ansichten noch 
nicht genügend geklärt, in wichtigen Punkten noch kontrovers. 

0. Baumgarten (Halle a. $.). 


Detre L. und Sellel J., Welche Rolle spielen die Lipoide bei der Subli- 
mathämolyse? Aus dem Laboratorium des Institutes Jenner-Pasteur in 
Budapest. Wien. klin. Wochenschr. 1905. S. 1089. 

Die Autoren wenden sich in diesem Aufsatz gegen die Angriffe von Sachs 
(dieselbe Wochenschr. 1905. No. 35), der ihre Angaben über die Beziebungen 
der Sublimatwirkung zu den Lipoiden nicht nur nicht bestätigen konnte, 
sondern nach eigenen Versuchen zu diametral entgegengesetzten Schlüssen ge- 
kommen war. Sie werfen Sachs vor, dass er einerseits bei der Nachprüfung 
der Detre-Selleischen Versuche nicht die von ihnen angegebenen Versuchs- 
bedingungen eingehalten, andererseits seine eigenen Versuche nicht mit der 
genügenden Sorgfalt angestellt habe. 

Wenn Sachs leugne, dass die antihämolytische Wirkung des Blutserums 
durch Lecithin bedingt sei, so werde er durch seine eigenen Versuche wider- 
legt, aus denen hervorgehe, dass das mit Aether ausgeschüttelte Serum mehr 
als !/, seiner Schutzstoffe verliere. Weiter musste Sachs zum Teil zu abwei- 
chenden Befunden kommen, da er nicht wie die Autoren mit hochverdänntem, 
sondern mit konzentriertem Serum arbeitete. 

Die Autoren haben die seinerzeit von ihnen angestellten Versuche wieder- 


holt und sind zu demselben Resultat wie damals gekommen. Wenn Sachs, 


behauptet, dass die hämolytische Wirkung von Sublimatlösungen durch 
Schütteln mit Lecithio-Chloroformlösungen nicht im geringsten abnehme, so 
sei dies auf der die Verwendung eines anderen Lecithinpräparates als des 
von ihnen benützten, oder auf ungenügende Entfernung der Lecithinreste aus 
den nach dem Ausschütteln vom Extraktionsmittel getrennten Lösungen zurück- 
zuführen. Grassberger (Wien). 


96 


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1330 Immunität. Schutzimpfung. 


Lüdke, Ueber Cytotoxine, mit besonderer Berücksichtigung der 
Ovariotoxine und Thyreotoxine. Münch. med. Wochenschr. 1905. 
S. 1429 u. S. 1493. 

Das Cytotoxinmolekül setzt sich aus Amboceptor und Komplement 
zusammen. Ausser dem specifischen Hauptcytotoxin entstehen bei Infektion 
einer bestimmten Zellart noch zahlreiche nicht specifische Nebencytotoxine. 
Bei Anwendung kleiner Quantitäten eines specifisch wirksamen cytotoxischen 
Immunserums tritt als Folge der Reizwirkung eine Steigerung der Funk- 
tion der Zellkomplexe auf. Dagegen bewirkt ein in zu grosser Menge inji- 
ciertes und qualitativ zu toxisches Serum tiefgreifende Veränderungen 
an den specifisch beeinflussbaren Zellen, die eine Insufficienz derselben be- 
dingen und Ausfallserscheinungen an bestimmten Organen hervorrufen. 

Vom klinischen Standpunkt sind die unter pathologischen Verhältnissen 
bei Zerfall von Gewebsmaterial im eigenen Organismus stattfindenden Reak- 
tionsprocesse wichtig, namentlich wenn es sich um Resorption zer- 
störter Blutzellen, von Placentarzotten oder von geschädigtem Ge- 
websmaterial handelt, wie z. B. bei aknter gelber Leberatrophie und 
anderen krankhaften Vorgängen. - 

In dem einzelnen Organismus besitzen die verschiedenen Zellen eine art- 
gleiche Eiweisskomposition, mithin „ähnliche, einander entsprechende 
aufnahmefäbige Receptoren“. Infolge dieser Zellreceptorenverwandtschaft 
wird oft die specifische Wirkung eines Immunserums auf die zur Vorbehand- 
lung benutzte Zellart aufgehoben und müssen oft praktische Versuche bei An- 
wendung solcher Sera misslingen. 

Höchstwahrscheinlich können durch autolytische Zerfallprodukte bei 
mangelhaften internen Regulationsvorrichtungen des eigenen Organismus 
Intoxikationen und dadurch krankhafte Processe aller Grade auftreten. Wenn 
nun in den Entwickelungsjahren, in welchen die cellulären Lebensprocesse im 
Hinblick auf die völlige Ausreifung des Organismus beschleunigt sind, engere 
Beziehungen, d. h. eine Receptorenverwandtschaft zwischen einem neuen 
Sekretionsprodukt und einer in erster Linie betroffenen Zellart nachgewiesen 
werden, so würde man solche krankhaften Zustände auf die Einwirkung von 
Zellgiften des eigenen Organismus zurückführen dürfen. Besonders bei einer 
dem Entwickelungsalter angehörigen Krankheit, der Chlorose, scheint die 
Gytotoxinbildung eine wichtige Rolle zu spielen. Experimentell 
lassen sich allerdings wegen der eigenartigen Beschaffenheit der Ovarien und 
“wegen der noch nicht genügend verfeinerten Versuchstechnik keine bindungs- 
fähigen Receptorengruppen in der Ovarialsubstanz nachweisen; dagegen sprechen 
die klinischen Beobachtungen dafür, dass die auf ovarieller Schädigung 
beruhenden Störungen bei Chlorose als Folge einer specifischenEi® 
wirkung cytotoxischer Sekretionsprodukte der Ovarien anzusehen sind. 

Andere Untersuchungen über Cytotoxine zielten auf die Gewinnung eines 
specifischen cytotoxischen Immunserums für die Schilddrüse ab. 
Auch Lüdke selbst hat zahlreiche Versuche angestellt und Schilddrüsenes- 
trakte von Ochsen, Hammeln, Hunden und Kaninchen benutzt; namentlich hat 
er 'Thyreoidextrakte von Hunden Kaninchen injiciert, um ein für Hunde 


Immunität. Schutzimpfung. 1331 


specifisches Serum zu erzielen. Doch konnten im Tierexperiment weder 
pathologisch-anatomisch, noch klinisch durchaus eindeutige und 
endgiltige Resultate gewonnen werden, welche für eine specifische 
Wirkungsweise der cytotoxischen Immunsera sprachen, da die’ letzteren keinen 
specifisch ausgeprägten Charakter tragen. 

Es wird eine dankbare Aufgabe sein, durch Vereinigung der Organo- 
therapie und der Serotherapie auf die Gewinnung eines auf eine speci- 
fische Zellart wirksamen Serums hinzuarbeiten, durch welches die Funktionen 
eines Organs innerhalb der physiologischen Grenzen reguliert werden könnten. 

Schumacher (Hageu i.W.). 


Weichardt, Wolfgang, Serologische Studien auf dem Gebiete der 
experimentellen Therapie. Stuttgart 1906. Ferd. Enke. 60 Ss. 8°. 
Preis: 2,80 M. 

Die Arbeit gibt einen Ueberblick über eine Reihe von serologischen 
Forschungen des Verf.’s und beginnt mit den Spermotoxinstudien, welche die 
Verhältnisse nach Einspritzung heterogener Zellen und ungeformter Eiweisse 
im Tierkörper illustrieren sollen. Nach wiederholter Injektion von Kaninchen- 
spermatozo&n in den Meerschweinchenkörper lässt sich aus diesem ein Serum 
gewinnen , welches Spermatozoön zu immobilisieren vermag. Es enthält 
Spermotoxine, welche der Verf. spermatocide Substanzen zu nennen vorschlägt. 
Wiederbolte Behandlung eines Tieres mit Spermotoxin verursacht die Bildung 
von Antispermotoxin auch bei weiblichen und kastrierten Tieren, was dafür 
spricht, dass die verschiedensten Zellen des Körpers auf gewisse Reize hin 
mit der Bildung specifischer Antikörper reagieren. 

Weiter bespricht der Verf. das Freiwerden von intracellulären Giften aus 
verschiedenen ungiftigen Riweissarten. Aehnlich wie nach Einspritzung von 
Placentaraufschwemmungen aus den Placeutarzellen unter dem Einflusse cyto- 
Iytischer Vorgänge Endotoxine freigemacht werden, verursacht auch die In- 
jektion von Gramineenpollen die Entstehung von Cytolysinen im Serum der 
vorbebandelten Tiere, welche eine Lösung der eingespritzten Zellbestandteile 
und damit ein Freiwerden ihrer Endotoxine zur Folge hat. Auch hier tritt 
Antitoxinbildung auf, welche sich jedoch erst nach Zerstörung der Cytolysine 
durch Inaktivierung bemerkbar macht. Damit hängt auch der unvollkommene 
Schutz des frischen Heufieberserums bei subkutaner Injektion zusammen. 
Die unter der cytolytischen Wirkung des Serums freigewordenen Pollenendo- 
toxine können bei der starken Verdünnung des Antitoxins in den Körpersäften 
nicht völlig abgesättigt werden. Selbst bei Injektion inaktivierten Serums 
kommt es nicht selten vor, dass ein Heileffekt ausbleibt, wenn das betreffende 
Individaum in seinen Körpersäften zufällig die Komplemente besitzt, welche 
das eingespritzte Serum zu reaktivieren vermögen. Eine solche Reaktivierung 
kann erst nach längerer Behandlung auftreten, weno eben die auf die Ambo- 
ceptoren des Serums passenden Komplemente erst gebildet werden müssen. 

Auch aus manchen Bakterien lassen sich Endotoxine freimachen, wenn 
nach vorhergegangener Injektion Antikörper gebildet werden, welche auf die 
dem Tiere einverleibten Bakterien cytolytisch zu wirken vermögen. Daraus 

I6* 


er Tg: 


1332 Immunität. Schutzimpfung. 


erklärt sich die bei Injektion derartiger Bakterien häufig zu.-beobachtende 
steigende Empfindlichkeit oder der plötzliche Tod der Versuchstiere. 

Weiter geht der Verf. auf die Besprechung der Ermüdungstoxine ein. 
Ihre Darstellung gelang zuerst aus dem Muskelpresssaft hochgradig ermüdeter 
Tiere. Weitere Untersuchungen ergaben jedoch, dass sich Ermüdungstoxine 
auch in vitro auf dem Wege der Reduktion und Oxydation durch verschiedene 
chemische Mittel gewinnen lassen, und zwar nicht nur aus Muskelplasma, 
sondern auch aus anderen Eiweisslösungen, z.B. verdünntem Eiklar, verriebenem 
Gehirn, Placentabrei, Pollen, abgetöteten Bakterienleibern u. s. w. Besonders 
bewährte sich die Darstellung auf elektrolytischem Wege. 

Nach der Ansicht des Verf.’s haben Oxydation und Reduktion mit der 
Entstehung der Ermüdungstoxine nichts zu tun; es dürften vielmehr bei dem 
Abbau der Eiweissmoleküle als Nebenprodukte Substanzen entstehen, die dem 
Tiere einverleibt Ermüdungserscheinungen hervorzurufen. imstande sind und 
ibre Aehnlichkeit mit den Ermüdungstoxinen dadurch dokumentieren, dass 
auch sie durch das Ermüdungsantitoxin abgesättigt werden können. Als echte 
Toxine charakterisieren sie sich durch ihre Wasgerlöslichkeit, ihr Unvermögen 
zu dialysieren, und die Bildung eines specifischen Antitoxins. 

Im Gegensatz zu dem nicht dialysablen Ermüdungstoxin geht das Anti- 
toxin durch tierische Membranen und zeichnet sich durch grosse Haltbarkeit 
aus. Seiner chemischen Natur nach dürfte es ein peptonartiger Körper sein. 

Was die Wertbestimmung der Ermüdungstoxine betrifft, so konnte wegen 
der grossen Labilität der tödlichen Komponente die D. l. der Wertbestimmung 
nicht zu Grunde gelegt werden, wohl aber die weit weniger labile Ermüdungs- 
komponente. Am zweckmässigsten bewährte sich hierbei die graphische Dar- 
stellung der Muskelleistungen. Als schreibender Muskel diente der Gastro- 
enemius, der durch einen faradischen Strom mittels Metronomkontaktes jede 
Sekunde in tetanische Kontraktion versetzt wurde. 

Eine Reihe von 98 Kurven illustriert zuerst das allmähliche Abnehmen 
der Muskelleistungen normaler gleichgrosser Mäuse. Wesentlich verschieden 
sind die Toxinkurven der Tiere. Die intraperitoneale Einverleibung einer 
grösseren Toxindosis äussert sich nach 3—4 stündiger Latenzzeit durch einen 
ausgesprochenen Niedergang der Hubhöhen, der nach noch stärkeren Dosen 
sehr auffallend war. Aktiv immunisierte Mäuse schreiben nach einer gewissen 
Latenzzeit Kurven, die garnicht den Typus von Ermüdungskurven aufweisen; 
die Abnahme der Hubhöhen erfolgt in der Regel noch langsamer als bei 
normalen Tieren. Rein passiv immunisierte Mäuse liefern Kurven, die desen 
von normalen Tieren ähnlich sind. Am deutlichsten zeigt sich der Effekt bei 
Einverleibung einer starken Toxindosis nach tags vorher erfolgter Antitoxin- 
verfütterung. Auffallend sind die beträchtlichen Hubhöhen besonders gege! 
das Ende der Kurven. 

Da mittels rein passiver Immunisierung derartige Werte nicht erzielt 
werden können, so erscheint die Anschauung berechtigt, dass ein durch das 
Antitoxin nicht abgesättigter Rest der starken Toxindosis eine aktive Immuni- 
sierung veranlasst hat. 

Den Schluss der interessanten Abhandlung bilden Versuche am Menschen. 


Säuglingspflege. 1333 


Eine Versuchsperson, die passiv immunisiert wurde, schreibt an einem 
Ergographen ohne vorherigen Training Kurven, die sich von früber aufge- 
nommenen durch ibre beträchtliche Länge und die fast gleichbleibenden 
Hubhöhen gegen das Ende der Kurve auszeichnen. Versuche mit aktiver 
Immunisierung ergaben kurze Zeit nach Verabreichung reducierten Eiweisses 
per os beträchtlich niedrigere Kurven, als es die Normalkurven waren, während 
nach einer Latenzzeit von 33 Stunden durch aktive Immunisierung eine deut- 
liche Aufbesserung der Muskelleistung zum Ausdruck kam. 

Aus seinen Versuchen folgert der Verf., dass 

1. bei der Ermüdung des Warmblüters ausser den schon lange bekannten 
chemisch definierbaren Stoffwechselprodukten Antigene auftreten, d. h. also 
toxische, specifische Antikörper bildende Substanzen; 

2. dass ähnliche, vielleicht sogar die gleichen toxischen Substanzen auch 
ausserhalb des Organismus, bei der Spaltung von Eiweissmolekülen mittels 
verschiedener physikalischer und chemischer Einflüsse entstehen. 

M. Kaiser (Graz). 


Sperk B., Ueber Einrichtung und Funktion der Schutzstelle des 
Vereines „Säuglingsschutz“ in Wien. Wien. klin. Wochenschr. 1905. 
S. 1179. 

Am St. Anna-Kinderspital in Wien wurde gleichzeitig mit der Schaffung 
einer „Säuglingsstation“ auch eine „Säuglingsschutzstelle“ vom Verein 
„Säuglingsschutz“ ins Leben gerufen. Diese Anstalt stellt sich entsprechend 
den guten Erfahrungen, die man in Frankreich mit den Säuglings- 
wohlfahrtseinricebtungen gemacht hat, die Aufgabe, die Propagation der 
natürlichen Ernährung zu fördern, und auch den Müttern, welche auf die 
künstliche Ernährung angewiesen sind, mit Rat und Tat an die Hand zu gehen, 
wobei besonders die Abgabe von einwandfreier Milch, zumal sterilisiert und in 
trinkfertige Einzelportionen geteilt, in Betracht kommt. 

Sperk beschreibt in der Publikation, die eine Anzahl von photogra- 
phischen Aufnahmen und Plänen enthält, Bau und Betrieb dieser Säuglings- 
station. 

Das Gebäude besteht aus folgenden Teilen: 

Im Souterrain befinden sich die Milchküche, der Flaschenwaschraum, 
der Sterilisationsraum, das Milchdepot und ein kleines Laboratorium zur Unter- 
suchung der Milchproben. 

Im Hochparterre ein Warteraum mit Garderobe, ein Milchschalter, ein 
ärztliches Untersuchungszimmer mit anstossendem Säuglingsbad, ein Kanzleiraum. 

Die Eingänge für Personal und Publikum sind getrennt. 

Was den Verkehr mit den Parteien betrifft, so werden 3 Gruppen von 
Sänglingen unterschieden. 

1. „Konsultationskinder“ — Kinder, deren Mütter nur gelegentlich 
vorsprechen, um ihre Kinder untersuchen zu lassen und ärztlichen Rat, betreffend 
Pflege und Ernährung einzuholen. 


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1334 Säuglingspflege. 


2. „Ueberwachte Kinder“ — Kinder, die in regelmässigen Intervallen 
in die Anstalt gebracht und untersucht werden. 

„Unterstützte Kinder“ — solche, bei welchen Milch verabreicht wird, 
entweder — bei natürlicher Ernährung — an die Mutter (täglich 1—1?/, Liter 
Vollmilch) oder — bei künstlicher Ernährung — sterilisierte Milchmischungen 
1/3, 1/2 und 2/3 Milch mit entsprechendem Milchzuckerzusatz , sowie vielfach 
holländische Milch, Szekelymilch, Liebigsuppe u.s. w., alles in 7, höchstens 
8 Einzelportionen abgeteilt. 

Die Anzahl der täglich zu versorgenden Kinder schwankt gegenwärtig 
zwischen 100 und 300. Ueber den Gesundheitszustand der Schützlinge und 
den Betrieb wird genau Buch geführt: Die Anstalt hat bereits einzelne Filialen, 
bisher im Anschluss an die Kinderspitäler, in anderen Bezirken Wiens errichtet. 
Den Transport der Milch besorgt die Stadtgemeinde unentgeltlich durch die 
Feuerwehr. Grassberger (Wien). 


$zana, Alexander, Staatliche Säuglingspflege in Ungarn. Münch. 
med. Wochenschr. 1905. S. 2136. 

In Ungarn hat der Staat selbst den Kampf gegen die Kinder- 
sterblichkeit und namentlich gegen die Säuglingssterblichkeit organi- 
siert, In Frankreich ist der Kinderschutz Sache des Departements, in Oester- 
reich fällt den einzelnen Ländern für sich diese Aufgabe zu. Nach den 
Statuten des Gesetzes hat jedes ungarische Kind, das durch die Seinigen nicht 
versorgt werden kann, Anspruch auf staatliche Fürsorge. Auch auf 
bedürftige ausländische, in Ungarn befindliche Kinder erstreckt sich das Gesetz. 

Die Säuglinge sollen durch die eigenen Mütter versorgt und durch 
diese auch gestillt werden. Sz. fordert auch ein längeres Verweilen der 
Mütter mit ibren Neugeborenen in den Anstalten. Den ausser dem Hause 
ihrer Erwerbstätigkeit nachgehenden Frauen werden Stillprämien verabreicht. 

Die in Aussenpflege gegebenen Säuglinge sind von einem Arzte in der 
Gentralstelle zu überwachen und von Zeit zu Zeit, am besten durch Fest- 
stellung ihres Körpergewichtes zu kontrollieren. Da die meisten Kinder 
innerhalb des ersten Monats nach der Herausgabe an die Pflegeeltern 
sterben, muss die Kontrolle in diesen kritischen 4 Wochen am schärfsten 
gehandhabt werden. 

Die Herstellung von Säuglingsmilch sollte eigentlich nur auf Grund 
einer besonderen Konzession erfolgen und ebenso diese Milch nur gegen 
ärztliche Anweisung verabreicht werden. 

Besondere Beachtung muss der Aufstellung einer richtigen Statistik ge 
schenkt werden, die nach einheitlichen Gesichtspunkten zu regeln ist und das 
Aufnahmealter sowie die Dauer des Aufenthaltes in Anstalten und schlies 
lich das Schicksal der aus der Beobachtung entlassenen Kinder zu berūck- 
sichtigen hat. 

Sz. spricht sogar von einem gesetzlichen Stillzwang und empfiehlt 
ein Gesetz, das die Mütter bis zum 4. Monat zum Selbststillen ver 
pflichtet und Ausnahmen hiervon nur aus gesundheitlichen oder socialen Gründen 
auf Grund besonderer behördlicher Erlaubnis zulässt. 


Hebammenwesen. 1335 


Schliesslich fordert er das Verbot der Saugflaschen mit langer Glasröhre 
wegen der Unmöglichkeit, dieselben hinreichend zu reinigen. 
Schumacher (Hagen i.W.). 


Preiss E, Ein Beitrag zur Verhütung des Kindbettfiebers. Berl. 
klin. Wochenschr. 1905. S. 1338. 

Vor allem kommt es darauf an, dass sich die Hebammen der grossen 
Bedeutung einer peinlichen Asepsis und Antisepsis bewusst werden. Da 
die Händedesinfektionen oft nur Scheindesinfektionen sind, würde es einen 
grossen Fortschritt bedeuten, wenn man die untersuchende Hand mit einem 
Gummiüberzuge versehen liesse. Ferner ist besonders darauf zu sehen, dass 
die Einführung von Partikelchen des Darminhalts in den Genitalschlauch ver- 
hindert wird. Die wirksamste Waffe aber bildet, bis man einen Hebammen- 
stand erbält, wie er im Interesse der Gebärenden verlangt werden muss, die 
Aufklärung des Publikums selbst. Zu diesem Zweck wäre jede Hebamme zu 
verpflichten, welche von einer Schwangeren konsultiert oder zu ihrer Entbindung 
gerufen wird, ihr ein amtliches „Merkblatt für Geburt und Wochenbett“ vor 
Beginn der Tätigkeit zu überreichen. Zur Kontrolle darüber, ob dies geschehen 
ist, müssten die Standesbeamten bei den Geburtsanzeigen danach fragen; 
Unterlassungen wären zu bestrafen. Der Entwurf eines solchen Merkblatts 
wird mitgeteilt. Würzburg (Berlin). 


Lingel, Zur Verhütung des Puerperalfiebers. Münch. med. Wochen- 
schr. 1905. S. 2183. 

L. glaubt mit Dörffler, dass „fast jedes“ Kindbettfieber auf die Geburts- 
leitung der Hebammen zurückzuführen sei. Auch von dem Gummihand- 
schuh verspricht sich L. bei der voraussichtlich meist fehlerhaften Anwendung 
desselben nur sehr wenig Gutes. Am liebsten sollte die innere Untersuchung 
von Seiten der Hebamme, als in den meisten Fällen sehr gut entbehrlich, 
ganz unterbleiben. Einen durchgreifenden Wandel verheisst jedoch nur die 
Ersetzung des bisherigen Hebammenmaterials, welches bislang in kurzer mehr- 
monatlicher Ausbildung lernen sollte, dass „Kindbettfieber eine Infektions- 
krankheit“ ist, durch einen Stamm von modernen Hebammen, die in mehr- 
jähriger strammer Schulung für ihren künftigen schweren Beruf vorbe- 
reitet werden müssten. Alle Hebammen und Kandidatinnen eines Staates 
würden in einem festen Verbande zu vereinen sein. Austritt aus demselben 
oder Verheiratung wäre dem Entzuge der Approbation gleichbedeutend. 

So wünschenswert eine radikale Verbesserung des ganzen Hebammenwesens 
für alle Freunde der Volkswohlfahrt wäre, so ist sich L. doch selbst darüber 
klar, dass die gekennzeichneten Ideen unter heutigen Verbältnissen kaum auf 
Verwirklichung rechnen können. Schumacher (Hagen i.W.). 


PAR Er SE 


1336 Gewerbehygiene. Verschiedenes. 


Jellinek $., Der Tod durch Elektricität. Referat, erstattet auf der 77. Ver- 


sammlung Deutscher Naturforscher u. Aerzte in Meran. Wien. klin. Wochen- 
schr. 1905. S. 1141. 

Der Autor bringt zuerst einen kurzen Ueberblick über die historische 
Entwickelung der Frage nach der Ursache des Todes durch Elektricität 
und wendet sich dann zur Besprechung der eigenen, seit 6 Jahren gesammelten 
Beobachtungen. Jellinek erörtert eingehender, von welchen Umständen der 
animalische Effekt des elektrischen Stromes abhängt, und bespricht die einzelnen 
in Betracht kommenden Momente, als Richtung, Spannung, Stromstärke, Zeit- 
dauer. des Stromes, Widerstand u. s. w. Im 2. Abschnitt berichtet der Autor 
über die Anzahl der in den 3 Jahren 1901—1903 in Oesterreich beobachteten 
tödlichen Unfälle, hervorgerufen durch Blitzschlag, sowie durch elektrischen 
Starkstrom, und weist auf solche, bei diesen Fällen festgestellte Tatsachen bin, 
die zur Klärung der Frage bemerkenswertes Material liefern. In einem 3. Teil 
der Arbeit berichtet J. über seine Tierversuche, die manche interessante 
Einzelheiten ergaben, so z. B. die Tatsache, dass ein sonst lebensgefährlicher 
Starkstrom für ein narkotisiertes Kaninchen zuweilen ganz unschädlich ist. 
J. bringt diese Erscheinung mit der von Aspinelli angeführten Beobachtung, 
dass elektrische Starkströme für schlafende Personen oft ungefährlich sind, 
in Verbindung. 

Weitere Versuche beschäftigen sich mit der Feststellung der Wirkungen 
des elektrischen Stromes auf das Herz, wobei besonders die Wiederbelebung 
des Herzens, das unter dem Einfluss des Starkstromes seine Tätigkeit einge- 
stellt hatte, durch neuerlich zugeführten Strom erwähnenswert ist. Die 
histologischen Untersuchungen der Organe von Tieren, die durch Starkstrom 
getötet wurden, ergaben in Bestätigung der vorhandenen Angaben der Literatur 
kapillare Zerreissungen, Blutaustritte, Zellrupturen. Was die eigentliche Todes- 
ursache betrifft, so ist dieselbe anscheinend keine einheitliche. In manchen 
Fällen tritt sofortiger Atemstillstand ein, in anderen Fällen ist momentanes 
Sistieren der Herztätigkeit zu beobachten. i 

Zum Schlusse betont Jellinek nachdrücklich, dass die durch das elek- 


trische Trauma verursachten, gefahrdrohenden Symptome oftmals nur vorüber- ' 


gehender Natur sind. In den meisten Fällen ist der Tod durch Elektrieität 
zunächst nur ein Scheintod. Wiederbelebungsversuche müssen in jedem Falle 
angewendet und eventuell lange fortgesetzt werden. 

Grassberger (Wien). 


Willimsky, Walther, Ueber das Verhalten der aöroben Keime gegen 
über der absoluten Sauerstoffentziehung. Arch. f. Hyg. Bd. 54 
S. 375. 

Verf. hat Versuche darüber angestellt, ob die schädigende Einwirkung 
der Sauerstoffentziehung besonders bei längerer Dauer so eingreifend ist, 
dass das Leben völlig erlischt, oder ob die Keime ein latentes, bei günstige? 
Bedingungen zu aktivem Leben wieder erweckbares Dasein zu fristen vermögel- 


Verschiedenes. Kleinere Mitteilungen. 1337 


Zu den Untersuchungen benutzte er aërobe Keime, die keine Sporen bilden 
und zwar Cholera „Saratow“, Alcaligenes und Fluorescens non liquefaciens. 

Zur Erzielung der Anaörobiose wurde die Methode der Verdrängung der 
atmosphärischen Luft durch Wasserstoff gewählt, unter Benutzung des von 
Bischoff zur Anaörobienzüchtung angegebenen Apparates. 

Auch bezüglich der allmählichen Anpassung wurden Versuche angestellt 
und hierbei ausgegangen von einer 8 Tage anaörobiotisch gehaltenen Kultur 
von Fluorescens non liquefaciens. Aus der Versuchsanordnung scheint hervor- 
zugehen, dass durch die Stägige Anaerobiose eine Auslese der geeignetsten 
Keime stattgefunden hat, die auf eine erneute Ana@robiose besser gerüstet und 
angepasst, der einsetzenden Schädigung nicht mehr so schnell erliegen. 

Die am Schluss der Arbeit zusammengestellten Ergebnisse sind: 

„Die aöroben Keime vermögen ihr Leben auf minimale Spuren von 
Sauerstoff einzustellen und zwar um so besser, je langsamer die Sauerstoff- 
entziehung erfolgt; bei absoluter Anaerobiose aber sterben sie ab, und zwar 
um so schneller, je plötzlicher diese herbeigeführt wird. 

Nieter (Halle a. S.). 


Bürker K., Eine neue Form der Zählkammer. Aus dem physiol. Institut 
zu Tübingen. Arch. f. d. ges. Physiol. Bd. 107. S. 426. 

Verf. beschreibt eine neue Form der Zählkammer, welche eine Reihe 
von Vorteilen gegenüber den bisher gebräuchlichen Formen besitzen soll. Be- 
züglich der Konstruktion und genauen Anwendung sei auf das Original ver- 
wiesen; dieselbe ist von Carl Zeiss in Jena zu beziehen. Als Vorteile werden 
besonders bervorgehoben: Die neue Zählkammer lässt sich leichter zusammen- 
setzen als die alte Thoma-Zeisssche, weil das Deckglas schon vor dem Ein- 
bringen der Blutmischung aufgelegt wird und die Blutmischung sich durch 
Kapillarität in den Zählraum saugt. Die Blutkörperchen sind daber so 
gleichmässig auf der Zählfläche verteilt, dass es genügt 80 Quadrate, statt 
200 wie bei der alten Kammer, durchzuzählen, um einen gut verwendbaren 
Mittelwert zu erhalten. Die neue Kammer ist praktisch unabhängig von der 
Temperatur and vollkommen unabhängig von dem Luftdruck, auch wenn dieser 
sich momentan um grosse Werte ändert. Vergleichende Zählungen, welche 
an derselben Blutmischung vorgenommen wurden, zeigten bei Verwendung. von 


Hayemscher Flüssigkeit — die Benutzung von Pacinischer Flüssigkeit 
empfiehlt sich nicht — als Mischflüssigkeit nur Abweichungen voneinander 


um 0,0—0,6°/,. . Wesenberg (Elberfeld). 


Kleinere Mitteilungen. 


(:) Deutsches Reich. Die Eheschliessungen, Geburten und Sterbe- 
fälle im Jahre 1904. (Nach den Vierteljahrsheften zur Statistik des Deutschen 
Reiches. Jahtg. 15. H. 1. S. 89 ff.) 

Während des Jahres 1904 wurden im Deutschen Reiche 477822 Ehen geschlossen, 
d. i. 14672 mehr als während des Vorjahres; die auf je 1000 Einwohner errechnete 
Verhältnisziffer (8,05) ist danach gegenüber den beiden Vorjahren zwar etwas gestiegen, 


1338 Kleinere Mitteilungen. 


war jedoch immer noch niedriger als diejenigen der Jahre 1899, 1900 und 1901. Den 
Ermittelungen über das Alter der heiratenden Personen ist zu entnehmen, dass 
das durchschnittliche Heiratsalter bei den männlichen Personen um 3 Jahre höher als 
bei den weiblichen war, dass aber bei 20,4°/, der geschlossenen Ehen, abweichend 
von der Regel, die Frau älter als der Mann war. Das 25. Lebensjahr hatten bei der 
Eheschliessung 28,6°/, der Männer und 55,80. der Frauen noch nicht vollendet, 
andererseits hatten 12,8°/, der heiratenden Männer und 7,6°/, der heiratenden Frauen 
das 35. Lebensjahr überschritten; 39700 weibliche Personen, d. i. 8,3°/, der Gesamt- 
zahl, hatten im Alter unter 20 Jahren geheiratet. 

Geboren wurden im Berichtsjahre 2089347 Kinder und zwar auf je 100 Mädchen 
106,1 Knaben. Von der Gesamtzahl waren 2025847 — d. i. 34,1 auf je 1000 Ein- 
wohner — lebendgeboren, 63500, d. i. 3,04°/, aller Geborenen, sind als totge- 
boren eingetragen. Ehelieher Abkunft waren 1913627 (darunter 56219 Totgeborene), 
ausserehelicher Abkunft danach 8,41°/, aller geborenen Kinder. Von den 11572) 
ausserehelich geborenen Kindern waren 7281 oder 4,1°/, totgeboren. Bei Mehrlings- 
geburten kamen 51552 Kinder lebend und 2831 tot zur Welt, und zwar bei 26751 
Zwillings-, 291 Drillings- und 2 Vierlingsgeburten. 

Auf je 1000 verheiratete Frauen im gebärfähigen Alter (von 15 bis unter 
50 Jahren) kamen 257 ehelich geborene Kinder, die meisten in Westfalen, Posen und 
Westpreussen (347—322), weitaus die wenigstens in Berlin (147,8), in Anhalt (172) 
und im Staate Hamburg (177,5). 

Der Prozentsatz der ausserehelichen Geburten — zur Gesamtzahl der 
Geburten — war besonders hoch in Berlin, dem rechtsrheinischen Bayern und im 
Königreich Sachsen, gering hingegen in Westfalen, der Rheinprovinz und den beiden 
Fürstentümern Lippe; indes wird bemerkt, dass hieraus nicht ohne weiteres Schlüsse 
in Bezug auf die sittlichen Verhältnisse der Reichsgebietsteile statthaft sind. Eine 
bessere Unterlage zu solchen Betrachtungen bietet die Vergleichung der ausserehelich 
geborenen Kinder mit den nicht verheirateten, im Alter von 16—50 Jahren stehenden 
weiblichen Personen. Danach erscheinen im Jahre 1904 mit dem höchsten Prozentsatz 
ausserehelicher Geburten das Herzogtum Altenburg (4,63 auf je 100 solche weiblichen 
Personen) und das Königreich Sachsen (4,61), dann erst das rechtsrheinische Bayern 
(4,32), Sachsen-Meiningen (4,20) und Schwarzburg-Rudolstadt. Berlin bleibt mit 
seiner Prozentzilfer sogar etwas unter dem Mittel für das Reich (2,87). 

Gestorben sind während des Jahres 1904 (ausschl. der Totgeborenen) 116313 
Personen, d. i. 7722 weniger als während des Vorjahres. Zu dieser Abnahme haben 
vornehmlich beigetragen Ostpreussen, das rechtsrheinische Bayern, Posen, Hessen- 
Nassau; dagegen wurde namentlich in Westfalen, Brandenburg, Berlin, Sachsen und 
im übrigen Süddeutschland (d. h. mit Ausnahme des rechtsrheinischen Bayeın) eine 
Zunahme der Sterbefälle festgestellt. Der Zeit nach sind die meisten Sterbefälle in 
den Monaten August, Juli, März und Januar, die wenigsten im Oktober, November 
und Juni vorgekommen. 

Den grössten Anteil an den Sterbefällen hatten wie gewöhnlich die Kinder, 
insbesondere die Säuglinge. Nicht weniger als 34,2°/ aller gestorbenen d. J. 1004 
waren noch nicht 1 Jahr alt, und im Verhältnis zu den Lebendgeborenen des Jahres 
starben 19,6°/ im Säuglingsalter. Am geringsten war, wenn man zehnjährige Alters- 
klassen von 1—10, 10—20 Jahren u. s. w. in Betracht zieht, die zweite Klasse, also 
die der 10—20 jährigen, unter den Gestorbenen vertreten (mit3,2°/0), mit steigenden 
Alter erhöht sich wieder der Anteil an der Summe der Gestorbenen bis zur Alters“ 
klasse der 70—80 jährigen, auf die, ebenso wie auf die vorhergehende Altersklasse; 
je 11,0°;, entfielen. 


" 5 


Kleinere Mitteilungen. 1339 


Was die 397781 im Berichtsjahre gestorbenen Säuglinge (im Alter unter ein 
Jahr) betrifft, so waren 344972 ehelicher und 52809 ausserehelicher Abkunft; auf je 
100 eheliche Geburten entfielen sonach 18,6, auf je 100 aussereheliche Geburten 31,4 
Todesfälle der betr. Säuglinge. Besonders hoch war die Säuglingssterblichkeit — und 
zwar sowohl im Verhältnis zur Gesamtzahl der Sterbefälle, wie zur Zahl der Lebend- 
geborenen — in Sachsen-Altenburg, Reuss j. L. und im rechtsrheinischen Bayern, 
andererseits besonders niedrig in Waldeck (9,8 : 100 Lebendgeborene), Schaumburg- 
Lippe (11,5), Oldenburg (12,8), und innerhalb Preussens in Hessen-Nassau (12,9). Der 
Vergleich mit ausländischen Staaten beschränkt sich für 1904 auf dieNiederlande, Eng- 
land mit Wales und Irland, für zahlreiche andere Staaten werden Angaben über dio 
Säuglingssterblichkeit aus den Jahren 1901—1903 mitgeteilt. 

(Veröff, d. Kais. Ges.-A. 1906. No. 21. S. 529/530.) 


(:) Deutsches Reich. Verbreitung des Aussatzes. 

Nach den amtlichen Ermittelungen belief sich die Zahl der Aussatzkranken im 
Deutschen Reiche am Ende des Jahres 1905 auf 27 (gegenüber 24 am Schlusse des 
Vorjahres). Davon entfielen auf Preussen 20 (19), auf Hamburg 5 (3), auf Mecklen- 
burg-Schwerin und auf Elsass-Lothringen je 1 (1). 

In Preussen sind im Laufe des Berichtsjahres 3 Aussatzkranke verstorben und 
4 neu hinzugekommen; 3 davon, eine männliche und zwei weibliche Personen, alle 
im Kreise Memel wohnhaft, wurden dem Lepraheim daselbst überwiesen. Der vierte 
Fall betraf einen ehemaligen Soldaten der niederländisch-indischen Armee, der die 
deutsche Staatsangehörigkeit besitzt und sich auf Sumatra angesteckt hatte. Nachdem 
er vorläufig in die Isolierabteilung des Krankenhauses in Kaldenkirchen (Kreis Kempen 
a. Rh., Reg.-Bez. Düsseldorf) aufgenommen war, ist er inzwischen in das Lepraheim 
zu Memel übergeführt worden. i 

In Hamburg wurde bei einem aus Memel gebürtigen Matrosen, in dessen 
Familie ein Leprafall vorgekommen war, sowie bei der Tochter einer im Jahre 1903 in 
Hamburg verstorbenen Leprösen Aussatz festgestellt. Diese letztere sowie eine aus 
New Orleans zugereiste Pflanzersgattin und ein portugiesischer Student liessen sich in 
einer Privatanstalt für Leprakranke aufnehmen. Ausserdem haben sich in Hamburg 
vorübergehend 3 aussätzige Brasilianer (Brüder) aufgehalten, um ärztliche Hilfe zu 
suchen. Ein in der gleichen Absicht zugereister Pflanzer aus Sumatra ist durch Selbst- 
mord aus dem Leben geschieden. Eiri weiterer Abgang erfolgte dadurch, dass ein im 
Vorjahre als ‘aussatzkrank ermittelter russischer Matrose in seine Heimat befördert 
wurde’and ein in demselben Jahre zugereister Brasilianer das Reichsgebiet verlassen hat. 

In Mecklenburg-Schwerin und in Elsass-Lothringen hat sich, wie auch 
im Vorjahre, der Bestand an Kranken (je 1) nicht geändert. 

(Veröff. d. Kais. Ges.-A. 1906. No. 17. S. 419.) 


(:) Aus dem Sanitätsbericht über die Kaiserlich Deutsche Marino 
für den Zeitraum vom ]. Oktober 1903 bis 30. September 1904. 

Den nachstehend wiedergegebenen Zahlen über die Krankenbewegung in der 
Kaiserlichen Marine ist eine mittlere Kopfstärke von 37780 Mann während des 
Berichtsjahres zu Grunde gelegt; in dieser Zahl sind alle an Bord und in Kiautschou 
befindlichen Offiziere, Deckoffiziere und Beamten eingeschlossen, nicht dagegen die 
662 Personen des Marine-Expeditionskorps in Südwestafrika. Von der mittleren Kopf- 
stärke befanden sich 20943 an Bord, darunter 14207 in den heimischen Gewässern, 
und 16837 am Lande, darunter 2095 in Kiautschou. 

Zu Beginn des Berichtsjahres waren 565 Kranke (davon 181 an Bord) in marine- 


1340 Kleinere Mitteilungen. 


ärztlicher Behandlung, der Krankenzugang im Jahre betrug 18040 (a. B. 896p, 
entsprach somit 477,5 (428)°/% der Kopfstärke und war danach wesentlich geringer 
als während der drei vorangegangenen Berichtsjahre. Den grössten Krankenzugang 
hatten wiederum die Besatzungstruppen von Kiautschou, u. zw. mit 839,1%/go, den 
niedrigsten die Schiffe in den heimischen Gewässern mit 347,70/go. Aus der marine- 
ärztlichen Behandlung wurden im Laufe des Berichtsjahres 14874 als dienstfähig und 
3150 anderweitig entlassen, 33 starben und 548 blieben am Schlusse der Berichts- 
zeit im Bestande. Die Behandlungsdauer betrug im Mittel 21,3 (an Bord 22,8) 
Tage, und jeder Mann der Kopfstärke war durchschnittlich durch Krankheit 10/3 Tage 
(a. B. 10 Tage) dem Dienst entzogen. 

An eigentlichen „Infektionskrankheiten“ waren insgesamt 798 erkrankt 
gegen 835 im Vorjahre, u.a. 307 an Grippe, 164 an Malaria, 182 an Ruhr, 28 an 
Darmtyphus, 2 an Gelbfieber, 67 an Tuberkulose. Die beiden Gelbfieberfälle wurden 
an Bord der „Vineta“ nahe der südamerikanischen Küste beobachtet und auf Para 
zurückgeführt. Die Erkrankten waren nicht an Land gewesen; also trotzdem das 
Schiff etwa 800 m vom Strande ankerte, müssen einige inficierte stegomyiae an Bord 
gelangt sein; die Kranken wurden abgesondert und unter Moskitonetze gelegt, beide 
genasen. i 

Der Zugang von Malariakranken, welcher im Berichtsjahre 1897/98 noch 29,00% 
und im Berichtsjahre 1898/99 sogar 31,9°/% der Kopfstärke betragen hatte, ist seither 
stetig auf nunmehr 4,3°/90 heruntergegangen; die Massnahmen, denen diese Abnahme 
zu danken ist, werden im Berichte (S. 37—42) ausführlich besprochen. Die meisten 
Erkrankungen im Vefhältnis zur betr. Kopfstärke kamen in Westafrika, demnächst in 
der Südseo und in Ostasien (an Bord) vor, die Mittelmeerstation blieb gänzlich ver- 
schont; in der Heimat kamen nur Rückfälle in Zugang, bei denen allen die Dienst- 
fähigkeit wieder hergestellt wurde. 

Von den 535 sonstigen „allgemeinen Erkrankungen“ sind bemerkenswert: 
278 an akutem Gelonkrheumatismus, 52 anGicht und chronischem Gelenkrheumatismus, 
50 an Blutarmut, 31 an Hitzschlag und 24 an Vergiftungen, darunter 9 durch 
Alkohol (chronische), 4 durch verdorbenen Käse, 1 durch Tollwutgift; letztere verlief 
tödlich, ehe die Schutzimpfung angewendet werden konnte. Erkrankungen an Skorbut 
sind nicht vorgekommen, die einzige Erkrankung durch „Entozo&n“ (im Körpergewebe, 
also abgesehen von den Eingeweidewürmern im Darme) war durch einen Medinawurn 
verursacht, welcher wahrscheinlich mit dem Leitungswasser in Westindien in den 
Körper des Erkrankten gelangt war. 

Mit Krankheiten des Nervensystems kamen 365 Kranke in Zugang; 
darunter 25 mit Geisteskrankheiten, 29 mit Epilepsie, 105 mit Neurasthenie, 22 mit 
Hysterie, 81 mit Erkrankungen im Gebiete einzelner Nervenbahnen u. s. w. Von den 
369 an solchen Leiden behandelten Kranken ist zwar niemand gestorben, aber nur 
166 schieden als dienstfähig aus der Behandlung, 203 wurden anderweitig entlassen 
oder blieben am Schlusse des Berichtsjahres in Behandlung. Als Ursachen der Neut- 
asthenie, welche fast nur Offiziere, Deckoffiziere und ältere Unteroffiziere befel, 
aber während der letzten 7 Berichtsjahre in der Marine von Jahr zu Jahr erheblich 
häufiger beobachtet worden ist, werden die immer höher gestiegenen Anforderungen 
des Dienstes und der Lärm auf den modernen eisernen Schiffen genannt, der dem 
Nervensystem am Tage und häufig auch des Nachts wenig Ruhe zur Erholung lässt. 

Mit Erkrankungen der Atmungsorgane sind 1981 Kranke in Zugang ® 
kommen, u. zw. im Verhältnis zur Kopfstärke die meisten auf der Ostsee- und Nord- 
seestation, demnächst im Mittelmeer, die wenigsten in der Südsee (Australien) und 
in Westafrika, Als auffallend gering wird die Zahl solcher Erkrankungen in Kiautscho0 


Kleinere Mitteilungen, 1341 


bezeichnet, das demgemäss als hervorragend gesund für die menschlichen Atmungs- 
organe erklärt und in dieser Hinsicht mit der Riviera verglichen wird. 

Wegen Krankheiten der Kreislaufsorgane kamen 674 in Zugang, darunter 
348 mit Erkrankungen des Herzens, davon u. a. 253 mit nervöser Störung der Herz- 
tätigkeit, 11 mit idiopathischer Herzvergrösserung u. s. w. Der Zugang war im Ver- 
hältnis zur betr. Kopfstärke am stärksten im Mittelmeer, in Westindien und in der 
Südsee, am geringsten auf den Schiffen der heimischen Gewässer. Mehr als die Hälfte 
der 714 an solchen Krankheiten behandelten Mannschaften u. s. w. konnte als dienst- 
fähig aus der ärztlichen Behandlung entlassen werden, 3 von ihnen sind gestorben. 

Mit Krankheiten der Ernährungsorgane gingen 3213 zu, davon weitaus 
die meisten — im Verhältnis zur betr. Kopfstärke — in Kiautschou, also am Lande, 
demnächst an Bord in Westafrika und Ostasien. Von den Zugängen entfielen 807 auf 
akuten Darmkatarrh, 308 auf akuten Magenkatarrh, 98 auf chronischen Magen- oder 
Darmkatarrh, 119 auf Blinddarmentzündung; Operationen bei letzterer Krankheit 
wurden 35mal nötig. An Eingeweidewürmern litten 115 Kranke; im Vergleich 
zur Heimat war die Zahl der Wurmleidenden auf den Auslandsschiffen und namentlich 
in Kiautschou auffallend hoch. Von den Todesfällen infolge von Krankheiten der 
Ernährungsorgane waren 2 durch inneren Darmverschluss, je ein durch Blinddarm- 
entzündung, durch Bauchfellentzändung und duroh eine brandig gewordene Dünn- 
darmschlinge verursacht. 

Die Zahl der an venerischen Krankheiten behandelten Personen betrug 
2690 mit einer durchschnittlichen Behandlungsdauer von 46 Tagen. Von je 1000 Mann 
der betr. Kopfstärke gingen mit venerischen Krankheiten zu: an Bord in Ostasien 
137,1, in der Südsee (Australien) 135,7, in Westafrika 129,0, im Mittelmeer 85,0, in 
Westindien (Amerika) 77,0, ferner am Lande: in Kiautschou 73,0, in der Ostsee- und 
Nordseestation 56,3 und 52,9, endlich an Bord in den heimischen Gewässern 55,9. 
Im Vergleich mit den 9 früheren Berichtsjahren zeigt sich ein langsames, aber 
ständiges Abfallen dieser Ziffern, welches günstige Ergebnis auf die Wirkung der 
vorbeugenden Massnahmen gegen eine Ansteckung zurückgeführt wird, doch ist in 
dieser Hinsicht natürlich auch der Aufenthaltsort der Schiffe von Einfluss. Als die 
in Ostasien am meisten zu fürchtenden Orte werden in dem mitgeteilten Berichte 
eines Geschwaderchefs Shanghai, Hongkong und alle grösseren japanischen Orte be- 
zeichnet. 

Mit Krankheiten der Haut und des Zellgewebes kamen 2246 Kranke in 
Zugang, auffallend viele in Kiautschou und in Westindien; durch tierische oder 
pflanzliche Parasiten der Haut waren 130 dieser Krankheiten bedingt. 

Die 2900 im Berichtsjahre mit mechanischen Verletzungen in ärztliche 
Behandlung gekommenen Kranken erforderten durchschnittlich eine Behandlungsdauer 
von 14 Tagen, am häufigsten waren diese Verletzungen in Kiautschou. 2 Kranke mit 
Bisswunden, die von einem tollen und einem wutverdächtigen Hunde ihnen zuge- 
fügt waren, blieben nach Behandlung in dem Pasteurschen Institut zu Saigon bezw. 
Shanghai von der Wut verschont (s. a. den unter „Vergiftungen“ geführten Fall von 
Tollwut). 

Es starben von der eingangs erwähnten Kopfstärke in dor Kaiserlichen Marine 
während des Berichtsjahres 104 Mann, ausserdem beim südwestafrikanischen Expeditions- 
korps 82 Mann. Von ersteren sind 54 innerhalb und 50 ausserhalb marineärztlicher 
Behandlung gestorben, im ganzen 57 infolge von Krankheit, 17 durch Selbstmord, 
30 durch Verunglückung. Von den 17 Selbstmördern gehörten 5 dem Offizier- und 
Unteroffizierstande, 12 dem Stande der Gemeinen an. 

Als dienstunbrauchbar wurden alsbald bei der Einstellung 943 Mann, 


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Eng 


1342 Kleinere Mitteilungen. 


später noch 231 entlassen, als ganzinvalide schieden 531, als halbinvalide 
92 aus. (Veröff. d. Kais. Ges.-A. 1906. No. 22. S. 539/540.) 


(:) Aus dem Sanitätsberichte über die Königlich Preussische Armee, 
das XII. und XIV. (1. und 2. Kgl. Sächsische) und das XIII. (Kgl. Württemb.) 
Armeekorps für den Berichtszeitraum vom.l. Oktober 1902 bis 30. Sep- 
tember 1903. 

Am 1. Oktober 1902 befanden sich von den bezeichneten Armeekorps 7102 Kranke 
in militärärztlicher Behandlung, davon 5759 im Lazarett; der Krankenzugang im 
Berichtsjahre betrug bei einer Durchschnitts-Iststärke von 526554 Mann: 105695 im 
Lazarett, 191494 im Revier, 29212 im Lazarett und Revier, mithin im ganzen 619,9 
der Kopfstärke. Während des fünfjährigen Zeitraumes von 1886 87— 1890/91 waren 
im Durchschnitt jährlich 908,3 von je 1000 Mann der Kopfstärke als krank in Behand- 
lung gekommen, somit war nach dem neuesten Berichte die jährliche Krankenzahl auf 
etwa 2/, der damaligen zurückgegangen. 

Gestorben sind im Verlaufe des Berichtsjahres 1091 Mann, d. i. 2,1%/oo der 
Kopfstärke, was einer geringen Zunahme gegenüber dem Vorjahre entspricht, jedoch 
erheblich weniger als z.B. im Durchschnitt der Jahre 1881/82—1885/86 (4,1%) und 
1886/87— 1890/91 (3,3) ist. Von den 1091 Todesfällen waren 689 durch Krankheit, 
263 durch Selbstmord, 139 durch Verunglückung herbeigeführt, und davon sind 46 
ausserhalb der militärärztlichen Behandlung gestorben. 

Dor Krankenzugang war am stärksten im Januar (= 72,50/go K.), demnächst im 
Februar (61,4) und März (60,8), am geringsten, wie gewöhnlich, im September (39,3): 
die Reihenfolge der Armeekorps hinsichtlich der Höhe des Krankenzugangs erscheint 
bedeutungslos, denn sie hat von Jahr zu Jahr so sehr gewechselt, dass sich daraus 
Schlüsse auf den Gesundheitszustand der Korps nicht wohl ziehen lassen. 

Mit Infektionskrankheiten und allgemeinen Krankheiten (Gruppe I 
des Schemas) kamen — zu einem Bestande von 539 am 1. Oktober 1902 — im Laufe 
des Berichtsjahres 15513 in Zugang, und auf jeden dieser Kranken entfielen durch- 
schnittlich 27 Behandlungstage. Hervorzuheben sind 6258 Kranke mit Grippe (davon 
4025 im Januar und Februar), 4281 mit akutem Gelenkrheumatismus (davon 1099 in 
März und April), 846 mit Tuberkulose dor Lunge oder der ersten Luftwege, 619 
mit Rose, 517 mit Masern, 446 mit Typhus, 346 mit epidemischer Ohrspeicheldrüsen- 
entzündung, 333 mit Scharlach, 192 mit Diphtherie (Croup), 82 mit Wechselfieber. 
Epidemische Genickstarre war bei 36, eine bösartige Geschwulst bei 30 das die Auf- 
nahme veranlassende Leiden, wegen Hitzschlags kamen 74, wegen einer Vergiftung 
73 in Behandlung, darunter 43 wegen Alkoholvergiftung. Von sonstigen in dieser 
Gruppe geführten Kranken seien noch 518 wegen Blutarmut und 308 wegen chroni- 
schen Gelenkrheumatismus oder Gicht zugegangene Kranke erwähnt. 

Der Zugang an Typhus war der geringste bisher in der Armee beobachtete, 
und erheblich geringer als der in der französischen, italienischen und österreichischen 
Armee; denn auf je 10000 Mann der Kopfstärke erkrankten an Typhus während des 
Jahres 1902 in der französischen Armee 43, in der italienischen 41, in der österreichi* 
schen 19, dagegen nach obiger Angabe in den 20 deutschen Armeekorps nur 8,5. Eine 
Massenerkrankung von 66 Personen durch den Genuss verdorbener Leberwurst 
wurde aus Gnesen berichtet; infolge des Genusses von Kartoffelsalat erkrankten an 
einem Tage in Strassburg i. E. 62 Mann mit Erbrechen, Leibschmerzen und Durch- 
fällen, wahrscheinlich handelte es sich um eine Solaninvergiftung. 

Mit Krankheiten des Nervensystems (Gruppe II) kamen — zu einem Be- 
stande von 186 — 3143 Mann in Zugang; jeder dieser Kranken erforderte durchschnitt 


Kleinere Mitteilungen. 1343 


lich 32,7 Behandlungstage. Die Zahl der an einer Geisteskrankheit Leidenden 
betrug 444, entsprechend 0,84°/% der Kopfstärke, und hat sich danach seit 1874/75 
allmählich auf das Vierfache erhöht. Die Ursache hierfür ist angeblich zum grossen 
Teil darin zu sehen, dass auch in der Civilbevölkerung die Geisteskrankheiten zu- 
nehmen, und dass somit eine grössere Zahl von Leuten zur Einstellung gelangt, deren 
Geisteszustand an der Grenze der Geistesgesundheit stehend erst bei den Anforde- 
rungen des Dienstes und bei der Beobachtung unter militärischen Verhältnissen als 
minderwertig erkannt wird. Unter den einzelnen Krankheitsformen stand der ange- 
borene Schwachsinn (61 Fälle) obenan. 

Mit Krankheiten der Atmungsorgane gingen 43361 Mann zu, von denen 
im Durchschnitt jeder nur 14,8 Behandlungstage erforderte; an akuter Lungenent- 
zündung litten vom Zugang 3240 und starben 136, die Höhe dieses Zugangs war am 
grössten im Februar und Januar, am geringsten im August. Mit Krankheiten der 
Kreislaufs- und blutbereitenden Organe (Gruppe IV) gingen 6664 Mann zu, 
darunter 1522 mit Krankheiten des Herzens; der Zugang an Herzkrankheiten ist im 
Vergleich zum Vorjahre um 0,30/% K. zurückgegangen. Von den wegen Krankheiten 
des Herzens entlassenen Mannschaften waren u. a. 146 im Bereiche des VII. Armee- 
korps (Westfalen), dagegen nur 20 im Bereiche des I. Armeekorps (Ostpreussen) aus- 
gehoben. Mit Krankheiten der Ernährungsorgane gingen 47078 Mann zu; jeder 
dieser Kranken erforderte durchschnittlich 7,7 Behandlungstage. Unter den Kranken 
dieser Gruppe befanden sich nicht weniger als 23102 mit Mandelentzündung und 
unter diesen . wieder waren viele der Diphtherie verdächtig und wurden hier nur ge- 
führt, weil der Nachweis der Diphtheriebacillen nicht gelang; bei mehreren Erkran- 
kungen an solcher „Mandelentzündung“ hat aber der klinische Befund zur Anwendung 
von Diphtherieheilserum Veranlassung gegeben (vgl. auch u. Todesursachen). Im 
Garnisonlazarett Leipzig wurde während des Berichtsjahres eine zahnärztliche 
Station für die Angehörigen der Garnison Leipzig und einiger benachbarter Garni- 
sonorte eingerichtet, in der nicht nur zahlreiche Untersuchungen, Zahnziehungen, 
Füllungen u. s. w. ausgeführt, sondern u. a. auch 53 neue Gebisse hergestellt wurden. 

Von den in dieser Gruppe geführten 1087 Kranken mit Darm- und Blinddarm- 
entzündung sind 27 gestorben und in der Operationsliste sind 124 durch Blinddarm- 
entzündung verursachte Operationen ausgeführt; 101 dieser operierten Kranken 
haben die Dienstfähigkeit wieder erlangt. 

Mit venerischen Krankheiten kamen zu einem Anfangsbestande von 500 
Mann 10216 in Zugang —19,4°/go der Kopfstärke; die durchschnittliche Behandlungs- 
dauer jedes dieser Kranken betrug 36,0 Tage. Der Zugang war etwas höher als in den 
drei Vorjahren, jedoch immer noch weit geringer als in anderen Armeen, denn auf je 
1000 Mann der Kopfstärke kamen während des Jahres 1902 mit venerischen Leiden in 
ärztliche Behandlung: von der französischen Armee 29,9, von der österreichischen 
Armee 57,5, von der italienischen Armee91,5, von der englischen Inland-Armee 122,7. 
Von den 20 deutschen Armeekorps im vorliegenden Sanitätsbericht hatten die meisten 
venerischen Erkrankungen die beiden Kgl. sächsischen Korps, nämlich das XII. 
(340/00 K.) und das XIX. (290/00), demnächst das Gardekorps (24,7) und das XV., 
das ist das elsässische (23,2), die niedrigste Ziffer (8,9) entfiel auf das XII., das ist 
das Kgl. württembergische Korps. 2179 Kranke, also 21,3°/, aller mit venerischen 
Leiden zugegangenen litten an konstitutioneller Syphilis, 6177, also 60,5°/ der 
Gesamtzahl, an Tripper ausschl. dessen Folgezuständen; wie gewöhnlich hatte der 
Monat Oktober, d.i. der Monat der Rekruteneinstellung, den höchsten Krankenzugang; 
allein in die unter preussischer Verwaltung stehenden 17 Armeckorps waren im Be- 
richtsjahre 1629 geschlechtskranke Rekruten eingestellt. Dieser hohe Anteil der ge- 


Be nn en nn en er A 


1344 Kleinere Mitteilungen. 


schlechtskrank Eingestellten an dem Jahreszugang dieser Krankheitsgruppe würde 
sich aber noch erhöhen, wenn man diejenigen später in Zugang gekommenen Erkran- 
kungen in Rechnung ziehen würde, welche als Rückfälle einer vor dem Diensteintritt 
erworbenen Geschlechtskrankheit anzusehen sind. 

Von den 333501 insgesamt behandelten Mannschaften sind 308970 dienstfähig 
geworden, 745 gestorben und 16495 anderweitig abgegangen; unter den letzteren 
sind diejenigen verrechnet, welche zur Erholung in die Heimat beurlaubt, in Bäder 
oder Genesungsheime geschickt, oder als dienstunbrauchbar oder invalide entlassen, 
sowie auch diejenigen, welche den Civilbehörden oder Irrenanstalten überwiesen 
wurden. Diese 16495 Leute sind also nicht sämtlich aus der Armee geschieden, 
sondern zum Teil dem Dienste erhalten geblieben, 

Die Todesursache der in mjlitärärztlicher Behandlung gestorbenen 745 Mann- 
schaften war bei 660 Krankheit, bei 53 ein Unglücksfall, bei 32 ein Selbstmordver- 
such: von den 660 infolge von Krankheit in militärärztlicher Behandlung und den 29 
ausserhalb militärärztlicher Behandlung an einer Krankheit gestorbenen Mannschaften 
waren gestorben: an Tuberkulose 138, an akuter Lungenentzündung 138, an Typhus 
45, an Herzleiden 32, an Hospitalbrand, Pyämie, oder Septikämie 29, an Brustfellent- 
zündung 29, an Darm- und Blinddarmentzündung 28 und an Bauchfellentzändung®, 
an Nierenleiden 26, an nichttuberkulöser Hirnhautentzündung 21 (ausserdem 7 an epi- 
demischer Genickstarre), an anderen Krankheiten des Gehirns 17, Scharlach 17, an 
bösartigen Geschwülsten 14, an akutem Gelenkrheumatismus 12, an Zuckerruhr 11, 
an Diphtherie 3, an „Mandelentzündung“ (s. 0.) ebenfalls 3 u. s. w. 

Als dienstunbrauchbar sind 7163 Mann ausgeschieden, davon 5090 innerhalb 
der ersten 6 Monate ihrer Dienstzeit; nur 3044 waren bis zu ihrem Ausscheiden in 
militärärztlicher Behandluug gewesen. Als halbinvalide schieden 1992 Unterofliciere 
und 1932 Mannschaften, zusammen 3924 aus, darunter 1514 ohne Dienstbeschädigung, 
nur auf Grund der langen Dienstzeit; als ganzinvalide schieden 1174 Unterofficiere 
und 5640 Mannschaften aus, darunter 4236 nur als „zeitig ganzinvalide“ und 340 oline 
Dienstbeschädigung nach mehr als 8 jähriger Dienstzeit. 

1732 aktive Mannschaften wurden zur Wiederherstellung ihrer Gesundheit zu 
Brunnen- oder Badekuren in Kurorte geschickt, desgleichen 415 Invalide und 57 
sonstige Angehörige der Armee; 490 davon kamen nach Landeck i. Schl., 413 nach 
Wiesbaden, 170 nach Teplitz in Böhmen, 114 nach Nauheim, 94 nach Oeynhausen, 
70 nach Ems u. s. w. (Veröff. d. Kais. Ges.-A. 1906. No. 22. S. 540/541.) 


Beilage zur „Hygienischen Rundschau“, 
XVI. Jahrgang. Berlin, 1. December 1906. Mo 23. 


Versammlung 
der Vorstände der Deutschen staatlichen Lymph-Gewinnungsanstalten. 
München den 6. und 7. September 1906. 
Bericht von 
Med.-Rat Dr. Chalybäus. 
(Mit Benutzung der Eigenberichte.) 


Anwesend: 1. Vorstände der Deutschen Anstalten: Hofrat Dr. Blass 
(Leipzig), Med.-Rat Dr. Blezinger (Canstatt), Med. Rat Dr. Chalybäus 
(Dresden), Kreisarzt Dr. Dohrn (Hannover), Med.-Rat Dr. Esleben (Bernburg), 
Dr. Feldmann (Lübeck), Med.-Rat Dr. Forstreuter (Königsberg), Geh. Med.- 
Rat Dr. Freyer (Stettin), Dr. Groth, Hilfsarzt der Centralimpfanstalt (Mün- 
chen), Geb.-Rat und Ob.-Med.-Rat Dr. Hauser (Karlsruhe), Kreisarzt Dr. Ed. 
Meder (Köln), Dr. Rich. Meder (Cassel), Med.-Rat Dr. Mewius (Oppeln), 
Geh. Ob.-Med.-Rat Dr. Neidhart (Darmstadt), Dr. E. Paschen, Hilfsarzt 
des Impfinstituts (Hamburg), Geb. Hof- u. Med.-Rat Dr. L. Pfeiffer (Weimar), 
Geb. Med.-Rat Dr. Risel (Halle), Med.-Rat. Dr. L. Stumpf (München), Ober- 
impfarzt Dr. L. Voigt (Hamburg), Med.-Rat Dr. Wilhelmi (Schwerin). 2. Ver- 
treter des Kaiserlichen Gesundheitsamtes: Reg.-Rat Dr. Breger (Berlin). 
3. Gäste: a) aus dem Deutschen Reiche: o. Prof. Dr. H. Bonhoff (Marburg); 
b) von auswärts: Dr. Bondesen (Kopenhagen), Dr. Dornseiffen (Amsterdam), 
Dr. Paul (Wien), Dr. Tomarkin (Bern). 

Als Obmann der Vereinigung führt Blezinger den Vorsitz. 


1. Sitzung am 6. September 1906. ® 

I. Stumpf leitet die Führung der Versammelten durch das neue Ge- 
bäude der Münchner Centralimpfanstalt und demonstriert deren Ein- 
richtungen. 

Il. Der Vorsitzende begrüsst die Mitglieder und Gäste. Er gedenkt der 
seit der vorigen Versammlung verstorbenen Mitglieder Eninger (Strassburg), 
Klose (Oppeln), Luchhan (Königsberg), Meinel (Metz), zu deren Ehrung 
sich die Anwesenden erheben. Von dem Vorsitzenden des vergangenen Bien- 
niums, Wilhelmi, ist an Prof. Blochmann (Tübingen), Verf. der Schrift: 
„Ist die Schutzpockenimpfung mit allen notwendigen Kautelen umgeben?“ 
ein Schreiben gerichtet und der bezügliche Beschluss der letzten Versammlung 
mitgeteilt worden. Das dankende Antwortschreiben Blochmanns wird ver- 
leseh. Stumpf heisst als Vertreter der bayerischen Staatsregierung die Ver- 
sammlung in den schönen neuen Räumen der Impfanstalt willkommen. 


II. R. Meder (Cassel): Ueber den Plan zum Neubau einer Impf- 
anstalt. 

Den nachfolgenden Erörterungen schicke ich voraus, dass ich, wenn ich 
von einer Impfanstalt spreche, lediglich eine Impfstofferzeugungsanstalt 


we nn nn ne rennen 


1346 Versammlung d. Vorstände der Deutschen staatl. Lymph-Gewinnungsanstalten. 


nur für Kälber meine, wie sie in Preussen überall bestehen. Auch muss ich 
im Voraus bemerken, dass der Staat die Bausumme für die von der Stadt zu 
bauende Anstalt auf 30000 M. beschränkt hat, so dass lediglich mit dieser 
Summe gerechnet werden darf; das .erklärt mancherlei Beschränkungen, denen 
ich mich bei der Aufstellung der Pläne unterziehen musste. 

Die alte Casseler Anstalt ist eine höchst primitive, sie besteht lediglich 
aus einem Kälberstall mit 6 Ständen und der Wage, daneben liegt der ziem- 
lich grosse Impfraum mit 2 Impftischen aus Holz und daneben ein kleiner 
Raum, der sogleich als Lymphebereitungs- oder Arztraum dient. In diesen 
Räumen — der Versand geschieht von der Wohnung des Leiters, oder wie es 
nunmehr in Preussen heisst, des Vorstehers der Impfanstalt aus -- ist seit dem 
Jahre 1888 die gesamte Lymphe für die Provinzen Hessen-Nassau, Westfalen 
und die Hohenzollernschen Lande erzeugt worden. Der Versand betrug im 
Jahre 1905 414845 Portionen. 

In dem Betriebe sind seit dem Bestehen der Anstalt bemerkenswerte 
Störungen nicht vorgekommen, im besonderen sind Impfschädigungen, die auf 
die Lymphe zurückzuführen wären, niemals zur Kenntnis gelangt. Immerhin 
aber genügt die Anstalt den Anforderungen, die man nach unseren heutigen 
Anschauungen an eine solche stellen muss, nicht mehr in dem wünschens- 
werten Masse. Deshalb bestimmte bei der Revision der Anstalt im vergan- 
genen Jahre Herr Geh.-Rat Kirchner, der Chef des Impiwesens in Preussen, 
dass ein Neubau der Anstalt ausgeführt werden solle. Die hier aufgehängten 
Pläne sind zwar noch nicht endgiltig angenommen, entsprechen aber den zu- 
letzt vom Ministerium der Öffentlichen Arbeiten aufgestellten Anforderungen, 
so dass anzunehmen ist, dass der Bau in dieser Form demnächst in Angriff 
genommen werden kann. 

Bei einem Neubau ist der erste Punkt die Platzfrage, welche z. T. davon 
abhängig ist, wer die Anstalt‘baut. In diesem Falle, in welchem die Stadt 
sich verpflichtet hat, den Bau herzustellen, kam nar das städtische Gelände 
des Schlachthofs in Frage. Es ist auch am zweckmässigsten und billigsten für 
den Betrieb, die Beschaffung, Pflege, tierärztliche Ueberwachung und Verwer- 
tung der Tiere, die Anstalt in engster Verbindung mit dem Schlachthof zu 
errichten. Dabei muss aber gefordert werden, dass einerseits die Anstalt vom 
Schlachthof völlig abgesondert werden und dass sie andererseits sowohl von 
diesem wie von der Strasse aus bequem erreicht werden kann, sowie dass 
keine unhygienische Nachbarschaft vorhanden ist. 

Was den ersteren Punkt anlangt, so ist derselbe bei Seuchen von bè- 
sonderer Wichtigkeit. Ist die Anstalt völlig abschliessbar, so kann der Be 
trieb während der vorzüglich in Betracht kommenden Maul- und Klauenseucht 
auf der Anstalt erhalten bleiben, weil dieselbe einerseits als besonderes Gehöft 
aufgefasst werden kann, und andererseits, da die Kälber sofort geschlachtet 
werden, die Gefahr einer Seuchenverschleppung nicht vorliegt. Dass der Be- 
trieb in der Anstalt fortgeführt wird, wäre zu Zeiten starker Epidemien oder 
in einem Kriegsfalle von besonderer Wichtigkeit, ist aber auch schon zur Zeit 
der öffentlichen Impfungen dringend nötig, wenn nicht erhebliche Störungen 
eintreten sollen. 


Versammlung d. Vorstände der Deutschen staatl. Lymph-Gowinnungsanstalten. 1347 


Die Zugänglichkeit unmittelbar von der Strasse ist aus denselben Gründen 
nötig; dabei ist es wichtig, dass alle diejenigen Personen, welche eine Infektion 
in die Anstalt hiveintragen können, wie Milchhändler, Schlächter, Lieferanten, 
die eigentlichen Räume, in denen geimpft wird u. s. w., nicht betreten. Dass 
Düngergruben, Ställe für kranke Tiere u. s. w. nicht in der Nähe der Anstalt 
liegen sollen, ist selbstverständlich. Andererseits muss aber wiederum die 
Anstalt vom Schlachthof aus leicht zugänglich sein, damit zu Zeiten normalen 
Betriebes bequem gearbeitet werden kann. 

Wegen der Beschränkung der Baukosten habe ich darauf verzichten 
müssen, eine wichtige Vorsichtsmassregel an diesem Zugang anzubringen. 
Ueber dem Zugang vom Schlachthof zur Anstalt war ursprünglich ein kleiner 
Ueberbau vorgesehen, in welchem zu beiden Seiten dichte Schränke angebracht 
waren, so dass die Wärter Jacken, Schürzen u. s. w. wechseln und Gummi- 
schuhe anziehen sollten und so stets die Anstalt nur in den vorgeschriebenen 
Kleidern betreten konnten. 

Weil ein geeigneter Platz auf dem Schlachthofsgelände nicht gefunden 

` werden konnte, liegt die Anstalt in einer Ecke des Schlachthofes. Bei be- 
quemer Zugänglichkeit von der Strasse und dem Schlachthof ist sie völlig 
abzuschliessen, so dass nötigenfalls die Zufuhr der Kälber unmittelbar von der 
Strasse erfolgen kann. Allerdings ist hier eine Schwierigkeit vorhanden; da 
das Schlachthofgebäude gegen das Niveau der Strasse erhöht liegt, sind 
Treppen von der Strasse aus vorhanden; doch denke ich, das Hindernis, das 
auch für das Wegschaffen der getöteten Tiere in Frage kommt, dadurch zu 
beseitigen, dass eine Art Pritsche für den Transport, wie sie bei der Verladung 
der Tiere auf Wagen üblich ist, hier aufgelegt wird. Durch einen Nebenein- 
gang sind der Abschlachtraum und der Raum zum Aufbewabren von Milch, 
Geräten u. s. w. unmittelbar von der Strasse zugänglich, ohne dass die Räume, 
in denen die Kälber stehen und geimpft werden, betreten werden; dasselbe ist 
der Fall mit dem Arzt- und Lympheverreibungsraum, und ebenso ist das 
Laboratorium im Obergeschoss direkt zu erreichen. Neben der Anstalt liegt 
ein Stall für 2 Pferde und das Pferdeschlachthaus; also auch die Umgebung 
ist einwandsfrei. Ein bequemer Zugang vom Schlachthof und ein zweiter von 
der Strasse aus sind vorhanden. In Kürze wird Cassel neben dem Schlacht- 
hof den Viehhof erhalten, der Anschluss an die Bahn erhält und einen 
weiteren Fortschritt für die Beschaffung der Kälber bedeutet. 

Die Anstalt besteht aus einem Haupt- und einem Nebengebäude. Das 
Hauptgebäude ist 20,5 m lang, 14,5 m tief, die Höhe der Räume ist auf 3 m, 
die des Impfraumes auf 3,75 m festgesetzt. Das Nebengebäude ist etwa 9 m 
lang, 3 m tief und hat 2,50 m lichte Höhe. 

Da in Preussen in allen Anstalten die Tuberkulose-Probeimpfung durch- 
geführt wird, so ist zunächst ein Beobachtungsstall, in welchem diese 
Probe abgemacht wird, nötig. Derselbe muss aber auch dazu vorhanden sein, 
um mit Sicherheit die Gefahr, dass ein krankes bezw. ein z. B. mit Maul- und 
Klauenseuche inficiertes und noch nicht manifest erkranktes Tier geimpft wird, 
ausschliessen zu können. 

Dieser Beobachtungsstall muss gegen die übrige Anstalt abzuschliessen 


1348 Versammlung d. Vorstände der Deutschen staatl. Lymph-Gewinnungsanstalten. 


sein. Zu ibm gehört ein Nebenraum, in welchem die notwendigsten Stall- 
geräte, die Milch u. s. w. für die Tiere während dieser Zeit aufbewahrt werden. 

Ferner ist ein Impfstall vorbanden, in welchem die Tiere nach der 
Impfung die Entwickelung der Pusteln durchmachen. Auch zu diesem gehört 
ein Nebenraum zum Unterbringen von Milch, Stallgeräten u. s. w., damit in 
den Ställen die nötige Sauberkeit gewährleistet wird. 

Die Impfung findet in einem gesonderten Raume, dem Impfraum, statt. 
Dieser soll modernen Anforderungen entsprechend möglichst als aseptischer 
Operationsraum eingerichtet sein. Aus diesem Grund sollen aus diesem 
Raum alle Arbeiten ausser dem Impfen und Abimpfen der Tiere hin- 
ausverlegt werden. Ich babe deshalb einen Vorbereitungsraum im Plane 
vorgesehen, der dazu dienen soll, dass das Rasieren, eventuell auch das Waschen 
und Seifen der Kälber, kurz alle Arbeiten, welche bis zum Impfen bezw. Ab- 
impfen nötig sind, in ihm ausgeführt werden. Ein solcher Raum ist zur Er- 
haltung peinlichster Sauberkeit und Reinhaltung des Impfraumes ein 
dringendes Bedürfnis. Ferner ist ein besonderer Sterilisierraum, in welchem 
Wäsche, Instrumente u.s. w. sterilisiert werden, und der sofort die Wäsche- 
bestände aufnimmt, nötig. 

Weiter muss, da in Preussen die Abnahme des Impfstoffes am getöteten 
Tiere erfolgen soll, auch ein Abschlachtraum vorhanden sein. Zum Ver- 
reiben der Lymphe ist gleichfalls ein völlig abgesonderter Lymphver- 
reibungsraum vorzusehen. 

Für bakteriologische, mikroskopische und andere Untersuchungen ist ein 
Laboratorium möglichst getrennt von den Produktionsräumen notwendig, 
zu dem ebenfalls ein Nebenraum gehört, in welchem Nährböden bereitet, 
Materialien aufbewahrt werden u. s. w. 

Ein Raum für die Aerzte und ein anderer für die Wärter sind vorzu- 
sehen. Ein Bodenraum für überschüssige Sachen und Vorräte darf nicht 
fehlen. Ferner muss auf die Aufstellung einer Kälberwage Bedacht genommen 
werden, ebenso müssen ein Wagen zum Transport der Kälber, die Vorräte an 
Streu und Kohlen untergebracht werden. Eine verschliessbare Dünger- 
grube muss vorhanden sein. Alle diese Räume werden am besten aus dem 
Hauptgebäude verlegt, damit die Entstehung von Staub und Schmutz in diesem 
vermieden wird. Schon infolge dessen ist ein Nebengebäude nötig, besonders 
aber auch deshalb, damit Impfungen mit Variola oder andere Versuche aus 
der Produktionsanstalt herausverlegt werden können. Aus diesem Grunde sind 
in dem Nebengebäude ein Stand für ein Kalb sowie ein kleiner Impfraum, und 
endlich ein Stall für Versuchstiere (Kaninchen u. s. w.) unterzubringen. 
Eine Waschküche hinzuzufügen, ist sehr erwünscht, da eine Ersparnis im 
Betrieb auf diese Weise zu erzielen ist. Ein Teil der für das Nebengebäude 
vorgesehenen Räume (bezw. eine Centralheizung) könnte auch in einem Keller 
unter dem Hauptgebäude untergebracht werden, doch halte ich eine Unterkelle- 
rung der Anstalt nicht für unbedingt notwendig. Die Aufbewabrung des Impf- 
stoffes im Kühlhause des Schlachthofes ziehe ich dem Eisschrank vor. 

Nach alledem sind die zum Betriebe einer Lympherzeugungsanstalt fol- 
gende Räume nötig: 


Versammlung d. Vorstände der Deutschen staatl. Lymph-Gewinnungsanstalten. 1349 


1. ein Beobachtungsstall, dazu ein Nebenraum, 

2. Impfstall, dazu ein Nebenraum, 

3. Impfraum, dazu als Nebenräume: a) ein Vorbereitungsraum, b) ein 
Sterilisierraum, 

4. Abschlachtraum, 

5. Lympheverreibungsraum, 

6. Arztraum, 

7. Laboratorium mit Nebenraum. 

In einem Nebengebäude 

8. Raum für die Wage, 

9. Raum zum Aufbewahren eines Wagens, von Streu, Koblen, eventuell 
Futter u. s. w., 

10. ein Versucbsstall mit gesondertem Impfraum, 

11. ein Baderanm, eventuell eine Waschküche. 

Was nun die Lage der Räume zu einander anlangt, so ist es sehr zweck- 
mässig, wenn die Anstalt so gebaut wird, dass beide Hälften symmetrisch 
angeordnet sind, insbesondere die Ställe und Nebenräume, und zwar so, dass, 
falls eine Hälfte der Anstalt einmal inficiert wird, sofort die andere belegt 
werden kann und nicht erst abgewartet werden muss, bis die Desinfektion 
ganz durchgeführt ist. Es kann sonst in der Zeit der öffentlichen Impfungen 
und beim Ausbruch der Pocken gelegentlich zu empfindlichen Störungen 
kommen, wenn der Betrieb zeitweise unterbrochen werden muss. Liegen die 
Ställe mit Nebenräumen aber symmetrisch und zugleich von den übrigen 
Räumen zugänglich und doch abschliessbar, so wäre eine Aufrechterhaltung 
des Betriebes jederzeit noch möglich. Der Beobachtungsstall und der dabei 
erforderliche Nebenraum müssen gegen die übrige Anstalt abschliessbar sein, 
während der Impfstall, sowohl mit dem Geräteraum, der zu ihm gehört, 
als auch mit dem Vorbereitungs- und Abschlachtraum in Verbindung stehen. 
Der Impfraum muss mit seinen Nebenräumen (Vorbereitungs- und Sterilisier- 
raum) sowie dem Abschlachtraum unmittelbaren Zusammenhang haben, aber 
gegen die Ställe abgeschlossen sein, damit er stets völlig sauber erhalten werden 
kann. Der Lympheverreibungsraum soll ganz abgetrennt sein,.damit die 
Herstellung der Lymphe mit der peinlichsten Reinlichkeit erfolgen kann; der 
Sterilisierraum darf aber nicht zu weit entlegen sein. Vom Arztraum 
aus, der wieder einen unmittelbaren Zugang von der Strasse haben muss, 
sollen alle Räume der Anstalt bequem erreichbar sein. Das Laboratorium 
wird am besten vollkommen von den Produktionsräumen in beiderseitigem 
Interesse getrennt. Die Fenster des Laboratoriums für die Mikroskopierplätze 
sollen womöglich nach Norden liegen. 

Der Milch- und Geräteraum, sowie. der Abschlachtraum sollen er- 
reicht werdeu können, ohne dass die Räume der Anstalt sonst betreten werden 
müssen. 

Ueber die Anordnung der Räume im Nebengebäude bleibt nur zu sagen, 
dass die Düngergrube möglichst abseits liegen muss wegen der Fliegen, die 
sonst. sehr lästig werden können. 

Die Wage muss so untergebracht sein, dass sie von beiden Ställen leicht 
erreicht werden kann. 


mn ne ger ne 


1350 Versammlung d. Vorstände der Deutschen staatl. Lymph-Gewinnungsanstalten. 


Rechnet man auf einen Betrieb im jetzigen Umfang und auf eine Steige- 


rung desselben im Laufe der Jahre, so müssen die Ställe je 6 Kälberstände 
besitzen, da schon jetzt bei starker Inanspruchnahme der Anstalt gelegentlich 
6 Kälber in einer Woche geimpft werden. 

Die Grösse der Ställe beträgt 5,75X4,25 m, die Höhe 3 m. In der Mitte 
des Stalles verläuft ein 1,25 m breiter Gang, zu dessen beiden Seiten die 
Stände zu je drei mit der schmalen Seite nach dem Gang zu liegen. Die 
Stände selbst sind inselförmig erhaben über dem Fussboden mit Neigung und 
einer ringsberum verlaufenden Abflussrinne. Sie sind 1,50 m hoch und 75m 
breit und haben Türen an den Schmalseiten. Sie sind von einem ganz ab- 
nehmbaren Gitter von eisernen verzinnten Stäben, 1,20 m hoch, mit einer 
Deckleiste umgeben, zwecks vollkommener Reinigung. Die Scheidewände sind 
aushebbar, um die vollkommene Reinigung der Stände zu erleichtern. Die 
Stäbe der Gitter dürfen nicht zu weit (nur 10 cm) von einander entfernt sein, 
denn noch kürzlich hat es ein Kalb fertiggebracht, bei 15 cm Abstand der 
Stäbe den Kopf hindurchzuzwängen. Gelegentlich ist auch die Höhe nicht 
hinderlich gewesen, dass Kälber über das Gitter mit den Vorderbeinen gelangt 
sind. Anbinden, was alles dies verhindern würde, verbietet sich, weil sich 
die Kälber in dem Strick oder der Kette leicht fangen und erst recht Gefahr 
laufen, Schaden zu nebmen. 

Die Stände werden am besten so eingerichtet, dass man von allen Seiten 
um die Kälber herumgeben kann. Bei den Ständen ist dann noch an der 
vorderen Wand auf die Tränkung der Kälber Bedacht zu nehmen und unter 
dieser Stelle ein Abfluss anzubringen, da stets Milch dabei verschüttet wird. In 
Cassel werden seit vielen Jahren sehr bequeme mit Saugzitzen versehene Milch- 
kannen (vom Tremser Eisenwerk bei Lübeck), die an die Wand der Stände 
gehängt werden, beim Tränken benutzt. 

Der Fussboden in allen Räumen, in welchen die Kälber gehen müssen, 
darf nicht ganz glatt sein, da die Kälber namentlich nach dem Aufbinden 
und wenn der Boden feucht ist, ausrutschen und stürzen. Deshalb sind ge 
riffelte Tonplättchen, wie sie auch in den Schlachthallen verwendet werden, 
vorgesehen. Der Anstrich in den Ställen ist von Oelfarbe. Fs sollen in alleo 
Räumen, in denen die Tiere sich aufhalten, zumal beim vielen Spülen mit 
Wasser Beschmutzungen der Wände nicht vermieden werden können, auf 1m 
Höhe glasierte weisse oder gelbliche Tonplatten angebracht werden. 

Die Heizung der Ställe kann, falls keine Centralheizung zur Verfügung 
steht, die aber einen besonderen Mann zur Bedienung erfordert, durch Dauer- 
brandöfen erfolgen, welche am besten vom Gange aus bedient werden. Für 
Beleuchtung muss ausreichend gesorgt sein, da im Stalle gelegentlich Beob- 
achtungen gemacht werden müssen. Elektrisches Licht ist am besten, doch kommt 
man mit guter Gasglühlichtbeleuchtung ebenfalls aus. Für Ventilation muss 
durch klappbare Oberlichter, eventuell durch einen Wolpertsauger gesorgt 
werden. Für genügende Gelegenheit, Wasser zu entnehmen, und für 
genügende Entwässerung nicht nur der einzelnen Stände, sondern der 
Ställe überhaupt ist Sorge zu tragen. Aehnlich wie die Ställe bezüglich 
Fussboden, Anstrich bezw. Plattenbelag, Be- und Entwässerung sind auch 


Versammlung d. Vorstände der Deutschen staatl. Lymph-Gewinnungsanstalten. 1351 


der Beobachtungsraum und Abschlachtraum einzurichten; letzterer ist am 
besten so zu heizen, dass kein Staub entsteht, also, wo keine Centralleizung be- 
steht, mit Gasöfen. 

Die Milch- und Geräteräume brauchen nur glatte Fussboden und Wände 
mit Oelanstrich nebst der Anlage zum Abkochen und Aufbewahren der Milch 
zu besitzen. 

Der Impfraum, Sterilisierraum und Lympheverreibungsraum sollen modern 
aseptisch sein, d. h. glatte Fussböden (Terrazzo, Holzcement oder dergl.) und 
glatte mit Emaille oder keimtötender Farbe gestrichene Wände haben mit ab- 
gerundeten Ecken und abgerundeten Uebergängen zu Decke und Fussboden. 
Um Staubentwickelung zu vermeiden, sollen Gasöfen oder Centralheizung ange- 
legt werden. Der Impfraum muss genügend gross sein, um womöglich 2 Impf- 
tische zum Impfen und einen zum Abimpfen aufnehmen zu können. Er muss 
besonders reichlich Licht erhalten, was durch hohe breite Fenster und für 
gute künstliche Beleuchtung durch elektrisches Licht und eventuell mit Ober- 
licht am besten geschieht; ebenso muss für Abfluss in genügender Weise ge- 
sorgt werden. 

Ausser den Impftischen nimmt der Impfraum lediglich die Wascheinrich- 
tung für 2 Aerzte, den Instrumentenschrank, 2 fahrbare Instrumententischchen 
und einen Tisch, auf dem Sachen abgestellt werden können, auf. Beim Vor- 
handensein einer Centralheizung ist die Anlage einer Warmwasserleitung leicht. 

Durch geeignet angebrachte Askaniathermen oder automatische Gasheizvor- 
richtungen kann aber auch durch die gewöhnliche Wasserleitung eine Warm- 
wassereinrichtung, die genügende Menge ergibt, angelegt werden. Warm- 
wasserleitung wäre für den Impfraum, den Vorbereitungsraum, der die 
Waschvorrichtungen für die Wärter erhält, den Lympheverreibungsraum, in 
welchem ebenfalls eine Wascheinrichtung nötig ist, und im Laboratorium 
vorzusehen. Das Laboratorium ist am besten mit Linoleum und glatten 
Wänden herzurichten. Es wäre wie das Arztzimmer, das ebenfalls Linoleum 
und Tapete erhielte, wohl am einfachsten mit Kohlenöfen zu heizen. Da in 
der kältesten Jahreszeit in der Regel der Betrieb ruht, so glaube ich, dass 
man ohne Centralbeizung, die ja allerdings das Ideal darstellt, noch zum 
Ziele kommt. 

Für das Nebengebäude sind glatte Fussböden und Wände, Beheizung und 
Belichtung, Wasserleitung und Entwässerung hier ebenfalls nötig. Auch müssen 
die Düngergruben wegen der Fliegen verschlossen sein. 

Nach diesen dargelegten Gesichtspunkten habe ich den Plan für die neue 
Casseler Anstalt aufgestellt, habe allerdings wegen der Beschränkung der Bau- 
summe auf eine Anzahl Wünsche verzichten müssen. Ursprünglich hatte ich 
auf jeder Seite des Impfraums je einen Vorbereitungsraum eingeschaltet und 
neben dem Beobachtungsstall einen gesonderten Milch- und Geräteraum vor- 

gesehen; ich hoffe aber auch mit der jetzigen Anordnung allen billigen An- 
forderungen Genüge leisten zu können. Am schwersten ist mir der Verzicht 
auf den Plattenbelag der Ställe geworden, der im ganzen 1000 M. kosten 
sollte. Bei dem gewöhnlichen Betriebe der Anstalt werden die Kälber, welche 
eingestellt werden sollen, vom Schlachthof oder von der Strasse hier in die 


1352 Versammlung d. Vorstände der Deutschen staatl. Lymph-Gewinnungsanstalten. 


Anstalt getrieben oder eventuell gefahren werden. Sie werden hier gewogen 
und in den Beobachtungsstall eingestellt, der so lange gegen die übrige Anstalt 
abgeschlossen wird. Die Milch muss allerdings wegen der geringen Mittel in 
dem Geräteraum sterilisiert werden und wird in besonders bezeichneten Kannen 
dann jedesmal für den Beobachtungsstall gesondert abgegeben und zwar durch 
den Haupteingang. 

Nach der Tuberkuliuprobe und der Beobachtung werden die Kälber über 
den Hof in den Impfstall eventuell nach nochmaliger Wägung eingestellt, im 
Vorbereitungsraum rasiert und desinfieiert und im Impfraum geimpft. Die 
Wärter desioficieren sich dabei im Vorbereitungsraum, die Aerzte im Impf- 
raum. Zwei feststehende Impftische sind an den beiden Fenstern aufgestellt, 
sie sind aus Metall und haben einen klappbaren Rahmen, Auf diese wird 
von den Tischen im Vorbereitungsraum, deren abnehmbare Platte ebenfalls auf 
einem Rahmen ruht, die Platte mitsamt dem Kalb aufgesetzt. Auch diese Platte 
ist aus Metall und durchbrochen. 

Nach der Impfung werden die Kälber wieder in den Impfstall eingestellt 
und vor der Abimpfung auf einem fahrbaren Schragen im Abschlachtraum ge- 
schlachtet, nachdem vorher im Vorbereitungsraum die Tiere desinficiert siod, 
und sodann im Impfraum abgekratzt. Der Schragen kommt in den Abschlacht- 
raum zurück, und das Kalb wird durch den Nebeneingang auf einem Wagen 
in den Schlachthof geschafft. Die Lymphe wird bier verarbeitet und die 
Untersuchungen im Laboratorium ausgeführt. Die Aerzte legen im Arztzimner, 
die Wärter im Raum, in welchem die Wage steht, die vorgeschriebene 
Kleidung an. Sowohl die Metzger als die Milchhändler können ihre Tätigkeit 
ausüben, ohne mit den Räumen, in denen geimpft wird, in Berührung za 
kommen. Die Wärter und auch der Schlachthoftierarzt baben einen bequemen 
Zugang, und nur bei Seuchen wird bei Isolierung eines Wärters der Zugang 
von der Strasse her nötig sein. 

E. Meder: In Köln ist eine Vergrösserung der Kalberimpfanstalt ausge- 
führt worden. Bei dem Bau der Ställe ist darauf zu achten, dass die Fenster 
nicht zu klein sind, sie müssen bis oben an die Decke gehen. Für den Belag 
des Fussbodens sind den porösen Tonplatten die haltbareren und dichteren, 
hart gebrannten, allerdings auch teureren gelben Mettlacher Platten vorzuziehen. 
Für den Anstrich der Wände eignet sich vorzüglich Pefton, Fabrikat der Firma 
Rosenzweig & Baumann, Cassel, das zugleich keimtötende Wirkung hat. Die 
Fensterpfeiler sind abzuschrägen, die eisernen Träger müssen nicbt freiliegen, 
sondern gut verputzt sein, da sonst Wasser sich daran niederschlägt. Bemährt 
haben sich die Prof. Junkersschen Schnellwassererbitzer mit Selbstregulierung 
aus der Fabrik von Junkers in Dessau; sie müssten aber mit Wasserstands- 
rohr zweckmässigerweise noch versehen werden. Sehr zweckdienlich ist der 
fahrbare Impftisch nach Vanselow für den Transport der getöteten Tiere zum 
Abimpfen aus dem Schlachtraum in den Impfraum. 

Voigt: Der Kaninchenstall muss einen Auslauf für die Tiere haben; nach 
dem vorliegenden Plane ist auch Platz genug dafür vorbanden. 

Stumpf: In München ist auf die örtliche Verbindung der Impfanstalt 
mit dem Schlacht- und Vielhof (der 20 Minuten entfernt liegt) verzichtet 


Versammlung d. Vorstände der Deutschen staatl. Lymph-Gewinnungsanstalten. 1353 


worden, trotz der Erschwerung des Betriebes. Bei dem. Transport der Kälber 
mit dem Wagen wird die Uebertragung von Seuchen wohl sicherer verhindert. 
Die Scheidewände der Tierstände werden besser aus Holz, als aus Metall ge- 
fertigt, weil die ersteren weniger kalt sind. Die Platten des Fussbodens 
brauchen nicht geriffelt zu sein; wenn sie nass sind, werden auch diese glatt 
und schlüpfrig. Die Centralheizung hat in München im ersten Jahre keine 
gute Wirkung bei der Entwickelung der Pusteln auf den Tieren gezeigt, was 
darauf zurückzuführen war, dass die Bedienung durch den Heizer nicht den 
gegebenen Anordnungen gemäss gehandhabt wurde. Die Temperatur des 
Stalles sollte nicht über 130 C. steigen, wurde aber im vorigen Jahr wieder- 
holt mit 18° und darüber: gemessen, wodurch ein vorschnelles Reifen und 
Schmierigwerden der Impfpusteln hervorgerufen wurde. Seitdem dieser Sache 
die grösste Aufmerksamkeit zugewendet wird, konnte eine schädliche Wirkung 
der Centralheizung auf die Pustelbildung nicht mehr beobachtet werden. Die 
Schlachtung der Impftiere vor der Abimpfung ist in München nicht ausführ- 
bar, weil eine solche nur auf dem Schlachthofe erlaubt ist. 

Chalybäus: In Dresden wird der Schlacht- und Viehhof in eine andere 
Stadtgegend verlegt; es macht sich infolge dessen auch die Verlegung und der 
Neubau der Impfanstalt nötig. Demonstration und Erklärung des vom Redner 
entworfenen und vom städtischen Bauamt revidierten Bauplanes. Mit der 
Tierimpfanstalt soll, wie auch bisher, eine Kinderimpfstelle nicht verbunden 
werden. Auch in Dresden werden die Kälber vor der Abimpfung zumeist ge- 
schlachtet. Der Bauplan unterliegt erst noch der Genehmigung des Ministe- 
riums. Die unmittelbare Verbindung mit dem Schlachthofe ist für die neue 
Anstalt vorgesehen. Jetzt liegt die Anstalt einige hundert Schritt vom 
Schlachtbofe entfernt; es hat sich deshalb zum Bezuge der Impftiere vom 
Schlachthofe eine ministerielle Ausnahmebestimmung erforderlich gemacht zu 
23. Juni 1880 
T. Mai 1894° ©° 
Abwehr und Unterdrückung von Viehseuchen betreffend vom 31. August 1905, 
§ 14, Abs.5 (Gesetz- und Verordnungsbl. für das Kgr. Sachsen, 17. Stück vom 
Jahre 1905) in der es heisst: „Die Verwendung eines auf einem Schlachtvieh- 
hofe oder Schlachthofe erworbenen Wiederkäuers oder Schweines zu anderen 
Zwecken als zur alsbaldigen Abschlachtung ist verboten“. 

Neidhart: Die Wägung der Tiere sollte erst nach der Kontumaz auf 
der Institutswage stattfinden, da andernfalls eine Desinfektion der Wage not- 
wendig werden würde, wenn das Tier sich in der Kontumaz als inficiert 
erweisen würde, und da die Gewichtsfeststellung nur für die Pustelentwicke- 
lungsperiode, nicht aber für die Kontumazzeit von Bedeutung ist. 

E. Meder: Eine doppelte Wage ist in Köln nicht nötig, da die Tiere vor 
Einbringung in die Anstalt auf dem Schlachthofe gewogen werden. Bei den 
Scheidewänden der Stände ziehe ich den Anstrich der Verzinnung vor. Sind 
die Scheidewände auseinanderzunehmen, so ist vorzusehen, dass die Tiere sie 
nicht selbst losmachen können. 

Risel: In Halle ist ein neues Impfhaus im Bau. Ein Schlachtraum wird 
in demselben nicht vorhanden sein; ein solcher ist also nicht für jede preussi- 


der Verordnung, zur Ausführung des Reichsgesetzes vom 


1354 Versammlung d. Vorstände der Deutschen staatl. Lymph-Gewinnungsanstalten. 


sche Anstalt gefordert. Das Impfhaus wird aber mit einer Warmwasserheizung 
ausgestattet, und deshalb ist eine Mitteilung über üble Erfahrungen mit Central- 
heizangen sehr erwünscht. 

Breger: Bei der Einrichtung einer Centralheizung ist darauf za achten, 
dass die Heizkörper staubfrei zu halten sind. Der Staub, der auf den Heiz- 
körpern verglimmt, erzeugt durch die Produkte der trockenen Destillation eine 
unangenehme und schädliche Reizung der Atmungsorgane. 


VI. Paschen: Was wissen wir über den Vaccineerreger!)? 

1. Der Vaccineerreger ist in ungeheurer Menge in der Lymphe vorhanden: 
erfolgreiche Impfungen mit Verdünnungen von 1: 1000. 

2. Er ist ein lebender Organismus: Vermehrung. 

3. Es kommt ihm eine specifische Giftwirkung zu: 

a) WeigertsZellnekrose: durch das Gift werden die Zellen der untersten 
Schicht des Rete Malpighi abgetötet und in schollige kernlose Massen 
verwandelt. 

b) Vaccinekörperchen: typische Reaktion der Epithelzelle auf das Gift: 
specifisches Kerngift. 

4. Der Vaccineerreger muss sehr klein sein: passiert Berkefeldfilter V. . 

5. Die Frage wegen des „Kreisens“ des Vaccineerregers im Körper des 
Kaninchens resp. des Kalbes ist nicht einwandsfrei beantwortet; beim Affen 
kreist der Vaccineerreger sicher im Körper eine Zeit nach der Impfung, vielleicht 
auch beim Menschen. 

6. Der Vaceineerreger ist an ein bestimmtes Gewebe, das geschichtete 
Epithel adaptiert. Noll kommt in einer interessanten Untersuchungsreibe 
bei subkutanen Impfungen zum Schluss, dass auch das kollagene Gewebe der 
Subeutis ein äusserst empfänglicher Nährboden für das Vaccinevirus ist. 

7. Er ist gegenüber niedrigen Temperaturen sehr widerstandsfähig; höhere 
Temperaturen verträgt er sehr schlecht. 

8. Das Zustandekommen der Immunität ist im Wesen noch wenig be 
kannt; seine örtliche Immunität: Impfung der Haut beim Kaninchen immunisiert 
nicht die Cornea u. s. w. 

Vortragender berichtet dann über seine Arbeiten über den Erreger der 
Vaceine. Ausstriche von Verdünnungen von Rinderlymphe mit physiologischer 
NaCl-Lösung wurden nach Giemsa gefärbt. Es finden sich sehr grose 
Mengen gleichmässig rotviolett gefärbter, sehr kleiner Körperchen: 

1. Etwas grössere rundliche Körperchen. 

2. Körperehen, die sich scheinbar in der Mitte spalten, jede Hälfte mit 
einem fädigen Fortsatz, durch den sie am Ende noch verbunden sind. 

3. Diese Hälften schlagen auseinander, indem die Fäden noch in einem 
Punkte verbunden sind. 

4. Kleinste Körperchen mit eben sichtbaren fädigem Fortsatz. 

Die Levaditi-Methode ergab bei Kalbspusteln eine ungeheure Menge v0? 
schwarz gefärbten Körperchen, die eventuell obigen Körperchen entsprechen, in 
der Reizzone. 


1) Erscheint in extenso in der Münch. med. Wochenschr. 


Vorsammlung d. Vorstände der Deutschen staatl. Lymph-Gewinnungsanstalten. 1355 


Auch in der Cornea konnten mit der Levaditi-Methode diese kleinen 
schwarzen Körperchen in der Impfzone beobachtet worden; z. T. buchteten 
sie in einer helleren Zone liegend den Kern ein: Hückels unsichtbarer Er- 
reger in den Vaccinekörperchen? 

Bezüglich der Bedeutung dieser Körperchen enthält sich Vortragender 
jeglicher Entscheidung. 

Demonstration: 1. von Ausstrichpräparaten von Rinderlymphe; 2. von 
Kalbspusteln Methode Levaditi; 3. von Cornea-Kaninchen Methode Levaditi. 

Bonhoff: Sie haben über das, was wir über den Vaccineerreger wissen, 
die Ausführungen des Herrn Paschen gehört. Ich darf Ihnen wohl kurz 
auch einige Bemerkungen über meine Veröffentlichungen (Studien über den 
Vaccineerreger und die Spirochaeta vaccinae) vortragen, zumal die- 
selben bisher in der Fachliteratur so wenig Anklang gefunden haben. Um 
kurz zusammen zufassen: Im Mai 1905 habe ich in der Marburger Gesellschaft 
zur Beförderung der gesamten Naturwissenschaften neben anderen bei Impfungen 
von Vaccine unter die Haut des Kaninchenohres erhaltenen Befunden auch 
Präparate demonstriert, die von Kalbspusteln stammten und iu Ausstrichen und 
Schnitten nach Giemsascher Färbung folgendes zeigten: 

Spirochäten verschiedener Länge, chromatinrot gefärbt, etwas 
dicker als zum Vergleich aufgestellte Spirochäten aus Sommer- 
diarrhöen. 

Viel zahlreicher als die Spirochäten sind vorhanden kleinste 
kommabacillenäbnliche einzeln oder zu zweien liegende Zellen, im 
letzteren Falle häufig S-, sonst 3-Formen zeigend. 

Endlich unregelmässig dreieckige Formen, mit zwei langen, sehr 
zarten, zuweilen schraubenförmigen Fortsätzen an zwei Ecken. 

Wie ich schon bei meinem Vortrag im Mai 1905 mitteilte, hatte ich 
dieselben Gebilde auch im hängenden Tropfen und in Schnitten von Kalbs- 
pusteln gefunden. Ich sprach mich unter Hinweis auf die damals gerade 
veröffentlichten Schaudinnschen Befunde bei Syphilis dahin aus, dass ich 
sehr geneigt sei, eine „Spirochäten“ätiologie auch bei Vaccine anzunehmen, 
obgleich ich natürlich nicht behaupten wolle, durch diese meine Mitteilung die 
Spirochätenätiologie der Vaccine bewiesen zu haben, zumal ich bisher nur aus 
drei verschiedenen Lymphsorten derartige Befunde erhoben habe. Eine mit 
diesem Text meiner Veröffentlichung in den Berichten der Marburger Gesellschaft 
z. B. d. g. Naturwissenschaften fast wörtlich, soweit es diese Spirochäten- 
angelegenheit betrifft, übereinstimmende Mitteilung ist dann der Berl. klin. 
Wochenschr. mit mehreren Photogrammen zugegangen und in No. 36 dieser 
Zeitschrift unter der Ueberschrift „Die Spirochaeta vaccinae“ veröffentlicht 
worden. 

In der nächsten Zeit sind von verschiedenen Seiten Aeusserungen über 
diese meine Mitteilung erschienen. Ausser Carini haben Süpfle, Reischauer, 
Prowazek u.a. die Befunde nicht bestätigen können. Demgegenüber bitte 
ich Ihnen kurz mitteilen zu dürfen, was ich glaube, auch heute noch von 
meinen Befunden aufrecht erhalten zu können. 

Lebhaft bedaure ich, dass ich mich durch den gleich zu erwähnenden 


2 


ENT ET EP IE m" 


1356 Versammlung d. Vorstände der Deutschen staatl. Lymph-Gewinnungsanstalten. 


Befund auf künstlichem Nährboden und unter dem Banne der suggerierenden 
Wirkungen der Veröffentlichungen Schaudinns habe verleiten lassen, als 
Titel über die Arbeit in der Berl. klin. Wochenschr. „die Spirochaeta vaccinae* 
zu schreiben. Ich habe bei der Korrektur versucht, das zu ändern. Leider 
kamen die Korrekturbogen während einer mehrwöchigen Abwesenheit von 
Marburg bei mir an; als ich nach meiner Rückkehr sofort die Korrektur 
einsandte, war es zu spät. Nur die in meine Hände gelangten Sonderabdrücke 
tragen daher die veränderte Ueberschrift: „Ueber Spirochäten bei Vaccine“. 
Weiter hebe ich hervor, dass ich auch auf den Namen Spirocbaeta nicht den 
geringsten Wert lege. Am liebsten hätte ich schon bei der Korrektur auch 
den Ausdruck Spirochaeta durch einen anderen ersetzt. Kam es mir doch 
nur darauf an, hervorzuheben, dass sich kleinste, etwas über die Längsaxe 
gebogene Formen in Vaccinepräparaten finden, die sich auch zu längeren 
Schraubenformen zusammenlegen. Denn darüber lassen eben schon meine 
obigen Mitteilungen keinen Zweifel, dass die längeren, spirochätenähnlichen 
Formen weit seltener als die kurzen anzutreffen sind. Auf die neben den 
selteneren längeren Formen von mir beschriebenen häufiger gefundenen kürzeren 
und kleineren Gebilde, auch auf die Fäden mit und ohne Windungen, mit 
knopfförmiger Verdickung an einem Ende oder an beiden, ist bei den Nach- 
prüfungen Niemand eingegangen. Uebrigens ist ja auch bei der Sp. pallida 
schon durch den Entdecker selbst eine Anzweifelung der „Spirochäten“natur 
erfolgt. ` i 

Gegenüber der von mehreren Seiten verkündeten Anschauung, dass es 
sich bei den schraubenzieherartigen Gebilden, die ich beschrieben, um Kunst- 
produkte handele, um Kernausziehungen, die der Präparationsmethode zur Last 
gelegt werden müssten, habe ich erstens darauf hinzuweisen, dass ich selbst 
in meiner Veröffentlichung anf die leichte Möglichkeit dieser Täuschung, 
allerdings bei anderen, trypanosomenähnlichen Gebilden, die ich für Kern- 
ausziehungen ansprach, hingewiesen habe. Vielleicht hätte man mir zutrauen 
können, dass ich mir auch bei diesen kleineren Gebilden dieselbe Frage nach 
der Eventualität der Kernausziehung vorgelegt habe. Im Laufe der Diskussion 
über meinen Vortrag in der Marburger Gesellschaft wurde übrigens der 
Spirochätencharakter der unter den Mikroskopen befindlichen Objekte von 
Seiten des hiesigen Vertreters der pathologischen Anatomie ausdrücklich a0- 
erkannt. In der Veröffentlichung ist ferner das Verhalten der Objekte im 
lebenden Präparat, Eigenbewegung u.s. w. genau geschildert. Es ist weiter 
gesagt, dass die gleichen Fremdkörper auch in den Schnitten gefunden und 
aus Schnittpräparaten photographiert sind. Wie sollen Kernausziehungen in 
Schnitten zu Stande kommen? Zumal bei der Sorgfältigkeit der Konservierung: 
die in diesem Falle absichtlich angewendet ist? Die betreffenden Kalbspustelo 
sind nämlich nach den besten bekannten Methoden und zwar derart konserviert, 
dass eine Abkühlung unter Körpertemperatur völlig ausgeschlossen wurde. 
Bezüglich der Wiedergabe der Photogramme in der Berl. klin. Wochenschr. 
muss ich allerdings zugeben, dass sie alles zu wünschen übrig liess. Ich 
habe Ihnen deshalb hier wenigstens eine von mir aus einem Schnittpräparat 
damals hergestellte Photographie mitgebracht, und zwar habe ich absichtlich 


Versammlung d. Vorstände der Deutschen staatl. Lymph-Gewinnungsanstalten. 1357 


eine solche mit nur einem Parasiten ausgesucht, die aber m. E. die Schrauben- 
zieherform der Mikrobien besonders deutlich zur Geltung bringt (Vergr. 1: 1000). 

Noch ein anderer Grund war für mich massgebend zu der Berechtigung, 
das Gesehene als Lebewesen anzusprechen. Bereits in meinem Vortrag hatte 
ich darauf hingewiesen, dass man bemüht sein müsse, künstliche Nährböden 
für diejenigen Gebilde zu finden, denen man die ätiologische Rolle für die 
Vaccine zuerkennen wolle, da nur so ein vollgiltiger Beweis gerade beim 
Vaccineerreger erbringlich sei. Es ist mir nun mehrfach gelungen, aus ganz 
frischem Kalbspustelmaterial auf einem bestimmten künstlichen Nährboden, 
wenigstens in der ersten Generation eine Vermehrung von Schraubenzieher- 
formen zu erhalten. Es handelt sich bei dem Nährboden um Blutagar, um 
gewöhnlichen, nur 3°/, Agartang enthaltenden Fleischwasseragar, dem das 
Doppelte seiner Menge an frisch gelassenem Kalbs- oder Menschenblut zuge- 
setzt war, bevor er zum Erstarren gebracht wurde. In dem Kondenswasser 
dieses bei 37°C. gehaltenen Nährmaterials erster Generation habe ich Schrauben- 
zieherformen von mitunter ziemlicher Länge sich entwickeln sehen, die ich 
ebenfalls mehrfach photograpbiert und von denen ich einige Abzüge gleich- 
falls mitgebracht habe, um sie herumzureichen (Vergr. 1: 1500). Niemand 
wird bezweifeln können, dass es sich dabei um Spirillen mit zugespitzten 
Enden handelt. Wober sollen hier Kernausziehungen kommen? Ich betone 
jedoch noch einmal ausdrücklich, dass ich diesen Befund zwar wiederholt 
im Kondenswasser der ersten Generation, in einem Bakteriengemisch also, habe 
erheben können, dass ich aber niemals solche Dinge auf der Oberfläche des 
festen Agars erster Generation, niemals im Kondenswasser fernerer Generationen 
gefunden habe. 

Ich habe die Suche nach den von mir beschriebenen Gebilden bei Kalbs- 
pusteln, die ich mit anderen mir zugänglichen Lymphsorten erzeugt habe, 
fortgesetzt und das Resultat erhalten, dass sich auch in der Mehrzahl dieser 
Kalbspusteln die gleichen Formen nachweisen lassen. Ich darf indes nicht 
verschweigen, dass ich nicht bei allen bisher geprüften Lymphen ein positives 
Resultat erzielen konnte, wenigstens soweit es sich um diese charakteristischen 
längeren Schraubenformen handelt. Vielleicht ist man geneigt, damit die 
ätiologische Bedeutung dieser Gebilde als gänzlich abgetan anzusehen. Diesen 
Schluss zu ziehen halte ich mich vorläufig nicht für berechtigt. 

Ich bleibe also bei meiner Behauptung, dass in Kalbspusteln kleinste, 
vibrionenähnliche Gebilde vorkommen, die recht häufig zu längeren Schrauben- 
formen auswachsen, stehen; die Deutung, dass es sich bei diesen Dingen um 
Kunstprodukte handelt, die der Ausziehung von Kernen bei der Präparation 
ihr Dasein verdanken, weise ich entschieden zurück. Ich balte mich dazu um 
so mehr für befugt, als etwa gleichzeitig mit mir Prowazek in den Arbeiten 
aus dem Kais. Ges.-A. „Initialkörper“ in den sogenannten Guarnierischen 
Körperschen beschrieben und abgebildet, wenn auch nicht photograpbiert hat, 
die den von mir photographierten 3-Formen aufs Haar gleichen. Es war mir 
sehr erstaunlich, dass Prowazek in seiner zweiten Mitteilung auf diese Aehn- 
lichkeit gar nicht eingegangen ist. 

Diskussion: Paschen hat natürlich wie viele audere auch nach der 
Schaudinuschen Entdeckung der Spirochaete pallida nach ähnlichen Orga- 


1358 Versammlung d. Vorstände der Deutschen staatl. Lymph-Gewinnungsanstalten. 


nismen in der Vaccine gesucht. Weder ihm noch Schaudinn, der seine 
Präparate durchmusterte, gelang es, in Ausstrichen von Kinderlymphe Spiro- 
chäten zu finden. P. fragt den Vorredner, ob er nicht die Levaditi-Methode, 
die bei der Pallida so schöne Erfolge gebracht hätte, zur Darstellung seiner 
Spirochäten angewandt hätte. Dieselbe hätte, da ja der Erreger in enormen 
Mengen vorhanden sein müsse, eindeutige Resultate bringen müssen P. fügt 
hinzu, dass er diese Methode benutzt hätte, aber nie Spirochäten dabei ge- 
funden habe. 

Bonhoff: Es kommt mir heute nicht darauf an, festzustellen, dass es 
mir gelungen ist, den Nachweis der Spirochätenätiologie der Vaccine zu führen. 
Wie aus allem bisher von mir gesagten hervorgeht, habe ich selbst nicht die 
Meinung, diesen Beweis bereits erbracht zu haben; halte freilich die Möglich- 
keit dieser Beweisführung auch heute nicht für ausgeschlossen. Es kommt 
mir aber®sehr viel darauf an, anerkannt zu sehen, dass es sich bei den von 
mir als Spirochäten angesprochenen Gebilden um Mikroorganismen, nicht um 
Kunstprodukte handelt. Ich möchte daher Herrn Kollegen Paschen bitten, 
sich gerade zu diesem Punkte äussern zu wollen, also sein Urteil darüber 
abzugeben, ob er die in den hente hier demonstrierten Photogrammen wieder- 
gegebenen Objekte für Kunstprodukte oder für Lebewesen hält. 

Was die von Herrn Paschen unter den drüben aufgestellten Mikro- 
skopen demonstrierten, nach Levaditi gefärbten Präparate betrifft, so möchte 
ich mich noch vorsichtiger als er selbst äussern. Zunächst habe ich bisher 
noch nie nach dieser Methode Pustelinhalt gefärbt. Doch gebe ich zu be- 
denken, dass es sich bei Anwendung dieser Methode eventuell um eine Färbung 
der in allem Vaccinematerial ja so reichlichen, lebhaft beweglichen kleinsten 
Körnchen, um die grains tres petits, tres mobiles der französichen Autoren 
handeln könnte. Ich weiss ferner nicht, inwieweit Kontrollversuche negative 
Resultate ergeben haben. Bei dieser Gelegenheit möchte ich darauf aufmerk- 
sam machen, dass ich bei einer anderen Methode, Behandlung von Ausstrichen 
aus frischen Pusteln mit heisser Sublimat-Alkohol-Essigsäure und Färbung der 
durch steigenden Alkohol gehärteten, jodbehandelten Präparate mit Giemsas 
Lösung, sehr häufig in letzter Zeit runde oder ovale, schwach chromatinrot 
gefärbte, kleinste sehr dünne Gebilde gefunden habe, die in der Grösse den 
drüben demonstrierten etwa gleichen und die ich in den Entwickelungskreis 
des Vaccineerregers einzuziehen geneigt wäre, wenn mich nicht vorläufig die 
Tatsache misstrauisch machte, dass fast die gleichen Gebilde in der Haut 
Scharlach- und Masernkranker vorhanden sind. Bei diesen Befunden handelt 
es sich keineswegs um die von Malory, später von Durei u. a. beschriebenen 
(skin) „bodies‘, die sich bekanntlich nach Giemsa blau (mit einzelnen kleinen 
Chromatinpunkten) färben, sondern um besondere Formen, die ich bisher 
nirgends erwähnt gefunden. Ob dieselben etwa mit den von Herrn Paschen 
nach Levaditi gefärbten identisch sind, vermag ich nicht zu sagen: möchte 
nur noch auf die Notwendigkeit zahlreichster Kontrolluntersuchungen, auch 
bei anderen Exanthemen, hinweisen. 

Paschen: In dem vom Vorredner vorgelegten Photogramm ist mit Sicher- 
heit eine Spirochäte vorhanden; doch was bedeutet der Nachweis der Spirochäte 
in einem so geringen Prozentsatz, wo doch der Erreger so massenhaft vorhanden 


Versammlung d. Vorstände der Deutschen staatl. Lymph-Gewinnungsanstalten. 1359 


sein muss? Man kann zwar einwenden, dass auch bei Ausstrichen von sicher 
syphilitischen Erkrankungen oft sehr lange nach der Spirochaete pallida ge- 
sucht werden muss; dafür bringt aber die Schnittmethode (nach Levaditi) 
um so zahlreichere Exemplare. 

Die grösseren Körperchen mit schmalem Saum sind Redner wohl bekannt. 
Bei Reuterfärbung kann man sehr häufig noch neutrophile Körnelung in dem 
Saum bemerken; sie stammten zum grossen Teil von fragmentierten weissen 
Blutkörperchen her; andere wieder von zersprengten Epithelkernen; das Vac- 
einevirus ist eben ein Kerngift. Beide zeigten bei Giemsa resp. Reuter 
dunkelblaue Nuance. Viel kleiner und gleichmässiger an Grösse sind die 
vom Redner demonstrierten Körperchen; sie färben sich blaurot bis rot. 


V. Stumpf: Ueber Variola-Vaceine. 

Es ist für die Leiter der Lympheerzeugungsstätten immer eine schwere 
Sorge, mit einem guten Impfmateriale über die lange Winterpause hinwegzu- 
kommen und am Ende des Winters in geeigneter, vollen Erfolg sicherstellen- 
der Weise die Vorbereitungen für die nächste Impfzeit zu treffen. Von den 
geeigneten Vorkehrungen hängt aber das Gelingen und der Grad des Erfolges 
der nächsten Impfperiode ab. 

Wenn nun auch mein vor 2 Jabren gestellter Antrag, dass beim Auftreten 
von Blatternerkrankungen der zunächst wohnende Impfarzt sich eines frischen 
Zuchtmaterials zu versichern und auf Verlangen von den daraus gewonnenen 
Zuchtstämmen den Kollegen abzugeben haben sollte, der gleichmässigen und 
nicht allzusehr dem Zufalle anheimgegebenen Versorgung der deutschen Impf- 
anstalten mit verlässigem Impfmateriale für die Tiere einen günstigen Boden 
zu bereiten geeignet war, so ist heute die Frage gerechtfertigt, ob die formelle 
Zustimmung zu meinem Antrage die erwarteten Früchte gezeitigt hat, und wenn 
dieser Erfolg nicht eingetreten ist, in welcher Weise der Dienst einer Ver- 
besserung fähig sein könnte, um zu dem Ziele, das wir erstreben, zu gelangen. 
Es wäre eine schöne und uns alle hochbefriedigende Sache, wenn wir im Ver- 
trauen darauf, dass irgend eine deutsche Anstalt im Laufe des Jahres in die 
günstige Lage versetzt war, sich ein gutes Zuchtmaterial zu verschaffen, an 
die Vorbereitungen der nächsten Impfperiode mit dem beruhigenden Gedanken 
herantreten könnten, dass das, was in irgend einer deutschen Anstalt gelungen 
ist, auch den übrigen Fachgenossen zu gut kommt, dass die Errungenschaft 
einer Lympheerzeugungsstätte zum selbstverständlichen Gemeingut aller anderen 
Anstalten wird. 

Im Bereiche unseres bayerischen Verwaltungsgebietes in dem hinter uns 
liegenden Zeitraume von 2 Jahren sind im Jahre 1905 2 Vorkommnisse von 
Blatternerkrankungen zu verzeichnen. 

Die erste Nachricht vom Auftreten einer schweren Blatternerkrankung lief 
während des Osterfestes ein. In unserem Grenzstädtchen Simbach war eine 
in der auf bayerischem Gebiete stehenden österreichischen Wechselwärterkaserne 
wohnende Frau an schweren Blattern erkrankt. Da wir im ersten Betriebs- 
jahre unserer neuen Anstalt mit mancherlei üblen Zufällen und früher unbe- 
kannten Schwierigkeiten zu kämpfen hatten, welche zum Teile durch die neuen 
Verhältnisse bedingt und nicht so schnell zu überwinden waren, so wurde die 


1360 Versammlung d. Vorstände der Deutschen staatl. Lymph-Gewinnungsanstalten. 


Nachricht von Simbach von mir mit um so grösserem Interesse aufgenommen, 
als sich, günstige Umstände vorausgesetzt, damit ein Ausblick zu eröffnen 
schien, durch die vielleicht gegebene Möglichkeit der Gewinnung eines brauch- 
baren Zuchtstammes unserer Verlegenheiten Herr zu werden. Der Assistent der 
Anstalt, Herr Groth, kam sofort am Östersonntag nach Simbach und 
suchte, nachdem er mit dem dortigen Amtsarzte Rücksprache gepflogen hatte, 
alsbald die Erkrankte auf. Dieselbe bot das Bild schwerster Infektion. Der 
ganze Körper war mit Pusteln übersät, das Gesicht besonders bis zur Unkennt- 
lichkeit entstellt, und die hochgradige Bewusstseinstörung, welche bereits be- 
stand, liess den letalen Ausgang der Krankheit in der nächsten Zeit erwarten. 
Herrn Groth gelang es, mittels des scharfen Löffels durch Auskratzen 
einiger gut entwickelter, wenn auch bereits weit vorgeschrittener Einzelnpusteln 
am Vorderarme und Unterscheukel der bereits im tiefen Sopor liegenden 
Kranken eine genügende Quantität von Pustelinhalt zu erhalten und wohlverwahrt 
nach Hause zu bringen. In der darauffolgenden Nacht des Sonntags auf den 
Ostermontag starb die Kranke. Unsere Impfanstalt befand sich gerade in einer 
Zeit der schwersten Not, da eine ungewöhnlich grosse Anzahl von Tieren teils 
wegen Erkrankung als unbrauchbar ausgeschlossen werden musste, teils erfolglos 
geimpft worden war. Das in erheblicher Quantität in Simbach gewonnene Pocken- 
material wurde wie eine Erlösung begrüsst, da es den Ausblick auf die Produktion 
von brauchbaren Zuchtstämmen eröffnete. Die Entnahme des Pustelmaterials von 
der Kranken hatte am 23. April stattgefunden. Am 27. April, also 4 Tage später 
wurde mit dem gewonnenen, frischen Produkte das 91!/, Kilo schwere Kalb 
No. 49 geimpft, indem teils der Stoff in natura, also ohne jede Beimengung 
auf einige durch Glaspapier der Epidermis beraubte Hantstellen gebracht, teils 
mit Glycerin verrieben verimpft wurde, während andererseits das Tier auch 
mit einer Reihe von Stich- und Strichinsertionen, sorgfältig und reichlich mit 
dem emulsionierten Stoffe versehen, bedacht wurde. Die Temperatur des Kalbes 
wurde am 1. Tage per anum mit 37,70 C. festgestellt. Am 3. Mai, und zwar 
nach Ablauf von 6 Tagen und 7 Stunden, erfolgte die Stoffabnahme. Vom 
10. Tage an hatten sich unter den Krusten der Verreibungsstelle des rechten 
Hinterschenkels nahe aneinander stehende Pusteln zu entwickeln begonnen, 
welche zur Zeit der Stoffabnabme unmittelbar vor dem Austritt des Inhaltes 
standen, während zwei einzelne Pusteln der Zitzenregion in der Entwickelung 
noch etwas zurückgeblieben waren. Diese letzteren wiesen deutlich eine cen- 
trale Nabelung auf. Die Krusten des grossen Pustelkonglomerats wurden nach 
der Reinigung vorsichtig abgelöst, und soweit die Pusteln nicht davon zu be- 
freien waren, mit dem scharfen Löffel ausgekratzt. Dabei zeigte sich, dass 
der Haufen aus 15 nahe bei einander stehenden Einzelpusteln bestand. Der 
Rohertrag des gesamten Materials ergab ein Gewicht von 1,77 g und im ganzen 
200 Portionen einer dick verriebenen Emulsion. Die Temperatur des Tieres 
war am 30. April auf 39,8 gestiegen und wurde weiterhin mit 40,3, am 2. Mai 
mit 40,0, am 3. Mai mit 40,0 und endlich mit 40,3 gemessen. 

An dem gleichen Tage wie das Tier No. 49 wurde noch ein zweites, 
82,0 kg schweres Stierkalb in gleicher Weise mit dem gewonnenen Blattern- 
materiale geimpft. Bis zum 3. Mai entwickelte sich eine mittelgrosse Einzel- 
pustel, welche nach Ablauf von 151 Stunden ausgekratzt und mit dem Rob- 


Versammlung d. Vorstände der Deutschen staatl. Lymph-Gewinnungsanstalten. 1361 


ertrage des Kalbes No. 49 vermischt wurde. Am 1. und 3. Mai wurden zwei 
weitere Kälber No. 57 und 58 mit einer weiteren Portion des am 23. April 
gewonnenen Blatternmateriales, welches also nunmehr 8 Tage alt war, geimpft, 
und zwar war der Impfstoff in Emulsionsform. Die Abnahme geschah beim 
Kalbe No. 57 nach Ablauf von 7 Tagen, beim Kalbe No. 58 nach 7 Tagen 
und 6 Stunden. Beim ersteren Tiere, dessen positiver Impferfolg mehrere 
Tage sehr fraglich gewesen war, entstanden allmählich im Verlaufe und am 
Ende des 5. Tages zweifellose Knötchen, welche sich im Verlaufe des 6. Tages 
zu rasch wachsenden Pusteln entwickelten und nach einem weiteren Tage be- 
reits die Höhe der Reife erreicht zu haben schienen. 

Auf dem Impffelde hatten sich folgende Efflorescenzen gebildet: 1. eine 
Gruppe von sechs nahe bei einander stehenden, schönen, fast überreifen Pusteln 
in der Hautfalte zwischen Gesäss- und Zitzenregion, 2. eine Pustel in der Nähe 
dieser Gruppe nach dem Scrotum hin, 3. eine mässig grosse Pustel in der 
Gefässregion, 4. eine mittelgrosse Pustel am aufgezogenen Hinterschenkel, 
5. eine sehr schöne Pustel an der vorderen Fläche des Scrotum. Endlich eine 
kleine Pustel am Abdomen, welche bei der Abnahme unberücksichtigt blieb. 
Der gesamte Rohertrag wog 0,39 g und ergab 11/, Cylinderemulsion, mithin 
150 Portionen. Das Kalb No. 58 zeigte folgende Impfwirkung: 1. zwei grosse 
Pusteln aus je einer Strichinsertion in der Milchspiegelregion, 2. zwei kleinere 
und 1 grosse Pustel am Ansatz des Scrotums und zwar an seiner hinteren 
Fläche, 8. eine mittelgrosse Pustel am rechten Schenkel, von etwas trockenem 
Aussehen, 4. zwei nahe an einander stehende Pusteln am vorderen Teile des 
rechten Schenkels, bereits im Verkrusten begriffen. Diese neun Pusteln er- 
gaben ein Gewicht von 0,14 g Rohertrag und 50 Portionen Emulsion. 

Ich konnte mich bei Betrachtung dieser Impferfolge dem Eindrucke nicht 
verschliessen, dass die Weiterzüchtung dieser Stoffe, wenn auch vielleicht 
nicht hochgespannte Erwartungen erwecken, so doch immerhin befriedigende 
Aussicht für die Zukunft eröffnen könne. Die Abkömmlinge des Simbacher 
Blatternfalles scheiden sich nun in 2 Gruppen, von welchen der ersten, weit- 
aus grösseren Gruppe, der Abkömmlinge der beiden Kälber No. 49 und 51 
22 im Laufe des Jahres 1905 geimpfte Kälber angehören. Die kleinere Gruppe 
von Tieren wurde mit Abkömmlingen der beiden Kälber No. 57 und 58 geimpft. 
Diese setzt sich aus 7 Kälbern und einem jungen Stier zusammen. 

Ich bemerke gleich hier, dass das von der Blatternkranken gewonnene 
Virus, auf dessen hohe Wirksamkeit man bei der ausserordentlichen Schwere 
des Krankbeitsfalles mit aller Sicherheit glaubte rechnen zu können, in bezug 
auf die Qualität seiner Zuchtabkömmlinge die darauf gesetzten Erwartungen 
nicht erfüllt hat. Als Ursache der minderwertigen und mangelhaften Resultate 
‚traten zunächst die zeitlichen Abstände hervor, welche sich zwischen je zwei 
Generationen dieser Zuchtstämme befanden. 

Die Entnahme der Pusteln erfoglte von der Kranken am 23. April. Bei 
günstiger Temperatur wurde der Pockenstoff in unsere Anstalt verbracht und 
nach viertägiger Aufbewahrung im Kühlschranke auf die Tiere No. 49 und 
51 mit positivem Erfolge verimpft. Bei der Betrachtung der ersten Gruppe 
unserer Zuchtabkömmlinge ergibt sich aus dem Lymphebuche für die II. Gene- 
ration, welche aus den Tieren No. 68 und 64 gewonnen wurde, dass die 


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1362 Versammlung d. Vorstände der Deutschen staatl. Lymph-Gewinnungsanstalten. 


Impfung dieser Tiere am 6. Mai, also drei Tage nach der Produktion der 
I. Generation erfolgte. Die Abnahme dieses Stoffes der Il. Generation erfolgte 
am 12. Mai, 6 Tage nach der Impfung. Die beiden Tiere waren mit einer 
Reihe von kurzen Schnittchen und mit weit auseinander liegenden Stichen 
geimpft worden, welche sorgfältig und reichlich mit Impfstoff besetzt wurden. 
Es entwickelten sich 183 Pusteln, von welchen 60 vou gutem Aussehen und 
teilweise von bedeutender . Grösse waren, während 123 Pustelo nach Aussehen 
und Grösse nicht befriedigten, teilweise auch bereits im Vertrocknen begriffen 
waren. Das Kalb No. 64, am gleichen Tage geimpft und ebenfalls am 12. Mai 
abgeerntet, zeigte die gleiche Charakteristik wie das Tier No. 93. Die schönsten 
Pusteln beider Tiere wurden zusammengemischt und miteinander als Auslese- 
stoff zur weiteren Zucht bestimmt. Vier Tage nach der Gewinnung dieser 
Stoffe, also am 16. Mai, wurde die Lymphe beider Kälber auf die Tiere 
No. 72 und 73 verimpft. In dem einen Falle erfolgte die Reifung der Pusteln 
nach 5 Tagen, im anderen Falle bereits nach 105 Stunden. Fast alle Inser- 
tionen hatten sich zu Pusteln entwickelt. Jedoch zeigten diese eine merk- 
würdige Abweichung von der Norm in bezug auf Entwickelung und Aussehen. 
Viele dieser Pusteln schienen die Grenze der Reife bereits überschritten zu 
haben, da sie von ausgesprochener eiteriger Beschaffenheit waren. Unter 
Nichtberücksichtigung aller dieser abnermen Bildungen wurden nur die 
schönsten Pusteln ausgelesen und zur Weiterzucht bestimmt. 2 Tage später, 
also am 18. Mai, wurden 2 andere Tiere mit den Stoffen der Tiere No. 63 
und 64 geimpft. Die Abnahme erfolgte nach 5 Tagen. In dieser Generation 
trat nun zum ersten Male mit voller Deutlichkeit ein gänzlich veränderter 
Charakter der Pusteln hervor, und zwar nach der Richtung hin, welche sich 
schon bei den Tieren No. 72 und 73 geltend gemacht hatte. Die Pusteln 
schienen nämlich durchwegs überreif und glichen keinen Impfpusteln mehr, 
sondern zeigten die Charaktere einer mit einem Inbalte gefüllten, aufgetriebenen, 
mehr oder minder grossen Blase, welche fast an Pemphigusblasen erinnerten. 
Darunter befanden sich nur ganz vereinzelte Bildungen, welche noch als 
Impfpusteln angesprochen werden konnten. Genau in derselben Form präsen- 
tierten sich die Pusteln des Parallelversuches auf. dem Kalbe No. 76. Da 
unter diesen Umständen keine Aussicht mehr vorhanden war, aus solchen 
Bildungen ein irgendwie brauchbares Material durch Fortzucht zu erhalten, 
wurde diese Zuchtreihe endgültig aufgegeben und wieder auf die I. Generation 
zurückgegriffen, von welcher noch ein kleiner Rest übrig geblieben war. Die 
Impfung der beiden Tiere No. 81 und 82 erfolgte am 23. Mai, also 20 Tage 
nach der Aberntung der I. Generation, und hier wurden sehr schön entwickelte, 
reine und wohl charakterisierte Pusteln zur Entwickelung gebracht. Die eben 
erwähnte Beobachtung wiederholte sich nun mehrmals. So oft es versucht 
wurde, von der ersten Zuchtreihe weiter zu züchten, war das Zuchtprodukt 
wenig befriedigend und so gut wie unbrauchbar. Zwar blieben auch bei der 
weiteren Verimpfung der Abkömmlinge nur wenige Stiche aus; doch ergab 
jedes Tier unter einer Menge von Pusteln nur wenig halbwegs brauchbares 
Material. So verhielten sich die Tiere No. 83 mit einem zeitlichen Abstand 
von 5 Tagen, ferner No. 89 mit einem solchen von 14 Tagen von der vorher- 
gehenden Generation. Ganz andere Bilder ergaben hingegen das Kalb No. 87 


Versammlung d. Vorstände der Deutschen staatl. Lymph-Gewinnungsanstalten. 1363 


mit einem zeitlichen Abstande von 27 Tagen, No. 91 mit einem solchen von 
43 Tagen, endlich No. 99, zwischen dessen Impfprodukt und jenem der vor- 
hergehenden Generation ein volles Vierteljahr gelegen war. 

Die Tiere der zweiten Gruppe verhielten sich in gleicher Weise wie jene 
der ersten. Je weiter die zeitlichen Abstände zwischen den aufeinander folgen- 
den Generationen wurden, desto reinere Bilder gaben die Impftiere, desto 
schöner in Farbe, Grösse, Turgor wurden die Pusteln. 

Die Misserfolge der rasch aufeinander folgenden Impfungen lassen nun 
nach meiner Ueberzeugung die Deutung zu, dass den Lymphsorten nicht Zeit 
gelassen wurde, sich zu reinigen, so dass der Eitererreger den Vaccineerreger 
überwältigte, und die Pusteln zu eiterigen Blasen sich entwickeln konnten, 
welche zur Verimpfung unbrauchbar waren. Es muss aus diesem Erlebnisse 
der Schluss gezogen werden, dass der zeitliche Abstand zwischen je zwei auf- 
einander folgenden Generationen bei kräftigen Blatternstoffen eine Reihe von 
Monaten betragen kann, mindestens aber einen vollen Monat betragen muss, 
wenn mit Aussicht auf Erfolg fortgezüchtet werden soll. 

Eine andere Erfahrung gab ein Blatternvorkommnis an die Hand, welches 
in den letzten Tagen des Juni 1905 von Amtsarzte von Bayreuth gemeldet 
wurde. Dort erkrankten in einem Vororte mehrere in einer Spinnerei be- 
schäftigte Personen, darunter zwei Frauen schwer mit tödlichem Ausgang. 
Auch hier gelang es dem sofort reisefertigen Assistenten unserer Anstalt, 
Herrn Groth, Pockenstoff zu erhalten, welcher in den ersten Tagen des 
Juli nach München gebracht wurde. Leider war der Tag der Rückreise des 
Ueberbringers der heisseste des ganzen Sommers. Es herrschte an diesem 
Tage eine ganz abnorm hohe Temperatur, besonders im Eisenbahnwagen, und 
darunter scheint das Blatternvirus so gelitten zu haben, dass eine Ueberimpfung 
des Materials auf ein Tier nicht mehr gelang. Die 8 Tage später versuchte 
Nachimpfung des Tieres mit einem anderen Stoffe ergab einen positiven Impf- 
erfolg. 

Auch eine an den südwestlichen Grenzen Bayerns seit dem Juni 1905 
sich hinziehende Blatternepidemie im Kanton St. Gallen, welche bald zu er- 
löschen schien, bald wieder aufflammte, reifte in mir den Entschluss, den 
Versuch zur Gewinnung eines frischen Pockenstoffes zu machen. Nach vor- 
heriger Verhandlung mit der schweizerischen Bundesregierung gelang es, sich 
von den in St. Gallen und Umgegend: herrschenden Krankheitsverhältnissen 
im Anfange dieses Jahres durch eigenen Augenschein zu unterrichten, und es 
muss dankend hervorgehoben werden, dass die mit der Bekämpfung der Epi- 
demie betrauten Aerzte unserem Abgesandten in jeder Weise entgegenkamen 
und ihn bei seinem Vorhaben mit Rat und Tat unterstützten. Es gelang Herrn 
Groth, eine beträchtliche Menge von Variolastofl, und zwar in der Form 
von mehr oder minder klarem, wenn auch nicht ganz reinem, in Haarröhrchen 
gezogenem Serum, das zum Teil aus Initialefflorescenzen entnommen werden 
konnte, zu erhalten und nach München zu bringen. Ueber die Beschaffenheit 
der Krankheitsfälle sowie über die an Ort und Stelle geübte Art der Abnahme 
des Serums wird Herr Groth einiges berichten. 

Mit diesem Serum wurden vor Beginn der Impfzeit dieses Jahres 6 Kälber 
geimpft und auch Variolavaceine gewonnen; jedoch erwies sich dieses Virus, 


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1364 Versammlung d. Vorstände der Deutschen staatl. I,ymph-Gewinnungsanstalien. 


das durchwegs von nicht besonders schweren Krankheitsfällen stammte, zur 
Fortzüchtung nicht als geeignet. 3 Kälber wurden überhaupt vollkommen 
erfolglos geimpft, wiewohl bei allen Impfungen die oft schon bewährte Methode 
zur Anwendung kam und mit aller Vorsicht zu Werke gegangen wurde. 

Es wird nun vielleicht die Frage aufgeworfen werden, ob es denn nicht 
möglich ist, in Fällen, in denen ein frischer Zuchtstoff möglichst bald nutzbar 
gemacht werden soll, solche Variolastoffe auf künstlichem Wege von ihren 
pathogenen Beimengungen zu befreien. Solche künstliche Mittel könnten in 
den notorisch baktericiden Eigenschaften des Serums einiger Säugetiere gegeben 
sein. Besonders müsste hier das Hauptgewicht auf die baktericide Wirkung 
des Serums, auf die Eitererreger gelegt werden. Dem steht nur die technische 
Schwierigkeit im Wege, dass unter den verschiedenen Verfahren die an sich 
schon so kleinen Stoffquantitäten, welche man in solchen Fällen zu erhalten 
pflegt, so zusammenschmelzen, dass man mit ihnen kaum mehr experimentieren 
kann. Wohl oder übel wird man sich daher mit dem, wenn auch langwierigen 
Verfahren begnügen müssen, dem Variolastoff durch reichlich bemessene Ab- 
stände Zeit zu seiner natürlichen Selbstreinigung zu geben. 

Blezinger hat den Variolavaccinestamm von Hauser jetzt schon im 
dritten Jahre fortgezüchtet. Es ist wichtig, in welchem Stadium der Variola- 
krankheit die Lymphe abgenommen wird; es darf nicht zu früh und nicht zu 
spät geschehen. Wichtig ist ferner, dass von Tier zu Tier die Lymphe nicht 
frisch, sondern mehrere Monate alt fortgeimpft wird. 

Meder (Cassel) hat zwei Variolaübertragungen versucht. Im einen Fall 
wurden Pockenborken, im andern Lymphe auf Kaninchen übertragen. Die 
Impfungen waren beide erfolglos. Allerdings waren die Borken 2 Monate alt. 
Die Impfungen mit Kaninchenvaccine, geliefert von Pfeiffer, ergaben schöne 
lymphreiche, mit Randröte umgebene Pusteln auf dem Kalbe; die Lymphe war 
auch beim Menschen von guter Wirkung. Diesen Impfstoff auf dem Kalbe 
fortzupflanzen, ist nicht gelungen. 

Forstreuter hat Variolakranke im Krankenhause am 3., 4. und 6. Aus- 
schlagstage abgeimpft; die Verimpfung aufs Kalb war erfolglos. 

Meder (Köln) hat Pockenstoff aus dem Listerinstitute in London auf 
Kaninchen ohne Erfolg, auf ein Kalb mit zweifelhaftem Erfolg, verimpft, ebenso 
Impfstoff von genuiner Cowpox aus Wetzlar, der aber wohl schon zu alt war 
(zu spätes Stadium der Pusteln). Bei unsern jungen Kälbern ist die animale 
Fortzüchtung der Vaccine auch mit älterer Lymphe nicht gangbar, man muss 
ab- und zu rückimpfen aufs Kind oder eventuell Kaninchen. 

Blezinger: Variolastoff ist so frisch als möglich zu verimpfen, nicht 
längere Zeit aufzubewahren. 

Voigt hat Variolastoff aus Lübeck ohne Erfolg auf Kaninchen und ein 
Kalb verimpft. Dagegen ergab die Münchner Variolavaceine ganz vorzügliche 
Erfolge, sie wird noch fortgezüchtet; im Sommer schien dieser Impfstoff sich 
abzuschwächen, er ist aber jetzt in der kühleren Jahreszeit kräftiger geworden. 

Dohrn: In Hannover sind 3 Pockenfälle vorgekommen, ich babe aber 
Zweifel gehegt, ob ich berechtigt bin, Variolastoff im Impfinstitut auf Kälber 
zu übertragen, weil die Möglichkeit einer Weiterübertragung vòn hier auf 
Kinder nicht gänzlich ausgeschlossen erscheint. 


Versammlung d. Vorstände der Deutschen staatl. Lymph-Gewinnungsanstalten. 1365 


Blezinger: Meine Erfahrung lehrt, dass man auch in kleineren Kälber- 
impfanstalten Variolaimpfung ohne Gefahr ausführen kann. 

Groth: Was die Technik der Gewinnung von Variolapustelinhalt betrifft, 
so glaube ich, dass es für uns, die wir für gewöhnlich keine Gelegenheit 
haben, den ganzen Verlauf der Variola zu beobachten, sondern meist erst in 
einem vorgeschrittenen Stadium der Erkrankung die Fälle zur Einsicht be- 
kommen, sehr schwer sein wird, reines, nicht getrübtes Serum aus Pocken- 
efflorescenzen zu erhalten. Wenigstens ist es mir bis jetzt von keinem Falle 
gelungen; bei den von mir aufgesuchten Fällen in Simbach und Bayreuth, 
zwei tödlich endenden Erkrankungen schwerster konfluierender Variola, ver- 
sagte der Versuch, Serum zu gewinnen, überhaupt, so dass jedesmal nach 
Abheben der Pusteldecke das Gewebe mit dem scharfen Löffel abgekratzt 
werden musste. Die schönen Erfolge mit der Simbacher Variola beweisen, 
dass dieser Weg zweifellos ein sehr gangbarer ist. In St. Gallen gelang es 
mir, bei einer mehrere Tage alten Erkrankung Serum, aber ein stark getrübtes 
zu erhalten, und bei einem ganz frischen Falle, den ich 3 Tage hin- 
durch beobachtete, war es trotz wiederholter Versuche nicht möglich, reines 
Serum zu gewinnen, weil zu Beginn dasselbe eine sehr zähe Beschaffenheit 
aufwies, die ein Auffangen in Kapillarröhrchen unmöglich machte, und dann 
über Nacht sich trübte. Es wird sich daher empfehlen, beim Besuche von 
Pockenkrauken zur Entnahme von Pustelinhalt sich mit einem scharfen Löffel 
zu versehen, zumal der ausgeschabte Pustelinhalt zweifellos bei der Ueber- 
impfung auf das Kalb von gutem Erfolg begleitet ist. 

Im übrigen erscheint es mir fraglich, ob es sich empfiehlt, auf eine fort- 
gesetzte animale Züchtung durch eine möglichst grosse Anzahl von Generationen 
hindurch so viel Zeit und Mühe zu verlieren, wie es gewöhnlich geschieht. 
Für die Immunisierung der Bevölkerung sollte in erster Linie Retrovaccine 
zur Verwendung kommen, da jeder, auch der ursprünglich beste Stamm auf 
dem Tiere degeneriert, während bei Retrovaceine, die in abwechselndem Turnus 
auf Kind und Kalb gezüchtet wird, durch die öftere Uebertragung auf das 
Kind jedesmal eine Regeneration, eine Auffrischung der Virulenz zu stande 
kommt. Ebenso wie Variola auf dem Tier zu Vaccine abgeschwächt wird, so 
degeneriert auch bei der weiteren Fortpflanzung die Vaccine mehr und mehr, 
während dagegen die Rückpflanzung auf den Menschen, der für das Gedeihen 
der Variola und Vaccine den besten Nährboden liefert, regenerierend wirkt. 
So interessant auch die Versuche einer fortlaufenden animalen Züchtung sind, 
so darf man doch nicht vergessen, dass es für Lympheproducenten in erster 
Linie darauf ankommt, eine Lymphe zu erzeugen, die eine möglichst intensive 
Immunisierung der Bevölkerung bewirkt. Es wird sich daher empfehlen, auch 
weiterhin jeden Fall von Variola zur Züchtung auszunützen, aber schon aus 
der zweiten oder dritten animalen Generation Retrovaceine zu gewinnen, da 
derartig gewonnene Lymphe infolge der Auffrischung auf dem Menschen ceteris 
paribus stets virulenter und daher zur Immunisierung geeigneter ist als ein rein 
animaler Stamm. 

Esleben hat 1!/, Jabre alte Kälberlymphe mit gutem Erfolg auf Kälber 
fortgeimpft. Die gewonnene Lymphe war gut wirksam. 

Meder (Cassel) hält sich nicht für berechtigt, im Institut Variolaüber- 


1366 Versammlung d. Vorstände der Deutschen staatl. Lymph-Gewinnungsanstalten. 


tragungen zu machen, falls keine abgesonderten Stallungen u. s. w. vorbanden 
sind. Gewinnung von Lympbe aus Vaccinepusteln wird erleichtert durch Auf- 
tragung von Glycerin auf dieselben. 

Risel: Brinckerhoff, Walter und Tyzzer studierten in Manila das 
Verhalten von Affen (Macacus cynomologus und nemestrinus) gegen Variola 
in grossem Umfange; sie reagieren in gleicher Weise wie der Mensch auf die 
kutane Impfung mit einem Allgemeinexanthem. Aber, obschon also die 
Empfänglichkeit dieser Affen für Variola eine sehr grosse, erheblich grösser 
als die der Rinder ist, erlosch der auf ihnen fortgezüchtete Variolastamm aus- 
nahmslos schon in der 6. oder 7. Generation. Es ist daher nicht zu ver- 
wundern, wenn dieses Erlöschen sich auf dem Rinde oft schon viel früher 
einstellt. 

Dieselben Forscher machten bei dem Transporte ihres Variolastoffes von 
Nordamerika nach Manila die Erfahrung, dass der in der Glycerinmischung 
anfbewahrte ungleich schneller seine Wirksamkeit einbüsst als der trocken 
aufbewahrte. 

Pfeiffer rät, zu einer Variolaabimpfung gleich Kaninchen mitzunehmen, 
da diese für frischen Variolastoff sehr empfänglich sind. Die alten Inoku- 
latoren haben nur im frischen Pustelstadium Variola abgeimpft und zwar 
immer von den Initialimpfpocken und mit Beimischung von Blut aus der Pustel. 

Paschen: Die Verschiedenheit bei den Uebertragungsversuchen der Variola 
erklären sich vielleicht zum Teil durch die Behandlung des Erkrankungsfeldes. 
Im Eppendorfer Krankenhause werden beispielsweise die Pockenkranken mit 
Glycerin von oben bis unten bepinselt. Es ist dieses eine ausgezeichnete 
Methode; es kommt in den meisten Fällen kaum zu Narbenbildung. In London 
sah Redner im Pockenhospital Behandlung mit Thymol. 

Dass man bei beginnenden Pockenpusteln so wenig Flüssigkeit erhält, 
liegt in dem anatomischen Aufbau und der Entwickelung der Pusteln. In der 
Hamburger Impfanstalt wurden mit Borken von Variola sehr gute Resultate 
gewonnen. 

Paul erwähnt eine Erfahrung, die er gelegentlich experimenteller Studien 
über Degeneration und Regeneration der Vaccine gemacht hat und die ihm 
für die Frage der Beschaffung kräftiger und verlässiger Stammlymphe nicht 
ohne Bedeutung zu sein scheint. 

Als ihm seinerzeit durch die Vermittelung des vor mehreren Jahren ver- 
storbenen ehemaligen Direktors der niederösterreichischen Landes-Findelanstalt 
in Wien, Ernst Braun, zur Retrovaccination durch ungezählte Passagen von 
Arm zu Arm fortgepflanzte humanisierte Lymphe (der sogenannte 100jährige 
Jennersche Lymphestamm) zur Verfügung stand, wiesen die damit erzielten 
Impferfolge an Tieren eine derartige Vollkummenheit und Regelmässigkeit auf, 
wie sie später, als hierzu humanisierte Lymphe nur einer einzigen Passage zu 
erlangen war, in diesem Masse nur ausnahmsweise erreicht werden konnte. 
Kollege Pfeiffer, der ja auch Gelegenheit gehabt hat, mit Braunscher 
Lymphe zu retrovaccinieren, wird die Richtigkeit dieser Tatsache gewiss be- 
stätigen können. f 

Um zu ergründen, ob diese gewiss auffallende Erscheinung nur auf zu- 
fälligen Umständen oder darauf beruhe, -dass die-durch zahlreiche Passagen 


Versammlung d. Vorstände der Deutschen staatl. Lymph-Gowinnungsanstalten. 1367 


von Arm zu Arm fortgepflanzte, also an den menschlichen Organismus bereits 
angepasste Vaccine bei ihrer Rückübertragung auf den tierischen Organismus 
kräftiger reagiere und vollkommenere Pockenentwickelung zeitige als Vaccine 
blos eines einzigen Durchganges durch den Kindeskörper, bemühte ich mich, 
durch mehrere Passagen rein humanisiert fortgepflanzte Vaccine zu erhalten. 
Die Schwierigkeiten, solche zu erlangen, sind heutzutage nicht gering. Ich 
erachte mich daher vom Glücke besonders begünstigt, dass es mir gelungen 
ist, die Beihilfe des Vorstandes der böhmischen Säuglingsklinik der Prager 
Fiudelanstalt, des Prof. Fr. Scherer, zu gewinnen, der in dieser Frage 
ein intensives und werktätiges Interesse entgegenbrachte. Prof. Scherer 
unterzog sich in Gemeinschaft mit seinem Assistenten Vorlicky nicht 
nur der Mühe, die Vaccine von Arm zu Arm durch acht Passagen fortzuzüchten 
und die von jeder einzelnen Passage gesondert gesammelte humanisierte 
Lymphe wiederholt beizustellen, sondern er führte auch die genaue klinische 
Beobachtung (inklusive der Blut- und Harnuntersuchung) aller auf diese Weise 
geimpfter Kinder durch, deren Ergebnisse genau verzeichnet worden sind. Ich 
muss, um der Publikation der Ergebnisse dieser in Gemeinschaft mit Prof. 
Scherer unternommeuen experimentellen Studien nicht vorzugreifen, mich 
heute nur auf die Mitteilung beschränken, dass die Schutzpockenentwickelung 
desto kräftiger beim Tiere anschlägt, je mehr Passagen die zur Retrovacci- 
nation verwendete humanisierte Lymphe aufzuweisen hat. 

Die Impfversuche sind in der Art angestellt worden, dass die Impffläche 
der Tiere in doppelt so viel Felder eingeteilt wurde, als Lympbsorten vor- 
handen waren. Je zwei solcher Parzellen (möglichst weit von einander ent- 
fernt) dienten für je eine Lympbsorte als Versuchsareale. Eine zufällige 
Verschleppung von auf einer solchen Versuchsparzelle verimpfter Lymphe auf 
die andere wurde, durch sofortige Tegminapplikation verhindert. Für jede 
einzelne Parzelle wurden frisch sterilisierte Metallspatel und vorher unberührtes 
Tegmia verwendet. Es ist wohl nicht einem blossen Zufalle zuzuschreiben, 
dass die aus einem Gemenge aller erhaltenen Sorten (von acht Passagen) ge- 
züchtete Retrovaccine I. Generation eine Stammlymphe von ganz hervorragender 
specifischer Virulenz lieferte und Impfresultate bei den Impftieren zeitigte, die 
sowohl bezüglich der typischen Entwickelung der Impfpocken, als auch in 
bezug auf die Ausgiebigkeit der Rohstoffernte jenen glichen, die ich seinerzeit 
mit dem Jennerschen 100 jährigen Lymphestamme aus der Wiener Findel- 
anstalt so regelmässig zu sehen gewohnt war, und die ich nachher öfter recht 
schmerzlich vermisst habe. 

Von grossem Interesse ist auch der klinische Verlauf des Vaccinations- 
processes bei jenen Kindern, die von Arm zu Arm weiter geimpft worden 
sind. Die lokale und allgemeine Impfreaktion bei der 2. und 3. Passage ist 
sehr heftig, in ihrer Intensität jedenfalls erheblich gesteigert gewesen und die 
Pockenentwickelung überstürzt verlaufen. Die Inıpfblattern zeigten bereits 
am fünften Tage ein Entwickelungsstadium, wie dies sonst dem 8.—9. Tage 
entspricht. Auch die Impferytheme hatten eine ungewöhnliche Ausdehnung 
erreicht. Brettharte Infiltrate des ganzen geimpften Oberarmes, bis zum 
Schulterblatt und über den Ellbogen reichende Erytheme waren keine Selten- 
heit gewesen. Auch die Höhe und Dauer des Reaktionsfiebers hatte eine 


1368 Versammlung d. Vorstände der Deutschen staatl. Lymph-Gewionnungsanstalten. 


wesentliche Steigerung, bezw. Verlängerung aufgewiesen. Die meisten Kinder 
sind ziemlich hart durch den Process mitgenommen worden. Ueble Folgen 
haben sich jedoch nicht eingestellt. Erst allmählich, bei fortschreitender 
Passage schwächt sich diese gesteigerte Virulenz der humanisierten Lymphe 
ab, um endlich ihren gewöhnlichen Charakter anzunehmen. 

In Parallele mit diesen Erfahrungen dürfte wohl auch die Erfahrangstat- 
sache zu bringen sein, dass die Rückübertragung humanisierter Lymphe beim 
Rinde — wenigstens bei Verwendung von grösseren Jungrindern — nicht so 
kräftig anschlägt, wie die Retrovaccine I. Generation, weshalb ja letztere mit 
Recht als Stammlymphe par excellence gilt. 

Meder (Cassel): Es gelingt nur schwer, geeignete Kinder zur Abimpfung 
und Lymphegewinnung zu bekommen. Leichter ist das, wenn unter den zwölf- 
jährigen Impflingen sich einmal ein Erstimpfling befindet. 

Blass hat beobachtet, dass abgeimpfte Pusteln schneller abheilen; man 
kann deshalb den Müttern der Kinder ruhig die Zulassung der Abimpfung 
empfehlen. 

Risel: Es kommt in Frage, ob alle die von Paul erwähnten Impfungen 
in derselben Weise mit Schnitt oder mit Stich ausgeführt wurden, denn die 
Impfung mit Schnitt erzeugt eine stärkere Reaktion in der Umgebung als 
die mit Stich. DerUnterschied wird bedingt durch die ungleich grössere 
Menge von Impfstoff, die der Schnitt in die Impfstelle einführt. 

Paul: Auf den Einwurf Risels, dass die auffallend heftigen Reaktionen 
bei der Impfung von Arm zu Arm wohl auf die Impfmethode mittels Skari- 
fikationen zurückzuführen seien, da ja bekanntlich früher bei der Impfung von 
Arm zu Arm die Stichmethode geübt wurde, erwidere ich: Es ist wohl richtig, 
dass die Verimpfung humanisierter Lymphe mittels Skarifikationen stärkere 
Reaktionen liefert als die Stichmethode. Die Kinder in der Prager Findel- 
anstalt sind jedoch von Prof. Scherer alle genau nach ein und derselben und 
zwar nach der im Wiener Impfinstitute geübten Impfmethode (31/, cm lange, 
3 cm von einander abstehende seichte Ritzer mit sofort nachfolgendem Teg- 
minverband) geimpft worden, und die Differenz der Reaktion bei der Verimpfung 
von humanisierter Lymphe verschiedener Passagen kann demnach nicht von 
der Impfmethode abhängig sein, sondern muss auf die verschiedenen Virulenz- 
grade der einzelnen Lymphsorten zurückgeführt werden. 

Blezinger empfiehlt, die Versuche der Fortzüchtung von Variolalymphe 
auf Kälber fortzusetzen, um nach und nach darüber Aufschluss zu bekommen, 
in welchem Stadium der Entwickelung die Variola humana am erfolgreichsten 
auf Kälber übertragen wird. 

(Schluss folgt.) 


Verlag von August Hirschwald, Berlin N.W. — Druck von L. Schumacher in Berlin N. 24. 


Hygienische Rundschau. 


Herausgegeben 
von 


Dr. Carl Fraenkel, © Dr. Max Rubner, Dr. Carl Günther, 


Geh. Med.-Rat, Prof. der Hygiene Geh. Med.-Rat, Prof. der Hygiene Goh. Mod.-Rat, a.o.Prof. der Hygiene 
in Halle a./$. in Berlin. in Berlin. 


W 24. 


XVI. Jahrgang. Berlin, 15. December 1906, 


(Aus dem Institut für Schiffs- und Tropenkrankheiten in Hamburg. 
Direktor: Med.-Rat Prof. Dr. Nocht.) 


Neueres über die Verbreitungsweise und die Bekämpfung der Pest in Indien:). 
Von 


Dr. med. Martin Mayer, 
Assistenten am Institut. 


10 Jahre sind dieses Jahr verstrichen, seit die Pest in Bombay nach langer 
Pause als schwere Epidemie aufgetreten ist, wahrscheinlich vom Himalaya 
oder aus Hongkong eingeschleppt. In diesen 10 Jahren hat die Seuche sich 
über ganz Britisch-Indien ausgedehnt, und trotz aller Massnahmen haben die 
Todesfälle fast jedes Jahr zugenommen. Während z. B. 1896—1897 60000 Leute 
an Pest starben, waren es 1903 800 000, 1904 und 1905 je ca. 1 Million, und 
in diesem Jabre bis Ende April 170 000 Menschen, seitdem bis Mitte Oktober 
allein im Bezirk Bombay 30000. Nach Aussage mit den Verhältnissen ver- 
trauter Leute sind aber die wirklichen Zahlen noch bedeutend höher, da nur 
ein Bruchteil der Pesttodesfälle zur amtlichen Kenntnis kommt. Während ein- 
zelne Provinzen verschont blieben, sind gerade in jüngster Zeit bisher pestfreie 
Distrikte stark verseucht worden, so insbesondere in diesem Jahre Burma, wo 
Jetzt eine recht schwere Epidemie herrscht. 

Aus diesem ganzen Verlaufe der indischen Pestepidemie geht hervor, dass 
von irgend einer sichtbaren Beeinflussung der Seuche durch die getroffenen 
Massnahmen bis jetzt nicht viel zu bemerken ist. Wir aber, wie alle euro- 
äischen Staaten, sind natürlich an einem Erlöschen dieses Pestherdes, der 
ns durch den regen Schiffsverkehr stets bedroht, sehr interessiert. 

In folgendem will ich einiges berichten, was ich auf einer gemeinsamen 
tudienreise mit Herrn Stabsarzt Dr. Fülleborn im Auftrag des Hamburger 
stituts für Schiffs- und Tropenkrankheiten in diesem Jahre in Indien über 
n derzeitigen Stand der Pestbekämpfung und die neueren Ansichten über 
> Verbreitung der Seuche erfahren und selbst sehen konnte. 


1) Vortrag, gehalten bei der 78. Vers. Deutscher Naturforscher u. Aerzte (Abt. 


Tropenhygiene). 
97 


1370 Mayer, 


Dass die Hauptursache für die weite Verbreitung der Pest in Indien durch 
die eigenartigen Verhältnisse der eingeborenen Bevölkerung bedingt ist, ist ja 
bekannt: Kleidung, Lebensgewohnheiten, Vorurteile und Indolenz der Einge- 
borenen, die Armut der grossen Masse, die sie zwingt, eng zusammengepfercht 
— ganze Familien in einem Raume — ihr Leben zu fristen, begünstigen die 
Ausbreitung der Seuche. Die berüchtigten mehrstöckigen Mietskasernen Bom- 
bays, getrennt von einander durch ganz schmale Gassen, in denen in 200 bis 
300 Räumen viele hundert Menschen unter den unhygienischsten Verhältnissen 
in Bezug auf Licht, Luft und Raum leben, bieten mit ihrem Schmutz und 
Kehricht allenthalben an sich eine stete Gefahr für die Gesundheit. Hat in 
diesen Mietskasernen einmal eine Seuche festen Fuss gefasst, so ist es schwer, 
sie wieder auszurotten. 

Die Weiterverbreitung der Pest über das ganze Land wird überaus be- 
günstigt durch den ganz immensen Reiseverkehr. Sei es zu Handels, zu 
Wallfahrtszwecken, oder blos zum Besuch von Freunden, der Inder gerade 
der niederen Klassen ist von einer unglaublichen Reiselust beseelt. So sieht 
man alle Züge überfüllt und an den Knotenpunkten die Leute zu Hunderten 
auf die Anschlusszüge warten; seine Habe in Form schmutziger Bündel trägt 
der Inder mit sich, und an dieser haften natürlich oft noch Unrat und Schmutz 
von der Behausung und damit auch oft Pestkeime. Von den Wallfahrtscentren 
aus werden natürlich leicht auf solche Weise die Krankheitserreger durch die 
heimkebrenden Pilger in neue Distrikte verschleppt. So wäre die Weiterver- 
breitung durch den menschlichen Verkehr begreiflich; dazu kommt noch, dass 
an Pest Erkrankte nur in einem geringen Bruchteil der Fälle das Krankenhaus 
aufsuchen, meist aber in ihrer elenden Behausung bis zum Tode verbleiben. 

Es scheint, auch in den grossen Städten besonders, ein tiefes Misstrauen 
gegen Aerzte und Hospitäler zu bestehen, und es lässt sich auch nicht durch 
Zwangsmassregeln eine Isolierung der Kranken durchführen. Wir erlebten 
selbst ein klassisches Beispiel in einer grösseren Stadt: Ein Laboratoriums- 
diener der bakteriologischen Abteilung erkrankte an Pest; wir fanden ihn in 
seinem primitiven Wohnraum auf dem flachen Dache des Instituts, umringt von 
einer Menge von Weibern aus der Nachbarschaft, und er war durch kein Zu- 
reden zu veranlassen, das im selben Komplex befindliche Hospital aufzusuchen. 
dessen Aerzte er ja genau kannte, da er selbst zum..Personale desselben 
gehörte. So weit geht die Angst vor der Hospitalbehandlung bei Pest! 

Neben der Uebertragung von Mensch zu Mensch sind aber bekanntlich 
als Hauptquelle der Verbreitung der Pest die Ratten anzusehen. Die indischen 
Behörden haben besonders auf diese Frage in der letzten Zeit ihr Augenmerk 
gerichtet, und heute besteht dort die Ansicht mehr wie je, dass Rattenbekämp- 
fung und Pestbekämpfung Hand in Hand gehen müssen. Im vorigen Monat 
ist eine Pestnummer der Indian Medical Gazette erschienen, in der amtliche 
Aerzte der verschiedensten Distrikte ihre Ansichten über Verbreitung und Be- 
kämpfung der Pest darlegen; ich stütze mich in meinen Ausführungen auch 
zum Teil auf Angaben dieser Nummer. 

Wir haben es in Indien hauptsächlich mit zwei Rattenarten zu tun, mit 
Mus decumanus und Mus rattus. Mus rattus, die schwarze Hausratte, die ur- 


Neueres über die Verbreitungsweise und dio Bekämpfung der Pest in Indien. 1371 
sprüngliche Ratte Europas, ist hier mit der fortschreitenden Civilisation fast 
ganz verschwunden. In hygienisch gebauten Häusern mit dem Wegfall dunkler 
Boden- und verwahrloster Kellerräume verschwand sie, wurde fast gänzlich 
verdrängt von Mus decumanus, der norwegischen Wanderratte, die nicht im 
Hause, sondern in Kanälen und Kloaken ihr Leben fristet. Während also 
Mus rattus eng mit dem Menschen zusaınmenlebt, ist dies bei Mus decumanus 
viel weniger der Fall. Interessant ist es daher, dass man neuerdings in Indien 
mehr darauf geachtet hat, welche Rattenart in den banptsächlich verseuchten 
Distrikten vornehmlich vorkommt. 

In den meisten Gegenden, besonders wo die Häuser noch primitiv und 
ohne Kanalisation sind, findet sich die schwarze Ratte, die indische Haus- 
ratte, und durch ihr enges Zusammenleben mit den Menschen erklären sich 
die Ausbrüche menschlicher Pest, wo unter den Ratten die Seuche ausge- 
brochen ist. Besonders in dem Hauptpestherde Indiens, in Bombay, soll über- 
all Mus rattus herrschen, und man erklärt sich im Gegensatz dazu die relative 
Immunität Kalkuttas — wo es nie zu einer allgemeinen Ausbreitung kam — 
durch das Ueberwiegen von Mus decumanus, der Wanderratte. 

Ob hier noch andere Ursachen mitspielen, muss Aufgabe weiterer, Unter- 
suchungen sein. 

Die Weiterverbreitung der Infektion von Ratte zu Ratte könnte, wie be- 
kannt, durch verschiedene Wege erfolgen. Erstens durch direkten Kontakt 
durch Wunden, zweitens durch Anfressen pestkranker Rattenkadaver, drittens 
durch pestbacillenhaltigen Kot und Urin, und schliesslich durch Inhalation. 
Es sind hierüber ja seit laugem eine ganze Reihe von Versuchen angestellt, 
und es hat sich im wesentlichen herausgestellt, dass alle diese Uebertragungs- 
modi wohl möglich sind, dass aber z. B. gerade bei Infektion durch den 
Verdauungskanal die Erkrankung oft gar nicht zum Ausdruck kommt und 
dass ein anderer Uebertragungsmodus vielleicht die Hauptrolle spielt, nämlich 
die Vebertragung durch Insekten. 

Bei der Infektion von Menschen durch. die Ratte kämen ja auch in Be- 
tracht Infektion durch Wunden, vermöge durch Kot und Urin inficierter Klei- 
dungsstücke u. s. w., Infektion durch die Mundhöhle durch verunreinigte 
Speisen, und schliesslich auch die Uebertragung durch Insekten. Auch für 
die Uebertragung ‘von Mensch zu Mensch kommen vornehmlich diese Infek- 
tionsmodi in Betracht, daneben Inhalation für Lungenpest. 

Die Frage der Uebertragung durch Insekten, insbesondere durch Ratten- 
flöhe ist schon früher oft geprüft worden, und neuerdings ist dieser Infek- 
tionsmodus durch Arbeiten von Liston und Lamb als der wahrscheinlich 
wichtigste für die Verbreitung der Pest in Indien befunden worden. 

Gestatten Sie daher, dass ich mich mit dem Kapitel der Rattenflöhe als 
Pestüberträger auf Grund früherer Arbeiten und der neuen Untersuchungen 
biger Forscher hier etwas eingehender befasse. 


Bereits im Jahre 1898 hat Simond vom Institut Pasteur in Indien einige 


'ersuche gemacht. Er fand zunächst, dass gesunde Ratten meist gar keine 
der wenige Flöhe beherbergten, da sie sich ihrer erfolgreich erwehrten, dass 


estkranke Ratten dagegen stets stark mit Flöhen besetzt waren. 
97° 


1372 Mayer, 


Er setzte pestkranke Ratten, durch ein Gitter getrennt, neben gesunde und 
konnte Erkrankung letzterer in einigen Fällen beobachten. 

Bei der Untersuchung von Flöhen pestkranker Ratten fand er noch nach 
einiger Zeit (24 Stunden) lebende Pestbacillen in ibrem Verdauungskanal. 
Er sprach die Vermutung aus, dass beim Saugen der Flöhe eine Infektion 
dadurch zustande komme, dass das Insekt dabei zunächst einige Tropfen aus 
dem Verdauungskanal ausspritze, die verdautes Blut und eventuell Pestkeime 
enthielten. Bei einzelnen Pestkranken liess sich als Primäraffekt eine Phlyc- 
taene nachweisen, die meist ihren Sitz an Stellen hatte, die Flohstichen zu- 
gänglich sind. 

Die Versuche Simonds wurden in europäischen Laboratorien verschiedent- 
lich nachgeprüft, aber meist mit negativem Erfolge. Besonders Galli-Va- 
lerio bekämpfte Simonds Theorie und wies darauf hin, dass jedes Tier 
seine Flohart habe, die niemals auf andere Arten übergehe. Auch Kolle 
konnte Simond nicht beistimmen. Dagegen berichteten Thompson und 
Tidswell anlässlich der australischen Epidemie 1900 und 1901 über Beob- 
achtungen, die Simond vollauf Recht gaben; sie fanden nämlich Rattenföhe 

-auf pestkranken Menschen. Sie warnen ausdrücklich davor, aus Laboratoriums- 
versuchen in gemässigten Zonen auf wirkliche Verhältnisse in tropischen 
Ländern zu schliessen. 

Seit 2 Jahren hat nun Liston im Auftrag der indischen Regieruug die 
Frage wieder aufgenommen. 

Die Floharten, die hauptsächlich für die Uebertragung in Betracht kämen, 
sind fünf: 

1. Pulex irritans, der menschliche Floh. 

2. Pulex felis, oder serraticeps, der oft auch auf Ratten und Menschen 
getroffen wird. 

8. Pulex cheopis, der gewöhnliche Rattenfloh Indiens, nach 
Liston besonders auf Mus rattus. 

4. Ceratophyllus fasciatus, gewöhnlicher Schmarotzer der Ratten in der 
ganzen Welt, besonders auf Mus decumanus. 

ö. Ctenopsylla musculi, gewöhnlich auf der Maus. 

Es ist jetzt sicher festgestellt, dass alle diese Floharten, wenn 
sie ihren gewöhnlichen Wirt nicht finden, vom Hunger getrieben 
auch auf andere Arten übergeben. So wurden Liston 1903 einige 
Meerschweinchen eingeliefert, die an Pest gestorben waren; er fand eine ganze 
Menge von Pulex cheopis auf ihnen und erfuhr, dass einige Tage vor der 
ersten Erkrankung tote Ratten in der Nähe des Käfigs gefunden worden 
waren (Meerschweinchen beherbergen gewöhnlich gar keine Flöhe). 

Im April 1903 brach in einem Gebäudekomplex ein Rattensterben aus, 
und einige Zeit darauf waren so zahlreiche Flöhe in den Räumen, dass die 
Bewohner auf die Veranda übersiedelten; nach einigen Tagen erkrankten mei 
derselben an Pest. Von den auf dieseu Menschen gesammelten 30 Flöhen 
erwiesen sich 14 als Pulex cheopis. 

Seitdem hat Liston in einer Reihe von Fällen io Räume, in denen pest- 
kranke Ratten oder Rattenkadaver gefunden wurden, Meerschweinchen eing 


Neueres über die Verbreitungsweise und die Bekämpfung der Pest in Indien. 1373 


bracht und fand dann auf diesen jedesmal Rattenflöhe, von denen stets ein 
Teil inficiert war, wodurch eine Anzahl der Meerschweinchen an Pest starb. 
Untersuchte er auf diese Weise durch das Meerschweinchen gefangene Flöhe 
aus pestinficierten Räumen, so fand er in deren Magen öfters eine Menge von 
Pestbacillen, die ibm nicht nur lebensfähig erschienen, sondern sich auch 
scheinbar im Rattenmagen noch vermehrt hatten. Bei Kontrollversuchen in 
nichtinficierten Räumen wurden auf diese Weise keine Rattenflöhe erhalten. 
Uebrigens bat schon 1902 Zirolia behauptet, dass er in Flöhen 
noch 7 Tage nach dem Saugen Pestbacillen in lebensfähigem Zustande 
i: gefunden habe. 
i Liston stellte seitdem auch gemeinsam mit Lamb ausgedehnte Labora- 
ratoriumsversuche an, derart, dass in einem langen Behälter ein Dutzend 
Ratten räumlich von einander getrennt gehalten wurden; inficierten sie die 
erste mit Pest, so ging trotz der räumlichen Trennung die Infektion von Ratte 
zu Ratte weiter, und es konnte direkt häufig das Ueberwandern der Flöhe 
beobachtet werden, die die inficierten Tiere bald nach deren Tode verliessen. 
In dem betreffenden Laboratoriumsraume lässt man für den Fall, dass Flöhe 
aus den Behältern entschlüpfen, Meerschweinchen frei umherlaufen, und nach 
den Angaben, die uns Lamb machte, sterben sehr häufig solche Meerschwein- 


chen an Pest. 
In einer anderen Versuchsreihe wurden in engem Behälter inficierte 


Ratten zu gesunden und ebenso inficierte Meerschweinchen zu gesunden gesetzt, 
und niemals kam eine Infektion der gesunden Tiere zustande. Man hatte 
nämlich als einzige Massnahme von den Tieren sämtliche Flöhe entfernt. 
In diesem Jabr werden ausser den Laboratoriumsversuchen seit einiger 
Zeit in Bombay in viele Räume, in denen Menschen- oder Rattenpest fest- 
gestellt wurde, Meerschweinchen zu Versuchszwecken gesetzt, und es ist zu er- 
warten, dass in Bälde eine Veröffentlichung des Bombayer Pestlaboratorinms 
statistische Angaben über den Befund inficierter Rattenflöhe bei diesen Ver- 
suchstieren bringen wird. Aber schon jetzt hat man bei der Desinfektion der 
Räume die Massnahmen auf die Insektenabtötung ausgedehnt. Bei der bisher 
üblichen Desinfektion mit Sublimatlösung oder Karbolpräparaten gelingt es 
bekanntlich nicht, Insekten zu töten. Man bestreicht daher jetzt Fussböden 
und Wände mit Petroleumrückstand, einer zähen, bräunlichen Masse, die in 
den Lehmboden und die Kalkwände sehr leicht eindringt. Der Erfolg hat 
sich in einigen Fällen bereits gezeigt, indem nach der Desinfektion von Räumen 
nach dieser Methode Meerschweinchen nicht an Pest erkrankten, in Fällen von 
Sublimat- und Karboldesinfektion dagegen inficiert wurden. 

Für die Flohtheorie spräche praktisch auch die häufige Uebertragung von 
Mensch zu Mensch in den Behausungen — besonders sollen nächtliche Be- 
suche in solchen Räumen, also zur Zeit, wo die Flöhe besonders gern stechen 
— gefährlich sein. Dagegen ist eine Uebertragung in den Hospitälern bei 
Bubonenpest von Mensch zu Mensch recht selten, also unter Verhältnissen, wo 
eine Uebertragung durch Flöhe weniger in Betracht kommt; die Flöhe lieben 


a nicht den Aufenthalt in hellen, luftigen Räumen. 
Eine grosse Reihe der erfahrenen indischen Aerzte hat sich bereits als 


1374 Mayer, 


Anhänger der Flobtheorie bekannt, und die Versuche Listons, die, wie ich 
ausdrücklich betonen möchte, nur eine Wiederholung der Simondschen 
aus dem Jahre 1898 sind, haben allerdings viel Bestechendes an sich. 

Auch ich selbst muss gestehen, dass ich den Eindruck gewonnen habe, 
dass für weitaus die meisten Fälle der Pestübertragung in Bombay die In- 
fektiou durch Flohstiche sich erklären liesse. Natürlich ist dies für die 
prophylaktischen Massnahmen in Betracht zu ziehen, und die praktische Konse- 
quenz für die Zimmerdesinfektion ist ja bereits erwähnt worden. Anderer- 
seits weist es mehr wie je auf die Bekämpfung der Ratten hin. Man 
hat jetzt in Bombay und Kalkutta ziemlich hohe Prämien auf die Einlieferung 
von Ratten ausgesetzt (in Kalkutta merkwürdigerweise nur für lebende), lässt 
massenhaft Gift legen und Rattenfallen aufstellen und hat vor allem in Bom- 
bay im Pestlaboratorium unter Leutnant-Colonel Bannermann eine Unter- 
suchungsstation für die eingelieferten Ratten eingerichtet, wobei stets ein hober 
Prozentsatz als pestinficiert befunden wird. Auch eine Untersuchung und 
Zählung der Rattenflöhe findet dabei statt. Bei Konstatierung eines Falles 
von Menschen- oder Rattenpest wird besonders das betreffende Haus einer 
hygienischen Durchmusternng und eventuellen Reinigung unterzogen. Dass 
leider eine strenge Durchführung hygienischer Massnahmen bisher nicht mög 
lich war, ist sehr zu bedauern, und vielleicht wäre es am besten, wenn die 
Pestbekämpfung nicht den jeweiligen Lokalbehörden überlassen bliebe, sondern 
unter der Aufsicht einer Kommission für ganz Indien, eventuell unter Mithülfe 
eingeborener Machthaber und einflussreicher Persönlichkeiten ausgeübt würde. 

Speciell für Bombay müsste eine Sanierung der am meisten bedrohten 
Stadtteile durch systematischen Ankauf und Niederreissen der Mietskasernen 
and vielleicht durch Herstellung billiger Wohnungen durch die Gemeinde 
stattfinden. 

Dass durch Aufklärung der Bevölkerung, durch sogenannte Landquaran- 
tänen und ähnliche Massnahmen an bestimmten Eisenbahnstationen sich nicht 
viel erreichen lässt, hat sich ja gezeigt. 

Ausser diesen allgemeinen Massnahmen wird nun in Indien seit 1897 eine 
specifische Prophylaxe ausgeübt, ich meine die Impfung mit a aa 
Pestkulturen nach Haffkine. 

Sie wissen, dass in den ersten Jahren Haffkine günstige Statistiken ver- 
öffentlichen konnte, dass dann aber im Jahre 1902 durch einen unglücklichen 
Zufall 19 Personen nach der Impfung an Tetanus erkrankten und dadurch der 
propbylaktischen Impfung lange Zeit mit grossem Misstrauen begegnet wurde. 
Es ist ein grosses Verdienst der indischen Regierung, dass sie damals den 
Mut nicht sinken liess und unter Leutnant-Colonel Bannermann die Her- 
stellung des Impfstoffes neu organisierte. Wir konnten uns überzeugen, das 
der Impfstoff jetzt unter Kautelen bereitet wird, die jede Verunreinigung aus 
schliessen, dass durch ingeniöse und doch einfache Apparate die Abfüllung 
des Impfstoffes absolut steril möglich ist. Es wird auch jetzt noch geimpfte 
Bouillon (von Ziegenfleisch) von sechswöchigem Wachstum benutzt, der nach 
Abtötung bei 55° 1/, proz. Karbollösung zugefügt wird. Seit 4 Jahren sind 
allein in Bombay über 200000 Personen mit diesem Impfstoff prophylaktisch 


Neueres über die Verbreitungsweise und die Bekämpfung der Pest in Indien. 1375 


geimpft worden und zwar mit der Durchschnittsdosis von 5 cem für den Er- 
wachsenen bei einmaliger Impfung. 

Die Statistik ergibt, dass ein Teil der Geimpften gar nicht erkrankt, ein 
anderer Teil bei der Infektion eine viel leichtere Erkrankung durchmacht, dass 
die Todesfälle unter den Geimpften bedeutend weniger waren, und zwar um 
ein Drittel bis zur Hälfte weniger. 

Trotzdem die Impfung kostenlos geschieht, sogar in Bombay eine Reihe 
öffentlicher Impfstellen eröffnet wurde und den freiwillig sich zur Impfung 
Meldenden eine Prämie von 8 Anna bezahlt wird, bürgert sie sich immer noch 
sehr schwer ein, und es scheint zum Teil besonders auch ein Widerstand seitens 
eingeborener Aerzte und der in Indien besonders einflussreichen Kurpfuscher 
gegen die prophylaktische Impfung zu bestehen. Bei einem grossen Teil der 
Bevölkerung berrscht merkwürdigerweise die Ansicht, dass das Mittel impotent 
mache, weshalb sie sich energisch dagegen sträuben. 

Ich darf erwähnen, dass dieses Jahr bei Ausbruch der Pest in Zanzibar 
fast die ganze bedrohte Bevölkerung — über 25 000 Menschen — sich impfen 
liess und zwar hauptsächlich durch den Einfluss eines angesehenen Priesters, 
wie uns Dr. Friedrichsen daselbst mitteilte; auch die Desinfektionsmassnahmen 
liessen sich dort durch energisches Einschreiten gut durchführen. 

Ausser dem Haffkineschen Impfstoff ist ja auch das Pestserum zu pro- 
phylaktischen Zwecken empfohlen worden; aber da sein Schutz ja nur 14 Tage 
bis 3 Wochen dauern soll, kommt es weniger für Plätze, wo die Pest ende- 
misch herrscht, in Betracht, als für vereinzelte Ausbrüche auf Schiffen und in 
Hafenplätzen. Während die Impfung nach Haffkine meist nur geringe Be- 
schwerden macht, treten bei der Schutzimpfung mit Pestserum öfters Allge- 
meinstörungen empfindlicherer Art auf. 

Dagegen ist über die Anwendung des Pestserums zur Behandlung 
der Pest noch einiges zu erwähnen. Seit Jahren hat Choksy, der Leiter 
des Bombayer Pesthospitals, die Behandlung mit Pestseris der verschiedensten 

Herkunft ausprobiert. Neuerdings wendet er nur noch das Pariser Pestserum 
an; während er günstige Erfolge in einer Reihe von Berichten veröffentlichte, 
wurde von anderer Seite dem Pestserum jeder günstige Einfluss abgestritten. 

Choksy dürfte wohl damit Recht haben, dass die meisten Fälle erst in 
einem späteren Stadium der Erkrankung zur Behandlung kommen und deshalb 
die Serumtherapie von vornherein weniger Erfolg verspricht. Bei Kranken, 

die am ersten oder zweiten Tage zur Behandlung kamen, sah er bei der Serum- 
behandlung raschen Abfall der Temperatur, Steigerung des Blutdrucks und in 
vielen Fällen Genesung. Am besten waren seine Erfolge bei Patienten der 
besseren Klassen. Choksy behandelt jetzt mit äusserst grossen Dosen, die 
jedoch im Verhältnis meist nur geringe Nebenerscheinungen machen. Um ein 
Beispiel anzuführen, gibt er bei Fällen, die am ersten Tage zur Behandlung 
kommen, 100 cem, nach 6 oder 8 Stunden wieder 100 und eventuell noch 
ein drittes Mal 100, die beiden nächsten Tage daun noch 50 bezw. 20 cem; 
im ganzen also 270—370 ccm. 

Es ist bewunderungswert, dass Choksy trotz des Widerstandes von amt- 
licher Seite seit Jahren die Serumtherapie so tapfer verficht, und wenn dies 


1376 Ditthorn u. Gildemeister, 


gerade der in der Pest vielleicht erfahrenste Kliniker tut, so wird seinen 
Beobachtungen doch ein gewisser Wert beizumessen sein und tatsächlich bei 
frühzeitiger Behandlung ein günstiger Einfluss des Pestserums bestehen. 

Wenn ich in vorstehendem auch nicht viel wirklich Neues, wie es viel- 
leicht aus dem Titel meines Vortrages erwartet werden konnte, brachte, s0 
glaube ich doch, dass einiges, so insbesondere die scheinbare Bedeutung der 
Uebertragung durch Flöhe und der Stand der specifischen Therapie, von 
Interesse für Sie war. Alles in allem aber muss nochmals gesagt werden, 
dass von einer wesentlichen Abnahme der Pestepidemie in Indien 
keine Rede sein kann und dass, solange nicht strengere Mass- 
nahmen allgemein hygienischer Natur unter Organisation und 
Leitung für das ganze Land getroffen werden können, auch 
der indische Pestherd mit seinen Gefahren für alle anderen Länder bestehen 
bleiben wird. 


(Aus dem königl. hygienischen Institut Posen. 
Direktor: Prof. Dr. E. Wernicke.) 


Eine Anreicherungsmethode für den Nachweis von Typhusbacillen im Triak- 
wasser bei der chemischen Fällung mit Eisenoxychlorid. 
Von 
Dr. F. Ditthorn, und Dr. E. Gildemeister, 


Assistenten am Institut. Oberarzt beim Grenadierregiment No. 6, 
kommandiert zum Institut. 


Die bisher bekannten Methoden, Typhusbacillen im Wasser nachzu- 
weisen, versagen trotz der erheblichen Verbesserungen, die Ficker!) durch 
die Fällung mit Eisensulfat und ganz besonders O. Müller?) mit Eisen- 
oxychlorid erreicht häben, gerade in denjenigen Fällen, in denen die Typhus- 
keime in geringer Anzahl im Wasser enthalten sind. 

Bei den Versuchen Müllers war die höchste Verdünnung, bei welcher 
der Nachweis der Typhuskeime noch mit Sicherheit zu führen war, 1/10900 Oese 
in 3 Liter Leitungswasser, was nach Müllers Berechnung einer Anzahl von 
750 Keimen entsprechen würde. Nieter konnte bei seiner Nachprüfung des 
Müllerschen Verfahrens den Nachweis von Typhusbaecillen mit Sicherheit nur bis 
zu einer Verdünnung von !/soooo Oese führen). Die Menge der in den ver- 
schiedenen Wässern und ganz besonders in den einzelnen Wasserproben vor- 
kommenden Typhuskeime unterliegt wohl erheblichen Schwankungen, so das 
ein geringerer Gehalt als 750 Keime die Regel sein dürfte. Die in der Wasser- 


1) Ficker, Diese Zeitschr. 1904. No. 1. 

2) O. Müller, Ueber den Nachweis der Typhusbacillen im Trinkwasser mittels 
chemischer Fällungsmethoden, insbesondere durch Fällung mit Eisenoxychlorid. Zeit- 
schr. f. Hyg. 1905. Bd. 51. 

3) Nieter, Ueber den Nachweis von Typhusbacillen im Trinkwasser durch 
Fällung mit Eisenoxychlorid. Diese Zeitschr. 1906. No. 2. 


Eine Änreicherungsmethode für den Nachweis von Typhusbac. im Trinkwasser. 1377 


probe enthaltenen Typhuskeime begegnen nun auf dem Transporte zur Unter- 
suchungsaustalt durch das Wachstum resp. durch die Ueberwucherung der 
gewöhnlichen Wasserbakterien stark schädigenden Einflüssen, die leicht das 
Absterben einer Anzahl von Typhusbacillen veranlassen können. 

Da nun aber nach dem Müllerschen Verfahren von diesen durch die eben 
angeführten Schädigungen bereits reducierten Typhusbacillen nur eine stark 
verminderte Anzabl für den Nachweis herangezogen werden kann, und hiervon 
wieder nur der 8. Teil des die Typhusbacillen enthaltenden Eisenniederschlages, 
der nach unseren Versuchen selbst wieder schädigend wirkt, verwendet wird, 
so ist es leicht erklärlich, dass bei einem Gehalt der Wässer an Typhus- 
keimen über 1/10000 Oese die Methode versagt. 

Dieser grosse Verlust von Typhuskeimen, die zum Nachweis in Betracht 
kämen, einerseits, wie die noch hinzutretenden verschiedenen schädigenden 
Einfüsse andererseits haben uns veranlasst, Versuche mit einer neuen Methode 
anzustellen, durch die es ermöglicht werden sollte, nicht nur die gesamte 
Anzahl der im Niederschlag vorbandenen Keime für das Kulturverfahren in 
Anwendung zu bringen, sondern auch noch die bei weitaus höheren Ver- 
dünnungen vorhandenen wenigen Keime durch ein Anreicherungsverfahren zur 

erbeblichen Vermehrung zu veranlassen und so die Möglichkeit zu schaffen, 
die Typhusbacillen, wenn auch nur in ganz verschwindend geringer Menge 
einmal im Eisenniederschlag gefasst, bierdurch mit bedeutend vermehrten 
Chancen auf die Drigalskiplatte zu bringen. 

Während der im vergangenen Jahre in Posen in den Monaten Juli bis 
Oktober aufgetretenen Typhusepidemie wurden im hiesigen Institut zahlreiche 
Typhusuntersuchungen ausgeführt, von denen besonders die bereits im 1. Er- 
gänzungsheft zu Kolle-Wassermanns Handbuch der pathogenen Mikroorga- 

nismen!) aufgenommene Mitteilung Erwähnung verdient, dass fast in allen 
Gallenblasen von Typhusleichen Typhusbacillen in Reinkultur gefunden 
wurden. Unsere damals schon angestellten Versuche, die Gallenflüssigkeit als 
Nährboden für Typhusbacillen in irgend einer Weise zu benutzen, ergaben bei 
Verwendung von einem kombinierten Gallenagar sehr gute Resultate. Infolge 
der aus Russland in die Provinz eingeschleppten Cholera und den direkt sich 


anschliessenden Genickstarreuntersuchungen wurde das Institut derart mit 
überhäuft, dass wir nicht in der Lage waren, unsere 


Untersuchungstätigkeit 
Arbeiten in dieser Richtung fortzusetzen. Neuerdings wurde nun von Kayser- 


Conradi?) die Gallenflüssigkeit als ausgezeichnetes Anreicherungsmittel zum 
Nachweis von Typhusbacillen im Blute von Typbuskranken verwendet, eine 
die zur Zeit im Institut einer Nachprüfung unterzogen worden ist 


Jethode, 

nd über deren günstiges Ergebnis demnächst eine Mitteilung erfolgen wird. 
Bei der nun erfolgten Wiederaufnahme unserer Arbeiten, Galleflüssigkeit 

r Verbesserung der bakteriologischen Typhusdiagnose zu verwenden, hatten 


1) Thomas und Angenete, 1. Ergänzungsheft zum Handbuch der Mikroorga- 


men von Kolle-Wassermann. S. 202. 
2) Kayser, Münch. med. Wochenschr. No. 17 u. 18. 


98 


1378 Ditthorn u. Gildemeister, 


wir die Absicht, vorerst den Nachweis der Typhuskeime im Wasser zu ver- 
bessern, was nach den nun folgenden Versuchen gelungen sein dürfte. 

Von der bisher von O. Müller erreichten Grenze des Nachweises von 
Typhusbacillen bei einem Gehalt von 1/10000 Oese in 8 Liter Wasser (Posener 
Leitungswasser mit einem Keimgehalt von 60—100 und 200 Keimen pro ccm) 
ausgehend, ist es uns durch die Anreicherung des gesamten Eisenniederschlages 
in Galle möglich gewesen, noch eine Einsaat von nur 1/100000000 Oese nach- 
zuweisen und zwar noch in einer grossen Anzahl von Typhuskolonien. 

Unser Verfahren beruht darauf, ganz in derselben Weise wie Müller das 
Wasser mit Eisenoxychlorid zu fällen und durch ein steriles Filter zu 
filtrieren. Im Gegensatz zur bisherigen Methode, die nun sofort einen Teil 
(also höchstens ein Achtel) des Niederschlages zum Ausstrich auf Drigalski- 
platten bringt, verarbeiten wir den ganzen auf dem Filter befindlichen Nieder- 
schlag in der Weise, dass wir ihn in ca. 100 cem sterile Rindergallenflüssigkeit 
bringen, was sich sehr leicht durch Aufgiessen der Galle auf das Filter und 
Abkratzen der Filterwandungen mit einer sterilen Gummifahne und nachheriges 
Durchstechen des Filters erreichen lässt. Der so in der Gallenflüssigkeit 
befindliche Niederschlag wird 24 Stunden zur Anreicherung in den Brutschrank 
bei 3700. gebracht, und nach dieser Zeit wird ca. 1 ccm Gallenflüssigkeit 
auf Platten verstrichen. Bei böheren Verdünnungen als 1/3 000000 Oese empfiehlt 
es sicb, die Anreicherung 48—72 Stunden vor sich gehen zu lassen; bei 
längerer Anreicherung tritt Schädigung ein. Erforderlich ist möglichst steriles 
Arbeiten. Bei Verwendung von nicht sterilen Filtern fielen die sonst sehr 
günstigen Resultate entweder negativ oder nur sehr spärlich positiv aus. 

Folgende Zusammenstellung gibt einen Ueberblick über die durch die 
Gallenanreicherung erzielten Erfolge; in Arbeit genommen wurden stets 
3 Liter Posener Leitungswasser, das nach der Einsaat mit der nötigen Menge 
Typhusbacillen (24 stündige Kultur) mit 10 ccm 5 proz. Sodalösung alkalisiert 
und dann mit 5 ccm Eisenoxychlorid gefällt wurde. Von allen Verdünnungs- 
reihen wurden mehrere Versuche angestellt, die stets pusitives Resultat ergaben. 
aber in der Anzahl der gewachsenen Typhuskolonien erhebliche Schwankungen 
zeigten. 

Einsaat 1/10000 Oese, 24 stündige Anreicherung in 100 cem Galle. 
Platte I ist unbrauchbar, da ganz dicht bewachsen, ein vollständig blauer 
Rasen. Platte II enthält ganz dicht blaue Kolonien, die sich alle als Typhus 
erwiesen. Platte III der Verdünnung entsprechend weniger, aber immerhin 
noch zahllose Typhuskolonien. 

Nach 96 stündiger Anreicherung sind auf der Platte III nur nech 
80—100 Typhuskolonien erkennbar. Platte I und II rasenartig bewachsen. 
grosse blaue Stellen. Bei dieser Verdünnung wie bei denen bis zu 1/; 000000 Oese 
genügen 24 Stunden Anreicherung vollständig. 

Einsaat 1/20000 Oese, 24 stündige Anreicherung in 100 ccm Galle. 

Auf Platte I, II und IlI sind zahlreiche Typhuskolonien, die im Vergleich 
zu den anderen auf den Platten gewachsenen Kolonien weitaus in der Ueber- 
zahl sind. 

Einsaat Y/gooooo Qese, 48 stündige Anreicherung in 100 cem Galle. 


Eine Anreicherungsmethode für den Nachweis von Typhusbac. im Trinkwasser. 1379 


Versuch 1. Sehr viele Typhuskolonien, die in ihrem Aeusseren nicht 
sehr typisch aussehen, durch die Agglutination und Kultur aber als Typhus- 
bacillen identificiert werden. Es hat den Anschein, dass die Typhusbacillen 
durch den Aufenthalt in Wasser und durch die Anwesenheit von Eisenoxyd- 
chlorid verschiedentlich eine Einwirkung erfahren, die ein verändertes Aus- 
sehen der Kolonien bedingt. 


Versuch II. Auf den drei Platten sind schätzungsweise der sechte bis_ 


siebente Teil aller Kolonien Typhuskolonien. Die Kolonien sind durchweg in 
ihren Randpartien glasig durchsichtig, während nur die Mitte bläulich gefärbt 
erscheint. Der Rand der Kolonie ist etwas eingezähnt. 

Einsaat !/jooooo Oese, 48 stündige Anreicherung in 100 ccm Galle. 

Auf den beiden ersten Platten waren infolge zu dichten Wachstums 
Typhuskolonien sehr schwer zu erkennen; auf Platte III fanden sich noch 
60—70 Typhuskolonien. 

Einsaat !/sooooo Oese, 24 stündige Anreicherung in 100 ccm Galle. 

Platte I und II dichter blauer Rasen. Platte III jede dritte oder vierte 
Kolonie ist Typhus. 

Einsaat !/gooooo Oese, 24 stündige Anreicherung in 100 ccm Galle, 

Gleiches Resultat wie bei Y/soooo0 Oese. f 

Einsaat !/gooooo Oese, 48 stündige Anreicherung in 100 cem Galle. 

Platte I bläulicher Rasen, Platte II und III enthalten Typhuskeime in 
Ueberzahl. 

Einsaat A/,ooo0oo Oese, 24 stündige wie 48 stündige Anreicherung in 
100 cem Galle zeigen auf den Platten zahlreiche Typhuskolonien. 

Einsaat 1/10000000 Qese 48 ständige Anreicherung in 100 ccm Galle. 

Platte I unbrauchbar; auf Platte II, III und IV besteht der vierte Teil 
aller gewachsenen Kolonien aus Typhuskolonien; auch hier ist das Aeussere 
der Kolonien etwas verändert in der bereits beschriebenen Form. 

Einsaat !/,oooooooo Oese, 48 stündige Anreicherung in 150 ccm Galle. 

Platte I unbrauchbar; auf den weiter angelegten drei Platten waren noch 
in reichlicher Anzahl Typhuskolonien gewachsen. Zu erwähnen ist noch, 
dass die Typhusbacillen etwas länger ausgewachsen waren, ähnlich wie sie es 
bei niederer Temperatur auf Gelatine und Kartoffeln tun. 

Durch diese hier angeführte Anreicherungsmethode des ganzen Eisen- 
niederschlages mit Gallenflüssigkeit dürfte eine erhebliche Verfeinerung im 
Nachweis von Typhusbacillen im nicht zu keimhaltigen Wasser erreicht sein. 

Versuche, die wir mit Warthewasser, das gegen 3—4000 Keime in 1 ccm 
enthält, machten, ergaben negative Resultate. Fine längere Anreicherung 
als 72 Stunden ist im allgemeinen selbst bei ganz hohen Verdünnungen 
nicht nötig, eher schädlich. 

Sowohl über die Anwendung der Methode bei stark keimhaltigen Wässern, 
wie über die Ausschaltung des Eisenoxychlarids als Fällungsmittel, hoffen wir 
demnächst weitere Mitteilungen machen zu können, denn wie unsere Ver- 
suche ergaben, wirkt der Eisenoxychloridniederschlag entwickelungshemmend 
auf die Typhuskeime ein. Ein Aufenthalt der Typhuskeime im Niederschlag 


93° 


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1380 Infektionskrankheiten. 


von 48 Stunden hatte zur Folge, dass trotz Gallenanreicherung nicht eine 
Typhuskolonie gewachsen war. 

Die von uns verwendete Oese enthielt, wie mehrere Zählungen ergaben, 
eine Milliarde Keime, so dass in einer Verdünnung von einer hundertmillionstel 
Oese noch 10 Typhuskeime enthalten waren. 


Kraus R. und Dörr R., Ueber experimentelle Therapie der Dysenterie. 
Aus dem staatl. serotherapeut. Institut in Wien. Wien. klin. Wochenschr. 
1905. S. 1077. 

Die Autoren konnten die von Lentz und Martini festgestellte Verschie- 
heit des Shiga-Kruseschen und des Flexnerschen Dysenteriebacillus 
durch Agglutinations- und Präcipitationsversuche bestätigen. Des weiteren er- 
gab sich, dass diese beiden Bacillenarten sich hinsichtlich der Giftbildung 
verschieden verhalten. In Uebereinstimmung mit Rosenthal und Todd 
finden die Autoren, dass die Dysenteriebacillen vom Typus Shiga-Kruse in 
Bouillonkulturen lösliche Gifte bilden. Filtrate von 8—10 tägigen Bouillon- 
kulturen töten Kaninchen — intravenös injiciert — in Mengen von 0,01 bis 
0,115 ccm, während das Gift bei subkutaner Einverleibung wirkungslos ist. 
Das Meerschweinchen ist gegenüber dem Gift unempfindlich. 

Gleich wirksame Gifte erhält man durch Schütteln von 24 stündigen Agar- 
kulturen mit Kochsalzlösung. Ausserdem findet sich in den Leibern der Bakterien 
ein Gift, das äholiche Erscheinungen hervorruft, aber nicht nur gegen Kaninchen. 
sondern auch gegen Meerschweinchen wirksam ist. 

Klinische Erfahrung und Tierversuche sprechen dafür, dass es sich bei 
der durch den Shiga-Kruseschen Bacillus hervorgerufenen Dysenterie um 
eine lokalisierte Darmaffektion handelt. Die Erkrankung wäre demnach als 
Intoxikation, hervorgerufen durch die an Ort und Stelle producierten Gifte. 
aufzufassen. 

Deshalb, so betonen D. und K., scheinen die Bestrebungen Kikuchis, die 
Dysenterie durch Sera mit sogenannten antiaggressiven Wirkungen zu be- 
kämpfen, verfehlt, wofür auch die günstigen Erfolge sprechen, die bei diesen 
Dysenterieformen mit antitoxischem Serum erzielt wurden. 

Was endlich den Bacillus Flexner betrifft, so konnten die Autoren aus 
dessen Kulturen bisher niemals typische lösliche Gifte gewinnen. Diese Bacillen 
verhielten sich demnach wie Typhusbacillen und Choleravibrionen. Auf diesen 
grundlegenden Unterschied in dem Verhalten der beiden Dysenteriebacillenarten 
sei in Zukunft bei therapeutischen Versuchen Gewicht zu legen. 

Eine Einsichtsnahme in die vorliegende Literatur macht es nach D. und 
K. wahrscheinlich, dass das von Shiga und Kruse hergestellte angeblich 
antiinfektiöse Serum auch antitoxische Eigenschaften . besass. Die Autoren 
schildern nun genauer die Eigenschaften des auch von ihnen dargestellten 
antitoxischen Serums. 

Wichtig sei es bei der Wertbestimmung des antitoxischen Dysenterieserums. 
darauf zu achten, dass das Serum nicht nur, in vitro mit dem Gift gemischt, 


Infektionskrankheiten. 1381 


dieses neutralisiere, sondern auch im Tierversuch bei getrennter Injektion im- 
stande sei, das Gift unschädlich zu machen, da bei diesem Serum ähnliche 
Verhältnisse vorkommen, wie sie von Kraus für den Vibrio Nasik beschrieben 
worden sind, darin bestehend, dass einem bestimmten Serum neutralisierende 
Wirkung io vitro und kuraktive Wirkung keineswegs stets gleichzeitig zu- 
Grassberger (Wien). 


kommen. 


Dörr R., Ueber das sogenannte Dysenterieaggressin. Aus dem staatl. 
serotherapeut. Institut in Wien. Wien. klin. Wochenschr. 1905. S. 1093. 
Dörr greift in dieser Publikation Kikuchi an, der in seiner „Unter- 
suchung über den Shiga-Kruseschen Dysenteriebacillus“ (Zeitschr. f. Hyg. 
u. Infektionskrankh.) die Giltigkeit der Bailschen Aggressintheorie für die 
Infektion mit Rubrerregern zu beweisen suchte. 

Wenn Kikuchi durch die intraperitoneale Injektion von toluolisiertem 
Peritonealexsudat, das von Meerschweinchen stammte, die mit wenig virulenten 
Shiga-Kruse-Bacillen injiciert worden waren, akut tödliche Wirkung hervor- 
rufen konnte, so sei damit keineswegs bewiesen, dass der Tod der Versuchs- 
tiere auf Gegenwart von Aggressin im Sinne Bails zurückzuführen war. 

Es komme zunächst in Betracht, dass die Virulenz der Ruhrerreger bei 
intraperitonealer Applikation gegenüber Meerschweinchen viel zu schwankend 
sei, auch wenn immer der gleiche Stamm zur Verwendung kommt, als dass 
sich mit solchen Versuchen sichere Resultate erzielen liessen. 

Ferner legen die ausserordentlich wechselnden Wirkungen, welche die 
Injektion der durch Toluol sterilisierten Exsudate in den Kikuchischen Ver- 
suchen hervorriefen, den Gedanken nahe, dass auch die ungenügende Ent- 
fernung des Toluols an dem Tode manches Versuchstieres beteiligt gewesen sei. 

Dörr wirft Kikuchi vor, dass er in seiner Arbeit eine Reihe von Arbeiten, 
die über Natur und Bedeutung des Dysenterietoxins bereits vorlagen, nicht 
berücksichtigt habe, wenn er behaupte, „dass ein lösliches Gift des Dysenterie- 
bacillus noch nicht bekannt sei“. Im übrigen sei es nicht statthaft, auf Grund 

von Infektionsversuchen an Meerschweinchen irgend welche Schlüsse auf die 
Pathologie der menschlichen Dysenterie zu ziehen, die „nach ihrer Genese 


keine Infektion im engeren Sinne, sondern eine Intoxikation darstelle.“ 
Grassberger (Wien). 


Legrand, Hermann und Axisa, Edgar, Ueber Anadrobien im Eiter dysen- 
terischer Leber- und Gehirnabscesse in Aegypten. Deutsche med. 
Wochenschr. 1905. S. 1959. 

Bei 4 Kranken mit Leberabscessen nach Ruhr, von denen 2 zugleich 
Gebirnabscesse hatten, konnten die Verff. im Eiter aller dieser Abscesse 
ana@robische Bakterien verschiedener Art nachweisen. Ausserdem wurden 
in einem Gehirnabscess Amöben, in einem Leberabscess aärobische Bak- 


:erien gefunden. Globig (Berlin). 


1382 Infektionskrankheiten. 


Zucker K., Ueber das Auftreten der Diphtherie im letzten De- 
cennium und ihre Sterblichkeitsverhältnisse. Aus d. k. k. Univ.- 
Kinderklinik in Graz. Wien. klin. Wochenschr. 1905. S. 1147. 

Es wurde von einigen Autoren behauptet, dass die seit Einführung der 
antitoxischen Diphtherietherapie beobachteten Erfolge durch eine zufällige 
synchrone Veränderung des Genius epidemicus vorgetäuscht seien. 

Scheinbar hierfür spricht die von Z. auch für das Grazer Kinderspital 
festgestellte Tatsache, dass die Gesamtletalität der wegen Diphtherie aufge- 
nommenen Kinder auch nach der Einführung der Serotberapie fast ununter- 
brochen weiter abgenommen hat. 

Aus einer Zusammenstellung der in Steiermark in den letzten 10 Jahren 
specifisch und nicht specifisch bebandelten Individuen sucht der Autor zu 
beweisen, dass der Krankheitscharakter der Diphtberie sich im letzten De- 
cennium nicht wesentlich geändert hat und demnach auch die seit 1896 
konstant erfolgende weitere Abnahme der Mortalität der in dem Spital 
aufgenommenen Diphtheriekranken nicht auf eine solche Veränderung des 
Genius epidemicus bezogen werden dürfe, sondern vielmehr auf die günsti- 
geren Ergebnisse der seither vervollkommneten Croupbehandlung zurückzu- 
führen sei. Grassberger (Wien). 


Fürst L., Genickstarre. Schumanns Medizin. Volksbücher. Bd. 44. Leipzig 
1905. Wilhelm Schumann Nachf. 49 Ss. kl. 8°. Preis: 1,50 N. 

In gemeinfasslicher Darstellung werden in neun Abschnitten besprochen: 
Klinischer und anatomischer Begriff, verschiedene ähnliche Formen, Kennzeichen 
und Verlauf der epidemischen Genickstarre; die Hirn- und Rückenmarks- 
häute; ferner: die Bakterien, Erkennung, Ausgänge, Ursachen, Behandlung und 
Vorbeugung. Sechs Holzschnitte im Texte veranschaulichen einen Querschnitt 
der Rückenmarkshäute, Kokken bei seröser Hirnhautentzündung, Pneumonie- 
Diplokokken, Duralsack eines Kindes und Instrumentarium zur Lumbalpunktion. 

Gegen die Darstellung wird sich wenig einwenden lassen, wenn man zu- 
gesteht, dass die Nichtärzte sich selbst für eine Krankheit von verhältnis- 
mässiger Seltenheit, wie die Cerebrospinalmeningitis, eine Einzelschrift kaufen 
und studieren sollen. Unzweckmässig erscheint die Wahl der Abbildungen. 
Zwei Bilder desselben Diplokokkus in verschiedener, nicht bezifferter Ver- 
grösserung (Fig. 3 und 4 auf S. 26 und 27) dürften den Nichtarzt verwirren. 
Unverständlich bleiben diesem die 10 lateinischen Bezeichnungen (wovon sechs 
zum Teil mehrfach abgekürzt sind) des ohnehin nicht ohne weiteres zu 
deutenden, anatomischen Situsbildes der Lumbalpunktion (Fig. 5 auf S. 40 
und 41). Die dem letzten Preisverzeichnisse des medizinischen Warenhauses 
entnommene Zeichnung eines Punktions-Instrumentariums (Fig. 6 auf S. 45) 
kann den Laien kaum belehren, um so weniger, als bei der Erwähnung der 
Nadelstärke (S. 44) cm und mm verwechselt sind. Eine derartige Einzel- 
empfehlung dürfte in einer volkstümlichen Schrift ebenso wenig ratsam sein, 
wie die Benennuug eines einzelnen, neuen Desinficiens, Therapogen (S. 40 und 
47), obwohl sich gegen dieses, insbesondere als Desodorans nichts einwenden 
lässt. Helbig (Radebeul). 


Infektionskrankheiten. 1383 


Kalberlah Fr., Zur bakteriologischen Diagnose des Weichselbaum- 
schen Meningokokkus. Berl. klin. Wochenschr. 1905. S. 1491. 

Der bakteriologische Nachweis von Meningokokken in der Lumbal- 
flüssigkeit ist in vielen Fällen von epidemischer Genickstarre weder kulturell 
noch mikroskopisch zu erbringen bei sonst klarer klinischer Diagnose. Um 
die Ursachen dieser Misserfolge zu ergründen, untersuchte Verf. die Bedin- 
gungen für den kulturellen und mikroskopischen Nachweis der Meningokokken 
bei einem zur Beobachtung gelangten Krankheitsfall. Bei 3 Punktionen ge- 
lang der Nachweis mikroskopisch sofort nach der Entnahme niemals, 
kulturell aber in jedem Falle. Nach 14—26 stündigem Stehen der Lum- 
balflüssigkeit im Eisschrank, bei Zimmertemperatur oder bei 37° fiel jedoch das 
kulturelle Ergebnis stets negativ aus, ebenso die mikroskopische 
Untersuchung mit Ausnahme des letzten Versuches, wo die Probe bei 37° aufbe- 
wahrt wurde. Hier wurden reichliche gramnegative, intracelluläre Diplo- 
kokken gefunden. Die Punktionflüssigkeit muss also sofort verarbeitet werden. 
Verf. empfiehlt deshalb die Spinalflüssigkeit sofort in Röhrchen mit 
Löfflerschem Serum aufzufangen und vor weiterer Abkühlung zu schützen. 
Ferner ist die mikroskopische Untersuchung sowohl frisch als auch vor 
allem nach 12—14 stündiger Anreicherung im Brutschrank vorzu- 
nehmen. Baumann (Metz). 


Jochmann, Beiträge zur Kenntnis der Influenza und Influenza- 
bacillen. Deutsches Arch. f. klin. Med. Bd. 54. H. 5 u. 6. 

Verf. führt den Nachweis, dass der Influenzabacillus keineswegs 
absolut specifisch für die epidemische Influenza ist. Denn er wird gelegent- 
lich als Schmarotzer auf den Tonsillen gefunden, sowohl bei Gesunden wie 
im Verlaufe von Infektionskrankheiten, ferner in den Kavernen der Phthisiker 
und Bronchiektasen, ohne dass dadurch das Krankheitsbild irgendwie be- 
einflusst zu werden brauchte. Er vermag ferner bei Erwachsenen sowohl wie 
besonders im Kindesalter leichtere und schwerere katarrhalische Bronchitiden 
und lobulär-pneumonische Processe auszulösen, ohne dass die klinische Diagnose 
Influenza in Betracht käme. 

Beim Keuchhusten findet man ein von dem Pfeifferschen Bacillus weder 
morphologisch noch biologisch zu unterscheidendes Stäbchen, so dass man es mit 
Wahrscheinlichkeit als ein auslösendes Moment des Hustens ansprechen kann. 
Bei der endemischen Influenza wird der Influenzabacillus nur seltener noch 
in derselben Menge und Regelmässigkeit getroffen wie bei der Pandemie und 
den grossen Nachzüglerepidemien. Es ist daher wahrscheinlich, dass er nicht 
der ausschliessliche Erreger der endemischen Grippe ist, sondern dass noch 
andere Mikroorganismen in Betracht kommen. 

O. Baumgarten (Halle a. S.). 


Proohnik L. J., Choleravibrionen ohne Cholera. Wien. klin. Wochenschr. 
1905. S. 1001. 

In der vorliegenden Publikation beschäftigt sich der Autor, der in den 

letzten 2 Jahren als österr.-ungar. Konsul in Djeddah die sanitären Zustände 


Zu Mieg a pea En rn a 


ehe 


x 


1384 Infektionskrankheiten. 


der passierenden Mekkapilger zu überwachen hatte, mit einer Kritik der über- 
raschenden Befunde) von Felix Gotschlich, welcher in den Monaten März 
bis Mai 1905 107 Leichen von in „El Tor“ an Colitis bezw. Dysenterie ver- 
storbenen Mekkapilgern obduciert, und hierbei in 6 Fällen trotz mangelnder 
Symptome von Cholera echte Choleravibrionen im Darm gefunden batte. 
Dies musste um so auffallender erscheinen, als während der ganzen diesjährigen 
Pilgerperiode kein einziger choleraverdächtiger Fall in der ganzen arabischen 
Provinz El Hedjaz beobachtet werden konnte. Gotschlich stellte die Hypo- 
these auf, dass es sich in den fraglichen Fällen um latente Cholera handelte, 
und suchte diese Annahme dadurch zu begründen, dass die betreffenden Pilger 
im Gegensatz zu anderen obducierten, bei welcher keine Choleravibrionen 
aufgefunden werden konnten, aus Gegenden stammten, in denen derzeit Cholera 
herrschte. Prochnik zeigt unter eingehender Analyse der Tabellen Got- 
schlichs, dass die einfache Erklärung, welcher dieser für den auffälligen 
Befund gibt, keineswegs einwandsfrei ist. Man sei derzeit nicht berechtigt, 
den vorliegenden Sachverhalt mit den bisher bekannten epidemiologischen 
Tatsachen in Einklang zu bringen sind, und müsse bis auf weiteres die Frage 
in suspenso lassen. Grassberger (Wien). 


Kraus R. und Pribram E., Zur Frage der Toxinbildung des Cholera- 
vibrio. Vorläufige Mitteilung aus dem staatl. serotherapeut. Institut in Wien. 
Wien. klin. Wochenschr. 1905. S. 989. 

Da die seinerzeit von Ransom, Metschnikoff, Roux und Salimbeni 
gemachten Angaben über das Vorhandensein löslicher Giftstoffe in Cholera- 
kulturen von anderen Autoren nicht bestätigt werden konnten, nimmt man 
heute im allgemeinen den Standpunkt Pfeiffers ein, nach welchem der 
Choleravibrio keine löslichen Giftstoffe produciert. Dies müsste um so 
auffallender erscheinen, als nach den Untersuchungen von Kraus bei einem 
anderen Vibrio (Vibrio Nasik) sich mühelos ein lösliches Toxin darstellen 
lässt. Nach den bisherigen Erfabrungen schien es weiter, als ob für echte 
Choleravibrionen der Mangel einer nachweisbaren Hämolysinbildung bis zu einem 
gewissen Grade charakteristisch sei. Die Verff. konnten sich nun dürch eigene 
Untersuchungen davon überzeugen, dass in den Bouillonkulturen von sechs 
sicheren Cholerastämmen, die von Gotschlich aus dem Darminhalt von 
Mekkapilgern (siehe vorhergeh. Referat) gezüchtet worden waren, nicht nur 
Hämolysine, sondern auch lösliche Toxine enthalten waren, welche nach Art 
der Gifte des Vibrio Nasik, Kaninchen in der Menge von 0,1 ccm injiciert, 
diese akut töten. Die Giftlösungen zeigen auch in Rücksicht auf ihr Verhalten 
gegenüber normalem Serum (langsame Bindung) ein ähnliches Verhalten, wie 
dies für den Vibrio Nasik festgestellt worden war. Die Verff. ziehen aus ihren 
Untersuchungen den Schluss, dass die Frage nach dem Vorhandensein löslicher 
Gifte in Choleravibrionenkulturen neuerdings mit Sorgfalt studiert werden muss. 
Möglicherweise stehe das im vorliegenden Falle abweichende Verhalten der 
Choleravibrionen in Zusammenhang mit einem abweichenden klinischen bezw. 
pathologisch-anatomischen Verlauf. Grassberger (Wien). 


Infektionskrankheiten. 1385 


Friedborger E. und Luerssen A., Zur bakteriologischen Choleradiagnose 
Aus d. hygien. Institut d. Univ. in Königsberg i. Pr. Deutsche med. Wochen- 
schr. 1905. S. 1597. 

Die Verff. berichten über die von ihnen während der Choleraepidemie 
von 1905 gemachte Beobachtung, dass junge frisch von Cholerakranken 
oder -leichen gezüchtete Agarkulturen durchgehends bei Aufschwemmung 
in physiologischer Kochsalzlösung sofort und stark ausgeflockt wurden. 
Sie bezeichnen diese Erscheinung als „Pseudoagglutination, weil sie bei im 
Brütschrank (370) gehaltenen Kulturen nach 5—8 Stunden stets vorhanden war, 
aber bei manchen nach 11—12 Stunden, bei einzelnen erst nach 14—15 Stunden 
verschwand und nach 18—26 Stunden nie mehr beobachtet wurde. In Auf- 
schwemmungen mit destilliertem Wasser fehlte sie stets, bei Verdünnung der 
Kochsalzlösung nahm sie in entsprechendem Masse ab. Bei Fortzüchtung der 
Kulturen verschwand sie allmählich und ältere Laboratoriumskulturen zeigten 
sie niemals. 

Um den hierdurch bedingten Zeitverlust von 7—10 Stunden bei der 
Choleradiagnose zu vermeiden, haben die Verff. regelmässig mit 7stün- 
digen Agarkulturen den Pfeifferschen Versuch angestellt, der nach der 
amtlichen „Anleitung für die bakteriologische Feststellung der Cholera“ nur 
für die ersten an einem Ort auftretenden Fälle vorgeschrieben ist. Sie em- 
pfehlen, dass ihr Verfahren auch in den Dienstvorschriften berücksichtigt werde. 

Globig (Berlin). 


Böhme A., Zur Technik der bakteriologischen Cholerauntersuchung. 
Aus d. Kgl. Institut f. experimentelle Therapie in Frankfurt a. M. Deutsche 
med. Wochenschr. 1905. S. 1598. 

Um die bei der Färbung mikroskopischer Cholerapräparate mit Karbol- 
fuchsin oft störende Mitfärbung des Untergrundes zu vermeiden, 
empfiehlt der Verf. die zuerst von M. Neisser angegebene vorherige Behand- 
lung der in der Flamme fixierten Präparate mit alkoholischer Jodlösung 
(1 Teil Tinctura Jodi—+9Teile 98 v.H. Alkohol). Globig (Berlin). 


Luerssen R., Die Cholera, ihre Erkennung und Bekämpfung. Ein 
Erfolg der modernen Naturforschung. Gemeinverständlich dargestellt. 
Berlin o. J. Verlag von Julius Püttmann. 48 Ss. 120. Preis: gebunden 
0,70 M. 

Das Bändchen bildet einen Teil der „Kollektion Püttmann“ und schildert 
die Geschichte der Oholeraepidemien, sowie die Pathologie, Aetiologie, The- 
rapie, Prophylaxis und Diagnose dieser Krankheit in zweckmässiger, auf das 
Laienverständnis berechneter Schreibweise. Zwei Abbildungen im Texte (S. 13) 
veranschaulichen die Vibrionen der Cholera in der Vergrösserung von 1:2000 
und 1:4000. Von den zahllosen Veröffentlichungen über den gleichen Gegen- 
stand zeichnet sich die vorliegende durch Aufnahme eines Abschnittes über die 
Serumdiagnose, als des anscheinend zuverlässigsten Unterscheidungsmittels, 
aus. Die sorgsame und wohlgelungene Arbeit verdient die Wertminderung, 
welche in der Verschweigung des Erscheinungsjahres auf dem Titelblatte liegt, 

99 


1386 Infektionskrankheiten. 


keineswegs. Die häufigen Sperrungen des Drucksatzes sind zwar zeitgemässer, 
aber für die Uebersichtlichkeit weniger zuträglich, als die vom Verlage durch 
einen unschönen Zierrat unzulänglich ersetzten Kapitelüberschriften gewesen 
wären. Helbig (Radebeul). 


Chantemesse A. et Borei Fr., Mouches et Cholera. Paris 1906. I.-B. 
Bailliere et fils. 95 pp. 8°. 1,50 Fres. 

Eine epidemiologische Studie auf Grund unserer neueren wissenschaft- 
lichen Erkenntnisse über die Cholera. Nach einer genauen Schilderung der 
einzelnen Züge, welche die Cholera seit ihrem ersten Erscheinen als Seuche 
im Gangesdelta 1817 unternommen hat, verweilen die Verff. ausführlicher bei 
deren letztem Vorstoss, der von einer ausserordentlichen Zunahme der Krank- 
beit Ende 1899 und Anfang 1900 in Bombay, Calcutta und schliesslich in 
ganz Vorderindien ausging. Nach Osten breitete sie sich über Singapore bis 
Japan und die Mandschurei aus, nach Westen hin erfolgten 1900 und 1901 
Vorstösse nach Afghanistan zu Lande und auf dem Seewege nach dem Per- 
sischen Golf bis nach Basra hin, die aber eine Bedeutung für Europa zunächst 
nicht erlangten. Anfang 1902 gelangte die Seuche mit Pilgerzügen nach 
Hedschas und nistete sich dort so ein, dass seitdem mit einem ständigen 
Choleraherd zwischen Europa und Indien zu rechnen ist. Von diesem aus 
verbreitete sie sich im Laufe des Jahres 1902 über die Quarantänestation auf 
Sinai El Tor weg nach Aegypten, Palästina, 1903 nach Syrien und Mesopo- 
tamien und 1904 nach Persien, Turkmenien und Transkaukasien. Anfang 1905 
bat sie die Grenze des asiatischen Russlands erreicht und ist dann in nord- 
westlicher Richtung ständig vorgerückt, wenn auch infolge der russischen Wirren 
Nachrichten darüber nicht ins Ausland gelangten. Im August 1905 erschien 
sie plötzlich auf der ganzen Westgrenze Russlands von Lemberg bis zur 
Weichselmündung. Oktober 1905 wurden vereinzelte Fälle dicht vor Berlin 
und in Hamburg konstatiert. So hat dieser neueste Zug der Cholera wieder 
gezeigt, dass wir zwar in der Lage sind, die Zahl der Fälle einzuschränken, 
aber nicht das Uebel von uns fern zu halten. Die Ursachen hierfür klarzu- 
stellen, ist der Zweck der vorliegenden Monographie. 

Bezüglich der Ausbreitungsart wird unterschieden: 

a) die Verschleppung aus einem inficierten Land auf weite Entfernung 
direkt (ohne Zwischenstation) in ein cholerafreies Land, z. B. von 
Bombay nach Marseille zu Schiff, oder von Wladiwostok nach St. 
Petersburg auf der Bahn, 

b) die Weiterverbreitung in einem eben inficierten Bezirk von einer 
Stadt auf die andere, 

c) die Ausstreuung in einer Stadt über einzelne Häuser, Familien und 
schliesslich von Individuum auf Individuum. 

Spielten für die Verschleppung der Cholerakeime auf weite Entfernungen 
Waren, Effekten und Gepäck der Schiffsbesatzung und der Passagiere eine 
Rolle, so müsste die Seuche den Dampferlinien folgen, müsste in den vielen 
europäischen Hafenplätzen auftreten, wo tausende und abertausende Colli 
aus inficierten Ländern aufgestapelt werden, und wo auch das oft aus den 


Infektionskrankheiten. 1387 


unglaublichsten Lumpen bestehende Hab und Gut eingeborener Schiffsbesatzungen 
an Land gesetzt wird, ohne einer eigentlichen Desinfektion unterworfen zu 
werden. Massregeln, die auf eine wirksame Desinfektion aller dieser Dinge hin- 
zielen, wären wegen der unvermeidlichen Schädigung des Handels mehr zu 
fürchten. als die Gefahr selbst. Für die Praxis muss auch in inficierten 
Häfen an Bord genommenes Wasser als Transportmittel für Cholerakeime 
ausgeschieden werden, denn keine einzige Schiffsepidemie kann bisher anf 
diese Quelle zurückgeführt werden. Die Beteiligung an Bord befindlicher 
Cholerakranken wird an dem statistischen Material erörtert, welches der 
sanitären Schiffskontrolle durch die ägyptische Regierung in Suez zu ver- 
danken ist. Von Mai 1900 bis December 1904 haben 4000 Schiffe mit 
200000 Mann Besatzung und 500000 Passagieren den Suezkanal in der 
Richtung nach Europa passiert. 13 von diesen hatten auf der Fahrt vor 
Suez 29 Cholerakranke an Bord gehabt — in Suez selbst sind nur 3 Kranke 
angekommen —. Diese 29 Fälle lassen sich streng in 2 Gruppen trennen, 
einmal in solche mit der normalen Inkubationszeit und dann in solche, bei 
denen die Krankheit 15—30 Tage nach dem Verlassen des infieierten Hafens 
zum Vorschein gekommen ist. Diese letzte Gruppe bildet den Uebergang 
zu den scheinbar Gesunden, die Cholerabaeillen in ihrem Darm beherbergen 
und die fast allein und ausschliesslich für die Verschleppung auf weite Strecken 
in Frage kommen. Der exakte Beweis, dass Gesunde in ihrem Darm virulente 
Kommabacillen beherbergen können, ist von Gotschlich durch systematische 
Untersuchung von in EI Tor Verstorbenen erbracht. Die Kulturen, welche 
er aus Leichen türkischer und russischer Pilger züchtete, die aus Cholera- 
bezirken kamen, aber nicht an Cholera gelitten hatten, wurden durch specifisches 
Serum bis 1:2000 agglutiniert. Durch die umfangreichen Nachprüfungen im 
Berliner Institut für Infektionskrankheiten wurden diese Stämme sämtlich als 
echte Cholerastämme identificiert. 

Diese Bacillenträger erklären die schon auf der Cholerakonferenz von 
1865 festgestellte, damals paradox erscheinende Erfahrungstatsache, dass 
die Seuche stets durch Schiffe eingeschleppt wurde, die aus infieierten Orten 
kamen, wenn diese auch während einer sehr langen Fahrzeit keinen einzigen 
Krankbeitsfall an Bord gehabt hatten. An Bord geht von diesen Bacillen- 
trägern eine weitere Infektion nicht aus, da ihre Stühle sofort dem Meere 
überantwortet werden. Gelangen sie mit der Ausschiffung im Bestimmungs- 
bafen an Land, dann setzt die Gefahr für die Umgebung ein. 

Die Weiterverbreitung in einem inficierten Bezirk ist im beschränkten 
Masse möglich, soweit als die Erreger während des Transportes vom Aus- 
gangspunkt bis zur entfernteren Stelle äusseren Einflüssen, besonders der Aus- 
trocknung widerstehen. Hier kommen auch Waren, Wäschestücke u. s. w. in 
Betracht, auch Wasser eventuell in den Speisewagen der Züge. Uebertragung 
durch Menschen erfolgt, abgesehen von den Bacillenträgero, auch durch Kranke 
im Inkubationsstadium. Im allgemeinen wird sich der Ansteckungskeim in 
einem Sprung 5 Tagereisen weit ausbreiten können; die örtliche Vorwärts- 
bewegung in diesem Zeitraum hängt lediglich von den Beförderungsmitteln 
der Gegend ab. 

9° 


1388 Infektionskrankheiten. 


Die Ansteckung im engsten Kreise geht von den bacillenbaltigen Dejekten 
aus. Aus ihnen können die Keime auf den verschiedensten Wegen in die 
Verdauungsorgane Gesunder gelangen, entweder direkt oder mittels Gegen- 
ständen, die mit ihnen in Berührung gekommen sind, am meisten wohl mit 
dem Wasser. Der Umstand aber, dass eine Reihe von Epidemien bekannt 
geworden ist, bei welchen jede Beteiligung des Wassers ausgeschlossen werden 
muss, ferner die offenkundige Beeinflussung der Epidemien durch die Tempe- 
ratur, die in den in Frage kommenden Grenzen auf die Vibrionen selbst ohne 
Einfluss ist, zwingt, für manche Fälle eine andere Uebertragungsweise anzu- 
nehmen, und zwar die durch Fliegen. Dieser Frage widmen die Verf. ein 
besonders umfangreiches und lesenswertes Kapitel. Sie zählen zunächst in 
chronologischer Reihenfolge in der Literatur veröffentlichte Fälle auf, in denen 
Fliegen oder Mücken für die Verbreitung ansteckender Krankheiten ange- 
schuldigt sind, von Ambrosius Paré 1575 beginnend; sie besprechen kurz 
die Arbeiten von Simonds und Ficker, von denen der eine 1892 für 
Cholera, der andere 1903 für Typhus unter besonderer Berücksichtigung der 
Zeitdauer die Möglichkeit der Uebertragung durch Fliegen im Laboratoriumsver- 
such festgestellt hat, ferner die Arbeit von Tzusuki, der Vibriouen an Fliegen 
nachgewiesen hat, die in einem von cholerakranken Chinesen bewohnten 
Hause gefangen waren. Verff. selbst haben von Fliegen ca. 24 Stunden, 
nachdem sie mit Reinkulturen in Berührung gebracht waren, Kolonien be- 
kommen, später nicht mehr. Eine Beschreibung der zoologischen Verhältnisse 
von Musca domestica nach Linné ist eingeschoben. Die Uebertragung ge- 
»taltet sich folgendermassen: Partikelchen von Cholerakot, die an irgend einem 
Teil des Fliegenkörpers haften geblieben sind, werden entweder sofort mechanisch 
wieder an irgend einem Gegenstande abgestreift, oder sie haften relativ 
längere Zeit am Fliegenkörper und werden erst allmählich an verschiedenen 
Stellen, bald hier, bald dort, gewissermassen abgewischt, da die Fliegen am 
binteren Körperende ein Sekret absondern können, welches dazu dient, festere 
Teilchen aufzulösen, um sie der Verdauung leichter zugänglich zu machen. 
Für die Dauer der Infektionstüchtigkeit der so verschleppten Mikrobien ist 
natürlich auch das Medium massgebend, in welchem sie deponiert werden. 

Die Beteiligung der Fliegen im Verein mit latentem Mikrobismus ist ge- 
eignet, das Dunkel aufzuhellen, welches bisher so manche epidemiologische 
Eigentümlichkeit der Cholera umgab, ohne dass die Verf. die sonstigen 
Uebertragungsweisen von Cholerastuhl auf den Menschen unterschätzen wollen. 
Bei feuchtwarmer Witterung nehmen die Epidemien an Intensität zu, einmal 
weil die Entleerungen nur langsam eintrocknen, zweitens weil dann Fliegen 
in besonders grosser Menge auftreten. Das Gegenteil ist bei Kälte der Fall. 
Aus demselben Grunde überschreitet die Seuche auch fast nie den 60° N. Das 
schnelle Verschwinden der Krankheitsfälle auf in See gehenden Schiffen erklärt 
sich durch das Fehlen der vibrionenhaltigen Entleerungen, die ja sofort dem Meere 
überantwortet werden, und durch die Abwesenheit von Fliegen und Mücken auf 
hoher See. Beim Ankern in einem Cholerahafen stellt sich mit den von Land 
auf das Schiff herüberfliegenden Insekten die Seuche wieder ein; in cholerafreie 
Häfen wird andererseits durch etwaige Bacillenträger Infektionsmaterial ein- 


Infektionskrankheiten. 1389 


geschleppt. Als vorzügliches Beispiel hierfür werden die Berichte von G. E. 
Nikolas über die Cholera auf dem englischen Kriegsschiff Superb vor Malta 
1850 angeführt. Auch Karawanen, die die Wüste durchqueren, reinigen sich 
sehr bald von der Cholera. Durch fortwäbrendes Ausstossen des bacillen- 
haltigen Kotes und Zurücklassen hinter den ständig Vorrückenden wird der 
Darm eventueller Bacillenträger einer Art automatischer Desinfektion unterzogen. 
Analoge Verhältnisse wie in diesen beiden Fällen, der See- und Wüstenreise, 
vorausgesetzt berechnen die Verff. auf Grund der an den Mekkapilgern ge- 
machten Beobachtungen die Infektionsfähigkeit der Bacillenträger auf 45 Tage. 
Ausser virulenten Vibrionen sind zum Ausbruch einer Epidemie gewisse weitere 
Bedingungen zu erfüllen: Unreinlichkeit, Schmutz u. s. w., wie er in den 
Pilgerzügen in hohem Grade angetroffen und wie er in keiner Stadt in Hed- 
schas, dem Relais für die Cholera auf ihrer Reise zwischen Indien und Europa 
vermisst wird. j 

Im letzten Kapitel wird die Prophylaxe behandelt. Da die Cholera bis- 
her stets über Hedschas nach Aegypten gekommen ist, nie direkt, ist es Auf- 
gabe der internationalen Prophylaxe, sie im Roten Meer zurückzuhalten. 
Die Einrichtungen, wie sie zur Zeit zur Ueberwachung des Schiffsverkehrs im 
Suezkanal getroffen, sind zweckentsprechend. Das Durchschlüpfen der Bacillen- 
träger jedoch können auch die Beobachtungsstationen El Tor und Camarau 
nicht verhindern. Diesem kann einzig und allein vorgebeugt werden durch 
Sanierung der Städte am Persischen Golf und in Hedschas. 

Die nationale Prophylaxe hat durch sorgfältige Ueberwachung des 
Grenzverkehrs Kranke und Krankenwäsche u.s. w. abzufangen und Ansteckungs- 
material unschädlich za machen. An den Grenzbahnstationen ist diese Ueber- 
wachung genau so streng zu handhaben wie in Hafenstädten, denn Cholera 
bevorzugt nicht den’ Seeweg. Das ist eine Ansicht, die früher, bevor das 
Bahnnetz zur jetzigen riesigen Entwickelung gelangt war, ihre Berechtigung 
hatte. Heute und mehr noch in der Zukunft, wenn Basrah, Mekka, selbst 
Indien durch eine Bahn mit Europa verbunden sein werden, lauert die Gefahr 
mehr in den Aborten der Grenzbahnhöfe als in den Hafenstädten. 

Die grösste Wichtigkeit ist der städtischen und individuellen Prophy- 
laxe beizumessen. Erstere ist eng verknüpft mit den Einrichtungen für Be- 
seitigung der Fäkalien und Abfallstoffe überbaupt. 

Eine vorzügliche Kanalisation mit Spülklosets schliesst die Gefahr einer 
Epidemie fast aus; Tonnenabfuhr, Absitzgruben u. s. w. Öffnen ihr Tür und 
Tor. Bei der individuellen Prophylaxe ist besonders der Schutz gegen Fliegen 
betont und auf die Wichtigkeit dieses Punktes hingewiesen unter Anführung 
eines von Rosenau stammenden Satzes, dass bei unserer heutigen Kenntnis 
von der Beteiligung der Fliegen und Mücken an der Verbreitung von Infektions- 
krankheiten eine Hausfrau, zumal in den Tropen, sich mehr schämen müsse, 
diese Insekten in ihren Zimmern zu haben, als Wanzen in den Betten. 

Einen wirklichen Erfolg der gegen die Ausbreitung der Cholera getroffenen 
Massregeln machen die Verff. in letzter Linie abhängig von der allgemeinen 
Durchführung einer einwandsfreien Kanalisation, bevor die weitzügigen Bahn- 
verbindungen mit den Choleraherden fertig gestellt sind. 

Trembur (Tsingtau). 


1390 Infektionskrankheiten. 


Hofmann G., Zur Frage der placentaren Infektion mit Milzbrand. 
Inaug.-Diss. Leipzig 1905. 

Nach einer allgemeinen Zusammenstellung der in der Literatur erschie- 
nenen Arbeiten über den placentaren Uebergang der Milzbrandbacillen bespricht 
Verf. die experimentellen Versuche von Birch-Hirschfeld, Latis und 
Lubarsch, aus deren Untersuchungsergebnissen einwandsfrei hervorgeht, dass 
an der Möglichkeit des placentaren Ueberganges der Milzbrand- 
bacillen jetzt nicht mehr gezweifelt werden kann. 

Im Anschluss hieran folgt die Mitteilung eines im pathologischen Institut 
zu Dresden zur Sektion gekommenen Falles, bei welchem es sich um eine 
schwere Allgemeininfektion mit Milzbrandbacillen und Streptokokken handelte. 
Io den aus den fötalen Organen (Leber, Milz, Herz, Lungen, Nieren u. s. w.) 
und der Placenta, ferner Uterus u. s. w. angelegten Präparaten gelang gleich- 
falls auf mikroskopischen Wege der Nachweis von Milzbrandbacillen und 
Streptokokken, während kulturelle Versuche mit den fötalen Organen ein negatives 
Resultat hatten. Danach muss also ein Uebergang nicht nur von Milzbrand- 
bacillen, sondern auch von Streptokokken aus dem mütterlichen Organismus 
in den fötalen stattgefunden haben. 

Wegen der zugleich vorliegenden Streptokokkeninfektion glaubt Verf. aus 
den erhaltenen Befunden keine allgemeineren Schlüsse über die Möglichkeit 
des Uebertritte der Milzbrandbacillen von der Mutter auf das Kind für den 
Menschen ziehen zu dürfen; er hält es für denkbar, dass die zugleich vor- 
handene Streptokokkeninfektion Veränderungen im Placentargewebe bedingte 
und dadurch den Milzbrandbacillen die Möglichkeit eines Durchwachsens gab. 

Nieter (Halle a.S.). 


Franga, Carlos, Zur Kenntnis der durch die Pest verursachten Haut- 
läsionen. Aus d. Kgl. bakteriolog. Institut Camara Pestana z. Lissabon. 
Zeitschr. f. Hyg. Bd. 52. S. 129. 

Während der Pestepidemie in Oporto 1899 wurden unter 110 Leichen- 
untersuchungen bei 46 Hautblutungen beobachtet und zwar bei 43, während 
zugleich Pestbacillen im Blut vorhanden waren. Ausser Petechien 
und Ecchymosen handelte es sich 11 mal um Karbunkel, 6 mal um 
Pusteln und 1 mal um Pemphigus. Die genauer geschilderte histologische 
Untersuchung ergab jedesmal innerhalb des Bereichs der Hautveränderungen 
zahlreiche Pestbacillen. Globig (Berlin). 


Koske, Zur Frage der Uebertragbarkeit der Schweineseuche auf 
Geflügel und der Geflügelcholera auf Schweine durch Abfütte 
rung. Arb. a. d. Kais. Ges.-A. Bd. 22. S. 503. 

Da die bisher veröffentlichten, spärlichen Beobachtungen weniger Autoren, 
die überdies vielfach divergieren, keine klare Beurteilung über die Möglich- 
keit einer Lebertragbarkeit des Bakteriums der Schweineseuche auf 
Geflügel, und umgekehrt des Bakteriums der Geflügelcholera auf 
Schweine zulassen, so sucht Verf, dieser Frage näher zu treten. 

Die zu diesem Zwecke angestellten Fütterungsversuche mit Schweine- 


Infektionskrankheiten. 1391 


seuchebakterien erstreckten sich auf je eine Reihe von 8 Sperlingen, Krähen, 
Tauben, Hühnern, Enten und Gänsen. Zur Verfütterung gelangten Hülsen- 
frächte und Brot, welche teils mit 24stündigen Bonillonkulturen von zwei 
verschieden viralenten Stämmen von Schweineseuchebakterien, teils mit 
Presssaft aus Lungen von an Schweineseuche erkrankten Tieren getränkt waren. 
Einzelne Tiere erhielten auch Stückchen der kranken Lunge. Diese Fütterungen 
wurden, wenn es die Tiere aushielten, durch 14 Tage fortgesetzt, und im Kot 
der Versuchstiere nach virulenten Schweineseuche-Bakterien gesucht. 

Das Resultat war folgendes: 

Die mit Reinkulturen gefütterten Sperlinge gingen bereits nach 18 bis 
60 Stunden, die mit Presssaft gefütterten spätesteus nach 6 Tagen zu Grunde. 
Ebenso starben auch die Krähen in längstens 14 Tagen. In beiden Versuchen 
trat deutlich der Unterschied in der Virulenz der zwei Reinkulturen zu Tage. 
Positives Resultat ergab auch der Fütterungsversuch an Tauben, Gänsen und 
Hübnern, wobei von letzteren ein Tier, welches mit Kulturen getränktes Futter 
erhalten hatte, unter den Erscheinungen der chronischen Geflügelcholera starb; 
in dem Kot der Tiere wurden in den meisten Fällen virulente Schweineseuche- 
bakterien nachgewiesen. 

Diese Ergebnisse berechtigen den Verf. zu der Behauptung, „dass eine 
Uebertragung der Schweineseuchebakterien durch Aufnahme mit 
dem Futter auf Sperlinge, Krähen, Tauben, Hühner und Gänse 
möglich ist“. . 

Enten hingegen erwiesen sich als refraktär. 

Vorbedingung für das Zustandekommen der Infektion scheint neben einer 
gewissen Empfänglichkeit auch die Virulenz des Bakterienstammes zu sein, 
während die Quantität des Infektionsmaterials weniger ins Gewicht fällt. 
Wiederholte Passage des Vogelkörpers vermochte die Virulenz sogar auf das 
10 fache zu steigern, wobei die specifisch pathogene Wirkung auf Schweine 
nicht verloren ging. 

Die zweite Hälfte der Arbeit bringt eine Reihe von Versuchen über die 
Uebertragbarkeit der Geflügelcholera auf Schweine. 

Die als Versuchstiere benutzten Ferkel wurden zum Teil mit Kadavern 
von Tauben, welche an Geflügelcholera eingegangen waren, zum Teil mit 
100 ccm einer 24 stündigen Bouillonkultur eines virulenten Geflügelcholera- 
stammes durch 14 Tage gefüttert. Eine zweite Reihe von Ferkeln wurde zu 
Inhalationsversuchen verwendet. Nach 4 Wochen wurden die Tiere, welche 
während des Lebens keine besonderen Erscheinungen boten, getötet. 

In allen Fällen ergab die Sektion einen völlig negativen Befund; dagegen 
konnten mikroskopisch und durch Verimpfung der Kehlgangsdrüsen, oberen 
Halsdrüse und Bronchialdrüse auf Mäuse und Tauben Geflügelcholerabakterien 
nachgewiesen werden. 

Es gelang somit nicht, durch Verfütterung oder Inhalation von 
Geflügelcholerabakterien bei Schweinen eine der Schweineseuche 
ähnliche Krankheit zu erzeugen. 

Eine weitere Reihe von Versuchen zur genauen Differenzierung des Erregers 


1392 Infektionskrankheiten. 


der Schweineseuche und der Geflügelcholera auf biologischem und serodiagno- 
stischem Wege ergab leider kein verwertbares Resultat. 
M. Kaiser (Graz). 


Beck und Koske F., Untersuchungen über Schweineseuche mit be- 
souderer Berücksichtigung der Immunitätsfrage. Arb. a. d. Kais. 
Ges.-A. Bd. 22. (Auch als Sonderabdruck erschienen. Berlin 1905. Julius 
Springer. 76 Ss. 8° mit 1 Tafel. Preis: 5,50 M.) 

Nach sorgfältiger Berücksichtigung der einschlägigen Literatur kommen die 
Verff. auf die morphologischen Eigenschaften der Schweineseuchebacillen, 
die Einwirkung von Hitze, Kälte, Eintrocknen und Licht auf dieselben, sowie 
auf das Wachstum auf verschiedenen Nährböden zu sprechen, worauf sie auf 
die Giftwirkung der Schweineseuchebakterien eingehen. 

Untersuchungen über das Toxin des Schweinesenchebakteriums ergaben. 
dass dem Filtrat, selbst dem aus älteren Kulturen gewonnenen, eine erhebliche 
Giftwirkung nicht zukommt, das Gift also in den Bakterienleibern selbst ent- 
halten sein muss. Für diese Vermutung spricht auch die Tatsache, dass in 
sehr alten Kulturen mit teilweiser Auflösung der Bakterien eine geringe Toxin- 
wirkung beobachtet werden konnte, und das Filtrat derselben auch bei einem 
Rinde Krankheitserscheinungen hervorzurufen vermochte. Von den verschie 
denen Versuchstieren erwiesen sich Mäuse, Meerschweinchen, Esel, Ferkel und 
Kaninchen — letztere am meisten — empfänglich, während Ratten, Hühner, 
Schafe, Ziegen und Rinder mehr oder weniger unempfänglich waren. 

Intravenöse Injektionen zeigten sich stets wirksamer als kutane oder 
subkutane. 

Was das klinische Bild der inficierten Tiere betrifft, so bot dasselbe ent- 
weder 1. eine perakute, 2. eine akute oder 3. eine chronische Form. 

Erstere, nur bei ganz jungen Tieren beobachtet, tötet diese unter den 
klinischen und anatomischen Erscheinungen einer Septikämie oft schon in 
wenigen Stunden. 

Die akute Form präsentiert sich meist als Lungenentzündung nebst 
Affektion des Magendarmkanals. Das klinische Bild ist ein sehr wechselndes. 

Die dritte, in Deutschland am meisten verbreitete chronische Form ent- 
wickelt sich entweder aus dem akuten Stadium heraus oder tritt gleich als 
solche auf, kann sich monatelang hinziehen und ähnelt einer Lungenschwind- 
sucht. Der specifische Erreger wird hier nur selten nachgewiesen. 

Die erwähnten Verschiedenheiten der drei klinisch gut charakterisierten 
Formen sind auf verschiedene Virulenz zurückzuführen. Diese scheint im 
allgemeinen, wenn man aus dem jetzigen milden Charakter der Schweine- 
seuche einen Schluss ziehen darf, im Abnehmen begriffen zu sein; anderer- 
seits hat vielleicht ein Teil der Schweinebestände eine gewisse Resistenz 
angenommen. 

Bei der Beurteilung der Virulenz kommen die Verff. auch auf die Be- 
deutung der Mischinfektion zu sprechen und kritisieren die von einigen Autoren 
vertretene Ansicht, dass bei gleichzeitigem Vorhandensein beider Krankheiten 
es die Schweinepest sei, welche der Schweineseuche die Wege ebne. Sie 


Infektionskrankheiten. ` 1393 


schliessen sich in diesem Punkte der Anschauung Joests an, nach der es 
sich bei Infektion mit vollvirulenten Bakterien nicht um eine Misch-, sondern 
um eine Doppelinfektiin handeln muss, halten es aber auch für möglich, 
dass bei dem jetzt allgemein chronischen Verlauf der Schweineseuche diese 
die primäre Erkrankung darstelle, die eine nachträgliche Infektion mit Schweine- 
pest leichter von statten gehen lasse. Diese Frage der Misch- bezw. Doppel- 
infektion mit Schweineseuche und Schweinepest hat insofern auch hohes prak- 
tisches Interesse, als sich die serotherapeutische Behandlung derartig erkrankter 
Tiere in erster Linie gegen das grössere Uebel, die Schweineseuche, zu richten hat. 
Was nun die Art und Weise der Ansteckung mit Schweineseuche anlangt, 
so kommt dieselbe, wie sich durch Inhalations- und Fütterungsversuche nach- 
weisen liess, durch Aufnahme der Schweineseuchebakterien auf dem Wege durch 
die hintere Rachenwand in die Kehlgangs- und Bronchialdrüsen, und von da 
aus in die Lungen zu Stande. Eine kutane Infektion scheint ausgeschlossen, 
ebenso eine solche durch Exkremente erkrankter Tiere, da diese in sämtlichen 
Versuchen frei von specifischen Bakterien blieben. Auffallend häufig war bin- 
gegen das Vorhandensein allerdings avirulenter Schweineseuchebakterien im 
Rachen und Nasenschleim auch völlig gesunder Tiere. Eine Frühdiagnose ist 
den Verff. trotz aller Bemühungen nicht gelungen. Wie wichtig eine solche 
wäre und wie wünschenswert eine erfolgreiche Bekämpfung der Schweine- 
seuche erscheinen muss, beweisen die Verff. an der Hand eines statistischen 
Materials über die stete Zunahme der Schweineseuche. Darnach erkrankten 
im Jahre 1897 11 420 Schweine (inkl. Erkrankungen an Schweinepest), wovon 
8858 gefallen oder getötet werden mussten; diese Zablen, die im steten 
Wachsen begriffen, erreichten im Jahre 1903 die Höhe von 73 655 Erkran- 
kungen, 52 196 Tiere kamen um oder mussten getötet werden. 

Die Empfänglichkeit für die Seuche scheint eine ganz allgemeine zu sein, 
wenn es auch bekannt ist, dass gewisse Rassen, z. B. das veredelte Land- 
schwein, widerstandsfähiger sind als die zarteren englischen Edelschweine. 
Eine natürliche Immunität ist bei der Schweineseuche nicht beobachtet worden, 
auch vermag die einmal überstandene Seuche vor einer zweiten Infektion nicht 


zu schützen, wie es das Vorhandensein alter Narben in den Lungen neben 


ganz frischen Herden deutlich beweist. 
Bei dem bereits betonten geringen Virulenzgrade der verschiedenen Stämme 


der Schweineseuche bedurfte es, um die gleich zu besprechenden Immuni- 
sierungsversuche anzustellen, virulenterer Kulturen, die durch wiederholtes 
Durchlaufen des Meerschweinchenkörpers auf eine solche Höhe der Virulenz 
gebracht wurden, dass eine Maus durch !/,goo000 ccm Bouillonkultur innerhalb 
24 Stunden getötet werden konnte. Solche Kulturen zeigten auch für andere 
Tiere eine höhere Virulenz. Noch höhere Grade (1 Billionstel cem Dos. let.) 
konnten durch intrakranielle Injektion der Schweinebakterien bei Kaninchen 
und zwar durch verbältnismässig wenige Passagen erzielt werden. Morpho- 
logisch charakterisierten sich die höher virulenten Bacillen durch kokkenähn- 
liches Aussehen. 

Zur Immunisierung boten Esel das beste Material, welche mit steigenden 


Mengen lebender Kulturen (!/,oooo ccm bis 7,0 ccm), in die Halsvene injiciert, 
100 


1394 Infektionskrankheiten. 


behandelt wurden. Auf diese Einspritzung hin reagierten die Tiere mit 1- bis 
2tägigem Fieber, Atemnot, frequentem Puls und Durchfall. Das injicierte 
Material wurde bei der letzten Einspritzung stets auf den böchsten Virulenz- 
grad (1 Billionstel ccm Dos. let. auf eine Maus in 24 Stunden) gebracht. 
Nebst einem Eselhengst wurde noch ein Eselwallach mit 23 verschiedenen 
Stämmen zur Herstellung eines polyvalenten Serums in derselben Weise 
behandelt. 

So wurden 2 Sera gewonnen, von denen das eine monovalente in einer 
Menge von 0,25 cem eine Maus von 20 g gegen !/ıoooooo ccm einer 24 Stunden 
später injicierten Bouillonkultur zu schützen vermochte, während das zweite 
(polyvalente) erst in einer Doris von 0,1 ccm gegen die gleich grosse Menge 
infektiösen Materials anhaltenden Schutz gewährte. Die vergleichsweise heran- 
gezogenen Sera „Höchst“ ergaben einen Titer von 0,001, „Wassermann- 
Ostertag“ (polyvalent) 0,025, „Schreibers Septieidin“ 0,025 gegen die 
erwähnte Menge Kultur. Eine Prüfung des monovalenten Serums auf seine 
Schutzwirkung gegenüber verschiedenen Kulturen ergab keine erheblichen 
Unterschiede. 

Eine Prüfung auf die bakterieide Wirkung der verschiedenen Sera, auf 
welche es bei der Immunisierung gegen Schweineseuche eben wesentlich an 
kommt, mit Hilfe der Pfeifferschen Reaktion ergab, dass durch das „Sep- 
tieidin“ nach 25 Minuten, durch die übrigen Sera nach 30 Minuten eine teil- 
weise Auflösung der Bakterien eintrat. Eine vollständige Bakteriolyse war 
nicht zu beobachten. Die mit monovalentem Eselserum und „Serum Höchst- 
behandelten Tiere gingen am 4. bezw. 6. Tage ein, während die übrigen nach 
24 Stunden starben. Weiter wurden die erwähnten Sera direkt an 6—8 Wochen 
alten, durch einen Monat in Quarantäne gehaltenen Ferkeln geprüft, und zwar 
wurden die Tiere 1. 24 Stunden vor der Infektion mit dem Serum vorbe- 
handelt, 2. gleichzeitig Serum und Bacillen (1 cem Bouillonkultur) injiciert 
und 3. zuerst intravenös inficiert und 24 Stunden später mit dem Serum be- 
handelt. Ein Teil erhielt auch intraperitoneale Injektionen, ein anderer wurde 
mit erkrankten Tieren zusammengesperrt. Als Resultat dieser Versuche 
ergab sich, dass eine kurzdauernde Immunisierung (nur in einen 
Falle 12 Wochen) durch Injektion genügender Mengen Serums er- 
reichbar ist, wenngleich es in den meisten Fällen nicht dazu 
kommt, da die schützende Substäw2 zu früh ausgeschieden wird. 

Weit bessere Resultate erzielten die Verf. auf dem Wege der aktiven 
Immunisierung gegen Schweineseuche. Eine Reihe von Ferkeln erhielt 0.5 
bis 1,5 ccm teils lebender, teils bei 60° abgetöteter Kultur in die Bauchhühle 
oder Ohrvene eingespritzt. Die mit diesen Mengen immaunisierten Tiere er- 
wiesen sich den Kontrolltieren gegenüber auf eine nach 14 Tagen erfolgte 
intravenöse Injektion von 1,0 ccm vollvirulenter Kultur insofern überlegen. als 
sie dieselben im allgemeinen überlebten. Durch Erhöhung der Resistenz ver- 
mittelst einer stärkeren aktiven Immunisierung (mit abgeschwächter Kultur 
intraperitoneal mit lebender intramuskular) zeigten sich bei den nach 48 Stur- 
den geschlachteten Tieren nur geringgradige Veränderungen in den Lungen. 


während die Kontrolltiere nach 2—3 Tagen an schweren septikämischen Er- 
scheinungen starben. 


Infektionskrankheiten. 1395 


Um die schwere Infektion durch intravenöse Einverleibung der hochviru- 
lenten Kultur zu umgehen und gleichzeitig den natürlichen Verhältnissen mög- 
lichst nahe zu kommen, wurde eine Anzahl in der soeben besprochenen Weise 
immunisierter Tiere in eine Bucht gesperrt, auf deren Streu 250 ccm einer 
24 stündigen Kultur gegossen und 200 ccm derselben Kultur verstäubt worden 
war. Die erst nach 12 Wochen getöteten Tiere ergaben zwar insgesamt leichte 
Veränderungen an den Lungen, doch kann dieser Befund bei der Art der In- 
fektion wohl nicht auffällig genannt werden, und ist die lange Lebensdauer 
im Vergleich zu jener der Kontrolltiere, die beide schwer erkrankten, eines 
sogar nach 28 Stunden starb, als ein sebr erfreuliches Resultat zu begrüssen. 

So bietet sich denn in dem Verfahren deraktivenImmunisierung, 
welches auch noch den Vorteil der grösseren Billigkeit vor der 
Serumbehandlung voraus hat, die Möglichkeit, auch in der Praxis 
die Schweineseuche mit Erfolg zu bekämpfen. M. Kaiser (Graz). 


Böhme A., Weiterer Beitrag zur Charakteristik der Hogceholera 
(Paratypbus)-Gruppe. Aus d. Königl. Institut für experim. Therapie zu 
Frankfurt a. M. Zeitschr. f. Hyg. Bd. 52. S. 97. 

Im Anschluss an die Arbeit von Smidt (vgl. diese Zeitschr. 1906. S. 752) 
hat der Verf. Untersuchungen angestellt, ob der von Nocard 1892 entdeckte 
und wegen gelegentlicher Uebertragungen von Papageien auf Menschen wich- 
tige Bacillus der Psittakose zur Gruppe der Hogcholera oder zu den 
Paratyphusbacillen gehört. Gestalt und Kulturen stimmten bis auf 
geringe Unterschiede in dem Verhalten gegen Lakmusmolke mit Stämmen des 
Paratyphus B, des Mäusetyphus, der amerikanischen Schweinepest und 
einer bestimmten Form der Fleischvergiftungsbacillen überein. Auch 
die Virulenz war die gleiche. Bei der Prüfung des Agglutinationsver- 
mögens zeigte sich das Psittakoseserum vielseitiger als andere Sera 
der Gruppe und wirkte noch in beträchtlicher Verdünnung auch auf 
Typhusbacillen. Auch beim Pfeifferschen Versush schützte es noch in 
der Menge von 1/10000 ccm gegen die 10 fache tödliche Gabe nicht nur der 
Psittakosebacillen, sondern auch der anderen Glieder der Gruppe und des 
Typhus. Hervorzuheben ist aber, dass dieser Schutz nur gegen Typhus 
ein länger andauernder war, bei den anderen Stämmen dagegen zwar zu- 
nächst die sonst tödliche Infektion überstanden wurde, aber nach 5—15 Tagen 
doch unter Abmagerung der Tod erfolgte. In der Bauchfellflüssigkeit 
konnte der Verf. bei diesen Versuchen nicht durch mikroskopischen Befund, 
aber durch Kultur stets die eingebrachten Bakterien nachweisen; 
später wurden sie zahlreicher und waren beim Tode auch im Herzblut ent- 
halten. Auffälliger Weise liessen sich auch Typhusbacillen aus der Bauch- 
höhle und vom Netz der gesundbleibenden Tiere noch nach 14 Tagen züchten. 
Aus dem Dickdarminhalt der durch Impfung in die Bauchhöhle inficierten und 
mit Immunserum wirksam geschützten Meerschweinchen konnten etwa vom 
4. Tage ab Hogcholera- und Psittakosebacillen in reichlicher Menge gezüchtet 
werden, häufig auch bei Mäusen, die unter die Haut geimpft waren. Da 
ähnliche Beobachtungen auch anderwärts gemacht sind, so hält der Verf. diese 

100* 


1396 Infektionskrankheiten. 


Neigung, bei längerem Aufenthalt im Tierkörper in den Darm überzu- 
gehen, die er als „Enterophilie“ bezeichnet, für eine Eigentümlichkeit 
der ganzen Gruppe. Globig (Berlin). 


Jacobitz, Ein Fall von Sepsis, hervorgerufen durch Staphylococcus 
citreus. Münch. med. Wochenschr. 1905. S. 2020. 

J. beschreibt einen Fall, in welchem der sonst als Erreger von Eiterungen 
bei Menschen nur selten anzuschuldigende Staphylococcus citreus die 
sichere Infektionsursache bildete. 

An einer durch die zu straff angezogene Schuppenkette gedrückten Haut- 
partie unter dem Kinn trat unter Jucken und Brennen ein Ausschlag auf, 
der sich über den ganzen Körper verbreitete. Die Haut am Halse war in 
Bläschen abgehoben und die Halslymphdrüsen waren geschwollen. Das 
Allgemeinbefinden war wenig beeinträchtigt. Bis zum 9. Tage blieb der Zu- 
stand nur wenig verändert, die Oberhaut liess sich zuerst im Gesicht, dann 
auch am übrigen Körper in Fetzen abheben. Die Lymphdrüsenanschwellung 
ging zurück. Auch die Temperatur stieg abends nur bis 38°C. 

Am 9. Tage aber trat eine plötzliche Verschlimmerung ein. Es bildete 
sich immer mehr der Typus eines ausgesprochenen Eiterfiebers mit abend- 
lichen Temperaturgraden bis 41°C. heraus. Unter zunehmender Schwäche 
erfolgte nach 7 Tagen Exitus. 

Als Erreger des Ekzems wie der Sepsis wurde durch den Ausfall 
der bakteriologischen Untersuchung der Staphylococcus citreus festgestellt. 
Die Agglutinationsprobe ergab positive Agglutination der einzelnen 
Staphylococcus citreus-Stämme. Auch die Hämolysinprobe lieferte ein 
einwandsfrei positives Resultat. Schumacher (Hagen i.W.). 


Oppenheim M. und Sachs 0., Ueber Spirochätenbefunde in syphilitischen 
und anderen Krankheitsprodukten. Aus der k. k. Universitätsklinik 
für Sypbilidol. u. Dermatol. in Wien. Wien. klin. Wochenschr. 1905. S. 1177. 

O. und S. stellten sich die Aufgabe, an dem grossen Material der Klinik 
die Angaben Schaudinns über Vorkommen und Bedeutung der Spirochaete 
pallida nachzuprüfen. Zur Färbung der Spirochäten verwendeten sie neben 
den von anderen Autoren angegebenen Farblösungen mit Vorteil heisse Karbol- 
gentianavioletlösung, die sie auf die nicht fixierten lufttrockenen Deckglas- 
präparate einige Minuten einwirken liessen. Versuche, die Spirochäten im 
Schnitte zu färben, schlugen fehl. Von 5 extragenitalen Sklerosen liessen sich 
bei 4 Spirochäten nachweisen; von 17 genitalen Sklerosen ergaben 18 ein posi- 
tives Resultat. 

Am regelmässigsten gelang der Nachweis von Spirochäten bei nässenden 
Papeln, und die Zahl der in den Präparaten vorhandenen Spirochäten war bei 
dieser Syphilisform am grössten. Doch waren sie hier meistens mit anderen 
Spirochäten vergesellschaftet, die nur zum Teil die Merkmale der Spirochaete 
refringens darboten. 

Die Zahl der bei einem und demselben Fall in einer Sklerose bezw. Papel 
an verschiedenen Tagen vorgefundenen Spirillen war eine ausserordentlich 


Infektionskrankheiten. 1397 


wechselnde. In den Lymphdrüsen (9 Fälle) und im Blute (21 Fälle in ver- 
schiedenen Stadien der Syphilis), sowie in dem ausgepressten Blut skarificierter 
makulöser und papulöser Exantheme (15 bezw. 13 untersuchte Fälle) liessen 
sich niemals Spirochäten nachweisen. Positiven Befund zeigten hingegen 
Pusteln und krustöse Papeln. 

ln Produkten der Spätsyphilis (7 Fälle), in Fällen von Pemphigus syphi- 
liticus neonatorum war das Untersuchungsresultat ein negatives. 

Zum Schluss erwähnen die Autoren, dass sie in 42 Fällen mit nichtsyphili- 
tischen Krankheitsprodukten auf das Vorbandensein von Spirochaeta pallida 
fahndeten, stets ohne Erfolg. 

Ueber die Frage, ob die Spirochaete pallida der Erreger der Syphilis sei, 
sprechen sich die Autoren reserviert aus. Sie geben die Möglichkeit zu, 
weisen aber darauf hin, dass nach ihren Untersuchungen doch auch gewisse 
Bedenken vorliegen, die zur Vorsicht mahnen. Grassberger (Wien). 


Suleiman, Nouman Bey, Causes de la syphilis et spirochaete pallida. 
Ann. med. et Bull. de statist. de hóp. d'enfants Hamidie. VI. année. Con- 
stantinople 1905. 

Verf. fand die Spirochaete pallida in mehreren sekundär-syphiliti- 
schen Affektionen sowie in einem Gummi bei angeborener Syphilis. Ausser 
den Spirochäten fanden sich in einem Falle noch lebhaft bewegliche Körper, die 
nicht genauer beschrieben werden. Dieselben Körper fanden sich auch im 
Blute des Patienten, das zur Anleguug von Kulturen benutzt wurde. In Blut- 
bouillon fand ein Wachstum der Formen statt. Es wird folgende Modifikation 
der Giemsafärbung empfohlen: 10 Tropfen Giemsalösung, 10 Tropfen 
sterilisiertes Wasser, 4 Tropfen absol. Alkohol. Beitzke (Berlin). 


Rüdaik M. A., Der Betrieb der Speiseanstalt für Pellagröse in 
Rarancze (Bukowina) im Jahre 1905. Wien. klin. Wochenschr. 1905. 
5. 1246. 

Eine am 6. März 1905 vorgenommene Zählung der Pellagrösen ergab, dass 
in Rarancze unter 180 erschienenen Bewohnern 39 mit Pellagra behaftet waren. 

Auf Grund dieser Erfahrung wurde von Seiten der Landesregierung eine 
für ca. 50 Kranke pro Tag berechnete Speiseanstalt errichtet. In dieser 
Speiseanstalt soll jährlich mindestens vier Monate lang, begonnen von Mitte 
April, den Kranken täglich früh und mittags eine gute schmackhafte, mais- 
freie Kost verabreicht werden. 

Der Autor beschreibt des näheren Einrichtung und Betrieb dieser Wohl- 
fahrtseinrichtung und gibt eine detaillierte Darstellung der ärztlicherseits an 
dem Krankenmaterial angestellten Beobachtungen. Von den im Jahre 1905 be- 
handelten Pellagrösen zeigten 31,8%, eine bedeutende, 55,5%, eine un- 
wesentliche Besserung. Verf. befürwortet auf Grund der gesammelten 
Erfahrungen, sowie der in Italien, Rumänien und Tirol bereits mit Erfolg durch- 
geführten Massnahmen eine systematische, auf gesetzlicher Basis geregelte 
Bekämpfung der Volksseuche in der Bukowina mit Ausgestaltung, eventuell 
Vermehrung der Speisehäuser. Grassberger ‘Wien). 


Beilage zur „Hygienischen Rundschau“. 
XVI. Jahrgang. Berlin, 15. December 1906. Mo. a 


Versammlung 
der Vorstände der Deutschen staatlichen Lymph-Gewinnungsanstalten. 
München den 6. und 7. September 1906. 
Bericht von 
Med.-Rat Dr. Chalybäus. 
(Mit Benutzung der Eigenberichte.) 
(Fortsetzung und Schluss aus No. 23.) 


2. Sitzung, am 7. September 1906. 

VI. Stumpf vollzieht die Impfung eines Kalbes mit humanisierter 
Lymphe und Blass demonstriert einen neuen Verband für die geimpften 
Kälber. 

Blass: Als Ersatz für den etwas umstäudlichen, wenig haltbaren und 
teuren Tegminverband versuchte ich zuerst einen Verband von dünngewalztem 
Gummi (Cofferdam), der mit Benzin-Gummilösung am behaarten Rande des 
Impffeldes angeklebt wurde. Er hielt gut, aber unter ihm waren die Pocken 
durch zurückgehaltenen Schweiss maceriert und unansehnlich. 

Unter dünngewalzter Guttapercha (dickes Guttaperchapapier), die eben- 
falls mit Gummilösung am Rande, aber auch auf der Impffläche selbst auf- 
geklebt wurde, war die Entwickelung der Pocken eine völlig normale und 
die Haltbarkeit meist genügend; nur bei sehr unruhigen Tieren kamen schon 
beim Auflegen des Verbandes leicht Risse und undichte Stellen vor. Grössere 
Haltbarkeit und bequemeres Auflegen des Verbandes erreichte ich durch 
Verwendung von Mull, der mit einem dünnen Blatt Guttapercha zusammen- 
gewalzt war. Dieser Stoff (durch 24 Stunden in 3 proz. Karbollösung gelegt 
und dann 24 Stunden gründlich ausgewässert) wird mit einer ca. 6 proz. 
Benzinauflösung von durch Auskochen sterilisierten Paragummiabfällen in 
Stücken von 12—25cm Länge und Breite bestrichen und von den gleichfalls 
bestrichenen, behaarten Rändern her auf das Impffeld aufgeklebt mit über- 
einander greifenden Rändern der Einzelstücke. Der schnell festwerdende 
Verband hält fast stets 4X24 Stunden und ist dann leicht abzuziehen. Auf 
der Impffläche haftende Gummireste werden ohne Beeinträchtigung der Lymphe 
mit Benzin abgerieben. 

Der Guttaperchamull kostet bei Katzenstein in Leipzig ca. 2 M. pro 
qm, und die Gummilösung ist billig herzustellen. 


VII Voigt: Ueber die Brauchbarkeit des am Kaninchen gezüch- 
teten Kuhpockenimpfstoffes. 

Vor 2 Jahren bei Gelegenheit unserer Zusammenkunft in Weimar habe 
ich darauf hingewiesen, dass der in Frankreich vielfach mit Erfolg ausgenutzte 
Kuhpockenimpfstoff der Kaninchen auch für unser Deutsches Impfwesen wert- 
voll, dass das Studium dieses Impfstoffes, den man Lapine nennen kann. auch 
in Deutschland notwendig sei. 


Versammlung d. Vorstände der Deutschen staatl. Lymph-Gewinnungsanstalten. 1399 


Ueber die Frage der Haftsicherheit und Unschädlichkeit der auf den 
Menschen übertragenen Lapine habe ich mich in der Versammlung der Ge- 
sellschaft für Kinderbeilkunde, welche im September 1905 in Meran statthatte, 
ausgesprochen. Die in der Hamburger Impfanstalt in den letzten Jahren 
mit der Lapine gemachten Erfahrungen sind auch in den Mitteilungen des Kais. 
Ges.-A. Bd. 10, S. 81 wiedergegeben. 

Bei meinen im Jahre 1905 angestellten Versuchen der Verimpfung der 
Lapine auf den Menschen erwies sich die Lapine als für die Erstimpfung aus- 
reichend wirksam; bei der Wiederimpfung wirkte sie wesentlich schwächlicher 
als die Kalbslymphe. Die mit verschiedenen Lapinen, welche 0—30 Tage lang 
aufbewahrt worden waren, an 178 Erstimpflingen erzielten Schnitterfolge 
stellten sich auf 8G°/,, die Schnitterfolge aller Revaccinationen auf nur 42%,. 
Nun wirkte aber der im Jahre 1905 in der Hamburger Impfanstalt an den 
Kälbern gewonnene Impfstoff nur mittelkräftig, man durfte also von der aus 
dieser mittelstarken Kalbslymphe hervorgegangenen Lapine nur einen mittleren 
Erfolg erwarten. Unsere im Jahre 1906 aus der neuen urkräftigen Münchener 
Variolavaceine entstandenen Lapinen haben bei der Erstimpfung weit bessere, 
zum Teil geradezu glänzende Erfolge erzielt, ganz ebenso wie die diesjährigen 
Ergebnisse der Kalbsimpfung sich durch Haftsicherheit und Virulenz aus- 
zeichneten. 

Die mit der Lapine im Jahre 1906 erzielten Ergebnisse habe ich in der bei- 
liegenden Liste (8.1404) sämtlich zusammengefasst. Aus der Liste ist zu entnehmen, 
dass — mit Ausnahme der Lapine No. 44, auf die ich nachher zurückkomme 
-— sämtliche auf Erstimpflinge und auf Kälber verimpfte Lapinen zufrieden- 
stellend, zum Teil überraschend schön wirkten. Die ganz frisch verimpften Lapinen 
No. 5, 13, 14, 15, 19, 21, 47 brachten an Kälbern und an Erstimpflingen 
gute Erfolge. Nach 1—4 monatiger Aufbewahrung lieferten die Lapinen 3, 
8, 21, 27, Lapine No. 3 sogar noch im 7. Monat, an den Kälbern tadellose 
vollzählige Pusteln und bei den Erstimpflingen fast ausnahmslos vollzähligen 
Schnitterfolg. Erst nach 5—6 Monaten hatte die Wirksamkeit der Lapinen 8, 
9, 10, 11 gelitten; es gab an Kindern und Kälbern grade so wie nach Ver- 
impfung mancher ähnlich lange aufbewahrter Kalbsiymphe unvollständige 

Erfolge. 

Bei Gelegenheit sind auch einige in der vorliegenden Liste nicht aufge- 
führte Schulkinder, welche unter den Erstimpflingen als Zwischenläufer er- 
schienen waren, mit Lapine revacciniert worden, zumeist mit recht gutem Erfolge. 
Der diesjährige Hauptversuch zur Prüfung der Wirksamkeit der Lapine auf 
Wiederimpflinge wurde am 17. August angestellt, als 189 Schülern, die. zum 
ersten Mal mit 5 Sorten Lapinen, welche 3—4 Monate im Eisschrauk gelegen 
hatten, also recht abgelagert waren, revacciniert wurden. Dieselben Lapinen 
(es handelt sich hier um solche, die am Kaninchen in 4—10 Generationen 
gezüchtet worden waren) hatten wir vor einem Monat, am 13. Juli, auf 44 
Erstimpflinge verimpft und dabei einen Schnitterfolg in 99%/, erhalten. Jetzt 
lieferten diese Lapinen an den Wiederimpflingen einen persönlichen Erfolg in 
74,1%,, einen Schnitterfolg von 38,5%, also ein schwächliches Ergebnis. 
Man wird nicht fehlgeben in der Annahme, dass diese Lapinen bei kürzerer 


1400 Versammlung d. Vorstände der Deutschen staatl. Lymph-Gewinnungsanstalten. 


Ablagerungszeit auch bei der Wiederimpfung wirksamer gewesen sein würden. 
Das Ergebnis ist aber unbefriedigend gegenüber dem gradezu glänzenden Aus- 
fall der am gleichen Tage auf 144 Wiederimpflinge verimpften Glycerinemul- 
sion des Kalbes No. 18, die ebenfalls 3 Monate im Eisschrank gelegen batte. 
Hierbei erhielten wir einen persönlichen Erfolg in 97°/,, einen Schnitterfolg 
in fast 76°%/,. So glänzende Erfolge sind Ausnahmen. 

Für die Wiederimpfung wird also nur eine ganz besonders virulente Lapine 
gebraucht werden dürfen; dagegen kann man sagen, die Lapine habe während 
des Jahres 1906 in der Hamburger Impfanstalt bei Kälbern und bei Erstimpf- 
lingen ganz ebenso kräftig angeschlagen wie gute Kalbslymphe und sich bei 
diesem kräftigen Erfolg durch milden Ablauf der Pustelung ausgezeichnet. 

Nach meinen bisherigen Beobachtungen hängt die Wirksamkeit des am 
Kaninchen sich entwickelnden Kuhpockenstoffes ganz wesentlich ab von der 
Virulenz der dem Tiere verimpften Vaccine. Im Jahre 1905 wirkten meine 
aus Kinderlymphe hervorgegangenen Lapinen haftsicherer als die aus Kalbs- 
lymphe hervorgegangenen Kaninchenimpfstoffe. Will man also mittels der 
Lapine vollwertige Ergebnisse erzielen, so darf man, gerade so, wie man nur 
den Impfstoff vollentwickelter Kalbspusteln benutzt, auch nur vollvirulente 
Lapine verimpfen, also eine Lapine, welche mit kräftigem Impfstoff erzeugt, 
sich in Papelform entwickelt und nachher kräftige Borken gebildet hat. 

Wir stehen den folgenden Fragen gegenüber: 

1. Bleibt nun eine aus wirksamem Impfstoff hervorgegangene Lapine viru- 
lent, wenn man sie vop Kaninchen zu Kaninchen weiter überträgt? Also 

a) lässt sich der dem Kaninchen übertragene Kuhpockenimpfstoff beliebig 
lange von Kaninchen zu Kaninchen fortpflanzen? 

b) wirkt der von Kaninchen zu Kaninchen fortgepflanzte Kuhpockenimpf- 
stoff auch in den späteren Generationen der Lapine, wenn auf den 
Menschen verimpft, haftsicher? 

2. Gelingt die Fortpflanzung wirksamer Lapine von Kaninchen zum Kanio- 
chen auch zur Zeit heissen Wetters? 

3. Bleibt eine aus dem Rohstoff der Lapine hergestellte Glycerinemulsion 
für längere Zeit wirksam, oder verliert sie ihre Haftsicherheit schon binnen 
kurzer Zeit? 

4. Taugen neben dem Kaninchen auch andere Mitglieder der Gattung Hase 
zur Gewinnung des Impfstoffes? 

Zur Beantwortung der beiden Fragen nach der Züchtung brauchbaren 
Impfstoffes vom Kaninchen zum Kaninchen habe ich 2 Versuchsreihen ange- 
stellt, die erste bei kühlem Wetter, die andere im Juli und August bei zum 
Teil fast tropischer Hitze. Das erste Kaninchen der ersten Reihe wurde am 
5. März geimpft, das letzte, als 11. Tier dieser Reihe, am 8. Mai. Noch die 
11. Generation lieferte sehr kräftige Papeln, die eine dicke Borke bildeten. 

Die 10. Generation dieser Reihe wurde nach 96 tägiger Aufbewahrung 
im Eisschrank auf Rinder verimpft und lieferte einen Schnitterfolg in 95°;,. 
Eine Glycerinemulsion der Kalbsiymphe, welche nach ebensolanger Aufbe- 
wahrung den gleichen Erfolg liefert, wird immer zu den sehr brauchbaren 
Impfstoffen gerechnet werden müssen. Die Lapine bleibt also bei der Fort- 
pflanzung von Kaninchen zu Kaninchen ganz wirksam. 


Versammlung d. Vorstände der Deutschen staatl. Lymph-Gewinnungsanstalten. 1401 


Die 2. Versuchsreihe, angestellt, um zu prüfen, ob die Lapine auch bei 
heissem Wetter von Kaninchen zu Kaninchen fortpflanzungsfähig sei, oder ob 
sie dann eine ähnliche Abschwächung erleide wie Kalbsvaceine, begann am 
31. Juli und wurde bis zur 9. Generation um Ende August fortgeführt. Auch 
hier blieb die Lapine fortpflanzungsfähig, schien aber bei der zeitweilig enormen 
Hitze etwas weniger kräftig sich zu entwickeln. Die 2. Generation gedieh 
an den allerheissesten Tagen am Rücken des Kaninchens bis zu wirklichen 
Pusteln; gewöhnlich sehen wir da nur Papeln. Die Glycerinemulsion der 3. Gene- 
ration bewirkte, ganz frisch auf Kinder verimpft, einen Schnitterfolg in 98°/,, 
eine Woche später, auf ein Kalb verimpft, schwächliche Pusteln. Die 6. Gene- 
ration dieser Züchtungsreihe erzielte, ganz frisch auf das Kalb übertragen, vor 
zügliche Pusteln und bei Erstimpflingen einen Schuitterfolg in 90°/,. 

Bei diesen Versuchen sind die Tiere am 4. Tage getötet und kurettiert, 
der Rohstoff ist im Verhältnis von 1:3 Glycerinwasser verrieben worden, die 
Emulsionen wurden im Eisschrank aufbewahrt. Das Ergebnis dieser Versuche 
macht es wahrscheinlich, dass man die Lapine, wie in unserm kühleren Klima, 
auch in der Tropenhitze unserer Kolonien wird von Kaninchen zu Kaninchen 
züchten und verwerten, können. Ratsam ist aber eine Wiederholung und Nach- 
prüfung dieser Versuche. 

Bezüglich der 3. Frage nach der Dauer der Brauchbarkeit der aus Kanin- 
chenvaceine bereiteten Glycerinemulsion zeigt die beigefügte Liste, dass die 
Lapinen monatelang völlig haftsicher gewirkt haben. Die ganze Reihe der 
benutzten Lapinen No. 13—27 lieferte noch bis in den 4. Aufbewahrungs- 
monat hinein an Erstimpflingen und an Kälbern durchaus befriedigende Schnitt- 
erfolge; erst die zum Teil mehr als 5 Monate lang im Eisschrank bewahrten, 
vom März stammenden Lapinen wirkten im August am Kalbe und an Kindern 
schwächlicher. ; 

Die Dauer der Brauchbarkeit der bei heissem Wetter gewonnenen Lapinen 
konnte noch nicht bis zum Ende verfolgt werden. Ich habe aber den Ein- 
druck, als ob die Züchtungsreihe des Hochsommers überhaupt einen etwas 
schwächlicheren und weniger dauerhaften Impfstoff lieferte, als die im Früh- 
ling gewonnenen Lapinen. 

Einzelne Fälle völligen Versagens der Kaninchenimpfung kommen vor; 
schon Calmette und Gu&rin haben hierauf hingewiesen, auch ich habe einige 
Fälle höchst geringer Reaktion vom geimpften Kaninchenrücken beobachtet. 
Einen weiteren Fall, der vielleicht hierher gehört, lieferte das Kaninchen 
No. 44, an dessen Rücken eine mässige Röte und Borken nach der Impfung 
mit dem Impfstoffe des Kalbes No. 20 entstanden waren. Die Borke wurde 
kurettiert, emulsioniert und die Emulsion auf das Kalb No. 24 und auf 
19 Erstimpflinge übertragen. Es folgte nicht die geringste vaccinale Reaktion. 
Nun hatte das Kalb No. 20 Impfstoff für die Kaninchen No. 43 und No. 44 
geliefert; das Kaninchen No. 43 wurde der Ausgangspunkt der ganzen 2. Ver- 
suchsreihe der Lapine; das Kaninchen No. 44 schien also immun gewesen zu 
sein. Möglicherweise ist aber in den Rücken des Kaninchens No. 44 der 
Inhalt einer Büchse mit Impfstoff des Kalbes No. 20 eingerieben worden, die 
mehrere Tage lang bei 37° im Brütofen gelegen hatte und unwirksame Emul- 


1402 Versammlung d. Vorstände der Deutschen staatl. Lymph-Gewinnungsanstalten. 


sion enthalten haben würde. Aus diesem Grunde habe ich die Lapine des 
Kalbes No. 44 in der Impftafel nicht mit in Rechnung gestellt. 

Zur Beantwortung der vierten Frage, ob ausser dem Kaninchen noch 
andere, der gleichen Gattung Lepus angehörige Tiere zur Gewinnung des 
Kubpockenimpfstoffes tauglich sein mögen, habe ich einen Versuch mit einem 
Hasen angestellt. Der Hase erhielt eng um seinen ‚schlanken Leib ein Hunde- 
halsband mit einer Kette, dann wurde sein Rücken an einer Stelle, etwa von 
der Grösse eines Kartenblattes, rasiert und die Tonsur mit dem Inhalte dreier 
Kapillaren frischer Lymphe vom Arme eines Kindes bestrichen. Es bildeten 
sich, ähnlich wie bei den Kaninchen, Papeln und bis zum 4. Tage eine Borke, 
die mittels der Kurette entfernt und mittels Glycerinwasser emulsioniert 
wurde. Diese Emulsion erwies sich als sehr keimarm. Eine Oese von dieser 
während 5 Tagen aufbewahrten Emulsion lieferte auf Agar nur 44 Kolonien. 
Als der Hasenimpfstoff 10, 54 und 61 Tage alt geworden war, schlug er, 
auf die Kälber 2, 6 und 9 verimpft, sehr gut an, lieferte vorzügliche Pusteln. 
Nach diesen Beobachtungen ist der Hasenimpfstoff auf 3 Kinder verimpft. 
Es entstanden normale Impfpusteln. In gleich günstiger Weise verlief die 
Impfung der Kaninchen mit der Hasenvaccine, die Kaninchen bekamen schöne 
Papeln und lieferten einen sehr haftsicheren vollvirulenten Impfstoff, der z. B. 
noch nach 151 tägiger Aufbewahrung im Eisschrank, auf das Kalb 20 verimpft, 
manche gute Pustel lieferte. Der Hase hatte also einen nicht nur für 
den Augenblick, sondern noch nach langer Aufbewahrung wirksamen Impf- 
stoff geliefert. Diese Beobachtung lässt darauf schliessen, dass wir neben 
dem Kaninchen auch den Hasen, wahrscheinlich auch die übrigen Mitglieder 
der Gattung der Leporinen, zur Lymphegewinnung benutzen könnten dort, wo 
Rindvieh und Kaninchen fehlen. 

Der Keimgehalt einzelner mit soeben gewonnener Lapine beschickter 
Agarkulturen war hoch, verminderte sich im Glycerin aber schnell, so dass 
die Lapinen sich bald als keimarm auswiesen. Alle am Menschen aus der 
Lapine entstandenen Vaccinepusteln zeichneten sich durch ganz besonders 
milden Ablauf aus. Wegen dieses milden Verlaufs der Pustelung würde die 
Lapine sich zum Gebrauch bei der Erstimpfung wohl eignen, aber die ihr 
nach meinen bisherigen Beobachtungen anhaftende Minderwirksamkeit bei 
der Wiederimpfung würde gegen die Benutzung der Lapine in Deutschland 
sprechen, wenn sie sich bei weiteren Prüfungen der Frage bestätigen sollte. 
In den Tropen aber wird die Lapine höchst wahrscheinlich zu einem wert- 
vollen Impfstoffe werden, wie sie es bei uns insofern schon geworden ist, als 
ihr Nutzen bei der Uebertragung auf Kälber unverkennbar ist; wird doch eine 
deutliche Aufkräftigung der Impfpusteln nach Verimpfung der Lapine auf 
das Kalb selten vermisst. Einer Verwendung der Lapine auch zu Menschen- 
impfungen stehen in unseren Kolonien gesetzliche Vorschriften nicht entgegen; 
doch fragt es sich, ob Krankheiten der Kaninchen gegen die Benutzung dieser 
Tiere zur Lymphegewinnung sprechen. 

Selbstverständlich darf man nur gesunde Kaninchen impfen, und man 
muss die geimpften Kaninchen ebenso sauber halten, wie die Impfkälber. Vor 
der Entnahme der an den Kaninchen reif gewordenen Lapine werden die Tiere 


Versammlung d. Vorstände der Deutschen staatl. Lymph-Gewinnungsanstalten. 1403 


getötet; der Arzt selbst kann dann mit leichter Mühe, unabhängig vom Schlachter 
und vom Tierarzt, die Besichtigung ihrer inneren Organe vornehmen und die 
Abwesenheit septischer oder eitriger oder anderer Erkrankungen, insbesondere 
der Tuberkulose feststellen. 

Die sogenannte Hasenvenerie kommt beim Hauskaninchen nicht vor, ist 
keine Syphilis und kann leicht ausgeschlossen werden, weil ihre Anwesenheit 
bei der Besichtigung des getöteten Tieres sofort auffallen würde. Eine selbst- 
ständige Syphilis der Kaninchen gibt es nicht. Zwar kann man dem Kanin- 
chen Krankheitsprodukte frischer Syphilis des Menschen oder des Affen ein- 
impfen und auch Geschwüre am Kaninchen auf diese Weise hervorrufen, aber 
eine der menschlichen Syphilis ähnliche oder auch nur an sie erinnernde 
specifische Erkrankung hat sich an den Kaninchen noch nicht nachweisen 
lassen. Die anders lautenden Mitteilungen Siegels werden von Wechsel- 
mann bestritten. Wer aber Kaninchen mit Menschenlymphe impfen will, hat 
die ohnehin selbstverstäudliche Pflicht, völlig gesunde Erstimpflinge zur Her- 


gabe des für die Tiere bestimmten Impfstoffes auszusuchen. 
Die Coceidiose ist eine unter jungen Kaninchen sehr verbreitete Darm- und 


Leberkrankheit, in deren Verlauf Coceidiencysten und Sichelkeime geplatzter 
Cysten mit dem Kote entleert werden, also auch auf das Fell der Kaninchen 
gelangen können. Demnach ist es denkbar, dass gelegentlich Coceidienkeime, 
trotz allen Rasierens, Seifens und Abspülens in den Rohstoff der Lapine hin- 
eingelangen. Nun sind aber die Hüllen der Coccidieneysten nur in Säure lös- 
bar, sie würden also, kutan verimpft, sich nicht auflösen, ihre Sichelkeime 
würden nicht austreten. Etwaige in die Emulsion hineingelangte, aus dem 
Kaninchendarm stammende Sichelkeime müssen aber im Glycerin der Emulsion 
zu Grunde gehen, ganz abgesehen davon, dass das Eindringen solcher Sichel- 
keime mit der Lymphe in die Impfwunde schwerlich irgend einen Schaden 
verursachen wird. 

Meines Erachtens bietet die Körperbeschaffenheit des Kaninchens keinen 
Grund zu Bedenken gegen die Verwendung der Lymphe dieses Tieres zur 
Menschenimpfung. 

Auf die Benutzung der Kaninchen zur Gewinnung der Varivlavaceine, die 
einige Aussicht auf Erfolg bietet, gehe ich hier nicht ein. Zum Schluss nur 
noch den Hinweis darauf, dass ein Arzt, der, im Besitze eines Haarröhrchens 
mit wirksamem Impfstoff, an einem gesunden Erstimpfling gute Impfpusteln 
erzeugt hat, nun, mittels Uebertragung der Lymphe vom Arm der Kinder auf 
einige gut gehaltene Kaninchen, imstande ist, sich innerhalb 3—4 Tagen von 
jedem der Kaninchen eine Menge von etwa 200 Portionen vollvirulenten Impf- 
stoffes zu verschaffen. Was das in einer vom Verkehr entrückten Gegend, zu- 
mal in unseren Kolonien bedeutet, ist klar; der Arzt macht sich unabhängig 
von der Lymphesendung aus der heimischen Impfanstalt. 

Den Vorständen der deutschen Impfstoffgewinnungsanstalten wurde die 
ehrenvolle Aufgabe, die Impfung wissenschaftlich zu fördern. Ich bitte, die 
beiden Jahre bis zur Wiederkehr unserer Versammlung zu benutzen, um Material 
zu sammeln zur Beantwortung und Entscheidung der folgenden Fragen: 


vom 
inchen 


No. 


10 


11 


13 


14 


15 


19 


21 


24 


27 


33 


47 


Total 


serdem 


ninchen 
Tv. 44 


1404 Versammlung d. Vorstände der Deutschen staatl. Lymph-Gewinnangsanstalten. 


Lapine 


Geimpft mit 
Impfstoff 


von 


Kind 593 


Hase 
Kalb 4 


Lapine No. 8 


Lapine No.9 


Kalb 5 


Lapine No.10 


Lapine No.18 


Lapine No.14 


Lapine No.15 


Lapine No.19 


Lapine No.21 


Lapine No.24 


Kalb 18 
Lapine No.45 


Kalb No.20*) , 


Gene- 
ration 
der 
Lapine 


I 


I 
I 
u 


IH 


IV 


VII 


m 


Uebersicht über die Wirkung der Kaninchen 


Keimgehalt der Lymphe 


Tag | Eine 
-[Oese i y 
Cap ear. gab Kolonien 
fung | am 
26.1. 
12.2. | 18.2. 8 
9.3. | 13.8. 0 
16.3. | 13.8. 0 
10.4. 0 
20.3. 13.8. 20 
22.3. | 13.8. 2 
1.8. 
25.3. 138. 200 
1l und eine zu- 
29.3. | 1.8. |sammengelaufene 
Kolonie 
4.4. 1.8. 0 
10.4. unzählige 
10.4. | 16.4. do. 
18.5. 500 
17.4. unzählige 
15.4. | 18:5. 250 
23.4. unzählige 
214. | 30.7. | 1 Kolonie 
26.4. | 30.7 y 
©; a Kolonien 
15.6. 
10.8. | 13.8. 32 
4.8. 


27.6. 


.T. 
28.2. 
2.8. 
2.8. 


2.8. 


2.8. 


26.3. 


26.7. 


16.8. 


10.8. 


Verimpfung auf Kälber 


Alter |auf das 
der | Kalb 5 
Lapine ee Ergebnis am Kalb 
Tage ” 
151 20 sehr gut 
185 23 sehr gut 
11 4 sebr gut 
146 25 unvollständig 
140 25 fast obne Erfolg 
einzelne unvollstä 
135 25 dige Pustein 
unvollständige P 
teln, aber fast ami 
133 25 jedem Schnitt 
Reaktion 
1 10 |prachtvolle Pu: 
6| 1 vorzüglich gute; 
148 | 30 Pusteln 
2 | 13 |sebr schöne P 
148 30 kümmerlich 
15 15 |vorzügliche Pu 
10 15 vorzügliche sche 
102 23 schöne Pusteln 
9 23 |sehr schöne Pa 
7 29 gute Pusteln 
10 24 0 


*) Der Impfstoff des Kalbes 20 war wahrscheinlich während 4 Tagen auf 37° erwärmt und unwi 


i 


ammlung d. Vorstände der Deutschen staatl. Lymph-Gewinnungsanstalten. 1405 


lamburg im Jahre 1906. 


ıng auf Kinder (Erstimpflinge) Verimpfuog der Wiederimpflinge 
der | zani |S ; Alter der | Zahl der SS; 
ine der |z 5 apine Wieder- 3 gS 

ge Kinder | $ aa Tage impflinge ST” a 

g N in %, g 


79 


im Durch- | 136 | 273 | 228 83 im Durch- 189 756 294 | 38,9 
schnitt 103 schnitt 103 i 
| Tage alt Tage alt 
18. 7 19 | 38 | 0 0 | 


worden. 


1406 Versammlung d. Vorstände der Deutschen staatl. Lymph-Gewinnungsanstalten. 


1. Ist ein mit Lapine erfolgreich geimpftes Kind nach Ablauf von 14 bis 
15 Tagen seit der Impfung unempfänglich gegen die Nachimpfung mit kräftiger 
Vaccine, und umgekehrt? 

2. Gewinnen die mit Vaccine und die mit Lapine geimpften Kinder die 
Immunität gegen die nachfolgende zweite Impfung mit Lapine oder mit Vaccine 
zu gleicher Zeit? 

3. Ergeben Versuche die Unschädlicbkeit der Einbringung von Coceidien- 
keimen in kleine Oberhautritzen? 

4. Erweisen die in kühler und die in ganz heisser Jahreszeit entstandenen 
Lapinen sich als gleich wirksam? 

5. Gelingt die andauernde Fortpflanzung einer bei Verimpfung auf den 
Menschen haftsicher wirkenden Lapine von Kaninchen zum Kaninchen auch 
zur Zeit heissen Wetters? 

6. Bleibt eine aus dem Rohstoff der bei heissem Wetter gewonnenen 
Lapine hergestellte Glycerinemulsion ebenso lauge haftsicher wirksam, wie 
eine in kühlerer Jahreszeit gewonnene Glycerinemulsion der Lapine? 

Pfeiffer hat die Kaninchenlymphegewinnung nach dem Vorgange von 
Calmette in Lille seit 2 Jabren geübt. Sie dient bei der Kälberlymphe- 
erzeugung als Ersatz der humanisierten Lymphe. Auf der Kaninchenhaut 
vollzieht sich eine Reinigung der Kälberlymphe, indem Saprophyten dieser 
auf jener nicht wachsen. Wenn man vom Kaninchen unmittelbar auf das 
Kind überimpft, so ist ein Unterschied der erzeugten Pocken von den aus 
Kälberimpfstoff erzeugten nicht zu bemerken. Nachimpfung mit Kälberlymphe 
nach Lapineimpfung ist erfolglos. Ob die Immunisierungsdauer dieselbe ist, 
wird sich erst nach Jahren feststellen lassen. Was die Technik der Kaninchen- 
impfung betrifft, so sind dazu vorzüglich solche weisse Kaninchen brauchbar, 
deren Fell wenig Wollhaare hat, denn diese wachsen auf der rasierten Fläche 
schnell nach und mengen sich bei der Abnahme des Impfstoffes diesem bei. 
Vor der Impfung wird die Rückenfläche rasiert, mit Sandpapier wundgeschabt 
und dann die Kälberlymphe (etwa 25 Portionen) eingerieben. Zur Impfung 
eines Kalbes braucht man 2—4 Kaninchen. Nach der Impfung werden die 
Kaninchen einzeln gehalten. 

Es entstehen keine isolierten Pusteln; nach 4X24 Stunden hat sich auf 
der Impffläche eine dünne, festsitzende, gelbliche, glasharte Kruste gebildet, 
die beim Ueberstreichen mit stumpfem Instrument blutende Risse bekommt. 
Das Tier wird jetzt geschlachtet, das Fell abgezogen und auf einer Holz- 
unterlage bis auf die Cutis abgeschabt. Der Rohstoff, der mit Haaren ver- 
mengt ist, wird im Mörser mit wenig Glycerinwasser verrieben, und mittelst 
einer kleinen Presse (hergestellt von Gebrüder Schmid in Weimar) durch ein 
Sieb getrieben. Vier Kaninchen geben etwa 300 Portionen Impfstoff. Dieser 
hält sich 2—3 Monate wirksam. Auf das Kalb wird der Stoff frisch, sofort 
nach der Gewinnung, verimpft. Die Weiterimpfung von Kalb zu Kalb ist 
nicht lange durchführbar; es tritt ebenfalls Abschwächung ein. Aber schwächere 
Kälberlymphe ergibt beim Kaninchen noch eine gute Ernte. Zur Prüfung des 
längere Zeit abgelagerten Impfstoffs werden einem Kaninchen ein paar kleine 
Schnitte ins Ohr geimpft, diese zeigen dann am 3. und 4. Tag einen roten 
Saum um ein pustulöses Centrum, wenn man das Ohr gegen das Licht hält. 


- Versammlung d. Vorstände der Deutschen staatl. Lymph-Gewinnungsanstalten. 1407 


Freyer berichtet über-Verimpfung von Lapine unmittelbar auf das Kind. 
Die hierzu benutzte Lapine war in gleicher Weise mit Glycerinwasser herge- 
stellt, wie die Kälberlymphe. Es wurden im ganzen 20 Kinder geimpft, jedes 
Kind zur Kontrolle gleichzeitig mit Kälberlymphe. Die mit der Lapine er- 
zielten Pockenpusteln hatten durchweg ein vorzügliches Aussehen und unter- 
schieden sich nach keiner Richtung bin von den mit Kälberlymphe erzeugten, 
Sie hatten meist einen geringen Hof. . 

Die Lapine war bei der Verimpfung 3, 10, 17, 24, 31, 38, 111 und 
115 Tage alt. Sie war noch bis zu 111 Tagen voll wirksam geblieben. Mit 
der 115 Tage alten waren 3 Kinder geimpft worden, davon eins mit vollem 
Erfolg; bei einem hatten sich statt der langen Schnittpocken nur runde Pocken 
gebildet, und bei einem Kinde war auf 2 Schnitten nur 1 Pocke entstanden. 
Mit 115 Tagen begann die Lapine somit an Wirksamkeit nachzulassen. 

Auf dem Kalbe wurden mit der Lapine im ganzen gute, doch etwas 
schmälere und trockenere Pocken erzeugt, als mit der Kälberlymphe. 

Diese mit Lapine erzeugte Kälberlymphe habe ich teils selber auf 
Rinder mit gutem Erfolg verimpft, teils wurde sie zu privaten und öffent- 
lichen Impfungen abgegeben und ebenfalls mit gutem Erfolg verimpft. Von 
8 öffentlichen Impfärzten erzielten 7 vollen personellen und nahezu vollen 
Schnitterfolg, und nur einer hatte weniger günstige Erfolge. 

Stumpf demonstriert ein vor 4 Tagen mit schönem Erfolge geimpftes 
Kaninchen. 


VIII. Voigt: Ueber die Versorgung der Tropen mit Kuhpocken- 
impfstoff. - 

Seit einigen Jahren entsenden das Kolonialamt und das Oberkommando 
der Schutztruppen die zum Dienste in unseren Kolonien ausersehenen Aerzte 
nach Hamburg, um vor ihrer Ausreise einen sechswöchigen Kursus im 
tropenhygienischen Institut durchzumachen und die Gewinnung der Tierlymphe 
in der Staatsimpfanstalt kennen zu lernen. Mehrmals bin ich, von den mir 
so näher tretenden Herren, gebeten worden, sie mit Lymphe zu versorgen. 
Zu Anfang dieses Jahres gab ich dem Oberarzt Dr. Berke in Kribi Kamerun 
‚vor seiner Ausreise einige Tuben mit, welche einen am 20. November 1905 
gewonnenen Impfstoff enthielten, die ausserordentlich wirksame 4. Generation 
der in München im Sommer 1905 entstandenen Variolavacoine., Am 22. Fe- 
bruar 1906 berichtet Herr Dr. Berke mir aus Malande im Hinterlande von 
Kribi: 

„Die mir am 8. Januar von Ihnen übergebene Lymphe hat hier bereits 
Gutes gestiftet. Am 6. Februar in Kribi angekommen, erhielt ich die Nach- 
richt, die Blattern seien dorthin verschleppt worden und die nach dem südlich 
von Duala gelegenen Küstenort Kribi führenden Strassen seien verseucht. 
Unsere 800 Träger wurden durch den Regierungsarzt in Kribi geimpft; nur 
bei 3 oder 4 trat eine mässige Reaktion auf; angeblich stammte die ver- 
wendete Lymphe aus Togo, unserer nördlichen ostafrikanischen Kolonie. In 
Lolodorf impfte ich dann mit Ihrer Lymphe, die ohne Ausnahme erfolgreich 
war; ausserdem wurde ein Kalb am 14. abends geimpft. Am 17. morgens 


1408 Versammlung d. Vorstände der Deutschen staatl. Lymph-Gewinnungsanstalten. 


konnte ich bereits abimpfen, an den folgenden Tagen ist noch mehr Impfstoff 
abgenommen worden; ich hatte meinen Weg schon am 17. fortsetzen müssen. 

Die Not an den Strassen war gross. Da und dort Schwerkranke an der 
Strasse liegend; da und dort Lasten am Wege stehend, deren Träger gleich 
schwerkrankem Wild sich im Busch verkrochen hatten; die Gesunden jeden 
Verdächtigen erbarmungslos aus dem Dorfe hinaustreibend, ohne Speise und 
Trank ihn dem elenden Tode preisgebend. Handel und Wandel aufgehoben, 
einzelne Karawanen insgesamt auf dem Wege liegend. Es waren erbarmungs- 
würdige, aber auch grauenerregende Gestalten. Die einzigen, welche etwas 
für sie taten, waren die Stationen mit ihren weissen Angehörigen, ein Teil 
der Missionen, so ein Vertreter der Mission Lolodorf. Wie viel mehr hätte 
geschehen können, wenn rechtzeitig eine genügende Menge Lymphe im Innern 
vorhanden gewesen wäre.“ 

Es folgt die Bitte um eine weitere Sendung wirksamen Impfstoffes im 
Eisraum des Postschiffes; auch die von Herrn Dr. Berke mitgenommene Lymphe 
hatte im Eisraum gelegen, also die während des kurzen Transportes von Togo 
nach Kribi unwirksam gewordene Togolymphe hatte versagt, der von Europa 
neuüberbrachte Stoff wurde zum Retter in der Not. 

Obige kurze Schilderung zeigt, wie ernst die Frage nach der Versorgung 
der Kolonien mit gutem Impfstoff zu nehmen ist, eine Frage, welche meines 
Wissens in Deutschland noch wenig, aber eingehender im Jahre 1903 in Brüssel, 
bei Gelegenheit des internationalen Kongresses für Hygiene und Demographie, 
besprochen ist. Von den Verhandlungen dieses Kongresses hat man aber nur 
wenig Kunde erhalten; die deutschen Impfanstalten sind in Brüssel nicht ver- 
treten geweren. 

Unsere Kolonien liegen sämtlich innerhalb der Wendekreise; von der in 
jenen Gegenden herrschenden Wärme macht man sich kaum den richtigen 
Begriff. Die Mittelwärme von 30—31° C. im Schatten, in der Sonne um so 
viel mehr, grenzt an die bei uns vorkommenden wenigen allerheissesten Tage. 
In Afrika werden die Lasten und Postsendungen auf den Köpfen der Träger 
in das Innere des Landes getragen. Die Tropensonne durchglüht diese Bündel 
bis zu 40, ja bis zu 550 C. Jede, auch die virulenteste Vaccine, welche in 
solcher Weise transportiert wird, muss hierbei ihre Wirksamkeit verlieren. 
Schon Carsten hat im Jahre 1877 experimentell festgestellt, dass ein ia 
Bretonneauröhrchen enthaltener kräftiger Impfstoff bei einer Luftwärme von 
580 C. binnen 30 Minuten völlig unwirksam wird. Vielfach ist erprobt, dass 
die bei 37,50 aufbewahrte Glycerinliymphe während weniger Tage sehr viel 
von ihrer Virulenz einbüsst. Sehr hohe Wärmegrade schädigen nicht nur die 
Wirksamkeit eines jeden aufbewahrten Impfstoffes, sondern schädigen auch 
die Entwickelung des lebenden Impfstoffes an unseren Impfkälbern, denn die 
während der kühleren Monate des Jahres gewonnene animale Vaccine bleibt 
bedeutend dauerkräftiger wirksam als die Ernten von den im Hochsommer 
geimpften Kälbern. Der humanisierten Lymphe ergeht es in den Tropen 
ähnlich. Nach Pringle!) liess sich in Ostindien vor Einführung des Gebrauchs 


1) Pringle, Papers on Small-pox and vaccination. Edinburgh 1874. James Thin. 


en nn > 


Versammlung d. Vorstände der Deutschen staatl. Lymph-Gewinnungsanstalten. 1409 


der Tierlymphe die Impfung vom Arm zum Arm während der heissen Monate 
des Jahres in den Ebenen des Punjap nicht durchführen, man impfte während 
dieser Monate in den kühleren, gebirgigen Gegenden; in die Ebenen stiegen 
die Impfärzte erst im November hinab, um sich gegen Ende März wieder auf 
die höher belegenen Teile des Landes zu begeben. Noch jetzt wird dort in 
der Ebene mit animaler Lymphe nur in der kühleren Jahreszeit geimpft. 

Die deutschen Impfanstalten haben die Aufgabe, unsere Kolonien mit 
gutem Impfstoffe zu versorgen, aber die Gelegenheit zur Feststellung der Wirk- 
samkeit des dorthin versendeten Impfstoffes bietet sich ziemlich selten, nament- 
lich die Nachrichten aus dem Innern der Kolonien sind sparsam. Bei der 
Prüfung der Frage müssen wir uns schon in unseren Nachbarländern umsehen. 

Ich habe mich mit der Bitte um Auskunft an die Herren Calmette in 
Lille, St. Yves-M&nard in Paris, an Herrn Dr. Nyland, den Direktor der 
Impfanstalt zu Weltevreden bei Batavia und an Colonel King in Madras, jetzt 
in Birma, gewendet. Alle genannten Herren haben die grosse Liebenswürdigkeit 
gebabt, mir ausführliche wertvolle Auskünfte zu geben. Ich benutze diese 
Gelegenheit, um genannten Herren hierfür herzlich zu danken. 

Calmette und Guérin, die Leiter der Impfanstalt zu Lille, welche einen 
grossen Teil der Kolonien Frankreichs mit Impfstoff versorgt, haben ihre Er- 
fahrungen mitgeteilt, Guérin gegenüber dem Kongress zu Brüssel (a. a. O.) 
Calmette liebenswürdigerweise mir gegenüber in einem vom 12. Mai 1906 
datierten Briefe. 

Io Lille benutzt man seit 5-Jahren einen unter gelegentlicher Hin- und 
Herimpfung zwischen Kälbern und Kaninchen vollvirulent erhaltenen Impfstoff, 
der sofort nach seiner Gewinnung mit wenig Glycerin durchknetet, kühl auf- 

bewahrt wird. In die Kolonien wird der Impfstoff womöglich unverrieben 
versendet; bis 1903 geschah das noch im Kühlraum der Postschiffe, neuerdings 
aber einfach mit der Post. In den Kolonien verlangt man aber den für die 
Impfung der Bevölkerung bestimmten Impfstoff in völlig gebrauchsfertiger 
Form. Um dem zu entsprechen, wird der Rohstoff mit der gleichen Menge 
Glycerin verrieben und diese Masse in Glastuben von 2 cm Länge und 0,6 cm 
Weite gefüllt, die mit Kork und glu maritime verschlossen werden. Man 
versendet diese zu je 50 Portionen berechneten Tuben in Holzklötzen, welche 
im übrigen mit Sägespänen gefüllt werden. Zum Animpfen der in den kolo- 
nialen Impfanstalten eingestellten Impftiere versendet man in Lille einen mit 
Glycerin grob verriebenen Kaninchenimpfstoff in grossen Tuben oder in kleinen 
Flaschen und stets mit gutem Erfolge. Einige in den Annales d'hygiène et 
de medecine coloniale enthaltene Veröffentlichungen bestätigen den befriedigen- 
den Erfolg dieser Sendungen; z. B. wirkte (a. a. O. 1904) der aus Lille be- 
zogene Impfstoff, nach Noe, in Noumeo auf Neu-Caledonien kräftiger als 
Sendungen aus Saigon, und, nach Blin (a. a. O. 1905), auf Mayotte besser als 
die Sendungen aus Tananarivo. 

Herr Prof. St. Yves M&nard, der Leiter der Anstalt zu Paris, bewahrt 
den Impfstoff nieht mehr im Eisschrank, sondern in einem mittels einer Kühl- 
schlange der Wasserleitung auf 15—16° gehaltenen Behälter, in der Ueber- 
zeugung, der plötzliche Uebergaug aus der Kälte des Eisschrankes zum Trans- 
port in der Sommerhitze vernichte den Impfstoff. 


1410 Versammlung d. Vorstände der Deutschen staatl. Lymph-Gewinnungsanstalten. 


Zur Impfung der Kälber benutzt man in Paris einen 1—4 Monate lang 
aufbewahrten Impfstoff, zum Verbrauch für die Menschen einen solchen im 
Alter von nur 6—8 Tagen. Der vom Kalbe mit der Kürette abgenommene 
Impfstoff wird in Paris wie in Lille zunächst mit wenig Glycerin durchknetet 
aufbewahrt, und davon nur soviel, als jedesmal nötig ist, mit der gleichen 
oder der doppelten Menge Glycerins verrieben und in kleinen Tuben versendet. 
Die Tuben kommen in kleine Metallposen und in Holzklötze, die, wie in Lille, 
mit gewöhnlicher Post versendet werden und gut ankommen. St. Yves ist 
von dem Nutzen der Versendungen im Kühlraum der Postdampfer nicht über- 
zeugt, doch vertraut er besonders wichtige Sendungen diesem Raum an. 
Seiner Ansicht nach verlieren im Eisraume kleine Mengen von Impfstoff ihre 
Virulenz zuerst, grössere Tuben bleiben länger wirksam, am längsten die noch 
unverriebenen Massen. Deshalb verschickt St. Yves ueuerdings seinen für 
die Tropen bestimmten Impfstoff in unverriebenem Zustande; das Ergebnis 
dieser Neuerung ist aber noch abzuwarten. 

Die Anstalt in Lille verschickt also den für die Tropen bestimmten Impf- 
stoff mit nur sehr wenig Glycerin versetzt; der nur wenig reichlicher bemessene 
Glyceringehalt der aus Paris versendeten Mischung stellt sich auf 60%), 
Glycerin. Diese Mischung scheint allgemein für diesen Zweck üblich ge- 
worden zu sein, denn Brinckerhoff und Tyzzer berichten!), dass ihnen für 
ihre Arbeiten in Manila die folgenden Lymphesendungen zugegangen sind: 

vom Staatslaboratorium der Gesundheitsbe- 


hörde in New York. . . . . . . Glyceringehalt 60°;, 
» Japanischen Gesundheitsamt . . . . 60%, -+1°;, ac. carbol. 
von Park Davis& Co. . . 60%, 
n»n Chambon und St. Yia Ménard in 
Paris. . . . 60°%/, + 1,5°%/, ac. carbol. 


Der konzentrierteste Impfstoff der deutschen Impfaustalten dürfte einen 
Gehalt von 75°/, Glycerinwasser haben. Dieser Fiugerzeig könnte für unsere 
Sendungen in die Tropen nutzbar gemacht werden. 

Herr Dr. Nyland, der Direktor der Impfanstalt in Weltevreden bei Bata- 
via, berichtet brieflich über die Versorgung des ausgedehnten holländischen 
Kolonialbesitzes mit Impfstofl. Man impft dort abwechselnd etwa einjährige, 
einer Kreuzung europäischer und javanischer Rassen entstammende Rinder und 
Kaninchen. Die Kälber werden mit Kaninchenlymphe geimpft und umgekehrt; 
selten kommt es zur Verwendung einer am Rinde entstandenen dritten Lymphe- 
generation. Für die Bevölkerung benutzt man Kälberlymphe. Der Rohstoff 
wird mit Glycerinwasser (von 1102 specifischem Gewicht) verrieben im Ver- 
hältnis 1:3, 1:5 und 1:9. Die Mischung von 1:3 wird zwischen Glas- 
platten und in braunen Kapillaren aufbewahrt, die dünneren Emulsionen füllt 
man in Tuben, die mit Korken verschlossenen Tuben umwickelt man mit Mo- 
settig-Battist und mit einem Faden und steckt sie bei der Versendung in 
Löcher des Markes frischer Bananenstengel. Der Faden dient dazu, sie wieder 
aus dem Loche im Bananenmark herauszuziehen. Die Bananenstengel steckt 


1) Studies in quadrumana. Philippine Journ. of science. 1906. No. 3 


sammlung d. Vorstände der Deutschen staatl. Lymph-Gewinnungsanstalten. 1411 


ın in Blechbüchsen, deren Decke und Boden mit grossen Löchern versehen 
ıd, um die Verdunstung des Markes der Bananenstengel zu begünstigen, 
elche das Innere um 2—3° kühler hält als die Umgebung. Die im Verhält- 


is 1:9 hergestellte Emulsion hält sich ungefähr 10 Tage lang wirksam und 
ird auf Java selbst gebraucht. Der Impfstoff 1:5 geht nach der benachbarten 
nsel Madura und die Poststationen Javas und hält sich etwas länger als die 
dünnste Emulsion. 


Die entfernteren Inseln erhalten den Impfstoff 1:3 in 
Kapillaren und zwischen Platten, dieser bleibt gemeinhin einen Monat lang 
wirksam und wird dem Kühlraum der Dampfschiffe anvertraut, doch bietet 
diese Versendungsart nur dann rechten Nutzen, wenn die Vaccine bis unmittel- 
bar zum Gebrauch kühl gehalten wird, anderenfalls verliert sie beim Ueber- 
gange aus der Eiseskälte in die Tropenhitze schnell und viel von ihrer 
Virulenz. 

Also bewertet Nyland den Transport der Impflymphe im Eisraum der 
Postschiffe beinahe ebenso gering, wie es die Leiter der französischen Anstalten 
ebenfalls tun. Die Richtigkeit dieser Ansicht ist nicht ganz leicht zu beweisen, 
doch hören wir auch in Deutschland manchmal und fast immer in heisser 


Jahreszeit Klagen über Fehlerfolge eines versendeten Impfstoffes, der in der 
Anstalt, welche absendet, noch sehr gut anschlägt. Ich bin der Sache mit 
folgendem Versuch näher gegangen: 


Vollvirulenter, mit Glycerin emulsionierter Impfstoff des Kalbes No. 20 

und schwächlicherer, mit Chloroform hergestellter Impfstoff aus London, welche 
beide bisher im Eisschrank aufbewahrt worden waren, wurden zum Teil im 
Risschrank belassen, zum Teil bei Zimmertemperatur, zum Teil im Brütofen 
bei 30—31°, zum Teil bei 37° aufbewahrt und hernach verimpft. Der 
Uebergang aus dem Eisschrank in Zimmertemperatur und in 30—31° schadete 
der Wirksamkeit der Glycerinemulsion so gut wie gar nicht. Am Kalbe und 
an Kindern entstanden ebenso gute und ebenso vollzäblige Pusteln wie nach 
gleichzeitiger Verimpfung der Eisschranklymphe, aber die etwa 4 Tage lang 
bei 37—38° aufbewahrte Glycerinlymphe lieferte an Kindern auf 16 Schnitte 
nur 15 schwächliche Pusteln und nach 8 tägiger Aufbewahrung bei 37—38° C. 
‚erwies dieser Impfstoff, auf ein Kalb verimpft, sich als völlig wirkungslos. 
Dagegen konnte die schwächlichere Chloroformlymphe schon den Aufenthalt 
in 30—310 schlecht vertragen, denn als sie 5 Tage in solcher Wärme ge- 
legen hatte, lieferte sie an 11 Kindern Schnitterfolge in nur 50°/, und, nach 
9 Tagen solcher Aufbewahrung, am Kalbe No. 24 nur ganz kümmerliche 
Knötchen. 

Demnach schwindet in der Tropenhitze die Kraft eines schwächlichen 
Impfstoffes viel schneller als die Virulenz eines kräftigeren Impfstoffes; aber 
auch die Virulenz kräftiger Glycerinlymphe vermag der Tropenbitze nur auf 
kurze Zeit zu widerstehen. 

Die Frage, ob ein von vornherein in Zimmerwärme gehaltener Impfstoff 
in der Tropenhitze länger wirksam bleibt als Eisschrauklymphe, sollte noch 
weiter erprobt werden. 


Lehrreich ist in dieser Beziehung die Mitteilung Bondesenst), des Direktors 


1) I. Bondesen, Aarberetning fra den kgl.Vaccinationsanstalt 1903 und 1904. 
Ugeskrift for Laeger. 


1412 Versammlung d. Vorstände der Deutschen staatl. Lymph-Gewinnungsanstalten. 


der Impfanstalt in Kopenhagen, über die Versorgung der Inseln St. Thomas 
und St. Croix. Wird die im Eisraum des Postschiffes aus Kopenhagen nach 
St. Thomas gebrachte Vaccineemulsion dort sofort verimpft, so schlägt sie 
ziemlich gut an, die gleiche Sendung wirkt aber einige Tage später auf 
St. Croix, nachdem sie inzwischen gegen die Hitze unbeschützt geblieben war, 
äusserst mangelhaft. Darum hat Bondesen einen Teil der für Westindien be- 
stimmten Glastuben mit Lymphe nicht mehr im Eisraum der Schiffe, sondern 
mit gewöhnlicher Post, aber in mit einem Butterstecher angebohrten Kartoffeln ver 
schickt mit dem glänzenden Erfolge, dass in St. Croix die Ergebnisse der Erst- 
impfung von 9,4°/, und 9,5°/, der Jahre 1902 und 1903 sich in den Jahren 
1904/05 auf 80°/, und 58°/, hoben; die Wirksamkeit der in Kartoffeln ver- 
sendeten und bei ihrer Ankunft sofort verimpften Lymphe unterschied sich 
nicht wesentlich von derjenigen, welche im Eisraum überführt worden war, 
aber die Eisraumlymphe verlor ihre Wirksamkeit nachher viel schneller als 
die Kartoffellymphe. Man wünscht in Westindien jetzt Sendungen in beiderlei 
Gestalt. 

Wie die Beobachtung in St. Croix zeigt, handelt es sich bei der Versorgung 
der Kolonien nicht nur um die Frage der Brauchbarkeit des Impfstoffes am An- 
kunftstage, sondern um die noch viel schwierigere der Aufrechterhaltung seiner 
Virulenz während des Transportes von Ort zu Ort. In den Tropen mangelt es 
an küblen Räumen, man sucht also den Impfstoff mittels der Verdunstungkälte 
kühl zu halten, man legt die mit Impfstoff gefüllten Behälter unter feuchte 
Schwämme, steckt sie in frisch abgeschnittene Kürbisse und dergl., oder man 
verfährt wie Nyland und Bondesen. Manchmal werden die Lympbebehälter 
in feuchten Tüchern dem Luftzug ausgesetzt oder in mit Wasser gefüllten porösen 
Gefässen im Schatten aufbewahrt. Gegenüber der allgewaltigen Wärme sind 
das aber schwächliche Aushülfen. Wünschenswert wäre die Lieferung eines 
der Tropenbitze besser trotzenden Impfstoffes als in der Form der bei milderen 
Temperaturen so sehr bewährten Glycerinemulsion. 

Früher hat man Impfpustelborken brieflich verschickt, sie auch ziemlich 
dauerhaft wirksam befunden, ibre Versendung aber hauptsächlich wohl deshalb 
aufgegeben, weil die Borken schwerer zu bekommen sind als die am Nach- 
schautage vom Arme der Erstimpflinge gebrauchsfertig erbältliche, allen An- 
sprüchen genügende Lymphe des Pustelinhaltes. Moderner als Borken war 
das aus dem Rohstoff der Kalbspusteln durch Austrocknung hergestellte 
Vaccinepulver. Reissner in Darmstadt hat ein solches Trockenpulver in 
grossem Massstabe verwendet, aber damit Schiffbruch erlitten. Pringle be- 
richtet a. a. O. aus seinem von der Sonne durchglühten indischen Impfbezirk, 
die mit Menschenlymphe bestrichenen Knochenstäbchen seien kein so dauer- 
haftes Uebertragungsmittel wie die Pustelborken; am dauerhaftesten erweise 
sich die Menschenlymphe in Glasröhrchen. 

Das Studium der Wirksamkeit der Pustelborken und des Vaccinepulvers 
ist mehrmals aufgenommen worden; letzteres ist früher besonders in Italien 
empfohlen worden. Einige Versuche mit Pustelborken haben wir in Hamburg 
angestellt!),. Die Borken eines Kalbes wurden in keimfreien, geschlossenen 


1) Med.-statist. Mitteil. d. Kais, Ges.-A. Bd. 7. S. 60. 


Versammlung d. Vorstände der Deutschen staatl. Lymph-Gewinnungsanstalten. 1413 


Glasröhrchen, nicht im Eisschrank, sondern in einer sehr sonnenwarmen 
Stube 88 und 222 Tage lang aufbewahrt, für den Gebrauch mit physiologischer 
Kochsalzlösung fein verrieben und auf Kälber verimpft; wir haben Schnitt 
für Schnitt schöne Pusteln erzielt. Den gleichen Erfolg lieferten ebenso be- 
handelte, 41 Tage lang aufbewahrte Pustelborken vom Arm eines Kindes, 
dagegen versagten gänzlich die auf ein Kalb übertragenen 126 Tage alten 
Pustelborken eines revaccinierten, früher schon mehrmals geimpften Mannes. 
Dieser Versuch bestätigte die früheren Angaben über die lange Dauer der 
Haftsicherhbeit der als Impfstoff verwendeten Pustelborken; aber auch der ge- 
trocknete Impfstoff reifer Kuhpockenpusteln bleibt oft lange und bei Aufbe- 
wahrung in der Wärme länger wirksam als eine Glycerinemulsion gleicher Ernte. 

Jüngst hat Carini in Bern!) ein aus dem Rohstoff der Kalbspusteln 
mittels Chlorcaleium hergestelltes Trockenpulver und, zum Vergleich, daneben 
eine Glycerinemulsion der gleichen Ernte einer Temperatur von 37° und von 
60° während genau bemessener Zeitspannen ausgesetzt und nachher beide 
Impfstoffe nebeneinander auf Kälber verimpft. Das Trockenpulver hat die 
Hitze besser vertragen, lieferte kräftigere Pusteln als die während ebenso langer 
Zeit erwärmte Glycerinemulsion. Nach obigem empfehle ich den Vorständen 
der Deutschen Impfanstalten die Anstellung von Vergleichen der Widerstands- 
fähigkeit der Glycerinemulsion und der Borken wie des Trockenpulvers gegen 
die Tropenhitze, sowie auch zu prüfen, ob eine früh verriebene Trockenvaceine 
frühzeitiger schwach wird als eine spätverriebene Trockenvaccine der gleichen 
Ernte. 

Layet2) betont: wolle man erfolgreichen Impfstoff in die Kolonien ent- 
senden, so dürfe man nur die mit der Klemmpinzette gewonnene Lymphe 
verwenden. Layet trocknete die Lymphe mittels Chlorcalcium und verschickte 
sie gepulvert und mit Vaselin verrieben zwischen Glasplatten, wie es hiess, 
mit gutem Erfolge. Layet legt Gewicht darauf, dass die Pulverisierung der 
Trockenvaceine und die Vermischung mit Vaselin erst unmittelbar vor der 
Absendung geschehen, weil die Verreibung selbst die Dauer der Wirksamkeit 
des Impfstoffes schädige. Einen Beweis seiner Annahme liefert Layet nicht. 
Hiernach wäre zu prüfen, ob eine frühverriebene Trockenvaccine frühzeitiger 
schwach wird als spätverriebene Vaccine gleicher Art und Ernte. 

Pustelborken und Vaccinepulver bleiben immer, weil nicht gebrauchs- 
fertig, unbequeme und unwillkommene Impfstoffe, welche in ungeübter Hand 
leicht versagen. Der Empfänger verlangt gebrauchsfertigen, wirksamen Impf- 
stoff. Aus diesem Grunde wird man die Sendungen des mit Vaselin ver- 
mischten Vaccinepulvers Layets gerne entgegen genommen haben. 

Das Lanolin und das Vaselin haben sich als Zusatz zum Kuhpocken- 
impfstoff in Europa nirgends eingebürgert, aber in Ostindien werden Lanolin- 
lymphe und Vaselinlymphe neben der Glycerinlymphe in regelmässigen 
öffentlichen Impfbetrieben in grossem Umfange seit Jahren verwendet. 

Um die Zeit, als die animale Vaccine in Ostindien eingeführt wurde, hat 


1) Centralbl. f. Bakt. Orig. Bd. 41. H. 1. 
2) Traité de la vaccine animale. 1889, 


1414 Versammlung d. Vorstände der Deutschen staat!. Lymph-Gewinnungsanstalten. 


Colonel King J. M. S. 
emulsion empfoblen. 


in Madras die Lanolinlymphe an Stelle der Glycerin- 
Diese Neuerung bat sich in diesen ausserordentlich heissen 
Ländern als ein der Glycerinemulsion an Haftsicherheit bei weitem überlegener 
Impfstoff erwiesen. King hat die grosse Liebenswürdigkeit gehabt, mir auf 
meine Bitte eingehende Berichte über seine Erfahrungen und über die dortigen 
amtlichen Erhebungen einzusenden. Die Anstalt zu Guindi bei Madras ver- 
sorgt einen riesigen Bezirk mit Impfstoff. Zu diesem Zwecke werden dort 
jährlich etwa 3500 Kälber eingestellt, welche 1—2 Jahre alt sind und mittels 
Stichen geimpft werden. Man stellt dort Glycerin- und Vaselinlymphe, haupt- 
sächlich aber Lanolinlymphe her. Zu diesem Zweck wird der Rohstoff mit 
der vierfachen Menge völlig wasserfreien neutralen Lanolins verrieben, das 
nach Liebreichs Methode hergestellt und von Benno Jaffe und Darm- 
stätter in Berlin bezogen wird. Die Mischung wird in Blechtuben gefüllt 
und bis zur Verimpfung kühl aufgehoben, nachher in einer schlecht die 
Wärme Jeitenden Verpackung versendet. 

Nach einer früberen Veröffentlichung Gottsteins, die durch Nachprüfungen 
in Indien bestätigt werden, dringen Keime von aussen in das Lanolin nicht 
oder nur schwer hinein und der Keimgehalt der Lanolinlymphe nimmt lang- 
sam ab. Die Lanolinliymphe wird in Blechtuben mit zum Verschrauben ein- 
gerichtetem Mundstück abgegeben. Um zu vermeiden, dass etwa durch das 
Schraubengewinde der Tube eingedrungene Keime zur Verimpfung gelangen. 
wird bei der Entleerung immer der zuerst hervordringende Stoff ausgeschaltet 
und auch festgestellt, ob der Inhalt der Tube noch neutral reagiert. Nach 
King wirkt die Lanolinliymphe wesentlich dauerkräftiger als Vaselinlymphe 
und als Glycerinlympbe. Ohne die Lanolinlymphe würde die Impfung sich in 
den Niederungen Indiens nicht so wirksam, wie es geschieht, durchführen lassen. 
(Forts. nächste Seite oben.) 


Uebersicht über die Ergebnisse der in der Präsidentschaft Madras im 
Berichtsjahre 1903/04 ausgeführten Erstimpfungen. 


Personen Impfstoff | Erfolg 
| 
164513 öffentl. Impfungen vom Rind zum Arme am Ort der Anstalt | 98.5%% 
67742 r $ frische verdünnte Kalbe-, 
Iymphe do. 96.929 
441645 , rm Glycerin-Rinderlymphe | verschiedene Anstalten ' 86,99, 
266050 r Lanoliolymphe vom Bangalore-Institut | 95 °, 
16 A % y verschiedene Anstalten |87 9% 
: 3 Gemeinde-Impfungen w vom Bangalore-Institut 96,8% 
17338 a & » am Ort der Impfung her- : 
gestellt 1 95,50/ 
23845 m $ Glycerinlymphe do. i 95,89% 
i 


Ergebnisse in Ganz-Indien. 


Vaselinlymphe: Erfolg. 2 79,86%, 
Lanoliniymphe in den westlichen Gegenden 84,149, 
in Bangalen 97,01%, 
Glycerinlymphe in der Pri äsidentschaft Bombay 87,15%, 


in der gebirgigen Gegend von Assam 97,87%/ 


Versammlung d. Vorstände der Deutschen staatl. Lymph-Gewinnungsanstalten. 1415 


Unter Benutzung der Lanoliniympbe und einer besonders sorgfältigen 
Auswahl der am Rinde entwickelten Impfpusteln — das Rind wird zur Fort- 
pflanzung der Vaccine immer von Tier zu Tier fast ausschliesslich mit Stichen, 
nicht mit Schnitten geimpft — gelingt es Jahr aus Jahr ein, unter der 
glühenden Sonne Indiens die Vaccine rein animal fortzupflanzen, auf die Hin- 
und Herimpfung von Rind auf den Menschen und wieder auf das Rind, und 
auf die Einschievung der Kaninchen als Zwischenwirt zu verzichten und auch 
mit der versendeten Lanolinlymphe befriedigende Erfolge zu erzielen, wie die 
Liste auf voriger Seite zeigt. 

King hat seinem Berichte eine Liste beigefügt, aus der die Ergebnisse 
der in Madras im Jahre 1898 angestellten Untersuchungen des Keimgehaltes 
verschiedener Impfstoffe, der Glycerinlymphe, der Lanolinliymphe und der 
Vaselinlymphe zu entnehmen sind. Von jedem der 3 Impfstoffe wurden 3 malted 
agar-Kulturen in Petrischalen angelegt. Die erste Kulturreihe wurde mit 
5 Oesen des Impfstoffes selbst beschickt, die zweite Kulturreihe mit 5 Oesen 
aus der ersten Reihe, die dritte Kulturreihe mit 5 Oesen aus der 2. Reihe. 


Keimgehalt der 


Glycerinlymphe Lanolinlymphe | Vaseliniymphe 
Reibe Reihe Reihe 
BELESRUS SEN TEE TER 


1. Woche | 862 ! 249 | 292 | 532 | 411 | 574 | 687 unzählig | 261 
2: 215 | 153 | 178 | 483 | 283 | 259 | 274 459 | unzählig 
Sy | 28 | 138 | 179 | 213 Junzähl. unzäblig; , 
ds ss, 31| 47| 26. 9 j|, i 4 
p 45.18 E a sis: e a zn 
ER: <] aij a|-| un: a| >i)? = 
T j 6i | 10| ERES 
8 — i] 10; — -| j-i] a _ 


*) Eine zusammengeflossene Kolonie über die ganze Fläche 

Die Liste zeigt, dass die Keimzahlen der Lanolinlymphe langsamer sinken 
als die der Glycerinlympbe, dass aber der Keimgehalt der Vaselinlymphe hoch 
bleibt, wahrscheinlich zunimmt. 

Die Lanoliniymphe behält in Indien nach den Berichten Kings ihre 
Wirksamkeit Monate lang, sie vermag, wenn in der glühenden Sonne auf den 
Köpfen der Träger über Land getragen, der auf sie einwirkenden Hitze viel 
länger zu widerstehen als die Glycerinlymphe, welche immer möglichst bald, 
nachdem sie den Küblraum verlassen hat, verimpft werden muss und in Indien 
nur bis zum 8. oder 10. Tage nach der Versendung benutzt werden darf. Nach 
den Berichten Kings gelingt die Züchtung der Vaccine lediglich von Kalb zu 
Kalb unter Zubülfenahme der Lanolinlymphe in der Impfanstalt zu Madras 
seit Jahren, während in den heissen Gegenden nirgends und selbst bei uns fast 
nirgends die Vaccine ohne Zubülfenahme der Retrovaccine gedeiht. Die La- 
nolinlymphe bedarf also gründlicher Prüfung auch in unseren deutschen Impf- 
anstalten. 

Noch vor dem Eintreffen der Berichte Kings habe ich Versuche ange- 
stellt, dem Impfstoffe anstatt des Glycerins Vaselin und Paraffinum liquidum 
hinzuzusetzen. 


1416 Versammlung d. Vorstände der Deutschen staatl. Lymph-Gewinnungsanstalten. 


Mit der dreifachen Menge Vaselins verreibt der Rohstoff der Vaccine sich 
zu einer sehr bequem verimpfbaren Paste, die sich in Blechtuben gut auf- 
nebmen lassen würde, aber für Kapillaren ungeeignet ist. Der Keimgehalt der 
Vaselinlymphe bleibt hoch. Die nach achttägiger Aufbewahrung der Vaselin- 
lymphe angelegten Agarkulturen zeigten 200, nach 14 tägiger 300, nach ein- 
monatiger 500 Keime. Eine 8 Tage alte Vaselinlymphe lieferte auf 40 Impf- 
schnitte 35 Pusteln, gegenüber vollem Erfolge der Glycerinemulsion gleicher 
Ernte. 

In Anbetracht des andauernden Gebrauchs der Vaselinlymphe in Indien 
empfehle ich eine Prüfung ihrer Eigenschaften und ihrer Tauglichkeit zur 
Versendung in die Tropen. 

Ganz ungeeignet erwies sich das Paraffinum liquidum als Zusatz zum Impf- 
stoff. Im Verbältnis 3:1 dem Rohstoff hinzugesetzt bildete sich eine krümlige 
Masse, die sich in Tuben nicht einfüllen lässt. Die Mischung 1 Rohstoff zu 
5—6 Paraffin lässt sich zwar in Tuben füllen, aber in den Tuben scheiden 
sich Rohstoff und Paraffin von einander unter enormer Keimwucherung. 

Aus beiden Gründen habe ich die Paraffinlymphe nicht verimpft. Die in 
London als für die Tropen ganz besonders brauchbar empfohlene Chloroform- 
lymphe habe ich geprüft und sie wegen geringerer Haftsicherbeit, kürzerer 
Dauer ihrer Wirksamkeit und geringerer Widerstandsfähigkeit gegen den Ein- 
fluss bober Wärmegrade als einen unserer Glycerinemulsion nicht gleichzu- 
stellenden und für die Tropen zweifelsohne nicht empfehlenswerten Impfstoff 
befunden. 

Ebenso wie die Kolonien anderer Länder werden auch die Kolonien Deutsch- 
lands aus der Heimat mit Kuhpockenimpfstoff versorgt werden müssen, so 
lange, als sich in den Kolonien noch keine völlig geordneten Verhältnisse her- 
ausgebildet haben. Wünschenswert ist es, dass man auch in unseren Kolonien 
sobald als möglich zur mehr oder minder selbständigen Gewinnung der Vaccine 
übergeht. 

Nicht in allen Kolonien wird man die zur Gewinnung des Kuhpocken- 
impfstoffes nötigen Rinder in hinreichender Anzahl und Güte vorfinden, hie 
und da wird man genötigt sein, andere Tiere zu genanntem Zwecke heran- 
zuziehen. In dieser Hinsicht ist man in den Kolonien weniger gebunden als 
in Deutschland, weil das deutsche Impfgesetz und seine Ausführungsbestimmun- 
gen laut Reichsgesetzblatt 1900, S. 813 u. 814 u. 1005, für die Kolonien 
nicht massgeblich sind. Dort, wo Rinder nicht gut oder nicht reichlich zu 
baben sind, wird man andere Tiere, Kaninchen, Esel, junge Schweine, Gazellen, 
Ziegen als Impftiere benutzen. Ebenso wie in anderen kolonialen Impfan- 
stalten wird man bei Benutzung der Glycerinlympbe abwechselnd Rinder, 
Menschen, Kaninchen als Träger des Impfstoffes wählen müssen: die Rinder 
als die eigentlichen Träger des Impfstoffes, die Kaninchen und die Menschen 
als gelegentliche Zwischenwirte zur Auffrischung der Kraft des in der Tropen- 
hitze gefährdeten Impfstoffe. Man wird vermutlich auch versuchen, geimpfte 
Kaninchen als lebende Träger des Impfstoffes in entfernte Gegenden zu ent- 
senden, um trotz grosser Sonnenhitze wirksamen, lebenden Impfstoff in das 
Innere des Landes gelangen zu lassen. Möglicherweise wird die Lanolinlymphe 
auch dort nützlich werden. 


Versammlung d. Vorstände der Deutschen staatl. Lymph-Gewinnungsanstalten. 1417 


Sobald als sich in unseren Kolonien regelmässige Zustände herausbilden, 
sollten an geeigneten Knotenpunkten des Verkehrs nicht viele, aber gut aus- 
gerüstete Impfstoff-Gewinnungsanstalten eingerichtet werden. Hierfür haben 
Holland, England, Frankreich, der Congo das Beispiel gegeben mit der Er- 
richtung mehr oder weniger selbständiger, mit gutem Erfolge wirkender An- 
stalten. Den in unseren Kolonien zu errichtenden Anstalten müsste die Aufgabe 
zufallen, möglichst selbständig unter Ausnutzung von an Ort und Stelle zu 
gewinnender Variolavaccine für wirksamen Impfstoff zu sorgen und sich von 
auswärtiger Hülfe möglichst unabhängig zu machen. 

Als erste Bedingung für die Verwirklichung einer kolonialen Impfanstalt 
gilt die Sicherung ihrer stetigen sachkundigen Leitung. Dem Leiter einer 
solchen Anstalt sollte die Fürsorge für die in den Tropen schwierige Lymphe- 
gewinnung nicht im Nebenamt und nur von beute auf morgen, sondern als 
Hauptaufgabe und für möglichst lange zugewiesen werden, auch müssten ihm 
die nötigen Ausrüstungsmittel und die nötigen Geldmittel zur Verfügung stehen. 

Ich komme zum Schlusse. Wir stehen einer Reihe nicht völlig beant- 
worteter Fragen gegenüber. Auswärtige Beobachter sind der Ansicht, die 
Lebensfähigkeit und Wirksamkeit des aufzubewabrenden Vaccinestoffes werde 
geschädigt bei der mechanischen Verreibung und durch frühzeitigen reichlichen 
Glycerinzusatz; deshalb solle man die Verreibung erst möglichst kurz vor der 
Verwendung vornehmen und den Rohstoff zunächst nur mit ziemlich wenig 
Glycerin durchknetet aufbewahren. Des weiteren wird die Ansicht vertreten, 
der Uebergang aus der Temperatur des Eisschranks in die Tropenhitze schade 
der Wirksamkeit des Impfstoffes. 

Ueber diese und manche andere für die Versorgung der Tropen mit brauch- 
barem Impfstoffe, aber auch für unser heimisches Impfwesen wesentliche Fragen 
sollten wir uns in den deutschen Impfanstalten durch eigene Versuche selbst- 
ständige Anschauungen verschaffen. 

Ich bitte Sie um die Mitarbeit zur Beantwortung der folgenden Fragen. 
Es handelt sich meines Erachtens um die folgenden Punkte und Fragen: 

1. Bleibt ein mit Glycerin zu gleichen Teilen durchkneteter Vaccineroh- 
stoff im Eisschrank und in Zimmertemperatur gleich lange wirksam? 

2. Bleibt der gleich nach der Ernte nur mit gleichen Teilen Glycerins 
durchknetete und entweder im Eisschrank oder Zimmertemperatur aufbe- 
wahrte Impfstoff ebenso lange wirksam wie der Rohstoff der gleichen Ernte, 
welcher sogleich zur gebrauchsfertigen Glycerinemulsion verrieben ebenfalls in 
Zimmertemperatur oder im Eisschrank aufbewahrt wird? 

3. Vertragen die Impfstoffe eines Kalbes, welche entweder mit Glycerin 
durchknetet oder gleich anfangs als fertige Glycerinemulsion bereitet und 
dann im Eisschrank oder in Zimmertemperatur aufbewahrt wurden, den 
Uebergang in die Temperatur von 37° C. gleich gut oder nicht? 

4. Betreffend die Brauchbarkeit und die Dauerhaftigkeit der Virulenz der 
Pustelborken und des getrockneten Rohstoffes der reifen Pustel: 

a) Besteht ein Unterschied in der Dauer der Virulenz des vom gleichen 
Kalbe stammenden Pustelrohstoffpulvers und Borkenpulvers? 
b) Wirkt die Vaccine in den bald nach der Ernte gepulverten und als 


1418 Versammlung d. Vorstände der Deutschen staatl. Lymph-Gewinnungsanstalten. 


Pulver aufbewahrten Borken ebenso kräftig und ebenso auf die Dauer, 
wie der erst kurz vor der Verimpfung gepulverte ebensolange auf- 
bewahrte Borkenstoff? 

c) Wirkt ein in Zimmertemperatur aufbewahrter und kurz vor der Ab- 
sendung oder der Verimpfung mit Lanolin oder mit Vaselin oder mit 
Glycerin gehrauchsfertig zwischen Platten verpacktes Pustel- oder 
Borkenpulver ebenso lange kräftig wie ein schon bald nach der Ernte 
ebenso zubereitetes und aufbewahrtes Pustel- oder Borkenpulver? 

5. Wie verhält sich der Keimgehalt und die Dauerhaftigkeit der Wirk- 
samkeit des im Verhältnis von 1 Rohstoff zu 4 Lanolin oder zu 4 Vaselio 
bergestellten Impfstoffes, wenn im Eisschrank oder in Zimmertemperatur oder 
mehr oder weniger lange bei 37° aufbewahrt, im Vergleich zur ebenso be- 
handelten Glycerinemulsion des Impfstoffes gleicher Ernte? 

Alle obigen Fragen empfehle ich der Berücksichtigung seitens der Vor- 
stände der deutschen staatlichen Impfanstalten. Die wichtigste letzte Frage 
nach der Bewertung des Lanolins für die Impfstoffgewinnung und für die 
Versorgung der Kolonien mit Impfstoff sollte bei der nächsten Tagung im 
Jahre 1908 endgiltig entschieden werden. 

Bondesen teilt die Erfahrungen mit, welche die Anstalt in Kopenhagen 
mit der Tropenversendung der Vaccine gemacht hat. Die Aufgabe, die zwei 
dänischen Antillen, St. Thomas und St. Croix, mit zuverlässiger Lymphe zu 
versorgen, hat grosse Schwierigkeiten bereitet. Die Vaccine wurde anfangs 
mit französischen Dampfschiffen von Le Havre direkt nach St. Thomas ver- 
sandt; von dort wurde sie nach einigen Tagen nach St. Croix gebracht. Im 
Anfange der 90er Jahre war das Impfresultat auf St. Croix immer sehr gut, 
auf St. Thomas gewöhnlich ziemlich schlecht. Der Unterschied erklärt sich 
dadurch, dass St. Croix seine Öffentliche Impfung immer im Monat Februar, 
sowie immer gleich nach der Ankunft der Vaccine abhielt, während St. Thomas 
die Vaccination über den ganzen Sommer ausdehnte, einmal des Monats, so 
dass die Vaccination zuweilen erst mehrere Wochen nach der Ankunft der 
Lymphe stattfand. Von 1897 an wurde die Vaceine im Eisraum des Schiffes 
von Le Havre versandt, und es wurde dafür gesorgt, dass auch in St. Thomas 
die Impfung möglichst schnell nach der Ankunft des Schiffes vorgenommen 
wurde. Danach wurden die Resultate auf St. Thomas sehr gut, während sie 
in St. Croix auffallenderweise entschieden schlechter wurden. Es ist dies nur 
dadurch zu erklären, dass die Lymphe nach der längeren Aufbewahrung im 
Eisschranke durch den 3—4 Tage langen Aufenthalt in der Tropentemperatur 
sehr schnell ihre Virulenz einbüsste. Von Anfang des Jahres 1904 an wurde 
eine direkte Dampfschiffsverbindung zwischen Kopenhagen und unseren Antillen 
eingerichtet; die Vaccine konnte jetzt auf der ganzen Reise im Eisschranke 
(Eiskessel) aufbewahrt werden und kam frisch nach St. Thomas und St. Croix. 
Das Resultat der Impfungen war nunmehr gut, wenn die Lymphe gleich nach 
ihrer Ankunft benutzt wurde; aber schon nach einigen Tagen oder Wochen 
war die Virulenz in der Regel verloren gegangen. Die Antillen haben oft 
eine ziemlich grosse Einwanderung von den benachbarten Inseln; auf mehreren 
dieser Inseln, insbesondere den früher spanischen, herrschen die Pocken ende- 


Versammlung d. Vorstände der Deutschen staatl. Lymph-Gewinnungsanstalten. 1419 


misch, so dass man immer genötigt ist, diese zuwandernden Fremden, gewöhn- 
lich farbige Proletarier, so schnell wie möglich zu impfen. Für unsere Aerzte 
ist es daram von grosser Bedeutung, immer etwas zuverlässige Vaccine vor- 
rätig zu haben. Ich habe von 1904 an versucht, die Vaccine in durchbohrten 
Kartoffeln zu versenden. Die Anregung dazu gab mir der Bericht eines Kongo- 
arztes, nach welchem die Versendung der Vaccine im Kongostaat derart vor 
sich ging, dass die Kolben mit Vaccinelymphe in grossen Kalabassen (Kür- 
bissen) eingebohrt wurden und dadurch sich konservierten. Ich habe meine 
Versuche mit verschiedenen derartigen Früchten angestellt, mit Kürbissen, 
Melonen und Gurken, aber ohne Erfolg; sie verfaulten gar zu schnell. Dann 
babe ich meine Zuflucht mit mehr Glück zu grossen jungen Kartoffeln (Varie- 
tät: Bonum magnum) genommen. Freilich waren auch hier viele Versuche 
nötig. Ich habe die Kartoffeln sehr genau abgewaschen, auch mit Alkohol 
abgerieben: das hinderte aber nicht eine schnelle Verwesung. Danach habe 
ich die Kartoffeln in Paraffin eingetaucht, so dass sie eine ganze Umhüllung 
von Paraffin bekamen; wenn man aber nach einigen Wochen auf die Paraffin- 
umbüllung drückte, war das Innere ganz weich und zerfiossen. Das Beste 
ist, die Kartoffeln unverändert und staubig, wie sie vom Händler kommen, zu 
nehmen. Mit einem gewöhnlichen, geglühten Butterbohrer bohrt man dann 
einen Kanal aus, weit genug, um den kleinen Vaccinekolben, in Watte gehüllt, 
aufzunebmen. Der Rest des Kanals wird dann mit steriler Watte gut aus- 
tamponiert, und die Kartoffel, mit Reisspreu umgeben, in eine kleine Schachtel 
gelegt. Die Kartoffeln halten sich in dieser Weise mehrere Monate sehr gut; 
bisweilen sprossen sie ziemlich stark, aber das schadet nichts. Die Kartoffeln 
werden auf der Reise in gewöhnlicher Zimmertemperatur aufbewahrt und liegen 
mit den anderen Postsachen zusammen. 

Im Anfange habe ich nun die Vaccine an die westindischen Aerzte in 
getrennten doppelten Portionen gesendet, einesteils im Risschranke des Schiffes 
aufbewahrt, anderenteils in Kartoffeln eingebohrt, und habe die Aerzte gebeten, 
jedes Kind auf beiden Armen zu impfen, auf dem rechten mit Eisvaccine, auf 
auf dem linken mit Kartoffelvaccine. Das Resultat war immer, wenn die Impfung 
kurz (1—2 Tage) nach der Ankunft des Schiffes vorgenommen wurde, ganz 
gleichartig. Aber — und dies muss ich insbesondere hervorheben — wenn 
die Vaccine eine bis zwei Wochen in Westindien aufbewahrt worden war, dann 
versagte die Eisvaccine beinahe ganz, während die Kartoflelvaceine nach 
mehreren Wochen noch ganz virulent geblieben war. Hierbei ist aber 
immer noch eine Unterscheidung der verschiedenen Sorten von Vaccine zu 
machen; so bewährt, wenigstens bei uns, die in den Wintermonaten gewonnene 
Vaccine ihre Virulenz weit länger als die Sommervaccine. Aber im grossen 
und ganzen trifft es zu, dass die Eisvaccine in der Tropentemperatur sehr 
schnell ihre Virulenz einbüsst, während die Kartoffelverpackung in den Tropen 
eine viel grössere Haltbarkeit zeigt. S u 

Redner zeigt einige Exemplare der geschilderten EE P der 
Vaccine vor. 

Dornseiffen kann für Holland die Mitteilung des Herrn Bondesen be- 
stätigen: Früher waren die Resultate des aus Holland in die Tropen ver 


1420 Versammlung d. Vorstände der Deutschen staatl. Lymph-Gewinnungsanstalten 


sandten Impfsioffes wechselnd; manchmal war der Erfolg zufriedenstellend, 
öfters ein recht trauriger. 

Den Angaben L. Voigts ist folgendes hinzuzufügen: Erstens wird gegen- 
wärtig aus holländischen Impfinstituten kein Impfstoff mehr in die Tropen 
versandt, weil die Kolonien nach und nach sich selbst helfen können; ins- 
besondere kann das Weltevredener Institut (Java) des Dr. Nyland grossen 
Anforderungen genügen (jetzt ca. 1,5 Millionen Portionen jährlich). Nur 
wird mit den Mailbooten für eventuellen Bedarf unterwegs noch Impfstoff 
mitgegeben, der nur ausnahmsweise benutzt zu werden braucht. Nyland be- 
kommt mitunter den so mitgegebenen Impfstoff, und aus angestellten Ver- 
suchen damit geht eine gewisse Herabsetzung der Virulenz hervor. 

Dass die Chloroformlymphe nach einer längeren Reise in die Tropen 
schlechten Erfolg hat, ist nicht zu verwundern, da sie ohnehin schon weniger 
haltbar ist. 

Noch zwei wichtige Punkte mögen bei Versand in die Tropen und um- 
somehr in den Tropen berücksichtigt werden, und zwar erstens die Einwirkung 
des Lichtes, das soviel vertikaler und somit soviel intensiver einfällt (Versuche 
mit gelbem, anaktinischem Glase haben vorläufig günstige Resultate aufzu- 
weisen), und zweitens in nicht geringerem Masse die Reinheit des benutzten 
Glycerins. Das auch bei uns bekannte, aber in reinem Glycerin wohl nie ent- 
haltene Akrolein scheint in wärmeren Gegenden sich leicht zu entwickeln und 
bat so einen sehr deletären Einfluss auf die Erhaltung der Virulenz des Impf- 
stoffes gezeigt. 

Voigt rät, die in die Kartoffeln einzusetzenden Vaccinetuben zuzuschmelzen, 
nicht blos mit Watte zu verschliessen. 

Voigt stellt den Antrag: „Die Direktionen der Impfanstalten werden um 
ihre Beteiligung ersucht an einer Untersuchung der folgenden Frage. Der 
Obmann der Vereinigung soll im Jahre 1908 eine Beratung über die Ergebnisse 
dieser Untersuchungen veranlassen. Frage: Besteht ein Unterschied in der 
Dauerhaftigkeit und der Wirksamkeit der mit. Lanolin, der mit Vaselin und 
der mit Glycerin im Verhältnis von 1 : 8 zusammengesetzten Impfstoffe gleicher 
Ernten?“ — Der Antrag wird angenommen. 

Sonderabdrücke desselben werden den Mitgliedern zugeschickt werden. 

Voigt teilt seine Beobachtungen über Chloroformlymphe mit. Neuer- 
dings bringt die Lister Company for preventive Medicin, Firma Allen & Hanbury, 
London, Lombard Street eine Chloroformlymphe in den Handel, die als keim- 
frei und als in den Tropen ganz besonders wirksam gepriesen wird. 

Der dem Kalbe entnommene Impfstoff wird mit Wasser vermischt und 
mittels Chloroformdämpfen, die durch die Mischung streichen, keimfrei ge- 
macht; hernach wird zuerst das Chloroform, dann das überschüssige Wasser 
entfernt und Glycerin hinzugesetzt. 

Ich habe eine grössere Sendung kommen lassen, erhielt dieselbe um An- 
fang Mai bei noch ziemlich kühlem Wetter und habe die in zugeschmolzenen 
Glaskapillaren enthaltene Lymphe im Eisschrank aufbewahrt, Der Impfstoff 
stellte sich dar als eine ziemlich klare, dünnflüssige, etwas ungleich verteilte 


krümelige Flüssigkeit, die also zum Gebrauch besonders sorgfältig umgerührt 
werden muss. 


Versammlung d. Vorstände der Deutschen staatl. Lymph-Gewinnungsanstalten. 1421 


Die Chloroformlymphe erwies sich bei wiederholter Prüfung als wirklich 
so gut wie keimfrei. Vom 30. Mai bis zum 4. August ist mittels des Platin- 
drahtes 9 mal je eine Oese aus dem Inhalte der Kapillaren auf Traubenzuckeragar 
übertragen worden. Drei Kulturen zeigten jede nur einzelne, wohl auf Einstauben 
zurückzufübrende Schimmelkolonie, 4 Kulturen zeigten jede eine, zwei oder 
drei Kolonien, aber die letzte am 1. August angelegte Kultur aus einem Röhr- 
chen, das 9 Tage lang bei 30—37° im Brütofen gewesen war, zeigte etwa 
100 Kolonien. 

Laut einer Signatur schien der Impfstoff vom 2. Mai zu stammen. Die 
Sendung wurde bis zum 23. Juli im Eisschrank, hernach bis zum 30. Juli in 
Brütofen bei 30—31° aufbewahrt, am 1. und 2. August bei 37°. 

Im Laufe des Juni sind mit der etwa 5—9 Wochen alten Lymphe 105 
Erstimpflinge mit 366 Schnitten geimpft worden, 7 Erstimpflinge erfolglos, 
260 Pusteln wurden erzielt, d. i. ein persönlicher Erfolg von 93,3%/,, ein 
Schnitterfolg von 71°%/,. Im Juli gab es auf 33, mit 132 Schnitt geimpfte 
Erstimpflinge 5 Fehlimpfungen und 62 Pusteln, d. i. ein persönlicher Erfolg 
nur in 84,40/,, Schnitterfolg in 470/9. 

Wir bekamen also schon im Juni mangelhafte, im Juli traurige Erfolge, 
denn die Pusteln waren nicht nur ganz unvollzählig, sondern zumeist auch 
schwächlicher als die der gleichzeitig verimpften Glycerinlymphe gediehen. 

Auf Wiederimpflinge wirkte die Chloroformlympbe noch viel schwäch- 
licher, im Juni gab es auf 44 Schnitte nur 10 Blüten, im Juli auf 28 Schnitte 
nur deren 3. Ein Impfstoff, welcber derartige Misserfolge veranlasst, muss im 
geregelten Impfwesen ausgeschaltet werden. 

Auch am Kalbe schlug die Chloroformlymphe, als sie 1,5 und 11 Wochen 
lang in unserm Eisschrank aufbewahrt worden war, schwächlicher als unsere 
Glycerinlymphe an. Fine photographische Aufnahme des Kalbes No. 21 zeigt 
die geringere Güte der mittels der englischen Lymphe erzielten Pusteln. 

Wir haben die Chloroformlymphe nach 12 wöchiger Aufbewahrung 
auf ihre Widerstandsfäbigkeit gegen höhere Wärme geprüft, sie blieb vom 22. 
bis 31. Juli im Brütofen bei 30—310; da sehr heisses Wetter eintrat, ist sie 
während der beiden letzten Tage noch etwas wärmer geworden. Nach einer 
solchen 8 tägigen Erwärmung auf milde Tropenwärme ist die Chloroformlymphe 
auf das Kalb No. 24 verimpft worden; es entwickelte sich keine einzige Pustel, 
nur wenige kümmerliche Knöpfe, während das Kalb an anderer Stelle, mit 
Glycerinemulsion geimpft, gute Pusteln bekam. Einige Tuben der hier ver- 
impften Glycerinemulsion wurden der gleichen Wärme im Brütofen ausgesetzt; 
diese Glycerinlymphe lieferte nach 5 tägigem Aufenthalt im Brütofen .bei 30 
bis 31°, auf ein Kalb verimpft, tadellose Pusteln ; als sie aber während weiterer 
8 Tage einer Wärme von 37° ausgesetzt gewesen war und einem Kalbe (No. 26) 
verimpft wurde, war die Virulenz auch der Glyceriniymphe erloschen, während 
die aus dem Eisschrank entnommene Lymphe gleicher Ernte noch voll wirkte. 

Die 5 Tage lang auf 30—31° erwärmte Chloroformlymphe lieferte auf 
11 Erstimpflinge mit je 2 Schnitten verimpft nur 11 schwächliche Pusteln, 
d. i. ein Schnitterfolg in nur 50%,, während die der gleichen und etwas 
höheren Temperatur 2 Tage länger ausgesetzte Glycerinlymphe vollen Erfolg 


1422 Versammlung d. Vorstände der Deutschen staatl. Lymph-Gewinnungsanstalten. 


brachte. Die Glycerinlymphe lieferte sogar, als sie auch noch 4 Tage lang 
bei 370 Wärme gelegen hatte, an 8 Rindern auf 16 Schnitt noch 15, freilich 
etwas kümmerliche Pusteln. 

Also besass die Glycerinlymphe mindestens die gleiche Widerstandsfähig- 
keit gegen eine der Tropentemperatur ähnliche Wärme; der Chloroformliymphe 
steht kein Vorzug in dieser Hinsicht zu. 

Trotz der Keimfreiheit der Chloroformlymphe fehlen bei ihrer Verimpfung 
Reizerscheinungen nicht, auch ein Fall postvaccinalen Ausschlages im Laufe 
der Pustelung eines mit Chloroformlymphe geimpften Kindes hat sich ereignet. 
Die Keimfreiheit spielt eben eine verhältnismässig viel geringere Rolle, als 
man gewöhnlich annimmt. Die Glycerinlymphe verursachte keine stärkeren 
Reizerscheinungen als die Chloroformlymphe, wirkte viel dauerhafter kräftig 
und widerstand der Einwirkung böherer Temperaturgrade mindestens ebenso 
gut wie die Cbloroformlymphe. 

Nach diesen Beobachtungen verdient die Chloroformlymphe es nicht, ge- 
priesen zu werden als ein besonders empfehlenswerter Ersatz der Glycerin- 
lymphe, die Glycerinliymphe war wirksamer und dauerhafter als die Chloro- 
fornılymphe. 


IX. Paul: „Ueber drei Fälle von Vaceina serpiginosa“. Der inter- 
essanteste und instruktivste dieser Fälle ist erst am 27. Juli zur Beobachtung 
gelangt, also nur wenige Tage vor meinem am 2. August beginnenden Sommer- 
urlaube. 

Die für die Berichterstattung zu Gebote stebende Frist ist wohl aus- 
reichend genug gewesen, um eine genaue Beobachtung des Falles bis zum 
Höbepunkte der Entwickelung und bis zum Beginne der Rückbildung des 
Processes zu ermöglichen, jedoch viel zu kurz zu einer Umschau in der ein- 
schlägigen Literatur. Die Bezeichnung der betreffenden Aftektionen als 
„Vaccina serpiginosa“ ist nur notgeboren. Ich bin in der Lage, die 
interessante Anomalie heute in einer meisterhaft ausgeführten Moulage 
Dr. Hennings von seltener Naturtreue zu zeigen. 

Die Bezeichnung „Nebenpocken“ (Vaccinolae) scheint mir für diese 
Anomalie der Schutzpockenentwickelung nicht entsprechend, da es sich nicht 
um das Auftreten von Nebenpocken gewöhnlicher Art handelt, wie man sie 
so oft zu Gesicht bekommt, sondern um ein schubweise erfolgendes Aufschiessen 
von accessorischen Vaccinebläschen in ungewöhnlicher Grösse, Zahl und 
Häufung, wobei auch die Impfblattern eine atypische Entwickelung aufweisen, 
indem sie auch nach Ablauf des 9.—10. Tages peripher weiter wachsen, kon- 
fluieren und schliesslich mit den Nebenpocken zu einem drusenartigen Blasen- 
konglomerat zusammenfliessen. Der serpiginöse Charakter dieser atypischen 
Vaccineentwickelung hat mich bewogen, die Bezeichnung „Vaccina serpi- 
ginosa“ zu wählen. Das serpiginöse Wachstum der Impfblattern und die 
periodischen Nachschübe der Nebenpocken finden hierbei beinahe gesetzmässig 
eine örtliche und zeitliche Begrenzung, indem der lokale Process nur auf die 
Infiltrationszone des Impffeldes beschränkt bleibt und das periphere Wachstum 
der Impfblattern bezw. die Nachschübe der Nebenpocken in solchen Fällen mit 


Versammlung d. Vorstände der Deutschen staatl. Lymph-Gewinnungsanstalten. 1423 


dem regelmässig erst am 16.—18. Tage erfolgenden, also stark verspäteten 
Eintritte der vollen vaceinalen Immunität ihr Ende erreichen. 

Das Aufschiessen einer geringen Zahl von kleinen Nebenpocken in der 
unmittelbaren Umgebung der Impfblattero auf der Höhe ihrer Entwickelung 
ist bei kräftiger Impfreaktion ein sehr häufiges Ereignis, wovon man sich 
leicht .überzeugen kann, wenn man statt des als Revisionstermin so überaus 
bequemen 8. Tages den neunten oder zehnten Tag wählt. Siebt man in 
den einschlägigen Fällen genauer, insbesondere unter Zuhilfenahme der Lupe 
zu, so wird man über die grosse Zahl winziger bläschenartiger Erhebungen 
erstaunt sein, die die dunkelrote Reaktionszone bedecken, Aehnlichkeit mit 
Sudaminabläschen besitzen und der Haut im Bereiche des Impferythems, ins- 
besondere in der Nachbarschaft der Impfblattern ein gradezu chagriniertes 
Aussehen verleihen. Mit dem Abblassen des Erythems verschwinden diese kleinen 
Gebilde wieder spurlos, ohne sich zu Nebenpocken entwickelt zu haben, ob 
wohl sie allem Anscheine nach Ansätze zu solchen darstellen. 

Die in Rede stehende Anomalie scheint jedoch ein recht seltenes Ereignis 
zu sein, da ich sie in meiner nabezu 20jährigen Impfpraxis erst dreimal ge- 
sehen habe und diese 3 Fälle seltsamerweise mir erst in den letzten 1!/, Jahren 
unterlaufen sind. Ueber einen identischen Fall hat mir Hochsinger Mit- 
teilung gemacht, den dieser kurz darauf in der Sitzung der pädiatrischen Sektion 
der Gesellschaft für innere Medizin und Kinderheilkunde in Wien vom 21. Juni 
1906 eingehend bespruchen hat. Ob weitere derartige Fälle in der Lite- 
ratur verzeichnet sind, weiss ich nicht, da mir Literaturbehelfe gefehlt haben. 

Das Bild, das die Affektion darbietet, ist für jenen, der sie zum ersten 
Mal erblickt, recht unheimlich, da sie als eine schwere Komplikation impo- 
niert, insbesondere dann, wenn noch keine Zeichen deutlicher Rückbildung 
vorhanden sind. Sie ist jedoch trotz ihrer anscheinenden Bösartigkeit bei streng 
exspektativem Verhalten ein rasch und gutartig verlaufender Process, der 
keinerlei Nachteile hinterlässt. 

Ein besonders glücklicher Zufall hat es gefügt, dass der vorliegende Fall 
das Kind eines im Vordergebäude der Impfanstalt wohnenden Hausdieners be- 
traf und hiermit die Gelegenheit geboten war, die wichtigsten Etappen dieses 
nicht nur in klinischer, sondern auch in ätiologischer Beziehung äusserst 
interessanten Processes von seinem Beginne bis zur Akme sowie auch seine 
regressive Metamorphose bis zum Abfalle der Borken sozusagen stündlich 
beobachten zu können. Nicht minder günstig ist der Umstand gewesen, das 
lokale Krankheitsbild in seinem Höhestadium durch die Meisterhand Hennings 
in Form einer lebenswahren Moulage festhalten zu können. 

Das Zusammenwirken so vieler günstiger Umstände hat mir ein ge- 
schlossenes Bild dieser seltenen Anomalie geliefert und eine sicherere Basis für 
die Beurteilung der ätiologischen Momente geschaffen, als dies vordem mög- 
lich war. Klinischer Bericht: 

Leopoldine Sch., geb. am 20. Juli 1900, stammt von gesunden Eltern; 
wenige Monate alt wurde sie aufs Land in Pflege gegeben, da ihre Mutter als 
Arbeiterin nicht in der Lage war, sie selbst aufzuziehen. Von ihren älteren 
zwei Geschwistern starb eins an Meningitis im Alter von 41/, Jahren, das 


1424 Versammlung d. Vorstände der Deutschen staatl. Lymph-Gewinnungsanstalten. 


zweite. ein Monat alt, an Eklampsie; eine nachgeborene Schwester starb im 
Alter von 15 Monaten an Pneumonie, ein 3 Monate altes Brüderchen lebt und 
ist vollkommen gesund. Die Landwohnung der Pflegeeltern Leopoldinens soll 
feucht und auch die Ursache gewesen sein, dass die Kleine stets schwächlich 
und blass blieb und stets an häufig recidivierender skrophulöser Bindehaut- 
entzündung laborierte. Am Halse sind auch skrophulöse Narben sichtbar. Von 
akuten Erkrankungen habe sie angeblich nur eine schwere Diphtherie durch- 
gemacht, von der sie im Krankenhause unter Serumbehandlung nach langer 
Krankheitsdauer genas. Ausserdem ist sie mit Nasenpolypen behaftet, die 
bereits einmal operativ entfernt worden sind. Das Mädchen wurde am 11. Juli 
1906 gleichzeitig mit ihrer gleichalterigen, jedoch körperlich um vieles kräftiger 
entwickelten, gesundheitsstrotzenden Base mit Impfstoff aus ein und demselben 
Röhrchen geimpft, wobei drei je !/; cm lange, 3 cm von einander abstehende 
Impfritzer am rechten Arme angelegt wurden. Die Lymphe war am 4. Juni 
vom Impftiere No. 75 abgenommen worden, besass also am Verwendungstage 
ein Alter von nahezu 6 Wochen. Die Rohstoffernte von diesem Tiere betrug 
68g, und es wurden von dieser Lymphe 14 740 Impfportionen in Verkehr 
gesetzt. Die Lymphe war nahezu bakterienfrei und enthielt sicher keine patho- 
genen Keime. Die Reaktion bei den Probeimpfungen (zu den Probeimpflingen 
zählten u. a. auch die beiden oberwähnten Mädchen) war kräftig, jedoch nicht 
zu heftig. Die eingelaufenen Berichtskarten meldeten durchweg günstige Er- 
folge, insbesondere enthielten dieselben keine einzige Klage über zu heftige 
Wirksamkeit oder gar über etwa unterlaufene üble Zufälle oder Komplikationen. 

Die Revision der beiden Mädchen erfolgte am 18. Juli. Beide Mädchen 
zeigten typische Schutzpockenentwickelung, nur waren die Schutzblattern 
bei Leopoldine nahezu ohne jede Reaktionszone, während sie bei ihrem 
Bäschen von einer solchen von ca. 21/, cm Breite umgeben waren, wie dies 
bei uns an diesem Tage die Regel zu sein pflegt. 

Am 22. Juli traf ich Leopoldine im Hausflur, die sofort auf mich zulief 
und mir ihre Impfblattern zeigte. Zu meinem Erstaunen fand ich diese nicht, 
wie ich erwartet hatte, im Stadium der beginnenden Eintrocknung, sondern 
im Gegenteil bedeutend vergrössert, d.h. verbreitert, mit unregelmässigem Kontur, 
noch immer ohne erhebliche Reaktionszone, dabei ihre Decke vollkommen in- 
takt, ohne jegliche Sekretion. Das Allgemeinbefinden der Kleinen schien nicht 
besonders gestört. Ich hielt die Sache für eine etwas protrahierte Pocken- 
entwickelung, wie sie bei anämischen Individuen nicht gar so selten beob- 
achtet werden kann. 

5 Tage später, am 27. Juli, traf ich das Mädchen spielend abermals 
im Hausflur, sah mir den geimpften Arm an und fand zu meiner nicht geringen 
Verwunderung ein Bild, das die Moulage in frappierender Treue wiedergibt. 
Die inzwischen herbeigekommene Mutter teilte mir mit, dass sie gerade heute 
ihre Tochter habe vorstellen wollen, um sich wegen des ungewöhnlichen Aus- 
sehens der Impfblattern, die bei der Base Leopoldinens schon beinahe ein- 
getrocknet seien, Rat zu holen. Es seien bereits am 23. Juli Nebenpocken 
aufgeschossen, sie habe jedoch diesem Umstande keine besondere Bedeutung 
beigelegt, weil Leopoldine nur nachts etwas unruhig, sonst jedoch tagsüber 


Versammlung d. Vorstände der Deutschen staatl. Lymph-Gewinnungsanstalten. 1425 


munter, weon auch etwas blässer und appetitloser als gewöhnlich gewesen 
sei. Heute habe die Sache so bös ausgesehen, dass sie doch ein wenig Angst 
bekommen habe. Verordnung: den Arm unverbunden zu lassen und die 
Blasen mit dem schon vorher angewendeten Streupulver weiter einzupudern 
(Dermatol-Zink-Puder in Streusäckchen). 

Am 28. Juli waren an der Peripherie des rechten unteren Quadranten 
des Plaque noch zwei neue Nebenpocken aufgeschossen, die Reaktionszone 
erschien bereits etwas abgeblasst, die centralen Stellen des Blasenkonvolutes, 
das keine nennenswerte Sekretion aufwies, entsprechend den ursprünglichen 
Impfblattern bereits stark eingesunken und vertrocknet. Von diesem Tage 
an kein neuer Blasennachschub mehr. 

Am 1. August erscheint der ganze Plaque schildförmig zu einer dunkel- 
braunen pergamentartigen Borke eingetrocknet, unter der eine Eiteransammlung 
nicht festgestellt werden konnte. Auch die wenigen isoliert stehenden Rand- 
pocken waren zusammengeschrumpft und mit trockenen Borken bedeckt. 

Der ärztliche Adjunkt der Anstalt, dem ich nach meiner Abreise die 
Weiterbeobachtung des Falles übertragen hatte, meldet mir, dass die Abstossung 
der Borken von den Nebenpocken am 8. August am Rande begonnen, centri- 
petal sich fortgesetzt habe und am 16. August beendet gewesen sei, ohne 
dass darunter irgendwelche Narben, selbst solche ganz oberflächlicher Natur, 
sich gebildet hätten. Dagegen haften nach dem letzten Berichte vom 21. August 
die drei steinharten, schwärzlich braunen Borken an den Impfstellen fest. 
Die Hautrötung sei schon längst verschwunden, keine Spur von Eiterung unter 
den Borken. die dasselbe Aussehen darböten, wie solche nach typisch ver- 
laufenem Impfprocess. Das Mädchen sei frisch und munter nnd sehe besser 
aus als vor der Impfung. 

Der erste derartige Fall, den ich gesehen, ist mir im vorigen Jahre von 
Dr. Gustav Schreiber in Wien zugeführt worden. Er betraf einen 10 Monate 
alten, sehr fetten, etwas blassen, leicht rachitischen Knaben, der am 10. April 
1905 am rechten Arme mittels drei seichter Ritzer in Abständen von 2—3 cm 
geimpft worden ist. 

Am 17. April Revision: drei typische Impfblattern ohne jede Haut- 
rötung. Am 20. April mittags mässige Rötung der Haut um die Impf- 
stellen, die Impfblattern bedeutend verbreitert, unregelmässig konturiert mit 
Neigung zu Konfluenz. Verordnung des Hausarztes, der die Impfung vorge- 
nommen hatte: Vaselin auf die Bläschen, essigsaure Tonerde in 8facher Ver- 
dünnung auf die Reaktionszonen. 

Am 23. April: die drei Impfblattern sind zusammengeflossen, in ihrer 
Umgebung zahlreiche, gedellte Bläschen aufgeschossen, die deutlich den Cha- 
rakter von Vaccinebläschen tragen und so gehäuft nebeneinander stehen, dass 
nur wenig unveränderte Haut dazwischen frei bleibt. Die Ausdehnung des 
mit Nebenpocken besäten Plaque beträgt in der Achse des Oberarmes und 
in seiner Breite je 8cm. Therapie: Wasserüberschläge. 

Am 24. April sah ich das Kind zum ersten Male gelegentlich eines von 
dem Hausarzte Dr. Schreiber veranlassten Konsiliarbesuches und fand im 
wesentlichen dasselbe Bild, wie in dem zuerst geschilderten, moulierten Falle. 


1426 Versammlung d. Vorstände der Deutschen staatl. Lymph-Gewinnungsanstalten. 


Nur waren die Nebenpocken weit zahlreicher, jedoch kleiner und flacher. 
Auch der weitere Verlauf glich, nachdem die Behandlung mit feuchtwarmen 
Ueberschlägen eingestellt und eine solche mit Dermatolzink-Streupulver ein- 
geleitet worden war. jenem bei Leopoldine Sch. Auch hier hinterliessen die 
Nebenpocken keine Narben. Ich benützte die zufällig damals sich bietende, 
erwünschte Gelegenheit, diesen Fall einer seltenen Anomalie den Teilnehmern 
an dem Instruktionskurse für Amtsärzte zu demonstrieren, der alljährlich 
im Frühjahre stattfindet und zu welchem Amtsärzte aus allen Kronländern 
Oesterreichs delegiert werden. Dr. Schreiber war die ihm unterlaufene 
Komplikation um so peinlicher, als der Vater des Kindes infolge der gerade 
damals seitens des Wiener Naturheilvereines lebhaft betriebenen impfgegnerischen 
Propaganda sich erst nach wiederholtem und eindringlichem Zureden zur 
Impfung seines Kindes entschlossen hatte. 

Zu dem dritten Falle (bezw. chronologisch dem zweiten) wurde ich im 
Oktober 1905 von dem Wiener Kinderarzte Dr. Demetrio Galatti pro con- 
silio gerufen, der ihm in seiner vieljährigen Praxis auch zum ersten Mal vor- 
gekommen war. Das betreffende Kind, ein vortrefflich genährter, 4 Monate 
alter, vorher vollkommen gesunder Säugling (Brustkind) bot ebenfalls denselben 
lokalen Symptomenkomplex dar, wie die beiden eben geschilderten Fälle. 
Auch hier auffallend reaktionslose Schutzblattern am 8. Tage, Auftreten der 
gehäuften Nebenpocken am 14. Tage mit Konfluenz der Impfblattern und mit 
noch zwei Tage währenden Nachschüben; glatte Abheilung unter Streupulver- 
behandlung ohne Narbenbildung an Stelle der Nebenpocken. 

Ich gestehe offen, dass ich in den beiden ersten Fällen von Vaccina ser- 
piginosa, die ich zu Gesichte bekam, bezüglich der ätiologischen Deutung 
vollständig im Dunklen tappte. Auf der schulmässigen Auffassung von der 
bis vor kurzem als allgemein giltig angenommen Tatsache fussend, dass die 
vaccinale Immunität mit dem 12.—14. Tage nach der Impfung vollständig 
entwickelt sei, konnte ich mir nicht vorstellen, dass ein Nachschub echter 
vaceinaler Efflorescenzen noch nach überschrittenem Höhepunkte der Schutz- 
blatterentwickelung am 14. Tage einsetzen und bis zum 16. Tage fortdauern 
könne und dies um so weniger, als die Resultate der sogenannten Successiv- 
impfungen von Bryce und seiner Nachprüfer sowie jene der Untersuchungen 
Chambons und Menards über die viraliciden Eigenschaften des Blutserums 
vaceinierter Rinder für diese Annahme überzeugende Beweise erbracht zu 
haben schienen. Auch war es a priori nur schwer erklärlich, dass zu einem 
so späten Termine gerade die von der vaccinalen Reaktion am intensivsten 
betroffenen Hautpartien in unmittelbarer Nachbarschaft der Impfblattern ein 
geeignetes Feld für einen Nachschub von frischen vaccinalen Efflorescenzen 
abgeben sollten. Erst die Publikationen aus jüngster Zeit der Wiener Forscher 
Kraus, v. Pirquet und Nobl, die eine Reihe experimenteller Untersuchungen 
über das Zustandekommen der vaccinalen Immunität unternommen haben, deren 
Resultate allerdings noch nach mancher Richtung ergänzungsbedürftig sind und 
endgiltige Schlüsse noch nicht zulassen, haben mich zu einer eingehenden 
Kritik des Symptomenkomplexes des gerade a tempo gekommenen Falles io 
ätiologischer Richtung veranlasst und meine bisherige Auffassung der Aetiologie 


Versammlung d. Vorstände der Deutschen staatl. Lymph-Gewinnungsanstalten. 1427 


derartiger Fälle wesentlich beeinflusst. Die einzelnen Phasen des lokalen 
Krankbeitsbildes scheinen mir überdies wichtige Anhaltspunkte für die Stich- 
haltigkeit der Schlüsse über das Zustandekommen der sogenannten regionären 
Immunität bezw. Empfänglichkeit im Sinne von R. Kraus zu bieten. Jedenfalls 
kann man gegenwärtig wenigstens eine plausible Erklärung der Ursachen dieser 
anomalen Vaccineentwickelung geben, ohne einer endgiltigen Lösung dieser 
Frage zu präjudicieren, der sie erst durch eine Reihe weiterer experimenteller 
Untersuchungen zugeführt werden kann. Die genaue Beobachtung der einzelnen 
Etappen des klinischen Verlaufes gibt ausserdem bestimmte Direktiven für die 
Art und Anordnung derartiger Versuche. Kollege Paschen hat in seinem 
Referate über den Stand der Vaccineätiologie bereits der einschlägigen Arbeiten 
von Kraus und Nobl Erwähnung getan, auf die auch ich noch einmal etwas 
ausführlicher zurückkommen muss, da sie mir für das Verständnis der ätio- 
logischen Seite des vorliegenden Falles von ganz besonderer Wichtigkeit 
zu sein scheinen. Ich verlese aus der Krausschen Arbeit auszugsweise fol- 
gende Sätze: 

1. Vaccination der Cornea des einen Auges bedingt Immunität desselben, 
jedoch nicht eine solche des anderen Auges. 

2. Weder durch subkutane, noch durch intravenöse oder intraperitoneale 
Injektion von konzentrierter oder diluierter Vaceine durch längere Zeit gelingt 
es, Immunität der Cornea zu erzielen. 

3. Durch kutane Impfung erzeugte Vaccinepusteln kann Immunität der 
gesamten Hautoberfläche, nicht aber der Cornea bewirkt werden. 

4. Durch subkutane Immunisierungen mit Vaccinelympe gelingt es, Immu- 
nität der Haut gegen nachträgliche perkutane Impfung zu setzen; die Cornea 
verbält sich hierbei verschieden: die specifische Vaceinereaktion blieb in 
einzelnen Fällen gänzlich aus, in andern war sie von milderem Verlauf als 
bei nicht immunisierten Tieren, daneben konnte man jedoch fallweise eine sehr 
heftige Reaktion feststellen. 

5. Nach Impfung der Conjunctiva des unteren Augenlides eines Auges 
lässt sich nach Ablauf der Reaktion weder die Cornea derselben Seite, noch 
auch die Haut inficieren, wohl aber die Cornea des andern Auges. 

Kraus schliesst aus diesen Versuchen: 

Bei Immunität der Haut bleibt eine Empfänglichkeit gewisser Gewebe be- 
stehen, ähnlich wie er dies bei dem Zustandekommen der Syphilisimmunität 
annimmt, wo nach seiner Meinung bei dem Bestande der Immunität eines be- 
stimmten Gewebes noch Empfänglichkeit anderer Gewebe vorhanden ist. 

Um zu entscheiden, ob die Entwickelung der Vaceinepustel zum Zustande- 
kommen der vaccinalen Immunität notwendig sei, excidierte Kraus die Impf- 
stellen nach verschiedenen Zeitintervallen. Nach einem Intervall von mebreren 
Tagen, das erfahrungsgemäss genügt hätte, bei nicht excidierter Impfstelle 
Immunität zu erzeugen, wurde abermals eine Impfung vorgenommen. Es stellte 
sich heraus, dass trotz Excision einer 3—4 Tage alten vaccinierten Hautstelle, 
die nur Rötung und Infiltration zeigte, die Haut 10 Tage später bereits voll- 
kommen immun war. Kraus schliesst hieraus, dass die Pustelbildung (es soll 
wohl korrekter heissen: „die volle Entwickelung der Impfblatter“) zum Ent- 
stehen der Immunität nicht notwendig sei. 


1428 Versammlung d. Vorstände der Deutschen staatl. Lymph-Gewinnungsanstalten. 


Zur Feststellung der Tatsache, ob eventuell schon minimale subkutan ein- 
geführte Vaccinemengen die Haut zu immunisieren vermögen, stellte Kraus 
weitere Injektionsversuche mit stark verdünnter Vaccinelymphe mit folgendem 
Resultate an: mit einer einmaligen subkutanen Injektion von 2 ccm einer 
Vaccineverdünnung 1: 1000—1:500 ist man imstande, bei Affen Hautimmu- 
nität zu erzeugen. 

Aus der Arbeit Nobls „Beiträge zur Vaceineimmunität“ (Wien. klin. Wochen- 
schr. 1906. No. 22), deren Schlüsse in diametralem Gegensatz zu jenen seiner 
späteren Publikation „Ueber das Schutzvermögen der subkutanen Vaccinein- 
sertion“ (Wien. klin. Wochenschr. 1906. No. 32) stehen, citiere ich nur jene 
Stellen, die für meinen Fall in Betracht kommen. 

Nobl hat zur Gewinnung von Anhaltspunkten für die von verschiedenen 
Forschern vertretene Ansicht des Kreisens des Vaccineerregers im mensch- 
lichen Organismus nach erfolgter Schutzpockenimpfung Successivimpfungen in 
verschiedenen Intervallen vorgenommen, die er „in gesteigerten Inter- 
vallen durchgeführte Revaccinationen“ nennt. Die Intervalle betrugen 
2, 4, ö, 8, 9 und 10 Tage. Die Impfungen wurden mit Lymphe ans der Wiener 
Staatsimpfanstalt ausgeführt: Ueber die Resultate dieser Impfungen und die 
daran geknüpften Schlüsse schreibt Nobl wörtlich: 

„Bei dieser allerdings nicht zu umfangreichen, aber in die Art der 
Lymphverbreitung immerhin einigen Einblick gewährenden Impfserie ergab 
sich die merkwürdige Tatsache, dass die Successivimpfung ausnahmslos ein 
positives Ergebnis hatte, d. b. bei allen nachträglich noch vorgenommenen 
Inokulationen dem Virus die günstigsten Haftmöglichkeiten geboten waren. 
Dabei lief die Impfung im Gebiete der Revaccination an allen Insertionsstellen 
mit den typischen Merkmalen der vollvirulenten Pustulation ab, ohne eine 
Abschwächung der Phänomene, eine Abkürzung der Entwickelungsphasen oder 
eine Abortion des Verlaufes aufzuweisen. Es ergibt sich hieraus zunächst, 
dass der menschliche Organismus durch die Vaccination in den ersten 8 bis 
10 Tagen sicherlich nicht eine derartige Beeinflussung erfährt, dass die Lymphe 
bei einer neuerlichen Einverleibung einer kutanen Immunität begegnet. Aus 
dieser Tatsache aber resultiert mit grosser Wahrscheinlichkeit die weitere 
Folgerung. dass die Jennersche Impfpustel, wenigstens bis zur Akme ihrer 
Entwickelung und den konsekutiven Reaktionsphänomenen in der unmittel- 
baren Peripherie, als ein lokaler Process zu betrachten sei, von welchem 
aus die Ueberschwemmung und Invasion des Gesamtkörpers mit dem speci- 
fischen Vaccinekontagium nicht unterhalten wird. Ob ein solcher Uebertritt 
des virulenten Krankheitserregers in die Gesamteirkulation überhaupt zu den 
biologischen Eigenheiten der Vaccine gehört und etwa erst von den Involutions- 
formen der Lokalaffekte seinen Ausgang nimmt, müsste erst erhärtet werden.“ 
Nobl spricht weiterhin die Ansicht aus, dass mit der steten Zunahme der 
Leukocytenanlockung bei der Fortentwickelung der Vaccineblatter und der 
bierbei erfolgenden Verdichtung der peripustulären Entzündungswälle sich 
die Chancen für einen Uebertritt der Erreger in den Saftstrom nur stets ver- 
ringern, um schliesslich bei der erfolgten Nekrose der Lokalpusteln und den 
Reparationsvorgängen an ihrem Einbettungslager gänzlich ausser Frage zu 


Versammlung d. Vorstände der Deutschen staatl. Lymph-Gewinnungsanstalten. 1429 


kommen. Gegen eine solche „Generalisierung der Vaccine“ scheine auch die 
exquisite Affinität zu sprechen, welche das Kontagium zum Deck- 
epithel besitze. 

Ich fasse die Epikrise der von mir beobachteten Fälle von Vaccina 
serpiginosa in folgende Schlusssätze zusammen: 

1. Die von mir als Vaccina serpiginosa bezeichnete Anomalie der 
Schutzblatterentwickelung ist gutartig, hinterlässt bei Ausschluss von trauma- 
tischer Einwirkung oder Sekundärinfektion bezw. bei völlig exspektativer Be- 
handlung ausser den typischen Impfnarben keinerlei sonstige Narbenbildung. 

2. Diese Anomalie ist als eine seltene Abart der Nebenpocken, also als 
rein vaccinaler Process aufzufassen, der mit der Qualität des Impfstoffes in 
keinem ursächlichen Zusammenhang steht. 

3. Die Entstehung des Processes ist auf individuelle Disposition zu- 
rückzuführen. Diese besteht offenbar in der Unfähigkeit des Organismus 
mancher geimpften Individuen, die vaccinalen Immunstoffe in der gewöhnlichen 
Zeit von 10—12 Tagen aufzubringen, die der Weiterentwickelung des Vaccine- 
erregers einen Damm zu setzen pflegen. 

4. Die Nebenpocken haben unzweifelhaft den Charakter regionärer 
Metastasen, was aus der Beschränkung ihrer Lokalisation auf die unmittel- 
bare Nachbarschaft der Impfblattern und aus der Periodicität der Nachschübe 
deutlich hervorgeht. 

5. Das Ausbleiben der Narben nach Nebenpocken spricht dafür, dass die 
vaccinale Zellinfektion hierbei nur das Deckepithel betrifft, das für den vac- 
einalen Virusträger auch dann noch eine Haftungs- bezw. Entwickelungsmög- 
lichkeit bietet, wenn selbst die darunter liegende Kutisschicht bereits immun 
erscheint. Durch diese klinisch unbestreitbare Tatsache erweisen sich von 
neuem die Keimschicht der Epidermis als das Prädilektionsgewebe kat’exochen 
für die Ansiedelung des Vaccineerregers. 

6. Die a priori so paradoxe Erscheinung, dass die Nebenpocken (auch 
jene gewöhnlicher Art) erst nach erreichter Akme der typischen Impfblatter, 
also zu einem relativ späten Zeitpunkte auftreten und nur auf die reaktive 
Infiltrationszone beschränkt bleiben, lässt sich vielleicht auf folgende rein 
mechanischen Ursachen zurückführen: 

Die durch die Vaceineentwickelung bedingte l,eukocytenanlockung, deren 
Endergebnis ja das starre entzündliche Infiltrat der Reaktionszone darstellt, 
führt zu einer Verlegung der Impfwege und verhindert bezw. erschwert den 
Immunisierungsprocess im Rete Malpighii im Bereiche der Infiltrationszene. 
Auf diese Weise bleibt gerade in unmittelbarer Nachbarschaft der Impfblattern 
ein Gebiet relativer vaccinaler Empfäuglichkeit so lange bestehen, bis der 
beginnende Rückbildungsprocess eine Abschwellung des entzündlichen Infiltrates 
und bierdurch die Wegsamkeit der Lymphwege in der betreffenden Hautpartie 
wieder herbeiführt. 2 

7. Bei der Vaccina serpiginosa spielen sich die erwähnten Vorgänge 
infolge des zögernd verlaufenden allgemeinen Immunisierungsprocesses, dessen 
Ursachen in einer besonderen individuellen Disposition erblickt werden müssen, 
in gesteigertem Masse bezw. in längeren Intervallen al. 


1430 Versammlung d. Vorstände der Deutschen staatl. Lymph-Gewinnungsanstalten. 


8. Prädisponierende Ursachen für die auffallende Verlangsamung des vac- 
cinalen Immunisierungsvorganges scheinen Konstitutionanomalien zu bilden 
(Rbachitis, Skrophulose, Anämie u. s. w.). 

Disknssion: Stumpf verweist auf seinen Bericht über die Ergebnisse 
der Schutzpockenimpfung im Königreiche Bayern im Jahre 1902, in welchem 
4 Fälle dieser eigenartigen Krankheit nach klinischer Erscheinungsform , 
sowie nach Verlauf und Ausgang genau beschrieben sind (S. 16). 

Chalybäus berichtet über einen gleichen Fall. Das Krankheitsbild gibt 
zur Zeit der grössten Ausbildung der Nebenpocken zu Besorgnissen über das 
Ergebnis der Abheilung Anlass; diese sind jedoch unnötig, die Nebenpocken, 
obwohl sie wie echte Pocken aussehen, heilen glatt ab, ohne Narbenbildung. 
Es wäre erwünscht, durch Abimpfung der Nebenpocken festzustellen, ob sie 
virulente Vaccine enthalten. Die Bebandlung soll eine indifferente sein, be- 
währt hat sich das einfache Aufpudern eines Streupulvers. 

Mewius hat in einem Falle das Auftreten eines dicht gedrängten pocken- 
ähnlichen Exanthems an Händen und Füssen, im Gesicht und an den Schleim- 
häuten des Mundes beobachtet, mit Beginn der ersten Eruption am 9. Tage 
nach der Impfung. Aus dem Pustelinhalt wurde Staphylococcus albus ge- 
züchtet. M. macht in Erinnerung an diese Beobachtung darauf aufmerksam, 
dass es bei den Wiener Fällen sich vielleicht auch nur um pockenäbnliche 
Eflorescenzen gehandelt hat, zumal der Nachweis der erfolgreichen Verimp- 
fung auf das Kalb nicht erbracht ist und das späte Auftreten der Pusteln 
unseren Erfahrungen über die immunisierende Wirkung der Vaccineimpfung 
widerspricht. 

Pfeiffer weist gegenüber den Abhandlungen und theoretischen Ausfüh- 
rungen von Kraus und Nobl auf die ältere Literatur hin, welche von der 
reichen praktischen Erfahrung vieler Impfärzte Kunde gibt. Sie ist besonders 
wichtig zur Beurteilung des schrittweisen Zustandekommens der Immunität 
nach wiederholter Impfung. Lehrreich sind in dieser Beziehung die Versuche 
an Schafen, welche tageweis fortschreitend in die Ohren derart geimpft werden, 
dass tageweise das geimpfte Ohrstück abgeschnitten wurde. Bemerkenswert 
sind ferner die Versuche in die gefässlose Cornea, welche ergaben, dass bei 
einer Vaceineimpfung der rechten Cornea noch nach 14 Tagen die linke Cornea 
vaccineempfänglich war, während eine Impfung auf der Schleimhaut des 
Auges alsbald den ganzen Körper immunisierte. Zu beachten sind weiter die 
Versuche von Preis in den Jahren 1805 und 1806. 

Die Nebenpocken, welche erst am 12. und 13. Tage nach der Impfung 
erscheinen, sind wohl als ein Rückschlag der Vaccine nach der Variola vera 
hin anzusehen. 

Groth: Die Entstehung der von Paul als Vaccina serpiginosa ange- 
sprochenen Erkrankung wird auch dadurch begünstigt, wenn die Schnitte zu 
nahe an einander gelegt werden und durch Konfluieren der Pusteln die 
Bildung eines das Sekret zurückhaltenden, derben Schorfes ermöglicht ist. 
Feuchtwarme Verbände bringen durch Lösung der Decke leicht die Erkrankung 
zum Stillstand; im anderen Falle wird nicht selten eine langdauernde Eiterang 
und tiefere Narbenbildung verursacht. 


Versammlung d. Vorstände der Deutschen staatl. Lymph-Gewinnungsanstalten. 1431 


Paul betont, dass die Konfluenz der Impfpocken eine von der demon- 
strierten Vaceina serpiginosa ganz verschiedene Erscheinung ist. 


X. Freyer erstattet den Kassenbericht. 


Einnahme . . . . 2588,47 M. 
Ausgabe. . . . . 1384,43 M. 
Bestand. . . . . 1154,04 M. 


Der Kassenbestand des Jahres 1904 betrug 1009M. Es sind hiernach 
Gelder zu Versuchen der Gewinnung von Variolalymphe auch künftig noch 
verfügbar. 

Auf Blezingers Antrag werden die rückständigen Beiträge der ver- 
storbenen und ausgeschiedenen Mitglieder abgeschrieben. Die Einziehung der 
Beiträge (10 M. jährlich) soll, wenn sie nicht vorher eingezahlt worden sind, 
durch Nachnahme seitens des Obmanns alljährlich am Ende des ersten Viertel- 
jahres erfolgen. Die Frage, ob auch französische Aerzte auf ihren Wunsch 
eingeladen werden sollen, wird bejaht für den Fall, dass sie deutsch ver- 
stehen und deutsch reden. 


XI. Freyer: Zur Katalogisierung der in den Büchereien der Impf- 
anstalten vorhandenen Impfliteratur. Von der vorigen Versammlung 
waren 400 M. zur Abfassung eines Kataloges bewilligt worden, die Vorarbeiten 
hierzu haben jedoch völlig geruht. Redner stellt den Antrag: Diese nunmehr 
ernstlich ins Werk zu setzen und für die schriftliche Abfassung und spätere 
Drucklegung des Kataloges 600 M. zu bewilligen. 

Pfeiffer: Für die Forschung auf dem gesamten Impfgebiete ist die Zu- 
gängigmachung der gesamten Literatur in öffentlichen Bibliotheken wichtig. 
Die Fundorte der alten Literatur sind meist unbekannt. Die reiche Bibliothek 
des Dr. Bulmeringk erstreckt sich auf die Literatur bis 1870, ist von 
Pfeiffer bis 1892 fortgeführt worden und befindet sich jetzt in Kiew. Der 
Katalog muss sowohl die Schriften selbst, als die Fundorte in alphabetischer 
Ordnung enthalten. Es wird wohl 4--6 Druckbogen umfassen und 700— 800 M. 
kosten. 

Man beschliesst, sich auf die Katalogisierung der Büchereien: der Impf- 
anstalten zu beschränken und bewilligt hierzu 600 M. 


XI. Die Obmannswahl für die 2 Jahre September 1906 bis September 
1908 ergibt die Wahl Freyers, welcher seine Annahme erklärte. Als Ort der 


nächsten Versammlung wird von einigen Seiten Hamburg empfohlen, die 
Bestimmung wird durch den Obmann erfolgen. 


XIII. Nicht mehr zur Verhandlung gekommen ist folgender auf der Tagesord- 
nung gestandener Antrag Voigt, der hier anhangsweise mit der Begründung 
angeschlossen wird: 

Eingabe an das Kaiserliche Gesundheitsamt um die Veranlassung geeig- 
neter Schritte zur Ueberweisung Öffentlicher Impfungen in möglichst grossem 
Umfange an die Leiter der staatlichen Impfstoff-Gewinnungsanstalten. 


1432 Versammlung d. Vorstände der Deutschen staatl. Lymph-Gewinnungsanstalten. 


Gründe: Die Leiter der meisten deutschen Impfstoff-Gewinnungsanstalten 
verfügen über eine nur beschränkte amtliche Impftätigkeit, deren zeitliche 
Anordnung die Gewinnung des Anstaltsimpfstoffes nicht mit seiner Verwendung 
zusammenfallen lässt. Den Leitern der Impfanstalten, welche über keine amt- 
liche Impftätigkeit (wie in Lübeck) oder nur eine geringe Impftätigkeit ver- 
fügen, wird es erschwert, die zur Gewinnung etwaiger Retrovaccine nötige 
Lymphe vom Arme geeigneter Kinder zu bekommen und die zur Begutachtung 
des von ihnen zur Massenimpfung hergestellten Impfstoffes erforderlichen 
Probeimpfungen am Arme kleiner Kinder vorzunehmen. 

In ersterer Beziehung sind die Herren auf fremde Aushülfe oder auf die 
unsichere Quelle der Privatimpfung angewiesen, in letzterem Falle auf Probe- 
impfungen an Kälbern und Kaninchen. Kälber siod nicht immer zur Hand, 
ihre Einstellung lediglich solcher Zwecke halber verursacht Kosten. Die 
Probeimpfungen an den leichter zu beschaffenden Kaninchen liefern minder 
klare Ergebnisse als die Pusteln am geimpften Kinderarm, deren Form, Grösse, 
Randröte und Nebenerscheinungen die Güte des Impfstoffes auf das deutlichste 
abspiegeln. Zu beiden Zwecken bedarf der Leiter der Impfstoff-Gewinnungs- 
anstalt der Auswahl unter geeigneten Kindern, einer Auswahl, die nur im 
Impftermin möglich ist. 

Des weiteren ist den Leitern der Impfanstalten die Aufgabe gestellt, die 
Impfung wissenschaftlich zu fördern. Aber fast jede zu solchem Zwecke von 
den Herren angestellte wissenschaftliche Arbeit wird Stückwerk bleiben ohne 
den Einblick in das Ergebnis der Arbeit. Der Anstaltsleiter vermag sich über 
die zahlreichen offenen Fragen nach dem Werte der verschiedenen Bereitungs- 
und Aufbewahrungsweisen des Impfstoffes nur dann eine eigene Meinung zu 
bilden, wenn er ihren Erfolg sieht; handelt es sich doch nicht nur um die 
zifferomässigen Erfolge dieser Methoden, sondern auch um ihren Einfluss auf 
den Ablauf der Pustelung. Auch in dieser Beziehung bedürfen die Impfan- 
staltsleiter, zu erspriesslicher Wirksamkeit, einer möglichst umfänglichen Be- 
tätigung bei der Impfung und der Nachschau in den amtlichen Impfterminen. 

In Berücksichtigung obiger Erwägung ersuchen die Vorstände der staat- 
lichen Impfanstalten das Kaiserliche Gesundheitsamt um die Veranlassung 
geeigneter Schritte zur Ueberweisung der öffentlichen Impfungen in möglichst 
grossem Umfange an diese Anstalten. 


Verlag von August Hirschwald, Berlin N.W. — Druck von L. Schumacher in Berlin N. 24 


Verzeichnis der Originalartikel. 


Bergbaus, Die Säuerung des Nährbodens 
durch Bakterien und ihr Nachweis mittels 
Harnsäure 573. 

Borntraeger, Heilstätten, Heimstätten und 
Fürsorgestellen im Kampf gegen die 
Tuberkulose 225. 

Christian, Untersuchungen über die des- 
infieierende Wirkung des Wasserstoff- 
superoxyds in statu nascendi 409. 

Ditthorn und Gildemeister, Eine Anreiche- 
rungsmethode für den Nachweis von 
Typhusbaeillen im Trinkwasser bei der 
chemischen Fällung mit Eisenoxychlorid 
1376. ; 

Doebert und Johannissian, Ueber Cholera- 
nährböden 405. 

Dreyer, Einige Bemerkungen zur Gram- 
färbung 1185. 

— Ueber eine einfache Methode, Unter- 
suchungsmaterial nebeneinander auf 
aërobe und anaërobe Bakterien zu unter- 
suchen 1185. 

v. Esmarch, Zwei Registrierinstrumente für 
Sonnenschein und Windrichtung 281. 
Fehrs, Die Beeinflussung der Lebensdauer 
von Krankheitskeimen im Wasser durch 

Protozoen 113. 

Flade, Zur Alkoholfrage 461. 

Fraenkel, Ueber den mikroskopischen Nach- 
weis der Typhusbacillen in Blutpräpa- 
raten 925. 

Friedel, Die Typhusuntersuchungen des 
Laboratoriums der Königlichen Regierung 
in Coblenz 5. 

Gottstein, Zur Wirkungsweise des Milz- 
brandserums 1113. 

Kaschkadamoff, Von der Pest in der 
Mandschurei im Herbste 1905 1305. 
Liefmann, Kleinere Beiträge zur Erklärung 

der Heufieber-Entstehung 813. 


Manteufel, Jahresbericht über die Tätig- 
keit des Untersuchungsamtes für an- 
steckende Krankheiten zu Halle a. S. 
(1. Januar bis 31. December 1905) 337. 

Mayer, Neueres über die Verbreitungsweise 
und die Bekämpfung der Pest in Indien 
1369. 

Meisels, Der Wert des Boxensystems für 
die Anstaltsbehandlung der Masern 629. 

Neisser, Statistische Unterschiede in der 
Hinfälligkeit gegenüber einzelnen Krank- 
heiten 169. 

Nieter, Ueber den Nachweis von Typhus- 
baeillen im Trinkwasser durch Fällung 
mit Eisenoxychlorid 57. 

Rosenthal, Bericht über die Tätigkeit des 
bakteriologischen Untersuchungsamtes 
am Institut für medizinische Chemie 
und Hygiene zu Göttingen im ersten 
Jahre 1905/06 993, 1049. 

Salomon, Ueber bakteriologische Regie- 
rungs-Laboratorien 1. 

Schmidt, Untersuchungen üher den bak- 
terientütenden und gärungshemmenden 
Einfluss des haltbaren 3 proz. chemisch 
reinen, Merckschen Wasserstoffsuper- 
oxydes unter besonderer Berücksichti- 
gung seiner Verwertung als Mundspül- 
wasser 517. 

Struben, Ueber die Beleuchtung bei der 
Hausarbeit von Schulkindern 741. 

Ulrichs, Die baktericide undagglutinierende 
Wirkung des Bluterums Typhuskranker 
gegenüber Typhusbacillen 685. 

Wesenberg, Die Formaldehyddesinfektion 
mit „Autan“ 1241. 

Wittneben, Untersuchungsergebnisse bei 
dem Vergleich eines neuen Filters mit 
dem Berkefeldtilter 869. 


101 


Namen -Verzeichnis. 


A. 


Aaser 247, 1016. 
Abba et Bormans 668. 
Abel 286. 

Adams 817. 

Agahd 913. 

Ahlfeld 1102. 
Albrand 324. 

Albu 757. 

Almquist 1318. 
Amrein 1258. 

Anklam 54. 

Arneth 639. 

Arnold 947. 

Ascher 438 578, 934. 
Aschoff 1065. 
Assmann 446. 
d'Astros 77. 

Auché ct Campana 1024. 
Auerbach 1141. 

— und Barschall 1284. 
Axenfeld 1144. 

Axisa 1381. 


B. 


Babes und Panea 654. 

Bach 1085. 

Backhaus 611. 

Baer 765, 990, 1182. 

Bail 201, 419, 420, 747, 
1071, 1256. 

Ballner und v. Sagasser 248, 
249. 

Balp 319, 320, 1260. 

Bamberger 558. 

Bancroft 661. 

Bandi und Simonelli 1032. 

Bang 835. 

Barbieri 677. 

Barschall 1284. 

Bartel 353, 355, 895, 895, 
897, 1006, 1258, 1324. 

— und Spieler 354. 

— und Stein 297. 

— und Stenström 176. 


Baruchello e Mori 1035. 

Bassenge und Mayer 199. 

v. Bassewitz 660. 

Batman 759. 

Baumann 549, 647, 731. 

Baumert 433. 

į Baumgarten 294, 322. 

— und Hegeler 934. 

v. Baumgarten 1122, 1123. 

Baxter-Tyrie 66. 

Becher 701. 

Beck 1013. 

— und Koske 1392. 

— und Ohlmüller 1262. 

Becker 843, 1277. 

Beckmann 712. 

v. Behring 349, 349. 

Beissel 620. 

Beitzke 183, 429, 1007, 1122. 

Belli 1105. 

Belser 1212. 

Benz 953. 

Bergell und Schütze 839. 

Berger 206. 

Berghaus 573, 771. 

Bertarelli 1012, 1075. 

— und Volpino 493. 

Beseler 86. 

Besredka 762. 

Besserer und Jatfe 1273. 

Bettels 1099. ` 

Bettmann 564. 

Beyer 1106. 

Beyta 656. 

Beythien 32, 696, 709, 713, 
955. 

— und Borisch 711. 

Bianchini und Cler 770. 

Biland 764. 

Binswanger 1324. 

Blaschko 379. 

| De Blasi 592. 

Blitstein 132. 

Blumenthal 476, 547. 

Bodin et Castex 141. 

Boeg 174. 


| Böhme 1385, 1395. 

| Bohne 1201. 

Bohtz 133. 

Boidin 759. 

v. Bokay 1148. 

v. Boltenstern 135, 954. 

Bömer 580. 

Bonhoff 655. 

Bonnema 30. 

Bonome 603. 

Borel 496, 1386. 

Borisch 711. 

Bormans 660. 

Bornemann 383. 

Bornhaupt 382. 

Bornstein 209. 

Bornträger 182. 

Borntraeger 225, 1066. 

Bosc 666. 

Boullanger 942. 

Boxmeyer 78. 

Boyce 76. 

Boycott 71, 75, 75, 327. 

Brandweiner 1320, 1321. 

Brat 1104. 

Braun 204, 901. 

Brezina 819. 

Brinckerhoff 661. 

Brönnum 1033. 

— und Ellermann 1033, 1191. 

Brouardel et Mosny 413. 
1250. 

Bruce 821. 

Bruck 78, 837. 

— Michaelis und Schultze 
430. 

Brückmann 36. 

Bruini 704. 

Brüning 191, 511, 1957. 

Bruns 300, 320. 

— Liefmann und Mäckel 708. 

Buchner und Meisenheimer 
555. 

Buday 1017. 

Budinoft 849. 

Buerger 62. 


Bugge 672. 

Bulloch and Twort 1026. 
Bumm 250. 

Burghart 1140. 

Bürker 124. 928, 1337. 
Burow 220. 

Burr 951. 

Busch 928, 928. 

Buschke und Fischer 186. 
Busse 853. 

Butjagin 505. 
Buttenberg 715. 
Butterfield 658. 


c. 


Cagnetto 642. 

v. Calcar 305. 

Calkins 661. 

Calmeite 656. 

— Boullanger et Rolants 942. 

Camerer 30. 

Campana 1024. 

Canby 645. 

Canon 1000. 

Carini 655. 

Carroll 498. 

Casagrandi 1038. 

Caspari 846. 

Cassel 443, 841. 

Castellani 65. 

Castex 141. 

de Celebrini 314. 

Celli 315. 

Ceni und Beyta 656. 

Chalybäus 1345, 1398. 

Chantemesse et Borel 496, 
1386. 

Charleton 755. 

Chevrel 933. 

Christian 409, 1318. 

Christophers 68, 661. 

Citron 188, 193, 418, 325, 
1149, 1151. 

Clark and Batman 759. 

Claus und Embden 546. 

Clegg 71. 

Cler 770. 

Me Clintic 961. 

Mc Clintock, Boxmeyer and 
Siffer 78. 

Cohn 376, 1192. 

Mac Conkey 207. 

Conradi 1021, 1276. 

Couneilman, Magrath, Brin- 
ckerhoff, Tyzzer, Southard, 
Tompson, Bancroft and 
Calkins 661. 

Cramer 771. 

Creite 306. 

Crofton 79. 

Croner 530. 


| 


Namen- Verzeichnis. 


Cronheim 209. 
Cropper 67. 
Cruveillier 590. 
v. Cube 653. 
Czaplewski 1277. 
Czarnecka 646. 


D. 


Dalmer 588. 

Dammann und Müssemeier 
1005. 

Debauve et Imbeaux 693. 

Dejone 892. 

Delfino 427. 

Delor 758. 

Dengler 1082. 

Detre und Sellei 377, 833, 
1329. 

Deycke und Reschad 177. 

Dieminger 673, 675. 

Dienert 815. 

van Dieren 585. 

Diesing 1077. 

Dietz 88. 

Dieudonné 286. 

Dinkler 676. 

Disse 1254. 


Ditthorn und Gildemeister | 


1376. 
Doebert und Johannissian 
405. 
Doerffler 537. 
v. Domitrovich 914, 917. 
Dopter 753, 757. 
Dorn, Baumann und Valen- 
tiner 731. 
Dorner 607, 834. 
Doerr 378, 426, 1023. 
Dörr 902, 1380, 1381. 
Dreyer 1185, 1185. 
v. Drigalski 184, 1272. 
Duchäcek 304. 
Duclaux 31. 
Dunbar 605, 697, 698, 1075. 
Dupuy 71. 
Dürck 1203. 
v. Düring 1107. 
Dutton and Todd 68. 
Duval and Lewis 650. 
Dworetzky 298. 


E 
Eber 590, 637. 
Eberth 1029. 
Edens 1009. 
Edwards 651. 
Eggebrecht 650. 
Eggert und Kuhn 825. 
Ehrlich und Sachs 582. 
Eichler 196. 


1435 


| Eijkman 695. 

| Einhorn 501, 621. 

iv. Eisler 833, 833. 

| Ekelöf 414, 504. 

v. Elischer und Kentzler 594. 

Ellermann 179, 1017, 1033, 
1191. 

Eisaesser 962. 1124. 

Embden 546. 

Emmerich und Wolter 1264. 

Engel 444, 509, 510, 843. 

Engels 254. 

Ercklentz 290. 

| Erhardt 825. 

Erismann 534. 

| Esau 1009. 

| Esch 259. 

v. Esmarch 25, 281. 

Essinger 447. 

Eulenburg 564. 

Evers 32. 


F. 


Fabarius 25. 

Fabricius und 
886. 

Fabry 381. 

Falkenstein 1218. . 

| Falta und Noeggerath 595, 
933. 

Farnsteiner 946. 

| Fay 970. 

Fehrs 113. 

Feilchenfeld 810. 

Feilitzen 886. 

Fellmer 1196. 

Fendler 551, 552. 

Fermi 1218. 

Ficker 746. 

Finger 962. 

Finkelstein 250. 

Fischer, F. 355, 748. 

— H. 249. 

— R. 614. 

— W. 186. 

— K. und Peyau 210. 

Flade 461, 779. 

Flatau und Wilke 196. 

| Fleischmann 839. 

Flemming 824. 

Flügge 286, 349, 349, 717. 

Flügel 1190. 

Forest 1211. 

Formenti 557. 

Forssman 822. 

Forssner 837. 

Forster 32. 

Fossataro 1105. 

Fraenkel 653, 925. 

— und Baumann 647. 

— E. 485, 1187. 

| França 184, 1390. 


101* 


v. Feilitzen 


.1436 


de Franceschi 63. 
Franke 1197. 

Frassi 620. 

Frensh and Boycott 71. 
v. Freudenreich 948. 
Freund, W. 670. 

— jr. 703. 

— H. 848, 

— 1033. 

Friedberger 419. 

— und Dorner 607. 

— und Luerssen 1385. 
— und Moreschi 1073. 
— und Pettinger 1010. 
Friedel 5, 372. 
Friedmann 200. 

— und Isaac 939, 1144. 
Frochner 33. 

Froin 1255. 

Fromme 843. 

— und Gawronsky 256. 
v. Fujitani 1083. 

Fürst 471, 542, 1382. 
v. Fürth 546. 


6. 


G. M. K. 858. 

Gaethgens 677. 

Gaffky 45, 56. 1253. 

de Gage and Adams 817. 

Galewsky 563. 

Galli 
de Jongh 490. 

Ganghofner und Langer 203. | 

Garnier 945. 

Gärtner 22. W 

Grastpar 619. 

Gautié 531. 

Gawronsky 

Geipel 293. 

Geiser 1100. 

Georgii 182. 

Gerber 651. 

Ghon 760. 

— und Sachs 180. 

Giemsa 188, 660. 

Gildemeister 1376. 

Glaessner 1146. 

Glogner 1034. 

Glynn and Matthews 126. 

Goebel 772. 

Gogitidse 28. 

Goldbeck 1168. 

Goldschmidt 1319. 

Gordan 950. 

Gordon 1027. 

Gosio 830, 831. 

Gossner 470. 

Gottstein 1118. 

Gradwohl 173. 

Graham-Smith 71. 


256. 


-Valerio und Rochaz- | 


Namen-Verzeichnis. 


į Grassberger und Schatten- 
froh 416, 1076. 

Grawitz 649, 

Greeft 1042. 

Greiff 36. 

v. Greyerz 1284. 

| Grisel 22. 

Grober 1006. 

Groedel 775. 

Grosse 962. 

Grösz 850. 

Groth 130, 586, 859. 

Grotjahn 990. 

Grouveu und Fabry 381. 

| Gruber 780, 1140. 

Grünberg und Rolly 196. 

Grünberger und Rotky 532. 

Gudden 1041. 

Guerbet et Henry 901. 

Guérin 588. 

Guinon 901. 

ı Günther 577. 

| Gutlaschek 772. 

Güttler 246. 

Gutzeit 1026. 

Guttstadt 265, 1183. 

| Gwyn and Màc L. Harris 633. 


H. 


Haaland 669. 

| Haase 773. 

Haenen 1022. 

Haffner 704. 

‚Hahn, G. 

— M. 308. 

| Håkanson 1099. 

Halberstaetter 317. 

Haldane 563. 

i Hamburger 202, 991, 1325. | 

|— und v. Reuss 837. 

| Hamilton 821. 

| Hammer 781. 

Hammerschmidt 749. 

Hanauer 1079. 

v. Hansemann 495, 632. 

Hansen 613. 

Hanus 1100. 

Harden 141. 

Hare 189. 

Harnack und Laible 1100. 

Harrington 858. 

Harris 553. 

| Mac L. Harris 633. 

Harrison 78. 

Hartog 1285. 

| Hartwich und 
1099. 

Haupt 35. 

Hauser 666. 

| Hausmann 549. 

| Hayashi 553. 


Håkanson 


! Haydon 67. 

| Heckmann und Lauffs 135. 

| Hefelmann, Müller und 
Rückert 953. 

Hefferan 659. 

Hegeler 934. 

Heim, G. 861. 

— L. 445, 486. 

Heind! 831. 

Heinemann 754. 

Heinze 137. 

Heisler 1003. 

Heissler 542. 

Hektoen 75. 

— and Ruediger 821. 

Heller 749, 828. 

Henke 55. 

Henry 901. 

Hensgen 253. 

v. Herfi 729. 

Herford 1273. 

Hermanides 564. 

Hertel 774. 

Herxheimer und Bornemann 
383. 

j— und Hübner 187. 

Herz 1064. 

Herzberg 788, 809. 

Herzog, M. 652, 906. 

Hetch und Kutscher 823. 

Heubner 303. 

Heyd 696. 

Heymann 288, 291, 

Heyrovsky 598. 

Hilgermann 961. 

Hill and Haydon 67. 

Hillebrecht 1024. 

Hiller 122. 

Hinterberger 540. 

! Hinz 476. 

Hirsch 53. 

Hirschfeld 982, 

Hockauf 1213. 

Hoffmann, E. 186, 380, 
655, 1189, 1191. 

— W. 180, 717. 

Hofmann 1390. 

Höft 30. 

Hohlfeld 442. 

Hoke 374, 908. 

Holl 1287. 

Holle 1227, 1290. 

v. Holst 473. 

Hübner 187. 

Hueppe 854. 

Huss 59. 


720. 


992. 


654, 


dJ. I. 


Jacobitz 1396. 
Jacobson 445. 
Jaffé 1273. 


James 659. 
Janseo 313. 

Japha 1155. 
Jastram 1286. 
Ibrahim 131, 194. 
Ide 1066. 

Jehle 373, 1276. 
— and Charleton 755. 
Jellinek 1336. 
Jensen, ©. 1095. 
— V. 657. 

lgl 541. 1203. 
Imbeaux 693. 
Immenkötter 1080. 


Jochmann, G. 646, 1028, 
1124, 1383. 

Jodibauer und Tappeiner 
1285. 


Johannissian 405. 

Johnson 817. 

Jolles 621. 

de Jong 299. 

Jordan 122. 

— and Hefferan 659. 

Jörgensen 593. 

Isaac 939, 1144. 

Israel 384. 

Issakowitsch 637. 

Juchley 79. 

Juckenack und Pasternack 
32. 

Juliusburger, O. 1173, 1183. 

— P. 319, 671. 

Jürgens 245, 383, 
1261. 

Iversen 195. 


1146, 


K. 


Kaerger 1267. 
Kaiser 123. 
Kalberlah 1383. 
Kamen 528. 
Kapeller 711. 
Kaschkadamoff 1305. 
Kathe 641. 
Kaup 700. 
Kayser, H. 
1269, 1270. 
Kelsch 76. 
Kempen 779. 
Kentzler 594. 
Kermauner und Orth 765. 
Kerner 428. 
Kickton 705. 
Kiesel 1084. 
Kieseritzki 
382. 
Kikuchi 427, 753. 
Kindborg 1025. 


1029, 1073, 


und Bornhaupt 


1 


Namen- Verzeichnis. 


Kirchner 55. 

— M. 371, 648. 

Kireeff 1001. 

Kirstein 325, 898. 

Kiseeff 767. 

Kisskalt 378. 

Kissling 667. 

Kister und Schumacher 904. 

Kleiminger 632. 

Klemperer 935. 

Klein 489, 1328. 

— E. 64, 482. 

Kleine 189, 911. 

— und Möllers 1327. 

Klieneberger 1270. 

Klinger 1268, 1271. 

Kluczenko 730. 

Knauth 1027. 

Knoop und Windaus 547. 

Koch 69, 1193. 

— Schütze, Neufeld und 
Miessner 936. 

Kochmann 777. 

Kocppen 484, 1121, 

Köhler 728. 

Kohn 712. 

Kokawa 759. 

Kolle 198, 1026, 1147. 

König, F. 1065. 

— J. und Bettels 1099. 

— und Rintelen 210. 

—- Spieckermann und Seiler 
713. 

Konrädi 494, 494. 

Köpcke 558. 

Korezynski 352. 

v. Körösy 860, 966. 

De Korte 70. 

Korte undSteinberg 425,591. 

Koske 1254, 1390, 1392. 

Köttgen und Steinhaus 90. 

Kowalewski 1191. 

Kraemer 895. 

Kranepuhl 482. 

Kraus 822, 1320, 1321. 

— und Doerr 426, 1380. 

— und Prandschoff 909. 

— und Pribram 1384. 

— und Schiffmann 1328. 

Krause 1125. 

Krenker 482. 

Kron 1182. 

Kronacher 134. 

Krug 954. 

Krzizan 716. 

Kudicke 1193. 

Kuhn 326, 825. 

Kühn 449. 

Kühne 1182. 

Külz 585. 660. 

Küster 2 


Kiolemenoglou und v. Cube Kutscher 323, 1092, 1260. 


653. 


1437 


| Küttner und Ulrich 554. 
ı Kuttner und Ulrich 952. 


L. 


Laible 712, 1100. 

Landsteiner 609. 

— und Leiner 835. 

Langer 203. 

Langstein 547. 

Laqueur 843. 

Lassar 280. 

Lauffs 135. 

Lauterborn 1282. 

Lazar 1323. 

Legrand und Axisa 1381. 

Leiner 835. 

Leishman, Harrison, Small- 
man, Tuloch 78. 

Lemoine und Grisel 22. 

Lenkei 1082. 

Lennhoff und Levy-Dorn 450. 

| Lentz 1067, 1067, 1068. 

|— und Tietz 1069. 

| Lesage 756. 

Levaditi 549, 822. 

Levy-Dorn 450. 

Lewin 448, 562, 562. 

Lewis 650. 

v. Leyden 318, 384. 

Leyden 944. 

Libbertz und Ruppel 200. 

v. Liebermann 348. 

Liebermeister 1207. 

Liebreich 856. 

Liefmann 768, 768, 813. 

Lincoln 828. 

| Lingel 1335. 

|v. Lingelsheim 185, 375. 

Link 747. 

| Linne 715. 

| Lipschütz 1032. 

į Lockemann 565. 

| Loeb 319. 

— und Smith 192. 

Loeffler 1078, 1323. 

|— und Schmidtmann 1278. 

Loewenthal 671, 909. 

van Loghem 650. 

Löhlein 844. 

Löhnis 928, 1064. 

Lohnstein 510, 849, 1093, 
1093, 1093. 

Lohr 484. 

v. Löte 1038. 

Lotterhos 1094. 

Löwenstein 931. 

Löwit 596. 

Löwy 648. 

Lubomoudrov 826. 

Lüdke 66, 581, 1330. 

Ludwig und Haupt 35. 


102 


1438 


Luerssen 1335, 1385. 
Luhmann 568. 

Lührig 1102. 

Lupu 912. 

Luzzani 74. 


M. 


Macconkey 61. 

Macfadyen und Macconkey 
6l. 

Mäckel, Th. 376. 

— 768. 

Magnus-Alsleben 544. 

Magrath 66]. 

Maldagne 481. 

Mallory 662. 

Mann 537. 

Manteufel 337, 592. 

Marburg 536. 

Marcuse 53, 748, 810, 1259. 

Marie 589. 

Marino 660. 

Markl 301. 

Marschall 750. 

Marsson 85. 

Martens 610. 

Martini, E. 377, 431. 

Mattam 70. 

Matthes 706, 714. 

— und Müller 554, 110]. 

Matthews 126. 

Mayer, G. 1275. 

— M. 199, 1195, 1369. 

— M. und Schreyer 179. 

Mazé 552, 852. 

Meder 444. 

Meinicke 761. 

Meisels 629. 

Meisenheimer 555. 

Meissen 930. 

Meixner und Kudicke 1193. 

Mense 1062. 

Menzer 200, 591. 

Merk, L. 766, 912. 

Metzger 716. 

Meyer, F. 429. 

— G. 55, 280, 448, 943, 
1283. 

— H. 483, 1015. 

— J. 980. 

Mezincescu 1141. 

Michael 754. 

Michaelis, G. 

— L. 836. 

— M. 1158. 

Michel 579. 

Micko 946. 

Miessner 936. 

Mioni 606. 

Moeller 176. 

Moler 1042. 


430. 


Namen- Verzeichnis. 


Möllers 1327. 
Monhaupt 551. 

Moreschi 1070, 1073. 
Morgenroth 824. 

Mori 488, 607, 1035. 
Morian 1017. 

Moritz, F. 87. 

— 1192. 

Moro 844, 845, 1208. 
Moscbach 724. 

Moses 916. 

Mosny 413, 1250. 
Müller, F. 554, 953, 1101. 
— J. 501, 621. 

— 0. 1021. 

— P, Th. 529, 581. 
— R. 646. 

— 827. 

Mulzer 1188. 

Musehold und Steudel 824. 
Musgrave and Clegg 71. 
Müssemeier 1005. 


N. 


Nagel 1199. 

Nägeli 770. 

M'Naught 65. 

Mac Neal 69, 189. 

Negri, A. 493. 

— G. 442. 

Nesemann 56. 

Neisser, M. 169, 323, 1014. 

— und Sachs 1072. 

Nenadovics 1083. 

Netter et Ribadeau- Dumas 
1074, 1075. 

Neufeld 936. 

— und Rimpau 937. 

— und Töpfer 608. 

Neugebauer 418. 

Neumann, H. 444. 

— P. 62. 

— R. 0. 484, 893, 
1038. 

— W. 657. 

— 568. 

Nicolle et Duclaux 31. 

v. Niessen 299. 

Nieter 57. 

Nigris 381. 

Nissle 491. 

Noc 673. 

Nocht 1003. 

Nocggerath, C. T. 595. 

— 933. 

— und Staehelin 1081. 

Norris 835. 

Nouri 653. 

Novy, Mc Neal and Hare 189. 

Nussbaum 24, 435. 

Nuttall 68. 


1002, 


0. 


Oberndörffer 503. 

Oestern 296. 

v. Ohlen 128. 

Ohlmüller 1262. 

Ohmes 27. 

Olbrich, Carl 750. 

— Klemens 1080. 

— K. 1262. 

Olig und Tillmans 31, 710. 

Oppenheim und Sachs 380, 
1396. 

Oppenheimer 1120. 

Orth, E. 34. 

Orth 765, 811. 

Osborne und Harris 553. 

Ostertag 385, 3836, 1087, 
1151. 

— und Bugge 672. 

Otto, M. und Neumann 893, 
1038. 

— R. und Tolmacz 211. 

— und Kohn 712. 

Ottolenghi und Mori 607. 


P. 


Panea 654. 

Paschkis 257. 

Pascucci 548. 

Passini 208, 758. 

Pasternack 32. 

Patschkowski 403. 

Paul 289. 

Pauli 546. 

Perkins 760. 

Perrone 752. 

Peters, E. 1105. 

— 1206, 1209. 

Petruschky 292. 

Pettinger 1010. 

Peyau 210. 

Pfaff 652. 

Pfeifter, A. 861. 

— E. 766. 

— H. 430, 567, 833, 838. 

— L. 587. 

— R. und Friedberger 419. 

Pfuhl 706. 

— und Wintgen 1210. 

Pfyl und Linne 715. 

Philippi 1125. 

Phleps 942. 

Piorkowski 187. 

Freih. v. Pirquet und Schiek 
420. 

Platt 774. 

Plaut 378, 643. 

Ploeger 1030. 

Plumert 134. 

Popper 29. 


Porcile 826. 

Porges 828, 1146. 
Posner 307. 

Pottevin 751. 
Prandschoff 909. 
Prausnitz 312, 489. 
Preiss 1335. 

Prettner 819. 

Pribram 1384. 

Price 955. 

Prinzing 964. 
Prübsting 26. 
Prochaska 1029, 1187. 
Prochnik 1333. 
Pröscher 250, 911. 
Proskauer 53, 810. 
Prowazek 493, 665, 1035. 
Pütz 651. 


R. 


Raczynsky 756. 

Radmann 183. 

Raikow 505. 

Rambousek 560. 

Randel 26. 

Ranke 499. 

Raubitschek 909. 

Raudnitz 851. 

v. Raumer 707, 711. 

Ravaut 1191. 

Ravenel 60. 

Reber 598. 

Reece 1220. 

Reiche, F. 474, 641, 644, 
1016. 

Reichenbach 89, 721. 

Rehmet 507. 

Reischauer 380, 480, 

Reitmann 187, 657. 

v. Rembold 1020. 

Remlinger et Nouri 653. 

Renard 31. 

Reschad 177. 

v. Reuss 837. 

Ribadeau-Dumas 1074, 1075. 

Richter 181, 373. s 

Riemer 488. 

Rille 1030, 

— und Vockerodt 1031. 

Rimpau 937. 

Rintelen 210. 

Ritchie 61. 

Ritter v. Weismayr 633. 

Rochaz de Jongh 490. 

Rodella 544, 816, 853, 952. 

Rodet 198, 1103. 

Roepke 370. 

— und Huss 59. 

Roger et Garnier 945. 

Rogers 951. 

Röhrig 707. 


Namen- Verzeichnis. 


Rolants 942. 
Roller 914. 

Rolly 196. 

— und Liebermeister 1207. 
Römer 1015. 

Roos 490. 

Roscher 1190. 
Rosenberg 945. 
Rosenberger 636. 
Rosenblath 752. 
Rosenhaupt 1322. 
Rosenow 759. 
Rosenthal, O. 778. 
— W. 993., 1049. 
Ross 70. 

de Rossi 582. 
Rossiwall und Schick 427. 
Rössle 604. 

Rost 857. 
Rothberger 292. 
Rotky 532. 
Röttgen 33, 212. 
Rouget 493. 

Rubin 778. 
Rubner 1208, 1283. 
Rückert 953. 
Rüdnik 1397. 
Ruediger 821, 827. 
Rullmann 481. 
Rumpf 899. 
Ruppel 200. 
Rupprecht 61. 
Ruzicka 773. 


S. 


Saathoff 1121. 

Sacharoff 597. 

Sachs, H. 245, 582, 
1072. 

— M. 180. 

— 0. 380, 1396. 

Sacquépée 749. 

— et Chevrel 933. 

Sadler 246. 

v. Sagasser 248, 249. 

Sahli 545. 

Salomon 1, 441. 

Salus 902. 

Salzwedel 280, 535, 
811. 

Sander 1198. 

Sanfelice 309. 

Sannemann 583, 584. 

Sarwey 37. 

Satta 546, 547. 

Sauerbeck 1195. 

Saul 642. 

Sauton 849. 

Savage 65. 

Scagliosi 483. 

Schaelfer, R. 133, 957. 


835, 


788, 


1439 


Schäfer 1081. 

Schäffer 810. 

Schallmayer 1217. 

Schaps 707. 

Schattenfroh 416, 1076. 

Schaudinn 1189. 

— und Hoffmann 186. 

Scheib 307. 

Schellenberg und Scherer 
638. 

Scheller 595. 

— und Stenger 1141. 

Schenk 1071. 

— und Scheib 307. 

Scherer 638. 

Scheube 676. 

Schick 420, 427, 1077. 

Schiffmann 910, 1201, 1328. 

Schilling 1326. 

Schlegel 599. 

Schlegtendal 703, 840. 

Sehleissner 775. 

Schlitzer 1120. 

Schlossmann 1151, 1211. 

Schlüter 498. 

Schmalfuss 324. 

Schmaltz 1120. 

Schmidt, B. 517. 

F. 918. 

H. 1213. 

W. und Varges 1218. 

— 1019. 

Schmidtmann 1278. 

Sehmiedicke 901. 

Schmitz 1148. 

Schmorl und Geipel 293. 

Schneider 205. 

Schnürer 727, 938. 

Scholtz 331. 

| Schomburg 1010. 

Schoofs 126, 126, 126, 852, 
1278. 

Schorler 894. 

Schottelius 1276. 

Schreyer 179. 

Schröder 479. 

Schrumpf 545, 766. 

Schuhmacher 123, 904. 

Schultze, E. 430. 

— 774, TT. 

Schulz 1329. 

Schulze 665, 909. 

| Schumm 970. 


Schwartz 545. 

— und Kayser 1029. 
Schwarz 311, 555, 746. 
Sebelien 533. 

Seger und Cramer 771. 
Segin 942. 

Sehrwald 196. 


102* 


1440 


Seige 1069. 

Seiffert 702. 

Seiler 713. 

Seligmann 213, 550, 1210. 

Sellei 377, 1329. 

Selley 833. 

Selter 196, 207. 

Senft 611. 

Sergent et Sergent 658, 662. 

Severin und Budinoff 849. 

Sewerin 890. 

Shibayama 482, 597. 

Sicard 910, 1020. 

Sieber 820. 

Siebert 1188. 

Siegel 70, 1030, 1202. 

Siegfried undSingewald 1903. 

Sieveking 1154. 

Siffer 78. 

Sigmund 958. 

Silberschmidt 376. 

Simoncini 1001. 

Simonelli 1032. 

Simpson 762. 

Singewald 1093. 

Sittler 957. 

Smallman 78. 

Smidt 752. 

Smith 192, 643. 

Sombart 1204. 

Sommerfeld 323, 404, 511, 
sıl. 

Sorgente 829. 

Southard 661. 

Spaeth 32, 715. 

Speck 509, 725. 

Spengler 61, 422, 423, 899, 
1004. 

Sperk 1333. 

Sperling 258. 

Spieckermann 713. 

Spieler 354. 

Spill 375. 

v. Spindler 559, 559, 1101. 

Spitta 87. 

Spitzer 765, 1321. 

Sprinkmeyer und Wagner 
710. 

Staehelin 1031. 

Stein 297. 

Steinberg 425, 591. 

Steinhaus 90, 1016. 

Steinitz 723. 

Stenger 1141. 

Stenström 176. 

Stephens and Boyce 76. 

— and Christophers 68. 

Sternberg 660. 

Steudel 824. 

Steuernagel 79, 699. 

Stiles 1034. 

Stirnlimann 747. 

Stober 827. 


Namen-Verzeichnis. 


Stokes 818. 

Stoklasa 502. 

— und Vitek 888. 

Stoll, H. 131. 

— 0.75. 

Störmer 890. 

Strauss 35. 

Stregulina 907. 

Strong 829. 

Stross 487. 

Ströszner 180. 

Struben 741. 

v. Strusiewiez 1087. 

Stüber 946. 

Stühlen 535. 

Stühlinger 1322. 

Stumpf 415. 

Suckow 1155. 

Südmersen 1023, 1023. 

Sugg 587, 588, 949. 

Sugiyama 957. 

Suleiman 1397. 

Süpfle 667, 766. 

Süss 558. 

Svoboda 508. 

Swaving 708. 

Swellengrebel, M. 141, 854, 
950. 

Szana 1334. 


T. 


Taconnet 667. 
Tappeiner 1285. 
Taussig 383. 

Taute 1010. 
Tehitchkine 590. 
Teleky 780. 
Teutschländer 1256. 
Thel 536. 

Thesing 654. 

Thiele 579. 

Thiroux 664, 763, 910. 
Thörner 771. i 
Tjaden 1108. 
Tiberti 1018. 
Tiesler 475. 

Tietz 1069. 
Tillmans 31, 710. 
Tischler 1263. 
Tissier 542, 645. 
Todd 66, 68. 
Tollens 566. 
Tolmacz 211. 
Tomallini 636. 
Tompson 661. 
Töpfer 608. 

Tortelli 557. 
Trautmann 646. 
Trembur 961. 
Treutlein 175, 


Trillat et Sauton 849. 
— et Turchet 530. 
Trincas 1023. 
Trommsdorff 1020, 1274. 
Trumpp 253. 

Tsuzuki 1034. 

Tuloch 78. 

Tunnicliff 643, 754. 
Turban 636. 

Turchet 530. 

Tyzzer 661. 

Twort 1026. 


U. 


Uffelmann und Pfeiffer 861. 
Uffenheimer 178. 
Uhlenhuth 202, 203, 1072. 
Ulrich 554, 952. 

Ulrichs 685. 

Utz 23, 512. 


v. 


Vagedes 1070. 

Valentiner 731. 

Vandevelde 556, 557, 949. 

Varaldo 306. 

Varges 1213. 

Vassal 661. 

Veszprémi 643. 

Vetter 1004. 

Viala 589. 

Vincent 37, 378, 531, 643. 
1022. 

Vitek 888. 

Vlach 375. 

Vockerodt 1031. 

Voege 610. 

Vogel 447. 

Vogelsang 769. 

Vogelsberger 589. 

Volkhausen 1142. 

Volpino 433. 

Völtz 29, 1085, 1086. 

Vondran 1066. 


wW. 


de Waele und Sugg 58%. 
588. 

— — et Vandevelde 949. 

Waelsch 764, 1192. 

Wagner 486, 710, 1008. 

Wallich et Levaditi 549. 

Walther 693. 

v. Wasielewski 318, 492. 

Wassermann und Bruck Sf” 

— und Citron 193, 4 
825. 


Wassermann, Ostertag und 
Citron 1151. 

Weaver and Tunnicliff 648. 

— — Heinemann, Michael 
754. 

Weber 776. 

— und Taute 1010. 

Wechselmann und Loewen- 
thal 909. 

Wedding 609. 

Wehmer 56, 403, 1183. 

Weichardt 839, 1331. 

Weichselbaum 904. 

— und Bartel 355. 

— und Ghon 760. 

Weil 420, 424, 764. 

Weiler 1256. 

Weinberg und Gastpar 619. 

Weisınayr 633. 

Weiss 842. 

Weleminsky 633, 1123. 

Weller 1094. 


Namen- Verzeichnis. 


Wendelstadt und Fellmer 
1196. 

Wender 1099. 

Werner 1286. 

Wernicke 581. 

Wertheimber 184. 

Wesenberg 1104, 1241. 

Wesener 932. 

Westenhoeffer 303, 649. 

Weyl 567, 730, 964. 

Wherry 67. 

Wickenhagen 391, 404. 

Wilke 196. 

Willimsky 1336. 

Willson 63. 

Wilms 597. 

Windaus 547. 

Windisch 716. 


|— und Röttgen 33, 212. 


Winkel 28. 
Winkler 529. 
Winslow und Hansen 613. 


1441 


Wintgen 1092, 1210. 

Wittneben 869. 

Wolpert 290, 291, 439, 440, 
532. 

— A. und H. 125. 

— und Peters 1206. 

Wolter 1264. 


2. 


Zadeck 54. 

v. Zebrowski 349. 
Zedelt 1270. 
Ziemann 191. 
Ziesche 96, 152. 
Zikes 956. 
Zinsser 842. 
Zlatogoroff 763. 
Zucker 1321, 1382. 
Zunz 1086. 
Zuppinger 1326. 


tn m 


Sach -Verzeichnis. 


Abfallstoffe. 


Almquist, Kultur von pathogenen Bakterien 
in Düngerstoffen 1318. 

Backhaus, Städtesanierung und Landwirt- 
schaft 611. 

Bericht über die II. Versammlung der 
Tuberkuloseärzte. Berlin, 24.—26. No- 
vember 1904 363. 

Berlin. Polizeiverordnung über den Rück- 
tritt unreiner Flüssigkeit in die Rein- 
wasserleitung 452. 

Beseler, Erörterung über die Zweckmässig- 
keit einer Düngung der Aecker und 
Wiesen des Klostergutes Weende mit 
Wasserfäkalien der Stadt Göttingen 86. 

Calmette, Boullanger et Rolants, Contri- 
bution à l'étude de l’&puration des eaux 
résiduaires des villes et des industries 
942. 

Christian, Zum Nachweis fäkaler Verun- 
reinigung von Trinkwasser 1318. 

Dunbar, Zur Beurteilung der Wirkung von 
Abwasser-Reinigungsanlagen 697. 

— Reinigung von Abwässern mittels inter- 
mittierender Bodenfiltration 698. 

Fischer, Die Beseitigung, Vernichtung und 
Verarbeitung der Schlachtabfälle und 
Tierleichen unter besonderer Berück- 
sichtigung des Anwohner- und Arbeiter- 
schutzes 614. 

de Gage and Adams, Studies of media for 
the quantitative estimation of bacteria 
in water and sewage 817. 

Heyd, Die Grundlagen zur Berechnung 
von Städteentwässerungsanlagen 696. 

Kanalisation von Mannheim 786. 

Kaup. Die Reinigung der gefährlichen Ab- 
wässer einer Zuckerfabrik auf biologi- 
schem Wege 700. 

Lauterborn, Die Ergebnisse einer biologi- 
schen Probeuntersuchung des Rheins 
1282. 

Loeffler und Schmidtmann, Gutachten des 
Reichsgesundheitsrats über die Reinigung 
und Beseitigung der Abwässer der Stadt 


Altenburg. XVIII. Sammlung von Gut- 
achten über Flussverunreinigung 1278. 

Marssen, Die Abwasser-Flora und -Fauna 
einiger Kläranlagen bei Berlin und ihre 
Bedeutung für die Reinigung städtischer 
Abwässer 85. 

Mitteilungen aus der Königlichen Prü- 
fungsanstalt für Wasserversorgung und 
Abwässerbeseitigung 79. 

Moritz, Entwässerungs- und Kläranlagen 
für Schlacht- und Viehhöfe 87. 

Phleps, A critical study of the methods 
in current use for the determination of 
free and albuminoid ammonia in sewage 
942. 

Preussen. Berlin. Verwaltungsbericht des 
Magistrats zu Berlin über das städti- 
scheStrassenreinigungswesens, die städti- 
schen Wasserwerke und städtischen 
Badeanstalten für das Etatsjahr 1903 
213. 

Preussen. Berlin. Aus dem Verwaltungs- 
bericht des Magistrats zu Berlin über 
die städtischen Kanalisationswerke und 
Rieselfelder für das Etatsjahr 1904 782. 

Preussen. Stadt Breslau. Verwaltungs- 
bericht über die städtischen Kanali- 
sationsanlagen einschl. der Rieselfelder 
für das Geschäftsjahr vom 1. April 
1904 bis 31. März 1905 388. 

Salomon, Die städtische Abwässerbe- 
seitigung in Deutschland 441. 

Schlechte Abortverhältnisse in einigen 
bayerischen Städten 262. 

Schoofs, L’épuration des eaux résiduaires 
industrielles 126. 

— Les eaux résiduaires des tanneries 126. 

— Les eaux résiduaires des Industries- 
Lainières 126. 

— Epuration biologique des eaux-vannes. 
Commission spéciale d'études pour 
l’epuration biologique des caux-vannes 
et des eaux residuaires industrielles 
1278. 

Segin, Zur Konservierung der Abwässer 
942. 


Sach-Verzeichnis. 


Senft, Mikroskopische Untersuchung des 
Wassers mit Bezug auf die in Ab- 
wässern und Schmutzwässern vorkom- 
menden Mikroorganismen und Verun- 
reinigungen 611. 

Sewerin, Die im Miste vorkommenden 
Bakterien und deren physiologische 
Rolle bei der Zersetzung desselben 890. 

Spitta, Beitrag zur Frage der Desinfek- 
tionswirkung des Ozons 87. 

Steuernagel, Die Probekläranlage zu Cöln- 
Niehl und die daselbst angestellten 
Untersuchungen und erzielten Ergeb- 
nisse 79. 

— Die Cölner Kläranlage 699. 

Stoklasa und Vitek, Beiträge zur Erkennt- 
nis des Einflusses verschiedener Kohlen- 
hydrate und organischer Säuren auf 
die Metamorphose des Nitrats durch 
Bakterien 888. 

Winslow and Hansen, Some statistics of 
garbage disposal for the larger Ameri- 
can cities in 1902 613. 


Alkoholismus. 


Alkoholmerkblatt in Berlin 868. 

Angaben aus der amtlichen Statistik der 
Bierbrauereien und Bierbesteuerung im 
Brausteuergebiete im Rechnungsjahre 
1904 569. 

Auf einen Einwohner, also pro Kopf, er- 
folgte Berechnung des jährlichen Milch- 
verbrauchs 624. 

Baer, Diskussion zu Juliusburger: „Alko- 
holismus und Verbrechen“ 1183. 

Blitstein, Alkohol und Schule 132. 

Flade, Zur Alkoholfrage 461. 

— Der Kampf gegen den Alkoholismus, 
ein Kampf für unser deutsches Volks- 
tum 779. 

Guttstadt, Diskussion zu Juliusburger: 
„Alkoholismus und Verbrechen“ 1183. 

Harnack und Laible, Ueber die Wirkung 
kleiner Alkoholgaben auf den Wärme- 
haushalt des tierischen Körpers 1100. 

Häufigkeit der Gast- und Schankwirt- 
schaften 624. 

Juliusburger, Alkoholismus 
brechen 1173. 

— Diskussion zu obigem Vortrag 1183. 
Kochmann, Die Wirkung des Alkohols auf 
den Blutkreislauf des Menschen 777. 
Korrespondenz für die deutsche medi- 
zinische Presse, herausgegeben vom 

Verein abstinenter Aerzte 1109. 

Kron, Diskussion zu Juliusburger: „Alko- 
holismus und Verbrechen“ 1182. 

Kühne, Diskussion zu Juliusburger: „Alko- 
holismus und Verbrechen“ 1182. 

Laible, Ueber die Wirkung kleiner Alkohol- 
gaben auf den Wärmehaushalt des 
tierischen Körpers 712. 


und Ver- 


1443 


Otto und Kohn, Untersuchungen „alkohol- 
freier Getränke“ 712. 

— und Tolmacz, Untersuchungen „alkohol- 
freier Getränke“ 211. 

Preussen. Erlass des Ministers der öffent- 
lichen Arbeiten, betr. Verbot des Ge- 
nusses alkoholhaltiger Getränke während 
des Dienstes 971. 

anal, Alkoholismus und Prostitution 

Rubin, The influenze of alcohol, ether and 
chloroform on natural immunity in its 
relation to leucocytosis and phago- 
eytosis 778. 

Stoll, Alkohol und Kaffee in ihrer Wirkung 
au Herzleiden und nervöse Störungen 

Ueber den Cognac-Wahn 1226. 

Wehmer, Diskussion zu Juliusburger: 
„Alkoholismus und Verbrechen“ 1183. 


Bäder. 

Annalen der Schweizerischen Balneo- 
logischen Gesellschaft 1273. 

Becker, Badeanstalten beim Eisenbahn- 
betriebe 1277. 

Czaplewski, Zur Frage der öffentlichen 
Bäder 1277. 

Dengler, Der 33. schlesische Bädertag und 
seine Verhandlungen u. s. w. für die 
Saison 1904 1082. 

Feilchenfeld, Diskussion zu Salzwedel: 
„Die Bedeutung der Händereinigung für 
allgemein hygienische Zwecke“ 810. 

Glynn and Matthews, Bacteria in public 
swimming baths 126. 

Groedel, Die physiologische Wirkung der 
Solbäder 775. 

Hertel, Arbeiterschwimmbäder 774. 

Herzberg, Diskussion zu Salzwedel: „Die 
Bedeutung der Händereinigung für all- 
gemein hygienische Zwecke* 809. 

Lenkei, Weitere Untersuchungen über die 
Wirkung der Sonnenbäder auf cinige 
Funktionen des Organismus 1082. 

Marcuse, Diskussion zu Salzwedel: „Die 
Bedeutung der Händereinigung für all- 
gemein hygienische Zwecke“ 810. 

Nenadovies, Die Wirkung der Franzens- 
bader Moorbäder auf den Stoffwechsel 
1083. 

Orth, Diskussion zu Salzwedel: „Die Be- 
deutung der Händereinigung für allge- 
mein hygienische Zwecke* 811. 

Platt, Ueber Hallenschwimmbäder 774. 

Preussen. Berlin. Verwaltungsbericht des 
Magistrats zu Berlin über das städti- 
sche Strassenreinigungswesen, die städti- 
schen Wasserwerke und die städtischen 
Badeanstalten für das Etatsjahr 1903 
213. 


1444 


Proskauer, Diskussion zu Salzwedel: „Die 
Bedeutung der Händereinigung für all- 
gemein hygienische Zwecke“ 810. 

Salzwedel, Die Bedeutung der Hände- 
reinigung für allgemein hygienische 
Zwecke 788. 

— Diskussion zu obigem Vortrag 811. 

Schäffer, Diskussion zu Salzwedel: „Die 
Bedeutung der Händereinigung für all- 
gemein hygienische Zwecke“ 810. 

Schultze, Ueber Schwimmhallen 
Brausebäder 744. 

Sommerfeld, Diskussion zu Salzwedel: „Die 
Bedeutung der Händereinigung für all- 
gemein hygienische Zwecke“ 811. 


und 


Beleuchtung. 


Albrand, Beitrag zur Vereinfachung der 
Helligkeitsprüfung in geschlossenen 
Räumen 324. 

Erismann, Die Tagesbeleuchtung der 
Sehulzimmer 534. 

v. Esmarch, Zwei Registrierinstrumente für 
Sonnenschein und Windrichtung 281. 
Indirekte Beleuchtung von Schul- und 
Zeichensälen mit Gas- und elektrischem 

Bogenlicht 940. 

Martens, Ueber einen neuen Beleuchtungs- 
messer 610. 

Reichenbach, Zur Frage der Tageslicht- 
messung 89. 

Ruzicka, Studien zur relativen Photometrie 
773. 

Sebelien, Ueber die Schwankung der 
Stärke des ultravioletten Lichts bei 
natürlicher Beleuchtung 533. 

Struben, Ueber die Beleuchtung bei der 
Hausarbeit von Schulkindern 741. 

Voege, Ueber die Farbe künstlicher Licht- 
quellen und über den Lichteffekt der 
Strahlung 610. 

Wedding, Ueber den Wirkungsgrad und 
die praktische Bedeutung der gebräuch- 
lichsten Lichtquellen 609. 

Wolpert, Ueber verbrennliche gasfürmige 
Kohlenstoffverbindungen in der Luft 
532. 


Bestattungswesen. 
(S. Leichenwesen.) 


Boden. 


Almquist, Kultur von pathogenen Bakterien 
in Düngerstoffen 1318. 

Brouardel et Mosny, Traité 
publié en fascicules. II. 
leau par A. de Launay. 
E. A. Martel, J. Ogier 1 

Fabrieius und v. Feilitzen, Ueber den Ge- 
halt an Bakterien in jungfräulichem und 


d'hygiène, 
Le sol et 
Ed. Bonjean, 


Sach-Verzeichnis. 


kultiviertem Hochmoorboden auf dem 
Versuchsfelde des schwedischen Moor- 
kulturvereins bei Flahult 886. 

de Franceschi, Influence du sol sur la 
virulence du bacille typhique 63. 

Löhnis, Ueber Nitrifikation und Denitri- 
fikation 928. 

— Ueber die Zersetzung des Kalkstick- 
stoffes 1064. 

Sewerin, Die im Miste vorkommenden 
Bakterien und deren physiologische 
Rolle bei der Zersetzung desselben 890. 

Stoklasa und Vitek, Beiträge zur Er- 
kenntnis des Einflusses verschiedener 
Kohlenhydrate und organischer Säuren 
auf die Metamorphose des Nitrats durch 
Bakterien 888. 

Störmer, Ueber 
Flachses 890. 

Stregulina, Ueber die im Züricher Boden 
vorkommenden Heubarillen und über 
deren Beziehungen zu den Erregern der 
Panophthalmie nach Hackensplitterver- 
letzung 907. 

Walther, Vorschule der Geologie. Eine 
gemeinverständliche Einführung und An- 
leitung zu Beobachtungen in der Heimat 
693. 


die Wasserröste des 


Desinfektion. 


Assmann, Versuche über den Wert des 
Aethylalkohols, insbesondere des alka- 
lischen Alkohols als eines Desinfektions- 
mittel bei bakteriologischen Sektionen 
446. 

Auerbach und Barschall, Studien über 
Formaldehyd. I. Mitteilung. Form- 
aldehyd in wässeriger Lösung 1234. 

Baumann, Ueber die Konservierung der 
Milch durch Wasserstoffsuperoxyd 549. 

Bericht über die II. Versammlung der 
Tuberkuloseärzte. Berlin, 24.26. No- 
vember 1904 363. 

Bohtz, Untersuchungen über die Ein- 
wirkungen von Metallpulvern auf Bak- 
terien 133. 

Me Clintie, Chloride of zinc as a deso- 
dorant, antiseptic and germicid 961. 
Doebert und Johannissian, Ueber Cholera- 

nährböden 405. 

Dorn, Baumann und Valentiner, Ueber die 
Einwirkung der Radiumemanation auf 
pathogene Bakterien 731. 

Engels, Die Desinfektion der Hände 254. 

Essinger, Ueber die Wirkung photodyna- 
mischer (fluorescierender) Stoffe auf 
Fadenpilze 447. 

Feilchenfeld, Diskussion zu Salzwedel: „Die 
Bedeutung der Händereinigung für all- 
gemein hygienische Zwecke“ 810. 

Flügge, Einige Vorschläge zur Verbesserung 
von Desinfektionsvorschriften 717. 


Sach-Verzeichnis. 


Friedberger und Pettinger, Versuche über 
die desinficierende Wirkung des Griserins 
1010. 

Fromme und Gawronsky, Ueber mecha- 
nische Sterilisation der Gummihand- 
schuhe 256. 

Greiff, Desinfektion von Fikalien in Laza- 
retten und Kasernen bei Ausbruch von 
Epidemien 36. 

Hartog, Experimentelle Beiträge zur Form- 
aldehyd-Wasserdampfdesinfektion 1285. 

Heim, Die Widerstandsfähigkeit verschie- 
dener Bakterienarten gegen Trocknung 
und die Aufbewahrung bakterienhaltigen 
Materials insbesondere beim Seuchen- 
dienst und für gerichtlich-medizinische 
Zwecke 445. 

Hensgen, Leitfaden für Desinfektoren. An- 
leitung zur Vernichtung und Beseitigung 
der Ansteckungsstoffe 253. 

v. Herff, Die Heisgwasser - Alkoholdes- 
infektion nach Ahlfeld auf der geburts- 
hilflichen Abteilung des Frauenspitals 
Basel-Stadt 729. 

Herzberg, Diskussion zu Salzwedel: „Die 
Bedeutung der Händereinigung für all- 
gemein hygienische Zwecke* 809. 

Heymann, Die Kontrolle der Dampfdes- 
infektionsapparate 720. 

Hilgermann, Wasserstoffsuperoxyd als Reini- 
gungs- und Desinfektionsmittel im Fri- 
seurgewerbe 961. 

Hofimann, Leitfaden der Desinfektion für 
Desintektoren, Verwaltungsbeamte, Tier- 
ärzte und Aerzte 717. 

Jacobson, Ueber Melioform im Vergleich 
mit anderen Desinticientien, speciell mit 
Lysol und Lysoform 445. 

Jastram, Ueber die Einwirkung der Röntgen- 
strahlen auf das Wachstum von Bak- 
terien 1286. 

Jodlbauer und Tappeiner, Wirkung der 
Auorescierenden Stoffe auf Spalt- und 
und Fadenpilze 1285. 

Kirstein, Leitfaden für Desinfektoren in 
Frage und Antwort 325. 

Köhler, Einwirkung neuerer Desinficientien, 
besonders des Hydrargyrum oxyceyana- 
tum, auf infieierte Instrumente 728. 

Kronacher, Transportabler Sterilisations- 
apparat für Verbandstoffe und Instru- 
mente 134. 

Kuhn, Ein Minutensterilisator 326. 

Küster, Ueber eine erfolgreiche Behandlung 
der Schwindsucht und anderer schwerer 
Infektionskrankheiten durch ein inneres 
Desinfektiorsmittel 292. 

Lemoineund Grisel, Moditications à apporter 
aux sterilisateurs d'eau à vapeur sous 
pression 22. 

Marcuse, Diskussion zu Salzwedel: „Die 
Bedeutung der Händereinigung für all- 
gemein hygienische Zwecke“ 810. 


1445 


Meyer, Notwendigkeit und Art der Des- 
infektion der Krankenbeförderungsmittel 
448. 

Mosebach, Untersuchungen zur Praxis der 
Desinfektion 724. 

Orth, Diskussion zu Salzwedel: „Die Be- 
deutung der Händereinigung für all- 
gemein hygienische Zwecke“ 811. 

Petruschky, Kann durch Griserin eine 
innere Desinfektion bewirkt werden? 292. 

Proskauer, Diskussion zu Salzwedel: „Die 
Bedeutung der Händereinigung für all- 
gemein hygienische Zwecke“ 810. 

Reichenbach, Die Leistungen der Form- 
aldehyd-Desinfektion 721. 

Rodet, Expériences sur la valeur anti- 
septique du savon commun. Remarques 
sur l’action des antiseptiques en général, 
et sur la biologie du staphylocoque 
pyogène 1103. 

Salzwedel, Die Bedeutung der Hände- 
reinigung für allgemein hygienische 
Zwecke 788. ö 

— Diskussion zu obigem Vortrag 811. 

Sarwey, Bakteriologische Bemerkungen zur 
Heisswasser-Alkoholdesinfektion 37. 

Schaeffer, Antiseptische oder mechanische 
Händedesinfektion? 133. 

— In Sachen Alkohol wider Sublamin 957. 

Schäffer, Diskussion zu Salzwedel: „Die 
Bedeutung der Händereinigung für all- 
gemein hygienische Zwecke“ 810. 

Schaps, Zur Frage der Konservierung der 
Milch durch Formaldehyd, speciell zum 
Zwecke der Säuglingsernährung 707. 

Schmidt, Untersuchungen über den bak- 
terientütenden und gärungshemmenden 
Einfluss des haltbaren 3 proz. chemisch 
reinen, Merckschen Weasserstoffsuper- 
oxydes unter besonderer Berücksichti- 
gung seiner Verwertung als Mundspül- 
wasser 517. 

Schnürer, Weitere Versuche zur Des- 
infektion der Eisenbahn -Vichtransport- 
wagen mit wässrigen Formaldehyd- 
lösungen 727. 

Schomburg, Beitrag zum therapeutischen 
Wert des Griserins 1010. 

Seligmann, Das Verhalten der Kuhmilch 
zu fuchsinschwefliger Säure und ein 
Nachweis des Formalins in der Milch 213. 

— Ueber den Einfluss einiger Aldehyde, 
besonders des Formalins, auf die Oxy- 
dationstermente der Milch und des 
Gummi arabicum 550. 

Sigmund, Die physiologischen Wirkungen 
des Ozons 958. 

Sittler, Die Sterilisation 
theter 957. 

Sommerfeld, Ueber Formalinmilch und das 


elastischer Ka- 


Verhalten von Formalin gegenüber 
einigen Bakterienarten 511. 
— Diskussion zu Salzwedel: „Die Be- 


103 


1446 


deutung der Händcreinigung für all- 
gemein hygienische Zwecke“ 811. 

Speck, Hygienische Händedesinfektion 725. 

Spengler, Zur Formaldehyd-Abtötung und 
-Züchtung der Tuberkel- und anderer 
säurefester Bacillen. Antikritische Be- 
merkungen zu Prof. Dr. Reichenbachs 
Arbeit: „Die Leistungen der Formalde- 
hyddesinfektion* 1004. 

Spitta, Beitrag zur Frage der Desinfektions- 
wirkung des Ozons 87. 
Steinitz, Ueber vereinfachte und impro- 
visierte Formaldchyddesiufektion 723. 
Sugiyama, Untersuchungen über Sputum- 
desinfektion mit Ptiophagan 957. 

Tollens, Ueber die Wirkung der Kresole 
und des Liquor Cresoli saponatus im 
Vergleich zu Karbolsäure 566. 

Trembur, Untersuchungen über die im 
„Clayton-Apparat“ erzeugten Schwefel- 
dämpfe 961. 

Utz, Ein neues Verfahren zum Nachweise 
von Formalin in Milch 512. 
Vincent, Recherches sur les propriétés 
antiseptiques du sulfate ferrique 37. 
Vogel, Experimentelle Beiträge zur Frage 
der Desinfektion der Haut 447. 

Werner, Ueber Radiumwirkung auf In- 
fektionserreger und Gewebsinfektion 1286. 

Wesenberg, Metakalin, ein festes Kresol- 
seifenpräparat 1104. 

— Die Formaldehyddesinfektion 
„Autan“ 1241. 

Zikes, Eine neue Methode zur Ueber- 
prüfung von Desinfektionsmitteln gegen- 
über Mikroorganismen 956. 


mit 


Ernährung. 
Allgemeines. 


Bach, Zur Kenntnis der Katalase 1085. 

Becker, Untersuchungen über das Zeit- 
gesetz des menschlichen Labfermentes 
und dessen quantitative Bestimmung 843. 

Blumenthal, Zur Lehre von der Assimi- 
lationsgrenze der Zuckerarten 547. 

Bornstein, Ueber den Schwefel- und Phos- 
phorstoffwechsel bei abundanter Eiweiss- 
kost. Ein neuer Beitrag zur Frage der 
Eiweissmast 209. 

Bruini, Ueber die thermophile Mikrobien- 
flora des menschlichen Darmkanals 704. 

Caspari, Physiologische Studien über Vege- 
tarismus 846. 

Claus und Embden, Pankreas und Glyko- 
lyse. Zweite Mitteilung 546. 

Mac Conkey, Lactose-fermenting bacteria 
in faeces 207. 

Cronheim, Beiträge zur Beurteilung der 
Frage nach dem Nährwert der Spaltungs- 
produkte des Fiweisses. I. Vergleich 


Sach-Verzeichnis. 


der Verdauungsarbeit von Fleisch und 
Somatose 209. 

Einhorn, Ueber die Kunst, richtig zu essen 
(Euphagie), und die Schäden von zu 
schnellem und zu langsamem Essen 
(Tachy- und Bradyphagie) 501. 

Ekelöf, Ueber Präservenkrankheiten 504. 

Engel, Ueber das Zeit- und Fermentgesetz 
des Pankreassteapsins 843. 

Falkenstein, Die Gicht an sich und in 
Beziehung zu den anderen Stoffwechsel- 
krankheiten, der Zuckerkrankheit und 
Fettsucht 1218. 

Fermi, Reagentien und Versuchsmethoden 
zum Studium der proteolytischen und 
gelatinolytischen Enzyme 1218. 

Freund, Die Militär-Kochkiste 848. 

Fromme, Ueber das fettspaltende Ferment 
der Magenschleimhaut 343. 

v. Fujitani, Ueber den Einfluss verschie- 
dener Substanzen auf die künstliche 
Magenverdauung 1083. 

v. Fürth, Beiträge zur Kenntnis des 
oxydativen Abbaues der Eiweisskörper 
546. 

Hausmann, Ueber die Entgiftung des Sa- 
ponins durch Cholesterin 549. 

Kiesel, Ueber weitgehende Specifieität 
einiger Verdauungsfermente 1084. 

Knoop und Windaus, Ueber Beziehungen 
zwischen Kohlehydraten und stickstoff- 
haltigen Produkten des Stoffwechsels 547. 

Langstein, Weitere Beiträge zur Kenntnis 
der aus Eiweisskörpern abspaltbaren 
Kohlehydrate 547. 

Laqueur, Ueber das Kasein als Säure und 
seine Unterschiede gegen das durch Lab 
veränderte Kasein (Parakasein). Theorie 
der Labwirkung 843. 

Lenkei, Weitere Untersuchungen über die 
Wirkung der Sonnenbäder auf einige 
Funktionen des Organismus 1082. 

Löhlein, Ueber die Volhardsche Methode 
der quantitativen Pepsin- und Trypsin- 
bestimmung durch Titration 844. 

Magnus-Alsleben, Ueber die Giftigkeit des 
normalen Darminhalts 544. 

Moro, Morphologische und biologische Unter- 
suchungen über die Darmbakterien des 
Säuglings 844, 845. 

— Morphologische und biologische Unter- 
suchungen über die Darmbakterien des 
Säuglings. IV. Der Sehotteliussche Ver- 
such am Kaltblüter 1208. 

Müller, Ueber den Einfluss der Temperatur 
der Speisen auf die Magenfunktionen 501. 

Nenadovies, Die Wirkung der Franzens- 
bader Moorbäder auf den Stoffwechsel 
1083. 

Oberndörffer, Die Wirkung der Chinasäure 
auf den Kalkstoffwechsel des Menschen 
503. 


Sach- Verzeichnis. 


Pascucei, Die Zusammensetzung des Blut- 
scheibenstromas und die Hämolyse. Erste 
Mitteilung: Die Zusammensetzung des 
Stromas 548. 

— Die Zusammensetzung des Blutscheiben- 
stromas und die Hämolyse. Zweite Mit- 
teilung: Die Wirkung von Blutgiften auf 
Membranen von Cholesterin 548. 

Passini, Studien über fäulniserregende 
anaërobe Bakterien des normalen mensch- 
lichen Darmes und ihre Bedeutung 208. 

Pauli, Untersuchungen über physikalische 
Zustandsänderungen der Kolloide. Vierte 
Mitteilung. Eiweissfällung durch Schwer- 
metalle 546. 

Raikow, Ueber den Zustand des Schwefels 
in den Eiweisskörpern 505. 

Ranke, Ueber die Abhängigkeit der Er- 
nährung vom Wärmehaushalt, nach Ver- 
suchen in den Tropen, im gemässigten 
Klima und im Hochgebirge 499. 

Rodella, Répartition des microbes dans 
l'intestin du nourrisson 544. 

Roger et Garnier, Toxicité au contenu in- 
testinal 945. 

Rolly und Liebermeister, Experimentelle 
Untersuchungen über die Ursachen der 
Abtötung von Bakterien im Dünndarm 
1207. 

Rosenberg, Umfang der Eiweissverdauung 
im menschlichen Magen unter normalen 
und pathologischen Verhältnissen 945. 

Rubner, Ueber das Eindringen der Wärme 
in feste Objekte und Organteile tierischer 
Herkunft 1208. 

Sahli, Ueber eine Vereinfachung der butyro- 
metrischen Untersuchungsmethode des 
Magens und die Verwendbarkeit der- 
selben für den praktischen Arzt. Nebst 
cinem Anhang: Ueber den Nachweis und 
die Bedeutung von Bakterien im Magen- 
inhalte 545. 

Satta, Bemerkungen über die Stickstoff- 
verteilung im Harn 546. 

— Studien über die Bedingungen der 
Acetonbildung im Tierkörper. Zweite 
Mitteilung 547. 

Schrumpf, Darstellung des Pepsinfermentes 
aus Magenpresssaft 545. 

Schütz, Fäulnisbakterien als Erreger chro- 
nischer Verdauungsstörungen 504. 

Schwarz, Zur Kenntnis der Antipepsine 555. 

Selter, Die Gerüche des Säuglingsfäces 207. 

Sombart, Studien zur Entwickelungs- 
geschichte des nordamerikanischen Prole- 
tariats 1204. 5 

Stoklasa, Ueber Kohlchydratverbrennung 
im tierischen Organismus 502. 

v. Strusiewiez, Ueber den Nährwert der 
Amidsubstanzen 1087. 

Tissier, Répartition des microbes dans 
Pintestin du nourrisson 542. 


1447 


Vandevelde, Ucber die Bestimmung der 
Giftigkeit chemischer Verbindungen durch 
die Bluthämolyse. I. Mitteilung 556. 

— Ueber die Bestimmung der Giftigkeit 
chemischer Verbindungen durch die Blut- 
hämolyse. II. Mitteilung 557. 

Völtz, Ueber den Einfluss verschiedener 
Eiweisskörper und einiger Derivate der- 
selben auf den Stickstoffumsatz, mit be- 
sonderer Berücksichtigung des Asparagins 
1085. 

— Ueber den Einfluss des Leeithins auf 
den Eiweissumsatz ohne gleichzeitige 
Asparaginzufuhr und bei Gegenwart 
dieses Amids 1086. 

Wolpert und Peters, Die Tageskurve der 
Wasserdampfabgabe des Menschen 1206. 

— — Ueber die Nachwirkung körper- 
licher Arbeit auf die Wasserabgabe beim 
Menschen 1206. 

Zinsser, Ueber den Umfang der Fettver- 
dauung im Magen 842. 

Zunz, Contribution à l'étude de la digestion 
des albumoses dans l’estomac et dans 
Vintestin grèle 1086. 


Fleisch. 


Arnold, Beiträge zur Analyse der Speise- 
fette 947. 

Beythien, Ueber das Jörgensensche Ver- 
fahren der Borsäurebestimmung 955. 
Butjagin, Die chemischen Veränderungen 
des Fleisches beim Schimmeln (Peni- 
eillium glaucum und Aspergillus niger) 

505. 

Cronheim, Beiträge zur Beurteilung der 
Frage nach dem Nährwert der Spaltungs- 
produkte des Eiweisses. I. Vergleich der 
Verdauungsarbeit von Fleisch und Soma- 
tose 209. 

Ekelöf, Ueber Präservenkrankheiten 504. 

Farnsteiner, Abänderungsvorschlag zu den 
„Vereinbarungen“ betreffend die Be- 
stimmung der Salpetersäure in Fleisch 
und Fleischwaren 946. 

Forssman, Studien über die Antitoxiabil- 
dung bei aktiver Immunisierung gegen 
Botulismus 822. 

Gutzeit. Beitrag zur Actiologie der Fleisch- 
vergiftungen 1026. 

Haffner, Wie ist den Schädigungen, welche 
die Fleischversorgung der Städte durch 
die Freizügigkeit des Fleisches erleidet, 
am wirksamsten zu begegnen? 704. 

Hamburg, Warnung 868. 

Harrington, Sodium sulphite: A dangerous 
food-preservative 858. 

Kickton, Versuche über die Aufnahme von 
schwefliger Säure durch Hackfleisch aus 
den Verbrennungsprodukten des Leucht- 
gases 705. 


103* 


1448 


Klein, Experiments and observations on 
the vitality of the bacillus of typhoid 
fever and of sewage microbes in oysters 
and other sheltish 64. 

Knauth, Ein Beitrag zur Weilschen Krank- 
heit 1027. 

Kutscher, Ueber Liebigs Fleischextrakt 
1092. 

Liebreich, Zur Frage derBorwirkungen 856. 

Matthes, Ueber mehlhaltiges Corned Beef 
706. 

— und Müller, Ueber Konservierungssalze 
für Hackfleisch 1101. 

Metzger, Zum qualitativen Nachweis der 
Borsäure 716. 

Micko, Hydrolyse des Fleischextraktes 946. 

Moritz, Entwässerungs- und Kläranlagen 
für Schlacht- und Viehhüfe 87. 

Olig und Tillmans, Beiträge zur Kenntnis 
gewisser Verfälschungen von Schweine- 
schmalz 710. 

Ostertag, Handbuch der Fleischbeschau für 
Tierärzte, Aerzte und Richter 385. 

— Bibliographie der Fleischbeschau. Zu- 
gleich Ergänzung zum Handbuch der 
Fleischbeschau desselben Verfassers 386. 

— Das Veterinärwesen der Vereinigten 
Staaten von Nordamerika einschliesslich 
des Vieh- und Schlachthofwesens, der 
Milchversorgung und Milchkontrolle. 
Reisestudie 1087. 

Peters, Ueber den Gewichtsverlust des 
Fleisches beim Dünsten 1209. 

Pfuhl, Ueber die Entstehung. Erkennung 
und Behandlung undichter Fleischkon- 
servenbüchsen 706. 

— und Wintgen. Ueber eine nicht bak- 
terielle Ursache für die Auftreibung 
von Fleischkonservenbüchsen 1210. 

Price, The cflect of some food preser- 

- vatives on the action of digestive enzymes 
955. 

Raikow, Ueber den Zustand des Schwefels 
in den Eiweisskörpern 505. 

v. Raumer, Konservensalz und Wurstbinde- 
mittel 707. 

Rehmet, Zur Beurteilung der Fische als 
menschliches Nahrungsmittel 507. 

Rost, Zur Kenntnis der Ausscheidung der 
Borsäure. Nebst einem Anhang: Bor- 
säureliteratur 857. 

Sieglried und Singewald, Methode zur 
Untersuchung von Fleischextrakten durch 
Bestimmung des organischen Phosphors 
1093. 

v. Spindler, Einfache Methode zur quanti- 
tativen Bestimmung von Borsäure 559. 

— Ueber den qualitativen Nachweis von 
Borsäure mit besonderer Berücksichti- 
gung der Nahrungsmittelchemie 559. 

— Zum Borsäurenachweis 1101. 

Sprinkmeyer und Wagner, Zum Nachweis 
fremder Farbstoffe in Fetten 710. 


Saoh-Verzeichnis. 


Strauss, Zum Nachweis von schwefliger 
Säure in Wurstwaren 35. 

Stüber, Zur quantitativen Salpeterbestim- 
mung im Fleisch 946. 

Westenhoeffer, Das Reichs-Fleischschauge- 
setz in Bezug auf die Tuberkulose nebst 
einigen Bemerkungen über die Aus- 
führung der Fleischbeschau 303. 

Windisch, Die Bestimmung der Borsäure 
716. 


Milch, Butter, Käse, Eier. 


Auf einen Einwohner, also pro Kopf, er- 
folgte Berechnung des jährlichen Milch- 
verbrauchs 624. 

Bartel und Stenström, Weitere Beiträge 
zur Frage des Einflusses hoher Tempe- 
raturen auf Tuberkelbaeillen in der 
Milch 176. 

Baumann, Ueber die Konservierung der 
Milch durch Wasserstoffsuperoxyd 549. 

v. Behring, Ueber alimentäre Tuberkulose- 
infektionen im Säuglingsalter 349. 

— Schlussbemerkungen zu obigem Auf- 
satz 349. 

Beythien, Krebsbutter 709. 

Bonnema, Untersuchung pasteurisierter 
Milch 30. i 

Brüning, Rohe oder gekochte Milch 511. 

Burow, VII. Internationaler tierärztlicher 
Kongress in Budapest 1905 220. 

Burr, Ueber die Bestimmung des Fett- 
gehaltes der Butter nach Gottlieb 951. 

Busse, Notiz über einen vegetabilischen 
Käse aus Kamerun 853. 

Camerer, Mitteilung über den Eisengehalt 
der Frauenmilch 30, 

Cassel, Bericht über die Versuche, Säug- 
linge mit einwandsfreier Kuhmilch zu 
versorgen 443, 841. 

Mac Conkey, Lactose-fermenting bacteria 
in faeces 207, 

Engel, Ueber die Kontrolle billiger Säug- 
lingsmilch 509. 

— Die Baudouinsche Reaktion beim Men- 
schen 510.. 

Fendler, Ueber das Bräunen und Schäumen 
von Butter und Margarine beim Braten 
551, 

— Sesamölnachweis bei Gegenwart von 
Farbstoffen, welche Salzsäure rüten 
552. 

Flügge. Erwiderung auf v. Behrings Artikel: 
Ueber alimentäre Tuberkuloseinfektionen 
im Säuglingsalter 349. f 

— Schlussbemerkungen zu obigem Artikel 
349. 

Forest, Ueber die Schwankungen im Fett- 
gehalte der Frauenmilch und die Me- 
thodik der Milchentnahme zur Fett- 
bestimmung 1211. 


Sach-Verzeichnis. 


Frankreich, Aus dem 31. Bande der Arbeiten 
desComite consultatif d’hygiene publique 
de France. Jahrgang 1901 146. 

v. Freudenreich, Ueber die Bakterien im 
Kuheuter und ihre Verteilung in den 
verschiedenen Partien des Melkens 948. 

Freund jr., Milchfürsorge in der Stadt 
Stettin. Statistische Mitteilungen über 
den Erfolg 703. 

Gogitidse, Vom Uebergang des Nahrungs- 
fettes in die Milch 28. 

Gordan, Eignet sich Wasserstoffsuperoxyd 
zum Sterilisieren der Milch? 950. 

Grósz, Ernährungsversuche mit Szekelys 
Kindermilch, insbesondere bei kranken 
Säuglingen 850. 

Groth, Die wahrscheinliche Ausdehnung 
der natürlichen und künstlichen Ernäh- 
rung in München und ihr Einfluss auf 
die Säuglingssterblichkeit 130. 

Höft, Ueber Trockensubstanzbestimmung 
in Formalinmilch 30. 

Ibrahim, Ueber Milchpumpen und deren 
Anwendung (mit Angabe eines neuen 
Modells) 131. 

Jensen, Studien über die flüchtigen Fett- 
säuren im Käse nebst Beiträgen zur 
Biologie der Käsefermente 1095. 

Kayser, Milch und Typhusbacillenträger 
1269. 

Kiesel, Ueber weitgehende Speeificität 
einiger Verdauungsfermente 1034. 

Laqueur, Ueber das Kasein als Säure und 
seine Unterschiede gegen das durch Lab 
veränderte Kasein (Parakasein). Theorie 
der Labwirkung 843. 

Lohnstein, Das Galakto-Lipometer, ein neuer 
Apparat zur Bestimmung des Fettgehaltes 
der Milch 510, 849, 1093. 

— Eine einfache Methode der Milchanalyse 
für die ärztliche Praxis 1093. 

— Zur Methodik der Milchanalyse mit be- 
sonderer Rücksicht auf die ärztliche 
Praxis 1093. 

Lotterhos, Ein Beitrag zur Beurteilung 

von Sichlers Sinacidbutyrometrie 1094. 

Mazé, Les microbes dans l’industrie fro- 
magere 552. 

— Les mierobes dans l’industrie fruma- 
gère. 3. partie. Les ferments de la 
caseine 852. 

Monhaupt, Nachweis und Bestimmung der 
Borsäure in Butter 551. 

Nicolle et Duclaux, Recherches exptrimen- 
tales sur la conservation du lait 81. 
v. Ohlen, Die Bekämpfung der Säuglings- 
sterblichkeit durch öffentliche Organe 
und private Wohltätigkeit mittels Be- 
schaffung einwandsfreier Kindermilch 
unter spezieller Berücksichtigung Ham- 
burger Verhältnisse 128. 

Olig und Tillmans, Ueber das mittlere 


1449 


Molekulargewicht der nichtflüchtigen 
Fettsäuren holländischer Butter 31. 
Olig und Tillmans, Beiträge zur Kenntnis 
gewisser Verfälschungen von Schweine- 

schmalz 710. 

Ostertag, Das Veterinärwesen der Ver- 
einigten Staaten von Nord-Amerika ein- 
schliesslich des Vieh- und Schlachthof- 
wesens, der Milchversorgung und Milch- 
kontrolle. Reisestudie 1087. 

Popper, Ueber die Formelemente des 
Colostrums, ihre Entstehung und Be- 
deutung 29. 

Raudnitz, Sammelreferat über die Arbeiten 
aus der Milchchemie im Jahre 1904. 
II. Semester 851. 

Renard, La conservation du lait 31. 

Rodella, Ueber die Herstellung von Käsen 
aus sterilisiertem Eiereiweiss. Ein Bei- 
trag zur Frage über die Bedeutung der 
Bakterien für die Käsereifung 853. 

— Ueber die in der normalen Milch vor 
kommenden Anaörobien und ihre Be- 
ziehungen zum Käsereifungsprocesse 952. 

Rogers, Ueber die Ursachen der bei in 
Büchsen verpackter Butter vorkommenden 
Zersetzungen 951. . 

Röhrig, Verbesserter Apparat zur Milch- 
fett-Bestimmung nach Gottlieb-Röse 707. 

Schaps, Zur Frage der Konservierung der 
Milch durch Formaldehyd, speciell zum 
Zwecke der Säuglingsernährung 707. 

Schlegtendal, Die Bekämpfung der Säug- 
Ka ssserbliobkait im Reg.-Bez. Aachen 

Seh aan; Vergiftung und Entgiftung 

11. 

Schoofs, Le contròle du lait dans les fa- 
briques de beurre 852. 

Schweizerisches Lebensmittelbuch. Me- 
thoden über die Untersuchung und 
Normen für die Beurteilung von Lebens- 
mitteln und Gebrauchsgegenständen. 
Zweiter Abschnitt: Milch und Milch- 
produkte. Speisefette und Speiseöle 848. 

Seligmann, Das Verhalten der Kuhmilch 
zu fuchsinschwefliger Säure und ein 
Nachweis des Formalins in der Milch 
213. 

— Ueber den Einfluss einiger Aldehyde, 
besonders des Formalins, auf die Oxy- 
dationsfermente derMilch und des Gummi 
arabicum 550. 

— Ucber die Reduktasen der Kuhmilch 
1210. 

Severin und Budinoff, Ein Beitrag zur 
Bakteriologie der Milch 849. 

Sommerfeld, Besitzen die löslichen Eiweiss- 
körper der Milch specilische baktcrieide 
Eigenschaften? 823. 

— Ueber Formalinmilch und das Verhalten 
von Formalin gegenüber einigen Bak- 
terienarten 511. 


1450 


Speck, Kühlkissen zur Kühlung der Säug- 
lingsmilch im Hause 509. 

Sprinkmeyer und Wagner, Zum Nachweis 
fremder Farbstoffe in Fetten 710. 

Svoboda, Ueber gebrochenes Melken unter 
Anwendung der Hegelundschen Melk- 
methode 508. 

Swaving, Ueber die holländische Staats- 
butterkontrolle 708. 

Swellengroebel, Ueber pasteurisierte Milch 
950. 

Tortelli, Das Thermoleometer, ein Apparat 
für den Nachweis der Verfälschung von 
Olivenöl und anderen Pilanzen- und Tier- 
ölen 557. 

Trillat et Sauton, L’ammoniaque dans le 
lait. Recherche et interpretation de sa 
presence 849. 

Trumpp, Versorgung der Städte mit Kinder- 
milch 253. 

Utz, Ein neues Verfahren zum Nachweise 
von Formalin in Milch 512. 

Völtz, Untersuchungen über die Serum- 
hüllen der Milchkügelchen 29. 

de Wacle, Sugg et Vandevelde, Sur l’ob- 
tention de lait cru stérile 949. 

Wallich et Levaditi, Sur la nature des 
éléments cellulaires du colostrum et du 
lait chez la femme 549. 

Weiss, Milchkassenorganisation zur Förde- 
rung der Selbststillung 842. 

Weller, Die Bestimmung des Schmutz- 
gehaltes in der Milch 1094. 

Winkel, Ueber belichtete und ranzige Fette 
28. 


Mehl, Brot u. s. f. 


Benz, Zur Beurteilung von Paniermehl 953. 

Fischer und Peyau, Beitrag zur Kenntnis 
des Baumwollsamenöles und der Hal- 
phenschen Reaktion 210. 

Forster, Talkum auf Graupen 32. 

Hartwich und Häkanson, Ueber Glyceria 
fluitans, ein fast vergessenes einheimi- 
sches Getreide 1099. 

Hayashi, Ueber die peptischen Spaltungs- 
produkte des Weizenklebereiweisses Ar- 
tolin 553. 

Hefelmann, Müller und Rückert, Ueber 
den Specksteingehalt des Reises, der 
Graupen und der geschälten Erbsen des 
Handels 953. 

König und Bettels, Die Kohlenhydrate der 
Meeresalgen und daraus hergestellter 
Erzeugnisse 1099. 

Koenig und Rintelen, Ueber die Protein- 
stoffe des Weizenklebers und seine Be- 
ziehungen zur Backtähigkeit des Weizen- 
mehles. II. Beziehungen zwischen dem 
Klebergehalt und der Backfähigkeit eines 
Weizenmehles 210. 


Sach-Verzeichnis. 


Küttner und Ulrich, Ueber die Verwendung 
von Streumehlen in Bäckereien 554. 

Kuttner und Ulrich, Ueber die Verwendung 
von Streumehlen in der Bäckerei 952. 

Matthes, Die Beurteilung mehlhaltiger Mar- 
zipanwaren 714. 

— und Müller, Ueber das „Polieren“ und 
„Umkleiden“ von Graupen, Reis, Hirse 
und gelben Erbsen mit Talkum 554. 

Osborne und Harris, Ueber die Protein- 
körper des Weizenkornes. I. Das in 
Alkohol lösliche Protein und sein Glu- 
taminsäuregehalt 553. 

v. Raumer, Die Verwendung der Gär- 
methoden im Laboratorium, ein Beitrag 
zur Kenntnis des Stärkesirups 711. 

Wender, Die Feinheitsbestimmungder Mehle 
1099. 


Konserven. 


Belser, Studien über verdorbene Gemüse- 
konserven 1212. 

Beythien, Ueber das Jörgensensche Ver- 
fahren der Borsäurebestimmung 955. 
— und Borisch. Beiträge zur Unter- 
suchung und Beurteilung des Citronen- 

saftes 711. 

Harrington, Sodium sulphite: A dangerous 
food-preservative 858. 

Kutscher, Ueber Liebigs Fleischextrakt 
1092. 

Matthes, Ueber mehlhaltiges Corned Beef 
706. 

— und Müller, Ueber Konservierungssalze 
für Hackfleisch 1101. 

Pfuhl, Ueber die Entstehung, Erkennung 
und Behandlung undichter Fleischkun- 
servenbüchsen 706. 

— und Wintgen, Ueber eine nicht bak- 
terielle Ursache für die Auftreibung von 
Fleischkonservenbüchsen 1210. 

Price, The eflect of some food preserva- 
tives on the action of digestive enzymes 
955. 

v. Raumer, Konservensalz und Wurstbinde- 
mittel 707. 

— Die Verwendung der Gärmethoden im 
Laboratorium, ein Beitrag zur Kenntnis 
des Stärkesirups 711. 

Siegfried und Singewald, Methode zur Un- 
tersuchung von Fleischextrakten durchBe- 
stimmung des organischen Phosphors1093. 

v. Spindler, Zum Borsäurenachweis 1101. 

Wintgen, Ueber Bombage von Konserven 
1092. X 


Kaffee, Tee, Kakao. 
v. Boltenstern, Zur Bewertung des Kaffees 


als Volksgenussmittel 954. 
Buttenberg, Ueber havarierten bleihaltigen 


Sach-Verzeichnis. 


Tee. Ein Beitrag zur Ueberwachung 
des Verkehrs mit Tee 715. 

Geiser, Welche Bestandteile des Kaffees sind 
die Träger dererregenden Wirkung? 1100. 

Hueppe, Untersuchungen über Kakao mit 
besonderer Berücksichtigung der hollän- 
dischen Aufschliessungsmethode und mit 
Vorschlägen zur gesetzlichen Regelung 
in Deutschland und Oesterreich 854. 

Orth, Beitrag zur Untersuchung und Be- 
urteilung kandierter Kaffees 34. 

Stoll, Alkohol und Kaflee in ihrer Wir- 
kung auf Herzleiden und nervöse Stö- 
rungen 131. 


Bier, Wein, Branntwein. 


Angaben aus der amtlichen Statistik der 
Bierbrauereien und Bierbesteuerung im 
Brausteuergebiete im Rechnungsjahr1904 
569. 

Beckmann, Zur Bestimmung des Fuselölge- 

haltes alkoholischer Flüssigkeiten 712. 

Buchner und Meisenheimer, Die chemischen 
Vorgänge bei der alkoholischen Gärung 
(Zweite Mitteilung.) 555. 

Froehner, Zur Analyse des Weinessigs 33. 

Harnack und Laible, Ueber die Wirkung 
kleiner Alkoholgaben auf den Wärme- 
haushalt des tierischen Körpers 1100. 

Kapeller, Zur Kenntnis einer „Rotwein- 
Couleur“ 711. 

Kochmann, Die Wirkung des Alkohols auf 
den Blutkreislauf des Menschen 777. 
Krug, Beiträge zur Kenntnis des Natron- 

gehaltes des Traubenweins 954. 

Laible, Ueber die Wirkung kleiner Al- 
koholgaben auf den Wärmehaushalt des 
tierischen Körpers 712. 

Otto und Kohn, Untersuchungen „alkohol- 
freier Getränke“ 712. 

— und Tolmacz, Untersuchungen „alkohol- 
freier Getränke* 211. 

Schmidt, Hefegärung 1213. 

Schwartz, Der Wein als Genussmittel vom 
hygienischen und volkswirtschaftlichen 
Standpunkt 545. 

Swellengrebel, Sur la division nucléaire 
de la levure presste 854. 

Ueber den Cognac-Wahn 1226. 

Vandevelde, Ueber die Bestimmung der 
Giftigkeit chemischer Verbindungen 
durch die Bluthämolyse. 1.Mitteilung 556. 

— Ueber die Bestimmung der Giftigkeit 
chemischer Verbindungen durch die 
Bluthämolyse. II. Mitteilung 557. 

Windisch und Röttgen, Ueber die Ver- 
änderungen der Zusammensetzung der 
Weine durch Schönen mit Hausenblase, 
Gelatine, Eiweiss und Spanischer Erde 33. 

Windisch und Röttgen, Die Bestimmung 
der flüchtigen Säuren im Wein 212. 


1451 


Sonstiges. 


Bamberger, Zur Hygiene des Rauchens 558. 
Beythien, Einige weitere Analysen von 
Fruchtsäften und Beerenfrüchten 32. 

— Neuere Honigsurrogate 713. 

— und Borisch, Beiträge zur Unter- 
suchung und Beurteilung des Citronen- 
saftes 711. 

Brückmann, Untersuchung der bleigla- 
sierten irdenen (jeschirre in hygienischer 
Hinsicht 36. 

Evers, Ueber die Prüfung von Himbeer- 
sirup 32. 

Fischer und Peyau, Beitrag zur Kenntnis 
des Baumwollsamenöles und derHalphen- 
schen Reaktion 210. 

Formenti, Ueber die braune kieselgraue 
Ablagerung, welche sich auf dem Alumi- 
nium durch Kochen mit Wasser bildet 
557. 

Hanus, Ueber die quantitative Bestimmung 
des Vanillins 1100. 

Hockauf, Eine angebliche Lorchelvergiftung 
1213. 

Juckenack und Pasternack, Ueber die Zu- 
sammensetzung der Fruchtsäfte und 
Fruchtsirupe 32. 

König und Bettels, Die Kohlenhydrate der 
Meeresalgen und daraus hergestellter 
Erzeugnisse 1099. 

— Spieckermann und Seiler, Beiträge zur 
Zersetzung der Futter- und Nahrungs- 
mittel. V. Zur Zusammensetzung der 
durch Bakterien gebildeten Schleime 718. 

Köpcke, Ueber künstliche Färbung von 
Speisesenf 558. 

Krzizan, Ueber gesundheitsschädliche Koch- 
geschirre 716. 

Ludwig und Haupt, Zucker als natürlicher 
Bestandteil der Macis 35. 

Lührig, Bleihaltige Abziehbilder 1102. 

Matthes, Die Beurteilung mehlhaltiger 
Marzipanwaren 714. 

Pfyl und Linne, Ueber quantitative Hydro- 
lysen von Saccharose, Maltose, Laktose 
und Raflinose 715. 

v. Raumer, Die Verwendung der Gär- 
methoden im Laboratorium, ein Beitrag 
zur Kenntnis des Stärkesirups 711. 

Schmidt und Varges, Ein Beitrag zur Hy- 
giene des Rauchens 1213. 

Spaeth, Ueber die Untersuchung und Be- 
urteilung von Himbeersirup 32. 

— Zur Prüfung und Beurteilung des ge- 
mahlenen schwarzen Pfeffers 715. 

v. Spindler, Einfache Methode zur quan- 
titativen Bestimmung von Borsäure 559. 

— Ueber den qualitativen Nachweis von 
Borsäure mit besonderer Berücksichti- 
gung der Nahrungsmittelehemie 559. 

Süss, Ueber künstliche Prüfung von Speise- 
senf und Senfpulver 558. 


1452 


Tortelli, Das Thermoleometer, ein Apparat 
für den Nachweis der Verfälschung von 
Olivenöl und anderen Pflanzen- und 
Tierölen 557. 


Gerichtliche Medizin. 


v. Boltenstern, Die Vergiftungen 135. 

Lockemann, Ueber den Arsennachweis mit 
dem Marshschen Apparate 565. 

Pfeiffer, Ueber die Wirkung des Lichtes 
auf Eosin-Blutgemische 567. 

— Ueber die Wirkung fluorescierender 
Stoffe (Eosin) auf normales Serum und 
rote Blutkörperchen 567. 

Tollens, Ueber die Wirkung der Kresole 
und des LiquorCresoli saponatus im Ver- 
gleich zu Karbolsäure 566. 


Gesetze. 
(S. Verordnungen.) 


Gewerbehygiene. 


Bekanntmachung, betreffend die Einrich- 
tung und den Betrieb der Bleihütten 327. 

Bleivergiftungen in hüttenmännischen und 
gewerblichen Betrieben. Ursachen und 
Bekämpfung. 1. Teil. Bericht über Er- 
hebungen in Blei- und Zinkhütten 449. 

Bleivergiftungen in hüttenmännischen und 
gewerblichen Betrieben. Ursachen und 
Bekämpfung. II. Teil: Bericht über 
Erhebungen in Bleiweiss- und Bleioxyd- 
fabriken 561. 

Bleivergiftungen in hüttenmännischen und 
gewerblichen Betrieben. Ursachen und 
Bekämpfung. II. Teil: Protokoll über 
die Expertise betreffend die Blei- und 
Zinkhütten 1157. 

Bleivergiftungen in hüttenmännischen und 
gewerblichen Betrieben. Ursachen und 
Bekämpfung. IV. Teil: Protokoll über 
die Expertise betreffend die Bleiweiss- 
und Bleioxydfabriken 1158. 

Brat, Frfolge der Sauerstofftherapie unter 
besonderer Berücksichtigung der in den 
Gewerbebetrieben gewonnenen Erfahrun- 
gen bei gewerblichen Vergiftungen 1104. 

Deutsches Reich. Arbeitszeit der Fabrik- 
arbeiterinnen 91. 

Deutsches Reich. Jahresberichte der Ge- 
werbeaufsichtsbeamten und Bergbebör- 
den für das Jahr 1904 1046. 

Dieminger, Beiträge zur Bekämpfung der 
Ankylostomiasis 673, 675. 

Dinkler, Ueber die Ankylostomiasis im 
Wurmkohlenrevier 676, 

FElsaesser, Ueber die sogenannten Berg- 
mannskrankheiten 962. 

Eulenburg, Ueber Nerven- und Geisteskrank- 
heiten nach elektrischen Unfällen 564. 


Sach-Verzeichnis. 


Galewsky, Ueber berufliche Formalin- 
onychien und Dermatitiden 563. 

Grossbritannien. Milzbrand bei gewerb- 
lichen Arbeitern 334. 

Haldane, The influence of high air tempe- 
ratures 563. 

Heissler, Kinderarbeit 542. 

Jellineck, Der Tod durch Elektrieität 1336. 

Kempen, Beiträge zur Statistik und Ka: 
istik der chronischen Bleivergiftung 779. 

Kühn, Bleivergiftungen sonst und jetzt 449. 

Lennhoff und Levy-Dorn, Untersuchungen 
an Ringkämpfern 450. 

Lewin, Krankheit und Vergiftung 448. 

Lewin, Die chronische Vergiitung des 
Auges mit Blei 562. 

— Ueber die Wirkung des Bleis auf die 
Gebärmutter 562. 

Meyer, Hygienische Verbesserung der 
Cigarrenfabrikation 980. 

Michaelis, Handbuch derSauerstofftherapie: 
unter Mitwirkung von N. Brat. W. Cowl, 
G. Gärtner, E. Giersberg. Hagenbach- 
Burkhardt, Kiunka, v. Koränyi, Loewy, 
Ortner, Pagel, v. Schroetter, L. Spiegel, 
Wohlgemuth, L. Zuntz und N. Zuntz 
1158. 

Preussen. Aus dem Verwaltungsbericht 
des Allgemeinen Knappschaftsvereins 
zu Bochum für das Jahr 1904 1221. 

Pröbsting, Ein Franzose über das Arbeits- 
wesen in Deutschland 26. 

Rambousek, Lehrbuch der Gewerbehygiene 
560. 

Schoofs, L’epuration des eaux résiduaires 
industrielles 126. 

— Les caux résiduaires des tanneries 126. 

— Les eaux residuaires des Industries- 
Lainieres 126. 

— Epuration biologique des eaux-vannes. 
Commission spéciale d'études pour l’tpu- 
ration biologique des eaux-vannes et 
des eaux résiduaires industrielles 1278. 

, Die Kohlenablader der k. k. priv. 
Kaiser Ferdinand-Nordbahngesellschaft 
780. 

Zwei Denkschriften zur Vorbereitung einer 
internationalen Arbeiterschutzkonferenz 
560. 


Heilstättenwesen. 


Becher, Ueber Walderholungsstätten für 
kranke Kinder mit besonderer Berück- 
sichtigung der Tuberkulösen. Nach 
Beobachtungen in der ersten Kinder- 
Erholungsstätte vom Roten Kreuz in 
Schönhelz 701. 

Blumenthal, Die sociale Bekämpfung der 
Tuberkulose als Volkskrankheit in 
Europa und Amerika 476. 

Der Stand der Tuberkulosebekämpfung im 
Frühjahr 1905 1129. 


Sach-Verzeichnis. 


Die Errichtung und Verwaltung von Aus- 
kunfts- und Fürsorgestellen für Tuber- 
kulöse 478. 

v. Greyerz, Bildung und Unterhaltung in 
Volksheilstätten 1284. 

Jahresberichte für das Jahr 1904 der 
Basler Heilstätte für Brustkranke in 
Davos und des Basler Hilfsvereins für 
Brustkranke 900. 

Leyden, Ueber den heutigen Stand der 
Schiffssanatorienfrage 944. 

Marcuse, Zur Auslese des Krankenmate- 
rials in den Lungenheilstätten 1259. 
Philippi, Die Lungentuberkulose im Hoch- 
gebirge. Die Indikationen und Kontra- 
indikationen desselben, sowie die An- 
wendung des alten Kochschen Tuber- 

kulins 1125. 

Reiche, Die Erfolge der Heilstättenkuren 
bei Lungenschwindsüchtigen 641. 

Roepke, Tuberkulose und Heilstätte 370. 

Rumpf, Heilstätte Friedrichsheim 899. 

Schröder, VI. Jahresbericht der Neuen 
Heilanstalt für Lungenkranke zu Schöm- 
berg. O.-A. Neuenburg nebst Bemer- 
kungen zur Behandlung der oberen 
Luftwege des Phthisikers. Anhang: 
Witterungsbericht des Jahres 1904 für 
Schömberg, O.-A. Neuenburg 479. 

Verwaltungsbericht der Landes-Versiche- 
rungsanstalt Berlin für das Rechnungs- 
jahr 1904 968. 

Verwaltungsbericht über das städtische 
Sanatorium Harlaching-München für das 
Jahr 1904 969. 

Zur Tuberkulosebekämpfung 1904 356. 

Zur Tuberkulosebekämpfung 1905 1134. 


Heizung. 


Ascher, Der Einfluss des Rauchs auf die 
Atmungsorgane 438. 

Dietz, Ueber Heizung und Lüftung der 
Schulräume 88. 

Goebel, Groves selbsttätige Temperatur- 
regler für Heizvorrichtungen und dergl. 
7172, 

Haase, Ueber die Heizung und Lüftung 
von Schulhäusern 773. 

Immenkötter, Ueber das Junkerssche Ka- 
lorimeter 1080. 

Ohmes, Selbsttätige Temperaturregler bei 
Centralheizung in den Vereinigten 
Staaten von Nordamerika 27. 

Plumert, Ventilation moderner Kriegs- 
schiffe 134. 

Randel, Ueber Fernheizung 26. 

Schäfer, Hygienische Anforderungen an 
(rasheizungen 1081. 

Wolpert, Ueber die Grüsse der Luftbewe- 
gung in der Nähe unserer Wohnungen 
349. 


1453 


Wolpert, Ueber den Einfluss der landhaus- 
mässigen Bebauung auf die natürliche 
Ventilation der Wohnräume 440. 

— A. und H., Die Heizung 125. 


Jahresberichte. 


Angaben aus der amtlichen Statistik der 
Bierbrauereien und Bierbesteuerung im 
Brausteuergebieteim Rechnungsjahr 1904 
569. 

Aus dem Jahrbuch der Medizinalverwaltung 
in Elsass-Lothringen 262. 

Aus dem 35. Jahresbericht des Landes- 
Medizinalkollegiums über das Medizinal- 
wesen im Königreich Sachsen auf das 
Jahr 1903 216. 

Aus dem japanischen Sanitätsbericht für 
1901 459. 

AusdemSanitätsberichtdesösterreichischen 
Küstenlandes für die Jahre 1901—1903 
.1288. 

Aus dem Sanitätsbericht über die Kaiserlich 
Deutsche Marine für die Zeit vom 1. Ok- 
tober 1903 bis 50. November 1904 1339. 

Aus dem Sanitätsbericht über die König- 
lich Preussische Armee vom 1. Oktober 
1902 bis 30. September 1903 1342. 

Aus dem Sanitätsbericht über die König- 
lich bayerische Armee für das Berichts- 
jahr vom 1. Oktober 1900 bis 30. Sep- 
tember 1901 625. 

Aus dem statistischen Jahrbuche der 
Haupt- und Residenzstadt Budapest 331, 
923. 

Aus dem statistischen Jahrbuche für Bel- 
gien, Jahrgang 1903 1222. 

Aus dem Verwaltungsbericht des Magistrats 
der Königl. Haupt- und Residenzstadt 
Breslau, 1901—1904 734. 

Belgien. (iesundheitsverhältnisse in Brüssel 
im Jahre 1904 924. 

Bericht des Wiener Stadtphysikats über 
seine Amtstätigkeit in den Jahren 1900 
bis 1902 922. 

Bericht über die Gesundheitsverhältnisse 
und (Giesundheitsanstalten in Nürnberg 
964. 


Bevölkerungsbewegung in Italien 1902 
976. 
Bremen. Die Tätigkeit des hygienischen 


Instituts 738. 
Das Gesundheitswesen des Preussischen 
Staates im Jahre 1903 485. 
Das öffentliche Gesundheitswesen in Frank- 
furt a. M. im Jahre 1903 214. 
Deutsches Reich. Aus dem 25. Jahres- 
berichte des Vereins für Kinderheilstätten 
an den deutschen Secküsten 261. 
Deutsches Reich. Die Eheschliessungen, 
Geburten und Sterbefälle im Jahre 1904 
1337. 
104 


1454 


Deutsches Reich. Jahresberichte der Ge- 
werbcaufsichtsbeamten und Bergbehör- 
den für das Jahr 1904 1046. 

Die (Geburten und Sterbefälle, sowie die 
Todesursachen im preussischen Staate 
während des Jahres 1903 38. 

Die Sterblichkeitsverhältnisse in den Orten 
des Deutschen Reiches mit 15000 und 
mehr Einwohnern während des Jahres 
1904 622. 

Die Tätigkeit des Gesundheitsrates für 
das Seine-Departement im Jahre 1904 
332. 

England und Wales. Geburt und Sterb- 
lichkeit im Jahre 1903 218. 

Erkrankungen und Todesfälle im eng- 
lischen Heere während des Jahres 1903 
333. 

Frankreich. Aus dem 31. Bande der Ar- 
beiten des Comité consultatif d'hygiène 
publique de France. Jahrgang 1901 
146. 

Frankreich. Bevölkerungsbewegung 740. 

Geburten und Todesfälle in Schottland in 
den Jahren 1903 und 1904 219. 

Geschäftsbericht des Stadtrates der Stadt 
Zürich 1903 90. . 

Geschäftsbericht des Stadtrates der Stadt 
Zürich 1904 967. 

Gesundlieitsverhältnisse im Verwaltungs- 
bezirk London während des Jahres 1904 
1166. 

Gesundhe 
1904 514. 

Grossbritannien. Gesundheitsdienst im 
Hafen von London im Jahre 1904 516. 

Grossbritannien. (resundheitszustand in 
Birmingham während des Jahres 1904 
389. 

Heckmann und Lautfs, Bericht über die 
Tätigkeit des chemischen Untersuchungs- 
amtes der Stadt Elberfeld für das Jahr 
1904 135. 

Jahresbericht der Centrale für private 
Fürsorge in Frankfurt a. M. für das 
Rechnungsjahr 1903/04 777. 

9. Jahresbericht über den öffentlichen Ge- 
sundheitszustand und die Verwaltung 
der ötlentlichen Gesundheitspflege in 
Bremen in den Jahren 1893—1903 1215. 

Jahresbericht über die allgemeine Poli- 
klinik des Kantons Basel-Stadt im Jahre 
1904 969. 

Italien. Berufssterblichkeit 978. 

Italien. Ergebnisse des Heeresergänzungs- 
geschäfts 570. 

Italien. Mailand. Bewegung der Bevöl- 
kerung im Jahre 1904 und Todesursachen 
im Vergleich zu anderen Hauptstädten 
Italiens 977. 

Königreich Sachsen. Aus dem Verwaltungs- 
bericht des Rates der Stadt Leipzig für 
das Jahr 1903 512. 


esen in Nürnberg im Jahre 


Sach-Verzeichnis. 


v. Körösy, Die Sterblichkeit der Haupt- 
und Residenzstadt Budapest in den 
Jahren 1901—1905 und deren Ursachen 

66. 

Manteufel, Jahresbericht über die Tätig- 
keit des Untersuchungsamtes für an- 
steckende Krankheiten zu Halle a. S. 
(1. Januar bis 31. December 1905) 337. 

Medizinalbericht von Württemberg für das 
Jahr 1903 1214. 

Medizinalstatistische Mitteilungen aus 
australischen Kolonien 1223. 

Medizinalstatistische Mitteilungen aus Ko- 
penhagen für das Jahr 1904 682. 

Medizinalstatistische Mitteilungen aus Nor- 
wegen für das Jahr 1903 979. 

Mitteilungen aus dem Medizinalbericht von 
Württemberg für das Jahr 1903 973. 

Mitteilungen aus dem statistischen Jahr- 
buche der Stadt Berlin für das Jahr 1904 
733. 

Neumann, Bericht über die Ergebnisse 
des Untersuchungsamtes für ansteckende 
Krankheiten in Heidelberg im 2. Be- 
triebsjahr vom Oktober 1904 bis Okto- 
ber 1905 1002. 

Niederlande. Amsterdam. Gemeinde - Ge- 
sundheitsdienst 1904 459. 

Niederlande. Die Tätigkeit der Impfstoff- 
gewinnungsanstalt in Utrecht im Jahre 
1904 681. 

Oesterreich. Aas dem statistischen Jahr- 
buche der Stadt Wien für das Jahr 
1903 974. 

Philippinen. Gesundheitsverhältnisse in 
Manila in den Jahren 1903—1904 634. 

Preussen. Aus dem Verwaltungsbericht 
des Allgemeinen Knappschaftsvereins zu 
Bochum für das Jahr 1904 1221. 

Preussen. Berlin. Aus dem Verwaltungs- 
berichts des Magistrats zu Berlin über 
die städtischen Kanalisationswerke und 
Rieselfelder für das Etatsjahr 1904 782. 

Preussen. Berlin. Verwaltungsbericht des 
Magistrats zu Berlin über das städtische 
Strassenreinigungswesen, die städtischen 
Wasserwerke und die städtischen Bade- 
anstalten für das Etatsjahr 1903 213. 

Preussen. StadtBerlin. Verwaltungsbericht 
überdie städtischen Kanalisationsanlagen 
einschliesslich der Rieselfelder für das 
Geschäftsjahr vom 1. April 1904 bis 
31. März 1905 388. 

Rosenthal, Bericht über die Tätigkeit des 
bakteriologischen Untersuchungsamtes 
am Institut für medizinische Chemie 
und Hygiene zu Göttingen im ersten 
Jahre 1905/06 993, 1049. 

Sanitätsbericht über die Kaiserliche Ost- 
asiatische Besatzungs-Brigade 1902;03 
1163. 

Sanitätsbericht über die Königl. preussische 
Armee u. s. w. 1902/03 1159. 


Sach-Verzeichnis. 


Säuglingssterblichkeit und Zahl der Tot- 
geborenen in einigen Grossstädten 
Europas während des Jahres 1904 732. 

Schweden. Geburts- und Sterblichkeits- 
verhältnisse in Stockholm während des 
Jahres 1904 683. 

Stand der Tierseuchen in Ungarn im Jahre 
1903 263. 

Statistisch Jaarboek der Gemeente Amster- 
dam 966. 

Stumpf, Bericht über die Ergebnisse der 
Schutzpockenimpfung im Königreich 
Bayern im Jahre 1903 415. 

Tjaden, Jahresbericht des hygienischen 
Instituts zu Bremen 1108. 

Todesursachen in Italien während des 
Jahres 1902 335. 

Uffelmann und Pfeiffer, Einundzwanzigster 
Jahresbericht über die Fortschritte und 
Leistungen auf dem Gebiete der Hy- 
giene 861. 

Verwaltungsbericht der Landes-Versiche- 
rungsanstalt Berlin für das Rechnungs- 
jahr 1904 968. 

Verwaltungsbericht über das städtische 
Sanatorium Harlaching-München für das 
Jahr 1904 969. 


Immunität. Schutzimpfung. 


Aaser, Ueber die makroskopische Agglu- 
tinationsprobo bei Typhoidfieber 247. 
Ascher, Beobachtungen über Ausflockungs- 

Erscheinungen 934. 

d’Astros, Huit années de sérotherapie 
antidiphtérique à Marseille 77. 

Axenfeld, Serumtherapie bei infektiösen 
Augenerkrankungen 1144. 

Bail, Untersuchungen über natürliche und 
künstliche Milzbrandimmunität. Xl.Erster 
Bericht über Milzbrandschutzimpfungen 
an Schafen 201. 

— Ueber den Zusammenhang zwischen 
Aggressivität und Leibessubstanz von 
Bakterien 419. ` 

— Aggressinimmunität gegen Tuberkel- 
bacillen und Choleravibrionen 420. 

— Versuche über die baktericide Fähig- 
keit des Serums 1071. 

Ballner und v. Sagasser, Ueber die Bil- 
dung von homologen und heterologen 
Agglutininen im Tierkörper 248. 

Ueber specilische Bindung von 
Agglutininen bei Absorptionsversuchen 
249. 

Bang, Ueber Präcipitine 835. 

Bassenge und Mayer, Zur Schutzimptung 
gegen Typhus 199. 

Baumgarten, Ueber Immunisierungsversuche 
gegen Tuberkulose 322. 

Beiträge zur Schutzimpfung gegen Typhus 
823. 


1455 


Beitzke, Ueber Agglutination der Staphy- 
lokokken durch menschliche Sera 429, 

Beobachtungen über Ergebnisse der Typhus- 
schutzimpfung in der Schutztruppe für 
Südwestafrika. Mitgeteilt vom Ober- 
kommando der Schutztruppen 1147. 

Bergell und Schütze, Zur Frage der Anti- 
pankreatinbildung 839. 

Bericht an das Oberkommando der Schutz- 
truppen über Beobachtungen, die wäh- 
rend der Seefahrt und in Südwestafrika 
bei der Typhusschutzimpfung mit dem 
vor November 1904 hergestellten Impf- 
stoff gemacht sind 824. 

v. Bokay, Meine neueren Erfahrungen über 
das Mosersche polyvalente Scharlach- 
serum 1148. 

Brandweiner, Versuche über aktive Immu- 
nisierung bei Lues 1320. 

— Erwiderung auf Herrn Dr. Kraus’ Be- 
merkungen zu dem Aufsatze: „Versuche 
über aktive Immunisierung bei Lues“ 
1321. 

Braun, Ueber einen Antikörper gegen die 
fettspaltende Wirkung der Samen von 
Abrus precatorius 204. 

Brezina, Zur Frage der Bildungsstätte der 
Antikörper 819. 

Bruck, Ueber die Bindungsverhältnisse 
von Toxin und Antitoxin im homologen 
Organismus. Ein Beitrag zur Frage der 
antitoxischen Therapie mit homologem 
Tetanus-Antitoxin 78. 

— Michaelis und Schultze, Beiträge zur 
Serodiagnostik der Staphylokokken- 
erkrankungen beim Menschen 430. 

Bumm, Ueber Serumbehandlung beim 
Puerperaltieber 250. 

Citron, Die Immunisierung gegen Schweine- 
seuche mit Hülfe von Bakterienextrakten. 
Ein Beitrag zur Aggressinfrage 1149. 

Me Clintock, Boxmeyer and Siffer, Studies 
on hog cholera 78. 

Crofton, A method of testing antibacterial 
sera, with some observations on the im- 
munising bodies in them 79. 

Deltino, Immunisierung des Kaninchens 
gegen das Bakterium der Geflügelcholera 
(Vaccin Lignières) 427. 

Detre und Selley, Die Lehre von den nor- 
malen Antisubstanzen im Lichte unserer 
Lipoidreaktion 833. 

— und Sellei, Welche Rolle spielen die 
Lipoide bei der Sublimathämolyse 1329. 

Diesing, Ein Immunisierungsversuch gegen 
Tsetsekrankheit der Rinder in Kamerun 
1077. 

Dieudonne, Immunität, Schutzimpfung und 
Serumtherapie. Zusammentassendelcber- 
sicht über die Immunitätslehre 236. 

Dorner, Experimentelle Beiträge zur Kennt- 
nis der Hämolyse. (In Sonderheit über 
Erzeugung hämolytischer Sera mittels 


104* 


1456 


kleiner Dosen Erythrocyten und die 
Wirkungen von Aderlässen auf derart 
vorbehandelte Kaninchen) 834. 

Dunbar, Aetiologie und speeifische The- 
rapie des Heufiebers 605. 

Eggert und Kuhn, Bericht über Typhus- 
impfungen in Karibib 825. 

Ehrlich und Sachs, Ueber den Mechanis- 
mus der Antiamboceptorwirkung 582. 

v. Eisler, Ueber Antihämolysine 833. 

— Ueber die Antihämolysine des normalen 
Serums 833. 

Erhardt, Bericht über Schutzimpfungen 
auf dem Transportdampfer „Gertrud 
Woermann“* und in Swakopmund 825. 

Fischer, Die Bedeutung der Agglutination 
zur Diagnose der pathogenen und sa- 
prophytischen Streptokokken 249. 

Fleischmann, Die bei der Präcipitation 
beteiligten Substanzen in ihrem Ver- 
halten gegenüber photodynamischen 
Stoffen 839. 

Flemming, Ueber Typhusschutzimpfungen 
bei Menschen, insbesondere über die 
dabei gemachten klinischen Beobach- 
tungen 824. es 

Forssman, Studien über die Antitoxin- 
bildung bei aktiver Immunisierung gegen 
Botulismus 822. 

Forssner, Ueber die Möglichkeit, isolierte 

iweisskö bezw. _ eiweisshaltige 

igkeiten, welche aus einem und 

elben Organismus stammen, durch 
die Präeipitinreaktion zu differenzieren 
837. 

Friedberger und Dorner, Ueber die Hämo- 
Iysinbildung durch Injektion kleinster 
Mengen von Blutkörperchen und über 
den Einfluss des Aderlasses auf die In- 
tensität der Bildung hämolytischer 
Amboceptoren bei Kaninchen 607. 

Friedmann und Isaac, Ueber Eiweiss- 
immunität und Fiweissstoffwechsel 939. 

Friedemann und Isaac, Eiweissimmunität 
und Eiweissstoffwechsel 1144. 

Froin, I’hematolyse anormale 1255. 

Ganghofner und Langer, Ueber die Re- 
sorption genuiner Eiweisskörper im 
Magendarmkanal neugeborener Tiere und 
Säuglinge 203. 

Glaessner, Einfluss der chemischen Zu- 
sammensetzung des Nährbodens auf den 
Immunkörper 1146. 

Gosio, Indikatoren des Bakterienlebens und 
ihre praktische Bedeutung 831. 

Grassberger und Schattenfroh, Antitoxische 
und antiinfektiöse Immunität 1076. 

Güttler, Vorteile und Nachteile von Fickers 
Typhusdiagnostikum 246. 

Hahn. Ueber die bakterieide Wirkung des 
menschlichen Blutserums gegenüber 
Typbusbacillen (Nachweis des Zwischen- 
kürpers) 425. 


Sach-Verzeichnis. 


Hamburger, Zur Differenzierung des Blutes 
(Eiweiss) biologisch verwandter Tier- 
species 202. 

— und v. Reuss, Die Folgen parenteraler 
Injektion von verschiedenen genuinen 
Eiweisskörpern 837. 

Hamilton, The toxid action of scarlatinal 
and pneumonic sera on paramoecia 821. 

Heindl, Das Heulieber und seine speci- 
fische Behandlung mit Pollantin 831. 

Hektoen und Ruediger, The antilytie 
action of salt solutions and other sub- 
stances 821. 

Heller, Versuche zur Schutzimpfung gegen 
Cholera und Choleranukleoproteid 828. 

Hetch und Kutscher, Ueber die wissen- 
schaftlichen und experimentellen Grund- 
lagen der Schutzimpfung gegen Typhus 
823. 

Hoke, Ueber die aggressive und immuni- 
satorische Wirkung von Staphylokokken- 
exsudaten 903. . 

Ibrahim, Ueber Schutzimpfung mit Diph- 
therieheilserum 194. 

Juchley, Philocarpine and other reagents 
in relation to precipitin immunity 79.- 

Jürgens, Ueber die Entstehung der Typhus- 
immunität 245. 

— Tuberkulinbehandlung und Tuberku- 
loseimmunität 1146. 

Iversen, Ueber die Schwankungen des 
Agglutinationsvermögens des Serums im 
Verlaufe des Typhus abdominalis 195. 

Kelsch, La pratique de la vaccination 76. 

Kikuchi, Ueber die Aggressinimmunität 
gegen den Shiga-Kruseschen Dysenterie- 
bacillus 427. 

Klein, Ueber die Speeitität der Erythro- 
präcipitine 1328. 

Klemperer. Experimenteller Beitrag zur 
Tuberkulose 935. 

Koch, Schütze, Neufeld und Miessner, 
Ueber die Immunisierung von Rindern 
gegen Tuberkulose 936. 

Kolle, Ueber den Stand der Typhus- 
Schutzimpfungsfrage auf Grund der 
neuesten Untersuchungen 198. 

— Ueber Parätyphus und den Wert der 
Immunitätsreaktionen für die Erkennung 
des Paratyphus 1147. 

Korte und Steinberg. Weitere Unter- 
suchungeu über die baktericide Reaktion 
des Blutserums Typhuskranker 425. 

Kraus, Bemerkungen zu „Beitrag zur 
Serumbehandlung der Diphtherie” von 
Dr. S. Schön-Ladniewski, gleichzeitig 
ein Beitrag zur Frage der Haltbarkeit 
des Diphtherieheilserums 822. 

— Zur Actiologie, Pathologie und experi- 
mentellen Therapie der Syphilis 1320. 

— Bemerkungen zu dem Aufsatze des 
Herrn Dr. A. Brandweiner; „Versuche 


Sach-Verzeichnis. 


über aktive Immunisierung bei Lues“ 
1321. 

Kraus und Doerr, Ueber Dysenterieanti- 
toxine 426. 

— und Schiffmann, Zur Frage der Bil- 
dungsstätte der Antikörper 1328. 

Landsteiner, Ueber die Unterscheidung von 
Fermenten mit Hilfe von Serumreaktionen 
609. 

— und Leiner, Ueber Isolysin und Iso- 
agglutinin im menschlichen Blut 835. 
Lazar, Ueber die Bedeutung der lipoiden 
Stoffe der roten Blutkörperchen für den 
Mechanismus der Agglutination 1323. 

Leishman, Harrison, Smallman, Tuloch, 
An investigation upon the blood changes 
following antityphoid inoculation 78. 

Levaditi, Sur le mécanisme du phenomene 
de l'action fractionnee des toxines (Phe- 
nomène de Danysz) 822. 

Libbertz und Ruppel, Ueber Immunisie- 
rung von Rindern gegen Tuberkulose 
(Perlsucht) und über Tuberkulose- 
Serumversuche 200. 

v. Liebermann, Sind Toxine Fermente? 
348. 

Lincoln, Agglutination in the group of 
tluorescent bacteria 828. 

Loeffler, Die Sehutzimpfung gegen die 
Maul- und Klauenseuche 1078. 

— Ueber Immunisierung per os 1323. 

Löwenstein, Ueber Resorption und Immu- 

nitätserscheinungen 931. 

Lüdke, Ueber Cytotoxine, mit besonderer 
Berücksichtigung der Ovariotoxine und 
Thyreotoxine 1330. 

Martini, Untersuchungen über die Tsetse- 
krankheit zwecks lmmunisierung von 
Haustieren 431. 

Massnahmen gegen Giftschlangen 938. 

Menzer, Ergebnisse der Serumbehandlung 
des akuten und chronischen Gelenk- 
rheumatismus 200. 

Meyer, Die klinische Anwendung des 
Streptokokkenserums 429. 

Michaelis, Weitere Untersuchungen über 
Eiweisspräeipitine 836. 

Mioni, Contribution à Pétude des h«moly- 
sines naturelles 606. 

Moreschi, Zur Lehre von den Antikomple- 
menten 1070. 

Morgenroth, Bericht über Impfungen auf 
dem Transportdampfer „Eleonore Woer- 
mann“ 824. 

Müller, "Vorlesungen über Infektion und 
Immunität 529. 

Musehold und Steudel, Beobachtungen 
über Typhusschutzimpfungen auf dem 
Truppenübungsplatz Munster am 7. bis 
10. Januar 1905 824. 

Neisser, Die Agglutination 323. 

— und Sachs, Ein Verfahren zum foren- 


1457 


chen Nachweis der Herkunft desBlutes 

Neufeld und Rimpau, Weitere Mitteilungen 
über die Immunität gegen Streptokokken 
und Pneumokokken 937. 

— und Töpfer, Ueber hämolytische und 
hämotrope Sera 608. 

Noc, Propriétés bact£riolytiques et anti- 
cytasiques du venin de cobra 673. 

Norris, The bacterial precipitins 835. 

Oppenheimer, Fermente und Toxine 1120. 

Ottolenghi und Mori, Die Wirkung des 
Aethyläthers auf die hämolytischen und 
baktericiden Sera 607. 

Pfeiffer, Ueber die nekrotisierende Wirkung 
normaler Sera 430. 

— Ueber die nekrotisierende 
normaler Seren 833. 

— Beiträge zur Lösung des biologisch- 
forensischen Problems der Unterschei- 
dung von Spermaeiweiss gegenüber den 
anderen Eiweissarten derselben Species 
durch die Präcipitinmethode 338. 

— und Friedberger, Weitere Untersuchun- 
gen über die antagonistische Wirkung 
normaler Sera 419. 

Freih. v. Pirquet und Schiek, Zur Frage 
des Aggressins 420. 

Porges, Ueber die Agglutinabilität der 
Kapselbakterien 828. 

— Folgen der Veränderungen des Bak- 
terienproteins für die Agglutination und 
Präeipitation 1146. 

Prausnitz, Zur Natur des Heufiebergiftes 
und seines specifischen Gegengiftes 312. 

Prettner, Die Bildung von Schutzstoffen 
im Fötalleben 819. 

Pröscher, Die Gewinnung von Antistaphy- 
lokokkenserum 250. 

Rosenhaupt, Klinischer Beitrag zur Serum- 
krankheit 1322. 

de’ Rossi, Filtrierbarkeit der Geisseln der 
Bakterien und ihre Funktion als freie 
Receptoren 582. 

Rössle, Specifische Sera gegen Infusorien 
604. 

Rubin, The influence of alcohol, ether 
and chloroform on natural immunity in 
its relation to leucocytosis and phago- 
eytosis 778. 

Sachs, Ueber die Bedeutung des Danysz- 
Dungernschen Kriteriums, nebst Bemer- 
kungen über Prototoxoide 245. 

— Welche Rolle spielt das Lecithin bei 
der Sublimathämolyse? 835. 

Sadler, Ueber den Einfluss des Tempera- 
turoptimums von 55° auf die Agglu- 
tination beim Fickerschen und Widal- 
schen Versuch 246. 

Schenk, Ueber die Vermehrung der Häm- 
agglutinine im Wochenbett 1071. 

Schick, Ueber die weiteren Erfolge der 
Serumbehandlung des Scharlachs 1077. 


Wirkung 


1458 


Schmitz, Untersuchungen über das nach 
der Lustigschen Methode bereitete Cho- 
leravaccin 1148. 

Schulz, Isohämolysine und Hämagglutinine 
beim Kaninchen 1329. 

Sehrwald, Steigerung der Agglutinierbar- 
keit der Typhusbacillen und ihr Wert 
für die Typhusdiagnose 196. 

Sieber, Ueber die bakterienfeindlichen 
Stoffe des Blutfibrins 820. 

Sommerfeld, Besitzen die löslichen Eiweiss- 
körper der Milch specifische baktericide 
Eigenschaften? 323. 

Spengler, Ein neues immunisierendes Heil- 
verfahren der Lungenschwindsucht mit 
Perlsuchttuberkulin. Das Agglutinations- 
vermögen, ein Selbstinfektionsversuch 
und eine differentialdiagnostische Färbe- 
methode der Perlsuchtbacillen 422. 

— Ein neues immunisierendes Heilver- 
fahren der Lungenschwindsucht mit 
Perlsuchttuberkulin. Ueber das Agglu- 
tinationsvermögen von 80 mit Perlsucht- 
toxinen immunisierten Tuberkulösen 423. 

Spitzer, Zur ätiologischen Therapie der 
Syphilis 1321. 

Strong, Protective inoculation against asi- 
atic cholera 829. 

Südmersen, Ueber eine infektiöse Pneu- 
monie der Kaninchen und deren Be- 
kämpfung mit Antiserum 1023. 

— On a infectious pneumonia of rabbits 
and its treatment with antiserum 1023. 

Uhlenhuth, Das biologische Verfahren zur 
Erkennung und Unterscheidung von 
Menschen- und Tierblut, sowie anderer 
Eiweisssubstanzen und seine Anwendung 
in der forensischen Praxis 202. 

— Ueber die Bestimmung der Herkunft 
von Mumienmaterial mit Hülfe speci- 
fischer Sera 203. 

— Ein Verfahren zur biologischen Unter- 
scheidung von Blut verwandter Tiere 
1072. 

Wassermann und Bruck, Ueber den Ein- 
fluss der Bildung von Eiweisspräcipitinen 
auf die Dauer der passiven Immunität 
837. 

— und Citron, Die lokale Immunität der 
Gewebe und ihre praktische Wichtigkeit 
193. 

— — Zur Frage der Bildung von bak- 
teriellen Angriffsstoffen im lebenden 
Organismus 418. 

— — Ueber die Bildungsstätten der Ty- 
phusimmunkörper. Ein Beitrag zur 
Frage der lokalen Immunität der Ge- 
webe 825. 

— Ostertag und Citron, Ueber das gegen- 
seitige immunisatorische Verhalten des 
Löfflerschen Mäusetyphusbaeillus und 
der Schweinepestbaeillen 1151. 


Sach-Verzeichnis. 


Weichardt, Ueber das Ermüdungstorin 
und dessen Antitoxin 839. 

— Serologische Studien auf dem Gebiete 
der experimentellen Therapie 1331. 
Weil, Die passive Aggressinimmunität bei 

Hühnercholera 420. 
— Ueber den Mechanismus der Bakterien- 
agglutination durch Gelatine 424. 
Zucker, Ueber den Effekt des Diphtherie- 
heilserums bei wiederbolter Erkrankung 
und Injektion 1321. 


Antikörper des Blutes. 


Aaser, Ueber die makroskopische Aggluti- 
nationsprobe bei Typhoidtieber 247. 
Ascher, Beobachtungen über Austlockungs- 

Erscheinungen 934. 

d’Astros, Huit années de serotherapie anti- 
diphterique à Marseille 77. 

Bail, Ueber den Zusammenhang zwischen 
Aggressivität und Leibessubstanz von 
Bakterien 419. 

— Aggressinimmunität gegen Tuberkel- 
bacillen und Choleravibrionen 420. 

— Versuche über die baktericide Fähig- 
keit des Serums 1071. 

Ballner und v. Sagasser, Ueber die Bil- 
dung von homologen und heterologen 
Agglutininen im Tierkörper 248. 

— — Ueber specitische Bindung von Ag- 
glutininen bei Absorptionsversuchen 249. 

Bang, Ueber Präcipitine 835. 

Beiträge zur Schutzimpfung gegen Typhus 
823. 

Beitzke, Ueber Agglutination der Staphylo- 
kokken durch menschliche Sera 42 

Beobachtungen überErgebnisseder Typhus- 
schutzimpfung in der Schutztruppe für 
Südwestafrika. Mitgeteilt vom Ober- 
kommando der Schutztruppen 1147. 

Bergell und Schütze, Zur Frage der Anti- 
pankreatinbildung 839. 

Bericht an das Oberkommando der Schutz- 
truppen über Beobachtungen, die während 
der Seefahrt und in Südwestafrika bei 
der Typhusschutzimpfung mit dem vor 
November 1904 hergestellten Impfstoff 
gemacht sind 824. 

Bertarelli, Ueber die aktive Immunisierung 
des Menschen gegen Cholera vermittels 
autolytischer Produkte des choleragenen 
Vibrio und über das Wesen dieser auto- 
lytischen Produkte 1075. 

v. Bokay, Meine neueren Erfahrungen über 
das Mosersche polyvalente Scharlach- 
scrum 1148, 

Brezina, Zur Frage der Bildungsstätte der 
Antikörper 819. 

Bruck. Ueber die Bindungsverhältnisse von 
Toxin und Antitoxin im homologen Or- 
ganismus. Ein Beitrag zur Frage der 


Sach-Verzeichnis. 


antitoxischen Therapie mit homologem 
Tetanus-Antitoxin 78. 

Bruck, Michaelis und Schultze, Beiträge 
zur Serodiagnostik der Staphylokokken- 
erkrankungen beim Menschen 430. 

Bumm, Ueber Serumbehandlung beim 
Puerperalfieber 250. 

Citron, Die Immunisierung gegen Schweine- 
seuche mit Hülfe von Bakterienextrakten. 
Ein Beitrag zur Aggressinfrage 1149. 

Me. Clintock, Boxmeyer and Siffer, Studies 
on hog cholera 78. 

Delfino, Immunisierung des Kaninchens 
gegen das Bakterium der Geflügel- 
cholera (Vaccin Lignicres) 427. 

Detre und Sellei, Die Lehre von den 
normalen Antisubstanzen im Lichte 
unserer Lipoidreaktion 833. 

— — Welche Rolle spielen die Lipoide 
bei der Sublimathämolyse 1329. 

Dieudonné, Immunität, Schutzimpfung und 
Serumtherapie. Zusammenfassende Ueber- 
sicht über die Immunitätslehre 286. 

Dorner,Experimentelle Beiträge zurKenntnis 
der Hämolyse. (In Sonderheit über Er- 
zeugung hämolytischer Sera mittels 
kleiner Dosen Erythrocyten und die 
Wirkungen von Aderlässen auf derart 
vorbehandelte Kaninchen) 334. 

Dunbar, Aetiologie und specitische Therapie 
des Heufiebers 605. 

— Zur bakteriologischen Choleradiagnose. 
Der direkte Agglutinationsversuch 1075. 

Eggert und Kuhn, Bericht über Typhus- 
impfungen in Karibib 825. 

Ehrlich und Sachs, Ueber den Mechanis- 
mus der Antiamboceptorwirkung 582. 
Eichler, Ueber die Verwertbarkeit des 
Fickerschen Typhusdiagnostikums in 

tropischen Gegenden 196. 

v. Eisler, Ueber Antihämolysine 833. 

— Ueber die Antihämolysine des normalen 
Serums 833. 

Erhardt, Bericht über Schutzimpfungen auf 
dem Transportdampfer „Gertrud Woer- 
mann“ und in Swakopmund 825. 

Fischer, Die Bedeutung der Agglutination 
zur Diagnose der pathogenen und sapro- 
phytischen Streptokokken 249. 

Flatau und Wilke, Ucber Fickers Typhus- 
diagnostikum 196. 

Fleischmann, Die bei der Präcipitation be- 
teiligten Substanzen in ihrem Verhalten 
gegenüber photorynamischen Stoffen 839. 

Flemming, Ucber Typhusschutzimpfungen 
bei Menschen, insbesondere über die 
dabei gemachten klinischen Beobach- 
tungen 824. 

Forssman, Studien über die Antitoxin- 
bildung bei aktiver Immunisierung gegen 
Botulismus 822. 

Forssner, Ueber die Möglichkeit, isolierte Ei- 
weisskörper bezw. eiweisshaltige Flüssig- 


1459 


keiten, welche aus einem und demselben 
Organismus stammen, durch die Prä- 
eipitinreaktion zu differenzieren 837. 

Friedberger und Dorner, Ueber die Hämo- 
lysinbildung durch Injektion kleinster 
Mengen von Blutkörperchen und über 
den Einfluss des Aderlasses auf die In- 
tensität der Bildung hämolytischerAmbo- 
ceptoren bei Kaninchen 607. 

— und Moreschi, Ueber Rassendifferenzen 
von Typhusstämmen 1073. 

Friedmann und Isaac, Ueber Eiweiss- 
immunität und Eiweissstoffwechsel 939. 

Friedemann und Isaac, Eiweissimmunität 
und Eiweissstoffwechsel 1144. 

Froin, L’hömatolyse anormale 1255. 

Glaessner, Einfluss der chemischen Zu- 
sammensetzung des Nährbodens auf den 
Immunkörper 1146. 

Gosio, Indikatoren des Bakterienlebens 
und ihre praktische Bedeutung 831. 
Gottstein, Zur Wirkungsweise des Milz- 

brandserums 1113. 

Grassberger und Schattenfroh, Toxin und 
Antitoxin 416. 

— — Antitoxische und antiinfektiöse Im- 
munität 1076. 

Grünberg und Rolly, Beitrag zur Frage 
der agglutinierenden Eigenschaften des 
Serums Typhuskranker auf Paratyphus 
und verwandte Bakterien 196. 

Güttler, Vorteile und Nachteile von Fickers 
Typhusdiagnostikum 246. 

Hahn, Ueber die baktericide Wirkung des 
menschlichen Blutserums gegenüber 
Typhusbaeillen (Nachweis des Zwischen- 
körpers) 425. 

Hamburger, Zur Differenzierung des Blutes 
(Eiweiss) biologisch verwandter Tier- 
species 202. 

— und v. Reuss, Die Folgen parenteraler 
Injektion von verschiedenen genuinen 
Eiweisskörpern 837. 

Hamilton, The toxid action of scarlatinal 
and pneumvnie sera on paramoecia 821. 

Heindl, Das Heufieber und seine specifische 
Behandlung mit Pollantin 831. 

Hektoen and Ruediger, The antilytie 
action of salt solutions and other sub- 
stances 821. 

Heller, Versuche zur Schutzimpfung gegen 
Cholera und Choleranukleoproteid 828. 

Hetch und Kutscher, Ueber die wissen- 
schaftlichen und experimentellen Grund- 
lagen der Schutzimpfung gegen Typhus 
823. 

Iversen, Ueber die Schwankungen des 
Agglutinationsvermögens des Serums im 
Verlaufe des Typhus abdominalis 195. 

Kayser, Diphtherieantitoxin-Bestimmungen 
bei Mutter und Neugeborenem 1073. 

Kikuchi, Ueber die Aggressinimmunität 


1460 


gegen den Shiga-Kruseschen Dysenterie- 
bacillus 427. 

Klein, Ueber die Speeifität der Erythro- 
präcipitine 1328. 

Klemperer, Experimenteller Beitrag zur 
Tuberkulose 935. 

Koch, Schütze, Neufeld und Miessner, 
Ueber die Immunisierung von Rindern 
gegen Tuberkulose 936. 

Kolle, Ueber Paratyphus und den Wert 
der Immunitätsreaktionen für die Er- 
kennung des Paratyphus 1147. 

Korte und Steinberg, Weitere Unter- 
suchungen über die bakericide Reaktion 
des Blutserums Typhuskranker 425. 

Kraus, Bemerkungen zu „Beitrag zur 
Serumbehandlung der Diphtherie“ von 
Dr. S. Schön-ladniewski, gleichzeitig 
ein Beitrag zur Frage der Haltbarkeit 
des Diphtherieheilserums 822. 

— und Doerr, Ueber Dysenterieantitoxine 
426. 

— und Schiffmann, Zur Frage der Bil- 
dungsstätte der Antikörper 1328. 

Landsteiner, Ueber die Unterscheidung 
von Fermenten mit Hilfe von Serum- 
reaktionen 609. 

— und Leiner) Ueber Isolysin und Iso- 
agglutinin im menschlichen Blut 835. 

Lazar, Ueber die Bedeutung der lipoiden 
Stoffe der roten Blutkörperchen für den 
Mechanismus der Agglutination 1323. 

Leishman, Harrison, Smallman, Tuloch, 
An investigation upon the blood changes 
following antityphoid inoculation 78. 

Levaditi, Sur le mécanisme du phénomène 
de l’action fractionnce des toxines (Phe- 
nomène de Danysz) 822. 

Libbertz und Ruppel, Ueber Immunisierung 
von Rindern gegen Tuberkulose (Perl- 
sucht) und über Tuberkulose-Serumver- 
suche 200. j 

v. Liebermann, Sind Toxine Fermente? 348. 

Lincoln, Agglutination in the .group of 
fluorescent bacteria 828. 

Loeffler, Die Schutzimpfung gegen die 
Maul- und Klauenseuche 1078. 

— Ueber Immunisierung per os 1323. 

Löwenstein, Ucber Resorption und Im- 
munitätserscheinungen 931. 

Lüdke, Die Antikörperproduktion als cellu- 
lärer Sekretionsprocess 581. 

— Ueber Cytotoxine, mit besonderer Be- 
rücksichtigung der Ovariotoxine und 
Thyreotoxine 1330. 

Martini, Untersuchungen über die Tsetse- 
krankheit zwecks Immunisierung von 
Haustieren 431. 

Massnahmen gegen Giftschlangen 938. 

Menzer, Ergebnisse der Serumbehandlung 
des akuten und chronischen Gelenk- 
rheumatismus 200. 


Sach-Verzeichnis. 


Meyer, Die klinische Anwendung des 
Streptokokkenserums 429. 

Michaelis, Weitere Untersuchungen über 
Eiweisspräcipitine 836. 

Mioni, Contribution á l’etude 
lysines naturelles 606. 

Moreschi, Zur Lehre von den Antikomple- 
menten 1070. 

Morgenroth, Bericht über Impfungen auf 
dem Transportdampfer „Eleonore Woer- 
mann“ 824. 

Musehold und Steudel, Beobachtungen 
über Typhusschutzimpfungen auf dem 
Truppenübungsplatz Munster am 7. bis 
10. Januar 1905 824. 

Neisser, Die Agglutination 323. 

— und Sachs, Ein Verfahren zum forensi- 
schen Nachweis der Herkunft des Blutes 
1072. 

Netter et Ribadeau-Dumas, Nouvelle série 
d’infections paratyphoides 1074. 

— Apparition des agglutinations speeifi- 
ques et des agglutinations de famille 
au cours de affections typheides et para- 
typhoides 1075. 

Neufeld und Töpfer, Ueber hämolytische 
und hämotrope Sera 608. 

Noc, Propriétés bacteriolytiques et anti- 
cytasiques du venin de cobra 673. 

Norris, The bacterial precipitius 835. 

Oppenheimer, Fermente und Toxine 1120. 

Ottolenghi und Mori, Die Wirkung des 
Aethyläthers auf die hämolytischen und 
und bakterieiden Sera 607. 

Pfeiffer, Ueber die nekrotisierende Wirkung 
normaler Sera 430. 

— Ueber die nekrotisierende 
normaler Seren 833. 

— Beiträge zur Lösung des biologisch- 
forensischen Problems der Unterschei- 
dung von Spermaeiweiss gegenüber den 
anderen Eiweissarten derselben Species 
durch die Präcipitinmethode 838. 

— und Friedberger, Weitere Untersuchun- 
gen über die antagonistische Wirkung 
normaler Sera 419. 

Freih. v. Pirquet und Schiek, Zur Frage 
des Aggressins 420. 

Porges, Folgen der Veränderungen des 

- Bakterienproteins für die Agglutination 
und Präcipitation 1146. 

— Ueber die Agglutinabilität der Kapsel- 
bakterien 828. 

Prettner, Die Bildung von Schutzstofen 
im Foetalleben 819. 

Pröscher, Die Gewinnung von Antistaphylo- 
kokkenserum 250. 

Rodet, A propos de la proprictt aggluti- 
native de certains serums normaux pour 
le bacille d’Eberth 198. 

de’ Rossi. Filtrierbarkeit der Geisseln der 
Bakterien und ihre Funktion als freie 
Receptoren 582. 


des hemo- 


Wirkung 


Sach-Verzeichnis. 


Rössle, Speeifische Sera gegen Infusorien 
604. 

Sachs, Welche Rolle spielt das Leeithin 
bei der Sublimathämolyse? 835. 

Sadler, Ucber den Einfluss des Tempe- 
raturoptimums von 55° auf die Agglu- 
tination beim Fickerschen und Widal- 
schen Versuch 246. 

Schenk, Ueber die Vermehrung der Hä- 
magglutinine im Wochenbett 1071. 
Schick, Ueber die weiteren Erfolge der 
Serumbehandlung des Scharlachs 1077. 
Schulz, Isohämolysine und Hämagglutinine 

beim Kaninchen 1329. 

Sehrwald, Steigerung der Agglutinierbar- 
keit der Typhusbaeillen und ihr Wert 
für die Typbusdiagnose 196. 

Selter, Zur Typhusdiagnose mittels des 
Typhusdiagnostikum von Ficker 196. 
Sieber, Ueber die bakterienfeindlichen 

Stoffe des Blutfibrins 320. 

Sommerfeld, Besitzen die löslichen Eiweiss- 
körper der Milch specifische baktericide 
Eigenschaften? 323. 

Spengler, Ein neues immunisierendes Heil- 
verfahren der Lungenschwindsucht mit 
Perlsuchttuberkulin. Das Agglutinations- 

. vermögen, ein Selbstinfektionsversuch 
und eine differentialdiagnostische Färbe- 
methode der Perlsuchtbacillen 422. 

— Ein neues immunisierendes Heilver- 
fahren der Juungenschwindsucht mit 
Perlsuchttuberkulin. Ucber das Agglu- 
tinationsvermögen von 80 mit Perl- 
suchttoxinen immunisierten Tuberku- 
lösen 423. 

Strong, Protective 
asiatic cholera 829. 

Südmersen, Ueber eine infektiöse Pneu- 
monie der Kaninchen und deren Be- 
kämpfung mit Antiserum 1023. 

— Un a infectious pneumonia of rabbits 
and its treatment with antiserum 1023. 

Tcehitchkine, Essai d’immunisation par la 
voie gastrointestinale contre la toxine 
botulirgue 590. 

Uhlenhuth, Das biologische Verfahren zur 
Erkennung und Unterscheidung von 
Menschen- und Tierblut, sowie anderer 
Eiweisssubstanzen und seine Anwendung 
in der forensischen Praxis 202. 

— Ueber die Bestimmung der Herkunft 
von Mumienmaterial mit Hülfe specifi- 
scher Sera 203. 

— Ein Verfahren zur biolögischen Unter- 
scheidung von Blut verwandter Tiere 
1072. 

Wassermann und Bruck, Ueber den Ein- 
fluss der Bildung von Eiweisspräcipitinen 
auf die Dauer der passiven Immunität 
837. 

— und Citron, Die lokale Immunität der 


inoculation against 


1461 


Gewebe und ihre praktische Wichtig- 
keit 193. 

Wassermann und Citron, Zur Frage der 
Bildung von bakteriellen Angriffsstoffen 
im lebenden Organismus 418. 

— — Ueber die Bildungsstätten der 
Typhusimmunkörper. Ein Beitrag zur 
Frage der lokalen Immunität der Ge- 
webe 825. 

— Ostertag und Citron, Ueber das gegen- 
seitig immunisatorische Verhalten des 
Löfflerschen Mäusetyphusbacillus und 

. der Schweinepestbaeillen 1151. 

Weichardt, Ucber das Ermüdungstoxin 
und dessen Antitoxin 839. 

— Serologische Studien auf dem Gebiete 
der experimentellen Therapie 1331. 
Weil, Die passive Aggressinimmunität bei 

Hühnercholera 420. 

— Ueber den Mechanismus der Bakterien- 

agglutination durch Gelatine 424. 


Infektionskrankheiten. 


Allgemeines. 


Abel, Bakteriologisches Taschenbuch, ent- 
haltend die wichtigsten “technischen 
Vorschriften zur bakteriologischen La- 
boratorienarbeit 286. 

Bartel, Ein Apparat für Inhalationsver- 
suche 895. 

— Zur Inhalation zerstäubter bakterien- 
haltiger Flüssigkeit 895. 

Berghaus, Die Säuerung des Nährbodens 
durch Bakterien und ihr Nachweis 
mittels Harnsäure 573. 


Bremen. Häufigkeit der Infektionskrank- 
heiten 678. 
Bremen. Die Tätigkeit des hygienischen 


Instituts 738. 

Canon, Die Bakterien des Blutes bei In- 
fektionskrankheiten 1000. 

Disse, Weitere Mitteilungen über das Ver- 
halten des Schleims im Magen von 
menschlichen Embryonen und von Neu- 
geborenen 1254. 

Dreyer, Einige Bemerkungen zur Gram- 
färbung 1185. 

— Ueber eine einfache Methode, Unter- 
suchungsmaterial nebeneinander auf 
aörobe und anaërobe Bakterien zu unter- 
suchen 1185. 

Fermi, Reagentien und Versuchsmethoden 
zum Studium der proteolytischen und 
gelatinolytischen Enzyme 1218. 

Ficker, Ueber die Aufnahme von Bakterien 
durch den Respirationsapparat 746. 

Frankreich. Errichtung eines Instituts für 
Tropenkrankheiten 681. 

Froin, L’hematolyse anormale 1255. 

Gaffky, Fremdkörper und Wundinfektion 
1253. 


1462 
Gossner, Zur bakteriologischen Diagnose 
470. 


Gradwohl, Importance de l'examen bacte- 
riologique pratiqué sur les cadavres 173. 

Grassberger und Schattenfroh, Toxin und 
Antitoxin 416. 

Günther, Einführung in das Studium der 
Bakteriologie mit besonderer Berück- 
sichtigung der mikroskopischen Technik 
577. 

Gwyn and Mac L. Harris, A comparison 
between the results of blood cultures 
taken during life and after death 633. 

v. Hansemann, Ueber die Bedeutung der 
Follikel im Processus vermiformis 632. 

"Kamen, Die Infektionskrankheiten rück- 
sichtlich ihrer Verbreitung, Verhütung 
und Bekämpfung 528. 

Kireeff, Ueber die Alkalescenz des Blutes 
bei akuten exanthematischen Infektions- 
krankheiten 1001. 

Kleiminger, Ueber die Bedeutung der Ton- 
sillen für das Zustandekommen der 
sogenannten „kryptogenetischen“ Er- 
krankungen 632. 

Koske, Welche Veränderungen entstehen 
nach Einspritzung von Bakterien, Hefen, 
Schimmelpilzen und Bakteriengiften in 
die vordere Augenkammer 1254. 

v. Liebermann, Sind Toxine Fermente? 
348. 

Moeller, Beitrag zur Frage der Ueber- 
tragung von Infektionskrankheiten bei 
der Abendmahlsfeier und Vorschlag zu 
einer Modilikation der Feier 176. 

Müller, Vorlesungen über Infektion und 
Immunität 529. 

— Ueber chemische Veränderungen des 
Knochenmarks nach intraperitonealer 
Bakterieneinspritzung. Ein Beitrag zur 
Frage nach dem Ursprung des Fibrino- 
gens 581. 

Neisser, Statistische Unterschiede in der 
Hinfälligkeit gegenüber einzelnen Krank- 
heiten 169. 

Neumann, Bericht über die Ergebnisse 
des Untersuchungsamtes für ansteckende 
Krankheiten in Heidelberg im 2. Be- 
triebsjahr vom Oktober 1904 bis Oktober 
1905 1002. 

Oppenheimer, Fermente und Toxine 1120. 

Prausnitz, Zur Natur des Heufiebergiftes 
und seines specilischen Gegengiftes 312. 

Roepke und Huss, Untersuchungen über 
die Möglichkeit der Uebertragung von 
Krankheitserregern durch den gemein- 
samen Abendmahlskelch nebst Bemer- 
kungen über die Wahrscheinlichkeit 
soleher Uebertragung und Vorschlägen 
zu ihrer Vermeidung 59. 

Rosenthal, Bericht über die Tätigkeit des 
bakteriologischen Untersuchungsamtes 
am Institut für medizinische Chemie und 


Sach-Verzeichnis. 


Hygiene zu Göttingen im ersten Jahre 
1905/06 993, 1049. 

Rothberger, Ueber ein akut wirkendes 
Bakterientoxin. II. Experimentelle Ana- 
lyse der Giftwirkung 292. 

Saathoff, Die Methylgrün-Pyronin-Metbode 
für elektive Färbung der Bakterien im 
Schnitt 1121. 

Schlitzer, Ueber das Wachstum der Bak- 
terien auf wasserarmen Nährböden 1120. 

Schmaltz, Verhalten des Cirkulations- 
apparates bei den akuten Infektions- 
krankheiten 1120. 

Schwarz, Ueber das Verschwinden von 
Mikroorganismen aus dem strömenden 
Blute 746. 

Weil, Ueber die Wachstumsmüglichkeit des 
Heubacillus im Tierkörper 764. 

Wernicke, Die Bekämpfung der Infektions- 
krankheiten. Ein Rückblick und Aus- 
blick 581. 


Aktinomykose. 


Butterfield, A case of pulmonary infection 
with an acidfast actinomyces 658. 

Kieseritzki und Bornhaupt, Ueber einige 
unter dem Bilde der Aktinomykose ver- 
laufende Affektionen 332. 


Bacillus pyocyaneus. 


Müller, Bakterienbefunde im Mittelohr- 


eiter 646. 


Bacterium coli commune. 


Ascher, Beobachtungen über Ausflockungs- 
Erscheinungen 934. 

Beitzke, Ueber einen Fall von Meningitis, 
verursacht durch Bacterium lactis ačro- 
genes 183. 

Dienert, Des méthodes employées pour 
surveiller les eaux destinées a l’alimen- 
tation et de l'interprétation à donner 
aux résultats obtenus 815. 

Duchácek, Neue biologisch - chemische 
Untersuchungen über den Bacillus typhi 
abdominalis und das Bacterium coli 
commune 304. 

Haenen, De l’emploi de l'aldehyde paradi- 
methylaminobenzoïque pour différencier 
le colibacille d'avec le bacille typhique 
1022. 

Herford, Das Wachstum der zwischen 
Bacterium coli und Bac. typhi stehen- 
den Spaltpilze auf dem Endoschen 
Fuchsinagar 1273. 

Johnson, Isolation of bacillus coli com- 
munis from the alimentary tract ot tish 
and the significance thereof 817. 


Sach-Verzeichnis. 


Jordan, The Self-Purification of Streams 
122. 

Kaiser, Ueber die Bedeutung des Bacterium 
coli im Brunnenwasser 123. 

Korezynski, Ueber den Einfluss der Tuber- 
kelgifte auf Wachstum und Giftigkeit 
anderer Bakterien, speciell des Bact. 
coli commune 352. 

Krenker, Zur Biologie der Typhus-Coli- 
Gruppe 482. 

Martini, Ueber einen gelegentlichen Er- 
reger von Sepsis puerperalis 377. 

Perrone, Contribution à l’etude de la 
baeteriologie de l’appendieite 752. ` 

Rosenblath, Ueber einen eigenartigen Fall 
von Blutfleckenkrankheit 752. 

Salus, Das Aggressin des Colibakterium 
mit besonderer Rücksicht auf seine 
Speeifität 902. 

Simoneini, Sulla reazione dell’ organismo 
alle proteine del b. prodigioso, del b. 
coli e del b. del carbonchio 1001. 

Stokes, A simple test for the routine 
detection of the colon baeillus in drin- 
king water 818. 

Südmersen, Ueber eine infektiöse Pneu- 
monie der Kaninchen und deren Be- 
kämpfung mit Antiserum 1023. 

— On a infectious pneumonia of rabbits 
and its treatment with antiserum 1023. 


Trincas, Sulle cosidette forme „etero- 
morfe* o „teratologiche* dei batteri 
1023. 


Vincent. Sur la signification du „Bacillus 
coli“ dans les eaux potables 531. 


Cholera. 


Aegypten. Pilgerfahrt der Mohamedaner 
von 1905 1167. 

Almquist, Kultur von pathogenen Bakterien 
in Düngerstoffen 1318. 

Arabien. Die Pilgerfahrt nach dem Hedjaz 
im Jahre 1905 571. 

Anklam, Diskussion zu Gaffky: „Die Cholera 
und ihre Bekämpfung“ 54. 

Bail, Aggressinimmunität gegen Tuberkel- 
bacillen und Choleravibrionen 420. 

— Versuche über die baktericide Fähig- 
keit des Serums 1071. 

Bertarelli, Ueber die aktive Immunisierung 
des Menschen gegen Cholera vermittels 
autolytischer Produkte des choleragenen 
Vibrio und über das Wesen dieser 
autolytischen Produkte 1075. 

Böhme, Zur Technik der bakteriologischen 
Cholerauntersuchung 1385. 

Chantemesse et Borel, Mouches et Choltra 
1386. 

Christian, Untersuchungen über die des- 
inficierende Wirkung des Wasserstoff- 
superoxyds in statu nascendi 409. 


1463 


Dunbar, Zur bakteriologischen Cholera- 
diagnose. Der direkte Agglutinations- 
versuch 1075. 

Friedberger und Luerssen, Zur bakterio- 
logischen Choleradiagnose 1385. 

Gaffky, Die Cholera und ihre Be- 
kämpfung 45. 

— Diskussion zu obigem Vortrag 56. 

Guttstadt, Die Choleraepidemien in früherer 
Zeit 265. 

— Diskussion zu obigem Vortrag 280. 

Hahn, Ueber einige Beobachtungen während 
der diesjährigen Choleraepidemie in Süd- 
russland und russisch Mittelasien 308. 

Heller, Versuche zur Schutzimpfung gegen 
Cholera und Choleranukleoproteid 828. 

Henke, Diskussion zu Gaffky: „Die Cholera 
und ihre Bekämpfung“ 55. 

Hirsch, Diskussion zu Gaffky: „Die Cholera 
und ihre Bekämpfung“ 53. 

Kirchner, Diskussion zu Gaffky: 
Cholera und ihre Bekämpfung“ 55. 

Kraus und Pribram, Zur Frage der Toxin- 
bildung des Choleravibrio 1384. 

Lassar, Diskussion zu Guttstadt: „Die 
Choleraepidemien in früherer Zeit“ 280. 

Lubomoudrov, Action des injections salines 
prophylactiques et thérapeutiques sur 
les cobayes soumis à l’inoculation intra- 
peritoneale de bacille typhique et de 
vibrion cholerique 826. 

Luerssen, Die Cholera, ihre Erkennung 
und Bekämpfung. Ein Erfolg der 
modernen Naturforschung 1385. 

Marouse, Diskussion zu Gaffky: „Die Cholera 
und ihre Bekämpfung“ 53. 

Meinicke, Ueber die Hämolysine der cholera- 
ähnlichen Vibrionen 761. 

Meyer, George, Diskussion zu Gaffky: „Die 
Cholera und ihre Bekämpfung“ 55. 

— Diskussion zu Guttstadt: Die „Cholera- 
epidemien in früherer Zeit“ 280. 

Nesemann, Diskussion zu Gaffky: 
Cholera und ihre Bekämpfung“ 56. 

Prausnitz, Zur Frage der Differenzierbar- 
keit von Cholera- und choleraähnlichen 
Vibrionen mittels des Blutagars 489. 

Prochnik, Choleravibrionen ohne Cholera 
1353. 

Proskauer, Diskussion zu Gaffky: 
Cholera und ihre Bekämpfung“ 53. 

Rothberger, Ucber ein akut wirkendes 
Bakterientoxin. II. Experimentelle Ana- 
lyse der Giftwirkung 292. 

Salzwedel, Diskussion zu Guttstadt: „Die 
Choleraepidemien in früherer Zeit“ 280. 

Schmitz, Untersuchungen über das nach 
der Lustigschen Methode bereitete 
Choleravacein 1148. 


„Die 


„Die 


„Die 


Strong, Protective inoculation against 
asiatic cholera 829. 
Wehmer, Diskussion zu Gaffky: „Die 


Cholera und ihre Bekämpfung“ 56. 


1464 


Wherry, Some observations on the biology 
of the cholera spirillum 67. 

Zadeck, Diskussion zu Gaftky: 
Cholera und ihre Bekämpfung“ 54. 


„Die 


Diphtherie. 


Aaser, Ueber prophylaktische Massnahmen 
gegen die Diphtherie 1016. 

d'Astros, Huit années de scrotherapie anti- 
diphterique à Marseille 77. 

Axenfeld, Serumtherapie bei infektiösen 
Augenerkrankungen 1144. 

v. Calcar, Ueber die Konstitution des 
Diphtheriegiftes 305. 

Cruveillier, De la valeur therapeutique 
de l’antitoxine dans le sérum anti- 
diphterique 590. 

Dalmer, Ueber Diphtherie im deutschen 
Heere 1882—1902 588. 

Ellermann, Einige Fälle von bakterieller 
Nekrose beim Menschen 1017. 

Ibrahim, Ueber Schutzimpfung mit Diph- 
therieheilserum 194. 

Kayser, Diphtherieantitoxin-Bestimmungen 
bei Mutter und Neugeborenem 1073. 
Kraus, Bemerkungen zu „Beitrag zur 
Serumbehandlung der Diphtherie“ von 
Dr. S. Schön-Ladniewski, gleichzeitig ein 
Beitrag zur Frage der Haltbarkeit des 

Diphtherieheilserums 822. 

Meyer, Beitrag zur Kenntnis der Diph- 
therievergiftung 1015. 

Neisser, Zur Diagnostik des Diphtherie- 
bacillus 1014. 

Reiche, Die Plaut-VincentscheAngina 1016. 

Römer, Ueber dialysiertes Diphtheriegift 
1015. 

Rosenhaupt, Klinischer Beitrag zur Serum- 
krankheit 1322. 

Saul, Beiträge zur Morphologie der patho- 
genen Mikroorganismen: Diphtherie- und 
Pseudodiphtheriebacillus 642. 

Scheller und Stenger, Ein Beitrag zur 
Pathogenese der Diphtherie 1141. 

Steinhaus, Corynebacterium pseudodiph- 
thericum commune als Erreger eines 
Hirnabscesses 1016. 

Vogelsberger, Ueber die Anwendung eines 
neuen Serums bei Diphtherie 589. 

Wesener, Die Resultate der prophylak- 
tischen Impfung mit Diphtherieheilserum 
im städtischen Mariahilf-Krankenhause 
zu Aachen 932. 

Zucker, Ueber den Effekt des Diphtherie- 
heilserums bei wiederholter Erkrankung 
und Injektion 1321. 

— Ueber das Auftreten der Diphtherie 
im letzten Deeennium und ihre Sterb- 
liehkeitsverhältnisse 1382. 


Sach-Verzeichnis. 


Dysenterie, Ruhr. 


Albu, Zur Kenntnis der sporadischen ein- 
heimischen Dysenterie 757. 

Auche et Campana, Le bacille dysentérique 
(type Flexner) dans la dysenterie des 
enfants 1024. 

Bornträger, Ist die Rubr zur Zeit in 
Preussen auszurotten? 182. 

Castellani, Some researches on the etiology 
of dysentery in Ceylon 66. 

Conradi, Ueber den Zusammenhang 
zwischen Endemien und Kriegsseuchen 
in Lothringen 1276. 

Doerr, Beobachtungen 
Dysenterie 1023. 

Dörr, Ueber das sogenannte Dysenterie- 
aggressin 1381. 

Dopter, Effets experimentaux de la toxine 
dysenterique sur le système nerveux 753. 

— Sur quelques points relatifs à l'action 
pathogène de l’amibe dysentérique 757. 

Hillebrecht, Ucber ruhrartige Erkrankungen 
in Deutsch-Südwestafrika 1024. 

Japha, Die Säuglingsküche, Ergebnisse und 
Ziele 1155. 

Jehle, Ueber zwei Dysenteriefälle mit er- 
folgreicher Behandlung mit „Kruse- 
Serum“ 373. 

— Neue Beiträge zur Bakteriologie und 
Epidemiologie der Ruhr im Kindesalter 
1276. 

— and Charleton, Ueber epidemische und 
sporadische Ruhr im Kindesalter 755. 
Jürgens, Bekämpfung des Typhus und 

der Ruhr 1261. 

Kikuchi, Ueber die Aggressinimmunität 
gegen den Shiga-Kruseschen Dysenterie- 
bacillus 427. 

— Untersuchungen über das Dysenterie- 
aggressin 753. 

Kraus und Doerr, Ueber Dysenterieanti- 
toxine 426. 

— und Dörr, Ueber experimentelle Therapie 
der Dysenterie 1380. 

Legrand und Axisa, Ueber Anaërobien im 
Eiter dysenterischer Leber- und Gehirn- 
abscesse in Aegypten 1381. 

Lesage, Culture de l’amibe de la dysenterie 
des pays chauds 756. 

Lüdke, On tbe dysentery toxin 66. 

Raczynsky, Untersuchungen über die 
Aetiologie der Dysenterie, mit Berück- 
sichtigung von zwei Epidemien in 
Galizien im Jahre 1903 756. 

Schlossmann, Ueber die Fürsorge für 
kranke Säuglinge 1151. 

Sieveking, Die Säuglings-Milchküchen der 
patriotischen Gesellschaft in Hamburg 
1154. 

Studies from the Rockefeller Institute for 
Medical Research 72. 


über bacilläre 


Sach- Verzeichnis. ` 


Suckow, Leitfaden zur Errichtung von 
Kindermilchanstalten 1155. 

Todd, On a dysentery toxin and anti- 
toxin 66. 

Weaver, Tunnicliff, Heinemann, Michael, 
Summer diarrhoea in infants 754. 


Eiterung, Staphylokokken, Streptokokken. 


Beitzke, Ueber Agglutination der Sta- 
phylokokken durch menschliche Sera 
429. 

Biland, Ueber einen Fall von Staphylo- 
hämie (mit Urethritis, Epididymitis und 
Exanthem) 764. 

Bruck, Michaelis und Schultze, Beiträge 
zur Serodiagnostik der Staphylokokken- 
erkrankungen beim Menschen 430. 

Bumm, Ueber Serumbehandlung beim 
Puerperalficber 250. 

Czarnecka, Ueber die Konservierung der 
Lebensfähigkeit und Virulenz der Mi- 
krobien im Markgewebe beim Aus- 
trocknen 646. 

Esau, Ein Fall von Miliartuberkulose mit 
Staphylokokkensepis und schweren 
Darmblutungen 1009. 

Fischer, Die Bedeutung der Agglutination 
zur Diagnose der pathogenen und sapro- 
phytischen Streptokokken 249. 

Fraenkel, E. Ucber menschenpathogene 
Streptokokken 485, 1187. 

— C. und Baumann, Ueber Hämolysin- 
bildung und Agglutination der Staphylo- 
kokken 647. 

Gaffky. Fremdkörper und Wundinfektion 
1253. 

Ghon und Sachs, Beiträge zur Kenntnis 
der anaüöroben Bakterien des Menschen. 
HI. Zur Actiologie der Peritonitis 
180. 

Gordon, A ready method of differentiating 
streptococci and some results already 
obtained by its application 1027. 

Heim, Beobachtungen an Streptococcus 
mucosus 485. 

Hoke, Ueber die aggressive und immuni- 
satorische Wirkung von Staphylokokken- 
exsudaten 908. 

Jacobitz, Ein Fall von Sepsis, hervorgerufen 
durch Staphylococcus citreus 1396. 
Jochmann, Bakteriologische und ana- 
tomische Studien bei Scharlach mit be- 
sonderer Berücksichtigung der Blut- 

untersuchung 646. 

— Baktericnbefunde bei Scharlach 1028. 

— Ueber die Bakteriämie bei Lungen- 
tuberkulose. Ein Beitrag zur Frage der 
Mischinfektion 1124. 

Kermauner und Orth, Beiträge zur Aetio- 
logie epidemisch in Gebäranstalten auf- 


1465 


tretender Darmaffektionen bei Brust- 
kindern 765. 

Kerner, Experimenteller Beitrag zur Hämo- 
lyse und Agglutination der Strepto- 
kokken 428. 

Kleiminger, Ueber die Bedeutung der 
Tonsillen für das Zustandekommen der 
sogenannten „kryptogenetischen“ Er- 
krankungen 632. 

Koske, Welche Veränderungen entstehen 
nach Einspritzung von Bakterien, Hefen, 
Schimmelpilzen und Bakteriengiften in 
die vordere Augenkammer 1254. 

Lohr, Zur Frage der Hämolysinbildung 
pathogener Staphylokokkenstämme 484. 

Martini, Ueber einen gelegentlichen Er- 
reger von Sepsis puerperalis 377. 

Menzer, Ergebnisse der Serumbehandlung 
des akuten und chronischen (relenk- 
rheumatismus 200. 

Meyer, Die klinische Anwendung des 
Streptokokkenserums 429. 

Müller, Bakterienbefunde 
eiter 646. 

Neufeld und Rimpau, Weitere Mitteilungen 
über die Immunität gegen Streptokokken 
und Pneumokokken 937. 

Neumann, Kapseltragende pathogene 
Streptokokken im Nasenrachenraum 484. 

Oestern, Beitrag zur Kenntnis der Bak- 
terienflora der erweichten tuberkulösen 
Herde des Rindes 296. 

Posner, Eiterstudien 307. 

Pröscher, Die Gewinnung von Antistaphylo- 
kokkenserum 250. 

Reber, Ueber Agglutination der Vaginal- 
streptokokken gravider Frauen und die 
durch dieselben hervorgerufene Hämo- 
lyse 598. 

Rodet, Expériences sur la valeur anti- 
septique du savon commun. Remarques 
sur l'action des antiseptiques en général, 
et sur la biologie du staphylocoque 
pyogène 1103. 

Rossiwall und Schick, Ueber spezifische 
Agglutination von Streptokokken aus 
Scharlachanginen und extrabuccalem 
Primäreflekt 427. 

Sachs, Ueber die Bedeutung des Danysz- 
Dungernschen Kriteriums, nebst Be- 
merkungen über Prototoxoide 245. 

Schenk und Scheib, Zur Differenzierung 
von Streptokokken aus Uteruslochien 
normaler Wöchnerinnen 307. 

Sur la bacteriologie du rhumatisme arti- 
culaire aigu 765. 

Trautmann, Zwei weitere Fälle von so- 
genanntem „Drüsenfieber“ 646. 

Varaldo, Bakteriologische Untersuchungen 
über Cervieitis und Endveervieitis bei 
Schwangerschaft 306. 

Wagner, Puerperalerkrankung bei Meer- 
schweinchen 486. 


im Mittelohr- 


1466 


Zedelt, 
1270. 


Ueber die typhösen Eiterungen 


Fadenpilze. Schimmelpilze. 
thricheen.) 


(Strepto- 


Calmette, La higiene de la barberias 
656. 

Ceni und Beyta, Die pathogenen Eigen- 
schaften des Aspergillus niger mit 


Bezug auf die Genese der Pellagra 
656. 
Citron, Ueber das Verhalten der Favus- 


und Triehophytonpilze im Organismus 
188. 

Cohn, Ueber eine seltene Schimmel- 
erkrankung des Menschen und ihren 
Erreger 1192. 

Galli-Valerio und Rochaz de Jongh, Ucber 
die Wirkung von Aspergillus niger und 
A. glaucus auf die Larven von Culex 
und Anopheles 490. 

Neumann, Weiteres über die Wichtelzopf- 
krankheit 657. 

Sanfelice, Streptothrix -Pseudotuberkulose 
309. 

Stoll, Beiträge zur morphologischen und 
biologischen Charakteristik der Peni- 
eilliumarten 75. 


Gelbfieber. 


v. Bassewitz, Wie schützen wir uns gegen 


Malaria, Gelbfieber, Filariose u. s. w. 
660. 
Carroll, Notiz, Gelbfieber betreffend 498. 


Chantemesse et Borel, Moustiques et fièvre 
jaune 496. 

Dupuy, Navires et moustiques (Stegomyia 
fasciata) 71. 

Gudden, Gelbfiebermücken an Bord 1041. 

Otto und Neumann, Studien über Gelb- 
tieber in Brasilien 1038. 


Gonorrhoe. (S. a. Prostitution.) 

Baer, Epidemic gonorrheal vulvovaginitis 
in young girls 765. 

Cohn, Eine primäre, nicht gonorrhoische 
Urethritis mit auffallend reichlichen In- 
Auenzabaeillen 376. 


Eberth, Ueber Blennorrhoea neonatorum 
1029. 
Löwy, Ueber Präventiv- und Abortivbe- 


handlung der Gonorrhoe 648. 
Prochaska,BakteriologischeUntersuchungen 
bei gonorrhoischen Allgemeininfektionen 
1029. 
— Bakteriologische Untersuchungen bei 
gonorrhoischen Infektionen 1187, 


Sach- Verzeichnis. 


Stross, Ueber das Wachstum der Gono- 


kokken auf serumhaltigen Nährböden 
487. 
Hefen, pathogene. 
Jensen, Ist die Kleinsche Hefe eine be- 


sondere Art? 657. 
Reitmann, Zur Kenntnis der Saccharomy- 
cosis hominis 657. 


Hundswut. 


Abba et Bormans, Sur le diagnostic histo- 
logique de la rage 668. 

Bertarelli und Volpino, Experimenteile 
Untersuchungen über die Wut. Filtra- 
tion des Strassenvirus und Erschöpfung 
des Virus durch die Filter 493. 

Bohne, Beitrag zur diagnostischen Ver- 
wertbarkeit der Negrischen Körperchen 
1201. 

Burow, VII. Internationaler Tierärztlicher 
Kongress in Budapest 1905 220. 

Konrädi, Ist die Wut vererbbar? 494. 

— Weitere Untersuchungen zur Kenntnis 
der Symptome und Prophylaxe der ex- 
perimentellen Lyssa 494. 

v. Löte, Ueber ein Symptom der experi- 
mentellen Lyssa (das sogenannte prä- 
monitorische Fieber) 1038. 

Luzzani, Zur Diagnose der Tollwut 74. 

Marie, Recherches sur le serum antirabique 
589. 

Schiffmann, Zur Kenntnis der Negrischen 
Körperchen bei der Wutkrankheit 910. 

— 7ur Kenntnis der Negrischen Tollwut- 
körperchen 1201. 

Schnürer, Zur präinfektionellen Immuni- 
sierung der Hunde gegen Lyssa 9383. 
Viala, Les vaccinations antirabiques à 

l'Institut Pasteur en 1904 589. 


Influenza. 
Cohn, Eine primäre, nicht gonorrhoische 
Urethritis mit auffallend reichlichen 


Influenzabacillen 376. 

Jochmann, Beiträge zur Kenntnis der In- 
fiuenza und Influenzabacillen 1383. 
Koeppen, Zur Diagnose der Influenza und 

Pathogenese ihrer Symptome 484. 


Lepra. 
Deutsches Reich. Verbreitung des Aus- 
satzes 1339. 
Deycke und Reschad, Neue Gesichts- 


punkte in der Leprafrage 177. 

Kirchner. Die Verbreitung der Lepra in 
Deutschland und in deutschen Schutz- 
gebieten 371. 


Sach-Verzeichnis. 


Malaria. 


v. Bassewitz, Wie schützen wir uns gegen 
Malaria, Gelbfieber, Filariose u. s. w. 
660. 

de Celebrini, Relazione della campagna 
antimalaria nell littorale austriaco nell’ 
anno 1903 314. 

Celli, Die Malaria in Italien im Jahre 1903 
315. 

Cropper, The malarial fevers of Jerusalem 
and their prevention 67. 

Giemsa, Coloration des protozoaires 660. 

Glogner, Ueber zwei Malariaimpfungen 
1034. 

Hill and Haydon, The epidemic of mala- 
rial fever in Natal 1905 67. 

James, On Kala Azar, Malaria and mala- 
rial cachexia 659. 

Janscö, Der Einfluss der Temperatur auf 
die geschlechtliche Generationsentwicke- 
lung der Malariaparasiten und auf die 
experimentelle Malariaerkrankung 313. 

Jordan and Hefferan, Observations on the 
bionomics of anopheles 659. 

Külz, Weitere Beiträge zur Malariaprophy- 
laxe durch Chiningebrauch in Kleinpopo 
(Anechu) 660. 

Marino, Au sujet de la coloration des pro- 
tozoaires 660. 

Meixner und Kudicke, Chininprophylaxe 
in Deutsch-Ostafrika 1193. 

Nuttall, Note on the’ prevalence of ano- 
pheles 68. 

Oesterreich. Vorkehrungen gegen Malaria 
679. 

Ross, A new parasite of man 70. 

Sergent et Sergent, Etudes épidémiologi- 
ques et prophylactiques du paludisme 
en Algérie, en 1904 658. 

Stephens and Christophers, The practical 
study of malaria and other blood para- 
sites 68. 

Tsuzuki, Ueber die sekundäre Infektion 
mit Fränkelschen Pneumokokken bei 
Malariakranken (Malariapneumonie) 
1034. 

Vassal, Sur un himatozaire endoglobu- 
laire nouveau d'un mammifère 661. 


Meningitis. 


Beitzke, Ueber einen Fall von Meningitis, 
verursacht durch Bacterium lactis aro- 
genes 183. 

Die Genickstarre-Epidemie beim Badischen 
Pionier-Bataillon No. 14 (Kehl) im Jahre 
1903/04 902. 

v. Drigalski, Beobachtungen bei Genick- 
starre 184. 

Fggebrecht, Statistischer Beitrag zur 
gegenwärtigen Genickstarreepidemie 650. 


1467 


Franca, Zur Behandlung der epidemischen 
Meningitis 184. 

Fürst, Genickstarre 1382. 

Grawitz, Beobachtungen über die dies- 
jährigen Fälle von Genickstarre 649. 
Kalberlah, Zur bakteriologischen Diagnose 
des Weichselbaumschen Meningokokkus 

1333. 

Kirchner, Ueber die gegenwärtige Epidemie 
der Genickstarre und ihre Bekämpfung 
648. 

v. Lingelsheim, Berichte über die in der 
hygienischen Station zu Beuthen 0.-S. 
vorgenommenen bakteriologischen Unter- 
suchungen bei epidemischer Genickstarre 
185. 

— Berichte über die in der hygienischen 
Station zu Beuthen 0.-S. vorgenomme- 
nen bakteriologischen Untersuchungen 
bei epidemischer Genickstarre. 3. Be- 
richt vom 16. Juni 1905. 4. Bericht 
vom 2. Juli 1905 375. 

Mäckel, Beitrag zur Epidemiologie und 
Bakteriologie der Meningitis cerebro- 
spinalis-Epidemien 376. 

Radmann, Bemerkungen über die Genick- 
starre in Oberschlesien 183. 

Silberschmidt, Ueber zwei Fälle von Cere- 
brospinalmeningitis 376. 

Sorgente, Weitere Untersuchungen über 
den Meningokokkus 829. 

Spill, Ueber die Meningitis cerebrospinalis 
nach 60 im Knappschaftslazarett zu 
Zabrze während der Epidemie 1904/05 
beobachteten Fällen 375. 

Verfügung über Genickstarre im Regierungs- 
bezirk Arnsberg 1043. 

Weichselbaum, Zur Frage der Aetiologie 
und Pathogenese der epidemischen (ie- 
nickstarre 904. 

— und Ghon, Der Micrococcus meningitidis 
cerebrospinalis als Erreger von Endo- 
karditis, sowie sein Vorkommen in der 
Nasenhöhle Gesunder und Kranker 760. 

Wertheimber, Ueber den diagnostischen 
und therapeutischen Wert der Lumbal- 
punktion bei der Meningitis 184. 

Westenhoeffer, Pathologische Anatomie 
und Infektionsweg bei der Genickstarre 
649. 


Milzbrand. 


Bail, Untersuchungen über natürliche und 
künstliche Milzbrandimmunität. XI. 
Erster Bericht über Milzbrandschutz- 
impfungen an Schafen 201. 

Boidin, Recherches expérimentales sur les 
poisons de la bactéridie charbonneuse 
159. 

Gottstein, Zur Wirkungsweise des Miiz- 
brandserums 1113. 


1468 


Grossbritannien, Milzbrand bei gewerb- 
lichen Arbeitern 334. 

Hofmann, Zur Frage der placentaren In- 
fektion mit Milzbrand 1390. 

Sacharoff, Ueber die Gewöhnung der Milz- 
brandbaeillen an die baktericide Wirkung 
des Serums 597. 

Seagliosi, Ueber veränderte Eigenschaften 
des Bacillus anthracis 483. 

Simoncini, Sulla reazione dell’ organismo 
alle proteïne del b. prodigioso., del b. 
coli e del b. del carbonchio 1001. 

Wilms, Serumbehandlung des Milzbrandes 
597. 


Pest. 


Aegypten, Pilgerfahrt der Mohamedaner 
von 1905 1167. 

Arabien, Die Pilgerfahrt nach dem Hedjaz 
im Jahre 1905 571. 

Baxter-Tyrie, Report of an outbreak of 
plague in Queensland during the first 
six months of 1904 66. 

Besredka, Etudes sur le bacille typhique 
et le bacille de la peste 762. 

Franca, Zur Kenntnis der durch die Pest 
verursachten Hautläsionen 1390. 

Gosio, Zur Methodik der Pestvaceinberei- 
tung 830. 

Berzog, Zur Frage der Pestverbreitung 
durch Insekten. Eine neue Species von 
Rattenfloh 906. 

. Kaschkadamoff, Von der Pest in der Mand- 
schurei im Herbste 1905 1305. 

Kister und Schumacher, Untersuchung von 
pestverdächtigen Ratten auf in Hamburg 
eingelaufenen Schiffen 904. 

Kolle, Die Massnahmen und Verfahren zur 
Bekämpfung der Ratten- und Mäuseplage 
1026.. 

Mayer, Neueres über die Verbreitungsweise 
und die Bekämpfung der Pest in Indien 
1369. 

Pest, Russland 740. 

Shibayama, Ueber die Agglutination des 
Pestbacillus 597. 

Simpson, A treatise on plague 762. 

Thiroux, Peste endémique, bubons clima- 
tiques, lymphangite infectieuse de la 
Reunion et erysipele de Rio 763. 

Zlatogoroff, Zur Morphologie und Biologie 
des Mikroben der Bubonenpest und des 
Pseudotuberkulosebacillus der Nagetiere 
(Bac. pseudotubereulosis rodentium Pf.) 
763. 

Pneumonie. 


Axenfeld, Serumtherapie bei infektiösen 
Augenerkrankungen 1144. 

Buerger, Studies of the Ppneumoeoceus and 
allied organisms with reference to their 
occurrence in the human mouth 62. 


Sach-Verzeichnis. 


Clark and Batman, Pneumococcal bron- 
chiolitis (capillary bronchitis) 759. 

Duval and Lewis, Studies on the Pneumo- 
coccus 650. 

Edwards, Bacillus myeogenes (bacterium 
mycogenum), nov. spec., an organism 
belonging to the bacillus mucosus capsu- 
latus group 651. 

Gerber, Das Sklerom in den russischen 
und deutschen Grenzgebieten und seine 
Bekämpfung 651. 

Hamilton, The. toxid action of scarlatinal 
and pneumonie sera on paramoecia 821. 

Heyrovsky, Ein Beitrag zur Biologie und 
Agglutination des Diplocoecus pneumo- 
niae 598. 

Hoke, Ueber die aggressive Wirkung von 
Diplokokkenexsudaten 374. 

Kindborg, Die Pneumokokken. Verglei- 
chende Untersuchungen mit besonderer 
Berücksichtigung der Agglutination 1025. 

Kokawa, Studien über experimentelle Ba- 
eillenpneumonie 759. 

Perkins, Bacillus mucosus capsulatus. A 
study of the group and an attempt at 
classification of the varieties described 
760. 

Porges, Ueber die Agglutinabilität der 
Kapselbakterien 828. 

Rosenow. Studies in pneumonia and pneu- 
mococeus infections 759. 

Südmersen, Ueber eine infektiöse Pneu- 
monie der Kaninchen und deren Be- 
kämpfung mit Antiserum 1023. 

— On a infectious pneumonia of rabbits 
and its treatment with antiserum 1023. 

Tsuzuki, Ueber die sekundäre Infektion 
mit Fränkelschen Pneumokokken bei 
Malariakranken (Malariapneumonie) 
1034. 

Vlach, Ein Beitrag zur Kenntnis der Pneu- 
mokokkensepsis als Sekundärinfektion 
375. 


Pocken. 


Bonhofl, Die Spirochaete vaceinae 655. 

Bosc, Les maladies bryocytiques (maladies 
protozoaires). Ill. La variole et son pa- 
rasite (Plasmodium variolae) 666. 

Bruce, State animal vaccine establishments 
of Germany 821. 

Carini, Sind die Vaccineerreger Spirochäten? 
655. 

Casagrandi, Studi sul vaccino 1038. 

Chalybäus, Versammlung der Vorstände 
der Deutschen staatlichen Lymph-Ge- 
winnungsanstalten 1345. 1398. 

Councilman, Magrath, Brinckerhoff, Tyzzer, 
Southard, Tompson, Baneroft and Cal- 
kins, Studies on the pathology and on 
the etiology of variola and of vaccinia 
661. 


Sach-Verzeichnis. 


‘Die Tätigkeit der im Deutschen Reiche er- 
richteten staatlichen Anstalten zur Ge- 
winnung von Tierlymphe während des 
Jahres 1904. Zusammengestellt nach 
den Jahresberichten der Vorstände dieser 
Anstalten 584. 

van Dieren, Over Vaccinatie en hare 585. 

Goldschmidt, A quel pays revient la 
priorité de la vaccination obligatoire? 
1319.. 

Groth, Ueber Impfschutzverbände 586. 

Guérin, Contröle de la valeur des vaccins 
jennériens par la numération des élé- 
ments virulents 588. 

Hauser, Untersuchungen über den Vaccine- 
erreger 666. 

Jürgens, Ueber die diagnostische und ätio- 
logische Bedeutung der Variolakörperchen 
383. 

Kelsch, La pratique de la vaccination 76. 

Kissling, Zwei Fälle von generalisierter 
Vaccine nach Uebertragung der Vaccine 
auf ein chronisches Gesichtsekzem 667. 

Külz, Pockenbekämpfung in Togo 585. 

L’institut de vaccine animale Paris 1819. 

Negri, Experienze sulla filtrazione des virus 
vaccinico 493. 

Niederlande, Die Tätigkeit der Impfstoff- 
gewinnungsanstalt in Utrecht im Jahre 
1904 681. 

Pfeiffer, Die Impfklauseln in den Welt- 
policen der Lebensversicherungs-Gesell- 
schaften 587. 

Pröscher, Ueber die künstliche Züchtung 
eines „unsichtbaren“ Mikroorganismus 
der Vaceine 911. 

Prowazek, Untersuchungen über das Wesen 
des Vaccineerregers 493. 

— Untersuchungen über Vaccine 665. 
Reece, Report on small-pox and small-pox- 
hospitals in Liverpool 1902/03 1220. 
Rouget, Contribution à létude du virus 

vaccinal 493. 

Schrumpf, Ueber die als Protozoin be- 
schriebenen Zelleinschlüsse bei Variola 
766. 

Sannemann, Frgebnisse der amtlichen 
Pockentodesfallstatistik im Deutschen 
Reiche im Jahre 1902, nebst Anhang 
betreffend die Pockenerkrankungen im 
Jahre 1902 583. 

— Die Ergebnisse des Impfgeschäftes im 
Deutschen Reiche für das Jahr 1901 
584. 

Schulze, Cytorrhyctes luis Siegel 665. 

Siegel, Beiträge zur Kenntnis des Vaccine- 
erregers 70. 

Smallpox in the German army 931. 

Stumpf, Bericht über die Ergebnisse der 
Schutzpockenimpfung im Königreich 
Bayern im Jahre 1903 415. 

Süpfle, Beiträge zur Kenntnis drr Vaccine- 
körperchen 667, 766. 


1469 


Taconnet, Histoire de l’epidemie de variole 
à l’hospital de la Charite de Lille en 
1902—1903 667. 

de Waele und Sugg, Experimentelle Unter- 
suchungen über die Kuhpockenlymphe 

— — Der Streptokokkenbefund der Variola 
und Varicella in Bezug auf differential- 
diagnostisches Verfahren 588. 

v. Wasielewski, Ueber infektiöse Epithel- 
erkrankungen und ihre Beziehungen zu 
den Epitheliomen 318. 

— Ueber die Technik des Guarnierischen 
Impfexperimentes und seine Verwen- 
dung zum Nachweis von Vaceineerregern 
in den inneren Organen von Impftieren 
492. 


Protozoön, exkl. Malaria. 


Albu, Zur Kenntnis der sporadischen ein- 
heimischen Dysenterie 757. 

Baruchello e Mori, Sulla eziologia del cosi 
detto tifo o febbre petecchiale del cavallo 
1035. 

Christophers, Haemogregarina Gerbilli 661. 

Dopter, Sur quelques points relatifs à l'ac- 
tion pathogċne de l’amibe dysentérique 
757. 

Fehrs, Die Beeinflussung der Lebensdauer 
von Krankheitskeimen im Wasser durch 
Protozoen 113. 

Giemsa, Coloration des protozoaires 660. 

Lesage, Culture de l’amibe de la dysen- 
terie des pays chauds 756. 

Mallory, Scarlet fever; protozoon-like bo- 
dies found in four cases 662. 

Marino, Au sujet de la coloration des pro- 
tozoaires 660. 

Roos, Die im menschlichen Darm vorkom- 
menden Protozoön und ihre Bedeutung 
490. s 

Sternberg, Eine Schnittfärbung nach der 
Romanowskyschen Methode 660. 

Stiles, A zoological investigation into the 
cause, transmission and source of Rocky 
Mountains „spotted fever“ 1034. 

Vassal, Sur un hématozaire endoglobulaire 
nouveau d'un mammifère 661. 


Rauschbrand. 


Grassberger und Schattenfroh, Toxin und 
Antitoxin 416. 

— — Antitoxische und antiinfektiüse Im- 
munität 1076. a; 

Reiche, Schaumorgane bei einem Typhus- 
kranken 644. 

Smith, Ueber einige Kulturmerkmale des 
Rauschbrandbacillus 643. 


1470 


Rotz. 


Bonome, Ueber die Schwankungen des 
Agglutinin- und Präcipitingehaltes des 
Blutes während der Rotzinfektion 603. 

Bulloch und Twort, On the virulence of 
Bacillus mallei obtained from human 
sources 1026. 

Burow, VIII. Internationaler Tierärztlicher 
Kongress in Budapest 1905 220. 

Cagnetto, Sur une variété de tuberculose 
zoogleique et ses rapports avec la pseudo- 
morve 642. 

Schlegel, Die Rotzbekämpfung und die 
Malleinprobe beim Pferde 599. 


Rückfallfieber. 


Koch, Vorläufige Mitteilungen über die Er- 
gebnisse einer Forschungsreise nach Ost- 
afrika 1193. 


Scharlach. 


v. Bokay, Meine neueren Erfahrungen über 
das Mosersche polyvalente Scharlach- 
serum 1148. 

Hamilton, The toxid action of scarlatinal 
and pnetmonie sera on paramoecia 821. 

Jochmann, Bakteriologische und anato- 
tomische Studien bei Scharlach mit be- 
sonderer Berücksichtigung der Blut- 
untersuchung 646. 

— Bakterienbefunde bei Scharlach 1028. 

Mallory, Scarlet fever; protozoon-like bodies 
found in four cases 662. 

Schick, Ucber die weiteren Erfolge der 
Serumbehandlung des Scharlachs 1077. 

Zuppinger. Zur Serumtherapie des Schar- 
lachs 1326. 


Syphilis. 
(S. a. Prostitution.) 


Babes und Panea, Ueber pathologische 
Veränderungen und Spirochaete pallida 
bei kongenitaler Syphilis 654. 

Bandi und Simonelli, Ueber die Anwesen- 
heit der Spirochaete pallida in sekun- 
där-syphilitischen Manifestationen und 
über die zu ihrem Nachweis angewen- 
deten Färbungsmethoden 1032. 

Blaschko, Syphilis als Berufskrankheit der 
Aerzte 379. 

Brandweiner, Versuche über aktive Im- 
munisierung bei Lues 1320. 

— Erwiderung auf Herrn Dr. Kraus’ Be- 
merkungen zu dem Aufsatze: „Versuche 
über aktive Immunisierung bei Lues“ 
1321. 

. Brünnum, Ftt Tilfaelde af kongenit Syfilis 
und Paavisning af Spirochaete pallida 


Sach-Verzeichnis. 


i Lever og Milt. (Fall von kongenitaler 
Syphilis mit Spirochaete pallida in Leber 
und Milz) 1033. 

Brönnum und Ellermann,Spirochaete pallida 
in Milten af es syfilitisk Foster. (Spiro- 
chaete pallida in der Milz eines totge- 
borenen, syphilitischen Fötus} 1033. 

— — Spirochaete pallida in den inneren 
Organen bei Syphilis hereditaria 1191. 

Buschke und Fischer, Ueber das Vorkommen 
von Spirochäten in den inneren Organen 
eines syphilitischen Kindes 186. 

Flügel, Weitere Spirochätenbefunde bei 
Syphilis 1190. 

Fraenkel, Ueber das Vorkommen der Spi- 
rochaete pallida bei Syphilis 653. 

Freund, Ueber Cytorrhyetes luis Siegel 
1033. 

Giemsa, Bemerkungen zur Färbung der 
Spirochaete pallida (Schaudinn) 188. 
Grouveu und Fabry, Spirochaeten bei Sy- 

philis 381. 

Herxheimer und Hübner, Ueber Dar- 
stellungsweise und Befund der bei Lues 
vorkommenden Spirochaete pallida 187. 

Hoffmann, Die Bedeutung der neueren 
Versuche, Syphilis auf Tiere zu über- 
tragen 380. 

— Ueber das Vorkommen von Spirochäten 
bei ulcerierten Carcinomen 654. 

— Weitere Mitteilungen über Spirochaete 
pallida mit Demonstrationen 655. 

— Ueber die Spirochaete pallida 1189. 

— Spirochaete pallida bei einem mit 
Blut geimpften Makaken 1191. 

Kiolemenoglou und v. Cube, Spirochaete 
pallida (Schaudinn) und Syphilis 653. 

Kowalewski, Ueber Primäraffekt am Lid 
mit Demonstration von Spirochäten 1191. 

Kraus, Zur Aetiologie, Pathologie und ex- 
perimentellen TherapiederSyphilis 1320. 

— Bemerkungen zu dem Aufsatze des 
Herrn Dr. A. Brandweiner: „Versuche 
über aktive Immunisierung bei Lues” 
1321. 

— und Prandschoff, Ueber das konstante 
Vorkommen der Spirochaete pallida im 
syphilitischen Gewebe bei Menschen 
und Affen 909. 

Lipschütz, Untersuchungen über die Spi- 
rochaete pallida Schaudinn 1032. 

Merk, Ueber den Cytorrhyctes luis (Siegel) 
766. 

Moritz, Spirochätenbefund bei schwerer 
Anämie und carcinomatöser Lymphan- 
gitis 1192. 

Mulzer, Ueber das Vorkommen von Spiro- 
chäten bei syphilitischen und anderen 
Krankheitsprocessen 1188. 

Nigris, Spirochaete pallida und refringens 
nebeneinander im Blut bei hereditirer 
Lues 381. 

Noeggerath und Stachelin, Zum Nachweis 


Sach-Verzeichnis. 


der Spirochaete pallida im Blut Syphi- 
litischer 1031. 

Oppenheim und Sachs, Eine einfache und 
schnelle Methode zur deutlichen Dar- 
stellung der Spirochaete pallida 380. 

— — UeberSpirochätenbefunde in syphili- 
pechen und anderen Krankheitsprodukten 
1396. 

Piorkowski, Weitere Mitteilung über Sy- 
philisimpfung am Pferde 137. 

Ploeger, Die Spirochäten bei Syphilis 1030. 

Raubitschek, Ueber einen Befund von 
Spirochaete pallida im kreisenden Blut 
909. 

Ravaut, Lesions enc£phalo-meningees chez 
un nouveau-né syphilitique 1191. 

Reischauer, Ein weiterer Spirochätenbefund 
bei hereditärer Lues 330. 

Reitmann, Zur Färbung der Spirochaete 
pallida Schaudinn 187. 

Rille, Ueber Spirochätenbefunde bei Sy- 
philis 1030. 

— und Vockerodt, Weitere Spirochäten- 
befunde bei Syphilis 1031. 

Roscher, Untersuchungen über das Vor- 
kommen der Spirochaete pallida bei 
Syphilis 1190. 

Schaudion, Zur Kenntnis der Spirochaete 
pallida 1189. 

— und Hoffmann, Ucber Spirochäten- 
befunde im Lymphdrüsensaft Syphili- 
tischer 186. 

Scholtz, Ueber den Spirochätennachweis 
bei Syphilis 381. 

Schulze, Cytorrhycetes luis Siegel 665. 

— Impfungen mit Cytorrhyetes luis an 
Kaninchenaugen 909. 

Siebert, Ueber die Spirochaete pallida 1188. 

Siegel, Neue Untersuchungen über die 
Aetiologie der Syphilis 1030. 

Spitzer, Ueber Spirochätenbefunde im sy- 
philitischen Gewebe 765. 

— Zur ätiologischen Therapie der Syphilis 
1321. i 

Suleïmann, Causes de la syphilis et spiro- 
chaete pallida 1397. 

Thesing, Kritische Bemerkungen zur Spi- 
rochaete pallida bei Syphilis 654. 

Waelsch, Bemerkungen zu der Mitteilung 
von Prof. L. Merk „Ueber den Cytor- 
rhyctes luis (Siegel)“ 1192. 

Wechselmann und Loewenthal, Unter- 
suchungen über die Schaudinn-Hoff- 
mannschen Spirochätenbefunde in sy- 
philitischen Krankheitsprodukten 909. 


Tetanus. 


Bruck, Ueber die Bindungsverhältnisse von 
Toxin und Antitoxin im homologen Or- 
ganismus. Ein Beitrag zur Frage der 
antitoxischen Therapie mit homologem 
Tetanus-Antitoxin 78. 


1471 


Creite, Zum Nachweis von Tetanusbacillen 
in Organen des Menschen 306. 

Delor, Un cas de tétanos consécutif à une 
injection de serum (artificiel) 758. 

Detre und Sellei, Die hämolytische Wir- 
kung des Tetanusgiftes 377. 
Gosio, Indikatoren des Bakterienlebens 
und ihre praktische Bedeutung 831. 
Meyer, Versuche über Behandlung des Teta- 
nusmitBrom, zugleich einBeitragzurl'rage 
überdie Todesursache beim Tetanus 483. 

Neugebauer, Ein Beitrag zur Behandlung 
des Wundstarrkrampfes mit „Dural- 
infusion“ 418. 

Tiberti, Ueber den Transport des Tetanus- 
giftes zu den Rückenmarkscentren durch 
die Nervenfasern 1018. 


Tierische Parasiten exkl. Malaria. 


Almquist, Kultur von pathogenen Bakterien 
in Düngerstoffen 1318. 

Baruchello e Mori, Sulla eziologia del cosi 
detto tifo o febbre petecchiale del ca- 
vallo 1035. 

Boycott, A note on the poisonousness of 
worms 327. 

— Further observations on the diagnosis 
of ankylostoma infection with special 
reference tho the examination ot tke 
blood 75. 

— A case of skin infection with ankylo- 
stoma 75. 

Bruns, Versuche zur Frage der Desinfektion 
bei Ankylostomiasis 320. 

Frensh and Boycott, The prevalence of 
trichocephalus dispar 71. 

Graham-Smith, A new form of parasite 
found in the red blood corpusculus of 
mole 71. 

Koch, Vorläufige Mitteilungen über die 
Ergebnisse einer Forschungsreise nach 
Ostafrika 1193. 

De Korte, On the presence of a sarcospo- 
ridium in the thigh muscles of macacus 
Rhesus 70. 

Loeb und Smith, Ueber eine die Blut- 
gerinnung hemmende Substanz in An- 
kylostoma caninum 192. 

Mattam, A note on bovine piroplasmosis 70. 
Musgrave and Clegg, Amebas: their eulti- 
vation and etiological significance 71. 
Nagel, Ueber einen Fall von Infusorien- 

enteritis 1199. 

Schlüter, Zur Kenntnis der Anguilla-Er- 
krankung beim Menschen 498. 

Stephens and Boyce, A parasitic in the 
haddock 76. 

Stiles, A zoological investigation ‘into the 
cause, transmission and source of Rocky 
Mountains „spotted fever* 1034. 

Ziemann, Beitrag zur Filariakrankheit der 
Menschen und Tiere in den Tropen 191. 


1472 


Tierseuchen. 


Beck und Koske, Untersuchungen über 
Schweineseuche mit besonderer Berück- 
sichtigung der Immunitätsfrage 1392. 

Böhme, Weiterer Beitrag zur Charakteristik 
der Hogcholera (Paratyphus)- Gruppe 
1395. 

Citron, Die Immunisierung gegen Schweine- 
seuche mit Hülfe von Bakterienextrakten. 
Ein Beitrag zur Aggressinfrage 1149. 

Delfino, Immunisierung des Kaninchens 
gegen das Bakterium der Geflügel- 
cholera (Vacein Lignieres) 427. 

Klein, Ueber einen neuen tierpathogenen 
Vibrio — Vibrio cardii 489. 

Kleine, Neue Beobachtungen zur Hühner- 
pest 911. 

Koske, Zur Frage der Uebertragbarkeit 
der Schweineseuche auf Geflügel und 
der Geflügelcholera auf Schweine durch 
Abfütterung 1390. 

Loeffler, Die Schutzimpfung gegen die 
Maul- und Klauenseuche 1078. 

— Ueber Immunisierung per os 1323. 

Mattam, A note on bovine piroplasmosis 70. 

Mayer, Ueber die Verschleppung typhöser 
Krankheiten durch Ameisen und die 
Pathogenität des Löfflerschen Mäuse- 
typhusbacillus für den Menschen 1275. 

Mori, Ueber eine bei Katzen aufgetretene, 
durch einen besonderen Mikroorganismus 
bedingte Epizootie 488. 

Pfaff, Eine infektiöse Erkrankung der Ka- 
narienvögel 652. 

Pütz, Der Bacillus pyogenes und seine 
Beziehungen zur Schweineseuche 651. 
Riemer, Kurze Mitteilung über eine bei 
Gänsen beobachtete exsudative Septi- 

kämie und deren Erreger 488. 

Schwarz, Ueber einen neuen, für Kalt- 
blüter pathogenen Mikroorganismus (B. 
hypothermos) 311. 

Smidt, Zur ('harakterisierung der Hog- 
cholera-(ruppe 752. 

Stand der Tierscuchen in Ungarn im Jahre 
1903 263. 

Trommsdorff, Ueber den Mäusetyphus- 
baeillus und seine Verwandten 1274. 
Wassermann, Ostertag und Citron, Ueber 
das gegenseitige immunisatorische Ver- 
halten des Löfflerschen Mäusetyphus- 
bacillus und der Schweinepestbacillen 

1151. 

Weil, Die passive Agressinimmunität bei 

Hühnercholera 420. 


Trypanosomen. 


Christophers, Haemogregarina Gerbilli 661. 

Denkschrift über die Entsendung einer 
wissenschaftlichen Expedition zur Er- 
forschung der Schlafkrankheit 862. 


Sach-Verzeichnis. 


Diesing, Ein Immunisierungsversuch gegen 
die Tsetsekrankheit der Rinder in Ka- 
merun 1077. 

Dutton and Todd, First report of the Try- 
panosomiasis expedition to Senegambia 
(1902) 68. 

Franke, Therapeutische Versuche bei Try- 
panosomenerkrankung 1197. 

Halberstaetter, Untersuchungen bei experi- 
mentellen Trypanosomenerkrankungen 
317. 

Herxheimer und Bornemann (Frankfurt 
a. M.), Ueber die Orientbeule 383. 

Kleine, Die Ergebnisse der Forschungen 
Robert Kochs über das Küstentieber der 
Rinder und über die Pferdesterbe ge- 
legentlich seiner letzten Expedition nach 
Südafrika 189. 

— und Möllers, Ein für Trypanosoma 
Brucei specifisches Serum und seine 
Einwirkung auf Trypanosoma gambiense 
1327. 5 

Koch. Ueber die Unterscheidung der Try- 
panosomenarten 69. 

— Vorläufige Mitteilungen über die Fr- 
gebnisse einer Forschungsreise nach 
Ostafrika 1193. 

Martini, Untersuchungen über die Tsetse- 
krankheit zwecks Immunisierung von 
Haustieren 481. 

Mattam, A note on bovine piroplasmosis 70. 

Mayer, Experimentelle Beiträge zur Try- 
panosomeninfektion 1195. 

Mac Neal, An improved medium for cul- 
tivating trypanosoma Brucei 69. 

Nissle, Beobachtungen am Blut mit Try- 
panosomen geimpfter Tiere 491. 

Nocht, Ueber Tropenkrankheiten 1003. 

Novy, Mc Neal and Hare, The cultivation 
of the Surra trypanosoma of the Phi- 
lippines 189. 

Pfeiffer, Ueber trypanosomenähnliche Fla- 
gellaten im Darm von Melaphagus ovinus 
766. 

Prowazek, Studien über Säugetiertrypano- 
somen 1035. 

Ross, A new parasite of man 70. 

Sander, Die Tsetsen (Glossinae Wiedemann) 
1198. 

Sauerbeck, Beitrag zur pathologischen 
Histologie der experimentellen Trypano- 
somen-Infektion (mit Trypanosoma 
Brucei) 1195. 

Schilling, Versuche zur Immunisierung 
gegen Tsetsekrankbeit 1326. 

Sergent et Sergent, El-Debab. Trypano- 
somiase des dromadaires de l'Afrique 
du Nord 662. 

Sicard, Recherches bacteriologiques et 
histologiques sur un cas de maladie du 
sommeil chez un blanc 910. 

Sternberg, Eine Schnittfärbung nach der 
Romanowskyschen Methode 660. 


Sach-Verzeichnis. 


Studies from the Rockefeller Institute for 
Medical Research 72. 

Thiroux, Recherches morphologiques et 
expérimentales sur le Trypanosoma 
paddae (Laveran et Mesnil) 664. 

— Recherches morphologiques et expéri- 
mentales sur Trypanosoma Duttoni 
(Thiroux) 910. 

Wendelstadt und Fellmer, Ueber die Ein- 
wirkung von Brillantgrün auf Nagana- 
Trypanosomen 1196. 


Tuberkulose. 


Amrein, Beitrag zur Tuberkulinbehandlung 
der Lungentuberkulose 1258. 

Arneth, Blutuntersuchungen bei der Tuber- 
kulose der Lungen und bei der Tuber- 
kulinkur 639. 

Bail, Aggressinimmunität gegen Tuberkel- 
bacillen und Choleravibrionen 420. 

— Ueber das Aggressin des Tuberkel- 
bacillus. Entgegnung an C. Pirquet 
und B. Schick 747. 

— Ueber Giftwirkung von Tuberkelbacillen 
beim Meerschweinchen 1256. 

Bartel, Die Infektionswege bei der Fütte- 
rungstuberkulose 353. 

— Lymphatisches System und Tuber- 
kuloseinfektion 897. 

— Die Infektionswege der 
tuberkulose 1006. 

— Tuberkuloseinfektion im Säuglingsalter 
des Meerschweinchens und Kaninchens 
1258. 

— Die Bedeutung der Lymphdrüse als 
Schutzorgan gegen die Tuberkulose- 
infektion 1324. 

— und Spieler, Der Gang der natürlichen 
Tuberkuloseinfektion beim jungen Meer- 
schweinchen 354. 

— und Stein. Zur Biologie schwachviru- 
lenter Tuberkelbacillen 297. 

— und Stenström, Weitere Beiträge zur 
Frage des Einflusses hoher Temperaturen 
auf Tuberkelbaeillen in der Milch 176. 

Baumgarten, Experimente über die Aus- 
breitung der weiblichen Genitaltuber- 
kulose im Körper 294. 

— Ueber Immunisierungsversuche gegen 
Tuberkulose 322. 

— und Hegeler, Ueber Immunisierung 
gegen Tuberkulose 934. 

v. Baumgarten, Ueber das Verhalten der 
Tuberkelbaeillen an der Eingangspforte 
der Infektion 1122. 

— Experimente über ascendierende Uro- 
genitaltuberkulose 1123. 

Beck, Zur Frage der säurefesten Baeillen 
1013. 

v. Behring, Ueber alimentäre Tuberkulose- 
infektionen im Säuglingsalter 349. 


Fütterungs- 


1473 


v. Behring, Schlussbemerkungen zu obigem 
Aufsatz 849. 

Beitzke, Ueber Untersuchungen an Kindern 
in Rücksicht auf die v. Behringsche 
Tuberkulose-Infektionstheorie 1007. 

— Ueber den Weg der Tuberkelbacillen 
von der Mund- und Rachenhöhle zu 
den Lungen 1122. 

Bericht über die 1I. Versammlung der 
Tuberkuloseärzte. Berlin, 24.—26. No- 
vember 1904 363. 

Bertarelli, Einige Untersuchungen über die 
Tuberkulose der Reptilien 1012. 

Binswanger, Ueber probatorische Tuber- 
kulin-Injektionen bei gesunden stillen- 
den Frauen 1324. 

Blumenthal, Die sociale Bekämpfung der 
Tuberkulose als Volkskrankheit in 
Europa und Amerika 476. 

Boeg, Ueber erbliche Disposition zur 
Lungenphthisis 174. 

Borntraeger, Heilstätten. Heimstätten und 
Fürsorgestellen im Kampf gegen die 
Tuberkulose 225. 

Brüning, Zur Lehre der Tuberkulose im 
Kindesalter mit besonderer Berück- 
sichtigung der primären Darm-Mesen- 
terialdrüsentuberkulose 1257. 

Bruns, Impftuberkulose bei Morphinismus 
300. 

Burghart. Lebensregeln zur Verhütung der 
Ansteckung mit Tuberkulose 1140. 

Burow, VIII. Internationaler Tierärztlicher 
Kongress in Budapest 1905 220. 

Cagnetto, Sur une variété de tuberculose 
zoogleique et ses rapports avec la 
pseudo-morve 642. 

Dammann und Müssemeier, Untersuchungen 
über die Beziehungen zwischen der Tu- 
berkulose des Menschen und der Tiere 
1005. 

Der Stand der Tuberkulosebekämpfung im 
Frühjahr 1905 1129. 

Deutsches Reich. Aus dem 25. Jahres- 
berichte des Vereins für Kinderheil- 
stätten an den deutschen Seeküsten 261. 

Die Errichtung und Verwaltung von Aus- 
kunfts- und Fürsorgestellen für Tuber- 
kulöse 478. 

Disse, Weitere Mitteilungen über das Ver- 
halten des Schieims im Magen von 
menschlichen Embryonen und von Neu- 
geborenen 1254. 

Dworetzky, Erfahrungen mit der Spengler- 
schen Formalinmethode zur Reinzüch- 
tung von Tuberkelbaeillen aus Bakterien- 
gemischen 298. 

Eber, Ueber die Widerstandsfähigkeit 
zweier in Marburg mit Tuberkelbacillen 
verschiedener Herkunft vorbehandelter 
Rinder gegen subkutane und intra- 
venöse Infektion mit tuberkulösem vom 
Rinde stammenden Virus 590, 


1474 


Eber, Experimentelle Uebertragung der Tu- 
berkulose vom Menschen auf das Rind 
637. 

Edens, Ucher die Häufigkeit der primären 
Darmtuberkulose in Berlin 1009. 

Elsaesser, Klinische Beobachtungen bei 
Behandlung mit Neutuberkulin(Bacillen- 
emulsion) und Mitteilung eines Falles 
von mit Alttuberkulin geheilter doppel- 
seitiger Iristuberkulose 1124. 

Esau, Ein Fall von Miliartuberkulose mit 
Staphylokokkensepsis und schweren 
Darmblutungen 1009. 

Fischer, Ueber die Entstehungs- und Ver- 
breitungsweise der Tuberkulose in den 
Sehwarzwalddörfern Langenschiltach und 
Gremmelsbach 355, 748. 

Flügge, Erwiderung auf v. Behrings Artikel: 
Ueber alimentäre Tuberkuloseinfektionen 
im Säuglingsalter 349. 

— Schlussbemerkungen zu obigem Artikel 
349. 

Friedberger und Pettinger, Versuche über 
die desinfieierende Wirkung des Griserins 
1010. 

Friedmann, Zur Tuberkuloseimmunisierung 
mit Schildkrötentuberkelbacillen. Er- 
widerung auf die Libbertz-Ruppelschen 
Ausführungen 200. 

Fürst, Die intestinale Tuberkuloseinfektion 
mit besonderer Berücksichtigung des 
Kindesalters 471. 

Grober, Die Tonsillen als Eintrittspforten 
für Krankheitserreger, besonders für den 
Tuberkelbacillus 1006. 

Gruber, Tuberkulose und Wohnungsnot 
1140. 

Hamburger, Ueber passive Immunisierung 
durch Fütterung 1325. 

Heisler, Untersuchungen über die Infektio- 
sität von Tuberkelbacillen verschiedener 
Herkunft 1003. 

Heubner, Ueber die familiale Prophylaxis 
der Tuberkulose 303. 

Hinz, Ueber den diagnostischen Wert des 
Tuberkulins in der Kinderpraxis 476. 
v. Holst, Tuberkulose und Schwangerschaft 

473. 

Jahresberichte für das Jahr 1904 der 
Basler Heilstätte für Brustkranke in 
Davos und des Basler Hilfsvereins für 
Brustkranke 900. 

Jochmann, Ueber die Bakteriämie bei 
Lungentuberkulose. Ein Beitrag zur 
Frage der Mischinfektion 1124. 

de Jong, Die Steigerung der Virulenz des 
menschlichen Tuberkelbaeillus zu der 
des Rindertuberkelbacillus 299. 

Issakowitsch, Der heutige Stand der Frage 
über die Verwandtschaft zwischen Rin- 
der- und Menschentuberkuluse 637. 

Jürgens, Tuberkulinbehandlung und Tuber- 
kuloseimmunität 1146. 


Sach-Verzeichnis. 


Kathe, Das ätherische Oel im Knoblauch, 
ein neues angeblich antituberkulöses 
Specificum 641. 

Klemperer, Experimenteller Beitrag zur 
Tuberkulose 935. 

Kirstein, Ueber die Dauer der Lebens- 

ihigkeit von Tuberkelbacillen an flug- 

igen Stäubchen 898. 

Koch, Schütze, Neufeld und Miessner, 
Ueber die Immunisierung von Rindern 
gegen Tuberkulose 936. 

Koeppen, Tuberkulosestudien II 1121. 

Korezynski, Ueber den Einfluss der Tuber- 
kelgifte auf Wachstum und Giftigkeit 
anderer Bakterien, speciell des Bact. 
coli commune 352. 

Kraemer, Die Häufigkeit der Tuberkulose 
des Menschen nach den Ergebnissen von 
Leichenuntersuchungen und Tuberkulin- 
prüfungen und ihre Bedeutung für die 
Therapie 895. 

Krause, Ueber die Anwendung von Neu- 
tuberkulin (Bacillenemulsion) 1125. 
Küster, Ueber eine erfolgreiche Behandlung 
der Schwindsucht und anderer schwerer 
Infektionskrankheiten durch ein inneres 

Desintektionsmittel 292. 

Leyden, Ueber den heutigen Stand der 
Schiffssanatorienfrage 944. 

Libbertz und Ruppel, Ueber Immunisierung 
von Rindern gegen Tuberkulose (Perl- 
sucht) und über Tuberkulose-Serum- 
versuche 200. 

Link, Beitrag zur Wirkung von Tuberkel- 
bacillen verschiedener Herkunft. Infek- 
tion der vorderen Augenkammer mit 
abgewogenen Tb.-Mengen 747. 

Löwenstein, Ueber Resorption und Immu- 
nitätserscheinungen 931. 

Macfadyen und Macconkey, Untersuchung 
von Mesenterialdrüsen, Tonsillen und 
adenoiden Wucherungen 61. 

Marcuse, Tuberkulosemuseen 748. 

— Zur Auslese des Krankenmaterials in 
den Lungenheilstätten 1259. 

Markl, Ucber den Mechanismus der Ab- 
wehr des Organismus-bei der Infektion 
mit Tuberkelbacillen 301. 

Menzer, Zur Frage nach dem Wesen der 
Tuberkulinreaktion 591. 

Mezincescu, Die Pseudotuberkelbacillen 
bei der Diagnose der Tuberkulose 1141. 

Moeller, Beitrag zur Frage der Ueber- 
tragung von Infektionskrankheiten bei 
der Abendmahlsfeier und Vorschlag zu 
einer Modifikation der Feier 176. 

v. Niessen, Notiz zu Spenglers Mitteilung 
über Tuberkelbacillensplitter 299. 

Oestern, Beitrag zur Kenntnis der Bak- 
terienflora der erweichten tuberkulösen 
Herde des Rindes 296. 

Petruschky, Kann durch Griserin eine 


Sach-Verzeichnis. 


innere 
292. 

Philippi. Die Lungentuberkulose im Hoch- 
gebirge. Die Indikationen und Kontra- 
indikationen desselben, sowie die An- 
wendung des alten Kochschen Tuber- 
kulins 1125. 

Freih. v. Pirquet und Schiek, Zur Frage 
des Aggressins 420. 


Ravenel, The passage of tuberele bacilli | 


through the normal intestinal wall 60. 

Reiche, Tuberkulose und Schwangerschaft 
474. 

— Die Erfolge der Heilstättenkuren bei 
Lungenschwindsüchtigen 641. 

Ritchie, The wax of tuberele bacilli in 
relation to their acid resistance 61. 
Ritter von Weismayr, Die Actiologie der 

Lungentuberkulose 633. 

Roepke, Tuberkulose und Heilstätte 370. 

Rosenberger, A study of homogenized 
cultures of tubercle bacilli 636. 

Rumpf. Heilstätte Friedrichsheim 899. 

Rupprecht, Ueber säurefeste Bacillen nebst 
Beschreibung eines Falles von spontaner 
Froschtuberkulose 61. 

Schellenberg und Scherer, Was leistet die 
Röntgendurchleuchtung des Brustkurbes 
als Diagnostikum bei tuberkulüsen Lun- 
generkrankungen 638. ` 

Schmorl und Geipel, Ueber die Tuber- 
kulose der menschlichen Placenta 293. 

Schomburg, Beitrag zum therapeutischen 
Wert des Griserins 1010. 

Schröder, VI. Jahresbericht der Neuen 
Heilanstalt für Lungenkranke zu Schöm- 
berg, O.-A. Neuenburg nebst Bemer- 
kungen zur Behandlung der oberen 
Luitwege des Phthisikers. Anhang: 
Witterungsbericht des Jahres 1904 für 
Schömberg, O.-A. Neuenburg 479. 

Spengler, Ueber Splittersputa Tuberku- 
löser 61. 

— Ein neues immunisierendes Heilver- 
fahren der Jungenschwindsucht mit 
Perlsuchttuberkulin. Das Agglutinations- 
vermögen, ein” Selbstinfektionsversuch 
und eine differentialdiagnostische Färbe- 
methode der Perlsuchtbacillen 422, 

— Ein neues immunisierendes Heilver- 
fahren der Lungenschwindsucht mit 
Perlsuchttuberkulin. Ueber das Agglu- 
tinationsvermögen von 80 mit Perl- 
suchttoxinen immunisierten Tuberku- 
lösen 423. 

— Die Sengzüchtung der Tuberkelbacillen 
aus Sputum 899. 

— Zur Formaldehyd-Abtütung und -Züch- 
tung der Tuberkel- und anderer säure- 
fester Bacillen. Antikritische Bemer- 
kungen zu Prof. Dr. Reichenbachs 
Arbeit: Die „Leistungen der Formal- 
dehyddesinfektion* 1004. 


1475 


Desinfektion bewirkt werden? | Stirnlimann, Tuberkulose im ersten Lebens- 


jahre 747. 

Sugiyama, Untersuchungen über Sputum- 
desinfektion mit Ptiophagan 957. 

Teutschländer, DieSamenblasentuberkulose 
und ihre Beziehungen zur Tuberkulose 
der übrigen Urogenitalorgane 1256. 

Tiesler, Tuberkulose und Schwangerschaft 
475. 

Tomallini, Experimentelle Untersuchungen 
abe die Tuberkulose der Schilddrüse 
636. 

Treutlein, Beitrag zur primären Darm- 
tuberkulose beim Kalb 175. 

Turban, Demonstration und Frläuterung 
mikroskopischer Präparate von Tuber- 
kulose 636. 

Vetter, Methode, um Tuberkelbacillen in 
pleuralen Ergüssen aufzufinden 1004. 
Wagner, Ueber die Häufigkeit der pri- 
mären Darmtuberkulose in Berlin 1008. 
Weber und Taute, Die Kaltblütertuber- 

kulose 1010. 

Weichselbaum und Bartel, Zur Frage der 
Latenz der Tuberkulose 355. 

Weiler, Traumatische Phthise 1256. 

Weleminsky, Zur Pathogenese der Lungen- 
tuberkulose. II. Die Stellung der Bron- 
chialdrüsen im Lymphgefässsystem 633. 

— Zur Pathogenese der Lungentuber- 
kulose 1123. 

Westenhoeffer, Das Reichs-Fleischschau- 
gesetz in Bezug auf die Tuberkulose 
nebst einigen Bemerkungen über die 
Ausführung der Fleischbeschau 303. 

v. Zebrowski, Zur Frage der Untersuchung 
der pleuritischen Exsudate auf Tuberkel- 
baeillen 349. 

Zur Tuberkulosebekämpfuug 1904 356. 

Zur Tuberkulosebekämpfung 1905 1134. 


Typhus. 


Aaser, Ueber die makroskopische Agglu- 
tinationsprobe beim Typhoidtieber 247. 

Auerbach, Die Typhusepidemie in Detmold 
und die Trinkwassertheorie 1141. 

Bail, Versuche über bakterieide Fähigkeit 
des Serums 1071. 

Balp, Geografia nosologica della terra di 
Bari. Distribuzione geogralica del tifo 
1260. 

Bassenge und Mayer, Zur Schutzimpfung 
gegen Typhus 199. 

Beck und Ohlmüller, Die Typhusepidemie 
in Detmold im Herbst 1904. Gutachten 
im amtlichen Auftrage 1262. 

Beiträge zur Schutzimpfung gegen Typhus 
823. 

Beiträge zur Typhusforschung 1066. 

Beobachtungen über Ergebnisse der Typhus- 
schutzimpfung in der Schutztruppe für 


1476 


Südwestafrika. Mitgeteilt vom Ober- 
kommando der Schutztruppen 1147. 
Bericht an das Oberkommando der Schutz- 
truppen über Beobachtungen, die wäh- 
rend der Seefahrt und in Südwestafrika 
bei der Typhusschutzimpfung mit dem 
vor November 1904 hergestellten Impf- 

stoff gemacht sind 824. 

Besredka, Etudes sur le bacille typhique 
et le bacille de la peste 762. 

Besserer und Jaffe, Ueber Typhuskulturen, 
die sich den Immunitätsreaktionen gegen- 
über atypisch verhalten 1273. 

De Blasi, Ueber die agglutinierende Wir- 
kung des Serums von Typhuskranken 
auf Paratyphusbacillen nebst Bemer- 
kungen über die makroskopische und 
mikroskopische Serodiagnostik 592. 

Borntraeger, Typhusepidemie infolge von 
Wasserbeckenverseuchung in Gräfrath 
(Landkreis Solingen) 1066. 

Braun, La recherche du bacille d’Eberth, 
son importance au point de vue de la 
prophylaxie de la fievre typhoide 901. 

Canby, The role of tbe typhoid bacillus 
in the pulmonary complications of 
typhoid fever 645. 

Conradi, Typhusbacillen und Bacillus fae- 
calis alcaligenes 1021. 

— Ueber den Zusammenhang zwischen 
Endemien und Kriegsseuchen in Lo- 
thringen 1276. 

Ditthorn und Gildemeister, Eine Anreiche- 
rungsmethode für den Nachweis von 
Typhusbaeillen im Trinkwasser bei der 
EAD Fällung mit Eisenoxychlorid 

76. 

Dörr, Ueber Cholecystitis typhosa 902. 

v. Drigalski, Ueber ein Verfahren zur 
Züchtung von Typhusbaeillen aus Wasser 
und ihren Nachweis im Brunnenwasser 
1272. 

Duchäcek, Neue biologisch-chemische Un- 
tersuchungen über den Barillus typhi 
abdominalis und das Bacterium coli 
eommune 304. 

Eggert und Kuhn, Bericht über Typhus- 
impfungen in Karibib 825. 

Eichler, Ueber die Verwertbarkeit des 
Fickerschen Typhusdiagnostikums in 
tropischen Gegenden 196. 

v. Elischer und Kentzler, Ueber die bak- 
terieide Eigenschaft des Typhusserums 
594. 

Emmerich und Wolter, Die Entstehungs- 
ursachen der Gelsenkirchener Typhus- 
epidemie von 1901 1264. 

Erhardt, Bericht über Schutzimpfungen 
auf dem Transportdampfer „(ertrud 
Woermann“ und in Swakopmund 825. 

Falta und Noeggerath, Ueber Rassenunter- 
schiede von Typhusstimmen und über 
Hemmungskörper im Serum in ihrer 


Sach-Verzeichnis. 


Bedeutung für die Gruber-Widalsche 
Reaktion 595, 933. 3 

Flatau und Wilke, Ueber Fickers Typhus- 
diagnostikum 196. 

Flemming, Ueber Typhusschutzimpfungen 
bei Menschen, insbesondere über die 
dabei gemachten klinischen Beobach- 
tungen 824. 

Fraenkel, Ueber den mikroskopischen 
Nachweis der Typhusbacillen in Blut- 
präparaten 925. 

de Franceschi, Influence du sol sur la 
virulence du bacille typhique 63. 

Frankreich. Aus dem 31. Bande der Ar- 
beiten des Comité consultatif d'hygiène 
publique de France. Jahrgang 1901. 
146. 

Friedberger und Moreschi, Ueber Rassen- 
dificrenzen von Typhusstämmen 1073. 

Friedel, Die Typhusuntersuchungen des 
Laboratoriums der Königlichen Regie- 
rung in Cobleuz 5. 

Friedel, Typhushäuser 372. 

Georgii, Typhushandschuhe 182. 

Gossner, Zur bakteriologischen Diagnose 
470. 

Grünberg und Rolly, Beitrag zur Frage 
der agglutinierenden Eigenschaften des 
Serums Typhuskranker auf Paratyphus 
und verwandte Bakterien 196. 

Güttler, Vorteile und Nachteile von Fickers 

. Typhusdiagnostikum -246. 

Haenen, De l'emploi de l’aldehyde para- 
dimethylaminobenzoique pour differen- 
cier le colibaeille d'avec le bacille ty- 
phique 1022. 

Hahn, Ucber die bakterieide Wirkung des 
menschlichen Bilutserums gegenüber 
Typhusbaeillen (Nachweis des Zwischen- 
körpers) 425. 

Hammerschmidt, Ueber die Einwirkung 
von Magensaft auf Typhuskeime 749. 
Heller, Die Rothbergersche Neutralrot- 

reaktion auf Gelatine bei 37° 749. 

Herford, Das Wachstum der zwischen 
Bacterium coli und Bac. typhi stehen- 
den Spaltpilze auf dem Endoschen 
Fuchsinagar 1273. 

Hetch und Kutscher, Ueber die wissen- 
schaftlichen und experimentellen Grund- 
lagen der Schutzimpfung gegen Typhus 
823. 

Hoffmann, Untersuchungen über die Lebens- 
dauer von Typhusbacillen im Aquarium- 
wasser 180. 

Jörgensen, Schwankungen des Agglutina- 
tionsvermögens des Blutes im Verlaufe 
des Typhus abdominalis 593. 

Jürgens, Ueber die Entstehung der Typhus- 
immunität 245. 

Bekämpfung des Typhus und der Ruhr 


Iversen, Ucber die Schwankungen des 


Sach-Verzeichnis. 


Agglutinationsvermögens des Serums im 
Verlauf des Typhus abdominalis 195. 
Kaerger, Der Typhus in Südwestafrika 
(Ostabteilung [Major v. Glasenapp] und 
Marine-Expeditionskorps) Februar 1904 

bis März 1905 1267. 

Kayser, Milch und Typhusbacillenträger 
1269. 

— Ueber die Gefährlichkeit von Typhus- 
baeillenträgern 1270. 

Klein. Experiments and observations on 
the vitality of the bacillus of typhoid 
fever and of sewage microbes in oysters 
and other shelfish 64. 

Klieneberger, Die Typhusdiagnose mittels 
Widaluntersuchungen in centralisierten 
Stationen 1270. 

Klinger, Ueber Typhusbacillenträger 1268. 

— Ueber neuere Methoden zum Nachweise 
der Typhusbacillen in den Darment- 
leerungen 1271. 

Kolle, Ueber den Stand der Typhus- 
Schutzimpfungsfrage auf Grund der 
neuesten Untersuchungen 198. 

— Ueber Paratyphus und den Wert der 
Immunitätsreaktionen für die Erkennung 
des Paratyphus 1147. 

Korte und Steinberg, Weitere Unter- 
suchungen über die baktericide Reaktion 
des Blutserums Typhuskranker 425. 

— — Ueber die agglutinierende Wirkung 
des Serums von Typhuskranken auf 
Paratyphusbacillen nebst Bemerkungen 
über makroskopische und mikroskopische 
Serumdiagnostik 591. 

Krenker, Zur Biologie der Typhus-Coli- 
Gruppe 482. 

Kutscher, Einige neuere Fragen aus der 


Epidemiologie des Abdominaltyphus 
1260. 
Leishman, Harrison, Smallman, Tuloch, 


An investigation upon the blood changes 
following antityphoid inoculation 78. 
Lentz, Kasuistischer Beitrag zur Pathologie 

des Typhus 1067. 

— Brunnen- oder Kontaktepidemie 1067. 

— Ueber chronische Typhusbacillenträger 
1068. 

— und Tietz, Weitere Mitteilungen über 
die Anreicherungsmethode für Typhus- 
und Paratyphusbacillen mittels einer 
Vorkultur auf Malachitgrün-Agar 1069. 

Löwenstein, Ueber Resorption und Immu- 
nitätserscheinungen 931. 

Löwit, Berichtigung 596. 

Lubomoudrov, Action des injections salines 
prophylactiques et therapeutiques sur 
les cobayes soumis à l'inoeulation intra- 
peritoneale de bacille typhique et de 
vibrion cholerique 826. 

Maldagne, Bacilles d’Eberth dans un kyste 
de l’ovair après la guérison d'une fièvre 
typhoide 481. 


1477 


Manteufel, Erfahrungen mit der Gruber- 
Widalschen Reaktion bei Berücksichti- 
gung der Mitagglutination von Typhus- 
bacillen 592. 

Marschall, Die Bedeutung des Endoschen 
Nährbodens für die bakteriologische 
Typhusdiagnose 750. 

Mayer, Ueher die Verschleppung typhöser 
Krankheiten durch Ameisen und die 
Pathogenität des Löfflerschen Mäuse- 
typhusbacillus für den Menschen 1275. 

Morgenroth, Bericht über Impfungen auf 
dem Transportdampfer „Eleonore Woer- 
mann“ 824. A 

Müller, Cholecystitis und Cholangitis als 
Ursache von positiver Gruber-Widalscher 
Reaktion bei Ikterus 827. 

— Ueber den Nachweis von Typhus- 
bacillen im Trinkwasser mittels chemi- 
scher Fällungsmethoden, insbesondere 
durch Eisenoxychlorid 1021. 

— Musehold und Steudel, Beobachtungen 
über Typhusschutzimpfungen auf dem 
Truppenübungsplatz Munster am 7. bis 
10. Januar 1905 824. 

M’Naught, A note on two varieties of ba- 
cillus typhosus simulans isolated from 
drinking water 65. 

Netter et Ribadeau-Dumas, Nouvelle serie 
d’infections paratyphoides 1074. 

Neumann, Ein Beitrag zur Statistik des 
Unterleibstyphus im Grossherzogtum 
Hessen 62. 

Nieter, Ueber den Nachweis von Typhus- 
bacillen im Trinkwasser durch Fällung 
mit Eisenoxychlorid 57. 

Olbrich, Die Typhusepidemie in Gimbrett 
(Elsass) im Winter 1903/04 750, 1262. 

Porcile, Beitrag zur differentialdiagnosti- 
schen Unterscheidung der Typhus- und 
typhusähnlichen Bakterien mit Hülfe 
der Agglutination 826. 

Porges, Folgen der Veränderungen des 
Bakterienproteins für die Agglutination 
und Präcipitation 1146. 

Pottevin, Contribution à la bacteriologie 
des gastro-enterites infectieuses 751. 
Reiche, Schaumorgane bei einem Typhus- 

kranken 644. 

Reischauer, Ueber den Nachweis von Ty- 
phusbacillen in den Darmentleerungen 
mit Verwendung der neueren Anreiche- 
rungsmethoden 480. 

v. Rembold, Ueber Verbreitung und Be- 
kämpfung des Abdominaltyphus in 
Württemberg 1020. 

Richter, Etwas über „Typhushäuser“ und 
„Typhushöfe* 181. 

— Erwiderung zu dem Aufsatz von Frie- 
del: „über Typhushäuser“ 373. 

Rodet, A propos de la propriété aggluti- 
native de certains sérums normaux pour 
le bacille d'Eberth 198. 


1478 


Ruediger, Improved technic of agglutina- 
tion test in Typhoid fever — the use 
of formalinized cultures 327. 


Rullmann, Ueber das Verhalten des in 
Erdboden eingesäten Typhusbacillus 
481. 


Sacquepee, Infection mixte épidémique 749. 

— et Chevrel, Vaccinations actives croisées 
des bacilles typhiques et paratyphiques 
933. ; 

Sadler, Ueber den Einfluss des Tempera- 
turoptimums von 55° auf die Aggluti- 
nation beim Fickerschen und Widalschen 

. Versuch 246. 

Salomon, Ueber bakteriologische Regie- 
rungs-Laboratorien 1. 

Scheller, Experimentelle Beiträge zur 
Theorie und Praxis der Gruber-Widal- 
schen Agglutinationsprobe 595. 

Schmidt, Ueber das im Kreise Ottweiler 
geübte Verfahren der Typhusbekämpfung 
mittels Aufstellung fliegender Baracken 
im Typhusgebiete 1019. 

Schmiedicke, Zur bakteriologischen Unter- 
suchung der Typhusroseolen 901. 


Schütz, Ueber den Nachweis Eberth- 
Gaff! her Bacillen in der Cerebro- 
spinal igkeit bei Typhus abdominalis 
1272. 

Schwarz, Ueber das Verschwinden von 


Mikroorganismen aus dem strömenden 
Blute 746. 

Sehrwald, Steigerung der Agglutinierbar- 
keit der Typhusbacillen und ihr Wert 
für die Typhusdiagnose 196. 

Seige, Ueber Kontaktinfektion als Aetio- 
logie des Typhus 1069. 

Selter, Zur Typhusdiagnose mittels des 
Typhusdiagnostikums von Ficker 196. 
Sicard, Epidurite purulente lombaire à 
bacille d’Eberth, dans la convalescence 

d'une fievre typhoide 1020. 

Stober, Agglutination of typhoid and 
paratyphoid bacilli by various immune 
sera 827. 

Ströszner, Typhusbacillen in dem Wasser 
eines Hausbrunnens 180. 

Stühlinger, Ueber einen Ersatz der leben- 
den Bakterienkulturen zur Beobachtung 
des Agglutinationsphänomens 1322. 

Tischler, Typhusepidemie unter Kindern 
im Schulbezirk der Stadt Deggendorf 
1904/1905 1263. 


Trincas, Sulle cosidette forme „etero- 
morfe* o „teratologiche“ dei batteri 
1023. 


Trommsdorff, Typhusbacillen und Bacillus 
faecalis alealigenes, zwei nicht verwandte 
Speeies 1020. 

— Ueber den Mäusetyphusbaeillus und 
seine Verwandten 1274. 

Ulrichs, Die bakterieide und agglutinie- 


Sach-Verzeichnis. 


rende Wirkung des Blutserums Typhus- 
kranker gegenüber Typhusbacillen 635. 

Vincent, A propos des infections para- 
typhoides 1022. 

Volkhausen, Der Unterleibstyphus in Det- 
mold im Sommer und Herbst 1142. 
Wassermann und Citron, Ueber die Bil- 
dungsstätten der Typhusimmunkürper. 
Ein Beitrag zur Frage der lokalen 

Immunität der Gewebe 825. 
Weil, Ueber den Mechanismus der Bakte- 
rienagglutination durch Gelatine 424. 
Willson, The isolation of b. typhosus from 
infected water, with notes on a new 
process 63. 

Zedelt, Ueber die typhösen Eiterungen 
1270. 


Paratyphus. 


De Blasi, Ueber die agglutinierende Wir- 
kung des Serums von Typhuskranpken 
auf Paratyphusbaeillen nebst Bemer- 
kungen über die makroskopische und 
mikroskopische Serodiagnostik 592. 

Böhme, Weiterer Beitrag zur Charakte- 
ristik der Hogcholera {Paratyphus)- 
Gruppe 1395. 

Canby, The role of the typhoid bacillus 
in the pulmonary complications of 
typhoid fever 645. 

Grünberg und Rolly, Beitrag zur Frage 
der agglutinicrenden Eigenschaften des 
Serums Typhuskranker auf Paratyphus 
und verwandte Bakterien 196. 

Guerbet et Henry, Sur un bacille para- 
typhique 901. 

Guinon, Trois cas d'infection paratyphoide 
901. 

Klein, Ueber die Verbreitung des Bacillus 
enteritidis Gärtner in der Kuhmilch 
482. 

Klieneberger, Die Typhusdiagnose mittels 
Widaluntersuchungen in centralisierten 
Stationen 1270. 

Kolle, Ueber Paratyphus und den Wert 
der Immunitätsreaktionen für die Er- 
kennung des Paratyphus 1147. 

Korte und Steinberg, Ueber die aggluti- 
nierende Wirkung des Serums von 
Typhuskranken auf Paratyphusbacillen 
nebst Bemerkungen über makrosko- 
pische und mikroskopische Serumdia- 
gnostik 591. 

Kranepuhl, Abscessbildung durch den Ba- 
eillus paratyphosus B 482. 

Lentz und Tietz, Weitere Mitteilungen 
über die Anreicherungsmethode für 
Typhus- und Paratyphusbaeillen mittels 
einer Vorkultur aut Malachitgrün-Agar 
1069. 

Mantcufel, Erfahrungen mit der Gruber- 
Widalschen Reaktion bei Berücksichti- 


Saoh- Verzeichnis. 


gung der Mitagglutination von Typhus- 
bacillen 592. 

M’Naught, A note on two varieties of ba- 
cillus typhosus simulans isolated from 
drinking water 65. 

Netter et Ribadeau-Dumas, Nouvelle série 
d'infections paratyphoïdes 1074. 

— — Apparition des agglutinations spe- 
cifiques et des agglutinations de famille 
au cours des affections typhoides et para- 
typhoïdes 1075. 

Porcile, Beitrag zur differentialdiagnosti- 
schen Unterscheidung der Typhus- und 
typhusähnlichen Bakterien mit Hilfe der 
Agglutination 826. 

Pottevin, Contribution à la bactériologie 
des gastro-entérites infectieuses 751. 
Sacquépće, Infection mixte épidémique 

749. 

— et Chevrel, Vaccinations actives croi- 
sées des bacilles typhiques et para- 
typhiques 933. 

Savage, Bacteriological studies of two 
cases of paratyphoid infection 65. 

Schottelius, Bakteriologische Beobach- 
tungen bei einer Paratyphusepidemie 
1276. 

Shibayama, Paratyphus in Japan 482. 

Smidt, Zur Charakterisierung der Hog- 
cholera-Gruppe 752. 

Stober, Agglutination of typhoid and para- 
typhoid bacilli by various immune sera 
827. 

Vagedes, Paratyphusbaeillen bei 
Mehlspeisenvergiftung 1070. 
Vincent, A propos des infections para- 

typhoides 1022. 


einer 


Andere Infektionskrankheiten. 


Balp. Dati statistici ed eziologiei sull’ 
endemia gozzocretinica nella provincia 
di Torino 319. 

— Risultati di aleune esperienze di tiroi- 
dismo sperimentale 320. 

Beitzke, Ueber einen Fall von Meningitis, 
verursacht durch Bacterium lactis aöro- 
genes 183. 

Brüning, Ueber die Bedeutung der Koplik- 
schen Flecke für die Diagnose und 
Differentialdiagnose der Masern 191. 

Bruns, Liefmann und Mäckel, Die Ver- 
mehrung der eosinophilen Leukocyten 
bei Ankylostomiasis in diagnostisch- 
prophylaktischer Beziehung 768. 

Buday, Zur Pathogenese der gangränüsen 
Mund- und Rachenentzündungen 1017. 

McClintock, Boxmeyer and Siffer, Studies 
on hog cholera 78. 

Dieminger, Beiträge zur Bekämpfung der 
Ankylostomiasis 673, 675. 


1479 


Dinkler, Ueber die Ankylostomiasis im 
Wurmkobhlenrevier 676. 

Doerr, Ueber Spirillum pyogenes Mezin- 
cescu 378. 

Dürck, Ueber Beri-Beri und intestinale 
Intoxikationskrankheiten im Malaischen 
Archipel 1203. 

Edwards, Bacillus mycogenes (bacterium 
mycogenum), nov. spec., an organism 
belonging to the bacillus mucosus cap- 
sulatus group 651. 

Ellermann, Ueber die Kultur der fusi- 
formen Bacillen 179. 

— Einige Fälle von bakterieller Nekrose 
beim Menschen 1017. 

Gerber, Das Sklerom in den russischen 
und deutschen Grenzgebieten und seine 
Bekämpfung 651. 

Ghon und Sachs, Beiträge zur Kenntnis 
der anaëroben Bakterien des Menschen. 
IH. Zur Aetiologie der Peritonitis 180. 

Greeff, Was haben wir von einer staat- 
lichen Trachombekämpfung zu erwarten ? 
1042. 

Gutzeit, Beitrag zur Actiologie der Fleisch- 
vergiftungen 1026. 

Hektoen, Experimental measles 75. 

Herxheimer und Bornemann (Frankfurt 
a. M.), Ueber die Orientbeule 383. 

Herzog, Fatal infection by a hitherto un- 
described chromogenic bacterium, ba- 
cillus aureus foetidus 652. 

Kiseeff, Bakteriologische Untersuchungen 
des Blutes bei Flecktyphus 767. 

Kisskalt, Zur pathogenetischen Bedeutung 
des Bacillus funduliformis 378. 

Knauth, Ein Beitrag zur Weilschen Krank- 
beit 1027. 

La lutte contre l’ankylostomiase 769. 

Liefmann, Beitrag zum Studium der An- 
kylostomiasis. Ueber den Infections- 
modus und die vermutliche Giftwirkung 
der Würmer 768. 

Loeffler, Die Schutzimpfung gegen die 
Maul- und Klauenseuche 1078. 

van Loghem, Bakteriologischer Befund bei 
spontaner vesikaler Pneumaturie eines 
diabetischen Kranken 650. 

Lupu, Ueber Pellagra sine pellagra 912. 

Mayer und Schreyer, Zur Klinik und 
Aetiologie der Angina ulceroso-membra- 
nacea (Plaut-Vincent) 179. 

Merk, Eine genuine Pellagra im Oberinn- 
tale 912. 

Moler, Beitrag zur Aetiologie und Therapie 
des Heutiebers 1042. 

Morian, Stomatitis ulcerosa und Angina 
Vincenti 1017. 

Moritz, Spirochätenbefund bei schwerer 
Anämie und careinomatöser Lymph- 
angitis 1192. 

Nägeli, Ueber das Vorkommen der Tri- 
chinenkrankheit in der Schweiz 770. 


1480 


Noc, Propriétés bacteriolytiques et anti- 
cytasiques du venin de cobra 673. 

Ostertag und Bugge, Untersuchungen über 
maulseuchenähnliche Erkrankung des 
Rindes („gutartige Maulseuchen, Sto- 
matitis papulosa bovis specifica) 672. 

Passini, Ueber Giftstoffe in den Kulturen 
des Gasphlegmonebacillus 758. 

Plaut, Antwort auf die Bemerkungen von 
Vincent: „Ueber die Entdeckung der 
durch den Bacillus fusiformis ver- 
ursachten Angina* 378. 

— Antwort auf die Bemerkungen von 
Vincent über die „Angina à bacilles 
fusiformes“ 643. 

Prausnitz, Zur Natur des Heufiebergiftes 
und seines specifischen Gegengiftes 312. 

Reiche, Die Plaut-Vincentsche Angina 1016. 

Remlinger et Nouri, Reaction de la tortue 
erresire à quelques maladies infectieuses 
653. - 

Rüdnik, Der Betrieb der Speiseanstalt für 
Pellagröse in Rarancze (Bukowina) im 
Jahre 1905 1397. 

Scheube, Ein neues Schistosomum beim 
Menschen 676. 

Schlüter, Zur Kenntnis der Anguilla- 
Erkrankung beim Menschen 498. 

Schwartz und Kayser, Ueber die Herkunft 
von Fettsäurenadeln in Dittrichschen 
Pfröpfehen und den Nachweis von fett- 
zersetzenden Mikrobien 1029. 

— Ueber einen neuen, für Kaltblüter 
pathogenen Mikroorganismus (B. hypo- 
thermos) 311. 

Siegel, Bericht über gelungene Ueber- 
tragung der Maul- und Klauenseuche 
auf Kaninchen, nebst ergänzenden Be- 
merkungen über die Beobachtungs- und 
Färbemethoden der gesamten Cytor- 
rhyctesgattung 1202. 

Stregulina, Ueber die im Züricher Boden 
vorkommenden Heubacillen und über 
deren Beziehungen zu den Erregern 
der Panophthalmie nach Hackensplitter- 
verletzung 907. 

Taussig. Die Hundskrankheiten (endemischer 
Magenkatarrh) in der Herzegowina 383. 

Tissier, Etude d'une variété d'infection 
chez les nourissons 645. 

Uffenheimer, Beiträge zur Klinik und 
Bakteriologie der Angina ulcerosa 
membranacea 178. 

Varaldo, Bakteriologische Untersuchungen 
über Cervicitis und Endocervieitis bei 
Schwangerschaft 306. 

Veszprémi, Kultur- und Tierversuche mit 
dem Bacillus fusiformis und dem 
Spirillum 643. 

Vincent, Ueber die Entdeckung der durch 
den Bacillus fusiformis verursachten 
Angina 378. 


Sach-Verzeichnis. 


Vincent, Bemerkungen über die „Angine à 
bacilles fusiformes“ 643. 

Vogelsang, Die Massnahmen der preussi- 
schen Bergbehörden zur Bekämpfung 
der Wurmkrankheit (Ankylostomiasis) 
und ihre Erfolge 769. 

Waelsch, Ueber einen eigenartigen Mikro- 
organismus im Präputialsekret (Bac. 
involutus) 764. 

Weaver and Tunnicliff, The occurrence of 
fusiform bacilli and spirilla in connection 
with morbid processes 643. 

Weil, Ueber die Wachstumsmöglichkeit 
des Heubacillus im Tierkörper 764. 


Kanalisation. 
(S. Abfallstofle.) 


Kinderpflege. Säuglingsschutz. 


Brüning, Zur Lehre der Tuberkulose im 
Kindesalter mit besonderer Berück- 
sichtigung der primären Darm-Mesen- 
terialdrüsentuberkulose 1257. 

Cassel, Bericht über die Versuche, Säug- 
linge mit einwandsfreier Kuhmilch zu 
versorgen 443, 341. 

Deutsches Reich. Aus dem 25. Jahres- 
berichte des Vereins für Kinderheilstätten 
an den deutschen Seeküsten 261. 

Engel, Die Gründe der hohen Säuglings- 
sterblichkeit in den Städten 444. 

— Ueber die Kontrolle billiger Säuglings- 
milch 509. 

— Die Baudouinsche 
Menschen 510. 

Finkelstein, Fürsorge für Säuglinge 250. 

Freund jr., Milchfürsorge in der Stadt 
Stettin. Statistische Mitteilungen über 
den Erfolg 703. 

Fürst, Die intestinale Tuberkuloseinfektion 
mit besonderer Berücksichtigung des 
Kindesalters 471. 

Ganghofner und Langer, Ueber die Re- 
sorption genuiner Eiweisskörper im 
Magendarmkanal neugeborener Tiere und 
Säuglinge 203. 

Grösz, Ernährungsversuche mit Szekelys 
Kindermilch, insbesondere bei kranken 
Säuglingen 850. 

Groth, Die wahrscheinliche Ausdehnung 
der natürlichen und künstlichen Er- 
nährung in München und ihr Eintluss 
auf die Säuglingssterblichkeit 130. 

— Statistische Unterlagen der Säuglings- 
sterblichkeit in München 859. 

Heissler, Kinderarbeit 542. 

Hinz, Ueber den diagnostischen Wert des 
Tuberkulins in der Kinderpraxis 476. 
Hohlfeld, Ucber den Umfang der natür- 

lichen Säuglingsernährung in Leipzig 442. 


Reaktion beim 


Sach-Verzeichnis. 


Japha, Die Säuglingsküche, Ergebnisse und 
Ziele 1155. 

Ibrahim, Ueber Milchpumpen und deren 
Anwendung (mit Angabe eines neuen 
Modells) 131. 

Lingel, Zur Verhütung des Puerperal- 
fiebers 1335. 

Meder, Das Säuglingskrankenhaus als 
wichtiger Faktor zur wirksamen Be- 
kämpfung der hohen Säuglingssterblich- 
keit 444. 

Moro, Morphologische und biologische 
Untersuchungen über die Darmbakterien 
des Säuglings 344, 845. 

— Morphologische und biologische Unter- 
suchungen über die Darmbakterien des 
Säuglings. IV. Der Schotteliussche Ver- 
such am Kaltblüter 1208. 

Negri, Ueber das Stillen und die Ursachen 
des Nichtstillens 442. 

Neumann, Der Säuglingsskorbut in Berlin 
444. 

v. Ohlen, Die Bekämpfung der Säuglings- 
sterblichkeit durch öffentliche Organe 
und private Wohltätigkeit mittels Be- 
schaffung einwandsfreier Kindermilch 
unter specieller Berücksichtigung Ham- 
burger Verhältnisse 128. 

Preiss, Ein Beitrag zur Verhütung des 
Kindbettfiebers 1335. 

Reiche, Tuberkulose und Schwangerschaft 
474. 

Rodella, Répartition des microbes dans 
l’intestin du nourrisson 544. 

Säuglingssterblichkeit und Zahl der Tot- 
geborenen in einigen Grossstädten Europas 
während des Jahres 1904 732. 

Schlegtendal, Säuglingssterblichkeit und 
ihre Bekämptung 703. 

— Die Bekämpfung der Säuglingssterb- 
lichkeit im Reg.-Bez. Aachen 840, 

Schlossmann, Ueber die Fürsorge für 
kranke Säuglinge 1151. 

— Vergiftung und Entgiftung 1211. 
Schmalfuss, Stellung und Aufgaben des 
Ammen-Untersuchungsamtes 324. . 
Seiffert, Säuglingssterblichkeit, Volkskon- 
stitution und Nationalvermögen 702. 
Sieveking, Die Säuglings-Milchküchen der 
patriotischen Gesellschaft in Hamburg 

1154. 

Speck, Kühlkissen zur Kühlung der Säug- 
lingsmilch im Hause 509. 

Sperk, Ueber Einrichtung und Funktion 
der Schutzstelle des Vereins „Säuglings- 
schutz“ in Wien 1333. 

Studies from the Rockefeller Institute for 
Medical Research 72. 

Suckow, Leitfaden zur Errichtung von 
Kindermilchanstalten 1155. 

Szana, Staatliche Säuglingspflege in Ungarn 
1334. 


1481 


Tissier, Répartition des microbes dans 
intestin du nourrisson 542. 

— Etude d'une variété d'infection chez les 
nourrissons 645. 

odeng bei Kindern unter einem Jahre 
78. 

Trumpp, Versorgung der Städte 
Kindermilch 253. 

Weaver, Tunniclif, Heinemann, Michael, 
Summer diarrhoea in infants 754. 

Weiss, Milchkassenorganisation zur Förde- 
rung der Selbststillung 842. 


mit 


Klima. 


Brouardel et Mosny, Traité d'Hygiène, 
publié en fascicules. 1. Courmont 
et Lesieur, Atmosphère et Climats 
413. 

Bürker, Die physiologischen Wirkungen 
des Höhenklimas. I. Die Thoma-Zeiss- 
sche Zählkammer. Die Gerinnungszeit 
des Blutes im Hochgebirge. Der Eisen- 
gehalt der blutbereitenden Organe und 
des Blutes im Hochgebirge 124. 

— Die Wirkungen des Höhenklimas auf 
das Blut 928. 

Ekelöf. Gesundheits- und Krankenpflege 
während der schwedischen Südpolar- 
expedition 414. 

Heindl, Das Heufieber und seine speci- 
fische Behandlung mit Pollantin 831. 

Ide, Zur O-Wirkung der Seeluft 1066. 

Liefmann, Kleinere Beiträge zur Erklärung 
der Heufieber-Entstehung 813. 

Meissen, Die vermeintlichen Blutverände- 
rungen im Gebirge 930. 


Kongresse. 
(S. Versammlungen.) 


Krankenpflege. 


Becher, Ueber Walderholungsstätten für 
kranke Kinder mit besonderer Berück- 
sichtigung der Tuberkulösen. Nach Be- 
obachtungen in der ersten Kinder-Er- 
holungsstätte vom Roten Kreuz in 
Schönholz 701. 

Bericht über die Tätigkeit der Berliner 

ellschaft (E. V.) für das 

äftsjahr 1904 701. 

Ercklentz, Das Verhalten Kranker gegen- 
über verunreinigter Wohnungsluft 290. 

v. Greyerz, Bildung und Unterhaltung in 
Volksheilstätten 1284. 

Marburg, Die physikalischen Heilmethoden 


1482 


in Einzeldarstellungen für praktische 
Aerzte und Studierende 536. 

Meisels, Der Wert des Boxensystems für 
die Anstaltsbehandlung der Masern 
629. 

Meyer, Der Einfluss der Centrale der 
Berliner Rettungsgesellschaft auf die 
Krankenversorgung Berlins 943. > 

— Das Rettungs- und Krankenbeför- 
derungswesen im Deutschen Reiche 
1283. 

Oesterreich. Krankenanstalten 679. 

Rubner, Betrachtungen zur Krankenhaus- 
hygiene 1283. 

Salzwedel, Handbuch der Krankenpflege 
535. 

Stühlen, Leitfaden für Krankenpfleger und 
Krankenpilegerinnen bei der Pflege von 
ansteckenden Kranken in Kranken- 
häusern und in der Wohnung 535. 

Thel, Grundsätze für den Bau von Kran- 
kenhäusern 536. 


Krebs. 


Frassi, La mortalità per tumori maligni 
in Parma durante il decennio 1892—1901 
620. 

Freund, Zur Naturgeschichte der Krebs- 
krankheit nach klinischen Erfahrungen 
670. 

Haaland, Les 
669. 

v. Hansemann, Was wissen wir über die 
Ursachen der bösartigen Geschwülste? 
495. 

Igl, Ist Krebs eine Infektionskrankheit? 
Ein Beitrag zur Krebsforschung auf 
Grund des Verhaltens der Krebssterbe- 
fälle in Brünn während der Jahre 1884 
bis 1902 1203. 

Internationale Konferenz für Krebsforschung 
1045. 

Israel, Die biogenetische Theorie der Ge- 
schwülste und die Aetiologie des Car- 
einoms 384. 

Juliusburger, Krebs- und Lebensversiche- 
rungs-Gesellschaften 319. 

— 7081 Todesfälle an Krebs von 1885 
bis 1899 bei der „Friedrich Wilhelm“, 
Preussischen Lebens- und Warantie-Ver- 
sicherungs-Aktien-Gesellschaft in Berlin 
671. 

v. Leyden, Weitere Untersuchungen über 
die parasitäre Theorie des Krebses 
318. 

— Ueber die parasitäre Theorie in der 
Actiologie der Krebse 384. 

Locb, Ueber das endemische Vorkommen 
des Krebses beim Tiere 319. 


tumeurs de la souris 


Sach-Verzeichnis. 


Loewenthal, Tierversuche mit Plasmodio- 
phora brassicae und Synchytrium ta- 
raxaci nebst Beiträgen zur Kenntnis des 
letzteren 671. 

Weinberg und Gastpar, Die bösartigen 
Neubildungen in Stuttgart von 1873 bis 
1902 619. 


Lehrbücher. 


Abel, Bakteriologisches Taschenbuch, ent- 
haltend die wichtigsten technischen 
Vorschriften zur bakteriologischen La- 
boratorienarbeit 286. 

Brouardel et Mosny, Traité d’Hygiene, 
publié en fascicules. 1. Courmont et 
Lesieur, Atmosphere et Climats 413. 

— Traité d'hygiène, publié en fascicules. 
II. Le sol et leau par A. de Launay, 
Ed. Bonjean, E.-A. Martel, J. Ogier 
1250. 

Dieudonné, Immunität, Schutzimpfung und 
Serumtherapie. Zusammenfassendeleber- 
sicht über die Immunitätslehre 286. 

Gärtner, Leitfaden der Hygiene 22. 

Günther, Einführung in das Studium der 
Bakteriologie mit besonderer Berück- 
sichtigung der mikroskopischen Technik 
577. 

Hiller, Die Gesundheitspflege des Heeres 
122. 

Kamen, Die Infektionskrankheiten rück- 
sichtlich ihrer Verbreitung, Verhütung 
und Bekämpfung 528. 

Mense, Handbuch der Tropenkrankheiten 
1062. 

Müller, Vorlesungen über Infektion und 
Immunität 529. 

Rambousek, Lehrbuch der Gewerbehygiene 
560. 

Weyl, Zur Geschichte der socialen Hygiene 
567. 


Leichen- und Bestattungswesen. 


Gradwohl, Importance de l’examen bac- 
teriologique pratiqué sur les cadavres 
173. 


Luft. 


Ascher, Einfluss des Rauches auf die At- 
mungsorgane 578. 

Ercklentz, Das Verhalten Kranker gegen- 
über verunreinigter Wohnungsluft 290. 

v. Esmarch, Zwei Registrierinstrumente für 
Sonnenschein und Windrichtung 281. 


Sach-Verzeichnis. 


Flügge, Ueber Luftverunreinigung, Wärme- 
stauung und Lüftung in geschlossenen 
Räumen 286. 

Heindl, Das Heutieber und seine speci- 
fische Behandlung mit Pollantin 831. 

Herz, Ueber Zugluft und Wind 1064. 

Heymann, Ueber den Einfluss wieder ein- 
geatmeter Exspirationsluftaufdie Kohlen- 
säure-Abgabe 288. 

— Erwiderung auf die Entgegnung Wol- 
perts: „Wird die Kohlensäureabgabe 
des Menschen durch Beimengung von 
Ausatmungsluft zur Einatemluft beein- 
flusst? 291. 

Ide, Zur O-Wirkung der Seeluft 1066. 

Liefmann, Kleinere Beiträge zur Erklärung 
der Heufieber-Entstehung 813. 

Paul, Die Wirkungen der Luft bewohnter 
Räume 289. 

Wolpert, Wird die Kohlensäureabgabe des 
Menschen durch Beimengung von Aus- 
atmungsluft zur Einatemluft beeinflusst? 
Eine Entgegnung 290. 

— Bemerkungen zu Dr. Heymanns Er- 
widerung: „Wird die Kohlensäure-Ab- 
gabe des Menschen durch Beimengung 
von Ausatmungsluft zur Einatemluft 
beeinflusst?“ 291. 


Medizinalwesen. 


Aus dem Jahrbuch derMedizinalverwaltung 
in Elsass-Lothringen 262. 

Aus dem 35. Jahresbericht des Landes- 
Medizinal-Kollegiums über das Medi- 
zinalwesen im Königreich Sachsen auf 
das Jahr 1903 216. 

Aus dem Sanitätsbericht des üsterreichi- 
schen Küstenlandes für die Jahre 1901 
bis 1903 1288. 

Aus dem Sanitätsbericht über die Kaiser- 
lich Deutsche Marine für die Zeit vom 
1. Oktober 1903 bis 30. September 1904 
1339. 

Aus dem Sanitätsbericht über die König- 
lich Preussische Armee vom 1. Ok- 
tober 1902 bis 30. September 1903 
1342. 

Aus dem statistischen Jahrbuche der 
Haupt- und Residenzstadt Budapest 331, 
923. 

Aus dem statistischen Jahrbuche für 
Belgien. Jahrgang 1903 1222. 

Baer, Diskussion zu Hirschfeld: „Ueber 
die Veränderung der Mortalität in 
Deutschland in den letzten 3 Jahr- 
zehnten und die sich hieraus er- 
gebende Forderung der Gesundheits- 
prege“ 990. 

Beissel, Zur Hygiene in Bädern und Kur- 
orten 620. 


1483 


Belgien. Gesundheitsverhältnisse in Brüssel 
im Jahre 1904 924. 

Bericht des Wiener Stadtphysikats über 
seine Amtstätigkeit in den Jahren 1900 
bis 1902 922. 

Bevölkerungsbewegung 
976. 

Bremen. Die Tätigkeit des hygienischen 
Instituts 738. 

Das öffentliche Gesundheitswesen in Frank- 
furt a. M. im Jahre 1903 214. 

Deutsches Reich. Aus dem 25. Jahres- 
berichte des Vereins für Kinderheil- 
stätten an den deutschen Sceküsten 
261. 

Deutsches Reich. Die Eheschliessungen, 
Geburten und Sterbefälle im Jahre 1904 
1337. 

Deutsches Reich. Stand der Bevölkerung 
1165. 

Die Geburten und Sterbefälle, sowie die 
Todesursachen im preussischen Staate 
während des Jahres 1903 38. 

Die Tätigkeit des Gesundheitsrates für 
das Seine-Departement im Jahre 1904 
332. 

Doerffler, Zur Verhütung des Puerperal- 
fiebers 537. 

England und Wales. Geburt und Sterb- 
lichkeit im Jahre 1903 218. 

Erkrankungen und Todesfälle im eng- 
lischen Heere während des Jahres 1903 
333. 

Friedel, Die Typhusuntersuchungen des 
Laboratoriums der Königlichen Regie- 
rung in Coblenz 5. 

Geburten und Todesfälle in Schottland 
in den Jahren 1903 und 1904 219. 
Gesundheitsverhältnisse im Verwaltungs- 
bezirk London während des Jahres 1904 

1166. 

Grossbritannien. Gesundheitszustand in 
Birmingham während des Jahres 1904 
389. 

Grotjahn, Diskussion zu Hirschfeld: „Ueber 
die Veränderung der Mortalität in 
Deutschland in den letzten 3 Jahr- 
zehnten und die sich hieraus er- 
gebende Forderung der Gesundheits- 
pflege“ 991. : 

Hamburger, Diskussion zu Hirschfeld: 
„Ueber die Veränderung der Mortalität 
in Deutschland in den letzten 3 Jahr- 
zehnten und die sich hieraus er- 
gebende Forderung der Gesundheits- 
pflege“ 991. 

Hirschfeld, Ueber die Veränderung der 
Mortalität in Deutschland in den 
letzten 3 Jahrzehnten und die sich 
hieraus ergebende Forderung der Ge- 
sundheitspilege 982. 

_— Diskussion zu obigem Vortrag 992. 


in Italien 1902 


1484 


9. Jahresbericht über den öffentlichen 
Gesundheitszustand und die Verwaltung 
der öflentlichen Gesundheitspilege in 
Bremen in den Jahren 1893—1903 
1215. 

Italien. 

Italien. 


Berufssterblichkeit 978. 

Mailand. Bewegung der Bevöl- 
kerung im Jahre 1904 und Todes- 
ursachen im Vergleich zu anderen 
Hauptstädten Italiens 977. 

Kluczenko, Sanitätsbericht der Bukowina 
für die Jahre 1901—1903 730. 

Mann, Die Prophylaxe der puerperalen 
Wundinfektionskrankheiten nach den 
Vorschriften des preussischen Heb- 
ammenlehrbuches von 1904 537. 

Medizinalbericht von Württemberg für das 
Jahr 1903 1214. 

Medizinalstatistische Mitteilungen aus 
australischen Kolonien 1223. 

Medizinalstatistische Mitteilungen aus Nor- 
wegen für das Jahr 1903 979. 

Mitteilungen aus dem Medizinalbericht 
von Württemberg für das Jahr 1903 
973. 

Oesterreich. Aus dem statistischen Jahr- 
buche der Stadt Wien für das Jahr 
1903 974. 

Preussen. Berlin. Verwaltungsbericht 
des Magistrats zu Berlin über das 
städtische Strassenreinigungswesen, die 
städtischen Wasserwerke und die städti- 
schen Badeanstalten für das Etatsjahr 
1903 213. 

Protokoll über die Einvernahme ärztli- 
cher Auskunftspersonen, betr. die Re- 
form und den Ausbau der Arbeiterver- 
sicherung 1108. 

Salomon, Ueber bakteriologische Regie- 
rungs-Laboratorien 1. 

Sanitätsbericht über die Kaiserliche Ost- 
asiatische Besatzungs-Brigade 1902/03 
1163. 

Sanitätsbericht über die Königlich preus- 
sische Armee u. s. w. 1902/03 1159. 
Stand der Tierseuchen in Ungarn im Jahre 

1903 263. 

Tjaden, Jahresbericht des hygienischen 
Instituts zu Bremen 1108. 

Todesursachen in Italien während des 
Jahres 1902 335. 

Weyl, Assanierung. Die Abwehr gemein- 
gefährlicher Krankheiten 730. 


Nahrungsmittel. 
(S. Ernährung.) 
Prostitution. 


Bettmann, Aerztliche Ueberwachung der 
Prostituierten 564. 


Sach-Verzeichnis. 


v. Düring, Prostitution und Geschlechts- 
krankbeiten 1107. 

Finger, Zur Prophylaxe der Geschlechts- 
krankheiten 962. 

G., M. K. Städtische Lusthäuser 858. 

Grosse, Schutzmittel gegen Geschlechts- 
krankheiten 962. 

Gruber, Prostitution vom Standpunkte der 
Socialhygiene aus betrachtet 780. 

Hammer, Zehn Lebensläufe Berliner Kon- 
trollrnädchen und zehn Beiträge zur 
Behandlung der geschlechtlichen Frage 
781. 

Hermanides, Bekämpfung der anstecken- 
den Geschlechtskrankheiten als Volks- 
seuche 564. 

Merkblatt für Frauen und Mädchen 781. 

Rosenthal, Alkoholismus und Prostitution 
778. 


Specielle sanitäre Einrichtungen. 


Leyden, Ueber den heutigen Stand der 
Schiffssanatorienfrage 944. 

Manteufel, Jahresbericht über die Tätig- 
keit des Untersuchungsamtes für an- 
steckende Krankbeiten zu Halle a S. 
(1. Januar bis 31. December 1905) 337. 


Schulhygiene. 
Agahd, Ucber nordische Schuleinrichtungen 
913. 


Berger, Zur Schulbankfrage 206. 

Blitstein, Alkohol und Schule 132. 

Dietz, Ueber Heizung und Lüftung der 
Schulräume 88. 

v. Domitrovich, Die Hygiene des Schul- 
zimmers 914. 

— Ist bei der Schulbank die Bereit- 
haltung von Reservebänken notwendig? 
917. 

Frankreich, Aus dem 31. Bande der Ar- 
beiten des Comité consultatif d'hygiène 
publique de France. Jahrgang 1901 
146. 

Fürst, Gesundheitspflege der Mädchen 
während und nach der Schulzeit 542. 
Haase, Ueber die Hcizung und Lüftung 

von Schulhäusern 773. 

Heissler, Kinderarbeit 542. 

Hinterberger, Ist unser Gymnasium eine 
zweckmässige Institution zu nennen ? 540. 

Jahresbericht der Centrale für private Für- 
sorge in Frankturt a. M. für das Rech- 
nungsjahr 1903/04 777. 

Igl, 4. Bericht ber die Tätigkeit der 
städtischen Bezirksärzte in Brünn als 
Schulärzte für das Jahr 1904 541. 


Sach-Verzeiohnis. 


Köttgen und Steinhaus, Ueber Reinigung 
von Schulzimmern und Anwendung 
staubbindender Fussbodenöle 90. 

Moses, Zur Hygiene der Schulbank in den 
Hilfsschulen für Schwachsinnige 916. 

Patschkowski, Diskussion zu Wickenhagen: 
„Ueber Schülerrudern“ 403. 

Reichenbach, Zur Frage der Tageslicht- 
messung 89. 

Reinigung der Schulräume 920. 

Roller, Erhebungen über das Mass der 
häuslichen Arbeitszeit, veranstaltet in 
einer Oberrealschulklasse 914. 

Schleissner, Die Sprachgebrechen der 
Schuljugend an den deutschen Schulen 
in Prag 775. 

Schmidt, Die Bedeutung der öffentlichen 
Spiel- und Sportplätze für die Volks- 
gesundheit 918. 

Schneider, Zur Schulbankfrage 205. 

Sommerfeld, Diskussion zu Wickenhagen: 
„Ueber Schülerrudern“ 404. 

Struben, Ueber die Beleuchtung bei der 
Hausarbeit von Schulkindern 741. 

Turn-, Spiel- und Erholungsplätze in 
Leipzig 1287. 

Weber, Ursachen und Folgen der Rechts- 
händigkeit 776. : 

Wehmer, Diskussion zu Wickenhagen: 
„Ueber Schülerrudern“ 403. 

Wickenhagen, Ueber Schülerrudern 391. 

— Diskussion zu obigem Vortrag 404. 


Schutzimpfung. 


(S. Immunität.) 


Statistik. 


Auf einen Einwohner, also pro Kopf, er- 
folgte Berechnung des jährlichen Milch- 
verbrauchs 624. 2 

Aus dem Jahrbuch der Medizinalverwal- 
tung in Elsass-Lothringen 262. 

Aus dem 35. Jahresbericht des Landes- 
Medizinalkollegiums über das Medizinal- 
wesen im Königreich Sachsen auf das 

- Jahr 1903 216. 

Aus dem Sanitätsbericht des üsterreichi- 
schen Küstenlandes für die Jahre 1901 
bis 1903 1288. 

Aus dem Sanitätsbericht über die Kaiser- 
lich Deutsche Marine für die Zeit vom 
1. Oktober 1903 bis 30. September 1904 
1339. 

Aus dem Sanitätsbericht über die König- 
lich bayerische Armee für das Berichts- 
jahr vom 1. Oktober 1900 bis 30. Sep- 
tember 1901 625. 

Aus dem Sanitätsbericht über die König- 


1485 


lich Preussische Armee vom 1. Oktober 
1902 bis 30. September 1903 1342. 

Aus dem statistischen Jahrbuche der 
Tupt und Residenzstadt Budapest 331, 

Aus dem statistischen Jahrbuch für Bel- 

. gien. Jahrgang 1903 1222. 

Aus dem Verwaltungsbericht des Magistrats 
der Königl. Haupt- und Residenzstadt 
Brestau, 1901 — 1904 784. 

Baer, Diskussion zu Hirschfeld: „Ueber 
die Veränderung der Mortalität in 
Deutschland in den letzten 3 Jahr- 
zehnten und die sich hieraus erge- 
bende Forderung der Gesundheitspflege* 
990. 

Behausungsziffer im Deutschen Reich 678. 

Belgien, Gesundheitsverhältnisse in Brüssel 
im Jahre 1904 924. 

Bericht über die Gesundheitsverhältnisse 
Hr Gesundheitsanstalten in Nürnberg 

Bevölkerungsbewegung 
976. 

Bremen, Häufigkeit der Infektionskrank- 
heiten 678. 

Das Gesundheitswesen des Preussischen 
Staates im Jahre 1903 453. 

Das öffentliche Gesundheitswesen in Frank- 
furt a./M. im Jahre 1903 214. 

Deutsches Reich, Aus dem 25. Jahres- 
berichte des Vereins für Kinderheil- 
sanen an den deutschen Seeküsten 

1. 

Deutsches Reich. Die Eheschliessungen, 

Geburten und Sterbefälle im Jahre 1904 


ia Italien 1902 


1337. $ 

Deutsches Reich, Stand :der Bevölkerung 
1165. 

Die Geburten und Sterbefälle, sowie die 
Todesursachen im preussischen Hecre 
während des Jahres 1903 38. 

Die Sterblichkeitsverhältnisse in den Orten 
des Deutschen Reiches mit 15 000 und 
mehr Einwohnerf während des Jahres 
1904 622. 

Die Tätigkeit des Gesundheitsrates für 
das Seine-Departement im Jahre 1904 

. 832. 

England und Wales, Geburt und Sterblich- 
keit im Jahre 1903 218. 

Erkrankungen und Todesfälle im engli- 
schen Heere während des Jahres 1903 
333. 

Frankreich, Bevölkerungsbewegung 740. 

Frassi, La mortalità per tumori maligni 
in Parma durante il decennio 1892 bis 
1901 620. 

Geburten und Todesfälle in Schottland in 
den Jahren 1903 und 1904 219. 

Geschäftsbericht des Stadtrates der Stadt 
Zürich 1904 967. 


1486 


Gesundheitsverhältnisse im Verwaltungs- 
bezirk London während des Jahres 1904 
1166. 

Gesundheitswesen in Nürnberg im Jahre 
1904 514. 

Grossbritannien, Gesundheitsdienst im 
Hafen von London im Jahre 1904 516. 

Groth, Statistische Unterlagen der Säug- 
lingssterblichkeit in München 859. 

Grotjahn, Diskussion zu Hirschfeld: „Ueber 
die Veränderung der Mortalität in 
Deutschland in den letzten 3 Jahrzehnten 
und die sich hieraus ergebende Forde- 
rung der Gesundheitspflege* 991. 

Hamburger, Diskussion zu Hirschfeld: Ueber 
die Veränderung der MortalitätinDeutsch- 
land in den letzten 3 Jahrzehnten und 
die sich hieraus ergebende Forderung 
der Gesundheitspflege 991. 

Häufigkeit der Gast- und Schankwirt- 
schaften 624. 

Hirschfeld, Ueber die Veräuderung der 
Mortalität in Deutschland in den letzten 
3 Jahrzehnten und die sich hieraus er- 
gebende Forderung der Gesundheitspflege 
982. 

— Diskussion zu obigem Vortrag 992. 

Italien, Ergebnisse des Heeresergänzungs- 
geschäfts 570. 

9. Jahresbericht über den öffentlichen 
Gesundheitszustand und die Verwaltung 
der öffentlichen Gesundheitspflege in 
Bremen in den Jahren 1893—1903 
1215. 

Jahresbericht über dic allgemeine Poli- 
klinik des Kantons Basel-Stadt im Jahre 
1904 969. 

Juliusburger, Krebs und Lebensversiche- 
rungs-Gesellschaften 319. 

Italien, Berufssterblichkeit 978. 

Italien, Mailand, Bewegung der Bevölke- 
rung im Jahre 1904 und Todesursachen 
im Vergleich zu anderen Hauptstädten 
Italiens 977. 

Königreich Sachsen, Aus dem Verwaltungs- 
bericht des Rates der Stadt Leipzig für 
das Jahr 1903 512. 

v. Körüsy, Die Sterblichkeit der Haupt- 
und Residenzstadt Budapest in den 
‚Jahren 1901—1905 und deren Ursachen 
860, 966. 

Medizinalbericht von Württemberg für das 
Jahr 1903 1214. 

Medizinalstatistische Mitteilungen aus 
australischen Kolonien 1223. 

Medizinalstatistische Mitteilungen aus 
Kopenhagen das Jahr 1904 682. 

Medizinalstatistische Mitteilungen aus 
Norwegen für das Jahr 1903 979. 

Mitteilungen aus dem Medizinalbericht 
es Württemberg für das Jahr 1903 

13. 


Sach-Verzeichnis. 


Mitteilungen aus dem statistischen Jahr- 
buche der Stadt Berlin für das Jahr 
1904 733. 

Neisser, Statistische Unterschiede in der 
Hinfälligkeit gegenüber einzelnen Krank- 
heiten 169. 

Oesterreich. Aus dem statistischen Jahr- 
buche der Stadt Wien für das Jahr 1903 
974. 

Oesterreich. Die Bewegung der Bevölkerung 
der im Reichsrate vertretenen König- 
reiche und Länder im Jahre 1901 94. 

Oesterreich. Krankenanstalten 679. 

Philippinen. Gesundheitsverhältnisse in 
Manila im Jahre 1903—1904 684. 

Preussen. Aus dem Verwaltungsbericht 
des Allgemeinen Knappschaftsvereins zu 
Bochum für das Jahr 1904 1221. 

Preussen. Bevölkerungsdichtigkeit und 
Wohndichtigkeit in den Grossstädten 
92. 

Preussen. Eheliche Fruchtbarkeit in den 
einzelnen Regierungsbezirken 93. 

Prinzing, Die kleine Sterblichkeit des 
weiblichen Geschlechts in den Kultur- 
staaten und ihre Ursachen 964. 

Sanitätsbericht über das Kaiserliche ost- 
asiatische Expeditionskorps vom 1. Juli 
1900 bis 30. Juni 1901 und die Kaiser- 
liche Besatzungsbrigade vom 10. Juni 
1901 bis 30. September 1902 617. 

Sanitätsbericht über die Kaiserliche Ost- 
asiatische Besatzungsbrigade 1902 bis 
1903 1163. 

Sanitätsbericht über die Königlich Preus- 
sische Armee u. s. w. vom 1. Oktober 
1901 bis 30. September 1902 615. 

Sanitätsbericht über die Königl. preussische 
Armee u. s. w. 1902/08 1159. 

Säuglingssterblichkeit und Zahl der Tot- 
geborenen in einigen Grossstädten Euro- 
pas während des Jahres 1904 732. 

Schweden. Geburts- und Sterblichkeits- 
verhältnisse in Stockholm während des 
Jahres 1904 683. 

Schweiz. Bewegung der Bevölkerung wäh- 
rend der Jahre 1896—1900 737. 

Stand der Tierseuchen in Ungarn im Jahre 
1903 263. 

Statistiek der bevolking van Amsterdam 
en eenige voorname steden der wereld 
in de jaren 1899—1903 615. 

Statistisch Jaarboek der Gemeente Amster- 


dam 966. 

Todesfälle bei Kindern unter einem Jahre 
678. 

Todesursachen in Italien während des 


Jahres 1902 335. 

Verwaltungsbericht der Landes-Versiche- 
rungsanstalt Berlin für das Rechnungs- 
jahr 1904 968. 

Verwaltungbericht überdasstädtischeSana- 


Sach-Verzeichnis. 


torium Harlaching-München für das Jahr 
1904 969. 

Weinberg und Gastpar, Die bösartigen 
Neubildungen in Stuttgart von 1873 bis 
1902 619. 

Weyl, Berlins Gesundheit in den letzten 
30 Jahren 964. 


Transportwesen. 


Belli, Hygienische Betrachtungen über 
unterseeische Schiffe 1105. 

Beyer, Einfluss des Radfahrens auf das 
Herz 1106. 

Fossataro, Die Hängematte aus Drahtnetz, 
ein Ersatz des gegenwärtigen Lagers der 
Auswanderer an Bord 1105. 

Peters, Ueber eine neue physikalische 
Behandlungsmethode der Seekrankheit 
1105. 

Plumert, Ventilation modernerKriegsschiffe 
134. 


Tropenhygiene. 


Burow, VII. Internationaler Tierärztlicher 
Kongress in Budapest 1905 220. 

Frankreich. Errichtung eines Instituts für 
Tropenkrankheiten 681. 

Mense, Handbuch der Tropenkrankheiten 
1062. 

Nocht, Ueber Tropenkrankheiten 1003.! 


Ventilation. 
(S. Heizung.) 


Verhandlungen der Deutschen Ge- 
sellschaft für öffentliche Gesund- 
heitspflege zu Berlin. 


Gaffky, Die Cholera und ihre Bekämpfung 
45 


Goldbeck, Ueber einen Wohnungs-Ent- 
staubungsapparat „SystemSchauer“1168. 

Guttstadt, Die Choleraepidemien in früherer 
Zeit 265. 

Hirschfeld, Ueber die Veränderung der 
Mortalität in Deutschland in den letzten 
3 Jahrzehnten und die sich hieraus er- 
gebende Forderung der Gesundheitspilege 
982. 

Juliusburger, Alkoholismus und Verbrechen 
1173. 

Meyer, Hygienische Verbesserung der Ci- 
garrenfabrikation 980. 

Salzwedel, Die Bedeutung der Händereini- 
gung für allgemein hygienische Zwecke. 
788. 

Wickenhagen, Ueber „Schülerrudern* 391. 


1487 


Verordnungen und Gesetze. 


Regierungsbezirk Liegnitz. Polizeiver- 
ordnung betr. den Bau von Gasthäusern, 
Logierhäusern und sonstigen zur gewerbs- 
mässigen Aufnahme von Logiergästen 
bestimmten Gebäuden in den ländlichen 
Bezirken 451. 


Versammlungen. 


Bericht über die Il. Versammlung der 
Tuberkuloseärzte. Berlin, 24.— 26. No- 
vember 1904 363. 

Burow, VIII. Internationaler Tierärztlicher 
Kongress in Budapest 1905 220. 

Chalybäus, Versammlung der Vorstände 
der Deutschen staatlichen Lymph- 
Gewinnungsanstalten 1345, 1398. 

Holle, Bericht über die Verhandlungen der 
Abteilung für Hygiene und Bakteriologie 
während der Versammlung Deutscher 
Naturforscher und Aerzte vom 16. bis 
22. September 1906 zu Stuttgart 1227, 
1290. ° 

XIV. internationaler Kongress für Hygiene 
1046. 

Naturforscher-Versammlung in Stuttgart 
921. 

Zieschć, Hygienisches von der 77. Ver- 
sammlung Deutscher Naturforscher und 
Aerzte in Meran vom 24.— 30. September 
1905 96, 152. 


Verschiedenes. 


Barbieri, Volumetrische Bestimmung der 
salpetrigen Säure mittels vierwertigen 
Cers 677. 

Bericht über Neuerungen auf den Gebieten 
der Pharmakotherapie und Pharmacie 
970. 

Bodin et Castex, Apparcil pour l'agitation 
continue des cultures 141. 

Bürker, Eine neue Form der Zählkammer 
1337. 

Dorn, Baumann und Valentiner, Ueber 
die Einwirkung der Radiumemanation 
auf pathogene Bakterien 731. 

Einhorn, Beobachtungen über Radium 621. 

Einmalige Ausgaben des Auswärtigen 
Amtes 867 

Esch, Zur Erkältungsfrage 259. 

Falkenstein, Die Gicht an sich und in 
Beziehung zu den anderen Stoffwechsel- 
krankheiten, der Zuckerkrankheit und 
Fettsucht 1218. 

Fay, Mensch bewege dich 970. 

Gaethgens, Der Bacillus jasminocyaneus 
und der Bacillus flavoaromaticus, zwei 
neue farbstoffbildende Bakterien 677. 


1488 


Harden, The chemical action on glucose- 
of the lactose-fermenting organisms of 
faeces 141. 

Heim, Hygienische Neuigkeiten von der 
Weltausstellung in St. Louis 861. 

Heinze, Ueber die Bildung und Wieder- 
verarbeitung von Glykogen durch andere 
pflanzliche Organismen 137. 

Holl, Ein Biologe aus der Wende des 
XV. Jahrhunderts. Leonardo da Vinci 
1287. 

XIV. Internationaler Kongress für Hygiene 
und Demographie vom 23.—29. September 
1907 in Berlin 862. 

Internationaler Kongress für Versicherungs- 
wissenschaft 868. 

Jolles, Ueber die quantitative Bestimmung 
der Katalasen im Blute 621. 

Luhmann, Fabrikation der flüssigen Kohlen- 
säure 568. 

Müller, Mein System: 15 Minuten täg- 
licher Arbeit für die Gesundheit 621. 
Neumann, Militärmedizin und Volkshygiene 

568. 

Paschkis, Kosmetik für Aerzte 257. 

Schallmayer, Beiträge zu einer National- 
biologie 1217. 

Schumm, Beiträge zur Kenntnis der Auto- 
lyse 970. 

Sperling, (Gesundheit und Lebensglück. 
Aerzlicher Ratgeber tür Gesunde und 
Kranke 258. 

Swellengrebel, Quelques notes sur la 
morphologie et la biologie du Bacterium 
Zopfii (Kurth) 141. 

Weyl, Zur Geschichte der socialen Hygiene 
567. 

Willimsky, Ueber das Verhalten dera&roben 
Keime gegenüber der absoluten Sauer- 
stollentziehung 1336. 


Wasser. 


Aschoff, Das Verbandswasserwerk Bochum 
1065. 

Beck und Ohlmüller, Die Typhusepidemie 
in Detmold im Herbst 1904. Gutachten 
im amtlichen Auftrage 1262. 

Berlin. Polizeiverordnung über den Rück- 
tritt unreiner Flüssigkeit in die Rein- 
wasserleitung 452. 

Beythien, Ueber ein Vorkommen von Eisen- 
bakterien in Leitungswasser 696. 

Bömer, Beiträge zur chemischen Wasser- 
untersuchung 580. 

Borntraeger, Typhusepidemie infolge von 
Wasserbecken-Verseuchung in Gräfrath 
(Landkreis Solingen) 1066. 

Brouardel et Mosny, Traité d’hygiene, 
publié en fascicules. II. Le sol et l'eau 


Sach-Verzeichnis. 


par A. de Launay, Ed. Bonjean, E.-A. 
Martel, J. Ogier 1250. 

Busch, (iravimetrische Bestimmung der 
Salpetersäure 928. 

— Die Bestimmung der Salpetersäure im 
Wasser 928. 

Christian, Zum Nachweis fäkaler Ver- 
unreinigung von Trinkwasser 1318. 

Croner, Ueber eine Methode, geringe Mengen 
Mangan neben Eisen im Grundwasser 
nachzuweisen 530. 

Debauve et Imbeaux, Assainissement des 
villes. Distributions d’eau 693. 

Dejonc, Vergleichende Bestimmungen des 
Keimgehaltes des Wassers 892. 

Dienert, Des méthodes employees pour 
surveiller les eaux destinées à l’alimen- 
tation et de interprétation à donner 
aux résultats obtenus 815. 

Ditthorn und Gildemeister, Eine An- 
reicherungsmethode für den Nachweis 
von Typhusbacillen im Trinkwasser bei 
der chemischen Fällung mit Eisenoxy- 
chlorid 1376. 

v. Drigalski, Ueber ein Verfahren zur 
Züchtung von Typhusbaecillen aus Wasser 
und ihren Nachweis im Brunnenwasser 
1272. 

Eijkman, Die Gärungsprobe bei 46° als 
Hilfsmittel bei der Trinkwasserunter- 
suchung 695. 

Emmerich und Wolter, Die Entstehungs- 
ursachen der Gelsenkirchener Typhus- 
epidemie von 1901 1264. 

Fehrs, Die Beeinflussung der Lebensdauer 
von Krankhceitskeimen im Wasser durch 
Protozoen 113. 

Feilchenfeld, Diskussion zu Salzwedel: 
„Die Bedeutung der Händereinigung 
für allgemein hygienische Zwecke“ 810. 

Forschungsberichte aus der biologischen 
Station zu Plön 172. 

Frankreich. Aus dem 31. Bande der Ar- 
beiten des Comité consultatif d'hygiène 
publique de France. Jabrgang 1901 

- 146. 

de Gage and Adams, Studies of media for 
the quantitative estimation of bacteria 
in water and sewage 817. 

Gautié, Sur la détermination quantitative 
du colibacille dans les eaux d’alimen- 
tation 581. 

Grünberger und Rotky, Ueber die Ver- 
wendbarkeit der Delphinfilter 532. 

Grundwasserversorgung von Hamburg 736. 

Herzberg, Diskussion zu Salzwedel: „Die 
Bedeutung der Händereinigung für all- 
gemein hygienische Zwecke“ 809. 

Hoffmann, Untersuchungen über die Lebens- 
dauer von Typhusbacillen im Aquarium- 
wasser 180. 

Johnson, Isolation of bacillus coli com- 


-Lentz, 


Sach-Verzeichnis. 


munis from the alimentary tract of fish 
and the significance thereof 817. 

Jordan, The Seli-Purification of Streams 
122. 

Kaiser, Ueber die Bedeutung des Bacterium 
coli im Brunnenwasser 123. 

König, Die Wasserbeschaffung für Deutsch- 
Südwestafrika 1065. 

Lemoine und Grisel, 
apporter aux sterilisateurs 
vapeur sous pression 22. 

Brunnen- oder Kontaktepidemie 


Modifications à 
d'eau à 


1067. 

Marcuse, Diskussion zu Salzwedel: „Die 
Bedeutung der Händereinigung für all- 
gemein hygienische Zwecke* 810. 

Michel, Verfahren zur Bestimmung der 
Geschwindigkeit des Grundwassers 579. 

Müller, Ueber den Nachweis von Typhus- 
bacillen im Trinkwasser mittels- che- 
mischer Fällungsmethoden, insbesondere 
durch Fällung mit Eisenoxychlorid 
1021. 

M’Naught, A note on two varieties of 
bacillus typhosus simulans isolated from 
drinking water 65. 

Nieter, Ueber den Nachweis von Typhus- 
bacillen im Trinkwasser durch Fällung 
mit Eisenoxychlorid 57. 

Orth, Diskussion zu Salzwedel: „Die Be- 
deutung der Händereinigung für allge- 
mein hygienische Zwecke“ 811. 

Otto und Neumann, Ueber einige bakte- 
riologische Wasseruntersuchungen im 
atlantischen Ocean 893. 

Preussen. Berlin. Verwaltungsbericht des 
Magistrats zu Berlin über das städtische 
Strassenreinigungswesen, die städtischen 
Wasserwerke und die städtischen Bade- 


anstalten für das Etatsjahr 1903 
213. 
Preussen. Erlass betr. die Unterlagen für 


die zur Begutachtung kommenden Ent- 
würfe von Wasserversorgungsanlagen 
141. 

Proskauer, Diskussion zu Salzwedel: „Die 
Bedeutung der Händcreinigung für all- 
gemein hygienische Zwecke“ 810. 

Rodelia, Neue Ergebnisse auf dem Ge- 
biete der bakteriologischen Wasser- 
untersuchung 816. 

Salzwedel, Die Bedeutung der Hände- 
reinigung für allgemein hygienische 
Zwecke 788. 

— Diskussion zu obigem Vortrag 811. 

Schäffer, Diskussion zu Salzwedel: „Die 
Bedeutung der Händereinigung für all- 
gemein hygienische Zwecke“ 810. 

Sehorler, Beiträge zur Kenntnis der Eisen- 
bakterien 894. 

Schuhmacher, Probeentnahmeapparate für 
Flussuntersuchungen mit besonderer 


1489 


Berücksichtigung der im Hamburger 
hygienischen Institut in Anwendung 
betindlichen 123. 

Schütz, Der Reinlichkeitszustand künst- 
Is und natürlicher Mineralwässer 
18. 

Senft, Mikroskopische Untersuchung des 
Wassers mit Bezug auf die in Abwässern 
und Schmutzwässern vorkommenden 
Ai roorestiemen und Verunreinigungen 

Sommerfeld, Diskussion zu Salzwedel: 
„Die Bedeutung der Händereinigung für 
allgemein hygienische Zwecke“ 811. 

Stokes, A simple test for the routine 
detection of the colon bacillus in drin- 
king water 818. 

en Ueber die Wasserröste des Flachses 

Ströszner, Typhusbacillen in dem Wasser 
eines Hausbrunnens 180. 

Thiele, Die Herstellung von Anlagen zur 
Wassergewinnung 579. 

Trillat et Turchet, Etude sur un nouveau 
procédé de recherche de l’ammoniaque 
et des sels ammoniacaux applicable à 
la caractérisation des eaux potables 
530. 

Utz, Ueber das Verfahren Frerichs zur 
Bestimmung der Salpetersäure im Wasser 

Vincent, Sur la signification du „Bacillus 
coli“ dans les eaux potables 531. 

Vondran, Ueber das Zerfressen der Blei- 
röhren durch Ratten 1066. 

Walther, Vorschule der Geologie. Fine 
gemeinverständliche Einführung und 
Anleitung zu Beobachtungen in der 
Heimat 693. 

Willson, The isolation of b. typhosus 
from infeeted water, with notes on a 
new process 63. 

Winkler, Ist destilliertes Wasser ein Gift? 
529. 

Wittneben, Untersuchungsergebnisse bei 
dem Vergleich eines neuen Filters mit 
dem Berkefeldfilter 869. 


Wohnungshygiene. 


Baumert, Zum preussischen Wohnungs- 
gesetzentwurf 433. 

Behausungszifler im Deutschen Reich 678. 

Berghaus, Der Vakuumreiniger, ein Appa- 
rat zur staubfreien Reinigung der Wohn- 
räume 771. 

Bianchini und Cler, Vorschlag eines neuen 
Apparates zur Bestimmung des speci- 
tischen Gewichtes von Baumaterialien 
770. 


1490 


v. Esmarch. Die Erwärmung der Woh- 
nungen durch die Sonne 25. 

Fabarıns, Die Bedeutung der Baupolizei- 
ordnung für das städtische Wohnungs- 
wesen mit besonderer Rücksicht auf die 
Stadt Kassel 25. 


Goldbeck, Ueber einen Wohnungs-Ent- 
staubungsapparat „System Schauer“ 
1168. 


Gruber, Tuberkulose und Wohnungsnot 
1140. 

Gutlasehek, Die hygienische Bedeutung 
der Pflasterung mit Chamotteplatten 
712. 

Hamburg. Wohnungspflege 1108. 

Hanauer, Die Arbeiterwohnungsfrage in 
Deutschland am Beginn des 20. Jahr- 
hunderte vom ärztlich - hygienischen 
Standpunkt beleuchtet 1079. 

1. Kongress für Salubrität und Gesund- 
heitspflege der Wohnung in Genf 920. 


Sach-Verzeichnis. 


i 


Olbrich, 
der allgeme: 
kenkasse 1050. 

Paul. Die Wirkungen der Luft bewokt: 
Räume 239. 

Preussen. Bevilkerungsdichtig 
Wobndichtigkeit in den Gross 

Pröbsting, Ein Franzose über das Arbe: 


$ Zweite 
l 
| 
| 
| 
Ä wesen in Deutschland 26. 
l 


Seger und Cramer, Zur Bestimmung ¿7 
Porosität von Baustoffen 771. 

Thörner, Beitrag zur Bestimmung à” 
Porosität von Baumaterialien u.s. w. 7! 


1 


Verlag von August Hirschwald, Berlin N.W. — Druck von I. Schumacher in Berlin 5. 34. 


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