Erinnerungen an Indien.
VOT
Paul Deussen.
EiiMerap ai Mien.
Von
Dr. Paul Deussen,
Professor dcr Unrvcrsjfat Kiel
emer Karte, 10 Abbildungen und einem Anhange
^Oa the philosophy of the Veddnta m its relations to occidental
Metapliysics"
Kiel und Leipzig
Verlag von Lipsius & Tischer
1904
Mit Vofbehalt allcr Reclite
Inhalt.
S<Ite
I Vorbereilungcn 1 — 5
Enghsch Hindostanl Sanskrit. Dcr VcdAnta EmptcWungs
bricfc Dhruxa und Nazar
II Von Marseille nacli Bombaj 6—18
Bucliung in London Gber Land nach Marseille Cmschilfung
Sardinicn und Korsika Messina und Reggio Aufcnlhalt \ or
Krcta Port Said Suczkanal Roles Mcer PankJia Schlafen
au! Deck Kinder Lcbcn aut dcm Schlff TropenkoUer
Aden fndischer Ozcan Ankunft in Dombay
HI Dombaj 19 — 43
Rcisebetten Hotclwescn Rcisckosten MUnisortcn Da'i
mdische Hotel Vcrpllegung m ihm Rcisedicner Lilu
Kastenvorurleilfl Watsons Hotel Treiben vor dim Nicht
liche RutiestOrungen Besuch Eingeborcncr rahrgclegcn-
hciten Auf Malabai Hill Audicnz bci cincm Heiligcn VenI
r4tn Ind sche Lebensweisc und Kleidung Morgcnspazier
gang Morgen aul Malabar Hill Aosllug nach Elephanta.
Leichenverbreonung Semilischcr Typus der Parsi s Schulen
der Parsi s Die TOrmc des Schwcigens Etn allvedisches
Opfer Em tndischcs Theater Erne Theatervorstellucig Em
ladung nach Baroda
IV Von Bombay bjs Peshawar 44 — 95
Abreise von Bombay Einnehtung der indjschen Eisen
bahnen Baroda Furslhche Aufmhme Beslchtigungen Ritt
nach Macka Crosse Cour Sansent College Examen
Kronjuwelen Dhruva s Heim Musikmcister Photogra
phische Aufnahme m Baroda Tahit nach Ahmedabad K1 ma
Indens Pflanzcnwuchs Ahmedabad SamtSre VethaHnIsse
Religi5se Vorurteile Zankendc Weiber De Jamas Teppich
wirkerei Tierhospitaler Schlangcn Pmjra Pol SAdhus
VI
KastcnOmcf Abrcise Ankunit In Jaipur Wandcning diircli
dtc Shdf Cclitc und falsche Askclcn CleplianIcnntt
Amber KrokodilfUtlcmuR Sceicnwandcningsghubc Kffidcr-.'
helrafcn fflr unci gCRcn die Klnifcrhciralcn Professoren-
vcrsammlung Mcme Kasto Patirt nidi Agra Morgen-
stimmuiig Dcr Tflj Mahal IJI fialj NdUi Dcr Yoga Ak-
bars Grabmonument Abcndgcscibchalt bcl LAI Dalj Ndth
Hindnmnhlzcilcn Bddkaucn, Rauchen Lm kostbares An-
denken Indischcr Winlcr lldzmatcnal Die Mohamme-
dancr Die Indische Stadt Spiiurging In Lahore Die Ird-
\all DcrAryisamflJ Dr Slcln Kaschmlrerlnnerungen Der
Indus Hotel In Peshawar, Fort Jimrud Dcr Khaibar-Pass
Independent tribes Colonel Warburton und dcr cingcborenc
Oberst Die Philosophic in Indicn Abfahrt von Peshawar
V. Von Peshawar bis Calculla . . 96—151
Erne verdorbcnc Nacht Die flussv dcs Pendschlb Klima
dcs Pcndschdb Lahore Sanscrit College Absehicd ton
Lahore Atnntsar Mr Sommers Pockengefahr Vipfl; und
CutudrI Delhi SehonsKurdigkeiten Ddhis Vnigebung ton
Delhi Indraprastliam Eine Dorlwohnung Eln indisches
Odchrtcnheiffl Malhurd ond Umgebong Die Kfishrtalegende
Vrmdaban Allen Dettcid Armut dcr Pandits Mathurd
Indische NaivItKcn Dn Ildlicansdcr Die Gha|(a's Krishna’s
Geburtshaus Die Yamsindbrucke MahSban Vorlrag in Ma«
Ifiurd. Lalus Stinden Cawnporc Lalu cnllassen Herrn
Basslers (leim Schauergeschichtcn Die Moschusratte PurSn
Lucknow Die Residency One Opemvorstcllung Ein Ekka
Tonfiguren Fyzabad und Ayodhyd Ayodhyd Alien, Tempel,
Sehcnswurdigkeiten Benares Clark’s Family Hotel Baden
lm Ganges Leichenverbrennung Besuch beim MahSrAja
Mit deni Mahirlja za Bhdskardnanda Svdmin Em Askefen-
heim Das Sansent College Lehrwetse im Sanscrit College
Mittelalterfichcr SCandpunkt Professor Rdmamifra Govind
D&s Die Theosophlsten Colonel Oicott Rundgang mit
Raghunandana Prasdd Tanzmadeften Dree PandJtfreunde
Abschied von Benares Bankipore Fahrt nach Gayd
Bud(3ha-Gay& Eln Sddhukloster Gayd Bankipore Can
dranagaram
, VL Calcutta tind der Htmalaya ... . 152 — 183
Calcutta Jung England in Indien Der BrahniasamSj P L
VH
K Raj Calcutiacr Professorcn Mr Mullik's
— Haus Erne schwcre Silzung Hira Prnsada
^ Em KoWa Der Toddy Auf zum flimihja Die
^TSm^ajabahn Dm Rcgmn dcr Tcra» Korscheoog Bazar
Ooom Darjeeling Land und Leutc des llimShja Der
Buddhismus Dcr Gaurl^ankar Dn nepalcsischcr rrciind
Dcr Kanchmjinga in seiner Herriicljkcit Rfickfalirl Mrs
Davidson und »hr Missionar Ticrschau in Dum Dum Etne
indische Hauslialtung Audienz bci emer Heiligcn Die scchs
Sjslcmc Mcine Kaste Besuch bci Jlvdmnda Vldjdsdgara
Der botanischc Garten Der Nyagrodhabaum Abschicd son
Calcutta Dcr Huqqa
Vll Von Calcutta uber Allaliabad nach Bombay 184 — 203
Von Calcutta nacli Allahabad Professor Tbibaut Mr Gough
Besuch voa Prajdga Das Fort Vorlrag m Allahabad Erne
Lcschallc Indischc Musik Abschicd Ober die Narmada
Indore Uj]3jml Die QiprS ElneSitzung im Dak Bungalow
Frcondlichkeit des Gouvemeurs Alt Ujjayinl Das Haus dcs
Bhartrihan Unset Elcfant Diner bcim Gouvcrncur Padre
Pto Abdul Ankunft m Bombay Der Cosmopolitan Club
Vortrag in dcr Asiatic Soclelj Erne Hochzcitslcier Bcsucli
bei Telang Abschicd von Peterson
Vlll. Von Bombay nach Madras und Ceylon 209—230
Programm der Tbeosophisten Apte in Poona Das Hollfest
Bhandarkar Von Poona nach Madras Dm Sprachen Indicns
Professor Oppert Muckenplage Eine Sanskntkiasse Em
edler Furst Beim MahirSja von Vijayanagaram Tanjore
Trichmopoly Madura Tuticorin Eine ungcmlitliche Boot-
fahrt Ankunft in Colombo Konsui Freudenberg Nach
Kandy Em Buddhistenktoster Heutiger Buddhismus Pera-
demya Eine Theeplantage Der Brotbaum Eine Schlange
Bettelnde Buddhistenmbnche Ceylon und indien
W.. li-A 2yi~-22^
Die Bntannia Zweicrle! Prediger Aden Eine frostlose
Landschaft Suez Abenteoer im Kanal Eine Fata Morgana
Port Satd Der Taygetos Bnndtsi
. . 239—251
On the Philosophy of the VedfUita in its relations to occi-
dental Metaphysics
VIII
Verzeichnis der Abbildungen.
Seite
1 Panorama von Bombay mit dcm llafcn {vom Cfoclc Tower aus) 18
2. Gruppe von Freunden in Bombay 28
3 Strasse in Bombay (Kalkadevi Road) 34
4 Gruppe Junger Parsi-Damcn 38
5 Die Tdrmc des Schwcigens 40
6 Em mil Mmistcrn 50
7 Oruppe mit dem Elefanten (Baroda) 56
8 Der Tdl Mahal (Agra) 76
9 BetUer Im Aufauge cines Asketen 116
10 Em Ekka (.Emspanner*) 126
11 Uichenverbrennung am Da^a^amedha Cliatta (Benares) 132
12 Bajaderen (Tanzmadchen) mit Musikem . . 144
13 Badende im Hughli (Calcutta) 152
14 Darjeeling und der Kanchmjmga 170
15 Der Nyagrodhabaum im botamschen Garten zu Calcutta 182
16 Khandala, eine Reversing Station m den wesUichen Ghatta’s 202
Aussprache
In indischen VVSrlern ist
c, ch wie tsch und j, jh wie dsch
zu sprechen (also Mah&r6dscka, Kanlschinthchlnga) , s ist ein mittlerer
Laut zwischen s (stets schart) und sh (= sch)
Ersles Kapite)
Vorbereituagen.
pvem Wunsche mcmer Freunde wiUfahrend will ich emige
EindrUckc memer Reise nach Indien im Winter 1892—93 hier
aufzeictinen und dadurch auch weiteren Kreisen zugSnglich
machen, tads wed as mir, troti dar Ktirze memes Aufenthaltes
m Indian, infojge besonders gOnsbger Umsiande mOglich
wurde, tiefere Emblicke m das Leben der Emgeborenen zu
tun, als sie sonst dcm Europaer zutad ru warden ptlegen,
teds wed meme Auffassung indischer Verhaltnisse mehrfach
eine von der gewohnhchen abweichende ist, namentlich da
ich mcht wie so viele andere das indische Land und Volk
nur durcli die Augen und Inleressen der Englander ansehe,
auab TMCbt gawoUnt vov dam goldanan Katba das Eitolges
zu knieen und eineSacbe darnm Wr schJecbt zu ba/ten, weif
sie die unterliegende ist
Als es mir endlich mdglich wurde, langjShrige Hoffnungen
zu vewirkJichen, meme akademiscbe Tatigkeit fUr em lialbes
jahr zu unterbrechen und m GesellachaU melner Frau dem
Lande zuzueilen, uelches mir schon seit Jahrzehnten zu emer
Art geisbger Heimat geworden war, da traf mich d/ese glUck-
Uche FUgung mcht unvorbeteitet Von den drei Sprachan,
die man m Indien nOtig hat, Englisch, um mit den GebiJdeten,
Hlndostam, um mil dem Volke, und Sanskrit, um mit den
Deusien Hr nnerungsn an Ind en 1
2
I Vorbcrcitungcn
Pandits, d h den indischen, des Englischen m der Rege!
vdlJjg unkundigen, ]a dasselbc perhorreszierenden Gelehrten
zu verkehren, — war mir und memer Frau das Englische
durch wiederholten Aufenthalt in England gelSufjg Vom
Hmdostani, zu dessen Erlernung die Lehrmittel noch sehr
unvollkommen und, namcntlich m Deutschland, schwer zu-
gcinglich Sind, konnten wir uns erst auf der Reise und m
Indien selbst so viel zu etgen machen, um nachgerade nut
den Leuten auch ohne Vennittlung des Dieners verhandein
zu kGnnen Was endlich das Sansknt betnfft, so war dessen
Studium m den letzten zwanzigjahren so sehr mem tagJiches
Brot gewesen, dass ich hoffen durfte, dasselbe nach einiger
Vorubung jm Lande selbst mebt nur sprechen, sondern auch,
was das Schwerste ist, das schnell und mit dialekiischer
Ftlrbung gesprochene Sanskrit verstehen zu kbnnen, — eine
Hoffnung, die sich durchaus verwirkhcht hat Der bequeme
Oebrauch des Sanskrit aber als Umgangssprache vermag mehr
als leder Empfehlungsbnef in die sonst dem EuropSer so
verschlossenen hOheren Kreise der Eingeborenen emzufUhren
Und nicht nur die GeJehrten von Fach, wie namenthch die
einheimischen Sanskntprofessoren der indischen Universitaten,
sprechen Sanskrit mit grosser Eleganz, nicht nur ihre Zu-
hOrer wissen dasselbe ebenso gut zu handhaben wie bei uns
ein Studierender der klassischen Philologie das Latelnische,
auch die zahlreichen Pnvatgelehrten, Heiligen, Askefen, ]a selbst
weitere Kreise sprechen und schreiben Sansknt mit Leichtig-
keit, mit dem MahSrSja von Benares habe icJi mich wieder-
hoU stundenlang dann unterhallen, Fabnkanfen, Industnelle,
Kaufleute sprechen es zum Teil Oder verstehen doch das
Gesprochene, in jedem kteinen Dorfe war meine erste Frage
nach einem, der Sanskrit spreche, worauf sich denn atsbald
der eine oder andere einsfellte, der gewOhnheh mem FOhrer,
ja ’nicht selten mem Freund wurde Otter gab ich den Bitten
der Eingeborenen nach, ihnen einen Vorfrag zu hallen Dies
4
[ Vorbercitungcn
Namen UpamsIiacTs gesammellen Schlusskapitcl der einzelnen
Veden nach Haltung und Gcsinnung dem Neuen Testamente,
und wie auf dem Neuen Teslamenie die chnsfliche Dogmatik,
so baut sich auf den Upanishads das religiOse und piiilo-
sopliische System des VedSnta auf, welches ich mit zu dem
Besten reefmen muss, was mctaphysischerJiefsinn imLauie
der Jahrtausende unter den Menschen hervorgebracht hat
Jedenfalls bildet der Vedanta filr Indien noch jetzt wie m alter
Zed die Grundhge alles hoheren geistigcn Lebens Waiirend
das niedere Volk an der Verehrung der GOtterbilder sein
Gentlge findet, so wird jeder Hindu in dem Masse, wie er
em denkendes Wesen 1st, zu eiiiem Anhanger des Vedanta
in einer seiner verschiedenen Scliatlierungen und betrachtet
alle Gotter, deren KuUus er seiner Familie tlberlasst, nur als
S>mbo!e des einen, die ganze Welt durchdnngenden und m
jedem Menschen verkOrperten Atmait Die genauere Kenntnis
und entsprechende Hochschaizung dieser Lehre von memer
Seite hat gar sehr dazu beigetragen, die Scheidewand zu be-
seitigen, welche sonst den Europaer von den Indern trennt
nut Verwunderung sahen sie den Fremden an, welcher besser
m ihren heiligen Schriften zu Hause war, als sie es selbst
wohl sem mochten, und mit EnIzUcken Jauschten sie der
Darlegung, wie Europa in der Kantischen Pliilosopliie erne
dem Vedanta auf das engste verwandte Lehre und den diesem
selbst fehlenden wissenschaftlichen Unterbau besitzt
Aber auch an ausseren Ankntlpfungspunkten flir alle Teile
Indiens sollte es uns nicht fehlen Em gUnstiger Zufall hatte
es gefilgt, dass im September 1892, unmittelbar vor unserer
Reise nach Indien, der neunte Orientalistenkongress in London
tagte Hier und in Oxford, wo wir meJirere Tage die Oast-
freundschaft des Max Mliller’schen Hauses genossen, war es
ieicht, eine grosse Zahl Empfehlungsbnefe von Gelelirten,
hOheren Beamten, Offizieren usw, die lange jahre in Indien
Dcr Ve^Anta. EmpfeWangsbricfe. Dhruva und Nazar.
5
gelebt batten, zu crhaUcn, welche zum grbssten Teil benutzt
worden sind \md uns den Zugang lu den gastfreien Kreisen
hochgestedter Englttndcr in Indien mehr ais wir bedurften
erOffnet haben.
Fflr den nHhercn Verkelir mil den Etngeborenen freiiich,
den wir vor allem wDnsclilcn, liHticn diese Empfelilungs-
schreiben oft melir hindcriich als fdrdcrnd sein kOnnen. Hicr
kam uns die frllher gemachle Bekanntschaft zweier Inder 711
Hlilfe, welche uns hundert andcrc im Lande selbst crschlicssen
sollte. Drei Jahre vorlier nSinlich hatle ich auf dem Orien-
talistenkongress zu Stockholm und Christiania die Bekannt-
schaft der bciden dort anwesenden Inder, //. H. Dhruva, zu-
letzt Richter in Baroda.und MansukUlCtl /Vnznrgcmacht, elnes
Kaufmanns, der zusammen mit zwei Brlldern, AtmarCiin und
Utsavluly eln Importgcschaft In Bombay besitzt, wahrend ein
vferter Bcuder, BcharUdl, damals noch die Schulc besuchte.
In Stockholm hatte ich Dhruva und Nazar cingcladen, mich
auf der Durchreise in Berlin, wo jch damals wohnte, zu be-
suchen; sie kamen und haben mich seddem wiedcrhoU durch
Briefe und andere Zusendungen aus Indicn erfreut, deren
Bcantwortung sich verschob, bis ich ihncn schlicsslich durch
eine Postkarte melden konnte, dass ich am 7. November zu-,
gleich mit meiner Frau selbst in Bombay einzutreffen hoffe.
Dieser Ankntipfungspunkt soUle ftir uns von der grDsslen
Bedeutung werden.
Buchung in London Obcr Land nach Marseille
7
schon vollstandig besetzt, und auch das neueste und grOsste
Schiff dieser Gesellscliaft, der Himalaya, welcher, als Exfra-
schiff eingeschoben, am 15 Oktober 2 um ersten Male die
Fahrt nach Bombay machen sollte, hatfe zu unserem Leid-
wesen keine Kabme mehr frei, da doch der Name und die
GrOsse des Schiffes, der Gedanke, noch ungebrauchte RSume
zu bcwohnen, sowie die Erwartungen, die man von diesem
neuen Dampfer hegte, uns den Himalaya als besonders be-
gehrenswert erschemen hessen, und als durch einen Zulall
eine besetzt gewesene und wieder frei gewordene Kabme
desselben sich uns anbot, freihch nur zweiter Klasse, im
unteren Deck und nach Sflden gelegen, da fassten wir nach
langerem Schwanken cinen herzhaften Entschluss, lOsten
sechsmonatliche, von Marseille nach Bombay und zurtlck
von Colombo nach Brindisi giiltige Billets und schneben
uns, nicht ganz leichten Herzens, m der frei gewordenen
Kabme em Ober die zu crwartende Hitze trOstete uns der
Gedanke, dass man ja doch von Suez ab auf dem Deck
scWaferv werde, erne etwas germgere Kost fiel urn so
Nvemger ms Gewicht, als auch die der ersten Klasse auf den
Penmsular-Dampfern nicht gerade bertlhmt ist, und die Er-
wartung, statt mit dem eleganteren Tounstenpubhkum, mit
Geschaftsleuten, Subaltembeamten, Missionaren und dgl fUr
vierzehn Tage zusammen zu sein, war nicht ohne besonderen
Reiz Auch war die Erspamis betrachtlich statt 1600 Mk
in der ersten Klasse kostete das sechsmonatliche Retour-
billet zwetler Klasse fOr jede Person nur 1000 Mk Wir
schatften unser grOsseres GepSck schon in London auf den
HimSlaya und liessen es auf dem stets unruhigen Atlantischen
Ozean allein die Reise um Gibraltar herum machen, waiirend
wir selbst noch einmal unseren Lieben in Deutschland Lebe-
wohl sagten, m Genf emen erqmckenden Tag mit Freund
Oltramare, meinem altesten Schiller in der Philosophie und
im Sanskrit, zubrachten, um dann tlber Lyon nach Marseille
Zweites Kapitel.
Von Marseille nach Bombay.
V^er nach Indien reisen will, namenthch im Herbsle, wo
jmmer em grosser Tounslcnschwarin diesem Lande zu-
strebt, der wird wohl tun, sich drei Monate vorher einen
Platz auf einer der verschiedenen englischen, franzbsischen,
italienischen, norddeutschen, dsireichischen Dampferlinien
dutch Emzahlung des halben Preises zu sichern, wobei die
nach Norden gekehrte Seite des Schiffes, weil kUhler, vor
der sUdhchen den Vorzug verdient, wie auch, aus demselben
Orunde, die hOher gelegenen Kabinen vor denen des unteren
Decks, namenthch da die Fenster der letzteren so tief zu
liegen pfiegen, dass sie nur bei sehr ruhigem Seegange
geSffnet werden dtirfen
Wir batten den besten Zeitpunkt versaumt, und als wir
Ende September 1892 uns in London in Fenchurch Street
und Umgebung, wo die Dampferlinien der verschiedenen
Nationen ibre Bureaus haben, anfingen nach Piatzen umzu-
sehen, da vvollte stch zuerst nirgend etwas Zusagendes
bieten Namentlicb waren die SchHfe der Peninsular &
Oriental Company, welche die enghscbe Post befOrderfe,
am schnellsten fuhr und fOr die sicherste gait, auch keine
Zwischendeckspassagiere aufnahm, sondern nur solche der
beiden ersten Klassen, bis weit m den November hinem
Duchung in London Ober Land nach Marseille
7
schon Vollstandig beseizt, und auch das neueste und grOsste
Schiff dieser Gesellschaft, Ati Himalaya, welchcr, als Extra-
schiff emgeschoben, am 15 Oklober 2 um ersten Male die
Fahrt nach Bombay raachen soUte, hatte zu unserem Leid-
wesen keine Kabine mehr frei, da doch der Name und die
GrOsse des Schiffes, der Gedanke, noch ungcbrauchte Raume
2u bewohnen, sowie die Erwarlungen, die man von diesem
neuen Dampfer hegle, uns den Himalaya als besonders be-
gebrenswert erschemen liesscn, und als durch einen Zu(all
eine besetzt gewesene und wieder frei gewordene Kabine
desselben sich uns anbot, fredich nur zweiter Klasse, im
unteren Deck und nach Suden gelegen, da fassten wir nach
langerem Schwanken cmen herzhaften Entschluss, lOsten
scchsmonatliche, von Marseille nach Bombay und zurtlck
von Colombo nach Bnndisi gUlhge Billets und schneben
uns, nicht ganz leichten Herzens, in der frei gewordenen
Kabine em Ober die zu erwartende Hitze trDsfete uns der
Cedanke, dass man la doch von Suez ab auf dem Deck
schlafen werde, erne etvvas genngere Kost fiel urn so
weniger ms Gewicht, als auch die der ersten Klasse auf den
Penmsular-Dampfem nicht gerade bertihmt ist, und die Er-
wartung, statt mit dem eleganteren Tounstenpublikum, mit
Geschaftsleuten, Subalternbeamten, Missionaren und dgl ftir
vierzehn Tage zusammen zu sem, war nicht ohne besonderen
Reiz Auch war die Ersparnis betrachtlich statt 1600 Mk,
in der ersten Klasse kostete das scchsmonatliche Retour-
billet zweiter Klasse fUr jede Person nur 1000 Mk Wir
sAbaittftjj. uosex aul tien
Himalaya und Lessen es auf dem stets unruhigen Atlantischen
Ozean allem die Reise urn Gibraltar herum machen, wahrend
wir selbst noch einmal unseren Lieben in Deutschland Lebe-
wohl sagten, in Genf eincn erqmckenden Tag mit Freund
Oltramare, memera aitesfen Schakr m der Phdosophie md
im Sanskrit, zubrachlen, urn dann tiber Lyon nach Marseille
8
II Von AtarsciHe nach Bombay
zu eilen, wo wir unsere Ausslattung durch einen auf dem
Scliiffe selir brauchbaren Deckstuh! (erne aus Stroh ge-
flochtene Cliaiselongue) und namenllich durch zwei Sonnen-
hUte aus Kork vervollstandigten Die letzteren sind zwar auf
der Seefahrt QberflUssig, kbnnen aber schon beim Aussteigen
m Bombay niclit ohne Gefahr enlbehrt werden Am 22
Oktober 1892, nachmittags vier Uhr, begaben wir uns m
Marseille an Bord des Himalaya.
Nichts gleicht dem Durcheinander, welches auf emem
grossen Seedampfer wahrend der letzten Stunden vor der
Abfahrt herrscht Kohten werden eingeladen, GepackstUcke
aus- und eingeschifft, der Koch und seme Oeholfen smd
beschaftigt, grosse KOrbe mit Geflugel Oder GemUse zu
ubernehmen, die Matrosen machen sich an dem Tauwerk zu
schaffen, die Kellner haben alle HSnde voll zu tun, um den
mit mancherlei Gepack einstrbmenden und sich gegenseitig
den Weg versperrenden Ankbmmlingen ihre Kabmen anzu
weisen, wahrend Handler und Trbdler das Schiff durch-
schwarmen, um Frtichte, Schmuckgegenstande, Photographien
und allerlei Plunder zum Verkauf anzubieten Endlich be-
ruhigt sich das Gewlilil, Handler und abschiednehmende
Freunde milssen das Schiff verlassen, als letzter der Agent
der Gesellscliaff und der Postbote mit den m der Abschieds-
stunde eifrig geschnebenen Bnefen, die Dampfpfeife erfOnt
einige Male, die machtige Schraube setzt sich langsam und
dann immer schneller in Bewegung, wir verlassen den Hafen,
und bald smd wir im offenen Meere und sehen die Ktlsfe
hinter uns in der Abenddammerung versinken
Es zeigte sich, dass wir wohlgetan hatten, den Dampfer
erst m Marseille und nicht schon m London zu besfeigen,
denn der sclineidende Nordwind, der uns bis nach Oenf als
Bise, bis nach Marseille als Mistral begleitete, hatte auf dem
Atlantischen Ozean als Sturm gewirtSchaftet, derselbe Sturm,
dem die gleichzeitig mit dem HimSIaya von London abge-
Einschiftung Sirdinlen tind Korsfica Messina und Reggio
9
gangene und ebenfalls nach Indjcn bestimmte Rumania an
der portugiesischen KUstc zum Opfer gefallen \var. Jetzt
aber legtc sich der Wind, die nocli bci der Abfahrt \on der
franzOsiscben KUsle aufgereglen Wogen glatteteii sich, und
\Mr behiciten die schOnsle, ruhigstc Sec bis nach Bombay
?im AIs ich am ndclisten A\orgen — cs war Sonntag, der
23 Oktober — • aus der engen KajUte drei Treppen hinauf
aufs Deck klettertc, uni die ozonreiche Sceluft m befen
ZDgen einzuatmen, da sah ich rcchts von uns die lang-
gestreckte KOste Sardintens, links die ragenden Gebirge
Korsikas \on der aufgehenden Sonne beleuchtet licgen
Schon luer machte sich die Kraft der sUdhehen Sonne be-
merkbar, und als ich gegen Abttag, nach der Kirchc, nut
einem leicMcn Hut auf dem Kopfe erne Zeitlang in der Sonne
gesessen, war mir nachher derKopf so eingenommen, dass
jch beseWoss, dieses pis cm Wamungszeichen anzusehen und
mich nicht wieder ohne gehdrigcn Schutz der Sonne auszu-
setren Am nSchsten Morgen m der DUmmerung grlissten
mich rechts die Lichter von Messina mit seinem Leuchlturm,
den ich em jahr zuvor noch bestiegen hade, ohne Hoffnung,
ihn so bald und mit so beglbckenden Aussichten fUr die
nachste Zukunft wiedenusehen, wahrend links die Lichter
des kleinen Reggio uns an ein kQmmerliches und Ubereiltes
Mahl und eine darauf folgende lange Nachtfahrt auf der Eisen-
bahn ermnerten, bei der ich um em Uhr nachts im Halb-
schlafe die Station Cotrone, das ehemalige Kroton, die
bertihmte Pflanzstatte des Pylhagoreismus, hatte ausrufen
bOren Jetzt konnte uns das altes nicbt tocken, und auch
dem Atna nahmen wir es nicht Ubel, dass er sem Haupt
in dichte Wolken gehtillt hatte, nachdem wir em Jahr zu-
vor von Taormina aus im schftnsten Sonnenglanze seme
machtigen Schneefelder und den in krauselnden Wolkclien
aus seinem Krater aufsteigenden Rauch batten beobachten
kOnnen
10
li Von ManciHe nnch Bombay
Hasch cntschwand Slcihcns KUstc unscrn Dlickcn, tmmcr
farbcnrcjclier wurdc das Mccr, immcr glanzender strahltc die
Sonne vom dunkclblauen Htmmcl iicrab, endlich versank sic,
nicM uncrwUnscht, Im N\csllichcnOzcan, imd als wir sie am
nachsten Morgen wicder aus der Purpurglut des Ostcns auf-
stcigcn sahen, dn strcckte slch schon zu iinscrer Linkcn mit
ihrcn herrliclien Bcrgformen die sUdlichc KOste Kretas hin
Ausgczcichnct schlcn sich dcr Himalaya zu bcwahren, und
schon prophczcitc man sich, dass unscre Fahrt die schncllstc
scin ^\erdc, die je nach Indlen gemacht worden, — aber es
sollte anders kommcn Eben hatten wir gcgen Mittag zur
Lmken immcr noch Kreta und zur Rechtcn cine klcine Inset,
vermutiich Klauda, wo das Sclidf des Apostels Paulus, nach-
dem es gegen dcssen Rat Kreta vertassen hatte, ver>
gebens zu (anden suchte (Apostclg 27,16), da geschah das
gSnzlich Unerwartctc die Maschlne, deren glcictimassigcs
Arbcifcn bci Tag und Nacht uns schon zur Gcwohnheit
geworden war, stand ptotzlich still, und elne unheimliclie
Ruhe Irat em Allgemcine Aufregung bemachtigte slch der
Mitfahrenden, allerlei Vermutungen wurden laut, niemand
wussfe etwas Bestimmtes zu sagen, denn aus den Sciiif/s-
offizieren, denen in solclien Fallen Scliweigen PHicht tst
war nichts herauszubekommen Nur so viel war War, dass
der unwillkommene Aufenthalt seme Iriftigen GrQnde haben
musste, denn der Himllaya vexbrauchte, wie mir einer seiner
Offiziere mitgeteilt hatte, taglich 110 Tonnen Kohlen, die
Tonne zu 30 Schillingen, also taghch fflr 3300 Mk, sodass
jeder Aufenthalt sehr kostspiehg war Endlich, nach fOnf-
stUndigem Hammem im Maschinenraume, ging es weiter, aber
xwf ver-OTAoderfer s'iytoss wr exst xiadb elwa
dreissig Stunden abends spat in Port SaTd Anker warfen, wo wir
dann am andem Morgen zum FrOhbade statt des klaren Meer-
wassers erne trllbe Fliissigkeit sich ergiessen sahen Bis
Mittag iagen wir hier still, durch Reparaturen aufgehalien,
Aufenthalt \or Krcta. Port Said Suczkanal
II
sahen uns gegentlber das niittelmassige Hotel, wo wir drei
Jahre frOher tibemachtet hatten» sahen das Treiben auf den
Strassen und aul dem Hafen, ohne dass doch jemand das
Schifl hatte verlassen Oder betreten kOnnen, da wir, weil
von dem cholcraverdachtigen Marseille kommend, iinter
QuarantSne lagen Die einitgen, wciche den Bann braclien
und als sehr unwillkommene Mitreisende stch einstettlen,
waren erne grosse Mengc Fliegcn, die wir erst im Indischen
Ozean nach und nach wieder los wurden Endhch, gegen
em Uhr mittags, ging es von Port Said weifer und in den
Suczkanal hmein Zur Linken Asien, zur Rechten Afnka,
beideiseds flatbes Wfistentand, sowed das Auge reieht, und
dazwischen der Kanal, gelegentlich durch Landseen flihrend,
in der Regel aber nur erne schmale Wassetnnne, doppell
so breil wie das Schilf selbst, bildend, darDber der wolken-
lose agyptische Himmel, um uns die warme, trockne, reine
WUstenluft, bei deren Durchsichtigkeit alle Gegenstande von
energischen Farben belebt erschemen, — das waren die
wesenthchen EindrUcke der Kanalfahrt, wetche auch die
Nacht durch geht, aber doch neuniehn Stunden beansprucht,
da nur langsam gefahren werden darf, auch wohl ein halbes
Dutzend mal gehalten werden muss, um andere Schiffe vorbei
2U lassen, wobei das Schiff, wegen der herrschenden
StrOmungen, jedesmal am Ufer roit Tauen festgebunden wird
Am andern Morgen lag Suez vor uns und die dahinter Iiegen-
den hohen Berge im Westen, alles jn ein wunderbares FrDhrot
getaucht Freilich ist die ganze Gegend vegetationslos, bts
aut die Umgebung des bei Suez mlindenden Shsswasser-
kanals, welche im herrhehsten Grtvn prangt Nach kurzern
AutenthaUe ging es ins Rote Meet hinein, zur Linken konnten
wir den ganzen Nachmittag die zerklutteten Gebirgsmassen
der Halbinsel Smai beobachten, bis deren Sudspitze erreicht
ist, das Meer sich verbreitert und nun sehr bald alles Land
bis auf em paar vereinzelte Inselchen fUr drei Tage dem
12
II Von Marseille nach Bomba)
Augc vOllig entschwjndct Dass man aber m einem ge-
sclilossencn Meere zwischen zwei ungeheuren WUsfenUlndern
durchfaiirt, maclit sicli Uiirch die liter herrschende grosse
Hitze jedem bemerkbar Gtcfch nach Suez legen die
Schdfsoffizicrc ihre dimkle Uniform ab und crsclicinen in
wcisscn AnzUgen, und allcs bccilt sicli ihrcm Beispieic zu
folgen Bei den Mahlzeiten in der KajQte sclnvingt unablllssig
die Pankha, d h liber jedem Tiscfie hlingf, ihn in seiner
ganzen LJlnge begleitend, cm fussbreilcr Streifen von dickem
Zeug, durch Stangen und Angein an der Decke befesfigt,
allc dicse Streifen sind durch Sfricke verbunden, welche auf
Rollen nach aussen Iciten und von dorl, durch ziehende Diener
in Bewegung gesetzt, ziemhch schnell unnnttelbar Uber den
Kbpfen der Sitzendcn hin und her schwmgen und erne Starke
Zugluft veranlassen Ohne Pankha zu essen wlirde kaum
mOghch sern, selbst bei den sonnUgiichen Gotfesdfensfen
begieitet sie mit itircm emtbnigen dumpfen Gcrausch die
Stimme des Geistlichen In den Kabinen war es vollends
nicht auszulialten Em Aufenthalt von wenigen Minufen
genllgfe, um die heftigste, jedeii neu angelegten Kragen so-
gleich wieder entstellende Transpiration hervorzurufen Em
Sclilafen m derselben, obgicich alle TUren, Fenster und
Luken gebffnet waren, wurde nachgerade zur Unmbglichkeif
Zuletzt legte ich mich auf den Boden, die harte Schwelle
der geoffneten TUr als Kopfkissen benutzend, und als auch
so kerne Ruhe zu fmden war, beschlossen wir, den Wtder-
stand des etwas faulen und stets AusflUchte suchenden
Kellners zu brechen, und gaben stnkten Befehl, flir die
nSchsle Nacht unsre Betten nach oben aufs Deck zu
schleppen Dieses Verfahren, so sehr es auch seme Schatten-
seiten hatte, wurde bald von alien eingeschlagen und bis
ans Ende der Reise festgehalten Abends gegen zehn Uhr,
wenn Airs Shakespeare (ewe Offiziersfrau mit drei hubseben
Tbchtern) sich von dem auf dem Verdeck stehenden Pianino
Roles Meer Pankha Schlafen auf Deck Kinder
13
crliob, die tanzenden Paste s»ch trennten, und endhch cine
gewissc Ruhe eintrat, da kamen die Kellner mil den Matrntzen
und Kissen aus den verscliicdcnen Kajllten hcraufgekeuchl,
erne Barnkade aus DeckstUhlcn markierte die Greuze zwiscfien
der Herren- und Damenseite, imd im ttbngeti konnte jeder
sich cm Piaizchen je nach Wunscli, auf den Bdnken oder
daneben, liinter einer KajOtenwand Oder m der frclen Zugluft,
aussuchen, dort sich aiif seme Malrafze strecken und abuarten,
bis das Geplapper versfummie und das eintdnige Aclizen der
Maschine anfmg, sich w seme Traumbilder zu verweben
An ein Ausschlafen war {reilich nicht zu denken Denn
allmorgendllcli urn flln! Uhr erscliicnen mil Eimern und Besen
die schwarzbraunen Malrosen, um das Deck midels ernes
transportablcn Schlauches unter Wosscr zu setzen und
grllndlichst zu scheuern Dann war es ein HauptvergnOgen,
nur von der Patjama (Nachtanzug, bestehend in Hose und
Jacke aus ganz ddnnem WoUstoff) bekleidct mit nackten
FUssen in dem kuhlen Nass spazieren zu gehen, bis gegen
lialb acht nach und nach die Damen auf dem Deck erschienen,
und das Feld geriumt werden musste Em klemer Imbiss,
bestehend aus Thee, Kaffee und Butterbrot, die sogenannte
Cftota Hazin, stand nach indischer Weise schon um 6 Uhr
bereit Um neun Uhr foigte em substantielles FrtlhstUck,
Thee nut Fisch, Eiern, FleiscU u dgl Der weitere Vormittag
wild natUrUch allgemem auf dem Deck zugebracht Die
einen sitzen und liegen auf den StUhlen umher, hier bilden
sich plaudernde Gruppeti, dort sind andere mit Lesen be-
schaftigt, und wieder andere gehen emsig auf und ab, um
dem schhmmsten Ofael einer langen Seefahrt, dem Mangel
an Bewegung, nach Kraften abzuhelfen Freihch muss man
dabei vermeiden, auf die zahlreichen, Uberall umherkrabbelnden
Kinder zu treten Kleine Kinder etwa bis zu sieben Jahren
werden namheh von ihren FaraUien ohne Bedenken nut nach
Indien genommen Werden ste grosser, so mhssen sie in
14
II Von Maiscille nach Bomba>
der Regel nach Europa geschickt werden, da die indisclie
Hitze, vermutlich well sie den Appetit benimmt und den Schlaf
beeintrachtigt, ein gedeihliches Wachstum verhindert Um
zwei Ulir folgte m der zvvciten Klasse das Mittagessen, iim
vier Ulir wieder Thee, um fUnf Uhr war es ein amllsantes
Scliauspiel, dem Abendessen der von ihren Mflttern odcr
Bonnen bedienten Kinder ziizusehen, Jim sieben Uhr foJgJc
das Abendessen dcr Erwachsenen und um ncun Uhr abends
nochmals Thee Die Quantitat war immer ganz genllgcnd,
die Qualitat liess des Gftcren sehr zu wUnschen fibng Erne
besondere Wohltat war das aUczeit sehr hberal gespendete
Eis Dasselbe wtrd in dem unter einem cignen Offizier
stehenden Freezinff Room bcreitct, In welchem bci aller
tropischcn Hitze cinc derarligc Kaitc herrscht, diss, wieman
crzflhlte, cinstnials cm zufaihg in eincm solchcn Freezing Room
cingcschlosscncr Matrosc erfroren sein soil Die Stunden nach
dem Abendessen brachten manclierlei Unlerhallung, gcwOhnIich
emcn Tanz auf dem Deck, gctcgcntlich cm Konzert, zu dem
die andcrc Klasse fcierhch eingcladcn uurde, ]a cmmal ver*'
stieg man sich sogar zu cincm KostOmball mil Masken, di
die nach Indicn (Ibcrsicdclndcn Familicn alien dazu nOligcn
Plunder mit sich fuhren Im ganzen war die Reistgcsellscinft
nicht gerade sehr angcnclim, wcit wcnigcr als auf dem
RUckwege, wo wir tin \on Auslralicn kommcndcs Sclilff
bestiegen und mil Lculcn zusammen waren, die dort litre
Gcschaftc abgcsclilosscn und Hire Erfihnmgcn gtnncht
batten und nun zum Ruhistande oder zur notwendigcn Cr-
holung In die Hcimat zurOckkehrten Im Gcgtnsatze dnzu
bestind das Publikum auf dcr Hlnrclsc ziimclst aus lOngcrcn,
turbulentcn Elcmcntcn Schon hicr maclile sich dcr Obcrmiit
bcmcrkUch, dcr sich des jungen Englanders zu bcmfclitfgcn
pfiegt WLnn cr als Kaufmann odcr angchender Bcimler init
Nnhaitnumasslg hoben Gehaltc nach Indicn gcht Die
jungen Lciite, \on denen das Schiff vollgcpfropfl war, mlt
Uben auf dem Schtff Tropcnkoller Aden
15
jhrem larmenden Trcibcn, kamen mir vor wie Raubvtigel, die
sjch aul jlire BeuJe stQrzen Ihre gerauschvollen Spiele, ihr
Zechen und Tanzen Iiess keine gcsammelle Stimmung, kern
gchaltvoUeres GesprSch aufkommen, die Tnvialitat behielt die
Oberliand Es musste ertragen werden, es ging ja bald
vorbber Nur das wiederholte Stillsteilen der Maschme, auch
wahrend der heissen Fahrt durch das Rote Meer und mit-
unter flir den ganzen Tag, erregle ernslhcbe Bcsorgnis darOber,
wann und wie wir wohl das Ziel erreichen wllrden Endlicli,
nach dreitagiger Fahrt auf dcm Roten Aleerc, nachdem wir
Mekka und Medina mit ihrem Seehafen Yeddo zur Linken,
Suakm mit Massaua nebst so mancher unwirtlichen und
gefahrlichen Gegend zur Rechten, oline von dem alien irgend
etwas zu sehen, hmter uns gebracht batten, erschien links
das kaffeeberUhmte Mokka, und nun duriten wir hoffen, m
Kllrze Aden zu erreichen und aus dem Glutkessel des Roten
Meeres in den luftigen und fnschen Indischen Ozean zu
gelangcn GlUckhch wurde das Tor der TrSnen, Bab el
Mandeb, passiert wo schon so manches stolze Schiff ge>
scheitert :st und hier und da memento mort ciniger aus dem
Wasser hervorragender MaslbSume sich den Blicken zeigte
Vor Aden warfen wir abends spat fUr emige Stunden Anker
und sahen die Gebaude am Ufer und die sonnenverbrannten
Oden Oebirge dahinter im zauberhaften Glanze des Mondes
vor uns hegen Vor dem Schlafengehen auf Deck war ich
noch einmal m meine Kabme heruntergestiegen und hatte
das elektnsche Licht derselben aufgedreht, als ich, durch das
gebffnete Fenster blickend, unmittelbar neben mir ein paar
schwarze Gesichter mit gianzenden Augen und schneeweissen
Zahnen auftauchen sah Es waren SomaUneger, welche, unter
dem Schutze der Nacht der Quarantane Irotzend, m ihrem Boot
an das Schif! herangefahren waren und durch die wenige
Fuss liber dem Wasserspiegel liegenden Kabmenfenster allerJei
Kunositaten zum Kaufe hereinreichien Ich kaufte zu massigen
16
II Von Marseille nach Bombay
Preisen eine Flasche aus buntfarbigem Stroh und ein statt-
liches Antilopengeweih, deren ich mich spater durch Ver-
schenken entledigte, nachdem ich sie noch eine Weile mit
mir m Indien herumgeschleppt hatte
Dec nachste Morgen fand uns in dec fceiecen Region
des Indischen Ozeans Links begleiteten uns noch einen
halben Tag, immer mehr zurCickweichend, die schOngeformten
Berge der SUdkUsfe Arabiens, dann verschwand for siefaen
Tage lang alles Land Ein beruhigendes Geftihl war es, dass
der Himalaya die Postsachen nach Indien nicht an emen
anderen der zwischen Aden und Bombay verkehrenden
Dampfer abgegeben hatte, wir schlossen daraus, dass man
trotz der gehabten und noch zu erwartenden Verspatung
mit Sicherheit die Post wenigstens vor dem Verfalltermine
in Bombay einzubrmgen hoffen durfte, da fUr den entgegen-
gesetzten Fall die Gesellschaft eine sehr hohe Konventional-
strafe zu zahlen hat Im (ibrigen fuhr man langsam und
immer langsamer, und wiederholt musste der Dampfer
fur emige Stunden stilJgeJegt vverden, wflhrend der Ozean
m Spiegelglatte urn uns lag und zahlreiche Haifische das
Schiff umspielten und gierig nach den KUchenabfallen
schnappfen Eines NacbmiMags, als wir wieder einmaJ gerade
still lagen, amllsierten sich die sportlustigen Englander, mit
einer in einen grossen Haken auslaufenden Ankerkette, an
die man ein Stuck Fleisch befesligt balte, nach Haifischen
zu angeln, und wirklich gelang es, ernes dieser UngetUme
an Bord zu zielicn Es schlug beim Heraufwinden so furcht-
bar mit dem Schwanze urn sicli, dass derscJbe abgehackt
werden musste, ehe man den Fisch aufs Deck zu bnngen
wagte Da lag nun das Alojastruni. woh! mehr als sechs
Fuss lang und dick wie ein gemtlsfeles Scliwein, und fjng
erst nach und nach an sich zu bcruliigen, umstanden In
respcktvoller Entfernung von der Corona der ncugicrigcn
Zuscintier Sclion Intte man ihn ausgcweidef, dis fkrz.
Indischcr Ozean Ankunfi m Bombay
17
nicht grosser als eine Taschenuhr, gmg, immer noch palpl-
tierend, \on Hand zu Hand* und Irolzdem hatte das Unge-
heuer noch Lebenskrah genug, sich zuweilen von clner Sedc
aul die anderc zu wSlzen, zum Entsetzen der zurClck-
v/eichenden Zuschauer. Endhch lag der Hai lot und regungs-
los da Man zog ihm zum Andcnken em grOsseres Stuck
Haul ab und wollte den Rest dem Mcere vviedergeben, da
traten cinigc Neger aus der ScliHfsmannschaft lienor und
erbaten sich das Flcisch als Geschenk Geme wurdc dies
bewilligt, und sic schlcppten den Fisch davon, uobei man
SIC in ihfcm Ncgerenghscli sagen hOrle ^.Hai frisst Neger,
warum soil nicht auch Neger fressen Hai?“
Unter diesen und ahnlichen Bclustigungen verging die
Zeit, bis wir endhch am Sonntag, dem 6 November gegen
Mittag im Osten die hochragenden Kamme des Ohatla-
Gebirgcs auftauchen salien Wenige Stunden spater ver-
wandcUe sich das azurne Blau des Ozeans in cm schmutzigcs
Gclb, immcr deuUichcr erschicnen links die Villen von
Malabar Hill und vor uns die palmenumgebencn TUrmc und
Prachtgebaude von Bombay, gegen Abend umschifften wir
Colaba Point und warfen Anker m dem mcilenbreiten Hafen
von Bombay, der im Westen vom oUnen Ozean durch die
machtige Landzunge oder Insel getrennt ist, auf der die Stadt
Bombay Iiegt Bald waien wir von Dampfbarkassen Segel-
booten, deren hoh^ Rahen aus Bambusrohr bis auf unser
Deck ragten und allerlei anderen Fahrzeugen umschwarmt,
und nun entstand bei herembrechender Dammerung auf dem
Schdf ein unbeschreibhches GetUmmel Beamte vom Lande
und Kommissionare der Hotels, Bootsleute und Gepack-
trager und zur BegxUssung heraufkommende Freunde, dazu
die 340 Passagiere des Schiffes nut ihren GepackstUcken
und die 361 Angestellten, welche die Bemanniing des Schiffes
bildeten, vom Kapitan bis herab zu den untersten Aufwartern
Hcvzern und Kohlenschleppem, alles das wogte und larmte
Deassen Eriatteningen aa ladl«a 2
Sc te 13
Panorama von Bombay mil dom iWen (vom Clock Toner aits)
Dritlcs Kapilel
Bombay.
‘\^atson’s Esplanade-Hotel, in dem wir ftir cinigc Woclien
unsren Wolmsdz aufschlugcn. gilt fUr das erste Hole! m
Bombay und ist ernes der grdsstcn, uenn niclit das grOsste,
m ganz Indian Es fiat aber, wic so vicics in Bombay und
Calcutta mit ihren nation Dcztcliungcn zu Europa, kcincn
so ausgepr2gt indiscfien Typus wic die zwanzig bis dreissig
weitcren Hotels, die wir spatcr in alien Teilcn Indians bc-
wohnt liaben, und von denen cine kurze Charnkteristik Jiier
lolgen mag Vorausbemerkt sei, dass wir grundsaizlich,
schon aus GesundheitsrUcksichtcn, immcr im ersten Hotel dcs
Orts abstiegen HUuftg (cetlich war dies zugleich das einzige,
und manche Orte, wie Ujjaymt (Uijain), Gayd und andre,
waren ganz oline Hotel In diesem Falle pflegt die Regientng
em Absteigehaus, Dak Bungalow (Postliaus) genannt, zu iinter-
halten, in welchem man Anspruch auf em Zimmer mit Belt
fUr eine Rupie (damals 1,25 Mk, jetzt 1,33 Mk) die Person
hat, mit der Bedmgung, in dcr nachsten Nacht das Zimmer
zu rSumen, wenn em Neuangckommener, der soiist nicht
unterzubnngen ist, dasselbc bcanspruchen solUe In der
Regel jedoch ist man dcr einzige Cast des klemen Hauses
Die Emrichtung der Zimmer ist ganz pnmittv, die Bctten,
m der Regel msektenfrei, smd mittelmassig, wenn aucli lange
20
it! Bomb3}
nicht so schlecht wie m Griechcnland, und meistens oline
MOckennefz, welches man daher wohl tut mit sich zu fohren
Die Oberbetten, d h Kissen, dicke Steppdecke als Unter-
lage (Razai) und Reisedccke zum Zudecken fuhrt jeder
Reisende zusammengerolH als GepSckstUck mit sich, da sie
weder auf den Eisenbahnfalirten, noch in den Hotels, viel
weniger m den Dak Bungalows entbehrt werden konnen
Mitunter smd die ZimmertUren der letzteren ohne nchtig
funktionierende Scliliessvorrichtung, so in Amritsar, wo uns
nichts Qbng blieb, als die TUr mit unseren sSmtUchen
Gepackstllcken zu verbarnkadieren Die Verpflegung in den
Dak Bungalows tsl meist sehr mittelmassig Em Koch oder
der Verwalter selbsf tiefert die Mahizeiten Die Preise dafilr
Sind von dec Regierung vorgeschneben, aber die Qualit&t
htingt von der Fahigkeit, dem guten Willen und dem Ehr-
geize des fast ausnahmstos mohammedantschen Koches ab
Gelegentlich kam es vor, dass er uns auf die Empfehlung
ernes befreundeten Einwohners hm em recht gutes Alahl
lieferte, aber oft trafen wir es auch anders, wie noch zu
benchten sein wird Ungefahr auf gleicher Stufe mit den
Dak Bungalows stehen die Refreshment Rooms der klemeren
Eisenbahnstationen, auf denen man auch an Orten, wo kein
Dak Bungalow vorhanden oder ein solches zu fern hegt, im
Waiting Room libernachten kann 1st dasselbe scfion beselzt,
so stellt der gefalhge Station Master wohl auch emen Eisen-
bahnwagen zur VerfUgung Beides geschieht unen^effficft,
ist aber doch wenig zu empfehlen, denn der Larm des
Rangierens hflrt selten auf, und wenn em Zug spat abends,
frilh morgens oder m der Nacht faint, so kommen stunden-
Jang vorher dJe Emgeborenen in grossen Scharen und
hocken nach indischer Weise in schwatzenden Oruppen
auf der blossen Erde um das StationsgebSude herum,
die Luft wird sehr schlecht, und der Larm ist kaum aus-
zuhalten
Retsebetten Hotclwcscn Reisel^oslen Munzsorfen 21
Indessen kommt man selten in die Lage, von diesen
NotbeheUen Gebrauch zu machen, da an alien besuchteren
Often ganz gute, fast durchweg von Iinglandern gelialtene
Hotels bestehen Hire Preise smd sehr mllssrg Wie in
Spanien, PalSstma und Agypten, bestebt die Sitte, dass man
die Pension ftir den ganzen Tag nimrnt Diese betrug ftlr
Zimmer und drei reiclihche Mahlzeiten* nut Ausnahme von
Bombay, Calcutta und Darieeling, in den ersfen Hotels me
weniger und me mehr als Itinf Rupien (gleicb 6,25 Mk, jetzt
6,66 Mk.) Diese Gleichmassigkeit d^s Prcises maclit es
mbgbcb, die Kosten emer Reise nach Jndien iiemUch genau
voraus zu berechnen Das sechsmonatbche Retourbillet, die
Bekbstigung embegnffen, betragt II Klasse 1000 Mk, die
Eisenbahnfahrt durch ganz Indien 1 Klasse ungefalir 500 Mk,
vier bis fdnf Monate Hotelleben werden sich auch auf tausend
Mark belaufen, und rechnet man hierzu 500 Mk flir Getranke,
Gepack, Wagen, Trmkgelder und Diener, so ergibt sich,
dass man die Reise nach Indien bei sparsamer Einnchtung
mit 3000 Mk und bei hbheren Ansprticlien mil 4000 Mk ganz
bequem untemehmen kann Als Reisegeld dient ein Kredit-
bnef, auf den man, wie m alien grbsseren StSdten Europas, in
Bombay, Calcutta, Madras und Colombo Geld erheben kann
Die landesUbliche Atdnze ist die Rupie, em SilberstUck m der
Grbsse von zwei Mark, welche in Indien m 16 Ana’s in Ceylon
in 100 Cents zerfflllt Die Ana zerfailt weifer m vier Paisas
(Kupferstucke von der GrOsse eines $ou), die Paisa m drei
Pie’s, und als klemste MOnze kursiereO von alters her kleine
Muscheln, auf Sanskrit Kapardtka, jetzt Kauri genannt, deren
man mir auf dem Markte zu Benares fUr eine Paisa achtzjg
einwechselte, was auf die Rupie 5120 Stock machen wOrde
Gold kommt nicht vot, liingegen hat man Banknoten zu 10,
25, 50, 100, 500 Rupien und hOhef. ja auf der Bank m
Lahore habe jch selbst eine Banknote von 10000 Rupien
in Handen gehabt, w elche sich von den Zehn-Rupien-Schemen
22 in Bombay
kaiim anders als durch den Aufdruck der Summe unter-
schied
Das indisclie Hotel kegt m der Regel, wie alle besseren
Wohnungen, ausserhalb der engen Eingeborenenstadt an einer
sehr breiten und wohlgepflegten Landstrasse, und ist, wie
alle dort liegenden Pnvat- und Geschaftshbuser, von einem
geraumigen Garten umgeben Das Hotel ist gewOhnIich
emstbckig, der grosse Speisesaal Iiegt in der Mjtte, kllhl,
bisweilen sehr dunkel, urn denselben herum die Schlafzimmer
mit EingSngen, sowohl nach detn Speisesaal als auch nacli
aussen ms Freie fUhrend Um die Schlafzimmer herum auf
der Aussenseite lauft erne Veranda, auf der die mitreisenden
Diener zu schlafen pflegen Bei kaltem Wetter wickeln sie
Kopf und alles dermassen in die mitgefQhrten Decken ein,
dass sie einem langen, vollgesfopften Sacke gleichen, den
man nur an dem kr^ftigen Schnarchen als cinen vermummten
Menschen rekognosziert Die Schlafzimmer sind meist sehr
geraumig, die Mbblierung ist dUrftig, Gefasse und Ttlcher,
wie alles in Indien, all und verschlissen Zu jedem Schlaf-
zimmer gehOrt ein eigner Nebenraum mif Waschtisch, Bade-
vornchtung und sonstiger Bequemlichkeit versehen, welclier
ausser von dem zugehOrigen Schlafzimmer nur noch von
aussen von dem Wassertrdger und dem Sweeper befreten
wird, die jeden Augenblick bei der Hnnd sind, alles nacli
Gebraiich soglcich wleder m Ordnung zu bringen Die
Badevorrichtung bestelit sellen In einer Wanne, meist nur
m einer cenientierten Fiachc mit crliOIitcm Rande und
einer Offnung nacli aussen, wcichc gegen Schlangen mit-
iintcr durch cm Sieb geschUbt ist Glasfenster sind sparlicli
und felilcn stellenweisc ganz Die Glashbrikalion «ar, ine
nnn uns \ersichcrtc, m Indien noch niclit eingcfOhrt Auch
alle Flaschcn stammen aus Europn, und oft konnte man auf
der Slrasse einen Hlndler sehen, welcher alle Artcn gcbnuchtcr
riaschen (Or Wein, Bter, LImonadc iisw, wolil assortlcrt ftil
Das wdische Hotel VerpHcgurg in l^m.
23
boL Die Tflrcn entbehrcn, ■>Me schon bemerkt, fast immer
der SchlOsser; an ihre Stelle fretcn grosse eiscme Riegel,
nach aussen wic nach mnen Man kann also bcim Ausgehcn
scin Zimmer schliessen, nlchl aber so, dass cs nicht ]eder
DUnen kCnnte Dennoch ist die Sicbcrheit in Indien ctnc
grosse, zumal jedes Haus bel Tag und Nacht niehr Oder
%veniger %on Diencrschaft umlagert zu sem pflcgt
Die Verpflegung in den Hotel*; isl mcisl sclir reicblich
und gut, und viel grosser als die Gefalircn von Ttgcrn,
Schlangen, Sonnenstich usw isl die Oefahr, durch zu Dppige
Nahrung seiner Gcsundheit zu schaden, zumal wenn man,
wic die Englander, tagWghch semen Whisky mit Soda tnnkt
und dabei den Zusatz des letztcren Elcmcntes mOgliclist
bescbrankl FranzDsischcr Rotwein und weisscr Rheimscm
Sind Qberall. die halbc Hasche zu P j Rupicn, zu liabcn,
cine halbc Flaschc baynsch Bicr kostet erne halbc Rupic.
Am bcslen cnlhait man sicli bcj dem hcisscn Klima aller
alkohotischcn Gctrankc, wtr nahmen zu den Mahlzcitcn in
der Rcgel nur Brausclimonade und haben uns sehr wohJ
dabei befunden Die Mahlzcitcn smd aiinhch wic schon auf
dem Schiifc morgens bcim Aufstchen Cliota Hfizin (Thee
und Butterbrot), welches dcrDiencr ins Schlafzimmer bnngt,
zwischen neun und zchn Uhr cm opulcntes FrUhslUck mit
Thee und allerlei Fleischgangcn an der Wirtstafcl, mittags
em Uhr eben daselbst Tiffin, das cnglische Luncheon, niit
verschiedenen kaltcn Fleischgangcn, und gegen Abend eln
reichhches Diner, beslchcnd aus Suppe, Fisch, Fleisch,
GeflDgel, GemQse, sUsser Speisc und dgl Bei kciner Mahl-
zeit fehU das Obst im Winter meist Bananen und Apfelsmen,
zuletzt m Ceylon Anfang Marz erschicnen auch Ananas und
die kOstlichen Mango’s, eine Art Pfiaume von der GrOssc
ernes GSnseeics, welche man durch zwei Querschnitte zu
beiden Seiten des Kerns in drei Stlicke zerlegf, um dann
mit dem LOffel das saftreiche gewUrzige Fleisch auszuschOpfen
24
717 Dombaf
Was am mcisten sn den indisclien Hotels zu wUnsclien
Ubng lasst, ist die Bedienung Zwar sInd Diener bei Tisch
utid aucli for die Zimmer in reiclihdier Anzahl vorlianden,
aber sie smd wenjg daran gewDhnt, fUr den Fremden zu
sorgen, da fast jeder semen cignen Diener auf Reisen mit
sich fulirt Ein soldier erhait monatlich etvva 20 Rupien,
woftlr er sich selbst (dcidet und bekOsfigt und doch woh(
noch die Halfte ersparen und seiner Familie sducken kann
Ausser diescr Gage bezalilt man for ihn nur nodi das Eisen-
bahnbillet dritter Klasse, welches erstaunlich billig ist, etwa
ein Siebentel der ersten Klasse koslet und ftir wenige Rupien
von einem Ende Indiens zum andem In eincr freil/cli nidit
beneidenswerten Zusammenpferchung befiJrdert Em solcher
Diener ist sehr nlttzUch, la dem Neuling ganz uncntbehrlidi
Er kennt m der Regel ganz Indien, vcrmittelt den Verkelir
nut den Eingeborenen, besorgt Wagen und Gep&cktrSger
und hilft bei Einkaufen, wobei er freibch vom VerkSufer
seme Provision ganz often beansprucht und erhait Auf
der Eisenbahn besorgt er Erfnschungen, macht abends die
Betten zurecht und roltt sie morgens wieder zusammen
In den Hotels macht er im Zimmer die Betten und bedient
semen Herrn bei Tische, wobei er ganz ungeniert in der
Kilche em- und ausgeht und das Besfe fUr seme Herrscliaft
zu erlangen sucht Nachts schlaft er auch bei der Winfer-
kalte, die freilich nicht gross ist, im Freien auf der Erde
vor der TUr seines Herrn und ist morgens auf dessen ersten
Ruf bei der Hand Er begleitet diesen auf semen AusgSngen,
zeigt sich mit alien Verhahmssen verfraut und spncht em
gebrochenes, mitunter sehr drolliges Englisch Dies ist
das Ideal ernes indischen Reisedieners» hinter welchem die
WirkUchkett at/erdmgs off erhebfich ztirtickbleibl
Wir batten versaumf uns durch Freunde oder andre
vertrauenswUrdige Personen emen zuverlassigen Diener
besorgen zu lassen, und trafen es infolgedessen nichf sehr
Reisedicner Ulu Kastemorurtcile
25
glnckljch Schon bei unsercm Eintritt in Watson’s Hotel
machte sicU cm sauber m EmgcborenentracUt gckleidctes
Individuum mit uns zu schaHen, iflhrtc uns in unser Zimmer
ein und wich scitdem nicht mchr \on uns Zs war Lalti,
unser erster Relsediener Wir liielten dm anfangs for eincn
Bediensteten des Hotels und durcliscliauten die Sachlage
erst, als seme Vcrdicnste m dcr Bcmdhung urn unser Wohl-
sein so gross gewordcn Niiaren, dass es mir imbdhg schien,
dm ohne trdtigen Grund zu verabsclncden, der sicli dann
im Verlaufe der Reise cmstellte, wie noch zu benchten sein
wird Was mich fUr Lalu besonders cinnahm, war dcr
Umstand, dass cr kein Mohammcdaner, sondcrn cm wirk-
licher Hindu war Ich bbcrsah, dass sich zu Dienern der
Europaer nur die aUcrniedngsten Hasten der Hindus her-
geben, welche von den hoheren Hasten mchr noch als
Chnsten und Mohammedancr gcmicden werden Unser
Lalu durftc es nicht wagen, das Haus unserer Hmdufreundc
zu bctreten, denn cm allgememer Hausputz ware die not-
wendige Folge der Verunreinigung gewescn, in welche seme
blosse Gegenwart das Haus gebracht haben wllrde Einer
Bertlhrung mit dem ganz sauberen und htlbschen Burschen
wichen alle angstlich aus Ernes Tages sass ich mit meinem
Pandit Venirara, zu Bombay m memem Hotelzimmer und
hatte Sanskrit-Konversationsstunde, wdhrend Lalu sich im
Zimmer hm und her mit Aultaumen zu schatfen machte
Es iiel mir auf, dass dcr Pandit angsllicli urn sich blickte
und hm und her rDckte Auf meme Frage, was es gebe,
erwiderte er „Wenn jener Mensch mich berDhren sollte,
so kSnnte ich mem Haus nicht betreten, olme vorher ein
Bad genommen und alle meine Kleider gewechselt Oder
gewaschen zu haben “ — Diese Furcht der orthodoxen
Hindus, dutch Berlihrung mit cmm verunremigt zu
werden, erstreckt sich eigcntlich auch auf alle Europaer,
da sie im Pnnzip sSmthch ^Qdras smd Indessen hat die
26
)II Dcunbs^
Maclit (Icr Gev.ohnlici( so wcit gcsicgt, dass fast allc Hindus
dem Europacr ziir DcgrQssting die Hand rcichcn, sclten
gcscijali cs, dass sic ihrc H3nde zurflckhieltcn j^ngsd/cijcr
smd darin die wcnigcr atifgekiarfcn Kreisc, namentlich die
Weiblcin, wclchc gcwObnlicIi, wcnn man ilinen in den cngen
Strassen bcgcgnet, ihr Gewand fester Ober Gesicht und
Biiscn zusammcnzichcn und den Curopfler in vorsicfifigem
Bogen zu umgelien pflcgcn
Doch nun zurtlck zu Watson’s Hotel, welches sich von
den oben gcschildcrtcn Hotels dcs iiincrn Indiens haupt-
sachlich dadiirch untcrschcidct, dass cs cinen mehr europS*
isclien Eindruck rmctiL Frel gclegcii in der schOnsten
Oegend Bombajs, in der Nahe der grossen Regierungs-
gebaude und dcs Mccrcs, maclit es mit semen vicrzelin
renstern in der Front und aclit m der Breite, vier Stock-
werke hoch sich auftUrmend, von aussen wic von innen
emen stattliclicn Eindruck Im Erdgcsclioss sind Laden,
Post und die Bureauraume, cine Treppe hoch befmden sich
die grossen Speisesaie, In denen Sommer wie Winter
die Pankha liber den Hauptern der Spcisenden schwingt,
die FlOgelttlren weit geOffnet nach ciner grossen Terrasse
hm, auf der man, nach Tisclie semen Ksffee cmnehmend,
unten auf dem freien Platze vor dem Hotel das bunteste
Bild orientahschen Lebens tun und her wogen sieht Da
Sind Hindus aus alien Hasten und alien Gegenden Indiens,
dem Emgeweiliten nach Stand Gesch&ft und Heimat sofort
an der Kleidung erkennbar, da smd Parsi’s, Mohammedaner
und Europaer, Halbkasten, Juden, zum Christentum Ober-
getretene, alle durch ihre Tracht charaktenslisch unter
schieden Auch fehlt es nie an Schaustellungen, Schlangen-
bandiger, Menschen mit Affen Hunden und anderen Tieren
produzieren sich unter dem Klang der Trommel und dem
Rasseln der GeldbUchse, in der sie die von oben ihnen
zugeworfenen Silber und KupfermOnzen sammeln
Watsons ttotcl Trtibcn vor ihm NacUUiche RuhestOningen 27
Trotz dieser vielen UntcrhalUingen, trolz der schOnen
Lage, der komlortabeln Einnchtung und der vorzDglichen
KDche, kann man njcht sagen, dass der AufenlhaU in
Watson’s Hotel ein bcsonders angenehmer gevvesen ware.
Es war em cwiges Kommen undGehen, jedeWoche, wenn
ein neiier Dampfer von Europa ankam, Itllllc sich das Hotel
vx\i utirulugen Gasten, die dann wenigc Tage darauf wieder
verschwanden, um landcinwaris in fahrcn Sclbst nachts
woUte kerne rechte Ruhe einiretcn Das war ein unaufhOr-
Uches Trampeln auf den Komdoren, Werfen der TUrcn,
lautes Rufen nach dem „Boy“ (so pflegen die Englander
den Diener zu nennen), bis Mittcmacht und noch spater
Schloss man die Tlir des ScWafzimmcrs und dffnete nur die
grossen FlQgelfensler, so war cs, bei dem Mangel an Zugliift,
die Hitze (in derNacht meist 20**, bei Tage 25" R), welclic
das Einsclilafen erschwerte, btfnctc man Tdr und Fenster
so weit wie mOglich, so wurde man durch das Schwatzen
Oder Sclinarchen der Dicncr auf den Korridoren und die
RUcksichtslosigkeit der Gaste tmmer wieder aufs neue
geweckt Wir zogen es daher vor, bei unserem zweiten
Aufenthalte in Bombay, namentlich auch um unseren Freunden
naher zu sein, in emem Klub der Evngeborenen Wohnung
2 u nehmen, woven noch zu benchlen sem wird
Wir waren kaum zwei btunden im Hotel, als em halbes
Dutzend Eingeborener uns zu sprechen wllnsclite Zwar
unser einziger Bekannter in Bombay, MansukhlS! Nazar, war
nach Calcutta gereist, wo wir ihn spHter trafen, aber er hatte
seme Brtider, den wUrdigen, gesetzten AtmarSm und den
liebenswliidig heiteren UtsavlAl bcauftragt, fDr uns zu sorgen
Sie erschienen, begleitet von emem indisclien Pnnzen, Baldevi,
der zwar ebenso wie die anderen in europSischer Kleidung
auftrat, nur dass sem Haupt von emem mSchtigen Turban
bedeckt und seine Finger und Ohren mit kostbaren Ringen
28
III Boniba>
geziert waren Da er des Englisclien niclit hinreichencl
machtig war, um der Unterhaltung zu folgen, so pflegte er
sich mit Kauen des TambQlam zu beschaftigen, dessen ver-
schiedene Ingredienzien er in einer grossen, stlbernen Dose
immer mit sich fuhrte Ihm folgten sem junger Neffe und
emige andere Personen, sodass unser Wunscii, in Verkelir
mit den Emgeborenen zu treten, sogleich in schbnster Weise
m ErfUllung ging
Es wurden nun zunSchst die Empfehlungsbnefe nach
Stadten geordnet, die ftlr Bombay bestimmten herausgeliolt,
die Gelegenheit der verschiedenen Besuche besprochen, allerlei
Ausfltige projektiert und inleressante Personen bezeichnet,
welche unsere Freunde uns zuzufilhren verspracben Im
ganzen lieben es die Emgeborenen niclit, dass man sie in
ihren Wohnungen besucht, teils weil dieselben oft etwas
dUrltig ausgestattet sind, teils nocb aus einem Reste von
religioser Bedenklichkeit Um so bereitwilliger sind sie, den
Fremden im Hotel aufzusuchen, und so verging kern Tag, an
dem wir nicht morgens und nachmittags einen Kreis von
Emgeborenen um uns gehabt batten Manche waren europatsch
gekleidet, die meisten, namentlich die Pandits, erschienen in
emheimischer Tracht Den Turban oder sonstige Kopfbe-
deckung pflegen sie me abzusctzen, schon well dabei aus
dem. Ubngens kurz gescborenen, Haare eine lange Locke, die
aus religibsen GrQnden getragen wird, herunterfallen wUrde
Hmgegen ziehen die national Gekleideten ihre Schuhe stets
vor der Tllre aus und erschemen im Zimmer m StrUmpfen
Oder auch mit nackten FOssen Da sie gewobnt sind, aiif
dem Boden mil untergcschtagenen Bemen zu hocken, so ist
ihnen das Sitzen auf dem Stuhle nicht sehr bequeni, und oft
konnte ich beobachten, wie sie, im Laufe der Unterhaltung,
em Bern nach dem andern in die HOhe zogen, bis sie beide
auf der Sitzfiache des Stuliles zu der ihnen gcuohntcn,
Padmisanam genannten Stellung in einander schlugen In
Selte 28
Bcsuch Dngeborcncr Bomba> rahrgclcgcnhcltco
29
der Unterhaltung sind sie Icbhaft und angenehm, sietswiss-
bcgieng, naiv imd mitunter geistrcjclj Sind ihrer vielc zu-
sammen, so wird das GesprSch leicUt dberlaut und gelit schr
durchcmander
Dne ScUdderung von Bombaj, dieser ncben Calcutta
gr&ssten und elegantestcn Stadt Indicns, wud man uns er-
lassen Die herrliclie Lagc der Stadt auf emcr Lnndzunge
zwischen dem offcnen Meer im Westen und dcm seearlig
ausgebreiteten Hafen tm Ostcn, das sddlichc curopaischc
Viertel mit semen zahlrcicben Prachlgebaudcn, die nOrdlicli
davon sich ausbreitende Eingcborenenstadt mtt ihrcn ciigcn
Strasscn und dem unglaublichen Gewimmcl, welches die-
selben belebt, — das alics »st oft genug bescbrieben worden
Wie die meistcn mdischen Studtc dchnt sicli Bombay
nach Norden hin weit aus, die Entfernungen zwischen den
emzelnen Punkten smd oft sehr gross, und mancherlei Fahr-
gelegenheiten bieten s»ch dar Da smd zahlreiche Pferde-
bahnen, deren Pferde richtige SonncnhDle zum Schutz gegen
den Sonnenstich tragen, und deren nach alien Seifen offene
und stets sehr besetztc Wagen die interessanlcsten Studten
liber Volkertypen und KostUroe aus unmittelbarer Nahe ge-
statten Da smd zahllose Wagen, mit denen durch die engen,
volkreichen Gassen mitunter schwer durchzukommen isf, vor-
nehtne Privatwagen, zu denen die Pferde melst aus Australicn
importiert werden, teener die verschiedensten Arten von
Diosehken, von den eleganleslen an bis herunter zu der
billigen und besclieidenen, nur von Emgeborenen benutzten
Ekka, welche als emzigen Sifz die Bodenfiache des Wagens
bietet und meist voo Ochsen gezogen wird, die, mit emem
durch die Nase laufenden Stnek gclenkt, m ziemhch raschem
Tempo durch die Strasscn traben Endlich lauft auch erne
Lokalcisenbahn westlich von Bombay am Mecre endang mit
emem halben Dutzend Stationen ftlr die Stadt nach Norden
30
in Bombay
hin, an Malabar Hill vorbei, in die Gegend hinaus Malabar
Hill ist ein nbrdlich von Bombay in das westliche Meer aus-
laufender BergrUcken, welcher auf semen schOngeformten und
bewaldeten Hbhen ausser den Tf/rmen des Schweigens, dem
bertihmten Bestattungsplatze der Parsi s, zahlreiche Villen und
Tempel tragt Dorthin war der erste Ausflug gerichtet, den
wir unter Leitung unserer Freunde gegen Abend unternahmen
Der gefurchtete Sonnengott war m dem wesllichen Meere
verschwunden, rasch und fast ohne Dammerung foigte die
Nacht, als wir auf Malabar Hill aniangten, wo im Eingeborenen-
viertel gerade ein kleines Volksfest stattfand Oberall liockten
die Menschen vor den Hausern, zahlreiche Lampchen mit
Kokosbl brannten bei der, wie gewOhnlich in Indien, ganz
unbewegten Luft auf offener Strasse, und mit Erstauncn salien
wir die vielfach beinah vbllig nackten Menschen sich zwischen
denselben hmdurcli und um uns her bewegen Unsere Ab-
sicht war, emen Heiligen zu besuclten, weJcher zahlreiche Vcr-
ehrer hatte und von ihnen als ein geisllicher Gewissensrat
vielfach m Anspruch genommen wurde Eben kehrte er von
einer Ausfahrt heini, ehrerbielig machfc die Menge semem
Wagen Platz, auf dem cr nut semem Bcgleifer sass, der vor
ihm mit Icisem Gesang etnige Verse des Veda rcrilierte Der
Wagen bog in emen gcrSumigcn Hof cm, und einer dcr
Freunde foigte, um cine Audienz fUr uns zu emirken Sie
wurde nach emigen Unlerhandlungen bewilligt, unter der
Bcdmgung, dass wir unser Schuh^^e^k ablegtcn Dies gc-
scbih, wie w dcr Folge nocli sclir oft bei ahnlichen Gclcgcn-
hclten, und bald cmpfand icb diesen Brauch bei dcr iiidischcn
Hitzc so sehr als erne Wolillat, dass icli auch unaufgefordcrt
gem die schweren Sticftl wtgwarf und mich in Strtlmpfcn
auf dem Tcppicii unter den Clngeborencn niedcrliess, wcfcfic
diesc Achtung \or Hirer Sitte Immer sehr hocli aufnahmtn
Der Hciligc sass mit untcrgcschligcnen Btinen auf cincm cr-
linhftn Djvvan, um ibn henun eJn grOsscrer Kreis \on Ver-
Aui MMabar Hill Audicni bei clnem HeiUgcn Vcmram 31
ehrern, und ihm gegenUber m angemessener Entfernung nahm
ich mit meiner Frau auf dem Teppicbe Platz Die Untcr-
haltung begann, aber der heihge Mann spracli sein Sanskrit
so schnell, dass mir vicles entging und wiederhoU einer der
Anwesenden den Faden des wie gewObnljch urn Veda-
Fragen sich drehenden Gespraches auf englisch wieder an-
knOpfen musste Professor Peterson, dem ich am anderen
Tage mem Leid klagte, irOstelc mich damit, dass djese
Heiligen oft em selir schlechles Sanskrit sprachen und die
Fehler desselben durch Schnelligkeit des Sprechens geschickt
zu verstecken suchten Obrtgens besorgte er m(r einen ^ungen
Pandit.^ der nun taglich m mein Hotel kam und mit mir Kon-
versationsUbungen abhielL
Vemrdm, so htess der junge, tUnfundzwanzigjaiinge Ge-
lehrte, war der vollkommene Typus ernes mdischen Pandit
Von Europa und europSischen Dingen wusste er gar nichts
Die engbsche Sprache war ihm, so nahe dem heuljgen Inder
ihr Studmm hegt, vOUig unbckannt, ja er verabscheute die-
selbe offenbar als elwas Unheibges, Unremcs, und diese
FutcUt, sich durch Auslandisches zu beflecken, erstreckte
sich sogar auf die latemischen Buchstaben Wenn ich mit
ihm meine in Aussicht stehende Reise durch Indien besprach
und die Karte entfaltele, so war er mcht im stande, einen
Naraen selbst zu lesen Um so vertrauter war er in seiner
eigenen Welt, wenn er auch mit manchem, als zu heilig fUr
mich, zurtlckhielt Wie alle erwachsenen Inder, war er ver-
heiratet, hatte aber Frau und Kinder in seinem Heimatsdorf
zurfickgelassen und war nach Bombay gekommen, urn auf
der Bibhothek von Elphmslone College mit Vergleichen von
HandschnUen und Anfertigen von Katalogen mDhsam semen
Lebensunteihalt zu verdienen Sein Vater hatte, wie so viele
Inder m hOherem Alter, sich von alien Banden des Lebens
gelOst und war nach Benares gegangen, um dort als Asket
zu lehen VenirStn gab mir emeu Empfehlungsbnef an den-
32
ni Bombay
selbcn mit, dcr ]cdoch durch cincn Zufali nicht in die H>lndc
dcs Adressalcn, sondern in die cincs andercn Askelen ge-
langte, wovon nocli zu crz^Iden sem wire! In Bombay lebte
Vcnirflm strong nacli den Vorschriften seiner Religion Er
stand allmorgcndlich iim vicrUlirnuf, und naclidem er cincn
Augcnbtick nn seine Scluitzgottlicit gcdacht, nahm er das
Morgenbad, trug nut rotcr farbe das Scktcnzciclien auf die
Stirn auf, vcrnchtcte seine Morgenandacht, die sogenannte
Alyd, Ober deren Inhall er nShcrc Auskunft verwelgerte, las
cm Kapitcl nus den Upantshad’s iind \\andte sich dann, ohne
ctwas genossen zii fiaben, den Gesebaften des Tages zu
Seme bcidcn Atalilzcitcn nabm er dcs Morgens etvva um elf
und abends um acht Ulir ein Er bcreitefe dlcsclben selbst,
da kein andcrcs MitgKed seiner Kaste ihni zur Hand war,
wie er auch seine Hausarbcitcn und das Waseben und fn-
standhaltcn seiner Klcidung allcin besorgle Seme Kleidung
war natUrlicli rem indiscli ausscr dem slallliclicn Turban
und den stets vor der TUrc gelassencn Scliuhen bestand sie
aus einer Anzahl von Zeugstocken aus dtinnem, meist weissem
Baumwollenstoff Am meisten charaktenstisch fUr den indischen
Anzug jst das ganzhehe Fehlen der Hose, welche durch einen
langen, kunstvoll um Lenden und Berne gesclilungenen Zeug-
sfreifen ersetzt wird In ahniicher Welse war der OberkOrper
eingehllllf, und den Abschluss bildete ein stattliches Plaid aus
Kaschmirwolle Viele Hindus bedfirfen zu ihrer Kleidung
gar kelnes Schneiders Die Mchrzahl alferdings bedient sich
zur Bedeckung des OberkOrpers bei klihlerem Wetter ernes
ilberzieherartigen Rockes nut Armeln Von diesem abgesehen,
wird die ganze Kleidung taglich neu gewaschen Die Hindus
erscheinen daher meist sehr sauber und appefifJich, auch
bei dem taglich zweimaligen Baden vOUIg geruchlos, hingegen
machen sie sich garnichfs daraus, wenn Ihre Gewandstticke
hier und da kleme Risse zeigen Noch einfacber ist die
Tracht der Weiber im sQdlichen Indien Sie soil sich oft
Inilische Lebensweise und Kletdung Morgenspaziergang 33
auf em emziges weisses, rotes oder bei den Witwenscliwarzes
Stuck Zeug beschranken, welches fUr gewGhtilich den ganzen
KDrper, namenthch auch den Kopf tiberdeckt, bei dcr Arbeit
aber so in die Hbhe geschlungen wird, dass die Arme und
Berne von den Schenketn abwSrts ganz nackt bleiben, was
den Indennnen bei ihren zarten und schUnen KOrperformen
ein selir graziOses Aussehen gibt
Atein Pandit erschien taglich, nachdem ihm in der ersten
Zeit von den Bedienstelen des Hotels der Zulritt emige Atale
verweigert worden war Wir lasen und sprachen mitemander
eifng Sanskrit, und fUr diese Vortlbung bin icli ilim vielen
Dank schuldig Am Scliluss des Kursus Uberreichte ich ihm
fUnfundzwanzig Rupien, was au! die Sitzung etwa eine Rupie
ausmachen mochte Aus der Anhanglichkeit, die er auch
weiterhm und bei meinem zweilen Aufejithalte in Bombay
bezeigte, glaubte ich entnehmen zu dUrfen, dass er diese
m&ssige Entschadigung fiir erne reichhche ansah
Unsere Lebensfuhrung in Bombay regelte sich durch die
Natuf des Klimas ganz von selbst Morgens urn sechs, wenn
die ersten Sonnenstrahlen durch die mdchtigen, im herr-
Uchsten Grun prangenden Bdume ghtzerten, wenn dasKrachzen
der von Baum zu Baum iliegenden Krahen sich in das sUsse
Gezwitscher der kleinen grUnen Papageien und der anderen
tlberaus zahlreich in Indien vorhandenen VOgel mischte, wurde
schnell aufgestanden und in der Morgenfrische etn Spazier-
gang gemacht, meistens an dem westlich gelegenen Meere
entlang, wo zwischen Stadt und See em weiter, prachtige
Promenaden bietender Landstreifen sich hmzieht, den die
Betriebsamkeit der Englander dem Meere abgerungen, was
sie mit keckem Worte eine Reclamatton nennen, — als
wenn ihnen der Ozean diesen Landstreifen schuldig gewesen
ware Hier konnte man namenthch die an ihren hohen
schwarzen randlosen MQUen sofort kenntlichen Parsis bei
ihrer Morgenandacht beobachten, wie sie, Qebete murmelnd
Ueussen Erinrtcrutigen an lad en 3
34
]il Bombay
sicii auf den Bodcn warfen und mit dem hciligcn Nass die
Stirn imd andere KOrpcrtcilc bcsprengten Oder wir ge-
langtcn liinauf bis Malabar Hill, wo die Hindus m zahl-
rcichen Tempeln vor ihrcn GOttem knieten, ihren fQr sie die
Gcbcte sprechcnden Priestem clnige KupferstUcke spendeten
und m den anstosscnden Tcichcn badeten Unter anderen
kunosen ReligJonsllbungen bcmerktc ich, wie cine alte Frau
unter Gcbeten aus cincm GcWsse Wasser sprengfe und dabei
unvcrwandt in die Sonne slarrte Melne Freunde versicfierlen,
dass SIC dies schon seit zwanzig Jaljren betreibe, oJme dass
es ihren Augen gesciiadet liabe Credai Judaeus ApeUa! —
Um neun Uhr war man froh, beJ zunehmender Hitze im
Hotel zum FrUhstUck zurOck zu sem Der weitere Vormittag
wurde dann, sowed nicht Besuclier sich einstelltcn, dcr Arbeit
gewidmet 0 wie belebt sich, m ciner solchen Umgebung,
das Studium des Sanskrit! Welche konkrete Gestalt nehmen
hier, wo das alles nocti so lebendig ist, der Rigvcda und
die Upanishads, die indischen Dramen und Roinane an'
Ich hoffc, dass die Zed kommen wird, wo jeder deutsche
Sanskrdgelehrte es mCghch machen kann, wemgslens emmai
in seinem Leben Indien zu besuchen
Mdtags nach eingenommenen Tiffin wurde wShrend der
grOssten Tageshdze geruhl, und nur ungern hessen wir uns
durch Besuche stOren Gegen vier Uhr aber erschienen
unsere Freunde, der schwere Sonnenhelm konnfe md einem
leichten Filzhute vertauscht werden, und nun gmg es hmaus
m die Stadt Oder die Uragegend Einer der reizendsten
Ausfltlge geht nach Elephanta, einer m dem dsflichen Hafen-
see gelegenen von Bombay eine gute Stunde entfernfen Insel
mrf den bertf/nrrten in den Fefsen fiineingearheitefen und so
halb untenrdischen Tempeln^ von deren SSulen und Skulpturen
trotz der Zerstbrungswut derMohammedaner noch stattliche
Reste libng geblieben sind Wir bestiegen ernes Sonntags
nachmdfags zwBh Mann hoch ausser mir und memer Frau
Slnssc II Bombiy (K'i|ki<lc\i Roid)
Morgen aui Malabar Hitt Ausflug nacli Dephanta
35
lauter Emgeborene, cm Segelboot, der hcitere Ulsavlfll hade
alle Bestandteile einer Hmdu-Mahlzeit in Kbrben aufs Boot
bnngen lassen, er selbst scWeppte sich mit einem Hanno-
nium, und nun Ineb uns der Wind, wShrend allerlei Hindu-
bieder gesungen und gespieU wurden, tiber die glatte Flache
an den Hausern, Fabnken und Sclidfswerflen derStadt ent-
lang auf die liochragende Insel zu Em schOner Treppen-
weg ftthrte vom Ufer empor zu den auf lialber HOhe ge-
legenen TempelhOhlen Vergebens sah ich mich nach den
Schlangen urn, die nach Freund Garbe’s Schilderung hier zu
erwarten waren Ohne Schwierigkeit und Gefahr errejchten
wir die Tempel und betrachtelen die in die Wande ge-
meisselten Kotossalbilder, welche dem Leser gewiss aus
Abbildungen bekannt smd, bis das von einer SeJle herein-
fallende Licht abnahm, und die Abenddammerung diese
steinemen Zeugen indischer Religion und Kunst einhOllte
Dann wurde draussen vor dem Tempel das Hindu-Atahl ein-
gcnommen, und auch der durch widrigen Wind erschwerte
Rlickweg wurde uns bei derhcrrschenden frOhllchen Sfimmung
nicht 2U lang In der Heimat wird em emster Mann sich
zu solchem harmlosen Zeitvertreib nicht leicht hergeben, hier
aber bol er eine willkommene Gelegenheit, das eigenartige
Treiben des fremden Volkes in seinem fernen Lande zu be-
obachten Und so wurden wir von Tag zu Tag mehr mit
Sitten und Denkungsart der Hindus bekannt und werden
nach und nach noch manches davon unserer Darstellung ein-
flechten
Hier wollen wir zunSchst der Totenbestaftung gedenken,
welche fUr die drei Religionen, aus denen hauptsSchlich die
BevOlkerungBombay’ssichzusammensetzt,einecharaktenstisch
verschiedene ist Wahrend nttmlich die Mohammedaner ahnhch
wie wir ihre Toten begraben, so werden dieselben von den
Hindus verbrannt und von den Parsis den Geiern zum
Frasse ausgesetzt Beides verdient erne nahere Schilderung
36
ni Bombay
Der Verbrennungsplatz der Hindus liegt m Bombay
westlich von der Stadt bei der Station Marine Lines m der
Nahe des Meeres Es ist ein grosses, von hohem Zaun
umfnedigtes Grundsfljck, von dem man schon von aussen bei
Tage den Rauch, bei Abend einen Funkenregen aufsteigen sieht
Der Zutntt ist auch Fremden, wenn sie emgefulirt werden,
gestattet, und man kann von einem fur die Trager und
Leidtragenden abgefeilten Raum aus bequem den Ver-
brennungsprozess m semen verschiedenen Stadien beobachten
Die vQllige Verbrennung emer Leiche nimmt vier Stunden in
Anspruch, aber m der Regel trifft man mehrere. Leichen an,
an denen sich Anfang, Mitte und Ende der Ceremonie
glejchzeitig betrachten Idsst Bei der durdi die Hifze be-
schleunigten Verwesung wird der Leicbnam meist schon
wenige Stunden nach emgetretenem Tode vom Kopf bis zu
den Ftissen in weisse TUchcr gewickelt und von Trflgern
zum Fnedhofe gebracht Zwischen vier etsernen m der Erde
steckenden Stangen werden ein bis zwei Meter lange dicke
Holzscheite emen Meter lioch aufgeschichtet, der Leichnam
wird darauf gelegt und (iber ilm wieder eine Lage Holz
Inzwischen wird daneben ern kJeines Feuer vorbereifet, in
Bombay wird dasselbe von dem haushchen Herde des Ver-
storbenen mitgebraclit, m Benares, wo viele auswartige, oft
von weif her kommende Leichen verbrannf werden muss das
Feuer von emer stets gegenwartigen niederen Kaste gekauft
werden Es folgen nocb einige Ceremonien, namentlich muss
der nachste AngehOnge des Verstorbenen, oft em junger
Knabe, aus einem Kruge Wasser urn den Sclieiterliaufen
herum und auf denseJben giessen und dann den Krug
zerbrechen Hierauf wird das kicme vorbereitetc Feuer in
den grossen Scheiterhaufen eingefligt, bald prasscln die
FJammen hoch empor und eigrejfcn ein GJied des Tofen nach
dem andern In drei bis vier Stunden ist der Leichnam bis
auf emige Knochen vOlhg verbrannf Diest nebst der Asclit
Leichenverbrcnnunf Scmitischcr T)pus der Parsi's 37
werdeti in Benares m den unmiltelbar daneben fliesscnden
Ganges gestossen, \sas an andercn Orten dannt gesclneht,
ist mir niclit bekannt Em Pnester, der einige Sprliclie
raurmelt, auch wohl eine kleme Anspraclie halt, ist nur aus-
naVnnSNveise gegen besondete BeiaWung zugegen Die
Stimmung ist nicht sehr andachlig, nur emmal hbrte ich erne
Frau Uber ihren verstorbenen Gatten wehkiagen, meist sehen
die Leule anschemend gleichglUtig zu, mitunter plaudem
sie dabei ganz vergnllgt miteinander Die Inder nehmen es
mit dem Sterben weniger schwer, der Tod ist nur eine
emzelne Station au! der grossen Reise far die wanderndc
Seele
Ganz anders sind die Gebrauche bei den Parsi’s, welche
m Bombay emen betrachtlichen und angesehenen Ted der
Bevblkenmg ausmachen Die Parsi s smd die Nachkommen
der alten Perser, welche, als der Islam mit Feuer und Schwert
Persien eroberte, sich mit ihrer Religion und dem Reste
ihrer heiUgen BUcher, dem Avesta, nach dem toleranten
Indien retteten, wo sie unter gewissen Bedingungen auf-
genommcn wurden und gegcnwartig zu den reichen Kauf-
leuten Bombay s em bedeutendes Kontmgent stellen Die
Perser smd, wie die Sprachc des Avesta beweist, ursprUng-
hch unzweifelhalt Indogermanen und dieser Tatsache gegen-
Uber ist es sehr befremdiich, dass die parsi’s in Bombay
vielfach einen ausgepragt semitischen Typus tragen und
mcht nur m Gesichl und Kdrpeibildung sondern auch in
Wesen und Mameren stark an unsere juden ennnern Unter
meiner Sammlimg von Photographien befmdet sich eine
Gruppe junger Parsi Damen, ^welche, von lippigen KOrper-
formen imd zum Teil von hoher Schdnheit, em deuthcher
Ausdruck dessen smd, was wit eine beoute jiiivc zu nennen
pflegen Und so finden wir bei den Parsi s dieselbe Be-
tnebsamkeit und Freude am Erwerb, dieselbe liebenswUrdige
Zuganghchkeit und mitunter etwas iSstige Aufdringlichkeit,
38
III Bombay’
wie bei unseren Juden Woher diese Erscheinung? Ich
kann sie mir nur daraus erklaren, dass die Perser nach der
Eroberung von Babylonien und Assynen durcb Cyrus nut
der dort emheimischen semitischen Bevdlkerung eine weit-
gehende Vermischung eingegangen sind, und dass die
zaiie Lebenskraft der semitischen Rasse sich bis zu den
heutigen Parsi s herab behauptet hat Auch das haben die
Parsi’s rait den Juden gemein, dass sie im Gegensatze zu
den hdchst konservativen Hindus fortschnttlich gesmnt und
zu Reformer! geneigt smd Sie haben vortrefflich organisierte
Schulen, nicht nur fUr Knaben sondern auch fUr Mddchen,
in denen auf Gu]erati allerlei Wissensdisziplmen gelehrt, auch
der Unterncht m der Oymnastik mcht versaumt wird Die
Hindus folgen ihnen hlenn langsam nach, aber wiederholfe
Besuche derartiger Anstalten haben m mir den Eindruck
hinterlassen, dass die Schulen der Hindus hmter denen der
Parsi s zurhckstehen Auch darin smd die Parsi s von dem
Herkommen abgewichen, dass sie die Verheiratung der Kinder
abgestellt haben, doch ist es vieten unter ihnen zweifelhaft,
ob sie mit dieser Neuerung nichf zu rasch und unvermitteh
vorgegangen smd
Wir batten das GJtick, in Herrn Chicbgar etnen sebr
IiebenswUrdigen alteren Parsi-Gentleman kennen zu lernen,
der uns nicht nilr m seme Familie emfOhrte sondern auch
sonst alles MOgliche tat, uns gefailig zu sem Zwar den
Parsi-Tempel, m dessem Inneren das me verloschende
heilige Feuer brennt, behaupfete cr nicht zeigen zu dtlrfen,
dafUr aber erbot er sich, uns nach Malabar Hill zu den
Tflrmen des Scliweigens, dem bertihmten Begr3bnisor(e der
Parsi’s zu geleiten In Gesellschaft ernes Porsi-Pnesfers
boUe er uns ernes itforgens frCfft mit saneni iV^gcn tm Hold
ab, rasch war Malabar Hilt erreiclit, und nun fUlirle ein an-
mutiger Fussweg zu dem Dergrflcken hmauf Auf der HOlie,
mit wunder\ oiler Aussicht auf Bombay und das Mcer, liegt
40
III Bombay
weniger jedenfalls als die chnsthche Gewohnheit des
Begrabens
Es versfeM sich, dass wir in Bombay, wie Qberafl in
Indien, fleissig die Tempel der Hindus besuchten Doch
geben sie mit ihren Gbtterbildern, denen vom Volke durch
Vermittelung des den Tempel bedienenden Pnesters unter
Gebefen allerlei Blumen, Milch, GefreidekOrner usw dar-
gebracht werden, keinen Begnff von dem altindischen
Opferkultus 2ur Zeil des Veda, welcher weder Tempel noch
GMterbilder kannte und den unsichlbaren Himmlischen die
Opfergaben durch Vermittelung des Gottes Agni, d h des
Opferfeuers, darbrachte Nur veremzelt und unter Ausschluss
der weiteren Offentlichkeit werden auch jetzt noch solche
vedische Opfer veranstaltet Mem grosser Wunsch war, ein
solches zu sehen Die Sache war nicht ohne Schwiengkeit,
da die von meinen Freunden darum angegangenen Brahmanen
ihre Emwilligung aus religibsen Bedenkhchkeiten wieder-
bolt rilckgangig machten EndJich fanden sich ihrer viere
bereit, am friihen Morgen im Garten unserer Freunde em
klemes Opfer zu veranstalfen, bei dem jch nut melner Frau
vom Balkon des Hauses aus zusehen durfte und dafQr als
YajamQna die Kosfen der Opfermateriahen, sowie die
Dakshin^ (Opferlohn) an die Pnester, zu entnchten liatfe
Als wir ankamen, war die Sache bereits im Gange Im
Garten vor unseren Augen war em viereckiges Loch in die
Erdegegraben und etwas ausgemauert worden In demselben
flammte em helles Feuer, und ura dasselbe hockten drei
Brahmanen, welche angeblich den Hofar, Adhvaryu und
UdgStar vorstellten, wShrend em vierter als Brahman abseils
sitzend die Handlung regierle Um das Feuer herum be-
fanden sich em grosser Topf mit geschmolzener Butter,
welche, Ibffelweise m das Feuer geschOph, dasselbe lioch
aufprasseln maclite, ferner ein BOndel mit Ku^a-Gras und
Etn aUvedsschcs Opfer Dn mdisches Theater
41
ail! Biattern als Unterlage allerlei Ktirner \on Getreide und
FrUchten Die ganze HandJung bcsclirankte sich darauf, dass
die drel Brahmanen alle drei olme Unterschied unter Ab-
smgen von Vedaversen, aus dcnen ich das Puruslia-Lied
deutlich heraushOrtc, iind Verneigungen gegen das Feuer
immer in hockender Stelliing die genanntcn Materien ms
Feuer vvarfen In einer halben Stunde war alles becndigt,
und m»r blteb nur noch die Ehre, 25 Rupien zu zahlen fUr
ein Schauspiel, welches mit dem vvirkhchen altvedischen
Opfer doch nur eine germge Alinlichkeit haben mochte, immer-
hin aber der Phantasie einigen Anhalt bot, da das Gesehene,
wenn auch stark reduzlert, doch auf alte Traditionen zurUck-
gehcn dUrftc
Mehr Ursprlinghches mag das nationale Theater der
Hindus sich erhalten haben, namentlicli wenn antike oder
der Antike nachgebildete StUcke gespiell werden Der
Dichter ernes solchcn war unser Freund Vigvanafh^ dessen
Stuck die tibertriebene, alien Versuchungcn Trotz bietende
Wahtheilshebe des Hart^candra zum Gegenstand hatte und
eben in Bombay gespielt wurde Der Dichter lud uns ein,
einer Vorstellung beizuwohnen, zwei Ehrenpiatze unmittelbar
vor der BUhne waren fUr uns reserviert, neben uns sass der
Dichter, urn den Gang der Handlung zu erklSren, hmter
uns ein zahlreiches Publikum, lauter Eingeborene, em
europSisches GesicUt habe ich mcht bemerkt Zuschauerraum,
Vorhang und BUhne waren von den Einnchtungen ernes
bescheidenen europSischen Theaters, wie man sie z B in
Italien Oder Spanien findet, nicht erheblich verschieden
Auf der BUhne, rechts und links vor dem Vorhange, hockten
zwei Musiker, der erne spielte die Melodien auf emem
Harmonium, derandere begleiteteihn auf mehreren Trommeln,
die er m kunstvoller Weise mit dem Ballen und der Kante
der blossen HSnde zu schlagen wusste und dabei semen
42
IK Bombay
von staUlicher MQtze gezjerten Kopf nach dem Takte aufs
zierhchste bewegle Selten habe ich eirten Menschen ge-
sehen, der so ganz in seiner Bescliafbgung aufging wje
dieser Trommelschiager. Der Vorhang hob sich, em Chor
von Knaben, als Madchcn gekleidet, sang die N&ndt Hierauf
folgte das Ubliche Zwiegcsprich zwischen dem Sdtradhara
und der Pnmadonna, sodann das Stuck, der Dialog m
Gujerati, die haufig emgestreuten lynschen Partien gesungen
Alle Rollen wurden von Mannern und Knaben gespieh Es
1st eine besondere, genngere brabmamsche Kaste, welche
die Schauspielkunst als ihren angeborenen Beruf betreibt
Das Spiel war sehr sicher und von vortrefflicher Schulung,
die Stimmen der Knaben in Dialog und Oesang waren
fnscli und hStlen nur etwas weniger schriH sein dUrfen
Die eigens zu dem StUcke komponierle Musik war ganz
national mdisch und tiatte ihren eigentUmlichen Reiz Nur
hier und da hatte der Komponist sich verleiten lessen, eln
europUisches Motiv einzuflechten, was sich sofort stOrend
bemerkbar machte und in dem Ganzen fast wie em falscher
Ton hervortrat Das Stuck, welches von edelmUhgen Ge-
sinnungen strotzte, spielte natUrhch zum Teil im Himmel,
der Rat der Gutter versammelte sich, Agni, Indra Varuna
und viele andere Gutter, an ihren traditionellen Kosttimen
leicht kenntlich, waren versammelt, der weise Ndrada trat
zu ihnen, wurde hOchst respektvoll empfangen, berichtete
Uber die Verhaltnisse auf Erden und wurde mil den Auf-
trdgen der Gutter an die Menschen betraut Andere Scenen
spielen auf der Erde, am Hofe der KUnige, wo der an
konventioneller Kleidung leicht fcennthche VidQshaka seme
stets mit vielem Beifalle aufgenommeiien Spasse macht, im
Harem der kUniglichen Frauen, m den Hutfen der Armen
und m den Emsiedeleien desWaldes, und der Hauptgewmn
von einer solchen Vorstellung ist vielleicht, dass viele
Scenen des indiscJien Familienlebens, die dem Fremden
Eine Theatcrvorstellung Dnladung nach Baroda
43
stets verschlossen bleibeti, hier auf der BUline, oline Zweifel
in naturgetreuer NachbiWvmg, der Betrachtung often getegt
werden Einen ZwischenaKt benutzle Vigvandth, um uns
auf die BUhne zu fQhren, wir wurden dem Direktor {Manager)
vorgestelIt» sahen, wie die Knaben die Ringe durch die Nase,
wekhe sic als Prinzessmnen und andere indische Damen
zu tragen batten, und die nur durch erne Feder emgeklemmt
waren, ablegten, wurden nut einigen Erfriscliungen bewirtet
und mussten es uns gefallen lassen, dass wir, wje in der
Regel bei Besuchen in indisclien Kreisen, mit machfigen
Blumcnkranzen behangen, wteder zu unseren Parkettplatzen
berabstiegen Wir haben noch ttfter in Baroda, Lucknow,
Calcutta und wiederum in Bombay indische Theater besuchl,
aber der Eindruck des ersten Sttlckes war der tiefsfe und
wird mir unvergessbch bleiben
Die Zeit rUckte heran, wo wir Bombay zu verlassen
gedachten Wieder emmal sassen wir, von Besuchern
umgeben, im Zimmer unseres Hotels, als ein neuer An-
kommling hinzutrat Ich bat ihn, wie gewbhnlich in solchen
Fallen, ohne mich weiter in meiner Unterhaltung stOren zu
lassen, Platz zu nehmen, als er freudig ausnef »Kenneii
Sie mich nicht mehr? Ich bm Dhruva aus Baroda, den
Sie damals in Berlin so Ireundbch aufnahmen Ich
habe in der Zeitung von Ihrem Hiersein gelesen und bin
froh, Sie ajfgefunden zu haben Sie mllssen " fuhr er fort,
„mir auf der Durchreise ein paar Tage m Baroda schenken,
wo ich als Richter angestelU bin Richten Sie es ein, dass
Sie auf einen Sonntag dort sind, dann bin ich frei und kann
mich Ilmen ganz widraen “ Gem sagten wir zu und ver-
abredeten das Nahere Etmge Tage darauf schneb uns Dhruva
aus Baroda, dass der Ftirst von Baroda zwar abwesend sei,
dass aber der Premiexmimster des kleinen Landchens sich
freuen wurde, uns als Gaste des Staates dort aufzunehmen
Viertes Kapitel
Von Bombay bis Peshawar.
T^er Abend unserer Abreise wnr gekommen Unsere Freunde
^ batten uns die noch nbtigen kleinen Koffer, cinen
Tiffm-Basket und die Beflen, oline welche man m Indian
nicht reist, besorgt s»c batten einpacken belfen «nd warcn
zahtrocb in der letzten Stundc um uns Dann gmg cs zur
Bahn, der eitic bcgleitete uns m semem Wagen, der anderc
fuhr mit dem Oepack, und wieder andere begaben sich
mch dem Bahnliofe, um uns dort noch zum letztcn Male
die Hand zu drlicken Von den fOnf Bomba>-Stationen an
wefchen der Nachtschnenzug hJll, hntfc ich die Ausgangssfifion
Colaba gewahlt und war schon mil Sack und Pock dne
Stundc vor Abgang dort In der Erwirtung so im slchersten
eln Coup6 allcm fflr mich und meme Frau zu trlangen
Diese Hoffnung crwies sich als cite! Zwir wircn wir mit
die crsten Rciscndcn und da stand der Zug a!lc Ttlrcn
geftffnet Abcr inUeni wir Ihn ibscbnilen zcigle sich da«;s
kem Coup«S erster Khsse mchr war, in wcichem nicht sclion
emer oder mcluerc Platzc durch ZetteJ ats rescncii hezdehnef
warcn fUr dicstnal mussten wir \orHeb nehmen und
nehteten uns mit unseren aclit Gepackstucken die man In
Jndien s3mlhch in Uen geraurolgen Coupes mitzunciimcn
pfiegt In elncm Coiipi eln in das dann noch tin jungcr
Abreise von Bombay
45
Eng\Snder einstieg, um semen rescrvierten Platz emzunehmen
Dje Freundc umdrjingten die Tlir unseres Wagcns, der erne
Oder andere Qberreiclite uns noch eine Erfrischung In der
Regel wahlt man dazu cine Schachfel mit Trauben, uelche
m Indien selbst n\cht wachsen, aber aus Afghanisti^ 'em-
gelUhrt werden, und zwar m rundcn HolzscbachteWien, m
denen, durch Watte getrennl, drel ScliJchten Beeran liber
einander zu liegen pflegen Das Signal zur Abfafirt ertOnte,
noch emmal streckten sicli alle Hande uns entgegen, dann
fiel der Vorhang liber dem lebensvoUen Bdde „Mit alien
diesen Eingeborenen bm ich in den wenigen Wochen memes
Aufenthaltes in Bombay befreundel geworden,“ sagte ich zu
dem Englander „Wohl mOglich, wir aber haben sie zu
regieren, utid das ist ganz etwas anderes," versetzte er mil
SelbstgefUhl und Bedeutung Dann streckte er sich auf
seiner unteren Bank, meine Frau nahm die gegenUberhcgende
ein, ohne iO-r diese Nacht sich auskleiden zu kbnnen, und
mir blieb nichts Ubng, als nach oben zu klettern Das
Schlafen war unter diesen Umstanden keine leichte Sache,
zumal die Hitze, trotz dem Offnen aller Fenster und Luken,
noch sehr gross war Aber es gmg gegen Norden und auf
den Dezember zu, man durfte also auf kOhlere Tage hoffen
Lassen wir nun unsere Reisenden im Halbschlafe aber
Surat und die Narmadd durch viele herriiche ungesehene
Gegenden dahmeilen, um sie am frOhen Morgen m Baroda
wiederzufmden, und beschaftigen wir uns inzwischen mil
den mdischen Eisenbahnen Ganz Indien ist mit einem
Netz von Eisenbahnen durchzogen, welche, wie alles, was
die Englander von ausseihchen Dingen und Verhaltnissen
anfassen, \ortreffhch organisicrt smd Wie in Russland, ist
auch m Indien die Schienenweite grdsser als bei uns, und
schon dadurch smd die Wagen gerSumiger und bequemer
Es gibt drei Wagenklassen und nocli eine Intermediate Class
46
]V Von Bombay bis Peshawar
zwjschen der zvveiten und dnUen Alle Wagen haben die
Farben der entsprecbenden Billets, sodass man die weiss
angestrichenen Wagen der ersten Kiasse auf den ersten
B(ick und schon von fern herausfindet Die Fahrpreise smd
so abgestuft, dass jede Iidhere Wasse ungefahrdas Doppelte
der nachstfolgenden koslet Erstaunlicb billig, aber aticli
furchtbar UberfOllt, ist die dntte KJassc Sie wird nur von
Eingefaorenen benutzt, und es ist em unterhaltendes Schau-
spiel zu sehen, wie Manner, Weiber und Kinder mit grossen
Packereien auf dem Kopfe, und die kleinsten Kinder nttlmgs
au! den HUflen der Mutter sitzend, mit vielem LSrm sich urn
die geschtossenen WagenlUren drangen, von denen erne
neue immer erst gebffnet wird, wcnn das vonge Coupe
ganzlich vollgepfropft ist Doch gibt es auch hier bcsonderc
Abteilungen fUr die Frauen Etwas besser ist die Intermediate
Class, m der man bisvvetien schon weissc Gesichtcr siclit,
zuweilen sind hier die Coup4s mit den Inscbriffen NaU\es
Oder Europeans only verschen Die zwcile Klassc wird von
den besten Eingeborenen, sowed sic nicht als FQrstcn eigenc
Wagen haben, und auch stark von den Europ3ern benutzt
Die Wagen der ersten Kiasse enihallcn nur vereinzeltt Per-
sonen und laufen meistens leer nut Fast immer lialtcn wir
cm Coupi allein und befanden uns bei Tag wIe bei Naclit
sclir komfortabel Em soldier Wagen erstcr Klassc bestelit
nur aus zwci geraumigen Coupes, m der Miftc durcli cinc
meist \ersch!ossenc TOr getrennt, zu icdem Coup^ geliOrl
em eigenes Wasclizimmer mil alien Bcqucmlichkcitcn u clches
den Kopf des Wagens bildek An bcidcn Langssciten des
Coupts bcfindcn slcli zv.ci gcpolstcrte, niit Lcder iJbenrogtnt
BlnWe, die am Tagc zunj Siizen dicnen, wahrend bei Nncht
die Bcttcn auf dcnscibcn gcmachl wtrdcn Zucl cbcnsolchc
Sind an der Decke bcfcsrtgt und konnen crfordulicbcn Falls
bcnbgcUsstn wtrdcn Da (Or die Naclit sleepfn;; oecomrro-
datton garanlicfi 1st, so dOrfen nachfs nicht mctir als vicr.
EmncMung der mdisthen EisenbahnCT
47
tags nicht mctir als scchs Personcn m das gerilumige Coupi
gesetzt werden In der Regel ist man dann, wie gesagt,
ganz allein Ausser dem Guard, der den Zng begleitel,
beVommt man keine SchaHncr lu sehcn Die Billets
werden tiusserst sellen bcim Halten au{ den Stationen kon-
troUiert, gewblinhch smd es Halfcaslcs (MiscWmge von
Europaern und Eingeborencn), welchen dieses GcschSft ob-
liegt, da sie zu viel andercm nicht 211 brauchen smd Die
Suftisance, mil der sie auftreten, macht bei der sonstigen
Schlaffheit ihres Wesens ott eincn lacherlichen Eindruck
Sie smd nicht gerade gecignet, eine allmahhche Mischung
englischen und mdischcn Blulcs als wOnschenswert erscliemen
zu lassen Noch 1 st zu bemerken, dass auch die Verpllegung
beim Eisenbahnlahrcn erne wohlgcregellc isl Breakfast, Tiffin
und Dinner werden vom Guard telegrapjusch auf den dazu
bestimmten Stationen vorausbestelU, wo dann 15—20 Mmuten
Aufenthalt zu sem pflegen So kann man cs denn ganz wohl
aushalten, Tage und Nachte (2 B von Bombay nach Calcutta
mit dem SchneUzuge drei Nachte und zwei Tage) im Coup6
zuiubnngen, namenthch da gegen die Sonnenglut dutch weit
Uberragende Schutzdicher und Holzjalousien Voisorge gc-
troffen ist
Es war em Sonntagmorgen gegen acht Uhr, als wir in
Baroda ausstiegen, der Hauptstadt ernes kleinen Fllrstentums,
dessen Beherrscher, der Gatkwar von Baroda, sich gerade
m England befand, was jedoch seiner Gastfreundhchkeit
gegen uns keinen Emtrag fat Am Balmhofe war Dhruva,
der uns m emem herrhehen Hofwagen zunUchst zu dem
Palaste fuhrte, welcher, fllnf Mmuten von dem Hauptpalaste
des Gaikwar entfernt, uns als Wohnung dienen sollte Hier
empfing uns Herr Maier, em junger Suddeutscher, der als
Manager den verschiedenen SclilOssern des Gaikwar vor-
stand Wahrend seine Person und Sprache uns an die
46
IV Von Bombay bis Peshawar
zwischen der zweden und dnften Alle Wagen Jjaben die
Farben der entsprechenden Billets, sodass man die vveiss
angestnchenen Wagen der ersten Klasse auf den ersten
BItck und schon von fern herausfindet Die Fahrpreise sind
so abgestuft, dass jede hohere Klasse ungefShr das Doppelte
der nachstfolgenden kostet Erstaunlich billig. aber auch
furchtbar Uberfoilt, ist die dritte Klasse Sie wird nur von
Emgeborenen benutzt, und es ist ein unterhaltendes Schau-
spiel zu sehen, wie Manner, Weiber und Kinder mit grossen
Packereien auf dem Kopfe, und die kleinsten Kinder rittlings
auf den Hliften der Mutter silzend, mit vjelem Larm sicli um
die geschlossenen WagentUren drangen, von denen erne
neue immer erst geoffnet wird, wenn das vonge Coupi
ganzlich vollgepfropft ist Doch gibt es auch bier besondere
Abteilungen fUr die Frauen Etwas besser 1st die Intermediate
Class, m der man bisvveilen schon welsse Gesichter sieht,
zuvveilen sind hier die Coupds mif den Jnschriften Natnes
Oder Europeans only versehen Die zweite Klasse wird von
den besten Emgeborenen, sowed sie nicht als Ftlrsten eigcne
Wagen haben, und auch stark von den Europaem benutzt
Die Wagen der ersten Klasse enlhalten nur veremzelte Per-
soncn und laufen meistcns leer mit Fast immer hatfen wir
ein Coiipd allem tmd befanden uns bei Tag wie bei Nacht
sehr komfortabe) Em soldier Wagen erster Klasse bestclit
nur aus zwei gerSumigen Coupes, m der Mitfc durch cine
mcist verschlossene Tfir getrennt, zu jedem Coup^ geliOrt
em eigencs Wasebzimmer mil alien Beqiiemliclikeitcn, v. clchcs
den Kopf des Wagens bildet An bciden Langsseden des
Coupes befinden sich zwci gcpolslerte, mit Lcdcr flberzogcnc
Bankc, die am Tagc zum Sitzen dicnen, wSbrend bcl Nacht
die Bcttcn auf dcnsclben genneht werden Zuel cbensolchc
sind an der Decke befestigt und kbimen crfordcrhcbcn Falls
herabgchsscn werden Da fOr die Naclit sleeping accommo-
dation garantiert Ist, so dflrfcn nachfs nictif mthr als vJer,
Emrichlung der indischen Ewejibahnen
47
tags nicht mehr ats scchs Personen m das gcritumige Coup6
gesetzt werden In der Regel ist man daitn, wie gesagt,
ganz allem Ausser dem Gitartl, der den Zug begledet,
bekommt man kerne Schalfner zu selien Die Billets
werden flussersl selten beira Hallen auf den Stationen kon-
trolliert, gewOhnlich sind cs Hal/castes (Misclilinge von
EuropSern und Eingeborenen), uelchen dieses Gesch3!l ob-
liegt, da sie zu viel anderem nicht zu brauchen sind Die
Suffisance, mit der sic auhreten, macht bei der sonstigen
Schlaffhcit ihrcs Wesens oft einen lacherlichcn Eindruck
Sie sind nicht gerade gecignet, cine allmahliche Mischung
engiischen und indischen Blutcs als vvUnschenswert erscheinen
zu lassen Noch ist zu bemerken, dass auch die Verpflegung
beimEisenbahnfahren cine wohlgeregclte ist Breakfast, Tiffin
und Dinner werden vom Guard telegraphfsch auf den dazu
bestimmten Stationen vorausbestelit, wo dann 15—20 Minuten
Aufenthalt zu sem pflegen So kann man es denn ganz wohl
aushalten, Tage und NSchte (z. B von Bombay nach Calcutta
mit dem Schnellzugc drei Nachte und zwci Tage) im Coupd
zuzubnngen, namentlich da gegen die Sonnenglut durch weit
ilberragende Schutzdacher und Holzjalousien Vorsorge ge-
troffen ist
Es war em Sonntagmorgen gegen acht Ulir, als vvir m
Baroda ausstiegen, der Hauptstadt ernes kleinen FUrstentums,
dessen Beherrscher, der Gaikwar von Baroda, sich gerade
m England befand, was jedoch seiner Gastfreundlichkeit
gegen uns keinen Emtrag tat Am Bahnhofe war Dhruva,
der uns in emem herriichen Hofwagen zunJlchst zu dem
Palaste fUhrte, welcher, fOnf Minuten von dem Haupfpalaste
des Gaikwar entfernt uns als Wohnung dienen sollte Hier
emphng uns Herr Maier, em junger SUddeutscher, der als
Manager den vexschiedenen Schl&ssern des Gaikwar vor-
stand Wahrend seme Person und Sprache uns an die
48
IV Von Bombay bis Peshawar
Heimat ennnerte, so war das, was er uns zeigte und zur
Benutzung anwies, von der Art, dass wir uns m ctn onen-
talisclies Marclien luneingezaubert glaubten Em herrlicher
Empfangssaal mitTeppichcn, Diwanen undScsscIn, em weiter
imd lioher und docli hdclist behagl/cJier Speisesaal, zwei
gerUumige Schlafsfllc md Bclten und MObeln von erster
Gute, alles neu, petnlich sauber und in auserlesenem Ge-
sclimack, erne von SUulen und Gevvttlben gebildete, rings
urn das Haus laufende Veranda, das war das Feenreicli, in
welcliem wir fUf einige Tage als alleinige Herrscher sctrajfen
durften Der Koch mit semen GeJiUlfen, verschiedene Diener
fQr die mannigfaclien Anforderungen dcs Lebens, im ganzen
wohl em Dutzend, aile m sauberstcr nationaler Kleidung, be-
dienten gerSuschlos das Haus und waren jcdes Winkes von
uns gewSrtig Die herriichste Zugluft durchsirdmte hel Tag
und Naclit die kuhlen Hallen des nach alien Seiten fret
gelegenen Hauses, allc Turen und Fenster blieben auch bei
Nacht gedffnet, wussten wir uns doch genugsam bewacht
und beschdtzt, und das feme Geheut der Scliakale, die hier
wie Uberall m Indien allnachtlich ihr vieJsbmmiges Komert
abhalten, diente nur, das Behagen dieses Zauberschlosses zu
erhOhen Diese Tiere, etwa von der Grosse und Gestalt
unserer FUchse, smd sehr scheu und daher ausser m Museen
und zoologischen Garten, nie sichtbar, um so melir aber hbr-
bar, ihr Geheul klingt, als wenn eln Dutzend junger Hunde,
em Dutzend Katzen und ein Dutzend kleiner Kinder ihre
bellenden, miauenden und schreienden Tone zu einem Konzerte
vereinigten
Furstlich, wie unsere Wohnung, war auch die uns ge-
botene Verpflegung Es war nicht das erste Mai m meinem
Leben dass ich an einem FOrstentische speisfe, aber erne
auserJesenere KUche, als sie hier herrschte, habe /ch kaum
je angetroffen Auch bedurfte es nur ernes Wortes, und der
beste franzbsische Champagner die edelsten Rheinweme
Baroda rdrstllche Aufnahme Bcsjchtigungen 49
standen aul dem Tiscli, emc Libera!itat, \on der wir teds
aus RucKsiclit au! das Klitna, teds weil uns derartigc GenUsse
von der Heimat her nichts Neues vvaren, nur einen diskrefen
Gebrauch machten
Die FrDhstunden des Sonntags benutzten wir, urn mit
Herrn Mater die vvichtigsten SehenswQrdigkeiten der Residenz
in Augenschein lu nehmen Em seltsames Kuriosum waren
em halb Dutzend Kanonen, vvelche angebbch aus gediegenem
Golde bestanden und, wenn es wahr ist, einen ungeheuren
Wert reprasentieren mlissen und ein beredtes Zeugnis des
fabelhaften Reichtums der frDheren mdischen Herrscher
sind Intercssanter war noch ein Marstall vo!l edier Rosse,
die unter liberdachten Schuppen im Freien gehalten wurden,
und eine GeseUschaft von iwaniig oder mehr Elefanten
Dieselben sind voUkommen lahin und umganglich Nur
einige von ihnen, bei denen die Brunstzeit emgetreten war,
waren von den anderen isoliert und mit starken Kelten an
den FUssen gefesselt Man wamte uns davor, denselben zu
nahe zu Kommen, und so sah ich nur aus emiger Entfernung
ihre aufgebrochenen und einen klebngen Saft ausschwitzenden
Schiafen, von denen in der mdischen Poesie so viel die
Rede ist
So ging der Tag teds mit Besichligung der Sehens-
wlirdigkeiten, tells mit notwendigen Besuchen bei Mtnistern
und anderen WUrdentragern m der angenehmsten Weise hm
Am Abend wurde uns zu Ehren eme TheatervorsteUung
gegeben, bei der svir vvieder die Ehrenplatze emnalimen,
wShrend unter Ausschtuss des atlgememen Pubhkums nur
em auserlesener Kreis von Geladenen uns umgab, wobei
denn tnancherlei Vorstellungen und Begrilssungen stattfanden
A\s Stuck hatte man diesmal, auf memen Wunsch, em
antikes Drama zu sehen, die PnyadarQikd gewahlt, und
Dhruva war so aufmerksam gewesen fUr uns den Gang der
Handlung m emem enghschen Programm drucken zu lassen,
Deussen Erlnneningtn an lad ea 4
50
JV Von Bombay Ws Peshawar
sodass wir Scene fUr Scene ganz bequem folgeii konnten
Das Stuck wurde natUrlich m Gojeratj-Oberselzung gegeben,
aber BuhneneinncJitiing, KostUme und AusfUhrung derChbre,
Dialoge usw sclilossen sich so vollkommen dem Sanskrit-
texte an, Uass ich vermuten mOchte, dass das heutige Hindu-
tlieatcr in allcm Wesenllicben nocli das des KUlidSsa ge-
blieben JSt Am andern Morgen in der Frlibe wurde em
Ritt auf einem Elefanten zu dem eine Stunde entfemten Lust-
schlosse Macka unternommen, welches eben fUr die RUckkehr
des Gaikwar in Stand gesefzt wurde Unfer Flihrung des
Herrn Maier, der diese Arberfen unter sich hade, besjchhgten
wir die verschicdenen Prachlsale, und mit Befremden IiBrte
ich, dass, wenn der Gaikwar luer seme Hoffestc gibt, seme
Gemahlin niciit teilnimmt Oie indiscben Frauen Iieben es
eben nicht, aus dem engen Rreise rhres Hauswesens heraus-
zutreten, und befinden sicli, wie es schemt, ganz wohl dabei
Obngens waren die Gcmacher der FUrstin mit allem Komfort
ausgestattet, es fiet mir auf, dass verschiedene prachtvolle
Spjeldosen, aber nur em noch dazu recht mitfeJmdssiger
FlUgel vorhanden war Zuletzt besichtigten wir noch die das
Schloss Umgebenden Garten- und Parkanlagen, welche noch
jung Sind, aber unter dem mdisclien HimmeJ einstmals gewtss
sich zu emem Paradiese entwickeln werden Dann zogen
wir auf unserem Elefanten wieder heimwarts, die Morgen-
sonne brannte schon heiss auf unserem Rlicken und Freund
Dhruva erklUrte mir die am Wege stehenden Baume Nament-
lich der Unterschied von Nyagrodha (ficus Indjca) und
Afva///m (ficus religiosa) wurde nur hier zum erstenmal klar
Beide sind nach Wuchs und Aussehen der Blatter sehr ver-
schiedene Baume
Den Nachmittag halte der Minister fUr ein Zusammen-
sein mit den HauptwOrdentragern des Landes bestmimt
Durch zufailige Umstande wurde auch dieses m unser Palais
verlegt und so gewann es den Anschein, als wenn das
Se te 50
Cin Mahdrija mit Atinislcrn
Ritt nach Macl.a Grosse Cour Sanscrvl CoUcse 51
ganze Ministcrium und die lialbe Universifiit bei uns zur
gtossen Cour angetreten ware. Cs waren alles infclligente,
wQrdevoUe und \erbmdhche Manner, '\e!clic sjch \on
europaischen Grossen durcli ihre malensche und kostbare
Klejdung sehr unlersclueden, aber an feinem, laktvollem Auf-
treten denselben, wic nur scbicn, niclit im mlndesten nach-
standen Die UnlerhaUung bewegte sich cinige Stunden !ang
m der angenehmsten Wetsc um indische und europaische
Verhallmsse, und wir scbicden sehr befriedigt von einander
FUr den folgenden Tag wurde cm Bcsuch des Sanscrit
College beschlossen, welches G>mnasium und Universitat
veremigt und cm gutes Bild von deni Bildimgsgange der
indischen Gclehrten bot Die bcneidenswcrle, dem Curopacr
unerreichbare Fertigkeit im Sanskrit, welche die Pandits in
der Regel besitzen, beruht darauf, das5 sie schon im Alter
unserer Sextanerdas Sanskrit zu lemen anfangen und meistcns
em langes, fleissigcs Leben hindurch nichts als Sanskrit treiben
Der Unterncht begmnt nut Auswendiglcmen von WOrtern
und GrammatiK Als erstes grbsseres Dichterwerk wird sodann
Ragliu\an(a studiert, dem KtirnSrasanib/iPio, Meghadilta sowie
die Dramen Kalidasas und anderer folgen FUr erne liUliere
Stufe dienen die Romane Da^akumaracarilam, Kadambari
sowie die schwiengeren Kunstepen FOr die Universitats-
stufen spaltet sicli der Unterncht, die einen treibcn ilir
ganzes Leben durch Grammatik Literatur und Poetik, wUlirend
andere Aslrononue, Medizin, Junsprudenz oder Philosophic
studieren, alles nacli den altcn SanskntlehrbUchern, daher
z B die Lehrer der Astronomie die Erde als in der Mittc
ruhend und alles als um sie im Kreise Sicli drehend annehmen,
nur wemge wagen sich das Kopernikanische System anzu-
eignen, noch wenigere, sich often zu demselben zu bekennen
Als wir m die statlUchen R5ume des College einlraten,
waren die verscliicdenen Klassen mil ihren Lehrern bereits
m einer grossen, mch der Seite offenen Halle versimmelt
4 *
52 .
IV Von Bombay bis Peshawar
Es wurden, wie dies gcwOhnHch Obljch is^ verscbiedene
BegrUssungsgodichte In Sanskrit vorgetragen und mir sodann
Uberreicht Ebenso hUndigle man mir ein langes, schOn in
Sanskrit gesclinebenes Lehrprogramm ein, in welchem die
Lelirpensa der verschiedencn Klassen spezifiziert waren fch
wurde aufgefordcrt, Fragen zu slellen und nnisste, urn kerne
der Abteilungen zu vertetzen, wohl Oder libel aus alien Dis-
ziplinen, Grammatik, Uteralur, Astronomic und Philosopiiie,
Junsterei und Medizin, erne Frage stellen, die dann von ein-
zelnen Schalern, und wo diese sich nicbf zu heffen wussten,
von den Lehrern beantwortet wurden At/ffaJlend war mir,
dass immer nur die besten SdiOler zu antworten bereit waren,
auch dann, wenn ich meine Frage nicht an sie, sondem an
andere genchtet hatte Im ganzen lief also die Sache doch
mebr auf erne Schaustelfung fnnaus, und wenn icfi spater in
Indien Schulen besuchte, pfiegte ich zu bitten, dass man sicb
durch memen Besuch niciit stOren lassen, sondern ruhig im
Unterncht fortfahren mbge Schon m Baroda batten wir das
spater noch so oft genossene Schauspiel vor Augen, wie
Lehrer und Schliler samlhch mit unfergeschJagenen Bemen
auf dem Boden hockfen Beim Scbreiben wird das Heft
frei in der linken Hand gehalten, wSbrend die rechte die
Feder fUhrt Die Hindus sind so an diese Art des Schreibens
gewOlint, dass sie erne Unferlage, auch wenn man sie ihnen
anbielet, zu verschmahen pfiegen
Weniger interessant als das College war uns die Be-
sichtigung ernes benachbarten Palastes mit allerlei Waffen
und den Kronjuwelen Ich Oberzeugfe mich dabei, dass, so
viele Kosfbarkeiten auch schon aus Indien ihren Weg nach
Englamd gefxujdfj habex^ doeb noch iramer genug tibng
bleibt, was die englischen Gouverpeure und Residenten, oder,
wo dies bedenklich erscheinen sollte, ihre Damen Sich ge-
legentlich schenken lassen kbnnen Ich bin weit davon ent-
fernt, alles zu glauben was mir in dieser Beziehung erzahit
Examen Kronjuwelen Dhwa’s Hejm Musikmejster
53
wurde, il! aber doch bemerken, dass die Schilderungen, w elche
mir von der Reise eines cnglisclicn Pnnzen und der Herren
m semem Gcfolge gemacht wurden, mitunter cmigermassen
an das aus Cicero bekannte Auftreten des Verres in Sicthen
etmnerten
Mit besondercm Interesse foigten wir noch in Baroda
emer Einladung Dhruvas in sein Haus, um so lieber, als die
indischen Oelehrtcn nicht immcr gem Bcsucher bei sich
empfangen Hier, wie spSler noch oftmals, wurde icli an
das Wort des wackeren Javerilil! crmncrf simplicity is the
type of our life Wir trafen erne Emfachhcit der Aussfatlung
an MObeln und dergleichen an, wie sie bei uns etwa im
Mittelalter die Regcl gewesen scin mag Auch Frau Dliruva
mif den Kindern erscluen, wdhrend wir Ober den Gang Inn
andere ueibliche Gestatten halb sichtbarnach indischcr Gc**
v.ohnheit auf der Erde sitzen sahen Es ist charakteristisch
fUr die Inder, dass sie Uberall, im Hause wie im Freien, sich
ohne Umstande auf die Erde setzen, welche freilich durch
ihre gfosse Trockenheit daflir ganr nnders geeignet ist, als
bei uns Noch em andercr Gast steUte sich bci Dhruva ein,
ein indischer Musikmeislcr, ein ernster Mann, der seiner
Kunst nnt grosser Hingabe obzuhegcn schien Er Uberreichte
ein Werk von sich Ober die Theorie der mdischen Musik
auf Hlndostani mit eingenochtenen SteUen aus Sanskrit-
gedichten, spiach aber leider weder Enghsch noch Sanskrit,
sodass die UnterhaUung mit ihm sehr beschrankl war Indes
bestaiigte der Eindruck seiner gediegenen, wissenschaftlich
emsten PersOnhchkeit die schon frliher von mir gefasste
Oberzeugung, dass in der mdischen Musik viel mehr hegt,
als unser ungeschultes Ohr herauszuhQren vermag Sie
besitzt eine komphzierte Theone, und die Hingebung, mit
der ich oft MusikstUcke auffUhren hbrte, scheint dafUr zu
zeugen, dass sie m ihrer Art ebenso sehr wie unsere Musik
imstande ist, die Seele ernes Menschen auszufUUen
54
IV’ Von noRibay bis Pcshnwa
Der Aufcjil))n)t in Barodn war so rtlch an schOnen
Cntmerimgcn, class wir bcsclilosscn, nicht \on dort zii
sclieidcn, olmc voriicr durclt cine pholographisclie Aufnalime
das Andenkcn an utiser Zusammcnscln daucmdcr zu machcti
Cln Icldlichcr Photograph war vorhandcn, iind cr vcrspracli,
am Tage vor unscrcr Abrcisc nachmitlags vier Ulir nut
scinem Apparatc vor ttnsctcm Palastc zu crschcmen, der
nalHriich den Hintcr^nind abgchcn solltc. AKc Personen
waren rechfzcltig vcrsammelt, als grossc Hauptperson zu-
nacbst der ricsjge ElcfanI, der uns nacli AJacka gciragen
hattc, und welchcr, nut cincr koslbaren Decke gcschmllckt
tind am Rdsscl, den Wangcn und sogar an den Olircn auf
das schdnste bcmalt, mit seiner aus fdnf Alann bcstehendcn
Dicnerschaft crschicn Cine zwcilc Ilauptpcrson, fdr deren
Abtatifnalimc namentlich Herr Alaier lebhaft platdicrt hade,
war der Cf/r/r (im Sanskrit „der buntfarbtge"), d h der zahme
Leopard des FOrstcn, welcher fOr die Jagd aul Anttlopcn
abgenchtct w'ar Seine Kunst bestcht darin, die aufgespdrte
Antilope in schnellcn Saticn cinzuliolen tind Ihr die Qurgel
durchzubeissen, sodass ste, im (ibngcn an Fell und Fleisch
unbeschadigt, vom J3ger in Empfang genommen werden
kann Herr Ataier war beim Alinistcr sefir ms Zeug gegangen,
urn cine Jagd mit dem Cilra fUr uns zu inscenieren, es wurde
aber nichts daraus, namentlich da ich fdr meine Person auf
das grausame Schauspiet durchaus kemen Wert legte Dafdr
erscliien jetzt der Citra, um mit uns photographiert zu werden
Er wurde auf einem kleinen eleganten Wagen herangefahren,
mit einer Kappe Clber den Augen und auch sonst stark
gefesselt Drei Diener jnachten semen Hofstaat aus, und
man warnte mich, dem Tiere nicht allzu nah zu kommen
Ausser Elefant und Leopard waren ich selbst mit meiner
Frau, Dhniva mit Frau und drei Kmdern, Herr Maier mit der
Reitpeitsche als steter Begleiferm und einige Nebenpersonen
vorhanden Alles war volJkommen bereif, nur erne Person
Photographische Aufnahmc m Baroda.
55
iehUe noch, ohne die wir nicht anfangeti konnten, — und
das war der Photograph Es wurde nach ilim gescliickt,
aber er war mrgeads zu fmden Vergcbens warfeten wir
bis zum Dunkelwcrden, der Photograph liatte uns einfacli
vergessen Unter diesen UmstJnden und da alle sich scfir
aut das Photographieren gefrcut batten, blicb uns nichts
anderes Obrig, als unsre Abreise bis auf den Mittag zu
verschieben und fUr den anderen Morgen frtlh cm neues
Zusammentreffen anzuberaumen, worauf dann enditch das
Bild gltlcklich zu stande kam Indem Jch es in der Hand
halte, ruft es mir die ganze Situation bis m die kleinsten
Einzelheiten wieder ins GedSchtnis zurUck
Den Hmtergrund bildet unscr Palais mil seiner statthchcn
Einfahrt und semen hohen SaulenhaUen Vor jhncn steht
der Elefant, so ruhig und verstandig, als wisse cr, worum
es stch handle Vier Leute seines Gefolges stehen an semem
Kopfe, ihre langen Lanzen m der Hand Der ElefantcnfUiirer
sitzt vorne auf dem Nacken, als Symbol den kleinen Eisen*
haken haltend, mit welchem das kolossale Tier gelenkt und
zum schnelleren Schritt, zum Hallen Oder Niederknieen ver-
anlasst wird Letzteres geschieht, wenn Personen auf- Oder
absteigen wollen Em krafliger Stoss mit dem Lenkhaken
auf den Kopf veranlasst das Tier mit emem leisen Grunzen
des Unbehagens langsam niederzuknieen, die Diener setzen
erne kleme Treppe an, welche der Elefant zu diesem Zwecke
stets an der Seite mit sich tragt Man steigt hmauf und
findet oben elne breife Fiache, auf welcher vier bis seclis
Personen Platz habeit, and die md ernerrr elsemen Gel^nder
umgeben ist Dort oben sitzen die Damen, d h Frau
Dhruva mit kunstgerecht untergeschlagenen Bemen und meine
Frau, der man das unbequeme ihrer Stellung wohl ansieht
]ede halt em Dhruvakmd auf dem Schosse, wahrend der
aiteste Sohn, zwischen beiden sitzend, voll Spannung der
Begebenheit zuschaut Vor dem Elefanten in der Mitte stehe
50
U’. Von bJ« Pahanar
Ich, •ithr durch die ins Qcsicht schcmcndc Sonne gtiilcrt,
Indcm dcr PliotoRraph im Ictztcn AupcnbUckt mlch nuf-
fordcMe, den Sonncnlml nbzunehmcn Mir zur Rcclilcn sftlit
Dliru\a Im Nalionnlkosiamc, zur LInken cm ScliuKorsleher
imd llcrr Mnicr im RcitkostClmc, die Rcitpcitsclic in der
Hind, sclncn Blick mif den Lcopirden f;erichtct, uelchcr,
\on drei Wflrtcrn uclnltcn, die Gnippc mtb iinks absciiliesst
Lcidcr Int das Unticr den Kopf bcwtgt und didurch drei
Knpfe irlnltcn, sodass man cs lOr den Cerberus hallcn
kbnntc. Die tropisclie Sonne ist an den licllcn LicliiLrn
und den scharf umgrenzten Scliattcn Jciclit erkennbar
Das war der Sciiluss unscres Aufentiialtes in Baroda
Nach cinem solcnncn Abschtcdsmahle schicden wir dankbar
\on der Uefflichcn Wohniwg tmd fuhren, von rcichem
Ocfolgc bcglcilct, zum Dahnhofe
Unscr nadistcs Zicl, AUmedabad, uird von Baroda aus
durch einc Eiscnbaimfahrt von wenigen Siunden crreicht
Cs war das erste dass wir bci Tage durch die indische
Landschaft fuhren und nocli dazu durch cmc besonders
reichc Gegend, v,clchc wegen ihrcr Fruchtbarkeil von den
Indern Cbndara genannt wird Cs war der 28 November,
und mit EntzUcken sahen wir die herrlich grflnende und
biuhcndc Landschaft mit ihren Riesenbaumen und ihrer
tropischen Pnanzcnfflllc an uns vorOberziehen, wafircnd Tiier
und da erne Anzahl Affen, ohne sich durch den vorbei-
sausenden Zug sfOren z« lasscn, auf den Baumen imd im
Qrase ihre Mannerchen machlcn Wir wollen diese Gelegen-
heif benutzen, urn eimges Ober Kllma und Boden indiens
im allgcmemen zu sagen
s\wl kemeswegs mmet die
fruchtbarsten, vielmehr lehrt ein Blick auf die Karte, dass
sicli von der Westktlste Afrikas an durch die Sahara, Agypten,
Arabien und Centralasien bis nach China hinem ein breifer
Sells 5
Fahrt nach Ahmedabad Klima Indiens
57
LanclcrgOrtel hmzieht, m welchcm cs, vermDge einer Art
Wechselwirkung zwischen der durch den uolkenlosen
Himmel gesteigcrten Hitzc und der durch eben dicse Hilze
verhinderten Wolkenbildung, sellen Oder me regnet, und
die doher trotz der lierrliclisten Sonnenkraft \on der Natur
dazu verurteiU sind, WUste zu bleiben Diesem Sclucksale
wUrde auch Agypten verfalten, ^^arc mcht die Ober-
schwemmung dcs Nils, und ebcnso wlirde fast das ganze
herriiche Indien erne WOste sein, waren nicht die Afowswn s,
wetchc im Winter aus Nordosten wehcn und daher nur
wenigcn Orlen an der OslkUste die Feuchtigkcit bringen,
in den Sommermonaten hingegcn von Juni bis September,
aus Sfldwesten wehend, erne so reiche FUlle von Regen
iiber tndien ausschtitten, dass das Land daran fUr das ganze
jahr genug hat Denn den ganzcn Winter durch regnet es
m Indien so gut wie gar mcht, und wir haben, von cmem
Regentag in Benares und zweien in Calcutta abgcsehen,
wahrend unsres vietmonatlichen Aufenthalts m Indien selten
den Himmel bewOlkt und kaum je einen Tropfen Regen
gesehen Die Regel war, dass die Sonne von seeks Uhr
morgens bis sechs Uhr abends ihren majestStischen Lauf
am vbllig wolkenlosen Himmel voUendete Bet uns wUrde
unter diesen Umstanden nach wenigen Wochen alles anfangen
zu verwelken, in Indien behalten BSume und Pfianzen den
ganzen Winter durch »hr saftiges Grtln, so gross ist die
m der Regenzeit angesaramelte und den Boden durch-
trankende Feuchtigkeit
Erne weitere Folge dieser khmalischen Verhaitnisse ist,
dass der Ackerbau in Indien weniger als bei uns an be-
stimmte Jahreszeiten gebunden ist Denn die Kulfurpflanzen,
wie Korn, Weizen und dergteichen, bedUrfen, um sich vom
Samenkom bis zur reifen Frucht zu entwickeln, einige Monate
hmdurch Feuchtigkeit, Bodenwarme Sonrienschem u dergl
Welche Monate dabei im Kalender stelien, darnach fragt die
58
IV Von Bombay bis Peshawar
Pflanze nicht, und wo jhr, wic in Indien, jene Bedjngt/ngei
das ganze Jnhr diirch md AtisnaJime der Rcgenzed geboter
vverden, da ist sie bereit zu jcdcr Zed, sobald sie ausgesae
wordcn, zu wachsen und zu rcifen VVir konnten dalier of{
mals bcobachten, wie auf dem cinen FeJde das Oetreide ge-
erntet wHfde, wflbrend es auf cinem andercn Fclde daneben
eben erst m die Halme schoss und auf einem drdten Felde
tn frischcm GrOn aus der Erde aufkeimte Inzwischen bat,
wie man nnr sagte, fndten »m allgememen zwei Jahresernten,
die einc im Winter, die andere, fUr OcwSchse, die der Feuclitig-
keit weniger bedUrfen, im Sommer vor EintriU der Regenzeit
Nach der Regenreit, die im Hochsommer cinsetzt, zeigen die
BSume das hecdichste GtOa und behaUen es den ganzeti
Winter durch Erne Landschaft mit Bflumen, wetche, wie
bei uns im Winter, dcr Blatter beraubt, ihre nackten Aste
und Zweige gleichsam hiilfeflehend zum Himmel strecken,
babe ich in Indian nirgendwo gesehen Erst im FrOhling
soJlen, wie man mir sagte, die alien Blatter teilweise ab-
gestossen und alsbald durch neu aufkeimende ersetzt warden
So genossen wir denn, wdhrend zu Hause alles m
Schnee und Eis starrte, des herrhchsten Sommerwetters und
kannen nicht m die Kfage ernes pessimistisch angehauchten
und alles m Indien schfecht machenden Mitreisenden em-
stimmen, welcher behauptete, dass man dieses fortw&hrenden
schbnen Wetters zuletzt ganz mflde wUrde
Die schbne Fahrt von Baroda nach Ahmedabad welche
diese Abschweifung veranlasste, war volfendef und wir liefen
in den Bahnhof dieser emstmals, zurZeit der Moguls, grdssten
und schbnsten Stadt des westbchen Indiens em Heute zahlt
dieselbe nach langen Zeilrdumen des Verfalls wieder 148,000
Elnwohner, besitzt aber kein Hotel und nur ein entfemt
heeendes Dak Bungalow, daher wir es vorzogen, ein Zimmer
rflanzcnv.uchs Ahmcdabad Sanitate Vethaitmsse 59
emgenchtet, da erschieacn auch schon vier iunge Leute, denen
\\\t \on Bombay aus empfolUcn varen, iind zu denen sich
bald def Vater des cmen, der aUe, reiche und wflrdige
Randiodim gesellte, v'.elcher als Mitgtied des Magistrates
maneben schatibaren Aufschluss zu geben wusste So er-
zahUe cr, dass AUmedahad neucrdings cinc tcilweise schon
durchgefUhrte Wasserleitung erhaltcn habe* dass aber das
Unternehmen Widerstand fmde mfolgc der Abneigung der
Hindus, das Wasscr aus ktlnsHichcn Leilungen zu benutzen
Sie haUen nUmhch das Wasser nur daon fQr rein (m reh-
giQsem Smne), wenn es unmiUelbar aus den Handen der
Nalur entgegengenommen wird, und so tnnken sie oft das
stagmerende Wasser von Teictien, in wclchen gleichzeitig
gebadet und Kdchengerat, WSsche u dcrgl gewasclien wird
Nur diesen Missstttnden ist cs zuzuschreibcn, dass die Cholera
m Indien nicht auszurotten ist und alljahrhch in der heissen
Jahrcszeit ihren verheerenden Lauf durch die mdischen Stadte
hdit indes wUtet sie zumeist nur in den armeren Volks*
schichten und pflegt, wie man mir dfter versicherle, eincn
^Gentleman" (d h wohl cmen vemOnflig Jcbenden Menschen)
nicht anzugreifen „Wir haben," so ausserte sich Ranchodlfll,
„in unserer Stadl die merkwUrdige Erfahrung gemacht, dass
diejenigen Viertel, in wclchen die Wasserleitung schon durch-
gefQhrt ist, auffallend wenig von der Cholera gehtten haben,
und so dUrfen wir lioffcn, des Obels mit der Zeit Herr zu
werden “
Unter diesen und anderen GesprSchen machten wir eine
Rundfahrt dutch die Stadt, besuchten den im SOdosten der-
sclben gelegenen von hebhch umwaldeten HDgeln umkranzten
Kankanya-See, besichtigtcn au! dem Rhekwege einige der
zahlreichen erhaltenen Moscheen, deren WSnde vtelfach aus
Stemen mit wunderfeinem Schnitzwerk und durchbrochener
Arbeit bestehen, und endigten den Tag mit einem Spazier-
gange nach der hohen und langen Brlicke fiber die Sabar-
60
IV Von Bombay bis Pcsliawir
matt Mjcr w.ir cs, wo der wackcrc junge HarilQl mir sejn
Lcid klagtc Es ist namitcli emc grausamc Emnclitung der
Englander, dass die hoheren Steticn im indischen Staats-
dienste nur dcnjcnlgen offen stchen, welchc ihre Examina
m England abgcJcgt haben (rauc mir wohl,“ sagte
Haniai, „den Fleiss iind die Faiiigkeil zu, diesc Examina zii
bcstchcn, auch bin tch durch die Gnadc Codes mit reich-
IlcJien Mideln ausgeslaffcf, aber die Reise nach England
wOrde fUr mich die Ausstossung aus memer Kastc zur Folge
liaben, und dicsen Schmerz kann ich meinen Elfcrn und Ver-
wandten nicht antun Icli sehe mich dalier dazu verurteilt,
zeitlcbens etne untergeordnete Stelle zu bekleiden," Ich er-
munferle ihn, diese Schwiengkcit zu flberwinden und wies
auf das Beispicl Dhruvas in Baroda lim, welcher in Eiiropa
gewesen und, nachdem cr in aller Stille und ohne damit zu
prunken, zurUckgekehrt set, durch Zahlung von ein paar
hundert Rupien und etnige leichte BussUbungen sich die
AldgliedschaB seiner Kasie erhaKen babe Hoffendich gelmgi
cs dem HanlSl und vielen jungen Hindus in seiner Lage,
nachdem sie selbst den religiOsen Vorurteilen entwachsen
Sind, auch die ihrer Familie soweit zu brechen, um nicht
alle besseren Stellen des Landes den Engiandern allein Uber-
lassen zu mussen
Als ich, ziim Bahnhofe zurUckgekehrt, noch eine Weile
vor demselben die AbendkUble genoss, hafte ich das ergdtz-
liche Schauspiel, zu sehen, wie zwci Hinduweiber sich zankten
Jede derselben sass ruhig vor ihrer Hutte, und wShrend die
eine rait Jauter Stimme und lejdenschaftlicher Beredsamkeit
ihre Sache entwickelte, hOrte die andere aufmerksam und
ohne sie zu unferbrechen bis zu Ende zu um dann in der-
selben Weise ihre Gegenargumente weitiaufig auseinander-
zusetzen So wurde der Bali der Unterredung mehrere Male
herliber- und hinUbergeworfen, bis nut der ErmUdung der
Lungen auch eine Berulilgung der GemOter allmShlich emtrat
Religiose Vorurtctic ZanUnde Wciber Die Jama’s> 61
Der folgencle Tag, der cinztge, den w ir noch auf Alimedabad
\er\\enden wollten, brachte \iele EindrDcke Zun3clist fUhrten
uns unsere Freunde \sieder lur Sabarmatt, urn dart das
Trejben der badenden Hindus zu sehen, ein Schausplel,
welches wir nachmals noch in manchcn St3dlen und am
besten m Benares genossen, davon spatcr em Mehreres Es
folgte sodann die Besichhgung des grosscn Jaina-Tempels,
ernes der schOnsten und prunkhaftesten in ganr Indicn An
Stelle der GWterbilder irelen, da der Jaimsmus ebenso wie
der Buddhismus bekannlhch cine alheistische Religion isl,
die sitzenden Statuen dcs Jina und seiner vierundzwanzig
VorlSufer, denn ohne (dole kann das Volk nun einmal nicht
fertig werden Vom Buddhismus, der seit Jahrhundertcn in
Indien vOUig ausgeroUet worden, und dcm ir daher nur an der
Nord- und Sudgrenze, im Himalaya und auf Ceylon begegnen
werden, unterscheidet stch der jaimsmus namenUich darm,
dass er nicht international geworden, sondern mchr hmduisch
national gebheben ist, daher er sich m Bombay, Ahmedabad
und anderen Often behauptet hat Aber der Brahmanismus
hat seme erstaunliche Lebenskraft auch darm betatigt, dass
er sich den Jaimsmus fast vOHig assimihert hat Daher die
Jamas beinahe ebenso sehr wie die Brahmanen die Be-
nlhrung mit den Fremden und namenthch das Zusammen-
essen mit ihnen scheuen, auch gegen ihr ursprOngliches
Prinzip bei Besichtigung ihrer Tempel und Festlichkeilen
dem Fremden gelegentlich Schwiengkeit machen, wahrend
man in den buddhistischen Tempeln Uberall ganz ungeniert
umhergehen kann
Obngens smd die Jamas vjelfacb im Besitze grossen
Reichtums, und wir besuchten im weiteren Verlaufe des
Morgens die Werkstatte eines jama, in welcher herrliche Holz-
schmtzereien und wundervolle Teppiche angeferligt wurden
Bei der Teppichwirkerei ist die Kette von oben nach unten
gespannl, hinter derselben sitzt erne Reihe Knaben Ihnen
62
IV Von Bombay bis Peshawar
gegenUber auf der andem Seite der Kette steht mit dem
Muster in der Hand em Mann, auf dessen Kommandoworte
die Knaben abwechselnd kurze buntfarbige Wollfaden durch
die Kefte flechten, sodass die Enden der FSden nach ihnen
zu herausstehen und erne rauhe, wollige Masse bilden, weiche
nachmals glatt geschoren als die rechte Seite des Teppichs
die schbnsten Muster zeigl Teppicbe wie Schnitzereien
wurden auf Bestellung fUr Amenka und andere Oegenden
angefertigt Die Preise waren so hoch, dass wir darauf ver-
zichteten, irgend etwas anzukaufen Der noch jugendliche
Besitzer, in dem ich durch emige Fragen den von Freund
Garbe beschnebenen Jungling wiedererkannte, schien auch
gar mcht zu erwart&n, dass wir elwas ersianden W/e
tiblich, legte er uns zum Schluss das Fremdenbuch vor, m
dem wir das VergnUgen, mit welchem wir m der Tat die
Arbeiten besichtigt batten, gerne beschemiglen
Von hier ging’s zu dem Pinjra-Pol (,K5figbr(JCke“) ge-
nannten Tierbospitale, wie deren in Bombay, Abmedabad
und manchen anderen Stadfen Jndiens bestehen Diese mehr
der Absicht als der Wirkung nach anerkennenswerfen Institute
haben den Zweck, kranke und alte Tiere bis an ihr Ende zu
verpflegen, sowie auch gesunde, namenthch Kobe, den
mohammedanischen Schlachtern abzukaufen und so am Leben
zu erhalten Man fmdet in denselben meist Pferde und Kube,
Ziegen und Hunde In Bombay bemerkten wir in dem
Hospital einen Wagen mit aufgesetztem Kafige, m dem sicb
mehrere Affen befanden Es waren dies bOsartige Tiere,
welclie von den Familien, die sie hielten, emgeliefcrt wurden
und bestimmt waren, m den Wald abgefOhrt und dort los-
gelassen zu werden Der strengglflubige Hindu tbtct kem
Tier, auch kem Insekt, ja nicht einmal cine Schlangc Tnfft
er erne solche an Orteu, wo sle getahrlicb werden kinn, so
kingt er sic cm und transportiert sic in cine Oegend, %\o
sie nach seiner Meinung unschadiicii ist. urn sie dort in
Tcppiclmtrkerei Tierhospiialer Schbngen
03
Freiheit zu setzen Es gibl \ie1e alte HSuser in Indicn, in
deren Mauenverk Schlangen hausen Das niedere Volk \er-
schont dieselben, weil es m ihncn die Getster der Vorfahren
\erk5rpert glaubt Ofter wurde mir versicliert, dass diese
Schlangen niemals cinen insassen des Hauses schadigfen
Tatsache ist wohl, dass die Scldange dem Menschen aus
dem Wegc gehl und nur dann beisst, \senn man sie reizt,
also namentUcli, wenn man unbclmtsam oder ini Dunkeln
darau! tntl Obrigens siitd die Schlangen im Winter sellen,
SIC bleiben dann zumeist m iliren Locliern unfer der Erde,
und wir haben, ausscr in den Handen dcr Gaukler und m
den zoologischen Giirten, wdhrend unsres viermonatlichen
Aufenthalts m Indien in der frcicn Nalur nur einmal eine
Schlange angetroffen In der hcissen Zed und noch mehr
in der Regenzeit sollen sie nicht seltcn sein und erschcincn
manchmal an Orten, wo man sic ganz und gar nicht ver-
mutet, wie denn z B Frau Dr HOrnle aul dem BaSkon ihrer
mitten m Calcutta cine Treppe hoch gclcgenen Wohnung
ernes Tages eine Schlange antraf, wie dieselbe dorthm ge-
kommen, bUeb alien em Ratsel, sie mag wohl im GemDse
versteckt gewesen sein Eine schOne Oberraschung erlebte
aucli, wie Frau Dr HOrnle erzahite, ein Freund dieser Familie,
welcher eine Partie Schlangeneier in seinem Koffer ge-
sammelt halle und, als er denselben ernes Tages Offnete,
eine Gesellschaft munterer kleiner Schlangen vorfand, welche
dank der tcoptschen Hit 2 e aus den Eiern ausgekrochen waren
Urn auf das Tierhospitat in Ahmedabad zurUckzukommen,
so befanden sich in ihm nur die bereits genannten Haus-
tiere Manchem derselben, welches krank Oder verstQmmelt
umherschUch, ware der Todesstoss gewiss erne Wohltat ge-
wesen, sodass der erreichte Zweek hier in seltsamem Kon-
traste zu der grossen und edien Absicht steht Erhalten
warden diese Institute dutch reichtiche Beitrflge, wie denn
z B m Bombay die Baumwollenhandler bestimmte Prozente
64
IV Von Bombay bis Peshawar
vom Gevvinn an das Pjnjra-Pol abzugeben sjch verpflicbtet
haben Nur als ejnen schlecbfen Witz kanir man es an-
sehen, wenn m BUcliern erz3hU wird, dass die TierJiospit3Ier
auch eine Abteilung fUr Insekten hStten, und dass Neger ge-
halten wUrden, um denselben ihre KDpfe als Weide darzu-
bieten Die Hindus versicherten mir, dass dergleichen me
vorgekomtnen, und doch hatfe einmal ein Missionar in
Bombay die Stirn, mir gegentiber zu behaupten, dass die
Sache auf Wahrheif beruhe, worauf wir spater noch zuriick-
kommen werden Vortaafig sei nur faemerkt, dass alles, was
die Missionare von Indien erzahJen und schreiben, selir mit
Vorsicht aufzunehmen ist Ihr gewbhniicher Kunstgrjff be-
steht dann, ganz seltene Ausnahmefalle so m den Vorder-
grund zu stellen, dass dieselben als die Regel erscheinen,
wodurch dann ein ganz verzerrtes Bild des mdischen Volks-
lebens entsteht
Wir beschlossen den Morgen mit einem Besuche bei
den S&dliu% worunter eme Art indischer MOnche zu ver-
stehen ist, die in einem wohlfundierten KJoster zusammen-
leben Sofort wurde in einer gerSumigen Halle eine Ver-
sammlung derselben veranstalte^ zu der sich wohl 50 bis 60
einfanden von welchen jedoch kaum einer oder der andere
em noch dazu sehr kOmmerliches Sanskrit sprach Die in-
dischen Pandits sprechen von dicsen wohlgenflhrten A\nssig-
gangem mit Verachtung und mOgen wohl Recht dann Inben
Am Nachmittage batten wir zwei grosse Versammlungen
binteremander, die eme nut Pandits, in der Sanskrit gesprochen
wurde, die andere m einem Klub, wo In cnglischer Sprache
mancherlel Themata bcrtllirt und namcntlich Aufschluss (Iber
das Eaiehungswescn in Europa verlangt wurde Dann
wurdcn Lieder aus GUagoxmda und andercn Dichfungcn
gesungen und mit den mtionalen Instfumcnten beglellct TOr
den Abend cntschuldigten sichmetne Frcundc, well sie einem
Diner ihrer Kastc bciwohnen mussten Ich bat, mir den
PiHjra PoL Sidhus Kastcndwer Abrciso
65
Anblick desselben zu vcrscfiaffen, und sit sagtcn es zu, liolteii
mich aber, woW absichtlich, erst dazii ab, a!s die Hauptsaclie
sclion vorbei war In einer langen, engen Strasse, die nur
von dieser Kasie bewolmt wird, waren hier raehrere Hundert
in langen Reihen auf der Strasse Iiockend gespeist worden
Ich saU nur nocli cinige NachiOgIcr und die Spuren dcr
beendigten Mahlzed, namentlicli die zalillosen kteinen Ton-
gelasschen, m welchcn die GericWe \or jeden emzcinen be-
sonders hmgcsetzl werden, und die nach einmaligem Ge-
brauche weggeworfen werden mUssen Man nimmt zu jeder
Mahlzeit wieder ncuc, da cm ganzes Tausend dersclben, wie
man uns sagtc, nur erne Ruptc kostet Ich liatte noch das
Vergntlgen, mit dem Gastgeber und einigcn seiner Freunde
bekannt zu werden und musste von alien Speisen nachtraglich
kosten und dieseiben natorbeh fUr vorzUgiich erkiaren
Am andern Morgen brachen wir von Ahmedabad auf
und waren froh, von unserm engen und gerduschvollen
Bahnhofszunmer Abschted zu nehmen Die Freunde fanden
sich auf dem Bahnhofe ein, emer derselben, der jDngere
Dliruva (Bruder des Dhruva in Baroda), welclier in Ahmed-
abad eine Stelle als Lehrer des Sanskrit bekleidete, erklarte
mir itn Meghaduta den ich stets zum Memoneren auf der
Eisenbahn mtt mtr fuhrte, mit HQUe der Karte sehr sach-
kundig die verschiedenen Ortlichkeiten, welche die Wolke
als Bote auf ihrer Reise durch Indien berhhrte, und von
denen auch wir cmige zu besuchen hofften Dann brauste
der Zug heran, em rascher Abschied von den Freunden, und
nordwarts ging es hinem m unbekannte Gegenden, welche
im weiteren Vetlaufe emen mehrstenien Charakterannahmen
und die NShe der WUste A/or/i bekundeten, welche links von
uns, das Industal von der Qangesebene scheidend, sich m
emer Breite von 300 Kdometera erstreckt Am Nachmittagc
tauchten einzelne Bergrilckcn auf, unter thnen Mount Abu,
Deussen ErinneninEcn aa Ind en 5
66
IV Von Bombay bis Peshawar
beruhmt als Sommerfrische und durch seme Jaina-Tempel,
wjr konnten ihn nur vorOberfahrend bebachten Die Nadif
trat ein, und am nSchsten Morgen um 5 Ulir sollten wir
Jaipur, unser nbchstes Reiseziel, erreichen Vorsorglich bat
ich den Guard des Zuges, uns rechtzeitig vor Jaipur zu
vvecken Er versprach es, wir kleideten uns wie gewOhnlich
aus und schhefen rubig ein In der Nachf erwachte icfi,
das Licht in unserm Coupe war erloschen, um uns her war
die tiefste Fmsternis Ich zUndete ein Streichholz an und
sah nach der Uhr 15 Alinuten vor ftlnf, m einer Viertel-
stunde mussten wir m Jaipur sein wo der Zug nur sieben
Mmuten halt Der Guard hatte sem Versprechen vergessen
Jetzt ging es darum, m fJiegender EiJe und m Dunkein, denn
Kerzen, wie spater jederzeit, fclhrten wir damals nocli nicht
bei uns, StrUmpfe und Stiefel und alle Kleidungsstllcke zu
linden und anzuiegen, wobei m den verzweifelfesten Fallen cm
angezUndetes Streichholz lielfen musste Nur die Weste nut
all unserem Barvorrat wolUe stch Hngcre Zeit nicht fmden
lassen Endlicii waren wir fcrtig und cs war auch hOchstc
Zeit, der Zug hielt bereits, und mit Hulfe des Dieners ge-
langten wir mit alien sicbcn Sachen nocli rechtzeitig heraiis
und fuhrcn zu dem nur massigcn Hotel Kaiser-i-HimJ In-
zwischen war die AtorgenrOle erschienen, und wir genossen
von den HoteUenstcrn aus den herrhehsten Sonnenaufg'ing,
doppelt erfreuhch nach dem ticlcn Dunkel der Nacht und
den Beangstigimgcn, die cs diesmal iHr ims geinbt hatte
Die Hauptsehenswfirdigkciten von Jaipur slnd das alte
KOnigsschloss nut semem Mirstnll und die zwci Stunden
tTi\kTTi\ \iegcnde SommerresWenz Amber Glckh naeb det
Ankunft wird dem Frcmdcn tin formular tlberrcicht, auf dem
cr Tag und Stumlc cmirflgt wann cr dicse Dingc zu schin
wonsclit, worauf dann alles Weltert von sclbst hesorgt und
namcntllch fllr die Tour mch Amber cln Cltfaiit aus dem
AnkunU m Jaipur Wandctung durch die Stadt G7
fatsUiciien Marstall zur VerfOgung gcstellt uird Naclidcm
wir diise Frage geordnct hattcn, untcniahmen vsir cmen
Morgenspaziergang in die leider etwas cntfcrnle und nuratif
staubigen Wegen crreichbarc S(adt,\\tlchc nut ihrenschOnen
bveiten Strassen und diren rosa angcslrichencn Hausern cmen
hedercn Etndruck macht, watircnd ihre Beuolmer, die
Rcljpiilen, mit jhrcn grosseti, kraftigcn Gestaltcn die stattlichsten
Erscltemungen bdden, die man in Indien anfnffi In der
Mitte der Sladt liegt cm grosser Marklplatz, auf dcm, ahnhcb
wie m Venedig und Florenz, erne Anzafil Tauben gehallen
werden Wir kauften cm Kbrbchcn mit Kttrnern und batten
bald das Vergnligcn, die zarten Tjerclien urn Haupl imd
SchuUern tlattcrn und die Kbrner vertraucnsvoll aus der
Hand aufpicken zu sehen, bis ein zudringlicher Ziegenbock
die Scene stbrte, den tch mit RQcksicht auf die Gcftihle der
umstchenden Emgeborenen nicht nach Gcbllhr abzufertigcn
wagte
Von liier wandten wir uns zu den fllrstlichen Garten,
in denen, wie ubbch, Tiger, Lbwen und andere bissigcTiere
m Katigen gehatten vvurden, wahrend die Affen nut Kettchen
an hohen Stangen angeschlossen waren, an denen sie belicbig
nach oben zu ihrem klemen Katige Oder nach unten zur
Erde klettern konnten, urn hier innerhalb des Spielraums,
den die Kette gestattete, mit dem ihnen eignen possierlichen
Ernste den Boden auf seine Bestandteile hm zu untersuchen
Nicht weit davon Iiegt in sclibnen Gartenanlagen das Museum
von Jaipur, em elegantcr Bau mit sehr reichem Inhalte
iesst^'ie micb cine Sammlung von Tonbguren,
welche die indischen Asketen m ihren mannigfalfigen selbst-
quaierischcn Ohungen veranscUautichten Ursprllnghch wurzelt
die mdische Askese m der hohen und wahren Erkennlnis von
der SUndlichkeit des Daseins, aus welcher das Besfreben
erwachst. durch Entsagungen und Quaiereien allcr Art das
Fleisch abzutbten Indessen ist diese echte Askese selten
5 *
G3
IV Von Bomba> bis Peshawar
zu finden Im Himalaya, oberhalb Handxdr, wo die Gangd
aus dcm Gebir^e hervorbncht sojien viele Asketen zu fmden
sem Freund Candnk3pras6d woJIte auf der Reise zu uns
slossen, urn mich dort einzufflliren, war aber leider verlundert,
und so unterblieb die Sache, da dcr EuropSer allem sclnver-
licli dort viel zu sehen bekommen batte Denn die echten
Asketen suchen die Emsamkeit auf und machen sich aus
dem EuropHer gar nichts Sehr verscliieden von ihnen sind
diejenigen Asketen, welclie die Stadte aufsuchen und ilire
Busstibungen zur Schau stellen Von ihnen traf ich m Cal-
cutta am Lifer des Hugh eine ganze Anzalil Jeder sitzt fUr
sich an semem Feuer fast ganz nackt, mtt Wasserkrug, einigen
Lumpen und anderen diirftigen Habseligkeiten umgeben und
von einer Anzahl Neugieriger umstanden, die ihn m der
AusUbung semer Sperialitat be%vundern und ilm einige AI-
mosen spenden Ihre Kunst lauft meistens auf erne bechst
unbequeme Art zu sitzen binaus, in der sie mOglicbst lange
auszuharren suchen Emen sah ich, der auf einem Berne
stand, wahrend das andere an ciner Stange hochgebunden
war, em anderer lag auf emem Bette mit spitzen Holzn&geln,
noch andere abenteuerfiche Posituren konnte man an den
Modeilen m Jaipur beobachfen Fast alle haben den nackfen
Leib mit Asche beschmierL die langen Haare hangen wiist
Uber das Gesicht herunler, und die NSgeJ sind Jang wie
Adlersklauen Der Gesichtsausdruck ist brutal und vertiert
und zeigt schon, wie wenig ihre Askese auf geistigen Motiven
ruht Sie sind m der Tat nichts anderes als Bettler, welche
sich das Ansehen von Asketen geben, und stehen mit ihren
KOnsfen auf einer Lime mit den Kertcn in unsern Jahrmarkts
buden, welche Feuer essen Oder sich Schwerter bis in den
Magen hmunferschieben Wie diese, ruinieren sie durch ihr
elendes Gewerbe sehr bald ihre Gesundheit
Das A^useum von Jaipur, welches diese Abschweifung
veranlasste, gewahrt von der Terrasse auf semem Daclie
Echte und (alschc Asfcefen Defantcnntt nacli Amber
69
eine lierrliche Rundsicht auf die Sladt iind umhegende Ebene,
welche nach drei Seden hin von scliOnen Bergen emge-
scWossen svird Auf cmcm dcrselben befmdet slcb ein dem
Pnnzen von Wales zu Ehren in turmhohen Buclistaben ein-
gegrabenes WELCOME, — vielleiclit die grOsste Inschrift
derWelt, welche liber die ganze Ebene hm sicWbar ist und
wohl noch fDr viele Jahrliunderle Zeugnis ablegen wird von
der UnterwQrfigkcit gegenttber den frcmden Beherrschern
des Landes
fm Gebirge nach Nordcn zu liegt die Sommerresidetiz
Amber, die wir am folgenden Tage besuchten Wir fuhren
im Wagen bis zum Anfang der Berge, wo der Elefant bereit
stand, wclchcr uns auf emem zwischen den Bergen anstei-
genden und dann wicder sich senkenden Wege, an welcliem
links und rechts in Nischen alleriei GOltcrbildcr standen,
nach Amber fuhrte Oer ganze Weg hatle grosse Ahnhch-
keit mit der von Athen nach Eleusis fuhrenden Strasse, wie
auf dieser nach der Senkung des Weges die Biicht von
Salamis sich bffnet, so hegt Amber an emem reizenden See,
malensch um eine Anhohe herum gebgert Die HSuser sind
vielfach verlassen und allerlei Asketen haben sich in den-
selben eingenistet Auf der Hohe hegt das sfattijche Schloss,
welches mit semen verschiedenen SSlen, Frauengemadiern,
Badezimmern usw den gewOhnlichen Eindruck der moham-
medanischen PalSste macht
Nach Jaipur zurQckkehrend, kamen wir an emem Teiche
vorbei, m wefehem Krokodiie gehalten warden, deren FOt-
terung em seltenes Schauspiel bot Unser Diener kaufte fUr
eine halbe Rupie in emem Schlachterladen m der Naiie em
grosses Konglomerat von Fleischabfallen, bestehend aus
Lunge, Leber und Emgeweiden, dieses wurde dem Wachter
libergeben, der alles an emen Stnek band und ms Wasser
hmunteriiess, worauf er mit lauten Rufen die Krokodiie
70
IV Von Bonib-\> bis PcsJnwar
locUe Lange Zcil blieli die wcite sumpfige Wosserfiadie
ganz still Eiidlicli maclite cr uns aid cinc Bcwegimg des
Wassers in der Feme autmerksam, es war em riesengrosses
Krokodil, wciclies langsam iinter der Obcrflache des Wassers
heranschwanim Bald kanien nocli andcrc, und zuletzt salien
wir zu iinscrn FOssen in der Tiele direr viere, welclie pbleg-
matisch dire Mauler aidklapplen und nacli den
sctinappten Nacli und nacli gclang es ihnen, ein
nach dem anderen loszureisseii, bis scliliesslich ernes
Ungettlnie sich der ganzen tlbngen Masse bemachtigle un
sie hinunterschlang
Eine Besichtigung des Sclilosses mit seiner gros
offenen Audienzhalle, des schOnen Gartens und der benac i
barten Marstalle mit ihren Pferden und EJefanten vervo -
standigte die Etndrllcke dieser indischen Residenzstadt
Wir eilten nach Hause, wo verschiedene Pandits ihren
Besuch angekUndigt hatten Sie erschienen und ini *
noch mehrere andre, darunter ein
mit dem Notdilrttigsten bekleidet, dem jedoch die >
wie so oft den Blinden, ein frohitches Herz verliehen a
Nicht wissend, dass er schon von Geburt blind war, Wg
ich ihn teilnehmend, welcher Unfall sein Leiden herbeige
habe Seme Antwort war echt indisch „Irgend eine in ein
fruheren Geburt begangene SUnde ist die Ursache,' verse z
er m zufriedener Heiterkeit Der Glaube an die See en
wanderung ist heute wie in alter Zeit die Grundlage e
ganzen mdischen Religion Er trOstet den Inder Ober le
Leiden des Lebens, wed er sie als die notwendige o ge
frliher begangener SOnder begreift, und er ist ein
Sporn, em rechtschaffenes Leben zu filhren, well jeder c
tritt seme Stihnung in emem kOnftigeii Dasein unvermei ic
im Gefolge hat Auch lehrt eine tiefere Betrachtung, die wir
jedoch hier mcht anstellen wollen, dass der Seelenwanderungs
Krokodilfuttening Seelemrinderungsglaube Kmdcrhejraten ^ 1
glaiibe der allegorisclie Ausdrtick ciner fdr unsere Fassung:
kraft uncrreichbaren Wabriwt, dass er somU dte Wahrhc
im Gewande des M>thus ist Die eigcntliche Wahrhe
welche dieser Mythus vertrilt, kOnnen wir wegcn der t
Zed und Raum gebundenen Organisation unseres Inteilekti
nicbt fassen und wUrden sic auch dann nicht fasscn, wei
em Engel \om Himmel kame, sie uns zu lehren
Am Abende folgten wir emcr Emladung in das Hai
des Colonel Jacob, wo uir den cnghschen Komforl in sem
Anpassung an die mdischen LebensverhaUnisse beobaclit<
konnfen und beim Diner cine kleine, auserlesene cngliscl
Gcsellschaft zusammenfanden Colonel Jacob ist emer d
nicht sehr zahlreichen Englander, welche nicht schlecht v<
den Eingeborencn sprechen, und von denen, wie icli zuve
sichthch annehme, auch die Eingeborenen nicht schlec
sprechen werden „Ich pflcge," sagte er, „die Eingeboreti'
ahniich zu bchandein wie Kinder, und bin dabei stets se
gut nut ihnen ausgekommen* Als nach dem Essen d
Damen, wie Qblich, sich m den Salon zurllckzogen, und c
Herren ihre Cigarre anzQndeten, kam das Gesprach auf ei
wichtige Frage, nambeh auf die trtihen Heiraten der Ei
geborenen Bekanntlich heixscht lieutzutage in den meist
mdischen Hasten das Gesetz, dass alie Madchen vor d(
elften Jahre verheiratet werden mlissen Zu diesem Zwee
halt der Vater einer Tochter unter den Mitgliedem seir
Kaste — denn nm diese kommen m Frage — frUhzei
Umschau Er sucht zunSchst vorsichtig Fuhlung zu gewinm
e& kniljpteja vK'RrJj/tv, d/tv.
Eltern an, die Vermdgensverhaltnisse, die Zusammenstimmu
der Charaktere werden sor^faltig erwogen, und zuletzt w
zwischen den EUern der Bund geschlossen, der ihre Kind
das Madchen von elf, den Knaben von etwa secliszehn Jahr
fUr das ganze Leben unaufloslich bmdet Unter gross
Feierlichkeiten, von denen wir spater noch emiges mittei!
72
IV Von Bombay bis Peshawar
wollen, wird die HocJizeit abgeljaJten, die kindliche Gattin
bleibt nach wie vor im Haiise ilirer Eltern, und der Knabe-
Ehemann besucht seine Scliule weiter und wird, wenn
er artig ist, gelegentlich von semen Schwiegereltern zum
Essen cingeladen, wobci er dann auch seme Gattm zu sehen
bekommt Erne effektive wird die Heirat erst, sobald bei
dem Madclien etvva mil vierzehn Jahren die Periode der
Reife eintrdt Unter emeuten, aber weniger feierlichen Cere-
monien wird es alsdann semero Gatten Obergeben und lebt
mit ihm zusammen im Hause der Schwiegereltern, denn
dass die Eltern und ihre verheirateten Kinder einen gemem-
samen Hausstand bilden, Ist bei den Indern ganz gewbhnlicli
Diese Kmderheiraten haben vieles gegen sich und auch
manclies for sicli Im ganzen lauft dfe Sache darauf hinaus,
dass in Indien die Eltern die Ehe stiften, watirend bei uns
das junge Paar sich mehr Oder weniger selbstandig ziisammen-
fmdet Bedenkt man nun die zabliosen Missgnffe, welclie
das Liebesteben bei uns mit sich brmgt, und die oft durch
em langes Leben schwer gebtlsst werden, so wird man die
indische Methode nichf so Ubel finden Freilich fehlt dort
der Zauber des Verliebisems, das Langen und Bangen, und
ein Liebesdrama, wie das der ^akimtal&, ist unter den
heutigen Verhaltnissen in Indien nicht mehr mbglich Dafiir
fehlt aber auch das ungestdUe Sehnen, das trostlose GefUhl,
welches bei uns ein alferndes Madchen erftlKf, das Kokeftieren,
Schmeicheln und was die Ktinste alle stnd, die von Mutter
und Tochter geUbt werden, um glllcklich einen Mann zu
kapern Es fehlt die tnnere Leere des Dasems welche so
oft bei uns das Los der altenjungfern ist, denn altejungfern
gibt es in Indien nichf, und sollten in einer Kaste mehr
Madchen als Manner sein, so nehmen die Jefzteren zwei
Frauen, denn untergebracht mhssen sie a!le werden Dem
gegenliber steht m Indien der grosse Obelstand der jungen
Witwen Denn ist em Mddchen mit elf Jahren verheiratet,
rur und gcgen dse Kmdcthciratcn rrofcssorenversammlung 73
und sljfbl der ihr angetraiite Gatte, so bleibt das arme Kind
furs ganze Leben WiU'.e, kann nte v^teder heiraten und fllhrt
im Hause der Eltern ein lurflckgesetztcs, mclir Oder Nventger
traunges Dasein Der Witwer hingegen kann so oft wicder
heiraten, wie cr will, nur bleibt ihm dabei nichts Dbng, und
ware er sechzig J.nhre alt, als ein Kind von elf Jahren zur
Oattin zu wahlen, denn andere smd eben nichl da. Das
grOsste Obel dieser frtihen Elicn abcr ist, was eben an jenem
Abend bei Colonel Jacob zurSpracbe kam, dass die effektive
Heirat bei den MSdchen eine viel zu frtihe ist und statt-
tindet, ehe noch der KOrper die crforderltche Widerstands-
kraft besitzt Die Folge davon ist nicht nur, dass die jungen
Frauen oft sehr schnell verbluhen, hmwelken, hmsiechen und
sterben, sondern auch dass sie schwachhchen Kmdern das
, Leben geben, und dieser Umstand zusammen mil derfehlcn-
den Fleischnahrung ist wohl dcr Hauptgmnd, weswegen die
Inder zwar nicht weniger intelligent, aber doch im Kdrper-
hchen wie im GeisUgen so vie! weniger Icistungsfahig smd,
als wir EuropSer Obngens smd die vorurteilsfreieren Em-
geborenen selbst von der Bedenklichkeit der friihen Heiraten
Uberzeugl, wissen aber noch nicht, wie sie hier AbhUlfe
schaften konnen, ohne m andre Obelstande zu verfallen
Wie in anderen Siadlen, stalteten wir auch in Jaipur
dem Sanscrit College emen Besuch ab Ich fand das ganze
Kollegmm der Lehrer versammelt und auf der Erde hockend,
und wir hessen uns, an diesen Brauch bereits gewDhnt, als-
bald zwanglos m ihrer Mitte auf einem mit Tintenflecken
reichhch gezierten Bolster nieder Sie verlangten Auskunft
liber den Kaiser Wilhelm und Bismarck, Uber Deutschland,
und ob es auch dort Kasten gSbe, ob alle Deutsche Sanskrit
verstanden usw Ich mussteihnen Uber meine Lebensstellung,
memen Namen, der sich im Sanskrit als Devasena sehr gluck-
hch wiedeigeben liess, meine Titel usw berichten und wurde
74
IV Von Bombay bis Pcsliawar
schliesslicli gefragt, zii wclclicr Kaste icli geliDrc? Oline
ZOgcrn gab ich die voUkommen korrekte Antwort, dass ich
ein QOdra sci, dcnn alle Aiislflndcr sind nach dem brahma-
nischen System Cfldns, las abcr auf den Oesichtem memer
Hbrer ein solchcs Bcfrcnidcn tlber djcse Antwort, dass icli
mir vornahm, kOnftig ctwas niehr mich dem Idcenkreisc der
Fragenden anziipassen Ich pUcgte dalicr spaterlmi bci der
oft an mich gcnchteten Fragc nach memer Kaste zu ant-
worten, dass ich In memer vorigen Geburt ein Brahmane ge-
wesen sei, aber infolge irgend emer Sllnde als Enropaer,
d h als ^Qdra, liabc wicdergcboren werdcn mflssen und
nunmehr nach dem Studium von Veda imd Vcdflnta, nach
dem Besuchc tndiens und so vielcr heiligen Orte und Manner
hoffen dllrfc, das nachste Mai mit Ueberspnngung der
zwischenliegendcn Hasten wicdcr als Brahmane auf die e
zu kommen Dieses Marchen pfiegte bei meinen ZuhOrern
viele Heitcrkcit zu erregen, wurde aber auch einmal von
emer Busserin m Calcutta emst genommen. wovon weiter
unten noch die Rede sein soil
Am Morgen des fUnften Dezember fanden wir uns m
tiefem Dunkel vor fUnf Uhr auf dem Bahnhofe ein, tiatten
die Freude, noch einmal Colonel Jacob zu begrilssen, den
die unbequeme Zeit nicht abgehalten liatte, emer abreisenden
Dame das Geleit zu geben, und bestiegen den Zug der uns
in neun Stunden nach Agra bringen sollte Das FrUhau -
stehen auf Reisen ist ja mit mancherlei Beschwerden ver-
bunden, hat aber auch viele VorzUge, namenthcli in Indian
und an jenem Morgen wo wir von den Eisenbahnfenstern
aus sclinttweise den Obe^ang des nSchtlichen Dunkels zur
Dammerung und zur MorgenrOte verfolgen konnten Lebha
ergnff mich die Ennnerung an den Hymnus an die Morgen
rote, Rigveda 664, den ich als ersten Vedahymnus 1865 noch
bei Lassen gelesen hatte, und dessen Worte mir schon so
Meinc Kiste Tahrt nach Agra Morgcnstimmw'
75
ofl zii einem Inbegnif lies Zaubers gcworden %sarcn, mjt dem
der Orient uns wmstnckt jetzt sail tch sic wirkUcli einmal,
die Lichtwellen, wie sic aiis dem zartcslen Rosa durcli cine
Reilie von Zwisclienstulen 211 Gelb und Weiss tlbergingen,
bis dann am wolkcniosen Hocizont blitzartig der oberste
Streifen des Sonnenballs erschicn und wenigc Aiigcnblicke
spater die vollaufgegangenc Sonne eine Lichtllut ilber die
Natur ergoss, von der wir uns unter unsercm bleiernen
nordischen Himmel sdiwer cine Voistellung niacben kOnnen
ErhObt wurde die Stimmung dutch den Gcdanken, dasswir
uns jetzl der fieiligen Yamima niihcrten, welclie mit ifirem
Schwesterflusse, der GangQ, so grossc Erinnerungen wach-
ruft, wenn dieselben auch dutch die nachfolgende moliam-
medanischc Epoche m ahnhcherWeise tibcrlDncht erscheinen,
NS 1C m Itabcn die Denkmater des klassischen Altertums dutch
das nachfolgende chnstliche MitielaUer Urn zwei Ulir er*
reichten wir Agra, welches neben Delhi der Miltelpunkt der
Erinnerungen an die Zeit dermohammedanischen Herrschaft
bildet und von Denkmaiem dcrseJben ganz angefOlH ist
Wir hessen unsercn Dicner allcm mit dem GepSck zum Hotel
fahren und begaben uns vom Bahnliof sofort zu dem nalie-
liegenden Fort Von den m ihm eingeschlossenenMoscheen
und mohammedanischen Paiaslen aus, die jetzt den Eng-
landern als Arsenale dienen, genossen wir den ersten Blick
auf die YamunS, die jenseits weit ausgebreitete Landschaft
und den eine Viertelstunde unterhalb am Flusse hegenden
weltberuhmten Taj Mahal Unwiderstehlich zog es uns zu
diesem von SJwb Je}wn sewer L}eb}wgsg 3 ii>n
(„Envilhlte des Palastes") emchteten Grabpalaste lun, wir
achteten wenig des staubigen Weges und der gUlhenden
Nachmittagsonne, bald war die tempelartige Emgangspforte
eireicht, und da lag ervor uns, von semem IJppig grUnendem
Parke umgeben, der herrhche Tfij Malial Der Uberwaltigende
Emdruck, den dieser Anbhck, auch nach alien vorhergesehenen
76 rv' \<— Tk— 5-3 IV*^Jwa’
Abb ’da^^cn, aul den Be^chauer ubt, ben:h* \\e'>c'itU«.h av!
der Wlrk’arg der Kc'itra'^te. Der glilrende \Va<:o<ct''trfJ!ft\
nit semen Loto<:b’unen, det '«:ich M.'n der Einv:.'morf‘-''*^«‘
durcb den Garten bm aun T.1] .Mahi’ hmzjeJif, der
Bau au« schnccMcissent Marmor, die !\irk>
aniagen, die ihn umgeben, und darilber ila< ditnKle Hhudes
jndischen Himmcls, da«; attc’v \crcinigt sjch an einem Ibtde,
welches iDr ctnen Angenbltcl in der Scelc de*. Bevi.h'>»vr';
aUe Sorgen und Nbtcn desCtdcndascinsxerschwuulenniacht
und m dteser QbcrmSchbgcn WnUmg aid der Welt tuebt
leicht semes Gleichcn fmdet Hingeijcn kaim leh lUr
.Mclnung dcrer nichl beislimmcii, welcbe den Tfl] Mahal filr
das schOnste Bainicrk der Erde crKlIren. Wer den Kblni'r
Dom, die PcIersMrchc m Rom, die frcilrcli mtr ion imien
schOne Hagta Sophia m KonslanImopcI nm} vnr alien den
Parthenon m Athen gcschcn hat, der wirtl In deni T,1j Ahinl,
trotz der edicn EinfachlicU semer Pormcn und VcrliJlttnNsv,
gewiss mchl den liQclisten Typos aTChitcklonlschcr Schhn-
heit fmden Namentlich kaim sich die molntumedanisclie
Kuppcl weder in der fonu noch in dvr Art ihrcr AuNctrung
mit der romanischen nicsscn. Allcrdings ist die VcrjUngiing,
welche die ersterc an llucr Gnindlagc zelgt, wold nmtKlert;
sie soil das uiigeheurc Gcwiclit der Kuppcl zur Anscliauiiiig
bnngen, aiinlich wie bcim ilorlscbcn Tcmpcl diircli die Au-
schwellung des Saulenkapd.lls das Oewjdit dcs Architrnvs
uns zum Bcwusstscln gebracht wlrd Abcr w.'Jbrcnd die
donsche Saule dem Druckc von obeii Kraflvoll Widcrst.im!
leisfet, so erscheint die Onkiiickung am fusse dtr moliam-
medanisclien Kiippel vfclmehr ah cinc Schw.'Iclic
In diesen und almlicJien Btlrachlungcn gfng dcr Nacli-
mittag hin, und sclion vergoldctc die tmlergchcjulc Smme
nut ihren letzten Strahien die Kuppein und Mlri.trcls dcs
sfolzen Grabpalastes, als cin woWgcklcldctcr jungcr Mann
auf uns zutrat und uns unter Nennung imscrcs Nanitiisbe-
s ite 76
Dor T3} Alihal bei A|
Der TiJi Mahal Ul Buj Na«> Der ^oga
77
grusste Es war LCil Bmj Mth, Richter in Agra, uelchem
unsere Ankunft brietlich gemeUIct woiden war, und der,
nachdem er uns im Hotel \ergeblich gesucht, mclU in Zweifel
sein konnte, wo er uns finden wflrde Wir schickten unsere
Wagen voraus und traten m der Abendklihlc zu Fuss den
Ruckweg an Das GesprUch wendete sich bald geistigen
Dingen zu, und ich glaubie an meinem Begleiter eine etwas
hochmUtige Stimmung durchzufliWen In semen ersten Ant-
wortcn lag so etwas, wie erne Frage, was wohl ich als
Europaer Uber solchc Dinge mitziircden habe WenigeAus-
emandersetzungen genllgien, urn seine Stimmung umzu-
wandeln, und nun zeigte cr eine von Stiinde zu Stunde zu-
nelimende warme Anhanglichkeit, und er wurdc nicht mllde,
Uber diesen Oder jenen Punk! immer neue AufschKisse zu
verlangen Er nahm es wirklich ernst mit semem Veddiita-
Glauben, sein Erbauungsbuch, m dem er taghch las, war der
umfangreiche Yogavasishtha, und er zcigte erne gewisse
Tendenz, nicht bei dem R&ja Yoga, der mtehektuellen Hin-
gebung an das Qottliche stehen zu bleiben, sondern auch
zum Hatha-Yoga llberzugehen, welcher auf mehr oder weniger
gewaltsamen Wegen die AbWtung der Welthchkeit anstrebt
Er zeigte also ahniiche Neigungen wie bei uns der Pietismus,
sofern man dessen Wesen darein setzen kann, dass er sich '
nicht begniJgt, die Zeit der Gnade abzuwarten, sondern be-
mliht ist, durch geflissenthches Aufsuchen von Busse und
Bekehrung gleichsam urn dieselbe zu ringen Was bei uns
dem Pietismus entgegea zu, haltea ist, dass die Wiedergebuct
nur dann echt ist wenn sie durch den heihgen Geist und
gleichsam ohne unserZutun gewirkt wird, dasselbe konnte ich
dem jungen Inder m seiner Sprache begredlich machen durch
Hinueisung auf die Vcdastellen, in denen es heisst, dass der
Atman nur m dem welchcn er sich selbst erwahlt, Wohnung
nimmt, und dass alle Werke, die guten wie die bOsen, wo
es sich um das HOchstc handelt, mchtig sind
78
IV. Von Bombay bis Peshawar
Die Tage in Agra wurden wcscntlicfi in Gesellscliaft
mit LSI Baij NAth verbraclit. Am andern Morgen in der
Frlihe holte cr uns m seinem Wagen im Hotel ab und fulir
mit tins nach dem cine Stunde von Agra entfernten SiKcmdra,
um das Grab des Kaisers Akbar zu besuchen Auch dieses
ist cm maditiger Palast mit vielen TCJrmcn, SSulen und Auf-
gangen Auf dem Dache brettet sich emc grosse Terrasse
aus, von der man emen herrliclicn Rundblick auf den um-
gebenden Park und die weite mdischc Landschaft geniesst,
und wo mctits die tiefe Rnhc sfOrf, als das fieblic/ie Oe-
zwitscher der kleinen grbnen Papageien, welche oft in ganzen
Scliaren auf den Kronen der unter uns liegenden m^chtigen
Baume sassen „Hierher,“ sagte Lai Baij N3f/i, „begebe ich
micli oft, um meinen Oedanken nachzuhangen," und m der
Tat, fUr die SammUing der Seele konnle es kemen gUnstigeren
Ort geben, als dieses Denkmal des grossen indiscben Kaisers
fn seiner weitvergessenen Einsamkeit Weiterbin besuchten
wir mit unserem Freunde noch manche ErlnnerungsstHtte
ffloliammedanischer HerrJichkeit, sebenkfen auch der Stadt
mjt ihren Kunstindustnen und Kaufladen die gebUhrende
Beachtung und fanden uns am Abende m dem ausserhalb
der Stadt geJegenen Hause unsres Freundes zusammen Er
hatte mich ersucht, ihm an dicsem Abende die Oedanken,
\/eIche den Inhalt unserer Gesprache bildeten, einmal im
Zusammenhang zu entwickein und bat um die Erlaubnis,
noch einige Freunde zuziehen zu dUrfen Gern willigfe ich
ein, war aber nicht wenig aberrasclit, als erne anseJinliche
Versammlung sich einfand, vor der sich denn meine Rede
zu emem zusammenhangenden Vortrage Uber alle Hauptpunkte
des VedSiita-Systems gestaltefe In der darauf folgenden
Diskusslon, die teiFs in Englisch, tells m S’anskrit' sihrtVarfu’,
fiel mir schon damals die theistische Neigiing auf, welche
viele heutige Vedantisten zeigen, und auf die wir noch in
einem anderen Zusammenhange zurlickkommen wollen Die
Akbars Grabrponunent AbenJgeseltecha!! bcl Ul Baij NAlh. 79
Freunde, ^\eIchc bei dicsem ersten, durch 2ufallige UmsWnde
\cranlassten Vortrag zugegen vtaren, mtlsscn wohl, ich weiss
mcht ob mlindhch, briefhch oderdurch die Zedurigeib da\on
welter erzalilt haben, an melircrtn Orlcn, die wir spater
bcrOhrten, wusstc man darum und bat mit Bcnifung darauf
urn Haltung ernes Vortragcs, wclclies idi denn je nadi
Umslianden bewilligte oder ablebnie
Die GesdlsdiaU bei LSI Baij Nath zog sich zurOck, und
wir blicben nut unscrcm Wjrt allctn, der uns zum Csscn
datueU nHeute," sagte er, *bekommen Sic cine curopdisclie
Mahlzeit, morgen abend aber will mcine Frau ftlr Sic eine
Mahlzcit nach Hinduweise zubcrciten, bei der erstcn wcrde
ich bloss Ziiscliauer scin, an der zweitcn abcr, wenn audi
in einiger Entfernung, um die P/lidit meiner Kaste nidit zu
ilbertretcn, tcilnehmen “ Wir wollen diese Oelegcnheit be-
nutzen, um Ubcr die Mabizeiten der Hindus, wie wir sie
nacbmals noch ott nutgcmacht haben, emiges Nahere mit-
zuteiten
Der orthodoxe Inder nimmt, wie es schon (fer Veda
vorschreibt, zwei Atahizeilen Wglich zu sidi, die eine morgens
um elf Uhr, die andere abends um acht Uhr Die Speisen
werden von den Frauen des Hauses selbst zubereitet, welche
in der Regel auch (natUrlich nidit wenn Europaer zugegen
Sind) ihren Gatten beim Essen bedienen Erst wenn
die Manner gegessen haben, setzen sich die Frauen zu Tisch
Die Nahrungsmittel smd durchaus auf Milch und Vegefabilien
beschrankt, Fleisch, Fische sowie auch Eier smd mcht er-
laubt Ebenso smd alle geistigen GetrSnke ausgeschlossen,
der gesetzlicli lebende Inder trinkt ausser Milch nur klares
Wasser Selbst gegen Thee und Limonade haben sie meist
Bedenken Weder Tische noch StUhle werden beim Essen
gebraucht In einer luffigen Halle des Hauses werden nach
der Zahl der Gaste viereckige Holzbrelter, etwa wie unsere
Zcichenbretler, gelegt, vor welclien die Speisenden, naclidem
IV Von Bombay bis Peshawar
ihnen ein Djener Wasser fiber die Hdnde gegossen hat, sich
mit kreuzvveise untergeschlagenen Beinen niederlassen So-
dann werden die Speisen vor jeden emzelnen in ganz
kleinen N&pfchen aus Ton Oder BananenblSttern auf die
Bretter gestellt Die Zah! der Genchte ist gross, zwOlf bis
zwanzig Gange sind etwas ganz Gewbhniiches Sie besteheii
zur Halfle aus verschiedenen, meisf stark gewtirzten Ge-
mtisen, Milchspeisen, Reis, zubererteten Frfichten usw und zur
Halfte aus allerlei Silssjgkeilen Brot gibt es nicht, sondern
nur sogenannte Chapati’s, dllnne, in der Pfanne gebackene
Fladen, von denen em ganzer Stoss vor jedem Gaste sfeht
Sie dienen zugleich als Lttffel, um die halbfIUssigen Milcli-
speisen zu schQpfen Irgend welche Werkzeuge, wie Messer
und Gabel, werden nicht gebraucht man isst, nur mit der
recMen Hand, indem man nach Belieben bald in den emen,
bald in den anderen Napf greift und das Briasstd vorsichtig
von oben jn den Mund scJiiebt Die Dberreste werden me
aufgehoben, sondern an Mohammcdaner Oder Qfldras weg-
gegeben Oder auch weggeworfen Alles, was vorgesetzt
wird, ist an demselben Tage friscli zubereitet Da die ge-
brauchten Rohstoffe sehr billig sind, so kann man ftlr zwei
Anas (20 Pf) schon ein opulenfes Mahl haben Am Schlusse
wird wieder Wasser fiber die Hfinde gegossen und sodann
das Tambulam gereicht Dieses besteht aus einem Betcl-
blatte, in welches klcinc Stfickchen der Areknnuss und
andere GewUrze (Cardamum, Cinnanum und Nelke) ein-
gewickell smd Man scliiebt das Pdckchen In den Mund
und Ihsst es langsam zergclien, bis das Game henintcr-
geschluckl ist, worauf dann vielo eine zweite Dosis nach-
folgen lassen Ja, manche haltcn sicli den ganzen Tag am
Betelkauen Dasselbe soil die Verdauung befOrdcm, der
Geschmack ist scharf pikant und nicht imangcnchm Es
vcrtntt fOr den Inder die Stclle der Cigarre Hingcgcn 1st
-<fas Tabakrauchen, abgcseben etwavon Bengalen, sclirwcnlg
Hmdumahbeiten Betelkauen, Rauchcn EiH kostbares Andcnken 81
cingefDhrt. Die meisten Inder cnttiaUen sich des5clbcn,N\cil
es im Veda nicbt eilaubt wvfd.wahrcnd dicv'.enigen Raucbcn-
den ihr Ge\sjsscn damit beschwichtigcn, dass cs \m Vedi
ja doch auch nichl \crbolcn %erdc Obngens produziert
Indien selbst %iel Tabak, der zu emer giUen MiUelsortc ganz
raucbbaTcr, s'.enn auch mcht (cmer Cigarrcn verarbcitet wtrd
Die besten kosten 3, 4 odcr hOchstens 5 Rupien das Hundert,
dann spring! der Preis gleich auf 15 Rupien und fidlier ffir
importierte Cigarren Nacli dem Essen greift der Inder gcrn
zur Musik, wie an lenen Abenden auch Lfll Baij Nflth,
welcher, auf dem Tcppich kaucmd und beliaglicli an cm
grosses Rollkissen gclchnt, einigc Liedcr vortrug und sich
dabei auf der Laute begleitetc
Als \Mr am Abend Abschicd nahmen, Oberrcichte mir
UI Bai] N2ih zum Andcnken emen Stock nus Ebenliolz,
von oben bis unten mtt schonen Schnitzercien bedeekt und
mit cingelegten cdlcn Stemen vcrzjcrt, cm altcs Stuck, das
er einst auf ciner Auktion m Benares erstanden hatte An
dem Gnff befinden sich m emgelegter Elfenbcinarbeit die
Wunderlich verschlungenen ZOge eines arabischen Namens,
uelchen mem Freund und KoIIege Hoffmann als Osman
Elias Mubammed Padtschah entzifferle und dazu die Ver-
mutung Susserte, dass, nach dem letzten Titcl zu schliessen,
der Stock woh! emmal einem indischen Kaiser angehOrt
haben kOnne Im Laufe der Zeiten mag cr denn durcli
viele Hande gegangen sein, bis er endlich in diejenigen
kam, die ihn gewiss niclit wieder loslassen werden Ich
babe denselben durch alle Fahrlichkeiten der Reise glUckhch
nach Hause gerettet, und er dient mir als wertes Andcnken
an den Geber, an die m Agra verbtacMen Tage und an
das herrliche Land, das wie em verlorenes Paradies in
unserer Erinnerung lebL
Dtu&s«n Eilnntruflgtn an lad
82
IV Von &oinba> bis Peshawar
A\ittlen\eile war der achte Dezember herangekommen
und der Winter fing an sjch so ueif ftlhlbar zu macfien
dass die Hindus morgens und abends um dir kleincs Feuer-
chen Ijockten sei es vor den H5usern, se» es m denselben
wobej dann m Ermnnglung der Scbornsteine der Rauch
durch Tiir und Fenster und alle Ritzen der mit Stroh Oder
Ziegeln bedeckten Dlcher quillt Das Heizmaternl ist uie
schon ini Rigveda in der Regel KuhdDngcr ucicher sorg-
faitig gesammelt zu klemen Kuchen gcformt und an die
Aussenwlnde der HOtfen angekfalschf wird um m der
Sonne zu trocknen Dtrselbe \erbreitct bcim Verbrennen
cmen eigentOml/chen Ammoniakgeruch der sich wciJh/n
bemerkbar macht Sollte ich ilin jc wicdcr nccJicn so wtrd
es mir scin a!s \senn ich VMcder m Indien uJre
Audi uns gemalintc der Winter, unsere Falut nacli dem
hohen Norden U h null dem Pcnd^dilb dtin ailt^sten
Sitze der indischcn KuHur, niclit langcr aufziisdiicbcn utuf
«if bescfilossen Delhi und iHcs wdcrc'fOr die ROckkdir
zu \erschieben und \on Agra Obtr Lahore direkt incJi
Ptshawar dem nordwc^tliclicn Endpunktc des anplo-
mdischcn Reiches durchzuhlircn
Am Morgen dcs achtcn Dezembere nthmen wir htrz-
liclicn Abschicd von Ul Biij Mth und \on Ucm uhOnen
Agra um in zNsctimdzvMnzigsWndigcr fahrl gkich durdi
nach Lahore, der llwptsiadt dts I’cndscWh zu filircn. Dis
Pcndschab im Nordwtslcn dts Indischcn Rtiches gcltgcn
Nvird \on den Rcisenden gcwOhnlich nlchl btsuclit mr
nber fOr mich ton bcsonUirtm Inicrcssc wcil ts der Sitz
dtr aitcstcn indischcn Kuftur g«.\\cscn ist wft sk nns noch
heuk nach drcl- Ms tlcrliustnd J^hren In den lri*cht.’i!cn
Firben aiis den U>mncn dcs Riptedi cnlpcptnlcuchlcf
Scildcm 1st Irtilicli Uber das Pendsch'Ut cinc \rikcrwct!c
nach der andcren pellutet hirrhtr t nchlc der AlcicsrderrtT,,
die I ficchlscfic KuJtur m n hicr aus w. aim au%h die Mr *nn
HtJisctier Wmler HmmatcnaJ Die Mohimracdaner
83
medanCT heTcmgebtochen, und hief haben sic noch heute
ihren Haupisitz. indem die HMUe der Be\Olkerung oder
mehr m den norduesthchen Provinzen mohammcdaniseh
jst Freilich smd diese Moliammedaner nur tciUscise ein-
gevsanderte Araber, cm grosser Tcil derselben smd ziim
Islam bekehrte Hindus, und es wilre fUr die Beurteilung des
Emflusscs, welchen die Religion auf den Menschen ausObt,
\on grossem Inleressc, festzustellcn, inwieweit die islanii-
sierten Hindus den Hmducharakter oder den Cliarakter der
Mohammedatier im allgemeinen zeigen, welcher cm sebr
\erscluedener ist Die GrundzUgc des Icfztcren lassen sich
als Fanatismus, Neigung zu Gewalttatigkeiten und Habgier
bezeichnen So v.ird sich jeder, der Agypten oder Paiastma
besucht hat, noch lebhatt an die unverschamte BeUcIci, das
ewige Bakschisch-Geschrei und die Unzulnedenheit erinnern,
mit der auch die reichhchsle Gabc enigegengenommen zu
werden pflegt Ahnliche ZQge, wenn auch nichl in so hohem
Grade, zeigen die Mohammedaner m Indien Aber trotz
ihrer Habgier haben sie doch kemen eigcnthchen Erwerbs-
tneb und unterscheiden sich dadurch von ihren Rassen-
brudem, den Juden sehr merkhch Der Jude ist auch
gevvinnsUchtig aber er ist dabei massig und 'parsam und
bnngt es daher niclit selten zu einem Wohlstande, der fur
die chnstlichen AbtbUrger etwas Befingstigendes hat Der
Mohammedaner hingegen wie man mir in Indien oft ver-
sicherte, rafft nur zusammen um das Errungene alsbald
vvieder zu vergeuden Daher er selten zu grCsserem Wohl-
stande und emer dementsprechenden einflussreicheren Stellung
in der Gesellschaft gelangt Als Diener ist der Moham-
medaner, well die Kastenvorurteiie wegfallen, brauchbarer
als der Hindu Die KOche in den Hotels und Dak Bunga-
lows smd fast durchweg mohammedanisch Bekannt ist
die Starke Sinnlichkeit dieser Rasse Eine Folge derselben
isl die Sngstliche Abschliessung der Weiber, und nichts ist
84
IV. Von Bombay bis Peshav..ir
beliistigcnder, als zu schcn, wic cm Moliammedaner mil
seincm weiblichen Anhangc zu reisen pfiegt Wenn er aus
dcm Eisenbahnwagen aussteig(, so muss jcdes Weiblein
aus dem Coupe unrntffeJbar m eioe von alien Seden ver-
schlossene Sanfte schlllpfcn und wird m dieser bis zum
Wagen gclragen 1st keine Sifntte vorbanden, so sWIpt der
Gatte emer Frau nacli der anderen emen langen, bis auf
die Flisse rcichenden Sack Ober und geleitet sie zu emer
entlegenen StelJc des Balinhofs, wo sie unbevvegJjcb sfehen
bleibt Oder niederhockt, bis auf diese Weise alle weiblichen
Mitglieder der Familie ausgeladen worden sind und dann
mittels Wagen weitertransporhcrl werden
Diese und ahnliche Secnen konnten wjr oftmals auf
unserer Fahrt nach Norden bcobachlen, die uns von Agra
m vierzehn Stunden nach (Jmballa und sodann die Nacht
durch m weiteren aclit Stunden nach Lahore flihrte, wo wir
am anderen Morgen frOh um sieben Uhr ankamen
Da wir am selben Abend wciter zu fahren gedachfen,
so Lessen \vir unser Gepack unfer Obliut des Dieners auf
dem Bahnhofe und machlen einen Morgenspaziergang in
die Stadt, die uns von einem Modell im India Museum in
London her bekannt war und allerdings eme gute Vorstellung
von der Anlage der mdischen Stadte gibt
Die indische Stadt im allgemeinen lasst sich vergleichen
emem Kreise und emer an denselben gelegten Tangents
Die Kreisfiache wird gebildpt durch die enge, mif krummen,
wmkJigen Gasschen diirchzogene Eingeborenenstadt, die
Tangente besteht in emer schOnen breiten Chaussee, ge-
wOhnlich the MaU genannt, an welche sich ein System von
Querstrassen und Parallelstrassen anschliesst, alle sehr breit,
gerade und wohl gepflegt, welche die von den Europaern
bewohnten Stadtteile bilden und hSufig noch als Civil Lines
und Cantonment unterscbieden werden Der letztgenannte
Ove ndische Stait Spauc^ng m Lahore
85
Tell ist eigentlich fQr die OffizitrsvscU bestimmt doch findet
man in ihm auch Mele Cudistenwolinunqen Die genannten
breiten Chausseen, welche sich oft stundenlang erstrccken
und der Stadt cine ungeheure, nur durch Wagen zu beuSl-
tigende Ausdclinung geben, uerden nun nicht etua von
Hausem eingerahmt, sondem von grossen Gnindstacken mit
Garten und parkartigcn Aniagen, in denen in erheblicher
Entfernung von der Strassc vvie von einander sicJi grosse
Villen und palastartige Gebaude mit Saulengangcn und
schbnen Hallen erheben Tcilvvusc sind dieselbcn Prnat-
wohnungcn, teilwcise diencn sie auch a!s Hotels, Bank-
hauser, Verkaufsiaden u dgl Auch die europaisclien Hand-
werker schcinen in Indicn schr komfortabcl zu Icben Oerade
in Lahore war es, \so icli eines Abends un Hotel nach ein-
genommenem Diner nieine Cigarre rauchend mit cinigen
Hcrren um das m der abcndlichen Klihle uillkommcne
Kammfeuer sass Einer dcrsclben, von elcgantcr Kleidung
und vomehmcn Manieren, wusste Uber allcrlci recht gute
Auskunlt zu geben, und ich war cm wenig Qberrascht, als
sich im Laufe der Unterhallung hcrausstcllte, dass cr nichts
anderes als em Militarscbneidcr war
An jenem Morgen unserer Ankimlt durchschntten wir
die geschilderten Aniagen des europSischen Vicrtels und
gelangten sodann m die Emgeborenenstadt, in deren engen
Strassen die Menge hm- und Ucrwogle, wShrend die meistcn
Hauser nach der Strasse zu sich zu VerkaufsUden bffneten,
m denen m Sacken, Fasscm und Kisten die mannigfachsten
Produkte feilstanden, wahrend der Verkaufer in gravitatisclier
Ruhc hmter denselben auf dcm Boden kauerte,
Nachdem wir das VeignDgen, uns in dem Labyrinth der
Gassen zu verheren und wieder zurechtzufinden, genugsam
durchgekostet hatten, stieg in niir der Wunsch auf, den Fliiss
zu sehen, an welchem Lahore liegt Es ist die schon im
Rigveda voikommende Iraxati („die Labungsreiche“), heute
86
IV Von Bombay bis Peshawar
RSvi genannt, der mittlere von den fOnf ZuflOssen des Indus,
welche dem PendscliSb den Namen gegeben habeij. Die
indischen Flusse pfiegen m der Regenzeit ihr Bett iiSufig zu
verandern, und selbst der Ganges wlihlt sich immer neue
Wege und gibt dadurch den Besdzern der umliegenden
Felder vielen Anlass zu Slreitigkeiten und mOhsamer Arbeit
Und so fliesst denn auch die Ir^valf heute eine Viertelsfunde
entfernt von Lahore vorDber Wir fanden einen Knaben, der
eben mit seinem Sansknl-Abcbuch aus der Schule kam und
sich sehr freute, als wir einen Wagen nahmen und ihm er-
laubten, mitzufahren Rascli ging es nun zur Stadt hinaus,
an Feldern und unbebauten Strecken vorDber, und bald war
der FJuss erreicht Wir uberschrdten denselben aul emer
Schiffbrucke, die, wie gewbhnhch in Indien, hbchst primitiv
war, und genossen einen Blick in die freie Landschaft Der
Reiz der sUdlicben Natur kam weniger zur Gellung, weil das
umliegende Land, wie uberliaupt das ganze Hindostan, erne
vollkommene Ebene bildet, wShrend die gewaihgen Gebirgs-
massen des Himalaya viel zu fern liegen, um dem Auge
sichtbar zu werden Etwas entiauscht fuhren wir zur Stadt
zurUck, hielten bei einer Schule an und liessen uns diirch
den Lehrer zum Vorsilzenden des Aryasamdj fOhren, eines
Uber ganz Indien verbreitelen rehgiOsen Vereins, welcher
semen Hauptsitz in Lahore hat
Solcher Vereme haben sich m Indien neuerdings mehrere
gebildet Sie beruhen alle auf dem Bestreben, der entarfefen
und m Susserlichem Ceremoniell ersfarrfen Volksrehgion
gegenQber zu alteren und wOrdigeren Anschauungen zurOck-
zukehren Aber wShrend der BralmasamGj vielfach aus-
landische und namentlich auch chnsthche Elemente aiif-
genommen hat, und wdhrend der DliarmasamGj nach der
anderen Seite extravagiert und die Verehrung der Idolc duldet,
so halt der Aryasamaj, der in Indien wohl die grOsste Ver*
breitung und die mciste Aussicht for die Zukunft haben
Die tra\atr Der inaaamJj Dr Slcin
87
dQrfte, 2 \\jschen beitlcn eine mass\o!le Mittc Er halt einer-
sells alles AusKIndische \on sich fern, verwirft aber ander-
seits auch den Dienst der QDiterbilder und ist bestrcbt, \on
ihncn zurQck zur Religion des Veda zu gelangen Unter den
denkenden Hindus ist diese Riclitung \scit \crbreitet, und
wenn man auf dem Bahnhof am Billetschalter Oder im Ge-
packraum cmen Beamten sielit, auf dcsscn Angesicht liinter
der sclten fehlenden Bnlle Iiebrciclies WoliIwoJlCn und ein
gewisser kontemplativer Zug sicli auspragt, so Nvird man
selten feh! gehcn, wcnn man m ihm emcn Anldlnger des
Aryasamfl] siehl und ihn als sotchen ansprichl worauf sich
dann alsbald die frcundlichsten Bcziehungen cntwickeln
In grOsscren Stadtcn besitzl der ArjasarnSj cm cigcnesHaus,
in welchem regelmassig gottesdicnstliche Versammlungcn
stattfmden Gotterbilder cnthait dasselbe nicht, hingcgcn
lodert in der Mitte m cmem kleinen vicrcckigen Raum, so
gross wie die Offnung eines Schornstems, cm Peuer Den
Versammlungssaal babe ich irgendwo gcschen, dem Gottes-
dienste beizuwobnen, wozu man mich freundlich emiud, hatfe
ich kerne Oelegenheit Nach dem, was ich darUber gehbrt,
Nverden dort Hymnen des Veda und Slellcn der Upanisbad s
verlesen, tiber welche sodann gcpredigt wird In Lahore
steht gegenssirtig an der Spitze des Aryasamfl.] evn noch
junger Mann, Hans Raj, von freundbehem Aussehen und be-
scheidenem Wesen, mit dem ich eine kurze Unterredung
hatte Er wird sehr hoch geschatzt, namenthch wed eralles
aufgegeben hat, urn sem ganzes Lcben ohne Entgelt m den
Dienst des AryasamSj zu stellen Ich verliess Hans R5j, urn
mich zu Dr Stem geleiten zu lassen emem noch jungen,
aber sehr verdienten Sansknt-Gelehrten, der damals noch
Vorsteher des Sanscrit College m Lahore war Er empfing
uns sehr freundlich und entnss uns mit einer gewissen
hebenswllrdigen Eifersuchl den AryasamSj-Leuten, um uns
fCr sich ahem in Anspruch zu nehmen Wirmussten soglcich
88
IV Von Bombiy bis Pcslnwir
an scwQin FrOlistOcK icilnehmcn und Irnnkeii il.'izii euie
Flasclie Kaschinirwcm, welchcr ganz vortrefflich war Von
Indien zeigte sich Freund Stem wcnlg erbaut, uin so mchr
von Kaschmir, welclics er vicl bcreist und zuni Zwcek ‘^ciiicr
Herausgabc dcr RiljatarTtosim fleissig durcliforsclit hat Er
crztllilte Viet von dcr Sclibnhcit des Alpenlaiidcs und von
der pnmituen Art, wie man dort reisc, indem z B oft zuin
Oberschreitcn von StrOmcn als cliizigc Brtlcke niir drei
Stneke gespannt seie/i, der cinc fl)T d/e Ff/s'ie, die bciden
anderen, um sicli mit den Handcn daran zu liallcn
Indem wir in Qesellscliaft von Dr Stem, der vorzllglich
m allem Besebetd wusste, noch diese und jene Sclicns-
wbrdigkcvt der Stadt besucUten, ging dcr Tag in dcr an-
genebmsten Weise Inn, und naclidcm wir am Abend nocii
seiner Einladung zum Diner im Hotel Folge gctcistet, bc-
stiegen wir, niit dem Vcrsprcchcn atif dem Rdekwoge einigc
Tagc m Lahore zu verweilcn, den Naclitziig, in wclchem wir
am andern Morgen In Rai\al Pindt erwachten Zahlrclclic
Soldaten aiif dem Balmhofe, viele miliWrisclie Baulichkciteii
und Einrictitungen in der Umgegend dciifefen darniif bin,
dass hier die Englander emen besonders starken Waffen-
platz haben Nacli emem trefflichcn FrUlistHck, wie es soiist aiif
den BaiinhOfen sclfen geboten wird, fiihren wir \vei(er und
errciclitcn gegen Mittag den Indus, da wo im Westen der
Kabulfluss in dm hmeinstrOmt wahrend im Ostenvoni Fliissc
das stark befestigte Attack m milcnsdier Lagc an dem Ab-
hange ernes Berges Ichnt Eine prachtige EiscnbnlinbrClcke
fUhrt Uber den Indus, wciclicr liter anmutig zwischen Bergen
strOmt, Ubrigens aber die Erwartung eines grossen Stronics
nlcJit erfidlte, m mcirierErinncrungersclie/nferkaunigrOsscr
als dcr Rhem bcl Basel In der Regcnreit, wenn die Berg-
wasser von alien Selten zustrOmcn, mig er wolil cinen an-
dcren Aiiblick gewaiircn Die Balm ztcht sich von hier
welter westlich In der kesselartig von Bergen umgebenen
Kaschitiircrmncrungcn Dcr Indus Hotel In Peshawar 89
Ebene des Kabultals htnauf, bis sic in Peshaw ar ihren End-
punkt fmdet Hier langten wir im Laufe dcs Naclimitfags
an und begaben uns sogleich in das einzige Hotel des
Ortes Wir batten wolil besser getan, das Dak Bungalow zu
uahlen Schon auf den ersten Blick zeigte es sich, dass
dieses Hotel, das schlechteste, welches wir m Indien an-
getroifen haben, m hohem Grade vcrwabrlost war Oaste
waren ausser uns nicht vorlianden, und das Fremdenbuch
\Mes aus, dass nur selten Frcmde sich hierher verloren batten
und dann baldmbglichst wieder verscluviinden waren Eine
alte Frau erschien, welche stcli als die Besitzenn des Hotels
vorstellte Sie wies uns ein sehr primitives Zimmer an und
selzte mich nicbt wenig in Erstaunen, als sie fUr den Tag
und die Person sechs Rupien forderle, wtihrend wir sonst
(iberall, mit drei bereclitigten Ausnahmen, in den ersten Hotels
nur ftinf Rupien bezahlt batten Als ich dies geltend machte,
ermSssigte sie ilire Forderung sofort auf flinf Rupien, ver-
suchte dann aber nochmals zu betrUgen, indem sie spater
auf der Rechnung das Diner besonders anschneb, mit der
monstrbsen Behauptung, dass dasselbe im Pensionspreise
mcht embegnffen sei NatUrlich gmg ihr dieses nicht dutch,
und so blieb ihr nichts anderes ubng, als wenigstens m
allerlei Kleinigkeiten, uber welche zu markten sich nicht der
MUhe lohnte, uns mdglichst zu Oberfordern Wir begaben
uns in den sogenannten Salon, in welchem mancherlei Haus-
rat Wunderlich zusammengewurfelt war, und da der Abend
kUhl wurde, so bemllhte ich mich langere Zeit vergebens,
das ktimmerticbe Kanunteuec mdtels ernes zerbrochenen
Blasebalges neu zu beleben
Inzwischen batten wir an Colonel Warburton, die Haupt-
person m Peshawar, emen Bnef mit der Bitte gesandt, uns
die Besichtigung von Fort Jamritd zu gestatten Jamrud liegt
zwei Stunden wesllich von Peshawar, da, wo die indische
Ebene ihr letztes Ende erreicht, und die grosse Heerstrasse
OO l\ V<nltflnliay t»U I’ci'n^sr
"^Ich (liircli den bctfil mtin Ini Oc!'lr>jc hinjiif*
xslnikl, ism inch Knlntl In Afj’lnnhl in 7si lillsrin Hltr isl
inch dtr Iit/Jc I mlpunU dcr li»ll<tlicn Hcrncinft, derm
Autnnm v\ir ju vcrdinVtn liiMcn. di«^ \sif durch ijinr
Indicn tbcn'io ‘ilchcf tiKen Konntm %\lc in dcr Ikimat
Andtf^ isl cs jcnstils \nii lo'i JimrmJ User JjPH dcr mj;*
hsclic LinHsiss aul, niur jv'^jscJjcn dem inplssclscji Ttrri-
IfrstJm s/nd Akds’snislin frdric).t sJeJj cin zu in/sj; K/lonicicr
bfcitcr ncssInUr LanihlreJfcii, wcicjsir son •io^tninniin
indfpfmifni tnlns i)c^w>liis( sxitt) So lifcrsncJd/R dksc
Sllmme aiif llsrt UmbblnK/rl^tif si/nJ, so ucnif: benesderss-
wert tiicscllst Cine Amafilt isl dsc fofjie,
imd in den iJnzcIncn DOrftrn sreJicn sIcJi die virscfiltdtncn
Partefen RCKcnnlicr, uic dit Alonfcccftf und Capnkdi in
Sinkcipcirc’s Romeo nnd jiilir Cine PfftnUtcite Ssciterhtii
pbt cs nicid, fcdcrminn field Iscwifinef, iincl nIJc Auficn-
Isilckc Kommt cs ru SlrciHfil^cdcn und Blnficrplcsscn Cln
fremder kann dicsc Qcfiend meld hefreten ohne dtc Ocfalir,
lis Splon bclnch(c( nnd olmc ucilcrcs nlcdcrfitstliosstn zu
Nverden Immcr ssieder koinml \<»n /cit lu Zest cm dcr-
ardficr Unglflckslnll \or. wornuf dmn die Cnglander als
Rcprcssniicn cln pnr DPrfer iticdcmibrcnncn pflCRcii Lfm
dicsc Vorkotnmnissc zn vcniicidtn, gcsIiHcl die cnglrscfte
Reglcrunfi nicmandom, den Klnlbar-Pass zu befrefen ins-
genommen am Dicnslag und Predafi wo derstlbe olkn is{
und durch gendgende Besclziing md Soldafen IHr die Slcber-
htlf dcr Relscndcn und Kirawmcn Sorge gefrigcn wird
Urn dicsc DIngc In der Naiie zu seben bedurfic es dcr
Crhubnls dcs Colonel Warburton und zu dJesem ZwceJee
}r)? yxwi Jias rxi>rJO JlwrJ zwrib seiner WoJmiui^
in Pesisiwar gesindt Der Bole kim zurUck mil der Nadi-
richt diss der Colonel sicb aiif Port Jamrud befindc So
beschlossen wir ihn dort im nadistcn Morgen auf-
zusuchen
Fort Jamrud Dcr Khaibar Piss Independent tribes 91
Es i«.ar em wunderschOner Sonntagmorgen, nn dein wir
dies ausflihrten Die Sonne strahlte herrlicli nuf die Ebene
des KabulHusses, welche als solchc durch die umliegendcn
ragenden blauen Serge auf das schOnstc zur Gcltung kam
Die nOrdliclie Lagc und die Nahe des Oebirges lerbreitete
Fnsche, und so rollfcn vMr auf einem Tam-tam (einem
leichten zweiradcngcn Waglein, welches fUr FalirgHstc und
Kutscher vier mit dem RQcken gegeneinandcr stehenUe Sitzc
bietet) auf jamrud zu Die Natiir war diesen Winter irr
KabuUale besonders schtSn, da man hier, wie wir hbrten,
ungewOhnlich rcichen Regen und frcilich auch infolgc dcssen
mehr Fieber als sonst gehabtliatle Immer naiicrkamen die
Serge heran, und wir freuten uns zu denken, dass wir hicr
den Punkt erreicliten, wo wir nach der Luftlinie gemessen
in Indien der Heimat am nadistcn waren Praktisch be-
trachtet waren wir ihr hier frcilich ferncr, als irgcndwo
,Denn welch ein Unternehmen ware es gewesen, von hier
der Luftlinie nacli durch Afghanistan. Persien und das ttlr-
kische Kleinasien oder Russland nach Hausc zu kommen’
Indes kommt das enghsche Bahnnetz dem russischen immer
nSher, und zuletzt werden aUe pohtischen und tcchnischen
Schwierigkeiten nicht mehr hindern kOnnen, dass sie sich
zusammenschliessen und man in etwa zehn Tagen und
Nachten von Berlin bis Calcutta direkt mit der Eisenbahn
gelangen kann Dnler solchen Traumereien waren wir bis
an den Fuss des machtig ansteigenden Gebirges gelangt und
da lag auch schon Jamrud auf emem Hligel zur Linken, das
erste Dorf ausserhalb des bntischen Reiches, und ihm gegen-
liber zur Rechten auf englischem Boden das kleine, aber
respektabel befestigte Fort Jamrud, wahrend zwischen beiden
die Landstrasse die waldbewachsenen Berge limauf sich nach
dem Khaibar-Passe hinzog Wir hielten vor dem Fort und
hessen uns bei Colonel Warburton anmelden Er empfing
uns sehr freundlich m seinem Arbeitszimmer, wo er gerade
92
JV Von Bombay bis Peshawar
mit emem emgeborenen Obersten konferierte, den er uns
vorstellte, dessen Name mir aber leider entfallen ist Einen
emgeborenen Obersten* gewiss ein seltener Fall, dass em
Emgeborener 2U emer so hohen WUrde in Indien gelangt.
Es waren aber auch besondere Verhaltnisse, die ihn dazu
befbrdert batten Dieser Mann stammte aus der Umgegend
und hatte sich durch hervorragende Cliaraktereigenscbaften
eine solcbe Autontat unter den Emgeborenen zu verscliaffen
gewusst, dass die Englander froh waren, bei den endlosen
VerwickeUmgen, wie sie an einer solchen Qrenzstation vor-
zukommen pflegen und denen ein Englander me gewachsen
sein wUrde, eine energische, der Sprache, des Landes und
der Bevblkerung kundige Kraft dem englischen Befehlshaber
zur Seite stellen zu konnen Dem entsprach auch die aussere
Erschemung des Mannes, englisch sprach er so gut wie
garnicht, aber seme hohe, kraftvolle Gestalt flbsste Achtung
ein, sem Blick liess auf Mut und klaren Verstand, seme
GesichtszUge auf Entschlossenheitund eineEnergie schliessen,
der sich niemand so leicht zu widersetzen wagen mochte
Er verabscliledete sich von uns nut emem krafhgen HSnde-
druck, und nun entwarf Colonel Warburton von den herr-
schenden Verhaitnissen em Bild, welches durcliaus das be-
statigte, was wir auch von anderen geiiOrt batten und liter
bereits mitgeteilt haben „Den Khaibar-Pass", sagte er,
„kOnnen Sie ausser am Dienstag und Freitag ohne Lebens-
gefahr nicht betreten Auch das Dorf Jamrud wUrde ich
Ihnen zu besuchen nicht raten Sie wUrden niclits andercs
antreffen, als was sie schon oft gesehen haben, und die Ein-
geborenen smd den Fremdcn nicht hold, als Mohaiiimedaner
sehr eifersUchhg auf ibre Weiber und dazu alle bewaffnet
Hmgegen fiegt unmittelbar vor dem Dorfe ein Teich, welcher
noch heute der Teich des Jemscfud heisst, worm Professor
Darmestcfer eine Ermncrung an die iramsche Sage sifi
WoHen Sie diesen bcsuchcn. so werde icfi Sic unfcr Be-
Colonel Watburton m»d der cmgcborne Oberst
93
decUng dorthm gcleitcn lasscn “ Wtr naUmen das Anerbjcten
danVbar an zehn Soldaten, aUcs braunc Hmdug<iSJchter,
traten mil dem Gewehr an und gctcdetcn uns an den fast
ganzlich ausgetrocknekn Teich, von wo wir erne gute Ans-
sicht au! die Hauptslrasse des Dorics, die davor sitzenden
Leute und die mil riinten bin- und bergehenden Menschen
batten Mit diesem Bbck in die verworrenen Verhaiinissc
der iranischen Grenzlandcr bcgnQgten wir uns und kebrten
zurlick m Unterbabung mU cinem des Engbschen kundigen
Hindu, welchen der Oberst uns gleicbfabs mitgegeben battc
Er war zuersl resen-icrt, wurdc aber warm und milteilsnni,
als wir au! unserc Bcziebungcn zum Ar>asamaj zu spreclien
kamcn, welchem cr als Milglicd angchOrte Sein Amt war,
von den Karawanen den Ubbeben EingangszoH — zwei
Rupien fOr jedes Kamel — zu erheben
Nacbdem wir nocb innerbalb des Forts unter dem
Schatten unseres Wagens das mitgcbracble FrUhstdek ver-
zebrt, traten wir den Heimweg an Die schnelle Fahrt wurde
pbJtzbcb dadurch unterbrochen dass der Kutschcr bei cincm
klemen Hause an der Landstrasse hieb, vor wclcbem ein
Emgebofcner sassund semen Hugqa (mdische Pfcife) rauebte
Unser Kutscher sprang vom Bock, bat den Rauchenden, dim
seme Pfeife zu erlauben, tat daraus emige krabige Zdge und
schwang sich neugestarkt wieder auf den Bock Nun gtng
es munter weiter und gegen halb drei Uhr war unser Hotel
Wieder erreicht Hier hatte sich unterdessen cm junger
Hindu emgefunden, dem wir bnefhcli emptohlen worden
waren £s war em sanffer» fieber Jlmgtmg von zarter, wie
es schien, schwmdstichliger Konstitution, welcher mit Vor-
liebe Philosophie studierte und dartiber klagfe, dass ihm
durch die englischcn Professoren der Philosophic die Freude
daran fast ganz benommen worden sei Ich konnte diese
Klage urn so meUr verstehen, als bev uns ja ganz ahnbche
VerhJltnisse bestehen Was sich heutzutage m Deufschlind,
94
IV Von Bombay bjs Peshawar
England und, sowed der englische Emfluss reicht, aucli in
Indien als Philosophic breit macht, das ist nicht mehr die
Wissenschaft des Platon und Anstoteles, sondern ein
psychologisches Experimenheren, bei dem es sehr fraglich
ist, Ob etwas dabei herauskotnmt, und welches im besten
Falle doch nur flir erne Vorhalle der Philosopliie gelten kann,
heute aber die walire Philosophic verdrangf, urn sich an
deren Platz zu setzen Ich verwies den jungen Mann auf
die einheimische Philosophic des Vedlnta und die Ge-
dankenschatze, welche sie enthait, und das Wenige, was ich
ihm in der Kilrze sagen konnte, sch]en ihm neuen Mut ein-
zufiOssen Er zeigte grosse AnhanglicJiked und begledete
uns auf emer Spazierfahrt m die Stadt Der Basar, den wir
hier zunachst besichfigten, war von besonderem Interesse,
nicht nur wegen der Waren, die hier aus dem Oebirge jen-
seits der Grenze zusammenflosscn, sondern nocli mehr wegen
der halbwilden Gebitgsbewohner, welche, in Tierfelle ge-
kleidet, sich hier emfanden urn die Rohprodukte ilires Landes
gegen die Erzeugnisse der Civilisation umzutauschen „Sel)en
Sie diese Gestalfen", sagte unser Begleiter, indem er auf
eine abenteuerlich m Schaffelle gekleidete Gruppe limwies,
„sie gehbren zu den unabhangigen Stammen jenseits der
Grenze, wenn sie hierher kommen, um ihre SchafhHute und
ihren Kase abzusetzen, so sind sie ziemlich zahm, aber
droben im Gebirge moeWe ich ihnen nicht begegnen" Vom
Basar fOhrte ims der Freund auf das flache Dacli ernes
bffenUichen GebSudes, von wo man cine schOne Rundsicht
auf die ganze Stadt genoss Oberall aus den Strassen und
den Dhchern der Hluser quoll der Rauch hervor von den
Feuern, die man bei der KUhle des lierannahenden Abends
angerUndet hade Peshawar ist bertJchhgt durch seme
haufigen FeuersbrUnste, und diese smd selrr begreiflich
Sail ich docli selbst vor einem Hause auf der Strasse cm
Feuer, dessen lodernde Flammen dem Holzwerke des Aussen-
Die Philosophic m Itidivo Abfahrt \on Pcslianar 95
geianders und der Dachsparre ztcmlich nahe kamen So
kam dtr Abend hcran und mit ihm die Zed, uclche uirfiir
unsere Abreise festgesetzt liattcn Wjr batten bis Lahore
erne langc Fabrt vor uns, und ichhaUe\orsicbtigdiebcjden
unteren Piatzc ernes Coupds erstcr Klasse rcservieren lasscn,
m dcr Hoffnung, die Nacbt wie gewRhnlich allein bleiben
zu kOnnen Aber cs sollte anders kommen
FUnfles Kapitel
Von Peshawar bis Calcutta.
J^er freundltchc Hmduitingling, <ler wns so sclidn in Peslinuar
^ gelDhrt hatte, Iiess cs sich natllrltch nicht nchmen, uns
zu/n Bahnljof zu beglcilcn Ef war uns bchllUhch bcim Cm-
stcJgcn, retclUc noch cmc ganzc Anzah! von Schachteln nut
kOstiicticn Traubcn ats Abschtcdsgcschcnk in urtser CowpJ,
nahm hcalichcn Abscliicd, und dcr Zug sctzte sich in He*
vvegung Wir warcn allcm gcblicben und liolften in ruhigi.m
Schlafc die Gcgcnden dcs Indu^ilalcs, die wir sclmn bci
Tage gcscJien batten, lu diircbfalircn, imi dmn den nachsten
Tag Jing alle seine f«nf bslbclan Zufinsse, welcbc dem
Pendsebab den Namcn geben, zu gcnicssen Wir kleideien
uiis aus uiut Icgtcn uns zum SeJdaten nitifer, di fncH der
Ziig auf dcr naclisttn Station, die CoupOKir wurdc aufge-
nssen, und beieinstugcn tin Herr und cine Dame Cs uar
vcrdricssUch. aber is war nicht zu andern Die bciilcn
Ikttcn fiber uiis wurden bcruntcrgelasscn, und unsreticidin
KciscgcDhrlcn kJelterten bmauf Dn Trosi war cs noch Ifir
tws. diss sic i /3 PanaJ Pwi3i um drcl Ubr niclils .m^zu^tcix-cn
gcdacfiten Bis dihm uar an cm rubJges ScbJalen /rolicb
niebt zu denktn Denn un^rc GcWbriai di vhen MrhicUen
sicb iwar duicbaus ifickMChtsvotl und rubig. konn'cn cs aber
m den bereebtigten Wunscfic, Ihre Stvtmn iifcbt /« ver*
E5nc vcrdoTbtne Nacht Dte nOssc des Pendschib
97
saumen, nicht unterlassen, bin und wieder bei den Stationen
das Fenster zn Offnen und sich zu erkundigen, wo wir seien,
Oder dann und wann em Streichholz anzuzQnden, um nach
dec Uhrzu sehen Endlich kam Rawal Pmdi, und wtr warden
unsere Emquartierung los Aber schon auf der nachsten
StaUon stiegen zweijSger zu uns em und nahmen von den
obercn Betten Besdz Am Morgen nach dieser verdorbenen
Nacht erreichten wjr Jliebm, welches an dem erstcn Zuflusse
des Indus von Osten liegt, der heute cbenfalls den Namen
Jlielim ftihrt, wShrend er bci den Gnechen Hydaspes, m
Veda aber dm VimsM, d h die Ausgebreitete heisst Er
macbt diesem Namen auch aUe Ehce, denn erne mcht enden
woUende ElsenbahnbrUcke fUhrte aber die zahlreichen Wasser-
nnnen, in welche er sich wahrend der trockenen Jahreszeit
spaltet Wdhrend der Regenzeit mOgen sie wohl alle sich
zu emer Wasserfldche verbinden und einen ma^estatischen
Anblick gewahren, zuma! da im Norden das Panorama hier
durch die Vorberge des Himalaya semen Abschluss findet,
welche diese machtige Wasserfulle aus sich erglessen Weiter
gmg es mit der Bahn Ober das zwischen Jlielum und dem
ChenSb liegende Doab, ein Name, nut dem man im PendschSb
die zwischen zwei Fllissen gelegenen Hochebenen bezejchnet,
die stellenweise emen ziemlich stenlen Anblick bieten Ober-
haupt entspncht das PendschSb keineswegs den Vorstellungen,
wie sie uns in dem Rigveda entgegentreten, von einem an
Waidern und Graspiatzen reichen Lande, sodass Dr Stem die
Ateinung ausserte, die Inder des Rigveda mfJchten wohl viel-
mehr in dem nBrdlichen Gebtrgslande gesessen haben Dem
widerspncht aber der Tatbestand Denn wenn z B m dem
bekannten Liede an die FlUsse, Rigveda 3,33, Vi^vamitra die
Vipdf und die fTiimcfrf zusamraen feiert, so kann dieses Lied
kaucn anderswo als an dem Zusammenflusse von Bins und
Sutlej, mithm sudlich von Amritsar entstanden sein, wo das
Gebirge schon tlber hundert Kilometer entfernt liegt Wir
Deussen Erinnerunscn an lodien 7
98
V Von Peshawar bis Calcutta
werden daher viefmehr annehmen mOssen, dass das Land
erst infolge der Abholzung so trocken geworden isl Welchen
Emfluss diese auf das Klima haf, das sreht man, wenn man
nach Gneclienland und PaWstina kommt und die kahlen,
nicht emmal mit Gras bedeckten Berge mit den Schilderungen
aus dem biblischen und fclassischen Alterfum vergleicht Was
hier die Ttlrken, das werden im Pendschab die Araber be-
sorgt haben, beide sind ]a gewohnt, m den Tag hinem zu
leben und fQr die Zukunft ihren Allah sorgen zu lassen
Welter ging es dann Uber den Chenab, die alte Candrabhiiga,
und nachmittags um vier Uhr langten wir glhckhch wfeder
m Lahore an Schon am Bahnhofe hatte sich ein Pandit ein-
gefunden, uns zu begrUssen, nut dem ich zu Fuss nach dem
Hotel wanderte, wo sich bald darauf Dr Stem und gegen
Abend, nachdem er uns verlassen, noch mehrere Pandits em-
stellten Das Gesprach kam auf Astronomie, und mit £r-
staunen bemerkte ich wtederum, wte diese gelehrten Manner,
gestutzt auf thre einheimischen, aus dem Altertume tiber-
kommenen Lehrblicher, den ganzen Himme! md alien semen
Sonnen in 24 Stunden mit undenkbaren Geschwindigkeiten
sich um die kleine Erde drehen lassen Der gestirnte Himmel
Uber uns hatte diese Betrachtung angereg^ und hier, vvie
Ofter in Indien, fiel mir seme Verschiedenheit von unserem
nordischen Himmel auf Der Wagen steht so tief, dass er
in der Regel gar nicht zu finden Is^ da er ganz Oder tejl-
weise durch die DCinste des Honzontes verdunkelt wird, so-
wed er nicht vOllig unter letzlerem verschwindet Auch der
Polarstern ist unter diesen Umstanden oft schwer zu er-
mitteln, und hat man ihn glUckItch herausgefunden, so ist
jwan srsiami hbsr dsn fie/ejo Sfcand desseJbeo
Da wir vier Nachte hmter uns hatten, von denen drei
im Eisenbahncoupe und teilweise unter erschwerenden Uni-
standen zugefaracht worden waren, so gingen wir frQhzeitig
zu Bette An den folgenden Tagen pfiegte Dr Stem uns
Klima dcs Pendschib Lai ore Sanscrit College
99
um sieben Uhr frlih zum erquickenden Morgenspaziergang
abiuholen Wir besjchtigten dann die Parkanlagen mit inter-
essanlen, aber armseltg unterhaltcnen Tieren, die emfacben
Stemdenkmaier, welche die Inder zu sefzcn pficglen, no
voimals erne Witwe mit threm Galten sich hattc verbrcnnen
lassen, die SchOpfrader und anderen Vornchtungen, welche
zur kUnsthchen BenSsserung des Landes diencn Nachher
besuchlen wir dann in der Regel unseren Freund in seinem
Sanscrit College Alit Freuden sah ich, wie er nut semen
Hmdustudenten namenthch auch die Hymnen des Rigveda
las Es ist dies um so anerkennenswerter, als gerade die
Behandlung des Rigveda von seilen der Eingeborenen, wie
mich ein spatererer Fall Ichrte, eine hOchst ungenilgende ist
Auch wUsste ich nichl, wo in der Welt diese altesten Denk-
maler der mdischen KuUur mehr vcrdicnten gelesen zu war-
den, als in dem Lande, wo sie zuerst gesungen wurden, an
den Ufern der IrSvati Obrigens docierten unter der Aufsiclit
von Dr Stem auch mehrere tretttiche Pandits, deren Lehr-
stunden ich mil Qenuss benvohnte Einen anderen Pandit
lernte ich nSher kennen, der an emerMissionsanstalt Sanskrit
lehrte Derselbe hatte grosse Lust, nach Europa zu kommen,
und erkundigte sich angelegenlhch danach, ob es wohl mOg-
hch sem werde, sich dort durch Sanskrit-Vorlesungen semen
Lebensunterhalt zu verdienen Leider musste ich ihm erdffnen,
dass dazu jetzt und in absehbarer Zukuntt nicht die mmdeste
Aussicht ist Gehen wir doch einer Zeit entgegen, wo selbst
die Kenntnis des Gnecbischen nur noch den Voezug,
engcr Kreise ausmachen wird An Griechenland wurden wir
gerade in Lahore lebhaft ennnerL als wir mit Dr Stem das
dortige Museum besuchlen Die daselbst aufbewahrten
Skulpturen bekundeten vielfach unzweifelhatt gnechischen
Emiluss und standen dadurch zu den Erzeugnissen der ein-
geborenen Plastik m einem sehr merkhchen Gegensatze
So gingen mit Besichtigung der Stadt und ihrer Um-
7 *
100
Von Peshawar bis Calcutla
gebiing einige Tage in angenehmer Weise dahin Wentger
wolUe cs gelingcn, mit der Gcsellschaft des Aryasam5j unfer
diesen UmsOnden nUlicre Fillilung zu gcv.mnen Sie bat
nneb, ihr cinen Vortrag zii halfen. wclcbes jch aucli bereit-
willig zusagte Abcr durch {rgend cm Missvcrstandnis waren
fllr den betreffenen Abend kerne Vorbereitungen getroffen
Nvorden Es fanden slch nur cine germge Anzalil m der
Eile lierbcigebolter Mitglieder zusammen, und jch begnllgte
mich, Ihnen erne kurze Anspraclie zu halfen Um so reicher
wurde ich beim Abscliicdc mil Buchern bcschenkt Es v\aren
meist Ausgaben der bekannferen Lfpanisliad’s mit Erkiarungeii
iind englischen Obersetzungen, welche allerdmgs auf emen
noch selir pnmibven Stand der Veda-Exegese sctiliessen Jassen
Am Naclimittag des 14 Dezember verJiessen wir Lahore,
um die kurze Strecke bis Amritsar zu fahren Der berUhmte
sogenannte goldene TempeJ dieser Sladt lohnte wohl erne
Unterbrechung der Falirt, wenn aucJi die Naclit in emem selir
mittelmassigem Dak Bungalow zugebraclit werden musste
Nachdem unsere Saclien dort untergebracJif, fuhren \s»r sofort,
denn der Abend rllckte heran, zum goldenen Tempel, welclier
den Sikh's, angehOrt, deren Religion aus indischen iind
mohaminedanischen Elemenfen gemischt ist, und die in Am-
ritsar ihren Hauptsitz haben Der Tempel ist nur klein, Iiegt
aber wunderschbn von der Stadt umgeben mitten in emem
grossen Teicfie, in dem sich seme vergoldeten Kuppeln spie-
geln Der Zugang ist Uber erne lange BrDcke, aiif welcher
zur Zejt unserer Ankunft ein erstaunliches MenschengeuimmeJ
hm- und herwogte Jedem fremden Besticlier iverden von
ilv jUistewien X^naben ein paar
Sandalen untergebunden Auch ein emgeborener Policeman
hat den Fremden vorschriftsmassJg zu begJeifen, was m Indien
sonst ganz ungewOhnlich ist und auf elnen stark entwickelten
Fanatismus schliessen Idssl Das Innere des Tempels, m
Abschted \on Lahore Amntsar Mr Summers
101
welchem die Verehrer sich diclit durcheinander drangten,
durfte von uns natOrlich njcht bctretcn werden, doch Iiess es
sich von den wed geOffneten Pforten aus voUkommen Uber-
selien Em FDhrer geleitel den Fremden auf das flache Dach,
wobei man die \ergolde(en Kupferplatten, mit denen die
Kuppeln und andcre Teile bedeckt sind, und von welchen
der Tempel den Namen hat, aus nSchster Ndlie bctrachfen
kann Die emtretende DUmmerung mahnte zur RUckkehr
Wir haUen em Gcwirr volkreicher Strassen zu passicren Die
Zudnnglichkeit der Handler, welche den Wagen Dberall auf-
ziihalfen suchten, liess auf einen stark cntwickclten Fremdeii-
verkehr schliessen Beim Dinner im Dak Bungalow waren nur
wenige Gaste vothanden, und es entspann stch eine ganz
angenehme UnterhaUung, namenllich cm Mr Summers, em
Mann m den besten jahren, der sich nachher alsAfcmfier oj
Parliament vorstellte, zeigte durch seine Fragen eingehenderes
Interesse, als man es sonst bei dem Durchschnittsenglander
zu fmden pfiegt Wir sassen noch lange mit ihmzusammen
und haben ihn noch mehrere Male wieder getroffen, so m
Delhi, wo er edng die Schulen besuchte, und am heiligen
Abend m Lucknow, wo ich ihm, um die possenhafte Vor-
stellung einer Bande von schoUischen Musikanten zu ver-
wischen, emige deulsche Weibnachtsheder vorspielte Das
sollte unser Abschied filr dieses Leben sein Am nScIisten
Morgen fuhr er nach Allahabad zum nationalen Kongress,
und zwei Tage spater hbrten wir, dass er dort, man wusste
nicht an welchem Leiden hoffnungslos erkrankt darmeder
liege Wenige Tage darauf lasen wtr in der Zeitung seme
Todesanzeige Als wir dann spStcr nach Allahabad kamen,
hOrten wir m dem Hotel m welchem er gestorben war, das
Nahere Er war an den Pocken erkrankt, und man vergass
mcht hervorzuheben, dass er im Parlamente als ein Gegner
des Impfzwanges bekannt war
Wir haben es vershumt, uns vor unserer 1
102
Von Peshawar bis Calcutta
Itidien nochmals impfen 2 U lassen, und die Sache ist ja gut ge-
gangen, aber wie die Dinge Iiegen,istdiese Vorsichtsmassregel
jedem, der nach Indien reisf, enfschieden anzuraten Die Cholera,
wie schon oben bemerkt pflegt, wie die Hindus sagen, einen
Gentleman nicht zu befallen, die Fieber freten vorwiegend
nur in der Regenzeit auf, aber einer Ansfeckung durch die
Pocken ist man durch jedes Hotelbeff, ja durch jeden Wagen
ausgesetzt, in deni vorher em Pockenkranker gesessen hat
Nachdem wir uns an jenem Abend in Amntsar von Mr
Summers und der Ubngen Gesellschaft verabschiedet, suchten
wir unser Schlafzimmer auf, dessen TOr wir bei dem Feblen
jeder Schhessvomchfcirtg durch Vorbau after unserer Koffer
und Effekten nofdurffig verrammelten
Der frllhe Morgen land uns wieder auf dem Bahnhofe,
zu einer langen Eisenbahnfahrt, die uns abends nach zehn
Uhr nach Delhi fahren sollfe Viete von Sage und Poesie
verhcrrJichte Orte flogen an uns vorUber Zunachst ging es
fiber die VipQf (die fesscllose, heule Bias) und (Tufudrt (diz
hundertiaufige, heute Sutlej), beide sachgemass benannt, mcht
weit oberhalb ihres Zusammenflusses, an welchem \or mehr
als dreitausend Jahren Vi^vSmitra das schon erwahnle Lied
dichtete, welches uns im Rigveda mit soJcher FnscJie enl-
gegentrilt, als ware es gestem entstanden, und Uber so weite
Zeiten und Raume hinweg eine uralte, feme Vergangenheft
wieder aufleben lasst Indem wir dann weiter die kfeme,
m der WUste unterhalb sich verherende und doch so hoch
gefeierte Sarasiaft uberschriltcn, tratcn Mir gleichsam aus
dem Sagenkreise des Rigveda in den des Mafulbhdratam
hmtlber, berilhrten bei Station Kamo! die Gegend, m welche
das grosse Schlachtfeld von der Sage verJcgt uird, und
kamcn spat abends in Delhi an. der Haupfstadt des Reichcs der
Grossmogute m elche neben der SOtte des alfcn Indraprastham
der Rcsidenz der Heldcn des Mah5bh3rafam, erbaut Isf
Poclengefahr Viply und ^utudri Delhi
103
A\an hat Delhi sehr treffend mit Rom \erglichen Wie
Rom ist Delhi heule erne gewcrbfleissigc Handelsstadt, nur
dass m Rom Toga und Tunica dem Rock und der Hose
gewichen smd, \',^hrcnd m Delhi wie nberall in Indien die
alten malenschen KostOme sich erhalten liabcn Wie in Rom
allenthalben die Denkmaler der p»1pstlichcn Hcrrschaft ent-
gegentreten, so in Delhi die nicht minder grossarbgen Ober-
reste der mohammedanischen Herrlichkeit Und wie In Rom
durch Kirchen und Kapellen die Obcrbleibsel des klassischen
AUertums in sWrender Wcisc lugcdeckt werden, so vcrdccken
auch m Delhi die Moschcen, Paiaste und Grabmaier der
mohammedanischen Periodc cine flUere und flir uns interes-
santere Vergangcnhcit, die Ennnerungen an Indraprastham,
die Hauptstadt der Mahablilrata-Heldcn, nur dass das
moderne Rom unmittclbar au! dem antiken stehl, Uilhrend
sich sUdlich von Delhi das alte Indrapiastham wenigstens
m seiner Rmgmauer voltsiandig erhalten hat Denn so wie
sUdlich von Rom die Campagna mit ihrcn zahlrcichcn Resten
aus dem Altertume sich ausbrciict, so crslreckt sich im
Suden von Delhi zwci Stunden weit cine Gegcnd, welclie
bis zum Kiitb Minor hin mit Denkmalern aus der moham-
medanischen und zum Ted auch aus der allindischen Zed
tibersaet ist Eine Beschreibung allcr dicser Herrhchkeiten ist
an vielen Often zu finden, wir mOssen uns darauf beschranken,
emige persBnliche Eindrucke wiederzugeben Auch fDr Delhi
fehUe es uns nicht an Emplehlungen, die uns die Kreise
dec Emgeborenen erschlossen Diesmal waren es einige
reiche Kaufleute, denen unsre Ankunft vorlier bneflich
gemeldet war, und die sich denn auch gleich am Morgen
nach unserer Ankunft im Hotel zu unserer Begrilssung ein-
tanden Wir durchwanderten nut ihnen den slldlich vom
Bahnhofe innerhalb der Stadt gelegenen Park, warfen emen
Blick in das dort befindliche Museum und wandten uns
dann nach der Chandm Chauk, der Silberstrasse, welche in
104
V Von Peshawar bis Calcutta
ansehnlicher Breite die Stadt durcfizieht und md ihren stad-
lichen Laden und dem davor auf- und abwogenden Verkehre
emsiger Menschen Zeugnis davon ablegt, dass wir uns Iner
an einem Mittelpunkte des industnellen und kaufmannisclien
Indiens befinden Besonders interessant war es uns, von
unsern freundlicben Begleifern in das Innere ihres Waren-
hauses eingeftihrt zu vverden Den Mittelpunkt desselben
bildete, wie gewbhnhch m Indien, em von dem Hause um-
schlossener Hofraum, der als Empfangszimnier dient, und m
welchem die Qeschafte abgetvickeif werden (Jm denselben
berum zieht sjch das an jedem Slockwerke mit Veranden
versehene Haus, welches sicli in offenen Rundgangen nach
dem Hole zu Offnet, wahrend im Innern die mannigfachen
Waren lagern Wie die meisien Kaufleute m Indicn, wo
die KuJtur noch nicht bis zum Begriffe der Arbeilsfeilung
gelangt ist, waren auch unsere Freunde General Merchants,
d h sie befassten stch mit Export, Import und Verkauf aller
mOglichen Artikef Im Ubngen waren die Intercssen zwischen
uns doch zu versclileden, aJs dass cs zu mnigen Beziehungen
hattc kommen kOnnen
Die oben genanntc Hauptstrassc Chandni Chauk, wclchc
Delhi von Westen nach Osten laufcnd diirchschncldet mOndcl
am Ostlichcn Ende In dem Fort dcrFcstung welche, zwischen
Stadt und Yamuna auf emcr ErhOhung prachtvoll gclcgcn
cinc Anznhl hOchst mtcrcssantcr Hallcn und Prachlbavifcn tin-
schhesst und zur BlUtezcit der mohammcdaniscJicn Herrschaft
wohl emc marchenhaftc Hcrrliclikcit zeigcn mochtt, wahrend
hcutzutige die Bcnutzimg vicicr Baiiten zu Mihtirzwcckcn
die In Pjramlden aufgctflrmtcn Kanonenkirgeln, die auf den
Wallen aidgcpflanztcn Kinonen, die hln- und hcrgihcndcn
Schildwachcn cmen seltsamcn Konirnst zu den noch erhahentn
Denkmalcm dcr Grossmogule bildcn Die henorragend^fen
sind die htrrhchc nach dreJ Sritcn ottene all^cmclrt Aiidicnr-
hillc (Dnnn-f-’A/n) und die noch schOnerc, an dcr^anunl-
SehensuDrdigVeilen Dtlhis
105
Seite gelegene und \on Gartcnanlagen umgebene pnuJe
AudienzhaUe {Dt^an-t-Khas), welche bei threm Reichtum \on
marmornen, mit Gold \er 21 ertenSaulen und bei der entzOcken-
den Natur, die sic umgibt, \^ohl die Insehnft rechtfcrligcn
mag, die m persischer Sprache an der Wand prangt*
GlBT ES AUF ERDEN El% PARADIES,
SO 1ST ES DIESELS, JA DIESES OEWlSS
Dass es fredich auf Erden kcin Paradres gibt, das zeigen
deutlicher als irgend clwas die furchtbaren Schicksale des
Shah Jehan, ^\elchen aUe dicse Herrhchkcitcn nicht da%or
schUtzen konnten, \on semen eigenen SOhnen verraten und
bekriegt zu w erden und sein Lcben im Kerker zu enden
Unweit des Di\an-i-Khas und cbcnfalls an dem zur
Yamuna fuhrenden Abhangc Uegt die klemc, abcr kostbarc,
aus Vkcissem und grauem Marmot errichlcte MoU Musjid,
d h Pcrlmoschee Sie 1 st in der Tat m ihrcrArt erne Perlc
und bckundot, wic in ihrem Namcn, so auch in direr IBauart
die Verschmelzung des tndischen und islamischen Elementes,
welche die Signatur des ZeilaMers war, aus der sie stammt
Abgesehen von dem, was das Fort enlhail, ist das gross-
ailigs^e Oebaudc Delhis die herrhch aui der Hbhe gelegene
Jumna Musjid, \ollendet im Jahre 1658 demselben Jahre, in
welchem der dustere Fanatiker Aurengzaib semen Vater Shah
Jehan des Thrones entsetzte Von drei Seiten (Qhren pracht-
voUe Freitreppcn empor zu cmem grossen, mit Mauern und
Turmchen emgefassten Platze, wShrend an der \ierten Seite
die Moschee selbst sich befindet. wie gewOhnIich m Indten
nur aus emer offenen QbenvOIbten Halle bestehend In einem
der kleinen EcktUrme des Vorplatzes werden eintge kostbare
Reliquien gezeigt, em Pantoffel und cm Haar aus dem Barte
des Propheten, daneben auch em Abdruck semes Fusses in
Stein, welcher fUr die Echtheit der beiden anderen StUcke
gerade kem ghnstiges Vorurteil crweckt Interessinter sind
106
Von Peshawar bis Calcutta
eintge alte Korinhandschnften, darunter eine aus der 2eit des
Ail, aus dem Vil Jahrhunderf n Chr
Zweimal verwendeten wir in Delhi emen Tag dazu, urn
die sUdlich von der Stadt sich erstreckende Gegend nut ihren
zahlreichen, zum Teil woWerhaltenen GrabpaJSsten und anderen
Denkwlirdigkeiten zu besuchen, das eine Mai begleitete uns
emer von den jungen Kaufleuten unserer Bekanntscliaft, das
andre Mai em Lehrer, den wir in der Schule kennen gelernt
batten und zufalbg mit seinem HOndchen auf der Strasse auf-
gabelten Bei Humayun’s Grab, zu welchem der Koter kemen
Zutntt hatte, kam er uns abhanden, worllber der Hindulelirer
sich hbchhch beunruhigte, bis wir nach langem und vergeb-
lichem Pfeifen, Herumlaufen und Suchen den RUckweg an-
traten und schbessbch das Hltndcben ganz ruhtg auf einem
Steinhaufen an der Chaussee im Schalten ernes Mangobaumes
sitzend fanden Wir nahmen es m den Wagen und die
Harmonie der QemUter war wieder hergestellt
Auf diesen Rundfahrten im Sflden von Delhi traten uns
eine solclie Fulle merkwitrdiger OegenstSnde entgegen, dass
wir hier nur das Wemgsfe davon erwahnen kOnnen Oleicli
nachdem man Delhi durcheines der sUdlichen Tore verlassen
hat, bietet sich den Uber em Trummerfeld schwetlendenBlicken,
an der Stelle der nur aus einem hohen SteinhUgel bestehenden
ehemaJigen Befesfigung Ferozabad, die von ilirem ursprUng-
lichen Standorte im 16 Jabrbundert hierher verpflanzfe StJuIe
des A(oka dar, wetche, nebsf etner Anzahl ahnbcher SauJen
urn das Jahr 250 v Chr von KOmg A?oka ernchtet, nocli
heute, neben spater angebrachtcn anderen Inschriften, die be-
rlihmte Paliinschnft an ihrem oberen Teile zeigt Sie enthait
cm Edikt des KOnigs Agoka und gill ftir das alteste inschrift-
liche Denkmal Indiens Aber cine noch viel altcrc Erinne-
ning riift der sUdlich davon gelcgenc PurSna Qi/n (die alle
Fesfung) wach, welchcr auch Jndrapal genannt uird und
sonach die Static bczcichnet, auf wclcher die Stidt des alfen
Umgebung ^on Delhi Indraprastham
107
Bharata-KOmgs Yudhishthira stand Sie besfeht aus cinem
Huge!, der \on einer uralten, meist noch uohl erhaltenen
Mauer umgeben ist, wShrend In dem inneren sjch em Hindu-
dorf behaglich eingenistet hat Der Eingang ennnert sehr an
die Porta Manna, durch die man m das \ucder ausgegrabene
Pompeji tntL Jedesmal, wtnn ich Pompcji besuchte, \\ar ich
bemUht, m memer Phantasie den altcn Zustand der Sfrassen
und Hauser Nsieder herzustellen und dieselben durch die
Gestalten alter Rbmcr zu beleben Was hier nur unvoll-
kommen m der Embildungskraft geschah, das zeigte Indra-
praslham bis zu emem gewissen Grade m Wirkhchkeit Es
war, als wenn Pompcji uieder lebendig gevvorden %sare, denn
kaum waren wir durch den an die Porta Manna ennnernden
Torweg geschntlen, da hockte links bei seiner Arbeit em nur
mit Schurz und Turban beWeideter Schuster, da lehnten rechls
an der SSule zwei Gestalten, welche bis auf die braune Farbe
ganz aus dem klassischen AUertum batten stammen kbnnen
Da spieUen urn die nach der Strasse zu olfenen Hlitten und
Laden halb Oder ganz nackte Kinder, und als uns gar zwei
Manner begegneten, welche, bis auf die Lenden unbekleidet,
tiber den Schultern erne Stange trugen, an welcher in der
Mitte zwischen beiden em grosses Tongefass hmg, wie man
es so oft auf antiken Vasenbildern sieht, da war die Illusion
nahezu vollstandig, und die Freude eine nicht geringe Wjr
bestiegen mit dem erwahnten Lehrer einen noch erhaltenen
Turm aus alter Zeit, von welchem aus man das ganze Dbrfchen
Ubersah, und der emen bequemen Einblick in die inneren
Hofraume und die Zimmer der HUtten gewahrte GewOhn-
Uch bestand eine solche Wohnung aus emem klemen vier-
eckigen, rings eingeschlosscnen Hofraume An der Vorder-
seite v^ar der torartige Emgang, ihm gegenuber lag eine Uber-
dachte, nach dem Hofe zu offene Halle, in der die Haus-
bewohner ihr Wesen batten In der emen Ecke war cim,
Feuerstatte zum Kochen angebracht, links und rechts bestand
108
V Von Peshawar bis Calcutta
die Umfassung des Hofes aus klemen, verschliessbaren, stall-
artigen RSumen, welche die Schlafstellen auf der einen Seite
fUr die Manner, auf der anderen fflr die weiblichen Bewohner
bildeten Nachdem wir eine der Wohnungen naher besichtigt
und die Dame des Hauses dutch einige Kupferstlicke glUck-
lich gemacht batten, warfen wir noch emen Blick m die un-
bedeutende Moschee und untemahmen dann emen Rundgang
ausserhalb der Mauer urn die Stadt herum, indem wir nut
Ehrfurcht die hoch aufsteigende, 2 um Teil gewiss aus sehr
alter Zeit stammende und fast durchweg wohl erhaltene Stadt-
mauer betrachteten
Em besonderer Glanzpunkt ist noch der zwei Stunden
sadhch von Delhi gelegene Kuib Minor mit einem gewaltigen,
fUnf Stockwerke hohen Aussichtsturm und emer Moschee, die
zum Tell aus Saulen und anderen Resten von Hmdutempeln
ernchtet sind In der Mitte des Hofes ist eine hdchst merk-
wlirdige S^ule, deren Schaft ganz aus Schmiedeeisen 23 Fuss
hoch aufragt und m einer Sanskntmschrift den Sieg eines
Kbnigs Dhava, wahrscheinlicli aus dem vierten Jahrhundert
p C, verkUndigt
Auch in Delhi versaumten wir nicht, verschiedene Sans-
kritschulen zu besuchen, und warden dadurch mit emfgen
sehr IiebenswUrdigen Pandits bekannt Namentlich emer der-
selben, mit Namen BankefSf, zeigte grosse AnhSnglichkeit an
uns Da er von seinem verstorbenen Valer, emeni der nam-
hafteren indischen Gelehrten, eine grosse Sammiung von
Handschntten geerbt hatfe, so lud er uns an einem Morgen
frUh zur Besichtigung derselben em Meine Frau solUe bo
dieser Gelegenhejt mit der semigen bekannt gemacht werden
Daraus wiirde nun froheh mchts, denn als \Mr, von Ihm ab-
geholt und geleitet, in seiner engen und wm’kligen, aber darum
nicht unbehaghchen Wohnung etntrafen, und icli ihm vor-
schlug, dass er, der Absprachc gemflss, meinc frau der
semtgen zuftJhren mOge, so bat er davon abrustchen mit der
Ejtie Dorfv'voHnutig Eia indtsches Oetehrttnhein
tog
BegrQndung lajjaic, „sie sch5mt sich“ Wtr wandten uns der
Besichtigung dcr Bibliothek zu, sie bcstand aus einer Art \on
Wandsclirank. m welcliem eine mch dem Katalog, den er auf-
wies, zu schliessen sehr reichhaltige Sammlung zum Tcil alter
und \ielleicht wertvoller Handschnften aufgestapcit lag jede
dcrselben war in cmen alien Lappen grUnen Tuclies sorg-
faltig emgewjckeU, namenllicli wold zum Schutze gegen die
Insekten, und es war cm umstandlicties Verfahren, dicse kost-
baren Schatze jedesmal aus dcr anspruchloscn Htllle heraus-
zuschaicn Den Vorsclilag, ctwas davon zu \erkaufen, lelinte
er bescheidcn, aber nut Bestimmthcit ab Hingegen schenktc
er mir mehrere Handschnften, daruntcr cine sehr alte des
ersten Buches des Amarako^a Audi bei unscrer Abrcisc
von Delhi stellte sich BankcIM auf dem Bahnhofe cm Er
Dberreichte meiner Frau cine von seiner Oattin ftlr dicscibc
zierlich gcarbcitete Bdrsc, und als wir ms Coupd stiegen,
nahm er von dem hinter dim schrcitcndcn Dicner cm auf
mehreren Tabtetts zusammcngestclttes Hindu-Diner und schob
es uns in den Wagen nach Da waren mancherlei GcniDse,
in Weincn Biatternapfchen zierhch angenchtet, da war ein
grosser Topi nut Milchreis cinc hohe Sclucht aufeinander
gelUrmter Flatten und erne grOsscrc Anzahl von slissen Speiscn
und mancherlei Backwerk
Wieder einma! fuhr der Zug ab, und wieder emmal fiel
damit der Vorhang Dber dem Icbcnsvollen Bilde einer grossen
und merkwlirdigen Statte der Ennnerung belebt von so
schnefl gewonnenen und, ach! schon nach so wenig Tagen
wieder verlassenen Freunden, die meisfen wohl auf Nimmer-
wiedersehen Indessen fuhren wir getrosten Herzens in die
im herrhehsten Sonnensebein tind — cs war am 20 Dezember
— im Uppigsten Sommersclimucke prangende indische Land-
schalt hinaus und freuten uns, in dem heihgen Lande zwischen
YamunS und GangS zu fahren und einer der aherheihgsten
no
V. Volt Peshauar bJs Calcutta
Stadtc ziizuslrcben, dcm sagcnumwobcnen Matfnirii, tiem
Gebiirtsorte dcs Gottes A'mA/ja, welches mati fllglich alsdas
inclische Bethlehem bezcichncn kann Wjr Jangten gegen
Alittag aiif cjnem kJemen, zicmlich dden Bahnhofe an, hessen
uiis da das Dak Bungalow zii cnlfernf war, von dem freund-
lichcn Station Master die Zusiclicrung geben, dass cr uns
cntwcctcr im Waiting Room Oder in cmem Eiscnbalinwagen
lUr die Nacht unterbnngen werde, und fiihren dann, iimZejf
zu sparen, mit demselben Zugeeme Station tveifer nach Vnri-
daban, welches einc Stundc nOrdheh von Malliurd Iicgt imd
zugleich mit Mathurd und dcm cine Stunde slldlich davon
gelegcnen MaftHban den Schauplatz der Jugcndgeschichte
des Gottes Krishna bildct Knshna, ursprhnglicli ein mensch-
licher Held der tndischcn Sage, erscbcint schon m Alahd-
bhdratam als Inkarnation dcs Ooltes Vishnu AIs der Wagen-
lenker des Arjiina feilt er diesem, wflhrend beide Heere
kampfgerlistet gegenllbcrstehcn, in der Oeschwindigkeit, urn
ihn zum Kampfe zu ermutigen, em philosophischesLehrgedicht
in nicht weniger als achtzclin Gesangen init Es ist dies die be-
rUhmte BhagavadgiHs, welcbe Ichrt, dass alles zeithche Ent-
stelien und Vergehen, Lebeti und Sterben im Hinbhck auf das
Ewige bedeutungslos is( Weiler for^ebildet fmdet sich die
Knshna-Sage In den Piirdna's, und namentlich wird seme
Jugendgcschiclite in dem Bhdgavata-Puriinam in einer Weise
erzahlt, welche hOclist auffallend an die Kindheitsgeschichte
jesu ermnert Da prophezeit der Seher Narada dem KOnige
Kansa von MathurS, dass Vasndeva und Devakl em Kind
erzeugen werden, welches Ihn tofen wird Er lasst die Ellern
m einem Hause einschliessen, welches noch heufe gezeigt
wird, Krishna wird daselbst geboren, aber die Wdchfer fallen
in einen wunderbaren Schlaf, die Elfern entfliehen mi( dem
Kmde Uber die YamunS nach Mahaban, der KOnig befiehlt,
alle mannlichen Kinder, welche Heldenkraft versprechen, zu
\Ulliur3 und Unigcbung Die KrislinalegeBde 1 1 1
Vrmdaban, bis er lieranuilchst und den KOnig Kansa erschl3gt
Die Ahnlichkcit dieser spiltindischen Legende md der chnst-
liclien kann nicht zufallig sein, und sowerden ujrwohl an-
nehmen mQssen, dass zuischen derZeit des Heldenepos und
der PurSna's ein christlicher Einfluss stattgefundcn hat Diese
Annahme wird noch wahrscheinlicfier, ucnn man, Kristinas
Geburtshaus bcsuchend, die drei dort auf einer ErhOIuing
stehenden plumpen Puppen betrachlet, das Knslina-Kind in
der Mitte und zu bcidcn Seden sein Vater Vasudeva und
seme Mutter Devaki Es ist ganz die Art, wie in kalholischen
Landern Maria und Joseph rad dem Chnstuskindc zusammen-
dargcstelU werden
Die Besichtigung von MalhurS auf den folgenden Tag
\erschiebend, fubren \v»r, unset GepSck md dem Diener
zurQcWassend, gleich Nvedcr nach Vnndaban, dem Orte, wo
Knshna seme Jugend verbracht und seme mutwdhgcn Strciche
mit den Hirtenmadchen verubt haben soli, indcm er z B ,
wahrend sie badeten, thre Kleidcr auf emen Baum hmauf bc-
fOrderte und dieselben erst nach cindnnglichen Bitten zurDck-
gab, — em Vorgang, den man m Indien vielfach abgebildet
sieht Es entspncht ganz der Naivdat, md der m Indien
Religion und Sport Uberall verwachsen sind, wenn diescr
mutwillige Krishna in vielen prachlvollen Tempeln als Gott
verehrt wird In Vrmdaban (eigenthch VnndCivanani, Wald
der Vrmda, d i RadhS) angelangt, schickten wir nach zwei
Pandits, an die wir Empfehlungsbriefe batten, und schlugen
mzwischen den Wegnach der Stadt em, wurden aber gleich
m der Nahe des Babnhofs durch den Anbhck ernes rni Bau
begrdfenen Tcmpels gefesselt, welchen hier em reicher Inder
m Uberaus prunkvoller Weise ernchten ISsst Wir besichtigten
die marmornen Treppen und Hallen und die kostbaren, durch
bunte Edelsteine hergestellten Omamente und wurden dabei
mit emem Brahmanen-JUngling in himmelblauem Gewande be-
kannt, der sich uns anschloss Gutmlllig, wie wir immer sind,
112
V Von Peshawar bis Calcutta
gestatleten wir tJim eincti Sitz in unserem Wagen, waren aber
nachher sebr enlfaiisclil, als er urts beim Abschiednehmcn um
cine Cabe anspracli iind, als das Gegebene ihm zu germg scfiien,
auf seine Dienste limwies, die wir gar niclit gefordert und
die er auch nichl geleistel haffe Denn gfeicli nachdem wir
den Tcmpe! verlassen, stellten sicli unsere beidcn Pandits
Rddfiufarana und MadliusQdana cm und Ubernahmen unsere
FUIirung durch die Sladt ZunJIchsl wurden drei Oder vier
sehr wohl unterlialtene Tempel besiclitigt, emer derselben war
auf seinem Giebel mit einem ganzen Wald von Statiien ge-
schmOckt, Krishna, wie er seme Heldenfaten vernchtet Oder
vor der tanzenden Rfldhd, seiner Geliebten, die FlOte spielt,
trat Uberall hervor Em weiterer Schmuck der Tempel und
Hauser, wenn man ihn so nennen will, bestand m einer Un-
zahl lebender Affen, wclche, an den Wanden sich empor-
schwmgend und auf den Zinnen und Dachern sitzend, allerlei
Kurzweil Ublen Eine aimliclie Belebung einer Stadt durch
Affen, wie hier in Vrmdaban liaben wir nur noch in Ayodhyi
der herhgen Stadt des Rlma, wiedergefunden, nachdem man
in Benares die possiertichen, aber bei grbsserem Verkehr un-
bequemen Tiere beseitigt und auf emen emzjgen Tempel
Durgakund beschrankt hat, den die EnglSnder zum grossen
Verdruss der Eingeborenen den Monkey Temple nennen
Lastiger als diese harmlosen Bewobner der DScher vvurde
uns in Vrmdaban erne grosse Anzahl von Bettlern, man
merkte wohl, dass roan sich in einem von Fremden vielbe-
suchten Wallfahrtsorte befand Obgleich das Geleit der
beiden Pandits eimgen Schutz gewdhrte, wurden wir beinalie
so sehr wie in Granada und Jerusalem jeden Augenblick
durch Beftler aufgehalten, unter denen manche gesunde und
kraftige Burschen in den besten Jahren waren Wiederholt
sah ich mich zu Ansprachen genbtigt wie „Icli gebe den
Alien, den Kranken, den Hlilflosen Dif aber gebe ich nichts “
Diese Worte, im klarsten Sansknt gesprochen, fanden nicht
Vnndabin Afien BeKelw Armut der Pandits
113
nur Uen \oUen BeilaU unserer Pandits, sondern vcrfehlten
auch auf die neugieng heruinsteliende A\enge ihre Wirkiing
mcht Es bedarf keincr Erinnerung, dass in klcincrcn Orten
Indiens etn paar weissfarbige Europder eben so vicl Aufselien
erregen, wie bei uns etwa em Ncgcr imd cine Ncgenn, wenn
sie Uber die Strasse gchen Und so wurden wir denn, nadi-
detn wir die Sehenswnrdigkcilen des Ortcs genugsam durcli-
gekostet, von unsem Pandilfreunden scibst a!s SehenswOrdig-
keit behandelt und in ihre Hauser, so\Me in die emiger be-
rUhmler Heiligen emgetuhrt Wir suchten mOglichst kurz
losziikommen, denn der Abend brach herein und die Abfalirts-
zeit des Zuges nahte Schlicsslicli sassen wir denn mit uii-
seren Pandits in der wohltuenden Ktihle des Abends auf
emcr Bank am Bahnhof und barrten des Zuges Zur Er-
frischung hess einer der Pandits einen Teller mit FrDcliten
von Susserst zweifelhaftem Aussehen anbieten Icli wShlte
schliesshch eine Banane, als am wcnigsten bedenklich, sie
zeigte sich als vdUig unteif, an Harte und Geschmack emer
TOhen Kartolfel vetgleichbar, ich konnte mich mcht ent-
schliessen, den Bissen im Munde herunter zu schlucken und
musste um die Ecke gehen, um ihn und die Reste meiner
Banane zu beseitigen Ich envahne dies, weil es zeigt, wie
bedurftig und wie anspruchslos diese mdischen Pandits sein
mUssen Da der Zug auf sich warten hess, so hatte ich noch
erne langere Unterredung mit dem jhngeren Pandit Madhn-
sUdana, welcher Philosophic Irieb und natUrheh em Anhanger
des VedSnta, jedoch in der reahstischen Richtung des
Madhva war Seme Auffassungen hatten dadurch, wie auch
sein Wesen, etwas nUchternes, waren aber im Ubngen so
klar und prazts, wie man es selten bei den Hindus findet
Als em Typus des idealen, enthusiashschen, aber auch vielfach
ms Vage sich verherenden Hindu kann ich dm mcht gelten
lassen, aber fUr alle praktischen Zweeke mQchte ich ihm vor
einem solchen den Vorzug geben
Deassen, Erinnernngen an indien 8
114
V Von Peshawar bjs Calcu»a
Doch da rollte unser 2ug heran, wir bestiegen den an
seiner weissen Farbe erkennlbchen volIstSndig leeren Wagen
ersler Klasse, bemerkten im Halbdunkel nichf, dass alles in
ihm mit einer dicken Staubschicht (iberzogen war, und ge-
langlen m zehn Minuten nach Mafhurd
Hier war durch das Bahnhofspersonal unsere Ankunft
ruchbar geworden, und so warden wir von einer Deputation
empfangen, welche mit echt indischer Naivitat benchtete, dass
der ganze AryasamSj m der Stadt versammelt sei, dass ein
Wagen bereit stehe, um mich sofort dorthm zu bnngen, man
hoffe, dass ich ihnen heute Abend, wie ich es in Agra getan
habe, emen Vortrag halten werde „Aber, hebe Freunde,"
erwiderte ich, „es ist acht Uhr abends, wir haben seit A\ittag
nichts gegessen und smd beide milde von der Reise Der
Koch, den ihr dort m seiner weissen SchUrte seht, drtJngt
2 um Abendessen, so watle^ bis wirsclmell gegessen haben,
dann will ich mit euch kommcn, um eure Versammlung
wenlgstens m der KUrzc zii begrtlssen “ Diescr Vorsclilag
land Zustimmung, in fitegendcr Hast verzehrten wir unser
Dinner und roilten sodann in dem hOchst eleganten Wagen
des reichen (Ireshtli Lakshman DOs zur Versammlung
Unterdessen war es neun Uhr geworden, icli begrtlsste
die Anwesenden, Jobte ihren Eder und mnsstc wohl Oder
UbeJ versprechen, morgen nachmiltig um fOnf Uhr den ge-
wDnschten Vortrag zu haltcn Nach kurzom Abscliicdc fniirtc.
uns der Wagen, der aucji Hir den ganzen folgcnden Tag uns
zur Verfflgung gcstellt wurde, nach dem Bahnhofc zurllck, und
totmOde sanken wir auf die jmproMSierten Beticn des Waiting
Room Am andern A\orgcn, als wir uns eben zuni Frllhstflck
sotzen wollten, wurde erne ncue Deputation gcmeldct, wtlclie
\on uns empfangen zu wcrdenwOnschlc Sic kamcn, sagttn
sie, \om Dlianmsam.lj weJeher in diescr Sfidt \icl zaltl-
reiclicre und angtselicnerc Mitglicdcr zahic Ich mflehte
dahtr den fUr den angckUndigten Vortng nicht
Mathu^^ Imijschc NaivitStcn Ein UcilUnsUer
115
doTt, sondern m DharmasamSj halten „L% mag ]a sem“,
ewiderte ich, „dass cure Gcsellsclialt in dieser Stadt die
angesehenere ist, und Uattc ich es frUlier gcNsusst, so hstte
das meine Entschliessungen bccinflussen kdnnen, jCtzt aber
kann Ich nicht daran dcnkcn, das den andern gegebene Ver-
sprechen zu brcchen “ — Dann mOcIite ich, so meinJen sic,
noch einen zweilcn Vortrag in dcm DharmasamS} hahen —
,,Es falU mir nicht ein“, antwortete ich, „vvo ich Indien mir
zu meinem VergnDgen bereisc, m einer Stadt zwei Vortrage
zu halten WolU ihr mich hOrcn, so kommt lieiite urn fUnf
Uhr zum AryasarnSj, ihr sollt alte willkommen sem “
Damit schieden sic, und wir macliten uns aiif, urn in
Qesellschaft des Pandit BQla Krishna, dem wir bncfhch cm-
pfohlen waren, und anden sich nachher noch andere schlossen,
die Stadt zu besehen Unterwcgs befragtc ich den Pandit
nach seinem Studium Er war Atcdizincr, d h cr hatte den
Ayiinetia studiert und ilbtc daraufhm eine ausgedehnte Praxis
in der Gegend aus „Was ist das Fieber?“ fragte ich ihn
— „Das Fieber", sagte er, „ist cme falsche Mischung der
drei KOrpersafte, Wind, Schleim und Gallc “ — ,Wie heilt
man dasselbe'^® — Hier nannte er mU grosser GelSufigkeit
erne erschreckende Menge von Drogen, welche zerkicinert
und gemischt dem Kranken emzugeben seien
Unter diesen Gesprachen waren wir bei der Hauptseliens-
wUrdigkeit der Stadt, den Ghatta s, angelangt Sie bestehen
aus emem sch&n gepflasterten Promenadenwege und von ilim
Oberall zum Flusse herabfohrenden, wohlbehauenen Treppen-
stufen und ziehen sich zwischen Fluss und Stadt in deren
ganzer Lange hin Treppen und Treppchen fUhrfen Oberall
herab ms Wasser und zu den Badenden, anmutige Pavilions
luden zum behaglichen Niedersitzcn ein sagenreiche Bauten
begleiteten das lifer der Uinge nach wie denn z. B ein
statlUcher Turm an der Stelle gezejgt wurde, wo Kansa s
Weib nachdem Krishna diesen ersclilagen, ihre Satf beging
8 *
116
Von Peshawar bis Calcutta
Sat!, ursprfinglich „die gute Gattm", d h diejenige, welche
sich lebend mit dem Letchnam ihres Gatten verbrennen Jasst,
bedeutet dann zwetlens wetter den Akt der Witwenverbren-
nung und endlich drittens den durch ein Denkmal bezeich-
neten Ort, an dem ejne solche stattgefunden hat Eine Strecke
welter zeigte man uns die Stelle, auf welclier der gegen-
wartige Maharaja von Benares Prabhimarayana, von dem
noch welter unten zu erzahlen sem wird, bei semem Besuche
m Mathura sich wiegen liess und sem voiles KOrpergewicht
m Gold an die Brahmanen verteilte Dieser Scherz kostete
ihm, wie tnir sptiter in Benares erzahlt wurde, iiber 100000
Rupien Dtese Qrosstat begeisterfe dann weiter den Professor
Gangadfmra, dessen freffliche Vorlesungen Ober indiscfie
Dichter ich spater m Benares mit grossem Oenuss hbrte, zu
einem Oedichte, welclies er mir selbst Uberreichf hat, auf
dem Titelblatt ist erne Wage gcmalt, m deren BaJken und
Fachern die Prabfiimdrdyana.MathiirS usw silbenweise
verteilt sind und auf der folgenden Scite zu cmem Gedichte
in komphzierten Versmassen verarbeitet werden, so kunstvoll
und schwieng, dass der Dichter selbsf geraten fand, emen
gelehrten Kommentar beizufligen
Welter fUbrten uns unsre Freunde zur Stadt hmaus,
vortiber an Brunnen, deren SteinwSnde m buntesten Farben
mi( abscheulich schGnen Bifdern aus der Knshnageschichte
bedeckt waren, dann ging es durch em Waidchen zu cmer
Anhbhe, aiif der das schon er\vahnte Qeburtshaus des
Krishna stand Es war erne nach vorn offene Halle, und
die m ihrer Mitte auf emer StemerhOhung aufgestelltcn drci
Puppen m bunter Bcmalung cnnnerten, wie bereits bemerkt,
lebhaft an das Chnstuskind mil Maria und Joseph, uie man
sre so oft Im sOdlichcn Europa aufgestellt findet Inzwischen
hatte sich allerlei Volk um uns versammelt und jeder war
bemllht, zu unserer Belefirung sem Scherflem beizufragen
Am hervortretendsten war die Gestalt eines Bcltlers, es war
118
V Von Peshawar bis Calcutta
raschender Starke und weithin hOrbar Endlich fuhren wir
liber die Brlicke der YamunS und sodann durch angenehme
Landschaft nach MahSban, wo m verscliiedenen Hhusern
wieder allerlei Ermnerungen an dte Kmdheit des Krishna
gezeigt wurden Auch hier merkte man den schddigenden
Emfluss des Fremdenverkehrs auf den Charakter des Volkes,
die Leute zeigten sich als geldgieng und mit dem Ge*
botenen nicht zufneden Nach kurzer Besichtigung wandten
wir dem wenig bedeutenden Ort den Rlicken, bestiegen
unsern Wagen und langfen rechtzeitig urn fUnf LIhr in der
Versammlungshalle des*y4ryasam3j an Die Lichter wurden
angezundet, der Saal fulHe sich zusehends, ich liess die
grossen, nach emer gerauschvollen Strasse gehenden Flhgel-
thren schliessen und begann memcn Vortrag Uber den
VedSnta Nachdem ich denselben in englischer Sprache
beendigt, wurde ich, wie schon erwahnf, gebelen, die Haupt-
punkte nochmals m Sanskrit zu rekapilulieren, da viele des
Enghschen nicht michtig seien Es geschah, und nun foigte
eine Diskussion, halb Englisch halb Sanskrit, in welcher
mehrfach theistische Neigungen sich kundgaben Ich schloss
die Versammlung unter dem reichen Beifalle der Anwesenden
und wurde von einer grbsseren Anzahl derselben nach dem
Bahnhof geleitet, wo wir bald mOde auf die aus geflochfenen
Rohrbanken hergestellten Betten sanken und so gut schliefen,
wie es unter dem nachtlichen Lflrm ankommender und
abgehender ZOge mOghch war Grbssere Scharen von
Pilgem hatten die Nacht ausserhalb des Bahnhofs nach
mdischer Sitte in Gruppen auf der Erde hockend zugebracht,
und unser Diener Lalu erzahite mir am andern Morgen,
wie er unter ihnen Bekannle aus seinem Heimafsort ge-
funden Iiabe, wie sle ihn gefragt hatten, ob er auch niclit
versaumt habe, fOr seme SOnden em Bad m der Yamuna
zu nelimen, und wie er ihnen erklart habe, dass er dazii
keine Zeit finde, und diss er sich durch die Last seiner
Uahiban Vortrag in MathurJ Lalus Surden
119
Stinden nicht sondetUch bcdrttckt fCllilc Lalu war also
freigeislensch angeliaucht, aber er Jiattc noch schhmmere
Eigenschaften, die sjch noch am sclbigcn Tagc offenbaren
soUten Schon Olter war es vorgckommen, dass er die
Ankunlt des Zuges vcrscbhcl und JCh llm mjr erst aus
seinem Coupd dnltcr Klasse herausholcn musste. Audi fid
mir mitunter auf, dass cm eigcnlUmliclicr Gcruch \on ihm
ausslrCSmte, aber wenn ich fragte »Lalu, Sic trmktn
doch nicliP", so anlwortetc er mit Beslimmtliejt: *Nem,
Herr'**
Wir bestiegen den Ziig, dcr bns in ciner Tagcsfalirt
aus dem Tal der Yamunil m das der Gangd fUhrert soKte
biS nach Falchjrarh, wo wir an den Clerk dcr Eiscnbahn-
station bneflich schon vorher cmplohlen waren und Uber-
nachten wollten Gcgen Abend (angten wir dascibst an,
und nach cinigcm Rufen und Warten stelltc sich denn auch
Lalu em, um das Gcpack tu besorgen, konnle aber mil dem
Zusammenwickeln und VerschnOren der Decken gar nichl
2u stande kommen, bis ich nSher zusah und cntdcckte, dass
er vOllig betrunken war „Lalu“, sagte icli, ,Sie sind bc-
trunken “ Herr," sagle er, „warum soli ich die Walir-
heit nicht gestchen? Ich habe miluntcr ctwas Ficbcr vmt
dann nehme ich wohl cinen Trunk um es zu bekSmpten “
Ich schwieg, aber sein Schicksal war beschlossen MH
HUlfe des Clerk schafften wir das GepSek ins Waiting
Room, wo wir auch dicsmal ilbernachten sollten, wilhrend
Lain m irgend emer Ecke untcr machtigem Schnarchen
semen Rausch vcrschlief Unter angenehmen GesprSchen
mit dem Clerk, der cm geistig sehr cmpfanglicher Mann
war, verbrachten wir den Abend Zugletch war derselbe
bemQht, uns einen anderen Diencr zu besorgen es wolltc
sich aber an dem kleinen Orte nicht gleich etwas Passendes
finden So mussten wir uns am andern Tagc noch mit
Lalu behelfen Er erschien am nSchsten Morgen scheu
Die Ghana's Knshnas Geburtshaus. Die Yauunabrucke 117
ein junger, krllftiger Mensch mit scliDneni, so gut uie ganz
nacktem KOrper, die Haare lang iind zottig \Mld urn den
Kopf herum, der gauze Leib schcussticii mit Asche besclimlcrl
Es ist dies derAufzug der Asketen, welcher lieutzutnge \on
vielen Bettlern kopiert wird, um Eindruck beim Publikum
zu machen Bcim Absclued gab icli dem Altesten der An-
\vescnden cine Rupie mit der Wcisung, dieselbc gerecht zii
verleilcn, musste aber eilcben, dass cinige mir nachkamen
und stch beklagten, dass man sie bet der Vcrteilung tlber-
gehen wolle Es blieb mir nichts anderes (ibng, als zurtick-
zukehren, die Rupie wteder einzufordern, m der Nilhe wechselu
zu lassen und dann jedem je nach Verdienst und WOrdig-
keit cm paar Anas emzuhandigen Dieser Akt der Ge-
rcchtigkeit wurde mit grossem Beifall aufgenommen Wir
kehrten zu unscrem Wagen zurUck und fiihren der Absprache
gemass zu dem EigentUmcr dcssclbcn, emem rcichen Vai?ya,
namens ^reslitli Laks/iman Dus. der uns zu Ehren eine
Panditversammlung anberaumt hatte Stall der Ublichen
BlumengirlanUcn wurden uns diesma! Kettcn aus Goldpapier
umgehangt, welche wir nocli jetzt besitzen, wahrend wir die
sonst von Ort zu Ort gespendeten beribchen BUimenkranze
und Bouquets wohl Oder tlbel dahmten lassen miissten
Der Nachmittag war zu cinem Ausfluge nach Mahaban
bestimmt Der Weg fuhrte tlbcr die Yamunfl, wo erne
Eisenbahnbrlicke auch Wagen passiercn lasst, jedoch/nur
gegen Eilegung emer GebUhr von zwei Rupien, was uns
sehr boch schien Hier sah ich eine grosse Muschel, wie
sie den alien Indern als Knegstrompete diente, und die an
der BrUcke zu Signalen benutzt werden moclite Man blies
m dieselbe durcli ein in die Spitze gebohrtes Loch Ich
vermochte kemen Ton zu erzeugen imd ausserte den Wunscb,
die Muschel blasen zu hbren Man holte ein altes Weib
betbei, welches die Muschel an den Mund setzte und ihr
mehrere gellende, gequetschte Tfine entlockte von liber-
118
VofJ Peshawar bis CaJculfa
raschcndcr Starke und wcilhin hOrbar Endlicli fiihrcii wit
dber die Brficke der Yamiind utid sodanii durcli angenefiine
Landscljaft nacl: Aliljdban, wo m versetuedenen Haosern
wieder nllerki Erinnerungcn an die Kindlieit dcs Kristina
gczeigt ^\urdc^ Auch liicr mcrklc man den sciiadigendcn
Cmfluss des Frcmdcnvcrkchrs auf den Charakter des Volkcs,
die Leufe zcigfen stcli als geldgieng und nut dein Ge-
botenen nicld zjifncdcn Nacli kiirzer Bcsicld/gung wandfen
wir dem wentg bcdcutcndcn Ort den RUcken, bestiegen
unsern Wagen und langtcii rcclitzeitig urn fllnf Utir in der
Versnmmlungshalle dcs'yfryasatna] an Die Lichter wurden
angezUndef, der Saa! fllllfe sicli ziisetiends, rch liess die
grossen, nach einer gerauschvollcn Strasse gclienden FUigel-
tUren schliessen und begann mcmen Vortrag liber den
VedSnta Nachdem ich dcnsciben In englischer Spraclie
beendrgf, wnrde icfi, wie sclion erwahnf, gebefen, die Haupt^
punkte noclimals in Sanskrit lu rekapifuheren, da viele des
Englisclien niclit mlichttg seien Es geschah und nun foigte
Cine Diskussion, halb Engtiscli halb Sanskrit, in welclier
raehrfacti llieislische Neigungen sich kundgaben Ich schloss
die Versammlung unter dem reiclien Beifalle der Anwesenden
und wurde von einer grOsseren Anzahl derselben nach dem
Bahnhof geleitet, wo wir bald mllde auf die aus geflochtenen
Rohrbanken hergestellfen Betten sanken und so guf sebbefen,
wie es unter dem nSchtlichen LSrin ankommender und
abgehender ZUge mbglich war OrOssere Scharen von
Pilgern hatfen die Nacht ausserhalb des Bahnhofs nach
mdischer Sitle in Gruppen auf der Erde liockend zugebracht
und unser Diener Lalu erzahlte mir am andern Morgen
wie er unter ihnen Bekannte aus seinem Heimafsort ge-
funden habe, wre sie ihn gefragt b&tfe/J, ob er auch nicht
versaumt habe, fUr seme SUnden em Bad m der Yamuna
zu nehmen, und wie er ihnen erkt&rt habe, dass er dazu
kerne Zeit finde, und dass er sich durch die Last seiner
Mahdban Vortrag in Mathurl Lalus SQncJcn
119
Sllnden nicht sonderhcli bedrttckt iQliIe Lain \sar also
freigeistensch angehaucbt, aber er liatte nocii schbmmere
Ejgenschaften, die stch noch am selbigen Tage offenbaren
sollten Schon Ofter war es vorgckommen, dass er die
Ankunft des Zuges versclilief und icU Ihn mir erst aus
semem Coupe dnber Klasse herausholen musste Auch bel
mir mitunter auf, dass em eigcntilmliclier Oerucli von ihm
ausslrOmte; aber wenn ich fragle „Lalu, Sie trinken
doch nicht’“, so antwortetc er mtt Bestimmtlieit* „Nein,
Herr'“
Wir besticgen den Zug, der bns in einer Tagesfabrt
aus dem Tal der YamunS in das dcr Gangd flihren sollte
bis nach Fateftgarh, wo wir an den Clerk der Eisenbalin-
stabon brieflich schon vorher empfohlen waren und Uber-
nachten wolUen Gegen Abend langten wir daseibst an,
und nach einigem Rufen und Warten stelUe sich denn auch
Lalu ein, urn das GepSek zu besorgen, konnte aber mit dem
Zusammenwickeln und Verschntiren der Decken gar nicht
zu stande kommen, bis ich nSher zusah und entdeckte, dass
er vBlhg betrunken war „Lalu", sagte ich, „Sie smd be-
trunken “ Ja, Herr,“ sagte er, „warum soil ich die Wahr-
heit nicht gestehen'^ Ich habe mitunter etwas Fieber unt
dann nehme ich wohl einen Trunk, urn es zu bekampfen “
Ich schwieg, aber sem Scliicksal war beschlossen Mit
HUUe des Clerk schafften wir das GepSek ms Waiting
Room, wo wir auch diesmal Qbernachten sollten, wShrend
Lalu in irgend emer Ecke unter mSchtigem Schnarchen
semen Rausch verschlief Unter angenehmen GesprSchen
mit dem Clerk, der em geistig sehr empfanglicher Mann
war, verbrachten wir den Abend Zugleich war derselbe
bemtiht, uns emen andeten Oiener zu besorgen es woUte
sich aber an dem klemen Orte mclit gleich etwas Passendes
fmden So mussten wir uns am andern Tage noch mit
Lalu behelfen Er erschten am nSchsten Morgen scheu
120
V Von Peshawar bis Calcutta
und verkatert, ich wUrdigfe ihn kernes Wortes melir und
nahm fiir uns al!e drei Bdlets nach Cawnpore
Ms wir nach einer Eisenbahnfahrt von sechs Stunden,
auf der ich mich vergeblich bemtllite, die in der Naiie fliessende
Gangfi zu sehen, m Cawnpore aniangten, wurden wir’gleicli
am Bafinhofe in deutscher Sprache begrUsst Es war Herr
Bassler, ein wackerer junger Kaufmann, dessen Bekanntscliaft
wir auf dem Schiffe gemacht hatlen, und dem wir batten
versprechen mlissen, ihn in seinem Wohnorte Cawnpore zu
besuchen Dementsprechend batten wir ihn von unserer An-
kunft brieflich benachrichtigt, und so war er mit semem
Wagelchen am Bahnhofe und bestand darauf, dass wir die
Nacht in seinem Bungalow zubrSchten Obwohl er Jung-
geselle sei, so werde es uns dorf an ntchfs fehlen Wir
nahmen das freundliche Anerbieten an, und jch bat nur noch
so lange am Bahnhofe zu warten, bis ich mit Lalu Ab>
rechnung gehalten hatte Ich liess den Sunder vor micli
kommen und hielt ihm mit milden, aber ernsten Worten sem
Vergehen vor und erbffnete Ihm, dass ich ihn entlassen
mlisse Er legte sich aufs Bitten und Versprechen, aber es
gelang ihm nicht, mich umzustimmen Ich zahlte ilim semen
rtlckstindigen Lohn sowie die RUckreise nach Bombay, beides
reichhch, und die lange Reihe von SilberstUcken scliien ihn
tiber sem Schicksal zu trOsten Freundlich und mit emigen
Ermatmungen far die Zukunft reichte icli ihm die Hand und
er verschwand auf Nimmenviederseben
Meme Frau bestieg mit Herrn Bassler dessen leichtes,
von ihm selbst gelenktes Tamtam, tch selbst folgte mit dem
GepiJck m eincm zweiten Wagen, und so fubren nir zu
Basslers Bungalow, Indem wir unterwegs die Hauptselicns-
wUrdigkeiten des Orts m Augenschein nahmen Sie bestclicn
m emer Gedaditniskircfie, emem ebemaligen mit dem scMncn
Standbilde eines Engels gezierten Brunnen und anderen
DenkniJIcrn, welche slcb samthch auf den Aufsfand des
Cs \rpo?c Li’ 1 cn He»tn \k ■"
121
Jahres 1837 bezii-fien Die DigiSndtr ncnnen densclbcn
the muUny und brandmarlen dadurcli das Andenken dercr,
die ihn anstdteten. Warcn die Atili>l3ndi5chtn ziim 7itle
gelangt, \\ozu ja cine Ztitling allc Aussicht ^^ar, so warden
sie huUc bei ihrcr Nation erne flfinliche Ver«.hnmg genicsscn.
wie bei uns Schill, Scharnhoisl, Blficher und andcrc Iklden
der Freihcitskricgc JctzL wo sie unlerlcgcn smd. lieissen
sie die Meutercr, und ihr Andenkcn wird \tninglimpft So*
sehr machen die Mcnschen dire Wcrtschltzung von dtm
ausseren Erlolge abliSngig, den doch oft nur der Zufdl
rcgicrt Nachdem wir noch zum Ufer der Oangd gtuall-
fahrtet, die schon liicr, wo wir sic zum erstenmalc sahtn, sich
m majcststischer flrcitc dahmwaht, langlen wir in Hcrm
Basslers Bungalow an Dasscibc gab uns cinc willkumnicnt
Vorstcllung davon, wic eln dcutschir JungpcscIIe, der naeh
Indicn verscldagcn worden, s»cU dort behnglicb cinzurlcldvn
weiss. Von der Slrassc aus gctangic man in cm wcdl.lufigts
GrundsiOck, in dessen Alitte sich das cinstockigcqundratische
Haus erhob, Welches mclircrc stattiichc Sale und an bciden
Seden ScWafzimmcr cnllucU Das Mobibar war ciniach abur
ausrcicbcnd, in unserem Sclilafzimmcr fanden wir zwclgide
Bctfen, und sogar cm Spiegel wurde noch iimtcrher be-
schafft In diesen Raumen also Ihrontc Herr Bissler und
zwar (Qr gcwOhnhch gant allcm tUr seme Sicherhcd iiatte
er nichts zu belQrcbten, denn in semcm Schlafzimmcr sab
icb cin kleincs Arsenal von Waffen sulidester und elegantester
Art Diesc werden von der cnghschcn Rcgienmg dcin in
Indttn wohnenden Europ5cr kostcnlos gelictert, wSlirend den
Emgeborenen das Halicn von Watfen durch hohe Eingangs-
zbUe und andere Scbwierigkeitcn fast zur UnmOgbcbkeil '
gemacht wird So wUrdc im Fallc ernes Aufstandes cm
kleines, aber wohlbewaffnetcs und auch eingenbtes I leer von
Europaern gleichsam aus der Erdc wachsen
NatUrlich war Herr Basslcr von emcm halbcn Dutzend
V Voti I ialitiv\nr I h ( iituilln
DIuk tti Miui'Uui), Will lit /Ilium ilmllHli It OililiiitliM )m liltliMi)
llfliimliin III ilu Nlllit woliiiUii Snlilii Dliiiu kIMiii iililil
vli), till jitUi iiiir til lilt* IkmMitlttt Athilt vtrrklilil. ktinkii
iiktr mull Mill udilr ikim fk triiiiKiii svnkr Wuhiiiiiir
until Hkliliitir imkIi Ikhknij/riM)}', mmikiM JOktijikii kii
Moiiiil mil tkiiiii tik dill |tiii/ui Ikiktitiill (Hr nkli iiiitl
llin I’/iiiilIk ktnliilkn I'liikt dmiilliiii mivkiliti mil
(itMliklt (Id Mtitl (Mdin (ftmm wmiliii (tlitr tkiliti viiii
lliiiiii iliMii iiiilir iiH tMXI)' /III! itit/M vvlimii mid I)Ihi)i/iii/i|
mill nliuif iiiliiilkti I'r iKluiupkk, tiiiti ml imlwi iidlf*
dll tllo Kirk miiinl uimiintik Illicit vvttdtii wlltikii Nmli duii
kfimit Imimmmdltik Ikrr M/in«l<r /mj/ r/rr/tw//" mi<( mi«
dkkii IniicliUii dll Dktitrdk iMwikimliltii Cljdiirtit, wtkiii
wli. ilk Iklm liili/kdiih iihii Sliilik mid Dlwiiiin ptitltccld
ill ikti Miiiitl miliiiKii, wuriuif dli Ditiiir In dtiiililli'ir
hkllmi/i <l/m I'tiitr |n/imt>(kikMi dit Akilti (kn/kinnn wiu
dull ilit/l|ri, will di II llctipcliidltn iikid {iki'iiiiiiiiiiiin wtidiii
ItdiiiilL (kiidlllkli pkimUnid nimmii wir imcit liiii};i. Ikrr
Ikitniltr ci/rililm vmi ndiiir (klimd, iliiciii Sl/Idkkifi In
‘^lulimii, iiml wk tr /ilii Viilrtltr tliiin dmll/nii (kRclililh-
IntiiRCh III liiditii wiilmii inn tilt IMiiidliik von Ocliclik mid
{krlilliikii /II liitmrKii Ik tt/lllilk von tiuii Kroltodlliii,
die ir kn OmmM /n mlilrnmn (dlipi, vmi dm (Ukdntii
dcR ItiilluLlitii Kllimm, iiml wic tin I'luiiid iinditn tin iki
Clioltrn laMoilicn ml, lull dim ir nm Aliiiid vorlitr iiocti
Mndlilkli K/iikn //ififikk (nilit iww fm (mn/tn /d/mlH Icli
Imi ir mitt Ini tit.liiiii Ik/itliliinpcii (.Iwmt iiKlirfiltt Nciilliipi
UiUimacU ttlttwlt ett Ut'WkWWtUUlv/M'.it NuUulkUwuuk
/mill d/18 drr StlifmijHii ptlddircnd dnrc/i(''(fl(»ftitlnfi,
wk Ihr IIInr III wi nipt II Mliiiilcn (dk, wk nk ii/iclilit llitm
t'lni'iinp In (Ik IllliiNir tiiul wold piir In dk litditii fllndtii,
mid no t Inpcn wlr iiilt /(t«mtk(i niifpt iii k r /'iKiidiiPtli ncldnkii
Milk 11 In tier N«lIi 1 wnnk khwncit iiiul lillrlp In tfirlklo
SchaLCrgcschicMcn Die Mosc^Jsr3t{e Purln
123
unU fauchcnd sich urn mem Belt lierum zu scliaffen miclUe
Ich \\agte ntcht Licht anzuzamlcn, um nicht durch irgcnd
erne Bewegung das unheimliche Wesen zu reizen, angstvoll
\erfoIgte ich das Gcrausch und atmefe cricichteil auf, als
dasselbc sicb cnKemtc und atlcs wicder ndug v'.urde. Herr
Bassler, dem ich die Sache am andern Morgen erzaiille,
memte, es werde woh! einc Moschusratte gcucscn sein,
welche sich Ofter in den Mausem fJndcn, Qbngens aber
ganz harmlos scicn
Am nSchsten Morgen, als \Mr mit Henn Bassler \on
cinem in die umbegenden Aniagen untemommenen Spazier-
gang zurtickkehrten, stclltc sich dcr nene Diencr\or, \%e!cbcn
Herr Bassler fflr uns emiiUcU liaHe Er hicss Piiriin, d li
„dcr AUe,“ uod war auch wirklicli schon gegen CO
jahre alt, inlolgedessen vvohl ctwas trage und sclmerfaihg,
aber rcich an Erfahrung und sicher m scincm Auffreten
Auch sein Engliscli war bcdcutcnd besscr als dasjcnigc,
\selches Lalu zu radebrechen pflegto Der Religion nacU
ssar cr Mohammedancr, wicwoW cr m emem seiner Zeugnissc
als Christ bezeichnet wmdc Diese bedenkhche Doppcl-
konfession erklartc Pur^n damit, dass cr einsf nut cincm
Herrn m Kaschmir gercist sei, dem es gefallen habe, semen
Diener als Christen zu produzicren Walirschemliclier dllrfte
es wohl sein, dass Purdn selbst seme Rechnung dabei ge-
funden haben mochle, sich gclegentlich bci Irgend einem
hochfrommen Englander als Christen einzufUhren Meme
Frau erklarte ohne ZOgern, dass sie den Mann fUr brauch-
bar halte und eiigagieren wolle Dies war mlr sehr erfreu-
lich, da sie m betreff dcr Dienerschaft nicht Icicht zu bc-
friedigen ist, wie sie sich denn auch Qber Purfln spUtcr-
hin noch oft und bitter beklagte Purlin wurdc also enga-
giert, wir nahmen noch cm cihges Frtihsthek im Hause dcs
Herrn Bassler em und fuhren dann die kurze Strecke bis
Lmkno-w, wo wir weder durch die sommerliche Natur noch
124
V Von Peshawar biS Calcutta
ditrch das Gcbaltrcn der Menschen daran erinnert warden,
dass cs der Abend vor Weilitiachtcn war, denn das korinfe
man ja kerne WeiJmachtefeier nennen, dass am Abend nacb
dem Dinner erne Bande phnntasbsch kostllmierter Schotten
vor dem Hotel eme humoristisclic Miisik zum besten gaben
Icii zog mich m den Salon zurtlck, wo sich aucli Mr
Summers einfand, dem ich einige deutsche Weiltnaclitslicder
aid dem Klavier vorspiclle Er wollte am nachsfen Morgen
zum nationalen Kongress naclt Allahabad reisen, wo er, \we
bereits berichtet wurdc, wenigc Tage darauf an den PocKen
geslorben ist
In Lucknow befanden wir uns m der Lage eines Mannes,
der far gewOlinUch etne Bnlle tragt und diese dann plfifzJich
verlegt hat und nicht fmdeo kann Alles erscheintundeuthcher,
nebelliafter und weniger schOn Die Bnlle, die uns m Lucknow
febUe,wardiesonst inder Regel uns zu Gebotesfehendc Ftilirung
durch befreundeteEingeborene Zwar batten unsre Bombayer
Freunde nicht unterlassen, uns auch m Lucknow an einen
frefflichert Mann, Mathur^ PrasSd, zu empfelilen, unglhck-
bcherweise aber war derselbe die bejden Weihnachts-
iage hber verreist und stellle stch erst am Abend vor
unsrer Abreise (am 26 Dezember) m unserm Hotel ein ,
zugleich mit seinem zehnjahrigen Sohne, mit dem ich, infolge
meines unlSngsf erwachten Interesses fUr das Hindostani,
eme kleme Unterredung fiber diese seme Muttersprache
hatte, die ich sonst nur im Munde von Kutschern und Dienerii
librte, wShrend ich mich hier an der remen Art, wie der
Knabe dasselbe sprach, erfreuen konnte
Nachdem wir am Nachmittage unsrer Ankunft m der
grossen Stadt, zu welcher Oberdies kem Plan aufzulreiben
war (Constable s treffllcher Hand-Atlas of India war leider
noch nicht erschienen) ziemhch planlos umhergeirrf, be-
schlossen wir, am folgenden Mo^en systematischer vorzu-
Lucknow Die Resldenc) Erne Op«.rnvorstel!unj» 125
gehen und zunadist die zicmlicli inmiden der Sfadt belegcne
Restclcnc} zu besuclien Dieselbc bestelU aus tincni Kom-
pkK balb zerstortcr Gcbaude und Befcsttgungen, wckUa m
diesem Zustande eihaltcn werdcn, da sic die denkuOrdige
Statte bilden, uo \onJuh bis September 1857 tausend Eng-
lander, Manner, Frauen und Kinder, untcr furclitbaren Ge-
labren und Entbehrungen die Bclagcrung der aulstandischcn
Sepo}s auszuhalten hatten Allc Emzelheifen diescr denk-
uLlrdigen Episode Iralcn beini Anbhcke der halbzerstOrlen
Gebaude und ihrer Umgebungen Icbendig vor Augen Hicr
warder unterirdische Raum, m wciclicm Frauen und Kinder,
zusammcngepfercht, ScUutz vor den einschlagendcn Kugeln
suchlcn Dort war das Zimmer, in wclchcm Sir Henry
Lawrence, von eincm GranatspUUer getroUen, sein Lebcn
aushauchte Dort drOben stand das Haus des Johannes, von
welchcm aus cm Alnkancr den Dclagcrlcn furcbtbarc Vcriustc
beibrachte, und da war dcrKirchhol mil semen Denkmatern,
aul welchcm an zweitausend Opfer der Katasirophe bc-
graben liegen
Als wir von diesen welimUtigcn Betraclitungen auf
langerer Wanderung durcli die weitausgedelinte, von grossen
Anlagen, Garten und freien Platzen durchzogene Sfadt zum
Hotel zurUckkehrten, bemerkle ich im Vorbeigelien in emer
V'ertiefung erne grosse Breltcrbude, in welclier, wie die An-
scliiage kundgaben, heute abend von emer Parsi-Truppe die
(J^akuntaia des Kfllidasa gespielf werden sollte Ich beschloss,
diese Vorstellung zu besuchen Abends nacli dem Dinner
zog sich meme Frau welche crmlldet war, in unser Schlaf-
zimmer zurllck, welches, wie gewOhnIich m Indien, emen
Ausgang direkt auf die Veranda ms Freie hatte Bei dem
Mangel von Schloss und Schldsseln, welche selten m Indien
vorhanden sind, verrammelte ich nut HUlfe des Dieners die
TOr so gut es ging tmd machte mich mit demselben auf
den Weg Der Musensifz lag von unserm Hotel eine halbe
126
V Von Pcshanar bis Calcutta
Shtnde entfernt Vcrgcbens nef und pfrff der Diener nacli
einem Wagen, cs wollte sich keincr einstcllen Endlicli ge-
lang es ims, elncn Ekka aufzutreiben , es war das armscligste
OefJhrt, auf uclclicm ich jc >n meinem Leben gesessen babe
Wir lagcrten uns atif dcr Flache des Wagens und Iiessen
die Beine lierausliangen Das kUmmerljche Pferdclien setzte
sich in Trab itn tiefen Dunkel der indischen Naciit Eine
Laterne war vorhanden, aber immer wieder und wieder er-
foscfi diese/be, flffnefe man die Lafernentflr, so we/ife sie
der Wind aus, schloss man sie, so erstickte dte Flamme
aus Mangel an Luft Endlich kamen wir an und befahlen
dem Kutscher, bis zum Ende der Vorstellung zu warten Er
breitefe etne Decke Uber sein Ross, kauerfe vor den Vorder-
fossen desselben nieder, wie die indischen Kutscher zu tun
pfiegen, und schlief ein Wir stiegen hinunter, und ich nahm,
mit grosser Zuvorkommenheit behandelt, meinen Platz auf
den vordersten Banken ein, wo ich zieml/ch allein sass,
Wtinrend die hmteren Piatze recht gut besetzt waren Meinen
Duner hess man ohne Bezahlung herein Das Publikum
bestand nur aus Eingeborenen, ich war der emzige Europser,
der sich hierher verlaufen halle Das Stuck gmg an, es war
Qakuntaia, aber, o weh' Qakuntala als Oper' Es warver-
mutlich dieselbe AuffUhrung, welclie Freund Garbe m Bombay
sah und so abschStzig beurteiJf Icli muss ihm recht geben
die Sache war lang und wurde nachgerade langweilig
MUhsam bekampfte ich den Schlaf und suchte mich in den
Zw/schenakten durch erne Tasse Thee aufzumuntern, wekhe
draussen im Freien verabreicht wurde Als man gegen ein
Uhr noch nicht Uber die ersten Akte hmaus wir, verzichtete
ich auf die Forfsefzung und frat mit Pur3n den Heimweg an
Unset Kutscher sass noch ruhig zu den FUssen seines
Pferdes und schhef Nachdem wir ihn geweckt, begann ein
grosses Gejammer, man hatle ihm die Decke vom Pferde
weggestohlen Es war wohj das emzige, was an diesem
Sehe
Ein Ekka Tonfiguren Fyzabad unJ A)0dh)1
127
Wagen zu stelilen war Wir Irfisteten ilm durcli einige
A\Dnzen und liessen uns nach Hause haiidern
Die folgendcn Tagc benutzleii wir teils, urn mohamme-
danische Prachtbautcn zu besuchen, dcren es in und urn
Lucknow' cine gauze AnzaW gibt, teds machten wir Be-
kannlschalt nut mehTeren Fabnkanlen von Tonfiguren, wclche
die indischen Volkstracbfen und Gewrcrbe darstcllen und in
Lucknow schr schttn angefcrtigt werdett FreilicU waren die
Preise nicht bilfig, (Dr erne gut geferligte, etwa 20 cm hohe
Figur wurdeti 10 Mark und mehr gefordcrt
Erst am Abend vor unserer Abreise stellte sich in unscrem
Hotel der HmduFreund ein, an den wir empfohlen worden
waren Er widmcte uns cinige freundliche Stunden und ver-
sah uns mit einer Empfehliing (Dr Fyzabad, die Eisenbahn-
station fUr das benachbartc Ayodhyd, die Stadt des Riima,
wclche das nachste Ziel unserer Reise bildetc
Am frtlhen Aiorgen legten wir die kurze Strecke von
Lucknow nach Fyzabad zurUck und suchten dort, nachdcm
wir jm Hotel Wohnung genommen das Haus des Mannes
auf, an den wir empfohlen waren Lcider war auch er in-
folge der Feiertage verreist, und nachdem wir mit einem
zu Besuch m seinem Hause anwesenden Freunde eine
langere Unterhaltung gehabt und uns uber die VerhSltnisse
m AyodhyS einigemiassen onentiert, beschlossen wir, den
Weg dorthm allein anzulrefen Em Wagen war schnell be-
schaflt, unser Diener schwang sich zum Kutscher auf den
Bock, und wir rolUen der berlilimten Stadt des R3ma zu
Ausser eimgen kolossalen SaulentrUmmern, die wir unter-
wegs hier und da bemetklen, gemahnte nichts daran, dass
wir uns auf der Statte so vieler verklungener Herrlichkeit
befanden In weniger als emer Stunde war Oudh, auf der
Statte des alien Ayodhya, erreicht, welches sich lang an dem
128
V Von Pc^awar bis Calcjilta
Ufcr tier schr statlUchen Sarayd limzlelit tind, ahnlicli me
Motfiurii, sich als hciligc Sladt durcli cine grfl^iserc Aiizahl
von Tcmpcin dokunicnherte, sowie aucfi durcli eiiic Mcnge
von Af/en, wclclie auf alien Dadiern »nd PWtzen dir
Wescn Jintfcn, an den Wflndcn tier HUiiser Jicrn/nJcIcHerJen
und von den Vcrkaulcm \on Esswaren in rllcksichlsv oiler
Weise fern 211 lialtcn gcsuclit wurden Auf emetn freien
Platzc imtcr Baumen schlHIctc jemand cmen Rest von
Getreidckdrncrn aus, und sofort niaclitcn sich viele Affen
dardber her, zerneben die KOrncr m den Hflnden, bettclifigfen
prtifend diren Inhali und fdhrten ihn zum Alunde Da kamen
des Weges einige Schafe, \o/an cm ungcstllmer Widder,
welcher mit Kopf und HOrnem die Affen rOcksichfslos bei
Seite stiess und anfmg unter den KOrnern aufzurSiimen
Vergeblich suchten die Affen durch die furchtbarsten
Gnmassen die Efndnngfingc zu vcrscheuchen, und mussten
sich sclil/esslich begndgen mif den tvcnigen KOrnern, die sie
obne Oefahr erreichen konnten, jndem sie dieselben in
possierlichster Weise zwischen den Hinterbeinen der Schafe
hervorscharrten Wir wandlcn uns von diesem Schauspiele
emem benachbarten Tempel zu, der von vielem Volke um-
drSngt wurde, wflfirend an dem erfiOhfen Eingange emtge
Prisster posfiert vvaren, die von den Leuten OefSsse nut
Milch, Frllchten usw entgegen nahmen, emen Teil des
Inhaltes m grossere Gefasse zusammengossen und das
Ubnge wieder zurllckgaben Leider war niemand da, der
mir diesen eigentamlichen Brauch hfltfe erklfiren kOnnen
Wir erstiegen erne AnhOhe, auf der sich eine mohani-
medanische Moschee, wie gewOhntich in Indien aus emer
offenen Halle bestehend befand. unser Diener beurlaubte
sich fUr erne Viertelstunde, um an heiliger Statte ein Bad
zu nehmen, wahrend wir uns einiger mdiskreter Frager, es
waren Mohammedaner, zu erwehren hatten Auf der anderen
Seite der AnhOhe stiegen wir dutch Tabakspflanzungen hmab
A}odh)a Affen, Tempel SchcnsuDrdigkeitcn 129
begiiissten \m Voibeigehen eincn aUcn Gelehrten, der die
St1nk/oa-Pbilosophie studicrte, und luslwandelten daim an
dem scUbnen Ufer des Ftusscs eullang zur Sladt zurtick
Auf unserm Wege lag em grosser Tempel des R.1ma Ich
trat ein, und man ver>Nehrte mir ziemlich unfreundlich den
ZutritL Vergeblich setzte ich in Sanskrit auseinander, dass
ich das Ramayanam studiert Iiabc und, wenn aucli ein Aus-
iSnder, doch gewiss wtirdigcr als viele andcre sei, dem
Helden R2ma meine Vcrehrung zu zollen Man licss sich
nicht en-vcichen, \ielleiclit weil man mich nicht verstand,
jch wurde lieftig, liess noch cine kleinc Strafpredigl voni
Stapel und vvandte mit dem Ausnilc kruddUo ’srm' („icb
zQrne euch“) den ungastUchen Plorten den Rncken
Die Ivopiscbe Sonne neigtc sich schon dem Horizonte
zu, als wir unsern Wagen bestiegen und von der Static der
alien Rdmastadt Abschied nahmen Eine Fahrt von zcim
Mmuten fuhrle uns m die Nahe ernes Htlgcls, auf dem emst
Buddha gepredigt haben soil Wir stiegen hinan und fanden
oben em halb verfallenes Haus, von emem anmutigen Gart-
chen umgeben, und als Wachter des Ortes em freundhehes
aUes Ehepaar, mil dem wir einige Worte wechselten und
uns an der weiten Aussicht ttber Sladt und Ebene und den
in der Abendsonne silbern gianzenden Strom erquickten
Dann gewannen wir unseren Wagen wieder und rollten auf
Fyzabad zu Mil der Dammerungerreichten wir unser Hotel,
wo beim Dinner noch em Cast ausser uns zugegen war, ein
Maler,deruns eineschbne Sammiungvon Gemaiden indischer
Landschaften zeigte Der Honzont au! denselben war, wie
gewohnlich m Indien, wolkcnlos „Aber hier ist emmal em
Stuck mit Wolken“, sagte ich, „welches an die Landscliaften
unserer Heimat ennnert “ — „Sagen Sie das nicht," versetzte
er, „diese Wolken sind von denen des nordischen Himmels
sehr verschieden “
Der nachste Morgen sah uns wieder auf dem Bahnhofe
Deussen Erinnerungen an Ind cn 9
130
V Von Peshawar bis Calcutta
Wir listen unsere Billets nach Benares, wo wir nach eiiier
Fahrt von drei Stunden in der grdsslen Mittagshitze eintrafen
und in Clark’s Family Hotel Wohnung nahmen, zuerst par-
terre links, dann, nachdem Platz gcworden war, m emem
grbsseren und besseren Zimmer parterre rechfs, welches wir
drei Woclien Jang innegehabt haben Das Hotel lag an der
Landstrasse Auf der andern Seite derselben befand sich
erne Kirche, von emem geraumigen GrundstUcke mit wohl-
gepflegten Wegen und Blumenbeeten umgeben Auch emiges
Schatten gehende GefaOsch war vorhanden Die niednge
Mauer war von der Landstrasse her mit Hlilfe der Steine
ernes verfallenen Brunnens bequem zu Ubersteigen, und wir
benutzten taglich diese Gelegenheit, urn auf dem Kirchhofe
zu lustwandein Oder auch unsere Besucher dorthm zu filhren,
namentlich, wenn mehrere zusammen kamen und die Di§-
kussion lebhaft und laut zu werden drohte, wie das mit den
Indern ats naiven Naturkindern leicht zu geschehen pfiegt
Wenn wir dann, umgeben von national gekleideten Professoren
Oder Pandits, auf der Veranda des Hotels verweilten, so
konnten wir wohl aus den Bticken der Em- und Aiisgelienden
lesen, dass wir nichf ganz angenehm auffieJen, und so
pflegten wir uns lieber jenseifs der Landstrasse mit den
StUhlen des Hotels im GebDsche des Kirchhofes zu poslieren,
wo dann dem Redefluss freiester Lauf gelassen werden
konnfe.
Jenseits der Kirche kamen zuerst grosse, freie Graspiatze,
hier lag die Wohnung des Professors Vents, etwas wetter
die Buchdruckerei und der Buchladen sefnes Scfiwieger-
vaters Lazarus, dann fofgte unter anderm das Posfbureau, und
endlich kam man zu den AnfSngen der Stadt, welche sonacli
ziemlich weit, wohl erne Vier^elstunde, von uns entternt lag
Die Sfadt selbsf, am Imken lifer des Ganges im Halb-
kreise geJegen, ist cm Labyrinth von engen, wmkligen
Strassen und Gasschen, m denen man sicli nicht leicht oline
Benms Clark’s familj Hotel Baden im Ganges 13]
Filhrer zurechthndet, zuma! da kern detaillierter Plan \on
der Stadt existiert Diesen ganzen Wierwarr von Sfrassen
mnssten vvir jcdesmal durcUkreuzen, urn zum Ganges z«
kommen, wclcher die Hauptsehensvvfirdigkeit von Benares
bildet Die Ufer smd hier lioch tind steil Auf der HDJie
an ihnen entlang Iiaben viele atiswarligc FOrsten iind Vereine
ihre Versammlungshduser Von dieser HJluscrreihe bis hinab
zum Ganges fUhren viele Treppen, die sogenannlen Ghatta'^
Auf ihnen bis zum Ufer bin und in den Fliiss liinein eni-
wickelt sich allmorgendlich im Winter wie tm Sommer em
sehr unterbaUendes Schauspiel Morgens gegen 7 Uhr ist
das Ufer befebt von badenden Gruppen, fUr welcbe das
tagbche Bad im Ganges emerseits rcbgibse Pflicht, ander-
seits em sehr willkommener Zeilvertreib ist Wenn man
frtih am Aforgen sich bei Dafdfvamedha Ghaita cinfindet
und ernes der zahlrcich voriiandenen, hohen und brcifen
Schiffe mietet, urn sich am Ufer entlang fahren zu lassen,
so kann man in nachsterNtlhe und m v oiler Bequemlichkeit
die Gruppen der Manner und, etwas gelrennt von ihnen,
solche von Weibern beobachten, wie sie luslig im Wasser
herumplatschern, mclem sie zugleich ihre Kleider und QefSsse
waschen Die dtinnen Kleider werden auf den Steinen des
Ufers der prallen Movgensonne ausgesetzt und smd, wenn
der Inhaber sem Bad genommen hat und aus dem Wasser
steigt, schon hmreichend trocken, um wieder angezogen
werden zu kbnnen Weiter am Ufer entlang fahrend, ge-
langt man an eine Stelle, wo vom Morgen bis an den Abend
die Leichen von solchen verbrannt werden, welche im hohen
AUer nach Benares gezogen sind, um dort ihr Leben zu
beschtiessen Oder auch erst nachdem sie gestorben smd,
ihren Leib auf Orund letztwilliger Verfilgung nach Benares
haben transportieren lassen Da hier in der Regel mehrere
Verbrennungen gleichzeitig erfolgen, so kann man den
ganzen Hergang m kurzer Zeit an ihnen beobachten
9 *
132
V Voft F^hawar bis Cafcuffa
ZunSchst bnngen Trflger die mit Ttichern umwickelte und
mit Blumen geschmitckle Leiche herbei, und das ersle isf,
dass dieselbe mitsamt dem Brett, auf welchem sie befestigt
ist, halb m den Fluss gesclioben wird, von wo sie dann,
nachdem der Scheiterhaufen fertig gestellt worden, auf die
mannslangen, grossen Holzscheite gelegt wird, aus denen
er besteht Einige \veitere Holzscheite werden ilber die
Leiche gelegt, worauf von pnvilegierten, einer faesonderen
Kaste angehdngen Leuten, m deren Handen die ganze Cere-
monie liegt, der Scheiterhaufen angezUndet wird Die Flamme
prasselt empor und ergreift immer weitere Holzteile und
zuletzt den Lelchnam, wShrend die Angehdngen des Verstor-
benen, m einiger Entfernung stehend, racist mit dumpfem
Schweigen dem Schauspiel folgen In eimgen Stunden ist,
wie schon oben bemerkt wurde, die Leiche bjs auf einige
Knochenteile vollstandig verbrannt, die Reste werden m den
Ganges geschurt, dessen trage fliessende Wasser noch langere
Zeit mit Kohlen, Blumenkranzen u dg] Dberzogen bJeiben
Unterdessen ist bereits auf der leergewordenen Stelle ein
neuer Scheiterhaufen ernchtet worden, der fur die folgende
Leiche besbramt ist Selfen besucht man den Ort, olme
dass mcht mehrere Scheiterhaufen gleichzeitig brennten
Der Zudrang ist ein grosser, da die Inder glauben, dass
derjenige, dessen Leiche m Benares verbrannt wird, sofort
m die ErlOsung eingehf Weniger belebt smd die Ufer
welter unterhalb, foigt man ihnen so gelangt man nacti
halbstUndiger Wanderung, vom Mittelpunkfe an ge-
rechnet, an die Stelle, wo die VaranQ ein FHlsscIien
von etvva 10 Aletern Breite, fn den Ganges ml\ndet
Ebenso bildet an der entgegengesetzten Seite oberhalb der
Stadt tfie meist ganz wasserlose Asi die Stadtgrenze Vbii
beiden FlOssen hat die Stadt den Nainen Varaniisi, das ist
Benares
Auf dem anderen Ufer, oberhatb der Stadt, Iiegt auf
Seilc 132.
Uichcnverbrennung am Dagatvameilha Ghatta (Benares).
Leichemcrbiennuns Bcsuch bcjm MahSrAj'\
133
einer ErhDliung Rdmanagarnm, die Residenz des MaliflrSja
von Benares, bestehend aus emem vveilljjufigcn Palast mit
Nebengcbauden imd emem imwcil davon befindljchen
Tempel der Durg.1
Unsere Empfehlungsbncfc an den MahSrflja halfcn wir,
wie Ubbch, hei unserer AnkunU m Benares flbersandt und
um erne Audienz gebcten Am fotgcnden Tagc crschien
der SekretUr des MahiirSja im Hotel, und der Besuch vvurde
filr den ntlchsten Tag — es war der 31 Dezember — ver-
abredet Zur festgesetzten Stunde holte uns der Wagen
des MahSrilja im Hotel ab und fUhrle uns zum Ganges
Erne Sanfte mit Tragcrn stand fUr meine Frau berett, um
sie den Abhang hmunter bjs ans Wasser zu tragen, ein
fUrstliches Boot setzte uns Ubcr. dann wieder Sanfte bis
ms Palais Hier empfmg uns der MaharSja im Kreise semes
Gefolges, welches zumeist aus Pandits bestand Nacbdem
die pobtiscbeHerrschaft dermdischenpdrsten fast Uberall an die
Englander Ubcrgegangen ist, sind die meisten Mahardjas nicbt
vielmehr a!s reiche und angesehene Pnvatleute Manclie von
ihnen ergeben sich dem Wohlleben und gehen in Schlemmerei
unter, andere benutzen ihren Einfluss, um Religion und
Wissenschaft zu pflegen Dies war der Fall des gegen-
warfigen Maharaja von Benares, Prablmndrdyana, welcher
emlge Jahre vorher semem Vater gefolgt war Obgleich er
schon emen ervvachsenen Sohn hat, der auch nachher m
der Versammlung erschien, macht der MahSrSja den Ein-
druck ernes jUngeren Mannes von sanftem und bescheidenem
Wesen Er spncht leidhch gut Engbsch und ebenso Sanskrit
Die Unterhaltung an der sich auch die anwesenden Pandits
lebhatt beteiligten, wurde nut RUcksicht auf diese vorwiegend
m Sanskrit getuhrl Von Zeit zu Zeit liess sich der
MahSrSja eine kostbare Pfeifereichen, aus der er emige ZUge
rauchte und sie dann dem Diener zurlickgab Meme Bitte,
mir taghch einige Pandiis zur Unterhaltung im Sanskrit zu
134
V, Von Pcstiauar Ws Cilciifta
schickcn, wurde bercitvvilhgst gcvvlllirt Ausscrdcm.stellte
uns der Maliflraja fUr die ganzc Zeit tinsercs Aufenlhaltes
In Benares eincn schOnen Wagen mit Kutsclier und zwei
DIenern zur VerfOgting Von dcmRcIchlum und der FrOmmig-
keit des Mannes mag es eincn Begriff geben, dass er, wie
sclion frUher crwaimf, in MaHmrii an heiligcr Sfelle sicfi
wiegen Icess tmd sein Gcmcid in Gold — es sollen liber
100000 Riipicn gewesen sem — an die BraJimanen sclienkte
Auch das Sanskritgedjchf, in wclcbem Professor GaTigUdhara
an der UniversiiSt zu Benares dieses Ercignis in tiberaus
kllnstlichen Versen feierte, wurde schon erwfllmt
Nach langerer Unferlialtung in emem prunkvollen Saale
iud uns der MaharSja zur Bcsichtigung des Palastes ein
Wir bemerkten kostbarc Elfcnbemsclinifzereien und andere
Kunstwerke, denen wir die gebufirende Beivunderung zoliten
Am interessantesten war das ^akuniaia-Zimroer, m welchem
alle Hauptscenen des Dramas Qakuntalfl m emer Reihe von
Gemaiden sehr anmutig dargestelit waren Wir schieden
hOchst befriedigt, und nocli lange dutteten imsere Hande
von dem RosenOI welches man beim Abschied aus emer
kosfbaren Vase m dieselben gefraufeJf hade
Einige Tage darauf staltete uns der MahSraja semen
Gegenbesuch ab, wozu ein in der NHhe des Hotels ge-
legenes Palais gewdlilt wurde Diesmal war die Anzahl der
umgebenden Pandits noch grosser Wir sprachen u a von
Deutschland, und ich hatfe MOhe, m Sanskrit erne Schilderung
des nordischen Klimas mit Ets und Schnee zu niachen,
denn die allermeisten Inder haben me m ihrem Leben Schnee
gesehen, und es ist schwer, ihnen emen Begnff davon zu
geben PlOtzlich brach der MahSrSja auf und lud mich ejn,
mit ihm m semen Wagen zu sfeegen, w^firend meme Frau
einige Mmuten sp^ter in ewem anderen Wagen von emigen
Ministern begleitet foigte Die Unterhaltung wahrend der
Fahrt, teils m Englisch, teds in Sanskrit, drehfe sich urn
Mlt dein Maharija zu EMskarSnanda SvSmln
135
die Retsen, welche der Mahdr^ia zu Elefant Oftcr nacli
semen stldlich gelegencn Besttzungcn unternahm Meine
Frage, ob er nicht cinmal nacli Europa kommen mOchte, \er-
nemte er nut EntscliiedenheiL Als icli darauf hinuies, dass
ja auch der MahSrflja von Baroda gegenwJirtig m Europa
weile, antwortete er kurz „Ja, der isl ein ^fldra “ Unsere
Fahrt gmg zu BhCiskarananda Sxdmm, cinem berbhmten
Heiligen, bei welchem der Mahilrdja persOnltch micli em-
fuhren wollte Durch emen Zufall hade ich ihn allerdings
schon frQher kennen gelcrnt Der jiinge Pandit Vemram
namlich, mit dem ich in Bombay Sanskritkonversation tneb,
erzahlle mir, dass sein Vatcr in Asisanga bei Benares
Askese bble und hatte mir auch einen Sanskntbnef an den-
selben imtgegeben Mtt dtesem batten wir uns bald nach
unscrer Ankunlt m Benares nach Asvsanga begeben, wo
man uns nach mehrfachem Fragen m cinen Garten wies,
m welchem em nackter BOsser leble Em kleines Tucli
urn die Lenden bildete sem einzigcs Bekleidungssttick Er
nahm den Brief an, liberblickte ihn flUchtig und empfing
uns, aufs freundlichste Er war aber nicht Venirdnis Vater,
den ich auf diese Weise me zu selien bekommen habe,
sondern BhSskarSnanda SvSmm, und zu diesem fUlirte
mich nun auch der MahSrSja Diesmal war er vollstandig
nackend, es ist nnr em unvergesslicher Emdruck, wie dieser
arme, nichts auf der Welt sem eigen nennende Asket den
vornehmen und reichen MahdrSia, der sicli ihm mit demUtiger
Verneigung nahte, mit Iierablassender Leutseligkeit empfing,
V. w.'.cV. o’arw. Uwst9.v.*ie. ats aAtev. Wiii
Mitarbeiter auf dem Gebiete des VedSnta begrUsste Er
tud uns zum Sitzen auf emer Sleinplatte ein, setzfe sich
selbst daneben, wobei ei seine BlOsse geschickt zu be-
deckenwusste, und f mg lustig an, mitmirtibevdieUpanishads
zu perorieren, wShrend ich das peinliche Geflihl hatte, dass
meine Frau jeden Augenblick nachkommen konnte und ilin
136
V Von Peshawar bis Calcutta
in diesem Zustande sehen wUrde Ich erwahnte wiederholt,
dass aucb meine Frau sogleich eintreffen wUrde, aber er
liess sich nicht stOren, und erst a!s meine Frau mit Gefolge
hmter den Baumen erscliien, Iiess er sich em klemes
Lumpchen reichen, und so war er auch fUr diesen Besuch
hmrejchend gerdstet Der Mahard^a verabschiedete sich,
BhSskarananda liess sich die Druckbogen einer von ihm
unternommenen und seitdem auch erschienenen Ausgabe
der Upanishad’s reichen, und so fehite es nicht an Stoff
fhr die Unferhaltung Im weiteren Verlaufe liess er eine
Frucht bnngen zerlegte sie und bestand darauf, die ein-
zelnen Stuckclien mir und meiner Frau aus semen braunen
Handen direkt m den Mund gelangen zu lassen Beim
Abschiede schenkte er uns eine Mangofruchf, die em Ver-
ehrer ihm aus dem fernen Suden mitgebracht hatte, wo
alles frtiher reif ist als in dem nbrdhchen Indien Obwohl
namlich dieser Heilige das GelUbde vblliger Besitzlosigkeit
befoigte und ihm zum guten Teile die Verehrung verdankte,
mit der die Menge zu ihm aufblickte, obwohl er schlechter-
dmgs nichts auf der Welt scin eigen nannte, so fehite es
ihm doch keineswegs an dem Notwendigen Da sem Ge-
llibde vOIhges Nackendgehen erforderte, und dieses in den
Strassen der Stadt polizeilich untersagt ist, so hielt er sich
m einem grossen und schttnen Garten auf, den ihm irgend
em Verehrer zur Verfhgung gestelft hatte Hter wandelte
er zwischen schattigen Baumen, verfasste seme Werke und
empfmg die Besuche seiner Verehrer Viele derselben
schickten ihm regelmSssig Essen, andere sahen es als eine
besondere Gnade an, dm bedienen zu dUrfen Als icJi ihn
em anderes Mai mit memer Frau und Herrn und Frau Aus
dem Wjnket etnem ;uxtgen Dxesdener Ehe^aare, besuchte,
fuhrte er uns Uberall umlier, nannte die beiden Danien
seme Mutter und war m rUhrender Weise bemtllit, ihnen
beim Herabsteigen der steinemenTreppe behUifhch zu sem.
Dn Aslvelcnheim Das Sanscnt College
137
obgkicli er mjt semen nackten FiJssen untl Gliedern \jel
mehr exponiert war als \\)r andcren Ich fragte ilm, \%o
er schliefe*^ Er zeigte uns emen Mcmen stallartigen Raum,
dessen Boden mil Stroh bedeekt war Hier schliel er
Dime weilere Unlerlage und olme Decken im Winter wje
im Sommer Dann fDhrle er uns m emen tiefer gelegcnen
Schuppen, wo cm Bildhauer beschaftigt war, eine sitzende
Kolossalstatue unseres Hciligen fUr emen seiner Verehrer
m Marmor auszufUhren Der Bildhauer liatte als VorUbung
em paar Mmiaturstatuctten m Stem geschnilten, ich kaufte
ihm erne dcrselben ab, welche BhaskarSnandas Gestalt und
GesichtszUge ganz richtig wiedergibt, und bin Troll, dieses
Umeum noch heufc zu besitzen
Mil Ungeduld erwartete ich den 4 Januar 1893 als den
Tag, an welchem nach den Weihnachtsfenen die Vorlesimgen
an der UniversitSt wieder beginnen solUen Von nun an
besuchle ich laghch von 7—9 Uhr morgens die Vorlesungen
des Sanscnt College in der Gniversitat Es ist dies eine
Ableilung derselben, m welcher fUr die Eingeborenen die
verschiedenen Wissenschatten in alter Weise auf Grund der
klassischen SanskntlehrbOcher vorgetragen werden Die Vor-
tragssprache war, soweil ich die Vorlesungen besucht babe,
stets Sanskrit Hier hdrte ich init grossem Genusse die
VortrSge der Protessoren Gangddliara Uber Grammatik und
Literatur, Sudhdkara Uber Astronomie, Ramami^ra Ober
Philosophic und andere mehr Die RSume der Universitat
Sind gross und hoch, von Hallen umgeben und m einem
Garten llegend Alle TUren sfehen wShrend des Unterrichts
often Zwei bis drei Professoren lehren oft gleichzeilig in
demselben Raume, wo jeder mit seinem HSuflein von Schtilern
erne Ecke einmmmt Wie bei uns am Emgang der Auditorien
eine Reihe von Huten hSngt so siehf man m Indien vor
jedem Auditontim eine Sammlung von Schuhen, denn Pro-
138
V Von Peshawar bis Calcutta
fessoren wie Stiidenten behalten wShrend der Vorlesung ihre
Turbane auf, zielien htngegen die Schuhe aus und finden es
selir Wunderlich, dass der Europier die Kopfbedeckung, die
Zierde des Marines, ablegt, wenn er ins Zimmer tntt, woes
doch kUhler ist als draussen, hiitgegen die vom Qelien auf
der Strasse bestaubten Schuhe anbehalt Wie sollte man
aber auch m Schuhen bleiben kbnnen, ohne den Boden des
Zimmers und die eigenen Kleider beim Sitzen mit unter-
geschlagenen Beinen zu beschmutzen? Denn von Stdlilen,
BSnken Oder Tischen ist ja keine Rede, der Professor wie
die Studenfen ihm gegenUber sifzen mif untergeschlagenen
Bemen auf dem Boden Wenn nachzuschreiben isf, so tun
sie dies auf der flachen Hand und weisen eine Unterlage,
wenn man sie thnen anbietef. als unbequem zurlick Die
Pllnktlichkeit wird nicht sehr streng beobachtet Manche
kommen nach Beginn der Vorlesung, andere verJassen sie
vor dem Schlusse, indem sie gerSuschlos emtrefen und sicli
zu den Filssen des Lehrers niederJassen und ebenso sich
wieder entfernen. Mehr als ein halbes Dutzend waren selfen
urn einen Lehrer versammelf Am Schlusse der Vorlesung
spncht der Lehrer das Wort alam, „genug“, manchmal
kommen ihm auch die SchQler zuvor mit dem Ruf alam
Wahrend im allgememen auch die Universitat oder viel-
mehr das College (denn university bedeutet m Indien nur
eine exammierende, nicht eine lehrende Korporation) zu
Benares einen engUschen Charakter trSgt, so ist das eme/i
Teil derselben bddende Sanscrit College gam national indiscli
geblieben Die verschiedenen Wissenschaften, Grammatik und
Literatur, Rechfslehre, Philosophic, ja sogar die Astronomic
und die Medizm werden hier auf Grund der alien, ein-
heimischen LehrbUclier vorgetragen . Die vOllige Abhangfg-
keit vom indischen Altertum, die LOsung feder Strellfrage
durch ZurDckgehen auf die antiken Autoritaton und Dis-
kussionen ihrer Aussprliche erinnert gar sehr an die Lehr-
Lehn\cise im Sinscnl College Mittclallerlicher Stindpunkt 139
weise, wie sie jn Europa uShrend des Millebltcrs Ublich
uar, und so ist ganz laiUelaUerhch auch das festhaUen an
allerlei Aberglauben, weicber auch den Vorsteltungskreis ge-
lehrter und scharfsinniger Manner In wunderlicher Wcisc
einschrSnkt und beherrschf Die Erde stclit still, und die
Sonne mit alien Stemen drclit sich urn die Erde, die
Schlangen, welche mitunter m dem alten Mauerwerke bo-
ss ohnter Hauser \hre ScWupfwtnkel haben, gelten fUr Ver-
kOrperungen von Seelen der Vorfahren, das Slerbcn in Be-
nares hat unmittelbaren Eingang in die ErlOsung zur Folge,
diese und anderc abergiaubische Vorstellungen kann man
mitunter bei den gelehrtesten Pandits antreffen So sehr
daher auch die Arbeiten der mdischen Gelehrten der Be-
richtigung durch die europaische Wissenschaft bedllrfen, so
wenig kann em Europaer jeniaisjene wunderbareBeherrschung
des Sanskrit erreichen, welche bei den indischen Gelehrten
etwas ganz GewOhnhehes isl Sie sprechen das Sanskrit
so gelaufig, als batten sie me etwas andcres gesprochen,
und sie lesen die Texte, svelche sie interprelieren, so schnell,
dass man kaum mit den Augen zu folgen vermag Gang&-
dliara erkiarte in einer Sitzung von zwei Stunden einen
ganzen Akt des Dramas MGfatimadhavam auf meme Frage,
ob es auch Texte gebe, die er nicht beim ersten Lesen ver-
stehe, erwiderte er, dass ihm dies nur selten vorkomme Der
Astronom Sud/iakara entvvickelte die schwiengsten mathe-
maUsch-astronomischen Vorstellungen mit HDlfe hOchsl
primitiver Instrumente m beredtem Sanskrit, und Rdmami^ra
mterpretierte die SQnkhya-kartkd nebst dem Kommentare des
VucaspatimiQra, mdem er dabet kaum ms Buch bhckte, er
schien mcht nur die KSnka sondern auch den ganzen weit-
laufigen Kommentar so ziemlich auswendig zu wissen „Das
Sanskrit", sagte er zu niir, „ist fUr mich wie meme Mutter-
sprache" Gegen die Gel&uhgkeit, mit der er es sprach,
stach sehr ?b sem unbehoHenes Englisch, mit welchem er
140
V Von Peshawar bis Calcutta
mjr gegenUber mit Vorljebe kokelberle, sodass ich iltn bei
unseren zahlreichen Disputationen immerwieder zum Sanskrit
zurilckholen musste. Den Inhalt seiner Philosophie bildete
freihch nur der sptitere zum S^nkhyam entartete VedSnta,
nicht die reine Lehre der aiteren Upanishad’s und ihrer
Wiedererneuerung durch ^ankara Erne Vorlesung wurde
zur Besprechung dteser Fragen anberaumt, wobei es mir be-
greifhcherweise nicht gelang, ibn von seineni aus Ramanuja
geschOpften und eingewurzelten Realismus zu bekehren Als
ich von dieser Vorlesung nach Hause ging, schloss sich mir
emer der anwesenden Schtiler an und bekannte, dass er
meiner Anschauungsweise viel nSher stehe, als der seines
Lehrers RStnamt9ra
An emem Sonntag Nachmittag sass ich mit RSniamigra
unterden Rosenpflanzungen desKirchhofs gegentlberunserem
Hotel im philosophischen Gesprach Uber die Natur der
Seele, virelche er sich als eine im Kbrper wohnende immatenelle
Substanz, etwa in der Weise des Cartesms, vorsfellte, und
ich hatte ihn gerade vor das Dilemma gestellt, dass seme
Seele, entweder praiighQta (Repulsionskraft) besitze und
dann nicht durch die Schadelvvand und andere materielle
Hindernisse durchgehen kbnne, oder nicht praiighUta besitze,
und dann weder die Glieder des Leibes zu bewegen noch
von einem Orte zum anderen zu wandern imstande sein
wurde, — da gesellte sich zu uns ein vornehm gekleideter
junger Inder, der unser Gespracli mil lebhaftem Interesse
verfolgte Sein Name war Govmd DQs, und er bewohnte
ein elegantes Haus nahe bei Dargakand, oberhalb der Sfadf
Wie alle besser situierten Hindus hatte er Wagen und Pferd,
mit denen er uns bfter zu Spazierfahrten abliolte Er sprach
nicht Sanskrit, aber um so besser EngJisch, und bczeichnefe
sich selbst als a busy Idler, ,einen geschaftigen AUissig-
gilnger" d li als einen Mann, der seme matenelfe Unab-
hangigkeit zu literarischer TStigkeit benutzte
Professor Wmami^ra Gosind DSs. Die Thcosoplnsfen 141
Goxind Das fQhrte uns in sein \on einem schSnen
Garten umgebenes Haus ein In eniem iler Ziminer waren
die Hochzeitsgeschenkc aufegestelll, %velche cine Neuvermalilfe
aus der Familie erhaltcn hatle, imd wir bemerkten mit Ver-
Nvundening anstatt der bei uns fiblichcn Statuen, Uhrcn,
Lampen und PrunkstQcke cine Sammlung von Sacken mit
mancherlei Gctreldc, Schalcn mit FrDchten und aiinlichen
Naturgaben, die zum Tcil vvohl cine s)mboIisclie Bedeufung
haben mochten Wcitcr fUhrlc er uns in seme Bibliothek,
rings an den Wflnden standen die Btlcher, wahrend fast der
ganzc Innenraum dcs Zimmers von cjnem sclir langen und
breiten Arbeitstisch nach mdischer Weise emgenommen
wurde, nicht urn sicli daran zu sefzen, sondern urn darauf
zu sitzcn, da er nur um cinen Fuss hoher als dcr Bodcn
und mit grauer Leinwand Qberzogen ist Der Arbcitcnde
sitzt mit untcrgcschlagcnen Beincn auf der Mittc des Tisclics,
dessen grosse Breitc und Lange es ihm bcqucm ermbghcht,
mancherlei BQcher um sich lierum aufzustapetn Wie wir
2 ur Sommerzeit milunler m Hemdarmeln bei der Arbeit
siUen, so macht auch der indische Gelehrte es sich bequem,
indem er das Obergewand bis an den GUrtel heruntcrstreift,
und so mit vOUig nacktem ObcikOrper dasilit So intcressant
dieses atles file uns war, so wenig erbaut war ich von der
Zusammenstellung dieser Bibliothek Der VedSnta war zu-
meist in seiner spatesten entartetesten Form verireten, welchem
sicIi erne grosse Reihe moderner theosophistisclier Produktc
anschloss Denn Freund Govmd D3s war elfrigerThcosophist,
und mit der grOssten Ehrfurcht breitete er vor mir mehrere
dicke Bande aus, welche in elegantestem Einbande die
wDsten Phantasien der Madame Blawatski enthielten Es ist
bedauerhch zu sehen, wie das den Indern emwohnende edie
phdosophische Streben durch den Uberall m Indien grassieren-
den Theosophismus ih falsche Bahnen gelenkt wird Das
Haupt dieser Richtung ist gegenwartig Colonel Okotl m
142
V Von Peshawar bis Calcutta
Calcutta Icli liabe ilin dort nicht besucht, traf aber spater
zufailtg mtt ilim zusammen A!s wir namlich von Calcutta
nach Bombay ziirlickfuhren, hatten wir tn Moghal Saraf, cfer
Eisenbahnslation, welche am sUdlichen Ufer des Ganges,
Benares gegentlber, Itegf, rehn Almufen Aufentlialt Ich trat
aiif den Perron und bhckte zum lelzten AbseJnede nacb dem
so viele schQnc Ennnemngcn umscliltessenden Benares
hintiber, als plOtzlich Qovind D5s zu mir trat, mtch mtt leb-
hafter Freude begrllsste und zugletch anbot, mtch mit dem
zufallig anwesenden Colonel Olcott bekannt zu machen
Wir begrUssten uns wie zwei, die schon langere Zeit von
einander wissen und das Gefidil haben, dass zwischen ihren
Ansebauungen wohl schwerbeh jemals eine ge/st/ge Briicke
sich schlagen ISsst Die Abfalirt meines Zuges erlaubte kem
etngehenderes GesprScIt und machte unserer kurzen, reser-
vierten. doch nicht unfreundiichen BerUhrung etn Ende
Von den flbngen retchen EindrOcken, die unser zwanzig-
tagjger Au/enthalt tn Benares uns bot, wol/en wtr nur noch
einiges erw^hnen Eine sebr willkommene ErgSnzung unserer
gelehrten Bekanntschaften war Ragbunandana Prasad, etn
Advokat am Genchtshofe von Benares und zugleich etn Mit-
glied der stadtischen Verwaltung Als solchem standen ihm
alle Tiiren often, und die Art wie er uns in Benares herum-
fiJhrte, war ebenso mteressant wie lehrreich Am frtihen
Morgen bestiegen wir mit jlim em Schiff und liessen uns
an den frbhlichen Gruppen der Badenden beiderlei Geschlechfs
vorbeirudern Dann gelangten wir durch em Labyrinth enger
Gasschen zu einer heiligen Stdtte, dem liianakQpa Oder
„Brunnen derErkenntms*, einem wenig einladenden Orfe, wo
die zudrmgliche Bettelei emen fast an Agypfen streifenden Grad
erreicht Auch kOnnen die Hindus es nicht lassen, Blumen
und andere Spenden m den tiefen Ziehbninnen hinabzuwerfen,
welche dort m Verwesung Dbergehen und die Luft verpesten
Colonel OlcoW Rundgang mit Raghunindana PtasAd M3
Unser Freund zeigte uns die auf seine Anordnung ange-
brachlen Vornchtungen 2 um Auffangen dcr hinabgcworfcnen
Gegenstande, durch wclcbe dem Unfiigc wcnigstens teil-
ueise gesteiicrt \surde Von liier ftllirte unser Weg zu den
beiden grossen Minarels, avelche Benares als Wahrzeicben
der Stadt Dberragen Sic wurden von den ftbermOtigen
mohammedanischcn Eroberern als Symbol ibrer Herrschalt
Ober die beiligstc Stadt Indicns aufgcriclitet, zum grossen
Verdruss der Hindus, bis sic Icrntcn, sich in das Unabander-
Iiche zu fUgen und die bcidcn Minarels ihrem Religions-
system einzuvcricibcn, indcm sie dicscibcn flir zwci Saulcn
des Krishna crkiarten Ernes der Minarets ist wegen Bau-
tailigkeit jetzl gcsclilossen Das anderc bestiegen wir auf
emu im Inncrn emporUihrendcn Wcndeltrcppe und genossen
von hier aus erne grossvrtigc Obcrsicht aut das am Ganges
im Halbkreise sicli ausbreitcndc Benares und die umlicgende,
nut Garten und Landliausern tlbcrsatcOegend Weiter wurden
wir von unserem kundigen Freundc durch die armeren Stadl-
\ lertcl gefuhrt Wir sahen die Weber bei ihrer Arbeit, welche die
schOnslen Webearbcilen auf den pnmitivsten Wcbstlllilen
hervotbrachten Wir sahen den Tbpfer, wie er, auf dem
Boden kauernd, cm grosses, auf einer Spitze laufendcs Rad
m Umschvvung versetzte, cine unfOrmige Tonmasse auf die
Mitte warf und m wenigen Augenblickcn daraus ein zier-
Iiches Gefass verfertigte Wir nahmen em solclics, welches
an dem daneben brennenden Feuer liart gebrannt war, zum
Andenken mit und besitien es noch heute Weiter ilihrle
■«Jns noeb unser "Weg duren engc Gassen, vorllber an zahl-
reichen Tempein, deren Benares 5000 besitzen soil, und von
denen manche freilich nur die GrOsse einer HundchtUte
haben Gegen Abend besuchten wir em Hochzeitsfest, die
Ceremonie war vorllber, und die Unterhallung hilte be-
gonnen, um die ganze Naclit durch zu dauern Sie bestand
darin, dass die manniichen Caste, es mochten ihrer eimge
144
V Von Peshawar bjs Calcutta.
hundert sein, m emcm grossen Saale auf dem Boden liockten
und den Auffllhrungcn der zu dtesem Zwecke gedungenen
Tanzmadchen mit gespannter Aufmerksamkeit lauscliten Es
trat immer mir ein Madchen auf, mit einem goldgestickten
Gewande bis auf die Ftlsse bekleidet, welches in emtOniger
Weise Liebeslieder sang und ste nut ebenso eintbnigen Be-
wegungen der Armc und dcs Oberkbrpers begleitete Das
Hbchste war, dass sic stch gelegentlicb um sich selbst herum
drehte, sonst war von Tanzen ketne Rede Wenn sie mUde
war, wurde sie durch eine fnsclie Kollegin abgelbst, welche
es auch nicht anders machte Wir fanden die Produktion
m hohem Masse langweilig, und der BrSutigam, em Knabe
von fUnfzehn Jahren, schtcn diesen Emdruck zu teilen Er
war auf semem Ehrenplatze in der Mitte der Versammlung
friedlich emgeschlafen Oegcn elf Ulir abends verabscliiedeten
wir uns und konnten auf dem Heimwege beobachten, wie
au! den Strassen m alien dazu gceignelen Wmkeln Obdach-
lose ihre Nachtruhe hielten
Wir kbnnen Benares nicht verlassen, olme noch der
Beziehungen zu gedenken, die wir zu einigen jtingeren Pandits
unferhielten Ich hatte den MaharSja gebefen, mir den einen
Oder andern seiner Pandits zum Sansknlsprechen zu schicken,
und seitdem fanden sich deren taglich drei bald zusammen,
bald abwechselnd in unserm Hotel ein um einen grossen
Teil desNachmittags uns zu widmen Es waren derfromme
und weichmtltige Pnyanaiha sem Bruder, der kernige, klare
und feste PramathanUtha und derjdngere und leicliter ange-
legte Bohiivallabha Die einzige MOglichkeit mit ihnen zu
verkehren, war in Sanskrit (nteme Frau pfiegte sich durch
Zeichen und emiges Hmdostani mit ihnen zu verstandigen)
aber auch dieses Medium ermOglichte es, in Geist und Herz
dieser Manner die mteressanfesten Bhcke zu tun Priianatha
der am regelmassigsten fcam, war, obgleich er einige
Seite 144
Bijadercn (Tinzmidchcn) nut Alu^ikcm (Dcllii)
TanzmSdchcfl Orel Panditfreunde
145
Schnftchen abtc Sankhyam u dg! verfasst hatte, eine treue
giaubige Seelc, und gerade an ihm hatte ich Gelegenheit zu
beobachten, dass die indtsche Religiositat auf das GemlUs-
leben ganz ebenso eimvukt, wte bei uns die chnstbche
So v,ehrte cr memcn Vorschtag, nacU England zu gchen, mil
der Bemerkung ab, dass die Religion cs ihm verbiete, und
als ich darauf hinwies, dass er durch das Bestehen der allein
m England ablegbnren Examina zu hOlieren Stellungen in
seiner Hcimat gelangen werde, erwiderte er einfach und
ruhig dass die ewigen intcressen uichtigcr seien, als die
zeitlichen Audi er tciltc den Glaubcn, dass durch ein
Sterben m Benares cm unmitielbarer Eingang m die Erlbsung
gesichert sci, und als ich daran ennnerte, dass nach den
heiligen Scliriften crlOst werde, wer die ErKenntnis besitzc,
\vo er auch immer sterbe, nicht aber, Nver sic nicht besitzc,
auch wenn er in Benares stOrbe, so erteiltc er mir die Be-
lehrung, dass cben durch cine besonderc Onade dcs ^)iva
alien in Benares Sterbenden im Augenbheke dcs Stcrbciis
das voUkommcnc Wisscn gcschcnkt werde Oelcgcntlich
strcifte unser Gespracii auch die pohtisclie Lagc dcs Landes,
und hier trat mir cm tiefer und fast Iioffnungsloser Schmerz
entgegen, den die geistigen und zarlfUlilendcn Inder dariiber
empfinden, dass sie unter der Fremdlierrschaft der so ganz
heterogenen Englander stehen
Als ein noch grttssetes Zeichen des Vertrauens mussten
wir es ansehen, dass PriyanStha eines Tages unserer Bitle
willfahrte und mich und meine Frau in sem Haus und seine
Familie emfUlirte, natQrlich mil dem Vorbehalte, dass nur
meme Frau zu den Damen des Hauses gefuhrt wurde, mit
denen sie erne kllmmerliche Unterhaltung m Hmdostani zu
ftihren suchte Die Wohnung des Pandit lag im obtren
Stockwerke ernes jener grossen Mietshauser, welclie einen
engen Hofraum durch rings an den Stockwerken henim-
gchende holzerne Verai\den umschhessen Die Ausstattung
Deussen Erinntningen an Ind «a |Q
146
V Von Peshawar bis Calcutta
der Wohnung war ausserst bescheiden, die AldbeJ erinnerten
an diejenigen, welche man im LuHierzimmer auf der Wartburg
findet, das Ganze machte einen durchaus mittelalterhclien
Emdruck. Es war dies am letzten Abend, den wir in Benares
verbrachten, und wir beschlossen ihn, indem wir em den
Pandits Oder vielleicht ihremHerrn, dem Mah5r5ja, gehbrendes
Boot bestiegen und uns tiber den Ganges rudern liessen
Von den Feldem aus, die das gegenUberliegende Ufer ein-
nehmen, genossen wir den vollen Anblick der heiligen Stadt
mit ihren beiden Minarets, ihren Ireppenartigen Aufstiegen
vom Ganges aus und den zahlreichen PalSsten und
Tempeln, welche dieselben kronen
Am Dienstag dem 17 Januar 1893 fuhren wir, von den
drei Pandits begleitet, zumBahnhofe, wo ich m emeni letzten
OesprSche mit ihnen noch die Geschmeidigkeit der SansKrit-
sprache bewunderte, welche es mbghch macht, Ober alle
Errungenschaften der modernen Kulttir, uie Eisenbahn,
Lokomotive u dgl sich m Sanskrit aiisziidrlicken
Eine Eisenbahnfahrt von wcnigen Slunden fQhrte uns
nach Banktpore, welches, am Ganges m unmiftetbarer Nahe
des alten PQtahputra jetzt Patna gelegen, deit Knotenpimkt
mehrerer Eisenbahnlmien bildcl Wir hatten hier eine
Empfelilung an Mahcfa N<ira}ana, den Redikleiirder Woclien-
schrift „the Behar Times" Wir fanden ihn nach Idngerem
Suchen, und er widmele sjch uns in bebenswllrdigster Weisc,
gab mancherlei AufschlQssc Ober Stadt und Gegend und
fOhrte uns auf meinen Wunscli auf lelimigem Landuege an
das Ufer des Ganges, welchcr zwischen Ablitlngcn, die nut
Kornfcldern bedeckt waren, seine gelben Flufen dnfimwaiztc
Mil Staunen nahmen wir die Spuren der Ver\Mlstungen
vv<-5jjr, jvfjfhe der Fivss anricMeJ, wenn cr aJJ;5Jjfljcb scin
Bett verandert und dadurch zu cincr neuen Vertcilung der
Acker nOtigk Gcgen Abend \erliess uns Malic^n
Was wir dann welter vornalimen, und wo wir fOrdJeNacht
Abschied von Benares Bankiporc Fahrt nach Gaji 147
unterkamen, darauf kann icli mich mcrkwllrdigenveise gar njclit
mehr bcsmncn, wMirend doch sonst alle Einzelheden der
mdischen Reise mir noch lieiite nach zehn Jahren so ziemlich
gegenwartjg sind Viellcicht war cs die Spannung, mit der
wir dem nachsten Tag entgegensahcn, uelche die Auf-
merksamkeit auf die Gegenwart abschwadite Denn am
andern Morgen iBslen wir unserc Bdletts fUr erne kleine
SekundUrbahn, welche nach Sfiden m drei Stunden nach
Gaya und zu den hedigen Statten des Buddliismus fUhrt
Die Fahrt fUlirte durch Niederungen, haufig vorllber an
Palmenwaidern, an deren jungen nur flinf Meter hohen
Stammen oben unterhalb der Krone Tbpfe angebunden
waren, m welche aus cinem oberhalb gemacliten Einschnitte
der Palmsaft heute Toddy genannt) rieselt, mit dem
wir m Calcutta noch nahere Bekanntschaft machen sollten
An den klemen Stationen der Sekundarbalin bemerkten wir
hmter einem absperrenden Oilter viel bettelndes Volk
Em Mann steht mir noch vor Augen, welcher, nur mit emem
Schurz bekleidet, auf verkrtiramten und geialimten Glied-
massen herankroch und seme abgezehrten Arme flehend
durch das Gitler streckte Es war vielleicht der elendeste
Mensch, den \ch je geschen habe Er ennnerte an die Er-
schemungen, welche den Buddha aus einem FUrstensohne
zum heimatlosen Bettler machten
GayQ ist em kleines Landslddtchen, welches im fernen
Indten und unter den entsprechenden Anderungen denselben
Familientypus wie so viele kleme Stadte m Deutschland
und im tlbngen Europa aufweist Em Hotel ist nicht vor-
handen, dafUr besteht wie Uberall, wo em solches fehit, em
von der Regierung unterhaltenes Logierhaus, Dak Bungalow,
wo jeder Ankommende wenigstens fUr erne Nacht em Zimmer
mit Belt far erne Rupie beanspruchen kann In der Regel
ist auch em Koch vorhanden, welcher auf Bestellung nach
Vorschrift fQr IV* Rupie em Tiffin (Luncheon) fUr 2 Rupien
10 *
148
V Von Peshawar Ws CaJcutta
ein Dinner mit zwei Fleiscbgangen zu liefern hat Wir be-
stellten ein solches auf den Abend, belegten ein Zimmer
und sassen bald darauf m emer der jammerlichsten Land-
kutschen, urn uns auf breitem, gutem Wege durch Felder
und Waldungen nach dem D/a Stunden entfernten Biiddlia-
Gayd baudern zu Jassen Der Orf besteht aus wewgen an
der Strasse liegenden Hausem, weiter liegt auf der Iinken
Seite der Landstrasse ein Kloster brahmanischer Sddlms,
wahrend auf der rechten Seite m emer von der AufhOhung
des Bodens durch den Kulturschutt der Jahrhunderte frei
gehalienen Niederung der grosse Buddbatempei hegt,
sicherlich an derselben Slelle (denn Buddha lebte lange
genug, urn sie noch off semen zahlreichen Scfnllern zeigen
zu kbnnen), wo der Erhabene in jener grossen Nacfit unter
dem Feigcnbaume sass, als ihm die Buddhaschaft zu teil
wurde An der Stelle, wo er sass, steht jetzt im Innern
des Tempels eine vergoldete Kolossalstatue des Buddha,
mit hintermdiscfiem Typus, und auch heufe sifzf er, nur
durch die hintere Tempelwand davon getrennt, unter einem
Feigenbaum, der vieKeiclit ein Abkbmmlmg des ursprOng-
lichen ist Auf Treppenstufen steigt man em Stockwerk
hoch 2U elner ringsherumlaufenden Veranda hinauf, von
welcher aus man einen Oberbhck Uber die zahlreichen
rmgsum zerstreuten Denkmaier hat welche die Bu^dhisten
der verschiedensten Lhnder dem Siegreichvollendeten an
dieser fUr sie heiligsten Static der Welt geweilit haben
Abes atmef hier grosse Erinnerungen, nur dass rn Buddha-
GayS so wenig wie im ganzen Dbngen Indien auch nur
ein einziger Buddhist aufzufreiben war, mif dem wir utisere
Empfmdungen batten austauschen kOnnen Einen Ersatz
suchten wir vergebens nach \ollendeter Besichligung in dem
erwahnten Kloster der BrahmanenmOnche Wir liessen uns
melden, man filhrte uns durch einen ^\elten Hofraum, m
dem die MOnche einen schwunghaflen Handel mit Korn
Buddha-Gi>a Dn SSdhukloster
149
und Cl betncben Auf einerTreppe gclangtcn wir zu emcr
hochgfilcgenen, breiten und langen, in Stnfenforni ansteigenden
Terrasse, auf der alsbald der Prior an dcr Spitze dcr
Klosterbrtider uns feierlich empfmg, worauf die gauze Oe-
sellscliaft, es mochten dreissig Personen sein, im Halbkreise
urn uns her sjch lagerfe, in der A\itte natUrlich der Prior,
und zu semen FUssen hockend ein junger Menscli, dessen
Gegenwart allerdings sehr notwcndig war, denn es zeigte
sich bald, dass er der emzige in der ganzen Gesellschaft
war, der eine Unterlialtung m Sanskrit zu flllircn vermochte
Der Prior, an den natttrhch meine Wortc sich nchteten,
hbrte sie an, nickfe, lachelte, brachte das eine oder andere
Wort hervor, aber die Beantwoitung tlberhess er dem
jQnghng zu semen FUssen Dieser beglcitcte uns auch nach
beendigter Audienz und zeigte uns die Klostergebaude Dann
durchscliritten wir ein Feld und sahen m der Feme die
HUgelkette, an welche Rajagrtha sich lehnt Em stemiger,
lehmigerBoden, den wirbctretenhallen, schien die NShe eines
Flussbettes zu verraten, und so tragic ich unseren Begleiter
nach dem in buddliistischen Schnften so viel genannten
FlQsschen NairanjanS, worauf der junge Mann antwortete
»Sie befmden sich eben mitten dann " Wie so viele kleme
Fhlsschen Indiens war auch die NairanjanS schon im Januar
gSnzlich oline Wasser
Der herannahende Abend mahnte zum Aufbruch Wir
nahmen Abschied von dem geweihten Boden Buddlia-GayS’s,
beshegen unsere elende Kutsche und rollten auf GayS zu
So unertraglich langsam und holpernd war die Fahrt, dass
ich es vorzog, in der AbendkUhle den Weg zu Fuss zu
niachen, immer ein Stuck vorauslaufend und dann wieder
wartend, bis der Wagen mit meiner Frau nachkam Mit
einiger Furcht vor Schlangen, die auf dem Wege lagcrn
mochten, gcnoss ich doch, umgeben von herrlichen Wal-
dungen, den indischen Abend, wo die Sonne nicht mchr
150
V Von Peshawar bis Calcutta
/lire gltihenden Pfeile enfsendef und ein sanfter Windhauch
mit Wohlgertichen uns umschmeichelt Wen/ger harmoniscli
waren die EindriJcke in Gayfl DerKutscher, wiewohl durch-
aus hinreichend bezahlt, zeigte sich unzufneden und schimpffe
noch lange Zed aus der Feme Uber den weiten PJatz weg,
an dem unser Logierbaus lag In diesem war das Dinner
bereitet Die zwei vorschriftstnassigen Fleischgange bestanden
dann, dass man uns als ersten Gang ein halbes Huhn und
als zweilen die andere H4lf(e desselben vorsetzfe, beide reich-
hch zahe, well das Tier offenbar erst eben geschlachtet war
Am anderen Morgen benutzte ich die Zeit vor Abgang
des Zuges, urn emen grbsseren Tempel oberhalb der Stadt
zif besudien, da icli aJiem kam, so sab man micbmitMiSS-
trauen an, die Unterhaltungen, die ich anknUpfte, wollten
mcht recht m Fluss kommen, und ais ich m der Nahe einer
Seitennische stehen blieb, urn eine dort vor sich gehende
Ceremonie zu beobachten, wurde ich sogar weggewissen
mit der Bemerkung, dass hier em (^rQddham (Totenopfer)
gebracht werde, bei dem die Oegenwart ernes Fremden un-
zulassig sei
Am Nacbmiitag langten wir wieder in Bankipore an,
leider ohne unseren Freund von vorgestem nochmals zu
sehen, wie er versprochen hatte, da ihn em unvorhergesehenes
Geschaft in Anspruch nahm So lOsten wir unsere BilJelts
nach Calcutta und bestiegen gegen Abend den dort bin-
fUhrenden Naclitschnellrug Ausnahmsweise war auch die
erste Klasse stark besefzf, und schon machten wir uns darauf
gefasst, erne unruhige Nacht zu verbnngen Da hOrte icli,
dass unser Zug auf der direkten Lime Calcutta schon
morgens urn 5 Llhr erreichen werde, wSlircnd von emer der
nachsten Stationen em Zug, auf einer Loop Line nOrdlich im
Bogen herumlaufend, um 10 Uhr morgens m Calcutta em-
treffe Schnell entschlossen stiegen wir aus und verbrachten
in dem anderen Zuge m emcm Coupe ersfer Klasse, welches
Gayd Bmkiporc Candramginm
151
^u^ allein batten, eine gute Nacht Am Morgen waren wir
in Candrana^aram, welches ncben Pondidierry' im SOden die
einzige Stadt Indiens ist, die nocb den Franzosen gehUrt
und wolil nur aus Eitelkeit behalten wird, da ein Nutzen
aus dem Besitze dieser Enklavc wohl schwerlich erspnesst
Hier sahen wir auch die erslen bcngalischen Pandits, grosse
schbne Gestalten mit tlppigem schwarzem Haar und einem
Gewand, desscn Zipfel vom wie eine Art Schurz bis auf die
FUsse niederhangt Trotz der Glut der bengahschen Sonne
gehen sie ganz ohnc Kopfbedcckung Erne gewisse Eitel-
keit spncht aus direr Kleidung, iliren Reden, ihrem Gebaren,
es ist nicht unzutreffend, wenn man mir die Bengalen als
die Franzosen Indiens schilderfe
Sechstes Kapitel.
Calcutta und der Himalaya.
^egen elf Uhr lief unset 2ug in den Bahnhof von Calcutta
ein Er Iiegt auf der andern Seite des Hughlt, eines
breiten Armes des Ganges, abet welctien eme lange Dreh-
brUcke nach der Stadt fUhrt Ste war gerade ausgefahren,
aber die Zeit des Wartens war uns nicht zu lang, ganz in
unserer NShe konnten wir die Gruppen der badenden
Mannlem und Weiblein beobachten, wahrend am anderen
Ufer am Flusse entlang eme Anzahl sogenannter Asketen
ihre Lagersfatte liatte, dies sind, wie wir schon m einem
frUheren Zusammenhange envahnlen, allertlmgs wohl viel-
mehr Bettler, welche eme billige Askese zur Scliau Iragen,
um dem Volke zu imponieren Jeder treibt seme Spezialitat,
der eme reckt die Arme besOndig m die HOhe, em anderer
hat sich em Bern hochgebunden, cm drifter tiegt auf einem
Bette von hDlzernen NiJgeln Jeder ist von Zuschauern um-
standen, vvie bei uns die arbeitenden Kesselflicker, hin und
wieder wird ihnen eme KupfermCmze zugeworfen, und dies
scheint auch der eigentliche Zwcck bei der Sache zu sem
Es war Mittag geworden, als wir endlich die BrUcke
Uberschritten batten und nach etnigem Stichen m einem
der Boarding Houses der Mrs Monk Unfcrkommen fanden
Die Pension kostet hier 7 Rupien, also noch etwas mehr als
in dem Great Eastern Hotel, soil aber auch besser als die
Sete 152
Calcutta Jung England in Indicn
153
dortige sein Das Essen war m der Tat recht gut, aber die
GeseUschaft war die unbehaglicbstc, weiclie wir in Indien
gehmden haben Sie bcstand tlbenvicgend aus jungen
Mannern, welche den Sport, und jungen Weibern, welclie
den Putz als eigenlliches Endziel des Daseins zu betrachten
schienen Eine gebaltvolle Unterlialtung war nicht in Gang
zu bnngen Das Gespradi drehtc sich meistens urn Cricket
und Croquet, um Jagd und Tcnnis-Spielen, daneben war
es das Hauptthema dieser vom Tropcnkollcr ergriffenen
jungen Englander, in alien Tonartcn auf die Emgeborenen
zu schimpfen Ein Gesprach der Art will icli rait historischer
Treue reterieren Es wurde die Frage aufgeworfen, ob cm
englischer Klub die Herausfordcrung (challenge) zum Wett-
kampfe (match) annehmen mUsse, wenn dieselbe von einem
Naine Club ausgehe Die emen verncmten die Frage, die
Emgeborenen standen zu lief unter dem EngUnder, als dass
dieser sich auf irgend welche Weltspicle mit ilinen einlassen
kOnne Von anderer Seite wurde das Prmzip vertreten, dass
jede Herausforderung angenommen werden mUsse, selbst die
der Emgeborenen, denn, so fiigte em Redner bezeichnender
Weise hinzu „wenn der Schornsteinfegerklub in London
uns erne Herausforderung zukommen lasst, so darf auch
diese nicht abgelehnt werden" Wie die Qesprache, so
waren auch die Manieren dieser jungen Kaufleute sehr selt-
same So lange die Damen zugegen waren, war das Be-
nehmen em sehr respektvolles Standen diese nach dem
Essen auf um hmaus zu gehen, so sprang die ganze Gesell-
schaft in die Hohe, als kame das Venerabile, und blieben
stehen, bis die letzte Dame den Saal verlassen hatte, auch
dann, wenn irgend ein Ganschen auf dem Wege zur TUr
im Vorbeigehen nocli eine kleine Unterlialtung anzuknUpfen
ftlr gut fand Sobald die Damen das Lokal verlassen batten,
entschadigte sich Jung-England fUr den erlittenen Zwang,
man rekelte sich und flegelte sich in aller Weise, man steckte
151
M C^tcutt^ find drr
nicht CiRirrtn sondcrn die ktirzcn quilmcnilcn Stiimmcl-
pftifcn .^n, und cincr mtlncr Nichlnm Kins so ucit, diss
tr, niif SLincni Stulile sitzend und sich inch Iiintcn uiegcnd
i«f dtn Tiscit, \on clem \tir soclicn gcgcsscn Jntlcn, ficidc
Ikliie Jegle Jni Dbngtn fmeJtii und sudden uirnudj Kejnc
OLzitluing zu dicscr Tiscligtstllsdiaft, da iinscr panzer Tig
\on CindrUckcn indercr Art ausgcfllllt uurde
Oi wTtx zun'ld'isl die Sl'wW sdbsl die grOsste in Indien
wclcfic, im Gcgcnsifzc zu so vJcIcn nndcren \on uns bc-
snclden Sllditn, ktJuen rein indischen sondtrn e/nen hiJb-
curoplisclicn Clnnkter frlgl Alles, die Anlagc der Stnssen
und Platzc, die Nimen und \lclcs inderc ermnert an London
und so Sind iticli die Dcuohner mchr als anderswo \on
curopllschcr KuUur angcwcld und tJbcrlflnchL Namendidi
ist dies uif dem Gebiclc der Religion bemerkbar Wic im
wcstlichcn Indicn der Aryasanuy, wortlbcr wlr bci Lahore
spnehen so hcrrscht Idcr der Drabmasamilj, cme religiose
Gcmeinschaft, \sctclic ebenso uic jener auf das Altcrium
zurUckztigchcn bemuhf isf, dibcJ aber, im Oegensafr zu dem
rein nitionalcn Aryasaniiij, vielcs aus dem biblischen Vor-
stellungskrcisc und dem cliristliclicn Rdus lierllbcrgenommcn
hit Unscrc Freunde fUlirtcn uns an cinem der ersfen
Abcndc zu einer godesdicnstlichcn Feier, sie fand rn einem
grossen Geblude sfaft, welches sebon durcli die Aniage mit
Kanzcl Gallcrien usw an clnc clinstlichc Kirche ermnerie
Gedruckto Blitter warden vertcilt und abgesungen Sie
enlhielten Verse aus dem Rigveda aber gerade solclie
namentlich aus den Hymnen in Varum welche an die
biblischen Busspsalmen anklingen Dann wurde eine nchtige
Predigt gehalten Uber elnen vedischen Text und so merkte
man tiberall den europaischcn Einftuss Dasselbe glif vom
Familienleben Unsere nSchsfen Freunde der Advokat
P L Roy und der Professor der Philosophic am Sanscrit
College P K Ray Icben mit ihrcn Familien ganz in euro-
Dct BralMnasamij P L. Ro> und P K Ri^ 155
pinscher Weise Sie kleiden sich europhisch, sie sitzcn hei
Tisch auf StUhlen, sie essen Fieisch und tnnken Wein iind
smd dabei von liOchster Tolcranz Unsere licbenswUrdfge
Freundm Mrs Roy gehOrte der brahmanischen Religion m
der Form des BrahmasamSj an Ihre unverheiratete Scliwester
Miss Cakraxarti war in England in ciner Pension erzogen
und dort in der StiUe zu cmer Protestantin umgcmodcH
Worden, und eine dritte Schwesler, die ich nur aus ErzJihlungen
kenne, war m CalcuUa zum grossen Schmerz der Famihe
von den katholischen Patres iimgarnt und als Braut des
Himmels in ein Kloster gesleckt worden, denn sie hatte em
grosses Vermbgen Trolz dieser Polyphonie der rehgibsen
Bekenntnisse herrschte in der Famihe die schOnste Harmonie
und wurde auch nicht gcslbrt durch cinen jungen moham-
medanischen Gentleman, der als Freund der Famihe Ofter
erschten und freihch durch sein etwas rohes und ungcstUmes
Wesen von dem sanften, feinfuhlenden, intellektuellen Mr
Roy sehr merkhch abstach Zum Teil mag daran wohl die
Religion schuld haben, welche ja nicht nur dem Individuum,
sondern auf dem Wege der Vererbung ganzen Geschlechtern
ihren Stempel aufdrUckt
Ebenso frei wie die Famihe P L Roy’s stand auch em
zweiter Freund mit Frau und Kindern den rehgiOsen Vor-
urteilen gegenliber Es war dies der Professor der Philosophie
am Sanscrit College P K Ray Er lud uns zu Tisch em,
dann hatte ich mit ihm in seinem Studierzimmer, von wo
die Frauen ab und zu vergebens versuchlen, uns zurtick-
zuholen, erne lange Unterredung liber Platon, Kant und
Schopenhauer, liber die er gut onentiert war und viele
Fragen zu stellen wusste FUr den weiteren Nachmittag
hatte er uns zu Ehren eine Versammlung von etwa zwanzig
^ Pandits anberaumt, imter denen stch mehrere hervorragende
Professoren des Calcuttaer Sanscrit College befanden Ich
besuchte m den n’lchsten Tagen fleissig ihre Vorlesungen
\l Ci i.lU und H n^hja
Orel Stljincr •>{«(! nif nt»cl» In better Irinncfunp v.tnnnifr
1 Kh i!itc Simen cnKi’ltn «lnd dtr Pnnclpil tin wolil-
bdcihlcr ^httllclicr Mnnn \o) \4jfnclsmcr Ihlttinj; udchcf
nach cincm intucn Swktl! Konpindium ilic lof.ik vortrirp
cm jUn^cfcr P»ofc<<of, tier mil I mst titiil fjfcr die
AdP jA j-Up in/if K/ctkllrte «nd cin vtn tllcn ml! besondenr
HoclndnimR bcinfiddfcr lltcfcf Proftstor dcr I itcratur
dc'*^cn 'chbn uliJTinlc ‘'iltn an Kinl crmnirtc iinddcrsicb
nichl nur iIs Geklulcrdurcli ^clmmfnentcsUi^scn sondern
nucb iK Diebicf ei^cncr Dnmen nuspezclchm.l liaMc It
(nlcrpfcticrtc die Mdimhirl uttd Ich ermnert mfeh noch
uic cf infin;, ilnen Satr lU Unen tier kein Lnde naJmi iind
tfinn ucllcfbllllcfTid Cndc dcs Salzcs zti
fmden mn'sen wir nsdif Seilcn ucjkrpeJicn " \Ue m
Hcmri.’^ uurdi. uich Idcf die j anic Sluiidc tfurcfi nur
Sansknl pc^proclicn doch nnn nicht vsic dort luf dcr
Trde sondern nd SdUifen an cincm Ti^tfi uciciter flir allc
^cnn(;tnd Plat^ licit denn mehr nis (llnf odor sichs Zubbrir
hibc Ich me dtbci r«<immcii fvtschen
Alisher den I nmilicn P U Ro) iind P K Rn) wnrden
uir noeb besonders befrcundtl mil xuci lifOdcnj Mullif.
\sclcln. JcnscHs dcs Mu^blidtomcs cine Schdfsucrft btsassen
Bel Bcsiclitifiiiiii, dcrsclbi-n «i3li Ich mil Erstaunen nmc die
zahlrcicbcn Arbtdtr t.inr wic bci uns die glHlicnden Cisen-
slmptn \mUIlii und schmicdclen nur dnss sic dabcl fast
mckt warm und dilicr rcvvIss selir oft Brandwimdtn durch
das berumspritzcndc CIstn erkiden miissten Man war
gcradc damit bescli’lfligl cIn grosses GDtcrschdf zu repaneren
Welches mit seiner Ladung auf dcr See In Brand geraten
war llicrbei halten sich allc Stangen des aus Eisen be
slchcnden Rumpks mehr oder wemger verbogen Es war
schr mahsam und Kosispiclig dccses alles so wicdcr her
ziisteilcn wic es ursprPnglicli gewesen war wihrend es un
vcrhaitnismassig weniger Kosten verursacht liaben wOrde
Calcuttaer Professoreo. Mr \tullik's Werft und Haiu. 157
das ScUdl mit Veaicht au! die ScUOalieU wiederm brauch-
baren Zustand zu bnngcn Abcr das Schiff uar be« einer
Gesellschaft versichert gewesen, und dcr Dgentflmcr konntc
die \Viederhcrste\hmg dessclbcn m den ursprtJngbchen Zu-
stand \erlangen und hattc kein Intercsse damn, an den
Kosten zu sparen Die Brllder A^ullik bewohnten nut direr
Mutter cm patastartiges Haws m dcr Stadt, olt botlen sic
uns dorlhm in ihretn eleganlen Wagen Oder fuhren, uenn
ich verhmdert ^\ar, mcme Frau altein spizicrcn Wiederholt
luden SIC uns cm, bci dinen zu spciscn, das cine Atal
europaisch, das anderc Mai tndiscli Die erste Art unlcr-
schicd sich von einem opulenten cnghschcn Dinner nur durch
diejenigen Anderungen, wclclie das Klima gebielel Man
sitjt aut StWdcn, man isst ricisch und tnnkt SVem smc bci
uns Dcr indischc Gcsctlsctiaflsnnzug besteht aus Hose und
elcgantem, bis zu ihr hernbrcichcndcm Hcmdc Hemd und
Hose \\erden durch cinen scidcncn GOrlel zusammengehaltcn,
die Weste kommt ganz in Wcgfall und cm sehr wed offenes
kurzes jackett vollendet den malerischcn Anzug Wer kcinen
sokhen besilzt, der hat die Wahk entweder in semem
europaischen Frack furchlcrlicli zu scliwitzen odor cmfach im
Promenadenanzug aus dUnner Lemwand Oder Scide zu cr-
schemen In Indicn ist man vietleicht abgesehcn von den
Engiandern, m Bezug auf Todetle sehr nachsiclitig Professor
Peterson pfiegte m Abendgesellschaftcn, wenn erst die Sonne
untergegangen ist, ganz ohne Kopfbedeckung uber die Strassc
zu gehen, und so werden cs woh! noch viele maclien
HOchst originell war ein Diner im Emgeborenenstile,
welches uns einer der Herren MuUik offenerte Zunachst
wurden wir getrennt raeme Frau speisle oben bei den
Damen aus sdberncm Oeschirr, mir wurde unten serviert,
wahrend Mr Mullik micli unterluelt, selbst aber nichts
anrlihrte, angebhch wed er heute semen Fasttag liabe Em
indisches Diner aus zwanzig Gangen, zur Hadle nicht sUss,
158
VI Calcutta und dcr Himdla>a
ztir aftdcfcn s«ss, bcsfclicnd aus den mannig;-
fachsten Zubcreitungcn von Mtlch, Biitfcr, Reis, Genilisen,
Kartoffcln, Atelilspcisen und FrUclitcn, mit Ausschluss von
rictsch, Fiscli und Etern, ist cfwas ganz GewOfmficites
Dicsmal aber wollte Mr Mullik mir zcigcn, was die vege-
tansclic Kdchc alles zu Icistcn vermag, und so folgten auf
cinander nicht wenigcr als aclitzig verscluedene Genchte,
weJclie al)e mein Jiebcnswllrdigcr Gasfgeber mir im einzcJnen
crkiartc, willircnd ich von ]cdcm der spateren Gericlite nur
ein ganz kleines Teilclicn zu kosten vermochte Merk-
wUrdigervveise befand sich darunler eln eimeJner sehr
appetitlich ziigcricliteter Flcischgang Es wird namlicb in
dem eine halbe Stunde von Calcutta cnffernt gelegenen
Tempel zu KSligfinlfff, (lessen Protektor Mr MuWk war,
dcr furchtbaren GtiUin A'd// jeden Morgen um 10 Ulir eine
Ziege gescblachtet, indent ihr Kopf in eine eiserne Gabel
eingespannt und nut einem ScJiwertsIreicbe vom Pumpfe
getrennt wird Das Fleiscli dieser Ziege darf gegessen
werden und gilt als besonders lieilsam, ist aber wohl nur
seJir wenigen erreiclibar Icli habe mit Andacht davon ge-
gessen, und es ist nur, wie auch die ganze Ubrige ungeheure
Mahizeit, seltr wohl bekommen
Ein beber Freund ausser den genannten war aucli
Hara Prasdda, ein fnscher oflener Charakter von gediegener
Bildung Er war fruiter Professor des Sanskrit gewesen,
liatte aber dann djese SteJJung nut der lukrativeren und
einflussreicheren eines Rates m der Verwaltung der Provinz
Bengalen vertauscht Als solcher Iiatfe er die Aufgabe, fiber
alle in Bengalen erschemende Schriften ]e nach Bedarf der
Regierung mehr Oder weniger emgehend Bericht zu erstaften
Ich verhandehe viel nut ihm fiber das SSnkhyasystem, ohne
dass auch er es vermocht hatte, mir Uber dieses vertrackteste
alter philosophischen Systeme Klarheit zu geben Erst nach
Jahren habe ich, vom Studium der Upanishad’s kommend.
Eine schwere Sjtiung Hara Pra^Jda Nadiaii
159
das SSnkhyasystcin, \v>e auch dessen epischen Vorllufer, be-
griffen und erwiesen a!s erne realistisclie Umbtldung des
rcmcn Idealismus der altcslcn Upanishadtexte Die stiifCn-
\seisc fortsclireitcnde Degeneration dieses ursprDnglicben
IdeaUsmus durcU dieStadicndcsPantheismus, Kosmogonismws,
Theismus bis zum Athcismiis des Sankhyam liin, babe ich
m der zweitcn Abteilung dcs ersten Bandes meincr Ge-
schichte der Philosopliic nachgewiesen
Hara Pras*1da ^^ohntc mit seiner Familic m id)llischcr
Abgcschiedenheit in dem in Inlbslfindigcr Eiscnbalinfalirt
erreichbarcn Dorfe Nai/iaft Dort bcfmden sich noch heute
Melc brahmanische Schulen, Oder besscr gesagl Pensioncn
Ganz in alter Wcise wohnt hicr einc Anzahl von ScliDicrn
m der HCitte cines Guru (Lehrcr) for welctien sic die haus-
lichcn Arbciten vcrrichtcn, \icllciciit auch bcttcin geiien und
als Eutgelt im Veda und andcren DiscipUnen untcrnchtet
werden Hara Pras^da nahm uns ernes Tages mit nacli
Naihali, fUhrlc uns bci den Lchrctn und in ihrcn Wobnungen
ein und veranstnltetc zum Sclilussc cmc Zusammenkunft von
el\sa 60 SchUlem Ich musste dcrsclben prasidieren und
an die SchOler manchcrlei Fragen richten, natOrlich in Sanskrit,
welche sie in dcrselbcn Sprache, zum Tcil recht gut, zu
beantworten wussten Zum Schlusse brachte man niir die
hblichen Ovalionen dar, und es geschah dabei das Un-
glaubliche, dass mir Hara PrasSda vor alien Lehrern und
Schidern die heilige Opferschnur (yajnopaiitam) Ober die
Schuller hangte, welches sogar cm Frevcl am Hciligen ge-
wesen ware, haile man nichl einen der Faden, aus denen
die Opferschnur besteht, weggelassen Nachdem die Ver-
sammlung aufgelOst war, zeigle uns HaraPrasSda die schOnen
Umgebungen von Natliati, fuhrte uns m scin Haus und
stehte uns seln Sohnehen vor, einen lebhaften achtjaiirigen
Knaben von grosser Sclibnhcit, welche um so deutlicher
hervortrat, well der Knabe vblhg unbekleidet seinem Vater
160
VI Calcutta und dcr Himalaya
auf der Strasse cntgcgensprang, und auch uns nut etncm:
„Good morning, sjr!“ begrfisste Scm Valer erzaiilte uns,
dass er schon jetzt den Knaben die uichtigsfen Sanskrlt-
worte aus dem Amarako^a Icmcn Jassc Hiemacli ht es
begreiflich, dass die Inder eine Fertigkeit im Gebrauche des
Sanskrit besitzen, welche kcin Eitropaer jem»als crrctcbt.
Noch manche andere EindrDcke vcrdanke ich dcm stets
gefaliigen und ttberall trefflich oncntierten Hara Prastida.
So hade ich den Wunsch gcaiisscrf, emmal einen A'o/ii/a m
dcr NJhc zu seiicn, Welches nicht Icichtist, dadicscrindische
Kuckuck sehr scheu ist Er wird von den indischen Diclitern
uegen der Schonhcit seines Gesanges, .‘ihnbcb uie bci uns
die Nachtigall, gefeicrt An Klarheit und SKIrke der Stimme
ist cr dicscr wolil noch (ibcrlegcn, niclit aber an Manntg-
faliigkcit, da er, so oft ich ihn hOrtc, immer niir zuci MolI^c
auf scincm Repertoir hallc Das cine hcstclit darin^dasser
unermodlich ^om Grundtone fn die Quart gebf, das andere
dann, dass cr \on Zvit zu Zed die Tonicticr \oni Cnindton
lus zur Okta\c otinc dtuUichc Schcidung dcr ganzen und
haibcn TOnc diircliMuft Geschen Iialfc Ich emen Kokih
nocli me, und so war memc freude nicht gcring, als Mara
Prasiidn cincs Morgens in unset ZinimcT trat. gcIolRi %on
cinem Dicncr, dor in dcr cinen Hand cincn Kahg mil uncm
Kokili und in dcr andtren cInen grosscii Ttipf nni friscli
gczapficm Todd) (Palm«ih) tnig Wir hcwimdirlcn den
Kokila. wclchir scliwarz wic unscre Rahcn war, ini tihrigcn
aber mihf an iuk* Taiihc crinn^rte. nur di'i^ dcr Kokila \icl
schlankcr und fttnir gtliauf l<t aM die^e Hicnu/ «urdc
Min dcm gclninkcn, wclchcr, so tuigc cr frmh
wic cuic ctwas fade Limomdc <«chmevkt und cin l»ci «Icn
Indrm sc!u lutitlitc^, ganz unschuUH^rs ticlrank Mcht
nnn dm aid, so er «ich In winii.cn Si mien
tiurch die Oarung fn eJtr 5chiijp<art4»r*, scha'f»ch**icflcndct.
schf l'crau%chcndis Gctrink Wir lH«cMo»*cn I'cn Vcf> i^h
Cm Kokila Der Toddj Auf zutn Uim5!a)a. ]Gl
zu rmchen, liessen in elner benadibarten ApotheKe \lcr
Flaschchen davon ahfUUeti und hcnnetiscli \erkorken Ditse
legten ^vlr in tmserc Koffer, um sie mit nach Europa zu
nehmen Dann reistcn wir fflr vicr Tage in den Him.llaja
unci fanden bei unscrcr RDckkchr, dass das pcrfide Getrank
bei dec GSrung durch Pfropfen und allc Vcrpackungen durch-
gedrungen war und an den beiinchbarien Saclicn allerlei
Unhcil angcrichtet liatte, sodass uns nicHts Ubrig blicb, als
dve fast lecren Flaschen \vegluv^c^fen und ims an den An-
denken genOgen zu hssen, wclchc der Pnlmweiii an Bllchern
und sonstigen Effckten hmtcrlasscn Iiatte
Die ciAvahnle \iertagige Rcisc m den HtnuVa^a gchOrt
nut zu den ongincllstcn Episoden unsercs Aufcntiialtcs m
Indien, und ich bcfcuc es mcht, die vicrundzwanzig Stunden
von Calcutta nach Darjeeling auf dec Cisenbalm vcrbraclU
zu haben, nur um emc Himaia}aland5chan zu sclicn und
dann desselbigen Weges zurflckzukchren, .Ihnhch wie wenn
emer von NotddcutscUland nach Interlaken reiscn wolUc,
um emige Stunden lang den Anblick dcr Jimgrrau zu gc-
niesscn und dann vsicder nach Hausc zu fahren Gcwbhniich
fahrt man aherdmgs aus dem Glutkcssel Bcngalens nacli
dem 7000 Fuss hoch gefegenen Darjeeling hmauf, um dort
mehrere Monate zu vcrweilen und die angcgnffcnc Oesuiid-
heit m der hcrrlichen frischcn Gebirgsluft wiedcr herzustellen,
welche das ganze Jahr durch me wemger als -f- 2 und nic melir
als -j- 14® R hat Retourbilletts geben die klugen Englander
gerade au! dieser Streckc nicht vermuthch, wevl sie sicher smd,
dass, wer dort hmauffahrt, auch ohne Preisermassigung auf
demselben Wege zurlickkehrcn wird, da es kemen anderen gibt
Nachdem wir unser Gepack zu Mr Roy befbrdcrt, der
uns emgeliden halte, nach unserer RUckkelir weiterhin bei
ihm zu wohnen, begaben wir uns am l Februar 1893 nach
Sealdah Station, beurlaubten unsera Diener fUr vier Tage und
Deussen Erlnncrungtn an Ind en ]]
162
V[ Calcutta und dcr Himalaya
traten urn drei Ulir nachmittags allein die Fahrt nach den
Norden an Qm acht Uhr abends waren vvir am Ganges, Obei
welchen, bei seiner grossen Breite, hier keine BrUcke mehi
fahrt Em Dampfer braclUe die Reisenden hinQber Aui
dem Verdeck wurde ein gutes Abendessen serviert Am
anderen Ufer angelangf, beeilten vvir uns, in dem bereit-
sfehenden Zuge em leeres Coupe zu erobem, und waren
auch so glUcklich aUein zu bleiben
Waiirend wir auf den mitgebrachten Betten vortrefflich
sclihefen, eilte der Zug die ganze Nacht dutch nach Norden
Als wir nach Tagesanbruch zum Fenster hmausschauten,
saben wir zum ersten Male und jnjt Entzilcken die hoch-
ragende blaue Kette der HimdJayaberge, weJche nicht koked
zernssen wie die AJpen, sondem in ruhigeren Formen emsf
und gross sich flber die Ebene erheben In Sdiguri endet
die Bahn, und wShrend wir frUhstUckten, konnten wir in
Musse die niedlichste Puppenbahn betrachten, welche be
stimmt war, uns m achtsttmdiger Fahrt von hier nachZ>n/yee/mg“
htnaufzubnngen Das Pnnzip beim Bau dieser Eisenbahn
war, alle Tunnels zu vermeiden und die Ersteigung der
Hohe durch zahllose Wmdungen zu bewerkstelligen Nur
eimge Male wird eine alizu schroffe Steigung dadurcJi Uber-
wunden dass der Zug im ZickzacJc, abwecbselnd vorwSris
und rOckwarts fahrend, in kurzer 2eit sich betrachthch holier
hebf Wegen der vielen, oft kurzen Windungen mussten
die Schienen mOghchst nah zusammen sein Sie hegen in
der Tat nur zwei Fuss von einander entfernt, wShrend die
Wagen vier Fuss breit sind Um auf dem halb so schmalen
Geleise sicher zu fahren, mussle der Schwerpunkt mbgliclist
fief gei'egf werden, imrf winkfnrh /regf der Fassbodett
des Wagens kaum einen Fuss hbher als der Erdboden Die
Rader laufen also im Innem der Wagen, wo eine Vcr-
schalung Schutz gegen sie gewShrt Die meisten Wagen
der ersten Klasse smd nach oben Uberdeckt, sonst abcr
Die Hirnlbjabahn Die Region tier Tcrai
163
nach alien Seiten olien, und enthallen nur zwei Vordersitze
und zwei Rucksilze Wir beshegen tmen solchen Wagen,
nachdem wir Norsorglich aUe Mantel, Schlafrdcke und Reise-
decken um uns geschlagen, denn da oben auf der HOhe
ist es emplindltch kalt Das klemc, tapfere Lokomotiv chen,
welches uns hinaufbefOrdern sollte, setzte sjcli ziscliend und
faiichend m Bewegung, jagte zuerst noch eine Stunde latig
durch die mit Theepflanzungen bedeckte Ebene daliin, und
dann begann die Region der Terat, — so heissen die
untersten AbliJnge des Gebirges, in denen das herabfliessende
Wasser sich vielfach zu SUnipfen staut Sie sind nut iliren
FieberlUften fOr Menschen ebenso geldhrlicli, wie fdr die
Vegetation erspriesslich In unglaublicher FUlle drangen
sich hier Riesenblume und hocbkhmmende Scblmgpflanzen
durcheinander, das Auge vermag stellcnweisc nicht, sich m
dem Wirnvarr dernebenemander, durcheinander, umcinander
wuchernden Vegetation zurecht zu finden, und hoch tiber
die hbchsten Baume schiessen gewaltige Farnkrauter empor
und vollenden den Eindruck cines Bildes, welches der me
sich vorstellen kann, welcher es nicht gesehen hat, und
der, welcher es sah, me vergessen wird Eine Stunde
etwa dauert die Durchfahrt dieser ungesunden Region,
dann steigt der Zug imraeriort zischend m unzahhgen
Wmdungen wie eine feuerspeiende Schlange holier und
hOher empor Immer deutlicher hebt sich beim Zurlick-
blicken die weite bengalische Ebene vom Gebirge ab, jeden
Augenblick weehseW das Panoiama, man mbchte keinen
Blick verlteren und jeden fQr immer festhalten Die Vor-
beige, die von unten als mScMige Gebirgsmassen sich auf-
tUrmten, liegen jetzt wie im Abgrunde tief unter uns, auf
ihre hbchsten Gipfel blicken wir hoch von oben hinab
Doch Sind die Abhflnge des HimSIaya viel sanfter als die
der Alpen Seltener als dort knecht der Zug unmittelbar
am Rande des Abgrundes hin Nur ein Piinkt dieser Art,
164
VI Calcutta und der tlimdlaya
von den Engiandern sensational point genannt, jst nur jn
lebendigster Ennnerung verblieben Weiter arbeitet sich
der Zug in die HOhe, mdem er sich an die rechte Wand
eines ungeheuren Gebirgstalcs anklammert und dabei alle
Vorsprtlnge dieser Gebirgswand durch zahllose Wmdungen
umgebt Hin und wieder zeigen sich zwischen den Waldungen
die armseligen Hlitten eines Gebirgsdorfes, einige Bewohner
stehen an den Stationen und betteln Im schSrfsten Gegen-
satze zu den Indern der Ebene zeigen sie durchaus den
mongolischen Typus gelfae Hautfarbe, breite Gesichfer,
platte Nasen und hervorstehende Backenknochen Wir
atmen mit Entzticken die reme, starkende Bergluft Zugleich
aber fangt es an, empfindlich kalt zu werden So gelangen
wir gegen Mittag nach Korscheong Bazar, der FrUhstUcks-
station mit zwanzig Minuten Aufenthalt, und m weiteren drei
Stunden nach Goom, dem hOchsfen Punkte der Bahn Hier
lag auf dem Oemfluer in unserer Nahe zu Anfang Februar
wirklicher echter ScUnee, der emzige, den wir m diescm
Winter aus der Nahe zu sehen bekamen Em altes Ii*iss-
Iiches Weib mit nSmscben GebSrden geht betfeJnd von
Wagen zu Wagen Sie wird jedem Darjeelmgfahrer als die
Witch of Goom in Ennnerung sein FrOstelnd nehmen wir
wieder unsere Sitze ein Die Bahn senkt sich em wenig,
umISuft noch emen Oebirgsknofen und fSfirt um vrer L7ltr
auf der Endstation im Balinhofe von Darjeeling ein Hier
gibt es nur drei Arten von Wegen, entweder steil bergauf
Oder steil bergabfuhrende, oder m Wmdungen auf gleicher
HOhe sich halfende Von Wagen haben wir nichts gesehen,
einige Weiber bemachtigten sich unseres GepScks, um es
hinauf nach Woodlands Hotel zu tragen, und wir kletterten
ihnen nach Wir fragen nach Zimmern, der Manager macht
em bedenkhches Gesicht und /ragt wie lange wir zu bleiben
gedachten Icli glaubte schon der Abweisung sicher zu
sem, als ich antwortete, dass wir allerdings nur zwei Tage
Korschcong Bazar Goom Daijcc^ing 165
bleiben kbnntcn Aber wider Envarfen hellen sich die
Abenen des A\annes auf und er spncbt „Dann kaiin ich
Ihnen die besten Zimmer geben Hter von der grossen
Terrasse ist der Eingang und Sie kOnnen von derTcrrasse
Oder aus dem Zimmer, ja von dcm Belfc aus, durch die
Fenster und GlastUren den vollen Anblick des Gebirges
geniessen Aber von Dbeimorgen an muss icb das Zimmer
wieder habcn, dcnn dtese ganze Fluclit von Ztmmcrn ist
fUr den Osterreichischen Prinzen und sem Gefolge bestimmt “
Bei Envtihnung des bsterreichisclien Pnnzen musste ich
lachen, denn schon unlen m Calcutta batten wir darUber
spbUeln bbieu, dass er mcht nut keirv Sanskrit, kcin Hmdostani,
sondern auch so wemg Englisch konnte, dass er sich selbst
m dieser Sprache ernes Dolmetschers bedienen musste Und
das reist nach Indien* bezogen das Zimmer, bessen
emheizen, eUvas ganz Neues in diesem Winter, und wandten
uns der Aussicht auf den zweithOchsten Berg der Welt zu,
sahen aber nichts als erne dichte Nebelwand, wahrend die
naberenBerge und das malensch urn einen solchen gelagerte
Darieelmg deullich zu Ubersehen waren Da lag zu unseren
FUssen derBahnhof wo die wackere kleine Lokomotive so-
eben ihre letzten Seufzer fUr heute ausstiess, da lag weiter
nach unten der Marktplatz auf dcm die Gebirgsbewohner
von Stkkim, Bhutan und Nepal ihre Produkte gegen emander
austauschten und dann ging es tief, tief hmunter, wo der
Weg jmmer steil absteigend am botanischen Garten und
an Theeplantagen vorUber sich m unverfoigbarer Tiefe verlor
Aber was war das alles, wenn uns der Bhck auf die Sclinee-
berge verhullt bleiben sollte? Man trbstete uns damit dass
die Aussicht gegen sechs Uhr morgens fUr eme Stunde sich
aufzuhellen pfiege Fur heute blieben wir zu Hause m der
Hoffnung, dass einer der beiden Inder, denen wir unsere
Empfehlungsbnefe ins Haus sandten uns im Hotel aufsuchen
MOrde Aber der Bote brachte die Antwort dass der eme
166
VI Calcutta und der Himalaya
verreist sej und der andere erne Stunde. weit von Darjeeling
wohne und erst am nachsten Morgen zur Bureaustunde
m die Stadt kommen werde Ehvas enftauscht legten wir
uns beizeiten schlafen, urn am nSclisten Morgen das gross-
artige Naturschaiispiel nicht zii versaumen
Unser erster Blick nach dem Erwachen gait den Schnee-
bergen, aber gegen die Erwartungen, die man uns gemacht
hatte, zeigten sie sich ganz in Wolken gelitillt Wir standen
auf und gingen spazieren, immer m der Hoffnung, dass das
Gebirge wahrend des Tages seme Nebelkappe fUr emen
Augenblick iuften werde, eine Hoffnung, deren Vergeblich-
keit uns jeder Erfahrene voraussagen Xonnfe Flir die
mangelnde Fernsicht musste die Nahe uns schadlos Iialten
Das Wetter war schbn, von den an den Abli&ngen entlang
fuhrenden Wegen tauchte der Blick m abgrundliche Tiler,
m denen die Nebelmassen, auf- und abwogend, allerlei
gespenstige Formen annafimen Wir erreichten emen HUge/,
auf dem ein buddhistisciies Heiligtum lag, welches schon
von aussen durch die zahllosen bunten Fahnchen, mit denen
es besteckt war, mebr den Eindruck emer /ahrmarktsbude
als eines Tempels machte und im Innern allerlei Teufels-
fratzen, aber nichts enthiell, was die Seele hitte erheben
kOnnen Das also sind die Mitfel, welche Jiinreiclien, um
die metaphysischen Bedilrfnisse dieser einfachen Gebirgs-
menschen zu befriedigen Denn im Gegensatze zu fndieii,
wo es keine Buddhisten mehr gibt huldigt hier alles dem
Buddhismus, freilich einem Buddhismus der die ursprUnglicIic
reine ethische LeJirezu einem Wusteaberglflubischer und phan-
tastischerVorstellungen fortentwickelthat Bescheiden wie die
religiOsen AnsprUclie sind auch dfe ilbrigen Anforderungen
welcJicdieBewobner dieses Gebwgslandesan das Leben sfellen
Ihr Los ist harte Arbeit und karger Gewinn, und dabei sind
sie lustig vvie die Sperlmgc OberalJ siehf man sie schwafzen,
smgen und hchen, im schirfen Gegcnsatz zu den ernsten,
Land imd Lcute dcs Himdla>a. Dcr Bitddhismus
167
schwermlitigen Indern dort unten \n der Ebcne Wenn in
Darjeeling em Haus gebaut werden soli, so mtlssen, be!
dem Mangel an Fahrwegen, die Steine dazu alls m Kiepen
auf dem RUcken von Weibern Iiinaufgetragen werden Wir
sahen sie, drall und rlistig, mit ihren Lasten emporsteigen
Mil einer derselben machlen wir Bekarmlscbait. Als sie mit
emem halben Dutzend scliwerer Steine in der Tragkiepe
auf ihrem Rlicken an uns vorbeistieg, ficl em Stein herunter
Sie konnte sicli nicht bUcken, wollte sie nicht noch mehr
Steine verliercn, und sie konnte nicht die ganze Kiepe ab-
setzen, da sie dieselbc ohne HOlfe niclit wieder tiber die
Schultern bekommen hSUe In dieser Not leistete ich ihr
den kleinen Ritterdienst, den Stem wieder m die Kiepe zu
bnngen und wurde dafUr mit einem dankbaren Blicke be*
lohnt Ich konnte sie nun ganr aus der Nflhe betrachten
und bemerkte, wie sie nicht nur alt ihren Schmuck, sondem
auch ihr VertnOgen mit sich trug, bestehend aus emer
Anzahl durchlocherter Silber- und Kupfermllnzen, welclie
als Guirlanden urn den Hals und bis zum GUrtel herab-
hmgen
So vertrieben wir uns den Vormittag und traten bei
unserem Rllckwege noch in den Curiosity Shop des Herrn
M em Dieser wav sichthch erfreut deutsche Landsleute bei
sich zu sehen Er zeigte uns alle seme Herrlichkeiten, als
da waren Teufelsmasken, Fahnlein, SchSdel als Trmkbecher
und buddhistische Gebetsmtihlen In diese braucht man nur
die gesclinebenen Gebete hineinzustecken und mit der Trommel
zu drehen, so leistet dies ganz ebenso viel, als wenn man
die Gebete so viele Male wie die Umdrehung war gesprochen
hatte Die Buddhisten stnd also noch urn emiges praktischer
als unsere Katholiken, welche bei 'Wallfahrten und Prozessi-
onen immer fort und fort ihre Gebete wiederholen Jesus
hat es verboten, beim Beten zu plappem wie die Heiden,
die da meinen, sie werden erhOrt, wenn sie viele Worte
168
VI Calcutta und der Himalaya
machen und stellt als Beispiel eines kurzen, einfachen, herz-
lichen Gebetes das Vaterunser auf Was wurde er sagen,
wenn er sahe, wie sein Vateninsergebet von den Schafen
seiner Herde so und so oft hjnter einander gedankenlos ab-
geleiert wird’ Der Buddhismus von heute ist ein Ver-
grosserungsspiegel der Fehler des K&thohztsmus
Gegen Mittag erschien unser indischer Freund im Hotel
Er war ein grosser, statthcher Alann mit vollem schwarzem
Haar und Bart, die m Rmgelungen sein ausdrucksvolles
braunes Gesicht umspielten Nattirlich blieben wjr for den
Rest des Tages zusammen Er fohrte uns auf den Markt-
platz, der nicht nur fUr die Provinz Sikkim, m welclier er
liegt sondern auch fUr die Voiker des Ostlich gelegenen
Bhutan und des nach Westen sich erstreckenden Nepal
die Centrale bildet Sikkim und Bhutan haben buddhistische
Bevblkerung mongoUscher Rasse, die Nepaler aber, zu denen
eben auch unser Freund gehbrte, sind indischen Blutes Sie
smd die einzige Bevblkerung Indiens, welclie, dank ihrer
Lage im Hochgebirge und ihrer Vorsicht sich von dem
joch der englischen Fremdherrschaft bis jetzt freigelialten
haben Sie erlauben den EuropSern nicht den ungezwun-
genen Verkehr m ilirem Lande, welcher dem Ubrigen Indien
so schlecht bekommen ist Wer in Nepal zu tun hat, der
wird mit seinem Passe nach der Hauptstadt Kliatmanda ge-
leitet, darf dort seme OeschShe besorgen und muss das Land
sodann wiederum verlassen Nepal kann sich rtihmen, den
hbchsten Berg der Welt, den 8800 Meter holien Oaurtgankar
zu besitzen Die Englander haben die Unbescheidenheit ge-
habt, diesen Berg, der nicht einmal ihr Eigentum ist, nach
dem Namen ernes englischen Geometers, der dort Vcr-
mcssungen vornabm, Mount Everest zu ncnncn Solite dieser
Mr Everest hierdurch, wenn auch nur m England, einc ge-
wisse Unsterblichkeit behallen so ist es erne tnunge, der
des Herostratiis vergleichbar Denn wer kann es oline In-
Dcr Gaurl^ankar Dn nepalestschcr Freund
169
djgnation hbren, wenn die Englander an den Wirtstafeln in
Indien die Fragen: „Did you see Mount Everest? Where
can we get a view of Mount Everesf^" etc verhandein, nicht
wissend, die UnglOcklichen, dass dieser Berg von alters her
semen schOnen und hocliheiligcn Namen hat, nSmlich von
(^anhara d i Qiva, der schon von KSlidSsa als der hOchste
Golt, die hOchste Inkarnahon dcs Atman gefeiert wird, und
seiner Gemahlin GaurU deren VerniShlung mil Qankara in dem
wunderschOnen Gedicht KumarasambUava von Kulidcisa mit
den gllihenden Farben der Tropenwelt und des Orientes ge-
schildert wird In dem liOchsten Doppelgipfel verehrten die
Inder ihr hbchstes Gbtterpaar, Gaurt und ^^^nkara, die Eng-
lander aber nennen thn Mount Everest'
Vom Marktplatz zu Darjeeling fUhrte ims der nepalesische
Freund immer stark bergab bis zum botanischen Garten,
welcher fUr die Vegetation des HimSlaya hOchst lehrreich
ist Er woUte uns noch weiter bergab zu emer Theeplan-
tage flihren, aber em schneidend kalfer Wind, der grosse
iMassen Staubes aufwirbelte, gemahnte zur Rtlckkehr Von
den Schneebergen war diesen ganzen Tag durch nichts zu
sehen, aber die Unterhaltung mit dem edlen Hindu in un-
serem Hotelzimmer am behaglichen Kaminfeuer konnte uns
wohl einigermassen entschadigen Dieser Mann war, wie alle
besseren Inder, von tiefem Schmerze Uber die Knechtung
semes Vaterlandes, denn der Nepalese ftihlt sich durchaus
als Inder, erf uUt Er hoffte nut der Zuversicht und dem weihe-
vollen Tone ernes Propheten auf emen kUnftigen Heiland^
erne Art von Messias, welcher die Fremdlierrschaft brechen,
die Mohammedaner vertreiben und Indien in seiner alten GrOsse
und Hevrhchkevt wiederherstellen werde, die freilich wohl
niemals bestanden hat Denn die Inder waren von jeher zu
hochsinnig und geistig veranl^t, urn nicht von der brutalen
Superiontat der Wollenden fiber die Erkennenden unter die
FUsse gelreten zu werden, zuerst von den Brahmanen und
170
VI Calcutta und dec Himdlaya
KDnigen des eigenen Stammes, dann von den Griecheii
Alexanders, von den Bakfrem, den Skydien, den Arabem und
Mongolen und 2uietzt von den EuropSern Wir plauderten
bis zum spaten Abend, worauf unser Freund Abschied nahm,
wohl auf Nimmerwiedersehn „Denn wir kbnnen nicht“,
sagte ich zu meiner Frau, „Tag fQr Tag hier versitzen in der
unsichern Hoffnung, an emem gUnstigen Morgen die Schnee-
berge zu sehen Morgen um zehn Uhr fahren vvir hinunter
nach Calcutta'"
Am nSchsten Morgen beim Erwachen sehe icJi schon
vom Bed aus eine ungewdlinliche Helle, idi springe zur
Glastur der Veranda, und wer beschreibt unser EnfzDcken,
als wif die ganze Bergkette des Kanchiiijinga, des zweil-
hbclisten Becges der Welt, imt all ihren Scbluchfen, Abliangen
und Gipfeln bis hmauf zu den in der Sonne sfrahlenden
GoldhOmern (idncana-fnnga, worans die Pandits den Nanien
erklaren) in wolkenloser Klarlieit vor uns ausgebreitet sahen
Wolil wissend, dass das Schauspiel nicht lange zu geniessen
sem werde, sprang ich selbst nach den Stiefeln m die nocli
mensclienleere KUche In fhegender Hast kleideten wir uns
an und eilten durcli die leeren Strassen des Stadtchens nach
Observatory Hill, um die Aussicht nocli voller zu geniessen
Unterwegs trafen wir den uns schon bekannten KunositSten-
handler M^ der mit seincm Hunde soeben einen Morgen-
spaziergang machte, wir luden Ihn ein mitzukommen, und
er fuhrte uns an den vorteilhaffesten Aussichtspunkt Hicr
wurde der Emdruck des Gebirges nicht wie auf der Wcngern-
alp durch die zu grosse NShe abgeschwadit, sondern vor uns
gShnle m ungeheurcr Weite und Ticfe cm abgrllndlichcs Tal
und unmittelbar jenscits dessclbcn erliob sicli. sichtbar vom
Fusse bis zu den unglaublich hocli cnipordringendcn GipfcIn,
der ganze mit ewtgem Schnec bedcckte Gcbirgsstock Ich
iinterscbicd den hOchstcn Gipfel fn der MUtc, der links und
rcchts von zs\ei ueniger hohen, wjc dieie uicdcr \on zwti
Dtr K3nchti>)»*iga m seiner HcrrUchkcil
171
noch niedrigeren H&mern Hankicrt war Herr M crwies
sich schr ntltzhch, wenn ich aucli wegen dcr Zu\erl.1ssigkei{
Uer folgenden Angahcn, die icli ihm verdanke, die Vcraiit-
worlung dim selbst (Iberlassen muss «Sic sclien dort rechls“,
sprnch er, „z\\jscbcn den beiden letzten HOrnern einen
schwarzen Einschndt Das »sl der Pass, welcber 21003 fuss
boch durch cuigen Schnec nacli Tibet flllirt Ich selbst bin
schon bis 211 20000 Fuss Httlie \orgcdriingcn, mussfc nber
timkehren, da diese Rcisc durch \Dlhg unbewohnfe Gletscher-
gegenden ohne eincn grbsscren Apparat von Triigcrn und
FQhrerti nicht durchzuflihrcn ist Von dem Pass bis zum
hOchsten Gipfel sind \ olle 8000 Fuss, die Sle hier mit einem
Bhck des Auges umspannen Den andern noch bbheren Berg,
nach dem Sie fragten, und den icli mit Ihrcm Vcriaub
Mount Everest nennen muss, da ich den andern Namen
nicht behaltcn kann, diesen allerhbchstcn Berg der Welt
kBnnen Sie von Darjeeling aus niclit sehen Zu diesem
Zweeke mQssten Sie sich auf Tiger Hill, cine gate Stimde
von hier, bemllhen, ich vvilrdc cs Ihnen aber nicht raten, denn
auch dort wUrden Sie wegen der vorhegenden Berge nur
die hOchsten Gipfel wie drei kicme aufgesetzte Zuckerhllte
bemerken Aber jetzt beeilen Sie sich, denn die Sonne steigt
hOher, und bald wird die ganze Aussicht sich fllr heiite
schliessen “ Was wir jelzt sahen, war ein vvundcrbnrcs Schau-
spiel Die Nebel und Wolkenmassen, welclic wie schlafrige
Tiere tief unten in den Talern gerulit flatten, fmgen, von der
Sonne geweekt, an, sich zu bevvegen Langsam und trSge
leckten sie an den Bergen empor, urn wicdcr matt in sich
zusammenzuhllen Aber immer erfolgrclclier imd dazu von
alien Seiten gnffen ste die hOchsten Gipfelriesen an Jetzt
crreichten einzelnc Ncbelmassen von den seltsamsten Fonnen
schon den obersten Gipfel, smken wieder herab, bis sie,
durch die nachrUckenden Alassen untersUttzt, das Feld bc-
haupteten Da sehen wir nur noch die drei hOchsten Spitzen
172
VI Calcutta und der Himaiaja
aus dem Nebel herausschauen, und jetzt smd auch sie m
dem Wolkenmeere ertrSnkt ^Vielleicht wird es noch emmal
wieder klar“, sagte ich zu meinem Begleifer „Darauf ist fUr
heute nicht mehr zu hoffen", erwiderte er Wir kehrten sehr
befnedigt zum Hotel zuruck Der Eindruck war uns um so
kostbarer, je mehr der Berg mit seiner Gunst gekargt, und
je gemessener er sie uns schliesslich zugeteilt Iiatte Wer
langer m Darjeeling weilt, dem wird wahrschemlich auch
diese, vielleicht grbsste Gebirgsaussicht der Welt zuletzt zur
Gewohnheit werden und nicht mehr vjel zu sagen haben
Vor diesem Schicksal waren wir bewalirt geblieben Nicht
wir nahmen von dem Berge Abschied sondern der Berg von
uns, und das ist eigenlhch das SchOnere
Um zehn Uhr morgens sagten wir dem lieblichen Dar-
jeeling Lebewohl und wieder fuhrle uns erne kleme tapfere
Lokomotive m demselben Tempo, mil dem wir emporgestiegen
waren, nicht schneller und nicht langsamer. bcrgabwiirts,
nur dass die Fahrt etwas mehr beunruhigfe, wed wir jetzt
stets nach unten blickten Auf der Mittelstation m Korscheong
Bazar, wo die ZOge von oben und unten sich bcgegnen,
sahen wir in flUchtigen Almufen etne alte Bekannfe, die
hinauffahren wollte Es war Mrs Dmidson eine giite alte
Dame aus Schottland welclie wold cine ahnhehe Rundlour
durch Indien mnehen wollle, wie wir, nur dass sie in erstcr
Lime immer diejenigen Leute aufsuchte, welche wir am
meisten zur Seite Lessen, namlich die Alissionare Von
ihnen gelcitet und mspinert, hat sie olme Zweifcl eln ganz
anderes Bild von Indien nut nach Hawse gebnchf, als w r
es aus dem Verkelir mit den Emgeborenen gewannen ir
batten m Watson s Hotel zu Bomba> zu dreicn dcnselbcn
Tisch bei den Alahizeitcn und gelegentlich bnchfe sic cintn
Alissiomr als \icrten Partner mit Eine solche Oclegcnheit
benulzte ich dann wohl um mich an dem frommen Atann
em wcnig zu rciben ,Ich habe“, soerzihife Icli, »frUhcr in
Rflckfahrt Mrs Da>idson tind ihr Missionar
173
emem Buche, — vielleiclit sind cs Grubes geograpliische
Charakterbilder, — gelesen, dass in den mdischen Tier-
hospitalern (Pmira Pol) auch cine besondere Abteilung filr
Ungeziefer bestehe, und dass man emige Neger eigcns dazu
halte, urn auf ihren KOpfen diesen VerkDrperungen der
cwigcn Weltseele die nDtige Nahrung zu bieten Als ich
ktlrzlich," so fuhr ich fort, „mit meinen mdischen Freunden
das Pmira Pol besuchte und vergeblich, wie ich schon
denken konnte, nach einer solchen Abteilung fragte, da
lachten mir meine Hmdufreunde ms Gesicht und crkiarten,
dass es rue dergleichen gegeben babe, und dass das Ganze
nur eine Erfmdung der Herren Missionare sei “ Envartungs-
voll sah ich den Glaubensboten an memer Seite an Als
er nur aber gam unbcfangen entgegnete, dass cs wirkUch
erne derartige Abteilung im Pmjra Pol gebe Oder doch
gegeben habe, da schwieg tch, urn nicht zu beleidigen
Mrs Davidson also, der wirdiese mteressante Bekanntschaft
verdankten, war m Bombay unsere Tischgenossm, und als
•wir uns zum Abschied die Hande schuttelten, da sagten wir
„auf Wiedersehen",ohnedochanein Wiedersehenimmindesten
zu glauben Und da ist es wirkhch merkwUrdig dass vvir
auf unserem Wege durch Indien rail dieser guten alten Dame
nicht weniger als dreimal, und immer eiligst an einander
vorbei zu gehen genOligl uns wieder begrUssen konnten
Das erste Mai war in Korscheong Bazar, das zweite Mai m
Madura im SUden Indiens, und das dntte Mai am Tage vor
unserer Heimreise, m Colombo vor dem Postschalter
In Siltgun am Fusse des Gebirges angelangt, fanden
wir eine weniger gule Verbmdung als bei der Hinauffahrt,
sodass wir erst nach Mitlemacht Uber den Ganges setzten,
dessen machtige Flutmassen m der zauberhaffen Beleuchtung
des mdischen VoUraondes glitzerten Halb verschlafen fragte
ich nach der eigentumUchen Biuart der am Ufer dem Ver-
kehre dienenden HaUen und Schuppen, uelche alle aus
174
VI Calcttfta und dcr Him1la>a
dttnnen Latteii bestandcn und so aussalien, als liabe man
sie von oben her m den Boden hmcingcpflanzf fch erfuhr,
dass der FIuss scni Bcfte hier selir oft .Indere, und dass
aus diesem Grundc der ganze Bahnhof mit all semen
Bauhclikejten leicht transportabcl sein mUsse We/ter fuhren
wir durch die tiefe mdische Nacht, begrllsstcn die auf-
gehende Sonne hier an deni Oslhclisten Punktc der ganzen
Reisc und Uefen am Nachmittag wohlbchalten in Dum Dmih
der letzten Station vor Calcutta, ein Hier trafen wir mit
Mr Roy und dessen Familie der Absprache nach zusammen,
urn die liier erOffnete landwirtschaftliclie Ausstellung m
Augensebein zu nelimcn Da gab es Pferde, Ochsen, KUlie
mU ihren Kaibern, landmrtscliaftliche Alaschinen usiv Das
alles hatte wenig Reiz fUr micli, und ich vvunderte mich,
dass der Strom dcr Besucher, m dem wir forfgetragen
wurden, mclir Interesse for diese TnvialitJlen zeigte als fOr
die v/underbare Umgebung des Tropenlandes, und melir
Interesse ftir tins europaische Blassgestchfer als fUr die
braunen Qesichter und die malenschen Trachten ihres
eigenen Volkes
Mit der Familie Roy zogen wtr in Calcutta ein um
weiterhm die Gastfreundschaft ihres Hauses zu geniessen
und zum ersten Male den Retz des indtschen FanuhenJebens
kennen zu lernen Die Scliwester von Mrs Roy, die zarte
Iiebliche Miss Cakravarti (von den Engiandern in Chucker-
butty verquatscht) — dieselbe, welclie man m England
meuchlings zur Chnstin umgeknetet ohne dass es der lieb-
reizenden Unschuld ihres Wesens geschadet hatte, — diese
raumte uns ihr Zimmer em, wo wir denn unter Nippsachen,
Photographien und zierlichen Malereien uns ausbreiten
durften Ausser ihr und dem Ehepaar Roy waren noch
deren Kinder, zwei reizende kleine Hindumadchen vorhanden,
welche, wie gewOhnlich in Indien, von einer zahlreichen
Dienerschaft umgeben waren, denn ohne ein Dutzend Diener
TierbChau m Djm Dum Eine Indische Hiushaliun;
175
kann em wohlgeordnetcr Hauslialt in Intlien niclit bestehen
Da ist zunachst als oberster der Kammerdiener, der die
Garderobe des Herrn in Ordnung bait und aucb bei Tisch
aufwartet, sodann erne Kammerjiingfcr ztir Bedienung der
Frau des Hauscs und eine Kindcrfrau fur die Kleinen
Letztere wird aiich haufig nacb Europa mitgenommen, und
m London ist sie untcr dem Namcn Aya wolilbekannt und
bbeiab anzutreUen Weder iolgt m der Hierarchic der
Dienerschaft der Koch {D^xarcht) cvcntuell nut Gehnifen, der
PfOrtner, der Kutscher, der Waschmann, dcren jedes Haus
schon wegen der Ansteckungsgefahr semen eigenen hat, der
Gartner (Mali), der Wassertrager Oder Bhisti und endlich,
als untcrster in diescr Khmax, der ^\chiar (von den Eng-
landern auch 5uce/»cr genannt), wclcher immcr auf der Lauer
liegen muss, urn alle Exkremcntc sofort m den hierzu
dienendcn PoncUancimern lu bcseitigcn Em mdischcs
Haus ist daher in der Regcl sehr snuber, appctithch und
geruchtos, zumal auch die Kiiche nicht im Hausc, sondern
in einem Nebengebaude zu sem pbegt An GehaU erhalten
diese Diener von 20 bis licrab zu 5 Rupien monatlicli, also
zwischen 30 und 7 Mark Ausser diesem gewiss sehr
niedngen Lohn bekommen sie gar nichts, weder Essen, noch
Kletdung oder Wohnung Sic wohnen irgendwo m der
Nachbarschaft nut ihrer Famtlie, kommen nur, um die ihncn
obliegenden Dienste zu vernchten, und gehen dann wieder
nach Hause Im ganzen mOgen die Kosten der Bedienung
fUr ein Haus sich auf etwa 150 Mark monatlicli belaufen
Mr Roy hat uns alle die folgenden Tage in Calcutta
nicht nur in der freigebigsten Weise logiert, gespeist und
getrankt, sondern er war auch unablSssig darauf bedacht,
uns neue und wertvolie Eindrbeke zu verschaffen Einer der
interessantesten war der folgende
Es hielt sich damals m Calcutta erne hochheihge Blissenn
auf, und em Freund von Mr Roy erbot sich, mir erne Audienz
176
VI CaJcuHa und der Himalaya
bei ihr um acht Ubr morgens zu verschaffen Em Djener Iiolfe
mich und meine Frau frUh morgens ab und erzalilte von der
Heiligen allerlei Wunderdinge Sie sei erne Prinzessm aus
dem Sbden, besitze 6 Laksha (6 X 100000) Rupieti, habe
aber alles weggegeben, um als Sannyasinf zu leben, niemand
kenne ihr Alter, man glaube, ste sei bundert Jahre alt, und dabej
sehe sie aus wie em junges Madchen etc Unter diesen
Gesprdchen kamen wir zum Hause des Freundes und liessen
uns melden, mussten aber geraume Zeit m dem von dem
Hause umschlossenen, gerdumigen und wohnlichen Hofraume
warten Der Herr, hiess es, verrichte eben seine PiijS
(Morgenandacht), und dann dDrfe ilm niemand stOren Wir
waren also aus dem m dem Roy'schen Hause herrsclienden
Freisinn in die Region des frommen Indiens gelangt End)ich
kam der Freund, und nun gmg es zur BUssenn Wir wurden
eine Treppe hoch m em gerJtumiges, aber vollkommen leeres
Zimmer gefuhrt, nur ein emfacher Teppicb Uberdeekte den
ganzen Fussboden Die HeiJige erschien, und icli verneigts
mich, wagte aber nicht, ihr die Hand zu reichen Sie war
durchaus emfach aber anstflndiggekleidet, von den schwarzen
aufgelOsten Haaren an, welclie Jang auf beide Schultern
herunterfielen, bis herab zu den StrUmpfen, auf denen sie
mich empfjng Ihr Wesen war ruing und anspruclislos, alles
an ihr machte den Emdruck emer gutherzigen, mtltterlichen
Matrone zwischen 40 und 50 Jahren Sie spracJi ganz gut
Sanskrit, und ich legte ihr unter anderem die Frage vor,
welches von den sechs philosophisclien Systemen das besfe
set Sie antwortete, dass alle miteinander gut scien, eine
Ausserung, welche mich jetzt weniger Uberraschcn wUrde als
damals Denn in gewissem SInne erganzen sich die sechs pliilo-
sophischen Systeme zu ciner elnlieitllchen Weltansichf Die
MlniSnsS sleht m der Vorhalle der Philosophic, da sie nur
das Ritual logisch verarbcitet und alle dabcl auftauchenden
Pro's und Contra’s dialektiscft verfolgt Der VedSnia ist die
Audierz bt> einer Ifciligcn Djc 5>echs S>5temc
177
eigenlliche MctapU>sik InUicns, das \wr emc re-
aUstische Umgestaltung cben diescr, schon in den altcsten
Upantshads \orliegenden Ved5nta-Metaph>sik Z\MSclien
diesen beiden S>stemcn ist der Gcgcnsatz noch am grbssftn,
olme doch die innere Verwandtscliaft aufzuheben Der Yo^a
ist die praktische Seite der Atmanlcbre, nicht Moral, dtnn
wer diese Welt als Illusion ciKannt bat, ist Qbcr gute und
bOse Werke lunaus, sondern der Yoga ist emc cigcntOmhclie
Technik, durch V'ertiefung in das eigne Innere dort das
Brahman, den Atman unmiHelbar 2 u ergreifen Was endlich
den Nyaya und das Vaigcshikam belnfft, so bietet der erslere
eiuen allgCTncm gbUigen Kanon der Logik und nocb tnebr
der Enstik, das leuterc eine natur-MSScnschaflUchc Klassi-
fikation alles Seienden tmter seebs Kntegonen
Die Antwort der BUsscrin auf mcme Fragc Itisst sich also
von dem unhistorischen StandpunUc, auf dem allc Indcr
slehen, ganz wobl begreifen Unhistonsch war freilich aucb
die Antwort, die sie mir gab, als ich cs vvagtc, das bundert-
jahnge junge Madchen nach seincm Alter zu befragen,
najnayate, „dasist nicht bekannt," war ihre einfache Antwort
Nun aber kam das Fragen aucb an sie, und ihre Haiipt-
frage war, aus welcher Kaste ich sci? Da alle nicht brah-
manischen Inder eo ipso zur Kaste der Qfldra’s, der Ver-
worfenen, gehOren, so liatte ich mich frllher, wic schon be-
nchtet wurde, des ofteren fur einen QQdra erkiart, begegnete
aber dabei cinem solchen Befrcmden in den Mienen der
Hflrer, dass ich weilerhin em anderes Marlein erfand, mdem
ich mich fUr einen Brahmanen ausgab, der durch eine in
der frUheren Geburt begangene SUnde zum Qfldra, zuin Eu-
ropSer herabgesunken sev und hoffen dOrfe, m einer nachsten
Geburt wieder zum Brahmanen zu wefden Diesen Scherz,
der vie! belacht zu werden pfiegte, beschloss ich auch vor
der BUsserm zum besten zu geben, kam iber dabei nicht
an die rechte Kaum hatte ich mich dafur erkiart, m memer
Deusstn Erinnttungen aa Ind en 12
178
VI Calcutta imd dcr Himalaya.
vongen Geburt ein Brahmane gewesen zu setn, als sie mich
unterbrach und in strengem Tone fragte, woher ich das
wisse’ Ich antwortete „Es werde gehdrt* Der erlauchte
KSlidSsa sagt in der ^akunlald
Wenn bei dem Anblick sdioaer GegenstSnde,
Bei sussen Tdnen Sehnsucbt uusem Geist,
Auch wenn wir glucklich sind, oft libcnnannt.
So kommt dies, ued wir, wenn auch unbeuusst,
An Freundschaften, noch wurzetnd tief im Snnem
Aus fruheren Geburten uns ennnem ”
„Seit tneinem ersten Bekanntwerden mi/ der Sanskrit-
sprache,“ fuhr ich fort, ^fflhlfe ich mich zu ihr m so siarker
Freundschaft hingezogen, dass ich glauben muss, m emer
frtlheren Geburt schon Sansknt gesprochen zu haben, also
em Brahmane gewesen zu sein “
Diese Argumentation war fOr die gutc Matrone uber-
zeugend, und als ich weiter schilderfe, wte tch durch eine
schwerere Sflnde zum ^Qdratum, zum Europaertum, herabge-
sunken set, da matte sich m ihren ZOgen das tiefste Mitleid,
und als ich mit gehobener Stimmc fortfuhr n^ch-
dem icli Indian besucht, in Benares geweilf, Dicli, o Heihge,
gesehen babe, darf icb hoffen, bei der nSchsten Geburt wieder
em Brahmane zu werden*, — da rollten der frommen Frau
die hellen TrSnen Qber Wangen und Brust, welclie sie von
beiden Seiten mit den herabhangenden Haaren abtrockncfe
Endlich war die Audienz zu Ende, dje hohe Frau ver-
abschiedete sich, und als auch \Mr die Tore gewonnen, da
stand dort em Djener und belud uns mit emer Mengc kosi-
barer mdischer Stissigkeilcn, nut wclchen wir fOr die W'elt
nichts anzufangen wussten, und froh waren, sic den Rofschen
Kindem zum Qeschenk maclicn zu kOnncn
Am Naclimittagc dieses glorreichen Tages maclilc Ich
mit Mr Roy emcn Besuch bei dem auch in Europa uotil
bekannfen, aber mehr bcrUchhgten als beriJhmfen flenus-
Mcine Kistc Bcsuch bei juanancla \id\is3gv3
179
geber zahircicher SanskrtUcxte, Jnarandij Vid)usai^aro, und
fand jhn, ganz wte er sich auf dtm Bdde vor semen Aus-
gaben zeigt, mit imtcrgcschlagcnen Belnen auf cmern niedrigen,
aber sehr langcn und breiten Tjsch sitzend, von iManusknpten
und BDchcm umgeben Sem Vatcr, Vucaspatimi^ra, ist der
Herausgeber ernes aberaus reiclihalligen, vicr dteke, eiiggc-
druckte Lcxikonbande fUllcnden, cncyklop^dischen Sansknt-
wBiterbuches, wclcbes in Luropa fast gam unbekannt ist, da
es memes Wissens aucU m BdhUmgk's und Roth’s WOrter-
buch nirgendwo citterf wird, wahrend sic doch auf den
Qabdnkalpadritma, das grosse aber viel weniger rciclihaltige
Parallelwerk, des Ofteren verweisen Bcidc Enc>klop3dien
werden m Indicn viel gcbrauclit und suchen bci einer neuen
Auflagc das Schvvesterwerk zu benutzen und zu Ubcrbictcn
Eben crschien eine neuc Ausgobe des Qabdakalpadruma, auf
wclche ich flir den genngen Prcis son 70 Rupicn siibskn-
bierte, und die auch spdterhm bis zum Letzlcn vollstandig
m meine Hande gclangt ist Nebcn diesem wollte ich auch
das Vucaspalyam liaben und erstand es in vier sehr starken,
gut gebundenen Banden flir 100 Rupien (damals 125, jetzt
133,3 Aik) Bei dieser Oelegenheil erfulir ich von Jivdnanda,
Nvie unglaubhch biUig m Indien der Buchbmderlohn ist, so-
dass er auch bei starken Banden noch nach Pfennigen be-
rechnet werden kanti Weiter kaufte icli noch eine Mengc
Bticher aus der Offizin des JivSnanda, deren Gebrauch wegen
ihrer Unkorrektheit zwar nicht anzuraten ist, die aber in Er-
in an gelu ng aruiecec Aiisgabcn doch. gule D leoste le^-steu. V.y-w.ev. ,
zumal die schwiengen Texle von JivSnanda mit emem
kurzen, von ihm selbst verfassten Oder kompiherten Kom-
mentare versehen zu sem pflegen Der Alann mag em ganz
bedeutender Polyhistor sem und war als solcher nicht frei
von Eitelkeit „Ich habe", sagte er, „in meine Ausgaben melir
als (KXIOOO Rupien gesteckt, jedenTag Jasse ich liber vierund-
sechzig Seiten drucken und schreibe deren wohl gegen vierzig“
12 *
180 VI Cdiculta and der lUni5.l3ys
Ich erwiderte, dnss man ihn in Europa hblier schatzen wtlrde,
wenn er weniger und das Wenigc urn so korrekler drucken
lassen wollte Er antwortete das komme daher, dassi er
oft durch Oberarbeitung krank sei und dann die Arbeit frem-
den Handen tlberlassen mtisse Ziilefzt kamen wir auf das
Versemachen im Sanskrit, und er sprach Jetzt will ich
Ilmen einen Vers aufschreiben, und ich wette dass Sie den
Sinn nicht herausbekommen soHen, wie Sie sich auch
immer stellen" Er schneb den Vers, den ich nocli unter
meinen Papieren aufbewahre, und ich erwiderte nur, dass
man es bei uns hbher schatze, wenn jemand Verse schreibe,
die jeder, als solche, die niemand verstehe Wir ftlllten die
grosse Kiste bis an den Rand mit Buchern, und ich bezahlte
das Ganze wie auch die Fracht welche von Calcutta bis
Hamburg nur 7 Rupien kostete Ungefahr ebensoviel betrug
dann noch die Fracht von Hamburg bis Kiel, wobei
eine lange Recimung flir Ausbootung Landung, ZoIIrevision
etc etc aufgesteflt war Aber woven sollfen wohl die Ham
burger Agenten, Jolfer und Jobber leben wenn sie es nicht
auf diese Weise anftngen?
Wir wOllten Calcutta niclif verJassen, ohne setnem weJf-
beruhmten bofanischen Garten einen Besucb abzustatfen
Schon friiher batten wir einen solcben mit Frau Dr HOrnle ge-
plant deren Gemahl damals Pnnzipal des mohammedanischen
Madrasa College in Calcutta war, aber begreiflicherweise
seme Hauptinteressen im Sanskrit stecken hatte So zeigte
er mir nach emem angenehm in semem Hause verbrachten
Abende auch die beiden buddhistischen Handschriften medi-
zmischen Inhaltes aus dem vierten Jahrhunderl p C, welcfie
damals vor kurzem gefunden worden waren und wegen i/ires
liohen Alters Aufsehen erregten An diesem Abende wurde
auch far den folgenden Tag ein Ausflug m den botanisclien
Garten verabredef, der aber nicht zu stande kam weil es in
der Nacht ziemlich stark geregnet hatte, und der Aufentlialf
Dcr botimsclie Garten Der Sja^rodliabau'n 181
ni ciner feuchteii Pflanzenluft m Inilien leicht Fiebcr nach
sich Ziehen knnn Erst kurz \or unserer Abreise kanien wir
nun doch noch dazii, mit der famtlic Roy den botanisclien
Garten zu besuchen Derselbe liegt nardhch \on der Stadt,
jenseits des Hughli, und da auch Ro>*s Wohnung im Norden
\on Calcutta lag, so konnfen wir tins den langtn Unuseg
nach Sliden fiber die HughlibrDcke und wicder nach Norden
ersparen, wenn wir direkt «n Boot fiber den Strom fuhren
und am botanischen Garten landctcn Em Boot init einem
Dutzend uniform geklcidcter Rudercr wurde von freund
MuUtk zur Verffigung geslcllt, und so fuhren wir m vor-
nehmster Wcise liber die gelbeii Fluten dcr Oang5, deren
cmen Arm dcr Huglili bildet, und landctcn an ciuem klemen
Treppehen, welches dirckt in den schOnsten Ted dcs weit
ausgedehntcn botanischen Gartens fohrte Gleich beim Em-
tntte gelangtcn wir in cine brcite und lange Allee welclre
auf beiden Seiten von hohen Palmbaumcn umgeben war,
die, alle von gleicher Grdsse, gleicher Art und glcichem
Wuchse, einen Anbhck von llberwaUigcndcr SchDnheit boten
Aber auch welter trat dem Bescliauer liberall, wohm cr das
Auge richtete, die Herriichkeit der tropischen Pflanzenwelt
in ihrer vollsten Entfallung entgegen VorUber an geschmack-
voUen Anlagen mit Baumgruppen, Schhngpflanzen, Blumen-
beeten gelangten wir zu der grOssten SehenswUrdigkeit des
Gartens, dem grossen Nyagrodha-B^\im Dieser Baum, ficus
hulica dessen Sailskntname, „der nach unten Wachsende"
bedeutet, sendet seme Zwcigc nach unten, wo sic unter
gtinstigen Umstdnden den Boden erreichen, dort Wurzel
schlagen und zu neuen Stdmmen erstarken, sodass schliess-
lich aus dem einen Baume em panzer Wald wird Jedoch
ist dieses ResuUat seiten, so hSufig auch der Nyagrodha-
baum ist, den man in OSrIen und an der Landstrasse Uberall
antrifft GewOhnhch erreichen die nach unten strebenden
Zweige gar nicht den Erdboden und treiben ilire Wurzein
182
, VI Calcutta und der Himalaya
tn der Luft, wo sie dann verkummern Nur bei cintgcn
Nyagrodhabaumen, die in ganz Indicn als Selienswtirdig-
keiten bertlhmt sind, ist die Entwicklung des Hauptstammes
zu einem fComplex von Sfammcn geiungen Das bertllimteste
Beispiel jst der Baum, von dem wir reden, im bofamscJien
Garten zu Calcutta Nicli( nur beim Anblicke einer Abbildiing
desselben, sondern auch wenn man persOnlich unter ‘seiiitn
Stammen umberspazierf, ist es schwer, den Zusammenbang
des Ganzen aufzufassen Von dem durcli seine Dicke Icicht
erkenntlichen Hauptstamme gclit cm machtigcr Ast mcli
der Seite bin d/eser wiederum sendet seme Nebcniste seit-
wbrts, und von alien diesen Asten und Hcbenlsten laufen
neue Stamme nach unten in den Boden Erne Anzihl
derselbcn ist sction zu stadlichcn Biumstlmmcn ersfarkt,
vielc andere smd noch in der Entwickclung begrff/cn und
Nserden kunstlicb m HUlscn von Bimbusrohr i ach dem
Boden geleitct '
Wir verzichten darauf, die ubrigen zablrcichen Schens-
wilrdigkeiten von Calcutta zu bespreeben Der zoologisclie
Garten, die ucife Matdan-Chzne, aufderuirm derAlorgen-
friihe spazieren gingen, bis die Sonne ims \ertr(cb, dis
Antiquitatcnmuscum der Edengartcn mil seiner aus Hinltr-
mdlen impordcrtcn shmcsJsclicn Pagodc, dis Alustum dtr
asiatischcn GcscUsclnlt, wciches ich auF dem Umsclilag
der Hefte der Bibliollieca Indica so otl mit Selmsuclit be-
trachtet battc, das allcs mag Jdtr nur genannJ utrdiJi
Audi so manclic frcundlichc, Ji lierzlidie Berniinmgtn mil
Cingcborcncn verschiedener Sllnde, die sidi von Tag zu
Tagc niclulcti mOssen hier tlbcrgangcn werden Am 8
Tebruir 1893 packten vsir unsen. Koffer, um im Abend ab-
zurehen Ats sinnfgcs Andcnkcn an Cilcufti sdankfv mir
Mrs Roy cinen Ihtqqa (Wassurpfcife) bi^tclund lus cinvr
Kokosnu^s, m vvcldic von obin her der Rautli Ins Ins
Wivscf geltbcf vvbd CIn zvvidcs lodi tn dtr oXkicv
Seite J28
Der Nyagrodhabautn im botanischen Garten zu Calcutta
Abschieil ^on Calcuth Der Huqqa
183
uasserfreien HSlfte der KoKosnuss wird an den Alund ge-
bracht, urn den Rauch hcrauszusaugen .Da der brennende
Tabnk m emem tQnemcn Kopfe senkrecht nber der Kokos-
nuss balanciert, so dart das Ganze nichtaus derperpendikulJiren
Lage gebracht werden, und cs sieht iiusserst possieriich
aus, wenn der Rauchende sjch bei jedem Zuge nut Mund,
Kopf und Hals an die Kokosniiss anschmiegt Em hinem-
gestecktes ROhrehen wllrde dtese Unbequemlichkcit heben,
aber die wenigsten erlauben sicli eincn solchen Luxus Der
gewOhnhche Rancher, wie man Ihn in Calcutta vor der Tiir
seiner HUtte an der Slrasse sitzen sieht, tnnkt den Rauch
unmittelbar aus dem in die Kokosnuss gebohrten Loch
Anders und viel konstlicher mit GlasbehJifer und Schlaucli
ausgestattet sind die Wasserpfeiten in den tUrkischen LSndem
Sie heissen dort Nargileh, welcher Name aus dem Persischen
stammen soli Indes gebe ich zu bedenken, dass ji&nkcla
im Sanskrit die Kokosnuss bedeutet, und dass die indische
Wasserpfeife statt der in der Ttlrkei tibhclien Glaskaraffe
noch heute als Hauplbestandled erne wukhche Kokosnuss
hat Es dQrfte also der Name und nut ihm der ganze Ge-
brauch aus Indien stammen und von dort erst nacli den
westhchen Landern gelangt sem
Siebentes Kapitel
Von Calcutta iiber Allahabad nach Bombay.
Am Abend des 8 Februar brachte uns Freund Roy zuni
Balinbofe, und dort liatte sjch noch em grbsserer Kreis
der m Calcutta gewonnenen Bekannten und Freunde em-
gefunden Leider war die Abscliiedsstunde eine sehr un-
behagliche, denn der Zug war eln mail train d h ein
solcher, der in Bombay (bis wohin er drei Nachte und zwet
Tage brauclit) an den Postdampfer nach £uropa anscbJiesst,
und diese Zbge smd in der Regel sehr UberfUlIt Eine
ungeheure Menge wogte auf dem Perron auf und nieder
Auch m der ersten Klasse war kaum unterzukommen sodass
ich meine Frau im Damencoupe placierte und ftlr micJi
anderswo e/nen Liegeplafz eroberte denn ein solcher wird
fur die Nacht den Reisenden der ersten Klasse von der
Qesellschaft garantiert Schon auf einer der nSciisten
Stationen wurde mehr Plafz indem zwei junge Englander,
welche die oberen Lager einnabmen ausstiegen Wahrend der
Zug einlief krochen sie geinachlicJi henmter und fingen an,
ihre Toilette zu ordnen Der Zug hielt, sie zogen die Stiefef
an banden die Cravatte vor, — erstes Zeichen zur Abfahrt,
sie setzten die Hate auf und schlossen ihre Koffer — zwedes
Zeichen der Zug setzfe sich langsam m Bewegiing, — der
erne stieg aus, nahm nebenher hufend das Gepack an der
Von Calcutta nach Allahabad Professor Thibaut 185
antiere aber, ganz kaltbltHig, tappte noch jiach dicsem iind
jenem, und derZug bewegte siclisciion mit emcrziemliclien
Geschwmdigkett, ats der junge Mann ganz pomadig hinaus-
klctterte und noch glQckhch unten ankam Eine gevMSse
Venscgenheit tst den Englandern cigcn, und doch ISuft alles
gut ab, denn sie wisscn sehr gcnau, avie vicl ste nskicren
kOnnen
Am andem Morgen hicU dcr Zug in Moglial Sarai,
gegenfibcT von Benares, und luer bcgrlisste mich, wic bcreits
erzahU, noch emmal Govmd Dfis und hcf, den Colonel Olcott
zu holen, um uns nut einandcr bekannt zu machen Die
Scene war nur von kurzer Daucr, denn sic bheben, und ich
musste welter Ich w'arf noch emen verchnmgsvollen Blick
aul die heihge Stadt, die sich drllbcn jenseits des Ganges
im Morgenglanz aufttirmte, und einen zweilcn wcnlger ver-
ehrungsvohen auf den gefeierten Hflupthng der Theosophisten
und semen getreuen Adcpten, und weiter ging es am sud-
hchen Ufer des Ganges hin, bis wir um drei Uhr nachmit-
tags in Prayaga etnhelen, ciner Stadt, deren heihger Name
von den Mohammedanern getilgt und durch das persische
Allahabad ersetzt wurde, ahnUch wie ihre BrUder im Westen
m der Hagia Sophia die Gesichter der Engel auskratzten
und daflir Sterne aufpmseUen
Wir verhessen den Zug und fuhren m Laurie's Hotel
Eben Uberlegte ich, was zu tun sei, um hier den mir be-
kannten Professor Thibaut, mit dem ich im Sommer 1866 bei
Weber QakuntalS gehOrt, aufzusuchen,, da las ich auf der Hotel-
tafel unteranderenNamen auch dieWorte Professor Thibaut
und Familie Er lebte bjs zum Auffinden einer passenden
Wohnung mit seiner Frau und zwei Kmdem hier im Hotel,
wahrend er sem Amt als Professor des Sanserif College in
Allahabad versah Er lehrte dort als geborener Deufscher
merkwUrdigerweise Englisch, wShrend sein pnnetpal und
philosophischer Berater Gou^ das Sanskrit vertrat Beide
186
VII Von Calcutti nach Bombay
smd sehr achtbare Forscher auf dem Gebiete der mdisclien
Philologie, aber em tieferes Vcrstdndnis fUr die Pliilo-
sophie der Inder kann ich weder dcm einen noch dem an-
dern zusprechcn, so sehr sie sjch auch beide um dieselbe
bemUbt baben Ihre pcrsOnlichc Erscheinting war so ver-
scbiede/i wie mOgJicb Mr Gough, ejn hochgevvachseiier,
wohlbeleibfer Englander, itnmer vergnhgt, lachend und jovial,
walirend Thibaut em cmstes und m sicli gekehrtes Wesen
zeigte Thibaut erzShlte mir, dass er laglich vier Sfuoden
zu untemchten habe Hiemach werden, wie es scheinf, die
m Indien wirkenden Professoren zwar \iel hoher bezafilt aber
auch viel mehr ausgenulzt, als ihre deutschen Kollegen
Ich beeilte mich, der Familie Thibaut, ehe wir beim
Abendessen im Hotel zusammenlrafen, noch memen Besuch
zu machen, und so setzten wir uns auch zu den Mahizeiten
an emem Isolierten Tische zusammcn Unsere Auffassungen
von Indien waren sehr verschieden Thibaut segnete die
englische Fremdherrschaft, da durch sie erst Ordnung und
Zustande, nut denen sjch leben lasse, ms Land gebracM
Worden seien Auch die Schdnbeit des Landes fand in ihm
keinen rilckhaltlosen Bewunderer So stebe Indien, meinte
er, dann gegen Europa zurQck, dass es zwar Gartenblumen,
aber keine wilden BJumen habe, eine Behauptung, die m
dieser Ausdehnung doch wohJ nicht verstanden sem wollte,
denn wo es kejne wjlden Blumen gibt, woher sollen da die
Gartenblumen kommen’ Oder haben vielleicht erst die Eng-
Llnder diese beremgebracbt, sodass die m der aJhndischen
Poesie so hkufjgen, vom Hiniinel herabtallenden Blumen-
regen von irgend einem anderen Planeten herabgekommen
— Nifch schavrer mmie es nttr, entch iW/
Thibaut zu verstandigen Wenn wir auf die Emgeborenen
zu sprechen kamen, so ausserfe sie sich in so scharfer, weg-
werfender Weise, dass ich auf Orund meiner persOnlichen
Erfahrungen nicht umbm konnte, ibr entschiedener entgegen-
Mr Gough Besuch von Pra>1ga
187
zutreten, als man es sonst emer blossen Vertreterm des
scli6nen Geschlechts gcgenRber zu Jun pflegl
Neben djesen elwas knWen Berllhrungen machte sich
die Warme, mit der die Inder mir auch hicr entgegenkamen,
urn so mehr fulilbar Kaum war unserc Ankunft ruclibar ge-
worden, so stellten sich am crslen Abend noch \or Ende
der Table d’hote em halbes Dulzend Bcsuchcr em, imd da
ich Ubermorgen sclion wciterreisen musste, so wurde fUr den
folgenden Tag ein schr rejches Programni entworfen Dtr
erste Bcsuch solUe natUrUch der hochlievbgen Statte des Zu-
sammenflusses von Gatlgti und YamtinQ gellen, darauf der
Besichtigung der Ubrigen Sehcnswnrdigkeiten, und gegen
Abend sagle ich dann zu, cmen Vortrag dber die Vcdflnta-
plulosophie zu halten, zu wclclicm ein jungcr Advokat,
Roshaii LQl, m der Eile Einladungszetlcl drucken und ver-
breiten bess wie er denn auch tUr aUes Wedere zu sorgen
tlbernahm Krishna Joshm hmwiederum halte sich erboten,
uns am andern Morgen friJh mit emem Wagen abzuholcn,
und so eihg gcschah unset Aulbruch, dass ich meme game
Barschaft, besteliend in einem fingerdicken Pack von Zehn-
Rupien~Scheinen, unter dem Kopfkissen liegen Iiess Ich liess
nochmals zucQcMahren, angeblich, urn memen Dtener Purin,
mehr aber noch, um mem Banknotenpdekehen zu holen und
durch Mitnahme beider beide vor einander m Sicherheit zu
bnngen PurSn hatte die Betlen schon gemacht, und das
Vermisste lag anschemend unbertihrt unterm Kopfkissen Ich
musste daraus schliessen, dass Pur5n sehr ehrlich war, Oder
er seme Betten sehr seWeeht zu ItJllen pbegte Er-
leichterten Herzens fuhren wir durch die grosse volkreiche
Stadt tiber die YamunS und kamen endlich nach Prayaga
dem „Opferplatz“, der auch Trivem heisst, d h „die drei ’
fache Locke", weil hier drei Flusse ihre Wasser vereinj?
die Gangs, die YamunS und als dritter die nur m der F ^
bitdung bestehende himmlisclie GafigS Die ^
188
\ II Von Cilcutta nach Bombaj
sprmgende Landzunge zwischen beiden FKlssen istzuariin-
beuohnt und unbebaut, hat aber doch nichts von der schauer-
hchen Erhabcnheit, vvie man sie etwa in Delphi oder am
Herlhasee empfinden mag Die sclion Ofler erwAlinte Nei-
gung der Inder, Religion und Sport zu kombitiieren, kommt
auch hier zum Ausdrucke Eine bunte, frOliliche Menge
tummelt sich zur morgendllchen Badezeit auf Praydga Die
einen piatschern lustig im Wasser, die andem trocknen am
Ufer ihre Kleider, plaudern, lachen und scherzen. allerlei
Messbuden sind aufgeschlagen, an Blumen und Snssigkeili-M
ist kein Mangel. Bettler und Gaukler drfingen sicli dtirch dte
festlicli gcstimmtc Mengc und hallen reiclilichc Emte Wif
nahmen cines der zahlrcichen Boole und licssen un^ zu der
Stelle rudern, wo die blauen Wasser der Yamiinl mif den
gelben Fluten der Gaugl zusammenstossen. urn dann In
trllbcrcm Oemischc zusammen forizugleitcn Die frdhltchen
Onippcn am Ufer, die wcitc somicbcghnzle indi^che Land-
schaft die hochragende Stadl als Abschluss in dir Firne.
das alles ware cm Sciniispicl fOr Gntler pewesen, denn der
Mcnscli ertragt cmc solchenillcvonCindmckcn.uu. ‘in-' unsiru
Rcjsc bot, niclil, olinc zulcizl In elwns abgtslumpft zu wirden
Unscni Rnckwtg nalimtii wir liber das tori uml bi-
«itchligltn hier, wit vormals bcl Dillii, die bcrlllimte SluU.
wclche mil den Cdiktcn dtslmddlnfn.undlicln.ii. abtrgtRCU
allc Rtligioncn lolcrautcn KOnigs A?oki gtschmlicll i'l 3“
die sicIi vtrschiLclcnc Insclirillcn aus splivrcr 7vil .^nscl^Ilt’‘‘'tu
Gnu In dtr Mhe sliegcn wir in cm GtwOlbc himintcr. uu
dtn wundcflnrtn Afshaya HaUi dtn .uiivtrBanqUclun TtUen*
bvum“ zu bcsclnutn, wtlclicr In cincm kcllcnrfipen Rnmi
unttr Atisschluss von Llch! und ^clcr Lull waihsi und do.b
niL .ibttirbf, unzwtilcUnM cin Wutulcr, — wenn nichi v ie •
tciclit vo'i 7tit zu /.cil eln wcnig nachfichnUen werde i "U
l)i.r Rest dis Vnrmitngs wurdc nut lies cl5iii.un^ tif
Sui'i und Iksuthen luspcfOlll Olcicli inJi din HM.p
Das Fort Vortrag m AllaliabaJ
189
mich eine Anzahl Pandits m Beschlag, bis urn vier Uhr Roshan
L5l erschien, um niicli zum Tliee >n seinem Hause abzuliolen
und von dort in die Vorlesung zu geleiten Der geraumige
Saal fullle sich erst allmaiilich, wahrend icli, auf meinem
Katlieder zwischen zwei Kandelabern thronend, mich ruliig
von den Versammelten betrachten liess und in der Oeschwm-
digkeit Anfang, Mitte und Ende meines Vortrags Uberdachte
Zur Vorbereitung hatte icli keine Zeit geliabt, aber der
Gegenstand war mir in seiner allgememen Oliederung und
in alien Emzelheiten so vertraut, dass ich mich ruhig der
Giinst des Augenblickes anbefehlen konnte Diese liess micb
denn auch nicht im Stiche Als der Saal sich mit Sitzenden
und Stehenden ganz geflillt hatte, licss ich Tilren Fenster
und Laden schliessen und enUVickelte mit dem Feuer und
Nachdruck ernes Oberzeugten den VedSnIa m seiner allein
ernst zu nehmenden monistischen Advaita-Vorm, indem icli,
unbektimmert um die Standpunkte memer ZuhOrer, alle an*
deren Formen, wie denn namenttich auch die theistische,
als emptfische Entartungen charakterisierte Auch hier wurde
mir, nachdem ich geendet, mit echt indischer NaivitSt die
Bitte unterbreitet, mit RUcksicht auf diejenigen Anwesenden,
welche des Englischen unkundig seieii, meinen Vortrag noch
emmal auf Sanskrit zu wiederholen Ich willfahrte m der
Kiirze, und nun begann die Diskussion, welche fUr den Ernst
und Eifer, mit dem man m Indien die Philosophic treibt, ein
sprechendes und fur Europa beschhmendes Zeugnis ablegte
Die emen sprachen Englisch, die anderen Sanskrit, noch
andere Hindi Neben zustimmenden Ausserungen stiess ich
auch auf ernsten Widerspruch, namentlich von seiten derer,
^\eiche sich an einem unptrsonlichen Brahman nicht genligen
lassen und seme Personifikation als l^vora nicht als blosse
Akkomodation an das auf empinsche Anschauungen be-
sclirankte menschliche Erkenntnibverm&gen gelten lassen
v.olllen Ilmen wurde wiederum von anderen widersprochen
Erne Lesehalle tadiscbc MusA Abschsed
191
ansteigt unci dort v.je ein vom Spnngbrunnen empor ge-
Inebener Ball sich in leidenschatUichen MolUOnen hin mid
herwiegt, bis sie endlich wieder mclodisch herabsmkt, dieses
Gaukelspiel hat etwas in sich, was bis m die innerste
Seele drmgt Besonderes Interesse erregte auch die ge-
nauere Besichtigung und Erklantng der Instrumente, es sind
teds Streichmstrumente wie die Vina, zur Wiedergabe der
Melodie, teds paukenartige Instrumente, wie z B der
Mirdnnga, welche als Trtlger des Rhythmus dienen
Den Rest des Morgens benutzten wir, urn erne Schule
zu besuchen, in der speziell der Rigveda gelehrt wurde
Sie lag in emer schmutzigen und verwahrlosten Gegend
der Emgeborenenstadt und hatte Susserlich wenig Anziehendes
Urn so interessanter war cs mir, einma! den m Indien stark
m den Hmtergrund getretenen Rigveda von den Schtilern
recitieren zu hbren Sie taten dies, mdem sie auch die
Accente dutch Bewegungen mil der Hand genau markierten
Ungern schieden wir von Allahabad, einem Orte, wo
mdische Warme und europaische Khhle so unmittelbar
neben einander uns fuhlbar geworden waren Herzerfreuend
war noch die letzte halbe Stunde am Bahnhofe, wo sich
em grOsserer Kreis der geslern gewonnenen Freunde ein-
gefunden hatte Ich sage Freunde, denn wenn auch unsere
Bekanntschaft erst von vorgestern her war, so verkehrten
wir doch und schieden schhesslich von emander mit einer
Herzhchkeit, als hStten wir uns schon seit Jahren gekannt
Von Allahabad an verliess der Zug das Gangestal und
strebte dem Suden Indiens zu, um nach emer weiteren Fahrt von
vierzig Stunden m Bombay einzulaufen Aber wir konnten
uns nicht entschhessen, dorthin zurllckzukehren, ohne vorher
emen Ort besucht zu baben, der ziemlich weit von der
grosacn Verkehrsstrasse abseits hegt und daher fast me
von EuropSern aufgesucht witd obgleich er emen Besuch
192
VII Von Calcutta nach Bonibaj
m erster Lmic vcrdient Es ist das die oben im Vmdliya-
gebirge gclegenc altc Kbnigsstadt Ujjayint, die Vaterstadt
Killidflsa’s, des grossten mdischen Dichtcrs Sein Geist
schlen ims die Worte des AlegliadOta zuzurufen
Wenn du auch nordwtirts strcbcnd nicht magst weilcn,
So lass dicli doch den Umweg nicht serdnessen
Ujjayinrs Paiastcn'iuzucilen
Und ihrer Dichcr Freundschafl zu gcniessen
Unser Ziel war allerdings noch nicld die nbrdische
Heimat, sondern zunachst Bombay und der SOden Indiens,
aber gerade darum mussten wir ein gutes Stuck auf einer
Nebenlime den Vindliya hinauf nach Nordeii zurOckfaliren,
wollten wir auch cmmal m dem Dunsfkreise der Stadt ver-
wejlen, wclche in alien Zeden c/ne von KSIid^sa’ in so
gluhenden Farben beschnebene Herrlichkeit geiiabt haben
muss Nacli enter Eisenbalmfahrt von zwanzig Stunden ge-
langten wir \on Allahabad nach Khandvva, welches ungefflhr
gleiclt weit von Allahabad und Bombay entfernt liegt,
und von wo die schmalspurige Vindhyabalin nach Norden
abzweigt Hier verliessen wir gegen Miltag den Bombayer
Zug Und nahmen zunhehst in der BahnbofshalJe das Tiffm
ein, konnten aber nur mtt MOhe efwas geniessen, so gross
war hier, zwanzig Eisenbalinslunden sudheher als Allahabad,
bereits die Hitze Wir trbsleten uns damit, bald wieder
nach Norden und ins ktililere Hochgebirge zu kommen,
bestiegen emen ehvas engen, aber daftJr auch wShrend der
ganzen Fahrt uns allein verbleibenden Wagen der Sekundar-
bahn und rollten nordwhrts Hbclist malerisch'prasentierte
sich beim Oberschreiten die am SUdabhange des Vindhya-
gebirges hmstrbmende Narmada, indent sie durch vor-
springende Felsparhen und GerbW iftren Weg suchte, bald
ihre ungestilmen Fluten zur Umgehung der Hindernisse zer-
teilend, bald sie wieder zur Einheit zusamnrenleitend, daher
sie mit Recht von KalidSsa „der Malerei {bhOtt) welclie
Cber die Narmsdl indore
193
man durch Emtedung \on Fcldcrn {bliakU’ChCiiats) auf dem
Russel des Elefanten anbringt,- (MegfiadUta 19) verglichen u ird
Welter ging es in gemtlchlicher Stcigung den Vindh> aliinan, bis
uirgegenAbenddieGarntsonsladMf/fmi' llndbaIddarau^^/^/o/’e,
die Residenz des Holkar, crreicliten, urn bier zu Ubemacbten
Ein Hotel ist in Indore nicbl \orhandcn Das Dak
Bungalov. liegt zicmbch weit von der Balm Unler dtesen
UmstUnden zogen wir es vor, das Ladies Waiting Roqm des
Bnhnhofs zu beziehen und dort unscrc Reiscbettcn ausbreden
zu lassen Leidcr war abcr ein Buffet mit dem Balinliofe
nicht verbundcn, sodass wir zum Abendessen docli den
Nveden Weg nach dem Dak Bungalow unter FUbrung eincs
Knaben hm und her zurflcklegtcn Weniger unbequcm war
die Sadie am andcrn Morgen, wo wir die Besichtigung dcr
Stadt mit dem FrUhstUck im Dak Bungalow vcrbinden
konnten Wir machten dort die Bckanntsdiaft eines Hand-
lungsrcisenden, ernes jungen Parsi, der mit der Ungeniertbeit,
welchc die Parsis so merkbcti von den Hindus unterschcidct,
uns zumutete, dim nach unscrer RUckkehr eincn German
Primar (Elementarbuch des Deutschen fUr Englander) zu
schicken Wir begnliglen uns, ihm cmige Titel anzugeben
und verwiesen ihn im Qbrigcn an die Buchhandlcr
Eine fllichtige Besichtigung der Stadt, des Marktplatzes
nebst dem blauen Palaste, des Lai Bagh, eincs (Jffentliclien
Gartens mit wilden Tieren, flillte den Vormdtag aus Im
Vorbeigeben sah ich etwas, was mir aus mdischen MSrchen
wohl bekannt, aber inWirklichkeitnocIinie vorgekommen, nUm-
lich den Kampf zweier Widder gegen emander Wie auf Ver-
abredung erhoben sich die Tiere gleichzeitig auf die Hinter-
beme und liessen ibre KOpfe mrt solcher Heftigkeit gegen
emander prallen, dass sie wohl nur durch die grosse Dtcke
ihrer Schadel vor Schaden bewahrt blieben Dies wieder-
bolten sie fort und fort ganz phlegmatiscii und ohneeineSpur
von GemUlsbewegung, als sc» es ihnen em angenehmer Sport
Dcussen Erinncningcn an lad en 13
194
VII Von Calcutta nach Bombaj
Um zelin Uhr verliessen wir Indore, stiegen auf der
nachsten Station um und gelangten so endlich auf einer
Zweigbahn der Zweigbahn bald nach Mittag nach Ujja)tni
Der kleine Bahnhof sowie, ganz in seiner Nahe, das Dak
Bungalow hegen ausserhalb der Stadt Nicht eine Iialbe
Minute weit davon iiegt das heutige Ujjayini, umgeben von
einer gut erhaltenen zierlichen Mauer mit Tbrmchen, Zinnen
und Toren, aus dfem Mitlelalter stammend Ujjayini hat
33000 Einwohner, beherbergt aber nur drei europUisclic
Famihen, die des Gouverneurs, des Sleuererhebers und eincs
Ingenieurs, ist also eine durch und durch indisclte Sfidt
gebheben. ohne Hotels und ohne leden europaischen Korn-
fort Da cs hier auf dem Gebirge nicbt so lieiss ist \mc m
der Ebene, so unternahmen wir, um unsere ersle Neugicrde
zu befriedigen, auf gut GlOck cine Wanderung durch die
Hauptstrasse vom nOrdlichen Tore ncben dem Bahnhof und
Dak Bungalow bis zum sfldhclicn hm Da uir nlcmand
kannten und auch kcine Empfclilungsbncfe liatten, so fragtcn
wir uns nacli dem College durch und vcrlangten den \or-
stelier zu sprechcn Wir wurden etwas kOhl empftngcn
aber ich hatte nun schon einigc Obung darin, den Weg z»m
Herzen der Indcr zu findcn Bald uurde auch der cine
Oder andere Sanskntkundigc Iicrbcigcholt, und in einer
iialben Stunde war cine ganze Gcscllschafl bcisammen uiu
die Untcrlialtimg im besten fluss Es uurde \crabrcdet
gegen Abend im Dak Bungilow zusimmcnzutreffcn, untcr-
dessen solltc tin jlliigercr Lclircr ims clniges \on
zeigen Unser erster Bcsucli gilt dem ganz in dcr
btfindhcbcn, utilbin Icucbtenden AfflAdAd/u-Tcmpcl. t tr
zwir nicbt mehr der >on Kllldlsi gcfticrlc und ^plUr
zerstOrtc •sem kann, aber auf dersclbcn Stcllt wie ’ I*"
errichfet stin soil Mnn Inbe, so hicss ts In altcn Auf-
zclcbnungcn die Mnsst noch sorgtfiindcn und slcli f emu
inch dicsen gerfclitcL In der Tat wird dis (uninrl g
Ujjayinl Die Qipra Eine Sitzung jm Dak Uungalou 195
steigende Bauwerk gekrOnt von cinem Bilde des (^iva mit
emem Wald von Armen, ahniich wie es Kaiiddsa beschreibt
Sollte der Tempel wirklich auf dcr Stelle des alien sfetien,
so muss er, vielleicht dutch Garten getrennt, liber eine halbe
Stunde sUdlich von der Stadl gelegen haben, denn das alte
Ujjayinl lag, wie wir nocli sclien werden, niclit auf dcr Stelle
der jeUigen Stadt, sondern Ubcr cinc halbe Stunde weiter
nacli Norden In das unlcrirdische Jnnere des Tempels
woUte man uns nicht einlassen, versiclierte aber, dass dort
nichts 7U sehen sei als ein grosses stcinernes Lingam als
Symbol des ^iva Nicht weit vom Tempel und an der
neuen Stadt wie auch an der alien vorllber strOmt die vtel-
gepnesene Qprd Sie war auch im Febriiar noch ein statt-
liches Wasser, so bred wie die Mosel bei Koblenz, aber
nicht sehr tief, da wir sie am folgenden Tage auf dem Ele-
fanten diirchwateten Erne Brlicke cnnnere ich micli nicht
gesehen zu haben, weitec unten, bei AluUjjayini, kann man
sich mittels emer Fdlire Ubersetzen lassen Wir wanderten
nun zwischen FIuss und Stadt auf der HOtie hin und ge-
langten mit Embruch der Dammerung glUckhch m unset
Bungalow Dort waren. schon unsere Bekannten von vorliin
und einige mehr emgetroffen Zum GlUck waren kerne
Logiergdste ausser uns vorhanden So konnte das erne der
beideu Zimmer des emstockigen Hauses zu unserem Schlaf
Zimmer emgenchtet werden, w.1hrend wir im andern unsere
□•iste empfmgen Eine Bewirtung derselben ist m Indien,
wo jeder nur mit seiner Kaste isstund trmkt, nicht mbglich,
hmgegen sprachen sie raeinen Cigarren gem und fleissig zu
Ich bestellte das Abendessen, da stellte sich heraus, dass
es zwar dabei die Ublichen Plannkuchen, hmgegen kein Brot *
geben werde Meine Frau bestand darauf, sie konne dieses
Zeug nicht essen und mUsse Brot haben Ich befahl, in der
Stadl welches zu holen Verlorene Muhe* In der Stadt, wie
man mir von alien Seitenversicherte, gibt es kern Brot „Wenn *
13*
196
VII Von Calcutta nach Bombay
Sie Brot haben woUen", bemerkte em kluger Kopf „so mQssen
Sie nach Indore schreiben dann kann es morgen noch ein
treffen Em anderer selling vor an den Gouverneur zu
schreiben und ihn nm em Brot zu biften „Ich kenne den
Gouverneur nicht** sagic ich j,und babe keine Empfehlung
an ilin “ — „Das tut nichts" hiess cs „als Europ^er sind
Sie schon genugsam empfolilen Und wie wollen Sie ohne
den Gouverneur die Stadt und Umgebung besehen?" —
„lch werde emen Wagen nclimcn und mich herumfaliren
iassen" -- *Einen Wagen? In Ujjaymi gibt es nur Ocliscn
karren “ — „Nem“ fuhr der Erfihrensfe fort zu sprechen
„folgen Sie meinem Rat schreiben Sie an Sir Midjc! Hlpse
den Gouverneur und bitten Sie ilin dass er Ilmen filr
morgen einen FUhrer und cm Vclnkel stellt er uird Ilmen
dann voraussichtlich emen Elehntcn schicken Der Gotacr
neur wohnl zwanzig Mmuten von hier in emer Stunde kann
der Bote mit der Antuort zurClck sem
Der Rat schicn gut und ich scliricb m dem cntsprcclicn
den Smne und filgfe die Bitfe hmzu ims clwis Brot zu
sclucken Die Antwort war die denkbar liebcnswUrdigstc
Morgen um sicben Uhr sollc cm Elcfant wie luch em orts
kundigcr Fiilirer an unsercr TOr stm Wir mflchfen ibcr
licbcr um alles zu schen zwci Tigc blctbcn und (ibcnnorgcn
Abend seini. dcs Qou\cmcurs Gistt sem Em \\ igcn
werde uns zur rccfiten Zeit abholcn Zugfcith (ltii.rl)ratlitc
der Bote cm Brot nebst tmem zicriichen Arrnngcnunt ven
Bultcr und rrllchttn
Pnnkllich um 7 Utir morgens stand \or unstrcrTlir tin
stattlicher Dcfmf mbsl scincm Lcnkir Zi)j,)cjcli aber tntfc
der Gouverntur cmin seiner Sekrttirt als nUirtr fflr ims
licstimmt Er tiicss Abdil war Ober allis schr woll imttr
richicl und fi)r cintn A{< liammcdancr ausscrordinlhcJi be
sclicidtn und taktvoll \iel v.tnlj.ir gifie! tm*; t/rdjoAi der
juni,c MimJuleJirtr der uns gestan gehltft Initt und den
frcundhchkeit dcs Gou\emcurs Alt*Ujjayinl
197
wjr, um \hm cine Freude zu machcn, emen leeren Sitz ncben
uns auf dem Elefanten anboten Wicderholt begegnefen uns
kleme Madcben imd aucli alte Wcibcr, welche sicli mehr
Oder weniger tief verneiglen, mitunler sogar platt auf den
Boden \sarfen „Diese Verelirung", sagle VinJlyaka, „gilt
nicht Ihnen, sondern dem Elefanten Dieses diimme Volk ist
dazu abgenchtet worden, vor jedem Bilde dcs Gonepo, des
Gottes mit dem Elefantenkopfe, seme Verehrung zu bezeigen
Kommt ihnen mm einmal cln wirkhcher Elefant zu Gesiclit,
der in unserer Stadt erne ziemlich seifene Erschemung ist,
so machen ste auch vor ihm meclianiscli und ohne sich ria-
bei viel zu denken ihre Reverenz “
Unser erster und wichtigster Ritt gaU natUrbeh der
Statte des alfen Ujjayin? Dasselbe liegt eine halbe Stunde
nbrdlich von der heutigen Stadt gleichfalls an der Qiprd, da
wo sie sich in einem prachtvollcn Bogen nach Nordosten
hinwendet und ein liUgeliges Gelande umstrbmt, auf dem
die alte Stadt lag Sehr deutlich sieht man noch heute an
und auf den Htigeln lange gerade Linien sich hmziehcn,
welche wohl Spuren der ehemahgen Strassen Sind „Bei
jedem Regengusse", sagfe Abdul, „spult das herabstrbmende
Wasser MUnzen und andere ReUquien der alien Stadt los
Ausgrabungen wUrden im hOchsten Grade lohnend sein, aber
der Holkar von Indore, dem das Land gehbrt mteressiert sich
nicht daflir" „Warura“, so fragte ich> „hat man die so schbn
gelegene alte Stadt aufgegeben und sich weiter sUdlich im
flachen Lands angesiedeU?" — „Man weiss es nicht," ver-
setzte Abdul, „die emen memen, es sei in Folge einer Pest
geschehen, die andern behaupten, em Erdbeben habe die
alte Stadt zerstOrt “ — „lst gar luchts mehr davon Ubng?" —
„Niir noch em emziges Haus Sie werden es nachher sehen
Das Volk nennt es das Haus des Dichters Bhartrihari'' —
„Aber was ist denn das," nef icli „was bedeuten alte diese
aus Steinen zierlich geschichteten kleinen Denkmaler, und
198
VJI Von Calcatfa nach Bombay
was die niedlichen FUsschen, die jedem derselben einge-
mejsseU sind?" — „Diese Denkni^ier bezeichnen die Sfelle, .
wo eine Witwe sich lebend mit ilirein verstorbenen Gatten
hat verbrennen lassen “ — „Also eine Satt“ erganzte ich,
„oder, wie der Englander m sememjargon sagt, eine ^iii'i'e^ " —
Das Wort sail bedeutet, wie schon oben bemerkt wurde,
„die Seiende", „die Gute“, d h die Frau, welche ilirem Gatten
in den Tod folgt, dann auch den Akt der Witwenverbrennung und
endiich die SteJie, wo emesolche Verbrennungsfattgefunden haf
Wir wanderten weiter fort Uber die Statte des alten
Ujiaymt, und liberall bemerkten wir durch die nut Rasen und
Buschwerk Uberdeckte Bodenfiadie hindurch e/gentOrnbcbe
Bildungen, welche, ftlr kOnftige Ausgrabungen em lolmendes
Objekt sem werden und einstweilen der kombmierenden
Phantasie viele Unterhaltung boten Wir gelangten zu einer
Anhshe nut schbnem Blick auf die in der Tiefe unten daliin-
fliessende <^iprd, und hier oben stand das einzige, irgend
emem Zufalfe seme Erhaltung verdankende Haus der alten
Stadt, heute ohne erkennbaren Grund das Haus des Bhar-
trihari genannt Es mochte einer jener von KQUdlisa ge-
feierten Palaste gewesen sem mit flachem Dach, mit ge-
raumigem Hofe, aussichtsreichen Terrassen, das Ganze durch
eine wohl erhaltene Mauer nach aussen hin abgeschlossen und
verwahrt Wir traten m den Hofraum durch em Tor, dessen
oberen Abschluss ein machtiger Stem bildete Em diirch-
wachsender Baum hatte ihn in der Mitte gesprengt, aber die
beiden Stlicke lehnten gegen einander und schdtzten sich so
gegenseitig vor dem HerabfalJen Voni Hofe aus erOffnete
sich eine herrliche Aussicbt auf die in der Tiefe strOmende
(Jiprd und das jenseitige Land Nach der bevorzugfen Lage
durften wir schliessen, dass das erhaltene Haus ernes der
vornehmsfen der Stadt gewesen sem muss Dem entsprach
auch sem Aufbau m mehreren, teilweise erfialtenen Etagen,
von denen die eine, durch eindrmgende Erdmassen ver-
Das Haus des Bhartrihan Unser Elefant
199
schlammt, einen kellerartigen Emdruck maclif, wdhrend die
dartiberhegende eineti Begnff der vornelimen Wohnungen im
alien Indien geben kann Das ganze Slockwerk stellte sich
dar als erne einzige sehr lange und breite, aber sehr niedngc
Halle Zahlreiche zierlich in Stein gehauene Saulen von
wenig mehr als AlannshOhe trugen die Dccke Man konnte
m aufrechter Haltung darunfer stelien und gehen Vicllcjcht
bezweckten diese niedngen Zimmerdecken em besseres Fest-
halten der Kllhle Das Ganze ennnerte mich an das gleich-
falls ziemhch alte Haus in Mahdvan bet MathurS, in welchem
der junge Krishna erzogen worden sem soil Audi hier wird
das sehr niedrige Plafond von Saulen getragen, an deren
eine der junge Gott von seiner Pflegemutter angebunden
wurde, als er unartig war
Die hOhersteigende Sonne mahnte zum Aufbruch Wir
bestiegen unsern Elefanten, verliessen die jetzt so verem-
samten StaUen emer grossen Vergangenheit und gelangten
dutch wohlangebaute Felder zurtlck zur Neustadt, deren
Strassen jetzt so belebt waren, dass kaum durchzukommen
war Der Elefant schien gewohnt zu sein, dass dim alles
auswich Er gmg ungestbrt semen bedachtigen Schritt
wetter und verschmahte es nicht, von den vortlberfahrenden
Wagen aus der HOhe herab einen Tnbut fUr sich zu nehmen
ScWiessbch hoUe er von emem mit Rohrbtindeln beladenen
Karren, der eben vorbeifuhr, nut seinem RUssel erne ganze
Garbe herunter, welche er quer im Russel behielt, sodass
em grosser Ted der Strasse dadurch gesperrt wurde
vt'A*. « v.v.r AzwaA itVi AbdvA
„Ste werden es sogleich sehen," sagte er und wirklicli
machte sich der Elefant daran, wShrend des Weitermarsches
mit RUssel und Mund das BUndet zu lOsen und em Rohr
nach dem anderen behaglich zu verspeisen Beim Mar-
schieren beobachtete der Elefant stets grosse Vorsicht Als
er mit uns durch die ^iprS watete, tat er kemen Schntt,
200
VII Von Calcutta nach Bombay
ohne sich vorher durch Tasten des Bodens unter dem
Wasser zu versichern In emer wenig bebauten Qegend
der Stadt batten wir emige Teiche besuclit, von denen noch
lieute emer den Namen Gandhavati, wie bei KSlid^sa, tragt,
und woHfen von bier quer durch eine Niederung den Huge/
in der Mitte der Stadt ersteigen, der erne Rundsicht nach
alien Seiten gewShrt DerFUhrer Jenkte den EJefanten quer
uber die Wiese, als dieser nach dem ersten Schnit mit
seiner Tatze einen halben IWeter tief emsank Schnell be-
freite er sich aus dieser gefahrlichen Lage, und wir be-
wunderten und belachten alle das nesige Loch welches der
eine Elefantentnft geschaffen hafte
So genossen wir zwei Tage lang von der Hbhe unseres
EJefanten herab und in der angenehmen Cese}}schaft Abdul s
die alte Kbnigsstadt und ihre Umgebung, besichfigten das
m frUherer Zeit hoch berUhmte Observatorium, von dem nur
noch die Mauern erhalten sind, besuchten KaUdeh mit seiner
Wasserleitung und den Resten palastartiger Bauten und
kehrten am Nachmittag des zweifen Tages sehr befnedigt
zuruck um uns zum Diner bei Sir Michel Filose anzukleiden
PiJnktlich holte uns der Wagen ab und fdhrte uns zu dem
fern von der Stadt liegenden Landliause des Gouverneurs
Dieser war von Geburt ein Italiener, aber vbllig anglisiert,
sodass er mit seiner imposanten Gestalt und semen weissen
Haaren sich m nichts von einem alten englischen Gentleman
unterschied Es waren einige erwachsene Tdchter und
Verwandte des Hauses zugegen, dazu em katholischer
Geistlicher, Padre Pio, welcher nut Planen herumreiste, um
Propaganda fUr den Bau emer katliolischen Kirclie m
Gwalior zu machen Wir gingen zu Tisch, der Paler sprach
das Gebet, ich bemerkte, wie im Hause em sfrenger
Katholicismus herrschte Meme Tischnaclibann war unllngst
aus Italien zurtlckgekehrt, ich sprach mit ihr italieniscli und
fUhlte, wie ihr das wohitat Denn in der Familie Filose,
Diner beim Gouverneur Padre Pio Abdul
201
die schon seit Generationen in Indien lebte, schicn der
Gebrauch des Italienischen schon ziemlich ausgcstorben zu
sem Die Unterhaltung war lebhaft, die Stimmung die
denkbar beste So standen wir nach Tische noch in
animiertem Gesprache, als der Pater anting sich zu verab-
schieden, da er mit dem Nachtzuge nach Gwalior wollte
Urn dem Wagen des Goiivemeurs nicht zweimal die weite
Fahrt zuzumuten, beschloss ich gleichfalls aufzubreclien und
sprach eben zum Gouverneur em paar freundliche Abschieds-
worte, als plOtzlich die ganzc Gesellschaft auf die Kniee
sank Betroffen trat ich zurUck und sah im Hintergrunde
stehend respektvoll zu, wie der Pater den Anvvesenden den
Segen erteilte Wir verabschiedeten uns mit herzlichem
Danke far alle uns e^^vlesene Freundlichkeit und fuhren mit
Padre Pio zum Bungalow, wo er, da bis zur Abfahrt des
Zuges noch uber eine Stunde Zeit war, mir an den mit-
gelUhrten PlSnen semen Kirchenbau eriauterte, auch gern eine
Cigarre sowie eine zweite mjt mir rauchte Mem freund-
bches Zureden, einige Cigarren mil auf den Weg zu nehmen,
lehnte er dankend ab Als man den Zug m der Feme
horte, gmg er zum Bahnhof hmliber, und wir legten uns schlafen
Wir hatten unsere Abfahrt auf zehn Uhr des andern
Morgens festgeselzt Mehrere Bekannte waren an der Bahn,
auch Abdul, der mir noch dies und jenes von semen Kuno-
sitaten zeigen wollte Er hatte uns diese Tage gefuhrt und
sehr artig behandelt Da ich nicht wagte ihm Geld anzu-
bieten, so schenkte ich ihm einen klemen Taschenatlas, wie
man \n Liandon in gefattigstet Ansstattung itir 2^2 Shilling
kauft Selten habe ich einen Menschen sich mehr freuen
sehen, als Abdul Uber dieses kleme Geschenk, welches frei-
lich in Ujjaymi erne grosse Seltenheit sem moclite
Nun folgte eine lange Fahrt von Ujjayini bis Bombay,
welche mit genngen Ruhepausen den Tag die Nacht und
noch den ganzen fotgenden Tag bis zum Abend in Anspruch
202
VII Von CalcuttT nach Bombay
naliin. Wieder gmg es an Indore vorbei den Vjndhya
hcrunfer dber die Narmndd nach Khandm, wq wir den Nachf-
zug bestiegen, am and^rn Morgen das berUIimte t-Jasik vor-
llberfahrend grilssten und gegen Naclimittag m das Iibchst
romantische Bergland der wcstliciien Gliatta’s gelangten,
welche aus imposanten Qebirgsmassen bestehen, die dem
Hochplateau von Deklian an dessen Wesfrande gleich wie
Mauerzinnen aufgesetzt sind Von diesen Hblien nach Bom-
bay herunter zu kommen ist fUr die Bahn keine leichte Arbeit.
Da gibt es Kehren, an welchen der Zug im Zickzack vor-
wSrts iind rUckwarts ISuIt, da fehlf es nicht an Tunnels,
Briicken und kiihnen Wmdungen, alles dies mit herrhchen
Aussichten auf das Gebirge und auf Ebene und Meer m der
Tiefe Urn 9 Uhr abends liefen wir nach einer herrlichen
Rundreise von mehr als zvvei Monaten in Bombay em, wo
uns niemand erwartete Wir nalimen einen Wagen, der, wie
alies in Bombay, merklich eleganter und besser war, als man
es m Calcutta zu finden pfiegt, und fuliren direkt zu Tn-
hhuvand&s, dem wir versprochen batten, semen Cosmopolitan
Club dadurch m die Alode zu bnngcn, dass wir in demseiben
Wohnung nahmen Da noch nichts vorgesehen war, so
brachte er uns fUr dfe erste Nacht in einem bescheidenen
Zimmer seines prachtigen Palasles unter
Von semem Vater Sir MangaldQs, einem Manne von be-
deutenden iind anerkannten Verdienslen, hatte Tribhuvandas,
wenn auch nicht dessen Verstand, so doch semen Reichtum
geerbt und war als echter Vai^ya bemUht, denselben bestandig
zu mehren Er war sehr dienstbeflissen und gutmlltig, imd
seme nicht gennge Eitelkeit flihlte sich aucli dann noch ge-
schmeichelt, wenn man ihn zur Zielscheibe des Witzes nahm,
vvozu er nur zu viel Anlass bot Er besass nOrdhch von der
Stadt in Girgaum Road ein palastartiges Haus mit herrlichcm
Garten, in welchem Lotosblumen, Betelpflanzen und mancher-
lei seltene GewSchse zu fmden waren Im Hinfergrunde des
Se te 202.
khandala erne Reversing Station m den Westlichen Glnita
204
V/? Voff Calcutta nich Bombij
uniJ iliirch \ollsiandiRc Wicdcrgabc In den Hauptzeilungen,
sondcrn nuch diirch Ohcrsclzung in das Alaliraftl, Guzcrati,
I3enga!i iind vjcllejcJd noch andcrc indisdie DtafeJde cine
prossc Vcrbrcitiing gefundcn hat In der Cinleitung warf ich
cincn kurzcn Blick auf den gcgenwartigen Ziistand der
PJiiIosopbic in Indien jind tnhvar/ dann m gedrangtcn ZDgcn
cjti Bild der allein ernst zti nctnncndcn imd konsequenicn
Pliilosopliic Indicns, der /1rftfl//fl-Lehrc dcr .lllestcn Upani-
shads und Hires grossen Inlcrprclcn (pankara (geboren 788,
gcradc taiiscnd Jalire vordem dim geistig so nafic ver^vandfen
Schopcnliailer) Icli vcrsilumtc niclit, auf die tiefe innere
Obcrcmstimmimg dicser Lclirc niclil niir mit der kantisch-
sciiopcniiauer’schcn Philosophic, sondcrn aucli mit dem
Platonismiis und den Crundanschauungen dcs ChnsIcnUinis
hinzuweiscn und crnialmtc zum Schlussc die Inder, an diesem
Vedinta als dcr ihncn angemessenen Form dcr emen, allgo-
mcinen, cwtgcn pUilosopUisciten Wahrhed /esfzuJialfen
Die Ausarbeilung dieses Vortrages sowie seme scimelle
und sorgfaitige Drucklegung beschaftigfe mich und meine
Freunde wAhrend der folgendcn Tage, und als der 25
Februar erschien, war es mir mOglich, vor cmem zahlreichen
Publikiim niclit niir die envahnfen Gedanken m freier Rede
zu entwickeln, sondcrn auch die gedruckte Broschttre an die
Anwesenden zu verteilen und an alle unsere Freunde fiber ganr
indien zu versenden
Als ein kurzer und zuveriassiger Inbegriff der nocli heute
m Indien vorherrschenden religiOs-philosophischen Weltan-
schauung bildet der erwSImte Vortrag eine wesenfhche Ergan-
zung unserer Mitteilungen Ober Indien und mag daher anhangs-
weise auch luer seme SteJIe finden (unten, Seite 239 — 251)
Voraiis geht ihm ein von mir verfasster poetischer Abschieds-
gruss an so viele m Indien gewonnene Freunde, welcher
ihnen zugleich mit der Abhandlung Uberreicht oder tibersandf
wufde
Vortrag m dcr Asiatic Soclct> Einc Hochzcilsfeier 205
Von den mancherlei Ereignissen, welche stch m den
letzten Tagen unseres Aufenlhaltes in Bombay zusammen-
drangten, wollen wir noch emcr Hochzcil gedenken, zu der
ims ein befreundeter Hindu einlud Es wurde schon erwaiint,
dass m vielen Hasten die Madchen bis zum eltten Jahre
\erhetratet sein mUssen RQckt dieser Zeitpunkt heran, so
bait der Vater des Madchens Umschau unter den verfOg-
baren Knaben, natllrlich nur innerhalb seiner eigenen Haste,
wobei Rang, Ansehen, Lebcnsstellung und Vem\dgen ge-
blihrend berticksichtigt werden Zeigt sich bei den beider-
seitigen Eltem Geneigtheit, so werden die Brahmanen be-
fragi, und diese lassen ^ich die Horoskope der Kinder
einreichen Ahnlich namlich, wie bei uns leder semen
Taufschem liat, wird jedem indischen Kinde in frllhester
Jugend das Horoskop gestellt Ein solches besteht aus
einer langen Rolle, die mit Figuren, Zeichcn und Sanskrit-
versen beschrieben ist Die Anferligung eines derartigen
Dokumentes kostet zehn Rupien, auch uns wollte man fllr
diesen Preis das Horoskop stellen, aber wir waren nicht so
sebr neugierig, unser Schicksal aus den Sternen zu lesen
Soli also eine Heirat zu stande kommen, so werden
von den Brahmanen die Horoskope beider Kinder ver*
glichen Sind dieselben dem Unternehmen gUnstig, so wird
wiederum aus ihnen der Zeitpunkt dcr Hochzeit nach Tag,
Stunde und Minute ausgereclinet Das Resultat kann fUr
die Oeladenen oft unbequem werden, wenn sie etwa die
ganze Nacht warten mossen, weil die Hochzeit auf drei
Oder vier Uhr morgens angcsetzt wurde Bequemer war
es in unserem Falle, denn aus den Horoskopen liatte sich
ergeben, dass die Hoclizeit um sieben Ulir dreiundfUnfzig
Minuten abends staUzutmden babe Nach sechs Uhr fand
sich erne distinguierte Versammlung im Hause des Hochzeits-
gebers ein Wir v^urdeti etngeladen, m den Hofraum zu
treten, wo hinter einem Gitter die Ceremonie stattfand, so
Anloinft In Bombay Dcr Cosmopolitan Club
203
gcraumigen Gartens war cm zwejtes Haus, m welchem un-
serc Freunde, die vier BrDder Nazar, ziir Miete wolinten
Durch sie wurden wir mit Tnbhuvandas bckannt und haben
manchen kOstlichen Abend mit ihm iind seiner Familic in
der kUhlen.geraumigen Vorballe seines Palastes unterPIaudcrn,
Scherzen und Musizieren zugebracJit Auch das grosse Orund-
sttick gegenDber auf der anderen Scitc von Girgaum Road ge-
hbrte Tnbhuvandas Hier hattc cr in einer verschllmten Ecke
erne Schnapsbudc fQr Arbeilcr angelegt, wdhrend er m dem
geiiJumigen HauptgebUudc seme LicbbngsschOpfung, den
Cosmopolitan Club, begrUndct hatle Dieser sollte, wie schon
der Name besagt, den Bedlirfnissen allcr Nationen entgegen-
kommen Hier konnte man vegctansch auf Hmduweise Oder
auch europaisch mit Fleisch und gcistigcn Gelrankcn bedicnt
Nverden, und eine Gesellschaft dein europaischen Komfort zu-
neigender Inder fand sich bei den taghchen Mahlzciten hier
zusammen Eifngst strebte Tnbhuvandas danach auch cm-
ma! Europller in seinem Klub zu behcrbergen, und so hcssen
wir uns dazu emfangen, teds um unscre Freunde bei der Hand
zu haben, teds um dem indischen Volksleben etvvas naher zu
treten, als es von der Terrasse des Esplanadehotels aus mOg-
lich gewesen war Die Zimmer konnten wir nach Beheben
wahlen und wechseln Bei der Einfaciiheit ihrer Ausstattung
waren sie mit drei Rupien taglich fUr uns beide reiclihch fae-
zahlt DafUr konnten wir uns m den weden, leeren Rtmmen
des ersten Stockes nach Herzenslust ausbreiten und genossen
eine fur Bombay seltene Ruhe Diese war uns in der Tat
jetzt sehr erwQnscht, denn ich hatte dem chrwUrdigen und
hebenswerten Javerildl Umiafankar, dem Sekretdr der Asiatic
Society, versprochen, in dieser am 25 Februar emen Vortrag
zu halten, und ich beschloss, denselben gleichzeitig im Druck
erscheinen zu lassen und zu einem kleinen Verm&chtnisse filr
Indien zu gestalten In der Tat hat er dort seme Wirkung
getan da er nicht nur m enghscher Sprache als Broscliure
204
VII Von Calcutta nach Bombay
und durch vollst&ndige Wiedergabe in den Hauptzeifiingen,
sondern auch durch Obersetzung in das Mahratti, Guzerati,
Bengali und vielleicht noch andere indische Dialekte eine
grosse Verbreitung gefunden hat In der Einleitung warf ich
einen kurzen Blick auf den gegenwartigen Zustand der
Pliilosophie m Indien und entwarf dann in gedriingten ZUgen
em Bild der allein ernst zu nelimenden und konsequenten
Philosophic Indiens, der Adiaita-Lthxt der altesten Upani-
shads und ihres grossen Inlerpreten Qankara (geboren 788,
gerade tausend Jahre vor dem ihm geistig so nahe ver\vandten
Schopenhader) Ich versaumte nicht, auf die tiefe mnere
Ubereinsfimmung dieser Lehre nicht nur nut der kantisch-
schopenhauer’schen Philosophic, sondern auch nut dem
Platonismus und den Grundanschauungen des Chnstenfums
hinzuweisen und ermahnte zum Schlusse die Inder, an diesem
Vedanta als der ihnen angemessenen Form der einen, allge-
meinen, ewigen philosophischen Wahrheit festzuhalfen
Die Ausarbeitung dieses Vortrages sowie seme schnelle
und sorgfaitige Drucklegung beschaftigte mich und meine
Freunde wShrend der folgenden Tage, und als der 25
Februar erschien, war es mir mbghch, vor einem zahlreichen
Publikum nicht nur die erwahnten Gedanken m freier Rede
zu entwickeln, sondern auch die gedruckte Broschllre an die
Anwesenden zu verteilen und an al(e unsere Freunde tlber ganz
Indien zu versenden
Als ein kurzer und zuveriassiger Inbegnff der noch heute
in Indien vorherrschenden religiOs-pIiilosophischen Weltin-
schauung bildet der erwahnie Vortrag eine wesenfliche Ergdn-
zung unserer Mitteilungen Ober Indien und mag daher anhangs-
weise auch hier seine Stelle finden (unlen, Seite 239—251)
Vonus geht ihm em von mir vcrfasster poetischer Abscliieds-
gruss an so viele in Indien gewonncne Freunde, welclier
ihnen zugleicli mit der Abhandlung Uberreiclit Oder (Ibcrsandt
wurde
Vortrag m dcr Astatic Society Cine Hochzeitsfeicr 205
Von den mancherlei Ercignissen, welclie sicli in den
letzten Tagen unseres Aufentlialtcs in Bombay zusammen-
drSngten, wollen wjt noch emer Hochzeit gedenken, zu der
uns em befreundetcr Hindu cinlud Es wurde schon envaiinf,
dass in \ielen Kasten die A\adcticn bis zum elften Jalire
verheiratel sein mflssen Rttckl dieser Zcitpunkl lieran, so
halt der Voter des Madchens Umschau unter den verfUg-
baren Knaben, nattlrlich nur innerlialb seiner eigenen Kaste,
wobei Rang, Ansehen, Lebensstcllung und VermOgen ge-
bllhrend iDerOcksichtigt werden Zeigt sich bci den beider-
seitigen Eltern Geneigthcit, so Nverden die Bralimanen be-
Iragt, und diese lassen 3ich die Horoskope der Kinder
einreichen Ahnlich namlich, wie bei uns jeder semen
Taufschein hat, wird jedem indisclien Kinde in frOhester
Jugend das Horoskop gestellt Em solclies besteht aus
einer langen Rolle, die mit Figuren, Zcichen und Sanskrit-
versen beschneben ist Die Anfertigung ernes derartigen
Dokumentes kostet zehn Rupien, auch uns vvollte man fUr
diesen Preis das Horoskop stellen, aber wir waren nicht so
sehr neugiecig, unser Schicksal aus den Slernen zu lesen
Soil also erne Heirat zu stande kommen so werden
von den Brahmanen die Horoskope beider Kinder ver-
gUchen Smd dieselben dem Unternehmen gtinstig so wird
wiederum aus ihnen der Zeitpunkt der Hochzeit nach Tag,
Stunde und Minute ausgerechnet Das Resultat kann fur
die Geladenen oft unbequem werden, wenn sie etwa die
ganze Nacht warten mttssen, weil die Hochzeit auf drei
Qdfij; IJbr. wwida 'tiv:
es m unserem Fade, denn aus den Horoskopen hatte sich
ergeben, dass die Hochzeit urn sieben Uhr dreiundfUnfzig
Minuten abends stattzufinden habe Nach sechs Uhr fand
sich eine distinguierte Versammlung im Hause des Hochzeits-
gebers em Wir wurden eingeladen, in den Hofraum zu
treten wo hinter einem Gitter die Ceremonie stattfand, so
206
VII Von Calcutta nach Bombay
jedoch, dass wir alles aus nSchsterNahe beobachten konnten
Die Vorbereitungen 20 gen sich lang hm Bald war es der
BrSuUgam, bald die Braut, urn welche sich die Ceremowen
drehten, zuweilen sprachen die Eltern ilinen zu, zuweilen
murmelte ein Brahmane uber ilmen seme Sprllche und
Verse Unterdessen warden Kokosniisse imter die Zuscbauer
verteilt, und auch wir nahmen aus Hbflichkeit einige der-
selben an Mittlerweile riickte die Zeit der Eheschliessung
heran jedermann beobachtete die Uhr Noch zehn Minuten,
noch flinf Mmuten, und die Zed war da Jetzt wurde
innerhalb des Gitters em Teppicli wie em Vorhang aus-
gespannt Auf der einen Seite erschien der Vater des
Sohnes, auf der anderen der der Tochler, beide mit den
Kindern an der Hand, die sich wegen des Teppichs nicht
sehen konnten Da rtickt der Moment heran und in deni
Augenblick, wo es 53 Minuten nach sieben ist, werden die
Hande der Kinder (Iber dem Vorhang zusammengebracht,
sie fassen sich, der Vorhang fallt herunter, und damit ist
das Eheparchen fdrs Leben mit emander verbundcn Es
folgen, wie bei uns, GlOckwflnsche, Umarmungen und all-
gemeine Rlihrung Dann gibt sich alles der Festfrciide
hm In emem Saale werden den M3nnern, m emem anderen
den Frauen die ganze Nacht durch Speisen angeboten in
emem dritten Raume fmden die Produktionen der Tanz-
mUdchen statt, die wir schon frlihcremmal beschncben haben
Zu den MJInncrn, bei wcichen Freund Atnnr5ni uns
wdlirend der ietztcn Tage in Bombay noch cinWhrie, gefiMe
auch der rOhmliclist bekannic Sanskntforscher nnd Ober-
nchter Tclang, einer derwenigen Cingcborenen, uelcho ciiic<?
;cncr cxorbitnntcD OrJiiJJIpj' bczogia, thi. sonst nur den
eiiroplisclicn Beamfcn m Indicn erreichlnr ‘:ind Wir
tnfen ilm tics Atorgens /rllb um acht Jm Shidicrziniincr
seines elcgantcn Hanses, im Eingeborenenkosttim, von Bllchcrn
tmtl Papier umgeben Cine angcnchme l/nferlnlfimg fiber
Besuch bei Tclang Abschied \on Peterson
207
wissenschaftliche Qegenstandeentspann sicli, und zum Schluss
begleitcte er uns, urn uns sein Haus zu zeigen Merkwitr-
dtger als alle die sdiOnen Sale iind Hallen war eine stiUc
Ecke, in der ailerlci Gbtterbilder sfanden, dcren KuHus hier
olfenbar bclneben wwrde, wic cihc Anzabl fnseber Blumen
bcwies, die vor ihnen lagen Ich drllckfc Herrn Telaiig
meine Verwunderung dacUber aus, dass er als phtlosopliisch
gebildeter Mann auf derglcichen Wert legtc „Es gesclneht",
sagte er, „um der Frauen des Hauses willen Jeden Alorgen
kommt ein Brahmane, spncht emige Gebete und setzt fnschc
Blumen auf, wofUr er monatlich eine massige Siimme bczieht “
Wit sebnUen dem Ausgang zu und sahen hmter etner Saule
cmige Frauengestalten, die uns ncugierig nadiblickten Idi
bieU sie iDr Dienerinnen und erfuhr erst spater von AtmarSm,
dass es die Frauen des Hauses, Mutter und Gattm des Ober-
nchters, gewesen waren Da metne Frau uns beglcitctc, so
hatte es fUr unser GefUlil nahe gelegen, dass man wenigstens
sie den Damen des Hauses zufUhrtc Aber wir erwahnfen
schon after die Sdieu der indischen Frauen, mit Europaern
m BerUhrung zu treten Diese wird erst schwmden, wenn
es gelingt, durch Hebung dcr Madchenschulen die religiOsen
und nationalen Vorurteilezu beseitigen und auch beim weib-
bchen Geschlechte erne allgemeinere Kenntnis der englischen
Sprache anzubahnen Wie anregend und erfreulich unter
diesen Voraussetzungen der Umgang mit indischen Frauen
sem kann, das batten wir zu Calcutta im Hause Roy zur Ge-
nUge erfahren
Zum Abschied suchten wir nochmals Professor Peterson
auf, der alljahrlich dreimal umzuztehen pflegte, in der heissen
Zeit wohnte er mit semer Faimiie im Gebirge, wahrend der
Regenzeit m einem stadtischen Hause und den Winter durch
in emem Zelte Solcbe Zelte werden auf emer grossen
Wiese fern von dem CerSusch und den Dimsten der Stadf
aufgepHanzt, und man kann sie mieten wie em Haus Wie
208
VII Von Calcutta nach Bombay
ein solches enthalten diese Zelte Ecngange mit TUren,
Salons, Sclilafztmmer und andere RSume, welche weder an
GrOsse noch an Eleganz hinter den stSdtischen Wolmungen
zuruckstehen Der Rasen des Bodens isf von einem Teppich
uberdeckt, an den Wfitiden hSngen Spiegel und Bilder,
H&ngelampen hSngenvon dem Lemwanddach herunter, Tische
Sofas, StUhie, Betten und anderes Hausgerat sind volIslSndig
vorhanden Vor Dieben scbufzt em Wachter die Zelle,
welche oft zu mehreren zusammen sfehen und eine kfeine
Strasse biiden Das ganze System des Zeltwohnens ist eben-
so gesund wie angenehm, lassi sich aber nur da durchflihren,
wo, wie in Bombay, den ganzen Winter Iimdurch kein Wind
und keine Kalfe und nur em Mmimuin von Regen zu er-
warten ist
Achtes Kapitel.
Von Bombay nacli Madras und Ceylon.
Tag det Abycisc kam immcr nShcr Die verschjeclcncii
Abschiedsfeste, welche von Uen Bcsuchern des Cosmo-
politan Club, vom Pfinzcn Baldcvt, von Hcrrn Clncfi^ar itn
Parsiklub usw Uber uns verhbngt wurden, waren gUlcklicli
Uberstanden, alle Abscbiedsbesuche gemacht, die Andcnken
eingekauft und die Koike gepacW Sefton frdft {ta«en stc(\
emige Oulzend Freunde und Bekannte in vmsetcr gersumigen
Wohnung emgefunden und sahen zu, wie wir frtlhsfilckten
Schmunzelnd strich Tribhitvandas eine lange Reihe von
Si\berrupien ein, mit der sclierzhaflen Versicherung, semen
Cosmopolitan Club m alien Ldndem Europas rQlimen und
empfeblen zu woUen, bestiegen wir den Wagen und rolUcn
nach dem palastartigen Bahnhof von Victoria Station Dorf
liatten sidi auch alJe vorher Anwesenden und noch vjele
andere emgefunden Des AbseWednehmens war kem Ende,
und em theosophistischer ParsijHnglmg namens Ardcshir,
d h Arfaxerxes, fufir einige^ Sfationen nut, utn itiich Uber
die Theosophie zu befragen Ich konnte ihm nur meder-
holen, was ich oUmals hei ahnUcUev Veranlassvmg gesagt
habe „lhrTheosophisten“, sagie ich, „verfolgt anerkannter-
massen drei Hauptzwecke I) Erneuerung der glorreichen
Ueussen, Ermnerungen an Indien 14
210
VIII Von Boniba> nach Ceylon
Traditioncn des Altcrtums, das ist sclir loblicli, nur muss es
von Kenneni der Sache atisgciicn iind niclit, wie so off,
von solcJjcn, die nieJifs davon versteJjcii, 2) alJgemcjne Vcfbrlj-
derung der Mensclicn; wer wolltc dem niclit von Herzen
zustimmen, 3) Erforschung der gelicimnisvollen Tiefen der
menschiiclien Seeie, wie es in Euren Programmen heisst
Durch diesen Punkt verderbt Jhr Etrre ganze Sadte imd
bffnet dem Sclnvmdcl, dem Belnig tind alien Arten von TSu-
sebung Ttir und Tor Wold gibt cs Tiefen der menschiiclien
Secle, die noch niclit erforschtsind, Sommmbulismus Walir-
(rSumen und zweifes Gesicfd kommen vor, wenn auch
scltener als man glaiibt, aber, um hier mcfit irre zu gehen,
Sind Manner crforderlich, wic es deren licute noch nicht
gibt, solche namlich, welclie diegenaueste Kenntnis derNatur-
wissenscliaften, namentlicli der Medizin, mif einem vblligen
Eingelebtsein in die walire Pfulosophie, ich meme die
Kantisch-Schopenhauersche, verbinden “
Unter solchen Gespraclien hatte der Zug die Ebene
durcheilt, welche Bombay von dem Hochgebirge der wesf-
lichen Ghatta’s frennf Der Parsijunglmg empfahl sich und
wir konnten uns dem vollcn Genusse der Gegend hingeben
Hoch und hoher hob sich durch alle Mittel des modernen
Eisenbahnbaues die Bahn , immer weiter und herriicher
bffnete sich der Bhck auf die grOne Ebene, die reiche Stadt,
das weite Meer, bis die Berge sich wie ein Vorliang Uber
dieser Scenene zuzogen und der Eug dem auf der Hocli-
ebene gelegenen Poona zueilfe Hier empfmg uns am Bafm-
hofe der jtingere Apfe, dem uns sem meistens m Bombay
weilender Onkel von dort aus anbefohlen hatte Dieser
Onkel, der seitdem vPsstDrbfJte aJte Apt^ war ein sehr
reicher und ebenso frommer Mann Er begriindefe in Poona
das Ananduframa (Einsiedclei der Wonne) genannte Institut
welches wertvolle Manuskripte religibseo und philosophischen
Inhaltes sammelt und in feuerfesten Raumen von vorzCJg-
Programni dcr Theosophiiten Aptc in Poona
211
licher KonstruKtion aufbcwahrt Eine weitere Abtcilung des
viele Baulichkeiten umfassendcn Insbtuts ist die AnandS-
qrama-Pressc, welclie jahraus jahrein mit der Herausgabe
der etitsprechcndcn Werke bescliUftigt ist Andere Riiiinie
enthielten Hbrsiile und Wohmmgcn ftir die zalilrcichen Mit-
arbeiter, boten aiich sonst armen Gclelirten ohne Entgelt
e«\ leiUvciliges Unterkommen
In Bombay hatte ich mit dem alten frommen Apte und
semen Pandits eine Zusammcnkunft gcliabt, war, wie nacli
solchen Besucben Ubhch, mil herrltchen, tlber Schultcrn und
Briist herabhflngendcn Blumenkranzen, den zugelibngen
Blumenstraussen in der einen und dem Rosenbltropfen in
der anderen Hand \erabscluedct worden, hatte mich aber
auch dadurch meld tibel cmpfohlen, dass icli aiif die ganze,
zur Ansicht vorgelegte AnandS^rama-Serie subskribierte, deren
Forlsetzungen ich noch gegenwartig regelmassig von Freund
Apte bcziche, dem jungeren natUrlich, den sein Onkcl zum
Erben des ganzen Untemehmens einsetzte, als er vor einigen
Jahren aufhOrte sterbhch zu sein Kurr vorher noch hatte
er sich, wie viele fromme Inder im Alter pfiegen, zum
Sann)asin (Entsager) gemaclit, hatte, der Sitte gemSss, einen
neuen Namen angenommen und wurde dementsprechend
nach dem Tode nicht verbrannt, sondern, was nur bei
SannySsms und ganz klemen Kindern Branch ist, begraben
Betde machen eine Ausnahme von der Sitte des Verbrennens,
die einen, well sie noch nicht, die anderen, well sie nicht
mehr als Menschen geUen So ruht denn Apte inmitten der
geistigen Schatze, die er selbst tn Poona aufgestapeJt, und
die jetzt nach und nach, dank der Betnebsamkeit des Neffen,
ihren Weg m alle Welt fmden
Dieser Neffe traf uns also auf dem Bahnhofe zu Poona
und stelUe sich flir die Tage unseres AufenthaltS ganz zur
Verfligung Sein Wort hat er treulich gehalten Er zeigte
uns das gesamte Anand5crama-lnstitiit, beraumte dort uns zu
14 *
212
Vlff Von Bombay nacli Ceylon
Ehren cine Versammiung von Pandits an.begleiteteunsdurch die
Stadt, zu den GUrten imd zu dem bertlhmten Safiga, d li dem
Zusammenflusse der FIrtsse Mata und Mala Das Endziel
imserer Wanderung war dann wiederJiolf dcr im Stidcn der
Stadt gclegenc Pan af{-}iQge\ nnt einem Teinpel dcr Dargii
Oder P^n'ali, aiich Gamt genannt, der Gemaliltn des ?iva
Von der HOlic gcniessl man cine lierrliclie Aussiclit auf die
Stadt und weitc Umgegend Hfer sassen wir lange Stunden
und fOhrten manches angenelimc Gcsprtich Apte ats gebil-
deter und gelehrter Mann hattc nalilr!ich kerne andere Reli-
gion als den VedSnta, crkiartc aber, ahnlich wie Tehng in
Bombay, urn seiner Familie willcn an dem Kultus der GOtter-
bilder festzulialten Fttr ihn scien alle Gbtterbilder nur Inkar-
nationen des Atman, aber er liflte sich, ein GemlJf irre zu
maclien, welcfies sicli nicJif zurRemhed dieses Standpunktes
zu erheben vermdge Hier wie so oft bade icli den Ein-
druck, dass der denkende Tcil der BevOlkerung m Indien
ebenso gut wie in Europa den Priesterlehren frei gegenOber-
stelit, aber nur urn der Familien widen nicht auf den Gbffer-
kultus verziclilet, wie wir nicJit auf die kircbJicJie Trauung,
Taufe und Beerdigung, auch wenn wir uns von alien aber-
glaubisclien Vorstellungen frei gemacJit liaben
Es war Nacht geworden, als wtr den Panaf/~HOgeI
verliessen und den Rdckiveg durch die Stadt antraten Hier
war gerade das No!i genannte Volksfest im Gange Auf
der Strasse vor den Hdusern waren Kleine Scheiferhaufen
mit hellem, flammendem Feuer zu sehen, frohliche Gestalfen
sassen oder standen urn dieselben herum und warfen BJumen
Oder Kbrner in die Flamme Andere zogen in Gnippen um-
her und trieben aJlerJej JWjdwjJlen Em Haupfspass bestand
dann, dass man sich gegenseitig mit Erde bevvarf, viele
trugen, um die Kleider zu schonen, einen sackartigen Ober-
wurf, welchem die Spuren der auf den EigenfOmer gewor-
fenen Erdschollen em buntscheckiges Ansehen gaben Das
Das Holifest Bhandarkar Von Poona nach Nhdras 213
Ganze ermntrte an unseren Kameval oder dte Satunialicn
dcr ROmer, und uelches auch immer die religiOsen iMotue
dcs Festcs sem mSgen, jcdenlalls beruht seme gigcnwartige
Form auf dem aucli bei uns besfehenden BedOrftus, ge»
legenUich emmaJ der strengen HcfTSchcrm Vcrnunft zu ent-
laulen und cm Kind oder cm Narr zu sem* lUilcc csi ilesi-
pi re m loco
Wir verfehiten natllrlidi inch!, m Poona den imi das
Sanskrit so hocli \erdienten Professor DUanilarkor zu bc-
suLhen, \on dem wir m seiner tidcbst anmutigen, m edelstem
Geschmack ausgcstatlcfen Villa auf das frcundliclistc
empjangen wurden Von Bomba) aus bade icb muneu
Vcd5nta\ortrag gleichsam als Visitenkarle vorausgesclnckt
So wandte stch das Gesprilcli naturgemass dcr Philosophic
zu, und auf cmem Ulngcren Abendspazitrgang erssarmte icl\
mich an dem Icbendigen Intercssc, welches dieser gcistes-
klart und \sarmherzige Indcr an Schopenhauers Philosoplue
nahm
So verflossen die drei Tage unscrcs Aufenthaltes m
Poona m der angcnchmstcn Weise und starkten uns ftir die
lange und heisse, achtundzwanzigstUndige Eisenbalmfalirt,
die wir um Urei Uhr nachts begannen imd die Nacht, den fol-
genden Tag und die ganze nachslfolgcnde Nacht lorlsctztcn,
bis wir am 5 'Afarz morgens um acht Uhr im Balmhofe zu
Madras emliefen Hicrmit waren wtr von dem westllchen
nach dem OsUichen Mecr, von Afa/a6ar nach Koromandet
gelangt, zugleich aber aus dem mittleren nach dem slld-
btben ^n6ien, und erne ganz bedeutende Stcigcrung der
Hitze machte sicb schon auf dem kurzen Spaztergang m dcr
Morgenfrtihe vom Balmhofe bis zum Hotel bemerkhch
Die klimatischen Vcrhaltmsse smd hier andere und
weniger gOnstige als im ndrdlichen und westliclien Indien
Dort ist die Regenzeit im Hochsommer und schOtzt vor
den scharfsten Pfeilen der senkrcchf herabstrahlenden Sonne,
214
VIIl V'on nomba> mch Cc>lon
Madras liinKepen iintwlicgl dcr Ejnwjrkimg dcs im Wjijler
welienden Norducst-Monsun, Iial seine cigcnilichc Rcgen-
zcit im Winter, und im Sommer die strcngstc, nur diirch
den Cinfliiss dcs Mccres gcmlssigtc Tropenhitze
W/e das Kiinn, so war atich die Bcvdikeniiig nacfi
r.irbe, Tjpiis und Spraclie sebr von tier des nOrdlidien imd
nordwcsllichLii Indicns vcrsclucden Dort war die Spraclie
tind mitiun wolil auch die BLvOtkcning ansclicn Ursprtings,
hier im Slldoslen und Suden liidtcns werden Sprachen ge-
sproclien, welcfii. mit deni Sanskrit gar keine Verwandt-
sebaft Jiaben Zieht man cinc Lime von Bombay odor sfld-
iicher nach Orhsa, so trennt dicselbc die sicben ansclicn
Spradicn von den vlcr niclilarischcn, ivelche Im Suden
Indicns gesproclion werden An dcr Spitze der ersteren
stelit das in dcr ganzen Gangesebcnc \om PendschJib bis
Bcngalon lierrscbondc Hmdostahi Dasselbe zerfUIU in das
von der BcvOlkcrung gesprochenc Hindi und in das Urdu
(auch Hindostani im cngcrcn Sinne genannt), welches niclits
andcrcs als cm durch zahirciche pcrsische und arabische
Wdrter verunstnitetes Hindi isf Diesc Emdnnglinge, ver-
gleiclibar den franzasischcn WOrIcrn im Englischen, er-
schweren das Studium dcs Hindostani erheblich, wahrend
das rcinc Hindi dem Sanskrilkiindigen sehr leicht wird, da
es im Grunde nur ein die Endungen abstreifendes und
durch PartiJeeIn ersetzendes Sanskrit isL Durch die nio-
hammedanischen Eroberer wurde das Hindostani m der er-
wahnten entstellten Form eine Art lingua franca, welche
mehr Oder wenigfer in ganz Indien verstanden wird An das
im Gangestale gtsproebene Hindi schhessen sicb Csthch da-
von das Bengali und Onssa westhcli das Pendsdiabi im
PendschSb, das Smdi am unteren Laufe des Indus, das
Gujcraii nordlich von Bombay und das Mahratii welches
von Bombay aus jiach Nordosten sjch weit ilber das Plateau
von Dekhan erstreckt Das slnd die sieben anschen Sprachen
Dsc SpracKtx Indlens Ptoh'^sor Oppcrt
215
Iniiietis, wekhe sich lum Sa«sknl \echaUen, \Me die roma-
nisclien Spraclien ziim Latcmischei!, und ungcfalir cbcnso
weit wie dicse \on emandcr abslehen inngen Hingegen
hiben die folgenden vier Spraclien dcs Sddcns niclits mit
dem Sinskrit gemcin 1. an dcr OstkOste Indiens das
\on Orissa bis» Madras und 2 das Tamil \on Aladras bis
auf Ceylon, wo es an das f(ir erne arische Sprachc gchaltcne
Smshoksiscfic endhch Im flusscrstcn Slldwcsten Indicns
3 das Kanarcstsdte und 4 das MalnyiVam Das smd die
zwOlf Volkssprachen, welche betitigcn Tages in Indlen und
Ceylon gcsprocficn werden Wjf befanden uns also in
Madras sclion im Tclugulande Die dunkclfarbige BevOl-
kerung der Cingcborenenstadt, von den CnglUndern the black
(own genannt, und ihrc Sprachc mutete uns frcmdartig an,
auch einzclnc vom Ohr aufgclangene Wortc bessen sich
nicht deuten
Um so wertvoller war es mir, in dem damals noch m
Madras das Sanskrit verlrctcndcn Professor Oppert cincn
alien Bekanntcn begrllssen zii kOnnen Cr bewolmte als
Junggesclle cln melirstockiges Hans und bestand darauf, dass
wir bei ihm wolincn solUcn Erst am folgenden Tnge nalmi
ich dieses Anecbielcn an, nachdem wir im Hotel bci schr
grosser Hitze m einem klcincrcn Zimmer cine recht schlcchtc
NacM verbraebt batten Abcr auch die Nacht bci Oppert
sollte uns keine Ruhe gcwaiiren Er hatte fllr den Abend
eimge GUste gebeten und brachtc uns, nachdem dicse sicli
zuruckgezogcn, m em gcraumiges, luftiges Schlafztmtner,.
Oppert trOstete uns mil ^der vorhmdenen PanUia, emcm von
aussen gezogenen, liber den Bctten hm- und lierschwingcnden
Vorhang Ich hatte viel von dicsen, wahrend dcr Nacht von
Pankhazteiiern mittels eines Seiles gezogenen, Pankhas ge-
hOrt und bescliloss, einen solchen ftlr die Nacht anzustellen
Fhr diesen Nachtdienst erhalt er 50 Pfennig Er versali
21G
VIII \ on Bombi) nach Ceylon
semen Dienst olme cuizuschlafen, ich braudite niclit Wasser
nach ilim zu spntzen odcr ihn mlt Sticfeln zu werfen, wie
vide zu tun pflegen, wiinn er einsclil’ift untl man, in Scluveiss
gebidet, erwaclif, denn ich schlief Oberbaiipt ntchf cm son-
dern lag die ganze Nacbt im Kampfc mit den Mllcken, vi-clclie
uns trotz der Panklia kerne Ruhe liessen Obrigens war
Oppert nicht nur gcgen uns IiebcnswUrdig, sondern liatte
auch eine ausnahmsweise nette Art, md den eingeborenen
Studicrenden umzugelicn Er ging mit ihnen spazieren, iud
sie m sem Haus uiid nalim sich ihrer in ]edcr VVcise an
Er nahm mich mit in seine Sanskritfclasse jind Qberliess mir
dort das Regiment Es war eine erliebende Stunde, vor nur
sassen wolil dreissig schwarzbraune JUnglinge, welche meinen
Worten lauschten, iind reclits schweifte mem Blick auf den
roten Sand und das ganz in der Nahc brandende Meer, von
welchem eine erquickende Kuhle durch die weit gebffneten
Fenster heremdrang
Madras hat einen herrlichen Strand aber, wie die ganze
Ostkijste von Indien, keinen Hafen Mit imgeheuren Kosten
liatte man durch Einsenken von Steinmassen in das Meer
emen solchen erbaut, da kam eine Sturmfiut und schwemmfe
die ganze Arbeit weg Eben war man damit fertig geworden,
em noch starkeres Bollwerk m die See hinauszuschieben
Hoffen wir, dass dieses alien StOrmen trotzen wird
Auf em sonderbares Schauspiel machfe man mich auf der
Seewarte des Fort George aufmerksam Durch em scliarfes
Fernrolir sah ich weit im Meere, wohl erne Stunde vom Ufer
entfernt, zwei Manner auf einem Fahrzeug freiben welches
nur aus einigen durch QuerhDlzer zusammengehaltenen Balken
bestand Grosse, wUste Wellenherge gmgen. ubec sie weg
das Fahrzeug war bald unter, bald Ober Wasser Die Sache
sah wohl gefaiirlicher aus als sie war So lange diese
Fischmenschen nicht von ihrem BaJkengeflige weggesplilt
werden, haben sie nichts zu befDrchfen, denn das andauernde
Muckcnplage Dnc Sansknlklasse Em Cdlcf Alahdrija 217
Bad ist bei den dortigen Temperaturverlialtnissen niir eine
Erquickung
Auf dem Fort in AUdras sah ich untcr vielen Bllchern und
Handschrdlen auch cm E\emplat des aus unUbersehbar vielen
BSnden bestehenden Indian Gazetteer Es ist dies einc vonjahr
zu jahr fortschreitende statistisclie Sammlung allcr mOglichen
Talsachen, %\ elche fbr jede Provmz awfgczcichnet und der Nach-
\\elt aufbewahrt werden Audi hier, wie in so vielem, kann
die englisclie Vei^valtung alien anderen als A^uster dienen
Dutch einen ZufaU hOrte ich in A\adras, dass der
A\ah5ra]a \on Vijayanasaram, eiiiem klemen Reiche an der
Ostkliste stidlich von Orissa, (Ur kurze Zeit auf emem seiner
SeWbsser in der Ndhe von A\adras sich aufhalte Der Name
dieses Alannes war uns von dem vor sechs Alonaten in
London abgehaltenen Orientalistcnkongresse her m giiter
Ennnerung Als nliniUch Max Mllller lu emem Neudruck
seiner Rigveda-Ausgabe m vier starken BSnden schreiten
musste, und die englische Regterung es ablclmte, die grossen
Kosten des Druckes, wie bei der ersten Aviflage, auch diesmal
zu tragen, da war der MaharSja von Vijayanagaram flir sie
emgetreten ^Und dieser cdle FOrst," so sagte Max MUlIer
m emem Vortrage au( dem Kongresse „hat nicht nur die
samtlichen Kosten fUr die Herstellung des Werkes getragen,
sondern auch eine so grosse Anzalil von Freiexemplaren mir
zur VerfUgung gestelU, dass jeder von Ihnen welcher ernstlich
nut dem Studium des Rigveda beschflftigt ist, ein Exemplar
grabs eihaUen kann “ Diese Liberahtdt bei emem Werke,
dessen Ladenpreis 160 Mark ist, machte auf alle Anwesenden
tiefen Emdruck Ich selbst konnte davon keinen Vorteil ziehen,
da ich das Werk dutch die GUte Max MbUers schon iSngst be-
sass, habe aber wiederhoU flir wOrdige jUngere Freunde und
Freundinnen von AlaxMUllerein Exemplar erbeten und erhalten
Die Nachneht von der Anwesenheit dieses MaharSja auf
seinem Schlosse bei Madras erfUlIte mich mit um so grOsserer
218
VIII Von Bombay nach Ceylon
Freude, als ich nicht gehofft haffe, auch diesem edien FOrderer
der Wissensdiaft in fndien zu faegegnen Nach dem Tiffin
nahm ich einen Wagen und fuhr mif meinec Frau nach deni
von herrlichen Gartenanlagen umrahmten Schlosse Auf der
Veranda sass, von Schretbsachen umgeben, ein alter, scliwer-
hbriger und von Gicht geplagter Englander, welcher mir
ziemlich mhrnsch ervviderle, dass Seme Hoheit der Maliar5ja
nicht zu Hause sei und auch nach seiner RUckkehr zu be-
schaftigt sem werde, um mich zu empfangen „Das werden
wir ]a sehen," sagte ich, „wenn er erst meinen Namen ge-
lesen haben wird EinatweiJen werde icb sein Eintreffen
hier abwarten" Em unbestimmtes Knurren ward mir ziir
Antwort Ich wartete geduldig eine halbe Stunde und kntlpfle
unterdessen eine Unterhaltung nut einem mdischen Sekretar
an, der abseits auf der Veranda sass, und wir waren schon
em wenig warm geworden, als em Diener erschien und uns
rum MahSrSta geieitete Dieser war em feiner, schmachtiger,
etwas schllchterner junger Mann von vornehmer Haltung
Ich benchtete thm voni Orienlahstenkongress in London,
und wie dankbar wir alle flir seme Tat seien Er liOrte
nut grossem Interesse zu und fragte nach meiner Reise
Jnzwischen wurde in kostbaren.silbernen Tassen der Thee
servierL IcherzaiiltevonmemenEmdrhcken, aberreichtememen
Bombayer Vortrag, und als hierbet auch das iinten (S 242)
mitgeteilte Gedicht Farewell to India ziir Sprache kain, bit
er mich dasselbe vorzulesen und war sichthch gerlllirt, als
ich es ihm tlberreichte Mit den angenehmsten Empfindiingeii
verabscbiedeten wir mrs und rollten nach Aladras zurdek
Statt mit dem Dampfer von Madras um Ceylon henim
fdenn durch Roma's Brflcke, bedsuerhchciweise Adams
Bridge genannt, kOnnen kclne Dampfer faliren) mch Colombo
zu reisen, zogen i\ir es vor, auch nocli die stidlichsfc Spitze
dcs gcJicbten Landes auf der Bahn zu durcbfiJircn und
hierbel im Fluge dtn Stldlcn Tanjorc. Tridimopol^ und
Bcim MaliarajavonVjjayanagaram Tanjore Tnchinopol) 219
Madura nut iliren Tcmpeln und PalSslen einen flilciitigen
Besuch abzustatten Es war dies mbglicli, wcnn wir die
Nadite 2 um Fahrcn benutzlen und Tags ilber die Stadte
besuchten Die erste Nacht brachte uns von Afnrfrfls nach
Tanjore, wo wir von 8—10 Ulir morgens auf einem Ober-
spannten Ochsenkarren, dcm cmzigcn vorbandenen Fubr-
werK, lang ausgestreckt hegcnd und wieder emmal Mrs
Davidson im Huge begrflssend, zu den Sehenswlirdigkeiten,
vor allem zu dcm grossenTempel tiihren Dcr Brahmanismus
ist m Sudmdien importiert und hat bier semen Oottern,
gleichsam zum Schutze im frcmden Lande, nesige Teinpel
erbaut, welche ganze Stadtvicrtel emnebmen und wobl-
verwahrten Festungen gleicben Urn das Allerheiligste,
welches kemem Europaer zugtlngbch ist, ziehen sich drei, vier,
fimf Oder meiir Umwallungen, welche die zum Tempel ge-
hOngen Priesterwohnimgen und andere Baubcbkeiten ent-
halten Durch diese Umwallungen fuiiren die sogenannten
Goptira s, bohe Torbogen, welche sich zu gewaltigen Ttlrmen
zuspitzen Die Torbogen und Uberragcnden TUrme smd
ubersat von einem Gewimmel mylhologischer Figuren, welche
plastisch hervortreten und in ihrer farbigen Austuhrung
manche Gruppen von hoher Schbnheit zeigen
Nacb zweistUndiger Weilerfahrt erreichten wir Triduno-
poly, wo wir wieder emen solchen Riesentcmpel mit boch-
ragenden Gopuras besichtigten und dann, als es kuhler
geworden war, einen die Stadt hoch pberragenden Felsen
mit eingeschnittenen Wegen, Betstationen und einem die
Spitze krOnenden Tempel bestiegen Die Aussicht von bier
oben auf Stadt, Landschaft und Gebirge war von wunder-
barer Schbnheit Wir genossen sie mit dem Bewusstsem,
m24Stundenden heiligen Boden Indiens verlassen zu mussen
Wieder verbracbten wir erne unruhige Nacht au! der
Eisenbahn, die wir am frOhen Morgen in Madura verliessen,
um uns von einem Fuhrer zu den Sehenswlirdigkeiten geleifen
220
VIII Von Bomboy nach Ceylon
zu las'^en Als wir unterwegs einige Erfnschungen zii uns
nnhfnen und divon auch dcra FWtrer anbofen, lehnfe er sie
dankend ab, mit der BegrUndung, dass seme hohe Kaste
ilim die Annahme niclit gestatte Er fllhrte uns zu dem be-
rQlimten Nyagrodliabainne, der an Schbnlieil dem m Cal-
cuda nafie, wenn auch nicht gleich kommt Dann wurden
Palasl und TcmpeJ mil ibrcni rcjcJien Inlialle besicbbgt, und
urn 12 Uhr sassen wjr wicdcr auf der Balm, der letzten
Slldspitze Indicns zustrebcnd, wo in TiiUcorm der Dampfer
nach Ceylon uns aufnchmen sollte Da dieser von Bom-
bay kommende Dampfer Ttilicorm urn 6 Dhr abends anJie/,
unser Zug aber erst 5 Minuten spater einlraf, so haffen wir
telegraphisch ersucht, auf uns zu warlen AmBahnhofe von
Tuhconn war denn auch bei unserer Ankunff em unter-
geordneterVertrefer derDampfschiffsagenturanw esend, welcher
2 ur Ede aufforderte, da der Dampfer schon draussen m der
See auf uns warte „Haben Sie‘, fragle ich, „dje von mir
telegraphisch gewlmschte SteanHaandi (Dampfpinasse) be-
sofgt?“ -- „Ja wohl, mem Herr" Wir eiJten zum Ufer
und fanden dort statt der versprochenen Dampfptnasse nur
ein ganz ordmares Segelboot, ohne Banke und ohne Verdeck,
die Wande so hoch, dass man jedesmal lunaufkiettern
musste, wenn man etwas sehen wollte In diesem elenden
Obstkahn sollten wir bei hereinbrechendem Dunkel nach
dem Dampfer befOrdert werden welcher so weit im Meere
Jag dass man ihn J^aum seJien konnte Ich war Uber diese
Zumutung hbchst aufgebracht und bestand darauf, dass der
Kommissiondr zu unserer Sicherheit mit zum Dampfer faliren
mUsse Wir liessen also meine Frau und unsere zahlreichen
GepackstUcke vorsichtig an den liohen Wanden des Fahr-
zeugs auf den schmutzigen Boden henmter, kauerten selbsf
auf demselben nieder, und die Fahrt begann Der Wind
war kontrar, es mussfe Javiert werden Der Wind wiirdc
starker, die See immer unnihtger Meme Frau wurde see-
Madura Tuticonn Eine uUnCmStlichC BooJfahrt.
221
Krnnk, dte Silualton inimer ungemUllichcr Wie gewOhnJjch
in den Tropen v'.ar auf eine kiiRC Dammerung ticfdunkic
Nacht gcfoigt ImmeJ* wieder kleltcfte icJi an der Bootswand
hinaiif und spaiite nach dcm Liclit des Dampfers, aber es
\NolUcimd wolUe mcbl naher kommcn Plbtzlich stiess der
Mann am Steucrruder mit dcm Ausdruck des Schreckcns
einige mir unverstandliche Wortc liervor «Was hat cr gc-
sagt’“ fragte ich „Er sagtc“, hicss es, „auf dem Wrack,
das auf unsercm Wcgc liege, sci kcin Licht" Wie, uenn
\Mr m der Dunkelhed dngegcn rannfcn' „Das \vare,“ sagte
mir spater der Schiffskapitan, „lhre Ictztc Stiindc gcu’esen “
EndUch kam das Licbt des Dampfers nShcr und naher, und
gegen 8 Uhr errcichten wir nach zmci qualvollen Stnnden
das Schdf Die Sec war so wtis!, dass man niclit wagtc,
die Schdfslreppe heruntcrzidasscn Z\vci Schiffsoffiziere
kiefterten an cincr Stnckleitcr hcrunter und brachten schic*
bend und ztelicnd mcine Frau auf das Vcrdcck, wahrend
das Boot an der Seite dcs Schilies imgcstOm aid- und
niedcrtanzte jetzt wurden die vcrschicdcncn Kolbs und
Kofferchen an Stricken in die Holic gezogen Mit Angst
sab icb sie Uber dem Wasscr schweben Es brauclite niir
cm Schloss aufzugehen, und der ganze Inhall ware tm
Meere verscliwimden Endlicli war nun alles oben Ich
slieg aid der Strickleiter litnauf, bczalilte die Leiitc, und der
Dampfer setzte sich in Bewegung Es war cm grosser, mil
allem Komfort ausgestatteter Dampfer der von Emgeborenen
unterbaltenen Asiatic Society Nur wenige Passagicre, meist
Eingeborene der besseren SUndc, waren an Bord Man
empfing uns Susserst hcbenswQrdig, gab uns rclcldicli zti
essen und zu trinken und wies uns erne fdr uns rescrvierte
grosse, luftige und sauberc Kabine an, in der wir zum ersten
Male seit langer Zed wieder eine gute Nacldrulie batten
Der andere Morgen land uns noch zwiscbcn Himmel und
Wasser, erst gegen Mdtag tauclitcn die Umrisse von Ceylon
222
VIII Von Bombiy mch Ce>Ion
aiis dem Meere nuf, und nun kam das wundervolle Eilaiul
nut semem Krauze von PalmenwiUdern und semen fiocli-
ragenden Bergen inimer n&her Iieran Um drci Ulir warfen
wir Anker, (asen bcim Aussteigen cinc m den grfisslen
Bndiskiben dem Rejscncien en/gegen<refende Warnung \ot
den grossen Gefahren des Sonnensf/ctis, und bald darai/f
waren wjr in dem Zimmer ernes gwten Hotels beliagbdi imter-
gebracht Da bier mebt wie in Jndien ein Pensionsprqis fUr
den Tag, sondern wie bei uns aJJes emzelij bezablt wurde,
so war vorauszusehen, dass die Hotelkosten doppelt so lioch
wie in Indien sem wUrden Wir bestellten das Dinner ftirden
Abend und liessen zwei der an alien Slrassenecken zu fin-
denden Jmrikisha herbeiholen Es sind das allcrliebste
kleme Karrchen von eleganter Ausstatlung. deren zwisclien
zwei hohen Radern befmdlicher Sitz nur ftlr eine Person
Platz gewahrt, und weicbe niclit von Pferden, sondern von
emem chokoladenfarbigen, bis aufKopffuch und Lendenfiich
vollkommen nackten Manne gezogen werden Die Side
stammt aus Japan, wie auch der Name, der auf japamseb
„l\1annwagen“ bedeutet Dieses BefbrderungsmitteJ stelit
der Droschke an ScbnelJigkeif wenig nacb und jst dabei
bedeutend biliiger Unser Besuch gait einem meiner alfesten
Jiigendfreunde, dem Kaiserlich deutsclien Konsul Philipp
Fretidenberg, der ebenso wie ich vom Westerwald stammte
Unsere Eltern waren dort befreiindet gewesen, und wir selbst
batten als Kinder uns oft besuclit und zusammen gespielt,
aber seit 1853, also seif 40 Jahren, uns nichf mehr-gesehen
Unsere beiden Menschenpferde trabten tap/er darauf Jos,
docb bedurfte es iSngeren Herumfalirens in der von duftigen
Garten durchzogenen Villengegend Colombos, bis wir das berr-
liche.von Veranden. und Garten umgebene Haus Freudenbergs
erreicliten Auf der Veranda brannte Licht, und kaum batten wir
iinsere Karten binemgeschickt, als von dorther der krflffige
deutsche Ausruf herbar wprde „Na, endlichf" Freadenberg
Anlvunft in Colombo Konsul Treudcnberg
223
jpfmq unscrn langst cnsarteten Besuch auf dns freiind-
hste Er sci ganz alletn zu Hause. da seme Frau nut den
2 T SOhnen in Deulscliland ueik, iind scm Bruder sicti clien
if der Uochzedsrcise im Qebirge befinde Wir mOssten
me Widcrrede, so lange vsir m Colombo ^\eJItcn, bei dun
olmen Ich sagtc cs fllr den nilclisten Tag zii, aber cr
Estand darauf, dass wir noch am sclbigtn Abend hci dim
nseren Emzug lialtcn mttssten, imd so bheb mir nichts
brig, als ms Hole! zurnckzufalircn, die BestcIIung der
immer vsieder rllckgangig zii maclien imd m sp.*ltcr Abend-
tunde mit Sack und Pack m dcmscliOnen Hause Freuden-
lergs cmzutreffen, welches den Namcn Sinrmesa, d h
Wolinsitz des GlQckcs" fldirtc Hicr konnten wjr uns in der
)bcrcn Etage nach Hcrzcnslust ausbrciten imd genussen nut
3ehagcn die GastfrcunUschnU dcs rcichm und vornefimen
Hauses Emc zahlrcichc Dicnerschaft, dicHaarc nach singha*
lesischer Sittc nut cinem Kainmc nach Weibcrart tunten
aufgestcckt, bedicntc uns bci Tischc, zum Schliissc der Maht-
zeit cfschicncn die kOstlichsIcn Frllchtc, Ananas, Bananen,
Mangos, und als wir Uber diese Fnilc der Oaben des Landes
unsere Bewunderung aiisspracben, Jmsserte Freudenberg mit
Bescheidcnhcd „Es ist unscr gcwfthnbches Dessert*"
Aber aucb flir unscrc geistigcn Bcdbrfnissc sorglc miser
hebenswDrdiger Wirt, mdem cr, sowed cs seme Zed crlaubte,
mit uns m die Stadt und zu den ScbcnswUrUigkedcn fvihr
Das reichlialtige Museum, der grosse Bucldliatempel nut
seiner Kolossalstatuc des Iicgcndcn Buddha, der herrhchc
S'frand md seiner erfrisctiendcn Brisc sind mir noch m
bester Ermnerung Mu bcsondcrem Intcrcssc bcsuchtcn wir
auch die wedausgcdehnten Aniagen der Kokosolfabrik
unseres Freundes Er fllhrte uns durch das Lager, in
welchem das von hberall her angckauftc Rohmafcrial, idlm-
licii das zwischen der hOlzcrnen Sctiaic und dem inneren
Salt slch zu evner Schicht ablag^mde Flcisch der Kokos-
224
VIU Von Bomba) nach Cejion
nUsse, getrocknet wurde Wir sahen die VornchUins^en
durch welche dieses Material zerschnitten zerstampft, zer-
ncben wurde bis aus ibm unler dem Drucke gewaltiger
Pressen em breiter Strom goldig khren KokosOls iii mach
ttgem Sprude! emporquoll In einer bcsotideren Abteilong
wurden die 500 Liter lialtenden Passer gebaut diclit gemacht
und schliesslich gefiUlt um nacli alien Himmelsgegendeii
versandt zu werden Mit diesem Hauplgeschafte wir frOlitr
ein Handel mil Kaffee verbunden Ncuerdings w ir an scmt
StelJe der Thee getreten sejl der Kif/ee in Ceylon den Ver
beerungen durch ein gewisses Insekt ausgesetzt ist sociis*'
der Anbau sich nicht mchr lohnt
Wir verltessen den Freund f(ir cinige Tagc um der oben
im Gcbirge Iiegenden StadtAa^dj der alien Hiupistidf des
Reiches cinen Bcsuch ibzuslatten Die dort hinflllircndc Ci*
birgsbalm durchnuft langcre Zed die dichttn PalmcnwlMer
des Mlstensaunics bis sie dann am Cebirge cmporslcigciul
in fllnf Stunden mch Kandy fOlirl An ciner iiilltsfelle bot
cm Mann ils Erlnsciuing KokosnUsse das Stuck zn zehn
Pfennig an Ich kiuflc cme solchc cr selling mit Lintm
wolilgcziellen Hicbc die oberc Deckc ib und so cinpf ng tcli
dis ktihlt wie cine milti. Lunomde schmecktnde GitrUnk
mitsimt sciiiem nalllrlichtn Bccher Gegcn Abeiul crrcichtcn
wir das von bcwildelen Btrgtn umgebene rciztnd in eiiicni
Ste gclcgcnc hind) An den Ufem desstihen nitJirm
BuddhisknklOskr denen wir im tolgcnilcn Ti^c eiiKii Bi-
sucli ibstiittien Um tiiien bcsclitidcnen Me fraum hirum zog
sicli dis Gcbludt wtichts die Zefltn fdr die Monclie etidikic.
Wir bcsichtgtcTi cmi soIcJic wticlie gendt kcr stand Lin
Tisch mit ttntin \\ isstrkrug und tin Irmliclus Ligtr imchtcn
dtn gmren Ininit ms Die Ubrigcii Zclkn dnrfltn wir riftht
hitriten wcil uit es hicst die Monelit dirm init StudJrrm
I tscliaft gt sekn Da ts gtndc um dit lici^se MitiiK*'^‘-b
war so werden sic wnlil Qber tiuen Pilml liitlnndschriltrn
Nach Kand> Hn Buddhistenkloster Hcutiger Buddhismus 225
em wenig emgenickt scin Das Sludieren der MOnche, so-
■v.eit es Uberhaupt statt hat, besteht wohl Ubcnviegend im
Abschreiben von Handschriften Das Schreiben geschielit auf
Streifen von Palmblattern Mit einer Nade), die sich dabei
auf den immer weiter vorangeschobenen Daumennagel der
linken Hand stQtzt, warden die rundlichen SchnftzUge von
der rechten Hand mit grosser Geschwmdigkejt dcm Blatte
emgegraben und durch eine liinterhcr eingcrtebene Schwarze
sichtbar gemacht Solche Handschriften smd sehr billig zu
haben Von cinem Handler auf der Strasse erstand ich fiir
em paar Rupien cm ganzes Bflndcf soldier bcschnebener
Palmbiatter und habe daraus manchcn Buddhaschwflrmer in
Europi beschenkt
Gegen Abend besuchtcn wir den berUhmten Buddha-
lempel, m wclchem wir uns unter den Schwarm der aus- und
emgelienden Verehrer mischfcn Em junger Mbnch erkannte
uns a!s Fremde und machfe sich mit uns zu schaffen, mdcm
er unaufgefordert uns auf dieses und jenes im Tempel auf-
merksam machte Ich liess es mir gefallen war aber nicht
wenig Uberrascht, als mich der Mbnch zum Schlusse urn em
Trmkgeld bat „Ich denke, Ilir Buddhisten dUrft kem Geld
nehmen", sagte ich „lch wHI es auch nicht ftlr mich“, er-
widerte er, „sondern fttr meme Bticher“ Der Buddhismus
schemt m der Tat von seiner alten Strenge so ziemlich hlles
verloren zu haben, wenn ich auch die Geschichte dahmge-
slelU sem lassen will welche mir unser FUhrer erzahlte, dass
aus dem Kloster drUben am See vor emigen Jahren em MOnch
gehenkt wordcn sei, weil er, m cinen Liebeshandel vervvickelt,
semen Rivalen aus Eifersucht ermordet habe
Am Nichmittag fuhren wir nacli Pcradeniya, um den
dortigen weltberUhmten botanischen Garten zu besuchen
Wir wurden dank einem Erapfehlungsbnefe Freudenbergs,
sehr zuvorkonimend empfangen und herumgeflihrt Wahrend
es unten in der Ebene Von Colombo flir viele Pflanzen zu
t}euss«n Erinneningtn an Ind ra 15
226
VIII Van Bombay nach Ceylon
heiss ist, so gedeiht liier oben alles, was wir von Jugend auf
zu Schhtzen wissen, Kaffee, Zucker, Vanille, Kampfer, Kakao,
Zimt und alle mbglichen Gewbrze m freier Luft Emige
Schuppen dienen zum Schutze gegen Wind und Regen, Ge-
wdchshauser gibt es m Qbrigen nicbt, denn was iner nicbt
im Freien fortkommt, das wUrde wohl vlberhaupt nirgendwo
wachsen Auch viele edie Baumarten wurden uns teils als
lebende Pflanzen, teils als Holz im Querschnitt gezeigt, und ich
bemerkte beim Ebenholz, dass nur der mnere Kem des
Stammes schwarz isf wahrend die umgebenden Scliichten
sich von denen anderer Baume nichl merkJjch imterscheiden
Nachdem wir beim Direktor des botanischen Gartens
den Nachmittagsthee emgenoramen, folgten wir gern seiner
Einladung, erne benachbarte Theeplantage zu besichtigen
Alan fuhrte uns durch die nur niedngen, m regelmassigem
Abstande von einander entfernten TbeesirSuche, an denen
wir viele Weiblem nut Tragkbrben auf dem Rtlcken be-
schaftigt sahen Sie sammelten die emzelnen Blatter, wobei
wie man nur sagte, die Vorschrift besteht, dass von sieben
Blattern drei gepfliickt werden dftrfen und vier stefien bJeiben
mbssen Wir wandten uns dem auf der PJantage stehenden
Hause zu In einem Zimmer war gerade AblOhnung Die
Weiber drangten sicH mit iliren Kttrben heran em Knabe
setzte jeden Kerb auf die Wage, und em junger Englander
beobachtete den Zeiger und warf jeder Sammlerin eimge
KupferstUcke aus emem vor ibm Iiegenden Haufen zu" Dies
alles war das Werk ernes Augenblicks, und so wurden viele
in kurzer Zeit abgefertigt, eintge auch dadurcli, dass sie
kein Geld, sondern den Korb mit den Biaflern zurflek erhtelten
Das alles gescliab ohne tJnss em Wort dibm gesprochen
wurde Welter sahen wir die kanstlichen Vorrichtungen
zum Rollen und nachfolgenden Dorren der Blatter Vienind-
zwinzig Stunden nach dem AbpflOckcn der Tficcbiattcr kOnnen
sie bereits zum OetrSnkc vcnvendcl werden
Poradeniyi Emc Tliecplantage DerBrotbaum DneSchlange 227
Unter Donner, Blitz und Regen ernes tropisclien Oc-
witters, wic sie auf Ceylon hSufig sind, kehrten wir nacli
Kandy ziirtlck Am nSchsten Morgen machlen wir vor clcr
Abreise noch einen Spaziergang auf den bevvaldetcn HOgcIn
der Umgebung Beim Hcraufsteigen vom See aus kanien
wir an einem Brotbaum vorbei, dessen unfBrmige FrUchte
ungetahr die QrOsse und Form eines Scliwarzbrotes haben
Ich liess von einem Knaben eine Frucht herunterholen Sie
enthielt eine schwammige Masse, in welcher erne grossc
Zalil von Kernen eingebeftet liegt Nur diese Kerne sind
es, welche gegessen werden und um dcrentwillen die Frucht
gescbatzt wird Anmutige Promenadenwege fobrlen bbber
hinauf und gewahrtcn Du'chblicke auf den See und die
Stadt von Uberraschender Schbnheit AIlc diese VVege
waren nach dem Namen irgend einer enghschen Lady,
Lady Horton's Walk usw,benannt, als wenn diese Damchen
erst diese paradtesische Herrlichkeit geschaffen batten Noch
stand die Sonne tief und gliUerte horizontal diirch die
Butter der Bflume, eine lierrliche Morgenfrische iimwehte
uns, der Gesang der Vdgel, das Summen der Insekten, der
ganze Zauber des tropischen Waldes umslrickte uns Unter
angenehmen GesprSchen schntten wir auf einem teilweise
mit Blattern bedeckten Waldwege dahm, als ich eben noch
zur rechten Zeit bemerkte, wie meine Frau im Begriff war,
ihr FUsschen auf eine gerade Uber den Weg knechende
schwarze Schlange zu setzen Mit emem Aufschrei nss ich
sie ziiruck, ich war erscbrockeji, sie war erscbrocken, aber
auch die Schlange war erschrockcn und schiangelte sich
eiligst ms Gebilsch, wo sie verschwand Das war die
einzige Schlange, die wir im freien Zustande m Indien
wShrend unseres Aufenlhattes vom November bis zum Marz
angetroffen haben FUr den Europfler, der mit guten Stiefeln
versehen ist und seme Wege wShlen kann, ist die Schlangen-
gefahr nicht gross Anders bei den Emgeborenen, wenn
15 *
228
VIII Von Bomba> nach Cejlon
sle mil nackten Filssen imd Bcinen in den Feldern arbeilen
Oder zur Naclitzeit wandem Hierbei kann es gar leiclit
vorkomnien, dass sic imvereelicntlicli auf eiiie Sclilange
treten, und das konnen die Schlangen nun einmal niclit leiden
Zwei Stunden spSler waren wir auf dem Bahnhofe und
sahcn in dcr benachbarten Strasse eine vielbescliriebene
Scene Drei buddliistisclie MOndic rail kahl gesclioreiiem
Kopte und langem gelben Oewande liielteii in den Handen
dire durcli das Obergcwand halbverdeckten Afraosensclialen
Sie gingen von Haiis zu Haus und blieben schweigend auf
der Strasse gegenOber der HauslBr stehen, bis jeraand
bcrausiral und ihnen drei KlOsse. Oder was es sonsi sera
raodilc, in den Topi legte, Dann gingcn sie weiler Be-
kannl ist, dass alle Nallrung der buddhistisclien MOnclie
erbettelt sein muss Was sie ira Laufe des Vorraittags von
Haus zu Haus gesammelt liaben, das verzehren sie nocfi
vor Miltag in ihren KlOslern und dOrfen nach zwblf Ulir
raittags den ganzen Tag keine fesle Speise raehr zu sic
neliraen Nach allera, was ich gesehen liabe, isl die Lage
efnes buddhistisclien MOnches noch weniger zu beneiden
als die eines christlichen, womit doch schon viel gesagt ist
Auf der RUckfahrt nach Colombo genoss icli noch ein-
mal die herriiche Landschall und kam nut mir zu dem Sclilosse,
dass die Natur m Ceylon viel schOner ist als in n len,
dass aber die BevOlkerung Ceylons lange niclit so
ist wie die mdische Denn m Ceylon herrsclit der Bu is
mus, welcher eine grosse Toleranz, aber, als Kehrseile er
selben, eine ebenso grosse Indifferenz zeigt Wie er
religibse, so ist auch der politische Fanatismus en
Singhalese!! fremd Freilich ist Ceylon nicht, wie In len, ^
em von England aus beherrschtes und ausgesogenes an ,
sondern eine englische Kolonte, und das ist ein grosser
Unterscliied In Indien zehrt die sehr kostspieiige er
waltung das Mark des Landes auf Wiederholt liat man mir
Bettelnde BuddhistcnmSnchC Ce>lort und Indicn 229
versichert, dass aUiahrlich 15 Millioneit Pfund Sterling, gleich
300 Milhonen Mark, fUr Pensionen und Vcrwaltungskoslen
nach England abgclQlirt werden, ohne dass ein maleneller
Ersatz dafdr zurtlckfliJsse Das ist ein Aderlass, den auf
die Dauer auch das reicliste Land nicht ertragen kann „Da
hatten wir es doch noch bcsser," sagten meine indisclien
Freunde, „zur Zed der Mohammedaner Diesc plagten und
schunden uns auf alle Weise, aber sie vergeudeten auch
das Erpresste wieder, und das Geld bheb im Lande Aber
die Englander verzehren ihre Pensionen m England, und
das Land wird immer armer" — Ich kann nicht beurteilen,
wie wed dvese Klagen begtftudet smd, ich vveiss nur, dass ein
Freund von nur, em noch mcUt sehr alter Mann, als Colonel aus
Indien schied und jetzt, m England lebend, als Pension die^
Klemigkeit\on 1100 Pfund Sterling gleich 22000 Mark bezieht.
Was aber den Buddhismus belnfft, dcr diese Abschweifung
vcranlasste, so kann ich nicht umhin, dem Urteile meines
FreundesOarbcbeizustimmen.dassdiese Religion der Liebe und
Barmherzigkeit zugleich die derTragheil und Unwissenheit ist
Dieser ungQnstige Emdruck konnte auch nicht dutch
den Besuch verwischt werden, den ich nut Freudenberg zu-
sammen kurz vor memer Abreise bei Siwmngala, dem Ober-
haupte des Buddhismus m Ceylon machte Ich fand in ihm
emen liebenswUrdigen Greis von klemer Gestalt, aber voll
WUrde und mit emem schonen beschaulichen Ausdrucke des
Angesichts Er sprach leidlich gut Sanskrit, und unser Zu-
sammensein verlief aufs beste Aber von emem Feuer, einer
Begeisterung, wie ich sie von Indien her gewohnt war, konnte
keine Rede sem Die umgebenden Mbnche gnffen nicht in
die Unterhaltung ein, vielleicht weil sie des Sanskrit nicht
hmreichend machtig waren Dies bestatigte sich auch, als
sie tnir auf emen Wmk des Oberpriesters die schon auf
Tischen bereitgestelUen Handschnften reigten, wobei wir uns
muhsam durch ein Gemisch von Sanskrit und Pali v erstSndigten
230
Vlll Von Bomha> nach Ceylon
So rllckfc tier 16 MUrz lieran, an welclicm die von
Australicn kommende Britannia tins aufnehinen tind in die
Meimat zurUckfuliren sollte Der Gedanke, von Indien zu
sclieiden, liatte chsas WclimlUigcs, und dock kclirte icli niclit
ungern zurlick Ich sehnte micli nach eincr geregelten TStig-
keit, auch hatte ich in diesem Winter Cine Obcrftllle von
Eindrheken eingesogen nnd verlangte nach Ruhe, tim das
alles in mir zu vcrarbciten Dazu kam, dass um die Mitte
dcs Marz die Sonne Uber Ceylon bei semen aclit Grad nOrd-
hclier Breile fast scnkrecht stand Der eigene Schatten be-
schrankte sich ziir Atittagszeit auf cm klemes KlUmpchen
unter den FQssen Man kam sicli vor wie Peter Schlemih),
der semen Schatten vcrloren hatte Em glanzendes Dmer
welches Freudenberg uns zvvci Togo vor der Abreise gab,
musste im Frack uberslandcn werden und brachte durch furcht-
bares Schwitzen den Unterschied der Temperaturen luerund
m Deutscliland reclit fhhlbar zum Bewusstsem Mcinen
Diener PurSn bezalilte icli aus, fUgte em reichhch bemessenes
Reisegeld zur Ruckkehr nach Cawnpore hmzu und Iiess ihn
in Frieden ziehen, denn die zalilreichen Diener des Hauses
Freudenberg machten seme Hitfe entbehrhch Emgeden
der Knappheit des Obstes auf den Seeschiffen Ubergab ic i
einem der Diener drei Rupien mit dem Auftrage, Obst da
fur zu kaufen Er kam zuruck mit einem grossen Korbe voll
Ananas und Mangos, Bananen bnd Apfelsmen Unsere ^
Dber diesen Schatz sollte nicht von langer Dauer sein
gleich wir das Obst auf dem Schiff sogleich m den Gefner
raum brmgen und nur zu den Mahlzeiten herbeiholen Iiessen
so zeigten sich doch nach den ersten Tagen sclion solche
Spuren der Faulnis dass wir die Hoffnung aufgaben, das
Obst auch nur bis Aden zu brmgen, und uns beeilten, nac i
links und rechts davon auszuteilen, zur grossen Freude un
serer Tischnachbarn
Ncuntcs Kapitel.
Die Heimreise.
■^^ir batten die ungtinstige Lage unserer Kabine auf dem
Hvmataya noch lu tebend\g m der EunneTwng, wjti nicht
fbr die Rlickreise bessere Vorkehrungen zu treffen Schon von
Bombay aus hattcn wir aul der am 16 MSrz von Colombo
aWabrenden Britannia erne KajDte aut der rechlen Seite des
obereti Decks besteUt und die Agentur liatte diese Bestellung
angenommen Als wjr aber jn Colombo auf der Agentur uns
emfanden, behauptete man, dort nichts von der Bestellung zu
wissen, und konnte uns erne bessere Kabme nur bis Aden
zur Verfligung stellen, da ste von dort ab reserviert sei Am
Donnerstag frllh zeigte sich vor Ceylon der Koloss der
BTdTtrmm, wir ^rbbstlJcWen nocb ein ^etztes Mat zusammen,
nahmen mit warmem Danke AbSchied von Freudenberg und
wurden auf semen Befebl m dem Kaiserlich deutschen Boote
von zw&H Btaujacken mil schwarzbraunen Gesichtern zur
Britannia gerudert Dies gab uns von vomheretn schon ein
Ansehen, welches aucb mcht gestort wurde, indem wir dafUr
sorgten, dass man auf dem iurQckkehrenden Boole nur zu-
fnedene Qesichter sah Die Anker wurden gelichtet, und
232
IX Oie Hetntrttsc
nut Wchmul sahcn wir das ticrrhchc Land ferncr und fer-
ner rilcken und zutetzt m dcr Abenddammerung vcr-
schwiiidcn
Die Britannia war nicht so neii wie dcr Himalaya, da-
flir aber urn vielcs besser cingcfaliren Der Kapitan uarein
pflichttreuer, wackcrer Mann, dcr auch fllr seine Passagiere
cm freundhches Wort tlbng lialle Die Mannscln/t tat pHiikt*
lich ihren Dienst und die Stewards warm nicht so fan), wie
die auf dem Himalaya Auch die Passagiere halten em an-
deres Geprage als das junge, turburlente, hbemiUtige, ver-
gnOgungssllchtige Volk, das uns auf dem Hinwege begleitet
Inlte Unsere jctzigen Alitreisenden kamen meist aus Auslra-
lien und waren zum grosseren Teile gesetzte, aitere Leute,
die ihre Geschafte dort abgcschlossen haben mochten und
in die Heimat zurUckkehrten Zwei wackere freidenkendc
Qeistliche und em Arzt, Dr Jameson — nicht der bcrUchtigte —
nutseinemrcjzendenTbcIilcrchen VioJethingen engerzusammen
und wif wurden bald naiier mit ihnen bekannt Vier junge Inder
schlossen sich nalurgcmtiss an uns an Sie waren fUr urrs
der letzte Naclihall mdischer Hcrrlichkeit Nattlrlich fehlte
es auch nicht an weniger sympatiuschen Elementen
Am Sonntag war zweinial Gottesdienst, und wir htirten
gern die praktischen, zu Herzen drmgenden Reden der er-
wShnfen Geistlichen an Da war nichts von Dogmatik, da
wurden die Verhaitnisse des wirklichen Lebens nut semen
Besfrebimgen und Sorgen durchgesprochen, und das al/es m
einer Weise, welche diskret und darum wirksam auf das
Ewige, Unnennbare hinwies „Viele Leute“, sagte der Geist
liche, „mUssen bei allem klagen und murren Sie wohnen
in etner schlechten Gegcnd, In Gambling Street, wir aber
wollen sie zu unsherilberlockeu, damitsie iJire Wohnung nut
uns m Thanksgiving Street nehmen und alles, was ihnen zu-
stdsst, nut Gelassenheit, ja mif Dank gegen die Vorsehung
entgegennehmen“
Die Brilanna 7w.d«lei Predigcr Aden
233
Am nliclisten Sonntag hielt em Mtssionar die Predigt
Die befreundeten Geistlichen erklUrten, dass sic nicht liin-
gthen wOrden und neten aucli mir davon ab. Dies reizle
meme Netigierde, und ich ging erst rccht bin Der Text
\sar aus dem Hoheu Lied «Du bisl die Rose von Saron
und die Liltc in den Talcrn" Diese Rose, diese Lilie sollfc
dann )esus sein, und die lolc Taibe, der DuU und wer
weiss was sonst noch wurde in der gcsclimacklosesteii
Weise au! das sllsse Jcsulcin angewendet, welcbes unser
Redner hltschclte und licbkoste, ja aus wcichem cr geradezii
em Idol machte Von moralisclien Gedanken war in der
ganzen Predigt keinc Spur zti entdccken
Wahrend dicser und andcrer Ericbnissc liatte sicli die
Scliraubc unseres Dampfers Tag und Nacht uncrmlldlicli
gedreht, und cine Woche nach der Abfalirt, am Donnerstag,
dem 23 Marz, ankerten wir am sCidwcsflichen Ende von
Arabien vor Aden Hicr mussten vvir die Post von Bomba>
an Bord nehmen, die erst gegen Abend cintrcften konnle,
und so durften wir ans Land geben und uns umsehen
Am Haten Uegen nur die zu ihm gehorenden Gebaude und
em elendes Hotel, das Stadtehen Aden begt eine Stundc
enttemt auf der anderen Scite ones bohen BergrUckens
Die Umgebimg von Aden ist das Trostloseste, was man
von Landsebatten sehen kann Da gibt es kelnen Baum,
keinen Straucti, ja nicht emmal cm Grashaimchen ist zu
tmden, aUcs ist sonnevetbrannte, ausgedlirTie Wbste Es
soil hter nur alte drei Jalire einmat regnen Dann wtrd das
Wasser in emem System von tnchtcrf&rmig nacb unten
zugespitzten Cisternen aufgefangcn, m deren Tiefen wir erne
armselige Wasserlache bemerkten Neben diesen Cisternen
befindet sich der „Park von Aden" Es ist erne klimmer-
liche Anptlanzung klemcr Baume nut verstaubten, halb
welken Slattern, welclie schlaff und oline Lebenslust herab-
hangen Diese mUbsam unterhaltene Anlage ist das Einzige,
234
IX Die Hcimrcisc
was man an V'egetalion m tier Umgegend von Aden 2 U
selicn bekomint Wir stiegen ans Land, da wo, als Mdtel-
punkt des Verkehrs, das sclimutzige Hotel liegt Vor dem-
selbcn gtngen jlldisclic Gcldwcchsler m langem Kaftan und
von den Schlllfen licrabhangcndcn judcnlocken, unnufhOrlich
mlt dem Gclde in ilircn Hinden klappernd, Inn und tier
Ich wechselte cine Rupie, indcm icli niicb daraiif gefasst
inachte, betrogen zu werden Diese Erwartung bestatigte
sich, unter dem Wecliscigeldc befand sicli ein falscbes
Stuck, wie ich erst durch andere und zu spat erfuhr Ich nahm
cinen elenden Wagen, um auf die PasshOlie zu faliren, von
welchcr es auf der anderen Seilc zu den Cisternen und
nach Aden heruntergeht Der Kutscher, ein frechcr Araber
von entsprechendem Ausscren, crliob leden Augenbhek Ein-
wendungen gegen die von mirgewahite Fahrt Am Iiebsten
hatte ich auf den ganzen Wagen vcrzichtet, wenn nur ein
anderer zu liaben gewesen ware Endlich rappelte unser
Wagen durch die Oden Sfrassen von Aden und auf den nut
Stulenhallen umgebenen Markt zu Hier kaufle ich einiges
Obst, aber es war wenig Geniessbares darunter Wie m
Agypten und Palastina, so lauerten auch hier Uberall hungnge
Arabergesichter, immer darauf bedacht, den Fremden aus
zubeuten Wir kehrten Ober den BergrUcken zum Hafen
zuruck, und ich war froh, den widerspenstigen Kutscher los
zu werden Wir sassen einen Augenbhek in dem stark
besuchten Hotel, aber weder die Umgebung noch die
Speisen und Getranke luden zu ISngerem Verweilen em
5o fuhren wir schon gegen Mittag wieder auf das Schi
Welch em Trost ist es, m wilden, gefShrlichen, verKom-
menen Gegenden em mitallem Komfort ausgerlistetes Schi
^Is Zuflucht zu haben' Gegen Abend langte die Post
Bombay an, und es dauerte mehrere Stunden bis alle le
tausend GepackstlJcke aus dem einen Dampfer m den anderen
Jimliber geworfen waren
Einc trostlosc Undschaft Suez Abcntcucr im Kanal 235
Die dreitligige Fahrt durch das rote Aleer war iange
nicht so heiss, wic auf dem Hmwege, da wir bestlindig
emem krilftigen Nordwmde cntgegenfuliren In Suez wurde
Proviant eingenommen, und es kamen Hiindler an Bord mit
Photographien, Obst, Nascbwerk, Sclimucksaclicn und allerlei
Kram Die Langeweile eincr Seereise bcwirkt es, dass sie
GescVvWt Knabc bot einen Kerb mit
Muscheln von seltsamer Bildung fed Eine besonders schOne
Muschel lag obenauf „Was kostet diese’" fragfc ich —
„Six pence, Sir“ — „Und der ganze Korb?“ — „Zwei
Shilling" — „Ich gebe dir einen dafllr" — „Takeit" —
So wurde die Zahl unserer GephcksUicke noch um ernes
vermehrt
Wir fuhren in den Kanal em, es wurde Nacht, und wir
legten uns schlafen Am /riihen Morgen envacJie icli und
bemerke mit Verwunderung, dass die Maschine still steht
Es ist viebeicht wegen des Ausweichens, dachte ich und eiUe
hinaitf, aber welcher Anblick bot sich hier' An einer ziem-
lich engen Stelle des Kanals hatte sich die grosse Britannia
nut dem Schnabel m die sandigen Bbschungen des Ufers
emgebohrt, und die Wasserstromung welche stets im Kanal
vorhanden ist, hatte das Hmterteil bis ans andere lifer ge-
tneben Vor uns und hioter uns m der Feme hielten schon
erne Anzahl von Schiffen, denen wir die Durchfahrt sperrten
Au! unserem Verdeck war alle Mannschaft in fieberhafter
Tatigkeit, der Kapitfln nut hochrotem Kopfe eilte hin und
her und erteilte seme Befehle Der englische Geistliche be-
gegnete mir und nef nut trmmphierendem Patnotismus
„Brttannia bars the Suez CanaU** — ^Pallheroff", erwiderte
ich gelassen Dve Ursache des UnfaUs wurde bald bekannt
Der franzOsische Lotse, den jedes Schiff an Bord zu nehmen
verpflichtet ist, hatte befohlen, langsamer zu fahren Der
Kapithn hatte eingewendel, dass das grosse Schiff dann
nicht mehr dem Steuerruder gehorchen werde Der Lotse
236
IX Die Heimreisc
hatle auf scincm Willen bcslanden, und die Folgc war, dass
wir feststeckten Erne solche Lagc kann sehr unangenehm
werden, denn wenn cin Scliiff binnen vier Stunden niclil
wiedcr flott wird, so muss es nach dem Verkehrsreglement
ausladen, und was das bcdeulet, das balten wir in Aden bei
Obernahrae der Bombayer Post gesehen Inzwisclien waren
Kapitan und Mannscliaft eitng damit beschafligt. das Scliiff
wieder llott zu raachen Starke Eisentaue wurden von der
Spitze und ebenso vom Hintcrteit des Sctnltes quer liber den
Kanal nach dcnjenigen Uferseiten gezogen, von vvelchen das
Schiff sich abgewandt hattc, und dort an PflOcken befestigt
Diese Taiie wurden von der Schitfsmaschine glcichzeilig nach
der Ablte des Scliifics hin angezogen, und die Folge war,
dass der Koloss sich wieder gerade legle und seme Fahrt
mit einigen Stunden Verspalung forlsetzen konnie
Es war cm herrlichcr Morgen Die reme Wilsfenluit
Agyptens umfing uns, und der Nordwind gewalirte erqiiickende
Klihle Da zeigte sich in der umgebenden WUste bald links,
bald reclits erne von rair me vorher gesehene Erscheinung,
namhch eine immer sclioner sich entwickelnde Fata Marsana,
worunter hier nicht das Sichtbarwerden ciner entfernten Sladt
durch Luttspiegelung zu verstehen ist, — denn Ostlich vom
Kanal gibt es nah und fern keine Stadt, — sondern eine
Illusion, welche entstelit, wenn im Sonnenschein die heissen
wtistendampte autsteigen Zueist hatte man den Eiiidruck
einer Chaussee mit lauter gleichen Akazienbaumen, dann
wiedcr schien eine Reihe von Pelikanen unbeweglich m der
Feme zu sitzen, und endlich sab man mitten in der Wilste
em fliitendes, wallendes wogendes Wasser, und in demse en
baute es sich auf m wagerechlen und senkrechten Lmien wie
erne Stadt mit hohen Hausern und Ttlrmen, mit mancherlei
Haupt- und Querstrassen Die Illusion war vollkommen un
auch das scharfste Opernglas veimochte nicht, sie zu he en
sondern nur noch zu versMrken Das einzige UnnatPrIicie
Erne Fata Morgana Port Said Der Taygetos Brindtsi 237
(label war, dass die Siadt mitten in dem wogenden Wasser
glelchsam zu schweben schien Ober erne Stunde lang
konnten wir diese Erscheinung in allef Rulie beobachten
Gegcn Mittag erreichten wir Port Satd, und da wir
emige Stunden Aufenthalt batten, so nahm icli unsere vier
indischen SchUtzhnge mit niir m die Stadt, urn ihnen cm
fredich nur armliclies Stuck Agyptens zu zeigen Gegen
Abend stacben wir m See, und jetit war cs nicht mehr die
Spiegelglatte des mdisclieti Ozeans und des roten Meeres,
die uns trug, sondern das mittelllindische Meer mit seiner
lebhaften und stellenweise wOsten Wetlenbewegung Die
Stimmung der Passagiere war denn auch wcscntlich beem-
trachtigt, viele verschwanden, hier und da dnickte sich eine
weibliche Gestalt in die Ecke ernes Strandstuhls, einer
welkenden Lilie vergleichbar, und zum ersten Male wies
der Mittagstisch erliebhche LUcken auf In der folgenden
Nacht passierten wir Kreta, und am naclislen Morgen batten
wir die SUdspitze des Peloponnes erreicht und konnten den
hochragenden, schneebedeckten Taygetos zwischen Sparta
und Messenien in seiner ganzen Herrlichkeit Obersehen
Dann gmg es den Tag tiber nacb Norden, wUhrend em
Felseneiland der griechischen Inselwelt«nach dem anderen
auftauchte und in respcktvoller Feme liegen blieb „lch
fahre sonst wohl zwischen den Insein durcli," sagte mir der
Kapit'tn, „aber bei dem jQngsten Erdbeben kOnnte irgend
etwas in die Hohe gekommen sein, und so ziehe ich es vor,
das offene Meer zu lialten “ Der Abend kam, und mit ihm
begann das Abschiednehmen, denn viele wollten wie wir um
drei Uhr nachts in Brmdisi aussteigen An ein Sclilafen-
gehen dachten in dieser unruUigen Nacht die wenigsten
Um ein Uhr nachts wurde noch ein krafliges englisches Frtlh-
stlick serviert, und bald mch zwei Uhr nahmen wir von dem
trefflichen Schiffe Abschied und betraten nicht wie sonst
immer in Booten hmUbergenidert, sondern stolz liber die
238
JX Djc HcjjnrcJsc
Landimgsbrllckc schrcitcnd, welclic die englisclie Gcsell-
sch.ift fflr Hire Scfilffe liter g^auf hat, den Boden Jfattens.
Derselbc Tag braclife uns nacli Neapcl, wo tins Iicbe Freunde
erne warme Aufnahmc bercilcfen Emige Tage weillen wir
bier und bci imscrcn Preunden in Rom und eilten dann
(iber Mailand, Basel und Atainz der Hchnaf zu, uo wjr um
die Mlltc dcs April wohlbehalteit emtrafen.
Ober den folgenden Anhang vgJ Seile 204.
ON
The Philosophy of the Vedanta
IN ITS RELATIONS TO OCCIDENTAL
METAPHYSICS.
An address, delnered before the Bombay Branch of the Royal AslaUe
Society, Saturday, the 25th February, 1893
BY
Dr PAUL DEUSSEN,
Professor of Philosophy at the Unnersily of Kiel, Germany
BOMBAY:
PRINTED AT THE EDUCATION SOCIETY’S STEAM PRESS
1893
Price: One Ana.
To BE HAD Of JYESHTARAM MUKUNJI AND Co , BOOKSELLERS,
Kalkadevi Road. Bombay
To
Aa MY Indian Twends,
Whose wndness
Has made .my journey through India
FROM NOVCMBCR 1832 TILL MARCH 1603
IN’ ALL PARTS OF THE PENINSUU
SO DEUGHTruu INSTRUCTIVE, AND HEART-
ELEVATING,
\ DEDICATE THESE FEW PAGES.
IN RECOMMENDING THEAl
TO THEIR
SERIOUS CONSIDERATION
P D
10
PAREWELL TO INDIA.
O, sun of India, uhit fia\c hc committed)
Tliat we must leaxe itiec and Ihy chitdrcn now,
Thy Riant-trees thy flowers, so well befitted
To thy blue heaven's nexcr-frottnlnR brow?
And }ou, our Indian friends, whose hearty feeling
Deep sympathy with you has fast obtained—
from Ceylon to Peshawar and DarjcclinR,
Arc you now lost to us, so soon as gained'’
rarcwcll* Now Space and Time, in separating
Our bodies, wilt create a cruel wall,
Until forgetful darkness over-shading.
Like Himalayan fog, bedims you all
Did we but dream of your brown loxely faces,
Of your dark eyes, and gently touching hands?
Was it a dream, that lett such tender traces.
Accompanying us to foreign hnds?
O, yes, a dream is all that we arc living,
And India be a dream in this great dream.
A dream, repose and recreation giving.
Under a paler heaven’s fainter beam
But what are Time and Space, wtio'e rough intrusion^
Wilt separate what Is so near allied]
Arc they not (aught to be a mere Illusion ?
May we not be against them fortified?
O, yes, this thought shall be our consolation,
When we are severed soon by land and sea I
Your sui) and oars is one f no separation I
Keep friendship, fnends, let it eternal be
Co/omdo, nth Marth, tS93
On m> JoumC) through India 1 have noticed with satisfaction, that
in philosopIi> till now our brothers tn the East have ratintalncd a ver)
good tradition, belter perhaps, than the more active but less contem-
plative branches of the great Indo-Arjan family m Europe, where Empi-
rism, Realism and their natural consequence. Materialism grow* from day
to daj more exuberantly, whilst metaphysics, the very centre and heart
of serious philosophy, arc supported only by a fevv ones, who have
learned to brave the spirit of the age
In India the inllucnce ot this perverted and perversive spint of our
age has not jet overthrown in religion and philosophj the good traditions
of the great ancient time. It is true, that most of the ancient iiar^ana’i>
even in India find only an historical interest , followers of the Sdftklija-
System occur rarclj , Nydj a is cultivated mostly as an intcUecIiia! sport
and exercise, like grammar or mathematics,— but the Vedinta. is, now as
withe ancient time, living m themmdand heart of every thoughtful Hindoo
It « true, that even here m the sanciuar) of Veddntic metaphysics, the
realistic tendencies, natural to man, have penetrated, producing the
misinterpreting variations of (^ankara's Advaila. known under the names
Vigishtddvaita, Dvaita, (^uddhddvaita of Rdmdnuja, Madtua, Vallabha,— but
India till now has not yet been seduced by then voices, and of hundred
Vedantins (I have it from a well informed man, who is himself a zealous
adversary of ^ankara and follower of R3m3nuja) fifteen perhaps adhere
to Rini3nuja, five to Madhva, live to Vallabha, and scvcnty-fivc to
^ankar3ch3r)a
This fact may be for poor India in so many misfortunes a great con-
solation , for the eternal interests are higher than the temporary ones,
and the system of the VedSnta, as founded on the Upanisliads and
Ved3nta SOtras and accomplished by Sankara s comnentanes on them,
—equal m rank to Plato and Kant — is one of the most valuable products
of the genius of mankind in his researches of the eternal truth,— as 1
propose to show now by a short sketch ot t^ankara s Advaita and compa-
rison of its principal doctrines with the best that occidental philosophy
has produced till now
Taking the Upanishads, as Qankara does, for revealed truth with
absolute authority, it was not an easy task to build out of tlicir
materials a consistent ptwlosophicat system, for the Upanishads arc in
Theology, Kosmology and Psychology full of the hardest contradictions
So m many passages the nature of Brahman is painted out In various
and luxuriant colours, and again we read, thvt the nature of Brahman
to*
244
On Ihe phlhsoph) of the Vedinta
fs quite unaltilniblc to human words, to human understanding,— so we
meet Sometime‘S longer reports (.xpHning how the world has been created
by Brahman, and again we arc told, that there is no world besides
Brahman, and all \arict) of things Is mere error and illusion,— so we
have fanciful dcscnptions of the Samsira, the way of the wandering sou!
up to heaven and bick to earth, and again we read that there
IS no SamsAra, no variety of souls at all, but onl) one Atman who Is
full) and fofalJj residing In ever) being
Qankara In these difficulties created by the nature of his materials m
face of so many contradictory doctnnes, which he was not allowed to
decline and yet could no! admit nllogeiher,— h« found a wonderful way
out, which deserves the attention, perhaps the Imitation of the Chnstian
dogmatists in their embarrassments He constructs out of the rnatemh
of the Upanishads two s)s(cms one esoteric, plillosophicil (called
by him mrgund Md^d, sometimes pdramdrthlkd aiostUS) containing the
metaphysical truth for the few ones rare in all times and countries who
are able to understand ft, and another exoteric, thcologicaf (sagund
v/dyd \-}d\ahdrit.t avaslhd) for the g^fwal public, who want images,
not abstract (ruth, worship, not meditation
1 shall now point out brichy the two systems, esolenc and exoteric
m pursuing and confronting them through the four chief parts, which
pankaras system contains, and eveo complete philosophical system
must contain —
1 Theology , the doctrine oT God or of the philosophical principle
Jf Kosmology, the doctnne of the world
111 Psychology, the doctnne of the soul
1\ Eschatology, the doctrine of the last things, the things after desth
] — Theologv
The Upanishads swarm with fanciful and contradictory descnplions of
the nature of Brahman He is the all pervading aka^a is the purusha in
the sun the purusha m the eye, his head is the heaven his eyes are sun
and moon his breath is the wind, his footstool the earth, he is infinitely
great as the soul of the universe and infinitely small as the soul tn us he is
in particular the ffvara the personal God distributing fustfy reward and
punishment according to the deeds of man AH these numerous descriptions
are collected by (^ankara under the wide mantle of the exoteric theo-
logy the sagynd vidyd of Brahman, consisting of numerous ‘vidyas
adapted for approaching the eternal being not by Ihe w iy of knon ledge
1 Theologj II Kosmology
245
but h) the way of worshipping, and having each its particular fruits
Mark, that also the conception of God as a personal being, an tg\ara,
IS merely exoteric and does not give us a conform knowledge of the
Atman,— and indeed, when we consider what Is personality, how narrow
m its limitations, how closely connected to egoism, the counterpart of
godly essence, who might think so low of God, to impute him perso-
mhty ?
In the sharpest contrast to these exoteric vidyds stands the esoteric,
mrgund vfdyd of the Atman, and ils fundamental tenet Is the absolute
inaccessibility of God to human thoughts and words,
yato idea ntvarfante
aprdpya manasd saha,
and again
anjndlant xijdaatdin,
vijUdtam avijdnafdm,
and the celebrated formula occurring so often inBrihadaranyaka-Upanishad
net! f Mtl > vvi , whatever attempt you make to know the Atman, whatever
description you give of him, f always say na iti na ill, It is not so, it
IS not so 1 Therefore the wise Bdhva, when asked by the king Vdshkalin,
to explain the Brahman, kept silence And when the king repeated his
request again and again, the rishi broke out into the answer "1 tell it
you, but you don t understand it , (ditto yam dtmO, this Atma is silence ! “
We know it now by the Kantian philosophy, that the answer of Bdhva
was correct we know it, that the very organisation ot our intellect (which
IS bound once for ever to its innate forms of perception, space, time, and
causality) excludes us from a knowledge of the spaceless, timeless, godly
reality for ever and ever And yet the Atman the only godly being is
not unattainable to us, is even not far from us for we have it fully and
totally in ourselves as our own metaphysical entity and here, when
returning from the outside and apparent world to the deepest secrets of
our own nature, we may come to God, not by knowledge, but by anubhava,
bv absorption into our own self There is a great difference between
knowledge, m which subject and object are distinct from each other, and
anubhava, where subject and object coincide in the same He who by
anubhava comes to the great Intelligence, "aham brahma asml’ obtains
a state called by ^ankan Samrddbanam, accomplished satisfaction , and
indeed what might he desire, who feels and knows himself as the sum
and totality of all existence I
n — KOSMOLOQY
Here again we meet the distinction of exoteric and esoteric doctrine,
though not so clearly severed by Qankara as in other parts of his
system
246
On the pbttosophy of the Vedanta
The exoteric Kosmology according to the natural but erroneous realism
(avidyd) m which we are bom, considers this world as the reality, and
can express its entire dependency of Brahman only by the mythical way
of a creation of the world by Brahman So a temporal creation of the
world, even as in the Chtistian documents, is also taught m various and
well-known passages of theUpanishads But such a creation of the matenal
world by an immaterial cause, performed m a certain point of time after
an eternity elapsed uselessly, is not only against the demands of human
reason and natural science, but also against another important doctrine
of the Vedflnta, who teaches and must teach (as we shall see hereafter)
the " beginninglessness of the migration of souls," samsdrasya andditx am
Here the expedient of ^afikara is very clever and worthy of imitation
Instead of the temporary creation once for e%er of the Upanishads, he
teaches that the world m great periods is created and reabsorbed by
Brahman (referring to the misunderstood verse of the Rigveda sOr^a
candramasau dhdtd yathdpQrvam akalpayat), this mutual creation and
reabsorption lasts from eternity, and no creation can be allowed by our
system to be a first one, and that for good reasons, as we shall see just
now—- If we ask Why has God created the world? the answers to this
question are generally very unsatisfactory For his own glorification?
How may we attribute to htmsomuchvamlyf— For Ins particular amuse
ment?But he was an eternity without this play-toy 1—By love of mankind?
How may he love a thing before it exists, and how may it be called love,
to create milLons for misery and eternal pain I— The VedSnta has a better
answer The never ceasing new creation of the world is a moral ne-
cessity connected with the central and most valuable doctrine of the
exoteric Vedanta, the doctrine of Samsflra
Man, says ^ahkara, ts like a plant He grows, flourishes and at the end
he dies, but not totally For as the plant, when dying, leaies behind
It the seed, of winch, according to its quality, a new plant grows,— so
man when dying, leaves his karma the good and bad works of his Idc,
which must be rewarded and punished fn another life after this No life
can be the first, for it is the fruit of previous actions, nor the last, for
its actions must be expiated in a next following life So the SamsSra is
without beginning and without end, and the new creation of the world
after every absorption into Brahman is a moral necessity 1 need not
point out. In particular here in India, the high value of this doctrine of
Samsdra as a consolation in the dtslresscsi as a moral agent m the
temptations of life,— I have to say here only, that tlie Samsdra, though not
the absolute truth is a mythical representative of a truth which In
Itself is unattainable to our Intellect, mythical is this theory of metem-
psychosis only in so far as it Invests in the forms of space and time
wliat rcallj is spaceless and timeless, and therefore beyond ttnj reach of
tl Kosmolog)
247
our understanding So the Samsitra is just so far^from the truth, as the
Sflgund v/d^d is from the nlrgund vldyd , it Is the eternal truth itself,
but (since we cannot conceive it otherwise) the truth in allegorical
form, adapted to our human understanding And this is the character
of the whole exoteric Vedanta, whilst the esoteric doctrine tries to find
out the philosophical, the absolute truth
And so we come to the esoteric Kosmology, whose simple doctrine
IS this, that in reality there is no manifold world, but only Brahman, and
that what we consider as the world, is a mere illusion (mdyd) similar to
a mrigatfishnlkd, which disappears when we approach it, and not more
to be feared than the rope, which we took in the darkness for a serpent
There are, as you see, many similes in the Vedinta, to illustrate the
illusive character of this world, but the best of them is perhaps, when
Qankara compares our life with a long dream , — a man whilst dreaming
does not doubt of the reality of the dream, but this reality disappears
in the moment of awakening, to give place to a truer reality which we
were not aware of whilst dreaming TTie life a dream 1 this has been the
thought of many wise men from Pindar and Sophocles to Shakspere and
Calderon de la Barca, but nobody has better explained this idea, than
(^ankara And indeed, the moment when we die may be to nothing so
similar as to the awakening from a long and heavy dream , it may be,
that then heaven and earth are blown away like the nightly phantoms
of the dream, and what then may stand before us? or rather in us?
Brahman, the eternal reality, which was hidden to us till then by this
dream of hfel— This world is rndyi, is illusion is not the very reality,
that is the deepest thought of the esoteric Veddnta, attained not by cal-
culating larka but by anubhava, by returning from this variegated world
to the deep recess of our own Self (Atman) Dp so, if you can, and you
will get aware of a reality very different from empirical reality, a timeless,
spaceless, changeless reality, and you will feel and experience that what-
ever IS outside of this only true reality is mere appearance, is mSya,
IS a dream 1 — This was the way the Indian thinkers went and by a similar
way, shown by Parmenides, Plalo came to the same truth, when knowing
and teaching that this world is a world of shadows, and that the reality
vs, wit V?. Vr/tst Tne accord bere o^ Platonism
and VedSntism is wonderful, but both have grasped this great meta
physical truth by intuition , Iheir tenet is true, but they are not able to
prove It, and In so far they are defective And here a great light and
assistance to the Indian and the Greek thinker comes from the philo-
sophy of Kant, who went quite another way, not the Vedantic and Pla-
tonic way of intuition, but the way of abstract reasoning and scientific
proof The great work of Kant is an analysis of human mind, not in the
superficial way of Locke, but getbng to the very bottom of it And in
248
On the philosophy of the Vedanta
doing so, Kanl founil, to the surprise of the world and of himself, that
three essential elements of this oufside world, vrz space, time, and
causality, are not, as we naturally believe, eternal fundamentals of an
objective reality, but merely subjective Innate perceptual forms of our own
intellect This has been proved by Kant and by his great disciple
Schopenhauer with mathematical evidence, and I have given these proofs
(the base of every scientific mefaphysics) in the shortest and clearest
form m my „Elemente der Metaphysik*— a book which I am resohed
now to get translated into English, for the benefit not of the Europeans
(who may learn German) but of my brothers ju India, who will be greatly
astonished to find in Germany the scientific substruction of their own
philosophy, of the Advaita Vedanta! For Kant has demonstrated, that
space, time and causality are not objective realities, but only subjective
forms of our intellect, and the unavoidable conclusion is this, that the
world, as far as it is extended in space, running on in time, ruled through*
out by causality, in so far is merely a representation of my mnd
and nothing beyond It You see the concordance of Indian, Greek
and German metaphysics, the world is milya, is illusion, says (Honiara,
—it IS a world of shadows, not of realities, says Plato,— xX is "appearance
only, not the thing in itself," says Kanl Here we have the same doctrine
in three different parts of the world, but the scientific proofs of it are
not in Qankara, not in Plato, but only in Kant
III — PSYCHOLOOY
Here ive convert the order and begin with the esoteric Psychology,
because it is closely connected with the esoteric Kosmology and its
fundamental doctrine the world is mdyd All is illusive, with one
exception, with the exception of my own Self, of my Atman A\j Atman
cannot be illusive, as Qankara shows, anticipating the “'eogilo ergo
sum“ of Descartes, — for he who would deny it even In denying it, wit-
nesses its reality But what is the relation between my individual soul,
the Jlva-Atman, and the highest soul, the Parama Atman or Brahman?
Here Qankara, like a prophet, foresees the deviations of Rdmanuja, Ma-
dhva and Vallabha and refutes them in showing, that the Jlva cannot be
a pari of Brahman (RSmanuja) because Brahman is without parts (for
it is timeless and spaceless, and all parts are either successions in time
or co-ordinations in space.— as we may supply),— neither a different
thing from Brahman (Atadhva), for Brahman is ekam eta adulljam,
as wc may experience by aaubhava , — nor a metamorphose of
Brahman (Vallabha), for Brahman is unchangeable (for as wc know
now by Kant, it is out of causality) The conclusion is, that the JUa,
being neither a part nor a different thiti& nor a variation of Brahman, must
be the Paramfltman fully and totally himself, a conclusion miclc
lit Ps>cholog}
249
cquallj by the Vcd/lntin Qankara, by the Platonic Plotinos, and by the
Kantian Schopenhauer But Qankara jn his conclusions goes perhaps
further thnn an> of them If really our soul, says he, is not a part of
Brahman but Brahman himself, then all the attributes of Brahman, all-
pervadingness, eternity, all-nughfiness (scientifically spoken exemption
of space, time, causality) are ours, aham brahma asml, I am Brahman,
and consequently I am all-pervading (spaceless), ctcrml (timeless), al-
mighty (not limited In my doing by causality) But these godly qualities
are hidden in me, says Qailkara, as the fire is hidden in the wood, and
will appear only after the final deliverance
What is the cause of this concealment of my godly nature? The
UpAdhis, answers Qankara, and with this answer we pass from the
esotenc to the exoteric psychology. The Upadhi’s are manas and in-
dnya's, pr^na with its five branches, sflkshmam fariram, — in short, the
■whole psychological apparatus, which together with a factor changeable
from birth to birth with my karman, accompanies my Atman in all his
v-ays of migration, without infecting his godly nature, as the crystal is
not infected by the colour painted over it But wherefrom originate
these Upadhi s? They form of course part of the mSyQ, the great world-
illusion, and like mdyd they are based m our innate o\tdya or ignorance,
a merely negative power and yet strong enough to keep us from our
godly existence But now, from where comes this avidyd, this primeial
cause of ignorance, sin, and misery? Here all philosophers m India
and Greece and everywhere have been defective, until Kant came to
show us that the whole question is inadmissible You ask for the cause
of avidyd, but she has no cause, for causality goes only so far as
this world of the Samsdra goes, connecting each link of it with another,
but never beyond Samsdra and its fundamental characteristic, the avidyd
In enquiring after a cause of ovWyd with mdya, Samsdra andUpadhis,
you abuse as Kant may teach us, your innate mental organ of causality
to penetrate into a region for which it is not made, and where it is no more
available The fact is that we are here in ignorance, sm and misery, and
that we know the way out of them, but the question of a cause for them
IS senseless
IV —Eschatology
And now a few words about this way out of the Samsdra and first
about the exoteric theory of it In the ancient time of the hymns
there was no idea of Samsdra, but only rewards in heaven and (some-
what later) punishments in a dark region (padam gabbtram) the pre
cursor of the later hells Then the deep theory of Samsdra came up,
teaching rewards and punishment in the form of a new birth on earth
The Veddnta combines both theones. and so he has a double
250
On the philosophy oi the Vedanta
expiation, first m heaven and hell, andthcnagaln in a new existence
on the earth This double expiation is different (1) for performers of
good works, going the pitnydna (2) for worshippers of the sagunam
brahma, going the dna^dna, (3) for wicked deeds, leading to what Is
obscurely hinted at in the Upanishads as the tnltyam sthdnam, the third
place (I) The pU[i^dna leads through a succession of dark spheres to
the moon, there to enjoy the fruit of the good works and, after their
consumption, back to an cartlily existence (2) The dc\aydna leads
through a set of brighter spheres to Brahman, without returning to the
earth {teshdm na punar dif////A) But this Brahman Is only sagunam
brahma the object of worshipping, and its true worshippers, though
entering into this sagunam brahma without returning, have to wait in it
until they get moksha by obtaining samyogdar(anani, the full knowledge
of the nirgunam brahma (3) The Iritlyam sthdnam, including the later
theories of hells, teaches punishment in them, and again punishment
by returning to earth In (he form of lower castes, animals, and plants
All these various and fanfastical ways of Samsin arc considered as true,
quite as true as this world is, but not more For the whole world and
the whole way of Samsdra is valid and true for those only who are in
the a\id}d, not for those who have overcome her, as we have to show
now
The esoteric Veddnta docs not admit the reality of the world nor
of the Samsdra, for the only reality is Brahman, seized in ourselves as
our own Atman The knowledge of this Atman, the great intelligence
“aham brahma asml,' does not produce moksha (deliverance) but is
moksha itself Then we obtain what the Upanishads saj
bhidyafe hcidaya-granlhlh
ehidyanle sarva-samcaydh,
kshlyante cdsya karmdnl,
lasmin dnshle pariSvare
“When seeing Brahma as the highest and the lowest everywhere, all
knots of our heart, all sorrows are spUt, alt doubts vanish, and our works
become nothing” Certainly no man can live without doing works, and
so also the Jtvanmukia , but he knows it, that all these works are illusive,
as this whole world is, and therefore they do not adhere to him nor
produce for him a new life after death — And what kind of works may
such a man do ?— People have often reproached the Veddnta with being
defective m morals, and indeed, ttie Indian genius is too contemplative
to speak much of works , but the fact is nevertheless, that the highest
and purest morality is the immediate consequence of the Veddnta The
Gospels fix quite correctly as the highest Jaw of morality ‘ love your
neighbour as yourselves But why should 1 do so since by the order
IV Eschatolo^
251
of nature 1 feel pain and pleasure only in myself, not in my neighbour?
The answer Is not in the Bible (this venerable book being not yet quite
free of Semitic reahsm), but it is m the Veda, is in the great formula
"tat tvam asl,” which gives fn three words metaphysics and morals
altogether You shall love jour neighbour as yourselves,— because jou
are your neighbour, and mere illusion makes you believe, that your
neighbour is something different from yourselves Or m the words of
the Bhagavadgitlh he, who knows himself in everything and everything
in himself, will not Injure himself by himself, na hinasil QtmanA
dlmanam This is the sum and tenor of all morality, and this Is the
standpoint of a man knowing himself as Brahman lie feels himself
as everything,— so he will not desire anything, for he has whatever
can be had, —he feels himself as everything,— so he will not injure
anything, for nobody injures himself He lives in the world, is surrounded
by Its illusions but not deceived by them like the man suffenng from
tiniirfl, who sees two moons but knows that there is one only, so the
Jlvanmukta secs the manifold world and cannot get nd of seeing it, but
he knows, that there is only one being. Brahmin, the Atman, his own
Self, and he verifies it by his deeds of pure uninterested morality And
so he expects his end, like the potter expects the end of the twirling
of his wheel, after the vessel is ready And then, for him, when death
comes, no more SamsSra na tasya prdnd utkrdmanlt brahma eva san
brahma apyetif He enters into brahman, tike the streams into the ocein
yathd nadyah syandamdadh samudre
astam gacchanU ndmarOpe vihdya,
tathd vidvdn namardpdd vmuktah
pardt param purusham upaltl divyam
he leaves behind him ndma and rdpam, he leaves behind him indivi-
duality, but he does not leave behind him his Atman, his Self U is
not the falling of the drop into the Infinite ocean, it is the whole ocean,
becoming free from the fetters of ice, returning from his frozen state to
that what he is really and has never ceased to be, to his own all perva
ding eternal, all mighty nature
And so the Veddnta, in its unfalsified form is the strongest support
of pure morality, is the greatest consolation m the sufferings of life
and death, — Indians keep to it* —
Zusatze und Verbesserungen.
S 13 7 22 und S 23 Z. 21 diola hazlrl wird von den In Indien
lebenden Cngtdndem gewOhntich gesagt, richtiger wire cbotl hSzlrl
Hmgcgcn sInd pankha, ekka paljama, fflr wclche der Usus im Abend-
lande sottcit em solcher bcstcht, sich dem rcmimnum zunctgl, int Hm-
dostani Maskiilina
S 75 Z 17 statt dcr lies den
S fil Z. 2i Osman CUas A/ffAiT/7T/77frf Padlsdtah Ues l/w*
ftammed Ellas Osman Padrsdwft (dcr erslc Name ist dcr cigenc dcr
z\vcttc dcr dcs Vaters, der dritie wotil dcr dcs Grossvaters)
S 88 Z. 5 stall PijatarTiapifft lies ffijolaranumt
S 100 Z (i statt bcireffenen lies betreffenden
S 113 Z 31 statt cin lies cinen
S 110 Z 22 unt Ues und '
S J30 2 28 Schwiegervafers lies Pf/egevaters
S 142 2 28 stall IndnakOpa lies JRinakOpa
Die Schrclbung indischer Wortcr wurdc tunlichst an die bei uns
fur das Sanskrit flbliChc angcschlosscn, wahrend fOr anglisierte Aus-
driicke die englische Transskriplion befoigt werden musstc (Daher
z B Sanskrit neben Sanscrit College) Fur die modemen Ortsnamen,
deren Schreibung in Reisebuchcrn und aiif Landkarten eine sehr scliwan
kende isU war Thaders Patlvay Guide Jor the nhote of India mass
gebend Eine vblligc Konsequenz war nlcht zu erreichen
Register.
(0 t Zihln aul «:i< S< (t*! )
Aberglaubc 34 G3 13D 145
Aden 15 233
Alien 02. U2 I2t^
Agra 7o f!„
Ahmedibad 53 Hg
Akbar 78
Allahabad I8j fig
Amber GO 09
Amntsar IQO fig
4nanda^rania Insbtut 210 fig
\r)as3’naj 80 fig
AsketenG7 fig 135 llg sgl U7 152
Ayodhjd 127 (Ig
Baden (rcIgio$c$) 25 34 Cl 118.
131 I5Z
Bankiporc 14G
Baroda 47 fig
Benares 130 fig
Bctelkauen 23 30
BettlerCS 112 1 10 fig 132
Bombay 19 fig 202 fig
Brahmasamd] 30 154
Britannia (SchUl) 232.
Brol lOa fig
Brolbaum 227
Buddha-Oayd 14S fig
Buddhaiempel IM 225
Buddhismus 61 148 lOG 167 225
228. 229
BuddhistcnkiOstcr 224
Calcutta 152 ilg 174 fig
Candranagaram 151
Cawnpote 120 tig
Cevlon 221 llg 228 llg
Chapati 80 195
Cholera 59 102 122
Ciprd 197 198 199
Utra 54 56
Colombo 222 fig 229 fig
Cosmopoltan Club 202 llg 209
g rdddham 150
ak Bungalow 19 fig vgl 147 150
l9o fig
Darjeeling 164 llg
Delhi 102 fig
, Dharmasamdi S(i 114 fig
. Dum Dum 174
I Ctserrbahnen 44 45 fig
Fkka 29 120
Elcfaotcn 49 50 M Hg Ui GO lf>j
I 199 llg
Elephania 34 fig
Cverest Mount s Gaurl^ankar
Farewell io India 242. vgl 204 213
Fata Morgana 230 fig
Fatchearh 119
Frauen 37 fig 50 53 79 108 145
155 207
Fyiabad 127 129
Gangd (Ganges) 121 I3I fig 140
187 fig
Gaurl^ankar 1C3 llg
Gayd 147 fig 149 fig
GarcttLCr 217
Gcld«cscn 21
Ghaitas 115 131 202
GOttcrbildcr 40 207 212.
Ooom 1C4
k Qopuras 219
llaifisch IG fig
llaushallung 174 fig
Hcihgc30flg 135 fig 175 fig
Hciikundc 115
ilimfliaya 16] fig '
Himalaya (Schilt) 7 fig
Hochrcilen 143 llg 20 p fig
Uni lest 212 Ur
llotclwesen 19 21 fig
llughli 152 181
1 Huqqi (Wasscrpfeife) 93 182 fig
Independent tribes 90 94
I Indore 193
' Indus 83
ii ai^as 61
alpur OG fig
ainrud 91 fig
lalideh 200
Kandy 224 llg
254
Register
Kischmir 88
Kanclilnjinea 170 tig
Kasten 25 fig 32 «) W fig 74 177
195 220
Khaibar Pass 90 91 92
Klnndwa 192 202
Kinderheirafen 71 fig
KIcidung 32
Klima 5b fig
Kokih IGO
Korscheong Bazar 164
K[ishnalegendc llO fig
Krokodilfuttcrung 69 fig
Lahore 82 84 fig 98 fig
Leichenvcrbrennung 36 fig 131 fig
Lcschalle 190
Lucknow 123 fig
Macka 50
Madras 213 fig
Madura 219 fig
Mahlrija von Baroda 47 135
, , Benares 133 fig vergi
116
Mahlrdia von Vljayanagaram 217 fig
Mahlvan 110 117
Mahtzeiten 70 fig
Malabar Hill 30 34
Mathura 114 fig
Mhow 193
M8sIonare 64 172 fig
Moghal Sarai 1^
Mohammedaner 83 fig 123 128
155 196
Moschusratte 123
Muckenplage 215 fig
Muschelblasen 117
Musik 53 190 fig
Naihati 15S fig
Nairafijana 141
Narmada 192 fig
Nepal 165 J6S fig
Nyagrodha 181 fig 220
Opfer (vedisches) 40 fig
Opferschnur 159
Pa jSma 13
Pandits 2 31 fig 98 99 108 fig 113
144 fig
Pankha 12 215
Parsi s 37 fig
Pdtaliputra 146
Pendsebib 82 fig
FlUsse des P 97 fig 102
Mima des P 97
. Pcradcniya 225 fig
Pcschawar 89 fig 93 fig
Philosonhie 93 176 213 243 fig
Pinjn Pol 02 03 fig 173
Pockengefahr 101 fig
Pondicherry 151
Poona 210 fig
I’oft Said JO 237
PraySga 185 187 fig
Professoren 51 fig 73 fig 137 fig
155 fig
Rijagrlha 149
Rauchen 80 fig 195
Kiwal Pjndi bS 96
Rciscdiencr 24 fig 118 fig ^120 123
Rcisekoslcn 21 .
SJdhus 04 148 fig
Sankhyasystem 158 fig 177 tgl 12
243
Sanny^sin s 135 fli, 211
Sartnydsinls 176 fig
Sarasvall 102
irtSnIs C 2 lie 122 pr fl!
Schulcn 3S 51 llg 159 191
Seclcnwanderungsglaube 70 246 Ug
Sikindra 78
S hgurl 162 173 ^ ^ ,,
Sprachen Ind ens 214 fig
Smz 11 235 ,,
Suezkanal 11 235 fig
Tdj Mahal 75 fig
Tanjore 219
TanzmSdehen 144
ThMter 41 fig 49 fig 125 fig.
"n 'n' »>
185
Toddy 147 160
Tnchmopoly 219
Tropenkoller 14 fig
Turme des Schweigens 38 tig
Tut conn 220
Upayini 194 fig
Untemchtswesen 51
Vedanta 3 fig 243 fig
Vnndaban III fig
Widderkampf 193
Witwenverbrennung tlo 198
Yamuna 75 187
Yoga 77 177
Zeltwohnen 207 fig
255
Von demselben Verfasser sind erschienen
Commentatio dc Platonis Sophlslae compositione ac doctritia
Bonn, Marcus, 1869 1 Mk 20 Pf
Das System des Vedanta nach den Brahma-Siifra’s des Bflda-
rSyana und dem Commentare des Qankara ttber dre-
selben als eni Compendmm der Dogmatik des Brahma-
nismus \om Standpunkt des ^ankara aus dargestelit
Lcipztg, F A Brockhaus, 1883 12 Mk.
Die Sutra’s des Vedanta Oder die Q.lnraka-Mimdnsd des
Badaraysna nebst dem vollstandigen Commentare des
tjankara Aus dem Sanskrit Obersetzt Leipzig, F A
Brockhaus, 1887 18 Mk
On the philosophy of the Vedanta in its relations to Occi-
dental Metaphysics, an address delivered before the
Bombay Branch of the Royal Asiatic Society, the 25”’
February 1893 Bombay 1893 One Ana Leipzig,
F A Brockhaus 10 Pf
Zur Ermnerung an Qusta> Glogau, geboren am 6 Juni 1844
zu Laiikischken (Ostpreussen), gestorben als Professor
der Philosophic an der Umversitat Kiel am 22 MSrz
1895 zu Laurion (Attika) Gedflchtnisrede gehalten an
der Christian Albrechts-Umversitat am It Mai 1895
Kiel, Lipsms & Tischer, 1895 50 Pf
liber die Notvs endigkeit, beim mathematisch-naturwissenschaft-
lichen Doktorexamen die obligatonsche PrUfung m der
Philosophie beizubehalten Kiel, Lipsms & Tischer, 1897
50 Pf
Jakob Bohme. Ober sem Lehen und seme Philosophie
Rede, gehalten (m kurzerer Fassung) zu Kiel am 8 Mai
1897 Kiel Lipsms & Tischer, 1897 50 Pf
256
Sccluiji Upamshads dcs Veda, aus dem SanSknt Qbersetzt
und mit Emleifimgcn und Anmerkungen versehen
Leipzig, F A Brockinus, 1897 Geli 20 Mk, geb
22 Mk
Angemclne Oeschlchlc der Philosophic miJ tic^onderer Be-
rHcksichtlgung der Rcligioncn (2 Bande in 6 Abteilungen)
Erster Band, erste Abteilung Al/gemeine Einlcitung
und Pliilosophie des Veda bis auf die Upamshads
Leipzig, F A Brockliaus, 1894 7 Mk
Erster Band zweite Abtcilung Die Philosophic der
Upamshads Leipzig, F A Brockliaus, 1899 9 Mk
Ennnerungen an Fnednch Nietzsche Mit dnem PortrUt und
drei Briefen in Faksimile Leipzig, F A Brockliaus 190!
Geli 2 Mk 50 Pf^ geb 3 Aik 50 Pf
Die Elcmente der Aictaphysik. Ats Leitfaden zum Gebrauche
bei Vorlesungen sowie zum Selbststudium zusammen-
gestellt Dritte, durch erne Vorbetrachtung Ober das
Wesen des Idealismus vermehrte Auflage Leipzig
F A Brockhaus, 1902 5 Aik (Engliscli, London
Macmillan & Co, 1894 Franzbsisch, Pans, Perrin
, et Cie 1899)
Outlines of Indian Philosophy Bombay 1902
, (Indian Antiquary)
Discours de la M^thode pouf bien cludier Ihisfoire de la
phifosopfiie et chercher la vente dans les sysfemes Pans
Armand Collin, 1902’
Der kalegorisclie Imperativ Rede Zweite Auflage Kiel
Lipsms «S Tischer, 1903 50 Pf
Dnick von G Reichardt Groilzsch i S
BHAVAN’S LIBRARY
This book «ho\itd bo returned within a fortnight from the date
last marked bclo%v
Date of Issue
Date of Issue
Date of Issue Date of Issue
I