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Full text of "Erinnerungen An Indien"

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Erinnerungen an Indien. 

VOT 

Paul Deussen. 






EiiMerap ai Mien. 


Von 

Dr. Paul Deussen, 

Professor dcr Unrvcrsjfat Kiel 


emer Karte, 10 Abbildungen und einem Anhange 

^Oa the philosophy of the Veddnta m its relations to occidental 
Metapliysics" 



Kiel und Leipzig 

Verlag von Lipsius & Tischer 
1904 



Mit Vofbehalt allcr Reclite 



Inhalt. 

S<Ite 

I Vorbereilungcn 1 — 5 

Enghsch Hindostanl Sanskrit. Dcr VcdAnta EmptcWungs 
bricfc Dhruxa und Nazar 

II Von Marseille nacli Bombaj 6—18 

Bucliung in London Gber Land nach Marseille Cmschilfung 
Sardinicn und Korsika Messina und Reggio Aufcnlhalt \ or 
Krcta Port Said Suczkanal Roles Mcer PankJia Schlafen 
au! Deck Kinder Lcbcn aut dcm Schlff TropenkoUer 
Aden fndischer Ozcan Ankunft in Dombay 

HI Dombaj 19 — 43 

Rcisebetten Hotclwescn Rcisckosten MUnisortcn Da'i 
mdische Hotel Vcrpllegung m ihm Rcisedicner Lilu 
Kastenvorurleilfl Watsons Hotel Treiben vor dim Nicht 
liche RutiestOrungen Besuch Eingeborcncr rahrgclegcn- 
hciten Auf Malabai Hill Audicnz bci cincm Heiligcn VenI 
r4tn Ind sche Lebensweisc und Kleidung Morgcnspazier 
gang Morgen aul Malabar Hill Aosllug nach Elephanta. 
Leichenverbreonung Semilischcr Typus der Parsi s Schulen 
der Parsi s Die TOrmc des Schwcigens Etn allvedisches 
Opfer Em tndischcs Theater Erne Theatervorstellucig Em 
ladung nach Baroda 

IV Von Bombay bjs Peshawar 44 — 95 

Abreise von Bombay Einnehtung der indjschen Eisen 
bahnen Baroda Furslhche Aufmhme Beslchtigungen Ritt 
nach Macka Crosse Cour Sansent College Examen 
Kronjuwelen Dhruva s Heim Musikmcister Photogra 
phische Aufnahme m Baroda Tahit nach Ahmedabad K1 ma 
Indens Pflanzcnwuchs Ahmedabad SamtSre VethaHnIsse 
Religi5se Vorurteile Zankendc Weiber De Jamas Teppich 
wirkerei Tierhospitaler Schlangcn Pmjra Pol SAdhus 



VI 


KastcnOmcf Abrcise Ankunit In Jaipur Wandcning diircli 
dtc Shdf Cclitc und falsche Askclcn CleplianIcnntt 
Amber KrokodilfUtlcmuR Sceicnwandcningsghubc Kffidcr-.' 
helrafcn fflr unci gCRcn die Klnifcrhciralcn Professoren- 
vcrsammlung Mcme Kasto Patirt nidi Agra Morgen- 
stimmuiig Dcr Tflj Mahal IJI fialj NdUi Dcr Yoga Ak- 
bars Grabmonument Abcndgcscibchalt bcl LAI Dalj Ndth 
Hindnmnhlzcilcn Bddkaucn, Rauchen Lm kostbares An- 
denken Indischcr Winlcr lldzmatcnal Die Mohamme- 
dancr Die Indische Stadt Spiiurging In Lahore Die Ird- 
\all DcrAryisamflJ Dr Slcln Kaschmlrerlnnerungen Der 
Indus Hotel In Peshawar, Fort Jimrud Dcr Khaibar-Pass 
Independent tribes Colonel Warburton und dcr cingcborenc 
Oberst Die Philosophic in Indicn Abfahrt von Peshawar 

V. Von Peshawar bis Calculla . . 96—151 

Erne verdorbcnc Nacht Die flussv dcs Pendschlb Klima 
dcs Pcndschdb Lahore Sanscrit College Absehicd ton 
Lahore Atnntsar Mr Sommers Pockengefahr Vipfl; und 
CutudrI Delhi SehonsKurdigkeiten Ddhis Vnigebung ton 
Delhi Indraprastliam Eine Dorlwohnung Eln indisches 
Odchrtcnheiffl Malhurd ond Umgebong Die Kfishrtalegende 
Vrmdaban Allen Dettcid Armut dcr Pandits Mathurd 
Indische NaivItKcn Dn Ildlicansdcr Die Gha|(a's Krishna’s 
Geburtshaus Die Yamsindbrucke MahSban Vorlrag in Ma« 
Ifiurd. Lalus Stinden Cawnporc Lalu cnllassen Herrn 
Basslers (leim Schauergeschichtcn Die Moschusratte PurSn 
Lucknow Die Residency One Opemvorstcllung Ein Ekka 
Tonfiguren Fyzabad und Ayodhyd Ayodhyd Alien, Tempel, 
Sehcnswurdigkeiten Benares Clark’s Family Hotel Baden 
lm Ganges Leichenverbrennung Besuch beim MahSrAja 
Mit deni Mahirlja za Bhdskardnanda Svdmin Em Askefen- 
heim Das Sansent College Lehrwetse im Sanscrit College 
Mittelalterfichcr SCandpunkt Professor Rdmamifra Govind 
D&s Die Theosophlsten Colonel Oicott Rundgang mit 
Raghunandana Prasdd Tanzmadeften Dree PandJtfreunde 
Abschied von Benares Bankipore Fahrt nach Gayd 
Bud(3ha-Gay& Eln Sddhukloster Gayd Bankipore Can 
dranagaram 

, VL Calcutta tind der Htmalaya ... . 152 — 183 

Calcutta Jung England in Indien Der BrahniasamSj P L 



VH 


K Raj Calcutiacr Professorcn Mr Mullik's 
— Haus Erne schwcre Silzung Hira Prnsada 
^ Em KoWa Der Toddy Auf zum flimihja Die 
^TSm^ajabahn Dm Rcgmn dcr Tcra» Korscheoog Bazar 
Ooom Darjeeling Land und Leutc des llimShja Der 
Buddhismus Dcr Gaurl^ankar Dn nepalcsischcr rrciind 
Dcr Kanchmjinga in seiner Herriicljkcit Rfickfalirl Mrs 
Davidson und »hr Missionar Ticrschau in Dum Dum Etne 
indische Hauslialtung Audienz bci emer Heiligcn Die scchs 
Sjslcmc Mcine Kaste Besuch bci Jlvdmnda Vldjdsdgara 
Der botanischc Garten Der Nyagrodhabaum Abschicd son 
Calcutta Dcr Huqqa 

Vll Von Calcutta uber Allaliabad nach Bombay 184 — 203 

Von Calcutta nacli Allahabad Professor Tbibaut Mr Gough 
Besuch voa Prajdga Das Fort Vorlrag m Allahabad Erne 
Lcschallc Indischc Musik Abschicd Ober die Narmada 
Indore Uj]3jml Die QiprS ElneSitzung im Dak Bungalow 
Frcondlichkeit des Gouvemeurs Alt Ujjayinl Das Haus dcs 
Bhartrihan Unset Elcfant Diner bcim Gouvcrncur Padre 
Pto Abdul Ankunft m Bombay Der Cosmopolitan Club 
Vortrag in dcr Asiatic Soclelj Erne Hochzcitslcier Bcsucli 
bei Telang Abschicd von Peterson 
Vlll. Von Bombay nach Madras und Ceylon 209—230 
Programm der Tbeosophisten Apte in Poona Das Hollfest 
Bhandarkar Von Poona nach Madras Dm Sprachen Indicns 
Professor Oppert Muckenplage Eine Sanskntkiasse Em 
edler Furst Beim MahirSja von Vijayanagaram Tanjore 
Trichmopoly Madura Tuticorin Eine ungcmlitliche Boot- 
fahrt Ankunft in Colombo Konsui Freudenberg Nach 
Kandy Em Buddhistenktoster Heutiger Buddhismus Pera- 
demya Eine Theeplantage Der Brotbaum Eine Schlange 
Bettelnde Buddhistenmbnche Ceylon und indien 
W.. li-A 2yi~-22^ 

Die Bntannia Zweicrle! Prediger Aden Eine frostlose 
Landschaft Suez Abenteoer im Kanal Eine Fata Morgana 
Port Satd Der Taygetos Bnndtsi 

. . 239—251 

On the Philosophy of the VedfUita in its relations to occi- 
dental Metaphysics 


VIII 


Verzeichnis der Abbildungen. 


Seite 

1 Panorama von Bombay mit dcm llafcn {vom Cfoclc Tower aus) 18 
2. Gruppe von Freunden in Bombay 28 

3 Strasse in Bombay (Kalkadevi Road) 34 

4 Gruppe Junger Parsi-Damcn 38 

5 Die Tdrmc des Schwcigens 40 

6 Em mil Mmistcrn 50 

7 Oruppe mit dem Elefanten (Baroda) 56 

8 Der Tdl Mahal (Agra) 76 

9 BetUer Im Aufauge cines Asketen 116 

10 Em Ekka (.Emspanner*) 126 

11 Uichenverbrennung am Da^a^amedha Cliatta (Benares) 132 

12 Bajaderen (Tanzmadchen) mit Musikem . . 144 

13 Badende im Hughli (Calcutta) 152 

14 Darjeeling und der Kanchmjmga 170 

15 Der Nyagrodhabaum im botamschen Garten zu Calcutta 182 

16 Khandala, eine Reversing Station m den wesUichen Ghatta’s 202 


Aussprache 


In indischen VVSrlern ist 

c, ch wie tsch und j, jh wie dsch 
zu sprechen (also Mah&r6dscka, Kanlschinthchlnga) , s ist ein mittlerer 
Laut zwischen s (stets schart) und sh (= sch) 




Ersles Kapite) 

Vorbereituagen. 

pvem Wunsche mcmer Freunde wiUfahrend will ich emige 
EindrUckc memer Reise nach Indien im Winter 1892—93 hier 
aufzeictinen und dadurch auch weiteren Kreisen zugSnglich 
machen, tads wed as mir, troti dar Ktirze memes Aufenthaltes 
m Indian, infojge besonders gOnsbger Umsiande mOglich 
wurde, tiefere Emblicke m das Leben der Emgeborenen zu 
tun, als sie sonst dcm Europaer zutad ru warden ptlegen, 
teds wed meme Auffassung indischer Verhaltnisse mehrfach 
eine von der gewohnhchen abweichende ist, namentlich da 
ich mcht wie so viele andere das indische Land und Volk 
nur durcli die Augen und Inleressen der Englander ansehe, 
auab TMCbt gawoUnt vov dam goldanan Katba das Eitolges 
zu knieen und eineSacbe darnm Wr schJecbt zu ba/ten, weif 
sie die unterliegende ist 

Als es mir endlich mdglich wurde, langjShrige Hoffnungen 
zu vewirkJichen, meme akademiscbe Tatigkeit fUr em lialbes 
jahr zu unterbrechen und m GesellachaU melner Frau dem 
Lande zuzueilen, uelches mir schon seit Jahrzehnten zu emer 
Art geisbger Heimat geworden war, da traf mich d/ese glUck- 
Uche FUgung mcht unvorbeteitet Von den drei Sprachan, 
die man m Indien nOtig hat, Englisch, um mit den GebiJdeten, 
Hlndostam, um mil dem Volke, und Sanskrit, um mit den 

Deusien Hr nnerungsn an Ind en 1 


2 


I Vorbcrcitungcn 


Pandits, d h den indischen, des Englischen m der Rege! 
vdlJjg unkundigen, ]a dasselbc perhorreszierenden Gelehrten 
zu verkehren, — war mir und memer Frau das Englische 
durch wiederholten Aufenthalt in England gelSufjg Vom 
Hmdostani, zu dessen Erlernung die Lehrmittel noch sehr 
unvollkommen und, namcntlich m Deutschland, schwer zu- 
gcinglich Sind, konnten wir uns erst auf der Reise und m 
Indien selbst so viel zu etgen machen, um nachgerade nut 
den Leuten auch ohne Vennittlung des Dieners verhandein 
zu kGnnen Was endlich das Sansknt betnfft, so war dessen 
Studium m den letzten zwanzigjahren so sehr mem tagJiches 
Brot gewesen, dass ich hoffen durfte, dasselbe nach einiger 
Vorubung jm Lande selbst mebt nur sprechen, sondern auch, 
was das Schwerste ist, das schnell und mit dialekiischer 
Ftlrbung gesprochene Sanskrit verstehen zu kbnnen, — eine 
Hoffnung, die sich durchaus verwirkhcht hat Der bequeme 
Oebrauch des Sanskrit aber als Umgangssprache vermag mehr 
als leder Empfehlungsbnef in die sonst dem EuropSer so 
verschlossenen hOheren Kreise der Eingeborenen emzufUhren 
Und nicht nur die GeJehrten von Fach, wie namenthch die 
einheimischen Sanskntprofessoren der indischen Universitaten, 
sprechen Sanskrit mit grosser Eleganz, nicht nur ihre Zu- 
hOrer wissen dasselbe ebenso gut zu handhaben wie bei uns 
ein Studierender der klassischen Philologie das Latelnische, 
auch die zahlreichen Pnvatgelehrten, Heiligen, Askefen, ]a selbst 
weitere Kreise sprechen und schreiben Sansknt mit Leichtig- 
keit, mit dem MahSrSja von Benares habe icJi mich wieder- 
hoU stundenlang dann unterhallen, Fabnkanfen, Industnelle, 
Kaufleute sprechen es zum Teil Oder verstehen doch das 
Gesprochene, in jedem kteinen Dorfe war meine erste Frage 
nach einem, der Sanskrit spreche, worauf sich denn atsbald 
der eine oder andere einsfellte, der gewOhnheh mem FOhrer, 
ja ’nicht selten mem Freund wurde Otter gab ich den Bitten 
der Eingeborenen nach, ihnen einen Vorfrag zu hallen Dies 



4 


[ Vorbercitungcn 


Namen UpamsIiacTs gesammellen Schlusskapitcl der einzelnen 
Veden nach Haltung und Gcsinnung dem Neuen Testamente, 
und wie auf dem Neuen Teslamenie die chnsfliche Dogmatik, 
so baut sich auf den Upanishads das religiOse und piiilo- 
sopliische System des VedSnta auf, welches ich mit zu dem 
Besten reefmen muss, was mctaphysischerJiefsinn imLauie 
der Jahrtausende unter den Menschen hervorgebracht hat 
Jedenfalls bildet der Vedanta filr Indien noch jetzt wie m alter 
Zed die Grundhge alles hoheren geistigcn Lebens Waiirend 
das niedere Volk an der Verehrung der GOtterbilder sein 
Gentlge findet, so wird jeder Hindu in dem Masse, wie er 
em denkendes Wesen 1st, zu eiiiem Anhanger des Vedanta 
in einer seiner verschiedenen Scliatlierungen und betrachtet 
alle Gotter, deren KuUus er seiner Familie tlberlasst, nur als 
S>mbo!e des einen, die ganze Welt durchdnngenden und m 
jedem Menschen verkOrperten Atmait Die genauere Kenntnis 
und entsprechende Hochschaizung dieser Lehre von memer 
Seite hat gar sehr dazu beigetragen, die Scheidewand zu be- 
seitigen, welche sonst den Europaer von den Indern trennt 
nut Verwunderung sahen sie den Fremden an, welcher besser 
m ihren heiligen Schriften zu Hause war, als sie es selbst 
wohl sem mochten, und mit EnIzUcken Jauschten sie der 
Darlegung, wie Europa in der Kantischen Pliilosopliie erne 
dem Vedanta auf das engste verwandte Lehre und den diesem 
selbst fehlenden wissenschaftlichen Unterbau besitzt 

Aber auch an ausseren Ankntlpfungspunkten flir alle Teile 
Indiens sollte es uns nicht fehlen Em gUnstiger Zufall hatte 
es gefilgt, dass im September 1892, unmittelbar vor unserer 
Reise nach Indien, der neunte Orientalistenkongress in London 
tagte Hier und in Oxford, wo wir meJirere Tage die Oast- 
freundschaft des Max Mliller’schen Hauses genossen, war es 
ieicht, eine grosse Zahl Empfehlungsbnefe von Gelelirten, 
hOheren Beamten, Offizieren usw, die lange jahre in Indien 



Dcr Ve^Anta. EmpfeWangsbricfe. Dhruva und Nazar. 


5 


gelebt batten, zu crhaUcn, welche zum grbssten Teil benutzt 
worden sind \md uns den Zugang lu den gastfreien Kreisen 
hochgestedter Englttndcr in Indien mehr ais wir bedurften 
erOffnet haben. 

Fflr den nHhercn Verkelir mil den Etngeborenen freiiich, 
den wir vor allem wDnsclilcn, liHticn diese Empfelilungs- 
schreiben oft melir hindcriich als fdrdcrnd sein kOnnen. Hicr 
kam uns die frllher gemachle Bekanntschaft zweier Inder 711 
Hlilfe, welche uns hundert andcrc im Lande selbst crschlicssen 
sollte. Drei Jahre vorlier nSinlich hatle ich auf dem Orien- 
talistenkongress zu Stockholm und Christiania die Bekannt- 
schaft der bciden dort anwesenden Inder, //. H. Dhruva, zu- 
letzt Richter in Baroda.und MansukUlCtl /Vnznrgcmacht, elnes 
Kaufmanns, der zusammen mit zwei Brlldern, AtmarCiin und 
Utsavluly eln Importgcschaft In Bombay besitzt, wahrend ein 
vferter Bcuder, BcharUdl, damals noch die Schulc besuchte. 
In Stockholm hatte ich Dhruva und Nazar cingcladen, mich 
auf der Durchreise in Berlin, wo jch damals wohnte, zu be- 
suchen; sie kamen und haben mich seddem wiedcrhoU durch 
Briefe und andere Zusendungen aus Indicn erfreut, deren 
Bcantwortung sich verschob, bis ich ihncn schlicsslich durch 
eine Postkarte melden konnte, dass ich am 7. November zu-, 
gleich mit meiner Frau selbst in Bombay einzutreffen hoffe. 
Dieser Ankntipfungspunkt soUle ftir uns von der grDsslen 
Bedeutung werden. 




Buchung in London Obcr Land nach Marseille 


7 


schon vollstandig besetzt, und auch das neueste und grOsste 
Schiff dieser Gesellscliaft, der Himalaya, welcher, als Exfra- 
schiff eingeschoben, am 15 Oktober 2 um ersten Male die 
Fahrt nach Bombay machen sollte, hatfe zu unserem Leid- 
wesen keine Kabme mehr frei, da doch der Name und die 
GrOsse des Schiffes, der Gedanke, noch ungebrauchte RSume 
zu bcwohnen, sowie die Erwartungen, die man von diesem 
neuen Dampfer hegte, uns den Himalaya als besonders be- 
gehrenswert erschemen hessen, und als durch einen Zulall 
eine besetzt gewesene und wieder frei gewordene Kabme 
desselben sich uns anbot, freihch nur zweiter Klasse, im 
unteren Deck und nach Sflden gelegen, da fassten wir nach 
langerem Schwanken cinen herzhaften Entschluss, lOsten 
sechsmonatliche, von Marseille nach Bombay und zurtlck 
von Colombo nach Brindisi giiltige Billets und schneben 
uns, nicht ganz leichten Herzens, m der frei gewordenen 
Kabme em Ober die zu crwartende Hitze trOstete uns der 
Gedanke, dass man ja doch von Suez ab auf dem Deck 
scWaferv werde, erne etwas germgere Kost fiel urn so 
Nvemger ms Gewicht, als auch die der ersten Klasse auf den 
Penmsular-Dampfern nicht gerade bertlhmt ist, und die Er- 
wartung, statt mit dem eleganteren Tounstenpubhkum, mit 
Geschaftsleuten, Subaltembeamten, Missionaren und dgl fUr 
vierzehn Tage zusammen zu sein, war nicht ohne besonderen 
Reiz Auch war die Erspamis betrachtlich statt 1600 Mk 
in der ersten Klasse kostete das sechsmonatliche Retour- 
billet zwetler Klasse fOr jede Person nur 1000 Mk Wir 
schatften unser grOsseres GepSck schon in London auf den 
HimSlaya und liessen es auf dem stets unruhigen Atlantischen 
Ozean allein die Reise um Gibraltar herum machen, waiirend 
wir selbst noch einmal unseren Lieben in Deutschland Lebe- 
wohl sagten, m Genf emen erqmckenden Tag mit Freund 
Oltramare, meinem altesten Schiller in der Philosophie und 
im Sanskrit, zubrachten, um dann tlber Lyon nach Marseille 




Zweites Kapitel. 

Von Marseille nach Bombay. 

V^er nach Indien reisen will, namenthch im Herbsle, wo 
jmmer em grosser Tounslcnschwarin diesem Lande zu- 
strebt, der wird wohl tun, sich drei Monate vorher einen 
Platz auf einer der verschiedenen englischen, franzbsischen, 
italienischen, norddeutschen, dsireichischen Dampferlinien 
dutch Emzahlung des halben Preises zu sichern, wobei die 
nach Norden gekehrte Seite des Schiffes, weil kUhler, vor 
der sUdhchen den Vorzug verdient, wie auch, aus demselben 
Orunde, die hOher gelegenen Kabinen vor denen des unteren 
Decks, namenthch da die Fenster der letzteren so tief zu 
liegen pfiegen, dass sie nur bei sehr ruhigem Seegange 
geSffnet werden dtirfen 

Wir batten den besten Zeitpunkt versaumt, und als wir 
Ende September 1892 uns in London in Fenchurch Street 
und Umgebung, wo die Dampferlinien der verschiedenen 
Nationen ibre Bureaus haben, anfingen nach Piatzen umzu- 
sehen, da vvollte stch zuerst nirgend etwas Zusagendes 
bieten Namentlicb waren die SchHfe der Peninsular & 
Oriental Company, welche die enghscbe Post befOrderfe, 
am schnellsten fuhr und fOr die sicherste gait, auch keine 
Zwischendeckspassagiere aufnahm, sondern nur solche der 
beiden ersten Klassen, bis weit m den November hinem 



Duchung in London Ober Land nach Marseille 


7 


schon Vollstandig beseizt, und auch das neueste und grOsste 
Schiff dieser Gesellschaft, Ati Himalaya, welchcr, als Extra- 
schiff emgeschoben, am 15 Oklober 2 um ersten Male die 
Fahrt nach Bombay raachen soUte, hatte zu unserem Leid- 
wesen keine Kabine mehr frei, da doch der Name und die 
GrOsse des Schiffes, der Gedanke, noch ungcbrauchte Raume 
2u bewohnen, sowie die Erwarlungen, die man von diesem 
neuen Dampfer hegle, uns den Himalaya als besonders be- 
gebrenswert erschemen liesscn, und als durch einen Zu(all 
eine besetzt gewesene und wieder frei gewordene Kabine 
desselben sich uns anbot, fredich nur zweiter Klasse, im 
unteren Deck und nach Suden gelegen, da fassten wir nach 
langerem Schwanken cmen herzhaften Entschluss, lOsten 
scchsmonatliche, von Marseille nach Bombay und zurtlck 
von Colombo nach Bnndisi gUlhge Billets und schneben 
uns, nicht ganz leichten Herzens, in der frei gewordenen 
Kabine em Ober die zu erwartende Hitze trDsfete uns der 
Cedanke, dass man la doch von Suez ab auf dem Deck 
schlafen werde, erne etvvas genngere Kost fiel urn so 
weniger ms Gewicht, als auch die der ersten Klasse auf den 
Penmsular-Dampfem nicht gerade bertihmt ist, und die Er- 
wartung, statt mit dem eleganteren Tounstenpublikum, mit 
Geschaftsleuten, Subalternbeamten, Missionaren und dgl ftir 
vierzehn Tage zusammen zu sem, war nicht ohne besonderen 
Reiz Auch war die Ersparnis betrachtlich statt 1600 Mk, 
in der ersten Klasse kostete das scchsmonatliche Retour- 
billet zweiter Klasse fUr jede Person nur 1000 Mk Wir 
sAbaittftjj. uosex aul tien 

Himalaya und Lessen es auf dem stets unruhigen Atlantischen 
Ozean allem die Reise urn Gibraltar herum machen, wahrend 
wir selbst noch einmal unseren Lieben in Deutschland Lebe- 
wohl sagten, in Genf eincn erqmckenden Tag mit Freund 
Oltramare, memera aitesfen Schakr m der Phdosophie md 
im Sanskrit, zubrachlen, urn dann tiber Lyon nach Marseille 



8 


II Von AtarsciHe nach Bombay 


zu eilen, wo wir unsere Ausslattung durch einen auf dem 
Scliiffe selir brauchbaren Deckstuh! (erne aus Stroh ge- 
flochtene Cliaiselongue) und namenllich durch zwei Sonnen- 
hUte aus Kork vervollstandigten Die letzteren sind zwar auf 
der Seefahrt QberflUssig, kbnnen aber schon beim Aussteigen 
m Bombay niclit ohne Gefahr enlbehrt werden Am 22 
Oktober 1892, nachmittags vier Uhr, begaben wir uns m 
Marseille an Bord des Himalaya. 

Nichts gleicht dem Durcheinander, welches auf emem 
grossen Seedampfer wahrend der letzten Stunden vor der 
Abfahrt herrscht Kohten werden eingeladen, GepackstUcke 
aus- und eingeschifft, der Koch und seme Oeholfen smd 
beschaftigt, grosse KOrbe mit Geflugel Oder GemUse zu 
ubernehmen, die Matrosen machen sich an dem Tauwerk zu 
schaffen, die Kellner haben alle HSnde voll zu tun, um den 
mit mancherlei Gepack einstrbmenden und sich gegenseitig 
den Weg versperrenden Ankbmmlingen ihre Kabmen anzu 
weisen, wahrend Handler und Trbdler das Schiff durch- 
schwarmen, um Frtichte, Schmuckgegenstande, Photographien 
und allerlei Plunder zum Verkauf anzubieten Endlich be- 
ruhigt sich das Gewlilil, Handler und abschiednehmende 
Freunde milssen das Schiff verlassen, als letzter der Agent 
der Gesellscliaff und der Postbote mit den m der Abschieds- 
stunde eifrig geschnebenen Bnefen, die Dampfpfeife erfOnt 
einige Male, die machtige Schraube setzt sich langsam und 
dann immer schneller in Bewegung, wir verlassen den Hafen, 
und bald smd wir im offenen Meere und sehen die Ktlsfe 
hinter uns in der Abenddammerung versinken 

Es zeigte sich, dass wir wohlgetan hatten, den Dampfer 
erst m Marseille und nicht schon m London zu besfeigen, 
denn der sclineidende Nordwind, der uns bis nach Oenf als 
Bise, bis nach Marseille als Mistral begleitete, hatte auf dem 
Atlantischen Ozean als Sturm gewirtSchaftet, derselbe Sturm, 
dem die gleichzeitig mit dem HimSIaya von London abge- 



Einschiftung Sirdinlen tind Korsfica Messina und Reggio 


9 


gangene und ebenfalls nach Indjcn bestimmte Rumania an 
der portugiesischen KUstc zum Opfer gefallen \var. Jetzt 
aber legtc sich der Wind, die nocli bci der Abfahrt \on der 
franzOsiscben KUsle aufgereglen Wogen glatteteii sich, und 
\Mr behiciten die schOnsle, ruhigstc Sec bis nach Bombay 
?im AIs ich am ndclisten A\orgen — cs war Sonntag, der 
23 Oktober — • aus der engen KajUte drei Treppen hinauf 
aufs Deck klettertc, uni die ozonreiche Sceluft m befen 
ZDgen einzuatmen, da sah ich rcchts von uns die lang- 
gestreckte KOste Sardintens, links die ragenden Gebirge 
Korsikas \on der aufgehenden Sonne beleuchtet licgen 
Schon luer machte sich die Kraft der sUdhehen Sonne be- 
merkbar, und als ich gegen Abttag, nach der Kirchc, nut 
einem leicMcn Hut auf dem Kopfe erne Zeitlang in der Sonne 
gesessen, war mir nachher derKopf so eingenommen, dass 
jch beseWoss, dieses pis cm Wamungszeichen anzusehen und 
mich nicht wieder ohne gehdrigcn Schutz der Sonne auszu- 
setren Am nSchsten Morgen m der DUmmerung grlissten 
mich rechts die Lichter von Messina mit seinem Leuchlturm, 
den ich em jahr zuvor noch bestiegen hade, ohne Hoffnung, 
ihn so bald und mit so beglbckenden Aussichten fUr die 
nachste Zukunft wiedenusehen, wahrend links die Lichter 
des kleinen Reggio uns an ein kQmmerliches und Ubereiltes 
Mahl und eine darauf folgende lange Nachtfahrt auf der Eisen- 
bahn ermnerten, bei der ich um em Uhr nachts im Halb- 
schlafe die Station Cotrone, das ehemalige Kroton, die 
bertihmte Pflanzstatte des Pylhagoreismus, hatte ausrufen 
bOren Jetzt konnte uns das altes nicbt tocken, und auch 
dem Atna nahmen wir es nicht Ubel, dass er sem Haupt 
in dichte Wolken gehtillt hatte, nachdem wir em Jahr zu- 
vor von Taormina aus im schftnsten Sonnenglanze seme 
machtigen Schneefelder und den in krauselnden Wolkclien 
aus seinem Krater aufsteigenden Rauch batten beobachten 
kOnnen 



10 


li Von ManciHe nnch Bombay 


Hasch cntschwand Slcihcns KUstc unscrn Dlickcn, tmmcr 
farbcnrcjclier wurdc das Mccr, immcr glanzender strahltc die 
Sonne vom dunkclblauen Htmmcl iicrab, endlich versank sic, 
nicM uncrwUnscht, Im N\csllichcnOzcan, imd als wir sie am 
nachsten Morgen wicder aus der Purpurglut des Ostcns auf- 
stcigcn sahen, dn strcckte slch schon zu iinscrer Linkcn mit 
ihrcn herrliclien Bcrgformen die sUdlichc KOste Kretas hin 
Ausgczcichnct schlcn sich dcr Himalaya zu bcwahren, und 
schon prophczcitc man sich, dass unscre Fahrt die schncllstc 
scin ^\erdc, die je nach Indlen gemacht worden, — aber es 
sollte anders kommcn Eben hatten wir gcgen Mittag zur 
Lmken immcr noch Kreta und zur Rechtcn cine klcine Inset, 
vermutiich Klauda, wo das Sclidf des Apostels Paulus, nach- 
dem es gegen dcssen Rat Kreta vertassen hatte, ver> 
gebens zu (anden suchte (Apostclg 27,16), da geschah das 
gSnzlich Unerwartctc die Maschlne, deren glcictimassigcs 
Arbcifcn bci Tag und Nacht uns schon zur Gcwohnheit 
geworden war, stand ptotzlich still, und elne unheimliclie 
Ruhe Irat em Allgemcine Aufregung bemachtigte slch der 
Mitfahrenden, allerlei Vermutungen wurden laut, niemand 
wussfe etwas Bestimmtes zu sagen, denn aus den Sciiif/s- 
offizieren, denen in solclien Fallen Scliweigen PHicht tst 
war nichts herauszubekommen Nur so viel war War, dass 
der unwillkommene Aufenthalt seme Iriftigen GrQnde haben 
musste, denn der Himllaya vexbrauchte, wie mir einer seiner 
Offiziere mitgeteilt hatte, taglich 110 Tonnen Kohlen, die 
Tonne zu 30 Schillingen, also taghch fflr 3300 Mk, sodass 
jeder Aufenthalt sehr kostspiehg war Endlich, nach fOnf- 
stUndigem Hammem im Maschinenraume, ging es weiter, aber 
xwf ver-OTAoderfer s'iytoss wr exst xiadb elwa 

dreissig Stunden abends spat in Port SaTd Anker warfen, wo wir 
dann am andem Morgen zum FrOhbade statt des klaren Meer- 
wassers erne trllbe Fliissigkeit sich ergiessen sahen Bis 
Mittag iagen wir hier still, durch Reparaturen aufgehalien, 



Aufenthalt \or Krcta. Port Said Suczkanal 


II 


sahen uns gegentlber das niittelmassige Hotel, wo wir drei 
Jahre frOher tibemachtet hatten» sahen das Treiben auf den 
Strassen und aul dem Hafen, ohne dass doch jemand das 
Schifl hatte verlassen Oder betreten kOnnen, da wir, weil 
von dem cholcraverdachtigen Marseille kommend, iinter 
QuarantSne lagen Die einitgen, wciche den Bann braclien 
und als sehr unwillkommene Mitreisende stch einstettlen, 
waren erne grosse Mengc Fliegcn, die wir erst im Indischen 
Ozean nach und nach wieder los wurden Endhch, gegen 
em Uhr mittags, ging es von Port Said weifer und in den 
Suczkanal hmein Zur Linken Asien, zur Rechten Afnka, 
beideiseds flatbes Wfistentand, sowed das Auge reieht, und 
dazwischen der Kanal, gelegentlich durch Landseen flihrend, 
in der Regel aber nur erne schmale Wassetnnne, doppell 
so breil wie das Schilf selbst, bildend, darDber der wolken- 
lose agyptische Himmel, um uns die warme, trockne, reine 
WUstenluft, bei deren Durchsichtigkeit alle Gegenstande von 
energischen Farben belebt erschemen, — das waren die 
wesenthchen EindrUcke der Kanalfahrt, wetche auch die 
Nacht durch geht, aber doch neuniehn Stunden beansprucht, 
da nur langsam gefahren werden darf, auch wohl ein halbes 
Dutzend mal gehalten werden muss, um andere Schiffe vorbei 
2U lassen, wobei das Schiff, wegen der herrschenden 
StrOmungen, jedesmal am Ufer roit Tauen festgebunden wird 
Am andern Morgen lag Suez vor uns und die dahinter Iiegen- 
den hohen Berge im Westen, alles jn ein wunderbares FrDhrot 
getaucht Freilich ist die ganze Gegend vegetationslos, bts 
aut die Umgebung des bei Suez mlindenden Shsswasser- 
kanals, welche im herrhehsten Grtvn prangt Nach kurzern 
AutenthaUe ging es ins Rote Meet hinein, zur Linken konnten 
wir den ganzen Nachmittag die zerklutteten Gebirgsmassen 
der Halbinsel Smai beobachten, bis deren Sudspitze erreicht 
ist, das Meer sich verbreitert und nun sehr bald alles Land 
bis auf em paar vereinzelte Inselchen fUr drei Tage dem 



12 


II Von Marseille nach Bomba) 


Augc vOllig entschwjndct Dass man aber m einem ge- 
sclilossencn Meere zwischen zwei ungeheuren WUsfenUlndern 
durchfaiirt, maclit sicli Uiirch die liter herrschende grosse 
Hitze jedem bemerkbar Gtcfch nach Suez legen die 
Schdfsoffizicrc ihre dimkle Uniform ab und crsclicinen in 
wcisscn AnzUgen, und allcs bccilt sicli ihrcm Beispieic zu 
folgen Bei den Mahlzeiten in der KajQte sclnvingt unablllssig 
die Pankha, d h liber jedem Tiscfie hlingf, ihn in seiner 
ganzen LJlnge begleitend, cm fussbreilcr Streifen von dickem 
Zeug, durch Stangen und Angein an der Decke befesfigt, 
allc dicse Streifen sind durch Sfricke verbunden, welche auf 
Rollen nach aussen Iciten und von dorl, durch ziehende Diener 
in Bewegung gesetzt, ziemhch schnell unnnttelbar Uber den 
Kbpfen der Sitzendcn hin und her schwmgen und erne Starke 
Zugluft veranlassen Ohne Pankha zu essen wlirde kaum 
mOghch sern, selbst bei den sonnUgiichen Gotfesdfensfen 
begieitet sie mit itircm emtbnigen dumpfen Gcrausch die 
Stimme des Geistlichen In den Kabinen war es vollends 
nicht auszulialten Em Aufenthalt von wenigen Minufen 
genllgfe, um die heftigste, jedeii neu angelegten Kragen so- 
gleich wieder entstellende Transpiration hervorzurufen Em 
Sclilafen m derselben, obgicich alle TUren, Fenster und 
Luken gebffnet waren, wurde nachgerade zur Unmbglichkeif 
Zuletzt legte ich mich auf den Boden, die harte Schwelle 
der geoffneten TUr als Kopfkissen benutzend, und als auch 
so kerne Ruhe zu fmden war, beschlossen wir, den Wtder- 
stand des etwas faulen und stets AusflUchte suchenden 
Kellners zu brechen, und gaben stnkten Befehl, flir die 
nSchsle Nacht unsre Betten nach oben aufs Deck zu 
schleppen Dieses Verfahren, so sehr es auch seme Schatten- 
seiten hatte, wurde bald von alien eingeschlagen und bis 
ans Ende der Reise festgehalten Abends gegen zehn Uhr, 
wenn Airs Shakespeare (ewe Offiziersfrau mit drei hubseben 
Tbchtern) sich von dem auf dem Verdeck stehenden Pianino 



Roles Meer Pankha Schlafen auf Deck Kinder 


13 


crliob, die tanzenden Paste s»ch trennten, und endhch cine 
gewissc Ruhe eintrat, da kamen die Kellner mil den Matrntzen 
und Kissen aus den verscliicdcnen Kajllten hcraufgekeuchl, 
erne Barnkade aus DeckstUhlcn markierte die Greuze zwiscfien 
der Herren- und Damenseite, imd im ttbngeti konnte jeder 
sich cm Piaizchen je nach Wunscli, auf den Bdnken oder 
daneben, liinter einer KajOtenwand Oder m der frclen Zugluft, 
aussuchen, dort sich aiif seme Malrafze strecken und abuarten, 
bis das Geplapper versfummie und das eintdnige Aclizen der 
Maschine anfmg, sich w seme Traumbilder zu verweben 
An ein Ausschlafen war {reilich nicht zu denken Denn 
allmorgendllcli urn flln! Uhr erscliicnen mil Eimern und Besen 
die schwarzbraunen Malrosen, um das Deck midels ernes 
transportablcn Schlauches unter Wosscr zu setzen und 
grllndlichst zu scheuern Dann war es ein HauptvergnOgen, 
nur von der Patjama (Nachtanzug, bestehend in Hose und 
Jacke aus ganz ddnnem WoUstoff) bekleidct mit nackten 
FUssen in dem kuhlen Nass spazieren zu gehen, bis gegen 
lialb acht nach und nach die Damen auf dem Deck erschienen, 
und das Feld geriumt werden musste Em klemer Imbiss, 
bestehend aus Thee, Kaffee und Butterbrot, die sogenannte 
Cftota Hazin, stand nach indischer Weise schon um 6 Uhr 
bereit Um neun Uhr foigte em substantielles FrtlhstUck, 
Thee nut Fisch, Eiern, FleiscU u dgl Der weitere Vormittag 
wild natUrUch allgemem auf dem Deck zugebracht Die 
einen sitzen und liegen auf den StUhlen umher, hier bilden 
sich plaudernde Gruppeti, dort sind andere mit Lesen be- 
schaftigt, und wieder andere gehen emsig auf und ab, um 
dem schhmmsten Ofael einer langen Seefahrt, dem Mangel 
an Bewegung, nach Kraften abzuhelfen Freihch muss man 
dabei vermeiden, auf die zahlreichen, Uberall umherkrabbelnden 
Kinder zu treten Kleine Kinder etwa bis zu sieben Jahren 
werden namheh von ihren FaraUien ohne Bedenken nut nach 
Indien genommen Werden ste grosser, so mhssen sie in 



14 


II Von Maiscille nach Bomba> 


der Regel nach Europa geschickt werden, da die indisclie 
Hitze, vermutlich well sie den Appetit benimmt und den Schlaf 
beeintrachtigt, ein gedeihliches Wachstum verhindert Um 
zwei Ulir folgte m der zvvciten Klasse das Mittagessen, iim 
vier Ulir wieder Thee, um fUnf Uhr war es ein amllsantes 
Scliauspiel, dem Abendessen der von ihren Mflttern odcr 
Bonnen bedienten Kinder ziizusehen, Jim sieben Uhr foJgJc 
das Abendessen dcr Erwachsenen und um ncun Uhr abends 
nochmals Thee Die Quantitat war immer ganz genllgcnd, 
die Qualitat liess des Gftcren sehr zu wUnschen fibng Erne 
besondere Wohltat war das aUczeit sehr hberal gespendete 
Eis Dasselbe wtrd in dem unter einem cignen Offizier 
stehenden Freezinff Room bcreitct, In welchem bci aller 
tropischcn Hitze cinc derarligc Kaitc herrscht, diss, wieman 
crzflhlte, cinstnials cm zufaihg in eincm solchcn Freezing Room 
cingcschlosscncr Matrosc erfroren sein soil Die Stunden nach 
dem Abendessen brachten manclierlei Unlerhallung, gcwOhnIich 
emcn Tanz auf dem Deck, gctcgcntlich cm Konzert, zu dem 
die andcrc Klasse fcierhch eingcladcn uurde, ]a cmmal ver*' 
stieg man sich sogar zu cincm KostOmball mil Masken, di 
die nach Indicn (Ibcrsicdclndcn Familicn alien dazu nOligcn 
Plunder mit sich fuhren Im ganzen war die Reistgcsellscinft 
nicht gerade sehr angcnclim, wcit wcnigcr als auf dem 
RUckwege, wo wir tin \on Auslralicn kommcndcs Sclilff 
bestiegen und mil Lculcn zusammen waren, die dort litre 
Gcschaftc abgcsclilosscn und Hire Erfihnmgcn gtnncht 
batten und nun zum Ruhistande oder zur notwendigcn Cr- 
holung In die Hcimat zurOckkehrten Im Gcgtnsatze dnzu 
bestind das Publikum auf dcr Hlnrclsc ziimclst aus lOngcrcn, 
turbulentcn Elcmcntcn Schon hicr maclile sich dcr Obcrmiit 
bcmcrkUch, dcr sich des jungen Englanders zu bcmfclitfgcn 
pfiegt WLnn cr als Kaufmann odcr angchender Bcimler init 
Nnhaitnumasslg hoben Gehaltc nach Indicn gcht Die 
jungen Lciite, \on denen das Schiff vollgcpfropfl war, mlt 



Uben auf dem Schtff Tropcnkoller Aden 


15 


jhrem larmenden Trcibcn, kamen mir vor wie Raubvtigel, die 
sjch aul jlire BeuJe stQrzen Ihre gerauschvollen Spiele, ihr 
Zechen und Tanzen Iiess keine gcsammelle Stimmung, kern 
gchaltvoUeres GesprSch aufkommen, die Tnvialitat behielt die 
Oberliand Es musste ertragen werden, es ging ja bald 
vorbber Nur das wiederholte Stillsteilen der Maschme, auch 
wahrend der heissen Fahrt durch das Rote Meer und mit- 
unter flir den ganzen Tag, erregle ernslhcbe Bcsorgnis darOber, 
wann und wie wir wohl das Ziel erreichen wllrden Endlicli, 
nach dreitagiger Fahrt auf dcm Roten Aleerc, nachdem wir 
Mekka und Medina mit ihrem Seehafen Yeddo zur Linken, 
Suakm mit Massaua nebst so mancher unwirtlichen und 
gefahrlichen Gegend zur Rechten, oline von dem alien irgend 
etwas zu sehen, hmter uns gebracht batten, erschien links 
das kaffeeberUhmte Mokka, und nun duriten wir hoffen, m 
Kllrze Aden zu erreichen und aus dem Glutkessel des Roten 
Meeres in den luftigen und fnschen Indischen Ozean zu 
gelangcn GlUckhch wurde das Tor der TrSnen, Bab el 
Mandeb, passiert wo schon so manches stolze Schiff ge> 
scheitert :st und hier und da memento mort ciniger aus dem 
Wasser hervorragender MaslbSume sich den Blicken zeigte 
Vor Aden warfen wir abends spat fUr emige Stunden Anker 
und sahen die Gebaude am Ufer und die sonnenverbrannten 
Oden Oebirge dahinter im zauberhaften Glanze des Mondes 
vor uns hegen Vor dem Schlafengehen auf Deck war ich 
noch einmal m meine Kabme heruntergestiegen und hatte 
das elektnsche Licht derselben aufgedreht, als ich, durch das 
gebffnete Fenster blickend, unmittelbar neben mir ein paar 
schwarze Gesichter mit gianzenden Augen und schneeweissen 
Zahnen auftauchen sah Es waren SomaUneger, welche, unter 
dem Schutze der Nacht der Quarantane Irotzend, m ihrem Boot 
an das Schif! herangefahren waren und durch die wenige 
Fuss liber dem Wasserspiegel liegenden Kabmenfenster allerJei 
Kunositaten zum Kaufe hereinreichien Ich kaufte zu massigen 



16 


II Von Marseille nach Bombay 


Preisen eine Flasche aus buntfarbigem Stroh und ein statt- 
liches Antilopengeweih, deren ich mich spater durch Ver- 
schenken entledigte, nachdem ich sie noch eine Weile mit 
mir m Indien herumgeschleppt hatte 

Dec nachste Morgen fand uns in dec fceiecen Region 
des Indischen Ozeans Links begleiteten uns noch einen 
halben Tag, immer mehr zurCickweichend, die schOngeformten 
Berge der SUdkUsfe Arabiens, dann verschwand for siefaen 
Tage lang alles Land Ein beruhigendes Geftihl war es, dass 
der Himalaya die Postsachen nach Indien nicht an emen 
anderen der zwischen Aden und Bombay verkehrenden 
Dampfer abgegeben hatte, wir schlossen daraus, dass man 
trotz der gehabten und noch zu erwartenden Verspatung 
mit Sicherheit die Post wenigstens vor dem Verfalltermine 
in Bombay einzubrmgen hoffen durfte, da fUr den entgegen- 
gesetzten Fall die Gesellschaft eine sehr hohe Konventional- 
strafe zu zahlen hat Im (ibrigen fuhr man langsam und 
immer langsamer, und wiederholt musste der Dampfer 
fur emige Stunden stilJgeJegt vverden, wflhrend der Ozean 
m Spiegelglatte urn uns lag und zahlreiche Haifische das 
Schiff umspielten und gierig nach den KUchenabfallen 
schnappfen Eines NacbmiMags, als wir wieder einmaJ gerade 
still lagen, amllsierten sich die sportlustigen Englander, mit 
einer in einen grossen Haken auslaufenden Ankerkette, an 
die man ein Stuck Fleisch befesligt balte, nach Haifischen 
zu angeln, und wirklich gelang es, ernes dieser UngetUme 
an Bord zu zielicn Es schlug beim Heraufwinden so furcht- 
bar mit dem Schwanze urn sicli, dass derscJbe abgehackt 
werden musste, ehe man den Fisch aufs Deck zu bnngen 
wagte Da lag nun das Alojastruni. woh! mehr als sechs 
Fuss lang und dick wie ein gemtlsfeles Scliwein, und fjng 
erst nach und nach an sich zu bcruliigen, umstanden In 
respcktvoller Entfernung von der Corona der ncugicrigcn 
Zuscintier Sclion Intte man ihn ausgcweidef, dis fkrz. 



Indischcr Ozean Ankunfi m Bombay 


17 


nicht grosser als eine Taschenuhr, gmg, immer noch palpl- 
tierend, \on Hand zu Hand* und Irolzdem hatte das Unge- 
heuer noch Lebenskrah genug, sich zuweilen von clner Sedc 
aul die anderc zu wSlzen, zum Entsetzen der zurClck- 
v/eichenden Zuschauer. Endhch lag der Hai lot und regungs- 
los da Man zog ihm zum Andcnken em grOsseres Stuck 
Haul ab und wollte den Rest dem Mcere vviedergeben, da 
traten cinigc Neger aus der ScliHfsmannschaft lienor und 
erbaten sich das Flcisch als Geschenk Geme wurdc dies 
bewilligt, und sic schlcppten den Fisch davon, uobei man 
SIC in ihfcm Ncgerenghscli sagen hOrle ^.Hai frisst Neger, 
warum soil nicht auch Neger fressen Hai?“ 

Unter diesen und ahnlichen Bclustigungen verging die 
Zeit, bis wir endhch am Sonntag, dem 6 November gegen 
Mittag im Osten die hochragenden Kamme des Ohatla- 
Gebirgcs auftauchen salien Wenige Stunden spater ver- 
wandcUe sich das azurne Blau des Ozeans in cm schmutzigcs 
Gclb, immcr deuUichcr erschicnen links die Villen von 
Malabar Hill und vor uns die palmenumgebencn TUrmc und 
Prachtgebaude von Bombay, gegen Abend umschifften wir 
Colaba Point und warfen Anker m dem mcilenbreiten Hafen 
von Bombay, der im Westen vom oUnen Ozean durch die 
machtige Landzunge oder Insel getrennt ist, auf der die Stadt 
Bombay Iiegt Bald waien wir von Dampfbarkassen Segel- 
booten, deren hoh^ Rahen aus Bambusrohr bis auf unser 
Deck ragten und allerlei anderen Fahrzeugen umschwarmt, 
und nun entstand bei herembrechender Dammerung auf dem 
Schdf ein unbeschreibhches GetUmmel Beamte vom Lande 
und Kommissionare der Hotels, Bootsleute und Gepack- 
trager und zur BegxUssung heraufkommende Freunde, dazu 
die 340 Passagiere des Schiffes nut ihren GepackstUcken 
und die 361 Angestellten, welche die Bemanniing des Schiffes 
bildeten, vom Kapitan bis herab zu den untersten Aufwartern 
Hcvzern und Kohlenschleppem, alles das wogte und larmte 

Deassen Eriatteningen aa ladl«a 2 




Sc te 13 


Panorama von Bombay mil dom iWen (vom Clock Toner aits) 



Dritlcs Kapilel 

Bombay. 

‘\^atson’s Esplanade-Hotel, in dem wir ftir cinigc Woclien 
unsren Wolmsdz aufschlugcn. gilt fUr das erste Hole! m 
Bombay und ist ernes der grdsstcn, uenn niclit das grOsste, 
m ganz Indian Es fiat aber, wic so vicics in Bombay und 
Calcutta mit ihren nation Dcztcliungcn zu Europa, kcincn 
so ausgepr2gt indiscfien Typus wic die zwanzig bis dreissig 
weitcren Hotels, die wir spatcr in alien Teilcn Indians bc- 
wohnt liaben, und von denen cine kurze Charnkteristik Jiier 
lolgen mag Vorausbemerkt sei, dass wir grundsaizlich, 
schon aus GesundheitsrUcksichtcn, immcr im ersten Hotel dcs 
Orts abstiegen HUuftg (cetlich war dies zugleich das einzige, 
und manche Orte, wie Ujjaymt (Uijain), Gayd und andre, 
waren ganz oline Hotel In diesem Falle pflegt die Regientng 
em Absteigehaus, Dak Bungalow (Postliaus) genannt, zu iinter- 
halten, in welchem man Anspruch auf em Zimmer mit Belt 
fUr eine Rupie (damals 1,25 Mk, jetzt 1,33 Mk) die Person 
hat, mit der Bedmgung, in dcr nachsten Nacht das Zimmer 
zu rSumen, wenn em Neuangckommener, der soiist nicht 
unterzubnngen ist, dasselbc bcanspruchen solUe In der 
Regel jedoch ist man dcr einzige Cast des klemen Hauses 
Die Emrichtung der Zimmer ist ganz pnmittv, die Bctten, 
m der Regel msektenfrei, smd mittelmassig, wenn aucli lange 



20 


it! Bomb3} 


nicht so schlecht wie m Griechcnland, und meistens oline 
MOckennefz, welches man daher wohl tut mit sich zu fohren 
Die Oberbetten, d h Kissen, dicke Steppdecke als Unter- 
lage (Razai) und Reisedccke zum Zudecken fuhrt jeder 
Reisende zusammengerolH als GepSckstUck mit sich, da sie 
weder auf den Eisenbahnfalirten, noch in den Hotels, viel 
weniger m den Dak Bungalows entbehrt werden konnen 
Mitunter smd die ZimmertUren der letzteren ohne nchtig 
funktionierende Scliliessvorrichtung, so in Amritsar, wo uns 
nichts Qbng blieb, als die TUr mit unseren sSmtUchen 
Gepackstllcken zu verbarnkadieren Die Verpflegung in den 
Dak Bungalows tsl meist sehr mittelmassig Em Koch oder 
der Verwalter selbsf tiefert die Mahizeiten Die Preise dafilr 
Sind von dec Regierung vorgeschneben, aber die Qualit&t 
htingt von der Fahigkeit, dem guten Willen und dem Ehr- 
geize des fast ausnahmstos mohammedantschen Koches ab 
Gelegentlich kam es vor, dass er uns auf die Empfehlung 
ernes befreundeten Einwohners hm em recht gutes Alahl 
lieferte, aber oft trafen wir es auch anders, wie noch zu 
benchten sein wird Ungefahr auf gleicher Stufe mit den 
Dak Bungalows stehen die Refreshment Rooms der klemeren 
Eisenbahnstationen, auf denen man auch an Orten, wo kein 
Dak Bungalow vorhanden oder ein solches zu fern hegt, im 
Waiting Room libernachten kann 1st dasselbe scfion beselzt, 
so stellt der gefalhge Station Master wohl auch emen Eisen- 
bahnwagen zur VerfUgung Beides geschieht unen^effficft, 
ist aber doch wenig zu empfehlen, denn der Larm des 
Rangierens hflrt selten auf, und wenn em Zug spat abends, 
frilh morgens oder m der Nacht faint, so kommen stunden- 
Jang vorher dJe Emgeborenen in grossen Scharen und 
hocken nach indischer Weise in schwatzenden Oruppen 
auf der blossen Erde um das StationsgebSude herum, 
die Luft wird sehr schlecht, und der Larm ist kaum aus- 
zuhalten 



Retsebetten Hotclwcscn Reisel^oslen Munzsorfen 21 

Indessen kommt man selten in die Lage, von diesen 
NotbeheUen Gebrauch zu machen, da an alien besuchteren 
Often ganz gute, fast durchweg von Iinglandern gelialtene 
Hotels bestehen Hire Preise smd sehr mllssrg Wie in 
Spanien, PalSstma und Agypten, bestebt die Sitte, dass man 
die Pension ftir den ganzen Tag nimrnt Diese betrug ftlr 
Zimmer und drei reiclihche Mahlzeiten* nut Ausnahme von 
Bombay, Calcutta und Darieeling, in den ersfen Hotels me 
weniger und me mehr als Itinf Rupien (gleicb 6,25 Mk, jetzt 
6,66 Mk.) Diese Gleichmassigkeit d^s Prcises maclit es 
mbgbcb, die Kosten emer Reise nach Jndien iiemUch genau 
voraus zu berechnen Das sechsmonatbche Retourbillet, die 
Bekbstigung embegnffen, betragt II Klasse 1000 Mk, die 
Eisenbahnfahrt durch ganz Indien 1 Klasse ungefalir 500 Mk, 
vier bis fdnf Monate Hotelleben werden sich auch auf tausend 
Mark belaufen, und rechnet man hierzu 500 Mk flir Getranke, 
Gepack, Wagen, Trmkgelder und Diener, so ergibt sich, 
dass man die Reise nach Indien bei sparsamer Einnchtung 
mit 3000 Mk und bei hbheren Ansprticlien mil 4000 Mk ganz 
bequem untemehmen kann Als Reisegeld dient ein Kredit- 
bnef, auf den man, wie m alien grbsseren StSdten Europas, in 
Bombay, Calcutta, Madras und Colombo Geld erheben kann 
Die landesUbliche Atdnze ist die Rupie, em SilberstUck m der 
Grbsse von zwei Mark, welche in Indien m 16 Ana’s in Ceylon 
in 100 Cents zerfflllt Die Ana zerfailt weifer m vier Paisas 
(Kupferstucke von der GrOsse eines $ou), die Paisa m drei 
Pie’s, und als klemste MOnze kursiereO von alters her kleine 
Muscheln, auf Sanskrit Kapardtka, jetzt Kauri genannt, deren 
man mir auf dem Markte zu Benares fUr eine Paisa achtzjg 
einwechselte, was auf die Rupie 5120 Stock machen wOrde 
Gold kommt nicht vot, liingegen hat man Banknoten zu 10, 
25, 50, 100, 500 Rupien und hOhef. ja auf der Bank m 
Lahore habe jch selbst eine Banknote von 10000 Rupien 
in Handen gehabt, w elche sich von den Zehn-Rupien-Schemen 



22 in Bombay 

kaiim anders als durch den Aufdruck der Summe unter- 
schied 

Das indisclie Hotel kegt m der Regel, wie alle besseren 
Wohnungen, ausserhalb der engen Eingeborenenstadt an einer 
sehr breiten und wohlgepflegten Landstrasse, und ist, wie 
alle dort liegenden Pnvat- und Geschaftshbuser, von einem 
geraumigen Garten umgeben Das Hotel ist gewOhnIich 
emstbckig, der grosse Speisesaal Iiegt in der Mjtte, kllhl, 
bisweilen sehr dunkel, urn denselben herum die Schlafzimmer 
mit EingSngen, sowohl nach detn Speisesaal als auch nacli 
aussen ms Freie fUhrend Um die Schlafzimmer herum auf 
der Aussenseite lauft erne Veranda, auf der die mitreisenden 
Diener zu schlafen pflegen Bei kaltem Wetter wickeln sie 
Kopf und alles dermassen in die mitgefQhrten Decken ein, 
dass sie einem langen, vollgesfopften Sacke gleichen, den 
man nur an dem kr^ftigen Schnarchen als cinen vermummten 
Menschen rekognosziert Die Schlafzimmer sind meist sehr 
geraumig, die Mbblierung ist dUrftig, Gefasse und Ttlcher, 
wie alles in Indien, all und verschlissen Zu jedem Schlaf- 
zimmer gehOrt ein eigner Nebenraum mif Waschtisch, Bade- 
vornchtung und sonstiger Bequemlichkeit versehen, welclier 
ausser von dem zugehOrigen Schlafzimmer nur noch von 
aussen von dem Wassertrdger und dem Sweeper befreten 
wird, die jeden Augenblick bei der Hnnd sind, alles nacli 
Gebraiich soglcich wleder m Ordnung zu bringen Die 
Badevorrichtung bestelit sellen In einer Wanne, meist nur 
m einer cenientierten Fiachc mit crliOIitcm Rande und 
einer Offnung nacli aussen, wcichc gegen Schlangen mit- 
iintcr durch cm Sieb geschUbt ist Glasfenster sind sparlicli 
und felilcn stellenweisc ganz Die Glashbrikalion «ar, ine 
nnn uns \ersichcrtc, m Indien noch niclit eingcfOhrt Auch 
alle Flaschcn stammen aus Europn, und oft konnte man auf 
der Slrasse einen Hlndler sehen, welcher alle Artcn gcbnuchtcr 
riaschen (Or Wein, Bter, LImonadc iisw, wolil assortlcrt ftil 



Das wdische Hotel VerpHcgurg in l^m. 


23 


boL Die Tflrcn entbehrcn, ■>Me schon bemerkt, fast immer 
der SchlOsser; an ihre Stelle fretcn grosse eiscme Riegel, 
nach aussen wic nach mnen Man kann also bcim Ausgehcn 
scin Zimmer schliessen, nlchl aber so, dass cs nicht ]eder 
DUnen kCnnte Dennoch ist die Sicbcrheit in Indien ctnc 
grosse, zumal jedes Haus bel Tag und Nacht niehr Oder 
%veniger %on Diencrschaft umlagert zu sem pflcgt 

Die Verpflegung in den Hotel*; isl mcisl sclir reicblich 
und gut, und viel grosser als die Gefalircn von Ttgcrn, 
Schlangen, Sonnenstich usw isl die Oefahr, durch zu Dppige 
Nahrung seiner Gcsundheit zu schaden, zumal wenn man, 
wic die Englander, tagWghch semen Whisky mit Soda tnnkt 
und dabei den Zusatz des letztcren Elcmcntes mOgliclist 
bescbrankl FranzDsischcr Rotwein und weisscr Rheimscm 
Sind Qberall. die halbc Hasche zu P j Rupicn, zu liabcn, 
cine halbc Flaschc baynsch Bicr kostet erne halbc Rupic. 
Am bcslen cnlhait man sicli bcj dem hcisscn Klima aller 
alkohotischcn Gctrankc, wtr nahmen zu den Mahlzcitcn in 
der Rcgel nur Brausclimonade und haben uns sehr wohJ 
dabei befunden Die Mahlzcitcn smd aiinhch wic schon auf 
dem Schiifc morgens bcim Aufstchen Cliota Hfizin (Thee 
und Butterbrot), welches dcrDiencr ins Schlafzimmer bnngt, 
zwischen neun und zchn Uhr cm opulcntes FrUhslUck mit 
Thee und allerlei Fleischgangcn an der Wirtstafcl, mittags 
em Uhr eben daselbst Tiffin, das cnglische Luncheon, niit 
verschiedenen kaltcn Fleischgangcn, und gegen Abend eln 
reichhches Diner, beslchcnd aus Suppe, Fisch, Fleisch, 
GeflDgel, GemQse, sUsser Speisc und dgl Bei kciner Mahl- 
zeit fehU das Obst im Winter meist Bananen und Apfelsmen, 
zuletzt m Ceylon Anfang Marz erschicnen auch Ananas und 
die kOstlichen Mango’s, eine Art Pfiaume von der GrOssc 
ernes GSnseeics, welche man durch zwei Querschnitte zu 
beiden Seiten des Kerns in drei Stlicke zerlegf, um dann 
mit dem LOffel das saftreiche gewUrzige Fleisch auszuschOpfen 



24 


717 Dombaf 


Was am mcisten sn den indisclien Hotels zu wUnsclien 
Ubng lasst, ist die Bedienung Zwar sInd Diener bei Tisch 
utid aucli for die Zimmer in reiclihdier Anzahl vorlianden, 
aber sie smd wenjg daran gewDhnt, fUr den Fremden zu 
sorgen, da fast jeder semen cignen Diener auf Reisen mit 
sich fulirt Ein soldier erhait monatlich etvva 20 Rupien, 
woftlr er sich selbst (dcidet und bekOsfigt und doch woh( 
noch die Halfte ersparen und seiner Familie sducken kann 
Ausser diescr Gage bezalilt man for ihn nur nodi das Eisen- 
bahnbillet dritter Klasse, welches erstaunlich billig ist, etwa 
ein Siebentel der ersten Klasse koslet und ftir wenige Rupien 
von einem Ende Indiens zum andem In eincr freil/cli nidit 
beneidenswerten Zusammenpferchung befiJrdert Em solcher 
Diener ist sehr nlttzUch, la dem Neuling ganz uncntbehrlidi 
Er kennt m der Regel ganz Indien, vcrmittelt den Verkelir 
nut den Eingeborenen, besorgt Wagen und Gep&cktrSger 
und hilft bei Einkaufen, wobei er freibch vom VerkSufer 
seme Provision ganz often beansprucht und erhait Auf 
der Eisenbahn besorgt er Erfnschungen, macht abends die 
Betten zurecht und roltt sie morgens wieder zusammen 
In den Hotels macht er im Zimmer die Betten und bedient 
semen Herrn bei Tische, wobei er ganz ungeniert in der 
Kilche em- und ausgeht und das Besfe fUr seme Herrscliaft 
zu erlangen sucht Nachts schlaft er auch bei der Winfer- 
kalte, die freilich nicht gross ist, im Freien auf der Erde 
vor der TUr seines Herrn und ist morgens auf dessen ersten 
Ruf bei der Hand Er begleitet diesen auf semen AusgSngen, 
zeigt sich mit alien Verhahmssen verfraut und spncht em 
gebrochenes, mitunter sehr drolliges Englisch Dies ist 
das Ideal ernes indischen Reisedieners» hinter welchem die 
WirkUchkett at/erdmgs off erhebfich ztirtickbleibl 

Wir batten versaumf uns durch Freunde oder andre 
vertrauenswUrdige Personen emen zuverlassigen Diener 
besorgen zu lassen, und trafen es infolgedessen nichf sehr 



Reisedicner Ulu Kastemorurtcile 


25 


glnckljch Schon bei unsercm Eintritt in Watson’s Hotel 
machte sicU cm sauber m EmgcborenentracUt gckleidctes 
Individuum mit uns zu schaHen, iflhrtc uns in unser Zimmer 
ein und wich scitdem nicht mchr \on uns Zs war Lalti, 
unser erster Relsediener Wir liielten dm anfangs for eincn 
Bediensteten des Hotels und durcliscliauten die Sachlage 
erst, als seme Vcrdicnste m dcr Bcmdhung urn unser Wohl- 
sein so gross gewordcn Niiaren, dass es mir imbdhg schien, 
dm ohne trdtigen Grund zu verabsclncden, der sicli dann 
im Verlaufe der Reise cmstellte, wie noch zu benchten sein 
wird Was mich fUr Lalu besonders cinnahm, war dcr 
Umstand, dass cr kein Mohammcdaner, sondcrn cm wirk- 
licher Hindu war Ich bbcrsah, dass sich zu Dienern der 
Europaer nur die aUcrniedngsten Hasten der Hindus her- 
geben, welche von den hoheren Hasten mchr noch als 
Chnsten und Mohammedancr gcmicden werden Unser 
Lalu durftc es nicht wagen, das Haus unserer Hmdufreundc 
zu bctreten, denn cm allgememer Hausputz ware die not- 
wendige Folge der Verunreinigung gewescn, in welche seme 
blosse Gegenwart das Haus gebracht haben wllrde Einer 
Bertlhrung mit dem ganz sauberen und htlbschen Burschen 
wichen alle angstlich aus Ernes Tages sass ich mit meinem 
Pandit Venirara, zu Bombay m memem Hotelzimmer und 
hatte Sanskrit-Konversationsstunde, wdhrend Lalu sich im 
Zimmer hm und her mit Aultaumen zu schatfen machte 
Es iiel mir auf, dass dcr Pandit angsllicli urn sich blickte 
und hm und her rDckte Auf meme Frage, was es gebe, 
erwiderte er „Wenn jener Mensch mich berDhren sollte, 
so kSnnte ich mem Haus nicht betreten, olme vorher ein 
Bad genommen und alle meine Kleider gewechselt Oder 
gewaschen zu haben “ — Diese Furcht der orthodoxen 
Hindus, dutch Berlihrung mit cmm verunremigt zu 

werden, erstreckt sich eigcntlich auch auf alle Europaer, 
da sie im Pnnzip sSmthch ^Qdras smd Indessen hat die 



26 


)II Dcunbs^ 


Maclit (Icr Gev.ohnlici( so wcit gcsicgt, dass fast allc Hindus 
dem Europacr ziir DcgrQssting die Hand rcichcn, sclten 
gcscijali cs, dass sic ihrc H3nde zurflckhieltcn j^ngsd/cijcr 
smd darin die wcnigcr atifgekiarfcn Kreisc, namentlich die 
Weiblcin, wclchc gcwObnlicIi, wcnn man ilinen in den cngen 
Strassen bcgcgnet, ihr Gewand fester Ober Gesicht und 
Biiscn zusammcnzichcn und den Curopfler in vorsicfifigem 
Bogen zu umgelien pflcgcn 

Doch nun zurtlck zu Watson’s Hotel, welches sich von 
den oben gcschildcrtcn Hotels dcs iiincrn Indiens haupt- 
sachlich dadiirch untcrschcidct, dass cs cinen mehr europS* 
isclien Eindruck rmctiL Frel gclegcii in der schOnsten 
Oegend Bombajs, in der Nahe der grossen Regierungs- 
gebaude und dcs Mccrcs, maclit es mit semen vicrzelin 
renstern in der Front und aclit m der Breite, vier Stock- 
werke hoch sich auftUrmend, von aussen wic von innen 
emen stattliclicn Eindruck Im Erdgcsclioss sind Laden, 
Post und die Bureauraume, cine Treppe hoch befmden sich 
die grossen Speisesaie, In denen Sommer wie Winter 
die Pankha liber den Hauptern der Spcisenden schwingt, 
die FlOgelttlren weit geOffnet nach ciner grossen Terrasse 
hm, auf der man, nach Tisclie semen Ksffee cmnehmend, 
unten auf dem freien Platze vor dem Hotel das bunteste 
Bild orientahschen Lebens tun und her wogen sieht Da 
Sind Hindus aus alien Hasten und alien Gegenden Indiens, 
dem Emgeweiliten nach Stand Gesch&ft und Heimat sofort 
an der Kleidung erkennbar, da smd Parsi’s, Mohammedaner 
und Europaer, Halbkasten, Juden, zum Christentum Ober- 
getretene, alle durch ihre Tracht charaktenslisch unter 
schieden Auch fehlt es nie an Schaustellungen, Schlangen- 
bandiger, Menschen mit Affen Hunden und anderen Tieren 
produzieren sich unter dem Klang der Trommel und dem 
Rasseln der GeldbUchse, in der sie die von oben ihnen 
zugeworfenen Silber und KupfermOnzen sammeln 



Watsons ttotcl Trtibcn vor ihm NacUUiche RuhestOningen 27 


Trotz dieser vielen UntcrhalUingen, trolz der schOnen 
Lage, der komlortabeln Einnchtung und der vorzDglichen 
KDche, kann man njcht sagen, dass der AufenlhaU in 
Watson’s Hotel ein bcsonders angenehmer gevvesen ware. 
Es war em cwiges Kommen undGehen, jedeWoche, wenn 
ein neiier Dampfer von Europa ankam, Itllllc sich das Hotel 
vx\i utirulugen Gasten, die dann wenigc Tage darauf wieder 
verschwanden, um landcinwaris in fahrcn Sclbst nachts 
woUte kerne rechte Ruhe einiretcn Das war ein unaufhOr- 
Uches Trampeln auf den Komdoren, Werfen der TUrcn, 
lautes Rufen nach dem „Boy“ (so pflegen die Englander 
den Diener zu nennen), bis Mittcmacht und noch spater 
Schloss man die Tlir des ScWafzimmcrs und dffnete nur die 
grossen FlQgelfensler, so war cs, bei dem Mangel an Zugliift, 
die Hitze (in derNacht meist 20**, bei Tage 25" R), welclic 
das Einsclilafen erschwerte, btfnctc man Tdr und Fenster 
so weit wie mOglich, so wurde man durch das Schwatzen 
Oder Sclinarchen der Dicncr auf den Korridoren und die 
RUcksichtslosigkeit der Gaste tmmer wieder aufs neue 
geweckt Wir zogen es daher vor, bei unserem zweiten 
Aufenthalte in Bombay, namentlich auch um unseren Freunden 
naher zu sein, in emem Klub der Evngeborenen Wohnung 
2 u nehmen, woven noch zu benchlen sem wird 

Wir waren kaum zwei btunden im Hotel, als em halbes 
Dutzend Eingeborener uns zu sprechen wllnsclite Zwar 
unser einziger Bekannter in Bombay, MansukhlS! Nazar, war 
nach Calcutta gereist, wo wir ihn spHter trafen, aber er hatte 
seme Brtider, den wUrdigen, gesetzten AtmarSm und den 
liebenswliidig heiteren UtsavlAl bcauftragt, fDr uns zu sorgen 
Sie erschienen, begleitet von emem indisclien Pnnzen, Baldevi, 
der zwar ebenso wie die anderen in europSischer Kleidung 
auftrat, nur dass sem Haupt von emem mSchtigen Turban 
bedeckt und seine Finger und Ohren mit kostbaren Ringen 



28 


III Boniba> 


geziert waren Da er des Englisclien niclit hinreichencl 
machtig war, um der Unterhaltung zu folgen, so pflegte er 
sich mit Kauen des TambQlam zu beschaftigen, dessen ver- 
schiedene Ingredienzien er in einer grossen, stlbernen Dose 
immer mit sich fuhrte Ihm folgten sem junger Neffe und 
emige andere Personen, sodass unser Wunscii, in Verkelir 
mit den Emgeborenen zu treten, sogleich in schbnster Weise 
m ErfUllung ging 

Es wurden nun zunSchst die Empfehlungsbnefe nach 
Stadten geordnet, die ftlr Bombay bestimmten herausgeliolt, 
die Gelegenheit der verschiedenen Besuche besprochen, allerlei 
Ausfltige projektiert und inleressante Personen bezeichnet, 
welche unsere Freunde uns zuzufilhren verspracben Im 
ganzen lieben es die Emgeborenen niclit, dass man sie in 
ihren Wohnungen besucht, teils weil dieselben oft etwas 
dUrltig ausgestattet sind, teils nocb aus einem Reste von 
religioser Bedenklichkeit Um so bereitwilliger sind sie, den 
Fremden im Hotel aufzusuchen, und so verging kern Tag, an 
dem wir nicht morgens und nachmittags einen Kreis von 
Emgeborenen um uns gehabt batten Manche waren europatsch 
gekleidet, die meisten, namentlich die Pandits, erschienen in 
emheimischer Tracht Den Turban oder sonstige Kopfbe- 
deckung pflegen sie me abzusctzen, schon well dabei aus 
dem. Ubngens kurz gescborenen, Haare eine lange Locke, die 
aus religibsen GrQnden getragen wird, herunterfallen wUrde 
Hmgegen ziehen die national Gekleideten ihre Schuhe stets 
vor der Tllre aus und erschemen im Zimmer m StrUmpfen 
Oder auch mit nackten FOssen Da sie gewobnt sind, aiif 
dem Boden mil untergcschtagenen Bemen zu hocken, so ist 
ihnen das Sitzen auf dem Stuhle nicht sehr bequeni, und oft 
konnte ich beobachten, wie sie, im Laufe der Unterhaltung, 
em Bern nach dem andern in die HOhe zogen, bis sie beide 
auf der Sitzfiache des Stuliles zu der ihnen gcuohntcn, 
Padmisanam genannten Stellung in einander schlugen In 




Selte 28 




Bcsuch Dngeborcncr Bomba> rahrgclcgcnhcltco 


29 


der Unterhaltung sind sie Icbhaft und angenehm, sietswiss- 
bcgieng, naiv imd mitunter geistrcjclj Sind ihrer vielc zu- 
sammen, so wird das GesprSch leicUt dberlaut und gelit schr 
durchcmander 

Dne ScUdderung von Bombaj, dieser ncben Calcutta 
gr&ssten und elegantestcn Stadt Indicns, wud man uns er- 
lassen Die herrliclie Lagc der Stadt auf emcr Lnndzunge 
zwischen dem offcnen Meer im Westen und dcm seearlig 
ausgebreiteten Hafen tm Ostcn, das sddlichc curopaischc 
Viertel mit semen zahlrcicben Prachlgebaudcn, die nOrdlicli 
davon sich ausbreitende Eingcborenenstadt mtt ihrcn ciigcn 
Strasscn und dem unglaublichen Gewimmcl, welches die- 
selben belebt, — das alics »st oft genug bescbrieben worden 
Wie die meistcn mdischen Studtc dchnt sicli Bombay 
nach Norden hin weit aus, die Entfernungen zwischen den 
emzelnen Punkten smd oft sehr gross, und mancherlei Fahr- 
gelegenheiten bieten s»ch dar Da smd zahlreiche Pferde- 
bahnen, deren Pferde richtige SonncnhDle zum Schutz gegen 
den Sonnenstich tragen, und deren nach alien Seifen offene 
und stets sehr besetztc Wagen die interessanlcsten Studten 
liber Volkertypen und KostUroe aus unmittelbarer Nahe ge- 
statten Da smd zahllose Wagen, mit denen durch die engen, 
volkreichen Gassen mitunter schwer durchzukommen isf, vor- 
nehtne Privatwagen, zu denen die Pferde melst aus Australicn 
importiert werden, teener die verschiedensten Arten von 
Diosehken, von den eleganleslen an bis herunter zu der 
billigen und besclieidenen, nur von Emgeborenen benutzten 
Ekka, welche als emzigen Sifz die Bodenfiache des Wagens 
bietet und meist voo Ochsen gezogen wird, die, mit emem 
durch die Nase laufenden Stnek gclenkt, m ziemhch raschem 
Tempo durch die Strasscn traben Endlich lauft auch erne 
Lokalcisenbahn westlich von Bombay am Mecre endang mit 
emem halben Dutzend Stationen ftlr die Stadt nach Norden 



30 


in Bombay 


hin, an Malabar Hill vorbei, in die Gegend hinaus Malabar 
Hill ist ein nbrdlich von Bombay in das westliche Meer aus- 
laufender BergrUcken, welcher auf semen schOngeformten und 
bewaldeten Hbhen ausser den Tf/rmen des Schweigens, dem 
bertihmten Bestattungsplatze der Parsi s, zahlreiche Villen und 
Tempel tragt Dorthin war der erste Ausflug gerichtet, den 
wir unter Leitung unserer Freunde gegen Abend unternahmen 
Der gefurchtete Sonnengott war m dem wesllichen Meere 
verschwunden, rasch und fast ohne Dammerung foigte die 
Nacht, als wir auf Malabar Hill aniangten, wo im Eingeborenen- 
viertel gerade ein kleines Volksfest stattfand Oberall liockten 
die Menschen vor den Hausern, zahlreiche Lampchen mit 
Kokosbl brannten bei der, wie gewOhnlich in Indien, ganz 
unbewegten Luft auf offener Strasse, und mit Erstauncn salien 
wir die vielfach beinah vbllig nackten Menschen sich zwischen 
denselben hmdurcli und um uns her bewegen Unsere Ab- 
sicht war, emen Heiligen zu besuclten, weJcher zahlreiche Vcr- 
ehrer hatte und von ihnen als ein geisllicher Gewissensrat 
vielfach m Anspruch genommen wurde Eben kehrte er von 
einer Ausfahrt heini, ehrerbielig machfc die Menge semem 
Wagen Platz, auf dem cr nut semem Bcgleifer sass, der vor 
ihm mit Icisem Gesang etnige Verse des Veda rcrilierte Der 
Wagen bog in emen gcrSumigcn Hof cm, und einer dcr 
Freunde foigte, um cine Audienz fUr uns zu emirken Sie 
wurde nach emigen Unlerhandlungen bewilligt, unter der 
Bcdmgung, dass wir unser Schuh^^e^k ablegtcn Dies gc- 
scbih, wie w dcr Folge nocli sclir oft bei ahnlichen Gclcgcn- 
hclten, und bald cmpfand icb diesen Brauch bei dcr iiidischcn 
Hitzc so sehr als erne Wolillat, dass icli auch unaufgefordcrt 
gem die schweren Sticftl wtgwarf und mich in Strtlmpfcn 
auf dem Tcppicii unter den Clngeborencn niedcrliess, wcfcfic 
diesc Achtung \or Hirer Sitte Immer sehr hocli aufnahmtn 
Der Hciligc sass mit untcrgcschligcnen Btinen auf cincm cr- 
linhftn Djvvan, um ibn henun eJn grOsscrer Kreis \on Ver- 



Aui MMabar Hill Audicni bei clnem HeiUgcn Vcmram 31 


ehrern, und ihm gegenUber m angemessener Entfernung nahm 
ich mit meiner Frau auf dem Teppicbe Platz Die Untcr- 
haltung begann, aber der heihge Mann spracli sein Sanskrit 
so schnell, dass mir vicles entging und wiederhoU einer der 
Anwesenden den Faden des wie gewObnljch urn Veda- 
Fragen sich drehenden Gespraches auf englisch wieder an- 
knOpfen musste Professor Peterson, dem ich am anderen 
Tage mem Leid klagte, irOstelc mich damit, dass djese 
Heiligen oft em selir schlechles Sanskrit sprachen und die 
Fehler desselben durch Schnelligkeit des Sprechens geschickt 
zu verstecken suchten Obrtgens besorgte er m(r einen ^ungen 
Pandit.^ der nun taglich m mein Hotel kam und mit mir Kon- 
versationsUbungen abhielL 

Vemrdm, so htess der junge, tUnfundzwanzigjaiinge Ge- 
lehrte, war der vollkommene Typus ernes mdischen Pandit 
Von Europa und europSischen Dingen wusste er gar nichts 
Die engbsche Sprache war ihm, so nahe dem heuljgen Inder 
ihr Studmm hegt, vOUig unbckannt, ja er verabscheute die- 
selbe offenbar als elwas Unheibges, Unremcs, und diese 
FutcUt, sich durch Auslandisches zu beflecken, erstreckte 
sich sogar auf die latemischen Buchstaben Wenn ich mit 
ihm meine in Aussicht stehende Reise durch Indien besprach 
und die Karte entfaltele, so war er mcht im stande, einen 
Naraen selbst zu lesen Um so vertrauter war er in seiner 
eigenen Welt, wenn er auch mit manchem, als zu heilig fUr 
mich, zurtlckhielt Wie alle erwachsenen Inder, war er ver- 
heiratet, hatte aber Frau und Kinder in seinem Heimatsdorf 
zurfickgelassen und war nach Bombay gekommen, urn auf 
der Bibhothek von Elphmslone College mit Vergleichen von 
HandschnUen und Anfertigen von Katalogen mDhsam semen 
Lebensunteihalt zu verdienen Sein Vater hatte, wie so viele 
Inder m hOherem Alter, sich von alien Banden des Lebens 
gelOst und war nach Benares gegangen, um dort als Asket 
zu lehen VenirStn gab mir emeu Empfehlungsbnef an den- 



32 


ni Bombay 


selbcn mit, dcr ]cdoch durch cincn Zufali nicht in die H>lndc 
dcs Adressalcn, sondern in die cincs andercn Askelen ge- 
langte, wovon nocli zu crz^Iden sem wire! In Bombay lebte 
Vcnirflm strong nacli den Vorschriften seiner Religion Er 
stand allmorgcndlich iim vicrUlirnuf, und naclidem er cincn 
Augcnbtick nn seine Scluitzgottlicit gcdacht, nahm er das 
Morgenbad, trug nut rotcr farbe das Scktcnzciclien auf die 
Stirn auf, vcrnchtcte seine Morgenandacht, die sogenannte 
Alyd, Ober deren Inhall er nShcrc Auskunft verwelgerte, las 
cm Kapitcl nus den Upantshad’s iind \\andte sich dann, ohne 
ctwas genossen zii fiaben, den Gesebaften des Tages zu 
Seme bcidcn Atalilzcitcn nabm er dcs Morgens etvva um elf 
und abends um acht Ulir ein Er bcreitefe dlcsclben selbst, 
da kein andcrcs MitgKed seiner Kaste ihni zur Hand war, 
wie er auch seine Hausarbcitcn und das Waseben und fn- 
standhaltcn seiner Klcidung allcin besorgle Seme Kleidung 
war natUrlicli rem indiscli ausscr dem slallliclicn Turban 
und den stets vor der TUrc gelassencn Scliuhen bestand sie 
aus einer Anzahl von Zeugstocken aus dtinnem, meist weissem 
Baumwollenstoff Am meisten charaktenstisch fUr den indischen 
Anzug jst das ganzhehe Fehlen der Hose, welche durch einen 
langen, kunstvoll um Lenden und Berne gesclilungenen Zeug- 
sfreifen ersetzt wird In ahniicher Welse war der OberkOrper 
eingehllllf, und den Abschluss bildete ein stattliches Plaid aus 
Kaschmirwolle Viele Hindus bedfirfen zu ihrer Kleidung 
gar kelnes Schneiders Die Mchrzahl alferdings bedient sich 
zur Bedeckung des OberkOrpers bei klihlerem Wetter ernes 
ilberzieherartigen Rockes nut Armeln Von diesem abgesehen, 
wird die ganze Kleidung taglich neu gewaschen Die Hindus 
erscheinen daher meist sehr sauber und appefifJich, auch 
bei dem taglich zweimaligen Baden vOUIg geruchlos, hingegen 
machen sie sich garnichfs daraus, wenn Ihre Gewandstticke 
hier und da kleme Risse zeigen Noch einfacber ist die 
Tracht der Weiber im sQdlichen Indien Sie soil sich oft 



Inilische Lebensweise und Kletdung Morgenspaziergang 33 

auf em emziges weisses, rotes oder bei den Witwenscliwarzes 
Stuck Zeug beschranken, welches fUr gewGhtilich den ganzen 
KDrper, namenthch auch den Kopf tiberdeckt, bei dcr Arbeit 
aber so in die Hbhe geschlungen wird, dass die Arme und 
Berne von den Schenketn abwSrts ganz nackt bleiben, was 
den Indennnen bei ihren zarten und schUnen KOrperformen 
ein selir graziOses Aussehen gibt 

Atein Pandit erschien taglich, nachdem ihm in der ersten 
Zeit von den Bedienstelen des Hotels der Zulritt emige Atale 
verweigert worden war Wir lasen und sprachen mitemander 
eifng Sanskrit, und fUr diese Vortlbung bin icli ilim vielen 
Dank schuldig Am Scliluss des Kursus Uberreichte ich ihm 
fUnfundzwanzig Rupien, was au! die Sitzung etwa eine Rupie 
ausmachen mochte Aus der Anhanglichkeit, die er auch 
weiterhm und bei meinem zweilen Aufejithalte in Bombay 
bezeigte, glaubte ich entnehmen zu dUrfen, dass er diese 
m&ssige Entschadigung fiir erne reichhche ansah 

Unsere Lebensfuhrung in Bombay regelte sich durch die 
Natuf des Klimas ganz von selbst Morgens urn sechs, wenn 
die ersten Sonnenstrahlen durch die mdchtigen, im herr- 
Uchsten Grun prangenden Bdume ghtzerten, wenn dasKrachzen 
der von Baum zu Baum iliegenden Krahen sich in das sUsse 
Gezwitscher der kleinen grUnen Papageien und der anderen 
tlberaus zahlreich in Indien vorhandenen VOgel mischte, wurde 
schnell aufgestanden und in der Morgenfrische etn Spazier- 
gang gemacht, meistens an dem westlich gelegenen Meere 
entlang, wo zwischen Stadt und See em weiter, prachtige 
Promenaden bietender Landstreifen sich hmzieht, den die 
Betriebsamkeit der Englander dem Meere abgerungen, was 
sie mit keckem Worte eine Reclamatton nennen, — als 
wenn ihnen der Ozean diesen Landstreifen schuldig gewesen 
ware Hier konnte man namenthch die an ihren hohen 
schwarzen randlosen MQUen sofort kenntlichen Parsis bei 
ihrer Morgenandacht beobachten, wie sie, Qebete murmelnd 

Ueussen Erinrtcrutigen an lad en 3 



34 


]il Bombay 


sicii auf den Bodcn warfen und mit dem hciligcn Nass die 
Stirn imd andere KOrpcrtcilc bcsprengten Oder wir ge- 
langtcn liinauf bis Malabar Hill, wo die Hindus m zahl- 
rcichen Tempeln vor ihrcn GOttem knieten, ihren fQr sie die 
Gcbcte sprechcnden Priestem clnige KupferstUcke spendeten 
und m den anstosscnden Tcichcn badeten Unter anderen 
kunosen ReligJonsllbungen bcmerktc ich, wie cine alte Frau 
unter Gcbeten aus cincm GcWsse Wasser sprengfe und dabei 
unvcrwandt in die Sonne slarrte Melne Freunde versicfierlen, 
dass SIC dies schon seit zwanzig Jaljren betreibe, oJme dass 
es ihren Augen gesciiadet liabe Credai Judaeus ApeUa! — 
Um neun Uhr war man froh, beJ zunehmender Hitze im 
Hotel zum FrUhstUck zurOck zu sem Der weitere Vormittag 
wurde dann, sowed nicht Besuclier sich einstelltcn, dcr Arbeit 
gewidmet 0 wie belebt sich, m ciner solchen Umgebung, 
das Studium des Sanskrit! Welche konkrete Gestalt nehmen 
hier, wo das alles nocti so lebendig ist, der Rigvcda und 
die Upanishads, die indischen Dramen und Roinane an' 
Ich hoffc, dass die Zed kommen wird, wo jeder deutsche 
Sanskrdgelehrte es mCghch machen kann, wemgslens emmai 
in seinem Leben Indien zu besuchen 

Mdtags nach eingenommenen Tiffin wurde wShrend der 
grOssten Tageshdze geruhl, und nur ungern hessen wir uns 
durch Besuche stOren Gegen vier Uhr aber erschienen 
unsere Freunde, der schwere Sonnenhelm konnfe md einem 
leichten Filzhute vertauscht werden, und nun gmg es hmaus 
m die Stadt Oder die Uragegend Einer der reizendsten 
Ausfltlge geht nach Elephanta, einer m dem dsflichen Hafen- 
see gelegenen von Bombay eine gute Stunde entfernfen Insel 
mrf den bertf/nrrten in den Fefsen fiineingearheitefen und so 
halb untenrdischen Tempeln^ von deren SSulen und Skulpturen 
trotz der Zerstbrungswut derMohammedaner noch stattliche 
Reste libng geblieben sind Wir bestiegen ernes Sonntags 
nachmdfags zwBh Mann hoch ausser mir und memer Frau 




Slnssc II Bombiy (K'i|ki<lc\i Roid) 






Morgen aui Malabar Hitt Ausflug nacli Dephanta 


35 


lauter Emgeborene, cm Segelboot, der hcitere Ulsavlfll hade 
alle Bestandteile einer Hmdu-Mahlzeit in Kbrben aufs Boot 
bnngen lassen, er selbst scWeppte sich mit einem Hanno- 
nium, und nun Ineb uns der Wind, wShrend allerlei Hindu- 
bieder gesungen und gespieU wurden, tiber die glatte Flache 
an den Hausern, Fabnken und Sclidfswerflen derStadt ent- 
lang auf die liochragende Insel zu Em schOner Treppen- 
weg ftthrte vom Ufer empor zu den auf lialber HOhe ge- 
legenen TempelhOhlen Vergebens sah ich mich nach den 
Schlangen urn, die nach Freund Garbe’s Schilderung hier zu 
erwarten waren Ohne Schwierigkeit und Gefahr errejchten 
wir die Tempel und betrachtelen die in die Wande ge- 
meisselten Kotossalbilder, welche dem Leser gewiss aus 
Abbildungen bekannt smd, bis das von einer SeJle herein- 
fallende Licht abnahm, und die Abenddammerung diese 
steinemen Zeugen indischer Religion und Kunst einhOllte 
Dann wurde draussen vor dem Tempel das Hindu-Atahl ein- 
gcnommen, und auch der durch widrigen Wind erschwerte 
Rlickweg wurde uns bei derhcrrschenden frOhllchen Sfimmung 
nicht 2U lang In der Heimat wird em emster Mann sich 
zu solchem harmlosen Zeitvertreib nicht leicht hergeben, hier 
aber bol er eine willkommene Gelegenheit, das eigenartige 
Treiben des fremden Volkes in seinem fernen Lande zu be- 
obachten Und so wurden wir von Tag zu Tag mehr mit 
Sitten und Denkungsart der Hindus bekannt und werden 
nach und nach noch manches davon unserer Darstellung ein- 
flechten 

Hier wollen wir zunSchst der Totenbestaftung gedenken, 
welche fUr die drei Religionen, aus denen hauptsSchlich die 

BevOlkerungBombay’ssichzusammensetzt,einecharaktenstisch 

verschiedene ist Wahrend nttmlich die Mohammedaner ahnhch 
wie wir ihre Toten begraben, so werden dieselben von den 
Hindus verbrannt und von den Parsis den Geiern zum 
Frasse ausgesetzt Beides verdient erne nahere Schilderung 



36 


ni Bombay 


Der Verbrennungsplatz der Hindus liegt m Bombay 
westlich von der Stadt bei der Station Marine Lines m der 
Nahe des Meeres Es ist ein grosses, von hohem Zaun 
umfnedigtes Grundsfljck, von dem man schon von aussen bei 
Tage den Rauch, bei Abend einen Funkenregen aufsteigen sieht 
Der Zutntt ist auch Fremden, wenn sie emgefulirt werden, 
gestattet, und man kann von einem fur die Trager und 
Leidtragenden abgefeilten Raum aus bequem den Ver- 
brennungsprozess m semen verschiedenen Stadien beobachten 
Die vQllige Verbrennung emer Leiche nimmt vier Stunden in 
Anspruch, aber m der Regel trifft man mehrere. Leichen an, 
an denen sich Anfang, Mitte und Ende der Ceremonie 
glejchzeitig betrachten Idsst Bei der durdi die Hifze be- 
schleunigten Verwesung wird der Leicbnam meist schon 
wenige Stunden nach emgetretenem Tode vom Kopf bis zu 
den Ftissen in weisse TUchcr gewickelt und von Trflgern 
zum Fnedhofe gebracht Zwischen vier etsernen m der Erde 
steckenden Stangen werden ein bis zwei Meter lange dicke 
Holzscheite emen Meter lioch aufgeschichtet, der Leichnam 
wird darauf gelegt und (iber ilm wieder eine Lage Holz 
Inzwischen wird daneben ern kJeines Feuer vorbereifet, in 
Bombay wird dasselbe von dem haushchen Herde des Ver- 
storbenen mitgebraclit, m Benares, wo viele auswartige, oft 
von weif her kommende Leichen verbrannf werden muss das 
Feuer von emer stets gegenwartigen niederen Kaste gekauft 
werden Es folgen nocb einige Ceremonien, namentlich muss 
der nachste AngehOnge des Verstorbenen, oft em junger 
Knabe, aus einem Kruge Wasser urn den Sclieiterliaufen 
herum und auf denseJben giessen und dann den Krug 
zerbrechen Hierauf wird das kicme vorbereitetc Feuer in 
den grossen Scheiterhaufen eingefligt, bald prasscln die 
FJammen hoch empor und eigrejfcn ein GJied des Tofen nach 
dem andern In drei bis vier Stunden ist der Leichnam bis 
auf emige Knochen vOlhg verbrannf Diest nebst der Asclit 



Leichenverbrcnnunf Scmitischcr T)pus der Parsi's 37 

werdeti in Benares m den unmiltelbar daneben fliesscnden 
Ganges gestossen, \sas an andercn Orten dannt gesclneht, 
ist mir niclit bekannt Em Pnester, der einige Sprliclie 
raurmelt, auch wohl eine kleme Anspraclie halt, ist nur aus- 
naVnnSNveise gegen besondete BeiaWung zugegen Die 
Stimmung ist nicht sehr andachlig, nur emmal hbrte ich erne 
Frau Uber ihren verstorbenen Gatten wehkiagen, meist sehen 
die Leule anschemend gleichglUtig zu, mitunter plaudem 
sie dabei ganz vergnllgt miteinander Die Inder nehmen es 
mit dem Sterben weniger schwer, der Tod ist nur eine 
emzelne Station au! der grossen Reise far die wanderndc 
Seele 

Ganz anders sind die Gebrauche bei den Parsi’s, welche 
m Bombay emen betrachtlichen und angesehenen Ted der 
Bevblkenmg ausmachen Die Parsi s smd die Nachkommen 
der alten Perser, welche, als der Islam mit Feuer und Schwert 
Persien eroberte, sich mit ihrer Religion und dem Reste 
ihrer heiUgen BUcher, dem Avesta, nach dem toleranten 
Indien retteten, wo sie unter gewissen Bedingungen auf- 
genommcn wurden und gegcnwartig zu den reichen Kauf- 
leuten Bombay s em bedeutendes Kontmgent stellen Die 
Perser smd, wie die Sprachc des Avesta beweist, ursprUng- 
hch unzweifelhalt Indogermanen und dieser Tatsache gegen- 
Uber ist es sehr befremdiich, dass die parsi’s in Bombay 
vielfach einen ausgepragt semitischen Typus tragen und 
mcht nur m Gesichl und Kdrpeibildung sondern auch in 
Wesen und Mameren stark an unsere juden ennnern Unter 
meiner Sammlimg von Photographien befmdet sich eine 
Gruppe junger Parsi Damen, ^welche, von lippigen KOrper- 
formen imd zum Teil von hoher Schdnheit, em deuthcher 
Ausdruck dessen smd, was wit eine beoute jiiivc zu nennen 
pflegen Und so finden wir bei den Parsi s dieselbe Be- 
tnebsamkeit und Freude am Erwerb, dieselbe liebenswUrdige 
Zuganghchkeit und mitunter etwas iSstige Aufdringlichkeit, 



38 


III Bombay’ 


wie bei unseren Juden Woher diese Erscheinung? Ich 
kann sie mir nur daraus erklaren, dass die Perser nach der 
Eroberung von Babylonien und Assynen durcb Cyrus nut 
der dort emheimischen semitischen Bevdlkerung eine weit- 
gehende Vermischung eingegangen sind, und dass die 
zaiie Lebenskraft der semitischen Rasse sich bis zu den 
heutigen Parsi s herab behauptet hat Auch das haben die 
Parsi’s rait den Juden gemein, dass sie im Gegensatze zu 
den hdchst konservativen Hindus fortschnttlich gesmnt und 
zu Reformer! geneigt smd Sie haben vortrefflich organisierte 
Schulen, nicht nur fUr Knaben sondern auch fUr Mddchen, 
in denen auf Gu]erati allerlei Wissensdisziplmen gelehrt, auch 
der Unterncht m der Oymnastik mcht versaumt wird Die 
Hindus folgen ihnen hlenn langsam nach, aber wiederholfe 
Besuche derartiger Anstalten haben m mir den Eindruck 
hinterlassen, dass die Schulen der Hindus hmter denen der 
Parsi s zurhckstehen Auch darin smd die Parsi s von dem 
Herkommen abgewichen, dass sie die Verheiratung der Kinder 
abgestellt haben, doch ist es vieten unter ihnen zweifelhaft, 
ob sie mit dieser Neuerung nichf zu rasch und unvermitteh 
vorgegangen smd 

Wir batten das GJtick, in Herrn Chicbgar etnen sebr 
IiebenswUrdigen alteren Parsi-Gentleman kennen zu lernen, 
der uns nicht nilr m seme Familie emfOhrte sondern auch 
sonst alles MOgliche tat, uns gefailig zu sem Zwar den 
Parsi-Tempel, m dessem Inneren das me verloschende 
heilige Feuer brennt, behaupfete cr nicht zeigen zu dtlrfen, 
dafUr aber erbot er sich, uns nach Malabar Hill zu den 
Tflrmen des Scliweigens, dem bertihmten Begr3bnisor(e der 
Parsi’s zu geleiten In Gesellschaft ernes Porsi-Pnesfers 
boUe er uns ernes itforgens frCfft mit saneni iV^gcn tm Hold 
ab, rasch war Malabar Hilt erreiclit, und nun fUlirle ein an- 
mutiger Fussweg zu dem Dergrflcken hmauf Auf der HOlie, 
mit wunder\ oiler Aussicht auf Bombay und das Mcer, liegt 




40 


III Bombay 


weniger jedenfalls als die chnsthche Gewohnheit des 
Begrabens 

Es versfeM sich, dass wir in Bombay, wie Qberafl in 
Indien, fleissig die Tempel der Hindus besuchten Doch 
geben sie mit ihren Gbtterbildern, denen vom Volke durch 
Vermittelung des den Tempel bedienenden Pnesters unter 
Gebefen allerlei Blumen, Milch, GefreidekOrner usw dar- 
gebracht werden, keinen Begnff von dem altindischen 
Opferkultus 2ur Zeil des Veda, welcher weder Tempel noch 
GMterbilder kannte und den unsichlbaren Himmlischen die 
Opfergaben durch Vermittelung des Gottes Agni, d h des 
Opferfeuers, darbrachte Nur veremzelt und unter Ausschluss 
der weiteren Offentlichkeit werden auch jetzt noch solche 
vedische Opfer veranstaltet Mem grosser Wunsch war, ein 
solches zu sehen Die Sache war nicht ohne Schwiengkeit, 
da die von meinen Freunden darum angegangenen Brahmanen 
ihre Emwilligung aus religibsen Bedenkhchkeiten wieder- 
bolt rilckgangig machten EndJich fanden sich ihrer viere 
bereit, am friihen Morgen im Garten unserer Freunde em 
klemes Opfer zu veranstalfen, bei dem jch nut melner Frau 
vom Balkon des Hauses aus zusehen durfte und dafQr als 
YajamQna die Kosfen der Opfermateriahen, sowie die 
Dakshin^ (Opferlohn) an die Pnester, zu entnchten liatfe 
Als wir ankamen, war die Sache bereits im Gange Im 
Garten vor unseren Augen war em viereckiges Loch in die 
Erdegegraben und etwas ausgemauert worden In demselben 
flammte em helles Feuer, und ura dasselbe hockten drei 
Brahmanen, welche angeblich den Hofar, Adhvaryu und 
UdgStar vorstellten, wShrend em vierter als Brahman abseils 
sitzend die Handlung regierle Um das Feuer herum be- 
fanden sich em grosser Topf mit geschmolzener Butter, 
welche, Ibffelweise m das Feuer geschOph, dasselbe lioch 
aufprasseln maclite, ferner ein BOndel mit Ku^a-Gras und 





Etn aUvedsschcs Opfer Dn mdisches Theater 


41 


ail! Biattern als Unterlage allerlei Ktirner \on Getreide und 
FrUchten Die ganze HandJung bcsclirankte sich darauf, dass 
die drel Brahmanen alle drei olme Unterschied unter Ab- 
smgen von Vedaversen, aus dcnen ich das Puruslia-Lied 
deutlich heraushOrtc, iind Verneigungen gegen das Feuer 
immer in hockender Stelliing die genanntcn Materien ms 
Feuer vvarfen In einer halben Stunde war alles becndigt, 
und m»r blteb nur noch die Ehre, 25 Rupien zu zahlen fUr 
ein Schauspiel, welches mit dem vvirkhchen altvedischen 
Opfer doch nur eine germge Alinlichkeit haben mochte, immer- 
hin aber der Phantasie einigen Anhalt bot, da das Gesehene, 
wenn auch stark reduzlert, doch auf alte Traditionen zurUck- 
gehcn dUrftc 

Mehr Ursprlinghches mag das nationale Theater der 
Hindus sich erhalten haben, namentlicli wenn antike oder 
der Antike nachgebildete StUcke gespiell werden Der 
Dichter ernes solchcn war unser Freund Vigvanafh^ dessen 
Stuck die tibertriebene, alien Versuchungcn Trotz bietende 
Wahtheilshebe des Hart^candra zum Gegenstand hatte und 
eben in Bombay gespielt wurde Der Dichter lud uns ein, 
einer Vorstellung beizuwohnen, zwei Ehrenpiatze unmittelbar 
vor der BUhne waren fUr uns reserviert, neben uns sass der 
Dichter, urn den Gang der Handlung zu erklSren, hmter 
uns ein zahlreiches Publikum, lauter Eingeborene, em 
europSisches GesicUt habe ich mcht bemerkt Zuschauerraum, 
Vorhang und BUhne waren von den Einnchtungen ernes 
bescheidenen europSischen Theaters, wie man sie z B in 
Italien Oder Spanien findet, nicht erheblich verschieden 
Auf der BUhne, rechts und links vor dem Vorhange, hockten 
zwei Musiker, der erne spielte die Melodien auf emem 
Harmonium, derandere begleiteteihn auf mehreren Trommeln, 
die er m kunstvoller Weise mit dem Ballen und der Kante 
der blossen HSnde zu schlagen wusste und dabei semen 



42 


IK Bombay 


von staUlicher MQtze gezjerten Kopf nach dem Takte aufs 
zierhchste bewegle Selten habe ich eirten Menschen ge- 
sehen, der so ganz in seiner Bescliafbgung aufging wje 
dieser Trommelschiager. Der Vorhang hob sich, em Chor 
von Knaben, als Madchcn gekleidet, sang die N&ndt Hierauf 
folgte das Ubliche Zwiegcsprich zwischen dem Sdtradhara 
und der Pnmadonna, sodann das Stuck, der Dialog m 
Gujerati, die haufig emgestreuten lynschen Partien gesungen 
Alle Rollen wurden von Mannern und Knaben gespieh Es 
1st eine besondere, genngere brabmamsche Kaste, welche 
die Schauspielkunst als ihren angeborenen Beruf betreibt 
Das Spiel war sehr sicher und von vortrefflicher Schulung, 
die Stimmen der Knaben in Dialog und Oesang waren 
fnscli und hStlen nur etwas weniger schriH sein dUrfen 
Die eigens zu dem StUcke komponierle Musik war ganz 
national mdisch und tiatte ihren eigentUmlichen Reiz Nur 
hier und da hatte der Komponist sich verleiten lessen, eln 
europUisches Motiv einzuflechten, was sich sofort stOrend 
bemerkbar machte und in dem Ganzen fast wie em falscher 
Ton hervortrat Das Stuck, welches von edelmUhgen Ge- 
sinnungen strotzte, spielte natUrhch zum Teil im Himmel, 
der Rat der Gutter versammelte sich, Agni, Indra Varuna 
und viele andere Gutter, an ihren traditionellen Kosttimen 
leicht kenntlich, waren versammelt, der weise Ndrada trat 
zu ihnen, wurde hOchst respektvoll empfangen, berichtete 
Uber die Verhaltnisse auf Erden und wurde mil den Auf- 
trdgen der Gutter an die Menschen betraut Andere Scenen 
spielen auf der Erde, am Hofe der KUnige, wo der an 
konventioneller Kleidung leicht fcennthche VidQshaka seme 
stets mit vielem Beifalle aufgenommeiien Spasse macht, im 
Harem der kUniglichen Frauen, m den Hutfen der Armen 
und m den Emsiedeleien desWaldes, und der Hauptgewmn 
von einer solchen Vorstellung ist vielleicht, dass viele 
Scenen des indiscJien Familienlebens, die dem Fremden 



Eine Theatcrvorstellung Dnladung nach Baroda 


43 


stets verschlossen bleibeti, hier auf der BUline, oline Zweifel 
in naturgetreuer NachbiWvmg, der Betrachtung often getegt 
werden Einen ZwischenaKt benutzle Vigvandth, um uns 
auf die BUhne zu fQhren, wir wurden dem Direktor {Manager) 
vorgestelIt» sahen, wie die Knaben die Ringe durch die Nase, 
wekhe sic als Prinzessmnen und andere indische Damen 
zu tragen batten, und die nur durch erne Feder emgeklemmt 
waren, ablegten, wurden nut einigen Erfriscliungen bewirtet 
und mussten es uns gefallen lassen, dass wir, wje in der 
Regel bei Besuchen in indisclien Kreisen, mit machfigen 
Blumcnkranzen behangen, wteder zu unseren Parkettplatzen 
berabstiegen Wir haben noch ttfter in Baroda, Lucknow, 
Calcutta und wiederum in Bombay indische Theater besuchl, 
aber der Eindruck des ersten Sttlckes war der tiefsfe und 
wird mir unvergessbch bleiben 

Die Zeit rUckte heran, wo wir Bombay zu verlassen 
gedachten Wieder emmal sassen wir, von Besuchern 
umgeben, im Zimmer unseres Hotels, als ein neuer An- 
kommling hinzutrat Ich bat ihn, wie gewbhnlich in solchen 
Fallen, ohne mich weiter in meiner Unterhaltung stOren zu 
lassen, Platz zu nehmen, als er freudig ausnef »Kenneii 
Sie mich nicht mehr? Ich bm Dhruva aus Baroda, den 
Sie damals in Berlin so Ireundbch aufnahmen Ich 
habe in der Zeitung von Ihrem Hiersein gelesen und bin 
froh, Sie ajfgefunden zu haben Sie mllssen " fuhr er fort, 
„mir auf der Durchreise ein paar Tage m Baroda schenken, 
wo ich als Richter angestelU bin Richten Sie es ein, dass 
Sie auf einen Sonntag dort sind, dann bin ich frei und kann 
mich Ilmen ganz widraen “ Gem sagten wir zu und ver- 
abredeten das Nahere Etmge Tage darauf schneb uns Dhruva 
aus Baroda, dass der Ftirst von Baroda zwar abwesend sei, 
dass aber der Premiexmimster des kleinen Landchens sich 
freuen wurde, uns als Gaste des Staates dort aufzunehmen 



Viertes Kapitel 

Von Bombay bis Peshawar. 

T^er Abend unserer Abreise wnr gekommen Unsere Freunde 
^ batten uns die noch nbtigen kleinen Koffer, cinen 
Tiffm-Basket und die Beflen, oline welche man m Indian 
nicht reist, besorgt s»c batten einpacken belfen «nd warcn 
zahtrocb in der letzten Stundc um uns Dann gmg cs zur 
Bahn, der eitic bcgleitete uns m semem Wagen, der anderc 
fuhr mit dem Oepack, und wieder andere begaben sich 
mch dem Bahnliofe, um uns dort noch zum letztcn Male 
die Hand zu drlicken Von den fOnf Bomba>-Stationen an 
wefchen der Nachtschnenzug hJll, hntfc ich die Ausgangssfifion 
Colaba gewahlt und war schon mil Sack und Pock dne 
Stundc vor Abgang dort In der Erwirtung so im slchersten 
eln Coup6 allcm fflr mich und meme Frau zu trlangen 
Diese Hoffnung crwies sich als cite! Zwir wircn wir mit 
die crsten Rciscndcn und da stand der Zug a!lc Ttlrcn 
geftffnet Abcr inUeni wir Ihn ibscbnilen zcigle sich da«;s 
kem Coup«S erster Khsse mchr war, in wcichem nicht sclion 
emer oder mcluerc Platzc durch ZetteJ ats rescncii hezdehnef 
warcn fUr dicstnal mussten wir \orHeb nehmen und 
nehteten uns mit unseren aclit Gepackstucken die man In 
Jndien s3mlhch in Uen geraurolgen Coupes mitzunciimcn 
pfiegt In elncm Coiipi eln in das dann noch tin jungcr 



Abreise von Bombay 


45 


Eng\Snder einstieg, um semen rescrvierten Platz emzunehmen 
Dje Freundc umdrjingten die Tlir unseres Wagcns, der erne 
Oder andere Qberreiclite uns noch eine Erfrischung In der 
Regel wahlt man dazu cine Schachfel mit Trauben, uelche 
m Indien selbst n\cht wachsen, aber aus Afghanisti^ 'em- 
gelUhrt werden, und zwar m rundcn HolzscbachteWien, m 
denen, durch Watte getrennl, drel ScliJchten Beeran liber 
einander zu liegen pflegen Das Signal zur Abfafirt ertOnte, 
noch emmal streckten sicli alle Hande uns entgegen, dann 
fiel der Vorhang liber dem lebensvoUen Bdde „Mit alien 
diesen Eingeborenen bm ich in den wenigen Wochen memes 
Aufenthaltes in Bombay befreundel geworden,“ sagte ich zu 
dem Englander „Wohl mOglich, wir aber haben sie zu 
regieren, utid das ist ganz etwas anderes," versetzte er mil 
SelbstgefUhl und Bedeutung Dann streckte er sich auf 
seiner unteren Bank, meine Frau nahm die gegenUberhcgende 
ein, ohne iO-r diese Nacht sich auskleiden zu kbnnen, und 
mir blieb nichts Ubng, als nach oben zu klettern Das 
Schlafen war unter diesen Umstanden keine leichte Sache, 
zumal die Hitze, trotz dem Offnen aller Fenster und Luken, 
noch sehr gross war Aber es gmg gegen Norden und auf 
den Dezember zu, man durfte also auf kOhlere Tage hoffen 

Lassen wir nun unsere Reisenden im Halbschlafe aber 
Surat und die Narmadd durch viele herriiche ungesehene 
Gegenden dahmeilen, um sie am frOhen Morgen m Baroda 
wiederzufmden, und beschaftigen wir uns inzwischen mil 
den mdischen Eisenbahnen Ganz Indien ist mit einem 
Netz von Eisenbahnen durchzogen, welche, wie alles, was 
die Englander von ausseihchen Dingen und Verhaltnissen 
anfassen, \ortreffhch organisicrt smd Wie in Russland, ist 
auch m Indien die Schienenweite grdsser als bei uns, und 
schon dadurch smd die Wagen gerSumiger und bequemer 
Es gibt drei Wagenklassen und nocli eine Intermediate Class 



46 


]V Von Bombay bis Peshawar 


zwjschen der zvveiten und dnUen Alle Wagen haben die 
Farben der entsprecbenden Billets, sodass man die weiss 
angestrichenen Wagen der ersten Kiasse auf den ersten 
B(ick und schon von fern herausfindet Die Fahrpreise smd 
so abgestuft, dass jede Iidhere Wasse ungefahrdas Doppelte 
der nachstfolgenden koslet Erstaunlicb billig, aber aticli 
furchtbar UberfOllt, ist die dntte KJassc Sie wird nur von 
Eingefaorenen benutzt, und es ist em unterhaltendes Schau- 
spiel zu sehen, wie Manner, Weiber und Kinder mit grossen 
Packereien auf dem Kopfe, und die kleinsten Kinder nttlmgs 
au! den HUflen der Mutter sitzend, mit vielem LSrm sich urn 
die geschtossenen WagenlUren drangen, von denen erne 
neue immer erst gebffnet wird, wcnn das vonge Coupe 
ganzlich vollgepfropft ist Doch gibt es auch hier bcsonderc 
Abteilungen fUr die Frauen Etwas besser ist die Intermediate 
Class, m der man bisvvetien schon weissc Gesichtcr siclit, 
zuweilen sind hier die Coup4s mit den Inscbriffen NaU\es 
Oder Europeans only verschen Die zwcile Klassc wird von 
den besten Eingeborenen, sowed sic nicht als FQrstcn eigenc 
Wagen haben, und auch stark von den Europ3ern benutzt 
Die Wagen der ersten Kiasse enihallcn nur vereinzeltt Per- 
sonen und laufen meistens leer nut Fast immer lialtcn wir 
cm Coupi allein und befanden uns bei Tag wIe bei Naclit 
sclir komfortabel Em soldier Wagen erstcr Klassc bestelit 
nur aus zwci geraumigen Coupes, m der Miftc durcli cinc 
meist \ersch!ossenc TOr getrennt, zu icdem Coup^ geliOrl 
em eigenes Wasclizimmer mil alien Bcqucmlichkcitcn u clches 
den Kopf des Wagens bildek An bcidcn Langssciten des 
Coupts bcfindcn slcli zv.ci gcpolstcrte, niit Lcder iJbenrogtnt 
BlnWe, die am Tagc zunj Siizen dicnen, wahrend bei Nncht 
die Bcttcn auf dcnscibcn gcmachl wtrdcn Zucl cbcnsolchc 
Sind an der Decke bcfcsrtgt und konnen crfordulicbcn Falls 
bcnbgcUsstn wtrdcn Da (Or die Naclit sleepfn;; oecomrro- 
datton garanlicfi 1st, so dOrfen nachfs nicht mctir als vicr. 



EmncMung der mdisthen EisenbahnCT 


47 


tags nicht mctir als scchs Personcn m das gerilumige Coupi 
gesetzt werden In der Regel ist man dann, wie gesagt, 
ganz allein Ausser dem Guard, der den Zng begleitel, 
beVommt man keine SchaHncr lu sehcn Die Billets 
werden tiusserst sellen bcim Halten au{ den Stationen kon- 
troUiert, gewblinhch smd es Halfcaslcs (MiscWmge von 
Europaern und Eingeborencn), welchen dieses GcschSft ob- 
liegt, da sie zu viel andercm nicht 211 brauchen smd Die 
Suftisance, mil der sie auftreten, macht bei der sonstigen 
Schlaffheit ihres Wesens ott eincn lacherlichen Eindruck 
Sie smd nicht gerade gecignet, eine allmahhche Mischung 
englischen und mdischcn Blulcs als wOnschenswert erscliemen 
zu lassen Noch 1 st zu bemerken, dass auch die Verpllegung 
beim Eisenbahnlahrcn erne wohlgcregellc isl Breakfast, Tiffin 
und Dinner werden vom Guard telegrapjusch auf den dazu 
bestimmten Stationen vorausbestelU, wo dann 15—20 Mmuten 
Aufenthalt zu sem pflegen So kann man cs denn ganz wohl 
aushalten, Tage und Nachte (2 B von Bombay nach Calcutta 
mit dem SchneUzuge drei Nachte und zwei Tage) im Coup6 
zuiubnngen, namenthch da gegen die Sonnenglut dutch weit 
Uberragende Schutzdicher und Holzjalousien Voisorge gc- 
troffen ist 

Es war em Sonntagmorgen gegen acht Uhr, als wir in 
Baroda ausstiegen, der Hauptstadt ernes kleinen Fllrstentums, 
dessen Beherrscher, der Gatkwar von Baroda, sich gerade 
m England befand, was jedoch seiner Gastfreundhchkeit 
gegen uns keinen Emtrag fat Am Balmhofe war Dhruva, 
der uns m emem herrhehen Hofwagen zunUchst zu dem 
Palaste fuhrte, welcher, fllnf Mmuten von dem Hauptpalaste 
des Gaikwar entfernt, uns als Wohnung dienen sollte Hier 
empfing uns Herr Maier, em junger Suddeutscher, der als 
Manager den verschiedenen SclilOssern des Gaikwar vor- 
stand Wahrend seine Person und Sprache uns an die 



46 


IV Von Bombay bis Peshawar 


zwischen der zweden und dnften Alle Wagen Jjaben die 
Farben der entsprechenden Billets, sodass man die vveiss 
angestnchenen Wagen der ersten Klasse auf den ersten 
BItck und schon von fern herausfindet Die Fahrpreise sind 
so abgestuft, dass jede hohere Klasse ungefShr das Doppelte 
der nachstfolgenden kostet Erstaunlich billig. aber auch 
furchtbar Uberfoilt, ist die dritte Klasse Sie wird nur von 
Emgeborenen benutzt, und es ist ein unterhaltendes Schau- 
spiel zu sehen, wie Manner, Weiber und Kinder mit grossen 
Packereien auf dem Kopfe, und die kleinsten Kinder rittlings 
auf den Hliften der Mutter silzend, mit vjelem Larm sicli um 
die geschlossenen WagentUren drangen, von denen erne 
neue immer erst geoffnet wird, wenn das vonge Coupi 
ganzlich vollgepfropft ist Doch gibt es auch bier besondere 
Abteilungen fUr die Frauen Etwas besser 1st die Intermediate 
Class, m der man bisvveilen schon welsse Gesichter sieht, 
zuvveilen sind hier die Coupds mif den Jnschriften Natnes 
Oder Europeans only versehen Die zweite Klasse wird von 
den besten Emgeborenen, sowed sie nicht als Ftlrsten eigcne 
Wagen haben, und auch stark von den Europaem benutzt 
Die Wagen der ersten Klasse enlhalten nur veremzelte Per- 
soncn und laufen meistcns leer mit Fast immer hatfen wir 
ein Coiipd allem tmd befanden uns bei Tag wie bei Nacht 
sehr komfortabe) Em soldier Wagen erster Klasse bestclit 
nur aus zwei gerSumigen Coupes, m der Mitfc durch cine 
mcist verschlossene Tfir getrennt, zu jedem Coup^ geliOrt 
em eigencs Wasebzimmer mil alien Beqiiemliclikeitcn, v. clchcs 
den Kopf des Wagens bildet An bciden Langsseden des 
Coupes befinden sich zwci gcpolslerte, mit Lcdcr flberzogcnc 
Bankc, die am Tagc zum Sitzen dicnen, wSbrend bcl Nacht 
die Bcttcn auf dcnsclben genneht werden Zuel cbensolchc 
sind an der Decke befestigt und kbimen crfordcrhcbcn Falls 
herabgchsscn werden Da fOr die Naclit sleeping accommo- 
dation garantiert Ist, so dflrfcn nachfs nictif mthr als vJer, 



Emrichlung der indischen Ewejibahnen 


47 


tags nicht mehr ats scchs Personen m das gcritumige Coup6 
gesetzt werden In der Regel ist man daitn, wie gesagt, 
ganz allem Ausser dem Gitartl, der den Zug begledet, 
bekommt man kerne Schalfner zu selien Die Billets 
werden flussersl selten beira Hallen auf den Stationen kon- 
trolliert, gewOhnlich sind cs Hal/castes (Misclilinge von 
EuropSern und Eingeborenen), uelchen dieses Gesch3!l ob- 
liegt, da sie zu viel anderem nicht zu brauchen sind Die 
Suffisance, mit der sic auhreten, macht bei der sonstigen 
Schlaffhcit ihrcs Wesens oft einen lacherlichcn Eindruck 
Sie sind nicht gerade gecignet, cine allmahliche Mischung 
engiischen und indischen Blutcs als vvUnschenswert erscheinen 
zu lassen Noch ist zu bemerken, dass auch die Verpflegung 
beimEisenbahnfahren cine wohlgeregclte ist Breakfast, Tiffin 
und Dinner werden vom Guard telegraphfsch auf den dazu 
bestimmten Stationen vorausbestelit, wo dann 15—20 Minuten 
Aufenthalt zu sem pflegen So kann man es denn ganz wohl 
aushalten, Tage und NSchte (z. B von Bombay nach Calcutta 
mit dem Schnellzugc drei Nachte und zwci Tage) im Coupd 
zuzubnngen, namentlich da gegen die Sonnenglut durch weit 
ilberragende Schutzdacher und Holzjalousien Vorsorge ge- 
troffen ist 

Es war em Sonntagmorgen gegen acht Ulir, als vvir m 
Baroda ausstiegen, der Hauptstadt ernes kleinen FUrstentums, 
dessen Beherrscher, der Gaikwar von Baroda, sich gerade 
m England befand, was jedoch seiner Gastfreundlichkeit 
gegen uns keinen Emtrag tat Am Bahnhofe war Dhruva, 
der uns in emem herriichen Hofwagen zunJlchst zu dem 
Palaste fUhrte, welcher, fOnf Minuten von dem Haupfpalaste 
des Gaikwar entfernt uns als Wohnung dienen sollte Hier 
emphng uns Herr Maier, em junger SUddeutscher, der als 
Manager den vexschiedenen Schl&ssern des Gaikwar vor- 
stand Wahrend seme Person und Sprache uns an die 



48 


IV Von Bombay bis Peshawar 


Heimat ennnerte, so war das, was er uns zeigte und zur 
Benutzung anwies, von der Art, dass wir uns m ctn onen- 
talisclies Marclien luneingezaubert glaubten Em herrlicher 
Empfangssaal mitTeppichcn, Diwanen undScsscIn, em weiter 
imd lioher und docli hdclist behagl/cJier Speisesaal, zwei 
gerUumige Schlafsfllc md Bclten und MObeln von erster 
Gute, alles neu, petnlich sauber und in auserlesenem Ge- 
sclimack, erne von SUulen und Gevvttlben gebildete, rings 
urn das Haus laufende Veranda, das war das Feenreicli, in 
welcliem wir fUf einige Tage als alleinige Herrscher sctrajfen 
durften Der Koch mit semen GeJiUlfen, verschiedene Diener 
fQr die mannigfaclien Anforderungen dcs Lebens, im ganzen 
wohl em Dutzend, aile m sauberstcr nationaler Kleidung, be- 
dienten gerSuschlos das Haus und waren jcdes Winkes von 
uns gewSrtig Die herriichste Zugluft durchsirdmte hel Tag 
und Naclit die kuhlen Hallen des nach alien Seiten fret 
gelegenen Hauses, allc Turen und Fenster blieben auch bei 
Nacht gedffnet, wussten wir uns doch genugsam bewacht 
und beschdtzt, und das feme Geheut der Scliakale, die hier 
wie Uberall m Indien allnachtlich ihr vieJsbmmiges Komert 
abhalten, diente nur, das Behagen dieses Zauberschlosses zu 
erhOhen Diese Tiere, etwa von der Grosse und Gestalt 
unserer FUchse, smd sehr scheu und daher ausser m Museen 
und zoologischen Garten, nie sichtbar, um so melir aber hbr- 
bar, ihr Geheul klingt, als wenn eln Dutzend junger Hunde, 
em Dutzend Katzen und ein Dutzend kleiner Kinder ihre 
bellenden, miauenden und schreienden Tone zu einem Konzerte 
vereinigten 

Furstlich, wie unsere Wohnung, war auch die uns ge- 
botene Verpflegung Es war nicht das erste Mai m meinem 
Leben dass ich an einem FOrstentische speisfe, aber erne 
auserJesenere KUche, als sie hier herrschte, habe /ch kaum 
je angetroffen Auch bedurfte es nur ernes Wortes, und der 
beste franzbsische Champagner die edelsten Rheinweme 



Baroda rdrstllche Aufnahme Bcsjchtigungen 49 

standen aul dem Tiscli, emc Libera!itat, \on der wir teds 
aus RucKsiclit au! das Klitna, teds weil uns derartigc GenUsse 
von der Heimat her nichts Neues vvaren, nur einen diskrefen 
Gebrauch machten 

Die FrDhstunden des Sonntags benutzten wir, urn mit 
Herrn Mater die vvichtigsten SehenswQrdigkeiten der Residenz 
in Augenschein lu nehmen Em seltsames Kuriosum waren 
em halb Dutzend Kanonen, vvelche angebbch aus gediegenem 
Golde bestanden und, wenn es wahr ist, einen ungeheuren 
Wert reprasentieren mlissen und ein beredtes Zeugnis des 
fabelhaften Reichtums der frDheren mdischen Herrscher 
sind Intercssanter war noch ein Marstall vo!l edier Rosse, 
die unter liberdachten Schuppen im Freien gehalten wurden, 
und eine GeseUschaft von iwaniig oder mehr Elefanten 
Dieselben sind voUkommen lahin und umganglich Nur 
einige von ihnen, bei denen die Brunstzeit emgetreten war, 
waren von den anderen isoliert und mit starken Kelten an 
den FUssen gefesselt Man wamte uns davor, denselben zu 
nahe zu Kommen, und so sah ich nur aus emiger Entfernung 
ihre aufgebrochenen und einen klebngen Saft ausschwitzenden 
Schiafen, von denen in der mdischen Poesie so viel die 
Rede ist 

So ging der Tag teds mit Besichligung der Sehens- 
wlirdigkeiten, tells mit notwendigen Besuchen bei Mtnistern 
und anderen WUrdentragern m der angenehmsten Weise hm 
Am Abend wurde uns zu Ehren eme TheatervorsteUung 
gegeben, bei der svir vvieder die Ehrenplatze emnalimen, 
wShrend unter Ausschtuss des atlgememen Pubhkums nur 
em auserlesener Kreis von Geladenen uns umgab, wobei 
denn tnancherlei Vorstellungen und Begrilssungen stattfanden 
A\s Stuck hatte man diesmal, auf memen Wunsch, em 
antikes Drama zu sehen, die PnyadarQikd gewahlt, und 
Dhruva war so aufmerksam gewesen fUr uns den Gang der 
Handlung m emem enghschen Programm drucken zu lassen, 

Deussen Erlnneningtn an lad ea 4 



50 


JV Von Bombay Ws Peshawar 


sodass wir Scene fUr Scene ganz bequem folgeii konnten 
Das Stuck wurde natUrlich m Gojeratj-Oberselzung gegeben, 
aber BuhneneinncJitiing, KostUme und AusfUhrung derChbre, 
Dialoge usw sclilossen sich so vollkommen dem Sanskrit- 
texte an, Uass ich vermuten mOchte, dass das heutige Hindu- 
tlieatcr in allcm Wesenllicben nocli das des KUlidSsa ge- 
blieben JSt Am andern Morgen in der Frlibe wurde em 
Ritt auf einem Elefanten zu dem eine Stunde entfemten Lust- 
schlosse Macka unternommen, welches eben fUr die RUckkehr 
des Gaikwar in Stand gesefzt wurde Unfer Flihrung des 
Herrn Maier, der diese Arberfen unter sich hade, besjchhgten 
wir die verschicdenen Prachlsale, und mit Befremden IiBrte 
ich, dass, wenn der Gaikwar luer seme Hoffestc gibt, seme 
Gemahlin niciit teilnimmt Oie indiscben Frauen Iieben es 
eben nicht, aus dem engen Rreise rhres Hauswesens heraus- 
zutreten, und befinden sicli, wie es schemt, ganz wohl dabei 
Obngens waren die Gcmacher der FUrstin mit allem Komfort 
ausgestattet, es fiet mir auf, dass verschiedene prachtvolle 
Spjeldosen, aber nur em noch dazu recht mitfeJmdssiger 
FlUgel vorhanden war Zuletzt besichtigten wir noch die das 
Schloss Umgebenden Garten- und Parkanlagen, welche noch 
jung Sind, aber unter dem mdisclien HimmeJ einstmals gewtss 
sich zu emem Paradiese entwickeln werden Dann zogen 
wir auf unserem Elefanten wieder heimwarts, die Morgen- 
sonne brannte schon heiss auf unserem Rlicken und Freund 
Dhruva erklUrte mir die am Wege stehenden Baume Nament- 
lich der Unterschied von Nyagrodha (ficus Indjca) und 
Afva///m (ficus religiosa) wurde nur hier zum erstenmal klar 
Beide sind nach Wuchs und Aussehen der Blatter sehr ver- 
schiedene Baume 

Den Nachmittag halte der Minister fUr ein Zusammen- 
sein mit den HauptwOrdentragern des Landes bestmimt 
Durch zufailige Umstande wurde auch dieses m unser Palais 
verlegt und so gewann es den Anschein, als wenn das 




Se te 50 


Cin Mahdrija mit Atinislcrn 



Ritt nach Macl.a Grosse Cour Sanscrvl CoUcse 51 

ganze Ministcrium und die lialbe Universifiit bei uns zur 
gtossen Cour angetreten ware. Cs waren alles infclligente, 
wQrdevoUe und \erbmdhche Manner, '\e!clic sjch \on 
europaischen Grossen durcli ihre malensche und kostbare 
Klejdung sehr unlersclueden, aber an feinem, laktvollem Auf- 
treten denselben, wic nur scbicn, niclit im mlndesten nach- 
standen Die UnlerhaUung bewegte sich cinige Stunden !ang 
m der angenehmsten Wetsc um indische und europaische 
Verhallmsse, und wir scbicden sehr befriedigt von einander 
FUr den folgenden Tag wurde cm Bcsuch des Sanscrit 
College beschlossen, welches G>mnasium und Universitat 
veremigt und cm gutes Bild von deni Bildimgsgange der 
indischen Gclehrten bot Die bcneidenswcrle, dem Curopacr 
unerreichbare Fertigkeit im Sanskrit, welche die Pandits in 
der Regel besitzen, beruht darauf, das5 sie schon im Alter 
unserer Sextanerdas Sanskrit zu lemen anfangen und meistcns 
em langes, fleissigcs Leben hindurch nichts als Sanskrit treiben 
Der Unterncht begmnt nut Auswendiglcmen von WOrtern 
und GrammatiK Als erstes grbsseres Dichterwerk wird sodann 
Ragliu\an(a studiert, dem KtirnSrasanib/iPio, Meghadilta sowie 
die Dramen Kalidasas und anderer folgen FUr erne liUliere 
Stufe dienen die Romane Da^akumaracarilam, Kadambari 
sowie die schwiengeren Kunstepen FOr die Universitats- 
stufen spaltet sicli der Unterncht, die einen treibcn ilir 
ganzes Leben durch Grammatik Literatur und Poetik, wUlirend 
andere Aslrononue, Medizin, Junsprudenz oder Philosophic 
studieren, alles nacli den altcn SanskntlehrbUchern, daher 
z B die Lehrer der Astronomie die Erde als in der Mittc 
ruhend und alles als um sie im Kreise Sicli drehend annehmen, 
nur wemge wagen sich das Kopernikanische System anzu- 
eignen, noch wenigere, sich often zu demselben zu bekennen 
Als wir m die statlUchen R5ume des College einlraten, 
waren die verscliicdenen Klassen mil ihren Lehrern bereits 
m einer grossen, mch der Seite offenen Halle versimmelt 

4 * 



52 . 


IV Von Bombay bis Peshawar 


Es wurden, wie dies gcwOhnHch Obljch is^ verscbiedene 
BegrUssungsgodichte In Sanskrit vorgetragen und mir sodann 
Uberreicht Ebenso hUndigle man mir ein langes, schOn in 
Sanskrit gesclinebenes Lehrprogramm ein, in welchem die 
Lelirpensa der verschiedencn Klassen spezifiziert waren fch 
wurde aufgefordcrt, Fragen zu slellen und nnisste, urn kerne 
der Abteilungen zu vertetzen, wohl Oder libel aus alien Dis- 
ziplinen, Grammatik, Uteralur, Astronomic und Philosopiiie, 
Junsterei und Medizin, erne Frage stellen, die dann von ein- 
zelnen Schalern, und wo diese sich nicbf zu heffen wussten, 
von den Lehrern beantwortet wurden At/ffaJlend war mir, 
dass immer nur die besten SdiOler zu antworten bereit waren, 
auch dann, wenn ich meine Frage nicht an sie, sondem an 
andere genchtet hatte Im ganzen lief also die Sache doch 
mebr auf erne Schaustelfung fnnaus, und wenn icfi spater in 
Indien Schulen besuchte, pfiegte ich zu bitten, dass man sicb 
durch memen Besuch niciit stOren lassen, sondern ruhig im 
Unterncht fortfahren mbge Schon m Baroda batten wir das 
spater noch so oft genossene Schauspiel vor Augen, wie 
Lehrer und Schliler samlhch mit unfergeschJagenen Bemen 
auf dem Boden hockfen Beim Scbreiben wird das Heft 
frei in der linken Hand gehalten, wSbrend die rechte die 
Feder fUhrt Die Hindus sind so an diese Art des Schreibens 
gewOlint, dass sie erne Unferlage, auch wenn man sie ihnen 
anbielet, zu verschmahen pfiegen 

Weniger interessant als das College war uns die Be- 
sichtigung ernes benachbarten Palastes mit allerlei Waffen 
und den Kronjuwelen Ich Oberzeugfe mich dabei, dass, so 
viele Kosfbarkeiten auch schon aus Indien ihren Weg nach 
Englamd gefxujdfj habex^ doeb noch iramer genug tibng 
bleibt, was die englischen Gouverpeure und Residenten, oder, 
wo dies bedenklich erscheinen sollte, ihre Damen Sich ge- 
legentlich schenken lassen kbnnen Ich bin weit davon ent- 
fernt, alles zu glauben was mir in dieser Beziehung erzahit 



Examen Kronjuwelen Dhwa’s Hejm Musikmejster 


53 


wurde, il! aber doch bemerken, dass die Schilderungen, w elche 
mir von der Reise eines cnglisclicn Pnnzen und der Herren 
m semem Gcfolge gemacht wurden, mitunter cmigermassen 
an das aus Cicero bekannte Auftreten des Verres in Sicthen 
etmnerten 

Mit besondercm Interesse foigten wir noch in Baroda 
emer Einladung Dhruvas in sein Haus, um so lieber, als die 
indischen Oelehrtcn nicht immcr gem Bcsucher bei sich 
empfangen Hier, wie spSler noch oftmals, wurde icli an 
das Wort des wackeren Javerilil! crmncrf simplicity is the 
type of our life Wir trafen erne Emfachhcit der Aussfatlung 
an MObeln und dergleichen an, wie sie bei uns etwa im 
Mittelalter die Regcl gewesen scin mag Auch Frau Dliruva 
mif den Kindern erscluen, wdhrend wir Ober den Gang Inn 
andere ueibliche Gestatten halb sichtbarnach indischcr Gc** 
v.ohnheit auf der Erde sitzen sahen Es ist charakteristisch 
fUr die Inder, dass sie Uberall, im Hause wie im Freien, sich 
ohne Umstande auf die Erde setzen, welche freilich durch 
ihre gfosse Trockenheit daflir ganr nnders geeignet ist, als 
bei uns Noch em andercr Gast steUte sich bci Dhruva ein, 
ein indischer Musikmeislcr, ein ernster Mann, der seiner 
Kunst nnt grosser Hingabe obzuhegcn schien Er Uberreichte 
ein Werk von sich Ober die Theorie der mdischen Musik 
auf Hlndostani mit eingenochtenen SteUen aus Sanskrit- 
gedichten, spiach aber leider weder Enghsch noch Sanskrit, 
sodass die UnterhaUung mit ihm sehr beschrankl war Indes 
bestaiigte der Eindruck seiner gediegenen, wissenschaftlich 
emsten PersOnhchkeit die schon frliher von mir gefasste 
Oberzeugung, dass in der mdischen Musik viel mehr hegt, 
als unser ungeschultes Ohr herauszuhQren vermag Sie 
besitzt eine komphzierte Theone, und die Hingebung, mit 
der ich oft MusikstUcke auffUhren hbrte, scheint dafUr zu 
zeugen, dass sie m ihrer Art ebenso sehr wie unsere Musik 
imstande ist, die Seele ernes Menschen auszufUUen 



54 


IV’ Von noRibay bis Pcshnwa 


Der Aufcjil))n)t in Barodn war so rtlch an schOnen 
Cntmerimgcn, class wir bcsclilosscn, nicht \on dort zii 
sclieidcn, olmc voriicr durclt cine pholographisclie Aufnalime 
das Andenkcn an utiser Zusammcnscln daucmdcr zu machcti 
Cln Icldlichcr Photograph war vorhandcn, iind cr vcrspracli, 
am Tage vor unscrcr Abrcisc nachmitlags vier Ulir nut 
scinem Apparatc vor ttnsctcm Palastc zu crschcmen, der 
nalHriich den Hintcr^nind abgchcn solltc. AKc Personen 
waren rechfzcltig vcrsammelt, als grossc Hauptperson zu- 
nacbst der ricsjge ElcfanI, der uns nacli AJacka gciragen 
hattc, und welchcr, nut cincr koslbaren Decke gcschmllckt 
tind am Rdsscl, den Wangcn und sogar an den Olircn auf 
das schdnste bcmalt, mit seiner aus fdnf Alann bcstehendcn 
Dicnerschaft crschicn Cine zwcilc Ilauptpcrson, fdr deren 
Abtatifnalimc namentlich Herr Alaier lebhaft platdicrt hade, 
war der Cf/r/r (im Sanskrit „der buntfarbtge"), d h der zahme 
Leopard des FOrstcn, welcher fOr die Jagd aul Anttlopcn 
abgenchtct w'ar Seine Kunst bestcht darin, die aufgespdrte 
Antilope in schnellcn Saticn cinzuliolen tind Ihr die Qurgel 
durchzubeissen, sodass ste, im (ibngcn an Fell und Fleisch 
unbeschadigt, vom J3ger in Empfang genommen werden 
kann Herr Ataier war beim Alinistcr sefir ms Zeug gegangen, 
urn cine Jagd mit dem Cilra fUr uns zu inscenieren, es wurde 
aber nichts daraus, namentlich da ich fdr meine Person auf 
das grausame Schauspiet durchaus kemen Wert legte Dafdr 
erscliien jetzt der Citra, um mit uns photographiert zu werden 
Er wurde auf einem kleinen eleganten Wagen herangefahren, 
mit einer Kappe Clber den Augen und auch sonst stark 
gefesselt Drei Diener jnachten semen Hofstaat aus, und 
man warnte mich, dem Tiere nicht allzu nah zu kommen 
Ausser Elefant und Leopard waren ich selbst mit meiner 
Frau, Dhniva mit Frau und drei Kmdern, Herr Maier mit der 
Reitpeitsche als steter Begleiferm und einige Nebenpersonen 
vorhanden Alles war volJkommen bereif, nur erne Person 



Photographische Aufnahmc m Baroda. 


55 


iehUe noch, ohne die wir nicht anfangeti konnten, — und 
das war der Photograph Es wurde nach ilim gescliickt, 
aber er war mrgeads zu fmden Vergcbens warfeten wir 
bis zum Dunkelwcrden, der Photograph liatte uns einfacli 
vergessen Unter diesen UmstJnden und da alle sich scfir 
aut das Photographieren gefrcut batten, blicb uns nichts 
anderes Obrig, als unsre Abreise bis auf den Mittag zu 
verschieben und fUr den anderen Morgen frtlh cm neues 
Zusammentreffen anzuberaumen, worauf dann enditch das 
Bild gltlcklich zu stande kam Indem Jch es in der Hand 
halte, ruft es mir die ganze Situation bis m die kleinsten 
Einzelheiten wieder ins GedSchtnis zurUck 

Den Hmtergrund bildet unscr Palais mil seiner statthchcn 
Einfahrt und semen hohen SaulenhaUen Vor jhncn steht 
der Elefant, so ruhig und verstandig, als wisse cr, worum 
es stch handle Vier Leute seines Gefolges stehen an semem 
Kopfe, ihre langen Lanzen m der Hand Der ElefantcnfUiirer 
sitzt vorne auf dem Nacken, als Symbol den kleinen Eisen* 
haken haltend, mit welchem das kolossale Tier gelenkt und 
zum schnelleren Schritt, zum Hallen Oder Niederknieen ver- 
anlasst wird Letzteres geschieht, wenn Personen auf- Oder 
absteigen wollen Em krafliger Stoss mit dem Lenkhaken 
auf den Kopf veranlasst das Tier mit emem leisen Grunzen 
des Unbehagens langsam niederzuknieen, die Diener setzen 
erne kleme Treppe an, welche der Elefant zu diesem Zwecke 
stets an der Seite mit sich tragt Man steigt hmauf und 
findet oben elne breife Fiache, auf welcher vier bis seclis 
Personen Platz habeit, and die md ernerrr elsemen Gel^nder 
umgeben ist Dort oben sitzen die Damen, d h Frau 
Dhruva mit kunstgerecht untergeschlagenen Bemen und meine 
Frau, der man das unbequeme ihrer Stellung wohl ansieht 
]ede halt em Dhruvakmd auf dem Schosse, wahrend der 
aiteste Sohn, zwischen beiden sitzend, voll Spannung der 
Begebenheit zuschaut Vor dem Elefanten in der Mitte stehe 



50 


U’. Von bJ« Pahanar 


Ich, •ithr durch die ins Qcsicht schcmcndc Sonne gtiilcrt, 
Indcm dcr PliotoRraph im Ictztcn AupcnbUckt mlch nuf- 
fordcMe, den Sonncnlml nbzunehmcn Mir zur Rcclilcn sftlit 
Dliru\a Im Nalionnlkosiamc, zur LInken cm ScliuKorsleher 
imd llcrr Mnicr im RcitkostClmc, die Rcitpcitsclic in der 
Hind, sclncn Blick mif den Lcopirden f;erichtct, uelchcr, 
\on drei Wflrtcrn uclnltcn, die Gnippc mtb iinks absciiliesst 
Lcidcr Int das Unticr den Kopf bcwtgt und didurch drei 
Knpfe irlnltcn, sodass man cs lOr den Cerberus hallcn 
kbnntc. Die tropisclie Sonne ist an den licllcn LicliiLrn 
und den scharf umgrenzten Scliattcn Jciclit erkennbar 

Das war der Sciiluss unscres Aufentiialtes in Baroda 
Nach cinem solcnncn Abschtcdsmahle schicden wir dankbar 
\on der Uefflichcn Wohniwg tmd fuhren, von rcichem 
Ocfolgc bcglcilct, zum Dahnhofe 

Unscr nadistcs Zicl, AUmedabad, uird von Baroda aus 
durch einc Eiscnbaimfahrt von wenigen Siunden crreicht 
Cs war das erste dass wir bci Tage durch die indische 
Landschaft fuhren und nocli dazu durch cmc besonders 
reichc Gegend, v,clchc wegen ihrcr Fruchtbarkeil von den 
Indern Cbndara genannt wird Cs war der 28 November, 
und mit EntzUcken sahen wir die herrlich grflnende und 
biuhcndc Landschaft mit ihren Riesenbaumen und ihrer 
tropischen Pnanzcnfflllc an uns vorOberziehen, wafircnd Tiier 
und da erne Anzahl Affen, ohne sich durch den vorbei- 
sausenden Zug sfOren z« lasscn, auf den Baumen imd im 
Qrase ihre Mannerchen machlcn Wir wollen diese Gelegen- 
heif benutzen, urn eimges Ober Kllma und Boden indiens 
im allgcmemen zu sagen 

s\wl kemeswegs mmet die 
fruchtbarsten, vielmehr lehrt ein Blick auf die Karte, dass 
sicli von der Westktlste Afrikas an durch die Sahara, Agypten, 
Arabien und Centralasien bis nach China hinem ein breifer 




Sells 5 



Fahrt nach Ahmedabad Klima Indiens 


57 


LanclcrgOrtel hmzieht, m welchcm cs, vermDge einer Art 
Wechselwirkung zwischen der durch den uolkenlosen 
Himmel gesteigcrten Hitzc und der durch eben dicse Hilze 
verhinderten Wolkenbildung, sellen Oder me regnet, und 
die doher trotz der lierrliclisten Sonnenkraft \on der Natur 
dazu verurteiU sind, WUste zu bleiben Diesem Sclucksale 
wUrde auch Agypten verfalten, ^^arc mcht die Ober- 
schwemmung dcs Nils, und ebcnso wlirde fast das ganze 
herriiche Indien erne WOste sein, waren nicht die Afowswn s, 
wetchc im Winter aus Nordosten wehcn und daher nur 
wenigcn Orlen an der OslkUste die Feuchtigkcit bringen, 
in den Sommermonaten hingegcn von Juni bis September, 
aus Sfldwesten wehend, erne so reiche FUlle von Regen 
iiber tndien ausschtitten, dass das Land daran fUr das ganze 
jahr genug hat Denn den ganzcn Winter durch regnet es 
m Indien so gut wie gar mcht, und wir haben, von cmem 
Regentag in Benares und zweien in Calcutta abgcsehen, 
wahrend unsres vietmonatlichen Aufenthalts m Indien selten 
den Himmel bewOlkt und kaum je einen Tropfen Regen 
gesehen Die Regel war, dass die Sonne von seeks Uhr 
morgens bis sechs Uhr abends ihren majestStischen Lauf 
am vbllig wolkenlosen Himmel voUendete Bet uns wUrde 
unter diesen Umstanden nach wenigen Wochen alles anfangen 
zu verwelken, in Indien behalten BSume und Pfianzen den 
ganzen Winter durch »hr saftiges Grtln, so gross ist die 
m der Regenzeit angesaramelte und den Boden durch- 
trankende Feuchtigkeit 

Erne weitere Folge dieser khmalischen Verhaitnisse ist, 
dass der Ackerbau in Indien weniger als bei uns an be- 
stimmte Jahreszeiten gebunden ist Denn die Kulfurpflanzen, 
wie Korn, Weizen und dergteichen, bedUrfen, um sich vom 
Samenkom bis zur reifen Frucht zu entwickeln, einige Monate 
hmdurch Feuchtigkeit, Bodenwarme Sonrienschem u dergl 
Welche Monate dabei im Kalender stelien, darnach fragt die 



58 


IV Von Bombay bis Peshawar 


Pflanze nicht, und wo jhr, wic in Indien, jene Bedjngt/ngei 
das ganze Jnhr diirch md AtisnaJime der Rcgenzed geboter 
vverden, da ist sie bereit zu jcdcr Zed, sobald sie ausgesae 
wordcn, zu wachsen und zu rcifen VVir konnten dalier of{ 
mals bcobachten, wie auf dem cinen FeJde das Oetreide ge- 
erntet wHfde, wflbrend es auf cinem andercn Fclde daneben 
eben erst m die Halme schoss und auf einem drdten Felde 
tn frischcm GrOn aus der Erde aufkeimte Inzwischen bat, 
wie man nnr sagte, fndten »m allgememen zwei Jahresernten, 
die einc im Winter, die andere, fUr OcwSchse, die der Feuclitig- 
keit weniger bedUrfen, im Sommer vor EintriU der Regenzeit 
Nach der Regenreit, die im Hochsommer cinsetzt, zeigen die 
BSume das hecdichste GtOa und behaUen es den ganzeti 
Winter durch Erne Landschaft mit Bflumen, wetche, wie 
bei uns im Winter, dcr Blatter beraubt, ihre nackten Aste 
und Zweige gleichsam hiilfeflehend zum Himmel strecken, 
babe ich in Indian nirgendwo gesehen Erst im FrOhling 
soJlen, wie man mir sagte, die alien Blatter teilweise ab- 
gestossen und alsbald durch neu aufkeimende ersetzt warden 
So genossen wir denn, wdhrend zu Hause alles m 
Schnee und Eis starrte, des herrhchsten Sommerwetters und 
kannen nicht m die Kfage ernes pessimistisch angehauchten 
und alles m Indien schfecht machenden Mitreisenden em- 
stimmen, welcher behauptete, dass man dieses fortw&hrenden 
schbnen Wetters zuletzt ganz mflde wUrde 

Die schbne Fahrt von Baroda nach Ahmedabad welche 
diese Abschweifung veranlasste, war volfendef und wir liefen 
in den Bahnhof dieser emstmals, zurZeit der Moguls, grdssten 
und schbnsten Stadt des westbchen Indiens em Heute zahlt 
dieselbe nach langen Zeilrdumen des Verfalls wieder 148,000 
Elnwohner, besitzt aber kein Hotel und nur ein entfemt 
heeendes Dak Bungalow, daher wir es vorzogen, ein Zimmer 


rflanzcnv.uchs Ahmcdabad Sanitate Vethaitmsse 59 

emgenchtet, da erschieacn auch schon vier iunge Leute, denen 
\\\t \on Bombay aus empfolUcn varen, iind zu denen sich 
bald def Vater des cmen, der aUe, reiche und wflrdige 
Randiodim gesellte, v'.elcher als Mitgtied des Magistrates 
maneben schatibaren Aufschluss zu geben wusste So er- 
zahUe cr, dass AUmedahad neucrdings cinc tcilweise schon 
durchgefUhrte Wasserleitung erhaltcn habe* dass aber das 
Unternehmen Widerstand fmde mfolgc der Abneigung der 
Hindus, das Wasscr aus ktlnsHichcn Leilungen zu benutzen 
Sie haUen nUmhch das Wasser nur daon fQr rein (m reh- 
giQsem Smne), wenn es unmiUelbar aus den Handen der 
Nalur entgegengenommen wird, und so tnnken sie oft das 
stagmerende Wasser von Teictien, in wclchen gleichzeitig 
gebadet und Kdchengerat, WSsche u dcrgl gewasclien wird 
Nur diesen Missstttnden ist cs zuzuschreibcn, dass die Cholera 
m Indien nicht auszurotten ist und alljahrhch in der heissen 
Jahrcszeit ihren verheerenden Lauf durch die mdischen Stadte 
hdit indes wUtet sie zumeist nur in den armeren Volks* 
schichten und pflegt, wie man mir dfter versicherle, eincn 
^Gentleman" (d h wohl cmen vemOnflig Jcbenden Menschen) 
nicht anzugreifen „Wir haben," so ausserte sich Ranchodlfll, 
„in unserer Stadl die merkwUrdige Erfahrung gemacht, dass 
diejenigen Viertel, in wclchen die Wasserleitung schon durch- 
gefQhrt ist, auffallend wenig von der Cholera gehtten haben, 
und so dUrfen wir lioffcn, des Obels mit der Zeit Herr zu 
werden “ 

Unter diesen und anderen GesprSchen machten wir eine 
Rundfahrt dutch die Stadt, besuchten den im SOdosten der- 
sclben gelegenen von hebhch umwaldeten HDgeln umkranzten 
Kankanya-See, besichtigtcn au! dem Rhekwege einige der 
zahlreichen erhaltenen Moscheen, deren WSnde vtelfach aus 
Stemen mit wunderfeinem Schnitzwerk und durchbrochener 
Arbeit bestehen, und endigten den Tag mit einem Spazier- 
gange nach der hohen und langen Brlicke fiber die Sabar- 



60 


IV Von Bombay bis Pcsliawir 


matt Mjcr w.ir cs, wo der wackcrc junge HarilQl mir sejn 
Lcid klagtc Es ist namitcli emc grausamc Emnclitung der 
Englander, dass die hoheren Steticn im indischen Staats- 
dienste nur dcnjcnlgen offen stchen, welchc ihre Examina 
m England abgcJcgt haben (rauc mir wohl,“ sagte 

Haniai, „den Fleiss iind die Faiiigkeil zu, diesc Examina zii 
bcstchcn, auch bin tch durch die Gnadc Codes mit reich- 
IlcJien Mideln ausgeslaffcf, aber die Reise nach England 
wOrde fUr mich die Ausstossung aus memer Kastc zur Folge 
liaben, und dicsen Schmerz kann ich meinen Elfcrn und Ver- 
wandten nicht antun Icli sehe mich dalier dazu verurteilt, 
zeitlcbens etne untergeordnete Stelle zu bekleiden," Ich er- 
munferle ihn, diese Schwiengkcit zu flberwinden und wies 
auf das Beispicl Dhruvas in Baroda lim, welcher in Eiiropa 
gewesen und, nachdem cr in aller Stille und ohne damit zu 
prunken, zurUckgekehrt set, durch Zahlung von ein paar 
hundert Rupien und etnige leichte BussUbungen sich die 
AldgliedschaB seiner Kasie erhaKen babe Hoffendich gelmgi 
cs dem HanlSl und vielen jungen Hindus in seiner Lage, 
nachdem sie selbst den religiOsen Vorurteilen entwachsen 
Sind, auch die ihrer Familie soweit zu brechen, um nicht 
alle besseren Stellen des Landes den Engiandern allein Uber- 
lassen zu mussen 

Als ich, ziim Bahnhofe zurUckgekehrt, noch eine Weile 
vor demselben die AbendkUble genoss, hafte ich das ergdtz- 
liche Schauspiel, zu sehen, wie zwci Hinduweiber sich zankten 
Jede derselben sass ruhig vor ihrer Hutte, und wShrend die 
eine rait Jauter Stimme und lejdenschaftlicher Beredsamkeit 
ihre Sache entwickelte, hOrte die andere aufmerksam und 
ohne sie zu unferbrechen bis zu Ende zu um dann in der- 
selben Weise ihre Gegenargumente weitiaufig auseinander- 
zusetzen So wurde der Bali der Unterredung mehrere Male 
herliber- und hinUbergeworfen, bis nut der ErmUdung der 
Lungen auch eine Berulilgung der GemOter allmShlich emtrat 



Religiose Vorurtctic ZanUnde Wciber Die Jama’s> 61 

Der folgencle Tag, der cinztge, den w ir noch auf Alimedabad 
\er\\enden wollten, brachte \iele EindrDcke Zun3clist fUhrten 
uns unsere Freunde \sieder lur Sabarmatt, urn dart das 
Trejben der badenden Hindus zu sehen, ein Schausplel, 
welches wir nachmals noch in manchcn St3dlen und am 
besten m Benares genossen, davon spatcr em Mehreres Es 
folgte sodann die Besichhgung des grosscn Jaina-Tempels, 
ernes der schOnsten und prunkhaftesten in ganr Indicn An 
Stelle der GWterbilder irelen, da der Jaimsmus ebenso wie 
der Buddhismus bekannlhch cine alheistische Religion isl, 
die sitzenden Statuen dcs Jina und seiner vierundzwanzig 
VorlSufer, denn ohne (dole kann das Volk nun einmal nicht 
fertig werden Vom Buddhismus, der seit Jahrhundertcn in 
Indien vOUig ausgeroUet worden, und dcm ir daher nur an der 
Nord- und Sudgrenze, im Himalaya und auf Ceylon begegnen 
werden, unterscheidet stch der jaimsmus namenUich darm, 
dass er nicht international geworden, sondern mchr hmduisch 
national gebheben ist, daher er sich m Bombay, Ahmedabad 
und anderen Often behauptet hat Aber der Brahmanismus 
hat seme erstaunliche Lebenskraft auch darm betatigt, dass 
er sich den Jaimsmus fast vOHig assimihert hat Daher die 
Jamas beinahe ebenso sehr wie die Brahmanen die Be- 
nlhrung mit den Fremden und namenthch das Zusammen- 
essen mit ihnen scheuen, auch gegen ihr ursprOngliches 
Prinzip bei Besichtigung ihrer Tempel und Festlichkeilen 
dem Fremden gelegentlich Schwiengkeit machen, wahrend 
man in den buddhistischen Tempeln Uberall ganz ungeniert 
umhergehen kann 

Obngens smd die Jamas vjelfacb im Besitze grossen 
Reichtums, und wir besuchten im weiteren Verlaufe des 
Morgens die Werkstatte eines jama, in welcher herrliche Holz- 
schmtzereien und wundervolle Teppiche angeferligt wurden 
Bei der Teppichwirkerei ist die Kette von oben nach unten 
gespannl, hinter derselben sitzt erne Reihe Knaben Ihnen 



62 


IV Von Bombay bis Peshawar 


gegenUber auf der andem Seite der Kette steht mit dem 
Muster in der Hand em Mann, auf dessen Kommandoworte 
die Knaben abwechselnd kurze buntfarbige Wollfaden durch 
die Kefte flechten, sodass die Enden der FSden nach ihnen 
zu herausstehen und erne rauhe, wollige Masse bilden, weiche 
nachmals glatt geschoren als die rechte Seite des Teppichs 
die schbnsten Muster zeigl Teppicbe wie Schnitzereien 
wurden auf Bestellung fUr Amenka und andere Oegenden 
angefertigt Die Preise waren so hoch, dass wir darauf ver- 
zichteten, irgend etwas anzukaufen Der noch jugendliche 
Besitzer, in dem ich durch emige Fragen den von Freund 
Garbe beschnebenen Jungling wiedererkannte, schien auch 
gar mcht zu erwart&n, dass wir elwas ersianden W/e 
tiblich, legte er uns zum Schluss das Fremdenbuch vor, m 
dem wir das VergnUgen, mit welchem wir m der Tat die 
Arbeiten besichtigt batten, gerne beschemiglen 

Von hier ging’s zu dem Pinjra-Pol (,K5figbr(JCke“) ge- 
nannten Tierbospitale, wie deren in Bombay, Abmedabad 
und manchen anderen Stadfen Jndiens bestehen Diese mehr 
der Absicht als der Wirkung nach anerkennenswerfen Institute 
haben den Zweck, kranke und alte Tiere bis an ihr Ende zu 
verpflegen, sowie auch gesunde, namenthch Kobe, den 
mohammedanischen Schlachtern abzukaufen und so am Leben 
zu erhalten Man fmdet in denselben meist Pferde und Kube, 
Ziegen und Hunde In Bombay bemerkten wir in dem 
Hospital einen Wagen mit aufgesetztem Kafige, m dem sicb 
mehrere Affen befanden Es waren dies bOsartige Tiere, 
welclie von den Familien, die sie hielten, emgeliefcrt wurden 
und bestimmt waren, m den Wald abgefOhrt und dort los- 
gelassen zu werden Der strengglflubige Hindu tbtct kem 
Tier, auch kem Insekt, ja nicht einmal cine Schlangc Tnfft 
er erne solche an Orteu, wo sle getahrlicb werden kinn, so 
kingt er sic cm und transportiert sic in cine Oegend, %\o 
sie nach seiner Meinung unschadiicii ist. urn sie dort in 



Tcppiclmtrkerei Tierhospiialer Schbngen 


03 


Freiheit zu setzen Es gibl \ie1e alte HSuser in Indicn, in 
deren Mauenverk Schlangen hausen Das niedere Volk \er- 
schont dieselben, weil es m ihncn die Getster der Vorfahren 
\erk5rpert glaubt Ofter wurde mir versicliert, dass diese 
Schlangen niemals cinen insassen des Hauses schadigfen 
Tatsache ist wohl, dass die Scldange dem Menschen aus 
dem Wegc gehl und nur dann beisst, \senn man sie reizt, 
also namentUcli, wenn man unbclmtsam oder ini Dunkeln 
darau! tntl Obrigens siitd die Schlangen im Winter sellen, 
SIC bleiben dann zumeist m iliren Locliern unfer der Erde, 
und wir haben, ausscr in den Handen dcr Gaukler und m 
den zoologischen Giirten, wdhrend unsres viermonatlichen 
Aufenthalts m Indien in der frcicn Nalur nur einmal eine 
Schlange angetroffen In der hcissen Zed und noch mehr 
in der Regenzeit sollen sie nicht seltcn sein und erschcincn 
manchmal an Orten, wo man sic ganz und gar nicht ver- 
mutet, wie denn z B Frau Dr HOrnle aul dem BaSkon ihrer 
mitten m Calcutta cine Treppe hoch gclcgenen Wohnung 
ernes Tages eine Schlange antraf, wie dieselbe dorthm ge- 
kommen, bUeb alien em Ratsel, sie mag wohl im GemDse 
versteckt gewesen sein Eine schOne Oberraschung erlebte 
aucli, wie Frau Dr HOrnle erzahite, ein Freund dieser Familie, 
welcher eine Partie Schlangeneier in seinem Koffer ge- 
sammelt halle und, als er denselben ernes Tages Offnete, 
eine Gesellschaft munterer kleiner Schlangen vorfand, welche 
dank der tcoptschen Hit 2 e aus den Eiern ausgekrochen waren 
Urn auf das Tierhospitat in Ahmedabad zurUckzukommen, 
so befanden sich in ihm nur die bereits genannten Haus- 
tiere Manchem derselben, welches krank Oder verstQmmelt 
umherschUch, ware der Todesstoss gewiss erne Wohltat ge- 
wesen, sodass der erreichte Zweek hier in seltsamem Kon- 
traste zu der grossen und edien Absicht steht Erhalten 
warden diese Institute dutch reichtiche Beitrflge, wie denn 
z B m Bombay die Baumwollenhandler bestimmte Prozente 



64 


IV Von Bombay bis Peshawar 


vom Gevvinn an das Pjnjra-Pol abzugeben sjch verpflicbtet 
haben Nur als ejnen schlecbfen Witz kanir man es an- 
sehen, wenn m BUcliern erz3hU wird, dass die TierJiospit3Ier 
auch eine Abteilung fUr Insekten hStten, und dass Neger ge- 
halten wUrden, um denselben ihre KDpfe als Weide darzu- 
bieten Die Hindus versicherten mir, dass dergleichen me 
vorgekomtnen, und doch hatfe einmal ein Missionar in 
Bombay die Stirn, mir gegentiber zu behaupten, dass die 
Sache auf Wahrheif beruhe, worauf wir spater noch zuriick- 
kommen werden Vortaafig sei nur faemerkt, dass alles, was 
die Missionare von Indien erzahJen und schreiben, selir mit 
Vorsicht aufzunehmen ist Ihr gewbhniicher Kunstgrjff be- 
steht dann, ganz seltene Ausnahmefalle so m den Vorder- 
grund zu stellen, dass dieselben als die Regel erscheinen, 
wodurch dann ein ganz verzerrtes Bild des mdischen Volks- 
lebens entsteht 

Wir beschlossen den Morgen mit einem Besuche bei 
den S&dliu% worunter eme Art indischer MOnche zu ver- 
stehen ist, die in einem wohlfundierten KJoster zusammen- 
leben Sofort wurde in einer gerSumigen Halle eine Ver- 
sammlung derselben veranstalte^ zu der sich wohl 50 bis 60 
einfanden von welchen jedoch kaum einer oder der andere 
em noch dazu sehr kOmmerliches Sanskrit sprach Die in- 
dischen Pandits sprechen von dicsen wohlgenflhrten A\nssig- 
gangem mit Verachtung und mOgen wohl Recht dann Inben 

Am Nachmittage batten wir zwei grosse Versammlungen 
binteremander, die eme nut Pandits, in der Sanskrit gesprochen 
wurde, die andere m einem Klub, wo In cnglischer Sprache 
mancherlel Themata bcrtllirt und namcntlich Aufschluss (Iber 
das Eaiehungswescn in Europa verlangt wurde Dann 
wurdcn Lieder aus GUagoxmda und andercn Dichfungcn 
gesungen und mit den mtionalen Instfumcnten beglellct TOr 
den Abend cntschuldigten sichmetne Frcundc, well sie einem 
Diner ihrer Kastc bciwohnen mussten Ich bat, mir den 



PiHjra PoL Sidhus Kastcndwer Abrciso 


65 


Anblick desselben zu vcrscfiaffen, und sit sagtcn es zu, liolteii 
mich aber, woW absichtlich, erst dazii ab, a!s die Hauptsaclie 
sclion vorbei war In einer langen, engen Strasse, die nur 
von dieser Kasie bewolmt wird, waren hier raehrere Hundert 
in langen Reihen auf der Strasse Iiockend gespeist worden 
Ich saU nur nocli cinige NachiOgIcr und die Spuren dcr 
beendigten Mahlzed, namentlicli die zalillosen kteinen Ton- 
gelasschen, m welchcn die GericWe \or jeden emzcinen be- 
sonders hmgcsetzl werden, und die nach einmaligem Ge- 
brauche weggeworfen werden mUssen Man nimmt zu jeder 
Mahlzeit wieder ncuc, da cm ganzes Tausend dersclben, wie 
man uns sagtc, nur erne Ruptc kostet Ich liatte noch das 
Vergntlgen, mit dem Gastgeber und einigcn seiner Freunde 
bekannt zu werden und musste von alien Speisen nachtraglich 
kosten und dieseiben natorbeh fUr vorzUgiich erkiaren 

Am andern Morgen brachen wir von Ahmedabad auf 
und waren froh, von unserm engen und gerduschvollen 
Bahnhofszunmer Abschted zu nehmen Die Freunde fanden 
sich auf dem Bahnhofe ein, emer derselben, der jDngere 
Dliruva (Bruder des Dhruva in Baroda), welclier in Ahmed- 
abad eine Stelle als Lehrer des Sanskrit bekleidete, erklarte 
mir itn Meghaduta den ich stets zum Memoneren auf der 
Eisenbahn mtt mtr fuhrte, mit HQUe der Karte sehr sach- 
kundig die verschiedenen Ortlichkeiten, welche die Wolke 
als Bote auf ihrer Reise durch Indien berhhrte, und von 
denen auch wir cmige zu besuchen hofften Dann brauste 
der Zug heran, em rascher Abschied von den Freunden, und 
nordwarts ging es hinem m unbekannte Gegenden, welche 
im weiteren Vetlaufe emen mehrstenien Charakterannahmen 
und die NShe der WUste A/or/i bekundeten, welche links von 
uns, das Industal von der Qangesebene scheidend, sich m 
emer Breite von 300 Kdometera erstreckt Am Nachmittagc 
tauchten einzelne Bergrilckcn auf, unter thnen Mount Abu, 

Deussen ErinneninEcn aa Ind en 5 



66 


IV Von Bombay bis Peshawar 


beruhmt als Sommerfrische und durch seme Jaina-Tempel, 
wjr konnten ihn nur vorOberfahrend bebachten Die Nadif 
trat ein, und am nSchsten Morgen um 5 Ulir sollten wir 
Jaipur, unser nbchstes Reiseziel, erreichen Vorsorglich bat 
ich den Guard des Zuges, uns rechtzeitig vor Jaipur zu 
vvecken Er versprach es, wir kleideten uns wie gewOhnlich 
aus und schhefen rubig ein In der Nachf erwachte icfi, 
das Licht in unserm Coupe war erloschen, um uns her war 
die tiefste Fmsternis Ich zUndete ein Streichholz an und 
sah nach der Uhr 15 Alinuten vor ftlnf, m einer Viertel- 
stunde mussten wir m Jaipur sein wo der Zug nur sieben 
Mmuten halt Der Guard hatte sem Versprechen vergessen 
Jetzt ging es darum, m fJiegender EiJe und m Dunkein, denn 
Kerzen, wie spater jederzeit, fclhrten wir damals nocli nicht 
bei uns, StrUmpfe und Stiefel und alle Kleidungsstllcke zu 
linden und anzuiegen, wobei m den verzweifelfesten Fallen cm 
angezUndetes Streichholz lielfen musste Nur die Weste nut 
all unserem Barvorrat wolUe stch Hngcre Zeit nicht fmden 
lassen Endlicii waren wir fcrtig und cs war auch hOchstc 
Zeit, der Zug hielt bereits, und mit Hulfe des Dieners ge- 
langten wir mit alien sicbcn Sachen nocli rechtzeitig heraiis 
und fuhrcn zu dem nur massigcn Hotel Kaiser-i-HimJ In- 
zwischen war die AtorgenrOle erschienen, und wir genossen 
von den HoteUenstcrn aus den herrhehsten Sonnenaufg'ing, 
doppelt erfreuhch nach dem ticlcn Dunkel der Nacht und 
den Beangstigimgcn, die cs diesmal iHr ims geinbt hatte 

Die Hauptsehenswfirdigkciten von Jaipur slnd das alte 
KOnigsschloss nut semem Mirstnll und die zwci Stunden 
tTi\kTTi\ \iegcnde SommerresWenz Amber Glckh naeb det 
Ankunft wird dem Frcmdcn tin formular tlberrcicht, auf dem 
cr Tag und Stumlc cmirflgt wann cr dicse Dingc zu schin 
wonsclit, worauf dann alles Weltert von sclbst hesorgt und 
namcntllch fllr die Tour mch Amber cln Cltfaiit aus dem 



AnkunU m Jaipur Wandctung durch die Stadt G7 

fatsUiciien Marstall zur VerfOgung gcstellt uird Naclidcm 
wir diise Frage geordnct hattcn, untcniahmen vsir cmen 
Morgenspaziergang in die leider etwas cntfcrnle und nuratif 
staubigen Wegen crreichbarc S(adt,\\tlchc nut ihrenschOnen 
bveiten Strassen und diren rosa angcslrichencn Hausern cmen 
hedercn Etndruck macht, watircnd ihre Beuolmer, die 
Rcljpiilen, mit jhrcn grosseti, kraftigcn Gestaltcn die stattlichsten 
Erscltemungen bdden, die man in Indien anfnffi In der 
Mitte der Sladt liegt cm grosser Marklplatz, auf dcm, ahnhcb 
wie m Venedig und Florenz, erne Anzafil Tauben gehallen 
werden Wir kauften cm Kbrbchcn mit Kttrnern und batten 
bald das Vergnligcn, die zarten Tjerclien urn Haupl imd 
SchuUern tlattcrn und die Kbrner vertraucnsvoll aus der 
Hand aufpicken zu sehen, bis ein zudringlicher Ziegenbock 
die Scene stbrte, den tch mit RQcksicht auf die Gcftihle der 
umstchenden Emgeborenen nicht nach Gcbllhr abzufertigcn 
wagte 

Von liier wandten wir uns zu den fllrstlichen Garten, 
in denen, wie ubbch, Tiger, Lbwen und andere bissigcTiere 
m Katigen gehatten vvurden, wahrend die Affen nut Kettchen 
an hohen Stangen angeschlossen waren, an denen sie belicbig 
nach oben zu ihrem klemen Katige Oder nach unten zur 
Erde klettern konnten, urn hier innerhalb des Spielraums, 
den die Kette gestattete, mit dem ihnen eignen possierlichen 
Ernste den Boden auf seine Bestandteile hm zu untersuchen 
Nicht weit davon Iiegt in sclibnen Gartenanlagen das Museum 
von Jaipur, em elegantcr Bau mit sehr reichem Inhalte 
iesst^'ie micb cine Sammlung von Tonbguren, 
welche die indischen Asketen m ihren mannigfalfigen selbst- 
quaierischcn Ohungen veranscUautichten Ursprllnghch wurzelt 
die mdische Askese m der hohen und wahren Erkennlnis von 
der SUndlichkeit des Daseins, aus welcher das Besfreben 
erwachst. durch Entsagungen und Quaiereien allcr Art das 
Fleisch abzutbten Indessen ist diese echte Askese selten 

5 * 



G3 


IV Von Bomba> bis Peshawar 


zu finden Im Himalaya, oberhalb Handxdr, wo die Gangd 
aus dcm Gebir^e hervorbncht sojien viele Asketen zu fmden 
sem Freund Candnk3pras6d woJIte auf der Reise zu uns 
slossen, urn mich dort einzufflliren, war aber leider verlundert, 
und so unterblieb die Sache, da dcr EuropSer allem sclnver- 
licli dort viel zu sehen bekommen batte Denn die echten 
Asketen suchen die Emsamkeit auf und machen sich aus 
dem EuropHer gar nichts Sehr verscliieden von ihnen sind 
diejenigen Asketen, welclie die Stadte aufsuchen und ilire 
Busstibungen zur Schau stellen Von ihnen traf ich m Cal- 
cutta am Lifer des Hugh eine ganze Anzalil Jeder sitzt fUr 
sich an semem Feuer fast ganz nackt, mtt Wasserkrug, einigen 
Lumpen und anderen diirftigen Habseligkeiten umgeben und 
von einer Anzahl Neugieriger umstanden, die ihn m der 
AusUbung semer Sperialitat be%vundern und ilm einige AI- 
mosen spenden Ihre Kunst lauft meistens auf erne bechst 
unbequeme Art zu sitzen binaus, in der sie mOglicbst lange 
auszuharren suchen Emen sah ich, der auf einem Berne 
stand, wahrend das andere an ciner Stange hochgebunden 
war, em anderer lag auf emem Bette mit spitzen Holzn&geln, 
noch andere abenteuerfiche Posituren konnte man an den 
Modeilen m Jaipur beobachfen Fast alle haben den nackfen 
Leib mit Asche beschmierL die langen Haare hangen wiist 
Uber das Gesicht herunler, und die NSgeJ sind Jang wie 
Adlersklauen Der Gesichtsausdruck ist brutal und vertiert 
und zeigt schon, wie wenig ihre Askese auf geistigen Motiven 
ruht Sie sind m der Tat nichts anderes als Bettler, welche 
sich das Ansehen von Asketen geben, und stehen mit ihren 
KOnsfen auf einer Lime mit den Kertcn in unsern Jahrmarkts 
buden, welche Feuer essen Oder sich Schwerter bis in den 
Magen hmunferschieben Wie diese, ruinieren sie durch ihr 
elendes Gewerbe sehr bald ihre Gesundheit 

Das A^useum von Jaipur, welches diese Abschweifung 
veranlasste, gewahrt von der Terrasse auf semem Daclie 



Echte und (alschc Asfcefen Defantcnntt nacli Amber 


69 


eine lierrliche Rundsicht auf die Sladt iind umhegende Ebene, 
welche nach drei Seden hin von scliOnen Bergen emge- 
scWossen svird Auf cmcm dcrselben befmdet slcb ein dem 
Pnnzen von Wales zu Ehren in turmhohen Buclistaben ein- 
gegrabenes WELCOME, — vielleiclit die grOsste Inschrift 
derWelt, welche liber die ganze Ebene hm sicWbar ist und 
wohl noch fDr viele Jahrliunderle Zeugnis ablegen wird von 
der UnterwQrfigkcit gegenttber den frcmden Beherrschern 
des Landes 

fm Gebirge nach Nordcn zu liegt die Sommerresidetiz 
Amber, die wir am folgenden Tage besuchten Wir fuhren 
im Wagen bis zum Anfang der Berge, wo der Elefant bereit 
stand, wclchcr uns auf emem zwischen den Bergen anstei- 
genden und dann wicder sich senkenden Wege, an welcliem 
links und rechts in Nischen alleriei GOltcrbildcr standen, 
nach Amber fuhrte Oer ganze Weg hatle grosse Ahnhch- 
keit mit der von Athen nach Eleusis fuhrenden Strasse, wie 
auf dieser nach der Senkung des Weges die Biicht von 
Salamis sich bffnet, so hegt Amber an emem reizenden See, 
malensch um eine Anhohe herum gebgert Die HSuser sind 
vielfach verlassen und allerlei Asketen haben sich in den- 
selben eingenistet Auf der Hohe hegt das sfattijche Schloss, 
welches mit semen verschiedenen SSlen, Frauengemadiern, 
Badezimmern usw den gewOhnlichen Eindruck der moham- 
medanischen PalSste macht 

Nach Jaipur zurQckkehrend, kamen wir an emem Teiche 
vorbei, m wefehem Krokodiie gehalten warden, deren FOt- 
terung em seltenes Schauspiel bot Unser Diener kaufte fUr 
eine halbe Rupie in emem Schlachterladen m der Naiie em 
grosses Konglomerat von Fleischabfallen, bestehend aus 
Lunge, Leber und Emgeweiden, dieses wurde dem Wachter 
libergeben, der alles an emen Stnek band und ms Wasser 
hmunteriiess, worauf er mit lauten Rufen die Krokodiie 



70 


IV Von Bonib-\> bis PcsJnwar 


locUe Lange Zcil blieli die wcite sumpfige Wosserfiadie 
ganz still Eiidlicli maclite cr uns aid cinc Bcwegimg des 
Wassers in der Feme autmerksam, es war em riesengrosses 
Krokodil, wciclies langsam iinter der Obcrflache des Wassers 
heranschwanim Bald kanien nocli andcrc, und zuletzt salien 
wir zu iinscrn FOssen in der Tiele direr viere, welclie pbleg- 
matisch dire Mauler aidklapplen und nacli den 
sctinappten Nacli und nacli gclang es ihnen, ein 
nach dem anderen loszureisseii, bis scliliesslich ernes 
Ungettlnie sich der ganzen tlbngen Masse bemachtigle un 
sie hinunterschlang 

Eine Besichtigung des Sclilosses mit seiner gros 
offenen Audienzhalle, des schOnen Gartens und der benac i 
barten Marstalle mit ihren Pferden und EJefanten vervo - 
standigte die Etndrllcke dieser indischen Residenzstadt 

Wir eilten nach Hause, wo verschiedene Pandits ihren 
Besuch angekUndigt hatten Sie erschienen und ini * 
noch mehrere andre, darunter ein 

mit dem Notdilrttigsten bekleidet, dem jedoch die > 
wie so oft den Blinden, ein frohitches Herz verliehen a 
Nicht wissend, dass er schon von Geburt blind war, Wg 
ich ihn teilnehmend, welcher Unfall sein Leiden herbeige 
habe Seme Antwort war echt indisch „Irgend eine in ein 
fruheren Geburt begangene SUnde ist die Ursache,' verse z 
er m zufriedener Heiterkeit Der Glaube an die See en 
wanderung ist heute wie in alter Zeit die Grundlage e 
ganzen mdischen Religion Er trOstet den Inder Ober le 
Leiden des Lebens, wed er sie als die notwendige o ge 
frliher begangener SOnder begreift, und er ist ein 
Sporn, em rechtschaffenes Leben zu filhren, well jeder c 
tritt seme Stihnung in emem kOnftigeii Dasein unvermei ic 
im Gefolge hat Auch lehrt eine tiefere Betrachtung, die wir 
jedoch hier mcht anstellen wollen, dass der Seelenwanderungs 



Krokodilfuttening Seelemrinderungsglaube Kmdcrhejraten ^ 1 


glaiibe der allegorisclie Ausdrtick ciner fdr unsere Fassung: 
kraft uncrreichbaren Wabriwt, dass er somU dte Wahrhc 
im Gewande des M>thus ist Die eigcntliche Wahrhe 
welche dieser Mythus vertrilt, kOnnen wir wegcn der t 
Zed und Raum gebundenen Organisation unseres Inteilekti 
nicbt fassen und wUrden sic auch dann nicht fasscn, wei 
em Engel \om Himmel kame, sie uns zu lehren 

Am Abende folgten wir emcr Emladung in das Hai 
des Colonel Jacob, wo uir den cnghschen Komforl in sem 
Anpassung an die mdischen LebensverhaUnisse beobaclit< 
konnfen und beim Diner cine kleine, auserlesene cngliscl 
Gcsellschaft zusammenfanden Colonel Jacob ist emer d 
nicht sehr zahlreichen Englander, welche nicht schlecht v< 
den Eingeborencn sprechen, und von denen, wie icli zuve 
sichthch annehme, auch die Eingeborenen nicht schlec 
sprechen werden „Ich pflcge," sagte er, „die Eingeboreti' 
ahniich zu bchandein wie Kinder, und bin dabei stets se 
gut nut ihnen ausgekommen* Als nach dem Essen d 
Damen, wie Qblich, sich m den Salon zurllckzogen, und c 
Herren ihre Cigarre anzQndeten, kam das Gesprach auf ei 
wichtige Frage, nambeh auf die trtihen Heiraten der Ei 
geborenen Bekanntlich heixscht lieutzutage in den meist 
mdischen Hasten das Gesetz, dass alie Madchen vor d( 
elften Jahre verheiratet werden mlissen Zu diesem Zwee 
halt der Vater einer Tochter unter den Mitgliedem seir 
Kaste — denn nm diese kommen m Frage — frUhzei 
Umschau Er sucht zunSchst vorsichtig Fuhlung zu gewinm 
e& kniljpteja vK'RrJj/tv, d/tv. 

Eltern an, die Vermdgensverhaltnisse, die Zusammenstimmu 
der Charaktere werden sor^faltig erwogen, und zuletzt w 
zwischen den EUern der Bund geschlossen, der ihre Kind 
das Madchen von elf, den Knaben von etwa secliszehn Jahr 
fUr das ganze Leben unaufloslich bmdet Unter gross 
Feierlichkeiten, von denen wir spater noch emiges mittei! 



72 


IV Von Bombay bis Peshawar 


wollen, wird die HocJizeit abgeljaJten, die kindliche Gattin 
bleibt nach wie vor im Haiise ilirer Eltern, und der Knabe- 
Ehemann besucht seine Scliule weiter und wird, wenn 
er artig ist, gelegentlich von semen Schwiegereltern zum 
Essen cingeladen, wobci er dann auch seme Gattm zu sehen 
bekommt Erne effektive wird die Heirat erst, sobald bei 
dem Madclien etvva mil vierzehn Jahren die Periode der 
Reife eintrdt Unter emeuten, aber weniger feierlichen Cere- 
monien wird es alsdann semero Gatten Obergeben und lebt 
mit ihm zusammen im Hause der Schwiegereltern, denn 
dass die Eltern und ihre verheirateten Kinder einen gemem- 
samen Hausstand bilden, Ist bei den Indern ganz gewbhnlicli 
Diese Kmderheiraten haben vieles gegen sich und auch 
manclies for sicli Im ganzen lauft dfe Sache darauf hinaus, 
dass in Indien die Eltern die Ehe stiften, watirend bei uns 
das junge Paar sich mehr Oder weniger selbstandig ziisammen- 
fmdet Bedenkt man nun die zabliosen Missgnffe, welclie 
das Liebesteben bei uns mit sich brmgt, und die oft durch 
em langes Leben schwer gebtlsst werden, so wird man die 
indische Methode nichf so Ubel finden Freilich fehlt dort 
der Zauber des Verliebisems, das Langen und Bangen, und 
ein Liebesdrama, wie das der ^akimtal&, ist unter den 
heutigen Verhaltnissen in Indien nicht mehr mbglich Dafiir 
fehlt aber auch das ungestdUe Sehnen, das trostlose GefUhl, 
welches bei uns ein alferndes Madchen erftlKf, das Kokeftieren, 
Schmeicheln und was die Ktinste alle stnd, die von Mutter 
und Tochter geUbt werden, um glllcklich einen Mann zu 
kapern Es fehlt die tnnere Leere des Dasems welche so 
oft bei uns das Los der altenjungfern ist, denn altejungfern 
gibt es in Indien nichf, und sollten in einer Kaste mehr 
Madchen als Manner sein, so nehmen die Jefzteren zwei 
Frauen, denn untergebracht mhssen sie a!le werden Dem 
gegenliber steht m Indien der grosse Obelstand der jungen 
Witwen Denn ist em Mddchen mit elf Jahren verheiratet, 



rur und gcgen dse Kmdcthciratcn rrofcssorenversammlung 73 


und sljfbl der ihr angetraiite Gatte, so bleibt das arme Kind 
furs ganze Leben WiU'.e, kann nte v^teder heiraten und fllhrt 
im Hause der Eltern ein lurflckgesetztcs, mclir Oder Nventger 
traunges Dasein Der Witwer hingegen kann so oft wicder 
heiraten, wie cr will, nur bleibt ihm dabei nichts Dbng, und 
ware er sechzig J.nhre alt, als ein Kind von elf Jahren zur 
Oattin zu wahlen, denn andere smd eben nichl da. Das 
grOsste Obel dieser frtihen Elicn abcr ist, was eben an jenem 
Abend bei Colonel Jacob zurSpracbe kam, dass die effektive 
Heirat bei den MSdchen eine viel zu frtihe ist und statt- 
tindet, ehe noch der KOrper die crforderltche Widerstands- 
kraft besitzt Die Folge davon ist nicht nur, dass die jungen 
Frauen oft sehr schnell verbluhen, hmwelken, hmsiechen und 
sterben, sondern auch dass sie schwachhchen Kmdern das 
, Leben geben, und dieser Umstand zusammen mil derfehlcn- 
den Fleischnahrung ist wohl dcr Hauptgmnd, weswegen die 
Inder zwar nicht weniger intelligent, aber doch im Kdrper- 
hchen wie im GeisUgen so vie! weniger Icistungsfahig smd, 
als wir EuropSer Obngens smd die vorurteilsfreieren Em- 
geborenen selbst von der Bedenklichkeit der friihen Heiraten 
Uberzeugl, wissen aber noch nicht, wie sie hier AbhUlfe 
schaften konnen, ohne m andre Obelstande zu verfallen 

Wie in anderen Siadlen, stalteten wir auch in Jaipur 
dem Sanscrit College emen Besuch ab Ich fand das ganze 
Kollegmm der Lehrer versammelt und auf der Erde hockend, 
und wir hessen uns, an diesen Brauch bereits gewDhnt, als- 
bald zwanglos m ihrer Mitte auf einem mit Tintenflecken 
reichhch gezierten Bolster nieder Sie verlangten Auskunft 
liber den Kaiser Wilhelm und Bismarck, Uber Deutschland, 
und ob es auch dort Kasten gSbe, ob alle Deutsche Sanskrit 
verstanden usw Ich mussteihnen Uber meine Lebensstellung, 
memen Namen, der sich im Sanskrit als Devasena sehr gluck- 
hch wiedeigeben liess, meine Titel usw berichten und wurde 



74 


IV Von Bombay bis Pcsliawar 


schliesslicli gefragt, zii wclclicr Kaste icli geliDrc? Oline 
ZOgcrn gab ich die voUkommen korrekte Antwort, dass ich 
ein QOdra sci, dcnn alle Aiislflndcr sind nach dem brahma- 
nischen System Cfldns, las abcr auf den Oesichtem memer 
Hbrer ein solchcs Bcfrcnidcn tlber djcse Antwort, dass icli 
mir vornahm, kOnftig ctwas niehr mich dem Idcenkreisc der 
Fragenden anziipassen Ich pUcgte dalicr spaterlmi bci der 
oft an mich gcnchteten Fragc nach memer Kaste zu ant- 
worten, dass ich In memer vorigen Geburt ein Brahmane ge- 
wesen sei, aber infolge irgend emer Sllnde als Enropaer, 
d h als ^Qdra, liabc wicdergcboren werdcn mflssen und 
nunmehr nach dem Studium von Veda imd Vcdflnta, nach 
dem Besuchc tndiens und so vielcr heiligen Orte und Manner 
hoffen dllrfc, das nachste Mai mit Ueberspnngung der 
zwischenliegendcn Hasten wicdcr als Brahmane auf die e 
zu kommen Dieses Marchen pfiegte bei meinen ZuhOrern 
viele Heitcrkcit zu erregen, wurde aber auch einmal von 
emer Busserin m Calcutta emst genommen. wovon weiter 
unten noch die Rede sein soil 

Am Morgen des fUnften Dezember fanden wir uns m 
tiefem Dunkel vor fUnf Uhr auf dem Bahnhofe ein, tiatten 
die Freude, noch einmal Colonel Jacob zu begrilssen, den 
die unbequeme Zeit nicht abgehalten liatte, emer abreisenden 
Dame das Geleit zu geben, und bestiegen den Zug der uns 
in neun Stunden nach Agra bringen sollte Das FrUhau - 
stehen auf Reisen ist ja mit mancherlei Beschwerden ver- 
bunden, hat aber auch viele VorzUge, namenthcli in Indian 
und an jenem Morgen wo wir von den Eisenbahnfenstern 
aus sclinttweise den Obe^ang des nSchtlichen Dunkels zur 
Dammerung und zur MorgenrOte verfolgen konnten Lebha 
ergnff mich die Ennnerung an den Hymnus an die Morgen 
rote, Rigveda 664, den ich als ersten Vedahymnus 1865 noch 
bei Lassen gelesen hatte, und dessen Worte mir schon so 



Meinc Kiste Tahrt nach Agra Morgcnstimmw' 


75 


ofl zii einem Inbegnif lies Zaubers gcworden %sarcn, mjt dem 
der Orient uns wmstnckt jetzt sail tch sic wirkUcli einmal, 
die Lichtwellen, wie sic aiis dem zartcslen Rosa durcli cine 
Reilie von Zwisclienstulen 211 Gelb und Weiss tlbergingen, 
bis dann am wolkcniosen Hocizont blitzartig der oberste 
Streifen des Sonnenballs erschicn und wenigc Aiigcnblicke 
spater die vollaufgegangenc Sonne eine Lichtllut ilber die 
Natur ergoss, von der wir uns unter unsercm bleiernen 
nordischen Himmel sdiwer cine Voistellung niacben kOnnen 
ErhObt wurde die Stimmung dutch den Gcdanken, dasswir 
uns jetzl der fieiligen Yamima niihcrten, welclie mit ifirem 
Schwesterflusse, der GangQ, so grossc Erinnerungen wach- 
ruft, wenn dieselben auch dutch die nachfolgende moliam- 
medanischc Epoche m ahnhcherWeise tibcrlDncht erscheinen, 
NS 1C m Itabcn die Denkmater des klassischen Altertums dutch 
das nachfolgende chnstliche MitielaUer Urn zwei Ulir er* 
reichten wir Agra, welches neben Delhi der Miltelpunkt der 
Erinnerungen an die Zeit dermohammedanischen Herrschaft 
bildet und von Denkmaiem dcrseJben ganz angefOlH ist 
Wir hessen unsercn Dicner allcm mit dem GepSck zum Hotel 
fahren und begaben uns vom Bahnliof sofort zu dem nalie- 
liegenden Fort Von den m ihm eingeschlossenenMoscheen 
und mohammedanischen Paiaslen aus, die jetzt den Eng- 
landern als Arsenale dienen, genossen wir den ersten Blick 
auf die YamunS, die jenseits weit ausgebreitete Landschaft 
und den eine Viertelstunde unterhalb am Flusse hegenden 
weltberuhmten Taj Mahal Unwiderstehlich zog es uns zu 
diesem von SJwb Je}wn sewer L}eb}wgsg 3 ii>n 
(„Envilhlte des Palastes") emchteten Grabpalaste lun, wir 
achteten wenig des staubigen Weges und der gUlhenden 
Nachmittagsonne, bald war die tempelartige Emgangspforte 
eireicht, und da lag ervor uns, von semem IJppig grUnendem 
Parke umgeben, der herrhche Tfij Malial Der Uberwaltigende 
Emdruck, den dieser Anbhck, auch nach alien vorhergesehenen 



76 rv' \<— Tk— 5-3 IV*^Jwa’ 

Abb ’da^^cn, aul den Be^chauer ubt, ben:h* \\e'>c'itU«.h av! 
der Wlrk’arg der Kc'itra'^te. Der glilrende \Va<:o<ct''trfJ!ft\ 
nit semen Loto<:b’unen, det '«:ich M.'n der Einv:.'morf‘-''*^«‘ 
durcb den Garten bm aun T.1] .Mahi’ hmzjeJif, der 
Bau au« schnccMcissent Marmor, die !\irk> 

aniagen, die ihn umgeben, und darilber ila< ditnKle Hhudes 
jndischen Himmcls, da«; attc’v \crcinigt sjch an einem Ibtde, 
welches iDr ctnen Angenbltcl in der Scelc de*. Bevi.h'>»vr'; 
aUe Sorgen und Nbtcn desCtdcndascinsxerschwuulenniacht 
und m dteser QbcrmSchbgcn WnUmg aid der Welt tuebt 
leicht semes Gleichcn fmdet Hingeijcn kaim leh lUr 
.Mclnung dcrer nichl beislimmcii, welcbe den Tfl] Mahal filr 
das schOnste Bainicrk der Erde crKlIren. Wer den Kblni'r 
Dom, die PcIersMrchc m Rom, die frcilrcli mtr ion imien 
schOne Hagta Sophia m KonslanImopcI nm} vnr alien den 
Parthenon m Athen gcschcn hat, der wirtl In deni T,1j Ahinl, 
trotz der edicn EinfachlicU semer Pormcn und VcrliJlttnNsv, 
gewiss mchl den liQclisten Typos aTChitcklonlschcr Schhn- 
heit fmden Namentlich kaim sich die molntumedanisclie 
Kuppcl weder in der fonu noch in dvr Art ihrcr AuNctrung 
mit der romanischen nicsscn. Allcrdings ist die VcrjUngiing, 
welche die ersterc an llucr Gnindlagc zelgt, wold nmtKlert; 
sie soil das uiigeheurc Gcwiclit der Kuppcl zur Anscliauiiiig 
bnngen, aiinlich wie bcim ilorlscbcn Tcmpcl diircli die Au- 
schwellung des Saulenkapd.lls das Oewjdit dcs Architrnvs 
uns zum Bcwusstscln gebracht wlrd Abcr w.'Jbrcnd die 
donsche Saule dem Druckc von obeii Kraflvoll Widcrst.im! 
leisfet, so erscheint die Onkiiickung am fusse dtr moliam- 
medanisclien Kiippel vfclmehr ah cinc Schw.'Iclic 

In diesen und almlicJien Btlrachlungcn gfng dcr Nacli- 
mittag hin, und sclion vergoldctc die tmlergchcjulc Smme 
nut ihren letzten Strahien die Kuppein und Mlri.trcls dcs 
sfolzen Grabpalastes, als cin woWgcklcldctcr jungcr Mann 
auf uns zutrat und uns unter Nennung imscrcs Nanitiisbe- 




s ite 76 


Dor T3} Alihal bei A| 



Der TiJi Mahal Ul Buj Na«> Der ^oga 


77 


grusste Es war LCil Bmj Mth, Richter in Agra, uelchem 
unsere Ankunft brietlich gemeUIct woiden war, und der, 
nachdem er uns im Hotel \ergeblich gesucht, mclU in Zweifel 
sein konnte, wo er uns finden wflrde Wir schickten unsere 
Wagen voraus und traten m der Abendklihlc zu Fuss den 
Ruckweg an Das GesprUch wendete sich bald geistigen 
Dingen zu, und ich glaubie an meinem Begleiter eine etwas 
hochmUtige Stimmung durchzufliWen In semen ersten Ant- 
wortcn lag so etwas, wie erne Frage, was wohl ich als 
Europaer Uber solchc Dinge mitziircden habe WenigeAus- 
emandersetzungen genllgien, urn seine Stimmung umzu- 
wandeln, und nun zeigte cr eine von Stiinde zu Stunde zu- 
nelimende warme Anhanglichkeit, und er wurdc nicht mllde, 
Uber diesen Oder jenen Punk! immer neue AufschKisse zu 
verlangen Er nahm es wirklich ernst mit semem Veddiita- 
Glauben, sein Erbauungsbuch, m dem er taghch las, war der 
umfangreiche Yogavasishtha, und er zcigte erne gewisse 
Tendenz, nicht bei dem R&ja Yoga, der mtehektuellen Hin- 
gebung an das Qottliche stehen zu bleiben, sondern auch 
zum Hatha-Yoga llberzugehen, welcher auf mehr oder weniger 
gewaltsamen Wegen die AbWtung der Welthchkeit anstrebt 
Er zeigte also ahniiche Neigungen wie bei uns der Pietismus, 
sofern man dessen Wesen darein setzen kann, dass er sich ' 
nicht begniJgt, die Zeit der Gnade abzuwarten, sondern be- 
mliht ist, durch geflissenthches Aufsuchen von Busse und 
Bekehrung gleichsam urn dieselbe zu ringen Was bei uns 
dem Pietismus entgegea zu, haltea ist, dass die Wiedergebuct 
nur dann echt ist wenn sie durch den heihgen Geist und 
gleichsam ohne unserZutun gewirkt wird, dasselbe konnte ich 
dem jungen Inder m seiner Sprache begredlich machen durch 
Hinueisung auf die Vcdastellen, in denen es heisst, dass der 
Atman nur m dem welchcn er sich selbst erwahlt, Wohnung 
nimmt, und dass alle Werke, die guten wie die bOsen, wo 
es sich um das HOchstc handelt, mchtig sind 



78 


IV. Von Bombay bis Peshawar 


Die Tage in Agra wurden wcscntlicfi in Gesellscliaft 
mit LSI Baij NAth verbraclit. Am andern Morgen in der 
Frlihe holte cr uns m seinem Wagen im Hotel ab und fulir 
mit tins nach dem cine Stunde von Agra entfernten SiKcmdra, 
um das Grab des Kaisers Akbar zu besuchen Auch dieses 
ist cm maditiger Palast mit vielen TCJrmcn, SSulen und Auf- 
gangen Auf dem Dache brettet sich emc grosse Terrasse 
aus, von der man emen herrliclicn Rundblick auf den um- 
gebenden Park und die weite mdischc Landschaft geniesst, 
und wo mctits die tiefe Rnhc sfOrf, als das fieblic/ie Oe- 
zwitscher der kleinen grbnen Papageien, welche oft in ganzen 
Scliaren auf den Kronen der unter uns liegenden m^chtigen 
Baume sassen „Hierher,“ sagte Lai Baij N3f/i, „begebe ich 
micli oft, um meinen Oedanken nachzuhangen," und m der 
Tat, fUr die SammUing der Seele konnle es kemen gUnstigeren 
Ort geben, als dieses Denkmal des grossen indiscben Kaisers 
fn seiner weitvergessenen Einsamkeit Weiterbin besuchten 
wir mit unserem Freunde noch manche ErlnnerungsstHtte 
ffloliammedanischer HerrJichkeit, sebenkfen auch der Stadt 
mjt ihren Kunstindustnen und Kaufladen die gebUhrende 
Beachtung und fanden uns am Abende m dem ausserhalb 
der Stadt geJegenen Hause unsres Freundes zusammen Er 
hatte mich ersucht, ihm an dicsem Abende die Oedanken, 
\/eIche den Inhalt unserer Gesprache bildeten, einmal im 
Zusammenhang zu entwickein und bat um die Erlaubnis, 
noch einige Freunde zuziehen zu dUrfen Gern willigfe ich 
ein, war aber nicht wenig aberrasclit, als erne anseJinliche 
Versammlung sich einfand, vor der sich denn meine Rede 
zu emem zusammenhangenden Vortrage Uber alle Hauptpunkte 
des VedSiita-Systems gestaltefe In der darauf folgenden 
Diskusslon, die teiFs in Englisch, tells m S’anskrit' sihrtVarfu’, 
fiel mir schon damals die theistische Neigiing auf, welche 
viele heutige Vedantisten zeigen, und auf die wir noch in 
einem anderen Zusammenhange zurlickkommen wollen Die 



Akbars Grabrponunent AbenJgeseltecha!! bcl Ul Baij NAlh. 79 

Freunde, ^\eIchc bei dicsem ersten, durch 2ufallige UmsWnde 
\cranlassten Vortrag zugegen vtaren, mtlsscn wohl, ich weiss 
mcht ob mlindhch, briefhch oderdurch die Zedurigeib da\on 
welter erzalilt haben, an melircrtn Orlcn, die wir spater 
bcrOhrten, wusstc man darum und bat mit Bcnifung darauf 
urn Haltung ernes Vortragcs, wclclies idi denn je nadi 
Umslianden bewilligte oder ablebnie 

Die GesdlsdiaU bei LSI Baij Nath zog sich zurOck, und 
wir blicben nut unscrcm Wjrt allctn, der uns zum Csscn 
datueU nHeute," sagte er, *bekommen Sic cine curopdisclie 
Mahlzeit, morgen abend aber will mcine Frau ftlr Sic eine 
Mahlzcit nach Hinduweise zubcrciten, bei der erstcn wcrde 
ich bloss Ziiscliauer scin, an der zweitcn abcr, wenn audi 
in einiger Entfernung, um die P/lidit meiner Kaste nidit zu 
ilbertretcn, tcilnehmen “ Wir wollen diese Oelegcnheit be- 
nutzen, um Ubcr die Mabizeiten der Hindus, wie wir sie 
nacbmals noch ott nutgcmacht haben, emiges Nahere mit- 
zuteiten 

Der orthodoxe Inder nimmt, wie es schon (fer Veda 
vorschreibt, zwei Atahizeilen Wglich zu sidi, die eine morgens 
um elf Uhr, die andere abends um acht Uhr Die Speisen 
werden von den Frauen des Hauses selbst zubereitet, welche 
in der Regel auch (natUrlich nidit wenn Europaer zugegen 
Sind) ihren Gatten beim Essen bedienen Erst wenn 
die Manner gegessen haben, setzen sich die Frauen zu Tisch 
Die Nahrungsmittel smd durchaus auf Milch und Vegefabilien 
beschrankt, Fleisch, Fische sowie auch Eier smd mcht er- 
laubt Ebenso smd alle geistigen GetrSnke ausgeschlossen, 
der gesetzlicli lebende Inder trinkt ausser Milch nur klares 
Wasser Selbst gegen Thee und Limonade haben sie meist 
Bedenken Weder Tische noch StUhle werden beim Essen 
gebraucht In einer luffigen Halle des Hauses werden nach 
der Zahl der Gaste viereckige Holzbrelter, etwa wie unsere 
Zcichenbretler, gelegt, vor welclien die Speisenden, naclidem 



IV Von Bombay bis Peshawar 


ihnen ein Djener Wasser fiber die Hdnde gegossen hat, sich 
mit kreuzvveise untergeschlagenen Beinen niederlassen So- 
dann werden die Speisen vor jeden emzelnen in ganz 
kleinen N&pfchen aus Ton Oder BananenblSttern auf die 
Bretter gestellt Die Zah! der Genchte ist gross, zwOlf bis 
zwanzig Gange sind etwas ganz Gewbhniiches Sie besteheii 
zur Halfle aus verschiedenen, meisf stark gewtirzten Ge- 
mtisen, Milchspeisen, Reis, zubererteten Frfichten usw und zur 
Halfte aus allerlei Silssjgkeilen Brot gibt es nicht, sondern 
nur sogenannte Chapati’s, dllnne, in der Pfanne gebackene 
Fladen, von denen em ganzer Stoss vor jedem Gaste sfeht 
Sie dienen zugleich als Lttffel, um die halbfIUssigen Milcli- 
speisen zu schQpfen Irgend welche Werkzeuge, wie Messer 
und Gabel, werden nicht gebraucht man isst, nur mit der 
recMen Hand, indem man nach Belieben bald in den emen, 
bald in den anderen Napf greift und das Briasstd vorsichtig 
von oben jn den Mund scJiiebt Die Dberreste werden me 
aufgehoben, sondern an Mohammcdaner Oder Qfldras weg- 
gegeben Oder auch weggeworfen Alles, was vorgesetzt 
wird, ist an demselben Tage friscli zubereitet Da die ge- 
brauchten Rohstoffe sehr billig sind, so kann man ftlr zwei 
Anas (20 Pf) schon ein opulenfes Mahl haben Am Schlusse 
wird wieder Wasser fiber die Hfinde gegossen und sodann 
das Tambulam gereicht Dieses besteht aus einem Betcl- 
blatte, in welches klcinc Stfickchen der Areknnuss und 
andere GewUrze (Cardamum, Cinnanum und Nelke) ein- 
gewickell smd Man scliiebt das Pdckchen In den Mund 
und Ihsst es langsam zergclien, bis das Game henintcr- 
geschluckl ist, worauf dann vielo eine zweite Dosis nach- 
folgen lassen Ja, manche haltcn sicli den ganzen Tag am 
Betelkauen Dasselbe soil die Verdauung befOrdcm, der 
Geschmack ist scharf pikant und nicht imangcnchm Es 
vcrtntt fOr den Inder die Stclle der Cigarre Hingcgcn 1st 
-<fas Tabakrauchen, abgcseben etwavon Bengalen, sclirwcnlg 



Hmdumahbeiten Betelkauen, Rauchcn EiH kostbares Andcnken 81 


cingefDhrt. Die meisten Inder cnttiaUen sich des5clbcn,N\cil 
es im Veda nicbt eilaubt wvfd.wahrcnd dicv'.enigen Raucbcn- 
den ihr Ge\sjsscn damit beschwichtigcn, dass cs \m Vedi 
ja doch auch nichl \crbolcn %erdc Obngens produziert 
Indien selbst %iel Tabak, der zu emer giUen MiUelsortc ganz 
raucbbaTcr, s'.enn auch mcht (cmer Cigarrcn verarbcitet wtrd 
Die besten kosten 3, 4 odcr hOchstens 5 Rupien das Hundert, 
dann spring! der Preis gleich auf 15 Rupien und fidlier ffir 
importierte Cigarren Nacli dem Essen greift der Inder gcrn 
zur Musik, wie an lenen Abenden auch Lfll Baij Nflth, 
welcher, auf dem Tcppich kaucmd und beliaglicli an cm 
grosses Rollkissen gclchnt, einigc Liedcr vortrug und sich 
dabei auf der Laute begleitetc 

Als \Mr am Abend Abschicd nahmen, Oberrcichte mir 
UI Bai] N2ih zum Andcnken emen Stock nus Ebenliolz, 
von oben bis unten mtt schonen Schnitzercien bedeekt und 
mit cingelegten cdlcn Stemen vcrzjcrt, cm altcs Stuck, das 
er einst auf ciner Auktion m Benares erstanden hatte An 
dem Gnff befinden sich m emgelegter Elfenbcinarbeit die 
Wunderlich verschlungenen ZOge eines arabischen Namens, 
uelchen mem Freund und KoIIege Hoffmann als Osman 
Elias Mubammed Padtschah entzifferle und dazu die Ver- 
mutung Susserte, dass, nach dem letzten Titcl zu schliessen, 
der Stock woh! emmal einem indischen Kaiser angehOrt 
haben kOnne Im Laufe der Zeiten mag cr denn durcli 
viele Hande gegangen sein, bis er endlich in diejenigen 
kam, die ihn gewiss niclit wieder loslassen werden Ich 
babe denselben durch alle Fahrlichkeiten der Reise glUckhch 
nach Hause gerettet, und er dient mir als wertes Andcnken 
an den Geber, an die m Agra verbtacMen Tage und an 
das herrliche Land, das wie em verlorenes Paradies in 
unserer Erinnerung lebL 


Dtu&s«n Eilnntruflgtn an lad 



82 


IV Von &oinba> bis Peshawar 


A\ittlen\eile war der achte Dezember herangekommen 
und der Winter fing an sjch so ueif ftlhlbar zu macfien 
dass die Hindus morgens und abends um dir kleincs Feuer- 
chen Ijockten sei es vor den H5usern, se» es m denselben 
wobej dann m Ermnnglung der Scbornsteine der Rauch 
durch Tiir und Fenster und alle Ritzen der mit Stroh Oder 
Ziegeln bedeckten Dlcher quillt Das Heizmaternl ist uie 
schon ini Rigveda in der Regel KuhdDngcr ucicher sorg- 
faitig gesammelt zu klemen Kuchen gcformt und an die 
Aussenwlnde der HOtfen angekfalschf wird um m der 
Sonne zu trocknen Dtrselbe \erbreitct bcim Verbrennen 
cmen eigentOml/chen Ammoniakgeruch der sich wciJh/n 
bemerkbar macht Sollte ich ilin jc wicdcr nccJicn so wtrd 
es mir scin a!s \senn ich VMcder m Indien uJre 

Audi uns gemalintc der Winter, unsere Falut nacli dem 
hohen Norden U h null dem Pcnd^dilb dtin ailt^sten 
Sitze der indischcn KuHur, niclit langcr aufziisdiicbcn utuf 
«if bescfilossen Delhi und iHcs wdcrc'fOr die ROckkdir 
zu \erschieben und \on Agra Obtr Lahore direkt incJi 
Ptshawar dem nordwc^tliclicn Endpunktc des anplo- 
mdischcn Reiches durchzuhlircn 

Am Morgen dcs achtcn Dezembere nthmen wir htrz- 
liclicn Abschicd von Ul Biij Mth und \on Ucm uhOnen 
Agra um in zNsctimdzvMnzigsWndigcr fahrl gkich durdi 
nach Lahore, der llwptsiadt dts I’cndscWh zu filircn. Dis 
Pcndschab im Nordwtslcn dts Indischcn Rtiches gcltgcn 
Nvird \on den Rcisenden gcwOhnlich nlchl btsuclit mr 
nber fOr mich ton bcsonUirtm Inicrcssc wcil ts der Sitz 
dtr aitcstcn indischcn Kuftur g«.\\cscn ist wft sk nns noch 
heuk nach drcl- Ms tlcrliustnd J^hren In den lri*cht.’i!cn 
Firben aiis den U>mncn dcs Riptedi cnlpcptnlcuchlcf 
Scildcm 1st Irtilicli Uber das Pendsch'Ut cinc \rikcrwct!c 
nach der andcren pellutet hirrhtr t nchlc der AlcicsrderrtT,, 
die I ficchlscfic KuJtur m n hicr aus w. aim au%h die Mr *nn 



HtJisctier Wmler HmmatcnaJ Die Mohimracdaner 


83 


medanCT heTcmgebtochen, und hief haben sic noch heute 
ihren Haupisitz. indem die HMUe der Be\Olkerung oder 
mehr m den norduesthchen Provinzen mohammcdaniseh 
jst Freilich smd diese Moliammedaner nur tciUscise ein- 
gevsanderte Araber, cm grosser Tcil derselben smd ziim 
Islam bekehrte Hindus, und es wilre fUr die Beurteilung des 
Emflusscs, welchen die Religion auf den Menschen ausObt, 
\on grossem Inleressc, festzustellcn, inwieweit die islanii- 
sierten Hindus den Hmducharakter oder den Cliarakter der 
Mohammedatier im allgemeinen zeigen, welcher cm sebr 
\erscluedener ist Die GrundzUgc des Icfztcren lassen sich 
als Fanatismus, Neigung zu Gewalttatigkeiten und Habgier 
bezeichnen So v.ird sich jeder, der Agypten oder Paiastma 
besucht hat, noch lebhatt an die unverschamte BeUcIci, das 
ewige Bakschisch-Geschrei und die Unzulnedenheit erinnern, 
mit der auch die reichhchsle Gabc enigegengenommen zu 
werden pflegt Ahnliche ZQge, wenn auch nichl in so hohem 
Grade, zeigen die Mohammedaner m Indien Aber trotz 
ihrer Habgier haben sie doch kemen eigcnthchen Erwerbs- 
tneb und unterscheiden sich dadurch von ihren Rassen- 
brudem, den Juden sehr merkhch Der Jude ist auch 
gevvinnsUchtig aber er ist dabei massig und 'parsam und 
bnngt es daher niclit selten zu einem Wohlstande, der fur 
die chnstlichen AbtbUrger etwas Befingstigendes hat Der 
Mohammedaner hingegen wie man mir in Indien oft ver- 
sicherte, rafft nur zusammen um das Errungene alsbald 
vvieder zu vergeuden Daher er selten zu grCsserem Wohl- 
stande und emer dementsprechenden einflussreicheren Stellung 
in der Gesellschaft gelangt Als Diener ist der Moham- 
medaner, well die Kastenvorurteiie wegfallen, brauchbarer 
als der Hindu Die KOche in den Hotels und Dak Bunga- 
lows smd fast durchweg mohammedanisch Bekannt ist 
die Starke Sinnlichkeit dieser Rasse Eine Folge derselben 
isl die Sngstliche Abschliessung der Weiber, und nichts ist 



84 


IV. Von Bombay bis Peshav..ir 


beliistigcnder, als zu schcn, wic cm Moliammedaner mil 
seincm weiblichen Anhangc zu reisen pfiegt Wenn er aus 
dcm Eisenbahnwagen aussteig(, so muss jcdes Weiblein 
aus dem Coupe unrntffeJbar m eioe von alien Seden ver- 
schlossene Sanfte schlllpfcn und wird m dieser bis zum 
Wagen gclragen 1st keine Sifntte vorbanden, so sWIpt der 
Gatte emer Frau nacli der anderen emen langen, bis auf 
die Flisse rcichenden Sack Ober und geleitet sie zu emer 
entlegenen StelJc des Balinhofs, wo sie unbevvegJjcb sfehen 
bleibt Oder niederhockt, bis auf diese Weise alle weiblichen 
Mitglieder der Familie ausgeladen worden sind und dann 
mittels Wagen weitertransporhcrl werden 

Diese und ahnliche Secnen konnten wjr oftmals auf 
unserer Fahrt nach Norden bcobachlen, die uns von Agra 
m vierzehn Stunden nach (Jmballa und sodann die Nacht 
durch m weiteren aclit Stunden nach Lahore flihrte, wo wir 
am anderen Morgen frOh um sieben Uhr ankamen 

Da wir am selben Abend wciter zu fahren gedachfen, 
so Lessen \vir unser Gepack unfer Obliut des Dieners auf 
dem Bahnhofe und machlen einen Morgenspaziergang in 
die Stadt, die uns von einem Modell im India Museum in 
London her bekannt war und allerdings eme gute Vorstellung 
von der Anlage der mdischen Stadte gibt 

Die indische Stadt im allgemeinen lasst sich vergleichen 
emem Kreise und emer an denselben gelegten Tangents 
Die Kreisfiache wird gebildpt durch die enge, mif krummen, 
wmkJigen Gasschen diirchzogene Eingeborenenstadt, die 
Tangente besteht in emer schOnen breiten Chaussee, ge- 
wOhnlich the MaU genannt, an welche sich ein System von 
Querstrassen und Parallelstrassen anschliesst, alle sehr breit, 
gerade und wohl gepflegt, welche die von den Europaern 
bewohnten Stadtteile bilden und hSufig noch als Civil Lines 
und Cantonment unterscbieden werden Der letztgenannte 



Ove ndische Stait Spauc^ng m Lahore 


85 


Tell ist eigentlich fQr die OffizitrsvscU bestimmt doch findet 
man in ihm auch Mele Cudistenwolinunqen Die genannten 
breiten Chausseen, welche sich oft stundenlang erstrccken 
und der Stadt cine ungeheure, nur durch Wagen zu beuSl- 
tigende Ausdclinung geben, uerden nun nicht etua von 
Hausem eingerahmt, sondem von grossen Gnindstacken mit 
Garten und parkartigcn Aniagen, in denen in erheblicher 
Entfernung von der Strassc vvie von einander sicJi grosse 
Villen und palastartige Gebaude mit Saulengangcn und 
schbnen Hallen erheben Tcilvvusc sind dieselbcn Prnat- 
wohnungcn, teilwcise diencn sie auch a!s Hotels, Bank- 
hauser, Verkaufsiaden u dgl Auch die europaisclien Hand- 
werker schcinen in Indicn schr komfortabcl zu Icben Oerade 
in Lahore war es, \so icli eines Abends un Hotel nach ein- 
genommenem Diner nieine Cigarre rauchend mit cinigen 
Hcrren um das m der abcndlichen Klihle uillkommcne 
Kammfeuer sass Einer dcrsclben, von elcgantcr Kleidung 
und vomehmcn Manieren, wusste Uber allcrlci recht gute 
Auskunlt zu geben, und ich war cm wenig Qberrascht, als 
sich im Laufe der Unterhallung hcrausstcllte, dass cr nichts 
anderes als em Militarscbneidcr war 

An jenem Morgen unserer Ankimlt durchschntten wir 
die geschilderten Aniagen des europSischen Vicrtels und 
gelangten sodann m die Emgeborenenstadt, in deren engen 
Strassen die Menge hm- und Ucrwogle, wShrend die meistcn 
Hauser nach der Strasse zu sich zu VerkaufsUden bffneten, 
m denen m Sacken, Fasscm und Kisten die mannigfachsten 
Produkte feilstanden, wahrend der Verkaufer in gravitatisclier 
Ruhc hmter denselben auf dcm Boden kauerte, 

Nachdem wir das VeignDgen, uns in dem Labyrinth der 
Gassen zu verheren und wieder zurechtzufinden, genugsam 
durchgekostet hatten, stieg in niir der Wunsch auf, den Fliiss 
zu sehen, an welchem Lahore liegt Es ist die schon im 
Rigveda voikommende Iraxati („die Labungsreiche“), heute 



86 


IV Von Bombay bis Peshawar 


RSvi genannt, der mittlere von den fOnf ZuflOssen des Indus, 
welche dem PendscliSb den Namen gegeben habeij. Die 
indischen Flusse pfiegen m der Regenzeit ihr Bett iiSufig zu 
verandern, und selbst der Ganges wlihlt sich immer neue 
Wege und gibt dadurch den Besdzern der umliegenden 
Felder vielen Anlass zu Slreitigkeiten und mOhsamer Arbeit 
Und so fliesst denn auch die Ir^valf heute eine Viertelsfunde 
entfernt von Lahore vorDber Wir fanden einen Knaben, der 
eben mit seinem Sansknl-Abcbuch aus der Schule kam und 
sich sehr freute, als wir einen Wagen nahmen und ihm er- 
laubten, mitzufahren Rascli ging es nun zur Stadt hinaus, 
an Feldern und unbebauten Strecken vorDber, und bald war 
der FJuss erreicht Wir uberschrdten denselben aul emer 
Schiffbrucke, die, wie gewbhnhch in Indien, hbchst primitiv 
war, und genossen einen Blick in die freie Landschaft Der 
Reiz der sUdlicben Natur kam weniger zur Gellung, weil das 
umliegende Land, wie uberliaupt das ganze Hindostan, erne 
vollkommene Ebene bildet, wShrend die gewaihgen Gebirgs- 
massen des Himalaya viel zu fern liegen, um dem Auge 
sichtbar zu werden Etwas entiauscht fuhren wir zur Stadt 
zurUck, hielten bei einer Schule an und liessen uns diirch 
den Lehrer zum Vorsilzenden des Aryasamdj fOhren, eines 
Uber ganz Indien verbreitelen rehgiOsen Vereins, welcher 
semen Hauptsitz in Lahore hat 

Solcher Vereme haben sich m Indien neuerdings mehrere 
gebildet Sie beruhen alle auf dem Bestreben, der entarfefen 
und m Susserlichem Ceremoniell ersfarrfen Volksrehgion 
gegenQber zu alteren und wOrdigeren Anschauungen zurOck- 
zukehren Aber wShrend der BralmasamGj vielfach aus- 
landische und namentlich auch chnsthche Elemente aiif- 
genommen hat, und wdhrend der DliarmasamGj nach der 
anderen Seite extravagiert und die Verehrung der Idolc duldet, 
so halt der Aryasamaj, der in Indien wohl die grOsste Ver* 
breitung und die mciste Aussicht for die Zukunft haben 



Die tra\atr Der inaaamJj Dr Slcin 


87 


dQrfte, 2 \\jschen beitlcn eine mass\o!le Mittc Er halt einer- 
sells alles AusKIndische \on sich fern, verwirft aber ander- 
seits auch den Dienst der QDiterbilder und ist bestrcbt, \on 
ihncn zurQck zur Religion des Veda zu gelangen Unter den 
denkenden Hindus ist diese Riclitung \scit \crbreitet, und 
wenn man auf dem Bahnhof am Billetschalter Oder im Ge- 
packraum cmen Beamten sielit, auf dcsscn Angesicht liinter 
der sclten fehlenden Bnlle Iiebrciclies WoliIwoJlCn und ein 
gewisser kontemplativer Zug sicli auspragt, so Nvird man 
selten feh! gehcn, wcnn man m ihm emcn Anldlnger des 
Aryasamfl] siehl und ihn als sotchen ansprichl worauf sich 
dann alsbald die frcundlichsten Bcziehungen cntwickeln 
In grOsscren Stadtcn besitzl der ArjasarnSj cm cigcnesHaus, 
in welchem regelmassig gottesdicnstliche Versammlungcn 
stattfmden Gotterbilder cnthait dasselbe nicht, hingcgcn 
lodert in der Mitte m cmem kleinen vicrcckigen Raum, so 
gross wie die Offnung eines Schornstems, cm Peuer Den 
Versammlungssaal babe ich irgendwo gcschen, dem Gottes- 
dienste beizuwobnen, wozu man mich freundlich emiud, hatfe 
ich kerne Oelegenheit Nach dem, was ich darUber gehbrt, 
Nverden dort Hymnen des Veda und Slellcn der Upanisbad s 
verlesen, tiber welche sodann gcpredigt wird In Lahore 
steht gegenssirtig an der Spitze des Aryasamfl.] evn noch 
junger Mann, Hans Raj, von freundbehem Aussehen und be- 
scheidenem Wesen, mit dem ich eine kurze Unterredung 
hatte Er wird sehr hoch geschatzt, namenthch wed eralles 
aufgegeben hat, urn sem ganzes Lcben ohne Entgelt m den 
Dienst des AryasamSj zu stellen Ich verliess Hans R5j, urn 
mich zu Dr Stem geleiten zu lassen emem noch jungen, 
aber sehr verdienten Sansknt-Gelehrten, der damals noch 
Vorsteher des Sanscrit College m Lahore war Er empfing 
uns sehr freundlich und entnss uns mit einer gewissen 
hebenswllrdigen Eifersuchl den AryasamSj-Leuten, um uns 
fCr sich ahem in Anspruch zu nehmen Wirmussten soglcich 



88 


IV Von Bombiy bis Pcslnwir 


an scwQin FrOlistOcK icilnehmcn und Irnnkeii il.'izii euie 
Flasclie Kaschinirwcm, welchcr ganz vortrefflich war Von 
Indien zeigte sich Freund Stem wcnlg erbaut, uin so mchr 
von Kaschmir, welclics er vicl bcreist und zuni Zwcek ‘^ciiicr 
Herausgabc dcr RiljatarTtosim fleissig durcliforsclit hat Er 
crztllilte Viet von dcr Sclibnhcit des Alpenlaiidcs und von 
der pnmituen Art, wie man dort reisc, indem z B oft zuin 
Oberschreitcn von StrOmcn als cliizigc Brtlcke niir drei 
Stneke gespannt seie/i, der cinc fl)T d/e Ff/s'ie, die bciden 
anderen, um sicli mit den Handcn daran zu liallcn 

Indem wir in Qesellscliaft von Dr Stem, der vorzllglich 
m allem Besebetd wusste, noch diese und jene Sclicns- 
wbrdigkcvt der Stadt besucUten, ging dcr Tag in dcr an- 
genebmsten Weise Inn, und naclidcm wir am Abend nocii 
seiner Einladung zum Diner im Hotel Folge gctcistet, bc- 
stiegen wir, niit dem Vcrsprcchcn atif dem Rdekwoge einigc 
Tagc m Lahore zu verweilcn, den Naclitziig, in wclchem wir 
am andern Morgen In Rai\al Pindt erwachten Zahlrclclic 
Soldaten aiif dem Balmhofe, viele miliWrisclie Baulichkciteii 
und Einrictitungen in der Umgegend dciifefen darniif bin, 
dass hier die Englander emen besonders starken Waffen- 
platz haben Nacli emem trefflichcn FrUlistHck, wie es soiist aiif 
den BaiinhOfen sclfen geboten wird, fiihren wir \vei(er und 
errciclitcn gegen Mittag den Indus, da wo im Westen der 
Kabulfluss in dm hmeinstrOmt wahrend im Ostenvoni Fliissc 
das stark befestigte Attack m milcnsdier Lagc an dem Ab- 
hange ernes Berges Ichnt Eine prachtige EiscnbnlinbrClcke 
fUhrt Uber den Indus, wciclicr liter anmutig zwischen Bergen 
strOmt, Ubrigens aber die Erwartung eines grossen Stronics 
nlcJit erfidlte, m mcirierErinncrungersclie/nferkaunigrOsscr 
als dcr Rhem bcl Basel In der Regcnreit, wenn die Berg- 
wasser von alien Selten zustrOmcn, mig er wolil cinen an- 
dcren Aiiblick gewaiircn Die Balm ztcht sich von hier 
welter westlich In der kesselartig von Bergen umgebenen 



Kaschitiircrmncrungcn Dcr Indus Hotel In Peshawar 89 

Ebene des Kabultals htnauf, bis sic in Peshaw ar ihren End- 
punkt fmdet Hier langten wir im Laufe dcs Naclimitfags 
an und begaben uns sogleich in das einzige Hotel des 
Ortes Wir batten wolil besser getan, das Dak Bungalow zu 
uahlen Schon auf den ersten Blick zeigte es sich, dass 
dieses Hotel, das schlechteste, welches wir m Indien an- 
getroifen haben, m hohem Grade vcrwabrlost war Oaste 
waren ausser uns nicht vorlianden, und das Fremdenbuch 
\Mes aus, dass nur selten Frcmde sich hierher verloren batten 
und dann baldmbglichst wieder verscluviinden waren Eine 
alte Frau erschien, welche stcli als die Besitzenn des Hotels 
vorstellte Sie wies uns ein sehr primitives Zimmer an und 
selzte mich nicbt wenig in Erstaunen, als sie fUr den Tag 
und die Person sechs Rupien forderle, wtihrend wir sonst 
(iberall, mit drei bereclitigten Ausnahmen, in den ersten Hotels 
nur ftinf Rupien bezahlt batten Als ich dies geltend machte, 
ermSssigte sie ilire Forderung sofort auf flinf Rupien, ver- 
suchte dann aber nochmals zu betrUgen, indem sie spater 
auf der Rechnung das Diner besonders anschneb, mit der 
monstrbsen Behauptung, dass dasselbe im Pensionspreise 
mcht embegnffen sei NatUrlich gmg ihr dieses nicht dutch, 
und so blieb ihr nichts anderes ubng, als wenigstens m 
allerlei Kleinigkeiten, uber welche zu markten sich nicht der 
MUhe lohnte, uns mdglichst zu Oberfordern Wir begaben 
uns in den sogenannten Salon, in welchem mancherlei Haus- 
rat Wunderlich zusammengewurfelt war, und da der Abend 
kUhl wurde, so bemllhte ich mich langere Zeit vergebens, 
das ktimmerticbe Kanunteuec mdtels ernes zerbrochenen 
Blasebalges neu zu beleben 

Inzwischen batten wir an Colonel Warburton, die Haupt- 
person m Peshawar, emen Bnef mit der Bitte gesandt, uns 
die Besichtigung von Fort Jamritd zu gestatten Jamrud liegt 
zwei Stunden wesllich von Peshawar, da, wo die indische 
Ebene ihr letztes Ende erreicht, und die grosse Heerstrasse 



OO l\ V<nltflnliay t»U I’ci'n^sr 

"^Ich (liircli den bctfil mtin Ini Oc!'lr>jc hinjiif* 

xslnikl, ism inch Knlntl In Afj’lnnhl in 7si lillsrin Hltr isl 
inch dtr Iit/Jc I mlpunU dcr li»ll<tlicn Hcrncinft, derm 
Autnnm v\ir ju vcrdinVtn liiMcn. di«^ \sif durch ijinr 
Indicn tbcn'io ‘ilchcf tiKen Konntm %\lc in dcr Ikimat 
Andtf^ isl cs jcnstils \nii lo'i JimrmJ User JjPH dcr mj;* 
hsclic LinHsiss aul, niur jv'^jscJjcn dem inplssclscji Ttrri- 
IfrstJm s/nd Akds’snislin frdric).t sJeJj cin zu in/sj; K/lonicicr 
bfcitcr ncssInUr LanihlreJfcii, wcicjsir son •io^tninniin 
indfpfmifni tnlns i)c^w>liis( sxitt) So lifcrsncJd/R dksc 
Sllmme aiif llsrt UmbblnK/rl^tif si/nJ, so ucnif: benesderss- 
wert tiicscllst Cine Amafilt isl dsc fofjie, 

imd in den iJnzcIncn DOrftrn sreJicn sIcJi die virscfiltdtncn 
Partefen RCKcnnlicr, uic dit Alonfcccftf und Capnkdi in 
Sinkcipcirc’s Romeo nnd jiilir Cine PfftnUtcite Ssciterhtii 
pbt cs nicid, fcdcrminn field Iscwifinef, iincl nIJc Auficn- 
Isilckc Kommt cs ru SlrciHfil^cdcn und Blnficrplcsscn Cln 
fremder kann dicsc Qcfiend meld hefreten ohne dtc Ocfalir, 
lis Splon bclnch(c( nnd olmc ucilcrcs nlcdcrfitstliosstn zu 
Nverden Immcr ssieder koinml \<»n /cit lu Zest cm dcr- 
ardficr Unglflckslnll \or. wornuf dmn die Cnglander als 
Rcprcssniicn cln pnr DPrfer iticdcmibrcnncn pflCRcii Lfm 
dicsc Vorkotnmnissc zn vcniicidtn, gcsIiHcl die cnglrscfte 
Reglcrunfi nicmandom, den Klnlbar-Pass zu befrefen ins- 
genommen am Dicnslag und Predafi wo derstlbe olkn is{ 
und durch gendgende Besclziing md Soldafen IHr die Slcber- 
htlf dcr Relscndcn und Kirawmcn Sorge gefrigcn wird 
Urn dicsc DIngc In der Naiie zu seben bedurfic es dcr 
Crhubnls dcs Colonel Warburton und zu dJesem ZwceJee 
}r)? yxwi Jias rxi>rJO JlwrJ zwrib seiner WoJmiui^ 
in Pesisiwar gesindt Der Bole kim zurUck mil der Nadi- 
richt diss der Colonel sicb aiif Port Jamrud befindc So 
beschlossen wir ihn dort im nadistcn Morgen auf- 
zusuchen 



Fort Jamrud Dcr Khaibar Piss Independent tribes 91 

Es i«.ar em wunderschOner Sonntagmorgen, nn dein wir 
dies ausflihrten Die Sonne strahlte herrlicli nuf die Ebene 
des KabulHusses, welche als solchc durch die umliegendcn 
ragenden blauen Serge auf das schOnstc zur Gcltung kam 
Die nOrdliclie Lagc und die Nahe des Oebirges lerbreitete 
Fnsche, und so rollfcn vMr auf einem Tam-tam (einem 
leichten zweiradcngcn Waglein, welches fUr FalirgHstc und 
Kutscher vier mit dem RQcken gegeneinandcr stehenUe Sitzc 
bietet) auf jamrud zu Die Natiir war diesen Winter irr 
KabuUale besonders schtSn, da man hier, wie wir hbrten, 
ungewOhnlich rcichen Regen und frcilich auch infolgc dcssen 
mehr Fieber als sonst gehabtliatle Immer naiicrkamen die 
Serge heran, und wir freuten uns zu denken, dass wir hicr 
den Punkt erreicliten, wo wir nach der Luftlinie gemessen 
in Indien der Heimat am nadistcn waren Praktisch be- 
trachtet waren wir ihr hier frcilich ferncr, als irgcndwo 
,Denn welch ein Unternehmen ware es gewesen, von hier 
der Luftlinie nacli durch Afghanistan. Persien und das ttlr- 
kische Kleinasien oder Russland nach Hausc zu kommen’ 
Indes kommt das enghsche Bahnnetz dem russischen immer 
nSher, und zuletzt werden aUe pohtischen und tcchnischen 
Schwierigkeiten nicht mehr hindern kOnnen, dass sie sich 
zusammenschliessen und man in etwa zehn Tagen und 
Nachten von Berlin bis Calcutta direkt mit der Eisenbahn 
gelangen kann Dnler solchen Traumereien waren wir bis 
an den Fuss des machtig ansteigenden Gebirges gelangt und 
da lag auch schon Jamrud auf emem Hligel zur Linken, das 
erste Dorf ausserhalb des bntischen Reiches, und ihm gegen- 
liber zur Rechten auf englischem Boden das kleine, aber 
respektabel befestigte Fort Jamrud, wahrend zwischen beiden 
die Landstrasse die waldbewachsenen Berge limauf sich nach 
dem Khaibar-Passe hinzog Wir hielten vor dem Fort und 
hessen uns bei Colonel Warburton anmelden Er empfing 
uns sehr freundlich m seinem Arbeitszimmer, wo er gerade 



92 


JV Von Bombay bis Peshawar 


mit emem emgeborenen Obersten konferierte, den er uns 
vorstellte, dessen Name mir aber leider entfallen ist Einen 
emgeborenen Obersten* gewiss ein seltener Fall, dass em 
Emgeborener 2U emer so hohen WUrde in Indien gelangt. 
Es waren aber auch besondere Verhaltnisse, die ihn dazu 
befbrdert batten Dieser Mann stammte aus der Umgegend 
und hatte sich durch hervorragende Cliaraktereigenscbaften 
eine solcbe Autontat unter den Emgeborenen zu verscliaffen 
gewusst, dass die Englander froh waren, bei den endlosen 
VerwickeUmgen, wie sie an einer solchen Qrenzstation vor- 
zukommen pflegen und denen ein Englander me gewachsen 
sein wUrde, eine energische, der Sprache, des Landes und 
der Bevblkerung kundige Kraft dem englischen Befehlshaber 
zur Seite stellen zu konnen Dem entsprach auch die aussere 
Erschemung des Mannes, englisch sprach er so gut wie 
garnicht, aber seme hohe, kraftvolle Gestalt flbsste Achtung 
ein, sem Blick liess auf Mut und klaren Verstand, seme 
GesichtszUge auf Entschlossenheitund eineEnergie schliessen, 
der sich niemand so leicht zu widersetzen wagen mochte 
Er verabscliledete sich von uns nut emem krafhgen HSnde- 
druck, und nun entwarf Colonel Warburton von den herr- 
schenden Verhaitnissen em Bild, welches durcliaus das be- 
statigte, was wir auch von anderen geiiOrt batten und liter 
bereits mitgeteilt haben „Den Khaibar-Pass", sagte er, 
„kOnnen Sie ausser am Dienstag und Freitag ohne Lebens- 
gefahr nicht betreten Auch das Dorf Jamrud wUrde ich 
Ihnen zu besuchen nicht raten Sie wUrden niclits andercs 
antreffen, als was sie schon oft gesehen haben, und die Ein- 
geborenen smd den Fremdcn nicht hold, als Mohaiiimedaner 
sehr eifersUchhg auf ibre Weiber und dazu alle bewaffnet 
Hmgegen fiegt unmittelbar vor dem Dorfe ein Teich, welcher 
noch heute der Teich des Jemscfud heisst, worm Professor 
Darmestcfer eine Ermncrung an die iramsche Sage sifi 
WoHen Sie diesen bcsuchcn. so werde icfi Sic unfcr Be- 



Colonel Watburton m»d der cmgcborne Oberst 


93 


decUng dorthm gcleitcn lasscn “ Wtr naUmen das Anerbjcten 
danVbar an zehn Soldaten, aUcs braunc Hmdug<iSJchter, 
traten mil dem Gewehr an und gctcdetcn uns an den fast 
ganzlich ausgetrocknekn Teich, von wo wir erne gute Ans- 
sicht au! die Hauptslrasse des Dorics, die davor sitzenden 
Leute und die mil riinten bin- und bergehenden Menschen 
batten Mit diesem Bbck in die verworrenen Verhaiinissc 
der iranischen Grenzlandcr bcgnQgten wir uns und kebrten 
zurlick m Unterbabung mU cinem des Engbschen kundigen 
Hindu, welchen der Oberst uns gleicbfabs mitgegeben battc 
Er war zuersl resen-icrt, wurdc aber warm und milteilsnni, 
als wir au! unserc Bcziebungcn zum Ar>asamaj zu spreclien 
kamcn, welchem cr als Milglicd angchOrte Sein Amt war, 
von den Karawanen den Ubbeben EingangszoH — zwei 
Rupien fOr jedes Kamel — zu erheben 

Nacbdem wir nocb innerbalb des Forts unter dem 
Schatten unseres Wagens das mitgcbracble FrUhstdek ver- 
zebrt, traten wir den Heimweg an Die schnelle Fahrt wurde 
pbJtzbcb dadurch unterbrochen dass der Kutschcr bei cincm 
klemen Hause an der Landstrasse hieb, vor wclcbem ein 
Emgebofcner sassund semen Hugqa (mdische Pfcife) rauebte 
Unser Kutscher sprang vom Bock, bat den Rauchenden, dim 
seme Pfeife zu erlauben, tat daraus emige krabige Zdge und 
schwang sich neugestarkt wieder auf den Bock Nun gtng 
es munter weiter und gegen halb drei Uhr war unser Hotel 
Wieder erreicht Hier hatte sich unterdessen cm junger 
Hindu emgefunden, dem wir bnefhcli emptohlen worden 
waren £s war em sanffer» fieber Jlmgtmg von zarter, wie 
es schien, schwmdstichliger Konstitution, welcher mit Vor- 
liebe Philosophie studierte und dartiber klagfe, dass ihm 
durch die englischcn Professoren der Philosophic die Freude 
daran fast ganz benommen worden sei Ich konnte diese 
Klage urn so meUr verstehen, als bev uns ja ganz ahnbche 
VerhJltnisse bestehen Was sich heutzutage m Deufschlind, 



94 


IV Von Bombay bjs Peshawar 


England und, sowed der englische Emfluss reicht, aucli in 
Indien als Philosophic breit macht, das ist nicht mehr die 
Wissenschaft des Platon und Anstoteles, sondern ein 
psychologisches Experimenheren, bei dem es sehr fraglich 
ist, Ob etwas dabei herauskotnmt, und welches im besten 
Falle doch nur flir erne Vorhalle der Philosopliie gelten kann, 
heute aber die walire Philosophic verdrangf, urn sich an 
deren Platz zu setzen Ich verwies den jungen Mann auf 
die einheimische Philosophic des Vedlnta und die Ge- 
dankenschatze, welche sie enthait, und das Wenige, was ich 
ihm in der Kilrze sagen konnte, sch]en ihm neuen Mut ein- 
zufiOssen Er zeigte grosse AnhanglicJiked und begledete 
uns auf emer Spazierfahrt m die Stadt Der Basar, den wir 
hier zunachst besichfigten, war von besonderem Interesse, 
nicht nur wegen der Waren, die hier aus dem Oebirge jen- 
seits der Grenze zusammenflosscn, sondern nocli mehr wegen 
der halbwilden Gebitgsbewohner, welche, in Tierfelle ge- 
kleidet, sich hier emfanden urn die Rohprodukte ilires Landes 
gegen die Erzeugnisse der Civilisation umzutauschen „Sel)en 
Sie diese Gestalfen", sagte unser Begleiter, indem er auf 
eine abenteuerlich m Schaffelle gekleidete Gruppe limwies, 
„sie gehbren zu den unabhangigen Stammen jenseits der 
Grenze, wenn sie hierher kommen, um ihre SchafhHute und 
ihren Kase abzusetzen, so sind sie ziemlich zahm, aber 
droben im Gebirge moeWe ich ihnen nicht begegnen" Vom 
Basar fOhrte ims der Freund auf das flache Dacli ernes 
bffenUichen GebSudes, von wo man cine schOne Rundsicht 
auf die ganze Stadt genoss Oberall aus den Strassen und 
den Dhchern der Hluser quoll der Rauch hervor von den 
Feuern, die man bei der KUhle des lierannahenden Abends 
angerUndet hade Peshawar ist bertJchhgt durch seme 
haufigen FeuersbrUnste, und diese smd selrr begreiflich 
Sail ich docli selbst vor einem Hause auf der Strasse cm 
Feuer, dessen lodernde Flammen dem Holzwerke des Aussen- 



Die Philosophic m Itidivo Abfahrt \on Pcslianar 95 

geianders und der Dachsparre ztcmlich nahe kamen So 
kam dtr Abend hcran und mit ihm die Zed, uclche uirfiir 
unsere Abreise festgesetzt liattcn Wjr batten bis Lahore 
erne langc Fabrt vor uns, und ichhaUe\orsicbtigdiebcjden 
unteren Piatzc ernes Coupds erstcr Klasse rcservieren lasscn, 
m dcr Hoffnung, die Nacbt wie gewRhnlich allein bleiben 
zu kOnnen Aber cs sollte anders kommen 




FUnfles Kapitel 

Von Peshawar bis Calcutta. 

J^er freundltchc Hmduitingling, <ler wns so sclidn in Peslinuar 
^ gelDhrt hatte, Iiess cs sich natllrltch nicht nchmen, uns 
zu/n Bahnljof zu beglcilcn Ef war uns bchllUhch bcim Cm- 
stcJgcn, retclUc noch cmc ganzc Anzah! von Schachteln nut 
kOstiicticn Traubcn ats Abschtcdsgcschcnk in urtser CowpJ, 
nahm hcalichcn Abscliicd, und dcr Zug sctzte sich in He* 
vvegung Wir warcn allcm gcblicben und liolften in ruhigi.m 
Schlafc die Gcgcnden dcs Indu^ilalcs, die wir sclmn bci 
Tage gcscJien batten, lu diircbfalircn, imi dmn den nachsten 
Tag Jing alle seine f«nf bslbclan Zufinsse, welcbc dem 
Pendsebab den Namcn geben, zu gcnicssen Wir kleideien 
uiis aus uiut Icgtcn uns zum SeJdaten nitifer, di fncH der 
Ziig auf dcr naclisttn Station, die CoupOKir wurdc aufge- 
nssen, und beieinstugcn tin Herr und cine Dame Cs uar 
vcrdricssUch. aber is war nicht zu andern Die bciilcn 
Ikttcn fiber uiis wurden bcruntcrgelasscn, und unsreticidin 
KciscgcDhrlcn kJelterten bmauf Dn Trosi war cs noch Ifir 
tws. diss sic i /3 PanaJ Pwi3i um drcl Ubr niclils .m^zu^tcix-cn 
gcdacfiten Bis dihm uar an cm rubJges ScbJalen /rolicb 
niebt zu denktn Denn un^rc GcWbriai di vhen MrhicUen 
sicb iwar duicbaus ifickMChtsvotl und rubig. konn'cn cs aber 
m den bereebtigten Wunscfic, Ihre Stvtmn iifcbt /« ver* 



E5nc vcrdoTbtne Nacht Dte nOssc des Pendschib 


97 


saumen, nicht unterlassen, bin und wieder bei den Stationen 
das Fenster zn Offnen und sich zu erkundigen, wo wir seien, 
Oder dann und wann em Streichholz anzuzQnden, um nach 
dec Uhrzu sehen Endlich kam Rawal Pmdi, und wtr warden 
unsere Emquartierung los Aber schon auf der nachsten 
StaUon stiegen zweijSger zu uns em und nahmen von den 
obercn Betten Besdz Am Morgen nach dieser verdorbenen 
Nacht erreichten wjr Jliebm, welches an dem erstcn Zuflusse 
des Indus von Osten liegt, der heute cbenfalls den Namen 
Jlielim ftihrt, wShrend er bci den Gnechen Hydaspes, m 
Veda aber dm VimsM, d h die Ausgebreitete heisst Er 
macbt diesem Namen auch aUe Ehce, denn erne mcht enden 
woUende ElsenbahnbrUcke fUhrte aber die zahlreichen Wasser- 
nnnen, in welche er sich wahrend der trockenen Jahreszeit 
spaltet Wdhrend der Regenzeit mOgen sie wohl alle sich 
zu emer Wasserfldche verbinden und einen ma^estatischen 
Anblick gewahren, zuma! da im Norden das Panorama hier 
durch die Vorberge des Himalaya semen Abschluss findet, 
welche diese machtige Wasserfulle aus sich erglessen Weiter 
gmg es mit der Bahn Ober das zwischen Jlielum und dem 
ChenSb liegende Doab, ein Name, nut dem man im PendschSb 
die zwischen zwei Fllissen gelegenen Hochebenen bezejchnet, 
die stellenweise emen ziemlich stenlen Anblick bieten Ober- 
haupt entspncht das PendschSb keineswegs den Vorstellungen, 
wie sie uns in dem Rigveda entgegentreten, von einem an 
Waidern und Graspiatzen reichen Lande, sodass Dr Stem die 
Ateinung ausserte, die Inder des Rigveda mfJchten wohl viel- 
mehr in dem nBrdlichen Gebtrgslande gesessen haben Dem 
widerspncht aber der Tatbestand Denn wenn z B m dem 
bekannten Liede an die FlUsse, Rigveda 3,33, Vi^vamitra die 
Vipdf und die fTiimcfrf zusamraen feiert, so kann dieses Lied 
kaucn anderswo als an dem Zusammenflusse von Bins und 
Sutlej, mithm sudlich von Amritsar entstanden sein, wo das 
Gebirge schon tlber hundert Kilometer entfernt liegt Wir 

Deussen Erinnerunscn an lodien 7 



98 


V Von Peshawar bis Calcutta 


werden daher viefmehr annehmen mOssen, dass das Land 
erst infolge der Abholzung so trocken geworden isl Welchen 
Emfluss diese auf das Klima haf, das sreht man, wenn man 
nach Gneclienland und PaWstina kommt und die kahlen, 
nicht emmal mit Gras bedeckten Berge mit den Schilderungen 
aus dem biblischen und fclassischen Alterfum vergleicht Was 
hier die Ttlrken, das werden im Pendschab die Araber be- 
sorgt haben, beide sind ]a gewohnt, m den Tag hinem zu 
leben und fQr die Zukunft ihren Allah sorgen zu lassen 
Welter ging es dann Uber den Chenab, die alte Candrabhiiga, 
und nachmittags um vier Uhr langten wir glhckhch wfeder 
m Lahore an Schon am Bahnhofe hatte sich ein Pandit ein- 
gefunden, uns zu begrUssen, nut dem ich zu Fuss nach dem 
Hotel wanderte, wo sich bald darauf Dr Stem und gegen 
Abend, nachdem er uns verlassen, noch mehrere Pandits em- 
stellten Das Gesprach kam auf Astronomie, und mit £r- 
staunen bemerkte ich wtederum, wte diese gelehrten Manner, 
gestutzt auf thre einheimischen, aus dem Altertume tiber- 
kommenen Lehrblicher, den ganzen Himme! md alien semen 
Sonnen in 24 Stunden mit undenkbaren Geschwindigkeiten 
sich um die kleine Erde drehen lassen Der gestirnte Himmel 
Uber uns hatte diese Betrachtung angereg^ und hier, vvie 
Ofter in Indien, fiel mir seme Verschiedenheit von unserem 
nordischen Himmel auf Der Wagen steht so tief, dass er 
in der Regel gar nicht zu finden Is^ da er ganz Oder tejl- 
weise durch die DCinste des Honzontes verdunkelt wird, so- 
wed er nicht vOllig unter letzlerem verschwindet Auch der 
Polarstern ist unter diesen Umstanden oft schwer zu er- 
mitteln, und hat man ihn glUckItch herausgefunden, so ist 
jwan srsiami hbsr dsn fie/ejo Sfcand desseJbeo 

Da wir vier Nachte hmter uns hatten, von denen drei 
im Eisenbahncoupe und teilweise unter erschwerenden Uni- 
standen zugefaracht worden waren, so gingen wir frQhzeitig 
zu Bette An den folgenden Tagen pfiegte Dr Stem uns 



Klima dcs Pendschib Lai ore Sanscrit College 


99 


um sieben Uhr frlih zum erquickenden Morgenspaziergang 
abiuholen Wir besjchtigten dann die Parkanlagen mit inter- 
essanlen, aber armseltg unterhaltcnen Tieren, die emfacben 
Stemdenkmaier, welche die Inder zu sefzcn pficglen, no 
voimals erne Witwe mit threm Galten sich hattc verbrcnnen 
lassen, die SchOpfrader und anderen Vornchtungen, welche 
zur kUnsthchen BenSsserung des Landes diencn Nachher 
besuchlen wir dann in der Regel unseren Freund in seinem 
Sanscrit College Alit Freuden sah ich, wie er nut semen 
Hmdustudenten namenthch auch die Hymnen des Rigveda 
las Es ist dies um so anerkennenswerter, als gerade die 
Behandlung des Rigveda von seilen der Eingeborenen, wie 
mich ein spatererer Fall Ichrte, eine hOchst ungenilgende ist 
Auch wUsste ich nichl, wo in der Welt diese altesten Denk- 
maler der mdischen KuUur mehr vcrdicnten gelesen zu war- 
den, als in dem Lande, wo sie zuerst gesungen wurden, an 
den Ufern der IrSvati Obrigens docierten unter der Aufsiclit 
von Dr Stem auch mehrere tretttiche Pandits, deren Lehr- 
stunden ich mil Qenuss benvohnte Einen anderen Pandit 
lernte ich nSher kennen, der an emerMissionsanstalt Sanskrit 
lehrte Derselbe hatte grosse Lust, nach Europa zu kommen, 
und erkundigte sich angelegenlhch danach, ob es wohl mOg- 
hch sem werde, sich dort durch Sanskrit-Vorlesungen semen 
Lebensunterhalt zu verdienen Leider musste ich ihm erdffnen, 
dass dazu jetzt und in absehbarer Zukuntt nicht die mmdeste 
Aussicht ist Gehen wir doch einer Zeit entgegen, wo selbst 
die Kenntnis des Gnecbischen nur noch den Voezug, 
engcr Kreise ausmachen wird An Griechenland wurden wir 
gerade in Lahore lebhaft ennnerL als wir mit Dr Stem das 
dortige Museum besuchlen Die daselbst aufbewahrten 
Skulpturen bekundeten vielfach unzweifelhatt gnechischen 
Emiluss und standen dadurch zu den Erzeugnissen der ein- 
geborenen Plastik m einem sehr merkhchen Gegensatze 
So gingen mit Besichtigung der Stadt und ihrer Um- 

7 * 



100 


Von Peshawar bis Calcutla 


gebiing einige Tage in angenehmer Weise dahin Wentger 
wolUe cs gelingcn, mit der Gcsellschaft des Aryasam5j unfer 
diesen UmsOnden nUlicre Fillilung zu gcv.mnen Sie bat 
nneb, ihr cinen Vortrag zii halfen. wclcbes jch aucli bereit- 
willig zusagte Abcr durch {rgend cm Missvcrstandnis waren 
fllr den betreffenen Abend kerne Vorbereitungen getroffen 
Nvorden Es fanden slch nur cine germge Anzalil m der 
Eile lierbcigebolter Mitglieder zusammen, und jch begnllgte 
mich, Ihnen erne kurze Anspraclie zu halfen Um so reicher 
wurde ich beim Abscliicdc mil Buchern bcschenkt Es v\aren 
meist Ausgaben der bekannferen Lfpanisliad’s mit Erkiarungeii 
iind englischen Obersetzungen, welche allerdmgs auf emen 
noch selir pnmibven Stand der Veda-Exegese sctiliessen Jassen 

Am Naclimittag des 14 Dezember verJiessen wir Lahore, 
um die kurze Strecke bis Amritsar zu fahren Der berUhmte 
sogenannte goldene TempeJ dieser Sladt lohnte wohl erne 
Unterbrechung der Falirt, wenn aucJi die Naclit in emem selir 
mittelmassigem Dak Bungalow zugebraclit werden musste 
Nachdem unsere Saclien dort untergebracJif, fuhren \s»r sofort, 
denn der Abend rllckte heran, zum goldenen Tempel, welclier 
den Sikh's, angehOrt, deren Religion aus indischen iind 
mohaminedanischen Elemenfen gemischt ist, und die in Am- 
ritsar ihren Hauptsitz haben Der Tempel ist nur klein, Iiegt 
aber wunderschbn von der Stadt umgeben mitten in emem 
grossen Teicfie, in dem sich seme vergoldeten Kuppeln spie- 
geln Der Zugang ist Uber erne lange BrDcke, aiif welcher 
zur Zejt unserer Ankunft ein erstaunliches MenschengeuimmeJ 
hm- und herwogte Jedem fremden Besticlier iverden von 
ilv jUistewien X^naben ein paar 

Sandalen untergebunden Auch ein emgeborener Policeman 
hat den Fremden vorschriftsmassJg zu begJeifen, was m Indien 
sonst ganz ungewOhnlich ist und auf elnen stark entwickelten 
Fanatismus schliessen Idssl Das Innere des Tempels, m 



Abschted \on Lahore Amntsar Mr Summers 


101 


welchem die Verehrer sich diclit durcheinander drangten, 
durfte von uns natOrlich njcht bctretcn werden, doch Iiess es 
sich von den wed geOffneten Pforten aus voUkommen Uber- 
selien Em FDhrer geleitel den Fremden auf das flache Dach, 
wobei man die \ergolde(en Kupferplatten, mit denen die 
Kuppeln und andcre Teile bedeckt sind, und von welchen 
der Tempel den Namen hat, aus nSchster Ndlie bctrachfen 
kann Die emtretende DUmmerung mahnte zur RUckkehr 
Wir haUen em Gcwirr volkreicher Strassen zu passicren Die 
Zudnnglichkeit der Handler, welche den Wagen Dberall auf- 
ziihalfen suchten, liess auf einen stark cntwickclten Fremdeii- 
verkehr schliessen Beim Dinner im Dak Bungalow waren nur 
wenige Gaste vothanden, und es entspann stch eine ganz 
angenehme UnterhaUung, namenllich cm Mr Summers, em 
Mann m den besten jahren, der sich nachher alsAfcmfier oj 
Parliament vorstellte, zeigte durch seine Fragen eingehenderes 
Interesse, als man es sonst bei dem Durchschnittsenglander 
zu fmden pfiegt Wir sassen noch lange mit ihmzusammen 
und haben ihn noch mehrere Male wieder getroffen, so m 
Delhi, wo er edng die Schulen besuchte, und am heiligen 
Abend m Lucknow, wo ich ihm, um die possenhafte Vor- 
stellung einer Bande von schoUischen Musikanten zu ver- 
wischen, emige deulsche Weibnachtsheder vorspielte Das 
sollte unser Abschied filr dieses Leben sein Am nScIisten 
Morgen fuhr er nach Allahabad zum nationalen Kongress, 
und zwei Tage spater hbrten wir, dass er dort, man wusste 
nicht an welchem Leiden hoffnungslos erkrankt darmeder 
liege Wenige Tage darauf lasen wtr in der Zeitung seme 
Todesanzeige Als wir dann spStcr nach Allahabad kamen, 
hOrten wir m dem Hotel m welchem er gestorben war, das 
Nahere Er war an den Pocken erkrankt, und man vergass 
mcht hervorzuheben, dass er im Parlamente als ein Gegner 
des Impfzwanges bekannt war 

Wir haben es vershumt, uns vor unserer 1 



102 


Von Peshawar bis Calcutta 


Itidien nochmals impfen 2 U lassen, und die Sache ist ja gut ge- 
gangen, aber wie die Dinge Iiegen,istdiese Vorsichtsmassregel 
jedem, der nach Indien reisf, enfschieden anzuraten Die Cholera, 
wie schon oben bemerkt pflegt, wie die Hindus sagen, einen 
Gentleman nicht zu befallen, die Fieber freten vorwiegend 
nur in der Regenzeit auf, aber einer Ansfeckung durch die 
Pocken ist man durch jedes Hotelbeff, ja durch jeden Wagen 
ausgesetzt, in deni vorher em Pockenkranker gesessen hat 

Nachdem wir uns an jenem Abend in Amntsar von Mr 
Summers und der Ubngen Gesellschaft verabschiedet, suchten 
wir unser Schlafzimmer auf, dessen TOr wir bei dem Feblen 
jeder Schhessvomchfcirtg durch Vorbau after unserer Koffer 
und Effekten nofdurffig verrammelten 

Der frllhe Morgen land uns wieder auf dem Bahnhofe, 
zu einer langen Eisenbahnfahrt, die uns abends nach zehn 
Uhr nach Delhi fahren sollfe Viete von Sage und Poesie 
verhcrrJichte Orte flogen an uns vorUber Zunachst ging es 
fiber die VipQf (die fesscllose, heule Bias) und (Tufudrt (diz 
hundertiaufige, heute Sutlej), beide sachgemass benannt, mcht 
weit oberhalb ihres Zusammenflusses, an welchem \or mehr 
als dreitausend Jahren Vi^vSmitra das schon erwahnle Lied 
dichtete, welches uns im Rigveda mit soJcher FnscJie enl- 
gegentrilt, als ware es gestem entstanden, und Uber so weite 
Zeiten und Raume hinweg eine uralte, feme Vergangenheft 
wieder aufleben lasst Indem wir dann weiter die kfeme, 
m der WUste unterhalb sich verherende und doch so hoch 
gefeierte Sarasiaft uberschriltcn, tratcn Mir gleichsam aus 
dem Sagenkreise des Rigveda in den des Mafulbhdratam 
hmtlber, berilhrten bei Station Kamo! die Gegend, m welche 
das grosse Schlachtfeld von der Sage verJcgt uird, und 
kamcn spat abends in Delhi an. der Haupfstadt des Reichcs der 
Grossmogute m elche neben der SOtte des alfcn Indraprastham 
der Rcsidenz der Heldcn des Mah5bh3rafam, erbaut Isf 



Poclengefahr Viply und ^utudri Delhi 


103 


A\an hat Delhi sehr treffend mit Rom \erglichen Wie 
Rom ist Delhi heule erne gewcrbfleissigc Handelsstadt, nur 
dass m Rom Toga und Tunica dem Rock und der Hose 
gewichen smd, \',^hrcnd m Delhi wie nberall in Indien die 
alten malenschen KostOme sich erhalten liabcn Wie in Rom 
allenthalben die Denkmaler der p»1pstlichcn Hcrrschaft ent- 
gegentreten, so in Delhi die nicht minder grossarbgen Ober- 
reste der mohammedanischen Herrlichkeit Und wie In Rom 
durch Kirchen und Kapellen die Obcrbleibsel des klassischen 
AUertums in sWrender Wcisc lugcdeckt werden, so vcrdccken 
auch m Delhi die Moschcen, Paiaste und Grabmaier der 
mohammedanischen Periodc cine flUere und flir uns interes- 
santere Vergangcnhcit, die Ennnerungen an Indraprastham, 
die Hauptstadt der Mahablilrata-Heldcn, nur dass das 
moderne Rom unmittclbar au! dem antiken stehl, Uilhrend 
sich sUdlich von Delhi das alte Indrapiastham wenigstens 
m seiner Rmgmauer voltsiandig erhalten hat Denn so wie 
sUdlich von Rom die Campagna mit ihrcn zahlrcichcn Resten 
aus dem Altertume sich ausbrciict, so crslreckt sich im 
Suden von Delhi zwci Stunden weit cine Gegcnd, welclie 
bis zum Kiitb Minor hin mit Denkmalern aus der moham- 
medanischen und zum Ted auch aus der allindischen Zed 
tibersaet ist Eine Beschreibung allcr dicser Herrhchkeiten ist 
an vielen Often zu finden, wir mOssen uns darauf beschranken, 
emige persBnliche Eindrucke wiederzugeben Auch fDr Delhi 
fehUe es uns nicht an Emplehlungen, die uns die Kreise 
dec Emgeborenen erschlossen Diesmal waren es einige 
reiche Kaufleute, denen unsre Ankunft vorlier bneflich 
gemeldet war, und die sich denn auch gleich am Morgen 
nach unserer Ankunft im Hotel zu unserer Begrilssung ein- 
tanden Wir durchwanderten nut ihnen den slldlich vom 
Bahnhofe innerhalb der Stadt gelegenen Park, warfen emen 
Blick in das dort befindliche Museum und wandten uns 
dann nach der Chandm Chauk, der Silberstrasse, welche in 



104 


V Von Peshawar bis Calcutta 


ansehnlicher Breite die Stadt durcfizieht und md ihren stad- 
lichen Laden und dem davor auf- und abwogenden Verkehre 
emsiger Menschen Zeugnis davon ablegt, dass wir uns Iner 
an einem Mittelpunkte des industnellen und kaufmannisclien 
Indiens befinden Besonders interessant war es uns, von 
unsern freundlicben Begleifern in das Innere ihres Waren- 
hauses eingeftihrt zu vverden Den Mittelpunkt desselben 
bildete, wie gewbhnhch m Indien, em von dem Hause um- 
schlossener Hofraum, der als Empfangszimnier dient, und m 
welchem die Qeschafte abgetvickeif werden (Jm denselben 
berum zieht sjch das an jedem Slockwerke mit Veranden 
versehene Haus, welches sicli in offenen Rundgangen nach 
dem Hole zu Offnet, wahrend im Innern die mannigfachen 
Waren lagern Wie die meisien Kaufleute m Indicn, wo 
die KuJtur noch nicht bis zum Begriffe der Arbeilsfeilung 
gelangt ist, waren auch unsere Freunde General Merchants, 
d h sie befassten stch mit Export, Import und Verkauf aller 
mOglichen Artikef Im Ubngen waren die Intercssen zwischen 
uns doch zu versclileden, aJs dass cs zu mnigen Beziehungen 
hattc kommen kOnnen 

Die oben genanntc Hauptstrassc Chandni Chauk, wclchc 
Delhi von Westen nach Osten laufcnd diirchschncldet mOndcl 
am Ostlichcn Ende In dem Fort dcrFcstung welche, zwischen 
Stadt und Yamuna auf emcr ErhOhung prachtvoll gclcgcn 
cinc Anznhl hOchst mtcrcssantcr Hallcn und Prachlbavifcn tin- 
schhesst und zur BlUtezcit der mohammcdaniscJicn Herrschaft 
wohl emc marchenhaftc Hcrrliclikcit zeigcn mochtt, wahrend 
hcutzutige die Bcnutzimg vicicr Baiiten zu Mihtirzwcckcn 
die In Pjramlden aufgctflrmtcn Kanonenkirgeln, die auf den 
Wallen aidgcpflanztcn Kinonen, die hln- und hcrgihcndcn 
Schildwachcn cmen seltsamcn Konirnst zu den noch erhahentn 
Denkmalcm dcr Grossmogule bildcn Die henorragend^fen 
sind die htrrhchc nach dreJ Sritcn ottene all^cmclrt Aiidicnr- 
hillc (Dnnn-f-’A/n) und die noch schOnerc, an dcr^anunl- 



SehensuDrdigVeilen Dtlhis 


105 


Seite gelegene und \on Gartcnanlagen umgebene pnuJe 
AudienzhaUe {Dt^an-t-Khas), welche bei threm Reichtum \on 
marmornen, mit Gold \er 21 ertenSaulen und bei der entzOcken- 
den Natur, die sic umgibt, \^ohl die Insehnft rechtfcrligcn 
mag, die m persischer Sprache an der Wand prangt* 

GlBT ES AUF ERDEN El% PARADIES, 

SO 1ST ES DIESELS, JA DIESES OEWlSS 
Dass es fredich auf Erden kcin Paradres gibt, das zeigen 
deutlicher als irgend clwas die furchtbaren Schicksale des 
Shah Jehan, ^\elchen aUe dicse Herrhchkcitcn nicht da%or 
schUtzen konnten, \on semen eigenen SOhnen verraten und 
bekriegt zu w erden und sein Lcben im Kerker zu enden 

Unweit des Di\an-i-Khas und cbcnfalls an dem zur 
Yamuna fuhrenden Abhangc Uegt die klemc, abcr kostbarc, 
aus Vkcissem und grauem Marmot errichlcte MoU Musjid, 
d h Pcrlmoschee Sie 1 st in der Tat m ihrcrArt erne Perlc 
und bckundot, wic in ihrem Namcn, so auch in direr IBauart 
die Verschmelzung des tndischen und islamischen Elementes, 
welche die Signatur des ZeilaMers war, aus der sie stammt 

Abgesehen von dem, was das Fort enlhail, ist das gross- 
ailigs^e Oebaudc Delhis die herrhch aui der Hbhe gelegene 
Jumna Musjid, \ollendet im Jahre 1658 demselben Jahre, in 
welchem der dustere Fanatiker Aurengzaib semen Vater Shah 
Jehan des Thrones entsetzte Von drei Seiten (Qhren pracht- 
voUe Freitreppcn empor zu cmem grossen, mit Mauern und 
Turmchen emgefassten Platze, wShrend an der \ierten Seite 
die Moschee selbst sich befindet. wie gewOhnIich m Indten 
nur aus emer offenen QbenvOIbten Halle bestehend In einem 
der kleinen EcktUrme des Vorplatzes werden eintge kostbare 
Reliquien gezeigt, em Pantoffel und cm Haar aus dem Barte 
des Propheten, daneben auch em Abdruck semes Fusses in 
Stein, welcher fUr die Echtheit der beiden anderen StUcke 
gerade kem ghnstiges Vorurteil crweckt Interessinter sind 



106 


Von Peshawar bis Calcutta 


eintge alte Korinhandschnften, darunter eine aus der 2eit des 
Ail, aus dem Vil Jahrhunderf n Chr 

Zweimal verwendeten wir in Delhi emen Tag dazu, urn 
die sUdlich von der Stadt sich erstreckende Gegend nut ihren 
zahlreichen, zum Teil woWerhaltenen GrabpaJSsten und anderen 
Denkwlirdigkeiten zu besuchen, das eine Mai begleitete uns 
emer von den jungen Kaufleuten unserer Bekanntscliaft, das 
andre Mai em Lehrer, den wir in der Schule kennen gelernt 
batten und zufalbg mit seinem HOndchen auf der Strasse auf- 
gabelten Bei Humayun’s Grab, zu welchem der Koter kemen 
Zutntt hatte, kam er uns abhanden, worllber der Hindulelirer 
sich hbchhch beunruhigte, bis wir nach langem und vergeb- 
lichem Pfeifen, Herumlaufen und Suchen den RUckweg an- 
traten und schbessbch das Hltndcben ganz ruhtg auf einem 
Steinhaufen an der Chaussee im Schalten ernes Mangobaumes 
sitzend fanden Wir nahmen es m den Wagen und die 
Harmonie der QemUter war wieder hergestellt 

Auf diesen Rundfahrten im Sflden von Delhi traten uns 
eine solclie Fulle merkwitrdiger OegenstSnde entgegen, dass 
wir hier nur das Wemgsfe davon erwahnen kOnnen Oleicli 
nachdem man Delhi durcheines der sUdlichen Tore verlassen 
hat, bietet sich den Uber em Trummerfeld schwetlendenBlicken, 
an der Stelle der nur aus einem hohen SteinhUgel bestehenden 
ehemaJigen Befesfigung Ferozabad, die von ilirem ursprUng- 
lichen Standorte im 16 Jabrbundert hierher verpflanzfe StJuIe 
des A(oka dar, wetche, nebsf etner Anzahl ahnbcher SauJen 
urn das Jahr 250 v Chr von KOmg A?oka ernchtet, nocli 
heute, neben spater angebrachtcn anderen Inschriften, die be- 
rlihmte Paliinschnft an ihrem oberen Teile zeigt Sie enthait 
cm Edikt des KOnigs Agoka und gill ftir das alteste inschrift- 
liche Denkmal Indiens Aber cine noch viel altcrc Erinne- 
ning riift der sUdlich davon gelcgenc PurSna Qi/n (die alle 
Fesfung) wach, welchcr auch Jndrapal genannt uird und 
sonach die Static bczcichnet, auf wclcher die Stidt des alfen 



Umgebung ^on Delhi Indraprastham 


107 


Bharata-KOmgs Yudhishthira stand Sie besfeht aus cinem 
Huge!, der \on einer uralten, meist noch uohl erhaltenen 
Mauer umgeben ist, wShrend In dem inneren sjch em Hindu- 
dorf behaglich eingenistet hat Der Eingang ennnert sehr an 
die Porta Manna, durch die man m das \ucder ausgegrabene 
Pompeji tntL Jedesmal, wtnn ich Pompcji besuchte, \\ar ich 
bemUht, m memer Phantasie den altcn Zustand der Sfrassen 
und Hauser Nsieder herzustellen und dieselben durch die 
Gestalten alter Rbmcr zu beleben Was hier nur unvoll- 
kommen m der Embildungskraft geschah, das zeigte Indra- 
praslham bis zu emem gewissen Grade m Wirkhchkeit Es 
war, als wenn Pompcji uieder lebendig gevvorden %sare, denn 
kaum waren wir durch den an die Porta Manna ennnernden 
Torweg geschntlen, da hockte links bei seiner Arbeit em nur 
mit Schurz und Turban beWeideter Schuster, da lehnten rechls 
an der SSule zwei Gestalten, welche bis auf die braune Farbe 
ganz aus dem klassischen AUertum batten stammen kbnnen 
Da spieUen urn die nach der Strasse zu olfenen Hlitten und 
Laden halb Oder ganz nackte Kinder, und als uns gar zwei 
Manner begegneten, welche, bis auf die Lenden unbekleidet, 
tiber den Schultern erne Stange trugen, an welcher in der 
Mitte zwischen beiden em grosses Tongefass hmg, wie man 
es so oft auf antiken Vasenbildern sieht, da war die Illusion 
nahezu vollstandig, und die Freude eine nicht geringe Wjr 
bestiegen mit dem erwahnten Lehrer einen noch erhaltenen 
Turm aus alter Zeit, von welchem aus man das ganze Dbrfchen 
Ubersah, und der emen bequemen Einblick in die inneren 
Hofraume und die Zimmer der HUtten gewahrte GewOhn- 
Uch bestand eine solche Wohnung aus emem klemen vier- 
eckigen, rings eingeschlosscnen Hofraume An der Vorder- 
seite v^ar der torartige Emgang, ihm gegenuber lag eine Uber- 
dachte, nach dem Hofe zu offene Halle, in der die Haus- 
bewohner ihr Wesen batten In der emen Ecke war cim, 
Feuerstatte zum Kochen angebracht, links und rechts bestand 



108 


V Von Peshawar bis Calcutta 


die Umfassung des Hofes aus klemen, verschliessbaren, stall- 
artigen RSumen, welche die Schlafstellen auf der einen Seite 
fUr die Manner, auf der anderen fflr die weiblichen Bewohner 
bildeten Nachdem wir eine der Wohnungen naher besichtigt 
und die Dame des Hauses dutch einige Kupferstlicke glUck- 
lich gemacht batten, warfen wir noch emen Blick m die un- 
bedeutende Moschee und untemahmen dann emen Rundgang 
ausserhalb der Mauer urn die Stadt herum, indem wir nut 
Ehrfurcht die hoch aufsteigende, 2 um Teil gewiss aus sehr 
alter Zeit stammende und fast durchweg wohl erhaltene Stadt- 
mauer betrachteten 

Em besonderer Glanzpunkt ist noch der zwei Stunden 
sadhch von Delhi gelegene Kuib Minor mit einem gewaltigen, 
fUnf Stockwerke hohen Aussichtsturm und emer Moschee, die 
zum Tell aus Saulen und anderen Resten von Hmdutempeln 
ernchtet sind In der Mitte des Hofes ist eine hdchst merk- 
wlirdige S^ule, deren Schaft ganz aus Schmiedeeisen 23 Fuss 
hoch aufragt und m einer Sanskntmschrift den Sieg eines 
Kbnigs Dhava, wahrscheinlicli aus dem vierten Jahrhundert 
p C, verkUndigt 

Auch in Delhi versaumten wir nicht, verschiedene Sans- 
kritschulen zu besuchen, und warden dadurch mit emfgen 
sehr IiebenswUrdigen Pandits bekannt Namentlich emer der- 
selben, mit Namen BankefSf, zeigte grosse AnhSnglichkeit an 
uns Da er von seinem verstorbenen Valer, emeni der nam- 
hafteren indischen Gelehrten, eine grosse Sammiung von 
Handschntten geerbt hatfe, so lud er uns an einem Morgen 
frUh zur Besichtigung derselben em Meine Frau solUe bo 
dieser Gelegenhejt mit der semigen bekannt gemacht werden 
Daraus wiirde nun froheh mchts, denn als \Mr, von Ihm ab- 
geholt und geleitet, in seiner engen und wm’kligen, aber darum 
nicht unbehaghchen Wohnung etntrafen, und icli ihm vor- 
schlug, dass er, der Absprachc gemflss, meinc frau der 
semtgen zuftJhren mOge, so bat er davon abrustchen mit der 



Ejtie Dorfv'voHnutig Eia indtsches Oetehrttnhein 


tog 


BegrQndung lajjaic, „sie sch5mt sich“ Wtr wandten uns der 
Besichtigung dcr Bibliothek zu, sie bcstand aus einer Art \on 
Wandsclirank. m welcliem eine mch dem Katalog, den er auf- 
wies, zu schliessen sehr reichhaltige Sammlung zum Tcil alter 
und \ielleicht wertvoller Handschnften aufgestapcit lag jede 
dcrselben war in cmen alien Lappen grUnen Tuclies sorg- 
faltig emgewjckeU, namenllicli wold zum Schutze gegen die 
Insekten, und es war cm umstandlicties Verfahren, dicse kost- 
baren Schatze jedesmal aus dcr anspruchloscn Htllle heraus- 
zuschaicn Den Vorsclilag, ctwas davon zu \erkaufen, lelinte 
er bescheidcn, aber nut Bestimmthcit ab Hingegen schenktc 
er mir mehrere Handschnften, daruntcr cine sehr alte des 
ersten Buches des Amarako^a Audi bei unscrer Abrcisc 
von Delhi stellte sich BankcIM auf dem Bahnhofe cm Er 
Dberreichte meiner Frau cine von seiner Oattin ftlr dicscibc 
zierlich gcarbcitete Bdrsc, und als wir ms Coupd stiegen, 
nahm er von dem hinter dim schrcitcndcn Dicner cm auf 
mehreren Tabtetts zusammcngestclttes Hindu-Diner und schob 
es uns in den Wagen nach Da waren mancherlei GcniDse, 
in Weincn Biatternapfchen zierhch angenchtet, da war ein 
grosser Topi nut Milchreis cinc hohe Sclucht aufeinander 
gelUrmter Flatten und erne grOsscrc Anzahl von slissen Speiscn 
und mancherlei Backwerk 

Wieder einma! fuhr der Zug ab, und wieder emmal fiel 
damit der Vorhang Dber dem Icbcnsvollen Bilde einer grossen 
und merkwlirdigen Statte der Ennnerung belebt von so 
schnefl gewonnenen und, ach! schon nach so wenig Tagen 
wieder verlassenen Freunden, die meisfen wohl auf Nimmer- 
wiedersehen Indessen fuhren wir getrosten Herzens in die 
im herrhehsten Sonnensebein tind — cs war am 20 Dezember 
— im Uppigsten Sommersclimucke prangende indische Land- 
schalt hinaus und freuten uns, in dem heihgen Lande zwischen 
YamunS und GangS zu fahren und einer der aherheihgsten 



no 


V. Volt Peshauar bJs Calcutta 


Stadtc ziizuslrcben, dcm sagcnumwobcnen Matfnirii, tiem 
Gebiirtsorte dcs Gottes A'mA/ja, welches mati fllglich alsdas 
inclische Bethlehem bezcichncn kann Wjr Jangten gegen 
Alittag aiif cjnem kJemen, zicmlich dden Bahnhofe an, hessen 
uiis da das Dak Bungalow zii cnlfernf war, von dem freund- 
lichcn Station Master die Zusiclicrung geben, dass cr uns 
cntwcctcr im Waiting Room Oder in cmem Eiscnbalinwagen 
lUr die Nacht unterbnngen werde, und fiihren dann, iimZejf 
zu sparen, mit demselben Zugeeme Station tveifer nach Vnri- 
daban, welches einc Stundc nOrdheh von Malliurd Iicgt imd 
zugleich mit Mathurd und dcm cine Stunde slldlich davon 
gelegcnen MaftHban den Schauplatz der Jugcndgeschichte 
des Gottes Krishna bildct Knshna, ursprhnglicli ein mensch- 
licher Held der tndischcn Sage, erscbcint schon m Alahd- 
bhdratam als Inkarnation dcs Ooltes Vishnu AIs der Wagen- 
lenker des Arjiina feilt er diesem, wflhrend beide Heere 
kampfgerlistet gegenllbcrstehcn, in der Oeschwindigkeit, urn 
ihn zum Kampfe zu ermutigen, em philosophischesLehrgedicht 
in nicht weniger als achtzclin Gesangen init Es ist dies die be- 
rUhmte BhagavadgiHs, welcbe Ichrt, dass alles zeithche Ent- 
stelien und Vergehen, Lebeti und Sterben im Hinbhck auf das 
Ewige bedeutungslos is( Weiler for^ebildet fmdet sich die 
Knshna-Sage In den Piirdna's, und namentlich wird seme 
Jugendgcschiclite in dem Bhdgavata-Puriinam in einer Weise 
erzahlt, welche hOclist auffallend an die Kindheitsgeschichte 
jesu ermnert Da prophezeit der Seher Narada dem KOnige 
Kansa von MathurS, dass Vasndeva und Devakl em Kind 
erzeugen werden, welches Ihn tofen wird Er lasst die Ellern 
m einem Hause einschliessen, welches noch heufe gezeigt 
wird, Krishna wird daselbst geboren, aber die Wdchfer fallen 
in einen wunderbaren Schlaf, die Elfern entfliehen mi( dem 
Kmde Uber die YamunS nach Mahaban, der KOnig befiehlt, 
alle mannlichen Kinder, welche Heldenkraft versprechen, zu 



\Ulliur3 und Unigcbung Die KrislinalegeBde 1 1 1 

Vrmdaban, bis er lieranuilchst und den KOnig Kansa erschl3gt 
Die Ahnlichkcit dieser spiltindischen Legende md der chnst- 
liclien kann nicht zufallig sein, und sowerden ujrwohl an- 
nehmen mQssen, dass zuischen derZeit des Heldenepos und 
der PurSna's ein christlicher Einfluss stattgefundcn hat Diese 
Annahme wird noch wahrscheinlicfier, ucnn man, Kristinas 
Geburtshaus bcsuchend, die drei dort auf einer ErhOIuing 
stehenden plumpen Puppen betrachlet, das Knslina-Kind in 
der Mitte und zu bcidcn Seden sein Vater Vasudeva und 
seme Mutter Devaki Es ist ganz die Art, wie in kalholischen 
Landern Maria und Joseph rad dem Chnstuskindc zusammen- 
dargcstelU werden 

Die Besichtigung von MalhurS auf den folgenden Tag 
\erschiebend, fubren \v»r, unset GepSck md dem Diener 
zurQcWassend, gleich Nvedcr nach Vnndaban, dem Orte, wo 
Knshna seme Jugend verbracht und seme mutwdhgcn Strciche 
mit den Hirtenmadchen verubt haben soli, indcm er z B , 
wahrend sie badeten, thre Kleidcr auf emen Baum hmauf bc- 
fOrderte und dieselben erst nach cindnnglichen Bitten zurDck- 
gab, — em Vorgang, den man m Indien vielfach abgebildet 
sieht Es entspncht ganz der Naivdat, md der m Indien 
Religion und Sport Uberall verwachsen sind, wenn diescr 
mutwillige Krishna in vielen prachlvollen Tempeln als Gott 
verehrt wird In Vrmdaban (eigenthch VnndCivanani, Wald 
der Vrmda, d i RadhS) angelangt, schickten wir nach zwei 
Pandits, an die wir Empfehlungsbriefe batten, und schlugen 
mzwischen den Wegnach der Stadt em, wurden aber gleich 
m der Nahe des Babnhofs durch den Anbhck ernes rni Bau 
begrdfenen Tcmpels gefesselt, welchen hier em reicher Inder 
m Uberaus prunkvoller Weise ernchten ISsst Wir besichtigten 
die marmornen Treppen und Hallen und die kostbaren, durch 
bunte Edelsteine hergestellten Omamente und wurden dabei 
mit emem Brahmanen-JUngling in himmelblauem Gewande be- 
kannt, der sich uns anschloss Gutmlllig, wie wir immer sind, 



112 


V Von Peshawar bis Calcutta 


gestatleten wir tJim eincti Sitz in unserem Wagen, waren aber 
nachher sebr enlfaiisclil, als er urts beim Abschiednehmcn um 
cine Cabe anspracli iind, als das Gegebene ihm zu germg scfiien, 
auf seine Dienste limwies, die wir gar niclit gefordert und 
die er auch nichl geleistel haffe Denn gfeicli nachdem wir 
den Tcmpe! verlassen, stellten sicli unsere beidcn Pandits 
Rddfiufarana und MadliusQdana cm und Ubernahmen unsere 
FUIirung durch die Sladt ZunJIchsl wurden drei Oder vier 
sehr wohl unterlialtene Tempel besiclitigt, emer derselben war 
auf seinem Giebel mit einem ganzen Wald von Statiien ge- 
schmOckt, Krishna, wie er seme Heldenfaten vernchtet Oder 
vor der tanzenden Rfldhd, seiner Geliebten, die FlOte spielt, 
trat Uberall hervor Em weiterer Schmuck der Tempel und 
Hauser, wenn man ihn so nennen will, bestand m einer Un- 
zahl lebender Affen, wclche, an den Wanden sich empor- 
schwmgend und auf den Zinnen und Dachern sitzend, allerlei 
Kurzweil Ublen Eine aimliclie Belebung einer Stadt durch 
Affen, wie hier in Vrmdaban liaben wir nur noch in Ayodhyi 
der herhgen Stadt des Rlma, wiedergefunden, nachdem man 
in Benares die possiertichen, aber bei grbsserem Verkehr un- 
bequemen Tiere beseitigt und auf emen emzjgen Tempel 
Durgakund beschrankt hat, den die EnglSnder zum grossen 
Verdruss der Eingeborenen den Monkey Temple nennen 
Lastiger als diese harmlosen Bewobner der DScher vvurde 
uns in Vrmdaban erne grosse Anzahl von Bettlern, man 
merkte wohl, dass roan sich in einem von Fremden vielbe- 
suchten Wallfahrtsorte befand Obgleich das Geleit der 
beiden Pandits eimgen Schutz gewdhrte, wurden wir beinalie 
so sehr wie in Granada und Jerusalem jeden Augenblick 
durch Beftler aufgehalten, unter denen manche gesunde und 
kraftige Burschen in den besten Jahren waren Wiederholt 
sah ich mich zu Ansprachen genbtigt wie „Icli gebe den 
Alien, den Kranken, den Hlilflosen Dif aber gebe ich nichts “ 
Diese Worte, im klarsten Sansknt gesprochen, fanden nicht 



Vnndabin Afien BeKelw Armut der Pandits 


113 


nur Uen \oUen BeilaU unserer Pandits, sondern vcrfehlten 
auch auf die neugieng heruinsteliende A\enge ihre Wirkiing 
mcht Es bedarf keincr Erinnerung, dass in klcincrcn Orten 
Indiens etn paar weissfarbige Europder eben so vicl Aufselien 
erregen, wie bei uns etwa em Ncgcr imd cine Ncgenn, wenn 
sie Uber die Strasse gchen Und so wurden wir denn, nadi- 
detn wir die Sehenswnrdigkcilen des Ortcs genugsam durcli- 
gekostet, von unsem Pandilfreunden scibst a!s SehenswOrdig- 
keit behandelt und in ihre Hauser, so\Me in die emiger be- 
rUhmler Heiligen emgetuhrt Wir suchten mOglichst kurz 
losziikommen, denn der Abend brach herein und die Abfalirts- 
zeit des Zuges nahte Schlicsslicli sassen wir denn mit uii- 
seren Pandits in der wohltuenden Ktihle des Abends auf 
emcr Bank am Bahnhof und barrten des Zuges Zur Er- 
frischung hess einer der Pandits einen Teller mit FrDcliten 
von Susserst zweifelhaftem Aussehen anbieten Icli wShlte 
schliesshch eine Banane, als am wcnigsten bedenklich, sie 
zeigte sich als vdUig unteif, an Harte und Geschmack emer 
TOhen Kartolfel vetgleichbar, ich konnte mich mcht ent- 
schliessen, den Bissen im Munde herunter zu schlucken und 
musste um die Ecke gehen, um ihn und die Reste meiner 
Banane zu beseitigen Ich envahne dies, weil es zeigt, wie 
bedurftig und wie anspruchslos diese mdischen Pandits sein 
mUssen Da der Zug auf sich warten hess, so hatte ich noch 
erne langere Unterredung mit dem jhngeren Pandit Madhn- 
sUdana, welcher Philosophic Irieb und natUrheh em Anhanger 
des VedSnta, jedoch in der reahstischen Richtung des 
Madhva war Seme Auffassungen hatten dadurch, wie auch 
sein Wesen, etwas nUchternes, waren aber im Ubngen so 
klar und prazts, wie man es selten bei den Hindus findet 
Als em Typus des idealen, enthusiashschen, aber auch vielfach 
ms Vage sich verherenden Hindu kann ich dm mcht gelten 
lassen, aber fUr alle praktischen Zweeke mQchte ich ihm vor 
einem solchen den Vorzug geben 

Deassen, Erinnernngen an indien 8 



114 


V Von Peshawar bjs Calcu»a 


Doch da rollte unser 2ug heran, wir bestiegen den an 
seiner weissen Farbe erkennlbchen volIstSndig leeren Wagen 
ersler Klasse, bemerkten im Halbdunkel nichf, dass alles in 
ihm mit einer dicken Staubschicht (iberzogen war, und ge- 
langlen m zehn Minuten nach Mafhurd 

Hier war durch das Bahnhofspersonal unsere Ankunft 
ruchbar geworden, und so warden wir von einer Deputation 
empfangen, welche mit echt indischer Naivitat benchtete, dass 
der ganze AryasamSj m der Stadt versammelt sei, dass ein 
Wagen bereit stehe, um mich sofort dorthm zu bnngen, man 
hoffe, dass ich ihnen heute Abend, wie ich es in Agra getan 
habe, emen Vortrag halten werde „Aber, hebe Freunde," 
erwiderte ich, „es ist acht Uhr abends, wir haben seit A\ittag 
nichts gegessen und smd beide milde von der Reise Der 
Koch, den ihr dort m seiner weissen SchUrte seht, drtJngt 
2 um Abendessen, so watle^ bis wirsclmell gegessen haben, 
dann will ich mit euch kommcn, um eure Versammlung 
wenlgstens m der KUrzc zii begrtlssen “ Diescr Vorsclilag 
land Zustimmung, in fitegendcr Hast verzehrten wir unser 
Dinner und roilten sodann in dem hOchst eleganten Wagen 
des reichen (Ireshtli Lakshman DOs zur Versammlung 

Unterdessen war es neun Uhr geworden, icli begrtlsste 
die Anwesenden, Jobte ihren Eder und mnsstc wohl Oder 
UbeJ versprechen, morgen nachmiltig um fOnf Uhr den ge- 
wDnschten Vortrag zu haltcn Nach kurzom Abscliicdc fniirtc. 
uns der Wagen, der aucji Hir den ganzen folgcnden Tag uns 
zur Verfflgung gcstellt wurde, nach dem Bahnhofc zurllck, und 
totmOde sanken wir auf die jmproMSierten Beticn des Waiting 
Room Am andern A\orgcn, als wir uns eben zuni Frllhstflck 
sotzen wollten, wurde erne ncue Deputation gcmeldct, wtlclie 
\on uns empfangen zu wcrdenwOnschlc Sic kamcn, sagttn 
sie, \om Dlianmsam.lj weJeher in diescr Sfidt \icl zaltl- 
reiclicre und angtselicnerc Mitglicdcr zahic Ich mflehte 
dahtr den fUr den angckUndigten Vortng nicht 



Mathu^^ Imijschc NaivitStcn Ein UcilUnsUer 


115 


doTt, sondern m DharmasamSj halten „L% mag ]a sem“, 
ewiderte ich, „dass cure Gcsellsclialt in dieser Stadt die 
angesehenere ist, und Uattc ich es frUlier gcNsusst, so hstte 
das meine Entschliessungen bccinflussen kdnnen, jCtzt aber 
kann Ich nicht daran dcnkcn, das den andern gegebene Ver- 
sprechen zu brcchen “ — Dann mOcIite ich, so meinJen sic, 
noch einen zweilcn Vortrag in dcm DharmasamS} hahen — 
,,Es falU mir nicht ein“, antwortete ich, „vvo ich Indien mir 
zu meinem VergnDgen bereisc, m einer Stadt zwei Vortrage 
zu halten WolU ihr mich hOrcn, so kommt lieiite urn fUnf 
Uhr zum AryasarnSj, ihr sollt alte willkommen sem “ 

Damit schieden sic, und wir macliten uns aiif, urn in 
Qesellschaft des Pandit BQla Krishna, dem wir bncfhch cm- 
pfohlen waren, und anden sich nachher noch andere schlossen, 
die Stadt zu besehen Unterwcgs befragtc ich den Pandit 
nach seinem Studium Er war Atcdizincr, d h cr hatte den 
Ayiinetia studiert und ilbtc daraufhm eine ausgedehnte Praxis 
in der Gegend aus „Was ist das Fieber?“ fragte ich ihn 
— „Das Fieber", sagte er, „ist cme falsche Mischung der 
drei KOrpersafte, Wind, Schleim und Gallc “ — ,Wie heilt 
man dasselbe'^® — Hier nannte er mU grosser GelSufigkeit 
erne erschreckende Menge von Drogen, welche zerkicinert 
und gemischt dem Kranken emzugeben seien 

Unter diesen Gesprachen waren wir bei der Hauptseliens- 
wUrdigkeit der Stadt, den Ghatta s, angelangt Sie bestehen 
aus emem sch&n gepflasterten Promenadenwege und von ilim 
Oberall zum Flusse herabfohrenden, wohlbehauenen Treppen- 
stufen und ziehen sich zwischen Fluss und Stadt in deren 
ganzer Lange hin Treppen und Treppchen fUhrfen Oberall 
herab ms Wasser und zu den Badenden, anmutige Pavilions 
luden zum behaglichen Niedersitzcn ein sagenreiche Bauten 
begleiteten das lifer der Uinge nach wie denn z. B ein 
statlUcher Turm an der Stelle gezejgt wurde, wo Kansa s 
Weib nachdem Krishna diesen ersclilagen, ihre Satf beging 

8 * 



116 


Von Peshawar bis Calcutta 


Sat!, ursprfinglich „die gute Gattm", d h diejenige, welche 
sich lebend mit dem Letchnam ihres Gatten verbrennen Jasst, 
bedeutet dann zwetlens wetter den Akt der Witwenverbren- 
nung und endlich drittens den durch ein Denkmal bezeich- 
neten Ort, an dem ejne solche stattgefunden hat Eine Strecke 
welter zeigte man uns die Stelle, auf welclier der gegen- 
wartige Maharaja von Benares Prabhimarayana, von dem 
noch welter unten zu erzahlen sem wird, bei semem Besuche 
m Mathura sich wiegen liess und sem voiles KOrpergewicht 
m Gold an die Brahmanen verteilte Dieser Scherz kostete 
ihm, wie tnir sptiter in Benares erzahlt wurde, iiber 100000 
Rupien Dtese Qrosstat begeisterfe dann weiter den Professor 
Gangadfmra, dessen freffliche Vorlesungen Ober indiscfie 
Dichter ich spater m Benares mit grossem Oenuss hbrte, zu 
einem Oedichte, welclies er mir selbst Uberreichf hat, auf 
dem Titelblatt ist erne Wage gcmalt, m deren BaJken und 
Fachern die Prabfiimdrdyana.MathiirS usw silbenweise 
verteilt sind und auf der folgenden Scite zu cmem Gedichte 
in komphzierten Versmassen verarbeitet werden, so kunstvoll 
und schwieng, dass der Dichter selbsf geraten fand, emen 
gelehrten Kommentar beizufligen 

Welter fUbrten uns unsre Freunde zur Stadt hmaus, 
vortiber an Brunnen, deren SteinwSnde m buntesten Farben 
mi( abscheulich schGnen Bifdern aus der Knshnageschichte 
bedeckt waren, dann ging es durch em Waidchen zu cmer 
Anhbhe, aiif der das schon er\vahnte Qeburtshaus des 
Krishna stand Es war erne nach vorn offene Halle, und 
die m ihrer Mitte auf emer StemerhOhung aufgestelltcn drci 
Puppen m bunter Bcmalung cnnnerten, wie bereits bemerkt, 
lebhaft an das Chnstuskind mil Maria und Joseph, uie man 
sre so oft Im sOdlichcn Europa aufgestellt findet Inzwischen 
hatte sich allerlei Volk um uns versammelt und jeder war 
bemllht, zu unserer Belefirung sem Scherflem beizufragen 
Am hervortretendsten war die Gestalt eines Bcltlers, es war 





118 


V Von Peshawar bis Calcutta 


raschender Starke und weithin hOrbar Endlich fuhren wir 
liber die Brlicke der YamunS und sodann durch angenehme 
Landschaft nach MahSban, wo m verscliiedenen Hhusern 
wieder allerlei Ermnerungen an dte Kmdheit des Krishna 
gezeigt wurden Auch hier merkte man den schddigenden 
Emfluss des Fremdenverkehrs auf den Charakter des Volkes, 
die Leute zeigten sich als geldgieng und mit dem Ge* 
botenen nicht zufneden Nach kurzer Besichtigung wandten 
wir dem wenig bedeutenden Ort den Rlicken, bestiegen 
unsern Wagen und langfen rechtzeitig urn fUnf LIhr in der 
Versammlungshalle des*y4ryasam3j an Die Lichter wurden 
angezundet, der Saal fulHe sich zusehends, ich liess die 
grossen, nach emer gerauschvollen Strasse gehenden Flhgel- 
thren schliessen und begann memcn Vortrag Uber den 
VedSnta Nachdem ich denselben in englischer Sprache 
beendigt, wurde ich, wie schon erwahnf, gebelen, die Haupt- 
punkte nochmals m Sanskrit zu rekapilulieren, da viele des 
Enghschen nicht michtig seien Es geschah, und nun foigte 
eine Diskussion, halb Englisch halb Sanskrit, in welcher 
mehrfach theistische Neigungen sich kundgaben Ich schloss 
die Versammlung unter dem reichen Beifalle der Anwesenden 
und wurde von einer grbsseren Anzahl derselben nach dem 
Bahnhof geleitet, wo wir bald mOde auf die aus geflochfenen 
Rohrbanken hergestellten Betten sanken und so gut schliefen, 
wie es unter dem nachtlichen Lflrm ankommender und 
abgehender ZOge mOghch war Grbssere Scharen von 
Pilgem hatten die Nacht ausserhalb des Bahnhofs nach 
mdischer Sitte in Gruppen auf der Erde hockend zugebracht, 
und unser Diener Lalu erzahite mir am andern Morgen, 
wie er unter ihnen Bekannle aus seinem Heimafsort ge- 
funden Iiabe, wie sle ihn gefragt hatten, ob er auch niclit 
versaumt habe, fOr seme SOnden em Bad m der Yamuna 
zu nelimen, und wie er ihnen erklart habe, dass er dazii 
keine Zeit finde, und diss er sich durch die Last seiner 



Uahiban Vortrag in MathurJ Lalus Surden 


119 


Stinden nicht sondetUch bcdrttckt fCllilc Lalu war also 
freigeislensch angeliaucht, aber er Jiattc noch schhmmere 
Eigenschaften, die sjch noch am sclbigcn Tagc offenbaren 
soUten Schon Olter war es vorgckommen, dass er die 
Ankunlt des Zuges vcrscbhcl und JCh llm mjr erst aus 
seinem Coupd dnltcr Klasse herausholcn musste. Audi fid 
mir mitunter auf, dass cm eigcnlUmliclicr Gcruch \on ihm 
ausslrCSmte, aber wenn ich fragte »Lalu, Sic trmktn 
doch nicliP", so anlwortetc er mit Beslimmtliejt: *Nem, 
Herr'** 

Wir bestiegen den Ziig, dcr bns in ciner Tagcsfalirt 
aus dem Tal der Yamunil m das der Gangd fUhrert soKte 
biS nach Falchjrarh, wo wir an den Clerk dcr Eiscnbahn- 
station bneflich schon vorher cmplohlen waren und Uber- 
nachten wollten Gcgen Abend (angten wir dascibst an, 
und nach cinigcm Rufen und Warten stelltc sich denn auch 
Lalu em, um das Gcpack tu besorgen, konnle aber mil dem 
Zusammenwickeln und VerschnOren der Decken gar nichl 
2u stande kommen, bis ich nSher zusah und cntdcckte, dass 
er vOllig betrunken war „Lalu“, sagte icli, ,Sie sind bc- 
trunken “ Herr," sagle er, „warum soli ich die Walir- 
heit nicht gestchen? Ich habe miluntcr ctwas Ficbcr vmt 
dann nehme ich wohl cinen Trunk um es zu bekSmpten “ 
Ich schwieg, aber sein Schicksal war beschlossen MH 
HUlfe des Clerk schafften wir das GepSek ins Waiting 
Room, wo wir auch dicsmal ilbernachten sollten, wilhrend 
Lain m irgend emer Ecke untcr machtigem Schnarchen 
semen Rausch vcrschlief Unter angenehmen GesprSchen 
mit dem Clerk, der cm geistig sehr cmpfanglicher Mann 
war, verbrachten wir den Abend Zugletch war derselbe 
bemQht, uns einen anderen Diencr zu besorgen es wolltc 
sich aber an dem kleinen Orte nicht gleich etwas Passendes 
finden So mussten wir uns am andern Tagc noch mit 
Lalu behelfen Er erschien am nSchsten Morgen scheu 



Die Ghana's Knshnas Geburtshaus. Die Yauunabrucke 117 


ein junger, krllftiger Mensch mit scliDneni, so gut uie ganz 
nacktem KOrper, die Haare lang iind zottig \Mld urn den 
Kopf herum, der gauze Leib schcussticii mit Asche besclimlcrl 
Es ist dies derAufzug der Asketen, welcher lieutzutnge \on 
vielen Bettlern kopiert wird, um Eindruck beim Publikum 
zu machen Bcim Absclued gab icli dem Altesten der An- 
\vescnden cine Rupie mit der Wcisung, dieselbc gerecht zii 
verleilcn, musste aber eilcben, dass cinige mir nachkamen 
und stch beklagten, dass man sie bet der Vcrteilung tlber- 
gehen wolle Es blieb mir nichts anderes (ibng, als zurtick- 
zukehren, die Rupie wteder einzufordern, m der Nilhe wechselu 
zu lassen und dann jedem je nach Verdienst und WOrdig- 
keit cm paar Anas emzuhandigen Dieser Akt der Ge- 
rcchtigkeit wurde mit grossem Beifall aufgenommen Wir 
kehrten zu unscrem Wagen zurUck und fiihren der Absprache 
gemass zu dem EigentUmcr dcssclbcn, emem rcichen Vai?ya, 
namens ^reslitli Laks/iman Dus. der uns zu Ehren eine 
Panditversammlung anberaumt hatte Stall der Ublichen 
BlumengirlanUcn wurden uns diesma! Kettcn aus Goldpapier 
umgehangt, welche wir nocli jetzt besitzen, wahrend wir die 
sonst von Ort zu Ort gespendeten beribchen BUimenkranze 
und Bouquets wohl Oder tlbel dahmten lassen miissten 

Der Nachmittag war zu cinem Ausfluge nach Mahaban 
bestimmt Der Weg fuhrte tlbcr die Yamunfl, wo erne 
Eisenbahnbrlicke auch Wagen passiercn lasst, jedoch/nur 
gegen Eilegung emer GebUhr von zwei Rupien, was uns 
sehr boch schien Hier sah ich eine grosse Muschel, wie 
sie den alien Indern als Knegstrompete diente, und die an 
der BrUcke zu Signalen benutzt werden moclite Man blies 
m dieselbe durcli ein in die Spitze gebohrtes Loch Ich 
vermochte kemen Ton zu erzeugen imd ausserte den Wunscb, 
die Muschel blasen zu hbren Man holte ein altes Weib 
betbei, welches die Muschel an den Mund setzte und ihr 
mehrere gellende, gequetschte Tfine entlockte von liber- 



118 


VofJ Peshawar bis CaJculfa 


raschcndcr Starke und wcilhin hOrbar Endlicli fiihrcii wit 
dber die Brficke der Yamiind utid sodanii durcli angenefiine 
Landscljaft nacl: Aliljdban, wo m versetuedenen Haosern 
wieder nllerki Erinnerungcn an die Kindlieit dcs Kristina 
gczeigt ^\urdc^ Auch liicr mcrklc man den sciiadigendcn 
Cmfluss des Frcmdcnvcrkchrs auf den Charakter des Volkcs, 
die Leufe zcigfen stcli als geldgieng und nut dein Ge- 
botenen nicld zjifncdcn Nacli kiirzer Bcsicld/gung wandfen 
wir dem wentg bcdcutcndcn Ort den RUcken, bestiegen 
unsern Wagen und langtcii rcclitzeitig urn fllnf Utir in der 
Versnmmlungshalle dcs'yfryasatna] an Die Lichter wurden 
angezUndef, der Saa! fllllfe sicli ziisetiends, rch liess die 
grossen, nach einer gerauschvollcn Strasse gclienden FUigel- 
tUren schliessen und begann mcmen Vortrag liber den 
VedSnta Nachdem ich dcnsciben In englischer Spraclie 
beendrgf, wnrde icfi, wie sclion erwahnf, gebefen, die Haupt^ 
punkte noclimals in Sanskrit lu rekapifuheren, da viele des 
Englisclien niclit mlichttg seien Es geschah und nun foigte 
Cine Diskussion, halb Engtiscli halb Sanskrit, in welclier 
raehrfacti llieislische Neigungen sich kundgaben Ich schloss 
die Versammlung unter dem reiclien Beifalle der Anwesenden 
und wurde von einer grOsseren Anzahl derselben nach dem 
Bahnhof geleitet, wo wir bald mllde auf die aus geflochtenen 
Rohrbanken hergestellfen Betten sanken und so guf sebbefen, 
wie es unter dem nSchtlichen LSrin ankommender und 
abgehender ZUge mbglich war OrOssere Scharen von 
Pilgern hatfen die Nacht ausserhalb des Bahnhofs nach 
mdischer Sitle in Gruppen auf der Erde liockend zugebracht 
und unser Diener Lalu erzahlte mir am andern Morgen 
wie er unter ihnen Bekannte aus seinem Heimafsort ge- 
funden habe, wre sie ihn gefragt b&tfe/J, ob er auch nicht 
versaumt habe, fUr seme SUnden em Bad m der Yamuna 
zu nehmen, und wie er ihnen erkt&rt habe, dass er dazu 
kerne Zeit finde, und dass er sich durch die Last seiner 



Mahdban Vortrag in Mathurl Lalus SQncJcn 


119 


Sllnden nicht sonderhcli bedrttckt iQliIe Lain \sar also 
freigeistensch angehaucbt, aber er liatte nocii schbmmere 
Ejgenschaften, die stch noch am selbigen Tage offenbaren 
sollten Schon Ofter war es vorgckommen, dass er die 
Ankunft des Zuges versclilief und icU Ihn mir erst aus 
semem Coupe dnber Klasse herausholen musste Auch bel 
mir mitunter auf, dass em eigcntilmliclier Oerucli von ihm 
ausslrOmte; aber wenn ich fragle „Lalu, Sie trinken 
doch nicht’“, so antwortetc er mtt Bestimmtlieit* „Nein, 
Herr'“ 

Wir besticgen den Zug, der bns in einer Tagesfabrt 
aus dem Tal der YamunS in das dcr Gangd flihren sollte 
bis nach Fateftgarh, wo wir an den Clerk der Eisenbalin- 
stabon brieflich schon vorher empfohlen waren und Uber- 
nachten wolUen Gegen Abend langten wir daseibst an, 
und nach einigem Rufen und Warten stelUe sich denn auch 
Lalu ein, urn das GepSek zu besorgen, konnte aber mit dem 
Zusammenwickeln und Verschntiren der Decken gar nicht 
zu stande kommen, bis ich nSher zusah und entdeckte, dass 
er vBlhg betrunken war „Lalu", sagte ich, „Sie smd be- 
trunken “ Ja, Herr,“ sagte er, „warum soil ich die Wahr- 
heit nicht gestehen'^ Ich habe mitunter etwas Fieber unt 
dann nehme ich wohl einen Trunk, urn es zu bekampfen “ 
Ich schwieg, aber sem Scliicksal war beschlossen Mit 
HUUe des Clerk schafften wir das GepSek ms Waiting 
Room, wo wir auch diesmal Qbernachten sollten, wShrend 
Lalu in irgend emer Ecke unter mSchtigem Schnarchen 
semen Rausch verschlief Unter angenehmen GesprSchen 
mit dem Clerk, der em geistig sehr empfanglicher Mann 
war, verbrachten wir den Abend Zugleich war derselbe 
bemtiht, uns emen andeten Oiener zu besorgen es woUte 
sich aber an dem klemen Orte mclit gleich etwas Passendes 
fmden So mussten wir uns am andern Tage noch mit 
Lalu behelfen Er erschten am nSchsten Morgen scheu 



120 


V Von Peshawar bis Calcutta 


und verkatert, ich wUrdigfe ihn kernes Wortes melir und 
nahm fiir uns al!e drei Bdlets nach Cawnpore 

Ms wir nach einer Eisenbahnfahrt von sechs Stunden, 
auf der ich mich vergeblich bemtllite, die in der Naiie fliessende 
Gangfi zu sehen, m Cawnpore aniangten, wurden wir’gleicli 
am Bafinhofe in deutscher Sprache begrUsst Es war Herr 
Bassler, ein wackerer junger Kaufmann, dessen Bekanntscliaft 
wir auf dem Schiffe gemacht hatlen, und dem wir batten 
versprechen mlissen, ihn in seinem Wohnorte Cawnpore zu 
besuchen Dementsprechend batten wir ihn von unserer An- 
kunft brieflich benachrichtigt, und so war er mit semem 
Wagelchen am Bahnhofe und bestand darauf, dass wir die 
Nacht in seinem Bungalow zubrSchten Obwohl er Jung- 
geselle sei, so werde es uns dorf an ntchfs fehlen Wir 
nahmen das freundliche Anerbieten an, und jch bat nur noch 
so lange am Bahnhofe zu warten, bis ich mit Lalu Ab> 
rechnung gehalten hatte Ich liess den Sunder vor micli 
kommen und hielt ihm mit milden, aber ernsten Worten sem 
Vergehen vor und erbffnete Ihm, dass ich ihn entlassen 
mlisse Er legte sich aufs Bitten und Versprechen, aber es 
gelang ihm nicht, mich umzustimmen Ich zahlte ilim semen 
rtlckstindigen Lohn sowie die RUckreise nach Bombay, beides 
reichhch, und die lange Reihe von SilberstUcken scliien ihn 
tiber sem Schicksal zu trOsten Freundlich und mit emigen 
Ermatmungen far die Zukunft reichte icli ihm die Hand und 
er verschwand auf Nimmenviederseben 

Meme Frau bestieg mit Herrn Bassler dessen leichtes, 
von ihm selbst gelenktes Tamtam, tch selbst folgte mit dem 
GepiJck m eincm zweiten Wagen, und so fubren nir zu 
Basslers Bungalow, Indem wir unterwegs die Hauptselicns- 
wUrdigkeiten des Orts m Augenschein nahmen Sie bestclicn 
m emer Gedaditniskircfie, emem ebemaligen mit dem scMncn 
Standbilde eines Engels gezierten Brunnen und anderen 
DenkniJIcrn, welche slcb samthch auf den Aufsfand des 



Cs \rpo?c Li’ 1 cn He»tn \k ■" 


121 


Jahres 1837 bezii-fien Die DigiSndtr ncnnen densclbcn 
the muUny und brandmarlen dadurcli das Andenken dercr, 
die ihn anstdteten. Warcn die Atili>l3ndi5chtn ziim 7itle 
gelangt, \\ozu ja cine Ztitling allc Aussicht ^^ar, so warden 
sie huUc bei ihrcr Nation erne flfinliche Ver«.hnmg genicsscn. 
wie bei uns Schill, Scharnhoisl, Blficher und andcrc Iklden 
der Freihcitskricgc JctzL wo sie unlerlcgcn smd. lieissen 
sie die Meutercr, und ihr Andenkcn wird \tninglimpft So* 
sehr machen die Mcnschen dire Wcrtschltzung von dtm 
ausseren Erlolge abliSngig, den doch oft nur der Zufdl 
rcgicrt Nachdem wir noch zum Ufer der Oangd gtuall- 
fahrtet, die schon liicr, wo wir sic zum erstenmalc sahtn, sich 
m majcststischer flrcitc dahmwaht, langlen wir in Hcrm 
Basslers Bungalow an Dasscibc gab uns cinc willkumnicnt 
Vorstcllung davon, wic eln dcutschir JungpcscIIe, der naeh 
Indicn verscldagcn worden, s»cU dort behnglicb cinzurlcldvn 
weiss. Von der Slrassc aus gctangic man in cm wcdl.lufigts 
GrundsiOck, in dessen Alitte sich das cinstockigcqundratische 
Haus erhob, Welches mclircrc stattiichc Sale und an bciden 
Seden ScWafzimmcr cnllucU Das Mobibar war ciniach abur 
ausrcicbcnd, in unserem Sclilafzimmcr fanden wir zwclgide 
Bctfen, und sogar cm Spiegel wurde noch iimtcrher be- 
schafft In diesen Raumen also Ihrontc Herr Bissler und 
zwar (Qr gcwOhnhch gant allcm tUr seme Sicherhcd iiatte 
er nichts zu belQrcbten, denn in semcm Schlafzimmcr sab 
icb cin kleincs Arsenal von Waffen sulidester und elegantester 
Art Diesc werden von der cnghschcn Rcgienmg dcin in 
Indttn wohnenden Europ5cr kostcnlos gelictert, wSlirend den 
Emgeborenen das Halicn von Watfen durch hohe Eingangs- 
zbUe und andere Scbwierigkeitcn fast zur UnmOgbcbkeil ' 
gemacht wird So wUrdc im Fallc ernes Aufstandes cm 
kleines, aber wohlbewaffnetcs und auch eingenbtes I leer von 
Europaern gleichsam aus der Erdc wachsen 

NatUrlich war Herr Basslcr von emcm halbcn Dutzend 





V Voti I ialitiv\nr I h ( iituilln 


DIuk tti Miui'Uui), Will lit /Ilium ilmllHli It OililiiitliM )m liltliMi) 
llfliimliin III ilu Nlllit woliiiUii Snlilii Dliiiu kIMiii iililil 
vli), till jitUi iiiir til lilt* IkmMitlttt Athilt vtrrklilil. ktinkii 
iiktr mull Mill udilr ikim fk triiiiKiii svnkr Wuhiiiiiir 
until Hkliliitir imkIi Ikhknij/riM)}', mmikiM JOktijikii kii 
Moiiiil mil tkiiiii tik dill |tiii/ui Ikiktitiill (Hr nkli iiiitl 
llin I’/iiiilIk ktnliilkn I'liikt dmiilliiii mivkiliti mil 
(itMliklt (Id Mtitl (Mdin (ftmm wmiliii (tlitr tkiliti viiii 
lliiiiii iliMii iiiilir iiH tMXI)' /III! itit/M vvlimii mid I)Ihi)i/iii/i| 
mill nliuif iiiliiilkti I'r iKluiupkk, tiiiti ml imlwi iidlf* 
dll tllo Kirk miiinl uimiintik Illicit vvttdtii wlltikii Nmli duii 
kfimit Imimmmdltik Ikrr M/in«l<r /mj/ r/rr/tw//" mi<( mi« 
dkkii IniicliUii dll Dktitrdk iMwikimliltii Cljdiirtit, wtkiii 
wli. ilk Iklm liili/kdiih iihii Sliilik mid Dlwiiiin ptitltccld 
ill ikti Miiiitl miliiiKii, wuriuif dli Ditiiir In dtiiililli'ir 
hkllmi/i <l/m I'tiitr |n/imt>(kikMi dit Akilti (kn/kinnn wiu 
dull ilit/l|ri, will di II llctipcliidltn iikid {iki'iiiiiiiiiiiin wtidiii 
ItdiiiilL (kiidlllkli pkimUnid nimmii wir imcit liiii};i. Ikrr 
Ikitniltr ci/rililm vmi ndiiir (klimd, iliiciii Sl/Idkkifi In 
‘^lulimii, iiml wk tr /ilii Viilrtltr tliiin dmll/nii (kRclililh- 
IntiiRCh III liiditii wiilmii inn tilt IMiiidliik von Ocliclik mid 
{krlilliikii /II liitmrKii Ik tt/lllilk von tiuii Kroltodlliii, 
die ir kn OmmM /n mlilrnmn (dlipi, vmi dm (Ukdntii 
dcR ItiilluLlitii Kllimm, iiml wic tin I'luiiid iinditn tin iki 
Clioltrn laMoilicn ml, lull dim ir nm Aliiiid vorlitr iiocti 
Mndlilkli K/iikn //ififikk (nilit iww fm (mn/tn /d/mlH Icli 
Imi ir mitt Ini tit.liiiii Ik/itliliinpcii (.Iwmt iiKlirfiltt Nciilliipi 
UiUimacU ttlttwlt ett Ut'WkWWtUUlv/M'.it NuUulkUwuuk 

/mill d/18 drr StlifmijHii ptlddircnd dnrc/i(''(fl(»ftitlnfi, 

wk Ihr IIInr III wi nipt II Mliiiilcn (dk, wk nk ii/iclilit llitm 
t'lni'iinp In (Ik IllliiNir tiiul wold piir In dk litditii fllndtii, 
mid no t Inpcn wlr iiilt /(t«mtk(i niifpt iii k r /'iKiidiiPtli ncldnkii 
Milk 11 In tier N«lIi 1 wnnk khwncit iiiul lillrlp In tfirlklo 


SchaLCrgcschicMcn Die Mosc^Jsr3t{e Purln 


123 


unU fauchcnd sich urn mem Belt lierum zu scliaffen miclUe 
Ich \\agte ntcht Licht anzuzamlcn, um nicht durch irgcnd 
erne Bewegung das unheimliche Wesen zu reizen, angstvoll 
\erfoIgte ich das Gcrausch und atmefe cricichteil auf, als 
dasselbc sicb cnKemtc und atlcs wicder ndug v'.urde. Herr 
Bassler, dem ich die Sache am andern Morgen erzaiille, 
memte, es werde woh! einc Moschusratte gcucscn sein, 
welche sich Ofter in den Mausem fJndcn, Qbngens aber 
ganz harmlos scicn 

Am nSchsten Morgen, als \Mr mit Henn Bassler \on 
cinem in die umbegenden Aniagen untemommenen Spazier- 
gang zurtickkehrten, stclltc sich dcr nene Diencr\or, \%e!cbcn 
Herr Bassler fflr uns emiiUcU liaHe Er hicss Piiriin, d li 
„dcr AUe,“ uod war auch wirklicli schon gegen CO 
jahre alt, inlolgedessen vvohl ctwas trage und sclmerfaihg, 
aber rcich an Erfahrung und sicher m scincm Auffreten 
Auch sein Engliscli war bcdcutcnd besscr als dasjcnigc, 
\selches Lalu zu radebrechen pflegto Der Religion nacU 
ssar cr Mohammedancr, wicwoW cr m emem seiner Zeugnissc 
als Christ bezeichnet wmdc Diese bedenkhche Doppcl- 
konfession erklartc Pur^n damit, dass cr einsf nut cincm 
Herrn m Kaschmir gercist sei, dem es gefallen habe, semen 
Diener als Christen zu produzicren Walirschemliclier dllrfte 
es wohl sein, dass Purdn selbst seme Rechnung dabei ge- 
funden haben mochle, sich gclegentlich bci Irgend einem 
hochfrommen Englander als Christen einzufUhren Meme 
Frau erklarte ohne ZOgern, dass sie den Mann fUr brauch- 
bar halte und eiigagieren wolle Dies war mlr sehr erfreu- 
lich, da sie m betreff dcr Dienerschaft nicht Icicht zu bc- 
friedigen ist, wie sie sich denn auch Qber Purfln spUtcr- 
hin noch oft und bitter beklagte Purlin wurdc also enga- 
giert, wir nahmen noch cm cihges Frtihsthek im Hause dcs 
Herrn Bassler em und fuhren dann die kurze Strecke bis 
Lmkno-w, wo wir weder durch die sommerliche Natur noch 



124 


V Von Peshawar biS Calcutta 


ditrch das Gcbaltrcn der Menschen daran erinnert warden, 
dass cs der Abend vor Weilitiachtcn war, denn das korinfe 
man ja kerne WeiJmachtefeier nennen, dass am Abend nacb 
dem Dinner erne Bande phnntasbsch kostllmierter Schotten 
vor dem Hotel eme humoristisclic Miisik zum besten gaben 
Icii zog mich m den Salon zurtlck, wo sich aucli Mr 
Summers einfand, dem ich einige deutsche Weiltnaclitslicder 
aid dem Klavier vorspiclle Er wollte am nachsfen Morgen 
zum nationalen Kongress naclt Allahabad reisen, wo er, \we 
bereits berichtet wurdc, wenigc Tage darauf an den PocKen 
geslorben ist 

In Lucknow befanden wir uns m der Lage eines Mannes, 
der far gewOlinUch etne Bnlle tragt und diese dann plfifzJich 
verlegt hat und nicht fmdeo kann Alles erscheintundeuthcher, 
nebelliafter und weniger schOn Die Bnlle, die uns m Lucknow 
febUe,wardiesonst inder Regel uns zu Gebotesfehendc Ftilirung 
durch befreundeteEingeborene Zwar batten unsre Bombayer 
Freunde nicht unterlassen, uns auch m Lucknow an einen 
frefflichert Mann, Mathur^ PrasSd, zu empfelilen, unglhck- 
bcherweise aber war derselbe die bejden Weihnachts- 
iage hber verreist und stellle stch erst am Abend vor 
unsrer Abreise (am 26 Dezember) m unserm Hotel ein , 
zugleich mit seinem zehnjahrigen Sohne, mit dem ich, infolge 
meines unlSngsf erwachten Interesses fUr das Hindostani, 
eme kleme Unterredung fiber diese seme Muttersprache 
hatte, die ich sonst nur im Munde von Kutschern und Dienerii 
librte, wShrend ich mich hier an der remen Art, wie der 
Knabe dasselbe sprach, erfreuen konnte 

Nachdem wir am Nachmittage unsrer Ankunft m der 
grossen Stadt, zu welcher Oberdies kem Plan aufzulreiben 
war (Constable s treffllcher Hand-Atlas of India war leider 
noch nicht erschienen) ziemhch planlos umhergeirrf, be- 
schlossen wir, am folgenden Mo^en systematischer vorzu- 



Lucknow Die Resldenc) Erne Op«.rnvorstel!unj» 125 

gehen und zunadist die zicmlicli inmiden der Sfadt belegcne 
Restclcnc} zu besuclien Dieselbc bestelU aus tincni Kom- 
pkK balb zerstortcr Gcbaude und Befcsttgungen, wckUa m 
diesem Zustande eihaltcn werdcn, da sic die denkuOrdige 
Statte bilden, uo \onJuh bis September 1857 tausend Eng- 
lander, Manner, Frauen und Kinder, untcr furclitbaren Ge- 
labren und Entbehrungen die Bclagcrung der aulstandischcn 
Sepo}s auszuhalten hatten Allc Emzelheifen diescr denk- 
uLlrdigen Episode Iralcn beini Anbhcke der halbzerstOrlen 
Gebaude und ihrer Umgebungen Icbendig vor Augen Hicr 
warder unterirdische Raum, m wciclicm Frauen und Kinder, 
zusammcngepfercht, ScUutz vor den einschlagendcn Kugeln 
suchlcn Dort war das Zimmer, in wclchcm Sir Henry 
Lawrence, von eincm GranatspUUer getroUen, sein Lebcn 
aushauchte Dort drOben stand das Haus des Johannes, von 
welchcm aus cm Alnkancr den Dclagcrlcn furcbtbarc Vcriustc 
beibrachte, und da war dcrKirchhol mil semen Denkmatern, 
aul welchcm an zweitausend Opfer der Katasirophe bc- 
graben liegen 

Als wir von diesen welimUtigcn Betraclitungen auf 
langerer Wanderung durcli die weitausgedelinte, von grossen 
Anlagen, Garten und freien Platzen durchzogene Sfadt zum 
Hotel zurUckkehrten, bemerkle ich im Vorbeigelien in emer 
V'ertiefung erne grosse Breltcrbude, in welclier, wie die An- 
scliiage kundgaben, heute abend von emer Parsi-Truppe die 
(J^akuntaia des Kfllidasa gespielf werden sollte Ich beschloss, 
diese Vorstellung zu besuchen Abends nacli dem Dinner 
zog sich meme Frau welche crmlldet war, in unser Schlaf- 
zimmer zurllck, welches, wie gewOhnIich m Indien, emen 
Ausgang direkt auf die Veranda ms Freie hatte Bei dem 
Mangel von Schloss und Schldsseln, welche selten m Indien 
vorhanden sind, verrammelte ich nut HUlfe des Dieners die 
TOr so gut es ging tmd machte mich mit demselben auf 
den Weg Der Musensifz lag von unserm Hotel eine halbe 



126 


V Von Pcshanar bis Calcutta 


Shtnde entfernt Vcrgcbens nef und pfrff der Diener nacli 
einem Wagen, cs wollte sich keincr einstcllen Endlicli ge- 
lang es ims, elncn Ekka aufzutreiben , es war das armscligste 
OefJhrt, auf uclclicm ich jc >n meinem Leben gesessen babe 
Wir lagcrten uns atif dcr Flache des Wagens und Iiessen 
die Beine lierausliangen Das kUmmerljche Pferdclien setzte 
sich in Trab itn tiefen Dunkel der indischen Naciit Eine 
Laterne war vorhanden, aber immer wieder und wieder er- 
foscfi diese/be, flffnefe man die Lafernentflr, so we/ife sie 
der Wind aus, schloss man sie, so erstickte dte Flamme 
aus Mangel an Luft Endlich kamen wir an und befahlen 
dem Kutscher, bis zum Ende der Vorstellung zu warten Er 
breitefe etne Decke Uber sein Ross, kauerfe vor den Vorder- 
fossen desselben nieder, wie die indischen Kutscher zu tun 
pfiegen, und schlief ein Wir stiegen hinunter, und ich nahm, 
mit grosser Zuvorkommenheit behandelt, meinen Platz auf 
den vordersten Banken ein, wo ich zieml/ch allein sass, 
Wtinrend die hmteren Piatze recht gut besetzt waren Meinen 
Duner hess man ohne Bezahlung herein Das Publikum 
bestand nur aus Eingeborenen, ich war der emzige Europser, 
der sich hierher verlaufen halle Das Stuck gmg an, es war 
Qakuntaia, aber, o weh' Qakuntala als Oper' Es warver- 
mutlich dieselbe AuffUhrung, welclie Freund Garbe m Bombay 
sah und so abschStzig beurteiJf Icli muss ihm recht geben 
die Sache war lang und wurde nachgerade langweilig 
MUhsam bekampfte ich den Schlaf und suchte mich in den 
Zw/schenakten durch erne Tasse Thee aufzumuntern, wekhe 
draussen im Freien verabreicht wurde Als man gegen ein 
Uhr noch nicht Uber die ersten Akte hmaus wir, verzichtete 
ich auf die Forfsefzung und frat mit Pur3n den Heimweg an 
Unset Kutscher sass noch ruhig zu den FUssen seines 
Pferdes und schhef Nachdem wir ihn geweckt, begann ein 
grosses Gejammer, man hatle ihm die Decke vom Pferde 
weggestohlen Es war wohj das emzige, was an diesem 




Sehe 


Ein Ekka Tonfiguren Fyzabad unJ A)0dh)1 


127 


Wagen zu stelilen war Wir Irfisteten ilm durcli einige 
A\Dnzen und liessen uns nach Hause haiidern 

Die folgendcn Tagc benutzleii wir teils, urn mohamme- 
danische Prachtbautcn zu besuchen, dcren es in und urn 
Lucknow' cine gauze AnzaW gibt, teds machten wir Be- 
kannlschalt nut mehTeren Fabnkanlen von Tonfiguren, wclche 
die indischen Volkstracbfen und Gewrcrbe darstcllen und in 
Lucknow schr schttn angefcrtigt werdett FreilicU waren die 
Preise nicht bilfig, (Dr erne gut geferligte, etwa 20 cm hohe 
Figur wurdeti 10 Mark und mehr gefordcrt 

Erst am Abend vor unserer Abreise stellte sich in unscrem 
Hotel der HmduFreund ein, an den wir empfohlen worden 
waren Er widmcte uns cinige freundliche Stunden und ver- 
sah uns mit einer Empfehliing (Dr Fyzabad, die Eisenbahn- 
station fUr das benachbartc Ayodhyd, die Stadt des Riima, 
wclche das nachste Ziel unserer Reise bildetc 

Am frtlhen Aiorgen legten wir die kurze Strecke von 
Lucknow nach Fyzabad zurUck und suchten dort, nachdcm 
wir jm Hotel Wohnung genommen das Haus des Mannes 
auf, an den wir empfohlen waren Lcider war auch er in- 
folge der Feiertage verreist, und nachdem wir mit einem 
zu Besuch m seinem Hause anwesenden Freunde eine 
langere Unterhaltung gehabt und uns uber die VerhSltnisse 
m AyodhyS einigemiassen onentiert, beschlossen wir, den 
Weg dorthm allein anzulrefen Em Wagen war schnell be- 
schaflt, unser Diener schwang sich zum Kutscher auf den 
Bock, und wir rolUen der berlilimten Stadt des R3ma zu 
Ausser eimgen kolossalen SaulentrUmmern, die wir unter- 
wegs hier und da bemetklen, gemahnte nichts daran, dass 
wir uns auf der Statte so vieler verklungener Herrlichkeit 
befanden In weniger als emer Stunde war Oudh, auf der 
Statte des alien Ayodhya, erreicht, welches sich lang an dem 



128 


V Von Pc^awar bis Calcjilta 


Ufcr tier schr statlUchen Sarayd limzlelit tind, ahnlicli me 
Motfiurii, sich als hciligc Sladt durcli cine grfl^iserc Aiizahl 
von Tcmpcin dokunicnherte, sowie aucfi durcli eiiic Mcnge 
von Af/en, wclclie auf alien Dadiern »nd PWtzen dir 
Wescn Jintfcn, an den Wflndcn tier HUiiser Jicrn/nJcIcHerJen 
und von den Vcrkaulcm \on Esswaren in rllcksichlsv oiler 
Weise fern 211 lialtcn gcsuclit wurden Auf emetn freien 
Platzc imtcr Baumen schlHIctc jemand cmen Rest von 
Getreidckdrncrn aus, und sofort niaclitcn sich viele Affen 
dardber her, zerneben die KOrncr m den Hflnden, bettclifigfen 
prtifend diren Inhali und fdhrten ihn zum Alunde Da kamen 
des Weges einige Schafe, \o/an cm ungcstllmer Widder, 
welcher mit Kopf und HOrnem die Affen rOcksichfslos bei 
Seite stiess und anfmg unter den KOrnern aufzurSiimen 
Vergeblich suchten die Affen durch die furchtbarsten 
Gnmassen die Efndnngfingc zu vcrscheuchen, und mussten 
sich sclil/esslich begndgen mif den tvcnigen KOrnern, die sie 
obne Oefahr erreichen konnten, jndem sie dieselben in 
possierlichster Weise zwischen den Hinterbeinen der Schafe 
hervorscharrten Wir wandlcn uns von diesem Schauspiele 
emem benachbarten Tempel zu, der von vielem Volke um- 
drSngt wurde, wflfirend an dem erfiOhfen Eingange emtge 
Prisster posfiert vvaren, die von den Leuten OefSsse nut 
Milch, Frllchten usw entgegen nahmen, emen Teil des 
Inhaltes m grossere Gefasse zusammengossen und das 
Ubnge wieder zurllckgaben Leider war niemand da, der 
mir diesen eigentamlichen Brauch hfltfe erklfiren kOnnen 
Wir erstiegen erne AnhOhe, auf der sich eine mohani- 
medanische Moschee, wie gewOhntich in Indien aus emer 
offenen Halle bestehend befand. unser Diener beurlaubte 
sich fUr erne Viertelstunde, um an heiliger Statte ein Bad 
zu nehmen, wahrend wir uns einiger mdiskreter Frager, es 
waren Mohammedaner, zu erwehren hatten Auf der anderen 
Seite der AnhOhe stiegen wir dutch Tabakspflanzungen hmab 



A}odh)a Affen, Tempel SchcnsuDrdigkeitcn 129 

begiiissten \m Voibeigehen eincn aUcn Gelehrten, der die 
St1nk/oa-Pbilosophie studicrte, und luslwandelten daim an 
dem scUbnen Ufer des Ftusscs eullang zur Sladt zurtick 
Auf unserm Wege lag em grosser Tempel des R.1ma Ich 
trat ein, und man ver>Nehrte mir ziemlich unfreundlich den 
ZutritL Vergeblich setzte ich in Sanskrit auseinander, dass 
ich das Ramayanam studiert Iiabc und, wenn aucli ein Aus- 
iSnder, doch gewiss wtirdigcr als viele andcre sei, dem 
Helden R2ma meine Vcrehrung zu zollen Man licss sich 
nicht en-vcichen, \ielleiclit weil man mich nicht verstand, 
jch wurde lieftig, liess noch cine kleinc Strafpredigl voni 
Stapel und vvandte mit dem Ausnilc kruddUo ’srm' („icb 
zQrne euch“) den ungastUchen Plorten den Rncken 

Die Ivopiscbe Sonne neigtc sich schon dem Horizonte 
zu, als wir unsern Wagen bestiegen und von der Static der 
alien Rdmastadt Abschied nahmen Eine Fahrt von zcim 
Mmuten fuhrle uns m die Nahe ernes Htlgcls, auf dem emst 
Buddha gepredigt haben soil Wir stiegen hinan und fanden 
oben em halb verfallenes Haus, von emem anmutigen Gart- 
chen umgeben, und als Wachter des Ortes em freundhehes 
aUes Ehepaar, mil dem wir einige Worte wechselten und 
uns an der weiten Aussicht ttber Sladt und Ebene und den 
in der Abendsonne silbern gianzenden Strom erquickten 
Dann gewannen wir unseren Wagen wieder und rollten auf 
Fyzabad zu Mil der Dammerungerreichten wir unser Hotel, 
wo beim Dinner noch em Cast ausser uns zugegen war, ein 
Maler,deruns eineschbne Sammiungvon Gemaiden indischer 
Landschaften zeigte Der Honzont au! denselben war, wie 
gewohnlich m Indien, wolkcnlos „Aber hier ist emmal em 
Stuck mit Wolken“, sagte ich, „welches an die Landscliaften 
unserer Heimat ennnert “ — „Sagen Sie das nicht," versetzte 
er, „diese Wolken sind von denen des nordischen Himmels 
sehr verschieden “ 

Der nachste Morgen sah uns wieder auf dem Bahnhofe 

Deussen Erinnerungen an Ind cn 9 



130 


V Von Peshawar bis Calcutta 


Wir listen unsere Billets nach Benares, wo wir nach eiiier 
Fahrt von drei Stunden in der grdsslen Mittagshitze eintrafen 
und in Clark’s Family Hotel Wohnung nahmen, zuerst par- 
terre links, dann, nachdem Platz gcworden war, m emem 
grbsseren und besseren Zimmer parterre rechfs, welches wir 
drei Woclien Jang innegehabt haben Das Hotel lag an der 
Landstrasse Auf der andern Seite derselben befand sich 
erne Kirche, von emem geraumigen GrundstUcke mit wohl- 
gepflegten Wegen und Blumenbeeten umgeben Auch emiges 
Schatten gehende GefaOsch war vorhanden Die niednge 
Mauer war von der Landstrasse her mit Hlilfe der Steine 
ernes verfallenen Brunnens bequem zu Ubersteigen, und wir 
benutzten taglich diese Gelegenheit, urn auf dem Kirchhofe 
zu lustwandein Oder auch unsere Besucher dorthm zu filhren, 
namentlich, wenn mehrere zusammen kamen und die Di§- 
kussion lebhaft und laut zu werden drohte, wie das mit den 
Indern ats naiven Naturkindern leicht zu geschehen pfiegt 
Wenn wir dann, umgeben von national gekleideten Professoren 
Oder Pandits, auf der Veranda des Hotels verweilten, so 
konnten wir wohl aus den Bticken der Em- und Aiisgelienden 
lesen, dass wir nichf ganz angenehm auffieJen, und so 
pflegten wir uns lieber jenseifs der Landstrasse mit den 
StUhlen des Hotels im GebDsche des Kirchhofes zu poslieren, 
wo dann dem Redefluss freiester Lauf gelassen werden 
konnfe. 

Jenseits der Kirche kamen zuerst grosse, freie Graspiatze, 
hier lag die Wohnung des Professors Vents, etwas wetter 
die Buchdruckerei und der Buchladen sefnes Scfiwieger- 
vaters Lazarus, dann fofgte unter anderm das Posfbureau, und 
endlich kam man zu den AnfSngen der Stadt, welche sonacli 
ziemlich weit, wohl erne Vier^elstunde, von uns entternt lag 

Die Sfadt selbsf, am Imken lifer des Ganges im Halb- 
kreise geJegen, ist cm Labyrinth von engen, wmkligen 
Strassen und Gasschen, m denen man sicli nicht leicht oline 



Benms Clark’s familj Hotel Baden im Ganges 13] 

Filhrer zurechthndet, zuma! da kern detaillierter Plan \on 
der Stadt existiert Diesen ganzen Wierwarr von Sfrassen 
mnssten vvir jcdesmal durcUkreuzen, urn zum Ganges z« 
kommen, wclcher die Hauptsehensvvfirdigkeit von Benares 
bildet Die Ufer smd hier lioch tind steil Auf der HDJie 
an ihnen entlang Iiaben viele atiswarligc FOrsten iind Vereine 
ihre Versammlungshduser Von dieser HJluscrreihe bis hinab 
zum Ganges fUhren viele Treppen, die sogenannlen Ghatta'^ 
Auf ihnen bis zum Ufer bin und in den Fliiss liinein eni- 
wickelt sich allmorgendlich im Winter wie tm Sommer em 
sehr unterbaUendes Schauspiel Morgens gegen 7 Uhr ist 
das Ufer befebt von badenden Gruppen, fUr welcbe das 
tagbche Bad im Ganges emerseits rcbgibse Pflicht, ander- 
seits em sehr willkommener Zeilvertreib ist Wenn man 
frtih am Aforgen sich bei Dafdfvamedha Ghaita cinfindet 
und ernes der zahlrcich voriiandenen, hohen und brcifen 
Schiffe mietet, urn sich am Ufer entlang fahren zu lassen, 
so kann man in nachsterNtlhe und m v oiler Bequemlichkeit 
die Gruppen der Manner und, etwas gelrennt von ihnen, 
solche von Weibern beobachten, wie sie luslig im Wasser 
herumplatschern, mclem sie zugleich ihre Kleider und QefSsse 
waschen Die dtinnen Kleider werden auf den Steinen des 
Ufers der prallen Movgensonne ausgesetzt und smd, wenn 
der Inhaber sem Bad genommen hat und aus dem Wasser 
steigt, schon hmreichend trocken, um wieder angezogen 
werden zu kbnnen Weiter am Ufer entlang fahrend, ge- 
langt man an eine Stelle, wo vom Morgen bis an den Abend 
die Leichen von solchen verbrannt werden, welche im hohen 
AUer nach Benares gezogen sind, um dort ihr Leben zu 
beschtiessen Oder auch erst nachdem sie gestorben smd, 
ihren Leib auf Orund letztwilliger Verfilgung nach Benares 
haben transportieren lassen Da hier in der Regel mehrere 
Verbrennungen gleichzeitig erfolgen, so kann man den 
ganzen Hergang m kurzer Zeit an ihnen beobachten 

9 * 



132 


V Voft F^hawar bis Cafcuffa 


ZunSchst bnngen Trflger die mit Ttichern umwickelte und 
mit Blumen geschmitckle Leiche herbei, und das ersle isf, 
dass dieselbe mitsamt dem Brett, auf welchem sie befestigt 
ist, halb m den Fluss gesclioben wird, von wo sie dann, 
nachdem der Scheiterhaufen fertig gestellt worden, auf die 
mannslangen, grossen Holzscheite gelegt wird, aus denen 
er besteht Einige \veitere Holzscheite werden ilber die 
Leiche gelegt, worauf von pnvilegierten, einer faesonderen 
Kaste angehdngen Leuten, m deren Handen die ganze Cere- 
monie liegt, der Scheiterhaufen angezUndet wird Die Flamme 
prasselt empor und ergreift immer weitere Holzteile und 
zuletzt den Lelchnam, wShrend die Angehdngen des Verstor- 
benen, m einiger Entfernung stehend, racist mit dumpfem 
Schweigen dem Schauspiel folgen In eimgen Stunden ist, 
wie schon oben bemerkt wurde, die Leiche bjs auf einige 
Knochenteile vollstandig verbrannt, die Reste werden m den 
Ganges geschurt, dessen trage fliessende Wasser noch langere 
Zeit mit Kohlen, Blumenkranzen u dg] Dberzogen bJeiben 
Unterdessen ist bereits auf der leergewordenen Stelle ein 
neuer Scheiterhaufen ernchtet worden, der fur die folgende 
Leiche besbramt ist Selfen besucht man den Ort, olme 
dass mcht mehrere Scheiterhaufen gleichzeitig brennten 
Der Zudrang ist ein grosser, da die Inder glauben, dass 
derjenige, dessen Leiche m Benares verbrannt wird, sofort 
m die ErlOsung eingehf Weniger belebt smd die Ufer 
welter unterhalb, foigt man ihnen so gelangt man nacti 
halbstUndiger Wanderung, vom Mittelpunkfe an ge- 
rechnet, an die Stelle, wo die VaranQ ein FHlsscIien 
von etvva 10 Aletern Breite, fn den Ganges ml\ndet 
Ebenso bildet an der entgegengesetzten Seite oberhalb der 
Stadt tfie meist ganz wasserlose Asi die Stadtgrenze Vbii 
beiden FlOssen hat die Stadt den Nainen Varaniisi, das ist 
Benares 

Auf dem anderen Ufer, oberhatb der Stadt, Iiegt auf 




Seilc 132. 


Uichcnverbrennung am Dagatvameilha Ghatta (Benares). 



Leichemcrbiennuns Bcsuch bcjm MahSrAj'\ 


133 


einer ErhDliung Rdmanagarnm, die Residenz des MaliflrSja 
von Benares, bestehend aus emem vveilljjufigcn Palast mit 
Nebengcbauden imd emem imwcil davon befindljchen 
Tempel der Durg.1 

Unsere Empfehlungsbncfc an den MahSrflja halfcn wir, 
wie Ubbch, hei unserer AnkunU m Benares flbersandt und 
um erne Audienz gebcten Am fotgcnden Tagc crschien 
der SekretUr des MahiirSja im Hotel, und der Besuch vvurde 
filr den ntlchsten Tag — es war der 31 Dezember — ver- 
abredet Zur festgesetzten Stunde holte uns der Wagen 
des MahSrilja im Hotel ab und fUhrle uns zum Ganges 
Erne Sanfte mit Tragcrn stand fUr meine Frau berett, um 
sie den Abhang hmunter bjs ans Wasser zu tragen, ein 
fUrstliches Boot setzte uns Ubcr. dann wieder Sanfte bis 
ms Palais Hier empfmg uns der MaharSja im Kreise semes 
Gefolges, welches zumeist aus Pandits bestand Nacbdem 
die pobtiscbeHerrschaft dermdischenpdrsten fast Uberall an die 
Englander Ubcrgegangen ist, sind die meisten Mahardjas nicbt 
vielmehr a!s reiche und angesehene Pnvatleute Manclie von 
ihnen ergeben sich dem Wohlleben und gehen in Schlemmerei 
unter, andere benutzen ihren Einfluss, um Religion und 
Wissenschaft zu pflegen Dies war der Fall des gegen- 
warfigen Maharaja von Benares, Prablmndrdyana, welcher 
emlge Jahre vorher semem Vater gefolgt war Obgleich er 
schon emen ervvachsenen Sohn hat, der auch nachher m 
der Versammlung erschien, macht der MahSrSja den Ein- 
druck ernes jUngeren Mannes von sanftem und bescheidenem 
Wesen Er spncht leidhch gut Engbsch und ebenso Sanskrit 
Die Unterhaltung an der sich auch die anwesenden Pandits 
lebhatt beteiligten, wurde nut RUcksicht auf diese vorwiegend 
m Sanskrit getuhrl Von Zeit zu Zeit liess sich der 
MahSrSja eine kostbare Pfeifereichen, aus der er emige ZUge 
rauchte und sie dann dem Diener zurlickgab Meme Bitte, 
mir taghch einige Pandiis zur Unterhaltung im Sanskrit zu 



134 


V, Von Pcstiauar Ws Cilciifta 


schickcn, wurde bercitvvilhgst gcvvlllirt Ausscrdcm.stellte 
uns der Maliflraja fUr die ganzc Zeit tinsercs Aufenlhaltes 
In Benares eincn schOnen Wagen mit Kutsclier und zwei 
DIenern zur VerfOgting Von dcmRcIchlum und der FrOmmig- 
keit des Mannes mag es eincn Begriff geben, dass er, wie 
sclion frUher crwaimf, in MaHmrii an heiligcr Sfelle sicfi 
wiegen Icess tmd sein Gcmcid in Gold — es sollen liber 
100000 Riipicn gewesen sem — an die BraJimanen sclienkte 
Auch das Sanskritgedjchf, in wclcbem Professor GaTigUdhara 
an der UniversiiSt zu Benares dieses Ercignis in tiberaus 
kllnstlichen Versen feierte, wurde schon erwfllmt 

Nach langerer Unferlialtung in emem prunkvollen Saale 
iud uns der MaharSja zur Bcsichtigung des Palastes ein 
Wir bemerkten kostbarc Elfcnbemsclinifzereien und andere 
Kunstwerke, denen wir die gebufirende Beivunderung zoliten 
Am interessantesten war das ^akuniaia-Zimroer, m welchem 
alle Hauptscenen des Dramas Qakuntalfl m emer Reihe von 
Gemaiden sehr anmutig dargestelit waren Wir schieden 
hOchst befriedigt, und nocli lange dutteten imsere Hande 
von dem RosenOI welches man beim Abschied aus emer 
kosfbaren Vase m dieselben gefraufeJf hade 

Einige Tage darauf staltete uns der MahSraja semen 
Gegenbesuch ab, wozu ein in der NHhe des Hotels ge- 
legenes Palais gewdlilt wurde Diesmal war die Anzahl der 
umgebenden Pandits noch grosser Wir sprachen u a von 
Deutschland, und ich hatfe MOhe, m Sanskrit erne Schilderung 
des nordischen Klimas mit Ets und Schnee zu niachen, 
denn die allermeisten Inder haben me m ihrem Leben Schnee 
gesehen, und es ist schwer, ihnen emen Begnff davon zu 
geben PlOtzlich brach der MahSrSja auf und lud mich ejn, 
mit ihm m semen Wagen zu sfeegen, w^firend meme Frau 
einige Mmuten sp^ter in ewem anderen Wagen von emigen 
Ministern begleitet foigte Die Unterhaltung wahrend der 
Fahrt, teils m Englisch, teds in Sanskrit, drehfe sich urn 



Mlt dein Maharija zu EMskarSnanda SvSmln 


135 


die Retsen, welche der Mahdr^ia zu Elefant Oftcr nacli 
semen stldlich gelegencn Besttzungcn unternahm Meine 
Frage, ob er nicht cinmal nacli Europa kommen mOchte, \er- 
nemte er nut EntscliiedenheiL Als icli darauf hinuies, dass 
ja auch der MahSrflja von Baroda gegenwJirtig m Europa 
weile, antwortete er kurz „Ja, der isl ein ^fldra “ Unsere 
Fahrt gmg zu BhCiskarananda Sxdmm, cinem berbhmten 
Heiligen, bei welchem der Mahilrdja persOnltch micli em- 
fuhren wollte Durch emen Zufall hade ich ihn allerdings 
schon frQher kennen gelcrnt Der jiinge Pandit Vemram 
namlich, mit dem ich in Bombay Sanskritkonversation tneb, 
erzahlle mir, dass sein Vatcr in Asisanga bei Benares 
Askese bble und hatte mir auch einen Sanskntbnef an den- 
selben imtgegeben Mtt dtesem batten wir uns bald nach 
unscrer Ankunlt m Benares nach Asvsanga begeben, wo 
man uns nach mehrfachem Fragen m cinen Garten wies, 
m welchem em nackter BOsser leble Em kleines Tucli 
urn die Lenden bildete sem einzigcs Bekleidungssttick Er 
nahm den Brief an, liberblickte ihn flUchtig und empfing 
uns, aufs freundlichste Er war aber nicht Venirdnis Vater, 
den ich auf diese Weise me zu selien bekommen habe, 
sondern BhSskarSnanda SvSmm, und zu diesem fUlirte 
mich nun auch der MahSrSja Diesmal war er vollstandig 
nackend, es ist nnr em unvergesslicher Emdruck, wie dieser 
arme, nichts auf der Welt sem eigen nennende Asket den 
vornehmen und reichen MahdrSia, der sicli ihm mit demUtiger 
Verneigung nahte, mit Iierablassender Leutseligkeit empfing, 
V. w.'.cV. o’arw. Uwst9.v.*ie. ats aAtev. Wiii 

Mitarbeiter auf dem Gebiete des VedSnta begrUsste Er 
tud uns zum Sitzen auf emer Sleinplatte ein, setzfe sich 
selbst daneben, wobei ei seine BlOsse geschickt zu be- 
deckenwusste, und f mg lustig an, mitmirtibevdieUpanishads 
zu perorieren, wShrend ich das peinliche Geflihl hatte, dass 
meine Frau jeden Augenblick nachkommen konnte und ilin 



136 


V Von Peshawar bis Calcutta 


in diesem Zustande sehen wUrde Ich erwahnte wiederholt, 
dass aucb meine Frau sogleich eintreffen wUrde, aber er 
liess sich nicht stOren, und erst a!s meine Frau mit Gefolge 
hmter den Baumen erscliien, Iiess er sich em klemes 
Lumpchen reichen, und so war er auch fUr diesen Besuch 
hmrejchend gerdstet Der Mahard^a verabschiedete sich, 
BhSskarananda liess sich die Druckbogen einer von ihm 
unternommenen und seitdem auch erschienenen Ausgabe 
der Upanishad’s reichen, und so fehite es nicht an Stoff 
fhr die Unferhaltung Im weiteren Verlaufe liess er eine 
Frucht bnngen zerlegte sie und bestand darauf, die ein- 
zelnen Stuckclien mir und meiner Frau aus semen braunen 
Handen direkt m den Mund gelangen zu lassen Beim 
Abschiede schenkte er uns eine Mangofruchf, die em Ver- 
ehrer ihm aus dem fernen Suden mitgebracht hatte, wo 
alles frtiher reif ist als in dem nbrdhchen Indien Obwohl 
namlich dieser Heilige das GelUbde vblliger Besitzlosigkeit 
befoigte und ihm zum guten Teile die Verehrung verdankte, 
mit der die Menge zu ihm aufblickte, obwohl er schlechter- 
dmgs nichts auf der Welt scin eigen nannte, so fehite es 
ihm doch keineswegs an dem Notwendigen Da sem Ge- 
llibde vOIhges Nackendgehen erforderte, und dieses in den 
Strassen der Stadt polizeilich untersagt ist, so hielt er sich 
m einem grossen und schttnen Garten auf, den ihm irgend 
em Verehrer zur Verfhgung gestelft hatte Hter wandelte 
er zwischen schattigen Baumen, verfasste seme Werke und 
empfmg die Besuche seiner Verehrer Viele derselben 
schickten ihm regelmSssig Essen, andere sahen es als eine 
besondere Gnade an, dm bedienen zu dUrfen Als icJi ihn 
em anderes Mai mit memer Frau und Herrn und Frau Aus 
dem Wjnket etnem ;uxtgen Dxesdener Ehe^aare, besuchte, 
fuhrte er uns Uberall umlier, nannte die beiden Danien 
seme Mutter und war m rUhrender Weise bemtllit, ihnen 
beim Herabsteigen der steinemenTreppe behUifhch zu sem. 



Dn Aslvelcnheim Das Sanscnt College 


137 


obgkicli er mjt semen nackten FiJssen untl Gliedern \jel 
mehr exponiert war als \\)r andcren Ich fragte ilm, \%o 
er schliefe*^ Er zeigte uns emen Mcmen stallartigen Raum, 
dessen Boden mil Stroh bedeekt war Hier schliel er 
Dime weilere Unlerlage und olme Decken im Winter wje 
im Sommer Dann fDhrle er uns m emen tiefer gelegcnen 
Schuppen, wo cm Bildhauer beschaftigt war, eine sitzende 
Kolossalstatue unseres Hciligen fUr emen seiner Verehrer 
m Marmor auszufUhren Der Bildhauer liatte als VorUbung 
em paar Mmiaturstatuctten m Stem geschnilten, ich kaufte 
ihm erne dcrselben ab, welche BhaskarSnandas Gestalt und 
GesichtszUge ganz richtig wiedergibt, und bin Troll, dieses 
Umeum noch heufc zu besitzen 

Mil Ungeduld erwartete ich den 4 Januar 1893 als den 
Tag, an welchem nach den Weihnachtsfenen die Vorlesimgen 
an der UniversitSt wieder beginnen solUen Von nun an 
besuchle ich laghch von 7—9 Uhr morgens die Vorlesungen 
des Sanscnt College in der Gniversitat Es ist dies eine 
Ableilung derselben, m welcher fUr die Eingeborenen die 
verschiedenen Wissenschatten in alter Weise auf Grund der 
klassischen SanskntlehrbOcher vorgetragen werden Die Vor- 
tragssprache war, soweil ich die Vorlesungen besucht babe, 
stets Sanskrit Hier hdrte ich init grossem Genusse die 
VortrSge der Protessoren Gangddliara Uber Grammatik und 
Literatur, Sudhdkara Uber Astronomie, Ramami^ra Ober 
Philosophic und andere mehr Die RSume der Universitat 
Sind gross und hoch, von Hallen umgeben und m einem 
Garten llegend Alle TUren sfehen wShrend des Unterrichts 
often Zwei bis drei Professoren lehren oft gleichzeilig in 
demselben Raume, wo jeder mit seinem HSuflein von Schtilern 
erne Ecke einmmmt Wie bei uns am Emgang der Auditorien 
eine Reihe von Huten hSngt so siehf man m Indien vor 
jedem Auditontim eine Sammlung von Schuhen, denn Pro- 



138 


V Von Peshawar bis Calcutta 


fessoren wie Stiidenten behalten wShrend der Vorlesung ihre 
Turbane auf, zielien htngegen die Schuhe aus und finden es 
selir Wunderlich, dass der Europier die Kopfbedeckung, die 
Zierde des Marines, ablegt, wenn er ins Zimmer tntt, woes 
doch kUhler ist als draussen, hiitgegen die vom Qelien auf 
der Strasse bestaubten Schuhe anbehalt Wie sollte man 
aber auch m Schuhen bleiben kbnnen, ohne den Boden des 
Zimmers und die eigenen Kleider beim Sitzen mit unter- 
geschlagenen Beinen zu beschmutzen? Denn von Stdlilen, 
BSnken Oder Tischen ist ja keine Rede, der Professor wie 
die Studenfen ihm gegenUber sifzen mif untergeschlagenen 
Bemen auf dem Boden Wenn nachzuschreiben isf, so tun 
sie dies auf der flachen Hand und weisen eine Unterlage, 
wenn man sie thnen anbietef. als unbequem zurlick Die 
Pllnktlichkeit wird nicht sehr streng beobachtet Manche 
kommen nach Beginn der Vorlesung, andere verJassen sie 
vor dem Schlusse, indem sie gerSuschlos emtrefen und sicli 
zu den Filssen des Lehrers niederJassen und ebenso sich 
wieder entfernen. Mehr als ein halbes Dutzend waren selfen 
urn einen Lehrer versammelf Am Schlusse der Vorlesung 
spncht der Lehrer das Wort alam, „genug“, manchmal 
kommen ihm auch die SchQler zuvor mit dem Ruf alam 
Wahrend im allgememen auch die Universitat oder viel- 
mehr das College (denn university bedeutet m Indien nur 
eine exammierende, nicht eine lehrende Korporation) zu 
Benares einen engUschen Charakter trSgt, so ist das eme/i 
Teil derselben bddende Sanscrit College gam national indiscli 
geblieben Die verschiedenen Wissenschaften, Grammatik und 
Literatur, Rechfslehre, Philosophic, ja sogar die Astronomic 
und die Medizm werden hier auf Grund der alien, ein- 
heimischen LehrbUclier vorgetragen . Die vOllige Abhangfg- 
keit vom indischen Altertum, die LOsung feder Strellfrage 
durch ZurDckgehen auf die antiken Autoritaton und Dis- 
kussionen ihrer Aussprliche erinnert gar sehr an die Lehr- 



Lehn\cise im Sinscnl College Mittclallerlicher Stindpunkt 139 

weise, wie sie jn Europa uShrend des Millebltcrs Ublich 
uar, und so ist ganz laiUelaUerhch auch das festhaUen an 
allerlei Aberglauben, weicber auch den Vorsteltungskreis ge- 
lehrter und scharfsinniger Manner In wunderlicher Wcisc 
einschrSnkt und beherrschf Die Erde stclit still, und die 
Sonne mit alien Stemen drclit sich urn die Erde, die 
Schlangen, welche mitunter m dem alten Mauerwerke bo- 
ss ohnter Hauser \hre ScWupfwtnkel haben, gelten fUr Ver- 
kOrperungen von Seelen der Vorfahren, das Slerbcn in Be- 
nares hat unmittelbaren Eingang in die ErlOsung zur Folge, 
diese und anderc abergiaubische Vorstellungen kann man 
mitunter bei den gelehrtesten Pandits antreffen So sehr 
daher auch die Arbeiten der mdischen Gelehrten der Be- 
richtigung durch die europaische Wissenschaft bedllrfen, so 
wenig kann em Europaer jeniaisjene wunderbareBeherrschung 
des Sanskrit erreichen, welche bei den indischen Gelehrten 
etwas ganz GewOhnhehes isl Sie sprechen das Sanskrit 
so gelaufig, als batten sie me etwas andcres gesprochen, 
und sie lesen die Texte, svelche sie interprelieren, so schnell, 
dass man kaum mit den Augen zu folgen vermag Gang&- 
dliara erkiarte in einer Sitzung von zwei Stunden einen 
ganzen Akt des Dramas MGfatimadhavam auf meme Frage, 
ob es auch Texte gebe, die er nicht beim ersten Lesen ver- 
stehe, erwiderte er, dass ihm dies nur selten vorkomme Der 
Astronom Sud/iakara entvvickelte die schwiengsten mathe- 
maUsch-astronomischen Vorstellungen mit HDlfe hOchsl 
primitiver Instrumente m beredtem Sanskrit, und Rdmami^ra 
mterpretierte die SQnkhya-kartkd nebst dem Kommentare des 
VucaspatimiQra, mdem er dabet kaum ms Buch bhckte, er 
schien mcht nur die KSnka sondern auch den ganzen weit- 
laufigen Kommentar so ziemlich auswendig zu wissen „Das 
Sanskrit", sagte er zu niir, „ist fUr mich wie meme Mutter- 
sprache" Gegen die Gel&uhgkeit, mit der er es sprach, 
stach sehr ?b sem unbehoHenes Englisch, mit welchem er 



140 


V Von Peshawar bis Calcutta 


mjr gegenUber mit Vorljebe kokelberle, sodass ich iltn bei 
unseren zahlreichen Disputationen immerwieder zum Sanskrit 
zurilckholen musste. Den Inhalt seiner Philosophie bildete 
freihch nur der sptitere zum S^nkhyam entartete VedSnta, 
nicht die reine Lehre der aiteren Upanishad’s und ihrer 
Wiedererneuerung durch ^ankara Erne Vorlesung wurde 
zur Besprechung dteser Fragen anberaumt, wobei es mir be- 
greifhcherweise nicht gelang, ibn von seineni aus Ramanuja 
geschOpften und eingewurzelten Realismus zu bekehren Als 
ich von dieser Vorlesung nach Hause ging, schloss sich mir 
emer der anwesenden Schtiler an und bekannte, dass er 
meiner Anschauungsweise viel nSher stehe, als der seines 
Lehrers RStnamt9ra 

An emem Sonntag Nachmittag sass ich mit RSniamigra 
unterden Rosenpflanzungen desKirchhofs gegentlberunserem 
Hotel im philosophischen Gesprach Uber die Natur der 
Seele, virelche er sich als eine im Kbrper wohnende immatenelle 
Substanz, etwa in der Weise des Cartesms, vorsfellte, und 
ich hatte ihn gerade vor das Dilemma gestellt, dass seme 
Seele, entweder praiighQta (Repulsionskraft) besitze und 
dann nicht durch die Schadelvvand und andere materielle 
Hindernisse durchgehen kbnne, oder nicht praiighUta besitze, 
und dann weder die Glieder des Leibes zu bewegen noch 
von einem Orte zum anderen zu wandern imstande sein 
wurde, — da gesellte sich zu uns ein vornehm gekleideter 
junger Inder, der unser Gespracli mil lebhaftem Interesse 
verfolgte Sein Name war Govmd DQs, und er bewohnte 
ein elegantes Haus nahe bei Dargakand, oberhalb der Sfadf 
Wie alle besser situierten Hindus hatte er Wagen und Pferd, 
mit denen er uns bfter zu Spazierfahrten abliolte Er sprach 
nicht Sanskrit, aber um so besser EngJisch, und bczeichnefe 
sich selbst als a busy Idler, ,einen geschaftigen AUissig- 
gilnger" d li als einen Mann, der seme matenelfe Unab- 
hangigkeit zu literarischer TStigkeit benutzte 



Professor Wmami^ra Gosind DSs. Die Thcosoplnsfen 141 

Goxind Das fQhrte uns in sein \on einem schSnen 
Garten umgebenes Haus ein In eniem iler Ziminer waren 
die Hochzeitsgeschenkc aufegestelll, %velche cine Neuvermalilfe 
aus der Familie erhaltcn hatle, imd wir bemerkten mit Ver- 
Nvundening anstatt der bei uns fiblichcn Statuen, Uhrcn, 
Lampen und PrunkstQcke cine Sammlung von Sacken mit 
mancherlei Gctreldc, Schalcn mit FrDchten und aiinlichen 
Naturgaben, die zum Tcil vvohl cine s)mboIisclie Bedeufung 
haben mochten Wcitcr fUhrlc er uns in seme Bibliothek, 
rings an den Wflnden standen die Btlcher, wahrend fast der 
ganzc Innenraum dcs Zimmers von cjnem sclir langen und 
breiten Arbeitstisch nach mdischer Weise emgenommen 
wurde, nicht urn sicli daran zu sefzen, sondern urn darauf 
zu sitzcn, da er nur um cinen Fuss hoher als dcr Bodcn 
und mit grauer Leinwand Qberzogen ist Der Arbcitcnde 
sitzt mit untcrgcschlagcnen Beincn auf der Mittc des Tisclics, 
dessen grosse Breitc und Lange es ihm bcqucm ermbghcht, 
mancherlei BQcher um sich lierum aufzustapetn Wie wir 
2 ur Sommerzeit milunler m Hemdarmeln bei der Arbeit 
siUen, so macht auch der indische Gelehrte es sich bequem, 
indem er das Obergewand bis an den GUrtel heruntcrstreift, 
und so mit vOUig nacktem ObcikOrper dasilit So intcressant 
dieses atles file uns war, so wenig erbaut war ich von der 
Zusammenstellung dieser Bibliothek Der VedSnta war zu- 
meist in seiner spatesten entartetesten Form verireten, welchem 
sicIi erne grosse Reihe moderner theosophistisclier Produktc 
anschloss Denn Freund Govmd D3s war elfrigerThcosophist, 
und mit der grOssten Ehrfurcht breitete er vor mir mehrere 
dicke Bande aus, welche in elegantestem Einbande die 
wDsten Phantasien der Madame Blawatski enthielten Es ist 
bedauerhch zu sehen, wie das den Indern emwohnende edie 
phdosophische Streben durch den Uberall m Indien grassieren- 
den Theosophismus ih falsche Bahnen gelenkt wird Das 
Haupt dieser Richtung ist gegenwartig Colonel Okotl m 



142 


V Von Peshawar bis Calcutta 


Calcutta Icli liabe ilin dort nicht besucht, traf aber spater 
zufailtg mtt ilim zusammen A!s wir namlich von Calcutta 
nach Bombay ziirlickfuhren, hatten wir tn Moghal Saraf, cfer 
Eisenbahnslation, welche am sUdlichen Ufer des Ganges, 
Benares gegentlber, Itegf, rehn Almufen Aufentlialt Ich trat 
aiif den Perron und bhckte zum lelzten AbseJnede nacb dem 
so viele schQnc Ennnemngcn umscliltessenden Benares 
hintiber, als plOtzlich Qovind D5s zu mir trat, mtch mtt leb- 
hafter Freude begrllsste und zugletch anbot, mtch mit dem 
zufallig anwesenden Colonel Olcott bekannt zu machen 
Wir begrUssten uns wie zwei, die schon langere Zeit von 
einander wissen und das Gefidil haben, dass zwischen ihren 
Ansebauungen wohl schwerbeh jemals eine ge/st/ge Briicke 
sich schlagen ISsst Die Abfalirt meines Zuges erlaubte kem 
etngehenderes GesprScIt und machte unserer kurzen, reser- 
vierten. doch nicht unfreundiichen BerUhrung etn Ende 

Von den flbngen retchen EindrOcken, die unser zwanzig- 
tagjger Au/enthalt tn Benares uns bot, wol/en wtr nur noch 
einiges erw^hnen Eine sebr willkommene ErgSnzung unserer 
gelehrten Bekanntschaften war Ragbunandana Prasad, etn 
Advokat am Genchtshofe von Benares und zugleich etn Mit- 
glied der stadtischen Verwaltung Als solchem standen ihm 
alle Tiiren often, und die Art wie er uns in Benares herum- 
fiJhrte, war ebenso mteressant wie lehrreich Am frtihen 
Morgen bestiegen wir mit jlim em Schiff und liessen uns 
an den frbhlichen Gruppen der Badenden beiderlei Geschlechfs 
vorbeirudern Dann gelangten wir durch em Labyrinth enger 
Gasschen zu einer heiligen Stdtte, dem liianakQpa Oder 
„Brunnen derErkenntms*, einem wenig einladenden Orfe, wo 
die zudrmgliche Bettelei emen fast an Agypfen streifenden Grad 
erreicht Auch kOnnen die Hindus es nicht lassen, Blumen 
und andere Spenden m den tiefen Ziehbninnen hinabzuwerfen, 
welche dort m Verwesung Dbergehen und die Luft verpesten 



Colonel OlcoW Rundgang mit Raghunindana PtasAd M3 

Unser Freund zeigte uns die auf seine Anordnung ange- 
brachlen Vornchtungen 2 um Auffangen dcr hinabgcworfcnen 
Gegenstande, durch wclcbe dem Unfiigc wcnigstens teil- 
ueise gesteiicrt \surde Von liier ftllirte unser Weg zu den 
beiden grossen Minarels, avelche Benares als Wahrzeicben 
der Stadt Dberragen Sic wurden von den ftbermOtigen 
mohammedanischcn Eroberern als Symbol ibrer Herrschalt 
Ober die beiligstc Stadt Indicns aufgcriclitet, zum grossen 
Verdruss der Hindus, bis sic Icrntcn, sich in das Unabander- 
Iiche zu fUgen und die bcidcn Minarels ihrem Religions- 
system einzuvcricibcn, indcm sie dicscibcn flir zwci Saulcn 
des Krishna crkiarten Ernes der Minarets ist wegen Bau- 
tailigkeit jetzl gcsclilossen Das anderc bestiegen wir auf 
emu im Inncrn emporUihrendcn Wcndeltrcppe und genossen 
von hier aus erne grossvrtigc Obcrsicht aut das am Ganges 
im Halbkreise sicli ausbreitcndc Benares und die umlicgende, 
nut Garten und Landliausern tlbcrsatcOegend Weiter wurden 
wir von unserem kundigen Freundc durch die armeren Stadl- 
\ lertcl gefuhrt Wir sahen die Weber bei ihrer Arbeit, welche die 
schOnslen Webearbcilen auf den pnmitivsten Wcbstlllilen 
hervotbrachten Wir sahen den Tbpfer, wie er, auf dem 
Boden kauernd, cm grosses, auf einer Spitze laufendcs Rad 
m Umschvvung versetzte, cine unfOrmige Tonmasse auf die 
Mitte warf und m wenigen Augenblickcn daraus ein zier- 
Iiches Gefass verfertigte Wir nahmen em solclics, welches 
an dem daneben brennenden Feuer liart gebrannt war, zum 
Andenken mit und besitien es noch heute Weiter ilihrle 
■«Jns noeb unser "Weg duren engc Gassen, vorllber an zahl- 
reichen Tempein, deren Benares 5000 besitzen soil, und von 
denen manche freilich nur die GrOsse einer HundchtUte 
haben Gegen Abend besuchten wir em Hochzeitsfest, die 
Ceremonie war vorllber, und die Unterhallung hilte be- 
gonnen, um die ganze Naclit durch zu dauern Sie bestand 
darin, dass die manniichen Caste, es mochten ihrer eimge 



144 


V Von Peshawar bjs Calcutta. 


hundert sein, m emcm grossen Saale auf dem Boden liockten 
und den Auffllhrungcn der zu dtesem Zwecke gedungenen 
Tanzmadchen mit gespannter Aufmerksamkeit lauscliten Es 
trat immer mir ein Madchen auf, mit einem goldgestickten 
Gewande bis auf die Ftlsse bekleidet, welches in emtOniger 
Weise Liebeslieder sang und ste nut ebenso eintbnigen Be- 
wegungen der Armc und dcs Oberkbrpers begleitete Das 
Hbchste war, dass sic stch gelegentlicb um sich selbst herum 
drehte, sonst war von Tanzen ketne Rede Wenn sie mUde 
war, wurde sie durch eine fnsclie Kollegin abgelbst, welche 
es auch nicht anders machte Wir fanden die Produktion 
m hohem Masse langweilig, und der BrSutigam, em Knabe 
von fUnfzehn Jahren, schtcn diesen Emdruck zu teilen Er 
war auf semem Ehrenplatze in der Mitte der Versammlung 
friedlich emgeschlafen Oegcn elf Ulir abends verabscliiedeten 
wir uns und konnten auf dem Heimwege beobachten, wie 
au! den Strassen m alien dazu gceignelen Wmkeln Obdach- 
lose ihre Nachtruhe hielten 

Wir kbnnen Benares nicht verlassen, olme noch der 
Beziehungen zu gedenken, die wir zu einigen jtingeren Pandits 
unferhielten Ich hatte den MaharSja gebefen, mir den einen 
Oder andern seiner Pandits zum Sansknlsprechen zu schicken, 
und seitdem fanden sich deren taglich drei bald zusammen, 
bald abwechselnd in unserm Hotel ein um einen grossen 
Teil desNachmittags uns zu widmen Es waren derfromme 
und weichmtltige Pnyanaiha sem Bruder, der kernige, klare 
und feste PramathanUtha und derjdngere und leicliter ange- 
legte Bohiivallabha Die einzige MOglichkeit mit ihnen zu 
verkehren, war in Sanskrit (nteme Frau pfiegte sich durch 
Zeichen und emiges Hmdostani mit ihnen zu verstandigen) 
aber auch dieses Medium ermOglichte es, in Geist und Herz 
dieser Manner die mteressanfesten Bhcke zu tun Priianatha 
der am regelmassigsten fcam, war, obgleich er einige 




Seite 144 


Bijadercn (Tinzmidchcn) nut Alu^ikcm (Dcllii) 


TanzmSdchcfl Orel Panditfreunde 


145 


Schnftchen abtc Sankhyam u dg! verfasst hatte, eine treue 
giaubige Seelc, und gerade an ihm hatte ich Gelegenheit zu 
beobachten, dass die indtsche Religiositat auf das GemlUs- 
leben ganz ebenso eimvukt, wte bei uns die chnstbche 
So v,ehrte cr memcn Vorschtag, nacU England zu gchen, mil 
der Bemerkung ab, dass die Religion cs ihm verbiete, und 
als ich darauf hinwies, dass er durch das Bestehen der allein 
m England ablegbnren Examina zu hOlieren Stellungen in 
seiner Hcimat gelangen werde, erwiderte er einfach und 
ruhig dass die ewigen intcressen uichtigcr seien, als die 
zeitlichen Audi er tciltc den Glaubcn, dass durch ein 
Sterben m Benares cm unmitielbarer Eingang m die Erlbsung 
gesichert sci, und als ich daran ennnerte, dass nach den 
heiligen Scliriften crlOst werde, wer die ErKenntnis besitzc, 
\vo er auch immer sterbe, nicht aber, Nver sic nicht besitzc, 
auch wenn er in Benares stOrbe, so erteiltc er mir die Be- 
lehrung, dass cben durch cine besonderc Onade dcs ^)iva 
alien in Benares Sterbenden im Augenbheke dcs Stcrbciis 
das voUkommcnc Wisscn gcschcnkt werde Oelcgcntlich 
strcifte unser Gespracii auch die pohtisclie Lagc dcs Landes, 
und hier trat mir cm tiefer und fast Iioffnungsloser Schmerz 
entgegen, den die geistigen und zarlfUlilendcn Inder dariiber 
empfinden, dass sie unter der Fremdlierrschaft der so ganz 
heterogenen Englander stehen 

Als ein noch grttssetes Zeichen des Vertrauens mussten 
wir es ansehen, dass PriyanStha eines Tages unserer Bitle 
willfahrte und mich und meine Frau in sem Haus und seine 
Familie emfUlirte, natQrlich mil dem Vorbehalte, dass nur 
meme Frau zu den Damen des Hauses gefuhrt wurde, mit 
denen sie erne kllmmerliche Unterhaltung m Hmdostani zu 
ftihren suchte Die Wohnung des Pandit lag im obtren 
Stockwerke ernes jener grossen Mietshauser, welclie einen 
engen Hofraum durch rings an den Stockwerken henim- 
gchende holzerne Verai\den umschhessen Die Ausstattung 

Deussen Erinntningen an Ind «a |Q 



146 


V Von Peshawar bis Calcutta 


der Wohnung war ausserst bescheiden, die AldbeJ erinnerten 
an diejenigen, welche man im LuHierzimmer auf der Wartburg 
findet, das Ganze machte einen durchaus mittelalterhclien 
Emdruck. Es war dies am letzten Abend, den wir in Benares 
verbrachten, und wir beschlossen ihn, indem wir em den 
Pandits Oder vielleicht ihremHerrn, dem Mah5r5ja, gehbrendes 
Boot bestiegen und uns tiber den Ganges rudern liessen 
Von den Feldem aus, die das gegenUberliegende Ufer ein- 
nehmen, genossen wir den vollen Anblick der heiligen Stadt 
mit ihren beiden Minarets, ihren Ireppenartigen Aufstiegen 
vom Ganges aus und den zahlreichen PalSsten und 
Tempeln, welche dieselben kronen 

Am Dienstag dem 17 Januar 1893 fuhren wir, von den 
drei Pandits begleitet, zumBahnhofe, wo ich m emeni letzten 
OesprSche mit ihnen noch die Geschmeidigkeit der SansKrit- 
sprache bewunderte, welche es mbghch macht, Ober alle 
Errungenschaften der modernen Kulttir, uie Eisenbahn, 
Lokomotive u dgl sich m Sanskrit aiisziidrlicken 

Eine Eisenbahnfahrt von wcnigen Slunden fQhrte uns 
nach Banktpore, welches, am Ganges m unmiftetbarer Nahe 
des alten PQtahputra jetzt Patna gelegen, deit Knotenpimkt 
mehrerer Eisenbahnlmien bildcl Wir hatten hier eine 
Empfelilung an Mahcfa N<ira}ana, den Redikleiirder Woclien- 
schrift „the Behar Times" Wir fanden ihn nach Idngerem 
Suchen, und er widmele sjch uns in bebenswllrdigster Weisc, 
gab mancherlei AufschlQssc Ober Stadt und Gegend und 
fOhrte uns auf meinen Wunscli auf lelimigem Landuege an 
das Ufer des Ganges, welchcr zwischen Ablitlngcn, die nut 
Kornfcldern bedeckt waren, seine gelben Flufen dnfimwaiztc 
Mil Staunen nahmen wir die Spuren der Ver\Mlstungen 
vv<-5jjr, jvfjfhe der Fivss anricMeJ, wenn cr aJJ;5Jjfljcb scin 
Bett verandert und dadurch zu cincr neuen Vertcilung der 
Acker nOtigk Gcgen Abend \erliess uns Malic^n 
Was wir dann welter vornalimen, und wo wir fOrdJeNacht 



Abschied von Benares Bankiporc Fahrt nach Gaji 147 


unterkamen, darauf kann icli mich mcrkwllrdigenveise gar njclit 
mehr bcsmncn, wMirend doch sonst alle Einzelheden der 
mdischen Reise mir noch lieiite nach zehn Jahren so ziemlich 
gegenwartjg sind Viellcicht war cs die Spannung, mit der 
wir dem nachsten Tag entgegensahcn, uelche die Auf- 
merksamkeit auf die Gegenwart abschwadite Denn am 
andern Morgen iBslen wir unserc Bdletts fUr erne kleine 
SekundUrbahn, welche nach Sfiden m drei Stunden nach 
Gaya und zu den hedigen Statten des Buddliismus fUhrt 
Die Fahrt fUlirte durch Niederungen, haufig vorllber an 
Palmenwaidern, an deren jungen nur flinf Meter hohen 
Stammen oben unterhalb der Krone Tbpfe angebunden 
waren, m welche aus cinem oberhalb gemacliten Einschnitte 
der Palmsaft heute Toddy genannt) rieselt, mit dem 
wir m Calcutta noch nahere Bekanntschaft machen sollten 
An den klemen Stationen der Sekundarbalin bemerkten wir 
hmter einem absperrenden Oilter viel bettelndes Volk 
Em Mann steht mir noch vor Augen, welcher, nur mit emem 
Schurz bekleidet, auf verkrtiramten und geialimten Glied- 
massen herankroch und seme abgezehrten Arme flehend 
durch das Gitler streckte Es war vielleicht der elendeste 
Mensch, den \ch je geschen habe Er ennnerte an die Er- 
schemungen, welche den Buddha aus einem FUrstensohne 
zum heimatlosen Bettler machten 

GayQ ist em kleines Landslddtchen, welches im fernen 
Indten und unter den entsprechenden Anderungen denselben 
Familientypus wie so viele kleme Stadte m Deutschland 
und im tlbngen Europa aufweist Em Hotel ist nicht vor- 
handen, dafUr besteht wie Uberall, wo em solches fehit, em 
von der Regierung unterhaltenes Logierhaus, Dak Bungalow, 
wo jeder Ankommende wenigstens fUr erne Nacht em Zimmer 
mit Belt far erne Rupie beanspruchen kann In der Regel 
ist auch em Koch vorhanden, welcher auf Bestellung nach 
Vorschrift fQr IV* Rupie em Tiffin (Luncheon) fUr 2 Rupien 

10 * 



148 


V Von Peshawar Ws CaJcutta 


ein Dinner mit zwei Fleiscbgangen zu liefern hat Wir be- 
stellten ein solches auf den Abend, belegten ein Zimmer 
und sassen bald darauf m emer der jammerlichsten Land- 
kutschen, urn uns auf breitem, gutem Wege durch Felder 
und Waldungen nach dem D/a Stunden entfernten Biiddlia- 
Gayd baudern zu Jassen Der Orf besteht aus wewgen an 
der Strasse liegenden Hausem, weiter liegt auf der Iinken 
Seite der Landstrasse ein Kloster brahmanischer Sddlms, 
wahrend auf der rechten Seite m emer von der AufhOhung 
des Bodens durch den Kulturschutt der Jahrhunderte frei 
gehalienen Niederung der grosse Buddbatempei hegt, 
sicherlich an derselben Slelle (denn Buddha lebte lange 
genug, urn sie noch off semen zahlreichen Scfnllern zeigen 
zu kbnnen), wo der Erhabene in jener grossen Nacfit unter 
dem Feigcnbaume sass, als ihm die Buddhaschaft zu teil 
wurde An der Stelle, wo er sass, steht jetzt im Innern 
des Tempels eine vergoldete Kolossalstatue des Buddha, 
mit hintermdiscfiem Typus, und auch heufe sifzf er, nur 
durch die hintere Tempelwand davon getrennt, unter einem 
Feigenbaum, der vieKeiclit ein Abkbmmlmg des ursprOng- 
lichen ist Auf Treppenstufen steigt man em Stockwerk 
hoch 2U elner ringsherumlaufenden Veranda hinauf, von 
welcher aus man einen Oberbhck Uber die zahlreichen 
rmgsum zerstreuten Denkmaier hat welche die Bu^dhisten 
der verschiedensten Lhnder dem Siegreichvollendeten an 
dieser fUr sie heiligsten Static der Welt geweilit haben 
Abes atmef hier grosse Erinnerungen, nur dass rn Buddha- 
GayS so wenig wie im ganzen Dbngen Indien auch nur 
ein einziger Buddhist aufzufreiben war, mif dem wir utisere 
Empfmdungen batten austauschen kOnnen Einen Ersatz 
suchten wir vergebens nach \ollendeter Besichligung in dem 
erwahnten Kloster der BrahmanenmOnche Wir liessen uns 
melden, man filhrte uns durch einen ^\elten Hofraum, m 
dem die MOnche einen schwunghaflen Handel mit Korn 



Buddha-Gi>a Dn SSdhukloster 


149 


und Cl betncben Auf einerTreppe gclangtcn wir zu emcr 
hochgfilcgenen, breiten und langen, in Stnfenforni ansteigenden 
Terrasse, auf der alsbald der Prior an dcr Spitze dcr 
Klosterbrtider uns feierlich empfmg, worauf die gauze Oe- 
sellscliaft, es mochten dreissig Personen sein, im Halbkreise 
urn uns her sjch lagerfe, in der A\itte natUrlich der Prior, 
und zu semen FUssen hockend ein junger Menscli, dessen 
Gegenwart allerdings sehr notwcndig war, denn es zeigte 
sich bald, dass er der emzige in der ganzen Gesellschaft 
war, der eine Unterlialtung m Sanskrit zu flllircn vermochte 
Der Prior, an den natttrhch meine Wortc sich nchteten, 
hbrte sie an, nickfe, lachelte, brachte das eine oder andere 
Wort hervor, aber die Beantwoitung tlberhess er dem 
jQnghng zu semen FUssen Dieser beglcitcte uns auch nach 
beendigter Audienz und zeigte uns die Klostergebaude Dann 
durchscliritten wir ein Feld und sahen m der Feme die 
HUgelkette, an welche Rajagrtha sich lehnt Em stemiger, 
lehmigerBoden, den wirbctretenhallen, schien die NShe eines 
Flussbettes zu verraten, und so tragic ich unseren Begleiter 
nach dem in buddliistischen Schnften so viel genannten 
FlQsschen NairanjanS, worauf der junge Mann antwortete 
»Sie befmden sich eben mitten dann " Wie so viele kleme 
Fhlsschen Indiens war auch die NairanjanS schon im Januar 
gSnzlich oline Wasser 

Der herannahende Abend mahnte zum Aufbruch Wir 
nahmen Abschied von dem geweihten Boden Buddlia-GayS’s, 
beshegen unsere elende Kutsche und rollten auf GayS zu 
So unertraglich langsam und holpernd war die Fahrt, dass 
ich es vorzog, in der AbendkUhle den Weg zu Fuss zu 
niachen, immer ein Stuck vorauslaufend und dann wieder 
wartend, bis der Wagen mit meiner Frau nachkam Mit 
einiger Furcht vor Schlangen, die auf dem Wege lagcrn 
mochten, gcnoss ich doch, umgeben von herrlichen Wal- 
dungen, den indischen Abend, wo die Sonne nicht mchr 



150 


V Von Peshawar bis Calcutta 


/lire gltihenden Pfeile enfsendef und ein sanfter Windhauch 
mit Wohlgertichen uns umschmeichelt Wen/ger harmoniscli 
waren die EindriJcke in Gayfl DerKutscher, wiewohl durch- 
aus hinreichend bezahlt, zeigte sich unzufneden und schimpffe 
noch lange Zed aus der Feme Uber den weiten PJatz weg, 
an dem unser Logierbaus lag In diesem war das Dinner 
bereitet Die zwei vorschriftstnassigen Fleischgange bestanden 
dann, dass man uns als ersten Gang ein halbes Huhn und 
als zweilen die andere H4lf(e desselben vorsetzfe, beide reich- 
hch zahe, well das Tier offenbar erst eben geschlachtet war 

Am anderen Morgen benutzte ich die Zeit vor Abgang 
des Zuges, urn emen grbsseren Tempel oberhalb der Stadt 
zif besudien, da icli aJiem kam, so sab man micbmitMiSS- 
trauen an, die Unterhaltungen, die ich anknUpfte, wollten 
mcht recht m Fluss kommen, und ais ich m der Nahe einer 
Seitennische stehen blieb, urn eine dort vor sich gehende 
Ceremonie zu beobachten, wurde ich sogar weggewissen 
mit der Bemerkung, dass hier em (^rQddham (Totenopfer) 
gebracht werde, bei dem die Oegenwart ernes Fremden un- 
zulassig sei 

Am Nacbmiitag langten wir wieder in Bankipore an, 
leider ohne unseren Freund von vorgestem nochmals zu 
sehen, wie er versprochen hatte, da ihn em unvorhergesehenes 
Geschaft in Anspruch nahm So lOsten wir unsere BilJelts 
nach Calcutta und bestiegen gegen Abend den dort bin- 
fUhrenden Naclitschnellrug Ausnahmsweise war auch die 
erste Klasse stark besefzf, und schon machten wir uns darauf 
gefasst, erne unruhige Nacht zu verbnngen Da hOrte icli, 
dass unser Zug auf der direkten Lime Calcutta schon 
morgens urn 5 Llhr erreichen werde, wSlircnd von emer der 
nachsten Stationen em Zug, auf einer Loop Line nOrdlich im 
Bogen herumlaufend, um 10 Uhr morgens m Calcutta em- 
treffe Schnell entschlossen stiegen wir aus und verbrachten 
in dem anderen Zuge m emcm Coupe ersfer Klasse, welches 



Gayd Bmkiporc Candramginm 


151 


^u^ allein batten, eine gute Nacht Am Morgen waren wir 
in Candrana^aram, welches ncben Pondidierry' im SOden die 
einzige Stadt Indiens ist, die nocb den Franzosen gehUrt 
und wolil nur aus Eitelkeit behalten wird, da ein Nutzen 
aus dem Besitze dieser Enklavc wohl schwerlich erspnesst 
Hier sahen wir auch die erslen bcngalischen Pandits, grosse 
schbne Gestalten mit tlppigem schwarzem Haar und einem 
Gewand, desscn Zipfel vom wie eine Art Schurz bis auf die 
FUsse niederhangt Trotz der Glut der bengahschen Sonne 
gehen sie ganz ohnc Kopfbedcckung Erne gewisse Eitel- 
keit spncht aus direr Kleidung, iliren Reden, ihrem Gebaren, 
es ist nicht unzutreffend, wenn man mir die Bengalen als 
die Franzosen Indiens schilderfe 





Sechstes Kapitel. 

Calcutta und der Himalaya. 

^egen elf Uhr lief unset 2ug in den Bahnhof von Calcutta 
ein Er Iiegt auf der andern Seite des Hughlt, eines 
breiten Armes des Ganges, abet welctien eme lange Dreh- 
brUcke nach der Stadt fUhrt Ste war gerade ausgefahren, 
aber die Zeit des Wartens war uns nicht zu lang, ganz in 
unserer NShe konnten wir die Gruppen der badenden 
Mannlem und Weiblein beobachten, wahrend am anderen 
Ufer am Flusse entlang eme Anzahl sogenannter Asketen 
ihre Lagersfatte liatte, dies sind, wie wir schon m einem 
frUheren Zusammenhange envahnlen, allertlmgs wohl viel- 
mehr Bettler, welche eme billige Askese zur Scliau Iragen, 
um dem Volke zu imponieren Jeder treibt seme Spezialitat, 
der eme reckt die Arme besOndig m die HOhe, em anderer 
hat sich em Bern hochgebunden, cm drifter tiegt auf einem 
Bette von hDlzernen NiJgeln Jeder ist von Zuschauern um- 
standen, vvie bei uns die arbeitenden Kesselflicker, hin und 
wieder wird ihnen eme KupfermCmze zugeworfen, und dies 
scheint auch der eigentliche Zwcck bei der Sache zu sem 
Es war Mittag geworden, als wir endlich die BrUcke 
Uberschritten batten und nach etnigem Stichen m einem 
der Boarding Houses der Mrs Monk Unfcrkommen fanden 
Die Pension kostet hier 7 Rupien, also noch etwas mehr als 
in dem Great Eastern Hotel, soil aber auch besser als die 




Sete 152 



Calcutta Jung England in Indicn 


153 


dortige sein Das Essen war m der Tat recht gut, aber die 
GeseUschaft war die unbehaglicbstc, weiclie wir in Indien 
gehmden haben Sie bcstand tlbenvicgend aus jungen 
Mannern, welche den Sport, und jungen Weibern, welclie 
den Putz als eigenlliches Endziel des Daseins zu betrachten 
schienen Eine gebaltvolle Unterlialtung war nicht in Gang 
zu bnngen Das Gespradi drehtc sich meistens urn Cricket 
und Croquet, um Jagd und Tcnnis-Spielen, daneben war 
es das Hauptthema dieser vom Tropcnkollcr ergriffenen 
jungen Englander, in alien Tonartcn auf die Emgeborenen 
zu schimpfen Ein Gesprach der Art will icli rait historischer 
Treue reterieren Es wurde die Frage aufgeworfen, ob cm 
englischer Klub die Herausfordcrung (challenge) zum Wett- 
kampfe (match) annehmen mUsse, wenn dieselbe von einem 
Naine Club ausgehe Die emen verncmten die Frage, die 
Emgeborenen standen zu lief unter dem EngUnder, als dass 
dieser sich auf irgend welche Weltspicle mit ilinen einlassen 
kOnne Von anderer Seite wurde das Prmzip vertreten, dass 
jede Herausforderung angenommen werden mUsse, selbst die 
der Emgeborenen, denn, so fiigte em Redner bezeichnender 
Weise hinzu „wenn der Schornsteinfegerklub in London 
uns erne Herausforderung zukommen lasst, so darf auch 
diese nicht abgelehnt werden" Wie die Qesprache, so 
waren auch die Manieren dieser jungen Kaufleute sehr selt- 
same So lange die Damen zugegen waren, war das Be- 
nehmen em sehr respektvolles Standen diese nach dem 
Essen auf um hmaus zu gehen, so sprang die ganze Gesell- 
schaft in die Hohe, als kame das Venerabile, und blieben 
stehen, bis die letzte Dame den Saal verlassen hatte, auch 
dann, wenn irgend ein Ganschen auf dem Wege zur TUr 
im Vorbeigehen nocli eine kleine Unterlialtung anzuknUpfen 
ftlr gut fand Sobald die Damen das Lokal verlassen batten, 
entschadigte sich Jung-England fUr den erlittenen Zwang, 
man rekelte sich und flegelte sich in aller Weise, man steckte 



151 


M C^tcutt^ find drr 


nicht CiRirrtn sondcrn die ktirzcn quilmcnilcn Stiimmcl- 
pftifcn .^n, und cincr mtlncr Nichlnm Kins so ucit, diss 
tr, niif SLincni Stulile sitzend und sich inch Iiintcn uiegcnd 
i«f dtn Tiscit, \on clem \tir soclicn gcgcsscn Jntlcn, ficidc 
Ikliie Jegle Jni Dbngtn fmeJtii und sudden uirnudj Kejnc 
OLzitluing zu dicscr Tiscligtstllsdiaft, da iinscr panzer Tig 
\on CindrUckcn indercr Art ausgcfllllt uurde 

Oi wTtx zun'ld'isl die Sl'wW sdbsl die grOsste in Indien 
wclcfic, im Gcgcnsifzc zu so vJcIcn nndcren \on uns bc- 
snclden Sllditn, ktJuen rein indischen sondtrn e/nen hiJb- 
curoplisclicn Clnnkter frlgl Alles, die Anlagc der Stnssen 
und Platzc, die Nimen und \lclcs inderc ermnert an London 
und so Sind iticli die Dcuohner mchr als anderswo \on 
curopllschcr KuUur angcwcld und tJbcrlflnchL Namendidi 
ist dies uif dem Gebiclc der Religion bemerkbar Wic im 
wcstlichcn Indicn der Aryasanuy, wortlbcr wlr bci Lahore 
spnehen so hcrrscht Idcr der Drabmasamilj, cme religiose 
Gcmeinschaft, \sctclic ebenso uic jener auf das Altcrium 
zurUckztigchcn bemuhf isf, dibcJ aber, im Oegensafr zu dem 
rein nitionalcn Aryasaniiij, vielcs aus dem biblischen Vor- 
stellungskrcisc und dem cliristliclicn Rdus lierllbcrgenommcn 
hit Unscrc Freunde fUlirtcn uns an cinem der ersfen 
Abcndc zu einer godesdicnstlichcn Feier, sie fand rn einem 
grossen Geblude sfaft, welches sebon durcli die Aniage mit 
Kanzcl Gallcrien usw an clnc clinstlichc Kirche ermnerie 
Gedruckto Blitter warden vertcilt und abgesungen Sie 
enlhielten Verse aus dem Rigveda aber gerade solclie 
namentlich aus den Hymnen in Varum welche an die 
biblischen Busspsalmen anklingen Dann wurde eine nchtige 
Predigt gehalten Uber elnen vedischen Text und so merkte 
man tiberall den europaischcn Einftuss Dasselbe glif vom 
Familienleben Unsere nSchsfen Freunde der Advokat 
P L Roy und der Professor der Philosophic am Sanscrit 
College P K Ray Icben mit ihrcn Familien ganz in euro- 



Dct BralMnasamij P L. Ro> und P K Ri^ 155 

pinscher Weise Sie kleiden sich europhisch, sie sitzcn hei 
Tisch auf StUhlen, sie essen Fieisch und tnnken Wein iind 
smd dabei von liOchster Tolcranz Unsere licbenswUrdfge 
Freundm Mrs Roy gehOrte der brahmanischen Religion m 
der Form des BrahmasamSj an Ihre unverheiratete Scliwester 
Miss Cakraxarti war in England in ciner Pension erzogen 
und dort in der StiUe zu cmer Protestantin umgcmodcH 
Worden, und eine dritte Schwesler, die ich nur aus ErzJihlungen 
kenne, war m CalcuUa zum grossen Schmerz der Famihe 
von den katholischen Patres iimgarnt und als Braut des 
Himmels in ein Kloster gesleckt worden, denn sie hatte em 
grosses Vermbgen Trolz dieser Polyphonie der rehgibsen 
Bekenntnisse herrschte in der Famihe die schOnste Harmonie 
und wurde auch nicht gcslbrt durch cinen jungen moham- 
medanischen Gentleman, der als Freund der Famihe Ofter 
erschten und freihch durch sein etwas rohes und ungcstUmes 
Wesen von dem sanften, feinfuhlenden, intellektuellen Mr 
Roy sehr merkhch abstach Zum Teil mag daran wohl die 
Religion schuld haben, welche ja nicht nur dem Individuum, 
sondern auf dem Wege der Vererbung ganzen Geschlechtern 
ihren Stempel aufdrUckt 

Ebenso frei wie die Famihe P L Roy’s stand auch em 
zweiter Freund mit Frau und Kindern den rehgiOsen Vor- 
urteilen gegenliber Es war dies der Professor der Philosophie 
am Sanscrit College P K Ray Er lud uns zu Tisch em, 
dann hatte ich mit ihm in seinem Studierzimmer, von wo 
die Frauen ab und zu vergebens versuchlen, uns zurtick- 
zuholen, erne lange Unterredung liber Platon, Kant und 
Schopenhauer, liber die er gut onentiert war und viele 
Fragen zu stellen wusste FUr den weiteren Nachmittag 
hatte er uns zu Ehren eine Versammlung von etwa zwanzig 
^ Pandits anberaumt, imter denen stch mehrere hervorragende 
Professoren des Calcuttaer Sanscrit College befanden Ich 
besuchte m den n’lchsten Tagen fleissig ihre Vorlesungen 



\l Ci i.lU und H n^hja 

Orel Stljincr •>{«(! nif nt»cl» In better Irinncfunp v.tnnnifr 
1 Kh i!itc Simen cnKi’ltn «lnd dtr Pnnclpil tin wolil- 
bdcihlcr ^httllclicr Mnnn \o) \4jfnclsmcr Ihlttinj; udchcf 
nach cincm intucn Swktl! Konpindium ilic lof.ik vortrirp 
cm jUn^cfcr P»ofc<<of, tier mil I mst titiil fjfcr die 

AdP jA j-Up in/if K/ctkllrte «nd cin vtn tllcn ml! besondenr 
HoclndnimR bcinfiddfcr lltcfcf Proftstor dcr I itcratur 
dc'*^cn 'chbn uliJTinlc ‘'iltn an Kinl crmnirtc iinddcrsicb 
nichl nur iIs Geklulcrdurcli ^clmmfnentcsUi^scn sondern 
nucb iK Diebicf ei^cncr Dnmen nuspezclchm.l liaMc It 
(nlcrpfcticrtc die Mdimhirl uttd Ich ermnert mfeh noch 
uic cf infin;, ilnen Satr lU Unen tier kein Lnde naJmi iind 
tfinn ucllcfbllllcfTid Cndc dcs Salzcs zti 

fmden mn'sen wir nsdif Seilcn ucjkrpeJicn " \Ue m 
Hcmri.’^ uurdi. uich Idcf die j anic Sluiidc tfurcfi nur 
Sansknl pc^proclicn doch nnn nicht vsic dort luf dcr 
Trde sondern nd SdUifen an cincm Ti^tfi uciciter flir allc 
^cnn(;tnd Plat^ licit denn mehr nis (llnf odor sichs Zubbrir 
hibc Ich me dtbci r«<immcii fvtschen 

Alisher den I nmilicn P U Ro) iind P K Rn) wnrden 
uir noeb besonders befrcundtl mil xuci lifOdcnj Mullif. 
\sclcln. JcnscHs dcs Mu^blidtomcs cine Schdfsucrft btsassen 
Bel Bcsiclitifiiiiii, dcrsclbi-n «i3li Ich mil Erstaunen nmc die 
zahlrcicbcn Arbtdtr t.inr wic bci uns die glHlicnden Cisen- 
slmptn \mUIlii und schmicdclen nur dnss sic dabcl fast 
mckt warm und dilicr rcvvIss selir oft Brandwimdtn durch 
das berumspritzcndc CIstn erkiden miissten Man war 
gcradc damit bescli’lfligl cIn grosses GDtcrschdf zu repaneren 
Welches mit seiner Ladung auf dcr See In Brand geraten 
war llicrbei halten sich allc Stangen des aus Eisen be 
slchcnden Rumpks mehr oder wemger verbogen Es war 
schr mahsam und Kosispiclig dccses alles so wicdcr her 
ziisteilcn wic es ursprPnglicli gewesen war wihrend es un 
vcrhaitnismassig weniger Kosten verursacht liaben wOrde 



Calcuttaer Professoreo. Mr \tullik's Werft und Haiu. 157 


das ScUdl mit Veaicht au! die ScUOalieU wiederm brauch- 
baren Zustand zu bnngcn Abcr das Schiff uar be« einer 
Gesellschaft versichert gewesen, und dcr Dgentflmcr konntc 
die \Viederhcrste\hmg dessclbcn m den ursprtJngbchen Zu- 
stand \erlangen und hattc kein Intercsse damn, an den 
Kosten zu sparen Die Brllder A^ullik bewohnten nut direr 
Mutter cm patastartiges Haws m dcr Stadt, olt botlen sic 
uns dorlhm in ihretn eleganlen Wagen Oder fuhren, uenn 
ich verhmdert ^\ar, mcme Frau altein spizicrcn Wiederholt 
luden SIC uns cm, bci dinen zu spciscn, das cine Atal 
europaisch, das anderc Mai tndiscli Die erste Art unlcr- 
schicd sich von einem opulenten cnghschcn Dinner nur durch 
diejenigen Anderungen, wclclie das Klima gebielel Man 
sitjt aut StWdcn, man isst ricisch und tnnkt SVem smc bci 
uns Dcr indischc Gcsctlsctiaflsnnzug besteht aus Hose und 
elcgantem, bis zu ihr hernbrcichcndcm Hcmdc Hemd und 
Hose \\erden durch cinen scidcncn GOrlel zusammengehaltcn, 
die Weste kommt ganz in Wcgfall und cm sehr wed offenes 
kurzes jackett vollendet den malerischcn Anzug Wer kcinen 
sokhen besilzt, der hat die Wahk entweder in semem 
europaischen Frack furchlcrlicli zu scliwitzen odor cmfach im 
Promenadenanzug aus dUnner Lemwand Oder Scide zu cr- 
schemen In Indicn ist man vietleicht abgesehcn von den 
Engiandern, m Bezug auf Todetle sehr nachsiclitig Professor 
Peterson pfiegte m Abendgesellschaftcn, wenn erst die Sonne 
untergegangen ist, ganz ohne Kopfbedeckung uber die Strassc 
zu gehen, und so werden cs woh! noch viele maclien 

HOchst originell war ein Diner im Emgeborenenstile, 
welches uns einer der Herren MuUik offenerte Zunachst 
wurden wir getrennt raeme Frau speisle oben bei den 
Damen aus sdberncm Oeschirr, mir wurde unten serviert, 
wahrend Mr Mullik micli unterluelt, selbst aber nichts 
anrlihrte, angebhch wed er heute semen Fasttag liabe Em 
indisches Diner aus zwanzig Gangen, zur Hadle nicht sUss, 



158 


VI Calcutta und dcr Himdla>a 


ztir aftdcfcn s«ss, bcsfclicnd aus den mannig;- 

fachsten Zubcreitungcn von Mtlch, Biitfcr, Reis, Genilisen, 
Kartoffcln, Atelilspcisen und FrUclitcn, mit Ausschluss von 
rictsch, Fiscli und Etern, ist cfwas ganz GewOfmficites 
Dicsmal aber wollte Mr Mullik mir zcigcn, was die vege- 
tansclic Kdchc alles zu Icistcn vermag, und so folgten auf 
cinander nicht wenigcr als aclitzig verscluedene Genchte, 
weJclie al)e mein Jiebcnswllrdigcr Gasfgeber mir im einzcJnen 
crkiartc, willircnd ich von ]cdcm der spateren Gericlite nur 
ein ganz kleines Teilclicn zu kosten vermochte Merk- 
wUrdigervveise befand sich darunler eln eimeJner sehr 
appetitlich ziigcricliteter Flcischgang Es wird namlicb in 
dem eine halbe Stunde von Calcutta cnffernt gelegenen 
Tempel zu KSligfinlfff, (lessen Protektor Mr MuWk war, 
dcr furchtbaren GtiUin A'd// jeden Morgen um 10 Ulir eine 
Ziege gescblachtet, indent ihr Kopf in eine eiserne Gabel 
eingespannt und nut einem ScJiwertsIreicbe vom Pumpfe 
getrennt wird Das Fleiscli dieser Ziege darf gegessen 
werden und gilt als besonders lieilsam, ist aber wohl nur 
seJir wenigen erreiclibar Icli habe mit Andacht davon ge- 
gessen, und es ist nur, wie auch die ganze Ubrige ungeheure 
Mahizeit, seltr wohl bekommen 

Ein beber Freund ausser den genannten war aucli 
Hara Prasdda, ein fnscher oflener Charakter von gediegener 
Bildung Er war fruiter Professor des Sanskrit gewesen, 
liatte aber dann djese SteJJung nut der lukrativeren und 
einflussreicheren eines Rates m der Verwaltung der Provinz 
Bengalen vertauscht Als solcher Iiatfe er die Aufgabe, fiber 
alle in Bengalen erschemende Schriften ]e nach Bedarf der 
Regierung mehr Oder weniger emgehend Bericht zu erstaften 
Ich verhandehe viel nut ihm fiber das SSnkhyasystem, ohne 
dass auch er es vermocht hatte, mir Uber dieses vertrackteste 
alter philosophischen Systeme Klarheit zu geben Erst nach 
Jahren habe ich, vom Studium der Upanishad’s kommend. 



Eine schwere Sjtiung Hara Pra^Jda Nadiaii 


159 


das SSnkhyasystcin, \v>e auch dessen epischen Vorllufer, be- 
griffen und erwiesen a!s erne realistisclie Umbtldung des 
rcmcn Idealismus der altcslcn Upanishadtexte Die stiifCn- 
\seisc fortsclireitcnde Degeneration dieses ursprDnglicben 
IdeaUsmus durcU dieStadicndcsPantheismus, Kosmogonismws, 
Theismus bis zum Athcismiis des Sankhyam liin, babe ich 
m der zweitcn Abteilung dcs ersten Bandes meincr Ge- 
schichte der Philosopliic nachgewiesen 

Hara Pras*1da ^^ohntc mit seiner Familic m id)llischcr 
Abgcschiedenheit in dem in Inlbslfindigcr Eiscnbalinfalirt 
erreichbarcn Dorfe Nai/iaft Dort bcfmden sich noch heute 
Melc brahmanische Schulen, Oder besscr gesagl Pensioncn 
Ganz in alter Wcise wohnt hicr einc Anzahl von ScliDicrn 
m der HCitte cines Guru (Lehrcr) for welctien sic die haus- 
lichcn Arbciten vcrrichtcn, \icllciciit auch bcttcin geiien und 
als Eutgelt im Veda und andcren DiscipUnen untcrnchtet 
werden Hara Pras^da nahm uns ernes Tages mit nacli 
Naihali, fUhrlc uns bci den Lchrctn und in ihrcn Wobnungen 
ein und veranstnltetc zum Sclilussc cmc Zusammenkunft von 
el\sa 60 SchUlem Ich musste dcrsclben prasidieren und 
an die SchOler manchcrlei Fragen richten, natOrlich in Sanskrit, 
welche sie in dcrselbcn Sprache, zum Tcil recht gut, zu 
beantworten wussten Zum Schlusse brachte man niir die 
hblichen Ovalionen dar, und es geschah dabei das Un- 
glaubliche, dass mir Hara PrasSda vor alien Lehrern und 
Schidern die heilige Opferschnur (yajnopaiitam) Ober die 
Schuller hangte, welches sogar cm Frevcl am Hciligen ge- 
wesen ware, haile man nichl einen der Faden, aus denen 
die Opferschnur besteht, weggelassen Nachdem die Ver- 
sammlung aufgelOst war, zeigle uns HaraPrasSda die schOnen 
Umgebungen von Natliati, fuhrte uns m scin Haus und 
stehte uns seln Sohnehen vor, einen lebhaften achtjaiirigen 
Knaben von grosser Sclibnhcit, welche um so deutlicher 
hervortrat, well der Knabe vblhg unbekleidet seinem Vater 



160 


VI Calcutta und dcr Himalaya 


auf der Strasse cntgcgensprang, und auch uns nut etncm: 
„Good morning, sjr!“ begrfisste Scm Valer erzaiilte uns, 
dass er schon jetzt den Knaben die uichtigsfen Sanskrlt- 
worte aus dem Amarako^a Icmcn Jassc Hiemacli ht es 
begreiflich, dass die Inder eine Fertigkeit im Gebrauche des 
Sanskrit besitzen, welche kcin Eitropaer jem»als crrctcbt. 

Noch manche andere EindrDcke vcrdanke ich dcm stets 
gefaliigen und ttberall trefflich oncntierten Hara Prastida. 
So hade ich den Wunsch gcaiisscrf, emmal einen A'o/ii/a m 
dcr NJhc zu seiicn, Welches nicht Icichtist, dadicscrindische 
Kuckuck sehr scheu ist Er wird von den indischen Diclitern 
uegen der Schonhcit seines Gesanges, .‘ihnbcb uie bci uns 
die Nachtigall, gefeicrt An Klarheit und SKIrke der Stimme 
ist cr dicscr wolil noch (ibcrlegcn, niclit aber an Manntg- 
faliigkcit, da er, so oft ich ihn hOrtc, immer niir zuci MolI^c 
auf scincm Repertoir hallc Das cine hcstclit darin^dasser 
unermodlich ^om Grundtone fn die Quart gebf, das andere 
dann, dass cr \on Zvit zu Zed die Tonicticr \oni Cnindton 
lus zur Okta\c otinc dtuUichc Schcidung dcr ganzen und 
haibcn TOnc diircliMuft Geschen Iialfc Ich emen Kokih 
nocli me, und so war memc freude nicht gcring, als Mara 
Prasiidn cincs Morgens in unset ZinimcT trat. gcIolRi %on 
cinem Dicncr, dor in dcr cinen Hand cincn Kahg mil uncm 
Kokili und in dcr andtren cInen grosscii Ttipf nni friscli 
gczapficm Todd) (Palm«ih) tnig Wir hcwimdirlcn den 
Kokila. wclchir scliwarz wic unscre Rahcn war, ini tihrigcn 
aber mihf an iuk* Taiihc crinn^rte. nur di'i^ dcr Kokila \icl 
schlankcr und fttnir gtliauf l<t aM die^e Hicnu/ «urdc 
Min dcm gclninkcn, wclchcr, so tuigc cr frmh 

wic cuic ctwas fade Limomdc <«chmevkt und cin l»ci «Icn 
Indrm sc!u lutitlitc^, ganz unschuUH^rs ticlrank Mcht 
nnn dm aid, so er «ich In winii.cn Si mien 

tiurch die Oarung fn eJtr 5chiijp<art4»r*, scha'f»ch**icflcndct. 
schf l'crau%chcndis Gctrink Wir lH«cMo»*cn I'cn Vcf> i^h 



Cm Kokila Der Toddj Auf zutn Uim5!a)a. ]Gl 

zu rmchen, liessen in elner benadibarten ApotheKe \lcr 
Flaschchen davon ahfUUeti und hcnnetiscli \erkorken Ditse 
legten ^vlr in tmserc Koffer, um sie mit nach Europa zu 
nehmen Dann reistcn wir fflr vicr Tage in den Him.llaja 
unci fanden bei unscrcr RDckkchr, dass das pcrfide Getrank 
bei dec GSrung durch Pfropfen und allc Vcrpackungen durch- 
gedrungen war und an den beiinchbarien Saclicn allerlei 
Unhcil angcrichtet liatte, sodass uns nicHts Ubrig blicb, als 
dve fast lecren Flaschen \vegluv^c^fen und ims an den An- 
denken genOgen zu hssen, wclchc der Pnlmweiii an Bllchern 
und sonstigen Effckten hmtcrlasscn Iiatte 

Die ciAvahnle \iertagige Rcisc m den HtnuVa^a gchOrt 
nut zu den ongincllstcn Episoden unsercs Aufcntiialtcs m 
Indien, und ich bcfcuc es mcht, die vicrundzwanzig Stunden 
von Calcutta nach Darjeeling auf dec Cisenbalm vcrbraclU 
zu haben, nur um emc Himaia}aland5chan zu sclicn und 
dann desselbigen Weges zurflckzukchren, .Ihnhch wie wenn 
emer von NotddcutscUland nach Interlaken reiscn wolUc, 
um emige Stunden lang den Anblick dcr Jimgrrau zu gc- 
niesscn und dann vsicder nach Hausc zu fahren Gcwbhniich 
fahrt man aherdmgs aus dem Glutkcssel Bcngalens nacli 
dem 7000 Fuss hoch gefegenen Darjeeling hmauf, um dort 
mehrere Monate zu vcrweilen und die angcgnffcnc Oesuiid- 
heit m der hcrrlichen frischcn Gebirgsluft wiedcr herzustellen, 
welche das ganze Jahr durch me wemger als -f- 2 und nic melir 
als -j- 14® R hat Retourbilletts geben die klugen Englander 
gerade au! dieser Streckc nicht vermuthch, wevl sie sicher smd, 
dass, wer dort hmauffahrt, auch ohne Preisermassigung auf 
demselben Wege zurlickkehrcn wird, da es kemen anderen gibt 

Nachdem wir unser Gepack zu Mr Roy befbrdcrt, der 
uns emgeliden halte, nach unserer RUckkelir weiterhin bei 
ihm zu wohnen, begaben wir uns am l Februar 1893 nach 
Sealdah Station, beurlaubten unsera Diener fUr vier Tage und 

Deussen Erlnncrungtn an Ind en ]] 



162 


V[ Calcutta und dcr Himalaya 


traten urn drei Ulir nachmittags allein die Fahrt nach den 
Norden an Qm acht Uhr abends waren vvir am Ganges, Obei 
welchen, bei seiner grossen Breite, hier keine BrUcke mehi 
fahrt Em Dampfer braclUe die Reisenden hinQber Aui 
dem Verdeck wurde ein gutes Abendessen serviert Am 
anderen Ufer angelangf, beeilten vvir uns, in dem bereit- 
sfehenden Zuge em leeres Coupe zu erobem, und waren 
auch so glUcklich aUein zu bleiben 

Waiirend wir auf den mitgebrachten Betten vortrefflich 
sclihefen, eilte der Zug die ganze Nacht dutch nach Norden 
Als wir nach Tagesanbruch zum Fenster hmausschauten, 
saben wir zum ersten Male und jnjt Entzilcken die hoch- 
ragende blaue Kette der HimdJayaberge, weJche nicht koked 
zernssen wie die AJpen, sondem in ruhigeren Formen emsf 
und gross sich flber die Ebene erheben In Sdiguri endet 
die Bahn, und wShrend wir frUhstUckten, konnten wir in 
Musse die niedlichste Puppenbahn betrachten, welche be 
stimmt war, uns m achtsttmdiger Fahrt von hier nachZ>n/yee/mg“ 
htnaufzubnngen Das Pnnzip beim Bau dieser Eisenbahn 
war, alle Tunnels zu vermeiden und die Ersteigung der 
Hohe durch zahllose Wmdungen zu bewerkstelligen Nur 
eimge Male wird eine alizu schroffe Steigung dadurcJi Uber- 
wunden dass der Zug im ZickzacJc, abwecbselnd vorwSris 
und rOckwarts fahrend, in kurzer 2eit sich betrachthch holier 
hebf Wegen der vielen, oft kurzen Windungen mussten 
die Schienen mOghchst nah zusammen sein Sie hegen in 
der Tat nur zwei Fuss von einander entfernt, wShrend die 
Wagen vier Fuss breit sind Um auf dem halb so schmalen 
Geleise sicher zu fahren, mussle der Schwerpunkt mbgliclist 
fief gei'egf werden, imrf winkfnrh /regf der Fassbodett 
des Wagens kaum einen Fuss hbher als der Erdboden Die 
Rader laufen also im Innem der Wagen, wo eine Vcr- 
schalung Schutz gegen sie gewShrt Die meisten Wagen 
der ersten Klasse smd nach oben Uberdeckt, sonst abcr 



Die Hirnlbjabahn Die Region tier Tcrai 


163 


nach alien Seiten olien, und enthallen nur zwei Vordersitze 
und zwei Rucksilze Wir beshegen tmen solchen Wagen, 
nachdem wir Norsorglich aUe Mantel, Schlafrdcke und Reise- 
decken um uns geschlagen, denn da oben auf der HOhe 
ist es emplindltch kalt Das klemc, tapfere Lokomotiv chen, 
welches uns hinaufbefOrdern sollte, setzte sjcli ziscliend und 
faiichend m Bewegung, jagte zuerst noch eine Stunde latig 
durch die mit Theepflanzungen bedeckte Ebene daliin, und 
dann begann die Region der Terat, — so heissen die 
untersten AbliJnge des Gebirges, in denen das herabfliessende 
Wasser sich vielfach zu SUnipfen staut Sie sind nut iliren 
FieberlUften fOr Menschen ebenso geldhrlicli, wie fdr die 
Vegetation erspriesslich In unglaublicher FUlle drangen 
sich hier Riesenblume und hocbkhmmende Scblmgpflanzen 
durcheinander, das Auge vermag stellcnweisc nicht, sich m 
dem Wirnvarr dernebenemander, durcheinander, umcinander 
wuchernden Vegetation zurecht zu finden, und hoch tiber 
die hbchsten Baume schiessen gewaltige Farnkrauter empor 
und vollenden den Eindruck cines Bildes, welches der me 
sich vorstellen kann, welcher es nicht gesehen hat, und 
der, welcher es sah, me vergessen wird Eine Stunde 
etwa dauert die Durchfahrt dieser ungesunden Region, 
dann steigt der Zug imraeriort zischend m unzahhgen 
Wmdungen wie eine feuerspeiende Schlange holier und 
hOher empor Immer deutlicher hebt sich beim Zurlick- 
blicken die weite bengalische Ebene vom Gebirge ab, jeden 
Augenblick weehseW das Panoiama, man mbchte keinen 
Blick verlteren und jeden fQr immer festhalten Die Vor- 
beige, die von unten als mScMige Gebirgsmassen sich auf- 
tUrmten, liegen jetzt wie im Abgrunde tief unter uns, auf 
ihre hbchsten Gipfel blicken wir hoch von oben hinab 
Doch Sind die Abhflnge des HimSIaya viel sanfter als die 
der Alpen Seltener als dort knecht der Zug unmittelbar 
am Rande des Abgrundes hin Nur ein Piinkt dieser Art, 



164 


VI Calcutta und der tlimdlaya 


von den Engiandern sensational point genannt, jst nur jn 
lebendigster Ennnerung verblieben Weiter arbeitet sich 
der Zug in die HOhe, mdem er sich an die rechte Wand 
eines ungeheuren Gebirgstalcs anklammert und dabei alle 
Vorsprtlnge dieser Gebirgswand durch zahllose Wmdungen 
umgebt Hin und wieder zeigen sich zwischen den Waldungen 
die armseligen Hlitten eines Gebirgsdorfes, einige Bewohner 
stehen an den Stationen und betteln Im schSrfsten Gegen- 
satze zu den Indern der Ebene zeigen sie durchaus den 
mongolischen Typus gelfae Hautfarbe, breite Gesichfer, 
platte Nasen und hervorstehende Backenknochen Wir 
atmen mit Entzticken die reme, starkende Bergluft Zugleich 
aber fangt es an, empfindlich kalt zu werden So gelangen 
wir gegen Mittag nach Korscheong Bazar, der FrUhstUcks- 
station mit zwanzig Minuten Aufenthalt, und m weiteren drei 
Stunden nach Goom, dem hOchsfen Punkte der Bahn Hier 
lag auf dem Oemfluer in unserer Nahe zu Anfang Februar 
wirklicher echter ScUnee, der emzige, den wir m diescm 
Winter aus der Nahe zu sehen bekamen Em altes Ii*iss- 
Iiches Weib mit nSmscben GebSrden geht betfeJnd von 
Wagen zu Wagen Sie wird jedem Darjeelmgfahrer als die 
Witch of Goom in Ennnerung sein FrOstelnd nehmen wir 
wieder unsere Sitze ein Die Bahn senkt sich em wenig, 
umISuft noch emen Oebirgsknofen und fSfirt um vrer L7ltr 
auf der Endstation im Balinhofe von Darjeeling ein Hier 
gibt es nur drei Arten von Wegen, entweder steil bergauf 
Oder steil bergabfuhrende, oder m Wmdungen auf gleicher 
HOhe sich halfende Von Wagen haben wir nichts gesehen, 
einige Weiber bemachtigten sich unseres GepScks, um es 
hinauf nach Woodlands Hotel zu tragen, und wir kletterten 
ihnen nach Wir fragen nach Zimmern, der Manager macht 
em bedenkhches Gesicht und /ragt wie lange wir zu bleiben 
gedachten Icli glaubte schon der Abweisung sicher zu 
sem, als ich antwortete, dass wir allerdings nur zwei Tage 



Korschcong Bazar Goom Daijcc^ing 165 

bleiben kbnntcn Aber wider Envarfen hellen sich die 
Abenen des A\annes auf und er spncbt „Dann kaiin ich 
Ihnen die besten Zimmer geben Hter von der grossen 
Terrasse ist der Eingang und Sie kOnnen von derTcrrasse 
Oder aus dem Zimmer, ja von dcm Belfc aus, durch die 
Fenster und GlastUren den vollen Anblick des Gebirges 
geniessen Aber von Dbeimorgen an muss icb das Zimmer 
wieder habcn, dcnn dtese ganze Fluclit von Ztmmcrn ist 
fUr den Osterreichischen Prinzen und sem Gefolge bestimmt “ 
Bei Envtihnung des bsterreichisclien Pnnzen musste ich 
lachen, denn schon unlen m Calcutta batten wir darUber 
spbUeln bbieu, dass er mcht nut keirv Sanskrit, kcin Hmdostani, 
sondern auch so wemg Englisch konnte, dass er sich selbst 
m dieser Sprache ernes Dolmetschers bedienen musste Und 
das reist nach Indien* bezogen das Zimmer, bessen 
emheizen, eUvas ganz Neues in diesem Winter, und wandten 
uns der Aussicht auf den zweithOchsten Berg der Welt zu, 
sahen aber nichts als erne dichte Nebelwand, wahrend die 
naberenBerge und das malensch urn einen solchen gelagerte 
Darieelmg deullich zu Ubersehen waren Da lag zu unseren 
FUssen derBahnhof wo die wackere kleine Lokomotive so- 
eben ihre letzten Seufzer fUr heute ausstiess, da lag weiter 
nach unten der Marktplatz auf dcm die Gebirgsbewohner 
von Stkkim, Bhutan und Nepal ihre Produkte gegen emander 
austauschten und dann ging es tief, tief hmunter, wo der 
Weg jmmer steil absteigend am botanischen Garten und 
an Theeplantagen vorUber sich m unverfoigbarer Tiefe verlor 
Aber was war das alles, wenn uns der Bhck auf die Sclinee- 
berge verhullt bleiben sollte? Man trbstete uns damit dass 
die Aussicht gegen sechs Uhr morgens fUr eme Stunde sich 
aufzuhellen pfiege Fur heute blieben wir zu Hause m der 
Hoffnung, dass einer der beiden Inder, denen wir unsere 
Empfehlungsbnefe ins Haus sandten uns im Hotel aufsuchen 
MOrde Aber der Bote brachte die Antwort dass der eme 



166 


VI Calcutta und der Himalaya 


verreist sej und der andere erne Stunde. weit von Darjeeling 
wohne und erst am nachsten Morgen zur Bureaustunde 
m die Stadt kommen werde Ehvas enftauscht legten wir 
uns beizeiten schlafen, urn am nSclisten Morgen das gross- 
artige Naturschaiispiel nicht zii versaumen 

Unser erster Blick nach dem Erwachen gait den Schnee- 
bergen, aber gegen die Erwartungen, die man uns gemacht 
hatte, zeigten sie sich ganz in Wolken gelitillt Wir standen 
auf und gingen spazieren, immer m der Hoffnung, dass das 
Gebirge wahrend des Tages seme Nebelkappe fUr emen 
Augenblick iuften werde, eine Hoffnung, deren Vergeblich- 
keit uns jeder Erfahrene voraussagen Xonnfe Flir die 
mangelnde Fernsicht musste die Nahe uns schadlos Iialten 
Das Wetter war schbn, von den an den Abli&ngen entlang 
fuhrenden Wegen tauchte der Blick m abgrundliche Tiler, 
m denen die Nebelmassen, auf- und abwogend, allerlei 
gespenstige Formen annafimen Wir erreichten emen HUge/, 
auf dem ein buddhistisciies Heiligtum lag, welches schon 
von aussen durch die zahllosen bunten Fahnchen, mit denen 
es besteckt war, mebr den Eindruck emer /ahrmarktsbude 
als eines Tempels machte und im Innern allerlei Teufels- 
fratzen, aber nichts enthiell, was die Seele hitte erheben 
kOnnen Das also sind die Mitfel, welche Jiinreiclien, um 
die metaphysischen Bedilrfnisse dieser einfachen Gebirgs- 
menschen zu befriedigen Denn im Gegensatze zu fndieii, 
wo es keine Buddhisten mehr gibt huldigt hier alles dem 
Buddhismus, freilich einem Buddhismus der die ursprUnglicIic 
reine ethische LeJirezu einem Wusteaberglflubischer und phan- 
tastischerVorstellungen fortentwickelthat Bescheiden wie die 
religiOsen AnsprUclie sind auch dfe ilbrigen Anforderungen 
welcJicdieBewobner dieses Gebwgslandesan das Leben sfellen 
Ihr Los ist harte Arbeit und karger Gewinn, und dabei sind 
sie lustig vvie die Sperlmgc OberalJ siehf man sie schwafzen, 
smgen und hchen, im schirfen Gegcnsatz zu den ernsten, 



Land imd Lcute dcs Himdla>a. Dcr Bitddhismus 


167 


schwermlitigen Indern dort unten \n der Ebcne Wenn in 
Darjeeling em Haus gebaut werden soli, so mtlssen, be! 
dem Mangel an Fahrwegen, die Steine dazu alls m Kiepen 
auf dem RUcken von Weibern Iiinaufgetragen werden Wir 
sahen sie, drall und rlistig, mit ihren Lasten emporsteigen 
Mil einer derselben machlen wir Bekarmlscbait. Als sie mit 
emem halben Dutzend scliwerer Steine in der Tragkiepe 
auf ihrem Rlicken an uns vorbeistieg, ficl em Stein herunter 
Sie konnte sicli nicht bUcken, wollte sie nicht noch mehr 
Steine verliercn, und sie konnte nicht die ganze Kiepe ab- 
setzen, da sie dieselbc ohne HOlfe niclit wieder tiber die 
Schultern bekommen hSUe In dieser Not leistete ich ihr 
den kleinen Ritterdienst, den Stem wieder m die Kiepe zu 
bnngen und wurde dafUr mit einem dankbaren Blicke be* 
lohnt Ich konnte sie nun ganr aus der Nflhe betrachten 
und bemerkte, wie sie nicht nur alt ihren Schmuck, sondem 
auch ihr VertnOgen mit sich trug, bestehend aus emer 
Anzahl durchlocherter Silber- und Kupfermllnzen, welclie 
als Guirlanden urn den Hals und bis zum GUrtel herab- 
hmgen 

So vertrieben wir uns den Vormittag und traten bei 
unserem Rllckwege noch in den Curiosity Shop des Herrn 
M em Dieser wav sichthch erfreut deutsche Landsleute bei 
sich zu sehen Er zeigte uns alle seme Herrlichkeiten, als 
da waren Teufelsmasken, Fahnlein, SchSdel als Trmkbecher 
und buddhistische Gebetsmtihlen In diese braucht man nur 
die gesclinebenen Gebete hineinzustecken und mit der Trommel 
zu drehen, so leistet dies ganz ebenso viel, als wenn man 
die Gebete so viele Male wie die Umdrehung war gesprochen 
hatte Die Buddhisten stnd also noch urn emiges praktischer 
als unsere Katholiken, welche bei 'Wallfahrten und Prozessi- 
onen immer fort und fort ihre Gebete wiederholen Jesus 
hat es verboten, beim Beten zu plappem wie die Heiden, 
die da meinen, sie werden erhOrt, wenn sie viele Worte 



168 


VI Calcutta und der Himalaya 


machen und stellt als Beispiel eines kurzen, einfachen, herz- 
lichen Gebetes das Vaterunser auf Was wurde er sagen, 
wenn er sahe, wie sein Vateninsergebet von den Schafen 
seiner Herde so und so oft hjnter einander gedankenlos ab- 
geleiert wird’ Der Buddhismus von heute ist ein Ver- 
grosserungsspiegel der Fehler des K&thohztsmus 

Gegen Mittag erschien unser indischer Freund im Hotel 
Er war ein grosser, statthcher Alann mit vollem schwarzem 
Haar und Bart, die m Rmgelungen sein ausdrucksvolles 
braunes Gesicht umspielten Nattirlich blieben wjr for den 
Rest des Tages zusammen Er fohrte uns auf den Markt- 
platz, der nicht nur fUr die Provinz Sikkim, m welclier er 
liegt sondern auch fUr die Voiker des Ostlich gelegenen 
Bhutan und des nach Westen sich erstreckenden Nepal 
die Centrale bildet Sikkim und Bhutan haben buddhistische 
Bevblkerung mongoUscher Rasse, die Nepaler aber, zu denen 
eben auch unser Freund gehbrte, sind indischen Blutes Sie 
smd die einzige Bevblkerung Indiens, welclie, dank ihrer 
Lage im Hochgebirge und ihrer Vorsicht sich von dem 
joch der englischen Fremdherrschaft bis jetzt freigelialten 
haben Sie erlauben den EuropSern nicht den ungezwun- 
genen Verkehr m ilirem Lande, welcher dem Ubrigen Indien 
so schlecht bekommen ist Wer in Nepal zu tun hat, der 
wird mit seinem Passe nach der Hauptstadt Kliatmanda ge- 
leitet, darf dort seme OeschShe besorgen und muss das Land 
sodann wiederum verlassen Nepal kann sich rtihmen, den 
hbchsten Berg der Welt, den 8800 Meter holien Oaurtgankar 
zu besitzen Die Englander haben die Unbescheidenheit ge- 
habt, diesen Berg, der nicht einmal ihr Eigentum ist, nach 
dem Namen ernes englischen Geometers, der dort Vcr- 
mcssungen vornabm, Mount Everest zu ncnncn Solite dieser 
Mr Everest hierdurch, wenn auch nur m England, einc ge- 
wisse Unsterblichkeit behallen so ist es erne tnunge, der 
des Herostratiis vergleichbar Denn wer kann es oline In- 



Dcr Gaurl^ankar Dn nepalestschcr Freund 


169 


djgnation hbren, wenn die Englander an den Wirtstafeln in 
Indien die Fragen: „Did you see Mount Everest? Where 
can we get a view of Mount Everesf^" etc verhandein, nicht 
wissend, die UnglOcklichen, dass dieser Berg von alters her 
semen schOnen und hocliheiligcn Namen hat, nSmlich von 
(^anhara d i Qiva, der schon von KSlidSsa als der hOchste 
Golt, die hOchste Inkarnahon dcs Atman gefeiert wird, und 
seiner Gemahlin GaurU deren VerniShlung mil Qankara in dem 
wunderschOnen Gedicht KumarasambUava von Kulidcisa mit 
den gllihenden Farben der Tropenwelt und des Orientes ge- 
schildert wird In dem liOchsten Doppelgipfel verehrten die 
Inder ihr hbchstes Gbtterpaar, Gaurt und ^^^nkara, die Eng- 
lander aber nennen thn Mount Everest' 

Vom Marktplatz zu Darjeeling fUhrte ims der nepalesische 
Freund immer stark bergab bis zum botanischen Garten, 
welcher fUr die Vegetation des HimSlaya hOchst lehrreich 
ist Er woUte uns noch weiter bergab zu emer Theeplan- 
tage flihren, aber em schneidend kalfer Wind, der grosse 
iMassen Staubes aufwirbelte, gemahnte zur Rtlckkehr Von 
den Schneebergen war diesen ganzen Tag durch nichts zu 
sehen, aber die Unterhaltung mit dem edlen Hindu in un- 
serem Hotelzimmer am behaglichen Kaminfeuer konnte uns 
wohl einigermassen entschadigen Dieser Mann war, wie alle 
besseren Inder, von tiefem Schmerze Uber die Knechtung 
semes Vaterlandes, denn der Nepalese ftihlt sich durchaus 
als Inder, erf uUt Er hoffte nut der Zuversicht und dem weihe- 
vollen Tone ernes Propheten auf emen kUnftigen Heiland^ 
erne Art von Messias, welcher die Fremdlierrschaft brechen, 
die Mohammedaner vertreiben und Indien in seiner alten GrOsse 
und Hevrhchkevt wiederherstellen werde, die freilich wohl 
niemals bestanden hat Denn die Inder waren von jeher zu 
hochsinnig und geistig veranl^t, urn nicht von der brutalen 
Superiontat der Wollenden fiber die Erkennenden unter die 
FUsse gelreten zu werden, zuerst von den Brahmanen und 



170 


VI Calcutta und dec Himdlaya 


KDnigen des eigenen Stammes, dann von den Griecheii 
Alexanders, von den Bakfrem, den Skydien, den Arabem und 
Mongolen und 2uietzt von den EuropSern Wir plauderten 
bis zum spaten Abend, worauf unser Freund Abschied nahm, 
wohl auf Nimmerwiedersehn „Denn wir kbnnen nicht“, 
sagte ich zu meiner Frau, „Tag fQr Tag hier versitzen in der 
unsichern Hoffnung, an emem gUnstigen Morgen die Schnee- 
berge zu sehen Morgen um zehn Uhr fahren vvir hinunter 
nach Calcutta'" 

Am nSchsten Morgen beim Erwachen sehe icJi schon 
vom Bed aus eine ungewdlinliche Helle, idi springe zur 
Glastur der Veranda, und wer beschreibt unser EnfzDcken, 
als wif die ganze Bergkette des Kanchiiijinga, des zweil- 
hbclisten Becges der Welt, imt all ihren Scbluchfen, Abliangen 
und Gipfeln bis hmauf zu den in der Sonne sfrahlenden 
GoldhOmern (idncana-fnnga, worans die Pandits den Nanien 
erklaren) in wolkenloser Klarlieit vor uns ausgebreitet sahen 
Wolil wissend, dass das Schauspiel nicht lange zu geniessen 
sem werde, sprang ich selbst nach den Stiefeln m die nocli 
mensclienleere KUche In fhegender Hast kleideten wir uns 
an und eilten durcli die leeren Strassen des Stadtchens nach 
Observatory Hill, um die Aussicht nocli voller zu geniessen 
Unterwegs trafen wir den uns schon bekannten KunositSten- 
handler M^ der mit seincm Hunde soeben einen Morgen- 
spaziergang machte, wir luden Ihn ein mitzukommen, und 
er fuhrte uns an den vorteilhaffesten Aussichtspunkt Hicr 
wurde der Emdruck des Gebirges nicht wie auf der Wcngern- 
alp durch die zu grosse NShe abgeschwadit, sondern vor uns 
gShnle m ungeheurcr Weite und Ticfe cm abgrllndlichcs Tal 
und unmittelbar jenscits dessclbcn erliob sicli. sichtbar vom 
Fusse bis zu den unglaublich hocli cnipordringendcn GipfcIn, 
der ganze mit ewtgem Schnec bedcckte Gcbirgsstock Ich 
iinterscbicd den hOchstcn Gipfel fn der MUtc, der links und 
rcchts von zs\ei ueniger hohen, wjc dieie uicdcr \on zwti 




Dtr K3nchti>)»*iga m seiner HcrrUchkcil 


171 


noch niedrigeren H&mern Hankicrt war Herr M crwies 
sich schr ntltzhch, wenn ich aucli wegen dcr Zu\erl.1ssigkei{ 
Uer folgenden Angahcn, die icli ihm verdanke, die Vcraiit- 
worlung dim selbst (Iberlassen muss «Sic sclien dort rechls“, 
sprnch er, „z\\jscbcn den beiden letzten HOrnern einen 
schwarzen Einschndt Das »sl der Pass, welcber 21003 fuss 
boch durch cuigen Schnec nacli Tibet flllirt Ich selbst bin 
schon bis 211 20000 Fuss Httlie \orgcdriingcn, mussfc nber 
timkehren, da diese Rcisc durch \Dlhg unbewohnfe Gletscher- 
gegenden ohne eincn grbsscren Apparat von Triigcrn und 
FQhrerti nicht durchzuflihrcn ist Von dem Pass bis zum 
hOchsten Gipfel sind \ olle 8000 Fuss, die Sle hier mit einem 
Bhck des Auges umspannen Den andern noch bbheren Berg, 
nach dem Sie fragten, und den icli mit Ihrcm Vcriaub 
Mount Everest nennen muss, da ich den andern Namen 
nicht behaltcn kann, diesen allerhbchstcn Berg der Welt 
kBnnen Sie von Darjeeling aus niclit sehen Zu diesem 
Zweeke mQssten Sie sich auf Tiger Hill, cine gate Stimde 
von hier, bemllhen, ich vvilrdc cs Ihnen aber nicht raten, denn 
auch dort wUrden Sie wegen der vorhegenden Berge nur 
die hOchsten Gipfel wie drei kicme aufgesetzte Zuckerhllte 
bemerken Aber jetzt beeilen Sie sich, denn die Sonne steigt 
hOher, und bald wird die ganze Aussicht sich fllr heiite 
schliessen “ Was wir jelzt sahen, war ein vvundcrbnrcs Schau- 
spiel Die Nebel und Wolkenmassen, welclic wie schlafrige 
Tiere tief unten in den Talern gerulit flatten, fmgen, von der 
Sonne geweekt, an, sich zu bevvegen Langsam und trSge 
leckten sie an den Bergen empor, urn wicdcr matt in sich 
zusammenzuhllen Aber immer erfolgrclclier imd dazu von 
alien Seiten gnffen ste die hOchsten Gipfelriesen an Jetzt 
crreichten einzelnc Ncbelmassen von den seltsamsten Fonnen 
schon den obersten Gipfel, smken wieder herab, bis sie, 
durch die nachrUckenden Alassen untersUttzt, das Feld bc- 
haupteten Da sehen wir nur noch die drei hOchsten Spitzen 



172 


VI Calcutta und der Himaiaja 


aus dem Nebel herausschauen, und jetzt smd auch sie m 
dem Wolkenmeere ertrSnkt ^Vielleicht wird es noch emmal 
wieder klar“, sagte ich zu meinem Begleifer „Darauf ist fUr 
heute nicht mehr zu hoffen", erwiderte er Wir kehrten sehr 
befnedigt zum Hotel zuruck Der Eindruck war uns um so 
kostbarer, je mehr der Berg mit seiner Gunst gekargt, und 
je gemessener er sie uns schliesslich zugeteilt Iiatte Wer 
langer m Darjeeling weilt, dem wird wahrschemlich auch 
diese, vielleicht grbsste Gebirgsaussicht der Welt zuletzt zur 
Gewohnheit werden und nicht mehr vjel zu sagen haben 
Vor diesem Schicksal waren wir bewalirt geblieben Nicht 
wir nahmen von dem Berge Abschied sondern der Berg von 
uns, und das ist eigenlhch das SchOnere 

Um zehn Uhr morgens sagten wir dem lieblichen Dar- 
jeeling Lebewohl und wieder fuhrle uns erne kleme tapfere 
Lokomotive m demselben Tempo, mil dem wir emporgestiegen 
waren, nicht schneller und nicht langsamer. bcrgabwiirts, 
nur dass die Fahrt etwas mehr beunruhigfe, wed wir jetzt 
stets nach unten blickten Auf der Mittelstation m Korscheong 
Bazar, wo die ZOge von oben und unten sich bcgegnen, 
sahen wir in flUchtigen Almufen etne alte Bekannfe, die 
hinauffahren wollte Es war Mrs Dmidson eine giite alte 
Dame aus Schottland welclie wold cine ahnhehe Rundlour 
durch Indien mnehen wollle, wie wir, nur dass sie in erstcr 
Lime immer diejenigen Leute aufsuchte, welche wir am 
meisten zur Seite Lessen, namlich die Alissionare Von 
ihnen gelcitet und mspinert, hat sie olme Zweifcl eln ganz 
anderes Bild von Indien nut nach Hawse gebnchf, als w r 
es aus dem Verkelir mit den Emgeborenen gewannen ir 
batten m Watson s Hotel zu Bomba> zu dreicn dcnselbcn 
Tisch bei den Alahizeitcn und gelegentlich bnchfe sic cintn 
Alissiomr als \icrten Partner mit Eine solche Oclegcnheit 
benulzte ich dann wohl um mich an dem frommen Atann 
em wcnig zu rciben ,Ich habe“, soerzihife Icli, »frUhcr in 



Rflckfahrt Mrs Da>idson tind ihr Missionar 


173 


emem Buche, — vielleiclit sind cs Grubes geograpliische 
Charakterbilder, — gelesen, dass in den mdischen Tier- 
hospitalern (Pmira Pol) auch cine besondere Abteilung filr 
Ungeziefer bestehe, und dass man emige Neger eigcns dazu 
halte, urn auf ihren KOpfen diesen VerkDrperungen der 
cwigcn Weltseele die nDtige Nahrung zu bieten Als ich 
ktlrzlich," so fuhr ich fort, „mit meinen mdischen Freunden 
das Pmira Pol besuchte und vergeblich, wie ich schon 
denken konnte, nach einer solchen Abteilung fragte, da 
lachten mir meine Hmdufreunde ms Gesicht und crkiarten, 
dass es rue dergleichen gegeben babe, und dass das Ganze 
nur eine Erfmdung der Herren Missionare sei “ Envartungs- 
voll sah ich den Glaubensboten an memer Seite an Als 
er nur aber gam unbcfangen entgegnete, dass cs wirkUch 
erne derartige Abteilung im Pmjra Pol gebe Oder doch 
gegeben habe, da schwieg tch, urn nicht zu beleidigen 
Mrs Davidson also, der wirdiese mteressante Bekanntschaft 
verdankten, war m Bombay unsere Tischgenossm, und als 
•wir uns zum Abschied die Hande schuttelten, da sagten wir 
„auf Wiedersehen",ohnedochanein Wiedersehenimmindesten 
zu glauben Und da ist es wirkhch merkwUrdig dass vvir 
auf unserem Wege durch Indien rail dieser guten alten Dame 
nicht weniger als dreimal, und immer eiligst an einander 
vorbei zu gehen genOligl uns wieder begrUssen konnten 
Das erste Mai war in Korscheong Bazar, das zweite Mai m 
Madura im SUden Indiens, und das dntte Mai am Tage vor 
unserer Heimreise, m Colombo vor dem Postschalter 

In Siltgun am Fusse des Gebirges angelangt, fanden 
wir eine weniger gule Verbmdung als bei der Hinauffahrt, 
sodass wir erst nach Mitlemacht Uber den Ganges setzten, 
dessen machtige Flutmassen m der zauberhaffen Beleuchtung 
des mdischen VoUraondes glitzerten Halb verschlafen fragte 
ich nach der eigentumUchen Biuart der am Ufer dem Ver- 
kehre dienenden HaUen und Schuppen, uelche alle aus 



174 


VI Calcttfta und dcr Him1la>a 


dttnnen Latteii bestandcn und so aussalien, als liabe man 
sie von oben her m den Boden hmcingcpflanzf fch erfuhr, 
dass der FIuss scni Bcfte hier selir oft .Indere, und dass 
aus diesem Grundc der ganze Bahnhof mit all semen 
Bauhclikejten leicht transportabcl sein mUsse We/ter fuhren 
wir durch die tiefe mdische Nacht, begrllsstcn die auf- 
gehende Sonne hier an deni Oslhclisten Punktc der ganzen 
Reisc und Uefen am Nachmittag wohlbchalten in Dum Dmih 
der letzten Station vor Calcutta, ein Hier trafen wir mit 
Mr Roy und dessen Familie der Absprache nach zusammen, 
urn die liier erOffnete landwirtschaftliclie Ausstellung m 
Augensebein zu nelimcn Da gab es Pferde, Ochsen, KUlie 
mU ihren Kaibern, landmrtscliaftliche Alaschinen usiv Das 
alles hatte wenig Reiz fUr micli, und ich vvunderte mich, 
dass der Strom dcr Besucher, m dem wir forfgetragen 
wurden, mclir Interesse for diese TnvialitJlen zeigte als fOr 
die v/underbare Umgebung des Tropenlandes, und melir 
Interesse ftir tins europaische Blassgestchfer als fUr die 
braunen Qesichter und die malenschen Trachten ihres 
eigenen Volkes 

Mit der Familie Roy zogen wtr in Calcutta ein um 
weiterhm die Gastfreundschaft ihres Hauses zu geniessen 
und zum ersten Male den Retz des indtschen FanuhenJebens 
kennen zu lernen Die Scliwester von Mrs Roy, die zarte 
Iiebliche Miss Cakravarti (von den Engiandern in Chucker- 
butty verquatscht) — dieselbe, welclie man m England 
meuchlings zur Chnstin umgeknetet ohne dass es der lieb- 
reizenden Unschuld ihres Wesens geschadet hatte, — diese 
raumte uns ihr Zimmer em, wo wir denn unter Nippsachen, 
Photographien und zierlichen Malereien uns ausbreiten 
durften Ausser ihr und dem Ehepaar Roy waren noch 
deren Kinder, zwei reizende kleine Hindumadchen vorhanden, 
welche, wie gewOhnlich in Indien, von einer zahlreichen 
Dienerschaft umgeben waren, denn ohne ein Dutzend Diener 



TierbChau m Djm Dum Eine Indische Hiushaliun; 


175 


kann em wohlgeordnetcr Hauslialt in Intlien niclit bestehen 
Da ist zunachst als oberster der Kammerdiener, der die 
Garderobe des Herrn in Ordnung bait und aucb bei Tisch 
aufwartet, sodann erne Kammerjiingfcr ztir Bedienung der 
Frau des Hauscs und eine Kindcrfrau fur die Kleinen 
Letztere wird aiich haufig nacb Europa mitgenommen, und 
m London ist sie untcr dem Namcn Aya wolilbekannt und 
bbeiab anzutreUen Weder iolgt m der Hierarchic der 
Dienerschaft der Koch {D^xarcht) cvcntuell nut Gehnifen, der 
PfOrtner, der Kutscher, der Waschmann, dcren jedes Haus 
schon wegen der Ansteckungsgefahr semen eigenen hat, der 
Gartner (Mali), der Wassertrager Oder Bhisti und endlich, 
als untcrster in diescr Khmax, der ^\chiar (von den Eng- 
landern auch 5uce/»cr genannt), wclcher immcr auf der Lauer 
liegen muss, urn alle Exkremcntc sofort m den hierzu 
dienendcn PoncUancimern lu bcseitigcn Em mdischcs 
Haus ist daher in der Regcl sehr snuber, appctithch und 
geruchtos, zumal auch die Kiiche nicht im Hausc, sondern 
in einem Nebengebaude zu sem pbegt An GehaU erhalten 
diese Diener von 20 bis licrab zu 5 Rupien monatlicli, also 
zwischen 30 und 7 Mark Ausser diesem gewiss sehr 
niedngen Lohn bekommen sie gar nichts, weder Essen, noch 
Kletdung oder Wohnung Sic wohnen irgendwo m der 
Nachbarschaft nut ihrer Famtlie, kommen nur, um die ihncn 
obliegenden Dienste zu vernchten, und gehen dann wieder 
nach Hause Im ganzen mOgen die Kosten der Bedienung 
fUr ein Haus sich auf etwa 150 Mark monatlicli belaufen 
Mr Roy hat uns alle die folgenden Tage in Calcutta 
nicht nur in der freigebigsten Weise logiert, gespeist und 
getrankt, sondern er war auch unablSssig darauf bedacht, 
uns neue und wertvolie Eindrbeke zu verschaffen Einer der 
interessantesten war der folgende 

Es hielt sich damals m Calcutta erne hochheihge Blissenn 
auf, und em Freund von Mr Roy erbot sich, mir erne Audienz 



176 


VI CaJcuHa und der Himalaya 


bei ihr um acht Ubr morgens zu verschaffen Em Djener Iiolfe 
mich und meine Frau frUh morgens ab und erzalilte von der 
Heiligen allerlei Wunderdinge Sie sei erne Prinzessm aus 
dem Sbden, besitze 6 Laksha (6 X 100000) Rupieti, habe 
aber alles weggegeben, um als Sannyasinf zu leben, niemand 
kenne ihr Alter, man glaube, ste sei bundert Jahre alt, und dabej 
sehe sie aus wie em junges Madchen etc Unter diesen 
Gesprdchen kamen wir zum Hause des Freundes und liessen 
uns melden, mussten aber geraume Zeit m dem von dem 
Hause umschlossenen, gerdumigen und wohnlichen Hofraume 
warten Der Herr, hiess es, verrichte eben seine PiijS 
(Morgenandacht), und dann dDrfe ilm niemand stOren Wir 
waren also aus dem m dem Roy'schen Hause herrsclienden 
Freisinn in die Region des frommen Indiens gelangt End)ich 
kam der Freund, und nun gmg es zur BUssenn Wir wurden 
eine Treppe hoch m em gerJtumiges, aber vollkommen leeres 
Zimmer gefuhrt, nur ein emfacher Teppicb Uberdeekte den 
ganzen Fussboden Die HeiJige erschien, und icli verneigts 
mich, wagte aber nicht, ihr die Hand zu reichen Sie war 
durchaus emfach aber anstflndiggekleidet, von den schwarzen 
aufgelOsten Haaren an, welclie Jang auf beide Schultern 
herunterfielen, bis herab zu den StrUmpfen, auf denen sie 
mich empfjng Ihr Wesen war ruing und anspruclislos, alles 
an ihr machte den Emdruck emer gutherzigen, mtltterlichen 
Matrone zwischen 40 und 50 Jahren Sie spracJi ganz gut 
Sanskrit, und ich legte ihr unter anderem die Frage vor, 
welches von den sechs philosophisclien Systemen das besfe 
set Sie antwortete, dass alle miteinander gut scien, eine 
Ausserung, welche mich jetzt weniger Uberraschcn wUrde als 
damals Denn in gewissem SInne erganzen sich die sechs pliilo- 
sophischen Systeme zu ciner elnlieitllchen Weltansichf Die 
MlniSnsS sleht m der Vorhalle der Philosophic, da sie nur 
das Ritual logisch verarbcitet und alle dabcl auftauchenden 
Pro's und Contra’s dialektiscft verfolgt Der VedSnia ist die 



Audierz bt> einer Ifciligcn Djc 5>echs S>5temc 


177 


eigenlliche MctapU>sik InUicns, das \wr emc re- 

aUstische Umgestaltung cben diescr, schon in den altcsten 
Upantshads \orliegenden Ved5nta-Metaph>sik Z\MSclien 
diesen beiden S>stemcn ist der Gcgcnsatz noch am grbssftn, 
olme doch die innere Verwandtscliaft aufzuheben Der Yo^a 
ist die praktische Seite der Atmanlcbre, nicht Moral, dtnn 
wer diese Welt als Illusion ciKannt bat, ist Qbcr gute und 
bOse Werke lunaus, sondern der Yoga ist emc cigcntOmhclie 
Technik, durch V'ertiefung in das eigne Innere dort das 
Brahman, den Atman unmiHelbar 2 u ergreifen Was endlich 
den Nyaya und das Vaigcshikam belnfft, so bietet der erslere 
eiuen allgCTncm gbUigen Kanon der Logik und nocb tnebr 
der Enstik, das leuterc eine natur-MSScnschaflUchc Klassi- 
fikation alles Seienden tmter seebs Kntegonen 

Die Antwort der BUsscrin auf mcme Fragc Itisst sich also 
von dem unhistorischen StandpunUc, auf dem allc Indcr 
slehen, ganz wobl begreifen Unhistonsch war freilich aucb 
die Antwort, die sie mir gab, als ich cs vvagtc, das bundert- 
jahnge junge Madchen nach seincm Alter zu befragen, 
najnayate, „dasist nicht bekannt," war ihre einfache Antwort 

Nun aber kam das Fragen aucb an sie, und ihre Haiipt- 
frage war, aus welcher Kaste ich sci? Da alle nicht brah- 
manischen Inder eo ipso zur Kaste der Qfldra’s, der Ver- 
worfenen, gehOren, so liatte ich mich frllher, wic schon be- 
nchtet wurde, des ofteren fur einen QQdra erkiart, begegnete 
aber dabei cinem solchen Befrcmden in den Mienen der 
Hflrer, dass ich weilerhin em anderes Marlein erfand, mdem 
ich mich fUr einen Brahmanen ausgab, der durch eine in 
der frUheren Geburt begangene SUnde zum Qfldra, zuin Eu- 
ropSer herabgesunken sev und hoffen dOrfe, m einer nachsten 
Geburt wieder zum Brahmanen zu wefden Diesen Scherz, 
der vie! belacht zu werden pfiegte, beschloss ich auch vor 
der BUsserm zum besten zu geben, kam iber dabei nicht 
an die rechte Kaum hatte ich mich dafur erkiart, m memer 

Deusstn Erinnttungen aa Ind en 12 



178 


VI Calcutta imd dcr Himalaya. 


vongen Geburt ein Brahmane gewesen zu setn, als sie mich 
unterbrach und in strengem Tone fragte, woher ich das 
wisse’ Ich antwortete „Es werde gehdrt* Der erlauchte 
KSlidSsa sagt in der ^akunlald 

Wenn bei dem Anblick sdioaer GegenstSnde, 

Bei sussen Tdnen Sehnsucbt uusem Geist, 

Auch wenn wir glucklich sind, oft libcnnannt. 

So kommt dies, ued wir, wenn auch unbeuusst, 

An Freundschaften, noch wurzetnd tief im Snnem 
Aus fruheren Geburten uns ennnem ” 

„Seit tneinem ersten Bekanntwerden mi/ der Sanskrit- 
sprache,“ fuhr ich fort, ^fflhlfe ich mich zu ihr m so siarker 
Freundschaft hingezogen, dass ich glauben muss, m emer 
frtlheren Geburt schon Sansknt gesprochen zu haben, also 
em Brahmane gewesen zu sein “ 

Diese Argumentation war fOr die gutc Matrone uber- 
zeugend, und als ich weiter schilderfe, wte tch durch eine 
schwerere Sflnde zum ^Qdratum, zum Europaertum, herabge- 
sunken set, da matte sich m ihren ZOgen das tiefste Mitleid, 
und als ich mit gehobener Stimmc fortfuhr n^ch- 

dem icli Indian besucht, in Benares geweilf, Dicli, o Heihge, 
gesehen babe, darf icb hoffen, bei der nSchsten Geburt wieder 
em Brahmane zu werden*, — da rollten der frommen Frau 
die hellen TrSnen Qber Wangen und Brust, welclie sie von 
beiden Seiten mit den herabhangenden Haaren abtrockncfe 
Endlich war die Audienz zu Ende, dje hohe Frau ver- 
abschiedete sich, und als auch \Mr die Tore gewonnen, da 
stand dort em Djener und belud uns mit emer Mengc kosi- 
barer mdischer Stissigkeilcn, nut wclchen wir fOr die W'elt 
nichts anzufangen wussten, und froh waren, sic den Rofschen 
Kindem zum Qeschenk maclicn zu kOnncn 

Am Naclimittagc dieses glorreichen Tages maclilc Ich 
mit Mr Roy emcn Besuch bei dem auch in Europa uotil 
bekannfen, aber mehr bcrUchhgten als beriJhmfen flenus- 



Mcine Kistc Bcsuch bei juanancla \id\is3gv3 


179 


geber zahircicher SanskrtUcxte, Jnarandij Vid)usai^aro, und 
fand jhn, ganz wte er sich auf dtm Bdde vor semen Aus- 
gaben zeigt, mit imtcrgcschlagcnen Belnen auf cmern niedrigen, 
aber sehr langcn und breiten Tjsch sitzend, von iManusknpten 
und BDchcm umgeben Sem Vatcr, Vucaspatimi^ra, ist der 
Herausgeber ernes aberaus reiclihalligen, vicr dteke, eiiggc- 
druckte Lcxikonbande fUllcnden, cncyklop^dischen Sansknt- 
wBiterbuches, wclcbes in Luropa fast gam unbekannt ist, da 
es memes Wissens aucU m BdhUmgk's und Roth’s WOrter- 
buch nirgendwo citterf wird, wahrend sic doch auf den 
Qabdnkalpadritma, das grosse aber viel weniger rciclihaltige 
Parallelwerk, des Ofteren verweisen Bcidc Enc>klop3dien 
werden m Indicn viel gcbrauclit und suchen bci einer neuen 
Auflagc das Schvvesterwerk zu benutzen und zu Ubcrbictcn 
Eben crschien eine neuc Ausgobe des Qabdakalpadruma, auf 
wclche ich flir den genngen Prcis son 70 Rupicn siibskn- 
bierte, und die auch spdterhm bis zum Letzlcn vollstandig 
m meine Hande gclangt ist Nebcn diesem wollte ich auch 
das Vucaspalyam liaben und erstand es in vier sehr starken, 
gut gebundenen Banden flir 100 Rupien (damals 125, jetzt 
133,3 Aik) Bei dieser Oelegenheil erfulir ich von Jivdnanda, 
Nvie unglaubhch biUig m Indien der Buchbmderlohn ist, so- 
dass er auch bei starken Banden noch nach Pfennigen be- 
rechnet werden kanti Weiter kaufte icli noch eine Mengc 
Bticher aus der Offizin des JivSnanda, deren Gebrauch wegen 
ihrer Unkorrektheit zwar nicht anzuraten ist, die aber in Er- 
in an gelu ng aruiecec Aiisgabcn doch. gule D leoste le^-steu. V.y-w.ev. , 
zumal die schwiengen Texle von JivSnanda mit emem 
kurzen, von ihm selbst verfassten Oder kompiherten Kom- 
mentare versehen zu sem pflegen Der Alann mag em ganz 
bedeutender Polyhistor sem und war als solcher nicht frei 
von Eitelkeit „Ich habe", sagte er, „in meine Ausgaben melir 
als (KXIOOO Rupien gesteckt, jedenTag Jasse ich liber vierund- 
sechzig Seiten drucken und schreibe deren wohl gegen vierzig“ 

12 * 



180 VI Cdiculta and der lUni5.l3ys 

Ich erwiderte, dnss man ihn in Europa hblier schatzen wtlrde, 
wenn er weniger und das Wenigc urn so korrekler drucken 
lassen wollte Er antwortete das komme daher, dassi er 
oft durch Oberarbeitung krank sei und dann die Arbeit frem- 
den Handen tlberlassen mtisse Ziilefzt kamen wir auf das 
Versemachen im Sanskrit, und er sprach Jetzt will ich 
Ilmen einen Vers aufschreiben, und ich wette dass Sie den 
Sinn nicht herausbekommen soHen, wie Sie sich auch 
immer stellen" Er schneb den Vers, den ich nocli unter 
meinen Papieren aufbewahre, und ich erwiderte nur, dass 
man es bei uns hbher schatze, wenn jemand Verse schreibe, 
die jeder, als solche, die niemand verstehe Wir ftlllten die 
grosse Kiste bis an den Rand mit Buchern, und ich bezahlte 
das Ganze wie auch die Fracht welche von Calcutta bis 
Hamburg nur 7 Rupien kostete Ungefahr ebensoviel betrug 
dann noch die Fracht von Hamburg bis Kiel, wobei 
eine lange Recimung flir Ausbootung Landung, ZoIIrevision 
etc etc aufgesteflt war Aber woven sollfen wohl die Ham 
burger Agenten, Jolfer und Jobber leben wenn sie es nicht 
auf diese Weise anftngen? 

Wir wOllten Calcutta niclif verJassen, ohne setnem weJf- 
beruhmten bofanischen Garten einen Besucb abzustatfen 
Schon friiher batten wir einen solcben mit Frau Dr HOrnle ge- 
plant deren Gemahl damals Pnnzipal des mohammedanischen 
Madrasa College in Calcutta war, aber begreiflicherweise 
seme Hauptinteressen im Sanskrit stecken hatte So zeigte 
er mir nach emem angenehm in semem Hause verbrachten 
Abende auch die beiden buddhistischen Handschriften medi- 
zmischen Inhaltes aus dem vierten Jahrhunderl p C, welcfie 
damals vor kurzem gefunden worden waren und wegen i/ires 
liohen Alters Aufsehen erregten An diesem Abende wurde 
auch far den folgenden Tag ein Ausflug m den botanisclien 
Garten verabredef, der aber nicht zu stande kam weil es in 
der Nacht ziemlich stark geregnet hatte, und der Aufentlialf 



Dcr botimsclie Garten Der Sja^rodliabau'n 181 

ni ciner feuchteii Pflanzenluft m Inilien leicht Fiebcr nach 
sich Ziehen knnn Erst kurz \or unserer Abreise kanien wir 
nun doch noch dazii, mit der famtlic Roy den botanisclien 
Garten zu besuchen Derselbe liegt nardhch \on der Stadt, 
jenseits des Hughli, und da auch Ro>*s Wohnung im Norden 
\on Calcutta lag, so konnfen wir tins den langtn Unuseg 
nach Sliden fiber die HughlibrDcke und wicder nach Norden 
ersparen, wenn wir direkt «n Boot fiber den Strom fuhren 
und am botanischen Garten landctcn Em Boot init einem 
Dutzend uniform geklcidcter Rudercr wurde von freund 
MuUtk zur Verffigung geslcllt, und so fuhren wir m vor- 
nehmster Wcise liber die gelbeii Fluten dcr Oang5, deren 
cmen Arm dcr Huglili bildet, und landctcn an ciuem klemen 
Treppehen, welches dirckt in den schOnsten Ted dcs weit 
ausgedehntcn botanischen Gartens fohrte Gleich beim Em- 
tntte gelangtcn wir in cine brcite und lange Allee welclre 
auf beiden Seiten von hohen Palmbaumcn umgeben war, 
die, alle von gleicher Grdsse, gleicher Art und glcichem 
Wuchse, einen Anbhck von llberwaUigcndcr SchDnheit boten 
Aber auch welter trat dem Bescliauer liberall, wohm cr das 
Auge richtete, die Herriichkeit der tropischen Pflanzenwelt 
in ihrer vollsten Entfallung entgegen VorUber an geschmack- 
voUen Anlagen mit Baumgruppen, Schhngpflanzen, Blumen- 
beeten gelangten wir zu der grOssten SehenswUrdigkeit des 
Gartens, dem grossen Nyagrodha-B^\im Dieser Baum, ficus 
hulica dessen Sailskntname, „der nach unten Wachsende" 
bedeutet, sendet seme Zwcigc nach unten, wo sic unter 
gtinstigen Umstdnden den Boden erreichen, dort Wurzel 
schlagen und zu neuen Stdmmen erstarken, sodass schliess- 
lich aus dem einen Baume em panzer Wald wird Jedoch 
ist dieses ResuUat seiten, so hSufig auch der Nyagrodha- 
baum ist, den man in OSrIen und an der Landstrasse Uberall 
antrifft GewOhnhch erreichen die nach unten strebenden 
Zweige gar nicht den Erdboden und treiben ilire Wurzein 



182 


, VI Calcutta und der Himalaya 


tn der Luft, wo sie dann verkummern Nur bei cintgcn 
Nyagrodhabaumen, die in ganz Indicn als Selienswtirdig- 
keiten bertlhmt sind, ist die Entwicklung des Hauptstammes 
zu einem fComplex von Sfammcn geiungen Das bertllimteste 
Beispiel jst der Baum, von dem wir reden, im bofamscJien 
Garten zu Calcutta Nicli( nur beim Anblicke einer Abbildiing 
desselben, sondern auch wenn man persOnlich unter ‘seiiitn 
Stammen umberspazierf, ist es schwer, den Zusammenbang 
des Ganzen aufzufassen Von dem durcli seine Dicke Icicht 
erkenntlichen Hauptstamme gclit cm machtigcr Ast mcli 
der Seite bin d/eser wiederum sendet seme Nebcniste seit- 
wbrts, und von alien diesen Asten und Hcbenlsten laufen 
neue Stamme nach unten in den Boden Erne Anzihl 
derselbcn ist sction zu stadlichcn Biumstlmmcn ersfarkt, 
vielc andere smd noch in der Entwickclung begrff/cn und 
Nserden kunstlicb m HUlscn von Bimbusrohr i ach dem 
Boden geleitct ' 

Wir verzichten darauf, die ubrigen zablrcichen Schens- 
wilrdigkeiten von Calcutta zu bespreeben Der zoologisclie 
Garten, die ucife Matdan-Chzne, aufderuirm derAlorgen- 
friihe spazieren gingen, bis die Sonne ims \ertr(cb, dis 
Antiquitatcnmuscum der Edengartcn mil seiner aus Hinltr- 
mdlen impordcrtcn shmcsJsclicn Pagodc, dis Alustum dtr 
asiatischcn GcscUsclnlt, wciches ich auF dem Umsclilag 
der Hefte der Bibliollieca Indica so otl mit Selmsuclit be- 
trachtet battc, das allcs mag Jdtr nur genannJ utrdiJi 
Audi so manclic frcundlichc, Ji lierzlidie Berniinmgtn mil 
Cingcborcncn verschiedener Sllnde, die sidi von Tag zu 
Tagc niclulcti mOssen hier tlbcrgangcn werden Am 8 
Tebruir 1893 packten vsir unsen. Koffer, um im Abend ab- 
zurehen Ats sinnfgcs Andcnkcn an Cilcufti sdankfv mir 
Mrs Roy cinen Ihtqqa (Wassurpfcife) bi^tclund lus cinvr 
Kokosnu^s, m vvcldic von obin her der Rautli Ins Ins 
Wivscf geltbcf vvbd CIn zvvidcs lodi tn dtr oXkicv 




Seite J28 


Der Nyagrodhabautn im botanischen Garten zu Calcutta 




Abschieil ^on Calcuth Der Huqqa 


183 


uasserfreien HSlfte der KoKosnuss wird an den Alund ge- 
bracht, urn den Rauch hcrauszusaugen .Da der brennende 
Tabnk m emem tQnemcn Kopfe senkrecht nber der Kokos- 
nuss balanciert, so dart das Ganze nichtaus derperpendikulJiren 
Lage gebracht werden, und cs sieht iiusserst possieriich 
aus, wenn der Rauchende sjch bei jedem Zuge nut Mund, 
Kopf und Hals an die Kokosniiss anschmiegt Em hinem- 
gestecktes ROhrehen wllrde dtese Unbequemlichkcit heben, 
aber die wenigsten erlauben sicli eincn solchen Luxus Der 
gewOhnhche Rancher, wie man Ihn in Calcutta vor der Tiir 
seiner HUtte an der Slrasse sitzen sieht, tnnkt den Rauch 
unmittelbar aus dem in die Kokosnuss gebohrten Loch 
Anders und viel konstlicher mit GlasbehJifer und Schlaucli 
ausgestattet sind die Wasserpfeiten in den tUrkischen LSndem 
Sie heissen dort Nargileh, welcher Name aus dem Persischen 
stammen soli Indes gebe ich zu bedenken, dass ji&nkcla 
im Sanskrit die Kokosnuss bedeutet, und dass die indische 
Wasserpfeife statt der in der Ttlrkei tibhclien Glaskaraffe 
noch heute als Hauplbestandled erne wukhche Kokosnuss 
hat Es dQrfte also der Name und nut ihm der ganze Ge- 
brauch aus Indien stammen und von dort erst nacli den 
westhchen Landern gelangt sem 




Siebentes Kapitel 

Von Calcutta iiber Allahabad nach Bombay. 

Am Abend des 8 Februar brachte uns Freund Roy zuni 
Balinbofe, und dort liatte sjch noch em grbsserer Kreis 
der m Calcutta gewonnenen Bekannten und Freunde em- 
gefunden Leider war die Abscliiedsstunde eine sehr un- 
behagliche, denn der Zug war eln mail train d h ein 
solcher, der in Bombay (bis wohin er drei Nachte und zwet 
Tage brauclit) an den Postdampfer nach £uropa anscbJiesst, 
und diese Zbge smd in der Regel sehr UberfUlIt Eine 
ungeheure Menge wogte auf dem Perron auf und nieder 
Auch m der ersten Klasse war kaum unterzukommen sodass 
ich meine Frau im Damencoupe placierte und ftlr micJi 
anderswo e/nen Liegeplafz eroberte denn ein solcher wird 
fur die Nacht den Reisenden der ersten Klasse von der 
Qesellschaft garantiert Schon auf einer der nSciisten 
Stationen wurde mehr Plafz indem zwei junge Englander, 
welche die oberen Lager einnabmen ausstiegen Wahrend der 
Zug einlief krochen sie geinachlicJi henmter und fingen an, 
ihre Toilette zu ordnen Der Zug hielt, sie zogen die Stiefef 
an banden die Cravatte vor, — erstes Zeichen zur Abfahrt, 
sie setzten die Hate auf und schlossen ihre Koffer — zwedes 
Zeichen der Zug setzfe sich langsam m Bewegiing, — der 
erne stieg aus, nahm nebenher hufend das Gepack an der 



Von Calcutta nach Allahabad Professor Thibaut 185 

antiere aber, ganz kaltbltHig, tappte noch jiach dicsem iind 
jenem, und derZug bewegte siclisciion mit emcrziemliclien 
Geschwmdigkett, ats der junge Mann ganz pomadig hinaus- 
klctterte und noch glQckhch unten ankam Eine gevMSse 
Venscgenheit tst den Englandern cigcn, und doch ISuft alles 
gut ab, denn sie wisscn sehr gcnau, avie vicl ste nskicren 
kOnnen 

Am andem Morgen hicU dcr Zug in Moglial Sarai, 
gegenfibcT von Benares, und luer bcgrlisste mich, wic bcreits 
erzahU, noch emmal Govmd Dfis und hcf, den Colonel Olcott 
zu holen, um uns nut einandcr bekannt zu machen Die 
Scene war nur von kurzer Daucr, denn sic bheben, und ich 
musste welter Ich w'arf noch emen verchnmgsvollen Blick 
aul die heihge Stadt, die sich drllbcn jenseits des Ganges 
im Morgenglanz aufttirmte, und einen zweilcn wcnlger ver- 
ehrungsvohen auf den gefeierten Hflupthng der Theosophisten 
und semen getreuen Adcpten, und weiter ging es am sud- 
hchen Ufer des Ganges hin, bis wir um drei Uhr nachmit- 
tags in Prayaga etnhelen, ciner Stadt, deren heihger Name 
von den Mohammedanern getilgt und durch das persische 
Allahabad ersetzt wurde, ahnUch wie ihre BrUder im Westen 
m der Hagia Sophia die Gesichter der Engel auskratzten 
und daflir Sterne aufpmseUen 

Wir verhessen den Zug und fuhren m Laurie's Hotel 
Eben Uberlegte ich, was zu tun sei, um hier den mir be- 
kannten Professor Thibaut, mit dem ich im Sommer 1866 bei 
Weber QakuntalS gehOrt, aufzusuchen,, da las ich auf der Hotel- 
tafel unteranderenNamen auch dieWorte Professor Thibaut 
und Familie Er lebte bjs zum Auffinden einer passenden 
Wohnung mit seiner Frau und zwei Kmdem hier im Hotel, 
wahrend er sem Amt als Professor des Sanserif College in 
Allahabad versah Er lehrte dort als geborener Deufscher 
merkwUrdigerweise Englisch, wShrend sein pnnetpal und 
philosophischer Berater Gou^ das Sanskrit vertrat Beide 



186 


VII Von Calcutti nach Bombay 


smd sehr achtbare Forscher auf dem Gebiete der mdisclien 
Philologie, aber em tieferes Vcrstdndnis fUr die Pliilo- 
sophie der Inder kann ich weder dcm einen noch dem an- 
dern zusprechcn, so sehr sie sjch auch beide um dieselbe 
bemUbt baben Ihre pcrsOnlichc Erscheinting war so ver- 
scbiede/i wie mOgJicb Mr Gough, ejn hochgevvachseiier, 
wohlbeleibfer Englander, itnmer vergnhgt, lachend und jovial, 
walirend Thibaut em cmstes und m sicli gekehrtes Wesen 
zeigte Thibaut erzShlte mir, dass er laglich vier Sfuoden 
zu untemchten habe Hiemach werden, wie es scheinf, die 
m Indien wirkenden Professoren zwar \iel hoher bezafilt aber 
auch viel mehr ausgenulzt, als ihre deutschen Kollegen 
Ich beeilte mich, der Familie Thibaut, ehe wir beim 
Abendessen im Hotel zusammenlrafen, noch memen Besuch 
zu machen, und so setzten wir uns auch zu den Mahizeiten 
an emem Isolierten Tische zusammcn Unsere Auffassungen 
von Indien waren sehr verschieden Thibaut segnete die 
englische Fremdherrschaft, da durch sie erst Ordnung und 
Zustande, nut denen sjch leben lasse, ms Land gebracM 
Worden seien Auch die Schdnbeit des Landes fand in ihm 
keinen rilckhaltlosen Bewunderer So stebe Indien, meinte 
er, dann gegen Europa zurQck, dass es zwar Gartenblumen, 
aber keine wilden BJumen habe, eine Behauptung, die m 
dieser Ausdehnung doch wohJ nicht verstanden sem wollte, 
denn wo es kejne wjlden Blumen gibt, woher sollen da die 
Gartenblumen kommen’ Oder haben vielleicht erst die Eng- 
Llnder diese beremgebracbt, sodass die m der aJhndischen 
Poesie so hkufjgen, vom Hiniinel herabtallenden Blumen- 
regen von irgend einem anderen Planeten herabgekommen 
— Nifch schavrer mmie es nttr, entch iW/ 

Thibaut zu verstandigen Wenn wir auf die Emgeborenen 
zu sprechen kamen, so ausserfe sie sich in so scharfer, weg- 
werfender Weise, dass ich auf Orund meiner persOnlichen 
Erfahrungen nicht umbm konnte, ibr entschiedener entgegen- 



Mr Gough Besuch von Pra>1ga 


187 


zutreten, als man es sonst emer blossen Vertreterm des 
scli6nen Geschlechts gcgenRber zu Jun pflegl 

Neben djesen elwas knWen Berllhrungen machte sich 
die Warme, mit der die Inder mir auch hicr entgegenkamen, 
urn so mehr fulilbar Kaum war unserc Ankunft ruclibar ge- 
worden, so stellten sich am crslen Abend noch \or Ende 
der Table d’hote em halbes Dulzend Bcsuchcr em, imd da 
ich Ubermorgen sclion wciterreisen musste, so wurde fUr den 
folgenden Tag ein schr rejches Programni entworfen Dtr 
erste Bcsuch solUe natUrUch der hochlievbgen Statte des Zu- 
sammenflusses von Gatlgti und YamtinQ gellen, darauf der 
Besichtigung der Ubrigen Sehcnswnrdigkeiten, und gegen 
Abend sagle ich dann zu, cmen Vortrag dber die Vcdflnta- 
plulosophie zu halten, zu wclclicm ein jungcr Advokat, 
Roshaii LQl, m der Eile Einladungszetlcl drucken und ver- 
breiten bess wie er denn auch tUr aUes Wedere zu sorgen 
tlbernahm Krishna Joshm hmwiederum halte sich erboten, 
uns am andern Morgen friJh mit emem Wagen abzuholcn, 
und so eihg gcschah unset Aulbruch, dass ich meme game 
Barschaft, besteliend in einem fingerdicken Pack von Zehn- 
Rupien~Scheinen, unter dem Kopfkissen liegen Iiess Ich liess 
nochmals zucQcMahren, angeblich, urn memen Dtener Purin, 
mehr aber noch, um mem Banknotenpdekehen zu holen und 
durch Mitnahme beider beide vor einander m Sicherheit zu 
bnngen PurSn hatte die Betlen schon gemacht, und das 
Vermisste lag anschemend unbertihrt unterm Kopfkissen Ich 
musste daraus schliessen, dass Pur5n sehr ehrlich war, Oder 
er seme Betten sehr seWeeht zu ItJllen pbegte Er- 
leichterten Herzens fuhren wir durch die grosse volkreiche 
Stadt tiber die YamunS und kamen endlich nach Prayaga 
dem „Opferplatz“, der auch Trivem heisst, d h „die drei ’ 
fache Locke", weil hier drei Flusse ihre Wasser vereinj? 
die Gangs, die YamunS und als dritter die nur m der F ^ 
bitdung bestehende himmlisclie GafigS Die ^ 



188 


\ II Von Cilcutta nach Bombaj 


sprmgende Landzunge zwischen beiden FKlssen istzuariin- 
beuohnt und unbebaut, hat aber doch nichts von der schauer- 
hchen Erhabcnheit, vvie man sie etwa in Delphi oder am 
Herlhasee empfinden mag Die sclion Ofler erwAlinte Nei- 
gung der Inder, Religion und Sport zu kombitiieren, kommt 
auch hier zum Ausdrucke Eine bunte, frOliliche Menge 
tummelt sich zur morgendllchen Badezeit auf Praydga Die 
einen piatschern lustig im Wasser, die andem trocknen am 
Ufer ihre Kleider, plaudern, lachen und scherzen. allerlei 
Messbuden sind aufgeschlagen, an Blumen und Snssigkeili-M 
ist kein Mangel. Bettler und Gaukler drfingen sicli dtirch dte 
festlicli gcstimmtc Mengc und hallen reiclilichc Emte Wif 
nahmen cines der zahlrcichen Boole und licssen un^ zu der 
Stelle rudern, wo die blauen Wasser der Yamiinl mif den 
gelben Fluten der Gaugl zusammenstossen. urn dann In 
trllbcrcm Oemischc zusammen forizugleitcn Die frdhltchen 
Onippcn am Ufer, die wcitc somicbcghnzle indi^che Land- 
schaft die hochragende Stadl als Abschluss in dir Firne. 
das alles ware cm Sciniispicl fOr Gntler pewesen, denn der 
Mcnscli ertragt cmc solchenillcvonCindmckcn.uu. ‘in-' unsiru 
Rcjsc bot, niclil, olinc zulcizl In elwns abgtslumpft zu wirden 
Unscni Rnckwtg nalimtii wir liber das tori uml bi- 
«itchligltn hier, wit vormals bcl Dillii, die bcrlllimte SluU. 
wclche mil den Cdiktcn dtslmddlnfn.undlicln.ii. abtrgtRCU 
allc Rtligioncn lolcrautcn KOnigs A?oki gtschmlicll i'l 3“ 
die sicIi vtrschiLclcnc Insclirillcn aus splivrcr 7vil .^nscl^Ilt’‘‘'tu 
Gnu In dtr Mhe sliegcn wir in cm GtwOlbc himintcr. uu 
dtn wundcflnrtn Afshaya HaUi dtn .uiivtrBanqUclun TtUen* 
bvum“ zu bcsclnutn, wtlclicr In cincm kcllcnrfipen Rnmi 
unttr Atisschluss von Llch! und ^clcr Lull waihsi und do.b 
niL .ibttirbf, unzwtilcUnM cin Wutulcr, — wenn nichi v ie • 
tciclit vo'i 7tit zu /.cil eln wcnig nachfichnUen werde i "U 
l)i.r Rest dis Vnrmitngs wurdc nut lies cl5iii.un^ tif 
Sui'i und Iksuthen luspcfOlll Olcicli inJi din HM.p 



Das Fort Vortrag m AllaliabaJ 


189 


mich eine Anzahl Pandits m Beschlag, bis urn vier Uhr Roshan 
L5l erschien, um niicli zum Tliee >n seinem Hause abzuliolen 
und von dort in die Vorlesung zu geleiten Der geraumige 
Saal fullle sich erst allmaiilich, wahrend icli, auf meinem 
Katlieder zwischen zwei Kandelabern thronend, mich ruliig 
von den Versammelten betrachten liess und in der Oeschwm- 
digkeit Anfang, Mitte und Ende meines Vortrags Uberdachte 
Zur Vorbereitung hatte icli keine Zeit geliabt, aber der 
Gegenstand war mir in seiner allgememen Oliederung und 
in alien Emzelheiten so vertraut, dass ich mich ruhig der 
Giinst des Augenblickes anbefehlen konnte Diese liess micb 
denn auch nicht im Stiche Als der Saal sich mit Sitzenden 
und Stehenden ganz geflillt hatte, licss ich Tilren Fenster 
und Laden schliessen und enUVickelte mit dem Feuer und 
Nachdruck ernes Oberzeugten den VedSnIa m seiner allein 
ernst zu nehmenden monistischen Advaita-Vorm, indem icli, 
unbektimmert um die Standpunkte memer ZuhOrer, alle an* 
deren Formen, wie denn namenttich auch die theistische, 
als emptfische Entartungen charakterisierte Auch hier wurde 
mir, nachdem ich geendet, mit echt indischer NaivitSt die 
Bitte unterbreitet, mit RUcksicht auf diejenigen Anwesenden, 
welche des Englischen unkundig seieii, meinen Vortrag noch 
emmal auf Sanskrit zu wiederholen Ich willfahrte m der 
Kiirze, und nun begann die Diskussion, welche fUr den Ernst 
und Eifer, mit dem man m Indien die Philosophic treibt, ein 
sprechendes und fur Europa beschhmendes Zeugnis ablegte 
Die emen sprachen Englisch, die anderen Sanskrit, noch 
andere Hindi Neben zustimmenden Ausserungen stiess ich 
auch auf ernsten Widerspruch, namentlich von seiten derer, 
^\eiche sich an einem unptrsonlichen Brahman nicht genligen 
lassen und seme Personifikation als l^vora nicht als blosse 
Akkomodation an das auf empinsche Anschauungen be- 
sclirankte menschliche Erkenntnibverm&gen gelten lassen 
v.olllen Ilmen wurde wiederum von anderen widersprochen 



Erne Lesehalle tadiscbc MusA Abschsed 


191 


ansteigt unci dort v.je ein vom Spnngbrunnen empor ge- 
Inebener Ball sich in leidenschatUichen MolUOnen hin mid 
herwiegt, bis sie endlich wieder mclodisch herabsmkt, dieses 
Gaukelspiel hat etwas in sich, was bis m die innerste 
Seele drmgt Besonderes Interesse erregte auch die ge- 
nauere Besichtigung und Erklantng der Instrumente, es sind 
teds Streichmstrumente wie die Vina, zur Wiedergabe der 
Melodie, teds paukenartige Instrumente, wie z B der 
Mirdnnga, welche als Trtlger des Rhythmus dienen 

Den Rest des Morgens benutzten wir, urn erne Schule 
zu besuchen, in der speziell der Rigveda gelehrt wurde 
Sie lag in emer schmutzigen und verwahrlosten Gegend 
der Emgeborenenstadt und hatte Susserlich wenig Anziehendes 
Urn so interessanter war cs mir, einma! den m Indien stark 
m den Hmtergrund getretenen Rigveda von den Schtilern 
recitieren zu hbren Sie taten dies, mdem sie auch die 
Accente dutch Bewegungen mil der Hand genau markierten 
Ungern schieden wir von Allahabad, einem Orte, wo 
mdische Warme und europaische Khhle so unmittelbar 
neben einander uns fuhlbar geworden waren Herzerfreuend 
war noch die letzte halbe Stunde am Bahnhofe, wo sich 
em grOsserer Kreis der geslern gewonnenen Freunde ein- 
gefunden hatte Ich sage Freunde, denn wenn auch unsere 
Bekanntschaft erst von vorgestern her war, so verkehrten 
wir doch und schieden schhesslich von emander mit einer 
Herzhchkeit, als hStten wir uns schon seit Jahren gekannt 

Von Allahabad an verliess der Zug das Gangestal und 
strebte dem Suden Indiens zu, um nach emer weiteren Fahrt von 
vierzig Stunden m Bombay einzulaufen Aber wir konnten 
uns nicht entschhessen, dorthin zurllckzukehren, ohne vorher 
emen Ort besucht zu baben, der ziemlich weit von der 
grosacn Verkehrsstrasse abseits hegt und daher fast me 
von EuropSern aufgesucht witd obgleich er emen Besuch 



192 


VII Von Calcutta nach Bonibaj 


m erster Lmic vcrdient Es ist das die oben im Vmdliya- 
gebirge gclegenc altc Kbnigsstadt Ujjayint, die Vaterstadt 
Killidflsa’s, des grossten mdischen Dichtcrs Sein Geist 
schlen ims die Worte des AlegliadOta zuzurufen 

Wenn du auch nordwtirts strcbcnd nicht magst weilcn, 

So lass dicli doch den Umweg nicht serdnessen 

Ujjayinrs Paiastcn'iuzucilen 

Und ihrer Dichcr Freundschafl zu gcniessen 

Unser Ziel war allerdings noch nicld die nbrdische 
Heimat, sondern zunachst Bombay und der SOden Indiens, 
aber gerade darum mussten wir ein gutes Stuck auf einer 
Nebenlime den Vindliya hinauf nach Nordeii zurOckfaliren, 
wollten wir auch cmmal m dem Dunsfkreise der Stadt ver- 
wejlen, wclche in alien Zeden c/ne von KSIid^sa’ in so 
gluhenden Farben beschnebene Herrlichkeit geiiabt haben 
muss Nacli enter Eisenbalmfahrt von zwanzig Stunden ge- 
langten wir \on Allahabad nach Khandvva, welches ungefflhr 
gleiclt weit von Allahabad und Bombay entfernt liegt, 
und von wo die schmalspurige Vindhyabalin nach Norden 
abzweigt Hier verliessen wir gegen Miltag den Bombayer 
Zug Und nahmen zunhehst in der BahnbofshalJe das Tiffm 
ein, konnten aber nur mtt MOhe efwas geniessen, so gross 
war hier, zwanzig Eisenbalinslunden sudheher als Allahabad, 
bereits die Hitze Wir trbsleten uns damit, bald wieder 
nach Norden und ins ktililere Hochgebirge zu kommen, 
bestiegen emen ehvas engen, aber daftJr auch wShrend der 
ganzen Fahrt uns allein verbleibenden Wagen der Sekundar- 
bahn und rollten nordwhrts Hbclist malerisch'prasentierte 
sich beim Oberschreiten die am SUdabhange des Vindhya- 
gebirges hmstrbmende Narmada, indent sie durch vor- 
springende Felsparhen und GerbW iftren Weg suchte, bald 
ihre ungestilmen Fluten zur Umgehung der Hindernisse zer- 
teilend, bald sie wieder zur Einheit zusamnrenleitend, daher 
sie mit Recht von KalidSsa „der Malerei {bhOtt) welclie 



Cber die Narmsdl indore 


193 


man durch Emtedung \on Fcldcrn {bliakU’ChCiiats) auf dem 
Russel des Elefanten anbringt,- (MegfiadUta 19) verglichen u ird 
Welter ging es in gemtlchlicher Stcigung den Vindh> aliinan, bis 

uirgegenAbenddieGarntsonsladMf/fmi' llndbaIddarau^^/^/o/’e, 

die Residenz des Holkar, crreicliten, urn bier zu Ubemacbten 
Ein Hotel ist in Indore nicbl \orhandcn Das Dak 
Bungalov. liegt zicmbch weit von der Balm Unler dtesen 
UmstUnden zogen wir es vor, das Ladies Waiting Roqm des 
Bnhnhofs zu beziehen und dort unscrc Reiscbettcn ausbreden 
zu lassen Leidcr war abcr ein Buffet mit dem Balinliofe 
nicht verbundcn, sodass wir zum Abendessen docli den 
Nveden Weg nach dem Dak Bungalow unter FUbrung eincs 
Knaben hm und her zurflcklegtcn Weniger unbequcm war 
die Sadie am andcrn Morgen, wo wir die Besichtigung dcr 
Stadt mit dem FrUhstUck im Dak Bungalow vcrbinden 
konnten Wir machten dort die Bckanntsdiaft eines Hand- 
lungsrcisenden, ernes jungen Parsi, der mit der Ungeniertbeit, 
welchc die Parsis so merkbcti von den Hindus unterschcidct, 
uns zumutete, dim nach unscrer RUckkehr eincn German 
Primar (Elementarbuch des Deutschen fUr Englander) zu 
schicken Wir begnliglen uns, ihm cmige Titel anzugeben 
und verwiesen ihn im Qbrigcn an die Buchhandlcr 

Eine fllichtige Besichtigung der Stadt, des Marktplatzes 
nebst dem blauen Palaste, des Lai Bagh, eincs (Jffentliclien 
Gartens mit wilden Tieren, flillte den Vormdtag aus Im 
Vorbeigeben sah ich etwas, was mir aus mdischen MSrchen 
wohl bekannt, aber inWirklichkeitnocIinie vorgekommen, nUm- 
lich den Kampf zweier Widder gegen emander Wie auf Ver- 
abredung erhoben sich die Tiere gleichzeitig auf die Hinter- 
beme und liessen ibre KOpfe mrt solcher Heftigkeit gegen 
emander prallen, dass sie wohl nur durch die grosse Dtcke 
ihrer Schadel vor Schaden bewahrt blieben Dies wieder- 
bolten sie fort und fort ganz phlegmatiscii und ohneeineSpur 
von GemUlsbewegung, als sc» es ihnen em angenehmer Sport 

Dcussen Erinncningcn an lad en 13 



194 


VII Von Calcutta nach Bombaj 


Um zelin Uhr verliessen wir Indore, stiegen auf der 
nachsten Station um und gelangten so endlich auf einer 
Zweigbahn der Zweigbahn bald nach Mittag nach Ujja)tni 
Der kleine Bahnhof sowie, ganz in seiner Nahe, das Dak 
Bungalow hegen ausserhalb der Stadt Nicht eine Iialbe 
Minute weit davon iiegt das heutige Ujjayini, umgeben von 
einer gut erhaltenen zierlichen Mauer mit Tbrmchen, Zinnen 
und Toren, aus dfem Mitlelalter stammend Ujjayini hat 
33000 Einwohner, beherbergt aber nur drei europUisclic 
Famihen, die des Gouverneurs, des Sleuererhebers und eincs 
Ingenieurs, ist also eine durch und durch indisclte Sfidt 
gebheben. ohne Hotels und ohne leden europaischen Korn- 
fort Da cs hier auf dem Gebirge nicbt so lieiss ist \mc m 
der Ebene, so unternahmen wir, um unsere ersle Neugicrde 
zu befriedigen, auf gut GlOck cine Wanderung durch die 
Hauptstrasse vom nOrdlichen Tore ncben dem Bahnhof und 
Dak Bungalow bis zum sfldhclicn hm Da uir nlcmand 
kannten und auch kcine Empfclilungsbncfe liatten, so fragtcn 
wir uns nacli dem College durch und vcrlangten den \or- 
stelier zu sprechcn Wir wurden etwas kOhl empftngcn 
aber ich hatte nun schon einigc Obung darin, den Weg z»m 
Herzen der Indcr zu findcn Bald uurde auch der cine 
Oder andere Sanskntkundigc Iicrbcigcholt, und in einer 
iialben Stunde war cine ganze Gcscllschafl bcisammen uiu 
die Untcrlialtimg im besten fluss Es uurde \crabrcdet 
gegen Abend im Dak Bungilow zusimmcnzutreffcn, untcr- 
dessen solltc tin jlliigercr Lclircr ims clniges \on 
zeigen Unser erster Bcsucli gilt dem ganz in dcr 
btfindhcbcn, utilbin Icucbtenden AfflAdAd/u-Tcmpcl. t tr 
zwir nicbt mehr der >on Kllldlsi gcfticrlc und ^plUr 
zerstOrtc •sem kann, aber auf dersclbcn Stcllt wie ’ I*" 
errichfet stin soil Mnn Inbe, so hicss ts In altcn Auf- 
zclcbnungcn die Mnsst noch sorgtfiindcn und slcli f emu 
inch dicsen gerfclitcL In der Tat wird dis (uninrl g 



Ujjayinl Die Qipra Eine Sitzung jm Dak Uungalou 195 

steigende Bauwerk gekrOnt von cinem Bilde des (^iva mit 
emem Wald von Armen, ahniich wie es Kaiiddsa beschreibt 
Sollte der Tempel wirklich auf dcr Stelle des alien sfetien, 
so muss er, vielleicht dutch Garten getrennt, liber eine halbe 
Stunde sUdlich von der Stadl gelegen haben, denn das alte 
Ujjayinl lag, wie wir nocli sclien werden, niclit auf dcr Stelle 
der jeUigen Stadt, sondern Ubcr cinc halbe Stunde weiter 
nacli Norden In das unlcrirdische Jnnere des Tempels 
woUte man uns nicht einlassen, versiclierte aber, dass dort 
nichts 7U sehen sei als ein grosses stcinernes Lingam als 
Symbol des ^iva Nicht weit vom Tempel und an der 
neuen Stadt wie auch an der alien vorllber strOmt die vtel- 
gepnesene Qprd Sie war auch im Febriiar noch ein statt- 
liches Wasser, so bred wie die Mosel bei Koblenz, aber 
nicht sehr tief, da wir sie am folgenden Tage auf dem Ele- 
fanten diirchwateten Erne Brlicke cnnnere ich micli nicht 
gesehen zu haben, weitec unten, bei AluUjjayini, kann man 
sich mittels emer Fdlire Ubersetzen lassen Wir wanderten 
nun zwischen FIuss und Stadt auf der HOtie hin und ge- 
langten mit Embruch der Dammerung glUckhch m unset 
Bungalow Dort waren. schon unsere Bekannten von vorliin 
und einige mehr emgetroffen Zum GlUck waren kerne 

Logiergdste ausser uns vorhanden So konnte das erne der 
beideu Zimmer des emstockigen Hauses zu unserem Schlaf 
Zimmer emgenchtet werden, w.1hrend wir im andern unsere 
□•iste empfmgen Eine Bewirtung derselben ist m Indien, 
wo jeder nur mit seiner Kaste isstund trmkt, nicht mbglich, 
hmgegen sprachen sie raeinen Cigarren gem und fleissig zu 
Ich bestellte das Abendessen, da stellte sich heraus, dass 
es zwar dabei die Ublichen Plannkuchen, hmgegen kein Brot * 
geben werde Meine Frau bestand darauf, sie konne dieses 
Zeug nicht essen und mUsse Brot haben Ich befahl, in der 
Stadl welches zu holen Verlorene Muhe* In der Stadt, wie 
man mir von alien Seitenversicherte, gibt es kern Brot „Wenn * 

13* 



196 


VII Von Calcutta nach Bombay 


Sie Brot haben woUen", bemerkte em kluger Kopf „so mQssen 
Sie nach Indore schreiben dann kann es morgen noch ein 
treffen Em anderer selling vor an den Gouverneur zu 
schreiben und ihn nm em Brot zu biften „Ich kenne den 
Gouverneur nicht** sagic ich j,und babe keine Empfehlung 
an ilin “ — „Das tut nichts" hiess cs „als Europ^er sind 
Sie schon genugsam empfolilen Und wie wollen Sie ohne 
den Gouverneur die Stadt und Umgebung besehen?" — 
„lch werde emen Wagen nclimcn und mich herumfaliren 
iassen" -- *Einen Wagen? In Ujjaymi gibt es nur Ocliscn 
karren “ — „Nem“ fuhr der Erfihrensfe fort zu sprechen 
„folgen Sie meinem Rat schreiben Sie an Sir Midjc! Hlpse 
den Gouverneur und bitten Sie ilin dass er Ilmen filr 
morgen einen FUhrer und cm Vclnkel stellt er uird Ilmen 
dann voraussichtlich emen Elehntcn schicken Der Gotacr 
neur wohnl zwanzig Mmuten von hier in emer Stunde kann 
der Bote mit der Antuort zurClck sem 

Der Rat schicn gut und ich scliricb m dem cntsprcclicn 
den Smne und filgfe die Bitfe hmzu ims clwis Brot zu 
sclucken Die Antwort war die denkbar liebcnswUrdigstc 
Morgen um sicben Uhr sollc cm Elcfant wie luch em orts 
kundigcr Fiilirer an unsercr TOr stm Wir mflchfen ibcr 
licbcr um alles zu schen zwci Tigc blctbcn und (ibcnnorgcn 
Abend seini. dcs Qou\cmcurs Gistt sem Em \\ igcn 
werde uns zur rccfiten Zeit abholcn Zugfcith (ltii.rl)ratlitc 
der Bote cm Brot nebst tmem zicriichen Arrnngcnunt ven 
Bultcr und rrllchttn 

Pnnkllich um 7 Utir morgens stand \or unstrcrTlir tin 
stattlicher Dcfmf mbsl scincm Lcnkir Zi)j,)cjcli aber tntfc 
der Gouverntur cmin seiner Sekrttirt als nUirtr fflr ims 
licstimmt Er tiicss Abdil war Ober allis schr woll imttr 
richicl und fi)r cintn A{< liammcdancr ausscrordinlhcJi be 
sclicidtn und taktvoll \iel v.tnlj.ir gifie! tm*; t/rdjoAi der 
juni,c MimJuleJirtr der uns gestan gehltft Initt und den 



frcundhchkeit dcs Gou\emcurs Alt*Ujjayinl 


197 


wjr, um \hm cine Freude zu machcn, emen leeren Sitz ncben 
uns auf dem Elefanten anboten Wicderholt begegnefen uns 
kleme Madcben imd aucli alte Wcibcr, welche sicli mehr 
Oder weniger tief verneiglen, mitunler sogar platt auf den 
Boden \sarfen „Diese Verelirung", sagle VinJlyaka, „gilt 
nicht Ihnen, sondern dem Elefanten Dieses diimme Volk ist 
dazu abgenchtet worden, vor jedem Bilde dcs Gonepo, des 
Gottes mit dem Elefantenkopfe, seme Verehrung zu bezeigen 
Kommt ihnen mm einmal cln wirkhcher Elefant zu Gesiclit, 
der in unserer Stadt erne ziemlich seifene Erschemung ist, 
so machen ste auch vor ihm meclianiscli und ohne sich ria- 
bei viel zu denken ihre Reverenz “ 

Unser erster und wichtigster Ritt gaU natUrbeh der 
Statte des alfen Ujjayin? Dasselbe liegt eine halbe Stunde 
nbrdlich von der heutigen Stadt gleichfalls an der Qiprd, da 
wo sie sich in einem prachtvollcn Bogen nach Nordosten 
hinwendet und ein liUgeliges Gelande umstrbmt, auf dem 
die alte Stadt lag Sehr deutlich sieht man noch heute an 
und auf den Htigeln lange gerade Linien sich hmziehcn, 
welche wohl Spuren der ehemahgen Strassen Sind „Bei 
jedem Regengusse", sagfe Abdul, „spult das herabstrbmende 
Wasser MUnzen und andere ReUquien der alien Stadt los 
Ausgrabungen wUrden im hOchsten Grade lohnend sein, aber 
der Holkar von Indore, dem das Land gehbrt mteressiert sich 
nicht daflir" „Warura“, so fragte ich> „hat man die so schbn 
gelegene alte Stadt aufgegeben und sich weiter sUdlich im 
flachen Lands angesiedeU?" — „Man weiss es nicht," ver- 
setzte Abdul, „die emen memen, es sei in Folge einer Pest 
geschehen, die andern behaupten, em Erdbeben habe die 
alte Stadt zerstOrt “ — „lst gar luchts mehr davon Ubng?" — 
„Niir noch em emziges Haus Sie werden es nachher sehen 
Das Volk nennt es das Haus des Dichters Bhartrihari'' — 
„Aber was ist denn das," nef icli „was bedeuten alte diese 
aus Steinen zierlich geschichteten kleinen Denkmaler, und 



198 


VJI Von Calcatfa nach Bombay 


was die niedlichen FUsschen, die jedem derselben einge- 
mejsseU sind?" — „Diese Denkni^ier bezeichnen die Sfelle, . 
wo eine Witwe sich lebend mit ilirein verstorbenen Gatten 
hat verbrennen lassen “ — „Also eine Satt“ erganzte ich, 
„oder, wie der Englander m sememjargon sagt, eine ^iii'i'e^ " — 
Das Wort sail bedeutet, wie schon oben bemerkt wurde, 
„die Seiende", „die Gute“, d h die Frau, welche ilirem Gatten 
in den Tod folgt, dann auch den Akt der Witwenverbrennung und 
endiich die SteJie, wo emesolche Verbrennungsfattgefunden haf 
Wir wanderten weiter fort Uber die Statte des alten 
Ujiaymt, und liberall bemerkten wir durch die nut Rasen und 
Buschwerk Uberdeckte Bodenfiadie hindurch e/gentOrnbcbe 
Bildungen, welche, ftlr kOnftige Ausgrabungen em lolmendes 
Objekt sem werden und einstweilen der kombmierenden 
Phantasie viele Unterhaltung boten Wir gelangten zu einer 
Anhshe nut schbnem Blick auf die in der Tiefe unten daliin- 
fliessende <^iprd, und hier oben stand das einzige, irgend 
emem Zufalfe seme Erhaltung verdankende Haus der alten 
Stadt, heute ohne erkennbaren Grund das Haus des Bhar- 
trihari genannt Es mochte einer jener von KQUdlisa ge- 
feierten Palaste gewesen sem mit flachem Dach, mit ge- 
raumigem Hofe, aussichtsreichen Terrassen, das Ganze durch 
eine wohl erhaltene Mauer nach aussen hin abgeschlossen und 
verwahrt Wir traten m den Hofraum durch em Tor, dessen 
oberen Abschluss ein machtiger Stem bildete Em diirch- 
wachsender Baum hatte ihn in der Mitte gesprengt, aber die 
beiden Stlicke lehnten gegen einander und schdtzten sich so 
gegenseitig vor dem HerabfalJen Voni Hofe aus erOffnete 
sich eine herrliche Aussicbt auf die in der Tiefe strOmende 
(Jiprd und das jenseitige Land Nach der bevorzugfen Lage 
durften wir schliessen, dass das erhaltene Haus ernes der 
vornehmsfen der Stadt gewesen sem muss Dem entsprach 
auch sem Aufbau m mehreren, teilweise erfialtenen Etagen, 
von denen die eine, durch eindrmgende Erdmassen ver- 



Das Haus des Bhartrihan Unser Elefant 


199 


schlammt, einen kellerartigen Emdruck maclif, wdhrend die 
dartiberhegende eineti Begnff der vornelimen Wohnungen im 
alien Indien geben kann Das ganze Slockwerk stellte sich 
dar als erne einzige sehr lange und breite, aber sehr niedngc 
Halle Zahlreiche zierlich in Stein gehauene Saulen von 
wenig mehr als AlannshOhe trugen die Dccke Man konnte 
m aufrechter Haltung darunfer stelien und gehen Vicllcjcht 
bezweckten diese niedngen Zimmerdecken em besseres Fest- 
halten der Kllhle Das Ganze ennnerte mich an das gleich- 
falls ziemhch alte Haus in Mahdvan bet MathurS, in welchem 
der junge Krishna erzogen worden sem soil Audi hier wird 
das sehr niedrige Plafond von Saulen getragen, an deren 
eine der junge Gott von seiner Pflegemutter angebunden 
wurde, als er unartig war 

Die hOhersteigende Sonne mahnte zum Aufbruch Wir 
bestiegen unsern Elefanten, verliessen die jetzt so verem- 
samten StaUen emer grossen Vergangenheit und gelangten 
dutch wohlangebaute Felder zurtlck zur Neustadt, deren 
Strassen jetzt so belebt waren, dass kaum durchzukommen 
war Der Elefant schien gewohnt zu sein, dass dim alles 
auswich Er gmg ungestbrt semen bedachtigen Schritt 
wetter und verschmahte es nicht, von den vortlberfahrenden 
Wagen aus der HOhe herab einen Tnbut fUr sich zu nehmen 
ScWiessbch hoUe er von emem mit Rohrbtindeln beladenen 
Karren, der eben vorbeifuhr, nut seinem RUssel erne ganze 
Garbe herunter, welche er quer im Russel behielt, sodass 
em grosser Ted der Strasse dadurch gesperrt wurde 
vt'A*. « v.v.r AzwaA itVi AbdvA 

„Ste werden es sogleich sehen," sagte er und wirklicli 
machte sich der Elefant daran, wShrend des Weitermarsches 
mit RUssel und Mund das BUndet zu lOsen und em Rohr 
nach dem anderen behaglich zu verspeisen Beim Mar- 
schieren beobachtete der Elefant stets grosse Vorsicht Als 
er mit uns durch die ^iprS watete, tat er kemen Schntt, 



200 


VII Von Calcutta nach Bombay 


ohne sich vorher durch Tasten des Bodens unter dem 
Wasser zu versichern In emer wenig bebauten Qegend 
der Stadt batten wir emige Teiche besuclit, von denen noch 
lieute emer den Namen Gandhavati, wie bei KSlid^sa, tragt, 
und woHfen von bier quer durch eine Niederung den Huge/ 
in der Mitte der Stadt ersteigen, der erne Rundsicht nach 
alien Seiten gewShrt DerFUhrer Jenkte den EJefanten quer 
uber die Wiese, als dieser nach dem ersten Schnit mit 
seiner Tatze einen halben IWeter tief emsank Schnell be- 
freite er sich aus dieser gefahrlichen Lage, und wir be- 
wunderten und belachten alle das nesige Loch welches der 
eine Elefantentnft geschaffen hafte 

So genossen wir zwei Tage lang von der Hbhe unseres 
EJefanten herab und in der angenehmen Cese}}schaft Abdul s 
die alte Kbnigsstadt und ihre Umgebung, besichfigten das 
m frUherer Zeit hoch berUhmte Observatorium, von dem nur 
noch die Mauern erhalten sind, besuchten KaUdeh mit seiner 
Wasserleitung und den Resten palastartiger Bauten und 
kehrten am Nachmittag des zweifen Tages sehr befnedigt 
zuruck um uns zum Diner bei Sir Michel Filose anzukleiden 
PiJnktlich holte uns der Wagen ab und fdhrte uns zu dem 
fern von der Stadt liegenden Landliause des Gouverneurs 
Dieser war von Geburt ein Italiener, aber vbllig anglisiert, 
sodass er mit seiner imposanten Gestalt und semen weissen 
Haaren sich m nichts von einem alten englischen Gentleman 
unterschied Es waren einige erwachsene Tdchter und 
Verwandte des Hauses zugegen, dazu em katholischer 
Geistlicher, Padre Pio, welcher nut Planen herumreiste, um 
Propaganda fUr den Bau emer katliolischen Kirclie m 
Gwalior zu machen Wir gingen zu Tisch, der Paler sprach 
das Gebet, ich bemerkte, wie im Hause em sfrenger 
Katholicismus herrschte Meme Tischnaclibann war unllngst 
aus Italien zurtlckgekehrt, ich sprach mit ihr italieniscli und 
fUhlte, wie ihr das wohitat Denn in der Familie Filose, 



Diner beim Gouverneur Padre Pio Abdul 


201 


die schon seit Generationen in Indien lebte, schicn der 
Gebrauch des Italienischen schon ziemlich ausgcstorben zu 
sem Die Unterhaltung war lebhaft, die Stimmung die 
denkbar beste So standen wir nach Tische noch in 
animiertem Gesprache, als der Pater anting sich zu verab- 
schieden, da er mit dem Nachtzuge nach Gwalior wollte 
Urn dem Wagen des Goiivemeurs nicht zweimal die weite 
Fahrt zuzumuten, beschloss ich gleichfalls aufzubreclien und 
sprach eben zum Gouverneur em paar freundliche Abschieds- 
worte, als plOtzlich die ganzc Gesellschaft auf die Kniee 
sank Betroffen trat ich zurUck und sah im Hintergrunde 
stehend respektvoll zu, wie der Pater den Anvvesenden den 
Segen erteilte Wir verabschiedeten uns mit herzlichem 
Danke far alle uns e^^vlesene Freundlichkeit und fuhren mit 
Padre Pio zum Bungalow, wo er, da bis zur Abfahrt des 
Zuges noch uber eine Stunde Zeit war, mir an den mit- 
gelUhrten PlSnen semen Kirchenbau eriauterte, auch gern eine 
Cigarre sowie eine zweite mjt mir rauchte Mem freund- 
bches Zureden, einige Cigarren mil auf den Weg zu nehmen, 
lehnte er dankend ab Als man den Zug m der Feme 
horte, gmg er zum Bahnhof hmliber, und wir legten uns schlafen 
Wir hatten unsere Abfahrt auf zehn Uhr des andern 
Morgens festgeselzt Mehrere Bekannte waren an der Bahn, 
auch Abdul, der mir noch dies und jenes von semen Kuno- 
sitaten zeigen wollte Er hatte uns diese Tage gefuhrt und 
sehr artig behandelt Da ich nicht wagte ihm Geld anzu- 
bieten, so schenkte ich ihm einen klemen Taschenatlas, wie 
man \n Liandon in gefattigstet Ansstattung itir 2^2 Shilling 
kauft Selten habe ich einen Menschen sich mehr freuen 
sehen, als Abdul Uber dieses kleme Geschenk, welches frei- 
lich in Ujjaymi erne grosse Seltenheit sem moclite 

Nun folgte eine lange Fahrt von Ujjayini bis Bombay, 
welche mit genngen Ruhepausen den Tag die Nacht und 
noch den ganzen fotgenden Tag bis zum Abend in Anspruch 



202 


VII Von CalcuttT nach Bombay 


naliin. Wieder gmg es an Indore vorbei den Vjndhya 
hcrunfer dber die Narmndd nach Khandm, wq wir den Nachf- 
zug bestiegen, am and^rn Morgen das berUIimte t-Jasik vor- 
llberfahrend grilssten und gegen Naclimittag m das Iibchst 
romantische Bergland der wcstliciien Gliatta’s gelangten, 
welche aus imposanten Qebirgsmassen bestehen, die dem 
Hochplateau von Deklian an dessen Wesfrande gleich wie 
Mauerzinnen aufgesetzt sind Von diesen Hblien nach Bom- 
bay herunter zu kommen ist fUr die Bahn keine leichte Arbeit. 
Da gibt es Kehren, an welchen der Zug im Zickzack vor- 
wSrts iind rUckwarts ISuIt, da fehlf es nicht an Tunnels, 
Briicken und kiihnen Wmdungen, alles dies mit herrhchen 
Aussichten auf das Gebirge und auf Ebene und Meer m der 
Tiefe Urn 9 Uhr abends liefen wir nach einer herrlichen 
Rundreise von mehr als zvvei Monaten in Bombay em, wo 
uns niemand erwartete Wir nalimen einen Wagen, der, wie 
alies in Bombay, merklich eleganter und besser war, als man 
es m Calcutta zu finden pfiegt, und fuliren direkt zu Tn- 
hhuvand&s, dem wir versprochen batten, semen Cosmopolitan 
Club dadurch m die Alode zu bnngcn, dass wir in demseiben 
Wohnung nahmen Da noch nichts vorgesehen war, so 
brachte er uns fUr dfe erste Nacht in einem bescheidenen 
Zimmer seines prachtigen Palasles unter 

Von semem Vater Sir MangaldQs, einem Manne von be- 
deutenden iind anerkannten Verdienslen, hatte Tribhuvandas, 
wenn auch nicht dessen Verstand, so doch semen Reichtum 
geerbt und war als echter Vai^ya bemUht, denselben bestandig 
zu mehren Er war sehr dienstbeflissen und gutmlltig, imd 
seme nicht gennge Eitelkeit flihlte sich aucli dann noch ge- 
schmeichelt, wenn man ihn zur Zielscheibe des Witzes nahm, 
vvozu er nur zu viel Anlass bot Er besass nOrdhch von der 
Stadt in Girgaum Road ein palastartiges Haus mit herrlichcm 
Garten, in welchem Lotosblumen, Betelpflanzen und mancher- 
lei seltene GewSchse zu fmden waren Im Hinfergrunde des 




Se te 202. 


khandala erne Reversing Station m den Westlichen Glnita 


204 


V/? Voff Calcutta nich Bombij 


uniJ iliirch \ollsiandiRc Wicdcrgabc In den Hauptzeilungen, 
sondcrn nuch diirch Ohcrsclzung in das Alaliraftl, Guzcrati, 
I3enga!i iind vjcllejcJd noch andcrc indisdie DtafeJde cine 
prossc Vcrbrcitiing gefundcn hat In der Cinleitung warf ich 
cincn kurzcn Blick auf den gcgenwartigen Ziistand der 
PJiiIosopbic in Indien jind tnhvar/ dann m gedrangtcn ZDgcn 
cjti Bild der allein ernst zti nctnncndcn imd konsequenicn 
Pliilosopliic Indicns, der /1rftfl//fl-Lehrc dcr .lllestcn Upani- 
shads und Hires grossen Inlcrprclcn (pankara (geboren 788, 
gcradc taiiscnd Jalire vordem dim geistig so nafic ver^vandfen 
Schopcnliailer) Icli vcrsilumtc niclit, auf die tiefe innere 
Obcrcmstimmimg dicser Lclirc niclil niir mit der kantisch- 
sciiopcniiauer’schcn Philosophic, sondcrn aucli mit dem 
Platonismiis und den Crundanschauungen dcs ChnsIcnUinis 
hinzuweiscn und crnialmtc zum Schlussc die Inder, an diesem 
Vedinta als dcr ihncn angemessenen Form dcr emen, allgo- 
mcinen, cwtgcn pUilosopUisciten Wahrhed /esfzuJialfen 

Die Ausarbeilung dieses Vortrages sowie seme scimelle 
und sorgfaitige Drucklegung beschaftigfe mich und meine 
Freunde wAhrend der folgendcn Tage, und als der 25 
Februar erschien, war es mir mOglich, vor cmem zahlreichen 
Publikiim niclit niir die envahnfen Gedanken m freier Rede 
zu entwickeln, sondcrn auch die gedruckte Broschttre an die 
Anwesenden zu verteilen und an alle unsere Freunde fiber ganr 
indien zu versenden 

Als ein kurzer und zuveriassiger Inbegriff der nocli heute 
m Indien vorherrschenden religiOs-philosophischen Weltan- 
schauung bildet der erwSImte Vortrag eine wesenfhche Ergan- 
zung unserer Mitteilungen Ober Indien und mag daher anhangs- 
weise auch luer seme SteJIe finden (unten, Seite 239 — 251) 
Voraiis geht ihm ein von mir verfasster poetischer Abschieds- 
gruss an so viele m Indien gewonnene Freunde, welcher 
ihnen zugleich mit der Abhandlung Uberreicht oder tibersandf 
wufde 



Vortrag m dcr Asiatic Soclct> Einc Hochzcilsfeier 205 


Von den mancherlei Ereignissen, welche stch m den 
letzten Tagen unseres Aufenlhaltes in Bombay zusammen- 
drangten, wollen wir noch emcr Hochzcil gedenken, zu der 
ims ein befreundeter Hindu einlud Es wurde schon erwaiint, 
dass m vielen Hasten die Madchen bis zum eltten Jahre 
\erhetratet sein mUssen RQckt dieser Zeitpunkt heran, so 
bait der Vater des Madchens Umschau unter den verfOg- 
baren Knaben, natllrlich nur innerhalb seiner eigenen Haste, 
wobei Rang, Ansehen, Lebcnsstellung und Vem\dgen ge- 
blihrend berticksichtigt werden Zeigt sich bei den beider- 
seitigen Eltem Geneigtheit, so werden die Brahmanen be- 
fragi, und diese lassen ^ich die Horoskope der Kinder 
einreichen Ahnlich namlich, wie bei uns leder semen 
Taufschem liat, wird jedem indischen Kinde in frllhester 
Jugend das Horoskop gestellt Ein solches besteht aus 
einer langen Rolle, die mit Figuren, Zeichcn und Sanskrit- 
versen beschrieben ist Die Anferligung eines derartigen 
Dokumentes kostet zehn Rupien, auch uns wollte man fllr 
diesen Preis das Horoskop stellen, aber wir waren nicht so 
sebr neugierig, unser Schicksal aus den Sternen zu lesen 
Soli also eine Heirat zu stande kommen, so werden 
von den Brahmanen die Horoskope beider Kinder ver* 
glichen Sind dieselben dem Unternehmen gUnstig, so wird 
wiederum aus ihnen der Zeitpunkt dcr Hochzeit nach Tag, 
Stunde und Minute ausgereclinet Das Resultat kann fUr 
die Oeladenen oft unbequem werden, wenn sie etwa die 
ganze Nacht warten mossen, weil die Hochzeit auf drei 
Oder vier Uhr morgens angcsetzt wurde Bequemer war 
es in unserem Falle, denn aus den Horoskopen liatte sich 
ergeben, dass die Hoclizeit um sieben Ulir dreiundfUnfzig 
Minuten abends staUzutmden babe Nach sechs Uhr fand 
sich erne distinguierte Versammlung im Hause des Hochzeits- 
gebers ein Wir v^urdeti etngeladen, m den Hofraum zu 
treten, wo hinter einem Gitter die Ceremonie stattfand, so 



Anloinft In Bombay Dcr Cosmopolitan Club 


203 


gcraumigen Gartens war cm zwejtes Haus, m welchem un- 
serc Freunde, die vier BrDder Nazar, ziir Miete wolinten 
Durch sie wurden wir mit Tnbhuvandas bckannt und haben 
manchen kOstlichen Abend mit ihm iind seiner Familic in 
der kUhlen.geraumigen Vorballe seines Palastes unterPIaudcrn, 
Scherzen und Musizieren zugebracJit Auch das grosse Orund- 
sttick gegenDber auf der anderen Scitc von Girgaum Road ge- 
hbrte Tnbhuvandas Hier hattc cr in einer verschllmten Ecke 
erne Schnapsbudc fQr Arbeilcr angelegt, wdhrend er m dem 
geiiJumigen HauptgebUudc seme LicbbngsschOpfung, den 
Cosmopolitan Club, begrUndct hatle Dieser sollte, wie schon 
der Name besagt, den Bedlirfnissen allcr Nationen entgegen- 
kommen Hier konnte man vegctansch auf Hmduweise Oder 
auch europaisch mit Fleisch und gcistigcn Gelrankcn bedicnt 
Nverden, und eine Gesellschaft dein europaischen Komfort zu- 
neigender Inder fand sich bei den taghchen Mahlzciten hier 
zusammen Eifngst strebte Tnbhuvandas danach auch cm- 
ma! Europller in seinem Klub zu behcrbergen, und so hcssen 
wir uns dazu emfangen, teds um unscre Freunde bei der Hand 
zu haben, teds um dem indischen Volksleben etvvas naher zu 
treten, als es von der Terrasse des Esplanadehotels aus mOg- 
lich gewesen war Die Zimmer konnten wir nach Beheben 
wahlen und wechseln Bei der Einfaciiheit ihrer Ausstattung 
waren sie mit drei Rupien taglich fUr uns beide reiclihch fae- 
zahlt DafUr konnten wir uns m den weden, leeren Rtmmen 
des ersten Stockes nach Herzenslust ausbreiten und genossen 
eine fur Bombay seltene Ruhe Diese war uns in der Tat 
jetzt sehr erwQnscht, denn ich hatte dem chrwUrdigen und 
hebenswerten Javerildl Umiafankar, dem Sekretdr der Asiatic 
Society, versprochen, in dieser am 25 Februar emen Vortrag 
zu halten, und ich beschloss, denselben gleichzeitig im Druck 
erscheinen zu lassen und zu einem kleinen Verm&chtnisse filr 
Indien zu gestalten In der Tat hat er dort seme Wirkung 
getan da er nicht nur m enghscher Sprache als Broscliure 



204 


VII Von Calcutta nach Bombay 


und durch vollst&ndige Wiedergabe in den Hauptzeifiingen, 
sondern auch durch Obersetzung in das Mahratti, Guzerati, 
Bengali und vielleicht noch andere indische Dialekte eine 
grosse Verbreitung gefunden hat In der Einleitung warf ich 
einen kurzen Blick auf den gegenwartigen Zustand der 
Pliilosophie m Indien und entwarf dann in gedriingten ZUgen 
em Bild der allein ernst zu nelimenden und konsequenten 
Philosophic Indiens, der Adiaita-Lthxt der altesten Upani- 
shads und ihres grossen Inlerpreten Qankara (geboren 788, 
gerade tausend Jahre vor dem ihm geistig so nahe ver\vandten 
Schopenhader) Ich versaumte nicht, auf die tiefe mnere 
Ubereinsfimmung dieser Lehre nicht nur nut der kantisch- 
schopenhauer’schen Philosophic, sondern auch nut dem 
Platonismus und den Grundanschauungen des Chnstenfums 
hinzuweisen und ermahnte zum Schlusse die Inder, an diesem 
Vedanta als der ihnen angemessenen Form der einen, allge- 
meinen, ewigen philosophischen Wahrheit festzuhalfen 

Die Ausarbeitung dieses Vortrages sowie seme schnelle 
und sorgfaitige Drucklegung beschaftigte mich und meine 
Freunde wShrend der folgenden Tage, und als der 25 
Februar erschien, war es mir mbghch, vor einem zahlreichen 
Publikum nicht nur die erwahnten Gedanken m freier Rede 
zu entwickeln, sondern auch die gedruckte Broschllre an die 
Anwesenden zu verteilen und an al(e unsere Freunde tlber ganz 
Indien zu versenden 

Als ein kurzer und zuveriassiger Inbegnff der noch heute 
in Indien vorherrschenden religiOs-pIiilosophischen Weltin- 
schauung bildet der erwahnie Vortrag eine wesenfliche Ergdn- 
zung unserer Mitteilungen Ober Indien und mag daher anhangs- 
weise auch hier seine Stelle finden (unlen, Seite 239—251) 
Vonus geht ihm em von mir vcrfasster poetischer Abscliieds- 
gruss an so viele in Indien gewonncne Freunde, welclier 
ihnen zugleicli mit der Abhandlung Uberreiclit Oder (Ibcrsandt 
wurde 



Vortrag m dcr Astatic Society Cine Hochzeitsfeicr 205 


Von den mancherlei Ercignissen, welclie sicli in den 
letzten Tagen unseres Aufentlialtcs in Bombay zusammen- 
drSngten, wollen wjt noch emer Hochzeit gedenken, zu der 
uns em befreundetcr Hindu cinlud Es wurde schon envaiinf, 
dass in \ielen Kasten die A\adcticn bis zum elften Jalire 
verheiratel sein mflssen Rttckl dieser Zcitpunkl lieran, so 
halt der Voter des Madchens Umschau unter den verfUg- 
baren Knaben, nattlrlich nur innerlialb seiner eigenen Kaste, 
wobei Rang, Ansehen, Lebensstcllung und VermOgen ge- 
bllhrend iDerOcksichtigt werden Zeigt sich bci den beider- 
seitigen Eltern Geneigthcit, so Nverden die Bralimanen be- 
Iragt, und diese lassen 3ich die Horoskope der Kinder 
einreichen Ahnlich namlich, wie bei uns jeder semen 
Taufschein hat, wird jedem indisclien Kinde in frOhester 
Jugend das Horoskop gestellt Em solclies besteht aus 
einer langen Rolle, die mit Figuren, Zcichen und Sanskrit- 
versen beschneben ist Die Anfertigung ernes derartigen 
Dokumentes kostet zehn Rupien, auch uns vvollte man fUr 
diesen Preis das Horoskop stellen, aber wir waren nicht so 
sehr neugiecig, unser Schicksal aus den Slernen zu lesen 
Soil also erne Heirat zu stande kommen so werden 
von den Brahmanen die Horoskope beider Kinder ver- 
gUchen Smd dieselben dem Unternehmen gtinstig so wird 
wiederum aus ihnen der Zeitpunkt der Hochzeit nach Tag, 
Stunde und Minute ausgerechnet Das Resultat kann fur 
die Geladenen oft unbequem werden, wenn sie etwa die 
ganze Nacht warten mttssen, weil die Hochzeit auf drei 
Qdfij; IJbr. wwida 'tiv: 

es m unserem Fade, denn aus den Horoskopen hatte sich 
ergeben, dass die Hochzeit urn sieben Uhr dreiundfUnfzig 
Minuten abends stattzufinden habe Nach sechs Uhr fand 
sich eine distinguierte Versammlung im Hause des Hochzeits- 
gebers em Wir wurden eingeladen, in den Hofraum zu 
treten wo hinter einem Gitter die Ceremonie stattfand, so 



206 


VII Von Calcutta nach Bombay 


jedoch, dass wir alles aus nSchsterNahe beobachten konnten 
Die Vorbereitungen 20 gen sich lang hm Bald war es der 
BrSuUgam, bald die Braut, urn welche sich die Ceremowen 
drehten, zuweilen sprachen die Eltern ilinen zu, zuweilen 
murmelte ein Brahmane uber ilmen seme Sprllche und 
Verse Unterdessen warden Kokosniisse imter die Zuscbauer 
verteilt, und auch wir nahmen aus Hbflichkeit einige der- 
selben an Mittlerweile riickte die Zeit der Eheschliessung 
heran jedermann beobachtete die Uhr Noch zehn Minuten, 
noch flinf Mmuten, und die Zed war da Jetzt wurde 
innerhalb des Gitters em Teppicli wie em Vorhang aus- 
gespannt Auf der einen Seite erschien der Vater des 
Sohnes, auf der anderen der der Tochler, beide mit den 
Kindern an der Hand, die sich wegen des Teppichs nicht 
sehen konnten Da rtickt der Moment heran und in deni 
Augenblick, wo es 53 Minuten nach sieben ist, werden die 
Hande der Kinder (Iber dem Vorhang zusammengebracht, 
sie fassen sich, der Vorhang fallt herunter, und damit ist 
das Eheparchen fdrs Leben mit emander verbundcn Es 
folgen, wie bei uns, GlOckwflnsche, Umarmungen und all- 
gemeine Rlihrung Dann gibt sich alles der Festfrciide 
hm In emem Saale werden den M3nnern, m emem anderen 
den Frauen die ganze Nacht durch Speisen angeboten in 
emem dritten Raume fmden die Produktionen der Tanz- 
mUdchen statt, die wir schon frlihcremmal beschncben haben 
Zu den MJInncrn, bei wcichen Freund Atnnr5ni uns 
wdlirend der ietztcn Tage in Bombay noch cinWhrie, gefiMe 
auch der rOhmliclist bekannic Sanskntforscher nnd Ober- 
nchter Tclang, einer derwenigen Cingcborenen, uelcho ciiic<? 
;cncr cxorbitnntcD OrJiiJJIpj' bczogia, thi. sonst nur den 
eiiroplisclicn Beamfcn m Indicn erreichlnr ‘:ind Wir 
tnfen ilm tics Atorgens /rllb um acht Jm Shidicrziniincr 
seines elcgantcn Hanses, im Eingeborenenkosttim, von Bllchcrn 
tmtl Papier umgeben Cine angcnchme l/nferlnlfimg fiber 



Besuch bei Tclang Abschied \on Peterson 


207 


wissenschaftliche Qegenstandeentspann sicli, und zum Schluss 
begleitcte er uns, urn uns sein Haus zu zeigen Merkwitr- 
dtger als alle die sdiOnen Sale iind Hallen war eine stiUc 
Ecke, in der ailerlci Gbtterbilder sfanden, dcren KuHus hier 
olfenbar bclneben wwrde, wic cihc Anzabl fnseber Blumen 
bcwies, die vor ihnen lagen Ich drllckfc Herrn Telaiig 
meine Verwunderung dacUber aus, dass er als phtlosopliisch 
gebildeter Mann auf derglcichen Wert legtc „Es gesclneht", 
sagte er, „um der Frauen des Hauses willen Jeden Alorgen 
kommt ein Brahmane, spncht emige Gebete und setzt fnschc 
Blumen auf, wofUr er monatlich eine massige Siimme bczieht “ 
Wit sebnUen dem Ausgang zu und sahen hmter etner Saule 
cmige Frauengestalten, die uns ncugierig nadiblickten Idi 
bieU sie iDr Dienerinnen und erfuhr erst spater von AtmarSm, 
dass es die Frauen des Hauses, Mutter und Gattm des Ober- 
nchters, gewesen waren Da metne Frau uns beglcitctc, so 
hatte es fUr unser GefUlil nahe gelegen, dass man wenigstens 
sie den Damen des Hauses zufUhrtc Aber wir erwahnfen 
schon after die Sdieu der indischen Frauen, mit Europaern 
m BerUhrung zu treten Diese wird erst schwmden, wenn 
es gelingt, durch Hebung dcr Madchenschulen die religiOsen 
und nationalen Vorurteilezu beseitigen und auch beim weib- 
bchen Geschlechte erne allgemeinere Kenntnis der englischen 
Sprache anzubahnen Wie anregend und erfreulich unter 
diesen Voraussetzungen der Umgang mit indischen Frauen 
sem kann, das batten wir zu Calcutta im Hause Roy zur Ge- 
nUge erfahren 

Zum Abschied suchten wir nochmals Professor Peterson 
auf, der alljahrlich dreimal umzuztehen pflegte, in der heissen 
Zeit wohnte er mit semer Faimiie im Gebirge, wahrend der 
Regenzeit m einem stadtischen Hause und den Winter durch 
in emem Zelte Solcbe Zelte werden auf emer grossen 
Wiese fern von dem CerSusch und den Dimsten der Stadf 
aufgepHanzt, und man kann sie mieten wie em Haus Wie 



208 


VII Von Calcutta nach Bombay 


ein solches enthalten diese Zelte Ecngange mit TUren, 
Salons, Sclilafztmmer und andere RSume, welche weder an 
GrOsse noch an Eleganz hinter den stSdtischen Wolmungen 
zuruckstehen Der Rasen des Bodens isf von einem Teppich 
uberdeckt, an den Wfitiden hSngen Spiegel und Bilder, 
H&ngelampen hSngenvon dem Lemwanddach herunter, Tische 
Sofas, StUhie, Betten und anderes Hausgerat sind volIslSndig 
vorhanden Vor Dieben scbufzt em Wachter die Zelle, 
welche oft zu mehreren zusammen sfehen und eine kfeine 
Strasse biiden Das ganze System des Zeltwohnens ist eben- 
so gesund wie angenehm, lassi sich aber nur da durchflihren, 
wo, wie in Bombay, den ganzen Winter Iimdurch kein Wind 
und keine Kalfe und nur em Mmimuin von Regen zu er- 
warten ist 




Achtes Kapitel. 

Von Bombay nacli Madras und Ceylon. 

Tag det Abycisc kam immcr nShcr Die verschjeclcncii 

Abschiedsfeste, welche von Uen Bcsuchern des Cosmo- 
politan Club, vom Pfinzcn Baldcvt, von Hcrrn Clncfi^ar itn 
Parsiklub usw Uber uns verhbngt wurden, waren gUlcklicli 
Uberstanden, alle Abscbiedsbesuche gemacht, die Andcnken 
eingekauft und die Koike gepacW Sefton frdft {ta«en stc(\ 
emige Oulzend Freunde und Bekannte in vmsetcr gersumigen 
Wohnung emgefunden und sahen zu, wie wir frtlhsfilckten 
Schmunzelnd strich Tribhitvandas eine lange Reihe von 
Si\berrupien ein, mit der sclierzhaflen Versicherung, semen 
Cosmopolitan Club m alien Ldndem Europas rQlimen und 
empfeblen zu woUen, bestiegen wir den Wagen und rolUcn 
nach dem palastartigen Bahnhof von Victoria Station Dorf 
liatten sidi auch alJe vorher Anwesenden und noch vjele 
andere emgefunden Des AbseWednehmens war kem Ende, 
und em theosophistischer ParsijHnglmg namens Ardcshir, 
d h Arfaxerxes, fufir einige^ Sfationen nut, utn itiich Uber 
die Theosophie zu befragen Ich konnte ihm nur meder- 
holen, was ich oUmals hei ahnUcUev Veranlassvmg gesagt 
habe „lhrTheosophisten“, sagie ich, „verfolgt anerkannter- 
massen drei Hauptzwecke I) Erneuerung der glorreichen 

Ueussen, Ermnerungen an Indien 14 



210 


VIII Von Boniba> nach Ceylon 


Traditioncn des Altcrtums, das ist sclir loblicli, nur muss es 
von Kenneni der Sache atisgciicn iind niclit, wie so off, 
von solcJjcn, die nieJifs davon versteJjcii, 2) alJgemcjne Vcfbrlj- 
derung der Mensclicn; wer wolltc dem niclit von Herzen 
zustimmen, 3) Erforschung der gelicimnisvollen Tiefen der 
menschiiclien Seeie, wie es in Euren Programmen heisst 
Durch diesen Punkt verderbt Jhr Etrre ganze Sadte imd 
bffnet dem Sclnvmdcl, dem Belnig tind alien Arten von TSu- 
sebung Ttir und Tor Wold gibt cs Tiefen der menschiiclien 
Secle, die noch niclit erforschtsind, Sommmbulismus Walir- 
(rSumen und zweifes Gesicfd kommen vor, wenn auch 
scltener als man glaiibt, aber, um hier mcfit irre zu gehen, 
Sind Manner crforderlich, wic es deren licute noch nicht 
gibt, solche namlich, welclie diegenaueste Kenntnis derNatur- 
wissenscliaften, namentlicli der Medizin, mif einem vblligen 
Eingelebtsein in die walire Pfulosophie, ich meme die 
Kantisch-Schopenhauersche, verbinden “ 

Unter solchen Gespraclien hatte der Zug die Ebene 
durcheilt, welche Bombay von dem Hochgebirge der wesf- 
lichen Ghatta’s frennf Der Parsijunglmg empfahl sich und 
wir konnten uns dem vollcn Genusse der Gegend hingeben 
Hoch und hoher hob sich durch alle Mittel des modernen 
Eisenbahnbaues die Bahn , immer weiter und herriicher 
bffnete sich der Bhck auf die grOne Ebene, die reiche Stadt, 
das weite Meer, bis die Berge sich wie ein Vorliang Uber 
dieser Scenene zuzogen und der Eug dem auf der Hocli- 
ebene gelegenen Poona zueilfe Hier empfmg uns am Bafm- 
hofe der jtingere Apfe, dem uns sem meistens m Bombay 
weilender Onkel von dort aus anbefohlen hatte Dieser 
Onkel, der seitdem vPsstDrbfJte aJte Apt^ war ein sehr 
reicher und ebenso frommer Mann Er begriindefe in Poona 
das Ananduframa (Einsiedclei der Wonne) genannte Institut 
welches wertvolle Manuskripte religibseo und philosophischen 
Inhaltes sammelt und in feuerfesten Raumen von vorzCJg- 



Programni dcr Theosophiiten Aptc in Poona 


211 


licher KonstruKtion aufbcwahrt Eine weitere Abtcilung des 
viele Baulichkeiten umfassendcn Insbtuts ist die AnandS- 
qrama-Pressc, welclie jahraus jahrein mit der Herausgabe 
der etitsprechcndcn Werke bescliUftigt ist Andere Riiiinie 
enthielten Hbrsiile und Wohmmgcn ftir die zalilrcichen Mit- 
arbeiter, boten aiich sonst armen Gclelirten ohne Entgelt 
e«\ leiUvciliges Unterkommen 

In Bombay hatte ich mit dem alten frommen Apte und 
semen Pandits eine Zusammcnkunft gcliabt, war, wie nacli 
solchen Besucben Ubhch, mil herrltchen, tlber Schultcrn und 
Briist herabhflngendcn Blumenkranzen, den zugelibngen 
Blumenstraussen in der einen und dem Rosenbltropfen in 
der anderen Hand \erabscluedct worden, hatte mich aber 
auch dadurch meld tibel cmpfohlen, dass icli aiif die ganze, 
zur Ansicht vorgelegte AnandS^rama-Serie subskribierte, deren 
Forlsetzungen ich noch gegenwartig regelmassig von Freund 
Apte bcziche, dem jungeren natUrlich, den sein Onkcl zum 
Erben des ganzen Untemehmens einsetzte, als er vor einigen 
Jahren aufhOrte sterbhch zu sein Kurr vorher noch hatte 
er sich, wie viele fromme Inder im Alter pfiegen, zum 
Sann)asin (Entsager) gemaclit, hatte, der Sitte gemSss, einen 
neuen Namen angenommen und wurde dementsprechend 
nach dem Tode nicht verbrannt, sondern, was nur bei 
SannySsms und ganz klemen Kindern Branch ist, begraben 
Betde machen eine Ausnahme von der Sitte des Verbrennens, 
die einen, well sie noch nicht, die anderen, well sie nicht 
mehr als Menschen geUen So ruht denn Apte inmitten der 
geistigen Schatze, die er selbst tn Poona aufgestapeJt, und 
die jetzt nach und nach, dank der Betnebsamkeit des Neffen, 
ihren Weg m alle Welt fmden 

Dieser Neffe traf uns also auf dem Bahnhofe zu Poona 
und stelUe sich flir die Tage unseres AufenthaltS ganz zur 
Verfligung Sein Wort hat er treulich gehalten Er zeigte 
uns das gesamte Anand5crama-lnstitiit, beraumte dort uns zu 

14 * 



212 


Vlff Von Bombay nacli Ceylon 


Ehren cine Versammiung von Pandits an.begleiteteunsdurch die 
Stadt, zu den GUrten imd zu dem bertlhmten Safiga, d li dem 
Zusammenflusse der FIrtsse Mata und Mala Das Endziel 
imserer Wanderung war dann wiederJiolf dcr im Stidcn der 
Stadt gclegenc Pan af{-}iQge\ nnt einem Teinpel dcr Dargii 
Oder P^n'ali, aiich Gamt genannt, der Gemaliltn des ?iva 
Von der HOlic gcniessl man cine lierrliclie Aussiclit auf die 
Stadt und weitc Umgegend Hfer sassen wir lange Stunden 
und fOhrten manches angenelimc Gcsprtich Apte ats gebil- 
deter und gelehrter Mann hattc nalilr!ich kerne andere Reli- 
gion als den VedSnta, crkiartc aber, ahnlich wie Tehng in 
Bombay, urn seiner Familie willcn an dem Kultus der GOtter- 
bilder festzulialten Fttr ihn scien alle Gbtterbilder nur Inkar- 
nationen des Atman, aber er liflte sich, ein GemlJf irre zu 
maclien, welcfies sicli nicJif zurRemhed dieses Standpunktes 
zu erheben vermdge Hier wie so oft bade icli den Ein- 
druck, dass der denkende Tcil der BevOlkerung m Indien 
ebenso gut wie in Europa den Priesterlehren frei gegenOber- 
stelit, aber nur urn der Familien widen nicht auf den Gbffer- 
kultus verziclilet, wie wir nicJit auf die kircbJicJie Trauung, 
Taufe und Beerdigung, auch wenn wir uns von alien aber- 
glaubisclien Vorstellungen frei gemacJit liaben 

Es war Nacht geworden, als wtr den Panaf/~HOgeI 
verliessen und den Rdckiveg durch die Stadt antraten Hier 
war gerade das No!i genannte Volksfest im Gange Auf 
der Strasse vor den Hdusern waren Kleine Scheiferhaufen 
mit hellem, flammendem Feuer zu sehen, frohliche Gestalfen 
sassen oder standen urn dieselben herum und warfen BJumen 
Oder Kbrner in die Flamme Andere zogen in Gnippen um- 
her und trieben aJlerJej JWjdwjJlen Em Haupfspass bestand 
dann, dass man sich gegenseitig mit Erde bevvarf, viele 
trugen, um die Kleider zu schonen, einen sackartigen Ober- 
wurf, welchem die Spuren der auf den EigenfOmer gewor- 
fenen Erdschollen em buntscheckiges Ansehen gaben Das 



Das Holifest Bhandarkar Von Poona nach Nhdras 213 

Ganze ermntrte an unseren Kameval oder dte Satunialicn 
dcr ROmer, und uelches auch immer die religiOsen iMotue 
dcs Festcs sem mSgen, jcdenlalls beruht seme gigcnwartige 
Form auf dem aucli bei uns besfehenden BedOrftus, ge» 
legenUich emmaJ der strengen HcfTSchcrm Vcrnunft zu ent- 
laulen und cm Kind oder cm Narr zu sem* lUilcc csi ilesi- 
pi re m loco 

Wir verfehiten natllrlidi inch!, m Poona den imi das 
Sanskrit so hocli \erdienten Professor DUanilarkor zu bc- 
suLhen, \on dem wir m seiner tidcbst anmutigen, m edelstem 
Geschmack ausgcstatlcfen Villa auf das frcundliclistc 
empjangen wurden Von Bomba) aus bade icb muneu 
Vcd5nta\ortrag gleichsam als Visitenkarle vorausgesclnckt 
So wandte stch das Gesprilcli naturgemass dcr Philosophic 
zu, und auf cmem Ulngcren Abendspazitrgang erssarmte icl\ 
mich an dem Icbendigen Intercssc, welches dieser gcistes- 
klart und \sarmherzige Indcr an Schopenhauers Philosoplue 
nahm 

So verflossen die drei Tage unscrcs Aufenthaltes m 
Poona m der angcnchmstcn Weise und starkten uns ftir die 
lange und heisse, achtundzwanzigstUndige Eisenbalmfalirt, 
die wir um Urei Uhr nachts begannen imd die Nacht, den fol- 
genden Tag und die ganze nachslfolgcnde Nacht lorlsctztcn, 
bis wir am 5 'Afarz morgens um acht Uhr im Balmhofe zu 
Madras emliefen Hicrmit waren wtr von dem westllchen 
nach dem OsUichen Mecr, von Afa/a6ar nach Koromandet 
gelangt, zugleich aber aus dem mittleren nach dem slld- 
btben ^n6ien, und erne ganz bedeutende Stcigcrung der 
Hitze machte sicb schon auf dem kurzen Spaztergang m dcr 
Morgenfrtihe vom Balmhofe bis zum Hotel bemerkhch 

Die klimatischen Vcrhaltmsse smd hier andere und 
weniger gOnstige als im ndrdlichen und westliclien Indien 
Dort ist die Regenzeit im Hochsommer und schOtzt vor 
den scharfsten Pfeilen der senkrcchf herabstrahlenden Sonne, 



214 


VIIl V'on nomba> mch Cc>lon 


Madras liinKepen iintwlicgl dcr Ejnwjrkimg dcs im Wjijler 
welienden Norducst-Monsun, Iial seine cigcnilichc Rcgen- 
zcit im Winter, und im Sommer die strcngstc, nur diirch 
den Cinfliiss dcs Mccres gcmlssigtc Tropenhitze 

W/e das Kiinn, so war atich die Bcvdikeniiig nacfi 
r.irbe, Tjpiis und Spraclie sebr von tier des nOrdlidien imd 
nordwcsllichLii Indicns vcrsclucden Dort war die Spraclie 
tind mitiun wolil auch die BLvOtkcning ansclicn Ursprtings, 
hier im Slldoslen und Suden liidtcns werden Sprachen ge- 
sproclien, welcfii. mit deni Sanskrit gar keine Verwandt- 
sebaft Jiaben Zieht man cinc Lime von Bombay odor sfld- 
iicher nach Orhsa, so trennt dicselbc die sicben ansclicn 
Spradicn von den vlcr niclilarischcn, ivelche Im Suden 
Indicns gesproclion werden An dcr Spitze der ersteren 
stelit das in dcr ganzen Gangesebcnc \om PendschJib bis 
Bcngalon lierrscbondc Hmdostahi Dasselbe zerfUIU in das 
von der BcvOlkcrung gesprochenc Hindi und in das Urdu 
(auch Hindostani im cngcrcn Sinne genannt), welches niclits 
andcrcs als cm durch zahirciche pcrsische und arabische 
Wdrter verunstnitetes Hindi isf Diesc Emdnnglinge, ver- 
gleiclibar den franzasischcn WOrIcrn im Englischen, er- 
schweren das Studium dcs Hindostani erheblich, wahrend 
das rcinc Hindi dem Sanskrilkiindigen sehr leicht wird, da 
es im Grunde nur ein die Endungen abstreifendes und 
durch PartiJeeIn ersetzendes Sanskrit isL Durch die nio- 
hammedanischen Eroberer wurde das Hindostani m der er- 
wahnten entstellten Form eine Art lingua franca, welche 
mehr Oder wenigfer in ganz Indien verstanden wird An das 
im Gangestale gtsproebene Hindi schhessen sicb Csthch da- 
von das Bengali und Onssa westhcli das Pendsdiabi im 
PendschSb, das Smdi am unteren Laufe des Indus, das 
Gujcraii nordlich von Bombay und das Mahratii welches 
von Bombay aus jiach Nordosten sjch weit ilber das Plateau 
von Dekhan erstreckt Das slnd die sieben anschen Sprachen 



Dsc SpracKtx Indlens Ptoh'^sor Oppcrt 


215 


Iniiietis, wekhe sich lum Sa«sknl \echaUen, \Me die roma- 
nisclien Spraclien ziim Latcmischei!, und ungcfalir cbcnso 
weit wie dicse \on emandcr abslehen inngen Hingegen 
hiben die folgenden vier Spraclien dcs Sddcns niclits mit 
dem Sinskrit gemcin 1. an dcr OstkOste Indiens das 
\on Orissa bis» Madras und 2 das Tamil \on Aladras bis 
auf Ceylon, wo es an das f(ir erne arische Sprachc gchaltcne 
Smshoksiscfic endhch Im flusscrstcn Slldwcsten Indicns 
3 das Kanarcstsdte und 4 das MalnyiVam Das smd die 
zwOlf Volkssprachen, welche betitigcn Tages in Indlen und 
Ceylon gcsprocficn werden Wjf befanden uns also in 
Madras sclion im Tclugulande Die dunkclfarbige BevOl- 
kerung der Cingcborenenstadt, von den CnglUndern the black 
(own genannt, und ihrc Sprachc mutete uns frcmdartig an, 
auch einzclnc vom Ohr aufgclangene Wortc bessen sich 
nicht deuten 

Um so wertvoller war es mir, in dem damals noch m 
Madras das Sanskrit verlrctcndcn Professor Oppert cincn 
alien Bekanntcn begrllssen zii kOnnen Cr bewolmte als 
Junggesclle cln melirstockiges Hans und bestand darauf, dass 
wir bei ihm wolincn solUcn Erst am folgenden Tnge nalmi 
ich dieses Anecbielcn an, nachdem wir im Hotel bci schr 
grosser Hitze m einem klcincrcn Zimmer cine recht schlcchtc 
NacM verbraebt batten Abcr auch die Nacht bci Oppert 
sollte uns keine Ruhe gcwaiiren Er hatte fllr den Abend 
eimge GUste gebeten und brachtc uns, nachdem dicse sicli 
zuruckgezogcn, m em gcraumiges, luftiges Schlafztmtner,. 

Oppert trOstete uns mil ^der vorhmdenen PanUia, emcm von 
aussen gezogenen, liber den Bctten hm- und lierschwingcnden 
Vorhang Ich hatte viel von dicsen, wahrend dcr Nacht von 
Pankhazteiiern mittels eines Seiles gezogenen, Pankhas ge- 
hOrt und bescliloss, einen solchen ftlr die Nacht anzustellen 
Fhr diesen Nachtdienst erhalt er 50 Pfennig Er versali 



21G 


VIII \ on Bombi) nach Ceylon 


semen Dienst olme cuizuschlafen, ich braudite niclit Wasser 
nach ilim zu spntzen odcr ihn mlt Sticfeln zu werfen, wie 
vide zu tun pflegen, wiinn er einsclil’ift untl man, in Scluveiss 
gebidet, erwaclif, denn ich schlief Oberbaiipt ntchf cm son- 
dern lag die ganze Nacbt im Kampfc mit den Mllcken, vi-clclie 
uns trotz der Panklia kerne Ruhe liessen Obrigens war 
Oppert nicht nur gcgen uns IiebcnswUrdig, sondern liatte 
auch eine ausnahmsweise nette Art, md den eingeborenen 
Studicrenden umzugelicn Er ging mit ihnen spazieren, iud 
sie m sem Haus uiid nalim sich ihrer in ]edcr VVcise an 
Er nahm mich mit in seine Sanskritfclasse jind Qberliess mir 
dort das Regiment Es war eine erliebende Stunde, vor nur 
sassen wolil dreissig schwarzbraune JUnglinge, welche meinen 
Worten lauschten, iind reclits schweifte mem Blick auf den 
roten Sand und das ganz in der Nahc brandende Meer, von 
welchem eine erquickende Kuhle durch die weit gebffneten 
Fenster heremdrang 

Madras hat einen herrlichen Strand aber, wie die ganze 
Ostkijste von Indien, keinen Hafen Mit imgeheuren Kosten 
liatte man durch Einsenken von Steinmassen in das Meer 
emen solchen erbaut, da kam eine Sturmfiut und schwemmfe 
die ganze Arbeit weg Eben war man damit fertig geworden, 
em noch starkeres Bollwerk m die See hinauszuschieben 
Hoffen wir, dass dieses alien StOrmen trotzen wird 

Auf em sonderbares Schauspiel machfe man mich auf der 
Seewarte des Fort George aufmerksam Durch em scliarfes 
Fernrolir sah ich weit im Meere, wohl erne Stunde vom Ufer 
entfernt, zwei Manner auf einem Fahrzeug freiben welches 
nur aus einigen durch QuerhDlzer zusammengehaltenen Balken 
bestand Grosse, wUste Wellenherge gmgen. ubec sie weg 
das Fahrzeug war bald unter, bald Ober Wasser Die Sache 
sah wohl gefaiirlicher aus als sie war So lange diese 
Fischmenschen nicht von ihrem BaJkengeflige weggesplilt 
werden, haben sie nichts zu befDrchfen, denn das andauernde 



Muckcnplage Dnc Sansknlklasse Em Cdlcf Alahdrija 217 


Bad ist bei den dortigen Temperaturverlialtnissen niir eine 
Erquickung 

Auf dem Fort in AUdras sah ich untcr vielen Bllchern und 
Handschrdlen auch cm E\emplat des aus unUbersehbar vielen 
BSnden bestehenden Indian Gazetteer Es ist dies einc vonjahr 
zu jahr fortschreitende statistisclie Sammlung allcr mOglichen 
Talsachen, %\ elche fbr jede Provmz awfgczcichnet und der Nach- 
\\elt aufbewahrt werden Audi hier, wie in so vielem, kann 
die englisclie Vei^valtung alien anderen als A^uster dienen 

Dutch einen ZufaU hOrte ich in A\adras, dass der 
A\ah5ra]a \on Vijayanasaram, eiiiem klemen Reiche an der 
Ostkliste stidlich von Orissa, (Ur kurze Zeit auf emem seiner 
SeWbsser in der Ndhe von A\adras sich aufhalte Der Name 
dieses Alannes war uns von dem vor sechs Alonaten in 
London abgehaltenen Orientalistcnkongresse her m giiter 
Ennnerung Als nliniUch Max Mllller lu emem Neudruck 
seiner Rigveda-Ausgabe m vier starken BSnden schreiten 
musste, und die englische Regterung es ablclmte, die grossen 
Kosten des Druckes, wie bei der ersten Aviflage, auch diesmal 
zu tragen, da war der MaharSja von Vijayanagaram flir sie 
emgetreten ^Und dieser cdle FOrst," so sagte Max MUlIer 
m emem Vortrage au( dem Kongresse „hat nicht nur die 
samtlichen Kosten fUr die Herstellung des Werkes getragen, 
sondern auch eine so grosse Anzalil von Freiexemplaren mir 
zur VerfUgung gestelU, dass jeder von Ihnen welcher ernstlich 
nut dem Studium des Rigveda beschflftigt ist, ein Exemplar 
grabs eihaUen kann “ Diese Liberahtdt bei emem Werke, 
dessen Ladenpreis 160 Mark ist, machte auf alle Anwesenden 
tiefen Emdruck Ich selbst konnte davon keinen Vorteil ziehen, 
da ich das Werk dutch die GUte Max MbUers schon iSngst be- 
sass, habe aber wiederhoU flir wOrdige jUngere Freunde und 
Freundinnen von AlaxMUllerein Exemplar erbeten und erhalten 
Die Nachneht von der Anwesenheit dieses MaharSja auf 
seinem Schlosse bei Madras erfUlIte mich mit um so grOsserer 



218 


VIII Von Bombay nach Ceylon 


Freude, als ich nicht gehofft haffe, auch diesem edien FOrderer 
der Wissensdiaft in fndien zu faegegnen Nach dem Tiffin 
nahm ich einen Wagen und fuhr mif meinec Frau nach deni 
von herrlichen Gartenanlagen umrahmten Schlosse Auf der 
Veranda sass, von Schretbsachen umgeben, ein alter, scliwer- 
hbriger und von Gicht geplagter Englander, welcher mir 
ziemlich mhrnsch ervviderle, dass Seme Hoheit der Maliar5ja 
nicht zu Hause sei und auch nach seiner RUckkehr zu be- 
schaftigt sem werde, um mich zu empfangen „Das werden 
wir ]a sehen," sagte ich, „wenn er erst meinen Namen ge- 
lesen haben wird EinatweiJen werde icb sein Eintreffen 
hier abwarten" Em unbestimmtes Knurren ward mir ziir 
Antwort Ich wartete geduldig eine halbe Stunde und kntlpfle 
unterdessen eine Unterhaltung nut einem mdischen Sekretar 
an, der abseits auf der Veranda sass, und wir waren schon 
em wenig warm geworden, als em Diener erschien und uns 
rum MahSrSta geieitete Dieser war em feiner, schmachtiger, 
etwas schllchterner junger Mann von vornehmer Haltung 
Ich benchtete thm voni Orienlahstenkongress in London, 
und wie dankbar wir alle flir seme Tat seien Er liOrte 
nut grossem Interesse zu und fragte nach meiner Reise 
Jnzwischen wurde in kostbaren.silbernen Tassen der Thee 
servierL IcherzaiiltevonmemenEmdrhcken, aberreichtememen 
Bombayer Vortrag, und als hierbet auch das iinten (S 242) 
mitgeteilte Gedicht Farewell to India ziir Sprache kain, bit 
er mich dasselbe vorzulesen und war sichthch gerlllirt, als 
ich es ihm tlberreichte Mit den angenehmsten Empfindiingeii 
verabscbiedeten wir mrs und rollten nach Aladras zurdek 
Statt mit dem Dampfer von Madras um Ceylon henim 
fdenn durch Roma's Brflcke, bedsuerhchciweise Adams 
Bridge genannt, kOnnen kclne Dampfer faliren) mch Colombo 
zu reisen, zogen i\ir es vor, auch nocli die stidlichsfc Spitze 
dcs gcJicbten Landes auf der Bahn zu durcbfiJircn und 
hierbel im Fluge dtn Stldlcn Tanjorc. Tridimopol^ und 



Bcim MaliarajavonVjjayanagaram Tanjore Tnchinopol) 219 


Madura nut iliren Tcmpeln und PalSslen einen flilciitigen 
Besuch abzustatten Es war dies mbglicli, wcnn wir die 
Nadite 2 um Fahrcn benutzlen und Tags ilber die Stadte 
besuchten Die erste Nacht brachte uns von Afnrfrfls nach 
Tanjore, wo wir von 8—10 Ulir morgens auf einem Ober- 
spannten Ochsenkarren, dcm cmzigcn vorbandenen Fubr- 
werK, lang ausgestreckt hegcnd und wieder emmal Mrs 
Davidson im Huge begrflssend, zu den Sehenswlirdigkeiten, 
vor allem zu dcm grossenTempel tiihren Dcr Brahmanismus 
ist m Sudmdien importiert und hat bier semen Oottern, 
gleichsam zum Schutze im frcmden Lande, nesige Teinpel 
erbaut, welche ganze Stadtvicrtel emnebmen und wobl- 
verwahrten Festungen gleicben Urn das Allerheiligste, 
welches kemem Europaer zugtlngbch ist, ziehen sich drei, vier, 
fimf Oder meiir Umwallungen, welche die zum Tempel ge- 
hOngen Priesterwohnimgen und andere Baubcbkeiten ent- 
halten Durch diese Umwallungen fuiiren die sogenannten 
Goptira s, bohe Torbogen, welche sich zu gewaltigen Ttlrmen 
zuspitzen Die Torbogen und Uberragcnden TUrme smd 
ubersat von einem Gewimmel mylhologischer Figuren, welche 
plastisch hervortreten und in ihrer farbigen Austuhrung 
manche Gruppen von hoher Schbnheit zeigen 

Nacb zweistUndiger Weilerfahrt erreichten wir Triduno- 
poly, wo wir wieder emen solchen Riesentcmpel mit boch- 
ragenden Gopuras besichtigten und dann, als es kuhler 
geworden war, einen die Stadt hoch pberragenden Felsen 
mit eingeschnittenen Wegen, Betstationen und einem die 
Spitze krOnenden Tempel bestiegen Die Aussicht von bier 
oben auf Stadt, Landschaft und Gebirge war von wunder- 
barer Schbnheit Wir genossen sie mit dem Bewusstsem, 
m24Stundenden heiligen Boden Indiens verlassen zu mussen 
Wieder verbracbten wir erne unruhige Nacht au! der 
Eisenbahn, die wir am frOhen Morgen in Madura verliessen, 
um uns von einem Fuhrer zu den Sehenswlirdigkeiten geleifen 



220 


VIII Von Bomboy nach Ceylon 


zu las'^en Als wir unterwegs einige Erfnschungen zii uns 
nnhfnen und divon auch dcra FWtrer anbofen, lehnfe er sie 
dankend ab, mit der BegrUndung, dass seme hohe Kaste 
ilim die Annahme niclit gestatte Er fllhrte uns zu dem be- 
rQlimten Nyagrodliabainne, der an Schbnlieil dem m Cal- 
cuda nafie, wenn auch nicht gleich kommt Dann wurden 
Palasl und TcmpeJ mil ibrcni rcjcJien Inlialle besicbbgt, und 
urn 12 Uhr sassen wjr wicdcr auf der Balm, der letzten 
Slldspitze Indicns zustrebcnd, wo in TiiUcorm der Dampfer 
nach Ceylon uns aufnchmen sollte Da dieser von Bom- 
bay kommende Dampfer Ttilicorm urn 6 Dhr abends anJie/, 
unser Zug aber erst 5 Minuten spater einlraf, so haffen wir 
telegraphisch ersucht, auf uns zu warlen AmBahnhofe von 
Tuhconn war denn auch bei unserer Ankunff em unter- 
geordneterVertrefer derDampfschiffsagenturanw esend, welcher 
2 ur Ede aufforderte, da der Dampfer schon draussen m der 
See auf uns warte „Haben Sie‘, fragle ich, „dje von mir 
telegraphisch gewlmschte SteanHaandi (Dampfpinasse) be- 
sofgt?“ -- „Ja wohl, mem Herr" Wir eiJten zum Ufer 
und fanden dort statt der versprochenen Dampfptnasse nur 
ein ganz ordmares Segelboot, ohne Banke und ohne Verdeck, 
die Wande so hoch, dass man jedesmal lunaufkiettern 
musste, wenn man etwas sehen wollte In diesem elenden 
Obstkahn sollten wir bei hereinbrechendem Dunkel nach 
dem Dampfer befOrdert werden welcher so weit im Meere 
Jag dass man ihn J^aum seJien konnte Ich war Uber diese 
Zumutung hbchst aufgebracht und bestand darauf, dass der 
Kommissiondr zu unserer Sicherheit mit zum Dampfer faliren 
mUsse Wir liessen also meine Frau und unsere zahlreichen 
GepackstUcke vorsichtig an den liohen Wanden des Fahr- 
zeugs auf den schmutzigen Boden henmter, kauerten selbsf 
auf demselben nieder, und die Fahrt begann Der Wind 
war kontrar, es mussfe Javiert werden Der Wind wiirdc 
starker, die See immer unnihtger Meme Frau wurde see- 



Madura Tuticonn Eine uUnCmStlichC BooJfahrt. 


221 


Krnnk, dte Silualton inimer ungemUllichcr Wie gewOhnJjch 
in den Tropen v'.ar auf eine kiiRC Dammerung ticfdunkic 
Nacht gcfoigt ImmeJ* wieder kleltcfte icJi an der Bootswand 
hinaiif und spaiite nach dcm Liclit des Dampfers, aber es 
\NolUcimd wolUe mcbl naher kommcn Plbtzlich stiess der 
Mann am Steucrruder mit dcm Ausdruck des Schreckcns 
einige mir unverstandliche Wortc liervor «Was hat cr gc- 
sagt’“ fragte ich „Er sagtc“, hicss es, „auf dem Wrack, 
das auf unsercm Wcgc liege, sci kcin Licht" Wie, uenn 
\Mr m der Dunkelhed dngegcn rannfcn' „Das \vare,“ sagte 
mir spater der Schiffskapitan, „lhre Ictztc Stiindc gcu’esen “ 
EndUch kam das Licbt des Dampfers nShcr und naher, und 
gegen 8 Uhr errcichten wir nach zmci qualvollen Stnnden 
das Schdf Die Sec war so wtis!, dass man niclit wagtc, 
die Schdfslreppe heruntcrzidasscn Z\vci Schiffsoffiziere 
kiefterten an cincr Stnckleitcr hcrunter und brachten schic* 
bend und ztelicnd mcine Frau auf das Vcrdcck, wahrend 
das Boot an der Seite dcs Schilies imgcstOm aid- und 
niedcrtanzte jetzt wurden die vcrschicdcncn Kolbs und 
Kofferchen an Stricken in die Holic gezogen Mit Angst 
sab icb sie Uber dem Wasscr schweben Es brauclite niir 
cm Schloss aufzugehen, und der ganze Inhall ware tm 
Meere verscliwimden Endlicli war nun alles oben Ich 
slieg aid der Strickleiter litnauf, bczalilte die Leiitc, und der 
Dampfer setzte sich in Bewegung Es war cm grosser, mil 
allem Komfort ausgestatteter Dampfer der von Emgeborenen 
unterbaltenen Asiatic Society Nur wenige Passagicre, meist 
Eingeborene der besseren SUndc, waren an Bord Man 
empfing uns Susserst hcbenswQrdig, gab uns rclcldicli zti 
essen und zu trinken und wies uns erne fdr uns rescrvierte 
grosse, luftige und sauberc Kabine an, in der wir zum ersten 
Male seit langer Zed wieder eine gute Nacldrulie batten 
Der andere Morgen land uns noch zwiscbcn Himmel und 
Wasser, erst gegen Mdtag tauclitcn die Umrisse von Ceylon 



222 


VIII Von Bombiy mch Ce>Ion 


aiis dem Meere nuf, und nun kam das wundervolle Eilaiul 
nut semem Krauze von PalmenwiUdern und semen fiocli- 
ragenden Bergen inimer n&her Iieran Um drci Ulir warfen 
wir Anker, (asen bcim Aussteigen cinc m den grfisslen 
Bndiskiben dem Rejscncien en/gegen<refende Warnung \ot 
den grossen Gefahren des Sonnensf/ctis, und bald darai/f 
waren wjr in dem Zimmer ernes gwten Hotels beliagbdi imter- 
gebracht Da bier mebt wie in Jndien ein Pensionsprqis fUr 
den Tag, sondern wie bei uns aJJes emzelij bezablt wurde, 
so war vorauszusehen, dass die Hotelkosten doppelt so lioch 
wie in Indien sem wUrden Wir bestellten das Dinner ftirden 
Abend und liessen zwei der an alien Slrassenecken zu fin- 
denden Jmrikisha herbeiholen Es sind das allcrliebste 
kleme Karrchen von eleganter Ausstatlung. deren zwisclien 
zwei hohen Radern befmdlicher Sitz nur ftlr eine Person 
Platz gewahrt, und weicbe niclit von Pferden, sondern von 
emem chokoladenfarbigen, bis aufKopffuch und Lendenfiich 
vollkommen nackten Manne gezogen werden Die Side 
stammt aus Japan, wie auch der Name, der auf japamseb 
„l\1annwagen“ bedeutet Dieses BefbrderungsmitteJ stelit 
der Droschke an ScbnelJigkeif wenig nacb und jst dabei 
bedeutend biliiger Unser Besuch gait einem meiner alfesten 
Jiigendfreunde, dem Kaiserlich deutsclien Konsul Philipp 
Fretidenberg, der ebenso wie ich vom Westerwald stammte 
Unsere Eltern waren dort befreiindet gewesen, und wir selbst 
batten als Kinder uns oft besuclit und zusammen gespielt, 
aber seit 1853, also seif 40 Jahren, uns nichf mehr-gesehen 
Unsere beiden Menschenpferde trabten tap/er darauf Jos, 
docb bedurfte es iSngeren Herumfalirens in der von duftigen 
Garten durchzogenen Villengegend Colombos, bis wir das berr- 
liche.von Veranden. und Garten umgebene Haus Freudenbergs 
erreicliten Auf der Veranda brannte Licht, und kaum batten wir 
iinsere Karten binemgeschickt, als von dorther der krflffige 
deutsche Ausruf herbar wprde „Na, endlichf" Freadenberg 



Anlvunft in Colombo Konsul Treudcnberg 


223 


jpfmq unscrn langst cnsarteten Besuch auf dns freiind- 
hste Er sci ganz alletn zu Hause. da seme Frau nut den 
2 T SOhnen in Deulscliland ueik, iind scm Bruder sicti clien 
if der Uochzedsrcise im Qebirge befinde Wir mOssten 
me Widcrrede, so lange vsir m Colombo ^\eJItcn, bei dun 
olmen Ich sagtc cs fllr den nilclisten Tag zii, aber cr 
Estand darauf, dass wir noch am sclbigtn Abend hci dim 
nseren Emzug lialtcn mttssten, imd so bheb mir nichts 
brig, als ms Hole! zurnckzufalircn, die BestcIIung der 
immer vsieder rllckgangig zii maclien imd m sp.*ltcr Abend- 
tunde mit Sack und Pack m dcmscliOnen Hause Freuden- 
lergs cmzutreffen, welches den Namcn Sinrmesa, d h 
Wolinsitz des GlQckcs" fldirtc Hicr konnten wjr uns in der 
)bcrcn Etage nach Hcrzcnslust ausbrciten imd genussen nut 
3ehagcn die GastfrcunUschnU dcs rcichm und vornefimen 
Hauses Emc zahlrcichc Dicnerschaft, dicHaarc nach singha* 
lesischer Sittc nut cinem Kainmc nach Weibcrart tunten 
aufgestcckt, bedicntc uns bci Tischc, zum Schliissc der Maht- 
zeit cfschicncn die kOstlichsIcn Frllchtc, Ananas, Bananen, 
Mangos, und als wir Uber diese Fnilc der Oaben des Landes 
unsere Bewunderung aiisspracben, Jmsserte Freudenberg mit 
Bescheidcnhcd „Es ist unscr gcwfthnbches Dessert*" 

Aber aucb flir unscrc geistigcn Bcdbrfnissc sorglc miser 
hebenswDrdiger Wirt, mdem cr, sowed cs seme Zed crlaubte, 
mit uns m die Stadt und zu den ScbcnswUrUigkedcn fvihr 
Das reichlialtige Museum, der grosse Bucldliatempel nut 
seiner Kolossalstatuc des Iicgcndcn Buddha, der herrhchc 
S'frand md seiner erfrisctiendcn Brisc sind mir noch m 
bester Ermnerung Mu bcsondcrem Intcrcssc bcsuchtcn wir 
auch die wedausgcdehnten Aniagen der Kokosolfabrik 
unseres Freundes Er fllhrte uns durch das Lager, in 
welchem das von hberall her angckauftc Rohmafcrial, idlm- 
licii das zwischen der hOlzcrnen Sctiaic und dem inneren 
Salt slch zu evner Schicht ablag^mde Flcisch der Kokos- 


224 


VIU Von Bomba) nach Cejion 


nUsse, getrocknet wurde Wir sahen die VornchUins^en 
durch welche dieses Material zerschnitten zerstampft, zer- 
ncben wurde bis aus ibm unler dem Drucke gewaltiger 
Pressen em breiter Strom goldig khren KokosOls iii mach 
ttgem Sprude! emporquoll In einer bcsotideren Abteilong 
wurden die 500 Liter lialtenden Passer gebaut diclit gemacht 
und schliesslich gefiUlt um nacli alien Himmelsgegendeii 
versandt zu werden Mit diesem Hauplgeschafte wir frOlitr 
ein Handel mil Kaffee verbunden Ncuerdings w ir an scmt 
StelJe der Thee getreten sejl der Kif/ee in Ceylon den Ver 
beerungen durch ein gewisses Insekt ausgesetzt ist sociis*' 
der Anbau sich nicht mchr lohnt 

Wir verltessen den Freund f(ir cinige Tagc um der oben 
im Gcbirge Iiegenden StadtAa^dj der alien Hiupistidf des 
Reiches cinen Bcsuch ibzuslatten Die dort hinflllircndc Ci* 
birgsbalm durchnuft langcre Zed die dichttn PalmcnwlMer 
des Mlstensaunics bis sie dann am Cebirge cmporslcigciul 
in fllnf Stunden mch Kandy fOlirl An ciner iiilltsfelle bot 
cm Mann ils Erlnsciuing KokosnUsse das Stuck zn zehn 
Pfennig an Ich kiuflc cme solchc cr selling mit Lintm 
wolilgcziellen Hicbc die oberc Deckc ib und so cinpf ng tcli 
dis ktihlt wie cine milti. Lunomde schmecktnde GitrUnk 
mitsimt sciiiem nalllrlichtn Bccher Gegcn Abeiul crrcichtcn 
wir das von bcwildelen Btrgtn umgebene rciztnd in eiiicni 
Ste gclcgcnc hind) An den Ufem desstihen nitJirm 
BuddhisknklOskr denen wir im tolgcnilcn Ti^c eiiKii Bi- 
sucli ibstiittien Um tiiien bcsclitidcnen Me fraum hirum zog 
sicli dis Gcbludt wtichts die Zefltn fdr die Monclie etidikic. 
Wir bcsichtgtcTi cmi soIcJic wticlie gendt kcr stand Lin 
Tisch mit ttntin \\ isstrkrug und tin Irmliclus Ligtr imchtcn 
dtn gmren Ininit ms Die Ubrigcii Zclkn dnrfltn wir riftht 
hitriten wcil uit es hicst die Monelit dirm init StudJrrm 
I tscliaft gt sekn Da ts gtndc um dit lici^se MitiiK*'^‘-b 
war so werden sic wnlil Qber tiuen Pilml liitlnndschriltrn 



Nach Kand> Hn Buddhistenkloster Hcutiger Buddhismus 225 

em wenig emgenickt scin Das Sludieren der MOnche, so- 
■v.eit es Uberhaupt statt hat, besteht wohl Ubcnviegend im 
Abschreiben von Handschriften Das Schreiben geschielit auf 
Streifen von Palmblattern Mit einer Nade), die sich dabei 
auf den immer weiter vorangeschobenen Daumennagel der 
linken Hand stQtzt, warden die rundlichen SchnftzUge von 
der rechten Hand mit grosser Geschwmdigkejt dcm Blatte 
emgegraben und durch eine liinterhcr eingcrtebene Schwarze 
sichtbar gemacht Solche Handschriften smd sehr billig zu 
haben Von cinem Handler auf der Strasse erstand ich fiir 
em paar Rupien cm ganzes Bflndcf soldier bcschnebener 
Palmbiatter und habe daraus manchcn Buddhaschwflrmer in 
Europi beschenkt 

Gegen Abend besuchtcn wir den berUhmten Buddha- 
lempel, m wclchem wir uns unter den Schwarm der aus- und 
emgelienden Verehrer mischfcn Em junger Mbnch erkannte 
uns a!s Fremde und machfe sich mit uns zu schaffen, mdcm 
er unaufgefordert uns auf dieses und jenes im Tempel auf- 
merksam machte Ich liess es mir gefallen war aber nicht 
wenig Uberrascht, als mich der Mbnch zum Schlusse urn em 
Trmkgeld bat „Ich denke, Ilir Buddhisten dUrft kem Geld 
nehmen", sagte ich „lch wHI es auch nicht ftlr mich“, er- 
widerte er, „sondern fttr meme Bticher“ Der Buddhismus 
schemt m der Tat von seiner alten Strenge so ziemlich hlles 
verloren zu haben, wenn ich auch die Geschichte dahmge- 
slelU sem lassen will welche mir unser FUhrer erzahlte, dass 
aus dem Kloster drUben am See vor emigen Jahren em MOnch 
gehenkt wordcn sei, weil er, m cinen Liebeshandel vervvickelt, 
semen Rivalen aus Eifersucht ermordet habe 

Am Nichmittag fuhren wir nacli Pcradeniya, um den 
dortigen weltberUhmten botanischen Garten zu besuchen 
Wir wurden dank einem Erapfehlungsbnefe Freudenbergs, 
sehr zuvorkonimend empfangen und herumgeflihrt Wahrend 
es unten in der Ebene Von Colombo flir viele Pflanzen zu 

t}euss«n Erinneningtn an Ind ra 15 



226 


VIII Van Bombay nach Ceylon 


heiss ist, so gedeiht liier oben alles, was wir von Jugend auf 
zu Schhtzen wissen, Kaffee, Zucker, Vanille, Kampfer, Kakao, 
Zimt und alle mbglichen Gewbrze m freier Luft Emige 
Schuppen dienen zum Schutze gegen Wind und Regen, Ge- 
wdchshauser gibt es m Qbrigen nicbt, denn was iner nicbt 
im Freien fortkommt, das wUrde wohl vlberhaupt nirgendwo 
wachsen Auch viele edie Baumarten wurden uns teils als 
lebende Pflanzen, teils als Holz im Querschnitt gezeigt, und ich 
bemerkte beim Ebenholz, dass nur der mnere Kem des 
Stammes schwarz isf wahrend die umgebenden Scliichten 
sich von denen anderer Baume nichl merkJjch imterscheiden 
Nachdem wir beim Direktor des botanischen Gartens 
den Nachmittagsthee emgenoramen, folgten wir gern seiner 
Einladung, erne benachbarte Theeplantage zu besichtigen 
Alan fuhrte uns durch die nur niedngen, m regelmassigem 
Abstande von einander entfernten TbeesirSuche, an denen 
wir viele Weiblem nut Tragkbrben auf dem Rtlcken be- 
schaftigt sahen Sie sammelten die emzelnen Blatter, wobei 
wie man nur sagte, die Vorschrift besteht, dass von sieben 
Blattern drei gepfliickt werden dftrfen und vier stefien bJeiben 
mbssen Wir wandten uns dem auf der PJantage stehenden 
Hause zu In einem Zimmer war gerade AblOhnung Die 
Weiber drangten sicH mit iliren Kttrben heran em Knabe 
setzte jeden Kerb auf die Wage, und em junger Englander 
beobachtete den Zeiger und warf jeder Sammlerin eimge 
KupferstUcke aus emem vor ibm Iiegenden Haufen zu" Dies 
alles war das Werk ernes Augenblicks, und so wurden viele 
in kurzer Zeit abgefertigt, eintge auch dadurcli, dass sie 
kein Geld, sondern den Korb mit den Biaflern zurflek erhtelten 
Das alles gescliab ohne tJnss em Wort dibm gesprochen 
wurde Welter sahen wir die kanstlichen Vorrichtungen 
zum Rollen und nachfolgenden Dorren der Blatter Vienind- 
zwinzig Stunden nach dem AbpflOckcn der Tficcbiattcr kOnnen 
sie bereits zum OetrSnkc vcnvendcl werden 



Poradeniyi Emc Tliecplantage DerBrotbaum DneSchlange 227 

Unter Donner, Blitz und Regen ernes tropisclien Oc- 
witters, wic sie auf Ceylon hSufig sind, kehrten wir nacli 
Kandy ziirtlck Am nSchsten Morgen machlen wir vor clcr 
Abreise noch einen Spaziergang auf den bevvaldetcn HOgcIn 
der Umgebung Beim Hcraufsteigen vom See aus kanien 
wir an einem Brotbaum vorbei, dessen unfBrmige FrUchte 
ungetahr die QrOsse und Form eines Scliwarzbrotes haben 
Ich liess von einem Knaben eine Frucht herunterholen Sie 
enthielt eine schwammige Masse, in welcher erne grossc 
Zalil von Kernen eingebeftet liegt Nur diese Kerne sind 
es, welche gegessen werden und um dcrentwillen die Frucht 
gescbatzt wird Anmutige Promenadenwege fobrlen bbber 
hinauf und gewahrtcn Du'chblicke auf den See und die 
Stadt von Uberraschender Schbnheit AIlc diese VVege 
waren nach dem Namen irgend einer enghschen Lady, 
Lady Horton's Walk usw,benannt, als wenn diese Damchen 
erst diese paradtesische Herrlichkeit geschaffen batten Noch 
stand die Sonne tief und gliUerte horizontal diirch die 
Butter der Bflume, eine lierrliche Morgenfrische iimwehte 
uns, der Gesang der Vdgel, das Summen der Insekten, der 
ganze Zauber des tropischen Waldes umslrickte uns Unter 
angenehmen GesprSchen schntten wir auf einem teilweise 
mit Blattern bedeckten Waldwege dahm, als ich eben noch 
zur rechten Zeit bemerkte, wie meine Frau im Begriff war, 
ihr FUsschen auf eine gerade Uber den Weg knechende 
schwarze Schlange zu setzen Mit emem Aufschrei nss ich 
sie ziiruck, ich war erscbrockeji, sie war erscbrocken, aber 
auch die Schlange war erschrockcn und schiangelte sich 
eiligst ms Gebilsch, wo sie verschwand Das war die 
einzige Schlange, die wir im freien Zustande m Indien 
wShrend unseres Aufenlhattes vom November bis zum Marz 
angetroffen haben FUr den Europfler, der mit guten Stiefeln 
versehen ist und seme Wege wShlen kann, ist die Schlangen- 
gefahr nicht gross Anders bei den Emgeborenen, wenn 

15 * 



228 


VIII Von Bomba> nach Cejlon 


sle mil nackten Filssen imd Bcinen in den Feldern arbeilen 
Oder zur Naclitzeit wandem Hierbei kann es gar leiclit 
vorkomnien, dass sic imvereelicntlicli auf eiiie Sclilange 
treten, und das konnen die Schlangen nun einmal niclit leiden 
Zwei Stunden spSler waren wir auf dem Bahnhofe und 
sahcn in dcr benachbarten Strasse eine vielbescliriebene 
Scene Drei buddliistisclie MOndic rail kahl gesclioreiiem 
Kopte und langem gelben Oewande liielteii in den Handen 
dire durcli das Obergcwand halbverdeckten Afraosensclialen 
Sie gingen von Haiis zu Haus und blieben schweigend auf 
der Strasse gegenOber der HauslBr stehen, bis jeraand 
bcrausiral und ihnen drei KlOsse. Oder was es sonsi sera 
raodilc, in den Topi legte, Dann gingcn sie weiler Be- 
kannl ist, dass alle Nallrung der buddhistisclien MOnclie 
erbettelt sein muss Was sie ira Laufe des Vorraittags von 
Haus zu Haus gesammelt liaben, das verzehren sie nocfi 
vor Miltag in ihren KlOslern und dOrfen nach zwblf Ulir 
raittags den ganzen Tag keine fesle Speise raehr zu sic 
neliraen Nach allera, was ich gesehen liabe, isl die Lage 
efnes buddhistisclien MOnches noch weniger zu beneiden 
als die eines christlichen, womit doch schon viel gesagt ist 
Auf der RUckfahrt nach Colombo genoss icli noch ein- 
mal die herriiche Landschall und kam nut mir zu dem Sclilosse, 
dass die Natur m Ceylon viel schOner ist als in n len, 
dass aber die BevOlkerung Ceylons lange niclit so 
ist wie die mdische Denn m Ceylon herrsclit der Bu is 
mus, welcher eine grosse Toleranz, aber, als Kehrseile er 
selben, eine ebenso grosse Indifferenz zeigt Wie er 
religibse, so ist auch der politische Fanatismus en 
Singhalese!! fremd Freilich ist Ceylon nicht, wie In len, ^ 
em von England aus beherrschtes und ausgesogenes an , 
sondern eine englische Kolonte, und das ist ein grosser 
Unterscliied In Indien zehrt die sehr kostspieiige er 
waltung das Mark des Landes auf Wiederholt liat man mir 



Bettelnde BuddhistcnmSnchC Ce>lort und Indicn 229 

versichert, dass aUiahrlich 15 Millioneit Pfund Sterling, gleich 
300 Milhonen Mark, fUr Pensionen und Vcrwaltungskoslen 
nach England abgclQlirt werden, ohne dass ein maleneller 
Ersatz dafdr zurtlckfliJsse Das ist ein Aderlass, den auf 
die Dauer auch das reicliste Land nicht ertragen kann „Da 
hatten wir es doch noch bcsser," sagten meine indisclien 
Freunde, „zur Zed der Mohammedaner Diesc plagten und 
schunden uns auf alle Weise, aber sie vergeudeten auch 
das Erpresste wieder, und das Geld bheb im Lande Aber 
die Englander verzehren ihre Pensionen m England, und 
das Land wird immer armer" — Ich kann nicht beurteilen, 
wie wed dvese Klagen begtftudet smd, ich vveiss nur, dass ein 
Freund von nur, em noch mcUt sehr alter Mann, als Colonel aus 
Indien schied und jetzt, m England lebend, als Pension die^ 
Klemigkeit\on 1100 Pfund Sterling gleich 22000 Mark bezieht. 

Was aber den Buddhismus belnfft, dcr diese Abschweifung 
vcranlasste, so kann ich nicht umhin, dem Urteile meines 
FreundesOarbcbeizustimmen.dassdiese Religion der Liebe und 
Barmherzigkeit zugleich die derTragheil und Unwissenheit ist 

Dieser ungQnstige Emdruck konnte auch nicht dutch 
den Besuch verwischt werden, den ich nut Freudenberg zu- 
sammen kurz vor memer Abreise bei Siwmngala, dem Ober- 
haupte des Buddhismus m Ceylon machte Ich fand in ihm 
emen liebenswUrdigen Greis von klemer Gestalt, aber voll 
WUrde und mit emem schonen beschaulichen Ausdrucke des 
Angesichts Er sprach leidlich gut Sanskrit, und unser Zu- 
sammensein verlief aufs beste Aber von emem Feuer, einer 
Begeisterung, wie ich sie von Indien her gewohnt war, konnte 
keine Rede sem Die umgebenden Mbnche gnffen nicht in 
die Unterhaltung ein, vielleicht weil sie des Sanskrit nicht 
hmreichend machtig waren Dies bestatigte sich auch, als 
sie tnir auf emen Wmk des Oberpriesters die schon auf 
Tischen bereitgestelUen Handschnften reigten, wobei wir uns 
muhsam durch ein Gemisch von Sanskrit und Pali v erstSndigten 



230 


Vlll Von Bomha> nach Ceylon 


So rllckfc tier 16 MUrz lieran, an welclicm die von 
Australicn kommende Britannia tins aufnehinen tind in die 
Meimat zurUckfuliren sollte Der Gedanke, von Indien zu 
sclieiden, liatte chsas WclimlUigcs, und dock kclirte icli niclit 
ungern zurlick Ich sehnte micli nach eincr geregelten TStig- 
keit, auch hatte ich in diesem Winter Cine Obcrftllle von 
Eindrheken eingesogen nnd verlangte nach Ruhe, tim das 
alles in mir zu vcrarbciten Dazu kam, dass um die Mitte 
dcs Marz die Sonne Uber Ceylon bei semen aclit Grad nOrd- 
hclier Breile fast scnkrecht stand Der eigene Schatten be- 
schrankte sich ziir Atittagszeit auf cm klemes KlUmpchen 
unter den FQssen Man kam sicli vor wie Peter Schlemih), 
der semen Schatten vcrloren hatte Em glanzendes Dmer 
welches Freudenberg uns zvvci Togo vor der Abreise gab, 
musste im Frack uberslandcn werden und brachte durch furcht- 
bares Schwitzen den Unterschied der Temperaturen luerund 
m Deutscliland reclit fhhlbar zum Bewusstsem Mcinen 
Diener PurSn bezalilte icli aus, fUgte em reichhch bemessenes 
Reisegeld zur Ruckkehr nach Cawnpore hmzu und Iiess ihn 
in Frieden ziehen, denn die zalilreichen Diener des Hauses 
Freudenberg machten seme Hitfe entbehrhch Emgeden 
der Knappheit des Obstes auf den Seeschiffen Ubergab ic i 
einem der Diener drei Rupien mit dem Auftrage, Obst da 
fur zu kaufen Er kam zuruck mit einem grossen Korbe voll 
Ananas und Mangos, Bananen bnd Apfelsmen Unsere ^ 
Dber diesen Schatz sollte nicht von langer Dauer sein 
gleich wir das Obst auf dem Schiff sogleich m den Gefner 
raum brmgen und nur zu den Mahlzeiten herbeiholen Iiessen 
so zeigten sich doch nach den ersten Tagen sclion solche 
Spuren der Faulnis dass wir die Hoffnung aufgaben, das 
Obst auch nur bis Aden zu brmgen, und uns beeilten, nac i 
links und rechts davon auszuteilen, zur grossen Freude un 
serer Tischnachbarn 



Ncuntcs Kapitel. 


Die Heimreise. 

■^^ir batten die ungtinstige Lage unserer Kabine auf dem 
Hvmataya noch lu tebend\g m der EunneTwng, wjti nicht 
fbr die Rlickreise bessere Vorkehrungen zu treffen Schon von 
Bombay aus hattcn wir aul der am 16 MSrz von Colombo 
aWabrenden Britannia erne KajDte aut der rechlen Seite des 
obereti Decks besteUt und die Agentur liatte diese Bestellung 
angenommen Als wjr aber jn Colombo auf der Agentur uns 
emfanden, behauptete man, dort nichts von der Bestellung zu 
wissen, und konnte uns erne bessere Kabme nur bis Aden 
zur Verfligung stellen, da ste von dort ab reserviert sei Am 
Donnerstag frllh zeigte sich vor Ceylon der Koloss der 
BTdTtrmm, wir ^rbbstlJcWen nocb ein ^etztes Mat zusammen, 
nahmen mit warmem Danke AbSchied von Freudenberg und 
wurden auf semen Befebl m dem Kaiserlich deutschen Boote 
von zw&H Btaujacken mil schwarzbraunen Gesichtern zur 
Britannia gerudert Dies gab uns von vomheretn schon ein 
Ansehen, welches aucb mcht gestort wurde, indem wir dafUr 
sorgten, dass man auf dem iurQckkehrenden Boole nur zu- 
fnedene Qesichter sah Die Anker wurden gelichtet, und 



232 


IX Oie Hetntrttsc 


nut Wchmul sahcn wir das ticrrhchc Land ferncr und fer- 
ner rilcken und zutetzt m dcr Abenddammerung vcr- 
schwiiidcn 

Die Britannia war nicht so neii wie dcr Himalaya, da- 
flir aber urn vielcs besser cingcfaliren Der Kapitan uarein 
pflichttreuer, wackcrer Mann, dcr auch fllr seine Passagiere 
cm freundhches Wort tlbng lialle Die Mannscln/t tat pHiikt* 
lich ihren Dienst und die Stewards warm nicht so fan), wie 
die auf dem Himalaya Auch die Passagiere halten em an- 
deres Geprage als das junge, turburlente, hbemiUtige, ver- 
gnOgungssllchtige Volk, das uns auf dem Hinwege begleitet 
Inlte Unsere jctzigen Alitreisenden kamen meist aus Auslra- 
lien und waren zum grosseren Teile gesetzte, aitere Leute, 
die ihre Geschafte dort abgcschlossen haben mochten und 
in die Heimat zurUckkehrten Zwei wackere freidenkendc 
Qeistliche und em Arzt, Dr Jameson — nicht der bcrUchtigte — 
nutseinemrcjzendenTbcIilcrchen VioJethingen engerzusammen 
und wif wurden bald naiier mit ihnen bekannt Vier junge Inder 
schlossen sich nalurgcmtiss an uns an Sie waren fUr urrs 
der letzte Naclihall mdischer Hcrrlichkeit Nattlrlich fehlte 
es auch nicht an weniger sympatiuschen Elementen 

Am Sonntag war zweinial Gottesdienst, und wir htirten 
gern die praktischen, zu Herzen drmgenden Reden der er- 
wShnfen Geistlichen an Da war nichts von Dogmatik, da 
wurden die Verhaitnisse des wirklichen Lebens nut semen 
Besfrebimgen und Sorgen durchgesprochen, und das al/es m 
einer Weise, welche diskret und darum wirksam auf das 
Ewige, Unnennbare hinwies „Viele Leute“, sagte der Geist 
liche, „mUssen bei allem klagen und murren Sie wohnen 
in etner schlechten Gegcnd, In Gambling Street, wir aber 
wollen sie zu unsherilberlockeu, damitsie iJire Wohnung nut 
uns m Thanksgiving Street nehmen und alles, was ihnen zu- 
stdsst, nut Gelassenheit, ja mif Dank gegen die Vorsehung 
entgegennehmen“ 



Die Brilanna 7w.d«lei Predigcr Aden 


233 


Am nliclisten Sonntag hielt em Mtssionar die Predigt 
Die befreundeten Geistlichen erklUrten, dass sic nicht liin- 
gthen wOrden und neten aucli mir davon ab. Dies reizle 
meme Netigierde, und ich ging erst rccht bin Der Text 
\sar aus dem Hoheu Lied «Du bisl die Rose von Saron 
und die Liltc in den Talcrn" Diese Rose, diese Lilie sollfc 
dann )esus sein, und die lolc Taibe, der DuU und wer 
weiss was sonst noch wurde in der gcsclimacklosesteii 
Weise au! das sllsse Jcsulcin angewendet, welcbes unser 
Redner hltschclte und licbkoste, ja aus wcichem cr geradezii 
em Idol machte Von moralisclien Gedanken war in der 
ganzen Predigt keinc Spur zti entdccken 

Wahrend dicser und andcrer Ericbnissc liatte sicli die 
Scliraubc unseres Dampfers Tag und Nacht uncrmlldlicli 
gedreht, und cine Woche nach der Abfalirt, am Donnerstag, 
dem 23 Marz, ankerten wir am sCidwcsflichen Ende von 
Arabien vor Aden Hicr mussten vvir die Post von Bomba> 
an Bord nehmen, die erst gegen Abend cintrcften konnle, 
und so durften wir ans Land geben und uns umsehen 
Am Haten Uegen nur die zu ihm gehorenden Gebaude und 
em elendes Hotel, das Stadtehen Aden begt eine Stundc 
enttemt auf der anderen Scite ones bohen BergrUckens 
Die Umgebimg von Aden ist das Trostloseste, was man 
von Landsebatten sehen kann Da gibt es kelnen Baum, 
keinen Straucti, ja nicht emmal cm Grashaimchen ist zu 
tmden, aUcs ist sonnevetbrannte, ausgedlirTie Wbste Es 
soil hter nur alte drei Jalire einmat regnen Dann wtrd das 
Wasser in emem System von tnchtcrf&rmig nacb unten 
zugespitzten Cisternen aufgefangcn, m deren Tiefen wir erne 
armselige Wasserlache bemerkten Neben diesen Cisternen 
befindet sich der „Park von Aden" Es ist erne klimmer- 
liche Anptlanzung klemcr Baume nut verstaubten, halb 
welken Slattern, welclie schlaff und oline Lebenslust herab- 
hangen Diese mUbsam unterhaltene Anlage ist das Einzige, 



234 


IX Die Hcimrcisc 


was man an V'egetalion m tier Umgegend von Aden 2 U 
selicn bekomint Wir stiegen ans Land, da wo, als Mdtel- 
punkt des Verkehrs, das sclimutzige Hotel liegt Vor dem- 
selbcn gtngen jlldisclic Gcldwcchsler m langem Kaftan und 
von den Schlllfen licrabhangcndcn judcnlocken, unnufhOrlich 
mlt dem Gclde in ilircn Hinden klappernd, Inn und tier 
Ich wechselte cine Rupie, indcm icli niicb daraiif gefasst 
inachte, betrogen zu werden Diese Erwartung bestatigte 
sich, unter dem Wecliscigeldc befand sicli ein falscbes 
Stuck, wie ich erst durch andere und zu spat erfuhr Ich nahm 
cinen elenden Wagen, um auf die PasshOlie zu faliren, von 
welchcr es auf der anderen Seilc zu den Cisternen und 
nach Aden heruntergeht Der Kutscher, ein frechcr Araber 
von entsprechendem Ausscren, crliob leden Augenbhek Ein- 
wendungen gegen die von mirgewahite Fahrt Am Iiebsten 
hatte ich auf den ganzen Wagen vcrzichtet, wenn nur ein 
anderer zu liaben gewesen ware Endlich rappelte unser 
Wagen durch die Oden Sfrassen von Aden und auf den nut 
Stulenhallen umgebenen Markt zu Hier kaufle ich einiges 
Obst, aber es war wenig Geniessbares darunter Wie m 
Agypten und Palastina, so lauerten auch hier Uberall hungnge 
Arabergesichter, immer darauf bedacht, den Fremden aus 
zubeuten Wir kehrten Ober den BergrUcken zum Hafen 
zuruck, und ich war froh, den widerspenstigen Kutscher los 
zu werden Wir sassen einen Augenbhek in dem stark 
besuchten Hotel, aber weder die Umgebung noch die 
Speisen und Getranke luden zu ISngerem Verweilen em 
5o fuhren wir schon gegen Mittag wieder auf das Schi 
Welch em Trost ist es, m wilden, gefShrlichen, verKom- 
menen Gegenden em mitallem Komfort ausgerlistetes Schi 
^Is Zuflucht zu haben' Gegen Abend langte die Post 
Bombay an, und es dauerte mehrere Stunden bis alle le 
tausend GepackstlJcke aus dem einen Dampfer m den anderen 
Jimliber geworfen waren 



Einc trostlosc Undschaft Suez Abcntcucr im Kanal 235 

Die dreitligige Fahrt durch das rote Aleer war iange 
nicht so heiss, wic auf dem Hmwege, da wir bestlindig 
emem krilftigen Nordwmde cntgegenfuliren In Suez wurde 
Proviant eingenommen, und es kamen Hiindler an Bord mit 
Photographien, Obst, Nascbwerk, Sclimucksaclicn und allerlei 
Kram Die Langeweile eincr Seereise bcwirkt es, dass sie 
GescVvWt Knabc bot einen Kerb mit 

Muscheln von seltsamer Bildung fed Eine besonders schOne 
Muschel lag obenauf „Was kostet diese’" fragfc ich — 
„Six pence, Sir“ — „Und der ganze Korb?“ — „Zwei 
Shilling" — „Ich gebe dir einen dafllr" — „Takeit" — 
So wurde die Zahl unserer GephcksUicke noch um ernes 
vermehrt 

Wir fuhren in den Kanal em, es wurde Nacht, und wir 
legten uns schlafen Am /riihen Morgen envacJie icli und 
bemerke mit Verwunderung, dass die Maschine still steht 
Es ist viebeicht wegen des Ausweichens, dachte ich und eiUe 
hinaitf, aber welcher Anblick bot sich hier' An einer ziem- 
lich engen Stelle des Kanals hatte sich die grosse Britannia 
nut dem Schnabel m die sandigen Bbschungen des Ufers 
emgebohrt, und die Wasserstromung welche stets im Kanal 
vorhanden ist, hatte das Hmterteil bis ans andere lifer ge- 
tneben Vor uns und hioter uns m der Feme hielten schon 
erne Anzahl von Schiffen, denen wir die Durchfahrt sperrten 
Au! unserem Verdeck war alle Mannschaft in fieberhafter 
Tatigkeit, der Kapitfln nut hochrotem Kopfe eilte hin und 
her und erteilte seme Befehle Der englische Geistliche be- 
gegnete mir und nef nut trmmphierendem Patnotismus 
„Brttannia bars the Suez CanaU** — ^Pallheroff", erwiderte 
ich gelassen Dve Ursache des UnfaUs wurde bald bekannt 
Der franzOsische Lotse, den jedes Schiff an Bord zu nehmen 
verpflichtet ist, hatte befohlen, langsamer zu fahren Der 
Kapithn hatte eingewendel, dass das grosse Schiff dann 
nicht mehr dem Steuerruder gehorchen werde Der Lotse 



236 


IX Die Heimreisc 


hatle auf scincm Willen bcslanden, und die Folgc war, dass 
wir feststeckten Erne solche Lagc kann sehr unangenehm 
werden, denn wenn cin Scliiff binnen vier Stunden niclil 
wiedcr flott wird, so muss es nach dem Verkehrsreglement 
ausladen, und was das bcdeulet, das balten wir in Aden bei 
Obernahrae der Bombayer Post gesehen Inzwisclien waren 
Kapitan und Mannscliaft eitng damit beschafligt. das Scliiff 
wieder llott zu raachen Starke Eisentaue wurden von der 
Spitze und ebenso vom Hintcrteit des Sctnltes quer liber den 
Kanal nach dcnjenigen Uferseiten gezogen, von vvelchen das 
Schiff sich abgewandt hattc, und dort an PflOcken befestigt 
Diese Taiie wurden von der Schitfsmaschine glcichzeilig nach 
der Ablte des Scliifics hin angezogen, und die Folge war, 
dass der Koloss sich wieder gerade legle und seme Fahrt 
mit einigen Stunden Verspalung forlsetzen konnie 

Es war cm herrlichcr Morgen Die reme Wilsfenluit 
Agyptens umfing uns, und der Nordwind gewalirte erqiiickende 
Klihle Da zeigte sich in der umgebenden WUste bald links, 
bald reclits erne von rair me vorher gesehene Erscheinung, 
namhch eine immer sclioner sich entwickelnde Fata Marsana, 
worunter hier nicht das Sichtbarwerden ciner entfernten Sladt 
durch Luttspiegelung zu verstehen ist, — denn Ostlich vom 
Kanal gibt es nah und fern keine Stadt, — sondern eine 
Illusion, welche entstelit, wenn im Sonnenschein die heissen 
wtistendampte autsteigen Zueist hatte man den Eiiidruck 
einer Chaussee mit lauter gleichen Akazienbaumen, dann 
wiedcr schien eine Reihe von Pelikanen unbeweglich m der 
Feme zu sitzen, und endlich sab man mitten in der Wilste 
em fliitendes, wallendes wogendes Wasser, und in demse en 
baute es sich auf m wagerechlen und senkrechten Lmien wie 
erne Stadt mit hohen Hausern und Ttlrmen, mit mancherlei 
Haupt- und Querstrassen Die Illusion war vollkommen un 
auch das scharfste Opernglas veimochte nicht, sie zu he en 
sondern nur noch zu versMrken Das einzige UnnatPrIicie 



Erne Fata Morgana Port Said Der Taygetos Brindtsi 237 


(label war, dass die Siadt mitten in dem wogenden Wasser 
glelchsam zu schweben schien Ober erne Stunde lang 
konnten wir diese Erscheinung in allef Rulie beobachten 
Gegcn Mittag erreichten wir Port Satd, und da wir 
emige Stunden Aufenthalt batten, so nahm icli unsere vier 
indischen SchUtzhnge mit niir m die Stadt, urn ihnen cm 
fredich nur armliclies Stuck Agyptens zu zeigen Gegen 
Abend stacben wir m See, und jetit war cs nicht mehr die 
Spiegelglatte des mdisclieti Ozeans und des roten Meeres, 
die uns trug, sondern das mittelllindische Meer mit seiner 
lebhaften und stellenweise wOsten Wetlenbewegung Die 
Stimmung der Passagiere war denn auch wcscntlich beem- 
trachtigt, viele verschwanden, hier und da dnickte sich eine 
weibliche Gestalt in die Ecke ernes Strandstuhls, einer 
welkenden Lilie vergleichbar, und zum ersten Male wies 
der Mittagstisch erliebhche LUcken auf In der folgenden 
Nacht passierten wir Kreta, und am naclislen Morgen batten 
wir die SUdspitze des Peloponnes erreicht und konnten den 
hochragenden, schneebedeckten Taygetos zwischen Sparta 
und Messenien in seiner ganzen Herrlichkeit Obersehen 
Dann gmg es den Tag tiber nacb Norden, wUhrend em 
Felseneiland der griechischen Inselwelt«nach dem anderen 
auftauchte und in respcktvoller Feme liegen blieb „lch 
fahre sonst wohl zwischen den Insein durcli," sagte mir der 
Kapit'tn, „aber bei dem jQngsten Erdbeben kOnnte irgend 
etwas in die Hohe gekommen sein, und so ziehe ich es vor, 
das offene Meer zu lialten “ Der Abend kam, und mit ihm 
begann das Abschiednehmen, denn viele wollten wie wir um 
drei Uhr nachts in Brmdisi aussteigen An ein Sclilafen- 
gehen dachten in dieser unruUigen Nacht die wenigsten 
Um ein Uhr nachts wurde noch ein krafliges englisches Frtlh- 
stlick serviert, und bald mch zwei Uhr nahmen wir von dem 
trefflichen Schiffe Abschied und betraten nicht wie sonst 
immer in Booten hmUbergenidert, sondern stolz liber die 



238 


JX Djc HcjjnrcJsc 


Landimgsbrllckc schrcitcnd, welclic die englisclie Gcsell- 
sch.ift fflr Hire Scfilffe liter g^auf hat, den Boden Jfattens. 
Derselbc Tag braclife uns nacli Neapcl, wo tins Iicbe Freunde 
erne warme Aufnahmc bercilcfen Emige Tage weillen wir 
bier und bci imscrcn Preunden in Rom und eilten dann 
(iber Mailand, Basel und Atainz der Hchnaf zu, uo wjr um 
die Mlltc dcs April wohlbehalteit emtrafen. 




Ober den folgenden Anhang vgJ Seile 204. 



ON 


The Philosophy of the Vedanta 

IN ITS RELATIONS TO OCCIDENTAL 
METAPHYSICS. 


An address, delnered before the Bombay Branch of the Royal AslaUe 
Society, Saturday, the 25th February, 1893 


BY 

Dr PAUL DEUSSEN, 


Professor of Philosophy at the Unnersily of Kiel, Germany 


BOMBAY: 

PRINTED AT THE EDUCATION SOCIETY’S STEAM PRESS 
1893 


Price: One Ana. 

To BE HAD Of JYESHTARAM MUKUNJI AND Co , BOOKSELLERS, 
Kalkadevi Road. Bombay 



To 

Aa MY Indian Twends, 

Whose wndness 

Has made .my journey through India 

FROM NOVCMBCR 1832 TILL MARCH 1603 
IN’ ALL PARTS OF THE PENINSUU 

SO DEUGHTruu INSTRUCTIVE, AND HEART- 
ELEVATING, 

\ DEDICATE THESE FEW PAGES. 

IN RECOMMENDING THEAl 
TO THEIR 

SERIOUS CONSIDERATION 

P D 


10 



PAREWELL TO INDIA. 


O, sun of India, uhit fia\c hc committed) 

Tliat we must leaxe itiec and Ihy chitdrcn now, 

Thy Riant-trees thy flowers, so well befitted 
To thy blue heaven's nexcr-frottnlnR brow? 

And }ou, our Indian friends, whose hearty feeling 
Deep sympathy with you has fast obtained— 

from Ceylon to Peshawar and DarjcclinR, 

Arc you now lost to us, so soon as gained'’ 

rarcwcll* Now Space and Time, in separating 
Our bodies, wilt create a cruel wall, 

Until forgetful darkness over-shading. 

Like Himalayan fog, bedims you all 

Did we but dream of your brown loxely faces, 

Of your dark eyes, and gently touching hands? 

Was it a dream, that lett such tender traces. 
Accompanying us to foreign hnds? 

O, yes, a dream is all that we arc living, 

And India be a dream in this great dream. 

A dream, repose and recreation giving. 

Under a paler heaven’s fainter beam 

But what are Time and Space, wtio'e rough intrusion^ 
Wilt separate what Is so near allied] 

Arc they not (aught to be a mere Illusion ? 

May we not be against them fortified? 

O, yes, this thought shall be our consolation, 

When we are severed soon by land and sea I 

Your sui) and oars is one f no separation I 
Keep friendship, fnends, let it eternal be 

Co/omdo, nth Marth, tS93 



On m> JoumC) through India 1 have noticed with satisfaction, that 
in philosopIi> till now our brothers tn the East have ratintalncd a ver) 
good tradition, belter perhaps, than the more active but less contem- 
plative branches of the great Indo-Arjan family m Europe, where Empi- 
rism, Realism and their natural consequence. Materialism grow* from day 
to daj more exuberantly, whilst metaphysics, the very centre and heart 
of serious philosophy, arc supported only by a fevv ones, who have 
learned to brave the spirit of the age 

In India the inllucnce ot this perverted and perversive spint of our 
age has not jet overthrown in religion and philosophj the good traditions 
of the great ancient time. It is true, that most of the ancient iiar^ana’i> 
even in India find only an historical interest , followers of the Sdftklija- 
System occur rarclj , Nydj a is cultivated mostly as an intcUecIiia! sport 
and exercise, like grammar or mathematics,— but the Vedinta. is, now as 
withe ancient time, living m themmdand heart of every thoughtful Hindoo 
It « true, that even here m the sanciuar) of Veddntic metaphysics, the 
realistic tendencies, natural to man, have penetrated, producing the 
misinterpreting variations of (^ankara's Advaila. known under the names 
Vigishtddvaita, Dvaita, (^uddhddvaita of Rdmdnuja, Madtua, Vallabha,— but 
India till now has not yet been seduced by then voices, and of hundred 
Vedantins (I have it from a well informed man, who is himself a zealous 
adversary of ^ankara and follower of R3m3nuja) fifteen perhaps adhere 
to Rini3nuja, five to Madhva, live to Vallabha, and scvcnty-fivc to 
^ankar3ch3r)a 

This fact may be for poor India in so many misfortunes a great con- 
solation , for the eternal interests are higher than the temporary ones, 
and the system of the VedSnta, as founded on the Upanisliads and 
Ved3nta SOtras and accomplished by Sankara s comnentanes on them, 
—equal m rank to Plato and Kant — is one of the most valuable products 
of the genius of mankind in his researches of the eternal truth,— as 1 
propose to show now by a short sketch ot t^ankara s Advaita and compa- 
rison of its principal doctrines with the best that occidental philosophy 
has produced till now 

Taking the Upanishads, as Qankara does, for revealed truth with 
absolute authority, it was not an easy task to build out of tlicir 
materials a consistent ptwlosophicat system, for the Upanishads arc in 
Theology, Kosmology and Psychology full of the hardest contradictions 
So m many passages the nature of Brahman is painted out In various 
and luxuriant colours, and again we read, thvt the nature of Brahman 

to* 



244 


On Ihe phlhsoph) of the Vedinta 


fs quite unaltilniblc to human words, to human understanding,— so we 
meet Sometime‘S longer reports (.xpHning how the world has been created 
by Brahman, and again we arc told, that there is no world besides 
Brahman, and all \arict) of things Is mere error and illusion,— so we 
have fanciful dcscnptions of the Samsira, the way of the wandering sou! 
up to heaven and bick to earth, and again we read that there 
IS no SamsAra, no variety of souls at all, but onl) one Atman who Is 
full) and fofalJj residing In ever) being 

Qankara In these difficulties created by the nature of his materials m 
face of so many contradictory doctnnes, which he was not allowed to 
decline and yet could no! admit nllogeiher,— h« found a wonderful way 
out, which deserves the attention, perhaps the Imitation of the Chnstian 
dogmatists in their embarrassments He constructs out of the rnatemh 
of the Upanishads two s)s(cms one esoteric, plillosophicil (called 
by him mrgund Md^d, sometimes pdramdrthlkd aiostUS) containing the 
metaphysical truth for the few ones rare in all times and countries who 
are able to understand ft, and another exoteric, thcologicaf (sagund 
v/dyd \-}d\ahdrit.t avaslhd) for the g^fwal public, who want images, 
not abstract (ruth, worship, not meditation 

1 shall now point out brichy the two systems, esolenc and exoteric 
m pursuing and confronting them through the four chief parts, which 
pankaras system contains, and eveo complete philosophical system 
must contain — 

1 Theology , the doctrine oT God or of the philosophical principle 

Jf Kosmology, the doctnne of the world 

111 Psychology, the doctnne of the soul 

1\ Eschatology, the doctrine of the last things, the things after desth 


] — Theologv 

The Upanishads swarm with fanciful and contradictory descnplions of 
the nature of Brahman He is the all pervading aka^a is the purusha in 
the sun the purusha m the eye, his head is the heaven his eyes are sun 
and moon his breath is the wind, his footstool the earth, he is infinitely 
great as the soul of the universe and infinitely small as the soul tn us he is 
in particular the ffvara the personal God distributing fustfy reward and 
punishment according to the deeds of man AH these numerous descriptions 
are collected by (^ankara under the wide mantle of the exoteric theo- 
logy the sagynd vidyd of Brahman, consisting of numerous ‘vidyas 
adapted for approaching the eternal being not by Ihe w iy of knon ledge 



1 Theologj II Kosmology 


245 


but h) the way of worshipping, and having each its particular fruits 
Mark, that also the conception of God as a personal being, an tg\ara, 
IS merely exoteric and does not give us a conform knowledge of the 
Atman,— and indeed, when we consider what Is personality, how narrow 
m its limitations, how closely connected to egoism, the counterpart of 
godly essence, who might think so low of God, to impute him perso- 
mhty ? 

In the sharpest contrast to these exoteric vidyds stands the esoteric, 
mrgund vfdyd of the Atman, and ils fundamental tenet Is the absolute 
inaccessibility of God to human thoughts and words, 
yato idea ntvarfante 
aprdpya manasd saha, 

and again 

anjndlant xijdaatdin, 
vijUdtam avijdnafdm, 

and the celebrated formula occurring so often inBrihadaranyaka-Upanishad 
net! f Mtl > vvi , whatever attempt you make to know the Atman, whatever 
description you give of him, f always say na iti na ill, It is not so, it 
IS not so 1 Therefore the wise Bdhva, when asked by the king Vdshkalin, 
to explain the Brahman, kept silence And when the king repeated his 
request again and again, the rishi broke out into the answer "1 tell it 
you, but you don t understand it , (ditto yam dtmO, this Atma is silence ! “ 
We know it now by the Kantian philosophy, that the answer of Bdhva 
was correct we know it, that the very organisation ot our intellect (which 
IS bound once for ever to its innate forms of perception, space, time, and 
causality) excludes us from a knowledge of the spaceless, timeless, godly 
reality for ever and ever And yet the Atman the only godly being is 
not unattainable to us, is even not far from us for we have it fully and 
totally in ourselves as our own metaphysical entity and here, when 
returning from the outside and apparent world to the deepest secrets of 
our own nature, we may come to God, not by knowledge, but by anubhava, 
bv absorption into our own self There is a great difference between 
knowledge, m which subject and object are distinct from each other, and 
anubhava, where subject and object coincide in the same He who by 
anubhava comes to the great Intelligence, "aham brahma asml’ obtains 
a state called by ^ankan Samrddbanam, accomplished satisfaction , and 
indeed what might he desire, who feels and knows himself as the sum 
and totality of all existence I 

n — KOSMOLOQY 

Here again we meet the distinction of exoteric and esoteric doctrine, 
though not so clearly severed by Qankara as in other parts of his 
system 



246 


On the pbttosophy of the Vedanta 


The exoteric Kosmology according to the natural but erroneous realism 
(avidyd) m which we are bom, considers this world as the reality, and 
can express its entire dependency of Brahman only by the mythical way 
of a creation of the world by Brahman So a temporal creation of the 
world, even as in the Chtistian documents, is also taught m various and 
well-known passages of theUpanishads But such a creation of the matenal 
world by an immaterial cause, performed m a certain point of time after 
an eternity elapsed uselessly, is not only against the demands of human 
reason and natural science, but also against another important doctrine 
of the Vedflnta, who teaches and must teach (as we shall see hereafter) 
the " beginninglessness of the migration of souls," samsdrasya andditx am 
Here the expedient of ^afikara is very clever and worthy of imitation 
Instead of the temporary creation once for e%er of the Upanishads, he 
teaches that the world m great periods is created and reabsorbed by 
Brahman (referring to the misunderstood verse of the Rigveda sOr^a 
candramasau dhdtd yathdpQrvam akalpayat), this mutual creation and 
reabsorption lasts from eternity, and no creation can be allowed by our 
system to be a first one, and that for good reasons, as we shall see just 
now—- If we ask Why has God created the world? the answers to this 
question are generally very unsatisfactory For his own glorification? 
How may we attribute to htmsomuchvamlyf— For Ins particular amuse 
ment?But he was an eternity without this play-toy 1—By love of mankind? 
How may he love a thing before it exists, and how may it be called love, 
to create milLons for misery and eternal pain I— The VedSnta has a better 
answer The never ceasing new creation of the world is a moral ne- 
cessity connected with the central and most valuable doctrine of the 
exoteric Vedanta, the doctrine of Samsflra 

Man, says ^ahkara, ts like a plant He grows, flourishes and at the end 
he dies, but not totally For as the plant, when dying, leaies behind 
It the seed, of winch, according to its quality, a new plant grows,— so 
man when dying, leaves his karma the good and bad works of his Idc, 
which must be rewarded and punished fn another life after this No life 
can be the first, for it is the fruit of previous actions, nor the last, for 
its actions must be expiated in a next following life So the SamsSra is 
without beginning and without end, and the new creation of the world 
after every absorption into Brahman is a moral necessity 1 need not 
point out. In particular here in India, the high value of this doctrine of 
Samsdra as a consolation in the dtslresscsi as a moral agent m the 
temptations of life,— I have to say here only, that tlie Samsdra, though not 
the absolute truth is a mythical representative of a truth which In 
Itself is unattainable to our Intellect, mythical is this theory of metem- 
psychosis only in so far as it Invests in the forms of space and time 
wliat rcallj is spaceless and timeless, and therefore beyond ttnj reach of 



tl Kosmolog) 


247 


our understanding So the Samsitra is just so far^from the truth, as the 
Sflgund v/d^d is from the nlrgund vldyd , it Is the eternal truth itself, 
but (since we cannot conceive it otherwise) the truth in allegorical 
form, adapted to our human understanding And this is the character 
of the whole exoteric Vedanta, whilst the esoteric doctrine tries to find 
out the philosophical, the absolute truth 

And so we come to the esoteric Kosmology, whose simple doctrine 
IS this, that in reality there is no manifold world, but only Brahman, and 
that what we consider as the world, is a mere illusion (mdyd) similar to 
a mrigatfishnlkd, which disappears when we approach it, and not more 
to be feared than the rope, which we took in the darkness for a serpent 
There are, as you see, many similes in the Vedinta, to illustrate the 
illusive character of this world, but the best of them is perhaps, when 
Qankara compares our life with a long dream , — a man whilst dreaming 
does not doubt of the reality of the dream, but this reality disappears 
in the moment of awakening, to give place to a truer reality which we 
were not aware of whilst dreaming TTie life a dream 1 this has been the 
thought of many wise men from Pindar and Sophocles to Shakspere and 
Calderon de la Barca, but nobody has better explained this idea, than 
(^ankara And indeed, the moment when we die may be to nothing so 
similar as to the awakening from a long and heavy dream , it may be, 
that then heaven and earth are blown away like the nightly phantoms 
of the dream, and what then may stand before us? or rather in us? 
Brahman, the eternal reality, which was hidden to us till then by this 
dream of hfel— This world is rndyi, is illusion is not the very reality, 
that is the deepest thought of the esoteric Veddnta, attained not by cal- 
culating larka but by anubhava, by returning from this variegated world 
to the deep recess of our own Self (Atman) Dp so, if you can, and you 
will get aware of a reality very different from empirical reality, a timeless, 
spaceless, changeless reality, and you will feel and experience that what- 
ever IS outside of this only true reality is mere appearance, is mSya, 
IS a dream 1 — This was the way the Indian thinkers went and by a similar 
way, shown by Parmenides, Plalo came to the same truth, when knowing 
and teaching that this world is a world of shadows, and that the reality 
vs, wit V?. Vr/tst Tne accord bere o^ Platonism 

and VedSntism is wonderful, but both have grasped this great meta 
physical truth by intuition , Iheir tenet is true, but they are not able to 
prove It, and In so far they are defective And here a great light and 
assistance to the Indian and the Greek thinker comes from the philo- 
sophy of Kant, who went quite another way, not the Vedantic and Pla- 
tonic way of intuition, but the way of abstract reasoning and scientific 
proof The great work of Kant is an analysis of human mind, not in the 
superficial way of Locke, but getbng to the very bottom of it And in 



248 


On the philosophy of the Vedanta 


doing so, Kanl founil, to the surprise of the world and of himself, that 
three essential elements of this oufside world, vrz space, time, and 
causality, are not, as we naturally believe, eternal fundamentals of an 
objective reality, but merely subjective Innate perceptual forms of our own 
intellect This has been proved by Kant and by his great disciple 
Schopenhauer with mathematical evidence, and I have given these proofs 
(the base of every scientific mefaphysics) in the shortest and clearest 
form m my „Elemente der Metaphysik*— a book which I am resohed 
now to get translated into English, for the benefit not of the Europeans 
(who may learn German) but of my brothers ju India, who will be greatly 
astonished to find in Germany the scientific substruction of their own 
philosophy, of the Advaita Vedanta! For Kant has demonstrated, that 
space, time and causality are not objective realities, but only subjective 
forms of our intellect, and the unavoidable conclusion is this, that the 
world, as far as it is extended in space, running on in time, ruled through* 
out by causality, in so far is merely a representation of my mnd 
and nothing beyond It You see the concordance of Indian, Greek 
and German metaphysics, the world is milya, is illusion, says (Honiara, 
—it IS a world of shadows, not of realities, says Plato,— xX is "appearance 
only, not the thing in itself," says Kanl Here we have the same doctrine 
in three different parts of the world, but the scientific proofs of it are 
not in Qankara, not in Plato, but only in Kant 

III — PSYCHOLOOY 

Here ive convert the order and begin with the esoteric Psychology, 
because it is closely connected with the esoteric Kosmology and its 
fundamental doctrine the world is mdyd All is illusive, with one 
exception, with the exception of my own Self, of my Atman A\j Atman 
cannot be illusive, as Qankara shows, anticipating the “'eogilo ergo 
sum“ of Descartes, — for he who would deny it even In denying it, wit- 
nesses its reality But what is the relation between my individual soul, 
the Jlva-Atman, and the highest soul, the Parama Atman or Brahman? 
Here Qankara, like a prophet, foresees the deviations of Rdmanuja, Ma- 
dhva and Vallabha and refutes them in showing, that the Jlva cannot be 
a pari of Brahman (RSmanuja) because Brahman is without parts (for 
it is timeless and spaceless, and all parts are either successions in time 
or co-ordinations in space.— as we may supply),— neither a different 
thing from Brahman (Atadhva), for Brahman is ekam eta adulljam, 
as wc may experience by aaubhava , — nor a metamorphose of 
Brahman (Vallabha), for Brahman is unchangeable (for as wc know 
now by Kant, it is out of causality) The conclusion is, that the JUa, 
being neither a part nor a different thiti& nor a variation of Brahman, must 
be the Paramfltman fully and totally himself, a conclusion miclc 



lit Ps>cholog} 


249 


cquallj by the Vcd/lntin Qankara, by the Platonic Plotinos, and by the 
Kantian Schopenhauer But Qankara jn his conclusions goes perhaps 
further thnn an> of them If really our soul, says he, is not a part of 
Brahman but Brahman himself, then all the attributes of Brahman, all- 
pervadingness, eternity, all-nughfiness (scientifically spoken exemption 
of space, time, causality) are ours, aham brahma asml, I am Brahman, 
and consequently I am all-pervading (spaceless), ctcrml (timeless), al- 
mighty (not limited In my doing by causality) But these godly qualities 
are hidden in me, says Qailkara, as the fire is hidden in the wood, and 
will appear only after the final deliverance 
What is the cause of this concealment of my godly nature? The 
UpAdhis, answers Qankara, and with this answer we pass from the 
esotenc to the exoteric psychology. The Upadhi’s are manas and in- 
dnya's, pr^na with its five branches, sflkshmam fariram, — in short, the 
■whole psychological apparatus, which together with a factor changeable 
from birth to birth with my karman, accompanies my Atman in all his 
v-ays of migration, without infecting his godly nature, as the crystal is 
not infected by the colour painted over it But wherefrom originate 
these Upadhi s? They form of course part of the mSyQ, the great world- 
illusion, and like mdyd they are based m our innate o\tdya or ignorance, 
a merely negative power and yet strong enough to keep us from our 
godly existence But now, from where comes this avidyd, this primeial 
cause of ignorance, sin, and misery? Here all philosophers m India 
and Greece and everywhere have been defective, until Kant came to 
show us that the whole question is inadmissible You ask for the cause 
of avidyd, but she has no cause, for causality goes only so far as 
this world of the Samsdra goes, connecting each link of it with another, 
but never beyond Samsdra and its fundamental characteristic, the avidyd 
In enquiring after a cause of ovWyd with mdya, Samsdra andUpadhis, 
you abuse as Kant may teach us, your innate mental organ of causality 
to penetrate into a region for which it is not made, and where it is no more 
available The fact is that we are here in ignorance, sm and misery, and 
that we know the way out of them, but the question of a cause for them 
IS senseless 


IV —Eschatology 

And now a few words about this way out of the Samsdra and first 
about the exoteric theory of it In the ancient time of the hymns 
there was no idea of Samsdra, but only rewards in heaven and (some- 
what later) punishments in a dark region (padam gabbtram) the pre 
cursor of the later hells Then the deep theory of Samsdra came up, 
teaching rewards and punishment in the form of a new birth on earth 
The Veddnta combines both theones. and so he has a double 



250 


On the philosophy oi the Vedanta 


expiation, first m heaven and hell, andthcnagaln in a new existence 
on the earth This double expiation is different (1) for performers of 
good works, going the pitnydna (2) for worshippers of the sagunam 
brahma, going the dna^dna, (3) for wicked deeds, leading to what Is 
obscurely hinted at in the Upanishads as the tnltyam sthdnam, the third 
place (I) The pU[i^dna leads through a succession of dark spheres to 
the moon, there to enjoy the fruit of the good works and, after their 
consumption, back to an cartlily existence (2) The dc\aydna leads 
through a set of brighter spheres to Brahman, without returning to the 
earth {teshdm na punar dif////A) But this Brahman Is only sagunam 
brahma the object of worshipping, and its true worshippers, though 
entering into this sagunam brahma without returning, have to wait in it 
until they get moksha by obtaining samyogdar(anani, the full knowledge 
of the nirgunam brahma (3) The Iritlyam sthdnam, including the later 
theories of hells, teaches punishment in them, and again punishment 
by returning to earth In (he form of lower castes, animals, and plants 
All these various and fanfastical ways of Samsin arc considered as true, 
quite as true as this world is, but not more For the whole world and 
the whole way of Samsdra is valid and true for those only who are in 
the a\id}d, not for those who have overcome her, as we have to show 
now 

The esoteric Veddnta docs not admit the reality of the world nor 
of the Samsdra, for the only reality is Brahman, seized in ourselves as 
our own Atman The knowledge of this Atman, the great intelligence 
“aham brahma asml,' does not produce moksha (deliverance) but is 
moksha itself Then we obtain what the Upanishads saj 
bhidyafe hcidaya-granlhlh 
ehidyanle sarva-samcaydh, 
kshlyante cdsya karmdnl, 
lasmin dnshle pariSvare 

“When seeing Brahma as the highest and the lowest everywhere, all 
knots of our heart, all sorrows are spUt, alt doubts vanish, and our works 
become nothing” Certainly no man can live without doing works, and 
so also the Jtvanmukia , but he knows it, that all these works are illusive, 
as this whole world is, and therefore they do not adhere to him nor 
produce for him a new life after death — And what kind of works may 
such a man do ?— People have often reproached the Veddnta with being 
defective m morals, and indeed, ttie Indian genius is too contemplative 
to speak much of works , but the fact is nevertheless, that the highest 
and purest morality is the immediate consequence of the Veddnta The 
Gospels fix quite correctly as the highest Jaw of morality ‘ love your 
neighbour as yourselves But why should 1 do so since by the order 



IV Eschatolo^ 


251 


of nature 1 feel pain and pleasure only in myself, not in my neighbour? 
The answer Is not in the Bible (this venerable book being not yet quite 
free of Semitic reahsm), but it is m the Veda, is in the great formula 
"tat tvam asl,” which gives fn three words metaphysics and morals 
altogether You shall love jour neighbour as yourselves,— because jou 
are your neighbour, and mere illusion makes you believe, that your 
neighbour is something different from yourselves Or m the words of 
the Bhagavadgitlh he, who knows himself in everything and everything 
in himself, will not Injure himself by himself, na hinasil QtmanA 
dlmanam This is the sum and tenor of all morality, and this Is the 
standpoint of a man knowing himself as Brahman lie feels himself 
as everything,— so he will not desire anything, for he has whatever 
can be had, —he feels himself as everything,— so he will not injure 
anything, for nobody injures himself He lives in the world, is surrounded 
by Its illusions but not deceived by them like the man suffenng from 
tiniirfl, who sees two moons but knows that there is one only, so the 
Jlvanmukta secs the manifold world and cannot get nd of seeing it, but 
he knows, that there is only one being. Brahmin, the Atman, his own 
Self, and he verifies it by his deeds of pure uninterested morality And 
so he expects his end, like the potter expects the end of the twirling 
of his wheel, after the vessel is ready And then, for him, when death 
comes, no more SamsSra na tasya prdnd utkrdmanlt brahma eva san 
brahma apyetif He enters into brahman, tike the streams into the ocein 
yathd nadyah syandamdadh samudre 
astam gacchanU ndmarOpe vihdya, 
tathd vidvdn namardpdd vmuktah 
pardt param purusham upaltl divyam 
he leaves behind him ndma and rdpam, he leaves behind him indivi- 
duality, but he does not leave behind him his Atman, his Self U is 
not the falling of the drop into the Infinite ocean, it is the whole ocean, 
becoming free from the fetters of ice, returning from his frozen state to 
that what he is really and has never ceased to be, to his own all perva 
ding eternal, all mighty nature 

And so the Veddnta, in its unfalsified form is the strongest support 
of pure morality, is the greatest consolation m the sufferings of life 
and death, — Indians keep to it* — 



Zusatze und Verbesserungen. 

S 13 7 22 und S 23 Z. 21 diola hazlrl wird von den In Indien 
lebenden Cngtdndem gewOhntich gesagt, richtiger wire cbotl hSzlrl 
Hmgcgcn sInd pankha, ekka paljama, fflr wclche der Usus im Abend- 
lande sottcit em solcher bcstcht, sich dem rcmimnum zunctgl, int Hm- 
dostani Maskiilina 

S 75 Z 17 statt dcr lies den 

S fil Z. 2i Osman CUas A/ffAiT/7T/77frf Padlsdtah Ues l/w* 
ftammed Ellas Osman Padrsdwft (dcr erslc Name ist dcr cigenc dcr 
z\vcttc dcr dcs Vaters, der dritie wotil dcr dcs Grossvaters) 

S 88 Z. 5 stall PijatarTiapifft lies ffijolaranumt 
S 100 Z (i statt bcireffenen lies betreffenden 
S 113 Z 31 statt cin lies cinen 
S 110 Z 22 unt Ues und ' 

S J30 2 28 Schwiegervafers lies Pf/egevaters 
S 142 2 28 stall IndnakOpa lies JRinakOpa 
Die Schrclbung indischer Wortcr wurdc tunlichst an die bei uns 
fur das Sanskrit flbliChc angcschlosscn, wahrend fOr anglisierte Aus- 
driicke die englische Transskriplion befoigt werden musstc (Daher 
z B Sanskrit neben Sanscrit College) Fur die modemen Ortsnamen, 
deren Schreibung in Reisebuchcrn und aiif Landkarten eine sehr scliwan 
kende isU war Thaders Patlvay Guide Jor the nhote of India mass 
gebend Eine vblligc Konsequenz war nlcht zu erreichen 



Register. 

(0 t Zihln aul «:i< S< (t*! ) 


Aberglaubc 34 G3 13D 145 
Aden 15 233 
Alien 02. U2 I2t^ 

Agra 7o f!„ 

Ahmedibad 53 Hg 
Akbar 78 
Allahabad I8j fig 
Amber GO 09 
Amntsar IQO fig 
4nanda^rania Insbtut 210 fig 
\r)as3’naj 80 fig 

AsketenG7 fig 135 llg sgl U7 152 
Ayodhjd 127 (Ig 

Baden (rcIgio$c$) 25 34 Cl 118. 

131 I5Z 
Bankiporc 14G 
Baroda 47 fig 
Benares 130 fig 
Bctelkauen 23 30 
BettlerCS 112 1 10 fig 132 

Bombay 19 fig 202 fig 
Brahmasamd] 30 154 
Britannia (SchUl) 232. 

Brol lOa fig 
Brolbaum 227 
Buddha-Oayd 14S fig 
Buddhaiempel IM 225 
Buddhismus 61 148 lOG 167 225 
228. 229 

BuddhistcnkiOstcr 224 
Calcutta 152 ilg 174 fig 
Candranagaram 151 
Cawnpote 120 tig 
Cevlon 221 llg 228 llg 
Chapati 80 195 
Cholera 59 102 122 
Ciprd 197 198 199 
Utra 54 56 

Colombo 222 fig 229 fig 
Cosmopoltan Club 202 llg 209 

g rdddham 150 

ak Bungalow 19 fig vgl 147 150 
l9o fig 

Darjeeling 164 llg 


Delhi 102 fig 

, Dharmasamdi S(i 114 fig 
. Dum Dum 174 
I Ctserrbahnen 44 45 fig 
Fkka 29 120 

Elcfaotcn 49 50 M Hg Ui GO lf>j 
I 199 llg 
Elephania 34 fig 
Cverest Mount s Gaurl^ankar 
Farewell io India 242. vgl 204 213 
Fata Morgana 230 fig 
Fatchearh 119 

Frauen 37 fig 50 53 79 108 145 
155 207 

Fyiabad 127 129 

Gangd (Ganges) 121 I3I fig 140 
187 fig 

Gaurl^ankar 1C3 llg 
Gayd 147 fig 149 fig 
GarcttLCr 217 
Gcld«cscn 21 
Ghaitas 115 131 202 
GOttcrbildcr 40 207 212. 

Ooom 1C4 
k Qopuras 219 
llaifisch IG fig 
llaushallung 174 fig 
Hcihgc30flg 135 fig 175 fig 
Hciikundc 115 

ilimfliaya 16] fig ' 

Himalaya (Schilt) 7 fig 
Hochrcilen 143 llg 20 p fig 
Uni lest 212 Ur 
llotclwesen 19 21 fig 
llughli 152 181 

1 Huqqi (Wasscrpfeife) 93 182 fig 
Independent tribes 90 94 
I Indore 193 
' Indus 83 

ii ai^as 61 

alpur OG fig 
ainrud 91 fig 
lalideh 200 
Kandy 224 llg 



254 


Register 


Kischmir 88 
Kanclilnjinea 170 tig 
Kasten 25 fig 32 «) W fig 74 177 
195 220 

Khaibar Pass 90 91 92 
Klnndwa 192 202 
Kinderheirafen 71 fig 
KIcidung 32 
Klima 5b fig 
Kokih IGO 

Korscheong Bazar 164 
K[ishnalegendc llO fig 
Krokodilfuttcrung 69 fig 
Lahore 82 84 fig 98 fig 
Leichenvcrbrennung 36 fig 131 fig 
Lcschalle 190 
Lucknow 123 fig 
Macka 50 
Madras 213 fig 
Madura 219 fig 
Mahlrija von Baroda 47 135 
, , Benares 133 fig vergi 

116 

Mahlrdia von Vljayanagaram 217 fig 

Mahlvan 110 117 

Mahtzeiten 70 fig 

Malabar Hill 30 34 

Mathura 114 fig 

Mhow 193 

M8sIonare 64 172 fig 
Moghal Sarai 1^ 

Mohammedaner 83 fig 123 128 
155 196 

Moschusratte 123 
Muckenplage 215 fig 
Muschelblasen 117 
Musik 53 190 fig 
Naihati 15S fig 
Nairafijana 141 
Narmada 192 fig 
Nepal 165 J6S fig 
Nyagrodha 181 fig 220 
Opfer (vedisches) 40 fig 
Opferschnur 159 
Pa jSma 13 

Pandits 2 31 fig 98 99 108 fig 113 
144 fig 

Pankha 12 215 
Parsi s 37 fig 
Pdtaliputra 146 
Pendsebib 82 fig 

FlUsse des P 97 fig 102 
Mima des P 97 


. Pcradcniya 225 fig 
Pcschawar 89 fig 93 fig 
Philosonhie 93 176 213 243 fig 
Pinjn Pol 02 03 fig 173 
Pockengefahr 101 fig 
Pondicherry 151 
Poona 210 fig 
I’oft Said JO 237 
PraySga 185 187 fig 
Professoren 51 fig 73 fig 137 fig 
155 fig 
Rijagrlha 149 
Rauchen 80 fig 195 
Kiwal Pjndi bS 96 
Rciscdiencr 24 fig 118 fig ^120 123 
Rcisekoslcn 21 . 

SJdhus 04 148 fig 
Sankhyasystem 158 fig 177 tgl 12 
243 

Sanny^sin s 135 fli, 211 
Sartnydsinls 176 fig 
Sarasvall 102 

irtSnIs C 2 lie 122 pr fl! 

Schulcn 3S 51 llg 159 191 
Seclcnwanderungsglaube 70 246 Ug 
Sikindra 78 
S hgurl 162 173 ^ ^ ,, 

Sprachen Ind ens 214 fig 
Smz 11 235 ,, 

Suezkanal 11 235 fig 
Tdj Mahal 75 fig 
Tanjore 219 
TanzmSdehen 144 

ThMter 41 fig 49 fig 125 fig. 

"n 'n' »> 

185 

Toddy 147 160 
Tnchmopoly 219 
Tropenkoller 14 fig 
Turme des Schweigens 38 tig 
Tut conn 220 
Upayini 194 fig 
Untemchtswesen 51 
Vedanta 3 fig 243 fig 
Vnndaban III fig 
Widderkampf 193 
Witwenverbrennung tlo 198 
Yamuna 75 187 
Yoga 77 177 
Zeltwohnen 207 fig 



255 


Von demselben Verfasser sind erschienen 

Commentatio dc Platonis Sophlslae compositione ac doctritia 
Bonn, Marcus, 1869 1 Mk 20 Pf 

Das System des Vedanta nach den Brahma-Siifra’s des Bflda- 
rSyana und dem Commentare des Qankara ttber dre- 
selben als eni Compendmm der Dogmatik des Brahma- 
nismus \om Standpunkt des ^ankara aus dargestelit 
Lcipztg, F A Brockhaus, 1883 12 Mk. 

Die Sutra’s des Vedanta Oder die Q.lnraka-Mimdnsd des 
Badaraysna nebst dem vollstandigen Commentare des 
tjankara Aus dem Sanskrit Obersetzt Leipzig, F A 
Brockhaus, 1887 18 Mk 

On the philosophy of the Vedanta in its relations to Occi- 
dental Metaphysics, an address delivered before the 
Bombay Branch of the Royal Asiatic Society, the 25”’ 
February 1893 Bombay 1893 One Ana Leipzig, 
F A Brockhaus 10 Pf 

Zur Ermnerung an Qusta> Glogau, geboren am 6 Juni 1844 
zu Laiikischken (Ostpreussen), gestorben als Professor 
der Philosophic an der Umversitat Kiel am 22 MSrz 
1895 zu Laurion (Attika) Gedflchtnisrede gehalten an 
der Christian Albrechts-Umversitat am It Mai 1895 
Kiel, Lipsms & Tischer, 1895 50 Pf 
liber die Notvs endigkeit, beim mathematisch-naturwissenschaft- 
lichen Doktorexamen die obligatonsche PrUfung m der 
Philosophie beizubehalten Kiel, Lipsms & Tischer, 1897 
50 Pf 

Jakob Bohme. Ober sem Lehen und seme Philosophie 
Rede, gehalten (m kurzerer Fassung) zu Kiel am 8 Mai 
1897 Kiel Lipsms & Tischer, 1897 50 Pf 



256 


Sccluiji Upamshads dcs Veda, aus dem SanSknt Qbersetzt 
und mit Emleifimgcn und Anmerkungen versehen 
Leipzig, F A Brockinus, 1897 Geli 20 Mk, geb 
22 Mk 

Angemclne Oeschlchlc der Philosophic miJ tic^onderer Be- 
rHcksichtlgung der Rcligioncn (2 Bande in 6 Abteilungen) 
Erster Band, erste Abteilung Al/gemeine Einlcitung 
und Pliilosophie des Veda bis auf die Upamshads 
Leipzig, F A Brockliaus, 1894 7 Mk 
Erster Band zweite Abtcilung Die Philosophic der 
Upamshads Leipzig, F A Brockliaus, 1899 9 Mk 
Ennnerungen an Fnednch Nietzsche Mit dnem PortrUt und 
drei Briefen in Faksimile Leipzig, F A Brockliaus 190! 
Geli 2 Mk 50 Pf^ geb 3 Aik 50 Pf 
Die Elcmente der Aictaphysik. Ats Leitfaden zum Gebrauche 
bei Vorlesungen sowie zum Selbststudium zusammen- 
gestellt Dritte, durch erne Vorbetrachtung Ober das 
Wesen des Idealismus vermehrte Auflage Leipzig 
F A Brockhaus, 1902 5 Aik (Engliscli, London 
Macmillan & Co, 1894 Franzbsisch, Pans, Perrin 
, et Cie 1899) 

Outlines of Indian Philosophy Bombay 1902 

, (Indian Antiquary) 

Discours de la M^thode pouf bien cludier Ihisfoire de la 
phifosopfiie et chercher la vente dans les sysfemes Pans 
Armand Collin, 1902’ 

Der kalegorisclie Imperativ Rede Zweite Auflage Kiel 
Lipsms «S Tischer, 1903 50 Pf 


Dnick von G Reichardt Groilzsch i S 



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